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Full text of "Grundriss der germanischen Philologie"

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GRUNDRISS 


DKK 


GERMANISCHEN  PHILOLOGIE. 


III.  Band. 


GRUNDRISS 


DER 


GERMANISCHEN  PHILOLOGIE 


UNTKR  MITWIRKUNG  VON 


K.  VON  AaiRA,  W.  Arndt,  Ü.  Behaghel,  D.  Behrens,  A.  Brandl,  O.  Bremer, 

E.   EiNKNKEL,   V.   GUDUUNDSSON,    H.  J  EI.UNGHAUS,    K.  Th.  VoN  InAMA-STERN- 

BOG,  Kr.  Käluxd,  Fr.  Kauffmann,  F.  Kluge,  R.  Koegel,  R.  von  Liuencron, 
K.  LuicK,  J.  A.  LuNDELL,  J.  Meier,  E.  Mogk,  A.  Noreen,  J.  Schipper,  H, 
-Schuck,  A.  Schultz,  Th.  Siebs,  E.  Sievers,  B.  Symons,  F.  Vogt.  Ph.  Wegener, 

J.  TE  Winkel,  J.  Wright 

HERAUSGEGE3L-N 
VON 

HERMANN  PAUL 

OKU.  pRuii.ssiiK  hkk  ni;rrM.iii;N  piiiK<ii.o(;iii  an  ui^k  imveksitat  mCn\ih£N. 


ZWEITE  VERBESSERTE  UND  VERMEHRTE  AUFLAGE. 


DRITTER  BAND: 


WlKTSCHAt'T.   —  KKlIIT.    —    KIllFli>WE-h.\.  M  VTIIOLOUIF.. 

SITTE.  —    KLNüT.    —    HhI.I)R.V-..V<;i:,  KTHXOr.UAl'HlK.   — 

>ai:hkf.cistkh. 


MIT  SECHS  KARTEN. 


STi<.\S.^lU'R<;. 

KARL  J.   TKCHNKR. 

1900. 

[AUo  Kfthli.',  iH-s.tuli.-rs  J,)-  Jl-i   CbLTT-i-tiuni;  vurbchitltcn  ] 


430 

?3a4 

N.3 

Votum  oFim 

IfliMD  STAKFORD  J,l  UHIVEKUn. 

MAR  5    J900 


INHALT. 

Seite 

Ikhältsverzeichms V— xvn 

"vni.  abschnitt:  WIRTSCHAFT  von  K.  Tu.  von  Isama-Stersegg         1—50 

/.  Ausbau  des  Landes.     Soziale  Ordnung 2 

{Deutsche  VerhlUnisse  2.  —  Englische  Verhältnisie  7.  —  Skan- 
dinavische  Verbältnitse  10.) 

2.  Agrarverfassung  und  Landeskultur 12 

(Dorf-  und  Hofsystem  12.  —  Domanium  uad  Grundherrschaft 
14.  —  Veränderangen  wthrend  des  späteren  Mittelalters  16.  — 
Formen  der  Bewirtschaftung  18.  —  Spezialk  ulturen  20.  —  Eng- 
lische Agrarverfassung  21.  —  Skandinavische  Agrarverfassung  23.) 

3.  Stadtverfassung  und  Oewerbe 23 

(Die  Bevölkerung  der  St&dte  24.  ~~  Wirtschaftsleben  in  den 
deutschen  Städten  26.  —  Zunftwesen  28.  —  Bergwerk«  und 
Salinen  30.  —  Englisches  Stfidtewesen  31.  —  Skandinavisches 
StAdtewesen  33.) 

4.  Handel  und   Verkehr 35 

(Alteste  Handelsbeziehungen  35.  —  Städtebündnisse  37.  —  Die 
Hansa  38.  —  Englands  Handel  4I.  —  Skandinavischer  Handel 
42.  —  Geldgcbrauch  43.  —  Deutsches  Mnnzwesen  44.  —  Eng- 
lisches Münzwesen  47.  —  Skandinavisches  Münzwesen  48.  — 
Der  geschäftliche  und  der  öffentliche  Kredit  48.) 

DE.  ABSCHNITT:  RECHT  von  Karl  von  Amira 51—222 

»INLEITUXG 51 

§     I.  Germanische  Rechte  und  germanisches  Urrecht  51. 
%     2,  Zeit  der  Überlieferungen  52.  —  Literatur  52  —  54. 
§     3.  Vergleichende  Forschung  54—56.   —   Zweck    des  Grund- 
risses 56. 

A.  Rechtsdenkmäler. 

/.  Allgemeines 57 

§     4.  Das  Recht  57.  —  Arien  seiner  Denkmäler  58—61. 

3,  Südgermanische  Schri/l'werke 61 

§     5.  Die  ältesten  Rechtsaufzeichnungen  überhaupt  61.  —  Die 

gotischen  und  burgundischen  63 — 64. 
§     6.  Gesetze  und  Weisthämer  im   fränkischen   Reich  64^>6S. 

—  Langobardische  und  angelsächsische  Gesetze  68 — 70. 
§     7.  Die  älteste  juristische  Literatur   70—74. 
§     8.  Räumliche  Begrenzung  des  Denkmälerkreises  im  Mittelatter 

74.  —  Angelsächsische  Denkmäler  im  MA.  74—77. 
S     9.  Das  kontinental-deutsche  Recht  im  MA,  77.  —  Bauern- 

und  Stadtrechte  78  —  81, 
§   10.  Deutsche  Territorial  rechte  81—85. 
I  II.  Deutsches  Reichsrecht  85. 


VI  Inhalt:  ix.  Recht. 


Seite 

§  12.  Gesetze    und  Weisthümer  der   persönliehen   Verbände  in 
Deutschland  86-88. 

§   13.  Die  Formolarliteratur   Deutschlands  im  MA.  88. 

§  14.  Die  Rechtsbücher  Deutschlands  im  MA.  89—94. 

§   15.  Fortsetzung  94—96. 

§  16.  Die  übrige  juristische  Literatur  im  mittelalterlichen  Deutsch- 
land 96—98. 

§17.  Rezeptionen  und  Fälschungen  98. 
3,  jVorJgtrmtiiiischi-  Stfiriftwrke 9^ 

§  18.  Die  skandinavischen  R echtsau fzeichnungen  im  Allgemeinen 
100  —  102. 

§  19.  Dänische  Rechtsbücher  und  Weisthümer  102. 

§  20.  Dänische  lindes-  und  Reichsgesetze  103 — 105,  Stadt-  r.nd 
Marktrechte  105,  Gilden-  und  Gefolgscbaftsstatuten  106. 

§  21.  Kontinentalschwedische  Landschaftsrechte   107  —  110. 

§  32,  Reichsgesetze  und  Statuten  in  Schweden  iio  — 112. 

§  33.  Die  RechUdenkmäler  in  Gotland  112. 

g  24.  Norwegische  Landschafts-  und  Marktrechte  113 — 115, 

%  25.  Spätere  norwegische  Gesetxe  und  Privatarbeiten  115^117. 

§  a6.  Isländische  und  ftcröisch«  RechtsaufzeichnODgen  117 — izo. 

B.  Rei'ht.s.«.tf-ktCmer I20- 

/.  Land 121 

§  27.  StaatsgebT^ie  121. 

^  28.  Hundert<ichaft  und  Schiffsbezirk  122. 

$  39.  Mittel  bezirke,  landesherrliche  Verwaltungssprengel,  Thing- 

verbändr  1 23. 
^  30.  Langobardische  Bezirksverfassung  insbesondere  124. 
§  31.  Politische  Gemeinden  125 — 127. 
S  32.  Grenzen   127. 

2.  Lftih- I3Ä 

§  33.  Die  Freien  überhaupt   129. 

§  34.  Geburtsadel   130. 

S  35.  Oiuimatt-n   131— 133. 

§  36.  Ritter  133. 

S  37-  Klerus   134. 

§  38.  Klassen  der  Gemeinfreien  134  —  136. 

§  39.  Minderfreie  136. 

S  40.  Forlsetzung   137. 

g  41.  Unfreie  138— 141. 

§  42,  Ebenburt  141. 

g  43.  Recht-  und  Ehrlose  141. 

§  44.  Gäste  und  Juden  143. 

3.  Herrscher 14J. 

§  45.  Königthum  überhaupt  143  — 146, 

g  46.  Ausbildung  des  Königthums  in  einzelnen  Staaten    146. 

§  47.  Verfall  des  Königthums  147. 

§  48.  Kaiserthum   148. 

§  49.  Immunität  149. 

§  50.  Munt  150. 

§  51.  Grundberrschaft  und  Landeshoheit  151  — 153. 

§  52,  Die  isländische  Godengewalt  153. 

4.  Vfrwandtschafi liehe   Verhältnisse 15^ 

§  53.  Die  Blutsverwandten  155. 
§  54.  Sippe  156—159. 
f  55.  Fortsetzung   159. 
§  56.  Ehe  160  —  163. 


Inhalt;  ix.  Recht;  x.  Kriegswesen;  xi.  Mythologie.  VII 

SdM 
§  57.  ForttetzQDg  (eheliches  GStenrecht)  163. 
§  58.  Eltern  und  Kinder  164. 
§  59.  Boodbrüdenchaft  und  Gilde  165 — 167. 
g  60,  Annahme  an  SohnessUtt  und  Gefolgschaft  167. 

5.    VtrmügeH 168 

§  61.  Eigenthum,     Gesammteigenthum    an    Grund    und    Boden 

169—171. 
§  62.  Indtvidualeigenthum  an  Grund  und  Boden  171  — 173. 
$  63,  Bewegliches  Gut  173—175' 
tl  64.  Mobiliareigentham   175 — 177. 
<^  65.  Rechte  an  fremdem  'iut  177  —  179. 
({  66.  Besitz  179. 
S  67.  Schulden  180—183. 
§  68.  Haftungen   182  —  185. 
S  69.  Gescbsrie  185. 

§  70.  Fortsetzuog(FormenundBe9tärkungderGeschäfte}i86 — 189. 
§  71.  Forueuung  (Urkunden)  189. 

6.  Verbrrcfutt  und  Strafen 19I 

$  73.  Der  Friedensbrnch  überhaupt  191. 

§  73.  Die  unabsichtliche  Obelthat    192. 

9  74.  Übelriiaten  von  Thieren  und  Unfreien  193. 

§  75.  Schwere  der  Friedensbrüche  193, 

%  76.  Fortsetzung.     Theilnalime  194, 

§  77.  Friedlosigkeit  193  —  197. 

§  78.  Die  öfTentliche  Strafe  im  Heidentbum  197. 

$  79.  Die  ößcntliche  Strafe  in  christlicher  Zeit  198. 

S  80.  Die  Sühne  199— 30I. 

§  81.  FonseUung  201. 

§  83.  Das  Recht  zur  Verfolgung  eines  MissethZUers  202, 

7.  Gfricht  und  Rrchlsgang 20> 

%  83.  Das  ahgermaniscbe  Staatsgericht  203 — 207. 

§  84.  Jüngere  Verfassungen  der  ordentlichen  Gerichte  207, 

ji  83.  Das  Königsgericht  208— 2  to. 

$  86.  Privalgerichte  210. 

$  87,  Allgemeine  Grundsätze  des  Rechtsganges  in  der  Sitesten  Zeit 

21 1 — 213. 
%  88.  Allgemeine  Grundsätze  des  Kechtsganges  in  jüngerer  Zeit 

213. 
§  89.  Das  älteste  Beweis  verfahren  214— 317. 
§  90.  Der  Zweikampf  217. 

%  9t.  Verminderungen  des  Beweisverfahrens  218  —  230. 
S  92.  Die  Vollstreckung  220 — 222. 

X.  abschnitt:  KRIEGSWESEN  von  Alwin  Schultz      .    .    .    223—329 

Ältere  Zeit  223.  —  Blutezeit  des  Rittertums  225.  —  Spätmittel- 
alter 237. 

XI.  ABSCHNITT:  MYTHOL<X5IE  von  EufiKN  Mogk 330—406 

/.   Volksgtaubtn  und  Rvh'i^ion,  Mythos  und  Kult;  die  Aufgaben  der 

Mythenforschung 230 

IJ.  Die  Quellen  des  Glaubens  der  alten   Germanen 233 

III,  Geschichte  der  germanischen  Mythologie 238 

JV.  Das    Verhältnis  der  nordischen  zur  deutschen  Mythologie  .     .     .  347 

V.  Der   Seelenglaube  der  alten    Germanen 249 

Die    verschiedenen    Schichten    übersinnlicher    Vorstellung    249. 
Sorge   für  die  den  Leib  verlassenden  Seelen  251.     Gestalt  der- 


VIII  Inhalt:  xi.  Mythologie;  xu.  Sitte. 

Seite 
selben  254.  Ihre  Wobnsiue  256.  Orte  und  Zeiten  ihres  Er- 
scheinens 259.  Träume  261.  Verschiedene  Gestalten  des  altea 
Seelenglaubens  263.  Gespenster  264.  Dmckgeister  266,  Alp, 
Trude,  Schrat  268.  Valkyrjen  269,  Die  nordischen  Fylgjur  271. 
Werwolf  272.  Berserkr  273.  Bilwis  273.  Hexen  274.  Die 
Holden  und  Perchten  278.  Xomen  2S1.  Schwanenjungfrauea 
284. 

VI.  Die  elßsikcn  Geister 285 

Allgemeines  285.  Elf  und  Wicht  286.  Zwer^^  289.  Hausgeister 
392.     Wald-  und  Feldgeister  393.     Wassergeister  295. 

Vif.  Die  Dämonen 298 

Allgemeines  298.  Bezeichnungen  und  Auftreten  der  Dämonen 
300,  Wasserdämonen  301.  Winddämonen  307.  Bergriesen  30S. 
Die  übrigen  Riesengestalten  und  -mythen  309. 

VIII.  Die  altgermaniiihen   (iö'tttr 312 

IX,  Der  altgermanische  HimmehgoH 313 

Ziu  313.    Heimdallr  317,     Freyr-Nj^rdr  318,     Baldr-Forseli  323. 

X.   Wödan-Ödinn 328 

Entwicklungsgeschichte  der  Wödansverehrung  328.  Wödan  als 
Gott  des  Windes  333,  Wödan  als  Totengott  337.  \V6dan  als 
Kriegsgott  338.  ValhpU  339.  Odinn  als  Gott  der  Weisheit  und 
Dichtkunst  341.     Wödan  als  Himmels-  und  Sonnengott  345. 

XI.  Loki.  —    UUr.  —  Hirnir 346 

Lokis  Name  und  Verwandtschaft  346.  Lokis  Verhältnis  zu  Odinn 
und  Th6r,  seine  Thatcn  348. 

XII.  Donar-TImrr 353 

Allgemeines  353.  Äussere  Erscheinung  Thors  356.  Thors  Ver- 
wandtschaften 358.  Thors  Riesenkämpfe  360.  Thor  als  höchste 
norwegische  Gottheit  364. 

XIII.  Isldndisch^not-cegische  Götter 365 

Vidarr  365.     Bragi  365. 

XIV.  Die  Göttinnen 366 

Allgemeines   366.      Xertbus    367.      Frija  —  Frigg   369.      Freyja 

371.  Tanfana  373,  Isis  374.  Sinthgunt  374.  Auströ  374. 
Itfunn  375.     Gefjon  375. 

XV.  Die  eddische  Kosnu}gonie  nnd  Eschatologie 37^ 

Die  Schöpfung  der  Welt  376.  Die  Schöpfung  der  Menschen  377. 
Die  Einrichtung  der  Welt  378.  Die  germanischen  und  speziell 
nordischen  Vorstellungen  vom  Leben  nach  dem  Tode  380.  Unter- 
gang und  Erneuerung  der  Welt  381. 

XVI.  Kultus  der  alten   Germanen 3^3 

Allgemeines  383.  Das  altgermanische  Gebet  und  Opfer  384. 
Opferzeiten  390.  Hergang  beim  Opfer  393.  Ort  der  Götterver- 
ebrung  394.     Priester  399.     Weissagung  400.     Zauber  404, 

XII.    ABSCHNITT;    SITTE. 

I.  Skandinavische  Verhältnisse  von  Valtyr GunsiUNDS- 

soN  und  Kr.  KÄlund 407—479 

Die  voRHisTORisrHE  Zkit 407 

(Steinzeitalter  407.  —  Bronzezeitalter  408.  —  Eisen- 
zeitalter 410.) 

Die  H!>TORi.siHK  Zkit 4*' 

Allgemeines 4** 

/.  Familienverhältnisse 414 

(Kindheit  414.  —  Jugend  416.  —  Heirat  417.  — 


Inhalt:  xii.  Sitte;  xrii.  Kunst.  IX 


Seite 
Ehe  421.  —  Familie  423.  —  Gesinde  425.  —  Be- 
gräbnis 426.) 

2.  Lebetts-wehf 428 

(Wohnung  428.  —  Kleidung  436.  —  Alltagsleben 
446.  —  Gastfreundschaft  450.  —  Gastmähler   451. 

—  Leibesübungen  452.  —  Spiele  453.) 

3.  Wirtschaft 454 

(Viehzucht  454.  —  Ackerbau  457,  —  Fischerei  459, 

—  Handel  und  Seefahrt  461.  —  Schiffe  464.  —  Ge- 
wicht und  Mass  471.  —  Tauschmittel  und  Werlberech- 
nung  473.  —  Handwerk  und  Kunstßeiss  475.) 

1.  Deutsch-englische  Verhältnisse  von  Alwix  Schultz    480—492 
(Quellen  für  Sittengeschichte  bis  zum  12.  Jahrh.  480.  —  Ritter- 
leit  483.  —  Späteres  Mittelalter  485.  —  16.  Jahrhundert  488.  — 
Neuere  Zeit  491.) 

-VNHang;   Die    Bcliiindlung  der  volkstümlichen  Sitte 

der  Gegenwart  vi.n  Eugen  Mogk 493—530 

I.   ÜBERULICK  TllEK  DIE  BeHANULL'NC.  DEK  VOLKSTCMMCHES 

SiTTp;  DEK  Gec.ewvakt 493 

(Allgemeines  493.  —  Brüder  Grimm  495.  —  Die 
Sammlungen  in  Deutschland  496.  —  England  499. 

—  Schweden  500.  —  Norwegen,  Dänemark  501.  — 
Island,  Niederlande,  Deutschland  502.  —  Osterreich 
504-) 

JI.   BlBMUtiKAI-HISCHE   ZUSAMMEXSTKI.LUNG    UEK    QUELLEN  5O5 

/.    Dfitlsc/iland,  Deutsch- Österreich,  die  Schweiz    ,     .     .  5^5 

A.  Das  Gesamtgebiet 505 

B.  Die  einzelnen  deutschen  Liindcr       .     .     .     .  507 
(i,  ( isterreicb   (Ucsamtreich)    507.   —    2.   Tirol    mit 
Vorarlberg   508.    —    3.    Salzburg,    4,    Kärnten    und 

Krain,  5.  Steiermark  509.  —  6,  Ober-  und  Nieder- 
österreich, 7.  Böhmen  510.  —  8.  Mähren  und  Schle- 
sien, 9.  Ungarn  und  Siebenbürgen  512.  —  10.  Die 
Schweiz  513.  —  [|.  Bayern  514.  —  12.  Baden, 
Württemberg,  Hohenzollern  515.  —  13.  Elsass-Lo- 
thringen,  Luxemburg,  14.  Nassau  und  Hessen,  Wald- 
eck 516.  —  15,  Nord-  und  Mitleldeutschland,  16. 
Königreich  Sachsen  (einschl.  Voigtland,  Altenburg) 
517.  —  17.  Thüringen,  Provinz  Sachsen  518.  — 
18.  Braunschweig,  Anhalt,  l9.Brandenbui^,  20.Schle- 
sien  519.  —  21,  Posen,  22.  Ott-  und  Westpreusses, 
23.  Pommern  520,  —  24.  Mecklenburg,  25.  Lübeck, 
Schleswig- Holstein  521,  —  26.  Lippe,  Hannover, 
Bremen,  27,  Friesland  und  Oldenburg  322.  —  28. 
Kfaeinprovins,  Westfalen   523.) 

2.   Die  aiisscräetttscheM  Länder 523 

(29.  Belgien  und  Holland  523.  —  30,  Grossbriiannieu 
und  Nordamerika  524.  -^  31,  Skandinavien  im 
Allgemeinen  525.  —  32.  Dänemark  526.  —  33.  Schwe- 
den 527.  —  34.  Xorwegen  529,  —  33.  Island  und 
die  Fa?n»;er   530.) 

XIII.  abschnitt:  KUNST. 

I.  Bildende  Kunst  von  Alwin  Schultz S}'~554 


X  Inhalt:  xiii.  Kunst;  xiv.  Heldensage. 

Seite 
(Altgermanische  Kunst  532.  —  Einführung  der  römischen    533. 

—  Frühmittelalter  535.  —  Romanischer  Stil  536,  —  Romani- 
sche Periode:  Skulptur  und  Malerei  538.  —  Gotischer  Stil  541. 

—  Periode  der  Gotik;  Skulptur  und  Malerei  544.  —  Renais- 
sance, Barock-,  Rokokostil  und  Klassicismus  548.) 

2.  Musik  von  Rociius  von  Liliencron 555—605 

/.  Einiiitung.     Die  Grundlagi-n  der  modernen  J/tis/'Jt 555 

2.  Die  Periode  des  gregorianischen  Gesanges 5^ 

Die  Musikinstrumente  des  Altertums  und  Mittelalters  in  germa- 
nischen Ländern.     Von  Prof,  Dr.  Oskar  Fleischer    ....     567 — 576 

3.  Die  Periode  des  Kontra pttnhtes  und  der  Alensuralmusik      .           .  576 

4.  Der    deutsche    Sfi/    unter    der  Jhrrschafl    des    italienischen    und 
französischen 585 

5.  Hämiel  und  Bach 592 

6.  Klassiker  und  Romantiker 59J 

(Das  I.ied  595.  —  Oper  und  Chormuiik  597.  —  Die  Instrumental- 
musik 601.) 

XIV.  abschnitt:  HELDENSAGE  von  B.  Symons 606—734 

Einleitung 606 

§  I — 6:  Allgemeine  Litteratur  607.  Bet^iiTsbestimmung  607. 
Abgrenzung  des  Gebietet  609.  Geschichte  der  Forschung  610, 
Methode  der  Forschung  613. 

GRDNDLA<JE   und   ÄI.TE.STE   VERBREITfNG 6l& 

§  7 — 10:  Geschichtliche  Elemente  in  der  Heldensage  618.  My- 
thische Elemente  621.  Älteste  Verbreitung  der  germ.  Helden- 
dtchtung  622.  Älteste  Formen  der  Überlieferung  624,  Typische 
Formen  der  Aus-  und  Umbildung  624. 

ÜBEJISICHT    ChER   DIE   QUELLEN 625 

§  II — 22:  Personen-  und  Ortsnamen  625.  Bildliche  Darstellun- 
gen C26.  Ags.  Quellen  627.  Hildebrandslied  629.  Lateinische 
Dichtung  630.  Einwanderung  deutscher  Sage  in  den  Norden  631. 
Eddalieder  und  altn.  Prosoquelten  633.  Spielmannspoesie  634. 
Heldensage  in  Niederdeutschland  635  (f>idrekssaga  636.  Folke- 
viser  636}.  Heldensage  am  Niederrhein  637.  Mhd.  Volksepos 
638.  Quellen  des  ausgehenden  Mittelalters  642.  Volkslitteratur 
643. 
Die  EiNZEr.sEN  Sagenkreise 644 

A.  BioiEulfsage 644 

§  »3 — 25:  Msrthos  von  B«)wa-'644.  Historische  Sage  von  Bio- 
wulf 647,     Heimat  der  Sage  648.     Entwicklung  der  Sage  650. 

B.  Nihelungensage 651 

§  26— 32:'Ges(aUunt!en  651.  Welsungensage  652.  Sigfridsmy- 
thus  654.  Seine  Entwicklung  656.  Burgundensage  658.  Ver- 
schmelzung der  Sigfridssage  und  der  Burgundensage  659.  Ein- 
wanderung der  Nibelungensage  in  den  skand.  Norden  661.  Um- 
gestaltung der  Sage  in  Deutschland  664.  An-  und  Auswüchse 
667  (Irnfrid  und  Iring  668,  G£re  und  Eckewart  668.  Dankwart, 
Volkir,  Ortwin  669.  Neue  Lokalisierungen  669.  Sachsenkrieg 
670.     Sage  vom  Rosengarten  670), 

C.  OrtniUWolf dietrichsage  oder  Hartttngensage 67I 

%  33—38:  Überlieferung  671.  Historische  Grundlage  der  Wolf- 
dietrichsage 672.  Ausbildung  der  Wolfdietrichsage  674.  Loka- 
lisierung in  Griechenland  675.    Jüngere  Bestandteile  676.     H«r- 


Inhalt:  xiv.  Heldensage;  xv.  Ethnographie.  XI 


SdM 
tangernnythui  677.     Ausbildung  der  Ortnitsage  679.     BerÜhruDgen 
mit  der  Dietrichsage  681. 

D.  Sagenkreis  von  Ermanarick,  Dietrich  van  Bern   und  Etzel     .     .  681 
§  39  —  5':  /■  Ermanarichsage  §  40—43:   Bei  den  Oatgoten  682. 

In  Oberdeutschland  684.  Verbindung  mit  der  Harlungensage 
685.  J9rn)tmreksage  im  Norden  686.  Die  Sage  bei  Saxo  688. 
—  //.  Sage  Dietrichs  von  Bern  §  44 — 49:  Historische  Grundlage 
689.  Verbindung  der  Ermanarich-  und  Dietricbsage  691.  Epische 
Ausbildung  der  Dietrichsage  69 1 ,  Episoden  693 .  Dietrichs 
Helden  694  (Hildebrand  und  die  Wiillinge  694.  Witege  .und 
Heime  694.  Dietleib  695).  Kämpfe  mit  mythischen  Wesen  696 
(Gefangenschaft  bei  Riesen  697.  Eckens^e  698.  Zwergensage 
698).  Dietrichs  Ende  699.  —  ///.  Etsehage  g  50:  Attila  700. 
Rüdiger  701.  Slavische  Kriegszüge  702.  —  IV,  Rückblick  %  51 ; 
703. 

E.  U'altharisage 70J 

§  52 — 55:  Verschiedene  Fassungen  703.  Ursprung  705.  Hei- 
mat 707.  Epische  Ausbildung  707.  Cyklische  Verbindung  708. 
Gberliefemng  der  Novaleser  Chronik   709. 

E,  Hilde-  und  Kudrunsagc 709 

§  56—60:  Quellen  709.  Mythus  vou  Hilde  711.  Entstehung 
und  Ausbildung  der  epischen  Hildesage  713.  Entwicklung  der 
Kudrunsage  aus  der  Hildesage  7 1 5.  Verschmelzung  mit  der 
Herwigsage  716.  Jüngere  Ausbildung  der  Sagen  von  Hilde  und 
Kudnin  717  (Fruote  718.  Wate  718).  Cbertragung  nach  Ober- 
deotschland  719. —  Anhang:  Entfühmngssagen  g  61:  Herbort- 
sage 720.     Rothersage  720.     Oswaldsage  721, 

G,    Wielandsage 72* 

§  62 — 65:  Sagenform  der  Vdlundarkvida  722.  Sagenforro  der 
f>i{ltrekBsaga  724.  Heimat  und  Wanderungen  725.  Ursprung 
und  Bedeutung  727,  Cyklische  Verbindung  729.  Jüngere  Sagen- 
gestalt 729.     ApfeUchusssagc  730. 

H.  Anhänge 731 

§  66 — 67;  Orendelsage  731.     Ironsage  734. 

XV.  ABSCHNITT:    ETHNOGRAPHIE   der   germanischen    Stamme 

von  Otto  Bremer.     Mit  6  Karten 735— 9SO 

1.  EiNLEiTu.NG 736—752 

A,  B*-griff  und  Xante  (iermanisch. 

Begriff  Germanisch,  Sprache  und  Xationalit&t,  Volltscharakter.  §  i  73fr 

Die  Abgrenzung  der  BegrifTe  Germanisch  und  Deutsch  gegen 

einander.  §  2 73* 

Der  Nam^  Germanen  (belgische  Germanen),  seine  Etymologie 

und  seine  Anwendung,  g  3 — 5 73S 

B.  Quellen,     §  6. 

1.  Die  Zeugnisse  der  griechischen  und  römischen 
Geographen  und  Geschichtsschreiber.  (E>ytheas,  Ttmaiog, 
Eratosthen£g,  PoseidSnios  74t,  Caesar,  Agrippa,  Augustos,  Livius 
743.  StnibSn,  Velleius,  Plinins,  Tacitus  743,  Marinos  744,  Ptole- 

naios  und  die  spfileren  745.) 74  > 

2.  Die  Ergebnisse  der  Sprachforschung.  (Sprachver- 
wandtschaft weist  auf  ethnographische  Verwandtschaft  zurück  746. 
Verwandtschaftsgrad  der  germ.  Sprachen  und  Völker  747.  Wie 
weit  beweisen  sprachliche  Obereisslimmungen  politische  Ein- 
betten? 748.     Hineinwachsen    der  Sprachen    in    die    polttischen 


XII  Inhalt:  xv.  Ethnographie. 


Seite 
Grenzen  749.     Scharfe  Sprachj^renzen  beweisen  iiolitische  Gren- 
zen 750.     Linien  des  Sprachatlas  750,) 746 

3,DieErgebnissederAnthropologie 750 

4.  Die  Ergebnisse  der  prähistorischen  Archäo- 
logie       751 

5.  Geistige  Individualität 752 

U,    Ursprung,  Charakteristik  und  Ausbreitung  der  Gekmanf.x  .     752 — 802 

A.  Ethnographie  Europas  im  ersten  Jahrtausend  vor  Christi  Geburt. 

1.  Pie  europäischen  Völker,  §  7  — 10.  (Nichl-Indoger- 
manen  in  der  Gegenuart  und  im  Aliertum  753.  iDdogennanische 
Sprachen  und   Völker  in  der  Gegenwart   und   im  Altertum  754.)  752 

2.  Das  indogermanische  Urvolk  (Kasse).  §   ll   .     .     .  754 

3.  Die  Heimal  der  Indogermanen,  §  12—16.  (Frage- 
stellung 756.  Schnelleres  Tempo  der  Sprachverändeiung  bei 
VÖlkermischung,  Trennung  der  idg.  Stämme  nicht  früher  als  im 
dritten  Jahrlausend  7^6.  Heimat  der  Arier:  das  nordöstliche 
Iran    757.     Skythen    757,     Heimnt    der  Griechen:    Epirus  757. 

Heimat  der  Europäer:  östlich  der  Karpaten  758.) 756 

4.  Die  nähere  Verwandtschaft  der  Germanen  mit 
anderen  indogermanischen  Völkern,  §  17 — 19.  (Italisch- 
keltisch-germanisch-baltisch-slawische Gruppe  760.  Vorhistorische 
sprachliche  Beziehungen  zu  den  Kelten  und  Balto-Slawea    761.)  760 

B.  Die  Ausbitdung  einer  besonderen  germantsehen  Nationalität. 

1.  Die  Absonderung  der  Germanen    von   den   Indo-  ^ 
germauen.  §  20  —  21,  (Zeitpimkt,  germanische  Lautverschiebung, 
Wälscbe  762.     Urgerm.  Gemeinsprache    und    politische   Einheit 

762,     Urheimat    und  Grenzen,    politisch   zusammengeschlossenes 

germ.  Urvolk  763,) 762 

2.  Körperliche  und  geistige  Charakteristik  der 
Germanen. 

Körperliche  Charakteristik.  §  32  -  25.  (Reinheit  der  Rasse, 
germ.  Typus  764.  KÖrpergrösse,  Hautfarbe,  Teint  765,  Haarfarbe, 
Blauäugigkeit,  Schädelform  766.) 764 

Geistige  Charakteristik.  §  26  —29.  (Typus  767,  Alter  des  Typus 
767,  Individualitäten  der  einzelnen  germ.  Stämme  768,  Geistige 
Charakteristik  768.) 767 

C.  Die  ältesten    Wohnsitte  der  Germanen. 

1.  Stand  der  Frage  (Älteste  Wohnsitze  auf  Grund  histori- 
scher Kombination;  die  prähistorischen  Funde  lassen  keine  ethno- 
graphischen Schlüsse  2u).  §  30—31 770 

2.  Kelten  in  Süddeutschland.  §  32—35.  (Helvetü  in 
Südwestdeutschland  771.  Boji  in  Böhmen  772.  Volcae,  Cotini 
Teurisci  in  Mähren  und  an  den  Karpaten  772.) 771 

3.  Kelten  in  Nord  wesld  eutschland.  §  36—38.  (Me- 
napii  am  Xiederrhcin  772.  Belgae  an  der  Nordsee  772.  Im  3. 
oder  4.  Jahrh.  v.  Chr.  die  Kelten  bis  zur  Weser  773.    Pytheas 

773.     Keltische  Einzelhöfe   und  Häuser  774.) 772 

4.  Kelten  an  der  Weser  und  Elbe  und  in  Thürin- 
gen, §  39—41.  (Keltische  Orts-  und  Fiussnamen  774.  Germ. 
Lautverschiebung  und  Betreten  Thüringens  durch  die  Germauen 
frühstens  im  5,  Jh,,  spätestens  im  4.  Jh.  776.) 774 

5.  Kelten  in  Ostdeutschland.  §  42—44.  (Scgovesus- 
Zug  776.  Kellen  in  Nordungarn  777.  Volcae  778.  Keltische 
Teurones  —  Turones  in  Thüringen  778.  Die  norditalischen 
Kelten  778.     Volcae  [Wälsche]    von    Mähren    bis    nördlich    der 

Sudeten  779.) 776 


Ikralt:  XV.  Ethnographie. 


XIIS 


6.  Kelten  an  der  oberen  Weichtet  anJ  ostlicher. 
§  45  — 4S.  [Raslcrnen,  Uelt.  Wechsel  von  fr  unil  «r  780.  KcIl 
>  got.  I^hnwÖrter  780.  Die  Flus&namen  üati-iiUi.  Don-«per, 
Vrnt^n-mt   781.     \evQo*   781.) 

7.  Dir  üllettrii  K'^'^^i^ni^ehen  W'ohnsitjce.  $  4«)— 53. 
(Wohoftitie  um  die  Mitte  des  ersten  Jabrtaaseails  v.  Chr.  das 
unlere  Oder-  und  Wcichsdgcbict,  die  Kelten  damals  bis  Schle- 
sien, die  Slawen  entnciler  ertt  »eit  Beginn  de«  7.  J^hrh«.  v.Chr. 
Xachbam  der  Germanen  oder  früher  westlich  der  Weichiel  und 
gegen  Ausgang  de*  3.  Jahths.  ».  Chr.  von  den  Osigermanen 
xuräckge(lr3ni>t  782.  Frrg-Htna,  Ahrall  de«  /  int  Kell,  und  kel- 
tische Besicdlunc  Biitanniens  apäieslens  um  1000  v.  Chr.  783. 
VoiiJg.  UrheTölkerunc  DeutsehUnd«  783.  N'amcnsidentttit  germ. 
und  kell.  Stimime  78).  Die  aTctiiiiiiogitche  Frn}>t.-  der  «kandina- 
wischen  Urheimat  der  Gemiancn  7S4.  Ileei4.-dlun);  Skiidin^wiens 
von  JütUnd  aus  785.  Chronologie  der  Stcinieit  785.  Alteate 
bcslimmbarc  Sitze  der  Geriiuncn  in  Schleswi;;-Hnlitlcin,  Mecklen* 
huT^,  Vorpommern  und  der  Mark  Brandenburg  786.  Chronologie 
der  ältesten  Ausbreitung  von  diefer  Urheimat  aus  78b.)    .     .     . 

8.  Kellenhertcharc  in  Deutschland.  %  53.  <l.ehnwürtrr 
787.  Kntlehnun^  von  Tertonennanicn  787,  Entlehnung  der 
Anfanfisbeionung  78S.) 

9.  Di  c  Ausbreilune  der  Germanen  in  v urchrist- 
licher Zeit.  S  S4-7Ö 

s)  Xordgermaoen,  §  5^—57.  (pytbeas  789.  <(enu.  Anrangs- 
bctonung  und  Besiedlung  Skadinaviens  frühstens  im  4.  Jahrh., 
tpSteslens  um  300  v.  Chr.  790.  Chronologie  der  Bron^e^eit  790, 
Die  Skadinavrier  im  1.  Jahrh.  n,  Chr.  790.) 

h>  Ostgeniianen  (Hnsternen).   %   ^% 

c)  WeHteermanen.  §59 — 65.  (Beieiinng  von  Nordwesldeulsch- 
land  791.  Cimbri  und  Hetveiii  [Teutone»],  letztere  zu  Ausgang 
des  2.  Jahrh«.  v.  Chr.  noch  in  Wüiliemberg  und  Raden  792. 
Coeurs  Kenntnis  der  helvetischen  Wohnsitic  793.  Cimbri  793. 
Das  böhmische  Reich  der  Boji  um  80  v.  Chr.  durch  .Vnovisl 
g«sltirit  793.  Besetzung  Böhmens  duruh  die  Markomannen  794, 
Ariovist  übertcbceilet  den  Rhein  794..  Die  kelt.  und  gemi. 
Stimme  am  Oberrhein  793-  t'olgcn  der  Niederlage  Ariovists 
795-  Wohnsitze  der  Trihoci,  Neraeics  nnd  Viingiune«  796. 
Thnringiachc  Sweben  bis  mm  MiUelrhein  796.  ITüpetes  imd 
Tenclcri  am  Niederrhein,  von  Caesar  luräck gedrängt  797.  Ubü 
und  Balavi  798.  Kel  lisch /germanische  Grense  um  die  Mitte  des 
I.  Jahrhs.  v.  Chr.  798.) 

d)  Mischung  der  Cerinanen  mit  Kelten.  9  66—69.  I^'»'  se- 
ringe  KeMe  uiTÜck|;cblie)>eneT  Kellen,  grusslentciU  haben  die 
Kelten  das  nachmals  gcrm.  Land  freiwillig  gerlumt  79S.  Be- 
achieibung  der  Aoswandcrung  der  Ilelvetii  799.  Kelt.  Fluia* 
nnd  Ortsnamen,  die  auf  -^/ji  nicht  kell,  sondern  germ.  lk»o.) 

e)  Schluss  (Caesar,  Limes,  germ.  Soldaten  im  rümiichen  Heer). 
8  70 

m.   Die  GirRU.\vi.si-HEN  Sr.vMME 

A.  GrttpptrrNttg  der  grrmitms'hett  SliTmmr-'  Stimt  Jrr   Fragt. 

I.  Die  Konstttnierung  der  Stimme.  S  71—76.  (Re> 
lati»  einheitliche  <lru|}]>e  der  Urgermanen  803.  Hirt»  H>-pothe9e 
von  den  bi«  in  die  idg.  Uiteit  hinauTreichenden  Völkemnmen 
803.  Bildung  von  KiniehiXmmcn  infolge  .\u* Wanderung  oder 
schwer  passierbarer  NAiurgren/en  oder  politiKhcr  Verjünge  804. 


Seile 


780 


782 


■91 


XIV  Inhalt:  xv,  Ethn'ographik. 


Seite 
Kleinere    Släinnie    zu    (;rÖsseren   Gruppen   (usammcDije  sc  blossen, 
bei  den  Kelten  8os,  bei  den  Germanen  806.     RnckbiMung  bei 
Verfall    eines    Reiches    806.     Stammesgrenzen    806.      Stammes- 
gegensütze  und  Stamm esbcu-ussts ein  807.  Sprachgrenzen  808.)  803 

2.  Die  Gesamtgruppierung  der  germanischen. Stäm- 
™c-  §  77 — 82,  (Oslgemi,,  nordgeim.  und  westgerm.  Sprach- 
gruppe, nordgerm.  -*-  weslgerm.,  nordgerm,  -f-  anglofries.  Sprach- 
gruppe 8oq.  Ostgetm.  Spracheinheil  810.  Gesamlgruppienmg 
der  germ.  StSmme  nach  Tacitus  und  Plinius  810.  Vereinigung 
der  sprachlichen  Gruppierung  mit  der  historischen  81  [.  West- 
germ. Gruppe  812.  Namen  der  ältesten  Haupigruppen  und  Ta- 
citus Germ.  2  812.  Diese  (truppen  die  ältesten  politischen 
Sonderbildungen  S13.     Amphiktyonieen  814.) 809 

S,    Ost'   und  A'oriiffi'fttmn'U. 

Ost-  und  Xordgermanen,  §83—86.  [Verwandtschaft 
der  nordgerm.  Sprache  mit  der  ostgerm.  und  weslgerm.  8 15. 
Übereinstimmungen  der  ostgerm.  und  nordgerm.  Lautentwicklung, 
Wortbildung  und  des  Wortschatzes  816.  Ostgerm.  und  nord- 
germ, Stammesnameu  817.  Fragliche  Einheitlichkeil  der  nord- 
germ. Gruppe  818.  Got,  Stammsage,  Verfassung,  Recht,  Haus- 
bau 819.) 813 

1.  Ostgermanen.  §  87  —  101.  (Fragl iche  Einheitlichkeit 
der  ostgerm,  Gruppe  819.  Zeugnisse  für  die  ostgerm.  Giuppe 
820.  Gesamtname  Vandili  für  diese  Gruppe  820.  Gotische^ 
Völker  bis  zur  Mitte,  des  l.  Jahrtausends  n.  Chr.  821.  Sprach- 
liche Übereinstimmungen  der  ostgerm.   Mundarten  821.I     ,     .     .  819 

a)  Basternen.  §  92 823 

b)  Lugii  >•  Vandali,  §  93—94 823 

c)  Burgunden.  §  95 824 

d)  Goten.  §  g6  — qS,  (Greulungi,  Taifali,  Gcpiden  826.)       .     ,  825 

e)  Rugii,  §  99       827 

f)  Turcilingi.  §   100 827 

g)  Sein.  6}  101 827 

2.  Xordgermanen.  §  102  —  120,  (Sprachliche  Gruppierung 
828.  Hilleviones  828,  Ost-  und  wcstnordische  Dialektgruppe 
S28.  Schlüsse  von  der  Sprache  auf  die  ältesten  cthnt^raphischen 
Verhältnisse  829.    TeiUiämme  nach  Tac,  Ptol.  und  Jordanes  830.)  827 

al  Schweden,  §  105—108.  (Stammland  831.  Xördliches  und 
östliches  Kolonisalionsgebiet  831.  Waräjier  832.  Spätere  poli- 
tische Gescliichie  832.)       .     .     .     .     : 83: 

b)  Gauten.   §    109 833 

c)  ICruli.  {)    1:0 833 

d)  D;inen.  Jj  iii  — 115,  (Siammland  Withesleih  836.  Die  51- 
test<.ii  Runen  in  Schriften  ;ius  Schleswig,  Jütland  und  Künen  nicht 
nordisch  sondern  anglofriesisch  836.  Jütland  836,^  Schleswig 
837.     .SpHiere  polili^che  Geschichte  837.     Danen  in  England  837, 

Dänen  in  der  Normandie  838,     Normannen  in  Unterilalien  839,)  f<35 

e)  Norwe4;er  und  Isländer.  §  1 16  —  1 20.  ^Stammland  839. 
Xördliches  und  ustlichcs  Kolonisalionsgebiet  840.  Spätere  poli- 
tische Geschichte  S40.  Shelland-Inseln,  Orkney-Inseln,  Hebriden 
840,      Irland    840,      Fiiröer    und    Island    84 1 .       Grönland    842. 

Vinland  842.) -^^t^ 

C,  Anglofrit'Sfii. 

A  nglofriesen.  S  121  — 122.  (Anglofriesische  .Spracheinheit 
843.  Die  Spracheinheit  führt  auf  vorchrisllichc  Zeit  zurück  843. 
Ingwiaiwcn  843.) 842 


Inhalt:  xv.  Ethnographie.  XV 


Seite 
I.  Friesen.  §  133— 138.  (Friesuche  Mundarten  847.)    .     .  845 

Noidfrieseo  (Sprache  und  hiitorische  Zeugnisse),  g   128       .     .  848 

3,  ADgelsachsen,  §  129  —  14t. 

Angelsachsen  (Xerthus-Völker).  §   129 850 

a)  Varini.  §  130 851 

b)  Angeln.  §  131  —  134-  (Angela  in  Schleswig  und  bis  Fttoen 
852,  Die  Ayyeiloi  bei  Ptolemaios  853.  Angeln  am  Niederrhein 
854.  Angeln  in  England,  Teilstämme  834.  Besiedlung  von 
England  855.     Vereinigung  der  engtischen  Staaten  855.)  .     ,     .  852 

c)  Euten.  §   135 856 

d)  Chauci  und  Sachsen.  %  136 — 141.  (Sachsen  in  Holstein  um 
Chr.  Geb.  857.  Chauci  S58.  Die  Chauci  in  den  Sachsen  auf- 
gegangen 859.     Lilus  Saxonicum,  Übersiedlang  nach  England  859.)  857 

Z>.   Dil-  deutschen  Sathsen, 

IdentitSt  der  englischen  und  deutschen  Sachsen  und  sprach- 
licher Abstand.  §142 860 

Anglofrs.  Elemente  in  der  niederdeutschen  Sprache.  §  143  — 147. 
(in  den  altsichs.  Sprachdenkmälern  861.  Geographische  Ver- 
teilung 863.  Merseburger  Glossen  863.  Urkundliche  Eigen- 
namen 863.  Lokalisiciung  des  o  vor  Nasal  |>  o,  des  Schwundes 
von  H  vor/  mit  Hrsatzdehnung  ^64i  der  Mouillierung;  unil  Assi- 
bilierung  eines  k  und  der  Meiathesis  865.  Die  Herkunft  der 
anglofrs.  Elemente  ist  nicht  geographisch  /u  bestimmen  sondern 
sozial,  anglofrs.  Adelsgeschlechter  866.) 861 

Die  eingeborene  Bevölkerung  des  Sachsenlandes.  §  148 — 151. 
(Die  SachsL-n  als  Eroberer,  die  finj^cborene  Bevölkeiung  nicht 
sächiiischcr  Herkunft  866.  Laiigubarden,  Cherusci,  Amsivarii  867, 
Chasuarii,  Salii,  Chamavii,  Chattuarii,  Angrivarü  868,  Bnideri, 
Boructuarii,  Amsivnrii,  Hessen  869.  Zusammenfassi.ng  869. 
Thüringer,   Nordlhüringgau,   Nordschwaben.  O-tfalen  870.1      .     .  866 

Teilstämme  und  Mundarten.  §  152 — 153,  (Westfalen,  Engern 
Ostfalen  und  Nonlalbinger  870.  Gruppierung  der  heutigen  ndd. 
Mundarien  87  t.  Fränkische  Spuren  in  westfälischen  Mund 
arien  872.) 870 

Das  Herzogtum  Sachsen,  §  '54—155.  l Unterwerfung  durch 
die  Franken  und  Aufgehen  in  dem  deutschen  Volke  872. 
Grenien  873.) 872 

Kolonisation  von   Xoniosideutschland.  §    15') 873 

E.  Franken. 

Franken,  t;  157 — 164.  ( Verwundtschaftsverhältnis  der  fran- 
kischen Mundanen  zu  den  thüringischen  und  oberdeutschen  876. 
Zeugnisse  für  die  Zusammengehörigkeit  der  fiänkischen  Stimme 
für  die  Z  it  um  ('hr.  Geb.  [Uatiivi,  Canninefateü,  M.iiti.ici,  Chat- 
tuarii,  Marsacij  876.  Istraiwen  877.  Der  Xanie  Pranken  bei 
PoseidQnius  >  Cicero,  Erklajung  seines  Aufkommens  55 — 33 
V.  Chr.  878.  Ursprung  der  Franken  nach  t'rokopios  und  frän- 
kisches Stammland  879.  Franken  auf  der  romischen  Weltkarte 
880.  Übertragung  des  Frankennamens  auf  alle  istraiwischen 
Siämme  881.I 874 

1,  Romanisierte  fränkische  Stämme.   5    165  —  170. 

a)  Balavi.  §   166  —  167.  (Baiavi  882.  Romanisierung  883.)   .     .  S82 

b)  Sugambri  >  ("ugcrni.   S    168 884 

c)  Ubii.  §    169 884 

d)  Mattiaci.  §   170 885 

2.  Niederfranken,   tj    171-191. 

a)  Salii,    §    171  —  174.     iSalhind   881j.      Besetzung    der   B.itavia 


XVI  Inhalt:  xv.  Ethxographie. 


Seite 
und   Toxandria    886.     Ausbreitung    bis    zur  heutigen   flämisch/ 
franzüsischen  Sprachgrenze  886,    Die  kleinen  fränkischen  König- 
reiche und  Chlodwig  887.     Das  grossfränkische  Reich  888.)      .  88^ 

b)  Cham;ivi.  §  175  —  177.  (Alteste  Wohnsitze,  Hamaland  889. 
Ausbreitung  über  die  Veluwe,  Vertreibung  aus  dem  sächs. 
HaniaUnd  und  aus  Toxandria  890.  Ausbreitung  an  der  Maas  und 
die  dortige  Mundart  890.) 88ft 

c)  Mnrsaci  und  Sturii.  §   178 89I 

d)  Cannenefates.  §   179 89I 

!  e)  Falchovarii.  §   180 89» 

f)  Chattuarü.    §   181— 184.    (Beziehungen   zu   den  Chatten   892. 
I  Stammland  die  Velmve  893,  pagus  Hattuariensis  894.  Mundart  894,)  892 

I  g)  Niederländische  Kolonisation  von  Nordostdeutscbland,  §  185 

1  — 191.    (Begründung    eines    deutschen   Volkstums    im    Osten    895. 

'■  Kolonisation  der  Weser-  und  Elbmarschon  896.     Kolonisation  der 

I  Billungischen  Mark  896.     Niederfränkische  Elemente  in  den  Küsten- 

I  mundarten  von  Kiel  bis  Usedom  896.     Kolonisation  der  Altmark, 

östlich  der  unteren  Saale   und   der  Mark   Brandcnbuig  897,    Orts- 
namen  897,    niederfränkische    Mundart   in   der   Mark  Brandenburg 
und  an  der  mittleren  Elbe  898.     Kolonisation    der  Oderufer   899. 
Kolonisation   an   der  unteren  Weichsel   und  Östlicher   899.     Kolo- 
f                                                             nisation    Wcsiprcusscns    vmd    des   Netzedistrikts  900.     Sporadische 
!                                                             niederländische  Ansiedhmgen  in  der  goldenen  Aue,  bei  Naumburg, 
J                                                             bis  Altenburg,  in  Meissen,  südlich  dos  Fläming  900  und  in  Schlc- 
I  sien  901.) 894, 

3.  Ripwarische  Franken.    §   192 — 199. 

Ripuarii.    §   192 — 193.    (Sprachliches  901,    Ripwarisches  König- 
reich, Rfifetscheid  901.     Ausbreitung  des  Reiches  902.    Besetzung 
,  der  Hnksrhcinischen  Rheinprovinz  und   Vereinigxmg  der  kleineren 

j  Stämme  zu  der  ripwarischen  civitas  902.) 90I 

i  a)  Bructeri.  §   194 — 195   (um  Chr.  Geb.  903.     Sturz  des  Reiches 

,  im  J.  98  n.  Chr.  903.     Bructeri  am  Rhein  im  4.  Jahrh.  Borahtra. 

I  Boructiiarü  904.) 90J 

I  b)  Tencteri.  {»   196 9O4 

J  cj  Amsivarii.   §  197  — 198.   (Stammland  Emsgau  905.  Wanderung 

an  den   Rhein  905.  Spätere  Geschichte  906,) 905 

d)  Marsi.  §   199 906 

4.  Moselfrankcn.    IJ  200 — 204. 
Moselfranken  (Sprachliches,   Herkunft,   Besetzung   der  Moselland- 
schaft durch  die  Ripuarii).  §  200 908 

a)  Cbasuarii.  §  200 909 

b)  Tubantes.  §  202 910 

c)  Usipi.  §   203 910 

d)  Die  Siebcubürger  Sachsen.  §  204 9ll 

5.  Chatten.  §  205 — 209,  (Zugehörigkeit  zu  den  Franken  912. 
Älteste  Wohnsitze  913,  Kämpfe  gqjcn  Rom  bis  um  400  914. 
Spätere  Schicksale  9 1 5.  Hassegau  915.  Hessen  915,  Mundart 
916.     Sprachliche  Gleichsetzung  von  Chaiii  und  Hessen  916.)        .  916 

6.  Khcinfranken  und  Ostfranken.  §  210 — 212.  (Mund- 
arten 917.  Francia  Rinensis  beim  Geographen  von  Ravenna  917. 
Chlodwig  imd  die  fränkische  Besiedlung  der  Mainlandschaft  917. 
Ortsnamen  auf  -ingen  und  -hrim  918.  Moinwinidi,  Kolonisation 
Oberfrankens  und  des  Vogtlands  918,) 916 

F.   Sivfbisdie  SU'imme. 

Swebische  Stämme.  (§  213 — 217.  (Sweben  im  engeren  und 
im  weiteren  Sinne  des  Wortes  919,     StrabOn  919,    Tacilus  920, 


/ 


Inhalt:  xv.  Ethnographie.  XVII 

Seilt 
Ptolemaios  921,  DiOn   Knssios  921.     Absonderung  der  swcbischcn 

Einzclstümmo  von  dem  Kernvolk  der  Semnen  922,     Grössfre  und 

kleinere  Süimme  923.     Erminen  923.     Sprachcinhoit  der  swebischen 

Siäniine:  925,   hochdcMlsche  Laulvcrschicbnnn  926.) 918 

1.  Semnen  >.  Alamannen,  §  218 — 223, 

a)  Semnen.  §  218 — 220.  (Atteste  Wohnsitze,  Preisgabe  der  Alt- 
mark im  J.  5  n.  Chr.  927,  seitdem  Östlich  der  Elbe  928.  Aiis- 
wandenmg  930,) 917 

b)  Alamannen.  §  221 — 223.  (Herkunft  von  den  Semnen,  Aus- 
hreituDg  nach  dem  Main  um  200  93  t.  Eroberung  von  Südwcst- 
deutschland  932.     Unterwerfung  durch  die  Fnnken  932.    Alaman- 

nische  Gaustämme,  luthungi  und  Sweben  933  ) 930 

2.  Sweben,  §  224  —  227.  [Die  Sweben  Caesars  934.  Ihre 
Auswanderung  nach  Böhmen  unter  Maroboduus  936.  Die  Sweben 
des  Vannius  936.  Ansiedlung  in  Pannonien  937.  Auswanderung 
an    den    Neckar    und    Verscbmelzung    mit    den    Alamannen    938. 

Sweben  in  Spanien  938.) 934 

3.  Hermunduri  ;>  Thüringer.  §  228 — 237. 

a)  Hermunduri.  §  228—231.  (Konstituierung  nach  dem  Abzug 
der  Main-Sweben  939,  \Vohnsitzc  940.  Spätcrc  Schicksale  in 
der  Heimat  imd  an  der  Donau  941.) 938 

bi  Thüringer  (Identität  mit  den  Hermunduri,  Ausbreitung,  Sturz 
des  thüringischen   Reichs).  §  232—233 942 

c)  Osiniilteideutsche.  §  234  —  237.  (zwischen  Saale  und  Elbe  943. 
LaiL<iitz  943.     Schlesien,  Posen,  Ermland,  N'ordungarn  944.     lliib- 

men  944.) 942 

4.  Markomannen^  Baiern.  §  238 — 740. 

a)  Markomannen.  §  238 945 

b)  Baiem.  §  239 947 

c)  Österreicher,   g  240 947 

5.  Quadi.  §  24[ 948 

6.  Langobarden,  g  242 — 243.  (Banlcngau,  Preisgabe  des- 
selben im  J.   5   n.  Chr.  949.     Auswanderung  aus  dem   Laiienlmrgi- 

sehen   nnth  Vngarn  im   2.  Jahrh,  und  spätere  Geschichte  950.).     .  948 

SACHREGISTER 951-995 


VERZEICHNIS  DER  KARTEN. 

Karlo  1.  Galli  und  Gcrm.ini  im  J.  58  v,  Chr.  niiih  Cacs-ir     /wischi-n  den  Siitrn  706  und  797 

Kam-  II.  Skadinawien  im    II.  bis   13.  Jahrhundfri  .    .             -            •                830     >    831 

Karte  III.  Xordwcst-DfuLschland  i.  J.   13  v.  Chr. 

Karle  IV.  Nnnlwesl-Deutsthland    il  — lO   n.  Chr..     . 

Karte     V,  Nordwest- Deutschland  am  Ausgang  des  I .  Jahr-  *        ■-       868     »    869 

hunderts  n.   Chr.  (Tatitns  Ctennania)  .... 

Karle   VI.   Die  fränkisch (-11  Gaue 


VIIT.  ABSCHNITT. 

WIRTSCHAFT 


VON 


KARL    THEODOR    VON    INAMA-STERNEGG. 


AUecmcine  Utcntur:  a)  deutsche:  F.  C.  Fischer,  GtieAüMte  des  dtuUcMm 
Handfh,  dfr  Schiffahrt,  Erfindungfn,  KSnsU  und  Cfo-rrbr.  4  Tic.  1785 — 9a. 
t,  Aufl.  1 793 — 97-  V,  G (I I icb ,  tJttchühtlichr  thtntrllwtg  des  HanJfls.  dfr 
(!*trerf>f  mW  d^i  Actrrbaurs.  l8jo.  K.  TL.  von  Ii)am»>Slvrnt-g|;,  tifutscke 
M'irtuhafligrichiihU.  I  1879.  II  l8qi.  K.  I.nmprcfht,  lieulirhrs  Wtrlschofts- 
Ubfn  im  AtitUhilUr.  }  Bde.  iSSfi.  F..  <'nilht>in,  H\rtithafligri<hifhlc  dri 
ScMirarzwa/i/i  und  dfr  aitgrfttutndfn  Lntidichafien.  I.  1*^92.  W.  Iloschcr« 
AnsUhtm  der  Volksretrhchafl  '.-om  ^schkkUichfn  Stindpunkif.  1861.  K.  Bücher. 
Entstehung  drr  l'olkm-irtstha/t.  1895.  R.  HilUcbrniKl,  /frvkl  und  Sitte  auf 
den  x^eriehiedenen  xcirfw^e/tliehen  NuUurshtfen.  1.  1896.  E.  G^'tzingcr,  Heal' 
iexthon  der  detflsfhcH  Altertümer,  1881.  Müllcnhofr,  Deutsche  Alterlumiltunde. 
l— IV.  1870—1891.  G.  L.  V.  Maurer,  Binieitung  *.  Ueuh.  J.  Mnrle-.  Ho/-.  Dorf- 
und  Sitidi- Verfassung.  1854.  Ders.,  Gesch.  d.  htarki-erfassung.  1857.  Gesch. 
d.  fronhSfe.  4  B<1«.  1863  T.  Gesch.  d.  /}or/7rer/(UsuHg.  2  Bde.  1865  f.  Gesch. 
d.  Stadtferfnssun^.  4  Bile.  iHt^-~7i.  t.ion  Vaoderlcindcrc,  Le  siicie  det 
ArtrrfUe.  1879.  AusMrdcra  die  Schriften  über  Verfossungigtschichte  y<ax  G,  Waitz, 
H.  V.  Sybel,  R.  Sobm.  v.  Daniels.  W.  Sickel,  A.  Kluit  (ItoUand);  Ober 
Rechtsgtschiihtt  von  Kichhorti.  Zöpfl.  Walter,  Scobb?,  Siej;el.  Bruniier. 
Schröder.  Oierkc,  ücn|;ler.  ficuftler,  («.  F.  v.  Buni;<-  (Kttlilund.  Livlacd  u. 
Kurland),  Warnkönig  (Fbndcni),  Schuler  %'.  I,i)ili>y  (Sk'benbür^n).  TliiMlichuni 
(Weitcrau).  Scibcrt^  (Westfalen).  Gtnglc  [  (Bakm(,  Chabcrt.  A.  Hiiber.  v.  l.ti- 
fcbiD.  Bncbntann,  Weriinski  (Östcrrcith i.  Bliinicr  jSchwri/),  BlunUcbli 
(2öricb),  Sattler  (Bvm).  Scjjesscr  (Lti^crn);  und  iiljcr  nllgemnne  Geichichte  von 
Arnold,  Nitxsch,  Otcsebrecht,  Dahn,  Kaufmann.  Lamprccht.  Gerde», 
Jansseo. 

b)  ESGLISCHI".!  J.  Th.  R«i(;er*,  A  htslory  of  ogrüuiture  anJ  früet  tn  Ettg^ 
fand.  1— VI.  I8(»6— 1888.  Drri.,  Si.v  Cenluries  0/  -a-ttrk  nnd  xt-aget.  1884. 
Deutsche  Üliertetzut^  189C  Der».,  Thf  /ndustrial  arid  tommercial  liistory  ef 
Engiand  1893.  W.  CuDningham,  The  Gnui-th  nf  EngUsh  Industty  and  i'cm- 
mercr  in  Ihr  Enrly  and  A/iddle  Ages.  1890,  Deta.  und  Mi&s  McArtbur  E.  A. 
Ouilinn  fif  Engli.ih  indu.\liiol  hCitoiy.  1895.  W.  J.  Asbicy,  On  introJitituin 
ta  Engtüh  Etonnmic  Jliitory.  I.  11.  1893.  Dcuuwhe  Üliericl/ung  von  Oppt-n- 
beini.  1896.  It.  de  B.  (1  ihbins,  /ndtutry  in  England,  /fttlorü-al  ouliines.  189&. 
OchcDkow&ki.  EngUinds  wirliihofttithe  Entvickeluag  im  Ausgang  des  MitieU 
alUn.  1879.  Auücrdcnnlic  Schrillen  über  yer/assungsgcwkichle  vaa  W.  Stubbs, 
Cncfiit,  'ratwcli-Laafrmcad;  {ibct  KechtsgL-sthichtf  yon  Phillips.  K.  Scbmid. 
Lodgc.  Reev«s.  Crabb.  Mathcw  Haie  und  über  ailgemeiue  Oesckichtr  von 
J,  M.  Lappcnberjt  und  K.  I*n«li.  J.  P.  Vcatman,  Green.  Kri'iidr,  Airy, 
Pcarion.   ttallnm. 


Gcrnuinhcht  IHitloluielr  III.    '.'.Aufl. 


I 


2      VIII.  Wirtschaft,     i.  Ausbau  des  Landes.    Soziale  Ordnukg. 

c)  SKANDINAVISCHE:  P.  A.  Munch,  Det  Norskt  Falks  Historie.  6  Bde.  1851 
— 1859-  Die  ersten  Abschnitte  ii,  d.  T.  Die  nordisch-germanischen  Völker,  ihre 
ältesten  Heimat-Sitte,  H'anderzüge  und  Zustände^  übcrs.  von  Claussen.  1853. 
Teilweise  Obcrsetzunn  des  3.  u.  4.  Absch.  u,  d.  T.  Das  heroische  Zeitalter  der 
nordisch -germanischen  Völker  und  die  Wikingerzüge.  1854.  Weinhold,  Ältnor- 
dis.-ftrs  l^brn.  1856.  Ausserdem  die  Schriften  über  dänische  Rechtsgeschichte  von 
Stemaii,  Kolderup-  Rosenvinge,  Larscn,  über  schwedische  -und  norwe- 
gische Rechtsgeschichte  von  J.  J.  Nordstrom,  Chr.  Naumann,  R.  Kcyser, 
Fr.  Brandt,  L.  M.  B.  Aubert,  K.  Maurer,  K.  Lehmann,  K,  v.  Amira 
und  über  allgemeine  dänische  Geschichte  von  Suhm,  C.  F.  Allen,  C.  F.  Dafal- 
mann,  über  schwedische  Geschichte  von  Swen-Lagerbring,  E.  G.  Gcijer  und 
F.  F.  Carlson,  Sirinnholm,  Reuterdahl,  über  norwegische  Geschichte  von 
Dahlmann,  Munch,  Sars,   K.  Maurer  (Island). 

I.  AUSBAU  DES  LANDES,  SOZIALE  ORDNUNG. 

August  Meltzen,  Siedelung  und  Agrancesen  der  \V'estgerm.anen  und  Ost- 
germanen, der  Kelten,  Römer,  Finnen  und  Slaven.  3  Bde.  mit  Atlas.  1895. 
Arnold,  Ansiedelungen  und  Wanderungen.  1876.  Kämmel,  Die  Anfänge 
deutschen  Lebens  in  Österreich.  1879.  E.  Th.  Gaupp,  Die  germanischen  An- 
siedelungen und  Landteilungen.  1844.  K.  D.  Hüllmann,  Geschichte  des  Ur- 
sprungs der  Stände  in  Deutschland.  2.  Aufl.  1830.  P,  Roth,  Geschichte  des 
Heneficialviesens.  1850.  Feudalität  und  Unierihancnverband.  1863.  G.  Landau, 
Die  Territorien.  1854.  Dcnman  Ross,  The  early  history  of  land  holding  among 
thc  Gcrmans.    1883. 

:ie  die  Germanen  in  der  Zeit,  in  welcher  sie  zuerst  mit  den  Römern 
in  Berührung  kamen,  nach  Stämmen  und  Geschleciitem  im  Heere 
geordnet  waren,  so  vollzog  sich  auch  die  Besiedelung  des  Landes  zu- 
nächst in  diesen  auf  Verwandtschaft  beruhenden  Abteilungen. 

Die  Geschlechter  besiedelten  die  Gaue,  innerhalb  derselben  bildeten  die 
Sippen  die  einzelnen  Marken,  die  Familien  die  Anfänge  der  Dorfgemeinden, 
bald  in  zerstreuten  Hofansiedelungen,  bald  in  geschlossenerem  Zusammen- 
hang ihrer  Wohnsitze,  wie  es  ihre  Volkszahl  und  die  Natur  des  Landes, 
W(jhl  auch  der  Grad  der  Sicherheit  und  nationale  Gewöhnung  verschieden 
erheischte.  Städte  aber  hassten  die  Deutschen  als  das  Grab  der  Freiheit; 
selbst  wohlgebaute  Römerstädte,  welche  in  ihre  Hände  fielen,  zerstörten  sie 
und  siedelten  sich  ausserhalb  ihrer  Mauern  an. 

Der  erste  Ausbau  des  Landes  war  unter  solchen  Umständen  weiUäufig 
genug.  Zwischen  den  Ländereien,  welche  die  einzelnen  Familien  eines 
Geschlechtes  unter  sich  aufteilten,  blieb  reichlich  gemeines  Land  übrig,  als 
unverteilter  Besitz  der  Sippen  und  Geschlechter  ihre  gemeine  Mark  bildend» 
an  der  jedem  Genossen  gleiches  Nutzungsrecht  zustand;  die  weiten  Wald- 
gebiete, welche  nicht  als  Allmende  der  Gaue  und  Markgenossenschaften 
dienten,  galten  als  Volksland,  später  als  Künigsgut,  ebenso  sehr  von  Bedeu- 
timg als  schützendes  Grenzgebiet  gegen  benachbarte  Völker  wie  als  breites 
Hinterland  für  eine  heranwachsende  Volksmenge  und  für  die  Ökonomische 
Stärkung  der  königlichen  Gewalt. 

Die  Landverteilungen  leiteten  die  Obrigkeiten  des  Stammes  und  Ge- 
schlechtes kraft  ihrer  Autorität  und  ihres  militärischen  Befehls,  wohl  aber 
immer  unter  Beratung  und  Zustimmung  der  Volks-  und  Waffengenossen. 
Allgemeine  Grundsätze  haben  sich  wenigstens  im  Verlaufe  der  Zeit  darüber 
ausgebildet;  die  Stammesrechte  jener  Völker,  welche  sich  im  Bereiche  der 
römischen  Provinzen  festsetzten,  enthalten  feste  Nonnen  für  die  Auseinander- 
setzung der  gennanischcn  Einwanderer  mit  den  unterworfenen  Provinzialen, 
wobei  natürlich  die  ersteren  weitaus  bevorzugt  wurden.  Innerhalb  des  Ge- 
schlechts ist  die  Zuteilung    eines  Looses    an   jeden    eigenberechtigten    freien 


Deltschk  Verhältnisse. 


Mann  das  ordnende  Prinzip;  doch  bewirkt  der  bereits  im  Heere  bestellende 
A<)/ialc  Unterschied  auch  eine  vprsrhicdene  Behnndlung  bd  der  Landteilung. 
Nicht  absolute  Gleichheit  des  Ackerloses,  sondern  verlallnismüssige  Gleich- 
heil  nach  Massgabc  der  gesellschaftlichen  Geltung  der  Genossen  ist  für  die 
L.indm Weisung  ma.sjigchend. 

Mit  der  /.unehmeiiden  Festigkeit  der  Aosicdeluagen  brachte  es  die  natür- 
liche Vermehrung  der  Rrvölkt-ning  wie  die  Zuwandening  ortsfremder  Elemente 
mit  sich,  dass  die  Markj;i-nos^ci»i>t haften  immer  mehr  ihren  familiciihafton 
Charakter  verloren.  Ebcn.s<i  entstand  dun-h  Neubruch  in  der  gemeinen  Mark 
imd  durch  Ausweitung  der  ursprünglicJien  Loosc  ein  nicht  durdi  das  Familien- 
erbrecht gebundener  Grundbesitz.  Dadurch  erhielten  die  Thatsachen  des 
nachbarlichen  Zusammen  wohnen  s  imd  der  gemeinsamen  Nuiziuig  der  Mark 
ein  Übergewicht  über  die  Thatsachc  des  verwandisi  hafüichen  Zusammen- 
hang«; der  Markgenossen:  die  Nachbarschaft  tritt  an  die  Stelle  der  Verwandt- 
scliaft  Damit  aber  verflüchtigten  sich  auch  immer  mehr  die  sozialen  Funk- 
tionen, welche  der  Geschlechtsverband  ausüben  konnte,  so  lange  er  das 
Leben  der  Markgenossen  allein  beherrschte:  Vicineneri>recht.  Beisprurhsrecht 
(Marktosung),  Vormundschaft  der  Sippe,  Aufnahme  von  Genossen  u.  a. 

Die  Narhbarr^chaft  beschrSnku-  ihre  Wirksamkeit  immer  aussrhlitssl icher 
auf  Pflege  der  Örtlichen  wirtscliafüichen  Interessen,  besonders  der  geraein- 
samen  Nutzung  der  Mark.  Die  öffentlich-rechtlichen  Funktionen  der  Rechts- 
pflege, des  Fleerbann«  und  der  Abgaben  werden  zunächst  von  der  Mundert- 
schaft  und  dem  Gau,  mit  Au>bildung  der  königlichen  Gewalt,  welche  schon 
in  der  Zeit  des  salischcn  Volk-srechts  die  Exekutive  an  sich  gezogen  hatte, 
immer  ausschliesslicher  von  den  Grafen  als  den  Beamten  des  Künig*  unter 
Mitwirkung  des  Volkes  ausgeübt. 

Die  ständische  Gliederung  des  Volkes  ist  bei  den  alten  Germanen  noch 
«elir  einf.ich.  Die  auf  der  Gemeinschaft  des  Blutes  und  der  Abstammung 
berulK-nile  Sip[:>e  war  nicht  nur  chic  Grundform  des  gesellschaftlichen  Lcbats, 
sondern  aucJ»  die  Vorausscixung  fOr  gescü-Hchaftlichc  Geltung  im  \'olkc. 
VoHfrei  war  nur  der  Freigeborenc;  er  allein  war  Volksgenosse  wie  nur  er 
Sij^pengenoss  war.  Der  Stand  der  Vollfreien  war  der  Kern  des  Vtilkes, 
rechtlich  und  wirtschaftlich:  ihm  allein  kamen  öffentliche  Rechte  in  der 
Volksversammlung,  im  Volksgerichtc  und  im  Heere  zu,  wie  er  allein  Ober 
das  verteilte  Laml  unti  die  Knechte  zu  eignem  Recht  verfügte.  Die  Sippe 
schützte  jeden  einzehien  Genf>wen  in  seinem  Re^lii«*.  seiner  Freiheil  und 
in  seinem  Okononüschen  Interesse  gegenObcr  jedem  Feind  und  vertrat  als 
Rcthtsgemcinschaft  im  Ganzen  den  Stand  der  Volksfreiheit  und  seine  Rechte 
gegcndber  der  öffentlichen  Gewalt  Iimerhalb  des  Standes  der  Voltfrcicn 
war  der  wenig  zahlreiche  Adel  eine  mehr  durch  Ehrcnvorzßge  als  durcli 
besondere  Re«  hic  ausgcKcichnete  Klasse;  aber  als  Gcschlechtsadcl  mit  gn.u>scm 
Besiu  und  herrschaftlichen  Lebensgewohnheiten  war  er  d«xh  von  der  Masse 
der  Freien  sozial  scharf  uuler^iicdcn.  Die  Unfreien  hatten  keinen  Teil  an 
der  Volksgcnosscnschaft,  daher  auch  keine  Sippe  im  Rechtssinn ;  der  Herr 
vtriü^  ttber  sie  in  jeder  Hinweht,  (ibcr  Leben  und  Ted,  Aufenlhah  und 
Best-hafligung.  Ehe  und  Kinder,  Die  Unfreiheit  ist  also  vielmehr  ein  Zustand 
als  em  Stand;  es  gibt  kein  Standesre«'hi  und  keine  soziale  (ieinmg  der 
Unfreien.  Doch  shid  schon  m  tacitetscher  Zeit  zwei  Klassen  ^im  Unfreien 
zu  unterscheiden:  Knechte  im  Hanse  des  Herrn  nach  Sklavenart  gehalten 
und  solche,  die  vric  Kolonen  auf  Landgüter  gesetzt.  Feldbau  und  Viehzucht 
für  den  Herrn  trcfl>en;  «lii-se  letzteren  sind  von  Anfang  an  in  besserer 
Lebenslage.     Als  eine   Zwischenstufe   zwi.st:hcn    Freiheit   und    Knechtschaft, 


4     VIII.  Wirtschaft,     i.  Ausbau  des  Landes.    So/.iAi.r  c  tRnNiNt;. 


über  doch  im  Wesentlichen  als  Unfreie  erschdnen  bei  den  niederdeutschen 
Stamnirn  T-iteii,  bei  l^ngolwrcleji  und  Baieni  Aldicn,  denen  in  der  Hiiupt- 
sa<  he  tue  Kreipelassenen  gleich  gehidten  werden.  Audi  sie  sind,  wie  die 
Ünfreirn,  auf  unterw-t.'rfcne  Bcvt'lkcrungcn  icurüL-kzufrthren:  sie  sind  zumeist 
im  gesicherten  IJcsitz  von  ZinsgiUeni,  geniessen  V'ennügens-  und  P'aniilien- 
reelitc,  aber  sie  sind  an  die  Schullc  gebunden  und  stehen  unter  dem  Schutze 
und  der  VRrtretung  ilirc.»i  Herni.  Der  Zahl  nach  Oberwiegen  in  rein  deulsirlicn 
Gebieten  zweifellus  l.nnge  Zeit  die  Freien:  «■"  sicli  ilie  neiusrhen  mit  einer 
unterworfenen  Bevölkerung  auseinandersetzten,  ist  diese  in  ein  V'crhahnis 
minderer  Freiheit  gesetzt,  dem  sich  auch  die  Unfreien  alsbald  näherten,  sn 
dass  dadurch  eine  vielfach  abgeätuftc  soziale  Gliederung  in  Uten,  Frcigelassnc 
und  Unfreie  sich  ergab;  in  solchen  Gegenden  tri«  dann  wi-hl  mich  i>;ilil  (-in 
numerisches  Ül>ergewic]il  der  nicht  vullfrcien  Klassen  auf. 

Eine  Verschiebung  dieser  ständischen  Ordnung  trat  schnn  in  iler  vor- 
karolingischen  Zeit  durch  die  Verandenmg  der  öffentlichen  GewaU  wie  durcli 
die  Ausbildung  der  Grundbesilz Verhältnisse  ein.  In  dem  Masse,  in  wehhera 
sich  die  küniglichc  Gewalt  an  die  Stelle  der  Vnlksgewalt  in  Geriebt  und 
Polizei,  insbesundere  aber  auch  in  den  Angelegenheiten  des  Heeres  und  der 
Finanzen  setzte  und  dazu  eigne  zentrale  Vera-Jiltnngsnrgane  ausbihletc,  ent- 
staitd  aucl)  ein  neuer  I^ienstadel,  teils  durch  Eintritt  des  allen  Gcschlechts- 
adets  in  ilic  tmstis  regia,  teils  durch  Besetzung  der  kr-niglichen  Bfanitcii- 
Stellen  mit  Dienstmannen  des  Königs.  Und  daneben  bildete  sich  unter  dem 
unmittelbaren  Schutz  der  küniglidieu  Gewalt  auch  eine  neue  bevorzugte 
Klasse  unfreier  Leute  in  den  homines  fiscala,  den  auf  kAniglichen  D<im.1nen 
(fisci)  angesiedelten   Uten  und   Knechten,  aus. 

Ancle^seit^;  gelangten  die  Bistümer  und  Stifter  durch  reiche  Schenkungen 
und  Vermachtnisse  :lu.s  dem  Künigsgute  sowie  aus  dem  Vermögen  wohl- 
habender Familien  und  selbst  einfacher  Leute  frühzeitig  zu  grossem  Gnmd- 
besilzc  und  damit  zugleich  zur  Herrschaft  über  zahlreiche  Unfreie  und  Halb- 
freie; nntl  eben.*i  erhoben  si<-h  liie  Manner  «ie«  königlichen  Gef'ilgcs,  insbe- 
sondere aber  die  Würdenträger  und  b'''>heren  Beamten  durch  k<""iniglic!ie 
Beneflzien.  durch  Erbgang,  Rodung  luid  Kauf  zu  grossen  Grundherrn  und 
damit  auf  eine  hfVhere  soziale  Stufe  und  bildeten  .illmühlich  einen  neuen 
Add,  wflhrend  der  alle  Gcschlechtsadel  teils  .lusstarb,  teils  in  diesen  Dienst- 
adel überging-  Diese  geistliithen  und  weltlichen  Grumlht'iTn  ziehen  alsbal<l 
die  mit  kleinem  Besitze  ausgestatteten  Gemeinfreien  in  den  Bannkreis  ihrer 
Macht.  Mit  iiirer  wirtschaftlichen  und  sozialen  Überlegenheit  üben  sie  vor 
allem  innerhalb  der  Markgenossenschaft  einen  bestimmenden  Kinflu!«  auf  die 
übrigen  Genossen  aus  und  gelangen  nu  zu  einer  führenden  Rolle  in  der 
Markgenossenschaft,  übernehmen  die  Funktionen  derselben,  wie  den  st>zialen 
und  wirtschaftlichen  Schutz  der  Markgenossen.  Spätestens  seit  dem  ö.  Jahr- 
hundert gewinnt  das  .Seniomt  eine  rasche  und  allgemeine  Verbreitung;  die 
kleinen  Freien  wenlen  diulurch  zunächst  in  bezug  aiif  den  lleerdienst,  bald 
auch  in  bezug  auf  RechLssehutz.  Fried cnsbcwahning  und  wirt.scha Etliche  Inter- 
essen den  grassen  tirundherm  ihres  Gaues  untergevirtlnet;  diese  ftl>eniehmen 
die  den  kleinen  Freie«  immer  schwerer  fallenden  leisten  des  Heerbannes 
und  der  Gerichtsfolgc,  .sie  bieten  deren  Wii-tschaftsfübrung  die  fchlL*n<ic  irntcr- 
stülznng,  indem  sie  die  freien  Hufen  dci"selben  dem  Verband  ihrer  eignen 
grossen  Domanial Wirtschaft  angliedern  —  alles  um  den  Preis  der  Ei-gebung 
der  Freien  in  ihren  Dienst  (Kommendation)  und  der  Auftragung  ihres  Eigen- 
tums, das  sie  als  Nutzbesitz  wieder  zurückerlialten ,  (freie  Hi]itersa.ssen}. 
Landk&cn  Freien,  wie  sie  mit  zunehmendem  Ausbau  des  Stamralandes  immer 


DEUTSCHI-   VERHXtT>1.<y;E. 


häufiger  weitlen.  gclMin  sie  in  almltdier  Wusc*  Biriitfiziulj^üter  und  Zinsi^ülot 
und  bilden  sich  so  einen  stetig  wai'hsenden  Krpiü  vku  abhlingigvn  Leuten. 
Ebenso  werden  diese  gmsscn  Gruiidhcrm  aber  auch  thaiig  itn  Dienste  der 
X^ideslcultur;  von  ihnen  vonirhnili<  li  c<?ht  die  kdlonisatumrhe  TliJUiiikeil  im 
Lniide  aus;  den  Kreis  ihrer  HOrij-en  und  Unfreien  vermehren  sie  ebens«'» 
wie  ilen  Kreis  ihrer  Schutzleute  und    Ziii-spflichtigen. 

Der  auf  sxkhe  Weise  best.1ndig  steigenden  likfmomischen  und  suzi.-den 
Madit  der  Grtmdhemi  stand  eine  stetig  abnehmende  Widerstandskraft  Uui 
kleinen  Freien  gegennl>cr:  die  alhnllhhrhe  Aufsaugung  der  letztereji  war  das 
notwendige  Ergebnis.  D'Kh  war  dieser  Verlust  der  ahgemianisrhen  Freiheil 
bei  den  verflnderien  ]i^)litisilien  \Vrh;iltnis»en  und  bei  den  Ansprüchen  einer 
gesteigerten  wirtschafiüihen  Kultur  unvemieidlieh.  Die  grosse  Grundherr- 
S(*liuft  biUlete  eine  absolut  bessere  «'irt^ehaftliche  Organisation  und  eine 
wesentlich  leistungsfAhigere  Uniert;ige  fOr  die  DurrbfOhning  der  ftffentlirhen 
Vcrw'.dtung  aus.  Au«h  tlie  Mafst*  der  Bevölkerung  fimd  sich  schlies,sti<li  bei 
dieser  V'rrflnderung  ihrer  wirtschjiftlichen  Lage  nicht  benachteiligt;  in  dem 
Verbände  der  GrumHierrschuft  v^iirdc  der  ehemalige  KnHe  von  den  Lasten 
des  Heerbanns  und  des  Gerichts* lim stes  befreit,  welche  für  ihn  uner>M-liwing- 
Hch  geworden  waren;  die  winschaftlirhen  Opfer  und  persr.nhchen  Dienste, 
welche  ei  auf  ^ich  nehmen  mussle.  wurden  reiclitich  dadurch  aufgew(<gcn, 
dass  er  nun  in  der  (innulherrsrhaft  einem  .grösseren  Änrts*-liaftlichen  Or*;a- 
nlxmus  eingegliedert  vnirde,  der  ihm  mannigfachen  Gewinn  und  stete  SicJier- 
hcit  seiner  Existcnx  verbürgte. 

Duwh  die  beiden  Hauptfaktnrrn  der  grundherrlichen  Entwickehmg,  die 
Auvst^iltung  der  Grund  he  rrsrhaft  mit  wichtigen  Funktionen  der  nffentliclien 
Grwult  und  die  F,inori.liuinK  der  kleingnm(il)csitzen<k-n  Freien  in  <leii  On^a- 
nininus  der  GrumllierrscJiaft  ist  auch  die  alte  Institution  der  Markgeiiossen- 
sehaft  v>iii  Gnnid  aus  geändert  worden.  OViereigentum  an  den  Bauenigilteni 
tmd  Vertretung  der  Schutzleute  tuid  Grundholdcn  vor  Gericht  hal«tn  den 
Grundherrn  KunScIist  /um  meistberecbtigten.  bald  auch  Kum  dominierenden 
Markcr  in  <ler  Genossenschaft  geniatht:  Eigentum  an  der  Allmende  und 
lmmunh.1i.  welche  er  sich  \*iclfarh  daxu  erwarb,  haben  die  Möglichkeit  ge- 
geben, die  Markgen«  issensi'huft  als  eigentlichen  Herrschaftsbereich  des  Grund- 
herrn einer  neuen  wirtschaftlichen  Ordnung  zu  unterwerfen;  volle  Ausschei- 
dung aus  dem  Grafsc'haftssprengel  (emunitas  integra)  schuf  die  Grimdlage 
für  die  Ausbildung  selbständiger  rechtlicher  Ordnung  der  Verhältnisse.  Die 
Gerichts-  wie  dip  l'nlizt'igewah,  welche  ehe<lein  autonom  von  der  (iauge- 
no->sensi.haft  gcvibl  war,  wurde  damit  dem  grund herrschaftlichen  Svslcm 
übenuiiworiet;  ebenso  aber  war  nun  eine  neue  Ordnung  der  privatwirtschaft- 
Uchen  Angelegenheiten  der  Markgeni»ssen  durch  den  Grundherrn  möglich; 
der  Grundherr  zeigte  seinen  Bimeni  eine  eigne  gemeine  Mark  aus.  und 
bestimmte  in  derselben  das  .Mass  ihrer  Nutzungen  wie  ihrer  autonomen 
Befugnisse. 

Gmsse  Unterschiede  reigl  allerrlings  diese  F.ntwickelung  des  grundherr- 
Ifcben  System»;  es  ist  weniger  im  Norden  und  l>*tcn,  mehr  im  Süden  und 
Wcsteti  Deuischkmds  ausgebildet;  aber  die  Elemente  desselben  finden  sich 
doch  allenthalben. 

Mit  tlieser  schrittweisen  KnAvittTung  dtrs  Besitzes  der  Grundherrn  entstand 
das  Heflürfnis  nach  C,)rganisatii.n  und  Gliiilenmg  eines  so  au-sgedelmten 
Wirtschaftsbetriebcs;  durch  die  Vereinigung  von  i'iffentl icher  Gewalt  in  den 
Händen  <Ier  Gnmdhemi  und  die  ItiMung  grundhcrrlicher  Markgenossen- 
schaften, schlie-sslii  h  dunh  die  .^tlsbildung  des  Hofrechts  war  die  Organisa- 


6      VIII-  Wirtschaft,     i.  Ausbau  des  Landes.     Soziale  Ordnung. 


li'>n  tler  Offeiitlkhcri  Verwaltung  iniicrhiilb  Ocr  GnmdliL-rrscluift  Bedürfnis 
gewcmlL'n.  Da.s  niarbtc  eine  Beanitenorganisatioii  iiolwendip,  stiwoh]  für  den 
öffenilit  hen  Dienst,  wie  für  die  WiitschaftsfOhmng  und  die  Pflege  der  grund- 
hcrrlichen  Finanzen.  Aus  den  vcrsciiicdcncn  Klassen  der  Unfreien,  Grurid- 
Ii«:>tden  und  S<hutzhörigcn  ;irbeiti>icn  sich  die  Bi^amtcn  und  Funktionäre  der 
gruiidhcrrliclien  Gewalt  empor.  Die  Heeresfnige  und  der  üffentüthe  Dienst^ 
welchen  die  Grundherren  dem  Rciehe  gegenüber  übeniommen  hatten,  l'ülirte 
ebenso  zur  Ausbildung  einer  eigenen  Klasse  von  reisigen  Bediensteten  (Ritter); 
diese  beiden  Kategorien  von  Dicnstmünncm  schlössen  sich  allmJlhiich  zu  fincm 
Stande  (MinisierialitÄt)  zusammen,  dem  vermuge  seiner  besonderen  Leistungen 
eine  suzial  und  wirLschafÜich  he-sscre  Stelhing  und  vermöge  des  cigcnctt 
Dienstrechtes  nucb  eine  rechtliche  Hevurzugung  einjjcrilumt  wurde.  Ein 
eigener  Beiiiuten-  und  Ritleradel  hat  Mch  düraus  entwickelt  Die  übrige  der 
GrundherrscUaft  unlervu'orfeiie  Bevölkerung,  die  Grundhulden  und  Eigcnlcute 
wurden  im  Htifrechte  zusaminengefiisst,  in  dem  suwohl  die  autcnn mische 
Weiterbildung  des  GcwohnhciUrechts,  als  auch  die  Rcchtssprediung  und  die 
Regelung  der  grundherrlichen  Lasten  sich  vollzog. 

Damit  sind  zugleich  die  wirtscliaftüchen  Gruiullageri  tle»  |Hjliti«;hen 
Systems  des  Feudalismus  gekennzeichnet  Der  lirundherr  wurde  das  Zwischen- 
glied zwischen  Fürst  und  Volk;  er  empfing  seine  Güter  zu  Lehen  und  ver- 
gab sie  weiter  an  seine  Vassalleu  und  Ministerialen;  kIIc  offen tiiclien  Rechte 
und  Pflichieii  gingen  durch  dieses  Medium;  die  Staatsgewall  war  stückweise 
mit  ihren  wichtigslen  Funkti<inrn  an  die  Feutlatherren  übergcgiuigen:  Die 
Liindcs Verteidigung  iVbencdhm  düs  Lelienslieer,  das  aus  den  Vassallen  und 
ihrem  reisigen  Gefolge  sich  bildete;  Abgaben  und  Dienste,  stjwohl  die  aus 
der  Grundhi'^rigkcit  und  der  persönlichen  Unfreiheit  .stammenden,  wie  die 
geriiht-iherrlichen  ( V'jgleiabgaben  I  und  andere  tler  *»ffentlicheii  Obrigkeit  zu 
leistenden,  fielen  den  Territorialherren  und  im  Wege  winiercr  Bclelmmig 
ihren  Va.ssallcn  zu,  die  Ke<hts]iflege  wir  die  I'i>lizei  übten  sie  teils  aus  eigenem 
Rechte  kraft  des  <L)hereigentunis  und  der  perMHiltchen  Herrschaft,  teils  kraft 
Cbenragtmg  durcli  die  InuiiuniUlt.  Vogtei  und  vermöge  ihrer  SteUung  als  Öber- 
marker  der  Markgeniysscnsch.iften.  So  wirkt  schliesslich  die  Stiiatsgewalt  nur  mehr 
mittelbar  auf  die  Unterthanen:  <lie  vorschicdneti  Kreise  der  lehenrech ttichen 
Gesellschaft  absorbieren  den  gr-JKsten  Teil  tlcr  wirtsuhaftlichen  Kraft  de» 
Volkes  für  ihre  Kwecke  und  die  einheitliche  Slaalsgewalt  verliert  damit  ihren 
Nährboden  und  die  Gnmdbedingungen  ihrer  Erhaltung. 

In  dieses  Feudalsystem  ist  noch  während  des  Mittelalters  von  zwei  Seiten 
her  Bresche  gelegt:  die  städtische  Entwickelmig  seit  dem  12.  Jahrlumdert 
erzeugt  ein  freiem  Hfl^ertum,  das  dann  entweder  die  ReichsunmiiteUiarkcit 
erringt  fider  doch  in  den  landesfürsllii  hen  btiidten  sich  frei  vuni  Lebensnexus, 
hält;  vmd  in  den  grossen  iiicderiündischcii  und  fränkischen  KolonisatiL'nen 
im  deutschen  Nrjrden  imd  Osten  entsteht  seit  dem  12.  Jahrhunderle  ein 
selbst^digcr  Bauernstand  mit  freier  Gemeindeverfassung.  Auch  auf  die  alt- 
besiedelten deutschen  (Gebiete  üben  diese  VerhilUnisse  eine  Rückwirkung  aus; 
eine  teilweise  Emanzipation  der  Bauern  auf  der  wirtschaftlichen  Giundlage 
von  Erbpacht  und  Zeitpachi  tritt  ein;  die  Markgenossenschaft  erringt  .sich 
auf  dieser  Basis  eines  freien  Besitzstandes  wieder  Autonomie  in  wirtschaft- 
lichen und  Iukal(K>!izeilicheii  Angelegenheilen,  um  so  mehr,  je  mehr  die 
Feudalherren  umi  Vassallen  sich  der  eignen  W"irtschaf[sfühnmg  entfremden 
und  sich  auf  die  Zins-  imd  Dienstpflicht  ihrer  Bauern  beschranken.  Innerhalb- 
der  grossen  Territorien  sind  die  Grundholden  iladurch  allmühhch  wieder  zu 
Unierlhanen,  mit  politischer  Abhängigkeit,  aber  persönlicher  Freiheit,  geworden; 


^ 


Enguscue  Verhältnisse. 


die  Schutzleutt^  vcnichmdzi'n  vnllst.'Jiulig  mit  ihnen ;  die  ganze  Ii.'tuerliche 
BexOlkeruiij;  wird  diiniii  au  einer  dnlieitliclicii  Masse  und  tritt  damit  ah 
wichtiger  politischer  Faktor  an  die  Seite  des  LandcHhcrm  und  iii  Gegensatz 
XU  den  kleinen  politischen  Gewalten  der  Gnindherren  im  Staate,  freilich 
haben  damit  diese  kleinen  Griindbesit:i:cr  auch  wieder  iii  steigendem  Masse 
die  üffentlirhen  Ijiüten  und  Steuern  auf  sich  nelimen  mtK-icn;  die  F.rlcichte- 
rung,  welf-he  ihnen  an  den  jj^wohnhcitÄreclUlit  h  fixierten  grundherrlidum 
Abgaben  durch  Steigerung  der  Bodenertrüge  und  dur<'h  die  Geldentwertung 
zu  teil  geworden  ist,  wurde  damit  zum  Teile  wenigsten!;  kompensiert.  Die 
Giundherren  ihrenvcit;»  büssen  durch  die  Fixicmug  der  Zinsen  und  Dienste 
bei  sleige-nder  Bodenrente  immer  mehr  an  wirtschaftlicher  Starke  ein.  und 
durdi  die  SteucntnspKlche  der  Landesherm  an  ilire  Untcrthanen  vermindert 
sich  für  sie  immer  melir  die  Milglichkeit,  ihre  I^ute  mit  gnmd-  und  vogiei- 
hcrrlichen  Lasten  /u  beschweren,  i^udem  fcliU  ihnen  nunmehr  nach  Voll- 
endung des  Ausbaues  ihres  L;indcs  das  Mittel  wirtschaftlicher  Kräftigung 
auf  dem  Wt^e  der  Kolonisation;  der  (>konomLschc  Verfall  der  Gnmdherr- 
sdiaft  ist  in  der  zweiten  Hillftc  de.s  Mittelalters  ein  uiiaufliallsamer;  um  so 
mehr  besteht  bei  ihnen  Geneigtheit,  die  Bauern  zu  bedrfkcken  und  sie  an 
ihre  eigene  Intcrcsseusphüre  zu  zwingen.  Der  bfluerlichen  Be\'ülkerung  andcr- 
adts  erwachsen  durch  eine  relative  Über^-Ülkcrung,  welche  sehr  viele  besitz- 
lose Elemente  schafft,  sowie  durch  eine  relative  Überproduktion,  welche  die 
Preise  drückt,  neue  Gefahren  Ihrer  Selbständigkeit;  eine  neue  Leibeigenschaft 
drückt  groi'ie  Massen  der  I-indbev/'-lkcrung;  so  verschärft  sich  schlieÄslich 
der  Gegensatz  der  Grundherren  imd  Bauern,  bis  er  in  den  Bauernkriegen  zu 
gewaltsamem  Ausbruche  kommt  und  in  seinen  Konsequenzen  für  die  folgende 
Staaten bildung  von  prinzipielk-r  Bedeutung  wird- 

Auch  die  Besiedeluiig  Knglands*  ist  v.in  der  angcUSchsisrhen  Erohenmg 
an  in  allen  wesentlichen  Stücken  auf  rein  gerniannisclicr  Grundlage  erfolgt, 
d<^>rh  Lst  dcT  alte  Ge.sc"hle»"hts\'crband  iltT  Heimal  hier  noch  frühzeitiger  als 
in  Deuturhland  zersetzt  und  die  öffentliche  Gewalt  (Heptarchie)  wird  für  die 
Ordnimg  der  Besitzvcrliültnissc  massgebend.  Im  allgemeinen  erhalt  der 
Grmcinfn-ic  einen  l'flug  Landes  ylliiia,  mnnsus'),  die  Ilecrführcr  und  ange- 
scJieneren  Fanülienhaupter  grössere  Besitzungen.  Zu  dem  Ifluglande  werden 
regeimas-sig  Nutzungsanteile  an  Weide  und  Wald  gegeben.  Die  Könige  und 
Territorial  fürst  en  verleihen  sulche  an  dem  Vulkstande  \Jolkhnfi),  den  bei  der 
Niederlassung  unverteilt  gebliebenen  Gebieten,  welche  als  Eigentum  des 
ganzen  Volks  bzw.  des  Staatsoberhauptes  galten.  Die  Dorfgcnossenschaften 
teilten  ihren  Mitgliedern  Nutzungsrechte  an  ihrem  Gemeinlande  Uommotiland) 
zu,  das  schon  bei  der  Nietlcrlassung  der  Stfimme  v(.>]n  folkland  ausgeschieden 
wurde.  Das  privaU?  (irundcigentum  ist  teils  Erbland  (  vr/eland),  das  entweder 
schon  bei  der  Niederlassung  den  vollberechtigten  Volksgenossen  zugeteilt 
worden  war,  oder  spater  durch  den  Fünilcn  aun  dem  folkland  oder  durch 
die  Genossenschaft  aus  di-m  (ommonland  vergeben  wurde,  teils  ist  es  Buch- 
land {Itoflattd},  das  mit  Urkunde  aiLs  ilem  folkland,  selten  auch  aus  dem  son- 


*  J.  M.  Kemble.  Saxom  in  England.  Deutsch  von  Brindei.  j  Bde.  1653  f. 
K.  A.  Fretman,  HitHry  «f  Ike  ^-orman  Conquat,  itj  causrs  and  t'U  rrsuln.  6  v, 
■874—  1879.  E.  Na**«,  Clxr  di<  müulaltfrtiikf  FeldgemfiMSihaft  und  die  Einhri^ngtn 
äti  16,  Jahr h.  in  England,  liltxj.  F,  Pollock.  /irtftt  da  OrundOfSitz^i  in  England. 
Oben.  T.  E.  Sehnst«  1889,  /Jowrfrfi/v  Äiw* (oft'wicllc  Au«jj«Ik'(  178J-  Additamfnta.  i8ib. 
H.  EIIiB.  A  grnfral  Infrodurticn  fö  D.  B.  2  Btlr.  lUjJ.  Eatlc,  Handboek  ttf  Ihr  Land 
Ckartert  and  olkrr  Stixonic  dvcummtj.  1888.  Davenjiort,  Ctainfird  litt  flf  firtntrd 
trigmal  malfrials  for  English  manorial  and  agrarian  kislory.    1S94. 


stigcn  Gcmeinland  oder  aus  dem  Erbland  ausfftsthicdene  frei  verfügbare 
Priv:itgrundeigenluni,  was  erst  in  der  späteren  angrlxarbsisclicn  Zeit,  zuerst 
zu  Gunsten  der  Verleihungen  an  die  Kirche,  aufkuin. 

Den  freien  Grundbesitzern  stehen  die  Unfreien  {fit^tcas)  und  die  Hinter- 
sassen {/oigtras)  im  Wesentlichen  in  gleichen  Verh.lltnissen  gegenüber  wie 
bei  den  übrigen  deutschen  ötüinincu.  Die  Unfreien  sind  entweder  auf  dem 
Gute  ihres  Herrn  zu  den  vcTÄchiedcnen  Arbeiten  des  Hau-sbalLs  und  der 
Wirtschaft  verwendet  uder  sie  bebauen  ein  Gut  ihres  Hern»  auf  ei^Tie  Rech- 
nung gegen  Dienst  und  Abgaben  in  widerruflicher  Weise.  Die  Hintersassen 
erhielten  von  den  Grundherrn  gleichfalls  Land  zur  Nutzung  {Irrtihaif)  gegen 
Dienste  und  Abgaben,  aber  gewühnhch  schon  mit  besserem  Rechte,  zum 
Teil  sogar  als  Buchland.  Auf  diosom  Wege  waren  insbesondere  aurli  kleine 
freie  Gruiidbesitzer  zahlreich  in  die  Abliangigkdt  vnn  Grtjiidherni  gekommen, 
da  die  Landleihe  in  der  Regel  auch  persönhche  Dienstpflicht  und  I^liens- 
treue  mit  sich  brachte  und  der  Grundsatz,  dass  kein  ehrlicher  Mann  ohne 
Herrn  sein  konnte,  wenn  er  nicht  selbst  Herr  war,  schon  in  der  angelsäch- 
sischen Zeit  zur  Anerkennung  gelangt  war. 

Die  fortschreitende  Oücupatinn,  Rodung  und  Organisation  des  Besitzes 
kani  auch  in  England  vorwiegend  nur  den  grösseren  Besitzern  zu  gute, 
welche  ihre  Grundherrscliaft  weiterlun  durch  Auftragung  von  freiem  Gmnd- 
Ijesitz  und  Landleilie  erweiterten  und  so  auch  eine  immer  grössere  Anzahl 
von  Personen  in  ihre  \\iru;chafi]iche  Botmassigkeit  brachten.  Insbesondere 
ist  der  Grossgrundbesilz  aber  durch  die  Verfügung  gewaclisen,  welche  er 
über  Gcmeinland  errang.  Der  Kßnig  und  einige  Grosse  hatten  schon  früh- 
zeitig bevorzugte  Nutzungsret  htc  am  Volkslande,  welche  sich  im  Verlaufe  zu 
EigentuuLsvecliten  enlwickclleu  und  in  ahnlicher  Weise  wurden  spIUer  die 
Gutsherrn  in  den  Markgenossenschaften  mflchtig,  traten  iminei  mehr  in  die 
Befugnls.He  der  Gesamtheil  ein,  verfügten  über  <li(^  Nutzung  am  commonland 
wie  Über  die  Abgaben  und  Dienste,  welche  das  Krbland  an  die  Gemeinde 
schuldete,  bis  schliesslich  das  Geaneinland  mit  den  aus  demselben  ausge- 
schiedncn  Krbgfltcm  zum  Eigentum  der  GuLsherni,  die  Bauern  zu  Hinter- 
sassen und  da»  ganze  Geineindegcbict  zur  Gutsherrschaft  imaftor)  geworden 
war.  Der  König  vcrHeh  dazu  noch  hüufig  den  Grundherrn  das  Recht  der 
Gerichtsbarkeit  und  der  üesteuemng,  womit  der  (imncIhBrr  zugleich  die  Orts- 
obrigkeil  wurde  und  die  Autnnniuie  und  die  alten  Vulksgcrichte  der  Ge- 
nossenschaften verschwanden.  Die  Periode  der  dänisclien  Raubzüge  hat 
noch  mehr  den  Wohlsland  der  kleineren  Freien  zerstilrt  und  das  Überge- 
wicht des  Grossbesilzcs  entschieden. 

Dir.  Neubildung  der  GrundbesilzverhältnRse  infolge  der  normanniRcheji 
Erobemng  bat  auf  dieser  (^rundlage  weiter  gebaut.  Das  ganze  .Staatsgebiet 
Ist  zwar  als  erobertes  Land  königLiches  Eigentum  geworden ;  es  erfolgt  aber 
eine  massenhafte  Verteilung  zu  Lehen,  teils  an  die  bisherigen  freien  Be.silzer, 
teils  an  die  cingewandeiten  nonnitnnischen  Krieger,  so  dass  dadurch  das 
Lehenswesen  zur  ausschliesslichen  Grundlage  der  BesitzverliHltnisse  gemacht 
ist.  Die  Aufteilung  des  GaindlK-sItzcs  erfolgte  zunAchsi  in  eine  An/.;ihl  von 
JRjtierlehen,  vt>n  denen  sith  der  KOnig  einen  kleinen  Teil  zu  eignet  Verfü- 
gung zuri^ckbehielt,  während  die  Übrigen  in  annühcmd  gleichem  VerhiUtnLsse 
an  die  Kirche  und  an  diu  weltlichen  Herren  fielen.  Unter  ihnen  waren  die 
weltlichen  und  geistlichen  Kronvassalleu  mit  grosseren,  aus  einer  Anzahl  %'on 
Rinerlelien  gebildeten,  GuUkomplexen  belehnt,  kleinere  Anteile  wiirden  dem 
kriegirriscben  Gefolge  des  Königs  zugeteilt.  Zahlreiche  After vassallen,  mit 
einzelnen  Rittergütern  v<m  jenen  belehnt,   atan<len,   abgesehen  von  dem  all- 


Enolischr  VerhAltxisse. 


genwincn  dem  K«"migo  seil  1086  geleisteten  Treueid,  in  IcliciibiecliUichcn 
Verpflithtuiim-n  nur  gt^iiübcr  ihrem  uniniUel baren  Lehensherm,  bis  i2go 
(1.5.  Edw.  h  diese  Art  von  AftenasKillit,'»  iturgelioben  und  jeder  von  einem 
Va>ÄaIIen  weiter  belelinte  damit  direkt  Lelierisuiann  des  Herrn  seines  Rechts- 
vorcangcra  wurde.  Glcirlizcitig  wurde  jiIkt  fflr  die  uIa /cc  simple  liczeichne- 
ten  Lehcngfller  die  freie  Verfögnng  des  Belehnlcii,  unter  Vnrbehult  des 
Lclicnsncxus,  für  die  iils  fer  tail  {eninif)  bczetclincten  durch  bestimmte  Erb- 
folgenidnung  unteTwhiedenen,  die  Unverllu.H$erlirhkcit  und  Untcilharkeit  aus- 
gesprcx-hen  (1285),  die  jednrh  von  der  Praxis  nur  bcsrlirTinkic  Anerkennung 
landen.  Das  Grits  der  bäuerlichen  Bevölkerung  st;md  in  vemtchicdenen  Ora- 
<Ien  der  Abhltnj^^keit  von  den  Grundherren  und  war  entweder  mit  freiem 
Grun<lbe^l/  Uora^lami,  darnach  auch  sokman,  socchemaiti)  oder  mit  einem 
mit  Abgaben  und  Diensten  teilweise  sehwer  beJasleten  Gmndbesitco  aiL>ige- 
stallct  (i-i/lnitt-y) ,  wrüirend  mit  Rücksidit  auf  die  kürzere  oder  längere 
Verieihungsdauer  und  lias  llcsitzrecbt  des  grliehenen  Rcsitzes  leashohh,  free- 
holtii,  tiipyhoUi  uiiter>i-bie(lrn  wurden.  Die  Hcsiizvi-rhiiltnisse  der  ersten  Zeit 
nach  der  nnrmannlsthen  F,r<'beruiijj  sind  aus  dem  noeh  unter  Wilhehn  dem 
Eroberer  angelegten  Domesdaytmok  mit  groRser  Vollständigkeit  und  Deut- 
lichkeit zu  ersehen.  Mit  dieser  Ordnung  der  Dinge  war  weder  düs  alte 
folkiand  noch  das  aus  tlemscllK-n  ausgeschiedene  bokianif  vertraglich.  Das 
erstere  wurde  K^nigskind  inid  slürkweise  /u  l.ehen  gfu^icht,  cl;i.s  letztere 
wurde  entweder  k'mfisziert,  weil  die  EigeniOmer  dem  Eroberer  Widerstand 
geleistet  hatten,  oder  in  Lehen  umgewandelt;  neues  ßurhhind  ist  nach  der 
nonnanniM:hen  Eroberung  nicht  mehr  enist;mden.  Aus  den  alten  Erl*gütem 
wurden  Lchcti  ixler  Erbzinsgüter  {rofivAnMs),  je  na*'h  der  I-age  des  Eigcn- 
tunu,  die  GemcindeLindereien  der  Dorfscliaften  sind  zumeUt  /u  Gutsberr- 
schaften  gezogen,  in  ihren  wirtschaftlichen  riinklitmcn  aber  lange  Zeit  erhalten 
^■blieben. 

Auch  in  der  weiteren  Eiitttickelung  der  englisebcn  Be-silz Verhältnisse 
ei^ben  .vidi  gewisse  Pardllelen  zu  den  deutschen  Zustünden,  neben  sehr 
bemerkenswert«!  Besonderheilen.  Die  grossen  Vassallcti  ihnrvncs  Majores) 
entwickeln  sich  zu  einer  eigentlichen  erlilichen  hohen  Aristokraiir*,  aber  der 
starke  Drm  k  der  öffentlichen  Gewalt,  der  auch  auf  ihnen  lastet,  verbötet 
ebcniüJ  jede  Aufsaugimg  staallirh<T  Hoheitsrechtc  durch  den  grossen  Grund- 
beshz,  wie  er  anderseits  zum  Schutz  der  kleineren  Gnmdbesitzcr  gegen  die 
Ausbeulung  durch  die  grossen  Landlurds  wirksam  ist.  Die  kleinen  freien 
Vassallen  versclinicliten  immrr  mehr  mit  den  ^^nte^^■a-•walle!l  der  GrfKWCii  zu 
einer  Klasse  srundbesit/entler  Freien;  die  freien  und  balbfreien  Hintersassen 
{Hif^re  tcntHtfs.  tnehoiäs.  iitc(hemam\  weritcn  durch  die  Ausbildung  des  Heer- 
dien9.te^,  xu  welchem  sie  neben  den  ritterlichen  V'as.sallen  immer  aufgelniten 
werden,  durch  die  GnifscIiafLs Verfassung  und  ilie  StiUlieverfassung.  in  welcher 
ihnen  ein  gewi'wrs  Mass  selb^iändiger  Mitwirkung  an  ilen  Aufgaben  der 
^ffendiclien  Gewalt  /usteht,  tliescni  kleinen  grundliestl/-cndeii  Ritteislande 
'immer  naher  geliracht.  Seit  der  Mille  des  u.  Jahrhumlerts  begiiuit  in  Eng- 
land, memt  auf  den  königlichen  GOteni,  dann  fin  weltliihen,  zuictast  im 
gcütllicTien  Grossgmn<lbeMt7.  die  l'mwandlung  der  Dienste  in  Gchllclstungen; 
nngefnltr  seit  derwlbon  Zeit  beginnen  die  Gnnidherm  (^lemeinland  einzuhegen 
oud  dasselbe,  sowie  Teile  des  Herrc-idandcN  {StiUand)  selbst  zu  vcr^tachten. 
Auch  auf  diese  Weis«!  vermehrte  si<  h  die  Klasse  der  Krcil)auem  um!  *'er- 
sehuiolz.  schliesslich  mit  den  übrigen  Klassen  kleiner  <jrundbesitzer  zu  der 
ctnhfitlichen  Gentr)'.  der  breiten  Gnmdlage  für  tlas  mit  der  erigli.s«-Iien  Ver- 
ftks^ung  grv»>.-h;d'ene  Haus  der  Gemeinen.     Auch  der  arbeitenden  Bevölkenmg 


lo    VIII.  Wirtschaft     i.  Ausbau  des  Landes.    Soziale  Ordkung. 


ist  diese  Enlwickolun^  zugute  gck'')niincn ;  die  I.<^ibeigenschaft  ist  ge^jeii  Ende 
des  Mittelalters  schon  fast  verschwunden;  die  Hintersassen,  Handwerker  und 
die  dienenden  Klassen  sind,  wenn  auch  noch  oline  Tcilnalinic  an  den  poU- 
tis<:hen  Rerhtcn,  dorh  srhcm  pcrsünüch  frei  geworden.  Freies  GcKindc  und 
behauste  Taglühiicr  übenichinen  die  Arbcllslebitungeii  am  Herrenli(.»fc,  welclie 
früher  durcJi  die.  Gnindhoklen  verriditct  worrlcn  wnren.  Die  im  Gefolge 
der  j:;Tossen  Pest  vnn  134Q  einliergehendc  lAihnsteigemng,  mit  welrher  die 
landwirtschaftlichen  Arbeiter  pntktischcn  Gcbraudi  von  ihrer  freiereu  Stellung 
inachte:i>>  zwang  die  Grandherm  zw  wcsenllirhcn  Anflerungen  ilircs  Wirt- 
sch;d"tsbetricbes.  wobei  ErsparunR  an  BclnebskrJlftcn  das  leitende  Prinzip 
wurde,  .^ber  auch  die  Gesetzgebung  wur  nun  Iiestrcht,  <ien  Gmndlierren 
eine  erleichterte  VcrfClgutin  über  I^undarbeiter  durch  ßeschrilnkun^  ihrer 
Freizügigkeit  und  durch  Lnhntaxen  zu  verschaffen.  In  diesem  Kampf  der 
Landarbeiter  mit  der  Gnindljcnschaft  gab  schliesslich  die  Aussclicidung  der 
Fronhöfe  und  die  Einhegiuig  des  Gcmeinlandes  für  dieselben  den  Aassthlüg 
zu  Ungunsten  der  kleinen  biliierliciien  Stellenbesitzer  und  Arbeiter,  weichen 
bei  dem  Fehlen  der  Genieindeweide  die  E.xi}.ten/.basis  so  sehr  geschmälert 
war,  d.iss  sie  auf  Li)hnarbeit  am  Herrenhofe  angewiesen  waren. 

Die  skandinavischen  Lande*  sind  schon  am  Beginne  ihrer  histo- 
rischen Zeil  ganz  überwiegend  v<in  ostgcrmanisdien  Völkern  besiedelt,  neben 
welchen,  im  hohen  Nnrtlen,  auch  finnische  Volkselementc  sich  lange  Zeit 
in  ihrer  Eigenart  behaupteten.  Bei  ihrem  Übergange  aus  dem  Numadcn- 
Imn  hal>cn  die  einzelnen  Scharen  (/y/ii),  welche  das  Land  gcschlechter- 
weise  in  Uesiiz  nahmen,  dasselbe  zunadiät  nach  Hundertsciiafteii  yhuniiari, 
heraä)  geteilt  und  innerhalb  denselben  wiesen  sie  den  ciiuelnen  Familien 
Grundbesitz  {Mat)  an.  \Va.s  nicht  verteilt  wurde,  Wald,  Weide  und  Seen^ 
blieb  :ils  Allmende  {ahiwuningt)  in  der  Gemeinschaft  der  I,andschaften,  der 
einzelnen  HundiTten  unti  ihrer  Unterteilungen,  der  Kirchspiele  {sofhiamey 
imd  Dorfschaften  ybyame)  tnler  des  ganzen  Volkes  {/oiklatiä).  Die  Allmende 
trennte  ebensrt  die  einzelnen  Ansiedelungen  von  einander,  wie  sie  als  Grenz- 
mark zwischen  den  einzelnen  StUmmcn  Be<lcutung  halle.  Die  Erwcitenmg 
der  Aiisi<*dehingpn  erfnlgte  duirb  allm-lligo  l.'rbamiachung  der  Alhncnde, 
welche  dnriu  entweder  kraft  dc,^  jeden]  Gennssen  zustehenden  Rt-rlite'i  zu 
dauerndem  Besitz  erwnrbeii  und  dejn  öäal  zugeschlagen  oder  von  dein  Ver- 
bandp  selbst  an  abhangige  und  unfreie  Leute  zu  erblicher  Nutzung  gegen 
Zins  ilhcriasscn  wurde  (dAn.  orniim).  Auf  diesem  letzteren  Wege  eittstund 
von  <len  l'rdörfem  {alhf/lfv)  aus  eine  Reihe  von  luifrcien  Tivchlerdrirfem 
(i/iorp),  welche  zimfLchsl  iin  Markenverbantle  mit  dem  Urdorfe  verblieben 
luid  erst  später  eigene  Allmenden  ausgeschieden  erhielten. 

Mit  der  zunehmenden  Stärkung  cicr  ki'iniglichen  Gewalt  ist  sjvator  sowohl 
in  DSnemiirk  wie  in  Schweden  ein  .Anspruch  des  Königs  auf  tlic  alten 
l^ndesalhnendcn  geltend  gemacht  und  damit  auch  die  Errichtung  von  unfreien 
Durfem  auf  des  K'^nigs  AlUneude  in  grösserem  Masse  möglich  geworden. 
Aber  auch  die  grosse  (irundiicrrschaft  <lrang  in  die  Rechte  der  Allmende  c^n 
und  grflndete  in  ;1linlii  her  Weise  'l'uchterdörfcr,  die  <lann  in  V'L-rbtndung  mit 
den  Haupthofen  im  athclhv  die  widitigsteii  Grundlagen  der  .>ti>ainiittclaller- 
lichen  Aristokratie  wurden.     In  Norw^en  haben  die  Könige  schon  früh  be- 

*  Oluffsen,  Bidrag  tfl  Ofilviii^  om  DoMutarks  m<ix<orUs  Forfatnmg  m  äe  atidrt 
Tidfr.  1827.  R.  Castriin,  DU  .■Ulmacnningar  in  /•'innfand  und  Standinat-im  (10 
LÄVcteye-Budicr  das  Urcigcntum.  iS'g.  S.  2iOlf.).  Hjclmcrus  Jo.hÄnn,  fiidnii^  tili 
nrmjta  jordrf^ndfrSHms  fiiitoria.  1.  1884.  Dazu  M.  Pn[i|HTh  rim  in  Srlmi'dler» 
Jabrbiich.  N.  V.  9.  B.I,   1*185.  *>■  i>'  ff- 


Skaxdikavische  Verhältnisse 


II 


gimnen,  die  ^Ulnieiulrii  der  Baucmgctncmdcn  als  Staat&Iand  zu  behandeln 
und  dasselbe  den  angrenzenden  ÖrtM-haftcn  zur  Nutzung  zu  übniUisscn. 

Ihren  von  Anf.ing  an  nicht  zahlreichen  Adel  haben  die  skandinavischen 
Volker  früh/A-itis  ab^t,-stossvn ;  zum  Teil  vcrschu-indet  er  in  den  vielen  Er- 
ol«:rung>izng*^n,  welche  namentlich  von  ihm  geführt  sind  (Wikingprperiodc) 
und  welche  in  der  Gründung  des  iülündtschcn  FretsUuitcs  ihren  Absihluss 
fanden;  zum  Teil  ist  es  die  wachsende  Ki^nig^macht,  welche  üin  ab-surbicrte. 
Der  Stand  der  freien  Bauern  erhalt  sich  auf  diese  Weise  unter  seinen  Ober- 
und  UnlcrkOnigcn  lünjic  Zeit  hindurch  bei  ungcbr'>chcner  Kraft;  er  hat  das 
ebenso  dem  maclitvidlen  Königtum  wie  seiner  eigenen  Kmft  zu  danken,  die 
CT  in  der  Doppelbeschafli({uug  mit  dem  Fekibau  und  der  Seefahrt  sich  be- 
wahrte. Noch  im  12.  Jahriiundcrtc  bildet  in  Skandinavien  der  Bauer  den 
Hauptbestandteil  der  Nation.  Von  seinen  Höfen  leistet  er  in  Dänemark 
Heer-  und  Floitendiensi  mid  stellt  als  freier  Macin  und  UrteÜsfiiidcr  im 
Gerichte.  In  der  I^ndesgeraeintle  und  der  Hundertschaft  «"ird  zum  gröbsten 
Teile  die  Öffentliche  Gewalt  gehandhabt;  :>elbst  die  Ki'mige  sind  liier  der 
Bauenichafl  untcru-orfeii  und  behaupten  nur  für  den  Krieg,  in  der  Rl-cIiIS- 
sprecliung  und  in  der  Verfügung  über  unbebautes  l^ind  geniftse  Vorrechte. 
Doch  beginnt  In  Danemark  schon  im  f>.  Jahrhunderte  mit  der  Notwendigkeit 
besserer  Kriegs;» asnlstung  eine  Begünstigimg  der  wohlhabenden  und  gutbe- 
ritl«ncit  l.;m<lleute  \ilencninarnii)  durch  Verleihiing  von  königlichen  Gfttem 
und  Ämtern;  seil  dem  lo.  Jalirhundcrle  breitet  siuh  auch  ein  geistlicher  Gn>ss- 
grundbesitz  aits  und  beide  machten  sich  allmalig  zu  Grundherrn  der  CMal- 
bonden,  indem  sie  ihnen  die  Last  des  Heer-  und  FIiHiendiensies  gegen  Zins- 
zahlungen abnahmen.  Doch  enft  seil  es  den  Grundherni  gelang,  ihre  Huf- 
gerichtsbarkeit \hirk<thiii^\  auf  alle  Bauern  auszudehnen,  sich  der  Allmenden 
zu  vendchem  und  die  Dörfer  mit  unfreien  Bauoni  Uamihorr)  otier  iMchiem 
{Jaaial/onder)  zu  bcselzen.  war  die  alle  Freiheil  der  Bauern  daliin;  die  er- 
weiterte Anwendung  de-s  LehcnAwesens,  das  bis  in  das  15.  Jahrhundert  nur 
in  schu-achcn  jVnsützen  vc>rhanderi  war,  führte  ein  weiteres  F.lement  für  die 
Begründung  der  .\dclslicrnichaft  herbei,  daj«  nur  vurObcrgehend  zu  grösserem 
Anwhen  des  Reiches  nachhaltig  al«'r  zur  Schwüchung  der  königlichen  Gewalt 
führte.  Im  13.  Jahrhunderte  ist  mit  der  .Au&;irtung  des  I,ehenswesens  das 
bis  daliiu  UfKh  immer  leidliche  Vcrhältnia  der  Bauerngüter  zu  den  Herr- 
schaf t-ih.ifen  gründlich  gelindert  und  im  Wcsendichcn  in  eine  T>rimancnvcr- 
waltuiig  mit  Leibeigenschaft  umgewandelt  wurden. 

In  .Siiiweden  erhoben  sich  in  der  Zeit  der  Folkunger  (1250^1574)  geist- 
liche und  weldiche  Herrn  durch  Unterdrückung  der  Bauern  und  begünstigt 
Ton  den  Königen,  welche  sich  mit  ihrer  Hilfe  aus  ihrer  alten  Abhängigkeit 
von  der  bäuerlichen  Landesgemeinde  befreien  wollen.  In  der  Folge  macht 
dieser  neue  gnindherrliche  .Adel  aber,  insbesondere  durch  Anwendung  des 
Lt-henswc-sens,  tUe  königlichen  Prärogative  sich  selbst  zu  nutze  und  bringt 
den  König  in  Abhängigkeit,  wie  er  den  freien  Bauemst.'xnd  sir!i  unierwirft. 
So  wird  die  Aristokratie  in  der  Utiionszeit  zur  FQhrerin  des  Volkes;  abei  in- 
dem sie  im  Kampfe  um  die  nationale  Selbständigkeit  die  streitbare  Bauer- 
ftchafl  für  die  Landesverteidigung  nicht  entbehren  kann,  lernt  diese  sicK 
wieder  fühlen  und  bringt  es  bis  zum  Ende  des  Mittelalters  wieder  zu  einer 
wesentlichen  Einschränkung  der  Aiielsniacbt,  womit  auch  die  königliche  Ge- 
walt wieder  eine  Stärkung  erfahrt  und  die  Autonomie  der  Bauerngemeinde 
wenigstens  einen  Teil  ihrer  alten  Stellung  zurückgewinnt. 

In  Nurwegen  i.*t  schon  seil  dem  10.  Jidirhundcrie  Land  in  grösseren  Bc- 
jürken  von  den  Königen   an   hcrxorragendc  Vertrauensmänner  als  Lehen  \at 


12      VIII.  Wirtschaft.     2.  AtiKARVEHFASsuNC  und  Lasdeskultuk. 


ic'ni)  fxicr  GcscUcnk  [at  veiziu)  gL-^ebeii,  womit  aucli  Anilsj;i:«;ih  vcrbuiulfii 
war  {H-sla).  Neben  rticsem  GrussgruncI besitze  der  L;uullicmi  {Undnnadt ) 
finden  sich  später  auch  kleine  mit  Grundbesitz  aiisjjeslaUeic  Ämter  in  den 
Händen  von  Sysselmanncm,  whnc  dass  jedoch  dadurch  ein  eigentlicher  Erb- 
adel und  eine  aristt^kratische  Ocsctkcliaftsvcrfa-ssiing  gesrhaffrn  würc.  Viel- 
mehr sind  hier  die  Baueriif-emetnden.  ülmlitli  wie  in  Sdiwwlen,  die  haupt- 
sachlifhsien  TrSger  der  lokalen  5ffentlii:hen  Gewalt  gebliclien. 

EJgentlUnlich  war  bei  allen  drei  skandinavischen  Völkern  die  strenge  Be- 
handlung ihrer  Sklaven,  welche  nicht  wie  die  unfreien  der  Westgermanen 
als  Kolonen  angesi-tzt,  sondern  lanpi-  Zeit  als  rt^inc  Ilaussklaven  gehalten 
waren.  Ursprünglirli  wolil  nur  aus  den  Restt-n  einer  uiitt-rwiirfeiien  Urbc- 
vfjlk^'rung  (Kinni*n)  lind  den  Krieg^gefangeTien  bestehend,  niflmen  -iich  in  der 
Periode  der  Eroberuufiszflgc  die  Sklaven  fortwahrend  durch  die  Einsehleppung 
erbeuteter  Leute.  Aiieh  das  ChristcDtum  wirkte  hier  nur  sehr  langsam  auf 
eine  Besserung  ihres  Loses  hin,  erzeugte  jctli^ch  nicht  die  im  Siiden  atif- 
iretenden  Misrliformi^n  zwischen  Kneebbahafl  und  Freiheit.  Nachdein  sfhon 
Knut  der  Heilige  ( lofti) — io8(i)  den  Entsehluss  gefassl  balle,  in  Dänemark 
die  Skhivcrei  aufKuheben.  erlowh  tliese  hier  und  in  Norwegen  albiiälich  in 
den  beiden  folgenden  Jahrhunderten ;  in  Srhwwlen  wird  sie  i.i.VS  von  Kt^nig 
Magnus  Erikson  ausdrilrkliih  verboten. 

».  AGKiVRVKBJ-ASSUNG  UND  LANDESKULTUR. 

K.  G.  Anton,  Geschichte  Jrr  deitluhen  l^ttJmrtschn/t.  3  Tle.  1799.  lS03. 
Ch.  E.  Langethal.  Gruhichtc  der  te»ts,:hfn  LanihcirUchaft.  3  Tic.  1847—56. 
Hennings,  Cher  die  agmrisiheVfrf^siHng  det^  alUn  D<uts(kea.  itl6i}.  J.  Meyet, 
J)it  diti  /stiren,  i8Sa.  Brüocck,  /.nr  (Jcschichic  dfs  Ürundeigeitlumi  in  Oti- 
und  H'ntpriuifii-n.  I.  1S91.  H.  i^Qj.  fi.  IlaiiHSirn,  .■tgtarhisloriithr  AbfianJ- 
lungnt.  2  Tlr.  1880.  1884.  A.  v.  ITitXthau-itii.  ütft  dif  Agriif%irftusun^  in 
dem  Füritentum  Paderb»rn  und  Con'rv.  lß2">.  <r.  "Waila,  Cbt-r  dif  altdeuluht- 
lluff.  1854.  V.  Jactibi,  EffarKkun^^n  über  das  .Aaruruvsen  des  a/tenhir^r* 
u/ien  Oiterlandri.  1S45.  A.  McitSCQ.  Der  Boden  und  dir  lattdvirlicfia/tlithrn 
Ver/iültnüse  des  firrttsiiteftrti  Staates-  I — V.  i8(j8 — 18^5.  G.  V.  Knapp.  />/> 
ftatternbefriiun^  und  der  Ursprung  drr  l.antittri>ritrr  in  den  ntteren  Teilen 
Preitssens.  1887.  W.  Winlch,  Dit  tirundlierrsehafi  in  Ncrd^eitdevdehUmd. 
l8»)6,  A.  Bcrnbardl,  iieiehiehte  dm  W'aideijfetxtiims.  1872.  K.  Knih.  UeKhiehte 
des  i'orst-  Mhd  Jagdwsens  in  Deudthlanä.  1871J.  y\.  Seil«  ;i['|inc}i,  /•'orsr- 
und  Jagdgrsehichte  üeutschUmds.   l88s— 1888. 

Schon  die  erste  feste  Ordnung  der  Agrar\'erhaltnisse  zeigt  bei  den  Ger- 
manen im  Gegensätze  zu  den  Klaus  l Gesamt l>esitz  des  Geselilechtes^  der 
Kelten  und  zu  den  niius4iiminuiiionfn  »U-r  Shivi;n  einen  iricJividualtsicrteii 
Grundbesitz  der  Familien.  Derselbe  tierubt  durehweg  auf  einer  Aufteilung 
der  gejM'hlechter-  und  sijjpenweise  besiedelten  Marken  mit  Ausnahme  des 
ru  gemeinschaftlicher  Nutzung  vurliebaltenrn  Wald-  und  Wridelantles.  Jeder 
Familie  wurde  zunadiüt  innerhalb  des  zum  gemeinsamen  W- ihnen  bestimmten 
Ortsgcbieli*s  (Dorf,  Kiter)  die  Hofstatt  angewesen,  auf  welcher  die  Wnhn- 
und  Wirtschaftspebaude  errichtet  wurden;  flarten  und  Anger  umgaben  das 
Gehöft  (Hof.  mansus).  Für  die  Grösse  des  den  einzelnen  H^'ifen  zuzuteilen- 
den .Ackerlandes  war  ihr  Bedarf  massgebend.  Ein  solches  At  kergui  ist  schim 
früh/eilig  als  Hufe  bejteiehnet.  womit  .sieh  also  tUrr  Begriff  eines  im  wesent- 
lichen jjleichwerligen  Hesitztunis  verband,  das  natilrlii'h  je  nach  1-ige  tind 
Bodenheschaffciiheit  von  veiscluedener  .\usdehnung  sein  bmnle.  ElK'ns*> 
verband  sich  sclmn  frühzeitig  mit  der  Hufe  die  urs]irflnglich  pei-si"m]iche  Be- 
rechtigung der  Markgenossen  an  dem  Nutze»  des  Geineinlandes;  daa  Recht 
an  drr  gemeinen  IVtark  wurtle  eine  Pertinenz  iler  Hufe.     Die  flus-scre  An((ni- 


Dorf-  vsa  Htn-svart^M. 


ly 


wmg  der  Hufen  hAngt  ;iuf<  Inni^sir  xiL-«.imni«i  mit  (Irr  DuniifOhnmit  drr 
AMicddtmfcen  seihst  Den  zu  pinrr  m-MhUtsw-nrn  AnftüilHuii;*  cclH^Kfim 
adbtttnUigT'n  Haush;iliungen  <M.iTliCg*-n<>x>oni  wtinlr  i1:k  tu  Aitlvit)  j^v-iti <nmu'^o 
Lmd  !eurreÄq\  mit  der  fnrt>*Iin-itcml<'ti  rrWnii;)!  l)Uh>>  h.nli  Maj-^RalH-  üitt*» 
Gcaxüseti rechts  in  der  W'cisr  «ugrtrilt.  il.iss  j«lrr  in  jc^lrin  U'^liinml  l>e- 
ITcnxtcn  FckUtftfke  iGr%t';ini»l  rincn  cnisj>rt-ihm»ifTi  AiitHI  in  <^incm  iJInjn- 
«treifcn  rrliieli:  die  Verteilung  dicM^r  Streifrn  ^rxlinh  n.H-h  üeni  Lose. 
Infolge  dieses  Aiiftcitunjcsnimlus  war  der  A<-Iccrh<^iu  jeder  Hufr  iunrrhnlh 
flcr  ganxcn  Gemarkung  der  Ansicilrlung  auf  v*  vielen  l\inku>n  ren>iT*Mii,  nU 
0  Gmnuinc  fsab.  Alle  zu  cineiii  <  »cliAftc  iit  der  <.iciuarkun)t  K<*'>"^^t*l^ii 
ABlril*"  an  der  Ackerdur  bilileten  die  Hufe;  es  im  klar,  daüs  der  Wirts«  Imn- 
ficbe  Inhalt  dieses  Begriffs  als  ein  Bcsiutuni  v<iii  bisitimtiUrr  (Jn'iKse  ewt 
dna  sich  cr^b.  wenn  im  WesentUiheit  die  Aufteilung  ilex  jiniixeit  verftig« 
bwn  Kulturlandes  erfolgt  war. 

Diese  Art  der  Hufenbiklung  wat  bc»<'hrAnkt  nuf  jene  GegrnUen.  in  WTlrhen 
die  Besiedelung  iles  I-mdes  nadi  nurfTsvsteui  erfolgte,  d.  h,  wn  dir  <  tit^'lmft 
sich  AUS  sehr  nahe  beMachbarien  und  in  uitrcgclniAsstger  Haufenforui  ge- 
bauten Gehi^ften  bildete. 

In  den  Gegenden  dafHireii,  welrhc  vnrwiegenrl  nach  Ilnf-ivstrii»  ange- 
baut wurilrn  (Westfalen,  Niederrhein,  ilie  drulvrhcti  Alpen  und  \'i)rat|>ei), 
aber  auch  Teile  von  England  [KentI],  Norwegen,  Nnrtjsrbwetlen,  die  OüIm"*** 
Provinzen)  umgeben  in  der  Regel  die  GrundsiUcko  im  >:uKiuinuenluuig  dn» 
in  ihrer  Mitte  liegende  Gchfifte;  hier  ist  auch  eine  nyKtenuiÜM-lie  IJrliar» 
machung  und  geordnete  Aufteilung  der  gcrtideton  Ackerfliir  au  dir  Mark* 
gen(.»Mieii  nicht  an/unehnieii:  vielmehr  wini  Itier  von  Anfang  an  die  Hiklung 
dtr  Ackerflur  des  Gela^iftes  auf  dir  M'llwllfllige  Rodung  der  eiiurhifti  Wirl» 
Schaft  mrttctzufuhren  sein.  Hier  ist  denn  aurh  winler  von  /utcilung  der 
Grundstüeke  durch  das  Lus,  noch  aberhaupl  von  Hufen  im  Sinuc  fralcr 
BcsitzgTüÄsen  die  Rede.  Wohl  aber  wird  der  Begriff  der  Hufr  aurh  bd  der 
Ansiedelung  im  Hnfsysiem  sp;iter  angewemlei .  als  die  nffenlltehe  Gewalt 
XU  »iyslcniatiM:her  Kolonisation  in  den  ihr  zur  Verfügung  sLelicnd<'n  Wahl- 
gebieten  sehrili.  S«>k'hor  An  siml  die  König<thufi>n  {mumi  ma^ni,  tmingtMt) 
im  Cklenwald,  den  Vogeseu.  Ardennen  und  im  .^üdharz.  dann  in  den  ge- 
birg^en  Teileii  vnn  B/lhmcn  und  M.1hrrn,  und  in  dein  g:uixeti  Gebiete  der 
ORCmark.  welche  sich  durch  besondere  Grik^e.  durch  den  vnllen  Xiutmiiinm- 
hang  aller  zu  einem  GchOftc  gch<">rigen  GfinulHtüike  und  durch  dir  dadurch 
bedingte  Form  auszeichnen,  welche  entwe<ler  in  einem  «ehr  langen,  iicliniairn, 
in  der  Regel  bergig  ansteigenden  Streifen,  oder  in  »nn-gehuntiHigm,  al>cr  ku» 
meist  wohl  arrondierten  Blöcken  auftritt.  Ähnlich  mit  den  K<"inigi)hufcn  Kind 
dann  auch  die  frankischen  Hagcidiufcn  und  dir  heflonderx  durch  n;imliu'hc 
Kolonisation  in  den  Weser-  und  Rlbniarwlieri  angeli-gtrn  Mitnchluifen,  «iwle 
die  in  der  norddeutschen  Ebene  verbreiteten  ciilmi»chrn  Hufen;  auch  «ie  bilden, 
wenigjstcns  ihrer  un*prünglichen  Anlage  nach,  je  ein  geschloMenenfjut  für  sicli, 

Sowcilü  die  Hufen  des  I>.irf!i)-»tcnM  alx  <lie  geschloiiHcnen  Güter  der  Hof- 
onfliedelung  haben  dann  im  Verlauf  der  Zeil  eine  Veränderung  ihrer  Ackerflur 
cflihrcn:  teils  durdi  hinzukommende  Rodc»tQcke,  welche  nach  altem  Mark- 
gakonen rechte  der  cirtzeinc  (jcno^sc  sidi  (hinh  r'linfrie<lnng  gewinnen  konnte, 
HJN  durch  Teilung  unter  den  Kiitdeni.  durch  Kauf  und  Tauii  h.  1'^  «tnd 
auf  diese  Weise  cbauMi  schtm  früludtig  halbe  und  VierteKliufeii  enlHtmiden 
neben  ganz  kleinen  Ackergüteni  ohne  die  regdmAa«igen  Majwc  der  Huf« 
ttberhaupt,  wie  anderseits  m  einem  Hufengute  ein  Grundbeulz  kam.  der 
wirt«-haftlich   ebenvi   r-m   dicwm   tmicrwhicilcn   wnir<lc    (novalia,   walzende 


14        VIII.    WlRTSCH.Vn.      2.    AtiRAKVEKJ-ASSUNG    CNU    LANDESKULTUR. 


Gründe)  wie  er  sich  rechtlich  vnn  tlcmselben  durch  grfisserr  Verfügungs- 
frcibcit  seines  Besiu<.*rs  auszeichnete.  Der  Hufe  als  Erbgut  trat  das  Rodland 
als  freihJlndipes  Gut  zur  Seite. 

Ebenso  ergab  sich  im  Verlauf  der  Zeit  eine  verschiedene  QualitJli  der 
Hufe,  je  nach'lL'in  sie  Vüin  Ei^eniOniL-r  SL-Ibst  l>cbaul  wurde  '"ler  als  Zins^ut 
an  Unfreie  ixlcr  Ilalbfrcie  au-sgi-tbar»  war  \martsta  äominicaitts  —  sfn?:hs). 
Insoferiic  dieser  Unterschied  mit  dL-m  Gegensatz  de.<i  ererbten  und  des  spJlter 
dazu  erworbenen  Landes  zusammentraf,  deckt  sich  dann  auch  der  Bt^riff 
der  Herrenhufe  mit  d(?m  des  Krhgiits  yhohij  salicn,  itiiiominicata.  —  f€tisuatii, 
servilh).  Nur  für  ilie  unfreie  und  Zinseshuf»;  i.'rhielt  sich  in  der  Folge  die 
Hufe  aU  eine  feste  Gutsgrösse  in  ihrer  Rt^latiun  zu  dem  Bedarf  der  Wirt- 
s<.'h.ifl;  fUr  da^t  Herreugut  war  dieser  Gesidiispimkl  nicht  massgebend,  daher 
auch  in  seinen  Grös.sen Verhältnissen  viele  Unterschie<ic  bestehen,  und  das 
um  si-'  mehr,  .ils  akes  Herrentfut  vielfach  vrm  Anfang  an  gar  nirlii  in  Hufen 
lag,  Sündern  nur  nach  seirjen  Gicnzen  Uezcii:hnel  inler  in  Jochen  aufiiemeisen 
wurde. 

Die  Hufen  der  einzelnen  freien  GrundbesiUeer  standen  anfänglich  unter- 
einander in  keinem  andern  wirtvhafilicljen  Zasammenhang  als  er  durch  die 
gemeinschaftliche  Nutzung  der  Mark  um]  durch  die  Gemengelage  ihrer  Fel- 
duiigen  von  selbst  gegeben  war.  DagL-gen  bildete  <Itr  Hcrr<.:nliof  {furlis 
dominka,  saiica\  immer  zugleicli  ria.s  wirisctiaftlirhe  Maupi  der  von  ihm  ab- 
hängigen Zinshufen.  Mit  der  Entwiikehmg  tlcr  Grossgi-undbesilz Verhältnisse 
ist  diese  Beziclmng  weiter  ausgebildet  und  zuerst  auf  den  königlichen  Guls- 
höfen  tlurcli  Karls  d.  Gr.  Capitulare  de  villis  in  ein  gewisses  System  (Villen- 
vcrfa-tsung)  gebracht  worden.  Der  kötiigliLheGrundbesitx  gliederte  sich  diunach 
in  Haupt-  und  Nebenhöfe,  xu  denen  eine  Anzahl  dienender  Hufen  jfchr>rtc. 

Die  gi'jiamte  WirLschaftÄfdhrung  auf  allen  dic-srn  (jütem  erfolgte  ptan- 
nifi«>ig  unter  einheitlicher  Leitung  von  den  HaupthOfcn  aus;  die  Verwalter 
derselben  (jut/ejc)  erhielten  selbst  wieder  ihre  Instruktionen  von  dem  könig- 
lichen Palatium  aus.  Jeder  llaupthof  {/hmti'n^.  ßarus,  niHa)  hatte  einige 
Nebenhofe,  auf  welchen  dun.li  die  Meier  {»itijort-s.  viliici)  die  Wirtschaft  ge- 
führl  wunle.  Die  dienenden  Hufen  musstcTi  ihre  I'rndukLr.  s<"iweit  sie  nicht 
für  den  Kigenberl.irf  ihrer  Wirtschaft  angewiesen  waren,  an  die  Meierhofe 
des  königlichen  Domaniunis  abliefern  und  ihre  pcrstinlirhen  Dienste  dort  zur 
ücsicllung  der  Wirtschaft  derselben  ableislen,  Die  Meiejln'ife  lieferten  ihrer- 
seits die  verfügbaren  Überschasse  der  Eigen produktiun  wie  der  dienenden 
Hufen  an  die  Haupthofe,  diese  an  die  königlichen  Pfalzen;  wa.s  hier  nicht 
benötigt  war,  wurde.  na<'li  erlangicr  Anweisung  auf  den  Markt  gt^worfen. 
Eine  genaue  Verr«;chnung  der  Natural-  und  Geldetlragc,  sowie  eine  ein- 
gehende Kontrole  ihrer  Verwaltung  brac-hte  die  nötige  Ordnung  in  die  Dinge. 
Den  Meierhöfen,  wohl  auch  den  Zinfthufen  wurden  über  die  Art  ihrer  Wirt- 
schaftsführung, über  die  lieschaffenhcit  des  lebenden  und  loten  Inventars, 
über  die  Verwendung  ihrer  Arbeitskräfte  eingehende  Vorschriften  gegeben. 
Anderseils  waren  die  Haupt-  und  Meierhufe  angewiesen,  den  dienenden  Hufen 
manche  Beihilfe  in  üirer  Wirtschaft  zuteil  werden  und  sie  an  den  gewerb- 
lichen Anlagen  des  Herrenhofe«  (Backhaus,  Brauhaus  u.  s,  w.)  Anteil  nehmen 
zu  lassen. 

In  dieser  karoHngisclien  Villenverfassung  ist  der  erste  svstematischc  Ver- 
such der  Organisation  eines  landwirtschafiliclien  Gnjssbetriebes  gemacht  Alle 
W^trlschaftsfülirung  der  hcrrsclienden  wie  der  dienenden  Güter  sollte  in  ein- 
heitlichem Geiste  erfolgen;  alle  Knifte  dieser  Wirtschaften  einem  grossen 
Plane  dienstbar  gciuachl  werden:  die  Steigerung  ilcr  Produktivität  der  Win- 


DOHANIUH    UKD   GRUNDHERRSCHAFT. 


»5 


Schäften,  die  Vrriicsspnmg  der  Lebensbedingtingen  für  alle  in  diesem  Wirt- 
schaftviirifitni^miis  beschli>sscncn  Eirizclwirlscliiiflcii  war  das  bcabsiclitiglc  und 
wenigstens  zum  guten  Teile  aucli  wirklich  errcjclite  Zii-I. 

Diese  auf  dem  kr.nif;lichen  Drimanium  zueivl  ((i-s^iiaffene  Or^uiisiilton 
eines  weitläufigen  und  viel  verzweigten  WiiLschafLslietriebes  fand  dann  bei 
den  weltlii.:Iien  wie  geistlichen  Gruml  herrsch  ah  en  Nachahmung.  Scliun  in 
der  Karsli ingerzeil  findet  sidi  hvi  dt*iiscllv,*n  itleithfalls  eine  GlietU;rung  in 
Haupt-  und  Nebenhfife  und  dem  entsprechend  eint;  Kinteilimg  der  ganzen 
Herrschaft  in  eine  Reihe  von  (julsverwaltungert.  Der  Unlerscliieil  von  der 
königlit-hen  Fiskalverwaltung  ist  nur  auf  einem  Punkte  bedeutend;  der  könig- 
lifhe  Fi.skalt>e7.irk  war  von  der  Hundertschafts  Verfassung  cximiert  und  bildete 
daher  für  sich  wie  einen  eigenen  WirtsfhHfl>-  so  auch  einen  ligencn  Gcrichl»- 
sincngul,  wahrend  die  grundherrschaftlichen  Fnmhofe  nur  Wirtschaf tshötirke 
(Gut-,btzirke)  darstellten;  demenlsprethend  waren  auch  die  Mcicr  der  grund- 
hcrrsdiaftlichen  Ver>valtung  idcr  l'nmhnff}  nur  für  (hc  Leitung  der  Wirt- 
schaTlsfQlirung  bestellt,  wiihrend  der  Judex  des  krmiglichen  Fiskus  zugleich 
die  Redilspflege  und  die  Polizei  des  Wirlsehaflsbezirkes  in  seiner  Hand  ver- 
einigte. 

Auf  die  gesainle  .\grar\'erf;issuiig  ging  von  dieser  Organlsalii^n  der  grossen 
Grundherrschaften  ein  mannigfacher  F.influss  aiw.  Zun.lclist  in  Bezug  auf 
die  Herrenhtife  selbst:  als  Sitze  der  Wirtschaft  liehen  Verwaltung  wie  auch 
einer  eigenen  meist  grossem  I^nd Wirtschaft  im  Eigenbetriebe  zeigen  sie  die 
Tendenz  der  Vnrgn"»ssenmg  durch  Kinverleibung  von  dienenden  Höfen  öder 
AufMtigimg  benachbarter  Freihüfe,  sowie  durch  Aufl»rechen  neuen  Kultur- 
landes aus  der  gem'-inrn  Mark.  Mehr  noch  ist  die  Tendenz  der  Arron- 
dicrung  der  Salgt^ler  erkennbar,  welche  in  lehhaflein  Güleriausclic  her\'t;irtritt 
und  luwfilen  zur  aus^ch liessenden  Bewirtschaftung  ganzer  Gewanne  der  mark- 
genossenschaftlichen  Flur  führt.  Auf  den  Haupthöfen  der  Grundherrschaft 
BUnmelt  sich  mn  den  Gnmdherm  seihst  ein  ;msehnliches  Personal  von  Ver- 
waltungsbcamien,  Dienstmannen  und  Hausdienern,  sowie  von  Handwerkern 
und  bringt  eine  Vermehrung  fler  Wf  .hnstättcn  und  einen  Markt  hi-n'or.  Die 
dem  Htrmhüf  verfügbaren  Dienstleistxmgen  der  Pflichtigen  GuLsbcvölkcnmg 
lohnen  txu  ptanmAssigen  R<.>dungcn  und  Einfriedungen  \BeHntien.  Äfhten, 
Chumiett\  auf  dem  Bodeji  der  Allmende  oder  auch  in  den  Gewannen:  das 
grundhrrrlichc  Heundeland,  welches  daraus  erwuchst,  ist  zunHchst  als  eine 
Vermehrung  des  Sallandes  wenn  auch  mit  iKrsorulerer  Bewirtscliaftung  auf- 
zufassen. Die^e  Beundcn  wxirtlen  von  den  tninpOichtigen  Bauern  vielfach  in 
Betriebsgemeinschaft  bestellt.  Aus  ihnen  sind  dann  spater  mit  der  .\unösung 
oder  Beschränkung  der  Fronliofs Wirtschaft  Gchofersc haften  mit  Feldgemein- 
schaft und  (wenigstens  anfänglich  beibehaltenera)  Gesamtbetricb  der  Fn.m- 
bauem  an  der  zu  Erbzins  ausgellianefi   Beujide  gew'.trden. 

Ist  die  alte  markgrnosscnsthaftlii  he  llnfenverfassung  schon  durch  diese 
Ausbildung  des  SalL'indes  und  d(^s  in  die  Mark  eingeschobenen  ß<.-undelandes 
«•csentlich  zurückgedrängt  worden,  so  hat  sie  anderseits  auch  tturch  den  be- 
stinmienden  Eiofluss,  der  von  der  Fronhofswirtschafl  auf  die  dienenden  Güter 
ausging,  eine  erhebliche  Erichüttcrung  erfahren.  Verandcnmgcn  im  alten 
Bestände  der  dienenden  Hufen  erfolgen  sowohl  im  Interesse  der  Regelung 
vim  Zinsen  und  Diensten,  als  auch  aus  Rücksichten  einer  anderweitigen  Ver- 
u-endung  der  I'nxluktions-  und  Arbeibikrafie.  Die  Einbürgerung  V4)n  SpcziaU 
kulturell  zur  Gewinnung  des  Rohstoffs  für  den  gewerblichen  Hausflciss  iLcin, 
Krapp)  '«ler  für  industrielle  Aidaiien  der  Gnindlierm  ^Hopfen),  die  Ver- 
breitung der  W'eirikultur  und  der  IlandeUpflanzen  maclilcn  eine  Teilung  der 


auf  extensive  B(xK'nl>(;nut/.iiti||;  hercctmeten  Hufen  nolwcndip;  nicht  minder 
führte  die  Vemiehning  gewerblirher  Frondienste  sowie  die  Einbürgerung  von 
Hand  wer  kcrlfhcn  zur  Bildung  eines  landM'irtschaftiiclien  Klcitibesit/cü,  »*ie 
Überhaupt  die  Zunahme  d*"?;  Arkerhauex  und  dninit  sich  ergebende  Almahme 
der  Weidewirts<:'li;ifi  eine  durc'hsLhnittlii:lie  \'erlileinemnjj  der  Hufen  pc- 
stattete.  Anderaeits  veranUusstc  die  Einrichtung  l>esimdcrcr  Viehhtie  und 
Schwaigen  eine  Zusammenlegung  von  Hufen,  so  dass  <lic  alte  feste  Onhiung 
der  Huf  eil  Verfassung  auf  vielen  Punkten  zugleich  durchbnuhen  vi-urde.  Seil 
dem  Ende  des  i,v  Jahrhunderts  ist  der  Verfall  der  Hufenverfassunfj  allgemt^in. 
Gegen  Ende  des  Mittel.ilters    ist    die  Viertelhufe    das    hauerliche  X^nnalput. 

Endlich  ist  auch  die  Allmendcwirtschaft  unter  dem  ICiaflussc  der  grossen 
Gnntdlierr^rliaft  von  Grand  aus  veriljiderl  worden.  An  der  alten  mark- 
geno.sscnschaftlichen  Atlaieiide  hatten  die  Grundherren  steigende  Auteile  er- 
worben, nicht  sehen  sind  sie  alleinige  Eigentümer,  in  der  Regel  jedoch 
Obcnn.'lrker  mit  [Ihedegenem  Einflüsse  in  der  Mark  gewurden.  Iiinerliaib 
des  Gebietes  ihrer  GruiKllierrschafl  regelten  sie  den  Allmentieimlzen  iler 
tlRnuihnlden  nach  Ermessen,  fw-hufen  einer  hörigen  Uauersch;iit  wolil  auch 
ganz  neue  Alhnenden,  teils  aus  ihren  hcrrsLhaftJichen  Waldgcbietcn,  in  denen 
sie  neue  dflrflicbe  Ansiedelungen  anlegten,  idls  au.s  herrscliafllicli  gewurdcner 
altmarkgennssenschnftlicher  Allmende.  Dip  Wrfindenmgen  der  Hufenvorfassung 
und  der  WirtschafLsfüliruug  auf  dem  FrDiihufe  wie  auf  den  Ziiishufeii  gaben 
d;izu  mannigfache  Veranlassung.  Insbcsimdere  aber  führte  die  aIlm.'Uiche 
Erschiipfung  der  Wald-  und  Weidenutzung  eine  plainnüssig  winschaftende 
Gutsvcrwaltung  darauf,  audi  in  der  gemeinen  Nutzung  der  Mark  ein  haus* 
hslteristhes  Gebaren  einzuführen  und  zu  diesem  Ende  eine  Regelung  der- 
selben \t)rzunebmen. 

In  der  Zeil  der  sllchsisclicn  und  fränkischen  Kaiser  nimmt  die  Neigung 
der  Gnindherren  zum  Eigenbetrie&e  ab;  die  SalJJlnder  wenlen  teils  an 
Ministerialen,  besonders  an  die  Meier  {villin')  verliehen,  teils  zu  festem  Zins 
besonders  zu  Spczi;ükuUurcn  (Wiese,  Weinbau  etc.)  ausgctban;  die  Beuiiden 
gehen  an  die  lietrieKsgemcinschaft  der  Fronpflrchtigen  ülter.  Die  Kronlicifs- 
vcr^-idturig  bcschriliikt  .sii  h  in  der  Hauptsache  auf  Einhebung  vi»n  Zinsen 
und  Giebigkeiten,  wfUircnd  die  Eigenwirtschaft  mehr  auf  den  Bedarf  des 
Eronhofs  berechnet  *ird. 

Obgleicli  die  Zahl  der  gutshcrrlkhen  Eigenbetriebe  noch  eine  Zeitlang 
wach.«,  vermindert  sich  doch  ilire  Flüche;  \-«irü hergehend  hat  die  Klnster- 
wirtsclnifl  (Grangicn  der  Cislerzienser)  einen  erwcilcrlen  Eigenbelrieb  ver- 
.suchl,  ohne  jedoch  damit  einen  nachhaltigen  Einfluss  auf  die  Gestaltung  der 
Landwirtschaft  zu  gewinnen. 

Die  bauerlichen  Zinsgftter  werden  gegen  Beslliaupt  (Buteil)  und  festen 
Zins  erblich,  aber  :iuch  in  der  Rc-gel  kraft  des  Anerbenreclits  unteilbar;  eine 
unverkennbare  StabiUUU  in  dem  biluerliciien  Besitz  und  eine  durch  steigende 
Grundrente  wie  grfls.<iere  .Selbständigkeit  erzeugte  Wohlhabenheit  der  bflner- 
liclicn  Be\'ü!kerung  charakterisiert  die  zweite  Hrilfle  des  deutschen  Mittel- 
aliers.  Unterstützend  traten  hinzu  einerseits  die  gnisscn  deutschen  Kolo- 
nisationen im  Osten,  welche  eine  im  Wesenilirlien  freie  Hauembevtllkening 
erzeugttMi,  utid  die  Überlassung  der  Regelung  der  kikaleu  WirLscbafisinler essen 
und  der  poHzeilichen  Ordnung  an  die  Bauersrhaften  zur  Selbstverwaltung. 
Die  Reste  der  alten  markgenossetischaftlichcn  Verbände  wie  die  neugcbildeten 
hofliörigen  Genossenschaften  oder  auch  die  Orlsgcmcinden  iler  aus  grund- 
börigcn  und  freien  Ecutcn  zusammengesetzten  Bevölkerung  sind  die  Gnmd- 
tagen   für  tue   Neubildung  der   bilucrüchcu   MarkgcniLssenschaften    mit  ihren 


Veräkderungek  wAhre!7d  des  späteren  Mittelalters. 


»7 


autonomen  Beliebungen  (Weisiumcr)  über  dieOrduuog  derWirtsdiofUiführung 
tuid  der  OrtspolüeL 

Überhaupt  sind  die  Formen  des  landwirtschafüiclien  Kleinbcsitzcs  und 
Betriebes  vuu  den  Vcrandemiigen  im  Bestand  der  grossen  Grund herrsc haften 
vielfadt  berührt  wurden.  In  der  mcrowingwrhen  und  karolingischen  Zeit  sind 
die  LandgQter  entweder  als  Prekarien  {phlala  und  nmunemtoria)  auagcthan 
odcx  ab  Bencfizien  verliehen.  Spater  entwickelt  sich  auch  das'  Dienstlehcn, 
wodurch  Insbesondere  die  Ministerialen  mit  Landbesitz  ausgestattet  wurden. 
Während  nun  die  Prccarien  in  der  Folge  zur  Einbeziehung  der  Beliehenen 
in  den  grundhcn  liehen  Ncxuji  führten  und  daher  die  Hauptform  der  imfreien 
WirtsdiaftäfQtirung  gewurden  sind,  wurden  die  Benefizicn  den  Belicliencn  zu 
freier  Wirtschaft  überlassen  und,  ihnen  analog,  auch  die  DietLstgüter  nur 
ab  Unterlage  für  die  stand esgcniRssc  Lebensführung  der  Dieiistinanuen,  nicht 
ab  Fonnea  der  unter  grundhcrdichciu  EinHusse  zu  führenden  Bodennutzung 
aufgefasst. 

Älil  der  fortsdireitenden  Vcrdinglichung  aller  prccarischen  und  benefiziari- 
ftchen  LciheverhAltnisse  ist  aber  in  den  Formen  des  Zinsgutes  und  de^  i^ins* 
lehcii:»  eine  die  perbOnticheii  Veiballni^se  des  Beliehenen  nicht  weiter  beein- 
flus^mde  Landleihe  Üblich  geworden;  das  früher  unfreie  bäuerliche  Zinsgut 
ist  dadurch  auch  Freien,  das  Zinstebcn  auch  den  nicht  lehen rechtlichen 
Klassen  ^dea  Bauern)  ;cugänglich  geworden.  Das  Prinzip  der  £rblii.hkclt, 
welches  mit  dieser  Verdinglichung  aller  Zins-  und  Üicn»tvcri>nichtun};en  des 
Gutes  sich  immer  mehr  einbürgerte,  emanzipierte  weiterhin  die  Inhaber 
solcher  Güter  vun  persiinlichen  AbhflngigkdLsvcrhaltnissen.  ä.i  bürgerten 
sich  in  der  Kaiserzeit  (seit  tiem  \i.  Jahrhunderte  schon  ziemlich  allj^emein) 
die  freieren  Funnen  der  Erbleilie  niul  F.rbpadit  ein  und  Uessen  eine  viel 
freiere  Bewegung  der  Wirtschaftsführung  auf  Baucrt^gütem  zu.  Die  Koloni- 
utionsvertrilge  auf  dem  durch  die  Einwandenuig  Deutscher  In  die  ösüicbcn 
Gebiete  besiedelten  Boden  waren  von  .Anfang  an  auf  der  Basis  der  Krbleihe 
eingerichtet  und  wirkten  auch  ilirenieits  auf  die  <;l>en  geschilderte  Ausbildung 
der  landlichen  Besiizfomien  vielfacli  bestimmend  ein.  D:ineben  bilden  sich 
nun  spätestens  seit  dem  12.  Jahrhunderte  auch  die  freien  Vital-  und  Zeit- 
pachtungcn  aus,  teils  begünstigt  von  den  beweglicheren  Formen  der  Häuser- 
leihe  in  den  .Städten,  teils  zunach.iit  wenigstens  auf  Spczialkulturen  (Wein- 
berge, H'tpfengürten)  oder  in  der  Anwendvmg  auf  grrwsere  Besitzungen.  In 
der  zweiten  HJllfte  des  Mittelalters  ist  die  Zeitpachtung  s4hon  weit  verbreitet. 
Wozu  voniehmlith  der  aus  den  Fesseln  der  alten  Grundlierrschaft  Uisgelöstc 
kleinere  Landbesitz  vielfadi  Anlass  gehabt  luit. 

Auch  die  Ordnung  der  Abgaben  und  Leistungen  de^  Leihebcsitzes  hat 
analugc  charakteristische  Wandlungen  durchgemacht.  Ursprünglich  aus- 
»chlicsslich  in  gewissen  Natural  betragen  vmu  Boden  fruchten,  Haiidwcrkspro- 
dukten  und  Uienstlei>luiigcn  bestehend,    neben   welchen   die  Geldzahlung  L-inc 

iugfügige  Rolle  spielt,  bürgern  sich  im  Uiufe  der  Zeil  auf  den  grundliOri- 
r^pii  Gütern  allerhand  Spezialabgaben  daneben  ein,  welche  zwar  eine  absolute 
Vermehrung  der  Lasten  bildeten,  im  Vergleich  zu  einem  steigenden  Boden- 
ertrag aber  dcnrh  nicht  als  eine  Steigerung  des  Druckes  dieser  Lasten  gelten 
können.  Hierher  gehören  insbcs<jmlere  die  aus  »lern  L'nfreiheiLs Verhältnisse 
enbipnmgenen  Abgaben  bei  dem  Wechsel  des  Hemi  tuler  des  Besitzers 
(Besthaupt,  Kurmede);  aber  auch  der  kirchliiJie  Zchent  und  der  »Schatz* 
(Bede),  welchen  die  öffentliche  Gewalt  der  Landes-  und  Grundherren  seit 
dein  \z.  Juhrh.  von  allen  mit  Grund-  und  Hausbesitz  in  der  Grafschaft 
oder  dem  Immunitats bezirk  angesessenen  Leuten  einzuhcben  sich  gewohnt  hatte. 

CfTBianlKhc  PhtlolorK  HI.   :.'.  Awn.  '1 


Für  bestimmte  Artei»  vwn  Kulturen,  welche  ciii  besonders  grcwses  Mass 
von  pcraön] icher  Lei-stunjr  crheL<«-hcn,  wc  ?..  B.  der  Weinbau,  hftrgerte  sich 
seit  dem  lo,  Jahrh.  auch  in  Deutschland  der  Teilbau  (Halfen«  irischafl,  in 
Fruiikrcirh  com/ntn.  melaniiie.  in  Italien  mczzadriä)  ein,  der  dann  in  der 
Folgt;  aui:b  auf  andf-rc.  Kuhurcn  vielfiich  Anwendung  fand  und,  indem  er 
die  Baucni  in  ihrer  W'irlschaftsführung  selbständiger  machte,  auch  zur  Ent- 
wirkelunR  piner  b^urrlichr'-n  Hctrir*t>sgenosRensch;ift  und  zur  EinhOrgenmg  der 
freieren  I'iiclufnniieii  beigetragen  hat.  Mit  der  Verallgemeinerung  derselben 
sind  dann  auch  die  spezifisch  gruiidlierrlichen  Abgaben  verdrängt  worden; 
schon  der  freie  Erbzinsmami  hatte  neben  dem  Grundzinse  nur  wenige,  fixierte 
Abgaben  zu  leisten:  bei  dem  Erbpilchtcr  beschränkte  »ich  die  Abgabe  auf 
die  1-eistung  des  Erbbestand.sgeldes  mit  Beginn  der  Pachtung  und  auf  die 
regi-hu^sslge  Leistung  des  Erbkaiion. 

iJie  Wirts rhaftsfnnnen  haben  wa.hrend  des  Mittelalters  im  allgemcincu 
nur  eine,  aber  sehr  durchgreifende  Veränderung  erfahren.  In  der  flltesten 
Zeit  deutscher  LandwirtsiTliaJl  wheint  eine  rühc  Fcldgraswirtscliaft  vorge- 
herr-wht  zu  haben,  welche  in  jährlichem  Wechsel  immer  nur  einzelne  Stücke 
des  Gutes  unter  den  Pflug  nahm,  wahrend  das  übrige  Kulturland  /.ur  Weide 
liegen  blieb.  Mit  dem  Ausbau  der  Dörfer,  aber  auch  unter  dem  hcstiniimcn- 
den  Einfluss  der  grossen  Gnmdherrscbaft,  welche  feste  Regel  in  die  Wirt- 
schaftsführung auf  dem  Salland  wie  auf  dem  Zinsiand  einzubürgern  bestrebt 
war,  wird  die  einfache  Dreifelderwirtschaft  Kegel;  wir  kGnnen  ihre  Anfange 
in  die  Zeit  Karls  des  Grössen  sety.en.  Damit  war  ein  reichlicherer  Kömer- 
bau inüglich,  wie  i!m  eine  vermehrte  Bevölkerung  bedurfte;  aber  aucb  eine 
rationelle  Wiesen kultur  iiDtwendig.  die  man  frtllicr  gar  nicht  kanntr,  weil  cEer 
GrusÄvielistand  nur  dadurch  in  genügcndetn  Masse  sicher  mit  Futter  versorgt 
werden  konnte.  Diese  Wirtschaftsform  erhielt  sich  im  Wcsentlirhen  wahrend 
des  ganzen  Mittelalters;  nur  bürgert  sich  seit  dem  12.  Jahrh.  mit  den  freieren 
l'achtfnrnien  auch  eine  grüsscre  Intensität  des  BctrieUrs  ein,  welche  insbe- 
sondere in  der  Besiinimenmg  des  Brachfeldes  d.  h.  dem  Anbau  von  Fultcr- 
gewfichsen  auf  dem  im  Turnus  der  Dreifelderwirtschaft  jedes  dritte  Jalir 
ruhenden  I-V-lde  zum  Au.sdruck   kam. 

Roggen  und  Hafer,  der  erste  als  Winter-,  der  zweite  als  Sonmicrfrucht, 
sind  walircnd  des  ganzen  Mittelalters  und  so  ziemlich  in  allen  deutschen 
Gauen  die  wichtigsten  Kümerfröchte;  Weizen  verbreitet  sich  seil  dem  8.  Jalulu 
von  Gallien  aus  und  bildet  mit  Spelz  (Dinkel)  die  Brutnahnnig  der  Reichen. 
Gerste  wird  gleiLlifalls  als  Brotkoni,  abt;r  doch  überwiegend  schon  neben 
Hafer  und  Weizcu,  zur  Bierbrauerei  vci-wendet-  Hills  er  flüchte  werden,  we- 
nigstens seit  dem  y.  Jaiirh.,  bereita  in  den  regelmüssigen  Turnus  der  Felder- 
wirtschafl  (auf  dem  Sommerfeldc)  eingeschoben. 

Die  Viehhaltung  ging  mit  diesen  Veränderungen  der  Bodenkultur  gleichen 
Schritt.  Zeichneten  sich  schon  die  ältesten  Zeiten  des  deut-schen  Wirtschafts- 
lebens durch  eine  reiche  Viehhaltung  aus,  so  blieb  dieselbe  auch  noch  längs 
Zeil  hindurch  ein  Hauptbestandteil  des  Volksreichtums,  Aber  mit  dem 
Übergiuig  aus  der  Weidewirtschaft  (wilde  FeUdgrasÄiitschaft)  zur  Dreifelder- 
wirtschaft ist  eine  doppelte  Verändcnmg  eingetreten;  die  Bedeutung  der 
Viehhaltung  tritt  im  allgemeinen  zurück  gegenüber  der  Bodennutzung  und. 
wird  zu  ihr  in  ein  besseres  Vcrhültiiis  gesetzt,  teils  wegen  des  Düngerbedarf 3, 
teils  wegen  der  notwendigen  Einengung  des  Weidegangs;  und  in  der  Vieh- 
haltung selbst  wird  ein  besseres  Ebcnmass  zwischen  Grossvieh  und  Kleinvieh 
angttsirebl,  was  wieder  durch  den  vermehrten  Könicrbau  nubA'cndig  war  und 
auch   im  allgemeinen  einen  grtisseren  Wohlsuind  der  landbautreibenden  Be- 


m 


Fol 


B  EWIRTSCHArrUKO. 


'9 


völkcning  arudgL  GanK  Obcn-icgend  wai  es  ullcrüiugü  die  wochscude  Be- 
deutung der  gT(*sjten  Grunclhcrrschaft,  welche  diese  VcrtinUtmngcn  bcftirkte. 
Die  P£erdehaltuiig  wuide  durdi  die  zunefimende  Ven*endun^  vuii  Rcilcr- 
beeren  gesteigert,  welche  doch  nur  au^  gi^iJäi^cicn  Grundbesitzern  und  ihrem 
Gefi-tigc  b<,-slanden,  wahrend  der  freie  Bauer  in  der  alleren  Zeit  zu  Fuss 
diente.  Für  die  Hebung  der  Rindviehzucht  boten  die  Alhnfiidgründf.  iibcr 
welciie  den  Grundherrn  eine  immer  weitergehende  Verfügung  zustand,  die 
beste  Gelegenheit;  eigne  Viehiiufe  {Sr/mai)^fi),  welche  zugleich  der  Aufzuclil 
und  dem  Molkcrt-ilwtriebe  dienten,  .sind  von  ihnen  angelegt,  luil  dem  Ver- 
fall di%  gruiidherrUchen  KigenbL*tricb:>  allerdings  zum  grossen  Teile  ab  Zius- 
gütcr  ausgethan  tider,  wie  tler  alpwirtscliafüidie  Betrieb,  der  gen« issenw. Iiafi- 
üelien  WirUchaft  überlassen.  Die  Schweinezucht  verliert  mit  ziuiehmcnder 
Intensität!  tler  La ndwi risthaft  ilire  in  der  alteren  Zeit  Übcnagendc  Bedeutung 
für  die  Vnlkseniahning:  dagegen  beginnt  schon  im  12.  Jahrhunderte,  insbe- 
besondere  unter  dem  Einflüsse  des  stadtischen  Wollenge  wer  bcs,  die  Si-liaf- 
zueht  einen  besonderen  Aufschvi'ung  zu  ncbmai,  der  wahrend  der  zweiten 
Hälfte  des  Mitlelaltcri  andauert;  ebenso  von  den  grossen  Grundliemi  ab 
Eigen  bei  rieb,  wie  von  den  Bauern  auf  eigne  Rechnung  wird  sie  in  grossem 
Umfange  iHrtricben.  wodurch  nicht  selten  Konflikte  um  die  notigen  W'eide- 
grUndc  entstehen.  Dem  mit  der  Bevülkerungsvcriueliruiig  im  1.5.  Jalirh.  stark 
angewucKsenen  Fleischbedarf e  konnte  trcitzdem  die  Viehzucht  in  weiten 
Gttienden  des  deutsclien  Reiches  nicht  mehr  genügen  und  auch  die  viel- 
latij  \ersuchtci»  M;issregdn  zur  weiteren  Steigerung  der  Viehhaltung  und  zur 
Bekämpfung  ilcr  Fltischicucning  erwiesen  sich  in  der  HaupLsaL-lic  als  wir- 
kungsl'.rt;  eine  betleutendc  und  dauernde  Abnahme  des  Fleischkonsums, 
welche  der  Bev<%tkcrung  durch  die  Nut  der  Verhältnisse  aufgedrungen  wurde, 
bat  endlich  wieder  das  Ebenmass  zwi-irbcn  I'nKluklion  und  Bedarf  lieigc- 
stellt 

Euic  Forstkultur  ist  in  den  Anfanpcu  des  deutschen  Wirtschaftslebens 
bei  dem  übergrosseii  Reichtum  an  Waldern  nichl  zu  vermuten.  Ausser  zum 
Scliulze  der  Grenzen  der  einzeineu  Gaue  und  Marken  diente  der  Wald  mit 
Betitem  natürlichen  Baumwachstum  für  die  Deckung  des  Holzbcdarfcs  der 
einzelnen  Markgaiossen,  für  Bienenzucht,  Jagd  und  Viehweide  (Sclmeinc- 
ma.st!):  daneben  schliesst  er  auch  vr>rflbcrgch enden  Anbau  in  der  rohen 
Form  der  Brcnnwirlschafi  ein,  welche  auf  dem  abgesengten  WaldlMvden  ein 
Paar  Jahre  hindurch  Ki^mcrfrüchle  baute,  um  dann  wieder  dem  natürlichen 
Baumwuchsc  freien  Lauf  zu  hissen. 

In  (h^r  KarolingcTzeit  ist  auch  die  Forstkultur  zum  erstcnmalc  einer  ge- 
wissen Ordnung  unterworfen  worden.  Die  Könige  und  die  grossen  Grund- 
berm  fingen  an,  grössere  Waldkomplexe  cinzuforsten,  d.  h.  der  gemeinen 
Allmendnutzung  inid  fteien  Okkupation  r.u  entziehen,  und  die  Benutzimg 
dieser  Walder  zum  Eigcnbetriebe  »Kier  für  die  Wirisihaftsführung  ihrer  Hinter- 
sassen und  Zinsleule  zu  regeln.  Die  Bcwirtschafiung  und  Beaufsichtigung 
der  herrschafdichen  Walder  wird  cigntni  F^^^:itbca«llell  übertn^gen  und  ebenso 
regeln  sich  allmählich,  gleicIifalLs  unter  dem  Kinfluss  der  fJrundherm,  die 
Nutzungsvcriialtnissc  derjenigen  Walder,  welche  Allmendei^eutum  geblieben 
waren.  Den  Anfang  hierzu  machten  seit  dem  ti.  Jahrhunderte  Hr.^tiiran- 
kungen  der  freien  Waldrodung,  welche  im  früheren  Mittelalter  jedem  Mark- 
gettossen  zugestanden  war.  Anfänglich  bezogen  sich  diese  Rudungsverbote 
nur  auf  die  eingeforsteten  Walder,  allmahlifh  wurden  sie  auch  auf  die  in 
der  Gemeinnutzung  verbliebenen  Wälder  aie-gedehnt,  die  Anlegung  vi»n  Neu- 
brüchen im  Walde  an  die  Genehm igmig  des  Obcrmärkers  geknüpft  oder  im 

2» 


Intetesse  Uer  Erhaltung  des  Waldbestanües  ganzlicli  untersagt.  Auch  der 
Berug  %*on  Bau-,  Nutz-  und  Brennholz  für  den  Eigenbedarf  der  Markge- 
nossen wurde,  besonders  seit  dem  i,^.  Jalirh.  immer  mehr  btrengeiideii  \'ot- 
schriftrn  durch  die  Grundherrn  und  durch  die  Genttssenschaft  selbst  unter- 
worfen, teils  wurden  bestimmte  Holziirten  (Eiche,  Buche,  LSrche,  Zirbel)  von 
der  gemeinen  Nutzung  ausgenommen,  teils  wurde  das  Bedürfnis  durch  die 
Markbeamten  im  einzelnen  Falle  untersucht  (Anweisung),  teils  der  ni>lzbexug 
auf  ein  iK'sümmtes  Mass  bcsclirflnkt,  und  nur  minderwertige)»  Holz  (Wind- 
bruch) unbeschränkt  gelassen.  Ziemlich  allgemein  war  das  Verbot,  Holz  aus 
dem  Markwalde  zu  veriiussem,  was  den  allgemeinen  Grundsätzen  der  Mark 
als  einer  geschlossenen  Wirtschaftsgemeinschaft  entsprjL'h.  Auch  da.s  alte 
Recht  der  Waldwciden  wurde  immer  mehr  einer  festen  Ordnung  unter- 
worfen, je  wichtiger  diese  Nutzung  für  die  zunehmende  Viehhaltung  aber 
auch  für  die  .Schonung  der  Wälder  wurde;  frühzeitig  wurde  .schon  die  Schaf- 
und  Ziegenweide  im  Walde  bekämpft,  die  Schweinemast  auf  die  sclbstgezu- 
gcncn  Tiere  oder  auf  eine  bestimmte  Anzahl  derselben  eingeschr-lukt  und 
fll>erdies  einer  .\bgabe  {dfhan)  unterworfen.  Die  Ä-ichtige  wilde  Bienenzucht 
im  Walde  (Zeidelweide)  wurde  besonders  im  Interesse  der  Grundhcmi  in 
eine  feste  Orrlnung  gebracht  und  durch  eigne  Zeidler  ausgeübt  und  überwacht 
{Triebe)  meist  er). 

Als  Betriebswei.se  der  Forstwirlscliaft  blieb  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
die  PlanterwJrtsrhaft  (Femclbctrieb)  vorherrschend,  wie  das  der  hauptsäch- 
lichen Holznutzung  für  den  Eigenbedarf  allein  entsprach.  Doch  beginnt  in 
der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters,  insbesondere  in  Stadt  Waldungen,  deren 
Wirtschaft  auf  griisswrren  Absatz  berechnet  werden  konnte,  sicii  eine  Schlag- 
wirischaft  mit  nachfolgender  künstürher  Auffinrstung  (gesüte  Walder)  zu  zeigen, 
welche  dann  unter  dem  Einflüsse  der  rationellen  Domlinen Verwaltung  der 
Landesherm  seit  dem   id.  Jahrb.  sich  immer  mehr  verallgenieincrlc. 

Von  den  Spezi alku huren  ist  zunächst  der  Weinbau  bedeutend,  welchen 
diu  Deutschen  vun  den  Rnrncm  übemonunen  haben.  Bereits  die  Volks^ 
rechte  enthalten  eine  Reihe  v«m  Bestimmungen  über  denselben;  am  Rhein 
und  an  der  Donau  sowie  in  Tirol  hatte  der  Weinbau  schon  vor  der  Karn- 
lingcrzeit  beträchtliche  Ausdeluiung. 

Karl  der  Grosse  wirkie  auf  die  Verbreitung  und  auf  bessere  Woirbereitung 
hin;  insbesondere  auch  die  geistlichen  Grundherrschaften  legten  auf  Erwer- 
bung und  Kultur  von  Weinbergen  gro.sses  Gewicht  und  nalimen  zu  diesem 
Zwecke  zahlreiche  Rodungen  vor.  Der  Weinbau  verbreitete  sich  auf  diese 
Weise  nicht  bloss  im  Elschiand,  in  den  Rhein-  und  Donaugegenden,  sondern 
auch  im  Norden  bis  tief  nach  Thüringen  luncin.  .Seit  der  Karolinger  zeit  ist 
der  Besitz  von  gutgelegcnen  Weingütern  besimders  am  Rhein,  in  der  Ost- 
mark und  in  Tirol  unausgesetzt  von  geistlicJien  und  weltlichen  Grundherrn 
aller  deutschen  Lande  angestrebt.  Der  Betrieb  dieser  Weingüter  ist  zum  Teil 
in  Eigen  Verwaltung  der  Eigentümer  verblieben;  besonders  seit  dem  u.  Jahr- 
hundert wird  aber  die  Verleihung  zu  Erbzins  oder  die  Verpachtung  mit  und 
ohne  Teilbau  vorwiegend.  Die  für  denWeiniiandel  wichtigsten  Sorten  deutschen 
Ursprungs  waren  der  frankische  (Rhein-  und  Moselgegend)  und  der  Etsch- 
lander  Wein,  neben  welchen  insbeKondere  auch  der  hunnische  Wein  (aus 
Ungani)  eine  giosäe  Bedeutung  hatte. 

Ähnhche  Entwickelung  zeigt  der  Hopfenbau,  weJrher  jedoch  auf  deutschem 
Boden  erst  seit  dem  9,  Jahrhundert  auftritt  und  seine  grosse  Verbreitung  über 
Süddeutschland  und  den  deutschen  Norden  vornehmlich  in  den  folgenden 
Jahrhunderten  findet,  wJlhrend  er  nach  England  imd  Schweden  erst  gegen 


Spezi ALKULTUREX.  —  Englische  Agrar Verfassung. 


21 


Ende  des  Mitldattcn)  v*ttUri«gt.  Der  Anstoss  zur  Ausbreitung  des  Ho|)fcn- 
baucs  gehl  ganx  vorwiegend  von  den  Grundherren  aus;  im  späteren  Miuel- 
alter  herrechl  jeduch  die  Zeil-  und  Erbpacht  vor,  welche  durcli  ähnÜLhe 
nati(jnu)öktmomi.sche  Voniuaselzuugen  wie  bd  in  Weinbau  (Betrieb  im  Kleinen, 
Vorwiege«  der  Arbeitsleistung}  begOnstigl  waren.  Es  hOngt  mit  der  bes^u- 
dcrvn  Entwickclung  der  Bierbrauerei  in  den  StAdlcn  zusammen,  dass  der 
Hopfenbau  no  h;iu%  sit'h  auf  dem  Territorium  der  Stftdtc  einbürgert  (Nüm- 
beq»,  Lübeck).  Auch  der  .\nbau  vtin  Handelspflanzen  (Gespiiiit-,  Öl-  und 
Farbcpflanzcn)  ist  anfänglich  fast  niu^  auf  den  im  Eigenbetriebe  der  gri>Hsen 
Gninrihcrrsrhaftcn  gehaltenen  L-Indereien  zu  finden,  vnn  wo  aus  der  Roh- 
stoff ilen  Zinshr>ft:n  zur  \'erarbelhiiig  gelii.-fcrt  wurde.  Eine  Verbreitung  der- 
selben auf  das  abhängige  I^nd  ist  erst  mit  der  XcrspHttcrung  de^  Sallands 
und  der  Auflösung  der  a]lcn  Hii/cnverfa.'wiing  ciiigelrctcn.  Die  rcii:hc  Ent- 
faltung, welche  in  der  zweiten  H.11fte  des  Mittelalters  besonders  die  Textil- 
indasirie  in  den  deutschen  Städten  fand,  hat  die  Zunahme  des  Anbaues  von 
Handelspflanzen  ganz  wesentlich  bcgütistigl;  er  findet  sich  vonu-hmUch  in 
der  Umgebung  der  Städte  und  in  <Ien  Händen  der  noch  immer  auch  land- 
bautreibcnden  Stadtbevölkemng. 

In  England*  beruht,  soweit  angelsächsischer  Einfluss  reichte,  die  Agrar- 
verfiLvsung  im  Wesentlichen  auf  der  Durfverfassung  mit  Gemengelage  der  sehr 
kleinen  Feklfluren  bei  ausgebreiteten  Weideflflchen.  welche  vou  den  Dorf- 
genossen gemeinsam  genutzt  wurden.  Doch  sind  nur  schwache  Spuren  eines 
geraeinschaft liehen  Eigentunis  an  diesen  Weideflilchen  erkennbar;  in  der  Haupt- 
sache waren  die  Gruiidhcrni  zugleich  EigentOmer  der  Weideflachen  kraft 
ihrer  Belehnung,  und  nherliessen  nur  die  Nutzung  derselben  den  in  den 
Dörfern  angesiedelten  Hintersassen.  Die  Flurein leüuiig  beruhte  auf  dem 
Hufensyslcm;  jede  Hufe  [h'iie)  galt  als  ein  gleichwertiger  Grundbesitz .  dessen 
Tcilsiücke  in  den  einzelnen  Gewannen  {/«r/rt«^)  innerhalb  der  ganzeit  dem 
Ackerbau  gewidmeten  FeUlHur  zerstreut  lagen.  Daneben  waren  Wie>en  zur 
Nutzung  unter  die  Gclu'ifer  verteilt,  nach  der  Heuernte  aber  als  Weideiilatze 
für  da."t  Vieh  fre^egcben  und  überdies  ständige  Gemeinweiden  und  Wuldcr, 
an  denen  die  Gehnfcr  ihre  Anteile  halten.  Auch  das  Salland  der  Herren- 
hOfc  1;^  zmn  gm.t.<tcn  Teile  im  Gemenge  mit  den  Bauern hüfcn  innerhalb  der 
Gewanne.  Im  Westen  und  Norden,  w«»  die  alte  keltisclie  Hofansiedehmg 
festere  Wurzeln  gcfasst  halte,  richteleti  sich  auch  die  iVngclsacliscii  nach  dem 
Sj-stcm  der  FJnzeihöfc  ein.  Das  am  häufigsten  vurkommcndc  Ma.*«  der 
angelitaehsischen  Hufe  war  4  Virgatcn  zu  je  30  acres.  In  normannischer  Zeit 
ist  der  bauerliche  Besitz  in  der  Regel  auf  i — 2  vi^tae  reduciert,  also  Vi  bis 
Vt  Hide;  4  Hidcn  bildrien  schon  ein  Ritterlehcn.  Dementsprechend  waren 
auch  die  Heirenhüfe  i.  n.  grr.s>ei  als  die  Bauernhöfe  luid  hatten  die  Hälfte 
oder  mehr  des  ganzen  Fronhofs  \manar}  als  Salland  {demtsne  oder  itthnd) 
XU  eigner  NutJcung.  wahrend  das  ftbrige  als  Bauemland  {Land  in  x'tlUnagt) 
auagrthan  war.  Bei  grosseren  Gnmdherrschaften  ist  die  Verwaltiuig  geglie- 
dert; zur  Oberaufsicht  über  eine  grossere  Zahl  von  Fronhrifen  und  zur  Aus- 
Obung  der  Geriditsbarkcil  auf  denselben  ist  der  Steward  «ider  Seneschai 
bcsteUt;  der  standige  Vertreter  des  Gnmdherm  auf  dem  Fronhofe  ist  der 
Amtmann  ibaiHff'\.  welcher  auch  die  Leitung  des  Sallandsbciriebes  föhrt    Der 


•  Kr.  üeebohm.  7V  ÜMgUsh  l'Utagt  ffimmitnity.  2.  ed.  1S83.  Deutsch  vr>n 
Bansen  1885.  E,  Nasse  (<»bcn  S.  7.  Anm).  f.  Viiioßrudoff.  ftf/atmagr  m  /ingland. 
tH'^a.  Hrndrick,  Etgln/t  L^md  nnd  £ni;lish  tandtords.  1881.  Ch.  McLeon  Aa- 
drew«,  TV  (M/  Eft^iiih  Mnnor  |K<)3.  W.  Hnobuch,  Die  rngtitthfn  Lanäarbeiter 
Mwd  dir  Etnkrgvmgm     1894. 


22     VIII.  Wirtschaft.    2.  Arrarverpasschg  und  Landeskultur. 


Srliullheiss  (rrn-r)  ist  fb|;ejren  eine  Art  Vnmiann  unter  den  Hiniersawen,  der 
für  die  ordniiiigsmassigcn  Lcistunßcn  der  Pfliehtigcn  veraiitwurllieh.  aber  zu- 
gleich ilir  Vertreter  bei  dem  Herrn  war.  Die  Feldwirtschaft  war  lange  Zeit 
liiiuiunMi  teils  im  Zwei-,  teil*;  im  Dreifeldersvstem,  immer  al)er  sehr  extensiv 
betrieben;  hei  vorherrsfbenclemWeidejrang  auf  den  Feldern  und  Wiesen  riiach 
der  Ernte  war  der  Flurzw.mg  unentbehrliches  Erfordernis  zur  Aufrecbterh.'ihiing 
der  Ordnung  des  Betriebes.  Diesem  Flurzwang  suchen  sieb  die  Grundlierrcn 
zu  cni/.irhcn ,  inshr>inndere  seit  von  der  Nfitte  de-s  14.  Jahrlmndcrs  an  die 
Arbeitslifiifte  zur  Bestellung  der  Felder  selten  und  theuer  wurden  und  die 
lifiuerliclien,  FJcincnte  immer  mehr  in  Opp«  isition  zu  den  grundherrlirhen 
Intcreswn  traten.  Die  ganze  Flur^-erfassung  erfuhr  alhnahliLli  eine  Umwandlung 
durch  VerkojDpi'lung  und  Einhegung  der  gulsherrlirhen  Felder  und  der  bisher 
der  gemeinen  Weide  nffen  gehahenen  Teile  des  Frnniiofs.  Bauemsiellen, 
i'it  ganze  Dörfer,  wurden  niedergelegt,  ihre  Felder  zum  Hoflande  eingezngen 
imd  dieses  ganz  aus  der  Gcmeindegemarlung  ausgeschieden.  Auf  diesen 
Einhcginigen  {t'nf/mnrrs)  wurde  in  viel  gnisserem  Massslabe  als  bisher  Vieh- 
zucht, bcscindrrs  Schafweicle  eingerichtet,  welche  viel  geringeren  Betricbshedarf 
erheischte;  damit  war  alsit  ein  (Jbergang  aws  der  .^iten  Felderwirtschaft  zur 
Feklgraswirtschaft  verbunden. 

In  den  skandinavischen  Lflndern*  sind  schon  für  die  aheste  Zeit  fester 
Ansic<lclungen  zwei  vcpichiedene  Systeme  der  Flur^crfassung  zu  erkennen. 
Soweit  siV'h  die  von  alters  her  inTiijjierten  Vulksjiehiete  erstn-eken  (D^iricmark. 
Srtd.S(  liweden,  die  ni>rwegischen  K Osten lan dschaften )  findet  sich  die  BevAlke- 
rting  durchweg  in  D^irfeni  angesiedelt,  deren  Fluren  in  Gcwaimen  an  die 
einzelnen  Hiife  aufgeteilt  und  daher  ganz  nach  .'Vrt  der  deutschen  Hufen- 
dflrfer  im  Gemenge  lagen,  wahrend  Wald  und  Weide  als  unverteilte  Mark  der 
Dnrfgennssen  bestand.  Im  Nunlen  von  Sch«'eden  imd  Norwegen  dagegen 
sind  die  Ansiedelungen  durch  Oi  lupation  Einzelner  im  inibegrenzlen  Walde 
entstanden  nnd  daher  auch  in  Kinzelhnfpn  und  Wpiieni  erfolgt,  deren  Grund- 
stücke aur'li  nicht  in  Ihtfen  aufgemessen  und  nicht  in  (gewannen  aufgeteilt 
sind.  Wahrend  im  (jel)iele  der  vnlksmassigen  GewanudOrfer  die  Hufe  (ä«?/) 
eine  feste  Bc-sitzeiJilieit  von  im  wesenilichen  überall  gleicher  wirtsrliaftl icher 
Grüs.se  b;t,  die  nn<'l)  im  Krdbuche  K«"inig  Waldemar  IL  (1231)  mit  dem 
Werte  von  i  Mark  Goldes  Hbcrall  gleichmüssig  iti  Ansatz  gebracht  ist.  sind 
in  Schweden  dif  maiitiil  »ifler  hemnian,  welche  der  Hufe  entsjiraclien,  Güter 
von  sehr  verschiedener  Ausdehnung,  die  erst  durch  die  Heeres-  und  Steuer- 
verCa-tsung  zu  festen  Besitzgr^issen  wurden.  Es  kommt  daher  auch  nur  in 
Dänemark  und  Schweden  das  als  rftpnht^  bekannte  Verfahren  zur  .^nwen- 
<Iung.  wonach  ein  sich  in  seinem  Anteile  an  einem  Gewyiui  vedetzt  >;laul>en- 
<ler  Höfner  die  Nachmessung  des  betreffenden  Feldstückes  bezieh migs weise 
der  einzelnen  Anteile  an  dem  Gewann  beliufs  Wiederher^itellung  der  ursprüng- 
lichen Gleichheit  derselben  verlangen  konnte.  Die  alte  Ordiutng  der  volks- 
tümlichen Gewanndörfer  erfuhr  im  Verlaufe  der  Zeit  erhebliche  .Änderungen 
durcli  den  Aasbau  von  ToditerdArfem,  an  dem  hieb  insbesondere  auch  die 
grossen  Gmndherrscliafirn  beteiligten,  sowie  durch  die  Verfügungen  der 
ki'mighVhen  Gewalt  unti  derOnrndlierni  über  die  Allmende;  avich  die  Ersetzung 
<ler  alten   hamankift,  d.  h.  gehinderte  Verlosung  der  Anteile  der  Hufen  in 


*  Sclilegelt  Obtr  den  Zuitand  dn  Aekerbttuti  und  dtr  I^ndwirlithaft  in  Däitt' 
mnrk  vor  und  uHtrr  dfn  rrstrn  Waldtmarrn.  (Falrk«  neu««)  fttft«ubtir[;erl.  Muf^azJn.  IT. 
735.)  Falck,  ftfilräfff  atr  tcAifjnfiff-Aaüfn'MisiArn  Lattd-Jrirtifhitft.  1847.  Her  riß, 
Dt  rrhui  agraria  iurtiai  rl  danicis,.  Di».  1868.  P.  v.  Milllor,  StrXäda  Vtkait  rS* 
randt  Svertika  Jordtrukfts  histcriti.    1881. 


jedem  eiii7.i;Ineii  Gewann  durch  tlie  solskift,  d.h.  OrdnuiiR  dieser  Anliüc  nach 
der  Kethenfiilge  der  Tonflt*  im  Dorfe  fftr  alle  Gewanne  gledthniassig,  wird  auf 
Itrxindhcrrlichc  KlnflQssc  zurückzuführen  sein.  Ebenwi  kommen  schon  im 
mittelaher  EinlK-gungcn  und  Xiedericffungen  von  alten  Baucndiüfcn,  ja  von 
ganzen  Dörfern  vor,  wozu  die  Ausbreitung  des  Pachisystenis  \/nfs/ehaMnt) 
GeJegenheit  b(»t.  Dagegen  sind  Verkojjpclungen,  wie  sie  spater  (18.  Jahr- 
hundert) zur  völligen  Umgr.st;iliung  der  Flurverfassung  speziell  In  DJlnemark 
gefUlin  haben,  iui  Mittelalter  nmli  nicht  vorgekommen. 

Der  Getreidebau  ist  selbst  iin  hohen  Nurdcn  Norwegens  si-bon  im  10.  Jahr- 
hunden verhältnismässig  weit  verbreitet;  spater  werden  aurh  Flachs  und 
Hanf,  £rbsen ,  R<  >]uK-n  und  Rüben  ullgemein ,  Garlenliau  und  Obstzucht 
wcsendich  unter  dem  Kinflus-se  geixilichen  Betriebes.  Dabei  war  eine  Art 
von  VierfclderwirLsrliafi  sehr  verbreitet,  welche  auf  3  Jahre  Fruchtanbau  ein 
Jalir  reiner  Brache  fijigen  IJess.  Die  Viclizucht  beruhte  v«jniehmlich  auf  einer 
ausgebildeten  Weidewirtschaft,  welche  in  den  Saelen'naen  schon  frtlhzeiiig 
einen  der  alpinen  Sennen*iwirt.sch:tft  ahnlichen  Betrieb  zeigt.  Daneben  «-urde 
in  den  rcichtragenden  I.aubwiildem  ausgiebige  Schweinezucht  betrieben. 

j.  stadia'erfassuntt  und  GKWERBE. 

K.D.  Höllmann.  SiSdieipetfn  dfs  AUlittaHers.  4  Bde.  1816— 29.  W.ArDolü. 
yrr/ttssungigr.wfin-htr  di-r  itnitickm  p'rfitlädlf.  i  Bde.  1854.  Der«^  Das  A*tf- 
kommrn  drs  Htimixi-erkcntaHtifs  im  M.A.  1861.  Xilzsch,  AliniilfriaWt^t  unJ 
Bürgtrtum.  1859.  A.  Hi-imlcr,  /A-r  Ursprung  äfr  dettlickm  Stodtvcrfauung. 
187».  If.  0.  Gt-nj;li:r,  n<i*tiche  Stttdtrrt fitiftttfrtümrr.  i88j.  <i.  v.  Below, 
Zur  EntitehuHg  Jrr  Rtndhrrfnisung.  (Sjrbrb  Zeit  sehr.  1887  f.)  Dcrs.,  J>»e  Eni- 
tUhung  drr  df^niiihrn  Stadtgrmfiadr:  1889.  Ders.,  Der  Crsprung  der  drttlsckm 
Stadtverfassnng.  1S93.  R-  Solim.  Die  Enlilehung  des  drutichen  Städtewetefts. 
l8'>o.  C.  KAbnc,  Der  Ursprung  der  Slndt^-ee/ntsung  in  Worms.  Speirr  und 
Maim.  l8i>0.  J.  K.  KiintKC,  Die  deulschnt  StitdtegrünJungen  im  M.A.  l8<(l. 
G.  KAufmann,  /.ur  Entitehung  des  Städirtfeiens.  lifyi.  C.  Hcgi-1.  Si^dte  und 
CildfH  d*r  grrmaniieken  Völker  im  At.A.  3  B<U'.  189t.  K.  Tll.  v.  Inania- 
Slerneg^,  Cftrr  die  Anfänge  des  deuUiken  S/iidtntnens.  iln  Zt-iLschr.  f,  VoUl*- 
virlscfa.  u.  S*«talp()lilik.  1.)  189a.  W.  F..  Wilda,  Das  tiiidev^sm  im  Afitlel. 
after.  l8jl.  O.  Hxrlui);,  Unlrnuthungen  über  die  ersten  Anfängt  des  liilde- 
■tteteni,  {Korschungen /.d.  Gescb.  I.  i86a,)  V,  Bßbmcri,  /teiträge  uir  GtsehiekU 
des  ZunftWiens.  rSfta.  G.  ScbAnberf;.  Zur  wirtsi/iit/ttithe»  HrdtuSung  des 
Jenfsfhrn  Zun/tv^srns  im  M.A.  186B.  Wackt-rnajjel.  (irti'erbe.  /fandet  und 
S<Mißi>/trt  der  Germanen  in  «.  kl.  Sehr.  J.  187J.  L.  Brentano.  Die  ArMUT' 
giiden  der  (iegm'u^ri,  I.  1871 .  W.  Stlvdn.  Zur  Entsuhungsgeschichir  des 
dtuls.-hen  Zun/ttrew^s.  i8-*t.  G.  Schanat,  Zur  O'esthiehte  der  drtil-tchen  Gctel/m- 
verAände.  1877.  G.  Schnmller.  Die  Straisfmrger  Tucker-  und  Weber:tin/t 
nnd  das  drutuhe  Zunfluvsen  t-nw  l^.—iy.  Jaftrti.  t88i,  V.  W.  Stahl,  ßas 
drutufir  ffamiTeerJe.  l."  |J(;4,  Ch.  Gross,  The  O'ild  .IfrnAan/.  2  Bde.  189O. 
K.  W.  Nit/)t{-|i,  Die  nirtlrrdeulsehr  Knufgilde  (m  Zt-ilsHir.  d.  Snfii^y-SlifttlDg- 
XIII.  Germ.  .\bt.)-  i8q2.  K.  Zeuinrr,  Die  iieut\ekrn  S/ädirstrwm  (iii  Schniollcr« 
Fonchun^n  I.  2).  187Q.  ßuu  tÜe  .Sfie/inbiheiU'n  Clhrr  ftii/Hnf  SUhltr  mii 
ScbfnoUer  imd  Meyer  (Stniaburg).  Kriegk  und  BiUlK-r  «Friitikfurt)  Sihün- 
bcrü  uod  Gelirin^  (Basel)  Werner  (f^Ltu)  Wubrmxnn  iLdlnt-k)  Hin>ch  iDnnxig) 
Enacn  |K6ln)  Roinbold  (WcsH).     Hegel  (Siädttvhiomkrn)  u.  A. 

Die  Entstehung  der  deutschen  Städte  ist  auf  eine  mehrfache  Wurzel 
ntrückzultihren. 

An  eine  ununterbrochene  Fortsetzung  stadtischen  Leben«,  wie  es  sich  auf 
vi^n  Punkten  des  dcutMhcn  Bodens  wrihrend  der  Rriinedierrschaft  einfallet 
hat,  Lsi  in  keiner  Weise  m  dt-nken.  Schon  du.s  letzte  Jalidiundcrt  des  rr.mi- 
•chen  Munizipallebeiis  in  den  deutschen  Gegenden  zeigt  uns  diese  Städte  im 
nnauflialL«amen  Verfall;  die  hereinbrechenden  Schaaren  der  Germanen  zcr- 
stOnen  nicht  nur  die  letzten  Keste  städtischer  Ordnung,   sttndem  die  Städte 


J4 


VIII.  Wirtschaft.    3.  Stadtverfassung  und  Geu'erbe. 


selbst.  Dem  stildrisrhen  Zusammenwohnen  abhold,  sit'dcllen  sich  die  Deut- 
SL"heü  ausscrliiilb  der  in  Trümmern  liegenden  SlJidtc  an ;  hi'Jchslens  versuchten 
nie  emc  vorhandene  Zwingburg  zu  ihrer  cipncn  Verteidigung  zu  benutzen, 
indem  sie  eine  stündige  Besatzung  in  dieselbe  verlegten. 

Dagegen  sind  die  Palatieti  und  HaupOiüfc  der  küniglidien  und  btsdiöf- 
ürhen  Verwaltimg  schon  frühzeitig  ?.u  Mittelpunkten  des  Verkehr»  sowie  zu 
Jiauptsiicli liehen  Standorten  gewerblichen  Lebens  geworden  und  haben  durch 
the  Konzentration  der  Hoflialtung  und  VcrwaUmig  eine  zahlreiche  Beviilkc- 
ning  und  einen  besonders  kaufkräftigen  Markt  crh;iltcn.  Kiriigc  von  diesen 
Fronhöfen,  in  Trier,  Köln,  Mainz,  die  auf  den  Fundamenten  romischer  Ansiede- 
lungen erbaut  worden  sind,  h:iben  allerdings  auch  den  ganzen  noch  bauhaften 
Teil  der  Röniersladt  mit  ihrer  Bevölkerung  in  ihre  üi^anisation  einbezogen. 
In  geringerem  Masse  haben  auch  die  Fronhofe  der  übrigen  weltlichen  und 
geisttichen  ürundherrschaflen  solche  Bevrilkemngszentren  für  ein  weiteres 
umliegendes  Gebiet  gebildet;  auch  sind  unter  besonderen  wirtschaftlichen 
VerhllUnissen,  wie  sie  teils  der  Verkehr  als  Umschlagsplätze,  teils  die  Pm- 
lUiktion  [z.  B.  im  Salinen  betriebe)  erzeugte,  andere  Orte  mit  einem  lebhaf- 
teren Verkehr  und  grosserer  Menschenmenge  zu  gewissen  Bedingungen  für 
eine  städtische  Kntwickeiung  gelangt,  welche  dann  Onind-  und  I^mdesherm 
durch  Verleihung  besonderer  Privilegien  begiin  st  igten. 

.Auch  in  den  zu  Zwecken  der  Landesvcrteitligung  errichteten  Burgen  cnt- 
u-irkelte  sich,  insbesondere  seit  den  organisatorischen  Verfügungen  König 
Heinrich  I.  ein  eigentümlich  geartetes  Leben,  dessen  wirtschaftlicher  Grund- 
rharaktcr,  die  Verproviantierung  der  Garnison  durch  die  umliegenden  Güter 
der  kriegerischen  Dienstmannen,  Elemente  städtischer  Wirtschaft  in  sich  barg. 
In  der  Folge  hat  die  mit  der  Uimuauerung  volkreiclicrer  Orte  geschaffene 
erhöhte  Sicherheil  in  ähnlicher  Weise  gewirkt 

Dieser  verschiedenartigen  F.nLstehungsweisc  städtischer  Wohnplaize  ent- 
sprechend ist  auch  die  älteste  stadtische  Gesellschaft  vcjn  sehr  vei-schiedener 
Struktur. 

Ein  Stand  von  Gcmeinfrcien  als  direkte  Nachkommeii  einer  n'-mischen 
Stadtbevölkerung  Ist  in  den  auf  den  Trümmern  r5mi&cher  Städte  später  auf- 
gebauten deutschen  Stildtcn  nicht  anzunehmen.  Vercinzetl  mrigen  sich  Nach- 
kommen nimischer  Stadtbflrger  auf  ihrem  Erbe  trotz  aJler  Zerstörungen  be- 
hauptet, auch  freie  Deulsdie,  welclie  bereits  zur  Rönierzcil  in  den  St.ldtcn 
waren,  ihre  Freiheit  gerettet  haben;  im  grossen  und  ganzen  haben  suh  auch 
die  allen  Römers cidte,  soweit  sie  in  den  Stürmen  der  Völkerwanderung  bau- 
hafl  ertiallen  geblieben,  dem  Einflüsse  der  gmssen  Gruridhcrrschaft  nicht 
entziehen  können ;  Könige,  Bischöfe  und  Greifen  haben  ihre  Herrensitze  in 
oder  bei  solchen  Studien  aufgeschlagen  imd  haben  dereii  Bewfdiner  teils  in 
ihre  Beamtenschaft  aufgcnotmncn,  teüs  als  Gewerbe-  untl  Handeltreibende 
oder  auch  als  Landwirte  ihrer  Gmudherrschidt  auf  all  den  Wcgtni  einzuver- 
leiben gewasst,  auf  welchen  überhaupt  die  Hauptmasse  der  Gemeinfrcieii  in 
den  Verband  des  grossen  Gnuidbcsitzcs  gekommen  ist 

Abgesehen  von  diesem  allstsd tischen  Bevfilkerungselement.  das  aber  d-^ch 
nur  in  wenigen  Siadtcu  in  Frage  stellt  finden  sich  in  deu  Palaüal-  und 
Bisch nfsst;idten  schon  frtlhzeitig  freie  Grundbesitzer,  welche,  angezogen  von 
der  fürstlichen  oder  bischöflichen  Hoflialtung,  oder  von  den  Aunehmlidi- 
kcilen  des  Stadttcbcns  Oberhaupt,  Grundbesitz  in  der  Stadt  eruarbcn,  Häuser 
bauten  und  sich  nun  dauernd  oder  zeitweilig  in  der  Stadt  aufliielten.  Auch 
freie  Handwerker  und  Händler  erscheinen  schon  in  den  Anfangen  des  städti- 
schen Lebens  innerhalb  der  Bevölkerung;  die  reidierc  Arbeitsgelegcnlictt,  die 


Die  Bevölkeruwg  der  StXdtb. 


■25 


■ 


viciseiligcrcn  pcsellschiiftJichcn  Beziehungen  und  besondere  k'önigäichc  Privile- 
gien crlei«  htcrten  ihnen  «He  Behauptung  ihrer  wirtschaftlichen  Selbstständigkeit, 
u-ahrend  der  Handwerker  auf  dem  Lande  mit  Xc»t«*endigkeit  auf  den  Dienst 
am  Heirenhnfe,  der  Händler  auf  das  Herurawandcn»  angewiesen  war. 

Dot'h  ist  immerhin  bei  dem  festen  Gefüge,  welches  die  grund herrschaft- 
liche OrgsuiLsation  in  der  Zeit  der  Sladtanfangc  bereits  gehabt  lial,  anzu< 
nehmen,  ilaw  <iie  Mehrzahl  dieser  Gewerbe-  uml  I  landehreibcnden  ebenso 
WC  die  kleineren  Grund-  und  Hausbesitzer  auf  grund herrlichem  Boden  sasscn 
und  auch  in  einem  persönlichen  AhhangigkeitsverhSltnisse  zu  eintnn  Gnmd- 
hcrm  standen. 

Ausser  freien  und  vogtbaren  (pfleghaftenl  Leuten  befanden  sich  dann 
herrschaftliche  Üicnsimannen  aller  Art  in  diesen  alten  Städten:  die  Beamten 
der  königlichen  und  der  bischöflichen  D«  iniania! Verwaltung,  die  Kleriker,  die 
unfreien  Ritter  mit  ihren  waffentragenden  Knechten,  die  Fron hnfshand werker, 
Zinsbauern,  das  ganze  grasse  Hausgesinde  und  viel  fahrendes  Volk  der  ver- 
schiedensten Bt>zialen  Lage-  Innerhalb  einer  Stadt  sind  wohl  auch  von  An- 
fang an  mehrere  Gnmdhernichaften  iic-hen  einander  eingerichtet;  die  günsti- 
gen Bediiigxmgen,  welche  sich  in  Bezug  auf  gewerbliche  Arbdl,  Handel  imd 
Kapitalanlage  in  den  StJldten  fanden,  haben  eben  Gninden»'erb  in  ihrem 
Weichbild  schon  bald  als  besonders  begehrenswert  erscheinen  lassen.  Jede 
dieser  Grundhcrrschaftcn  fasst  ihre  grundhOrigc  Bev4^1kcrung  im  Hofrechte 
zusammen;  so  zerfallt  diese  städtische  ßevi':.lkcrurig  in  eine  Mehrheit  von 
einander  abgeschlossener  RechbikreJüe.  Neben  den  durch  das  Hofrecht  ge- 
bildeten Bevölkerungskreisen  steht  aber  auch  oft  eine  nicht  hofrechtliche 
BevJ^lkerung  unter  dem  Umdrecht  und  seiner  Grafen-  und  VogtrigewalL 
MH  der  Übertragung  der  gräflichen  Gewalt  an  die  Bischöft*  (ottonischc  Privi- 
legien! ist  in  den  Bischofslädten  zwar  eine  gewisse  Einheit  des  RecliLsgebicts 
l^eschaffcn  worden,  aber  immerhin  stehen  noih  die  gnmdherrliche  (hnfrccht- 
Uche)  und  (he  sonstige  städtische  (landrechtlicbe)  Bevölkerung  einander 
gegenüber. 

Mit  dem  12.  Jahrhundert  beginnt  eine  neue  Periode  der  deutschen  Stadle- 
geschichte.  L;iiui-  und  Burglicrrcii  wetteiferten  in  der  Gründung  und  Aus- 
gestaltung von  Städten;  bis  gegen  Ende  dej*  Mittelalters  sind  gegen  lono 
Stadt egrilndun gen  im  deutschen  Reiche  bezeugt.  Die  Siadtherm  widmen 
hiczu  gCW'''hn!ich  eiii  bestimmtes  Marktgebiet,  crleichtcni  die  Erwerbung  von 
GnmdstücJcen  in  dem-selben.  errichten  Wohnhäuser,  Niederiagen  und  Buden, 
die  sie  der  anziehenden  Bevidkcnuig  gegen  Krbzins  flbertassen  und  gestatten 
die  ErlKiuung  von  H.'luscm  auf  hemschafttichem  Boden  (Burgrechl),  Kauf- 
Icute  werden  durch  Gewahnmg  mannigfacher  Vorrwhte,  analog  den  alten 
Königsprivilegien,  angelockt,  den  Marktbewuhnern  und  den  Marklbesuchcm 
Freiiieit  des  Handels  und  Verkehrs,  be8<jndera  auch  Abgabenfreiheit  ein- 
geräumt, persönliche  Freiheit  allen  Zuziehenden  in  Aussicht  gestellt,  der 
Ma rittverkehr  unter  besonderen  Re<liLsschulz  gestellt  und  zur  Wahrung  dcs- 
«elhen  den  Kaufleuien  eigne  GericliLsharkHt  in  ihren  geschiiftli«  lien  Ange- 
legenheiten gewahrt,  Kröniem  und  Handwerkern  eine  feste  Ordnung  ihrer 
Verhältnisse  geschaffen,  schliesslich  <las  ganze  Stadtgebiet  von  der  Grafen- 
jfewah  eximicrl  imd  ein  cigneÄ  Stadtrechl  unter  dem  herrschaftlichen  Burg- 
grafen und  den  stadlm:hen  Schöffen  verliehen. 

Diese  neuen  Städte  sind  in  der  Regel  nicht  innerhalb  des  Fronhof«  der 
Stadthemi,  alnr  in  dt-ssen  unmittelbarer  N.ihe  aegrilntlel  und  mit  ihm  immer 
in  den  engsten  wirtschaftlichen  Beziehungen  gcjilanden.  Der  Stadlherr  nigell 
im  Anfange  durrliaus  autonom  die  Rechtsverhältnisse  der  Stadt,   aber  nicht 


26  Vm.  Wirtschaft.    3.  Staotvirfassung  üxd  Gewerbe. 


r 


vne  in  seinem  Fnmbnfo  nach  Hnfrerht,  sondern  als  TrSger  der  riffentlichea 
Ge^*alt  nach  den  (iriindsilizen  des  Laiidrechts  das  freitich  dur*h  die  beson- 
clem  Stadtprivilenicn  sehr  erhebliche  Modifikati'_>ncii  erfahren  musble.  Auf 
dieser  Thatsache  bcniht  auch  in  erster  I-inic  die  br^ondere  Ausbildung  der 
Stadtverfassung.  Während  die  grundlierrliche  Stadt bevOlkenmj!  infolge  de» 
Hofrechts  unbedingt  unter  dem  Grundherrn  steht,  ist  derselbe,  auch  wo  er 
in  den  liesitz  der  (Jntfenrerlue  gelartgt  w:ir,  den  nicht  Kofrcrlit liehen  lievOl- 
kerungselenicnien  gegenüber  nur  üffcnllictic  Obrigkeit  und  Gericfitsberr ;  in 
dem  SchüffcnkoIIegium,  das  .sich  aus  den  Angesehensten  der  freien  Stadt- 
be\ölkerunj(  zusammensetzte,  stand  ihm  hier  schon  von  Anfang  an  eine 
eigen  berechtigte  Organisation  zur  Seite.  An  dieses  Schöffcnlcnllcgium  gehen. 
frülizeitig  gewisse  Aiulsfunktionen  der  gräflichen  Gewalt  innerhalb  des- 
Stathbcrdchs  über;  vnr  allem  der  zum-hmendu  Reiclituni  der  Patrizier- 
familien brachte  es  mit  sicti,  dass  dieses  Schiiffenkullegiuni  zu  einer  Art  von 
stflndisclier   Interessenvertretung  gegenüber   dem   Stadtherm    werden    konnte. 

Das  volle  Btti^erreelit,  d.  i.  der  Vollgeniiss  der  Rechte,  welche  die  Stadt- 
pn'vilegien  der  Bürgerschaft  verleihen,  steht  im  Anfange  in  der  Kegel  nur 
den  freien  Grund-  und  Hausbi-sitzeni  in  dem  Stadlrci;lilsgebiete  zu.  Diese 
sintE  tri]^  Rentner,  wrlehe  auf  eigenem  Gruml  und  Boden  in  der  Stadt  von 
den  Krirügiiissen  ihres  Verniügeiis,  besonders  auch  um  Lande  belegener  Uütcr^ 
leben,  teils  Kauflcnte;  ihnen  gesellt  sich  aber  schon  frühzeitig  die  hrihere 
Ministerialitat,  vorab  die  ritteriicheii  Diensimanncn,  die  sirJi  immer  mehr  au» 
der  unfreien  Stellung  emanzipieren,  aiw  der  sie  hervorgegangen.  Gestützt  auf 
den  politischen  und  st)zialen  Kinfhuss,  welcher  Üincn  in  der  bisch i'iftichen  iwler 
gnmd herrlichen  Verwaltung  zukam,  sowie  auf  den  Lehcnshesiiz,  den  sie  sich 
im  Laufe  tler  Zeit  trvi-orhcn,  sind  sie  nicht  nur  wirtscbafllicli  mid  sozial  den 
angesclicnen  freien  Stadtbürgem  naher  gekommen,  sondern  auch  im  Stadt- 
gerichte tmicr  den  Schöffen  vertreten.  Sie  wohnen  zum  Teil  srhim  von  An- 
fang an  in  der  Stadt,  zum  Teil  sind  sie  tler  städtischen  Bevülkening  zuge- 
wachsen, seit  die  Stidle  mit  den  Frunhöfen  der  Stadtherm  auch  administrativ 
unil  re»'htlirh  vcrsrlimolzen  wurden. 

Aus  diesen  Elemenlen  bildete  sich  im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  der 
Stadtrat,  die  erste  eigentlich  .»<ta<lii.s*"he  Obrigkeit,  allerdings  im  Anfange  noch 
unbedingt  unter  dem  St;tdtherrn,  aber  bald  in  unverkennbarem  Gegensatz 
zu  ihm,  wenigstens  in  seiner  Eigenschaft  als  Grundherrn  stJldtis4hen  Gebietes. 

Nel)en  der  Judikatur  im  Stadtgericht  und  der  ilarnit  in  naher  Beziehung 
stehenden  Ortspolizei  bek"'tiinit  der  Stadtrat  insbes^^nderc  die  Verwaltung  der 
gewerblichen,  zum  Teil  auch  der  Handelsintere.ssen  in  seine  Hantl,  M-ie  er 
anderseits  die  Vcrfüg\tng  über  die  nicht  gnmdberrlirh  gewordenen  Allmend- 
pilter  erhrdt.  welche  im  Bereiche  der  Stadt  oüer  ;iJs  Perliiienzen  freier  stadti- 
scher Hufen  vorhanden  waren.  Mwh  die  besiuiderc  F.ntwickelung.  welche  das 
KtadtÜM-he  Struerwesen  dadurch  genommen  hat,  da&s  die  krmiglirfie  nder 
laiide.^herrli['!ie  Bt-di-  als  Gcsamtsieuer  auf  die  Stadt  gelegt  wurde,  gab  der 
Stadt  die  Mfiglichkeit  ein  System  <terSleuer\*erteilung  selbständig  auszubilden 
und  auf  die  Steuerfnrderung  des  Stadtherrn  einen  best  inn  neu  den  FinfliLss  zu 
nehmen.  Dieser  patrizischen  Vertretung  uml  Verwaltung  der  Siadtinteressen 
durch  die  „(lesrhlechter"  ist  erst  im  Laufe  der  Zeil  die  übrige  Stadibevöl- 
kcrxmg,  insbe&ojidere  das  zünftig  organisierte  Handwerk  entgegengetreten  und 
hat  im  14.  imd  15.  Jahrhunderte  eine  gcwi-se  Demokratisienmg  der  Stadt- 
verfafisung  herbeigeführt,     (S.  unten  S.  20.) 

Das  Wirtschaftsleben  in  den  deutschen  Städten  ist  schon  von  ihren 
Anfangen    an    durch    ein    stärkeres    Henortreten    der    gewerblichen    Arbeit 


nnd  (itmh  eine  grxnsse  Knnipntration  von  Angebot  und  Nadifrage  niif  dem 
Markte  ihantklcrisicrt 

In  ilrn  königlichen  Palaricn  wie  in  den  Fronhüfcn  der  welllirlien  und 
geistlichen  Grundherren  wurden  bereits  bn  (>.  Jahrhunderte,  nach  dem  Vor- 
bilde Karts  d.  Gr.  neben  der  Bcwirtsciiaftung  dej  Honandereien  auch  die 
verschi^-ilensien  Handwerke  gepflegt,  Waren  dnch  auch  dip  Anfnnfie  der 
Stadt wirIS4.liiirt  dunhaus  im  Banne  der  NaluralwirtschaCl,  welche  immer 
darauf  angewiesen  ist,  die  BedOrfnisse  eines  Witisrhaftskreises  thirrh  die 
Produktinn  desselben  Wirt-srhaftskreises  zu  decken.  Auf  dop|>elteni  Wcf^e 
ist  dies  erreicht  wurden;  die  Handwerker  sind  teils  unfreie  Haasdiencr  des 
Friinh^ifes,  welcher  ihnen  die  Arbeitsstätte,  das  Material  und  die  Werkzeuge 
b(it  und  srlilii-sslich  da**  ("rewerbserzcugnis  als  ihm  gehörig  in  seiner  eignen 
Winsrhaft  verwendete;  teils  wird  das  alte  Institiil  <li*r  widerniflirhen  Ijdht 
(prrrrjn'um)  auch  zur  Gewinnung  der  Handwerbileute  verwendet:  die  Grund- 
hcTTsrhaft  vergiebt  kleine  Güter,  halbe  oder  VierteLshufen,  (»der  einzelne 
Grundsiftcke  gegen  Zins,  welcher  in  bestimmten  (Jewerbspniduklen  abge- 
stattet wurde.  In  beiden  Fallen  sind  die  Handwerker  vorwiegeiul  unfreie 
l.eute.  Gmndholden  der  Herrschafi,  und  flemenwprei  hend  auch  dem  ilof- 
reolite  unterworfen;  nur  vereinr-cll  knuunen  auch  an  den  FruulifVfen  freie 
Handwerker  vor.  Dagegen  sind  spätestens  seit  dem  12.  Jahrhunderte  die 
freieren  F<tnnen  der  Erbleihe,  dun'b  welche  Zlnspfliclit  <»hne  persiinltche 
Unfreüieit  brgrtlntlct  wurde,  auch  auf  Handwerker  vielfach  angewendet. 

Auch  die  llandels(-haft  lit-gt  vim  Anfang  an,  wenigstens  zimi  grossen 
Teil,  in  den  Händen  der  grundlierrschaftlichai  Verwaltung.  Ihre  Beamten 
disponieren  die  Cbentehüssc ,  welche  die  Fronhofswirtsehaft  selbst  ergab  oder 
die  zinsenden  GrundsiQcVc  ablieferten;  soweit  diese  IVixlukte  nicht  im  Be- 
reiche der  grossen  Gmndhen-schaft  selbst  eine  Verwendung  fanden,  wurden 
sie  marktgängig  verwendet.  Und  der  A'ortcii  des  kauft rliftijien  Marktes, 
welchen  volknichr  Fmnhfife  boten,  lockte  auch  ferne  Gnimlhi-rren  an,  selb- 
«tandige  Verkaufss unten  für  ihre  Pri»dukte  an  si>]chen  Mittelpunkten  des 
wirtschaftlichen  I^bens  einzurichten,  denen  sie  wieder  grund herrliche  Bc^imte 
vorletzten.  Neben  diesen  unfreien  Klemcnten  im  llanilelsgesch.lfte  war  aber 
frtth7.eit^;  schon  eine  Klasse  freier  Händler  in  den  Frnnhofni  vorhanden, 
welche  aLs  IJeferanten  aller  Art  von  GcwerbserzeugnLsscn.  und  als  Kliufcr 
jeglichen  Oberschusses  der  P'rnnhnfsverwaUung,  als  (jefdweiiisler  und  Geld- 
verleiher hier  den  geeignetsten  Ik)den  fanden,  auch  wohl  von  der  Fn.mhufs- 
veru-altung  selbst  gerne  gesehen  waren. 

A^>er  auch  ausserhalb  des  gnmdhcrrlichen  Verbandes  sind,  wenigstens  in 
den  wichtigeren  der  heranbiöhen<len  Städte,  Handwerker  und  Händler  an- 
^Kietlell,  auf  freiem  Grumi  und  Boden,  oder  auf  geliehenem.  Gehören  diese 
Leute  auch  nicht  in  das  Hofretht  eines  Grundherrn,  so  sind  *.ie  dot-h  an- 
Anglieh  in  der  Regel  zu  deu)sell>en  in  nahen  wirtschaftlichen  Beziehungen; 
der  Fninbof  ist  der  beste  Kunde  der  Handwerker  wie  der  wichtigste  Markt 
der  Kaufleute.  Uiul  ilie  fe.sie  Ordrmng,  welche  das  frtlherc  Mittelalter  allen 
wirtschaftlichen  Beziehungen  zu  geben  liebte,  bnichte  es  mit  sich,  dass  auch 
die  nicht  hofliörigen  Handwerker  und  ILlndler  zu  l>estimmten  I^istungen 
gegenflber  dem  Froidiofshcm»  sidi  verstehen  und  seinem  Beamten  {magisler 
cfii/irum)  sich  unterordnen  mussteti,  wenn  sie  der  Kundschaft  und  dfs  Schutzes 
der  Herrechaft  sicher  sein  wollten.  So  ist  in  den  Anfängen  de^  Stadtlebens 
amh  «las  freie  Handwerk  unter  dem  bestimmenden  Einfluss  der  gnmdherr- 
siluiftlit  hen  SLidtver\«-alnmg,  während   allerding.s  <tie  Kaufmannschaft,  schon 


2B 


VIII.  Wirtschaft,    ^v  Stadt  Verfassung  ükd  Gewerde. 


venmlge  der  griissercn  Beweglichkeit  ihre«  Erweriis,  sich  von  diesem  Einflus;«: 

mehr  frei  zu  erhiLheii  vernuxliie. 

Ini  Verlaufe  der  Zeit  ist  dimii  lUIciiIijigs  frei  vcrkJluflidie  Gewcrbsarbcil 
in  den  Städten  immer  h.lufiger  gewurtlen.  Und  zwar  wieder  auf  dnppehe 
Weise:  die  unfreien  Handwerker,  welche  auf  grundhcrrlii-hen  Gütern  in  der 
Stadt  (xtcr  in  einem  bcnHchljarti-n  Fronhnf  angp-scssen  waren,  hatten  ihn*ni 
Herrn  in  der  Regel  nur  festbesummte  Gewerbsprodukte  oder  festbestimmtr 
Arbeitszeil  zu  leisten;  mit  der  reicheren  Gelegenheit  zu  anderweit^em  Absatz 
ihrer  Gewerbsprodukte  in  der  Stadt,  vielleicht  auch  mit  der  grösseren  Leirh- 
tigkeil  für  den  Gnindlierni.  sich  Gewcrbsprc«Jukte  zu  verschaffen,  crgicbt  sieb 
fflr  die  unfreien  Handwerker  aiuh  die  reihtlirhe  Möglichkeit  für  den  Markt 
2u  arbeiten  häufiger;  damit  wird  ihnen  eine  neue  Quelle  von  WcdilsUind  er- 
öffnet, durch  welche  sie  sich  aus  ihren  unfreien  Verhältnissen  leichter  lüsen 
können.  Die  Vermehrung  der  nicht  hofliürigen  Handwerkerbevülkerung  der 
Städte  anderseits  ergiebt  sich  durch  die  furtwahrenden  Zuzüge  vom  Lande 
nach  der  Stadt,  wo  sie,  sofern  sie  ursi>rünglich  frei  waren,  sich  leichter  als 
im  Landbau  in  ihrer  Freiheit  behaupten,  sofern  sie  aber  hririg  waren,  durch 
Erwerbung  vnn  Stadirechtsgut,  spilter  überhaupt  sch*m  durch  Eintritt  in  den 
Stadtrechtskreis  frei  werden  koimtcn.     (Stadtluil  macht  frei). 

So  verschiebt  sich  in  den  Stildtcn  immer  mehr  das  numerische  Verhältnis 
der  unfreien  zu  den  freien  Handwerkern  zu  Gunsten  der  letzteren.  bi»i  sie 
als  Faktor  von   selbslUndiger   Bedeutung    in    Uei   Statitentwifkelung  auftreten. 

Hand  in  Hand  mit  dieser  Vermehrung  der  niclit  hrpfh^rigen  Handwerker 
geht  nJlmlich  die  Bildung  freier  Hancilwcrker\erb!\nde,  welche  wir  seit  dem 
12.  Jahrhundertc  als  Zünfte  kennen.  Der  altgrnnanischc  Zug  des  standes- 
mSssigen  Gena-wenschaftswesens  hat  in  dem  Zunftwesen  eine  neue  eigen- 
artige Frucht  gezeitigt.  Gegenseitigen  Schulz,  gemeinsame  l^flcgc  der  glpicb- 
ariigen  geistigen  luid  miiteriellen  Interessen  hatten  schon  in  lIct  Kardingerzeit 
die  Seh  wurgtmosscnsr  haften  sich  als  Ziel  genetzt.  Aus  <ler  ho  frech  tlirhen 
Ordnung  des  Handwerks  nehmen  die  freien  wie  die  freigewnrdenen  Hand- 
werker den  Gedanken  herüber,  dass  die  Genossen  eines  Handwerks  Glieder 
eines  im  Dienste  des  gemeiner  Wesens  der  Stadt  stehenden  Amtes  seien. 
Aus  dein  in  der  Rechtspflege  lierrscJi enden  Gnintls;itze  des  Genossen gericliLs 
leiten  sie  die  Forderungen  einer  korporativen  Gerichtsbarkeit  (Morgensprache) 
ab.  In  den  bevorzugtesten  der  Hnndwerksfimter.  den  Münzerhaiisgenosscn- 
schaften  war  der  Gedanke  des  Zunftzwangs,  der  aus.schliesscnden  Berechti- 
gung der  Genossen  auf  den  Betrieb  eines  bestimmtiMi  (jewerbes,  frtlhzeitig 
zur  Ausbildung  gelangt,  .^us  diesen  Elementen  bildete  sich  im  X'erlauf  des 
12. — 14.  Jahrhs.  in  allen  deutschen  Städten  der  kor]]orative  Abschluss  der 
Gewerbe  aiLs  und  trrrang  sich  in  ilcr  Zunfl  bald  die  rechtliche  Anerkennung 
und  einen  Anteil  an  dem  Stadt reginieni. 

Die  Anfänge  des  gewerblichen  Zunftwesens  in  den  deutschen  St.ldien 
liegen  vollständig  im  Dunkeln.  Es  ist  nur  zu  vermuten,  dass  die  au.s.ser- 
halb  der  Gruiidhcrrschaft  stehenden  Handwerker.  %vo  sie  einmal  in  irgend 
einem  Gewerbszweige  eine  gcmsse  Zahl  erreichten,  sich  in  (^»ilden  (Schwur- 
gcnossenscharicn)  zusammcnlhaien,  teils  um  sich  gegen  die  zunehmende 
Macht  des  stfldtisch-[>atrizi.sclien  Kapitals  und  gegen  die  von  diesem  vor- 
rehmlich  repräsentierten  Handelsinteressen  zu  wehren,  teils  um  in  dem 
stadtisihcn  Gerichte  und  dem  Stadtrat  eher  sich  eine  Gellung  zu  verschaffen 
und  um  sich  die  Aulointinie  in  ihren  inneren  Angelegenheiten  zu  siclicrn.  F-s 
setzt  bereits  eine  gewisse  Kräftigung  dieser  Gfinossenschafteii  voraus,  wenn 
seit   dem  12.  Jahrli.   derartige  Einungen  vom  Stodtherm  ausdrücklich   ancr- 


ZvKFrVfESKS. 


2(f 


kannt  und  ihnen  zugleich  als  wichtigste  Rechte  der  Zunftzwang,  d.  h.  die 
ausschlief ichc  Betreibung  des  Gewerbes  durch  die  Mitglieder  der  Zunft,  die 
Aufrichtung  eigner  Statuten  und  tlie  selhstfliidigt-  GewerbciMilixci  unter  <lcni 
Burggrafen  bezw.  dessen  Beamten,  dein  Handwerksmeister,  eingeräumt  werden. 
In  der  suctessiven  Erringung  dieser  FundamciitalrcLhte  der  Zünfte  ist  auch 
im  13.  und  14.  Jahrh.  das  Wesen  der  Zunftcntwirkehing  zu  sehen.  An  die 
Zünfte  gellt  damit  ein  Teil  der  gewerblichen  Verwaltung  und  des  Stadt- 
rcgiments  Über,  trotz,  des  Widerstandes  <Icr  Stadtrate  (Patrizier),  welche  d^rin 
eine  Bewhrankung  ihrer  Auluiioniie  uni.1  eine  BeeintrJlchllgung  ihrer  wirt- 
M'lialllit'h  bevorzugten  Ijige  erbHiken,   uml  trotz  der  Al>nngung  der  Reichs- 

.■ah,  welche  von  dem  Zunftrechte  eine  weitere  Zersplitterung  der  öffenl- 
hen  Gewalt  und  cincVcrkflmmening,  ja  Gefährdung  der  Stellung  des  Sladt- 
hemi,  als  des  Tragers  der  allgemeinen  städtischen  Interessen,  bcs<.>rgte. 
Ins<ifeni  aber  der  Stadtnit  selbst  seine  Autonomie  der  öffentlithen  Ge\*'alt 
abgerungen,  ui  vielfach  ein  Interessen-Gegensatz  zwischen  Stadlhemi  und 
Stadtrat  vorhanden,  von  welchem  die  Iimungeii  Vorteil  für  sich  zitften;  in 
vieirachcm  Wecliscl  der  Auffassung  sind  die  Zünfte  bald  vom  Stadtherm  zur 
Beschränkung  der  städtischen  Autunumie  begünstigt,  bald  unter  dem  Kinflitsäe 
eben  der  stadliM-h-palrizlsclien  Elemente  wieder  unterdrückt  imJl-i  d<»(h  niiss- 
gOnstig  behandelt  worden.  Erst  mit  dem  14.  Jahrh.  haben  die  Zünfte  .sich 
eine  unbestrittene  fVisiliun  in  der  Sladivcrw-altung  emrngen:  sie  sind  geradezu 
GcwerbciUntcr  geworden,  weidie  für  das  Wohl  der  Stadt  Wirtschaft  ebenso 
wie  für  üaa  Gedeihen  ihrer  Genossen  einzutreten  hatten. 

Strenge  Beaufsichtigung  des  gewerblichen  Betriebs  und  Absatzes,  aber 
;iuch  gegenseitige  Unterstützung  der  Zunftgenosscn  in  den  besonderen  Inter- 
essen des  (jewei'bebetriebs  wie  in  dcji  allgemeinen  Interessen  des  snziiUen 
und  Rechtslebens  bezeichnen  die  Funktionen  der  Zünfte  in  ihrer  besten  Zeil. 
Es  handelte  sich  dabei  eben  su  sehr  um  die  Ehre  des  Handwerks  wie  um 
die  Sicherung  einer  guten  Versorgung  dex  städtischen  Marktes,  wenn  die 
Zunft  die  Tüchtigkeit  der  Handwerkei  pi-üfte  (Meistenilück),  bcv^r  sie  in  die 
Zunft  aufgenommen  bezw.  zum  Betriebe  de,s  Handwerks  zugelassen  wurden, 
die  Heranbildung  des  Handwerkerstiinds  (im  Lehrlings-  und  Gesellenwesen) 
überwachte,  wenn  sie  die  Produkte  in  Bezug  auf  Qualität  und  Mass  unter* 
Kuchie  (Schau,  I-eggenj.  Anderseits  lag  die  Pflege  der  wirtschaftlichen  Sic-he- 
rung  der  Zunftgenossen  in  der  Besclirankung  der  Konkurrenz  und  der  Ver- 
hinderung des  Grossbetriebs:  im  Interesse  einer  glcichm£lssigenWuhlhabcnhcit 
ihrer  Mitglieder  wirkte  die  Zunft  insbesondere  auf  Gleichhcii  <ler  PrtKluktions- 
kocten  und  Pnjduktionsmittcl ,  auf  EinluUtung  eines  bestimmten  M.%sses  der 
gewerblichen  Hilfskräfte  (Gesellen ,  Lehrlinge),  auf  die  Preis-  und  Lohn- 
bUdung  ein. 

In  dieser  \ielscitigcn  und  gc^Icihlichcn  Wirksoinkcit  der  Zünfte  lag  auch 
die  Kraft,  die  sie  befähigte,  in  der  städtischen  Verwaltung  jene  einflussreiche. 
ja  massgebende  Stellung  zu  bchau]>tcn,  welche  sie  sich  während  des  14.  Jahrlis. 
in  langen  Kämpfen  gegen  die  Patrizier  errungen  hatten.  Während  des 
15.  Jahrhs.  wurde  die  Institution  des  Zunftwesens  noch  weiter  ausgebaut, 
nach  innen  und  aussen  gefestigt  und  »]  zur  allgemeinen  Form  für  die  Ord- 
Bm^  des  gewerblichen  Lebens-  .\ber  doch  zeigten  sich  auch  schnn  Spuren 
einer  Verknöcherung  der  Institutiuii  und  einer  zunehmenden  Ausbeutung 
durch  die  machtigeren  Zunftmeister.  Dagegen  rcagiejen  zunächst  weder  die 
Obrigen  Elemente  der  stadtischen  Ge!>cllschart;  gegen  Ende  des  Mittelalter» 
Uitl  allenthall>cn  das  Bestreben  hervor,  die  Öffentliche  Gewalt  der  Zünfte 
einzudilraroen  und  sie  der  Aufsicht  und  Kontrole   der  Stadt  zu  unterwerfen. 


3» 


VIII.    WlRTSCHAKT.      5.   STADTVKRKASSrSG    UNIl    Ge%VERBE. 


Andcrscils  crzeujji  die  wacliseudc  Gewinnsucht  uikI  E!iglicr/.igkeit  der  Meister 
den  Gegendruck  der  Gesellen,  welche  sich  gleiclifjiUs  zu  Verbanden  zusum* 
mentun,  einen  unmittellMirpn  Kinfluss  auf  die  Verwaltung  der  Zunft  bean- 
spruclien,  die  Ürgauisaliun  tlcr  Arbeits%'ennitiluiig.  des  HiK-swesens  und  der 
L<>hnr<^gflun};;  in  eigne  Hiiiid  iichnini  und,  wi»  sie  mit  iliren  Fc)rde!'U]igen 
nicht  durclidringcn,  ArbeiLseinstelluiig  oder  Auswandenrng  organisieren.  Ducli 
bleibt  diese  miltelaltcrUche  Arbeiterbewegung  irn  wcscnüidien  uhiic  Erfolg. 
Die  Wirksamkeit  der  Zftnfte  und  ihre  Kcirmcn  erfahren  eT>it  in  der  Folge 
durchgreifende Vcräiideruiigen,  bis  weh  ihe  Institutinn  endlich  ganz  tiberlebte 
und  einer  neuen  Ordnung  der  ge\»-erbhchen  VcrhalUiisse  weichen  musste. 

Von  den  Gewerbszweigen,  deren  Au^bildung  wülueud  dcü  MittelaSters  für 
die  deutsehe  Volkswirtseliaft  bi-sonilers  wiclitig  wurden,  sind  schon  in  der 
KanjÜnger/eit  die  Melallgewerbe,  die  Weberei  und  das  Baugewerbe  zu  einer 
gewis.sen  Bhlle  gebracht  worden.  Metall f ab rikate  sind  für  die  Krit^aus- 
rüstung,  für  <]en  t;iglichen  Bedarf  des  Ilaus«^  und  des  landwirdwchafthchen 
Betriebes  (Gerate  und  Gescliirrc),  aber  auch  in  kunstvoller  Furm  für  kirch- 
liche Zwecke  und  als  Hausrat  (Schmiedeeisen,  Kupfer,  Bronze)  vun  deutsclicu 
Händen  gearbeitet.  Die  Pflege  der  Weberei,  besonders  in  Wolle  und  Leinen, 
ist  mit  der  Arbeiusorganisation  der  gr(is.*ien  Grundhemicliafleu,  aber  auch  mit 
der  zunehmenden  Mannigfaltigkeit  der  (iewander  allgemein  geworden;  die 
Kraueidiüuser  auf  den  Hcrrenlv'ifcn  waren  die  eigentlichen  Produktiunsstatien 
tlieses  naütwuilcn  Gewt-rbszweiges;  in  Friesland,  dessen  Gewänder  schon  in 
der  Karitlingerzeit  ein  al!gen\einer  Handelsartikel  waren,  ist  die  Weberei  ganz 
allgemein  von  der  Bevölkerung  betrieben.  Da-s  Baugewerbe  in  allen  »einen 
Zweigen,  von  der  Fabrikation  di-s  ordinären  Kohmateriuls  bis  zu  der  küu^l- 
ierischen  Ausbildung  iui  ürzgu^s,  der  (ilaMiialcrd  und  Bildhauerei  hat  in  dem 
ausserurdenlliclien  Bitubcd Orfnisse,  aber  auch  Baulu.\us  sclmn  in  der  kar<.ilin- 
gischen  Zeit  reiche  Nahrung  gefunden. 

Mit  dem  Aufblühen  des  stiicltischen  Wesens  ist  zunächst  eine  Differen- 
zierung der  gewerblichen  Produktion  eingetreten.  Der  Gewerbebetrieb  in 
allen  niarktfahigeji  Wiuuen  wird  immer  mehr  zur  spezifisch  städtischen  Be- 
schäftigung, wahrend  der  K.iiLsfleiss  der  Liuidbevölkenuig  in  der  Hauptsache 
sich  auf  die  Deckung  des  Eigen betlarfs  bcschriUikt  luid  nur  im  engeren  üm- 
kreia  der  Stadt  oder  einzelner  Gegenden  für  spezieile  Artikel  (bes.  Gespinste 
und  Gewebe)  auch  Gewerbswaare  fUr  weiteren  Markt  erzeugt.  Der  städtische 
Gewerbebetrieb  ist  sodann  während  des  Mittelalters  zu  aus.serurd  entlich  er 
Mannigf:iltigkc;it  und  herviirragcnileT  Tüchtigkeit  gebracht  worden ;  kein  Gewerbs- 
iweig  vnh  vulkswirtschaflliclier  Bedeutung  fehlt  schliesslich  in  der  Reihe  der 
deutschen  GewcrbserjMJUgniase.  Ganz  besondcrM  aber  ragten  vor  allen  andern 
die  Leinen-,  Baumwoll-  und  Wollweberei  nebst  der  Färberei,  die  Lederindustrie, 
<lic  Metallverarbeitung  besonders  in  kunstgewerblicher  Richtung  {Goldschmiede 
und  Kaimengiesser)  und  die  Bierbrauerei  als  nationale  Gewerbe  hen-or.  In 
den  dem  liansLsehcn  FJnflusse  unterliegenden  Stadien  sind  ausserdem  uisbe- 
sondere  die  Böttcherei  und  die  Seilerei  zu  grosser  Blüte  gekununen. 

Eine  hervorragende  Stellung  im  deutschen  Erwerbsleben  nehmen  wlllircnd 
des  Mittelalters  die  Bergwerke  untl  Salinen  ein.  Schon  in  der  Römerzeit 
waren  die  Guld-  und  Eisenbergbaue  des  Nurikum  sowie  die  Salinen  des 
Salzkanitnerguts  und  des  sOdlichcn  Deut'^chland  in  schwunghaftem  Betriebe. 
In  der  Merowinger-  und  Karolingerzeit  ist  insbesondere  der  Salinenbetrieb 
fast  uniuitcrb rochen  fortgesetzt.  Der  Edcimctallbcrgbau  ist  in  Sachsen  und 
am  Harz  seit  dem  10.,  in  den  Alpen  seil  dem  n.  Jahrii.  in  Aufnahme  ge- 
bracht  wc>rden.      Die   Salinen   haben   gleichfalls   seit   dem    10.   Jahrh,    eine 


I 


Berowkrke  uxd  Salikek.  —  EyciLiscnis  StXdteweses. 


3t 


ausserordentliche  Vennehning  und  Erwciteriuig  ihres  Bciriebcs  erfahren. 
URprüiinUch  aU  Pcrtinenzen  dcx  Gnitullicsitze»  hfhandclt,  haben  siih  Borg- 
werkr  und  Salinen  in  der  Folge  teils  durch  die  (Icschirklichkeit  ihrer  Arheiler, 
teils  dun-li  ihre  früh  crrunm-tif  rf-hllii-hc  (.»rünunp  und  ihren  hohen  sclbsl- 
stflndigcn  Wert  zu  eignen  VemiiVgciiHulyokien  cntwttkell,  wcldie  eine  vom 
Grundbesitz    unabhängige  Regelung  ihrer  VerlUillimse  erfuhren. 

Die  Lwifisung  des  Bcrp-  und  Saline nrcdib  aus  deni  allgemeinen  Grund- 
cigcntunisrertit  erfolgte  teils  durch  die  (jeltendmiiihung  eines  kAniglit  hen 
Höheib.  reit  lies  (Bergregal)  itnf  Gmiul  rönnVh-reehtlirher  Anschauungen,  teils 
duTi'h  die  Bildung  eigner  Gcno-wenM'haften  <Ut  ;ini  Bcrgl>au  und  Sjdinen- 
betrieb  beschäftigten  eigen  berechtigten  Arbeiter  (GewerLschaft.  Pfannerscliaft), 
leüs  dunHi  die  Ausbildung  eigner  bcrgreehtlicher  Gewohnheiten.  Das  deutsche 
BergTfteüen  ist  dadurch  vurliildlich  auch  fur  andere  Ulndcr  geworden,  wie 
anderseits  dcuisclic  Bergleute  durch  ihr  Geschick  und  ihren  Unteniclirnungs- 
geist  i-iel  zum  Aufblühen  des  Bergbaues  auch  aiwserhalb  der  deutschen 
Grenzen  be^etragen  haben. 

Seit  dem  ij.  Jahrh.  sind  die  deutschen  EdelnietallbcrgUiue,  aber  auch 
die  Eisenstein  baue  und  die  Salinen  zu  grosser  BiQie  gebracht  und  gegen 
Sdilusü  des  Mitlelallen*  auf  die  H'i]n;  Üirer  Leistung  eni|Mirgelioben. 

Die  EntWickel ungsgeschichte  der  englischen  StTidie  Ist  in  \ielen  Stücken 
von  der  deutschen  venichieden  ".  Das  britUi  he  Stadtewesen,  wie  es  sich  in 
tlcr  RMinerzeit  entwickelt  hatte,  war  zwar  im  allgemeinen  eben  wi  verfallen, 
wie  da.s  deutsche;  doch  hatten  sich  in  der  angelsachsischen  Zeit  einige 
dichter  bewohnte  Orie  mit  vorherrM'liendem  Gewerbe-  und  Handelsbetrieb 
erhalten,  wt^tchc  allerdings  auch  im  gnindherrschafllichen  Verbände  standen, 
<xler,  wii  sie  im  HuniIerls.rluifLsvi»rbaride  waren,  wenigstem  eine  teilweise 
grundherrliche  Bevölkerung  bargen.  Von  einer  eignen  btadt Verfassung  \>t 
jcdfjdi  in  der  imgelsäcbstschen  Periode  keine  Rede.  Die  grilsscren  Städte 
(burh,  hyrig)  \»-urden  gleich  eignen  Hundertschaften  behandelt  und  .itanden 
imter  eignen  Burggrafen  fWir-  oder  Poiigerrfrn}\  die  Btirgerschaft  ^AM^///(v?r«/ 
als  die  GesamÜieit  der  angoes.-^nen  Bevölkerung  i-st  in  der  Bürgcrversamui- 
lung  (iiurhgemot)  als  ^'^(adtgeiiclil  vertreten,  aber  im  Wesentlichen  luir  mit  den 
Redilen  det  Hundert-schaflsversammlung.  Schöffen  (la^männfr.  fiiffitesj  und 
Gfldcn  knmmt-ji  wohl  in  manchen  iliescr  Stüdh^  bcrcik  vor,  ohne  dass  sie 
als  eigentliche  Verwaltungsorgane  gelten  ki.iimten.  Auch  ein  eignes  Markt- 
üdirr  Kaufmanns  recht  Lst  nmh  nicht  entwickelt. 

In  der  nomiannischcn  Zeil  ist  vr>r  allem  durch  das  besondere  Marktrecht, 
welches  der  Konig  vttteiht  und  atif  die  gi-sclifltzten  Stiidtc  beschrankt,  ein 
Ansatz  zur  EntwitJccIung  eines  eignen  Stadtrechts  gcschaffai.  Auch  die 
Befreiung  der  Jahr  und  Tag  unangefochten  in  den  St/ldten  wolmenden  I,cutc 
von  den  Lasten  der  Unfreiheit  hat  die  rasdic  Entwickelung  der  städtischen 


*  R.  Bra'ly.  An  kiUoricat  Treaiiic  oj  Ctties  and  Burghi  or  Itoroughi.  2.  eJ. 
1704.  Th.  Madox,  Firma  Bvrgi  or  an  HtstariiiU  Raay  <0)w.  ihe  Cities,  Towitt  and 
Dcroughs  0/  England.  1736.  Meicwether  and  StcpItCDs,  Tkf  JUstory  0/  ihi-  Ao- 
rattgks  and  munin'fiai  lorfiaratiom  0/  Ihe  Unitrd  Kingdom.  3  vol.  1855.  J.  Tbomp&crn, 
.4»  Eiiay  an  Engiish  A/imüifial  HUtory.  1867.  J.  K.  Green,  7f>»f'n  tife  in  Ihe  /j** 
Crrttury.  1894.  T.  Smith,  English  Oitds  (mit  Einleituat;  von  L.  BrcDtftno).  1870. 
Ch.  r>roftft,  7Äi-  gild  Mtnhanti  and  contribution  /o  Munkifi^/  Atst^ry.  1889.  Spezial- 
arbritcn  für  dnielne  Städte  v»a  Kitcbin.  Uittoric  TainHt.  Norioa  3,  «d.  1B69,  CinciAt 
ifU>7.  MailUnd  1S71  ^London).  Tbompion  1849  (Lct^^i^r),  Dotison  und  Harland 
18O2  tPftiton).  Scott  1889  (Bcrwick).  Ashley.  Th*  Enrly  f/islory  0/  th*-  Engtak 
U'c<>ll^n  Indiiitry.  1887.  Jiimc*.  HitUyrv  0/  the  H'orili^-Afanu/tieture  in  England. 
1857.     Barnlcy.  liul.  ff  t1\w/  and   fft^Uumbiag. 


ja  VIII    Wirtschaft.    3.  Stadtverfassung  usd  Gewerbe. 


Gomeinwcsen  j^efnrdert.  Die  freie  Wahl  ilirer  Obrij;keiten,  Befreiunj«  von 
auswärtigen  Gerichten,  von  vei-scliicdcucn  Steuern,  Bussen  und  VcrUehrsiib- 
gaben  bilden  des  weiteren  die  Ii:iuplbestandieile  der  stÄdlisrhcn  l^rivilegien» 
wcldic  vun  den  ntinnauntschen  Königen  verlieh«,-»  wurden.  Doch  blieb  die 
königliche  und  grundhcrrlit'he  Gewalt  Über  die  Städte  bievun  zunJlrhst  unbe- 
rührt, ja  sie  wurde  mit  der  neuen  t,)rdnun);  der  Gnindbesil/verh;iltnisse, 
welche  die  angesehensten  Stildlc  dein  Könige  zusprach,  die  kleineren  dem 
Lehensbesitz  der  Grossen  zuschlug,  noch  versLlrkt 

Zur  weiteren  Ausbildung  der  städtischen  Selbslvei-waliung  trug  dann  auch 
das  stfldtj.sdu;  Sleuerwe-sen  wesendich  bei.  Die  StUdter  waren  als  Hiutersa.sscn 
des  K"'nigs  iider  der  Lehenslierni  schat/utig>pnichtig;  die  Ürhelniiig  der 
.Schalzuiigeii  aber  wurde  in  England  regelmässig  verpachtet  :iii  einen  vom 
Schatzamte  bestellten  (»enemlpüchicr  für  die  ganze  Grafschaft  oder  Spezial- 
püehler  für  die  einzelnen  Grle.  Aufblühende  StfLdte  nun,  insbesondere  solche, 
in  welchen  organisierte  Verbände  von  Stadtbürgem  {Gilden)  bestanden, 
Ühemaliinen  die  ['athtuiig  der  sUidUschen  Gcfülle  (ßrrna  burgt,  fef-fann)  und 
stellten  liiefür  mit  Zustimmung  des  Schat/aintes  einen  Vogt  (ncvc,  mayor)  auf, 
wt»mit  die  Anfänge  eines  städtischen  Finanzwesens  geschaffen  wurden. 

Anderseits  sind  die  Städte  aihnühlkh  auch  zur  vollen  Selbständigkeit  ihrer 
Gerichtspflege  geki^nnnen  teils  durch  Befreiung  von  Bi.schofssitzcn  und  Abteien 
von  der  (joricUtsfnlge  in  der  Grafsibaft,  teils  durch  ausdrückliche  Verleihung 
von  Seiten  des  Königs  als  Grucidlierru  (conti  iret). 

Zu  diesen  beiden  hauptsilchlichen  Befugnissen,  welche  die  finanzielle  und 
die  rechtliche  Selbständigkeit  der  Städte  bewirkten,  kamen  im  Laufe  der  Zeit 
noc^  andere,  mehr  nebensächlicher  Natur:  die  Verleihung  markt-  und  gewerbc- 
polizeiliilier  Befugnisse,  die  freie  Vcrfttgung  der  Stadt  über  das  nie  ht  in 
SonilcTeigcntum  sti'hende  LantI  als  O'mcinhnd  u.  a. 

Die  sozialen  Unterschiede  waren  innerhalb  der  Bevölkerung  der  englischem 
Städte  gewiss  eben  so  gross  wie  in  den  deutschen  Städten.  Aber  zu  ao 
-•(chroffen  Gcgensfltzen,  wie  sie  dort  zwschen  den  Gejtchlechteni  und  der 
übrigen  BC^rgersehaft  bestanden  und  /.um  Ausgiingspunktc  der  ein  sc!  1  neiden  • 
sten  Verfassungsflnticrungejj  gcw«jrden  sind,  ist  es  in  England  nicht  gcknmnicn. 
Die  öffendiche  Gewalt  behielt  immer  so  viel  Einflass  auf  die  städtische 
Selbstverwaltung,  um  einer  Ausbeutung  der  stadtischen  Ämter  eutgcgenzu- 
wirkcn.  Auch  haben  die  Könige  schon  seit  Eduard  I.  die  Handwerker- 
gilden besondere  begünstigt,  um  in  ihnen  ein  Gegengewicht  gegen  die  aus- 
scblicsscnden  Tendenzen  der  Magistrate  und  Kauf  man  nsgilden  zu  schaffen. 
Krst  mit  dem  15.  Jidirhunderte  beginnt  der  Schwerpunkt  der  stadiischen 
Verwaltung  in  pennanente  Ausschüsse  [seiecl  hoi/ies)  verlegt  zu  werden,  welche 
mit  dem  unbesrhrflnkten  Recht  der  Selbstcrgünzung  zu  einer  ETstarnmg  des 
stadtischen  Gemeinwesens  führten. 

Die  Gilden  haben  auch  in  England  einen  tut  verkennbaren,  wain  gleich, 
Ruweilen  überschätzten  Einfluss  auf  die  Entwickelung  des  SiJidiewesens  ge- 
äussert Als  altere  Form  tritt,  verehizelt  sclion  im  u.  Juäirli.,  häufig  im  12. 
und  13.  Jahrhundertc  die  Kauf  mann  sgilde  hervor,  welche  vielleicht  aus  ülteren 
Schul;^lden  hervorgegangen  ist.  Mit  Heinrich  L  beginnt  eine  lauge  Reihe 
von  siaütischen  Privilegien,  in  welchen  fast  immer  auch  die  Anerkennung 
der  Kauf  man  rtsgilden  ausgesprochen  ist.  Autonomie  in  ihren  inneren  Ange- 
legenheiten, Gericlitsbarkeil  in  Handelssachen  und  das  ausschliessendc  Recht 
auf  Hamlclschaft  waren  die  wesentlichsten  Vorrechte,  welche  ihnen  der  König 
veriieh.  Indem  die  Gilden  die  grosse  Mehrzahl  fler  wohlhabenderen  und 
angeseheneren  Bürger  in  sidi  vereinigte,  erreichte  sie  naturgcmUss  auch  einen 


Engi-ischks  ukd  skandinavisches  StAdtewesen'. 


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bedeutenden  Einfluss  auf  die  Besetzung  der  stfldtisclicn  j^iter,  im  Stadtrat, 
und  Siadig«richL  Aurh  haben  sie  als  Spezialpärhtcr  der  königlu  hen  Gefalle 
sowie  als  Trager  von  Slapelprivilegicn  für  den  F.xp<^)riliandel  zur  Blülc  der 
SLIdte  und  ihrer  Selbstandipkeit  nit:iit  Unwesen tli*'h  l)eigetrag*;n.  Ungefähr 
hundert  Jahre  später  ersi  sftxt  die  Entwirkehing  der  Handwerkergilden 
(spüter  cra/ts,  mcsfien  geniintit)  ein.  welche  die  Genossen  der  gleichen  oder 
verwandten  Handwerke  vereinigle  zum  Schutze  ihrer  gewe-rhiichen  und  soxialen 
Interessen  und  um  ausschliessende  GewerbsbefugnUse  zu  erlangen.  Auch 
diese  Handwcr};ergil(]en  bedurften  der  küniglichen  Bestätigung  und  unter- 
lagen  abenhc-s  der  Aufsicht  dtr  st.'lddsrhon  Magistrate,  welche  sich  ihrer 
Entwickelung  nicht  selten  entgegenstellten.  Seit  aber  insbewmdere  mit  der 
den  fremden  Kaufleuten  zugeneigten  HundelspoHtik  der  KOnige  die  Handels- 
monopole  der  Kaufmannsgilden  entweTtet  wurden  und  diese  selbst  ihrem 
Verfalle  entgegengingen,  bediente  sich  die  küntgliclie  Gewalt  der  Handwerkcr- 
gildcD,  um  neue  korporative  Grundlagen  der  Stadt  Verfassung  und  gleichzeitig 
Otgaiic  der  Gewer bepulizei  in  den  Stadien  zu  haben.  Docli  errangen  sich 
die  Zünfte  in  England  keine  so  grosse  Selbständigkeit,  «ie  in  den  deutschen 
Städten;  insbesondere  haben  sie  auch  nur  vereinzelt,  unter  besonders  günsti- 
gen Umstanden,  eigne  GcrirhtsbiLrkeit  erlangt;  ilagcgen  sind  seit  Eduard  III., 
der  Oberhaupt  dem  Zunftwesen  geneigt  war,  die  Handwerker  zur  Rechts- 
f.lhigkeit  und  damit  zu  Einfluss  auf  die  Stadtverwaltung  gekommen»  und  es 
wurde  damit  der  alte  Gegensatz  zwischen  der  privilegierten  Bürgerschaft  und 
den   Handwexkcrgilden   beseitigt 

In  den  skandinavischen  Reichen*  hat  sich  städtisches  Leben  viel 
spater  als  in  Deutschland  und  England  entwirkrit  und  ist  aurh  wahrend  des 
ganzen  Millelahers  bei  weitem  nicht  zu  solcher  Bedeutung  gelangt.  Einige 
von  den  nordischen  StSdIen,  wie  Schleswig,  Kopenhagen  [hjsbtNhai'n),  Wisby, 
Riga.  Bergen  sind  zwar  aus  alten  Handelsniederlassungen  her\x»rgrgangen, 
welche  s<'h»n  früh  auch  ein  gewisses  Mass  städlLsdien  Lebens  erzeugt  haben; 
die  MeJirxahl  der  nordischen  Städte  aber  ist  spaterer,  vorzugsweise  ktinig- 
Uclier  Gründung.  In  den  eigentlichen  Kaufstfldlen  {Kjoin(aeder)  war  spätestens 
vom  Anfang  tlcs  13.  Jahrhs.  an  das  deuts<:hc  Element  ein  wesentlicher  Faktor 
für  die  Entwickelung  stadtischen  Wesens.  Die  hanseatischen  Kaufleute  ver- 
sorgten die  Bevülkcrung  des  Landes  mit  allem,  was  über  die  gewöhnlichsten 
Bedtirfnisse  des  taglichen  l^bcns  lünaus  benötigt  war  und  übernahmen 
anderseits  einen  stets  bereiten,  günstigen  Vertrieb  der  I-indesprodukie  nach 
anderen  Handels-  imd  Absatzgebieten  auf  ihren  eigenen  Schiffen.  Nicht 
einmal  die  dänische  Schiffahrt  spielte  bei  diesem  Handelsverkehr  eine  Rolle; 
mit  ihren  kleinen  Bauem.s<iuffen  beschrankten  sich  die  Danen  auf  Küsten- 
fahrt und  besuchten  höchstens  die  benadibarten  Nordsee-  und  Ostseehafen, 
am  deutsche  Gewerbsproduktc    gegen    ihre  Bodenerzeugnisse    einzutauschen. 


•  Rrichp  LitmUnrangnlM-n  tihrr  nf>rii(Itrtit«lie«  nnd  rlüitiM-hes  St."w1t»-weiwn  bei  I>. 
Scbifpr.  litt  IfaHsntädle  und  Kimig  H'tttd^mar  tvm  Danrmitrk.  \^'<^.  Steenstrupi 
Siudtrr  over  K.  l  'aUrmari  Jordrhog  1 8 '  3  •  H  ä  j>  e  I ,  Staate  uttJ  (itldm.  I.  1 8  9 1 . 
Duui  <lie  SpeiUlortrtiten  Über  unEclne  SUdtcr  von  1*.  Maasc,  Forchhiimmcr,  pAuIsen 
(Scfalf«« ic).  H»ase,  Ficnsdorf.  Kinch  (Ripcn),  S c j H e I i n  (Fkn.-tburg),  N i e U« n 
(Knr««Ju|^).  Schlytcr  VI  (Stodtbolm),  VIII  (Wisby).  KIcmming  (SötlcrköpinR), 
Yaevar  Niclicn  (Bci^n).  Kofod  Anchct.  Om  df  gamU  Dattskt  ^'Idtr  (Samlcde 
iorktiake  Skriftcr  111)  Itiil.  M.  Psppvnhcini.  Die  aUdtinistfu-H  Si-/tn/:gi'fden.  1885. 
Ut-rs-,  £»1»  aHnc-twgyn-hej  SfhHltgUriesialut.  ]S88.  Kinn  Mn^nusen.  Om  de  oid- 
Hordiiit  GtJdfn-  iSaq.  (Zcitachr.  f,  nord.  Alten.)  Dazu  die  Spf«ial.irl>cilpti  über  diuclnc 
GUdcD  ron  Wedel  ( l-1ciubarg),  Biscberod  1  (Od«is«e} .  .  W.  Flensburg  [Bdalm«)), 
l.jBngKrcn  (Luod). 

Gcrmaniich«  Philolocic  VSX.    2.  Aufl.  3 


34  VIII.  Wirtsc:haft.    3.  Stadtverfassusg  und  Gk^vkkhb. 

■Der  finlifimisclie  Gcwerbeflciss  uitwiL-ktiltc  sich  zumeist  tin  fiij;t.'ii  Anschlüsse 
an  den  Handel;  in  vcniciüedem'.n  Gesetzen  sind  die  Krtufsifidte  dem  Ge- 
wcrbchetricb  uU  ausscliHessliiLhe  Suindürte  angewiesen.  Aber  doih  hat  sich, 
WPnigstenK  bis  zum  14,  Jahrhunderte,  ein  nationaler  Gewerbebetrieb  nur  für 
den  tUglirhen  und  ganz  lokalen  Uedarf  enlunckelt.  D«x:li  kennt  tlas  Stadt- 
rechl  v(ni  WUby  (v.  i^i,2)  iinniL-rhiii  sdioTi  24  ven»t.-hitnlt*ne  Handwerker- 
amter  und  im  15.  Jahrh.  siml  in  Dänemark,  Schweden  und  Norwegtni  die 
Goldschmiede.  Messerschmiede  und  Schwertfejuer,  Glaser,  Maler  und  Bilder- 
SLlinitzcr  neben  den  alltaglichtin  Handwerkern  wenigstens  in  den  bedculendslen 
Sta<Uen  vorhanden.  F.ine  licsonderc  Stelhing  hai)en  liic  deut-tchen  Sd^uh- 
niacher  in  Bergen  luid  anderen  n.jrwrgi.'-rhou  Stadtuii  schun  fiühzeitig  ciu- 
genommen,  indem  sie  unter  dem  Schutze  des  Landesherm  angesiedelt  und 
mit  besonderen  Privilegien  (Monopol  des  Gewerbebetriebs  in  der  Stadt  u.  a.) 
ausgestattet  waren.  Auch  im  Bergbau  (auf  Kupfer  in  Schwcdtm)  haben  sich 
die  Deutsolien  selbstflntlig  bethiitigt;  schwedisches  Eisen  wurde  vim  F.in- 
lieiniisclicn  gewonnen  und  vcrliflttel,  von  den  Deutschen  ausgeführt.  Die 
skandinavischen  Städte,  welcher  Art  auch  immer  ihre  Entstehung  war,  sind 
doch  der  Verfassung  nach  als  königliche  zu  bezeichnen;  nur  in  einigen 
wenigen  (Flensburg,  Haderelcbcn,  Apcnrade;  —  Rocskild,  Knpcnliagai)  be- 
steht :mf<1nglich  eine  herzogliche  oder  bischöfliche  G<^"a!t  als  StadtobrigkeiL 
Der  Sladlherr,  in  der  Regel  aLso  der  Krmig,  regiert  thaLiachÜch  in  der  Stadt; 
er  erteilt  oder  bestätigt  das  Stadtrecht,  setzt  den  Vogt  eiuj  der  zugleich  der 
Vorsitzende  im  Stadtgericlile  ist.  bezieht  die  iriffent liehen  Busst-n  entweder 
allein  ixler  uiit  der  Stadt  zusaiimien,  criiebt  eine  städtische  Steuer  (Herd- 
geld), Zolle,  Stadlahgaben  u.  Ü.  und  behfllt  sich  gewohnlich  auch  ein  gewisses 
Vorkaufsrecht  an  den  eingeführten  Kaufmnnnswaren  vor.  Die  Bürger  ge- 
niessen  das  Ret'hl  persönlicher  Freiheit,  Zoll-  und  Gewerbefreiheil;  nur  die 
Fremden  müssen  jJs  Nachklang  illtercr  Rech Isan schauung,  um  den  Hcimfall 
ihrer  Geiler  an  den  Ktinig  beim  Todesfall  zu  lösen,  den  -Erbkauf'  bezahlen. 
Aus  der  Mitte  der  Bürgerschaft  wrd  in  der  Regel  der  Rat  gewählt,  der  mit 
dem  Vogte  zugleic-li  Gerichts-  und  VenA-aliungsbeliörde  ist»  vmn  K»inige  Vie- 
siatigt,  anfönglicli  oft  auch  eingesetzt.  In  den  schwedischen  St.'idten  und  in 
Wisbv  ist  der  Stadtrat  aixs  .schwedischen  und  deutschen  Elementen  gebildet, 
da  hier  die  Deutschen  zu  StadtbOrgcrn  wurden,  wahrend  sie  in  Dänemark 
und  Norwegei»  in  der  Regel  ab  Fremde  (Ausländer)  ihren  Gcscliüften  nach- 
gingen. 

Die  Anfange  des  Stadtrats  f(\hren,  wenigstens  in  Dänemark,  vielfach  auf 
Itltere  gwiosscuschaftlichc  Institutionen  (Gilden)  zurück,  in  dcucii  die  von 
atlerwärts  eingewanderte,  städtische  Bevölkenmg  einen  sozialen  Halt  und 
einen  Ei"sat/.  für  den  ihr  verloren  gegangenen  Geschfeclitcrverband  suchte. 
Die  Gilden  konnten  für  diu  Öffentliche  Ordnung  in  der  Stack  sehr  wertvoll 
werden,  weil  sie  al«  religiöse,  gesellige  und  Schutzgemeinschaften  gewisser  Bürger- 
kreisü  Sell)stdi.sziplin  und  Pflege  lies  Genieinsinns  übernahmen.  Ste  sind 
daher  auch  zuweilen  mit  fc«"inigiichen  Privilegien  (erhcihtesWVhrgeld,  erhöhte 
Eidesfahigkeil  der  «höchsten  Gilden«)  ausgestaltet  und  zu  Einfluss  auf  die 
Besetzung  des  Stadtrates  gekommen,  ohne  dass  doch  die  Gilden  selbst  als 
Anfange  des  Raic-s  bezeichnet  werden  können.  Die  spateren,  zuweilen  auch 
»Gilden«,  in  der  Rege!  aber  •.'^mter*  genannten  HandwerkervcrbJlnde  (Zflnflel 
sind  in  den  nordischen  St.'idten  nie  zu  solcher  Bedeutung  wie  in  den 
deutschen  Städten  gekommen ;  der  Zutritt  zu]n  Kate  ist  ihnen  Überall  ^  erwehrt 
gcblietK-n;  iltre  innere  Autonoitüe  ist  eine  sdir  beschränkte;  die  Stadtubrig- 
keit  führt  strenge  Aufsicht  über  die  Th.'lligkeit  der  HandwerksSrnter,  ohne 


:h  verhiiKlcni  zu  kunn«.*!«,  ilass  xicli,  fihnlk-h  wie  bei  den  deutschen  ZQitften, 
Ende  des  Mittelalters  bereits  Eiiglierzigkeit  des  Interessensiandpunktes 
und  arge  MtssbrauL-he  einstellten.  Infolge  dieser  konsequenten  poUlischen 
Niederhaltung  des  Hnndwerkerslandes,  der  allerdings  aurh  t"ikt)noinisi'h  viel 
weniger  als  jinderwarts  bedeutete ,  sind  in  den  iK>rdi.Mhen  Städten  weder 
srhrc»ffe  Pairizici^ruinK-n  n«.>ch  Zunfikamjife  auf>;ctretcn.  Die  einKtmniielic 
KauTuannschiiTt  füliri  in  der  Hauptsache  im  Namen  des  Königs  das  stadliM:he 
Regiment,  aber  die  k<jaiglie}ien  Gesetze  und  die  königlichen  Beamten  sind 
massgebend  fOr  ibre  Verwaltung;  die  sUkltUihc  Autonrimic  hat  nur  einen 
engen  Spielraum.  *ie  siili  M-him  daraus  ergibt,  dass  sowohl  in  D.'hiemark 
ak  aurh  in  Schwellen  und  X<jrwegen  im  l^iufe  der  Zeit  allgemeine  Reichs- 
gesetze erlassen  werden,  welche  auch  städtisches  Kechi  enthalten.  Deutsches, 
insbesondere  lüblschcs  Reclit  hat  übrigens  auf  die  Ausgestaltung  der  Stadt- 
verfassuni;  und  Verwaltung  in  den  skandin.i\'ischen  iJlndem  grosÄcn  Ein- 
fluss  :iu.sgeübt.  übrigens  war  auch  die  Adelsherrscliaft  dem  städtischen  Leben 
nicht  minder  ungünstig;  der  Verlust  der  Unabhängigkeit  der  stÄdlürtheu 
Verwaltung,  welcher  durch  sie  herbeigeführt  wurde,  hat  sicherlic  h  ebenso  zur 
Schwaehung  ihrer  ganzen  Stellung  im  Reiche  beigetragen. 


4-  JIAXDEL  VisD  VERKEHR. 

J.  Falk«,  Oej^hühtf  äfs  dmtuk^n  Hiindfh,  %  B«le.  1859.  Sartoriut  r. 
WnllerthaDsen,  Urkuniii.  irrtchü-hle  Jrs  t'rxpruHgs  </,  dt^/srhrn  ffarua,  hgg. 
V.  Lnppenberg.  2  Bde.  l8jo.  Barlholil,  (MnAüA/e  d.  J.  Jfania.  3  Bde.  19^4. 
E.  «,  Bruysscl,  J/tstairr  du  romm^ne  et  lin  Ui  murine  tu  Btlgiijut,  I.  1861. 
de  Reiffembcrg,  \femoire  sur  le  commene  des  Pays-fiat  au  1$""  et  /ö "" 
siftif.  Simonsfeld,  T^r  Fondmo  Jei  TnU-u-fti  i»  t'rfwd/f.  2  Bde.  1887.  D. 
Sebiir«r.  Die  /f/tma  und  ihre  Hondehpolitik.  1885.  Dera.,  Aw  Rueh  det 
iMectiKhra  l-'ogts  auf  Sth<n%en,  18H7,  Gasner,  Xum  denfsrhm  SfranrnUTsrn 
von  der  ältnlrn  Zeit  bis  tur  Mitte  des  l?.  Jahrh.  1889.  RolbgCD,  Die  Ent' 
ttfhuftg  der  Af'irkle  in  Deutu^hland.  t88i.  K.  HJihll>Buni,  Zur  GeuH.  d.  d. 
Hanta  in  England  (Hnn«.  TiCTch.  Bl.  1875}.  Koppmnon,  ifamareresse.  \.  1870, 
Hcyd,  Getfhit-ktr  drt  I.n'anlehandeU  im  M.,-1.  a  Bflt.  1870.  Der«-,  t>ie  groiie 
Raxtmbvrgtr  Gesrlluhafl.  1S90.  J.  H.  Muller,  DniUeMe  AfÜHigritltiihie  \. 
1860.  A.  Soctbeer,  Beitrdge  tnr  (reifhitfUe  deiOtld^  und  MünfUfeititi  in  Deutsch- 
iand  im  Fr>r»chui^;cii  r.,  D.  G.  I.  II.  IV.  VI).  IL  Danncobcrt;.  Die  detttsehrn 
JlfiSntrH  der  säehsischen  und  fränkischen  Kaiieneit.  1876.  K.  Th.  EhebcrK, 
Cbfr  das  Ö/terr  drutiche  Miint;eesen  und  die  Itatisx^noisrnschaften.  1879.  M. 
Xeatnann.  itesthichte  dei  li'tuhert  in  DeutKhland.  1865.  EodcmBnii,  Studien 
in  der  rcman/sch-canifnist.  H'ir/uitaftt'  und  /iivhult-hre.  2  Bde.  1874.  1883. 
Kabn,  (Jeieh.  d.  Zinsftini-s  in  Detilsehlond.  1884,  S.  ferner  die  IJIcrolurnngJjcn 
bei  Goldschmidt,  Handehrecht  I.  (1891). 

Von  alten  Verkehrslieziehungen ,  welche  zwischen  Germanen  und  den 
Völkern  des  Ostens  bestamlen  haben  im'igen,  ist  in  der  geschichtlichen  Zeit 
der  deutschen  Vulkswirtsduift  nichts  mehr  wahrnehmbar.  Dagegen  Iniben  die 
Gennanen  mit  den  Riimem  wahrend  der  Jahrhunderte  ihrer  Weltherrschaft 
mancherlei  Verkehr  und  HandeLschafl  mitcrhulten.  Doch  blieb  dieselbe  in 
der  Hauptsache  Grenz\erkehr.  wenigstens  so  weit  die  Deutschen  selbst  aktiv 
daran  beteiligt  waren.  Komische  KauHeute  wagten  sich  dagegen  wohl  auch 
in  das  iruiere  Deutst:htand .  als  fahrende  Hantller  sowohl  wie  zu  bleibender 
Niederlassung.  Die  Gegenst.'imle  dieses  Handelsverkehrs  waren  auf  deutscher 
Seite  in  der  Hauptsache  Skla\en.  Pferde  und  Riiuler,  VX'iiffcn  und  sonstige 
Kriegsbeute,  aber  auch  insbcsiindere  Fisihe  und  Bodenprodukte^  Federn  und 
Seife,  wogegen  sie  von  den  Rümem  Wein,  Klei<ler  tmd  mancherlei  Luxus- 
ware,  zu  Letten  auch  Eisen  zu  Geritten  und  Waffen  empfingen. 

Diese  regclm.tssigcn  Hand  eis  beziehungen  verlielen   mit   der  Volkerwande- 


36  Vin.  WiRtscHArr.    4.  Hasdbl  ukd  Verkehr. 


runy;  das  f^anze  (iebiet,  welches  die  Detitsclien  re*Iibi  des  Rheins  in  der 
Mcr*iwinj;erzcit  bt-wnluitcii,  war  wirtsdiaflHdi  mehr  als  je  is<-)lien;  die  nationale 
Pnidiiktion  ganz  überwiegend  auf  den  Rtgenbwlarf  beschrankt.  Nur  in  ganx 
wenigen  .\rlikcln  bewc);!  sirh  auch  in  dieser  Zeit  ein  bcsebräinktcr  innerer 
Handel;  alamannische  Rinder,  sarhsiwlie  und  thürinpsche  Pferde,  friesi-sche 
Gewrinder  und  baieiisrhes  Cietreide  und  Salz  sind  seine  Waarcn ;  einipe  alte 
Eisehofssitze  wie  Strassburg,  Worms ,  Main/ ,  K(»in ,  Rqjensburg,  Salzburg, 
L«rch,  einige  bevorzugte  Kreuxungspunkte  aller  Stras.wnzOge  sind  auf  deut- 
sebein  Boden  die  einzigen  nachweisbaren  HandelsplJltze,  neben  welchen 
ausserhalb  des  deutschen  fiebietes  bestmilers  die  neustrisrhen  Markte  in 
Paris  und  St.  Denys.  dann  L«indnn  und  Schleswig  aucli  vm  Deutschen  be- 
sucht wurden.  Die  ältesten  HandfLswegc  sind  teils  die  natürlichen  Wa.sser- 
ätrassen  des  Rheins  und  der  Mosel,  der  Weser  und  Elbe,  aber  auch  be- 
sonders der  Donau ;  von  Landstrassen  werden  nix'li  lange  Zeit  hindurch 
vomemlirh  die  gutgebauten  R">merHtr;issen  benutzt. 

Erst  mit  der  karolingis<.hen  Wirtschaftspolitik  kam  ttieder  Leben  in  den 
deutschen  Handel.  Insbesondere  die  VillenvcrfH.'vsung  Karls  d.  Gr.  und  ilire 
Nachalmumg  in  den  grossen  (»rundhenschaften  schuf  mit  ihrer  Konrentration 
der  Produkte  auf  den  Herrenhöfen,  mit  ihrer  Organisation  der  Verkehrs- 
dienste {scarn  und  atif^iin'a,  crstere  insbewmderc  für  den  Nachrichtendienst, 
letztere  für  den  Trarisponl  un<i  mit  der  (;>rpanL<;ati(in  des  Marktes  die  Grund- 
bedingungen eines  lebliafteren  GiUerausiausclies;  weiterhin  wunle  dann  durch 
die  Sf)rge  der  karolingischen  Verwaltung  um  Verbesserung  tmd  Sicherheit 
der  Stntxsen,  Einbürgerung  und  Ordnung  des  Getdverkehrs,  aber  auch  durch 
weit  aussehende  Handelsverbindungen  mit  fernen  Lfindem  (England,  Italien, 
Orient)  machtige  Anregung  und   Forderung  gegeben. 

Die  Abhaltimg  von  Jahrmärkten  war  in  der  Karnlingerzeil  nur  mit  könig- 
licher Eriaubnis  möglich.  Frühzeitig  schloss  sich  daraii  schon  das  Recht 
auf  die  Zollaligaben,  die  Aufsicht  Über  Mass  und  Gewicht,  sowie  die  Aus- 
übimg  des  küniglichen  Münzrechles,  wodurch  der  Markt  bei  dem  lokal  be- 
schrankten Münzumlauf  erst  recht  belebt  werden  konnte. 

Nach  der  Kan  ilingerzcit  hört  die  Pflege  des  Marktverkehrs  durch  die 
Reichsgewalt  auf;  mit  dem  Marktreclite  geht  die  Marktpolizei  und  dai^  Markt- 
gericht (der  Rann)  an  die  Territori;ilherm  über,  welche  dasselbe  immer 
mehr  in  rein  fiskalischem  Geiste  ausüben,  bis  die  autonome  Stadt\'erwaltung 
auch  hier  mflchtig  winl.  und  die  Ordnung  der  Marktverhaltnis,se  in  ihre- Hand 
bekommt.  Und  liier  differenziert  sich  dann  erst  vollständig  der  lokale  Markt 
der  Lebensmittel  und  tfiglichen  BedOrfnisse.  wii*  ihn  der  Wochenmarktsver- 
kehr daretellt,  von  dem  früher  vorherrschenden,  weil  allein  notwendigen  Jahr- 
markt, auf  welchem  fremde  Hiindler  mit  fremden  i*rodukten  sich  zusammen- 
fanden und  einen  nicht  auss<  hliei-slich  für  den  K>kalcn  Konsum  berechneten 
Umsatz  pflegten.  Die  in  den  prri.»iseren  Studien  angesessenen  Kaufleute,  wie 
sie  schon  in  den  Anfängen  des  slildüschen  Lebens  als  ma.ssgL'bender  Faktor 
der  si;idtisrhen  Selbständigkeit  auftraten,  haben  auch  in  der  Folge  die  Ord- 
nung des  Marktverkehrs  insbesondere  als  ihre  Angelegenheit  betrachtet  und 
durch  ihre  Vereinigung  zu  Kaufnumnsgilden  alsbald  auch  den  massgebenden 
Einfluss  auf  die  Marktpreise  und  die  Marktpolizei  wie  fttierhaupt  auf  das. 
Stadtre^menl  gewomicn.  Mit  dieser  wirtschaftlich  imd  rechtlich  überlegenen 
Stellung  im  wirtschaftlichen  Leben  der  Stadt  und  mit  ihren  weiten  kauf- 
männischen Verbinfhmgen  in  frem<lcn  Lflndcm  haben  die  Kaufleute  lange 
Zeit  der  Wirt.s<.'liafLspoiitik  der  Stadt  ihr  Gejjrflgc  gegeben;  eine  stattliche 
Reihe  deutscher  Si-ldte   hat  durch   sie   bereits  im  \2.   und  13.  Jahrh.   den 


StAutebCsiinissk. 


37 


Charakter  eigentlicher  Handelsstädte  erhalten;  auch  die  ersten  StadtebOnde 
<der  rheinische,  der  schwäbische  und  der  niederdeutsche)  sind  vomchinJich 
durrh  die  handeUpohtb;che  Riclitung  bestimmt;  am  stärksten  ;ibcr  ist  die 
Bcdcutunc:  dieses  spenfischcii  Hündclsstandes  für  die  deutsche  VL>Ili^»^rl- 
jMhaft  in  dem  grossen  Stadlebund  der  dcutsrhen  Hans:*  zum  Auwlrucke 
gekommen,  der  vom  l^. — 16.  Juhrh.  eine  deutsche  Haiidelsherrschart  Ober 
einen  gntssen  Teil  von   Europa  ausgeülrt  hat. 

Die  nächste  Veranlussuny  zur  Bildutig  solcher  Stildtebünde  ist  in  dem 
Gegenfiatz  zu  .•iuehcn,  wclclier  zi*'ii<-hen  den  spccifisrhcii  Interessen  der 
handeltreibenden  Stadtbevölkerung  und  <len  wirt^jchaftüchen  wie  p'ilitischen 
Interes!*en  der  Gnmd-  und  Tcnilorialhcrrcn  bestand;  wie  dieser  Gegensatz 
sich  »chon  im  Kam|)fc  um  die  Stadt  Verfassung  gexeigt  hat,  so  machte  er 
sieb  aucli  geltend,  wo  immer  vclkswlrtsthaftliche  IiitercHseii  auf  dem  grosseren 
Gebiete  der  lÄndsrhaften  und  des  Reiches  im  ganxen  in  Frage  waren. 
Insbes<.>ndre  fand  das  Streben  der  Kaufleute  nach  freiem  Verkehre  in  der 
fiskalischen  Ausnutzung  aller  Vcrkehrseinric  luungen  durch  die  Grundherrn, 
da»  Streben  nach  einem  weiten  einheitlichen  Handelsgebiete  in  der  Ten- 
denz nach  Lokalisierung  des  Verkehrs  fortgesetzte  Hindemisse;  dazu  kam 
die  geringe  Sicherheit  des  Verkehrs,  welche  insbesondere  seit  den  Zeiten 
der  spateren  Kreuzzüge  durch  die  kleinen  und  die  gp-tssen  Grundherrn  vim 
ihren  Burgen  aus  immer  mehr  bedroht  war  und  von  der  schwachen  Reidis- 
gewalt  keinerlei  Schutz  mehr  zu  er^*arlcn  hatte. 

Zuerst  zettigte  das  reich  entwickelte  sti'ldtlsche  Leben  am  Rliein  einen 
solchen  Sl.'ldtebund ,  dessen  tJrganisation  1 2^5  fertig  dasteht.  Die  dun.h 
die  Kreu/züge  neu  belebten  Verbindungen  mit  der  Levante,  die  regel- 
mflsB^ien  Verbindungen  mit  den  oberitalienischen  StJidien  einerseits,  mit 
Niederlanden,  FraiUcreJch  und  Kngland  anderseits,  die  vcrhältnisrnfissig  reich 
entwickelte  Kultur  des  Rlielnhuides  ÜberhaujA  mit  seinei  ^-orzOglichen 
Wasserstrasse  hatte  hier  vor  allem  Reichtum  und  Untemehniung^eist  ent- 
wickelt, zu  welchem  auch  die  zahlreichen  blühenden  Sitze  der  weltlichen 
wie  geistlichen  Tcrritorialherrn  wesentlich  beigetragen  hatten.  <.>o  Städte 
am  Rhein  und  im  Hinlerlande  waren  in  cücsem  Stadtebmid  vereinigt,  an 
dein  Qbngens  auch  geistliche  und  wettliche  Herren  sich  beteiligten.  Die 
Erhaltung  des  Landfriedens,  mo  nötig  mit  bewaffneter  Hand,  die  Bcsci- 
tigimg  aller  willkürlichen  Rheinzölie  waren  die  ausgi-sprochenen  Zwecke 
des  Bundf?:  eigentliche  liandels|Kililische  Ziele  hat  derselbe  als»i  nicht  ver- 
folgt und  daher  auch  keinerlei  einheitli<"he  Wirksamkeit  zur  Forderung  und 
Ausbrdtung  des  nationalen  Handels  entfaltet.  Dagegen  kam  der  Bund  all- 
mlhlich  immer  mehr  hi  eine  |}<)titisclic  Rolle  hinein,  durch  den  Gegensatz, 
in  welchen   er  sich   zur  Reichs]wilitik  und   zu  den  Interessen  der  Kurfürsten 

lellte  und  wurde  im  14.  Jahrb.  teils  von  der  Hansa  absi^rbiert.  teils  in  den 
hwabischen  St'ldtebund  aufgenommen.  Dieser  ist  im  Anfange  des  14.  Jahrb. 
vornehmlich  von  den  oberdeutschen  Handelsstädten  unter  Führung  von 
Augkburg,  Ulm  und  Nüri\berg  gebildet,  zunächst  gleidifalLs  zur  Abwehr 
von  Gewaltth;ttigkeiten  der  Territorial  he  rm  und  zur  Bewahrung  des  Land- 
friedens; daneben  spielt  aber  di-ch  auch  das  Verhältnis  OberdeuLschlands 
zu  Obrritalicn,  insbesondere  zu  lien  immer  mehr  den  Handel  mit  der  Le- 
vante   doroiniercntlen    Handelsre|iubliken    Genua    und  Venedig    [foudaco    lin 

Tttüi^ki,  die  griHäe  oberdeutsche  Faktorei  in  Venedig  seit  der  zweiten  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts  organisiert)  eine  bestimmende  Rolle.  Den  Verfall  des 
Donauhandels  infolge  der  über  die  Alpen  greifenden  Macht  denselben  em- 
pfanden eben  die  (.'bcrdeutschen  Städte  um  meisten  und  suchten  nun  durch 


36  Vlli.  Wirtschaft.    4.  Hakdei.  und  Vkrkehr. 

ihre  Vereinigung  wenigslens  eine  Stärkung  ihrer  Stellung  in  dem  Konkurrenz- 
kämpfe um  den  italicnischcu  und  Icvantinischen  Markt.  Aber  autli  hier  trat 
diese  handdspoHtisrhf  Tendenz  allmählich  zurOrk,  je  wenig;er  sie  Erfolg 
hnite;  eine  <lein  rheinisilien  Bunde  Iltinlitlie  p<»litische  Rioliiung  machte  das 
Reich  dem  Birndc  feindlidi.  Mit  Verallgemeinerung  des  Seeweges  verfiel  mit 
der  Blüte  des  oberdeutschen  H-indels  auch  der  schwabische  Stadtehund,  ohne 
einen  bleibenden  volkswirtschaftlichen  Erfolg  hinterlusäen  zu  haben. 

Der  niefäcrdeutsehc  Stadtehund  zwischen  Hamburg  und  Lübeck  1241 
zur  gemeinsamen  Abwehr  von  luind-  und  Seerilubem,  wie  ahnliche  andere 
kleinere  Btlnilnisse  zwischen  einzelnen  niederdeutschen  Städten  tragen  im 
allgemeinen  ein  anderes  GeprÜge,  wie  das  in  der  Verschiedenheit  des  poli- 
tischen Zustandes  begründet  ist.  Die  oberdeutschen  Städte  waren  zu  grtwsem 
Teile  reichsnnmittelbar;  die  grün d herrliche  Gewalt  hier  viel  mehr  zer^iplittert, 
aber  auch  viel  mehr  in  direktem  Gegensatz  zu  den  spezifischen  Stadtinter- 
rssen.  In  Niederdeutschland,  wi>  die  Reichsgewalt  seit  den  Hohcnslaufen  so 
gut  wie  verfallen  war,  hallen  die  Landcsherm  grosse  Terriinnen  unter  ihrer 
unbi-strittenen  Hemichaft;  sie  selbst  sorgten  viehnehr  für  Sicherheit  und  Frei- 
heit des  Verkehrs  im  I^nde  und  saiien  in  dem  Aufblühen  der  Städte  vid- 
mehr  eine  Mehrung  als  eine  Schwächung  ihrer  eigenen  Macht.  Daher  sind 
denn  auch  die  kh-inen  niederdeutschen  StSthebOnde  von  Anfang  an  mehr 
auf  l'flege  gemeinsamer  Ilandelsaufgabcn  iin  Auslande  als  nur  auf  Abwehr 
gegen  Gewall  und  Erringung  von  Freiheiten  im  Innern  bedaclit;  auch  halten 
sie  -sich  von  jeder  politischen  Tendenz  fem.  Mit  den  oberdeutschen  Städte- 
bünden haben  sie  von  Anfang  an  nur  wenige  Beziehungen ;  vielmehr  ist  ihre 
Hiuidelstbaügkeit  schon  vor  der  BiUhmg  cle-sHansabuncles  voniehinlidi  nach 
dem  Norden.  Nordwesten  und  Nordosten  von  Europa  gerichtet. 

Die  Gründung  solcher  Städte bündnisse  gab  aber  auch  die  Vcraniassung, 
dass  sicli  nun  ein  Netz  von  Handelsgesellschaften  der  in-  und  auslandischen 
Kaufleute  über  das  ganze  Handel.sgebiet  verbreitete,  welche  in  den  ver- 
.srhiedencn  verbündeten  Städten  Genossen ,  Lager,  Kontore  unterhielten  und 
so  den  Waarcn-  wie  den  Wecbsclhandel  hoben.  Auch  die  Stadtcvcrwal- 
tungen  seihst  srhlie.ssen  sich  direkt  solchen  Handcisgesellschafien  an  und 
beteiligen  sich  insbesondere  in  der  Form  der  Accomenda  finanziell  an  deren 
Geschäfte;  anderseits  bilden  sich  direkte  geschäftliche  Verbindungen  der 
Städte  unter  einander  aus,  wozu  insbesondere  die  bank.lhnlichen  Einrich- 
tungen städtischer  Dqxpsitfn-  und  Wcchselkasscn  mit  ihren  fortwälirenden 
Creditgeschaftcn  Veranlassung  boten. 

Um  die  Mitte  des  13.  Jahrhs.  tritt  zum  erstenmale  die  Wirksamkeit  eines 
weiteren  Stadtebundcs,  der  nachmaligen  deutsehen  Hansa,  auf.  Den  Kern 
des  Bundes  biUten  die  Ostsecst'ldtc,  Lübeck  an  der  Spitze;  bald  folgten  die 
Städte  in  Holstein,  Hamburg  und  Bremen;  auch  Binnenstüdte,  Dortmund, 
Münster,  Soest,  Braunschweig,  Magdeburg  und,  für  die  folgende  EnlwirJcelung 
enischeidend,  auch  K''iln  Schlüssen  sich  an,  Mit  Beginn  des  14.  Jahrhs.  sind 
sclion  über  70  Städte  im  Hansabuntle  vcreriiigt;  der  deutsche  Ürdensstaat, 
wdcher  seihst  die  Kanfmann&cliaft  in  grossem  Stile  betrieb,  schloss  sich  als 
solcher  gleichfalls  dem  Hansabunde  an.  In  der  Kölner  Konföderation  von 
13(17  erhielt  die  Organisatiim  der  Hansa  für  die  Folgezeit  ihren  fe.*itesien 
Zusammenhalt.  Von  den  Siildten,  welche  sich  in  der  Hansa  verbanden, 
hatten  manche  .schon  früher  ausgedehnte  Handelsverbindungen  mit  dem  Aus- 
lande; Wisby,  da.s  der  Centralpimkt  des  deutsrh-ms.si sehen  Handels  war, 
besass  in  Nowgorod,  Lübeck  in  Schonen,  Köln  in  I^;ndon  eine  Faktorei- 
Diesc   Handelsniederlassungen    gewannen    mit    der    Ausbildung    der    Hansa 


Die  Hansa. 


39 


natüriich  ein«?  ungleirh  grüsscre  Bedeutung.  Die  Ifan^stadtc  errichteten  in 
allen  widiligen  Handelsplätzen  ihre  eignen  Konture  und  nuichtcn  sie  du- 
durch  zu  CentnUpunkten  ihres  Handelsverkehrs  mit  dem  Lande,  in  welchem 
sie  lagen.  Die  Faktoreien  waren  ebenso  zahlreich  besetzte  Handelsagen- 
turen, welche  die  Verbindungen  mit  der  einhcimischeu  Pruduklixn  des 
Landes  aufsuchten,  wie  reich  au.sgestaitete  Xiedfrlagi;ii  fftr  ;ille  Impnrt- 
waare.  welcJie  die  Hansa  aus  aUer  Herren  Lünder  herbds*  liaffte.  Die 
Sicherheit  die-icr  HandeUniederlassung^m  suchte  die  Hansa  auf  jede  Weise 
zu  erhöhen;  Handels-  und  Zollprivilegien.  eximierter  Gerichtsstand  wurde 
von  den  Landeshcrm  den  hansiischcn  Niederlassungen  gewährt;  wu  dic!»e 
Gunst  verweigert  oder  eiiigeschriinkt  werden  wollte,  trat  die  Hansa  mit 
drx  ganzen  Kraft  ihrer  Institution  auf,  um  sie  zu  er^^wiugerj,  entweder  mit 
de«  friedlichen  Mitteln  des  Rcichstums,  über  tlen  sie  verfügte,  oder  mit 
£nt£ieliimg  der  Vorteile,  welche  das  fremde  Land  aas  der  Handelsver- 
bindung mit  der  Hansa  zag,  oder  schliesslich  durch  Krieg  und  l)rut;de 
lewall;  denn  die  Hansa  verfügte  über  eine  stattliche  Kriegsflutle  (Uriog- 
Pvchiffc)  und  ein  ganzes  Heer  vun  Marinesuldaten. 

Aufiserdem  war  die  Hansa  soipiam  danmf  bedacht,  das  Gebaren  der 
Faktoreien  diuch  strenge  Normen  und  eine  furtwahrende  Beaufsicliliguug 
xnöglichitt  zweckentsprechend  und  planmJlssig  zu  erhalten  und  auch  dadurch 
zur  Sicherheit  der  Kaktt.reieu  beizutragen.  Ks  wurde  ein  eigenes  Kctht  der 
Faklureien  ausgebildet  und  zwar  ein  Dienstrecht  (OrganLsaiiun  unter  einem 
Aldemiann,  Gehorsam  aller  Kontnristen,  Ehelosigkeit  derselben  etc.i  und  ein 
Haiidelsrechi,  dem  sich  auch  die  Einhcimisclien  Ln  ihren  Ucziehimgcn  zur 
Hansa  unterwerfen  muHstcn.  Su  bildete  jede  Fakturei  eine  eigne  freie  Ge- 
tneinde  im  fremden  I-^nde;  der  Svhutz  der  Landesherm,  die  Ex  territorial  i  1.1t 
und  die  Macht  der  Hansa,  welche  imsiandc  war,  jede  Knukurrcn/,  zu  brecht-n, 
gaben  den  Faktoreien  ein  aussei  ili  esslich  es  Monopol  des  Handels,  auf  wel- 
chem zumeist  die  grossen   Erfolge  des  hansischen  Handels  benilitcn. 

Die  Voraussetzung  dafür,  das^  die  Hansa  eine  solche  Monopolstellung  in 
fremden  Ländern  erringen  konnte,  war  aber  doch,  dass  in  diesen  Ländern 
ein  selbst^indiger  ^[atldel  überhaupt  nicht  entwickelt  war.  [n  RusslamJ,  im 
skandinavischen  Nurden  und  in  England  lagen  die  Verhältnisse  wenigstens 
im   13.  und   14.  jalirh.  der  hansischen  HandeIs[M>Iitik  günstig. 

Die  Produktion  war  hier  fast  aatschliesslich  auf  Naturerzeugnissc  gerichtet; 
gewerbliches  und  merkantiles  Leben  wenig  enlwii kell ;  die  Sihiffalirt  über 
Küstenfahrt  und  Fischfang  nicht  hiiuiu<i^ekommen.  Hier  waren  die  hansi- 
ttrhen  Faktoreien  die  grossen  .Saugapparate,  welche  diese  inneriialb  der 
■dvilisicrtcn  Well  stark  begehrten  Ruhprndukle  des  Nordens  (Holz,  Felle, 
Pelze,  aber  auch  Getreide,  Fische,  Flachs,  Honig  und  Wachs)  zu  miiumaleji 
Preisen,  meist  im  Xaturalaustausche  gegen  Gewerbserzeugnisse,  Salz  und 
Mctfülc  massenhaft  an  sich  zogen,  um  damit  die  deutschen,  englischen,  fran- 
zösischen MUrkte  zu  versorgen. 

Dagegen  girlang  es  der  Hansa  keineswegs,  »ich  eine  eben  solche  Mono- 
polsleÜung  auf  den  wichtigen  Handelsplätzen  des  europaischen  Westens  und 
Sildens  zu  erringen.  In  den  flandrischen  Städten,  welche  eine  Zeitlang  sogar 
Mitglieder  der  Hansa  waren,  blühten  zwar  im  13.  mid  14.  Jahrli.  hansische 
Kontiire;  duch  mussien  sie  sich  hier  immer  die  Kimkurrenz  andrer  Natinnen 
(»der  wenigstens  der  nichthai isischen  eiiiheimJMrhcn  Kaufleute  gefallen  lassen; 
in  den  franzosischen  Hände Ispla^tzen,  wie  in  Venedig,  war  die  Stellung  der 
Hansa  immer  eine  verbflltnlsmassig  unbedeutende,  weil  diese  LJInder  einen 
E^cnhaitdcl  entwickelt  liatteii   und   daher   nicht  so   aiLssililiessltch    auf  die 


40 


VIII.    WiRTSCRAFT.      4.    HANDEL    1;n1>   Vf.RKF.HR. 


Hiiiuk'Nvfrmilllung.  den  ZwischeiihancW.  ansL-wk-scii  waren,  wurin  tlic  Hau[)t- 
Icistuiig  der  Hansa  be>lantl.  Auk  dem  gleichen  Gnindt^  und  weil  die  Haiiiia 
überall  als  ItandelspolitiM  he  Macht  auftreten  wollte,  gingen  aber  auch  die 
festen  Positionen  der  Hansa  succcssive  alle  verloren,  sobald  die  natintialc 
Wirtschaft  erstarkte,  zu  !üj;enhnndel  und  selbständiger  Schifffjilirt  gekommen 
und  damit  zu  einem  nati>  malen  Abscbluss  ihrer  eigenen  Politik  gedrängt  war. 
So  emnncipiertc  sich  im  VerlaLiFc  de»  15.  und  1(1.  Jahrh.  England,  Dänemark 
und  Norwegen,  Sciwcden,  schliesslich  selbst  Russlund  von  der  hansischen 
Handeksuprematie. 

Damit  aber  waren  die  Absatzgebiete  der  Hansa  verloren  und  dieselbe 
auch  nicht  mehr  im  Stande,  ihren  Handel  im  Norden  auf  einer  neuen,  freien 
Grundlage  zu  organisieren.  Denn  mit  dem  deutschen  Süden  hatte  die  Hansa 
voll  jeher  nur  geringe  Beziehungen;  %'ie]mclir  lehaten  sich  die  süddeutschen 
Siadie  an  V'enetlig  und  Genua,  an  die  franzi^sischen  und  niederländischen 
Markte  an  und  pflegten  (rühzeitig  den  KrJonialhandel  sowie  die  Beziehung 
zur  Levante.  Gegen  Knde  de*;  Mittelalters  sind  die  süJdeuis<'hen  Studie, 
Augsburg,  Nüniberg,  Frankfurt,  aber  auch  Regeiisburg  und  Wien  an  kom- 
merzieller Bedeutung  den  meisten  Hansastädten  mindestens  gleich,  durch  die 
selbständige  Pflege  einheimischer  Industrie  aber,  welche  die  Hansa  immer 
vemai  hlHssigt  hatte,  denselben  entschieden  überlegen.  Aber  auch  in  Deutsch- 
];md  selbst  gingen  der  Reihe  nach  die  Voraussetzungen  verloren,  unter  denen 
die  Hansa  seinerzeit  gross  gewonlcn  war.  Die  wachsende  Macht  der  Landes- 
herm  führte  einen  Interessengegensatz  zu  den  Städten  herbei,  der  früher, 
unter  einfacheren  Verhallnissen,  nicht  bestanden  hatte;  14,4^  verfügte  Kur- 
fürst Friedrich  H.  den  Austritt  der  mflrkLs^■^R^]  Städte  aus  dem  Bunde;  sie 
sollten  fortjin  dte  Vertretung  ihrer  Jnteressen  beim  Landcsherm  suchen, 
aber  auch  ihre  Steuerkr.tfl  in  erster  Linie  der  Kegiennig  verfftgb:ir  halten. 
Allmalüich  bn'iekeltcu  auch  andere  Landst^ldte  ab;  mit  dem  Sinken  der 
Macht  des  deutschen  Ordens  im  Osten  und  dem  n(K:h  im  i^.  Jahrh.  erfolgten 
Austritte  desselben  ging  auch  der  Hansa  ein  grosses  Stttck  Einfluss  verloren, 
dem  ein  zweites,  nicht  minder  beticutendes  im  Westen  mit  der  Emanzipatiim 
der  bollandisrhen  StJldte  folgte.  Si'hliesslich  wurde  fflr  d<'n  Verfall  der  Hansa 
die  Thatsache  von  enbii  heidender  Bedeutung,  dyss  die  Wichtigkeit  des  inird- 
deutschen  Aussenhandel»  in  den  niirdlichen  Meeren  immer  mehr  almahm, 
je  mehr  die  anderen  Nationen  ai«  Konkurrenten  auftraten;  der  hansüsche 
Zwischenhandel  verlor  seine  Monupolstellung  und  damit  die  wiLhtigslc  Vor- 
aussetzimg seiner  Macht  und  Blüte.  Die  Nie<3erländcr  irateti  die  Erbschaft 
der  Hansa  an,  noch  bevor  «lie  Entdeckung  der  neuen  Seewege  ihre  volle 
Wirksamkeit  auf  den  europaischen  Handel  ausübte. 

Die  Bedeutung  der  Hansa  war  für  die  Gesamtentwickelung  der  deutschen 
Volkswirts* -liaft  wllhratd  der  zweiten  H:i!fte  des  Mittelalters  nichts  dcslo- 
wenigcr  eine  ganz  ;LUs>crordentliche.  In  der  ersten  Zeit  ihrer  Wirksamkeit 
hat  nie  durch  den  Schutz  der  Kauflcute,  die  Frieücnspflegc  unter  den  ver- 
bündeten Städten,  tlie  Ordnimg  de«  Mass-,  Münz-  und  Zollwesen.«,  .sowie 
<lurcli  die  Enlffnung  weiterer  Verbindungen  und  grösserer  Gesichtspunkte 
d.Ts  Leben  der  Strtdte  systematisch  gehoben..  In  der  Folge  aber  ist  sie  fOr 
die  industrielle  Blüte  der  St-Idte  dun-h  die  masseji haften  Zufuhren  von  Roh- 
und  Hilf. -^Stoffen  der  Industrie  sowie  von  Lebensmitteln  mittelbar  ebensa  be- 
deutsam geworden,  wie  durch  die  Ordnung  der  gewerblichen  Verhaltnisse, 
soweit  diese  mit  dem  Handel,  als  der  eigentlichen  Domäne  der  Hansa,  in 
direkter  Beziehung  standen. 

Insbesondere   iit   der  Bau    und   die  Ausrüstung  vtm  Schiffen   durch   die 


j 


DiK  Schiffahrt  «br  Haksa.  —  England's  Hakdel. 


4« 


Hansa  diücIiI^  gefördert,  ja  erat  zu  einem  imtioualcn  Gewerbe  gewi>rden. 
Die  Haiitten  bcfuliren  mit  eigenen  Schiffen  nitiit  hUks  t)ic  Meere,  sie  pflegten 
auch  die  Srhiffahrt  auf  den  Binnen j;e\»'as>.ern,  weluhe  «iie  Zufalirt«Mra:t!>en  zu 
den  Suif K-li  »rtcii  der  ljan>ii.s<  Iicn  \Vjmrcn  bildeten.  Sie  hiiben  damil  den 
deutsi-hrn  Seeverkehr  erst  wietler  scllistflndig  gemarbt,  nachdem  seine  seli»-a- 
chen  Ansalze  iius  der  Kamlingcrzeil  auf  Jahrhunderte  hinau*>  durch  die  Nor- 
mannen und  Danen  in  der  Entu-irkclung  uufgehatlen  waren  und  dniiiit  :iurh 
der  deutsche  Seehandel,  den  frieMschen  etwa  aa-^genonimen.  zu  keiner  natii»- 
nalokonuni lachen  Bedeutung  hatte  gelungen  kOnnen. 

Die^e  Sellwiandigkcii  der  Hansa  in  der  Scliiffahri  war  auch  ein  Haujrt- 
laktut  Ihrer  merkantilen,  ja  selb.st  politisehen  Überlegenheit  über  die  Nord- 
see-  und  0<Lseestaaten  wahrend  des  ganzen  .Mitielalter<L  Sie  war  die  Grund- 
lage des  Zwischenhandels,  auf  dem  zun<ichst  die  ttkonuuiische  Macht  der 
Hansa  basiert  vat;  aber  auch  der  Aktivhandel  der  Hansa  in  den  fremden 
Landern  entwickelte  sich  im  engsten  Zusammenhange  mit  der  hunsLM.'hen 
Flutte  und  fUr  die  Pflege  des  Seereiht>.  die  Ordnung  und  Sicherheit  des 
Seeverbehni,  souie  fflr  die  Geltendmachung  ihres  Kinflusses  in  fremden  Staaten 
war  das  impuuierende  Auftreten  der  bausischcn  Seemacht  oft  voit  ent^hci- 
dcndcr  Bctlcutung. 

In  England*  hat  die  königliche  Gewalt  auf  dem  Gebiete  des  Handels 
Itnd  Verkehr»  scli"n  zur  Xormaiuicnzeit  weitergelicnde  Rwhte  geUenil  ge- 
macht, als  sie  in  irgend  einem  StaaLswe-sen  des  germanischen  Mittelalters 
ttUSgeObt  wiuxlcn.  Das  Recht  an  irgend  einem  bestimmte  Orte  einen  regel- 
mfljiBig  wiederkehrenden  Markt  einzurichten  konnte  ursprünglich  nur  vom 
Kto^  verliehen  werden;  in  der  Fulge  wurde  diese  Verleihung  vorzugsweUe 
aU  Quelle  von  EinküTiftcn  für  tlcn  Fiskus  benutzt  und  Marktredit  s»i  ziemlich 
an  jeden  grcisseren  Gnuidherni  verliehen;  die  spätere  Zeit  suchte  dassdbe 
als  Attribut  des  Gutes  zu  behandeln  uml  ilamit  der  Verfügungsgewalt  der 
Krrme  vollständig  zu  entziehen.  An  die  Verleihung  des  Marklrwhtes  schlosu 
sicii  im  Laufe  der  Zeit  auch  die  Veipflichlung  der  beliehenen  Kürpcracliafl 
«der  Grundherrschaft,  für  reclitc-s  Mass  uml  Gewicht  zu  sorgen  und  die 
Marktpt^tlizei  zu  handhal>en;  auf  gr'»SM;  Grundherrn  (z.  B.  Bischof  v.  W'in- 
cfattter  1,102)  gingen  w^Ihn^Jitl  der  Dauer  des  Jahnnarkies  alle  königliclieu 
Rechte  \fotunt  rrj^air  pUnarie)  in  tlei  Stadt  Ober.  —  Ausser  den  eigentlichen 
Marktitbguben  belasteten  mjch  verschiedene  andere  Abgaben  den  Verkehr; 
Freibriefe,  sowohl  an  einzelne  Gnmdhcrm  als  auch  an  die  Städte  verliehen, 
laichten  dieselben  für  den  Verkehr  unst  hJidlii  h  zu  machen:  auch  sorgte  die 
künigtichc  Gewalt  dafür,  diu^s  die  Verkehrsabgiiben  nicht  über  die  alten  Ge- 
wohnheiten des  Landes  hinaus  ausgedehnt  oder  erhöht  wurden.  —  Die  Ein- 
heit der  Masse  und  Gewichte  ist  seit  der  Ma^iut  Vhartn  (1215)  grunri- 
satxUch  für  das  gaiue  Reich  aiL^esprochcn,  auch  iu  der  Folge  immer  als 
eine  wiclitige  Angelegenheit  der  öffentlichen  Gewalt  angesehen;  ebenso  nahm 
sie  immer  Bedacht,  dass  *\*:\\  Bürgern  der  Markt  nicht  durch  den  Vorkauf 
der  H:indler  verlegt  werde,  und  überwachte  Überliaupt  den  Marktverkclir 
lum  St^ltutze  des  Gemeinwolüs  gegen  Ausbeutung. 

Der  auswilrt^c  Handel  Englands  entwickelte  sich  seit  dem  13.  Jahrh. 
Tomigsweise  durch  das  Institut  des  Stapels,  durch  welches  die  königliche 
Gcwah   die  Kaufleule  xwaug,   die   englischen  Ausfuhrartikel   an    bestimmten 


*  Lladaajr.  llUtory  of  nurchanl  skipfiing  and  aitdtnt  commerce.  lB'4.  Craik, 
HUtory  »f  Brithh  tvmmcrce.  j  Bde.  1B44.  O.  Scbanz,  Englüek^  Handthfalitik  gegen 
SüJt'dei  M.A.  2  B<I«.    i88t. 


42  VIH.  Wirtschaft.    4.  Handel  uwd  Verkehr. 


auswärtigen  Platzen  nach  festen  Nonnen  und  unter  bchördlichtT  Aufsicht 
zum  Verkaufe  zu  bringen  und  clurrh  ciic  AfrnrAnn/  adv/ntturrs,  (Ue  Gesell- 
sfh;iftcn  der  wagenden  Kiiufleule;  wahrend  der  Stapfl  das  handelspolitische 
und  fiskalisdie  Himptmitiel  der  Regierung  war,  und  ahwerhsehid  in  flandri- 
when,  hraban tischen,  selbst  englischen  Städten  sielt  bcfnnd,  hnben  sicli  die 
Mtnhanh  advrnlurtn  als  selbständige  l-iandelsgem-ssenschiifteii  für  den  Ex- 
port gebiictet,  uline  Bindung  an  bestimmte  Orte  oder  Handelsricbtungcn,  ob- 
wolil  die  niederländische  firuppe  derselben  die  wichtigste  war.  und  wie  die 
Stapler,  zahheichc  Privilegien  sich  zu  erwirken  verstand.  In  dein  jahrhun- 
dertelangen Streit  dieser  beiden  grossen  Gruppen  von  Kaufleulen  unterlagen 
gegen  Ende  des  Mittelalters  die  Stapler  infolgt  der  viel  freieren  Bewegvmg 
und  grrjsseren  Rührigkeit  ihrer  (iegner.  —  H»ichst  un  voll  kommen  aber  war 
und  blieb  bis  gegen  Ende  des  Mittelalters  der  Zustand  di?r  englischen  Han- 
delsflotte, nbsclion  bereits  unter  Äthelstan  (*)25),  Heinrich  H.  (1181}  und 
rinrcli  die  Navig;ilions.'ikte  Kfotig  kirh;irds  U.  (13^2)  der  einheimischen  Rhe- 
dcrci  fiirderHi  he  Gesetze  erla>>en  waren.  Die  Hauplbestiininung  der  lel/.teren, 
dass  englische  UntertJiancn  nur  auf  englisclicn  Schiffen  Waaren  ein-  und  aus- 
führen dürfen,  musste  zwar  sdion  im  folgenden  Jahre  (13Ö3)  und  spater  (J391) 
eriicblicli  eingeschränkt  werden,  da  bei  tlem  unentwickelter)  Zustande  der  ein- 
heimischen HitnileUnian'ne  der  Hnndel  f£lr  seine  Waarensendungen  uml  seine 
Waarenbezftge  einbeimlsche  Schiffe  weder  der  Zahl  nodi  der  Beschaffenheit 
nach  in  ausreicliendcm  Masse  zur  Verfügung  hatte  und  die  Schiffseigner  das 
ihnen  durch  die  Navigationsakte  zugedachte  Vorzugsrecht  zur  Ausbeutung  der 
Kaufleulc  durch  ungebiihrlicli  hohe  Frachtsätze  missbrauchten.  Aber  doch 
verharrte  die  englische  Scliifffaliiis|n»]itik  auch  in  der  Folge  auf  ihrem  proiek- 
lionistisihen  Slaiidpunkle.  Unter  Eduanl  IV.  114*1.^)  wunk-n  die  Jllteren  Be- 
>linnnungen  enicuert  und  Heinricli  VH.  ging  niKh  weiter,  indem  er  148,5 
anordnete,  dais  auch  die  Bemannung  auf  den  englischen  Schiffen,  welche  allein 
Wein  lind  Waid  importieren  durfte,  der  Mehrzahl  mich  englische  Unterthanen 
sein  sollten,  eine  Bestimmung,  welche  erst  unter  Eduard  VI.  (15.S3)  aufge- 
hoben wurde.  Zugleich  aber  begünstigte  Mcinrich  VII,  die  <-inheimbu-he 
Manilels-Tnarine  dadurih.  dass  er  den  Grund  zu  einer  stehenden  Kriegsflr>tte 
legte  und  damit  die  Handelsflotte  entlastete,  welclie  bis  dabin  im  Kriege 
dem  Könige  mit  Schiffen  und  Matrosen  gegen  sehr  ungenügende  Vergütung 
liatte  dienen  müssen.  Die  Stellung  der  fremden  Kauflcute  in  England, 
welche  schrm  in  der  angelsachsi-vchen  und  normannischen  Zeit  Schutz  und 
mannigfache  IFnterstOtzung  fanden,  ist  insbesondere  im  13.  und  14.  Jahr- 
hundert, sogar  auf  Kosten  der  einheimischen  Kaufleutc  und  städtischen 
Freiheiten  au.ss(cr(tnientlich  gefe.stigt  worden;  die  carta  met-catoria  von  1303 
schuf  ihnen  eine  altgemeine  Überlegenlieit  über  die  einheimischen  Kauf- 
leutc im  intcmatiunalcn  Handel.  Im  15.  Jahrhunderte  wird  die  privi3egierle 
Stellung  tier  fremden  kaufmännischen  Kolonien  immer  mehr  eingeschränkt 
und  mit  der  .\ufliebung  der  hansischen  Freiheiten  unter  tlcn  Tudors  gänzlich 
beseitigt. 

Vor  dem  13.  Jahrh.  bat  ein  lebhafter  Verkehr  der  skandinavischen 
Reiche*  mit  den  übrigen  Ländeni  von  Europa  nicht  bestanden.  Wahrend 
der  dflnischen  Herrschaft  in  England  und  auch  noch  in  der  Norroannenzeit 
haben  zuischen  Skandinavien  und  England  noch  die  meisten  Beziehungen 
bestanden;  aber  bei  dem  doch  noch  geringen  Bedarfs  an  Handeiswaarcn  in 


•  J.  Harttang,     Altrtwy-«    u»td   dir    deuischfn    SetsUldte    bis   tum   SiMuttt  da  13. 
Jahrh.    18:7. 


beiden  Ländern  crreirhte  auch  der  Verkeltr  keinen  grossen  Umfang.  Immer- 
hin haben  sich  die  Englander  bereits  im  12.  Jahrtiinuit-rtc  in  BcrRcn  rcstgc- 
M.-i/,i  und  unter  diUiiüchem  Schulze  Handels  fahrten  nath  Riissland  tnitfr- 
nommen.  Seil  dem  13.  J.nlirhnn<tene  nickten  allniidiliih  die  Deutschen  in 
die  Position  der  Engländer  auf  der  skandinavi^hen  Halbinsel  ein,  verdrängten 
den  cnglisrhen  Kn\irmann  aus  der  Ostsee,  bald  auch  aiLs  den  nordü-chen 
Siadlen  und  flbcmahmcn  den  Zwisdicnhandel  zwischen  Norwegen  und  F.ng- 
Lnnd.  Ja  auch  tlen  ganzen  nurdlirhen  Handel  von  Bergen  aus  wavste  die 
Hansa  lange  Zeil  hindurdi  xu  bchernichcn;  die  Bestrebungen  der  nnrwegi- 
whcn  K<"mge  Bergen  zum  alleinigen  Sta]iclplaize  für  alle  Islandfahrer  zu 
machen  und  den  Handel  tlurthin  in  ilircr  eignen  Hand  zu  momipolLsicrcn, 
fArderten  indirekt  nur  das  Interesse  der  Hansa.  In  Dänemark  haben  die 
deutsdien  Kaufleule  msljesondere  unter  Kf'uig  Wahleniar  II.  und  seinen 
Nachffilgem  weitreichende  Handdsprivilegien  und  eignen  Geri<'iit-istand  in 
Handelssachen  unter  selbstge wühlten  Richtern  erlangt;  damit  und  mit  ihrer 
guten  OrgaiiLsation  ist  es  ihnen  gelungen,  <Iie  dänischen  Markte  mit  ihren 
Waarcn  zu  beherrschen  und  zugleich  den  Export  dänischer  Landesprodukle 
fast  ausschliesslich  in  ihre  Hand  zu  tieknmmen,  oligicich  sie  iro  Lande 
immer  als  Fremde  behandelt  wurden.  SpSter  erst,  seit  der  Mitte  iles  13. 
Jahrliunderts,  eni%*'ickeU  sich  auch  in  Schweden  eine  lebhaftere  Handelslbaiig- 
keil,  welche  auch  in  erster  Linie  von  den  deutschen  Kaufleuten  ausgeht;  in 
den  schwedischen  Städten  sind  die  Deutschen  aber  einheimisch  gewortlen, 
haben  an  der  Verwaltung  den  rt^lcn  Anteil  genommen  und  dauut  ihre 
Stellung  wesentlirh  befestigt.  Der  Handel  auf  Gothland  (Wisbv)  beruht  ganz 
auf  der  Wirksamkeit  des  grossen  deuLschen  KiniiiTs.  Auch  die  für  die  Er- 
n-lhnmg  der  deutschen  BevOlkening  wJibrend  des  >riUe!alten;  sn  hrirhwirhtige 
nordische  Seefischerei  kam  %mn  i,v  Jahrhundert  an  vornehmlidi  in  die  Hände 
der  hansischen  Kaufleute.  Die  wichrigstc  Faktorei  hierfür  entwickelte  sich 
auf  der  Insel  Schonen  (hansisches  Vittenlageri  von  wu  aus  iiisbes<indere  der 
Hcringsfang  bis  an  N*(ir\%-egens  Küste  hinauf  verfolgt  wurde.  Itn  1.5.  Jahr- 
hundert war  auch  der  Walfi*«  hfang  in  den  nördlichen  Meeren  bis  nach  Island 
Vorzulegend  in  den  Händen  der  haiisisiiieii  Kaufleule;  in  Hamburg  und 
Lflbrck  bestanden  eigne  tiesellschaften  vcm  IslaTidfahrem,  wel<-lie  deutsche 
Handelswaaren.  Bier  und  Geld  nach  Island  brachten  und  vorwiegend  Fische 
als  Röckfracht  naiimen.  Der  St<jckfisthfang  dagegen  scheint  im  Mittelalter 
ntK'h  fast  auswhliessli{  h  in  den  nördlichen  Meen-n  von  N«irwegeni  ttetriclM^n 
Hfjrdeu  zu  sein;  ihre  Aiusbeulen  dienten  ilmen  aU  Zahlungsmittel  für 
I,«ter,  Tücher,  Eisen  und  andere  Handelswaaren,  die  säe  in  Beiden  dafür 
eintauMrhtcn. 

Auch  der  Geldgebrauch  tJer  Deutschen  weist  in  seinen  Anflügen  auf 
die  Zeit  ihres  Verkehrs  mit  Hern  Rr<merreiche  zurück.  Sowohl  <lie  Nach- 
richten besonders  des  Tacilus  wie  aucii  die  Funde  Uissen  darüber  keinen. 
Zweifel  bestehen,  dass  die  Deutschen  vor  der  Völkerwanderung  sich  des 
geprägten  Geldes  nur  in  den  Formen  einzelner  RömermOnzen,  besonders  der 
Goldsaiidi  des  konstantinischen  MünzfiLssrs  und  der  älteren  schweren  Sitbcr- 
dcnare  bedient  haben.  Aber  auch  dieser  beschrankte  Geldhesitz  war  ihnen 
mc\\x  Mittel  zur  Ansammlung  von  S<."hatzen,  als  Tauschmiltel  oder  Wert- 
messer. Nur  in  den  Grenzbezirken  ergab  sich  wirklich  eine  Geldzirkulation; 
iro  Innern  wurde  Tausch  und  Kauf  fortwährend  in  Natura  vollzogen  oder 
durch  Vieh  und  Wollzcug  { Vaäm4/,   HWr)  vennittelt  und  bewertet 

Atich  nach  der  rOiöischen  Zeil  hielten  die  Deutschen  am  rtlmisclien 
Cddc  (est;  die  Salfranken  gingen  bald  nach  der  Erobenmg  Galliens  an  eine 


44 


Vlll.  Wirtschaft.    4.  Handel  unö  Verkehr. 


Neuordnung  des  Müiizwescns  auf  der  Ba.sis  des  römis<'hen  Gr^widits-  und 
MOnzsysiems;  der  GoldsoJidus  n.idi  dem  konstanlinis4-iien  Münzfuss,  72  Stücke 
auf  das  rumischc  Goldpfund.  biidcte  die  HauptinünzsoFle,  welche  Obrigcns 
hü  iifigf r  in  Teilstfirken  {fhnUa)  ausgeprägt  scheint.  Die  Siliqua,  bei  den 
KOmcrn  anfiiiijjtiih  der  24.  Teil  eines  Sulidas,  wurde  üireni  wahren  Werte 
nafli  aJ.s  dirr  40.  Teil  des  Solidus  unter  dem  Namen  Denar  die  Silbennünze 
(Geklsystcm  der  Lc.\  Salica).  Die  oberdeutschen  Stämme  djigegen  hielten, 
da  sie  selbst  keine  Münzen  prägten,  an  den  altrüniisdicn  Silberdciiarcn  fest, 
von  wdc-hen,  unter  dein  Namen  sai^ie,  12  einem  Ciuldsuhdus  gleidigestellt 
waren.     D'hJi  war  tler  letztere  bei  ihnen  immer  nur  Ke<  hnunfj;>|ield. 

Nach  einer  bereits  in  der  zweiten  Hälfte  des  (t.  J;üirhs,  vorgenommenen 
Erloidttening  cle>  frürikisdien  Münzfu-Hses  {vun  7^  auf  tS4  Soiidi  aus  dem 
Gl »Id] 3 fluide  1.  weldie  liaupt^adiUih  durdi  die  veriüidcrte  Wcrtrelation  zwischen 
Gohl  und  Silber  (von  1 :  10  in  der  spateren  Kaiserzeit  auf  i  :  14.2!  erklart 
wird,  ist  das  friüikiidie  Münzwesen  zuerst  miter  Karhiiann  (74.VI  von  der 
Goldwahrung  zur  Silber^-:ihrung  übergegangen,  anf!liiglit-h  noch  auf  derOrund- 
lagf  des  n'imisrhen  rfitiide>  \\nn  ^^27  Gramm),  wonach  20—22  Stjlidi  zu  12 
Denaren  auf  ein  Pfund  gerechnet  wurden,  später  unter  Karl  d.  Gr.  (7Ö0) 
auf  der  Grundlage  eine*  we:<enthch  sdiwereren  (deuiM'hen)  Pfundes  (vermut- 
lich von  408  Gramm),  wi  idurch  unter  Aufreditcrbalimig  des  Münzfusses  von 
20  Soiidi  ä  12  Denaren  eine  beträchtliche  Kr]ir>hung  des  Metaltgehalts  der 
einzig  kurrenten  Münze,  des  Silberdenars,  bewirkt  wurde. 

Die  UrNaiiien  dieses  Wührungswcchsels  sind  einesteils  in  dem  Seltencr- 
werden  des  Goldes,  andemteils  in  dein  Streben  der  Pijipiniden  zu  suchen, 
den  Geldgebriiuch  zu  verallgcmeinen»  und  insbesondere  die  austraaUcheu 
Lamier  dadurch  dem  frjinkisdicn  Westen  naher  zu  bringen.  Die  Verände- 
rung des  Münzfu.sses  und  des  Gewichtes  aber,  weldie  eine  Erlu'ilmng  im 
.SilhergtOialtc  der  Denare  von  ca.  1.3.5  Gramm  auf  1.70  Gramm  im  Gefolge 
hatten,  sind  vermutlich  mit  besonderer  Kücksidit  auf  attuustrasischc  Gewöhn- 
lieiten  vorgenommen  worden. 

Als  Besonderheiten  blieben  bei  den  Alanunuicn  bis  in  die  Zeit  Karls  des 
Grossen,  bei  den  Bajuvaxen  mich  im  i).  Jahrb.  die  alten  schweren  Denare 
(nucli  dein  (jul(hmlnzfusse)  in  Übung  und  wurden  zumeist  gleich  3  neuen 
Silberdenuren  (bei  den  iJaiern  im  t>.  Jahrli.  gleich  j^/j)  gerechnet.  Die  Sachsen 
hielten  nudi  unter  Karl  d.  Gr.  an  der  ßaüiK  des  Viehgeldes  fejit  und  .stellten 
darnach  zweierlei  S«'lidi  auf,  den  ehieu  gicicli  einem  jährigen,  den  andern 
gleich  einem  anderthalbjährigen  Odisen.  In  Frieslarid  hat  sich  die  Wcde 
Keiltncrk  |^  .]  \\'eden|  und  Leinmerk  {^^  12  Weden)  bis  zum  ri.  Jahrb. 
als  Werleiiilieil  und  Zalihnitlei  erhallen.  Auch  die  Metallgeldrcdumng  zeigt 
daselbst  länge  Zeit  eine  Eigeniflmlirhkcit;  vor  dem  Durchdringen  der  Icaro- 
lingischen  Cjeldreform  rechneten  die  Friesen  nach  G«^ldsolidi  zu  \2  {})  De- 
naren. Später  setzten  sie  den  silbernen  Tremissis  (Vb  Solidus,  in  einzdnen 
Teilen  v<:in  Friestand  sogar  die  Hälfte  des  neuen  Snlidus)  ihrem  alten  Denar 
j^cicli.  Bei  der  Ungcwisshtnt  über  die  friesischen  (irundgewichtc  ist  in  diese 
Verhaltnis.ie  noch  keine  rechte  Klarheit  gebracht. 

Trotz  filier  Bcmülmngen  Pipins  und  Karls  d.  Gr.  mn  AusbiLduiig  eines 
nitionellen  und  auch  für  den  Verkehr  besser  geeigneten  Münzwesens  ist  doch 
der  Geldgebrauch  dieser  Zeit  in  Deutschland  noch  sehr  besdiritnkt.  Geld 
wunle  immer  nmh  hSufig  gewogen  sbilt  ge7.ählt.  und  im  Innern  war  der  Na- 
tunilverkehr  noch  weitaas  vorherrscliend,  was  sich  aus  der  ganz  überlegenden 
BtHlenprnduktion  für  Eigenbedarf  wie  aus  dem  Mangel  an  Edelmetall  sdioii 
hinlänglich  erkhlrt. 


Dbutschcr  MOnzwesen. 


45 


Das  Recht  auf  die-  Mün7.]}r{lgung  war  (nuch  römischctn  VurbilUc)  unter 
iltn  Mcniwmgrm  uic  unter  den  Karolingt^m  ilurrhaus  nh  Kcpil  brhandeH. 
Die  AusObur^E  des  Monzreclits  blieb  zwar  nirhi.  wie  es  Karis  d.  Gr.  Absicht 
war,  auf  die  königlichen  Palaticn  beschränkt;  doch  konnte  es  nur  vom  Kcmige 
als  Pri\ilegium  e^^^'o^ben  und  nur  nach  den  Niirmen  des  künijjlichen  Mttn/- 
fufses  und  mit  königlichem  Stempel  geprOgt  werden.  Die  BcaufMchtigung 
aller  MOnzstütten  war  den  Grafen  Übertragfu.  Zur  Besorgung  der  Gc*'Ji3ftc 
einer  Münzstatte  waren  elpie  MinLsterialen  bestellt,  welche  auch  den  Geld- 
wechsel bewjrgten  und  si>.1ter  eigne  GcnusseiLschaften  (Hau.'fjienctsseTi)  biklelen. 

Nach  der  Kamlingci-zeit  üsi  mit  der  alhnahUchen  ZerbrfVckelung  der  ein- 
heitltrlien  Staat'^ruwalt  auch  das  Mftnzwescn  iniiner  mehr  zersplittert  worden. 
Die  Münzprivilegien  der  »ipflteren  Zeit  gewähren  den  gmKsrn  (Irund-  und 
Immunita biherren  (Bislttmem,  Abteien  und  Grafen)  zuerst  das  Recht  auf  den 
ganzen  Münzgewinn,  in  der  Ft>lgc  jseit  tlem  12.  Jahrb.)  auch  da^  Recht  auf 
selb^itandige  Bestimmung  des  Mnnzfiisses  und  damit  die  v<illc  MOnzliohcit. 
Im  Gegensätze  zu  der  alteren  Reichswahrang  gelangte  «>  das  Prinzip  der 
Tcmtiirialitat  des  MOnzwesens  zur  Hernichaft,  d.  h.  jetlc  Mftn?.e  tiatlc  Wah- 
rung^cigenächaft  (ab  gesetzliches  Zahlmittel)  nur  an  dem  Orte,  wo  sie  ge- 
srhl:igen  war. 

Damit  beginnt  auch  alsbald  die  dem  späteren  Mittelaller  so  charakteri- 
stische Vielheit  des  Münzfusscs,  wie  nicht  minder  eine  rapide  Verethlech- 
temng  desselben.  Schon  unter  den  sp^lteren  s.1chsjschen  und  den  salisrhen 
Katsem  ist  eine  successive  Erleichtemng  der  Denare  zu  beobachten;  spUte- 
iitens  in  der  Zeit  K.  Kunrads  II.  ist  der  kan)lingischc  Münzfuss  definitiv  als 
beseitigt  anzusehen;  die  Denare  Heinrich  V.  sind  nur  mehr  halb  mt  schwer, 
als  die  schweren  kar<ilingischen  Denare,  Auch  die  I^ndesmünzen  des  12. 
und  1 3,  Jahrhs.  zeigen  dieselbe  Tendenz,  mit  Ausnahme  der  Kölnischen, 
welche  sich  insbesondere  unter  dem  Einfluss  der  lebendigen  Verkehrs bexie- 
hungeii  zwischen  Köln  und  England  bis  in  die  Mitte  des  13.  Jahrhs.  konstant 
auf  1.4 — t.s  Gramm  und  feinem  Kr>m  erhalten.  Dadurch  gewann  auch  die 
Ki'iiner  Münze  eine  wachsende  Überlegenheit  als  Handels-  und  als  Courant- 
münze.  Damit  wurde  auch  tue  Kölner  Ä(ark  Silber  (234  Gramm)  als 
Münzgewii^ht  weithin  eingebürgert  und  erwarb  sich  bis  in  unsre  Zeit  herein 
die  unbetlingte  Anerkennung  als  Grundlage  des  deutschen  M(lnz.sysleins. 
Ebenso  behaupteten  sich  eine  Zeitlang  die  Rcgeiisbui^er  und  die  Wiener 
Pfennige  eine  weit  über  den  Bereich  ihres  Ursprungs  hinaus  reirhenric  Wirk- 
&;ünkcit  ab  her\'nrrrfgeiide  Handcismünzen  uikI  als  Grundtage  kaufmännischer 
Geldrechnung. 

Auf  die  Dauer  konnte  aber  keines  dieser  Denai'systeme  dem  wachsenden 
Bedürfnisse  des  Verkehrs  und  der  gesteigerten  Gcldzirkulation  genügen,  da 
die  einzige  geprägte  Münze,  der  Denar  (Pfennig)  zu  klein  und  in  seinem 
Gehalte  zu  vrrNchiL-den  und  urusicher  war.  Der  grosse,  besonders  der  kauf- 
männische, Gelriverkehr  schuf  sich  (L'iher  einesteils  ein  Barrengeld  (Edelmetall 
in  Gewichtsstücken I  und  strebte  anderseits  nach  einer  grös.scren  Münzeinheit, 
vnfQr  sich  Kuersi  in  Italien  und  Frankreich  in  den  grossi  Beispiele  fanden, 
die  bald  auch  im  deutschen  Geldwesen  Aufnahme  und  Nachahmung  fanden. 
Äilcher  Art  Vr~arcn  die  tinjlis^'hcn  Zwanziger  (=s  jo  kleinen  Venmser  Denaren), 
naih  dem  Münzbildc  auch  zuerst  Kreuzer  genannt,  von  denen  dann  12  auf 
das  Pfund  Hemer  gingen;  die  Tum(.>scn  (grvs  ioumois),  die  schlesischcn  Dick- 
pfeimige  und  die  böhmischen  Groschen,  die  tCibischen  Witc  iL  a.,  welche  alle 
ursprünglich  dem  Rc(  hnungsschilling  (^12  Denaren)  gleich  sein  sollten,  auch 
\ielfach  Weisspfennige,  wegen  ihres  guten  Silbei]gehaltes  im  Gcgen.i;iiz  zu  der 


40  Vni.  Wirtschaft.    4.  Hanoel  vstt  Vkbkekr. 

stark  lepicTtcn  srhwarzfii  Münze,  {•cnaiiiit  wurik*n.  Alier  ;mr!i  diese  neueren 
Silbemiünzen  luitcrbgcn  tlcm  allgwm*inrn  Scliirksale  jener  Zeil,  der  bcstünüi- 
gen  Vcreclilechlerung  in  Gewicht  und  Femgehalt  und  enkprachen  weder  dem 
gesteigerten  Verkehr  nndi  dem  pr'^sscrcn  Gcldbcdarfc,  da  autti  ««ie  unter  dein 
Biiiine  territorial  engbegrenzter  Münzhoheit  standen  und  nur  ein  Vielfadiea 
des  allen  Denan*,  nicht  aber  ein  wesentlich  verschiedenes  Geld  wie  etwa 
CriurantgcUi  gt'^enOljcr  der  Scheidemünze,  darslcUten. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  sind  auch  in  den  tlcuLsclien 
Verkehr  allmählich  «lie  ncucii  Goldmünzen  eingedrungen,  welche  Italien 
(ßortni,  iiueali),  Frankreich  {f'ais,  francs)  und  England  \nohel)  zu  prägen  be- 
gimneu  tialten,  Duch  blieb  bis  in  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  die  Gold- 
zirkukitirm  in  Oeutschlantl  sehr  gering,  «ibwohl  seit  i^i^  auch  der  Künig 
v(in  Böhmen  GuldmCinzen  iiriigte.  Krst  die  ;iuf  Vertrage  gestützte  Ausmün- 
zung  der  rheinischen  KurfüRteii,  welche  am  vollkonmienslen  durch  den  Münz- 
vertrug von  138h  geregelt  wurde,  ve-rmochte  das  flold  im  Inneren  des  Reiches 
einzubürgern.  Zwar  kum  es,  trutz  der  d;irauf  abzielenden  Bemühungen  der 
Könige  Ruiirccht  und  Sigisinund,  nie  zu  einer  Keiclisgoldw.'llirung,  aber  doch 
ertiielt  tlcr  rheinische  Gulden  in  vielen  Territorien  W.'ihrnngseigenschaft  und 
wurzle  im  i,=).  Jahrhundert  ziL-mlich  allgeinciu  uli  ubcrste  Münzeinheit  in  der 
Geldrei  hnnng  ai^ewendet  20  Weisspfennige  oder  Groschen  (ä  iz  nlteii 
Pfennigen)  sullton  demnach  einen  Gulden  gelten,  der  also  bestimmt  war,  das 
alte  Pl'unil  Pfennige  zu  repräsentieren;  dm'h  wurde  dieses  W-rliHltnis  in  der 
I-'olge  nirht  eingehalten-  Der  wirkliche  Goldumhuf  blieb  wt^en  der  (_;erirg- 
fUgigkeit  der  verfügbaren  Edelmetiül mengen  inmicr  in  engen  Grenzen  und 
verlor  sich  schim  in  der  zweiten  Haifle  des  1.5.  Jahrhundertji  wieder  mehr 
untl  mehr;  in  der  ReirhstnOnzftrchiung  von  Esslingen  (15^4)  ist  wieder  die 
auNSchhessliche  Silberwillirung  eingeführt,  den  Goldmünzen  nur  mehr  der 
Charakter  von  HandeUmüiizen  l^eigelegt.  An  tHe  Stelle  der  Guldmünzcn  als 
obentte  Münzeinlieit  traten  grosse  Silbennünzen,  einen  Gulden  wert  (1479  die 
.Guldener«  in  Tirnl,  s[inter  die  Gulden groschen  und  die  verschiednen  Thaler, 
zuerst  naeh  den  »Joachimslhidenift  so  gcnaimt). 

Nur  die  Geldrechnung  des  karolingischcn  Kusses  (i  Pfund  ==  .20  Schil- 
ling ä  12  Denare)  erhiL-It  >ich  gewnhiiln.'itsniiliisig  fast  in  allen  Teilen  des  Reiches 
bis  tief  in  das  Mittelalter  hinein,  aber  der  innere  Wert  dieser  Geldbenennun- 
gen war  überall  ein  .nnderer;  ja  e*  ergaben  sich  selbst  zwischen  den  legalen 
Werten  des  jeweiligen  Mönzfusses  und  den  faktis<:h  kursierenden  Münzen 
bestündig  Untcrsrhiede,  welfhc  zur  Gegenüberstellung  eines  Rechnungsgcldes 
(nach  dem  gesetzlichen   Münz^u^s^  und  eitles  Zaiilgeldes  (Pagamenl)  führte. 

Der  MünzumlauE  ist  auch  nach  der  Karolingerzeit  noch  lange  unbe- 
deutend geblieben.  Zwar  bürgerte  siih  seit  dem  lo.  Jahrh.  für  die  Zinsen 
mid  Gicbigkcilen  eine  altcrnalive  Geldzahlung  ein,  und  seit  dem  1 2.  Jahrb. 
wird  mit  der  Verallgemeinerung  der  Schätzung  (einer  direkten  Abgabe  von 
den  nicht  hcifliürigeri  Leuten  der  Territurialherren)  ein  gewisser  Geldumlauf 
allgemeiner  bezeugt;  aber  düch  blieb  der  Verkehr  auf  dem  fluchen  Lajide 
noch  inuner  in  der  HaiipL-^ichc  ein  Nuturalveckehr;  selbsi  in  der  königlichen 
Hoflialtung  ist  der  Bezug  von  Produkten  der  Eigenwirtschaft  und  der  dienen- 
den Hufen  noch  lange  den  Geldeinkünften  überlegen. 

Grossere  Verbreitung  fand  der  Münzverkehr  erst  mit  dem  Aufblühen 
der  Stfldtc  und  ihrer  MJlrkte;  doeh  ist  lange  Zeil  die  Übung  beslt-hen 
geblieben,  rtuf  jedem  Markte  nur  die  eigne  A[ünze  ijn  Verkehre  zuzuUissen, 
so  dB.ss  fremde  Kauflcutc  sicli  für  den  Marktverkehr  erat  mit  der  Münze 
des  Marktortes   vereehcn   musslen.     Und  da  überdies  die  MCLiuhcrren  aus 


fl^kalischeni  Intcrrssc  hflufi^  Müiizvcraiidcrunscn  luul  Münzvcrrufuiigen 
vnniahmen,  so  war  damit  tlorh  der  Mün/.iimlüuf  immer  noch  in  enge 
Grtnzcn  gebannt.  Erst  seit  der  GrcKtöliiuidd  mehr  Bedeutung  gewann, 
bürgerte  siih  auch  ein  MOnxumlauf  auf  breiterer  Basis  ein.  wcKber  jedi>ch 
nur  wenige  dunh  innere  Güte  und  .'tussere  Anerkennung;  bestmders  be- 
liebte Typen  übernahm,  bald  zu  ck'n  international  bev^^^zugten  Guldniünzcn 
Überging  und  damit  sirh  von  der  Misere  der  lokalen  Xerüplitten-ing  des 
deutschen  Münzwesens  emanzipierte.  Seit  tier  Mitle  des  13.  Jahrhs.  ist  der 
stadiivhe  (jtrldvimUuf  vollkommen  gesichert;  seit  tIer  Mitte  ilvs  14.  Jahrlut. 
macht  sieh  die  Geld  Wirtschaft  auch  in  den  Vcrkehrsverhiiltnbiscn  des  flachen 
I^antles  immer  mehr  gelteiul.  I)i«"h  liaben  erst  <he  nach  der  Entdeckung 
der  neuen  Welt  auch  nach  DeulMhlaiid  gekommenen  EdclmcUill mengen  den 
Umsrhuiing  zur  Geldwirtschaft  endgültig  vollzogen. 

In  England*  hat  ^ich  schon  m  der  angeUflchlschen  Zeit  ein  nicht 
ganz  unbedeutender  Gcldgehrauch  eingebürgert,  welcher  mit  der  Handcls- 
Ihatigkcit  des  Volkes  in  Zu.sauinienhang  stand.  Die  Müiizsysteme  und 
Münzt^'pen  sind  aber,  der  Zersplitterung  der  Siaat^ewalt  entsprechend,  in 
den  einzelnen  Königreichen  selir  verschieden;  doch  scheint,  at>gesehen  ^on 
den  Alteren  sccattas  (scot  =  ii/^  den?),  im  allgemeinen  der  snchsi.schc 
*/§  Schilling  vtm  4  Pfennigen  (in  Mercien  Thrvmu  ~  tiemissü  genannt)  %or- 
geherrscht.  ai>er  nur  in  P/eTUiigstürken  gejirägt  worden  zu  sein,  welche  dem 
karolingischen  Denar  gleich  waren.  Doch  kommt  in  Statuten  des  ii.  Jahrhs. 
auch  eine  Rechnung  in  Halbmark  =■  12  Schilling  und  Orc  (danisches  Geld) 
^  z  Si.'lulLing  vor.  In  der  Normannciizcit  beginnt  die  Rechnung  nacli  Pfund 
(oder  Mark)  Sterling  sich  einzubürgern;  sie  erscheint  mit  20  Schilling 
12  Pfennigen  auf  das  Pfund  als  Nachklang  des  karolingischen  Münz- 
tcms  und.  nach  dem  Namen  SterHng  (Estedingi,  durch  freunde  Kaufleute 
dort  eingeführt.  Seit  Kunig  Heinrich  It.  wird  an  dem  22Va  gran  schweren 
Sterling  penny  festgehalten.  Doch  bleibt  die  Unsicherheit  des  Münzfusses 
bei  der  Vielheit  der  PrSgestÜtten  und  bei  dem  Mangel  einer  genügenden 
Kontrolc  rier  ftlünzen  lange  Zeit  hindurch  noch  eine  stehende  Klage.  Erst 
im  14.  Jahrhunderte  kam  es  zu  einer  besseren  Ordnung  des  Münzwesens, 
zugleich  aber  auch  zu  einer  Verminderung  des  Werte.s,  indem  seit  1331  aus 
dem  Pfund  Silber  ^5  Schillinge  oder  300  Pfeimige  geprilgt  wurden.  Die 
Goldprägung  nahm  unter  Ki'lnig  Heinrich  TII.  1337  ihren  Anfang;  doch  erst 
.•«il  König  Eduard  III.  bürgerte  sich  die  GuldniOnze  (besonders  der  Nobel) 
im  Verkehre  ein.  Das  Recht  auf  die  MünzprJlgung  «m-dc  auch  in  England 
von  Anfang  an  als  königtichc-s  Hohril-srccht  angesehen  und  gehandhabL  Die 
MOnzmeister  wurden  durch  den  König  (teilweise  unter  Mitwirkung  der 
Biitchi^fc)  bestellt  und  ümen  der  Standort  ihrer  Münze  sonie  die  Einhaltung 
des  MonzfuKscs  vorgeschrieben.  Die  Versuche  der  GrtÄscn  des  Reiches, 
audi  da.s  Münzrecht  in  ihre  Hand  zu  bekommen,  hat  das  engtische  König- 
tum cnuchieden  und  zugleich  erfi^Igreicher  als  das  dculsthe  Königtum  zurück- 
gewiesen. Auch  in  der  Einhaltung  tles  hergebrachten  Münzfu.s.ses  war  die 
englische  Münzpolitik  erfolgreicher  und  gewissenhafter;  die  weitverbreitete  An- 
erkennung, welcher  sich  der  Sterling  Jahrhunderte  lang  auch  in  Frankreich 
und  im  deutschen  Reiche  zu  erfreuen  hatte,  ist  ein  Erfolg  dieser  klugen  Münz- 
praxis. Auch  gegen  das  Beschneiden  der  Münzen  sowie  gegen  die  Einfuhr 
minderwertigen    fremden    Geldes    hat    si<.'li    die    englische    Münzgesctzgebung 


•  Rnding,  Annats  0/ Ihf  Coina^  a/  Gr<at-Britain.  }.  Axifl.   1R40.      Kcary,  fnlrflj. 
ta  CaiatogHf  of  Sn^hsd  Ciuns.   lÄft?,     W.   A-  Shaw,    TAf  Aijtttrr  of  atrrrttey.    1805. 


48  VIII.  Wirtschaft.    4.  Hakdei,  und  Verkehr. 


fortwührt-rul  und  energisch  gewahrt  Erst  mit  tlcr  Rq^cning  Heinrich  VIII. 
ist  die  Münz  Verschlechterung  auch  in  F.ngbn<l  als  ein  Mittel  zur  liebung 
der  kilniglirhen  Einkünfte  angewendet  worrlcn. 

Im  skandinavischen  Nurden*  beginnt  der  Gtldgcbrauch  sich  erst  im 
10.  Jahrhundert  ein?,ul>Orgeni,  Die  ersten  in  D;inem;irk  geprägten  Mftnzen 
gehören  dem  Ende  des  10.  jahrh.  nn.  In  Sihwetien  ist  eine  Ceklprägung 
erst  im  ij.  Jahrh.  mit  Sicherheit  na<:h7.uweisen. 

Nach  der  ältesten  danischen  Geldrechnung  galt  1  Mark  Goldes  =  8  Mark 
Silber;  doch  ist  weder  von  einer  Guldprilgung  n<Kh  vim  einem  Umlauf  fremder 
GitidniOn/en  dir  RikU';  die  Mark  Goldes  war  nur  eine  Kwhnungseinheit;  die 
hauptsächlich  zur  Bewertung  von  I.ii.-gi.-nschaftcn  Anwendung  fand.  3  Mark 
(i«(ltles^24  Mark  Silber  Mellte  den  Wert  eines  Hauemgutrs  dar.  Ursprüng- 
lich entsprach  die  Mark  Geldes  einer  Gewichlsmark  Silbera.  Aber  baki  nach 
der  Einbtlrgerung  eigner  PrJlgiing  entstand  ein  Unterschied.  Im  Anfange  des 
13.  Jahrh.  galt  eine  Mark  Geldes  nuch  den  dritten  Teil  einer  Mark  Silbers 
(234  Gramml,  ein  Verh.lhnis  zu  welchem  in  Lflbcck  nttcli  im  14.  Jahrh.  das 
Silber  au.>igeprAgt  wunle,  wahrend  der  danische  Pfennig  nur  mehr  die  ll.'tlfte 
eini-s  lühischen  wert  war.  Die  Mark  war  wälirend  des  Mittelalters  in  8  örc 
(Unzen)  zu  3  Urtug,  diese  in  Danemark  in  10,  in  .Schweden  in  8,  in  G«ith- 
Innd  in  16  Pfennige  untergeteilt;  gitprflgt  wurden  aber  nur  ganze  und  halbe 
Ömige  und  l'fennige,  wahrend  die  tlbrigen  Glieder  des  MHnzsvstems  nur 
Rechnungseinhciien  waren.  Die  Münzvci^ihlediterungen  des  t4,  und  15.  Jahr- 
hunderts betrafen  Schn.t  und  Kom;  wahrend  das  MOnzsiJber  notrh  im  An- 
fange des  14.  Jahrhunderts  I4lntig  war,  wurde  es  int  i,v  Jahrh.  nur  mehr 
1 1  lutig  verwendet,  ja  K.  Eriih  machte  die  SilbcnnOnzen  sii  schlecht,  dasa  sie 
fast  für  Kupfermünzen  galten.  Um  den  MünzverAimingcn  z\i  steuern,  'A-urde 
1424  eine  Münz  Vereinigung  der  drei  skandinanscheu  Reiclie  mit  Hamburg, 
Lübeck.  Lüneburg  und  Wismar  abgesch!<»!vsen,  die  aber  den  weiteren  Verfall 
des  Münzwesens  nicht  aufliahen  konnte,  da  überdies  das  ursprünglich  nur 
dem  Könige  zustehende  Mönzrecht  auch  an  Bischöfe  tmd  St.'ldte  verlieheji 
war.  FuF  den  Handel  mit  dem  Auslande,  insbesondere  mit  der  Hansa  kam 
immer  mehr  fremdes  (deul.schej*,  engli.-tches  uml  tranzrVsiscUes)  Geld  in  Ver- 
wendung und  dasselbe  bürgerte  sich  auch  im  inländischen  stadiischen  Ver- 
kehr ein,  bis  endlich  gegen  Ende  des  MA.  durch  Prägung  vuii  Gold-  und 
grossen  Silhermünzen  {Thalem)  t^rthmng  in  das  Mün/.wpse.n  gcbrnHit  -wnirde. 

Einen  Kreditgebrauch  für  gescliafUEche  Zwecke  kennt  die  frühere  Zeit 
des  deutschen  Mittelalters  nicht;  nur  in  Notfällen  wurden  Darlclien  aufge- 
nommen gegen  Hingabe  vnn  Mobiliariifand  oder  iiesitzübertragiing  von 
GnindslüLken  {altere  Satzung).  Der  kaiiLHitsche  Grundsalz  der  Znislnsigkeit 
des  Darleheas  ist  in  Deut-srhland  in  der  Kanitingerzeit  gleichfalls  anerkannt, 
aber  keineswegs  durchgedamgen.  Insbesondere  durch  Ver|ifandung  de«  Gutes 
mit  den  Früchten,  sowie  thircli  verscliictlnc  Bewertung  des  Pfandes  beim 
DarleJien  und  beim  Verkauf  wusste  man  das  Zinsverbut  zu  umgehen.  .Seit 
dem  10,  Jahrhuudcrle  beginnen  insbesiHuiere  die  geistlichen  Stifter,  weUhe 
grössere  Geldschatze  gesammelt  haben,  auch  als  Geldverieiher  eine  Rolle  zu 
spielen;  Könige  und  Grussgrundbesitzer,  aber  auch  Mim'sterialen  werden  Uire 
Schuldner;  neben  dem  baren  Gelde  h-ilu-n  sie  auch  Gold-  und  Sil  berge  rfitt:, 
da  deren  Metallwert  weit  mehr  als  ihr  Kunst-  rvder  Fonnwert  in  IJetracJit 
kam. 


•  Grautafr.    Getikühte  dfi  läbisehen  .\ft1n»/ussej.  (Historiwlie  Schriften  III.)    1836. 
NordatrOm,   IliJratr  Uli  itett  svemta  SamhiUis-fürJattningmi  Aitlortn.    1853- 


L 


Der  gcsdia/üiche  Kredit  hegiimt  teils  im  Anscliliiss  an  den  Waarenhandel, 
teUs  mit  dem  Geldwechsel  sich  auszubilden.  In  erater  RtLULung  sind  ins- 
besondere die  Juden,  lAimbarden  und  Coweraen  (Kaufleute  aus  Cahor), 
b^Onstigt  durch  ihre  StcUung  als  Händler  in  den  kOiiijiÜrhen  Palatien  und 
bischonicben  Residenzen,  seit  dem  i,v  Jahrh.  tliätig;  die  ;ui  den  Geklwerlisel 
sich  anschliesÄmdcn  KreditgeschJlfte  liegen  zuerat  in  den  HflndeJi  der  Münzer- 
gesdbchaflen,  wahrend  In  der  F«.i%c  die  L<.imbardcn  und  butd  auch  hier  die 
Juden  wichtig  werden;  an  der  Hand  itahcnischer  EinriHitungen  (Giro  und 
Wedisel)  bünjert  sich  audi  in  Deuisdiland  der  Anfang  eines  bankmftssigen 
Kredi Geschäftes  ein,  bei  welchem  Geldsumtiien.  übergeben  werden,  uin  an 
anderen  Orten  und  zu  spaterer  Zeit  wieder  bezahlt  zu  werden.  Die  ober- 
deutsrbttn  Städte  insbesondere  sind  in  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters  zu 
Bankplatzen  fflr  den  <leutsclien  Verkehr  geworden.  Das  Anwachsen  des 
KapitaU  in  den  Städten  andcrseils  bewirkte  die  Hauserleihc  und  den  Renten- 
kauf, durch  welchen  die  Möglichkeit  ges*'haffen  wurde,  ohne  die  Form  eines 
Darlehenigeschafies  sich  zeitliche  oder  ewige  Renten  durch  die  Cbetgabe 
einer  Geldsumme  an  den  Renten.schuldncr  zu  sichern. 

Die  Ausbildung  des  «"iffentlicben  Kredits  hat  erst  mit  fester  Begründung 
der  Landeshoheit  und  mit  der  Entwicklung  des  StJldtewesens  grüs-sere 
Dimensionen  angcjiommcn.  Ein  Reirhssclmldenwesen  im  eigentlichen  Simie 
hat  es  wahrend  des  ganzen  Mittclalteis  ebenso  wenig  gegeben,  als  fibcrhaupt 
einen  eigentlichen  Reidishaushalt.  W'uhl  aber  hat^das  Reidisuberliaupt  xicl- 
tach  als  SfJches,  nicht  nur  als  Tandes-  oder  Grundherr,  VorschOsse  genommen, 
für  weldie  dann  bald  in  der  alteren  Weise  der  Satzung  einzelne  Reichsgüter 
und  Gefalle  veri>fü]idet  wurden,  bald  nach  dem  bereits  im  12.  Jahrb.  ange- 
wandten Anweisungssystenie  einzelne  RcirhseinküJifte  zur  Tilgung  Überwie*eii 
u-urden.  In  alterer  Zeit  waren  zweifellos  die  reichen  geistlichen  Stifter»  denen 
sidi  bald  auch  cinzehic  gvldkr^Ttige  Grundlierm  beigesellten,  die  liauptsflcli- 
iadilii-hen  Gläubiger  des  kaiserlichen  Kiskas  gewesen;  seit  dem  13.  Jahrh. 
treten  deutlich  die  Slüdte  in  den  Vordergrund;  hier  vor  allem  bildeten  sich 
mit  der  Henscbaft  der  Geldwirtschaft  grosse  mobile  Reichtümer,  mit  deren 
Darleihung  HobeiLsr>-chte,  wie  Zoll,  Münze  und  Steuern,  Gericht  und  Juden- 
sehul/,  vom  Reiche  zu  erwerben  waren.  Seit  aber  das  Finanzwesen  der  Städte 
mit  der  Erwejbmig  der  wichtigsten  nutzliaren  Hoheitsrechte  sich  konsolidiert 
halte,  hörte  ihre  Bereitwilligkeit  auf,  dem  Kaiser  Darlehen  zu  geben.  Ein- 
zelne reiche  Kaufleute  traten  allerdings  schon  im  13.  Jahrh.  auch  direkt  mit 
dem  Reichss<'hatzamte  in  Kreditges^rhäfte  ein;  aber  dt>cli  i.st  diese  Art  der 
Darletieiisaufnuiime  wahrend  des  MA.  nur  selten  und  erst  im  16.  Jahrh.  für 
das  Rddisfinatuwcscn  bedeutsam  geworden  (Fugger,  Weber  u.  a.).  —  Fast 
dieselbe  Entwickclung  zeigt  der  öffentliche  Kredit  in  den  einzelnen  Territorien 
des  deutschen  Reiches.  Die  St^ldtc  sind  auch  für  das  Kreditbedürfitis  der 
I<ande$herren  die  wichtigsten  Geldgeber  geworden  und  haben  dafür  die  Ho- 
heitsrechte an  sidi  zu  bringen  gctradUei.  Daneben  traten  die  Vasallen  der 
l^andeslierm,  später  auch  die  Beamten,  die  gegen  Veri>fändmig  von  Gütern, 
Rechten  und  Amtsgeftlllcn  Geld  vorstreckten;  ferner  Kaufleute,  Wech^er  imd 
Münzer,  Juden  und  Lombarden,  wddie  den  Landesfürslen  in.sbcsondere  in 
den  täglichen  (jeldangeJegenheiien  aiLshalfen,  aber  auch  schon  als  ihre  eigent- 
lidien  Banquieis  fungierten.  —  In  der  Stadtverwallung  spich  der  öffentliche 
Kredit  cme  wesentlich  andere  Rolle.  Die  Städte  ueluucn  ihren  Kredit  nur 
nun  Teil  in  Anspruch,  \an  grossere  Ausgaben  für  öffentliche  Bauten  (Be- 
festigung, Rathaus-  und  Kirchenbauten),  für  Kriege  imd  Fehden,  für  Reprfl- 
fientation    u.  a.  zu    bestreiten;    sie    benutzen   ütrcn  Kredit   aber  auch  um  ge- 

CtcBunUche  Pbilolock  IIL    2.  Aufl.  4 


50  VIII.  Wirtschaft.     4.  Handel  und  Verkehr. 

wiimbringende  öffentliche  Unternehmungen  einzurichten,  wie  Wechselbänke 
und  Rentenanstalten.  Seit  dem  14.  Jahrh.  wurde  es  immer  mehr  Üblich, 
dass  die  Städte  durch  ihre  eignen  Kreditkassen  Rentenbriefe  ausgaben  (Ewig- 
geld, Leib-  und  Zeitrenten);  am  Ende  des  MA.  ist  das  städtische  Schulden- 
wesen schon  so  weit  entwickelt,  dass  kaum  eine  grössere  Stadt  ohne  Schulden- 
kasse, ohne  städtische  Rentenbriefe  und  olme  verpfändeten  Besitz  war.  — 
Die  Zinsenhöhe  für  gewöhnliche  Gelddarlehen  ist  im  frtiheren  MA.  weit  ver- 
schiedener als  in  den  letzten  Jahrhunderten  desselben,  wo  der  Geldüberfluss 
und  der  Kreditgebrauch  eben  schon  viel  r^elmässiger  geworden  waren.  Da- 
mit in  Zusammenhang  steht  aber  auch  die  schon  im  MA.  deutlich  hervor- 
tretende Tendenz  des  sinkenden  Zinsfusses;  während  noch  im  13.  Jahrh.  der 
von  Landesherm  gewährte  Zinsfuss  unter  gewöhnlichen  Umständen  10 — 12 
Prozent  betrug,  auch  die  Rentenkäuie  dieser  Zeit  am  häufigsten  mit  einem 
loprozentigen  Zinsfusse  berechnet  wurden,  ist  gegen  Ende  des  MA.  sowohl 
in  Nord-  als  in  Süddeutschland  ein  Normalzinsfuss  von  5  Prozent  erreicht 


IX.  ABSCHNITT. 

RECHT 

KARL    VON    AMIRA. 


EINLEITUNG.  » 

gfrmaiüsche  Recht  erscheint  von  seinem  ersten  gcstiiichtHdieii  Auf- 
trclim  an  in  Gestalt  der  Rechte  einzelner  germamscher  Stamme,  Völker, 
Länder,  Orte.  Diese  Rechte  haben  schon  zu  der  Zeit,  da  sie  zum  ersten 
Mal  unserer  Kenntnis  zugänglich  werden,  einen  Jahrtausende  alten  Ent- 
wicklungsgang hinter  sich,  der  bei  einem  jctien  eigenartig  dun'h  {iie  licsonde-ren 
Leb«nsbedingimgen  und  Schicksale  der  Recht^eiiossen  hcstinunt  gewesen  war. 
Von  hier  aus  erklärt  sich,  dass  vom  Beginn  des  historischen  Zeil  an  die  gcrmani- 
irhcn  Rechte  in  wescnllichrn  Beziehungen  von  einander  abweichen,  ja  scharfe 
Gegensillze  aufweisen,  und  dass  in  keinem  der  Repräsentant  eines  gennani- 
scben  Urrechts  erblickt  werden  darf.  Andererseits  setzt  sich  in  der  hislori- 
•chcn  Zfit,  cTit.s])rechend  der  VerSndenmg  der  Kultur  überiiaupl,  die  Ver- 
audertmg  der  Sonderrechte  fort,  wobei  sich  dieselben  bald  von  einander 
noch  weiter  entfernen,  bald  aber  auch  einander  nähern.  Letzteres  geschieht 
zum  Teil  dadurch,  dass  ein  Recht  auf  ein  anderes  einwirkt.  Dnch  greift 
dieser  Einfluss  nie  »j  tief,  diuis  auch  nur  der  Hauptsache  nach  das  bcoin> 
fltuste  Recht  \'om  ejnflirÄJCiidrn  verdrangt  worden  wSre.  Aus  allen  diesen 
Tbatsadien  ergelten  sich  zwei  nielhixlo!" >gische  Sätze:  i)  die  Erkenntnis  des 
genoanischen  Rechts  in  der  historischen  Zeit  ist  nur  aus  der  Geschichte  aller 
germanischen  Sonderrechte  zu  gewinnen;  2)  die  vor  aller  Geschichte  liegenden 
Ausgangspunkte  der  Sondcrciituickluiig,  das  germanische  »Urrecht«,  von 
dessen  Verständnis  das  der  Sondcrentwicklung  selbst  greisen  Teils  abhangt, 
kennen  wir  nur  auf  dem  Weg  vergleichender  Dunrliforschung  aller  Sonder- 
rechte rekonstruieren. 

§  2.  Die  Rechte,  deren  Geschichte  sich  quellenmassig  darstellen  lasst» 
sind  die  samtlichen  wcstgcrmaiusdien  oder  deutschen,  welche  die  Vülkejr- 
wanderung  überdauert  haben,  und  von  den  ostgerraimisdien  die  der  drei 
akandinavisclien    HauptatSrnme,    daiui    die    der    Goten    und  der    Buigundcn. 


1  V,  Amira,   ÜÄf  Zwrt  u.  MitUi  drr  grrman,  Jtm/itjgruMieAir,  :8;6.     Vgl.  «udi 
K.  MaarCft    tMtigt  ttver  de  nantgrrm.   RefsJtilJfrs  HiHertt.    1878,  S.    I — \t. 


52  IX.  Recht.    Eisleitüvg. 

Chronologisch  genommen  liegen  die  ersten  Nachrichten  über  diese  Rechte 
vor  in  den  Werken  von  Geschiclitschreibem  und  den  Schilderungen,  welche 
Geographen,  BriefsteJler,  Rhetoren  und  Diditer  vom  öffentlichen  und  Pri\*at- 
Icbcn  ihres  Zeitalters  entwerfen.  Das  Bild  aber,  welches  aus  solchen  Quellen 
gewonnen  wird,  bleibt  ihrer  beträrhiÜrhen  Zahl  ungeachtet  Jahrliundertc  hin- 
durch ein  äusscnit  lückenhaftes  und  unsicheres.  Denn  es  sind,  von  denen 
des  Tacitas  abgesehen,  nur  gelegentliche  Aufschlüsse,  die  uns  zu  Teil  werden, 
und  es  Lst  insgemein  eine  unnationale  Literatur,  welche  uns  die  Aufsdilüsse 
zukommen  Iflsst.  Seltene  Streiflichter  fallen  auf  die  Rechtszustande  dieser 
frühesten  histonschen  Zeil  von  der  Archlolf)gic  oder  von  den  Inschriften  aus. 
Bestimmtheit  aber  erlangirn  unsere  Voratellungen  von  den  germanischen 
Recliten  erst  von  jenen  Zeiten  an,  aus  welchen  dieselben  Denkmäler  (§§  4 — 36) 
hinterlassen  haben.  Docli  sind  die  Denkmäler  niemals  so  vollständig,  dass 
sie  den  Forscher  der  Aufgabe  entheben,  die  übrigen  geschieht! ich fn  Erkenntnis- 
quellen  anszubeuten.  Unter  den  letzteren  bchanptr-n  nunmehr  die  Werke  der 
nationalen  und  der  kinOihchcn  Literatur  den  ersten  Rang.  Sieht  man  auf 
die  chronologische  Verteilung  des  QucllenmatcriaJs  unter  die  einzehien  Rechte, 
so  fallt  der  älteste  Vorrat  denjenigen  zu,  welche  zuerst  mit  der  antiken  Kultur 
in  Berührung  gekomincji  sind,  also  den  südgermamsdien,  d.  h.  den  deut- 
schen und  dem  südlichen  Zweig  der  ostgermanischen.  Im  Ganzen  um  mehr 
als  ein  Jahrtausend  spater  erst  binnen  die  schriftlichen  Überliefenmgen  der 
skandinavischen  Rechte.  Es  wflre  aber  ein  gefährlicher  Irrtum,  wenn  aus 
diesem  Umstand  gcstiilossen  werden  sollte,  die  skandinavische  Rechtage- 
schichte hebe  auf  einer  auch  nur  dem  Durchschnitt  nadi  jungem  Entwick- 
lungsstufe an  als  die  sOdgermanische.  Erwilgt  man  die  geschieh tUchui  Bc- 
<linguDgcn,  utiter  denen  die  Rechte  sich  zu  entwickeln  hatten,  so  wird  man 
eher  erwarten  —  und  der  Quellenbcfund  bestätigt  es  — ,  dass  Verandenmgen 
in  den  südgcrmanischen  Rechten  früher  ab  in  den  nordischen,  und  insbe- 
sondere, dass  hei  jenen  eine  wenigstens  teilweise  Entnatii^naltsierung  zu  einer 
Zeit  eingetreten  sein  werde,  als  die  nordischen  Rechte  noch  auf  \-iele  Jahr- 
hunderte gjuiz  und  gar  sich  selbst  überlassen  blieben.  Überdies  verschwhidct 
der  chronologische  Vorzug  der  südgermanischen  Quellen,  sobald  es  auf  Form 
(insbesondere  Sprache)  uud  Vollständigkeit  der  Cbeiliefemng  und  auf  die 
Herkunft  ihres  Stoffes  (vgl.  §  85  f.)  ankommt.  —  Die  ersten  wissenschaft- 
lichen Bearbeitungen  grösseren  Massstabs  \  welche  die  Rechtsgeschichte  ger- 
manischer Vülket  gefunden  hat,  gehören  dem  i/.  fahrh.  au  mid  knüpfen 
«ich  an  die  Namen  Hugo  Grotius  {1631),  Hermann  C'onring  (itH^  vgL 
Bd.  I,  S.  18)  und  Jfdi,  O.  StiernhöOk  (167^).  Doch  bleibt  bis  m  die 
zweite  Hälfte  des  i8.  Jalirhs.  die  Richtung  der  Forscher,  selbst  bei  so 
hervorragemlen  wie  dem  Deutschen  Joh.  Gottl.  Heincccius  und  dem 
Danen  Feder  Kofod  Ancher  eine  überwiegend  antiquarische  oder  aber 
praktische.  Es  feldt  noch  der  historische  Sinn,  welcher  darauf  ausübt,  den 
Kausalzusammen liang  der  RechtsiiistJlute  unter  einander  und  mit  den  Kultur- 
verhaltiiissen  bloss  zu  legni.  Einer  tiefem  hi.storischen  Auffassung  zunächst 
der  deutschen  Rech isvergangen heil  Bahn  gebrochen  hat  Justus  Moser  (17C8). 
Er  vermittelt  den  Übergang  zu  dem  neben  Savigny  einflussrciciisten  Vertreter 
<ler  sogen,  historischen  Juristen  schule,  Karl  Friedrich  Eichhorn,  der 
in  seiner  vierbündigen  •'daUuhat  Sfaals-  und  Üechtsgeschir/ite*  (seit  i8o8,  — 
5.    Aufl.    1&43    und    1844)    das    erste    Gesamtbild    der    vejschiedenen    Zeit- 


>  Zum  Fo^endeii  vgl.  H.  Brunner,  ZV»*/.  Rtchtsgfichichte  1 1  5.     Stemtnn,  Dtn 


Zeit  per  Obgrmeferuxgen.     Literatur. 


53 


^ter  des  wichtigsten  Rechts  in  Deutschland  auf  Grund  seiner  eigenen 
Forschungsergebnisse  und  jener  seiner  VorgSr^etr  entworfen  liaL  Dieses 
Werk  ii*t  nicht  nur  in  seiner  Heimat,  trou  der  Fülle  von  sehr  wesentlichen 
Berirhtigungen,  die  ihm  die  nachfolgende  Literatur  hat  angedcilicu  lassen, 
Ims  in  die  letzten  Jahre  der  Mittelpunkt  alles  dessen  geblieben,  was  über 
Gesirhichte  des  deutschen  Rcclits  geschrieben  worden  ist.  Es  hat  auch  den 
Bearbeitern  anderer  germanischer  Rechte,  insbesondere  dem  Verfasser  des 
laiigc  Zeit  hcrrsciicndeii  LcJirhuchs  der  dänischen  Rechtsgeschiclile,  Kolderup 
Rosenvinge  (für  dessen  erste  Aufl.  1822  und  1823)  zum  Vorbild  gedient. 
Die  Verbindung  der  Rechlsgeschichte  mit  der  neueren  germanistischen  I'hilo- 
iogte  herzustellen  war  jedoch  Jakob  Grimm  vorbclialtcn,  der  in  seinen 
»Jiechlmlltrihämem*  (1828)  und  in  kleineren  Schriften  für  die  Mehrzahl  unserer 
Juristen  nicht  so  wohl  ein  nacliahmcnswertes  Bewpicl  gegeben,  als  die  Arbeit 
schim  erledigt  zu  haben  sfhien,  die  sie  hatten  fortsetzen  sollen.  Ihre  Zwecke 
blieben  eben  in  erster  Linie  praktisclic  (vgl.  Bd.  I,  S.  155),  Damit  Ist  auf 
eine  Arbeitsteilung  gefahrlichster  Art  hingedeutet,  weldie  von  der  Mehrzahl 
der  Fachgcnosscn  bis  zmii  beuligen  Tag  befolgt  worden  ist:  die  Juristen 
wollten  nicht  Philologen,  die  Philologen  nicht  Juristen  sein,  jene  vor  allem 
nichts  von  Grammatik,  diese  vor  allem  nichts  von  Konstruktion  wissen. 
Geradezu  eine  methotiokfgische  Vfn»*irrung  aber  mussic  cinreissen,  als  seit 
den  40er  Jahren  unter  Veraicht  sowohl  auf  juristische  als  auf  grammatische 
Schului^  eine  Gruppe  von  >HistoriktTn«  den  Wettbewerb  ums  rcchLsgc- 
schirhüiche  Gebiet  der  Germanistik  iuitrat. »  Beim  Anblick  der  geradezu 
widcrgeschichtlichen  Darslellungswcise  allerdings,  welche  bis  in  die  letzten 
Jahre  unter  dem  Namen  der  jsysteniatisrhen«  den  Rückfall  der  von  Juristen 
verfassten  Lehr-  un<l  Handbücher  in  die  vor-F,ichhomsche  Manier  be- 
leichncte,  wird  jener  Verzicht  begreiflich.  Die  Erkenntnis,  dass  nicht  die 
Methode,  sondern  nur  das  Objc-kt  der  Forschung  spezialisiert  werden  dürfe, 
beihätigten  nur  wen^e.  Her\'orzulieben  sind  unter  ihnen  die  Deutschen 
Kari  GusL  Homcyer,  W.  E.  Wilda,  Karl  Freiherr  v.  Richihofen,  Reinh. 
$chmid,  Jul.  Fickcr,  W.  Arnold,  Konr.  Maurer,  Heinr.  Brunner,  der 
Englander  John  Mitchell  Kemble,  die  Schweden  Karl  Joh.  Schlytcr  und 
Knut  Olivecrona,  die  Norwqter  Peter  Andr.  Munch  und  Rud.  Keyscr, 
der  Dane  J.  E.  Larsen,  der  Islander  Vilhjälmur  Finsen.  Indem  so  der 
Gegensalz  der  wissenschaftlichen  Richtungen  gekennzeichnet  wird,  soll  doch 
niclit  das  Verdienst  bestritten  werden,  welches  sich  die  ob  ihrer  Einseitigkeit 
anfechtbaren  durch  Vermehnuig  des  Forschungsmaterials  und  Emiittelung 
einer  ungezählten  Mei^  von  rc«.  htsgeschichtlichen  Kinzeldaten  erworben 
haben.  Um  s<»  dringender  macht  sicii  das  Bedürfnis  einer  streng  wissen- 
schaftlichen Bibliographie  der  germanischen  Rechi-sgesdiichte  geitcnd.  E.  H. 
Costas  Bibliographie  der  iffutsfh.  firthtx^stfiifhte  reicht  nur  bis  1857,  die 
OtfmicAi  van  Ouä-NcderUindscke  rtchtsbrüaaen  von  S.  J.  Fockema  Andreae 
(HaarL  1881)  bringt  zwar  zalilreiche,  aber  ihrem  Zweck  gcmüss  nur  beiläufige 
LitcTaturang;ibcn  Über  altniederl.  R.  .^uch  A.  Aagesens  Forttgneise  otvr 
RtiuamUngtr,  RefsHtfratur  m.  m.  i  Danmark,  Norge,  Si-erig  og  til  Dels  Finland 
(Kjobcnh.  1876)  berücksichtigt  die  liisl()rLst:he  Literatur  nicht  planniiKsig  und 
wird  nur  teilweise  durch  V.  A.  Sechers  Fortegn.   over  den   Damke   Rets  Lit 

'  Als  Eioeil,  der  &kli  iliircli  diesen  Salc  gctrufTen  ntblle,  hat  »ich  in  Hist.  Zschr.  1893 
LXX  443  K.  Hegel  gemeldet.  Ich  bt^nUge  midi  daiittl,  auf  setaen  AiuUall  eu  erwidern, 
das»  ich  unter  * mctbodologischcr  Verwimingi  uUerdin^  Verwirnicg  der  Metbodenlehre 
vcntebe,  uod  dAU  die  Hegclsche  Chaamklffistik  der  juhstisdkeD  RccbtegeMJuchtc  ein  Zerr- 
bUd  üi. 


54 


IX.  Recht.    Einlbttuwg. 


t8j6 — 1883  {Ugeskrift  for  Rctsvaescn  Kjobenh.  1884)  nebst  Nachtragen  1884 — 88) 
(ebendort  1889)  und  1889 — 93  (ebendort  189.^)  ergänzt  Endlich  das  -  F^r- 
zeichnis  der  Liierafur  der  nord^rman.  Reehtsgesehichfe*  welch«  K.  Lehrhana 
in  der  Zschr.  f.  Rechtsgesch.  Bd.  XX  {VII,  1887)  mit  Nachtrag  in  Bd.  XXI 
(VIII,  188B)  vcröffaillicht  hat.  ist  nicht  nur  äusserst  iQckeiüiaft  und  unzuver- 
lässig, sondern  aucli  tcndcnziüs  angelegt.  *  Dagegen  fehk  es  nicht  an  Werben, 
welche  die  Ergebnisse  der  Spezialuntersuchungen  für  die  «ichtigstcn  Gruppen 
von  ReiThten  sowie  für  einzelne  Re<:htsgebiete  zusammenfassen.  Hier  sollen 
nur  diejenigen  genannt  werden,  welche  sich  durch  Selbständigkeit  in  der  Ver- 
arbeitung des  Stoffes  oder  durcli  Fülle  der  Litcraturangaben  dazu  eignen,  iii 
die  Disziplin  einzuführen: 

H.   Bninner.    Deuttche   Rtchtsgfsckkhte    (in   Binding"«    Händboch    Abt.   II) 

1.  Bd.  1887  {dwülwr  t.  Amira  in  den  Götting.  gel,  A.  188«.  S.  41—60),  n.  Bd. 
1893  (darüber  v.  Amira  a.a.O.  i8'j6  S-  i«8— an),  if,  Brunaer,  G<i<hiihU 
und  Ö'ffliiti  des  dfnUchen  Hechts  (in  v.  HolUrndorfTs  liDc)'iclopädtc  der  Kcchta* 
wisücusduft.  5.  Aufl.  1889.  S,  215 — 302,  —  eine  mcUlwIiaÜ  [»fscUricbcnc  übci-sicht!). 
R.  Schröder,  Lehrbvch  der  Jrut.  RrthlsgrSfhiehte.  2.  Aufl.  1854.  H.  Siegel, 
Deuhehf  MecMsgtsrhiehte,  irin  Ltkrbuck.  3.  Aufl.  1S95  (snii im.iriscli)-  —  E.  Glas- 
»on,  Hiiiotrf  dti  droit  rt  drs  inslituttOHS  de  la  Fraiux,  Bd.  II  l8S8,  III  1889. 
AS^nrnk-önig,  /•'landrii^fie  S/oa/s-  und  Jinftt^geschühle  bis  tum  Jahre  130S, 
3  Rde,  1835 — 39.  Schuler  v.  Libloy,  Siebenbärgisihe  Rechlsgesfhirhle.  z.  Aufl. 
3  Bde,  1867.  68.  Thudichum.  ReehtsgrsihichU  der  U'etterau.  iSf»;.  Seibertj;, 
Landei'  und  RethlAgfschithte  des  ITtrtogt.  IVtitfaleii.  4  Teile.  1860 — 75.  Cba- 
hert,  ßriichdtiUk  einer  Staats-  und  Hechtsgtsch.  der  deutseh-esterreieh.  Länder. 
1848  (in  den  Denk«chriflen  der  Wiener  Akod..  pliüos.  bistor.  Cl.  Bd.  III  u.  IV). 
Bluntüchli,    Staats-  u.   Reirhttgejch.  der  Stadt    11.    Landschaft    Zürich.    2   Bde. 

2.  Aufl.  1856.  Stcttlcr.  Staats-  u.  Kechtsgesch.  des  Kantons  Bern.  1845. 
Blumer,  Staats-  w.  Kechtsgesch.  der  iMnv/s.  Demokratien  oder  der  Kantone 
Uri,  Schwyi,  Ünterwalden,  O'lants,  Zug  u.  AppcnseU.  2  Bde.  1850 — 1859. 
V.  Segesser,  Rn^htsgesch.  der  Stitdt  und  Republik  I.tuerii.  4  Bde.  1850 — 54, 
O.  Scbttiidl,  Rithtsgesch.  1,17-,  Est-  «.  Curl<tnds.  1895  (in  den  Dorpater juiüt. 
Studien  III),  Phillips,  l'ersuch  einer  Darstellung  der  Gesch.  des  Angetsäehs. 
Rechts.  1825.  —  KoIderup-RoscnTinge,  Grundrids  af  den  danste  Reu- 
hiilorie  (1.  Aufl.  Grundr.  af  d.  d.  Lovkistorie  in  2  Teilen  1822,  33.  übersetzt  u. 
mit  AntnerkuHgen  begleitet  von  Horaeycr  1825')  2.  Aufl.  (sj'äiemaüsdi  angeordnet) 
in  2  Teilen  1832,  ditfu  Larsen.  Fore/actNinger  over  den  danske  Retshist<»rie, 
shtttettde  sig  tit  K.  Rosenvinges  danske  Rrfshistorie  .  .  .  holdle  i  Anrene  iSSJ — SS- 
1861  (auch  in  Lanena  Samlede  Strißer  Bd.  I  S.  237,  550).  Stcmann,  TÄr« 
danske  Rttshistorie  indlii  Christian  i'.'s  L<rt^.  1871.  Derselbe,  Geschickte  dei 
Sßenit.  u.  Privatreehls  det  //rrzugtums  Sch/esTt'tg.  i  Bde.  I8ilj6.  MatzcHi 
Roretttsninger  tn-er  den  dtinsie  RetsAistorie,  Offentlig  Ret  I  1893,  II  1894,  ^ 
1895,  Privniret  T  1895,  11  1896.  —  Brandt,  Forel^sninger  aver  den  Norske 
/ü-Uhistarie.   2  Bde.   1880,   83. 

§  3.  Die  vergleichende  Erforschung  des  altgenuanischcu  Rechts  (Vcr- 
gleichung  genommen  in  dem  Bd.  1,  S.  170  erwähnten  zweiten  Sinne)  reicht 
bis  hl  die  Zeiten  Ccnrings  und  Stiernhöüks  bin.iuf,  von  denen  der  erstere 
schon  auf  den  Werl  der  skand.  Rechte  für  die  Erkenntnis  der  alldeutschen 
liingewie.sen  hat.  Dennoch  Uessen  durchschlagende  Ergebmsäe  noch  über 
anderthalb  Jahrhunderte  auf  sich  warten,  weil  es  den  RechLsantiquaren  und 
-hi&lorikem,  insbescmderc  in  Deutschland,  ebensosehr  an  tinguislischen  Kennt- 


'  Dii-so  Ucfcil  hiilio  ich  l>egrUndt?l  im  Lit.  Bl.  f.  gcrmao.  u.  Tom.  Philnl.  1887  Sp. 
249  —  255,  und  untiT  Vcnidsung  hirrauf  gibt  ein  ähniinhcs  ab  Hj.  Haniinarskjold  in 
Tidskr.  f.  Kttsvidcnsluib  188S  S.  l^S.  Von  drm  mciiii|<en  ^luch  nur  ein  Wi>rt  zurUck- 
■unebmen,  kann  mich  der  Lehninnii'stihc  tAbwehTcVerfudi  um  so  weniger  besdnuiien, 
als  derseliie  sichtlich  auf  Leser  beredinet  ist,  die  skh  ein  selbständiges  Uneil  in  dieser 
Sache  nicht  bilden  kOnnen. 

*  Diese  Atwgabe  wird  wegen  ihre«  Weriea  und  ihrer  Verbreitung  in  Deutschland  in 
gegenwüttigetii  Grundriu  dticrt. 


Vkrgleichende  FoRäcntJNO» 


55 


^ 


niasen  wie  an  krilisch  gesichtetem  Material  gebrach.  Erst  Jakob  Grimm 
A-ereinigte  in  sich  die  philologische  Ausrüstung  mit  der  juristischen  Vorbildung, 
die  Belesenhcit  mit  der  Kombinationskrart,  «m  in  seinen  ^Deutschen  Hfchls- 
aüerfümrm*  (1828,  unverändert  abj^ednickl  1854  und  1881)  ein  Gesamtbild  des 
geimani-wlieji  Rechts  aus  der  Vogcls('hau  (unter  vorwiegender  BcrQrksirhtigUDg 
des  »sinnlirlien  Elements»)  entwerfen  zu  können.  Nicht  nur  die  Menge  des 
darin  aufgespcichcrtai  Materials,  sondern  |auch  die  Behutsamkeit  womit  es 
1-erwertet  war  un<i  die  Fülle  feiner  Beobachtungen,  woxu  es  dem  Verfasser 
Anlaas  geboten  hat,  sicherten  dem  Buche  eine  Dauerhafti^^keit  wie  keinem 
andern  germanistischen  Werk.  Es  ist  aber  bis  heute  auch  das  ciniigc  in 
seiner  Art  geblieben.  Je  mehr  an  neuen  Quellen  erschlossen,  je  besser  der 
ahe  Vorrat  zugänglich  gemacht,  je  dcutliiher  die  Abhängigkeit  der  kompara- 
tiven Forschung  von  der  spezialgeschichl  liehen  empfunden  wurde,  desto  ent- 
schiedener sah  sich  auch  die  erslcre  auf  den  Weg  der  Spezialarbeit  gewiesen. 
Ntir  F.in  (ieldirter  nach  J.  Grimm,  With.  Ed.  Wilda  in  seinem  -Siro/rechl 
der  Gtnnanen  {_» Gnfhi'rhlf  tiis  fttulschen  ^ra/refhls*  1.  Bd.  1842),  hat  wenig- 
stens noch  von  einem  Hauptteil  aller  germanischen  Rechte  eine  vergicichuide 
Gesamtflaistellung  versucht.  Die  von  Grimm  und  Wilda  ausgehende  An- 
regung bewirkte  aber,  dass  nun  hfiufiger  als  vonnals  diejenigen  Rechte, 
weiche  durch  die  Art  ihrer  Überlieferung  für  eine  knmiiarative  Germanistik 
erst  den  festen  Bixien  bereiten,  nSmlich  die  skandinavischen,  sowie  das 
angekachsUche  und  das  friesische,  zum  Gegenstand  eindringender  Unter- 
suchungen gemacht  wurden.  Die  Mehrzahl  der  sogen.  »Germanisten«  unter 
den  deutschen  Rcchlshistorikeni  freilich  hatte  geraume  Zeit  hindurch  ihre 
Gründe,  um  eine  derartige  Weite  des  Gesichtskreises  zu  verschmähen  und 
sogar  den  Begriff  des  b  Deutschen'  —  ihrer  Domäne  —  auf  den  Kreis  jener 
Quellen  dnxaschranken,  zu  deren  Lektüre  die  Gymnasialbildung  notdürftig 
ausreicht  Erst  seit  wenigen  Jahren  scheinen  diese  Gegensat7,e-  im  Grossen  imd 
Ganzen  Qbciwmidcn,  zum  Vorteil  der  vergleichenden  Forschung  auf  breitester 
Grundlage,  nicht  ohne  da-ss  als  Preis  des  Kampfes  eine  k«^>mi>arative  Methode 
XU  verzeichnen  ist,  welche  sich  über  den  altere»  naiven  Subjektivismus  crheijt.  * 
Den  Gegenstand  des  Vergleicheas  bilden  zunächst  die  Re^htsQberiieferungen 
germatiischer  Nationalist.  Zuvor  muss  an  ihnen  die  rein  historisch-kri tische 
Ar)>eit  vollzogen  sein  und  insbesondere  festgestellt  sein,  inwieweit  bei  vor- 
handener Inhaltsahnlichkeit  unter  verschiedenen  Rechten  Entlehnimg  oder 
analoge  EntwU-klung  (s.  Bd.  I.  S.  171  f.)  anzunehmen  Ist.  fostgeslelU  ferner, 
inwie^'eit  die  zu  vergleichenden  Institute  mit  andern  des  nämlichen  Recht» 
und  mit  der  Kultur  des  nSmlichen  Rechtsgebiets  in  Zu^immenhang  stehen. 
Xun  handelt  es  sich  danrni  den  Staimnbaura  der  Übcrlicfermigen  aufzufinden. 
Die  Nahe  otter  Entfernung  im  Vcrwamlschaftwerhaltnis  unter  den  ver- 
glichenen Stammesre»:hleii  j^bt  dabei  den  Ausgangspunkt  ab.  Sic  kann  aber 
nicht  wie  früher  fast  allgemein  geschah,  nach  der  einen  oder  andern  Inhalts- 
.Ihnlichkeit  der  Rechte  bemessen  werden.  Vielmehr  ist  der  einzige,  wenn  auch 
nur  relativ  vcrlSssige  Massstab  in  dem  Satze  gegeben,  dass  die  Rechtsfamilien  der 
alteren  Zeit  sich  mit  den  Sprach famitien  {ost-  und  westgermanisch,  gotisdi  i.  w.  S. 
und  skandinavMch,  usl-  und  westnordisch,  olter-,  mittel-  und  niederdeutsch  u.  s.  f.) 
decken,  liivi  Sprachfamilien  sind  der  Aasdruck  dergesrhichtliclien  \'ci'wandiscliafl 
unter  den  Völkern,  welche  nicht  mit  der  phystsclicn  vcr»'ccltsclt  werden  darf. 


>  Id  teilvebetn  Widcnpnidi  zu  dmi  im  Text  Folgenden  venudit  eine  auirübrlichr 
'Methodologie  J.  Ficker,  VttUrsiuhungrn  wr  ReehngeMhithte  I  1891  S.  lO — 277. 
Ptqgcn  b]it»e  ich  BKine  HAUpteiiiwäode  oieditcclcgt  in  G6tL  gel.  A.  1893  S.  259,  z(>9  — 280, 


56  IX.  Recht.    Einkeitunq. 


Handelt  es  sich  um  ursprüngliche  Gcmeinsrhaft  von  Gedanken,  so  mflssen 
*-ir  sie  dort  suchen,  wo  das  Mittel  des  Gedankenamtausches,  die  Sprache, 
gettiHnsara  Lst.  Nun  ist  aber  das  Recht  ciii  Werk  der  Gedanken  von  Men- 
schen, die  mit  einander  in  Verkehr,  in  Kuliui^emeinschaft  stehen.  Es  müssen 
also,  günstige  geographische  Bedingungen  vorausgesetzt,  die  Rechte  der  sprach- 
lich am  wenigsten  gelrennten  Völker  smi  längsten  mit  einander  in  Verbindung 
geblieben  sein.  Daher  ist  im  Zweifel  Terminologien  und  Besliramungen, 
welelie  zwei  Stammesrechten  geineinsiun  sind,  ein  diesto  höheres  Alter  zuzu- 
schreiben, je  weiter  die  .Stamme  seliwt  sich  sprachlich  wm  einander  entfernt 
haben,  oder  m.  a.  W.  je  weniger  sie  im  Gedankenaustausch  mit  einander 
geblieben  sind,  je  weniger  also  die  Rechtsgleichheit  unter  ihnen  vermutcl 
werden  dürfte.  Liegen  Rechtsgleichheiten  unter  Ästen  eines  und  desselben 
SpmchsLimmes  vor,  so  werden  jene  Über  den  Zeitpimkt  der  Trennimg  um  so 
walirscheinlicher  zurückreichen,  je  scharfer  diese  in  geograplüsclier  Beziehung 
eingetreten  ist.  Es  ist  daher  von  besonderer  Wichtigkeit,  wenn  die  Trennung 
des  Sprachstammes  sich  datieren  lilsst,  wie  z.  B.  die  des  norwegisclien  um 
870 — Q30,  die  des  anglischen  und  sachsischen  im  5.  Jahrh.  Freilich  tlürfeii 
Rückschlüsse  wie  die  angegebenen  nicht  ins  Mechanische  verfallen.  Sie  haben 
mit  der  Möglidikeit  zu  rechnen,  dass  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  Ent- 
lehnungen und  Entwickkmgsanakigieia  stattgefunden  uml  dass  die  verschiedenen 
germ.  Rechte  überhaupt  nicht  von  einem  einheitlichen  Urrecht  ihren  Ausgang 
genommen,  ebenso  aber  auch,  dass  die  Verbände,  die  wir  als  Sprachgemein- 
schaften kennen,  einen  Wandel  in  ihrer  Zusammensetzimg  erlitten  haben. 
Ergänzende  Vergleich ungsubjekte  sind  die  enlnalionali-sierten  Tochterrechte 
germanischer  Rechte,  so  da.ss  auch  das  altfranzösLsche^  anglonormannisclic 
und  englische,  das  altspanische,  portugiesische  und  iuiüenische  für  die  Erkenntnis 
des  gerroaiiL'^chen  Rechu  belangreich  werden.  *  Ferner  können  auch  unger- 
manischen Rechteu  Vergleichungsobjekte  entnommen  werden,  nidit  bloss,  wenn 
jene,  wie  z.  B.  keltische,  finnische,  slavische,  ja  auch  orientalische  mit  germanischen 
sich  berührt  liabcn  oder  wenn  sie,  wie  überhaupt  die  andcrcii  arischen  mit 
den  germanischen  in  engerem  vorgeschichtlichem  Zusammenhang  gestanden, 
sind  (vgl.  Bd.  I,  S.  7),  sondern  auch,  wenn  das  Verständnis  derjenigen 
Rückstände  ersdilosscn  werden  soll,  welche  das  frtlheste  Recht  der  Älensch- 
heit  im  historischen  der  germanischen  Völker  hinterlassen  hat  (Hauptbeispiele 
im  VcrwandtscbafLsrecht). 

Was  im  weiteren  Verlauf  dieses  Grtmdris.ses  über  germanisches  Recht 
gesagt  wird,  will,  dem  Plane  des  Werkes  gemäss,  in  das  er  sich  einordnen 
muss,  auch  nicht  von  Weitem  wie  eine  Rechtsges<-hichte  und  ebensowenig 
wie  ein  vergleichendes  System  aussehen.  Die  .Absicht  geht  lediglich  danuf, 
die  wichtigsten  Pbanuniene  zu  skizzieren,  welche  fürs  germanische  Recht 
c-harakteris lisch  sinti.  Mur^  dabei  der  Nachdruck  aufs  Typische  fallen,  da.* 
massenhaft  Individuelle  zurückgedrängt  werden,  so  wird  das  entworfene  Bild 
nur  auf  die  Bedeutung  eines  Schemas  Anspnich  machen  kftnnen.  Die  Sus- 
serste  Zeitgrenze,  bis  zu  welcher    hcnibgegangeti    werden    sull,    ist  durch  den 


*  Eioniiircnde  Liltemiur  bei  ßrunner,  Übtröliii  nlrrr  die  Oru-hühle  ä^r franiäsistfuti, 
normnnmicfitn  uitä  engtiichen  RffhuquelUn  (iii  v.  JlollzendoHTs  Encj klopödic  5.  Aufl. 
1889  S.  305—347)  and  R.  Schröder,  Lrkrb.  li.  Jntt,  RG.  S.  4—;,  Dazu;  F.  Pollock, 
and  F.  W.  Mailiand,  The  history  0/  Engliih  Law  bf/ore  fhe  timt  of  Edward  I, 
z  Vols.  1895.  S.  ferner  J.  Fickcr.  Über  nähfre  Vtm-andUckaft  iimcktn  gotisch- 
spanischem  und  nomfgisrh-itläHäischfm  Ret-fit  (in  den  MIÖG,  IT.  Ergäotb.  1887  S.  4JS 
— 54Z,  dazu  V.  AmirA  im  Liltraturbl.  f.  gnm.  u.  rom.  Philol.  1888  Sp.  i — 4.  K. 
Idatirrr,  Kj.  V;scbr.   XXXT   1889  S.   190—197}. 


A.  DenkmAler.    Allgemeines. 


57 


Schluss  des  Mittelalters  gcgt-bcn  {vgl.  Bd.  I,  S.  8).  Auf  Auscinaiidcntctzung 
seiner  Ansichten  mit  fremden  rau&s  der  Verfisser  grundsätzlich  verzichten. 
Den  Utcratuningaben  ist  durch  die  Gcsaoitanlagc  des  Grundrisses  flire  Grenze 
gezogen.  Dem  entspricht  es  auch,  da<»  clie  Nachweise  von  Qucltenpublika- 
tionen  weh  auf  diejenigen  Stücke  beschranken  müssen,  nach  denen  beim  Be- 
ginn voa  Quellenstudien  zucn>t  zu  greifen  isL 


A.  RECHTSDENKM.U£R. 

§  4-  Unter  Rechisdenkmfllem  veretebcn  wir  diejenigen  Quellen  redils- 
gesclüchtlicher  Erkenntnis,  die  zugleich  Objekte  der  letzteren  sind.  Indem 
sie  dem  rechtlichen  Di'nkcn  ihrer  Zeil  zum  .\usdruck  dienen,  verschaffen  sie  uns 
eine  Vorstellung  von  demselben.  Zum  ^^e^slandnis  üircr  Art  und  ihres  "tt'crtcs 
sei  über  das  Wesen  des  allen  Rechts  Folgendes  bemerkt 

»Recht'«  —  im  Deut  substantiviertes  Vorbaladjektiv  (alid.  mhd.  as. 
afräiik.  ni/,  ags.  niA/,  fries.  Huehi)  —  ist  zunächst  »das  Gerichtete*,  in  ge- 
höriger Richtung  Befindliche,  Gerade  (rectum,  daher  mlat.  dtredum.  Jn'rtum), 
nämlich  das  geordnete  Lebensverhältnis,  wovon  das  sog.  subjektive  Recht 
(^die  Befugnis)  ein  Hauptbeispiel.  Anderenieits  Ist  R.  die  gerade  »Richtung« 
eines  solchen  Verliflltnisscs  (skand.  re'ttr,  wozu  vgl.  Kluge  Stamrabild.  §  133), 
weiterhin  aber  auch  ilcr  Inbegriff  aller  s<:>  ge<.)n.ineten  und  »abgegrenzten« 
Verhältnisse  (skand.  sül  n.  pl.)  c»der  der  richtigen  »Lngen«  {wn.  i^g,  on.  lagk 
n.  pL,  ag*.  as.  [afränk.?]  la^u,  fries.  log,  laow.  vielleicht  auch  die  behgines 
des  Jordanes)  und  in  so  fem  der  Inb^riff  aller  Regel,  die  juch  in  diesem 
Anschaulichen  äussert,  oder  das  Recht  im  objektiven  Sinn,  wofür  das  Alt- 
deutsche die  Feminina  retija  {rräa  —  Rechnung  »Mass-Regel«,  ratio  vgl. 
Frcnsdorff:  Hut.  Au/s.  s.  And.  v.  Watt:  1886  S.  433 — 490  mit  Leist 
Gnifco-ital.  Hethtsgtseh.  1884  §  32)  und  *hiUda  (in  mhd.  unbUde,  wükhiide, 
vgl.  auch  asw.  biUugher  unten  §  77),  fcmcr  das  Ahd.  das  Fem.  gizutift  (=sdas 
Ziemende),  das  Ags.  das  diesem  brgriffsvero-andte  grnsne  gebraucht,  daher 
endlich  .das  zu  Beobachtende«  (gt>L  viiäp,  afränk.  witut,  ahd.  xvizzvd.  mhd. 
wizzät).  Dic:se  Richtschnur  aber  sucht  die  Gesellschaft  zu  ziehen  nach  gleich- 
massig  austeilender  Billigkeit,  und  dämm  \\t\ssi  den  Deutschen  das  Recht 
selbst  »Billigkeit«  —  ahd.  M^,  mhd.  ftit,  e,  fries.  ^va,  ä,  e,  ags.  dvü,  et, 
as.  maskul.  A»  {=  lat.  aequum).  Wird  die  Richtschnur  eingehalten,  so  besteht 
der  »Friede«,  i  i.  die  gegenseitige  «Schonung«  der  Menschen.  Daher  auch 
»Friede«  zu  einem  Namen  des  Rediles  wird.  Noch  in  der  alleren  histurisclicn 
Zeit  erschien  das  Recht  fast  nur  in  der  Anwendung^  so  wne  e.s  allereist 
unter  Blutsverwandten  ist,  wesswegen  es  auch  mit  der  Sippe  den  Namen 
teilte  (§  54).  •Gemachtes«  Recht  (ags.  fries.  döm.  ah<l.  iuom)  oder  »gesetztesi 
{d^  ätet/tess,  —  mntl.  sa/e  und  uilinge,  alid.  salsunge,  wn.  se/lning),  beschlossenes 
(ags.  rdden,  gmfdness),  verordnetes  (got.  garaideim),  gekorenes  (fries.  kesl,  mnL 
ioor,  ioer,  mlid.  Jhtr,  iviUekür),  vereinbartes  (mhd.  einuttge.  phaht)  in  erliebücher 
Menge  wurde  erst  durch  wirtschaftliche,  politische,  religiöse  Um^'üJzungeii 
veranlasst.  Und  noch  spJUcr  blieb  das  R.  wenigstens  zum  grösseren  Teil 
Gcwuhnheitsrecht,  »Landlauf«,  Brauch,  Sitte.  Ferner  aber  war  in  der  Früh- 
zeit alles  und  spater  noch  das  meiste  R.  Volksrechl  (on.  lypreittr,  wn. 
fyrrtler,  lyritr.  ags.  Uodriht  oder  foUriht).  Vom  gemeinen  Marm  ging  es  aus 
in  seinrtn  Bcu-usstscin  und  mehr  noch  in  seinem  Gefühl   lebte  es.    Da.sa  es 


1  A|^  //ffw  (»  Sttte). 


^S  IX.  Rbcht.    A.  DsmcuALER. 


P 


iiiclit  Menschen  werk,  soiuiem  von  gOttliclier  Herkunft,  Est  <*ine  Vorvtellunf;, 
die  der  gennanisdien  Welt  eret  durch  die  christliche  Theologie  zugebracht 
vk-urde,  und  —  den  Mars  Tlüngsiis  (§  83  a.  E.)  samt  den  rätselhaften  Alai- 
siagac,  den  saccrdos  civitatis  und  lioffentlich  auch  das  sacrale  Strdfretlit  in 
Ehren  7  —  nirbts  kann  doch  verkehrter  »ein,  als  jene  Vorstellung  in  die  Hwden- 
zcit  zurück  icu  datieren,  wie  es  mittelst  eines  Gewebes  von  willküdichen  Vor- 
aussetzungen neuerdings  versucht  worden  ist,  nichts  vcrkelirter  denn  auch, 
als  die  Hj-pothese  «ner  spezifis*:h  priesterlichen  Überlieferung  des  allgerman. 
Rechts.  *  Überhaupt  gab  es  in  der  Jugendzeit  di-s  german.  Rechts  Nie- 
mand, der  aus  seiner  Kunde  einen  Beruf  machte.  Es  fehlte  das  Bedflrfnis 
dazu. 

Aus  diesen  UmatÄndcn  nun  erklärt  sich  vorab  der  andere,  dass  schrift- 
liche Denkmäler  des  german.  Rechts  erst  seinen  jtingeren  Gesdiichts- 
Perioden  entstammen.  Alle  gehören  erst  der  christlichen  Zeit  an.  Das  west- 
römische Reich  und  die  römische  Kirche  leihen  ihre  Schrift.  Denn  sieht 
nuin  von  solchen  .spatmittelalterlichcn  Schreiber-  (.kUt  Bestellerlauncn  wie  dem 
Kopenbagcner  Cod.  mnit.-us  des  Sihoncnrcchts  ab,  s«5  sind  die  Unterschriften 
in  ein  paar  oslgt»t  Verkaufsbriefen  und  die  Inschrift  auf  dem  Forsaring 
(unten  §  21)  die  einzigen  nicht  in  latein.  Alphabet  geschriebe-nen  Rechls- 
tienkmaler.  Und  wie  mit  der  Schrift,  so  verhielt  es  sich  in  Süd-  und  Mitlel- 
enrnpa  Jahrhunderte  hindurch  mit  der  Sprache.  Ks  crkl-lrt  sich  aber  femer 
aus  dem  oben  Gesagten,  dass  kein  schrifiliclies  Denkmal  germanischen  Rechts 
<ianuii  ausgeht,  seinen  Stoff  zu  erschöpfen.  Auch  ilen  einlsssliclwüten  Schrift- 
werken sieht  man  an,  dass  sie  noch  weit  mehr,  als  sie  selber  bieten,  und  oft 
sogar  die  Hauptsache  als  bekannt  voraussetzen. 

Die  .schriftlichen  Denkmiller  .sind  teils  Rechts  auf  Zeichnungen,  teils  Ur- 
kimden,  Formulare  und  Auszflge  von  Urkunden.  Die  ersteren  zeigen  das 
Recht  ;i]s  dn  theuretisclies,  die  andern  als  ein  angewandtes.  Jene  wüUea 
<Ien  Rechtssatz  unmittelbar  vor  Augen  bringen,  diese  lassen  ihn  nur  er- 
schliessen,  —  ein  Gegensatz,  der  nicht  dadurch  verwischt  wird,  dass  ge- 
legentlich eine  Urkunde  einen  Rechtssatz  als  solchen  anführt  oder  den 
Äusseren  Rahmen  fi\r  eine  Rechtsaufzeichnung  hergiebt,  eine  K  echtsauf  Zeich- 
nung einen  Fall  aus  der  Praxis  erzUhU.  Die  Rechtsauf  Zeichnungen 
sind  teils  ;ils  Gesetze,  teils  als  Privatarbeiter)  entstanden,  wobei  das  Wort 
»privat«  jede  Thaiigkeil,  gleichviel  ob  amtliche  tder  ausseramtliche,  bezeichnet, 
die  keine  gesetzgeberische  ist.  Aber  manches  Gesetz  ist  einer  Privatauf- 
zc-ichnung  cinvprlciht  imd  nur  s  o  zu  unserer  Kenntnis  gelangt,  und  manche 
Privataufzeichnung  ist  nachträglich.  —  auch  werjii  sie  nicht  Entwurf  eines 
Gesetzes  war,  zur  Geltung  eines  Gesetzes  gekommen,  sei  es,  dass  der  Gesetz- 
geber sie  sich  angeeignet  und  als  sein  Gesetz  bekannt  gemacht  hat,  sei  es^ 
dass  sie  vum  Gewohnheitsrecht  wie  ein  Gesetz  beliandelt  wurde.  Sclion 
hiernach  \k"ir  es,  wie  in  der  Regel  ni*-lil  die  Absicht  der  Pri^-atarlieit,  so  oft- 
niitls  auch  nicht  die  des  Gesetzes,  das  überkommene  Recht  zu  andern.  Über- 
haupt aber  bezweckte  der  Gesetzgeber  in  vielen  Fflllen,  wo  er  sich  der  Schrift 
bediente,  nichts  weiter  als  das  bestehende  Recht  zu  sichern.  Formuliert  ist 
der  geschriebene  Rechtssatz  nicht  immer  vom  Urheber  des  Schriftwerks. 
Bisweilen  schreibt  dieser  nur  nieder,  was  schon  vorher  mündlich  »gpsagt« 
war  oder  docli  niQndlich  »gewiesen«  \^'urde,  so  dass  es  für  uns  darauf  an- 
kommt,   das  Alter  und  die  Schicksale   dieser   voraufgegangencn    Tradition   zu 


1  Gegen   die  Richlhofen'tche    Beffrandung    der    Hfpoihcsc  s.   GSci.  Gel.  A.  1883 
S.  1066— 1068.  ferner  Heck  (u.  Sieb«)  Attfrüs.  (JfrüMtncr/asiHtig  1894,  S  47 — 55.  61  f. 


I. 


AlAGBUSINES. 


59 


bMlimmca.  Namentlich  gilt  dies  von  vielen  Sllem  schwcdlsdirn  unti  *Tst- 
noitlischcn  Keclitsaiifzeichnungen  und  von  den  »Weistüraem«  in  Deutsrhland. 
Ist  eine  Formulierung  einnuil  aufgestellt,  s'j  pflegt  sie  »ich  durch  ^-ide  Rechts- 
auf Zeichnungen  liindurrh  fortj-upflanzen.  Daher  sind  oftmals  jOngere  aus  dem 
Material  iilteter  angefertigt.  Denn  das  Formulieren  eines  Reclitssatzes  machte 
immer  fk'hwierigkeiten.  da  das  rechtliche  Denken  ein  Oherwiegend  ansrhaii- 
liches  war.  Hierin  liegt  auch  der  Gnmd,  wesswegen  selbst  die  vollkommensten 
Rechtsäufzeichnungen  zur  Kasuistik  neigen  und  einer  ;tusgebi kielen  Systematik 
rnlbehren,  der  Grund  femer.  wessweg<:n  das  rein  germanische  Rcchtsleben  e« 
nur  7M  den  Anfangen  einer  wissenschafdichen  Liieratur  gebracht  hat.  Unter 
tlicscn  stehen  an  Originalitfll  die  naiv  lehrhaften  l*ri\"atarbciten  über  umfang- 
reiche Stoffe  voran,  dcuen  man  in  unserer  Zeit  den  Namen  der  i.  Rechts- 
bücher« beigelegt  luit,  einen  Namen  freilich,  der  von  den  Quellen  auch  für 
Gesftzbficher  ven%endet  wird.  Unter  dem  GesirhLspnnkt  der  Anfange  einer 
Cauielar-Jurispmdcnz  vennitteln  die  Urkundcnfonnulare  und  FonnelsiuumlLm- 
gen  den  Übergang  zwischen  den  I^Jcnkmiilenj  der  Rechtskunde  und  jenen 
der  Rechtspiaxts.  Die  Urkunde  als  Kcchlsdenkmal  ist  entweder  Stück 
einer  Reclilslumdlung  (sog.  dls}KT«ilive  <xler  Geschaftsurkwide)  oder  —  sei  es 
als  Offentik-he,  sei  es  als  Privaturkuntlc  —  blosse  Denkschrift  )  «Notiz,  schlichte 
Beweisurkunde«  i,  w.  S.)  über  einen  sokrhen  Hergang  oder,  wie  bei  de« 
Hebcregistcm.  l'rbarien,  Saal-,  Iwigcr-  und  LchenbtVchem,  Aber  ein  Rerhls- 
verhalmis.  V'gL  unten  §71.  In  der  einen  wie  in  der  andern  Bedeutung  ist 
sie  eftv^s  von  Haus  aus  Ungennani*i<*hcs.  Sic  ist  dem  sp&trAmischen  Recht 
entlehnt  und  bildet  einen  der  Hauptkanflie,  wodurch  fremde  Elemente  in's 
gemtan.  R.  eingeleitet  wenlüti ', 

Den  schriftlichen  DenkTnJileni  nächst  verwandt  sind  diejenigen,  welche 
wir  mündliche  nennen  kennen,  weil  sie  zwar  sprachlich,  jedtwh  nicht 
tt-esendich  in  Schriftform  das  Recht  ÜberHcfem.  Schon  die  technischen 
Ausdrücke*   gehören    hicriier.    von    denen    der  Wortschatz   jeder  gcrmiui. 


>  Litcntor  aber  dt«  R«bt9gc«chtdile  der  Urkunde  bei  Brunnrr.  RO.  T  $  57. 
Schiädrr,  f^hrb.  $§  33,  ^9.  S.  ferner  A.  Cliroust,  VnUn.  ü.  ä.  langob.  KSnii^- 
M.  lltrtagiMrk.  1888,  II.  Henning«,  Studitn  ä.  ä.  älter*  JiSnLu:he  K^niffsurk.  bis  zur 
Mille  tUs  XllL  Jahrh.   1886. 

*  Braucbharc  Ililfamittcl  ausser  den  illgcmcinen  Wßrtefbücbcm  U<^cii  nur  für  die  Tcr- 
mlBDloeien  ci[urlii«r  Rechte  und  Rcchi^ruppm  vor.  Von  den  Sltcrcn  sind  noch  jeut  ndtzlich 
Pill  Vidslin  It  1727)  Skyringar  yfir  fvrnyrai  ISgb^kar  pfirrar  er  J^mh6k  kailast, 
Re}-kj.  1854  und  Ch.  G.  Haltaus,  Clonarium  Cermanicum  mcäii  aevi  175b.  Neuere 
Arbeiten  er»ccn  Ranges  .sind  C.  J.  Schlüter'»  GkKsare  in  den  ij  Binden  des  Corpus 
juris  Suro'Gotorum  antiqui  \%^^ — iS""  und  K.  v,  Riehthofens -^///r/rj-.  l^l^rterbMch 
1840  (wo/u  njcbrfaclii.'  bcricktigungrn  und  ErgÄnmugiii  von  Bremer  in  PBB.  XVII 
1893  S.  30J  —  346)-  DiTiinJU-hst  ist  r\\  ni-mirn  E.  Hcrl2l>crg'<i  Glostwir  lu  den  alt- 
onrweg.  RethtHlcnktnAlerQ  !□  NGI»  V  1R95-  Bi.-9chräiiklrre  Aul'^nlien  ^rtzm  sich  Land 
Dtl  mldslf  datukr  skriflsprogj  ard/orrSd  1877  ^wiirai»>T  K.  Maurrr  in  Kril.  Vjucbr. 
f.  Ge»rt7(j*  "■  RwlUs*'-  XXI  1879  S.  94—96),  Stallnert  {ilimarinm  t-an  frrnadrrde 
rnihixtertn^H  («nl  1886  elf  Lieferungen),  dann  die  Glossare  Ittntcr  den  Aus|riiben  der  ag«. 
Gesetze  «m  Schmld  1858,  sdchsLschcr  RecfaüibUiher  *on  Homeyer,  d«  München«- 
StAdtr.  ».  Aaer  1840,  des  Ofener  Suwltr.  v.  Michnay  und  Lichner  1843,  der  BrUnner 
StadtJT.  V.  ROssler  1853,  der  altboier.  Freibriefe  [v.  Rockinger]  tS^j,  der  XCogde- 
bvstr  Fngen  v.  Bebrcnd  18&5,  der  Salzburger  Taidinge  v.  Tttmaschek  1870,  de« 
AoedmrgerSudibucbif.Mcvtr  1872,  des  Wiener  Sudtrb.  v.  Scbusler  1873,  der  Leidener 
Kenrboeken  v.  HaniAfcer  1873,  des  StetemUrk.  I.andr.  v.  Bischof  1875,  der  stcier.  u. 
Umth.  Taidingc  v.  Schi'lnbach  1881.  der  Utrecbter  gellen  r.  Müller  1885.  des  l-'rei- 
t>erger  Sudtr.  t.  Ermisch  l88y,  der  GrAgdui  v.  V.  Kinsen  1883,  Auch  der  Worl- 
rrgitter  lu  den  Lcges  in  dm  Monum.  Germnniae,  zur  Ausgabe  der  Vxx  SaUca  v.  Behrend 
11874)  und  xa  den  Grimmsdicn  Weistümvrn  (Bd.  VII  1878  v.  R.  ScbrOdcr).  sowie  de* 


6o 


IX.  Rbcht.    A.  DekkmXler. 


Sprache  bis  heute  vnll  Ut  und  deren  Etymologie  und  Gebrauch  —  von  den 
Rechtshistorikem  meist  vemachL'issigt  oder  nur  dilettantisch  studiert  —  um  so 
reichere  Aufsclilüsse  über  die  alten  Reiiitsbcgriffe  zu  geben  vermag,  je  volks- 
tümlicher und  je  weniger  Gedankenarbeit  eines  Benifsstandes  das  Recht  war. 
Sodann  aber  haben  in  jüngeren  wie  in  uialtcri  Zelten  die  gennan.  Volker  ihre 
Renhachtungcn  und  ihre  Betrachlungen  über  das  eigrne  Rechtslcben  in  Sprich- 
wörtern bewülirt.  Viele  vgn  diesen  sind  erst  durch  moderne  Sammler 
;iufgesch rieben  worden,  die  andern  nur  gelegentlich  in  der  aJtcn  Literatur 
tingeführt  *.  Eine  besr>nden>  reiche  Ausbeute  würde  die  altnordische  dem- 
jenigen gewähren,  der  sie  nach  Rechlssprichwurtem  durtiisuchcn  m<>chtc. 
Im  Gegensatz  zu  den  Sprich wi'^rtem  gab  es  aber  bei  den  Skandinaviern  über 
einzelne  Teile  des  Rcchus  noch  ausfohrlidie  Vortrage,  die  in  der  einniaä  fest- 
gestellten Redef<.irm  nicht  nur  von  ihren  Verfassern,  sondern  auch  von  Anderen 
wiederholt  und  zu  diesem  Zweck  dem  Gedilditnis  eingeprägt  wurden.  Da 
sie  jedm'h  nur  als  Bestandteile  von  Rechtsauf  Zeichnungen  erhalten  sind,  ist 
genauer  von  ihnen  unter  §  i8  zu  handeln.  Hier  dagegen  ist  rocli  auf  die 
mandierlei  mündlichen  Formeln  hinzuweisen,  die  mit  andc^m  ehemal^;en. 
Rechtsgebrauchen  sich  in  die  Sitte  des  Volks  zurück  gezogen  haben.  Manches 
daran  ist  freilich  modern  übermalt.  Dennoch  darf  auch  der  Rechtshistoriker 
des  MA.  an  Prachtstütken  wie  dein  Dürrt-nberger  Brautbegehren  bei  Aug. 
Hartmann  Volh-SthatispifU  (1880)  No.  iH  nicht  vorübergehen.  Be.sonders 
reich  an  solchen  Überlebsehi  alten  Rechts  ist  Siebenbürgen  (^Vieles  bei 
FroniuH  Bilder  aus  d.  iächs.  BanernUbt»  in  Siebenb.,  2.  Aufl.  1883,  Mätz 
im  Schässburger  GvmnasialprogT.   1859/60). 

Noch  einer  dritten  Klas-se  von  Denkmälern  muss  hier  gedacht  werden,  die 
zwar  neben  den  schriftlichen  und  mflndh'chcn  nur  eine  Nebenrolle,  immerhin 
aber,  bei  der  Neigung  des  germ.  R.  zur  Sinnenfillligkcit,  eine  sehr  charakte- 
ristische Rolle  spielen:  das  sind  die  Gebrauchs-Gegenstände,  deren  man 
sich  im  Rechislebcn  bediente,  wie  z.  B.  Münzen,  Si^el.  Wappen,  Abzeichen, 
Syrobüle,  Straf-  und  Fotlcrwerkzeuge,  Ding-  und  Richtstatten,  üffcntliche 
Gebäude.  Bilden  die  drei  erstgenannten  Kategorien  srfinn  die  Objekte  für 
die  huttorischen  Hilfswissenschaften  der  Numismatik,  Sphragistik  und  Heraldik, 
so  würde  sich  mit  den  andern  mid  jenen  zu  ilmen  überleitenden  Erzci^iisscn 
der  Kunst  und  der  Handfertigkeit,  welche  die  sichtbare  Erscheinung  von 
Reclitsilingcn  luid  Rechtshandlungen  darstellen,  die  Rechtsarchaologie  i,  e.  S. 
zu  befasseji  haben.  Ehedejn  mit  unzulänglicher  Methode  als  »jurisprudentia 
picturata«  oder  »illustrata'«  gepflegt,«  hat  sie  in  der  Neuzeil  ungebühriiche 
Zurücksetzung  erfahren,  obgleich  es  ihr  weder  an  massenhaftem  Stoff  noch 
an    kriiis(hen    und    kommen tatorisrhen  Aufgaben   fehlen   wTlrde.     Fortgesetzte 


•  LatiBobardiKbcQ  WSrtcrhucb»«  v.  W.  Bruckni^r  {Du  Sfiroifie  Jtr  Latif^aharden  1895 
S.  199  ff.)  isc  biet  lu  urtlenktn.  —  Die  neben  iltr  nütionalcn  in  Bctradil  kommctidc  latdo. 
Ten»ino]og!e  &t%  MA.  vA  in  den  Ctlossarcn  vud  Du  CanKe*KenKcbcl  uwl  Diefen- 
bacb  bearbdlst. 

*  AA'isscnxcbikflliche  Sammlungen  von  R«chUj.prtchwÖJtefTi  sind  verrciclujct  bd  Siegel 
RG.  §  3,  RoseiiTingc  2.  AuH.  §  12  (wozu  Larien.  Forel.  §  12).  Stcmann  S.  5. 
Vgl.  »weh  Costa  BibiiogT.  Nr.  :576 — 1588. 

*  Jn»l)««in<)cTc  diircfa  Chr.  U.  Grupen,  Ttvisthe  Alterthümtr  T746  (and  in  zahl* 
rekhcn  Abhandlungcii),  K.  F.  HommeI.yMn>//-wrf.  .  ,  .  ititisirata  I76j,j.  G.  H.  Dreyer, 
Juriipruii.  (7erm.  fütttrala  hcntusg.  v.  Spangcnbcrg  in  Hcitr.  9,  Knnde  ti.  äevl. 
Jitchts-Aitert.  [824.  X.  Sthlich tegroll  Tath^fer  1817.  J-  G.  BOscbing  u.  a.  in  Jessen 
wAA.  Xoihr.  rV  iBlQ  S.  I— 10,  L*.  F.  Kopp.  BiUrr  nnd  Sikn/leu  drr  Vürteit  I 
1819  S.  45—164  11  i83T  S.  1^34,  Ball,  V.  Babo,  Eitenbenz,  Mone  und  Weber 
Trutuk*  DfnJtmäUr    1830. 


SOdgeruasische. 


6i 


Publikation^  und  kritisdi  beschreibende  Katalogisiciouig *  der  Monumente 
«flren  zunächst  2U  wQnsdien.  —  Im  Folgenden  lutll  nur  nm-h  von  den 
»diriftlichen  Rech (sdenkmn lern  mit  Ausnahme  der  Urkunden  gehandelt  werden. 
Da  die  gotisch-wandaüsrhcu  nicht  init  den  andern  ostgcrmanisclicn,  wohl  aber 
mit  den  westgermanischen  in  gesrhichtlichem  Zusammenhang  stehen,  so  sind 
die  Sdiri/lwerkc  in  üOd-  und  uordgermanischc  änzuteüen. 


7.  SÜDOERUAK ISCHE   SCHRIFTWERKE. 

Literatur  bei  Brunner  RG.  1  §§  JJ,  34.  36—56,  58  und  in  v.  HolUendorflf» 
Kneyklopadie  («.  oben  $.  54)  §§  9,  15,  .Siegel,  RG.  §§  S--4S'  Schröder 
Lebrb.  §§  30—34,   52—58,  60,  Oengler  Oerman.  ÜnkUde-nlnnäier  1875  Kinteilg. 

§§  ai— 31.  35— S^l».  38'  4'— 43.  45.  S9— 72.  ?4.  75-  I^"  Luschin  v.  Eben- 
grcuth  Öslerreuk.  Reic/isgesehKhte  g^  6,  7,  30 — 23,  Rockingcr  Denkmäier 
dts  baür.  Landfirabti  vom  /j.  bis  i.  d.  16.  Jahr h,  1891,  Lcuenbcrger  Stud,  ü, 
&r««.-A^  Ji^hlsgrschichu  1873  §§  5 — 9-  JJ— ^3.  Schnell  u.  v.  Stürler  Über- 
tt'cA/  der  ättfren  RQuetten  des  Ktxnt.  Ar«  1871,  BruDner  in  v,  HolUCTidoriTs 
£iic)-klopidie  Nr.  4  §  10  (>d.  angeUädis.  RQucUen«).  PolJock  und  Maitlind 
(oben  S.  56  Nr.  1)  I  S-  66—83,  *"'■  Liebermann  Cb<r  Piettda-Cuuts  CcnsUtu- 
ttones  d*  /oreila,  1894,  Dcrs.  Cber  die  I^ges  lidvfardi  Confrsioris,  1896  und 
desselben  Erßrterui^-n  vor  den  unten  S.  76  f.  gcDanoten  Ausgaben. 

§  5.  Die  südgerman.  Rechtsdeukraiiler  beginnen  um  die  Zeil,  da  die  sog, 
Völker**a.THleruiig  zum  Süllstand  gelangt.  Die  Uisacht:  Hegt  in  dem  durch- 
greifenden Wände!  der  Rwhbizu^Uincte,  welchen  in  jenen  Jahrhunderten  die 
Verlegung  der  Stamnies-siize,  die  Vereinigung  sehr  verschiedener  alter  \'ölker 


*  Von  »llen  Hob-schniltwprkfn  tmJ  riai^-Iblitterc,  die  sclbsl  schon  Denkmüler  sind, 
«bgaeben,  möKcn  «1»  die  grösseren  unter  den  früheren  Publikationen  genannt  werilen :  die 
vollstindiec  Wtcdef;gBbc  der  MiiÜAturen  in  der  Wicntr  lIs.  dct  Gold.  Bulle  bei  Thüle* 
marius  Tra^rt.  de  ßnlia  ib<>7  und  der  Bilder  im  Hcidclb.  Cod.  Pal.  Ocrm.  164  des 
!>scbtmspirgcls  in  den  'J'etit.  Df-nkmSUrn  (s.  vor.  Note,  dif  anderen  Bildcrfass.  de»  Ssp. 
stikd  nur  teUwei^'  verOfTentlicht.  Nachweis«  bei  Homeyer  Sachs.  I^Andr.  1861  S.  ll3fT. 
Siebs.  Lcfanr.  I  S.  81;  elf  wrilerv  Tafeln  in  der  Au^g.  des  Otdenh.  Cod.  pJct-  v.  Lflbben), 
The  Mtniafiiren  iti  dem  Hnmbttrg.  Sladtr.  v.  J.  14^7  ertaut,  v.  J.  M.  Lappenberg 
1845,  Die  Ruhindi-Suule  v.  H.  Zoepfl  (in  dwwen  Altert.  Bd.  III  1861),  Die  Roiande 
Detttstblandi  v.  R.  B^ringuier  l8qo.  Die  KUitt&dien  dei  hl.  r^m.  Rfiehi  v.  Fr,  Bock 
1864.  Die  Siegel  der  tjtndeierhSmter  .  .  .  unter  der  Enns  v.  K.  v.  Sawa  (in  den  Bericht, 
d.  Wiener  Allerts.  V*f.  V),  Die  Ramfahrt  Kaiser  Heinrichs  t'If.  im  ßilderryklus  da 
Cod.  Bald.  Trtv.  henusg.  v.  der  Direktion  der  preiias.  Staatsarcbive  (Text  v,  G.  Irni«r) 
18S1,  Talhoffers  Fcehlbuih  aus  d.  J.  1467  böausg.  v.  ü-  lIcrKSclI  1887,  Dasa.  (Go- 
thaer  Cod.)  aas  d.  J.  I443,  h<.-rausg.  r.  flcrgaell  1889.  Dam.  (Ambraaer  Cod.)  ans  d. 
J.  1459  berui^.  V.  Hergseli  1889,  Die  HeiUgenherger  Hj.  über  die  Egg  [6  T&feln 
in  Lidtdr.  v.  Gr.  GeneraUandesarcfa.  in  Knr]«ruhe]  1887.  Der  Hauphluhl  des  •xvit/äl, 
femgerichli  auf  dem  Känigjhofe  vor  Dortmund  v.  B.  Thiersch  1838.  Die  Gerichts- 
linde  von  Hasdorf  v.  E.  Schröder  (in  Zscbr.  des  Vcr.  f.  Volkskunde  VI  1896  5.  347 
— 354),  /Aw  Rathaus  in  Xürnberg  v.  E.  Mutnmenhoff  189I.  Auch  die  Facsimd«* 
Aiug.  d<T  Fedrrxei4:hnungrn  im  Cod.  Pal.  Genn.  112  diirth  W.  Grimm  {Rttotandes  /Jet 
1838)  der  König»-  u.  Hi-rwi(rtl>ildi-r  im  C<jd.  CÄveam  ITT  1876,  der  Aolcndorfer  Hs.  von 
Kidicntlul't  Chronik  dunh  H.  Sevin  1880,  sowie  die  Woirschen  Photwgr^thicn  der 
CoQSlanxer  Hs.  noch  derüclbcn  Chronik  l8t)9,  endlich  die  Au9g.  der  Manesfte'K'btn  Hs. 
durch  F.  X.  Kraus  1887  verdienen  Her%'nrhebun^.  Viele  inlercsMante  Niid]liildiiUf;t.-n 
«tnd  zerstreut  in  den  kunst-  unJ  kulturgeschichtlichen  Illusirationswcikcn  von  de  Bastnrd, 
HefDcr,  Aui'm  Werth,  Bock,  Hottenroth,  Essenwein,  Hirlb,  Luchs, 
Cameiina,  v.  WoIfskroD.  Lacroix  imd  seinen  Njurluihmern,  in  den  der  Inventari* 
S«tk>D  der  Altcrtunudcnkmller  Dcutschbnds  gewidmeten  .Sammelwerken  sowie  in  der 
periodiscbcn  Literatur  der  Kumtwissenschaft  u.  Akertumikunde. 

'  Zabireicbc  Nachwcüc  von  Werken  der  graphi.Khen  Kun.1t  tindcn  sieb  in  W.  Orugulins 
J/iitor.  Bildernflas  I  1863,  II  1867,  J.  Maillingcr's  Ih'tdenhroniJt  v.  Mürnken  1  1876, 
Heberle's  Antiquaria ts-Kalidog  Nr.  LXXIV  Köln  1879.  Üb«r  die  FoIteT-  u.  SttäT« 
inslnuneoti?  dn  bAicr.  Xattunalmuseums  iit  ein  Katalog  bnaing.  v.  K.  A.  Bicrdtmpfl 
1882.  Ein  kritiKbes  Verzeichnis  germaniscfaer  Mooumenle  von  rvditsaicb&Jogiidicr  Bc- 
dcotung  befindet  mb  in  Arbeit. 


62  IX.  Recht.    A.  Denkmäler. 


zu  iieuoii  »Slüintnen»,  die  Netigründung  und  der  Untergang  \-on  Staaten,  die 
Annahme  des  Christentuitia,  die  F«irlsdirittu  der  Wirtschaft  hervorritJcn.  Jetzt 
hatte  die  Oesetzgebung  eine  Fülle  von  Aufgaben  zu  lösen.  Je  mehr  aber 
Zahl  und  Umfang:  üirer  ScliOpfungen  /muibmen,  de^to  notu-endiger  war  es, 
tiem  Gedächtnis  des  Volkes  duicb  die  Sclirift  zu  Hilfe  zu  kuuinieu.  Da 
ferner  die  reichere  Gliedenmg  der  Gcscilstliaft  niul  die.  Versdiarfung  der 
^uziaJen  Gegensätze  die  Gleichartigkeit  der  hergebra<_Iitcii  Rechtsanscliauungen 
im  Vi>lke  störten,  so  verlangte  auch  da«  Gewi>hnhei Utrecht  \iclfadi  nadi 
schriftlicher  Feststellung.  Das  zum  Formulieren  der  RechtssJtze  nötige  Ab- 
straktiuiu vermögen  wird  giz^clmU  an  der  unüken  und  an  der  kirchlichen  Lite- 
ratur. Daher  f;illt  das  Furmuliercn  untl  Aufschreiben  tlenjeiiigen  zu,  die 
soldjcr  Sdiulung  leiliiaftig  gewunJen  sind,  Rlictoren,  Klerikern  und  den  von 
ihnen  gebildeten  Laien.  Ihrer  Literatursprache,  der  lateinischen,  bedienen  sie 
sid»,  indem  sie  sicli  zunüchst  an  ilire  eigene  GeseUschaftskiasse  als  die  vor 
andern  die  Rechtspflege  und  Rechtsbüdung  beeinflussende  wenden.  Dies 
Latein  jedocli  erweist  sich  schon  den  Verfassern  als  imzurcichcnd  zum  Aus- 
druck der  german.  Rcvhtsbcgriffc.  Sie  versetzen  es  daher  mit  germanischer 
Terminologie,  indem  sie  diese  laiiri-sieren  oder  mittels  glossenartiger  Einfüh- 
nmgswörter  in  den  Text  aufnehmen,  oder  sie  verilndem  den  Sinn  latcinisdier 
Ausdrücke,  indem  .sie  germanische  buchstäblich  übersetzen.  Ganze  Rechts- 
schriften dagegen  in  gcrm,-inischcr  Sprache  kennt  nur  die  angelsÄdisische 
Quellengeschichte  diese»  ZciljJters, 

Die  ältesten  Denkmaler  gehören  ostgermanischen  Rechten  an,  namlidi 
gotischen  und  burgundischen.  Unter  diesen  steht  der  Zeit  nach  das 
wcstgoüsdie  voran.  Nadi  einer  durdiaus  uuverdäditigen  Angabe  Isidor'ä 
V.  Sevilla  stammten  die  ersten  geschriebenen  Gesetze  der  Westgoten  von 
Kniiig  Eurich  (46(5 — 485)  und  Fnigmenle  eines  Gesetzbuclis  {Ediclum)  dieses 
König«  liegen  vur  im  Pariser  Cod.  rescriptus  S.  Genn.  1278.  Sie  beginnen 
beim  cap.  276  und  schliessen  bd  cap.  324  oder  325.  Mit  Sicherheit  ergäuzt 
werctcn  können  sie  durch  diejenigen  Bestandteile  der  alsliald  zu  erwähnenden 
Leges  antiquac,  welche  in  bui^rid.,  filink.,  liuigob.  und  baier.  Gesetzen  wieder- 
kehren. Das  Gesetzbu<'h  Eurich's  Lst  wahr.schcinlich  lun  470 — 475  erlassen. 
Herau.sgegeben  sind  die  Pariser  Bruchstücke  am  besten  von  K.  Zcuraer 
Le^s  V'isigvfkorum  antiifttiorcs  1894.  Das  erste  vollständig  erhaltene  Gesetz- 
buch des  wcstgi.it  Rcirhe-S  ist  der  Gxiex  de  ITieodasiam  Itgibta  atque  senten- 
liis  juris  vtt  dhrrsis  //6ns  ehelns  oder  die  sog.  Lex  Romaritt  Wisi^otorum 
(herausg.  vua  G.  Haenel  184g}  von  König  Alarich  II.  aus  dem  J.  506 
(daher  im  M.\.  fireiiarium  /l/n;7>/ genannt).  Von  Romanen  für  die  Rumänen 
a»is  siJlllrömischen  Materialien  exceqjiert  und  kompiliert  (zur  Literatur  hierüber 
jetzt  Lecrivain  in  den  Annjilcs  du  Midi  1889  S.  145 — 182),  erhidt  es  sich 
auch  nach  seiner  Aufhebung  durch  Rekkessnnth  als  die  schrifllidte  QueUe 
des  röni.  Redils  nicht  nur  für  den  Gcbraudi  der  Romanen  in  Gallien,  son- 
dern auch  für  den  der  Kirche  bis  ins  12.  Jahrh.  Fflr  sämtliche  Unterthanen 
des  westgüt.  KOuyjs  olme  Unler.sehied  der  Nalionalitllt  bestimmt  Ist  die  Lex 
Wisigolomm.  Sic  ist  in  einer  Reihe  von  sehr  verschiedenen  Redaktionen  er- 
halten. Die  Jllteste,  der  Liber  jnäieierum.  ist  begonnen  von  Kün.  Chindasvinth 
(641 — 652)  i.J.  642  u.  vollendet  von  Kön.  Rekkcssvinth  {649 — 672)etwa  umö6o. 
Diese  Ltx^  Wisigotomm  'Reccessinndana'^  stellt  sich  dar  als  eine  systematische, 
in{i2)  Bücher, Titel  und  Kapitel  gegliederte  Kompilation  au.s  Rckkessnntli's  und 
Chindasvinth's  Gesetzen  und  aus  iiUercn,  die  meist  unter  dem  Namen  (ier  Antiquae 
aufgenommen  sind  (Ausgabe  v.  Zcunier  a.  a.  O.).  Die  nächste  Redaktion  ist 
ein  Werk  des  K.  Erwig  aus  d.  J.  682.     Hierauf  folgen  die  aus  PriN-atliJlndeii 


Gotische  und  durcundische. 


6i 


hen'orgegangenen  Überarbeitungen  des  8.  Jahrhs.,  atlesaint  vcpn  Neueren  als 
Vvigata  bezeichnet.  (Angabe  Uer  Drucke  bei  Brunncr  §  43).  Eine  kritische 
Ausgabe  der  »Ervigiana-  und  der  -Vu]gata<  fehlt.  Ergänzt  werden  die  west- 
L  Gesetze  durch   die   spanisrhen    Konzilsschiüssc.     Die   wichtigsten    Fragen 

Reichs  Verfassung  nanicnilich  finden  sich  dort  beantwurtet.  Di«  üheüit'-ii 
ostgotiM-hen  (Jesetze  stammen  aas  der  italischen  Zeit  The»:Klcriclis  d.  Gr. 
Eihallen  sind  ein  pratctptum  contra  sacttdotes  subsiantiae  e£€iesiarum  olienaforct 
V.  J.  508  und  (nur  im  Text  der  auf  2  Hss.  beruhenden  ed.  princ.  v.  1579) 
das  \ielleirht  zwischen  511  und  5151  feiende  Ediftutn  Theoderiti.  welches  in 
134  mciiit  aus  römischen  Quellen  geschöpften   Kapitehi  verscliiwlene   Gegen- 

dc  des  Privat-,  Prozess-  und  insbesondere  Sirafreclits  ordnet.  Edikte 
thalaridis  {520^534)  änd  in  den  Varien  des  Cassiodor  erhallen.  Die  bur- 
^ntlischen  Gcäetze  folgen  den  ini  benachbarten  Westgolenreicli  gegebenen 
Musteni.  Einen  Ub<r  eonsfitutiorium  aus  seinen  und  seiner  Vütgangcr  Gesetzen 
stellte  zwischen  4Ö0  und  5«»  Kiinig  Gundutiad  zusammen,  l^übei  zeigt  sich 
das  wesigol.  Edikt  Euricli:^  benützt.  Unter  Einschiebung  und  AnfOgung  spa- 
terer Novellen  (bis  um  517  ctwaj  Überarbeitet  liegt  der  über  constituüonuin 
io  zwei  Hauptredaktionen  als  itx  BnrguHdionum  (im  MA.  Ux  Gundobada, 
GomSa/a,  /oy  Gombeife\  vor  (neueste  kritische  Ausgabe  vun  v.  Salis  in  Mon. 
Germ.  I-L.  sect.  I  com.  II  1892).  Auch  eine  ä-.v  Romana  iturgundionum 
hat  Gundol>ad  (\ur  ^fJb  wahrscheinlicln  erlassen.  Meist  rüm.  Gesetze  und 
Juristenschrifu-n  excerpieremi  und  Im  IMnzip  [uinilicl  dem  über  constitutii-iiuun 
gietn  sie  in  47  Titeln  die  schon  dort  angekündigte  «.xpogilio  legum  fOr  die 
romanisclien  Stilal:^HIlge]l^lrigeIl.  Durch  ein  Schreibversehcn  ist  der  Name  des 
»Pafiiaatts*  (Papinianiu)  auf  die  Lex  Komana  Bui^.  Übertragen  worden  (Aiug. 
vtjn  V.  Salis  a.  a.  0.|.  Zum  Alter  der  hislier  genannten  Gesetze  steht  ihr 
gennanifitisclter  Wert  in  umgekehrtem  Verhliltnis.  Von  den  leges  Rumanue  und 
den  ostgcit.  Edikten  ist  v<^in  \''imherein  abzusehen.  Die  anderen,  wie  jene 
Werke  der  gewaltig  gesteigerten  Königsgewalt  und  des  Einflusses  von  geist- 
lichen und  weltlichen  Optimatai,  zeigen  das  gcrman.  R.,  soweit  sie  es  nicht 
romanisicren,  im  Zustand  der  Entartung.  Am  welligsten  ist  dies  noch  bei 
der  lex  Burg,  und  beim  Gesetzbuch  de>  Eurich  der  Fall.  Die  Le.\  Wis^;i>- 
lorum  dagegen  lA-itst  an  GescJirauhtheit  der  Sprache  tt-ie  an  KünsOichkeil  und 
Armseligkeit  des  Inhalts  alles  hinter  sich,  was  jemals  ihre  Vorbilder,  die  Kaiscr- 
knnstilutionen  des  verfallenden  Rümerrcidis,  geleistet  haben.  LcdigUdi  der 
Laune  und  dem  Zufall  mag  es  das  VolkstOmlic  he,  das  Individuelle,  das  Gc- 
wolmlicitlidte  im  Recht  verdanken,  wenn  es  einmal  vor  dem  .\uge  de« 
>aitifex  legum«  Gnade  findet.     Geht   er   d""K"h   darauf   aus,   den    Unterecliied 

'hen  dem  rOm.  Landrecht  und  dem  got.  Stamniesrecht  sclilechterdings 
!^zulieben,  den  die  altere  westgol.  Gesetzgebung  ebenso  wie  die  oslgotische, 

dessen  Analere  auch  die  burgimdische  hatte  fortdauern  lassen.  Zu  seinem 
Wollen  freilich  steht  sein  Köimen  in  einem  si^  schreienden  MisverhEÜtuis, 
üjus  es  sich  genugsam  erklart,  wenn  der  I-ex  Wisig.  zum  Trotz  ein  got. 
Vulgarrecht  in  den  Fueros  spanischer  und  portugiesischer  Gemeinden  zimi 
VuTschein  kommt.  ZustAiitle,  unter  denen  eine  si^ilche  Gesetzmacherci  mOglich 
war,  lieKseJi  keine  rechtswissenschaftliche  Literatur  aufkommen.  Alles,  was  an 
juristischen  Arbeiten  aus  wesigot.  Bereich  bis  jetzt  bekamit  geworden^ 
besteht  in  einer  wahrsdieinhch  zwischen  6tb  und  dio  (zu  Cordnva?)  ange- 
legten Sammlung  von  46  Urkundenformularen  (neueste  und  beste  Ausg.  v,  K. 

*  Nach    Patelt«    SuW   tinim   d^Ua  promufgtuwne  deü'   £diUo  äi  Tt<xUrico  (1893) 
cm   524.     Bedonken  eegen  «rinc  Gnlndc  läbrt  A.  Scbmidt  u,  Zschr.  f.  RG.  NF.  XVI 


<J4 


IX.  Recht.    A.  DenkuAlkr. 


Zeurner  m  Mon.  Genn.  LL.  Sect.  V.  1886  pp.  572 — 595),  sodann  dem 
Brudistück  einer  aus  Eurichs  und  Theoderidis  Gesetzen,  dein  Breviar  und  der 
Lex  Burg,  exzerpierten  Kompiäation  (vor  550,  Provence,  neuester  Druck  bei 
Zcumer  a.  a.  O.),  ^  cudlidi  finc-m  aus  Toledaner  Konzilsst-lilüssen  ausge- 
Z{>geTien  Aufsatz  de  eUctiotse  prinapum  (8.  Jalirh.?  —  Ausg.  in  Port.  Mon.  hist. 
LL.  I  p.  I — 7).  Das  belangreichste  Stück  ist  die  Fonnelsamnilung,  denn 
nidit  nur  zeigt  sie  die  tlispositive  Urkunde  teils  römisclien,  teils  gotischen 
Rechts  bei  den  verM^-hiedcnartigsteJi  Privat-  und  Proressgesr haften  angrwandt, 
sie  kann  auch  als  Typus  aller  ahnlichen  alteren  Arbeiten  gelten,  indem  sie 
mit  Vorliebe  den  Redeschmurk  der  Urkunden  pflegt  und  so  deutlich  die 
Verbindung  der  Cautelarjuri.>ipnKlenz  als  einer  an  dütandi  mit  der  Rhetorik 
erkennen  I.'isst  Hat  es  dorh  der  Verfasser  zu  einem  vollständig  vendfiricrten 
Morgengabsbricf  —  einem  Stück  einzig  in  seiner  Art  —  gebracht!  Älter  aU 
diese  Formelsammlung  ist  nur  eine  dem  oslgot  Quelleiikreis  angehörige:  das 
wtedenim  raelir  rheirirische  als  juristische  Musterbuch  fflr  eine  Fdrslcnkanzlei 
in  Cassiodur's  Var.  VI,  VII.  Über  ein  burgundisclies  Forraelbuch  aus  über- 
wiegend frankischen  Materialien  s.  imten  S.  73). 

S  6.  Ein  erfreulicheres  Bild  als  die  eben  aufgezahlten  gewahren  die 
deutschen  Rechtsdenk  mal  er  der  gleichen  Übergangs-E]j<  K'lie.  Zwur  stehen 
auch  hier  die  der  Form  narh  gesetzgeberischen  F-rzeugnisse  in  vor- 
derster Reihe  und  unter  diesen  wiederum  die  Schöpfungen  des  Herrschers 
und  der  Arislokratic.  Aber  sie  halten  sieh  meist  fem  von  unfruchtbaren 
Experimenten,  beschranken  sich  auf  die  nScIistliegenden  Aufgaheji,  schaffen 
auch  bei  einschneidenden  Neuerungen  im  Geist  des  Bestehenden  fürt  und  lassen 
es  eben  so  oft  beim  Formulieren  des  Herkommens  oder  beim  Erneuern  älterer 
Gesetze  bewendim.  Am  seltensten  und  gewöhnlich  nur  nebenher  beziehen 
sie  sich  auf  denjenigen  Rechisteil,  der  die  alleiji; rundlichsten  Umwälzungen 
erfahren  hat:  die  Verfassung.  Hier  erledigte  die  Praxis  die  greisen  Prinzipien- 
fragen. Auch  von  privatrw-hilichen  Gegenstanden  werden  nur  jene  öfter  be- 
rührt, welche  durch  die  Kulturveranderungcn  am  tiefsten  erschüttert  worden 
sind:  das  Verwandtschafts-,  das  Gntndgütcrrecht,  die  Stellung  der  Unfreien 
und  Freigelassenen.  Ergiebiger  sind  die  prozessualen  Satzungen,  am  ergie- 
bigsten die  strafrechtlichen.  Ln  Prozess-  und  ganz  besonder»  im  Strafrechl 
mussten  eben  die  durchgreifenden  Veränderungen  svstematiseJier  und  mecha- 
nischer vollzogen  werden.  Um  nur  die  beiden  vornehmsten  Ursachen  zu 
nennen:  die  Einführung  des  Christcntmns  brachte  Ausmerzung  alles  Heid- 
nischen aus  Recht  und  Sitte,  die  Einführung  des  gemünzten  Geldes  brachte 
Neuregelung  aller  Bu.s.'isäi/.e  mit  sicli.  Ordnen  sich  so  durch  ihren  Inhalt 
die  Gesetze  dem  sonst  geltenden  Recht  ein,  so  schliessen  sich  auch  in  der 
Sprechweise  jene  diesem  an.  Selbst  die  lateinische  Rede  wird  schlicht  und 
oft  wortkarg,  vulgarisiert  und  barbarisiert «  Sie  wimmelt  von  Germanismen, 
<lie  freilich  nur  der  würdigt,  der  an  die  rein  gerraan.  Kechtstcxtc  gewöhnt 
LSL  Die  Gesetze  zerfallen  in  3  Gruppen;  die  des  MerowingischeJi  bezw. 
Amulfingischen,  die  des  langohardusrhen  Reichs  und  die  der  angelsächsischen 
Staaten. 

Die   grflsste   und    geschichtlich    wichtigste    Gruppe    ist    die    enitgenamite. 


F 


1  Zur  m-urstcn  Literatur:  Patctta  Im  Arcb.  giiiridioo  LIII  lS94.  Gegen  ihn  A. 
Schmidt  a.  a.  O.  237—243. 

*  Spt-iialarbcitcn:  Fr.  Polt  i.  Zsdir.  f.  Wissinscb.  der  Sjimcbc  III  1851  S.  113—165 
und  i.  Zichr.  f.  vergl.  SpracUfoRdag.  XII  1863  S.  161 — 206,  SlII  1864  S.  24—105,  321 
— 364,  L,  StAnkel  .ßtu  Verhältn.  der  Sprothe  der  I^ex  Rom.  Vtin-  zur  ichulgerechten 
Latimtät   1876,  Jen.  j.  Zschr.  f.  loni.  Philul.  V  S.   ill  ß'. 


Gesetze  u.  Weistümer  im  fr-Inkischen  Reich. 


65 


Lägti  und  Capititia  sind  die  beiden  Kategorien,  unter  welclie  fast  alle  ge- 
meinen Gesetze  im  Frankenreich  eingeteilt  werden  müssen.  Dieser  Gegen- 
satz läuft  dem  von  Stairmesrtxht  und  Landesrecht  paralld.  Schon  die  go- 
tiscbe  und  burguiidischc  Staatäbildung  liattc  zu  einem  solchen  Gegensatz 
gefOhrt  (s.  üben  S.  6j  f.|.  Die  fränkische  erweiterte  ihn  durcli  da.s  Perscmaliiats- 
prüuip  (System  der  pcrsönl.  Rechte),  demzufolge  jeder  germanische  Untenhau 
des  KOn^  im  ganzen  Reich  des  letzteren  nach  dem  Redit  seines  Stammes 
zu  beurteilen  war ',  soweit  nicht  der  König  Territorialrc<."ht  geschaffen  hatte, 
—  ein  IVinzip,  welches,  wie  neu  auch  immer,  duch  ganz  und  gar  aus  der 
ahgermaniitchen  Auffa.SvSung  des  Rechts  (oben  S.  57  f.)  abgeleitet  war,  daher 
auch  mit  dieser  Idee  selbst  zunicktreten  musste.  Übr%ens  krankte  das 
PcisoiL'ilitatspriiizip'  von  vomherem  an  den  Schwierigkeiten  seiner  Durch- 
führung, die  nicht  nur  eines  ausgebildeten  intemalionaJcn  Privat-,  Straf-  und 
Prozessrechts,  sondern  auch  eines  geleluien  Standes  voti  UrteÜfindern  in  den 
Gerichten  bedurfte.  Am  wenigsten  konnte  dem  letzteren  Erfordernis  (iejiüge 
geleistet  werden.  Schon  hieduRli  bt  eine  territ'-^riale  Fortbildung  des  deut- 
schen RechU  mehr  und  mehr  zur  Notwendigkeil  geworden.  Das  Stammes- 
recht nun  aufzunehmen  war  die  I^x  bestimmt,  und  in  diesem  Sinne  kilnnen 
die  Lcges  aVulksrechte«  genannt  werden.  Die  Capitula  dagegen  eniliielten  Land- 
recht,  s^jfcm  sie  sich  nicht  selbst  als  blasse  Zuihaten  zur  I^x  (Capp.  Itgi  addeitda, 
in  legt  addenda,  miUetnin,  pt-o  U^e  uncnrh}  güben.  War  das  erstcre  der  Fall, 
ikO  hatten  die  Kapitel  audi  Iiandsdnifllicii  eine  von  den  Lt^-s  gesonderte 
Masse  zu  bilden  (Otpp.  per  se  scrifxnda).  Technisch  ist  übrigens  diese  Ein- 
ridilung  wie  der  Ausdruck  tapittila  für  Gesetze  imd  die  Beuenoung  einer 
Gesamthffit  .solcher  capp.  als  {.aptlulare  erst  seit  Karl  d.  Gr.  Daneben  und 
namentlich  früher  wurden  die  Au«idrtirkc  Edktum,  I*rafteptttm,  Decretum. 
Consiitulio  und  ähnliche  gebraucht.  Die  üUcsIc  Lex  und  da^  Urbild  einer 
solchen  i.st  tlas  Ge-setzbuch  des  west-  oder  salfrankischen  Stammes,  die  Ltx 
üaÜM.  Ein  ProKig  derselben  erzählt  in  der  Hauptsache  glaubwürdig,  noch 
in  der  Zeit  der  Kleink-'-iüge  seien  von  diesen  vier  MSiuier  eniarmt  wurden, 
wrlche  in  drei  Gerichlsversammhingcn  nach  sl^rgf^»Uigt-nl  nurchspn-(^lK*n  aller 
Streitfälle  das  Recht  sü  »gesagt«  hiUteii,  wie  es  in  der  L.  Sal.  stehe.  Diese 
Weistümer  sind  in  der  ursprünglichen  Gestalt  nicht  erhalten,  und  es  muss 
überhaupt  bezweifelt  werden.  i:>b  letztere  eine  schriftliche  war.  Weiterhin  aber 
l)erirhten  die  EpiU»ge  und  (nadi  ihnen?)  ein  Zusau  zum  Prolog:  in  cluist- 
licher  Zeit  sei  die  Lex  durch  die  KOnigc  CbliKlowech  (L),  Childebert  (L)  und 
Oilothar  (L*  verbessert  und  vennehrt  worden.  Die  Zuihaten  der  Iieiden 
letztgenannten  liegen  vereinigt  vor  als  Padits  pro  lenon  pacis  domnomm  Childe- 
htrti  et  C4AN'*(7nV  (zwischen  511  und  558).  Dagegen  ist  die  l^x  des  Chlo- 
dfiwcrh  (Paetiu  ixler  Tractaim  Ugü  SaUtae)  nicht  lu  unveränderter  Fassung 
btwidirt,  sondern  nur  der  ICJrundtext  von  fünf  Hauptn*daktioncn ,  weiche 
unter  dem  gewöhnlichen  Namen  der  L.  S.  aus  den  H.ss.  bekannt  sind,  von 
dmcn  jedoch  keine  mit  Grund  als  ofriziell  bezeii^hnet  werden  kann.  Der 
Grundtext  ist  wahrschdnlidi  ei^t  nach  507  aifgefasst  und  hat  das  westgoL 
Edikt  des  Rurich  benutzt  Ihren  Stoff  verteilen  die  beiden  alteren  Redak- 
tionen auf  i}^  Titel;  die  jimgeren,  weldie  teilweise  nebeneinander  hergehen, 
z<lhlen  imd  ortlnen  die  Titel  anders.  Eine  Kürzung  des  Textes  nimmt  die 
dritte,  eine  Verbesserimg  der  Sprache  die  vierte  {L.  SaL  imendaia  aus  Karls 
Zeit)  %'or.     Von  den  Kapitularien  sind  nicht  die  obengenannten  Landfriedens- 


I   Vüa  eile  Rom>iiifn  unJ  die  Einrichuinittn   dt-r  Kinri»;  <liuin-tc  Aa*  Recht  de»  rflmiKbca 
Kricbn  fort,  damit  aber  mtch  der  Kinflucs  dn  rOm.  RccbU  suf  da>  deutscbr. 

GcnoMiKlic  Philologie  IIL    1  AaO.  S 


Ordnungen,  wohl  aber  einige  (6?)  andere  speziell  xur  L.  Sal.  ergangen.  Das 
letzte,  ursprQnftlirh  ein  Weistum,  gehört  dem  J.  819,  die  früheren  dem  ö. 
Jahrh.  an.  Dit:  grundJcgcndc  Ausgabe  der  Lex  ist  Pardessus  Ijti  Saliifut 
1843.  Sie  wird  teils  iHTichiigt,  teils  ergünzt  durch  die  genauen  Drucke 
cijizdncr  Hss.-Tuxtc  in  R.  Hube  La  loi  Sa/i'/ue  1867  und  A.  Hrdder  /.. 
Sa/.  1879  u.  80,  Z.  Sa/,  emend.  1879  u.  r88o.  Eine  kritische  I^l.indaus^be 
der  Lex  und  der  Kapitularien  haben  1B74  Behrend  und  Borctlus  veran- 
staltet. Über  die  Glossen  s,  S.  71  f.  Der  Zeit,  wie  dem  Geltungsgebiet  nach 
der  L.  Sal,  zunächst  und  textgcschichtlich  mit  ihr  in  Zasammenhang  steht  das 
Volksrei.lil  der  üstlithen  Franken  <ider  der  Ribwarcti,  die  Lex  Ribuaria  (Pacttu 
/egis  Rihuiiriitei.  Sie  scheint  sttlckweise  ini  r».  Jahrh.  entstanden,  wobei  die 
L.  Sal.  zum  Vorbild  diente,  dann  durch  Dagobert  I.  (628 — 6,^i))  erweitert. 
Erhalten  wt  jedoch  nur  eine  jüngere  Überarbeitung  (Vulgata)  aus  der  Karo- 
lingLschen  Zeit  vor  803  (neueste,  aber  nicht  sehr  zuverlässige  Ausg.  v.  Solim 
in  Mon.  Germ,  LL.  V.  1883,  über  die  Heimat  der  Lex  J.  Ficker  in  MIÖG. 
ErgJlnzb.  V  S.  52 — 61).  Aus  den»  letzteren  Jahr  liegt  eintr  Legh  ronsti/utio  in 
itge  Rib.  miitenda  vit.  Ein  v^mi  kftniglichcn  Missas  crfn4j;te.s  WeLstum  über 
das  im  ribwarisclien  Hamaland  geltende  Recht  in  48  kurzen  Kapiteln  aus  tlcm 
Anfang  des  (,).  Jalirhs,  haben  wir  in  der  Noiitia  r^l  Kfmmemoraiio  dt  i/la  aoa, 
tjuae  se  ad  Amorfm  habet  (sng.  Lex.  Chamai'ontm,  Ausg.  v.  Sohni  a.  a.  O.)- 
Mit  der  L.  Rib.  ungcfülir  gleichzeitig  ist  ein  vom  Triinkischen  König  oder 
doch  unter  frfUik.  Einfluss  crla.ssciies  und  in  5  Bruchstücken  erhaltenes  Ge.<tctz- 
hurli*  für  den  Alaraannensianim,  der  Pnctus  Alamannoram.  Eine  zweite 
Kodifikation  alaiiianuischen  Rechts  verzeichnen  wii-  in  der  Lex  Ahmannorum. 
Sie  ist  von  Herzi>g  Lantfrid  auf  einer  Stamm csversa mm lung,  vielleicht  um 
717 — 7  Kl  erlassen,  reichhaltiger  als  der  Pactus,  auf  dem  >ie  nur  tejlwei.se  be- 
ruht, benutzt  kiichlidie  Quellen  und  ordnet  ihren  Stoff  in  3  MasseJi:  Kircheu- 
sai-lien,  Herzi^gssathen,  Volkssachen.  Zwd  Textrezensioneii,  wovon  die  jüngere 
seit  dem  9.  Jalirh.  noch  fortgebildet  wurde,  .sind  in  den  Hss.  vertreten  (neueste 
krit.  Ausg.  V.  K.  Lehmann  in  Mim.  Genn.  LL.  in  4"  tum.  V  i888).  Die 
L.  Akim.  sowohl  wie  das  noch  bei  den  gallischen  Westg<^ten  geltende  Edikt 
des  Eurich  gaben  die  Vorbilder  ab,  denen  die  Redaktoren  des  Pactus  oder 
der  Le.\  Baiuivariantm  folgten.  Da.t  Gtsetzburh  Ist  vom  Baicmhcrzog  Odüo 
unter  Mitwirkung  der  frflnU.  Herrscher  um  744 — 748  erlassen.  Sein  ursprüng- 
licher Text  ist  in  der  Rezension  der  Hss.  nur  wenig  vcrilndert,  wohl  aber 
mit  einem  Anhang  unter  dem  Titel  Deerrtum  (Dtnria}  Tasst't'oiiis  versehen, 
welchen  zwei  Gesetze  des  letzten  Baiemherzi>gs  aus  den  Jahren  772  und  774 
oder  775  bilden.  Zum  baier,  Volksrecbt  gehftrt  aber  autJi  noch  ein  kurzes, 
zum  grossten  Teil  stnifrechlüclies  Kapitular  aas  der  Zeit  zwüwhen  801  und 
814.  Die  einzige  kritische  Ausg;ibe  der  L.  Baiuw,  (von  J.  Merkel  in  den 
Mon.  Germ.  LL.  IUI  ist  in  der  Gesamtanlage  verfehlt.  Auf  das  s3chs.  Vnlks- 
recht  und  zwar  unter  Benutzung  tlcr  L.  Rib.,  aber  auch  unter  Berücksichti- 
gung der  westfalisihen,  engerisrhen  und  ostf:iIisrhen  Hriluche,  hezJeht  sich  der 
au.s  (M)  kurzen  Kapiteln  bestehende  LUier  ief^is  Sa.xomim  (die  .sog.  Lex  Saxo- 
num),  ein  Gesetz,  welches  v<m  Karl  d.  Gr.  zwischen  777  und  7(17,  wahr- 
scheinlich um  785  ausgegangen  ist,  nachdem  der  König  durch  ein  Landes- 
gesetz (777?),  die  (ji/a'/n/a/io  de  partibm  Saxotnae  (34  capp.),  den  Grund  zu 
einem  neuen  Rechlszuslande  in  dem  eroberten  Gebiet  gelegt  hatte  (^-gl.  Gott  gel. 


*  ]>(li){lidi  mittelst  einer  diircbaus  unschlflssigen  Argum^nintinn  e  sllenclo  hUll  K.  Leb* 
Tn»nn  aurli  rrnh  in  seini-r  Aiiigribc  dw  Pactiis  an  seiner  schon  von  R.  Schröder  (Zscfar. 
r.   RG.  XX  l8ä?   S.  17)  widerlegten  Behauptung  fest,  dass  der  facnu  cLne  Pnviilarb«it  sei. 


Gesetze  iu  FitAKKiscHEir  Reich. 


07 


A.  188a  S.  56  r.  und  Hislor.  Zschr.  NF.  IV  SS.  306—310).  Unu-r  Zuziehung 
VLtn  Sachsen  aus  den  drt-i  Hauplabtcüungt-n  des  Stamnifs  erliess  Karl  am  28. 
Oktubvr  797  das  Ciii>ituhtrt  Sn.xonüum.  Die  drei  Gesetze  zusammen  sind 
am  liesten  von  K.  vun  Richthofen  in  Mon.  Germ.  LL.  V  (1875)  publiziert, 
Kamlingischcr  Zeit  angehörig  und  in  ahnlicher  Wei-'W  wie  die  L.  Inix.  ge- 
niat'ht  ist  die  f^v  Angfiorum  et  Weiiftorum  kot  est  Thnringomm,  nicht  etwa 
rin  Vdksrwht  der  Thüringer,  sundcm  ( —  vgl.  Hiittuc.  Zsclir.  NF.  IV  313  — ) 
<lcr  niederdeutschen  .Engeln  und  Wamcn,  die  innerhalb  der  Grenzen  des 
alten  Thuringcnrcifhcs  {in  den  Landschaften  Englehem  und  Wcrinufdd)  wohnten 
4Au»gat>c  V.  K.  Krh.  v.  Ricluhufen  a.  a.  O.)-  Verschiedene  Gesetze,  welche 
^73^ — 751)  dm  Friesen  gilben  wurden,  sind  nicht  im  Gnmdtextc,  sondern 
nur  als  Kern  der  unt<^*n  S.  70  zu  erwähnenden  Kompilation  auf  uns  gekom- 
men. Von  den  Kapitularien  ( neueste  krit.  Ausg.  der  Kapp,  nebst 
\ielcn  andern  Aktcnaliicken  — 827  v.  Borctius  in  Mor.  Germ.  LL.  40  Sect 
II  lom.  I  i8b3,  und  828—898  v.  Krause  ib.  tom.  II  1890—1893)  sind 
einige  zu  sämtlichen  Lcges  erlassen.  Andere,  ku  einzelnen  Lcges  gehörig, 
wunlen  schon  «»ben  genannt.  Dir  meisten  aber  sind  capp.  per  se  srribenda. 
Wenige  reichen  in 's  b.  und  7.  Jahrh.  zurück,  keines  in  die  Zeit  zwischen  dem 
Merowinger  Chjothar  II.  und  dem  Aniulfingcn  Karimann.  Von  742  ab  er- 
sclieinen  sie  häufiger,  zuerst  nur  in  Kircheiisuchen,  unter  der  zweiten  D>'na:)lie 
auch  wieder  in  weUlichcn,  wie  die  alten  mcniwingischen  Verordnungen.  Am 
stattlichsten  wird  die  Zahl  der  Kapitularien  unter  Karl  d.  Gr.  und  Ludwig  d. 
Fr.  bis  etwa  %<c%^Xi  830  bin,  was  nicht  sowohl  mit  der  liingen  Dauw  von  Kiirls 
rÄ<>.'ienmg  und  mit  der  Ausdehnung  seines  HerrschafL*^ebietes,  als  mit  der  Auf- 
Lstiurig  zusammenhangt,  die  man  jetzt  vom  Beruf  de»  K<3nig-  imd  Kaisertuios 
in  Sachen  der  Rcthlsbildung  hatte:  «/  . . .  si  t^nid  taie  essel,  i/uoti . . .  sramdum 
gmiitium  consmtHtiinem  eruäelita  snnciitim  esset,  tjuam  ehnstianilatis  reclüitdo  vtl 
tatiita  auctoritm  merito  non  fonsentifrt,  hof  mt  rr^is  modcmtiomm  periimtretur, 
til  ipie  (Hm  bis,  (fiii  uiramqiie  U^em  nossenl  cl  Dei  tmif^is  quam  bitmanarum 
Jrgnm  staMa  metufient.  decernftet  (ilincmarV  Eben  deswegen  war  auch  die 
Rechtskraft  des  Kapitularrt  unter  keinen  Umstünden  von  der  Zustimmung  des 
Volkes  oder  am'h  nur  einer  Klasse  dc-welben  abhüngig,  wenn  auch  aus  rechls- 
p(]|iti!i<.'hen  Gründen  und  auf  sehr  verschiedenen  Wegen  der  Gesetzgeber  einen 
»liehen  Konsens  zu  erlangen  nicht  verschmähte  (vgl.  Gott.  gt;!.  A.  18HS  S. 
,57—00,  1896  S.  193 — 195).  Nicht  alles  jedoch,  was  in  den  handMhriftlichen 
und  gedruckten  S;unmlungcn  von  Kapitularien  steht,  war  Gesetz.  Vorweg 
müssen.  50  lehrreich  sie  auch  für  die  Erkenntnis  der  Praxis  sdn  m("igen,  die 
Capitula  missomm  ausgeschi>eden  werden,  da  sie  lediglich  vorübergehende  In- 
struktionen fflr  Beamte  geben,  weiterhin  aber  auch  die  Urteile,  die  Reskripte, 
<lie  Briefe,  die  IViklamationcn,  die  Suiats-  und  Ilaiisvcrtrage.  Zuweilen  sind 
Kapitularien  aus  derartigen  und  gesetzm.'bcritichen  Bestai Kiteilen  zus^immen- 
jjesetzt,  wenn  es  sich  gleirhmrtssig  um  Willertsakte  des  Königs  handelte. 
Aiidcrer^tü  ist  die  Fassung  üelbüt  der  Gesetze  oftmals  eine  nach  mL>demen 
Begriffen  imgenOgende,  wenn  n-lralich  ilas  Kapittilar  nicht  die  befehlende, 
sondern  die  erzJlhlendc  Ausdruckbforai  wählt  und  sich  als  blosses  Beratimgs- 
<KleT  Bcschlus-sprotokoll  gibt.  Es  kam  eben,  so  hoher  Wert  auch  auf  genaue 
Ausfertigung  und  archivalischc  Verwahrung  des  Aktenstückes  gelegt  wurde, 
<lot  fa  w*eit  weniger  auf  die  schriftliche  Gestalt  des  Gesetzes  an,  als  auf  dessen 
tnOndliche  Bekanntmachung,  die  durch  Vorlesen  und  Übersetzen  erfolgte 
^lofrauk.  Übersetzimg  des  Kap.  v.  818/19  aus  dem  9.  Jaluh.  bei  Borctius 
No.  18»,  MS!)  No.  n(>,  Braune  Ahd.  Useb.  No.  15).  Seit  K30  ungefähr 
fkütmit  im  lotharischen  und  ostfr.lnk.   Kelch   die  Menge  der  Kapitularien  be- 


68  IX.  Recht.    A.  Denkmäler. 


trtrhtlirh  ab,  und  es  überwiegt  nun  auch  wieder  der  kjrcliliche  Intialt. 
Wahrend  in  der  bcsthriebcnen  Weise  die  Reich.sgesetzgc^ung  im  V«trder- 
gmnd  !rteh(,  regen  sich  auch  whon  <Jie  Anfange  einer  territorialen  !*;irtikular- 
gesetzgebnng  in  den  (i;)  sng.  Cafiitula  Remtiht,  einem  Slnifsiauu  der  ruma- 
nisrlien  und  deutschen  Immunilfltsleute  von  Chur  aus  der  Zeit  des  Bischof» 
Remedius  (800 — 820I,  welelies  zweimal  in  jedem  Mnnat  von  den  Pfarrern  den 
versammelten  Gemeinden  vorzulesen  wir  (beste  Ausgabe  von  Haenel  in  Mon. 
(jerm,  LL.  V  1H75).  Den  gemeinen  Gesetzen  stehen  im  frflnk.  Keich  die 
Privilegien  gegenüber,  welche  die  Herrseher  krdft  llirer  Geselzgebuiig^gewalt 
erteilten.  Die  Fr>nn  des  Privilegs  (pmeceptumi  ist  die  der  Königsurkunde  (earia 
rt^nlis^.  Die,  selbst  nach  .\bzug  der  gefälschten,  zahlreichsten  und  staat>.rechtlicK 
wichtigsten  Privilegien  sind  die  k<"jniglirhen  Immunitatspr-Iccpte  (vgl.  unten  §  49) 
für  Bistömcr  und  .\bteien  (wnniber  Tb.  Sickel  Wien.  .Sitzgsb.  Bd.  47,  49». 
HeraU-sgegtrhcn  sind  die  Privilegien  in  den  Urkundeiisammluiigcn. 

An  VAlIst^indigkeit,  Zusammenhaiig,  Klarheit,  t  irdnung  und  guter  Erhaitimg 
wie  an  chnmülogischer  Bestimmtheil  werden  die  fränkischen  Gesetze  von  den 
iangobardisrhen  (Ausg.  v.  Bluhmc  in  Mon.  Germ.  LL.  IV  1868)  weit 
übertroffen.  Den  Mittelpunkt  und  die  Hauptmasse  der  letztem  bildet  der 
Edietm  L^n^bnrdontm.  Er  bestellt  aus  den  Gesetzen,  welche  von  verschie- 
denen Königen  vorgeschlagen  worden  sind  und  die  förmliche  Zustimmung  der 
langobard.  Heerversammlung  (durch  sm'rethitLv  vgl.  unten  §  83)  erlangt  haben. 
Den  Anfang  macht  das  Etlikt  des  Kon,  Hroibarit  vom  22.  Nov.  643.  Seine 
388  Kapitel  machen  in  der  Hauptsache  ein  Straf-  und  Civilge.setzbuch  aus. 
BenOtxi  sind  Justinianische  Gesetze  und  anscheinend  auch  das  Edikt  des 
Eurirh.  GIrichwohl  ist  das  Werk  eine  durchweg  sclbsülndige  Aufzeichnung 
teils  attlangitbard-  Gewolmheitsrechtes,  teils  planmassiger  Neuertii\gcn.  Bei 
allem  Archaismus  der  Fassung  verrüt  sich  doch  sowohl  in,  der  Ausfühdichkeit 
wie  in  der  systematischen  Anlage  und  Jn  der  Deutlichkeit  des  Ausdrucks, 
auch  schon  in  einem  gewissen  Rationalismus  der  Rechtsbesserungen  der  Ein- 
fluss  der  italischen  Kultur.  Das  Gesetzbuch  scheint  den  beigegebenen  Mo- 
tiven nach  imveründert  so  publiziert,  wHc  es  vom  König  vor  die  Landsgemeinde 
gebracht  worden  war.  Für  Reinhaltung  des  Textes,  an  dessen  Buchslaben 
der  Urteilfinder  im  Gericht  gebunden  war,  trug  eine  Sdilussvorschrift  Über 
amtliche  Aiisferligimg  und  Beglaubigung  der  Exemplare  Sorge.  Den  erstell 
Zuwachs  eriiielt  Hrutharits  Edikt  durch  p  Kapitel  von  Kün.  Griinwald -aus 
dem  Juli  böS.  Eine  ausgiebigere  Vermehrung  aber  trat  erst  im  tS.  Jahrh.  ein: 
Tj  atv^amiNft'  {im  Ganzen  156  capp.)  aus  eben  so  vielen  Regierungsjaliren 
des  K.  Liutprand  zwisdien  713  und  735,  dann  8  capp.  des  K.  Ratchis 
V.  746,  endlich  13  von  Haistnif  aus  d.  J.  755.  Von  die.sen  Zuthaten  sind 
nun  die  meisten  durch  Streitfragen  der  Gerichtspraxis  veranlasst,  und  manches 
Kapitel  pbt  sich  geradezu  als  Erkenntnis  des  Königsgerichts  samt  Geschichus- 
erzahlung  und  Entscheid ungsgründen,  So  bleiben  denn  auch  die  jüngeren  Bestand- 
teile des  »corpus  etiitli«  an  Anschaulichkeit  nicht  hiiiter  dem  Ed.  Hrotli.  zurück. 
Aber  es  ist  doch  ein  neuer  Geist  in  diesen  Gesetzen  des  8.  Jahrhs.  Längst 
verschwunden  ist  der  Arianismus:  für  eine.  co/ÄoZ/fa  j^m  verfasst  der  cafhoUcta 
prinupt  seine  Satzungen,  und  zwar  Dii  inspitalhnf.  Römische  und  mehr 
ntK'h  kirchliehe  Normen  werden  in's  Langobarden-Recht  eingeführt;  tÜe  Fa.s- 
sung  wird  breiter  und  wortreicher,  die  MotiWenmg  beliebt  und  ausführlich, 
\ielfach  mit  eingestreuten  Sentenzen  verziert.  Kurzum,  es  beginnt  der  roma- 
nische Stil.  Ausser  den  zum  Edikt  geJiörigen  Gesetzen  sind  noch  von  den 
drei  zuletzt  genannten  Kfinigen  ^'erordnungen  (notitiae.  brrvia)  vorhanden, 
welche  als  biusse  Amtsinstruktionen  und  PulizeivonjchrKten  nicht  zur  Kraft  des 


Lanuobaruische  und  angelsächsisch k  Gesetze. 


Ö9 


Edikts  gelangen  sollten,  von  liuislutf  endlich  l-üi  mit  Zusümmuiig  der  Luads- 
goneinde,  aber  nur  für  ein  jalir  erlassenes  Kapitulnr  v.  750.  Dagegen  ist  im 
Herzogtum  Benevenl  durih  itic  Herzi.»ge  Arwliis  (774— 7^7)  und  Adclctiis 
{ÜibO)  das  Edikt  fortgesetzt  worden.  Ihre  Edikte  wurden  durcli  Satzungeci 
crgAnzt,  welche  die  Form  von  Siaatsvertragen  der  Beneventaner  Fürsten  aus 
den  Jahren  774 — 787,  836,  Ö51,  qii,  933  tra};eii.  Da»  Edikt  war  ini  Langu- 
banlcnreich  von  Haus  aus  Tenitorialgesetz.  Nur  die  R(jmanen  wurden  nicht 
nach  ihm,  sondern  nach  römischem  Rechte  als  ihrem  Stammesrecht  heurteilt. 
So  war  dem  PerM>nalitaupnuzip  vijr)(carbt:itet,  wekiics  luilcr  früiikischcr  Herr- 
schaft in  Italien  eindrang  uihI  hier  l>ei  Re<'ht4handlui){;eii  /.u  den  pm/essiones 
juris,  d.  h.  zur  jedesmaligen  Feststellung  des  Geburtsredit^  der  fietciligten 
fohlte.  Die  zahlreichen  Kapitularien  freilich,  welche  vim  den  Karlingen 
fOr  Italien  bis  gegen  den  Ausgang  des  9.  Jahrhs.  erlassen  sind,  vcrfulgen  eine 
Oberwiegend  territoriale  Tendenz,  blieben  dalier  auch  vom  Caimii  des  Edikts 
aosgeschloescn.  Privilegien,  welche  das  gemeine  üffentlii'lie  Ketiit  iles 
Reichs  durchbrachen,  sind  niclii  nur  von  den  Karlingcn,  sondern  auth  schi'ii 
von  den  langubardischcn  KQnigen  und  den  Beneventaner  Hcr/ogcn  uwige^Atellt 
worden.  Sie  tragen  die  Forai  der  PrScepte  und  flnden  sich  mit  diesen  in 
den  Urkundensanimlungen  <^. 

Wegen  ihres  Reizes  ungetrübter  Uraprünglichkeit  xu  den  allerkostbar^ten 
Stücken  der  deutM'hcn  Ge^izinkunabeln  gebore»  die  angelsächsischen. 
Scium  glcicti  die  frühesten  sind  in  dcuts<.'lier  Spraclie  vcrfassU  Sic  stammen 
aus  dein  zuery^t  christianisierten  und  bei  .seinem  Übergattg  zum  neuen  Glauben 
mächtigsten  Staat  Englands,  Kent,  und  bestehen  aus  QO  flömas  vuu  straf- 
und  verwand Ischaftsrechtiichem  Inlialt  und  noch  sehr  trockenem  unbeholfenem 
Vortrag,  welche  zwischen  590  und  O14  dunh  Kon.  /Edelbirht  »comiHo 
tafiientium*  t'nach  Bcda)  erlassen  sind.  Es  folgte  zwis<.-heii  O40  und  t)04  eine 
kirdienrechtltchc  Satzung  vtm  K.  Erccnbryht,  welche  im  Original  verloren, 
dagegen  in  den  alsbald  zu  erwähnenden  Gesetzen  des  Wililrcd  teilweise  be- 
wahrt ist.  Durch  16  straf-  und  prozessrl.  dömas  -vennehrte  die  Rechte  seiner 
Vorgänger*  K.  Hlodhere  <.i73 — (>85.  Sie  liegen  in  der  Fassung  vor,  worin 
MC  die  Bestätigung  des  folgenden  Königs,  Eadric,  um  Oi8()  erhalten  habciL 
Auf  dem  gleichen  Gebiet  wie  die  Gesetze  .seiner  Vorgänger  bewegen  sid» 
Wibire'des  tiämai,  i8  Kapp.,  welche  i.  J.  üyb  die  keiilLsihen  Optiiuatcn  feadi^an). 
voran  die  geisUichen,  unter  Zustiiimiung  des  Königs  bcsclitasscn  liaben.  Bei 
Hlödhcre  und  Wihtred  macht  sich  bereits  eine  gesteigerte  Gewaiidtlieit  der 
Satzbildung  bemerkt>at.  Eben  sie  ist  es,  die  dem  ersten  Gesetzbuch  von 
Wessex,  Ines  eyttingts  äsetnvsse  (7(>  Knpp.)  nun  cinULsslichere  Bcliandlung 
des  zwar  noch  vorwiegend  kia'hen-,  straf-  und  prozessrechtlichen,  daneben 
aber  auch  verwaiidtscliafts-  und  güterrecbdichen  Stuffes  ern)f>gticht  Die 
Sprache  ist  weniger  nüchtern  als  in  den  kentischen  Gesetzen.  Mitiuitt-r  uird 
einer  Bestinunung  ihr  Motiv  bcig^ebcn,  was  in  dun'haus  Volkstum lichcr 
Weise  durch  Citat  eines  Sprichwortes  geschieht.  Djis  Denkniiil  f;illi  in  die 
Jahre  (.188 — 1>94.  Ein  Vorwort  des  im  Text  »gebietenden:  Königs  gibt  Aiw- 
fciinft  über  seine  Entstehung.  Seitdem  —  z.  B.  scl»on  bei  WihtrÄd  —  gehört 
ein  solcher  Prolog  zu  den  regelniässigen  Bestandteilen  angelsächsischer  Ge- 
setze. Ines  asetnvssc  sind  nur  in  einer  Rezension  eriialtcn.  welclie  K.  j^fred 
«etoem  eigenen  Goseizbuch  beigegeben  hat  (s.  unten  ^  8).  Nur  aas  einer 
cinugcn  Hs.,  dem  Cod.  Roffensis  \ii.  Jalirh.)  shid  bis  jetzt  die  kent.  Quellen 


t  Zur  ErUSnuifc  der  dcutscfaen  WOrlcr  in  den  langobard.   QOcHpo  %.  W.   Brückner 
J>ie  Straffte  der  LangoiMrdtn    1895. 


70  IX.  Recht.     A.  Denkm.^lkr. 

lK;kannt.  Verloren  scheinen  Oic*  dtm  dritten  deutschen  Stamm  in  England. 
dem  anglischcn,  vcm  di-AScn  König  Offa  (788 — 796)  gegebenen  und  auch  von 
K.  JE]iikd  bcsiaiigten  Gesetze.  Dagegen  sind  melirere  Künigsprivilegien 
(ifonatiotus  tihertalum,  Jrtblsa)  für  kirchUrhe  Anstalten  (liauptsflcliUcl»  vom  8. 
Jalirh.  jui)  erlialten,  zahlreichere  allerdings  gefälscht.  Sie  sind  am  besten  bei 
Bir(-h  Cariularium  Sn.xorikum  I  1885.  II  1887  gedruckt,  wilhrend  von  den 
allgemeinen  Gesetzen  noch  immL-r  die  zwar  sorgf.'lltige,  aber  nur  auf  dem 
früher  vcröffcntliciilen  (keineswegs  vollständigen)  Material  beruhende  Ausgabe 
von  R.  Schmid  [d.   Gesetze  der  Angelstichsen  2.  Aufl.   1858)  genügen  inu.ss. 

§  7.  Die  Erze14fnis.se  der  beginnenden  Jurislenlileratur  bei  den  Deut- 
schen geh<5ren  dem  Kontinent  an  und  zerfallen  in  zwei  Klassen:  die  eine 
ileht  mit  den  im  vorigen  g  besprochenen  Ge&eizcn  in  geschichtlichem  Zu- 
sammenhang, die  andere  schliefst  s^ich  an  das  Urkuiulenwcsen  an.  Beide 
treten  vnrlSufig  in  qu;ililativer  Hinsicht  noch  unansehnlich  genug  auf. 

Zuerst  zeigt  sich  bei  den  Abschreibern  und  Sammlern  der  Gesetxe 
der  alhnahtiche  Übergang  zu  einer  Art  JurLspnicicTTZ.  Offizielle  Sanunlungen 
((■er  nebeneinander  in  einem  l>esiimmten  Gebiet  giltigen  (.iesetze  gab  es  ausser 
dem  UingLibard.  Lvqms  edlcli  nicht.  Es  war  also  der  Privalüiätigkeit  über- 
b.'isen,  das  Material  in  handlicher  Form  zusammen  zu  stellen.  Solche  Samm- 
lungen waren  ganz  besi:inders  in  denjenigen  Gerichten  notwendig,  wo  dem 
Personalitätsprinzip  gemü-ss  eine  Mehrzahl  geschriebener  Stammesrec:hte  ange- 
wandt werden  musste.  Diesem  Bedl^rfni*;  zu  genügen  waren  die  Sammel- 
bande bestimmt,  welche  verschiedene  Lcges  und  Kapitularien  vereinigen,  und 
von  denen  etliche  noch  in's  8.  Jahrh.  zurückreichen,  wie  z.  B.  die  Hs.  ilcs 
Wandalgar  v.  793  (S.  Gall.  n.  731),  der  Cod.  Mon.  Clm.  41 15  (vgl.  Stobtie 
H^ti.  I  S.  2.5I.  AlxT  folgenreicher  waren  die  Sammlungen  von  Gesetzen  eines 
und  des  nämlichen  Stanmicsrechtcs  die  man  schon  seit  dem  6.  Jahrh.  anzu- 
legen pflegte.  Denn  an  sie  knüjitt  die  rrricrc  Th.lligkeil  des  Ah-icJireibers 
und  Sammlers  an,  welche  ihn  zum  Bearbeiter  macht.  Sein  erster  Schritt 
besteht  im  Hinzuschreiben  des  jungem  Gesetzes  hinter  dem  unveränderten 
Gesamtbesland  des  altem,  wobei  jedorh  durch  fortlaufende';  Zahlen  der  ein- 
zelnen Abschnitte  eine  engere  Verbindung  unter  den  zeitlich  verschiedenen 
Afassen  hergestellt  mrd.  Der  zweite  Sihritt  führt  zur  Veränderung  der  Texte: 
dem  Kfirper  eines  alteren  Gesetzes  werden  Bestandteile  eines  jungem  einver- 
leibt; das  mit  dem  leizlcm  unverträgliche  Veraltete  wird  bei  umsichtiger  Re- 
daktion getilgt,  oder  es  wird  unter  Benützung  de^  altem  Textes  ein  neuer 
hergestellt,  welcher  dem  Inhalt  der  Novelle  cnlsprclien  soll.  In  ähnlicher 
Weuse  wird  auf  jüngeres  Ge wo hnheit'^ recht  Rücksicht  genommen.  Daneben 
gestaltet  sich  der  Bearbeiter  Kürzungen  des  Textes,  Paraphrasen.  Umstellungen. 
Auf  derartigen  Wegen  sind  z.  B.  die  erhaltenen  Redaktionen  der  L.  Sal.  und 
Rib.  untl  die  jüngere  der  L.  Atam.  enist;inden,  deren  Eigetutimlichkeiten  man 
ebenso  verkennt,  wenn  man  .sie  für  blosse  Kiipistenfebler  als  wenn  man  sie 
für  aniiliche  Textändenuigcn  von  Gesetzgebern  halt  Nichts  vielmehr  kann 
über  die  Auffassung  besser  belehren,  die  jene  Jahrhunderte  von  den  gc- 
»chriebenen  Gesetzen  hatten:  diese  geilten  als  Gesetzes-,  abej  nicht  alb  ge- 
setzliche Texte.  Noch  stand  man  eben  mit  einem  Fuss  im  Zeitalter  der 
rein  mündlichen  Gesetzgchung.  Im  grossen  Massstab  betriehen  lieferte  mm 
die  geschilderte  Krimpilatorcn-  und  Inierpolatorenarbett  gegen  den 
Ausgang  der  Periode  hin  Werke,  die  sich  als  selbständige  geben  und  als  die 
ersten  »RechL^bÜcher-  betrachtet  werden  können.  Als  das  Merkwürdigste 
hat  sich  der  inncm  Kritik  die  Le.v  Irishnum  herausgestellt.  Unter  iz  zum 
Ten  umfangrckJie  Titel,  «-ovuo  einige  sich  der  altdcut.  Terminologie  bedienen» 


AlTGSTK  JURIST.   LiTKRATVR. 


71 


sind  hier  mindestens  drei  ^■rrs<■h^edcnc  frflnk.  Strafgesetze  des  8.  Jalirlw.  für 
Ffiesland  verteilu  Daztt'ischen  sind  zwei  Stücke  eine«  Traktats  über  Tödtung 
eingcüchaltet,  der  seiner  Diktion  nach  der  katlischen  Literaturcpi^che  angehArt 
fiiL  II  und  XIV  [mit  XV?]),  Auch  noch  2  andere  Stücke  (tit.  XI  und  add. 
tiL  uIl)  bind  Priva  tauf  Zeichnungen.  Eine  dritte  Schicht  des  Materials  besteht 
aus  Wcistümem  eines  Wlemar  und  eines  Saxmuiid  (t).  Jahrli.l,  wovon  dn* 
«rsle  zwischen  tit.  II  und  III  der  F-ex  eir^esrhohen  ist,  die  übrigen  eine 
additio  sapitntam  zu  derselben  ausmachen.  Die  rohe  Kompilation  dürfte  eher 
vor  als  nach  850  gemacht  sein.  Ihre  Heimat  ist  Mittelfriesland.  Noch  im 
0.  Jahrh.  >  hat  ein  weslfricsischcr  Glossator  die  Rcchtsvcrschietlenheitcn  der 
drei  Hauptieile  Frieslands  ;ingemerkt.  Die  L.  Fris.  samt  Glosse  Lst  nur  aus 
der  Editiu  priiiceps  von  Herold  (1557)  bekannt  (letzte  doch  nicht  einwand- 
freie Ausg.  V.  Richthofen  in  Mon.  Germ.  LL.  HI).  Ein  Werk  von  ganz 
anderm  Schlag  ist  der  Ubtr  legitoquus  des  Abtes  Ansegis  von  S.  Wandrille, 
vollendet  827,  mit  seiner  »ymn)ctris*:heu  Einteilung  in  vier  Bücher,  mit  .strincn 
einleitenden  Oistii'hen  und  pnwaischen  Vorreilen,  seiner  Politur  der  Texte  ein 
ecliter  Reprilsentiinl  der  »karoliiipischen  Renaissance«.  Kreiliih  hat  es  Ansegis 
:h  nur  mit  gleichartigen  Materialien  zu  thun,  Kapitularien  und  MnuiUiUrn 
Karl  d.  Gr.,  Ludwig  d.  Kr.  und  Lothar,  w(»bei  er  unter  m«iglichstera 
Anschluss  an  die  chn  moltigtschc  Reihcnft 'Ige  der  .Aktenstücke  deren  Bestand- 
teile in  eine  kirchliche  und  eine  weltliche  Schicht  zeriegt.  Drei  Appendicca, 
die  noch  von  .\n»egis  selbst  herrühren,  enthalten  Nachtrage  zu  d«i  vier 
Büchern  (beste  Ausg.  v.  Boretius  in  Mon.  Germ.  LL.  sect.  II  tom.  I  in  4* 
18831  Vorgeblich  den  Ansegis,  dessen  Werk  schon  820  offiziell  rezipiert  war, 
durch  drei  weitere  Bücher  erganzen  will  die  weitschichtige  Sammlung  von 
wirklichen  und  mehr  noch  von  I'sevidokapitularien,  deren  Verfertiger  sich  in 
der  versifizierten  Vorrede  Benrdkim  Uvila  nennt  (Ausg,  v.  rcrtz  in  Mon. 
Genn.  LL.  11  1837).  Mit  ihm  hebt  um  847 — 857  jene  im  weslfrank.  Reich 
beheimatete  Schule  von  Rcchtsschriftstellem  an.  welche  auf  Fälschung  des 
Qberiiefertcn  Rechts  in  grossarligcm  Massstab  und  im  Dienst  kirchlidier  Ten- 
denzen autgeht.  Auch  die  Sammlung  des  Benedikt  Ist  rezipiert  und  durch 
additiones  vennehrt  worden.  Gedenken  wir  nocli  einer  systematisierenden 
OnifordiiJ  des  tangobard.  Ediktstoffes,  welche  zwischen  8ji)  und  832  auf 
Veranlassung  des  Markgrafen  Eberhard  von  Friaul  zusammengescli  rieben 
wurde  ^herausg.  v.  Btuhmc  in  Mon.  Gcmi.  LL.  IV  i86d),  so  ist  die  Zahl 
der  Kompikitinnen  erschöpft.  Neben  die-wn  gibt  es  nun  aber  nr^-h  Arbeiten, 
die  ruar  gleichfalls  durch  die  Gesetze  ihren  Anstoss  empfangen  haben,  doch 
ihrer  Natur  nach  freie  Erzeugnisse  der  Rechtskunde  sind.  Mit  der  Erläute- 
rung der  Texte  befassen  sich  die  Glossen.  Die  aheste  und  wichtigste  Glosse 
ist  die  Malbergische  iu  der  Lex  Salica,  zugleich  das  Ultestc  Schriftwerk  in 
deutscher  Spnichc.  -Sie  besteht  aus  zahlreichen  salfr^nk.  Wertem  und 
SälzcD,  welche  mittelst  der  Sigk-  mall,  oder  malb.  in  die  Texte  der  Hss.  ein- 
ge«rhoben  .sind  und  die  vor  ;dlfm  im  Geriibt  (am  »Mallobcrg«)  üblichen 
KuustatLsdrOcke  und  Fomielii  angel>cn.  Die  Malb.  Glosse  ist  zwar  in  einigen 
jOugem  Texten  fortgelassen,  in  andern  dagegen  vermehrt,  beschrankt  sich 
ituch  keineswegs  ;iuf  das  Gesetzbudi .  sondern  erstreckt  sich  noch  auf 
die  alteren  Kapitularien.  Hiernach  ist  klar,  dass  wir  in  ihr  weder  die 
Übertileibse!   eines  sulfränk.   Urtextes  der  L.   Sal.,   noch  auch  einen  wesent- 

I  Dir  GloSK  vor  »dd.  tit.  XJ  de  bon.  Icmpl.  wUt  voraus,  Ams»  in  OslfripslnDd  nocb 
bridoiscbcr  Kult  gepflegt  werde.  Da  die  Gk>wc  Kiib  aiMrli  iltier  ilie  add.  uip.  cntrcrkt,  mi 
ergibt  «cb  daniiu  ein  termintis  m\  qu«n  fllr  die  AhrossunEucil  der  L.  Fris.  (gcseo  De 
Geer  io  Zwfar.  i.   RO.  VItl   1869   $.   151). 


liehen  Bestandteil  von  ClilciJcwccirs»  Paktxis  zu  sehen  haben,  wie  Neuere 
meinen,  snmlem  den  Niedcr«J»lag  der  PrivatintcqjTetati^m  des  6.  Jahrhunderts. 
Vnn  ihren  Abschreibern  ist  die  Malb.  (ilnsse  meist  bis  xur  Unkenntlichkeit 
verdorben.  Methodische  Herstellungs-  und  Erklärungsversuche  sind  jjemacht 
von  J.  Grimm  in  Gesch.  der  deul.  Spr.  S.  584  ff.  und  Vomde  zu  Merkels 
Ausg.  der  L.  Sal.  1850,  dann  von  H.  Kern  D.  Ghssf»  in  der  L.  Sil  1809 
und  /i/o/n  on  the  frank,  words  itt  ihe  L.  Sai  in  der  Aufgabe  v.  Hcsscls  1880. 
Viel  jflnger  und  kOmmerlirber  als  die  Malb.  sind  die  tcJls  lalein.  teils  ahdeutscti. 
Glüsscn  zur  L.  Sal.  (Merkel  S.  10 1  — 103)  und  zur  L.  Rib.  (0.  Jahrb.?  heraaig. 
m  Mon.  Germ.  LI-.  V  S.  277)  zum  Paktus  und  zur  L.  Alam.  zur  L.  Baiuw. 
(in  der  Ausg.  der  LL.).  Über  die  Glossen  zur  L.  Fris.  s,  oben  S.  71.  Die 
wortinterpreticrendcn  Gl<wscii  führten  zur  Anlage  von  Vokabularien.  Ein 
henevenu-mistbes  zum  lanpfih,  Edikt  (g.  Jabrh.)  legt  mit  seinen  ungesrhirkten 
Versuclicn.  die  deut-iclicii  Wörter  des  Textes  zu  erklären,  Zeugnis  ab  für  die 
bereits  eingetretene  Italianisierung  des  langnb.  Rechts.  Einen  weiteren  Schritt 
von  den  Glussen  aus  bezeichnen  die  Übersetzungen.  Von  einer  oslfrank. 
Übertragung  der  I-  .Sa!,  rmend.  aus  dem  y.  Jahrb.  sind  Bruchstücke  des 
Index  und  der  beiden  ersten  Titel  gcre«L-i  (bei  Merkel  S.  109— iti,  MSD 
187,^  Nr.  05,  Braune  Ähd.  Lach.  1&88  Nr.  14}.  Von  einem  Kapitular 
kennen  wir  eine  mfrSnk.  Übenfeizung  (vgl.  nben  S.  67).  Vom  Gesetzestext 
I6st  »ich  die  Privatarbeit  ab,  wenn  sie  jenen  exzerpiert,  und  gar.  wenn  sie  die 
Exzerpte  nacli  neuen  Gesichtspunkten  ordnet.  Bekannt  sind  Auszüge  von 
dieser  Art  aus  der  L.  Sal.,  der  L.  Alam.  (zum  Vergleich  mit  der  L.  Baiuw.); 
dem  Ed.  Lang,  (unterilal.  in  griwhischer  Spraclic).  sodann  aus  den  Kapilularien- 
sammlungen  des  .^nsegis  und  des  Benedikt,  endlich  aus  der  L.  Rom.  Wisig. 
(Frankr.  8.  u.  cj.  Jahrb.).  Das  eigenartigste  Werk  dieser  Gruppe  aber  ist  die 
Lex  Rnmana  Cioiensis  (früher  auch  Utineusis  genannt),  welche  die  Inteqjre- 
latio  des  Brenars  nicht  nur  cxzerjviert,  sondern  auch  unter  Berücksichtigung 
des  Örtlichen  nim.  Vulgarreihts  und  des  deutschen  verändert.  Ihre  Heimat 
ist  Churratien.  ihre  Entsteh ungszeit  noch  vor  76(>  (vgl.  Zeumcr  in  Zschr.  f. 
RG.  XXII  1888  S.  1—52;  Ausgabe  v.  dems.  in  Mon.  Germ.  LL  V  iBtjo). 
Die  vorher- genannten  epilomac  leiten  uns  über  zu  den  Traktaten.  Der 
älteste  besteht  noch  aus  1 1  kurzen  Nr>tizen,  welche  die  solidi  der  L.  Sai.  in 
Pfenn^e  umrechnen  und  deren  Summen  in  salfriink.  Sprache  angeben.  Unter 
dem  Titel  Chimnas  findet  sich  das  ehrwürdige  Denkmal  in  den  Ausg.  der 
L.  Sal.  Ausführlicher  ergehen  sich  die  naiven  Schilderungen  geltenden  Rechts 
aus  der  KarliiigLschen  Zeit  Einer  friesischen,  die  nur  stückweise  in  der  L. 
Fris.  erhalten,  wurde  S.  71  gedacht.  Vielleicht  noch  in 's  9.  Jahrb.  fallt  eine 
italische  Über  frilnk.  Recht,  wovon  der  Cod.  33  Epored.  Braclistücke  enthalt 
{Merkel  L.  Sal.  S.  99 — im,  Behrend  I..  Sal.  S.  120 — 1^3).  In  formeller 
Hinsicht  weit  Itberragt  werden  aber  diese  Schriften  von  den  Abhandlungen, 
die  aus  den  Kreisen  des  hohen  Klerus  Jener  Zeit  hervor  gegangen  sind,  da- 
für auch  freilich  den  kirchlichen  Geist  atmen  und  ebenso  der  kin-hlichen  Li- 
tenilur-  wie  der  deutscheu  Rechl.sge.schichtc  angehören,  wie  des  Kincmar 
V.  R heims  Episto/a  de  ordine  palaüi  (auf  Grundlage  eines  iibeüm  de  ordim 
palatii  v.  AtUiNiard  v,  Corbie  [f  82f)]  verfasst  und  das  Gutachten  desselben 
Bischofs  De  dhvrtio  Jjotharii  et  Tetber^e  [um  860),  dann  die  theologisch- 
polemischen Schriften  des  B.  Agnbard  v.  Lyon  (t  841):  Epistola  ad  lutdo- 
vicum  juniorem  advemis  legem  Gundobadam  et  impia  certamina  und  Liber  de 
divinü  seniendis. 

Die  zweite  Klasse   von    Privatarbeiten    über  das   Recht,   ihrer   Herkunft 
nach  undeutsch,    besteht  aus  Formularen  und  Formclbüchcrn  von  der 


AlTSSTE  JURIST.    LtTKRATL'K. 


7J 


Art  des  S.  63  f.  besprochenen  westgotischen.  Anch  in  Gsllien  machte  die 
Notariatskunst .  die  an  dklandi,  vun  den  ROmcm  flbcrkummeu .  einen  Be- 
standteil  der  Rheti^rik  aus.  Dort  sind  denn  auch  die  grundlegenden  Fonnel- 
sammlungen  des  deuis»  hrechtüchen  Quellen krelsCÄ  zu  Haase.  Unnultelbar 
«-ollen  die  Formeln  Muster  für  Urkunden  und  Kürrcsiwmdcnzen  aufstellen. 
Zu  diesem  Zweck  dienen  in  der  Regel  wirkliche  Urkunden  und  wirkliche 
Briefe,  welche  die  Sfimailer  bald  j^nz  unver.lndert  la>.sen,  Imld  in  den  sche- 
inatischen  Bestandteilen  exzer|jieren.  allenfalls  auch  mit  the<  »retischen  Noten 
versehen.  Xur  die  %'omehmstpn  Sammlungen  sollen  hier  genannt  werden. 
Den  Reigen  erüffnen  die  <>o  Dictati  \o\\  Angers  (sng.  Fonnulaf  Andtgaitnses, 
y.Jahrii.).  Sie  sind  dem  westgnt  Formel-Buch  nächst  veru'anrii,  zu  welchem 
sie  auch  dturh  ihre  Mischung  von  rüm.  und  frSnk.  R.  ein  Seiteu»tück  bilden. 
Im  wcsentHchen  rein  fränkisch  dagegen  sind  die  92  Farmtdae  Marculfi  (Ende 
des  7.  J.ihrh.).  so  nach  ihrem  klösterlichen  Sitmmler  und  Bearbeiter  genannt. 
In  einem  entten  Buch  brinyi:  er  die  cmiue  reelles  d.  h.  Master  für  die  nfgotia 
JB  paiatia,  in  einem  zweiten  die  catitu  pagensa  für  die  negotia  in  pa^,  jene 
»le  diese  weniger  zu  praktLsihen  als  zu  Lelirzwecken.  Bezeichnend  für  die 
Riclit\ing  dieser  Literatur  ist  die  bei  ihm  her\'i  irtrctende  Verbindung  von 
Diplomatik  und  Briefstellerci.  Die  Markuirsrhe  Sammlung  ist  zum  meist- 
^brauthten  Fonnelbuch  des  frank.  Rcii'hs  gewurden,  daher  auch  durch  An- 
hinge erweitert,  durch  Überarbeitungen  forijjebildet,  in  späteren  Kompilatii>uen 
auigeschriel»en.  Weniger  nalinnal  als  die  Form.  Äfarc.  sind  die  überwit^cnd 
privatrechtlichen  Form.  Tumnenses  (früher  nach  ihrem  Finder  Sirwondicae  ge- 
nannt. —  4,5  tapilula,  8.  Jahrli.).  Mehr  als  bei  Markulf  wagt  .sich  hier 
adion  das  the<  »retische  Element  hervor.  Dagegen  wird  dieses  unierdrQckt 
in  den  viel  reichhaltigeren  (\niat  SenonUae  (c.  a.  7O8 — 775),  jciner  Samm- 
lung \xin  51  Musleni,  die  übrigens  nicht  blus  Cartae,  sutidcrn  auch  Nutitien 
und  Briefe  enthalt  und  liesonders  pnizcssgeschichtlich  wertvoll  ist.  |Eine 
kleinere,  ebenfalls  zu  Sens  entstandene  Saumihmg  von  18  Stücken  gehört 
der  Zeit  Ludwig's  d.  Fr.  an  {Form.  Sen.  rtctnltons).  NiederfraukLsch  sind 
die  21  iwch  dem  ersten  Herausgeber  benannten  Farm.  IJndenhrogiauat 
(2.  Hälfte  des  8.  Jahrh.).  Sie  vermitteln  mit  Markulf  den  Übergang  zu  den 
oberdeutschen  Fnrmclbüchen] ,  die  gegen  Ende  des  8.  uid  zu  ße^nn 
des  9.  Jahrh.  einsetzen.  Die  alamanntschen  und  baierischen  Bi!M.-ho{ssitze 
und  Abteien  sind  es,  deren  Verbindungen  mit  Westfranken  der  dortigen 
Funnctlitcratur  Eingang  in  01>erdeutscht:md  verschafft  und  aus  dem*n  nun 
neue  Hilfsmittel  der  ars  dictandl  herw'rgchen.  .\m  ])ri»dukii\stcis  ist  die 
DiOcese  Constanz,  wo  /..  B.  Reichenau  5  FonnelbOcher  {Form.  An^ifruet), 
danmier  2  aus  dem  S.  Jahrb..  dann  St.  Gallen  ausser  verschiedenen  Einzel- 
fonndn  und  kleineren  Kullckli<  >ncn  zn^ischen  7.S0  und  8i>o  {Form.  Stiriffzllensa 
misecüaneat\  eine  grös-serc  Mu.siersammtung  für  Urkunden  und  BrieJe  {GiUeetio 
Sangallensis\  aus  der  2.  Hälfte  des  «t.  Jahrb.  (von  N.'tker  Balbulu.s)  auf- 
zuweisen hat.  Hier  gewinnen  denn  auch  tiie  eingestreuten  theoretischen 
Anweisungen  an  Raum.  Fast  ganz  von  den  westfrank.  Formularen  abliaugig 
ic^  idch  Burgund  mit  der  Coliettio  Flttriuia^etuü  8.  Jahrh.,  die  in  der 
Hauptsache  auf  den  Forni.  Marc,  und  Tur.  beruht.  Für  die  kaiserliche 
Kanzlei,  wo  früher  Markulf  gebraucht  worden  war,  wurde  8iB — 840  aus 
55  Urkunden  I.uduig's  d.  Fr.  ein  Formel- Buch  angelegt  {Form.  imfteriaUs). 
Wie  die  Formelbüchcr  die  Lücken  ausfüllen,  welche  den  geretteten  Vorrat 
wirklicher  Urkunden  unterbrechen,  .so  werden  sie  selbst  ei^nzt  durch  die 
allerdings  zunüclist  dem  kirchlichen  Quellenkreis  angehörigen  und  auch  nicht 
auf  schriftliche  Gescliafte  bezüglichen  Liturgieen  für  G<utesurtcile,  wo- 


74 


IX.  Recht.    A.  Denkhälbil 


vcm  einige  ins  q.  Jahrhundert  zurückreichen.  Die  sannüchen  Fonnulare  aus 
dem  frank.  Reich  sind  kiilisch  licrauägt^cbcn  von  K.  Zcumer  in  Mun.  Genii. 
LL.  sect.  V,  i88(]. 

§  8.  Die  Werke  des  g.  Jalirli.,  welche  um  des  ^usammcnlumgcs  willen 
schua  in  §§  6  und  y  genannt  werden  massten.  fültren  un«  ins  Mittel- 
alter. Da  ist  nun  zunächst  fe-stxusiellen,  dass  von  vnm  herein  der  süd- 
und  westkunttncntalc  Dciikmalcrkrcis  aufliört,  Gcgcnsland  unserer  Betrach- 
tung zu  sein,  «elhst  wo  er  aur  germanischen  Fundamenlen  der  vor^^i 
Periode  weiterhaut.  Ein  spanischer  Fucru  »«Icr  ein  portupiesischer  Foral, 
eine  fninzüsische  oder  nrtrmannische  Connime  ist  weder  ein  germanische!» 
Denkmal  des  Rechts  noch  ein  Denkmal  des  germanischen  Rechts.  Und 
genau  so  steht  es  mit  dem  Lr/vr  Pnpmists  und  seiner  Familie.  Kalli  jener 
der  Geschtclile  der  simnLschcn  Gesetzgebung  anlieim,  so  die  spatloinbar- 
dischen  Quellen  der  Geschichte  der  italienischen  Jurisprudenz.  Ein  wei- 
terer Abbruch  f-eschieht  dem  sOdgerm.  Quellenkieis  nnch  im  Frilhmiuclalter 
in  F.ngtand.  Madien  sich  noch  vor  der  normannischen  Eroberung  dänische 
Einflüsse  im  ags.  R.  bemerkbar  (J.  Steenstrup  A'ormtirinfme  IV,  i8Ö2),  so 
unterliegt  dasselbe  im  nflchsten  Jahrhundert  den  durch  die  Eroberer  \"er- 
mittelten  fnmzösLschen ,  und  unter  Heinrich  K.  (115^— riK9)  wird  das  Er- 
löschen des  rein  ags.  Recht.slebens  als  entschieden  anzusehen  sein.  Schon 
aus  diesen  Gründen,  aber  auch  wegen  der  s*.-h rillweisen  Entwicklung,  welche 
die  angelsächsische  Dcnkmaler-Geschiditc  im  Gegensat/  zur  kontinentalen 
dieser  Periixle  mit  der  früheren  verbindet^  empfiehlt  es  sich,  die  eratcre  jetzt 
vorweg  zu  erledigen,  die  zweite  auf  §S  0^ — 18  zu  versparen. 

Das  Q.  Jahrh.  legt  den_  Grund  zur  Vereinigimg  der  ags.  Reiche,  welche 
mit  der  Th^lnlle^tcigung  Kadgärs  (0,^0)  zum  AbschluhS  gelangt  Dem  ent- 
spricht das  Aufkummeri  und  zunehmende  Wachstum  einer  Gesetzgebung 
mit  gemeinrechtlicher  Tendenz  und  clas  allmähliche  Zurücktreten  der  Parti- 
kulargeseizc.  Der  erste  Gesetzgeber  dieses  Zeitalters  ist  .lilfred  (871 — QOi). 
Ein  Gesetzbuch  (nach  Edw.  I  pr.  dömböc,  in  den  Ausgj;.  JlÜfre'dts  Mmas), 
welches  er  mit  Zustimmung  fler  (optimalen  in  der  letzten  Periode  seiner 
Regierung  erlassen  hat,  führt  unter  mögliclistcni  Ansdiluss  an  das  Bestehende 
einheitliches  Recht  für  die  drei  deutschen  Stammesgebicie  des  Rei<-hes  ein. 
Die  Umrahmung  bilden  eine  für  ■.*Elfr6ds  Richtung  bezeichnende  ausführliche 
Einleitung  in  49  capp-.  wcirin  er  halb  erzahlend,  halb  parainetlsch  auf  das 
gijttlirhe  Recht  verweist,  und  eine  besondere  Beilage  für  jedes  Stamm esgebiel, 
die  aus  den  filteren  Gesetzen  ilessetben  besteht  (vollständig  bei  Turk  Tlte 
Ifgal  (oäf  oj  ^^frfd  ihe  ^rrni  1H93).  Zwei  kürzere  allgemeine  Gesetze  im 
Kapitularicnton  folgen  unter  K.  Eadweard  (901 — 924):  Eadwfnrdcs ^en^dnesse 
und  das  sog.  Voncilium  Exoniftise.  Gleichartig  sind  unter  /E^IeSstÄn  (924 
bis  040)  ein  königlicher  Erlass  an  die  Gcrefen  über  die  kirchlichen  Abgaben 
fCoustttuiio  dt  defitnis),  tlas  ConfÜinm  Oreatanla^mf  ( .^äflstdnrs  gertrdnessr, 
2t)  capp.  venuisctiteii  Inhalts)  und  das  ConcHmm  Thunrcsfeldeme  (ein  Friedens- 
gesetz in  7  capp.),  wozu  als  vorbereitende  Stücke  eine  Bittschrift  der  Nota- 
beln  von  Kent  (Com,  Fefreshamane)  und  eine  königliclie  Kundmachung  über 
die  Beschlüsse  eines  Hermtigs  zu  Exeter  (Conc.  Exoniense}  gehören,  — 
weiterbin  unter  Kadmund  (040 — 940)  ein  Kirchengesetz  (Lff^es  nrlex-itistirae), 
auf  einer  Reichssynode  zu  Londfui  gi-gcben  ('1  capp.),  ein  walirs<-heinlich 
ebenda  beschlossenes  Strafgesetz  (i-eges  suv/datrs,  7  capp.)  und  ein  Comilitim 
Culitdoneme  (7  capp,),  ein  cliaraklcristisches  Beispiel  für  die  Art,  wie  altere 
Gesetze  wiederh'ilt  «nirden,  —  unter  Kadgi'ir  (959 — 975)  eine  Genrdnyss. 
hü    man  piff   hmidrfd  healdati   steal  (sog.   Consiiitttio   de  hundredii)    und  zwei 


Angelsächsische  im  Mittelalter. 


75 


N 


umfiLSsendere  Reirhsgesptze,  Cohc.  Ändffrmntnse  und  WthiboniesttiHrnst,  das 
leliterc  c.  062,  beide  in  zwei  Abteilungen,  Legfs  eeclniastuae  und  saccuiam, 
Unicr  yF.flelr^d,  dem  letzten  Gesetzgeber  aus  deuLtchcm  Stamme,  tritt  ein 
vollständiger  Verfall  in  der  Technik  der  Geseugebung  ein.  Die  formelle 
Trennung  %i»n  weltlichen  und  kirchlidicn  Gesetzen  wird  aufgegeben.  Ein 
unaufltfiriicher  Riillentntisrh  zwisrhcn  Gesetzgeber  und  I'rediger  verrat  die 
Schwache  des  Herrschers.  Steht  darum  die  Menge  des  Rechtsinhalts  in  einem 
Mtss^'erhaltnisse  zum  Umfang  der  cinzchien  Gesetze,  so  s<-heint  auch  die 
Zahl  derselben  der  langen  Kegienmgtzeii  des  Königs  (978 — 1016)  weniger 
zn  entsprechen,  als  gcwrijnilitli  behauptet  wird.  Denn  nur  4  allgemeine  Ge- 
setze /Krtelr^ds  sind  bekannt:  .^Edelrt'des  cvutnges  genffiiiissf  (das  C^itu.  IlWr- 
sloekirme  (Ijh  sodann  die  stig.  ConstUulio  v.J.  1008  (wahrscheiulich  ein  Cone. 
Wuätstockicnse  II.),  wozu  das  Conc,  Aenfiamense  lediglich  die  Vnrakten  ent- 
halt, ein  CoNC.  apmi  Badnm  r.  /.  /009  (?)  imd  eine  Comt.  v.  /.  wi^.  Ausser 
den  allgemeinen  (ieseizen  der  Periode  vor  Knut  kommen  noch  die:  schrift- 
liihen  Friedensverträge  {fruif^xcriui)  in  Betracht,  welche  die  Verhältnisse  in 
(1cm  don  Angludanen  eingeräumten  Gebiet  (Data  iagiij  orünai.  Wir  liaben 
sulche  aus  der  Zeit  .■'Elfri-ds  ztt-ischen  B80  und  8()o,  Eadweards  (vielleicht 
uro  006)  und  .'KitelrtMs  (bei  Sihmid  .\eihelr.  U.  c.  i — 7  §  i,  a.  fKji.  vgl. 
Steenstrup  a.  a.  ().  S.  54 — 581.  Weiterhin  sind  5  Partikulargesetzc  zu 
nennen,  von  denen  jedes  in  seiner  Art  einzig  da.-*teht.  Die  Jttdicta  nviiaiis 
Ijmdoniae  aus  i^delstän's  Zeit  nadi  dem  Conc.  Thunre^f.,  dos  älteste  genn. 
Gfldcstatut  imd  zugleich  das  Älteste  Denkmal  aiigotsfichsischcr  Autonomie, 
sodann  ein  Weistnm  Dt  imiitutä  LttndoHiat,  das  gleichfalls  unter  ^-^'^delstÄn 
und  nach  dem  Conc.  Gralanl.  aiizitsel/en  ist,  ein  Cont.  Watutungrnse ,  ent- 
haltend ein  KOnigsgcsetz  v.  cmj;  für  das  angbdän.  Gebiet  der  »fünf  Städte«, 
die  Genidn£S  bttwto.v  Düttie'tan,  ein  gemeinsame-s  Statut  anglUciier  Optimalen 
und  walscher  »Ratgeben«  über  den  Grenzverkehr  am  linken  Sevcmufer  in 
Worrestershire  (Steenstrup  a.  a.  0.  S.  61 — h^)  waJirscheinlich  aus  der 
ersten  Hälfte  des  10.  Jahrb.,  A\^  Nordliymhm  pre'mia  Uii^u.  im  Ganzen  67  capp., 
doch  ursprünglich  zwei  getrennte  Gesetze  über  (he  Einführung  von  Christen- 
tum und  Kirchenverfa-tsung  bei  den  Danen  um  York  (10.  Jahrh.).  .\us  dem 
nächsten  Abschnitt  der  ags.  Rechtsgesdiichtc  bringt  nur  die  Knul'sche 
Periode  (1016 — loj,"^)  allgemeine  Gesetze,  zuerst  {'t\  einen  Erla-ss  des  Königs 
aus  dem  J.  1020,  worin  er  die  Grundlinien  des  Rechtszustandes  unter  der 
neuen  Dj-na-stie  zieht,  sodann  nacli  1028  das  Conc.  Winionirnsf ,  eine  K<kü- 
fication  (84  cnpp.),  welche  nicht  nur  auf  die  altere  Einteilung  solcher  Werke 
io  LiC;ges  ecciesiasticae  und  sacoilarcs  zurückgreift,  sondern  auch  den  Stoff 
grOestaiteils  aus  alteren  Quellen  kompiliert.  Seit  dem  11.  Jahrh.  mehren  sich 
die  Gildenstatute.  Drei  hochinteressante  Beispiele  aus  Abbotsbun,-,  Exeter 
und  Cambridge  sind  erhalten.  Aus  der  Zeit  der  normann.  Herrschaft  werden 
mit  gutem  (jrmid  die  Gesetze  Wilhelm's  1.  (1066 — 1087I  noch  den  angel- 
iflduiachen  zugerechnet:  eine  kurze  Oirta  für  i/mdon  um  io(>7,  wnrin  das 
»Recht  Edwards«  bestätigt  wird,  eine  Carta  de  ytaOusdcm  sfaUUis,  welche  u.  a. 
die  Zusicherung  der  vorigen  verallgemeinert  und  wahrscheinlich  um  1068  be- 
schlossen wurde  (die  längeren  Te.\le  nach  Stubbs  CAroti.  /{oj(.  Ilor.  p.  XXH 
— XLIII  interpoliert),  die  eine  Bestimmung  dieser  Carta  ülier  «las  Straf- 
verfahren zwiw;hen  Engländern  und  Franzosen  ausführenden  WiiMmes  cvningts 
äiefftvJU  (j  capp.),  stniimn  die  I^ges  et  consuctndiues  v.  1070,  in  ihrer  ersten 
Hälfte  (capp.  I — 3b)  hauptsachlich  aus  Weisiümem,  in  ihrer  zweiten  (c.  37 
— 5^1  —  charakteristisirlt  für  Lanfranc's  Zeil!  —  aus  n^misthrechtlichen 
nod  KnutVhen  B«itiiumungen  gebildet,  endlich  die  staatükirchcnrechtlidiui 


FundamentalartikeJ  in  der  Girfa  Wiliclmi  um  1085.  Ausser  den  bisher  ge- 
nannten Gesetzen  und  der  belradilUchen  Menge  von  Privilegien,  welche  in 
diesem  Zeitalter  eben  so  sehr  Wirkung  wie  Un>ai.lie  des  Machtzuwaclises  der 
ags.  Grtwsen,  namenthch  der  geistlichen  waren,  finden  sich  no<:h  in  den  Hss. 
drei  allgeinL'ini;  Gesetze,  deren  Zeit  sit:li  nur  als  nacli-zEIfredLscli  angeben 
lAKKt,  nämlich  die  Stftrke  lie  hläierum  nud  be.  morästihUtm ,  lie /or/ange  und 
ßSm  Itf  hiittin  Isene.  and  jvwtre,  wcj^egen  ich  die  Satze  von  der  Toten- 
beraubuiig  und  vom  Künigsfricden  ( —  aherlüml.  Massbcstimniung!  — )  eher 
für  Wei.stümer  hahen  nnx-hic.  Die  Sprache,  worin  die  Gtwet/e  verfasst  sind, 
ist  regelmässig'  und  selbst  noch  unter  WiUielm  I.  die  angelsächsische.  Docli 
liegen  einige  nicht  mehr  im  Urtext,  sondern  nur  in  den  unten  zu  erwähnen- 
den lalciii.  Versionen,  die  Leges  et  cousuct.  Wilhchns  und  suitie  Carta  de 
quibiLsd.  slat.  auch  in  einer  fntnzösischen  vor.  —  Die  ags.  Privatarbeiten 
über  das  Recht  hallen  sich  im  vorausgelienden  ZeiUiltcr  ausschliesslich  auf 
kirchlichem  Gebiet  bewegt  (Ptenitcntialbücher).  Jetzt  ziehen  sie  aucl»  das 
wellliche  in  iliren  Kreis.  Den  Übergang  kuiine"  einigemiassen  die  31  capp. 
£e  griic  ami  he  mutiJt  vt;ranschau]iclien,  die  wohl  im  1 1.  Jahih.  verfasst  sind. 
Vielleicht  alter  und  jedenfalls  durdi  Form  wie  Inhalt  unvergleichlich  wert- 
voller sind  \X\&  Recfittiäincs  shignlarttm  penonantm.  ein  Traktat  in  j  1  ca|)p.  über 
Lasten  und  R«:hte  verschiedener  weltlicher  Volkaklassen  vom  königlichen 
Gefolgen  bis  zum  untcisien  Gutshürigen,  und  kleinere  Aufsätze  aus  voniomiann. 
Zeit  über  Verlöbnis,  Wergcld  und  Stände,  darunter  einer  metrisch  erzlihlcnd, 
aridere,  wie  ja  auch  sonst  die  ags.  Liieraiiir,  zu  Betracliiung  und  Gnomtk 
neigend,  sämtliche  in  ags.  Spracite  verfasst.  Sciiupfen  dic^e  Privataufzeich- 
nuiigen  fa.st  ganz  luid  gitr  aus  der  Praxi-s  so  schlagen  die  der  normann.  Zeit 
eine  entgegengesetzte  Kichtiuig  ein.  Gemeinsam  ist  diesen  die  Absicht,  das 
vom  Eroberer  bestätigte  »Recht  Edwards«-  darzustellen,  gemeinsam  auch  das 
kompilatorische  Verfaliren  zu  diesem  Zweck,  gemeinsam  die  latein.  Abfassung. 
Sammlungen,  latein.  Überlragungen,  paraphraiierende  und  inter(>Dliercndc  Be- 
arbeitujigcn  von  Rechtsschriften  aus  Wessex  und  aus  aiiglischcn  Gegendea 
sind  die  Vorläufer.  Diesen  zunächst  .steht  in  Heinricb's  I.  Zeit  (noo — iiJ5) 
ein  aus  Knut's  Conc,  Wint.  und  manc)ierlei  andern  Materialien  um  11 10  zu- 
samrueiigcsteältes  Rechtsbuch  in  3  Abteilungen,  dem  man  neuerdings  den 
Titel  Insiiuüa  Cnuii  aIiorn$nijue  re^mn  Aiighnim  gegeben  hat  (herauag.  von 
Liebcrmann  in  Transactions  of  Royal  Hislorical  So».iety  1893).  Viel  weit- 
läufiger und  s)'steniati«cher  angelegt,  ebenso  theologisch  wie  juristisch  imd 
schon  stark  romanistisch  ist  eine  bis  jetzt  nur  teilweise  veröffentlichte  Kom- 
pilation, die  den  Titel  Quadripariitta  trflgt  (iiiu — 1114).  Sic  war  in  4  Teilen 
gf-plant.  Aber  nur  zwei  davon  sind  ausgeführt  worden  (Über^iciit  und  Aus- 
züge bei  Lieberinaun  Quadripariitia  iöy.2).  Mit  ihr  in  genetischem  Zu- 
sammenhang wie  in  Ideengem  ei  nschaft  steht  ein  gnisses  Rechtsbucli  in  (;4  capp., 
dem  der  Inhalt  seiner  beiden  ersten  ca[>p.  den  Namen  der  Lej*ei  Jlanrict  I. 
verschafft  hat.  Um  1118  verfas.st,  gewahrt  es  mit  seinen  scholastischen  Ein- 
teilungen und  seinem  kritiklosen  Aufreihen  der  verschiedensten  einheimischen 
und  fremden  RechLssätze  ein  Bild  vom  flusscrsten  Verfall  des  ags.  Rccbtit. 
Doch  ist  es  durch  mancherlei  Angaben,  die  sich  in  keiner  alteren  Quelle 
finden,  wertvoll.  Letzteres  gilt  auch  von  dem  beliebtesten  Rechtsbuch  der 
normannisclien  Zeit  vor  Glanvilla,  dem  TractatHs  de  Legibus,  dem  Neuere 
den  Namen  Le^fs  Edwanii  Con/cssorij  gegeben  haben.  Er  ist  um  11 36  ver- 
fasst und  beschränkt  sich  mehr  aufs  einheimische  Material.  Noch  vor  1160 
wurde  er  einer  Überarbeitung  miterzogen.  Wahrscheinlich  noch  der  ersten 
HUlftc  des   12.  Jalirhunderts  gehört  eine  lateinische  Bearbeitung  von  Gesetzen 


LLDEtrrscHE  tu  MA. 


77 


Knut's  und  einten  andern  Stücken  an,  welche  unter  dem  Namen  Omsi/iafü» 
Cnuti  herausgegeben  M  ivun  Lifbermann  1893).  Wenn  aiuTli  ftie  die 
Traktate  und  Rctlitsbflchcr  theoretische,  so  dtA'h  viel  si-hlichtere  und  zm- 
?irh  unmitten>artTe  Äusseningen  des  Rerhtsbewusstscins  sind  die  Weistümcr, 
ilich  die  mtlndlichen  Aussagen  Über  hergebraclites  Recht ,  wie  sie  meist 
auf  amtliche  Anfrage  durch  vereidigte  Leute  aus  dem  Vulk  ergangen  und 
durch  den  Frager  aufgeschrieben  worden  sind.  Schon  einige  kleinere  ags. 
Aufzeiclmungcn  scheinen  von  dieser  Art,  ttic  z.  B.  Kemhle  Cod.  dipl.  No.  977, 
1077.  Vgl.  ferner  oben  S.  75.  In  normann.  Zeit  enthalten  die  latein.  Grund- 
bficher  und  Heberollen,  wie  z.  B.  das  Domaday  hook  l  toSj — 108Ö),  der  Lt6er 
migrr  von  Peterboroi^h  {11:35),  ^^^  Boldon  book  (1183)  mancherlei  Protokolle 
über  mQndliche  Weisungen  von  Rechtssiltzcn .  die  nicht  nur  in  die  ags.  Zeit 
zurückreichen,  sondern  auch  unter  rein  ags.  Bevölkerung  in  Kraft  geblieben 
waren.  Den  TraktJiten ,  Kei;ht«:bftchcm  und  Wristömem  gegenülx-r  steht 
eine  kleine,  aln-r  withtigc  Grup[>c  von  ags.  Formeln  für  Eide  und  andere 
mftndliche  Rechtshandlungen.  Ihnen  reihen  sich  nun  (seit  dem  10.  Jahrh.) 
auch  in  England  einige  Ortiitifs  judidomm  Dei  an,  wie  man  sie  früher  schon 
im  frflnk.  Reich  vcrfasst  hatte  (vgl,  oben  S.  24),  sowie  das  Ritual  der  KOnigs- 
krnnung  (vgl.  Kreeman  ///V.  0/  Ihe  0>iiqu.  III  p.  (120 — O29  und  Waitz  />/> 
FonHfln  der  deutsch.  Kön.-Kroti.  in  den  Abb.  der  Gött  Ges.  XVIII  1873 
S.  19 — 2^).  Die  I\ibli katinnen  der  ags.  Rerhtsdenkmaler  dieses  Zeitraums  «dnd 
Wi  jetzt  noch  selir  un/ulanglich.  Der  Grundstock  der  Gesetze,  die  Privi- 
legien awigenommen ,  und  der  Privataufzeichnungen  findet  sich  hei  Schmid 
(oben  S.  70),  dessen  Ausgabe  ergänzt  wird  durch  Stubbs  Sekt t  (harten  7.  ed. 
i8qo,  Pauli  in  den  Forsch,  zur  deiiL  Gesch.  XIV  ('187418.  .^t»— .j^o'i.  Lieber- 
mann in  Zschr.  f.  RG.  XVI  (1882)  S.  127—136,  XVIII  (1S84)  S.  iq8— 
2r6  imd  dessen  sowie  Turk's  sch^-m  angefflhrte  Ausgaben,  Höhl  bäum 
Hans,  l'rkh.  IIL  S.  382 — 384  und  durch  die  Diplomatarien  von  Kcmble, 
Thorpe  und  v.in  Hirch  (III   [ — f>75]   1893). 

5  9.  Wiihrend  die  ags.  Recht-ibildung  cinheitliclic  Formen  annimmt, 
M-ir^l  die  kontinentaldeutsche  durch  den  Wandel  der  staatlichen  Ver- 
lulltnUse  in  die  umgekehrte  Richtung  gedr,'[ngt  Dem  entspricht  es,  wenn  im 
mittclalterliclicn  Deutschland  nicht  die  Denkmiller  lies  ReJchsrcchte,  sondern 
die  des  Partikularrechts  den  Blick  des  Beschauern;  zuerst  auf  sich  ziehen. 
Wahrend  des  10.  und  ii.  jahrhs.  zehrt  die  Anwendung  des  geschriebenen 
Stammes-  und  Reichsrechts  nahezu  auschlicsshch  von  den  Errungen-scha/ten 
der  Karlingerzeit.  Das  .sind  <!enn  auch  die  Jahriiunderte,  aus  denen  «ir  <lie 
meisten  Hs«.  der  Leges  und  Kapitularien  haben.  Cldclizeilig  hat  aber  auch 
schon  die  Aufsaugung  des  Stammesrechts  durch  das  Lokal-  und  Terri- 
lorialrcrht  begonnen.  Diesem  fallt  fortan  bei  der  gesamten  Rechtsbildung 
die  führende  R(»|]c  zu.  In  jedem  Immunitatsgebict,  in  jeder  Grundherrschaft, 
jeder  Stadt,  jedem  Dorf  finden  Sondergcwnhnheiten  und  Stindergesetze  den 
freiesten  Spielraum.  Und  selbst  der  Inhalt  des  gr-raeinen  Rechts  pflegt  sich 
in  das  Gewand  tles  Sonderrechts  zu  kleiden.  Die  letzten  Nachklange  des 
PersonahtatAiVstems  vernehmen  wir  im  13.  Jalirh.  Aber  im  ganzen  war 
tlaraals  d;w  Stamme.'^recht.  formell  genommen,  dunh's  partikulare  Territorial- 
recht  flben*undcn.  Hiemit  im  Zusammenhang  steht,  dass  die  Menge  der 
lokalen  RechtsdenkmJiler  wahrend  des  M.\..  bis  zur  Zahlloüigkeit  an- 
schwillt. Die  einzelnen  zu  nennen,  wäre  aber  nicht  nur  undurchführbar, 
sondern  auch  tiberflOssig,  weil  manches  als  Beispiel  fflr  Hunderte  gelten  kann. 
E>  handelt  steh  ako  nur  darum,  sie  zu  klassifizieren  uml  zu  exemplifizieren. 
Wir   «chddcu   xunSchst    diejenigen  Privatarbeiien    aus,    welche  einen    imoffi- 


78 


IX.  Recht.    A.  Denkmäler. 


L 


zicllcn  Charakter  tragen  (§  13  ff.),  itKlem  wir  Ijci  de»  Gesetxcn  und  Weis- 
tümem  stehen  bleiben.  Zwei  Ursprung!*-  und  Geltungsgebiete  sind  es  v()r- 
nchmllcli,  deren  volksuirtschafiliche  und  politische  Eigenart  jene  der  Quellen 
bestimmt:  das  Baucmdurf  und  die  Kiiufstadt. 

In  täen  hflucrliclien  RerliLvqu eilen  äussert  Rieh  das  Recht  der  Grund- 
herrsdiafl  ( *  H<  «frechl« )  und  der  Markjjennssensdiaft  oder  Naclibarschaft. 
Reiihl  diese  in  die  frühesten  Zeiten  der  Ansiedlungeu  zurüe-k,  so  jene 
wenigstens  in  die  Iet«cii  Jahrhunderte  der  vorigen  F^criiidc  (vgl.  ^§  61,  51). 
Das  MA.  ist  für  die  Grundherrschaft  nur  die  Zeit  der  Ausbreitunir,  Befestigung 
und  Ver\-«>llkommnung.  Bei  der  Fortdauer  der  Alteren  einfaclien  L.eben.s- 
verhülliusse  stellen  Huf-  und  Murkreclit  nur  seltene  und  geringe  Aufgnben 
an  eine  bewusst  sdiaffende  Tliätigkeit.  MeUt  sind  es  leise  Übergilngc  in 
denen  das  biluerlirhe  Recht  von  seinem  ursprÜngUchen  Standpunkt  sirh  ent- 
fernt Daher  bestehen  seine  Denkmäler  weit  weniger  aus  Gesetzen  der 
Gnindherrcn  und  aus  Beliebungen  tler  Markgenossen  als  aus  Auf/.eithnungen 
über  dos  hergebrachte  Recht.  Die  regelmässige  Form  fttr  diese  ist  das 
»Wcistum«  (mhd.  ivisltiom  oder  offennti^e).  Was  »gewiesen':  oder  'ertSffnelc 
wurde,  war  das  schon  zur  Zeit  der  Aussage  geltende  Recht,  Dieses  konnte 
ältere  Satzung  sein.  Gemeiniglich  aber  war  es  Übung  luid  Brauch.  Den 
Anlas!«  zum  Weislum  konnte  diu  Aufnahme  <les  Gflterhesilzcs  und  der  Ein- 
künfte des  Gnmdherni  bieten,  so  dass  wie  in  F-ngland  (<jben  .S.  77)  Zins- 
rcgisler  (Urbar)  und  Weistum  im  nämlichen  Sclniftsiüik  vereinigt  sind  (Betsj». 
No.  32  a.  1204 — i^OS  bei  Kindlingcr  Ilörif^l;  %-ielleicht  auch  No.  20  lit  a, 
c.  1224).  Noch  öfter  jedix-h  nOtigicn  Streitigkeiten  über  ilas  alle  Recht  dazu, 
dieses  durch  die  Rcctitsgenossen  selbiit  feststellen  zu  lassen.  Je  uHch  den 
Anlassen  mochten  die  Arten  der  Erhebung  wechseln.  Die  Regel  aber  war, 
dass  in  der  Gericlits Versammlung  »ler  Bauern  der  Gerichbihaher  «hIct  Gerichts- 
herr die  Urteilfinder  um  das  Recht  fragte  (daher  das  Wcistum  mhil.  auch 
vtäge  genannt).  Die  gewöhnUche  Form  der  Dinghegung  durch  Fragen  und 
Finden  von  Urteilen  Ober  Gerichtszeit  und  -BcÄetzung,  Friedeiwgebot  u.  s.  w. 
diente  ungesuchl  als  Rahmen  fürs  Fragen  nach  dem  Weistum.  Von  hier 
aus  ergab  sich  leicht  dir;  iicriodLsche  Wiederkehr  di-sselben.  Daher  finden 
wir  so  oft,  dass  das  Weislum  selbst  nach  dem  Gericht  benannt  wurde:  in 
Österreich  z.  B.  panUidinc  (in  Weingegenden  bercteidim),  in  Bayern  ihnft 
teiäiiu,  Steidinf,  in  der  Schweiz  järdim-,  in  Näederdcutschland  ItoUing,  Die 
Wiederholung  befestigte  Inhalt  und  Wortfassung  des  WeistumSj  so  dass  auch 
in  spai  aufgcscbrielx^nen  Quellen  dieser  .\rt  sefir  alte  Zeugni.>wc  des  Rechts 
vorliegen  kOnnen.  In  der  That  empfand  man  das  Bedürfnis  des  Aufsdirei- 
bcns  selten  vor  dem  14.  Jalwh.  Die  meisten  erhaltenen  Texte,  gewöhnlich 
zum  periodischen  Vorlesen  bestimmt  (Ding-,  Twing-  oder  Hofrodel  im  Alam.) 
und  in  deutscher  Sprache,  gehören  sogar  erst  dem  ausgehenden  MA.  oder 
der  Neuzelt  an,  was  in  .Anbetracht  der  Stabilität  des  Baucmrechts  ihre  vor- 
sichtige Benützung  beim  Ennitteln  tk-r  lUteren  ZustHiule  nicht  verhindern  darf. 
Freilich  enthalten  mamhe  jüngere  Weistümer  gesetzgeherisrlie  Zuthaten,  und, 
nachdem  einmal  die  Be:milen  und  die  Gesetzgebung  sich  eingemischt,  haben 
auch  Wanderungen  der  geschriebenen  Texte  stattgefunden,  so  dass  Weistümer- 
famllicn  unlenicbiedcn  werden  können.  Aber  ihj^en  steht  eine  beträchtliche 
Menge  anderer  Stücke  gegenüber,  selbst  noch  aus  dem  lä.Jahrh.,  wfE<-he  ihre 
ursprüngliche  imd  mittelalterliche  Fassung  in  Fragen  und  Antworten  twiwahrt 
haben.  Nach  all  dem  crkkirt  es  sich,  wenn  man  seit  J.Grimm  ü;ls  Baucm- 
weistuin  im  allgemeinen  als  die  Hinterlage  der  urwücltsigercn  und  volkstüm- 
licheren Schicht   imseres   deutschen  Rechts   anzusehen  pflegt.     Au  AlienOm- 


Kokt.  dkit.  Baukkv  u.  Stadtrecht  im  MA. 


79 


k 


lirhkcit  und  VolkstnmlUhkeit  des  Stils  je^de[lfalK  wie  sie  sich  Süssem  in  »n- 
ichaulicher  Tenniiinlogie,  In  AUitenitiun.  Rmlrfim.  Mftrum,  in  Metaphern  und 
Taui'iltigien,  in  sprit hwörtlitlicn  und  huniorislisthcn  Wendungen,  im  epUrlien 
Schildern  vnn  Mcns^licn  mwt  Dingen,  an  allen  diest^i  lltrntrisrlien  Reizen 
thut  es  dem  Laucrliclicn  Wtisiuni  keine  andere  thet>re tische  Aufzeichnung 
gleich  (Angaben  der  Hauptsamm langen  und  Verzeidinisse  Imu  Schröder 
Lchrb.  §.s«;  s.  femer  Stobbe  Äy«.  I  S.  580.  Siegel  KG.  S.  76,  Fockema 
Andreae  oben  S.  $y,  dazu  AOf  Öffnungen  .  .  .  aus  der  Oüschweiz  ges.  v. 
N- Senn  1S73;  Verzeichnisse  und  AlvInirkeschwciz-Wci-itümer  und  Herrscluii'ts- 
rcdite  in  der  I^chr,  für  sclncfh.  R.  seit   185^. 

Wallet  auf  dem  Gebiet  des  bauerlichen  Rechts  das  Weisium  vor,  so  auf 
dem  Gebiet  des  Stadtrcohts  oder  Weichbildes  (vgl.  oben  S.  57)  das  Ge- 
setz. Und  das  nämlifhe  gih  von  der  Vorstufe  des  Stadtrechts,  dem  Markt- 
recht Im  Wesen  von  Markt  und  Stadt  (^  31)  liej(t  schon  etwas  künstlicbes, 
und  kanstlich  «ie  ihre  ersten  Einriihtungen  pflegen  auch  ihre  spateren  zu- 
fitande  zu  kommen.  Denn  im  Gegensatz  zu  den  bäuerlichen  Rechbikreisen 
eignet  der  Stidt  diic  sthnelle,  «.jfl  sprungweise  Entwicklung  ihrra  Rechts,  wel- 
<jieä  mannigfaltigen  ttirtschaftlichen  und  jif^ditisrhen  \'erhaltnUsen  angepiisst 
und  so  Gegaistaiid  der  Überlegung  werden  muss,  Dalier  überwiegt  in  den 
stadtischen  Quellen  das  Verstandesmassige  und  eine  gewisse  Trockenheit  des 
Tuns*,  wogegen  sie  sieb  vor  den  Bauemweistümem  durch  Vielseitigkeit,  Klar- 
heit und  Genauigkeit  auszeichnen.  Die  Denkmäler  des  Sladtrci-hts  beginnen 
mit  den  königlichen  Privilegien  fOr  den  Stadtherm  (tyj)isch  die  l*Ti\ilegien  der 
sachs.  Kaiser).  E.s  folgen  königliche  Privilegien  und  Rethlsbc-itatigungen  fflr 
<hti  Rewfihner  der  Stallt  selbst  (zuerst  im  11.  Jahrb.)  und  Gesetze  des  Stadt- 
herm. Die  wichtigste  Gruppe  der  letzteren  bilden  die  »Rechtsbriefe«  oder 
•  Handfesten«  (flam.  koaen),  d.  s.  diejenigen  Aktenstücke,  worin  der  Stadtlierr 
die  Grumlzüge  des  Hechts  .seiner  Stadt  feststellt  Sieht  man  vom  sogenannten 
Hofnrcht  des  Bisch'.ifs  Burkhard  von  \\'urms  {Ltgrs  ti  statuta  familiae  s  Pelri 
um  1023),  welches  nur  teilweise  hier  einschlagt,  sowie  von  den  ältesten  Markt- 
rechtsbriefen (für  Allensbadi  1075  und  für  Radoifzell  iioo  in  ZORh.  NF.  V 
108,  141)  ab,  so  gehören  die  ältesten  Rechubriefe  ftlrStÄdte  erst  dem  zwölften 
Jahrhundert  an  (frOheste  Beispiele:  Staveren  tioH,  Vpem  1116,  Fretburg  i.  Br. 
tut  oder  1122,  worül>er  K.  Hegel  in  ZORIl  XI  277—28(1.  St.  Omer  1127 
und  1128}.  Die  Rfrlilsbriefe  mehren  sieh  rasch  von  der  Zeit  an.  wo  das 
Gründen  vim  Städten  ein  we,senüiches  Glied  im  Finanzsystem  der  Territorial- 
lierm  und  des  Grundadels  aasmachte,  Der  Stiftungsbrief  ist  Bewidmungsbrief, 
wenn  er  fflr  die  neu  gegründete  Stadt  das  Recht  einer  alteren  als  Muster  auf- 
stellt. Bisweilen  ist  aber  die  Bewidmuiig  erst  lange  auf  tlen  Stiftimgsbrief 
gefolgt  Seit  ungefähr  1150  treten  die  ersten  Erzeugnisse  stadiischer  Autt>- 
nomie  auf.  teils  den  Landfrieden  (unten  S.  84)  analog  in  Gestalt  beschworener 
»Friedenseinungen*  der  Bürger  {conjutationes,  »SchwOr-  oder  Friedbriefe«), 
die  periiMhsth  erneuert  wurden,  teils  als  Weistümer  aus  der  Mitte  der  BOr- 
gcrgeniciiule  (/„  B.  Stnuwbuig  c.  1150,  Augsburg  I152 — 115b,  worüber  Ber- 
ncr  Z.  l'a/iSfftrb.  v.  Augib.  SS.  "2 — 79),  teils  als  kodifika lorische  Küren  der 
Bürger  (wie  z.  B.  die  onti<jua  et  tltttn  jusficia  von  Soest  nach  II 50),  teils  in 
GcMtalt  von  Vertrügen  unter  mehreren  Städten  über  die  gtgcnseitigt  Behand- 
lung Üjrcr  Bürger  (we  zwischen  Köln  und  den  Klanclrem  11 97 — 1215).  Zu 
WciitOmcm  gaben  bald  Sudtigkeiten  der  Bürger  mit  dem  Stadtherm  den  An- 


*  W(«  »ehr  dlcam  d«h  nur  im  Vergleich  mit  den  bAurrlichcD  Quelkn  der  Knil,  ergeben 
die  2uHOinunitdluogeo  von  'Konncln'  in  den  RQuetkn  von  Ba*el  11  S.  510—611. 


8o 


IX.  Recht.    A.  Denkmäler. 


lass,  wie  bei  den  oben  iinpcfüiirtcn  Aufzeichnungen,  bald  aber  aurli  die  .««rhon 
era-ahnlcn  Rcchtsflbertragiingen,  indem  die  Muster-  (oder  »Mutter-«)  Staut 
der  bewidmctcT)  (oder  »Tnuhter-«')  Stadt  nidil  nur  ihre  eigenen  Rechtsbriefe 
Übersandte,  sondern  audi  Ober  ihr  Gewohnheibirerht  .srhrifdiehc  Belehrungen 
erteilte  (Belspp.  Magdeburn  von  t2i  i  an,  Halle  1235,  Lübeck  bald  nach  1227, 
Durtmund  uni  i-$$  und  I2;,5.  Uhn  1296).  Scliöffen  und  Rat  sind  die  Iw- 
rufenen  Wewcr  des  Stadtrerhts.  Ans  Abgeben  von  Weislfiniem  aber  knüpft 
niiturgeniJiss  das  ^pezifi^ch  stüdlischc,  vom  gemeindlichen  verschiedene  Kür- 
recht  an,  auch  wo  rs  der  Starit  nicht  fOnniich  verliehen  wurde,  wie  schon 
I163  ;m  Lübeck,  1^18  an  Bern  und  später  vielen  anderen  Stüdten.  Sowenig 
sich  da-s  Kflrrecht  von  seihst  verstand  und  so  oft  es  auch,  namenüjch  im  13. 
Jatidi.,  vum  Sladtberm  anjjefi« luen  wurde,  es  griff  doi-h  unter  der  Gunst  der 
allgemeinen  jioliuiirhen  und  n-irthschaftlichen  Verbtlltnisse  immer  weiter  um 
sich.  Vom  Rat  allein  oder  unter  Zustimmung  der  Bürger,  d.  h.  regelmüssig 
der  stadtischen  Korporationen  ausgeübt,  zieht  die  autoiit.nie  Gesetzgebung  das 
gesamte  stüdtische  Rechlslebcn  In  ihren  Kreis.  Seit  (Jem  15.  Jahrh.  kommt 
es  denn  auch  zu  umfassenden  Rechtsaufzeichnungen  durch  den  Rat  in  fOnn> 
liehen  StadtbClchem  (nl.  keurlofkeit),  wobei  die  kiteinische  Sprache  ihre  Herr- 
.schafl  an  die  deutsche  abtreten  niuss  (selbst  in  Trientl!)  In  einij-en  Städten 
werden  Rechtsmitteilungcn,  die  nach  auswärts  ergangen  waren,  in  Gestalt  eines 
Stadibuchs  aufbewaJirt  und  weiteiTiebiädet.  (so  in  Lübek);  in  anderen  wird  das 
Stadlbucb,  vergleichbar  dem  langobard.  corpus  edicü,  als  ein  corpus  slalulu- 
rum  durch  einen  frirralirhen  Gesetzgebungsakt  gestiftet,  indem  vorerst  das  über- 
kommene Recht  kodif/iert,  für  die  künftigen  AVillküren  aber  in  dem  sorg- 
faltig gehüteten  Pergamentband  Raum  freigelassen  wird  (so  in  Hamburg  1270 
und  \2f)2,  Trienl  \ot  1270  [?],  Augsburg  I27f>,  Goslar  1290—1310,  Zürich 
c.  1290  und  1304,  Bamberg  130Ö).  Dabei  wird  eine  primitive  Systematik 
beubachtet,  die  an  einigen  Stadtrcchlcn  auch  ausscrlich  durch  Gliederung  des 
Stoffes  in  Bücher  .»dch  zu  erkennen  gibL  Häufig  Lst  das  Slatutenbuch  mit 
dem  Protokoll-  (auch  »Sladl---)  Buch  ausserlich  verbunden,  welches  über 
Rechts-  und  Verwahungsgeschäfte  geführt  wird.  Aber  planuiössig  angelegte 
und  umfangreiche  Statut enbö eher  wurden  gesondert  geführt,  nicht  selten  unter 
individuellen  Namen:  es  gab  »wdsse,  schw;u"2e,  rote  Bücher,  in  Wien  ein 
»elseme.s-,  «i  Kampen  ein  -goldenes^,  in  Utrecht  ein  'rauhes*  und  eine 
»Rose*,  in  Lüneburg  einen  »Donal-.  In  niedcrsJlchs.  und  niederifmd.  Städten 
erscheinen,  werm  das  Stadtbuch  nicht  otter  nur  für  bestimmte  Gegenstände 
geschlossenes  corpus  sein  sollte.  Verordnungen  des  Rats,  insbesondere  die  po- 
lizeilichen, als  gesonderte  zum  Verlesen  vor  versanmielter  Bürgerschaft  abge- 
fasste  Schriftstücke  {btinprakcn.  civiioqma ;  Hauptbeispiel  t/t  kundige  ndi  von 
Bremen).  Immeibin  aber  bleibt  das  Stadtbuch  derGnmdstock  alles  geschrie- 
benen Sladtrechts.  Die  alteren  Qucllengattungen  bebailen  im  allgemeinen  nur 
noch  für  Städte  jüngerer  Griindungszelt  ihre  ursprüngliche  Bedeutung.  Eine 
.sehe  bemerkenswerte  Ausnahme  macht  das  oberbiürische  Stadt-  imd  Markt- 
recht,  welches  noch  um  1334  wesentlich  in  der  Form  des  Rechlsbricfes  in  dem 
"Versiegellen  Buch*  K.  Ludwigs  des  Baicm  kodifiziert  wurde.  Familien  von 
Sladtrechten  lassen  sich  unter  zwei  Gesiclit.>ipuuklen  miteischeiden,  einem 
quellengesrhichtlichen  und  einem  rechtsgcschichtiichcn.  Einmal  nfimlich  folgte 
aus  dem  Bewidmungsweseu,  dass  die  Quellen  der  Tuchlerrechte  mit  jenen  des 
Mutterrcchts  und  auch  unter  sich  in  engem  derivativem  Zusaniincuhang  standen. 
Scdaim  aber  sorgte  der  damit  Hand  in  Hand  gehende  Zug  vom  Gericht  der 
Tochterstadt  an's  Ceridit  der  Mutterstadt  als  üiren  Oberhof,  wie  er  in  Nord- 
deutschkmd,  im  Rheingebict  imd  in  den  .sluvisehen  Landern  bestand,  für  die 


KoNT.  DEUT,  Stadt-  d.  Territor].\xrr.  im  MA. 


8x 


Forldauer  der  prinzipiellen  RerhLsgemeinsrhaft  wnter  den  SlSdten  der  näm- 
lichen Gmppe.  Auf  solche  Weise  hat  sich  cinereeits  niedersachs.  R.  weit  in 
sUvischc  linder  verbreitet  und  sind  andererseits  Beziehungen  znischen  flan- 
drisdiem  und  franzt^iischcm  R.  hergestellt  »-orden.  Eine  innergeschichüiche 
Gruppierung  der  Stadtrechte  ei)?:ibt  sich  aber  auch  aus  dem  Fortleben  der 
allen  Slarumcsrethte  in  den  ersteren,  wobei  freilich  Kreuzungen  stattzufinden 
pflpgpn.  Das  Stammesrecht  ist  mit  Kolonien  und  Kaufraaixnsgitdeii  tHanscn) 
nach  weit  entlegenen  Städten  gcw'andert,  wofür  das  sich  nacli  Sachsen  und 
Östeneirh,  nach  Böhmen,  Mahren  und  Ungarn  verzweigende  flämische  Recht 
das  Idassisclie  Beispiel  bietet.  In  Kolonisationsländem  w-irktc  das  Suidtrecht 
auch  aufs  Ktnerliche  Recht  ein,  so  vornehmlich  in  Preussen  und  in  Maliren, 
wo  die  System;! tische  Anlage  von  Kolonistendnrfem  den  Städten  die  Stethmg 
von  Oberhöfen  gegenüher  jenen  verschaffte.  Gegen  den  Ausgang  des  MA. 
bcrück-sichtigen  die  Stadtrechtsaiifzeichnungen  das  römische  Recht  Ältere 
Stadibflcher  -wurden  unter  dem  Einfluss  der  romanisti.schen  Zeitstrrtmung  mo- 
dernisiert oder  »reformiert'  (Köln  1437.  Nürnberg  147Q — 1484  [gedriK'kt 
1484!},  Hamburg  1497),  oder  es  wird  dem  iKalserrecht«  ausflrflrklirh  suh- 
sidtSre  Anwemlbarkcit  beigelegt  (z.  B.  Lüneburg  1401).  Verzeichnisse  \*<mj 
Stadlieclitsdenkmalem  sind  WarnkOnig  FiandT.  RG.  I  S.  ^^94 — 406,  Geng- 
ier Deuttthe  SladtreehU  des  MA.  1852,  Bischoff  Oesiemieh.  Stadtrerbtf  und 
Prifilfgirn  1857  (zur  Ergün/ung  Luscliin  Öslerr.  Reiehs^sch.  S.  138,  142), 
R.  Schröder  m  ZORh.  NE-*.  X  S.  113— 129  (^eine  Übersicht  11.  d.  Matenol 
fflr  die  Herausgabe  der  Sladtr.  des  nOrdl.  Badeiw  u.  der  lienachbarten  Ge- 
bietet und  Forkenia  Andreae  oben  S.  53.  Au.^ben  sind  femer  genannt 
bei  Costa  Bi'bfioxr.  Nr.  547— ^?5I  und  Gengier  Deut.  Stadfrfffitsa/lerthümti^ 
idßa  S.  478 — 505,  Orcllj  Gnmdr,  d,  schvas,  RG.  §§3,  2y  (hinzurufftgen  der 
'difi/oma/.  Anhang"  bei  Warnkönig  a.a.O.  Bd.  I — HI,  Rtcueil  des  anc.  coui. 
de  la  Belgiqve  t8ö7 — 94,  Oi^rijssfUthe  sfad-,  dijk-tn  mnrktre^len  her.  v,  Nan- 
ninga Uilterdijk  I  1875,  Werken  der  Vereemf^'ng  tot  uilgavt  der  bronnen  van 
ket  oude  imderiandifke  recht,  eente  reeis  II — XV,  XVHl  l88t^ — '895,  Ältbayer, 
Stadtrerhit  her.  v.  Haeutle  im  Oberbayer.  Archiv  XXV  1889  SS.  163—261, 
Oheirhein.  Stadtrtchte,  her.  v.  d.  bad.  histnr.  KommL-winTi,  \.  Frä$tk.  RR.  T — 3  H. 
l)carb.  V.  R.  Schröder,  1895 — 97;  viele  Drucke  nennt  auch  Schröder, 
Lchrb.  §  56. 

g  10.  Über  die  RechLsbildung  in  Dörfern  imd  StJldten  erhebt  sich  zunächst 
die  der  Bezirke,  der  Grafschaften,  der  landesherrlichen  Territorien. 
(besetze  für  die  letzteren  sind  allerdings  in  der  frOhenm  Entwicklungszeit  der 
Landeshoheit  selten.  Zwar  haben  wir  Beschlßssc  einer  baier.  Synode  zu  Din- 
gtilfing  V.  932  uiul  eine  consiitutio  {von  Ransliofeji)  des  Herzogs  Heinrich  11. 
und  der  baier.  Gr(.<ssen  aus  dem  Ende  des  10.  Jahrhs.  Und  auch  in  dem 
S.  79  genannten  Hofrecht  tle.*!  B.  Burkhard  von  Worms  und  in  einer  Verord- 
nung wahrscheinlich  desselben  Bischofs  Über  die  Pflicht  zum  Worraser  Mauer- 
bau (FDG.  XIV  398)  kündigt  sich  schon  die  landesherrliche  Territo- 
rialgesetzgebung an.  Aber  in  Fluss  kommt  diese  eigentlich  erst  im  13. 
Jahrh.  Zwei  Formen  sind  es,  worin  sie  vor  sich  geht:  Spczia^esetz  und 
Lottdesordnung.  Die  beliebtere  Form  ist  im  13.  Jahrh.  noch  das  Siiezialge- 
setr.  E.S  ist  der  Alteren  Gattung  forstlicher  Legislation,  dem  Privik-g  und  dem 
Stadtrechtsbrief  nächst  verwandt  und  schlies-st  sich  flus^erlich  an  «ae  an.  Der 
Inlialt  der  Spezialgesetze  bezieht  sich  vorzugsweise  auf  die  Reclilsstellung  bc- 
Btinunter  Volksklawen,  »ie  die  Privilegien  für  Gilden,  für  Kolonisten,  dann 
die  sr>gen.  Judenprivilegien,  femer  seit  dem  13.  und  14.  Jaltrh.  die  fitrs  Ver- 
fassungsn-cht  iler  Territ*)rien    so  wichtigen  -»Freibriefe«    der  l.andstaiide  (vgL 

Cernuiiiivclte  PbUoIocie  ilL    2.  Aafl.  6 


§  5i).  besondcis  zahlreich  seit  131 1  in  Baicm  (Ausg.  v.  [Rockingcr  und] 
V.  LerchcnfeUi  <fie  althnin:  landsloHd.  Freibriffe  1853).  Aber  auch,  was 
schon  ahherkümmiicbcr  Weise  als  objektives  Sonderrecht  betrachtet  war,  wie 
das  Bergrecht,  blieb  im  fürsüiclien  Territiirium  dem  Spczialgeset/  vorbclialtcri 
(Beispiele  u.  Nennxing  vr.n  Ausgaben  bei  Stnbbe  Rqu.  I.  S.  574 — 7(1,  H  S. 
269,  Klostcrmann,  d.  gemeine  tieut.  ßerfpvcht  I  J871  ^g  11,  12,  dazu  Er- 
ganzui^en  in  Cod.  dipi  S.i.v.  II.  Hauptteii  Bd.  XIII  i8Öf>).  Im  Spätmiitel- 
alter  gesellen  sich  noch  in:mchcrl«  »Landgcbj>tc«  in  Sachen  des  Prozesses, 
der  Polizei,  des  Tjindfrictien.s  hinTii.  Auch  die  Ordrung  des  altgerndnen 
LantlesrechUs  knüpft  in  den  ersten  Zeiten  mehrmals  an  den  Rechtsbrief  an, 
indem  sie  sein  Anwcndung^;gebiet  erweitert  {Kulmer  Handfeste  v.  1233  u. 
1250  [Ausgg.  vcrzeichn.  bei  Gcngler  deut.  Stadtr.  S,  22H],  die  Trienter 
Statuten  1.^7 — 1347  li*g.  v.  Tomaschck  im  Arch.  f.  Oslcrr.  Gewhqu.  XXVI). 
An  selbständigeren  Kodifikationen  des  Tenitorialrechts  sind  im  I^uf  des  13. 
Jahrhs.  zustand  gekommen  kleine  Liuidrechtc  in  Kcureuform  für  die  flandri- 
schen Bezirke  Furnes  ( 1 240},  Wae«  ( 1 24 1 )  und  Vier  Ämter  ( 1 242)  bei 
Warnliünig  IL  NN.  ifx),  220,  222  und  eine  Landesordniing  für  Österreich 
{die  wig.  vjüngerc  Fas.sung  des  r>sterr.  Landrcchls«  v.  K.  Ottakiir  (I2(j6? 
(Dnirk  hei  HasenAhrl  (hferr.  i^adeir.  18*17  8.2(13 — 278).  In  der  letzteren 
ist  ein  Entwurf  von  1237  (die  sog.  -JÜtere  Fassung  des  ö.  LR.«,  a.  a.  O.  S. 
236 — 273)  benutzt  Entttnirf  gebliel>en  Ut  ein  böhmisches  Gesetzbutii  von 
Wenzel  IT.  (12Q4).  Dagegen  im  14.  und  15.  Jalirh.  konuni-'n  selbst  grijssere 
Werke  dieser  Art  zu  stände  (an  der  Spitze  das  oberbaier  » Rc<.:hlbuclK  v. 
133(1  in  158,  und  v.  1346  in  350  Artikeln).  Nach  einem  Welstum  des  Reicha- 
hofes V.  1231  sollten  >neue<  Rechte  durch  den  Landeäherm  nur  unter  Zu- 
stimmung der  mtUores  et  mapra  terrae  gesetzt  werden  ktinnen.  Dieser  Norm 
lebte  man  in  der  Folge  wenn  auch  nicht  überall,  so  doch  in  den  meisten 
Territorien  nach.  E,s  findet  sich  sogar,  dass  die  Landesordnung  die  Form 
eines  Vertrags  des  Hemi  mit  seinen  Stilnden  erhült  (Würzbu^  M.VS)  wit-T 
dass  der  Kürst  den  StJüidcn  das  lirlassen  Her  Landesordnuiig  delegiert  (Breslau 
1346).  Die  Quellen,  woraus  die  Tcrrilorialgcsetzc  schOpfefi,  sind  meist  ein- 
heimische, danmter  auch  die  RechLsbücher  (§  14).  Das  Breslauer  (sog. 
»!Mhlesi-sche< )  Landreclu  ist  sctgar  im  wesentlichen  nur  Bexirbeitung  des 
Sachsenspiegels.  Dem  rära,  R.  werden  betrüchtlichc  Zugeständnisse  nur  in 
Böhmen  gemacht  (jtis  rfgaU  montmiomm  um  ijooy.  Hier  bleibt  denn  auch 
die  Gcselzessprache  die  lateinische,  wahrend  sonst  die  deutsche  zur  Henschafl 
gelangt  ist 

Wo  sich  die  Landeshoheit  nur  unvollkommen  entwickelte  oder  wo  sie 
gestürzt  wurde,  sehen  wir  die  alten  Gcriclitsgemeinden  für  sich  iillcin  oder 
im  Bumle  zu  Mehreren  autcmcwn  vorgehen.  Manptsilchlirh  drei  Rechtsgebiete 
haben  es  zu  einer  elxjnso  eigenartig  volkitüniliihen  als  uiiunlerbnxhcnen 
Sclbstgesetzgebung  gebmcht;  Fricsland,  Ditmarschen,  die  Schweiz.  Zwi- 
schen Zuidersee  (Fli)  und  Weser  hatte  sclum  im  12.  Jalirh.  eine  Friedens- 
cinung  unti-r  mehreren  Gauen  und  Gauteilen  zu  Vcreinstageu  vereidigter 
Gewaltboten  der  Bunde-sgenosscn  bei  ÜpstallcÄbum  [in  der  N.llie  von  Aurich) 
geführt.  Hier  kamen  gleich  in  der  eraten  Zeil  der  Eidgen os-sciiscliaft  (vgl. 
Gütt  gel.  A.  1881,  S.  1357  f.)  verachiedene  Burdesktiren  zu  stände,  denen 
zu  Anfang  des  13,  Jahrhs.  und  wiederum  1323  (diesmal  mit  Riclitung  gegen 
die  Landesholieit)  Nachtragsgesetze  folgten.  Die  Urtexte  aller  dieser  Satzun- 
gen sind  latoinisib  spater  aber  ins  Friesische,  Niedersacbsische  und  Nieder- 
landisdie  übertragen.  Ein  Gesetz  liegt  überhaupt  nur  in  solchen  Bearbei- 
tungen vor.    Ausser  ihren  Bundessatzungen   luiben  nber  noch  die  einzelnen 


KONT.   DEUT.    LANOKRAVTONOMIR.       ßUNDF-SCiCSETZE. 


«3 


friesischen    'iJlndcr-    und  Gemeinden    zwischen    Zuidereee    und   Wesw    seil 
»eit  dem  13.  Jahrh.  eine  stattliche  Menge  von  Küren    aufzuweisen,    damnter 
vide    in    (riesischer  Sprache,    vaü    von    gereimten    und    metrischen    Formeln 
(SamnUg.  der  letzteren:  M.  Heyne,    Formuhe  aUilteranUi,    Halae  i8t>4  und 
in  Germ.  IX  1BO4,  S.  4.^7 — 44Q).     Die  meisten  sind  SpeziaJgeiietxe  und  be- 
liehen sich  vorzugsweise  auf  Wergeid,  Busstaxen,  Erbrecht.  Deich-  und  Siel- 
recht.     Die  umfangreicliste  Zusammcnstdlung   von    KUreti    (Gesctzbucli?)   ist 
der  »Brokmer  Brief*  (liitera  Brocmannorum)  in  friesischer  Sprache  und  c  200 
Kapp.  (Ende  des  l.v  Jahrb.).     Eine   besondere   Gruppe   friesischer  Gesetze 
bilden    die   Sendbriefe,    welche    zwischen    den    Lindem    und    den    Kirrhen- 
gewalten  i-ercinbart   sind.     Nurdfriesische    Behebungen    (niedcreachsisch)    hat 
das  15.  Jahrh.    hinterlassen  ( —  Sammlung:    Friemche    RfchtsqiuUen   v.    K.   v. 
Richthofen  1840;  mancheriei  NaclitrSge  in  desselben  Verf.  Untmuc hungert  ü. 
frits.  RG.  1880,   1882,  ferner  bei  M.  Hcttcina,  Hei  Firtlingper en  Oldampster 
Ijttndre^t   1841   und   Ouäe  Fritsche    Weilen   1845 — .51,   A.   Wetzel,    Dos  I^nd' 
nehl   u.   d.  Beliehtingen    des    rolhen    Ihirhes    in    Tönninfi    1888,    S.    Gratama, 
DreHttehe  Refhisbwnnen  1804)*-     Im  Lande  Ditmarschcn  beginnen  die  Dcnk- 
Tualei  der   Autonomie   mit    Vertragen   des  lindes   und    der  Kirchspiele    aus 
dem   14.  Jahrh.     Zur  ersten  Kodifikation  kam  es  nadi  Errichtung  der  wöchent- 
lichen  »Landeavolhnacht*   zu  Heide.     Es  wurde  1447  in  der  Art   der  Stadl- 
bOcfaer  ein  Landrecht  beschlossen,  in  welches  bis  1467   die   Novellen    einge^ 
tr^en  wurden,    im    Ganzen    257    usSchs.    Artikel    (Sammlung  ahdiihmarscher 
RethhtjuelUn  v.  Michelsen  1842,  zur  Ergänzung  U r künde »h.  z.  Gesch.  d.  lindes 
thihm.  hsg.  \\  Michelsen   1834).     In  der  Scliwciz  tieffen  wir  seit  dem   13. 
Jahrh.    .Ihnliche   Verhältnisse    wie   in  Friesland.     Sie    werden   aber  fester  be- 
grOndct,  wirken  nachhaltiger.    7'eils  sind  es  die  einzelnen  Gerichtsgeroeinden 
<io  Currhatien  »Hix'hgerichte«),  Thalschaften  und  ■Lander',  deren    »Land- 
leute«  mit  Zuatimmimg  von  Herrüchaften  oder  ganz  unabhängig  von  solchen 
geschw^>rene  »Einungcn«    und    -Aufs-Itze«    machen    (alt.  Beisp.  Schwyz   1294, 
sdxm  in  deutsch.  Sprache)  und  im  Spatnüttclaltcr  sogar  umfassende  Statuten- 
oder ■  Landbflchcr*   anlegen  (Appenzell  14«^,  Zug  1432,  Glarus  1448).     TciU 
fahr«!  die  in  der  West-  und  Alitielschweiz  bis  1243  und  1244  zurückreichen- 
den Bündnisse  (Eidgenossenschaften,  Burg-    und   Landrechte   und   Verständ- 
nts!>e).    in   Curraticn    der  Graue  Bund  vim   \}f<}^  wnd  der  Zehngerichten bund 
voa  1436  zu  Bunde^esetzen.     Eine  Mittelstellung  zwischen  Bundesgcsetzcn 
und  df-n  ganz  selbständigen  Gesetzen  der  Einzeltlüider   nehmen    die   gcmlb^s 
vorher  abgeschlossenen  »V'crkommnissen«  gleichlautenden   Gesetze  der   kon- 
kordicrcnden  Lander  ein  (Nachweise  und  Abdrucke  der  Gesetze  in  den  ein- 
zelnen Kantonen  in  der  Zschr.  f.  Schweiz.  Recht  seit   1852;  Sammlungen:  Ämt- 
iieke  Sammlung  der  ilUeren  eidgen&st.  Ahsihiede  [1245 — 1499]    v.    Scgesscr    I 
2.  AufL   1874,    11   1843,  III   1858,    ZrrÄr.  für  noch   tingedmckte  Schweiz,    ftqii. 
V-  Schauberg,  2  Bde.   1844,    Rechlsi/uelien  r.   ß,ise/  Sladl  u.  Land  I  185(1, 
II   1865).  —   Ausserhalb    dieser    drei    grossen    autonomen    Gebiete    kommen 
vereinzelt   bndrechtliche   Selhstgesetzgebungsakte    auch    in    fürstlichen  Terri- 
torien vor,  wie  z.  B.  der  vom  Landesherrn  nur  mündlich  b(.-sUltigtc  Kcurbricf 
des  Landes  der  Freien  v.  Brügge  1190  (Warnk*inig  Hand.  RG.  II  Nr.  45) 
undahnlich  in  Siebenbürgen  und  in  der  Graftschaft  Zip«  (Ungarn)  im  14.  Jahrh. 
Der    Bundesgedanke    hat   sich   nicht   bloss   und   auch  keineswegs  zu- 
eist  in   der  Rechttbildung   der   von  I..andeshoheit   freien    oder  die  Freiheil 


»  S.  auch  Th.  Sieb»  in  GnindrU*  der  germ.  Philol.  WSl  Nr.  5  §  3  und    Wettfries, 
StuJien  (in  Abbandl.  der  Berl.  Akad.  1895). 


84  IX.  Recht.    A.  DshkmXler. 


anstrebenden  Lander  triebbraftig  erwiesen.  Schon  im  ii.  Jahrh.  Äussert  er 
sich  in  den  jiemcinsamcn  «Landfrieden*  (mlal.  ireuf^af)  d.  \.  den  straf- 
rechtlichen, pnlizcilicben  und  prozessualen  Bestimmungen,  welche  die  Fürsten 
im  gesamten  Reicli  oder  in  den  Stamm esge bieten  oder  in  grosseren  geogra- 
phischen Lclnder);nj{^n  vereinbaren  und  denen  sie  üdbst  und  ihre  Unter- 
gebenen eidlich  Gehorsam  versprechen,  sn  dass  BrurJi  des  Friedens  aU 
Missethat  mit  Ersrliwemngsgründen  beurteilt  werden  muss  (§  751.  Seil  dem 
i,3j.  Jahrh.  trctai  auch  Städte  den  Lmidfricdenseinungen  bei  oder  scldicsscii 
srilthc  unter  sich  allein  ab.  Auch  wenn,  wie  bei  den  Reichs  frieden  regel- 
mässig, formell  der  KOnig  als  Veranlasser  der  Satitung  erscheint,  ist  diese 
doch  nicht  wesentlich  kraft  der  königlichen  Gewalt  geschaffen.  Der  Land- 
friede  ist  und  bleibt  zumeist  Gesetz  in  Vertnigsform,  —  ein  Rückfall  in* 
Urrecht,  der  ebenso  die  zeiilrifug;dc  Entwicklung  des  Reichs  kennzeichnet, 
wie  er  die  bla*;s  zeitweilige  Geltung  des  E-'nedensgesetzes  erklart  (die  altern 
»Friedebriefe«  von  1094 — xztm'xn  ComtUiUioms  el  acta  publica  *^.\.,  Weiland 
I  1893,  II  1896  [Mon.  Germ.  LI,,  sect  IV  Bd.  I,  II];  spätere  nennen  Wyneken 
D.  Landfrieden  in  Dttilschl.  v.  Rudolf  I.  bis  Htinrtch  V'II.  1887,  Schwalm  ÄZ««//- 
frieden  in  Detiischl.  unUr  Ludwig  d.  Baiem  1889,  E.  Fischer  Dif  Landfriedens- 
verfassg.  unter  Karl  J i\  18B3,  Luschin  v,  Ebengreutli  Öst/rr.  Heichsgesch.  I 
S.  137, 144,  Texte  bei  ScliwalraS.  137 — 70  und  FischetS.  105—134,  die  Land- 
frieden zwischen  1376  und  1431  in  den  Deut.  Reiclistagsakteri  s.  unten  S.  8b). 
Weiter  ftlhrten  BCüidnisse,  welche  vom  13.  Jahrh.  an  deutsche  Städte  unter 
sich  und  mit  benachbarten  Territorien  eingingen-  In  Gestalt  von  Vercins- 
tagen  werden  gemeinschaftliche  Gesetzgebungsorganc  der  Verbündeten  ge- 
schaffen. Dienen  die  alleren  und  kleineren  Organisationen  dieser  Art,  wie 
2.  B.  die  seit  1220  von  Bremen  mit  den  benachbarten  Landdistrikten  ver- 
eänbarten,  im  wesentlichen  nur  dem  Landfrieden  (vgl,  v.  Richthofcn  Unters, 
1  S.  554—573),  so  greift  schon  die  kurze  Wirksamkeit  der  Tagsatzungen  des 
rheinischen  Bundes  von  1254 — 3257  über  dieses  Ziel  liinaus.  Weit  umfas- 
sender ist  aber  die  der  hansischen  Beschlüsse  (arhitria.  sluftda,  später 
reeesstis).  Sic  sind  unter  den  übrigen  Akten  der  Hansetage  herausgegeben  '\i\ 
folgenden  Sammlungen:  Hansereccsse  (1256 — 1430)  her.  v.  d.  hist.  Kommiss. 
bei  d.  bair.  Akad.  i^durch  Koppmann)  I — VII  (^1425)  1870 — 1893,  Harne- 
messe,  zweite  Abt.  (I431  —  M/bl  her.  v.  Verein  f.  hans.  Gesch.  (durch  v.  d. 
Kopp)  l — VII  1876 — 1892,  Uatistrtcesse,  dritte  Abt  (1477 — 1530)  her.  v. 
Verein,  f.  hans.  Gesch.  (durch  D.  Schafer.)  I— V  1^—1510)  1S81— IÖ94  (zu 
den  altest.  Recessen  vgl.  Frensdorff  in  Hans.  Geschblatt  XII  S.  155 — 161). 
Die  Gese4ze  auf  dem  Gebiet  des  partikularen  Territorialrechts  waren 
weniger  durch  politische  Veränderungen  veranlasst  als  durch  das  Verschwin- 
den des  Rechts  aus  dem  Gedachtiiis  der  breiten  Vtilksschiclitcn,  wovon 
wiederum  in  der  fortschreitenden  Arbeitsteilung  die  Hauptursache  lag.  Hie- 
durch  erklärt  sich,  dass  so  viele  Gesetze  dieser  Periode  lediglich  den  Zweck 
verfolgen,  das  überlieferte  Recht  zu  kodifizieren.  Nühem  sich  schon  diese 
Gesetze  materiell  den  Weistümcrn,  so  gehen  neben  ihnen  noch  andere  Auf- 
zeichnungen her,  die  formell  wie  materiell  weiter  nichts  als  Weistümer 
sein  wollen,  sich  aber  in  Hss.  und  Ausgaben  unter  die  Gesetze  zu  verlieren 
pflt^en,  weil;  sie  gewöhnlich  wie  Gesetze  rezipiert  worden  sind.  Unter  ihnen 
vielleicht  das  allerfrilheste  Stück  sind  die  auf  königlichen  Befclil  i.  J.  906 
erhobenen  Leges  portorii  \'on  Raffelstütlen.  Andererseits  setzen  sicli  diese 
Landrech tswei-stllmer  nicht  nur  das  ganze  Mittelalter  hindurch  fort  (eine 
besonders  reichhaltige  Gruppe  die  Vemweistümer,  15.  Jahrh.,  jetzt  bei  Lind- 
ncr  Die  Veme  1888,  2.  Buch),  sie  finden  vielmehr  aucli  noch  in  der  Neuzeit» 


DEtrrscHES  Reichsrecrt.  Sjj 

insbesondere  ajiiassUcli  der  Vorarbeiten  (Ox  Gesetze,  ihre  NacMolgcr,   deren 
Zeugtiis  für  das  raittelaltcrliclie  Recht  nicht  verschmäht  werden  darf. 

$  1 1.  Allgemeine  Reichsgeset/e  kommen  vor  der  Stauftschen  Periode 
selten  vur.  Nur  eines  aus  dieser  frühereu  Zeit  muss  liier  wegen  seiner  fürs 
Staatskirchen  recht  grundlegenden  Bedeutung  genannt  werden,  das  Wormser 
KjotÜEordat  von  1122.  Das  Meiste,  was  man  von  sonstigen  Reichsgcselüen 
bis  zum  eben  erwähnten  angefülirt  liest,  «itetlt  »Ich  bei  näherem  Besicht,  Roveit 
überhaupt  für  Deutschland  erlaswn,  entweder  als  kirchlicher  KonzUsschluss 
oder  als  Land  friede  tisc  in  ung  (oben  S.  84)  dar.  Die  Inneren  und  Auiuercu 
Kämpfe  des  Reichs  unter  den  sachsischen  und  frankischen  Kaisem  ticssen 
es  zu  keiner  weltlichen  Zentralgesetzgcbung  kommen.  Dies  Ändert  sidi 
unter  Friedrich  1.  Von  1156  an  wird  der  I_.;mdfriede  durch  k^^uigUche  Kon- 
i^tttutionen  geboten,  wiewohl  als  ein  zuniUhst  von  Füralen  und  Herrn  zu 
beschwilrender  und  obgleich  daneben  die  1-andfrieden  in  Vertragsform  ihren 
Fortgang  nehmen.  Durch  die  Comtilufio  Mogunttna  Friedrichs  II.  von  1235 
erhalt  der  Landfriede  eine  ern'cilerte  Fassung,  in  der  er  den  Landfriedens- 
gesetzen späterer  Könige  bis  auf  Atbrecht  [.  (1298)  zu  Grunde  liegt.  Diese 
Konstitution  Lst  zugleich  die  erste,  von  der  eine  aintHche  Übertragung  des 
lateinischen  l'rtextes  ins  Deutsche  vorliegt.  Ausser  dem  I^indfricden  bildeten 
bis  zum  15.  Jahrh.  fast  ausschliesslich  Verfossungs fragen  den  Gegenstand  der 
Rcichsgeselze.  Eine  erste  Gruppe  von  VcrfassungsgcsoUen,  zwischen  1220 
luid  1232  teils  von  Friedrich  II.,  teils  vom  rfim.  Krmig  Heinrich  erlassen, 
beschäftigt  sich  mit  der  Ausbildutig  der  Landcshuheit,  eine  zweite  die  Can^. 
^  jun  imptrii  von  1338  und  die  .goldene  Bultc«.  von  Nürnberg  und  Metz 
von  1350  (ra  Jan.  u.  23.  Dez.)  hauptsachlich  mit  der  Thron besctzuug  und 
<Jer  Rechtsstellung  der  Kurfürsten.  Zahlreicher  werden  die  Gegenstände  der 
Rcichsgesetze  im  15.  Jahrh.,  indem  niclit  nur  Im  Zusammenhang  mit  dem 
Landfrieden  das  schon  von  der  Konstitution  von  1235  berührte  Gerichts- 
wesen, sondern  auch  die  Kriegsverfassung,  die  Reiclissteuer  (der  »gemeine 
Pfennig.)  und  das  Munzwesen  geordnet  werden,  —  mit  einem  praktischen 
Erfolg  freilich,  der  bei  den  Mangeln  in  der  Organisation  der  gesetzgebenden 
und  der  ausführenden  Gewalt  im  günstigsten  Fall  nur  ein  teilweiser  und  zeit- 
weiliger sein  konnte.  Die  Zeit  Maximilians  \.  bringt,  wie  auf  so  manchen 
anderen  Gebieten  des  Kulturlebens,  su  auch  in  der  Reichsgcsctzgebung  den 
Absc^thas  des  Mittelalters  (rwiger  Landfriede,  Reichs  kam  mergeridit  unter 
rdchsgcsctzlicher  Feststellung  des  Vcrliöttnisses  zwischen  römischem  und 
nadorutlem  Recht,  Polizeigejteize,  Kreisverfa.s.tung,  Xotariatsordnung).  Waltrend 
die  aJlgeraeinen  Reichsgesel/e  bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters  an  Trag- 
weite und  Zahl  hinter  den  Partikulargeselzen  zurückbleiben,  gilt  das  Gegen- 
teil Von  den  königlichen  Privilegien,  und  zwar  im  hrMiusten  Masse  gerade 
zu  der  Zeit,  wo  die  allgemeine  Reichsgesetzgebung  nahezu  völlig  still  steht, 
im  Frithminclalter.  Da.s  Privileg  war  recht  eigentlich  die  Gesetzesform,  in 
der  sich  die  Neuschöpfungen  des  Königtums  und  die  Zerstückelung  der 
KOiugB{^*walt  vollzogen  haben  (vgl.  B  c s c  1  e  r  in  Zschr.  f.  RG.  1 1  1 863, 
S.  373 — 390).  Aa^igaben  der  Reichsgesetze  s.  bei  Stobbe  Rqu.  I  S.  459 — 
461,  H  S.  183 — 205  (dazu  die  oben  S.  84  angeführten  Constttutiones  tl  acta 
puktita  tmperatüntm  et  ttg}tm  c*^.\i ti'\\7%nt\,  ferner  Döbcrl  Monmn.  Gtrmamat 
teiceta  a6  a.  768  aä.  n.  tiso  Bd.  III — V  1889 — 94,  d,  gold.  BuUe  am  besten 


t  Cbcr  die  Eduhrit  da  h|;.  Con/ofJrraii^  tum  firmcip.  *ceK  v.  tzzo  ».  WlokeU 
maoo  in  Ciöu.  gf\.  A.  1883  S.  795  ff.  uad  Weiland  in  Histor,  Au/iätse  1.  And.  an 
H'tntM  1SS6  S.  149— 3;0. 


86 


IX.  REt-HT.    A.  DenkmAlek. 


bd  Altmaiin  und  Bernheim  Atisgrtt^äAllf  Urkunärn  2.  Aufl.  1H95,  ferner 
/)euf.  Reichstaffsakten  v.  1376 — 1437  (Mii)  her.  v.  d.  btstur.  Kumiciss.  d.  bair. 
Akad.  [durrh  Weizsäcker  und  Kerler]  I— IX  1867— 1888).  Die  alten^n 
Privilegien  bis  nuf  Heinrich  II.  sind  jetzt  in  den  Mon.  Gerra.  kritisch  herausge- 
geben von  Th.  Sirkel  D.  Urkunden  der  deui.  Könige  11.  Kaiser  I,  II  1879—  93,  4* 
(betni  Aufsuchen  der  Obrigen  nOtzIirh  die  Kegesten  werke  von  Bi^ihmer  und 
seinen  Nachfuljtcnt  und  von  Chmel),  —  An  Mannij^faltigkeil  des  Inhalt  übc-r- 
trnffen  werden  die  Reichsgcsetxe  durch  die  Weistümer  oder  »geraeinen 
Urteile*  des  Reichshofs  (curia  regis),  d.  h,  der  Ratgeber  des  KiMiigs  und  der 
Urteilfinder  in  scinoni  udcr  seines  H<>frichters  Gericht.  Das  Rcehl,  welches 
sie  wiesen,  hiess  zwar  wegen  seiner  Erscheinungsform  ein  jus  oder  eine  /cv 
atriae.  konnte  aber  um  so  eher  abi  gemeines  Reiclisretiit  gelten,  je  öfter  die 
Zusammensetzung  des  Keichshofs  wechselte  und  je  verschiedener  die  in  ihm 
vertretenen  Gesellschaftsklassen  waren.  Die  erfragten  RechtssSlze  werden 
bald  theoretisch,  bald  in  Anwentlung  auf  vorgelegte  Falle  ausgesprochen. 
Die  grftsste  Zahl  der  -Sentenzen  des  Reichshofs  fallt  zwischen  1 150  und  1350. 
VieJe  sind  in  Urkunden  der  Könige  oder  der  Hc»frichter  erhalten.  Andere 
kennen  wir  aus  andern  Quellen.  Auszugsweise  und  unter  Angabe  der  Fund- 
orte sind  die  Rechtssprüche  {einschliesslich  der  IVozess- Entscheidungen)  ge- 
Kaintnek  von  O.  Franklin   Senlenliac  eun'tu  regiae   1870. 

§  12.  Die  rein  territoriale  Rechts bildung,  deren  offizielle  Denkmaler  in 
^q — II  besprochen  sind,  hat  zwar  das  alte  Stammesrechl  als  solches  ver- 
drängt, aber  neben  ihr  hat  sich  eine  neue  persönliche  vollzogen.  Das  Mittel- 
alter Lst  die  Zeit,  in  der  sich  die  Arten  des  Bemfs  nnd  der  Lebensführung 
scharf  von  einander  trennen.  Dies  wirkte  auf  die  EtiLstehung  gescllschatl- 
licher  Gruppen  inindtÄtens  ebenso  stark  ein,  wie  die  räumliche  Abgrenzung 
der  poliliscliien  HerrÄchaftsgebiete,  und  es  wuchs  eine  bunte  Menge  rein 
persönlicher  Verbände  empor,  deren  innere  Zustilndc  nach  rechtlicher 
Ordnung  verlangten.  Letztere  zu  si-ha/fen  würde  das  MA.  Huch  dann  nicht 
zu  deti  Aufgaben  der  gesetzgeberischen  Zentralgewalt  gerechnet  haben,  wenn 
diese  starker  gewese-n  wäre  als  in  Dcutschhuid.  DemgeniSss  schlössen  sich 
die  persi'in liehen  Verbünde  eben  so  wie  die  «irtlichen  als  Rechisgenosscn- 
schaften  ab:  luitcrstützt  von  ihrer  genossenschaflUchen  Rechtspflege  bildeten 
sie  ihr  eigenes  GewohnheiLsrecht  aus,  gaben  sie  sich  ihre  eigenen  Gesetze. 
Zwei  Klassen  solclicr  im  w,  S.  autonomer  Verbände  haben  wir  auseinander 
zu  halten:  die  durch  einen  Herrn  gebildeten  und  die  freien.  In  den  erstem, 
den  Lehens-  und  Dienst\'erbflnden,  ist  es  der  Herr,  der  ursprünglich  iülein, 
spater  irn  EinvemcLmcn  mit  den  ihm  untergebenen  Mitgliedern  des  Verban- 
de-S,  den  Vassallen  bzw.  Dienstmannen,  Satzungen  erlasst.  Dies  ist  öfters  in 
Verbindung  mit  einer  landrechtlichen  I^egislalion  geschehen.  Hier  jedoch 
handelt  es  sich  nur  um  diejenigen  Gesetze,  die  weiter  nichts  als  Lehen- 
oder Dienslrecht  eiilhalten.  Solche  sind  nur  in  spärlicher  Zahl  vorhan- 
den \  was  sich  daraus  erkbii,  dus.s  in  den  partikularen  Leheurechtskrelsen  das 
Reichslehen  recht  nachgeahmt  und  dem  Bedürfnis  seiner  schriftlichen  Dar- 
stellung durdi  die  Rechtsbücher  §  13  genügt  wurde,  das  Dienstrecht  aber  in 
der  ersten  Hälfte  des  MA.  fast  ganz  gewohnheitlifh  sich  entwickelte  und  in 
der  zweiten  in  die  Bahnen  des  Lebenrechts  einmündete.  Weniger  fehlt  es 
an  Weistömem,  zumal  dienst  rechtlich  er;  Inhalts  (Ulteste  lat.  11.  und  12.  Jahrb., 
die  jungem  teils  lat..  leüs  deutsch,  in  Flandern  auch  französisch.  —  Beispp. 
bei   V.  Fürth   d.    MiniHfriaten    S.  .^09— 539,    "Warnkünig   Fiand.  RG.  III 


'  Die  meisten  voo  Stobbe  Rqu.  l  §  SS  angefllbncMi  (^cUcd  und  keine  Getetie. 


2.  Abth.  Nr.  lo^),  icx),  iii,  113,115,117).  Manche  cicrartigf  Aufzcidmungen 
stehen  in  den  .Lehenbüclieni»,  d.  i.  den  Registern,  wekhe  die  gn'jssem  Leheit- 
hcrm  über  die  an  Va.ssallen  und  Dienslmannen  geliehenen  Güter  anlegen 
liessen.  Weit  reicher  ist  nun  aber  die  Menge  der  aus  den  freien  Gcnossen- 
schallco  hervorgegangenen  Rcehtsaufzcitluxun|j;cii.  Hier  treffen  wir  von  An- 
fang an  innerhalb  eines  vom  territorialen  Recht  sehr  weit  gezogenen  Rah- 
mens auf  eine  ülatutarische  Gesetzgebung,  wuvon  die  Mitglieder  in  Folge  der 
Vielgcstiiltigkeit  ihrer  Interr.ssen  einen  äusserst  lebhaften  Gebrauch  machen. 
Sollte:,  wie  z.B.  bei  den  Zünften,  diis  Recht  derGeniwsenschafI  seinen  Zwang 
Ituch  gegen  Ungenosscn  kclucn,  s»  war  freilich  die  GiUtgkcit  des  Statuts  %-uu 
der  Mitm-irkung  der  ."jffenüiclicn  Gesetzgebungsgcwalt  abhängig.  Sonst  ab« 
war  die  letztere  höchstens  nur  mit  ilircin  Veto  beteiligt  Neben  den  Statuten 
gehören  dann  auch  Weistümer  zum  gewöhnlichen  Quellenin\entar  fast  aller 
Genossenschaften.  Die  frühesten  und  meist  verbreiteten  unter  diesen  sind 
die  veiMhiedcnen  Ableger  der  uralten  Schutzgiide  |§  51^).  wie  sie  sich 
in  den  StiUlten,  seltener  auf  dem  Liinde  seit  dem  11.  Jahrh.  entwickelt  haben. 
Vlhi  den  nnibsenhaften  und  oft  genetisch  unter  einander  zusaiiuneiiliaugendea 
schriftlichen  Erzet^issen  der  Autonomie  in  den  altem  Brüderschaften,  den 
Gilden  der  Kaufleute  und  der  Handwerker,  mOgen  die  frühesten  zumeist 
durdi  jüngere  übeihult  ^ictn.  Doch  hebt  die  lange  Reihe  der  Zunfb^alzungen 
mit  einem  Kölner  Statut  v.  114g  an  (einige  Drucke  von  Zunftartikeln  weist 
Stobbe  Äy».  1  S.  4(A)flg-  und  Ilamlb.  I  §  57  nach;  dazu  D.  all.  hamburg. 
Zufi/trolirn  u.  BrüHenchaJIssiatuUn  her.  v.  Rüdiger  1874,  D.  ahm  Zunftord- 
mungen  Jer  St.  Freiburg  i.  Br.  her.  v.  Hartfelder  Th.  I  1870  [Progr.],  A 
ä.  Zunftttrkttnden  der  Sl.  Lüneburg  her.  v.  Bodemanu  18S3  [in  Quellen  u. 
Darstcll.  z.  Gesch.  v.  Niedersachs.  Bd.  I],  Leipziger  InuungiQrdnuHgfn  a.  ä. 
JS-  Jahrk.  her.  v.  Bcriitt  i88<j  [Progr.],  D.  alten  Zunft-  und  Verkfhnord- 
nuHgen  der  Sf.  Krakou  her.  v.  Br.  Buch  er  i88q,  Kreibei^er  Innungsartikel 
bei  Ermisch  D.  Freiberg.  S/adlr.  1889  SS.  J76— ig^,  D.  äUalen  Osnabrück. 
Gitdfurkunden  v.  Fr.  Philippi  1890,  D.  Straaburger Zunft- mtd PoHmordnungen 
dts  /Y  «.  1$.  Jahrh.  V.  Brucker  i8t)o,  RQuellen  einzelner  Zünfte  bei  Böh- 
men Beitr.  s.  (ieseh.  d.  Zuttflicenens  18*12,  Schmoller  D.  Slnissb.  Tttcher- 
u.  Webrtzunft  i87»>,  H.  Mever  D.  Straub.  Go/dscAmiede:»uft  1881  />.  BueA 
tUr  Makr:tthe  in  Prag  her.  v.  Paiigerl  [in  Quellenschr.  z.  Kunstgesch.  XIII] 
X878,  sowie  in  den  Urkundenbttcliem  der  Städte).  Nur  wenig  spater  be- 
ginnen die  Rechtsaufzeichnungen  für  Münzcrhausgeno.'tsen  {Cilate  und  Drucke 
bei  Eheberg  Cber  d.  ä.  deut,  Miinzwesen  Kap.  s  ""^  Anh.  II,  Statuten  der 
Mainzer  llau.ig.  in  Zschr.  f.  Gesch.  i:les  Oberrheins  1^80  S. -((»^478),  femer 
ifn  15.  Jahrh.  Statuten  und  Weislünici  der  Gewerkschaften  (Nachweise  bei 
Klostermann  D.  gem.  dtut.  Bergrecht  I  §$7,9)  und  der  Hansekontore  oder 
des  »gemeinen  deutschen  Kaufmanns«  im  Auslande  (bei  Lappenberg-Sar» 
totius  (jtkundl.  Gesck.  des  L'rspr.  der  deut.  Hansa  II  183t),  femer  bei  La{»- 
penberg  Vrkuudl.  Gesfh,  des  Attus.  S/a/i//iofes  :n  London  1851;  s.  auch  Frens- 
dorff  /?.  sfalut.  B.  der  deutsch.  Kaufletitc  in  Naivgoivd  in  Abh.  d.  Gfltt.  Ges. 
XXXIII.  XXXIV,  wozu  K.  Maurer  Kr.  Vjschr.  1880  S.  26— 33,  und  über 
die  Ortiinancien  des  Kontore  von  Brügge  Hohlbaum  im  Hans.  Urkb.  III 
S.  344flg.,  Wagner  flandb.  d,  Srerwehts  I  S.  68 — 71).  Dagegen  reichen  kaum 
Aber  ijtxi  hinauf  die  ältesten  und  sichilich  nach  dänischem  Muster  gebilde- 
ten Bestandteile  des  einzigen  kontinental -deutschen  Schutzgildestatuts,  näm- 
lich der  'Srhra*  der  Knutsgilde  zu  Reval  (in  Bunge's  IJii.  Urkb.  IV 
S.  287 — 300).  Mit  seinen  Fortsetzungen  aber  ragt  dieses  Denkmal  des  frtl- 
hcfltcn  Gitdetypus  lUucin  in  die  eigentliche  Blütezeit  der  jungem  autonomen 


88  IX.  Recht.    A.  DekkuAler. 

KorporaÜ'jneii,  die  walirfiitl  der  beideu  letzlcu  J^ilirhutidcrtc  des  MA.  cm- 
IritL  Zünfte  verbünden  sich  jeUt  zu  gemeinschaftlichen  Satzungen.  Unter 
den  Bauhütten  wiederholt  sich  der  gleiche  Vorgang  seit  1459  rait  dauerhaf- 
teren Ergebnissen  (Steimiictzardiiungen  bei  Heidelaff  D.  BauhiilU  des  MA. 
in  Deutschi.  1B44,  J.  Npuwirlh  D.  Satzungen  des  Regeiuh.  Stfinmetzentags  i. 
J.  i^sg,  1888).  Von  de]i  Ziiiifteii  machen  sich  die  Vereine  der  Handwerks- 
gesellen unahhüjigig  (Statuten  teiU  gedrut'kt,  teils  dtiert  beiSchanz  Z.  (7^jf/i. 
der  GueUemvrhämU  1877)  und  lüsen  sich  die  Seh ützenbrüderscb alten  ab 
(RQuellen  bei  Gcngler  Stadtr.  Alterth.  S.  471  ff.  dazu  Riclithofen  Frm. 
JRfju.  S.  557 — 559).  Gildcn;irtig  ot^anisieren  sich  Schöffenkollegicn  in  den 
Städten  mit  eigenen  Statuleji  {Beispiele:  Danzig  in  Script,  rer,  Pntu.  IV 
S-  343 — 34h,  Frankfurt  n.  M.  bei  Thomas  Oherhäj  S.  255 — 257).  Der  Koa- 
lilion^etst  hat  die  Kreis«  des  niedein  Adels  ergriffen.  Wahrend  die  alten 
geistlichen  Ritterorden  in  eine  Verfallzeit  treten,  kommen  neue  Adels  verbände 
im  Dienste  rejn  wcUlicher  Interessen  auf,  Vnn  kleineren  Kittergescll- 
schaften,  wie  der  .Gclübd*  im  Ingclhetmer  Grund  haben  wir  Aufzeicli- 
nungen  ihre-»!  althcrgeltraditen  l<ccht.s  noch  aus  dem  14.  Jalirli.  (Lürscli  D. 
Jugcih.  Oberhof  S.  ^O^ — SU)-  ^^  '5-  kommen  die  Urkunden  der  grossen 
rcichsritterschaftlichen  Verbände  in  Süddeutscbland  und  am  Rhein  hinzu  (Bür- 
germeister Reichsrittenrkaftl.  t^iptts  juris  I  707  und  Cod.  di'pf.  a/Neslrü  1121). 
Eine  dritte  Klasse  autonomer  Gejiossenschafteii  war  in  den  liolien  Adcls- 
faniilien  geget)cn.  Ansiiize  zu  einem  gewohnheiüiclien  Sonderrecht  in  Für- 
steng eschlech  lern  fuiden  sich  schon  im  i2.Jalirli.  Im  14.  und  i5.JaJirli.  aber 
stellte  sich  für  sie  bei  dem  Entwicklungsgang,  den  das  gemeine  Erbrecht  ge- 
nommen hatte,  das  Bcdfirfnis  heraus,  die  errungene  puHtische  Macht  durch 
planmä-ssige  Satzungen  iiuf  dein  Gebiet  des  Privairechls  zu  befestigen,  was  in 
Form  von  Vertragen  unter  mehreren  regierenden  Herrn  desselben  Geschle<'li- 
tes  oder  von  Verfügungen  auf  Todesfall  zu  geschehen  pflegte  (die  wichtigsten 
Hausgesetzc  bei  H.  Schulze  D.  Hnusgesetse  der  rrgier.  deut.  Fünienhämer 
I— ni   i8f>2— 1883).     Citate  älterer  Fundorte  bei  Stobbe  Rqn.  II  897. 

§  13.  Die  nicht  offiziellen  Rechtsaufzeichnungen  des  MA.  setzen 
ziuiächst  die  Formular  -  Literatur  der  vorausgehenden  Periode  (oben 
S.  72f.)  fort.  Quriiitttativ  übertticgcn  imter  den  Pormelwcrken  nach  wie  vor 
die  Mustersammlungen  für  Urkunden  und  Briefe.  Dabei  wird  nun  aber  eine 
strengere  Scheidung  der  verschiedenen  Gcschaftsarten  durchgeführt,  auc!i  wohl 
Formelbücher  für  den  Gebrauch  bestimmter  Kanzleien  angelegt.  Es  werden 
ferner  die  theoretischen  Zuthaten  weiter  ausgesponnen,  so  dass  einleitende 
und  Incidcni-Abhandlungen  entstehen  und  das  Formelbuch  die  Eigenschaft 
eines  Lehrbuchs  (ors.  sitmmit  dittamittis}  annimmt.  Zuletzt  weichst  aus  dem 
Formelbuch  das  Lehrbudi  der  Kotariatskunst  \Traetains  dt  arte  naiariatits  oder 
puhlici  nolarii)  heraus.  BctrJlchdtch  wird  die  Memgc  derartiger  Quellen  vom 
13.  Jahrb.  an.  Seit  dieser  Zeit  macht  sich  auch  der  Einfla^s  italienischer 
Formelbflcher  sliirk  bemerkbar.  Veröffentlicht  ist  von  diesen  Schriften  bis 
jetzt  nur  ein  geringer  Teil  (ausser  den  bei  Stobbe  Rqu.  I  S.  451  flg.  II 
S.  i,i8  ff.  und  Schröder  Lehrb.  fj 'jo  angegebenen:  Theodericb  v.  Backsdor^'s 
Gtriehts/ürme/n  mitget.  v.  Rfthlau  in  Zschr.  f.  RG.  I  1861  S.  414 — 458, 
ein  Cursits  üterantm  seahinontm  Nm-iomagettsium  bei  Krom  Stadreehten 
van  Nijmwegen  [^H'rrken  oben  S.  81]  1894  S.  4.^4  ff.,  ijjdbritf  nnd  ander 
hrief  »ach  der  irhrann  Inuj  ze  Greez  bei  Bischoff  Steiermark,  f^ndr.  1875 
Anh.  I;  ein  Verzeichnis  bei  Rockinger  Über  Formelbüther  1855  im  An- 
hang, dazu  Steffenhagen  in  Zschr.  f.  RG.  IV  1S64  S.  lyoflg.,  Krctz- 
schmar     D.     Formuiarliikher     aus    der     Kanzlei    Rudolfs    v.     Habsh.     1889). 


Neben  den  Mustern  für  Urkunden  stehen  die  Formeln  für  mündliche  Rechts- 
handlungen, im  Frühmittelalter  nicht  mehr  bloss  ordines  judirioruni  Dei  (Mon. 
Genn.  LL.  sclI.  V  i88ti),  sondern  auch  Krünunpsformchi  {bei  Waitz  DU 
Fonnein  dtr  dtnl.  Konifrs-  u.  der  röm.  Kaistrkröng.  in  tl.  Abh.  d.  Gott.  Ges. 
XVIII  1Ö73),  später  Fonncln  für  gerichtliche  Geschäfte  aller  An,  wie  die 
%-on  Homeyer  hinter  dem  >Richtsteig  Landrechts«  S.  327 — 338  veröffent- 
lichten GerichLsformeln  (rhein.  14.  Jahrb.),  ferner  die  von  ZOpfl  D(u  alU 
Bamberg.  Recht  S.  I2Q — 13b  gedruckten  Prozcssfunnebi  (15.  Jahrb.),  die  nieder- 
Undiscben  dingtaltn  (in  Werken  [oben  S.  81]  IV,  VK,  XI),  die  Veingerichts- 
formeln  (bei  Wigand  femger.  S.  229—244,  ferner  bei  Lindner  Die  \'eme)y 
der  Ines. yfciA/ bei  Richthofcn  Fries.  Rqu,  S.  243flg..  die  KlageforraeJ  ebenda 
S.  341,  aber  auch  Furmeln  für  aussergerichtliche  Handlungen  (Trauformeln 
bei  Sohm  D.  R.  der  Ehesckliessg.  S.  31g — 321  manchcrtei  Eidformeln  tticz.  B. 
bei  Richthofen  8.488—491). 

§  14.  Wälirend  diese  Arbeiten  fortgeführt  wurden,  tral  mil-'dem  I3.jaluh. 
eine  neue  juristische  Literatur  in's  Leben.  Ihr  Vater  und  ihr  berühm- 
tester Vertreter  ist  der  ostfäüsche  Ritter  Kyke  (Eico.  Ecco)  von  Repe- 
cbowe  (im  Aiihaltisclien),  der  1209 — 1233  bei  veischicdenen  gerichtlichen 
Geschäften,  u.  A.  auch  als  SchAffe  in  der  Grafschaft  zura  Billingslioch  nach- 
gewiesen ist.  Seine  schriftsieUerische  Thüligkeit  war  eine  für  jene  Zeil  aus- 
gebreitete, vielleicht  selbst  über  das  juristische  Gebiet  hinaus  greifende,  jeden- 
TaQa  aber  eine  andauernde.  Sein  erstes  Werk  war  eine  umfassende  Darstel- 
lung des  Land-  und  Leheniechts  in  latetnüicher  Reiinprosa.  Hiervon  ist  nur 
der  lehenrechdiche  Teil  und  auch  dieser  nicht  rein  in  der  ursprünglichen 
Gestalt  durch  altere  Drucke  gerettet  und  unter  dem  Titel  Veinsouior  de  be- 
Mt/iais  (c.  22s  §§  in  3  capp.)  bekannt.  Auf  Andringen  seines  »Herrn*  des 
Grafen  Hnyer  von  Falkenslein,  in  dessen  Dienst  Eyke  zwischen  J 1  j  1 5  und 
Mit)  getreten  zu  sein  scheint,  unternahm  er  (1224^1230?)  idas  damals  un- 
erhörte Wagnis  einer  prosaischen  Übertragung  seiner  Arbeit  in  die  Mutter- 
sprache (nsachs.).  In  der  metrischen  und  gereimten  Vorrede  will  er  das 
Buch  »tpigel  drrSn.ven'-  genannt  wissen.  Deim  nicht  ein  vun  ihm  ersonnenes 
Recht  will  er  vortragen,  sondern  abspiegeln  will  er  das  Recht,  »welches  von 
Aller  an  uns  gebracht  unsere  guten  Vorfahren«,  und  zwar* —  vom  Reichs- 
staatsrecht abgesehen  —  das  g:cincLne  Recht  in  allen  Landen  sactisischcr 
Zunge.  Eike  hat  sein  Werk  noch  einmal  überarbeitet  und  der  zweiten  Auf- 
lage eine  eigene  Vorrede  in  Strophen  vorausgeschickt,  woraus  wir  ersehen, 
dass  es  ihm  nicht  an  Gegnern  fehlte.  Möglich,  dass  .^chon  damals  kirchhche 
Tadler  aufgetreten  sind,  müglich  aber  auch,  dass  man  die  Treue  in  der  Über- 
lieferung verdachtigte.  Solche  Stimmen  haben  sich  auch  in  viel  spateren 
Jahrhunderten  und  wic<ier  in  unseni  Tagen  vernehmen  lassen  (wuchtigster 
Angriff:  v.  Zallinger  Dir  Sthfiffmbnrfräen  des  Sachseasp.  1887;  ein  Ret- 
ttmgsvencuch :  E.  Mayer  in  Kr.  Vjschr.  XXXI  [889  S.  14g — 190).  Was 
jedoch  die  Ausstellungen  der  zweiten  Art  betrifft,  so  sclieint  mir  immer  uoch 
XU  wenig  beherzigt,  was  Eyke  selbst  klagt:  »mich  Iziet  manich  man  ...  worte, 
der  ick  nie  tte  getvuch.  Die  vermeintlichen  Widersprüche  seiner  Darstellimg 
mit  sidier  beglaubigten  Tlmtsachen  dürften  sich  verflüchtigen,  wenn  die  gleiche 
Sorgfalt  auf  die  Interpretation  seines  Textes  ver^vandt  wird,  die  man  sich 
beim  Fesisiellcn  dieser  Thalsachen  h;ii  kosten  lassen.  Zur  Vursicht  mahnen 
sollte  schun  der  gewaltige  Erfolg,  den  der  Sacliseuspiegel  bei  der  Mit-  wie 
bei  der  Nachweit  und  insbesondere  in  seiner  Heimat  gehabt  hat,  und  der 
nur  halbwegs  erklart  wird,  wenn  man  an  das  Bedürfnis  der  Zeit  nach  Reciits- 
aufzeichnimgen  mid  an  die  formellen  Vorzüge  des  Buches  erinnert.    Die  Ein- 


90 


IX.  RfscHT.    A.  Denkuälbr, 


farhheil,  Anschaiiliclikeit  und  Klaiheil  der  zwar  unsystemalischen.  aber  iiidit 
zusammen hangluscii  St:liildcrung  können  nur  der  Ausdruck  jener  Sachkunde 
und  jener  Redlichkeit  sein,  weiche  schon  die  flbcrwiegende  Mehrheit  der  Zeit- 
genossen dem  Verfasser  zugetraul  hat  und  wekhc  er  selbst  ausdrOcklicli  fflr 
sich  in  Anspruch  nimmt.  Siciierlicli  können  an  der  Hand  der  Urkunden 
Herrn  Eybe  mancherlei  Irrtümer  nachgewiesen  werden:  er  mag  dem  einen 
oder  andern  Rechlssalz  eine  zu  weite  Verbreitung  zugeschrieben,  niLinchcs 
Veraltete  für  noch  lebenskräftig  gehalten,  auch  der  »Zahlenmystik«  des  Mittel- 
alters seinen  Tribut  gezollt  haben;  die  Rechtsanschauungen  Ostfalens  zu  An- 
fang des  i,^.Jahrhs.  finden  dennoch  in  ihm  Ihren  verlQssigen  Vertreter,  Dog- 
matisch-juristische Konstruktionen  wandein  ihn  nur  selten  an;  lieber  ftHrft  er 
phiiosopliisclie  Fragen  auf:  er  kümmert  sicli  um  den  Ursjiruiig  des  Rechts 
und  leitet  es  ab  von  Gott  und  »seinen  Weissagen  und  geistlichen  guten 
Leuten  und  christlichen  Königen-  wie  Konstantin  und  Karl.  Er  sucht  nach 
dem  Grund  der  Unfreiheit  und  vermag  ihn  nur  in  widerrechtlicher  Gewalt 
zu  finden.  Als  echtes  I-'-nd  des  MA.  gibt  er  zuweilen  der  Spekulation  nacli. 
Aber  er  denkt  nicht  tlieologisch  genug,  um  das  von  ihm  vcrelirtc  nationale 
Recht  durch  Satzungen  des  f'a]istfs  «firgem«  zu  lassen.  Von  kirchlicher  Seite 
sind  denn  auch  die  spatem  Ajifeindungen  des  Sacliscnspiegels  ausgegangen, 
und  14  Artikel  wurden  1.  J.  1374  durch  die  Bulle  Suh-a/or  httmani  atitfris 
von  P.  Gregor  XI.  verdammt.  Indess  unaufhaltsam  breitete  sich  da:*  An- 
sehen lies  Rechlsbuclics  aus.  Wie  ein  Gesetzbuch  wurde  es  in  den  Gerichten 
angewandt,  wozu  freilich  im  r.j.  Jahrh.  aucli  Irrtümer  Ober  seine  Herkunft 
beitrugen:  für  die  Übersetzung  eines  Privilegs,  das  Karl  d.  Gr.  den  Sachsen 
gegeben,  hielt  man  das  Lantlrecht,  für  ein  Gesetz  von  >Kaiser  Friedrich» 
das  Lehenrecht.  Bald  redete  der  Ssp.  in  allen  deutschen  Zungen.  In  vielen 
jungem  Rech tsaufzeichnun gen  wurde  er  benutzt.  Ihm  selbst  aber  widmete 
sich  fortan  eine  eigene  Literatur.  Diese  vermehrte  den  Text  des  Rechts- 
buches, teilte  ihn  in  Radier  und  weiterhin  die  Artikel  oder  Kapitel  in  Para- 
graphen ein,  systemati.sterte  ihn,  versah  ihn  mit  Rubriken  und  Registern, 
stellte  (in  der  1.  Hälfte  des  14.  Jahrh».)  eine  Vulgata  fest  (krit.  Ausgabe  des 
ganzen  Evke'schen  Werks,  und  zwar  des  I-;indr.  auf  Grund  von  i  H(>  Texten, 
des  Lehenr.  auf  Grund  von  g6  Texten,  sowie  des  nur  aus  kilem  Dmcken 
bekanntCJi  vetus  auctor  van  Httmeyer:  Des  .Sarhscnspiegfls  enttr  Thal  oder 
das  Stichs.  Landr.  _^.  Aufl.  l8f>i.  Des  Saelisempugeh  zweiter  Theil  tubsl  den  vtr- 
wamilen  Rerhlsbüchern  I  1842,  11  1844;  Ausgg.  einzelner  Hss.  nennt  Ho- 
meyer  Landr,  S.  73,  dazu  LObben  D.  Sni!:sensf>.  Ijtndr.  «.  Lehnt:  narh  dem 
Oidcubitrg.  Cod.  f>iff.  v.  i3j6,  1879,  selbständige  Tcxtzuthaten  ausser  der  Vul- 
gata: Homeyer  D.  Kxtravaf^nUn  des  Ssfi.  in  den  Berlin.  Akad.  Abb.  i8üt; 
die  nl.  F'assxmgen  des  Ssp.  hsg.  v.  De  Geer  in  11'e.rien  der  Vereeniging  etc. 
/.  E.  Nr.  10  Si.  1  M.  4  1888).  Der  Ssp.  wurde  ferner  in's  Latein,  übersetzt, 
das  Landr.  in  W72 — 1282  sogar  dreimal  (Dnicke  nennt  Homeyer).  Schon 
bevor  eine  CUvsse  (§  i6)  den  Text  tics  S.sjx  interpretierte,  und  spater  noch 
suchte  die  zeichnende  Kunst  deri  Inhalt  des  Rechtsbuchs  durch  Bilder  zu 
veranschaulichen  (3.  oben  S.  hi  Note  i),  nicht  etwa  bloss  hin  und  wieder 
nach  Art  d*r  auch  sonst  in  Rechtshanrischriften  viirfcommenden  und  haupt- 
sachlich zum  Bücherschmuck  dienenden  Miniaturen,  sondern  durch  fortlau- 
fende Illustration,  welche  in  eigentümlich  naiver  Weise  das  Darstellen  wirk- 
licher Vorgänge  mit  einer  symbolisierenden  Bilderschrift  verbindet. 

Der  Sachsen-spiegel  ist  in  einer  Reihe  von  ähnlichen  Reclilsbüchetn,  und 
zwar  zuerst  in  Süddeutschland,  nachgeahmt  worden.  Dabei  geht  aber  die 
Absicht  nicht  mehr  auf  Schilderung  eines  Partikularrech Is,   sundeni    auf  die 


KecHTSBCcHER    D  kutsch  LANDS    IM    MA, 


91 


des  gemeinen  Landrechts.  Dieses  musste  nun  freilich  bd  dem  engen  Ge- 
,sichtskreis  der  Verfasser  eine  lokale  Fflrbung  »nnehmen.  Ausserdem  aber 
xdgt  CS  sich  gelrflbt  durch  rnm anistische  und  kanoni<i tische  Einflassc,  über- 
haupt durch  eine  in  der  Auiwalil  ihrer  Quellen  wenig  kritische  Buchgelehr- 
samkcit,  wodurch  sich  die  SchriftstelU-r  von  ihrem  grossen  s.lch&ischen  Vor- 
gSnger  ebenso  scharf  unterscheiden  wie  durch  ihre  Ziele.  Das  sciiKchlc  >spe- 
culom«  eines  erlebten  Rechts  weicht  mehr  und  mehr  einer  gektVnsteltcn  Spe- 
kulation. Das  IcgendarUche  und  paraineli<che  Element  nimmt  einen  breiten 
Raum  ein.  Eine  ausführliche  Geschichte  vun  Gesetzgebern  und  RechUpfle- 
gcni,  »der  Könige  Buch',  wird  dem  eigentlichen  Rcchtsbuch  vorangestellt, 
um  dieses  mir  der  alten  e  und  mit  Jer  nimcen  e  ZM  bewähnii.  In  den  Rechta- 
test selbst  mischen  sich  Erzählungen,  darunter  poetische  des  Strickers,  ein, 
aus  denen  dann  die  ermahnende  Nutzanwendung  j:ezr)gen  wird.  Der  erste 
literarische  Versuch  dii-scr  Art  ist  der  spiegfl  alltr  teutzher  Uute  ( •  Deutschen- 
sj)iegeK  i=Dsp.},  entstanden  um  1260  und  wahrscheinlich  in  Augsburg.  Vom 
bevurwortenden  Gedicht  bis  Art.  log  des  Landrechts  ist  der  Ssp.  frei  bear- 
beitet, im  weiteren  Verlauf  nur  noch  flüchtig  in's  Oberdeutsche  übersetzt 
(Te.xiabdruck  der  einzigen  Hs.  v.  Ficker  D.  Sfiiegrl  lUut.  Leute  1859).  Das  ira 
Dsp.  Begonnene  wurde  ausgeführt  \m  lantreefitbuch  (seit  Goldast  i6oq  »Kai- 
serliches I^nd-  und  Lelienrechi-  r-dcr  »Schwabenspiegel«  [=;Swsp.]  genannt). 
Der  geistliche  Verfasser,  weither  den  Dsp.  als  Vorarbeit  benutzt,  :Hrhcinl  dem 
Horhstift  Bamberg  angehört,  aber  wie  sein  Vorgänger  in  Augsburg  geschrie- 
ben xu  haben.  Über  die  Vollendungszcit  stehen  sich  gegenwartig  die  An- 
sichten von  Ficker  und  Rockingcr  gegenüber.  Erslercr  setzt  den  Swsp. 
ins  J.  1.275,  letzterer  »kurz  nach  dem  Anfang  von  1250**.  Bei  der  .\bfas- 
sungsgescliichle  des  Swsp.  sind  mindestens  zwei  Entwicklungsstufen  zu  unter- 
scheiden, ein  Ejitwurf,  der  sich  noch  abhängiger  vum  Ssp.  zeigt  und  der 
Hauptsache  nacHi  durch  die  Hs.  des  Freiburg.  Stadtarchivs  vertreten  ist.  imd 
das  vollendete  Rechtsbuch.  Letzteres  hat  selbst  wieder  zahlreiche  und  »ehr 
verschiedenartige  Umgestaltungen  erfahren,  wobei  im  allgemeinen  der  ur- 
s]jnlng[irhe  Stoff  verkürzt  wurde,  aber  auch  wieder  mancherlei  fremdartige 
Zutliaten  erfuhr.  Die  Verbreitung,  welche  der  Swsp.  im  MA.  erlangt  hat, 
kommt  der  des  Ssp.  mindestens  gleich.  Nicht  nur  in  ganz  Süddeutschland 
»■urde  er  rezipiert.  Sein  Ansehen  erstreckte  sich  auch  nach  Norddeutsch- 
iand,  ja  nacli  Böhmen  und  Mahren  und  nach  Burgund.  In  c.  ^5  Hss.  liegen 
tschechische  Bearbeitungen  {i.^.  Jahrh.)  vor;  eine  mahrische  (iS-jahrh.»  vmd 
eine  altfrauzOsischc  (14. Jahrb.?)  sind  wenigstens  durch  je  eine  Hs.  vertreten. 
Fa.»rt  350  Hss.  aber  bewaliren  den  deutschen  Text  in  seinen  verschiedcnpji 
Formen.  Eine  kritische  Au^abe  fehlt  bis  jetxt.  Die  beiden  jetzt  gewöhn- 
lich ziticrtai  Hauptdrucke  sind:  L.-=  Der  Schwabcnspiegel  .  ,  .  nach  einer  Hs. 


t  W«a  Rockingci  bis  jetzt  iLinibcr  vorgcbrauht  bat,  Khcint  mir  keioMwogs  bewet«- 
kräflif;.  Vor  allem  durften  »iith  tlie  wucsl«!  Erftrtemngen  R.'*  i'ibt^r  tlic  vod  ihm  sog, 
Bc  Rüdes^^n  de«  Marit.-s»rn  (rcrBchollen  M-il  1&09)  kuun  auiii«icben.  um  tla&  VorluJDclcnseiit 

fdiver  \\a.  voi  1368  tlar/ulhun.  Dftin  R.  \km\  gende  den  Ilau[Mwidcn]>ruch  unbcrilck- 
■iclltiet,  wrlch«  iwÜM-hen  dn  iin^eblicben  EÜueicbnung  Heiarich»  di-s  PreckcndorfTere  Ja 
der  Hs.  um]  den  Antraben  «eine«  >Kcisbuctis<  (betr.  den  nm  Zilrich  an  Rudolf  v.  Hxbsborg 
zu  HilFe  (ie*cbidttcn)  besteht  und  wegen  dcs»cti  jene  Einxcichnung  jus  gefXliicbt  gellen  muM. 
Wm  sodAOn  die  ErwAhnunf;  Kotbcnburgs  im  KüQi);ebucb  bcthfh,  «>  Bcbcint  mir  gende  aie 
auf  VollcndoDfC  der  VuJgata  nicht  —  %trie  R,  (/>.  KSn.  Jineh  ia  den  Mttncb.  Akad.  Abb. 
1883)  will  —  vor.  somlcro  tuidi  dem  i^.  Mai  1274  xu  deuten,  Fär  cniscbeidcnd  halte  ich 
•her  immer  noch  mit  Ficker  Art,   13711    dn  I^ndr,  -oxiA  41b  de>  l..eb(.iir.     Dir  hierauf 

.be<i]|r|icheii    BemcTkiingcn    Fickrr'»   \Vit-firr   Sitigsb,     R«),  77    S.    817  Jf.   und   840.   841 

[acheiaen  mir  bis  jetzt  durcb  keine  (jr^eiignitide  ciitkräAet. 


Q2  tX.  Recht.    A.  DewkmAi.kr. 


v.J.  jiSj  hsg.  V.  F.  L.  A.  Freih.  v.  Lassberg  1840  uutl  W=^äer  Schtoa- 
htnsp.  in  der  alt.  Gestah  hsg.  v.  W.  Watrkernagel  I.  Landrccbt  1840.  Von 
diesen  kommt  aber  nicht  der  letztere,  sondern  der  erel^re  der  ältesten  Ge- 
stalt des  Rcclitsbuches  am  nai:hsten  (andere  Ausgg.  bei  Stobbc  Rqu.  §34; 
ausserdem  Der  Codex  .Altenbirger  [v.  1481,  Landrecht]  hsg.  v.  G.  Lindner 
1B85  S.  I— X»;  Texlpruben  aus  einzelnen  Hss.  in  verschiedenen  Publika- 
tionen Rockinger's  verzeichnet  von  demselben  in  den  Wiener  Sitzungsber. 
Bd.  C\'1I  1884  S.  4ff.;  der  franz.  Text:  Matile  Z/  mttoir  tfe  Souahe  1843J. 
Audi  mit  dein  Swsp.  beschaftigle  sich  die  Jurisprudenz  des  MA.,  wenn  auch 
nicht  so  tTaditinnell  wie  mit  dem  Ssp.  Fehlt  e.s  aurh  an  einer  Glosse,  so 
di>ch  nicht  an  systematisierenden  Umgestaltunj^cn,  aij  Registern,  an  Bearbei- 
tungen den  Buches  für  den  Gebrauch  bestimmter  Gerichte,  an  einem  latein. 
Auszug  (v.  1350).  Üen  bisher  genannten  Recbisbüchcm  gegeuOber  selb- 
ständig ist  des  kevsers  recht  {lex.  Über  imperaloris,  »das  kleine  Kaiseneclil'^, 
Ausg.  V.  Endemnnn  iH^ö).  Verfa&sC  Ist  dieses  Rechtshurh  vielleicht  noch 
im  13.  Jabrh.,  jedenfalls  vor  1320  und  wahrscheinlich  im  fränkischen  Hessen. 
Der  Verf.  lässt  sich  in  4  BQdieni  über  Gericiltiwcscn,  materielles  Landrecht, 
Recht  der  Reii'hsrtienstmannen  und  der  Reichsstädte  aus  und  stellt  seinen 
Stoff  als  Kaisergcsctz  hin,  welches  für  die  ganze  Welt  erlassen  sei.  Doch 
hat  dicae  phantastische  .Anlage  cles  Werks  eine  weite  Verbreitung  de-sselben 
niclit  gehindert.  In  mehr  oder  weniger  nahem  Zusauimenliang  mit  dem  Ssp. 
stehen  einige  Rcchlsbüchcr  und  kleinere  laiidretrlitliche  Aufzcicluiungcn  <ies 
14.  Jahrh.  aus  Norddeutsch  [and.  Spätestens  in  den  Anfang  dieper  Zeit  fällt 
das  sog.  Görlitzer  Rechtsbuch  (4b  Kapp.},  dessen  Hauptbestandteile  auf 
dem  Vctus  Auetor  und  dem  interpolierten  Laiidr.  des  Ssp.  beruhen  {letzte 
Auüg.  V,  Homeyer  Des  Ssp.  sweiler  'feit  11).  Um  1335  vcrfiLSste  der  erste 
Glossator  des  Ssp.,  der  um  1305  zu  Bologna  gebildete  Hofrichter  der  Mark 
Brandenburg  Johann  vuu  Buch  in  ilusserlichcm  luid  innerlichem  Anschluss 
an  den  Ssp.  dn  niedersachs.  Rechtsgangbuch,  den  ricJifsHeh,  auch  scbe^ucht 
d.  i.  Schöffenstütze,  jetzt  -Richtsteig  Landre^hts^  genannt:  krit.  Ausg.  v. 
Homeyer  1857),  die  bedeutendste  Rechlsschrift  des  14.  Jahrh.  in  Deutsch- 
land. Durch  eine  Schildemng  der  Kornien^  worin  das  Sachsenspiegel  recht 
vor  Gericht  geltend  gemacht  wird,  will  er  das  alte  Laiidreclu  ergänzen,  dne 
Absicht,  die  er  in  streng  systematischer  Anordnung  seines  Stoffes  durchführt. 
»Seine  Arbeit  fand  eine  Zustimmung  und  Verbreitung,  welche  nur  der  der  Spie- 
gel weicht' :  Zeugnis  davon  geben  die  obersadisischcn,  schicsischen,  rheini- 
schen, süddeutschen  Ct>rrtragungcn  und  Umbildungen  des  Richtstcigs.  Das 
schoTi  vun  J.  V.  Bucii  geplante  Seitenstück  /.um  Richlsteig  Landrechts,  den 
richtstieb  des  Unrechtes  (iisächs.),  \'erfassle  ein  Unbekannter,  walirschemlich 
noch  im  14.  Jahrh.  (Ausg.  v.  Homeyer  in  D.  Ssp.  zw.  Th.  I).  Um  diese 
Rcchtsgaiigbüchcr  sowohl  wie  um  den  Ssp.  selbst  gruppieren  sich  kleinere 
Schriften:  die  beiden  jirozessualen  Aufsatze  des  Hermann  von  OesfeUl 
Cmiteh  und  Premis  (=  Breni.se)  um  IJ59,  der  iHileniische  ;\ufsatz  i-vm  leheu- 
gude  ttnde  dnt  lo  enf/angende  (jetzt  her.  v.  Frensdorff  in  den  Nachrichten 
V.  d.  Gott.  Gesdisch.  1894  S.  423^434),  die  rechte  zveyse  des  Lcheiuechts  mid 
der  Aufsalz  von  bdvysinge  umme  kn  unde  li/ftuhf,  beide  Traktate  aus  der 
!.  Hälfte  des  15.  Jahrh.,  dann  das  erbrechiliche  Stück  vom  Mustheil, 
die  Sippzahlregeln  und  die  Arbeiten  des  Merseburger  Domherrn  Dr. 
Tammo  v.  Bocksdnrf  (über  die  Ausgg.  s.  Stobbc  Rqu.  I  S.  398,  38yf., 
II  S.  149,  vgl.  auch  Steffenhagen  in  Zschr.  f.  RG.  IV  18Ü4  S.  194 — 199}. 
Mit  dem  Ssp.  in  so  fem  in  Zusanuuenhang.  als  sie  üdn  Recht  mit  dem  rö- 
mischen  und    dem    kanonischen    (^nach  Art   der  Glosse)    zu    »konkordieren« 


RscHi^BücuER  Deittschlands  DI  MA. 


93 


siu-ht.  steht  die  TliHtigkeit  des  geschraarklosoi  VielsrhreilMTS  Nirolaus 
Worm  z\i  Ue|»Tiil7.-  Er  ist  der  HauptreprRscntant  der  scholaslist  lieii  Juris- 
prudenz im  mittelalterlichen  Deutschland.  Schüler  des  Joh.  v.  Liginano  in 
Bologna  (wahrscheinlich  schon  vor  1377)  hat  er  ausser  verschiedenen  Glossen- 
werken, ausser  Bearbeitungen  des  Rtchtstcigs  Landr.  und  der  für  ein  Gesetz 
von  K.  Albreclit  ausgegebenen  Cormt.  M-igurii.  (ohen  S.  85)  —  alles  dies  bis 
1386,  und  ausser  einem  Stadtrc<:htsbucli  (vj;l.  unten  S.  95)  zwei  weitschwei- 
fige Werke  über  die  Praxis  des  sächsischen  und  des  fremden  Rechts  ver- 
fasst:  tfi  hiumt  von  Magdeburg  (um  1390,  Ausg.  v.  H<^hlau  186H},  worin  er 
seine  Lehren  als  Schöffenurteile  hinstellt,  und  dt  blume  ubir  der  Sachsen  sfiigef 
und  uhir  ueichhiUih  recht {\y:f}),  einen  Richtsteig,  /u  weichem  sich  die  »Blume 
von  Älagdeburg«  teilweise  als  Vorarbeit  verhall  (Pwben  aus  diesem  iu  der 
GArlitzer  Hs.  1280  Kolumnen  gr.  Fol.  fassenden  Buch  bei  Hr>meyer  Richist.). 
Die  Tendenz  der  beiden  Werke  spricht  sich  in  dem  Satz  des  Verf.  aus:  der 
hlumen  stam  ht  her  Ecke  von  Repkoic,  die  wuirtii  aber  sini  Ugei  da:  st'nt  kfi' 
stmcht  und  eanones.  Dem  15.  Juhrh.  gehört  eine  längere  gegen  die  Ab- 
irrungcu  der  Gerichtspraxis  v<:»m  Ssp.  eifernde  Sdirift  an,  die  sog.  Informath 
tx  spceuh  Saxonum  (Ausg.  bei  Homeyer  DU  in/,  e.  sp.  S.  in  Berl.  Akad. 
Abh.  185O).  In  Livland  wurde  noch  im  14.  Jahrh.  03^5 — *374'^)  ein  Aus- 
zug aus  dem  Ssp.  mit  Bestimmungen  einheimischer  Quellen  kompiliert  (sog. 
livlAnd.  Rechtsspiegel,  nur  liut'hdeutsch  erhalten,  AiLSg.  von  v.  Bunge  in 
Aitiii'hnds  Rethtsbücher  1879).  Eine  ähnliche  Kompilation  ist  der  sog.  hol- 
land.  Ssp.  (15,  Jahrb.,  zuerst  gedruckt  1472). 

Gegenober  diesem  ganzen  unter  der  Nachwirkung  des  Ssp.  stehenden 
Uteraturkrds  sind  es  im  sächsischen  Slammland  nur  wenige  und  minder- 
wertige, weil  kompilatorische  I-andrechtsbOcher,  die  in  der  Hauptsache  ihre 
licsonderen  Wege  gehen,  obschon  sie  gelegentlich  den  Ssp.  oder  den  Kichtsi. 
Laiidr.  benutzen,  wie  z.  B.  die  für  »Wissende«  bestimmten  Vcra-Rcchls- 
bOeher  (worüber  Stobbc  Rqtt.  1  S.  399  f.,  Lindner  D.  Veme  S.  264 — 278), 
samtliche  erst  na<^  1437  verfasst  Dagegen  hat  Esth-  und  Uviand  einige 
LchenrcchtsbOchcr  aufzuweisen,  welche  in  ihrer  Grundlage  ganz  und  gar 
selbständig  sind.  Diese  Gnuullage  bildet  eine  Besthrcibung  des  angeblich 
vom  Danenkönig  Waldemar  II.  um  121Q  mit  seinen  deutschen  Vassalleii  iti 
E$thland  vereinbarten  und  13 15  vnn  Kßnig  Erich  VI.  bestätigten  Lehen- 
rechts, das  niederd.  »Waldemar-Erich'sche  Lehenrecht«,  1315 — ^1322 
ist  auf  Gnmdlage  des  vorigen  ein  Reditsbuch  für  das  Stift  Oescl  in  10  Kapp. 
ausgearbeitet  und  von  Bischof  Hcrting  bestiltigt,  da.s  nur  hochdeutsch  er- 
haltene *ältC3tc  livland.  Ritter-Kecht'.  Eine  zweite  hd.  Redaktion  des- 
selben in  67  Artikeln  und  unter  land rechtlichen  Zuthaten  Lst  noch  im  14. 
Jahrh.  verfasst  (Ausgg.  der  genannten  Rbb.  bei  v.  Bunge  a.  a.  O.).  Aus 
dem  livlflnd.  RSpiegel,  dem  »ältesten  Ritterrecht'  und  dem  Stück  vom  Musteil 
(vgl.  S.  Q2)  für  das  Err^tift  Riga  zusammengesetzt,  ist  das  nd.  ^mittlere 
livland.  Ritterrecht«  (vor  1424),  eine  Überarbeitung  des  letztem  das  hd. 
»systematische  livlSnd.  Ritterrecht^  (vor  1450.^  vgl.  v.  Bunge  EinUi" 
tutg  I.  d.  iiv.-,  tsth.-  u.  cHrl'ind.  RGub.  184Q  §§  50,  51).  Teilweise  auf  ver- 
wandten Gebieten  bewegte  sich  die  originale  Rechtsliteratur  des  mittel-  und 
rüederfrttnk.  Gebiets.  Einer  ihrer  frühesten  Vertreter  ist  das  bergische 
Rechtsbuch  (schlechte  Ausg.  v.  Lacornblel  Arch.  f.  d.  Gesell,  des  Nieder- 
rheins I  1832  S.  79  ff.)  in  62  Artikehi  aus  der  Zeit  von  1355 — 97  (vgl.  v. 
Bclnw  D.  hndständ.  Verfang,  in  jUlich  «.  Berg  II  1886  S.  I— 48).  Von 
einem  viamischen  Lchcnrcchtsbuch  {14-  Jahrh.?)  gibt  Homeyer  DfS 
Sq».  ttv.  7%.  I  S.  104  f.  Nachricht.     Umfassender  dem    Inhalt  nach  ist  ein 


94  I^  Recht.    A.  DexkmAler. 

Laudrccht  der  Freien  von  Brügge  in  Reimen  {5.5  Kapp.  15,  Jahrb.;  — her. 
V.  Gilliodts  v;in  Sevcren  Cout.  ttu  f'mnc  de  Brngex  \  iH^g  S.  455 — 502). 
Aus  Silddcutjchland  ist  miiidc^stcns  ein  durch  Selbständigkeit  und  Eigenart  höchst 
wertvolles  Ijindrechtsburh  des  .Spat-MA.  zu  nennen,  der  vor  1425  zu  Graz 
verfassle  -Landlauf  von  Steier*  (fünf  verschiedene  Formen,  in  der  vollsten 
Zr\2  Art.  Ausj^.  v.  BIsrhoff  Stdtrmärk.  Lamir.  des  MA.  1875,  vgl,  darüber 
Kr.  Vjßchr,  Will  S.  140 — 14b).  Vielleicht  ist  aber  auch  da.s  Saarbrückcr 
Landrcchl  {angcbi.  1321)  den  Rbb.  bcizuzShleu  (vgl.  Stobbe  Rijm.  1  554). 
An  kleineren  und  zugleieh  seJbstflndigeti  Schriftpn  land rechtlichen  Inhalts  ist 
aus  Süddeutschland  nur  die  Aufzcicluiung  des  Ritters  Ludwig  v.  Eyb  d.  Ä. 
über  das  kaLserl.  I-andgfrifht  zu  Nürnbet^  14^x1 — 14{)0  (herausg.  v.  Vogel 
1867)  zu  nennen,  Reich  dagegen  an  solchen  kurzen  und  meist  auf  einen 
speziellen  Gegenstand  bezüglichen  Darstellungen  in  der  Volk-smundart  ist 
Frieslaiid,  wo  einige  noch  in's  13.  Jahrb.  hinauf  reichen  mrigcn  (Drucke 
zerstreut  in  v.  Richtliofens  Sammlung;  s.  oben  S.  83),  wahrend  nur  eine 
einzige  umfängliche  .Arbeit  über  fries.  Rerht,  die  zwar  friesisch  geschriebene, 
aber  ganz  und  gar  konipilalorische  und  stark  romanislische  Jun'spnulentia 
Friska  (so  von  ihrem  Herausgeber  M.  Hettema  l&J4r.  genannt)  aus  dem 
15.  Jahrh.  zu  verzeichnen  ist. 

§  15.  Seit  der  2.  Hälfte  des  13.  Jahrlis.  fand  das  Rechtsbücher- 
wesen auch  in  den  Städten  Aufnahme.  Diese  literarische  Bewegung 
zeigt  sich  am  lebhaftesten  in  dea  Städten  Magdeburgisrhen  Rechts 
(vgl.  oben  S.  80  f.),  w<j  sie  mittelbar  insofern  an  den  Ssp.  anknüpft,  als  dieser 
in  Magdeburg  zur  Herrschaft  gelaugt  war.  Unter  vorzugsweiser  Benützung 
Magdeburgischer  Quellen,  aber  auch  des  Ssp.  selbst  gehen  die  Schriftsteller 
dieses  Gebietes  darauf  aus,  über  ein  gemeines  oder  doch  weit  verbreitetes 
Stadirecht  zu  belehren.  Den  .Anfang  der  so  entstehenden  Magdcburgischen 
Familie  von  Stadtrcchtsbilcheni  macht  noch  vor  mk-*)  eine  Abhan<Jlung 
über  die  Gerichte  zu  Magdeburg  und  die  Ausbreitung  des  Magdeb. 
Rechts  (jetzt  sog.  »Rcchtsb.  v.  d.  Gerirhtsverfa.ssung*),  Es  folgt  das  vcjmehmlich 
auf  Rechtsmitteilungen  von  Magdeburg  nach  Breslau  (dem  sog.  *Magdehurg- 
Brcslauer  R.e)  beruhende  und  in  mehreren  selbstJLudigen  Rezensiunen  über- 
arbeitete »Magdeburger  Schi'iffenrechtn.  Jüngere  Formen  jener  Abhand- 
lung und  dieses  Schiiffenrechis  wurden  »ucli  zu  .Anfang  des  14.  jahrlis. 
au.s3erlicli  mit  einander  verbunden.  An  dieser  Kompilation  haftete  der  Name 
»Weichbild«^  oder  »Weichbildrechtr,  der  vorher  auch  dem  Schöffenrecht 
beigelegt  worden  war.  Wahrend  des  14.  Jahrhs.  wurde  das  Wcichbildrccht 
fiberarbeitet  und  durch  ZusAtzc  en\'eiiiTt,  in's  Latein,  und  in  slawische 
Sprachen  übersetzt.  {Ausgg.  ties  Weiclib.  R.  und  seiner  Vorlaufer  verzeichnet 
bei  Stobbc  Rqit.  I  §  38,  dazu  Ma^hburger  Ri-thfsqueUen  lisg.  v.  La  band 
1869  imd  D.  säcftx.  Wfiehhildr.  »ach  der  Ht.  v.  t38i  hsg.  v.  Q.  Walther 
1871).  Um  eine  neue  Gencrali{m  kom])ilat<m.schcr  Stadtrechtsbücher  wurde 
die  sächsisch -magdeburgische  Familie  in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrlis.  ver- 
mehrt Aus  dem  Magd eb.-B res  1.  R.  und  jüngeren  SchOffenb riefen  sind  die 
Rechtssätze  ausgezogen  oder  abgeleitet,  welche  den  Inliatt  der  5  Bücher  des 
zu  Breslau  zwlsdien  1350  und  1386  verfasslen  >a\slcmalischen  Schöffen- 
rechts« (her.  V.  Laband  1863)  bilden.  Noch  vor  1394  wurde  das  Bresl. 
Syst  Schöffenr.  zu  Kulm  unter  Benützung  von  Magdeburg- Kulm  er  Schöffen- 
sprüchen und  vom  Schwabcnspicgel  zum  >Altcn  Kulm*  Oberarbeitet  (Vul- 
gata:  /J.  n/te  kulm  R.  bsg.  v.  Leman  1838).  Grösstenteils  aus  Magdeburger 
Urteilen  und  Weislümera  abgeleitet  ist  auch  das  »Glogauer  Rcchtsbuchc 
{13B6,  in  643  Kapp.  h.sg.  v.  Wasserachleben  Samntlg.  äeut.  Rechüqu.  1860). 


Da^^en  trennt  sich  duRh  plantu5ssiges  Heranziehen  des  Ssp.  und  des  Gos- 
larer  StadtrochtH  von  der  Magdcb.  Familie  das  in  Meissrn  vor  1587  verfasste 
»Rechtsbueh  nach  Dtstinklioncn«  (s"  wegen  der  Einteilung  der  Kapitel 
genannt!,  welches  nicht  nur  in  Nord-  und  Mitteldeu Ischland,  »indem  auch 
in  Böhmen  (czech.  Oben*.)  viel  jjebraurhl  wurde.  Durch  Kompilation  dieses 
umfangreichen  Werkes  mit  anderen  Materialien  fertigte  der  Eisenachcr  Sladl- 
schreiber  Job.  Rothe  (t  M34)  ^i^  ersten  drei  BOchcr  zu  einrro  unvollen- 
deten »Eisenachcr  Reihlsbuch«  (mil  dem  vorigen  her.  von  Ortloff  .S//«/m- 
limg  detäxch.  RqN.  I  1836).  Das  Re<-hLshurh  nach  Distinktioncu  gelangte 
frühzeitig  In  l'reussen  zu  Ansehen.  Noch  vor  1400  wurde  es  dort  durch  ein 
vornehmlich  aus  dem  glossierten  Ssp.  und  dem  Magdeb.  Dicnstrcchl  gi-- 
schOpftes  »Lehenrecht  in  Distinktionen«  ergänzt.  (Aiisz.  bei  Homeyer/Arj 
S^.  tw.  T.  \  S.  367.)  Die  beiden  Rechtstjücher  wurden  sudann  mit  dem 
glossieTten  Ssp.,  Magdeburger  und  Kulmisrhen  Srln'ffensprüchen,  dem  alten 
RuliQ  und  verschiedenen  anderen  Quellen  und  unter  Opposition  gegen  die 
-Ri^merci*  1400—  1402  von  dem  Thnmer  Stadtschreiber  Walthcr  Eck- 
hardi  aus  Bunztau  zu  den  »IX  Büchern  Magdeburger  Rechts«  ver- 
arbeitet. Eine  durchgreifende  Umarbeitung  erfuhr  dieüCä  Werk  gegen  1408 
(die  nach  ihrem  ersten  Herausgeber  benannten  •Poelmann'srhen  Distink- 
tioncnv^  und  eine  zweite,  .speziell  für  Preu-Vien  berci^hnete  und  ronianLsierende 
um  1444  durch  Job.  Lose  wahrscheinlich  zu  K/'hnigsl>erg  (Beschreibungen 
dieser  KompUatiunen  bei  Steffenhagen  Deiii.  R^ti.  in  Prcusscn  1875  S.  138 
— 200).  Überhaupt  sind  es  recht  eigentlich  die  preussischen  Städte,  welche 
die  magdcburgisch-sachsische  Rechlsbftcherliteratur  gegen  Ende  des  14.  und 
wahrend  des  i,^.  Jalirhs.  fortsclzen.  Allerdings  nur  als  einen  vorübergehen- 
den Versuch  müssen  wir  da.s  in  einer  einzigen  Hs.  erhaltene  .Elbinger 
Rcchtsbuchi  betrachten,  welches  z»-ischen  1338  und  1470  (vor  1402?)  auf 
Gnindlagc  des  Swsp.  mid  unter  ausgiebiger  Benützung  des  Rcclilsb.  nach 
Dist  und  von  Magdeburger  QuHlen  in  (>"  Kajip.  kompiliert  wurde  (Steffen- 
hagen a.  a.  O.  118 — 137).  Dagegen  in-  und  ausserhalb  Preu-ssens  gebraucht 
sehen  wir  die  >Magdeburger  Fragen-  (hsg.  von  Behrend  iB6.t).  ein 
mit  dem  Material  preussischer  Quellensammlungen  1386 — 1402  ausgearbeitetes 
»■stematisches  Werk,  welches  in  drei  Büchern  mit  Einlcüimg  der  Kapitel  in 
Disttinktionen  den  gesamten  Stoff  in  der  Form  von  wirklichen  oder  fingierten 
Antworten  der  Majjdeburger  Schöffen  auf  vorausgeschickte  Anfragen  darstellt 
Endlich  aber  sammelte  sich  während  dtis  i_^.  Jahrhs.  um  den  immer  mehr 
rar  Herrschaft  gelangenden  »alten  Kulm«  eine  erläuternde  und  ergänzende 
Literatur,  darmiter  ein  zu  Danzig  (1436 — 14.^4)  verfasstes  Rechtsbuch  in  117 
Kapp.,  die  »landläufigen  Kulmischen  Rechte«  (beschr.  v.  Steffen- 
hagen a.  a.  O.  211 — 226,  ein  Text  im  s<»g.  Dantig.  Scktfffenburb  hsg.  v. 
Ta;ppen  18788.  lyff.).  Nur  durch  seine  gemeinrechdiche  Tendenz  uad 
durch  die  sächsische  Herkunft  seiner  deutsch -rechtlichen  Bestandteile  schliesst 
sich  den  bisher  besprochenen  Stadtrechtsbflchem  das  I3t>«)  beg(jnncne  sog. 
Lieenitzer  Scadtrechtsbuch  des  S.  93  genannten  Nie.  Worm  an,  ein 
im  Übrigen  ganz  eigentümliches  Werk,  eine  >junsprudentia  Romano-Genuaiiica« 
mit  besonderer  Berücksichligung  des  Suidtrechts  in  Form  von  Fragen  und 
Ant«-<)Ttcn  zwis<:hcn  Schüler  und  Lehrer  {Auszüge  bei  Bochlau  AVraf  Qtmt. 
S.  h4— <)6,  XLI). 

Eine  zweite  Reihe  von  Stadtrech tsbüchem  setzt  sich  aus  solchen  Werken 
zu-sammen,  die  sich  auf  die  Darstellung  des  in  bestimmten  einzelnen  Stfldten 
gellenden  Rechts  beschranken.  Einq;c  davon  stehen  der  vorigen  Klasse 
nüch  in»«»rcmc  nahe,   als  unter  ihren  Materialien  der  Ssp.  und  andere  sdch- 


96  IX.  Recht.    A.  DenkuAler. 


sische  Qurllen  sich  befinden.  Am  raewten  ist  das  beim  Berliner  Schöffen- 
buch (13g;,  hsg.  V.  Fidicin  in  Hisl.  dtpl.  Beilr.  I  1837)  der  Fall,  sowie 
bei  dem  von  Herford  aus  dem  14.  Jalirh.  (hsg.  in  Wigands  Arch.  II  1827). 
Aber  auch  das  Prager  Stadtrcchtsbwch  (bei  Rösslcr  Detä.  Rärnkm.  I 
1845)  aus  demselben  Jahrh.  (nach  1,^41),  wclclies  das  sätlis.  mit  dem  Iglauer 
H.  zu  verschmelzen  sucht,  gehört  hieher,  und  das  grosse  rechtpueth  nach 
Ofntr  sia!  reckten  (441  Kapp.)  in  Kwei  Teilen  von  zwei  Verfassern  (1405^13 
und  1421)  insofern,  als  es  Magdeburger  R.  benutzt  (Ausg.  v.  Michnay  und 
Lichner  Oftt.  Stadtrfxht  1H45).  Eine  kleine  Gruppe  von  StadtrcchtsbQchem 
Schöpft  aus  dem  Swsp.  Hicriu  am  weitesten  geht  die  harhreihuttg  der  gt' 
wonkeilcn  der  stat  I''rankaiherg  (bei  Schminke  Mott.  Ilass.  II  1748),  welche 
gegen  1493  der  rechlsgtlthrte  Strhüffe  Juh.  Emmerich  zusammen gesleUt  hat. 
Neben  lokalen  Quellen,  insbesondere  dem  stadtischen  Gewohnheitsrecht  den 
Swsp.  wenigstens  benfltzt  hat  der  Vursprecher  Ruprecht  für  sein  Frei- 
singer Stadlrb.  i,sj8  {der  ursprüngl.  Text  iicrausgcg.  V.L.  Weslenrieder 
Reehibjuk  bäurisches  des  Ruprecht  7)an  Freysing  1802,  eine  \'erkürzende  Bear- 
beitung aus  dem  15.  Jahrli.  verbunden  mit  dem  Landrecht  der  Swsp.  lisg. 
V.  G.  L.  V.  Maurer  D.  Siadi-  u.  Landrb.  Rupr.  i8jO).  Dagegen  erst  nach- 
träglich aus  dem  Swsp.  interpoliert  ist  das  Wiener  Stadtrb.  (her.  v.  H.  M. 
Scliustur  1873),  vcrfasst  1278 — 1296  in  systematischer  Anlage,  öfter  über- 
arbeitet, und  wie  eines  der  filteMcn  so  auch  eines  der  wichtigsten  Stadt- 
rechtsbücher. Letzteres  gilt  auch  von  dem  Sladlrb.  v.  Mühlhausen  in 
Thüringen  (bei  Sieffan  Neue  Stofiief.  I  1846),  das  jedenf;dls  noch  in's  13. 
Jahrh.  leu  setzen  ist  (angeblich  1251^—34).  Übrigens  bleiben  solche  ganz  und 
gar  selbständige  Stadtrechtsaufzeichnungen  Seltenheiten.  Unter  den  späteren 
ragt  durch  Originalität  wie  durch  Umfang  das  unvollendete  Rb.  der  hollän- 
dischen Stadt  Briel  hervor  (fünf  »Traktate«  in  ausführliche  Kapi>.  einge- 
teilt), welches  um  1404  der  Stadtkli;rk  Meister  Jan  Malhijssen  (t  vor  1423) 
vcrfa.*ist  hat  (Ausg.  Fruin  und  Pols  Jlel  rffhish{K-i  van  den  Briel  in  Werken 
[oben  S.  81]  I  R.  Nr.  i,  1880,  vgl.  Verslngen  en  mededeelingen  1885  S.  419 
—427).  Auch  der  Frankfurter  Raculus  jndiäi  (bei  Thomas /3,  Oberhof  zu 
Frankf.  1841  S.  222— 2,54)  aus  dem  15.  Jahrh.  darf  hier  nicht  übergangen  werden. 

Noch  seltener  und  erklärlicher  Welse  viel  später  als  die  letztgcdacliten 
Stadtrechtsschriften  sind  PrivTi  tauf  Zeichnungen  des  Rechts  von  persönlichen 
Verbanden  (§  12).  Die  lehrreichsten  fallen  ganz  an 's  Ende  unserer  Pe- 
riode:  das  kleine  Rechtsbuch  der  Wiener  M  flnzerhausgenosscn 
c.  1450  (in  Gesrhichtsqii,  der  St.  Wien  Abt.  1  Nr.  148)  und  der  von  seinem 
Herausgeber  (Koppmann  1875)  sog.  -Leitfaden  für  die  Älterlcute 
des  rleut,  Kaufmanns  zu  Brügge»,  von  einem  Klerk  des  Kontors  i. 
J,   1500  geschrieben. 

§  lO.  Bei  der  gewaltig  anwachsenden  Menge  des  geschriel>enen  Rechts 
stellte  sich  im  SpStMA.  das  Bedürfnis  nach  geordneten  Sammlungen  der 
für  die  Praxis  verwertbaren  Schriftwerke  heraus.  Und  nun  wiederholt  sich 
der  Vorgang,  der  sich  schon  in  der  Frühzeit  der  Denkmaler  ereignet  halte 
(vgl.  oben  S.  70):  die  Sammler  nehmen  mehr  ixler  weniger  eingreifende  LTm- 
gestaltungen  mit  den  gesammelten  Texten  vor,  sodass  die  Sammlung  sich  der 
Kompilation  naliert,  zwischen  Sammlung  und  Rechtsbuch  Übergitnge  statt- 
finden. Zuweilen  treten  dann  auch  Sf>lche  Sammlungen  unter  individuellen 
Titeln  auf,  welche  sie  sich  selbst  oder  welche  ihnen  die  Benutzer  gegeben 
haben,  wie  z.  B.  das  Vefm  Jus  Frisicum  gegen  Schluss  des  13.  Jahrhs.  (gröss- 
tenteils gedr.  bei  Richthofcn  Uniers.  I  S.  33 — 63,  vgl.  cl>enda  S.  26flg. 
Ö3 — 74).    Gesammelt  wurden  auch  Gerichtsurteile  und  zwar  nicht   nur  von 


Sammlitngek.    Andere  Pkivatarbeitex  in  Deutschu 


97 


W 


den  urtfitentJen  Gerirhtfin,  sondern  auch  (als  Präjudizien)  von  den  das  Recht 
bei  einem  Oberhof  holenden.  Diese  Sammlungen  {/t6n  seHUa/iarum)  wurden 
dann  bearbeitet,  teils  dadureh,  dass  man  sie  sysiematisrli  unter  bestimmter 
Rubriken  ordnete,  teils,  indem  man  sie  exzerpierte,  der  urkundlichen  Form 
entkleidete.  Sammlungen  dieses  Inhaltes  waren  namentlich  in  den  Torhtcr- 
stfldten  des  Magdeb.  R.  beliebt,  wo  sie  SladtrechtÄbOrher  wie  das  system. 
Schöffenr.  und  die  Magdeb.  Fragen  {oben  S.  04)  ^-orbercitctcn.  Als  da."* 
ahcste  Prajudicienbuchf  welches  unter  Verweisung  auf  die  Originalbriefe  Mag- 
dcburger  Sehöffensprtlche  ni>ch  in  chronologischer  Reihenfolge,  jedoch  zu 
Anfang  schon  al«gckürzt  vereinigt,  mag  das  1334  angefangene  zu  Stendal 
hen-orgehoben  werden  (mit  Kommentar  hsg.  v.  Behrend  1868).  Aus.serhalb 
des  I^Iagdeburgiächen  Rechtskreises  bietet  die  ahc^tc  Sammlung  von  Iglauer 
SchöffensprOchen  (vor  1360)  ein  Beispiel  dar  für  die  Bearbeitung  des  Urteils- 
buches eines  Uberhofs  (bei  Toniascliek  D.  Obtrh.  Ighn  iSWiS  Nr.  1 — 21g), 
in  anderer  Weise  tlas  unter  dem  Einfluss  der  kanonis tischen  Summen literatur 
Seine  Rubriken  alphabetisch  ordnende  und  dem  einheimischen  Material  eine 
Menge  von  fremdrechtlichem  beimischende  Schöffenbuch  {MuniptUus  vtl  dirrc" 
torinm  JNrü  cirt/ir)  von  Brunn  aus  d.  J.  i}$i  (bei  ROssler  Diuf.  Rdettkm. 
II  i8<i2).  Mehrfache  Umgestaltungen  hat  das  letztere  noch  im  14,  und  15. 
Jalirh.  erfahren. 

Weniger  fürs  Erkunden  des  deuisclien  Rechts,  als  fQr  die  Rezeptionsge- 
schichtc  des  fremden  belangreich  sind  die  Glossen,  welche  seit  dem  14. 
Jahrh.  hauptsächlich  in  NorddeuLschland  zu  viel  benutzten  Rechtsbüchem 
und  Sammlungen  geschrieben  worden  sind.  Ihre  Vorbilder  sahen  die  Ver- 
fasser in  den  Glossenwerken  der  italienischen  Jurisprudenz,  und  das  römische 
«xler  Kaiscrrerht  und  das  papstliche  Recht  vor  anderen  verwerten  die  meisten 
zur  F.rlautcnmg  der  deutscht'n  Texte.  Dabei  aber  geht  ihre  Absicht  Anfangs 
nicht  nur  auf  ErkUirung  des  einheimischen  Rechts,  sondern  auch  auf  Siche- 
rung desselben  durch  den  Nachweis  seiner  Übereinstimmung  mit  den  leges 
und  canones.  später  auf  Verschmelzung  des  einheimischen  mit  dem  fremden 
Recht  Die  Sprache  der  alteren  Glossen  ist  die  ilcutsclie;  lateinische  Glossen 
treten  erst  im  15.  Jahrb.  auf.  Die  Hauptgnippc  unter  allen  Glossen  ist  die- 
jenige, welche  sich  seit  Job.  v.  Buch  (oben  S.  i)2)  um  den  Ssp.  gebildet  hat 
Eine  zweite  bezieht  sich  auf  das  Weichbild,  danmter  eine  Glosse,  welche  das 
fremde  Recht  unberOrksi^^hiigt  lä.sst.  Andere  Quellen,  denen  nctch  im  Mittel- 
alter eine  Glosse  zu  Teil  wurde,  ^nd  die  Consl.  M'<guiit.  von  \~},%  eine 
frie-t  Rcchbyiammlung  unter  dem  Xamen  des  westerlauwerschen  I^ndnKJibi, 
da.«  Hamburger  Stadtrechl  von  1407. 

Mehr  noch  als  die  Glossen  verharren  in  dienender  Rolle  gegenüber  den 
Rechisschriftcn.  worauf  sie  sich  bejtiehen,  die  Repertorien  (Schlüssel,  Rc- 
miMOrieu.  Register,  Abccedarien),  welche  die  systematisch  zusammengehcirigen 
SftUe  bald  einer  bakl  mehrerer  Quellen  (Rechtsbßcher  und  Gli^ssenl  unter 
:tIphabeti.S4.:h  angeordneten  Rubriken  vereinigeiL 

In  geradem  Gegensatz  zu  den  Sammlungen,  Glossen  und  Repertorien  niclit 
nor,  scmdem  auch  zu  den  Rechtsbüchem  entwickelte  sich  in  den  beiden 
letzten  Jahrhunderten  des  Mittelalters  aus  Anlass  der  staaLskirchenrechtlichcn 
Kampfe  eine  Literatur,  die  ihre  Ausgangspunkte  nicht  sowohl  im  gegebenen 
Rwhte  als  in  thcolivgischeu  und  pliilosnphischen  Lehren  suchte,  mittelst  einer 
Oberwiegend  spekulativen  Methode  ein  staatskirchcnrechdiches  System  zu  poh- 
tisrhen  Zwecken  zu  konstruieren  strebte,  sicli  zunächst  an  gelehrte  Leser- 
kreise wandte,  daher  auch  der  tatetnisehen  Sprache  sich  bediente.  Der  Cha- 
rakter «iieser  publizistischen  Literatur  bringt  es  mit  sich,  dass  selbst  die 

Gcnnanlsclie  Pbtlolo^r  111.    2.  Aufl.  7 


IX.  Recht.    A.  DenkmXlrr. 


von  Deutschen  oder  in  Deutschland  verfassten  Schriften   ihrer  Richtung  — 

angefangen  bei  Jordanus  v.  Osnabrück  (c.  1280)  bis  hin  zu  Peter  v.  Audio 
(t  nach  i.;75)  ;tU  Denkmnicr  deutschen  Rechts  nur  ein  untergeordncte-s 
Interesse  beansprudien  können,  wie  huch  man  aucli  ihr  Eingreifen  in  die 
wissenscliaftürhe.  politLsrhe  und  kirchliche  Bewegung  jenes  Zeilalters  veran- 
schlagen mag. 

§  ly.  Die  Achtbarkeit,  ja  Bewundeningswürdigkeit  mancher  literarischen 
Leistungen  der  RpchlsbOcherpcrinde  darf  uns  nicht  über  die  Wahrheit  hin- 
wegtäuschen, das»,  soweit  es  auf  die  Kraft  des  iialiunalen  Reclitslubens  an- 
kommt, wir  es  mit  einer  Periode  des  Verfalles  zu  thun  hat>cn.  Das  Be- 
dürfnis nach  einer  so  betleulenden  Literatur  isi  ein  verlä-ssiges  Zeichen  dafür, 
dass  das  Recht  im  Begriff  war,  dem  Ged.1chtnis  der  Massen  zu  entschwinden. 
Die  Arbeitsteilung  war  eben  so  weit  gediehen,  dass  die  Kunde  des  Rechts 
sich  in  engere  Kreise  zuriickzichcn  musste,  die  zu  seiner  Anwendung  Beru- 
fenen eines  popuUlren  Unterriclits  bedurften.  Eben  darum  tritt  auch  die 
Idee  des  VolksrechLs  zui-ück:  das  Recht  wird  (selbst  schon  bei  Eyke,  vgl 
oben  S.  90)  als  Erfindung  und  Lehre  bestimmter  Individuen  aufgefasst.  Die 
letzte  Folge  des  so  gekennzeichneten  Zustandes  war  der  Ersatz  des  Volks- 
gerichts durch  das  gclelirte  Gericht  und  unter  der  Gunst  der  |KiUlischen  Ver- 
hältnisse und  der  gelehrten  Legende  jene  F.ntnaiionnlisierung  des  Rechts  in 
Deutschland,  die  in  der  »Rezeption»  des  -Kaiserrechls«  oder  der  »Leges-^, 
d.  h.  des  römischen  Corpus  juris  als  eines  Gesetzbuchs  gipfelte.  Nur  frühere 
Stufen  dieses  Herabsteigens  imsers  Rechts  aber  sind  bezeichnet  durch  die 
voraufgehenden  partikularen  Rczc]>tionen  deutscher  Rechtsbücher 
und  Sammlungen.  Erfreute  sich  einmal  ein  derartiges  Werk  in  seiner  Hei- 
mat eines  gcwi.«isen  Ansehens,  so  griff  m-tn  nach  ilmi  auch  in  Landern,  auf 
deren  Bedürfnisse  es  gar  nicht  berethnel  war.  NicJit  um  das  in  §;S  14^16 
erwähnte  F'irtwiiken  ültercr  Werke  durch  Vermittlung  jüngerer  handelt  es 
sich  hier,  sondern  um  den  unmittelbaren  Gebrauch  der  ernteren  in  der  Praxis. 
Zeugnisse  dafür  sind  die  Übersetzungen,  welche  von  den  vornehmsten 
Rechtsbüchcm  in  al!c  Hauptmundarten  Deutschlands,  ja  sogar  in  fremde 
Sprachen  (für  Deutsche  in  ausserdeutschen  Landern)  veranstaltet  wurden. 
Vgl.  oben  S.  QO.  qi,  c^.v  Nicht  minder  charakteristisch  für  die  Unsicherheit 
des  Rechtsgcfühls  im  SpStmittetalter  sind  diejenigen  Arbeiten,  welche  den 
Ssp.  und  den  Swsp,  nicht  snwnhl  kompilieren  als  parallelisieren  (Lüne- 
burg. Hs.).  Von  hier  aus  begreift  sich  aber,  wie  jene  durch  und  durch  sub- 
jektive, in  Kompilationen  der  verschiwlen artigsten  Quellen  experimentierende 
Schrifistetlerei  auf  Beifall  redmen  durfte,  von  der  uns  in  §§  14 — lö  so  manche 
Probe  begegnet  ist. 

Dass  die  ganze  hier  gekennzeichnete  literarische  Richtung  auf  ein  unbe- 
V.-USSICS  VerfaJsclien  des  Oberkumineuen  Reclits  hinauslaufen  nmssle,  braucht 
hier  nur  angedeutet  zu  werden.  Bei  der  Schonungslosigkeit  des  Mittelalters 
gegen  5>chrifltextc  und  bei  seiner  Armut  an  Hilfsmitteln  der  Kritik  erneuerte 
Rieh  aber  immer  wieder  auch  die  Versuchung  zum  bewussten  Fälschen, 
und  zwar  zunächst  der  Überlieferung«: form.  .Spatere  Beispiele  dafür  sind  uns 
schon  S,  03,  95  in  der  »Blume  von  Magdeburg«  und  den  »Magdeburger 
Fragen«  begegnet.  Ein  Tiltcres  und  berühmteres  ist  die  Cüns/i/u/w  de  e.xpe- 
ditionc  Romaiiay  [n  ihrem  Kern  ein  Auf.saEz  über  die  Reidisheerfahrt  aiLs  der 
1.  Hälfte  des  11.  Jahrb.,  dem  in  der  Zeit  Konig  Friedriciis  l.  ein  Überarbeitet 
die  Form  eines  Gesetzes  Karls  des  Grossen  gegeben  hat  [vgl.  Fickcr  in  den 
Wiener  Sitzungsber.  LXXIH  S.  173— J20,  Scheffer-Botrhorst  in  ZORh. 
188Ö  S.  173 — 191).     Indesa  schon  langst  waren  und  fortwahrend  wmden  diese 


Rezeptioxek.    Fälschungen. 


99 


formellen  Fälschungen  ilberbnten  an  Massenhaftij^keit  wie  an  Dreisti};kett 
durch  jene  andern,  welche  den  Inhalt  zugleich  und  die  Furm  betrafen.  Sind 
sie  auch  niclit  Deiiknialcr  gewonlcnen  RetHits,  üo  siiul  sie  doch  als  Denk- 
mäler des  werdenden  so  wicbtijf,  dass  seihst  ein  Grundriss  der  mittelalter- 
lichen Qucllcngcschichtc  sie  nidit  übergehen  darf.  GefäL'whte Privilegien  zwar 
mfbism  sich  si  hon  die  voraiifgehcnden  Jahrhunderte  inrwerfcn  lassen,  und  zu 
<ler  ungezählten  Menge  ilirer  Nachfnlger  während  des  Mittelalters  steuert 
nicht  nur  Deutschland,  sondern  auch  England  ein  gut  Teil  bei.  Was  aber 
im  Gegensatz  zur  angelsilchsisrhpn  der  kuntinenlal-deutechen  Denkm.1leTge- 
ac'hichte  eigentümlich,  (.las  sind  die  Fiktionen  von  Grundgesetzen  ganzer  Terri- 
torien und  die  gefälschten  Hof-  und  Stidt rechte.  AU  Vertreter  der  ersten 
Gru|Jt>e  ni^igeii  die  atigebliclicn  Privilegien  KarU  des  Grcwsen,  \ViUiehu.s  von 
Holland  und  Rudolfe  von  Habsburg  für  Friesland  angeführt  werden  (vgl. 
V.  Richthofen  Vnien.  IIS.  145—5^8),  wndunh  die  Landeshoheit  verdrangt. 
lind  die  um  i.w»  von  Herzug  Rudolf  IV.  gefälschten  <)sterreichiwhen  Frei- 
heitsbriefe» tibenan  da.s  .sogwi.  priv.  majus,  wodurch  die  Landeshoheit  vollcn- 
<Jct  werden  »ullte,  —  als  Vertreter  der  zweiten  Gruppe  das  unechte  Gitrzer 
Hofrechl  von  7*15  (ij.  JaUrli.?  vgl.  Saucrland  D.  Immun,  r.  Mftz  S.80flg.. 
105  flg.  mit  BeiL  X)  und  die  gefälschten  Keclilsbriefe  v.>n  Wiener  Neustadt 
(Ausg.  und  Krit.  v.  Winter  itn  Anh.  f.  östeiT.  Gesch.  LX  S.  73 — ^9^)»  Iglau 
und  Prag  (Ober  beide  Lorenz  Deuis£b.  Gesrh.  I  S.  355—357). 


3.    NOlUKiERMAZfUiCHE    »CHKIFTWEXKE. 

LttTDitur:  K.  Maurer,  Vdii^t  nti-r-  Jr  mni/g^t m.  RflsiilJ^rs  Ifiiturii-  18^8 
(wo  auch  Aiigaltp  ilcr  V'orarlmten ;  da/u  icui:)  K.  Maurer,  üfi^rblkk  ri.  d. 
(kjch.  d*r  nordgfrm.  RQudUn  (in  v.  Hollrcndorifs  Encj-klopädic  I  5.  Aufl.  188^), 
E.  HcrtxberR.  /V  nontnk^  R^iikiifU*-  (in  N'crJ.  Rcuencjidop»dic  I  i8go)  §§  5 
—  44,  4») — 59:  —  C  Roscnhcrg,  Xcräbn^rnfs  Aanitstn-  II  1880  S.  &"— 94. 
155  — 174;  ^-  y.  Hftsse.  D.  Sihlfs^iger  Sfniilr.  t88o  {mii  den  Kritiken  von 
Secber  in  HUt.  Tidsskr.  Kjobcnh,  1881  S.  190 — »I9  und  Jürj;<^nscn  in  Aar* 
b0g<T  f.  nnrd.  Oldk.  1880  S.  1—40),  Ha»««,  D.  Qur//^n  Jfs  fitfirnrr  Sladtr. 
(mit  itrn  Kritiken  v,  Srclirr  in  Hi<t.  Tiikskr.  1883  S.  480 — 496  udiI  M.  PappcD- 
heim  in  Kr.  Vj*dir.  XXVI  1884  S.  578  —  585,  vgl.  nucJi  Frensibirff  in  d. 
Hah*.  (Jtwchlil.  tSSj  .S.  8q — IIO);  Pappenllpiiii.  A  nthlnn.  S,h%iU^iUrn  1885 
S.  141  — 188;  K.  Maurer  in  MUiicb,  Sit/gslier.  1887  S.  jOj^ — jgq;  L.  Holl>er(;. 
f.*gei  Waldtimtri  re^is  188(1;  Den.,  IkiHsi  Rigilm'gh'ning  1889  (dazu  Pappen- 
beim  in  Krit.  Vjacht,  XXXII  S.  33 — 8l):  Ders.,  Dantk  og  frrmmrd  Ret  1891 
<da2U  E,  Hcr/berj;  in  TRv.  1893  S.  495 — 504):  KJer,  t'ald^mars  sjatlandsk»- 
Lav  1890  (dazu  Stöchcl  in  U{;cskrift  Tor  R<.'HV3£»cn  [892  S,  48t — 93,  Sccber 
in  TRr.  1892  S.  38')~9t>):  Kjcr  in  Aartitiger  for  nonl.  üldkyadigh.  1891 
S.  124 — 46  (daiu  Sccher  a.  il  O.  397  f.):  Matzen,  Damkf  kangrri  HaijHdfa\i' 
ningfr  i88g:  —  V. J.ai:h\yt ct.  /und.  .4/^^jnd/in^r  l  18368.55  —  113,11  i87<i 
S.  122  — 191.  Lcfflcrin  ViUcrhels  . . .  Akad,  MAnadfibL  1879  S.  lOO — 140.  der*. 
Oh*  1607  äri  npplaga  af  Uplanttslngcn  (in  U(».  Univ.  Ar»»kr.)  1880,  Schlytcr. 
O"*  en  fSrfgifint  .  .  .redttklian  af  SädfrmitNiMlafrrn  \\n  .\cta  l'niv.  Lund.  XVII 
1880 — 81).  Lind,  0>n  rtm  dA  T^rs/rrnnjugirr  1  nrmka  tandskafslagarnf  (in 
Ups.  Cniv.  Arwkr.)  1881  ;  H,  Hjürne,  Om  farhullamiel  melliin  /ands/agms 
bada  rrdakltattfr  (Upit.  Un.  Ats-skr.  1884);  K.  H.  KarUsttn,  A'.ldre  l'ntm/in- 
naiag  tller  DnlaUtg  in  Hinl.  Tidskr.  (Stickh.)  1889  S.  45—48;  H.  Schuck, 
Hutrag  tili  ^riigan  om  DulfUigen  in  Ups.  L'niv.  Arukr.  189I:  Bcaucbel  in 
Non*.  Revue  bbt.  de  droit  1890  S.  730 — 86,  189I  S.  315 — ;;;  —  Vii;fu5SDD. 
Prolegomeita  §  JJ  (vw  s,  Ausg.  dvr  StuMunga  Saga  1878):  —  Fr.  Brandt. 
ßorrittJMingrr  I  §§  1  —  12  (tluclbst  Lit.  der  nopK'.  Quell eti-Geach.  bb  18S0),  E. 
Stevcrs  TOT  »einer  Ausg.  der  •  TÜd.  ßnuhitüitr'  1886:  v.  Amlra  i.  d.  ijftll. 
gtX.  A.  1886  S.  541 — 555  und  in  (ierm.  XXXII  S.  130—164;  K.  Maurer  t. 
Münch.  Sil/u.  Ber.  I88ö  S.  317—358  u.  i.  Hisi,  Tidsskr.  (Krüt.)  1887  S.  3—55; 
Pappenhein),  Ein  athu^rvfg.  Schultgtldfiialul  1888:  ü.  Storni  in  TRv.  1890 
S.    415 — 45:    —    finsen    vor   seinen    A[]s^t>en    der    Ürdgds:    1879   (wnjni   K. 


Maurer  in  Genn.  XXV  S.  23^  —  240)  und  1885;  K.  Maurtr  in  Fratg.  d. 
Mttnch.  Jur.  Fak.  188;  S,  119— I4q;  Finscn,  Om  ärn  nprinäeligr  OrJning  af 
nogU  af  den  isl.  Frütati.  Inslitutionrr  (in  Vidensk.  Sdiik.  5tkr.  Kji>henli.  1888,  dazu 
V.  Am{r&  in  Gfltt.  gel.  A.  1889  S.  J49— 159  u.  K.  Mauri?r  in  Kr.  Vjschr. 
1890  S.  332—356),  K.  Maurer  i.  Arkiv  f.  nard,  til.  V  S.  98  —  108. 

S  18.  Nicht  vor  dem  ü.  Jahrh.,  alsn  nur  um  ein  Weniges  vor  der  vom 
Ssp.  eingeleiteten  deutschen  Kerhtsbücheqieriode,  beginnen  die  Rechtsdenk- 
infller  ült  Nordgennaiicn  oder  SkandinHvcn.  Sic  beginnen,  was  Beach- 
tung verdient,  erst  nH<*h  KinfOhrung  des  Christentums  im  Nnrtlen,  obgleich 
das  skand.  S<.:hriftwe<ien  in  Gestalt  der  Runenschrift  st"hon  um  viele  Jahr- 
hunderte früher  in  verhSltnlsmilssig  lebhaftem  CM^brauch  stand.  So  langsam 
war  die  skand.  Rechtsentwicklung  verlaufen.  Ercigniskelten  von  so  grund- 
stürzenden Folgen  wie  die  südgemi.  »Völkerwanderung«  kennt  die  skand. 
Gcschifhte  nicht,  und  nachhaltig  ersrhöttert  wurden  staatliche  und  religiöse 
Verhaltnisse  in  den  nordischen  Stitinmlandcm  er^l  seit  dem  l>.  Jalirh.  und 
aurh  dann  hauptsSchHrh  nur  in  Norwegen.  Fremde  Ci^ilisationen  hatten 
skand.  Leute  zwar  viel  frflher,  doch  immer  nur  im  Auslände  kennen  gelernt 
Auch  von  den  seit  dem  q,  Jalirh.  gegründeten  skand.  Ansiedlungcn  in  der 
Fremde,  soweit  sie  im  gegen wilrtigen  Zusammen Iiang  in  neirachi  kommen, 
sind  nur  die  danischen  auf  eine  fertige  und  zum  Teil  übermächtige  Kultur 
gestos.sen,  wahrend  die  nonn-egischen  einen  jungfrflulichen  Boden  vorfanden. 
Unter  der  Gunst  dieser  Umstünde  kimnten  um's  J.  1000  die  nordgerman. 
Rechte  von  ihren  ursprüngliithen  Zustanden  n;elir  bcwaiircn  als  die  meisten. 
(und  uns  bestbekannien)  südgernianischen  um  ,5cxi.  Die  Veränderungen  aber, 
welche  im  öffentlichen  I-eben  des  Nordens  wahrend  des  FrQhMA.  eiiilraten, 
Hessen  doch  die  entscheidende  Teilnahme  des  Volkes,  insbesondere  der  Bauer- 
schaft an  der  Rechts>)ildung  im  wesentlichen  unan gegriffen.  Daher  gingen 
auch  jetzt  noch  die  Rechtsverrindemngen  bei  den  Skandinaven  durchaus  volks- 
tümlich und  sacht  vor  sich.  Immer  noch  herrschte  ein  Widerwille  gegen 
gesetzgeberische  Neuerungen,  der  nirgends  zu  schlagenderem  Ausdruck  kommt 
als  gerade  In  dem  klassischen  Land  nortlischer  Gesclzgebunjiskuns.t,  auf  Is- 
land, wo  man  bis  ins  13.  Jahrii.  daran  festhielt,  ein  »Neugesetz-  [nym^ele) 
mOsse  jeden  dritten  Sommer  \nm  Gesetxsprerher  (vgl.  unten)  vorgetragen 
werden,  um  seine  Kraft  zu  behalteiu  Jenen  altgemeinen  Charakterzügen  der 
skand.  Recbt-sbildung  nun  entsjiricht  nach  Form  wHe  nach  Inhalt  der  Cha- 
rakter der  skand.  Rechtsaufzeichnungen.  Von  Anfang  an  herrscht 
in  iluien  nicht  die  lateinische,  sondern  die  Volkssprache  vor,  und  zwar  nicht 
nur  hinsichtlich  der  Mundart,  sondern  auch  in  Bezug  auf  den  .Stil,  der  dem 
des  deutschen  Baucniwcistuuis  in  den  S.  78  f.  hcrvurgehobeneii  Eigenschafte» 
gleichkommt,  wahrend  er  ihn  an  Deutlichkeit  des  .\usdrurkB  weit  hinter  sich 
lasst  und  so  zugleich  von  der  langen  Übung  des  Volkes  in  Recbisdingen 
Zeugnis  ablegt  Ferner:  unter  den  skand.  Rcchtsdenkmalem  des  FrühMA- 
überwiegt  nicht,  wie  bei  den  Südgermanen  noch  in  dieser  Zeit,  das  Gesetz, 
sondern  die  Privatarbeit.  Und  unter  den  Gesetzen  nehmen  wiederum  diejeni- 
gen den  breiteren  Raum  ein,  welche  sich  mit  der  t.'irdnung  der  neuhegrUndeten 
kirchlichen  Verhältnisse  beschäftigen.  Die  wichtigsten  Privatarbeiten  mrtgai 
wir  im  Anschluss  an  ihren  eigenen  Sprachgebrauch  *  Rechtsbücher«  nennen. 
Aber  mit  den  deutschen  Werken  gleirben  Namens  —  und  nur  die  besseren 
unter  diesen  eignen  sich  zum  Vergleich  —  zeigen  doch  nur  die  dänischen 
eine  gewisse  Ähnlichkeit.  Die  schwedischen  und  westnordischen  dagegen 
unterscheiden  sich  von  jenen  ganz  wesentlich  in  Bezug  sowohl  auf  die  Her- 
kunft ihres  Stoffes  wie  auf  Zweck  und  Anlage.     In  ihnen  nämlich  erkennen 


wir  den  sclmfdic-hen  NicdewchUg  einer  uralten  imd  amtlich  gepflegten  und 
grliüteten  mündlichen  Cberliefemng,  jenes  grosaen  Weistunis  über  das  ge- 
samte Landrecht,  welches  in  periodiscKcin  Vortrag  {sw.  laghsaga^  wn.  i^igsa^ 
oder  l^giiiia)  vor  der  Land  es  Versammlung  der  einzelnen  schwctlischen  und 
westnurd.  Rechts vcrba ade  (»Länder' )  erteilt  wurde.  Dus  Abhalten  cJlescü 
Voftragcs  war  neben  ju dinierenden  oder  doch  konsultativen  und  bestimmten 
adniinistratlN'en  Funktionen  Aufgabe  des  eigens  dazu  angestellten  >RechtA- 
mannes*  (sw.  laghmaptr.  non*'.  i^gmaär)  oder  »Rechtsprc*.'herb«  (isl.  l^f^^gumaär, 
lat.  Iff^ifer).  Wird  herkömmlicher  Weise  der  Amistiiel  durch  »Geselzsprcfher« 
verdeutscht,  m>  kann  dies  damit  gerecht  fertigt  werden,  dass  dem  Vortrag  durch 
wklerspruch loses  Anhören  die  gesetzgehende  Versammlung  gese.tzliche  Kraft 
verlieh  (i^L  /yih  nfifisp^u).  Zur  Zeit  der  .llteren  RechtsbücUer  wurde  der 
Gesetzsprecher  auch  von  der  gesetzgebenden  Versammlung  gewählt,  nur  dass 
diese  in  Norwcycn  und  auf  Island  nicht  mehr  wie  in  Sehweiten  eine  Lands- 
gemeindc  aller  Bauern,  sondeni  eine  unter  sehr  wcsenüicher  Tcilnaiime  des 
K/^nigtums  berufene  Volksvertretung  be/.w.  eine  Versammlung  der  Häuptlinge 
war  (vgl.  §§46.  52).  Ursprünglich  apliori.'^tisch  gehalten  und  aus  kurzen  me- 
trit«clien  Stücken  (sw,  flokkar\  bestehend  wurde  der  Vortnig  mittelst  prosai- 
scher Erweiterung  und  planmas.siger  Anordnung  der  letzteren  ausgebildet  und 
derart  ausges[M>nnen,  dass  er  auf  eine  Mehrzahl  von  Tagen,  ja  Vcrsamm- 
Umgsperioden  abschnittweise  verteilt  werden  musste.  Je  umfüngliriiere  Auf- 
gaben aber  die  gesteigerte  Technik  sich  steUtc,  dcstu  näher  lag  es,  ihre 
RrrungerLschafien  schrifdicli  festzuhatten,  sei  es  um  die  Vorbereitung  des 
freien  Vortrags  zu  erleiclilem,  sei  es  um  diesen  durch  das  Vorlesen  zu  er- 
setzen. Äijche  Nieiterscbriften  nun  bilden  den  Kern,  ja  die  Hauptbestflnde 
d«  ÄchwcilLschen  und  westnordütdien  Rei-htsbücher.  Darum  dürfen  diese 
auch  nicht  «ie  die  deutschen  (vgl.  S,  q8)  als  Symptome  eines  Niederganges 
im  Rerhlslcbcu  aufgcfasst  werden.  Sie  bezeichnen  \ielmehr  den  Höhepunkt 
'•tncr  Entwicklung,  auf  dem  ein  sit  vollständiges  Ebenmass  des  gegenseitigen 
Eitiflusses  zwischen  Jurisjjrudenz  und  Vulksbcwusstsuin,  eine  so  vuUsiaiidigü 
Cbcreinstimmung  beider  erreicht  Ist,  wie  sie  ihres  Gleichen  in  der  Weltrechts- 
geschichte  nicht  finden.  Vermittelnd  zwischen  einer  ungeschriebenen  und  der 
geschriebenen  Literatur  und  hiedurch  ebenso  wie  chronologisch  sich  in  die 
vfirdemte  Reihe  der  liierargcschichtlichen  Denkmaler  steJIcnd  teilen  diese 
Re<  htsbü<-hcr  alle  stilrslisclien  Eigen  sei  laften  der  lagbsagit:  die  Genauigkeit 
und  Ausführlichkeit  der  Stoffbehandlung,  die  Gliederung  des  Stoffes  in  »Hau- 
fen« {btelkir,  balkar)  oder  in  »Schnüre  [ptitttr)  und  die&er,  nun  mit  eigenen 
Cbcrschriften  vcrschcncu,  Abteilungen  in  >Schwannc«  {ßokJear),  von  späteren 
Abschreiben!  «Kapitel'  genannt,  t-mtlich  das  Ap<istrr)phieren  von  ZuhÖreni, 
insbesonilere  die  feierliihen  Eingange  unil  Schlussformeln  der  Hauptabschnitte. 
Der  Vortrag  der  Gcsetz-sprccher  lebte  aber  nicht  bli»ss  in  den  Rct:btsbücheni, 
«oodem  auch  in  den  Kodifikationen  des  Landrechts  fürt,  welche  in  Schweden, 
Norwegen  und  auf  Island  von  den  gcset^cbenden  Gewalten  ausgegangen 
sind,  indem  man  entweder  ein  bereits  abgeschlossenes  Rechtsbuch  oder  meh- 
rere der  K'Hlifikaüou  zu  Grund  legte  oder  aber  unmittelbar  den  RechLsvor- 
trag  gesetzlich  redigierte.  Dergestalt  bleibt  der  Zusammenhang  selbst  des 
spatniittela  her  liehen  Reciits  mit  dem  der  frühesten  geschieh  tue  heu  Zeiten  auch 
fonnell  aufs  beste  erhalten.  Bewahrheitet  sich  dies  vor  Allem  auf  dem  Ge- 
biet des  Landrechtes,  so  tritt  doch  in  Schweden  und  Norwegen  auch  das 
Sladtrecht  trotz  seiner  zahlreichen  NeuschOpfungcn  und  trotz  seiner  häufigen 
ileihen  in  Deutschland  imd  England  nicht  völlig  aus  de*m  Verband  jener 
Ubcrlideningen  heraus.     Eiiifaclie  und  grosse  Zt^;e  sind  es  dcimiach. 


I02 


IX.  Rbcrt.    A.  DenkuAi^k. 


welche  die  schwccl.  und  westnord.  Quellcngeschichte  in  ihrer  zeitlichen 
Gliederung  vor  der  südgcrnianiscben  voraus  hat.  Die  j?leiihe  En>c-lieiriung 
nehmen  wir  wahr,  wenn  wir  auf  die  rJlumlic-he  Gliederung  jiehen.  Wülircnd 
die  deutsche  Qiiellengesrhiclile  des  MA.  im  Vemelfaliigen  statt  im  Vervoll- 
ständigen der  Denkmülcr  sich  erschöpft,  schlagt  die  schwedische  und  west- 
nordische die  vimgekehrte  KichtLing  ein.  Die  anfangliih  hier  bestehende 
Fartikularisicrung  des  Rechts  und  seiner  schriftlichen  Quellen  macht  im  13. 
und  i-|.  Jalirli.  einer  Konzentration  Platz,  deren  vornehmster  Au-idruck  die 
iüjg.  ^gemeinen'  Land-  und  Stadtrerhte  sind.  Die  nämlifhe  pnlitische  Ent- 
wicklung, welfhc  diesen  Wandel  mit  sich  bringt,  weist  dabei  die  Haupt- 
Ihatigkeit  der  StüütsgeÄetzgehung  zu,  wahrend  die  RechKbÜcherperiode  langst 
abgeschlossen  isU  Dänemark,  das  wie  geographisdi  und  durch  seine  in- 
neren Zustünde  zwischen  den  andern  skand.  L^lndcm  und  Deutschland  ver- 
niiliell.  nimmt  eine  anak>gr  Miiifkti^lUing  ein,  wenn  es  sich  um  Klassinkation 
der  RcchlsaufzeicbnungeJi  handelt.  Wülirend  unter  den  iüteslen  däu.  Quellen 
im  Gegensalz  zu  den  deutschen  nicht  bloss  der  Frühzeit,  sondern  sogar  des 
nämHcbcn  Jahrhunderts  die  Reclitsbüiher  das  Übergewicht  behaupten,  fehlt 
diesen  Rechtsböchem  doch  wieder  ira  Gegensalz  zu  den  sdiwed.  und  wnord. 
der  Zusammenhang  mit  einer  organisierten  mündlichen  Üherliefenmg.  Femer 
hat  Dilneinark  seilte  ReLbtsqueüen  nicht  mir  viel  mehr  parlikularisiert  als 
die  andern  skand.  iJlnder  die  ihrigen,  surideni  es  hat  diese  Parti kularisierung 
walircnd  des  MA.  auch  nicht  durch  eine  gemeinrechtliche  Kodifikation  za 
Überwinden  vermocht,  ein  Umstand,  welc]ier  die  Forldauer  \'ieler  altertüm- 
licher Zage  im  Recht  spater  Quellenperioden  begönstigte,  aber  auch  die 
partikularen  Rechisgebiete  (Liindschaften,  Stildie)  zu  gegenseitigen  Rezeptionen 
ihrer  Recbtsaufzeichnuiigcn  wie  in  Di-ul-schland  vcraiihisstc.  —  In  ^^  ig — 26 
folgt  nun  eine  Übersicht  der  einzchieii  DcnkuiJller  und  Denkmalergnjpp<!n 
in  den  skand.  Ländern,  Spezifisch  skand.  Quellen  Hegen  nur  aus  Danemark, 
Schweden  mit  Gotland,  aus  Norwegen  und  Island  vor.  Wir  ordnen  dieselben 
nach  -Stammesgebieten,  <lentni  im  Ganzen  auch  die  pf»liti.schcn  Hauptgebiele 
ents]>re«.lien,  und  stellen  die  nstnord,  Gruppe  voran. 

Jj  H).  Während  in  Deutschland  der  Saclisenspiegel  noch  das  einzige 
Kechtsbiich  ist,  hat  es  Dänemark  gleich  zu  vier  Rechtsböchern  ge- 
braclil,  die  jenern  weder  unter  dem  quantitativen  noch  unter  dem  qualitativen 
Gesichtspunkt  nachstehen.  IMe  fliesten  Rei'htshücher  steJIen  das  Recht  der 
Landsihaft  Schonen  i.  w.  S.,  einschliesslich  Hailands,  dar.  welche  nicht  nur 
kirchlich  und  bis  ins  14.  Jalirh.  auch  im  unterbrochen  staatlich  zu  Dfincmark 
gehiirtc,  sondern  axich  eine  rein  d;inisrhe  Bev<'Jlkerung  hatte.  Ein  dän.  Text^ 
iSttfflr/ffpr«  in  der  Schi  vtcr'sclien,  Siih/site  Lov  \i\  der  Tht)rsen 'sehen  Ausg. 
betitelt  und  in  der  Haupths.  225  Kapitel  umfassend',  ist  zwischen  1205  und 
\i\2  auf  Grundlage  eines  alleren,  jetzt  vedoreiien  Rechlsbuches  aus  der  2. 
Hälfte  des  1 2.  Jahrhs.  und  unter  Benützung  anderer  ebenfalls  verlorener 
Quellen  hergestellt.  Die  nlmliclien  Vorlagen  nebst  andern  Matc-riaUen  ver- 
arbeitet paraphrasierend,  kommentierend,  motlncrend  ein  latein.  Text  — 
Uhr  Ifjiis  Scnniat  (von  den  neueren  Herausgebern  Juris  Scanin  t.xposiliv 
oder  Le.v  Scam'ae  fttar-indalis  genannt)  in  i^  cupp.,  welchen  zwischen  laoö- 
und  1215  der  gelehrte  und  wellerfahrene  Erzbischnf  .Andreas  Suncsson 
von  Lund  verfasst  hat  (eine  Lebensbeschreibung  dieses  merkwürdigen  Manues 
V.   V.  E.  Müller  [1830]  in  Kold.   Roscnvinge's   SamUng  a/  gamle  damke 


*  Zm  linunnuiiik;  Machnli*:  Dir  lautluht-n   Vtrhältninf  «.  d.   verbale  FUxhn  des 
tchott.  Lanä'  u.   Kir.Ht^nrtihti   1885, 


L/nn  I  1846).  Die  beiden  Rcchtsbüdicr  Hegen  in  verschiedenen  Redaktionen 
viir,  von  denen  die  jftng<Ten  tl<*ii  Stfiff  in  Bürlicr  dnicilen.  L'biTdics  grhcn  die 
dan.  Texte  in  Bt'zu^  auf  Vi>Usiandigkeit  auseinander.  Rezipiert  wurde  Skänel. 
auf  Bomholm  und  in  Bleking,  obgleich  die  Bewohner  der  letzteren  Landschaft 
Mnälandischen  Stammes  waren.  Die  .illein  veriassige  krit  Ausgabe  der  schon. 
Rectitsbüchcr  verdanken  wir  C.  J.  S c  h  I y  t  c r  im  CJSG.  IX  1 8y>.  Wie 
Schonen,  so  ist  auch  Seeland  durch  zwei  Rethisbücher  vertreten.  Beide 
sind  jcUuch  in  däii.  Sprache  geschrieben  tind  in  der  überlieferten  Gestalt 
jünger  als  Skänel.,  aber  vor  1241  vcrfas.st.  Das  altere,  hsrl.  uii<]  vielleicht 
ursprünglich  SiataHifarie  logh^  in  der  Literatur  aber  nacli  Angaben  jün^rcr 
Hs*.  fälschlich  Valdftnars  ndhndskt  Ijiv  geheissen,  schV>pft  einen  Teil  seines 
Stoffes  aus  Skänel.  (Ausg.  einer  alteren  Redaktion  uluie  BSchereinteilung 
von  Thorsen  185J,  einer  jOngeren  Rc«iaktion  mit  Einteilung  in  drei  Bücher 
X.  Ancher  Lovkist.  I  i;6o  S.  5^7 — 5C>t*).  Ein  Auszug  des  Rechtsbuches, 
für  den  Gebrauch  in  Schunen  zugerichtet,  Ist  in  .s[tatcn  Hss.  Überliefert  und 
unter  dem  Namen  Änfhog  (og  OrhodtiHiit)  geilnickl  (:eu!etzt  bei  Thorsen 
Skänske  Lov  1853  S.  .207 — 257)-  Unabhängig  vom  vorigen  und  beinahe 
doppelt  so  umfänglich  ist  das  zweite  Seeland.  Rechtsbuch,  in  alteren  Hss. 
einfach  Sia-ltmzk  logh,  in  jüngeren  Le.\  Eriri  rrgis  Überschrieben  und  darnach 
in  der  Literatur  faLschlich  Eriks  urUandske  Lov  genannt  (hsg.  in  einer  Red. 
V.  147  Kapp,  durch  Thorsen  1K52,  in  einer  Red.  mit  Einteilung  in  drei 
Bücher  durch  Rosenvjnge  a.  a.  O.  II  1821).  Eine  Aiisgal>e  der  sedftnd. 
Rechtsbücher,  welche  das  gesamte  hsrl.  Material  berücksichtigt,  fehlt  bis 
heute.  Was  ausser  den  vier  genannten  noch  sonst  an  Denkmälern  a)tdani> 
scher  Rcchtsschriftstellerei  vorhanden,  steht  in  so  engen  Beziehungen  zn 
psetzgel)erist"hen  Erzeugnissen,  dass  es  im  Anschluss  an  die  letzteren  ver- 
^»eichnet  werden  nniss.  Dagegen  ist  hier  einer  anderen  Klasse  von  Privat- 
aufzeichnungen in  dem  S.  5Ö  angegebenen  Sinne  zu  gedenken,  die  freilich 
auch  ganz  im  Gegensatz  zu  den  Rechtsbüchem  erst  im  SpStMA.  als  ciniger- 
noassen  ergiebige  Quelle  in  Betracht  kommt  und  dafür  über  das  MA.  hinaus 
«eh  fortsetzt,  nämlich  der  WeistOmcr.  Sie  tragen  meist  die  Form  von 
Gerichtsbriefen  über  Rechisbclehrungen,  welche  in  knapper  und  nüchterner 
Ausdrucks  weise  durch  die  Urteilfinder  auf  Anfragen  aus  der  Gerichtsver- 
sammlung erteJh  sind  (Beispiele  aus  dem  15.  jalirh.  in  Rosenvinge's  L'dvaig 
af  Gamle  DattsJ^  Dommr  I  1842,  eines  von  1384  in  Äkistykker  fii  Opiysn.  af 
Daum,  indrt  Forhotä,  Odense   1841  S.  08  flg.). 

$  20.  Neben  den  Pnvalaufzeichnungen  stehen  in  Dttnemark  gleich  von 
Anfang  an  tief  eingreifende,  geschriebene  Gesetze.  Vor  dem  13.  Jahrh. 
ist  freilich  ihre  Zahl  noch  eine  geringe,  und  über  das  12.  Jahrh.  zurück  cr- 
falireii  wir  von  dan.  Gesetzen  überhaupt  nur  aus  den  zum  Teil  mythischen 
Erzählungen  der  Ge8chichtschre.il>cr.  Die  ältesten  {besetze,  tleren  Texte  uns 
erhalten  sind,  gehören  dem  Partikularreiht  an.  Eine  geschlos-sene  Gruppe 
imter  ihnen  bilden  die  Kirchenrerh  te  von  Schonen  und  Seeland.  Da« 
schonisrhc,  im  13.  Jahrh.  =dic  skrna*  genannt,  ist  von  Erzbischof  .-^skil 
von  Lund  (1137 — 1178)  mit  seinen  Diözcsanen  (l  J.  1162?)  vereinbart  und 
im  dan.  Original,  sowie  in  einer  lat.  Übersetzung  bewahrt  (krit.  Ausg.  v. 
Schlyter  a.  a.  O.).  Das  seeUlnd.  Kirchengesetz  wurtle  nach  dem  Mu.ster 
vorigen  \*om  Bisi-hi»f  .\bsalon  v.  Roeskilde  und  den  Bauern  auf  dem 
thing  zu  Ringsted  am  21.  Juli  1171  beschlossen  (Drucke  des  dan- 
Textes  bei  Gr.  J.  Thnrkelin  Sämling  af  Oauskt  Kirkrloiv  1781  und  hei 
Thorsen  Valdem.  Sa-U,  /-öp  1852).  Die  Weiterbildung  des  gesetzlichen 
Farlikulaikirchcnrechts  in  Dänemark  vollzog  sich,   wenn  man  von  Kompru- 


104  I^  Rbcrt.    A.  DenkmAlek. 


missen  zwischen  Rischof  und  DiftzesHJipn.  vAc.  dem  von  K,  Waldeiiiar  II. 
122S  auf  Fünen  vermittelten,  übsiehl,  in  spezifisch  kirchlichen  Formen  (Quellen 
und  deren  Aui^g.  nennt  Rasenvinge  Gruuär.  §^  37,  87).  Die  Reihe  der 
weltlichen  GeÄCize  wird  auf  dem  Gebiet  des  Landschaftsrechls  dutch 
einen  latcin.  Erlass  von  K.  Knut  VI.  über  verschiedene  Strafsachen  v.  28. 
Dez.  1200  ft)r  Schonen  eröffnet  Bis  gegen  die  Mitte  des  13.  JalirLs.  I>e- 
schafügt  sich  dann  die  allgemeine  Königsgesetügebunj;  ausschliesslich  mit 
Schonen.  Und  auch  spatt.T  bleibt  ein  sehr  betrüchtücher  Teil  dcräclbcn  den 
einzelnen  Landschaften  gewiilmet  Oabei  blieb  da.s  im  landsUttg  (comntutit, 
ffentrak  placitumi  zu  gesetzlicher  Zeit  oder  auf  Ruf  des  Königs  oder  seines 
Landrichters  (Uindsdommat,  Ugifer,  rtciar  phuiti  gfneraiii)  versammelte  Volk 
aller  freien  Manner  im  Prinzip  wesentlicher  Faktor  der  Gesetzgebung.  Und 
nur  insofern  wurde  davon  abgewichen,  als  man  in  dem  v{)m  Krmig  an  seinen 
Hof  be^^lfenel^  Reichstag  f/'f/,  Dauehof,  —  (oneilium,  fHirlamaitum  generaU 
Diinontml  ein  Surrogat  des  Landsting  erblickte.  Anderer»eiU  kommt  es  noch 
im  15.  Jahrh.  »"ifter  vor,  dass  ein  Landsting  ohne  den  Kfmig  eine  » Willkür« 
(vtJlekt.  vi/kor)  beschliesst,  höchstens  nachher  die  königliche  Bestätigung  ein- 
holt (z.  B.  Dipl.  Vibcrg.  Nu.  70  mit  73  a.  1471  flg.).  Das  weitaus  bedeu- 
tendste und  berühmteste  Werk  der  Landschaftsgeselzgcbung.  zugleich  die 
älteste  Kodifikation,  welche  m  der  germau.  Well  bis  heule  in  Geltung  ge- 
blieben, ist  das  Gesetzbuch  für  Jütland    (und   Fünen  und  die  NebenUnder) 

—  Jydske  Lov  —  in  d.'ln.  Sprache'  von  K.  Waldcmar  II.  auf  einem  Reichs- 
tag zu  Wordingburg  im  März  IJ41  erlassen  und  nicht  ohne  Reuiiniszeiuen 
aus  dem  Decretum  Gratiani  bevorworiet.  Kinen  grussen  Teil  seines  Stoffes 
enLnhumt  Jydske  L.  aus  alleren,  jetzt  verlorenen  Texten  darunter  einem,  der 
(mittelbar?)  auch  in  Skänel.  benützt  ist.  also  jedenfalls  ziemlich  tief  in's  i^. 
Jahrb.  zurückgelit.  Die  Überarbeitung  dieser  vcrscUicxIcnartigen  Materialien 
war  nicht  gründlich  genug,  um  alle  Widersprüche  zu  tilgen.  Zwei  Redak- 
tionen liegen  vor,  eine  in  ]  B7  ursprünglich  nicht  nummerierten  Kapiteln  (lisg. 
V.  Thorsen  Valdem.  d.  Atid.  Jydske  /..  efler  Heu  FietishQrgxke  Cod.  1853)  und 
eine  Vulgata  mit  Einteilung  in  drei  Bücher  (hsg.  v.  Rosenvinge  Samhfifi 
[s.  S.  102]  III  i8j7  mid  in  konstruiertem  Text  v.  N.  M.  Petersen  KoRf^ 
Vald.  d.  And.  /.  /„  1H50),  Das  Jydske  L.  hat  noch  widirend  des  M.\,  eine 
Literatur  hervorgerufen,  eine  fehlerhafte  plattdeutsclie  übersetitung  für  Süd- 
jQtland  (14.  Jahrh.)  und  eine  nrich  schlechtere  lateinische  (um  1350?  Ausg. 
beider  v.  Rosenvinge  a.  a.  O.),  die  Vurlflufer  von  anderen  Übersetzungen, 
die  im  :6.  Jahrh.  nachfolgten.  —  femer  gegen  1488  eine  von  Bischof  Knud 
Mikkelscn  verfajiste  Glcsse  vi>n  jener  konkorrticremlen  Tcndtmz  zwar,  wie 
sie  in  den  analogen  deutschen  Aibeiten  des  SpÜlMA.  herrscht  (vgl.  oben 
S.  ()7),  aber  durdi  ihre  Mitteilungen  aus  der  Praxis  nii'ht  ohne  Wert.  Zur 
Erläuterung  imd  Ergänzung  de»  Gesetzbuches  dienten  seit  der  Mitte  de-s  14. 
Jahrlis.  Privatsaminlungeii  von  Sätzen  jütlandisch-füiiischcu  Gewohnheitsrechts, 
die  alle  unter  dem  Titel  77torä  Dfgm  Artikler  zitiert,  auch  schon  in  den  Hss. 
dem  jütland.     'Landrichter^    Thurd    ^Iverson?)    Diecn    (uikuudlich    1.^42 

—  I.V>~  genannt)  zugeschrieben  werden,  sicherlich  aber  nur  in  ihren  ältesten 
Bestandteilen  von  ihm  herrühren.  i},^\  soll  eine  solche  Sammlung  von  K. 
Waldemar  IV.  best^ltigl  worden  sein  (Drucke  einer  kürzeren  und  einer  laii- 
geren dan.  und  einer  latein.  Rezension  hei  Rose-nvinge  a.  a.  O.  und  bei 
Thorsen  Sliidsrrtlcr  1855}.  —  Die  Sonder rechtsbil (Jung  für  die  I^ndschaflen 


^  Zttc  Grunmacik:    K,  J.   Lyngby,    VJiagnrordtnti   Höjnin^^  i.  J.    £.    1863.     Da/u 
Konrftd  Gitlason  X.  AotuLcr  iot  Nord.  Oldkynd.  I86z  S,  35t) — 369. 


^alt  in  Dancuiuik  so  sclir  als  sclbstvcnitanttlich,  dass  die  Forni  von  I^aiid- 
HcliaftxgeHctzci)  zuweilen  auch  gcwähli  untrde,  wenn  der  Gt-.setzt^inhalt  aufü 
ganze  Reirli  iH-rechnet  war.  Erfjclien  in  snldien  Falten  für  die  drei  Haupi- 
lanüer  Si-honeii,  Seeland  und  JüUand  geaundertc  Ausfertigunj^en,  wj  pflegen 
darin  die  partikularen  AusfUhrungsgeseizc  für  das  lii-itinimungsland  gleich 
mit  erledigt  zu  werden.  Unter  den  auch  der  Form  nach  allen  Reiclisieileu 
{^meinsamea  Gesetzen  (Reichsge.sctzen)  bilden  eine  genetisch  zusauinieii- 
j^ehörige  Gruppe  die  »Handfesten«  (im  enjjem  S.).  d.  h.  die  vnm  Reichs- 
tage besdilossenea  Wahikapitulaliunen  der  Könige  (seit  1320).  Die  Ursprache 
d<ä"  Rdrhsgeseizc  ist  rcgeima.wig  die  lateinische.  —  Eine  1'rivai.sHrmnlung  vtm 
Gesetzen  in  25  Artl.  ütt  unter  dein  Natnen  einer  Veiordnuxig  von  *Köm;j 
Chrisiftf«  bekannt  und  w-ahrscheitihch  noch  im  13.  Jahrh.  angeiertigt.  Die 
neuesten  Drucke  von  Elnxclge&etzen  für  Reich  und  Landschaften  findet  man 
in  Aanbtrttninger  fra  dd  kong.  Gtheimtnrkiv  W  l8,s<J — 60,  V  1871  und  soweit 
Verordnungen  und  TrivUegien  für  die  hansische  Geschichte  wichtig  sind,  in 
Höhlbaum's  Hans    UrhtmUnb.  I^III   1876— 1886. 

Fruchtbarer  noch  als  auf  dem  Gebiet  des  Landrechts  bethatigte  sidi  die 
dan.  Gesetzgebung  auf  dem  des  Stadtrechts.  Schon  unter  den  frühesten 
dan.  Kechtsaufzeichnurigeii  treffen  wir  Stadtgesetze  an,  was  sich  aus  der 
hingen  F-ntwicklung  erklärt,  die  schon  damals  die  ültem  d^n.  Städte  hinter 
sich  hatten.  Dagegen  weniger  hieraus,  als  aiis  dem  unmittelbaren  genetischen 
Zusammenhang  der  adiln.  Sta<ltvcrfassung  mit  der  Schutzgilde  {%  5(>»  dürfte 
»ich  erklaren,  das.s  die  danischen  Stadt  rech  tsdenkmäler  im  G^ensatz  zu  den 
alleren  deutschen  Erzeugnisse  der  Autonomie  sind.  Erst  wahrend  des  1.1. 
jahrh.  fangen  etliche  dän.  Städte  an,  ihre  Statuten  vom  K6nig  oder  Stadt- 
herm  bfÄt;Higeu  zu  I.LS.sen.  Diese  Bötaiigungcn  vcrrailteln  den  Übergang  zu 
den  eigeiulichen  Privilegien  und  Rerhtsbriefen,  deren  Blütezeit  in  die  beiden 
letzten  Jahrhunderte  des  MA.  fallt  und  von  denen  die  alteren  sich  noch  eben 
so  sehr  als  Konfirmatitinejj  alten  Stadtrechts  wie  als  Satzimgen  von  neuem 
geben.  Die  Gruppierung  der  dan.  Stadtrechte  stimmt  im  wesentlichen  mit 
jener  der  Landrechte  Qbcrein.  Der  Zeit  nach  steht  die  jütland.  Gruppe, 
welche  eine  Schleswig' sehe  unter  sich  befasst,  voran.  In  der  erhaltenen  Ge- 
stalt 1200 — \102  anzusetzen  sind  -die  laiein.  Statuten  von  Schleswig,  einer 
der  allcrallesten  dan.  Städte.  Von  Schleswig  wurden  sie  an  Horsnes  (Hor- 
»ens)  und  von  hier  in  der  Überkommenen  Fassung  an  /Ebeltufl  mitgeteilt 
In  der  bei  der  letztem  Übertragung  au3geatellten  Urkunde  sind  die  Statuten 
(r>l  §§)  auf  uns  gek'imnien.  Auch  auf  andere  Städte  Jtltlands  gingen  sie, 
wenigstens  in  umgearbeiteter  Gestalt  über,  so  auf  Flensburg  wiederum  zu- 
nächst in  latein.  Fassung  (1284/J,  die  um  I2<>.5(?)  zu  einem  dan.  Text  mn- 
redigiert  wurde.  Auf  letzterem  benitit  eine  plattdeutsche  Redaktion  aus  dem 
I.V  Jahrh.  und  auf  dieser  eine  latein.  Rückübersetzung.  In  Schleswig  wurde 
c.  I4(w  auf  Grundlage  der  latein.  .Statuten  eine  deuts«.he  Redaktion  des  Stadt- 
rechts veranstaltet.  F,inc  von  andern  Ijjkal rechten  unabhängige  *skraat  gab 
es  schon  vor  1241  zu  Apenrade  ^(Ipneraa).  Wir  haben  sie  in  einer  latein. 
Fassung  (53  Art.),  welche  1335  bestätigt  und  nadimals  (vor  1474)  ins  Deut- 
»che  übertragen  «"urdc.  Wegen  seiner  Selbständigkeit  ist  noch  unter  den 
Altem  jütland.  Siadtrechten  das  vtm  Haderslcben  zu  nennen,  welches  12^2 
bestätigt  wurde,  jedoch  nur  in  einer  ncudaii.  Rezension  (vor  i03i:>?)  vorlit^ 
Andere  Städte  in  Jüdand  sind  im  13.  Jahrh.  unter  den  Kinfluits  dc-A  lübischen 
Rechts  geraten.  Eine  Mitteilung  des  letztem  nach  Tandem  crf<ilgtc  1243. 
Der  hier  rezipierte  lüb.  Kodex  wurde  in  Ribe  bei  Anfertigung  eines  talein. 
Stadtrcchts  (59  Art-J  benützt,  das  von  K.  Erich  Glipping  im  Jalitc  1269  bc- 


zeren  ('I«)  aus  demAnfaiiff  und  eint^r  ausführlichtire«  ("II'),  welche  die  seit 
der  vorigen  eingetreteiieu  Neuerungen  berticksichtigt,  aus  dem  SchJuss  des 
13.  Jahrh.  (doch  ^-or  I2y6).  Die  altere,  schou  iii  13  oder  14  balkar  einge- 
teilt, Jiber  vielfarh  noch  aphoristisch  unti  wortkarg,  ist  wahrscheinlich  von 
dem  J7.  Ge-scUspredicr,  dem  bcrühintcii  .-Eskil  Magnussoii  verfasst.  von 
dem  durchaus  verlfLssig  bcrii'litet  wird,  er  habe  sich  um  die  F.rlialiung  der 
echten,  zum  Teil  auf  seinen  frühcslen  Vorgänger  Lumbcr  (10.  oder  g.  Jahrh.) 
zurOrkgcführten  laghsaga  die  alIergr«Visten  Verdienste  erworben.  Noch  hinter 
dem  erhaltenen  Text  von  I  wOrde  das  west;eL"it-  Rechtsbuch  liegen,  dem  nncU 
einer  neueren  Hypothese  das  unter  dem  Namen  Hednaiagh  bekannte  Bruch- 
stOck  vnm  Zweikampf  und  ein  paar  kleinere  Kxzerpte  in  der  Clironik  des 
Claus  Petri  angehörten.  Zwischen  12S1  und  \}i^f\  ungefälir  suchte  man 
durch  NachlrSge  der  Red.  I  ihre  Brauchiiarkeil  zu  sichern.  Vier  verschie- 
dene Hände  waren  daran  thfllig.  Die  Materialien.  woraiLs  sie  .sdifjpften,  be- 
standen teiU  in  der  Red.  II.  teils  in  jungem  (^setzen,  teils  in  dem  Rechts- 
buch von  Ösignialatid.  teils  endlich  aus  Quellen,  die  jetzt  nicht  mehr  nach- 
gewiesen werden  können,  darunter  sehr  wertvollen  gcschiclitlichen  au.i  der 
Zeit  um  1230.  Wie  der  Text  des  Re<btsburhs  selbst,  so  sind  auch  die  Nach- 
trüge ausser  dem  letzten,  einer  latem.  Bearbeitung  de^i  Kirt:henrechts  in  II, 
in  asw.  Sprache  verfasst.  Durch  i.^  mehr  mler  weiiiger  umfangreiche  Nach- 
trage (»add.")  wurde  femer  \t\x  Anfang  des  14,  Jahrh.)  die  Red.  II  erweitert. 
Auch  sie  sind  nur  teilweise  aus  anderweitig  bekannten  Quellen  genommen. 
DerGeltungsbereicli  von  Wgl.  umfasste  ausser  dem  eigentlichen  We^tgöialand 
n'X'li  DaUand  und  den  nord westlichen  Teil  so\\  Smäland  (Muhajra|>),  Ua 
diese  Nebcnlflndcr  unter  der  westgftt.  Laghsaga  standen.  Das  zweite  gotische 
Rechtsbuch,  die  (hisota  ia^hbok  (.sog.  Öst^iHa  la^ft)  k;uin  seine  jetzige  (iestaU 
erst  nach  1285  erhalten  haben.  Wahrscheinlich  aber  ist  es  sehr  buld  nach 
dem  genannten  Jalir  verfasst.  Urkundlich  nachzuweisen  ist  es  1^103.  Es  wt 
das  gri">sste  und  raei.st  dun'hgebiklet<!  alSer  schwedischen  Rechtsbücher,  berück- 
sichtigt sn-irgfüllig  die  Gesetzgebung  unter  Nennung  ihrer  Urheber,  Iflsst  sich 
auf  Motivierungen  ein,  nennt  aber  in  der  an  eine  zuliörendc  Menge  gerich- 
teten Schlu;s*fonnel  den  Inhalt  seiner  10  balkar  ausdrücklich  eine  laghsaga. 
Sein  Geltungsgebiet  erstreckte  sich  denn  auch  auf  die  NebenlSnder  der  rtst- 
gOt.  laghsaga,  n;imlich  die  nördlichen  und  östlichen  Hundeit-schaften  von 
Smaland  ujid  die  Unlerlaghsaga  von  Öland.  Nur  deia  tmter  dem  Namen 
der  »zehn  Hundertschaften«  ^Tinhairaf»)  bekannten  smaland.  (ie-setzsprecher- 
bczirk  gehörte  das  um  1300  mach  i2o^l  verfasste  Rechtsbuch  an,  wovon 
allein  der  kirchenrechtliciie  Abschnitt  vollstllndig  erhalten  Ut  {* Smäimu/s 
iiifrfi'Y-  ^'^  gehrirt  der  Gruppe  schwedischer  Rechtsbücher  an,  welche  die 
Aufzeichnungen  fremder  Landscliaft^rechte  benutzen.  Im  gegenwärtigen  Fall 
dienten  ristg^htal.  und  das  (jcsetzburh  von  Upland  als  Vorlagen.  Letzteres 
unter  dem  Namen  von  Uplantislagh  bekannt,  steht  eben.so  quelleugeschicht- 
Uch  wie  nach  der  Bedeutung  .'leiner  Heimat,  des  Mutterlandes  der  *sQd- 
lichen:  und  der  -westlichen  Münner«  wie  der  schwedischen  Bewuhuer  von 
Helsingeland,  an  der  Spitze  der  -Swea-Rechte«.  Über  die  Entstehung  des 
Gesetzbuches  sind  wir  verhältnismässig  genau  unterrirhlet  Namens  der  drei 
oberschwedisclien  Volklande  Tiundaland,  .Attundaland  und  Fia-{)ru]ulalaiid 
hatte  der  Geji^tzsprecher  des  erstgenannten,  der  Ritter  Birghir  I'erÄSon 
bei  Kfinig  Birghir  Maguubson  eine  Kodifikation  des  oberschwed,  Rechts,  be- 
antragt   Mit  der  Abfassung  desselben  wurde  Birghir  Persson    und  eine  von 


1  Zur  Grammaük:   Bjflr)ira&D,   Snuilandilagfns  I/Hdlära   1896. 


SCHWED.   RfCHTSbCCHER   tJ.   GXSETZE. 


lOO 


iliesoni  aus  den  drei  Vr>lklanclen  berufene  Kommission  lMir;iiiI.  Dir  Kom- 
mission entledigte  sich  ihres  Auftrags,  indem  ^ie  auf  Grundlage  Älterer  Auf- 
zcirlmungen  eine  zeitgemOss  verbesserte  ilaghaaga*  in  6  balkar  herstellte. 
Dabei  ging  sie,  wi*'  einst  der  wesTgöiisrhe  .^iskil  Magnussen  von  den  »Lumbs 
lagh*.  so  ihrLTSfils  vnn  den  ungefillir  t-bi-nsu  ahen  l'igent  flaikar  -am^  d.  li. 
VOM  den  Stücken  des  Rcihtsvortrags,  die  dem  aUen  »RechLswirker-  Viger 
spa  mgesciirielKTi  wurden.  Die  jüngere  Gesetzgebung  wurde  wie  in  Ögl. 
bcTQckfiirhtigt.  Nachdem  der  Entwoirf  auf  der  Liuidsgcmcinde  einstimmig 
angenommen  ftiir,  erhielt  er  am  2.  Januar  1206  die  kAniglithe  Bcstatigimg. 
Bei  Gek-genlirit  s^>atcrer  Abschriflcn  hat  der  Text  stjwohl  Abänderungen  als 
Zuthaten  erfahren,  so  dass  er  in  mehrfacher  Re^zension  v*»rliegt.  Im  Ganzen 
nach  dem  Vorbild  und  ufl  unter  wtirilicher  Anlehnung  an  L'plantlsl.  siud  die 
Rwhts-  und  (Gesetzbücher  der  anderen  Swealandsc haften  vcrfasst,  wofür  die 
Erklärung  bei  der  inneren  Vcrttandis«  haft  der  I^^ndrechie  nahe  genug  liegt. 
Ein  Rechtsbudi  von  solcher  Art  stand  i.  J.  132,5  schon  lUngere  Zeil  in  S«V 
dermannaland  in  Gebrauch.  Aus  einer  Umarl»eitung  desselben  tlurch  eine 
Kommisbii'u  unter  Leitung  des  süderm.  Geselz>prei.hers  Laurentius  Ulfs- 
son  und  Teilnahmt:  de»  wtstyüt.  Gesctzsprechers  Knut  Maguu.ssdii  scheint 
*Sns,  Gesetzbuch  her\*orgegangen,  welches  wir  unter  dem  Namen  SödermaHnn- 
üj^^h^  kennen.  Nachdem  es  Gegenstand  wiederholter  Verhandlungen  in  der 
Landsgemetnde  geworden,  »"urdt-'  es  am  10.  Aug.  1,^27  von  K.Magnus  Eriks- 
siin  (mit  Vorbehalten)  bestätigt.  Wir  besitzen  zwei  Kczcnsi(.incn,  wovon  die 
jüngere  Privaiarbeit  und  bald  nach  1335  entstanden  ist.  Ein  Rechtsbuch  in 
Äwei  sehr  verschiedenartigen  Redaktionen,  man  könnte  ebenso  gut  sagen  zwei 
RechtsbQcher  »ind  aus  Westinannaland  erhalten  {■»  Walmannalagb*  I  und  II). 
Der  Text  1,  früher  und  von  Einigen  auch  neuerdings  wieder  Da/aiagh  ge- 
nannt'.  ist  der  kOrzt-re  und  kaum  vor  1318  anzusetzen.  Verrflt  sich  scli(m 
in  ihm  das  Muster  von  Tplatidsl.  und  Siidemiannal..  so  nimmt  Text  II 
{WiPit/ntiNna  lft^kboi\\  indem  es  1  vullsISnüig  tunarbeitet,  gk-icli  den  ganzen 
Text  des  obcrschwed.  Ge^setzburhes  zur  Grundlage.  In  ahnlicher  Weise  ver- 
fuhr man  beim  Abfassen  des  »LAndbuches«  oder  »Reiht-sbuches«  für  Hel- 
singeland  (sog.  Helsitif^ia^,  hschrl.  Hehin^e  iandtt  iagiibok,  lanäsens  bok\  zwi- 
schen 1310  und  1347.  Was  nun  schon  bei  Chberfliichlicher  Ounhsichi  aller 
dieser  Schriftwerke  auffflllt,  das  ist  die  im  ganzen  gleichmässig  wiederkehrende 
Methode  der  St<>ff Verteilung.  Sie  ist  namentlich  auch  solchen  Rechts-  oder 
Gesetzbüchern  gemeinsam,  die  in  keinem  FiUationsverhältnis  zu  einander 
«tehen.  Systematisch  in  unserm  Sinn  kann  sie  ni<ht  genannt  werden.  Sie 
folgt  mit  Vorhelw  praktis'.heii  Gesichtspunkten,  indem  sie  die  einzelnen  Ma- 
terien gruppiert  und  die  so  entstehenden  baikar  aufreiht  Ein  kirchenrechi- 
licher  Abschrutt  yÜrJem-  oder  knUnu  Mker)  macht  in  jedem  Land.vhafts- 
leihi  den  Anfang.  Die  Abschnitte  von  Tütung  und  Körper  Verletzung  uml 
vom  Diebstahl  (samt  Verfolgung  von  Fahrhabet  k-'mnen  aucti  dort  deuüii.*li 
von  einander  unterschieden  werden,  wo  sie  unter  einem  gemeinsamen  Titel 
betsammen  stehen.  Das  rt^mliche  gilt  vnm  Khe-  und  Erbrecht,  von  denen 
jenes  (ausser  in  Wesigülal.)  diesem  voran  zu  gehtai  pflegt,  weil  •si<h  auf 
Bettes  Zeugung  alles  Erbrecht  gründet«.  Ein  Grundgüterrecht  (iftrptr  balktr 
oder  tghaa  salur)  fehlt  fa->t  nirgends.     Aus  ihm  wiiciist  wahrend  des  15.  Jahrh. 

'  Zur  Gnunmaiik:  L«rsioa,  S^dtrmannalagfHi  Ij'uttlära  (in  Aotiquar  TiiUtr.  XII 
1891). 

■  Zu  inner  Grarammüt:  E.  Brate.  Aldre  l'gstmafttMla/^m  IptälOra  (Cpi.  Univ. 
Amkr.)   i88;   iu«l   Oatalnfrnt  hi'jHin^ltirn  (Slocbh.   |8<^). 

>  Zur  finimnwU'k:   Siljcstrand:    OrJtxTjnt'ttf^n  i  Vtstmaunnla^n  1  (LinkAp.  i8qo). 


HO  IX.  Recht.    A.  DexkmXlbr. 


ein  bt'S'jiuiLTor  Abschinli  vntn  Gcmcimlercclit  (hvgi/a-  oder  byf^ningd-,  oder 
vipet-ho  baiktr)  heraa<,  flcr  auch  das  L;in<lwirtschaft.s recht  erledigt  Häufig 
findet  sich  femer  ein  Abschnitt  über  die  Thingortlnung  einschliesslich  der 
aJIgcmciucn  prozessualen  Grundsalze.  Die  Landfricdcniigfselitgebung  von 
t285  {vgl.  unten  ^  ^A  nift  einen  bcsondem  balker  Über  kummgs  epsört  nebst 
verwandten  strafretlitliiilien  Gt^t-nstanden  her\'or.  welcher  in  den  Swearechten 
durch  allerhand  verfassungsrechtliche  Zuthaten  zu  einem  kununffsbaiker  aus- 
gebildet wird.  Dies  die  Grundlinien,  bei  deren  Ausführung  Hie  Individualität 
der  Verfasser,  der  Bedürfnisse  und  der  TraditiL>nLMi  zur  Gehung  k'.numt. 
Samtliche  bisher  beapMchcne  Land.ichafl.src<;bte  sind  in  kaum  übcrtreffliclier 
\Vci.se  kritlsdi  herausgegeben  von  C.  J.  Schlyter  in  dessen  Gtrpns  Juris  Siteo- 
(Safonwi  anliqui  I  \V>l'^—\\  1H34  (dazu  buchst.'lbl.  Abdruck  von  drei  gtU. 
Rechtshss.  bei  C.  Klemming  Snuhtyckcn  pä  Forttsi>rnska  Stockh.  i8(JÖ — Br. 
ein  Bruchstück  von  SMermannalagh  herau-sg.  v.  K.  Maurer  in  Müncliner 
Sitzgsbcr.  1894  S.  433 — 37;  die  S.  loS  erwähnten  Fragmente  s.  hei  Leffler 
Om   den  fomsrtnska  hedtialagen  in  Manadsbl.  a.  a.  O.). 

§  22.  Die  schwedisclien  Landschaft-; rechte  bilden  bis  gegen  1350  den 
Grundstuck,  aii  welchen  sich  alles  weitere  schriftliche  Quellenmaterial  ansetzt. 
Zunächst  das  der  Einzctgesetze  (slapgnr,  slaluin),  deren  Aufzeichnungen 
mit  dem  13,  Jahrh.  beginnen.  Ge»V'ihulich  gehen  «e  vom  Kftnig  aai.  So- 
weit CS  sich  aber  nicht  um  bhwse  Verwilligungen  («GabcJi")  des  Kt'^nigtiuus 
handelte  —  wie  bei  den  nieisten  Privilegien  für  kirchliche  Anstalten  oder 
hohe  Kleriker'  —,  hing  bis  auf  K.  Magnus  {Birghisson)  Ladul4s(ii75 
— i2t|o)t  die  Giltigkeit  des  Königsgesetzes  von  der  Zustimmung  der  Lands- 
gemeinden ab.  Von  Magnus  Ladulas  ab.  in  dessen  Person  das  altschwed. 
Königtum  den  Gipfel  seiner  Machtcntwicklung  ersteigt,  erscheint  als  Surrogat 
der  Landsgemeinden  des  Königs  erweiterter  Rat,,  das  ■Reichsge:>prach«  frikä 
samttiiai  oder  der  'Herrentjige,  eine  Veränderung,  welche  durch  den  Eintritt 
der  Gesetzsprecher  in  des  Königs  Dienst  und  Rat  vemnttelt  war  und  die 
allmähliche  Schöpfung  eines  gemeinen  Gesetzesrechts  für's  ganze  Reich  er- 
mnglichte.  Die  allgemeinen  Gesetze  und  Privilegien  vor  1250  be-schüftigcn 
sich  vorzugsweise  mit  kirchlichen  Verhältnissen.  Ihre  Sprache  ist  daher  die 
lateinische  und  erst  spater  wurden  sie  in's  Schwedische  übertragen.  Seit  den 
Ä'Jhnen  des  Jarles  Birghir,  Waldemar  und  Magnus,  mehren  sich  die  welt- 
lichen Gesetze.  UntI  in  der  Zeit  des  letztgenannten  Königs  beginnen  die 
schwed.  Originaltexte  der  Einzclgesetzc  Als  das  älteste  und  quell engeschicht- 
lich  folgenreichste  unter  ihnen  ist  das  1285  zu  AlsnO  ausgefertigte  und  über- 
wiegend straf  rech  Üi  die  Gesetz  zu  nennen,  dessen  Durchfüliruug  schon  vor 
1281  vtm  Magi:us  und  22  geistlichen  und  weltlichen  Herrn  —  analog  den 
deutschen  Landfrieden  -~  beschworen  war.  Die  strafrechtliche  Abteilung 
dcssetbcn  gebt  auf  Bestimmungen  des  jarles  Birghir  von  1202  (oder  gar 
1251?)  zurück  und  wurde  unter  dem  Namen  ties  jKunigseidsch\\-urs»  (kumm^ 
cpiöiv}  in  den  Rechts-  und  Gesetzbüchern  fortgebildet  (vgl.  oben).  Die  Ge- 
setzestexte bringen  Si'fnskl  Diphm<iiariiim  (Dipl.  Sitfaitiuin}  I — \'I,  1829 — 
1878  luid  Stetiskl  Diphmataiium  frän  och  med  ar  1401  (her.  v.  Süverstolpe), 
bis  jetzt  3  Bde.  seit  1875,  die  Privilegien  für  lians.  Kaufleute  auch  Hfthl- 
baum  (0ben  S.  105).  Nur  teilweise  veraltet  ist  die  Sammlung  von  Hadorph 
hinter  dessen  Biä'rk,1a  Hätten   1687. 

Wie  in  Danemark,  so  lasst-n  auch  in  Schweden  Landschaftsrechte  und 
Einzelgesetze  der  Sonderentwicklung  eines  Stadt-  (riditiger  Markt-)Recht3 


^  Das  älteste  Frit-ilvg  Dipl  Sv«c  No  115  Ut  in  einen  Scbeiikuiii<Bbrier  einfiekleUUt 


Riium.  Im  Vergleich  freilich  zum  dan.  oder  fi;nr  zum  deutschen  Stadtrecht 
ist  das  schwedische  arm  an  DcnL-malum.  Auch  l>egtnnen  sie  wie  Oberhaupt 
die  Ausbildung;;  des  schwed.  Stadtewesens  viel  spater.  Um  i  ,)00  sdieint  eine 
sich  selbst  als  bUrrköir  nftttr  einführende  und  ziemlich  planlose  Sammlunt; 
von  Stadtrerhtssiltzcn  entst;tnrten,  die  ursprftnglich  fOr  Stockholm  bestimmt 
war,  aber  spater  auch  in  andern  schwed.  Städten  rezipiert  worden  ist,  und 
das  Stadtrechl  schon  unter  deutschem  Einfluss  zeigt.  (Ausg.  bei  Schlytcr  im 
CJSG.  VI  1H44,  hier  vom  Herausaeber  in  Kapp,  geteilt).  \'on  einem  andern 
fQr  Söderkuping  unter  starker  Benützung  von  Östgülal.  ausgearbeiteten  Stadt- 
recht sind  nur  Splitter  in  J.  Bure's  Glfwtsaren  übrig  geblieben  (7,usammenge- 
stelJt  und  rekonstruiert  van  G.  Klemming  Vpplysnin^nr .  .  om  .  . .  SöderiäpiHf^ 
RSttm  in  Kong.  Vitt.  Akad.  Hand).  XXV'  18*17).  Über  Wisbv  s.  unten  $  ^v 
Auf  Grundlage  der  bis  gegen  1340  angewacliscnen  Materialien  .m  Rechts- 
bflchcni  und  Gesel7.cn  schritt  man  um  jene  Zeit  zu  einer  gemeinrecht- 
lichen Kr>dinkalion  für  das  schwed.  Hauptland.  Und  zwar  scheint  man 
sich  damaLs  zum  Beispiel  genommen  zu  haben,  was  70  Jahre  früher  in  Nor- 
wegen (§  25)  geschehen  war.  Wahrscheinlich  schon  r347  war  von  einer  aus 
3  Geselzsprechem  bcslehen<len  Kommission  ein  Landretht  auspearbeitei. 
welches  unter  zeitgeinA^scn  Verbesserungen  die  bestehenden  Landschafts- 
rechte konkordieren  sollte.  Als  Hauptquellen  hatten  dabei  Uplands-  und 
östgötalag  gedienL  Dem  Herrentag  zu  (°)rcbro  im  März  genannten  Jahres 
schlug  K.  Magnus  Eriksson  den  Entm-urf  des  Gesetzbuchs  zur  Annahme 
vor.  Da  aber  die  Geistlichkeit  gegen  die  mit  dem  kanon.  Recht  unverein- 
baren Bestimmungen  des  Entwurfs  protestierte,  scheint  eine  förmliche  Besta- 
tigung  des  letztem  durch  den  KAnig  nicht  ergangen  zu  sein.  Dagegen  wurde 
das  Gesetzbuch  mit  Ausnahme  des  Kirkiubalker  in  den  einzelnen  Landschaften 
im  Laufe  des  14.  Jahrh^.  mehr  oder  weniger  vollständig  rezipiert,  so  dass 
daneben  nicht  nur  die  Kir<'hen rechts-. \l)schnitie,  .sondern  auch  noch  mancherlei 
andere  Stücke  der  altem  Landschaftsrechte  ihre  Geltung  behalten  konnten. 
Es  ist  daher  die  liandschriftliche  Überlieferung  des  Gesetzbuchs  eine  sehr 
ungleich mä.vsigc  (erste  und  zugleich  abschlics-scndc  krit.  Ausg.  unter  dem 
Titel  Kon.  Afasimts  En'hsom  hindslag  v.  Schlvter  im  CJSG.  X  l8ö2).  Eine 
Revision  dieses  »RechLsbuchs  v(tn  Schweden«  (U^leniim  Swtdcl  in  Gestalt 
eines  Reich-sgesetzbuchs  kam  mit  Bestätigung  durch  K.  Christof  v.  2.  Mai 
144^  zu  Stande  (krit.  Ausg.  unter  dem  Titel  Kon.  Cbmloffcn  Lauds/oi;  v. 
Schlyter  a,  a.  O.  XII  iWHji.  Die  beiden  Landre<'hte  waren  einander  zu 
Ähnlich,  als  dass  das  altere  sofort  durch  das  neuere  hatte  vollständig  ver- 
drangt werden  können.  Vielmehr  wurde  sein  Text  auch  während  des  14. 
Jalirhs.  nrwh  fortgebildet.  Dies  gab  Anlass  zu  der  seit  dem  i(>.  Jahrb.  sich 
ausbreitenden  Fabel,  dass  zwischen  dem  Landr.  Magnus  Erikssons  und  dorn 
von  K.  Christof  ein  vermittelndes  crla.ssen  wurden  sei  (sog.  MedeUag').  Im 
Glauben,  da.H  neuere  Landrecht  vor  sich  zu  haben,  hat  gegen  den  Ausgang 
des  15.  Jahrhs.  der  Archidiakon  von  UiJsala  und  Doctor  decretorum  Ragvald 
Ingemundsson  das  Landr.  Magnus  Erikss<jns  in's  L;iieinisclie  übersetzt 
(Ausg.  V.  Joh.  Messcnius  tjrgts  Svtcfirtim  Gaihortinuptf  etc,  SUK'kli.  1614). 
Früher  als  auf  dem  Gebiete  des  I^^mdrechts  gelang  auf  dem  des  StadtrechLs 
die  Herstellung  der  Rechtseinlieit  Indem  er  den  Text  seines  Landrechts 
cur  Gmndlage  gab,  liess  Magnus  Eriksson  ein  gemeines  Stadtrecht  aus- 
arbeiten (1,^50 — I35"?)i  wobei  die  Thingordnimg  durch  einei\  miizituffi-u  balker 
ersetzt  und  unter  Benützung  allerer  Stadtrechtsqucllen  ein  Abschnitt  vom 
Seeiccht  ^siipmaia  b.}  eingefügt  wurde.  Vor  ij'^sj  scheint  das  Stadtgesetz- 
buch  aUgemein  elDgelülirt  worden  ku  sein  (krit.  Ausg.  unter  dem  Titel  Kott, 


112  IX.  Rbcbt.    A.  DknkkXlxk. 


Ma^n.  Er,  ütadsla^  v.  Schlyter  im  CJSG.  XI  1865).  Einzclpcst-tzc,  welche 
von  der  Krmigsgewalt  erlassen  werden,  bauen  währenddes  .Sj>JitMA.  auf  den 
gemeinreclit liehen  Kodifikationen  weiter  (wegen  der  Ausg.  s.  oben  S.  1 10). 

Audi  in  Schweden  schücssen  sich  zunächst  an  das  Stadtrecht  Statuten 
der  autnnnmen  Kr)rpersrhaften.  Von  SlJitmen  eigentlicher  Schutzgilden 
sind  nur  wenijje  Reste  in  einer  dem  Anschein  narli  sputen  Fassunji  vur- 
lianden.  Durch  ihre  Komi  merkwürdig  Ist  die  »skra-  einer  ubersrhwed,  St. 
Kriksgilde,  indem  sie.  die  Kintcihing  der  Landrechte  in  balkar  nachahmt. 
Zahlreicher  sind  die  Skraen  von  Handwerker-  und  von  geistlichen  Gilden. 
Doch  scheint  keiner  der  erhaltenen  Texte  Übcj  1350  zurück  zu  reichen. 
(Drucke:  SkrAordnin^ar  sami,  0/  G.  E.  Klemminj*  1850,  er^nzt  durch 
Snuisfvckftt  stimf.  0/  G.  E.  Klcmming  t868 — 81  und  Fornst'.  Dipi.  af 
Silverstolpe  Nr.  602).  Das  Hi»fdienst-  oder  »Schlosse-Kechi  {^ardsr^Hrr. 
siotsrirfier)  wurde  in  Schweden  dem  Anschein  nach  zuerst  unter  K.  Magnus 
l^dutäK  zum  Gegenstand  einer  kurzen  Privataufzeiriinung  gemacht,  welche 
von  K.  Magnus  Eriksson  und  spjlter  auch  noch  von  andern  Königen  be- 
stätigt und  den  Höfen  lier  RciclisralsniiLglieder  verliehen  wurde.  E.s  sind 
übrigens  nur  zwei  jüngere  von  einander  unabhängige  Redaktionen  dieses 
Gantsrd;ller  erhalten,  welche  beide  mit  dem  dün.  Gardsrel  vun  derselben 
Vorlage  abstammen  (Drucke:  Magnus  ErihsoNs  (iärdsräit  und  Eriks  af  Pot»' 
Uterus  GärdArätS  bei   Klcmming  Smästycke»  S.  53 — 68). 

Weniger  produktiv  an  Recht-ss<-liriften  als  die  rein  persCmlidien  Redits- 
verbünde  scheinen  wahrend  des  SpfltMA.  die  lokalen.  Interessante  Beispiele 
in  arkgencissensc  haftlicher  Statuten^  sind  drc  » Wuldordnungen« 
für  den  Hamniars-  und  den  Mef)alj)ri{>iungcr  in  der  oberschwcd.  Hundert- 
sihnft  Trögd  c.  1320  (Drucke:  hinter  Madorph's  liiärkCa  Rätttn  S.  23  ff. 
und  bei  Klemming  Sm(istvckfn  S.  71  ff.). 

§  23.  Ganz  eigentümlich  hat  sich  die  Denknialcrgescliit  lile  der  Insel 
Gotland  gestaltet,  die  ja  auch  ]n>litisch  eine  Simderstellung  unter  den  osi- 
nord.  Landschaften  einnahm,  bis  1301  nur  Schutz-  und  Srhatzland  des 
schwed.  Königs,  im  Übrigen  Freistaat,  nachher  bald  dänisch,  bald  si.'hwedisch, 
bald  Deutsch  Ordensgebiet  «.-ar.  Im  Gegensatz  zu  Si'hwt'den  entliehrte  Got- 
hmd  eines  Gesetzspret  heramts.  Daher  ist  auch  das  älteste  und  wichtigste 
Rechts  den  km  al  der  Insel,  Guin  lafih.  von  wesentlich  andenn  Schlag  als  die 
Limdschaftsrechte  des  schwedischen  Kesdandes.  Es  gleicht  mehr  den  däni- 
schen, ermangelt  insbesondere  der  Einteilung  in  balkar,  kennt  nur  Kapitel. 
Der  Vortrag  i.st  tnicken,  unliehilflich,  oft  dunkel  und  zuweilen  nicht  frei  von 
Widers] >ruchcn.  Merkwürdig  ist  die  Benützung  norwegischer  Quellen.  In 
der  überlieferten  Gestalt  ist  Gutal.  Gesetzbuch,  "vereinbart*  vou  der  gut- 
nischen  Landsgemeinde  am  Scblus.s  des  13.  Jahrhs.  Als  Geseizbuch  ist  es 
auch  fortgebildet  worden.  Wir  haben  zwei  Rezensionen  in  guliiii<clier  Sprache 
{in  je  einer  Hs.),  wt>von  die  Eine  dem  Rerhtstext  die  berühmte  *Guta  saga* 
«rticr  -iHhloritt  Golinndtae*  anhilngt.  Dazu  kommen  eine  in  der  Deuts«. h- 
tirdenszeit  |l3t)H — J40S)  gefertigte  deutsche  und  eine  um  15.=iO  entstandene 
thlnisrhe  Übersetzung  nach  verlorenen  giitnischen  Texten  (.^u<;g.  v.  Schlvter 
unter  dem  Titel  Gollands  ia^n  im  CJSG.  VII  ]8.S2».  Der  halb  deut.s4-hfn, 
halb  gntnischen  Stadt  Wisby  beatatigle  gegen  1350  K.  Magnus  Eriksson 
eine  Kodifikation  in  4  BOchcm,  deren  plattdeutsches  Original  erhallen  ist 
(Amg.    v.   Sciilyler  im    CJSG.    VHI    iS.li).     Das  Stadtrecht  entlehikt  eine 


'   Nicht  von    •GildrslBt«li-in.  uiiilt  ilit  K.  Ldimami  V'iTffittiii,  in  Zschr.  f.  RG.  XX 
S.  212  dtcsc  Qwtl.lrn  cinn-ihi. 


Gon-AND.    NoRWBG.  RecmtsbCchkr  und  Gesetze. 


"3 


I 

N 


bettflchtlirhe  Menge  seiner  Beslimmunpcn  mphr  cxler  weniger  wrtrtlich  nieder- 
deutschen, insbeÄ<:indere  lüblschen  und  haiuhur[ipS4.-lien  Stadtrech tsqucHcn,  was 
durch  die  Stellung  Wisby 's  in  der  Hansa  gcnug»ant  erklärt  wird.  Im  15.  Jahrh. 
entstand  tm  Wisbv  noth  «n  kleines  Kcrhtsburh  in  35  Artikeln  Ober  die 
Privil^ien  der  Stadt.  Its  ist  in  da».  Spradie  vcrfasst  und  amh  in's  Fkitt- 
tleutsche  übersetzt  (Drucke  bei  Sclilyter  a.a.O.  hinter  dem  Stadtr.).  Ausser 
diesen  Hauptdenkm.'ilem  des  Reriiis  auf  Gi'tland  belehren  über  jenes  auch 
noch  die  von  den  GotlJlndcni  bczw.  Wisbyem  geschlossenen  StaatsvertrSge 
und  ein  paar  fOr  die  Insel  erlassenen  Einzelgcsetze  (aus  den  schwed.  Diplo- 
mataren.  aus  Schlyter  VII  S.  21g ff.  und  au-s  dem  //atts.  Urkb.  zusammen 
zu  swhenf,  siiwie  die  Skra  der  Si.  Katharinengilde  im  Kirclu^iel  Björke  v. 
14-13  ^gul"-  l>t-'i   Klt-Miiming  Smästycken  S.    14g — 151). 

!S  24.  Wir  wenden  tms  dem  Gebiet  des  westnord.  Rechtes  und  zwar  zu- 
nAclist  seinem  Mutterland  Norwegen  zu.  Hier  nun  Slossen  wir  almlich  wie 
in  Dünemark  auf  Erzählungen  des  i^IA..  welche  bestimmten  Königen  schon 
seit  dem  9.  Jahrh.  eine  mehr  «ler  weniger  tief  greifende  geseT?^eberischc 
Tliatigkcit  nadiruhnien.  Verdienen  diese  Benchte  bis  zu  einem  gettisseii  Grad 
onsem  Glauben,  so  gilt  nicht  das  gleiche  von  jenen  andern,  wonach  die  alie- 
slen  Aufzeichnungen  westnordi.s4.hen  Hechts  vom  hl.  Olaf  etwa  um  1020 — 1025 
and  von  seinem  Sohne  Magnu-s  dem  Guten  1040  veranstaltet  sein  stillen.  Es 
sind  <Ias  Fabeln,  denen  auch  nicht  dadurch  aufgeholfen  wird,  dass  sie  noch 
jelil  von  R«lil-shi»torikem  nicht  nur  wiederholt,  »»ndem  zu  dem  Mythus  von 
geschriebenen  Gesetzbfichem  verschiedener  Könige  aus  dem  O-  luid  10.  Jahrh. 
auigesprjnnen  werden.  Wer  die  Entstehung  der  wnord.  Literatur  kennt,  wird 
sich  »cliwerlich  zu  der  Annahme  enls<.-hlicssen,  dass  es  einen  derartigen  Rechts- 
lext  handschrifUich  vnr  dem  12.  lahrh.  gegeben  habe  (vgl  die  treifenden  Be- 
merkningen  v.  K.  Maurer  in  Ersch.  u.  Gnibcr  EncvkI.  ä.  v.  Gula|»ing 
S.  .ib<i — .^01).  Vnn  dem,  was  an  altU'irweg.  Rechtsschriften  erhalten  ist,  kann 
auch  das  älteste  nicht  mit  Sicherheit  über  iioo  liiiiauf  gesetzt  werden.  Auch 
haben  wir  es  in  den  ältesten  Denkmälern  keineswegs  mit  GesetzbDchem  zu 
ihun,  die  etwa  ein  Künig  hat  schreiben  lass<-n,  sondern  mit  Privatauf- 
xeichnungen.  Die.se  sind,  —  von  einem  Weistum  über  norwt^sch-islän- 
dischc  Beziehungen  (erteilt  1083.  zwei  Kedaktionen,  am  besten  bei  Einsen 
Gräg.  Ib  U;5  folg.  III  4<)3 — bü)  abgesehen,  —  des  nämlichen  Schlags,  wie 
wir  ihn  an  den  flltem  schwed.  Rechtsbüchem  kennen  gelernt  haben.  Zwar 
liegen  über  die  altnorweg.  l^gsaga  keine  so  zahlreichen  und  unzweideutigen 
Zeugnüse  vi>r,  wie  über  die  altschwedische.  Dafür  aber  spricht  sie  sich  in 
den  ältesten  Rechtslexlen  kaum  weniger  unmittelbar  aus.  Sn  hal)cn  denn 
auch  die  altnorweg.  Rechts-  und  Gesetzbücher  in  der  Hauptsache  die  näm- 
liiAe  äussere  .\nlage  wie  die  schwtiiischen.  Die  Gejtichtspunkte,  welche  Über 
die  Bildung  der  turikir  entscheiden,  sind  beinalte  die  gleichen.  H<'k:hstens, 
was  ihre  Reihenfolge  betrifft,  scheint  es  eine  wnord.  Eigenheit,  dass  die  Tlüng- 
ordnung  (df:\  pinf^nrabnlkt)  den  Anfang  zu  machen  pflegt.  V'ier  «l'rovin- 
zialo  oder  richtiger  »I^andschaftsrcchle«  sind  es  zunächst,  deren  Denkmäler 
Icik  v"jllstani.üg,  teils  wenigstens  stückweise  jene  Gestalt  zeigen.  Es  sind  die 
Rechte  der  vier  gnisscn  Thing\erbande  oder  Bunde.>tütaaten,  zu  denen  bis 
zum  Eleginn  der  Rechtsbücherzeit  die  meisten  mimi'eg.  >Viilklande«  zusammen 
getreten  waren.  Die  Rechtsaufzeichmmgcn  oder  -Bücher«  selbst  sind  nach 
den  Hauptversammlungen  [ip^pi'ig.  nihhcrjurftin^)  benannt,  auf  denen  alljälu*- 
lich  das  Recht  jener  Verbände  vorgetragen  wurde.  Dem  schwedischen  (gö- 
lüchcn)  Rethtsgebiet  naclist  gclq^n  ist  das  der  beiden  Reclilsbücher,  von 
denen  fast  nur  die  »Christenrerhte«  Übrig  geblieben  sind.     Das  eine  gehörte 

Germanuche  Pbiloloffkc  111.    1.  Aufl.  8 


114  ^^-  Recht.    A.  DenkmAlgr. 

dem  Bor^ai-pins;  d,  i.  dem  um  den  Christianiafjord  gelegenen  ThingircrbanH, 
das  andere  dein  uürdlkh  an  den  vorigen  grenzenden  binnen-  uder  liueliEiln- 
dischen  t>der  dem  Eiäsi/apiag  an.  Der  khstius  döms  bqlkr  des  enitem,  jetzt 
gewöhnlich  als  das  «altere  Christenr.  des  Borgth.«  I>ezeichnet,  Hegt  in  3  Re- 
zeiLsinnen  vor,  wovon  nur  die  älteste  (in  18  verhaltnistaassig  ausführlichen 
Kapiteln)  vollständig  erhalten  ist.  Sie  scheint  in  die  Jahre  1140—11,^2  zu 
fallen.  In  den  beiden  jungem  Rezen^iunen  sind  verschiedene  dem  welüicheu 
Teil  des  Rec-hLsbuchs  entnommene  Btöitimmungen  über  Khe  und  \V«l>er  ein- 
gcscliallet.  Vom  kmiin  b^ikr  des  Hfx:hlandsrechts  oder  dem  srjg.  »altem  Chr. 
des  Eidsifathings«  haben  wir  2  Rezensionen.  Die  ältere  und  vollere  (in  53 
Kapp.)  scheint  bald  nach  1152.  die  jüngere  und  verkürzte  (44  Kapp.)  ihrer  ge- 
schicljllichcn  Einleitung  zufolge  erst  nach  1184  {vor  1215?)  vcrfasst.  Ein 
Bruchsti'uk  ans  dem  strafrechtlichen  Teil  des  Refhisbuchs  isi  alles,  was  von 
dicsein  ausser  liem  Christen  recht  bis  jetzt  bekannt  wurde.  Viel  besser  ist  es 
mit  der  Erhaltung  der  (-Altern«)  Gulapin^bök  bestellt,  d.i.  des  Rerhtsbuchs 
des  südwestlichen  Thingverbancles,  der  im  Gtihph*^  seinen  Mittelpunkt  hatte. 
Die  älteste  Redaktion  der  GiUb.  besitzen  wir  nur  in  einer  grOsscm  Zahl  von 
Bnichsiücken  einer  Ils.  aus  dem  12.  jahrh.  und  von  .Auszügen,  welche  im 
17.  Jalirli.  aus  eben  jener  Hs,  genommen  wmden.  Biese  Redaktion  scheint 
in  den  ersten  Jahrzehnten  des  12.  Jahrhs.  verfasst  nnd  wäre  somit  eines  der 
alleraltesten  skandinavischen  Rechts-  und  Literaturdenkmäler.  Durch  ilire 
Umarbeitung  in  tler  Zeit  (und  auf  Veranla-ssung?)  von  K.  Magnus  ErÜngsson, 
etwa  zwn'schen  11M4  und  1184  entstand  eine  zweite  Redaktion,  von  der  nur 
wenige  Bmchstücke  vorliegen.  Um  1200  wurde  die  Red,  II,  welche  mau 
dem  K.  Magnus ,  und  die  Red.  I ,  welclie  man  jetzt  einem  ■  Olaf < , 
d.  h.  dem  hl,  Olaf,  beilegte,  kompiliert.  Von  dieser  Red.  III  haben  wir 
Bruchstücke  einer  lilteru  und  einen  nahezu  vollständigen  Kodex  einer 
jungem  Fassung  {Cod.  Ranlzovimms),  welciie  dem  Rechtsbuch  miter  andern 
Zuthaten  die  im  ersten  Viertel  des  13.  Jahrhs.  vom  DrontheJmi.scIicn  (je- 
set2sprecher  Bjarne  Mardarson  verfasste  W'ergeldtaf el  anhangt.  Eine 
ahnUche  Ge.schirhte  wie  die  Gulh.  hat  das  Rechtsbuch  der  zum  Frastufiing 
verbundenen  Volklande  um  den  Droniheimsfjord  erlebt,  die  (altere)  Frostu- 
pingsbök.  Um  \ib^  gab  es  im  I'rostu{>ing  bereits  niebrerc  unter  sich  abwei- 
chende ReciiLsaufzeichnungen,  worin  man  das  -Recht  des  hl.  Olaf-^  zu  finden 
meinte.  Von  diesem  »Recht  des  hl.  Olaf«  ebens«i  wie  von  einer  Revision 
desselben,  welche  zwischen  1164  und  1174  unter  dem  cutscheidenden  Ein- 
fluss  desDroniheimer  Krzbischofs  Evsteinn  Rrlendsson  veranstaltet  wurde 
{Gnl/ßgdr}),  sind  Bestandteile  nur  durch  Vennittlurg  .spaterer  Redaktionen 
erhalten.  Die  erste  unter  diesen  scheint  ungefähr  zwischen  lii.S  und  1220 
entsl.inden  und  wird  durch  die  »Tfibiiigcr  BrurhstOcke«  vertreten.  Kigen- 
lünilich  ist  ihr  die  Einteilung  des  Stoffes  in  "Büchern-  {bä-kr),  der  Büclier  in 
»Teile«  {lutir  oder  bce/i/r),  der  »Teile*  endlich  in  Kapitel  mit  gebrochener 
Zahlung.  Diese  Einteilung  hat  der  nächstfolgende  Überarbeiter  ( 1220 — 1225?) 
durch  eine  einfachere  ersetzt:  lö  (?)  /w//>  mit  Kapitel  ein  teiiuug  und  voran- 
gestellten InhaltsverzeirhnisSf'ti.  Von  seiner  Redaktion  besitzen  wir  ein  Frag- 
ment des  2.  und  des  to.  lutr.  Eine  Rekonstruktion  des  letzteren,  dessen  wich- 
tiger Inhalt  [saital  oder  Wergcld<irdnung)  iin  Wesentlichen  aus  der  Zeit  vor 
liti4  stammt,  habe  ich  in  Genn.  XXXII  versucht.  Die  letzte  Redaktion 
endlich  (»Vutgala«  in  16  hlir)  dürfte  1225 — 1250  anzusetzen  sein.  Sie  lilsst 
die  Anordnung  der  vorigen  unberührt,  zeigt  aber  im  b.  lutr  ein  wesentlich 
verändertes  suktaL  Ihre  Erhaltung  ist  eine  nahezu  vollständige.  Von  einem 
nach  1247  vcrfasstcn,  aber  jetzt  verlorenen  Text  des  Christenrechts  der  Frb. 


NoRWBO.  RbchtsbCcher  uxo  Gesetze. 


«15 


to 


mit  tlerThrunfolgcordimn^  vuii  1164  an  dcrSpitzc  haben  wir  aus  einer  dSn. 
Cbenicizung  Kunde.  Abdrucke  der  einzelnen  Tcxic  der  >Laiid.schafbirechte« 
geben  R.  Keyser  und  P.  A.  Munch  in  Norjprs  gamlf  Loit  Bd.  1  1840, 
Nachtrage  dazu  dieselben  in  Bd.  II  1848  8.41/) ff.  und  G.Storni  in  Bd.  IV 
1885,  V,  I  1890.  —  Niclit  nur  dem  Zeitalter  dieser  (gellen  angehi'irig.  son- 
dern auch  init  einer  derselben  in  genetischem  Zusainmeiiliaiig  äind  die  älteren 
Denkmäler  des  Marktrerht.s  oder  Weichbildes  ßjarkevjar  rettr).  Es  han- 
delt sich  um  die  Überreste  eines  nach  1164  verfassten  Rechtsbuchs,  welches 
den  bjarkcyjar  rettr  in  seiner  Anwendung  auf  die  Stadt  Niäaros  und  imAn- 
schltiss  an  die  Fmstb.  darstellte.  Gleicht  in  so  fern  das  Werk  ganz  dem 
Sladtrcclit  vun  Sriderküpinff  (oben  S.  in),  sn  zeigt  es  doch  aucli  wieder  eine 
gewisM  Verwandtet' hafi  zu  <len  dän.  Marktrerhien,  indem  es  dem  bjarkr. 
ebenso  die  imunterbrochene  Giltigkeit  wie  die  Bindung  an  einen  bestimmten 
Ort  abspricht.  Wie  keine  andere  Quelle  veranschaulicht  es  daher  den  Über- 
gang des  Marktrecht.^  zumStadtrccla  und  die  Kntsiehung  des  letzteren.  Drei 
Hss.- Fragmente  und  zwei  Sammlungen  vun  Aavzügen  liegen  vur.  Jene  sind 
in  der  Ausg.  vt)n  Keyser  und  Munch  mit  I,  II,  IV,  diese  mit  III  beziffert 
Fragment  IV  Usst  auf  die  letzten  Kapp,  des  Christenrechts  die  ersten  des 
Scerechts  (farmannal^g)  folgen  und  repräsentiert  dem  Anschein  nach  die  älteste, 
aber  jedenfalls  nach  1174  verfasste  Redaktion.  Vielleicht  dazu  gehört  Frag- 
ment II,  welches  die  ersten  4.^  Kapp,  des  strafrechüidien  Absclmitts  \mann- 
Juigi)  enthalt  Dagegen  sind  die  ersten  9  Ka^ip.  des  Christenrerhts,  woraus 
I  besteht,  in  dieser  Fassung  jünger  als  IV,  zwar  vor  1247,  aber  nach  der 
vorict2ten  Überarbeitung  der  Frostb.  (s.  oben)  redigiert  Jftnger  noch  war 
der  Text,  woraus  die  Exceqile  unter  111  genommen  sind.  Genaue  Drucke 
wn  I  und  II  brachten  Keyser  und  Munch  in  NGL.  I  S.  303 — 315,  von 
IV  und  III  erst  Slurm  a.  a.  O.  IV  S.  71—97. 

i  25.  Die  Revi-sionsarbeit.  welche  sich  in  der  Geschichte  der  Frostb.  bis 
tief  in  die  Regierungszeil  Häkoiis  des  Alten  hinein  fortgesetzt  zeigt,  erstreckte 
sein  Sohn,  der  »Gesetz verbesserer«  Magnus  (1263— 1280)  auch  auf  die  an- 
dern Rechtsbacher.  Und  von  jetzt  an  maclit  das  Rechtsbuch  dem  Geselz- 
bu<  li  Platz.  Im  Jahre  1267  brachte  der  König  eine  neue  Gulapingsbvk,  im 
Jahre  I2<>8  eine  ipf^bök  für  das  KidsifH|)ing  und  da.s  Borgar|)iiig  mr  Annahme, 
wogegen  er  i2fK)  am  Frostujiing  nur  zur  Revision  der  weltlichen  Teile  des 
Rc<.'htsbuclis  ermächtigt  wurde.  Von  den  1267  und  12O8  eingeführten  Gesetz- 
bflchem  sind  die  Christenrechtsabschniite  erhalten  (das  »neuere.*  Chrr. 
des  Gula(>ing  und  des  Bgrgar{)ing  in  JVGL.  II  1848),  die  übrigen  Be- 
standteile verloren.  Das  eine  wie  das  andere  erklärt  sich  aus  dem  weiteren 
Verlauf,  den  die  Gesetzgebung  unter  Kt'inig  Magnus  und  seinen  Nachfolgern 
müira.  In  Folge  der  Vorgänge  in  Drontheim  i  2(k>  und  des  daran  ^<ich  un- 
scldiesscndcn  kirchen|H)Utii:H:hen  KnnflikLs,  der  erst  durch  das  Konkordat  von 
Ttinsberg  1277  einen  vorläufigen  Absdiluss  ertiielt,  beschränkte  sich  der  KOuig 
darauf.  <ier  Kodifikatitm  für  das  I'Vostuliing  einen  rein  nominellen  kmtim 
dömu  b^ir  einzufügen,  im  übrigefi  aber  einen  Inhalt  zu  geben,  der  das  Recht 
des  Thing^'crb:uidei  dein  aiutercr  Thingvcrbändc,  vor  allen  dem  des  Gubi- 
|>ing  mogürh.-»!  näherte.  Xu  diesem  Zweck  wurden  nicht  nur  die  neueren 
fürs  ganze  Reich  erlas.senen  Einzclgeaetze  ( — 1273)  verwertet,  .sondern  auch 
die  Haupt bejfiände  des  Geseubuchs  aus  der  älteren  Frostb.  und  der  älteren 
Gulb.  unter  beiläuf^er  Rücksichtnahme  auf  die  andern  Landschuftsrechtc 
kompiliert.  Im  Gegensatz  zu  den  letzten  Redaktionen  der  alten  Frostb. 
kehrt  die  neue  zur  Einteilung  in  {10)  (ittlkir  zurück.  Am  24.  Juni  1274 
wmde  das  Gesetzbuch  vom  FrostujMng  angeuümnien.    Bald  nachher  ( — 127Ü?) 


it6 


IX.  RüicHT.     A.  DekkuAler. 


scheint  es  auch  in  den  andern,  nunmehr  beir;ithilich  en^'ei^e^en  ThinR\'er- 
bändcn  und  in  den  noch  selbständigen  VolkLmden  eingeführt  worrlcn  zu 
sein,  wobei  nur  die  wenigen  rcdaktionclleu  Änderungen  im  Text  stattfanden, 
die  durcli  die  Verfassungsveriitlltnisse  gefordert  waren.  Damit  war  wenigstens 
in  der  södlirheii  Hälfte  von  Norwegen  die  malericHe  Kinhcit  des  kodifizierten 
weltHchen  Kethls  lier;<cstellt.  und  unter  dicjicm  Gusichtspunkt  fü,!i>en  wir  die 
nahezu  gleichlautenden  Texte  der  >neueren«  FivstuphigS',  GnJnpings-,  Bor- 
}^nrf»ingS'  \md  Eiäsifapingsh^k  unter  dem  Namen  des  »neueren«  oder  »ge- 
meinen Landrecbts  von  K.  Magnus  dem  Geaetzverbesserer«  zii- 
saromen  {sehr  anfechtbare  Aiugabe  in  NGL.  II  mit  Nachtragen  in  TV). 
Eine  Bearbeitung  dieses  >gemeinen  Laiidrcchts  für  che  StSdte  nu't  eigenem 
l\'^"t^  w^Irde  in  Bergen,  Nidan'is,  Oslo  und  Tunsberg  eingefülirt,  in  der 
erstem  Stadt  schon  aiu  12.  Januar  iz'jit.  Das  Stadtgesetz budi  (»neuerer 
bjarityjar  re'Ur,  neueres  oder  gemeines  Stadtrecht«,  gedr.  in  NGL.  II) 
folgt,  abgeselien  von  dem  Scereclil  (/armanu/ji^^j ,  in  der  Haupisaclie  dem 
Laiidrecht  wörüicrh  bis  auf  den  pin^kapanar  b\i{kr,  den  es  umrechgiert,  lanäa- 
bri^iti  und  lamhUi^u  b^)lkr,  welche  beiden  Absrlmitle  es  durch  eine  Stadt- 
ordnung —  birjankipaN  —  ersetzt.  Wahrend  die  unifizierende  Bewegimg  auf 
dem  Gebiet  dc^  weltlichen  Rechts  im  Gange  war,  zeigten  sicli  analoge  Be- 
strebimgcn  auf  dem  Gebiet  des  kirchlichen,  welche  teJls  vom  Ki">nig,  teil* 
vom  Episkopat  au^ngcn.  Als  die  nächsten  Früchte  der  einschlagigen  Ar- 
beiten haben  wir  drei  Entwürfe  zu  Christenrechten  anzusehen,  wovon 
einer,  das  sogen.  Cliristcnrecht  des  Königs  Sverrir  {NGL.  I)  sehr  roh  ans 
den  Christen  rechten  der  älteren  Frostut)b.  (Red.  nach  1215)  und  der  alteren 
Gulh.  (Red.  III  |,  ein  zweiter  (in  NGL.  IV  S.  50—65)  aus  der  alteren 
Frittjtujjb..  den  alteren  Christen  rechten  des  Borgarping  und  des  Eidsifa[jing 
unti  jüngeren  Materialien,  der  dritte  endlich  {NGL.  IV  S.  160 — 1Ö2)  aus  den 
vier  altcre-n  Land  seh  aftsrerhti^n  Li»m[)iliürt  ist.  Im  Gegensatz  zu  diesen  bloss, 
textgeschichtlich  wichtigen  Quellen  ist  das  (1273?)  ebens<T  ungeschickt  kom- 
pilierte »Christenr.  des  Erzb.  Jon«  (raude,  NGL.  II)  wirklich  unter  Zu- 
stimmung des  Königs  1277  im  ganzen  Lande  als  Gesetz  zur  Geltung  gelangt, 
nachdem  es  eine  nur  uberflachliclie  Revision  erfahren  hatte. 

Von  den  Einzelgesetzcn  (rt'liarihtir)  der  nonn-.  Könige  beginnen  die 
Texte  in  der  2.  Hälfte  des  \z.  Jahrhs.  Aber  erst  um  ein  Jahdiundert  spater 
treten  sie  in  etwas  rascherer  Folge  auf,  und  seit  dem  gemeinen  Land-  und 
Stadtrecht  beruht  die  Fortbildung  des  geschriebenen  Rechts  fast  au.-üMJilitws- 
lich  auf  diesen  Verordnungen,  welche  jetzt  dem  Epilog  der  Kodifikationen 
gemäss  der  Konig  einseitig  erlassen  konnte.  Die  meisten  von  ihnen  bcziehcu 
sich  auf  die  staatsrechtlichen  Verhältnisse.  In  der  Unionszeit  kommen  zu 
den  eigentlichen  rettarbcetr  allen  Stils  noch  die  Unionsurkunden  und  WahU 
kapitulationen  (Handfesten)  als  wichtige  Quellen  des  Staatsrechts.  Die  Einzel- 
gesetze bis  zunt  Tod  des  Königs  Olaf  Häkonarson  (1.^87)  findet  man  grössten- 
teils in  NGL.  I— IV,  einer  Sammlung,  welche  nicht  nur  ergänzt,  sondern 
auch  fortgesetzt  wird  durch  das  Diplomataritim  Nvrt'r^icum  [I — XIV  1S4B — 
189,)}.  Die  Fundorte  der  bclangreiclisten  Gcsctzcü texte  aus  der  Uniotiüzdt 
gibt  Fr.  Brandt  Forel.  I  §  1.3  an. 

Seit  dem  Konkordat  von  1277  tlbte,  wiewohl  dasselbe  naclunals  von  der 
Staatsgewalt  rückgangig  gemacht  wurde,  der  Episkopal  die  autonome 
Gesetzgebung  der  norw.  Kirche  aus  (Provinzialslututcn  v.  12Ö0— 1351, 
meist  in  an<ird.  Fa.ssung,  in  NGL.  IIIi.  Unter  den  rcinpersönlichen  Ver- 
bänden mit  weliliclier  KechLsbildung  steht  das  königliche  Dienstgefnlge  (hirä) 
voran.    Von  Königsgesetzen  fUt  die  hird  seit  dem  hl.  Olaf  ist  in  den  Ge- 


NoRWEG.  GesCTZE  V.  Privatarbbitek.    ist.Axu. 


117 


srhifhtsqudkn  die  Rede.  Auch  über  eine  »alte  kiräiini',  d.h.  ein  Rechts- 
buch für  die  hird  aus  der  Zeit  des  K.  Sverrir  et\fa,  fallen  mehrf:i<'Iic  An- 
<1eutungi'n.  Sie  ist  wie  alle  JlUeren  Gesetze  in  ursprünglicher  Gesialt  ver- 
liirt-n.  weil  verdrünirt  durch  die  jüngere  At'räiJtni,  eine  ausführliche  K'<difi- 
k;iti(in  tlvr  hiräl^f^  in  54  Kapiteln,  welctie.  in  1274 — 1277  K.  Magnus 
Häkonarson  erlassen  hat  \N(iL.  [I|.  Die  Weiterbildung  der  hirtllvg  gelangt 
dann  in  etlichen  königlichen  Verordnungen  zum  Ausdruck,  die  man  unter 
deti  rrttarboetr  zu  suchen  hat.  An  Gildestatuten  des  MA.  wt  Koruegen 
noch  armer  als  Schweden.  Der  spezifisch  ncirwcgischen  Statuten  sind  bislang 
Oberhaupt  nur  drei  bekannt,  die  sfimtlich  dan  Westen  des  Laniles  entstam- 
men (zwei,  aus  dem  13.  imd  14.  Jahrh.,  Sorgfalt^  her.  v.  Pappcnhuim 
Aitnonv.  Schulzgiifiesl.  S.  145 — 167,  dann  von  G.  Siorm  in  Ndf^  V  1  1Ö90, 
ein  dritteft.  aus  der  Stadi  Drontheim  c.  1200  herausg.  von  G.  Storm  in 
^rog/tff-hü/ot.  Stiiiiier  tUegn.  Prof.   Unger  iStj"  S,  21S — 220). 

Die  juristische  I'rivatschriftstellerei  zeigt  sich  m  Norwegen  ahnlich 
wie  in  Schweden  erlahmt,  seitdem  der  freie  Vortrag  des  Gcsctzs|)rcchers  »x-r- 
stummt  und  das  Rechtsbuch  dem  Gesetzbuch  gewichen  ist.  Immerhm  fehlt 
CS  auch  jetzt  wenigstens  nicht  an  mancherlei  Formularien  für  mündliche 
Geschäfte,  noch  auch  an  kleineren  Rech tsauf Zeichnungen.  Zu  den  Slieslcn 
Stücken  der  ersteren  Gattung  gchriren  je<lenfalls  die  so  oft  als  Praclitmuster 
poeli-scher  Rechbwprache  zitierten  Frieden sfunnulare  (griäamdl  und  Irygitamäi}, 
welche  sich  vollst.1ndig  nur  in  Island.  Knmpilatinnen  erhallen  haben  {Gräg, 
Cod.  R.  114,  115,  Cott  A.  383,  388  vgl.  mit  Gu!b.  320).  Jüngere  Formulare, 
darunter  sehr  beachtenswerte  prozessuale,  teilt  die  Hss.-Beschreibung  in  NGL. 
IV  mit.  Unter  den  theoretischen  Rechtsschilderungen  (wmon  die  meisten 
ebenda^  mag  ausser  der  schon  S.  114  rrwahntrn  VVcrgi-hllafcl  des  Bjarne 
Mardarson  eine  auf  den  BurgiHcnst  bezügliche  Bearbeitung  des  schwed. 
gardsrstter  (ol>eji  S.  Ii2)  genannt  werden,  welche,  vor  1320  verfasst,  ihren 
Inhalt  unter  dem  Namen  borgara  re'ttr  einem  Kt^nig  Hiknn  zuschreibt  {NGL. 
III  S.  I44ng.i,  ferner  der  in  späten  Hss.  vorkommende  erbrechtlichc  Aufsatz 
eines  geistlichen  Verfassers  (NGL.  [V  S.  431  flg.).  In  einem  gewissen  Sinn 
lassl  sich  auch  der  zweite  und  grössere  Teil  des  unter  dem  Titel  Sftcetihtm 
n^U  bekannten  und  aus  der  ersten  H;Uftc  des  13.  ]ahrhs.  stammenden 
annr»-eg.  Dialogs  (Kapp.  24—70)  der  Rechtsliteratur  einreiben,  indem  er  näm- 
lich auf  eine  anschauliebe  Schildcrimg  der  kilniglichcn  hird  {vgl.  oben),  der 
königlichen  Gewalt  und  ihres  Verh.11tnisses  zur  kirchlichen  ausgeht  (Ausgg. 
V.  Keyscr,  Munch  und  Ungcr  Christ  1Ö48  und  vcm  Brenner,  Münch. 
188!.)  Viel  weiter  ah  steht  schon  um  seiner  leidenschaftÜcha»  Einseitigkeit 
willen  das  sog.  Antfdolon  Svtrreri  (her.  v.  Werlauff  1815),  eine  um  1200 
wahrscheinlich  von  König  Sverrir  selbst  verfas.ste  und  in  den  willkürlichsten 
Paraphrasen  und  Interpretationen  kirchlicher  Quellen  sich  ergebende  anor<l. 
Streitschrift  zu  Gunsten  der  könlgli<-licn  .\llgewalt  gegenüber  dem  Episkopat. 
Ein  anderes  nicht  minder  oft  besprochenes,  diesmal  aber  von  kirchlicher 
Seite  hinterlassen  es  Erinnerungszeichen  der  staatskirchenrcchllichen  Streitig- 
keiten in  Norwegen  gehßrt  in  die  Reihe  der  gefälschten  Rechtsquellen, 
namtich  die  127b  verfertigte  latein.  Urkunde  mit  der  Reichsschenkung  von 
König  Magnus  Erlingsst^n  an  den  hl.  Olaf  und  den  I^vitegicn  dcrsselbcn 
Königs  an  den  Drcmtheimer  Mciropolilanstuhl  \NOi^  1  442 — 444,  Ihftl.  hl. 
Nr.  39). 

%  26.  Aus  norwegischer  Wurzel  erwachsen  und  nach  eberwo  eigenartiger 
ab  selbständiger  Entuickelung  wieder  neuen  Einflüssen  aus  Norw^eii  ver- 
Cdlen   ist  das  Recht   auf  Island.     Um   930  s))   erhielt   der  Freistaat  sein 


ii8 


IX.  Recht.    A.  DekkmXler. 


erstes  forniuiicrtea  Landrci-ht  durch  den  eingewanderten  Xui^cgcr  Ulftjütr 
vun  Lön,  welcher  dabei  hau ptsärh lieh  dem  Vorbilde  der  Gula|>ingsl9g  folgte. 
Von  diesen  •Ui/jöis  l^g*,  worunter  man  sich  nur  die  älteste  Lsland.  I^gtaga 
(vgl.  S,  ioi>  vorstellen  kann,  sind  spärliche  Exzerpte  Iicidnisch -sakra] recht- 
lichen Inhalts  durch  Vermittlung  des  Vaters  der  isiKnd.  Geschichtsschreibung, 
Are  frude,  in  verschiedenen  jilngern  Geschichtsquellen  erhaäten.  Durch  die 
gesetzliche  Einführung  dps  Christeiitumit  i.  J.  idcxj,  wie  durch  eine  Reihe 
anderer  Gesetze  wurde  jener  Grundstock  der  t^gsaga  teils  abgeändert,  teils 
erweitert,  bis  i.  J.  1117  ein  Alllhingsbeachluss  den  gode  Haflide  Mürsson 
mit  der  Aufgabe  betntute-,  das  Landrerht  mit  geeigneten  Verbesserungen  *7.\i 
Buch  schreiben^  zu  lassen.  Im  Winter  11 17  auf  18  wurtäe  dies  Werk  nach 
den  Angaben  des  Gesetzsprechers  Berg|iörr  Hrafnsson  und  »anderer 
kundiger  Männer*  vallbracht  und  das  nächste  Allthing  erhob  es  zum  Gesetz. 
Diese  •flti/hdaskrä'  schloss  sich  in  der  Einteilung  wesentlich  der  lygsaga  an, 
und  als  einer  ihrer  Abschnitte  wird  uns  namentlich  t^i^siöite  (•■die  Folgen  der 
Schlägerei')  bezeichnet.  Der  »Abschnitt  vom  Christen  recht  <>  —  Krislitina  laga 
iSrtV//-  — jedoch  wurde  erst  in  1 122 — 113-  -gesetzt  und  geschrirbein.  In  ihrer 
ursprünglichen  Gestalt  sind  diese  Gesetze  niclit  auf  unsere  Tage  gekonunen. 
Wohl  aber  machen  sie  mit  einem  Zehntgesetz  von  icjg<>  den  Kern  jener 
kompUatoristhen  Kccbisiiuf Zeichnungen  aus  den  letzten  Zeiten  des  Frei- 
Btaates  und  den  cniten  Jahren  der  Königs  he  rrschaft  aus,  denen  die  gelehrte 
Geschichtskonstruktion  um  i(k»  den  Kamen  des  hiillimythischen  Gesetz- 
buches von  K.  Magnus  dem  Guten  (üben  S.  113}.  der  Gr<if(<is,  beigelegt  hat. 
Behalten  wir  diesen  nun  einmal  Üblichen  Namen  in  Ermangelung  eines 
quellenmassigcn  bei,  so  dürfen  «ir  doch  darüber  nicht  vergessen,  dass  wir  es 
keineswegs  etwa  bloss  mit  Rezensionen  eines  und  des  nämlichen  Werkes, 
sondern  mit  verschiedenen,  von  einander  unabhängigen  Samuiclarbcitcn  zu 
thun  haben,  drreJt  gegenseitige  Beziehungen  nur  auf  der  GemeJnschaft  ihrer 
Materialien  berulien.  Es  bestanden  aber  diese  Materialien,  vor  Allem  aus 
den  Reihts vortragen,  welche  über  den  schon  genannten  Texten  und  den 
spater  hinzngckr>mrtienc'n  Novellen  (nynuHr)  erwachsen  waren,  weiterhin  aus 
Einzelcnlschcidungen  (Guiachten)  vi*n  Gesetzsprecheni,  partikularen  Behebun- 
gen, Formukiren.  Auch  norwegische  Quellen  haben  sich  die  Sammler  zu 
Nutze  gemacht,  so  z.  B.  die  S.  11?  crwalmten  Fricdcnsfunnclu  und  das 
Kftere  saktal  der  Frostb.  (vgl.  S.  114),  das  Weistum  von  10B3  (oben  S.  113). 
2wei  Kompibllonen  sind  es,  welclie  diese  aus  sehr  vcrschicilcncn  Zeiten 
stammenden  Aufzeichnungen  verhültnismassig  am  vf>llstiindigsten  vereinigen: 
die  in  der  -ikonun^bökt.  (K.)  oder  dem  *fW.  regius-^  (zu  Knpenhagen)  aus  den 
Jaliren  1258 — 12Ö0  und  die  in  der  AmamagncanUihen  SlattarhiHsbök  (St.)  aus 
1262 — 1271.  Beide  folgen  in  ihrer  Anlage  dem  Grundpian  der  Iggsaga.  ohne 
doch  ganz  gleichm.lssig  deren  sämtliche  Abschnitte  zu  enthalten,  wie  z.  B.  die 
St.  ausser  der  Wergeid ordnung  auch  die  zu  ihrer  Zeit  obsoleten  staatsrecht- 
lichen Abschnilte  fiirllassl.  Hi'ichst  ungleich  aber  ist  die  Reihenfolge,  in  tler 
K.  und  St.  ihre  gemeinsamen  Maten;ilien  vorbringen.  Die  K.  ist  mehr  Ent- 
wurf und  führt  uns  als  solcher  immittelbar  in  die  Werkst^tte  des  Kompikitors, 
dem  wir  zusehen,  wie  er  beim  Abschreiben  seiner  Haupttexte  die  Bestand- 
teile aus  Nebentexten  vorläufig  notiert,  welche  die  beabsichtigte  Überarbeitimg 
in  extenso  aufnehmen  soll.  Die  St.  dagegen  ist  mehr  ausgeführte  und  syste- 
malis*her  angeordnete  Kompilation.  Sorgfältiger  gibt  sie  auch  durch  ihre 
Alarginal zeichen  die  Stellen  an,  wo  ein  ^mtiuHr"  beginnt.  Bei  aller  Ver- 
schiedt-nheit  jedoch  stimmen  K.  und  St,  in  Bezug  auf  AtLsführlichkeit,  insbe- 
sondere  eine   auf   die  Spitze  getriebene  Kasuistik,  uberein.     Ijlsst  sicli  nun 


ISL.XNDtSCnE. 


IIQ 


nkJu  bcztt-cifcln,  tlass  diese  Eigenschaften  schon  die  Vorlagen  der  Koinpila- 
torcn  charakterisierten,  so  kann  doch  andererseits  nicht  angenommen  werden, 
daas  jemals  in  dieser  ganzen  Weitläufigkat  der  Inhalt  der  Gragäs  mündlich 
sei  votTgctragcn  wnnlen,  am  wenigsten,  dass  er  in  der  Hauptsache  schon  in 
der  Haflidiiskrd  wj  vurliandcn  gewtscn.  Zu  deutlich  vielmehr  verrat  sich  die 
langsam  fortlwucnflc  Arbeit  cicr  Jahrhunderte  uml  der  IJtenitur.  Die  Kom- 
pilationen v»jn  K.  und  Sl  waren  denn  auch  weder  die  ersten  Werke  in  ihrer 
Art,  noch  sind  sie  die  letzten  geblieben.  Von  Sitercn  Sammlungen  bis  Ober 
I2O0  zurück  besitzen  wir  Bruchstücke.  Von  einer  anderen  liegt  das  Strand- 
recht  (nkapättri  vollständig  vor  (in  der  pingeymbok).  Und  dieser  SamtrUung 
nahe  scheint  <iie  gestanden  zu  sein,  woraus  die  Jünsbök  geschöpft  hat  (s. 
unten).  Ganz  be^mdcrs  oft  wurden  aber  das  Christenrcclit  und  das  Zehnt- 
redit  in  jener  kompiIatori.srhen  Weise  fortgebildet,  wozu  dann  noch  mitunter 
Anhange  aus  weltlichen  Bestandteilen  der  »Griigäs^  traten,  die  sich  doch 
wctlcr  in  K.  noch  in  St.  finden  iHauptbcisp.  die  ß^lgstiaisbök).  Auch  die 
l^nigäsexzerpte  von  c.  ifxx)  in  AM.  125  A  4°  stammen  aus  einer  von  K, 
und  Sl  verschietlenen  Vnrlage.  Buchstüblic]»  genaue  Drucke  aller  eiiizelnea 
Texte  gicbt  V.  F  i  n  s  e  n :  i  >  Gr/j^tis  . .  .  tiä^.  efter  det  kong.  RibiiotheJci  Haanä- 
sirift .  .  ,  Jor  tief  mrd.  Lir  Sam/anit  lorsie  De/ {Tcxi)  2  Bde.  1852;  2)  Grägiis, 
tfitr  dtt  Amam.  Haandskr.  .  . .  Siodarkölshök  1870,  3)  Grdgäs,  S/ykktr  clc. 
1883  (Cirierart  die-ser  drei  Editionen :  *GrÄg.  I  a,  b,  U,  III'},  —  die  Texie  des 
ZehnlgeseUes  Jon  Sigurds.son  im  Diphmaiarium  Isiandüum  I  Nr.  22.  An 
Rechtslextcn,  die  nicht  in  die  Gräg/is  flbergegai^en,  i.st  der  Quellennachlas* 
der  freistaatlichen  Zeit  begreiflicherweise  arm.  Es  sind  nur  kleinere  Stücke 
wie  das  Fasieugcbot  imd  das  POnitentialbQchIcin  des  Bischofs  tor* 
lakr  t*örhallsson  c.  1178  {Di/tl.  hi.  I  Nr.  42,  43)  und  die  Strandord- 
nung des  Siemundr  Ormsson  fOr  den  HomafjiprVJr  c.  1245  (a.  a.  O.  Nr. 
137).  Formulare  für  mündliche  Geschäfte  haben  sich  ausserhalb  der  Gn'tgüs 
ni^ch  in  verscJiitxlencn  S^gur,  wie  z,  B.  der  Njäla,  der  Heiilar\'ig:a  s.  erhalten. 
Der  Beginn  der  norwegischen  Herrschaft  über  Island  wurde  zu  gesetzHch- 
fonoeUcm  Ausdruck  gebracht  durch  die  Urkundcii,  worin  sich  i,  J.  1262  die 
Nord-  imd  SüdLlnrler  dem  König  Häkon  Häkfinarson  und  seinem  Sohn 
Magnas  unterwarfen  {Dipl.  hl.  I  Nr.  152).  1271 — 1273  geljuigte  siüLkwelse 
da»  erste  norwegische  Gesetzbuch  für  Island  am  Allthing  zur  Annahmt;,  die 
Inach  ihrem  Eiiiband>)  sog.  Jarmida.  In  141  Kapp,  oder  Absätzen  folgt  sie 
matcndl  dem  Grundplan,  den  wir  auch  sonst  in  den  Gesetzbüchern  des  K. 
Magnus  Häkonarson  eingehalten  sehen.  Wie  nachher  im  -gemeinen»  I^ndr. 
ist  auch  hier  schon  das  Christenrecht  nur  noniiiicll  vertreten.  Die  Arbeit  ist 
auch  ganz  die  kompilatorische,  wie  in  den  andern  Gesetzgebungswerken  mit 
gemeinrechtlicher  Tendenz  aus  der  Regierungszeit  jenes  Königs.  Hauptsachlich 
itind  norwcg.  Quellen,  nebenher  auch  islandische,  ausgeschrieben.  Die  Redak- 
tion ist  eine  sehr  eilfertige  un<l  unlianm  mische,  was  mehrfach  auf  Reclmur^ 
der  we<:hsc1nden  Teilnahme  von  Norwegern  uml  Tsläiulcni  an  der  Abfa.ssung 
fällt  ^bester  Druck  nach  der  einzigen  lückenhaften  Hs.,  doch  unter  dem  fal- 
schen, erst  seit  dem  17.  Jalirhundert  aufgekotmnenen  Titel  Hiikonarinik  in 
NGl^  I  S.  259 — 300).  NiTch  K.  Magnus  selbst  nahm  den  Ersatz  der  Jam- 
ada  durch  ein  umsichtiger  gearbeitetes  und  umfassenderes  Ge-setzbuch  in  die 
Hand.  Auch  dieses  ist  Kompilation,  nur  dass  jetzt  das  'gemeine*  Landr.  als 
Mutier  diente.  Als  Quellen  wurden  ausser  die.scm  selbst  benötzt  das  gern. 
Siadtrecht,  insbesondere  dessen  Seerecht,  dann  die  Janisida,  die  allere  Gulb., 
endlich  aber  auch  ziemlich  ausgiebig  eine  >Griigäs<,  die  weder  in  K.  noch  in 
St.  vorKegt  (vgl  oben  S.  1 1 8  f.).     Erst  unter  dem  Sohn  und  Nachfolger  v.  K. 


Magnus,  K.  Erik,  wiirde  das  ^neue  Gesetz liuch-^  am  AUthiiig  1281  aiigc- 
noraincn,  iiiuh  schwiL-rigt.'n  Verhandlungen,  die  uns  die  Ama  biskiips  saga 
anschauliirh  beschreibt.  Der  IpgmaÖr  Jon  Einarsson,  der  w-ahrschtiinlich  auch 
an  der  Herstellung  des  Textes  Teil  genommen,  halte  denselben  nach  Island 
gebracht.  Noch  im  MA.  wunle  nach  ihm  das  Gesetzbuch  die  Jönshök  ge- 
nannt (Ausg.  einer  Rezension  auf  Grund  der  vier  ältesten  Hss.  in  X(iL.  IV; 
die  Vulgvita  in  den  früheren  Ausgg.,  worüber  Möbius  Calai.  und  Verzeir.bn, 
s.  V.).  Die  Ji'msb.  hat  in  cumplexu  bis  heute  ihre  Gihigkeit  bchaken.  Doch 
trat  -schon  mit  ilirer  Einfülirung  kein  Stillstand  in  der  gesctzlidien  Weiter- 
bildung des  weltliclien  Rei'hts  auf  Island  ein.  Die  Haupiform  dafür  war 
jetzt  die  der  ki'inigl.  r/tliviiU.  welche  unter  vorgängiger  oder  nachtraglicher 
Zustimmung  des  Allthings  in  Kraft  trat  (die  illlern  r^ttarbwtr  1294^1314  in 
AY;i.  IV  S.  341—349,  andere  im  Dipl.  hl.  II,  III  i&BHff.).  Z«Ls.:hen  die 
Jamsida  und  die  Jönsh.  fallt  die  Au.sarbßitung  eines  neuen  -Christenrerhtst 
dun:h  Bischrjf  Arne  von  Skälholt,  wobei  das  norw.  Christenrecht  vini  Erzb, 
Jon  (oben  S.  iib)  zum  Muster  diente,  doch  auch  das  hergebrachte  isländische 
berücksichtigt  wurde.  Im  J.  IJ75  vom  Alltliing  provisorisch  angenommen, 
nachher  aber  von  der  Staatsgewalt  angefociitcn,  scheint  der  kristinr/Hr  Ama 
biskups  nur  durch  die  l'ra.xis  in  Geltung  gekommen  zu  sein  (Ausg.  v.  Storm 
in  NGL.  Vi  189»-),  spätere  bischOfl.  Statuten  im  Dipi.  hl.  II.  IH.  Ebenda 
findet  man  auch  eine  Reihe  von  Formularen  für  die  verschiedenartigsten 
mündlichen  Geschäfte,  das  Einzige  was  an  juristischen  Privatarbeiten  die  is- 
ländische Literatur  des  Spatmittel  alters  darbietet. 

Ausser  Island  sind  es  unter  den  wnord.  Kolonien  nur  noch  die  Fseröer, 
von  deren  Recht  wir  schriftliche  Denkmiller  aus  dem  MA.  haben:  freilich 
erst  königliche  Verordnungen  aus  der  Zeit  nach  der  Einfahnnig  des  non*-. 
»geraeinen-  Landrechts  {NGL.  IV  S.  353  flg.,  III  S.  33 — 40),  wovon  aber 
doch  wenigstens  eine,  das  sog.  sauäatrr//  von  1298,  auf  den  Fa;röcni  selbst 
verfasst  ist. 

B.  RECHTSALTERTÜMER. 

Bcacl>ci[ungen  vor  J.  Grimra  sind  genannt  bcE  Gcnglcr,  GntHJr.  S.  10 — 13, 
Brunncr,  RG.  I  S.  I"  flg..  Dreyer.  Btiträ^e  i.  LH.  dtr  norJ.  Kechtsgt'lahr- 
samt.  i;94  S.  155 — 213.  IlinnizutuKcn:  J.  Ö.  StiffrnllSVik,  Dt  jure  Svrorum 
et  Gcthorum  vetusto  167*. — Seit  J.  Grimm  (oben  S.  53):  Palgravc,  Thi- rw 
tm4  profrrtss  0/  thr  £nff-  i«mmottv<foltk  I,  LI  1831/33.  O.  GOschen  faintvr 
deucD  AiUK.  tlcr  üosUr.  Statuten  1^408.  ]37 — 521,  K.  Fr.  Rösslcr.  l>nt. 
RDrttkmäUr  ans  BShwen  u.  AJ,ihrrn  Bd.  I  l»45  S.  XIII— XXI.  XLV— CD. 
Bd.  H  185z  S.  I-XXXI.  LVI  — XCIX.  Tomaschck.  Dmi.  ^.hl  in  Ösl^r- 
rrkh  im  13.  Jahrh.  185«)  S.  iWi — 1O9,  \',  HasenOhrl.  öttrrreieh.  [^nd^smht 
im  i,i.  und  ! 4.  Jahr h.  186"  S.  3'— 235i  Noordi-'wipr,  Nrdrrdtiilichr  Rr-^^l- 
stiuJhriit^n  1853,  H.  Zncjifl.  .4Uertümrr  rf«  dfu!.  Ri-tfhs  u.  Rrfkts  I  u.  II  i8üo, 
in  [8lJ[  (ül)M  I  K.  Maurer  in  Kril.  Vjschr.  C  Ge*g.  u.  Rw.  II  S.  369  —  2^3), 
0!ieiibrü(;(jcn,  Sltni.  s.  drul.  u.  hAtiv«.  RGi-trhichlf  1 80S,  ders.  ft.-llUrt.  uits 
äsirrr.  PantniJingrn  (in  Wietii-r  Silzghrr.  XI.I  S.  166 — 222),  v.  H  .immerstei  n- 
JLo X  t e n ,  D.  Baräfngim  1 86q,  B a u m  « t .1  r  k ,  UrtUui.  Staatanltertümrr  X 873, 
Ders.  Aus/iiMrl.  Erltiut.  der  Hrrmania  dfs  Tacilus  1876,  GcD|>ter,  Dtttt.  Stadt- 
reckUallerl.  1882.  E.  Rdscnibal,  ßeifr.  t.  driit.  StaJtmhl-ii;ruh.  H.  I  u.  II 
1883,  S.  Müller.  />  middel^eifa-iche  Reffitsbronnen  drr  SfaJ  Ufrfihl,  InMding 
1885  S.  9—331,  Fei.  Dahn.  Druf.  Grwh.  I  S.  162  —  268.  U  S.  418—749.  J. 
Kohler,  BHtr.  z.  gfrman.  Privatrgtiik.  I— III  1ÄS5— 88.  M.  S.  Pools,  Weit- 
frieahe  Stadtrechtcn  I  |888  S.  XIU— CCXXXiV  (in  Wtrk^n  oben  S.  81). 
Gicrkc,  Der  Humor  im  detit.  Keuht  2.  Aufl.  i88(>.  Licbrcchl.  JCur  Votiikunde 
1879  S.  I  — 16,  296 — 305,414 — 436.  V'andcrkindcrc,  Inlrryductttin  ä  t'kiitoirr 
dfs  ittstitutioits  de  Iq  Bel^^ique  ai*  moyen  a^e  fjuiq'au  Iraile  de  lrrJ»n)  1890 
5.  i57ff.,  —  Kcmblc,   Tke  Saxara  m  England  t  Bde.  1849  (deutsch  v.  BratuUft 


1.  Liun):  STAAi'soeBiET. 


I2t 


'*53/4)'  K.  Maurer  in  Krit.  Cbcrschau  d.  deut.  Gcsr.  u.  Rw.  I— III  1853—56 
[lus  Anl«s»  dci  »'orK(!nanmcn  Werks).  R.  Schmid,  Antiquar.  C'/cisar  (hinict  «. 
Au9^.  der  >Ge99.  der  AngeUachMii«  3.  Auß.  1S5S),  Adams,  Lodgc,  Youne  u. 
I.«UKbltn,  Estayi  m  Angto-Sax^n  La-r  1876  (worObcr  K.  Mnurcr  in  KriL 
V)schr.  XrX  S.  '581  — 3«*>);  —  Fl-I.  Dnhn.  IVfstjrot.  Stuäim  1*174:  —  C.  Mol- 
bech,  IndUdHiHg  <tg  Vdttiit  fit  m  Skiidrtng  itf  dfn  j/rrm.  }htrn/.  inifrurtri 
For/afnmg  clc.  (in  Hisl.  Tidsskr.  IV  S.  369—523).  F.  C.  Dahlmano.  Gfsrh. 
f.  tkiirmark  \  184O  S,  12;  — 174,  11  184!  S.  180  — 263,  394 — 370.  III  1843 
S.  3 — 86,  J,  Stern"ttru[),  lianrlng  {Xormannrruf  lA")  1883,  Roscnhcrg, 
JiJontbofrnet  Aandilrf  \\  1880  S.  95  —  155:  —  Strinrhnim,  Svenskn  Foltfts 
Jiistoria  1  1834  S.  4<)0  — f>iq,  J.  J.  Nardslröm.  Bidrag  ttlt  dm  n-rmlea  sam- 
hdlU'fiSrfattningens  Aiil.  I  l8jg.  11  1840  (daxu  ßcrt;ra1k  in  der  Z.sct«-.  Frey 
Up*.  184I  S.  158  — 220>.  G.  O.  H)-ll6R.Cav.illius,  U'dremi  och  U'irdarw  \l 
1868  S.  356 — 412;  —  J.  F.  G.  Schlegel,  Committt.  kisl.  vorder  Gr^gäs-Ausg. 
von  1839  p.  LXX— CXrV.  P.  A.  Munch,  Det  nonke  FoÜa  t/istorü  I  1853 
(deuuch:  D.  nerdgrrm.  J'üiifr  .  ,  .  üb«».  ».  CUumcii  185^},  R,  Kcyser,  Aorget 
Statt-  og  Rth/ar/atning  i  yHddt!alderrH  {E/lerladlt  SJtrißfr  II)  iS^i;  (daxu  K. 
Maurer  in  Kr.  Vj*chr.  X  S.  360—404),  K.  Maurer,  Island  1874.  V.  Finsen, 
OrdrrgistfT  hinter  seiner  Ausg.  der  GrigÄs  1883  (».  oben  S.  1:9).  —  Ausser  den 
hier  rin  fUr  oltemal  genannten  Arbeiten  in  nuT  die  in  §  3  aogcfUbnen  rechuge« 
ichichüidica  Werke  ta  verweisen. 


],  LAKD. 

Liieratur  bei  Rronner  RG.  I  §§  8  —  11,  16,  II  §§  78—81,  Siegel  RG. 
§§  tg.  68.  88.  (>o,  .auch  96.  Schröder  Lehrb.  §§  4,  6.  18,  19.  39.  ji.  Brsndl 
Ford.  II  §§  61.  62.  Dajni:  J.  Grimm.  Dettt.Cremaltertümer  i»43  (Kl.  Sehr.  11). 
Spruncr,  Jfoverns  (Jaur  1831.  v.  Pcucker,  D.  acut.  JCn'egrtrfien  der  Uruitm 
II  S-  346 — 463,  H.  Br>tlgcr,  Diikcsan- u.  0'au;^renu-n  Xirddrutscilands  I — IV 
"875  —  76.  V.  Hascnr.hrl  im  Archiv  f.  ßsterr.  Gesch.  LXXXII  1895  S.  421  — 
502,  X.uftchin  V.  Ehcnprcutli.  ÖUrrr.  Kcü-hsgeich.  I  1895  §§  9.  IJ,  v.  Ricbt- 
iiQrca.  C'ntcrs.  $i.  /rü-s.  A'<r.  T.  II  S.  1  — 145.  511—939.  1138  —  1193,  1201  — 
1310,  III  S.  I — 4'j.  Heck,  /}.  aitfriei.  iierkhlsverfatsung  1894  S.  30 — 34 
123  —  137,  428—431.  V.  Bethraann-Hollwcg.  Ürspr.  drr  lombard.  Städte- 
freiheit  1846  S.  59 — 73,  R.  Schröder  bei  Bciinguier  (»ben  S.  61  n.  r)  S.  i — 36, 
Den.  In  Fesucfar.  für  Weinhold  1896  S.  118—133.  t'hlirz  in  den  MIÖG.  XV 
<|894)  5.  676^684,  Kcuigen.  Cnttrs,  w.  d.  L'rsprtmg  dtr  deitt.  Stadivtr- 
fassung  1895.  Philippj.  Üiir  Vtrfixssgtgfuh,  drr  wrtt/äl.  Biicho/ssttSHtf  1894, 
Pappenheim  in  Krit.  Vjschr.  1892  S.  172  —  218,  v.  Bclow  in  Deut.  Zschr.  f. 
Geschieht«-.  1890  S,  112  — 120.  K.  Schulte  in  Gfllt.  gel.  A.  1891  S.  520—31, 
Fr.  V.  Wyss  in  Z«chr.  f.  ichweix.  R.  I  S.  32 — 118  (auch  in  Alihondlgg.  z.  Gfsch. 
des  schweif.  Off.  R.  1892  S.  3  fr.),  Heuxlcr  ebenda  X  .S.  5  —  35:  —  Slubbx, 
CaMjtttuf.  Hiitarr  I  S.  19.  82— llfl,  Gnei»t,  Engl.  Vrr/Gtsih.  §§  3,  5,  E. 
}Ii)debrand,  Engrhka  StamhälhförhallaHden  Jöre  dm  mtrm.  rräfringrn  1875 
S.  51  T-I  —  ^-  Nielsen,  /lidrag  ti'l  Oplt-tning  om  Sysselinddeling  i Danmark 
1867,  Stemann,  />.  damte  Retihisl.  ^  16,  17,  46.  47,  J.  Stceosirup,  Studier 
tnvr  A'.  laldewart  /ordticg  I  S.  1  —  35,  115  —  148.  188  —  193,  Dcts.  i.  Ilist. 
Tid&^r.  (Kjiibenh.)  1883  S.  519—531,  Ders.  in  Dansltc  Vidcnik.  Sclsk.  Forhandl. 
1896  S.  375—404.  MatEcn,  EorrL  Off.  ^.  I  §  3;  —  Scblyier.  Jnrid.  Af- 
handlift^r  II  S.  38  —  126,  161  —  170.  202.  Tengberg,  Om  dm  dldsta  territ. 
Jndfln.  oih  Eön-alln.  i  Svfrigr  I  1875.  H.  Klldebrand.  Sxfrigft  Afrdrlttd  I 
243 — 360.  365  f.;  —  Munch,  Jiut.  geogr.  BakriveUe  tn-rr  Kong.  Sorge  l 
MtdäeUild^rtH  1849.  K.  Maurer.  öHtathing  in  ErKh  u.  Gruber  lincykl.,  Ders. 
i.  ^l-fslgabe-  fiir  .\mdw  Münch,  1875  S.  boff.  Fr.  Brandt,  Fortl.  U  §$  64, 
65,  A,  Taranger  in  Hist.  Tidssk.  (Krist.)  1887  S.  337— 40I  (da/u  K.  Maurer 
in  Kr.  Vj«.'hr.  XXXI  S.  223—2371,  SiyTfe,  Skandinavien  under  Vnionstidm 
1867,  C.  ( t.  Miiiilnii,  .Vä^tt  blad  ur  de  jlnnd.  Kvntmunalinit.  Mitvrk/ingiAist. 
1883. 

S  2y.  Die  (jermaiien  der  ^cscliichilichen  Zeit  sirnl  sesshalt,  ihre  Reclits- 
verbonde  bedürfen  eines  Landes  innerhalb  bfcständiger  (jrcnzen.  Auch  wenn 
sidi  die  Rechugenoäscnschafl  auf  die  Wanderung  begibt,  gesciücht  es  nur 
um  dnoi  neuen  Boilcn  dieser  Art  auf/usuchcn.  Es  hfln^  mit  ^nz  aus- 
iuhnuwei3cn  Verhaltnissen  zus.immen,    wenn   das   älteste  Gemeinwesen   auf 


122  IX.  Recht.    B.  Altertümer. 


Island  seiner  Natux  imcli  untcrritLirial  ist  (§  52).  AnfajiglK-li  sind  die  Gfr- 
manen  flher  eine  -sehr  beträchtliche  Zahl  von  Staaten  vcrieilt,  welche  meist 
so  klein  sind,  dass  ihre  Bewohner  nur  Teile  von  Staramen  ausranchen.  Oft 
uinfasst  das  Gebiet  eines  si>Icheu  Staat"»  nur  das  Thal  eines  einzigen  kurzen 
Flusses.  Erat  im  weiteren  V'erlauf  der  Geschichte  wird  eine  Mehr^thl  von 
Kleinstaa.ti.Ti  zu  grösseren  Gemeinwesen  vereinigt,  wozu  den  Übcrgau;^  Slaa- 
tejihündnissc,  und  n<M-h  öfter  Realunionen  unter  erobernden  Herrschen!  bil- 
den. Auch  in  den  Kolonisationsgebieten  wiederholen  sich  dieie  HergJlnge. 
Verliert  ein  Staat  .seine  Unabhängigkeit,  so  wird  er  dtx:h  nicht  sogleich  zum 
blossen  Bezirk  dcsje-nigen  .Staates,  in  welchen  er  eintritt.  Vielmehr  gibt  er 
2unn>chst  nur  bestiiumlc  Funktionen  an  denselben  ab,  behalt  daher  auch 
seine  ursprüngliclie  Jius-sere  Gestalt  bei.  Und  das  so  begründete  Verhältnis 
pflegt  mehrere  Jahrhunderte  fortzudauern.  Der  germanische  Grossstaat  ist 
gewöhnlich  ein  zusammengesetzter  Staat  Das  germanische  Staatsgebiet  heii^t 
/(?«(/,  und  wenn  es  unter  einem  Herrsclier  steht,  nii  [got.  reiiii,  ags.  rUt 
u.  s.  w.)  ^  Machigebict,  •Reicli',  gegenteils  —  wenigstens  im  skandinav. 
Sprachkreis  —  ein  fo^kland  oder  fylke  =  Volk-sgcbieU  Über  »Mark*  S  33. 
Von  den  andern  Landern  seines  Gleichen  wird  das  Land  und  zwar  auch 
das  »Reich«  untersiliicdcn  durch  Nennung  seiner  Bewohner,  seltener  durdi 
Angabe  geographischer  Merkmale,  und  erst  im  M.\,  zuweilen  durch  Angabe 
des  Ortes,  von  wo  aus  es  beherrscht  wird. 

§  28.  Erfn^rdeni  es  Raum  und  VerkehrsverhJlltni.sse  des  >Landcsc,  so  wird 
CS  in  Bezirke  geteilt  zu  Zwecken  der  ordentlichen  Rechtspflege,  der  Heeres- 
und Polizei-,  in  jüngeren  Zeiten  auch  der  Finanz-  und  kirchlichen  Verwal- 
tung. Der  german.  Kleinstaat  kennt  in  der  Regel  nur  Eine  tiattung  von 
Bezirken.  Diese  erscheint  bei  Deutschen  und  Sknndinaven  in  der  Zeit  der 
Rechtsdenkmaler  als  »Hundertschaft-  —  himdim  {-jX-axw.  kunlari .  asw./iw«- 
dariy  lat.  von  den  Franken  durch  fcnlena  übersetzt,  daher  mhd.  z€nl\  ursprClng- 
lich  wiihl  für  eine  nicht  als  Zahl  von  icx)  oder  130,  sondern  als  »Menge« 
zu  denkende  V«  »Iksabtcilung,  die  einen  rein  persönlichen  Verband,  ein  Hee- 
re-« kontin  gtmt  und  eine  Gerich tsvcpjam ml ung  ausmachte,  nachher  erst  —  als 
Wohnplatz  dieses  Verbandes  —  räumlicher  Begriff.  Dasselbe  gilt  von  dem 
in  den  drei  .skandinavi.*M'hen  Hauptlandem  der  Hundertschaft  entspreche ndca 
herap,  wogegen  das  erst  seit  /Elfred  d.  Gr.  als  Bezirk  vorkommende  ags. 
hundnd  den  Quellen  nach  ursprünglich  luid  teilweise  bis  in  die  noriuanni^ 
s<"he  Zeit  eine  Rmlenrtüchc  von  c.  120  Hufen  be<ieutetc.  Im  danischen  Ge- 
biet Kordenglands  entspricht  deni  liundrett  das  n-ir/icugtttre  (witpentae)  = 
>Bczirk  der  W'jd'fenbcrülirung*,  (so  wegen  der  Fonn  der  DingbeschltLsse  ge- 
nannt). Sjieziftsch  deutsch  scheint  die  Benennung  hani  {ahd.  fianz)  fflr  die 
Hundertschaft,  nur  friesisch  in  der  glcielien  Bctleutung  bifang  (später  auch 
ban  oder  omhethlX  unskandinavisch  wenigstens  die  in  Deutschland  eine  so 
grosse  Rolle  spielende  Benennung  '(iau"  {%<A.  fiawi,  ahd.  ;^f7c/.  africs.  ^ti,  ^, 
as.  g6  u.  s.  w.  von  bis  jetzt  nicht  emiitteltcr  (irumlbedeutung).  So  oft  aber 
die  letzlere  aucii  vorkoniint.  sie  ist  doch  —  ausser  in  Sachsen  —  nie  ein 
fesler  Rechtstenuiiius  geworden,  bezieht  sich  vielmehr  stets  und  v<ir  allem  auf 
einen  geographischen  Begriff,  kann  daher  nicht  nur  die  Hundertschaft,  son- 
dern auch  den  aus  mehreren  Hundeilscliaften  zusammengesetzten  Mittelbe- 
zirk (s.  §  20)  und  eben  .sowohl  eint:  Gegend  beileuten.  die  g;Hr  kein  Bezirk 
ist.  Andererseils  wird  in  Norwegen  die  Hundertschaft  zuweiten  als  ein  Bruch- 
teil (Drittel,  Viertel,  Seclislel,  Achtel)  des  Volklandes  bcuajint  Dass  eine 
Hundertschaft  als  s<i|che  in  kleinere  Distrikte  zerlegt  wird,  findet  sich  bei 
Südgermanen  selten,  häufiger  hei  den  Skandinaven,    insbesondere  in  Schwe- 


1.  Land:  Bezirke. 


"3 


<len,  wo  dann  der  Distrikt  als  Bruchteil  der  Hundertschaft  bezeichnet  vrird. 
Künstlicher  üIü  die  Einteilung  des  Landes  in  Hundertschaften  und  nur  ku 
/Iwrcken  <Icr  Scf-wchr  wie  nur  an  KOstrnstrirhcn  dunhgcffthrt  i^t  die  Kin- 
teilunjr  in  Schiffsbezirke,  welche  in  den  drei  skantiina\isthcn  Hauplreichen 
und  seit  der  J.Hälfte  des  Eo.Jahrlis.  auch  in  England  vorkonunt  Das  Aus- 
rüsten, Erhalten  und  Bemannen  der  Kriegsschiffe  ist  auf  diese  Bezirke  um- 
gelegt. Der  Name  für  einen  solchen  ist  in  Schweden  skipla^  (_»dcr  skifti<rghi 
(s=  Schiffsgenossenschafi).  in  Dänemark  xJct/>trn  (=  Anordnung.  Küslung>,  in 
Norwegen  skipreida  (=  Schiffsrhedcj  oder  ski/tsysia  (s*  Schiffsdienst),  in  Eng- 
land sitpxörn  oder  skip/vfifd  (=  Schiffsmannschaft).  Der  Schiffsbezirk  fallt  in 
Norwegen  und  in  S<:hwc<len  regelma.s.-ig  mit  der  HunderlÄ-haft  räumlich  zu- 
«ammm,  so  dass  dlei^e  vrm  jenem  geradezu  den  Namen  annimmt.  In  Däne- 
maik  dagegen  kann  er  ebensowohl  einen  Teil  der  Hundertschaft  oder  einen 
Verein  von  Hundertschaften  nie  eine  einzige  Hundertschaft  ausmachen.  In 
England  endlich  scheint  er  der  Reget  nach  drei  Hundertschaften  nmfasst  zu 
haben.  Rflumüclie  Untoralrtcilungen  des  Schiffsbezirks  entstehen  in  den 
tnordischen  Staaten  dadtirrh,  dass  die  Stellung  der  Ruderer  und  Seekrieger 
den  Grundbesitz  umgelegt  wird.  Ar  (m.  =  Ruder)  oder  har  (=  Ruder- 
"l  heisst  ein  solcher  Distrikt  in  Schweden.  Art/««  (=  Manntplal/.)  im  ganzen 
i»slnord.  Gebiet.  Die  bisher  genannten  Bezirke  dienen  in  der  alteren  Zeit 
der  vom  Volke  selbst  ausgehenden  und  von  ihm  in  seinen  Versammln ngen 
—  ping  oder  *mapui  —  oder  dwli  von  seinen  Beamten  —  dem  taciteisdicn 
priHfeps,  dem  ifürapa  Beda'ä,  dem  salfrank.  'thuakin^,  dem  ags.  himdndts 
foMor.  dem  norwcg.  htrser,  dcjn  .schwcd.  baraps  hefpingi,  dem  goL  bunda' 
fiips  (?)  —  ausgeübten  Verwaltung.  SpJlter  geht  diese  in  der  Hauptsache  auf 
den  Herrscher  Ober,  so  dass  der  Volksbeainle  im  Bezirke  durch  einen  könig- 
lichen Diener,  wie  z.  B.  der  tliunkin  durch  den  hnnno  ivgl.  Bd.  I  47.1,  381, 
tenttnarim^  wovon  mhd.  uniemtre,  zeatgreiTv)  oder  »Schuhhcissen»  {ahd.  skult- 
heizo,  mnd.  skttithele.  fries.  skrltatn,  auch  fnimt  =  Hcrrciidiencrl.  der  Iierser 
in  Nor«'egen  duri'h  den  Itiidrtnaär,  in  Dänemark  durch  den  umbuzman  oder 
fogbfi  ersetzt  wird. 

^  2g.  Zu  gemeinsamer  Ausübung  ihrer  Funktionen  können  mehrere  Htm- 
dertschaften  in  einen  Verein  treten.  Von  einem  solchen  Verein  muss  unter- 
schictlen  werden  der  Mittclbczirk,  welcher  sich  zwischen  Land  und  Hun- 
dertschaft einsi-hiebt,  wenn  auch  seine  Grenzen  allenhngs  mit  Ihmdertschafts- 
grenzen  zusammenfallen.  Nur  In  wL-nigen  Landern  dient  er  der  Selbstver- 
waltung, so  2.  B.  der  gritUlnd.  pripiu»ger.  Regelmässig  ist  vielmehr  der 
Miltelbczirk  Amtssprengel  für  einen  Diener  des  Herrschers  und  s^lion  dess- 
halb  jungem  Ursprungs  als  die  Hurdertichaft  Die-ses  ist  am  deutlichsten 
erkennbar  bei  der  Grafschaft  (graßa.  tomiiaim)  der  fränkischen  Reichsver- 
fassung. Sic  ist  .sog:u-  nach  dem  königlichen  Statthalter,  dem  'Grafcm  (frank. 
gräfio,  woraus  mnd,  grrvf,  fries.  gravi,  danelien  ahd.  grÖTo  woraus  mhd.  griive), 
iL  L  dem  -BefehLshalwr-,  benannt,  auf  den  die  Kanzleisprache  den  Titel  des 
rfimisrhcn  Bezirkskommandanien  (comfn)  übertragen  hat  Sein  Amtsbezirk 
ist  eben  die  Grafschaft.  Erst  im  MA.  wird  sie  als  >Gau<  (s.  S.  122)  bezeich- 
net En*t  jetzt  hr»rt  (z.B.  in  Sachsen)  die  Hundertschaft  auf.  der  urdentlichc 
Gerifhtssprengel  des  Grafen   zu  sein,   und  wird   die  Grafschaft   einheitlicher 


'  Hvl.  bftkl  ihMMgtma  bald  thutninus,  was  auf  lkun*-mHS  ftlbn.  Vor  andern  Er* 
Ulnmgm  onpAcbit  lidi  ol«  die  wenigst  gcwalu&me.  *tAuni-tna  von  'ihuHiJQn  febxuleitcm: 
'tkumima  wir«  dann  =  Abhalter  des  'thunc  (mbd.  Juni\.  was  in  den  latciniKhco  Quellen 
doieh  thun>hinrunt  latiniiirt  und  durch  placitum  buchstäblicb  Ubenctct  iat.  Vgl.  §  83. 
Aadcre?  Meinung  K4j[cl  in  HbB.  XVI  513. 


124  ^-  Recht.     K  Ali'EktCmer. 


Bezirk  des  Grafengerirhts  nder  echten  Dings.  Aber  auch  die  ags.  sfir  (fomi' 
talas,  provimia)  mit  eigener  Gem-htsvcrsaniralung  (folfgemöf,  scirgrmil)  ist  Amts- 
bezirk des  königlirhen  Statthatw^rs  {(aUonnaii ,  —  dttx,  mhn^tts,  comes\  und 
Seines  GfhiUeii,  ilrs  ^Div-irkssciianiifislers«  {sdrfi(re/a.  uinnnn,  —  vic^romcs), 
und  wiederum  whnn  diinli  ihren  Namen  aU  Amtwprengel  kennzeichnet  sich 
die  norwegisclie  und  westdSnische  sys/a  fsyisei).  HJemit  gar  wähl  vereinbar 
ist.  dass  raumlich  manche  scir  und  manche  sv^tu  sich  mit  einem  chemala 
selbstiliidigen  J^ind':  deckte.  Vereinigimgcn  von  Miticlbezirken  der  hier  l>c- 
schriebenen  Art  uiiler  einem  und  dem  nSmHchen  Beamten  und  unter  dein 
Namen  »Markgraföchaften-  ^Militilrgrenzen)  spielen  in  der  deutschen  V'crf;issung 
seit  Karl  d.  Gr.  eine  wichtig*,-  Rolle.  Andererseits  hat  die  englische  Bezirks- 
verfassung in  cinigvn  Gegenden  zwisclicn  das  hunJrdi  und  die  scir  \\kk\\  einen 
Bezirk  eingeschoben,  \iie  die  (hriding  in  Ynrkshire  und  Lincolnshtre,  den  Ud 
(taih^i  in  Ken»,  den  rd/«-  in  Sussex,  von  denen  aber  nur  die  beiden  erstoren 
der  RcchLspficge  dienten. 

In  dem  Mass,  als  die  in  §§  47,  49,  51  zu  schildernde  Feudalisieiung  des 
Staat:i  ciTireisst,  verlieren  Mittelbe^irke  wie  Hundertschaften  ihre  Gcschlusscn- 
heit,  ja  überhaupt  ihre  Bedeutung  als  Bezirke.  Sie  werden  zuerst  von  ejd- 
mierten  Gebieten  durchbrochen;  was  daim  von  ihnen  übrigbleibt,  wird  selbst 
zu  neuen  Hcrrscliaften,  auf  welche  die  aUen  von  örtlichen  Merkmalen  ent- 
lehnten N;mien  nicht  inelir  passen,  wesswpgeii  sie  nun  nach  ihren  Inhabern 
cxitT  nach  den  Stammsitzen  tlcrsclbcii  benannt  wertien.  In  Deutschland,  wu 
dieser  Prozess  am  frühesten  eingetreten  und  am  weite^iten  gediehen  ist,  kann 
man  daher  von  einer  vi'5lligen  AufliJsung  der  Bezirke  in  feudale  Herrscliaften 
sjircchen.  In  diesen  erst,  namentlich  in  den  landesherrlichen  Terri- 
torien, i.st  i^  wieder  zu  einer  neuen  und  jr  nach  (jrtiÄse  des  Gebietes,  recht- 
licliem  diarakter  seiner  Bestandteile,  Gewalten  seines  Beherrschers,  eigen- 
artigen Eintcihmg  in  Verwjiltuiigssprengel  (Landgerichte,  Vugteien,  Ämter) 
gekommen.  Zusammengesetzt  aus  fertigen  JIerrs«;haftsgebicten,  daher  geo- 
graphischer KtidicLt  principiell  unbedOrftig  sind  in  Deutschland  die  ^Kreisei, 
deren  Kinführung  im  SpHtmittelailer  mi-hnnals  versucht,  aber  erst  am  Beginn 
der  Neuheit  gelungen  ist,  und  die  in  den  voraufgehenden  Landfriedens- 
bündni-ssen   von  Studien  und  Fürsten  Dir  Vorbild  hatten. 

Andererseits  beginnt  im  Frühmittelalter  die  dauernde  Vereinigimg  der  skan- 
dinavischen »Ländern  zu  grösseren,  zusammengesetzten  Staaten  (Reichen  vgl. 
oben  §27).  Eine  Z wisch enbildung  liegt  in  den  norwcgi.-ichcn  Thingver- 
bSnden  vor,  welclic  in  der  schwedischen  Landschaft  Upland  und  wühl  atich 
im  d;in.jütiand  ihr  Seitenstiick  haben:  Eine  Anzahl  uml  zwar  zuerst  nur  eine 
kleine  Grupjie  von  \*ulklaiiden  tritt,  dem  Anschein  nach  unter  wesentlicher 
Einwirkung  des  Königtums,  zu  einer  Art  Dundcsst.iat  mit  einer  g:esetzgebenden 
und  richtenden  Zentnilirewalt  zusanuneii,  welche  von  einer  zu  gesetzlicher 
Zeit  und  :mi  gesetzlichen  r)rt  stattfindemlen  Thingversammlung  (in  Norwegen 
fyf^ing)  ausgeübt  wird,  ohne  doch  die  ältere  Landsgeraeinde  aJs  Gerichts- 
iind  Kultversammlurg  überfltlssig  zu  machen.  Im  Grossreichc  erhält  dann 
der  Thingvcrbiind  (oben  S.  113)  die  Stellung  einer  autonomen  Provinz.  Seit 
dem  Ausgang  des  i.V  Jalirhs.  verue! faltigen  sich  die  ülteni  (4)  Thing\*erbände 
Nor\^egen<;  durch  Teilung,  da  nun  das  ganze  Keicb  in  Gesetzsprt^-her-Bezirke 
(l^fTiniinsdirmef  eingeteilt  ist,  von  denen  jeder  sein  eigenes  li,igl>ing  erhalt. 

§  30.  Van  den  andern  germanischen  Bezirksverfassungen  prinzipiell  ver- 
schieden war,  wenn  wir  von  den  romanischen  der  goüscli-wandilischen  Reiche 
absehen,  die  langobardische  in  Italien  und  die  isländische.  Über  die  letz- 
tere .s.  §§  5J,  ,ji  a.  E.     Die  langobardische  Bezirksverfassung,  lediglich  auf 


1.  Land:  Bezirke.    Foutzsche  Gemeindek. 


1^5 


* 


tjie  Hierarchie  der  k^nigliihen  Amler  berechncl,  geht  aus  vom  rümischen  ter- 
ritfjrium  Livitatis,  iiitieni  sie  dieses  zum  Amiskreis  des  königlichen  Statthalters 
(</«:v,  futiex  i.  c.  S.)  macht  Daher  heisst  nun  das  tcrriturium  ducaius  oder 
Jttdifaria.  Von  einander  werden  die  Dukaie  xmtcrschicden  durrh  Angabe  der 
itfldte,  wcklic  ihre  Mittelpunklc  und  die  Amtssitze  der  duces  bilden.     Regel- 

jKig  gitMindcrt  von  der  Staithiilterei  ixt  die  Krongut>nrerwaltung  im  Dukat. 
wird  von  einem  ^astald  (auch  comts)  geleitet  Duch  kommt  aucti  Ver- 
waltung des  Dukales  durch  den  Gastaldcn  vor,  und  im  B.  Jahrb.  werden  die 
Funktionen  des  du.x  im  Bereifh  des  Krcmguts  auf  die  Gastalden  Übertragen. 
Im  einen  wie  im  andern  Falle  wird  der  Gastald  zum  judex.  Unterbezirk 
des  Dukates  ist  das  »SchultheissenamU  [skuldmcia.  nämlich  der  Sprengel  der 
richterlichen,  HnanzicUen.  militärischen  und  polizeilichen  Unterinstanz  unter 
dem  (lux,  des  scultihms  (im  ö.  Jahrh.  auch  centenarius  genannt).  Unierete, 
d<K-h  bloss  p*)Iizeitii.he  und  militärische  Instanz  mit  tUumlich  abge^n'enztcm 
Distrikt,  sei  es  Stadtbejurk  (avitiU),  sei  es  landlichem  Ortsbezirk  nüfania),  ist 
der  loiopoiiUis  bezw.  detantis.  Im  königlichen  Forst  Uaitiis)  entspricht  dem 
dccanus  der  laitaritis.  Xiclit  mit  den  vorhin  cru'Shntcn  duces  im  langobard. 
Reich  von  Pana  dürfen  verwechselt  werden  die  liuns  von  Beneven i  und 
Spolet'i,  welche  die  Stellung  von  UnlerkOnigen  einnehmen  wie  der  alaman- 
ntsclte,  baicrische,  thüringische  dux  unter  den  fränkischen  Obcrkünigcn.  Ihre 
Reiche  (i/urttfHS)  sind  in  Siiidtbezirkc  {tirtiones.  ar/tis)  oder  in  Verwahungen 
igastatdatus)  eingeteilt,  deren  vom  Herwig;  ernannte  Vorsteher  die  Funktionen 
des  Schulihd.*«en  nnt  denen  des  Ga.sialden  vereinigen. 

S  31.  Die  An  Siedlung  «xlcr  der  Wtjlmort  (got  haims,  zx\.  hrimr.  ahd. 
heim  u.  8.  f.  —  skand.  öfter  hy^d\  als  solcher  hat  in  der  Jlltem  Zeit  der  ger- 
nuuüschen  Rechte  keinerlei  politische  Bedeutung,  gleich\iel  ob  F.inzelhof  (nord. 
M  oder  ^rdr,  —  mhd.  einöle,  tinade,  —  ahd.  sedalf)  oder  Dorf  (an.  ags.  as. 
porp,  äfr3nk.  ihurp,  ahd.  darf,  dafür  auch  aschw,  hvr,  adan.  in',  wn.  bdr  und 
ags,  /«'«.  nd.  xvie,  got  reihs).  Einen  slaalsredillich  administrativen  Ortsbezirk 
hat  die  langob.  Verfassung  in  Italien  in  der  decama  bezw.  eivifas  (s.  §  30) 
geschaffen.  Aber  erst  im  MA.  kommt  die  politische  Gemeinde  zur  Aus- 
bildung, und  zwar  hauplsadilich  in  Fonn  der  Stadt  Die  GrundzQgc  ilvrer 
£nL<itchungsgesrhichte  sind  in  der  ganzen  germanischen  Welt  die  nämlichen. 
Daher  konnte  auch  in  seiner  Fortenlwickelung  das  uordisclie  Stadtewesen 
durch  dus  in  Deutschland  un<l  F.ngland  gegebene  Mu.ster  bestimmt  werden. 
Überall  geht  die  Stadt  aus  dem  Markt  her\'or.  Unwesentürh  dagegen,  wenn 
aueli,  immenilich  in  DeutscliLund,  sehr  häufig  i.sl,  dass  der  Markt  den  Wohn- 
platz einer  Landgemeinde  bildet.  Handelsplätze  wurdeji  sicher  schon  in  alte- 
■n  Zeiten  unter  einen  erhuliien  strafrechtlichen  Schutz,  den  Marktfrieden, 

teilt,  der,  von  Haus  aus  erweiterter  Kultfricdc  wie  z.  B.  beim  asw.  dtsa- 
'JdMg,  s-jiSter  ein  .\usnuss  des  den  Kultfrieden  surrogierenden  KOnigsfriedens, 
s>igar  Ober  dem  Fremden  waltete.  Dem  Friedensbe wahrer,  d.  1.  in  jüngerer 
Zeit  dem  Herrscher,  konnte  ein  Zoll  gebühren.  So  wurde  der  Markt  zur 
Zolbttatte,  seine  Anlage  und  sein  Schulz  eine  Finanzquelle  und  Vorrecht  des 
Herrschers.  Uraltes  Bcfriwlungszeichcn,  daher  auch  Wahrzeichen  der  befrie- 
deten Ilanricisst.'ltte  ist  der  aufgesteckte  .Strohbund  (ahd.  ivi/n,  mnd.  jvip  — 
oder  stoup.  ags.  sce'a/),  wie  ja  angeheftete  Strohwische  auch  die  zu  Markt  ge- 
führten Waarcn  von  jeher  und  marktfeile  Pferde  (Berth.  II  S.  187)  noch  heute 
kennzeichnen.  In  christlicher  Zeit  tritt  un  die  Stelle  des  Siri'ihbundc*s  oftmals 
das  Rretiz  (Marktkreuz,  9^  ^ Anas  =  Friedenskreuz),  an  Jessen  Ann  mit- 
tmtcr  noch  das  Symbol  der  herrschaftlichen  Verleihung  des  Marktrechts,  der 
Handschuh  oder  eine  hOlzeme  Hand  hangt    Genauer  nocli   als  das  Markt- 


126  IX.  Recht.     B.  Altertümer. 


kreuz  bringt  die  Miirktfaline  den  künigUcheii  Frieden  zum  Ausdruck,  wcss- 
wegen  sie  oft  neben  dem  Kreuz,  freilich  nur  temjiorär,  vorkommt.  Im  Nor- 
den pflegte  man  in  frühester  Zeit  zu  Handelsplatzen  Inseln  auszusuchen: 
bjarkey  war  ursprünglich  der  Narae  für  jeden  derdrtigcn  Ort ;  aber  auch  auf  die 
auf  festem  LandL'  gelegene  Handpls-tt;!!!?  {kaupatigr)  konnte  dersellw  Übertragen 
wertlen.  Sn  tiaben  die  Angelsachsen  den  Namen  pvrs  auf  jeden  Handels^ 
platz  angewandt.  Bjarkcvjar  re'iir  wn.,  bürrkiki  rttler  asw.,  bitfrktnel  adSn., 
(oben  S.  106,  111,1 15)  und  ivkbelrde  nd.,  xvkhbüde  obd.  (vgl.  oben  S.  57,  79, 94) 
heisst  das  Sonderrecht,  welches  im  Handclsort  gilt.  Wirtscliaftliche  BcdOrf- 
nJsse  rufpn  es  hervor.  Befünk*rt  aber  wird  es  dumh  die  Erhebung  des 
Handelsortes  zum  staatüdifti  GeridiL'ibczLrk.  Auf  solche  Weise  wird  das 
Marktgebiet  zu  einem  Ausschnitt  aus  der  Hundertsrhafi  oder  Grafschaft,  — 
daher  jetzt  im  Norden  Gegensatz  zwischen  hiir  oder  knufningr  einer-  und 
hrraä  andererseits,  zwischen  bypiug  und  herads  ping.  Nun  wird  die  AnsicdJung 
mit  eigenen  Verteidigungsanlagen  bewehrt,  an  die  Stelle  des  Dorfzaunes  {tun 
ags.)  treten  Pfahlwerk  oder  Mauer,  Wall  und  Graben.  D.  h.  der  Markt  wird 
zum  geschlossenen  Militär-  und  folgeweise  auch  Polizei  bezirk,  wie  er  ge- 
schlossener ücrichlsbezirk  ist.  Damit  ist  der  Begriff  der  Stadt  gegeben,  der 
auch  bei  künstlicher  Gründung  einer  »Stadt«  festgehalten  wird.  In  der  tech- 
nischen Benennung  der  Stadt  und  ilirer  Einrichtungen  ist  dieses  klar  au^e- 
sprochen:  eine  -Buig  heisst  sie  bei  allen  Germanen,  buirgrthr  mhd.,  honh- 
gritft  mnd.  UasUUanm  insbes.  in  Flandern)  der  Stadtgnif  in  Deutschland, 
burkger/fa  der  Vorsieher  der  städtischen  Hundertschaft  in  England,  hmhgemöt 
ihr  Ding  ebenda,  burebann  ihr  Gcrichlsbezirk  in  Deutschland,  wo  auch  der  alte 
Marklfriede  als  bura'riiie  fortlebte.  Durch  das  Zusammenwirken  der  Bewohner 
zu  öffentlichen  Zwecken,  insonderheit  im  Dienst  der  Finanz-  und  MilJtiirver- 
waltung.  etitstcht  die,  seil  dem  \2.  Jahrh.  unter  einem  -Rat';  (ronsnU%}  sich 
or^iLsierende,  politische  Stadlgeraeinde,  besonders  leicht  natürlich,  wenn  zu- 
vor schnn  eine  Landgemeinde  da  war.  In  letzlerem  Falle  hal  die  Stadtver- 
fassung oftmals  auch  Organe  der  Landgemeinde,  wie  z.  B.  in  Deutschfaud 
den  >B.'iuermeister',  übemtimmen.  Als  civisa.%  wird  fortan  diese  Gemeinde  von 
der  riUa  fotrmis  d.  i.  vom  Markt  unterschieden  und  diesem  Gegensatz  ent- 
spricht der  andere  von  civa  (=  burger,  Owjartnetm)  und  vulatii.  Das  be- 
festigte Thor  in  der  Stadimauer  auf  dem  Siegel  der  Stadt  ist  das  Zeichen 
der  Bürger  als  Körperschaft,  Auch  jetzt  noch  ist  der  Marktplatz  der  recht- 
liche wie  der  wirtschaftliche  Mittelpunkt  der  Ansiedlung.  Aber  das  Markt- 
kreuz genügt  nicht  mehr  als  erschöpfendes  Sinnbild  der  Sonderstellung  der 
Stadt  und  ihres  Rechts;  es  wird  {in  Nieder-  und  Millcldeutscliland)  ergänzt 
oder  ersetzt  durch  den  »Roland'.,  d.  h.  das  Standbild  des  gekrönten  oder 
ungekrönten  Inliaber^  der  Huheitsrechte  im  Gemeiiiweseu,  um  deren  Besitz 
sich  alle  weitere  städtische  Vcrfassungsentwickelung  dreht. 

Die  Landgemeinde  (mhd. /jK/j-cÄt//?.  Jorfscha)!,  fries.  Awmr  pl.,  liodgarda, 
ttmetha,  thnentt:  m.)  ist  auf  kontinental  deutschem  Boden  insgemein  erat  tiurch 
die  Grundherrschaft  (§  51)  zum  pdlitischcn  Bezirk  geinaclii  wurden,  zunadist 
zum  Bezirk  für  die  Ausübung  der  grundherrüchen  Obrigkeit,  dann  aber  auch 
mitunter  zum  Sclbstveru-altungsl>ezirk,  sofern  der  Gemeinde  die  Wahl  des 
Dorf  vorstand  es  und  allenfalls  gar  ein  Recht  der  »Einung«  d.  h.  die  Autonomie 
zugestanden  wurde.  In  norddeutschen  und  rheinischen  Landgemeinden  treten 
schon  im  KrühMA.  *  Bauermeister;  mit  sia;Hlsrechtlicliem  Geschaft>kreis  auf. 
Kol Ollis teudiirfem  wurde  oftmals  schi>n  dutcli  Vertrag  zM-iscbcn  den  Ansiedlern 
und  dem  Gnmdherm  ein  weitgeh«ides  Mass  politischer  Selbstverwaltung  zu- 
teil,  «ie   z.    B.   den   flämischen   in  Saclisen    und   in  Siebenbürgen.    \\\  der 


^^ 


1.  Land:  Politisckk  Gemeinden.  Grenzen.  127 

Schweiz  ist  infolge  der  Auflrwung  der  Hundertschaften  in  kleine  Niedcrgc- 
richtsbczirkc  (»niedere  Vogteien*)  oftmals  der  Gwndndebezirk  mit  dein  Öffent- 
lichen Gcrichtsbezirk  zusammengefallen.  In  England  ist  es  das  polizeiliche 
fittrgschAflssvstem  der  spfliags.  Gesetzgebung,  welches  die  grundherrlirhc  I<and- 
gemctnde  (T'/y/(/,  norm.  x'iUata\  zum  Polizei  bezirk  niacliL  In  der  Eigenschaft 
als  Kirchspiel  wurde  tlie  nstnordi^M-tie  Landgemeinde  zur  Erfüllung  Staat- 
lichcr  Aufg;il»en  herangezogen,  indem  der  peri<Kliscli  zu  Verwaltungszft'ecken 
der  Pfarrei  \kirkin  sokn,  soku),  und  zwar  gewöhnlich  auf  dem  Kirchhof  statt- 
findenden Versammlung  der  voI]herei:htigten  Kirchspielgenoivsen  KioknastamNa. 
MfkrMpiMj;.  kirkiust.fmriti]  Funktionen  der  freiwilligen  üerichtsbarkeit,  derWohl- 
fjihnsjiflepe  und  der  Polizei  Qbenragen  wurden.  In  Deutschland  sind  es 
nachweiblich  nicdcrs.lchsischc  Gaue,  wo  das  Kirchspiel  von  den  nämlichen 
Ausgangspunkten  aus  wie  in  Skandinavien  zur  pohtJschcn  Einheit  emporge- 
stiegen und  nun  aber  auch  mit  sehr  viel  metir  enLsrheiilenden  Funktionen 
ausgestattet  worden  ist.  Deutlich  venai  <ttch  der  Entwickelungsgaug  darin, 
da<is  der  Sic^gelbe wahrer,  Gerichtshaltcr,  Exekutivbeamte  und  Polizeiherr  des 
Kircltspiels  in  Dilmar^ichen  und  auf  Fehnu'ni  der  sluUr  yeltttii^er)  uder  Kirchen- 
kümmerer ist.  Durt^*!!  Vermittelung  des  KirchspicLs  ist  dann  in  Ditmarst^iten 
die  Bimersehaft,  welche  hier  einen  Teil  desselben  ausmachte,  Niedergerichbt- 
bezirk  geworden.  Jenen  nieden^ScIistschcn  Kirchspielen  durch  ihre  slaats- 
rechtlichrn  Funktionen  verwandt  sind  <lic  in  einigen  friesischen  Gauen  und 
in  einzelnen  schweizer  .'Mpenl.lndeni,  wie  z.  H.  die  -Kirchganget  in  Obw.i!den. 
Eine  rUmhche  Entwicklung  der  Paroclüe  zu  einer  polilLschen  Sondergemeinde 
hat  sieh  in  grösseren  deutschen  insbesondere  rheinischen  Stildten  schon  im 
FrfihMA.  vollzogen.  Als  pcilitische  Gemeinden,  insofern  eine  Soudervcrwaltung 
von  Polizei  und  Rechtspflege  in  ihrer  Hauptaufgabe  hegt,  haben  sich  während 
des  MA.  aui'h  die  deutschen,  namentlii'b  friesischen  und  nicdersachsischen 
Deich-  und  SielverbJinde  ausgebildet. 

Eine  politische  Gemeinde  eigener  Art  ist  der  isISjid.  hnppr,  ein  geogra- 
phisch abgegrenzter  Bezirk,  nach  Bedarf  in  Unterbezirke  zerlegt,  mit  der 
Aufgabe  der  Annenpflege  und  Versicherung  der  Insassen  auf  Gegenseitigkeit 
nach  dem  Prinzip  der  Selbstverwaltung.  Dass  diese  Eiiuichtung  in  Norwegen 
ihr  Vorbild  gehabt  habe,  ist  wahr<;«'heinlich,  wührend  zweifelhaft  bleibt,  ob 
sie  mit  dem  olK-n  S.  1^4  ermähnten  rape  in  Susse.\  parallelisicrt  werden  darf. 
Andererseits  teilt  tias  isländische  mit  den  andern  wnord.  Kolonialrechten 
die  EtgentOmliclikeit.  dass  es  im  MA.  keine  politische  Ortsj^emeitide  ent- 
vickdt  hat. 

%  5?.  Die  Grenze  (skand.  mitrt,  ags.  ^miht)  rjder  der  =Rand(,  {markii 
^  laL  margö!)  oder  das  «Gewende*  (ahd.  ^'«ww/,  itiin\.  ^wanär,  {.)  <jderdas 
■Ende«  (got  attäeü,  ahd.  ettti  u.  s.  w.),  des  lindes  uml  seiner  Teile  ist  in 
alteren  Zeiten,  wenn  auch  eine  Scheide  (afries.  skat't.  mhd.  Innlseheitie,  ostn. 
skal)  verschiedener  Gebiete,  so  doch  weder  kflnstlich  vermessen,  noch  allemal 
eine  blrisse  Trenmmgslinie.  Staaten,  ja  auch  Bezirke  innerhalb  derselben 
waren  dunh  natürliche  Verkehrshindernisse,  die  meist  neutrale  Zonen  bildeten, 
von  einander  entfernt  gehalteji:  durch  Wildnis  (asw.  poßt  ptiHghreika),  insbe- 
sondere Wald,  weswegen  das  W^ort  für  Grenze  {marka,  im  «ii.  mfrk)  zur 
Bedeutung  von  Wald  gelangte.  Bei  fortschreitender  AiLsJedcIung  erat  ver- 
•chwindet  dieser  neutrale  Streifen,  so  dass  die  Grenze  den  Nachbargehieten 
gemeinschaftlich  —  wn.  ein  möt,  ad.  eine  »Schneide^  (ahd.  sneifia,  ags.  stiäJ. 
mnd.  it/Mf)  oder  eine  «Nahe*  (afries.  sivethe)  »ird.  Aber  auch  jetit  noch 
kann  der  Grenzlauf  der  Festigkeit  entbehren.  Vielfach  nämlich  wird  nicht 
bloss  bei  seiner  eratmaligeu,  soiuiera  bei  seiner  jedtxmaligen  Ermittelung  auf 


138  IX.  Recht.    B.  Altertümer. 

den  Ausgang  von  £reijt;nJssen  abj^estdlt,  die  man  iikht  vOUig  in  seiner  Ge- 
walt liat.  Die  nor*-eg.  ScliilTsrlieden  z.  B.  erstrecken  sich  anfangs  soweit 
landeinwärts,  »als  der  Lachs  geht«.  In  deutschen  Rechten  spielt  eine  analoge 
RoUc,  wie  dort  der  Laclisgang,  der  Fall  eines  S*:hatiens,  das  Rinnen  v*jn 
Wassern  ntlcr  ein  eigens  veransial teter  Lauf  vnn  JM.1unem  oder  auch  von 
Thieren,  das  Fliegen  von  VO^eln,  das  Walzen  einer  Kugel,  eines  Eis,  eines 
SL-hlegels,  Das  Werfen  eines  Hammers,  einer  Axl,  eine*  Speers,  eines  Pflug- 
«sens  war  allgemein  verbreitetes  Mittel  der  Grenzbestimniung.  An  solchen, 
Rcchtsbriluchen  wurde  noch  spat  im  MA.  festgehalten,  nachdem  man  langst 
gelernt  hatte,  die  *S«hneide-  durch  bleibende  Zeichen  keimtlirh  zn  machen. 
Das  Grenzzeichen  (wn.  emiimmk.  ix3.\,\  nuerki,  riß.  ramarkar)  befindet  sich 
meist  nur  an  einem  bestimmten  Punkt  des  Grenzlaufs,  so  dass  nun  dieser 
selbst  durch  eine  Luftlinie  zwischen  den  bezeichneten  Pimkten  gegeben  ist. 
Dazu  kann  dienen  ein  Fels,  ein  Berggipfel,  ein  TiKltenlitigel,  ein  Baum  (mhd. 
mäiboHm,  iäihboiim,  mnd.  auiilbaum)  mit  eingeschnittener  Kerbe  (langob.  snuida, 
mhd.  ///(//(■.  liuhme.  wie  z.  B.  die  dt-mria)  oder  mit  eingeschlagenen  Nflgeln, 
ein  Pfahl,  eine  von  Wissenden  gesetzte  Steingruppc  [3  verschiedene  asw, 
Arten:  nngrilr,  prtnifne,  litrMm,  eine  wn.  das  iyrifti),  in  chrisü.  Zeit  ein 
Holz-  oder  Steinkreuz,  der  Mittelpunkt  eines  Wohnhauses  (in  Niederdeuisch- 
land  oft  der  »Kesselhaken«,  in  Österreich  der  Ofen),  so  dass  die  Grenze  das 
Haus  durchschneidet,  —  wogegen  Inschriften  (in  Deutschland  seit  röm.  Zeit) 
als  Grenzzcichen  immer  selten  bleiben.  Der  Grenzlauf  kann  aber  auch. 
St reck<-n weise  wenigstens,  ununterbrochen  bezeichnet  sein,  was  durch  Rinn- 
sale und  Grüben^  Gebirgsgrate,  getreteiie  Pfade,  gepflügte  Furchen,  aufge- 
worfene Raine  und  Walte  geschieht.  Der  >I^ndgraben-  spielt  als  Landmark 
wahrend  des  MA.  m  ganz  Deutschland  eine  wichtige  Rolle.  In  Verbindung 
mit  dem  Wall  glebl  er  zugleich  eine  »Uandwehr*  ab.  Aber  auch  unter  dem 
Schutz  von  Gottheiten  stamlcn  in  heidnischer  Zeit  die  Grenzen.  Manches 
Grenzzeichen  war  gemeinsame  Kultstfttte  der  NacJibarschaften  oder  doch 
einem  göttlichen  Wesen  geweiht.  Daher  musslc  absichtliches  Verletzen  des 
Grenzzeichens  nach  sakralem  Sirafrerht  ge-sOhnt  werden  (Jj  ^-B)  und  diente 
Kulaiszwecken  wie  dem  Feststellen  imd  Überliefern  der  Grenzen  der  Mark- 
begang  (an.  tnfrkja<(aii_i:a,  ahd.  man/i^ari}^,  marchiciUi.  InnlkiUt.  ags.  pa  ge- 
tturrtt  /ffdan,  vmhgaHg)  oder  Grenzumritt,  der  nicht  bloss  aiLs  Anlass  von 
Besitzeinweisungen  und  Grenzuntersuchungen,  sondern  auch  periodisch  und 
dann  feierlich,  tmter  Beobachtung  eines  Ritu:ds  vorgenommen  wurde  und 
selbst  in  christlicher  Zeit  zuweilen  noch  einen  sakralen  Charakter  bewahrt  hat. 


2.  rjttiTE. 

Uicniiur  bei  Sil-rcI  RG.  %%  17—19.  XL  72.  93—9''.  if">.  I25~'33.  '3*». 
Rrunncr  KG.  I  §§  14.  19—32.  34.  35  und  bei  HolUenei.  %%  8,  14,  19,  ScbrOdcr 
Lchrb.  §§  y,  :b.  25  (S.  179  Nod;  99).  29.  3S  l^-  2f"0— 2(^5*-  A^>  45-  4*'.  5» 
(S.  595  N'otc  101),  Rosenvinjj«  %%  14 — 16,  38,  40—42,  91 — 94,  Brandt  Fnrel. 
1  Ig  17  —  19.  S.  ferner:  Wilcla,  SIrfi/r.  d.  (J^rm.  S.  398-438,  652—684, 
V,  S)l»t],  £Mtit.  d.  dtrul.  Kvntgt.  2.  Aufl.  %^  3  —  5,  lO,  II,  v.  Richtbofco, 
Zur  J>T  Sa-%.  S.  223-229,  274 — 278,  ?h.  Hetk,  D.  Altfrifs.  Gtruhtn^tr- 
/atsg.  1894  S.  223—508.  M.  Pappenheim  i.  hiai.  Zschr.  NF.  XVIII  S.  341  — 
345,  O.  Slobbf,  Ilandh.  d-  deut.  Prtvr.  l  §§  42.  46,  47,  Proil  in  Mim.  de 
1a  soc.  dM  anttqii.  <Ie  FraUf«  1S73  p.  I  — 173,  Sauerland,  ß.  Immunität  w. 
J/c/a  1877  S.  9a  ff.,  Kbcberg,  Oh.  d.  ä.  datt.  Münztcrsen  u.  d.  Jiausgenosicnsck. 
1879  S.  118— 17&.  V.  B*irch.  Heitr.  z.  ÄO".  d.  MA.  1884,  Lorsch.  /).  Ingftk. 
OUrhof  1885  S.  UX— LXX.  Bücher.  D.  Jifz-^tkerg.  v.  Frankfurt  a.  J/.  I 
1886.  Luftchin  V.  Ebcngrcutb,  Öslerr.  üewhsgesfh.  I  1895  §§  iz,  35-37, 
Oechsli,  D.  Att/dngf  der  schvrfiz.  Eidgmossensefui/t  1891  S.  153 — 201,  Lindner 


k 


2.  Leute:  Die  Freien. 


129 


D.  r^me  1888  Abschn.  81,  81.  Wiltich,  ß.  Grundhtmchafi  m  Sordrpfit- 
drtitwhi.  S.  371 — J7()  utiil  Anlagen  S.  104 — 155,  D^n.  in  Zurbr.  f.  Suzialgrsdi. 
U  (l8q4)  S.  1—64,  Hinschiuii,  Kirchenr.  FV  1888  §  160;  —  S.  Hcywond.  A 
t>uirrlation  upon  ihr  Dtsthuttons  in  Soeiefjf  .  .  .  nndtw  thr  Anghtsaxon  Ga\<rm' 
mrnli  1818.  Slubbn,  f7o«.i/.  //itt.  f  S.  4J— 4;,  78— 81,  I49— 161,  E.  Hilde« 
liFAnd  loben  S.  121)  ^-  75  ^^  Oneisl,  Engl.  V'r/G.  S.  3%.  u.  10.  64—68, 
;i — 84.  F.  Scebohm.  D.  engt.  Dorfgtmeinde  1885,  Litlle  in  Enftl.  hial.  Re- 
vici*-  1889  S.  733  ff.  (dazu  Liebcrraann  in  Dctit.  Zschr.  f.  Gcschw.  VI  S.  (69  f.); 
—  F.  Dabo.  D.  AV/jf^  </<■/■  6Vr/i.  I  S.  41— 46.  50— 64.  133 — 360.  VI  (2.  Aufl.) 
S.  33—36,  88 — 306,  410—431.  VlI  I  S.  103—309;  —  Moibccb  i.  Hist.  Tidulcr. 
<Kjt»bcnh.)  U  S.  393— S 14.  N.  M.  Pcterien  i.  vUuulcr  f.  Nord.  Oldkynd.  1847 
5.328—337.  La rsen,  Adri-A  §§77  — 81,  53 — 55.57— 65.  J-  Kinch  i.Aarbogerf.noni. 
Oldk.  1875  S.  347 — 350.  Stemann,  Retih.  §§  31 — 34,  48.  56-59.  J.  Stccoslrup, 
Sind,  (oben  S.  r3l)  I  S.  67—148.  Den.  i.  Hiäi.  Tidsakr.  5  R.  VI  S.  393-463, 
X>ty%.  Den  damke  bondr  »g  früwUn  1888.  Matzen.  Fortl.  Off.  R.  1  %%  3—7, 
Pri\>atr.  I  §§  2 — 6;  —  E.  S.  Bring,  Om  StaisJSrfatlHingfH  6<k  Krigsx'äsfHdtt  hoi 
d. /ordna  Svear  <h-H  G^tfur  1832  S.  18— 56.  Schly tcr, /wr.  Afhandl.  I  S.  43 
— 50.  Strinnholm,  Svanka  fnUerti  hi$t.  IV  S.  560 — 596,  Odhner,  Bidr.  UU 
Svfnskn  Slädrmaj  och  /iargamUittdrU  Hutoria  1860,  H.  Hildebr«iul,  Svmgei 
^Mfltid  \\  S.  143—333;  —  E.  Hertzberg,  £«  fremsttüing  af  det  nenke 
ariitakralis  hisl.  |)4ü9,  Sxrs,  Udtigt  ovftr  li.  norjke  hist.  1  S.  106— 144,  II  S. 
t  — 33,  K.  Maurer  in  Manch.  Sitzgh.  1889  11  S.  169—207  (nach  der  1.  Aufl. 
diese«  Grunilfiiuefi  crsctiienen^  und  im  Arkiv   f.  noid.  fil.   VI  I189QI1  S.  273 — 80. 

§  33.  Zwei  Hauptlclassen  sind  von  Beginn  der  geschichtlichen  Zeit  an 
bis  tief  in's  MA.  hinein  in  der  Bevölkerung  aller  german.  Lander  zu  unter- 
scheiden: die  Freien  und  die  Unfreien.  Der  Freie  [*/rija  eig.  =^  geschont, 
unverletzlich,  davun  abgel.  <i&. /n/inf;)  oder  *Freihalsi  (ahcl.  mhd. /rfAali,  wn. 
fr)db,  <in.  fraU)  Iiei.s.st  $x>,  weil  er  unter  Rechtsschutz  steht  und  daher  auch 
nicht  gehalten  «t,  seinen  Nacken  einem  Eigentümer  zu  beugen.  Desswegen 
ist  die  Freiheit  jFrdhaLsigkeit-  {%\ii.  fteihah,  wtx./TJälse,  /relie,  ä^./rcb/s,  fries. 
frihtUt.  aH\tl./nAa/ii}  oder  —  bei  den  Skandinaven  —  >Mannheiltgkeit*  (wn. 
mannheigr.  aaw.  munhitlf^hi,  manhdlf^^  adiln.  manlutl^h).  Aber  nicht  bloss 
anter  Rechtsschutz  stehen  die  Freien,  von  ihnen  geht  auch  Recht,  und  zwar 
in  ältester  Zeit  alles  Rcclit  (vgl.  S.  57)  aus,  üb  sie  es  nun  flnden  im  Gericht, 
oder  ob  sie  es  Ix-stiminen  in  der  gesetzgebenden  Versammlung.  Ebenso  sind 
arBprünglich  die  Freien  auch  zum  Regieren  des  Staats  berufen,  welche  Funk- 
tion sie  wie  die  gesetzgeberische  in  der  (von  Neueren  sog.)  Landsgemeinde 
(dem  concüium  des  Tacitus  —  on.  lansping,  charakteristlichcr  aber  noch  wie 
konkreier  aUim  Göla,  alJra  Sita  pittg.  Gtilmilpifi^)  erfüllen.  Korrelat  dieser 
Rechte  ist  die  Pflicht  der  Unterthanen,  jedem  Rechtsgenossen  zu  seinem 
Recht  zu  helfen,  z.  ü.  alü  Zeuge,  als  Urteiler,  dann  bei  der  Vollstreckung, 
Mjwie  für  den  Staat  die  Waffen  zu  tragen,  wumit  sie  sich  auf  eigene  Küsten 
auszurüsten  haben.  Dies<;  Pflidit  ist  mit  der  j^liysütcbcn  Waffen tQchtigkcit 
gegeben.  Von  der  Erfüllung  jener  ist  die  Ausübung  der  wichtigsten  Redite 
bedingt.  Der  freie  Mann  ist  und  hdsst  demnach  ^Heer-Mann-  {hariman, 
e.verrüa/ij),  die  Vfr>>;tminlung  der  freien  Mllnner  in  friedlicher  wie  in  kriege- 
risiliei  Thatigkeit  -Heer  oder  •Heer^'craamnilungi  {wn.  allr  hnr,  aih  herjar 
pifg,  lang,  frankotat.  t-\et<:ifus).  Abzeichen  des  freien  Germanen  ist  in  Altern 
Zeilen  herabhängendes  Haar,  bei  Männern  das  Tragen  der  gewOhnlicheu 
Waffen  (*Volkwaffen<)-  —  Die  Freiheit  erlangt  man  nach  ältestem  Recht 
durch  Geburt  von  freier  Mutter,  wogegen  spilicr,  soweit  Ehen  zwischen  Freien 
und  Unfreien  anerkannt  werden,  die  deutschen  Rechte  das  Kind  nicr  argem 
Hand',  LvstnurdisLhe  Rechte  das  Kind  vder  bessern  Hälfte-  folgen  lassei;. 
Einem  Unfreien  kann  die  Freiheil  zu  teil  werden  durch  Rechtsgeschäft 
Solange  das  Gemeinwesen  auf  einem  Bündnis  von  Geschlechtern  beruhte, 
tX.  \-  in  vorgeschichüicher  Zeit   gehörte  dazu  feierliche  Einführung  des  Un- 

CemanlKh«  PhU«lo([k  la    S.  AuA.  « 


130 


!X.  Recht.    B.  AltektOmer. 


freien  in  ein  freies  Geschleclit.  Als  wesentlirlier  BestantUdl  der  Freihtssung 
dauert  dieser  Akt  noch  in  einigen  liistorischen  Rechten  bis  in's  MA.  fort 
(eidliche  »Gcsclilcthtsleile-^  —  irtlepin^  —  im  ostnord.  R.,  der  eidlichen  An- 
brüdemng  in  JJ  5g  verg!eirl»h;ir,  mauumissto  per  han(riniatti  in  der  Lex  Clia- 
mavoruin  [?]).  Anderwürbi  erinnern  danm  wenigs-iens  nix'h  die  familien- 
rcthüichen  Beziehungen,  die  zwischen  dem  Freigel iisscnen  und  dem  Frci- 
lasscr  anerkannt  bleiben.  In  der  alten»  geschichtlichen  Zeil  ist  ausser  oder 
Statt  der  Gcschlechtbleite  ein  Staatsakt  erforderlich,  der  in  der  Volksversamm- 
lung von  einem  Beamten  und  zwar  durch  Wehriiaftmachung  mittelst  synilio- 
lischen  Oberreichens  von  Waffen  vollzogen  wird.  Verhältnismässig  am  reinsteii 
zeigt  sicli  die  Gcstiill  dieses  GcscUüfts  im  englischen  Recht  iWilh.  III.  13). 
Rudimente  davon  .tind  einerseits  die  Umgohard.  Freilassung  per  guirflhitix 
(S  83)  und  per  iagifiam,  andereiseits  die  FreÜassung  dun:h  Herrschera  Hand 
in  verschiedenen  deutschen  Rechten,  das  leiäa  i  l^g  (=  FJnfühmng  in  den 
RechtsverbüJid)  durch  den  <^ite  auf  Island  und  die  fast  übeiall  foildauenidc 
ÖffcniEichkeit  der  Freilassung.  Arten  des  Freiheitserwerbs  für  einen  Knecht 
sind  nach  einigen  jungem,  miter  WJmischer  und  kirchlicher  Ktnuirkung  ste- 
henden Rechten;  Ersitzung  der  Freiheit,  Ehitrill  u»  den  geistlichen  Stand, 
Strafe  des  Herrn  für  bestimmte  Vei^hen,  Belohnung  des  Knechts  für  ht- 
stimmte  Verdienste.  —  An  Recht  wie  an  Ehre  sind  die  Freien  fast  Ubendl 
und  fast  zu  jeder  Zeit  nicht  samtlich  in  der  gleichen  I-age.  Kla.ssen  unter 
ihnen  sind  schon  anfanglich  zu  unterscheiden  auf  Grund  von  Geburt.  Beziehung 
des  Einzelnen  zu  andern,  spater  ausserdem  noch  auf  Grund  von  Dieii-st,  Besitz, 
politischer  Macht,  I^bensweise,  Religion.  Hierüber  §§  34 — 4a  Hauptsäch- 
lich ist  es  die  gesetzliche  Taxe  seines  Mannwcrtes  (ags.  m^movrit)  in  Gestalt 
des  >Werj;cldeS'-  oder  »Leutgcldes'  (§  Üo)  und  der  von  Ihm  zu  cmfangcnden, 
mitunter  auch  der  zu  gebenden  Busse,  w.  iran  man  den  Stand  des  Freien 
kennt,  dann  aber  auch  die  Kraft  seines  Eides,  seine  politisichen  und  prozes- 
sualen Rechte,  gewisse  Privalrechle,  Art  der  Tracht,  der  Wohnung,  ja  sogar 
der  Rest:atung.  Dabei  nennen  wir  im  Sinne  des  ältesten  Rechts  diejenige 
Klasse,  deren  Rechtslage  zum  Normal-  oder  doch  Durchschnitlsmasssiab  für 
die  aller  andern  Klassen  dient,  die  ' Gemeinfreien;.  Auf  sie  beschrankt  sich 
zuweilen  der  Begriff  der  >Leute'.  (afrSnk.  bürg.  Ifinii,  ags.  lemiA,  und  nur 
wenig  allgemeiner  ist  der  des  »Volkfrcicu*  (langub.  fukfrec.  ags.  fokfre'o,  asw. 
folkfnfis). 

§34.  Der  hr.here  Stand  über  der  Gemein frciheit  ist  der  Ad  et  [apa!  = 
Beschaffenheit,  Abkunft,  Geschlecht).  In  ältester  Zeit  l«t  er  nur  durcli  an- 
geborene Art  gegeben.  Darum  aber  hatten  auch  Weiber  wie  M.'lnner  daran 
Teil.  Wer  selche  Art  an  sich  trügt,  heisst  adelich:  *apHing  (ags.  teäiUng, 
afriefl.  eiieling,  ahd.  edeling  und  aänlitig).  Das  altgermanische  Edelgeflchlechc 
ist  Icgcndarisdu's  Geschlecht  Als  Heide«  besungen  zu  werden,  geziemt 
seinen  mannlichen  Mitgliedern,  weswegen  auch  die  Rechtssprache  ilem  Maim 
von  Adelsatt  den  Heldennaraen  (an. piri.  ags.  eoil,  ahd.  tri  in  Eigennamen) 
gibt,  im  Gegensatz  zum  geringeren  Freien,  dem  ■gemeinen  Manu'  (ags.  ceoH, 
ecQrlisc  man,  ahd.  e/iaraf.  an.  karl).  Dem  Edelgeschlecht  wird  göttliche  Ab- 
kunft beigelf^.  M.  a.  W.  sein  Urahn  fordert  und  gcniesst  d;iuemden  Kult 
Daher  schreibt  der  Volksglaube  der  edlen  Art  auch  Kräfte  zu,  die  über  die 
gewöhnlichtTTi  der  Men.sclien  hlnaasgehen  (z.  B.  in  der  Rigsfiuia  Str.  j,$.  47 
das  Verständnis  der  Vogelspracbe,  vgl,  Asbjomsen  u.  Mue  No.  145  g.  E.). 
Daher  femer  glaubt  man  im  Edelgesclilechl  Land  und  Leute  von  der  Gott- 
heit geschirmt.  Daher  nun  auch  der  höhere  Wert,  den  das  Rei:lit  wie  die 
Gesellschaft  auf  den  Menschen   von    edler  Art   legt.     Das  Volk    nimmt   mit 


2.  Leitte:    Freie.   Adel. 


131 


VorKebc  seine  Beamten,  insbesondere  seinen  K«')nig  aus  dem  Adel,  und  die 
Vertrainstrcue  des  Votkcs  gegen  andere  Völker  gilt  dunii  als  die  festeste, 
wenn  o*  Edle  als  Geiseln  gestellt  hat  Das  Recht  aber  zeidinet,  wenigstens 
bei  den  SOdgermanen  und  hier  von  frQh  auf  den  Adel  durrh  gesteigenes 
Wergeid  und  gesteigerte  Bussen  vor  allen  andern  Freien  aus.  Baieni,  Ala- 
mannen  und  ßurgunden  marhen  in  dieser  Hinsicht  unter  den  Addsgeschlcrh- 
tem  selbst  wietler  Untersdu'ede,  so  dass  die  geringeren  als  mediani  {mefiit. 
medioerti)  zwisc-hen  dem  hohen  Adel  {pn'mi,  meltorissimi.  opiirmttes)  und  tlen 
Genieinfreien  [mitiores,  minoflüH,  üt/fnores,  /rwfes,  liheri)  stehen.  Bei  Friesen 
und  .Sachsen  eiitspritht  (im  8.  Jahrh.)  der  höheren  Wcrttaxe  des  AUclicheu 
eine  erhiihte  Glaubwördigkeit,  wesswegon  derselbe  einer  geringem  Zald  von 
Eidhctfcni  bedarf  als  der  Gfnicinfrcie,  sodann  bei  den  Saclisen  audi  eine 
schwerere  strafrechtliche  Veraniwnrtlirlikeit.  Das  sürhsisrhe  Recht  .*inrht  ferner 
■das  Herab:>tnken  des  Adeüchen  zur  Genieinfreihcil  dadurdi  zu  verhindeni, 
dass  e»  dem  freien  Mann  geringerer  Herkunft  die  Heirat  mit  der  adelidien 
Frau  verbielei.  Im  Wesen  des  alt^crmanischen  Geburlsadels  hegt  seine  Be- 
schränkung auf  dnc  geschlussenc  Zahl  von  Geschlechtcni.  die  uur  vermin- 
dert, nicht  vermehrt  werden  kann.  Daher  verschwindet  dieser  Adel  bei  eini- 
gen südgemi anisdien  Stammen  wie  Fnuikcn,  Goten,  Burgundcn.  Alamannen 
»chon  wllhrciul  oder  doch  bald  nach  der  VYiIkerwandcmng,  und  bei  andern 
immerhin  noch  vor  dem  Friihniittelalter,  wie  bei  den  Baiem,  wogegen  er 
bd  den  Angelsachsen  und  den  Xordgcrmanen  sich  auf  die  licrrschenden 
Familien  beschrankt  und  nur  bei  den  Friesen  bis  in 's  ih.  Jahrh.  als  ein  nun- 
mehr auch  p»ilitisch  privilegierter  Stand  vun  »Herren«  oder  >II;Uiptlingcn' 
vcmnige  einer  eigentümlichen  Verbindung  mit  privilegierten  jErbgütcni  \ethfl\ 
oder  ••iddichen  VolUmfen«  {edtlen  heerdtn)  oder  »gerichlführenden  Haus- 
statten«  \riHfbffcraude  iiaihii\  fortdauert 

§  35.  Die  Stdle  des  ausgehenden  attgerraanischcn  Gebujtsadels  nimmt 
zunächst  ein  und  seine  Reste  nimmt  in  sich  auf  ein  Dienst-  oder  (den  lat 
Qudleii  nach)  •Optimalen'-Adel,  der  sich  nach  der  Völkerwanderung  bd 
den  Südgermanen,  unter  dem  Einfluss  der  letzteren  im  Mittdalter  auch  in 
den  nuHiardiisch  verfa&sten  skandinavischen  Staaten  ausbildet.  Durcti  Ein- 
tritt in  den  Dienst  des  KOnigs  gelangt  man  in  seinen  besonderen  Sdiutz 
oder  »Trnsii  {frünk.  /r«.r/)  und  leicht  zu  Macht  »ie  zu  Ansehen.  Miedurch 
CTh/*.ht  man  in  der  südgemianischcn  Wdl  seinen  Mannwert,  ausserdem  in 
Keni  noch  seine  prDxcssiL'ile  Glaubwürdigkeit,  gewinnt  man  ferner  in  Wcssex 
das  Burgrcclit  (nach  Ine  45  vgl.  mit  /Elfr.  40)  und  spater  iu  ganz  England 
das  Asyiredit  sowie  Freiung  gegen  jede  Privatgerichts barkeit,  bei  den  West- 
goten straf-  und  staatsrechtliche  Privilegien  verschiedener  Art.  Da  aber  der 
König  fast  überall  Herr  des  gesamten  Öffentlichen  Dienstes  wird,  so  gehören 
zu  diesem  neuen  Dienstadel  nicht  blnss  die  Hofleute  und  die  kriegerischen 
Gefolgsmannen  (§  Oo)  des  Königs,  stjudeni  auch  die  Staatsbeamten,  wenig- 
stens auf  den  höheren  Stufen.  Da  nun  aber  hinter  dem  Königsdienst  Gottes 
Dienst  nicht  zurückstehen  kaim,  wird  audi  der  Klertis  dem  Dienstadel  ein- 
geordnet, teilweise  sogar  mit  grösseren  Vc)rzügcn  ausgestattet  als  der  wdl- 
liche.  Nur  im  I^ingoharden reich,  wn  übrigens  vor  dem  8.  Jahrh.  auch  der 
wrltiichc  Dienstadel  nicht  licr\-ortrilt,  Ist  dem  Klerus  eine  solche  Stellung 
nicht  rir^gerflumt  worden.  Sonst  unterscheidet  im  Anschluss  an's  kirchliche 
das  weltliche  Recht  auch  noch  die  Rangstufen  des  Klerus.  In  .Ihnlicher 
Weise  macht  da«  ags.  und  (las  langob.  Reiht  Unterschiede  unter  den  welt- 
lichen Optimaten.  Das  erstere  z.  B.  schlagt  an  Wergeid  und  Busse  den 
'Mvwnnv  (oben  S.  124)   mindestens   drdmal   so   hoch   an,   ^^ie  des  Königs 


I.i-? 


IX.    KhCHI.       1{.    ALItKlOMtR. 


Hofdiener  (evm'n^s  pf^),  der  ein  »Zwötfliunderter«  {fw^^yndc)  ist,  d.  h.  ein 
Wcrgeld  von  1200  scfll.  liat  und  an  s«"hs  Gemeinfreien  gerflclit  vinrd,  ■vm- 
gegen  des  Königs  kriegerischer  Gefolgsmann  (in  Wessex).  der  ^fsiä  ixler 
^sidcmidmaN),  der  allerdings  sirit  .-Elfred  zurücklritt.  nur  ein  >Serhshunderler« 
{si.divniie)  ist.  Der  Optiinatennde]  wird  bei  den  Angelsachsen  im  FrUKMA. 
zusanunen  mit  den  Aettiellngen  unter  dem  Narncn  der  forias  (s.  S.  130)  be- 
griffen, bis  diesr  unter  dänischem  Einfluss  ein  Amtstltel  wird.  Hauptsürhhch 
ftirtentwickelt  hat  sich  die  Amts-  und  DiensLirwlokratie  wahrend  des  MA.  in 
Deutschland.  Aus  ihr  ist  unter  Ausscheidung  der  untergcfjrdncten  Bestand- 
teile auf  Grund  seiner  politischen  Macht  der  Kcichsfürstenstand  hervorge- 
gangen. Reichs f Ars tcn  (^nihd.  vürsUn,  md.  rforsini,  principes  [regnij,  anfanglich 
auch  noch  fimnales,  piimores]  sind  bis  c.  1180  die  Könige  und  die  Mitglieder 
der  königlichen  Fumilie,  die  Bi&chüfe,  die  Reichsäbte,  der  Probst  von  Aachen, 
der  Reiciiskanzler,  die  Herzoge,  Markgrafen ,  Landgrafen  und  {persijnüch 
freien)  Grafen,  die  Laien  mit  dem  Titel  Ulmtrix.  die  Geistlichen  mit  dem 
Titel  Ltrurabilis,  —  später  imr  noch  die,  welche  Scejrter-  bezw.  Fahnenlehen 
Vom  Ki'inig  haben  und  nicht  Mannen  eines  anderen  Fürsten,  oder  welche 
vom  König  zu  ReidisfQrslen  erhoben  sii^d.  Hir  Wergeid  mul  ihre  Bussen 
sind  jetzt  zwar  nicht  mehr  nach  aläen  Quellen  lu'ihcr  ali«  Wergeid  und  Bussen 
der  Gemeinfreien,  wenn  auch  Khrenhalbcr  jene  Zahlungen  in  Gold  gemacht 
werden  müssen.  Dagegen  haben  die  Fürsten  vnn  Standes  wegen  das  aus- 
Si-hliessliche  Recht  der  Teilnahme  am  Reiclistag,  über  ihren  Leib  und  ihr 
Leben  kann  nur  vor  dem  König,  und  über  Fürsten  kann  in  bestimmten 
Sachen  nur  von  Fürsten  Urteil  gefunden  werden.  Andererseits  sind  die 
Bussen  iive/ieri),  welche  Fürsten  an  den  Kö^nig  zahlen,  hi'iher  als  die  jetie» 
andern  Freien.  Die  im  Besitz  von  Gerichten  belimllichcn,  aber  nicht  zum 
Fflrstenstand  gehörigen  Gmssen,  die  Trien  herren  {magnates^  harones,  nobiUs, 
auch  liberi.  in  den  Österreich.  Landern  iam1herren\  übertreffen  die  höhere 
Klasse  der  Gemeinfreien  fS  jl^)  "w  ^t^i  Wcrgeld  und  Bussen. 

Den  nnr*'egischen  Dienstadel  bilden  auf  dem  Höhepunkte  seiner  Ent- 
wicklung, d.  i.  in  der  zweiten  HJllfte  des  ij.  und  im  l,V  Jaliriumdert,  von 
Laien  Aer  Jari  (Statthalter  des  Ki'migs.  der  Herzog  {lieriog£),  <X\.ii  knder  mettn, 
d.  8.  die  in  des  Königs  Dienstmannschaft  eingetretenen  imd  vim  ihm  mit 
einer  iieixla  (S  6.^  a.  E.}  beJiehenen  uiul  so  -mit  I^ud  ausgest^itteten^  Nach- 
folger der  alten  Hundertschaftshauptlinge,  der  königliche  Marschall  {slaäarr) 
und  Fahnenträger  ymfrl-isinaih-),  die  -^Tischdieiier^  [skuithvciitar),  aber  aucli 
die  Goldschmiede  des  K5nigs  und  im  Dienst  die  sonstigen  Konigsdiener  und 
die  Führer  der  königlichen  Kaufschiffe»  von  Gcisdicheu  die  Bischöfe,  die 
Priester,  die  Äbte  und  Äbtissinnen.  Sie  verteilen  sich  auf  verschiedene  Rang- 
stufen, denen  besondere  (bis  1274  gesetzlich  fixierte)  Wergelder  und  Buss- 
sätze entsijrechcn,  und  zwar  so,  dass  die  unterste  Rangstufe  der  obersten 
vim  den  übrigen  Freien  gleich  steht.  Ausser  den  Wcrtlaxen  zeichnen  den 
norwegischen  Dienstadel  ni>cii  ein  jirivüegiortes  Straudrecht  und  gegenden- 
weise  liesondere  BegrabnlspUitze,  femer,  da  die  Frau  am  Stand  ihres  Mannes 
Teil  hat,  eint.*  gesteigerte  Selbständigkeit  der  Ehefrauen  vor  den  mitercu 
Klassen  der  unadclicheii  Freien  aas.  Die  dänischen  Optimalai.  unter  der 
Benennung  der  »ehrenwerten  Leute^^  —  hepvarpte  m<eti  {ttobiles)  —  raithegriffen, 
bestehen  aus  den  i^Herrcn»  {hrrrrnr),  d.  h.,  vom  König  abgesehen,  dessen 
Blutsfrcunden,  den  'Hcrztigcn«  und  »Grafen«,  sodann  aiiä  den  freien  zu 
Russ  dienenden  Mannen  dieser  »Herren«  {harra  mirn,  fufrnnrn,  homines  lio^ 
mimrwn),  Sie  geniesseii  erliöhter  Rech tifaliigk eil.  be.stiunnter  Privilegien 
verfassimgs-,  straf-  und  prozes.srcchttirher  Art,  insbesondere  der  Freiheit  von 


2.  Leute:  Adei- 


»33 


At»caben  und  Steuern,  weswegen  die  Benennung  fri  oi  frtfh  nur  noch  dem 
Edelmann  zukummt.  >HcrTenf  wie  den  König,  den  »Herzog",  den  Buclinf, 
den  ^ki^nigiichrn)  »Rathmann-,  den  >Rittcr'  mit  Dienstgefolgc  :fcichnet  da« 
schwedische  Recht  dun  h  erhöhte  Beleidij^unfp^bussen  fOr  vijle  Kür])en'er- 
letxtingen  ihrer  Dienatmannen  aus,  wiigegen  um  1285  nicht  nur  sie,  wndem 
auch  ihre  Dienstmanncn  und  jeder,  der  rlcn  Rnssdienst  im  Keirhsheer  über- 
nimmt, durvh  Abgaben-  und  Stcuerfrdheil  zu  /nc/shm<rn  werden.  Immerhin 
bleiben  die  •Herren«  eine  besonders  privilegierte  Klasse,  die  regierende  Ariatn- 
kralie,  in.s«^fem  die  "jruten«  nder  'edlen«  Männer,  denen  gegenüber  die  an- 
dern frEelsusmain   *■  mindere«   Mflnncr  sind. 

Ubpleich  Vcrerbliclikeit  nitht  im  Wesen  des  Dienst-  und  Amtsadels  an 
sirh  liegt,  findet  sich  doch,  dass  die  Rhre  des  Cl]>timatcn  auf  stine  Nach- 
kommen teilweise  Qbergeht  In  Deutschland  sind  ebenbürtige  Xacliknmmen 
der  Fürsten  freie  Herren  (s.i  S.32)  und  vFürstenpcn'Äsen«.  Sie  führen  scjgar 
Amtstitel  und  Abzeichen  des  Forsten.  Das  ags.  R.  legt  beim  Zumessen  des 
Wergeldes  u.  a.  Gewicht  darauf,  ob  einer  pf^nhomi  sei.  In  Nnrwegcn  und 
später  in  Schweden  konuiu  v(ir,  dass  bis  zu  einem  be^tinmiten  Lebensalter 
der  S'»hn  eines  l>|>timaten  der  väterlirhen  Standesrechte  genie.<tst. 

WeslgiJlen  und  Burgunder,  nachdem  >ie  das  spairttmlsche  Pttssessoren- 
vcäcu  mit  seinem  patrnciniura  Ober  Hintcr*a.ssen  Übernommen,  stellten  tÜe 
Grossgrundbesilzcr  dem  Dienstadel  als  Ojitimaten  gleich.  Bei  den  Angel- 
sachsen tritt  im  MA.  die  Lehre  auf,  tlem  freien  Grundeigentümer  im  Besitz 
viin  mindestens  fünf  Hufen  knnime  das  Siandesrecht  der  b^mtglichen  Dienst- 
mannen {pfgenribt\  zu.  Ja,  Reichtum  überhaupt  kann  seinem  Inhaber 
diese  Auszeichnung  verschaffen:  denn  auch  der  Kaufmann,  der  aus  eigenen 
Mitteln  »dreimal  über  die  weite  See  gefahren»,  \sX  »Thegenreclites«  würdig. 
Und  das  jüngere  schwed.  R.  stellt  neben  den  Herzug  und  Bischof  unier  die 
»Herren«  (oljcn}  einen,  der  auf  eigene  Kosten  einen  Stall-  und  Küchen- 
meister und  einen  Vierrigniderer  halt. 

%  36.  Höfische,  vor  allem  ritterliche  Lebensweise  ist  im  MA.  und  zwar 
2un3chst  unter  franzüsditchcm  F.infliis.s  seit  dem  ii.Jahrh.  in  Deuttchland 
Orimd  einer  neuen  .-Krt  von  Adel  geworden,  des  Ritterslandes.  Nur  wer 
zu  dem  von  der  Sitte  gebildeten  onio  miliiarii  (o.  eijuestm)  gehiVrt,  der  «Ritter- 
(mhd.  riitcr,  nUr,  lat.  milei)  oder  rittermassige  ihomo  synoJalts.  scmpirrr,  weil 
lumittdar  dem  bischöflichen  Gericht  in  der  DiOzesansynode  und  dem  welt- 
lichen Gericht  des  Lande.sherm  imterstellt),  ist  lehenfahig  un<i  Hhig  zum 
ritterlichen  Zweikampf,  wie  zum  beständigen  Führen  rilterlithcr  Waffen.  Daher 
wird  seil  dem  letzten  Viertel  des  12.  Jahrlts.  sein  Zeichen  lias  w^fieti.  d.  i. 
der  farbige  Schild,  um  ein  Jahrhundert  spater  mit  dem  Helm  darüber  (ki/w*»-, 
auch  insignüt)^.  An  diesem  Zeichen  hat  er  ein  übertragbares  Recht  Der 
Ritter  ist  ferner  wie  <ier  »Pfaffe»  mit  seinem  Gesinde  zollfrei.  Er  kann  grils- 
scre  Morgengabc  schenken  uts  der  Un ritte riiclii-,  Ut  nach  Lchcnrccht  Ȇber- 
gcnn*sc>  (§  42)  des  letzteren,  von  dem  er  sich  auch  durch  seine  Tracht,  ins- 
besondere das  bei  erreicliter  Waffeiitüchligkeit  feierlich  angelegte  Wehrgehange 
{fingiUum  mtlilart),  unterscheidet  Doch  i-hal  Rittersfrau  Ritters  Recht«. 
Den  Dienst-  mid  Amtsadel  (den  hohen  Klerus  als  »gekorene  Kittenwliaftc) 
nimmt  der  Ritlerst:md  in  sic}i  auf.  Andererseits  er^lretJct  er  sich  bis  in  die 
Unfreiheit  hinab  (^  41).     Das  Standesrecht  <Ier  Ritlermüssigen  \\.f\?s.\.  hencbiU. 

*  Zur  fipscb-  d«  Wjij>]»«irccl)ts  8.  O.  T.  v.  Hefner  im  Ol>erhaicr.  Archiv  XXIX 
S.  ilKi— i8tr,  F.  Hauptmann,  D.  IVapp^nrecht  18^7.  Die  withtigcren  Schriften, 
vtlcbc  in  die  HerAldik  d.  i.  In  die  Wa(>f>enl«bte  und  *iVa])puikunHi  einfobren,  vcr- 
.ttUuet  Olle  KniuiardiSokigie  S-  AuJl.  I  S.  458. 


>.u 


IX.  Recht.    B.  Aliertümer. 


Gemäss  detn  Gnmdsiilz,  dass,  wer  eines  anderen  Mann  (Vasall)  wird,  dessen 
Genüsse  lui  lit  sein  kann,  also  seinen  lehenrechtliclien  Rang  niedert,  werden 
im  Sinne  von  [ehenrcchüichcn  Raugklassen  «nlcr  Standen  sieben  »Heer- 
srhilde«  vim  den  mittdalleriidien  ThcMretikcm  atifgczahit,  unter  welche  sich 
die  Rittenileute  verteilen.  Dabei  bleibt  freilich  die  landrcchtliche  Stellung 
der  Hrerschildgeni'ssen  nidii  unberücksichlipt.  Auch  der  Ritte.rstan(l  wird 
vererblich.  Der  RiiterbOrtigc  <>ticr  der  Jlcnscli  :'Von  Ritlers  Art*  hat  die 
ffiek  seiner  Eltern  und  den  Heerscliild  seines  Vaters  und  ist  tväpen^noz  der 
Ritter,  d.  h.  zur  Wappenführung  befugt.  Vier  riltermüs.'iigc  Ahnen  gehören 
iur  Rillcrbürligkeit  und  ?,wei  Generationen  hindurch  wirkt  auf  die  Nadikom- 
nien  Niederung  des  Heerschildcs  fort.  Im  14.  Jahrh.  kommt  ,\ufnahmc  in 
den  Rittersland  durch  königlichen  Adelsbrief  auf.  Seil  dem  dreizehnten 
wird  das  mitteleuropäische  Ritttrwcsen  im  skandinav.  Niirden  «usserlich  nach- 
(;eahmt  'Qi:^  Rittertitd  erhalten  die  ciän.  hivrra"  m^en  (S.  132)  i.  J.  1277 
audi  die  nor»'eg.  ^ikutilsvcinar,  walirend  den  lender  mcnn  der  Titel  hanai, 
den  einen  wie  den  anderen  der  Herrentitel  beigelegt  wird.  Eigentümlich  i.st 
aber  dem  Norden  die  Verbindung  des  Ritte rstand es  mit  dem  nationalen 
Dienslailel  und  andereraeits  das  Fehlen  einer  unfreien  Ritterschaft. 

§  37.  Ftlr  den  Klerus  ohne  Rilcksidit  auf  seine  dien.silithe  Stellung  liat 
die  Kirche  Standesprinlegien  beansprucht,  tue  ohne  Mitwirkung  des  ft-eltlichen 
Rechtes  nicht  durdigefftlm  werden  konnten.  Snweit  gennan.  R.  die  kanoni- 
schen Standesprivilegien  anerkannte,  kommt  hier  der  Klerus  als  eine  vtm  den 
Laien  getrennte  Klasse  in  Betradii,  so  dass  .sich  dieser  Gegensatz  mit  den 
Hndi:rfn  Unlerüchieden  unter  den  Freien  kreuzt.  In  Deutsclaland  fanden, 
nachdem  schon  seit  dem  6.  Jahrh.  fränkische  Praxis  und  Gesetzgebung  unter 
Weiterbildung  der  römischen  den  Klerus  einem  Spezialgericht  für  bestimmte 
Sachen  unterstellt  hatte,  die  jirivilegia  fori  {ausser  in  Lehenss-adien)  und  im- 
munit;itis  im  i.v  Jalirh.  die  prinzipielle  Anerkennung  wenigstens  des  gemeinen 
Rechtes,  wogegen  aber  alsbald  eine  pHrtikularrechtÜche  Reaktion  eintrat.  Das 
ags.  R.  scheint  derartige  Privilegien  überhaupt  nirht  gt-kaiint  zu  haben.  In 
Danemark  hatte  der  Klerus  seit  Knut  d.  H.  (107') — 10S6)  pri\-i legierten 
Gerich Isslatid,  seit  dem  13.  J;Uirh.  auch  das  Privilegium  immun itatis.  lu 
Schweden  ist  nur  tter  erstere,  und  zwar  i.  J.  12O0  eingeführt  wonlen,  nidit 
ohne  noch  in  den  nächsten  Jahrzehnten  auf  Widcnitand  in  einzelnen  I-andsc.  haften 
zu  stos-sen,  wogegen  die  sog.  ^gcistlidie  Schalzfreiheil-,  die  wenig  später  auf- 
tritt, nicht  ein  SlimdesprivÜeg  der  Geistlichkeit,  s(m<lem  ein  Privileg  des 
Kirchenguts  ist  In  Norwegen  ist  der  Klerits  erst  gegen  den  Ausgang  des 
WA.  in  den  unbestrittenen  Besitz  seiner  Stand  es  privUegien  gelangt 

§  ,^8.  Eine  Spaltung  der  Gemeinfreiheit  haben  in  den  meLsten  ger- 
nian,  Staaten  Art  und  Weise  des  Besitzes  herbeigeführt  Zuerst  zeigt  sich 
dies  besonders  deutlich  bei  den  Angelsachsen.  In  Wcs.sc.\  erhebt  sich  der 
deutsche  Grundeigentümer  als  ein  »Sechshunderter«  {sixhyndt),  d.  h.  mit 
einem  Wergeid  von  üoo  Schillingen  über  den  -Zinszahler«  {^jfaf^/ita)  oder 
den  ^Bauern«  [f^btir  i.  w.  S.,  nonnaiin.  viUunus)  als  den  »Zweihundertert 
{hryfn'iiiia  vgl.  S.  132),  der  nicht  ohne  weiteres  deswegen,  weil  er  mßgiicher- 
wei-sc  zu  Wcithcnarbeit  vcri>niclitei  i^t  für  hörig  gellen  darf.  Dem  f^ebtir  näm- 
llih  steht  in  der  SpAtzcit  des  ags.  R.  nocti  der  >Kottcr«  {eofse/in,  norm,  dor^ 
t/tjnrts)  wenigstens  in  der  Busse  nach;  auch  er  aber  wird  noch  in  den  Rectitudines 
ausdrücklich  den  Freien  beigezühlt,  wiewohl  gerade  die  Wi_vdieiiarbeil  auf 
seines  Gutsherrn  Land  charakteristLvih  für  ihn  zu  sein  pflegt.  Wiederum 
unlersdieidet  das  norw.  R,,  und  zwar  da.s  wesmorw.  schon  im  ErIIiMA.  den- 
jenigen, der  ein  Slainmgut  ißäal  %  62)  ererbt  oder  Anwurtsdiaft  darauf  liat. 


2.  Leute:  Ki.tRus.     Ki„\s';en-  der  (Jemeinfreien 


135 


als  Ai>/i/r  (=  ^lU'kl-)  i.  e.  S.  vom  bömü  {lirborrH  maär),  d.  h.  vom  (tewiihn- 
lidien  Alt-  uder  Gemein  freien.  Jener  stand  init  der  unteren  Klasse  des 
DieiiKtadelü  auf  der  iiamlirlM'n  Stufe.  Cileich  <ktand  ihm  aber  der  Suidtbewolmer 
mit  Ausnahme  des  FreiBeI;u>sciicn  unterster  Ordnung  (§  34),  also  \'orab  der 
besitzende  -Kaufmann-  im  weitesten  Sinne  des  Wortes,  was  an  die  S.  133 
«nvshnte  Stellung  des  Kaufmanns  im  a^.  R.  erinnert  Audi  bei  den  Anglu- 
dancn  des  10.  Julirlis  bestand  ein  Gegensatz  zwischen  hold  untl  hondt,  der 
jedenfalls  auf  den  Besititverliallnissen  benilite.  Überhaupt  aber  legten  mehr 
oder  weniger  alle  skandinav.  RR.  Gewicht  auf  Selb^tfludigkeit  des  Grundbc- 
ut2cs,  das  islandisdie  und  däni.M-he  sngar  ;iuf  einen  Censas,  wa  es  sith  darum 
handelte,  die  Verlassigkeil  des  \V'i»rtcs  zu  benie.sse",  was  ^ic  in  den  Erforder- 
nissen der  Legitimation  zum  Zeugnis  und  zum  Gesehworenendienst,  sowie 
auch  zur  Eide^liilfe  ausdrückten. 

Die  deutschen  Rechte  des  FeslJandcs  gehen  beim  Beginn  das  FrühMA. 
teilweise  von  .Ihnliclien  Gedanken  aus.  Daneben  wird  die  Art  der  öffent- 
Ui.iien  Letstun^'en  entsclicidend.  Nüch  dem  tistfalu*chen  Retlit  des  Saciisen- 
si>ifgels  sind  zum  Urteilfintlen  unter  Konigsbann  d.  h.  im  Grafengerirht  allein 
ri'-«  h  fSh^  imd  in  sofern  scepetiban  lüde  {sftpenharr  vrit,  stepenen),  dalier  allein 
n^ch  den  Fürsten  imd  freien  Herrn  ebenbürtig  (j^  ^2)  die  rittcnnilssigen  und  also 
Heerdienst  verrichtenden  Altfreien,  in  deren  Geschlecht  als  zinsfreies  Eigen 
eine  Stammburg,  das  hani^^mdi,  sich  vererbt,  ausnahmsweise  die  aus  der 
Reichsdienstjnann Schaft  (§  41)  Freigelassenen,  wenn  sie  ein  Si-höffenamt  e-r- 
haiten  und  mit  den»  gehörigen  Grundbesitz  ;iusgesiattet  werden.  Anderenieiis 
kann  man,  solange  jene  Bedingungen  der  Schtiffenbarfreilieit  erfüllt  bleiben, 
sicii  unter  Vorbehalt  der  letzteren  in  Dienstmannschaft  ergeben.  Dem  Schiiffen- 
barfreien  «ird  ein  Wergeid  von  iS  Pfund  Pfennige  und  eine  »Busse«  von 
30  Schillingen  l>eigclegt.  Hingegen  kommt  ein  Wergeid  vnn  10  Pfund  und 
eine  ■Busse-  von  15  Scliillingen  den  pUrhhafUn  oder  biergtUtti  zu.  d.  h.  den 
freien  b-luerltchen  Grundeigentümern,  rlie  anstatt  Reichsheerdienstes  eine 
Hccrstcuer  Kptfgt)  leisten,  ferner  den  lattdulen,  die  freizügig  (gas/rs  wüe)  als 
Pachtbauem  oder  Oienstleule  ;ni(  fremdem  Bmlen  wnhnen.  Ge-meinfrei  sind 
yie,  da  tie  ausschliesslich  unter  Landrecht  stehen  und  iliren  Gerirhtssland  vor 
dem  staatlichen  Gericht  haben.  Im  Wesendichen  entsprechen  den  « Pfleg- 
hofien«  in  Niederdeulsc bland  die  den  «Heerschillingt  L»der  »Grafenschatz« 
oder  iSclioss«,  in  Oberdeutsdiland  die  eine  Steuer  [slitrre,  btdt,  pnean'a)  oder 
ein  >Vogtrcchi»  zahlenden,  aber  nicht  unter  Privatherrschafl  stehenden 
Freibauern  (»Freien- 1,  den  ostfülischen  biergeldcn  ursprünglich  die  frünkisthen 
bnrgildtH  imd  die  friesi.-w'hen  b<rifldtjn,  während  die  ritterlichen  Freien  unter- 
lialb  der  Fürsten  gnjssenteils  in  den  Stand  der  »freien  Herrn«  {Magnaten 
i'ben  S.  13J)  aufgestiegen  sind.  In  den  Stitdten  haben  die  verschiedenen 
zur  Geinein<tc  gcliürigen  Kinw.  ihnerklassen  sich  allmählich  assimiliert  imd, 
seitdem  in  der  Sudt  »die  Luft  frei  machte«  (nicht  vor  dem  i».  Jalirh.),  die 
Zahl  der  Gemeinfreien  vermehrt.  Aber  auch  hier  ist  auf  Gmnd  der  Besitz^ 
und  Erwerbsxediältmsse  walireiid  der  ersten  Periode  der  städtischen  Ver- 
fassungsgeschichte eine  Spaltung  der  Gemeinfreiheil  eingetreten.  Xur  die  im 
Eigentum  vim  Hausem  befindlichen,  die  -erbgesessenen-'  Freien,  meist  Kaufleute 
und  in  vielen  Städten  ursprünglich  Bnider  der  SchuLzgilde  (§  ^(f)  i>der  gar  nur 
die  Reichen,  the  im  Stande  waren,  die  mit  den  Ratsstellen  verbundenen  öko- 
nomischen Lasten  zu  tragen,  erlangten  (uut  den  Ministerifden  des  Stadtherm) 
Anteil  imi  Regiment  Insofern  standen  .sie  als  die  Vollborger  —  hurgrtises, 
tftts  —  den  S^hutzbürgem  —  tonriivs  —  gegenüber,  die  wie  die  Hand- 
werker, nur  auf  geliehenem  und  daher  zinsbarem  Boden  der  Stadt  oder  aber. 


IX.  Recht.     B.  Ai.TKKiUMi;K. 


wie  die  »Aus-'  «icler  »PfalilhÜrger-  Oberhaupt  nicht  in  der  Stadt  «■olinton. 
Audi  als  die  ZunftkJüupfe  des  14.  Jalirlis.  den  in  der  Sladt  ansässigen  H;ind- 
werkem  Anteil  an  der  Stadtrcgicrung  ventchaffi  und  dieselben  zu  rive»  ge- 
inadil  liallcn.  lebte  d«Hh  der  Gegensatz  fort,  indem  als  nwLst  riMemiaÄsige 
und  maniiigfaiii  privilegirrte  -Herren'  (iin  Rat  »RaLs-Herren*)  «»der  -Ge- 
sdilerhterff  (Pairizier)  die  Akbttrger  von  den  NeubQrgem  (im  Ral  »des  Rats«) 
sich  unterschieden. 

§  39.  Waiirend  der  Adel  sich  über  den  Normal-  oder  Durchschnittswert 
der  Freiheit  erhub,  gab  es  Freie,  weldic  diesen  Wert  nicht  erreichten: 
Mindcrfrelc.  Xu  dieser  Klasse  gehörten  jedenfalls  schon  in  der  ältesten 
Zeit  wie  n<K.-li  in  spateren  Jahrhunderten  regelmässig  die  Freigelassenen. 
In  der  Freilassung  tag  eine  »Gabe*  des  Herrn  an  seinen  Knecht,  ein  Si-hcn- 
ken  der  Freiheit  (an.  ge/a  /reise)  oder  freischenken  ia^.  fr/ofsgifan),  daher  die 
Freilassung  an.  /reU^sgj^f  ( ^  Freihcitsdicnkungt  hiess.  Wie  jede  Gabe  \'crpf1ich- 
tete  audidie-se  wertvollste  <\fv\  Hesrhenkien  zum  Hethfitigen  seiner  Dankbarkeit. 
Der  mit  der  Frciliell  Bew^benkte  (an.  /rjähga/e),  selbst  wenn  ein  »Gelöster«  (an. 
/tri-sit/i,v,  ags.  Uesing),  ein  (-Freigelassener«  (baier.  Jrilnzn)  oder  »F.ntlassener« 
(got.  frnlels)  bleibt  ditlier  noch  in  einer  gewissen  Abliangigkeit  vom  Freitas.*ier 
(ags.  fr/oligi/ii).  Dieser  Grundgedanke  zeigt  »ich  in  den  Alteren  RechLwlenk- 
millern  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  der  Freigelassene  bald  einer  Beschran- 
kmig  seiner  FreizQgigkcit  und  iiisnfern  einer  wahren  Hiirigkeit,  bald  einer 
Schutzgewalt  (alt**,  langob.  mnnd)  des  Freilassers.  bald  einer  Schmfllerung 
seiner  Handlungsfähigkeit  und  seiner  erbrechtlii-hen  Stellung  mid  einer  be- 
sonderen Abgaben-,  Dienst-  und  Trcuepfltclit  gegen  den  I'atron  untcPA'orfcn 
wird.  In  einigen  Rechten  giebt  es  .sitgar  mehrere  Stufen  dieser  Abhängigkeit, 
die  nacheinander  in  absteigender  Ordnung  vom  Freigelassenen  besdiritten 
werden  kunnen  und  durdi  den  Formalismus  der  F'reilassung  versinnbildet 
werden.  Besonders  lehrreich  in  dieser  Hijisicbt  wie  in  Bezug  auf  konsequente 
Verfiilgnng  des  vorhin  angedeutelen  Grundgedankens  überhaupt  sind  die  lan- 
gobardischen  Quellen  einer-,  die  norwegischen  an<lerer.seiLs.  Mit  jener  privat- 
rechtlichen Abhängigkeit  des  Freigelas'senen  nun  im  Zusammenhang  steht, 
dass  seine  Elue  in  Weigcld-  und  Buistaxen  wie  im  Mass  der  anderen 
Stand  CS  rechte  und  Standesfahigkeiten  niedriger  veranschlagt  wird,  als  die  di^ 
Gemeinfreien.  Nattiriich  wirkt  auch  die  Erinnerung  an  seine  Vergangenheit, 
seine  Herkunft  auf  seine  WertüdiStzung  mit  ein.  •Daebtraufenniensch* 
{shinkufdh  umprr')  heissi  er  in  Westg^italand.  Doch  bat  skandina\isches 
Recht  in  hisltirisdicr  Zeit  nur  hier,  in  Schonen,  auf  Island  und  insbesondere 
in  Norwegen  diese  Minderschfitzung  der  Freigelassenen  bis  zum  Verschwinden 
der  Unfreiheit  festgeliallen.  —  Die  Abhängigkeit  des  Freigelassenen  vererbt 
sich  in  seiner  Nachkommenschaft  oder  dfK-h  in  einigen  Generationen  denselben 
gegenflber  dem  l'atmn  und  des.sen  Erben,  so  dass  auch  ein  Wertunters^-bie*!, 
nur  allenfalls  mit  veiniinderter  Sdiärfe,  fotl<laueTt  zuischen  ticn  Nachkonmien 
des  Freigelassenen  und  den  Gemeinfreien.  Hei  k\vx\  niederdeutsrhen  Völkern 
lind  den  Alaniunnen  erscheint  der  hrtrige  Freigelassene  be/w.  sein  Abkömm- 
ling als  *Lel<  (afr^nk.  Ulo,  frics.  let  ttder  AYm^  =  Letmensch,  kenl.  btt,  a«. 
lai.  alam.  verschoben  und  latinisiert  Itsm?  Vgl.  \vi\.. /assra  =^  Iwt-tta,  got. /«r/i, 
deul.  insx  und  letzt).  D<H-b  konnte  auch  ein  Freigclxinier  einem  andern  sich 
als  Ixnen  ergeben.  Besiegte,  die  sich  mit  ihrem  (rrund  und  B«>den  den 
Siegern  unterwarfen,  konnten  daher  als  Leten  ihre  Freiheit  auch  im  Staat 
der  Sicher  bebalten.  Dem  nicdenleut.'*cheii  und  alamannischen  Letcn  ent- 
spricht in  der  Hauptsache  der  langnb.  (und  baier. ?l  •W«/  (lat.  atJius,  aUio,= 
Mensch?).     Fassen  wir  aber  auch  den  >Let<  bezw.  «Alden*   der  engten  500 


k 


2.  Leute:  Ki.assfn  der  Gemeikfreirk.     Min-dkrireie. 


n? 


Jahre  narh  der  Viiiken*'aiitii.*ning  als  einen  Freien  unterster  Ordnung  auf,  so 
leugnt-n  wir  duinil  nie  hu  cIhss  er  im  MA.  zu  <ipn  Unfreien  gerechnet  werden 
knnnle  (»-ie  z.  ü.  in  dem  (iriitesfrieden  c  iioo  CmusI.  1  K<».  42(>).  Es  nr- 
srhah  dic>  zu  einer  Zeil,  als  die  Unfreien  selbst  in  wHrhligen  Beziehungen 
langet  Tur  Rechisfahigkeit  .lufgejstiegen  waren  (<»  411.  —  Die  staatsrl.  S<*ite 
der  Freilassung  ist  S.  i,^o  be^pRuhen.  Zu  den  imvatrerhtliilien  Bestand- 
teilen des  GesrhJifts  pelinrt  bei  <icn  SOdgermanen.  wenn  Freizügigkeit  dem 
Freigelassenen  zu  Teil  werden  S'>II.  eine  fömiliche  und  sinncnfalliy  hierauf 
gerichlele  Erklärung  des  Freilassers:  das  »Weisen  der  vier  Wege-  lauf  dem 
Kreuzwtfji  bei  den  I,;ingobarden,  der  »freien  Wege  und  ThOren<  (nach  ri'lni, 
Mu-sUt?)  bei  ticn  Franken.  Aus  der  Schutzgewatt  {mumi)  seines  Herrn  jedoch 
kommt  der  ?"reige lassen e  na<h  langab.  R.  nur,  wenn  jener  die  Wcgewdsung 
nie  hl  selbst  vumiinmt,  si  tndein  dureh  einen  TreuhJlndcr  v«  >mehmfn  läAsl, 
nachdem  der  Freizulassende  durch  die  Hand  von  zwei  andern  hindureh  ge- 
gangen. Denn  dli-  Freigabe  muss  zu  einer  h\\y^  formellen  Gabe  henilige- 
drUckt  werden,  wenn  »iv  keine:  neue  Abhängigkeit  des  Begabten  bewirken 
snll.  Anderwürts  bedarf  es  zu  gleichem  Zwcik  einer  Gegengabe,  wie  z.  B. 
in  Burgund,  aber  auch  in  NurMegcn,  wo  sie  \om  Freigelassenen  bei  emem 
tmter  gesetzlichem  Ceremoniell  abgehaltenen  Biergelage  [/rrlsis^tl)  anzubieten 
Ist  Nach  frank.  R.  bleibt  ein  Zinsrecht  des  Freila>sers  gegen  den  Freige- 
la*-seiien,  wenn  jener  nicht  durch  <lic  denmialio  (alid.  srazwurf),  d.  \.  Aus- 
schlagen eines  dargelxiienen  Denars,  symbnUsch  darauf  verzichtet  und  sti  tien 
Freigelassenen  zum  liennrialts  {Jenan'ntus.  scusivttrfun)  macht.  Zu  den  natiimalen 
Arien  der  ?>eilassung  werden  von  vielen  Rechten  die  rr^mischen  rezipiert  und 
den  eigenen  Betivirfnissen  assimiliert.  Letzteres  geschieht  nicht  blow  in  Be- 
ztig  auf  Äu.s>erlit_likcilcn.  si'iideni  auch  hinsichtlich  dt-r  Wirkimgeii.  Sclirift- 
akt  tuid  Verlegung  des  Geschäfts  in  die  Kirche  s])ielen  dabei  im  Fonnalisinus 
«lie  Hauptn^le-,  und  hiemit  im  Zusammenhang  steht  es.  wenn  die  so  Frei- 
gelassenen in  lat.  Text«!  als  farlHlnni  bezw.  lahnhrii  bezeichnet  werden, 
i»i"gegen  cfrarita  (cemcmsuaUx)  der  Freigelassene  heisst,  welcher  zu  einem 
Warti-ijjin.s  an  tlie  Kirche  ver^sflichtt-t  bleibt. 

Xichl  we>eiitlich  roebr  Freigeias.sene  niM'h  auch  Abkönimlingc  von  M)lchcn 
sind  die  »Laien*  wahrend  des  MA.  in  Nfirdrieutsrhiand.  Sie  sind  freien 
Standes,  al>er  durch  Geburt  («Icr  Ergebung  zugehörig  zu  einem  Herrenhof 
und  inw^emc  unfreizflgig,  aus.serdeni  veri>flichtet  zu  Kopfzins  und  Heiral.'i- 
abgabe  an  ihre  Herrwhaft,  die  auch  ihren  Mobiliamachlass  i«ler  statt  dessen 
eine  ErbgebOhr  nimmt  (\-gl.  unten  S.  140).  Entweder  hat  der  I^te  ein, 
nicLst  erbliches  Hewizrecht  an  einem  Bauerngut  unter  Grundherrschaft  oder 
er  is-t  ungesesseii,  daiui  aber  du<^h  der  Herrschaft  zu  Gesindediensten  ver- 
pflichtet. Die  rechdiche  Ijige  dieser  Hörigen  erkiflrt  sicji  *um  Teil  damus, 
ila.>ts  .nie  der  von  xmfrcien  Bauern  (S.   140^  aKsimiliert  wurden  ist. 

!(  40.  Mintlerfrcie  von  Geburt  sind  in  ticutschen  Staateii  seit  der 
Vülkerwandening  unterworfene  l^ule  undeutscher  Abkunft  als  >  Volks - 
fremde«  (ags.  tflptodi^  mteu),  soweit  ihnen  rtiierhaupt  Rechtsfähigkeit  zuge- 
stamlm  wird.  Minderfrei  sind  daher  im  Franken-  und  im  Langobardenreich 
die  Romanen,  in  F.ngland  die  Briten,  jene  wie  diese  unter  dem  Namen  der 
«Walschcn«  d.  t.  der  Fr emtNp rachigen  (aps.  wralas.  afrfliik.  waiaba)  begriffen. 
Haben  .sie  Wergeid.  so  ist  es  geringer  als  das  des  gemeinfn-irn  Deutschen. 
Sie  entbehren  femer  A*:x  politischen  Siande-srecbte  des  Deutschen,  während 
«c  heerj)fli<hlig  simi  wie  dieser,  und  au.s.serdem  andere  als  er  mit  Steuern 
riastet.  Gemäfw  dem  IVrsonaliiatÄprinzip  (i>l>en  S.  651,  bilden  sie  im  Gcgcn- 
lt2   ZU  dem  Deutschen   eine   engere   Recht^eniitis*'nsclmfi.     Eine  ähnliche 


i^Ji  IX.  Recht.    B.  Altertümer. 

Rolle  spit-len  nmli  im  Ss]).  die  Wciidfii  und  hatten  um  7  Jahrliundertc  früher 
die  Kiiinanen  unter  gotischer  und  biir>;undischer  Herrschafl  gespielt.  Den 
Juden  wies  nadi  südgennan.  RR.  wen^er  die  Rai-e  als  die  Religion  eine 
S- Inderstellung  an.  Die  wrstgot.  Gesetze  verfolgten  seit  dem  7.  Jahrh.  da» 
Judentum  mit  dem  Endziel,  es  ausxurutlen.  In  den  deulsthcn  Staaten  wur- 
den die  Juden  als  Reidisfremdc  (J}  44)  behandelt.  —  Mindcrfreihril  konnte 
femer  durch  Schut/.un terthJlnigkeit  (g  50)  begründet  sein.  Das  Schutz- 
recht  Oller  die  ^Hand*  {mioit)  gab  dem  Sdmtzherrn  eine  Vertrclungs-  und 
Befehlj^ewalt,  leicht  auch  eine  Obrigkeit  Ober  den  Schfltzling,  so  da.Hs  die-ser 
der  öffentlichen  Gewall  gegenilber  tnediatisiert  wurde.  Hauptsächlich  war 
dies  in  den  südgerronn.  Staaten  der  Fall.  Die  alte,sten  frank.  Gesetze  geben 
daJicr  dem  trihttionm,  d.  h.  dem  unter  »patrücimum«  eines  «possessort  stchen- 
tlcn  romanisdicn  Koloiien  geringere-s  Wergeid  als  dem  Roinanus  [HJüsessor. 
Wahrend  des  M.\.  ist  in  Deutschland  niinderfrei  der  unter  lokal  höchst  verschie- 
denen Namen  erwilhnte,  aber  stets  unter  den  Begriff  des  muntman  (nd.  auch 
mun(iliti»\  \A^.x  vo^tman  \homo  advacntifhts)  fallende  bäuerliche GnmdeigentÜracr 
oder  Handwerker,  der  sich  in  widerruflicher  oder  uiiwiderrufliclier  W"eise  dem 
Schutz  eines  Cirundhemi  oder  eines  reichen  Stiidtbürgers  unterworfen  li:it  und  da- 
für eine  ."Vbg-abc  {muii{sfha2)  in  Geld  o<ler  Wachs  (r^Ms/ts)  oder  in  NaiiiraHen 
(it.  B.  Fastnachlhühncr)  etitriclitel,  allenfalls  auch  Fr^ihnden  lastet.  Städtische 
Muntverhahnisse  cheser  Art  werden  seit  dem  1.5.  Jahrh.  verboten.  —  Zu  dea 
Winderfreten  ist  endlich  im  MA.  auch  zu  reebnen  fler  seiner  Herrschaft  zu 
Al:>gaben,  meist  auch  zu  Fmhnden  verbundene  Grundliorige  (Grundholde, 
Coli  in),  welcher  der  Freizügigkeit  darbt  und  mit  dem  Bauerngut,  worauf  ers  itzt, 
veraussert  werden  kann,  der  /aU  des  Ssp.  {vgl.  S.  137),  der  /ae/ des  vläm,,  der 
hanehaik  {barma»)  des  baier.  Rechts,  zuletzt  auch  der  Fiscalinc  (unten  S.  140). 
Im  Werp'Iri  steht  der  .sJUlisiMhe  late  den  anderen  Minderfreien  nur  wenig 
nach.  Ebenbürtig  (§42)  sind  sie  alle  unter  einander,  dagegen  nicht  den 
Gemeinfreien,  hinter  denen  sie  an  Wergeid  und  Busse  wie  an  Fähigkeit  zum 
Urteilfinden  im  staatlichen  Gericht  und  durch  ihre  Unterordnung  unter  grund- 
herrlichc  Gericlite  zurückstehen.  Landfrieden  des  i,v  Jülirlis.  legen  ihnen 
schlichte  Haar-  und  Kleidertrachl  auf.  —  Auch  das  ags.  R.  auf  seiner  spä- 
teren Entwicklungsstufe  kennt  mediati^ierte  Freie,  che  an  Wergeid  besh-nfalls 
i^Zwcihunderter»  sein  können  (vgl,  oben  S.  134),  bei  mangelnder  Freizügigkeil 
aller  niedriger  gewhützi  .sind.  Zu  ihnen,  auf  die  jetzt  der  .\iisdruck  «or/ be- 
schrankt wird,  gehören  nicht  nur  der  gebür  und  colsetla  (oben  S.  13,4),  wenn 
sie  Hintersas.*iPn  eines  Lamllierm  (Ü  49)  sind,  sondeni  auch  die  Grundeigcn- 
tünier,  die  nicht  5  Hufen  I^md  haben,  nmh  auch  Gefolgs mannen  des  Königs 
sind  (darunter  die  soihemanni  des  Doinesdb.?).  —  Eine  der  deutsc^ien  Hörig- 
keit verwandte  Minderfreiheil  hat  endlich  seit  dem  14.  jahrh.  das  dan.  R.  in 
sehicm  seelandischen  Gebiet  zur  Ausbildung  kommen  lassen;  der  in  einer 
G rundherrsch afi  ansässige  Haucmsohn  ist  gehalten,  dort  einen  Hof  zu  ül»er- 
nchmen,  tiarbt  in  soweit  des  freien  Zuges  und  ist  dem  Schutz  {vomtrth)  des 
Gnmdherm  untenhan.  In  alterer  Zeit  dagegen  scheint  nach  den  an.  RR. 
laimlcrfrei  der  Aastrfigler,  der  auf's  »Fiel"  seines  Alimeiitators  -^efQhrti  ist 
\flttßn»g)  und  sich  in  dessen  Hausherrschaft  >ergeben«  mler  »verkjiuftc  liat. 
Seine  s<hwed.  Benennung  ^Uffprie}  musste  er  sogar  halbwegs  mit  dem  Un- 
freien teilen. 

§  41.  Die  Haupimenge  der  Unfreien  (im.  nfnelser  tmni\,  d.  i.  der 
Rechtsunfalngen,  bildeten  die  Leute  im  Eigentmu  vcm  Freien,  die  von  den 
Rechtshtsturikcm  sog.  i-Knechte«.  Nach  ältestem  R.  war  der  Knecht  Fahr- 
habe wie  Vieh  und  Hausrat.     Daher  sagt  die  Terminologie  von  ilmi  zunächst 


2.  Lei-te:    Minderkkeie.    Unfreie. 


139 


I 


nur  aus.  diis»  er  !jii:h  von  üiidcni  Sachen  als  >ML>n»L')i>  uiilcnichcitict.  Der 
Knecht  hie&ü,  wie  dem  Ijiteincr  /lomo,  so  <lem  Gemumen  man  (im  Anord. 
gen.  neulr.).  Der  Eigentümer  zählte  seine  Knechte  als  >Menschcnh.lupter< 
lahd  monahoubtt),  wie  er  seine  »Viehhaupter»  zahlte.  Weilerhin  w-urde  aber 
der  Kneirht  als  'Diener  )got.  pius,  ags.  p^ow,  frilnk.  ffieo.  ahd.  Jiii,  dam  an. 
/i'  =  unfreie  Dienerin,  und  as.  thioma.  ulul.  dhrna  »Dimei  =  SUavenit>cliter) 
bcÄeiclinct,  udir  als  ^Ergebener-  (got.  andbahls,  alid.  amdaht,  dazu  an.  ambdtt 
^|jy,  afrank,  amhotanra,  gutn.  ambatn).  Deutsche  und  Goien  nannten  den 
Knecht  audi  ^Schalki  iffyi.  skaiis.  ap>.  fränk.  fries.  ahil.  siti/i\.  was  ihn  wieder- 
um in  seiner  Unterwürfigkeit  keiinzeidinet.  Bei  Skandinaven  und  C>herdeuLs<:'hen 
hiesi  er  daneben  finr//  bezw.  tinnil,  Dlufer-  (vgl.  Bd.  I  37.2).  bei  den  ersteren 
änauitigr,  (on.  anuiipfl^hfr),  was  den  unter  Zwang  {änanit)  Befindlichen  be- 
deutet Die  gewöhnliche  deutsche  Benennung  der  Unfreien  im  MA.  ist 
>Eigcnleutc<  (mhd.  ei^mUtiU\.  die  der  Unfreiheit  ^Eigenschaft '.  Abzeichen 
der  Knechisduft.  wen^tetis  bei  Deutschen,  Goten  und  Burguntlen,  ist  ge- 
schorenes Haaj.  Das  Schecren  eines  Freien  konnte  daher  in  alte-sler  Zeil 
itls  Verkneilitung  geileutet  und  sp^iter  sthirapfliche  Strafe  werden.  Im  MA. 
finden  »ich  Spureit  gesetzlicher  Tracht  für  den  KncchU  Thalsachhth  in 
strengerer  Knechtschaft  befindet  sich  der  Haassklave,  in  milderer  der  Knecht, 
dem  als  Pe«'ulium  ein  Grundstück  mit  Zubehör  zu  selbständiger  Bewirt-ScKaf- 
tung  auf  eigene  Rechnung  vnni  Herni  überia.s.'vcn  Ist.  Im  letztem  Fall  luit 
tier  Herr  sich  bitxs  Dienste  und  Aligaben  viirhehalten,  deren  .\rt  und  Mass 
wie  das  Pecutium  selbst  nach  ursprünglichem  Recht  ganz  vun  der  Gnade  des 
Herrn  abhangen.  RechtsgrQnde  der  Knechtsctiaft  sind  Kriegsgefangenschaft 
(daher  VöIkeriKmien  wie  ags.  Wealh,  ahd.  Waiah,  dann  Seinvits  Benennungen 
der  Unfreien),  Geburt  von  unfreier  Muller  und,  j^iwcit  ein  freies  Weib  Ehe- 
frau eines  unfreien  Mannes  .sein  kann,  Erzeugung  vun  unfreiem  Vater,  dann 
vertiagsmas-sige  (und  symbolbedürfiigc)  Ergebung  eines  Freien  in  Knecht- 
schaft «xler  Hingebung  desselben  durch  seinen  Gewalthaber,  —  in  jungem 
Rechten  Strafe  wegen  gewisser  Verbrechen,  Verheiratung  eines  freien  Men- 
schen mit  einem  unfreien,  Widerruf  der  Freilassung  wegen  Undanktwirkeit 
des  Freigelassenen,  Ersitzung  eines  Freien  durch  einen  andern,  Aufenthalt  in 
der  Grundherrschaft,  w«t  .<lic  I-ufi  eigen  macht',  endlich  in  selir  weiter  Ver- 
breitung Exekution  in  bestinunlen  Sclmldsachen  (gesclzlichc  Schuldknecht- 
sduift).  Die  Ver>ichuldkneehtung  bringt  auf  einer  z«'eiien  Stufe  ihrer  Ent- 
wicklung den  Schuldner  nur  in  die  Lage  eines  ausUisbaren  Pfandes  {»/o« 
icatitt- ),  wijdurch  Leib  und  Leben  des  Schuldknechts  gegen  die  Willkür  des 
.Schuldherm  gesi<-hert  werden.  —  Übrigens  bestand  die  Vi  )rsiellung,  Unfreie 
seien  eine  Race  für  »ich,  kennlhcli  an  ihrer  Leibesbescliaffenheit.  Die  meisten 
Unfreien  waren  eben  als  solche  geboren. 

In  verhältnismässig  reiner  Gestalt  hat  sich  die  Knechtschaft  bis  ins  MA. 
Iiinein  nur  im  skandina\Tschen  Norden  erhalten.  Dafür  ist  sie  hier  am 
frühesten  untergegangen.  Von  selbst  verschwindet  hie  im  westnord.  R.  schon 
gegen  AtLS^ng  des  1::.  Jahrh.,  im  danischen  ungefähr  luü  Jalirc  sjiatcr;  ge- 
setzlich ahgeschaft  wurde  sie  1335  in  Schweden.  Bei  den  Südgermanen  ist 
»eil  der  Völkerwandermig  die  rechtliche  Lage  der  L'nfreien.  unbeschadet  des 
I*rinzi|M  ihrer  Rcchtsunfahigkeit,  in  fortschreitender  Be.sserung  begriffen.  Sie 
kommen  in  bestimmten  Beziehungen  unter  Rechtsschutz  und  werden  mehr 
und  mehr  recht-sfaliig.  Dabei  ist  die  Eijtwirkung  von  Kirdie  und  Königtum 
unverkennbar.  Strafrechtlich  geschützt  wird  der  Knecht  zuerst  gegen  will- 
kürlichen Verkauf  in's  Ausland  ixler  doch  in  heidnische  Lander,  ferner  gegen 
Zwang  zur  Feiertagsarbdt,    dann    auch    (zuerst  bei   den  Westguten  xwischea 


(141  iinfi  (»52)  gt'g^n  willkör!ir[ie  Tötung  durch  seinen  Eigen tOm er.  pri^^it- 
rcchüich  im  Besitz  stiiies  Peculium.  Das  Recht  erkennt  seine  Eliefriliigkeil 
und  .seine  Sippe  an,  seine  Pntze.s»>,  »eine  Eides-  und  Zcu^isÜilügkeiL  Der 
unfreie  Bauer  [sennts  ras/itus,  rnntisitumriivi)  kann  endlich  nur  noch  mii  dem 
Gut  vcrauswrt  werden;  nach  Ait  und  Maw  besltninil  werden  seine  Fruhnden 
und  Abgaben.  Allerdinj;«  sind  diese  ForLschriiti^  \\m  den  verschiedenen 
Rediten  sehr  ungleifhni.'is-.ij'  gellum  wurden.  Am  Iresten  gestellt  waren  zu- 
erst die  Eigenlcutc  des  Ki'imgs  {scn^i  fistaies.  fiscalini,  serri  äominici)  und  die 
Gotteshnns-Leutc  {setri  crtUstae),  Hen  ersteren  wurden  schon  frühzeitig  gar 
öffentliche  Ainler  übertragen,  wiiduri'h  sie  unter  den  besonderen  Königs- 
frieden  gelangten,  bei  den  L;ing<ibardfn  .selltst  hu.ssberethtigi  wunlen.  Ku 
Anfajig  de»  (>.  Jalirh.  haben  die  fr^lnk.  FLskiilinen  sclion  das  Konnubium  mit 
Freien.  Je  weniger  Hindemisse  der  Bewaffnung  der  Knechte  durch  ihre 
Eigentfimer  entgegenstanden,  desto  nülier  rikkten  sie  denjenigen  Minderfreien, 
welche  nur  noch  mittelbare  und  imfrcizügige  Staatsuntcrtliancn  waren.  Set 
sind  ntich  in  karohngisclier  Zeit  die  FiskaUnen  in  die  Minderfrdhctt  sellwt 
emporgestiegen,  /u  blossen  Hürigen  geworden. 

Im  mitlelaltediihen  Deutschland  mit  Ausnahme  von  Friesland  waren  die 
Eigenleute  teils  zu  Knpfzins  {temus  capitis,  c.  rtipila/ii),  teils  bloss  zu  Diensten 
{senitiit,  officio)  verschiedenster  Art  vcn^)flichtet  Die  luifreien  2inser,  mit 
freien  unter  dem  Nanu-n  remitnU^  begriffen,  hatten  ein  meist  erbliches  Keclit 
an  einem  Bauerngut,  wufür  sie  dem  Herrn  no*b  Frohnden  leisten  muüstcn. 
Die  unfreien  Diener  yministerinj/rs  i.  w.  S.,  sen-ienus,  sen^ilores)  teilten  sich  in  eine 
niedere  und  eine  höhere  Klasse.  Die  niedere  wird  von  den  zu  uiigemessenen 
wirtschaftlichen  oder  handwerklichen  Arlieiten,  zu  Tnins]K.rtdienstcn,  xu 
Luxusfrohnden  ^Jagd-  und  Tanzfrohndcn)  gegen  Verköstigung,  zuweilen  auf  b 
Lohn  i>dcr  Kleidung  verplfhc bieten  tia-iriK^n-hifH  des  Ssp.,  den  fiageakiilkfii 
oder  tht^rn'iwicti  im  FrJinkischcn  gebildet,  die  huhcrc  vi.»n  den  nur  zu  l>e- 
ütiminten  höfischen  und  ritterlichen  Diensten  gehaUcmen,  daher  zum  Ritter- 
itUind  gehiirigen  dinieshmmuen  {erst  vom  12.  Jahrh.  an  regelmJtssig  minisUrialts 
\.  engern  S.i.  Alle  Unfreien  werden  jetzt  in  Sachen,  die  an  Leib  und  Leben 
gehen,  dem  öffentlichen  Gericht  unterstellt.  Dia-h  bleiben  sie  den  Freien 
uneberibürtig.  Im  \'ergleii  h  zum  fri'ien  Ritter  hat  der  unfreie  kürzere  Anl- 
worlfrist  auf  k.'itnpftichen  Gnis.s.  Er  führt  seinta  Herrn  Wappen.  Zu  ihren 
Heiraten  bedürfen  die  Eigenen  des  Herren konsenses,  den  sie  durch  eine 
besondere  Abgabe  {niarilagium,  sflclis.  u.  frilnk.  heddemiimi  [vgl,  den  wn. 
mmuir  unten  Jj  5h],  sTtchs.  bänirdeS  erlangen.  Andererseits  hört  das  Reibt 
des  Herrn  zum  (-leirafizwang  auf.  Gegen  eine  Erbgebühr  (entweder  biitn'i 
mit  hcri^ewteU  oder  aber  tätval,  nwrtmmum,  Iteslhouhd,  kunnicle)  sichert  sich 
der  Unfreie  das  Erbrecht  an  Fahrhabe.  —  Seit  dem  12.  und  13.  Jahrh.  setzt 
sich  die  standische  Scheidung  unter  den  ritterlichen  Mini-wterialen  scll>st 
wiedennn  fort,  und  zwar  in  die  nicht  bloss  ritterlichen,  sondcni  aitch  mit 
Hnfaniteni  (iasgeniein  des  Marschalls,  Kammerers.  Truchsessen,  Si-henken) 
des  Reichs  und  der  Fürsten  ausgestatteten  imnisUriaifs  oder  diaiestman  i.  eng- 
sten S.  (in  Südnstdeutschland  auch  tiifftesthenvn)  und  die  bloss  ritterlirht'ii 
mililes  oder  ritftr  {scmpemt  UuU  des  Swsp.).  Die  erstem  werden  aktiv  lehcii- 
fahig  und  filhig  zu  Grundherrschafl  und  Vngtei.  Sie  ki^nnen  eigene  Rittej 
haben,  führen  ihr  eigen  Banner  und  sind  sogar  (von  gewissen  Ausuahme- 
falleii  abgesehen)  fJitng,  über  Freie  Urteil  zu  finden  und  gegen  sie  Zeugnis 
zu  gehen,  nehmen  .im  Rat  des  L.andesherrn  Teil  und  simi  pmzessualisch 
und  strafrechtlich  privilegiert  Die  »Rittet'  sind  ihnen  unebenbürtig.  Schritt- 
weise lülhert  sich  aber  ihre  Rei-htsstcllung  wieder  mehr  derjenigen  der  Dienst- 


2,  Lecte:  Unfkkik.    Kbenbühi.    R»mT-  ü.  Ehrlose.   (Jaste.      141 

mannen  i.  e.  S.  Dit-  elu-iiialijjc  Unfreiheit  der  einen  wie  der  ande-m  geriet 
allmahUch  in  Vergessenheit,  als  (seit  dem  12.  Jahrh.)  Gemeinfreie  unter  Vor- 
beliult  ihrer  landrethtlichen  Schöffen  barkeit  in  die  Ministcrialiiat  eingetreten, 
die  Fähigkeit  der  unfreien  Ministerialen  zu  >rechtpm«  Lelicn  und  zu  freiem 
Eigen  anerkannt,  ciem  ^rc*  hten..  Lehen  das  dienstmlinnisttie  Hoflehen  gieich- 
gcstellt,  die  Dienslmsuinen  nebe»  den  freien  Rittern  zum  Urteilfinden  in  <len 
Lchengerirhten  zugelassen,  die  Kriegspflichten  der  Dienstmannen  bedingt  und 
gemessen  waren.  Die  gesamte  Mini^terialitat  i.  w.  S.  stellte  sich  um  Ausgang 
des  MA.  als  ein  niederer  Adel  dar.  In  Osterreiih  ÄHrdcn  <lie  Dienstmannen 
i  e.  S.  wahrend  des  i,s.  Jahrh.  w»gar  den /nat/Aem-n  {oben  S.  1.12)  beigexahlt. 
—  Neben  dieser  Befreiung  der  ritterli<'he-n  MinisterialitiU  her  ging  eine  nna- 
Uige  bei  einer  Klasse  der  gewerblidien  Ministerialen  in  den  Stildten:  den 
»Hausgenossen»,  d.  h.  den  Gem)ssen  des  Münzhauses.  Ihr  Gewerbe,  untcr- 
stfltzt  durch  das  MnnuiMil  des  Geldwechsels,  warf  su  erheblichen  Gewinn  ab, 
dass  der  Eintritt  in  ihn.-  Gilde  selb>.i  von  den  erl»gcsessencn  Freien  gesuclit 
war,  imd  unter  Teilnatune  am  Stadtregiment  erhoben  sich  die  Hausgenossen 
in  den  Patrüiut. 

§  42.  Soweit  man  von  dncm  peringcr  Gewerteten  das  Geltcndmaclicn  der 
Elirenrechte  *eine.s  Standes  geg<'n  sich,  wie  z.  B.  kfimpflichen  Gnms,  IJrteil- 
findung,  Zeugnis  und  Eid,  Bevonnundung,  Beerbung,  nicht  zu  leiden  brau<'ht, 
i:tt  man  nach  <ier  .Auffassung  des  alt<lcuLsi-hen  Rechts  dessen  überffemz.  Der 
Geringere  lieisst  des  Cbeigenossou  un^fHÖc.  Dieselbe  Auffassung  ist  der 
Sarhe  nach  auch  in  andern  sfldgcrm.  Rc<  htcn,  insbcstmderc  im  wcstgolischcn, 
.vertreten.  Da  die  Slandesehre  mit  dem  Blut  übertragen  v.ini,  so  ei^bt  sich 
dem  Gesagten  die  B^ileutung  der  gleichen  Geburt  (innd.  nrniiorf),  Ik-zw. 
der  »besseren*  und  der  ■geringeren'  Geburt.  Das  Kind  aus  der  Ehe  eines 
Obergenossen  mit  einem  Ungennssen  jfolgt  der  ili^em  Hand-,  d.  h.  es  ge- 
hört dem  Stand  des  geringer  geborenen  EltemteiU  an,  —  ein  Grundsat/,  der 
deutlich  sclMm  in  der  Le.x  Ribuaria  auftritt  Stimdcserhöhung  durch  den 
KOnig  jethxh  konnte  (seit  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrh.)  den  Makel  der 
UnebenbÜrtigkeit  tilgen.  Nicht  allemal  ist  der  niedrigerv  Stand  Ungenossc 
de*  höheren.  Vgl.  das  Verhältnis  der  Schüffenbarfreten  zu  den  Fftrstcn  und 
freien  Herren  nach  dem  Recht  des  Sachsenspiegels  oben  S.  135.  Daher  könnte 
man  im  Sinne  obiger  Tenninologie  die  Bewohner  Deutschbmds  im  MA.  ein- 
teilen in  »Genossenschaften«,  die  Genossenschaften  in  Stilndc,  wobei  sich  — 
IrOher  Bemerktem  nach  —  eine  andere  Klassillxicning  nach  Lehenrecht  als 
nach  Limdrevht  crgehe?i  wflrdc. 

§  45.  Den  skamlinavischcn  wie  den  deutsi  lien  Rechten  sind  die  Klassen 
der  »rechlJt)sen<  und  der  «ehrlosen*  Leute  bekannt.  Die  Rechtlosigkeit 
ist  völliger  «.>der  leilweiser  Ausschluss  von  den  Ehrenrechten  des  Standes,  ob 
nun  diese  in  ihrer  Gesamtheit,  i>der  ob  ilir  vornehmster  ReprSsenlani,  das 
Reclit  auf  Wergeid  und  Busse,  unter  dem  alwrkannten  »Recht*  (in  deutschen 
Quellen  rrcA/.  in  den  aiiord.  rf//r)  verstanden  wird.  In  alteren  Zeiten  erwies 
sich  die  Rechüixslgkeit  insbes<mdere  gegenüber  Wortbeieid Igui igen  wirksam. 
Dies  trat  schon  bei  der  Klage  aus  einem  Red ittusigketts-G rund  in  der  pro* 
ilen  »Namengabe*  hervor,  ()l>eratl  femer,  wf>  ein  CbelthJlter  mit  dera 
»Neidingsnament  belegt  wurde.  Zu  den  Rechilusen  gehören  sicis  die,  welche 
whimpfl icher  Verbrechen  überfohrl  sind,  dann  Leute  vun  verathtcter  Lebens- 
weise, wie  z.  B.  Spielleute,  gewerbsmässige  Kämpen,  Bettler,  Landstreicher, 
in  Deutschland  auch  die  unehelich  Geborenen  und  im  Spatmittcia) ter  die 
Henker.  Die  Rechtlosigkeit  der  Kamixrn  ist  .sogar  auf  deren  Kinder  vererb- 
lich.     Die  Ehrlosigkeit  ist  Verbreihens-  oder  Straffolge:  wer  sich  einer  treu- 


1^2  IX.    KF.tllT.       B.    ALTERTt'MF.K. 

losen  HandJunjrsweisc  srhuldig  madit,  verliert  seine  Glaubwardigkeil  und 
ursprünglich  ;i]lgemein  aurh  den  Zutritt  7u  den  Versammlungen  und  Ver- 
ViElndcn  vt>n  Biederlculfii,  später  noch  zuweilen  die  Befugnis  zum  Führen 
der  Stand('s;iliZ('irlicti  (rr  wird  ;i!nm.  .^von  Ehr  iin(j  Wehr  g*-setzt«).  In  den 
lel/ten  Jahrhunilerlt-n  des  deul».]ien  MA.  hahen  *ii<li  RccIU-  und  Ehrlose  zu 
Genossenschaften  verfinigt,  innrriialb  deren  cli»  Recht  den  Mangel  der  per- 
äönlichen  Elire  übers.-ih. 

I  44.  Der  Landfremde  (gol.  /ramps.  Hgs.  /rtmße,  iihd.  framadi  voM 
/*Y7in  =^ fort,  <>dcr  :ih().  titihtnli,  mhd.  flUnde)  oder  Gast  (genii.  *gtuliz  v^I. 
lal.  hostis)  ist  nath  .lllesleni  Recht  für  sich  allein  recht>unfrtlilg.  Ähnlich  wie 
der  dem  gastiz  entsprechendr  hnstis  den  I^ieinem  zum  -Feinde-,  uurde,  so 
ist  bei  den  Deutst-hen  der  Begriff  des  :tElendeiis  in  den  des  Unglücklichen 
übergegangen.  Aber  die  rechtliche  Schutzlosigkeit  des  Gastes  fQhrtc  zur 
Gastfreundschaft.  Dem  freiwillig  in  den  Schutz  emes  RechLsgenoiwen  sich 
begebenden  Fremden  (langnl).  *n'tin0inff,  afriluk.  *wiirgen^i,  ags.  nnfrgfHgu, 
femer  an.  fvMni^/,  woniber  Thomsen  /Jrs/>r.  li.  r/iss.  SiaaUs  187(1  S.  125^ 
\2~)  wurde  duiL-Vi  dessen  Vertretung  der  Scliutz  des  Rechtes  \-ermitte)t 
Die  Wirkungen  dieses  Prinzips  sind  wahr>*chcinlich  zuerst  auf  Handclsplülzen 
und  hei  Kultgt-nicinscliaft  verschiedener  Völker  von  Ausnahmen  zu  Gunsten 
des  Fremden  durchbrochen  wonlen.  Bei  den  Deutschen  steht  nach  der 
Völkerwanderung,  wo  mehrere  Staaten  zusammen  das  Reich  eines  Könige) 
bilden,  der  Landes-  aber  niclu  Reicbsfremde  in\miitelbar  unter  Rechtsschutz 
(vgl.  oben  S.  65),  der  Reiclisfremdc  zunächst  noch  verfa.ssungsmJlssig  unter 
Königsschutz.  An  den  Krmig  gebt  daher  der  Narhlass  des  Fremden  und 
ganz  iKicr  teilweise  auch  sein  Wergeid.  Im  MA.  wird  der  unmittelbare 
Reclaschutz  prinzipiell  auf  nJle  Ausländer  erstreckt^  dt»cli  rieht,  ohne  dass 
.sie  den  InUindem  vielfacli  nachgesetzt,  insbcsiindere  auch  von  iKilitlscben 
Rechten  ausgeschlossen  bleiben.  Um  so  mehr  blüht  nun.  in  Deutschland 
namentlich,  das  Bevorzugen  der  Unterthanen  der  einzelnen  Herrschaften  vor 
den  übrigen  ReidisangchOrigcji.  Zuweilen  haben  aber  Gesetze  und  vOtker' 
rechtliche  Vertrflge  den  Au.ilrtnder  auch  vor  dem  Inlander  privilegiert.  Beide 
Wirkungen  hatten  die  Gesetze,  welche  ausserordentliche,  insliesnndere  ISglicli 
zu  haltende  Gerichte  für  Gflste  (Gastgerichte)  einfülirten.  In  anderem  Sinne 
waren  besondere  Fremden gcrichte  durch  die  westgot.  Gesetzgebung  einge- 
führt worden.  Prinzipiell  unterstellte  sie  die  Fremden  dem  Landrecht:  aber 
in  Civilstreitigkciten  unter  sich  sollten  sie  nach  ihrem  Nationalrecht  und  >'t»n 
ihren  tdoivarü  beurteilt  werden.  Die  skandinavischen  Rechte  der  historischen 
Zeit  nehmen  den  Standjmnkt  dej*  mittelalterlichen  deuL-ichen  Rcrlitts*  ein. 
Doch  unterscheiden  sie  zwischen  luindes-  und  Reichsfremden,  einige  auch 
zwischen  Rciehsfremden  mit  skandln anscher  und  Reirhsfremdeu  mit  anderer 
Muttersprache..  Dem  politisch  <>der  national  ferner  stehendtm  wird  n.lndtch 
im  idigemeinen  ein  geringerer  Werl,  eine  weniger  vorteilhafte  Reclits.stellung 
cingLT.1umt.  als  dem  naherstehenden.  Vcitrilge  und  Privilegien  haben  auch 
dieses  Prinzip  durchbrochen.  In  Norwegen  z.  B.  Itaben  seil  c.  1022  die 
Islander  das  'Recht*  des  hflidr  (oben  S.  135).  wtigegen  sie  xur  Erfüllung  be- 
stimmter Unterthanenpflirhten  herangezogen  werden.  Autonome  Korpora- 
tionen konnten  in  deii  drei  letzten  Jahihunderten  des  MA.  die  reielisfremden 
Kaufleute  aus  Deutschland  in  London  iStahlhof)  uiid  in  verschiedenen  Städten 
Skandinaviens  (z.  B.  in  Wisby  schote  c.  1229,  —  Kuntnr  der  r-Hansebrflderi 
in  Bergen  etwa  seit  der  Mitte  des  Jahrhs.)  bilden. 

Eine  Sonderstellung  haben  in  den  deutschen   Staaten   die  Juden   etnge- 
nuinmcn.    Seihst  die  im  Lande  ansässigen  galten  als  Reichsfremde  und  waren 


2.  Lel'ie:  Gäste.    3.  Hckkschkk:  KöNuauu. 


»4J 


st«ls  auf  den  K«1ntgsiMliutz  angewiesen.  Derselbe  niatstc  im  mittelalterlichen 
Deutschland  durch  Abgiilx-n  an  die  köni^khe  Kammer  eru-orben  werden 
(daher  die  Juden  -Keirlisk^mmerkneihte«)  und  gelangte  wie  »ndere  Regalien 
an  Fürsten  und  SlAdte.  Snwfit  die  Juden  nicht  besonderen  Grundsätzen  des 
Tenitorialreehts  (z.  B.  in  Sachen  des  Wuchers  und  Eigentumserwerbs,  des 
Eid<fs  uml  Zeugnisses)  unterstelH  uaren,  galt  für  sie  da-t  mos;iisrhe  Kecht 
und  luittcn  sie  einen  eigenen  Geriditsstand  IgewOhnlich  vur  dem  Rabbiner 
oder  .Ju*lenbis*hof<).  VerkehwltesrlirSlnkungen,  Zwangswohn-  und  BegrSbn»- 
pl«lt2e,  geseuliche  Tnuht  ( Judcnliut,  -Ring.  -Mantel )  trennten  die  Juden 
auch  auüserlich  von  den  diiisUichcn  Einwohnern. 

3.   HERRSCHER. 

LUenitur  bei  Sicfiel  RG.  §§  I3.  17,  1«^  23  —  26,  60—72,  74 — 9z,  94,  95, 
97  —  107.  na  t  ci.  Mb  — izo.  Brunner  RG.  I  %%  17.  34,  26,  36,  54,  U  M  ^ 
—  85.  8;— 95  u.  in  Holweml,  §§  4.  7,  8.  10.  13,  16,  Schröder  Lchrb.  gS  5, 
17—28  (S.  205),  32.  44—48,  50.  5[,  KoscDvingc  g$  ij.  58,  39.  48.  8y,  go, 
99,  117,  118.  St«mann  KcWh.  §§  17  —  20.  43—47.  Brandt  Focvl-  l  Sg  2,  3, 
6.  II,  II  i%  (16,  88.  Awftwrdnn :  W.  Sigk*rl  in  W«t<iMU.  /.»ehr.  XV  l8g6  S. 
III  — 171,  %■.  Artlira  in  Oim.  j^l.  A.  1888  S.  49—52,  57—60,  189O  S,  192  — 
199.  Th.  Liri.iiier  in  Mlt^G.  XVII  (189«»)  S.  537—583,  Dicmand,  A  tWv^ 
mrtnxell  der  Kanerkriinungen  von  Olla  l.  bis  Frtedrük  II.  1894,  K.  Lehmann, 
AbhanJhtngrn  1888  Nr,  1  11.  UI  (ilazii  K.  Maurer  in  Lil.  Ccntralbl.  1888  Sp. 
1269  —  1272.  Kr.  Vjschr.  XXXI  S.  197 — 206,  208.  212.  v.  Amir«  in  Götu  gel. 
A.  1889  S.  266 — 271).  "W.  Michael,  DU  Formtn  des  unmilt.  J'erkrkn  tw.  J. 
tütU.  Kaisern  n.  som-er.  Fürtten  1S88,  Dopsch  in  MIOG.  XVII  1896  S.  396 
— 310,  Luschia,  österr.  fteü/ugesch.  §§  8.  9,  14 — 19.  25  —  28,  30,  Sauertanil 
(üben  S.  128),  Oechsll,  I>if  Anfänge  der  Si-Aa.<fiter.  Eidgenouensthn/t  1891. 
Pfafr.  D.  Sfaatsr.  der  ii/ten  EidgrNOssensfi.  6fs  i.  t6.  Jahrh.  1870.  v.  Juvali, 
Funeh.  ü.  d.  Frudalseit  i-*  cur.  Ratien  I.  U  1871,  v.  Planta,  Die  rnrrJitft. 
If,rri<ha/trn  i.  d.  FruAtheit  1881,  WiUtch,  Die  Grundherruhaft  in  Aord- 
■ofestdeulsthiand  1896;  —  Sluhbs,  Cansl.  tfnt.  \  S.  66—68.  85—21  1'.  E.  Htlile- 
brand  (oben  S.  I2i)  S.  29—75,  f»n«itl.  Engl.  Ver/G.  S.  10—57,  79,  84:  — 
Jessen,  f.'nJrritigeher  tH  nord.  öldhüt.  1862,  J.  Steenstr tip,  Sludü-r  (rtbm 
S.  ist)  I  S.  26—46.  149 — 270,  11  S.  325  S..  L.  Kotbere,  /-rges  H'a/drmari 
regii  1886,  DcTKlbc.  Konge  og  Danrho/  i  de:  13.  og  14.  AarAiindrede  I  1895, 
A.  Kode,  Dnnehoß'et  . . .  1893.  MatJten,  Dantke  tongvrs  /{aand/aHninger  1889, 
DerKJbe.  Foreia-ittinger,  Ofenti.  Ä  I  §§  8— 14;  —  E.  S,  Biinf;.  Dt  7-et.  Sue- 
cerum  et  C^lhcrum  firae^ip.,  qNac  rempttbl.  sfiectant.  institutis  1826  S.  133 — 
172.  Schlytcr, /«r.  Afhandl.  1  S.  1—54,  II  S.  93  — aoo.  276—281.  Strinii' 
holm,  Svenska  jolk.  bist,  (an  den  ebenda  V  S,  119  — 124  cit.  -Stellen),  v.  d. 
Lunckcn,  Om  läns/örfaUn.  i  Sverge  1864.  O.  Alin.  fiidr.  tiH  nensta  rJde/s 
Aiit.  1  1872,  DiTS.  Om  tn-nsiM  nideh  sammansällning  nnder  medeiliden  1877. 
L.  Mecbelin.  Oß-rrt.  a/  n-ensta  rftintdeti  stalsrl.  sUUi.  1873  S.  1-26,  Fr. 
Odberg,  Om  den  tvenske  konungens  damsrätt  [875,  Naumann,  Sver.  Stall' 
förf.  I  i«7q  S.  I  — 141.  T.  Fahlbeck  in  Hisi.  Twlskr.  (Stockh.)  1884  S.  l— $0, 
H.  Hildebnind,  Si-er.  Afedelt.  IIS.  I  — 142,  18.331-283,  725  f..  911I., 
Key-Äberg,  Om  Konunga  tnh  Tronföljarevat  1888,  Kjcll^n,  Om  F.rikigtttan 
1889;  —  AÄchehoug,  kargem  ofenti.  Ket  I  18X6,  Sar»,  Vdiigl  inslteai.  I  S. 
145  — 163,  197—225.  11  S.  1—32.  72 — 241,  K.  Maurer,  üettr.  t.  RG.  des 
grrm.  Xord^ns  I  1852  (i-J.  unter  dum  Titel  Vppkaf  alhkerfnrrikis  d  hiandi  1882), 
Dos.  Sorteegens  Sihmkung  an  d.  Itl,  Olaf  [in  den  Miinch.  akad.  Abb.  1877), 
Den.  i.  Gerrn.  XIV  S.  27—40,  Zschr.  f.  deut.  I*hil.  IV  S.  125— 130,  Jen.  Ul- 
xlg,  1875  An.  74,  »Festgabet  f.  Arndts  1875  S.  47—67,  G.  Storm,  .Vagnns 
£rUngii»ns  Lav  om  Kongevalg  1880,  Y.  Nielsen,  Del  norske  rigsraad  1880, 
V,  Finscn.   Om  den  ofrind.   ordning  (oben  S.    100). 

§  45.  Die  gcrman.  Ur\erfassimg  Hess  für  eine  Herrschergewall  Einzelner 
keinen  Spielniuiu.  Da-s  Staatshaupt  war  die  Landsgcraeinde  (oben  S.  129), 
Ausser  ihr  und  der  Hundenscliafisversaminlung  [""»ben  S.  122,  123)  gab  es  keine 
andern  ätaaLsorganc  als  Bc:untc,  ja  dem  Anscheine  nach  nur  solche  Bc^imte, 


UA 


IX.  Recht.    B.  Denkmäler. 


flie  von  der  Landsgemeinde  gcwfihlt  w;iren.  Dennarh  knflpfl  das  Aufkommen 
der  Herrsrhergewalt  nn  jenes  Üeamientum  an.  Die  Landsgemeinde  stellt 
einen  sUlndigen,  wenn  auch  absclzbarcn  Beamten  an  die  Spitze  des  Staates 
und  ni:nmt  ihn  aus  dem  adeHchsten  Gesclilechl.  Sie  ist  dabei  von  dem  nüm- 
lidien  Beweggrund  geleitet,  aus  welchem  das  Recht  den  alten  Gcburtsadel 
auszeichnete  (nhen  S.  130).  Denn  die  Brziehungen  jenes  Würdenträgers 
/.ur  Gottheit  sind  es,  vnn  denen  Wnh]  und  Wehe  des  Volkes  abhilngi.  und 
das  Volk  madit  ihn  deim  auch  dafür  veranlwtwtlidi.  >K5nig*  (alid.  as. 
tunin},',  ags-  cvm'ag,  an.  kanimgr,  aber  aurh  ags.  nnt)  heisst  ein  solcher 
Häuptling,  sei  es  aU  Vorsteher  des  sippcuhaftcii  Gemeinwesens,  sei  es  als 
Abkömmling  des  vornehmen  Gfsrhiei'htes  (etwa  i-vornehmer  Herr»),  —  da- 
neben aiM'h  'Volksführer-  (gut. //«f/c/wj,  v.x\.  pjdittnn,  a^, p^o/ün,  -d».  ihioäan), 
weil  er  der  Centralbeanite  ist  Die  Griechen  übertragen  diese  Benennungen 
gewöhnlich  durch  ßaadevi,  die  Licteiner  durck  re.v  und  der  letJttere  Tcnuinus 
int  dann  allgirmcin,  der  crstere  sporadisch  von  den  Gennanen  in  ihren  lat. 
Quellen  angeni»mmen  worden.  Nicht  alle  Germanen  haben  bei  ihrem  Eiii- 
Iritt  in  die  Geschii'htt;  Könige.  Vorzugsweise  bei  den  fistlichen  scheint  das 
Königtum  zuer>il  verbreitet.  Bei  einigen  deutschen  Viilkcm,  wie  z.  B.  den 
Markoiiianneii,  den  Franken,  den  Langobarden,  den  Angel:>achsen  entsle-ht 
das  Kflnigtum  erst  im  Lauf,  obschon  nicht  im  hellsten  IJrht  der  Gesrhichte. 
Gewisse  Grundüfige  kehren  im  Oiarukter  des  germanischen  Königtums  aller- 
ding»  gleiclimflssig  wieder,  vor  allem  die  pers<!inliche  Verantwortlichkeit  des 
Königs  für  seine  Funktionen,  wcirauf  immer  diese  gerichtet  sein  mögen. 
Dass  der  Triiger  dieses  persönlichen  Regiments  schon  in  frühester  T.ch  der 
geborejie  Heerführer  des  Volkes  war,  kann  als  sicher  gelten.  Die  Schilder- 
iiebung  bei  gotischen  imd  deutschen  Königswalilen,  der  Speer  als  fränkisches, 
der  Helm  als  angelsächsisches,  Schwert  und  Schild  als  langubardische  Königs- 
abzeichen und  in  der  giiniien  gemian.  Welt  die  vorgetragene  Heerfahne 
(altdeutsch  gmipfauo,  an.  makt)  symbiiilisieren  den  knegerischen  Bestandteil 
im  Königsaint,  Spater,  nachdem  die  Königswürdc  bei  Kindeni  möglieh  ge- 
worden, ereignet  es  sich,  das.-i  sie  in  der  Schlacht  dem  Heer  vorangetragen 
werden.  Aber  auch  die  Sorge  für  Ordnung  und  Rechtspflege  oder  mit 
einem  Wort  die  Fried ensbeM'ahrung  oblag  dun  allgerman.  König.  Schim 
1k.'I  Tacitus  nimmt  er  das  Friedensgeld  (^  Bo)  ein  und  judex  heisst  er  bei 
alten  Autoren  oftmals.  Andererseits  fehlt  dem  altgerm.  König  alle  und  jede 
selbsumdige  Gesetzgebungsgewalt,  Fr  hat  in  der  Landsgemeinde  kein  he-ssercs 
Stimmrecht  als  der  nächstbeste  freie  Bauer.  Was  sonst  noch  den  Inliall  des 
Ältesten  Königtums  angehl,  so  darf  derselbe  nicht  als  Überall  gleichartig  ge- 
dacht werden,  denn  so  wenig  wie  die  Entstehungszeit  waren  die  Entstehungs- 
uTsachen  des  Königtums  überall  die  gleichen.  PriL-sterüchc  Funktionen  sind 
dalier  bei  skandinavischen  Königen  wahrscheinlich,  wahrend  sie  den  bur^m- 
dlschen  und  deutschen  uachweislich  fehlten'.  Dagegen  deuten  Rudimente 
im  sj^iltpren  Recht  darauf  zurück,  dass  sücigcrman.  Könige  selbst  zum  Gegen- 
stand des  Kultus  geworden  sind  (Umfahrt  des  Königs  nach  Uestininitem 
Ritual,  Glaube  an  seine  Heilkraft,  Fahnenwagen,  Verteilung  der  Köriigsiciche). 
Vergötterung  von  Königen  nach  ihrem  Tod  findet  sich  bei  skandin.  Völkern 
(besonders  lehrreich  die  Geschichte  des  Olafr  GeiistadaMfr  und  des  Hälfdan 


*  5.  Gölt.  gel.  A,  ll!f*8  S.  t;i.  Wenn  lit.  kuningas  wie  einen  anilem  anecschencn 
Herrn,  so  auch  den  gci&Uidicn  bezeichnen  kann,  »o  ist  (Inmii  natürlich  nichl  der  Si-hlu» 
gcfordoi,  das  Won  »ci  scbon  in  <Jer  BedeutuRi;  'Pric&te[<  einer  i^tnii.  S]mchc  enlU-bnt 
worden. 


Svarlc).  Das  Sakrale,  das  Legcndarischc,  das  PentOnüchc  im  lütgt^miHn. 
K'lniptum  rflumen  der  Individu.iIitSt  seines  jeweiligen  Trägers  die  gTr»sstc 
Bedeutung  für  dzc  Fortentwicklung  der  Insülutirm  ein.  Dasselbe  Volk, 
vcirhfs  nach  einem  nn  glück  liehen  Krieg  oder  hei  Misswarhs  seinen  Knnijj 
vcijagt  oder  den  Goilcrii  upkrt,  duldet,  dnss  er  in  Glück  und  Thalkra/l  die 
ohnehin  schon  seinem  Amt  inncu-ohnetide  Befehlshaberschaft  (den  »Bann«) 
erweitert.  In  dem  gUicklidien  Fürsten  erblickt  es  seinen  iBmtwarl  und 
Sdiulztrüpcri  (ags.  hla/ord  (tml  muttdhom).  Ihm  sichert  es  durch  Srimiir 
eines  Treueides  (Huldigung)  die  Unabsetzbarkoit.  Ihm  ftberiasst  es  die  Rc- 
prascntatinn  des  Staates,  sowie  alle  entst:hciiiende  Verwaltung.  inslK\si>ndere 
das  Ernennen,  Bcau/sichl^en  und  Abberufen  der  übrigen  Beamten,  das  Ein- 
richten der  Ämter,  das  Abgrenzen  ihrer  Sprengel,  ja  auch,  da  er  prinzipiell 
ans  eigener  Tasche  für  den  Staatsbedarf  aufzukommen  hat,  alle  Staatsein- 
nalimen,  weiterhin  das  Finden  von  Urteilen  in  einem  eigenen  Gericht,  das 
Aberkennen  imd  Wiedei^e wahren  des  Friedens,  zuletzt  gar  die  Ge^setzgebung, 
so  (Liss  höchstens  mxh  gewisse  Können  derselben  an  die  ehemalige  Souv^ 
rAneUit  der  Landsgemeindc  erinnern,  sdweit  tliesc  nicht  völlig  verschviindet. 
Äussere  Momente,  welche  vor  anderen  diese  Weiterbildung  befurderien, 
«■arcn  die  Gründung  vim  Grossrcichcn  und  die  damit  geforderte  Arbeits- 
teilung auch  auf  dem  Gebiet  des  Kechislebens,  —  die  Entstehung  zusammen- 
gesetzter Staaten,  deren  Verband  Icdighch  durch  das  (raelsi  erol»emdc) 
Ki^nigtum  hergesielli  wurde,  —  bei  südgermanisrhcn  Völkern  insbesondere 
auch  die  Verlegung  des  Staates  in  ein  Gebiet,  dessen  Hewohner  der  Cber- 
rahl  nach  an's  römische  imiwrium  gewohnt  waren  und  denen  gegenüber  der 
K^inig  mit  der  MachtfQlle  wie  unter  dem  Namen  und  mit  den  Ge^iliäfts- 
formen  des  rümiMhen  princcTW  auftreten  durfte.  Unter  derartigen  Verhfllt- 
nisscii  konnte  sich  das  germanische  Königsamt  nicht  bloss  zu  einer  unum- 
schränkten Gewalt.  sowJcm  auch  zu  einer  wahren  Herrschaft  Ober  Land 
Wid  Leute  {—  'Reich-:  — )  ausbilden,  die  nicht  mehr  vom  Volke  abgeleitet 
oder  irgendwie  abhängig,  vielmehr  wie  ein  angestammtes  und  nutzbares  Privat- 
recht ihres  Trägers  behandelt  wurde.  Ein  solches  Kf'Vnigtiim  ist  vererblich 
wie  ein  Landgut  und  untersteht  selbst  der  Verfügung  seines  Inliabers,  der  es 
teilen  oder  durch  Annahme  eines  Mitkönigs  oder  eines  Unterkrmigs  vcniel- 
fillt^;en  kann.  Der  Übergang  zum  Cliristentura  ist  für  die  Königsherre^-haft, 
sofern  ihr  die  si>ezifisch  heidnische  Herkunft  unvergessen,  nicht  ohne  Gefahr, 
verschafft  ihr  aber,  wenn  einmal  überwunden,  leicht  eine  neue  religiöse 
Grundlage.  Ein  von  der  Kirche  gesalbter  (■"konsckrierter«)  und  gekrönter 
KAnig  kann  den  Thronerben,  dem  solche  Weihe  abgeht,  verdrängen,  eine 
neue  Dynastie  grflndcn.  Und  nun  ist  das  Konigtimi  nicht  mehr  mensch- 
lichen Rechtens,  sondern  gfitUiclicn,  der  König  »von  Gottes  Gnaden-^  und 
ein  Vertreter  Gottes  oder  eines  heiligen  Voi^angers,  au«gest:ittet  nicht  bloss 
nüt  einem  Kirchenhoheits-,  sondern  auch  mit  einem  Kirchen regiermigsrediL 
Der  Wert  der  krinigtichcn  Person  kommt  in  deren  besonderem  strafrecht- 
lichen Schutz  und  in  ihrer  unbedingten  Glaubwürdigkeit  zum  Ausdruck, 
weiterhin  aber  auch  in  dem  Königsfrieden,  der  des  Königs  Umgebung  und 
Diener  s<-hützt  (oben  S.  131).  die  Königsgett*alt  selbst  in  dem  "Herren* -Titel 
(ahd.  truhtin,  ags.  HmhUn,  an.  drvUin,  —  ferner  ahd.  as.  hent*  ixler  fr»)  und 
in  der  teilweise  nach  spatröm.  Vorbild  bereicherten  Symbolik;  dem  Hoclisitz 
(KOnigsstuld,  ags.  bre^stöi),  dem  Mantel  und  Schwert,  dem  Ilauptrcif  und 
Szepter,  —  diese  beiden  zuerst  im  Frankenreich  mit  der  (Friedena-?)  Lilie, 
welche  auf  dem  Szepter  wohl  .luch  durch  die  Taube  vertreten  wird,  — 
dem   Gerichlsstab  (auf   dem    Knauf  des   frank,    die   manus  justiiiae),   dem 

Ctfnanuche  PUIoIdkI«  IIL  2.  Xuti.  10 


1^6  IX.  Recht.     B.  AltertOmer. 


Bnistkreuz.     Das  Salben  und  Krönen  der  Königin   en«lainint  der  Idee  des 
Erbrdclis. 

§  46.  Das  hier  skizzierte  Entwicklungsscliema  ist  nicht  in  allen  Verfas- 
sungen j»!  eich  massig  durchgemacht  wortJen,  vollsülndig  überhaupt  nur  in  der 
des  frünkischfn  Gm-v-irdchs.  In  den  anderen  ist  der  Höhqmiikt  der  Ent- 
wicklung duri'h  f-ine  Vorstufe  der  absohiii'n  Erhmonarrhic  bezeichnet.  Unter 
den  dcuili'li  crkennb;iren  Typen  der  Institution  ist  am  weitesten  zurückge- 
blieben, weil  durch  die  Laiidsgenieindt,  im  S|)iltMA.  durcli  den  Reichstag 
bezw.  Keirhsrat  tler  Optitnuten  aufgehalten,  das  ostnordischc  Königtum.  Das 
Höchste,  was  vuii  diesem  über  das  Mass  das  uinurdischen  hinaus  eireicht 
wurde,  war  die  ('nicht  einmal  schrankenlose)  Kepr;isentati\'gewalt,  ein  gemes- 
sener Anteil  an  der  Gesetzgebung  (oben  S.  104,  1 10,  115,  116)  und  an  der 
Aiiitsh«»hcit,  das  Recht  der  persönlichen  Urtcilsfindung  itn  »Königsgericht«, 
ein  besclirilnktrs  Hirgniidigungxrecbt  und  ein  besonderer  Königsfriede,  das 
lebcnsl;ingliche  Xutzutijp^rcchl  ain  Krungul  ( Upiaia  oper  bezw.  ktmun^Uf) 
\ind  das  Reclit  auf  (iastung  (asw.  gen^(Trp,  in  Dilnemark  pmcuratio,  servitium 
nocliittu),  allenfalls  noch  auf  die  ordentlichen  (hergebrachten),  teilweise  an  die 
Stelle  der  Gastung  getretenen  Steuern  (a^w.  utsiyldfr,  dSn.  skol  und  slt^). 
Dagegen  blieb  der  König  auch  nach  der  Vereinigung-  der  Kleinstaaten  zum 
»Reich«  ein  Wahlkönig,  der  in  Schweden,  weil  nur  auf  dem  Mufathing  der 
Upsvcar  und  bis  Mcp  nur  von  diesen,  seit  ijiy  nur  \t>n  den  Repräsenta- 
tionen der  Landsdiaftcn  zu  wählen,  die  Kn'is^ta  reiten  niussie,  um  in  den 
übrigen  alten  >LAndem<  fC^ruiHche  Anerkenniuig,  Nuturali.s:itiuu  und  Huldigung 
2u  erlangen,  und  der  auf  ähnliche  Art  in  Danemark,  wiewohl  auf  einer  Reichs- 
vcrsamnilang  gewählt,  doch  auf  den  Hauptversammlungen  der  alten  I-uJid- 
scliaflen  sich  die  Uuldigiing  der  Völker  zu  erholen  d.  b.  mit  diesen  sc-incn 
Ansiellungs vertrag  zu  schliessen  hatte.  Ein  solches  Königtum  muss  sich  zu 
WahlkajTiituLitiünen  bequemen  und  bleibt  in  seiner  I  Icergcwalt  auf  deren 
Verwendung  zum  Verteidigungskrieg  bcscliriLiikt.  Eine  höhere  Stufe  schua 
hat  ilas  norwegisi  lie  Königtum  beschritten.  Wiewohl  noch  als  kleinstaat- 
liclies  Ann,  tritt  es  mit  dem  Charakter  der  Erblichkeit  in  die  Geschichte  ein. 
Diesen  bcliilll  es,  nachdem  es  (im  tj.  J;dirh.)  St^mmikOnigtum  geworden,  mit 
einer  vorübergebenden  Mofiifikation  im  Jahre  1 164,  bis  in  die  Unionszeil  bei, 
und  zwar  von  jenem  Jahre  an  mit  den»  Priuzi])  der  Individualsucccssion, 
wahrend  es  an  einer  festen  Thronfolgcordnmig  bis  c.  1260  gebricht.  Das 
Volk  wirkte  bei  der  Thron besetzung  nur  in  so  fem  mit,  als  die  Huldigung 
desselben  und  die  .Ausübung  der  kOniglithen  Gewalt  bedingt  war  durch  die 
ko'itiusrstfkja,  d-  h.  durch  ein  Urteil  der  EandschafUversammlimg  (seit  1260 
nur  noch  der  drontheimischen)  über  des  Thronfolgers  Erbrecht  Hinsichtlich 
des  Inhalts  seiner  Gewalt  unterschied  sich  der  norwegische  Groiskünig  vom 
schwedischen  und  dänischen  zumal  dadurch,  dass  er  erst  in  der  gemtinrccht- 
lichen  Zeil  und  auch  jetzt  nur  kraft  seines  Aufsich tsrechts  über  den  Gesetz- 
aprecher  (s.  oben  S.  loi)  zum  Urteilfinden  legitimiert  wurde,  dafür  aber  von 
Anfang  an  wesentlicher  Faktor  der  Gesetzgebung  war,  gebunden  zwar  au  die 
Annahme  seiner  Gesetze  durch  die  Provinziatvertrelungen  ii^ffPi»g)  aber  aus- 
gestattet mit  dem  Recht,  das  ii>spi"g  teilweise  und  dessen  beratenden  und 
bescli Messenden  Ausschuss,  die  /(J^rrf/a  ganz  durch  seine  Beamten  emeimen 
zu  lassen,  ferner  dadurch,  dass  seit  dem  Ausgang  des  12.  Jahrlis.  die  ge- 
samte Ämierhiiheit  Restandieil  der  KOuigsgewalt  und  nach  einem  weiteren 
Jahrhundert  deren  exekutiv ische  Befelilshalicrschaft  nach  Art  des  frtinkiachen 
Königshannes  (S  80)  unter  besondcm  strafrechtlichen  Schulz  gestellt  und  das 
königliche  Begnadigungsrecht  von  allen  Schranken   befreit   wurde.     Der  nor- 


3-  Herrscher:  Kökigtitm. 


»47 


wegtöchc  König  ersclicict  schon  in  den  alteren  Quellen  uls  Laudcsherr,  das 
Rdch  ist  sein  landeign,  der  Untt-rtlian  sein  Ptgit,  d.  h.  «pin  Diener.  Die 
naLlistliOliere  Entwicklungsstufe  sielil  sich  im  Lingpiburd.  Kunigtuiii  in  so  fem 
dar.  aUt  dieses,  von  Anfsuig  an  Stamm kunigtuni  und  von  Hmtharit  (+  652) 
ab  erblich,  seit  i9.ya  aiich  teilbar,  die  unbeschrajikte  Heei^ewalt,  die  Aufsicht 
über  den  Urtcilfinder  im  Unlergcriciit  und  die  peiüönUche  Urtcilfindung  im 
höchsten  Gericht  erhngt  hat.  Beim  Erlas:«  von  Gesetzen  freilich  bedarf  der 
langobardisi'he  Koni;^  der  Zustimmung  der  Landsj^-nieinde.  Diese  fallt  bei 
den  Angclsaclisen  liinweg,  ohne  in  dem  vom  Belieben  des  Künigs  zusammen- 
gesetzten Notabeintag,  dem  xvilena  gemöt  ein  zuLlngliches  Surrijgal  zu  finden. 
Daher  ist  die  ags.  Gesetzgebung  und  zwar  schon  in  kteinstaatlJcher  Zeit  for- 
mell ausschliesslich  Sache  des  Königs',  dem  auch  eine  unbeschrankte  Disiwn- 
satiouäbefugnis  (lidg.  III  2)  zusteht,  daher  auch  der  I^ndfriede  nicht  mehr 
VcJks-  Mindern  KOnigsfriedc  oder  Kuiiigsschutz:  fvnin^es  nwntf  (bestmders 
deuUich  bc  werg.  c.  I  §  4).  Ferner  ist  das  königliche  Kirchcnrcgiment  in 
der  angelsachsischen  hfiher  als  in  den  bisher  erM-.'lhnten  Verfassungen  aus- 
bildet. Dass  es  hier  bei  einem  rein  tlieoreiischen  Absi>lutisnius  dc4>  ^Baiileus*, 
ja  'impfrntor<i  bewendet,  liegt  daran,  dass  der  ags.  Kitnig  Wahlkrtnig  und 
absetzbar  ist,  wnbei  die  entscheidenden  Funktionen  der  fehlenden  Landsge- 
meinde vom  witeiia  gmn<>t  versehen  werden.  Zwischen  diesem  Kr.nigtum  uikJ 
dem  fränkischen  steht  das  der  gotisch -wandilisrhen  Grossreichc  in  der  Mitte. 
Der  westgotische  K/>nig  gelangt  durch  Optiiiiatenwahl  und  gegen  Wahlkapitu- 
latinn  zur  Herrschaft,  ist  aber  nicht  abseizbar.  Die  andern  Reiche  sind  erb- 
lich, das  wandalische  seit  477  mit  Individualsuccessiun  nach  dem  Grund.satz 
des  Seniurats,  das  burgimdist  hc  mit  Simultan^ucccssiMn  und  Teilbarkeit. 

S  47.  Nach  seiner  völligen  Aiwhildung  -^ehcn  wir  in  fa.«  allen  Staaten, 
wo  das  nationale  Königtum  nicht  durch  einen  Eroberer  vernichtet  wird,  das- 
selbe einem  Niedergang  verfallen,  wovon  die  Ursache  teils  in  dem  Aufkommen 
einer  einlieimi.<<ht'n  mächtigen  Aristokratie,  teils  in  der  Krttarkung  der  Kirchcn- 
gewalt  gegeiiülter  der  Staatsgewalt,  insL>esundere  in  dem  materiell  siegh.iften 
Hcr\-orgehcn  der  erstem  aus  den  Invcstituratreitigkeiten  liegt.  Und  zwar  hat 
sich  die  Kön^gewalt  selbst,  je  mehr  sie  llerrschergewalt  war,  genötigt  ge- 
sehen, zu  diesem  ihrem  Niedergang  durch  Exemtionen  von  Unterthanen  aus 
dem  Berejch  der  öffentlichen  G<^*ali  und  durtii  Ueberlragung  der  wichtigsten 
Hoheiisrechte  auf  jene  {§  49,  51)  milzu^^^rken,  Am  weitesten  ist  in  dieser 
Hinsieht  das  Königtiun  im  Frankenreich,  bezw.  das  von  ihm  ausgehende,  der 
Fiktiun  nach  trankische«  Königtum  in  Deutschland  gegangen.  An  Gerichts-, 
Heer-  und  Finanzge wallen,  entstehen  wegen  ihrer  Nutzbarkeit  erbliche  Rechte 
des  geistlichen  und  weltlichen  Adels.  Hiedurch  werden  die  seiner  Hertschaft 
uiiten»'orfeneii  Leute  der  unmittelbaren  Reichsimtertlulnigkeit  entzogen  { -me- 
diatisiert* ),  wülirend  der  staatsrechtliche  Verband  zwischen  dem  -König  und 
dem  herrschenden  Adel  seinen  praktischen  Wert  cinbüsst  und  durch  den 
priratrechtlichen  der  VassalhtAt  (§  60)  ersetzt  «-ird.  Damit  ist  das  Staats- 
wesen "feudalisierl,«  was  dun-h  den  Grundsatz  gesichert  wird,  dass  er- 
ledigte FQrstenlehen  bimien  Jahr  und  Tag  wieder  verliehen  werden  müssen. 
Die  Kronvassallcn  aber,  einmal  im  festen  Besitz  ihrer  Herrschaften,  beschränken 


I  DftM  die  GcRcuo  dt«  ags.  Königs  nur  tilr  (leit:)«n  Ueb«D*j[cit  gegolten  bluefi,  ist  «ia* 
Behanpfune  £.  Hildebrftod'i,  wrkfae  Auf  durchaus  willkarlictKi  ^elicniotcTpreuiioa 
l>enjbt. 

*  Der  deut.  Könif;  wird  rcfEclm&uig  auJ*  frftnkiscber  Erde  grwthlt.  £r  wird  In  der 
Gnbkircfac  Karls  d.  Gr.  gclcr<^nt  und  auf  dcs«cs  Stuhl  inthronisiert.  Er  gilt,  welcher  Ab- 
ig  Midi  immer,  ab  Mnkiscbcr  Madii, 

10* 


148  IX.  Recht.    B.  AitertOmkr. 

nun  den  KOnig  auch  in  der  Ausübung  dt-r  Uun  noch  vcrblicbtiicn  Funktionen, 
wie  sie  das  Künigtmn  seiner  Erbliihkeit  und  UnpntziciibarkcJt  entkleiden. 
Seil  Ö87  wird  regelmassiger  Praxis  nach,  seit  1077  auch  der  Theorie  nach 
der  Tlimn  tlurch  Wahl  besetzt,  welche  bis  1257  allen  Fürsten  deutscher 
Nationalität,  van  1^57  an  nur  no<:h  sieben  bcstimmien  Fürsten  {»Kurfürstem, 
primipes  eleclorcs)  zusteht  und  bis  auf  Rudolf  von  Habsburg  Stimmeiicinhcllig- 
keit,  von  dieser  Zeit  ah  .Stimmenmehrheit  der  VVMhler  erfordert.  Die  Üe- 
schriinkung  des  aktiven  Wahlrechts  auf  die  7  Kurfürsten  war  seit  dem  ersten 
Viertel  des  13.  Jahrhundert'!,  insbcsonde.re  nach  einer  Theorie  des  SarLsen- 
spiegels,  dadurch  vorbereitet  worden,  das*  bei  der  auf  die  Walil  (das  tnt'den) 
folgenden  Ausrufung  des  Gewiüilten  unter  dem  Königsnamen  {kur,  eietUo, 
dem  bi  nometi  kiesen ')  einer  Gruppe  bestimmter  Funiten  der  Vorrang  vor 
den  übrigen  zugeschrieben  wurde.  Durch  Wahl  eines  -römischen«  KOn%s, 
d.  h.  des  Nachfolgers  bei  besetztem  Thron,  kann  ein  Interregnum  vermieden 
werden.  An  die  Stelle  der  Vererbung  der  Krune  aber  tritt  ein  svmbulisch- 
mysiischer  Akt  (14.  Jahrh.):  die  silberne  Krone,  wnrait  der  K5nig  investirt 
tt-ird,  geht  vom  Schädeldach  Karl's  tl.  Gr.  in  dessen  Hernie  zu  Aachen  auf's. 
Haupt  des  neuen  KOnigs  über.  Der  (seit  1077  auch  absetzbare]  deutsche 
Kilnig  hat  vor  seiner  Krönung  dem  Reich  »Hulde  zu  thun«  d.  h.  einen  Eid 
zu  schwören,  wodurch  er  sich  unter  das  Land-  und  Li^enrecht  stellt,  und  ist 
beim  Erlass  allgemeiner  Ge.setze  an  die  Zustimmung  der  aus  dem  königlichen 
Lehenhof  (atn'a)  hervorgegangenen  Versammhuig  der  Fürsten,  Magnaten  tmd 
Reidisdieiistmamten  (des  ^Reichstags*,  mhd.  ianupräcbe,  coiht/uiitm),  wozu 
seit  Wilhelm  v.  Holland  auch  die  »freien«  und  die  » Reichs* -StÄdtc  Zutritt 
erhalten,  —  beim  Erteilen  von  wichtigen  rrivileg:ien  und  bei  Verrogungen 
Ober  Rciclisgiit  an  die  Zustiinnumg  (»Willehricfc«)  der  Kurfüi>ten  gebunden. 
Vollständig  durchgeführt  ist  das  Feudalsystem  allerdings  nicht:  nicht  nur  übt 
der  König  die  oberste  Reich sgerichlsbarkeii  persönlich  aus  (\^l.  §  85),  sondern 
es  sind  ihm  auch,  wotiin  er  kommt,  Gericht,  Münze  und  Zoll  ledig,  und  der 
belehnte  Richter  hat  (in  NurddeuLichland)  zur  Aasübung  der  hohen  Gerichts- 
barkeit sich  den  Bann  vom  KOnig  unmittelbar  übertragen  zu  lassen  (sog. 
Baiinlcilie).  Indcsa  auch  diese  Prinzipien  werden  wieder  durdi  feudale  Aus- 
nahmen zu  Gunsten  von  I,andesherm  (§  51)  durchbmchen.  Das  Kirchen- 
regiment des  Königs  ist  seit  dem  \i.  Jahrhundert  durch  eine  blosse  Schulz- 
gewalt  {ady>ocaim  eedesiae)  ereetzt  worden. 

Im  skandinav.  Norden  hat  die  Union  auch  den  Übergang  Norwegens  zum 
WalilkOnigtum  bewirkt.  In  allen  drei  Reichen  femer  bildete  sicli  seit  dem. 
13.  Jahrh.  ein  mitregierender  Reichs- »Kati  aus.  dessen  spezifisch  aristokratische 
Zusanunensetzung  im  wesentlichen  vom  königlichen  Willen  unabhä.ugig  wurde 
Lehen  an  Hoheitsrechteji  sind  zuerst  in  Dänemark  (im  12.  Tf*hrh.}  aufge- 
kommen und  liier  allein  (In  Gestall  des  Herzogtums  und  der  Grafschaft,  zum 
Teil  sogar  aU  erbUrhe  'Fahnenlehen«)  zu  lileihender  Bedeutung  gelangt. 
Cber   andere   feudale    Elemente   in   Skandinavien    und    im    angelsflchs.  ReicJi 

s-  S§  49.  50.  ^.5  g.  E- 

§  ^8.  Die  ki^iisequenle  Formel  für  die  nach  Erlangung  des  römischen 
■  Patriziates*  auf  dem  Gipfel  ihrer  Entwickelung  angelangte  Herrschergt^wall 
(ies  fränkischen  Königs  über  die  meisten  chrislliclu-n  Staalen  des  Abendlandes 
ist  the  römische  Kaiserwürde.  GeiiiJlss  der  karoliugisrhen  Idee  um  öoo 
sollte  dem  Kaiser  zukommen  das  auf  Erden  imvcrantworüiche  imperiiim  jaundi 
und  zwar  sowohl  in  kirchlicher  wie  in  weltlicher  Hinsicht,  insbesondere  al 


^  Ein  Scicensitick  dAza  das  norwegische  gefa  konungs  na/n  ('den  KünigKnamca  gtbeo«). 


» 


die  allseitige  Durchffllirung  des  jm  divinum  (oben  S.  67).  Daher  tsl  der 
^ivino  ftHtu  gekrönte  und  ähma  inspiraitone  handelnde  Kaiser  ebenso  sehr 
dne  cicricalis  wie  eine  rriiiilis  prnona,  deren  Gewalt  ihren  RwhLsgrund  *-e<ier 
in  Krhgang,  niwh  in  Wahl,  noch  in  Kmenniing.  noch  in  Union  mit  einem 
Königtum  haben  kunn.  Diese  Gewalt  dient  nicht  mehr  wie  das  altfränkische 
Gn»sskönigtum  dem  Interesse  ihres  Inlwhers,  sondern  dem  der  Gcscllsrhuft 
unlcotehl  daher  auch  nicht  mehr  der  Verfü^ng  ihres  Tragers.  Zwar  ein 
Mitkaiserturo.  aber  keine  Atifteitung  des  Kaiserreiches  unter  die  Mitkaiser 
galt  als  zuLlfsig.  Die  Geschichte  des  Kaisertums  ist  jedoch  schon  seit  dem 
xwcilcti  Jalirzchnt  seines  Bestandes  die  Geschichte  seines  Verfalles.  Das 
fiAnkische  bczw.  deutsche  Königtum  zieht  hei  seinem  Nicdci^aiig  die  Kaiser- 
gewalt in  MitlddeiischafL  An  die  Stelle  der  Scibstkrünung  oder  der  Krönung 
des  Kawci^  durch  seinen  Vorgfingcr  treten  Salbung  und  Krönung  durch  den 
Papst,  die  schcm  im  O-  Ji^hrh.  als  Verleihung  dfr  K.iiserwflrde  durch  den 
lelztmii  gedeutet  und  daher  auch  Fürhlen  zu  Teil  werden,  welche  nichts 
weniger  als  das  fr.'iiikische  Königtum  fortsetzen.  Von  gö»  an  ist  es  zwar 
Vorrecht  des  lieutschen  als  des  ostfrünkischen  Königs  die  Kaiserkrone  zu 
ngen,  aber  diese  selbst  wird  mehr  und  mehr  Symbol  einer  bloiwen  Würde 
tl  einer  ihatsüchUchen  Herrschaft  und  Gegenstaml  der  Doktrin.  Auf  die 
Abzeichen  des  Kaisertums  wird  nun  die  grösste  Sorgfalt  verwendet:  zur 
gi')ldenrn  Krone,  zu  Szepter.  Srhwprt  und  Thron  kommt  der  Globus  («Reiclis- 
apfel<j  und  die  Fontifikalkleidung.  Als  praktische  Bedeutung  des  Kaisertums 
bleibt  nur  übrig,  dass  es  als  Bindejnittcl  unter  den  ahcn  Slammcsgcbicten 
des  deutschen  Reichs  und  zwia'hen  diesem  selbst  und  seinen  Nebenlandem 
liienL  Rhen  darum  wird  von  Hcrrsdieni,  die  vom  Kaiser  unabhängig  sind, 
die  vtirhin  erwähnte  Synibi^lik  nachnciihmt. 

j(  ^c>.  l'rivatrechte  an  itbrigkeit liehen  Gewalten  haben  auf  verschiedenen 
Wegen,  luid  zwar  vorzugsweise  und  am  frühesten  in  den  südgermunisclieii 
Staaten,  Untertliancn  gelstlJLhen  und  weltli4:hen  Standes  erlangt.  Fränkische 
Iinfnunitatsprinlegien  für  Grossgrundbesitzer  {s/niorts)  gewflliren  schon  im 
6^  Jalirh.  dem  Begnadeten  nicht  nur  Frciung  aller  Bewolmer  seines  Landes 
gegen  das  Eintreil>cn  öffentlicher  Schulden  durch  die  königlichen  Beamten 
^(üe  sogen,  emunitas  ab  exactionibus)  und  gegen  das  Ausüben  der  Offenilicheti 
Gerichtsgewalt  {sogen,  emun.  a  districtione)  und  nicht  nur  Freiung  des  ge- 
samten Besitztums  gegen  den  Eintritt  der  öffenUichen  Gerichtsbe;imlen  (sogen, 
«miui.  ab  introitu  judicum  publicorum),  sondern  audi  die  Bcfugiüs,  die  ödent- 
Kchen  Schulden  von  den  Einwohnern  des  immunen  Gebiets  für  sich  selbst 
einzutreiben,  eine  Gerichtsbarkeit  {/»tifuta  nndienliti,  auch  familian's  jiatilia) 
in  Gvilsachen  der  Einwohner  unter  .sich,  eine  Repräscntationsgcwalt  Ober  die- 
selben in  allen  andern  Sachen  und  die  Justizpolizei  auf  dem  gefreiten  Boden. 
Vom  7.  Jiihrti.  bis  tief  ins  Mittelalter  liinein  habeJi  Gesetze  und  Pri\-ilegien 
die  TramunitaLsverhllUnL'isc  weiter  ausgebildet.  Der  Immunitütsherr  wurde 
Sülininstanz  in  Kriuiiiial.s;)chen  seiner  I^ute,  seine  Gerichtsbarkeit  wurde  auf 
Falle  erstreckt,  wo  Auswärtige  gegen  Immunitatsinsasscn  klagten),  ihm  wurde 
der  VoHmg  des  kön^lichen  Heeresaufgebotes  im  gefreiten  Gebiete  übertragen, 
mitunter  erlangte  er  sogar  das  Hals-  und  Blutgericht  über  seine  I.#üte  und 
EiBtieckung  .seiner  ImmunitSt-iherrschafi  auf  fremden  Grundbesitz.  Das  Vor- 
bOd  der  Immunität  de»  Unterthanui  aber  war  die  königliche  Immunität,  die 
selbst  wieder  die  spatrömische  Domani;tlimmunitJlt  fortgesetzt  und  weiter  ent- 
wickeJt  hat.  Diese  haftete  am  Künigsgut  und  ging  mit  demselben,  wenn  es 
verw^licnkt  oder  zu  Lehen  ausgethan  wurde,  in  die  Hand  seines  Empfängers 
tUicr.      Das    unverliehene    immiuie    Reichsgut    erscheint    im    mittelalterlichen 


Dentsrhland  unter  dem  Namen  der  >Reidtsvogtei>  oder  kürzer  drs  »Reiches«, 
—  dagegen  die  Imniuiiilät  des  Uiitertliaoen  und  sein  Immuiiitaisbczirk  unter 
dem  Namen  muniät  (mhd.)  rider  rrtunge  {vrfAfit),  der  Bezirk  audi,  der,  mit 
einem  ?//^r  uniziiunt  nder  aucli  dun:h  die  bunmiU  bestimmt,  seinen  MiUe]- 
punkt  im  Herrenlifif  {vrthihof,  salhof)  hat,  als  hovtmark.  Die  ohrigkcitüchen 
Rechte  des  JmmuniWtsheiTen  werden  nun  prtlgnant  bezeichnet  als  iwinc  und« 
ban  (—  gcrichtshcrrlichcr.  militarisclicr  und  polizeilicher  Befehl,  aber  aucli 
Busse  für  dessen  Verletzung),  glocieniianc  und  geschrti  (=  Recht  des  Aufgebots 
zur  LiKid folge),  herhrr^r,  auch  nnhtielde  (=  Anspruch  auf  gastliche  Aufnahme 
bei  Ausübung  d(-'r  Hiibeatsrettitc)  und  atzun^  isemitinm,  procuratio  =  An- 
sprucli  auf  Veq)f]egurig  dabei),  sfintch  (sa  Gebot  der  Urteüfindung),  vra-'el 
(^  Strafgelder),  diup  (=  Verwahrung  und  Einzug  gestohlener  Sachen),  stoc 
(=s  Gefängnis)  unde  —  nSmlicb  bei  Halsgerichlsbarkeil  —  stein  {=  lapis 
sanguinis,  Richlstättc)  oder  galge.  Hiezu  kommen  dann  noch  ilie  Rechte  aus 
dem  Meerbniui  auf  Transporileistungen  {parn/eredi  und  hosldieia),  bezw.  die 
au  deren  Stelle  getreleueii  Zinsc,  und  das  aus  dem  persr>iilicheu  Aufgebot 
entwickelte  Besteuenmgsrecht,  wobei  die  Steuern,  als  Herd-  cKler  Rauchsteuem 
erhoben,  den  Charakter  von  Grundlasten  annehmen.  In  der  Hauptsache  der 
deutschen  Immunitat  analog,  wenn  auch  spater,  langsamer  und  zum  Teil 
von  andern  Ausgangspunkten  her,  hat  sich  nach  ags.  R.  die  Ubrtgkeit  des 
»Landlicrru»  {lantihlii/ord,  landrka)  über  ein  der  orderitlirhen  Bezirks  Verfassung 
entzogenes  (»gefreites«)  Gebiet  ausgehiliiet.  In  der  zweiten  Hälfte  des  Mittel- 
alters wird  der  geistliche  und  wellliche  Adel  von  Dänemark  und  Schweden 
mit  einer  immuniias  {fnrht)  ah  exactionibiLs  und  mit  tlem  Itczug  der  öffent- 
lichen Abgaben  und  Strafgelder  seiner  Hinteisassen  au^estattct.  In  Dänemark 
gesellt  sich  hiezu  seil  dem  i3.Jahrh.  das  burrkeml,  d.h.  eine  Gerichtsbarkeit 
des  adeligen  GrundeigeJithümers  Ül>i:r  sein  stadtartig  exemles  Gcbiel.  Dagegen 
ist  der  ImniunitiU,  und  zwar  der  geistlichen.  Im  Krankenreich  und  in  Deutscli- 
land  eigentümlich,  dass  an  deji  in  ihr  enthaltenen  H<>hcitsrcchten  neue  Privat- 
rechte für  andere  I^ute  als  den  ImmunJtJltsherm  unter  dem  Namen  der 
Xirclicnvoplci  aufgckoniincii  sind.  Seine  Gerichlsholieit  nebst  den  damit 
verbimdetien  finanziellen  Rechten  sollte  der  gei.«4tliche  Immun itätsherr  nicht 
persönlich  ausüben,  mjiii  auch  dur>;h  bloss  von  ihm  abhängige  Beamte  aus- 
üben lassen,  sondern  dies  sollte  durch  einen  vom  König  oder  Namens  des- 
selben, wenn  auch  im  Einvernehmen  mit  dem  Immunit3t.she.rm  ernannten 
Laien  (votnfus,  advoraltis  aucli  camidum,  de/ensor,  ro^el,  rwf.  toui\  geschehen. 
Als  eine  nutzbare,  well  dem  Vogt  rt^elmilssig  ein  Drittel  der  Einkünfte  ab- 
werfende und  Einquanienmgsrechte  gewalirende.  Gewalt  ist  nun  aber  die 
InmiunilÜts-  (oder  geistliclic}  Vfjgtei  erblich  und  Ichenbar  geworden.  Fort- 
gesetzte Usurpationen  haben  dann  den  Vi'.gten  noch  weitergehende  Gewalten, 
wie  z.  B.  Besleuerungsrtxhlc,  über  die  Uiitertbancn  der  immunen  Stifter,  ja 
Olier  die  letzteren  selbst  ver-w-hafft.  Unter  Benutzung  faktischer  Um.stilnde 
gelingt  es  aber  \üm  ii.Jahrh,  an  den  Stiftern  die  Rechte  ihrer  Vogte,  haupt- 
s;ichlich  im  Vertragsweg,  einzuscbrtlnken,  mituntcT  stigar  zurfli-kzuerwerben. 

§  50.  Wcsigotis^hes  und  frtlnkiscbes  Recht  haben  an  die  \-ulgarrftmische 
und  im  Gegensatz  zu  Kfiniglum  und  Immunität  unterriloriaJe  und  durch 
reinen  Privaivertrag  begrtlndete  Schuizherrscliaft  und  Vcrantwortungsgewalt 
{pati-ocinium.  miihioS,  die  von  den  Deutschen  als  »Munt'  (vgl.  S.  13H)  auf- 
gefasst  wurde,  obrigkeitliche  Gew-altcn  angcknü]ift.  Dem  Immunitütsgerichl 
ihres  geistlichen  Munihenm  sind  schon  (he  tahularii  (oben  S.  137)  der  lex 
Rib.  untcratelll.  Die  Lelicngerichtsbarkeit  des  Mittelalters  scheint  in  der  Munt 
des  I-ehenherm  über  seine  Vassallen   ihren  Ausgangspunkt   zu    haben.     Ins- 


3>  Hxrrscmer:  Iumunit.Xt.  Mu»rT.  Leih- u.  Grundherrschaft.     131 


besondere  aber  wurde  seit  Icarlisrher  Zeit  der  Heerbann  nebst  der  Militilr- 
stnifgcvi'aJl  über  den  MunUnaiin  auf  den  Herrn  Qbortragcn.  Iiti  MiUclaltcr 
kommt  hei  d«r  Munt  üb«r  ganze  Markgenossenschaften  (Markviigtei)  die  Re- 
jtierurif;  der  Mark  für  den  Muntherm  (Vogt)  hinzu.  Als  nutzbares  Recht 
wird  auch  diese  Vogtci  vererblich  und  übertragbar.  —  Verwandte  VorstcllunRen 
irie  jene  altfrflnkis<"h<m  infVgen  im  Norden  dahin  geführt  haben,  dem  GeffdgN- 
herrn  eine  Privatgcrirhtsbarkeit,  und  zwar  seihst  kriniiiieller  Art,  Über  seine 
Gefolgsleute  i«i  60),  dem  Burgherrn  eine  analoge  über  seine  gemieteten 
Bui^mannen  {iorga/vr)  einzuräumen.  In  konstruktivem  Sinn  leitet  die-s  ül>er 
XU  der  wahren  Hausgeriflitsbarkeit  (regelmassig  in  geringeren  Busssachen), 
welche  auf  Onrnti  des  Hausfriedens  ('§  jtt)  deutsche  Privilegien  des  Miiiel- 
alters  dem  Hausherrn  >untei  dem  Dachtro])fen''  oder  »binnen  Zaunes^  zu- 
gestehen. —  Verschieden  von  dieser  obrigkeiiJichen  Gewalt  des  HaiLsherm 
sowi-ihl  in  Bezug  auf  Inhalt  wie  auf  Fundament  ist  die  des  l^eibherm  Über 
seine  Eigenleutc  im  initteluHcrlichcn  Deutschland.  Naclidem  diese  dai  Hohe- 
punkt  ihrer  Rechisffihigkeii  erstiegen,  sind  .^e  doch  nur  in  gewissen  Bezie- 
hungen der  uffciitlirlien  Gewalt  unlerstelh.  In  allen  Clbrigcn  bleiben  sie  unter 
der  Privalhoheit  (hof rechtlichen  Obrigkeit)  ihres  liigentümcrs.  Über  bJiueriichc 
Eigcnleule  (oben  S.  140)  erscheint  diese  als  Bestandteil  der  ürundhcrr- 
schaft,  Ober  ritterliche  Eigenleutc  (Dien.slinamicn  oben  S.  140  f.)  als  Dienst- 
herrschaft. 

^51.  Aus  höchst  versdiiederuirtigen  und  nidit  minder  der  Herkunft  nach 
verschietlenen  Befugnissen  zusammengesetzt  sind  die  GmndherrM^haft  und  die 
lAndcshuheit.  Grundherrschaft  (Hof-,  Gutsherrschafl,  HcrrlJLhkeil,  t/omi- 
nium,  in  frank.  Zeit  seaioraim,  senioria,  daher  afranz.  seignturie)  ist  der  In- 
begriff aller  Gewalten  und  Rechte,  die  mit  dem  Besitz  eines  Frohnhofes 
(oben  S.  150)  über  I^nd  und  Leute  gegeben  .sein  ki^nnen.  Diese  Befugnisse 
sind  teils  obrigkeitliche,  teils  privatreclitliche.  Die  ersteren  können  ilut:ii  Grund 
in  iler  Immunität  haben  ridrr  in  der  Muni  ^«Icr  in  der  I-eihherrschaft,  also 
teils  durch's  Laiidrocht,  teils  duah's  Hofrecht  bestimmt  sein.  Sic  brauchen 
also  nicht  allen  Ilintcrsa.ssen  gegenüber  von  gleichem  Inhalt  zu  sein  und 
kennen  nicht  alle  durch  die  n.'lmllchen  Beamten,  noch  auch  in  den  nnmlichen 
Formen  ausgeübt  werden.  Daher  masa  z.  B.  in  der  geistlichen  Grund- 
hens<'haft  ein  ordentliches  (Jerirht  fiir  die  freien  Imm»mit.1lsl<*ute  vom  Kirchen- 
vogt (üben  S.  150),  ein  anderes  für  die  Unfreien  vom  Leibherni  selbst  oder 
vom  Idbherriirhen  Maier  abg^-halten  wenh^,  und  diese  Gerichte  gehen  dann 
auch  in  ihrer  Fortentwicklung  ihre  sellwtandigen  Wege.  Die  privatrechtlichen 
HcrrschaflsbefugnUse  sind  AusflOs.se  teils  des  vollständigen  Eigentums  an  den 
mm  Fntlinhof  gehfirigen  Liegenschaften  (Wald,  Weide-  und  <  >dl.lndereic-Ti, 
Gc*-a.^sem),  teils  des  sr.>g.  (Jbcretgcntunis  an  den  Bauernhöfen  nebst  ZuhehOr, 
nAmlich  als  vorbchaltene  Rechte,  \iie  z.  B.  auf  »Fund  und  Pfrundl*,  auf 
>Fliig  und  Zug«,  Vorrechte  am  Markboden,  WÜdbann.  Gewerbsmonopole, 
das  Veto  bei  Dispositionen  des  Hinters;isscn  Über  seinen  Hof.  Dass  die 
Hintersassen  (UnterM.ssen,  hominn.  subjircli,  Untenhanen)  verschiedenen 
Standeskla>scii  angeliüren  umi  insofern  unter  verscliiedene  Genossenschaften 
(Achten.  Hagen,  Sfjcietates  etc.)  verteilt  .sein  krjrmen,  ergibt  sidi  aus  dem  oben 
Gesagten.  Da  sie  aber  samt  und  sonders  unter  Verantwortung,  Befehl  und 
Fricdeusbfr\«'ahrung  ihres  Grundherrn,  gleichsam  wie  d(ÄScn  Hausangrhririge, 
stellen,  bilden  sie  zusammen  eine  »Hausgenossenschaft'  {familia,  alid.  as. 
hiwUki).  Dieses  bewirkt  iiitjit  nur  tili  Einstands-  imd  Retraktrct-hl  <ier 
Hiiitersas.scn  bei  VerSussenmg  von  Hoflandereien  an  Fremde,  tiicht  nur  eine 
Annülierung  der  verschiedenartigen  Bestandteile  der  gnmdherrllchen   Gewalt 


152  IX.  RfiCUT.    B.  AltertDmer. 


an  dnander,  und  nicht  nur  eine  gegenseitige  AnnÄhprung  der  verschiedenen 

Stiaidcsklassen  in  derselben  Grundhenrschaft  hinsii-iitlicli  ihrer  rcchUichon  Lage, 
sondern  auth  die  P/licbt  des  Grundherrn,  seine  Hintersassen  in  ihrt:n  Rechien 
zu  schützen,  für  ihre  Kirhcrheit  zu  sor^gcn,  und  die  Verarmiea  zu  ualerstützen, 
welclic  Pflidit  (grundhcrrl.  »Vogtct'^)  allerdings  seil  karolinglscher  Zeit  durch 
den  Treueid  (die  sogen.  Vogtei-  oder  Erbhiiidigung)  des  Hintersassen  bedingt 
ist  Letzterer  erkennt  durdi  den  Treueid,  sei  es  bei  seinem  Aufzug  auf  den 
Hof,  sei  es  beim  feierlichen  »Einritt«  der  Hcrwcrh^ft,  seine  Ziigeh(irigkeit  zur 
grundherrlichen  Hausgenossenschaft  förmlich  an.  Wer  oline  in  dieselbe  ein- 
zutreten die  Vorteile  des  Besitzes  eines  honiorigcn  Gutes  geniessen  will,  muss 
einen  Stellvertreter  {träger,  sluolgenös.  hulder)  darauf  setzen.  Die  Hausgenussen- 
schaft  ist  wesentlich  ein  persönlicher  Verband.  Oft  sind  mehrere  solcher 
Verbände,  sogar  mit  ebensavielen  Gerichten  in  einer  und  derselben  Gemeinde 
cntslaiiden,  wenn  niLmllch  die  zu  der  letzteren  gehörigen  HOfe  verNcliicdcaen 
Gninrllierm  unterstanden.  Andererseits  konnte  eine  Teilung  und  Beschr.liikur^ 
der  grundherr liehen  Gewalt  über  eine  und  dieselbe  Hausgenosseuschaft  ein- 
treten, ohne  dass  der  Frohnhof  geteilt  win^de,  wenn  der  Grundherr  sich  einem 
Munthenn  unterstellte  (.sog.  Frühnhofsvogtei,  zum  Unterschied  sowohl  von 
der  Immuiiitats vogtei  wie  v<.>n  der  grundherrlidieu  Vogtd). 

Landeshoheit  (dümhüum  terrae  seit  dem  13.  Jahrh.)  ist  der  Inbegriff 
aller  obrigkeitlichen  Redile  über  einen  Teil  des  Reichs  (/an/,  Unitonum), 
wenn  dieselben  in  der  Hand  eines  Fürsten  {S.  132)  vereinigt  sind.  Ihren 
Grund  haben  sie  teils  in  erblichen  Besitzrechtea  an  Reichsämtem,  teils  in 
erblichen  Besitzrechten  an  Bestandteilen  der  kütiiglichcn  Finanzh'jheit  {Rega- 
lien!, teils  in  di-r  Immunität,  teils  in  der  Orunfl-  und  Dieiistherrscliafi,  leils 
in  der  Vcjgtci  des  Fürsten,  wclclic  wiederum,  Iimnunitat.'i-  oder  Mark-  oder 
Frohnhofvogtei  (s.obenS.  148, 151. 1^2)  sein  kaim,  teils  endlich  in  Pfandrechten 
an  Reichsstädten  und  Reichwogtcien  (Reichspfandschaften).  Die  Amtsgewalten 
welche,  sei  es  zu  Eigen,  sei  es  xu  Lehen,  .A.u?>ga!igs-  und  Mittelpunkt  dei 
Landeshoheit  bilden,  knnncii  zu.sammen  gesetzt  sein  aus  denen  des  Grafen 
(d.  h.  des  ordentlichen  Bezirksstatthalters  nach  der  karoling.  Verfassung)  bezw. 
Markgrafen,  des  Heizogs  (d.  h.  des  Grafen  oder  Markgrafen  mit  der  Macht- 
vollkommenheit eines  königlichen  Gcwaltbotcn  =  missus  regü)  endlich  des 
Pfalzgrafen  (Jung.  Ordg.  =  cowirx  fiahfirms^,  d.h.  des  uttontschen  Spezial-«/«!« 
für  Ausübung  der  königlichen  Finanzgcwalt  im  Herz<Ji3;tuini-  Mit  der  Amts- 
gewalt sind  aber  dem  Fürsten  auch  die  samtlichen  Gefiille  überwiesen,  welche 
in  Ausübung  jener  Namens  de.s  Königs  zu  erheben  waren.  Seit  Kaiser 
Friedrich  II.  wird  diese  Landesherrschaft  durch  Reichsgesetzc  und  Privilegien 
wie  durch  die  Praxis  vervoll  komm  nel.  Gericht,  Münze,  Z'jU  huren  auf,  im 
fürstlichen  Territorium  dem  Knnig  hui  dessen  Anwesenheit  ledig  zu  werden. 
Regalien  werden  mit  bestinirnlen  Liuidesherrschaften  für  immer  verbunden. 
Das  Befcstiguugs-  und  .somit  das  Rcclit  der  Stadtaulage,  sowie  das  Gesetz- 
gebungsrecht wird  als  wesentliclicr  Bestandteil  der  Landeshoheit  anerkannt 
Durch  priviUgia  de  non  evoe^ando  und  de  noa  afipelhndo  werden  Terrilorial- 
herrschaften  gegenüber  dem  Kr'mig,  durch  den,  —  wenn  man  von  den  west- 
fälischen ■Freigrafschiifteji»  [eomtliae  h'berae\  oder  »Freigerichtcu*  absieht,  — 
fast  allgemeinen  Wegfall  der  k/iniglichen  Bannlcihc  (S.  i^8|.  deren  Stelle  jetzt 
eine  besondere  landesherdiche  einnimmt,  und  fler  After^-erieihung  der  Graf- 
schaft wertien  .sie   den  Landesangehörigen  (»Laudsassen«)  ge$;eutiber  konsoli- 


1  Nicht  mit  den    karoling.  comet  patatii,    noch  ftiich  dem  spiiuniKdalterlkliea 
pfol/^rafen«  («VMCf  falatinus)  m  vcrwediselnl     V^.  §  85. 


3-  Herrscher:  Lanoeshuheit.   RAtil   Goi>nN. 


153 


<iiert.  In  der  Markgrafschaft  w^ivn  königliche  Baiinldhc  imrl  Aftcr\-cricihung,  in  den 
Hcr/<>giuinLTn  wenigstens  die  erslere  von  Anfang  an  nicht  erforderlit.h  gewesen. 
Munmchr  ist  es  dem  Landcshcrm  cnuiigUdit,  »eine  Hnheitsrcchtc  unmittelbar 
den  l^ndsassen  gegenüber  durch  von  ihm  ganz  und  gar  abhangige  Beamte 
xüt  Gcltui^  ru  bringen  und  seine  Herrschaft  mctir  und  mehr  cinlicillich  ru 
gestahen.  In  seineji  Verfügungen  übcr's  Tcrtiiorinm  ist  er  zunächst  nur 
duntu)  Rciclislehenrcdit  beschrankt.  Dagegt-n  erwachsen  ihm  lucrin  nicht 
nur,  Mmdfm  auch  in  der  Ausübung  seiner  Herrschergewalt  neue  und  selir 
tief  eingreifende  Schranken  durch  das  Aufkommen  der  Landstande  (obd. 
iantUute).  J^u  diesen  gehörten  vun  Aitfung  an  alle  diejenigen  Landsassen, 
denen  I'rivatrechte  an  obrigkeitlichen  Gewalten  zustanden  (die  mtlions  et 
majores  Urme  oben  S.  82).  Ohne  ihre  Zu^timmung  kann  der  Lamicshcrr 
kein  Gesetz  machen.  Zu  ihnen  kommen  alsbald  die  Vassallen  und  Dicnst- 
aumnen  des  Laudcsherm.  dann  seine  Strtdte  und  Markte,  iu  einigen  Terri- 
torien auch  die  freien  iJauemgemeinden.  Das  Bedürfnis,  in  seinem  oder  in 
des  Landes  Interesse  in  die  Rechte  solcher  Volksgruppen  einzugreifen,  ins- 
besundcre  Sleuerfurtlerungitn  \bcieti)  bei  ihnen  durilizuselzcn .  ausserdem 
Wethsel  der  Dynastien  und  Tlirnnsireiügkpitrn  nniigcn  die  [..andesherm  zur 
Geu-ahrung  staiitsrediilidier  Zugesiandiiis>e,  die  meist  in  der  Form  von  Privi- 
legien (»Freiheiten- )  erfolgt  (in  Steiermark  -schtm  seil  dem  Ausgang  des  iz. 
Jahrb.).  So  erlangen  die  Landstande  das  Recht,  Bündnisse  unter  einander 
abzuscIiUebsen,  wr>dun.'h  .sie  die  errungenen  Freiheiten  (ni^igcnfalLs  sogar  mit 
Waffengewalt)  verteidigen,  neue  erzwingen  ki'innen.  Sie  orgjtni^ieren  sich  als 
Kurporatiuu  {Janhcha/t)  mit  dem  Reclil  niuht  nur  der  Steuer  Ix:  willigung  und 
lies  Velo  bei  der  Landesgeselzgebung,  sondern  auch  der  Mitregierung  in 
Sachen  der  Rechtspflege,  der  Administration  und  der  Disposition  über  das 
Tcnitorium.  Übrigens  hat  wie  der  Erwerb  dieser  Rechte  so  die  '.»rganisatiun 
der  LandsLlndc  meist  lange  Zeit  in  Anspruch  gem-mmen.  Nanicnüifli  der 
sjchttwre  Au^truck  der  p.>litisclien  Standekorporation,  der.  wenn  auch  in  teil- 
«eifieni  Anschlüsse  an  den  alten  landcsfurslficben  Hoftag  (die  !anfspmeh<) 
aatgebildete,  so  dnch  auf  anderm  Rechtsgrund  beruhende  "I^ndiag"  und  der 
standische  Ausscbass  sind  nicht  vor   dem   15.  Jabrh.   dauernde    Einrichtungen 

nirdrn.  Noch  viir  der  Ausbildung  der  Landst.lnde,  seit  dem  12.  Jahrb., 
.'\uss< huilte  aus  der  Iviindesherrschaft  auf  die  K.'Ue  icortW«)  in  Städten 
(•freien  Städten«  und  •  Rcicb!»stadten  )  übergegangen,  teil>  indem  ein  selbstän- 
diges Ücsieuenmgsrecht,  dann  andcTC  Bestandteile  der  Fuianzlioheil,  .»«»»ie 
dt^  Bcfestigmigsrecht  in  ihrer  Hand  anerkannt  oder  durdi  Privilegien  ihnen 
verliehen  wurden,  teils  in<]em  sie  die  Grafsi~liaft  oder  Iande.s herrliche  oder 
reich -ivogleilidie  Äniter  (Burggrafschaft,  Schul theissenamt)  oder  die  Ira- 
munitatsA-ogtei  rm  Vertragsweg  erwarben.  F-ine  ahnliche  Stellung  haben  in 
friesi-srhen  Distrikten  (^Goen,  Landern»)  die  im  13.  Jahrh.  aufkommenden 
»Ratgeben«  {ridgn'an,  riurhiera,  comuies)  und  teils  inti  diese  Zeit,  teil"  JK»ch. 
im  Sp.liniiitelalier  im  Land  Ditmarwlien  die  Kirchspiele,  in  den  >Landcm< 
der  Mittel-  und  Ost-Schweiz  die  -I-juidtagC'  oder  •Limdsgemeinden*  erlangt 
In  der  Regel  ist  das  Ergebnis  eine  Teilung  der  Herrschergewalten  zwischen 
König  oder  L;mde»lierr  oder  auch  einejn  eigenen  Schutzvogt  einer-  und  Stadt 
oder  Land  andererseits.  Bündnisse  unter  soldien  Stallten,  Kirdisfuelcn, 
I.,andem  (vgl.  tiben  S.  H3  f.)  fuhren  dieselben  zu  gemeinsrhaftUcher  Ausübung 
gewisser  Herrsclwfl>reehte  (Friedvnsbewahrung.  Gesetzgebung,  Rechtspflege), 
wozu  Vcrein-sl;tgc  und   Hundesgerichte  als  t  )rg:me  dienen. 

§  52,  GaiiÄ  und  gar  ihren  eigenen  Weg  ist  die  Entwicklung  der  Herradier- 
gewalt   uuf   Island  gegangen,   womit   wiederum  zu  einem  guten   Teil  die 


154  IX.  RscKT.    B.  AltertOxzr. 


Eigenheiten  der  isIflTicJisrhpn  StaatsetnrirhtungcTJ  Ohrrliaupt  ziis"arirnrjiliflr^n. 
Herrschaft  und  Staat  knüpfen  sich  auf  Js!and  an  das  Eim-ntuni  an  der  unter 
Dach  und  Fach  anKclc^lcn  hfidnisthcn  Kultusstiltlc  ihof).  Der  Eigentümer 
ist  der  allein  hereihtigte  Pricsic-r  {gode,  ho/goäe)  und  in  st»  ferne  der  natür- 
liche Vorstand  der  Kultfiemeinde,  der  er  den  Zutritt  zum  Heiligtum  gegen 
eine  Abgabe  [hofloUr)  gestattet.  Die  sakralen,  atLs  Norwegen  stammenden 
Insliuite  des  Strafrechts  und  Prozesses  bringen  aber  auch  die  Gerichtsherr- 
schaft nebst  der  Exekutionsgcwalt  in  die  Hand  des  Coden.  Die  Mitglieder 
des  so  pnlstehende*n  Gerichts-  und  RechtsvcrbaTides  yjtinghä,  pingmnmnis-mi) 
unterstellen  sich  dein  Schutze  \lraust\  des  Coden.  Hiedurth  wird  dieser 
ebensosehr  zum  Frieden sbewahrer  im  Rerhlsverhande,  wie  zum  Vertreter 
seiner  Angehitrigcn  {j-iti^memt)  nach  aussen  beiufen.  Eine  nur  teilweise  von 
der  Zustimmung  der  Thingleule  abhJlngigr  GesctÄgcbungsgcwait  uml  eine 
Befehi^haberschi^ri  {hauv\,  ehist  hlii's>lirli  des  Aufgt-lKits  Ober  seine  Tliingleute 
und  dt's  Rechts,  ihnen  ihren  Auft-nlhult  anzuweisen,  steht  ihm  behufs  Erfül- 
lung seiner  Aufgaben  zur  Verfttgung.  Damit  ist  das  Godenttmi  ijyiäorä)  zu 
einem  »Reiche  yrikf)y  zu  einer  »Gewalt«  \vfldf)  und  zu  einer  Rt^'ening 
{matjtta  /orrdit),  der  Thingmann  zu  seint-iti  Cnlerth^nfn  inm/cnnaffr),  der 
Gdde  zur  OUrigkeit  irjnmatfr)  seiner  Dinglfule  genincht.  Und  diese  Herr- 
sdiafl  überwiegt  der  Art  ihre  priesterliche  Grmidlage,  dass  sie  auch  nach 
dem  Übergang  zum  Christentum  nicht  zerfallt  TerritnriaUtat  ist  dem  goöorJl 
nicht  wesentlich.  Denn  das  Verhältnis  zwischen  dem  Gilden  und  .seinem 
Thingmann  beruht  lediglich  auf  der  vom  Guden  angenommenen  Unterwerfung 
{stje/fisi  i  fiing  ;■/(/ oder  med  gndn)  des  Thingiuanncs  uml  ist  beiilerscits  künd- 
bar. Ol»chon  nun  aber  die  Pfliditseite  im  goäord  keineswegs  verkaunl  wird, 
bringt  doch  sein  Ursprung  aus  dem  Tempeleigentiim  seine  Vererblichkeit 
nicht  TU  r,  sondern  auch  seine  Verflusserlidikeit  und  Tcitliarkcit  mit  sich. 
Die.se  Eigenschaften  des  godorct  ermöglichen  im  \2.  imd  i.^.  jalirh.  einzelnen 
Häuptlingen,  eine  grossere  Zalil  solcher  Herrschaften  in  ihrem  Besitz  zu  ver- 
einigen, zuletzt  aber  den  nnrweg.  Knnig  mittelst  Erwerbs  der  go^tord  den 
Freistaat  sJLh  zu  untci'werfen.  Der  Freistaat  selbst  war  kunstruktiv  wie  geue- 
tisch  aus  den  gridord  zu.'^mniengc.seizi.  Dies  zeigt  sich  einmal  in  der  Form 
seiner  Zentralgewall,  niimlich  des  gesetzgebenden  und  adntin  Ist  rieten  den  Aus- 
schusses U^firflta)  der  um  t>.^0  (?)  eingeführten  Eand^gemcindc  [alpinfie).  Die 
l^grt'tta  besteht,  abgesehen  \ow  dcni  durch  sie  gewählten  Gesetzsprcchcr 
(oben  S.  loi)  und  in  chrisll.  Zeit  d<rn  Bischöfen,  aus  Coden  und  von  ihnen 
ernannten  Beisitzern,  welche  seit  1004  nur  noch  beratende  Stimme  hatten. 
Das  Landesgericht  (der  a//>in^s(itimr)  ferner  ist  zwar  nicht  aus  Goden,  la-ohl 
aber  durch  die  Coden  zusammengesetzt.  Sodann  aber  geht  auch  die  QO5 
eingeflihrle  Bezirksi-erfassiing  v<:ini  gndorö  aus,  indem  snwf^ihl  die  Tlüng^cr- 
Ijände  [pirifistiitier)  iniierlialb  des  Landes  viert  eis  \Jpjrdungr)  unter  die  gemein- 
same Gericlitshcrrs(haft  von  je  drei  Coden  {satttphigis^odor),  als  auch  die 
Viertelslhinge  (//orifungsping)  unter  die  der  vereinigten  Coden  des  Viertels 
gestcllE  werden.  ParÄllel  damit  geht  eine  Vervielfältigung  des  Landesgericlits 
in  .j  JjorihiHgiii6mar,  deren  (ierirhisherren  die  Coden  bleiben.  Auch  das 
1004  gegründete  'Fünft"-  oder  Oberland esgeriiht  { fimtardomr)  ist  durch  Coden 
besetzt.  Auth  in  dem  von  Island  aus  besiedelten  Grrmland  findet  sich  das. 
godord.  Duell  lilsst  sii-h  seine  Stellung  in  der  dortigen  Verfassung  nicht 
genau  erkennen. 


4.  Verwakrtschaft:  Blutsverwakdte. 


»55 


4.    VERWANnTSrHAm-tCHE    VKRHÄITNCSAE. 

Uientur  bei  Schröder  Lehrb.  S.  58,  62—70,  291—330.  691,  699- 7 20^ 
26  —  33,  154  —  162,  386,  617.  Siegel  Rü.  §§  IJ4  — 141,  i6o — 172,  Branoer 
KG.  I  §§  12.  13,  !(}.  2i.  II  §  9z  und  in  HolUcnd.  §§  2Z,  23,  (jengler  Gnicd- 
rin  §5  'S«  5* — 60.  48.  S.  fctncf:  Fickcr,  UnUrnnk.  «.  Rechttgftch,  I  t89t 
(dturu  Amir»  in  OAti.  |;rl.  A.  1892  S.  249'-269)  11  1893 — 95.  III  1896.  Gans, 
Doi  Erbrefkt  1.  wfltgrsih.  Entitifklg.  1835  IV,  Lamprrcltt,  ^ur  Satiat^irh.  rf. 
d.-Hl.  Vrzrit  1889,  Sl.  Papppubcini  in  FDG.  XXIU  S.  616—6^1  u.  Kr,  Vjsdjr. 
XXXrV  172—218,  W.  Moii,  Pns  httestatfrhr,  der  nrgitu.  RQuflUn  iSgi.Win- 
rolb,  Om  arfvingatnfi  attn-arigket  f^r  arttiitrrens JSrbtndelifr  1879  S.  28  —  36,  84 
— 135,  Grupen,  /V  uxore  ihmtnka  1748,  Leutnlierger,  Stud.  ti.  bftti.  tin-hls- 
iWfA§§34— 38,  M.WolffinMIÜC.XVlIjGS— 38S,O.Slcrn.  D.grseh.  Vrsfmng 
d.  lA'As.  I-eibxitiki  1696,  R.  I.agus,  Om  oäkta  barns  rätlsförhallandr  iSc^S,  II. 
Bninnvr  in  Z»chr.  f.  RG.  X\n  S.  63—108.  XVn  1—32,  Ruscb  in  s.  Au«g.  d«s 
Appenzell.  Laodsbuchs  1869  S.  ri^bo.  Olivecrona.  Om  makan giftorAtl  i bo  {%. 
Aufl.)  1882  S.  3S— ICE,  119  flg.  128  —  130.142—230,  K.  ?tt.^m\d.\.  Jus  primae  ttoctis 
1881,  Den.  in  Zxhr.  f,  Ethnologie  1884  S.  18— 59.  Ficker  in  der  oben  S.  jfr 
«ogcf.  Abbwidlg..  Gicrkc,  D.  dntt.  (ieMosutu^-ha/tsr.  I  §§  3.  II,  26,  27.  35 — 43, 
L.  Brentano,  D.  AriefUrgildm  I  S.  1—88.  ü.  Schan«,  X.  G<rsch.  d.  dfut. 
UtselUnrerbände  1877.  G.  B.  Salvioni,  Le  Uildf  ingUsi  1885  (dutu  Pappen- 
heim  in  Rivjau  crit-  drllc  Kieczc  giur.  I  p.  2J2 — 235).  ü.  Gross,  Oilda  mter~ 
tatorta  1883  (dwii  pApjirnhrini  in  Zvchr,  f.  Hnndvlsr.  XXX  S.  276 — 288), 
Dirr»:H)c,  The  Gitd  mer.hnnt  1890  (tlazii  I.irlirrni.Tri  u  i«)  Zsrlir,  f.  Gnuliichlsw. 
1891  .S.  ii5~r3T,  Pappi-nhoini  in  /wVir.  t.  Hiifxlehr.  XXXIX  S.  642— 645), 
*.  Bclow  in  Jalirltb-  f.  N«t.-Öknii.  1892  .S.  56—118,  A.  Wicssner  in  ZMJir.  f. 
G«cbidiiswi&.<i<?nhcb.  XII  1894/95  S.  312 — 339;  Kiinik  in  M^m.  de  l'Acad.  d« 
F'elcrsb.  Sir.  ;  XXXIII  187s  S.  247-253,  372— 3*5;  —  Thorlaciuß.  Borf- 
alium  v^Urnm  matrimonia  1784,  Engelstoft,  Forsßg  til tn  Skildring  0/ Quind- 
if'öHMfti  kfiar  1799.  r.  Amlra  in  hiütnr  Zsdir.  1877  S.  248—258,  Derselbe, 
Kordgrrman.  Ohfigat.-K.  I  §$  26,  5}.  58,  61.  74.  77,  94.  96.  II  SS.  97—107, 
•93  —  197.  202  —  206.  214— 218.  22[.  645— 657.  659— 675.  812—815,873—893, 
407  —  929:  —  Rosrnviijyc  §§  17.  20.  22,  43.  46.  50.  54.  58,  59,  95—97, 
103,  106,  Larsen,  Forri.  S.  1.15—169,  2o6  — 222,  Strnijuin  §§  60—83.  M^Ixen, 
Forrl.  Prh-atr.  I  J!§  lO— 33,  Pappenheim,  D.  alldän.  SfhultgiUen  I885,  V. 
Bang  in  Hij»li*r.  Arttir  1887  S.  401  fT.;  —  Scblyler.  /und.  Afhandlingar  1 
S.  146—175.  Nordling,  Antekn.  tfter  fSrtl.  ö/vtr  är/da  balJfrn{2.  JSxi&.)  l878. 
S.  39 — 45.  185 — 189,  298 — 300,  331  —333,  Dcrs.  Om  Inxsii/iiad  (2.  Aufl.)  1883 
S.  66—73.  Olivccrona.  TeitamiHUrätten  tnl.  ^fttsk  lagiiiftning  1880  S.  5S^ 
90,  Kreäjjer.  Det  aryska  elementtt  i  drtt /^rHsvrntkc  famihent  tvh  ihigUtu 
organttütioM  1881  ^  H.  Hildebrand  tn  Vitterb.  Akad.  M{inad»bla<l  1883  S.  73 
—  80.  124—129.  Winrolh.  AktnttJtftpt  itigafnde  1892  S.  13 — 24,  68—99, 
Tbyr*D,  MaJ^s  Oald  1893  {dn/u  Olivccrona  in  TRv.  1894  S.  100%.).  — 
Brandt  Forel.  §§  20 — 28.  K.  Hertlberg,  Pf  gamU  Jinfs  mynding  (Christ. 
1889),  Papppnhrim,  Ein  alftwrvrg.  Sc&ulsgildeitattil  1888  (daxn  K,  M.iurcr 
in  Kr.  Vjschr.  XXXI  S.  214  —  222.  v.  Amira  in  GÖU.  p-l.  A.  1889  S.  259— 
266).  MicheUe-n  in  Eranicn  z.  dcut.  R.  UH".  11  S.  116—183.  IIT  68-99.  V. 
Finnen  in  Arnalcr  ftv  nord.  Oldkyml.  1849  S.  »50—331,  1S50  .S,  121  —  272, 
K.  Maurer  in  Kr,  Vjmhr.  11  S.  75^122,  IV  S.  4T2— 424,  IX  S.  550 — 564, 
X  S.  3H2— 404,  XI  S.  413—416  und  in  Müncb,  SMUgs.-Bcr.  1877  S.  235— 253, 
1895  S.  65 — 124,  BeauchctS  in  Kouv.  Revue  bist,  de  droil  rraiK-at«  et  ^Iraoger 
IX  (1885)  S.  6$  — 106. 

§  53.  Die  Blutsverwandten  {\n^\  den  Westgerm.  *mfg6s,  woraus  as. 
mägfis,  ahtl.  tn^gä  etc.,  in  ihrer  Gesamtheit  ags.  tm^iiif,  sonst  *knNJa.  nämlich 
grtt.  hini,  skand.  kvn,  ngs.  n-n,  ahd  (Mini,  ilnfflr  on.  audi  uif)  galten  iK^ch  in 
der  alteren  histur.  Zeil  als  die  einander  »Angehörigen*  und  die  Genossen- 
schaft xar'  i^ojrtfv,  die  »Sippe«   ((^>t  sib/a,  an.  st/  und   n/f,   ags.  siS,    ahd. 


1  IMe  von  K.  Lehmann  (s.  oben  S.  $4  f.)  vrnreichnete  Schrift  von   t.andtnianton 
Studier  /i/vrr  arfsräHem  hisioria    1869  hat  keinen  gtnnanistiichen  Inhalt. 
*  Nicht  *Glas«nn'.  wie  K,  Lehmann  Verzeichn.  S,  331  angibt. 


156  nc  Recht.    B.  Altekto^ek. 


sippm,  m  ST£-  »suus*,  vgl.  fries.  xia\.  Aber  vom  Heginn  der  hi'stor.  Zeit  ati 
standen  im  Blutsverband  sclicrti  nicht  mehr  bloss  diejenigen,  deren  Vcrwajidt- 
schaft  allein  durch  die  Muttei  vermittelt  war:  es  ^t  im  Recht  Verwandt- 
schaft mit  dem  Vater  und  durch  denselben,  ^itt  ist  der  von  den  Skandinaven 
bevorzugte  Name  für  den  Inbegriff  der  Blutsveru'andten;  er  bedeutet  die 
»Achtzahl«,  d.  h.  die  4  urgrossvaterlichen  und  diu  4  urgrossraütterlidien 
Gruppen  von  Verwandten  der  Au-sgangsperson  (vgl  die  holUlnd.  achtentiettt).  Ein 
Stammvater  war  Eponymiis  des  Geschlechts,  und  die  Vaterscite  { •Speerhalfte*, 
»Schwertseite»)  unter  den  Ver»"amheji  genoss  im  allgemeinen  sr^r  den  Vor- 
rang vor  der  Mutlersette  (»SpindelhfUfte*).  Andererseils  ragten  Überbteibsd 
des  gegenteiiigeu  Systems  aus  der  vorgeschichtlichen  in  <lie  geschichtliche 
Zeit,  m.  a.  W,  aus  der  Zeit  der  Weibergemeinschafi  in  die  Zeit  der  Ehe 
herein,  wie  z.  B.  der  alsbald  zu  erwähnende  .\vunculat  und  die  westgerm. 
Benennung  des  Schwiege rsuhucs  nach  der  Schwiegermutter  (alid.  ddum  v.  eidi). 
Die  Gliederung  der  Sippe  beruhte  ursprünglich  auf  dt-m  Gegensatz  zwder 
Haupignippen  oder  Kreise.  Der  engere  Kreis  (zifrank.  */afhum)  war  gebildet 
von  Sühn,  Tochter,  Vater,  Mutler,  Bruder,  Schwe.sic:.  —  tlen  -gesiiipieslen 
serlw  Hilnden-  (fries.),  —  der  weitere  vor  den  übrigen  Verwandten  ( "Neffene 
und  aNichten«  im  weitesten  Siiui,  wozu  auch  skand.  nipjar,  got.  tu'pjös),  deren 
Nahe  nach  »Knien«  oder  »Gliedern«  berechnet  wurde.  Daher  ags.  cneoris 
^  Geschlecht.  Und  zwar  wurde  in  der  absteigenden  Linie  bei  den  Knkeln 
(ags.  »zweiten  S«)hnen« ),  in  der  aufsteigenden  bei  den  Gruss-Elteni  (ags. 
>zweilen  Vütom«)  das  erste  Knie  gez;U:lt.  Die  Nahe  zwischen  .Seiten- 
verwandten  wurde  durcli  Abzählen  der  Knie  in  den  beiden  von  ihrem  ge- 
meinsamen Stammvater  absteigenden  Linien  ermittelt,  so  das»  hier  die  Kinder 
der  Geschwister  mid  die  Geschwister  der  Eltern  tn's  erste  Knie  zu  stehen 
kamen.  Eine  uralte  und  ehedem  allgemein  L>stger manische  Ausdrucksforro 
für  die-^e  Berechnung  der  SeJtcnvcrwandts4:hafl  bewalirt  da»  i&lOnd.  Recht,  in- 
dem es  die  Kinder  der  Geschwister  als  »nächste  Brüder« ,  deren  Kinder  als 
»andere«,  deren  Kinder  als  »dritte  Brüder«  bezeichucL  Diesem  ktassifikato- 
lischcn  System  entspricht  ein  ähnliches  wcstgermani.sche.s,  weiches  nach  con- 
sobrini  (nl.  cwrers,  franz.  cousins,  ilal.  cngini)  zahlt.  Ausnahmsweise  erhielten 
in  bestimmten  Fällen  die  Mutter- Ge-scliwister  die  RechUsiellung  von  Mit- 
gliedern des  engem  Kreises  (sog.  Avuncuiat).  Im  letzleren  aber  standen 
jedenfalls  dem  nämlichen  Mitglied  dessen  Kiniler  und  EHeni,  nacli  einigen 
RR.  aber  auch  dessen  Geschwister  gleich  n;ihe  ivgl.  Gr.tting.  gel.  A.  1883 
S,  41  ff.)  Und  dies  war  der  Grund,  weswegen  die  Kniezühhmg  erst  ausser- 
halb des  engeren  Kreises  begann.  Sollte  in  diesem  eine  Rang^trdnung  durch- 
geführt werden,  so  konnte  es  nur  durch  namentliche  Angabe  der  einzelnen 
Vcrwiuidten  in  iiircr  Reihenfolge  geschehen.  Während  diese  Gliederung  der 
Sippe  in  einigen,  und  zwar  sowohl  deutschen  als  skandina\')schen,  KR.  .sich 
bis  tief  in's  MiticUUler  hinein  erhidt,  geriet  sie  in  den  meisten  miler  dem 
Einfluss  verm<>gens-  un<l  kirchen rechtlicher  wie  gesellschaftlicher  Verhältnisse 
in  Verfall,  Das  mehr  und  mehr  um  sich  greifende  Re])rüsentationsrecht,  der 
Grundsatz  vom  -Brusterbe'  (uiiteji  S.  15^^),  das  Berechnen  der  kirchlich 
^verbotenen  Verwandtschaftsgrade«  vermischre  den  Gegensatz  der  beiden 
Haup^ruppen,  wie  z.  B.  in  der  jüngeren  ags.  Rechnung  nach  ^Sippf^chem« 
{sib/Ue)  und  konnte,  auch  wo  keine  lehenrechtlichen  Analogien  mit  hercinspiciten, 
^ne  neue  Struktur  lier  Sippe  nach  Linien  (fries,  fiuhifts,  kUffeu,  von  Neuem 
missbrauch  lieh  sog.   »ParcnLelcn*  )  bewirken. 

§  54.     Die   Sijipegenossen   waren    im    Altertum    vcqiflichtet,   einander  ia 
allen  Nöten  des  Lebens  zu  helfen,   um  so  mdir  alles  Feindliche  gegen  ein- 


4.  Verwandtschaft:  Sippe. 


'57 


ander  zu  unterlassen:  sie  hiessen  dalier  »Freunde*  (=  Liebende.  r.\x  fri,  wie 
oben  S.  1^9  *Mi*f)  und  ihr  Verband  an;s.  eine  tmi-gbNrg.  Es  ist  wie  der 
ftiteste  Stamm  und  <lie  rkiteste  Kuttgenassenschaft  t,  so  der  Jitieste  Friedens- 
verband,  und  dauert  üts  s<.>Icher  üuch  noch  innerhalb  des  Volks  Verbandes 
fori,  ersrheint  ziiwcilr-n  sr^gar  gegen  diesen  privilegiert,  steht  jedenfalls  unter 
erhOhler  sira/reihtlirher  Gewahr.  Eben  darum  kann  ags.  $iO  (wozu  fjaiiiumnes) 
den  aFrieden«,  got.  s:6/is  'friedlich,  rechtlich'  bedeuten.  Als  Schutzvcrhand 
ist  aber  die  Sippe  vor  allem  ein  kriegerischer  Verband.  Gemeinsam  tragen 
die  Gesip|)en  die  Fehde.  Darum  war  die  Sippe  Abteilung  llangub.  u.  nfr.lnk. 
/ara  =  GcsdilecJit,  eig.  «Fahrtgejiossenwhaft' |3  «it^  altgermani sehen  Heeres. 
Überhaupt  aber  oblaj;,  sobald  einer  aus  ihr  ermhlagcn  wurde,  dem  nJlchsteu 
mannlichen  Verwandten  die  Verfolgung  des  Todt-schlagers,  und  die  andern 
schuldeten  ihm  hiezu  ihren  Beistand.  Daher  auch  wurde  nach  dem  Vieren 
Sirairecht  das  Wergeid  (§  8o)  vom  ganzL-ii  Geschlwht,  soweit  Verwandtschaft 
gal*.  geßcbcn  und  genommen,  wobei  die  Beitngs-  und  Empfangsquoten  der 
einzelnen  Gesip(>en  nach  deren  Verwand Lschaflsnahe  al^estuft  waren,  ins- 
besondere aber  vom  ^testen  Rechte  die  :ui  den  Blutklflger  zu  gebende  Sühne 
(oo.  afvaboi,  »n.  vi^shittr,  nfries.  banebote,  mfries.  thet  riuchif  ifUt,  nl.  rrfsoene) 
\xxx  der  an  die  übrigen  Verwandla»  gehenden  fon.  trtlarbot.  wn.  niitfQ^ii, 
nfries.  taU,  mfries.  meiteU,  nl.  maefhzocui\  unterschieden  wurde.  »Mit  ge- 
meinen Händen-  gelobten  dann  die  beiden  durch  die  ÜbeUhal  verfeindeten 
Geschlechter  einander  die  Urfehde.  Prirnür  auf  der  Ven\'andtsrliaft  femer 
ruhte  die  .\rmenpflege,  und  /war  in  der  Art,  dass  der  Hilfsbedßrft%e  [an. 
9mQf^\  dem  nilclisten  leistungsfähigen  Blulsfreund  zur  Last  fiel,  worüber  ins- 
besondere die  skand.  RR.  ausführliche  Bestimmungen  treffen.  Aus  der  Amien- 
pflc^  eigab  sich  aber  nach  einigen  RR.  auch  noch  eine  subsidiäre  Pflicht 
der  Verwandtschaft,  zu  Bussen  beizusteuern.  Wiederum  verftandtsdiafUich 
war  Recht  und  Pflicht  der  Vormundschaft.  Über  den  unscltwtAmligen, 
d,  h.  nach  der  Anschauung  des  Altertums  über  den  unwehrhaften  Gesippen, 
folglich  ober  den  unwehrhaften  Äfann  und  über  das  Weib  sein  Leben  lang 
hatten  die  si'lbstandigcn  BUitsfrcundc  mit  einander  ihre  srhOtzeiulc  und  im 
Familien  in  teressc  ihre  gewaltige  »Hand-  (and.  mtimi,  ahd.  munt)  zu  hallen, 
sei  es  dass  sie  in  den  vermAgcnsrechtlichen  und  perstniüchen  Angelegenheiten 
des  Mündels  selbst  die  nadist  entscheidenden  Handlungen  vornahmen,  sei  es, 
dass  sie  —  wie  in  der  Regel  —  dieselben  einem  Verwandten  (ad.  mundivaldr 
mundhoro,  md.  mnmbtr,  —  ahd.  foramumin  und  g/rfuihe),  dem  nflchsten  eben- 
bürtigen "S^hwerlinagcn«  des  Mündels,  d.  h.  dessen  nächstem  Blutsfreund 
im  Manmtstamm,  als  seinem  pnizcssualen  Verteidiger  (on.  maismapcr,  —  ags. 
/onpreta  —  fries.  wfmvihlef,  i»n.  -.feriaudi,  virrie)  Oberliessen  oder  unter 
melirere  verteilten  imd  Bi<;h  auf's  Führen  der  Aufsicht  beschrüuktcn.  Den 
Vermögens  vorm  und  traf  nach  ältestem  Recht  Wachstum  wie  Schwimd  des 
Mündclgutes;  dafür  aber  hatte  er  den  I^Iündel  zu  erhalten,  im  Notfall  aus 
cigenrn  Mitteln,  und  für  dessen  Übclthaten  zu  bfissen.  wie  er  andererseits 
audi  die  Bussen  für  Vcrietzungen  des  Mündels  bezog.  Endlich  Äusserte  sich 
die  Schutzpflicht  der  Bhttsfreunde  in  den  Grundsfltzen  über  die  Eides-Htlfe 
(§  bol.  Wo  das  Recht  Blulsviir^andtschaft  zwischen  dem  Hauptsch«r)rer 
und  dem  Eidhelfer  verlangte,  durften  die  Gesippen  ihre  Eidesliilfe  nicht 
veiuT^em,  wenn  sie  sich  lücltt  von  ilirem  Genossen  lossagen  wollten.     Aber 


I  D«r  asw.  «ttak3gker  ('Hfig«!  Jor  Kppc>)  Kbeint  cUrao  zu  erinnen]. 
*  Cb«/«Ao  s.  KAgcl  und  HcDDing  in  Zfichr.  1.  d«at.  Allcrt.  XXXVI  316— 326, 
XXXVn  ii;-ZJJ.  304— ii;. 


j^ä  IX.  Recht.    B.  AltertOuer. 


nicht  bliiss  als  Schutz-  und  Tnitzvcrban«!  von  »Verpflichteten«:  (skand.  skyifiir) 
stellte  sidi  ilas  GtÄchlei^ht  dar,  es  bestand  in  dtnisflbcn  aui:li  eint- Gemein- 
schaft der  Habe  {on. /rr/tt/^A),  deren  Teilhaber  [aM.  gen/irmon]  freilich,  so- 
weit das  verwandtai-haftUche  aus  dem  gemeindlichen  Ei^eiilum  abgeleitet  war, 
lange  auf  den  engeren  Kreis  der  Sippe  bcsclirjiiikt  blieben.  D<K'h  ist  dabei 
im  Auge  zu  behalten,  dass  aueh  die  Gemeintlc  bei  n lassen weistT  Ansiedluiig 
gcu-iihnlicli  nur  eine  erweiterte  Sipi>e  war.  Stmdercigcn  war  hfVchstens  an 
deujeuigen  Faliniisscn  anerkannt,  die  dem  Todten  in's  Grab  folgten.  Aus 
jenem  Gesamteigentum  der  Veri*"andtsc!iaft  aber,  das  sich  im  slavbchen  Zweig 
der  Indngemianen  bis  heute  erhalteji  hat,  ist  das  Erbrecht  entstanden,  wcl- 
<;lics  darum  auch  immer  prinzipiell  ein  blulsvcrwandlschaftliches  und  ein  der 
Willkür  d(^  Krlilassfrs  entzogenes  geblieben  ist,  andererseits  erst  sclirittweise 
ausserhalb  des  engeren  Sippenkreises  um  sich  gegriffen  und  auch  nachher 
noch  aus  den  verschiedenartigsten  Gründen  und  VonÄ-ünden  Eintrag  zu 
Gunsten  der  üffenthcheu  Gewalt  (namentlich  in  Deutschland)  erlitten  lial. 
Der  Erbnehracr  (got.  arbinumja,  ags.  yrß'enuma)  cxler  »Erbe-  (goL  arija,  an. 
arfi,  erfina^,  alid.  arbco)  d.  h.  der  Nelimer  der  Habe,  in  vorgeschichtlicher  Zeil 
des  -Virhstantles*  (got.  arbi,  an.  arf'r,  ags.  vrfe,  ahU.  arbi,  erhi) '  wurde  nach 
Ältestem  R.  durch  den  Tod  des  Erblassers  nur  von  einer  Schranke  seiner 
Befugnisse  befreit,  indem  er  in  die  Vei walterschaft  des  Nachlasses  eintrat, 
dessen  Bestandteile  ihm  schon  bei  Lebzeiten  des  Erblassers  gehörten.  Als 
j»Erbwart«  (ags.  yr/nv^ard,  as.  erbkizvard,  an.  erfiv^rdr)  aber  hatte  er,  wenn 
der  Erblasser  seine  Habe  verilussem  wollte,  gemeinschaftlich  mit  demselben 
zu  handeln  oder  doch  xuziKtimmon  (sog.  Beispruchsrecht).  Nur  unter  Mit- 
wirkung der  Verwandten  kuiuitc  deiui  auch  ein  Nichlerbe  zum  Erben  ge- 
m-icht  werden,  und  nur  in  der  Form,  dass  er  in  das  Geschlecht  aufgenommen 
wurde.  Aus  dem  Wesen  des  Erbrechts  folgte  fenier,  dass  der  Erbe  keines 
Erbscliafl-saji  tri  lies  l)edurftc:  »der  Todte  erbte  den  Lebendigen*.  Ntu"  hatte 
er  mit  Rücksidit  auf  den  Kult  des  Erblassere  bis  zum  Todtenopfcr  (skand. 
4rß  und  eptirgerp,  in  christl,  Zeit  mitunter  als  Erbst  baflscrwerb  statt  als  Besitz- 
ei;greifung  hingestellt)  die  Nachlassmhe  zu  beobachten,  wie  sie  andererseits 
auch  ihm  zugut  kam,  ein  Grumlsat/.,  der  noch  in  sjwiter  christlicher  Zeit  in  der 
rechtlichen  Bedeutung  des  'Siebeuten«  und  des  'Drcissigsteu»  nachklingt. 
Aber  nicht  bloss  Todte,  auch  Lebende  konnten  von  ihren  Verwandten  beerbt 
werden,  nHmlich  wenn  sie  vemiOgensun fähig  wurden,  wie  z.  B.  die  Sonder- 
sifcben  nach  langob.,  die  Blinden  und  Wahnsinnigen  nach  fries.  R.  und  Im 
Mittelalter  die  Mönche.  Um  Erbe  nehmen  zu  ki'>nnen.  musste  man  nicht 
nur  ciie  erforderliche  Vi-nnogensfä]iij;keil  besitzen,  stmdcm  auch  nacli  cinigeu 
RR.  von  normaler  LeibesbesL-haffenheit  und  tiem  Erblasser  cbtmbflrtig  sein. 
Auch  »blutige  Hand  nimmt  kein  Erbe«.  Die  Erbfolgeordnung  war  zunächst 
■durch  die  Nahe  iler  Verwandtschaft  bestimmt,  so  ditss  ursprünglidi  dem 
engeren  Verwwndl.schaft.'i-  ein  engerer  Erbenkreis  entsprach,  innerhalb  dessen 
ülsdann  die  Kinder  (der  *Busen'|  den  Elti-ni  (dem  -Schosä' ),  die  Elteni  den 
(Jcschwlstem  vorzugehen  pflegten.  In  die  Stelle  vor\ersiorbeiier  und  abge- 
schichleter  Erbwarle  deren  Naclikonimen  eintreten  zu  la.s!M.'n  (sog.  ReprJlsen- 
tatiuns-Recht),  war  tlem  altgerman.  Erbrecht  ebenso  fremd,  wie  die  allemige 
ijuccession  eines  unter  meiircren  gleich  n;üie  Berufenen  i Individualsuccession). 
DageHen  hatten  Weiber  tlem  ursprünglichen  Prinzip  nach  kein  Erbrecht  und 
auch>  nachdem  sich  ihre  Stellung  gebessert  hatte  (ältester  nurd.  Beleg  die 
Inschr.  v.  Tune  c.  550),  standen  sie  noch  gemeiniglich  den  Münneni  im  Erb- 


«  Vgl.  Slever«  PBB.  XII   1887  S.  174-177. 


4.  VERWAXDTscHArr:  Sippe. 


'59 


I 

I 

I 


redit  nach,  sei  es.  <Jass  sie  selbst  vuii  ^tfernter  verwandten  Mannern,  uder 
sei  CS,  (lass  sie  wenigatenK  von  gleich  nahen  auagesditossen  wurden  oder  dH-ss 
sie  neben  ««wichen  geringere  Anteile  erliielten,  sei  es  femer,  dass  sie  s«?  in 
Anscliung  des  Nachlasses  überhaupt  behandelt  wurden,  oder  dass  sie  nur 
noch  in  Bezug  auf  bestimmte  Guter  zurückgesetzt  blieben '.  Dieser  Be- 
"vorzugung  der  Männer  vor  den  Weibern  entsprach  regelm^sig  eine  Bevor- 
zugung der  Speerseile  vor  der  Spindelseile.  Nach  dein  Tode  einer  Frau 
jedoch  fiel  die  »Gerade«,  d.  s.  bewegliche  Güter  des  spezifisch  wcibHchen 
Gebrauchs  imter  Ausschluss  von  M.lnnem  an  die  Wcibcrseitc,  wie  das  »Hccr- 
gcrAt'  oder  »Hecrgcwate-  luitcr  Aa-ischluss  vonWcibeni  nach  der  Mannenicileficl. 
Durcligreifemle  Veränderungen  des  Erbfolge -Systems  sind  im  Laufe  der  Zeit 
eingetreten  teils  durch  Ausdeluiung  des  »BusenoBegriffes  und  einseiliges  Ver- 
folgen des  Grundsatzes,  dass  -niederwärts«,  nicht  »aufwärts«  geerbt  werde, 
>Buseu-*  oder  »Bnist-Erbe»  (asw.  hrysiarf)  dem  -Rücken-Rrbe«  (asw,  tiakai/) 
vorgehe,  teils  aber  auch  durch  aus-vchliesslichcs  Bevorzugen  des  Ascendcntcn 
als  dtrs  »Schosses»  vor  den  Seiten venvandten.  Gemeinsam  wie  die  Habe 
war  den  Sippt^enossen  die  Ehre.  Schändung  der  letzteren  (an.  frtrndask^mm, 
^tlankymm)  konnte  durch  verflchtiiches  Verhalten  eines  Gesippen  oder  durch 
Verletzung  üircr  Munt  von  Seiten  der  Mündel  bewirkt  luid  dann  von  der 
Sippe  am  Th.lter  gerecht  werden.  Dies  hat  zur  Ausbildung  eines  verwandt- 
M:hiiftliclien  Stnif-Rechts  geführt.  Soweit  ein  solches  nicht  Platz  griff,  konnte 
sich  jeder  Gcsipiic  durch  form  bedürftiges  imd  Öffentliches  Geschäft  von  seinem 
Geschlecht  lossagen  (ags.  ^mtrgä^  fonacan,  in  der  L.  Sal.  st  de  pttrentilia 
ioiierr.  in  salfrünk.  Tociiterrcdilci»  j'orii/umre),  mit  der  Wirkung  wenigstens, 
<la.ss  er  sich  seiner  Pftichlen  gegen  die  Blutsfreimde  entledigte.  Andererseits 
kotmte  das  Geschlecht  durrh  »Einleitung^  eines  Fremden  in  das.selbe  (wn. 
littUiäin^  on.  ailtping,  jene  ursprünglich  unter  dem  Symbol  der  SchulLSteigimg, 
diese  eidlich,  bei  L^timation  unter  Schosssetzung  des  zu  legitimicrcndea 
Kindes)  erweitert  werden.  Vgl.  oben  S.  130.  Ein  analoges  Geschäft  unter 
dem  Symbol  des  Umannecs  (spater  des  Umschlieseiis  mit  dem  Mantcll  V>e- 
hufs  Aufnahme  in  den  engeren  Ver»-andtschafts kreis  war  das  * atfalhumjatt  des 
afiAnL  R.  in  seiner  urspnlngUdicn'  Bedeutung.  Bei  den  Langobarden  gab 
es  eine  Anbrflderung  (lat.  affratare),  in  welche  das  Eingehen  eines  GeseUschafta- 
vettragcs  eingekleidet  werden  konnte. 

§  55.  Erstarkung  d(y»  Staats  und  Vermehrung  seiner  Aufgaben,  der  Ein- 
flu&s  der  Kirche,  wirts«  haftliche  Ursachen,  darunter  zunächst  schon  die  Art 
der  fortMhrcitrnden  Boden besiedlung  wirkten  zusanunen,  um  eine  ebenso 
rechtliche  wie  thatsachliche  Lockerung  der  Sippe  anzuhalinen.  Ilire  fll>erall, 
wenn  audi  ungleichmassig  luid  nichts  weniger  als  gleichzeitig  hervortretenden 
Symptome  zeigen  sirh  sowohl  in  der  AhschwSchung  des  vcrwandtscliaftlichai 
Schutz  Verbandes,  wie  in  den  Veränderungen  des  Güterrechts  der  Sippe.  Die 
l*flirht  zum  WVrgcld  beizusteuern  wird  eine  subsidiäre,  etwa  gar  an  die  Be- 
dingung geknüpft,  dass  der  Wergeldzaliler  die  Erbschaft  des  Todischlageis 
cmpfangL     Oder  sie  verschwindet    gegenüber  den  Wc;re;eklnchmem,    imi  nur 


'  Zu  guiz  andern  Er)^boisaca  ^Ungt  Opel,  Du  rrbrechil.  SUHung  «Ar  Weiber  i.  d. 
Zttt  der  Vclksmhte  1888.  eine  Utitertuchung,  die  ich  «hon  in  der  Methode  für  mlUtaadig 
verfcbll  balten  mus».  cl«  sie  ä*%  wcsIkttiti.  R.  unter  Heraiitiehuiig  der  guüsriien  unit 
^»teinalüdbn-  Cltciyrhunt:  der  skaodinavischeti  Rechte  zu  tekonslruierea  sudit.  V^l.  auch 
Licbcrtnann  in  Dcul.  Z«rhr.  f.  Geschw,  II   1889  S.  514. 

*  Die  I.  SmJ.  srllnt  l>rschreibt  unlrr  dem  Titel  de  ndfathnmire  «in  Gcschlft.  w«ldl«S 
xwar  nuch  /uwemluni;:  An,  N'oiiilAsse»  alier  keine  rieocblKbCflleiie  lOQhr  iM,  vidmehr  durch 
eilte   mich«  Ülmtluui^  wurdt.     A'jjl.  die  aocrw.  gjaferfd. 


i6o  IX.  Recht.    B.  Altcrtüusil 


gegenüber  dem  TochschlSgcr  (als  UntcrslOtzungspflirlit)  flbrig  zu  bleiben. 
Audi  das  RcL-ht  zum  Empfimg  des  Wcrgi-ltlcs  wirtl  auf  den  Erben  des  Er- 
schlagenen Ui-srhrSnkt,  so  ?..  B.  srlion  im  rihwarisrhen  Gesctzburh,  welches 
auth  die  Pflicht  Wergeid  zu  zahlen  nur  dem  Tndlschlager  bezw.  dessen 
Erlien  auferlegt.  Die  Gesamtvormundschaft  der  Sippe  wird  von  der  Indivi- 
dualvogtei  des  nSchsten  »Schwertmagen-  nder  des  nächsten  seIhsUtndigen 
Blutsfreundes  oder  von  den  vcnicluedcncii  aus  der  einheitlichen  Vormund- 
schaft abgespalteten  und  unter  mehrere  Verwandte  verteilten  Gewalten  wenn 
nicht  verdrängt,  so  doch  zurückgedriingt.  Kdunte  sie  ihrer  vemiügensrecht- 
Ürhen  Bestan<lteile  wegen  als  nutzbares  Recht  aufgefasst  werden,  so  führte 
einseiliges  Ver\i-erten  dieses  Gedankens  deutsche  Rechte  schon  ziemlich  frtili 
dam,  sie  als  vererblich  zu  behandeln,  wie  z.  B.  die  Vormundschaft  über  eine 
V\'^it«c  nicht  sowohl  ihren  Blutsfrcunden  als  den  Krben  ihres  Ehemannes  zu 
übertragen.  Mit  der  Entwicklung  einer  starken  Herrscherge  wall  bei  südgenu. 
Vulkem  in  Zus;immenhang  stand  es,  dass  nicht  nur  der  Sippe,  sondern  auch 
dem  Herrscher  der  Beruf  zugeschrieben  wurde,  Unmündige  zu  bevoimunden. 
Neben  den  gesetzlichen  (>gcborenen*)  kommen  ferner  im  Mittehilter  durch 
Vertrag  berufene  (ügekorene«)  VormOnder  auf,  in  Rnnangelung  beider  aber 
von  der  Obrigkeit  bestellte  und  beaufsichtigte,  neben  der  landrechtlicheti 
femer  eine  lehenrechtüche,  die  dem  Lehenhemi  des  unmündigen  Vassallen 
ziistehenile  ^^Lehensvi^rmundschafl"-.  A\uch  der  Inhalt  der  Vormundschaft 
iiiiderie  sich,  indem  tias  Mündelgut  aiifli'^rte,  eiserner  Bestand  zu  sein,  und 
der  Vormumi  verpflichtet  wurde,  den  Ertrag  des  Mündetguts  zu  venref-hnen. 
Wie  zum  blossen  Verwalter  wurde  der  Vonnund  andererseits  zum  gerichtlichen 
und  aiissergerichtlidien  Stellvertreter  des  Äfündels.  Die  Unselbständigkeit 
cndlirli.  wegen  deren  man  eines  Vunnundcs  bedurfte,  wunh:  nicht  mehr  iii 
der  Unwebrbaftigkeit,  s>jndeni  in  der  Verstandes  unreife  oder  Gesciulflsunkimde 
erblickt.  Die  Fulge  <Iavan  war,  da-ss  die  Altej^vomiuntlsehaft  zum  Mittel- 
punkt des  gesamten  Vorm undschafts rechts  vsiirde,  wahrend  die  Vormundschaft 
über  Weiber  (sog.  Geschleclitsvormundschafl)  in  den  Hmtcrgrund  trat,  oft 
nur  als  gerichtliche  fortdauerte  oder  zu  einer  blossen  Bcistamlschaft  herab- 
sank, über  Witwen  und  Kauffrauen  allenfalls  gar  aufliorlc.  D;is  Umsichgreifen 
des  Erbrechts  Aber  den  Kreis  der  Gemeinder-  oder  Ganerbschaft  hinaus 
(oben  S.  158)  llml  zunlldist  der  letzleren  Eintrag,  so  dass  sie  bei  den  Süd- 
germanen  nach  der  Vnlkcn.vandcnmg  meist  nur  fakultativ  neben  dem  Indt- 
\iduulvennogcn  fortdauerte,  st-hwädite  aber  weiterhiti  das  blutsfreundschafi- 
liche  Erbrecht  überhaupt,  zumal  wenn  die  alte  Strenge  der  VcrwandLschafts- 
pflichtcn  nachHess.  Nun  konnten  Indi\'idunlsucccssionen  (Minorate  und 
Majorale)  Eingang  in  die  Erbfolgeordnung  Tuideti,  das  Gancrbcnrcchl  In  den 
in  §i5  ^2  ""d  64  zu  beschreil)enden  Verfall  geraten,  ein  Erbrecht  des  Ehe- 
gatten, des  Brodherm,  des  Gastgebers,  des  (iefiihrien  anerkannt  werden,  die 
Gesi])]jenrerhte  »Seelgaben-,  dann  aber  auch  Vcrllusserungcn  v<in  Fahrnissen 
otler  von  .wohlgewinmencm*  Gut  gegenüber  verschwinden,  Vennachtnitse 
(oft  unter  »Testamunts"-Namen,  dot.:!!  mhd.  ^ifheffcde,  gemecftfe,  ags.  nfiJe, 
fries.  bökinge)  und  KrbvertrJlge  1  in  Aufnahme  kommen. 

§  56.  Die  altgerman.  Ehe  (alid.  hin}/,  skand.  /i/ortafat;)  war  ein  Aggregat 
verschiedener  Rcchtsverhaimissc,  g^enscitiges  Recht  der  Ehegatten  als 
»Hauslcute-  (alid.  Atnn,  on.  //ioft,  wn.  A/ün)  und  «Genossen«  (ahd.  gimahho 
bczw,  gimahha,  ags.  gemaeca,  —  ahd.  gimahftidi,  mhd.  ^mtchedr)  auf  Lcbens- 


1  Di«   let/lpreii   srhnn   vor   643   bei   den  Ijitigrihnr«Ien,     (leren  Formel  (tir    die  HrbetR» 
KUiui^  in  Roth,   ]~j  crliaUcn  ul:  liä  in  /i'^^sg^he  ein  in  den  NachUas. 


gemcinschaft  fahd.  hhvtoii^a),  Haushcrrschuft  des  Mruines,  weicht  die  Vor- 
mundschaft ftber  das  Weih  absi:irhi«?rt,  Hausfrausrhaft  des  \Veil»es.  Durch 
ihr  Rcchl  auf  Lebcii»gt:incinst.hart  wie  durch  ihru  Zugehörigkeit  aii  den  Maua 
UDtersciütHl  sich  die  Ehcfniu  (skaiid.  apalkoiia  utiil  wn.  figintona)  nicht  nur 
von  der  »Friedet,  s<"indem  auch  mn  der  im  Hause  gehaltenen  -Kcbst*«. 
Aber  dirscs  Recht  war  beiraduli^h  schwacher  als  da-s  gegen OlKTstehende 
des  M.innes.  Letzteres  war  ausschliesslich,  in  der  Art  das*  nadi  osigenu. 
RR.  s<*gar  Wilwcnlödlung  (=  CJpft-rung)  bestand,  das  Redit  der  Frau  nur 
gegen  willkürliches  Verstifsscn  gekehrt.  Kincn  Ehebmch  konnte  die  Krau 
gegen  den  Mann,  nicht  aber  der  Mann  gegen  die  Frau  begehen.  I>er  Mann 
konnte  s«jgar  mehrere  Ehefrauen  gleichzciiig  haben.  Die  eheherrüche  Gt^'alt 
äusserte  :üch  nicht  nur  in  der  häuslichen  Befchlshabcrnichafi  do  Mannes  und 
in  einem  Züchtigungsreclii  desselben,  sondern  auch  in  seinem  Recht  die 
Frau  wegen  Ehebruchs  oder  in  echter  Not  zu  verkaufen,  ja  im  crsteren 
Falk  sogar  t\x  tödtcn.  Daixer  ist  das  Eheschwert  S\Tnbol  der  eheherrltchen 
G«walt.  Andererseits  legte  diese  dem  Manne  die  Haftung  aus  Übelthaten 
seiner  Frau  auf.  Soweit  aber  die  ehehcrrliche  Gewalt  äptelraum  gewährte, 
hatte  auch  die  Frau  (als  »Wirtin«)  im  Hause  zu  befehlen.  Daher  konzen- 
trierte sidi  in  Abwesenheit  des  Mannes  oder  bei  vorübeqjeliender  Behinde- 
rung desselben  die  ganze  Hausherrsch  aft  in  der  Hand  der  Frau.  Durch 
diese  ihre  »Schlüsselgewall*  unterschied  sich  die  Ehefrau  von  der  freien 
Dienerin.  Die  W-schricbcncn  Eigenheiten  der  altgerman.  Ehe  erklären  sich 
aus  dejren  Entstehung  ebenso  wie  ihre  F.ingehungsforinen.  Die  praehistfiru^che 
Weibergemeinschaft  nämüch  hat  nur  durch  die  Raubehe  überwunden  werden 
kennen.  Der  Mann,  der  in  den  ausschliesslichen  Besitz  eines  Weibes  ge- 
langen wollte,  musste  es  sich  ausserhalb  der  Rechtsgenossenschafl  erbeuten. 
Neben  der  exogamischen  wurde  in  der  Folge  (zuerst  im  Geschlechterstaat?) 
auch  eine  cndoganüiMhc  RaulK'he  (frics.  nuimumix  anerkannt  unter  der  Be- 
dingung, daas  der  Entfttlirer  sich  mit  den  Venvandten  der  Entführten  friwl- 
Uch  abfand,  insbesondere  dass  er  nachträglich  von  jenen  die  Vormundschaft 
erwarb,  was  er  nach  altdeul.  RR.  durch  Erlag  eines  gesetzlichen  Entgeltes 
(bics.  mundskrt  =  Muntscliatz,  langob.-laU  mundius)  olme  weiteres  konnte. 
Die  Raubche  hat  die  VölkcnA'andening  und  nach  einigen  Rechten  (in  Schwe- 
den als  exec^tivische  Eheschliessung)  sc^ar  das  Frül»  mittel  alter  überdauert. 
Andcretseits  ist  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  zu  ihrem  Ei^atx  die  Vcrtrags- 
^c  eingeführt  worden.  Diese  Ist  in  der  heidnischen  Zeit  stets  nur  ein 
Gcsdiaft  z«'ischai  den  Verwandten  der  Braut  und  dem  Bräutigam,  nilnilich 
eine  >Vergabung«  (ags.  pl.  gt/ia  imd  v.  g}'//tgfan,  for^fan,  ahd.  prätigef>a, 
wn.  xtft.  gifiir,  gifling  }xt\A  gjaforä^  üw.  giftt.  gipta.  gipning)^  d.  h.  eine  Schen- 
kung der  BrauL  Der  Vormund  der  lelzteren  schenkte  sie  dem  Bräutigam 
zur  Elie.  was  keine  Zustimmung  der  Braut,  wohl  aber  —  «ic  jede  »Gabe* 
—  zu  seiner  Beständigkeit  eine  Gf^cngalx:  des  Bräutigams  erforderte.  Diese 
Gegengabe  liegt  im  mumir  der  skaiKÜn.  KK.  vor,  der  seinem  Namen  nach 
eine  Gabe  ist  luid  von  den  gotischen  RR.  auch  als  »Freundesgabe«  it'ingjief) 
umschrieben  wird.  Sie  liegt  femer  vor  in  der  .lUesten  langob.  meto,  im  ags. 
U49tMmay  fries.  iveima,  alam.  wniemo  uisprüngiicher  Gestalt,  und  im  burgund. 
wittmo  (s=  Söra).  Wegen  dieses  Entgeltes  fiel  das  Hdrathen  unter  den 
Begriff  des  »Kaufes«  im  alten,  nicht  aber—  wenn  andere  nicht  mit  dem  Worte 
gesipidt  weiden  si^U  —  im  modernen  Sinn  dieses  Ausdrucks.    Und  so  erklärt 


'  Die  gpl.  TiTiiuiioIope  /.ie-ht  //«j»  (^  Vtriiüllung?,  s,  aber  Bd.  I  325)  vor,  wahrend 
•  dem  ülicrlid'aleD  Sptachgtbrauch  natlj  =  Vcrl<ibni&  Ut. 

.VBBkchc  Philolocic  III.    'i.  Ault.  )l 


l62  IX.    RiX:KT.      R    ALTKitTÜUER. 

sich  zur  <jenüj*e.  wnnmi  die  Quellen  denselben  auf  die  Eheschliessung  an- 
wenden. Xiir  iliis  kt;ntische  R.  ist  wirklich  dazu  übergegangen,  das  Gcscliäft 
in  bestimmten  Ufxichung<^n  als  einen  Kauf  in  unserem  Sinn  und  in  soweit 
auch  die  Braut  als  Ware  :£u  bchandclu,  während  anderwärts  die  Leistung 
dea  BrUuti^^ains  für  die  ßraut  zuwejl<;n  aU  Preis  für  die  Munt  (MunU^chatx 
oben  S.  157)  umgedeutet  oder  aber,  was  in  vielen  Rechtsgebieten  eintrat, 
der  Braut  selbst  überlassen  wurde  (nach  lateinischen  Texten  deutscher  Rechte 
als  »«/öj«}.  Zahlreich  \md  umständlich  waren  die  Formen  bei  liingchung  der 
Vertrapielie.  Die  meist  charakteristischen  unter  ihnen  waren  das  Antrauen 
der  Braut  dureh  deren  Vormund  an  ■ilcn  BrJlutigam  im  Brauthaus,  dann  der 
»Brautluul«,  d.  h.  das  noch  lange  den  Frauenraub  nachahmende  und  so  die 
Vcitrajselic  an  jenen  anknüpfende  Heimführen  der  Braut  durch  den  Bräu- 
tigam und  sein  Gefolge.  d;is  gemeinsame  Trinken  der  beiderseitigen  Ver- 
wandtschaft zum  Zeichen  des  rricdcns,  endlich  das  vor  Zeugen  slattfindeade 
Beil;iger.  Fflr  da»  letztere  schuldete  am  darauf  folgenden  Morgen  der  Mann 
seiner  Frau  ein  Gesclienk,  die  'Mcrgcng-abe«,  welche  in  wn.  RR.  zum 
»Haubengut*  iiin/e')  für  Jungfrauen  und  zur  »Hankgabe«  {bekkjtir^^f)  für 
Witwen  abgewandelt  wurde.  Alle  jene  Formen  genügten  nicht  einmal  zum 
Abschluss  einer  rechten  Ehe.  Ks  musste  vielmehr  noch  ein  Vorvertrag  vur- 
aufgchcn  zwischen  dem  Bräutigam  und  dem  Vormund  der  Braut,  n'orin 
unter  Beobachtung  von  Öffentlichkeit  oder  gar  GericlilUchkeit  und  strenger 
Wortform  der  letztere  seine  Mündel  dem  Br;iutig:mi  «festigte*  d.  h.  zur  Ehe 
zu  geben  versprach,  der  Brautigann  die  Braut  (unter  Kniesetzung  nach  nurd. 
und  ags.  RR.)  zur  Ehe  zu  nehmen  angelobte,  —  im  Grunde  aber  doch  nur  ein 
Verirag  über  den  HrautEauf  d.  li-  Über  das  gewaltsame  Heimführen  der  Braut 
Dieser  Vertrag  war  das  Verlöbnis  {on.  fmia,  fttilnin^.  "«n.  festing.  mhd.  v. 
vesUtt,  vesiauN.  mit  der  Braut  als  Objekt,  —  ags.  (laoedfiim);,  —  ahd,  mahal, 
wesswcgen  ahd.  gimnhata  »s|Hinsus«,  ^imabalä  »spfjnsai,  —  goL  /m^ißs). 
Abgesehen  von  seinem  strafrechtlichen  Schutz  wirkte  es  nur  obligatorisch  imd 
machte  ursprünglich  nur  den  Verlober  der  Braut,  später  auch  den  Bräu- 
tigam haftbar,  wahrend  es  demselben  überlassen  blieb,  die  Treue  der  Braut 
durch  besondere  Geschenke  (asw.  ßtrningar,  wn.  f(^ltir^(\>f,  festarfc,  —  mhd. 
makelschal:,  mnd,  hntittrmoe)  sich  zu  »festigen*-.  Andererseits  konnte  der 
Verlober  schon  zum  Abschluss  des  Verlöbnisses  verpflichtet  sein,  auf  Grund 
eines  vorausgehenden  Vertrags,  worin  er  ein  Handgeld  (asw.  iilgrr/,  /trstninga/te) 
empfangen  hatte.  Dieses  Handgeld  ist  nach  sfltlgenn,  RR.  Hc-standteil  des 
Veriobni-sses  geworden,  ahnlich  wie  im  Mittelalter  Formen  des  Verlöbnisses 
unter  die  der  Ehesrhli essung  gemengt  wurden,  Zui*rst  hei  Südgermancn 
(Westgoten,  [..angMbarden)  hat  auch  der  römische  Annulus  pronubiis  als 
Malschat/.  des  Bräutigams  Eingang  gefunden.  Ausser  Raub-  und  Vertrags- 
che  kannten  <  istgermauische  Rechte  noch  eine  dritte  Art  von  Ehe,  indem  sie 
clieiihnlichen  Konkubinat  nach  bestimmter  Dauer  als  Ehe  behandehen,  — 
also  ein  Seilenstück  zur  römischen  Usus-Ehe.  —  Vorzugsweise  unter  dem 
Einfluss  des  Clirislentums,  teils  aber  auch  unter  dem  der  allgemeinen  Besser- 
steltmig  der  Weiber  traten  an  Wesen,  Inhalt  und  Eingehung  der  gcrra. 
Ehe  Änderungen  ein.  Beseitigt  wurde  die  Polygamie,  gemildert  die  ehe- 
herrliche Gewalt.  Auf  dem  Prinzip  der  Lebensgemeinschaft  wurde  das  clic- 
liche  Verhältnis  einheitlich  konstruiert.  Die  Scheidungsgründc  wurden  be- 
schrilnkt,  zuletzt  die  Ehe  prinzipiell  unauflöslich.  Die  wigen.  Ehehindernisse 
wurden  vennehrt,  Zustimmung  rles  Weihes  wurde  Erfordernis  einer  rechLs- 
giltigen  Heirat  Dies  führte  zur  VcrdtiUigui^  der  Raubehe,  und  weiterhin 
zu  Sei  bat  Verlöbnis  und  Selbsttrauung  der  Btaut  die  nun  (im  mittelalterlichen 


4.  Verwandtschaft:  Ehe. 


«63 


: 


Dcutscliland)  einen  ma/irhchnz  {mafuintic)  nirlii  nur  empfflngt,  «iiMidem  mucIi 
gibl.  Die  Vcrtraj»iche  wurde  fast  Oberall  zur  einzigen  »inrsetzliclicii*  Ver- 
bindung v<.tn  ÄlMnu  und  Frau  (ralid.  «tv,  i,  ags.  <}-we.  fries.  aß.  nin«l.  rrfit. 
wov-m  on.  tfttfxkt:/f)  erhoben.  Immer  ;ibcr  blieb  tue  Khesrbliessunjj  ein  wfll- 
Kclics  Gcstlilft.  und  selbst  wo  die  Sitte  Segnung  der  gesclili-»sscnen  Eh*' 
dunli  den  F'ricÄtcr  fnnlerte,  oder  wtj  ihm  das  Antnnten  der  Umut  Übertragen 
wurde,  pflegte  doch  der  Akt  niiht  in,  snndem  vor  der  Kirt:he  zu  gcsilielicn. 
—  Die  durch  Ehcschluss  vcrscrb wilderten  Sippen  standen  zu  einander  in  einem 
Treuverhaltnis.  Gerade  sie  sind  nach  ligemi.  RR.  »Magen«,  und  nach  langub. 
»leben  sie  >untcr  uintm  Schild*. 

S  57-  Vermögens vcrii. lim isse  zwischen  den  Ehegatten  waren  in  der 
frllhe^ftei)  Zeil  durch  cl:is  Prinzip  bestimmt,  dass  alles  von  ihnen  eingebrachte 
und  w.'lhrend  der  Khe  (*rwörbinr  (jnt  in 's  Kigenthum  des  Mannes  fiel.  Dies 
galt  insbesondere  vnm  Brnutstliatz  otler  der  Heinisteuer  der  Frau  fwn. 
ktimanfylfija,  htimanfent,  hriman^rtt,  nn.  hemfyl}^ia,  hemfylsiP.  mirpfyl^ji,  hem^tfi, 
mirp^i/l,  —  fries.  fteticit,  hvlithren^,  bohhket,  —  langob.  faderfio,  —  m!id. 
hisiiurt),  wodurch  in  der  altem  Zeit  die  Braut  für  ihren  Mitgenuss  des  Haus- 
guies  bezw.  für  ihr  Erbrecht  van  ihrer  Sippe  abgefunden  wurde  und  vnu  der 
Widerlagc  (on.  ripermunä,  wn.  fcgftgjntii,  tilgi^f),  wi>durch  der  Mann  die 
Vers«irgung  seiner  Witwe  sicher  stellte.  Nach  den  meisten  3ltem  Rechten 
bf>iand  diese  Widcriage  in  bcsiininiten  Guiem.  nach  einigen  jedocli  in  einer 
Qui'tr  des  Mannesvcrm''igen.s  so  dass  um  dieselbe  oder  uro  eine  Quote  seines 
eigenen  Wertes  der  Drautschatz  sich  »N-ermehrtei.  Nach  vielen  Rechten  ab- 
s«irbiiTtc  sie  auch  die  GegcnKal>e  für  die  Braut,  nachdem  es  üblich  gewortlen 
war.  jene  der  letzteren  zu  überlassen,  so  dass  nunmehr  aiLs  dem  »Wittum» 
ein  iWiiwengnl*-  uiirde.  Die  ältesten  Ret  hbiaufzeit  hiuingen  mit  .■\usiiahnie 
der  burgtmd.  und  norweg.,  zeigen  ntm  aber  nur  nmli  Überbleiljsei  jenes 
irültcsten  ehelichen  Güterrechts,  indem  sie  dasselbe  durch  ver>«dn'edene  neue 
Systeme  ersetzen.  Von  da  an  schreitet  die  Panikularisierung  des  ehelichen 
Güterrechts  fast  tiberall  l>is  zum  Ausgang  des  M.-\.  fort  So  weit  aber  die 
einzelnen  RR.  sich  auch  von  einander  entfernen,  alle  gehen  d«Kh  von  dem 
Gedanken  aus,  dass  die  Frau  am  Eliegut  irgendwie  bcrecliügt  sein  müsse. 
Im  Übrigen  sind  zwei  Haupirichtungen  der  F.ntwcJilung  zu  unierw:heiden, 
Die  eine  litssl  in  der  Zügel njrigkeit  der  Habe  jedes  Ehegatten  eine  Verände- 
rung durch  die  Ehe  nicht  eintreten,  beschrankt  sich  \ielmehr  darauf,  die 
beiderseitigen  Güter  der  einheiilirhen  Verwaltnng  durch  den  Eheherm  zu 
unterstellen,  in  dessen  Vermtigen  nach  V(tmmnds4:haftlirhen  Grund.satzen  die 
Emmgenschaft  fsllt,  wi>gcgen  da.s  Frauengut  weder  wach«  noch  schwindet 
(in  Deutschland  Svstcin  der  Gütereinlit-it  ixicr  der  Verwallungsgemeinschaft 
oder  ilej"  Güler\*erbindung,  im  Xorden  wohl  auch  S\'stem  rler  formellen  Güter- 

leinsthaft  genannlt.  Die  andere  ISsst  nicht  bloss  tlic  Verwaltung  der 
füter,  sondern  auch  die  Güter  selbst  insgesamt  oder  doch  teilweise  den  Ehe- 
gatten gemeinschaftlich  werden  (System  der  Gütergemeinschaft,  im  Norden 
der  materiellen  Gütergemeinschaft  gemmnt).  Wo  die  Rechte  der  Gesippen 
am  St;immvennr.gen  der  Khegaiten  zurücktnilen.  wie  so  oft  in  den  St:idlen. 
konnte  die  GOtergemcinsc hilft  als  »allgemeine-  !*i)gar  die  von  jctlcm  Ehe- 
ganen  eingebrachten  iider  walirend  der  Ehe  envorbenen  Grundgflter  ergreifen. 
Sonst  blieb  die  Gütergemeinschaft  als  iparllelle«  auf  die  Fabdiabe  oder  auf  die 
Errungenschaft  oder  doch  aufs  wohlgewnnnene  (im  Gegensatz  zum  ererbten)  Gut 
beschrankt,  und  anderereeits  ziig  sie  im  osldan.  Recht  den  einen  Ehegatten  in  die 
GOtcrgunicin.sclmft  mit  den  n.1rli.stcn  Gesippen  des  andern  hinein,  wenn 
dieser  zugleich    in  Hausgemeins«,  hafi   mit   ihjien   lebte.    Soweit  die  Gemein- 


I64 


IX.  Recht.    B.  Altertümer. 


s<  hafi  der  Elifgattcii  reichte,  bestund  sie  auf  Gedeih  und  Verderb.  Mindestens 
in  !«m-eil  haflcte  daher  die  Frau  aucU  für  (Hr  Srhuldcn  (les  Mannes.  [-I;iii% 
nber  halte  sie  auch  nodi  als  Witwe  mit  ihrom  nachehelichen  V'ennOgen  diifür 
auf  zukommen,  wovon  sie  nadi  dcutscli.  RR.  durch  f'-inn!ichen  Ver/icht  auf 
iiiles  gemeine  (»ut  unter  dem  Syml)ul  des  Srhlfl^selauflej;ens  rtur-;  (^»ntb  oder 
auf  die  Bahre  ties  Mannes  sich  befreien  knunte.  Die  GiUerfienieinsciirift  be- 
ru}ite  auf  dem  Prinzip  der  Oesamtliand,  was  vieh?  RR.  im  MA.  dahin  ge- 
führt hat,  Aber  die  gemeinsamen  Liegenschaften  die  F.hegalien  auch  nur 
gemeinsam  (niil  'gesamter  Hand»)  verfügen  zu  lassen,  und  was  ferner  bei 
.\L:nr.Miiig  iler  Khe  durch  Tod  enntiglichte,  dass  das  Gemeingut  hier  nach 
Quoten,  dort  nach  bestimmten  (iüterarten  geteilt  wurde,  wieder  andcrwiirts 
aber  <lcm  Überlebenden  Eliegiittcn  ganz  verblich.  Die  lieiden  Haupt-; vsteme 
des  ehelichen  Gilterstimdes  treten  oftmals  im  namliclieii  Kechis^ebieie  neben 
einander  auf,  so  insbesondere  im  wnord.  R.,  —  wenn  nfinilich  der  Eintritt 
der  Gütergemeinschaft  von  der  Geburt  eines  Kindes  nder  vom  Vorhand«:m- 
sein  eine-'i  Kindes  bei  Auflösung  der  Ehe  (»der  von  bestimmter  Dauei  der 
letzteren  oder  von  bestimmte!  Vermögenslage  der  Eheleute  (xler  endlich  von 
einer  besondeni  Beliebung  «Icrselhen  nbh.lngig  sjemaiht  wird.  Überhaupt 
aber  liat  die  gesetzliche  Güterordnung  in  vielen  Elierechleii  einen  subsidiären 
Charakter  angenommen,  da  ihrer  vertragsmilssigen  AbJlndening  ein  mehr  oder 
weniger  breiter  Spielnium  gew.1hrt  wurde. 

S  58.  Das  ReriilsverhHltnis  zwischen  Vater  und  Kind  —  jQnger 
ji,-denfails  als  das  rwisrhen  Mutter  und  Kind  —  war  in  der  heidnischen  Zeil 
nicht  sowohl  von  der  Geburt  des  teUiertn  in  der  Ehe.  als  vim  der  Aner- 
kennung des  Kinder  durch  den  Vater  bedingt.  Diese  fand  sichtlKir  dadurch 
statt,  dass  der  Vater  das  auf  dem  Roden  liegende  Xeugclxirenc  auftiub  cnler 
das  dargereichte  an  sich  nahm.  Docli  konnten  Xnniengabe  und  die  ersten 
A'errichlungen  der  Kindespflege  (im  Vaterhause?!,  nJlinlich  Begiessen  des 
Kindes  mit  Wasser  (von  Neueren  fälschlich  'WiLsser^veihe-  genannt)  oder 
Enifllirung  desselben  für  die  förmliche  Anerkennung  wciugstcos  in  soweit 
eintreten,  als  von  da  ab  der  Vater  das  Kind  nicht  mehr  aussetzen  durfte. 
Das  derart  hesclirilnkte  Recht  lier  Kindes; lussel/ung  ist  erst  durch  das 
Christentum  unterdruckt  worden.  Aber  auch  nachher  dauerten  noch  Remi- 
niscenzen  an  den  heidnischen  Zustand  fort,  *-ie  z.  B.  die  Taufe  als  Bediiigxmg 
(1er  Erbfähigkeit  im  westgot.  mid  in  ustnord.  RR,  Das  spczifisdi  väterliche 
Recht  war  die  Vaiergewalt,  nach  deutit^-her  Auffassung  eine  -Munt*  (vgt. 
oben  S.  157)  die  sich  aber  von  der  des  Vormundes  wesentlich  tladurcii 
unterschied,  dass  sie  dem  einseit^cn  Interesse  des  Gewaldiabei-s  »iicnte. 
Nicht  bloss  um  das  Kind  zu  erziehen,  seinen  Lebensbenif  zu  besümnicn,  es 
zu  verheiraten,  sondern  auch  um  des.sen  Arbeit  in  seinem  Dienst  joi  ver- 
werten, verfugte  der  Vater  Ober  «Ins  Kiml.  Ja  in  echter  Not  mochte  er  es 
verkaufen  ixicr  in  Schuldknechlscliaft  geben.  Wietleruui  folgte  aus  lier  Ge- 
walt des  Valeni.  dass  er  die  Habe  des  Kitnlts  zu  eigenem  Vorteil  vcr^vahele 
uu<l  nützte  und  (von  gewissen  .Ausnahiusfallen  abgesehen)  Recht-sgesciiilfte 
des  Kindes  zu  seinem  Nachteil  nicht  anzuerkennen  brauchte,  ebenso  aber 
auch,  dass  er  Cbelthateti  des  Kindes  zu  verantworten  Ijjlle.  Diese  weit- 
Tcichentic  Vaiergewalt  hintlertc  jedoch  die  S.  158  erwfthnte  VcmulgcTts- 
gemeirsi  haft  zwischen  Vaier  mid  Kind  so  wenig,  .i1s  die  ehrherrliihe  Gewalt 
der  ehelichen  Gütergeiueinschidt  entgegen  stand.  Beendigt  wunk*  die  väter- 
liche Gewalt,  sobald  tias  Kind  wirtschaftlich  unabhängig  vom  Vater  wurde. 
Zu  diesem  Zweck  konnte  der  grossjährige  Haussohn  Ausweisung  seiner  Habe 
oder,  wenn  Vemiögensgenieinscliaft  zwischen    ihm    und  dem  Vater    bestand. 


4-  VERWAiJDTsaiAJrr:  Elterk  u.  Kinder. 


IÖ5 


Abteilung  verlangen.  —  Uneheliche  Kinder  hatten  nach  ältestem  Recht 
nur  mütterliche  Vcn*andlschaft.  Dies  Prinzip  ist  jedoch  von  vielen,  ins- 
besondere den  ustgenn.  RR.  frülizcilig  aufgegeben  worden,  und  zwar  zu- 
nächst zu  Gunsten  des  -Winkelkindes^  (wt»,  honiunt^,  alani.  fiarnuttf^,  fries. 
Monting,  a^s.  hot-nungssunu)  d.  li.  desjcnigeu  Kindes,  welches  der  Vater  in 
offenem  K«mkubinai  mit  einejn  freien  Weibe  erzeugt  (vgl.  über  che.1hnhchen 
Konkubinat  aucli  nben  S.  1Ö2).  Wurde  d;is  Winkelkind  auch  nicht  dem  ehe- 
lieben  rxler  »echten«  Kind  (wn.  skirgttinn,  ikilgttinn,  \}äx\%o\>.  fulboran.  ags. /h/- 
horrn)  gleichgestellt,  so  wiirde  ihm  doch  eine  Stelle  im  vaterürhen  Gcschlechts- 
vciband  iusufcm  eingeräumt,  alj.  ]nan  es  hier  zum  Geben  und  Nehmen  von 
Wcrgeld.  sowie  zu  vonnimdschaftlirhen  Funktionen  berief  und  mit  AUmentations- 
ausprQdien.  ja  wijrar  mit  einem  Erbrecht  gegenOber  dem  Vater  oder  doch 
mit  einer  Abfindung  für  ein  suIlIics  ausstattete.  Nachmals  wurde  der  recht- 
-Jiche  Unicrsrhied  zwischen  dem  aus  offenem  Konkubinat  und  dem  aus 
^lidmlichcr  unehelicher  Verbindung  von  freiem  Weibe  geborenen  (wn.  hisungr. 
iaitHgftina),  ja  sogar  dem  vun  unfreier  Mutler  stammenden  Kinde  eines 
freien  Mannes  (wn.  pyiwrtnn.  un.  Pybani)  abgeschwilcht  oder  ganz  ven*ischt, 
«*as  zur  .-Vusbltdung  eines  prozcssuatcn  Patcniitfltsbcweiseä  fQhrtc.  Wo  jedoch 
die  Kirche  ihre  Lehre  von  der  Verwerflicbkeii  jeder  aussereheli<-Iien  Ge- 
schlechts verbiniiung  zur  Herr>icbaft  bradile,  ist  Besserstellung  der  unehelichen 
Gebun  gegenüber  der  Vaterseite  \ielfarh  aufgehalten,  ja  es  ist  s*.)gar  ihre 
Stellung  zur  Mutlerseite  in  luanclicn  Rechten  verschlechterl  worden.  Da- 
gegen hat  die  Kirche  die  Aufnahme  fremd rerhillrher  Formen  der  L^tiraa- 
lion  befördert,  wahrend  nuch  rein  german.  R.  Legitimation  nur  in  Gestalt 
der  «Einleitung*  in  die  SipiK;  (oben  S.  150)  möglich  war.  Andererseits  \f\ 
es  eine  Reminis(em  ;in  die  Raubehe,  wenn  nach  on.  RR.  Kinder  aus  raub- 
Jichcr  Gc8»-hlechtsvcrbindung  {hrmsharn)  als  eheliche  bchandch  werden.  — 
Eine  luQtlerliclte  Gewalt  fürs  älteste  Recht  zu  leugnen,  gtbt  die  strenge 
Mundächaft  über  Weiber  keinen  triftigen  Grund  ab.  In  den  Reclitsaufzeich- 
nungen  tritt  die  Mullergewalt  zuerst  als  Erzieh ungsgewalt  auf.  welche  sich 
nach  dem  Tode  des  Vaters  in  der  Hand  der  Mutter  konzentriert.  Dieser 
Rest  des  prachislorischcn  Matriarchats  kommt  dann  bei  gesteigerter  Selb- 
Ständ^kdt  der  Witwen  zu  neuen  Kräften:  es  tritt  hinzu  eine  VeHobuugsgewalt 
oder  ein  Vet»i  gcgmi  das  Heiraten,  sowie  ein  Recht  der  Mutter,  das  ihr  mit 
den  Kindern  gemeinsame  Gut  zu  verwallen. 

^  5^.  Ausser  der  Ehe,  ja  wahrscheinlich  sogar  noch  vor  ihrem  Aufkommen 
gab  es  noch  andere  Vertrage,  wodurch  verwandtschaftliche  Beziehungen 
zwisdicn  den  Koiilraticnten  begründet  wurden,  ohne  dass  doch  der  eine  in 
den  GescJiIcchLsverbiuid  des  andern  eintrat.  Zunächst  war  es  dabei  bloss 
auf  Treue-  und  Schutzverhallnis.se  abgeschcii.  Solchem  Zweck  diente,  wetin 
K'wnlination  der  Vertrags jKirteicu  bestehen  sollte,  die  ßundbrüderschafl 
(wnfird.  ßslbnräralag)  ^  Der  Verl  tag,  im  Heidentum  nur  Manueni  zugäng- 
lich, stellte  unter  tlen  Kontrahenten  einen  ähnlichen  Schulz-  und  Trulzverband 
auf  Lebenszeit  her,  wie  er  s<jnst  nur  unter  leiblichen  Brüdern  begründet  war. 
Insbesondere  aber  ülienialini  jeder  Kontrahent  die  Pflicht,  den  Todtschlag 
des  andern  zu  radicn,  bczw,  dem  Todtschlagsklager  beizastehen,  weswegen 
denn  auch  dem  Kundbruder  neben  den  Gesippen  ein  Anspruch  atif  Wer- 
geid für  tien  geVVltcten  Genossen  eingeräumt  wurde,  femer  die  Pflicht.  d<  n 
Kuli  des  Todien  zu  besorgen.     Unwesentlich   dagegen,    wctm   auch   ofiniaU 

1  Ober  SdKiiüttkJte  bei  uncemuu).  Völkern  t.  J.  Grimm  RA.  193  flg.  J.  Lippen, 
KtiUur^tiihithte  II  S.  3J3  Ü'..  BÖtticher  in  AJIg.  Zig.  BeiU  t&84  S.  1417.  Po>t, 
lirumdr,  d,  r^fhnoL  Jnrisfr.  U  S.  95 — 96. 


i66  IX.  Recht.     B.  Ai.tertCuer. 


zur  Befestigung  des  Bftndnisses  verabredet,  w;ir  (Jutsgenieiiischaft  unter  eleu 
Konlmhentcu.  > Vertrags brüder«  —  wedbröäor  — -  liiessen  die  letztens  l»ei 
den  Angelsachsen,  »Vertragsgenossen«  —  gamnhalos  [tonjabv/ati)  —  bei  den, 
l^ng'jbardcn,  im  Norden  aber,  dessen  Geschichtsqudlcn  das  VerhSUnis  am, 
deutlichsten  erkennen  lassen,  ßsdntttr  =  »Pflegebrüdcro.  was  an  ein  ilUeres 
Recht  cnnnert,  W'inadi  wie  bei  den  Slawen  Milcligcschwislerscliaft  der  Bluts- 
verwandtschaft gleich  gestanden  war,  —  staUbnkär  =  »TischbrQder«,  was  mit 
got.  und  umord.  guhiatlm  begriffsverwandt,  —  eidbrttär  =  »Eidbrüder«  und 
svarahniät-  =  ;tScliwurbrudcr<,  denn  eidlich  sicherton  sie  die  Bundcslrcuc 
rinantärr  zu,  wie  es  ja  auch  eine  eidliche  Aufnahme  in  die  Sippe  gab  (vgL 
i»ben  S.  \^o,  159!.  Dass  aber  Bruderpfliclilen  und  -Rechte  unter  ibnea 
enUtehen  sollten,  symbolüierte  da.s  heidnisch-nordische  Ritual  des  Vertrags- 
sclilus^es  zuvor  durch  die  Blutmischung  der  unter  einen  aufgestochenen 
Rasenstreifen  tretenden  Schvi-urbrüdcr.  Mehrte  sieh  die  Zahl  der  Teilnehmer 
eines  s-ilchcn  Bundes,  so  diente  leicht  das  schon  durch  den  Todtenkull  ge- 
f'irdertc  Upfergelage  (skand.  f^iM,  as.  ge!d,  ags.  gild)  zum  wiederkehrenden 
und  sichtbaren  Aa-uirurk  der  Genossenschaft  Vun  hier  aus  ergibt  sich  der 
genetische  Zusamnietib:uig  zwischen  der  altgcrni.  Blulsbrüdersdiafl  und  tler 
miHclaltcrlichen  ,*Gildet  {tonvivium),  welche  zunächst  nichts  anderes  als  eine 
lokalisierte  und  auf  viele  Genossen,  dalier  auch  auf  unbegrenzte  Dauer  be- 
rechnete SchwurbrüdcTUihaft^  mit  rcgclmüssig  wiederkehrendem  Gelage  war 
(sog.  Schut/gilde).  Ihren  naiüriicben  Sundort  hat  die  Gilde  da,  wo  die  Be- 
iciehungen  de*  Einzelnen  zu  seiner  Sipjie  gelix'kert  werden,  vornehmlich  also 
ii  den  Stildten.  Chris lianisiert,  lA-urde  das  Gelage  zum  kirchlich  gefeierten 
lahrtag  der  Genossen  seh  afl,  die  nunmehr  regelraasstg  sieb  einem  Sclmtzheiligen 
unicrstellte  und  nach  ihm  benannte.  Der  heidnische  Todtcnkult  wurde  durch 
den  Gottesdienst  fürs  Seelenheil  des  jjest<irbcnen  Gildebnulers  ersetzt.  Unter 
dem  Einfluss  des  Cfiristentums  musste  femer  die  Rachepflicht  der  Geni)ssen 
hinter  der  allgemeinen  Unterstützungspflicht  zurück  treten.  Damit  wurde  die 
CJilde  auch  Weihern  (als  »Gildeschwc-stem«)  zuganglich.  Streitigkeiten  unter 
Gen'i&scn  waren  tlurcli  th-ii  Sprmli  der  GiUle  zum  Austrag  zu  bringen.  Dies 
führte  zu  einer  Gerichtsbarkeit  der  Gilde,  Im  letzten  Gnind  Strafgcrichtü- 
barkcil  stand  sie  selbst  unter  dem  Schulz  des  ilu.ssersten  Strafmitlels  der 
Gilde,  der  Ausstossmip  (im  Norden  mit  "Netdingsnamen«  vgl.  S.  141).  Die 
Gilde  ward  also  Kcchtsgenos-scnscliaft.  In  ihrem  Bestände  unabhilngig  vom 
Leben  des  einzelnen  Mitgliedes  wurde  sie  aber  auch  zur  Kor])Oiali"n,  die 
ihre  eigenen  Beamten  und  ihr  eigenes  Vennfigen  (mit  dem  Gildehaus  aU 
werlvuUstcni  Stück)  hatte,  ihr  eigenes  Siegel  fahrte;  ihre  Anl-rnnmieund  Gerichts- 
barkeit auf  der  vom  Gelage  abgezweigten  Versammlung  der  vuilbereditiglen. 
Brüder  (an.  gUdastefna,  adJln.  gildslefna,  —  syitodta  gttieralis.  in  Deutsehland 
-Miirgensprache«)  ausübte.  Durch  Spezialisierung  des  Verbandzweckes  leble 
im  MA,  die  Gilde  als  Handwerker-  und  K.iiifmannsgilde  (Innung,  Amt,  Gaffel, 
Zeche,  Zunft,  Hanse),  als  Gesellen  verband,  als  B;mhütie,  als  Nachbarschaft, 
Ilnider-  imd  Schwesterschaft  (in  Siebenbürgen  bis  auf  die  Gegenwart},  als 
Stuben-  (Geschlechter-)  Gesellschaft,  als  Schützen-,  Pfeifer-  und  Fechter- 
Brüderschaft,  endlich  als  geistliche  Fraternität  fort,  auch  nach  dem  sie  als 
Schutzgiide  veraltet  war  (vgl.  oben  S.  ö"  f.).  Und  wie  diese  auf  die  Ent- 
stehung, 90  liaben  jene  jüngcrejrt  Gilden  auf  die  Weiterbildung  der  Stadtvcr- 
fa.ssung  oftmals  entscheidend  eingewirkt.     Viele  von  ihnen  sind  in  der  zweiten 


1  Das  von  K.  Maurer  Kr.  Vjschr.  XXXI  S.  3l8  dag^en  luigcltthne  Capituluv  tagt 

nidit,  dass  es  u n ^[irsdiworcnc  Gilden  gab,  sondern  eher  das  GcKttitril, 


4-   VERWAXDfreCHAFT:    AFFIUATtOV.   GErOLGSClLAPT. 


167 


Hälfte  dt-s  MA.  wcscnüidiii  Bo«liuidtcilc  der  pnlüeilichcn,  militärischen, 
finanxi^llcn,  geridiUi<:hcn  iintl  xulctzt  am  li  dor  regimcntlirbcn  Stadtverfassung 
selbst  f^worden. 

§  iio.  Der  Bundbrüderschaft  uiid  ihren  Ablegern  Rcgcnnhcr  stehen  jene 
Vcrbamle,  weli-hc  dm  einen  K^mtrnhcntcn  dem  andern  ober-,  hezw.  unter- 
ordnen. Dahin  gehört  zunächst  der  Vertrag,  wudurrh  ein  Freier  einen  andern 
»an  Sohnes  Statt«  annimmt.  Es  handelte  sidt  dabei  niiht  etwa,  wie  die 
herrschende,  aber  schnn  von  Ilcinecdus  widerlegte  Meinung  will,  um  eine 
Adoption.  Niclit  nur  fehlte  die  Einleitung  in  den  Geschkvlilsvcrb:uu],  son- 
dem  es  wurden  auch  keinerlei  verwandisrliaftsrechtliche  Be^tichungen  intter 
den  Kuntruhenien  gcstjflel,  aiLsgenommcn  das  Treuevcrhrtlliüs,  wie  es  zwischen 
Pflegevater  und  Sohn  bestand.  Daher  konnte  der  Vertrag  ebensowohl  zur 
Bofe.'itigung  eines  vi^lkerrwrhllirhen  Bündnisses  zweier  Herrscher  wie  zur  Ein - 
kleidimg  eines  Alimentenverirags  benützt  werden.  Als  Können  des  haupt- 
sächlirii  der  Frühzeit  angehr.rigen  Geschäfts  erscheinen  Kniesetzung,  Haar- 
echur,  Bcschenkung.  Urkunde.  Eine  weit  grössere  Rolle  spielte  die  Gefolg- 
schaft. Eidlich  verspricht  ein  Freier  einem  andeni  Treue  und  Gehorsam, 
T»  Weiten,  was  dieser  liebt,  zu  meiden,  was  dieser  meidet,  insbesondere  aber 
treues  Begleiten  iu  den  Kampf.  Er  macht  sich  dadurch  zum  Gefolgen  oder 
»Gefährten*  (ags.  gfsiit,  as.  /jisitf,  langob.  ^aiind)  oder  >Mann<i  (mlal.  ßiamo), 
aber  auch  zum  »Verwandten^  (mhd.  tmk)  eines  Herrn  tags,  dryiiten.  as. 
droh/iti.  ahth  iruhiin,  an.  litollinn,  got,  dntuhiins).  Treubruch  zieht  Ehrlosig- 
keit, und  Verrat  am  Herrn  schwere  Strafe  nach  sich.  Dem  treuen  Gefolgen 
aber  sichert  der  Herr  seinen  Schutz  oder  »Trost«  zu,  oder,  frünk.  ausgedrückt, 
er  nimmt  ihn  als  anlntstio  an.  Aber  auch  als  Tisrhgenosse  hat  er  ihn  in  .sein 
Haus  aufzunehmen.  Daher  ist  der  ags.  Gefolgshcrr  der  »Brniwartt  — hläfotä 
—  seiner  Mannen,  der  skancl.  Gefolge  >  Hausmann«  —  liiistnrl  (dafür  in 
adfin.  Inschr.  fiimpixi)  —  seines  Herrn,  die  ags.  Gefolgschaft  -Hausgenniae-n- 
schaft»  —  fiMi  (tlaraus  wn.  hirit)  —  ihres  Führers.  Was  der  Gefolge  im 
Hemidienst  cinbüsst,  soll  ihm  der  Herr  ersetzen.  Dure-h  Gaben  (wn.  heiäf/) 
Überdies  und  vor  Allem  durch  .\usrtLstung  mit  Waffen  hatte  der  Herr  die 
Ergebenheit  seines  Gefolgen  zu  lohnen.  Nach  dem  Tode  des  letzteren  fielen 
dann  solche  Geschenke  regelmässig  an  den  Geber  zurück.  Im  Hau-te  de.<t 
Herrn  konnte  der  Gefolge  noch  einen  bcsondem  Dienst,  ein  »Hofamt*;, 
flbeniehmen,  wozu  die  Organisation  einer  zahlreichen  Gefolgschaft  (ags. 
dryht,  ahd.  truht)  von  selbst  .\idas»  gab.  Ein  solches  Hofamt  brac-hte  seinen 
Inhaber  in  noch  engere  I3oziehungcn  zum  Herrn  ;i]s  die  übrigen  Gefolgs- 
manncn,  so  dass  sich  leicht  eine  Rangordnung  in  der  Gefolgschaft  ausbilden 
konnte.  Hierauf  beruhte  die  Sltcrc  Einteilung  der  ags.  Gefolgsrhaft  in /fi'Biw 
und  geiiitas  l  e.  S.  (vgl.  oben  S.  132),  und  auch  die  Rangordnung  in  der 
skand.  http  entsprach  ähnlichen  VcrhüUnisseu.  Stets  war  übrigens  die  Or- 
ganisation der  Gefoigsrhafi  Sache  de-;  Herrn,  wobei  auch  das  Gefahrlenver- 
haltnis  tler  Gcr"|;r<mannen  in  gegenseitigen  Recliten  und  Pflichten  unter 
diesen  zum  .Ausdruck  gebraclil  wenlen  konnte.  Und  in.s.jfem  durfte,  wie  bei 
der  adan.  Gefolgschaft  nachweislich,  die  (jesamiheit  der  Mannen  eine  »Ge- 
nossenschafti  oder  iGesellsrhaft*  {viptrla^hS  heissen  (vgl.  oben  S.  107).  Als 
dos  Wesen  der  Gefolgschaft  vcrblasste,  konnte  man  in  eine  solche  eintreten, 
>hne  standiger  Hausgent^se  des  Herrn  zu  werden,  und  wurde  es  andcrer- 
ats  üblich,  dass  der  Herr  die  einflussreicheren  seiner  Mannen,  die  sich 
nicht  beständig  bei  ihm  aufhielten,  mit  Grundgflteni  oder  ihnen  gleichgeach- 
telen  Rechten  ausstattete.  Im  frSnk.  R.  zuerst  erscheint  diese  Au.s.s(attung 
als  Lehen  (§  65).     Der  »kand.  Gefolgschaft  dagegen   ist  eigentümlich,   dass 


i6S 


IX.  Rkcut.     B.  AltektOukk. 


fQr  die  nicht  mit  I-ehen  ausgestatteten  Mannen  eine  feste  Löhnung  (md/i) 
aufkam.  Das  Halten  eines  Gefolges  war  von  i^echts  wegen  jedem  Freien 
gestattet.  Eine  Neuerung  skainJinavischcr  RR.  im  MA.  war  es,  wenn  diese 
Befugnis  fflr  Unterthanen  des  Königs  beschränkt  wunie.  Durchgreifende 
Veränderungen  sind  seit  dem  8.  Jahrli.  an  der  friiiik.  und  nach  deren  Vor- 
bild an  der  mitteleuro]>.lLschen  Gefolgscliaft  dadur<r]i  pingetrelen,  dass  sich 
dieselbe  mit  der  galloroman.  V'.issalliiat  verbunden  hat.  Als  t'ossm  oder 
vassaihis  (=  Diener)  » kommen dicrtc«  sich  der  Gcfulgsinann  seinem  Hcrni 
(senior),  indem  er  steh  unter  nienstftbcmahmi^  in  tlcsscn  Srhntx-  und  Ver- 
iUilwoitungsgewah  oder  Munt  (vgl.  §  50)  erjjai).  Auch  einer  Frau  konnte 
man  sich  so  kommendieren.  Die  Form  für  die  K<^immenda,tinn  war  das 
Einlegen  der  gefalteten  Hände  des  Vassallen  in  die  offenen  des  Herrn. 
Eine  Gegengabe  hatte  bliese  Selbst (l hergäbe  zu  lohnen.  Durch  Kuss  nahm 
der  Herr  den  Gefolgen  in  seine  Mimt  auf.  Im  deut.  R,  df?s  MA.  erscheint 
die  Kommendalitm  {manstha/t,  Aorruiavim)  vor  dem  Treuschwur  als  regel- 
mässiger Bestandteil  der  »AuMe»,  wodurch  das  persönliche  Rand  zwischen 
dem  Herrn  und  dem  Manne  begründet  wird,  —  bi-steht  ferner  der  Vassallen- 
dicnst  regelmässig  in  herrarl  (mindestens  Reichsdienst  und  niemals  gegen  das 
Reich  d.  h.  den  Krtnig)  und  ho/t'art  (Hermdienst  am  Hoflager  de*  Herrn) 
und  hat  der  Vassall  seinen  Hemi  zu  «ehren«,  insbesondere  durdi's  Stegreif- 
halten, —  ist  endlich  die  der  M.innschaft  folgende  Gegengabe  bis  um  I200 
regelmilssig,  nachher  immer  ein  Leben,  so  dass  Lehen  und  Vassallititt  ein- 
ander bedingen.  Aber  je  wichtiger  nmi  die  Lchenscjbjekte  als  Grundlagea 
der  Vasallen  macht  und  je  feister  die  Rechte  des  Vasji.illen  am  I^Mien  inirden 
(§  65},  desto  schwficher  wurde  das  Band  der  Treue,  destu  sor^f-llti^er  ver- 
klausuliert und  nach  Art  wie  nach  Zeil  umschrieben  die  Dienstpflicht  des 
V;L<isallen,  ja  die  Heerfahrt  sogar  ersetz-  und  l("sl>ar  tlurch  eine  henthire, 
welche  in  einer  Quote  der  Lehenseinktbifte  bestand,  die  Vassallitat  selbst 
willkürlich  kandbar.  Über  die  verfassungsrechtliche  Bedeutung  der  Vassallitat 
§  47.  über  die  Lehensgerichtsbarkeit  tmd  die  Gerichtsbarkeit  des  skanclinav. 
Gef<.>igsherni  §  50,  8fj.  Dass  im  MA.  das  skandinav.  Gef(>ljriy;hafts«esen, 
wenn  aucli  nicht  gerade  in  Bezug  auf  bliese  Gericbtsbarkeil,  vom  Süden  aus 
beeinflussl  war,  lässt  sich  erwarten  und  kaum  bestreiten.  Der  Ritiis,  wonach 
der  u-n.  Gefolge  sich  zum  Mann«  imadr)  maclit,  die  hamifianga,  ist  jener  der 
KommendatJon;  dem  osinordischen  (schwcdische-n)  aber  wird  der  Name 
pianislu  »tnper  beigelegt.     Über  Lehen  au  die  skand.  Gefolgsmannen  S.  178. 

5.   VERMÖGEN. 

Literatur  bei  Schröder  Lchrb.  S.  JI — &I,  154  f..  198—210,  2$'.  258,  »66 
— igo,  365  f«  371.  386,  411  r„  672.  679  f..  682—699.  Siegel  RG.  §§  142— 1 50. 
186,  73,  Brtinner  RG.  I  §§  10,  11,  25—27.  57,  il  g§  Ol,  110,  118,  1  i<>.  123. 
und  in  Hollzend,  §§  2.  14,  20,  21,  Genglcr  (irundris*  S.  335 — 358,  Rusen. 
vingc  §§  3l'-23.  47 — 50,  55 — 64,  98  — 103,  107 — lll,  Stemann  §§  84  —  loo, 
Brande  J-'arel.  1  ^  28 — 45.  —  S.  ferner:  Mcitz«n.  Itantürtin^cn,  AhIhiu  u. 
^Igrarrtcht  4er  Vlilker  Europas  Abt.  1  Bd.  I — HI  (mit  Atlas)  1895,  Derselbe, 
If'ftUjhufe  u.  K?nix^hu/e  tSSg.  Blumirnstwck,  En(sti-k^.  ä.  d/mt.  fmfttrrbiltar' 
eigrntums  I  1894,  Leuerd>crBtfr  (»bco  S.  61)  §§  30—53,  Moosberger,  D. 
ßünJHeriKh<f  ÄUmeniü  i%^\,  Willich  (nhen  S.  143),  K.  Rnifa,  Gttsch.  d.  Fortt- 
u.  Jagdufsem  in  Deutsrhl.  1879,  J.  Grimm.  Kl.  S^kr.  I  S.  133  — 144,  II  .S. 
30—74,  173—210,  V.  Ricbthofen,  UnUrs.  ü.  frUs.  RG.  T.  II  S.  1041  — llSS. 
Aubfrl,  Grundbui^ritrs  Ihitorie  1893,  D«r&*lbe,  Drn  .Vnr/fc  Obli^tionirgU 
ipe^ulü  dti  X\\  I  (893  S.  1—73.  P.  PunischÄrt,  Schuiävertrai^  u.  TrcHgciäbnit 
dts  iachi.  R.  im  AfA.  189C1,  Slobbe,  Z.  G*hh.  dts  lUl,  deut.  K'^nkttrspro^sstt 
1888.  H.  Horten,  D.  PcrtoniU.Mkhtion  I  (1893.  181J5).  Rieh.  Behrcnd,  X. 
(SeseH.  der  Quilhmff  S.  20 — 36,  —  Guaderinatin  in  Zschr.  f.  deul.  R.  XVTI 
S.   161 — 217,   —  Herrig,  /V  rebus  agrariis  Stiecifif  et  Danirit.  1868,  —  t.»f- 


5-  Vermöoen:  Grundbigevtuic. 


169 


seB.  ffrtltrjnriffer  S.  175 — 205.  «J — 264,  3datz«ii.  Forel.  Prtratr,  IV  1896, 
J.  Siccnstrup.  StHdirr  I  S.  47  —  91.  11  325— 3&S.  C.  Chri»tcn»cti,  Agrar- 
hiitor.  Sludirr  I  KJnhcnfa.  |88<>.  K.  Anclicr,  SnmUiU  jtirt<t.  skrifUr  III  S. 
260 — 404,  Kjcr,  Öm  IX-erdragrlie  nf  Eirndomirft  over  faite  Eifndnmt  .  .  , 
ttuU.  Chr.  y.t  Lav.  iSSq  (ila/u  St*»chrl  in  L'gcskrift  lor  Kctsvwo  i8f)o  Kr. 
44),  —  K.  E.  FInrin  et  E.  V.  BlAficld,  Jh-  Jure  aedißta»di  nw/'^W(>  cfetuum 
rfititärum  in  Snetia,  HcIxiiiKf,  ifi^Ä,  Litjcnslrand,  Om  skiftf  af  jord,  Hd- 
»int;f.  1857  S.  I — 6a.  K.  F.  Ln^us,  Chn  Jnrdaskiftin  etc.  Helsingf.  18578.  I  — 
51,  Wahtbcrg,  Om  Ir^a  n/  jord  etc.  Slotkh.  1870,  Monlgnmery.  Om  botagS' 
ktinfrrtkut,  lleUingf.  1870  S.  1  — 11,  Winroih,  Om  ijmstthjPtisfürhäUandft  t:\s. 
L*I>4.  1878  uod  in  der  S.  155  »ngcf.  Schrift,  Krcügrr,  SluJtrr  rörandf  de  agrar. 
f^rhallandenas  utve^kUng  etc.  I,und  1883.  Hjclm^rui,  Pidrng  tili  Sfensta 
JürdrgatiiifritUftu  ktit.  I.und  1884  S.  41 — (jj  (tWu  Piippenlieim  in  SclitnoUcr's 
Jährt).  XF.  IX  S.  31  1—314).  Slyffc  in  K.  Vltlrrht'U  Hiil.  rch  Aniiquil.  Akad. 
Afbaitall.  XXIV  S.  231—331.  Sfrlacliiu»,  Om  KUtndtr  ,1  /nrd  i-tc.  Htliingf. 
1864,  BjAiling,  Den  S7>ensJta  rättrns  extlinkih-a  /aga /'tng /i7 /Jsären  de  iS^G 
S.  5t) — 105.  Lant^tmADSOD,  Svenjt  rfiltiküloria  i  ullandel,  Ups.  1883,  Dt^rs. 
TidMkr.  f.  Kcisv.  1889  S.  328—367.  Drini  in  Gfiit.  irel.  A.  1885  S.  SI3— S84> 
Falkmin.  Om  matt  <vA  vigt  f  STerig<f  I  ]884.  H.  Hüdehrand,  Sveriget 
Mfdetlid  I  S.  740 — 7bt(.  K.  Lehmann,  .löfi-rnd/.  1888  Nr.  11  (dazu  v.  Amtra, 
Gfllt.  ([cl.  A.  iH8t>  S.  271 — 274.  auch  K.  Maurer,  Lit.  Onirt)!.  1888  Sp.  1270 
aail  Kr  Vj*d>r.  XXXJ  S.  30^—308),  J.  Fcirsman,  Jiidrag  liV  Idran  om 
ikadesUtnd  i  braltmäl  18(13  §§  % — 22.  Sjögren,  Bidrag  iitl  en  underiSkning  af 
kontrahtsbrottm  enligt  Svertges  mrdeltidftn^ar  i8<)6,  —  v.  Amirii,  jVordgrrmitn. 
Obtigattotienreikt  II  18115,  K.  Mjiiirtrr  in  Kr.  Vjschr,  XIII  S.  ^itO — 375  und 
Beiträge  I  S.  21— 81  {rfipka/ ü.  ij  — 70),  E.  HerlJtberg  in  Tienn.  Al.h.  f. 
Maunr  1893   S.   28§  fl*. 

§  61.  Das  Eigcnititn  Lst  urgcraianiw.hu  [nslttution,  wie  das  adiekti\-ische 
Partizip  »figen«,  seilen  substantiviert,  ein  gemcingennan.  Wort  i.ft,  dessen 
Onindhwlcutiing  in  dei  Tt-niiinnlMgii;  aller  RR.  f'Ttlebte.  Nur  Wulfila  ge- 
braui'hl  statt  di-sscu  jtw  {=a/x««c).  Aber  dus  v.  aii^n  4i;il  auch  bei  ihm 
mehr  eine  innere,  haban  eine  Süssere  Gewalt  Ober  den  Gegenstand  zu  l)e- 
zeithnen«  (J.  Grimm).  »Eigen-:  war,  was  einem  d.  h.  nu  einem  gehörte,  also 
nicht  schon  und  nicht  bh>ss,  w;is  sich  in  Jemandes  Besitz  befand,  —  ursprüng- 
lich auch  nicht  imnuT  eine  Sache.  Oas  ngcrm.  K.  z.  B.  bedient  sich  dc.s  v, 
aigan  (an.  fi}if\  um  das  Recht  der  Ehc>!atten  un  ciiumdcr,  der  Eltern  am 
Kinde  zu  bezeichnen.  Aber  ira  engfircn  und  zugleich  allg:i'mein  angenom- 
menen Sinn  »eigen«  waren  nur  Sachgüler.  Das  Zeichen  üircr  Zugehörigkeit 
zum  Eigner  war  es,  wenn  sie  dessen  Marke  («m.  mirrki,  ahd.  mhd.  man. 
gernttte,  —  isLind.  einkunn)  trugen.  Die  Gesamtheit  seiner  »eigenen-  Güter 
nannte  er  goL  aihts.  ags.  trht.  uhd.  fht  (f.  abg.  vmi  aif^n). 

Es  bi!di*n  aber  unter  den  .SachgOteni  vom  Beginn  der  histor.  Zeit  an 
Liegenschaften  tlie  vorneliinslcn  ("icgcnst.'inde  des  Eigentums,  wesswegen  in 
abgeleiteter  Bedeutung  'Eigen-  nach  dcuL  wie  skand.  RR.  =  Grundeigentum, 
ja  =  f jfundsttlck  i.sL  Das  Eigentum  an  Grund  und  Boden  (//j«rf,  skand. 
auch  fnr^)  enichcint  zuerst  kollektiv.  Es  stand  in  der  ältesten  Zeit  den 
Gesippen  "iler  den  Genossen  eines  grösseren  Verbandes  («ie  Nachbar-  -Kier 
Baucrst^iaft,  Dorf,  Bezirk,  Staat)  mit  ein;incler  ('zu  gCÄimter  Hand)  zu.  in  der 
Art,  dass  nur  mit  aller  Genossen  Willen  darüber  verfugt  wenien  kfmnte.  Es 
war,  wie  man  in  Deutschland  sagte,  -geuieine  Mark"  und,  wenn  ein  Volk  die 
Genossenschaft  tlcr  Eigner  (si"»g.  Markgenossenschaft!  bildete,  i-VoIklanih. 
Aber  nicht  alles  L:md  im  Gebiet  der  altgemi.  Staaten  war  eigen.  Was  an 
Grund  un<l  Boden  um!  Gewässern  nicht  von  Privatgrenzen  umgeben  war  — 
und  über  sie  gilt  in  der  Haujitsache  das  in  §  32  Bemerkte  — ,  unter^itand 
<lcni  Gebraudi  Jedermanns  und  der  gemeinscliaftlichen  und  ungeregelten 
Nutzung  iiiiiuleslens  der  Markgenossen  {Mitmarker,  Bauern),  in  deren  Macht- 
bereich  es   htg.     Dies   ist   der    ur.<iprüngtii  iie  ncrgriff  sowohl   der  deut.   -.\ll- 


I70  IX.  Recht.    B.  AltertOmer. 


mende»  (Allmeinde  n;tch  Staub  und  Tnbler)  als  ups  wn.  almtnningr,  on. 
atnutumtiger  (dan.  auch  alminnin^].  Allmende  und  Eigen  sind  quellen  massig 
Gegensätze.  Beim  Reuteji  erst,  das  jedem  Markgcnossen  freistand,  kuimte 
die  Allmende  zu  'Elften-  gemacht  werden.  Dies  geschah  durch  Einfrie-dung 
rider  Einfang  (asw.  inta^a.  iilid.  hifiwc),  wesswej^en  das  wi  okkupierte  Alhneiid- 
land  (ad;in.  omum?  —  ags.  ictonfig)  in  latein.  Texten  wie  piaprisus  oder 
afipnsio,  su  auch  rfausimt,  taptuni,  septiim  und  deutsch  ht/nnc  heissl.  Um 
eigen  zu  bleiben,  musste  aber  ein  solcher  Einfang  gegen  Verwilderung  ge- 
schützt werden.  In  der  Folge  ist  freilidi  die  Allmende  unter  daü  Gcssimt- 
eigentum  der  Markgenossen  einbezogen  iider  aber  Regal  des  Hcrrechcr» 
(=:nnirweg.  koniin<;s  ahrifttniiigr,  diln.  kon.  alntinnin^)  geworden,  so  das* 
Eiiifange  nur  noch  mit  Gcnelunigung  der  ersteren  bczw.  des  letzteren  ange- 
legt werden  konnten.  Besondere  Erscheinungsfnmjcn  tlcs  A!ltne4Hlrf!;als  waren 
das  Strassen-,  Fluss-  und  Hafenregiü,  der  königliche  Forst-  und  WiJdlxinn» 
das  Strand-  und  Sa!zrej;al.  Das  Gemeinland  wurde  anfänglich  von  den 
Mnrkgenossen  g;inz  und  gar  gemeinsam  bew-irtscliaftei.  Dabei  mussiten,  so 
oft  man  zwischen  Wildland  unil  Bauland  wechseile,  die  Wohnstflllen  vi-rlcgt 
werden.  Doch  ist  dieser  Zustand  bei  den  meisten  Vr.lkem  zur  Zeit  ihres 
Eintritts  in  die  Geschichte  überwunden.  Sie  sind  dazu  Übergegangen,  die 
Feldmark  d.  h.  das  gemeine  Bauland  (welches  übrigens  in  der  siUlgcrm. 
Frühzeil  nur  Acker  war)  den  einzelnen  Sippen  zur  Sondemutzung  zu  üikr- 
wcisen,  wogegen  die  Weide-  und  Waldmark  unter  genuiiischHfOi^-luT  N'utzung^ 
verblieb.  Bestimmt  vi-urden  bei  häufen  förmiger  Dorfanlage,  der  ftliesten  ger- 
manischen .\nsiedlungsfunn.  die  Sondemutzungcn  durch  Zerlegen  jedes  Ge- 
wannes (ahd.  tzzisk,  mhd.  ezzheh.  esch,  ahd.  zel/pt.  dän.  tfang)  in  vermessene 
Beete  (mbd.  ^xvamien  f.),  welche  dann  für  die  jeweilige  Anbauperii»de  unter 
die  Sippen  verloosi  «luxlen.  Die  M.is.'ieinbeit  des  Be-^ilzes  ist  die  Hufe 
(nur  kouttnetitaldcutsch.  \v>.  hma.  alid.  huoha  ^  Ertragsanteil?)  tnler  djis  I..001S 
{"sorst,  abd.  hluz)  udcr  d;is  Wohnland  (ags.  Itiit,  ofries.  hertb.  nn.  /W,  miat 
mansui.  mansa,  casa/iu)  »der  das  FflüKkuul  (ags.  siäung,  auf  dem  Ki^ntineut 
wenigstens  aralrum,  arealis,  artoh).  Überall  vcrstami  injin  unter  dieser  Ein- 
heit zunächst  das  Bauland,  welches  (hirrhsrhniulich  zum  Unteihalt  einer 
Familie  nijtwcndig  war  und  ebL-ndaruin  nicht  überall  (he  gleiche  Flächcn- 
grösse,  aSsri  auch  nur  gegendenweise  ein  Flachenniass  werden  konnte.  Nach 
ihr  richteten  sich  gewöhnlich  auch  die  Anteile  an  der  gemeinsamen  Kutzung- 
der  nicht  dem  Anbau  unterstellten  Mark.  Als  nicht  meiir  zwischen  Wild- 
und  Bauland,  sundem  nur  noch  zwischen  Iflugland  und  Brache  gewechselt 
wurde,  kam  das  ]ieriodiscUe  Verlegen  der  Wohiistaiten  in  \Vej;fall.  Die 
Wohnplfltze  wurden  nun  für  «üc  Dauer  unter  die  Sipj^en  vcrteüt.  Die  so 
beg*)iincne  Aufteilung  der  gemeinen  Mark  setzte  sich  fori,  indem  bei  zuneli- 
mender  Intensität  der  Bodenkultur  auch  das  periodische  Verloosen  der 
Nulzungsanieile  am  Bauland  aufhörte.  Doch  blieben  dieselben  wegen  der 
gemeinsamen  Stoppel-  und  Brachweide  noch  dem  Fhirzwang  unterworfen. 
Oberhaupt  aber  dauerte  das  Gesainieigentum  der  Markgenossen  an  den  auf- 
geteilten Landereien  in  s<j  fem  fort,  ;üs  unter  Umstanden  die  Hufen  samt 
den  Wohnsiaiten  zu  einer  einheitlichen  Masse  zusammen  geworfen  und  neu 
verteilt  werden  mussten,  oder  es  wirkte  docii  in  so  fem  nach,  als  die  Vcr- 
fiusscrung  der  Hufe  durchs  Nälicrretht  »1er  Markgt:nos.sen  (die  s*3g.  Mark- 
lofiung)  beschrankt  und  allenfalls  vom  Erbgang  in  die  Hufe  der  entfejntere 
Verwandten  kr  eis  unter  Heimfall  jener  an  die  Genossenschaft  ausjjesclikissen 
blieb  oder  wenigstens  beim  Felden  gemeiner  Erben  die  Nachbarschaft  (nach 
spilt-alamann.  R.  »der  Nachbar«)  succedierte.     Noi:h  im  Mittelalter  ist  jene 


Neuverteüun}^  von  den  on.  RR.  fflr  den  Kall  vorgesehen,  wo  es  sidi  dämm 
handelt,  GrcnzvcrvirrunRcu  unter  den  Hufcu  zu  beseitigen  oder  die  natür- 
liche Eintelhing  (die  Aatttaniip/)  des  vermessenen  lindes  diirrh  eine  kflnst- 
lidic  \*alskif>t)  mit  Neuanlage  des  ^nzen  Dorfes  (in  Hälften,  mpuskipii.  oder 
Vierteln,  ßt-rfunkipti)  zu  ersetzen  {vgl.  Obl.  R.  I  SS.  boji — ^iio.  7.57  flg.)« 
Wurde  in  der  Allmend  ein  Tochterdorf  (adan.  /»/;»,  asw.  Q/gtrrphbvr\  nait 
eigciier  Mark  gegründet,  wj  pflegte  es  fürs  erste  vom  Urdurf  (adän.  afnelby, 
asn-.  ofioiByr)  abliüngig  zu  bleiben.  Vielmnts  ist  erst  im  Sp.1tmittelalter  der 
Marltvcrband  zwisclien  Ur-  und  Tochterdorf  aufgelöst  worden.  —  Von  der 
sociten  geschilderten  wich  die  Geschichte  des  Grundeigentums  bei  <h'.n  jüii- 
gtrren  Anbiedlunfrsfunnen,  der  reihenweisen  Dorfaidage  (wie  ■/..  B.  in  Mai^cli- 
mid  MMjrl:1ndcrcien)  und  den  KinzclgchOftcn  \wie  z.  B.  in  Westfalen,  in 
Alpengegenden,  bei  den  nördlichen  Skandinaven,  auf  Island)  insofern  ab, 
als  iüer  das  Bauland  von  Anfang  an  nicht  unter  das  Gesamtdgciitum  der 
Markgenossen  und  darum  auch  unter  keine  Gewann-  und  Hufcncinteilung  fiel. 

Die  Eigentumsverhältnisse  in  den  Marken  brachten  niclit  nur  den  Gegen- 
satz von  iTjil berechtigten  Bewohnern  (Baueni)  und  Miiiderbereditiglen  (Kot- 
sftien.  Sehlnem,  Häuslern),  sondern  auch  eine  Organisation  der  Genossen 
mit  sich.  Gemeiniglich  hatte  ein  Vorsteher  ( BauermeLster,  Markmeister,  Ober- 
mflrker,  Holzgraf)  die  Beschlftsse  auszuführen,  welche  die  vollberechtigten 
Genossen  auf  dein  Marker-  oder  liurding  fassten.  Dieses  aber  war  das 
natürliche  Organ  wie  für  die  Selb.'-lgesetzgebung  so  auch  für  die  Recht- 
sprechung der  Marker,  soweit  liiese,  wie  gewi'ihnlich  in  I>eutschland,  eine 
Rechtsgen«  isseiisihaft  bildeten.  War  .so  die  Markgemeinde  zur  Koqvtrattou 
ausgebildet,  so  verkehrte  sich  teiclit  ihr  Dienstverhältnis  zum  Gesamteigentum 
ins  Gegenteil.  Das  Gesamteigentum  wurde  Korporationseigen  tum,  eine  Ver- 
andening,  die  oftmals  dadurch  unterstützt  wurde,  dass  die  Markgemeinde 
p^jliüsche  Kör|ierschufl  «KJer  Kirchs])ic!  war.  Kam  eine  Mark  unter  Grund- 
herrschafi  iKler  wurde  bei  Kolonisation  grund herrlichen  litKlcns  eine  Mark 
auf  demselben  eingerichtet,  so  (raten  an  die  Stelle  des  Eigentums  der  Gc- 
nrissen  Rechte  an  fremdem  Boden  und  oftmals  an  Stelle  der  geno^venschaft- 
tichen  Selbstverwaltung  die  gnind herrliche  I-eitung.  Den  Übergang  zu  eineia 
solchen  Vcrhällnis  konnte  die  Markvogtei  (3.   i.sju  vcnnittcln. 

S  62.  Individualcigcntum  an  Grund  und  linden  i.si  teils  durch 
die  Art  der  \'un  den  gennan.  Stammsitzen  ausgehenden  Kolonisation,  teils 
in  Folge  von  Wanderimgen  ganzer  Volker,  teils  durch  Kulteinrichtungen, 
teils  durrh  die  Lockerung  de-t  Sippe  Verbandes  aufgckummen.  Auf  Island  z. 
B.  war  die  Boden«  ikkupatinn  das  Werk  nicht  gcschh-is^ener  Verbfinde,  sipndcm 
von  Einzelansicdl(-ni'.  In  Mittel-  und  Südeuro|>a  entstanden  durcli  die  Er- 
oberungen ausgedelmlc  Krongüter,  wovon  ein  grttsser  Teil  durch  Schenkungen 
der  Herrscher  ins  Individualeigenluni  von  Unterthanen  gelangte.  Als  Indi- 
vidualeigenlum  der  (jottheit  ferner  halten  schon  in  heidnischer  Zeit  die 
Tem|»e]güter,  wenigstens  die  Weihgcschenke  g«-golten.  Die  christliche  Zeit 
knüpfit;  liier  an.  Das  einer  Kirche  geschenkte  Gut  wurde  znnjichst  aU 
Eigentum  Christi  «Hier  des  SchuLzlieüi;;en  der  Kirche  angesehen,  wesswegen 
die  Invcstirar  bei  Liegenschaftsvergabung  an  eine  Kirche  so  oft  über  den 
rtler  an  die  Reliquien  des  Heiligen  erfolgte*.  Aus  dem  Gcsamteigeutum 
des  nächsten  VerK'andtschaftskreise»  (oben  S.  15B)  endlich  schied  das  Indi- 


t  Die  i&I&nd.  aiiumninj^i/r  sind  aWt  nrsprünglicb  bcrreiüoii«!)  Gut.  die  islliftd.  fttileigen- 
tutniftcble  wi  Ilochwcidcn  {ii/'r/ftir)  durch  VertrÄge  l)fgi^liidci. 

«  Dani-ltcn  konni*.  w.w  ilurch  unjOhügc  BeiliMele  l>clpgt  ist.  es  vorkommen,  da»  eine 
Kitibc  umi  ibfcr  Dotation  ihrem  (irUDder  und  seioen  Kcditsnacbrolgcm  eigen  war. 


172 


IX.  Recht.    B.  Altertümer, 


viduuleigenlum  der  ciiizclncii  Gaiicrbeii  üm»,  indem  bestimmten  oder  giir 
allen  Gemeindeni  gestattet  wurde,  unter  Abschichlung  der  übrigen  Sondergut 
(ahd.  sjj/Siscant)  für  sich  aiis  der  (iemejnschaft  herauszuziehen,  femer  indem 
gewisse  Erwerbsarten  von  vornherein  IntUvidualeigcntum  für  den  erwerbenden 
Ganerben  l>cgrOndcn  s<^IUcn  iz.  H.  Roth.  107).  Die  gesetTiUihc  (lanerhschafi 
selber  fiel  nicht  nur  unter  der  Übermacht  des  miissenhaftcn  Individiudeisens. 
sondern  auch  unter  dem  EinOuss  der  Kirche,  welche  in  ihrem  Interesse  die 
Schranken  des  ganerbliclien  Verfttgungs rechts  hinweg  zu  räumen  traditete. 
Das  frühzeitige  Aufteilen  der  Gemeinlandereien  in  den  grrtsäercn  Markgc- 
nnssenschaften  begünstigte  diese  Veranderunj*,  die  fast  überall  ausser  dem 
frics.  und  tlctn  rjnord.  Rechisgebiete  im  Frühmittelalter  volli-ogcn  isL  Aber 
nicht  alle  Spuren  des  ehemaligen  Gesamte  igen  timis  waren  damit  ausgelöscht. 
Es  wirkte  nach  ini  Wartrecht  der  Erben.  Dieses  war  zunächst  Beispruchs- 
recht, in  so  ferne  der  Erbe  des  Gninflcigeniünicn!  die  nhne  seinen  Konsens 
geschehene  Verüusserung  oder  Bclahtun^  di-s  Gutes  wideirufen  und  letzteres 
vojn  Erwerber  zurückfordeni  konnte.  Nachmals  schrumpfte  das  Bcispruchs- 
rerht  zu  einem  Vorkaiifsrt-cbt  mit  gesetzlichem  Preis  oder  (bei  Vcrausscruiig 
in  ecliter  Not  und  noch  spater  überhaupt)  gar  zu  einem  blossen  EinsUinds- 
und  Rctraktrccht  zusammen.  Auch  dieses  aber  wurde  in  \'iplen  Städten  auf 
besiinmiic  Falle  beschrankt,  in  einigen  deutschen  aufgehoben.  Neben  diesem 
inlialtlii.lien  Zurücktreten  der  Gancrbcn rechte  ging  vielfach  rine  Schmalerung 
dersell»en  in  Rezug  auf  das  F.igeniums-Objekt  her,  indem  ihnen  das  wohl- 
gewonnene Gut  entzogen  wurde,  sodass  nun  dein  Iclzlerea  als  besondere 
Art  von  Grundcigcn  das  Erb-  oder  Slamnigut  gegenüber  .stand.  Solclte 
Stammgüter  waren  das  altnorweg.  c'cft;/  (sonst  im  Norden  =  echtes  Eigen 
Oberhaupt),  this  ags,  rife/  (bis  etwa  um  (looi.  das  an,  i'^hii  und  ahd.  rW«/ 
und  wahrscheinlich  das  fries.  elhel  in  seiner  frülimitltjaltcriichen  Gestalt 
(wfries.  aiicli  staiha  genannt),  endlich  auch  die  awhw.  hyrp  (oder  der  bvr^m- 
iulfr).  Bei  einigen  derselben  war  nicht  nur  die  Disposititmsbefugnts  des 
Eigentümers  beschrankt,  sondern  auch  dem  Mannsstamme  die  Vorhand  auf 
das  Gut  eingerflumt,  so  beim  norweg.  üdal  und  beim  ags.  edel.  Unteüharkeil 
und  Vererbung  des  Stammguts  auf  den  Sltesten  Schwertmagen  zeichneten 
übrrdie?»  diejenige  Erscheinungsform  des  Erbgutes  aus,  welche  während  des 
Frühtnittclalteis  in  Obcrtleutschland  als  kantgcmafielc  und  im  Ssp.  als  //*//;/' 
gemäl  (oben  S.  135)  vollfreier  und  in  th'r  Regel  Htterhürtiger  Leute  auftritt. 
Der  Untergang  der  gesetzlichen  Ganerbschaft  verliindei"te  nicht  deren  (teil- 
weise) vcrtragsmässige  Nachbildung,  wie  sie  in  den  rittcriichun  Kreisen 
Deutschlands  seit  dem  13,  Jahrh.  stattfand.  Nil<-hKt  venvandt  ist  die  von 
fürstlichen  Familien  zu  erbrechOichcn  Zwecken  eingegangene  Erb  Verbrüderung 
in  Deutschland,  während  die  spezifisch  nordische  ErbverbrÜdenmg  an  die 
Bund brüd ersehn ft  (g  59)  anknüpft.  —  Abgesehen  von  den  aus  Erbwart- 
rechlen  utkI  dem  alten  Markverband  ents])  ringen  den  gab  es  mxii  andere 
Disposilionsbesi.hr3nkungen  des  Grundeigentümers.  Durch  Rüiksichten  aufs 
NiM:h  bar  Verhältnis  war  seiti  Gebrauchs-,  durch  sie  wie  durchs  Gaslrecht  und, 
soweit  CS  nicht  dem  (Irundeigner  als  siilchem  zustand,  durchs  Jagdrcc  ht  war 
sein  Verb ietnngsr echt  beschränkt.  Geschenktes  L;ind  durfte  nach  älterem  K, 
nicht  ohne  Konsenü  des  Gebers  veräiLssert  werden  und  fiel  nach  dem  Tode 
des  Hescbenkteii  iider  doch  des  kinderlosen  Beschenkten  an  den  Geber 
zmück.  Wiederum  beschrankten  in  weiten  Verbreitungsgebieten  Einstands- 
und Rctrakt-  (Liwungs-,  Zug- 1,  ja  auch  Expropriationsrechtc  Dritter  die  Vcr- 
aussemngsbefugnis  des  Grundeigentümers,  wie  (ausser  den  schon  genannten) 
das  der  Nachbarn  und  des  Getcilen.     Dagegen   wurde  Belastung  des  Grund- 


eignen»  als  solchen  mit  ciiit-r  Abgabe  'xlcr  uincui  Zins,  sei  es  an  die  öffent- 
liche Gtrwalt  (kUt  an  i'infn  F'rivatrn,  lange  aU  i'twns  <lcm  Gninclejgen  wider- 
streitendes anj;trsehcn,  daher  Auflaj^e  einer  Grundsteuer  in  den  alleren  Zettea 
al»  Konfiskatiun  des  Grundeigentums  empfunden.  Aber  auch  spUter  noch^ 
als  Reallaslen  alter  Art.  insbesondere  in  Deutschland,  gang  und  gJIbe  gewor- 
den waten,  wurde  dem  belaäteleii  Eigen  al»  dein  ab)iUrifOgen  das  >lcdtße« 
<AivT  •frcif«  als  das  vollknninirne  (innd.  tioislacht  t^n,  auch  iiföä)  oder  reine 
Eigen  (mhd.  infem'grn,  auch  liifei^n)  gegenüber  gestellt.  Dahin  gclu'rten 
insbesondere  die  deiit  Rittergüter  (Edelliüfet.  deren  Besitzer  statt  bauerlicher 
LLSten  den  Kiiterdicnst  zu  tragen  halten  und  manche  von  den  im  vollen 
Eigcnluni  liej-enden,  aber  den  bfluerlicheii  Eignem  verlorenen  Rechten  be- 
w;üirten,  überdies  auch  mit  sta;its rechtlichen  Privilegien  ausgestattet  waren. 
Inagenieiu  konnten  suklie  Guter  nur  von  Rittermiliäigen  erwürben  werden. 
Ein  analoges  Im^titut  keiuit  im  Spätmtltelalter  das  dänische  R.  im  Siedf^anrä^ 
»■ahrcnd  das  schwed.  R.  über  die  Ansitze  dazu  in  der  fnrlsis  iorp  bis  zum 
S""hlus%  des  Mittelalters  nicht  hinausgekumnien  \t\.  —  Die  wichtigsten  .\rtea 
des  Eigen tumserwcrbs  an  I^iiid  waren  Okkupation  und  Vertrag.  Über  letz- 
teren ^s.  §S  r»^— 71).  Zur  Okkupation  iider  .Umdnahnie-  (an.  ntma  lami^ 
laudndm,  ags.  niman  iatul )  an  herrenlosem  Buden  gehörte  in  ältester  Zeit 
nicht  nur  Feststellung  seiner  Grenzen,  «mdeni  auch  (Wortforrael  und!*)  An- 
süiiden  von  Feuer  auf  dem  Grundstück,  eine  Besitzhandlung,  die  abge- 
schwächt im  isländ.  ßam  eUdi  um  iantlit  erscheint  und  vielleicht  auch  im  deut. 
»Scinnenlehen*'  eine  letzte  Spur  hinterlassen  hat. 

S  63.  Bewegliches  oder  »fahrendes*,  im  Norden  >luses«  Gut  (»ucK 
►gteifbafes«,  gripr).  was  eigen  sein  konnte,  war  beim  Beginn  der  gesehicht- 
lichen  Zeit  Waffe,  Gewand,  Schnnick,  GerÄt,  erjagtes  Wild  und  Vieh,  dem 
iler  unfreie  Mensch  damals  noch  vom  Recht  gtcicligeslellt  war,  aber  auch 
ilas  gezimmerte  Haus,  wogegen  im  Mittelalter  nidit  nur  da.s  stellende-,  sondern 
auch  das  schwimmende  Haus.  insbes*>ndere  das  See*»cliiff  aU  Liegenschaft 
galt,  fenier  auch  Rechte  als  unbewegliche  Sachen  behaudelt  wurden.  Auf 
V'iehbesitz  aber  kam  es  im  Altertum  au  Ixnm  Reichtum  an  Kahrliabe.  Daher 
cinei^ts  >Vieh«  (analog  dem  lat.  pei-unia  mid  peciilium)  ;dles  bewegliche 
Eigen  unil  zuletzt  Gehl  und  (»ul  übcrluiupt  bezeichnete,  andererseits  unter 
»Scloaiz«  bei  nierlerdeut.  Völkern  nicht  nur  leblose-s  Gut,  sondern  auch  Vieli 
verstanden  wurde.  Vieli  witr  in  der  Fruhzelt  der  geruian.  RR.  tlas  allge- 
ranne  Tausehmittcl  und  eine  bestimmte  Vichgattung,  im  Korden  die  Milch- 
kuh (als  «Kuhwert«  =  an.  kiigHili,  kvriag\  allgemeiner  Wertmesser  und  in 
•titfcni  unvollkommenes  Geld.  Daneben  dienten  7.\x  gleichem  Zwt.-ck  in  skandinav. 
L-Indem  Ixinwand  {Ur^pA  oder  der  flbliche  Wollenfrie-s.s  {fO'tm'U],  in  Nor- 
wt.-gen  auch  die  *Muuutskusl'  (an  Butter,  mätmitonnalr).  Edelmetallcu  nadi 
icwit'ht  (al.s  Bam-n  zuerst    in  Ringgesialt,    an.   haiigr,    ags.   Ite'ng,    alul.  poue, 

ler  in  Form  von  Stab  cider  Platte)  konnte  Geldfunktion  erst  beigelegt  wenicn, 
■t  sie  in  grösseren  Mengen  vom  Süden  unil  Südosten  aiLs  zu  den  gennan. 
Völkern  gelangten.  Nachmals  erscheinen  sie  in  Fomi  einheimischer  Mitnzen, 
d.  h.  .ttaallicli  beglaubigter  Barren  mit  Zwangskurs,  :t]s  vullkummenes  Geld, 
—  bei  den  Südgermanen  zuerst  nach  ihrer  Besitznahme  vom  rOmischen 
Rctclt  und  tmter  deutlichem  Einfluss  des  rr>mi.schen  MOnzwcsens,  bei  den 
Nordgermanen  nicht  vor  dem  10.  und  11.  Jahrb.  und  nicht  ohne  Nach- 
ahmung der  in  Deutschland  und  England  gepr^igtcu  Muster.  Das  wgoL, 
borgund.,  frftnk.  imd  uberdeut  Münzsyslem  ging  v-om  rf^m.  ( Konstantin  Lsrhen) 


''gl.  rail  J.  Grimm  RA.  179  ilm  uUüuI.  Okkupationsritus  in  HsnMi[>'«U  Ma^  9. 


174  I^-  Reckt.     B.  Altertümer. 

Gold-W/(/w  {—  Vis  röm.  rfvini!  ( Jr.Id).  genannt  ^. Schi  Hin  e;*  (goT.  skUli^,  ahd. 
iciliinc  u. s. w.),  als  dem  »kliiijjXiideii»  Geld  aus,  der  gtmciiiighcli  iii  },  Gold- 
iremisses  {IricnUs)  und  24  Silbcr-«7/i;»/(7^  (ahd.  sUitka)  ze.ricgi,  in  C>lM!rdcutsrh- 
lantl  aber  1 2  alten  rrvm.  Süberdenaren  (alid.  sfas,  haier.  alam.  auch  saina) 
gleich  gesetzt  wurde.  Bei  den  Fnuikcn  wurde  «.lies  Geld.system  durch 
Chlodowcch  niodifizicrT,  iiulcni  er  auf  den  Goldschilling  40  Silberetücke 
—  itaiarit  (auch  arxen/ei)  —  ausprägen  ücss.  Von  c.  560  an  wurde  aber 
<!er  Goidsdiitüng  selbst  auf  Vm  Pfund  herabgesetzt.  An  die  Stelle  der  Gold- 
währung trat  gegen  750  die  Silber\*-rilirung  mit  einer  einzigen  geprägten 
MüJize,  dein  SUberdenar  txier  Pfennig  (ahcl.  pfantim,  pfaminc,  nach  Sirbs 
=  Teilmünzo?.  Zahlnnlnxe?)  wovon  12  auf  die  Rcchnungstnünze,  den  Silber- 
sehilling  (zuerst  '/«  des  röm.,  .seit  ungefnhr  780  V»  <les  vergr^^isserten,  Kar- 
llschen,  Silberpfundes)  gingen.  Bei  den  Angelsachsen  und  vor  Einftlhrung 
des  frank.  Münz-syslejns  auch  bei  den  Friesen  bestand  eine  eigentümliche 
Geldrechnung  nach  Schillingen  und  geprägten  IVilinflnzen,  Pfennigen  {=  V»w 
ags.  Pfund  Silber,  ags.  pem/iiif^as,  prtiingas,  autii  sctaf,  frics.  panuitiga,  pennhgar), 
in  Kcnt  seiet,  indem  5  oder  4  Pfennige  tiezw.  20  scKt  auf  den  Schilling 
jjingen.  Kigenlümlich  ist  den  Angelsachsen  als  Reclmungsmllnze  der  byzantin. 
Sulidus  unter  dem  Namen  mamusits  oder  manctisa  (zu  3^)  Pfennigen)  den 
Merkiern  drr/rj''»-«  (zu  3  Pfen.).  Im  Norden  und  SOdwt-sten  DeulÄ'hlands 
herrschte  das  frankische  iKarlbnlie)  Münzsystem  bis  um  10,50  aussei iliesslich, 
wahrend  in  Baiem  ein  vom  alten  Gokischilling  aLs  Rechrumgs-Münze  aus- 
gehendes, mit  dem  karuling.  Pfeimig  =  ','30  sulidus  als  geprflgter  TeihnClnze 
(an  Stelle  eines  älteren  mit  dem  merowing.  Pfennig  =  ^Itn  solidus)  fortbestand. 
Seit  etwa  1050  atier  behielt  das  karoüng.  Münzsystem  überall  nur  ntHrh 
gemein reclitliirhe  Bedeutung,  da  nunmehr  königliche  Privilegien  den  mit  dem 
Münzregal  Beliehcnen  partikulare  Münzfüsac  gestatteten.  Die  Münze,  als 
Pfennig,  H;ilbpfonnig  (=.  aholm^  Af/Miue)  und  Vierte Ispfcnn ig  (=  ferlo), 
Zwölfpfcimigstück  oder  Schilling  oder  »grtwscr*  Pfennig  (=  fries.  ^rata,  lat. 
groisus,  »Groschen« )  ausgeprägt,  wurde  mit  Ausnahme  der  kflniglichcn  terri- 
torial, eine  Tliatsachc,  deren  schädliche  Wirkungeti  seit  dem  15.  Jahrh,  Münz- 
konventinnen  zu  verhindern  strebten.  In  d<'n  skandin.  I,an<U-m  ret:hncte  man 
Anfangs  nur  nach  Gewichten  (sj  (17),  ebenso  bei  den  Anglodünen,  wahrend 
<Üe  geprägte  Hauptmünze  der  Pfennig  (au.  pemu'ngr)  war.  Aber  der  Mllnz- 
fuss  war  nach  Münzgebieten  verschieden.  Die  iütercn  norwcg.  Quellen  gehen 
von  der  Silberunze  zu  ,^0  Pfennig  aus.  Um  \2~o  dagegen  tritt  ein  neues 
norwegisches  Münzsyslem  auf:  20  Öchwarzpfennige  auf  die  (bis  dahin  erheb- 
lich venwlilechlerte)  Milnzmark  oder  240  auf  das  englische  Pfund.  Auf 
Island  wurde  nicht  gemünzt.  Wohl  aber  liefen  dort  seit  dem  1 1.  Jatirh. 
fremdliind(.«iche  Pfennige  um,  die  Alteren  {englische?)  unter  dem  Namen  des 
»gesetzlichen  Silbers*  {h'XsUfr),  bo  auf  die  Unze  fein,  40  auf  die  Pfennig- 
unze. Man  nahm  sie  sowohl  gezfihlt  als  gewogen,  rechnete  aber  (bis  um 
1200)  grosse  Geldsummen  nacli  Üelmem  und  Grtis.-^huiulerten  Silbers  (z.  B. 
hundrad  sU/rs)  d.  h.  von  Pfennigunzen,  ein  Brauch,  der  etwa  seit  1000  auch 
bei  den  Anglodincn  bestand  und  waiirsch  ein  lieh  aus  Ergland  rwch  Island 
sich  verpflanzt  hat.  In  Schweden  reclmete  man  24  ( »weisse« )  Pfeimige  auf 
die  Unze  «xler  ii)2  auf  die  Silbermark,  wiihrend  dieselbe  nach  einem  jüngeren 
göl.  Münzfus>  384  (.kleine«)  und  nach  dem  dan.  28Ö  Pfennige  begriff,  Seit 
dem  12.  Jahrh.  kommen  auch  im  Norden  Teilmünzcn  zum  Pfennig  vor.  Zu 
ihnen  scheint  das  wn.  /f«Vr  zu  gehören,  dessen  Name  in  ndl.  dtoi  wieder- 
kehrt. In  der  Verfatizeit  des  kamlingiscben  Münz.sy.sieins  dringt  die  Mark- 
rechnung auch  in  Deutschland  ein,  zuerst  (11.  jalxrh.)  in  Köln  (ein  Münzfuss 


$.  VekuOoek:  (Jelo.  MnBTLtARp.tGEirruu. 


»75 


^ 


van  I  Mark  =  ibo  luid  eine  Rccbnunjrsnmrk  :=  144  l'fpnnifieni.  Die 
schlechte,  sich  sogar  verschlechten  »de  Pragelechnik,  das  oftmalige  Verrufen 
(»Verbieten«)  und  Erneuem  der  lunlaufenden  Mflnze  im  finonKiellcn  Interesse 
des  MOnzhcrm,  die  systematischen  und  illegitimen  Herabsetzungen  des  Münz- 
fusses,  enilliih  die  massenhaften  MftnzMUchungi.-n  bewirkten,  dass  fast  flbcrall 
der  Zwanifskurs  nur  ein  subsidiärer  Mieb,  nebt'U  dem  jiezalillen  das  gewi.*gene 
Metall  fortfuhr  als  Geld  zu  fungieren.  Hierauf  beruhte  im  Norden  der 
Gegensatz  zwischen  »gewogener«  und  »gezilliJler*  Mark  oder  zvnstiitu  Ver- 
Icehrsmark  (a^tw.  mar/k  käpfrild)  und  vulksrcchllicher  Mark  (asw,  m.  karlgilJ), 
in  Frirsland  der  Gegcns;itJt  zwischen  'Gewandmark-  \hmlmerk  ^  4  n^dnt  ^ '/j 
Itinmerk  «xler  ieldmerk  d.  i.  'Gcldmark«  /.u  \l  Ä'liillin^}  oticr  *Volksmark« 
ijiüdmerk)  und  'Viiller«  oder  •■grosser  Mark«  i/tilU.  grait  merk)^  in  England 
der  Gegensatz  \'on  libm  pensaia  und  lifmi  ad  niimemm.  Die  friesische  wed- 
murk  hat  ihr  we-ätnordtschcji  Seiteiu^tüci;  iu  der  Frie^Biellenmark  {m^ri  vaämä/a) 
iodeni  die  i'fcnnigimze  in  einer  bestimmten  Zahl  (gemeiniglich  6k  von  Ellen 
das  lattmiil  (üben  S.  173)  entrichtet  werden  konnte.  Trotz  dieser  UnvoII- 
kommenheit  und  der  glciclizcitigcn  Seltenheit  des  Geldes  wurde  doch  der 
Name  des  Geldgcwichls  ^  wn.  «i*#w.  on.  örir  (meist  im  l'lur. )  —  bei  dea 
Skandinaven  Benennung  der  Habe  Überhaupt  {=  fe),  so  duss  zwischen  /aiir 
anr  als  liegendem  imd  lams  cenr  {iSsSre)  oder  flytjaHdi  cerer  als  dem  losen 
oder  fahrenden  Gut  miterschieden  wurde.' 

§  64.  Das  altgcrm.  ÄKdiiliarcigcntum  mit  etlichen  Neueren  zu  einem, 
blossc-n  Besitz  cniiedrigcn  kann  nur,  wer  ausser  Acht  las«,  dass  schon  in 
der  Urzeit  Eigcntum.'K.-rwerb  an  Fahrnis  ohne  Besitzerwerb  mOgliiii  und  mit 
Besitzverlust  Eigenttunsverlust  keineswegs  gegeben  war.  Letzteres  ist  aus 
der  Bicnenfolge  des  Zcidleis  zu  ersehen.  Die  älteste  Art  des  Elgentums- 
crwcrbs  aber  ist  das  Wtridwerk  (au.  fehfr),  d.  h.  das  Si>eisesuchen.  Das  Er- 
wcidclc  nun  aber  »geliörte-',  soweit  die  Pürsch  ttder  der  Fütchfang  frei,  dem 
Weidmann  ;ils  stilchem  und  sonst  dem  Grundeigentümer,  auf  dessen  B(xlen 
das  Wild  erjagt,  in  dessen  Teich  der  Fisch  gefangen  war,  —  also  mr^glicher- 


1  Zar  Recbtsgeschiclile  des  Geldes  s,  ausser  den  bei  R.  Schröder  Lehrb.  S. 
IS4,  510  silierten:  v.  Kiss,  f>.  Znht-  u.  SchmucItrmggrkUr  1859,  v.  Rtchlbofen, 
Zur  Z.  SiLton.  S.  358  — J^i,  Wilda,  Sira/r.  S.  323~33<).  —  »'.  I tiams-Sternegg 
JA  Zachr.  f.  SofLal-  n.  Wirt.-(diarLst;ewhk.hle  iKq^  S.  I  (f.,  Herk  (u.  Siebs),  D.  ati/rits. 
GtrUhtsv<rf<tiig.  i8<>4  -S.  458—487.  Jackcl  in  Z,v.hr.  f.  Xumunialik  XI  (1883)  S.  189 
— 30I.  XJI  tl885)  S-  144 — 200,  II.  DanncoberK.  D.  Jeul.  J/üni^n  der  t&As.  u. 
fränk.  Kais€ruit\  1876  (ei>cnda  S.  XVIII  flg.,  Spcziallitcrauu-).  II  1894.  v.  Ricbthofcn, 
AJi/rui.  iVörUrb.  {unter  den  tinü.  Schbfivr(*ncm).  Itcbrcßd.  D.  Afoffjfb.  /''ragtn%.\. 
^Üümvaret^n',  [Kockinger  bei]  Lcrchenfcld,  D.  allbaier.  landständ.  Frtibriefe  343, 
356—5'».  Kricdcnsburg.  S^hUsifm  Mtimg,ifh.  i.  AtA.  (In  Cod.  dipl.  Sil.  XU.  XIII 
1887.  88),  V.  Joseph,  O'oldmün%en  d^s  14.  «.  {$  Jahrh.  1882:  —  C.  F.  Keary  in 
Ntunbmatic  cfartinide  XV'III,  XIX  (aucb  in  scbwcd.  Auung  in  Vitlcrbet»-Hui.  odil  Antl* 
«|oii.  \V»A.  MAiiadsblid.  St<»tlshuliii  1882  .S.  46—59.  Di.Ts..  A  calnl.  of  Kngl.  coins  in  t/u 
firtt.  Miutum.  Angiaaxon  Stria  I  188;.  Ruding.  AnntiU 0/ tke coinagt  <>f  great  Jirüain 
1819,  Linds«)-,  A  vinif  0/  Ihe  toinagr  ttf  the  JJrpttirchy  t84a.  B.  E.  Hildebrind, 
Amgiottuksiscka  mynl  2-  AuH.  i88t,  R.  Schinid,  /),  6>Wr.  Ätr  Angtls.  1858  GIois.  s. 
«,  aCriämhnung*,  LiebettHADn  in  Deut.  Zschr.  f.  Geachwisscnscb.  VI  189t  S.  148  f^ 
—  S.  Möller  Ringguhi  (in  AMbuger  f.  nord.  OldW.  1886  S.  300—308).  H-  Hilde- 
btAnd  in  Minadsblail,  Slockh.  1883  S.  132  — 134,  Sieeniilnip,  StuJier  1  325 — 65, 
llnubcrg,  Danmarks  yfvnt-mtsen  i.  t^-jj — t^Ht  (in  Axrhugcr  1886,  S.  133  — 189,  Kord* 
Sllöm,  Diärag  Uli  prnningniiiitndeti  ktst.  i  St>ertge  1850,  H.  Hildebrand,  Svertges 
MtiUltiät  I  S.  770 — 945,  Holmbue,  De  priica  re  ntomrtaria  JVorvrgtae  3,  AuA.  (854, 
äcfajve  [8t  Holmboef  Xorgr-f  mvnler  i  rnüidrialdtren  1858— 1865,  Derselbe;  Om  For- 
hotdet  i  AtidditaldertH  mtlUm  drn  norskr  Mark  .'ürh-  og  drn  .  .  .  gangbart  Afvnlmark 
elc  (Christ.  Vidctuk.  SeUk.  Forbjuidl.  1876).  —  v.  Amira,  Aardgerman.  Obligationen' 
Jiuht  I  §  h,.  i:  §  54. 


176  IX.  RBcjrr.    B.  Altertümer. 


weis«  einem,  der  Besitz  ergreifen  weder  wollte  noch  konnte.  Das  Rcclit  der 
Wildf"lge  stand  damit  in  unmittelbarem  Zusimmenhnng.  Auth  der  Rigcn- 
tumserwxrb  kraft  des  am  weitesten  im  Nurclen  entwickelten  Strandreelits  und 
des  in  Deutschland  ilnn  nachgebildeten  Cinindrulirre<;hti.  sodann  der  in  den 
deut  Quellen  des  MA.  eine  so  grosse  Rolle  spielende  Erwerb  des  anrts. 
d.  i.  an  den  vom  Nachbarbaum  überfüllenden  Früchten,  endlich  der  vun  er- 
erbter Fahrhabe  waren  nirtit  dun:h  Besitzergreifung  bedingt.  Von  den  anth^rn 
Arten  des  Eigeiitumscrwcrbs  sind,  da  der  Vertrag  in  §  (<) — yi  besprochen 
wird,  hier  hervor/uheben  die  Beute  im  rechten  Kampf  und  die  tJkkuj>ation. 
Aneignung  von  Bienen  konnte  geschehen,  indem  der  Okkupant  den  Bienen- 
haiim  mit  einem  Zeichen  versah  oder  indem  er  ein  Zeichen  beim  Schwärm 
y-urückliess.  Cbrigens  wurde  die  Bcsil7.nahnie  vm  Bienen  auf  fremdem 
Boden  in  m:mchen  KR.  als  Fund  behandelt.  Erwcrbsm«  m* .(«ile  waren  mit 
den  S.  170  genannten  und  hauptsilrhlich  in  Deutschland  ausgebildeten  Re- 
galien gi'geben.  Dazu  kommt  das  spccifisch  deutsclie  Bergregal  und  das  so 
ziemlich  überall  zu  den  Merrscherr  echten  gezahlte  sog.  Heim  fallsrecht  des 
erblosen  Gutes  (skand.  dünar~  oder  Jana  arfr^  <L  ff).  Was  sonst  noch  als 
besondere  Art  des  Eigen tumserA-erbs  aufgefuiirt  zu  werden  pflegt,  der  Frucht- 
erw'erb  durch  »Verdienen«,  beruht  auf  der  german.  Vorstellung,  dass  schon 
die  fruchttragenden  Gewächse  sdbRt,  ebenso  wie  z.  B.  der  Wald  oder  die 
Wiest*,  einem  andern  gehören  kiinnen  als  der  Boden,  wuriu  sie  wurzeln*. — 
Individualeigen tum  an  Falimis  ist  den  Germanen  bfi  üireiii  Eintritt  in 
die  (»eschichte  geläufig.  Dorli  war  es  Chereihmf;,  wenn  Heutige  hieraus 
gesi-hliiösen  haben,  das  Mubiliarcrb recht  in  unserem  Sinne  sei  aller  als  das 
GninderbrtH^ht.  Denn  da.s  bewegliche  Indi\-idual eigen,  welches  fllter  ist  als 
das  unbewegliche,  wurde  nicht  vererbt,  sondeni  seinem  Herrn  in 's  Grab  mit- 
gegeben, Was  er  dagegen  zurückliess.  war  Gesamteij;en  der  V'ei-wandten. 
Aus  diesem  erst  liat  wich  dits  vererbliche  Individualeigcntuni  an  Fahrhabe 
analog  dem  .-m  Land  und  kaum  ohne  Mitvvirkung  christlicher  Cjcclanken  ab- 
gd<.'«t.  Aber  das  ehcmaUge  Kollektiveigentum  hat  auf  dem  Gebiet  de» 
Jl'ibiÜarrechts  schwürher  nachgewirkt  als  auf  dem  des  Gmntlgüt errech U. 
Immerhin  erhieU  sich  in  skand.  wie  deuL  RR.  der  Salz,  dass  man  nicht  bei 
ven^icchender  Leibesknift  se-ine  Fahrbabe  und  sein  wohlgcwonnen  Gut  i:>luic 
Erlienknnscns  vergeben  L<"inne.  daher  nicht  auf  dem  Kranken-  oder  gar 
Sterbebett,  nicht  bei  Uinemv'igen  zu  bestimmten  Krafl|)R»ben.  Dem  Anschein 
nach  in  diesen  Zusammenhang  gehiirt  aui-h  der  [leni.s<lirl.  Satz,  wonach  man 
Fahrbabe  nicht  verschenken  kaiui,  oluie  sie  aus  seinem  Besitz  zu  lassen. 
Andere  gesetzliche  Disjifwtitiunsbe-schrflnkungen  brachte  auch  beim  Mobiliar- 
eigen  das  Ga.strecht,  insbes'indere  im  Norden,  mit  sich.  —  Auffällig  s«hwach 
ist  in  den  meisten  german.  RR.,*  sogar  dem  sonst  so  romanislerteii  wcst- 
gotisclien,  der  prozessuale  .Schutz  des  Mobiliarcigcntums,  Der  Eigen- 
tümer ist  prinzipiell  auf  die  B^^itzklage  (§  ft6)  verwiesen.  Denn  »Hand  soll 
Hand  schützen«  oder  ihr  -Gewähr'  ]ei.sten  (fries,  hoiid  sffl  hotid  ivfra,  mnd. 
haut  seimi  hanl  Tvamt),  und  andererseits  *muss  man  seinen  Glauben  da 
suchen,  wo  mau  ihn  gelassen-,  cl.  h.  wer  freiwillig  sich  des  Besitze»  von 
Fahrnis  entiiussert,  kann  ihn  nur  von  seinem  Kontrahenten  zurück  gewimien. 


1  Vt:l.  r..  B.  Ö)i.  Bli.  33,  Jy.  t-.  1  $3,  Gr.  Ib  i  l£s  iii,  94.  95,  96,  104  mitStobbe 
HuTKll..  SS  7fl  Nr-   3. 

■  Ittig  hüll  Branill  Korel.  I  S.  105,  182  f.  Jas  altnnrw.  R.  fDr  aus^jcnominen.  Unter 
ilcn  vi.d  Unii  /iiiprliH  Slcllwi  beli^l  gcrajc  Gu,  254  (=  Ju,  1^5.  1-1.  IX.  ^.  IUI.  VIII  7) 
9chli^JcnlJ.  dnss  »luh  >la-'<  otirwf^.  R.  von  dem  ubm  l)o«|>rncbcfi(?n  Piinzip  atue^hc.  Denn 
der  Kliti;«t  imistt  iK-wciscn,  er  habe  aich  4es  BmiUm  nkht  fTt'iwillJtl  eniÜUKftert. 


5-  Vermögen-:  Mobiuareigextum.  Rschte  ax  preuoem  Gtrr.      177 


In  soweit  fehlt  die  Eigentumsklage.  Dies,  verbunden  mit  dem  Sprachgebrauch 
i>E^en  =  Gnindcigen,  Grundstück»  (oben  S.  i6g),  wozu  »Habe«  =  Mobi- 
Uareigentiim  den  Gegensatz  bilden  kann,  führt  zu  der  Vennulung.  wahres 
Eigen  (Gehören)  an  Faliniis  sei  viel  spater  anerkannt  worden  als  der  blosse 

g  t>5.  Zeitliche  Gebrauchs-  und  Nutzungsrechte  an  fremden  Sachen 
konnten  erst  mit  dem  Zurficktrclcn  des  KoIIcktivdgentunut  Spirlnium  finden. 
Als  Kestc  desselben  <laucrten  nach  Aufteilung  der  Feld-Marken  zu  S"nder- 
eigen  Grunddicnbl barkeiten  fnri.  Aber  auch  durch  die  romano-german. 
Ao^i/alüas  untl  überall  durrh  Vcrtrjig  konnten  snlche  »Eingriffsrechle-  {islrind. 
i/fuf)  und  andere  i)crsnnliche  Dienstbarkeiten  begründet  werden.  Von  den 
letztem  war  bei  den  Südgermanen  die  gebrüurhlirhste  das  in  Deutschland 
unter  den  Namen  iifto<bl  und  Hpj^Jsn^  auftretende  lebenslängliche  und  meist 
übertragbare  Gebrauchs-  und  Nutzungsrecht.  Eine  besondere  und  oft  gesetz- 
lich bestimmte  Erscheinungsfmm  derselben  ist  der  Altenteil.  Charakteristischer 
noch  sind  aber  für  die  südgennnn.  RR.  die  mancherlei  dauernden  Besitz-, 
Venrainmgs-  und  Nutzungsrechte  an  agelichenejn«  liegendem  Gut,  zu 
deren  Ausbildung  und  Ausbreitung  der  Grossgrundbesitz  und  die  slaatsrecht- 
Uchen  Verhältnisse  die  Ursachen  abgegeben  haben.  Nicht  nur  wurde  nach 
der  Vi'ilkerwanderang  in  Süd-  und  Mitteleuropa  die  pncana.  d.  i.  der  auf 
schriftliche  Bitte  gewährte  Nie;ssbrauch  des  n'im.  Vulgarrechts  aufgenommen 
mid  zu  einer  I-indleilie  umgestaltet,  die  regelmassig  anf  Lebenszeit  des  Be- 
Kehcnen  {nicht  immer  eines  Bauern)  oder  auf  eine  bestimmte  Zalil  von 
»Leibern*  begründet,  durch  einen  Zins  zu  vergelten,  bei  Zins  Versäumnis  dem 
Htimfall  aasgcsctzt.  endlich  zum  Schutz  des  Eigentümers  fiinljahriger  Er- 
neuerung untcrwnrfcn  war.  Man  hat  vielmehr  auch,  was  man  l.'ingst  vor 
aller  Bekanntschaft  mit  rrtm.  K.  unfreien  Leuten  aus  Gnaden  itberiitss  (oben 
S.  139),  nunmehr  freien  Baiieni  —  behufs  mittel-  oder  unmittelbarer  Ge- 
winntmg  ilirer  ArbeitskrJLfte  —  im  Vertragsweg  eingcrüumt.  Der  massarius 
z.  B.  auf  der  langob.  rnso  mnssarina  konnte  ebensowohl  ein  Freier  wie  ein 
Unfreier  sein.  Das»  rüiiiische  Lcihevcrhältnisse  vorbildlich  für  gewisse  deutsche 
Leihearten  gewesen,  soll  darum  nirJit  geleugnet  werden.  Den  Gegenstand 
(ags.  lifnUtnd)  der  bauerlichen  Leihe  bildete  ein  Wirtschaftsanwesen,  sei 
es  Ht>f  oder  Kote,  nebst  Zubehör.  Dieses  sollte  unmittelbar  der  vi  »llen 
Nutzung  der  belichenen  Bauern  unterstehen.  Zwt^k  der  Leihe  war  aber, 
der  Wirtschaft  des  Grundherrn  zu  dienen.  Daher  war  der  hauerlichen  Leihe 
wesentlich,  dass  der  Beliclienc  |ieriodlsche  Nutzungsaquivalentc  an  den 
Grundherrn  zu  geben  hatte,  falls  nicht  der  Brwlen  erst  urbar  zu  machen  und 
der  Bauer  hiczu  verpflichtet  war,  wie  beim  baier.  Otfircchi.  Die  Nutzungs- 
Aquivalentc  bestanden  bald  in  gemessenen  Natural-  otler  Geldaligaben,  Zinsen 
(ags.  }(afel,  ahd.  kelsiar.  —  miat.  Iribuia.  cemus).  bald  in  Ertragsquellen,  wie 
z.  B.  allgemein  beim  langobard.  hmpitatiftun  nach  574.  Neben  den  Abgaben, 
bei  Lcüie  kleiner  Güter  statt  ihrer,  halte  der  Bauer,  wenn  ihm  das  Gut  nicht 
■zu  Mcicrrecht«,  d.  h.  wie  einem  sein  Amt  pachtenden  Gutsverwaltcr,  ge- 
liehen war,  noch  Frohndienste  (ags.  wton\  allenfalls  gegen  Verköstigung  zu 
verridilen.  Doch  kommen  Frv)luulen,  insbesondere  in  der  Form  der  Wochen- 
arlx'ii,  in  DeuL-sciibnd  weniger  hei  den  zur  Beleihung  voll-  und  mindcrfreicr 
Leute  bestimmten  Gütern  {mansi  in^mmUs  und  lidiles.  in  Italien  casat  coh- 
nidae  und  aläiarUiae)  als  bei  den  an  Unfreie  nach  »Hofrecht«  vergebenen 
{tmansi  servÜts)  vor.  Unwese-ntüch  ferner,  aber  hliurig,  war  die  Verpflichtung 
dci  Bauern  zu  einer  HandaiidcrungsgeboJir  (•Ehrschalz,  Handlohn,  Gewinn- 
gdd.  Anleite,  laudcmitun« ),  rcgelmAssig   auch    seine   Pflicht   das  Gut   zu    bc- 

GcnnanlKhc  Phltol^srie  IIL    2.  .^uA.  \2 


178 


IX.  Reckt.    B.  AltertCmer. 


wirtscliaflL-n  und  zu  bessern.  Nicht  nur  diese  Punkte,  sondern  auch  Kttn- 
digiiiigsrccht  des  Grundherrn,  Abmeieninj  wegen  GuLweriM:hlechtening  und 
Zinsversau ninis,  Zinsbusse  im  letztem  Fall  (sog.  Rutschensins),  Nutzungs- 
vorbchaltc  für  den  Gruiidiiemi.  andt-rcrscils  Ausstattung  des  Bauerngutes  mit 
Inventur  diin-ti  denselben.  V'tT('rl>lichkfJt,  Bela.-ttbarkcit  des  Gutes  und  seine 
VcrJlusserlidikeil  unter  «Hausgenossen«  ^s.  oben  S.  151),  Bedingungen  der 
GutHübergalie  an  den  Erben  und  Interims-  (»Satz*-)  Wirtschaft  standen  im 
MA.  meist  für  ganze  Gmp|i<Ti  von  Gfltem  die  zum  nämlichen  Saibof  ge- 
hörten, gcwolinlicitsrechtlicli  fest,  was  sicli  auch  vtelfadi  in  der  tecluiischcn 
Benennung  tlcr  Gßtcr  (/.  B.  in  den  ol>en  angeführten  Namen)  und  ihrer 
Inhaber  (z.  B.  agN.  ^ene'al,  —  ^rln'tr  i.  e.  S,  —  cotselia)  ausdrückte.  Seit  dem 
II.  Jahrb.  das  juristische  w-ic  ükonomischc  Sciteiistück  der  bäuerlichen  war 
die  stadtische  Leihe,  namUch  die  Hingabe  einer  Hofstatt  oder  eines 
Hauses  <Kler  eines  Verkauf splalzes  gegen  Zias  (als  Reallast),  daneben  etwa 
noch  Dienste,  zti  erblichem  Gebrauchsret'ht  {»Erbrecht,  Erbzins  recht«,  nd. 
auch  ifkbtltic,  mbd.  hntrnht).  Hingegen  seinem  Zweck  und  folgeweise  seiner 
Struktur  nach  von  der  bäuerlichen  und  städtischen  Leihe,  welche  es  auch  an 
politischer  Bed<nitung  weit  hinter  sich  liess,  verschieden  war  das  (»rechte«) 
Lehen  (mlat  heneficium,  c  Q30  zuerst  in  Südfrankreich  ßeum,  fnmm.  dann 
ftoilsim  [=  /rr>-utn.^  nach  Kern  v.  /M»«]),  wie  es  sich  seit  dem  8.  Jahrb.  im 
fränkischen  Reich  entwickelt  und  dann  über  die  meisten  christlichen  Länder 
verbreitet  hat.  Als  benefinum  i.  e.  S.  tritt  es  zuerst  an  die  Stelle  des  wider- 
ruflichen Landeigenlunis,  womit  liis  dahin  fUe  Hulde  des  Vassalien  (S.  lt)8) 
gelohnt  zu  wenlen  pflegte.  Fortan  bleibt  die  Beziehung  zur  Vassalität  charak- 
Icristisch  fürs  echte  Lehen  im  Gegensatz  zum  Bauern-  mler  Zinslehen,  wie 
zum  Hoflehen  des  Dienslmaiinen,  und  zu  jedem  Lehen  ohne  »Mannschaft» 
und  in  SU  fem  ist  das  Leiien  >Ritiers<)ld''  [siipirndianttm  bonNm],  Unwesent- 
lich dagegen  bt  dem  echten  Lehen  Zinspflicht  des  Beliehencn.  Das  geliehene 
Gut  war  iinfangs  Gmnd  und  Boden.  Alsbald  aber  finden  sich  auch  dauernde 
Rechte  auf  Einkünfte  und  Rechte,  mit  denen  solche  verbunden  sind,  ins- 
liesundere  Regalien  und  Ämter  als  Lehensobjekte  ^vgl.  oben  S.  147,  152). 
Das  Recht  des  Belieheneti  am  Gut  dauerte  nur  so  lange,  als  sein  Vassallen- 
verhaltnis  zum  Verleiher.  Es  hfirte  dalier  mit  dem  Herni-  oder  Thronfall 
wie  mit  dein  Mannfall  auf.  Ausserdeni  konnte  der  Herr  das  benefirium  ein- 
ziehen, wenn  der  Manu  dasselbe  verschlechterte  oder  seine  Vassallenpflichten 
verletzte.  Schon  im  0.  Jahrh.  wird  durch  Vertnig  die  Leihe  Aber  den  Herm- 
und Mannfall  hinaus  verlängert  und  bei  gewissen  Lelien  Wiederverleibung  .an 
den  Sohn  des  verstorbenen  Vaswdlen  gegen  Mulde  gebraurJiiich.  Am  Anfang 
des  II.  Jahrhs.  ist  etbeUhcn  bereits  technischer  Ausdruck,  und  im  12.  g;ibt 
jedes  Lehen,  bestimmte  Arten  \'on  Lehen  ausgenommen,  im  Zweifel  ein 
bleibendes  und  auf  die  mannlichen,  partilcularrcrhtlich  auch  die  weiblichen 
Naclikommen  des  Mannes  vererbliches  Recht.  Der  Maim  hat  nun  die  »Fo^e 
an  den  andern  Herrn«,  d.  h.  er  behalt  das  Lehen,  wenn  er  es  rechtzeitig  mit 
Mannschaft  »sinnet«  oder  »mutet*  d.  h.  um  Belehnung  (sog.  Lehensemeuerung) 
bittet,  und  analog  Ut  die  Stellung  seiner  tehcnfälügen  Erben  Udm  Mannfalle. 
Die  Lehensemeuerung  braucht  nur  von  einem  unter  mehreren  Rechtsnach- 
folgern des  Herrn  und  noch  im  15.  Jahrh.  nur  an  einen  unter  mehreren 
Vassallenerben  zu  ergehen.  Später  freilich  kennen  die  letztem  Belohnung 
XU  gesamter  Hand  verlangen.  Persi>nen,  über  deren  I^henunfahigkeit  als 
blosse  Unfähigkeit  zur  Mannsctutft  der  Herr  hinwegsehen  durfte,  konnten 
ein  Lehen  mit  der  Massgabe  erlangen,  dass  ihnen  ein  >Lel)cntr3ger<,  d.  h. 
ein  Lehenfahigcr  als  Vassall  an  ihrer  Statt,   dasselbe   ^-erdienie.     Das  Recht 


S.  VeruOobk:  Lbkxh.  Bbsits. 


«79 


W 


des  Mannes  am  Lcheu  ging  in  der  Kegel  so  weit,  dass  er  nn  demselben 
dingliche  Rechte  für  andere,  unl>esrhadet  der  Rechte  des  Herrn  ii»d  der 
l*henerben  am  Gut  bestellen,  insbesondere  os  (als  aflerifhen\  an  seinen 
Vassjillcn  weiter  Icilicn.  ja  sogar,  dass  er  mit  ihrer  ErSauljnis  das  Gut  für 
die  Dauer  belasten  und  verSussem  konnte.  Zu  gesamter  Hand  Bcluluite 
•chuldcten  dem  Herrn  nur  eines  Vassallen  (Lehen trflgcrs)  Mannschaft  und 
Itonnten  die  Nutzungen  des  Lehens  unter  Aufhebung  der  gemeinsamen  Wirt- 
srhafi  teilen  \miiiuhnr.  Tjrterung).  Das  I^hcii  selbst  teilen  konnten  sie  unter 
Auflicbung  des  gcmeinsthaftlichen  Vassallpnvrrhaltnisses  partikularrccbtlich 
enra  seit  1^50  auch  unter  Fortbestand  desselben.  Ist  der  Vassall  minder- 
jährig, SU  zieht  der  Herr  die  Nutxungcn  des  Lehens  (das  anntlle)  imd  hat 
er  die  l^ensvormundschaft.  Er  kann  aber  auch  beide  zu  Lehen  auslhun. 
»Ledig«  uird  das  Lehen  dem  Herrn  unmittelbar  diirrh  T»xi,  Ächtung  und 
freiwilligen  .\bg:ing  des  Vassallen  uhne  I^henfolger,  sonst  mittels  lehcn- 
gerichtiither  Aberkennung  (»Verteilung«)  des  Lehens  g^enüber  dem  Vaj»sallen 
wegen  Treubruchs  oder  eines  andern  schweren  Verschuldens,  Unabhängig 
vnm  frtink.  l»enefiriiim,  ja  sogar  früher  als  dieses  ist  ein  demselben  ähn- 
liches Institut  im  ags.  Dienstgut  entstanden,  welthes  ein  gesiäcundman  (S.  367) 
vtjn  seinem  Herrn  erhielt  und  bis  zur  KOndigung  seinerseits  oder  bis  zur 
Versauiimia  seiner  Heerfahrt  zu  nützen  und  in  Stand  zu  halten  hatte  ijne 
51,  65 — 66,  68).  Dagegen  drang  im  11.  Jahrh.  von  Deutschland  aus  das 
Lchenwesen  in  <len  skandinav.  Norden  vor.  Freilich  ist  es  dann  hier,  und 
zwar  selbst  in  Danemark,  im  Grossen  und  Ganzen  auf  der  untersten  Stufe 
seiner  Entwicklung  stehen  geblieben.  Zwar  gab  es  Lehen  an  Hoheitsrcchien 
(fQniÜiche  oder  Fahiicnlchen)  wie  an  Diensigütem  und  k/iniglichen  Ein- 
künften für  Beamte  und  Gefnlgsmannen.  Aber  der  Regel  nach  blieben  sie 
tinerblich,  ja  .sogar  widerruflich,  gewahrten  sie  ferner  nur  bestimmte,  aufge- 
zahlte Nutzungen.  Überdies  entbehrten  sie  der  begrifflichen  Verbindung  mit 
der  Mann-  odv-x  Gefolgschaft  Ein  dem  bcneficium  entsprechendes  nationales 
norweg.  Institut  war  die  i*ei:ia  (v,  vn'in  ^  verleihen),  (Gegenstand  derselben  ein 
Knmgut  (viishij^rJi,  wogegen  das  (en  im  Norden  regelmilssigauf  Hi'heit-sreclite 
»ch  bezog  und  dem  Empfanger  Abgaben  und  militÄrischc  I^nsiungcn  auferlegta 
§  66.  Der  Besitz  nach  gcrman.  Anschauung  ist  stets  tliatsüchUdies  tmd 
Ol 'fglich erweise  ttidemiriiches  »Haben«  (got.  Imhan  oben  S.  169,  an.  hafäS 
oder  Verfügen  üt>cr  eine  Sache:  ahd.  fiabi'ih,  skand.  fir/d.  In  der  deut, 
Terminologie  des  MA.  erscheint  er  als  ffnivrr  «idcr  gncer  (ahd.  gjweri),  was 
wetler  mit  einer  »Gewahr«  noch  mit  einer  »Wehr«  irgend  etwas  zu  schaffen 
hat,  vielmehr  'Bekleidung«  bedeutet  und  durch  veslilura  übersetzt  wird.  Im 
letzten  Jahrh.  des  MA.  entli-hnt  vier  Norden  diese  Metapher  der  deut 
RSprache.  W.lhrend  der  Besitz  an  Falirnis  durch  deren  Gewahrsam  gegeben 
bt,  wird  er  an  Liegenschaften  hei  liemjenigen  angenommen,  der  mittel-  oder 
unmittelbar  den  Nutzen  derselben  zieht  Die  ^cere  an  Liegenschaften  ist 
eine  ntizüehe,  und  iaut<  ilogLsch  sagte  man  nu:  und  g^tfef\  um  den  Immobiliar- 
besitz zu  bezeichnen.  Daher  hatte  den  Uesitz  von  I..tnd,  wer  als  Pachter 
oder  Zinsbauer  dessen  Früchte  erntete,  ebenso  aber  auch,  wer  den  Zins  da- 
von bez*)g,  ferner  der  Vassiill.  wenn  er  das  Lehen  nützte,  der  Lehenlierr, 
wenn  er  den  Dien.st  des  Vassallen  gauxis.  Damit  war  mehrfache  Gewere 
verschiedener  Leute  am  namÜchen  Gut  ermöglicht  Die  in  unmittelbarer 
Nutzung  bestehende  liicss  die  UikclUhf.  Andererseits  fehlt  die  Gcwcre  dem, 
der  nur  für  einen  andern  l>esitzt  wie  z.  B.  dt-m  Guts  Verwalter.  Gewere,  die 
sich  als  .^u-sübung  eines  Rechts  gibt,  wurde  mnd.  nach  diesem  benannt 
(z.  D.  eigtnliehe,  Unts  gru'err),  Gewere  dagegen  ohne  Rücksicht  auf  wirklichen 

12» 


i8o  IX.  Recht.    B.  AltertOmbr. 


oder  vorgesthüUtcii  Besjtztitel  gtmcne  oder  i>lo/e  (auch  hrhbcnde]  grtvcrt. 
Widerrechtliche  Angriffe  auf  seinon  Besitz  konnte  <Ier  Besitzer  mit  Gewalt 
abwehren.  Weiterhin  aber  galt  im  Prozess  um  Gut  das  Prinzip,  dass 
»Eignung  naher  ist  dem,  der  hat,  als  dem,  der  anspricht-,  d.  h.  dass  {soweit 
das  Beweismittel  einseitig)  als  Angegriffener  der  Ucsiizer  zum  Beweis  seines 
ßcsitztitcis  komtiit,  wenn  sein  Angreifer  keine  Behaupluiig  aufstellt,  bei  deren 
Wahrheil  jener  hinfilllig  wäre.  Aber  auch  eine  »■>lche  Behauptung  fand  im 
Prozess  um  Liegenschaften  keine  Berücksichtigung,  wenn  der  Besitz  des  An- 
gegriffenen als  Rcuhlsausübung  und  un;nigef<x'hlen  eine  bestimmte  Frist  hin- 
durch gedauert  liatte,  hezw.  wenn  der  durch  die  Behauptung  zu  stützende 
Anspruch  nicht  rechtzeitig  erhoben  war  (mnd.  retkte  gewert,  t»n.  laghahtrß»). 
Missbrauch  mit  diesen  Grundsätzen  war  durch  das  andere  Prinzip  ausgc- 
fichl<Jt»en,  dass  »man  sich  zum  Beweisrecht  nicht  rauben,  noch  stehlen  kr«nne», 
vielmehr  der  raublich  urlangleii  Gcwere  (on.  ramhtcfp')  gegeuüber  th:r  Ent- 
wene  die  heweisrechdiche  Stellung  des  Besitzers  behalte.  Waren  beide  Par- 
teieu  im  Besilz,  so  kam  diejenige  zum  Beweis,  welche  ihren  Besitztitel  von 
der  suidcrn  ableitete.  War  diu^ch  den  Satz  von  der  raublichen  Gewere  ein 
prozessualer  Besitzesschutz  vermittelt,  so  war  ein  solcher  unmittelbar  gegeben 
in  dem  Klagcredit  desjenigen,  dem  Fahrnis  wider  seinen  Willen  abhanden 
gekommen  war.  Will  er  den  Besitzer  nicht  unmittelbar  des  DiebstatUs  oder 
Kaubt-'s  besi: huldigen,  so  erscheint  seine  Klage  im  dcut.  R,  der  Funn  nach 
als  sog.  Ane fang!. klage.  Der  Kläger,  der  die  Sache  beim  Besitzer  antraf, 
leitete  seine  Verfolgung  damit  ein,  dass  er,  gleichsam  Besitz  ergreifend,  an 
die  Sache  als  eine  ihm  entwendete  seine  Hand  legte  (mhd.  auerane,  vimuinc, 
ags.  lei/ong,  forefong,  ttlfön  und  öfter  noch  befön,  abaicr.  hnntaiöd ).  Diesem 
Verfahren  entspricht  das  on.  Itantisama.  Der  Besitzer  hatte  bieniuf  cniA-eder 
die  klägerische  Behauptung  unfreiwilligen  Besitzverlustes  zu  widerlegen  (—  ein 
Fall  der  ags.  ägriting  — )  oder  aber  die  Sache  seinem  Besitzvorgängcr  ( •Ge- 
währen-) »zuzufüJiren«  oder  »zuzuschieben*,  auf  da-ss  dieser  die  Widerlegimg 
des  Klägers  übernehme.  ^  Letzteren  Falls  trat  der  Gewahre  in  die  Rolle 
des  beklagten  Besilzcis.  Der  Zug  (ags.  team,  mlid.  schup,  on.  Ups»)  an  den 
GewlUiren  (ags.  gettfama.  ns.  gewere,  ivareul,  fries.  weranri,  «Ti.  heimildannadr^ 
on.  hemiikman  oder  iali)  war  ursprünglich  nur  dreimal  gcstiiltct,  dalicr  die 
Antwort  des  ersten  Beklagten  on.  ein  lepti  til  pHpia  saia  und  miat.  die  Klage 
selbst  ein  inlertiare  oder  in  lertiam  matium  miiure,  so  dass  der  dritte  Besilz- 
vorgängcr  des  ttslcn  Beklagten  obigen  Widerlegimgs beweis  zu  führen  hatte. 
Blieb  der  Kläger  imwiderlegt  und  bescheinigte  er  den  unfreiwilligen  Besitz- 
verlust eidlich,  so  musste  ihm  die  Sache  ausgeliefert  werden.  Ausserdem 
aber  hatte  nach  dem  altem  R.  der  Beklagte  von  dem  nun  auf  ihn  fallenden 
Verdacht  des  dieblichen  Emi'erbs  sich  zn  reinigen.  Denn  »wo  der  Gewahre 
fehlt,  fehlt  nicht  der  Strick«^  (dan.  Sprw.).  Endlich  war  nach  älterm  deut.  R. 
der  F.niwertp  innerhalb  iler  nächsten  drei  Nächte  nach  dem  Besitzverlust 
befugt,  die  Sache  eigenmächtig  an  sich  fw  nehmen.  Ein  dem  Ancfangs- 
prozcss  um  Fahrnis  analoges  Verfahren  um  Liegenschaften  ist  in  verschiedenen 
Rechten  seit  den  frühesten  Zeilen  nachweisbar,  so  das  langob.  *wiffan* 
(Strohwisch  aufslcdcen),  die  wnord.  l^gfesia  (durch  Aufstecken  eines  Kicuxes 
oder  Hinwerfen  eines  Stabes,  der  nfrSnk.  voreiimber  oder  claite. 

§  67.    Dem    Be^tz   wie  den  Rechten   an  Sachen   gegenüber   stand  die 


t  Tlass  dem  Beklagten  nur  motivieric  Verneinung  gestattet  wird,  dflrfte  sich  aus  den 
pKuesmalen  CtniadsllUcn  tib«  die  Bewebmittel  erkläre».  Di^n  l.nnduntflien  Erklänings- 
Tsnucb  (Unredlichkeit  des  Beklagten  prSsumiorl)  halte  ieh  für  eine  |X'iilin  principü. 


5.  Vermögen:   Schulokk. 


i8i 


W 


W 


»Schuld*  (Verbalabsir.  vom  PrIlteritnpriLs.  sitt/an),^  als  das  blosse  Sollen 
nämlich  ein  Bekoiumensollen  des  Einen  und  Leistensollen  {skttUtn  L  e.  S. 
mil  dem  Dat.  pcrs.)  des  Andern.  In  diesem  Doppelsinn  war  »Schuld«  ein 
Zustand  zweier  Parteien,  nicht  allein  dessen,  der  goi.  als  skula,  ahd.  als  skulo 
und  heute  als  Schuldner  cnicheint,  sondern  auch  des  GISubigcrs,  weswegen 
dieser  so  yut  wie  jener  wn.  skuidanaulr  (=Schuldgenos,sr)  oder  skuUartnaär^ 
on.  tkvitiughtr,  mhd.  iehnläman,  ichultirturre,  srhuiiii^ere.  Ja  sogar  grllure,  bt' 
zakr  heissen  konnte.  Vom  Stimdpunkt  des  GISubigers  aus  war  die  Schuld 
aber  auch  ein  ^Haben-  —  an.  c/fn  — ,  insofern,  als  ihm  «beim«  Schuldner 
oder  >untcr'  demselben  das  geschuldete  Gut  gehörte.  Daher  waren  Schul- 
den, deren  Erfüllung  den  ülSubiger  bereicherte.  Bestandteile  seiner  Habe 
und  mit  ilir  vererblich,  wenn  schon  nicht  für  sich  allein  übertragbar,  Schulden 
femer,  deren  Erfüllung  den  Schuldner  «irmer  machte,  Passiva  im  Schuldner- 
vcrmijgen.  Nicht  bloss  Geld  (ol^en  S.  i/.^f.)  oder  Sai:hen  von  Geldeswert, 
auch  andere  Güter,  insbesondere  erlaubte  Handlungen  aller  Art  konnten 
geschuldet  werden.  Wie  die  Art  und  oft  auch  das  Mass  des  Scliuldobjekts, 
entsprechend  den  Entsteh ungsgründen  der  Schuld  (den  verschiedenen  Ge- 
schaTtst>'pen,  Übelthaten.  verwandtschaftlichen,  nachbarlichen,  Gemdnschafts- 
verhaltnifisen)  vom  Recht  geordnet  war,  würde  ein  spezieller,  von  diesem 
Gnmdriss  jedoch  ausgeschlossener,  Teil  des  Schuldrechts  zu  zeigen  haben. 
Die  rechlhche  Bedeutung  der  Schuld  !:ig  zunflchst  uml  mindestens  darin, 
dass,  was  riunh  ihre  Erfflllung  seitens  des  SduUdners  oder  eines  Dritten  an 
den  Glaubiger  kam,  rechtmässig  bei  diesem  blieb,  und  dass  anderenwits  das 
•Versitzen«  der  Schuld  «xier  das  »Vorenthahen«  des  Geschuldeten  als  ein 
Unrecht  galt,  welches  —  ob  beabsichtigt  oder  unbeabsichtigt  —  nach  alterer 
Auffassung  Sühne  dun  h  Busse,  nicht  etwa  Begleichung  durch  Zins  (an.  kiga\ 
oder  Interessenvergütung  fonlerte.  Mit  der  Dauer  des  Verzugs  wuchs  das 
Unrecht,  so  dass  sich  die  Verzugsbusse  steigern  konnte.  Im  deut.  R.  des 
MA.  treten  die  Verzugsbassen  zurück.  Aber  nur  wenige  und  hauptsächlich 
nur  stAdiische  KR.  füllen  die  Lücke  durch  einen  Ersatzanspruch  für  den 
Vcrzugs->Schaden<  aus,  während  in  bestimmten  Mietfällen  eine  fixierte  In- 
tcrcsscnvcrgütung  die  Stelle  der  Verzugsbusse  einnahm,  sonst  aber  es  darauf 
ankam,  ob  der  Gläubiger  sich  von  seinem  Schuldner  den  'Schaden«  hatte 
»geloben*  lassen.  Unter  den  I^»ndrcc:hten  ist  es  luiuptsachlich  das  jüngere 
wnordische,  insonderheit  islandische,  welches  den  Begriff  des  Verzugszinses 
{Ifgiaga)  ausbildet.  Erfüllen  oder  »schUessen  (skand.  luJka)  konnte  man  eine 
Schuld  nicht  durch  Zahlung  d.  h.  durch  blosses  HinzUhlen,  wenn  auch  etw-a 
durch  Aufreihen  oder  >Brt:iten<  (wn.  niäa,  on.  rapa,  mhd.  rciie»),  so  lange 
«9  kein  Geld  mit  Zwangskurs  (oben  §  63)  gab.  Aber  auch  nachher  verur- 
sachte die  Ammt  ganzer  Lander  an  gemünztem  Geld,  dass  der  Glaubiger 
Tcchtlich  genötigt  blieb,  bestimmte  »Wertsachen*  an  Geldes  Stall  anzuneh- 
men, sei  es  zu  einer  gesetzlichen  Ta.\e,  sei  es  nach  Abschätzung  im  einzeJnen 
Fall.  Musste  man  beim  Leisten  oder  »Gelten*  von  Sachen  dieselben  ab- 
meraen  oder  abbiegen,  so  kam,  wie  auch  in  den  andern  Fällen  des  Messens, 
gewöhnlich  ein  natürliches  Mass  zur  Anwendung.  Leibesglieder  und  Leibes- 
kraft, HOr-  und  5>cheweite,  Augcnmass,  übliche  Kleidungsstücke  und  Gerate. 
Ennigs-  und  Aufnahmefähigkeit  des  Bodens,  Zeitaufwand  seiner  Bearbeitung 
spielten  unter  den  natürlichen  Massstaben  die  Hauptrolle.  Oftmals  war  ein 
solcher  nur  auf  einen  einzigen  Fall  berechnet.  Aber  so  mannigfaltig  die 
Jklastsstabe  hiernach  w"aren,  so  gleichmUssig  zeigen  sie  sich,  weil  aus  den  aller- 


>  DaAr  {DL  aucb  das,  viclktcbt  d«m  Slav.  emlehnie,  m.  dulgs:  Tgl.  Bd.  I  S.  324. 


i8j  IX.  Recut.    B.  AltsrtOuer. 


frilhesicn  Zeiten  stammend,  bei  den  german.  Vr>Ikem  verbreitet.  Natirmale 
kürvstlk'lic  Masse  sind  g<;gciidcnwcise  durch  Fixierung  natürlicher  cntstandirn, 
insbesondere  für  iJlngen  und  Flachen,  Solche  jüngere  Masse  geben,  sfjwdt 
nicht  durch  ihre  Ver^■iel^l^ligung  ein  neues  Hauptniass  eingeführt  wm,  ihre 
Herkunft  daduruh  zu  erkennen,  dass  sie  die  Namen  ihrer  Vc)rlaufer  (Elle, 
Spanne,  Handbreite,  Fuss  u.  s.  w.)  fortführen.  Aus  der  Fremde  sind  zum 
Teil  vor  ihnen  künstliche  Masse  aufgenommen  wurden.  Und  wahrscheinlich 
auü  dein  Südosten  bejMigen  ist  die  kOnsÜichc  Gewichtseinheit,  tUe  sich  heim 
Beginn  der  hiMorisclien  Zeit  beinalie  über  die  yanze  gennaiiisclie  Weh  ver- 
breitet zeigt,  tiamUch  die  c.  ^97*  Gr.  haltende  Unze  oder  der  skand.  mTer 
(on,  örir),  d.  i.  der  achte  Teil  der  »Mark«,  der  sechzclinte  des  altem  süd- 
gcrm.  (ags.  Iries.)  ^Pfundes»,  das  Dreifache  der  skaudin.  *ejigugh  (wn.  ttrfog 
etc.).  Das  deulsclie  Lc»l  (ags.  f/ad.  fries.  lad)  d.  h.  das  "Ulcigewichtt  ist 
viclleichl  durch  Teilung  aus  der  Unze  abgeleitet.  Im  MA,  bkibeu  diese 
Namen,  wahrend  die  dadur<:h  ausgedrürkten  Gewichte  durch  die  lokale 
Rechisent Wicklung  in  verscliiedener  Weise  verändert  werden.  Wie  die  Grösse 
der  zu  'geltenden'  Sachen,  .so  wurde  auch  die  Erfüllungszeit  mittelst  natür- 
licher Weiser  gcineÄseri.  Naturerscheinungen,  Gepflugeidi eilen  des  Wirtschafts- 
Jcbens,  Feste  liefcrleu  die  Massstilbe,  wonach  ein  Tenniu  i>der  »Tagf  (skand. 
eiudagit  sie/na)  oder  eine  Frist  abgegrenzt  wurde.  Fristen  berechnete  man  in 
der  üUeni  Zeit  nadi  Nüchteai.  Im  skand.  R.  besonders  behebt  war  die  fünf- 
nüchtigc  Frist  {wn.  ßmf,  on.  fcfmt),  vielleicht  die  allgennan.  Woche.  Wahr- 
scheinlich liegt  sie  anrli  der  deutschen  Frist  van  6  christlichen  Wochen  und 
3  Tagen  als  Einheit  zu  Grunde. 

§  68.  Für  die  Erfüllung  einer  Schuld  trat  regelm,lssig  eine  Garantie  (mnd. 
warin^,  Ji'ftrf,  wttrscap)  oder  » Einstünderschaft«  (mnd.  vorslunä.  vgl.  an.  stauda 
firi  und  das  lat.  pttititare)  ein  —  "Bürgschafts  im  ursprimglichen  w,  S.  (an. 
borgan,  ältvr^rt,  ags,  borh)^  oder  »Warte«  (on.  mit  Vorliebe  jHirfttaper)  genannt. 
Dies  geschah  dadurch,  dass  für  den  Fall  der  Nichterfüllung  ein  freier  Mensch 
oder  eine  Sache  einem  Zugriff  (skand.  toi)  ausgesetzt  und  in  sofenie  zum 
Unterpfand  (gerni.  radi,  w»izu  lat.  \-as,  vadimonium  z.  vgl.)  gemacht  und 
»gebunden*  (mhd.  xfihnud<u,  ver~  oder  hehe/M.  venimkl)  wurde.  Aus  dieser 
der  n^ra.  Obligaiiun  entsprechenden  Gebundenheil  tnler  Haftung  komitc 
das  Satisfaktionsobjekt  nur  durch  Schuldtilgung  oder  Erlass  (Entlassung)  imd, 
was  dein  gleich  stand,  »erlöst^^  oder  »geledigt«  werden.  Die  Geschichte  des 
gerni.  Obligationenre<:hLs  zeigt  schon  bei  ihrem  Beginn  ilic  beiden  Haupt- 
arten aller  Haftung,  welche  den  beiden  Hauptfomien  des  Kredits  entsprechen, 
Sach-  und  Personenhaftung  neben  einander. 

Die  stark.«*te  Realsicherheit  wurde  durch  einen  eigens  hierauf  gerichteten 
Vertrag  begründet.  Eine  Sache  wurde  als  Pfand  (gol.  vadi,  ags.  wed,  ahd. 
7t'eii,  mnd.  xvcddc,  skand.  veä,  nilal.  fadiutn)  j»ausgesetztE  oder  »versetzt*  d.  h. 
dem  Glaubiger  preis-  und  in  seinen  Besitz  und,  wenn  sie  einen  Ertrag  ab- 
warf, seine  Nutzung  gegeben,  auf  dass  sie  diesem  eigen  (•verwettet*)  werde, 
falls  gehörige  Erfüllung  der  Schuld  unterbleiben  sollte  (sog.  altere  Satzung). 
Da  er  sie  wie  einen  Wc-licinsatz.  an  Erfüll ungsstati  gewann,  so  schluss  diese 
An  des  Pfandes  jede  Peraonenhaflung  für  dieselbe  Schuld  aus.  Erat  als  man 
den  Wert  des  Pfandes  auf  die  Schuld  aurechnete  oder  gar  das  Pfand  zu 
einem   blossen   Exekutionsobjekt  machte   und   aus   dessen  Verkaufserlös   den 


1  »Bürge«  im  cnj-^m  und  nahMu  isolierten  Sinn  ist  allcnliiiK»  der  tldejuMor,  aber  gerade 
desliiüb,  weil  vnn  ihm  nicht  gesagt  werden  kjinn,  da^  or  uliiildct,  scmdem  nur  dus  er 
Kaiantiett, 


5-  VermOgex:  Haftungen. 


1B3 


Glflubi^er  sk-h-befriediiifn  licss,  wurde  ein  Ncbeacinander  von  Pfand-  und 
Persi.^nciihaftiing  müglich.  Im  MA.  findet  ^id^,  dass  tler  Pfandglaubigcr  für 
den  Fruchijtcnuss  am  versclzten  Gul  einen  Zins  zahlt.  Dieser  gepachteten 
Satzting  trat  daiui  eine  geliehene,  d.  h.  das  uucb  im  Ssp.  aus  fnmidlea 
Gründen  verworfene  Pfandlehen  an  die  Seite.  Unter  dem  Kinfluss  des 
kirddichen  Wui^hervcrbutcü  wurde  verabredet,  niitunter  sugar  ge>elzlich  vur- 
geschrielien,  dasA  dun'li  den  Fruchtgenuss  des  Gläubigere  die  &dmld  aniurti- 
siert  werden  sollte  (mnd.  doisate].  Wie  Land  ^nirden  im  MA.  auch  Rechte, 
inübcsunderc  —  wie  z.  B.  bei  den  Rcichspfandscbaflen  —  Hühcitsredite 
versetzt  Eiiie*jflngere  Form  des  Immobiliar^'ersatzes  ISssl  den  Verpffliuler 
in  Besitz  und  Kut/gt-i)u>s  deti  Pfaiidnbjekt:>,  Wrlhreud  das  Satisfaktionsvet- 
fahren  die  nanilichc  F.ntwicklungsgeschichte  durchmacht  wie  bei  der  altem 
Fonn.  Ucn  Cberganj;  zu  dieser  sog.  neuem  Satzung,  die  zwar  fortgeschrit- 
tenen Krcditverhaknisäen,  doch  kdneswegs,  wie  rtft  lK:hauptel,  überall  spezi- 
fisch stadtischen  Wesens,  ihren  Urspnmg  verdankt,  vermittelte  in  einigen 
RediLsge bieten  die  BelcUiung  des  Versetzers  mit  dem  Pfandobjekt  seitens 
des  VcrMtznehmcrs  bei  der  ,'iltcm  Satzung.  Gencndliypo thekartige  Verhalt- 
niue  sind  germanisrhen  Kecliten  erst  in  ihren  jungem  Kntwtcklungsperioden 
bekannt.  Dagegen  gewahrte  das  älteste  Hecht  neben  dem  ^goetzten«  Pfand 
auch  norh  dem  •genommenen»  (j>aat  in  der  lex  Fries.,  injant  in  einer 
Glosse  zur  lex  Aiani,,  nach  Siebs  zunächst  —  »eingeschlossenes  Vieh«,  — 
oo.  Harn,  ags.  uiim,  dazu  mhd.  mime,  —  endlich  ags.  auch  uft/  und  6di/) 
einen  weiten  Spielrrnim.  Kigenmächtig  durfte  der  Gläubiger  Fahrhabe  des 
Schuldners  in  Be^itz  nehmen,  mn  sie  bis  zur  Auslosung  zutückzubehalten, 
nach  einigen  RR.  auch  um  sich  aus  ihr  zu  befriedigen.  Die  pfandbaren 
Sachen  und  der  Ort  der  I'fandnahme.  ebenso  diu  Einleitung  derselben 
durch  förmliche  Alahnung  pflegten  genau  bestimmt  zu  sein.  Nur  eine  kurze 
Frist  -stand  der  Gläubiger  für  das  genommene  Pfand  ein,  wenn  er  sich  bereit 
gezeigt  hatte,  dasselbe  ausJöst-n  zu  lassen.  Diese  Pfanduahnu-  stand  prinzi- 
piell wegen  jeder  unicii genbaren  (ursprünglich  audi  wegen  jeder  nicht  gehörig 
geleugneten yj  SihuLd  dem  Glaubiger  frei.  Femer  durfte  der  Grundliesitzer 
wegen  handhafter  Besitzstömng  zur  Pfandnahme  ohne  Vorverfahren  schreiten. 
Sadgerman.  RR.  haben  sdum  sehr  früh,  die  nordischen  erst  im  MA.  die 
Pfandnahme  um  gemeine  Srhulden,  soweit  sie  nicht  <lurdi  Vertrage  gestattet 
wurde,  an  die  Mitwirkung  der  Obrigkeit  gebunden  nxler  aber  im  Exekutions- 
verfahren gegen  den  »arhfalligen  Schuldner  aufgehen  lassen.  Nur  um  be- 
stimmte Geldschulden,  insbesrmdere  aus  Störungen  des  Grundbesitzes,  Zins-, 
Zech-  (nach  dcut.  RR.  auch  Spiel- )Schulden,  dann  Schulden  an  die  eigene 
Gilde  imd  an  die  Obrigkeit  dauerte  die  ausserprozes.suale  Pfandnahme  fort. 
Unter  gewissen  Voraussetzungen  durfte  der  Gläubiger  Sachen  des  Si  huldnens 
mitcr  Erhebung  eines  Gegen-,  (z.  B.  Loha-)Anspmchs  zurückbehalten,  ja 
sogar  gebrauchen,  nützen  und  zu  seiner  Befriedigung  verwenden,  die  weder 
durdi  Versatz  noch  durch  Pfandualimc  in  .^^onen  Besitz  gelangt  waren.  Um 
Sachhafiungen  endlich  aus  Ȇbelthaten-  von  Unfreien  oder  Haus- 
tieren handelte  es  sidi,  weiui  nach  altgemi.  R.  der  Verletzte  Preisgabe  des 
>Thaten>>  verlangen,  der  Eigentümer  den-selben  diuch  Sühnleistiing  ■  lösen«  durfte. 
Die  älteste  Art,  Ä-ie  freie  Leute  haftbar  geniiKht  wurden,  scheint  bei 
Schulden  aus  reinen  Kreditgesdiäfien  eine  pfandartige,  nämlich  die  —  v<m 
Tac.  (Germ,  zo)  mit  ;,Beziehung  auf  den  Avimculat  erwähnte  —  Gelsel- 
schdft,  wobei  an  die  Zeit  zu  erinnern  ist,  da  der  Verraögensverkehr  nicht 
aoM'ohl  imtcr  Individuen  als  unter  Sippen  sich  abspielte.  Das  Rechtswort 
■*Xxiäte&*i  welches  auf  der   letzten  Stufe  seiner   Bedeutungscntw-icklung  = 


18^. 


IX.  Recht.    5.  Altertümer. 


Schuld  crftlÜen,  bedeutele  ursprünglich  (vgl.  got.  laütjan)  das  Eintreten  in  die 
Spur  des  Gläubigers,  wie  es  demjenigen  oblag,  der  sicli  als  Geisel  in  Gefangen- 
schaft »setzen«  liess,  und  zwischen  diesen  beiden  Bedeutungen  liegt  die  des 
Zahlen»  für  einen  :indem.  Die  Geiselschaft  ist  auf  dem  Gebiet  des  Pcr- 
sonalkrcdits  das  Aualugoii  zur  Sltcm  Satzung.  Analug  dem  verwcttetcu  Pfand 
verfiel  denn  auch  der  GeLscl  bei  Schuldvcrzug  dem  Gläubiger  zu  eigen. 
Die  Analogie  zur  neueren  Satzung  ergab  sich,  wenn  man  seine  eigene 
Freiheit  oder  seine  LcibesgHcder  oder  seine  Ehre  nicht  bloss  als 
Wett-  oder  Spieleinsatz  preisgeben,  sondern  auch  verpfänden  konnte 
Eine  Pcrsoualsatzung  in  diesem  Sinn  ist  die  Bürgschaft  (— fidejussiu  oben 
S-  182  n,  i).  Der  Bürge  Ist  •  Zugriffsmann«  (skand.  taki)  wie  der  Geisel,  nur 
dass  er  sich  nidit  in  Gefangenschaft  beim  Gläubiger  befindet.  Wie  der  Getsd 
steht  daher  der  Bürge  primSr  und  (nach  altcrm  R.)  in  unvererblicher  Weise 
ein.  War  nun  aber  dem  r*ers<inaJkredit  nicht  durch  Vertrag  in  der  beschrie- 
benen Weise  ein  ZugTiffs«^jbjekt  gewalirt,  so  verschaffte  ihm  das  Gesetz  seine 
Genugthuung  dadurch,  class  es  die  Pfandnahme  und  die  Ächtung  (ij  77) 
des  Haftenden  zur  Wahl  des  Gläubigers  stellte.  Nur  k<jniite  die  Adit  erst 
eintreten,  nachdem  Verzugsbussen  verfallen  waren.  Das  im  Verzug  liegende 
Unrecht  (oben  S.  181)  musste  ungesühnt  geblieben  sein.  In  ahnlicher  Ver- 
wendung wie  die  Acht  erscheint  dimn  im  MA.  der  Kin:henbann.  Abwenden 
konnte  man  die  Acht,  indem  man  sich  vertragsm-Tssig  in  .SchuUlknecht- 
schaft  ergab  (an,  ^on^a  i  siu/«/),  welche  zuerst  eine  defhiiiive,  später  eine 
durch  Schuldtilgung  lösliche  Unfreiheit  war.  Wie  durch  Milderungen  des 
Achtverfahrens  neue  Satisfaktionsmiitc!  entstanden  sind,  zeigt  §  <;2.  Ein 
nicht  durch's  Gesetz  vorgesehenes,  s<jndcrTi  durch  Vertrag  zugesagtes  ist  die 
Selbstintemierung  oder  das  *Einlager«  {»Einreiten«)  des  S^Jmldners  oder 
eines  Dritten  im  Verzugsfall,  welches  seit  dem  13.  Jahrh.  in  Deutschland, 
viel  spater  erst  im  Norden  auftritt  und  von  der  im  Privatrecht  halbverschol- 
lenen  (echten)  Geiselschaft  den  Namen  (lat.  ohsiagium)  entlehnt  Für  jede 
Personenhaftung  charakteristisch  war,  dass  ihr  auf  der  Seite  des  Gläubigers 
ein  Vcrfolgungsrecht  \y.i\.  s^k,  on.  sni)  entsprach,  weiches  als  Recht  zum 
Ansprechen  (anorw.  h'eäja)  oder  Mahnen  d,  i.  F.rinnem  (ahd.  manoH,  on. 
matia  und  minna),  beg;inn  und  wenn  nicht  sogleich,  so  doch  im  nächsten 
Verlauf  als  Recht  zum  /Vufordcrn  (skaiid.  kre^a,  got.  hattan'f)  un<l  zum  Ein- 
treiben (wn.  heimtä)  in  prozessualem  MahnvcTfahrcn  mit  Terminen,  Fristen, 
Formeln,  Zeugen  ausgeübt  wurde  und  als  Recht  ziuu  Gewaltverfahren  ab- 
»chtoss,  soweit  nirJit  etwa  die  Form  der  Exekution  die  entscheidemle  ThÄ- 
tigkett  in  die  Hand  des  öffentlichen  Beamten  legte.  Dies  Recht  war  bus  ins 
M.\.  so  wenig  wie  die  Schuld  unter  Lebenden  übertragbar.  Wohl  aber 
konnte  sein  Tr.lger,  wenn  <iie  Schuld  auf  wic<  1er kehrende  Leistungen  lautete, 
durcl)  den  Besitz  eines  Grundstücks  gegeben  sein  und  mit  demselben  wech- 
seln. Wie  die  Forderung  hiedurch  zum  Reairecht  wurde,  so  konnte  die 
persönliche  Haftung  zur  Grund-  'xler  Reallast'werden,  indem  sie  als  eine 
r^elmassig  nicht  durch  Kapital zalilung  ablösbare  dem  jeweiligen  Besitzer 
eines  Grundstücks  auferlegt  ward.  Beide  I'handnicne  gehören  freilich  erst 
dem  Recht  des  MA.  an  und  sind  teils  Ausflüsse  oder  Reste  von  grundlierr- 
lichen  bezw.  Lei  he  Verhältnissen,  teils  unter  Anlehnung  an  letztere  vom  Be- 
dürfnis der  Kapitalanlage  hervorgerufen,  wie  das  vornehmlich  bei  den  *ge- 
kauften«  (Jülten,  aber  auch  bei  vielen  »vorbehaltencn'  Bodenzinsen  der  Fall 
ist.  teils  endlich  durch  Privatisierung  von  Hoheitsrechten  (z.  B.  auf  Grutid- 
stcuern,  Zehnten)  entstanden.  Wie  bei  den  Grundlasten  des  MA-,  so  kommt 
schon  nach  altgcrm.  K.  ein  Wechsel  der  obligierten  Person  im  Zus 


p 


menhang  mit  dem  Besitzwechsel  an  einer  Sache  in  soichen  F^Den  vor.  wo 
die  Schuld  auf  Überlassung  der  Sache  selbst  gerichtet  war.  Aber  der  rcgcl- 
mfiss^  Weg,  auf  welchem  die  penönliche  Obligation  auf  einen  neuen  Träger 
flber);eht,  ist  Vererbung  von  Todes  wegen  oder  unter  Lebenden  (vgl.  oben 
S.  158).  Der  Vererbung  eines  Nachlasses  gleich  stand  in  jener  Beziehung 
da»  Verteilen  von  Arhtcrgut  l§  77)  und  die  Übergal>e  eines  gsnren  Ver- 
mögens, wie  bei  der  biluerliclien  Gutsübergabe  in  Deutschland  und  beim 
Viialicicn  vertrag,  wofür  die  noch  heidnische  brandetfä  in  Norwegen  ak  älte- 
ster Tv-pus  gehen  kann.  Prin?npiell  haftete  aber  der  Erbe  nur  bi»  zu  dem 
Betrag  der  Schulden,  der  durch  den  Naclilass  gedeckt  war,  sofern  er  denselben 
rechtzeitig  liquidirrte,  —  ein  Gnindsatz,  der  zuerst  zur  Ausbildung  eines 
Konkumrwlibi  geführt  IwU  Eine  ahulichL-  Beschrankung  der  Haftbar- 
keit kann  sich  auch  aas  dem  Grund  der  ObÜgatinn  ergehen,  so  z.  B.  wenn 
das  Gesetz  den  Gültschuldixer  nur  mit  dem  belasteten  Grundstück  und  der 
darauf  befindlichen  Fahrnis  liaften  Hess. 

§  69.  Das  Vermögens rechtJichc  Gescliftft,  von  den  Fallen  originJlren 
EigCDttunscrwerbs  mid  vom  blossen  Erlauben  oder  Zustiiiunen  (skand.  räp, 
auch  mhd.  ml,  mnd.  räH)  zu  Geschäften  anderer  abgesehen,  war  in  der 
altem  Zeit  prinzipiell  mindestens  zweiseitige  Abrede  (skand.  mal,  möH,  »ti. 
mdlHa^,  —  ags.  grpitig.  ahtl.  giiiingi,  iagadine,  mhd.  gedingt,  teidinc,  seltener 
Jine)  imd  in  sofern  Übereinkunft  (mnd.  eininge,  endmeht,  ovrrdratht,  —  on. 
samia^  wn.  sampykf)  tuler  Vertrag  (mhd.  rtrirac  und  Tcrtraht,  —  wn.  sätl). 
Erschcinimgsformen  desselben  sind  die  Abreden,  wodurch  ein  Satisfaktions- 
objekt haftbar  gemacht  oder  wodurch  eine  Schuld  igefesligi«  wird  (skand. /!t/<j, 
im.  auch  fastna,  alid.  fastinöa,  wozu  das  m.  /tutinöd  und  das  f.  Jestinunga, 
mhd.  j<es/enert,  —  afrank,  'a/e/iram/an,  mnd.  ramfit,  7vrmmen),  indem  der  eine 
»gelobt«,  d.  h.  eine  Schuld  'lobti:*  i:»der  averheisst.  zusagt,  verspricht»,  der 
andere  das  Gelöbnis  »annimmt',  d.  h.  sich  aneignet.  Da  duR-h  diese  An- 
eignung das  Gelöbnis  aus  tlcr  Gewalt  seines  Abgebers  kommt,  kann  dieser 
daran  fcs^eJialten  werden,  gleichviel  ob  er  eine  Leistimg  an  den  Annehmer 
oder  an  einen  Dritten  zugesagt  hat  So  fo^e  aus  dem  Wesen  des  obligato- 
rischen Vertrags  die  allgemeine  ZulSssigkeit  des  sog.  Vertrags  zu  Gunsten 
eines  Dritten,  und  nur  einer  unter  Welcn  An wendungs fallen  naiti  deut.  R.  war 
es,  wenn  ein  salmnti  oder  Treuhänder  sich  ein  Verfdgtmgsrerht  über  eine 
Sache  bestellen  liess,  um  sie  auf  einen  Dritten  zu  Obertragen.  Erscheinen 
ftine  Kreditx-crtrflgc  in  got.  und  deut.  RR.  unter  dem  Namen  von  »Wetten^ 
{got.  gofadfött  =  verloben,  ags.  [Ar-]  weddjan  =  spondere,  desponsare.,  wed= 
Versprechen,  b<u-tddting  —  desponsatio,  ferner  mhd.  tvetlert,  ertvttltn,  mnd. 
;iri/[/rA  =  zusichern,  dann  auch  .Strdfe  zahlen},  so  sind  sie  «ider  waren  sie 
doch  einst,  wie  es  dem  ältesten  Obligatinnenrcchl  {§  68t  entsprach,  kautlons- 
bedQiftig,  sei  es,  dass  die  Kaution  mittelst  Pfandsatzung  oder  dass  sie  mittelst 
Oeiscl-  berw.  BOrgeastellung  bewirkt  wurde,  Thenretisch  vom  obligatorischen 
au  unterechcidcn,  wiewohl  bei  Xatural-  und  bei  Realkontrakten  (z.  B.  Tausch 
Zug  um  Zug,  Gabe  mit  .\uflage)  mit  ihm  zu  einem  Geschäft  verbunden. 
war  der  dingliche  Vertrag.  In  ihm  konnte  der  Wille  gerichtet  sein  auf 
Rei-hisObertragimg  ctder  auf  Besitz-  (streng  genommen  Sarh-)Übcrtragmig 
oder  auf  Löschung  eines  Rechtsverhältnisses,  in  der  adeut.  Terminologie:  auif 


'  Es  hd5t  sowohl  den  UiKcrwhicd  von  ahtJ.  lab  und  /uw*.  hbi^n  und  loult^n  nU  auch 
dm  vun   triuv^n  nnd   triu/'ifM  verkeimen,    wenn    Hruslsr  ln>tii,   I  S.  I17   iUa  Gfiftben, 
Erianbcn  am)  die  Treue  mit   iLaubi   uinl   >kril(ligt;in  Wiicbatuni  der  PAaiucn*   id  Zu- 
lenbuiic  bringt. 


sah  oder  salitftga  (mhd.  salr,  m/,  sahmg,  7.XiX  Zeit  der  Ret:htsbürlicr  auch 
gäbe  genannt,  nilHl.  traditio)  udcr  uuf  ^eiveri  Imhfl.  gfjoer,  rnlal.  [ifi\i'€Stitiira', 
vgl.  oben  S.  179)  oder  auf  ein  ufrlaltn  (nmü.,  t-eriazen  ralid.,  mUt.  raignatio). 
Der  Salung,  wovon  Paradigmen  die  Übereignung  und  die  Belehnung,  uar  der 
Rechtsgrund,  woraus  sie  zu  erfolgen  hatte,  (Tausch,  Verkaxif,  Leistung  an 
ZahluDgsstatt,  Gabe  =  Schenkung  und  Gegengabe)  ucscniJich.  Dass  sie  in 
iigend  einem  altem  Ke<.'h(  für  <!iLli  allein  kiüfü^  g*^iug  geu'Cäcn,  den  Ober- 
gang  ein«  Besitzrechts  zu  bewirken,  wie  oft  behauptet  M-ird,  muss  bezweifelt 
weiden.  Das  islanclisclie  Retht  (der  Grägds),  wie  auch  sonst  «elfach  modern^ 
hat  dem  dinglichen  Vertrag  diese  Wirkui^  zugestanden.  Die  Obereignuug 
des  üllesten  Rethls  kommt  getrennt  von  der  küri>erlidien  Besitxüljcrtntgung 
d.  h.  Einh.lndigmig  (unten  S.  187»  mVht  vnr.  Wird  üpälcr  von  der  letzteren 
die  Immobiliariale  dispensiert,  so  bleibt  d»«h  ein  Surr«jgat  der  BcsItzQber- 
tragung  crfurderltch,  welches  durch  Verbürgung  oder  doch  durch  einen  Ver- 
trag beschafft  werden  kann,  worin  der  V'erUusserer  deni  Rechlserwerber  cr- 
Uiubi,  selbst  Besitz  zu  ergreifen  (ÜesitzrSumungsverinig).  Ein  solcher  musste 
auch  in  der  Belcluiung  litten,  weil  diese  sugur  den  Nansen  der  ^Investitur« 
erhalten  hat,  und  lag  immer  in  der  s<^>g.  symtMilischen  Investitur.  Salung  und 
Besiuubeitrugung  wirken  konsliiutiv,  die  Aufla^isung  dagegen  wirkt  (für  sich 
allein)  nur  exstinktiv.  Sie  ist  wesentlich  Verzicht  auf  Ausübung  eines  Hcrr- 
schaftsrechts  an  liegendem  Gut,  dalier  notwendig  und  ausreichend,  soweit  es 
bloss  darauf  ankommt,  ditss  der  Vcrausscrer  eine  rechüiche  Schranke  lunw<^- 
r^ume,  welche  auf  seiner  Seite  der  Herrs«."haft  eines  andern  im  Wege  steht 
Über  sog.  gericliüidie  Aufla.*«ung  s.  unten  S.  187.  —  Vertragsf.lhig  war 
nach  alterm  Recht  nicht  nur  der  VoiljJihrige,  sondern  auch  der  Minderjährige, 
dieser  nw  in  unvollkommenerer  Weise  als  jener,  da  er  Geschäfte,  welche  ihm 
nachteilig  waren,  nach  erreichter  Mündigkeil  wideniifcn  konnte.  Aber  nur 
auf  Münner  fand  ursprünglich  der  Gegensatz  von  Voll-  und  Minüerj<lhrigen 
Anwendung  und  zwar  scheint  zuerst  die  VidljJllirigkcit  mit  dem  Eintritt  der 
Welirfühigkeit  gej-eben.  In  der  Zeil  der  Rechtsdenkmüler  jedix'h  ist  sie  an 
einen  bestimmten  Altcrslcmiin  geknüpft,  mit  dem  man  >zu  seinen  Jahreii';  kam. 
Der  frülicste,  welcher  vorkommt,  ist  der  zurückgelegte  zehnte  Winter  nach 
kentischein  R.  Und  auch  das  dilmaiM:he  R.  des  15.  Jahrh.  gehl  von  dem 
nämlichen  Tennin  aus,  indem  es  ihn  um  Jahr  und  Tag  verlängert  Viel 
verbreiteter  war  aber  schon  in  der  Frülizeit  das  zurückgelegte  12.  Jahr  als 
Mündigkeitstennin.  Jüngere  RR.  sdiiebcn  ihn  bald  mit  Bezug  auf  alle,  bald 
nur  mit  Bezug  auf  bestimmte  Geschäfte  bis  zu  einem  spatem  Lebensjahr 
liinaus.  Und  von  vornherein  wurile  ein  solches  angesetzt,  wenn  man  eine 
Volljährigkeit  von  Weibern  anerkannte. 

§  70.  Charakteristi.-«  Ii  für  den  vermögensrechtlichen  wie  für  jeden  andern 
germanischen  Vertrag  war  seine  Form  (on.  skui).  Nur  in  ihr,  die  eine  ge- 
setzlich bestimmte,  vermochte  er  die  beabsichtigte,  dann  aber  sogar  mehr 
als  die  beabsichtigte  Wirktmg  zu  erzielen.  Wie  bei  den  formslrengen  Prozess- 
handlungcn  (^  87)  sollten  audi  beim  Vertrag  durch  die  Form  die  Erkenn- 
barkeit und  Kundlichkeit  des  Hergangs  gesichert  werden  und  dem  Bedürfnis 
der  Redilsgleithheil,  aber  auch  dem  ästhetischen  Sinne  des  Volkes  Genüge 
geschehen.  In  jüngerer  Zeit  mischcji  sich  auch  polizeiliche  und  finanzpolitische 
Gesichtspunkte  ein  und  erhalten  <\Atx  erneuern  das  Formenwesen,  wo  es  bereits 
\'om  eiligeren  Gesdi&itsleben  als  bescliwerlidi  empfunden  oder  gar  aufgegeben  ist. 
Vor  allem  mussten  nach  dem  bis  in's  13.  Jahrh.  herrschenden  Prinzip  die 
Kontrahenten  das  ganze  Geschäft  in  eigener  Person  absdilicssen.  Femer 
musstc  nacli  rein  german.  R.  der  Vertrag  hOrbar  und  sichtbar  sein.    FQih 


N 


erste  bedurfte  er  aLsn  der  mündlichen  Rede.  Diese  hatte  sich  oftmals  in 
gesetziicher  W'ortfomicl  (wn.  i^gmül)  zu  bewegen,  die  durch  Keim  und 
metrisLhc  Fassung  so  cindTinglicti  für  den  Hörer  als  widerstandsfähig  gegen 
Eiiuiellung  gemacht  war,  dur<-h  Häufung  der  Ausdrücke,  insbesondere  durch 
Tamoli")gie  und  negativen  SchUis^satz  dem  Inh.-ilt  des  Geschäfts  von  allen 
Seiten  beizukommen  und  sducr  Wichtigkeit  die  Feierlichkeil  anzupassen 
strebte.  Und  buchstäblich  wurde  das  Wort  ausgelegt,  soweit  nicht  ein  für  alle 
Male  sein  Sinn  rechtlich  feststand;  »man  nimmt  den  Mann  bei  seinem  Wort«. 
Darum  spielt  die  Irrtunulchre  [anders  als  die  vom  Zwang)  eine  geringe  Rullc 
im  german.  Recht.  Zu  sehen  aber  ist  das  Geschäft  unmittelbar,  wenn 
Saclibc^l2  Qbertra^n  werdeii  soll  und  dies  durch  köqiedidie  Cberji^ilK:  der 
Sadie  geschiehL  Das  Ve^rfahren  dabei  ist  reclitlich  festge-stellt,  wenn  die 
Besitzübertragung  Zwecks  Rechtsilbertnigmig  erfujgt:  Fahrhdbe  muss  stets 
eingehändigt  werden  und  zwar  Schcnkungshalbcr  in  bestimmter  Weise  (z.  B. 
ein  Ring  mit  Schwertes  oder  Speeres  Spitze  dargeboten  und  empfangen  unter 
M^menil.  und  ebenso  in  der  Frtlhzeil  ein  Grundstück  aUemal,  indem  der 
Obergeber  Teile  aus  demselben  aushebt  und  dem  Erwerber  in  die  Hand 
oder  in  den  hingeiutltetien  Rückschuss  legt  (on.  sköintnf;.  wn.  skun/iNi;.  mlaL 
icotalio).  Ausserdem  mu&ste  der  Cbcrgeber  den  Erwerber  um  die  Grenzen 
des  Grundstacks  füllten  (skand.  {uHi/etf),  auf  dass  dessen  Grösse  und  Lage 
genau  bestimmt  sei,  und  dami  selber  feierlich  herausgehen  (älteste  Auf- 
lassung), etwa  auch  noch  sein  Feuer  auf  dem  Herde  li'ischen.  Hinige  Rechte 
verlangen  überdies,  dass  der  Krwerber  bestimmte  Besitzhand lungcn  auf  dem 
Grundstück  vornehme,  z.  B.  Feuer  anzünde.  Gaste  bewirte  oder  doch  wenig- 
stens auf  »dreibeinigem'  Stuhl  sitze.  Jüngeres  Recht  zerbröckelt  dieses  um- 
slilndliche  Verfaliren  und  gestattet  Abbcevialuren.  su  dass  z.  6.  der  blosse 
Grcnzbegiutg  die  Eiidiäiidigung  des  Grundstücks  oder  imigekehrt  diese  jenen 
mit  vertreten,  die  köqierliclie  .■\un;).ssung  durch  eine  blosse  .\uflas.sungs- 
crklSrung  {st  exiium,  sr  abunilum  lUtcre  nach  Vorbild  der  roin.  missin  in 
vacuam  possessionem)  ersetzt  werden  kann.  Zu  einem  scidien  Verwittern 
der  Formen  kommt  c5  namentlich  leicht,  wenn  die  Sahmg  nicht  mehr  auf 
dem  Grundstück  selbst  vor  sich  geht  und  ein  Bcsitzraumungsvcrtrag  (oben 
S.  i8(>)  die  Bcsitzübertragimg  erseixt  Ferner  bildet  sich  in  deuL  RR.  nach 
dem  Vorgang  des  frilnkischen  und  im  norweg.  R.  der  Grundsau  aus,  dass 
die  zur  Rcditsübcrtragimg  gehörige  Besitzübertragung  durch  ein  exekutivisches 
Verfahren  ersetzt  wer<len  kann  oder  gar  muss.  Es  besteht  entweder  tiarin,  daxs 
auf  Grund  von  Salung  imd  Auflassungserklämng  der  Richter  das  Gut  ein- 
zieht  und  dem  Erwerber  ausantwortet,  oder  darin,  dass  auf  Grund  der  Salung 
durch  ein  Gerichtsurteil  die  einseitige  Besitzergreifung  des  Erwerbers  1^- 
timicrl  wird.  Das  crstere  ist  der  wesentliche  Vorgang  bei  der  von  Neueren 
ab  gerichtliche  .\unassung  oder  Fertigung  bezeichneten  gerichtlichen  Inve- 
stitur des  fränk.-deut.  R.,  die  in  ihrer  ursprünglichen  Gcstah  der  ricliteriicheii 
>StAtigung>  mittels  Kfinigsbannes  oder  des  -Friedewirkeiw«  über  das  Gut, 
d.  h.  der  obrigkeidichen  Beschlagnahme  bedarf  und  vorgenommen  wird,  teils 
mn  dem  Erwerber  nach  Jalir  unil  Tag  die  rechte  Gewcre  |«»ben  S.  180) 
gegen  Einsprurhsbefugie  zu  verschaffen,  teils  um  die  unter  Umständen  er- 
/urdcrtc  obrigkeilhche  Zustimmung  zur  Rechtsübertragung  zum  Ausdruck  zu 
bringen.  Das  zweite  ist  der  wesentliche  Vorgang '  der  norweg,  siayting  durch 
Waffenrühren  {fäfinaiakj  der  Thiiigleute,  nachdem  der  Erwerber  von  den 
Hauptteüen  des  Grundstücks  >£rde  genommen«  Itat.     Handelt  es  sich  nun. 

1  Thm  K,   I.<>hm3[in  in  Z^br.  f.   RG.    1884   S.   946*.   teilwebe   falsdi   sdiilden   und 
omsventcbt,  iBileai  et  von  «sjmnboUfldia  InvesUiurt  redet. 


i88 


IX.  Recht.    B.  Altertümer. 


aber  nicht  um  Besitzübertnigung  oder  um  Auflassung  an  kftrperliclien  Sachen, 
kann  also  das  Geschäft  nicht  unmittelbar  gesehen  werden,  so  wird  es  dem 
Auge  wahrnehmbar  mitteb  des  Symbols.  Die  Sprache  verlangt  nach  Unter- 
stützung thirch  die  Geberde,  uud  zwar  um  so  dringender,  je  wen^er  sie 
selbst  im  Stande  ist,  abstndcte  Dinge,  wie  z.  B.  ein  Recht,  eine  Obligation, 
genau  auszudrQcken.  Unter  den  Üegfriff  der  Geberde  fallt  das  Symbol  und 
als  blosses  Zeiclicn  für  diis  Abstrakte  ist  es  der  Metapher  analog,  auf  welche 
die  Sprache  ange«'iesen  xu  sein  pflegt.  Die  einfachsten  Symb<ile  sind  die, 
welche  der  Mensch  an  seinem  Leibe  trügt.  Das  Recht  verwendete  von  den 
Lcibcsgliedcni  hauptsadiüch  das  urganmn  urganorum  die  (rechte)  Hand  zum 
Symbol,  wc  ja  auch  die  Wortfonnel  su  oft  von  der  Hand  redole,  wo  sie 
ein  Recht  meinte.  Mittels  der  Handreichung  (likand. /cj^i?  i  hand  manni,  wn. 
hands^l)  wurde  in  allen  L.1ndem  germanischer  Zunge  die  »Treue  gegeben< 
imd  »genommen«,  und  darum  insonderheit  ist  die  Handreichung  der  s>Tiibo- 
lische  Akt,  wodurch  Personen  sich  haftbar  machen,  indem  sie  die  nicht  mehr 
reell  vollzogene  Vergeiselung,  die  Selb-siveri">f3nduug  verslnnltrht.  Wohl  nur 
eine  Abbreviatur  dieser  Handreichung  liegt  vi.>r,  wenn  nacli  eiiugen  deutschen 
Rechten  mittels  einer  streckenden  Fingerbewegung  Gcwiihr  angelobt  wird. 
Dagegen  ist  nicht  von  der  Handreichung  ableitbar  die  schnellende  Kingcrbcwe- 
gung,  wodurch  man  nach  sadisischem  Rei.'hl  einen  Verzicht  ablegte.  Aber 
nicht  immer  reicht  die  Hand  allein  aus.  Sie  muss  dann  ein  Gerat  zum  Wahr- 
zeichen halten,  darbieten,  aufnehmen.  Das  meist  verbreitete  ist  der  kurze 
Holzstab  (on.  tm,  \n\n\.  fesiuca) ,  oder  die  Rutt-,  die  später  wohl  auch  durch  einen 
HaJm  vertreten  werden  kann  und,  wenn  blass  vom  Sprecher  einer  Formel 
gehalten,  deren  Emstlichkeit  uud  Stätigkeit,  —  wenn  überreicht,  wieder  die 
ScIbstverpfAndung  (lat.  vaäia^  T>adium,  vgl.  oben  S.  182  das  Wetten^  symb<^- 
lisiert.  In  hddnisclier  Zeit  bezaubert,  in  frühchristlicher  bc-iegnet  und  einem 
Bolen  mitgegeben  dient  der  Stab  zu  dessen  Legitimation,  gleiclniel  ob  der 
Bote  mit  oder  ohne  Gewalt  ausgestattet  i^it,  \md  auf  diesen  Botenstab  gehen 
alle  Amtsstabe  zurflck,  vom  Wcibcl-stab  bis  zum  Herrscherstab.  In  den  bci()en 
letzten  Funktionen  erscheint  anstatt  des  Stabes  oder  neben  demscll>eri  nach 
deut-schen  Rechten  der  Handschuh.  Ursprünglich  scheint  dieser  die  Hand 
selbst  zu  vertreten.  Uccasionell  aber  wird,  und  zwar  in  deut.  RR.  schon 
bald  nach  der  Völkerwanderung,  der  Handschuh  zum  Wahrzeichen  des  Be- 
sitxeSr  der  »manus  vestita«,  wie  ja  auch  als  Metapher  des  Br«tzes  ein  Wort 
dient,  welches  Bekleidung  bedeutet  (S.  179).  Man  kaim  also  den  Besitz 
einem  Andern  einrJlumen  oder  auf  den  Besitz  verzichten  durch  Überreichen 
bezw.  durch  Wegwerfen  eines  Handschuhs.  Vg],  auch  oben  S.  125.  Hoheits- 
rechte als  Lehen  Subjekte  werden  durch  Abzeiclien  des  Gewalttrügcre  symbo- 
lisiert und  ganz  besonders  erfinderisch  zeigt  sich  hierin  das  deuL  MA.  Lber- 
haupt  aber  ist  die  Symbolik  des  südgerman.  Vermögensrechts,  selbst  abge- 
sehen vtm  ihrer  Partikularisienmg,  eine  viel  reichere  als  die  des  nordLschert. 
Nicht  nur  macht  jenes  den  H au ptsym boten  noch  eine  betrachtliche  Zahl  vr.n 
Ncbaisyuil-Kilen  (/..  B.  dem  zu  zeichnenden  Stilbehen  das  Messer)  dienstbar, 
sondern  es  verbraucht  auch  die  Symbole  rascher,  so  dass  es  die  hen*nr- 
gcbrachten  oft  durch  neue  zu  ersetzen  strebt  —  Dass  das  Geschäft  bloss 
hörbar  und  siclitbar,  genügte  dem  ältesten  Recht  anscheinend  nur  in  Aus- 
nahmsfallen,  wenn  es  ihm  einmal  auf  die  Form  ankam.  Vielmehr  musste 
das  Geschäft  wirklich  gehört  und  gesehen  werden.  Diesem  Zweck  diente 
das  Zuziehen  von  Zeugen ^  die  zum  Sehen  und  Hören  aufgefordert  sein 
mussten  {^  S9),  derer  Zald  mit  der  Wichtigkeit  des  Geschäfts  w.-irhsen 
konnte.      In    kontinental  deutschen   Städten    wurden    solche   Urkundsmflnncr 


unter  dem  Namen  vnn  »tjenanntcn«  oder  »Gesrliworenen«  stdnüi^  aufgestellt. 
Eine  analugc  Einrichtung  v/ai  in  Euglaiid  schon  unter  K.  Eudgär  (um  962) 
al^emein.  Zeigte  skh  die  Rwhtsgejiosscnsrhaft  scilwt  an  dem  riescliSft  in- 
teressiert, so  muüste  dieses  in  der  GerJchtsversanimlung  udcr  einer  gleich- 
wertigen Vcrsanunlung  %>  »rRt-ni  >mmen  oder  wcnipstens  verkündigt  werden. 
Du  asm*.  R.  verlangte  bei  einer  Gruppe  wichtigerer  (Jesrhafte  die  'Festi- 
gung* {ßest),  d.  L  ein  Festätellung:iurtei),  wctdics  von  einer  Anzahl  von 
Festigem  tfaslar)  imter  Vorsprurh  (forsiiai)  eines  derselben  Über  den  Vertrag 
abzugeben  war. 

Von  den  Finnen  der  GesehUfte  zu  unterscheiden  smd  die  Mittel  zu  ihrer 
Besl.irkunfi.  Hiezu  dienen  feicrliihes  Treuegelobnis,  wie  die  wn.  //r^vÄr, 
ftry^Tar),  dann  jjnimissuriM;hcr  Eid  und  Evsekration,  j^eineinsunies  Essen 
und  Trinken  der  Kontrahenten,  wudurrh  iliose  ihre  Einiratht  an  den  Tag 
legen  und  wovon  im  spiltmitteUiltcrlicheii  Deut5ehhnnl  der  jtHnrin  em  Cbcr- 
rest  ist,  nach  Au.sbildung  koni^ticher  Herrsche cgewalt  aucli  der  K6nigsbrief, 
der  eine  Stnife  auf  Venragsbnirh  setzt.  An  sich  vnn  der  Fonn  entbunden 
scheinen  die  RealvertrUge.  Sie  fallen  .sflmtlich  unter  den  Begriff  der  Gabe 
mit  Auflage.  Die  Vorleistung  wird  nicht  gemacht,  um  zw  crfflltcn  sondern 
um  den  Nehnicr  zu  veqiflichten.  Oftmals  geradezu  eine  ^Gabe^  geheissen 
unterscheidet  sie  sldi  von  der  gewöhnlichen  gennan.  Gabe  (^  Schen- 
kung) nur  dadiircli,  da-^ä  ihr  Lohn  schon  vom  Geber  bestimmt  ist.  In  ge- 
wiisen  Vertrügen  ist  sie  selbst  vom  Gesetz  bestimmt  iu»d  pflegt  dann  einen 
veHi3ltnb<mas5ig  geringen  Wert  zu  repräsentieren,  kann  z.  B.  in  einem  blossen 
»Fesligungspfcnnig<  bestehen.  Als  der  Nehmer  aus  dem  Vertrag  unmittel- 
bar fOr  Eifollung  der  Auflage  haftete,  nalun  dieses  Drangeid  (mhd.  behf/luttgr^ 
kantnunjt),  allerdings  da.^  .-ViLtsehen  einer  Formalitlt  an  und  wurde  dann 
(hauptsächlich  in  DcuLicliland)  von  ^V':^  Kttntrahenten  und  den  etwa  zuge- 
xogencn  Zeugen  als  'Wein«-  oder  »Leitkauf«  vertrtinken  oder  als  »Gottes- 
gdd*  oder  »Heiliggcistpfenuig«  dtni  jVrincn  gegeben. 

§  71.  Ein  tiefer  Einbruch  in 's  altgerman.  System  der  Geschäfte  wurde 
gemacht,  als  noch  vor  Sdiluss  der  Völkerwanderung  die  Südgermancn  aus 
dem  römischen  Verkclirsrcrhi,  im  MA.  die  Skandinaven  aus  dem  deutschen 
das  Schriftwesen  übeniahinen.  Die  Willcnserklilrimg  des  einen  Kontra- 
henten wird  geschrieben  mid  das  Schriftstück  <jder  doch  sein  Material  von 
ihm  dem  andern  Kontrahenten  gegeben.  Auf  diese  Weise  wird  die  Willens- 
erkl^lning  selbst  abgegeben  tmd  angenuiruucn,  d:is  Schriftstück  \(arta  i.  w.  S., 
goi.  bükÖs,  ags.  fries.  hök,  ahd.  bunh)  oder  der  »Brief-«  (erst  im  i>  Jahrb. 
urkuttri)  zur  disptisitiven  oder  Ges<  liJiftsurkunde  {i-aritt  i.  e.  S.,  Ustnmtntum. 
epmoia)  im  Gegensatz  zur  einfachen  Beweisurkunde  [ftofitin,  memomlonum, 
brtrt).  Land,  dessen  Übereignung  im  Weg  der  Bricfbi'gebung  erfolgt  ist, 
hicss  ags.  und  fries.  bökland.  Die  Begebung  der  Urkunde  gehl  nach  afrilnk. 
R.  vor  sich,  bevor  das  Pergament  beschrieben  ist»  bei  den  I^ngobardcn, 
nadidcm  der  Text  wenigstens  teilweise  geschrieben  und  bevor  die  Urkunde 
vtjllziigen  ist,  ebenso  bei  den  AngeUachsen,  wenn  der  Urkundengeber  der 
Aussteller  ist.  Es  konnte  jedoch  die  ogs.  Urkunden begebung  \bik  syfian) 
beim  Übereignen  von  Liind  auch  rnit  der  carta  pnmiiii<a  (libcr  antiquusf  tl.  h. 
mit  der  Urkunde  gesi'heher,  welche  beim  ersten  schriftlichen  Cbereignimgs- 
ct  ausgestellt  worden  war.    Im  Folgenden  will  nur  von  den  Füllen  die  Rede 

1,  wo  der  Urkundengeber  der  Aussteller  wt,  da  er  die  Urkunde  schreiben 
Ia»t  {fifri  rogai,  j'ubelj.  Die  Begebung  konnte  nach  franlc-deuL  R.  der  Früh- 
xdt  nur  in  einer  Form  geschehen:  der  Urkundengeber  legte  das  Schreib- 
material auf  den  Bodon  und  hob  es  von  hier  auf  icarlatn  lavtrr),  xxm  es  dem 


Schreiber  hinzureichen;  narhHcm  dieser  das  AktenstdcL  geschrieben,  fllK'rjab 
CS  der  Urkundt'j lieber  dem  Nduner  zu  eigen.  Die  Notweiidigkeil  jener 
levatio  wird  daraus  erklärt,  dnss  ursprünglii-h  das  levare  nur  bei  Ül>ereignuiig 
vcrn  GrundslüiScen  sUittf.'ind  und  dass  bei  diesem  Geschäft  das  Schreibmaterial 
mit  dt!n  Symbolen  von  Grund  und  B(Klen  verbunden  war.  In  Rhilüeu 
wurde  die  carta  vom  Geber  dem  Nehmer  zugeworfen,  weil  sie  den  Stab 
vertrat.  Auf  dieses  Aushändigen  der  Urkunde  durch  den  Gelwr  oder  aber 
auf  ihre  Aushamiigimg  durch  den  Schreiber  an  den  Destinatar  bezieht  »ich 
das  'i/a/ttm'  der  »Daücrimgszeile«  k'intineiit;iler  Urkunden,  im  Gegensatz 
zum  xictum-,  worunter  das  beurkundete  Gescliilfi,  und  ^scriptum»,  worunter 
die  Herstellung  des  ScliriflstÜcks  zu  verstehen  ist.  Von  Angabe  des  Kanzlei- 
personals ist  die  dispositivc  Kraft  der  Urkunde  nicht  bedingt.  Nennen 
iangobanl  oder  atlfrflnk.  Urkunden  den  notarius  oder  cancellarius,  jene  auch 
noch  den  dictator,  diese  den  Rewignuscentcn,  .»h)  gcsduchl  es  nur,  um  eine 
Bflrgschaft  für  die  F-chtheit  der  Urkunde  zu  beschaffen.  Dagegen  miissie 
die  disposiüve  Urkunde  vom  Geber  »gefestigt!  werden  (finnafio^  rof'omtio, 
stipulatia,  ahd.  f<isti.  faslinSd),  was  durch  Unterzeichnen  oder  durch  Hand- 
auflage  (ahd.  handfesti)  geschah.  Die  Fassung  des  Textes  ist  meist  subjektiv 
und  bedient  sich  dann  regelmässig  in  ihrer  dispositio  des  Prtlscns,  in  Eng- 
land des  Tutur.  Oljjektive  Fassung  pflegt  das  Präteritum  anzuwenden. 
Zeugen  sind  b«  der  fllicni  Gcsthaftsurkunile  notwendig.  Dass  sie  die  Be- 
gebung ge-Sehen,  beurkunden  sie.  indem  auch  sie  die  Urkimde  ^festigen«. 
Die  dispositive  Urkunde  hat  bei  den  Südgermanen  die  altnationale  Form  der 
Geschäfte  erschüttert,  insbesondere  die  der  Salimg  und  der  Investitur,  indtm 
sie  teils  <lic  gcrman.  Formen  verdrängte,  teils  sich  mit  ihnen  verband  und  sie 
dadurch  schwächte.  Zuerst  mtisstc  der  dispusilio  in  der  Urkunde  noch  die 
möndlichc  Rede  des  Gebers  entsprechen.  Bei  den  Angelsacliscn  wurde  sie 
schon  durch's  Vorleben  des  Textes  ersetzt.  In  Deutschland  und  in  Skandi- 
navien fallt  wahrend  des  MA.  die  Mündlichkeit  ganz  fort.  Die  Handfestigung 
geschieht  jetzt  durch  AidiSngung  cle.s  Siegels.  Das  Zeugnis  wird  unwesent- 
lich. Diese  \'e Minderungen  wirken  zurück  auf  den  gesamten  Charakter  des 
Geschäfts.  Wird  nämlich  in  der  Urkmide  dem  Inhaber  ^Is  wilclu-m  ver- 
spr<Jihen,  so  wird  das  Geschäft  seinem  Wesen  nach  ein  einseitiges  des  Aus- 
Stellers;  nicht  mehr  auf  einen  Begebungsakt.  sondern  nur  noch  darauf  kann 
CS  ankommen,  dass  der  Aussteiler  die  Urkunde  irgendwie  aus  seiner  Gcw-alt 
verloren  hat  (vgl,  oben  S.  185).  Im  MA.  erhalt  sich  die  dispositive  Urkunde 
vorzugsweise  nur  als  Schuld-  und  als  Stiftungsbnef.  Dagegen  wird  nunmehr, 
und  zwar  zuerst  vom  dcut  Stadtrecht  (12.  Jahrb.,  KTiln),  die  öffenüiche  Be- 
weisurkunde in  den  Geschaftsforraaüsmus  aufgenommen.  Diese  Urkunde 
vfiid  vom  Gericht  (oder  von  dem  an  Gerichtes  Statt  auftretenden  Rat)  über 
das  vor  ihm  oder  unter  .^leincr  Mitwirkung  abgesiblossenc  Geschäft  ausgestellt 
und  verwahrt.  Sic  ist  Gerich tszeugiiis  (vgl.  §  8q  a.  E.)  und  genügt  in  der 
Form  eines  Protokolls,  welches  zuerst  auf  Rollen  oder  einzelnen  Blfltteni 
(Haviptbeisp.  die  'Kölner  SrhreimurkundeH  <üs  tj.  Jahrin. <>  her.  v.  Hocniger 
in  den  Publ.  der  Ges.  f.  Rhein.  Gesch.  1, 11  1884 — 95),  sj>aier  im  Gerichls- 
(Siadi-,  Gedenk")  Buch  geführt  u-ird.  Das  Gerichtsbuch  ist  Grundbuch, 
wenn  es  nur  dem  Iinmubiliar\-erkehr  dient  und  nach  den  Liegenschaften  des 
Bucbbezirks  eingeteilt  ist.  Bei  Geschäften  über  Liegenschaften  wurde  der 
Hui'heinlrag  zur  Form  erliohen.  Die  Folge  davon  war,  dass  die  •gerichdiche 
Auflassung«  (tiben  S.  187I  ihren  selbständigen  Wert  einbüsste,  der  Rethts- 
■Übeigaiig  mittels  des  Bucbeintrags  allein  l>ewirkt  wurde. 


I 


5-  VermOcbk:  GbschAktsformev.  —  6.  Verbrechen. 


191 


6.  VERBRECHEN   USI>  üTRAFEK. 

Litcnlni  bei  Schrödi-r  I^hrb.  %%  i2,  36.  62,  Siegel  RG.  S.  484—518. 
Brunncr  RG.  t  §$  31,  23,  II  $g  64.  65,  114.  124—146  tuu)  in  Ht>lt/cn(t«rfT 
W  S'  "•  T'  Genglcr  Gruniln»  S.  359—3^8.  I>iu;ti:  Teil  inj;,  Otvnfr  i^r^n 
va»  »ni/^rmttnnsth  ilrufrrgt  in  lU  Oermania  sau  Taritus,  v.  Amira  in  GAtI, 
ßca.  A.  18H8S.  33— 54umä  im  Olierhaicr.  Aruh.  XXXII  S.  263  —  383,  A,  Lfifflcr, 
D.  SthuldforatcH  des  StrafrrchtsX  {1895)  S.  32— 44.  113—136,  —  K.Maurer 
in  Kl.  Vjschr.  V  {1863)  S.  301—311,  Franklin,  /).  Reüksho/gfrüht  im  AfA. 
U  S.  330—384.  V.  Richihorcn.  Unters,  ü.  frin.  RG,  I  T.  3  S.  453%..  498 
— 51  I.V.  Planck,  ^VryrA/jirr/VfArcn  Ilf^  143.  139,  Frcnsdorfrinhufir.  Auftaue 
».  And.  an  Wuu  S.  4i)0 — 490,  Seh  teuer, />.  A-Ar/nd'^.  <ürr  i'frbrechfruktiHkurrfni 
t'H  »Uh  mtsrtihtfti  1896,  II.  Knapp,  />.  aUf  Xürnbrrfftr  KritHiHnlretht  1S96, 
Luppe.  Jititr.  t.  Toätu  hlaxfftfit  Lübnki  im  MA.  l8g6,  SlObcr,  I'er  Klapper* 
stein  Hebst  •ViHlithett  Strafarten  etc.  (2.  Aufl.)  1876,  Stephen,  A  hiü.  af  the 
crimitt.  iaw  of  Engtanä  I  p.  5t — S'>>  Cannaert.  Bydragen  tot  de  kenitn  van 
tut  oude  Stra/reihl  in  Viaenderfn  1835.  —  Roicnvingc  §§  24,  25,  65 — 70, 
113 — iij,  Larscn,  /•'oretasnntger  S.  205 — 285.  Slcmann  XJJ.  §§  101  — J 13, 
MaUen,  foret.  Offenti.  R.  W\,  V.  Hasse.  D.  Quellen  des  Bipenrr  Stadt reckti 
1883  S.  t3— 36  {dazu  aber  auch  Sccbcr  In  Hist.  liJaskrtfl  Kjitbi-nh.  ifiSj  S. 
480  ff.),  M.  Papprnlieini.  D.  attdän.  Sehntzgildea  1885  S.  82— io2,  322—407, 
—  Schrevelius,  Ife prtmipiii  Ugislationii  porneiin  »*ojorutn  I — V'III  1833 — 3^ 
(Lund),  Brinjj,  t)t  judina  homitidii  ur.  jura  Suignthiae  vettala  (IauuI)  181O, 
Schlyier,  Jur.  Aßiandl.  1  S,  55  —  113,  H  S.  284  —  393,  Olivecrona,  Om 
dadsifroffrt  1801  S.  V— XIV,  1  —  9,  J.  Tdrsnian.  Grumirrna  fOr  laran  om 
detaktighet  i  brott,  Hflsingf.  1879  S.  34—34,  Dcrscil«  an  dem  S.  l6g  angef.  O., 
BjOrlin)*,  OtH  bölesstraffrt  i  den  iirnsin  inedetudsrätten  1893,  v.  Anttra,  Xord- 
gtrmejn.  Oblig.  R.  I  §§  18,  54—58.  91,  93.  II  §§  II,  13,  43—47.  »^  I>crselbe 
in  Genn.  XXXII  S.  139-^164,  M.  Pjppenhcini.  Ein  aititaneeg.  SihNligiUte- 
Statut  S.  80—98,  —  K.  Maurer,  D.  ällettt  Ihfreeht  des  Nordens  S.  31—29, 
S'>  — "3.  118— 131.  K.  Lehmann,  Ü.  KSntgtfriede  %%  4—6,  14,  16.  20—2} 
und  AntulI^>. 

§  72.  Das  Verbrechen  ist  und  hcisst  ein  »Bruch  des  Friedens«  (wn. 
/ri/JbTvt,  on.  fripbrui,  da:;u  hr\la  frifi  =  den  Fric<lcn  brechen,  africs.  ihine 
fretko  hreka.  mhd.  vndehmth.  aj«;.  ^t^ryce)  und,  da  der  Friede  durchs  Recht 
her^^lcllt  ist,  ein  'Rcchtsbruc:h*  (an.  la^abrol,  Iq^rot,  asw.  laghabnil,  ags. 
lahhryct)  oder  » F.inbrt-rhen  ins  Recht«  (asw.  hrvta  i  lagh\  ein  »Bruch«  (nn. 
hrvt)  oder  ein  Brechen«  (fries.  hreka]  vun  Rechtsgebuten  oder  Verboten,  ein 
»Schlitz  ins  Recht«  (on.  laghslit),  ein  i'Unrec.ht*  (fries.  tinriuchl,  mhd.  nuid. 
ungmAte,  w-n.  üsh/),  eine  vVerfehhing  gegen  das  Recht«  (an.  lagalfstr).  Auch 
die  Grundbedeulun);  von  hÜbel«  (=  Übertretung)  stbeint  hierauf  zurück  zu 
gehen.  Angerichtet  wird  der  Friedrnshmch  durch  eine  »Schädigung  von 
GOtem«  (un.  sjtaßi),  welche  nicht  bloss  körperliche  noch  auch  bloss  Rechte 
von  Leuten,  s<.>ntlcrn  auch  sittliche  NurmalgeseUe  sein  können,  wiewuhl  nicht 
jede  Cbertretung  eines  solchen  ein  Verbrerlicn  i.si.  AltemHl  aber  ist  dieses 
eine  »That*  und  daher  eine  Misse-  oder  Ühelthat  (ahd.  /uissität,  ags.  misditd, 
got-  miimdediy  wn.  misgerninfi,  misf^erit,  on.  schlechtweg  f^irniing,  g'ftf>,  —  got. 
frm'üurhts.'AWX.  fratät,  mhd.  nntSl,  —  ahd.  ttbiität)  und  genauer  nach  dem  Hitem 
Recht  ein  »Wehthun«  (got.  vatdeds),  was  nicht  ausschliefst,  dass  ein  Unteriassen 
Verbrechen  sein  kann.  Kommt  es  ursprflnglich  beim  Friedeasbruch  einerseits  aufs 
Vollenden  eines  Schadens  an,  so  dass  auch  der  böswilligste  Versuch  als  solcher  kein 
Verbrechen  ist,  so  wird  anilerorscits  auf  die  Bc.st'h  äffen  heil  des  Willens  Gewicht 
jdegl,  mit  dem  jener  schädliche  Krfulg  in  Kau.salzus;innnenhang  stehen  inuss. 
Es  ist  in  Bezug  auf  die  reuhdichen  Folgen  ein  scharfer  Gegensatz  zwischen 
absichtKchcn  und  unabsichtlichen  Ohcithaten,  —  skand.  viiiaverk  (ifaldn^rij 
und  va^veri,  —  fries.  n-eldirb  drde  und  unurUirft  d/de  (entspr.  ags.  n'iilrs 
im<l  umvilfes,  gnctatda    und    uttgtweaides,  paucn    und    unpaners,    nihd.   mnd. 


J92 


IX.  Reckt.    B.  Ai.tertOmhr. 


dankts  imd  Undankes).  Bei  den  ersleren  ist  die  Absicht  (skand.  viU,  tva/d^ 
frics.  willc,  ags.  gnrea/d,  ahd.  uind.  danc)  des  Thatcts  auf  den  schädlichen 
Erfolg  gerichtet,  daher  selbst  schon  »Gcfähnle«  (ahd.  /ärti,  mhd.  r-rf/r),  »üble 
Klugheit«  (mhd.  arc/is/,  mnd.  ar/>r/ts/)  und  »Vennesscnhcit'  (ahd.  fravUi,  mhd. 
mnd.  vrtvcie,  tat.  Übers.  temaiUis),  welche  sich  bei  Angriffen  auf  I-cib  und 
Habe  zur  ^Feindseligkeit'-  (an.  keipt,  alam.  *hoist,  vgl.  «-n.  hfiplui^n  hrndi, 
alam.  haistera  handi,  nilal.  astd)  spezifiziert.  Bei  den  andern  ist  der  üble 
Au-sgang  nur  Folge  eine.s  gefährlichen  Verhaltens  (skand.  vnpi),  aber  nicht 
selbst  beabsichtigt.  Daher  trügt  zwar  den  Scliaden  der  unabs  ich  dich  en  Übel- 
thut  dem  Prinzip  nach  stets,  wer  die  Gefahr  des  schädlichen  Ausgangs  ver- 
ursacht hat,  .sei  es  dass  er  für  Ersatz  oder  Vergütung,  sei  es  dass  er  für 
Genugthuung  einsteht;  aber  den  Frieden  z«  brediai  ist  wiederum  dem 
Prinzip  nach  eine  solche  Tkat  ungeeignet,  wenn  auch  dadurch  in  heidnischer 
Zeit  eine  ernstliche  Anerkennung  der  Blutrache  als  einer  Kultpfücbt  und  in- 
soweit allerdings  eine  Friedlosigkeit  des  ThStcrs  bei  unabsichtlichem  Todt- 
Rchlag  nicht  ausgeschlossen  Ut.  Anders  die  absichtliche  Missethat:  sie  i.st 
FrJedensbruch,  sie  krankt  die  Rechlsgenossenschafl  im  Ganzen  und  fordert 
deren  Gegcn.sth]ag  heraus.  Auf  ihren  jungem  Entwicklungsstufen  erst  nehmen 
die  gerraan.  Rechte  von  einer  ausnahmslosen  Durchfühnmg  dieses  G^en- 
satzes  Abstand,  indem  sie  einerseits  die  Icicliteslen  Fälle  der  absicliütchcn 
Cbcithat  aus  der  Reihe  der  Fried ensbrürhe  streichen,  andererseits  Falle  der 
zwar  nicJit  absichtlichen,  doch  fahrlässigen  Übellhat  den  letzteren  zugesellen. 
Auf  jungem  Stufen  fangen  sie  auch  ^n,  bestimmte  cinzchie  Tliatbestandc 
unter  dem  Gesichtspunkt  de.*;  Versuchs  zu  bestrafen.  Unter  den  deutschen 
Rechten  hat  zuerst  das  salfr;inkische,  unter  den  skandinavischen  das  islän- 
dische dic.se  Richtung  eingeschlagen. 

§  7J.  Was  nun  die  Merkmale  der  absiehüichen  und  der  unabsichtlichen 
Übelthal  betrifft,  so  haben  wir  natürlich  von  denjenigen  Frieden shrüchen  ab- 
zusehen, bei  denen  schon  iler  Begriff  der  That  selbst  die  Unabsiclitlichkeit 
ausschliesst,  wie  z.  H.  bei  Murcl,  Diebst;ihl,  Raub,  Notnumft.  Bei  den  andern 
Thatbestlüidcn  geht  das  Recht,  indem  es  der  leidciischafilichen  Enegung  dea 
Verletzten  und  Gekrankten  ein  Zugesiüminis  macbl,  von  dem  Prinzip  aus. 
Absichtlichkeit  anzunehmen.  Diese  Präsumtion  muss  erst  durch  bestimmte 
Thatsachcn  widerlegt  werden,  soll  die  Tlutt  als  uuabsiclitlichc  gelten.  Diese 
Thatsac)icn  sint!  cntw<'der  gewisse  ünistantEe  der  That  selb.st,  von  denen 
schon  das  Gesetz  feststellt,  dass  sie  die  Absicht  au*iscliUessen,  oder  aber  be- 
sondere nachträgliche  Handlungen  des  Tl:iäters,  mitmitcr  auch  des  Verletzten. 
Je  nach  Lagerung  des  Falles  kann  ein  imd  dasselbe  Recht  Iw-Id  jenen,  bald 
diesen  Weg  vorziehen.  Nach  keinem  der  beiden  Systeme  kommt  es  aber 
zu  einer  Analyse  des  individuellen  Falles,  .so  da.ss  möglicher  Weise  eine  That 
als  unabsichtliche  behandelt  wird,  die  doch  auf  den  schädlichen  Ausgang  an- 
gelegt war.  Nach  dem  ersten  System  muss  der  ThalbcstauU  unter  einen 
vun  nur  wenigen,  aufzahlbaren  Typen,  wie  z.  B.  Schädigung  eines  Menschen 
durch  eine  Tierralle  odcc  bei  gdahrlichen  Arbeitsleislungen,  gebracht  werden 
können,  wofür  die  Beweislast  den  Thater  trifft,  der  es  nun  alier  zur  Klage 
darf  kommen  lassen.  Das  zweite  System  findet  sich  wiedemm  in  zweifacher 
Weise  verwirklicht;  entweder  nämlich  —  imd  dieser  Richtung  folgt  insbe- 
sondere das  altsrhwed.  R.  —  hat  der  Thater,  bevor  es  noch  zum  Prnzess 
kommt,  ja  überhaupt  biiuien  sehr  kurz  bemessener  Frist  und  zuweilen  in 
demütiger  Form,  sich  zu  eidlicher  Enb*chuUligung  uml  zur  Gcimgthuung 
bereit  zu  zeigen,  allenfalls  'auch  der  Geschüdigie  zu  erklären,  dass  er  die 
That  als  unabsichtliche  gelten  lasse,  oder  aber  —  luiü  dieser  Richtung  folgen 


&.  Verbrechen:  ThAtek.    Willk. 


«93 


k 


insbcj«ondcTc  die  dculsrhen  Rechte  —  der  Thater  hat  auf  voiga^ngige  Klage 
hin  sdnc  Absicht  eidlich  zu  leugnen,  ao  dabs  die  Kutsch uldigung  lu  den 
Prozess  hinein  verlegt  ist  Die  letztere  Richtung  ist  wie  die  müdere,  so  ver- 
mullicJi  auch  die  jOngere.  Die  eine  wie  die  andere  aber  setzt  voraus,  dass 
der  sichtb^ire  Tliatbestand  unter  einen  Typus  fültt,  weldicr  den  Mangel  der 
bOscn  Absicht  wahrscheinlicli  macht,  vne  ?..  B.  bei  Tmitung  «Kler  Leibes- 
verlei2ung  durch  Fehlschiessen ^  misslungenen  Kuren,  Schaden,  die  man  nach 
EflckwÜrts,  uline  umzuschauen,  anrichtet.  Eine  im  Lauf  der  Zeiten  an  Reich- 
tum 2U-,  an  Obersichtlit  hkeit  abnehmende  Kasuistik,  mit  eigener  Termino- 
logie,  üudu  diesem  Gesichtspunkt  gerecht  zu  werden. 

§  74.  Es  sind  nicht  immer  nur  Menschen,  denen  absichtliches  Ülielthun 
zugeschrieben  wird.  Im  AIA.  wenigstens  findet  sich  fast  in  allen  gemian. 
Landern  der  Gebrauch,  Haustiere  wie  Menschen  zwar  nicht  prozessual 
verantwortlich  zu  machen,  wohl  aber  hinzurichten,  wenn  sie  Menschen  ge- 
tötet i.Klcr  schwer  verletzt  hatten.  Dieses  Verfaliren  ist,  vcTmittell  dmch  die 
zuerst  wohl  in  Frankreich  und  England  ausgebildete  Knnfiskaiinn  srliaden- 
sti/lendcr  Haustiere  und  unter  Anlehnung  an  unverstimdene  Kultvorscluiflen 
des  Musaiseben  Rechts,  an  die  Stelle  einer  bloss  pn%'atrechtJichen  Rache 
{vgl.  oben  S.  183)  getreten.  Noch  weniger  mit  gemiaruschem  Strafrecht  zu 
thuii  liatten  die  bald  welUiclien  bald  kirchlichen  Prozesse  und  Malcdictionen 
(s<»g.  Exkommunikation)  gegen  Ungeziefer,  wclclics  dadurch  von  Grundstücken 
vertrieben  wcr^len  .suUte.  Sie  sind  wahrscheinlich  aU  Umbildungen  eines  aus 
dem  Heidentum  stammenden  Zauberbanncs  gegen  Wiedergliiger  und  Dämonen 
aufzufassen.  —  Bleiben  vdi  nun  beim  verbrecherischen  Willen  des  Menschen 
stellen,  so  setzt  Jener  Reclitsfahigkeii  des  Thatcrs  ursprünglidi  nicht  prin- 
zipiell voraus.  Auch  Unfreie  alsi.»  können  den  Frieden  brechen,  ftiewohl 
nicht  friedlos  werden  (Ü  77).  Erst  jüngere  Rechte  sprechen  dem  l'nfreien 
die  Fälligkeit  zum  Friedensbruch  ab.  weil  sie  die  Krietllosigkeit  als  notwendige 
Folge  jedes  Friedensbruchs  auffassen.  Nach  frics.  R.  im  MA.  z.  B.  gilt 
Knechtesthat  als  imabsichtlich,  Andcrerseibt  wird  aut:h  nicht  allen  freien 
Leuten  die  Absicht  zugereclmeL  Unzugcrechnet  bleibt  sie  im  allgemeinen 
Mindeijührigen,  Irrsinnigen,  soweit  ihre  Kninkheit  an  gesetzlichen  Merkmalen 
eriuumt  werden  kann,  zuweilen  auch,  soweit  dieselbe  bekannt  ist,  ferner  nach 
aherem  frics.  R.  Wdbem  (worül>er  krit  Vjsdir.  XVII  S.  435  flg.).  Hat  der 
Thfltet  einem  Befehl  zu  gehorchen  gehabt,  so  gilt  die  That  nicht  als  die 
seine,  sondern  als  die  des  BcfclJers.  Wie  der  Befehl  wird  in  jungem  dcut. 
RR.  auch  der  Strcitaniang  (ttr/ta/>,  anevattf^  bcliandell. 

S  75.  In  der  Böswilligkeit  werden  Stärkeunterschiede  gemacht  nach 
ffilgendcn  Gesichtspunkten.  Es  wird  VL»r  allem  darauf  gesehen,  ob  die  That 
einer  sittlich  verwerflichen  Gesinnung  entstammt.  Denn  nicht  jede  rechts- 
widrige Absicht  galt  auch  als  sittlich  verwerflich.  Hierauf  beruht  der  Gegen- 
iiatz  von  elulichen  wul  unehrlichen  Misscthalen.  Die  Unehrlichkeit  des 
Tl».1ters  kann  liegen  in  dem  Motiv  seiner  That,  bezw.  in  der  Unterdrückung 
von  Gegenmotiven,  wie  2.  B.  bei  Totschlag  oder  Leibesverletzung  unter 
Bruch  einer  besonderen  TreuepfUcht,  itdcr  eines  angeIol>ten  Friedens  (z.  B. 
einer  Urfehde  oder  eines  beschworenen  Land-  oder  Stadtfriedemt,  i-gl.  oben 
S>  ß.>  79.  i™  II.  Jahrb.  auch  nodi  des  beschworenen  »Gottesfriedens«),  oder 
bei  Heerflucht  oder  bei  Angriffen  auf  Wehrlose,  —  ferner  in  der  Art,  »ic 
die  That  vollführt  wird,  wol>ei  insbesondere  Heimlichkeit  einen  Erschwerungs- 
gnmd  bildet,  so  bd  dem  geradezu   nach  der  Heimlichkeit   benannten  Vcr- 

1  Oodi  TCTtlient  bCTn(.Tlit  zu  wrnlcn,  «Irb»  gcnxic  Fchtachifsscn  lucb  drr  Aufiassong 
Aa  Bcow.  2435 — 2441  nu-iit  i-nl»chiildigt. 

Gcnnwtlscb«  Philologe  IIL    2.  AuA.  U 


194 


IX.  Recht.    B.  AltertCmbr. 


brci:hi:ii,  dem  Diebstuhl,  bui  Mord,  bei  nScIiÜicb  oder  mit  Zaubermitteln  ver- 
übter Tha»,  —  entillch  aUrr  aurb  in  der  Art,  wie  der  Friedensbrecher  nach 
vüllbrat-htciiiVVerksidi  beniniinl,  z.  B.  indem  er  dasselbe  leugnet,  dessen  Spuren, 
bei  .Seite;  wrhafft.     Als  etwas  'Ausserordentliches,  Unerhörtes*  wurden   solche 
Vcrbreclieii  überall  angL*seheii  und  benannt:  f-ol. /nirina.  skand.  _/»«.  ahd.  a*. 
firittti^    ags.  firtit,    fries.  firiiif,  —  dazu  skand.  firnan^erk,    ags.  prenwc&rc,    as. 
firimmrk,  firindäd,    abd,  firintäi.     Das    Ausserordenüirhe    lag    eben   in    dem. 
sillüch  »Falschen-  der  Handlunxsw^isc  (ahd.  mhd.  nuini&i,  mhd.  untät  i.  e.  S. 
an.  lidAit,  miiidaiytrk    —    dein   laiitclsrhcii    sfclus  und    flagitium),    wesswegca 
Nordleuten  urid  AnjreUachsen  der   unehrlitlie  Misset!i5ter  ein    ^hassenswcrter 
Mensch*  (nipit$f^i\  mäin^    und    die  That    nach    einem    solchen    benannt    wt 
(nipin^  verk,  ttittiu^s  <hhi<).     h\  uberdeut.  Quellen  des  MA.  i«  der  .\asdruck 
unirlUht  saehe  neben  untät  technisch.     Weiterhin   hängt  die  Bösartigkeit  des 
verbrecherischen  Willens  von  der  Gcmritsverf;issung  ab,  in  welcher  der  ThSter 
handelt     Leicliter  penommcn  wird  eine  itissethat,  die  im  Eifer  (fries.  hi  im 
mcde  =  in  abirrendem  Mut,  /a/i  //tust,  fan  haester  hnnd,    mnd.  mid  hastmude, 
langob.    luulo),    im  Leid    (un.  m^rd  harms  htendi,    m.  k.  vilin),    im  '1.<.m\\  (on. 
map   vTtFps  httndi,    m.  v.  vilia\    jflhlings    (asw.  map  brapuin   g<rrrtingum\    als 
eine,  die  mit  kaltem  Blut  und  Überlegung  (mnd.  vorsaift  mhd.  i'ifiaz,  —  on. 
mifp  Iczagre  /orakt),    z.  B,  aus  Habsucht,    begangen   ist.     Doch    zur   Qualifi- 
kation von  VerbrciliL'n  übL*Hiaupi  wird  tlicser  Gesichtspunkt  er>*t  vom  spatem 
Rechte  verwertet.     Die  Frühzcil  folgt   ihm    nur    bei    bestinnnten  Verbrechea 
imd  nur  unter  Fie^ibachtung  gesetzlicher  Merkmale.     Jüngere  Rechte  sind  es 
endlich  auch,  die  im  Rackfall  einen  Ecschwcrungsgrund  der  That  erblicken. 
S  76.     Ausser  der  Besi-haffenhcit  des  verbreche dsrhen  Willens  war  für  die 
Schwere  der  That   der  Wert  des  Gutes  massgebend,    welriuTS   gcschiidigt 
wurde.     üemgem.1ss  wurden  z.  B.  die  Angriffe   auf  Leib    uud  Leben,    dann 
die  auf  fremde  Habe  sorgfaltig  abgestuft,  Untcrscliiede  zwischen  grossen  und 
kleinen  Dielwtalilen  geniadit.     Ks  begreift  sich  aber  auch,   dass  die  .Schwere 
der  nämlichen  That   zu  verschiedenen  Zeiten   oder   auch   in   verschiedenen 
KuUurgcbicten     verschieden     angeschlagen     werden     musstc,    je     nach     der 
Scbiltzung    des   Angriffsobjektes.      Hievon    abgesehen    konnte  die   Scbfltzung 
des    nilinlichcn   Angriffsobjektes    im    namliclien    RediLsgebiel    zur    nämlichen 
Zeit  unter  bestimmten  Süsseren  Umstanden  eine  Steigerung  erfahren,   sodass 
durch  eben  diese  Umstände  auch  das  Verbrechen  ein  schwereres  wurde.   Es 
ist  den  Quellen  gcmflss,    in  diesen  Fällen  von  Bnich  eines  besondem,  näm- 
lich verstärkten    »Friedens*  zu  sprechen,   der   das  geschadigte  Gut  schirmt 
Ein   solcher  Friede    kann   an   bestimmten  Orten    alle    oder    d>"ch    bestimmte 
Güter  schützen,  und  zwar  entweder  dauernd,  wie  der  Tcmpelfriede  in  heid- 
nischer, und  sein  Nachbild,  der  Kircheufriedc  in  christlicher  Zeil,  wie  femer 
der  Haus-  oder  Heimfriede,  der  Miiffsfriede,   der  Mühlenfriede,   der  Deich- 
friede, der  Stadtfriede,  oder  nur  zu  gewissen  Zeilen,  wie  der  Dingfriede^  der 
Ackerfriede  (als  Saat-    oder  Pflugfriede    und  Herbst-    oder  Emtefricde),    der 
ältere  Marktfriede  (oben  .S.  125),  der  Königsfriede  als  Befriedung  des  könig- 
lithen  Aufenthaltsortes,   der  Friede  wahrend  des   Heercsaufgebols.     Andere 
Frieden  schützen  dagegen  nur  bestimmte  Personen  und  zwar  wiederum  ent- 
weder dauernd,   wie  der  Königsfriede  als  Befriedung  des  Königs  selbst  und 
seiner  Diener  und  Schutzleute  (oben  S.    iji,   1^5)^   dder  vorfthergehend  wie 
der  Heerfriede.     F.ine  dritte  Gattung  von   hohen  Frieden  endlich  bilden  die 
eben   so   sehr   heidnischen   als  christlichen  Gottes-  und  Festfrieden,  welche 
sich  auf  bestimmte  Zeiten  (»gebundene  Tage'),   nicht   aber  auf  be-sdmmte 
Orte  und  Leute  beschränken.   Sicht  mau  auf  das  gcuctisclie  VcrhaJtnii  unter 


6.  Verbrechen:  Ihre  Aqsti'fung.  —  Str-vfek:  Friedlosigkeit.    rgj 


den  hiilien  Frieden,  so  gruppieren  sie  sich  andcni:  alsdann  gehOrt  z.  B.  der 
Marfcifriede  zutn  Tempel-  und  Kirr hen frieden,  ebenso  viel!H<hi  der  Din;;- 
fricdf.  zum  Iflztcm  der  Hcfrfriedc.  zum  Hausfrieden  der  Schiffs-  und  Arkcr- 
frieilc.  Riiumlirhe  und  zcidirhe  Grenzen  der  hohen  Frieden  pflegten  durch 
bcwjndcrc  iZeichen  in  die  Sinne  zu  fallen,  die  crstcrcn  durch  Grenzmarken, 
liic  iwciten  durch  feierliche  Verkündigungen  (Heile,  aber  auch  GkK'kcnklang, 
Hömerschall,  Errichtung  und  Wegnahme  sichtbarer  Friedenszeichen). 

Bei  Beteiligung  Mehrerer  an  einem  Verbrechen  hangt  der  altern  Aul- 
fasstmg  nach  <lie  Schwere  des  VerscliuUlens  jedes  Teilnehmers  noch  von 
dem  Mass  seiner  Mitwirkung  zum  schfidlichcn  Erfolg  und  von  ihrer  Susaer- 
lichen  WahmehmSwrkeit  ab.  Daher  wurden  die  mannigfaltigen  Formen  der 
Beihilfe,  der  psychischen  Teilnahme  und  der  Begünstigung  nicht  nur  von  der 
ThaietBchaft,  sondern  auch  von  einander  scharf  unterschieden,  teilweise  sogar 
mittelst  feststehender  Kunitausdrücke.  Die  Zahl  der  als  TliJlter  ^*eI■fM!gb3^en 
war  t»ftnials  gesetzlich  bcschrilnbl,  z.  B.  bei  Leib  es  Verletzungen  oder  Tr-tungcn 
durch  die  Z^il  der  Wunden  oder  Schlagspuren.  Ursprünglich  hatte  nur  die 
Tedlnahmc  an  bestimmten  Verbrechen  und  hatten  nur  bestimmte  TlmtbestHnde 
der  Teilnahme  Rechtsfulgen.  Letztere  waren  in  der  ;ilte*ten  Zeit  keine  siniF- 
rcchtlichen,  3<jndeni  nur  Obligation enre<'hiüche.  Auch  >|dler  wurde  im  all- 
gemeinen der  Teiinrhiner  milder  behandelt  als  der  Thater.  Doch  konnte 
der  Gegensau  zwischen  Thaterschafl  und  Teilnahme  dadurch  aufgehoben 
wertlen,  dass  die  Genossen  eines  Friedensbruches  im  Prozcss  zusammen- 
standen. Im  MA.  ferner  verwischt  ihn  das  deutsche  Recht  dadurch,  dass 
es  prinzipiell  die  gleiche  Stnife  auf  die  Teilnahme  setzt  wie  auf  die  Thater- 
schaft 

§  77.  »Unrecht  schlägt  seinen  eigenen  Herrn.-  Denn;  rwcr  nicht  andern 
das  Recht  will  görmcn,  der  soll  nicht  Reclites  geniessen.'  Den  Friedens- 
brether  muss  daher  die  Friedlosigkeit  (asw,  /ri/t/önt,  mfries.  ferdloihed) 
treffen.  Diese  Folgerung  zieht  das  altere  gennanische  Strafrechl  in  aller 
Strenge.  Der  Friefllose  (wn.  gutn.  fiidlaus,  a.^-.  friplös,  ags.  fridleas,  africis 
fnthofaty  mhd.  vn'fefös)  ist  aus  dem  Rechtsverband  (fa^i)  ausgcstussen :  wn. 
Mitagr,  on.  Nilteger,  ultagpfr,  ags.  liilah,  rand.  tiutlagfi  (dalier  die  Friedlosigkeit 
»TL  üiUgtl).  Gleichbedeutend  mit  utl.-pger  sind  asw.  hiitugber  (doch  wohl  zu 
hU  üben  S.  ^"j  vgl.  E.  Brate  Vcslmanmihgctis  IpiJlära  SS.  5^ — jO)  und  ags. 
iondrihtn  iiiet,  hd.  von  dem  landnhte  getan,  mhd.  e/os,  ethulus,  rtchlelös.  Weil 
ond  soweit  er  des  Rechtsschutzes  darbt,  ist  sein  L-oos  das  eines  Flüchtigen 
(ags.  flyma\.  Er  ist  gehetzt  wie  der  Wolf  und  heisst  dalicr  wie  dieser  —  an. 
vurgr,  ahcl  afrtlnk.  as.  ivnrg,  ags.  itarh  —  und  tragt  "wulfts  h/a/bJ<  (ags.), 
weswegen  die  Friedlosigkeit  ein  "Wolfslebenr  (as.  wargitia).  Seine  Zuflucht 
soU  sein  der  wilde  Wald;  daher  Lst  ilie  Friedlosigkeit  ein  'Waldgang«  (wn. 
skifggiiagr,  wnfttr  asw.  prägnant  siogber),  der  Friedlose  ein  'Waldg.'inger'.  iwn, 
sköggaiigsmaitr,  ags.  i^taliigenga^  vgl.  den  homo  qui  per  silvas  vaäii  im  Ed.  Chilp.) 
oder  'Waldnicnsch«  (wn.  shögarmadr).  wie  andererseits  auch  der  Wolf  ein 
WaWganger  heisst'  Sjieziflsch  deutsch  scheint  die  Benennung  ähta  alid. 
{äkte^  ttbte  rohd.)  für  die  Fried l-isigkeit,  womit  aber  aiirh  nur  wieder  der  Zu- 
stand des  Verfolgten  (ahd.  ähtäte.  inlid.  ithurre)  ausgedrückt  we^d^.^l  will. 
Ähnlicii  verhalt  es  sich  mit  dem  Ausdruck  ^Fehde«  (and.  langob.  /aiJa,  von 
/^d«  «hassen«,  —  ahd. /Mi'iAi,  ags./f/Arf!r,  von  ahd. /«i,  ags. /M  >^feindlich,  ver- 
folgt«), welcher  2tmaclist  nur  den  Zustand  eines  der  TotfeindschaTt  Ausgc- 
ftctiten  bezeichnet.     Doch  steht  Vald.  Siell.  L  c.  87  fegh  ok  frithirs.     Spezi- 


1  Htiltgttngrl  in  tlv  Gottscfacv,  Kat,  f.   K.  d.  dem.  Von.   1854  S.  31. 


13* 


196  IX.  Recht.    B.  AltcktCuer. 

fisch  nnnlisch  anck-rcrscits  isi  ilcr  mit  jenem  fäh  bcgriffsvern-andU'  Aiwdrurk 
ülmlngr  (=  unlitrilig,  schuUlMS),  Nur  ein  Reflex  dieser  ScliutzUisiykeit  des 
Afhters,  kein  subjektives  Recht,  ist  das  von  Neueren  !if>gcn.  Fehderecht,  wo 
dasselbe  als  Folge  eires  Verbrechens  eintreten  soll,  und  gcnnu  das  Nilmliche 
ist  v<ni  dem  sogen.  Rathcretlu  zu  sajj^en,  welches  »dter  nichts  ais  eine  Er- 
sthdnungsf(»rm  jenes  Fehdere<-hLs  ist.  Der  Frictll«ise  ist  öberbaujit  dem, 
Gmndj;edanken  der  Acht  nach  nicht  bU»ss  dem  Verletzten  preisgegeben, 
fiondem  jedermann  darf,  ja  soll  ihn  als  Feind  bcliandch.  Man  wird  bestraft, 
wenn  man  ihn  bcfönicrt.  haust,  hdft.  ja  auch  nur  .sjieist.  Daher  liegt  in  der 
Acht  ein  ■Speisungsverbot'-  (adan.  tnnt&an,  alid,  mezUmn,  mnd.  meUlmn,  mile- 
hau).  In  England  und  auf  Island  wird  s«)gar  ein  Preis  auf  des  Ächters  Kopf 
gesetzt.  Selbst  Asyle  schützen  den  Friedlosen  nicht  immer.  Und  im  MA. 
wird  ihm  nach  einigen  Rechten  sogar  das  christliche  Begräbnis  versagt.  Alier 
nicht  bloss  der  Leib  des  Friedicrsen,  auch  seine  Habe  wird  von  der  Acht 
bcirijffen  (und  nach  nard.  Vorstellung  sugar  ^friedlos-).  Reclitsgcnosscnschaft, 
Herrs*^her,  Kl.lger  können  sich  ihrer  bem;ichtigen  und  sie  unter  sich  verteilen, 
was  nach  skand,  KR.  im  Weg  eines  umständlicli  geordueicn  Verfahrens 
{islanti.  Je'rdtisdömr,  asw.  hoskipti,  sh'ßi/ig)  geschieht  Aufs  Ächlcrgut  bei  ge- 
meiner Friedlosigkeil  haben  noch  in  vorchristlicher  Zeit  sächsische,  sp.1ter 
auch  die  andern  deutschen  Rechte  nach  Analogie  des  Rituals  der  Affeut- 
lirhcn  Strdfe  die  ^Wüstungr  (S.  197)  angewandt. 

Die  Fried losigkeit  wird  nun  aber  nicht  immer  in  ihrer  vollen  Strenge  vef- 
hilngt  Überall  koiumcii  Abstufungen  und  Spiekitlcn  derselben  vor,  mdcm 
ilire  Wirkungen  bald  zeitlich,  bald  räumlich,  bald  inhaltlich  böchränkt  werden. 
Zeitlich  beschrankt  sind  sie,  wenn  sie  durch  Sühne  (i?  So)  abgewendet  werden 
kCinncn.  Dies  ist  der  Fall  bei  der  an,  ti/Zegif  t.  c-  $.,  bei  der  deutschen  Vcr- 
festung  (luiid.  itstiiigf)  des  MA.  Auch  der  i.s],  Jj^rbtjitgsgariir  gehört  hierher, 
indem  bei  ihm  <lcr  sköggangr  durch  SOhne  in  eine  blr>ss  dreijährige  Acht 
verwandelt  ist.  Räumlich  beschrankt  ist  die  Acht,  wenn  sie  den  Gclchtcten 
nur  ausserhalb  bestimmter  Orte,  wie  z.  B.  der  islflnd.  ß'pr/mugs^'arctr,  die  gol- 
Iflnd.  vaitihtfnJo,  oder  nur  innerhalb  eines  Bezirkes  «»der  Landes  schutzlos 
macht.  Oft  und  insbesondere  im  dem.  R.  findet  sich  der  Satz,  dass  die 
Acht  nicht  über  das  Banngebiet  des  Ächtenden  Richten*  hinaus  wirkt.  Hier- 
auf beruht  in  Deutschland  der  Gi^ensatz  zwischen  Verfcstung  und  Reichs- 
acht Inhaltlich  beschränkt  ist  die  Acht,  wenn  sie  nur  den  Leib  des  Aclitcrs 
treffen  will,  ms  i.  B.  die  adan.  Entziehung  der  timn/uf/gh,  das  schonische 
malban,  f>dcr  wenn  sie  von  der  Habe  tmr  die  fahrende  preis  gibt  wie  im 
norwc^schen  und  dcut-^chen  R.  des  JM.\.  regelmässig,  mier  wenn  sie  die 
Rechte  des  Betroffenen  nur  suspendiert,  wie  die  deut  Verfestung  und  Reiclis- 
acht  im  Gegensatz  zur  Ober-  oder  Aberacht,  oder  wenn  .sie  seinen  »Leib 
nur  dem  Verletzten  erteilte,  wie  (auf  Grund  knrolingischer  Gesetze?)  nach 
deutschen  RR.  des  MA.  Im  letztem  Fall  wird  am  Icjchteslcu  der  Schein 
eint'S  Fehde-sRei  litst  erweckt,  Kür  sich  allein  V'crhreilifnsfolgt-  scheint  im 
Altertum  nur  die  mildere,  die  zeitli*'h  beschriliikle  i>der  bediuKie  Acht  ge- 
wesen zu  sein.  Jn  ihrer  strengsten  Form  stand  sie  ursprünglich  in  Verbin- 
dung mit  der  Todesstrafe  0  78),  zu  deren  Ersatz  sie  spater  dieule. 

Eines  geriirhtüchen  .'Xpparates,  Überhaupt  st:iailichcr  Einrichtungen,  um 
den  Missethater  zu  treffen,  bedurfte  ilie  Friedlosigkeil  in  ;iltestcr  Zeit  nicht. 
Das  lag  in  ihrem  Wesen,  da  sie  ja  irj  einem  rein  jiassiven  Verhallen  der 
Rechtsordnung  besteht  Später  aber  ilrang  überall  das  Prinzip  durcl»,  der 
Friedbrecher  müsse  durch  geriditlichcs  Verfaltrcn  »friedlos  gelegt«  oder  ge- 
macht« werden.    Dies  geschah  in  feierlicher  Rede  {<eA. /atieil/aii^  alid. /rr<//.7/i. 


mhd.  vmilUn,  auch  Terruofen,  Ühfntigrn)  des  Richters  und  der  Dingh-ute, 
nach  ostiiordd.  RR.  si^ir  durch  förmliches  iHinausschwören«  {utsvif-na), 
unter  Geberden  und  Wahrzeichen,  wie  z.  B.  Fingeraufstrecken,  Waffensrhiag, 
SchwertzOcken.  Kackelschwingen.  Stabbreclien.  Mitunter  findet  sich,  daiis 
dem  Ächter  noch  eine  Fluclilfrist  vom  Verruf  an  gegt^nnt  wird.  Aber  auch 
nachdem  die  Wirksamkeit  der  Acht  von  der  Kriedlnslegimg  im  allgeiueiueii 
abh3n;;ig  geworden,  lebte  die  Erinnerung  an  das  entgegengesetzte  Prinzip  in 
einKelnen  Konsequenzen  desselben  f4)rt.  7.\i  diesen  gehOrt  ramcntlirh,  wenn 
wir  von  den  (''allen  absehen,  wo  noch  sehr  S]i3te  Gesetze  wehren  eines  Kried- 
bfuche*  die  Acht  ipso  jure  in  ihrem  vnllen  Umfang  eintreten  lassen,  die  Er- 
laubtheit  des  Töiens  oder  riix'h  des  Bindens  des  I-'riedbrechers  auf  band* 
hafter  That,  eine  Befugnis  die  erst  im  Si>ätmittclaltcr  zu  jener  der  erlaubten 
Notwehr  zusammenschrumpft,  femer  die  gesetzliche  Anweisung  an  den  Obel- 
tliatCT,  srlion  vTjr  allem  Prozess  dem  Verletzten  aus  dem  Weg  zu  gehen,  und 
andererseiti  da.s  meist  gleichzeitige  Hegimgs-  und  Spcwungsvcrbot  an  die 
Rerhtsgennssen  (s.  oben  S.  19h),  endlich  auch  die  prozessuale  Behandlung  ' 
der  -frischen*   (»  nicht  übernächtigen)  That. 

S  78.  In  bestimmten  Verbrechensfallen  bleibt  das  Recht  nicht  dabei 
stehen,  seinen  Schutz  dem  Missethllter  zu  entziehen.  Es  duldet  nicht,  dass 
er  cnlkymme.  Es  will  ihm  eine  beneimbare  und  genau  umschriebene  I'ein 
vom  Gemeinwesen  ziigofügt  wissen,  d.  i.  was  die  Jurisprudenz  als  -/iffeni- 
Hche-  Strafe  zu  bezeii lineii  pflegt.  Hiczu  sind  staatliche  Einrichtungen, 
insbesondere  Staats-'lmier.  nfttig.  Die  öffentliche  Strafe  (erst  mhd.  Urä/e,  und 
zwar  zunächst  nur  =  Tadel,  dagegen  askand.  ags.  r'/Zr,  as.  wlti.  ahd.  wizi  =* 
aniraadvcrsio,  suppliciuni.  —  gcnieinaltdeutsch  karamscara  =  w:is  zur  Pein  auf- 
erlegt wirdi  ist  in  heidnischer  Zeil  stets  Todesstmfc.  Der  zu  IjCÄlrafendc 
Verbrecher  wird  nilmlich  —  ,'ihnlich  wie  bei  den  Kelten  (Caes.  b.  G.  VI  16) 
und  gleich  dem  röm.  homo  saccr  —  der  Gottheit  als  Opfer  «gegeben«,  auf 
dass  die  Rache  dejselben  wegen  der  verflbtcn  Mis.sethat  von  der  Rechts- 
Ifenossenschaft  abgewandt  werde.  Nebenher  geht  nach  deutschen  Rccliten 
die  »Wüstung«  (nl.  wofs/i/iffe),  d.  b.  da.s  Niederbrennen  oder  Niederbrechen 
des  Wohnhauses  des  Missethaters,  auf  dass  sein  Andenken  ausgetilgt  wende. 
Weil  nun  aber  in  vorchristlicher  Zeit  die  öffentliche  Strafe  ein  Kultakt  war, 
danun  stand  sie  damals  auch  nur  auf  solchen  Friedens brflchen.  welche  die 
Gottheil  zur  Rache  reizen  können.  Das  sind  die  Neidingswcrke  (oben  S. 
194)  und  die  Verietzung  der  Heiligtümer.  Hienius  ergiebt  sich  eine  Dupli- 
zitftt  des  aligcrraanischcn  Strafrecht.*;:  ge-meine  Kriedenshrürhe  mit  Friedlr»sig- 
keit  und  unsühnliare  Verbrechen  mit  Opferlod,  —  ein  sakntles  neben  einem 
weltlichen  S_\-stem'.  Weil  die  heidnUche  Todesstrafe  ein  Kultakt  (»suppli- 
cium« bei  Tacitus),  hat  sie  ein  umständliches  Ritual.  Hierauf  beruht  es, 
wenn  das  Gesetz  fiberall  ffir  bestimmte  Falle  eigene  Tudcsurten  bestimmt, 
hiemuf  ferner  die  Formen,  die  bei  jeder  hesondeni  Art  von  Exekution  be- 
obachtet werden  mussicn,  z.  B.  beim  Hangen  der  Weidetustrang  anstatt  des 
Strickes,  der  Iaubl..se  Baum  anst;itt  des  Galgens,  oder  das  Aufrichten  des 
ihn  vertretenden  Galgens  am  Meeresufer,  das  Kehren  des  Gehrmgten  nach 
Norden,  ilas  Mith;ingcn  d.  li.  Mitopfem  von  Hunden  (legendarisch:  »W6lfcn«), 
die  wir  als  Leibs|K-ise  gewi.sser  Grtttheiten    kennen,  —  femer  beim  Radem 


1  Tch  vemiag  dinen  Ge^nsau  im  altficrm.  Sunrrecbl  nicht  »cb&rfer  KU  bctoBca,  aJs  idi 
et  «chon  1876  in  'Zweck  u.  MiuH-  S.  57—59  gethon  bal>c.  Um  ao  crUKunlichcr  findtt 
R'h  <I>^  B4-liauptunK  voa  Bar  Hamlh.  I  Xotc  241.  dass  idi  •dem  gcnn.  Suafr.  ur«)>rtni>. 
lieb  «inen  n-cttr&tlich  itAkralcn  Charakter  vindkicrc-  . 


die  Zahl  der  Radspeichen,  das  Aufrichten  des  Leichnams  mit  eingefltiditencn 
Annen  und  Beinen  auf  dem  Rad  —  bei  beiden  Strafen  das  H^ingcn lassen 
I.rzw.  [jcgeti lassen  der  laiche,  ihr  *  Ertauben  an  die  Vögel  in  der  Luft«. 
\\'iederuiM  gehört  tucher  beim  Enlhaupten  der  Gebrauch  von  Bktck,  Barte 
und  S>:hle^i,  das  Aufstecken  des  abgcsclilagenen  Hauptes,  lK:im  Ertranken 
die  Wahl  der  Flutgrenze  als  Hinrichtungsort.  Von  einigen  Todesstrafen 
wird  uns  ausUrücklicIi  gesagt,  dass  sie  Kultalite  waren,  wie  vum  Hangen, 
Ertränken,  Rürken brechen .  vom  Blutadk-r&chneiden  und  LungcJiausreissen. 
Von  andern  [üsäl  sicli  das  Nämliche  wahrsclieinlich  machen,  su  vuui  Zer- 
malmen. Auch  die  Vorliereitungen  der  Todesstrafe  gehörten  zum  Ritual,  wie 
z.  B.  das  Schleifen  auf  der  Kulihaul,  die  Kastration.  Weil  nun  die  Todesi- 
strafc  ein  unter  so  strengen  Regeln  stehender  Kultakt,  bedurfte  ihre  Voll- 
slreckimg  des  Piieslers.  Was  die  Wahl  der  Todesact  betrifft,  so  ist  es  richtig, 
doch  nicht  erschöpfend,  wenn  Tacitu-s  auf  den  sym Krischen  Zweck  verweist 
Dieser  trifft  zweifellos  xu  beim  Bedecken  des  Vergrabenen  mit  Donigeflechl, 
bcitu  Schlagen  des  spitzen  Pfahles  durch's  Herz  der  KitidesuK'Jrderin.  I>eim 
Abpflügen  des  Maupie^i  eines  Grenz  verrücke  rs.  Aber  aucli  die  Rücksicht  auf's 
(jcschlecbt  des  Opfers  war  massgebend.  Das  Hilngcn  z.  B.  war  im  Altertum 
keine  Strafe  für  Weiber.  Weiterhin  mag  es  auch  darauf  angekommen  sein, 
welcher  G«jtibeit  gerade  das  Opfer  galt.  Kin  ]x»lizeilicher  Gesichtspunkt  end- 
li»  h  war  beim  Verbrennen  (von  besonders  gcfähriichen  Misscthäteni,  wie 
Hexen)  im  Spiel. 

§  7Q.  Kach  dem  Übergang  der  german.  Völker  zum  Christciitum  musslc 
der  Gegensatz  der  beiden  Straf rei-hLssysteme  in  seiner  ursprünglichen  Bedeu- 
tung aufgehubeii  worden.  Die  Todesstrafe  wurde  entweder  wegen  ihres  lieid- 
nischen  Cliaraktcrs  beseitigt  und  durcl»  die  scliwereren  Formen  der  Aclit  tKler 
ilurch  I^ibct-stnifen  ersetzt  ».kIct  doch  wenigstens  ihres  sakralen  Zweckes  ent- 
kleidet. Im  erstell  Fall  wurden  die  clu-mals  lodeswilrdigen  Verbiechen,  wenn 
ilie  Acht  eine  de[iiiili\'e  war,  zu  unsühnbareii  (wn.  tUniftimäl,  on.  urbotamal). 
Im  zweiten  Fall  bleiben  noch  leicht  Reste  des  ehemaligen  KuItritu;Hls  im 
Gebrauch.  Ein  Kachklang  des  sakralai  Stnifrechts  ist  es  auch,  wenn  im  MA. 
nach  deui.  RR.  die  Strafen^  die  a?)  Hals  otier  ilaiid  gehen  > Rechtlosigkeit« 
(iibeii  §  43)  mit  .sich  bringen  und  die  von  ihnen  getroffenen  Verbrechen  ohne 
weiteres  zu  »unehrlichen*  machen.  Nirgends  liat  das  Christentum  die  Todes- 
strafe ganz  und  gar  abgeschafft.  Da  die.-ieltKr  als  eine  öffentliche  Strafe  rein 
weltlicher  An  fortdauert,  so  entstehen  nun,  begünstigt  von  einer  neuen  Auf- 
fa.ssung  des  Striifrechts  nicht  nur,  sondern  auch  der  Aufgaben  des  Herrschers, 
neue  öffentliche  Strafen  und  zwar  eben  sowohl  für  Verbrechen,  welche  ehe- 
dem die  Acht  nach  sich  gezogen  Imtteii,  wie  Cur  solche,  die  ehedem  t'Kles- 
wttrdig  gewesen  waren:  Leibes-,  Freiheits-,  Ehren-,  Vennögensstrafcn.  zuletzt 
sporadisch  auch  Arbeilsslrafen.  Oftmals  werde:»  deren  mehrere  zu  einer 
Gesamtstrafe  für  die  nfimliche  Missethat  verbunden,  wie  sie  auch  zur  Vcr- 
whürfuiig  der  Todesstrafe  ver\i'eiidet  werden.  I'-Ür  die  wollüstige  Grausamkeit 
des  MA.  ist  hier  ein  eben  so  breiter  Tummelplatz  gegeben  wie  ftlr  seme  un- 
erschöpfliche KrfLndmigskrafl.  Die  Gesiclitspunkte,  von  denen  die  letztere 
sich  ajifangs  noch  leiiai  lässt,  sind  teils  symbolischer,  teils  polizeilicher,  teils 
slJiJidearechtlirher  Art,  teils  aber  auch  die  rein  äu-ssertiche  Wiedcn-ergeltung 
{Talionl.  Symbolisch  als  abgcschwUchte  Todes-sirafe  gibt  sich  z.  B.  das 
Brandmarken  mit  dem  Bild  des  Galgens  oder  Rades,  das  F.inmauenk,  djis 
Hunde-  oder  Sattel-  oder  Strang-  oder  Hlugtragen,  das  Schwemmen.  Rin 
symbotisi:hes  ■osteiidere  scrina  dtim  pumunUm  ist  es,  wenn  der  Münzfälscher 
gesotten,   die   meineidige   oder  fälschende   Hand   abgclutuen,    die    schwert- 


6.  Strafe»:  ÖFTBK-n-iciiB.  SOhxe. 


jg9 


i 


zflckende  durclwt<kssc-n,  wenn  dem  Späher  die  Zunge  nusgeriR<;en  und  die 
Augen  ausgestochen  wurden.  Mehr  an  die  Ehre  als  an  den  Leib  gehen  und 
daher  symbolisch  zu  nehmen  sind  die  Pranger-  oder  Kakstrafe,  das  Ksel- 
reitcn,  die  Haanw-hur,  das  Tragen  des  Strohzopfes,  des  Strohltragem,  der 
Schandlarve,  der  Geige,  des  Strarmanlels  u.  dgl.  m.  Nur  das  deuLvrhc  Vem- 
lerht  des  Spatniitteiallers  kennt  eine  einzige  Stnifari,  den  Strang.  —  Eine 
weiiere  Verwischung  der  ursprünglichen  Duplizität  «les  Strafrethls  iritl  schun 
zicmliih  frOlizcitig  ein,  indem  nach  Analt^ie  der  mildem  Friedlosigkeit  auch 
die  r.ffenilithcn  Strafen  mittelst  Sühnleistung  ablösbar  werden,  indem  fenier 
die  Strafe  zuweilen  als  Genugtliung  Tür  den  KIflgcc  aufgefasst,  daher  durch 
ihn  vollstreckt  wird,  weilerinn  durch  das  Aufktimmen  einer  arbiträren  Siraf- 
gewalt  luid  eines  Begnadigungsrechls,  das  im  MA.  keineswegs  bli«ü  Herr- 
schern, sondern  auch  (unter  Bedingungen)  Untcrthanen,  vne  t.  B.  Fniuen 
oder  dem  Henker  (als  ■iienkerzehntt)  oder  dem  Klager  zustand.  Decken 
mit  dem  l^Iantel  ist  ein  Sytnbül  des  Begnadigens,  weim  es  von  Frauen  tKJCT 
Hochstehenden  ausgeübt  wird  (vgl.  »Mariae  Mantelschaft*  in  der  bildenden 
Kunst. 

Ji  80.  tj\W  impiaeaftiiei  durant-^,  wird  uns  schon  am  Anlang  der  bist 
Zeh  von  den  gemi.  inimüi/tae  berichtet,  unter  dem  Beifügen,  dass  selbst 
Friedcnsbiüche  wie  Todschlage  durch  Leistungen  von  Geldwert  ausgeg^clicii 
werden  können.  Damit  ist  die  Söhne  l)eze)chneL  Alle  FriedensbrUche. 
die  ic/deswürdigen  ausgenommen,  waren  damals  sühnbar.  Die  »Sühne»  {ahd. 
sSna,  suona  cigtutl.  =  Reini^ungsoi»fer,  an.  sön,  dann  Vcr*söhnungs*mittcl,  in 
lat.  Texten  tompoutio)  ist  ein  Entrichten  (wn.  f^ald,  on.  gtrid,  ahd.  geü  etc., 
auch  ursprOnglich  ^^ 'Opfer' r*^  zum  Zweck  des  lAiLsbes^ems«  des  angerichte- 
ten Schadens  (>Euäsc-!,  skand.  ags.  hei,  as.  höia,  ahd.  buosa)^  Oberliaupt  der 
Vergütung,  daher  mlid.  uandef.  Diese  Leistung  geht  teils  an  dm  Verletzten, 
teils  an  die  Öffentliche  Gewalt.  Allemal  aber  ist  die  Lei.slung  gesetzlich  s<:>- 
wohl  üirer  Art  als  Üircr  Grösse  nach  bestimmt.  Sic  stellt  den  gesetzlichen 
Preis  dar,  um  welchen  der  Friede  für  seinen  Brecher  kauflich  ist.  Dieser 
ikauft  sich  aus  dtm  Wald«  und  >jn  den  Fritdeu"  oder  >ias  Land«.  Die 
Sohne  ist  eine  iHauptlftRe«  (fnes.  havdUsae,  an.  h^uätattsn).  Die  TrSger  der 
Öffentlichen  Gewalt,  deiitn  gtsühnt  wird,  sind  in  der  illteslcn  Zeit  die  Rechts- 
gennss«n  seilst  (I^nd,  Hurdeiischafl),  allenfalLn  in  1  h  der  amtlithe  Friedcns- 
bewahrer  (König).  Spater  ist  nach  den  meisten  Rcclilcn  der  Herischer  allein 
Einnehmer  dieses  öffentlichen  Teiles  der  Sühne.  Nur  in  etlichen  skandinav. 
Landern  dauert  der  allere  Zustand  fort.  Doch  klingt  letzterer  auch  in 
Deutschland  noch  nach,  wenn  im  MA.  gewisse  Strafgelder  von  den  Ding- 
Icuien  vertrunken  »erden.  LVd  wo  sich  ein  freistaatliches  oder  ein  prirat- 
gen<*sensrha(tlichc&  Strafrcchi  ausbildet,  wird  der  ursprüngliche  Zustand  wieder 
erneuert.  Der  hier  bcsprorhenc  Teil  der  Sühne  wird  das  ^  Friedensgeld« 
genannt,  in  den  Quellen  afiank.  Jretha.  fnts,. /re/Ao,  fnlhopatminn,  adiUi.  /ripk&pt 
wn.  Jnäkayp.  Die  letztere  Benennung  wie  das  gleichbedeutende  wn.  tandkaup 
ndgtn  zugleich  deutlich,  daiis  nicht  etwa  für  eilt  blosses  Veituitteln  zwischen 
dem  Thater  und  dtm  KlSger,  soncleni  für's  Gewahren  des  Frieden.s  das 
Fiicdtnsgeld  entrichtet  wurde.  In  den  ags.  Gesetzen  erscheint  das  Friedens- 
peld  schon  mehr  als  Strafgeld  —  wUe,  wahrend  aiiglodan.  laksHt  begrifflich 
anali  g  dem  frani.  freihu  ist  und  anglndSn.  Iahc6p  obigem  fri{)köp  entspricht 
Die  Sohne  an  den  Verletzltn  [(ompoiiiio,  jBussc  im  engeren  Sinne,  ags. 
ftikäh^t)  biess,  wenn  sie  die  Tßdtung  eines  Freien  verebnete,  »Mann-  oder 
Mer.schenxergellerR«  —  Irrg.  xt:ih^ifd  (dceh  auch  allgemeiner  u-idtigifd) 
alam.  vin^ild,   ahd.  nerofe/d,   mhcL  xiergett,   ags.  wergild,  gutn.  vtrtldi,  auch 


200  DC.  Recht.     6.  Ai.tertüuer. 


prägnant  ags.  wer  (m.),  gidchbedeutcnd  afrank.  feudi,  ags.  iSd  oder  It^dgtld, 
wo.  manti^^d,  on.  mangald  oder  manbot,  wälirend  ags.  manb/ii  zum  unter- 
schied \-on  dem  an  die  Verwandten  des  Etschlafienen  zu  zahlenden  Wei^ajeld 
{mdgböt?)  dasjenige  bezeichnet,  welches  an  seinen  Gefolgs-  tnier  Muntherm 
geht  Über  die  Beteiligung  der  Vera-andtschaft  am  Wcrgcld  oben  S.  157. 
Im  MA.  wird  der  Name  -Wergeid«  aucli  auf  die  Ersatzleistung  [ür  Unfrde, 
ja  fdr  Tiere  angewaadt  Im  Gegensatz  zum  Wergeid  hit^sen  die  andern 
Sühnleii-tungen  an  den  Verletzten  »Bussen«  im  engsten  Sinne  des  Wortes. 
Nach  Emtührung  des  Geldes  (§  Ö3)  sind  Wergelder,  Bussen-  und  Friedens- 
gelder in  der  R^el  gesetzlich  benannte  Geldsummen,  und  die  ältesten  ge- 
schriebenen Gesetze  der  Deutschen  scheinui  sugar  hauptsächlich  zu  dem 
Zweck  gemacht,  diese  Summen  festzulegen.  Dal>ci  erscheinen  Frieden^eld 
und  FrivalsQlme  nach  einigen  Rechten  als  Quoten  eines  Gesamtbetrags,  nach 
andern  ab  je  für  sich  besonders  bestimmte  Beträge.  Aber  noch  bis  tief  in*s 
MA.  hinein  kommt  neben  der  Geldleistung  das  Slihncn  mit  andern  Sachen, 
wie  z.  B.  Butter,  Wachs,  Vieh  vor.  Und  dies  entspricht  dem  ältesten  Recht 
Dabei  war  vom  Gesetz  entweder  ein  fester  Betrag  von  Naturalien  (z.  B. 
»certus  armentorum  ac  ]ica}rum  numerus'^  gt-nannt  L>der  nur  ein  Massstab 
bestimmt,  wonach  von  Fall  zu  Fall  die  Menge  des  zu  entrichtenden  Gutes 
ermittelt  werden  sollte  (z.  B.  Aufwiegen  des  Getöteten  in  Gold,  Bedecken 
desselben  mit  Gold,  das  Balgfüllen  oder  •Hüllen  mit  Getreide  nie  beim 
»Katzen-  und  Hunderecht<  ul  dgl.  m.).  Die  Grösse  der  Sühne  pflegt  zu- 
nächst von  der  GrOssc  des  angerichteten  Übels  abzuhängen.  S<jrgfAltig  wax 
unter  diesem  Gesichtspunkt  jedes  einzelne  Verbrechen,  z.  B.  jeder  Todscblag 
nad)  dem  Stand  des  Getöteten,  allenfalls  audi  nucli  nach  seinem  Geschlecht, 
jede  Leibcs^-erietzimg  nach  der  Brauchbarkeit  des  geschädigten  Ghedes  und 
der  Art  des  S^'hadcnn  taxiert.  Daneben  kommen  dann  nr>ch  die  andern 
Umstände  in  Betracht,  durch  welche  eine  Missethat  qualifiziert  werden  kannte. 
Oft  war  dann  Vervielfadmng  der  Grundtaxe  das  Ergebnis,  so  insbesondere 
in  der  frSnk.  und  langob.  Gcsetz^bung,  wenn  die  TiideÄStrafe  durch  schwere 
Süluie  ei^ictzt  werden  sollte.  Der  feste  Bussbetrag  diente  Icdiglicli  der  Gei»ug- 
tliuung,  wenn  neben  ihm  —  wie  oft  bei  Vermogensbeschädigungen  —  Eisatz 
des  Schadens  zu  geben  war.  Die  festen  Bussbeträge  pfl^^ten  technisch  nach 
den  zu  sühnenden  Verbrechen  benannt  und  so  von  einander  unterschieden 
zu  wenicn.  Mit  Vorliebe  drückte  man  sich  hiebei  ebejiso  wie  beim  Benen- 
nen des  Fricdensgeldes  prägnant  aus:  hadnäm  2.  B.  heisst  »n.  nicht  nur  das 
Beeinträchtigen  frem<len  Grundeigentums,  sondern  auch  das  Busageld  dafür, 
dfinig  nicht  nur  »iederrechlliches  Angreifen  fremder  Sachen,  sondern  auch 
flas  Bus^eld  dafür.  So  heisst  auch  on.  pukki  eine  Geldbusse  für  Beleidigung. 
Das  wichtigste  deutsche  Beispiel  ist  der  »Königsbann«  yhanmts  ngitu),  der, 
von  Haus  aus  eine  Beieidigungs-Busse  an  den  König  für  Cbertreiung  seines 
Verbotes  oder  Gebotes  und  in  sofern  in  der  spAtags.  oferhymn,  auch  dem 
nach  Muster  des  engl,  contemptus  bnrvium  aitwickelteu  nor^e;;.  bre/abwl  ein 
ScitenstOck  fand,  doch  bald  das  Friedensgeid  absorbierte.  War  durch  die 
ÜbeltUat  ein  Sdiaden  an  Gut  gestiftet,  so  musste  dieser  ersetzt  (>gettessert^ 
»geheut*),  das  Gut  uieder  *vull  gcmachts  (Hier  »entgolten*  weiden.  Bald 
geschah  dies  nach  einer  geseulichcn  Taxe,  so  da.«B  der  Ersatz  in  der  Busse 
enthalten  sein  konnte,  bald  durch  individuelle  Ve^ütui^  neben  der  Buss- 
leistung. Letztem  Falls  pflegte  dem  altem  Recht  nicht  ein  blosses  Wert- 
ftquivalenl  wie  z.  R  Geld,  sondern  nur  ein  Ersatz  vun  Gleichem  mit  Gleichem 
SU  genügen.  Nicht  immer  reichten  Gdd  und  Gut  zur  Sühne  hin.  Zum  Beilegen 
emer  Ehrenkränkung  getiört  insgemein  ein  fderiidier  Widerruf,  für  T<.)dschläge 


wprdcn  nicht  bloss  Wergeldcr  gegeben,  sondern  auch  AVallfahrten  unter- 
nommen, Sülmkreiize  errichtet,  das  Ausweichen  gegenüber  der  geschädigten 
Freundschaft  versprochen.  Andererseits  u-ar  in  leichtesten  Fallen,  d.  h.  in 
solchen,  die  in  einer  allem  Zeit  überhaupt  keine  Missethjt  enthielten,  die 
Busse  sy  gering,  dass  sie  nur  formdlc  Bedeutung;  hatte  (eigentliche,  weil  aus- 
fßhrbare  fÄ'hcJniMase.l,  sr»  t.  W.  we-nn  nach  dem  Ssp.  die  ünsse  des  Tage- 
werchten  in  einem  Paar  wuDencr  Handschuhe  und  einer  Mistgabel,  die  des 
RechUosen  in  zwei  Besen  wid  einer  Scbeere  besteht  Materiell  lief  solche 
Busse  wie  die  uneigentliche  (unausführbare)  Scheinbusse  («.  B.  mit  dem 
Schatten)  auf  ein  sarkiistisihes  Herabwürdigen  des  Bussempfängeir«  oder  der 
zu  stihnenden  Tliat  binauä. 

S  8i.  Ursprünglich  folgte  auf  gemeine  Friedertsbrüche  als  das  Primäre 
die  Frieditwigkeit,  die  Söhne  als  das  Sekundare.  Der  Friedbrecher  durfte 
sOtmen,  sullie  aber  nicht,  wenn  er  es  auf  die  Wirkungen  der  Acht  ankommen 
lassen  Wi>Ilte.  Andererseits  massie  er,  sobald  er  gehörig  sühnte,  in  den 
Frieden  wieder  eingesetzt  wurden.  Dieses  durfte  aber  erst  gescheheo«  wenn 
dem  Verletzten  die  Privatsühnc  geliurig  geleistet  oder  doch  gesetzmSssig  ver- 
bürgt war.  lÜezu  gehr-rte  aber  Angebot  der  Sühne  in  gesetzlicher  Frist,  in 
bescheidener  Form  dcT«  Bcncluncns,  nach  .skand.  RR.  und  jüngeren  ags.  auch 
<las  Angebot  des  sog.  Gleichheitseides  (an.  jafnnilareiitr),  d.  h.  der  eidlichen 
Erklärung,  duss  der  Missethater  an  Stelle  des  Sühne mpfüngers  mit  der 
nämlichen  Sühne  vorlieb  nehmen  würde.  War  diei  alles  bei->harhtet,  so 
durfte  der  V'eHetzie  nicht  durch  Anoahmovcrzug  die  Friedensgewührung  ver- 
hindcni.  Freilich  mochte  er  oftmals  glauben,  dass  ihm  die  Sitte  das  An- 
nehmen der  gesetzlichen  Sühne  verbiete,  weil  er  sich  veqiflichtei  fühlte,  das 
Unrecht  zu  verf'ilg;cn.  Dagegen  sucht  dann  die  Gesetzgebung  vorzukehren, 
in  Dänenuirk  und  im  wwtnord.  Gebiet  u.  A.  dadurch,  dass  bei  der  Tod- 
schlagssühnc  dem  Wergcld  noch  eine  Überlmsse  {ganum  =  Kostbarkeil, 
haugpak  ^  Kingdach)  hinzugefügt  wird,  im  niederdeutschen  Gebiet  dadurch, 
dass  der  BtutklAger  einen  Voraus  (ags.  heahfang,  das  "praemium"  der  L. 
Sax.,  holl,  xmrzoent)  aus  tiem  Wergelde  erhüll.  Allemal  aber  hatte  nach 
Empfang  der  Sühne  der  Verletzte  in  feierlicher  Form  Urfehde  (ags.  unfiih'ii, 
mhd.  ufTfhet/e,  un'/hc)  anzugeloben  {wii.  fn'gffi'r,  on.  /n-gi/,  berühmt  die  Island. 
Formulare),  nach  nipdcrd.  RR.  unter  Gcwfihrung  des  Friedenskusses  (nl. 
mttmhotfu),  desse  Stelle  anderwärts,  insbesondere  in  der  Schweiz  vom  »Ab- 
trinken des  Friedens*  vertreten  wunlc.  Aber  auch  der  Friedbrecher  hatte, 
wenn  er  verfolgt  gewesen,  Urfehde  zu  geloben.  Vorbereitet  u-urde  dieser 
definitive  Fricdcnsschluss  durch  einen  WaffcnstillslaTul  (skand.  gn'p,  mhd. 
tröslunge,  slallungt).  —  Wahrend  sich  im  skand.  K.  da.<i  ursprüngliche  Ver- 
hAluiis  zwischen  Friedlosigkeit  und  Sühne  bis  lief  ins  MA.  forterhiell,  kehrte 
es  sich  bei  <lcn  Südgermanen  frühzdüg  um,  so  dass  nicht  mehr  ohne  wci- 
leres  auf  Ächtung,  sondern  zunächst  nur  auf  die  gesetzliche  Sühne  gekl^ 
uod  erkannt  werden,  iler  Urtcilcr  clalicr  ahd.  suenan,  das  Gericht  suonsluoi 
heiasen  konnte.  Die  gewühnlirhe  Sühne  wurde  damit  zur  Geldstrafe^  mithin 
das  Fritjdensgeld  (innd.  gewedHe,  uilid.  icctte,  unrehl,  rrereh)  zur  öffentlichen 
Strafe,  dir  Friedlosigkeit  in  ihren  raildera  Formen  und  Ausläufern  zu  einem 
Exekulionsmittcl,  wahrend  sie  im  Konlumazia [verfahren  den  Charakter  der 
Strafe  behielt  (vgl  §  87).  Der  so  nahezu  herge-stcllten  Einheitlichkeit  des 
Slrafrixrhtssystems  entspricht  es,  wenn  nunmehr  die  Verbrechen  auf  Grund 
der  Art.  und  Schwere  ihrer  Bestrafung  in  ungerihte  und  vrn-eir  eingeteilt  wer- 
den.    Unter  Ungcricht  pflc^^e  man,    in.sbesndere  im  Uilrdlichen  Deutschland, 


203  IX.  Recht.    B.  Altertümer. 

die  Übflthat  zu  verstehen,  wciclic  an  tlcn  Leib  (Hals,   Hand,  Haut,   Haar), 
unter  Frevel  diejenigen.  wi*U-iie  an  die  Habe  gingen. 

§  8j.  Über  die  prozessuale  Verfolgung  eines  MissethSters  zu 
verfOgcn,  war  in  der  ültcru  Heil  ausschliesslich  Sache  des  Verletzten. 
Dieser  ist  di-r  »KJ^gsinhahe-r«  (asw.  niahieghaudi)  oder  rH;mplin;mn  der 
Klage-  (islilnd.  sntar  aiii/i).  Es  wird  siiignr  di'e  Reihenftilgc  der  hienach 
Klag  berechtigten  surgfültig  goirdneL  Die  Sitte  freilirh,  in  gewissen  FilElen 
auch  der  Kuli.  forderten,  cüiss  der  Klag  berechtigte  die  That  weh  nicht  ge- 
fallen lasse.  Aber  eine  rechtliche  Pflicht  zum  Klagen  Ijcsland  nach  rein 
gcnnan.  R.  nicht.  Viehiiehr  war  die  öffentliche  Gewalt,  wiweil  sie  nicht 
si;lbst  verletzt  oder  Vertreterin  des  Verletzten  war.  in  der  ]iriizessualen  Ver- 
folgung vom  Verletzten  abhilngig.  Daher  konnte,  siAald  zur  Acht  f<"imdirhe 
Friedlu:*legung  erfnrderlich  geworden  (oben  S.  If}f>f.),  durch  einen  Privjtver- 
g5dch  zwisdien  den»  Verletzten  und  dem  Friedbrecher  die  Sache  aus  der 
Weh  geschafft  und  die  fiffendiche  Gewalt  um  ihr  Friedensgeld  gebracht 
werden.  Um  letzteres  zu  verliindern,  mussten  erat  besondere  Ge.veize  das 
Eingehen  von  solchen  Vergleichen  verbieten.  Sodann  wurde  für  die  schwe- 
reren FjUIc,  wo  der  Verletzte  nirht  kl.igftn  konnte,  nrier  wollte,  ein  subsidiäres 
Klagcrecht  der  öffentlichen  Gewall  zugestanden.  lu  Deutschland  diente  dem- 
selben die  von  Karl  d.  Gr,  eingeführte  Rflgeiiflicht  der  Din^eute  bezw.  ihrer 
Vertreter,  die  jedoch  in  den  St;ldten  jilsbidd  verschwand  und  in  Oberbayem 
1546,  in  Xicderbayeni  i.V'.i  lU'*  [wjlizeilichen  Gründen  abgeschafft  wurde, 
während  sie  in  den  Venigerichten  zur  eidlich  übemommenen  Anklagepflicht 
des  "Freischoffen--  sich  steigerte.  —  Eine  Anzeigepflicht  kannte  übrigens  auch 
schon  das  westgot.  R.,  weiches  andererseits  für  gew'isse  Falle  die  suhsidLlre 
Popularklage  einführte.  Teils  die  letztere,  teils  die  primäre  Popularklage 
kommt  auih  In  einzelnen  schweizerischen  Gesetzen  des  SpaiMA.  vor.  Den 
ausgibipstt-n  Gebrauch  hat  aber  von  der  einen  wie  von  der  andcni  nodi  im. 
Frühll.\.  das  isllind.  Recht  gemacht^. 

7.  ciEHtcHT  i;ni>  KKCHTSOASü. 

I.itCRilnr  bei  SchrTitter  Lthrb,  %%  8,  IJ.  25,  37,  4().  50  (S,  584  — 5QI),  63, 
Siegel  RG.  §§  185—198.  Brunacr  K«"r.  I  gg  ao,  25,  11  §{(  77.  79,"  81—85. 
97  — 123  lind  in  Holt/cnriorffSS  6,  33,  iS,  Gcnpler  Gnimir.  -S.  3S8 — 405,  520— 
523,  Si«niftDTi  Rctshist.  §§  26—55.  Brandt  Forc-1.  II  S.  157.  S.  itunct :  K. 
van  Alkcmadc.  Bfhan<iflmg  van't  kamfirf^t  1702.  J,  Grimm  Vor\*'.  u.  J,  G. 
Thonia«  Eiiilcitt;.  vor  de«  letricren  (.'>bfrh'}f  z.  Frcinkf%ti(  a.  .1/.,  De  Geer  i 
Xieuwc  Bijdr.-iKcri  vo<ir  Rcgcsgclcertlhgid  VII  S.  141  — 177.  Sv.  Grundlvijj,  Cht 
ä< got.  Joiks  T/ilvneif  1871,  Bactiitiild  in  Roman.  FfprM:hungi,-n  Y  221 — 233. 
Opci  in  MIOG.  XV  S.  479—482,  V.  Am  im  in  Gr.ti.  ^,^1.  A,  i8y6  S.  Joo — 
209,  A.  Schullzc  in  Zschr.  f.  d.  Prival-  u.  f^ffrntl.  R.  XXII  (18^4)  S.  9<3  — 117, 
G.  I"  ▼.  Maurer,  Grseh.  der  Franhojr  I  S.  311 — 335,  IV  S.  84 — 274.  440 — 
458,  l.iKrcbici,  Öifrrr.  Reirks^rsth.  ^  31,  Wt-hnt-r,  D.  Gmehti-yerfaisg.  d^r 
St.  .\fmuken  1876.  ScIIn  i.  d\  Mark,  Knrsth.  XVI  S,  I  — I3i,  Pyl,*  Ä-rfr.  j, 
pommfr.  Rn-hhgfSik.  II  flS<>l),  C.  Neiiliiiry,  C-  d.  Ausdrknung  der  ^unfi- 
frerKhtibart.  1S78  S.  66  ff„  Ders.  Zunßgi'riihlihark.  u.  Zun/t\'er/atsg.  1880, 
*•.  Richthofen,  UnUn.  ü.  fnes.  A'tf.  T.  I  S.  112— iqj,  297—610  T.  II  S. 
1060  ff..  V.  Planck  i.  d.  Münch.  SiizB<l>er.  hisl.  Kl.  iSSEi  S.  i;^  — iSo,  I.rtnch, 
D.  fngelh.  Oberhof  1885  S.  XC— CCXII.  Horten  [oben  S.  168).  RosL-nthal, 
Beilr.  G,  dtttt.  StadtRG  §§  l  — 12.  Brandileone  In  Studi  e  dooim.  d.  »inr.  X 
(l88g)  5.  3—35.    H.  Knapp  in   Zscbr.  I.  die  gesamte  StntfrecbtHwisseiuch.  Xn 


*  Nach  Opel  D.  Popularkhgt  d<r  Berntr  Uandffstf  1894  hUtte  die  Popularklage 
dn  nocb  viel  auRecbreitetcm  Gebiet  gehübt.  Die«  Anuahmr  beruht  auf  irrif>er  Atislcj^ung 
der  Quellen. 


j.  Gesucht:  Vsrpassuhg  der  staatlichen  Gerichte.  203 


189a  S.  300— 2;6,  473— 5SZ.  —  Slubb».  Consf.  Hut.  IS.  ID3  flg.  Il4f].  IJJ, 
llncisi.  £fi^t.  l'er/a.  S.  l8— II.  45—57  »"ch  134  fr.:  —  Wild«  i.  d.  Ver- 
band), rfcr  Gtrrm.  t.  Lilbcck  1847  S.  249 — 260,  Th.  Wolff  in  Zschr.  1*.  vergleich, 
Rtdblsw.  VIS.  I  ff.:  —  Stein.  D.  (iesfhichtr d.  dän.  Ctvilpmtestri  %.  \  — •;*),  I, ar- 
*VD,  Snmirdr  SJkri/trr  I  I  S.  70 — 105,  Stecnsliu|>  in  Datiskr  ^Mimlitigpr  Z  K.  II 
S.  J29 — 341,  Sylow,  Dm  matfrwlU  Ürvislttiris  Vdiiitlinffiftht.  1  dnmk  Ret 
1878.  .Sechpr,  (hn  vtlUrlighrä  og  tiäme&ei'iS  t.  it.  a.  Jiin\te  procfs  I8S5  (ilji/.u 
K.  Maurer  in  Kr.  V)«cbr.  (886  8,90 — ^),  pAppenhcint,  D.  nJän.  ^chuif 
gildxH  S.  277  —  322,  33—37.  Holberß,  Legti  Watäemari  1886  S.  156—173, 
318—330.  233 — 352,  Den.  Dnntk  Rigilovgivnmg  188g.  inshm.  %%  4  — 11,  13, 
20.  S2  (dajtu  I'appcnhcim  in  Kr.  Vjschr.  XXXIl  S.  44— 79).  Matxcn.  /-ortUt». 
Offrmtl.  R.  II  (1894):  —  Schlyur, /Mr.  Afhnndt.  11  S.  iio— 341.  lIjArne. 
Om  d.  fornei'^tuka  nämd^n  (U]M.  Univ.  Ar$«kr.  1872,  daru  Schlytcr.  Gleis. 
S.  801  —  80;).  ödberß  (oben  S.  I43),  Uppsiröm.  Ö/vers.  af  d.  nenska  proc. 
hiit.  1884  (duu  V.  Amira  In  G^n.  gel.  A.  1885  S.  161  —  171),  Scrlacblus 
(oben  S.  169),  [jubcs,  S,  1 — XV  1;  —  K,  Maurer  in  Müncb.  Sltzgübcr.  phil.  Kl. 
t883  S.  548 — 592,  1896  S.  3 — 48,  —  Pappcnheim,  Hin  iill»cr-,i:  ÜiAuUgi/de- 
Statut  S.  63 — f>8.  —  J.Arncscn,  HiitcHsk  Indh-dn.  til den  ,  ..hlandskf  I^tfr- 
gamg  1762.  A.  Kcmpe.  Studier  Sfver  d.  hl.  Jnrvn  1885  (iliuu  K.  Maurer  in 
Kl.  VJKbr.  1886  S.  80—88),   V.  Finten,   Öm  drn'oprmd.  Ordmag (t>bca S.  lOO). 

83.      »Das  giikrünimtcr  Rcchisvcrhülmis  wieder  in  dit-  Richte  zu  l>ringt.Ti* 

—  ahd.    die    rihtimgn    —    ist   Beruf    des    'Gerichts«    (ahd.   ghihii  n.,    mnd. 
ickte,  liehu,   m!id.  auch  reht),   ein  Bcmf,   der   erfOllt   wird   duaii  Rcchl- 

^sreciiung  oder  Urteil  (ersi  .ihd.  nrteiÜ,  as.  urd^li,  afrifs.  uniei).  Das  Urteil  aber 
war  lind  hiess  »Salzuiij;'  (skand.  tiömr,  ^aX.ilStns,  itnd.  dorn,  ahd.nihd.  tuom\  in  dem 
Sinn,  dasi«,  auf  einen  Streitfall  angewandt,  Recht  »gewiese:!*  und  -gefunden*-, 
die  Sache  selbst  dadurch  »geordnet  t,  der  Streit  zum  »Stillstand-  gebracht 
wurde  (daher  goL  timia  f.  =  Urteil).  Denn  als  ein  »Formen*  und  'Schaffen« 
(skand.  skapa,  afriink.  *sfapan),  wie  als  ein  >Trennen«  und  .Abgrenzen« 
(skand.  skila)  wunle  das  GcscLiflft  des  Urteilent  aufgefasst.  Gcmä.ss  dem 
Wesen  des  Volksrechts  konnte  aber  diese  Rechtsanwendung  nur  von  der 
Rechtsgenusscmchaft  selbst  ausgeheu.  Dalier  war.  solange  dieser  Grund- 
gedanke lobendig  blieb,  das  gcrman.  Staatsgcricht,  wiewuhl  keineswegs  bloss 
rum  Entst^haden  von  Streitigkeiten  dn,  eine  Versammlung  aller  selbständigen 
RecJitsgeiwisscn  (:^.  /oiegemöt,  —  dafür  aucli  as.  hwatf,  frics.  warf)  im  Ge- 
richtwprengel,  eine  Versammlung   zum  Verhandeln  an  bcstimmiem  vTermin« 

—  /'"i?t  (ahd.  ding,  lang*_»b.  thmx,  aus  vorgenn.  ^trnlos.  ^■gl.  lat.  irmfiiis,  got. 
Pakt),    'mapul   (g<iL    mapl,    abd.    madai,    as.    mahal,    frank*  ilat.   mallm).     Die 

srichtsversamndung  der  altem  Zeit  ist  entweder  Landes-  oder  Bezirksver- 
Jung.     Und  zwar   konkurrierten   Landes-  und  Bezirksversaiumlung  liin- 

rhtlirh  ^^x  Gerichtsbarkeit,  ausgenommen  die  todeswflrdigen  Strafsachen,  in 
»•ehhen  die  Landpsversamnihmg  (I-andsgemeinde)  aussei ilies>Iich  zust-lndig 
»■ar.  Letzteres  erklart  sich  daraus,  dass  die  Todesstrafe  Staab-opfcr  w;ir  (iilicn 
S.  197»,  die  Staatsopfer  aber  auf  der  1-mdsgcmeinde  dargebracht  wurden. 
Der  Benrksvcrsiunmlung  stellt  das  an.  Marktrecht  das  Schiffsdtng  (skipam 
tif/n<i)  gleich.  Im  Zusammenhang  mit  der  Auflösung  der  Bf-7.irksverf.-u«ung 
(oben  S.  124)  erhallen  die  neugegiündeten  Herrsihaftsgebicte  und  fast  inuuer 
auch  die  ptditischen  Gemeinden  ihre  eigenen  GericbLsversammlungen.  Die 
Gericlitiversaninilung  findet,  soweit  sie  staaüichen  Ursprungs  ist,  periodisch 
(im  Ssp.  al.s  echudtng.  inhd.  efia/tding.  fries.  und  nsadis.  lolting  d.  i.  logfing) 
and  in  diesem  Sinn  zu  gesetziidier  Zeit,  statt;  ausserdem  kann  sie,  wann  man 
iluer  bedarf,   duch    unter  Be^jbachtung   der   gesetzlichen    Fristen,    aufgeboten 


1  Dir  viitt    K,    LclirasDii  (s.  ahen  5«,  54)  S.   33'  angcgdMtne  Sdirift    van    i.agus 


ao4 


IX.  Rkciit.    B.  AltertOmkr. 


oder  -»ausgdcgl'  werden  (sog.  gebotenes  Ding).  Nur  dem  iaL'lud-  R.  ist  diis 
gebotene  Ding  unbekannt,  und  andererseits  ist  cla.s  ^.n.  Sehiffsding  seiner 
Natur  wie  seinem  Namen  nach  ein  gebotenes.  Zu  gewissen  Zeiten  («gebuii- 
deiien  Tagen*)  soll  regelmässig  kein  Ding  gehalten  werden,  kein  Ding  femer 
bei  Xacht,  so  dass  die  Gerich tsversammhing  buchstäblich  ein  ittf^idiur  (ahd. 
—  mhd.  auch  feidinc)  ist,  —  ausgenuininen  auf  Island,  wu  es  zur  Sommer- 
zeit nachtliche  Gericlitc  gibt  Gesetzlich  ist  beim  echten  Ding  auch  die  Dauer, 
gesetzlich  der  Ort  {echte  oder  refbte  liittgstaf  nach  deut.  Quellen).  Der  Ort 
(alid.  mahalstai,  fries.  loch,  ns.  //V)  ist  regelmässig  eine  herkiimmlidie  Statte 
im  Gerirhtssprengel,  in  Deutschland  seit  frTinkischer  Zeit  wenigstens  für's 
cclite  Ding.  Ursprünglich  immer  und  im  MA.  n<>ch  gewöhnlich  lag  die 
Dingstatte  unter  freiem  Himmel.^  Mit  Vorliebe  wlhhe  man  dazu  Anhöhen, 
bei  den  Salfranken  so  regelmässig,  da^s  sie  jede  GerichtsstUtie  malloherg 
nannten.  Niclit  ganz  und  g;ir  diesem  maltobcrg  entsprechend,  deich  zum 
Behut  von  Verkündigungen  tmembt-hrlich  ist  im  isl/lndischen  Untergericht 
der  "Dingbrink-  fpingbrekia).  \i\  der  isirindischen  Landsgemeiude  wie  in  der 
werra landischen  der  -Gesetzesfelsen«-  i/^'g^i-Tf,'.  /a^'inr^/i).  In  wirtlicheren  Ge- 
genden verlangte  das  Schattenbedürfnis  der  Versammlung  Befriedigung,  wess- 
wegen  die  Dingstfltten  insgemein  mit  Bflumen  bestanden  sein  mussten.  .\ber 
auch  KuUusüwecke  konnten  in  heidnischer  Zeit  dabei  in  Betracht  knmmeu. 
Viele  Dlngst;itten  waren  damahi  OpferetiUten,  und  eben  hiemit  mag  es  zu- 
sammenhangen, wenn  es  noch  in  christUrher  Zeit  üblich  bleibt,  hei  grossen 
Steinen,  bei  Gewässern,  auf  Kirchhöfen  zu  dingen.  Doch  finden  sieh  in 
Deutschland  seil  Karl  d.  Gr.  Verbote  gegen  das  Abhalten  von  Gerichten  an 
geweiljter  Statte.  Seil  derselben  Zeit  werden  Gerichtsraume  auch  bedeckt, 
aber  so,  dass  die  Wunde  nffen  bleiben  (■GcricJitslaiibcn«),  Erst  im  MA, 
kommt  es,  und  zwar  meist  im  Zusanmicnhang  mit  einer  prinzipiellen  .Ände- 
rung der  Gerich L<vcrfa SS ung,  auf,  in  gesciilosscncni  Raum,  zuerst  noch  in 
Cildehäuscm,  Rathauscni.  dann  in  eigenen  DiJig-  oder  RlchthSuseni  Gencht 
zu  halten.  Aber  auch  nachdem  das  Gericht  ein  »Slubengerichl-.  geworden, 
erinnert  das  Offenhalten  von  Thüren  oder  Fenstern  der  GericliLsstube  an 
das  einstige  Tagen  der  Versanmilung  in  freier  Luft.  Gewöhnlich  wurde  auf 
Grund  von  Banngewalt  das  I^ing  berufen  (d.nher  -ipfiuiiutn"  d.  i.  *lhum  nben 
S.  1^3,  skaud.  str/na)  und  geleitet  vom  Gericlitshalter  (alid.  rihtari,  toltd. 
nuid,  rihUr).  Dies  pflegte  die  Hauptfunktiim  des  Bezirks  Vorstehers  xu  sein 
und  eine  wichtige  des  Herrschers  zu  bleiben,  welchen  Namen  dieser  auch 
führen  mochte.  In  der  Zuständigkeit  des  Gerichtshalters  kennt  das  flltestc 
Kccht  nur  Unterschiede  nach  Gegenstauden  dtrr  R<-(ht.'«h finde!  unti  n:ich 
Sprcngeh).  Der  erstere  Unterschied,  der  auch  im  MA.  nnch  fortdauert,  lie- 
grOndet  den  Gegensatz  von  Hoch-  und  Niedergericht.  Jünger  ist  der  Unter- 
schied von  Instanzen  (Ober  und  Untergerirht,  unten  S.  208)  und  erst  wah- 
rend des  MA.  bildet  sich  In  Dculschiand  im  Zusammenhang  mit  der  Über- 
«nd  Untergenössigkeit  (g  4^)  ein  Unterschied  der  Zuständigkeit  nach  den 
der  Geric]il!^ewalt  utiterworfciieri  Personenklassen  aus  (StandesgiL-richte).  Wahl 
des  GerichLshalters   durch    die  regierende  Versammlung   der  Rechtsgenossen 


1  Anscbatilicbc  Beispiele  liefern  viclo  crfanltcnc  Dingitatten  wie  die  zti  Dortmund  uiui 
zu  Bo&dori'  (oben  X,  1  S.  61),  die  hessischen  Gerich (slindcn  cu  Kaiehen  {Kumtänttm, 
im  Gritssh.  HfSien  Kreis  Fritdhrrg  S.  IJ").  b<-"i  B^jrfeldt-n  (u.  a.  O.  Kr.  Ertnich  S.  12), 
l>riMS!tt(-iii1i«'iiii  (k.  a.  O.  AV,  Offmbach  S.  (Jj),  l>ei  KtIkicIi,  Juycnheim,  Rrcitentinuin, 
Hingt-iilieim,  Gfltentliiu-h  iird  niif  tk-iii  I^iriillier^  bei  Hp|>|>enhfini,  die  iScliraiinet  *h  Oberalm 
(Sabibur^),  der  fileiiuicktT  xu  Mnllu  ((ilnni^).  dii^  i.sl3ndLsche  Alllhini^stilup  an  der  Qiuri 
(Vtigt  Xorii/ahrf  S.   336)  tind  andwe  fit-rithlspUui'  auf  Island,   u.  a.  m. 


7*  Gericht:  VERKASsuNa  der  staatlichev  Gerichte. 


205 


! 


bildete  in  der  Frt^hzeit  die  Regel.  Im  MA.  wurde  er  unter  den  inannig- 
falügslca  Amlstitcin  meist  vom  Herrscher  (Gerirhtsherml,  »iweit  dieser  nicht 
selUst  tlas  Gericht  abhielt,  ernannt  tider  mit  seinem  Amt  bezw.  dessen  Ein- 
künften belehnt.  rtisbes'.iridere  war  dies  in  den  Grund  he  m*Lhaften  und  in 
den  bind e»herr lieh eu  Territorien  der  Fall,  wo  der  Gerichtshalter  sogar  oftmals 
sein  Amt  pachtweise  inne  hatte.  .\ber  auch  erbliche  Gerich ish alterschaften 
gab  es  damals  In  cini^jcn  deutschen  Gegenden,  wie  z.  B.  die  Dorfscliulzen- 
Amter  in  den  dcubu-hen  Kolonien  SchtcKirns  nml  der  Mark  Umndenbur^g, 
wahrend  anderwJirts  —  und  zwar  auch  abj{eüelien  von  Freistaaten  —  ciuc 
Mitwirkung  der  Dinglcute  beim  Bestellen  des  GerichLsvorstchem  sich  fort- 
erhielt oder  unter  der  Gunst  lokaler  politischer  VeriiältnLsse  wieder  auflebte. 
So  ist  z.  B,  der  auf  die  Dauer  bestellte  gogrei-t  des  Ssp.  wie  schon  itein 
Vorläufer,  der  tailtnarim^  dem  Grafen  von  den  Dingleuten  durch  Wahl 
präsentiert,  wird  andererseits  den  nieder  frankischen  Kolonisten  in  Sieben- 
bürgen freie  Richtertt-ahl  durch  ?ri\ileg  zugestanden.  Das«;  ein  Ding  nicht 
vom  GericIiLshalter,  sondern  von  demjenigen  Dingmann  berufen  wird.  >der 
des  Dinges  bedarf',  findet  sich  als  Regel  im  nurwt^.  R.,  als  Au^inahme  für 
den  Fall  einer  Klage  um  >jahe  That<  im  altem  deuL  R.  (notdmc).  Auf 
solchem  Notding  wurde  bei  .Abwesenheit  des  ständigen  Richters  einer  zum 
Richten  über  den  vorliegenden  Fall  gewählt.  Im  Richten  der  VemschOffen 
auf  handhafter  1"hai  lebte  dies  Ni.itding  noch  wahrend  des  SpätMA.  fort. 
Du  Berufen  geschah  auf  dem  Lande  meist  durch  Herxunsenden  eines  Bul- 
schaJtsjKeichens,  welches  die  einzelnen  IJinglcine  unter  einander  selbst  weiter- 
zubcfördeni  hatten,  aber  auch  durch  Geschrei  (^rikJiie,  serüflt,  so  insbe- 
sondere beim  Notding),  in  Ansietllungen  mit  Kirchen  gewöhnlich  durch 
Glockcngeläute,  in  Städten,  iasbesiindere  nordischen,  audi  durch  Hiimcr- 
schalL  War  für  den  Zusammentritt  einer  Gerirhtsversamnilung  ein  Tag 
durdi's  Gesetz  bestimmt,  so  bedurfte  es  keiner  bcsondeni  Ansage.  Das  Er- 
flcheinen  tmd  Fungieren  im  Ding  ist  für  die  durcli  Gesetz  oder  gesetzinassige 
BotMhaft  Berufenen  insgemein  nicht  bloss  Recht,  sondern  Pflicht  (»Ding- 
pflicht*  >Gerichlsfolge-),  und  zwar  eine  Genossenpficht  (oben  S.  129),  deren 
VeßSumnis  bestraft  wird. 

Die  Urteilfindung  ging  ursprünglich  wohl  nur  von  einem  Dingmann 
aus,  indem  dieser  auf  Befragen  durch  die  Partei  einen  Urteilsvurschtag 
machte,  sei  e»  diu«  wir  uns  in  jenem  nach  Art  des  schwedisch -gotischen 
laghmaptr  und  hinapshößtin^i.  des  ags.  ealäorman  und  scir^n'fa. '  des  alam. 
j'atiex  den  Gerichishalicr  selbst,  oder  sei  es,  dass  wir  uns  in  ihm  nach  Art 
des  friesischen  äsr^a  und  des  baierischcn  jiuie.v  {äago,  t'sa^ati.-J  wnen  vom 
Gerichts halter  vergeh iixlenen  und  eigens  zum  RechtweLten  angc-stellteji  Be- 
juiiten  zu  denken  haben,  jüngere  Rechte,  wie  z.  B.  schon  das  altfränkische, 
übertragen  die  Urtcilsfindung  einem  (vom  Geriditshalter  ernannten?)  Aus- 
schtiss  der  Dingvcrsammlung.  Der  Gerit  htshaltcr  ist  an  derfwlben  rechtlich 
unbeteiligt,  erhält  aber  tue  neuu'  Anfgiibe,  durch  sein  RecliLsgeU»!  (ju.ssio> 
ilas  Urteil  rechiskr^ittig  zu  machen,  ohne  freilich  das  Recht.sgebi>t  nach  seinem 
Ermessen  verneigem  zu  dürfen.  Allemal  jedoch  bedurfte  der  Urteils vorsclilag, 
um  rechtskräftiges  Urteil  werden  zu  können,  der  /ustiminung  (mhd. 
To/ge.  mnd.  vttibort}  aller  Itingleutc,  und  ursprünglich  war  e-s  die  Felge  allein, 
vodureh  tbis  Urteil  RechLskraft  erlangte.     Nach  ilcm  altern  RccJit  wurde  sie 


1  Entscbcükoil  liadw.  I  pr.,  fculu.  ni  3,  \,  Cnul  tl  13  §  t.  18  u.  Canc.  A&undun. 
In  FiitKchK.  XIV  S.  395.  Duti  stimmt  auch  cli<^  Be&direilMinfi  des  iingtrcchtco  d/ma  io 
dem  /achr,  L  Kit.  XVUI  S.  208— 312  dl)£«lrucktL>n  04^.  .\iir«:iu  (c.  .t.   looo). 


durch  Zunif  und  Waffenrülircn  (skantl.  väpnatai,  langob.  gairtthinx  =  Spcer- 
geding,  *-omit  z.  vgl.  an.  geira|>in}r  =  Kampf),  nach  jQngerem  durch  Still- 
schweigen erteilt.  EigetitUdi  sclieint  \\\yci  jenes  Waffenrühren  noch  mclir 
als  blosses  Zustimmen  bedeutet  zu  haben,  n.'lmlicb  das  GclQbde  oder  den 
Schrnir,  das»  man  das  Urtfil  für  Recht  halten  wullc  (vgl.  einerseits  den 
provisorischen  Waffeneid,  anden^rscits  das  Hlnaiisschwriren  des  Friedlosen 
oben  S.  197).  Daher  wohl  heisst  afrank,  nicht  bl<>ss  das  Mitglied  des  urteil- 
findenden Ausschusses,  sondern  auch  jeder  andere  Dinginaun  ein  >Bürge« 
d.  i.  Bewahrer  des  »RatscVihisses=  ~  'ra^inbuif^'o.  Aus  dem  Gesagten  er- 
gibt sich,  da.ss  jedes  rechtskräftige  Urteil  Einstini nugkeit  der  Dirglcule  er- 
fordert. Nach  jüngerem  Kcclit  muss  sich  diese  wenigstens  formell  in  der 
Weise  ergeben,  dass  nicht  noch  nacii  der  Abstimmung  und  nach  der  »Folge: 
der  Mehrheit  ein  Widerspruch  gegen  das  Urteil  der  letztem  geltend  gemacht 
■«•ird.  Hiemit  in  Zusammenhang  steht  das  Wesen  der  Urlcilsschclte 
(salfrank.  !akhm,  fries.  lakittgc,  ags.  forsaean,  innd.  dat  ordel  sceldcn,  mhd.  Jaz 
urteil  ivüitnvfrfttt,  loidernbUn).  Die  Urteilsschelte  ist  ein  Anschuldigen  wegen 
Rechtsbeugung.  Von  jedem  detn  Urteiler  ebenbürtigen  und  am  etgenei^ 
Recht  vollkommenen  Dingmann  und  insofern  allerdings  auch  \-on  der  be- 
schwerten Partei  kann  sie  amsgehen.  Dabei  muss  der  Scheiter  iunver«'andten 
Fusses"  und  f<'!inulich  das  Urteil  finden,  welches  er  für  das  richtige  erkJSrL 
Demnach  führt  die  Urtetlischelte  zur  Zwiespältigkeit  der  Dingicute  (an. 
pin^rof)  und  verhindert  so  das  Zusiandckonunen  eines  rechtskrtlltigen  Urteils. 
Da  iuidcrcrseits  die  Nütur  des  Volksurteils  jede  residierende  Instanz  aus- 
schüesst  (vgl.  §  84),  so  kann  <Jer  Streit  nach  altgennan.  R.  nur  durch  Zwei- 
kampf (§  00)  zwischen  dem  Scheiter  xmd  dem  Gescholtenen  ausgetragen 
werden,  falls  Ictzlercr  bei  seinem  Urteil  bcliarrt,  was  er  nach  Illtcrcm  R.  s-j- 
gar  muss.  Nach  Abschaffung  des  Zweikampfes  freilich  ergriff  man  ein  ana- 
loges Auskunftsmittel  wie  zur  Entscheidnng  Über  ein  gescholtenes  Beamten- 
urteil (unten  S.  208),  so  z.  B.  in  Norwegen,  wo  man  den  Rechtszug  {skjöta 
dorne)  :ui  eine  höhere  und  grossere  Dingversammhing  gesttttete,  soweit  man 
noch  am  Prinzip  der  Einstimmigkeit  festhielt.  Im  fränkischen  Reich  ist 
schon  um  755  neben  dem  alten  Schcltungs verfahren  ein  neues  in  Form 
einer  Klage  wegen   Kechtsheugimg  vor  dem  Königsgericht  zugelassen. 

Die  Uerichtsverhandlung  beginnt  mit  einem  Gebot  des  Schweigens  und 
Zuhörcns,  welches  der  Gerich Lshalter,  in  der  heidnischen  Landsgeraeinde  auf 
dettCschem  Hoden  der  Priester,  an  die  Dingleute  erlasst  und  wodurch  er  das 
Ding  »befriedet"  oder  'bannt'  oder  im  w.  S.  '■hegt',  In  ültcrcr  Zeit  sclieincn 
alle  Dingleute  b(!^^•affnet  im  Kreise  (•Ring-)  zu  sitzen.  War  zur  UrtcÜ- 
findung  ein  Ausschuss  berufen,  so  sass  rmr  dieser  nebst  dein  Gerichtshaller 
imd  zwar  innerhalb  eines  kreisfflrmigcn  oder  viereckigen  und  insgemein  ein- 
gehegten Raumes  (mhd.  nm),  die  Urteilender  auf  Steinen  oder  Banken 
(batr,  srhmtmen,  eil.  dingbnncktn^  vienehart),  der  Gericlilshaltcr  nach  deutL 
RR.  auf  einer  besonderen  Bank  mit  gekreuzten  Beinen,  das  Antlitz  nacli 
Osten  gekehrt,  den  "gewailigen-  Stab  (doch  im  Hochgericht  wohl  auch  statt 
dessen  das  St:hwcrt)  in  der  Hand,  den  Ricbterhut  auf  dem  Haupt.  Auch 
die  Uneilfinder  tragen  im  MA.  besonderes  Gewund.  Am  Ende  des  Ver- 
iumdehis  oder  der  Dingxeit  erfnlglc  meist  eine  f("'rmtiche  Auflösung  des 
Dings  (an.  pinffhiun)  in  Deutschland  z.  B.  unter  Umstürzen  der  Schrannen. 
Wahrend  der  Dingzeit  kündete  ein  Schild,  aufgehängt  an  Speer  oder  Baura, 
oder  ein  Schwert,  eine  Fahne,  aufgesteckt,  den  Dingfrieden  (S.  194)  an. 
Überdies  aber  stand  im  Heidentum  das  Ding,  wenigstens  die  Landsgemeinde, 
UJiter  gölüichcm  Schutz.     ■■Weiliebandec  (an.  vS^nd),   an  Haselslangen  um- 


7.  Gskicut:  Verfassung  der  staatlichen  Gerichte. 


207 


heisc»jgen.  'hcgtciii  den  Platz  der  Urtoilfindcr  ein:  das  Ding  wurde  »ge- 
S{)aimt-=.  Auch  die  Dingltcjiung  s<lidm  ein  sakrales  Element  enthalten  zu 
haben.     Dass   mit  Vorliebe    der   Dienstag  oder  Donnerstag    ziun  Gericlitslag 

fahU  wurde,  *  deutet  nach  derselben  Richtung.* 

§  84.  Die  ira  Vorstebcudcn  geschilderte  \'crfaKiung  des  altgerman.  Slaats- 
gcrichts  hat  sich  nur  in  wenigen  Ijndeni  rein  bis  ins  MA.  erlialten.  lu 
ihr  Gegenteil  verkehrt  erscheint  sie  da,  wo  Befehlsgewalt  und  Urteil  ver- 
bunden, das  Schöpfen  des  rechtskraftigen  Urteils  dem  Gerichts- 
halter (nunmehr  got.  staua  m.)  ausschliesslith  Übertragen  wiirde.  Dies 
ist  nicht  nur  wahrend  cnier  alsbald  nach  der  Vülker^^anderung  bei  denjenisen 
Südgcrmanen  ((inten,  Bnrgxinden,  Langobarden)  geschehen,  welche  unmittel- 
bar dem  n'^iniscben  Einflüsse  ausgesctit  waren,  simdeni  In  der  zweiten  Plälfte 
des  MA.  auch  bei  skandinanschcn  \'i^Ikem,  insbesondere  in  Schweden  (die 
Städte  ausgenommen).  Mngmatis<h  und  teilweise  auch  genetisch  ein  Mittel- 
glied zwischen  den  beiden  gcgensütaliclien  Systemen  der  GericliLsverfassung 
bildet  dasjenige,  welrhes  zum  Urleilen  ein  Srhöffenkotleg  einsetzt.  Mit 
dem  Gcrichlüh alter  gemein  bat  dann  der  Schüffe,  dass  er  —  wiewohl  unge- 
lehrt —  Beamter  ist.  gteich\*iel  ob  auf  Lebenszeit  oder  bloss  fflr  die  Dauer 
der  Gerichtssitzung  angestellt,  gleichviel  femer  ob  durch  Ernennung  oder 
durch  Erbgang  xu  seinem  Amt  berufen.  Vom  Gcricht'ihalter  unterscheidet 
er  sich  dadurch,  dass  er  lediglich  an  der  UrteiUfindimg  beteiligt,  wahrend 
der  Gerich tshalier  regelmässig  davon  ausgeschlossen  ist,  sie  Welmehr  von  den 
Schaffen  zu  erfragen  hat.  Der  Gerichtshalter  kommt  in's  Gericht,  »nicht  mn 
das  Recht  zu  bringen,  sondern  um  es  bei  den  Scht^ffen  zu  finden«,  imd  das 
gefundene  allenfalls  fOniilich  kuud  zu  machen  (»auszugeben«).  Das  Prototyp 
einer  Sihöffcu Verfassung  gewahrt  das  frankische  Bezirk'igericht  seit  der  Zeit 
Jtftitchcn  709  und  803.  Der  Sdioffe  (afrftnk  'satpin,  ciamach  and.  scff>eim, 
fties.  treppetiOt  ahd.  srf/ßno,  —  femer  ahd.  scephfo,  sieffo.  alles  zu  skaptiu  [oben 
S.  203]!  ist  der  Xachfolgcr  des  sitzenden  Raginburgeti,  aber  nicht  wie  dieser 
blo»  für  die  Gerichtsdauer,  stindem  für  Lebenszeit  vom  Gerichtsherm  unter 
Zustimmimg  der  Dingleute  ernannt  und  vereidigt.  Das  Urteil  hat  er,  soweit 
das  Gesetz  geschrieben,  dem  geschriebenen  Te.xt  gt^mflss  zu  finden.  Sieben 
Schöffen  müssen  ira  Gericht  sitzen;  ausser  ihnen  ist  ein  Uinstand  der  Ding- 
|)flichtigcn  nur  noch  in  dem  vom  Grafen  abzuhaltenden  echten  Ding  nul- 
•wcndig,  und  auch  hier  fallt  die  förmliche  Vollbort  des  Umstandes  weg,  sodass 
an  dessen  ehemalige  Bedeutung  nur  noch  die  UrtcÜsschcIte  erinnert.  Den 
Übergang  hiczu  halte  ein  Gesetz  Karls  d.  <ir.  vermittelt,  wonach  zum  ge- 
botenen Ding  nur  Xotable  aus  den  Dingpflichiigen  zu  beschicken  waren. 
Die  Verschiedenheit  in  der  Zusammensetzung  des  echten  und  des  gebotenen 
Dings  fahrte  xu  einer  Verschiedenheit  in  der  Kompetenz  dieser  Gerichte, 
über  Leben,  Freiheil  und  Eigentum  sollte  fürdcrliiu  nur  noch  im  echten 
Ding  erkannt  werden.  Damit  war  dieses  zum  Iloch-  ((xJer  »freislichenA 
das  {gebotene  zum  Xtedergericht  gemacht  Die  karoling.  Scliöffenverfassung 
ist  rmr  in  einigen  Teilen  Deutschlands  durchgefühn  worden  (von  Anfang  an 
nicht  in  Eriesland,  auch  nicht  im  sachsischen  Gogericht),  in  noch  wenigeren 
über*«  12.  Jahrb.  hinaus  erlialten  geblieben.  Audi  wo  sie  aber  sich  fort- 
erhielt, sind  erhebliche  Modifikationen  an  ilir  eingetreten.  Die  wichtigsten 
der&clben  bestanden  darin,   dass  der  >Umittand<  als   solcher   nicht  mehr  im 


1  Cbcr  (Iva  Donnerstag  vgl.  H.  Pftcrsen  XortBt.  Gttd*dyrbftsc  S.  6' — 69, 
'  Daw   kbcr   wedn   der  Mim  Thitigstu   nncl>    die  Aluisiu^ae  Gnldiagottbcitt-n   «aren, 
Mifil  S!"        -  *-7br.  f.  deuL  Philol.  XXIV  S.  433  — 4S(i. 


2o8  IX.  Recht.    B.  Altertümer. 

echten  Diug  beim  Zustandekommen  des  Urteils  mitwirkte,  das  Schöffenamt 
erblich  oder  chircli  Ki"topt.'iiioTi  oder  (wie  in  den  Freigerichten)  durch  Auf- 
nahme in  einen  Bund  linnd.  iicme)  vuu  Wissenden  besetzt,  die  K(.>mpctcnz 
des  gebotenen  Dings  des  des  editeji  angenähert  v^iirdr.  Unabhängig  vom 
karolingischen  Schüffenwesen  sind  verwandle  Einrichiungen  wiilircnd  des  MA. 
in  verechiedenen  Rechb^ebieten  innerhalb  und  ausserhalb  Deutschlands  in'» 
Leben  getreten.  Dnhin  gehören  z.  B.  tiic  seit  dem  13.  Jahrb.  in  den  friesi- 
schen »Landern«  und  Landdistrikten  ai:iftrctcudcn  rfägefan  (consuUs)  txlcr 
/htra  (»Rcchlsherm-^)  «Hier  riufhtem  (oben  S.  15,5  o(\ct Jurafi,  d.s.  F.thclinge 
(üben  S.  130  f.),  welche  nach  j;ilir«eisfni  »Umgang',  unter  der  Leitung  eines 
von  ihnen  [kithtre,  edielor,  enunciaior,  omior,  —  gritman)  das  Gericht  bildeten, 
—  ferner  die  in  Baiem  bis  zum  Landrecht  Kaiser  Ludwij-s  mid  in  Oestcr- 
reich,  aber  auch  in  D.lnemark  vom  Richter  aus  den  erschit-nenen  Dingleuten 
ernannten  Beisitzer,  ^  niclit  minder  die  s<-hwe<lischen  .Stadtgerichte  seit  dem 
\\.  Jaiirh.  in  ihrer  zwiefachen  Form  als  Marktplatz-  und  als  RaLsstuben- 
gcrichte,  endlich  die  s.'imt]ii.-hen  (»erichte  (domnr)  im  Verfassungssj-stcm  des 
islünd.  Freistiiats,  deren  Urteiler  in  beschrünkler  Zahl  von  den  Guden  (oben 
§  52)  und  zwar  för  die  Dinggerichtc  aus  den  Dingleutcn,  ematmt  wurden, 
wahrend  die  G«Klen  selbst  sich  ledig^h  mit  der  Justixvcrwakung  zu  befassen 
hatten. 

Mit  tliesen  Ver;inderungen  im  Wesen  des  german.  ncrifhts  ging  eine  Ver- 
änderung der  ürtheilsschehe  und  der  Urüieilsspaltung  (islünd,  vr/an}(  ^  Mis- 
lingen)  Hand  in  Hand.  Im  Gegensatz  zum  Volksurteil  ist  das  BeamtcnurlcU 
verbesserlich,  weil  es  kein  unmittelbarer  Aiwdnick  des  Rechts  ist.  Nunmehr 
kunnte  der  urteilende  Richter  bei  dem  ihn  beaufsichtigenden  Vorgesetzten 
bis  liiriiuif  zum  Herrscher  wegen  Rcchtsbcugting  verklagt  ilanjsdb.,  ajpi., 
schwcd.,  nonvcg.  R.),  es  konnte  femer  der  Streit  um's  bessere  Urteil  von 
Schöffen  zur  Entsrheidung  durch  vorzt^lichere  Urteiler  des  nJlmlichen  Rcehts- 
gebietes  gebracht  werden,  sei  es  als  Streit  zwischen  dem  Sclielter  und  dem 
UrteiJfinder  (älteres  deut.  R.  unti  island.  R.),  sei  es  aU  Streit  zwischen  dem 
Schelter  und  seinem  Pn  izessgegner  (jüngeres  deut.  R.),  sei  es  femer  in  Form 
von  Holen  des  Rechts  (>zu  Haupt  Gehen-^)  im  rOberhof':  und  Wicdercin- 
bringen  des  gehulten  im  Untergerichi  {Deutschland,  vgl.  oben  S.  80),  oder 
sei  CS  unter  Erledigung  des  Prozesses  im  tlHiergcrichl  (Island).  So  vcrechieden 
aber  auch  das  Verfahren  sein  mm'Jite,  insgemein  erinnerte  ein  Strafgeld  des 
unterliegenden  ScheUers  bezw.  Urteilers  an  die  ehemalige  Entscheidung  des 
Streitfs  durch  Kam|3f.  Musste  das  Strafgeld  beim  Beginn  des  Verfahrens 
deponiert  werden,  so  wurde  ^'s  zimi  -Weiteinsiita«.  —  Mit  dem  UrteJIfinden 
als  einer  Amtslhatigkeit  unvcririlglich  scheinen  konnle  es,  wenn  ein  Nicht- 
beamter  tlas  Urteil  sdialt.  Wo  dieser  Gesichtspunkt  raassgab  (Ssj).),  mtutstc 
dem  Schelter  er^t  auf  seine  Bitten  die  Bank  gerflumt  und  er  so  zum  ami- 
lidien  Urteiler  genuiclit  werden,  ehe  er  sein  Gegenurteil  finden  koinUe. 

§  85.  Wahrend  das  ordentliche  Staatsgerirht  .stets  n.ich  dem  Recht,  und 
iusofera  nach  der  •Wahrheit'^,  niemals  «-nach  Wahn-  zu  urteilen  iiattc,  kunmU 
im  Zusammenhang  mit  der  Entwickelung  der  Königsgewalt  ein  Gericht  auf, 
welches  ebensosehr  nach  subjektivem  Ermessen  (»Billigkeit-"}  entscheiden 
durfte  luul  sr>lltc,  wie  nach  dem  Recht.  Das  ist  das  =K5nigsgcricht',  wie 
es  sich  schon  zwisi'hen  Vulkerwandening  und  Friilimiuelriltor  in  den  süd- 
gennanischen  Gro.>iSstaaten  zeigt.  Niciit  bliw«  um  diu  vo[i  seinen  Beamten 
gesprochenen  Urteile  auf  deren  Rechtmässigkeit  zu  prüfen,  sondern  mit  der 
Befugnis,  den  Rcchts-streit  unter  bewussier  Abweichung  vom  bestehenden 
Volks-  oder  Lnidredi!  zu  Si^hlichlcii,  sitzt  der  Herrsclier  (KfWiig,  Unlcrkönig) 


Ik 


7-  Gericht:  KOnigsgericht. 


209 


SU  Gericht,  mitliiD  audi  kclneswtrgs  bloss  um  einen  Streit  zwischen  UrteQ- 
findem  des  UmergerichLs  sonüem  auch  um  den  Streit  zwisdien  den  Prozess- 
gegnem  des  Unlergerichls  zu  entscheiden,  sei  es,  dass  schon  dort  ein  Urteil 
gefaJU  war,  sei  es,  daas  das  Urteil  des  Untci^enchts  umgangen  wurde.  Daher 
ist  jiuistisch  genommen  im  Künigsgericht  uie  der  Gerichtshalter  so  auch  der 
Urteilcr  der  Herrscher  allein,  auch  wenn  er,  was  in  seinem  Beuchen  steht 
und  allerdings  die  Regel  bildet,  Ueisitzcr  zu  seiner  Beratung  ernennt.  Inso- 
weit bedarf  das  Königsgericlil  auch  keiner  Ding- Versammlung.  Jene  Funk- 
tionen kaim  der  KOnig  auch  dann  ausüben,  wenn  er  selbst  Partei  ist  Über- 
haupt aber  ist  er  von  der  landreclillichen  Dingordnung  entbunden,  da  Ober 
diese,  wie  über  seine  Urleilsnomi  der  Herrscher  kraft  seiner  Dispensalions- 
gewalt  bestimmt.  Der  Gerichtsort  ist,  wean  der  König  persönlich  richtet, 
aetD  Huf,  daher  das  Gericht  sein  »Hof-  oder  Pfalzgerichl«  und  mit  des 
Kifaiiga  Hof  auf  der  Wanderschaft  Der  König  könnt?  aber  an  seiner  Statt 
auch  einen  Bevullmnchtigten  {missus)  richten  lassen.  Das  frdnk.  (karolin- 
gische)  KOnigsgcricht  crhidt  in  seinem  Urkundsbeamten,  dein  ^Pfalzgrafcn« 
{coma  pnUttii,  vgl.  S.  152),  einen  standigen  Vertreter  des  Königs.  Wahrend 
das  Pfakgiafenamt  in  Deutschland  um  die  Wende  des  g.  luid  lo.  Jaiirh. 
voschwindct,  dauert  es  in  Italien  fort  wo  als  sein  AuslJlufcr  das  Amt  des 
mit  einer  Reihe  von  inissalisdien  Gewalten  au^estatteten  Hofpfalzgrafen 
(comcs  palatinui)  erscheint  welches  im  SpAtMA.  in  Deutsdiland  rezipiert 
worden  ist  —  Das  Königsgericht  war  ausserordentliches  Gericht  sei  es  als 
^KziaJgericht  in  bestiumiten  Rechtssuchen,  sei  es  als  obere  Instanz  für  be- 
stimmte Personen,  die  solchergestalt  (im  Frankenreich  mit  der  reclamatio  aä 
rtgü  dtfiniiivam  senttHtiam)  privilegiert  waren.  Am  vollkommensten  au^e- 
bildet  war  das  fränkische  Königsgericht.  Das  laiigubardisdic  hat  nidit  die 
Reiche  Madithöhe  erstiegen,  da  hier  der  König  aufs  Interpretieren  imd 
Ergänzen  des  gt'S<'ltri ebenen  Rechts  beschrankt  blieb.  Dagegen  nähert  sich 
mehr -dem  frünk.  KüiiigS4»ericht  das  aus  ganz  selbständigen  Wurzeln  seitdem 
13.  Jahrh.  in  Dänemark  und  in  Schweden  cnvachsende,  zw-ar  regelmässig 
nidii  in  Gestalt  der  von  ihm  abgezweigten  Gerichte  (rafila  ping,  ntltara 
pingj,  wohl  aber  in  dem  vom  König  persönlich  oder  durdi  seine  Spczial- 
bcvolUnüditigtcn  abgehaltene  Geridit  weil  es  des  Königs  Aufgabe  ist  nicht 
nur  wie  der  Gesetzspredier  das  Recht  zu  weisen,  sondern  auch  »alle  über- 
strcDgeii  Urteile  zu  brechen*.  Andererseits  konnte  sich  in  Deutschland  bei 
der  zimchmcnden  Feudalisierung  des  Staats  das  Königsgericht  nicht  auf  der 
im  FrühMA.  erreichten  Höhe  eines  Billigkeitsgerichts  erhalten.  Das  Finden 
der  Urteile  durdi  ernannte  Beisitzer  wurde  seiner  Verfassung  wesentlich. 
Nur  ist  es  nicht  zu  ständigen  Pfalzschöffen  gekommen,  da  dem  Gericht 
nadi  wie  vor  die  feste  Statte  maiigdic.  Seit  1235  erscheint  es  in  zwei 
Formen:  als  Fürstengericht  unter  persönlicliem  V^orsitz  des  Königs  oder 
seines  Stellvertreters  und  als  allgemdnes,  doch  in  seiner  Zuständigkeit  viel- 
fach durch  prinlegia  de  non  cv^icando  und  de  nun  appcllando  beschränktes 
■Reichshofgcricht*  unter  dem  Vorsitz  eines  vom  König  ernannten  >Hof- 
riditcrs*,  ausnalun.swcise  (in  Reichsach Isadieu)  de:*  Königs  sdUst  Seit  1442 
neben  dem  »Keichshofgericht'^  uml  bald  luichlier  ( —  1495)  statt  desselben 
richtet  der  König  |jersönlich  oder  durch  seine  Räte  im  «Kammergericht«.  — 
Nachdem  in  Deutschland  das  Königsgericht  aufgehört  hatte,  Büligkeitsgcricht 
vn  sein,  legten  sich  mit  Krfulg  diejenigen  Gnüscliaftsgerichte ,  worin  die 
kfioigUcbe  Bannleihe  fortdauerte,  lutmlich  die  >kai$crlichcn  Land«-  (auch 
»Hof«-)  Gerichtc<  und  die  scjg.  ^westfälischen*  oder  »Frei«-  (auch  »Vera-) 
''hte«  eine  Gerich tsl>arkcit  bei,  wdche  mit  der  des  Reichsgerichts  kon- 
KOiMbc  Philulo^fie  lU.    1'.  .\uri.  14 


210 


IX.  Recht.     B.  Altertümer. 


kunrirrtc.  und  zwar  die  letzteren  sr>gar  Aber  Rrichsförstcn,  c-bgleich  ihre  Ur- 
tcilcr  ('FrcisoJiOiTciu)  al)cn  Standen  von  freier  Art  cHUjummen  waren,  und 
unter  Aufgabe  des  Prin3!i[M  d^r  Öffentlichkeit  im  aSiiUgericht«  {Judicium  seert» 
tum,  oieuitum  rtder  der  »heimiichen  Arht<). 

§  86.  Vom  Staatsgericht  unterscheidet  sich  durch  seine  Herkunft  und 
durch  seine  Verfassung  das  Privatgericht.  Seine  älteste  und  niHst  ver- 
brcitclu  Funu  ist  das  Stliicdsgcrichl.  2war  wird,  da  die  Tliaiigkcit  der 
Schiedsleute  (mhd.  Scheidelinie,  innd.  korinde,  an.  siiitarmetm,  gcntartttemi)  ihre 
Kraft  dem  Vertnig  der  Parteien  verd;mki,  das  Schiedsgericht  oftmals  dem 
Staalsgerirht  als  dem  Gericht,  das  Schiedaverfall ren.  als  ein  Verfahren  mit 
mintun  dem  mit  rtchte  entgegengesetzt.  Aber  dem  Schiedsspruch  Uanimt,  da 
sich  ilie  Parteien  vcrtragswcisc  ihm  unterwarfen  haben,  nach  älterem  Rc^-lit 
stets  und  im  MA.  noch  fast  allgemein  die  Kraft  eines  staat*.gerirhilirhen 
Urteils  zu,  wie  er  auch  den  nümlichcu  Inhalt  haben,  z.  B.  auf  Acht  erkennen 
^uin,  daher  auch  das  Schiedsgericht  selbst  im  Norden  ein  sdUardömr  oder 
iafnadanUmr  und  in  Deutschland  ein  leidirir  (mnd.  ffe^rffitig)  h^S:;!.  Wjihrend 
nun  aber  da.s  gewölniliche  Schiedsgericht  seinem  Enncssen  nach  urleilte, 
entschieden  besondere  Abarten  des  Schiedsgerichts  nach  strengem  Recht. 
Solche  sind  in  Deutschland  seit  dem  13.  Jalirh.  die  vertragsmassigen  Land- 
fried cnsgerichte  und  die  Austrage,  wovon  die  crstcren  anstatt  des  Reichs- 
gerichts, die  anderen  als  Instanz  unter  demselben  urteilen.  Aber  auch  der 
ski!ad6mr  des  üllern  weslnurd.  R.  ist  nichts  anderes  als  ein  gescizIicJi  geord- 
netes und  nach  strengem  Recht  urteilendes  Schiedsgericlii.  Aus  12,  seltener 
6  oder  24  prinzipiell  von  den  Parteien  tiUlftig  zu  ernennenden  Urtcilem  be- 
stehend, entsi:heidet  er  als  ordentliciics  Gericht  regelmässig  in  illiquiden 
Civilsachen,  imd  zwar  in  frühester  Zeit  gewöhnlich  als  >Thürengericht«  — 
eiitrtiitömr  —  d.  h.  vor  der  Haiisthür  des  Beklagten,  ausnahmsweise  des 
Klägers,  in  Grundstticksachen  auf  dum  streitigen  Boden  oder  doch  in  dessen 
Nähe,  nach  jüngemi  Recht  auf  der  ordentlichen  Dingstatte.  In  den  QuelleJi 
des  ostnord.  K.  finden  sich  nur  sehr  unsichere  direkte  Spuren  eines  skiLjdSntr 
(nach  Secher  Er.  Sl.  III  a6;  ^~  viclleidit  auch  aus  dem  anglodan.  R.  LL. 
Henr.  I'c.  31  §  8,  ^delr.  III  13.  Duns.  3?).  Wicflcrum  aber  biüpften  an's 
vertragsinassige  Schiedsgericht  an  die  Gerichte  der  meisten  autL>n<:)mcn  Ge- 
nossenschaften wie  z.  B.  der  Markgenossenschaften,  der  Gilden  (if>6) 
der  Zünfte,  der  Schiffe rschaften.  Gewerkschaften,  Ritter-  und  S^jldnergeseU- 
scliaftcn.  In  ihrer  reinen  Gestalt,  üb  nun  als  echte  «der  gelxitene  Dinge 
aller  vollherccht^en  Genossen  oder  als  Amssrhiiss  (Rat,  .Schöffenkolleg) 
derselben,  urteilen  sie  unter  dem  Vorsitz  des  Vorstehers  der  Genossenschaft 
nur  in  Angelegenheiten  der  letzteren  und  der  Genossen  unter  sich  imd  ver- 
fügen, um  sich  die  Genossen  zu  unterwerfen,  über  kein  andejcs  Zwangs- 
mittel, als  die  .^usstossmig  aus  dem  Verbände.  Öfter  jedoch  liabeu  Privile- 
gien den  Mitgliedern,  wie  z.  B.  den  Mflnxerhausgcnosaen  in  deut.  Städten, 
einen  ausseid icsslidien  Geriditsstand  vor  ihrem  Genossengerichl  auch  gegen- 
über Ungcnnsaen  verliehen.  —  Der  bisherigen  Gruppe  von  Privatgerichten 
gegenüber  steht  eiue  andere,  bei  welcher  die  Rechtspflege  sich  wcjii-ntlich  aus 
einer  privaten  Hcrrengewalt  ableitet  {§  bo).  Diese  selbst  kann  freilich  durirh 
Vcnrag  zwLscben  den  Parteien  und  Urteilem  eincrseitB  und  dem  Geridits- 
herrn  andererseits  begrttndet  sein.  Dieses  ist  bei  den  deutschen  Lehen- 
gerichten der  Fall,  gebotenen  Genchteii  am  Hof  ilcs  Lchcnherm,  worin 
dieser  selbai  oder  sein  Vt-rtreier  in  I^hen-isachen  zwischen  ihtri  und  seinem 
Mann  oder  zwwchcn  seinen  Mannen  Urteil  durch  VassiJlen  nach  Lehen- 
recht  Finden  lässL     Seitenstücke  dazu,  doch  mit  teilweise  grösserer  Kompetenz, 


& 


7-  Gericht:  Privatrer.  —  RECHTscANn;  Allgem. Grun-dsätze.     ztt 


stcürn  sirh  dar  im  iiurA-egisrhen  und  im  dünUchen  Gefolgnidins  (;ui. 
hitditefna.  adaii.  huikarta  sie/na).  DjiKCgeii  ist  jcdf,  audi  nur  mittelbare. 
Zumckfütirung  auf  einen  Vertrag  .msgest-hlnSÄcn  heim  deuutclicn  Ht)fgcricht 
dei  Herrn  über  scint-  EiiienU-utt-.  Je  nach  dem  Stande  der  letzteren 
ersclieint  es  alh  büäinc  {büleidinc)  d.  h.  als  Grriclit  Ql>t?r  unfruit:  ßaucrn,  und 
als  Ministcrialengtricht.  Wm  Haas  aus  gebotenes  Gericht  ist  seine  Zustiin- 
digLeit  und  Verfassung  durth  den  Herrn  be^ünunt.  Doch  hat  sic)i  die 
letztere  nach  Analogie  der  Gerichte  nach  I^ndrecht  l>t:zw.  Lclicnrecht 
entuickelt. 

%  87.  Der  altgermanische  Rechtsgang  (Piozess)  beruhte  auf  fbl- 
gcmlrn  Prinzipien.  Der  Prozess  ist  ein  Kampf  {ahd.  strli,  inhd.  kricfi  [rehlens]), 
wi'rin  ein  Gegner  den  andern  zu  überwinden  hat  Darum  iät  er,  auch  si>- 
weit  er  nur  in  Worten  geführt  wird,  eine  Verhandlung  der  Parteien  nicht 
mit  dem  Richter,  .sondern  unter  einander;  sie  haben  über  die  einzelnen 
Frozcssschrittc  zu  verfügen.  FulgÜdi  braucht  der  Prozess  keineswegs  ganz 
und  gar  ein  Verfahren  vnr  Gerithl  zu  sein.  Zu  einem  scilfhen  kommt  es 
nur,  wenn  die  Parteien  eines  Urlcil-s  bedürfen.  Des  Klagers  Thatigkeil  ist 
Aiigiifi  (Haupttemiinus:  got.  a».  saian,  ;did.  sacluin,  —  as.  sSkiat],  nn.  sttk^a] 
<üe  des  UeUagien  Abwehr  (gut.  ivir/ttn?  an.  rtr/a,  ahd.  tottjaii),  daher  der 
Prozess  Mdbst  eine  Verfolgung  (wn.  sgk,  un.  sai,  ahd.  sacha)  und  jede  Partei, 
als  zu  ihr  in  Beziehung  stehend,  Widersacher  (;ihd.  ividanacho,  as.  triihir- 
saka,  —  as.  iigb.  umis^ro^  —  ags.  j^saut,  ufrAnk.  giisükjo.  —  mhd.  saclnraltc). 
Die  Verfolgung  beginnt  in  der  Regel  mit  einem  Ans^prciilien  (ahd.  mahalön. 
afKtnk.  ^atmallon,  —  ags.  onxprecan,  fries.  onsprekn,  nfr.  aensprekeity  —  ühd. 
tisein,  luhd.  aischtn,  mnd.  eschen,  —  mhtl.  mnd.  vordtm,  —  an.  kreffa  bezw. 
kvedfn  vgl.  S.  184)  des  Beklagten  durch  den  KUger  regidinAssig  am  Wohn- 
plaiz  des  ersteren.  Verweigert  der  Angeforderte  die  Erfüllung,  so  hat  er 
sich  zu  verantworten  iskund.  stvira).  Der  Kläger  mag  nun  den  »Anl- 
wortcr«  vor  Gericht  »mahnen«  (ags.  nfränk.  *maH/an,  ahd.  muNön)  (»der  »be- 
rufen« (an.  sUfmi)  oder  .sicli  von  ihm,  w<i  dies  kein  Gerichtsurteil  vorau&ieizt, 
den  Unsthuldseid  versprechen  lassen.  Letztem  Falls  unterbleibt  das  gerichl- 
Uche  Verfahren,  wenn  der  Eid  gehörig  geleistet  wird.  Wo  die  SacJie  vor 
einen  skiladömr  (oben  S.  210)  zu  bringen  Ist,  nimmt  tlie  Stelle  jenes  Eid« 
Versprechens  das  Venipnxhen  der  Mitwirkung  beim  Besetzen  des  Gerichts 
(an.  ddm/esta)  ein.  Dej  Ansprache  um  Gut  gegenüber  konnte  der  Beklagte 
durch  (Jew^renzu^  (oben  S.  180)  einen  andern  Antwurter  stellen.  Stellen 
die  Parteien  vor  (genauer  i  m)  Gericht,  so  bewegt  sich  die  Vcrhaudlung  zu- 
chst  in  Rede  und  Gcgenrrtle  unmittelbar  zwischen  ihnen.  Erst  wenn  sie 
einen  Punkt  gelangt,  w».  eine  Rechtsfrage  ^weifelliaft  oder  unter  den 
Parteien  streitig  Ist,  wenden  sie  sich  au  die  ürtcilfinder  mit  dem  Begehren, 
daM  die  Streittrage  durch  ein  Urteil  entschieden  werde.  Da  sich  chie  s«.ilche 
aber  jeden  einzelnen  Pruzeässchrill  eben  so  wohl,  wie  über  den  Klaganspruch, 
ergeben  kann,  so  kommt  es  mrtglicherweüte  zu  einer  Reihe  von  Uneilen, 
bevor  das  Geridilsverfiihren  ^cinen  Abschluss  findet.  Da  ferner  durch  diese 
Urteile  der  einen  <rtlcr  anderen  Partei  eine  Auflage  geinadit  werden  kann 
(/.  B.  zum  Erbringen  eines  Ilewei-smiiteh),  die  nur  aus-sergerifhilich  zu  er- 
füllen ist.  SU  wird  möglicheru'eise  das  gerichUiche  Verfuliren  durcli  ein 
ausäcigcrichtlicheH  mehrmals  unterbrochen.  Ein  Urteil,  welchem  einer  Partei 
eine  Beweisaiiflage  macht,  kann  unter  Umstflndcn  das  gerichtliche  Verfahren 
beendigen.  W*i  freilich  die  Klage  ;iuf  Achtung  oder  auf  Todesstrafe  geht. 
muss  ein  Endurteil  entweder  gegen  den  Bekl;igten  die  Ahndung  erkennen 
oder  ihn  freisprechen.     Wird  durch  ein  Urteil  der  einen  Partei  eine  Auflage 


F 


212  IX.  Recht.     B.  AltertCmer. 

gemacht,  sc  hat  jene  dem  Gegner  auf  dessen  Verlangen  dip  Erföllung  der 
Auflage  unter  Tenninselzuii^  und  Kaution  zu  vcrhpruihen.  gleichviel  ob  in 
der  Erfüllung  Befrie(iig;ung  des  Klageanspruchs  liegt  (Hier  ob  sie  lediglicli  iii 
einer  prozessualen  Handlung  besteht.  Denn  auch  im  letztem  Fall  ist  sie 
eine  Leistung  nidit  an's  Gericht,  sundcm  an  den  Gegner,  der  eben  des- 
wegen sie  auch  erlassen  kann.  Da  ein  Rcrhtsgenosse  dem  andern  zu  seinem 
Recht  helfen  muss,  si)  muss  der  Beklagte  entweder  sich  auf  den  Prozess 
einlassen  oder  den  Kläger  befriedigen.  Thut  er  weder  das  Eine  nodi  das 
Andere  oder  verweigert  er  in  ii^end  einem  Abschnitt  des  Prozesses,  an 
dessen  Weiterführung  mitzuwirken  (z.  B.  durch  Ausbleiben  In  einer  Tagfahrt, 
rechtswidriges  Unterlassen  der  Antwuri'i,  su  macht  er  sich  des  Verbrechens 
der  Rechtsvenü'eigerung  (wn.  i^gleysa,  an.  ralläsä)  schuldig,  .sei  es  s<;tfurt,  sei 
CS  durch  fortgesetzten  Ungehorsam,  und  verfallt,  da  das  Recht  nicht  geniessen 
soll,  wer  es  andern  nicht  gönnt,  der  Acht.  Gewaltsam  den  Beklagten  vor 
Gericht  zu  schleppen  ist  der  Kläger  nur  befugt,  wenn  er  ihn  auf  handhafter 
Misseihat  verfolgt.  In  diesem  Falle  aber  kann  ihn  der  Klager  auch  er- 
schlagen. Nur  hat  er  dann,  wo  er  die  Tiidsirhlagsklage  uicht  abwarten  darf, 
mit  dem  Leichnam  vor  Gericht  die  Klage  wegen  des  Friedensbruclis  gegen 
den  Todten  oachzuliolen  (mnd.  op  den  doäen  klagen,  an.  gefa  daudum  jpi). 
es  mCsste  denn  der  Frie<lcnsbruch  im  Angesicht  der  Dingv'ersammlung  oder 
einer  gleichwertigen  Menschenmenge  verübt  sein.  Nicht  nur  gemein-,  son- 
dern indugermanisch  ist  das  Institut  der  Spurfolge  (ags.  irod  bedrifan,  franko- 
lat.  vestigium  minatr)  und  Haussuchung  (nn.  mnsai,  wn.  miimdhi,  alid.  hiis- 
suecha,  saiisHorkan)  nach  gestohlenem  Gut,  mit  der  Wirkung,  dass  als  hand- 
hafter Dieb  derjenige  gilt,  in  dessen  Gewahrsam  die  Sadic  gefunden  wird 
und  der  den  Besitz  geleugnet  hat.  —  Alle  Geschäfte,  aus  denen  sich  der 
Prozess  zusammensetzt.  sintI  an  strenge  Formen  gebunden  (vgl.  oben  S.  i86). 
Sie  niilsscn  von  den  Parteien  persönlich  vorgenommen  werden,  wobei  be- 
dingungslos die  Grund-satze  der  Mündlichkeit  und  Öffentlichkeit  zu  beob- 
achten sind.  Zur  Mündlichkeit  gehört  nicht  etwa  bloss,  dass  überhaupt  ge- 
redel, sondern  auch  dass  in  gesetzlichen  Worten  geredet  werde.  Jede  Rede 
hat  ihr  unvirrHuderlifhei  Formular,  welches  überdies  buch.stäblich  interpretiert 
wird.  Daher  inuss  auch  jeder  Angriff  Wort  für  Wort  erwidert  werden.  Die 
öffentÜchkciC  wrd  durch  Zuziehen  von  SolfimnitüLizeugen  erzielt,  was  wieder- 
um nur  in  gesetzlichen  Formen  geschehen  kann.  Jedes  Geschäft  hat  seine 
gesetzliche  Zeit,  zu  der  oder  binnen  wcldier  es  vorgenommen  werden  muss. 
Und  wie  die  Zeit  ist  auch  der  Ort  gesetzlich.  In  bestimmten  Fallen  ver- 
langt der  Formalismus  noch  den  Gebrauch  von  Symbolai  und  andern  Feier- 
lichkeiten, so  namentlich  nach  deutschen  RR.,  wenn  der  Beklagte  auf  hand- 
haflcr  That  verfolgt  wird,  das  »Gerüfie«  (mnd.  gtrürhle,  fries.  skrichu)  des 
Klagers,  das  Vorbringen  des  Erschlageneu  oder  doch  seines  >■  Leibzeiche ds« 
bei  der  Tod schlags klage,  das  Anpacken  ties  Beklagten  an  dessen  Rockkragen 
beim  kümpflichen  Gruss,  beim  Fordern  gestolileuer  oder  geraubter  Falimis 
das  Anfassen  derselben  (oben  S.  i8o),  dann  beim  Gewälirenzug  (a.  a.  O.) 
ihr  kör|)erliches  oder  symbolisches  Zufuhren  an  den  Gewahren  und  allgemein 
das  Aufbinden  des  gestohlenen  Gutes  auf  dem  Rücken  des  handhaften 
Diebes  bei  dessen  Knebelung,  femer  das  Darreichen  oder  Hinwerfen  eines 
Stabes  beim  Sprechen  gewisser  Foimeln.  Da  jeder  Prozessschrill  unwider- 
ruflich und  unabänderlich  geschieht,  bringt  der  geringste  Verstoss  gegen  die 
Form  der  schuldigen  Partei  Nachteil,  sei  es,  dass  sie  bei  unbedadit  gespro- 
dienern  Wort  genommen  wird,  sei  es,  dass  ihr  der  fehlerhafte  Proressschritt 
verloren   geht.    Ausserdem    kann    sie   auch   noch   in    eine   Busse  verftdlen. 


7-  Rechtsgang:  Ai.ix;emeine  Gruküsätze. 


-:U 


■ 


I 


Hierin  liegt  die  »Gefahr«  (mhd.  mnd.  väre)  des  Prozeswfortnalismus.  Er  birgt 
aber  auch  noch  die  andere  Gefahr,  dass  er  den  Kniffen  des  Gewissenlosen 
nun  Si(^  verhilft  Dem  gegenüber  gab  es  kein  anderes  Auskunft:^ mittel,  als 
Stibstitution  de«*  Zweikampfs  für  den  Rechtsgang,  worüber  unten  §  90. 

$  88.  Im  weiteren  Verlauf  der  german.  Wozessgeschichte  sind  an  den 
vorstehenden  Grundsätzen  crheblidie  Verlüiderungcn  eingetreten.  Wo  sich 
ein  Kfinigsgerirht  als  Büligkeitshnf  entwifkeile,  iniwstep  nie  s'jgar  —  wenig- 
stens zum  Teil  —  durch  die  gegenteiligen  Prinzipien  ersetzt  werden.  Hier 
znuxstc  die  Prozessleitung  aus  der  Hand  der  Parteien  in  die  des  Richters 
flbergehen,  folglich  der  Recht^ang  wesentlich  Gerichtsverfahren,  die  Partei- 
handlung eine  Thatigkcit  gegenüber  dem  Richter  werden.  Je  entsciuedcner 
die  Aufgabe  des  BilSigkeitsrirhters  betont  wurde,  desto  weniger  konnte  ej  an 
der  Strenge  des  Formalismus  festhallen.  So  entspricht  dem  neuen,  ausser- 
ordentlichen Gericht  ein  neuer  ausserordentlicher  Recht'igang.  Teils  seine 
Analogie,  teils  aber  und  noch  mehr  der  Marhtzii wachs  der  Herrscher-  und 
Beaintengewalt  zieht  auch  in  den  ordentlidien  Prozess  die  Thatigkcit  des 
Richters  hineirL  An  die  Stelle  des  Mahnens  durch  den  Kläger  tritt  in  den 
sOdgenn.  RR.  schon  sehr  frühzeitig  das  »Bannen«  (ahd.  banaau,  afrank. 
*haNaJan)  d.  h.  Vorgebicten  durch  den  Richter  oder  dessen  »Bieter«  (ags. 
Ai*d!r/,  ahd.  HiUU)  oder  »Biinner«  (fries.  honnere)  oder  rSprecher«  (got  sajo) 
oder  »Boten  (inhd.  vronbole)  oder  »Laufer«  (ahd.  inlid.  ufüel)  der  ursprüng- 
lich im  PriN-atdienst  des  Richters,  später  als  dessen  Gehilfe  öffentlich  ange- 
stellt »t  Vor  Gericht  hör!  nach  denselben  RR.  der  unmittelbare  Verkehr 
der  Parteien  unter  sicli  und  mit  den  Urtcilem  auf.  Wiederum  ist  es  der 
Richter,  dem  die  VenniiteUmg  durch  seinen  Bann  zufallt,  wie  ja  nun  auch 
ih'm  izekiagt*  wird.  Sogar  ein  Fnigerecht  gegenüber  den  Parteien  wird  ihm 
mitunter  eingeräumt.  In  gewissen  Strafsachen  haben  schon  bald  nach  der 
Vv^lkerwandcrung  sadgermanischc  Ge-setze  auch  ein  richterliches  Verfahren 
von  Amtswegen  ausgebildet.  Unter  den  verschiedenen  Formeji  desselben 
ist  der  karolingiäche  Rügeprozess  her\orzu heben.  Wahrend  die  nordgerm. 
RR.  bis  tief  ins  SpittMA.  che  ursprünglirhe  Stellung  der  l'arteiini  umgeändert 
lieasen,  rief  überall  das  Verkehrsbedürfnis  Milderungen  der  Formenslrenge 
hcn-or.  Freilich  blieben  dieselben,  wenn  wir  von  den  roroanisierten  Rechten 
absehen,  nur  Ausnahmen.  Die  belangreichsten  sind;  Zul.1vsigkeit  des  Ladens 
mittels  Offenüichen  Verrufs,  Zulflssigkeit  eines  Stellvertreters  (in  Deutschland 
Vormund)  für  die  Partei,  einer  Verbristanchmg  derselben  durch  »Vorsprec her«, 
»Warner-  und  »Rauner«,  des  Aushcdingens  von  »Gesprüchen«  (Beraltmgcn) 
vor  und  von  '■Erholung«  und  -Wandel-  nach  gespnx'henem  Wort.  Süri- 
gennanische  RR.  gestalteten  auch  Schriftfnrm  für  gewisse  prozessuale  Ge- 
sciiSfle.  insbesondere  für  richterliche  Befehle,  Ladungen.  Eine  prinzipielle 
Mildcnmg  erlitt  im  MA.  das  Konlumazialverfahren  auf  Gr^ind  des  neuen 
GedankeiLS,  das.s  Ungehorsam  (mnd,  ovfrAorr)  des  Beklagten  nicht  sowohl 
Verbrechen  gegen  den  Kläger  als  Geständnis  oder  doch  Veraicht  auf  die 
Verteidigung  sei.  Sachfalligkeit  des  BekJagten  war  von  nun  an  die  Folge 
teiues  Ungehorsams,  nach  einigen  RR.  unmittelbar,  nach  anderen,  wenn  der 
Klager  die  ihm  gegen  den  Gehors;imen  obliegenden  I^rozessscbritte  vullzog. 
Eine  abermalige  Milderung  begab  sich,  indem  die  ferneren  Wirkungen  der 
vq^en  Ungehorsams  eintretenden  S;ich(alligkeit  gemeiniglich  erst  bei  fortge- 
setztem Ungcliors;im  endgiliig  wurden.  Die  znnehmen^le  Feudalisiening  der 
Gerichtsverfassung  in  Deutschland  braclite  eine  so  tiefgehende  Unsicherheit 
der  Rechtspflege  mit  sich,  dass  dem  Kläger  gest:»ttet  werden  masste,  bei 
LjtunAglichkeit  des    Rechtsganges   de«    Beklagten    luich  gehörter   ivt'äersage 


214  IX.  Recht.     B.  ALiKKTC-iiER. 

{(fißiiiah'o)  mit  Privatkrieg  zu  Oberziehen.  Das  ist  (las  «Fehde»-  oder  .-FaHSt- 
Rerhts  welches  im  SpSlMA.  auch  in  Dänemark  zu  Gunsten  des  Adels  ein- 
dringt Ohne  genetisrhen  Zusammenhang  mit  alleren  Rerhtsinsti tuten  und 
iiisbcs'indere  oluie  jftle  Beziduing  zum  sogen.  Kachcreiht  (oben  S.  iq6) 
la,»tst  rs  dorh  den  ("Inmdgedanken  des  aU^erman.  Zweikampfes  {%  Qo),  freilich, 
in  der  ruhesten  Weise,  wieder  aufleben. 

§  8t>.  Das  Beweisverfahren  des  ordentlichen  Prozesses  war  ursprüng- 
lich darauf  angelegt,  nieht  sowohl  die  Wahrheit  oder  Unwahrheit  eines  That- 
beslandes  suis  Licht  zu  bringen,  als  deavelbeii  ausser  Streit  zu  stellen,  nicht 
sowohl  auf  das  Erkennen  als  auf  den  Willen  einzuwirken.  Bewiesen  wird 
dem  Geirner,  nicht  einem  Unparteiischen.  Der  Empfünj-er  ttes  Beweises  soll 
genötigt  werden,  das  Bewei.stliema  gelten  zu  lassen.  Denn  das  ßeweisver- 
fahren  musste  die  Natur  des  Pano-ikiunpfes  teilen,  dessen  Stück  ea  war. 
GemS.ss  diesem  Prinzip  kaiuileji  die  Jllicsten  Bewebiniiltel  nur  einseitige 
Partei  band  hingen,  nur  vom  Gesetz  narh  Tnhali.  Form  und  Verwendunga- 
xveise  bestimmt,  und  niemals  durch  Gegenbeweis  widerle^b^r  sein.  Da  jede* 
Beweiimittcl  ein  Kampfmittel,  sn  kommt  die  Partei  zu  seinem  Gebniuch  nur 
wenn  sie  sich  dazu  erbietet.  Ihr  bleibt  es  überlassen,  ihr  Recht  darauf 
geltend  zu  machen.  Nur  zwei  Beweismittel  kannte  der  altgermanische 
Proziss:  Kid  und  Zeugenaussage. 

Der  Eiil  (g«-'t.  uips,  wni.  ciäi-,  asw.  adün.  fper,  agy.  r/rfl  ahd.  rni\  ist  Gcwflhr-^ 
leistung  für  die  Vcrlfissigkeit  des  eigenen  Wortes  durch  F.insatz  eines  Gutes 
für  dessen  Wahrheit.  Diese  Gcttabrleistung  geschieht  durch  ff.»rraelhafies, 
ursprünglich  zauberisches  Reden,  das  »Schwören-«  (got  sr^ran,  skaiid.  n'ffja, 
ahd.  ags.  as.  sxverjan,  afries.  stttra  eigentl.  ^  recitieren).  Dass  dabei  ein  Ciutt 
angerufen  (ibesfhwuren«)  werde,  ist  tiem  heidnischen  Eid  iiiclil  wcsenlhch. 
Es  geschieht  nur  diinn,  weim  der  VerluM  des  eingesetzten  Gutes  bei  =Mein- 
eid'.  gerade  durch  die  Gnttlieit  bewirkt  werden  .toll.  Auch  in  diesem  Falle 
ist  aber  dem  Heiflentum  die  Vr.rstellung  fremd,  das«  die  Gottheit  als  Schätzerin 
der  Wahrheit  dm  falschen  Eid  bestrafen  werde.  Man  pflegte  ebenso  wie 
eine  Gottheit,  unti  »"ifter  norh,  Sachen  zu  «■beschworen-«,  z.  B.  die  eigenen 
Waffen,  das  eigene  SchifT.  das  eigene  Ross.  Dort  wie  hier  soll  das  Leben 
des  Schworenden  eingesetzt  sein,  dort  die  Gottheit,  hier  die  Waffc^  das 
Schiff,  <Ias  RtM»  ilim  den  Tod  bringen,  wenn  der  Eid  falsch  ist.  Zu  schwä- 
cheren Eiden  genügte  Veqiftindung  van  Lciliesgliedern  oder  der  Freiheit  oder 
der  Ehre  (an.  pe^nskaparlaptiing)  oder  von  \'ermflgensstflcken.  Und  hieraus 
erklürt  sich  das  Schweren  beim  eigenen  Bart  oder  Haar  oder  Zahn,  oder 
bei  der  eigenen  Hund  oder  Brust  oder  bei  einem  Hau.stier.  Naiii  seiner 
Clirislianisierung  ki>nnie  der  Eid,  wenn  noch  wie  regelmässig  Beschwerung, 
nur  Gott  oder  einen  Heiligen  beschworen.  Aber  nicht  Qberall  und  allemal 
war  er  eine  Beschwörung.  Den  gleichen  Dienst  thal  rs,  zumal  nach  ags.  R., 
wenn  der  Siiiwörer  sich  als  Stellvertreter  Gottes  gab,  in  dessen  -Namcnc 
oder  »Minnen  aussagte.  Stets  suchten  Inlialt  und  Wesen  des  Eides  nach 
Ausdruck  in  der  Sj-mholik.  In  der  llriden/eit  wird  die  Gottheit  beschworen, 
indem  der  geheiligte,  von  Opferblul  gerfSlelc  »Eidring-  oder  ein  Opfertier 
bcrtüirt  wiid,  in  der  christüclicn  Zeit  tmter  Hand.nuflage  auf  den  Altar  oder 
dessen  .^bbre%iaturen:  Reliquienbehülter  (*auf  die  Heiligen- 1,  Evangelicnbuch, 
Kreuz,  unter  Niederknieen,  Waffen  wurden  im  Hci<lentum  beschworen  unter 
Anrühren  oder  Emporheben  derselben,  Srhiffi-  unter  deren  Betreiung.  Rosse 
unter  Einsetzen  des  Fusses  in  den  Steigbügel.  Oder  es  musste  der  Gegen- 
stimd  hingelialteu  oder  angefasst  werden,  den  der  Srhwörer  zu  Pfand  setzte: 
die  Hand,  das  Haar,    die  Brust,   das  Viehslück.     Manche   dieser   Feierlich- 


7-    RE(  HTSliANG:    HKWFnSVERFAHRES.    EtH. 


215 


Ltnicil.  wonach  die  Eülesarten  nfnials  benannt  werden,  erhalt  sich  noch  lange 
in  der  christlichen  Zeit,  indem  ihr  ursprünglicher  Sinn  icÜs  vergessen,  teils 
umgedeutet  uird.  Nicht  gicichgiltig  war  der  Ort,  w«  geschworen  wurde,  am 
wenigsten,  wciui  der  Eid  Kulthandlung  war.  In  solchem  Falle  musste  in 
allertT  Zeit  sifis  am'h  an  der  Kultataitc  geschworen  werden  l;m.  hofstülrV 
Erst  das  chrisüichc  R.  halt  nicht  mehr  überall  danin  fest.  Doch  muss  nach 
frankindicin  die  Kullätätte  nunmehr  wenigstens  durch  einen  geritzten  Kreis 
vertreten  werden  \  S«  inst  hHngl  der  Ort  des  Schwurs  auch  wohl  vom  Gegenstand 
der  Eidcsfnrm  ab.  Der  Eid  wird  stets  »geleislet«  txler,  gleichsam  als  Rechts*^, 
(dahiT  nn.  der  Eid  >t;lhst  la^)  >gegangen'«,  einem,  der  ilin  >nimmt<  liezw. 
»»ie!»t*  und  "h<>rT*.  Iju  Pruzess  ist  dieser  nach  allerem  Rcclit  der  Gegner 
dm  Schwflrer»,  spater  wnlil  auch  der  Richter  oder  der  Urteilfinder.  Der 
Empfänger  nimmt  den  Eid,  indem  er  ihn  zugleicti  'gibt^  d.  h.  »stabt«,  was 
uTBprQnglich  ebenso  sichtbar  wie  hürbar  durch  Vorsprechen  der  Worte  luitcr 
Hinhalten  eines  Stabes  gesciöh  (daher  die  Formel  selbst  •Eidstab«),  Der 
Eid  im  ordentUchen  Prozess  war  ursprünglich  stets  Eid  der  Partei  und  stets 
aasertnriiich.  I>ie  Partei  aber  schwur  entweder  allein  (-mit  alleiniger  Hjiub, 
—  »Eineid')  oder  mit  helfenden  AUhmeni  (»LeilCi,  ags.  Uide,  fries.  iädt,  irJt). 
Im  einen  wie  im  andern  Falle  schwört  die  Partei  über  das  Beweisthema. 
Der  Eidlielfcr  {l;mg<-'b.  aido,  ags.  liwiia,  d'uniatnan,  satfrünk.  ^hamrdja  wor.  13d.  I 
3Ä,  ahd.  ^'/«i//»,  mhd.  gteidt,  —  conjurafor.  coasacramentaiis)  n*\t:t  »Gefährte«  (ags. 
f!r//ni,  fries.  foigcre]  »xier  »VerkÜnder-  (anorweg.  ."«V/r)  dagegen  schwürt  über  die 
Glaubwürdigkeit  seiner  Partei,  des  Hauptseh wörers,  namÜch  dass  des  letitcrcn 
Eid  >iein  und  nicht  mein*  su,  dass  -jener  recht  schwor«,  allenfalls  auch, 
da&s  4ler  Mitsehwörer  »nichts  Wahreres  wisse  als  was  jener  beschwöre. 
Eben  hier  besteht  das  'S<hwörenhelfen«.  Da  es  sich  unmittelbar  nur 
auf  die  Vcrla^äigkcit  des  Huuplcides  bezieht,  ist  unter  den  Eigenschaften 
des  Eidhelfcrs  weit  weniger  «eine  Kenntnis  iltrn  zu  beweisenden  Sachverhalts 
als  sein  Verlitlltnis  xuui  HjuptschwOrcr  von  Belang.  Jene  ist  unter  Umstan- 
den ganz  und  gar  ausgeschlossen,  wahrend  es  darauf  ankommt,  flatus  der 
iidhelfcr  sich  über  die  Vertrauenswürdigkeit  des  Hauptschwfireis  ein  Urteil 
lüden  kaim.  Darum  müssen  so  oftmals  die  Eidlielfcr  der  Sip|)c,  der  Nach- 
lidrsdiait,  der  Ciilde  «xler  Genassaisrhaft  des  HaupLsthwürers  entnommen 
und  ihm  ebenbürtig  sein.  Der  Eidhelfer  sind  regelmässig  mehrere  und  zwar 
ist  ihre  Zahl  ebenso  wie  iliro  Notwendigkeit  Überhaupt  bedingt  durch  die 
Wichtigkeit,  welche  das  Bewt-isthema  für  den  Hauptschwörer  hat,  und  durch 
den  Wert,  welchen  das  Rerhi  der  Perst^n  des  letzteren  beilegt  (vgl.  oben  S. 
130.  1^1).  Hicmarh  gab  (^  für  die  einzelnen  Sachen  und  .Suinde  Kidhelfer- 
tarife^  imd  z^v.ir  pflegte  bei  deren  Abstufung  ein  bestimmtes  Zaldensyslem 
bcobacrhtct  ru  sein,  wobei  j  die  Grundzahl  bildete:  der  an. /i'rü'iTm^  (==  Eid 
nach  Volksrccht)  ist  selbdritt  geschworener  Kid.  Zur  Erschwerung  des  Eides 
diente  es,  wenn  die  Eidhelfer  sSmUtcli  oder  teilweise  nicht  vom  Haupt- 
rbwOrer  'genumnien',  sondern  ihm  vom  Gegner  oder  vom  Richter  »enmnnt« 
ier  amigclfMisi  wurden.  D;is  Ceicmoniell  der  Eideslulfe,  so  lang  es  sich 
ggiilL  erhielt,  brachte  deren  rechtliche  Natur  zum  Ausdruck.  Zuerst  leistete 
der  Hauptschwüter  seinen  Eid,  nachlier  die  Helfer  den  ihrigen,  entweder  zu 
beideii  Seiten  des  Haujitschwörers  stehend  und  ihm  bezw.  einander  die 
Handt!  reichend  (alid.  Atinlreü/tt'da,  afrflnk.  htinträdn)  oi\rx  hinter  ihm  stehend 
und  ihn  anfasseitd,  alle  zugleich  sprechend.     Durch  Wicilcrholung  konnte  zu- 


>  Vgl.  mU  dem  diculu*  bi  Rib.  LXVn,  %  Grimm  M  ROsdtr  RHenJim,  I  p.  VlII. 


C 


2l6 


IX.  Recht.     B.  AltertOwer. 


weilen  der  prozessuale  wie  der  ausseqirozesRuaie  Eid  verstÄrkt,  insofern  auch 
durch  Wiederholung  des  Eineides  die  Eideshilfe  ersetzt  werden.  Anderer- 
seits brauchten,  wo  die  Standesunterschiede  liefer  eingriffen,  Leute  von  höch- 
stem persönlichem  Wert  ihre  Aussage  ÜhcrhaupC  nicht  eidlich  zu  hcteuem. 
Das  Thema  des  Parteieneides  enthielt  regelmasslj^'  seinem  Wesen  nach  nur 
eine  Verneinung:  die  Partei  leugnete  eine  ihr  vorgeworfene  Handlung  oder 
Schuld,  sie  »reinigte«  sich  von  dem  Vorwurf  {sog.  Leugnungs-,  Reinigungs-, 
Unschuldeid,  on.  dukeper,  an.  dularriitr,  kent.  cann,  tnhd.  »nsehuli,  dazu  ags. 
/line  clänsjart,  fries.  ori/sTfera.  onlrimhla).  Nur  eine  Erscfieinungsform  des 
Lcugnungseides  war  ursprönglidi  der  Wüiderungscid.  Auch  der  sog.  Bc- 
lialturgseid  war  nur  ein  durch  Begründung  de.s  Be\v'eisthemas  qualifizierter 
I-cugnungseid,  so  z.  B.  wenn  der  Besitzer  sicli  durch's  Beschwören  seines 
Bcsitztitels  >wehrte«  {vg],  oben  S.  i8o).  Rein  affirmativ  dagegen,  aber  nur 
in  bestimmten  Fallen  zulassig  war  der  sog.  Überfilhrungseid,  womit  der 
Schwörende  eine  Handlung  seines  Gegners  behauptete.  Jüngeres  Recht  hat 
diesen  Eid  mit  dem  (!>efalirdeeid  {afrank.  *viderM\  kombiniert,  der  ftlr  «ich 
allein  kein  Beweismittel,  sondern  nur  ein  Mittel  dc-s  Angreifers  war,  den  An- 
gegriffenen zur  Antwort  zu  nötigen.  Eine  solche  Kombination  ist  beim  on. 
aisvatu  ffer  {assöra  efter)  und  wohl  auch  beim  ags.  foredä  eingetreten.  Zum 
Lcugnungseid  kam  stets  der  (materiell)  Angegriffene,  wenn  nicht  der  An- 
greifer unter  Angebot  des  gesetzlichen  Beweismittels  (s.  unten)  seinen  Angriff 
subslanzierle. 

Der  Zeuge  ist  ein  »Wis.*iender«,  und  zwar  einer,  der  sein  Wissen  durch 
Zusehen  und  Zuhören  erlangt  hat  (got.  veitvSds  ^  «der  gesehen  hat*,  vgl. 
Bd.  I  S.  441,  skand.  v//m\  ags.  grvita,  ahd.  giwizo).  Das  altgemian.  Prozess- 
recht  verlangt  Überdies  prinzipiell,  dass  er  von  der  Partei  zum  Sehen  und 
Hören  förmlich  aufgcfordL'rt  worden  (So lemnitilts zeuge-,  a-sw.  akaUat  ritnt) 
sei.  M.  a.  W.  nur  s<ilchc  Thatsachcn  konnten  durch  Zeugnis  bewiesen 
werden,  denen  von  Anfang  an  (>ffentlichkeit  \'erliebcn  war.  Jenes  Auf- 
fordern geschah  durch  Rede  (wn.  sktrkota,  on.  skinitäa,  skankuta),  nach 
adeut.  R.  ausserdem  aber  auch  noch  durch  Werk:  man  machte  einen  zum 
»Zeugen«  (africs.  tiugat  alid.  giziuc),  indem  man  ihn  izog«  (alid.  urchundi 
siohan),  was  bei  einigen  .Stämmen  durch  Ohrzupfen  geschah.  Später  kommen 
andere  Mittel  vor,  um  des  ZL-ugeu  Aufmerksamkeit  zu  scharfen  (Backen- 
streich, Trinken,  Gesang).  Ausnahmsweise  geiiflgten  zum  Zeugnisse  I^utc, 
die  nur  aus  zufalliger  Wahrnehmung  aussagen  kiinnten  (sog.  Erfahrungs- 
zeugen, a.sw.  brießa  tiiini).  —  Das.s  er  nach  seiner  eigenen  unmittelbaren 
sinnlichen  Wahrnehmung  den  Beweisgegenstand  selbst  kenne,  sagt  der  Zeuge 
im  Prozess  aus.  Insofern  ist  er  »Verkünder-  (ahd.  urchundo,  ags.  Htrtmdeo, 
fric-K.  orkunda,  arkfne  unrl  an  7'diir,  wf>zu  Kluge  Slammh.  S  -29  z-  vgl.),  selb- 
ständiges Beweismittel  und  scharf  vom  Eidhelfer  unterschieden.  Andererseits 
XhX.  er  wie  dieser  einseitiges  Beweismittel:  er  ist  nur  daiui  tauglich,  wenn  er 
Wort  für  Wort  so  aussagt,  wie  ilin  die  beweisführen  de  Partei,  der  »Zei^en- 
filhrcr«,  gemäss  dem  Beweisurteil  bezw.  Beweis  versprechen  muss  aussagen 
lassen.  Der  Zeugen  mu-sstcn  fast  immer  mehrere  sein,  und  einige  Stammes^ 
rechte  begnügten  sich  nicht  einmal  mit  zwei  Zeugen.  Vereidigt  wurden  in 
ältester  Zeit  die  Zeugen  nicht,  und  dabei  blieb  es  uodi  bis  tief  in  die 
historische  Zeit  hinein  nach  nonn-eg.  R.  und  prinzipiell  nach  langobardischem. 
Die  Beweiskraft  des  Zeugnisses,  das  •Cbcrzeugen-,  lag  also  lediglich  in  der 
Aussage  selbst,  welche  <lcu  Gegner  an  eine  öffentliche  Tliatsache  >crinnertc«. 
Das  jüngere  Recht  allerdings  suchte  nicht  nur  durrh  Eidauftage,  sondern 
auch  durch  Vermehrung  der  Kckusaiionsgründe  die  Vcrlassigbeit  der  Zeugen- 


7-  Rechts(.asg:  Zecgnis.  Zweikampf. 


217 


aussage  zu  verbürgen.  Ihm  erst  gehört  auch  die  öfter  vorkonimcndc  Ver- 
bindung des  Zcugcnbcwcises  mit  einem  Parteieneid  (Obcrfflhrungseid)  an. 
Die  Zeugenatwsage  ist  Ha.s  regelmässige  Beweismittel  fflr  Behauptungen  rele- 
vanter Thatsachen.  Daher  verk-gte,  wer  eine  suk-he  Behauptung  aufstellte 
und  dafür  den  Zeugenbeweis  anbot,  dem  Gegner  den  Leugnungseid.  Über- 
ilQssig  wird  zunächst  der  Zeugenbeweis,  wenn  der  Gegenstand  der  Behaup- 
tting  im  Gericht  oder  vor  einer  Gerich tskoramission  vorgezeigt  wird,  und 
dies  ist  die  rerhtlirhe  Grundbedeutung  von  beivSsen  und  htwisungf.  Spater 
unterschied  man  es  nd.  als  das  »leibliche  Beweisen»  (miid.  lißik  hmisrn)  von 
andcrm  Beweisen.  War  nun  aber  die  leibliche  Beweisung  emntal  gefßhrt,  so 
konnte  sie  nachtraglich  durch  Zeugnisse  des  Gerichts  (mnd.  gcrichUi  täeh,  on. 
ßittgm'tm)  vergegenwärtigt  werden. 

§  90.  Das  den  altgerman.  Beweis  \n"c  Oberhaupt  den  altgerman.  Prozess 
schlechterdings  beherrschende  Prinzip  des  Formalismus  betiurftc  gemäss  dem 
S  87  a.  E.  angedeuteten  Gedanken  eines  Gegengewichts.  Dieses  war  gegeben 
in  der  Zulüssigkeii,  den  Rechtsstreit  durch  Zweikampf  auszutragen.  Der 
Zweikampf  war  der  Kampf  der  pcrs/5nlichen  Tüchtigkeit,  welcher  der  Vor- 
rang gebührte  vor  den  Formen  des  Wortkampfes.  Die  persönliche  Tüchtig- 
keit aber  war  die  körperliche  Tüdiligkeit  des  freien  Manne.«.  Wich  er  ihrer 
Bewahrung  aus,  so  bekannte  er  sich  als  den  geringem  Mann,  der  die  Recht- 
losigkeit (§  4,^)  und  leicht  sogar  den  »Neidings— Namen  verdiente'.  Sollte 
nun  aber  einmal  die  minder  tüchtige  Partei  auch  die  minder  berechtigte 
sein,  so  bedurfte  es  u-iederum  rechtlicher  Merkmale,  woran  sicher  und  rasch 
der  Sieg  der  persönlichen  Tüthüßkeil  zu  erkennen  war.  Damit  wurde  der 
physische  Kampf  zum  Rechtsinsiiiut.  Waren  femer  die  Parteien  einmal  vora 
Weg  der  Verhandlung  auf  den  des  Marlitstreite-s  venA'iesen,  an  war  es  nur 
folgerichtig,  wenn  dem  Sieger  gestattet  wurde,  den  Widerstand  des  Gegners 
cndgittig  durch  dessen  Vernichtung  zu  Bfjden  zu  schlagen.  Unter  diesen 
Gesichtspunkten  erklären  sich  Formen,  Ausgang  und  .Anwendungsfflile  des 
Zweitiainpfus  noch  iin  Rerlii  des  christlichen  Mitteliillers.  ja  noch  in  der 
Sitte  der  Gegenwart,  ergibt  sich  ferner.  da.ss  der  Zweilc;impf  von  Haus  aus 
kein  Beweismittel  gewesen  sein  kann,  nelmehr  seine  Stelle  ausserhalb  des 
Beweisverfahrens,  ja  überhaupt  desjenigen  Verfahrens  hatte,  dem  wir  gewöhn- 
lich den  Namen  des  Prozesses  beilegen.  In  dieser  Stellung  erscheint  er 
denn  auch  bei  den  Deutschen  an  der  röm.  Reichsgrcnzc  nach  der  Aussäe 
das  Veliejus,  beim  norweg.  Stamm  nach  den  \-ielfaliigen  Sagaschüdcnmgen, 
bei  den  »Russen«  (=  Schweden)  um  900  nach  den  Angaben  des  Ibn  Duslah 
(«.  dje.sc  l>ei  Thomsen  Unpr.  d.  rttss.  SinaUs  S.  ly).  Der  altgerm.  Zwei- 
kampf fand,  iamp,  ahd.  fhampf,  champ/wü.  fries.  strüi}  ist  ein  Alleinkampf 
(ahd.  mhd.  einwü,  ags.  änvi^,  an.  einvigi^  worüber  unten,  —  ralat.  singulare 
€€rtamfn}  untrr  den  Parteien  persönlich,  von  ihnen  au.«zuferhten  gf^mJlss  mit- 
gflngigera  Kampfvcrtrag  (at»air.  jrtfiadine),  —  siinst  ursprünglich  ohne  Jede, 
dann  in  gesetzlicher  Kleidung  mit  gesetzlichen  Waffen  (Axt  cKler  Schwert, 
Kampfschild).  an  gesetzlichem  Ort  (ags.  catnpsle<i<.  mhd.  kamp/sM),  bei 
Kampf  um  ein  GnmdNtQck  uuf  dcm.sclben  oder  doch  über  eJnem  Symbol 
desselben,  und  insbesondere  auf  abgestecktem  oder  doch  abgemessenem 
Raum  (mhd.  kampfrinc,  fries.  tnmpxtai),  dessen  Cber*i  hreitung  als  Kanipf- 
fluchi  g:dt.  nur  lici  Tage,  jeder  Kämpfer  mit  seinem  Sekundanten  (fries. 
gntti^eniere,  ahd.  griezwarto,  mhd.  grieztoart).  Der  Sieger  durfte  den  unter- 
liegenden Gegner  töten,   nicht  bloss,   um  ihn  zu  überwinden,  sondern  auch 

(  Bttcnden  belchiTDd  hierüber  du  isw.  fu<lnotag  (oben  S.  108). 


2i8  IX.  Recht.     B.  Altertümer. 

nach  frrungtrneni  Sit;;?,  sofern  der  Btsicgtc  nicht  durch  einen  im  Vorhiuein 
festgtrselzien  Pr<!i.s  sein  Leben  vUiste«.  Nach  an.  R.  »-beerbte«  sogar  der 
Sie||[cr  den  BcsicKten,  m.  a.  W.  er  nahm  krafl  Erubcruiigsrctlitcs  dessen 
Habe  an  sich.  Ein  Opfer  für  den  erlangten  Sieg  pflegt«-  der  Sieger  dar- 
zubringen. Verschiedene  Arten  des  Zweikampfes  haben  sich  noch  in  heidnischer 
Zdl  iiusm-'bildct,  z.  B.  drei  isl.lndischc:  holmfinn^a.  keri^nga  und  einvi/^,  alle 
verschieden  vom  srhwcd.  spanna  liaiii  und  nnrweg.  ni/gatig.  Die  Hcraus- 
furderung  zum  Zweikampf  (an.  skora  =  einem  den  KaivpfplaU  abmarken) 
irder  die  »Mahnung'  (sw.  maning/  oder  der  »Kampf esgrus.»«  (mnd.  to  iampe 
gwirn)  hatte  seine  cigi-iitlirhe  Sti-.lle  gegenüber  dem  Parleieneid.  Durch 
Kanipfesgruss  konnte  iiimu  tlcii  Eid  des  Gegners  schchcn,  was  nach  ileuU 
R.  nicht  bloss  in  Wiirt-^i,  sonflern  auch  symtxilisch  durch  Wi^ziehcn  der 
Schwurhand  gesdiali.  Aber  auch  schon  im  Klagcvori^urf  konnte  eine  Eides- 
srhelte  h'egen.  z.  B.  wenn  er  auf  ein  Neidingswerk  oder  auf  falsches  Zeugnis 
gcrichtel  war.  Da  allemal  der  Kampf  seinen  Grund  iu  der  Eidcssciielte 
hatte,  so  erkUlrl  siHl  der  »Kampfeid*  als  wesentlicher  Bestandteil  des  Kamjjf- 
ceremoniells  im  MA.  Zwei  Eide  stehen  einander  gegenilher;  Leiigmiiigseid 
des  Bekhigien  und  Gegen-(ScheUungs-)Eid  des  Klägers,  wie  bei  der  Urteiis- 
schelte  (oben  S.  206)  zwei  Urteile,  das  gescholtene  und  das  Gegenurteil  des 
Sthelters.  Vrm  der  kanipfl>edürftigen  Eidessthelie  aus  ergab  sich  aber  auch 
die  Zulflssigkeit  einer  k;mipfbedürftigcn  Zeugiiisscbettc,  und  im  2u.sanimen- 
hang  mit  tiem  Grundsalz  fies  Kinlassiingszwangs  gab  die  Kidesst^ielte  writer- 
hin  den  Rechtsgiuud  dafür  ab,  dass  der  Prozcss  durdi  Herausforderung 
zum  Zweikampf  von  vornherein  abgeschnitten  werden  konnte,  indem  man 
die  Eidcsfichclte  siillschwrigen<l  antezipii-rte.  Der  Kumpfesgruss  musste  bei 
Vermeidung  der  SiichfitlUgkeil  und  Rechtlosigkeit  angem»mmun  wenlcn,  wenn 
er  von  eiiieni  Ebenbürtigen  im.>>>!ing.  Dann  schlössen  die  beiden  Gegner 
unter  Handschlag  den  Kampfvertrag,  über  die  spateren  Schicksale  des 
Zweikampfes  s.  g  qi. 

§  91.  Die  fernere  Geschichte  des  germ.  Beweisrechtes  besteht  in  der 
VePivittenmg  seines  Komialprinzips.  Es  uiinlcn  Ueweisniiiiel  eingeführt,  die 
wcseiitlicli  auf  Hervi.r/ichunj;  der  W;dirheit  im  Ein/i*lfall  abziehen  (sog. 
>materie]le^  Beweismittel).  Das  deutsche  Recht  hat  noch  in  der  heidnischcü 
Zeit  den  ersten  Schritt  hiczu  getlian,  indem  e.s  für  bestimmte  FiUle  die  Kr- 
mittelimg  eines  Sachverhaltes  durch  Orakel  gestaltete.  Dies  geschah,  wenn 
wcg:en  einer  heimlich  verübten  oder  verheimlichten  Missethat  geklagt  werden 
sollte  (nler  geklagt  war.  Das  Linisondiel  veni'endeten  niederdeul.  Völker, 
um  uiuer  mehreren  Beschuldigten  den  Thilter  ausfindig  zu  machen.  Auch 
das  Bahrrecht  halte  keine  andere  Kunktion.  Vgl.  ilas  Siebdrehen  in  der 
Vulkssittc.  Wahrschetidich  auch  sehun  in  heidnischer  Zeit  machte  man  in 
denjenigen  Fallen,  wo  die  Übelthat  eines  Unfreien  zum  Beweis  siand,  von 
der  Peinigung  desselben  als  einem  Mittel  der  VValirheitserftirschung  Ge- 
brauch. Noch  entschiedener  wurde  der  Übergang  zu  materiellen  Beweis- 
mitteln in  der  chrisdichen  Zeit  bewerkstelligt.  Erreicht  uurde  dies  durch 
Einführung  de,s  Gottes-urtcils  und  durch  Fortbildung  des  ErfahruiigszeuguLsses. 
Das  Gottesurteil  (ju/iid»m  det,  —  ags.  ord'U,  an.  skirsl  [=  Keinigung]) 
setzt  vorau-s,  dass  von  der  Gottlieii  die  EnÜiüUung  des  M'aliren  sclilcchter- 
dings  erwartet  wirtl.  Auf  dem  ererbten  Boden  ihrer  heidnischen  Gottcs- 
vi»rstellungen.  wonach  weder  Allwissenheil  n'xh  Wahrhaftigkeit  zum  Wesen 
der  Gotllieit  gehörte,  konnten  die  gennan.  V'^lkcr  diese  Voraussetzung  nicht 
erfüllen.  Folgt  schon  hieraus  im  Gegensatz  zur  herrschenden  l^hre  der 
Satz,    dass   erst  durcli   Venniltelung   des   Christentums  das   Guttesurteil    in's 


u 


7-    RtCHlSfiANO:    MaIKKIELLE    BtWKISMinEL. 


219 


gennan.  R.  c;»'knmm*^-n  sein  fcann,  so  wird  er  bostiltigt  durch  die  Wahrnehmung, 
dass  voll  einem  na tional-stcandina vischen  GottcsurtcU  schlcclttcrding^i  nichü 
irgendwie  verlassig  überliefert  ist,  dass  insbesondere  der  gemeiniglich  fftr  ein 
Gottesurteil  aibigegt^lx^e  Zweikampf  in  den  skand.  Quellen  zu  keiner  Zeil  als  ein 
solches  hinjjestellt  wird.  Erst  von  Deutschland  aus  hat  der  Norden  daa 
Gottesurteil  bezogen,  was  nicht  einm:il  ohne  Mis.werstiindnisse  seines  Wesens 
abgegangen  isL  Auch  bei  den  Südgermanen  aber  waren  die  Gutlesurteile  weit 
weniiiEcr  im  Schwang:  als  gc^^ühnlich  geglaubt  wird.  Das  ags.  R.  z.  B.  kannte 
wahrscheinlich  wir  dem  O-  Jahrb.  kein  Gtillesurteil.  das  althair.  und  altlango- 
bard.  R.  keines  ausser  dem  Zweikampf,  vun  dem  wir  wissen,  dass  er  ur- 
sprünglich weder  Gottesurteil  mx-h  überhaupt  Beweismittel  war.  .^uch  die 
andern  .Stammes-  (Xler  Landesrechte  haben  immer  nur  wenige  vun  dea 
sämtlichen  bekannte»  GoUcsurteÜeii  und  zuweilen  nur  eines  für  eine  bestimmte 
PeramcnkUisse  rezipiert.  Überdies  endlich  finden  sich  auch  in  südgerman. 
RR.  Spuren  einer  mehr  mechanischen  als  verständnisvollen  Rezeption,  wie 
z.  B.  das  Veratarken  des  Ordals,  die  Zuüwsung  eines  Gegcnordals.  Vermut- 
lich ist  der  Orii*m  die  Heimat  des  gennan.  Gotiesurteitj,  ebcns.!  wie  so 
mancher  sdiejubar  girnnanisdier  Vnlkstiaditionen.  Da.s  gennan.  R.  verwendet 
das  Gottesurteil  stets  nur  als  subsidiäres  Beweismittel,  nämlich  zur  Besiiltigung 
eines  geschoUenen  oder  an  sich  scheJtbareti  Eides,  dann  aber  audi  zum 
Ersatz  cmcr  nicht  zu  erlanprmlen  Eideshilfe.  Daher  dient  das  GultesurteU 
histt  irisch  zimi  Ersatz  des  Zwi-ikampfes,  wofern  dieser  abgeschafft  wird,  wie 
z.  B.  in  Dänemark  (10.  Jaliih.).  bei  den  Angelsachsen,  bei  den  Friesen, 
denen  daher  auch  da«  Gottesurteil  ein  »Kampf*  oder  Streit«  hei»«L  Unter 
den  samtlichen  überlieferten  Gottesurteilen  haben  wir  eine  altere  von  einer 
jungem  Schicht  zu  unterscheiden,  in  beiden  Schithlen  wiederum  die  echten 
Gottesurteile  vi.n  unechten.  Das  echte  Gottesurteil  ist  streng  einseitig,  d.h. 
e*  wird  lediglich  durch  ein  GeschAft  dessen  erbracht,  der  »ich  reinigt.  Es 
ist  ferner  im  strengsten  Sinne  Beweismittel,  d.  h.  immer  nur  fallig.  über 
Th.itsachen  Auskunft  zu  erteilen.  Es  i.*!t  endlich  stets  mit  kirrhlichen  Kuli- 
luindlungen  verbunden;  es  hat  seine  Liturgie.  Die  eihten  Gollcsurteilc 
alterer  .Art  sind  »Elemcntordale*.  nSmlich  die  Probe  mit  siedendem  Wasser 
oder  der  Kesselfang  (ags.  trirteroniäi,  fries.  we/ertamft.  —  ketfi/nu>i,  an.  ttii'U 
fang,  itu/fak)  und  die  Feuerproben  des  HtOleus  der  Hund  im  Feuer,  des 
Tragens  von  glühendem  Eisen  {wn.  Jamburttr,  on.  j'iprnhyrp)  tmc)  des  Ganges 
auf  glühenden  Pflugscharen.  Unechte  Gotte-turteüe  entstanden,  inüeni  der 
Zweikampf  imd  das  Loosoraltcl  unter  die  Gottesurteile  aufgenoiwiien  wurden. 
Die  Zwitterhaftigkeit  des  unechten  Gottesurteils  zeigt  sich  am  schl 'gendsten 
im  Kampfurteil:  einerseits  fiel  nunmehr  das  Erfordernis  dos  pen^'jn liehen 
Fechtens  fort,  \nirdc  sogar  Stellvertretung  der  Partei  durch  einen  gedungenen 
»Kampen«  Rugelassen  und  ein  eigener  Zweikampf  zwischen  Mann  und  Krau 
aut^ehÜdet.  ,\ndcreTseits  unlerliess  man  die  Ausbildung  einer  kirchlichen 
Liturgie  und  liielt  man  im  Prin/ip  an  der  Til^tllichkeit  des  K.impfausgangs 
(est,  führte  sogar  die  T^idesstrafe  für  den  imterliegtuden  K.lmpfer  ein,  sodass 
nach  wie  \\*r  der  Zweck  des  Kampfes  Ober  den  eines  btv)ssen  Beweismittels 
hinaiLsging.  Einige  Rechte  kannten  überhaupt  keine  unechten  Gottesurteile, 
SO  namentlich  die  .skandinavischen.  Die  jüngere  Schicht  der  Gotttrsurtelte 
besteht  aus  den  Prolien  des  kalten  Wassers,  des  geweihten  Bissens  (ags. 
t^nnädi.  des  Abendmahls  des  Psalters,  der  He.xenwage,  welche  insgesiuut 
echte  Gottesurteile  sin<l,  und  dem  unechten,  zum  Ersatz  des  Zweikampfes 
dienenden,  der  Kreuzprobe.  Mit  dem  q.  Jahrh.  I>egann  eine  kirchliche 
on  gegen  die  Gottesurteile.     Im  Bund   mit  dem  nocli  alteren  Miss- 


trauen  gegen  die  VeriSssigkeit  der  gebrauchten  Mittel  gelang  es  ihr,  die 
Gottesurteile  während  des  MA.  zurückzudrängen,  in  einigen  Rechtsgebieten 
sogar  vollständig  abzusclxaffen.  —  Wahrend  das  Guttesurieil  von  Anfang  an 
im  nrdcntiirhen  Prozws  seine  Stelle  fand,  hat  sich  die  Fortbildung  <Jes  Er- 
fahrungszeugnisses zu  einem  materiellen  Beweismittel  überall  ausser  auf  Island 
zunkc-hst  im  aus-serordenüirhcn  Proress  vollzogen.  Dieses  materielle  Beweis- 
mittel ist  das  Institut  der  Jury.  Drei  Entsteh ungsher de  desselben  lassen 
sich  nachweisen:  das  frilnkische  Königsgericlit,  das  danische  KCnigsgcridit, 
das  isländische  Gericht.  Von  Dänemark  aus  hat  sich  die  Jun-  nach  5krhweden 
verbreitet.  Die  selbständige  Enlwickelung  des  Instituts  in  seinen  drei  Haupt- 
g;ebieten  spricht  sich  in  den  Verschiedenheiten  der  drei  entsprechenden 
Systeme  aus,  welche  sich  hauplsüdilich  auf  die  Zahl,  die  Art  der  Beschaffung, 
Legitimation  und  Vereidigung  der  Geschworenen,  auf  das  Verhältnis  derselben 
zu  Parteien  tmd  Richter.  s*'iwie  zu  andern  Beweismitteln,  auf  die  Dauer 
ihrer  Thatigkcit,  endlich  auch  auf  die  ursprünglichen  Anwendungsfalle  der 
Jury  beziehen.  Nicht  minder  aber  spricht  es  sich  in  der  selbständigen  Ter- 
minologie aus:  der  Beweis  mit  Geschworenen  ist  bei  den  Franken  das  Ver- 
fahren mit  inquisitio  und  im  mittelalterlichen  Deutschland  das  Verfaliren  mit 
kuntschaft,  im  on.  Gebiet  das  Verfahren  mit  ntffnd  (in  JüUand  für  bestimmte 
Falle  sanstnd  ma-n),  auf  Island  das  Verfahren  mit  h>idr  [bezw.  mit  snnnadar 
memt).  Die  sämtlichen  Beweismitteln  dieser  Art  gemeinsamen  Grundzüge 
aber  sind,  dass  Auskunftsleute.  die  nicht  Augen-  und  Uhren.!eugcn  zu  sein 
brauchen,  auf  ihren  Eid  ihre  Überzeugung  von  der  Wahrheit  oder  Unwahr- 
heit eines  Thatbestardes  aussprechen.  Überall  ist  demnach  fftr  das  neue 
Beweismittel  dessen  Zweischneidig keit  charakteristi-sch.  Daher  wurde  es  zum 
Ersatz  von  Gottesurteil  und  Zweikampf  benutzt  und  von  skandinav.  RR,  zu 
solchem  Zweck  in  den  ordentlichen  Pm/e-ss  eingeführt.  —  Die  r<  instigen 
Neuerungen  von  Belang,  welche  im  ordentlichen  Beweisrecht  wahrend  des 
MA..  bei  den  südlichen  Stammen  teilweise  noch  früher  und  unter  r5mischem 
EinHuss  eingetreten  sind,  können  hier  nur  genannt  werden:  die  Legitimation 
des  Eidlielfers  nach  Analogie  der  Zeugen,  das  Überbieten  von  Parteieneid 
und  Krtahrungszeugnis  durch  Gegeneid  und  Gegenzeugiii.*!,  die  Einführung 
der  Urkunde,  d.  h.  des  schriftlichen  Zeugnisses  als  Beweismittel  *idcc  doch 
als  Mittel  der  Bcwciserleichterung,  der  Tortur  gegen  Freie  und  des  ausser- 
ordentlichen Verfahrens  auf  Indicien  nnil  Leumund  gegen  Gewohnheits- 
verbrecher (•schfidliche  Leute«),  der  Beweisführung  gegenüber  dern  Richter 
bezw.  Urteilen  letztere,  die  wichtigste  von  allen  Neuenuigcn.  zuerst  im  lango- 
bardischen  IVozess  seit  dem  8.  Jahrh. 

Ü  Q2.  Die  Vollstreckung  war  nach  altgcrman.  R.  prinzipiell  Straf- 
vollzug, nämlich  entweder  Vollzug  einer  öffentlichen  (Todejt-)  Strafe  (vgl. 
oben  S.  197)  oder  Achtvollzug,  Der  Strafvollzug  wai"  nach  heidnischem  R. 
Sache  eines  Beamten,  des  Priesters  {*gup}n).  Später  wird  das  Vollstrecken 
der  Strafe  in  vielen  Rechtsgebieten  dem  siegreichen  Kl.lgfr  oder  der  Gerichts- 
gemeinde oder  einzelnen  Leuten  aus  derselben  ütKrrtiagen,  wahrend  die 
Form  des  Verfahrens  vom  Gesetze  genau  geregelt,  insbesondere  .Strafvollzug 
bei  Nachtzeit  ausgeschlossen  bleibt.  Ein  unitlich  angestellter  Slrafdiencr 
(bürg.  U'itiscalc  —  ahd,  wizinari,  nihd.  wisenatre  oder  ivhegtrre)  oder  Scherge 
{langoh.  und  ahd.  scar/a  d.  h.  eigenlich  «Scharführer'.)  oder  »Züchtiger'  ist 
noch  im  SpatMA.  nicht  in  allen  Gerichten  vinhanden.  über  Achtvollzug  a. 
oben  §  7S.  Als  einzige  Ausnahme  vom  aTigegclicnen  Prinzip  hat  sich  in 
einigen  Rechten  aus  der  urgerman.  Raubehe  (S.  lOi)  eine  wahre  Exekution 
auf  Griuid  des  Verlftbiiisverlnigs  entwickelt.     Im  Übrigen   hat  sich  die  Exe- 


7-  Rechtsgang:  Vollstreckung. 


221 


kution  zur  Befriedigung  von  Ansprachen  (nicht  zu  verwerhseln  mit  der  binssen 
PfaiidnaJiinc  &.  183)  als  scIb^jUlndigcs  VcrfaJircn  ct!>I  nuLh  niclircren  Jahr- 
liunderten  der  histurisihcn  Zeit  un<l  nidit  ohne  Kampf  mit  dem  Kolleküv- 
eigentum  an  Grund  und  Üoden  vom  allen  Achtverfahren  wegen  *Rcchls- 
abscluiciduiig«  (asw.  ofikaka  rcrl)  oder  »Rechts Weigerung-  abgelöst.  Teil» 
geschah  (lies,  tiuleni  man  zum  Behuf  einer  vermi'igensrechtlichen  Exekution 
vun  der  Acht  eine  Konfiskation  abzweigte  mit  der  Auflage  an  die  Obrigkeit, 
au.s  dem  eingezogenen  Gut  den  Betreiber  zu  befriedigen,  —  eine  Entwicke- 
lung.  die  sich  am  deuüii-hsten  bei  der  d.lnisi'hen  Mi.»bilar-  (seil  1282  auch 
Imin*>biJiur-)  Exekuüon  mit  Königsbriefen,  der  Vi>rlaufcrin  des  spater  ti^ns 
nt  og  dtle  genannten  Verfahrens,  im  13.  Jahrh.  beobachten,  aber  auch  bei 
der  karolingiscben,  das  KriihiMA.  hindurch  \\\  Deutschland  hen^chenden 
Immobiliaresekution  niil  miish  in  haumun  (vrSnuugt  unter  dem  Symbol  der 
Aufsteckung  des  könighchen  Fricdenskreuzes)  annehmen  lasst.  Teils  wurde 
zur  Wahl  des  Verfolgten  neben  das  Achtverfahren  eine  Auspfändung  (Nalime 
nicht  zu  Pfand,  sondern  zu  Eigen)  gestelh.  wie  die  tehehaftc  Beraubung; 
(afiHnk.  *strttd,  franki.lat.  ilrudh  Ugiiima,  vgl.  fries.  rdf),  d.  Ii.  die  MobiHar- 
cxekuliou  nach  afräid;.  R.,  welcbe  bis  uui  575  nur  Platz  griff,  wenn  der 
Verfolgte  durch  förmliclies  Urttilserfüllungsgclübnis  (mit  festuca,  wadium  oben 
S.  188)  das  Achtverfahren  abwandle,  später  aber  auch  gegen  den  Ungehor- 
samen nach  vorgängigem  Exekutionsurteil  zmelasscn  wurde.  Teils  endlich 
wnrde  das  Achtverfahren  unmittelbar  durrh  Realexekution  ersetzt,  wie  im 
12.  Jahrh.  in  Norwegen  durch  die  Heimsuchung  {ittf^r^  bfiutniä),  oder  durch 
eine  unbeschränkte  Auspfändung,  wie  bald  nachher  in  Schweden  durch  die 
»Abschätzung-  ymut,  virpmng),  wobei  freilich  subsidiär  die  Friedlosigkeit  in 
sofern  im  Hintetgrund  stand,  als  gegen  Widenielzliclie  Ge^-ult  erlaubt  blieb. 
Obschon  nun  aber  als  Gewallvcrfahren  schlechterdings  iVngriff  auf  die  Person 
des  Verfolgten,  kam  die  Exekution  doch  in  ihrer  ersten  Zeit  prinzipieJI  nach 
Losreissuiig  seiner  Habe  zum  Stillsland.  Die  exekutivische  Sihuldknecli tschaft 
ist  im  Gegensatz  zur  freiwillig  eingegangenen  ein  Erzeugnis  jQngerer  Rechts- 
bildung.  Anfangs  fand  äe  sogar  nur  in  wenigen  bestimmten  Füllen  An- 
wendimg, und  im  Gebiet  des  skandinav.  Landrechts  hat  sie  diese  Entwcklimgs- 
stufe  auch  nicht  überschritten.  Zuerst  erscheint  sie,  analog  <Ut  Stnifknecht- 
schaft,  als  definitive,  spater  als  lösbare  Knechtschaft,  welche  weiterhin  zur 
blossen  Schuldarbeit  gemildert,  zuletzt  und  zwar  vomehmlicli  in  den  Städten, 
durch  die  Schulclhaft  ersetzt  wird.  So  wenig  wie  diese  Veränderungen  der 
Exekution  haben  andere,  spezifisch  deutsche,  weldie  hauptsächlich  Form  und 
Folgen  der  beiden  Hauptarten  der  Exekution,  Auspfändung  und  Fronung, 
dann  die  Verwischung  dieses  Unterscliiedes  im  Institut  der  anUite  betrafen, 
den  alten  Grtmdsau  zerst^irt,  dass  jedes  Zwangsverfahren  durch  Siraffälligkcit 
der  Verfolgten  bedingt  sei.  Auch  dauerten  noch  neben  der  Exekution  Reste 
der  satisfaktorischcn  Acht  fort,  wie  z.  B.  im  meuban  sächsischer  Stadtrechte 
(vgl,  oben  S.  iq6).  Andererseils  breitete  sich  während  des  MA.,  begünstigt 
von  der  ausgebildeten  Exekution,  die  Zulässigkeit  eines  vorsorglichen  Zwanges- 
aua,  der  dtu'ch  »Aufhalienv,  d.  b.  Festnahme  des  Verfolgten  oder  durch 
»Besetzen«  seiner  Habe  ausgeübt  werden  konnte.  Die  Rollenverteilung  bei 
allem  Zwangsverfahren,  soweit  es  nicht  Konfiskation  vrar.  beruhte  nach  einem 
dem  ältesten  F'rozess  wie  Privairecht  gamä.^wen  System  auf  dem  Prinzip, 
da»  wie  Urheber,  so  auch  Leiter  des  Angriffs  der  Kläger  zu  sein  habe, 
vrähieod  Obrigkeit  und  Dingpflichtige  ihren  Beistand  schulden.  Das  gegen- 
teilige System,  im  Zusainmenliang  mit  einer  allgemeinen  Erhöhung  der  obrig- 
kcitltcheo  Gewalt  aufkommend,  legt  die  Leitung  dc-s  Zwangsverfaluens  in  die 


222  IX.  Recht.     B.  Altertümer. 

Hand  des  Richters,  der  dann  persönlich  oder  durch  den  Fronboten  oder 
durch  von  Fall  zu  Fall  ernannte  »Anleiter«  die  Zwangsmassregeln  durchführt. 
Als  Typus  des  ersten  Systems  kann  die  altnorweg.  Exekution  mit  atf^^r,  als 
Typus  des  zweiten  die  alte  fränk.  Exekution  mit  strud  betrachtet  werden.  —  * 


*  Das  Manuskript  des  vorstehenden  Grundrisses  des  germanischen  Rechts  wurde  fiir 
die  zweite  Auflage  mit  Dezember  1896  abgeschlossen. 


X  ABSCHNITT. 

KRIEGSWESEN 

VON 

ALWIN    SCHULTZ. 


das  deutsche  Kri^swcs«»  wie  Ober  rtas  Englands  handeJt  ausfalir- 
lich  (las  Werk  von  Max  Jahns,  Handhutk  der  GtschUhi«  <in  A'rügs- 
«HM»  VOM  dSrr  l'rz^ii  Ais  sur  RtHaissaitce  (Leipzig  rHdo),  wo  auch  die  Literatur 
Sorgfalt^  verzeichnet  zu  finden  ist 

Unter  den  Waffen  der  Gcnnancnf  die  vrir  teils  durch  die  Krwälmung 
rfioBdier  und  frOimiitteklteriicher  Sclthftsieller  kennen  lernen,  teils  in  dt^n 
zahlreichen  Gräberfunden  noch  erliallen  vor  uns  haben  (Lindenschiiiitt 
du  Altrrlumrr  unxnr  kaJnücken  Vorutt.  Mainz  1858^,  wird  besundrra  die 
Fraaua  hervorgehril>en,  die  jAhns  mit  Ä<i^\  hüuftg  gefundenen  steinernen 
oder  bronzenen  Meissein  (den  Cdten)  für  Identisch  halt,  «ie  er  auch  die 
Wuifoxt  Francixta  für  eine  Ähnliche  Waffe  erklärt,  nur  mit  dem  Untcr^liicde, 
dass  bei  der  Framca  der  Meissel  an  einem  geraden  Stabe,  bei  der  Fiandsca 
an  einem  Winkelholzc  befestigt  war.  Die  Streitaxt,  das  BeQ  und  der  Stieit- 
hanuner,  die  Wurfketile  \cattja,  teuiofta),  der  mit  Widerhaken  versehene  Wurf- 
speer (ongo\.  dann  der  gewöhtilichc  Wurfspless  i,ger\  und  die  Lanze,  vor 
aDem  aber  Sdi«-crt  un<i  Dolcii  verA-nlUtAndigen  die  Rüsttuig  der  deutschen 
Rtie^r  in  älterer  Zeit.  Die  Schwerter  sind  entweder  zweischneidig  oder  wie 
<lie  ^Mtlka  nur  auf  einer  Seite  geschliffen,  letzterer  Waffengattung  ist  auch 
das  Sahs  {scramasaxus\  bcixuzfthlen.  AU  Kernwaffen  werden  f^chleudem  und 
Bogeo  gebraucht.  Von  einer  kumpUzlertcn  Rüstung  ist  in  der  alteren  Zeit 
nodi  nicht  die  Rede:  der  Krieger  deckte  soinen  Leib  mit  dem  Schilde  und 
adiOtzte  sein  Huupt  durcli  den  ehernen  Helm.  Die  hölzernen  Schilde  sind 
^ifcmalt,  mit  erzenem  Buckel  und  Rand  beschlagen.  Mit  Ebcrkr^pfcit  verzierte 
Helme  werden  im  BeowulDiede  erwähnt:  Schutrringe  für  die  Arme  finden 
sich  in  den  Gräbern  vor.  Die  Brfinnc,  das  aus  Eiscniingen  gefertigte  Panzer- 
hemd, kommt  gleichfalls  öfters  im  Ueowulf  vor.  Den  Kriq^erhaufen  dienten 
Fahnen  als  Feldzeichen,  Trommeln,  Homer  und  Tiompeien  wurden  zur 
Schlachtmusik  oder  zu  tricgerischen  Signalen  verwendet 

Hufbeschlage  der  Pferde,  ZierslQcke  vom  Zaumzeug  etc.  haben  sich  in 
-den  Gräbern  gefunden;  fraglich  dugegen  ist  es,  ob  die  alten  Deutschen 
eine  Art  Sattel  hattet^  jedcnralls  sind  sie  früher  auf  den  nackten  Pferden 


224 


,\.    KKiK(;SWESEN. 


f 


guritleri.  In  Karren  wurden  dem  Heere  Lebensnullel  nachgefQhrt;  ein  Tross 
von  Fraueii  begleitete  die  Krieger.  Zur  Schlucht  wurden  die  Wagen  xu 
einer  Verschanzung  - —  Wagenburg  —  zusammengefahren;  die  Gliederung  der 
Schlachlhaufcn  war  in  Gestalt  ciues  ►Keils«.  Vgl.  v.  Peuckcr,  äas  dtuische 
KriegsiveseH  der  VrseiUn  (Lpx,  1860).  Spuren  von  Befestigungen  von  Stdn- 
ringen,  Ringwallen,  Erdsdianzen,  vun  Landwehren  u.  s.  w.  sind  \ieifach  nacli- 
gewicaen,  auch  Überreste  von  Bergversch;uizungen,  von  Wasser-  und  Surapf- 
burgen  vorhanden. 

Vcrvollkuniinnct  wurde  die  Waffcntccluiik  unter  den  Merowingem  und 
Karolingern.  Die  Framea  wird  durch  den  Spiess  verdrUngt.  an  Stelle  des 
Francisca  tritt  das  Schubert,  dagegen  bleibt  da.s  Sciamasax  oder  die  setni- 
spatha,  das  Kurzschwert,  im  Gebraurhe.  Die  bronzenen  W'affenstückc  wer- 
den durch  eiserne  ersetzt.  Bemerken  will  ich  aber,  dass  die  von  Jälins  als 
Belege  für  die  Rüstung  der  Karolingerzeit  angeführten  Figuren  aus  dem  so- 
genannten Schachspiele  Karls  des  Grossen  (Paris,  Is'at.  Bibl.) .  nicht  dem 
neunten,  sondern  dem  zwölften  Jahrhundert  ihre  Entstehung  verdanken.  Eine 
hervorragende  Rolle  begirmt  die  Kelterei  zu  spielen. 

Die  Bewaflnung  der  Angelsachsen  unterseheidet  sich  nicht  wesentlich  von 
der  der  Übrigen  Germanen,  wie  die  der  Normannen  ganz  die  gleiche  ist,  die 
zu  ihrer  Zeit  die  Fninzosen  verwenden. 

Die  Rüstungen  und  Waffen  der  nachkarolingischen  Zeit  erfahren  zunächst 
nur  geringfügige  Verbesserungen,  Der  aus  Eiseiuingen  zusammengeflochtene 
oder  mit  EiäenslUcken  benUlite  Rock  wurde  ergänzt  dadurch,  dass  nun  auch 
die  Beine  einen  gleichen  Schutz  erhielten.  Der  kegelförmige  Helm,  der  den 
Kopf  nur  bis  zur  Stlm  schtltzL,  wird  mit  einem  Naseubaiide  {nasale)  ver- 
seilen, welches  auch  das  Gesicht  gegen  Verletzungen  sicher  stellt.  Wie  im 
Laufe  des  zwölften  und  dreizeluiten  JaJirhundcrts  sicli  nach  und  nach  aus 
dem  Nasenband  ein  Gesichtsschutz,  dann  das  sogenannte  Barbier,  spater  der 
Tupfliehn  ausbildete,  luibc  ich  mit  Abbildungen  in  m.  liöf.  Lcbcu'  II  S.  61  ET. 
nachzuweisen  versucht 

Allein  man  setzt  nun  auch  nidit  den  Heim  mehr  ohne  weiteres  aufs 
Haupt:  eine  Panzerkapuze  (das  hersenür)  schützt  den  ganzen  Kopf  und  iSsat 
nur,  wenn  sie  diuch  die  vinteUe.  den  lang  vom  henenier  herabhUngcnden 
Zipfel,  fcstgescimürt  ist,  Nase  imd  Augen  frei.  Aber  unter  dem  henenift 
liegt  noch  eine  gepoLstcrtc  Müüre,  die  balwät,  so  dass  das  Haupt  dreifach 
behiUel  ist.  Auch  unter  die  Eisciiröcke,  die  Brilnne  wie  den  Halsberg, 
■werden  gepolsterte  Wämser  angelegt,  ebenso  unter  die  Hosen  aus  Ring- 
geflecht Hfwen  aus  Leder  oder  gestepptem  Seidenrcug  gezogen.  Über  den 
Hamisdi  zieht  mau  seit  dem  dreizehnten  Jahrhundert  den  xvüpenrot,  auf 
dein  (las  Wappenzeichen  t\<A  Ritters  angclmuht  ist;  dasselbe  ist,  als  zimiert 
plastisch  gebildet,  auf  dem  Helme  befestigt  und  wird  auf  den  Schild  geraalt, 
auf  dem  Lanzenfllluichcn  und  auch  auf  der  Decke  des  Rosscs  uocluuals 
wiederholt.  Der  Schild  ist  dreietkig;  lang,  spitz  und  gewölbt  im  elften  und 
zwölften  Jahrhundert,  flach  und  fast  gleichseitig  im  dreizehnteiu 

Die  ritterlichen  Waffen  sind  das  Schwert  und  der  Speer  oder  die  Lanze. 
Neben  dem  Schwert  führt  der  Ritter  etwa  noch  ein  Dolchmesser,  das  der 
oben  genannten  Semispatha  entspricht,  jetzt  aber  als  aaeiaciuSt  al.  miseri- 
cordia  u.  ».  w.  bezeichnet  wird;  seltener  ist  die  Streitaxt  im  Gcbraudi.  Der 
Wurfspeer,  der  gcr,  wird  immer  mehr  von  der  Stosslaiize  verdräagl. 

Beim  Kampfe  der  Ritter  gegen  Ritter  kam  es  darauf  an,  den  Gegner 
durch  den  Stos:»  der  Luuzc  aus  dem  Sattel  zu  heben,  üiu  dami  mit  dem 
Schwerte  kam[tfunfahig  zu   machen  und  schlicsslielt  dcu  Helm  abzurcisscn. 


ÄI.TFRE    ZkIT.       LiLÜrr/FlT    UES    KlTTKIvIfVf- 


^25 


> 


* 


das  Hersenier  vom  Hiiupic  zu  btrcifen  uiicl  d'.-n  Kopf  mit  müthügcm  Sihwert- 
hicbc  abzuschlagen.  Die  Kunst  dt's  Einzdlumipfcüi,  der  /jos/r,  !iaitc  der  ritler- 
bOrtige  Knabe  von  früher  Jugend  ;in  zu  erlernen;  die  Vurbildung  zum  Ma- 
nOvncicu  ini  Felde,  zur  Reitcrstlüachl,  bildeten  die  Turniere,  welche  ureprüng- 
lieh  uiiseni  Wafft-n Übungen  ent-sprachen. 

Neljcn  den  Sthiiarcn  der  Riiter  spielten  aber  nun  schon  im  zwölften 
Jalirhundert  die  Fusstrupucn  eine  nicht  unl>edeutende  Rolle.  .Sic  warpn  an 
Zaihl  den  Keilern  meist  weit  überiegen,  und  bald  waren  es  die  B<:"genschftlzi-n 
z.  B.,  die  in  den  Schlachten  den  AusM:hlag  gaben.  Die  Fu^sssoldateji  sind 
natOrlirh  leichter  gerüstet  als  die  Ritter,  die  nach  Verlust  ihrer  Pferde  im 
HamiM-h  kaum  gehen  können,  vor  allem  sind  bei  ihnen  meist  die  Beine  un- 
geschützt.- -Aber  auch  der  ('iherkürper  Lit  oft  nur  mit  einem  gewi^hnlichen 
Rock  bekleidet,  dci  hödibtens  mit  Weij;  oder  Baumwolle  gefüttert  wird,  wenn 
aber  der  Leibhamisch  verwendet  wird,  ist  derselbe  leichter  und  hindert  die 
Bewegungen  des  Körpers  nicht.  Der  Helm  wrd  seh  dem  dreizelmten  Jahr- 
hiuidert  duicli  einen  breitkrampigcii  Eisenhut,  die  heciUihüte,  ersetzt.  Die 
Waffen  der  Fussiruppen  sind  verschiedenartig;  alle  haben  sie  wohl  das 
Schwert  und  das  Dokhmesser  {gnippt),  aber  die  einen  hind  mit  Bogen  und 
K&cher  au-sgerüstet  (die  Armbrtlste  kommen  erst  seil  Ende  dos  zwölften  Jahr- 
bundetts  vor),  andere  führen  Schleudern,  wieder  andere  sind  mit  Stusslanzeii 
bewaffnet  oder  haben  Keulen  oder  Stangenwaffen  verschiedenster  Art  (Helm- 
bartcn,  Godendac,  Guisarmen  etc.). 

Cbcr  die  Taktik  und  Strategie  des  MA.  haben  wir  das  treffliche  Werk 
von  G.  Köhler,  Die  Knin<iekehtig  tirs  Kne^wesens  und  der  Kmg/iihimg 
in  dtr  Riiteneit  (Brc:<lau  1885 — 8g).  da»  zugleich  auch  die  wichtigsten 
Schlachten  bespricht  und.vom  milit.*tnM  hen  Gesichtspunkt  aus  kritisch  beurteilt. 

Neben  den  Feldsrhiachien  sind  für  die  d;mialige  Kriegführung  die  Bela- 
gerungen der  Burgen  und  Festungen  von  hcr\'ornigcnder  Bedeutimg.  Über 
die  Anlage  der  Befestigungen  vgl.  Köhler  a.  a.  O.  IIl,  i,  341  und  höf. 
Leben  '  I  S.  7  ff. 

Die  Belagenmg  einer  Feste  wird  durch  die  Umschlies-sung  derselben  ein- 
geleitet;  dann  versucht  man  die  Mauern  zu  untergraben  und  zu  Falle  zu 
bringen  [oder  die  Graben  zuzuschütten,  die  kalte  didit  an  die  Mauer  zu 
(reiben  und  entweder  mit  dem  Mauerbrecher  dieselbe  zu  zerstörtii  oder  mit 
Bceclietsen  und  Picken  eine  Bresche  in  dieselbe  zu  bredien.  Zur  Unter- 
stützung wird  der  hölzerne  Belagerungslurm,  die  tbtnhxkt  oder  der  berc/rit. 
Ml  die  Mauer  geschoben  und  von  dem  fiberen  Geschoss  suchen  mittelst  einer 
Fallbrücke  die  Belacerer  auf  die  Maueni  zu  gelangen.  Heftiges  Werfen  mit 
Steinen  und  st^nstigvn  Geschossen  untcrst fitzt  den  Angriff.  Mit  den  Pclrarien, 
dem  Triboc,  der  Blide,  den  Mangen  und  Mangonellen,  und  wie  die  Ge- 
achQLze  auch  hcisscn,  werden  Steine,  Bleikugeln  u.  s.  w.  geworfen.  Schon 
1228  hatten  die  Bolognesen  in  einer  Schlacht  gegen  Modcna  FeldgeschOtzew 
Mangonellen,  verweiKlet,  und  auch  spÄtcr  wird  deren  Gebrauch  beslStlgt. 
Mit  diesen  Geschützen  warf  man  zugleich  das  so  gefflrchtete  griechi.sche . 
Feuer,  das  man  Übrigens  schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  vermittelst  Ra- 
keten zu  schleudern  verstand.  Die  F.rfindung  des  Schiesspulvers  ist  nur  als 
ein«  Fortbildung  dieser  Versuche  anzusehen. 

Im  vierzehnten  Jahrhundert  tritt  der  Gebrauch  der  Ringhamischc  mehr 
zurück  gegen  den  der  Plattcnnlstungen.  Schon  im  dreizehnten  Jahrhundert 
hatte  man  einzelne  Teile  des  I-liimisctics  durch  geschmiedete  Eiseuplalleo 
verstärkt;  man  hatte  BrU'itpIatten  verwendet,  die  Knie  mit  den  sehinnelk* 
(gemomüterrs},  die  Arme  mit   den  brazel  geschützt,  ja  es   scheint  schon  dpr 

CerauuiiKhc  Phllolocie  tir.    2-  Kv.1L  15 


226 


X.  Kriegswesen. 


Panzer  im  eigcntlirhstcn  Sinne,  d.  h.  die  Plattendeckung  des  Unterleibes, 
verwendet  wurden  zu  sein.  Nun  werden  auch  die  Achseln  und  Ellenbogen 
durch  entsprechend  gefcirmtr  gesichmiedete  ROstungsstttckc  bewahrt,  bald 
auch  die  Ftt-sse  mit  eisernen  Scliuhen  versehen,  bis  dann  gegen  Anfang  des 
fünfzehtitt-n  jalirhundcrts  (Jahns  behauptet  nacli  1370)  die  Eisenschalen  den 
ganzen  L*;ih  und  dir  Ik-Jnc  bedrckten.  Der  Ringhamisch  war  noch  bis 
Ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts  trr)tz  der  Eisenplatten  beibehalten;  letz- 
tere dienten  nur  zur  Verstärkung  des  als  uiuulänglidi  ungesehenen  Schutzes. 
Die  Ringkapuze,  das  hersmier,  wird  durch  einen  Kopfschutz  ersetzt,  der 
kragenartig  litTabreicliend  zugleich  die  Brust  srliinnie.  Und  auf  dieses  aus 
Ringen  hergestellte  Camail  setzt  man  nun  den  grossen  mit  Augenifirhem 
versehenen  Topfhelm,  der  auf  den  Schultern  nihlc  und  ntit  Schnflren  fest- 
gebunden war.  Hclmdcckcn.  die  schon  im  dreizcluilen  Jahrhundert  vor- 
kommen, werden  in  der  Folgezeit  allgemein  angewendet,  teils  den  Helm  vor 
der  Erhitzung  durch  die  Sonnenstrahlen  zu  behüten,  teils  der  Zierat  wegen, 
da  die  Farben  desselben  denen  des  Schildfeldes  und  des  Wappenbildes  meist 
entsprachen.  Die  Kehnzierden,  Kronen  oder  figürliche  Wappen  zeichen, 
hielten  die  Decken  fcsL  Bezeichnend  erscheint  ni.>rh,  dass  seit  der  Mitte 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  der  WSpenroc  sich  verkürzte  und  die  Gestalt 
eines  jackenariigen  kaum  bis  auf  die  Oberschenkel  herabreichenden  Wanises 
annahm.  Der  mit  Met;illplatten  beschlagene  Gürtel  ruht  auf  den  Hüften 
und  mnschlicssl  nicht  wie  ehedem  die  Taille.  Eine  wesentliche  Ven-oU- 
kommnuiig  der  HcImc  brachte  die  Einfühmng  des  Visiers  um  die  Mitte  des 
JahrhunderLs;  nim  konnte  das  Gesicht,  so  lange  keine  unmittelbare  Gefahr 
vorhanden  war,  enlblösst  werden;  dadurch  wurde  dem  Ritter  die  Möglich- 
keit gegeben,  frei  zu  atmen,  was  unter  dem  geschlossenen  Topfhelme  trotz 
der  angebrachten  LuftlCichcr  noch  immer  nirht  in  ausrcicliendein  Ma.sse  ge- 
schehen konnte.  Indessen  inuss  auf  einen  Punkt  ausdrücklich  hingewiesen 
werden,  dass  die  Einführung  einer  neuen  RQstungsform  keineswegs  das  Ver- 
schwinden äherer  Rüstungsstücke  zur  Folge  hatte,  dass  ^-ielmehr  alte  und 
neue  Harnische  zu  gleicher  Zeit  gctnigen  wurden,  da  es  dem  Ritter  anheim- 
gegeben war,  wie  er  für  seine  köqierliche  Sicherheit  Snirge  tragen  wnllte. 
Von  Uniform  ist  also  das  ganze  Mittelalter  hindurch  nicht  die  Rede:  jeder 
Ritter  trügt  seinen  eigenen  Harnisch;  eine  gewisse  Gleichfurraigkeit  der  Aua- 
rflBtung  finden  wir  höchstens  bei  fien  Eusstruppen,  zumal  den  geworbenen, 
da  denen  Kriegsklcider  und  Waffen  geliefert  wurden,  und  auch  deren  äussere 
Erscheinung  ist,  wenn  wir  den  gleichzeitigen  Btldcm  glaulwn  dürfen,  ver- 
schiedenartig genug. 

Seil  dem  Beginn  des  Fünfzehnten  Jahrhunderts  wird  wie  gesagt  der  Ge- 
brauch tier  vollen  Platten rOslung  allgemeiner  gebrauchlirh ;  mit  mannigf;ichpn 
Modifikationen  hat  sich  dieser  Brauch  bis  lief  in  das  secliszehnte  Jahrhundert 
crhalteiL. 

Der  Helm  erhflll  die  Form  des  Schaller  (Salade),  d.  h.  der  mit  Augen- 
lödieni  versehenen  Eisenhaube,  die  im  Falle  der  Gefahr  Über  das  Gesieht 
gezogen  wurde,  und  des  Helms  mit  beweglichem,  gewi^hnlich  dreigliedrigem 
Visier. 

Die  Turnierrüstungen  sind  schwerer  und  massiger  gearbeitet;  ein  Turnier 
des  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhunderts  dauerte  nur  kurze  ZeJt;  solche 
sdiwere  Harnische  b.ltte  man  im  Knege  niemals  tragen  können.  So  ist  auch 
der  Kricgssaticl  mit  seiner  ht-hcn  Rücklchnc  wohi  zu  unterscheiden  von 
dem  Tumiersancl,  der  sich  besonders  durch  den  hölzernen  .Steg  auszeichnete, 
welcher  Beine,  Unterleib  und  Brust  deckte. 


SpAnfTTTSLALTER. 


227 


I 


Auch  die  Pferde  wurden  mit  einer  Art  von  PlattcnrOstung  gegen  Ver- 
wundungen geschützt,  hesonch-ns  rrhieJt  das  Haupt  «liirch  eine  eiserne  Stim- 
platte-  ifh/infrein)  einen  wirksamen  Scliulz. 

Die  ritterlichen  Waffen  sind  immer  nfH_h  Lanze  und  fichwert.  5>eit  dem 
Ende  des  13.  Jahrlw.  hatte  man  die  Hand  durch  Anbringung  der  Brech- 
adieiben  gedeckt.  Als  die  Lanzen  an  Si.-liwerc  immer  zunahmen,  erleichterte 
man  dem  Ritter  die  Handhabung,  indem  rann  Haken  (faucre)  an  der  Hrust- 
platte  de«  Harnisches  anbrachte,  in  die  der  LanzensrhafI  eingelegt  werden 
kunntc.  Das  Pahnclieu  an  der  Lanze  fallt  im  15.  Jahrh.  fr)rt,  dagegen  sehen 
wir  gegen  Ende  <lc,ssclben  tlic  Reiter  einen  Fuchsschwanz  unter  der  Speer- 
spitze befestigt  tragen.  Auc-h  die  Schwerter  werden  langer  und  wuchtiger, 
dorh  sind  die  ZweihUnder  nie  von  Rittern  gebraucht  worden.  Streitaxt, 
Kollien  und  Streithammer  werden  auch  von  Rittern  nebenher  benutzt. 

Leichter  ist  die  Rü-stung  der  Fusstruppen.  Man  begnügt  sich  hflufig  mit 
gCÄtepplen  oder  gepcilsierteu  Wamsen,  verstärkt  die.se  vielleicht  durch  An- 
'^[wng  von  Brastplatteii,  seltener  durch  einen  vullen  Brastha misch,  und 
deckt  empfindliche  Stellen,  die  Schultern,  Ellenbogen,  Knie  durch  entsprechende 
Eisenkacheln.  Die  Waffen  des  Fussvulkes  sind  im  grussen  Ganzen  dieselben, 
die  s*hon  früher  erwähnt  wurden.  Das  Schwert,  das  bis  zur  Mitte  des  fünf- 
selmten  Jahrhunderts  ziemtiili  kurz  gewesen  war,  nimmt  an  Lange  zu.  So 
entstehen  die  Beitlenli ander  (twoliands-swords),  die  nur  mit  beiden  Armen 
geschwungen  werden  können,  eine  Liehlingswaffe  der  Schweizertruppen.  Die 
geflauuuten  Flambcrge,  deren  Hiebe  den  Rüstungen  so  verderblich,  werden 
erfunden;  der  Streitkolbcn  wird  zum  Morgeiistem  au.sgchildet,  der  ahbckannte 
Kri«:^flegel  weiter  benutzt,  eiidtich  von  den  Stangen waffen,  Hellebarden, 
Hipi>eii  IL  s.  w.  Gebrauch  gemacJil,  die  Partkme  nach  dem  Beispiel  der 
Htusiten  eingeführt.  Bogen  und  Armbrust  werden  zum  Fernkampfe  ver- 
wendet. Abbildungen  der  verschiedenen  Wnffengat langen  bietet  ausser  dem 
grossen  Werke  von  Hefner-Alleneck,  ilie  Tntchten  des  efthsti.  M.\.  Mann- 
heim 1849—54,  August  Dcmmin  in  dem  mit  Vorsiclit  zu  benutzc-ndcd 
BUclilein  *ift*  Kritgsrvaffen  etc.«  Leipzig  iHtJty.  K.  Gimbel,  Tajeln  zur  Ettt" 
imckiun^gtxchi<hfe  der  Schutz-  und  Trulzwaffen  tn  Eumpa  rsfm  8. — 17.  Jahr- 
Juatdert.  Baden-Baden  1894.  Richard  Freiherr  von  Mansbcrg,  WA/en 
Hnd  Wiegtwaeie  der  deulschen  Hitler  des  Mitltlaiter^.  Dresden  1890.  Wahrend  so  im 
allgemeinen  eine  bedeutende  Veränderung  nicht  herl>eigefülirt  wurde,  begann 
der  Gebrauch  des  SchiesspulversaHmrihlich  die  Umgestaltung  des  gtinzcn  mittel- 
aJtcrlichen  Kriegswesens  vorzubereiten.  Als  die  Zeil  der  Einführung  von 
Geschützen,  die  durch  die  Kraft  des  .Sihicsspulvers  Geschostsc  schleuderteu, 
kOiuieii  wir  das  Jahr  1 3^5  annehmen.  Jahns  und  ausführlicher  Köhler 
(in  1,  225  £f.)  haben  die  Daten,  die  da  ni  Betracht  kommen,  zusaminen- 
geslellL  Zuerst  wenlen  .tie  in  Italien  en^-ahnt,  133K  in  Frankreich,  1346  in 
DcuLM:hland.  doch  soll  eine  bronzene  Büdise.  früher  im  Besitz  des  Gra/en 
Arco,  aus  Mantua  herstammend  die  Jahreszahl  1322  getragen  haben.  Die 
lltereii  LoibOch.sen  schössen  Metallkugeln,  die  spateren  gri.i!>s<.^  Geschotse, 
Seein bürksen,  Steinkugeln.  KleineTc  Steiubücliscn,  die  weniger  nki  einen 
Zentner  schössen,  nennt  wvaw  seit  den  IIus.'^itenkripgfn  Haufnitzeji;  die 
langen  Geschütze  erhalten  den  Namen  Tenas  uder  Tenasbüchsen.  Seit  der 
Milte  des  filnfzehnten  Jahrhunderts  helsst  eine  Büchse,  die  einen  Zentner- 
Etein  who.««,  Hauptbüclise,  die  einen  halben  Zentner,  mittlere  Büchse  (metze), 
die  noch  klcine-re  ViertclbOchsc  iQuartan,  spater  Karlaune).  Aus  den  Lot- 
bOi'h&eu  entwickelt  steh  die  Schlange.  Die  Form  aller  dieser  GeschQlze,  die 
An  ihrer  Lafetleu  u.  s.  w.  ist  aus   dem   vortrefflichen  Werke   von  August 

IS» 


228 


X.  Kriegswesen. 


Essenweiri,    QutUen   zur  Geschickte   iJ/r   Femnoa^en   (Leipzig   1877)    zu' cr^j 
sehen. 

Die    hier   besprorbenen    GeschOize    wurden    teils    bei   Belagerungen,    tei 
auch,  und  zumal   die   leichteren,    in  Feldschlachien    verwendet:    zur  Bewaff- 
nung des  Fussvolkfx  sind  Feuerwaffi;n  erst  seit  der  zweiten  HäUle  des  vier- 
zehnten Jiilirliundcrts    gebraucht    worden.     In    der   Sdiladit    von    Conimin< 
1382   spielen   die  Handfcuer^*■a[fcn    schon    eine   wichtige  Rolle   (vgl.    Kiihlc 
II,  584).     Sie    haben    zunächst    die  destalt    einer    kleinen  Kanone,    die    ai 
einem  tnigbaren  Huizs-chafl  aufgelegt  ist,  und  die,  wie  das  grosse  Gcschötx," 
vermittelst  einer  1-unle  abgefeuert  wird. 

Abbildungen  vi  in  Rüstungen  und  Waffen  sind  in  ni.  Deutschen  Leben  d. 
14.  und   15.  Jahrhs.  (Prag,  Wien,  Leipzig  1892)  zu  finden. 

Diese  Handbüchsen  hatten  am  Rohr  einen  Haken  angeschmiedet,  welcher 
zu  der  kleinen  Art  von  Liifctte  gehörte,  mit  der  in  altiMer  Zeit  selbst  diese 
Geschütze  gerichtet  wurden.  Sie  erhielten  davon  den  Namen  Hakenbüchsen 
(daraus  Arkebusen)  und  sind  unter  dieser  Bezeichnung  schon  zu  Anfang  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  nachzuweisen.  Die  Erfindung  des  Lunten sclilosscs 
1378  förderte  die  Präzision  des  Feuems.  Die  Hakenbüchsen  werden  spAter 
statt  auf  ein  Gestell  auf  eine  tragbare  Gabel  aufgelegt,  was  noch  bis  hi  das 
siebzehnte  Jahrhundert  bei  den  schweren  Büchsen,  den  Musketen,  üblich 
blieb;  diese  Vorrichtung  erküditcrte  das  Zielen,  F-iuilit'h  wurdt*  die  Schäf- 
tung  vervollkommnet,  sn  dass  das  Gewehr  angelegt  werden  konnie;  1515 
wurde  zu  Nürnberg  da.s  Radschloss,  bei  dem  ein  rotierendes  Stalilrad  Funken 
vom  Schwefelkies  sdiLlgt,  einige  Decennien  später  das  Schnapphahn srhioss 
erfunden,  das  um  1O40  in  Frankreich  als  Batteriesdiloss  mit  Feuerstein  (da- 
her Fusil;  Flinte  vtm  Flins)  vcrvollkominnet  wurde.  L'm  1820  wird  das 
Perkussi<inss<:hloss  eingefOhrt,  wdches  die  um  j8jB  erfundenen  Zündhütchen 
verwendet. 

Schon  in  dem  hundertjährigen  cngtisdi-fninzösisdien  Kriege  halten  die 
Fusstnippen  der  Englander  oft  ausschlaggebend  die  Schlachten  entschieden; 
die  Schwcizerscb lachten  kies  vierzelinlen  Jalirliundcrts,  die  Hussitenkriege, 
endlich  die  Rümpfe  Karls  ile„f  Kühnen  vun  Hurgund  gegen  tlic  Schweizer 
Hessen  die  Bedeutung  des  Fussvolkes  der  ritterlichen  Reiterei  gegenüber 
immer  deutlicher  hen'ortrclen.  Die  Zeilen,  als  der  Ritter  Scharen  den  Kampf 
entschieilen,  sind  vorüber  imd  damit  auch  die  Zeit  der  Blüte  des  Ritter- 
standes. In  Zukunft  liegt  die  Entscheidung  des  Krieges  in  den  Hilnden  des 
Fu.'>s\'olkcs.  Dasselbe  rekrutierte  .sich  zunächst  aus  angeworbenen  Kriegs- 
knechten.  Ganze  Sdiaaren  von  Schweizern  boten  sich  den  kriegführenden 
Forsten  an.  und  auch  aus  anderen  iJlndem  strCimten  abenteucriasügc  Mäimer 
den  Feldherren  zu  und  Hessen  sich  gegen  bedeutende  Ltvhnung  anwerben. 
Aus  den  eigenen  Landesangehörigen  rekrutierten  sidi  die  Land.*;knerhte;  der 
Name  k'imnit  schon  147^  vor,  aber  die  Organisierung  der  Trup|>e  ist  auf 
Kaiser  Maximilian  zurückzuführen.  Tnjtzdem  war  dies  nrtch  immer  eine 
sehr  unzuverlftssige  Schar,  aufsässig  besonders,  wenn  der  Lohn  nicht  ausge- 
zahlt wurde,  aber  audi  ungehorsam,  sobald  es  ihr  zu  »sorglich'  erschien, 
einen  Befehl  ihre-s  Fcldherra  auszuführen. 

Nicht  auf  einmal  hat  sich  die  Umwandlung  des  Kriegswesens  vollzogen, 
sondern  langsam  nach  und  nach.  Zu  Fnindsbcrgs  Zeiten  braucht  man  noch 
neben  den  Biimbarden  und  Kartaunen  hin  und  wieder  die  alten  im  drei- 
zehnten Jahrhundert  bewahrten  Blidcn  und  Mangcn,  und  die  Artillerie  hat 
in  den  Schlachten  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ebenso  wie  die  Haken- 
bi\chsen    kaum   den  Aus-^hlag  gegeben,   vielmehr  war  das  Gefecht  mit  der 


Spätmittelalter.  229 


blanken  Waffe  noch  immer  entscheidend.  Allein  allmählich  wird  auch  da 
eine  Änderung  bemerklich:  die  Büchsenschützen  treten  in  grösserer  Zahl 
auf,  die  Festungswerke  der  grossem  Burgen  und  Städte,  nicht  berechnet, 
dem  schweren  Geschütz  Widerstand  zu  leisten,  werden  umgestaltet  nach 
neuen  Prinzipien  aufgebaut  Eine  kleine  Burg,  hinter  deren  Mauern  früher 
ein  Ritter  sicher  seinen  Feinden  Trotz  bieten  konnte,  ist  verloren,  sobald 
die  Feinde  mit  Belagerungsgeschütz  anrücken;  sie  nach  den  modernen  An- 
forderungen zu  fortifizieren  lohnte  nicht,  dazu  hatten  die  Edelleute  auch  kein 
Geld,  und  so  verzichtet  man  auf  diese  unbequemen  Burgen,  die  keinen 
Schutz  mehr  gewähren,  siedelt  in  dem  Zeitgeschmack  entsprechende  Schlösser 
über  und  überlässt  die  alten  Burgfesten  dem  Verfall. 

Der  Ritterstand  aber,  dem  seine  hauptsächliche  Wirksamkeit  durch  die 
Entwickelung  des  Kriegswesens  entzogen  war,  widmet  sich,  als  das  Mittel- 
alter zu  Ende  ging,  nun  nicht  mehr  ausschliesslich  dem  Kriegsdienste:  auch 
die  wissenschaftlichen  Studien  werden  von  ihm  bald  mit  Eifer  betrieben, 
und  der  Amtsdienst  an  den  Höfen  der  Fürsten  muss  ihn  entschädigen 
für  die  Errungenschaften,  die  er  sonst  dem  Kriege  allein  zu  verdanken 
hatte. 

So  bereitet  sich  auch  auf  diesem  Gebiete  am  Schlüsse  des  Mittelalters 
eine  Wandlung  vor,  die  in  Deutschland  wie  in  England  für  die  Folgezeit 
von  höchster  Bedeutung  sich  erweisen  sollte. 


XI.  ABSCHNITT. 

MYTHOLOGIE 

VON 

EUGEN   MOGK. 


KAPITEL  I. 

Volksglauben  und  Religion,  mythos  und  kult;  die  aufgaben 
der  mythenforschung. 

Ober  die  Begriffe  Religion  und  Mythos  besteht  eine  fast  unübersehbare  Lite* 
ratur.  In  jeder  selbständigen  Mythologie  wird  auf  sie  angegangen  und  ihr  Ursprung 
zu  ergründen  gesucht.  Gute  Oberbllcke  über  die  verschiedenen  Au&ssungeo  geben: 
O.  Gruppe,  Die  griechischen  Kulte  und  Mythen  in  ihren  Betiehungen  tu  den 
orientalischen  Religionen.  I.  Bd.  (Leipzig  1887)  und  Max  Müller,  Natürlühe 
Religion  (übers,  von  E.  Schneider,  Leipzig  1890).  Von  den  Werken,  deren  Ver- 
fasser von  germanischen  Verhältnissen  ausgehen,  seien  hervorgehoben :  W.  Schwartz, 
Der  Ursprung  der  Mythologie  (Berl.  1860);  Ders.,  Der  heutige  Volksglaube  und 
das  alte  Heidentum  {2.  Aufl.  Berl.  1862);  Mannhardt,  Antike  Wald-  und  Feld- 
kulte (Berlin  1877),  Vorwort;  MüUenhoff  im  Vorwort  zu  Mannhardts  Mytiwlo- 
gischen  Forschungen  (Strassb.  1884),  S.  VIff. ;  Ders,,  Deutsche  AUertumskund« 
V.  I  (Berl.  1883)  S.  157;  L.Beer,  Zur  mythologischen  Methodik  {Gvirn.  XXXIH. 
I  ff.);  Laistner,  Das  Rätsel  der  Sphinx  (Berl.  1889),  Vorwort;  W.  MttUer. 
Mythologie  der  deutschen  Heldensage  (Heilbr.  1886),  Einleitung;  Ders.,  Zur  My» 
thologie  der  griech.  und  deutschen  Heldensage  (ebd.  1S89),  Einleitung;  Tobler, 
Mythologie  und  Religion  (Ztschr.  d.  V.  f.  Volksk.  I.  369  ff.);  Nicolson,  Myth 
and  Religion  (Helsingfors  1892);  Noreen,  Fornnordsk  religion,  mytologi  och 
tm/i'^i' (Svensk.  Tidskr.  1892);  Vodskov,  Sjaledyrkelse  og  Naturdyrkelse.  Bidrag 
til  Bestemmelsen  af  den  mythol.  Metode.  (i.  Bd.  i.  Hefl.  Kbh.  1890);  E.  H. 
Meyer,  Germanische  Mythologie  (Berl.  1891)  S,  9ff.  (dazu  E.  Mogk,  Anz.  d. 
Idg.  Forsch.  III.  S.  22  ff.);  A.  Lehmann,  Overtro  og  Trolddom  fra  de  aldste 
Tider  til  vore  Dage  (4  Bde.  Kbh.   1893—96). 

-as  in  Folgendem  dargestellt  werden  soll,  ist  der  Glaube  der  Gennanen 
Jf^  an  das  Übersinnliche.  Man  pflegt  diesen  in  der  Regel  Mythologie 
zu  nennen,  allein  dies  Wort  giebt  nicht  das  wieder,  wjis  man  unter  ihm 
versteht;  es  ist  auf  der  einen  Seite  zu  eng,  auf  der  andern  zu  weit 
Dieser  Glaube  ist  entweder  die  Interessengemeinschaft  einer  Anzahl  von 
Individuen,  die  sich  unter  gemeinsamen  Satzungen  verbunden  haben,  oder 
er  ist  Privatsache  einzelner  Personen,  ist  also  ganz  individuell  und  nicht  an 
die  Vorschrift  einer  gesellschaftlichen  Vereinigung  geknüpft.  Jenes  ist  die 
Religion,  dies  der  Volksglaube.  Beide  Arten  des  Glaubens  stehen  in 
gegenseitigem  Wechselverkehre   und   können   deshalb   nicht  voneinander  ge- 


trennt  werden.  Ist  doch  der  V()lksglaul>c  meist  eine  Schicht  alterer  Religion, 
dir.  nach  dem  Aufkeimen  einer  neuen  in  einem  Teile  der  Bevölkerung 
surQckgcblieben  üt.  Daher  findet  sich  Volksglaube  iteben  der  Religion  bei 
allen  Völkern  und  zu  allen  Zeiten.  .\uf  der  anderen  Seite  kennen  aber 
aucli  AuÄcrunK*^n  des  ViL>lk>)^laubeiis  in  den  Bereich  der  Religion  gezugcn 
werden,  indem  miin  sie  an  die  Gestalten  des  Gese lisch aftsglauhcns  k'nOj>ft 
oder  zu  diesen  in  Beziehun((  bringt.  Aus  dieser  Zweiteilung  des  Glaubens 
erklärt  es  sicli,  dass  beim  Aufkommen  einer  neuen  Religion  in  der  Regel 
nur  <lic  alte  Religion,  nicht  Jibcr  auch  der  Volk.sg)aube  in  seinem  Kerne  ge- 
troffen wird. 

Religion  wie  Volksglaube  Sussem  sich  entweder  durch  das  Wort  i>der 
diuch  Handlimg.  Die  Äusserung  de^  Glaubens  durch  das  Wort  ist  Mythos,  die 
Ixhre  davon  die  Mythologie,  die  Äusserung  durch  die  Handlung  ergiebt  den 
Kultus.  Wir  haben  es  demnach  auf  der  einen  S<-ite  mit  einem  volkstümlichen 
oder  niederen  Myllios  und  mit  einem  volkstümlichen  Kult  tKler  abergläubischen 
Brauch,  auf  der  anderen  mit  einem  religiösen  oder  höheren  Mythos  und  mit 
einem  religiösen  Kulte  zu  thun.  Da  beide  in  gegenseitiger  Beziehung  zu 
einander  stehen,  Usst  es  .sich  bei  der  DOrftigkeil  uiLserer  Quellen  aus  alter 
Zeil  oft  schwer  ent-schelden,  was  dem  Volksglauben,  was  der  Religion  der 
Germanen  angehört.  Beide  sind  daher  unter  allen  Umst<Inden  in  gleicher 
Weise  darzustellen. 

§  2.  Der  Glaube  an  das  Übersinnliclie  knOpft  sich  bei  einem  Nalurv(dke 
in  der  Regel  an  die  täglich  i.Kler  jjetiodLsch  wiederkehrenden  Erscheinungen 
in  der  Nanir,  an  die  Erlebnisse,  kurz  an  alles  an,  was  die  menschliche  Brust 
be«-egL  Man  fOhll  hinler  diesen  Erscheinungen  und  Vorgängen  etwas 
Höheres,  dem  gcgcnOber  der  Mensch  schwach  und  hülflos  da&teht.  Unwitl- 
kürh<:h  erhalt  dies  höhere  Wesen  Gestalt,  und  zwar  eine  Gestalt,  wie  sie 
der  Mensch  aus  seiner  Umgebung  kennt,  die  Gestalt  des  Meiuschen  oder 
eines  Tieres-  Natürlich  liat  das  so  entstandene  Wesen  auch  Bcddrfnisse  und 
I^denschaflen  *-ie  das  Geschöpf:  durch  Speise  und  Trank  wird  es  besänftigt, 
wird  es  gewijgen  gestimmt,  diuch  Gebet  wird  seine  Hilfe  angefleht  So  ist 
der  erste  Kult,  Opfer  und  Gebet,  da.  Allein  man  sprach  audi  von  diesen 
höheren  Wesen,  und  die  l'hantasic  »iisste  bald  dies  bald  jenes  von  ihnen 
au  erzählen.  Hierin  liegt  die  Wurzel  des  Mythos.  Mit  der  Zeit  löste  all- 
mählich die  subjektive  l'hanta.>(ie  die  Gescthupfe  der  objektiven  ganz  von 
ihrem  natürlichen  Hintergrunde  los,  dichtete  ihnen  neue  Eigenschaften,  neue 
Handlungen  an,  die  teils  aus  den  eigenen  Lebenscrfahnmgcn  geschöpft,  teils 
frei  erfunden  waren.  Die  Dichtung  liat  sich  des  Glaubens  bemächtigt,  imd 
sie  schallet  und  waltet  frei  mit  dem  ererbten  Kapital.  Diese  mythologische 
Dichtung  ist  denmai'h  nichts  anderes,  als  ein  Teil  der  Poesie  eines  Volkes, 
und  die  Überlieferung  ihrer  Niederschlage  muss  wie  die  Dichtung  behandelt 
werden  :  die  Quellen  sind  kritisch  zu  sichten,  das  Junge  ist  vom  Allen  zu 
trennen,  und  nur  das  It-tztrre  ist  auf  seinen  Ken»  hin  zu  prtlfen.  Hierbei 
muss  dein  Forscher  in  erster  Linie  die  Natur  und  Bodenbeschaffenheit  des 
Landes  vor  Augen  sein,  wo  der  Mythe«  seine  Wurzel  hat,  er  muss  alles  das 
in  Betracht  ziehen,  imler  dessen  Einfluss  ein  natürlicher  MeiLsch  steht  Da- 
bei ist  zu  bertlcksichtigcn,  dass  die  glauben-  und  mythenzeugende  Kraft  in  der 
grossen  Menge  selbst  durch  die  Einfühniug  einer  offenbarten  Religion  durchaus 
nicht  gebrochen  wird.  Diese  Krafl  hat  sich  in  aller  Frische  auch  bei  den 
Germanen  erhalten,  als  das  Christentum  dem  Heidcniume  ein  Ende  machte: 
sc  erzeugte  noch  hi  cli ristlicher  Zeit  neue  Myüiui  uadi  Analogie  der  alten,  wie 
diese  auch  selbst  teilweise  in  unveränderter  Frische  fort  bestanden.  Und  mit  den 


232  XL     MYTHOLOGIE. 


alten  verbanden  sich,  namentlich  im  Mittelalter,  nicht  selten  auch  neue,  aus 
dem  Morgenlande  und  aus  dem  Süden  eingewanderte  Glaubensvorstellungen. 
St)  hat  sich  altes  Heidentum  durch  die  Jahrhunderte  bis  zur  Gegenwart  er- 
halten. 

§  3.  Bei  allen  Naturvölkern  sind  die  Satzungen  von  dem  Glauben  an  das 
Übersinnliche  ein  wesentlicher  Bestandteil  der  Gesellschaftsverfassuog  oder 
d^s  Staates.  Selbst  wo  wir  patriarchalische  Verhältnisse  antreffen,  vereinigt 
s^_die  Familie  unter  dem  Familienoberhaupt  zu  gemeinsamem  Opfer  und 
Gebet.  Sü  finden  wir  bei  allen  Völkern  auch  Religion.  Auch  bei  den  Ger- 
manen ist  die  Religion  ein  imlösbarer  Bestandteil  der  Staatsverfassung  ge- 
wesen. Allein  ihre  Glaubensäusserung  in  der  Religion  Lst  durchaus  nichts 
Abgeschlossenes,  nichts  stetig  Gleiches  gewesen,  sondern  sie  hat  sich  zeithch 
und  örtlich  verschieden  entwickelt.  Indem  sie  aber  in  ihrer  Weiterentwicklung 
alte  Glaubenssatzungen  abgestossen  hat,  sind  diese  nicht  selten  bei  einem 
Teile  des  Volkes  zurückgeblieben  und  so  zum  Volksglauben  herabgesunken. 
Um  die  Religionsgeschichte  unserer  Vorfahren  zu  verfolgen,  rauss  man  daher 
ihre  geschichtliche,  staatliche  und  kulturgesclücht liehe  Entwicklung  immer  vor 
Augen  haben.  Nur  so  ist  es  möglich,  zum  wahren  Verständnis  der  Religion 
und  ihrer  Geschichte  zu  gelangen.  Wir  müssen  femer  die  Quellenzeugnisse 
dieser  altgermanischen  Religion  scharf  von  einander  trennen  und  dürfen  sie 
nicht  bunt  untereinander  werfen  oder  unkritisch  nebeneinander  stellen.  »Kein 
Zeugnis  aitgermanischen  Glaubens  darf  von  der  Stelle  verrückt  werden,  wo 
wir  es  finden-  (MüUenhoff  in  MannhardLs  Mythol.  Forschungen  S.  Xf.). 
Vor  allem  ist  es  ganz  verkehrt,  isländische  Quellen  aus  dem  9.  und  10.  Jahrh. 
und  aus  noch  späterer  Zeit  für  altdeutsche  Verhältnisse  zu  verwerten  oder 
die  Volks  Überlieferung  der  Gegenwart  schlechthin  neben  die  Berichte  der 
Alten  zu  stellen.  Es  ist  namentlich  hierin  sehr  viel  gesündigt  worden:  von 
den  Anhängern  J.  ^Grimms,  vor  allem  von  J.  F.  Wolf  und  Simrock,  dadurch 
dass  sie  die  gesamraten  Quellenzeugnisse  in  einen  Topf  warfen  und  durch  kühne 
Phantasien  und  Kombinationen  einen  altgermanischen  Götterhimmel  auf- 
bauten, den  es  nie  gegeben  hat,  von  W.  Schwartz  aber  und  seinen  Anhängern, 
dadurch  dass  sie  die  VolksQberlicferung,  namentlich  der  Gegenwart,  zu  all- 
gemein als  die  älteste  Quelle  aitgermanischen  Glaubens  hinstellten.  Gewiss 
kann  dieselbe  unter  Umständen  alt,  sehr  alt  sein,  allein  es  ist  zunächst 
die  Frage  aufzuwerfen,  ob  sie  nicht  jung  sein  muss. 

§  4.  Ist  dann  durch  kritische  Sichtung  des  Materials  die  Verwandtschaft 
verschiedener  Überlieferungen  festgestellt,  so  hat  als  weitere  Aufgabe  der 
Mythologen  die  Gruppierung  der  Quellen  unter  allgemeineren  Gesichtspunkten 
zu  erfolgen:  (^^st  dann  kann  der  Wurzel  nacrhgegangen  werden,  der  die 
Glaubens  Vorstellung  entsprossen  ist.  Nur  wenn  diese  auf  solchem  Wege,  den 
man  als  emen  analytischen  bezeichnen  kann,  gefunden  ist,  darf  die  Dar- 
stellung vom  Glauben  unseres  Volkes  beginnen.  Dabei  wird  sich  dann  heraus- 
stellen, d;i.ss  die  Einheit  desselben  bei  den  germanischen  Stämmen  zum 
grossen  Teil  auf  anderem  Felde  zu  suchen  ist.  als  m:m  nach  J.  Grimms 
V(jrgHnge  gewohnt  ist,  und  diLss  dieselbe  überhaupt  nicht  so  bedeutend  ist, 
wie  die  Kombinationsschwärmer  als  Anhänger  des  von  Snorri  und  Wolf  ge- 
bildeten Götterstaates  immer  noch  nachschwatzen.  Viehnehr  hat  sich  ein 
gni.sser  Teil,  namentlich  der  Mvtlien,  ausschliesslich  bei  einzelnen  germanischen 
SUimmen  entwickelt,  und  hier  sind  diese  ausgebildeter,  je  später  der  Stamm 
zum  Christentum  übergegangen  ist,  je  mehr  bi'i  ihm  die  Dichtung  geblüht, 
je  enger  er  mit  anderen  Völkern  in  Verkehr  getreten  und  eine  je  grössere 
weltgeschichtliche  Rolle  er  selbst  gespielt  hat. 


Quellen  des  altgerm.  Glaubens. 


2J3 


Konservativer  süid  unsere  Vorfahren  im  Kultus  gewesen.  Die  Rcligiün 
hat  steh  wohl  wiederholt  verändert,  allein  der  Kult  Ist  im  üllgeiueiiien  in 
seinem  Kerne  derselbe  geblieben,  er  ist  nur  iu  mehr  oder  weniger  veränderter 
Form  auf  die  Gestalten  des  neuen  Glaubens  abcrtrBgcu  wurden.  Hin  darzu* 
stellen  ist  die  leichtere  AufgalK:,  wenn  es  gUc,  die  Glaubcnsvorstcliungen  der 
Germanen  zu  crfurseheii;  die  schwierigere  liegt  in  der  Daisielluiiii  der  Mythen, 
der  ununicrbr.K-hen  flü.*sigcii  bllemente  der  Glatil)cn(>;Uisseruiigen.  Letztere 
ist  daher  auch  im  Fulgenden  in  erste  Linie  gestellt;  im  Zusammenhange  soll 
erst  nach  ihr  die  äkix7.e  d«is  Kultcji  folgen.  Doch  wird  diese  Darstellung 
nur  die  allgemeinen  Kurmen  bringen;  die  spexiclie  Verehrung  eiiucluer 
höherer  Wesen  muAs  bei  chesen  selbst  behandeil  werden,  da  man  nur  von 
dieser  Grundlage  aus  dazu  gelangen  kann,  die  MvUten  vuii  diesen  Wesen 
zu  begreifen. 

KAITTEL  u. 
DIE  QUELLEN  DES  GLAUBENS  DER  ALTEN  (lEKNLVNEN. 

§  5.  Nach  den  im  %'<jrigen  Kapitel  dargelegten  Grundsätzen  bat  die 
Fonichung  ihre  erste  Aufgabe  in  der  .Sammhmg  und  der  Kritik  der  glaubcns- 

chichdichen  Quellen  xu  suchen.  Von  dem  Ke^ultate  der  kritischen  Unter- 
tihung  allein  hängt  es  ab,  nb  sich  und  wie  weit  sich  eine  germanische 
T)am<inen-  und  Giiiterlehre  aufbauen  lüsst.  Deslialb  muss  man  mit  der  Ge- 
hchichle  und  dem  Werte  der  Quellen  vt-rtraut  sein  und  dies  um»  »mehr,  je 
naher  die  Cberiicferung  dem  Heideiitmnc  liegt,  vor  allem  aber  mit  den 
Werken,  die  während  des  Heidentums  selbst  entstanden  sind. 

Leider  sind  die  Quellen  in  alterer  Zeit  ziemlicli  dürftig.  Einen  Homer 
oder  Hesi'xl  besitzt  der  Gcrmane,  selbst  der  Nordgenuanc  lüclu,  denn  die 
undurchrlringliche  Wnlke.,  die  nrx-h  immer  vor  <ier  eddisrhen  Mythol<igie 
lagert,  hat  noch  kein  Wnlkensr hieber  zu  bewegen  venmtcht.  Im  Hiiiblitk 
auf  die  Zeit  ihres  Ursprungs  zerfallen  unsere  glaubensgeschirJitliclien  Quellen 
in  s<;lche,  die  au^  der  heidnischen  Zeit,  in  solche,  die  aus  der  Slte^sten  christ- 
Uchen  Zeit,  wo  Christentum  und  Heidentum  miteinander  nmgen,  und  end- 
lich in  solche,  die  aus  dem  Mittelalter  und  <ier  \eiizcit  st;iinmen.' 

S  0.  Die  Quellen  aus  der  germanisch-lietdnischen  Zeit.  Diese 
jiind  tails  unmitteU>are,  teils  mittelbare  Zeugnisse:  jene.s  sind  Äusserungen  der 
Germanen,  aus  denen  ihre  religiösen  Anschauungen  hervorgehen,  dieses  Be- 
richte fremder  Männer,  namentlich  römischer,  über  dieselben.  Zu  den  un- 
mittelbaren gfhörrn  zunächst  wt-nipe  literarw'hc  Denkmaler,  sd  vor  allein  die 
MetMiburger  SpnJchr.'  femer  Inschrifien,  die  vitu  germanischen  Soldaten  her- 
rühren, die  in  r^tmtsrhejn  Sold  standen,'  darunter  die  am  Hadrianswalt  ga> 
fundencn',  weiter  Funde,  die  auf  den  Kult  unserer  Vorfahren  schliessen 
laswn,  von  denen  der  eine,  die  grossere  Nordend4irfcr  S[>angc,  imn  sogar 
GMIenumen  erhalten  hat.*  endlich  die  Wochentags-,  J'erwinen-  und  Orts- 
namen.«  die  zmn  Teil  im  lebi-ndigen  Mvthos  und  Kultus  ihre  Wurzel  liaben. 
Etwas  reichhaltiger  sind  die  Quellen  des  Kuhns  und  der  Mythen  aus  der 
Hetdcnzcit  hn  sknndinaviKchen  Norden.  Hier  sind  diese  zwar  etwas 
jünger,  aber  ergiebiger.  Die  Funde  und  Inschriften,  die  auf  G/'itterglauben 
Bezug  hallen,  sind  von  H.  Pelerseu.  Wuisaae,  Montellus,  Kygh  und  anderen 
Arrhaol.igrn  trefflich  ziLsam mengestellt  und  verarbeitet.'  NelMin  dicken  bieten 
reiches  Material  die  n«-»r(ii*i:hen  Dichter,  die  .Skaldrn.  Ihre  Gedichte  sind 
uns  liald  oimc.  bald  mit  V erfassen iameii  überliefert.  Jene  pflegen  wir  Edda- 
lieder KU  nennen;  über  die  Zeit  und  den  Ort  ihrer  Entstehung  herrscht  xnx'h 
Dunkd    (.vgl    Norwegisch- isländische    Literaturgesch.    Absclinilt    VI.    2    A). 


FestiTcn  Grund  pcberi  uns  die  Gedichte,  deren  Verfasser  «"ir  zeitlich  und 
örtlich  bestimmen  können.  Von  ihnen  kommt  zweierlei  in  Betracht :  die 
Lieder  mythologischen  Inhalts  und  die  dichterischen  Umschreibungen  in  dea 
l,iedem,  die  kenningar.^  Ixitzterc  setzen  die  Bekanntsrhaft  des  MvtJios  bei 
den  Zuhörern  des  Gedichtes  voraus.  Durch  sie  lernen  «-ir  nordische  Mythen 
kennen  vom  Anfang  des  g.  jahrhs.,  zu  welcher  Zeit  der  erste  geschichtlich  nach- 
weisbare Skalde  gelebt  hat,  bis  zur  Kinhlhrung  des  Christentums.*  Mythische 
SloEfe  in  Gedichten  behandelten  Brai^i.  Pjödolfr.  Eilifr  Güdrunarson, 
Ulfr  Uggason.*  Ausser  den  pfietischen  Quellen  haben  aber  auch  die  pro- 
saischen, die  lAlandifichen  S9gur,  für  germanischen  Glauben  und  Kult  grosse 
Bedeutung,  üncl  zwar  kommen  hier  fast  alle  Sagas  in  Betracht,  die  im 
Norden  spielen,  sowohl  die  historischen  als  auch  die  mythischen.  Wohl 
sind  dieselben  erst  vom  13.  Jalirh.  an  auEgezeiduiet,  allein  sie  spielen  zum. 
grfts.sten  Teil  noch  in  der  heidnischen  Zeit  und  schildern  den  alten  Gütter- 
glauben  noch  in  maimigfahigen  I*"arben,  da  sie  auf  mündliche  Überlieferung 
aus  der  Zeit  des  Heidentums  zurückgehen  {Über  die  Sygur  ^-gl.  Abschnitt 
VI,  2.  A.l.  —  Neben  diesen  unmittelbaren  Quellen  kommen  für  die  Älteste 
Zeit  die  mittelbaren  in  Betracht,  das  sind  die  Zeugnisse  rümisclier  und 
griechischer  Schriftsteller,  die  gelegentlich  der  Gütterverehrung  unserer  Vor- 
fatuen  gedenken,  ik'i  ihnen  ist  stets  ins  Auge  zu  fassen,  wann  und  wo,  zu 
welchem  Zwecke  und  nach  wcldten  Quellen  der  Schriftsteller  geschrieben 
hat:  von  der  Beantwf>rtung  dieser  Fragen  ist  dann  auch  der  Wert  dea 
Sclirif biteilen»  als  glaube nsgeschicktllche  Quelle  abhängig.  Hierher  gehören 
besonders  Caesar  {hall.  Gali.  I.  c.  50,  VI.  c.  21),  Tacitus  {Gtrm.  c.  2.  5. 
9.  la  39.  40.  43.  Ann.  I.  51.  II.  12.  XIII.  55.  57.  Ifisl.  IV.  14.  61.  65. 
73.  V.  22  ff.^  Plutarch  {t'iia  Marti  und  die  viia  Caesaris),  Strabo  (nametxt- 
Ucli  das  7-  Buch),  Sueton,  Aiiimianus  Marcellinus,  Agathias,  Procopius. 

§  7.  !_)ie  Quellen  aus  der  frühesten  Zeit  des  Christentums.  Fast 
auf  gleicher  Stufe  wie  diese  Schriftsteller  und  die  Verfasser  der  nordischen  Saga» 
stehen  diejenigen  Autoren,  die  als  Christen  die  Vorgeschichte  ihres  Volkes  oder 
eines  anderen  germanischen  Stammes  aus  frilhcr  Zeit  geschrieben  habt*n.  Auch  in 
ihren  Werken  findet  sEcii  manches  aus  dem  Heidentum,  was  der  Vulksmuiid  Jahr- 
hunderte hindurch  fortgepflanzt  hat  Hierher  gehören:  Jurdanes  {GeUca  lusg. 
vonTh.  Mommsen  Mon.  Germ.  Aucl.  V.  [  1882),  Gregor  von  Tours  {Hisloria 
Framorum  Mon.  Germ.  SS.  Meroving.  I.  1.  1BÖ4)  und  die  FurLsetzung  de» 
Werkes,  die  dem  Scholasticus  Fredegar  zugeschrieben  wirtl  ^lib.  i — 4  in 
der  ed.  Basn.  H.  154  ff.  5 — 6  in  Ruinarts  Ausgabe  des  Gregor  von  Toure)^ 
Paulus  Diaconus  (hrsg.  von  Waitz>  Script,  rer.  Langobardorum  1877), 
Widukind  (Mnn.  Germ.  SS.  III.  408  ff.},  Beda  [Ilistoria  ecdtsuistica  gentis 
Angiorum  hrg.  von  Alfr.  H«.>ldcr.  Freiburg  1882  und  seine  Opmaila  Stitnti- 
fica  hrsg.  von  J.  A,  Giles,  London  1893),  Adam  von  Bremen  {Gata 
Jlafnmahiirgemis  ec<Us.  pontif.  Mon.  Germ.  Script.  VII.  267  ff.),  Thietmar 
von  Merseburg  (Mon.  Germ.  Script.  III.  723  ff.).  Von  besonderer  Wichtig- 
keit für  die  angelsächsische  Glaubenslehre  sind  femer  die  ags.  Stammtafeln, 
die  sidi  bei  den  ags.  Chronisten  von  Beda  \m  hinab  Jn.H  13.  Jahrh.  finden 
(vergl.  J.  Grimm,  Myth.  *.  III.  377  ff.).  Diese  berühren  sich  oft  mit  den 
islandischen  Quellen,  die  unter  ihrem  Einflüsse  entstanden  zu  sein  scheinen. 
Eine  Fülle  mythologischen  Stoffes  der  nordischen  Völker  bieten  die  ersten 
9  Bücher  des  Saxo  grammaticus  {Jlisiorin  Danka.  hrg.  v.  Müller  und  \'el- 
sehüw,  Havniae  1&38 — 58,  von  A.  Holder,  Strassb.   iSS."!). 

§  8.     Ein  lebhaftes,  bisher  zu  wenig  beachtetes  BiUI  der  heidnischen  Zu- 
stande kurz  vor  Einführung  des  Christentums  gewähren  weiter  die  Lebens- 


Die  Quellen  des  Glaubens  der  alten  Germanen. 


235 


beschrcibuiipcn  der  allen  Hcidcnbekchrcr.  Sic  schildern,  mit  welchen  Schwie- 
rigkeiten diese  Leute  zu  kämpfen  hatten,  und  geben  dudurrh  den  Verfassern 
oft  Gelegenheit,  der  heiditisi.'tict)  GeA^'uhnheitcn  zu  ge<lenken.  Es  kommen 
besundent  in  Betnirht:  für  die  Alemannen  die  viia  Coiumbani  des  Jrmas 
von  Bobio  (Mabillnn  .\ci.  Sanct.  s.  U.  5!  und  die  tV/«  St.  GaUi  eines  un- 
bekannten Alemannen  (M<>n.  Germ.  Script,  II.  i  (T.)-  Unzuverlässig  sind  die 
Nachrichten  til>er  die  Heidcnbekehrer  imter  den  Baycni,  da  sie  durchweg 
aus  »paterer  Zeil  stammen.  Für  Mitteldeutschland  (Hessen,  Ostfranken,  auch, 
einen  Teil  Frieslands)  \'t)n  Bedeutung  sind  die  vita  Bonifatii  des  PHesteiB 
Willibald  (Mon.  Germ.  Script.  III.  331  ff.),  die  zum  Teil  «uf  den  authen- 
tischen Bcrichl  des  Lullus.  Bonifatius'  Schüler,  zurückgeht,  und  die  Britft 
des  lionifatius  (Jaffe.  Üibl.  rcnim  Germ.  IJI.  8  ff.).  Das  Heidentum  unter 
den  alten  Friesen  erOrleni  am  eingehendsten  die  vi(a  IJnd^ri  des  Allfrid 
und  die  faLsrhlicherwcise  dem  Anskar  zugeschriebene  vita  Wiliehadi  (Mon. 
Germ.  II.  .^78  ff  >.'^  Die  heidnischen  Zustande  der  nordischen  Vülker,  der 
Dftncn  imd  Schweden,  berührt  mehrfach  die  vila  Anskani  des  Rimbert 
(Mon.  Genn.  II.  (183  ff.).  —  Zu  diesen  I^bensbeschreibnngen  gesellen  sich 
die  Verordnungen  der  Fürsten  und  Geistlichen,  Gesetze  gegen  altheidnische 
Gebrauche,  die  Abschwflrurgsformeln,  die  Bussordnungen,  die  Homilia  d« 
sacrilt^üs,  der  Indiculus  superstitionum  et  paganiarum,  d.  s.  30  Überschriften 
von  Kapiteln,  die  Über  das  nticli  f(»rtletiendc  Heidentum  in  sächsischen 
Landen  gehandelt  haben;  dieselben  sind  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  z.  Z. 
Karls  des  Gnwscn  ecitätandeii  und  gehörten  der  Sachsenraissiun  an." 

Als  mj-thologische  Quellen  aus  jener  Zeit  kommen  endlich  norh  in  Be- 
tracht die  altgermanischen  Segen-  tmd  Zaubersprüche,  wenn  diese  auch 
schon  christliches  Ge^-and  angenommen  haben,  uml  Gedichte  aus  der  früh- 
christlichen Zeit,  aus  denen  mtch  die  .\nschauungsweise  des  alten  Heiden- 
tums spricht.  Hierher  gehören  namentlich  ^tr  Heimnd  nn6  Bfowui/}*  Nicht 
als  Quelle  germanischer  Glaubenslehre,  soweit  es  Göltersage  und  Kult  betrifft, 
vermag  ich  die  Gedichte  der  Heldensage  anzuerkennen.  Xur  in  Nebenzflgen 
gewahren  sie  hin  und  wieder  einen  mythischen  Zug.  Dass  a^^e^  die  Haupt- 
heldcn  in  menschliche  %)hare  gezogene  Gi»tter  waren,  lässt  sich  weder  be- 
weisen noch  wahrscheinlich  machen.  Vielmehr  .sind  die  (jestalten  der  Helden- 
sage selbständige  dichterische  Erzeugnisse,  auf  die  wohl  hier  und  da  myüiische 
Vorstellungen  eingewirkt  haben  oder  übertragen  worden  smd,  die  aber  oft 
eben  so  alt  sind  wie  die  Göttergestalien,  aus  denen  sie  hervorgegangen  sein 
sollen. 

§  g.  Die  dritte  Quelle  gcrmaniKcher  Glaubenslehre  Ist  emilich  die  Volks- 
Qberliefcrung  des  Mittelalters  und  der  Gegenwart.  Auf  ihr  haut 
namentlich  die  von  Scbwartx  so  genannte  niedere  Mythologie  auf.  .\llein  die 
FoRchung  begeht  dabei  nicht  selten  den  Fehler,  das»  sie  die  VnlksübeHiefenjng 
nicht  nur  für  die  Mytliologie  in  weitestem  Sinne,  sondern  auch  für  die  altger- 
maniM-he  Religion  zu  sehr  ausbeuleL  Ist  doch  ein  Teil  dieser  (,)ueUcii  nachweis- 
bar weiter  nichLs  als  Übertragung  aus  anderen,  nicht  gennanisclien  Gegenden, 
Man  hilft  sich  dabei  mit  dem  Grundsätze,  dass  die  jüngste  Quelle  im  Hin- 
blick auf  den  mythiMhen  Inhalt  alt  sein  kann,  meidet  dag^era  die  Beant- 
wortung der  Frage,  ob  sie  nicht  jung  sein  muss.  Der  grösste  Fehler  ist  auf 
die»em  Gebiete  dadurch  gemacht  worden,  dass  man  fast  nur  die  Volksüber- 
lieferung der  Gegenwart  berücksichtigt  hat.  Allein  wir  besitzen  aus  den  ver- 
schiedenen Jahrhunderten  bis  ins  Mittelalter  hinauf  Schriftsteller,  aus  denen 
wir  Volksglaube  und  V^olksbrauch  kennen  lernen.  Erst  wenn  dies  Material 
durchforscht  ist,  «ird  von  einer  historischen  V< ilkskunde  die  Rede  sein  können. 


256 


XI.  Mythologib. 


erat  dann  wird  unsere  Volbiüberlictcmng  aucli  für  das  j^exmanisrhc  Hcidcutum 
besseren  Gewinn  bringen.  Gleicliwohl  darf  man  das  Kind  nicht  mit  dem 
Bade  ausscliUttcn.  Es  Ist  durchaus  verfehlt  und  zeugt  von  vulbt^digcr 
Sach Unkenntnis,  wenn  man  die  VolksülioHiefcrung  ignoriert  und  sie  durch 
Worte  wie  »Külilerjtlüubc«  in  Misskredii  /u  brinf;en  suclii.  —  Bei  der  Volks- 
fiherlittlerung  ist  aber  wieder  stliarf  zu  scheiden  zwischen  Völkssittc  und 
-bruui.h  und  Volkspoesie.  Jenes  ist  das  feslere,  das  w;ts  mit  dem  ganzen 
V'olkschiiraktci  gcwiäüermaäscn  verwachsen  ist,  dies  daa  flüchtigere  Element 
der  Volksüberliek'rung,  das  ungleich  Icirhter  vergessen  um!  verändert  wird. 
Daher  steckt  ini  Volkslirauch  ungleicli  melir  AhertümUches,  ja  H<^identum; 
die  Volkspoesie  dagegen,  d;i.s  Mftrchen,  die  Sage,  das  Volkslied  ist  nur  zu 
oft  erst  spiU  in  diesen  uder  jcr^en  Gau  eingewandert.  ■ —  Uie  IJieratur  über 
Volks|Knaie  und  V.)lk.sj*illc  der  Gegenwart  fmdet  sich  in  besonderen  Ab- 
ächniiien.  Auf  SchrifLsteller  der  früheren  Zeit,  die  hierin  noch  der  Unter- 
suchung bedürfen,  verweist  schon  J.  Grimm  (Myth.  *  II.  Vorrede  IX);  es 
sei  weiter  hingewiesen  auf  Gervasius  von  Tilburys  0/i</  /Ht/tma/ia  (An- 
fang des  [J.  Jahrhs.),  auf  Caesar  von  Heisierbachs  Ihah^us  Miracuhrum 
(13.  Jalirh.l,  auf  die  Zimmtnuhe  Ckfonik  (IL».  Jahrh.),  auf  die  Werke  des 
Praetorius  (17.  Jahrh.)  und  die  gesfrifgeiU  RockcttpkUosophu  (18.  Jahrh.)". 
Manches  entlmlten  die  Predigten,  manclins  die  Werke  Luthers.  Erst  wenn 
hierin  histnriwh  aufgearbeitet  Ist.  wird  die  VolksübcrUeferung  der  Gegen- 
wart in  ihrer  Bedeutung  für  das  germanische  Heidentimi  in  das  wahre  Licht 
treten. 

t  Myth.  <II  S.  X  ff.  \V.  Müller.  Ga^kühtf  und  System  dfr  nUdrutu-fifH 
Ütligian  3  fF.  Thorpe,  Northern  Mythola^y  I.  323  fl.  E.  H.  Mcycr.  Cerman. 
Mvthclo^ie  S.  15  ff.  {rcicbhalli^tc  Übersicht).  —  '  JM'ZJ  *  S.  y,  J.  tirimm  Kl. 
Sdir.  \\.  I  rr.  K^Liidmanii.  PUB  XV.  207  IT.  /J.lPh  XXVF.  4^4  ff.  H.  Ge- 
ring. ZfdPli  XXVI.  145  fr.  462flr.  Kilgel,  G^ich.  dei  drMtsihrn  Litrrittur.  l. 
89  ff.  —  *  Biamhach,  Corpus  Inuriptionum  Rhen..  1867:  Hftlnor.  Dit  r* 
mischen  SlemdcPtkmäUr  Jet  ProvmtiaimuuMms  tu  Trirr  [Trier  iSyj».  Viel« 
findvl  sich  zcrsircul  in  den  Bonner  JahrbHChern.  dtr  W'fstdtHtichtn  Zeitschrift  für 
Gtsfhichte  und  Kumt  und  dem  Aorn-jfrvtiicHsiüittc  <\»z\i.  —  *  Wcstd.  Ziicb.  für 
Gesch.  11.  K.  HI.  ijotr.  293  f.  Da^tii  Schcror.  Siuiingsbcr.  der  Akad.  der 
Winwmdi.  zu  Berhn  1884.  571  ff-  Wcinhold,  ZftlHh  XXI.  1  ff.:  Jikcl.  ebd. 
XXU.  257  ff.;  l'Ieyie,  Vcrsl^;ca  cn  Mcdcdeclingt-n  der  Kgl.  Acadctnip  vna 
Wctenädiapcn.  IV,  2.  roc)  ff.;  Hofforv,  Editaitudien  148  ff,;  tvauirmann, 
P8B  XVI.  aooff.;  Siebs,  ZlllPh  XXiV,  433  ff,  Über  den  Murs  Halflnwrtfiis  v. 
Gricnlicrger,  ZfdA  XXXV,  388  ff.;  den  Mrmiriu*  leiidiwn  v.  tj  rienberger, 
ebd.  391;  den  M«miriuB  Channini  Much,  e\A.  208;  Si(*li^.  ZfilPh  XXIV,  145  ff.; 
den  HercuW  M^i);uAJtnuii  Kuuffmunn,  l'ßB  XV,  f^^^ff.;  Jen  RequAÜvabjuiiM 
Much,  ZfdA  XXXV.  374  ff. ;  IlnUbause»,  PIUI  XVI.  342  ff.:  Kauflmann 
ebd.  XVIL  C57ff,;  über  die  nernianiscbc  Tri«  Mars,  Hercules,  Mcroir  Zangc- 
mciBtcr,  Neue  Ilcidelb.  Jahrb.  V.  46ff.:  iiber  die  De^  JltmLatu  Jükcl.  ZrdPh 
XXU.  129  ff.:  Sieb»,  «bd.  XXIV.  457  ff.:  Kauffmann,  PBB  XVIII,  134».: 
über  die  NehAlcooUJlikel.  ZldPh  XXIV.  zB<)  ff.:  Siebs,  ebd.  4(>off.;  Much, 
Zrd.\  XXXV.  2tl  fi.;  Kauffmana.  PBB  XVI.  211  ff.:  die  Haiv«  Jäkel. 
ZrdPh  XXIV.  J04  ff.:  Siebs,  ebd.  461  ff.:  Much.  ZfdA  XXXIX.  51  ff.;  die 
DcÄ  Gannangabif  v.  ( j  r i e n b e rgc r .  ZfdA  XXX VUI.  1 8*)  ff. ;  Kau  f f m  n  n  n , 
PBB  XX.  526  fl.:  die  l>ca  Vaplavcrcvisti*  %-.  GricnberKcr.  ZfdA  XXXV. 
3938.;  Kern,  VcrsI,  cn  mwlrd.  d.  K;;!.  .\cnd.  van  \Velcii»<.-li.  lJ*74.  344  ff.; 
die  Uea  Haritnelk  Muck,  ZfilA-  XXXVI.  44  ff. ;  di«-  De«  H.-ir)u.-ia  v.  (rrien* 
bergeri  ebd.  308;  die  Vihan»iL  dirr».  el>d.  310;  die  Sitndraudt^u  (Il-i-s,  ebd.  XXXV. 
389  f.  —  'Henning,  Dif  drNtfchen  Runendtmkmälrr.  Sirauburg  1 88^.  — 
*  Knrslemann,  Alldtutsehes  XatMentttuh.  I.  B,  JWumt'nnamrH.  Xnrdhaiisen 
1854.  a,  B.  OrlmamiTt.  N,  Aufl.  1872.  F.  Stark,  Die  Kotmarnrn  tirr  Gtr- 
matten.  Wien  1868.  Eine  weitere  Quelle  sind  die  Verbrüdening»bucher.  Vgl 
Ebner.  Die  kUsterliihen  Gebttsx-erhriideruHgen  bis  tum  Attigange  des  A^trolttt- 
X'sehfH  Zeitalters.  RegennburK  l8go.  —  '  Henry  Pelcmcn.  Om  Xordboernes 
GudedyrkeUe  og    Gudeiro   i  //edemold.    Kjobfa.    1876;    Montelius.  Die  JCuUnr 


I 


Die  Quei-leh  des  Glaubehs  der  alten  Germanen. 


^37 


S^/tK^Jrm.  in  vonfirittlükfr  Zeit  (übcrs.  von  Appd,  BcrL  18B5);  Worsaae, 
Dte  l'urgtiihichtf  Jti  Xcrdfnt  n<Kh  i^leiekztitigfn  l>tnktHfiUrn  (QbiT«.  v,  J.  Mntoff. 
Uamb.  1878);  Sw  MUll^r.  Vt-r' Oidttd  (K^h  1894  fT.  Nordtscbc  Atlmuins« 
kuodc  Obcnvut  von  'i.  Jincxoh,  Stra-vjlmi^  1896  ff,);  O.  Kygh.  Aortkr  0!d- 
tagrr  Kn»l.  1885  ff.;  Nicolayscn,  J\'nr%tf  l-'amirfnrttgrr  (Krist.  l86j — 66)j 
Vc<j«l.  HornhaimM  Oldtidsmind^  (Kltlt  ]8JI6|  uiiJ  Aart>.  1H90,  t  (T.  —  ^  F. 
JAnssoD,  Mytbol.  furt-slillinpir  i  ilr  n-ldiiu.-  ^kjiililrkvntl.  Ark,  \.  r>.  fil.  IX.  l  ff,  — 
*  All  «liosc  Diclittr  ßwlt-n  ^itli  im  Cnrpuf,  prutirum  bfrrai^,  2  tUie.  hr*^.  von  0. 
Vigln»oD  uud  York  PonHI.  Osf«ii1  18S3.  Di«  hUloriwhc  KxUtcnz  Jer  beiden 
ftluslpt)  ist  angeiweifclt  viin  Diicge,  fUJra^  tii  den  utdiU  Sknläedigtrungi  I/iitorif 
(Cbriitt.  1894).  —  '*•  Das  gesuiitc  ^tate^al.  wt-lches  jene  Zeil  »cliildcrt,  i«  verar- 
beiut  von  Keitb«ig,  A'ircMrHjfescAic/itt  Driitichlands  (bis  zum  Tode  Karls  de» 
Grcusen).  2  Bde.  (tötlinijen  l8i)6/B;  von  Fiiedrich.  A'inrAen/^iffiit/itr  fJeuttck- 
Umds  (bis  in  den  Mero\-ii^em).  2  Bd<?.  1867 — 69,  von  Haiick,  Kirthen' 
gtuhiiL-hte  Dfulichlandi.  l.  B.  (tik  Jiuin  Tode  At*  Bonifazius).  ]^pxlg  1B87.  2.  B. 
(Die  fräak.  Kirche  alü  Kcichskirchc.)  I.pz.  i88<)/go.  Die  Xacbrkhtcn  Über  doJ 
HcideDtum  nnicr  den  t'ricscn  sind  /usammcngcsicLIi  und  vcrarbdtel  von  v, 
Ricblhofcn,  Untersuchungen  Hber  fritsisihe  KefhtsgeKhuhte.  11.  348  ff.,  unter 
den  AngcUaducn  von  Kcmbie.  Die  Saehsen  in  England  (äbcrwttlvon  Brandes) 
I,  2688.:  kinter  den  skandinnviKchi-n  Vf^lkem  ftyc  K.  Maurer,  Dte  Üekehrung  dfs 
Itfn^g.  Stammet  tum  Chriilentutm-  (2  Bde.  Btlüochcii  1855 — (1),  Jorgen^ten, 
Den  nordi^kr  Kirkes  tjrvndlaggifhe  (>g  fursle  Udvikiing  (Kl>ti,  1874 — 8),  Bang, 
t'dsigt  over  den  norike  Ktriei  f/iili>rie  under  Kalkaln  innen  {K.tii>\.  1887).  Tarangcr, 
Dm  nngrUakl.  Kirbrs  IndHydeUe  faa  den  norske  (Krisl.  1890,  dazu  K.  Maurer. 
Norsk  hbt.  Tidsikr.  J.  R.'  III),  Miincb,  Del  norike  Folit  J/ittone:  Sars,  üd- 
stgl  o^fr  den  nurske  Historie.  —  "  Vßl.  Ilefele,  KoHttltengesehuhte.  —  Die  Ka- 
pitularien der  fiJnkiitchen  Kömt;«,  namentlich  Karl«  d.  Or.,  cnifaUl  Mon.  Ciemi.  Leg.  t. 
Weitere,  namentlich  nordische  Bcstünmungen  ge^n  heidnische  Gcbräuchir  linden  «idi 
In  den  Oe«eU-*artimlimgen  {Ab»ch.  VI.  i.  A.  B.  und  Absch.  XII.)  —  Massmann. 
Die  altd.  A(mhtL'ämngS',  Glaubens-.  Beiehi-  und  SetfarmelH.  Leipzig  u.  yucdlin- 
burg  iSjy;  ilSD  No.  51.  52.  —  Wasscrschlcbcn,  Die  Busiordnung<-n  der 
abendländiicken  Kirche.  lliUle  1851,  Schmitz,  Die  fJustöüiher  und  die  Buss- 
duztptin  der  Kinhie.  Mainz  1883.  —  Regino,  De  lynodah'bui  laitus  el  Jüti- 
ftinis  eciUsiaslicis  brsj;.  von  \\'asstr9ch leben,  l^tpzig  1 840.  Burcbard  von 
Wornm  in  seinen  Dekreten.  M>lh.  *  l\l.  404  ff.  vgl.  Friedberg.  Ans  deutschen 
JiusshUcßiern.  IEäIIc  1868,  Caspari,  Kiri-heH/ntloriscke  Anecdota.  Christiania  18B3; 
dcrsL  Martin  von  Bracara»  SchrÜt  De  correcticnt  rusticorum.  ebd.  1883. 
Caspari.  Eine  Auguitin  fdhchlich  beigelegte  H^mHia  de  siurilegiit.  Christiania 
1886  (mit  Kommentar):  zum  i.  iiiiO  hrsg.  in  der  ZfdA  XXITl.  313  ff.  Indiculus 
supertt.  Myth. '  IJL  403  L  M'in.  (W^rm.  lU.  19  ff.  Rettbcrg  L  328  f.  (Übeneuung). 
Hauck  U.  357  ff.    Saupc.  /*•*■  Jndic.  supersi.    (Lpz.   1891).   —  '»  MSU    No.  IV. 

3  ff.  Dieac  Segen-  und  Zaubet^prÜclie  hoben  sieb  bis  zur  (icgcnwarl  erhallen,  sie 
finden  sich  in  jUn^rer  Form  fat4  in  iiliiru  Sagensammlun^en  v;>l.  Meyer,  Germ. 
Atvth,  §27.  —  Vilmar,  Dmtußu  Altertümer  tm  Hrliand.  2.  Aufl.  Marburg  1862. 
Leo,  über  Beotimlf  ^.  l8ff.  Köhler.  Altertümer  im  lieowulf  Germ.  XIII. 
129ff.  K.  Mullenborr,  ZfdA  VIL  4ioff.  Reavulf,  Untersühuni^en.  Berlin 
1889,  I  ff.  —  *•  Oervaaius  von  Tilbury,  Otia  Imperialia  hrsg.  von  Licbrccbt, 
Hannover  1856.  —  Caesar  von  Ileistcrbach,  Dialogus  .Xfirtuulorum  bng. 
von  Stranf^,  K<^cni  1851.  Vgl.  Kaufmann,  Caesar  v.  li.  Ein  Beirag  zur 
A'ulttirjpen-hichte.  2.  Ausg.  Köln  1862.  Meyer,  Der  Aberglaube  im  Mittelalter 
und    der    nächstfolgenden  Jahrhunderte.    Basel   1884.    —    Zimmrrscht   Chronsk. 

4  Bde.  2.  Autl.  Krciburg  i/Br.  1881/82.  —  Erasmns  Franciscus,  Sitten- 
Spiegel.  Höllischer  Proteus.  —  Praeioriui.  Saturnalia  ä.  i.  il'eihnacAUfralien. 
Lxipzli;  1663:  Anthropfidemui  plulomcus  d.  r.  eine  neue  lieltbeichreibung  von 
ailerley  vunderbahren  ilenschen.  Magdeburg  1666:  Bhckesberges  Verrichtung. 
Lpz-  1668;  Datmonolegia  Rubemnlu  Lpz.  1662;  Dev  abenteuerliche  GlUckslop/ 
I&69;  Etn  Aushund  X'on  t-i'iindichet- Ruthen  llXiJ.  —  /Vr  alten  ti'eiber  Bhila^ 
iophey  1612.  —  Die  gestriegelte  /tfii-tmphile<si''fltia  »Hier  Auffrirhtigr  Unler-iurhung 
derer  von  vielen  super-klugen  Wribem  ha, h gehaltenen  Aberglauben.  4  Hunderte. 
Chcmitiu    1706.  —  Olai  Magni   Historia  gentmm  ieptemtrionalts.     Rnm   ISSJ. 


^3^ 


XI.    MVTROLOOIB. 


KAKTKL  in. 
GESCHICHTE  DER  GERMANISCHEN  MYTHOLOGIE. 

Mannhardl,  />«■  G^ter  tt^  A-uisffiim  und  nordtschrn  l^Slkfr.  I.  Teil.  Berlin 
1860  S.  82  ff.  Dcra.  Anlit^  IVnUi-  und  hrldkviu.  Berlin  1877.  S.  VU  ff.  — 
E.  H.  Meyer.  AfdA  XI.  141  ff.  I>crs.  V.^impd.  Berlin  i«8m  S.  iff.  — Mflllcn- 
hoff  und  Schrrrr,  Vnrrrdf  zu  MuiiihnrdlB  mytlinlogüchrn  ?'orKhun|;cn.  Strossl). 
1884,  —  J.  Schürrr,  Jnioh  Grimm.  2.  Aufl.  Bwlin  [S84.  —  Otio  Gruppe, 
Dü^  grinhischen  Culte  und  \fvthen  tn  ihren  /inirkuni^n  cw  drti  nrimtalisch^n 
Religionen.  I,  B,  J^z,  1887.  S,  59  ff.  —  Nyt-rup,  U''>rtrrhuth  drr  tkanäitta- 
viii:keH  AfytMologie.  Kopeah.  1S16.  S,  l  ff. —  Koppen,  Ijlrrariscfw  EinUilung 
in  die  norj.  Mythologie.  Bcrl.  1837.  S.  157  ff.  — E,  H,  Meyer,  Orrm.  Afyfh^ 
logie.  Berlin  l8qt.  S.  1  ff.  —  Golther,  Nandlvrh  der grrm.  Atvthalogte.  I^pa. 
1895.  S.   I  ff. 

§  10.  Bei  wenigen  Wissensdiaftcn  ütt  es  so  nfitig  wie  bei  der  Glaubens- 
lehre, die  Geschidite  ihrer  Entwicklung  zu  kennen:  durch  ihre  Kenntnis 
allein  werden  die  Fehler  der  Vor^anKer  vermieden.  Von  dai  gernifuiisdien 
Stämmen  fiebührt  den  Deutschen  der  Li^wenanteil  an  tler  Entwicklung  dieser 
Wissenschaft;  der  Nordgerniane  hat  sich  fast  ausschliesslich  auf  dem  Boden 
der  nordischen  Mvtholngic  bewegt,  der  Enghlndcr  dagegen  hat  seine  Haupt- 
stärke darin  gesucht,  in  da.s  We-sen  des  Glaubens  aller  Volker,  namentlich 
der  NalurvV>lker,  einzudrinjE^i. 

Der  Vater  der  germanischen  Philologie,  Jacob  Grimm,  hat  auch  die 
Lehre  vom  Glauben  unserer  \''iirfahrcn  zuerst  zur  Wis-scnschaft  erhoben. 
Er  nannte  diese  --Mytliulojjiie«.  und  nach  seinem  Vorbilde  sind  wir  gewohnt 
von  einer  deutschen  oder  be.s.ser  germanischen  ^I}^llologie  zu  sprechen. 
"Was  vor  ihm  auf  diesem  Gebiete  gearbeitet  worden  ist,  hat  wissenschaftlich 
keinen  Wert  (^-gl.  Abschnitt  11,  §  24,  sowie  die  Werke  vun  Nycrup,  Meyer, 
Golthcr).  Grimm  gebührt  unstreitig  das  Verdienst,  aus  den  zerstreuten 
Quellen  j;ucr.-it  den  ahgermanisrhen  Gi'Hlei^iauhen  und  Kuli  aufgebaut  zu 
haben.  Zwei  umfangreichere  Werke,  die  wenige  Jahre  vor  J.  Grimm  dasselbe 
Gebiet  behandelten,  Miines  G^sehichh  des  Htidenlums  im  tiHrdHchen  Europa 
(5.  und  6.  Teil  von  Creuzers  Symbolik  und  Mythi^logie.  I-eipzig  und  Dann- 
stadt 1822/23)  "II J  Finnur  Magnüssons  Lexico»  mvlhoh^icmn  (Ko[>en- 
hagcn  1828}  scheiterten  an  den  verfehlten  Deutvmgsvrrsuchcn  der  Mythen; 
gleichwohl  sind  es  auxli  heute  treffliche  MaleiialiianHulungen,  tlic  jedoch  intt 
Kritik  und  Vorsicht  zu  benutzen  sind.  J.  Grimm  war  der  erste,  der  in  den 
Sprachgesetzen  die  einzig  sichere  Grundlage  für  das  Verständnis  der  Mythen 
cilcannte.  Seine  Deulnhe  Mythoh^ie  erschien  zuerst  1835.*  ^  sollte  eine 
deutsche  Mythol)gic  sein,  die  zunächst  die  umfangreichere  nordische  aus- 
schlies.se.  Gleichwohl  wurde  auch  diese  nur  zu  oft  herangezogen,  soweit  sie 
die  deutsche  zu  bestätigen  schien  oder  fühlbare  Lftcken  ergänzte.  Die 
wichtigstctt  <^)urllen  waren  für  Grimm  die  Schriftsteller  de«!  .Mtertum-s,  die 
nordischen  Edden,  die  alt-  und  mtttelhiichdeuts<.-he  DiclUung,  die  Volksüber- 
lieferung (Märchen.  Sagen,  GebriLuche),  vor  allem  alier  die  Sprache  nicht 
nur  der  Germanen,  »ondeni  auch  der  Nachbarstilmroe,  wie  er  überhaupt 
gern  Kultus  und  Mythologie  aller  Völker  gelegentlich  heranzog.  Die  Helden- 
sage auf  mythischen  Ursprung  zu  rück  zufuhren,  hat  er  niiiit  versucht.  Auf  die 
Deutung  der  Mytiien  legte  Grimm  keinen  besonderen  Werl;  er  liat  in  grossen 
Umrissen  das  Gebiet  des  invthijichen  Begriffes  gezeigt,  er  hat  Andeutungen 
gegeben,  wie  dieser  oder  jener  Myihoi  weiter  zu  verfolgen  sei.  Vor  allem 
hat  er  durch  da.s  ihm  eigene  feine  Gefühl  für  Poesie  und  Sprache  der  Kombi- 
nation Tli-.r  und  Riegel  gei'iffnet.  Aus  der  Schule  der  Romandk  hervor- 
gegangen verband  er  diese  mit  der  von  ihm  gegrtlndeten  exakten  Forschung. 


Geschichte  der  germ.  Mythologie, 


^39 


Allein  Griinm  schicsst  rkht  selten  über  das  Ziel  liinaus:  er  sucht  nament- 
lich in  der  Poesie  der  Sprache  nur  zu  oft  mythischen  Hintergrund,  wo  er 
nicht  zu  finden  ist;  er  verbindet  oft,  wo  zu  trennen  ist;  er  geht  von  einem 
angenommenen  fortan  Mythus  aus  und  verfolgt  üin  zu  wenig  in  seiner 
historischen  Entwicklung;  er  triigt  in  den  altgcr manischen  GöUcrgiauben 
einen  Monotheismus  und  ein  System,  das  s'  htm  die  Geschichte  der  germa- 
nischen Stämme  zu  nichte  maihen  muKs.  Grimms  Werk  ut  nicht  für  den 
Laien;  nur  mit  Hilfe  der  Kritik  wird  es  die  reichste  Fimdstatte  mythischen 
£luffcä.  der  Belehrung  und  vielseitiger  Anregung. 

Auf  J.  Grimms  Schultern  stehen  mehr  oder  weniger  die  meisten  Foracher. 
die  sich  seitdem  mit  mvlliutngischeu  Dingen  beschäftigt  haben.  Ein  Teil 
derselben  fand  neue  Mittel  und  Wege  zum  VersulndnLs  des  Glaubens  unserer 
Verfahren,  ein  anderer  Teil  dagegeu  eignete  sich  namentlicli  die  Irrtümer 
de*  Meisten*  an  und  hielt  es  für  seine  Pflicht,  diese  unter  die  grosse  Menge 
zu  bringen,  die  sie  zur  Zeit  noch  beherrschen.  In  der  Vorrede  zur  2.  Auf- 
l^;e  (S,  IX)  schlicssl  J.  Grimm  seine  Betrachtung  der  nurdisdicn  und  deut- 
schen Quellen  mit  der  Mahnting,  man  müs.se  daran  festhalten,  pdaas  die 
nordische  Mytliologie  echt  sei.  folglich  auch  die  deutsche,  und  dasä  die 
dcutsclie  alt  sei,  folglich  auch  die  nordLsche*.  Infolge  dieses  Trugschlusses 
hat  man  das  nordische  Gotterej-slem  aus  christlicher  ^eit,  wie  es  namentlich 
in  der  Überarbeiteten  Fassung  der  Snorra  Edda  >ystetuatisch  geordnet  vor- 
liegt, für  ein  gemeingermanisches  gehalten  und  hat  an  der  Hand  dieser 
Oniüdlage  Überall  in  Deutsdiland  nach  entsprechenden  Mvilien  gefahndet. 
Da  aber  ältere  Quellen  fehlten,  so  mussten  Märchen  und  Volkssagen  her- 
halten, ein  dem  nordischen  ähnliclies  System  auch  fflr  Altdeutschland  zu 
erweisen.  Oft  genügte  ein  ganz  nebensächlicher  Zug,  die  Übereinstimmung 
aU  feste  Timtsaclic  hinzustellen.  So  entstanden  in  allen  Gauen  Dcutscliland^ 
und  ausscrdeutscher  iJlndcr  Sammlungen  von  MilTchcn,  Sagen,  Sitten  und 
Gebrauchen,  in  denen  J.  Grimm  Entartung  de*  alten  Gutlerglaubens  und 
die  letzten  Ausläufer  des  Heidentums  gefunden  halte.  Als  Satmniungcn  der 
Erzeugnisse  des  Volksgeistes  haben  diese  zweifellos  dauernden  Wert,  als 
Beitrage  zur  deutsrlien  Mythologie  (d.  h.  Mylliolugie  in  der  Grimmschen 
Auffassung),  wie  sie  sich  oft  nennen,  tind  sie  mit  gTr>sster  Vorsicht  zu  benutzen. 

Der  gläubigste  Anliänger  Grimmscher  Methode,  der  ihre  Resultate  zum 
.aussersten  ausbeutete  und  unter  die  grosse  Menge  brachte,  ist  Job.  Wilh. 
Wolf  (1817 — 1^55).  Er  war  ein  idealer  Schwärmer,  der  namentlich  in 
Mitteldeutschland  und  den  NiederLuiden  das  V'i.ilk  besuchte  und  die  Biblio- 
theken durdistoberle.  Die  vcn  ihm  gcgrtindete  Zeilahri/t  für  deulsthe  Mylho' 
hgie  und  SttUnkuHiie  [4  üde.  1953 — iSsy)  war  der  Mittelpunkt  jener  Bestre- 
bungen.* In  demselben  Fahrwasser  segelt  auch  Simrucks  Handbuch  der 
jieutscken  Mythologie  (().  Aufl.  Bonn  i88;j. 

Eine  rülimtiche  Ausnahme  und  zweifellos  das  Beste,  was  wir  au.s  jener 
2cit  neben  J.  Grimms  Mythologie  an  Zusammen  bringendem  über  altdcuts4:he 
Religi«in  besitzen,  Ist  W.  Müllers,  Grschuhie  und  System  der  filtdeutichen 
Jieligioit  \Gr.iiingen  1844),  ein  Werk,  das  infoige  der  ungerechten  Verurteilung 
J.  Grimms  (Berliner  Jalirbücher  für  wissenschaftliche  Kritik  IÖ44,  no.  91 — 92 
-^  KL  Sclir.  V.  336  ff.)  nicht  die  Ancrkcnnui^  gefunden  hat,  die  ihm  gebOtirt 

J  11.  Zu  den  eifrigsten  Sagensammlem  gehün  A.  Kuhn,  der  auf  diesem 
Oebiete  geradezu  baluibrcxlieiid  genannt  weiden  muss.  Ilim  stand  auf  .seinen 
Forschungsreisen  sein  Schwagej-  W.  Schwär tz  treu  zur  Seite.  Beide  sind 
für  die  Geschichte  unserer  Myüiologiu  von  Bedeutung.  Aus  der  Besdiäftigung 
mit  viilkstümlichen  Sitten  und  Sagen  der  Gegenwart  liattc  Schwartz  erkannt. 


Zj|0 


XI.   M^THOLCWIH. 


dass  hier  ein  mythischer  Grundstock  vorlicgo,  der  unstreitig  älter  ist  als  die 
Mythen,  von  dciirn  die  nonliwlien  Lieder  singen,  da  er  sich  in  gleicher 
Fonn  bei  fast  allen  ViMkem  wiederfintlet.  Er  Icjfte  diesen  wichtigen  und  im 
Kerne  unanfechtbaren  Satz  in  dem  Programme  »/?^r  heutig  Volhgiauhe  und 
das  alte  {leiiiftitiim'  (Berlin  1849)  nieder.  In  einer  Menpe  grösserer  und 
kleinerer  Abhandlungen  vcrfolRle  S*:hwartz  sp-ller  die-si-n  Grtiankcn  weiter, 
indem  er  sich  hauptsächlich  an  die  griechische  und  deutsche  Cberlicferuiig 
hieh.*  &i  wurde  Schwartz  der  Lehrer  der  »niederen»  Mythologie,  wie  er 
den  Kern  der  V<jlksclirhtung  im  Gegensätze  zu  den  eddisrhen  Dichtungen 
(ihühere  Mythologie}  nannte.  Diese  aber  führte  ihn  weiter  zur  prühisto- 
rischen  Mytliologie,  ja  zu  dem  Ursprung  aller  mytliologischen  Auffassimg. 
Den  letzteren  fand  er  in  den  Erscheinungen  in  der  Luft,  namentlich  im 
Gewitter  und  Sturin.  Diese  ürmythen  suchte  er  dann  auf  rein  deduktivem 
Wege  durch  die  Quellen  zu  erharten,  wobei  er  diese  freilich  olme  hisloriitclic 
Kritik  ganz  nach  Gutdünken  ausbeutele  und  zu.stutztc.  Die  jüngste  Volks- 
sage konnte  für  ihn  nicht  nur  uralten  mi-thischen  Gehalt  haben,  sondern 
hatte  ihn  auch.  Auf  diese  Weise  brachte  Schwartz  eine  vollständige  Ver- 
schiebung der  nnihologischen  Quellen  zu  stände:  die  Voiksttbcrlieferung 
sollte  den  Ken»  des  Glaube-ns  der  alten  Germanen  geben,  zu  dem  nur 
kQnstlicJie  Erzeugnisse  wie  die  Eddalieder  hinzutreten.  Die  Methode,  mit 
welcher  er  dabei  arbeitete,  war  die  alte  Grimmische  Knmbinatinnsmelhode; 
der  Eortschritt,  den  durch  ihn  die  Myüiologie  gemacht  hat,  l»e.stt:ht  darin, 
da.s.s  das  Suchen  nach  nordischen  Gvuteni  in  der  Volksdichtung  endlich 
aufliörie.  Allein  Schwartz'  Ansichten  sollten  noch  nach  anderer  Richtung 
hin  fnichlbringcnd  wirken.  Indem  er  dem  Urquell  des  mythischen  Denkens 
nachging,  wurde  er  mit  Waitz,  Hastian  und  Tvlor  der  ürfmder  der  An- 
thropiologic.  Durcli  diese  aber  bat  unsere  Glauben sgeschichtc  eine  bi.sher 
nodi  lange  nicht  genügend  gewürdigte  Hilfswissenschaft  erlangt,  die  mehr 
al.s  jede  andere  geeignet  ist,  der  Kuhn'schen  «vergleichenden  Mythologie« 
den  B<xicn  zu  entziehen.  Unter  den  Forsclicni,  die  die  Anthrt)pöIogic  im 
Dienste  der  Glaubenslehre  benutzt  haben,  verdient  besonders  der  Englander 
A.  Lang  genannt  zu  werden.* 

Ungleich  kritischer  als  Schwartz  ging  .'V.  Kuhn  in  seinen  mvthologischc-n 
Forschungen  zu  Werke.  Das  Studium  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft 
hatte  ihn  zu  dcu  Liedern  des  Vcda  geführt.  Hier  glaubte  er  eine  so  reinCr 
natürliche  Phantasie  zu  finden,  dass  die-se  geradezit  r)ft  den  von  Schwartz 
entzifferten  Umiythos  zeigte.  So  ging  er  bei  seinen  Forschungen  vom  Vcda 
aus.  Er  griff  hier  einen  M^^thos  oder  Kult  heraus,  uritersiichtr  ihn  snclilich 
und  spracliltch  in  seinem  ganzen  Umfange  und  verFulgte  ihn  dann  mit 
Scharfsinn  und  feinem  Gefühle  für  Naturpoesie  bei  den  übrigen  indogcnna- 
nischen  Völkern.  An  der  Spitze  seiner  Arbeiten  auf  diesem  Felde  steht 
die  tUfrübkunß  i/t-s  Fntm  und  des  Gölieriranks'  (1859,  2.  Aufl.  Gütersloh 
1886);  das  Buch  wurde  der  Kanon  der  vergleichenden  Mythologie.  Dabei 
wurde  vergleichend  im  Sinne  der  vergleichenden  Sprach wisseusduift  aufge- 
fasst:  man  hnfftc  durch  Vergteichung  der  Mnhen  aller  indogennanisrhen 
Vfllkcr  die  indogennanisdien  Mvthen,  die  Urretlgion  der  urigetremiten  Indn- 
germanen  zu  finden.  In  der  Deutung  der  Mythen  ging  Kuhn  mit  Schwartz 
Hand  in  Hand.  Beide  standen  hierin  im  Gegensatz  zu  dem  anderen  Be- 
gründer der  vergleichenden  Mythologie,  zu  Ma.x  Müller,^  der  Sonne  und 
Himmel  in  den  Mittelpunkt  aller  mythischen  Anschauung  der  Indfigermanen 
stellt  und  seine  Theorie  selKst  ;Js  die  »solare  girgenflber  der  »melwirisdien« 
Kulms  und  seiner  Anhänger  bezeichnet  (Wissenschaft  der  Sprache,  H,  476)- 


GESailCHTE    DER   GERM.    M\THOLOGrE. 


241 


Auf  der  anderen  Seite  n^bert  sich  dagegen  Kuhn  mctir  Alax  Müller.  Er 
findet  nämlich  wie  dieser  auf  spraclilidiem  Gebiete  die  Grundlage  der  Mythen 
und  l>czcichncl  mit  Uim  Polyonymie  und  Homonymie  als  die  wescntUclisten 
Fairtorcn  derselben  (Kntwicklungsstufender  Mythenbildung  S.  123  ff.):  das  einer 
Namrcrschciniin>;,  einem  Elcinaile,  einem  verclirten  GegensUindc  beigelegte 
Attribut  liat  sich  vi>n  diest^m  losgetre-iint  und  ist  als  neues  SubsUintivum  ein 
inytlii*.ches  Wesen  geworden,  das  je  nach  der  Eigenschaft,  die  in  dem  Attri- 
bute lag,  bald  als  bflscs,  bald  als  gutes  Wesen  erscheint.  Wflluend  aber 
Möller  die  Entstehung  der  Mythen  in  Anlehnung  an  die  solaren  Ersctieinimgen 
in  der  Natur  durch  die  sprachliche  Metapher  in  eine  proethnische  Zeit  ver- 
Icigt,  lassl  Kuhn  die  ^[ythenbilUung  erst  eintreten,  als  eine  spatere  Periode 
das  Verständnis  für  die  Spradie  der  früheren  vcriuren  halte.  Obgleich  Kuhn 
und  M.  Maller  unseren  Blick  für  glaube n.sgc:»chichttiche  Dinge  offenbar  er- 
weitert haben,  so  legen  sie  dixli  zu  viel  Gewiirbi  auf  die  vedischen  Mythen, 
die  im  Miltelpuriktc  ihrer  Forschungen  stehen.  Sie  betrachten  diese  gewissei- 
massen  als  Wurzeln  der  Mythen  anderer  indngerraanlscher  Völker  imd  spähen 
von  hier  aus  nach  den  spradilichen  Früchten,  wobei  freilich  der  Inhalt  des 
Mytlios  nicht  seilen  die  etymologisclie  Deutung  des  Wurtei)  stark  beeinilusät 
hat.  Siilche  Methode  hat  W.  Wackemagel  in  seinem  Schriftchen  'Das 
HünJfhtn  lyin  Bnlzwil  und  von  BrtUtn\  (IÖ5O.  KJ.  Schrift.  I.  423  ff.)  UeEfUch 
gegeissclt.  Fa.st  alle  mythischen  Parallelen,  die  von  den  vergleichenden  Mytho- 
logen  Kuhn-MiUler'scher  Richtung  aufgestellt  wurden  sind,  sind  mehr  oder 
weniger  Italtlos  und  setzen  eine  pructt mische  Kultur^stufe  der  [ndogermancn 
voraus,  die  von  V.  Hehn  als  unrichtig  erwiesen  ist,  InlialtUch  ahnhche  Mythen 
aber  finden  sich  auch  bei  niciit  indogermanischen  Völkern. 

§  \2.  Diese  That&achc  nachdrücklichst  in  unserer  Mythologie  hervorge- 
hoben zu  haben  ist  das  Verdienst  W.  Mannhardt's,  der  hierin  nffenl>ar  unter 
dön  Einflüsse  Tv  liprs  stand.  Mannhardt  war  von  Haus  aus  Mfirclicn- 
mytbolog,  ein  Schüler  J.  Grimms  und  Nachfolger  und  Naclieifrer  Wolfs,  nach 
dessen  Tode  er  auch  die  Redaktion  der  i^eitschrift  für  deutsche  M>'thologie 
Obcmaltm.  Bald  linden  wir  ihn  utä  Anhänger  von  Kuhn  und  Schwartx.  In 
teinem  ersten  grösseren  Werke,  den  Germanischen  Mythen  (Berlin  1H5H), 
verficht  er  ihre  Gedanken,  indem  er  die  ParaJlcie  zwischen  dem  vedischen 
Indra  und  dem  nordischen  Thur  zieht  und  die  Holda  und  die  Nomen  über- 
all im  Volkslied  und  der  Sage  wiederzufinden  glaubt.  Er  selbst  geisselt  im 
Vorwort  zu  seinen  Antiken  Wald-  und  Feldkulten  diese  Verirrungen.  B;dd  geht 
Maimhardt  seine  eigenen  W<^e.  Benfcys  Einleitimg  zum  Panischatantra  mag 
Dmi  die  Augen  geöffnet  haben,  wie  wenig  auf  Sage  und  Märchen  zu  geben  sei. 
In  Siite  und  Urauch  erkennt  er  bald  das  filtere,  das  festere  Element  der  Volks- 
Obcrlieferung.  Fragebogen  über  agrarische  Sitten  und  Gebrauche  werden 
nach  allen  Gegenden  gesandt;  es  soll  ein  nach  den  »Mnnumentis  Germaniae« 
V^dcgler  QtuUfmehntz  der  gfmmnts*hat  Voiissn^  und  V'olkssUfe  geschaffen 
«erden.  Das  ungeheure,  in  seinem  Werte  sehr  verschiedene  Quellenmaterial, 
das  er  gesammelt  und  das  auf  der  künigl.  Hihlii^thek  zu  Berlin  liegt,  zeigt 
uns  die  Grossartigkeit  des  Planes.  Wie  der  GeoU)g  unterscheidet  Mannliaidt 
jetat  venichiedcne  Schichten  der  Volksüberiiefcrung,  die  sich  bald  ineinander 
geschoben  haben,  bald  nebeneinander  hergehen.  Die  mythologische  Denk- 
fonQ  hat  für  Uut  eine  fr>rt/eugcude  Kraft,  daher  fasst  er  unter  der  Mytho- 
logie eines  Volkes  ^alle  in  seinem  Geiste  unter  dem  Einflüsse  mythischer 
Denkform  2U  stände  gekommenen  VcrbildHchungen  höherer  Ideen«.  So 
spricht  er  von  Mythen,  die  in  christhcher  7,^\i  und  »war  durch  Anregung 
de»  Christentums  selbst  entstanden  sind   und  giebt  dadurch  der  Volksüber- 

Gcrttsnlfche  Pliilolofk  DL    2.  .\nfl.  16 


Uefenmg  eine  neue,  \-oti  der  GrimmVhcn  und  Schwartx'srhen  Auffassung 
durcliuuä  vcTSLhicdene  BcHputung.  Mit  der  vergleichenden  MylhoI>>gie  der 
Kuhn-Müller"s<hpn  Riclitung  bricht  er;  er  hüh  ihre  bisherigen  Ergebnisse 
fflr  »verfehlt,  verfrüht  tider  manselhaft-:  (iHr*>);  '^^^  fehlenden  sprachlichen 
Übereinstimmuiieen  liestimmen  ihn  dazu.  Dagegen  buluit  er  einer  neuen 
vergleichenden  Mythologie  den  Weg.  un<l  hierzu  hat  ihn  die  Anthropologie 
gebracht  Auch  er  zieht  die  Parallelmythen  heniu.  al>er  nicht,  um  einen 
indogcrmanisrhcn  Urmythos  zxi  crweiacn,  s^mdem  nur,  um  die  Cbcreinstira- 
mung  festzustellen  und  zu  zeigen,  w-ic  sich  bei  verschiedenen  Völkern  aus 
gleicher  Wurzel  dir  Mythen  auf  ganz  ahiilichv  Weise  eniwictell  haben.  Als 
Grundlage  iler  s[)aieren  Kunstmythen  nimmt  Mannhardt  einen  ausgebreiteten 
Dämonenkull  an  und  zwar  schon  für  eine  iiroelhnische  Periode.  Nur  aus 
dieser  Annahme  erklären  sich  ihm  tue  Übereinstimmungen.  Im  Roggenwoif 
halt  er  die  Elementargeister  nudi  für  Wiiiddamrinen;  in  seinen  Korndi'imomn 
treten  daneben  die  seelistlieti  Geister  in  den  Vordcrgrurul;  erst  in  seinen 
sijatcstcn  Werken  ist  er  zu  den  Vegeiationsdamonen  und  den  Pflanzenseclcn 
g?eführt.  Aus  der  üeobachlung  des  Wachstums  der  Pflanzen  habe  der  na- 
tflriiche  Mensch  in  einer  pniethnischcn  Zeit  die  Wesensgleich  heit  zwischen, 
sich  und  den  Pflanzen  erschliwscn  und  letzteren  eine  Seele  zugeschrieben. 
I-)iese  Iflanzcnscele  ist  Mannhardt  der  .-Xiifang  aller  Mythenbüdung;  aus  ihr 
ist  dann  der  Vegetalionsdäinon  hervorgegangen,  der  mit  der  Zeil  auch  mit 
meteorischen  und  solaren  Erscheinungen  in  Verbindung  gebracht  worden  Ut« 
Aus  dem  Dilmonenglauben  sollen  sich  später  die  einzelnen  Stanunesmy- 
Üie-n  entwickelt  haben.  —  Mannhardt  ist  zweifellos  einer  der  bedeutendsten 
unserer  Mytlmlogen;  ihm  war  die  Geschichte  des  Glaubens  unseres  Volke« 
eine  natiunalc  Sache.  Er  hat  zugleich  in  seinen  spateren  Arbeiten  strenge 
phili'logisclic  Kritik  an  den  Quellen  geübt.  Kr  kämpfte  ununterbrochen  mit 
sich  und  an  sich,  um  zur  Wahrheit  und  Klarheil  zu  gelangen.  Vor  allem 
war  er  streng  gegen  Mch  selbst;  er  verurteilte  seine  Ansichten,  sfihald  er  sie 
als  falsch  erkannte.  Gleichwohl  liat  sich  sein  System  keine  Anerkennung 
verschaffen  können.  Die  KulturzustSndc.  die  dasselbe  voraussetzen,  stimmen 
niclit  zu  den  Resultaten,  che  wir  der  ungleich  sichereren  pnx'thnischeii  Alier- 
tumslciinde  und  der  Spraclifor?;chung  verdanken.  Seine  Korndämonen  z.  B., 
an  denen  er  noch  in  seinen  mythologischen  Forschungen  festhalt,  setzen  bei 
den  Indtigcrmancn  eine  Pflege  des  .*trkerhaues  voraus,  die  sich  durch  nidits 
stiUzen  Ia.>*st  (Viel.  Helm.  Kulturpflanzen  und  Haustiere,"  14  ff.  54  ff.,  v. 
Bradke,  Über  Methode  und  Ergebnisse  der  arischen  Altertumswissenschaft, 
185  ff.).  Weiler  erheischt  aber  auch  das  Mannhardt'sche  System  ein  viel 
zu  abstraktes  Denken,  von  dessen  Existenz  in  der  Zeit  eines  niederen  Dä- 
monenkultcs  man  sich  nicht  zu  überzeugen  vermag." 

Eine  Verbindung  zwischen  dem  Mannhardt'schen  und  Kuh n-Schwartz 'sehen 
System  hat  neuerdings  E.  H.  Mever  angestrebt,  sicher  der  bedeutendste  von 
Mannhardt's  Schülern  auf  dem  Gebiete  der  g(*rmanischen  Mythologie.  Meyer 
geht  von  dem  Kuhn'schen  Pcri<;jdcu,Hystem  aus,  bringt  dieses  aber  in  un- 
gleich festere  Form.  Nach  diesem  sieht  er  den  Scciengiauben  und  -kult, 
d.  i.  einen  Glauben  an  die  Seelen  der  Abgeschiedenen  und  eine  Verehrung 
der  in  der  Natur  fortlebenden  Seelen»  als  den  Anfang  alles  mylliisrhea 
Denkens  ;in.  Aus  dirtem  .Seelen glauN-n  hat  sich  in  einer  spilteren  Peri-vle 
der  Dämonenglaubc  entwickell.  unter  den  so  entstandenen  Dämonen  räumt 
er  den  WinddJlmnnen  den  w*ichtigsten  Platz  ein.  Der  Hauptsrhauplatz  für 
die  mythischen  Gebilde  ist  also  die  Luft.  Mit  der  Zeit  enlstanden  Wolken- 
wintldämonen,  W;lsscr^^■inddnmonen  und  Baumwiiiddilmorien.     Am:h  die  Gc- 


Geschichte  dkr  oerh.  Mvtholooie. 


2« 


stinie,  namenüich  Sonne  und  Mond,  wirkten  s<^oa  zu  jener  Zeil  mythcn- 
tnldcnd  auf  die  Phantasie,  ihre  Hau])tbcdeutung  haben  diese  aber  erst  in 
der  3-  l'criode  erlangt,  bei  den  Vülkem  des  Ackerljaues  und  der  stiatlichen 
Kultur,  wo  besondere  Götter  und  Güttenivstcrac  entstanden  (Indogcrm.  Myth. 
l,  211  ff.).  Einen  Gftttcrhimmc!  leugnet  also  Meyer  fQr  die  indngcnnanwrhe 
Uraeit,  uro  an  dessen  Stelle  einen  um  so  uiisj<epragteren  Dämonenglauben 
zu  setzen.  Als  erwiesen  halt  er  vier  indo^rmanis«  he  Dilmoncnraythen:  den 
Mjihus  vom  Donner  und  Blitzwesen,  vom  Sturmdünuiu,  den  Rej»enbogen- 
mythus  und  den  Dioskurcnmythus  lind.  Myth.  II.  (»73).  Allein  keiner  von 
diesen  Mythen  steht  (est.  ja  Meyer  hat  sie  nirht  einmal  wahrscheinlich  zu 
madien  vcnnocht  (vgl.  ZftlPh  XXI.  33Ö  ff.  W.  Malier,  Zur  Mythologie  der 
gricrh.  und  deulswhen  Heldensage).  Dazu  gtebt  Meyer  dem  Dftmonen- 
glauben  eine  Bedeulunj:,  die  er  wohl  schwerlich  gehabt  hat;  fast  alle  jierma- 
nischen  G<Mtergfstalten  sollen  aus  ihm  her\'i»rgpgangcn  sein.  Das  ist  auch 
nicht  in  einem  Falle  weder  erwiesen  noch  wahracheliilich.  Endlich  räumt 
Mej'er  der  subjektiven  Phantasie  der  einzelnen  Stimme  viel  zu  wenig  Recht 
ein,  so  dass  sein  mythologisches  System  wohl  el>cns«)wenig  bestehen  wini, 
wie  das  Mannhanltsrhe.  Diesem  System  licÄien  sich  natürlich  sehr  viele 
Mythen  der  eddUrhen  Dichtung  nicht  einreihen.  Daher  liat  sich  Meyer 
in  jüngster  Zeit  ganz  auf  Bugges  Seite  geworfen  und  Iflsit  wie  dieser  einen 
grossen  Teil  der  nordiwhen  M\-then  Nachbildung  christlicher  Glaubcnsleliren 
in  heidnischem  Gewände  sein.  So  erklärt  es  sich,  dass  z.  B.  die  V9luspÄ, 
unstreitig  eines  der  pnMvsartigsteu  Werke  des  Nordens,  in  seiner  sonst  recht 
verdienstlichen  gennanisrhcn  .Mythologie  gar  nicht  zur  Geltung  kommt-^ 

Mehr  auf  die  subjektive  Phantasie  der  einzelnen  Völker  geht  L.  La  istner 
ein.  Er  beschäftigt  sich  besonders  mit  der  Volkssagc.  Ihre  Elemente  lässt 
auch  er  in  einer  Pcri<)<Ie  gemeinsamen  Zusammenlebens  entstanden  sein, 
namentlich  nimmt  tr  dies  von  den  mythischen  Namen  an.  Allein  er  sucht 
jede  Sage  in  ihrer  Heimal  auf  und  erklärt  sie  mit  Hilfe  der  Naturerschei- 
DUiigen,  die  sich  hier  zeigen.  Der  Kern  ist  nacli  ihm  alt,  —  hierher  gehört 
I.  B.  die  Vorstellung  des  Nebels  als  Wolf,  des  Rosses  als  Sturm,  —  die  Form 
al>cr  ist  der  Gegend  angcjKisst.  So  verhilft  Lawtncr  mehr  der  Poesie  der  ein- 
zelnen Stamme  zu  ihrem  Rechte  uiul  zeigt  sich  hierin  als  Anhänger  Uhlands, 
der  in  seinem  Mythm  von  Tfiör  die  mythische  Dichtung  der  Nordgermancn 
in  Anlehnung  an  die  Natur  Ihres  Landes  bereits  ifiy»  trefflich  entworfen 
hat.  wenn  er  auch  zuweilen  natürlichen  Hintergrund  finden  will,  wo  keiner 
XU  wjrhcn  Ist.»  Hierdurch  erweitert  zugleich  I.aistner  unseni  Blick:  er  iSsst  die 
Mythen  nicht  »0  einseitig  wie  die  Schwartz'sche  Schule  :iu«  einer  eng  begrenzten 
Zahl  von  Naturerscheinungen  hen-orgchcn.  Dabei  sieht  er  streng  auf  die 
Elvmoliigic  mythischer  Namen,  die  er  freilich  nicht  immer  glücklich  behandelt, 
und  surht  so  Wort  und  Sache  miteinander  in  Einklang  zu  bringeji.  In  seinem 
letzten  grrescren  Werke,  dem  RäHel  der  Spkin.\,  rfliunt  Laistuer  auch  dem 
Traum  als  mythencrzeugender  Kraft  .sein  Recht  dn;  er  steht  hierin  uuwill- 
kOriich,  wenn  er  es  auch  nicht  offen  bekennt,  unter  dem  Einflüsse  des 
Seelciiglaubens.*  Dass  Laisiner  bei  der  Verfechtung  seiner  Ideen  zuweilen 
Ober  das  Ziel  liinausschii-sst,  Ist  nur  zu  natürlich.  —  In  Deutschland  den 
Seelengtauben  und  Seelenkult  nachdrücklichst  als  mythenerzeugendes  Element 
verteidigt  zu  haben,  ist  dos  Verdienst  Jul.  Lipperts,  mag  dieser  unter 
TyU>r5  Einftuss  gestanden  haben  oder  nicht  Dagegen  gefil  Lippert  ent- 
schieden darin  \iel  zu  weil:  alle  Mythen,  alle  (»otiheiten  si>llen  aus  dem 
Scclenglaubcn  hcr\'org€gangen  .sein.  Um  dies  zu  beweisen,  bedient  sich  der 
Uriieber  dieser  Auffassung  philologischer  Mittel,  die  tieulzutage  kein  Pliilologe 

16« 


244 


XI.  Mythologie. 


mehr  anerkennt  "*  Einem  klüSSLsdicn  PhÜoIügen  gebührt  das  Verdienst, 
Ahnenkult  und  Seelcnglauben  in  Deutschland  in  das  richtige  Fahrwasser  ge- 
bracht zu  haben.  In  seiner  Psyche  (Freiburs  i/B.  1800/Q4.)  hat  E.  Rohde 
die  Bfdculuiiii;  desselben  für  die  grieclilsche  Rclipidn  erwiesen  und  vms  ein 
Werk  geschenkt,  das  auch  kein  Germanist  ungelesen  lassen  wilhe.  Bedeu- 
tendes in  dieser  Riditung  ist  auch  vun  H.  S.  Vodskov  zu  erhoffen;  in 
seinem  Werke  Sjitiedyrktlse  ofi  Nalurdyrketse  (i. — 6.  Hefte  Kbh.  1897)  sucht 
er  Seelen-  und  Nanir\-erehrung  aus  der  Kulturgeschichte  zu  erläutern  und 
ihrem  Umfange  Em  Rlg^eda  und  der  eddisdicn  Dichtung  nachzugehen. 

S  13.  S*i  ist  seit  J.  Ciriniin  bis  heute  Iiypc>thcse  auf  Hypothese  aufge- 
stdll  worden,  aber  mxli  keine  hat  sicli  genügcuile  Anerkennung  zu  verschaffen 
vermocht.  Weder  über  den  Urspnmg  des  Glaubens,  mich  über  die  Deutung 
der  Mythen  und  ihr  historisches  Verhältnis  untereinander  herrscht  Einigkeit. 
Der  Hauptfehler  der  Forschung  liegt  offenbar  darin,  dass  man  viel  zu  wenig 
Kritik  bei  Benutzung  der  Quellen  gcobt  hat,  ja  eine  gewisse  Kiitikliisigkeit 
gewLssennassen  sanktinnit-rt  wurden  ist. 

Kür  die  phüüloglsche  Kritik  der  mythologischen  Quellen  aufs  energischste 
cingetrelen  zu  sein  ist  das  Verdienst  Lachmanns  und  Müllenhoffs. 
Lachmann  behandelte  die  Mythologie  als  Ncbenstudium  der  Heldensage, 
derm  in  den  Gestalten  dieser  erkannte  er  —  und  bierin  stand  er  im  Gegen- 
satz zu  Uhland  und  Willi.  Griium  —  verblasste  Goiter.  Mülknhoff  hielt  an 
diesem  Gedanken  fest  und  vertiefte  um.  Ihm  waren  die  Mythen  die  uralte 
Poesie  unserer  Vorfahren.  Deslialb  verlangte  er  strengste  Kritik  der  mythischen 
Quellen,  die  nicht  anders  als  andere  littcrarischc  Denkmäler  zu  behandeln 
und  nicht  von  ihrem  Fundorte  zu  trennen  seien,  So  ist  vor  allem  durch 
ihn  die  Baicutung  des  ''Ttwaz  als  gennauisclieii  Cottw  und  die  Revolution, 
die  mit  .sdner  Entthronung  endigte,  aufgehdll  und  verteidigt  wurden.  Aber 
Müllenhoff  behandeh  nur  die  Religion;  mit  Volk.-iglauben  und  Vnlkssitte  be- 
sditlfligt  er  sich  nicht.  Auch  sind  seine  Schlüsse,  wenn  aoch  durchweg 
geistreich  und  anregend,  doch  nicht  selten  allzukühn.  Vor  allem  findet  er 
in  den  Gestallen  der  Heldensage  oft  alte  Götter,  die  schwerlich  in  dai 
Helden  fordebcn.^ 

§  14.  Nicht  ohne  Bedeutung  audi  für  die  germanische  MytJi<j|i)gie  ist  das 
Werk  eines  andern  klassischen  Philologen,  ü.  Gruppes:  Grifchische  Cultt 
und  Mvthen  in  ihren  Beziehungen  zu  den  orienialisrbcn  Religionen*  (l.  B- 
Leipzig  1887!.  Mit  ihm  schdnt  für  die  mythologische  F<irschung  eine  neue 
Ära  LUigub röche  11  zu  sein,  wenn  auch  seine  Aufstellungen  noch  vielfach  der 
Läuterung  bedürfen.  Man  könnte  seine  Theorie  die  Waudcrungsthcorie 
nennen;  er  selbst  bezeichnet  sie  als  Aiiaptionismm. 

Gruppe  scheidet  zunächst  scharf  zwischen  den  volkstümlichen  Elementen 
der  Mythologie  (^larchen.  Sage)  und  den  hierarchisdien,  den  Kunstmytiien, 
die  er  nicht  als  die  Quelle  des  Kultes  auffasst,  sondern  die  er  aus  dem 
Kutte  hervorgegangen  sein  litsst.  Der  Kult  Ist  ihm  also  das  Altere  in  der 
Religion  der  Volker.  Nur  die  hierarchischen  Mythen  hangen  mit  dem  Kulte 
zusammen;  beides  macht  die  Religion  der  Volker  aus,  die  hauplsildilich 
imter  dem  Einflüsse  der  Priester  steht.  Die  Übereinstimmung  der  hierarchi- 
schen Mythen  der  indogermanischen  Völker  hebt  Gruppe  ausdrücklich  hervor, 
allein  keines  der  bisher  angewandten  Systeme  erklart  ihm  dieselbe  genügend. 
So  kritisiert  er  denn  alle  Systeme  und  kommt  endlich  zu  dem  Resultate,  dasa 
Kult  und  hierarchisdie  Mydien  vou  Vorderasien  aus  sidi  über  fast  alle 
Kulturvölker  verbreitet  haben. 

In  der  Würdigung  des  Kultes  berührt  sich  O.  Gruppe  mit  K,  Weinliold. 


Geschichte  der  germ.  Mythologie. 


245 


Dieser  knüpft  vim  Haus  aus,  abseits  vom  Wege  der  Weiterentwicklung  gcr- 
maniüL-hcr  ^[ytholDgie.  uuiruttclbar  ün  J.  Grimm  an.  Allein  er  hat  jeJerzeit 
die  Bahnm  der  phantastisdien  Anhanger  der  Grimm'.schen  Richtung;  gemie- 
den und  isl  für  das  Recht  liistnrischer  Furschung  enerj-isch  eingetreten,  ja 
seine  jünt^sten  Ahhandlungen  verfechten  im  Kerne  dicsel^»en  Grundsätze  und 
Re'niltate,  zu  denen  Mflllenhnff  gelangt  war,  nur  diiss  er  mehr  als  dieser 
dein  Kultus  aL>  der  NV'urzel  des  Mythus  zu  seinem  Rei.hte  verliilft.!* 

Au/  dem  Gebiete  des  Kultc.*^  verdienen  schliesslich  noch  rflhmliclister 
Er»almung  Heinn  Pfannenschmid  und  A.  Tille.  Des  ersteren  Genua' 
nüchcH  EmUf<sie  enthalten  das  Beste,  was  wir  über  altgermanischen  Kult 
be^itjten.  Wahrend  Pfannenschmid  .iIkt  in  seinen  Anschauungen  ganz  auf 
Grimm'.'ichem  Standpunkte  steht,  verfolgt  Tille  in  seiner  GesrhichU  der  dettt- 
scken  Weih nnrfii  den  Kult  in  seiner  geschichtlichen  Kntwicklung  tmd  in  seinem 
Zu-sammen hange  mit  den  Lebens vcrh£lltniii.sen  des  V*ijlke>".  Fudeni  er  da- 
durch neuen  Ans«hauungen  zum  Rechte  verhilft,  vemachl.lssigi  er  etwas  die 
religiösen  Vnraiellungen  unserer  ^'u^fa]lren." 

5  T5.  Ungleich  aller  als  in  Deuisthland  Ut  das  Studium  des  Glaubens 
der  Vorfahren  im  skandinaWschen  Ncrden.  Dafür  isl  es  aber  auch  liier  un- 
gleich dnseitigcr.  da  es  >icli  in  der  HauiU-sachc  auf  die  Darstellung  des  my- 
thischen Gehaltes  der  Rdden  beschriinkt.  Die  vergleichende  MythoKigie  liat 
hier  wenig  Anhang  gefunden,  weder  die  Kulm- Müller 'sehe  Richtung,  ii'ich 
die  Tyl'r-.Mannhardt'sche.  Dagegen  hat  die  historische  Richtung  einige 
nenneiLswene  Vertreter  gehabt 

Der  ftiteste  nordische  Mythuloge  ist  Smtrri  Sturlustin.  Seine  Edda  ist 
im  T.  Teile  nichts  anderes  als  eine  Mythnlngie,  ausgearbeitet  ftlr  Skalden, 
[damit  diese  Ober  den  Inhalt  mythischer  l'niMchreibungen,  der  kenniitgar, 
heid  wüÄsien  (vgl  Altnnr^-egisch-island.  Literaturgeschichte).  Snonia 
mytlio|ngisc-he  Be.strebungen  lebten  in  seiner  Schule  fnrt  und  haben  mög- 
licheruxise  aucli  die  Sammlungen  von  Lie<iem  mythisclien  Inhalts  veran- 
lajisL  Vim  c.  1400  an  achtete  man  wenig  auf  die  alten  Lieder;  erst  im 
17.  Jahrh.  kam  man  auf  sie  und  die  Edda  zurück.  Allein  die  Beschäftigung 
damit  war  weiter  nichts  als  ein  f*trtgesetzler  Streit  über  den  Wert  oder 
l'nwert  rlieser  mythischen  Quellen,  Das  :iltesie  nerdische  Handbuch  der  Myth<'i- 
logie,  Grundtvigs  JVon/c»s  Afr/ho/of;i  ( 180H.  2.  Aufl.  1832).  war  ein  von  vater- 
latuilscher  Begeisterung  getragenes  und  zugestutztes  Werk,  weitn  auch  die  erste 
Auflage  manchen  richtigen  (bedanken  enth.llt  der  eine  historische  Betrachtung 
der  ^I^■then  anbahnte.  Er^t  untiT  dem  Einflüsse  v<m  J.  Grimro's  Mythologie 
schienen  auch  im  Xunlcn  -systematische  Darstellungen  ck»  alten  Götter- 
i^aul>cns,  ^u  von  Munch  und  Keysei,  v*>r  allem  ;d>cr  v.m  K.  RI.  Petersen.^ 
Die  hii(toriscl)e  Richtung  haben  namentlich  drei  Gelehrte  vertreten;  M. 
Hammerich,  der  den  Nachweis  fuhrt,  dass  die  RagnarAksmythen  nur  bei 
den  NiirdUlndeni  und  zwar  In  der  Wikingcrzelt  entstanden  seien,  Henry 
P*'ier&en.  der  Thor  als  deti  .nlien  natiunalen  Oitt  der  Nc.rdgermanen  er- 
weL>i  und  (3din  aus  dem  Süden  eingewandert  »ein  Uisst  und  endlit^h  Stiphus 
Bugge,  (Irr  den  grössten  Teil  der  Eddamythen  als  nordische  Darstellung 
mittelalterlich-christlicher  LA-gendcnzügc  und  Umwandlungen  gricchich-heidni- 
»chei  Mythen  auffa.sst."  Wiihrejid  die  Arlieiten  von  Hauuiieridi  und  Petersen 
«eh  .illü  cm  einer  Anerkennung  erfreuen,  hat  Bugge  durch  die  seinen  cnt- 
schiei-leuen  Widerspruch  her\orgerufen.  Die  Ideen,  die  Bugge  verficht  sind 
nicht  neu,  sondern  schon  Jahrhunderte  alt  (vgl.  E.  H.  Meyer,  Völuspä. 
S.  I  ff.(.  allein  Bugge  verteidigt  sie  mit  den  Waffen  der  neueren  Wütsen- 
schafi,  der  historbchen  Gtammatik.    Nur  missbraueht  er  diese  Waffen,  indem^ 


246 


XI.  Mythologie. 


er  das  mythische  Wnrl  secicri  und  in  den  üinzelnen  Teilen  dieses  fider  jenes 
griechische  oder   lateinische  nder  keltische  f>der  angelsächsische  Wort  findet, 
das    der    üJlo   Wikinger    bald   falsch   verstanden,    biild    falsch   gedeutet.    Iwld 
durch    ein    lautlich    ahnlich    klingendes    nori*egi.sclies   wiedergegeben    haben 
Süll.  Wenn  demnach  weder  Bugges  Methode  noch  ein  grosser  Teil  seiner  Be- 
h<iu]>tungen  Anerkcntmiij;  finden  wird,  so  hat  er  durch  seim^  mvthdIojrUchen 
Studien    doch    zu    einer   neuen    hislorisrhen  Durchforschung  der   nordischen 
Mythen  angeregt,  und  ohne  Zweifel  wird  es  sich  zeigen,  dass  wir  einen  sehr  grosaea 
Teil  von  dem,    was  unr   nach   Grimm   als  urgermanische  Mythen   auffassten, 
fatlcn  la^en  müssen.     Denn  das  Hauptwerk,  welches  aus  der  Reaktion  gegen 
Bugges  Studien  her\'orgegangen  ist,  V.  Rydbergs   ütidfnSkmiiftur  i  Gtrmanisk 
M\thohgi  (;  del.  Siockh.  1886— So),    ist  nicht  geeignet,   diese  TbaLsacheu  zu 
erschüttern,    da    sein  Verfasser   die  Überlieferung   ohne   jegliche  Kritik   ver- 
arbeitet, Combination  auf  C'unibination    h.lufi  und  die  Sprache  seinen  Wün- 
schen   ohne    Rücksicht   auf    die    Sptadigcsctze    dienstbar    macht.      Rydbergs 
Mythologie  ist  das   ersie  und    ^ieUeicht    das  letzte  nordische  Werk,    das  auf 
dem  Boden  der  vergleichenden  Mytiioli^äe  in  KuUn-Muller'sclieni  .Sinne  steht; 
es  ist  in  einer  Zeit  entstanden,  wo  diese  in  DeuiSH-hland  scht>n  ziemlich  all- 
gemein  als   überwunden   galt.  —    Dagegen    hat  Bugge    durch    seine  Arbeiten 
cnLschieden  Schule  gemacht     In  Skandinavien  haben  sich  H.  Kalk,   Noreen, 
Schuck    u.  a-,    in  Dcuischlatid  der   bereits   erwähnte    R.  H.  Meyer,   GnUher, 
Dettcr   ihm  angtschlos.»ien.     Leider  hat  sich  unter   einer   Anzalil   dieser  For- 
scher   eine   neue    Comhirationsmeihode    entwickelt,   die    nicht    weniger    ver- 
derblich   ist    hI?.    die    iJte;    nui    die    Uuklarlieit    ihrer    Veilreter,    giebl    uns 
einigermassen  {iett"fthr,  dass  die  Resultate  nicht  indiegri.ssc  Menge  gelangen. 
Auf  der  anderen  Seite  hat  aber  Bugge  auch  auf  entschiedenen  Widerspruch  gc- 
stossen.  Unter  seinen  Gegtieni  sind  die  Islander  Finnurji'nisson  und  Eirikr  Mag- 
nüsKim  zu  nennen  üowie  der  Däne   V'odskov,    dessen  Bucli  über  Seelcnver- 
chruiig  und  Xaturverchrung  ein  hahnbrechendes  Werk  zu  werden  versprit  hl'«. 

>  Jk.  Gfimit),  DmUthe  .Xfvtkologi^.  4.  Aiisg.  mit  N'scbuif^o  und  Anhajig 
hntK-  von  E.  H.  M(j\r.  Bcrl.  i'SjS.  Kl.  Schriü.  II.  B.  —  »  Von  Joh.  Wilh. 
Wolf  eracliicntn;  .K'n iterländiiche  Saj^f».  Lp/..  1843;  DfUttthc  Sagrn  und  Märchm 
1845;  Deutsche  UausmätchfH.  Lpit,  1S51:  Dir  tiruttckf  (ivttfrlfhrf.  1852.  (Ein 
AuMug  .lus  Grimma  Mytboltip«);  Heiträff*  tiir  dmlsth/-»  Myth.>logse,  i.  B.  185a; 
2.  B.  (bcsoFKt  von  Mamhiirdt)  185;".  (Dir«  Werk  enihSIt  die  gnn/c  druischp  My- 
tbolnt^c  natii  Wolfschcr  Mcthridt):  Hessiu-kf  Sngm.  1853.  —  '  W.  Schwnri«' 
Werke  »iTui :  Dfr  h^nUge  l'dbigtaubf  und  ans  alte  lleidentttm.  *■  Aiifl,  lli6a. 
Die  Abb  und  Jim};  steht  nuch  in  (k'ii  t'r^hiilcrisi:h'<i»ihropolognihcn  Studien  (Berlin 
18S4),  die  die  kleineren  nijlhiil(>j^v;h(Mi  Arbeiten  SchwMit«'  emballen;  Der  Ur' 
tfirung  der  A/yihnlogte.  Brrl.  lÄ&o;  Die  poetisiben  Naluranuhaunftg^H  der 
Griechen.  Rthn^r  und  Drutuhrtt  in  ihrer  Retifhung  tur  Afythclogif.  1.  B.  Sonnt, 
Afond  und  Sterne.  Berlin  1864,;  2.  B,  Ifttlirn  und  H'tnd.  Blitt  und  licnner. 
*  '879:    Inäogertnaniither    Volksglituhe.     Berl.    1885.    —    *   Waitz.    Anthr-^palcgif 

der  Nalurvvlker.  1859 — 65;  Bastian,  /Vr  Aftnsch  in  der  Geu-hkhte.  _j  Bde. 
LripKJt*  l8<KJ;  liers..  Das  BestSndige  in  drr  Mrmihfnrasxr.  B«rl,  1868:  Iteitrdgt 
sur  vrrgytchrndeH  Psrfhohgie.  Bert.  1868;  Ethnolngiiihe  Föruhungm.  1  Bde. 
Jen»  1871—73;  fJü:  i'erbUihi-Orle  dt-r  abgeiLhiedenrn  Seelen,  ücrl.  1893;  Tylcr, 
Urgrukühte  der  .\/iHi,:Mhi'il  (Ltiprin  1867):  dt'r»..  Anfänge  der  Kultur  (Lpt. 
'*'3);  -A.  \.An^,  Afylh,  HiluaJ  artd  Religio«.  2  Bde.  London  1874;  d^rt-,  Cuslom 
and  Afylh.,  See.  cdit.  1885.  —  *  M.  Müller,  £ssays.  Oxford  1856,  ilr-iiütbe 
ÜbenteuurR.  l,pz.  l86y;  VnrUthMgen  über  die  Wissensfhn/f  der  Spraeke.  2.  Serie 
(deutich  vor  BCttger.  Lpz,  1866);  Natürliche  Religion.  L]i/.  iSgrt;  Fh\\iMhe 
Religion.  Lpz.  l8i>2;  Anthropclogisthe  Religion.  Lj«.  1894.  —  "  Mnnnhardt, 
Cermattisikt  Uylken.  Berlin  1858;  Die  (jSllerxfeU  der  deutschen  und  nordiahen 
VSlIter.  I.  T.  Die  (inner.  Kfrlin  iSfiO;  Roggm-urotf  und  Roggenhund,  2.  Aufl. 
1866:  Die  fCvrtuithMcneitt  Bcrl.  1868;  Der  Saumkull  der  Oertnanen  und  ihrtr 
J^'aihbarftämme.   Berl.   1875;    Antike    Ifatd-  und  Feldkulte  aus  nordeuropäisthtr 


Verhältnis  der  nord.  zur  deutschen  Mythologie. 


247 


CbtrhefrrHng  trläutfrt.  Btrl.  l8"7;  Jktythclagiitfu  Foruhutt^n.  Mit  VdrTtJ«) 
von  K.  MUltfiihi'fT  unl  Scberer  bis^.  \on  H.  PaLu^.  Stra&sburg  1884.  (Dam 
E-  H.  Mcycr.  AHA  XI.  I4lff).  —  '  E.  H.  Mcycr,  titjögt^mamittu  Mythen. 
1.  a^HJkarifn-Ktnlaurrn.  Berlin  1883,  II.  AthitUis.  BcrÜn  1887.  AfdA  XI. 
I41  ff.  XIII.  19  ff.;  tV/tispd.  Berlin  1889;  Dk  etldische  i^nsmo^fonit.  FrciburR  i. 
Br.  1891;  Grrmatiiicfii-  Mythoicj^'f.  Berlin  1B91. —  "Uhland,  Der  Mytkus  Ton 
Th$r,  Stuilf.  183*).  (Schrill.  VI.  I  ff.);  Sthri/I.  lur  Ceich.  der  Dichtvng  und 
Sage  B.  1.  6.  7.  8.  —  *  Laisirer.  Aeieüü^n.  Stuiig.  1879:  clxl.  /Jas  /ftilsel 
der  SfiAfnx,  Gnmdxflgi;  einer  Myihcngescliichte.  2  Bde.  Berlin  1889:  CSer  dm 
Jiutientmann.  ZWA  XXXII.  I45  ff.  —  '"Jul  Lippcrt.  Der  Seelenkull  tn  ietnen 
SesifAungen  :«/■  ir/zAetirtTäiAeH  Jieltgion,  Berlin  188O;  Die  Jfe/igionen  der  euro- 
Päi%iken  KuUiirrolter.  Brrlin  188I;  thA.  Chriflentum,  Volktglaube  und  l'p/it' 
brauih.  BeiL    l88a;  Allgem.   Ge»-hi<hle  des  PrieiUrlums,    %   Bde.    BcrI.   1883/84. 

—  '•  K.  MüJlenliuff,  Tuhro  und  reine  A'arhttimmen  \n  Sdimidu  AUjfrmciner 
Z»ch.  f*  CttTwli,  Vlll.  209  ff.;  Ute  auslrastxrhe  Dirtruhnage  ZfdA  VI,  435  ff.; 
S*m/  und  tetne  SatJiiemmett  eli«l,  VII.  4(0  ff.;  Der  AfytAin  tiin  ßeettruij'  ebd. 
VII.  419  ff.;  Ober  deit  SiMi-ert/um.  In  den  >Fesigdl)i.'n  Im  (i.  Htmeyer  zum  it. 
Juli  1871-.  lOqff.:  ?Ai-gniiU'  tind  Ktiurse  ZfdA  XII.  4,13  ff.;  Ion  Sig^fr/di 
Aknen  ebii.  XXIII.  113  ff.;  frmm  und  seine  Briidet  vUS.'K'S.Wl.  I  ff.;  DetiUehe 
Alter tnmikunde  V.  B.  I.  T.  Berlin  1883.  Frija  uud  der  IfaUhandmythus. 
Zt'dA  XXX.  317  ff.;  BeoifUlf.  Berlin  1889.  Vgl.  auch  W.  Scberer,  Vor- 
träge und  An/S'Uif  S.  lOl  ff.  —  "  Weinhold,  Die  Sagen  von  Leki  ZidA 
Vn  1  ff. ;  Lte  Riesen  des  germanischen  ,t/vfhos  Sitzungsberichte  der  philol. 
faütnr.  Kliusc  der  kaiserl.  AJcad.  <kr  \VtRsen>chaftcn  m  Wien.  XX\1.  335  ff.; 
7'ins  1'hmgs  Zldl'h  XXI.  I  ff.:  Cher  den  Mythus  vom  H'aneni-rieg  Sitzung«- 
bcriditc  der  k^l.  prvuss.  AliMl.    der    WiKscnKhiftcn    m    Birtin.    XXJX.  611  ff, 

—  •*  Hcinn  ITanncnschmid,  Dus  U'fiAzrasser  im  Aeidninhen  und  ehrtit- 
itikm  KuUui  unter  hescnderer  Herüeisuhtigiing  des  grrman.  A/terlumj. 
Hinnov,  1869;  Germaniithe  Erntefeste  im  keidnitthen  und  fhristttehm  A'nftut, 
mtt  besonderer  fiexiehnng  auf  I^iedersufksen.  Hanmiv.  l8;8;  A.  Tille,  Dte  fie- 
uhuhte  der  de»t.uhen  Heihnaiftl.  I,<--i|izig  1893.  —  **  P.  A,  äluncb,  Xerd- 
mirndenes  GndtUere  i  J/edennld.  Christjania  '847.  2.  Aufl.  bejirl>.  vun  Kja:r. 
Christ.  1880.  —  R.  Keyier.  Scrdwirndenes  Religtonsfcrfatning  i  Htdendommtn 
Christ.  1847  (besonders  wichtig  filr  den  Kultw>).  —  N.  M.  Pclerseu,  Kordisk 
Mytkatogi  Kph,  1842.  2.  Autg.  1863.  —  Vgl.  »uch  Krik  Gustav  Geijer. 
Snmiade  Skrifier,  U.  1 70  ff.  (besonders  wichtig  flir  die  (jc<»chicbte  des  A«cn- 
glaubens).  —  Konr.Tl  Maurer,  itekekrung  des  nnnregiithen  Stammes  zum 
Christentum.  3  Bde.  Mimchen  1855.0.  (Kn^lhAlt  das  rricbhaltigste  Matcriiil  aus  der 
Sa^Utcratur.)  —  '*  M.  Hammerich,  Om  /fagnamtsmyt/ten  og  dens  /letydning 
i  den  oldnardtskr  Reti/^tan.  Kbl>.  1836.  —  Henry  Petersen,  Om  At^riihoernes 
Gudrdvrkfhe  ng  Gudetro  t  IfrdeHold,  Kbh.  iSr*».  —  S,  Biigg*,  Studien  üher 
die  Entitehung  der  m'rdiS>heM  Gvtter-  und  I leide nsti gm.  (DeuUtfb  von  O.  Brenner), 
Mtincben  1889;  dcrs.  Chee  Jen  Fr'Vf'itmvtheis  im  ChrlsiLiii.  Murgcnbladcl  v*>ni  16, 
AuR.  1881;  der»,  fduns  jEbler  'Xric.'f n.Fil.  V.  1  ff.  (vgl,  K.  MUllenboff, 
Deutsche  Uteraturzdtung  1881.  II.  No.  31;  Kdeardi.  Liicraturbl.  ffir  germ.  and 
rmn.  Phil.  188:  Sp.  1  ff.  1 25  ff.).  — '"  H.  S.  Vodskov,  Sjaiedyrkche  eg  Xatur- 
dyrkehr.  I.  Bd.  ,\fd.   Rigveda  og  Edda.   Kbli.   1890  —  97. 


ILAPIIRI.    IV. 

DAS  VERHÄLTNIS  DER  NORDISCHEN  ZUR  DEUTSCHEN  MYTHOLOGIE. 

5  Ib.  Obgleich  bereits  L.  Uhlatid  183Ö  die  Mythen  von  tör  ab  Erzeug- 
niHte  der  nnrcijschen  Du'hlimg  behandelt  hatte,  iüt  man  doch  seit  j.  Grimm 
in  Deutschland  grwnhiil,  die  eddisthen  Mythen  sclilrihthiii  allen  germa- 
niMhcn  Völkern  zuzuschreiben.  Die  lüsturische  Betrachlung  der  Älydieii 
Jtwingt  uns,  mit  dieser  Auffassung  zu  brechen.  Schon  eine  Durchforschung 
der  niylhisclien  Quellen  der  Nordgerroanen  lehrt  die  stetige,  z.  T.  einseit%e 
Weiterentwicklung  luvtluKtlu-r  Begriffe  und  Gestalten.  Dazu  kommt,  da.ts 
man  die  m>r<li'*rhen  Quellen  wieder  zu  einseitig  ins  Auge  gcfasst  hat:  die 
Eddalieder  und  Snorri.«  Hatidbudi  der  Mytliolugie,  das  zum  grössten  Teil  auf 
jenen  aufgebaut  ist,  galten  als  Kanon  der  nordisch-gennanischcn  Göllerlehre, 
Allein  beide  Quellen  sind  spateren  isländischen  Ursprung:-,  viele  Mythen  und 


248 


XL     MVTHOLOOIK. 


MvthenzQEre  finden  sich  nur  in  ihnen,  manche  «"idersprechen  sogtir  dem 
gernianisfhen,  dem  nordischen  Volksdiaraklcr.  Ein  z,  T.  anderes  Bild  gewahren 
die  nordischen  Sggur,  die  Funde,  und  die  In-schriften.  Was  wir  aus  diesen 
lernen,  findet  auch  meist  seine  Bestätigung  im  Kühe  und  gibt  sich  schon 
dadurch  als  nationales  Eigentum  zu  erkennen.  Von  dienten  Quellen  hat 
demnarh  die  wissenschaftliriie  nordische  Glaubenslehre  auszugeJien.  Aus  ihnen 
erführen  wir  zuj^Ielch,  dass  lüer  ein  grosser  Teil  niederen  Volksglaubens  in 
ganz  almlichen  Formen  blühte,  wie  er  heutzutage  noch  bei  den  südgerma- 
nis'hen  Völkern  sich  nachweisen  l.1sst.  Es  ist  femer  hei  den  nordischen 
Quelleh  an  der  ThaLsache  festzuhalten,  dass  die  Isländer  eiu  diditerisch  bejfabtes 
Viilk  waren,  dessen  Skalden  zweifellos  durch  die  subjektive  Phantasie  Gestalten 
und  Zü};e  schuffen,  die  nie  tief  im  Volke  gewur/elt  haben.  Seit  Haraldr 
harfagri  in  der  z.  Hltlftc  des  y.  Jahrhs.  die  unzufriedenen  Grossen  des  nor- 
wc^jischen  Staates  zwang,  ihre  Heimat  zu  verlassen,  finden  wir  sie  auf  dem 
W'fstmecre,  auf  den  britischen  Inseln,  bald  im  Kampfe,  bald  im  Bunde 
mit  Kellen  oder  Angelsachsen,  bald  als  Gegner,  bald  als  Schirmer  der 
christlichen  Kirche,  bis  endlich  ein  Teil  von  ihnen  sich  auf  den  Fa.-ri'^em 
und  dem  fernen  Island  niederlüsst,  wo  man  rein  oder  gemisclil  mii  keltischem 
Blute,  ja  neben  Kellen,  einen  neuen  Freistaat  gründet.  Aber  auch  von  liier 
aus  unternehmen  viele  von  diesen  Nordlündem  alljährlich  Reisen  ins  Ausland: 
nach  Irland,  Schottland,  England,  nach  den  sk!mdinavis«.:hen  Höfen.^  In  jener 
Zeit  blühte  ihre  Poesie  und  mit  ihr  da.s  mythische  Gedicht,  Dass  bei  diesen 
historischen  Betrachtungen  die  WahrÄcheinlichkcit  fremden  Kinflusses  nahe 
liegt,  muss  jedem  emleuchten.  Und  schun  tlieser  UrasUmd  n<i[igi,  die  islän- 
dische Dichtung  mit  Reser\'e  zu  benutzen  und  ihr  im  Vergleich  zur  Volks- 
Überlieferung  erst  den  zweiten  Rang  einzuräumen.  Auf  alle  Fälle  ist  daran 
festzuhalten,  dass  die  zusaminenlWingenden  Mythen  isländischer  Skalden 
speziell  nordische  Mythen  sind,  die  -wohl  diesen  oder  jenen  volkstümlichen 
Zug  aufgenommen  haben  mftgen,  die  aber  im  ganzen  mehr  mler  weniger 
Eigentum  der  subjektiven  Phantasie  ihrer  Sauger  sind.  Wie  weit  sich  nun 
in  diesen  entlehntes  o<ler  nationales  Eigentum  erweisen  lässt,  ist  eine  der 
schwierigsten  Fragen,  die  die  Gegenwart  bcschüfligt, 

leb  glaube,  wir  müssen  an  dem  Grundsatze  festhalten,  dasjenige  als  echt 
nationale  Poesie  liinzuslellen.  was  «ieni  Volkscharakier  nicht  widerspricht  und 
■was  sich  als  dichterische  Fortentwicklung  vnlkstüml icher  Mytheruüge  erklaren 
lässt.  Dass  fremde,  nanientlicb  chri.stliche  Getlanken  sich  in  einzelnen  ZQgen 
finden,  unterliegt  m.  E.  keinem  Zweifel.  Doch  wird  die  eddische  Dichtung 
geradezu  unverständlich,  wenn  wir  die  nationale  Basis  verlas-sen  und  die 
Grundlage  der  dichterischen  Schöpfungen  fremden  Eitiflüs.sen  zuschreiben, 
wie  es  S.  Bugge  und  E.  H.  Meyer  gethan  haben. 

%  17.  In  ihren  Grundzügen  hat  aber  der  Glaube  der  nordisriien  V^^lker 
einen  urgermanischen  Charakter,  wenn  sich  diese  in  Übereinstimmung  mil 
den  übeislimlichea  V<jrstellungen  der  Südgermnnen  und  der  Angelsachsen 
bringen  lassen,  falls  nicht  eine  Wanderung  cle>  Kultes  oder  Mythos  von 
diesen  Stiluimen  zu  unseren  nordgermanisriien  Stammesbrüdern  sich  wahr- 
tfcheinlich  machen  lässt.  Bei  jenen  sind  die  glaubcnsgeschichtlicben  Quellen 
zwar  spärlicher,  aber  aller  und  wertvoller.  Demnach  hat  von  diesen  aus  die 
Analvse  der  n-irdischen  Quellen  zu  beginnen.  Nun  lehren  aber  die  süd- 
gennanischen  Quellen  aus  frühester  Zeit,  dass  die  Einheit  des  Gi'UtergUiubens  bei 
den  Südgennanen  tlurcliau-s  nicht  so  be<leuteud  gewesen  ist,  als  dass  man  imsiande 
wäre,  einen  einheitlichen  Gtltterglauben  auch  nur  dieser  Stämme  konstruieren 
XU  Icönnen.     Die  Thatsache  ist  durch  die  Inschriften funde  von  neuem  besttlt^ 


Verhältnis  der  nord.  ztrR  neuTSCHEN  Mythologie. 


249 


worden.  Vielmehr  hat  es  unier  den  einzelnen  Vi-lkem  eine  Reihe  Amphi- 
ktyouicn  gegeben,  deren  Mitglieder  in  gcmeiiisumein  Kukc  eine  besondere 
Gottheit  verehrten,  geraflc  solche  liflndc,  wie  wir  sie  noc\\  kurz  vor  EinfQh* 
rung  des  Ctiri^lentums  bei  den  skandiiiavtsehen  Stanimcn  finden.  Demnach 
luOsste  eine  ^deutsche  Mytliologic«  eigentlich  eine  Glaubensichre  der  einzelnen 
gennanisrhen  Summe  sein.  Von  den  Urgermanen  Isssi.  sieli  inii  WahrSL-hein- 
litlikcit  nur  behaupten,  dass  sie  drei  mächtige  Götter  und  eine  G^'ittin  ver- 
ehrt haben:  eine  alte  I.tc-ht-  oder  Himmelsgotthcit  'Tiuuis.  die  \-ieJleirhi  schon 
2Um  Kriegsgotte  ge*vrden  war.  einen  Ge»  ittergoit  *  Tkomtras,  \-iclleidit 
einen  Wind-  und  Totengint  Wüt/anai  und  die  Erdg<'Utin  Fri/a.  Besonders 
scheint  dem  ersteren,  dem  "Tiwaz.  eine  Reihe  Attribute  beigelegt  worden 
zu  sein,  die  sich  bei  den  einzelnen  germani»ichen  Stimmen  vom  Namen  des 
Gottes  loslösten  und  al**  hcsundere  gütilirhe  Gestalten  herausbildeten.  Aus  dem 
Namen  lasst  sich  ibe  Thaiigkeit  des  Gottes  erkennen,  die  zuui  Attribut  die 
Veranlassung  gab;  sonst  entftickeltc  aidi  die  Uwgctrennte  Gottheit  li>kal,  d.  L 
im  Kult  verbände,  zum  höchsten  gülllidirn  Wesen,  bei  di-m  tiameuUidi  die 
Seiten  der  WirLsamkcit  au-sgebildd  wunleii.  deren  der  Ainphikiyoncnverband 
m  seiner  materiellen  Kxistenz  besonders  beilurfte:  die  lintwirklung  des  Kultes 
tind  Mythus  ging  jederzeit  mit  den  menschlichen  Interessen  Hand  in  Hand. 
Werm  ich  im  Voriiegenden  gleichwohl  nicht  eine  Glaubenslehre  der  einzelnen 
Stimme  zu  getten  gedenke,  so  bestimmt  mich  dazu  die  Erwägung,  dass 
durch  eine  solche  einzelne  Gottheiten,  die  sich  hei  mehreren  Stämmen  eniftickelt 
habt-n  oder  von  einem  Stamme  zum  andern  gewandert  sind,  zerrissen  wilrden, 
und  dass  vt  allem  der  Volksglaube,  der  sich  namenUich  in  Sagen  und  im 
Aberglauben  offenhart,  in  seinen  Gmndzflgcn  sicher  einer  proeihnisclien  Pe- 
ii<«lc  angehört  luid  demnach  allen  Germanen  geroeinsam  ist.  Dieser  alte 
Glaube  an  seelische  Geister  und  Uamimen  mag  einst  ReligiMn  gewesen  sein,  die 
durch  das  Aufkommen  einer  neuen  zurfl(  kgedrringt  wurde.  <iie  aber  im  Vulke  in 
,  Alter    Frische  fortlebte  und  sieb  teilweise  mit  der  neuen   Religion  vennischte. 

'  Üb«  den  Verkehr  der  alten  XordlÜmler  mit  dem  Westen  veigl.  WorsaKC, 
£Ue  Dän^n  unii  ,\'tfrdmtfmur  in  Engtand,  Sckottiand  und  Irland.  Dt-ut«cb  voa 
MdMaer.  Lcipz.  1852;  K.  Maurer,  Dit  A-i-^Amn^f  dfs  nor-a'rgiichrn  Stam- 
mes ntm  Chriitfnlume.  z  Bde.  Manchen  iSjj/jö;  der»,  lüand  von  tfiner  rrsttn 
Entdffkttng  bis  :tiw  Cntfrgangf  ifr/  Fn-islonli,  S.  24  ff,;  Sar».  Väsigl  oi'er 
dfH  norfir  Hi%t*>rie.  Der!  I.  (j.  lldg.)  Christ.  1877;  Strenstrup,  ,V<irw<7«- 
nftne,  4.  Bd.  Kbh.  I876— 82.  (Hnupiw»Tk);  Mo^k,  Kfiti-n  und  .Vitrd^ermawn 
im  y.  und  m.  Jnhrhundf.  Lp«.  1896;  Jorgeii^vn,  /V/i  nordute  K'rbes  Grund* 
i^fgrüe  og  /yriiiT  Cdvitiing  Klil),  TR74 — 78;  T;tranger,  Hrn  angrUaktüibe 
Kirkrj  Imtßydfltr  paa  dm  nortte.    KrisL    189O. 


KAPITEL   V. 

DER  SEELENGLAUBE  DER  ALTE.V  GERMANEN. 

Tylor,  An/'tngf  drr  Kultur;  Gloi^au.  Das  l'orsladium  und  dir  Anfängt 
dt-r  Phstaephit.  Kivl  und  Lcip/.  1895;  Spencer,  Primipia  0/  Sotiotagy.  2  Bde. 
London  1876—79;  Lang,  .l/rfh,  Jtitual and  Retigiou.  z  Bil.  i^->nA.  1884;  Cuitom 
und  MytA.  Lond.  1885;  Ro'hdc.  P^cfif:  M.  Müller.  Anthrepdi>giictu  fifli. 
gi^n;  Bastinn,  Dit  l't-rfiletbHngjortf  dtr  <Ag^$ehifdfHfn  Sttlt;  CaJind,  Olf^r 
T9tmv<r<hrung  tu-t  tinigfn  der  tndcgi-rm.  I'^lttr,  .iVmstcrd.  1888;  dcrs.  AU- 
mdiTftu'r  Alinentutl.  Leiden  1893;  H.  Hildclirand,  J-'-tikt-ni  Tro  om  sitta  Dtfda. 
Stodth.  1874;  O.  Slorm,  l't^rr  Farftrdm  Tro  paa  Sj/rttfandring-  Ark.f.a.FiL 
IX.  199  fl.;  vrir  .\inir«,  Tterstrafm  und  Tierprocrtif.  IfiiiülinKli  189I;  A,  Leb- 
mitDn,    fhfriro  at;    Troltideru  4   d.    Ktih,    l8')j  — 96, 

^  18.  Die  verschiedenen  Schichten  übersinnlicher  Vorstellun- 
gen. »Die  erste  und  her\'onagendste  unter  den  Ursaclien,  welche  die  Thal- 
sachen  der  alltäglichen  Erfahrung  zu  Mythen  tunbtlden,   ist  der  Glaube  an 


2y> 


XI.  Mythologie. 


das  Belebtscin  der  ganzen  Natur,  cl«;r  in  seiner  hörhsten  Fonn  zur  Persnm- 
fikation  ^jeUmfji-  (Tvli>r,  Anfange  der  Kultur  I.  281).  Überall  erkennt  der 
nutUrticlie  Menach  in  den  Erecheinungcn  der  Natur  hCiberc  Wcseu,  denen 
gegenüber  er  selbst  machtlos  dasteht,  oder  die  wenigstens  Gewalt  Olwrihn  haben 
ikIct  Eigen sthaftL-n  an  den  Taji  legen,  die  er  selbst  nii-ht  besitzt.  Er  kann  sich 
diese  Wesen  nicht  anders  vorslellcn  als  Wesen  mit  Gestalt,  die  er  selbst  kennt,  als 
Tiere  oder  als  Menschen.  So  entstanden  die  mythischen  Gebilde  der  Dämonen 
Ob  der  Ohnmacht,  die  er  diesem  Geschöpfe  der  Phantasie  gegenüber  einsieht, 
fühlt  er  siLh  j^ezwungen,  durch  Spemle,  Speise  und  Trank,  wie  er  es  sellist  lieht, 
den  Dilmon  sich  geneigt  «tu  machen  oder  ihn  zu  versi""hnen,  ihn  um  seinen 
Bei-siand,  .sein  \V\>hlwiillen  zu  bitten.  So  entstehen  Opfer  und  Gebet,  der 
erste  Kult,  der  ebenso  alt  ist  wie  das  älteste  mythische  Gebilde.  Xebon  der 
Natur  wirken  aber  auch  die  Erfahrungen  Jm  Leben  auf  den  natürlichen 
Menschen  und  veranlassen  ihn  zu  mythischem  Uenken.  Es  ist  eine  anerkannte 
Thatsache,  dass  alle  Völker  in  der  Kindheit  ihrer  Entwicklung  an  ein  Fort- 
leben der  Seele  in  der  Natur  glauben.  Der  Tod  mag  es  in  erster  Linie  g^ 
wesen  .sein,  der  zu  solchem  mvtliischen  Denken  angeregt  hat.  Der  Über- 
lebende fühlte,  da.ss  etwa.s  aus  dem  tuten  KOrper  gewichen  war,  was  in  ihm 
noch  fortlebte,  was  er  aber  auch  in  der  Natur,  die  ihn  umgab,  in  den  Ele- 
menten wiederzufinden  (ilaubie.  Schon  frühzeitig  muss  er  die  Seele,  das  Leben. 
mit  der  bewegten  Luft,  dem  Winde,  in  Zusammenhang  gebracht  haben: 
beides  erkannte  er,  und  doch  konnte  er  es  nicht  sehen.  Die  Seele  konnte 
wieder  menschliche  Gestalt  annehmen,  eine  Gestalt,  die  dem  Lebenden  bald 
sichtbar,  bald  unsiclitbar  war.  So  brachte  er  Seele  und  Lelien  in  iler  Natur 
in  engsten  Zusammenhang:  erstcre  schien  ilun  in  den  Elementen  fortzuleben, 
sie  hauste  in  der  Erde  und  der  Luft,  in  den  Bergen,  in  Gewösscm  und  Wäldern. 
Allein  nicht  nur  im  Tode  vcrliess  die  Seele  den  Kr.r|]er,  sondern  auch  im 
Schlafe,  und  ging  dann  wandelnd  bald  in  dieser,  bald  in  jener  Geseilt  umher. 
Der  Traum,  in  dem  der  Mitmensch  bald  als  Feind,  bald  als  Freund  erschien, 
musste  den  Men.s*:hen  in  .seiner  Auffassung  bestJirken.  So  entstand  denn  der 
Seelenglaube,  so  entstand  der  natürliche  Drang,  den  Abgeschiedenen  am  Essen 
und  Trinken  teilnehmen  zu  lassen,  der  Toienkult.  Das  grosse  Kapitel  des 
Vf  >Ik*^']aubens  hat  zum  grossen  Teile  in  diesem  VnrsteHungsk reise  seine  Wurzel. 

Man  hat  Seelenglauben  und  Diiinfiuenglauben  in  i;in  gewisses  zeitliches  Vcr- 
h.'iltnis  zu  einander  gebracht,  indem  man  jenen  für  das  altere,  diesen  für  das 
spätere  ;msah  (E  H.  Meyer}.  Allein  das  liLsst  sich  nicht  beweisen;  «-ir 
babcn  nur  mit  der  Thatsachc  zu  rcdiuen,  dass  beide  Schichten  der  mythischen 
Vorstellungen  bei  den  Germanen  vorhandwi  waren.  Dazu  kann  man  «ift  gar 
nicht  entscheitlen,  tib  das  mythische  Gebilde  aus  lietn  Seeleiiglaubeii  oder  dem 
Damunenglauben  her\-nrgegangen  ist;  beide  gehen  nur  zu  oft  ineinander  über. 
Nur  aus  priiktischon  Gründr-n  wird  hier  der  Seelenglaube  zuerst  behandelt, 
d.  h.  die  mythischen  Vorstellungen  unserer  Vorfahren,  bei  denen  sich  noch 
ein  innerer  Zusaninnenhang  zuisrhen  der  Seele  des  Menschen  und  dem 
mythischen  Gebilde  erweisen  liisst.  Pers<.]nifikaü(>neu  der  Naturgewalten  und 
Naturerscheinungen  gehören  zu  den  Dilmonen. 

Neben  dem  Glauben  an  Seek-n  und  Dämonen  haben  aber  auch  die  Germanen 
einen  Glauben  an  höhere  Gottheiten  besessen,  vor  allem  haben  sie  einen  milch- 
tigcn  Himmelsgott  verehii.  Es  mögen  in  einzelnen  Gegenden  Dflmoner  durch 
Verehrung  und  Kult  zu  höheren  persönlichen  Golthrilcn  gewachsen  .sciii, 
die  dann  über  ein  gr<^sseres  Gebiet  herrschten,  als  der  Kreis  in  sich  sfhliesst, 
aus  dem  sie  hervorgegangen  sind,  nirgends  aber  finden  sicli  DOinunen  des 
Himmel-s  der  Sonne,  der  müttcriiclicn  Erde.     Die  Erliabenheil  des  Himmels 


I 


Seelekoladbe  ükd  Totenkult. 


25« 


tin<I  der  S'innc  hat  den  dCTikencIen  Meiischeii  schon  früh  an  ein  mächtiges 
Wesen  glauLH.-ii  lassen,  tlas  auf  seine  Ge^hicke  einwirkt,  das  über  den  Ge- 
walten der  Natur  steht,  und  das  deshalb  hestintlere  Verrhning  vertlient.  Es 
kann  nicht  neleugiicl  werden,  dass  tliesc  Vorstellung  SLlum  einen  höheren 
Grad  menst-hli<-her  Einsiehl  vt-rhngt  und  deshaUt  in  der  Geschichte  des 
Ghiubens  janj;er  als  Seelen-  und  Diimonenglaube  ist,  allein  dies  kommt  fOr 
die  deutsche  r>Iaul>en^e»chiclitc  wcnijicr  in  Betracht;  hier  gilt  die  Thal- 
sache, dass  die  Germanen  aus  ihrer  Heimat  die  Verehrung  eines  persön- 
lich gedachten  G<.)ttcä  des  Himmels  mitbrachten.  Als  Herr  über  die  ver- 
schiedenen Erscheinungen  in  der  Natur  führte  er  verschiedene  Beinamen, 
aus  denen  sich  besondere  Gollheitcii  entwickelten,  die  sich  wieder  teilweise 
mit  den  Dämonen  berühnen.  An  diese  Gottheiten  hat  sich  dann  haupt- 
SÄchlifh  der  gemeinsame  Kult  im  Gauverbande  geknüpft,  sie  sind  besondere 
die  Wurzeln  der  Religion  und  der  rdigiOscn  Dichtung. 

§  IQ.  Nach  den  Fuinchungen  Tylors,  Spencers  u.  a.  darf  als  eniiesen 
angesehen  werden,  dass  fast  alle  Vnlker  den  Glauben  an  ein  Furtleben  der 
Seele  haben.  Auch  die  alten  Germanen  haben  ihn  gehabt,  und  zwar  wurzelt 
er  bei  ihnen  so  fest,  dass  er  sich  trou  aller  Kulluranstümie  bis  heute  er- 
halten hat;  in  Sitte  und  Rcciit,  in  Brauch  und  Aberglauben  finden  wir  noch. 
bei  allen  gennanischcn  Stämmen  die  Spuren  dieses  uralten  Glaubens. 

In  jedem  Menschen  lebte  neben  tlcm  Körper  n<A:h  ein  zweites  Ich.  das 
den  Körper  verlassen  kannte,  das  sich  im  Tode  von  ihm  trennte,  das  per- 
sönlich gedacht  wurde  und  infolge  dessen  auch  wieder  eine  dem  Menschen 
bekannte  Gestalt  annehmen  konnte.  Am  klarsten  drückt  dies  Verhältnis 
ztftischen  Körper  und  Seele  der  Noru-^^er  durch  seine  /t'^g/a  d.  b.  Folgerin 
aus.     Die  Seele  ist  die  Begleiterin  des  Menschen  auf  seinem  Lebenswege. 

Nach  dem  Tode  kehrt  sie  in  die  ewig  belebte  Natur  zurück.  Hier  setzt 
s.ie  ihr  irdisches  Leben  fort  oder  kommt  in  die  grossen  Scharen  der  Geister, 
ja  kann  sogar  wieder  geboren  werden.  Im  Winde  merkt  man  ilir  Fortleben: 
dieser  besteht  aus  dem  Scelenhcere,  das  meist  aus  Bergen  kommt  und  in  die 
Berge  zurückkehrt.  .-Vllein  niclil  jode  Seele  wird  unmittelbar  nach  ihrem 
Tode  in  die  gros.se  Schar  der  Geisler  aufgenf»mnien,  manche  irrt  unstet  um- 
her und  sucht  sich  immer  wieder  mit  ihrem  Ki"'qier  in  Veriiindung  zu  setzen. 
Sie  ers».lieinl  u\  ihrer  vollen  Persönlichkeit  den  Lebende»  als  Wiedergünger 
(Gespenst)  namentlich  in  der  Nahi- des  Orte-s  wo  ilir  Körper  l>eerdigt  liegt,  imd 
sucht  ihnen  zu  schaden,  Daher  ist  es  heilige  Pflicht,  alles  zu  ihun.  was  der  Seele 
ihre  Ruhe  geben  kann.  Oft  nimmt  sie  Tiergestalt  an,  woraus  sich  die  vielen 
Tierprozessc  des  Mittelalters  erklaren,  denn  Tierprozesse  sind  Gespejister- 
I)n>zesse  (v.  .\mira,  Mitleil.  ^les  IttstiL  f.  östr.  GeschiclilsfunM.lmng  XH.  .549). 
Als  pereönliches  Wesen  hat  atier  auch  die  Stiele  nach  <lem  Tode  mensch- 
liche Bedürfnisse:  sie  verlangt  Speise  und  Trank  und  erhalt  beiites  von  den 
Cbcricbcnden,  sie  nimmt  Teil  an  dem  Lcicheuschmause,  der  ihr  zu  Ehren 
gehalten  winl.  sie  erhalt  Opfer  auf  Bergen,  in  Flüssen,  an  Quellen,  ini  Walde, 
kurz  ülterall,  wo  die  Geisterscharen  zu  verweilen  scheinen.  Das  Ist  uralte  Auf- 
faiv.<nmg  unserer  Vorfahren,  die  wir  in  den  alten  Quellen  auf  Schritt  und 
Tritt  verfolgen  können. 

Eine  der  ältesten  Sitten  aller  germanischen  Stämme  ist  es,  dein  Toten  in 
Minen  Hl^rt  daüjenige  mitzugeben,  was  ihm  im  I^ben  teuer  und  wert  ge- 
wesen ist.  was  er  hier  zu  seinein  Leben  gebraucht  hat.  Jahrtausende  Ober 
die  schriftlichen  Quelk-n  gcnnanischer  Sitte  hinaus  gehen  die  Funde,  die  aus 
der  Erde  ausgegnben  sind,  die  Mummen,  aber  ireucsten  i^eugen  der  Sitte  und 
dm   mit  ihr   verknüpften   Gbubens.     Schon  aus  der  Steinzeit  findet   man 


252 


XI.  M^TMOLoarE. 


Wiiffen,  Handwerksreuge.  Schmvicksachen  in  den  Gräbern  (Monlclius,  Die 
Kultur  Schwedens  in  vorchrisltichcr  Zell  S.  34,  Wursaae,  Vorgeschichte  des 
Nofflens  S.  38  ff.;  S.  MOlltr,  Vor  Oldtid  S.  1.^2  ff.;  E.  Cartailhac,  L'fige  de 
pierre  dans  les  souvenii's  et  supemitions  pupulaircs);  die  folgenden  Zeitalter 
.setzen  die  alte  Sitte  fort;  Trinkhiimer.  Würfel,  Glasbechcr  11.  s.  w,  treten  zu 
den  frisieren  GegcnstSnricn ,  und  :ils  der  nurdische  Wiking  als  Scekönig 
den  Ozean  auf  seinen  Barken  durehfurclite,  da  bedmfte  t-r  des  Sehiffes  aucli 
■noch  nach  dem  Tode.  Die  Funde  von  Tune  und  Gi-kstatl  in  Norwegen, 
wo  sicli  in  niärhtigcn,  über  zwanzig  Meter  langen  Schiffen  neben  dem  mit 
fOrsiliclier  Pracht  umgebenen  Häuptlinge  Sklavcngebcine,  Pferde-,  Himde-, 
Falkenskelette  erhallen  haben  {Munteüas  a.  a.  O,  173  ff.;  Worsaae  a.  a.  Ü. 
S.  58 ff.,  73  ff.;  121  ff.;  S.  Müller  a.  a.  O.  S.  3i3ff.;  H.  Petersen.  Aarb.  1890, 
S.  209  ff.;  Neergard,  ebd.  i8q2  S.  321  ff.;  H.  Hildehrand,  Fi.lkenfi  Tro  om 
sina  Döda  S.  52  ff..  107  ff.;  Moniclias.  Sveiuska  Fornrainnesfür.  Tidskr.  VL 
S.  149  ff.),  sprechen  für  die  F-chtheit  der  spateren  Quellen,  die  gleiches 
berichten  (vgl.  Knlund,  Aarboger  für  nord.  Oldkynd.  1870  S.  3^9  ff.;  Friizner, 
Nf-rsk  hisL  Tidskr.  IV'.  20(1  ff.,  Th'imscn,  Ursprung  des  russ.  Staates  S.  32  ff.). 
Und  solch  alte  Sitte  hat  si*  h  bis  zur  G^^nwart  erhalten.  Nuch  in  diesem 
Jalirhunderle  legi  miui  in  Scliwi-<len  den  Toten  Tabak-spfeifen.  Handmesser, 
ja  seilst  die  gcföllte  Branntwein flasche  in  den  Sarg  {Weinhnld,  Altnnrd.  Leben 
S.  .(03).  Wie  im  skandinavischen  Norden,  sn  hl  es  auch  in  Deutschland. 
Die  Graberfunde  bestätigen  auch  hier  die  Thalsache,  tiass  man  dem  Toten  in 
das  Grab  gab.  was  er  wahrend  de.*;  l^liens  gebraucht  bntie  (I.inden^chmir.  H.ind- 
buch  der  deutschen  AUerliuuikunde,  an  \  ielen  Slellen ;  Weinlmkl,  Die  heid- 
nische Tulcnbeslattung  in  Deutschland.  Sitzungsbcr.  der  Wiener  Akademie 
der  Wiss.  1858.  117  ff.  bcs,  20.1.  1859,  171  ff.  bes.  208).  Auch  hier  hat 
sich  bis  heute  allüberall  noch  die  Sitte  erhalten;  sie  lüssi  sich  durch  die 
Jahrhunderte  verfolgen,  sie  ist  gewandelt  mit  der  Kultur  des  Volkes  und  bat 
deren  tiewand  angezog<*n,  bis  man  endlich  so  weil  gekomnum  i-«,  dem  Toten 
Kegenschinn  und  Gummischuhe  mit  ins  Grab  zu  geben  (Krvhler,  Volksbrauch 
u.  s.  w.  im  Voigtland,  S.  ^i).  Ein  Unterschied  zwischen  dem  Brennaller 
•und  dem  Högelaltcr  lüsst  sich  bei  die^ser  ,Sitte  nirgends  wahniehnien  (Wein- 
hold,  Toienbcstallung  1858.  202  ff.).  In  nichts  anderem  kann  diese  fesl- 
gew-urzelte  Sitte  ihren  Unspning  haben  als  in  ilem  Glauhttu,  dass  nach  dera  Tode 
das  zweite  Ich  des  Menschen  n<»ch  fortlebe  und  zwar  ein  Leben,  das  ähnlich 
dem  Leben  im  Kilrper  ist:  die  Seele  wird  als  iiersCinliches  Wesen  gedactit. 
Hieraus  erklärt  sich  weiter  die  weitverbreitete  Sitle,  da^s  man  sofort  nat'h 
eingetretenem  Tode  Fenster  und  Tbüren  Tiffnen  muss,  damit  die  Seele  hinaus- 
fliegen könne.  Man  siQrzt  Ti'ipfe.  Bänke  und  Stühle  um.  das«  sie  ja  nicht 
hangen  oder  sitzen  bleibe  (Wuttkc,  .Mierglaube  §  725).  Sie  kann  auch  mit- 
nelunen,  was  itir  beliebt.  Deshalb  pflegt  man  in  ganz  Mittet-  und  Nord- 
deutschland den  Tieren,  den  Bäumen  des  Gartens,  dem  Gelreide  in  ScJieune 
und  auf  Biiden  den  Tixl  des  Hausherrn  oft  unter  feierlichen  Ceremoiüen 
anzuzeigen  und  die  Gegenstände  zu  bitten,  cbss  sie  zu  dem  neuen  Hern» 
halten  möchten  (Wutike  §  727).  Da  die  SceU-  l'rrsönlicbkrii  hat,  so  kann 
sie  natürlich  auch  wieder  geruft-n  werden,  .sie  kann  ers^'b einen.  Toten- 
beschwfirung  ist  über  ganz  Deutschland  verbreitet»  Geisterbanncr  finden  sich 
übeiall  (Wuttke  §  773  ff,).  In  Deutschland  können  wir  den  Brauch  aus. 
alter  Zeit  nicht  l>elcgen,  in  den  altnordL^cben  Quellen  dagegen  findet  er  sieh 
oft:  I  Jrtirjn  beschwön  dieV(;>b'«.  damit  sie  ihm  die  Traume  Baldrs  deule(Baldrs 
Drauuiar  3),  Freyja  weckt  die  V^lva  Hyndla.  um  mit  ihr  nach  Valh^H  zu  reiten 
(H^^iidlulj.  i]  u.  a.      Der   Mangel  an   alteren   deutschen  Quellen  bcrecht^ 


SEEt-ENGLAUBE   ÜXD   ToTENKULT. 


^53 


^ 


W 


nicht,  gleiche  Auffassung  für  eine  frühere  i^eil  auch  in  Deutschland  in  Ab- 
rede zu  .stellen.  Der  Tote  k.inn  natOrtich  auch  dann  sprechen  und  handeln. 
So  cikJart  CS  sich,  dasü  iinn  bisweilen  sogar  ücr  Pruzess  gcniucht  wurde 
(v.  Amira,  Tierstrafen;  K.  Maurer,  SitzutigKbrr.  d.  MOiicJiener  Akad.  der 
Wiss.  iSiy).  I  ff.).  Speise  verlangt  er.  wie  jtxler  lebende  Mensch.  Die  noch 
heute  üblichen  Lcichenschmausc,  an  denen  uusii  hthar  auch  der  Tute  Teil 
nimmt  (Wullke  S  740.  747).  waren  uns  unverstandlich,  fflhrtcn  nicht  alte 
Quellen  zu  dem,  was  heute  vergessen  ist.  Wiederum  haben  die  Graber* 
hmde,  in  Deutarhland  wie  in  Skandinavien,  gezeigt,  dass  man  dem  Toten 
Speise  und  Trank  mit  ins  Gral»  gab,  dass  man  auf  seinem  Hilgcl  Steine  mit 
Vertiefungen  anbrichtc,  in  die  man  aller  Wahrscheinlidikeit  nach  Spenden 
goss.  die  für  den  Tüten  bestimmt  waren ;  es  sin<l  dies  die  sogenannten 
Opfei^cine  ^Ruchholz,  Deutscher  Glaube  und  Braucli  I,  303  ff.;  Munleliu» 
a.  a.  O.  S.  35).  Nordische  Quellen  leiten  von  diesem  Brauch  zum  Ver- 
ständnis der  neueren  Sitte  hinilber:  sie  erzählen  uns,  uie  noch  in  christ^ 
lieber  Zeit  tlie  Toten  bei  ihrem  Lcichcrwchmaiise  {erfi^i  il.  i.  erbbier)  er- 
schienen seien  und  an  dir-sem  Teil  genommen  hatten  (Gudn'inarhv,  ft, 
vcrgl.  dazu  Ed.  AM.  II,  957***,  Evrbygjya  S.  loo).  Auch  bei  den  Sachsen 
wurde  das  Totenopfer,  das  ^sacriiegium  ad  stpulchra  moriuorum*-  (Indic 
superst.  Nr.  i),  verhüten,  und  üurchard  von  Worms  eifert  noch  um  das  Jahr 
1000  gegen  dfc  »obiattones,  ifiiae  in  quibiisiinm  lixts  ad  se/michrn  moriuomm 
iSu/i/-  ^^iy^h.  lll,  407.  vgl.  auch  Wt-inhold.  Totenhe^kittung  1858.  S.  204). 
Das  Mahl  wurde  von  Harn  aus  der  Seele  des  Verstorbenen  gebracliL  Je 
zahlreicher  aber  nach  altgermanischcr  Sitte  ein  Mahl  be.sucht  war,  umsomehr 
Ehre  brachte  es  dem,  dem  es  galt.  Islandische  Quellen  erzilhlen  uns  von 
Leichcnschmüuscn,  an  denen  1000,  ja  gegen  1500  Mann  Teil  ntilmicn 
(Laxd.  cap.  27),  und  in  der  Oberpfalz  hcisst  es  noch  heute:  »je  mehr  lieim 
Leichenschmaus  getrunken  wird,  desto  besser,  denn  es  fci>mmt  dem  Toten 
zu  Gute«  (Bavaria  II,  324).  Bringt  der  Überlebende  die  Spende  dan  Tuten 
nicht,  so  rächt  sich  dieser.  Nur  von  dieser  Annahme  aus  erklart  sich  die 
Bestimmung  der  ags.  Bussordnungen  über  die  Kömerspende  »pru  saluie 
vivtn/ium  ei  domus*   (Wasscrschlcbeti  S.   17,1). 

Wahrend  iler  Leib  noch  im  Hause  liegt,  weilt  aucli  die  Seele  in  der  Nahe 
desselben.  Man  ^icht  ^ie  nicht,  aber  man  fühlt  ilire  Nähe;  sie  offenbart 
skji  auch  tletn  Menschen  und  laüst  in  allerlei  Anzeigen  die  Zukunft  er- 
kennen (Wuttke,  §  liß  ff.).  Auch  gegen  solchen  Glauben  streitet  schon 
Burchaid  von  Worms  (Myth.  III,  408).  überhaupt  besitzt  die  vom  Körper 
getrennte  Seele  weissagende  Kraft,  und  zwar  hat  sie  diese  sowohl  nach  dem 
Tode  als  auch  im  Traume  (Strackerjan,  Aberglaube  und  Sagen  aus  Oldenburg 
n,  I  ly,  Henzen,  Ober  die  Traume  im  Altnordischen  5g  f.,  Fritaier,  Norsk  hisL 
Tidsskr.  IV,  172  ff.).  Die  alten  Kirchengesel ze  eifern  dagegen,  Geister  und 
Gespenster  zu  fragen.  Diese  Befr^gimg  lasst  sich  bei  allen  Nalurvütkern  beob- 
achten (Tylor.  Anfange  der  Kullurl.  43(>.  II,  2T,  u.  "ift.,  Ri.hde,  Psyche  313  f-,  348). 
Nicht  alle  jwlocli  »rheiacn  die  Stinuue  der  Toten  zu  vernehmen;  Sunntags- 
kinder  sind  es  besonders  in  der  Volkssagc.  Durch  Lieder  scheint  man  die 
gefluhene  Seele  haben  zwingen  können,  die  Zukunft  zu  offenbaren.  Wenig- 
stens vermag  ich  il:is  dadsisas  des  Ind.  super^t.  (»de  sacrilegio  super  deftuiclos 
id  est  datisistis  Nr.  2)  nicht  andere  zu  erklaren.  Offenbar  decken  .sich  diese 
Lieder  ruit  den  carmimbta  dtabolieis  t/tti  snpnt  moriuum  nodumis  horis  caif 
tantur  (Burchard  von  Worms,  Myth.  III,  405).  Das  Wort  dadsisas  oder 
mwä  (Graff.  Alid.  Spr.  VI,  281)  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklart:  waren 
ei  einfache  Totcnklagclieder.  Lcichengesangc  (Schade,  Ahd.  Wortb.  II,  768. 


^54 


XI.  Mythologie. 


Gramm.  II,  183),  vielleicht  ähnlich  dem  altnord.  erfikvaäi  oder  der  erfidrdpa, 
so  wäre  es  unverständlich,  weshalb  die  christliche  Kirche  so  gegen  diese  Lieder 
geeifert  hailtr.  wt-shalb  sie  farmtmi  liiaboiica  genannt,  weshalb  sie  zu  nächt- 
licher Weile  gesungen  worden  wären.  Vielmehr  scheinen  es  Liwicr  gewesen 
zu  sein,  wie  die  heUirüna,  hcUiritn  (Graft.  Ahd.  Spr.  II,  525)  oder  die  dohot- 
{dol)ttwa.  durch  die  man  die  Seele  nfttigte,  dem  Freunde  Glück  und  dem 
Feinde  Schaden  zu  bringen,  uder  Lieder,  durch  die  man  die  Seele  zwang, 
die  Zukunft  zu  offenbaren  (vgl,  dazu  Henning,  Die  deutschen  Runcndenk- 
maler  S.  77.  —  K«:%e].  Gesch.  der  deutschen  Literatur  I.  50  ff.,  versteht 
darunter  Zaubcrlicder,  durch  die  man  den  Geist  des  Verstorbenen  *-c%- 
bannte,  eine  Anschauung,  die  sicli  nicht  mit  <lem  Seclcnghiub«)  der  Ger- 
manen vereinen  lässt).  In  letzterem  Falle  hatten  wir  in  den  varäfaMur  der 
Nordländer,  den  Geisterlockliedem,  mit  deren  Mülfe  die  Volven  die  seelischen 
Geister  zur  Offenbarung  der  Zukunft  riefen,  ein  ganz  analoges  Beispiel 
(Maurer,  Bekehrung  I,  .545  ff.). 

§  20.  Hat  die  Seele  den  Körper  verlassen,  so  wird  sie  bald  körperlos  gedacht, 
bald  aber  —  und  zwar  in  den  meisten  Fällen  —  nimmt  sie  einen  neuen  Köqjer 
an  oder  kehn  zeitweise  in  den  veriassenen  Körper  zurück.  In  jenem  Falle  gelangt 
sie  zu  den  Scharen  der  Geister,  die  unsichtbar  die  Luft  durchziehen  oder  die 
als  Flammen  auf  den  Gräbern  weilen  und  die  Menschen  in  die  Irre  führen,  in 
diesem  erscheint  sie  als  Gespenst,  als  W'iedergänger,  als  Malire,  Trudc,  Alp, 
Hexe,  Bilnis,  Walk\Tc  und  in  mancherlei  anderen  Gestalten,  oder  auch  als  Zwerg, 
Wicht,   Elfe  und  bildete  in  diesen  Wesen  den  Übergang  zu  den  Dämonen. 

Die  Seele  verlüsst  den  Küqjer  als  Hauch,  aU  Atemzug.  Atem  ist  sprach- 
Kch  »Seele,  GeLtts.  Dann  schwebt  sie  nach  dem  Tode  in  der  Luflrcgion 
umher,  behalt  jedoth  ihre  individuelle  ExLslenz  noch  bei.  Anfänglich  hak  sie 
sich  in  der  Nahe  dt-s  toten  Kur^iers  auf,  sie  begleitet  ihn  selbst  zu  Grabe 
(Knopp,  Sagen  aus  Hintcrjiommpm  165).  Man  verschlicsst  deshalb  die  "thttrcn 
und  Fenster,  dass  sie  nicht  in  das  Zimmer  zurflckkchre.  in  dem  der  Tote 
liegt.  Daher  muss  man  den  tuten  Körper  so  schnell  als  nVVglich  unter  die 
Erde  bringen.  Nur  seilen  blieb  bei  unseren  Vorfahren  derselbe  wahrend  der 
Nacht  im  Hause  lAVeinhi-ld.  Atütord.  Leben  476}.  Weit  verbreitet  ist  auch 
die  Sitte,  sowohl  im  Norden  als  in  Deutschland.  —  und  dort  sdion  aus  alter 
Zeit  belegt  — ,  dass  marr  bei  dem  Tode  böswilliger  oder  Obt?l  beleumun- 
deter Menschen  im  Hause  an  der  der  Hauithüre  entgegengesetzten  Seite 
ein  Stück  Mauci  niwlcrlegt,  wo  man  die  Leiche  hindurchzieht,  und 
dann  dies  schnell  wieder  zumauert,  damit  die  Seele-,  falls  sie  zurückkehre, 
keinen  Ei]iguny  ins  Haus  finde.  Wird  so  die  Seele  als  ein  den  Körper 
überlebendes  Wesen  gedacht,  so  ist  sie  doch  durchaus  nicht  ewig.  Die 
alten  Nordlander  liaben  eine  reiche  Anzahl  Erzählungen  von  Spukgeistern 
Venslorhcner.  die  den  Nachbarn  ihrer  inÜ.-icben  Hcim.'^tatte  Unglück  zu- 
fügten. Dem  Geiste  wird  in  fast  allen  Fallen  das  Handwerk  nur  dadurch 
gelegt,  dass  man  den  Leichnam  des  Verstorbenen,  der  sich  in  der  Regel 
noch  unversehi-t  erliaUcn  hat,  ausgrabt  und  ihm  das  Haupt  abschlagt  und 
verbretmt  (Maurer.  Bekelirung  II,  85  ff.).  Denn  der  K<.ipf  ist  der  Sitz  der 
Seele,  woraus  sich  die  Sitte  erklart,  dass  man  den  Kopf  eines  Tuten  auf- 
hob, um  von  ihm  die  Zukunft  zu  erfuhren.  Wie  tief  dieser  Glaube  an 
das  Fortleben  der  Seele  Murzeit,  zeigen  die  altschM'odisclien  Satzungen, 
nach  denen  die  Selbstmörder  verbrannt  werden  masslen.  damit  sie  nicht 
nach  dem  Tode  anderes,  ehrliches  Volk  plagten  (Hylttn-Cavallius,  Warend 
och  Wirdame  I,  -l.^O  f-  47-)-  Und  gleiches  hat  man  auch  mit  den  Körpern 
der  Spukgeistcr  in  Deutsdilaud  gcthaa  (Practorius,  Weltbeschreibung  S.  277  ff,). 


Seki^englaubs  und  Totknkclt. 


255 


I 


Wie  hH  fast  allen  VftlVem  findet  sich  auch  bei  den  germanischen  der 
engste  Ztu>ainmcnhang^  zwischen  Seele  und  Wind.  Was  Ucgl  auch  näher,  als 
die  als  Atem  deii  Kfiqwr  verlassenden  Seelen  sich  als  Wind  \'orzusteHen  ? 
Über  das  gesamte  germanische  Gebiet  sind  die  Sagen  vom  watenden  Heere 
oder  der  wilden  Jagd  verbreitet  (Myth.  11,  705  ff. ;  F.  Liebreclit.  I-a  Chasse 
auvagc-,  in  Gervasius  v.  Tilburi-  17,^  ff.;  Schwanz,  Der  heutige  Vnlksslaube). 
Oft  tritt  ein  Führer  oder  eine  Fübrerin  der  Sdiar  auf;  dann  hat  sich  der 
alte  Seclei^laube  mit  dem  Dflmoncn-  oder  Grttterglaul>en  \'crbundcn.  Wohl 
hat  der  alte  Mythus  mit  der  Zeit  andere  Gestalt  angennmmen,  namentlich 
hat  das  Chri^lcntum  die  Seelen  zu  Seelen  uiigctaufter  Kinder  gemacht,  aber 
aus  allem  bllrkl  nocU  (]<-r  alle  Kern  durch,  lüs  ins  12.  Jahrb.  hinauf  lILsal 
sidi  das  wütende  Heer  zurQck  verfolgen  (Myth.  II,  76b),  und  wie  klar  noch 
damals  die  Vorstellung  war,  dass  dieses  Heer  eben  ein  Geisterheer  sei, 
2eigt  die  Stelle  aus  dem  Gedichte  von  Heinrich  dem  Löwen:  i/a  gi'am 
*r  under  daz  tvödtn  her,  da  die  bösen  ffeii/er  ir  wottun^  hatt  (Massmann, 
JJenkm.  S.  133».  Weiter  berichtet  Agricila  in  seinen  Sprichwörtern  it>67), 
wie  das  wütende  Heer  durch  das  M*insfdder  l,and  gefahren  sei  und  wie 
man  in  ihm  erst  jüngst  verstorbene  Merxschen  wahrgenommen  hatte.  Prae- 
rius  erzahlt  uns,  «ie  sich  um  das  Grab  eines  Toten  tagelang  ein  Wirbelwind 
toben  habe  (Wchbeschr.  ^77).  Bekannt  ist  ja  die  schöne  Sage  von  dem 
[JnH  mit  dem  Thrtlnenk rüglein,  das  sich  nach  seinem  Tode  ebenfalls  in  der 
Schar  der  durcli  die  Luft  .sausenden  Geister  befand  (Witzel,  Sagen  aus 
Thilriiigen  I,  220).  tTberall  auf  Srhritt  und  Tritt  lAsst  sich  dieser  «igste 
Zusammen hatig  zwischen  Wind  und  Seele  verfolgen.  Und  %ie  im  Süden,  so 
auch  im  germanist^-hen  Norden.  Beim  Sturme  z.  B.  fährt  nach  non\*cgischem 
Volksglauben  rnnh  heute  die  Aasf^aardsrem  oder  Joiaskreid  durch  die  Luft, 
«ine Schar  gestorbener  Mens«  ht-n,  die  w.ihrend  des  Lebens  Trunkenbolde,  Rauf- 
bolde. Betrüger.  Verleumder  u.  dergl.  gewesen  sind  (Favc.  Norske  F'.ilkesiign  6^. 
Munch,  Anruil.  f.  nurd.  Oldk.  184b.  S.  312  ff.).  Schon  zeitig  müssen  in  dem 
Vorstellungskreise  unserer  Vorfahren  diese  Scharen  mit  dem  Tolengolle  oder  der 
Tolcngöttin,  mit  einem  Winddamon  in  Verbindung  gebracht  sein,  der  dann  die 
Führung  Über  diese  imsteien  Seelen  (ibemahm,  und  unter  solcher  Führung  finden 
sie  sich  in  der  Volkssage  ungleich  öfterer.  Von  Haus  aus  bt  der  Führer  schwer- 
lich da  gewesen.  Findet  sich  doch  neben  dem  geführten  Heere  in  allen 
gennanischen  Landern  noch  bis  heute  das  ftlhrerl<:ise  Heer  (E,  H.  Meyer, 
Germ.  Mythol.  S.  230  ff.).  Da  ist  nicht  der  alte  Führer  vergessen,  da  ist 
auch  nicht  dem  Geisterhecre  ein  Führer  aufzuzwingen;  wir  haben  in 
diesen  MyÜien  vielmehr  Überreste  einer  uralten  Schicht  des  Seelcnglaubcns, 
die  im  Vnlke  stets  neben  der  Auffa.ssung  von  dem  angeführten  Seelen- 
heere einhergegangen  ist.  In  diesen  Kreis  von  Mythen  gehören  auch  die  Sagen 
von  den  Schlachten,  die  in  der  Luft,  namentlich  über  Schlachtfeldern,  stattfinden 
O^ractorius.  >Ä'cItbeschreibung  i()D  ff,;  Schunwert,  Sagen  aus  der  Uberpfalz  II, 
i43ff.;  Meier,  Sagen  aus  S^hwabi-n  I.  1 2.^  u.  0,).  Die  Sagen  mögen  jimg  sein,  sie 
rai"igen  an  eine  hisii  irische  ThaL-^ache  anknüpfen,  allein  der  Vorstcltangskreis,  aus 
<lem  sie  hervorgegangen  sind,  ist  ein  unilter:  es  ist  die  Vorstellung  von  dem 
Fortleben  und  Forthandeln  der  dem  Kvirper  entwichenen  Seele.  Aber  auch 
in  der  Form  sind  diese  Sagen  selten  alt.  In  der  WUaugerzeit  fand  einst  ein 
Kampf  zwischen  einem  in  Irland  sesshafttn  Nonnannenkönige  Hygni  (Hagen) 
und  einem  anderen  Nomiannenbaupiling,  Hedin  (HclcJ)  statt,  weil  dieser 
jenem  seine  T'>chter  Hilde  entführt  hatte.  Auf  einer  der  Orkneye  Häcy  (vergl. 
Munch,  Anoal.  IÖ52,  S.  bl)  S"ll  er  nach  der  Snorra  Edda  (AM.  I,  434), 
deren  Verfasser  der  Ragnarsdräpa  drs  Skaklen  Bragi  (SnE.  I,  436  ff.)  folgte, 


256 


XI.  Mythologie. 


und  na<ii  einem  shetlflndischen  Volksliede  (K.  Hoffmann,  Sitiimgsberichte 
der  kgl.  bavT.  Akart.  der  Wiss.  1867,  11,  208),  auf  Hithinii  an  der  pommer- 
achtn  Küste  nach  Saxu  grammaticus  (ed.  MüDer  I,  240  ff.),  auf  einer  Insd 
der  Nordsee  narh  der  Gudrun  (Avent.  VUI  rvsp.  XVHl  stattgefunden  liaben. 
Die  norwegische  Quelle,  die  ins  q.  Jiüirli.  liinaufreiclit,  liat  zweifellus  den 
richtigen  Ort  bewahrt.  Der  Kampf  mu-ss  einer  der  bedeutendsten  der 
Wikingerkampfe  gewcsrn  sdn.  An  dic-scn  knüpfte  sirh  der  Mythus,  dass 
Hilde  jede  Nacht  die  T-iten  erwecke  und  &,iss  diese  hier  bis  zum  Untergänge  der 
Götter  fortkJlmpfen  müssten.  Das  ist  nichts  anderes,  als  der  alte  Myüius  vom 
Kampfe  der  Seelen  Gefallener,  wir  wir  ihn  in  Deutachland  finden»,  im  nor- 
dischen Gewände  an  einer  bciwmderen  Statte  lokalisiert  und  auf  historische 
Personen  übertragen  (vergl.  Mül[c-r.  MylhoIi.»gie  der  Heldensage  210  ff.). 
Nicht  weniger  und  nicht  mehr  vennag  idi  an  tliescm  Stoffe  als  Mythus  anzu- 
erkennen. Auch  die  euiheijar  der  nordischen  Dichtung,  die  vorzüglichsten 
aller  Kampfer,  wie  audi  Thor  als  «Vi/r»  bezeichnet  wird  (Lokas.  bo),  die  Men- 
sclien.  die  nach  dem  Tode  nach  Valhyll  kämmen  und  dort  taglich  zum  Kampfe 
ausziehe-n  und  abends  zu  h-ohem  Gelage  zurQrkkehren  (Vafpr.  40 ff,  (jrinin.  18, 
-3-  3^-  5''  SnE.  I,  84),  sind  die  fortlebenden  Seelen  Gefallener;  es  sind 
dichterische  Gestalten  der  nordischen  I'oesic,  zu  denen  der  Volksglaube  die 
Veranlassung  gegeben  hat:  sie  sind  in  Verbindung  mit  Odin  gebracht  als 
dem  Wind-,  Tuten-  und  Sdiladitengotte ;  die  Zeit  der  Wikingerzüge  hat  der 
achlichten  Volksphantasic  eine  höhere  Form  gegeben. 

%  2\.  Lebten  Sil  die  Seelen  nach  dem  Tode  im  Wind  und  Sturme  fort, 
indem  sie  die  Beschäftigung  dieses  Lebens  fortsetzten,  so  massie  auch  für  sie 
ein  Ort  <ler  Ruhe  dn  sein,  an  dem  sie  ausruhten,  wift  jeder  Lebende,  an  dem 
sie  airh  den  Freuden  ruliiger  Geselligkeit  hingaben,  an  dem  sie  waren,  wenn 
in  der  Natur  Windslille  herrschte.  \\'ir  finden  sie  auch  hier  wieder  Überall 
in  der  Natur.  Die  in  allen  germanisclien  Landern  bis  ins  Heideniura  hinauf 
überlieferten  Berichte  über  den  Quellen-,  Fluss-,  Baum-,  Bergkult  waren  uns 
uti  verstund  lieh,  wenn  wir  nicht  die  mythische  Belcbiuig  dieser  Dinge  an- 
nahmen. Da.»is  aber  diese  mythischen  Geschöpfe  die  Seelen  Verstorbener 
sind,  künnen  wir  wiederum  auf  Schritt  und  Tritt  verfolgen.  Aus  den  Bergen 
scheint  der  Wind  zu  koimnen,  unter  dem  Wasser  scheint  er  die  Wellen 
in  Bewegung  zu  setzen,  im  Walde  scheint  er  durch  das  Rauschen  der 
Blatter  sein  Dasein  kund  zu  geben.  Hier  weilen  daher  überall  die  Seelen, 
hier  ruhen  sie  aas,  hier  bringt  rmin  ihnen  Opfer  und  Spenden.  Ganz  be- 
-sonders  verbreitet  ist  das  Verv-eUen  des  Wmdes,  also  auch  der  Seelen,  la 
Bergen,  und  zwar  findet  sich  diese  Auffassung  Überall,  wo  wir  Berge  finden 
(Tvior,  Anfange  d.  Kult  11,  <>i).  In  DeuLscliland  müssen  wir  freilich,  wenn 
wir  von  dem  Kult  absehen,  den  Berichten  der  VolUs-sage  vertrauen,  die  sich 
aber  bis  ins  Mittelalter  hinein  verfolgen  lassen  (Mannhardt,  Garn.  Mythen. 
264  f.).  Die  Venus-  und  HoHenbcrge  sind  ca  besonders,  in  <lenen  die  Seelen. 
unter  dem  Regimente  der  Tutengöttin  hausen.  Hierher  werden  die  Mercsclien 
gdockt  und  kehren  nicht  wieder.  So  gehßrt  hierher  die  Sage  von  der  Lurlet, 
dem  Elbenfelsen  (Hildebrand,  Z.  f.  d.  L'nterr.  V,  435;  Hertz,  Sitzungsber. 
der  Münchciier  Akad.  der  Wls-scnsch.  1886.  I,  217  ff.),  femer  die  weit  ver- 
breitete Sage  vom  lockender  Spielmann  {Henne  Am  Rhyn,  Die  d<!Uische 
Volkssage  S.  91),  die  auch  im  Rattenfänger  von  Hameln  zum  Ausdruck 
kommt  (Jostcs,  Der  Rattenfänger  von  Hameln,  ist  der  mjthischen  Seite 
dieser  Sage  nicht  gerecht  geworden).  Ungleich  klarer  erzählen  nordische 
Sagen  Mytlien  von  Geistern,  die  äidi  in  Bergen  auflialtcn  und  hierher 
Lebende  zu  sich  rufen  und  holen.     Von  Flosi  erzählt  die  Njäla  (S.  6Q8ff.)» 


b 


Seelbnolaubb  und  Totenkult. 


«57 


er  habe  getrSumt,  wie  ein  Mann  aus  einem  Berge  herausgekommen 
wäre  «nd  all  seine  Leute  Reruftn  hatte;  dann  sei  er  wieder  in  den  Berg 
venscliwunden.  Bald  darauf  starben  Flosis  [xute.  Nach  der  Eyrbyggja- 
Mga  ^S.  7)  glaubt  Ivirulfr,  dass  er  und  all  seine  Nachkumnien  in  den  Berg 
Helgafell  nat.h  dem  Tode  falircn  werden.  Auch  sonst  erfahren  wir,  dass 
ganze  Gestlile« htcr  in  einen  Berg  eingehen,  oder  dass  sich  einzelne  schon 
zu  Lebzeiten  den  Hügel  wfihlen,  wo  sie  cin.st  weiter  hausen  wollen  (Maurer, 
Bckchnmg  II,  S9.  I,  c^|).  In  einen  Ucrg  geht  z.  Ü.  nach  der  Ynglingasaga  König 
Svegdir  ein,  um  zu  Odin  zu  gelängen  (Heiniskr.  S.  12  f.).  Von  besonderer 
Bedeutung  ist  die  Er7.Alilung  von  der  .steinreichen  Aufl  (Landn/ima  Isl.  S,  I, 
in),  da  sie  einen  Schluss  auf  alldeuisthen  Kult  gestattet  Hier  hcisst  es, 
däsa  die  rhrisiliche  Autlr  auf  dem  Kreuzesberg  (Kruswh/tl.tr)  Christum  ange- 
betet hatte  und  <iass  sie  hier  begraben  liege.  Ihre  Nathliomnien  aber  ver- 
fielen ins  Heidentum  zurück.  Glcicliwolil  haben  sie  den  Berg,  in  dem  die  Autfr 
ruhte,  für  heilig  gehalten,  haben  hier  eine  Upfcrstätte  errichtet  und  sind  in 
dem  Glauben  gewesen,  dass  alle  Angehörigen  der  Aud  einst  nach  dem  Tode 
in  diesen  Berg  gelangen  würden.  Der  ganze  Ziwaramenhang  zeigt,  dass  hier 
nur  eine  (Jpfen>u'Utc  pemdnt  seiii  kann,  die  füi  die  DaliingescliJedene  er- 
richtet war.  Mit  Hülfe  dieser  und  mancher  anderen  ühiilichen  Stelle  (Kevser, 
Nonlm.  Rel.  108)  verstehen  wir  die  Uestimnumg  des  Indiculus  superstilionum 
»*Är  Am,  ^ttdf  /fia'urtt  sufira  pe/ms',  d.  h.  Tntenopfer.  die  Versttjrbcnen  auf 
Felsen  gebracht  werden. 

V'un  dieser  Auffassung  unserer  V't»rfa]iren  aus  erklären  sich  auch  am  ein- 
fachsten die  Welenorts  bekannten  Sagen  von  bergentrückten  Kaisern  imd 
anderen  Ueblingen  des  Vtdkcs.  Am  bckaimtesten  ist  ja  die  Kjffhauser- 
nagc  vcm  Friedrich  II.,  den  si>atcre  Berichte  zu  Friedrich  Barbarossa  gemacht 
haben  (vgl  G.  Voigt,  in  Syhcls  HUt.  Zsch,  XXVI,  j  ji  ff.;  Fulda.  Die  Ki/f- 
hausersage;  R.  Sihrfjder,  Die  deutsche  Kaisersage;  F.  Kampers.  Die  deut- 
sche Kaiscridec  in  Pr^>phctie  und  Sage),  eine  Sage,  die  sich  bereits  142O  in 
der  Chronik  des  Ötadtpfarren;  Kngelhiisius  \nn  Einbeck  findet.  Wie  hier 
der  Kaiser  Friedrich  schlafend  mit  seinen  Helden  im  Berge  weilt,  su  Iiausen 
in  anderen  Gegenden  andere:  denjelbe  Fritdrieh  ruht  in  einer  Felsenh'">hlc 
bd  Kaiserslautem,  in  Westfalen  beim  Dorfc  Mehnen  im  Hllgel  Bahlionie 
WfJtkifid,  in  Geroldscck  Sie^ricd,  im  Sudcmcrbcige  bei  Gusslar  Ifeinrich 
da  VogeUttlUr.  im  Unterherg  bei  Salzburg  Kati  V.  oder  Karl  lier  Grosse, 
m  England  KOnig  Ar/m.  in  Nordschleswig  bei  MOigellOnder  und  bei 
Knpenluigen  unter  dem  Fels  von  Kronborg  Hotger  Danske  (vgl.  Myth.  II, 
7*14  ff.j,  in  Schweden  Obf  (Landsmälen  Bili.  I.  178).  In  anderen  Sagen 
jiind  es  Frauen,  die  im  Berge  sich  befmden.  in  noch  anderen  wird  sclilechi- 
erz.1hlt,    das.«   es   nur  bewaffnete  Scharen  ft-Jlren,    die    im  Berge  weilten, 

in  CS  wird  ausdrücklich  liinzugefflgt  dass  es  animae  'miiilum  infetfcfiorum 
(Chnm.  Ursberg,  a.  1223.  Mun.  Germ.  VIII.  2t>\\  seien.  M;in  pflegt  diese 
Sagen  von  dem  brrgenlrücklen  Kaiser,  namentlich  \<^T\  Friedrich,  als  ver- 
bk^sLen  Volksglauben  ;ilter  Wodan smythen  aufzufassen  (vgl.  E.  H.  Mei.'eT, 
Mylhol  S.  241  ff.),  uaid  da  alles  d(«:h  nicht  so  recht  zu  dein  nordischen 
Odin  passen  will,  so  giebl  man  ihm  noch  Frau  Holle  und  Donar  zur  Gesell- 
•diaft  rnit  in  den  Berg.  Nichts  hat  unsere  Mythohigie  mehr  in  Misskredit 
gebracht,  als  fK>lchc  Kombination.  Der  schlichte  Volksglauben  an  ein  Fnrt- 
leb»'H  der  Se«!e  in  dem  Berge  ist  auch  hier  der  mythische  Kern  gewesen, 
nnd  lUcser  Volksglaube  ward  an  diese  oder  jene  historische  oder  sagenhafte 
Gestalt,  die  der  Liebling  des  Volkes  gewesen  war,  geknüpft  Das  ist  ein 
Glaube,  den  wir  fast  bei  nüen  Völkern  finden  (Oldenbcrg,  Die  Religion  de» 

UcrmanlKhe  HhilDluglr.  III.   •£■  AuO,  17 


Venia  S.  24 J.  2*i^:  Rhode.  Psydie  io4ff.i.  und  wir  dQrfcn  bei  ihm  iiiclu  an 
keltischen  Einfluss  denken.  Die  Seele  knniiie  iiarh  der  Cbi-rlieterung  der  Viltcr 
nidit  für  immer  aus  dt-r  Welt  tjfscliwuiidcn  sein,  und  su  lies  niun  sie  in  einem 
Berge  fortleben,  der  sJcli  in  dirr  Näht  befand,  und  den  der  Vulksglaube  als  Auf- 
cnlhalt!<slfitle  der  Verstorbenen  kannle.  Demi  alle  diese  Sagen  stammen  aus  den 
Gt^genden,  wo  sie  lokalisiert  sind,  obgleich  die  liistori-srhe  Gestalt  meist  gar  keine 
iiaJiere  Bezielumg  zu  dem  Orte  gehabt  hat.  Und  wie  knnnie  sich  die  Volks- 
phantasic  eici«,'n  Kaist-r.  zunial  einen  kriegerischen,  anders  denken,  als  um- 
geben aufh  nach  dem  Totii-  von  den  Scharen,  die  er  im  Leben  zum  Siege 
gefülirl  hatte  und  die  für  ihn  gefallen  waren.^  Aai  demselben,  echt  germa- 
nischen Vf>Ik.sgtauben  ist  aber  auch  die  nordische  Vorstellung  wm  Valh9ll, 
dem  Aufeiithalisort  der  Kiirhcrjcr  hervorgegangen.  Das  ganze  Kapitel 
darüber  ist  nichts  an^lcn-s  als  ein  Stück  Dichtung  aus  der  Wikingerzpit.  ent- 
standen in  Anlelinung  an  diesen  alten  Volksglauben  luid  geformt  durch  das 
Leben  in  der  Wikingerzcil.  Da  aber  Udinn  der  Gott  der  Toten  und  der  Schlacht 
war,  so  wurde  mit  ihm  Valliyll  und  ihre  Bewohner  in  engsten  Zusammen- 
hang gebracht  Valhyll  selbst  war  aber  von  Haus  aus  nichts  anderes,  worauf 
bei  Cläin  zurückzukommen  ist,  als  der  Totenhc-rg.  wie  noch  büi  heute  sich 
in  Scliwedcn  llt-rge  mit  Namen  Valhall  linden  (Kietz,  Svciu>kt  Dialeküex.  ySQ). 
§  22.  Aber  nicht  nur  in  Bergen,  sondern  audi  In  Gewässern,  Teichen, 
Ramnen,  Wolken  hausen  die  Seelen  (Mannhardt,  Germ.  Myth.  95.  271  f.; 
Bastian,  Die  Verbleibungsorie  der  abgeschiedener  Seele).  Auch  hier  sind  sie 
b.'Jd  allein,  b;ild  in  Verbindung  mit  einem  Führer,  namentlich  mit  Frau  Holle. 
Von  Iflztcrein  müssen  wir  sie  zunächst  wieder  lustrennen,  da  er  in  d;is  Ka- 
pitel der  chUu>nisclien  Gottlieilen  gehört.  Die  Gewässer  als  Aufenthaltsort 
der  Sielen  spielen  namentlich  in  den  Volkssagen  und  dem  Volksglauben, 
der  sich  an  die  Geburt  des  Menschen  knflpft,  eine  bedeutende  Ri>He.  Wie 
die  Seele  als  zweites  Ich  nicht  nach  lieni  T'i.Hie  aus  der  Well  schwindet, 
sondern  in  der  Natur  fortlebt,  nft  uuiss  sie  natürlich  auch  da  sein,  Iievor  sie 
zum  Mensihen  kommt.  Die  Seelen  können  also  als  Kinder  »iedergeboren 
werdt^n.  Wir  müssen  uns  in  Deutschlund  auch  hier  M'icdurum  ausschliesslich 
auf  die  Volkssage  verlassen.  Beim  Tnde  gewahrten  uns  die  Ausgrabungen 
Aufschluss,  über  die  Sitte  bei  der  Geburl  sind  sie  stumm,  und  die  Bestimmungen 
der  Heidenbekchrcr  eifern  nicht  gegen  irgend  welche  heidj»L.«iche  Sitte,  Auch 
hierin  lüften  die  nordischen  Quellen  wenigstens  etwas  den  .Schleier.  Der 
Aufzeichner  der  Helgilieder  berichtet  uns,  tiass  Helgi  imd  Svava  wieder- 
geboren seien  (Eddalieder  Bug^  S.  178),  imd  am  Schlüsse  des  zweiten  Liedes 
von  Helgi  dem  Hundingstilter  erzahlt  er  dasselbe  wn  Helgi  und  Sigrün 
(a.  a.  <,).  S.  201)  und  fügt  ausdrüi'klich  hinzu,  dass  d:is  Glaube  der  Menschen 
im  Altertum  gewesen  sei.  dass  es  aber  jetzt  nur  n«xh  alter  Weiber  Wahn 
wäre.  Auch  im  kurzen  Sigurd-sliede  ist  es  Hygriis  grüsster  Wunsch,  dass 
Brynhild  nicht  wiedergeboren  werde  (V.  43).  Die  Sagas  l>cstatigen  diesen 
Glauben:  Von  Olaf  dem  Heiligen  glaubte  man.  er  sei  der  wtedergeb«»rene 
Ölafr  Gudrydarsun  (Flaib.  U,  135.  dazu  FMS.  IV.  27  ff.l;  in  der  (}autreks- 
saga  erscheint  Starkadr  als  (midumnn  jqlttmi  (-wicilergeburener  Kiese«,  Fas. 
HI,  jb),  und  noch  in  christlicher  Zeit  (1.156)  glaubten  die  Nachbarn  des 
|>orgils  von  As,  dass  er  der  wiedergeborene  Kolbeinn  sei  (Sturl.  H,  234). 
Näheres  über  die  Wiedergeburt  selbst  freilidi  erfahren  wir  aus  den  Quellen 
nicht.  Oh  nun  die  über  da-s  ganze  germanische  Gebiet  verbreitete  Ammen- 
rede, dass  die  kleinen  Kinder  aus  Brunnen  oder  Teichen  geholt  werden 
(Mannhardt,  Genn.  M^Ui.  i^^  ff.),  auf  altem  Glauben  beruht  oder  erst 
S[>.'Ueren  Ursprungs  ist.    bleibe  dahin  gestellt.     Auf  keinen  Fall  glaube  ich. 


b 


dass  der  Vcriüngunghhrunnen  ck-s  Mittelalters,  der  sn^eiiannle -Junj;l>runncn» 
(M\'tli.  I.  488),  mit  dein  Scelcnglaul*eii  etwas  zu  thun  hau  wie  Wolf  ^Bei- 
ttiffi  I.  167)  annimmt.  Dagegen  erhalten  andere  V'olkssagen  und  Ausspruche 
unter  der  Voraussetzung  der  Wiedergeburt  der  Seele  ihre  Erklärung.  Es  wird 
sich  Jteigen,  wie  die  geschiedene  Seele  alle  mCigliclien  (Jestrdteu  anzunehmen 
vermag,  wie  sie  der  Volksglaube  alter  besonders  geni,  zumal  die  des  Kindes, 
in  lief  Gestalt  eines  Vtfgcis  «Ur  Insektes  durch  die  Luft  fliegend  denkt. 
Kun  sagt  man  in  dem  Salzburgischen  zu  Kindern,  weiui  man  ihnen  etwas 
.  crcAhtt,  fla^  vor  ihrer  Geburt  geschehen  Ltt:  >Du  hast  damals  noch  nicht 
gelebt,  du  bist  noch  mit  den  Miicken  bemmgeflogen».  l'nd  in  giin/  NVcst- 
u»d  Niederdeutsch laml  ist  der  Glaube  verbreitet,  dass  Schmetterlinge  die 
Kinder  brachten  ^vgl.  Mannhanlt.  Germ.  Myth.  2^2  ff.). 

S  23.  Wie  die  Seelen  ihren  bestimmten  Ruheort  haben,  so  schlagen  &le 
auH),  wenn  sie  duri'h  die  Luft  fahren,  einen  bestimmten  Weg  ein.  Auch 
in  Bezug  auf  die  Zeit  sind  die  Geisler  an  men.'tclilii.hc  Satzungen  gebunden. 
Sie  erscheinen  bt-si>nders  nur  wahrend  d^er  Nacht,  und  wenn  es  in  der  Natur 
am  trulMen  und  rauhsten  Lst,  im  \N''inter.  bescmders  in  den  zwölf  Kachten, 
da  ist  ihre  Festzeit,  die  Zeit  ihrer  grössten  Macht  (Fritzner,  Nnrsk  Hist. 
Tidiskr.  IV.  jii  f.),  Wiederum  wurzelt  in  diesen  uralten  und  sicher  ur- 
gurmanischcn  Vorstellungen  ein  grosser  Teil  Qnscres  Volks-  uiut  .\bcrglaubcns. 

Zu  ilen  <.>rteii,  wo  in;in  die  Scharen  der  Seelen  am  sicherstiMi  treffen  kann, 
gehören  tlie  Kreuzwege.  Sic  spielen  im  heutigen  VolLsglaulien  eine  nicht 
tmbcdrutendc  Rolle.  An  ihnen  treiben  die  Geister  ihr  Spiel,  über  sie  vf>r  allem 
mu»s  man  zu  konmicn  suchen,  wenn  das  wütende  Heer  herannaht,  da  man 
Ät.inat  mitgenommen  wird,  über  Kreuzwege  lassen  sich  Geister  tragen  und 
werfen  daim  ktingendcs  Gold  als  Lohn  zu,  hier  zündet  man  ihnen  zu  Ehren 
lichter  an.  An  ihnen  kann  man  aucii  mit  den  Geistern  verkehren:  da  waltet 
der  Zauber,  da  offenbart  der  Verstorbene  die  Zukunft  (Wultkc,  AbergL 
$  loß  u.  ö.).  Schon  der  heilige  Eiigius  (Myth.  III,  401)  und  Burchard  von 
Worms  (ebd.  407)  eifern  gegen  die  Verehrung  an  den  »bivia»  und  >lrivia<. 
Dasselbe  geschieht  in  ags.  Homilie  des  Älfric  »de  falsis  «libic,  wo  zugleich 
erwähnt  wird,  dass  dem  Mercurius  die  Opfer  an  den  Kreuzwegen  gebracht 
wurdoi  wOrea  (Caspari.  Marl,  von  ßraearas,  De  correct.  rusiic.  S.  CXtX). 
Auffallend  ist,  dass  die  Gesetze  und  nordischen  Quellen  meines  Wissens 
nichts  vün  der  Verehrung  Übcruatürl icher  Madac  au  Kreiuwegen  erwähnen. 
Andererseits  haben  Musteqi  red  igten  den  Eiferern  gegen  das  Heidentum  zu- 
gmnde  gelegen,  die  im  alten  römischen  Reiche  ihren  Ursprung  haben,  und 
im  römischen  Glauben  ist  die  göttliche  Verehrung  an  Kreuzwegen  anerkannte 
Thatsache.  Auch  die  nordische  V^jlksüberliefeniog  weiss  nur  wenig  von  der 
Heiligkeit  der  Kreuzwege  (isl.  Krossgötitr.  Äniason,  Ul.  I'jöds  I,  135.  436; 
dan.  h'onvri  Thiele,  Den  danskc  Ahnman  overir.  Meningcr  S.  181).  F^s  ist 
daher  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  .»»ich  dieser  Aberglauben  und 
die  Verehmni»  der  Toten  an  Kreuzwegen  in  Deutschland,  so  tief  er  jetzt 
auch  im  Volksglauben  wurzelt,  unter  römischem  Einftius  entwickelt  habe,  wie 
ja  auch  Diana,  Venus  und  andere  römische  Gestalten  in  den  Volksglauben 
eingedrungen  sind.  Gleichwohl  muss  hervorgehoben  werden,  dass  die  Kreuz- 
wege bei  den  ^erscliiedeiisten  Völkern  der  Erde  in  ähnlicher  Weise  wie  in 
germanischen  Ijlndem  eine  Rolle  spielen,  dass  sie  vor  allem  selu-  li5ufig  auch 
im  altiudischen  Volksglauben  vorkommen  (Oldeuberg,  Die  Religion  des  Veda 
S.  267  U  44-Z«  495  u.  äfL),  imd  dass  daher  der  Aberglaube,  der  sich  an  die 
W^e  knüpft,  recht  gut  urgermanisch  sein  kann. 

Die  Zell,  wann   die   seelischen  Geister   ihr  Wesen  treiben,   ist  meist   die 

17» 


Nacht.  Aus  Erzütilungen,  Spuk-  und  Gespeiistergeschicliten  erfjUircn  «ir, 
dass  ihre  Macht  zu  Ende  ist,  sobald  der  Tag  graut  »xlcr  sobald  die  Kirchen- 
glocke ein  Uhr  schlügt.  Daher  heisscn  sie  an.  mvrtriättr,  kt^JJri^r.  Nur 
wahrend  der  Nacht  treiben  sich  die  mythischen  Gestalten  des  SeeJcnjrlaubens, 
wie  Mahri%  Alp,  Hexe  u.  dgl.,  umher  und  geben  sieh  srhim  iladurrh  als 
seelisrhe  Wesen  zu  erkennen.  V(.n  den  vielen  nitrhtüchen  Erscheinungen, 
die  die  nordische  Literatur  und  Volkssage  kennt,  ^ei  nur  hingeft-ip-sen  auf 
das  Erscheinen  von  Helgi  dem  Hundingslöter  (Eddal.  Bugge  198  ff.),  der 
bei  iinclitliclier  Weile  der  SijKrün  auf  seinem  Grabhügel  erscheint  und  sie 
bittet,  nicht  mehr  um  ilm  zu  klagen,  unti  auf  die  Erzählung  der  Hervarar- 
saga,  nadi  der  Her\'(?r  wüiirend  der  Nacht  zum  Grabhügel  ilirer  Verwandten 
nach  Samscy  geht.  Der  Hügel  «"ffnetc  sich  und  in  Flammen gest alt  ruhten 
die  Seelen  der  Verstorbenen  auf  ihm.  .\ngantyr  spricht  mit  ihr  und  spendet 
ihr  tlas  treffliche  Schwert  Tirrfing,  dasü  man  ilira  iiLs  Grab  mitgegeben  hatte 
(Hervarars.  Aasg.  von  Bugge  2 1 1   ff.). 

Die  Jahreszeit,  zu  der  das  grosse  Eest  der  seelischen  Geister  stattfimlel,  war 
bei  unseren  Vorfahren  die  Zeit,  wo  die  Tage  am  kürzesten,  die  NSchte  am 
längsten  und  die  Strtmie  am  häufigsten  %\r\A.  Das  ist  die  Zelt  der  Zwevlf- 
nachle,  wie  wir  sie  unter  kirchlichem  Einflu-sse  zu  nennen  pflegen  (Tille, 
Weilmachten  S.  3).  Es  ist  nicht  unwesentlich,  dass  das  kirchliche  Ämdfxajj/i/ooi' 
zur  Zwölftnacht  geworden  ist,  denn  sclioti  hierin  scheint  ein  Hinweis  zu 
liegen,  <lass  (his  nächtliche  Treiben  im  iMiltelj)unkle  jener  Zeit  steht.  In 
anderen  Gegenden  heissen  die  Tage  Rauhnächte,  Losstage  {Wein- 
hold,  WeilmacJitsspiele  S.  11).  Sie  falten  spater,  je  weiter  wir  nach  Nor- 
den ki-pmmen.  Schon  in  dieser  Thatsache  liegt,  dass  dne  alte,  vom  Volke 
heilig  gehaltene  Zeit  nur  einen  fremden  Namen  erhallen  hat:  in  Bayern 
gehen  sie  vom  St.  Thomastag  bis  Neujahr,  in  Strichen  Norddeutschlands 
falleji  sie  erst  nach  Neujahr,  sonst  in  DcuLschland  fa.st  durchweg  von  Weih- 
nachten bis  zum  Dreikönigstage  iWuttke,  Abei^l.  (J  74),  in  SkandinaWen 
feierte  mau  diese  heiligen  Tage,  das  Julfest,  erst  Mitte  Januar,  bei  Beginn 
de,*;  Monats  I*rirri  (M«urer,  Bekehr.  IL  2,^4)-  Wir  «etK^n  schon  aiw  den  ver- 
schiedenen Zeilen,  zu  denen  in  den  einzelnen  germanischen  Landern  da*i 
Fest  gefeiert  wurde,  dass  die  Natur  der  Gegend  die  Zeit  der  Feier  bccinflusst 
haben  muss.  Das  ist  die  Zeit,  wo  die  seelischen  Geister  ihr  grosses  Fest 
feiern.  Da  fahrt  die  wilde  Jagd,  das  wütende  Heer  besonders  durch  die 
Lüfte,  bald  allein,  bald  geführt  von  chthoni.-wheJi  Gottheiten  (Mannhardt, 
Götterweh  der  deutschen  und  nord.  Völker  S.  140  ff..  Fritzner,  Bist.  Tidsskr.  IV, 
211  f.).  Wo  letztere  sich  entwickelt  hatten,  treten  die  Scharen  mein  zurück: 
die  Feste  werden  zu  Ehren  der  Götter  gefeiert  Aber  gleichwohl  kßnnen 
wir  noch  aus  unzähligen  Spuren  erkennen,  dass  sie  ursprünglich  den  Geistern 
galten,  und  man  hat  auch  diese  nicht  vcrgcs.sen,  als  Gfitterkuil  im  Stelle  des 
Seelenkultes  getreten  war.  Nordische  Quellen  erziiWen  uns,  wie  L'nholde 
das  gTiÄse  Julfest  feiern  (Maurer,  Bek.  H,  ^35}.  Andere  berichten  von  disu- 
und  aifablöl,  Disen-  und  Elfenopfern,  die  mn  dieselbe  Zeit  stattfanden  (\*gl. 
namentl.  Heimskr.  S.  308):  zwischen  Elfen  und  Disen  einerseits  und  den  Seelen 
andererseits  besteht  aber  der  engste  Zasammenhang;  jene  sind  eben  Seelen  Ver- 
storbener, Noch  heute  halt  in  Norwegen  die  Aa.«gaarilsreia  zur  Julzeit  ihr  Trink- 
gelage (Faye,  Norske  Folkes.  63)  wie  es  auf  Island  die  /dfar  thun  fjön  Ama- 
son,  Isl.  tjs.  \.  106 — 25).  Opfer  geben  nur  unter  der  V(»raQsseizung  Sinn, 
dass  derjenige  der  Speisen  teilhaft  werde,  dem  das  Opfer  gilt  In  imsercm  Volks- 
glauben sind  im  allgemeinen  die  Opfer  vergessen;  gewisse  Gerichte,  die  man 
in  jenen  Tagen  isst,  scheinen  nur  noch  schwach  daran  zu  erinnern.     Auch 


far  die  Verstorbenen,  denen  man  zuweilen  besondere  Tische  deckte,  sollten 
<Jie  Speisen  sein.  Ob  unsere  Christgabcn  damit  in  trgcnduclclicm  Zusummca- 
hange  stehen,  ist  zum  mindciiten  fraglich.  GleJchwnhl  mOsseu  einmal  auch 
m  Deuts«:hland  Opfer  bestünden  haben,  und  ich  sehe  im  Hinblick  auf  die 
nuniisclie  Sitte  keinen  Grund  ein.  die  Bestimmungen  gegen  Brot-  und  Speisen- 
xpende,  die  Anfang  Januar  stattgefunden  haben  snll,  ausschliesslich  auf  römi- 
schem Gebiet  zu  verweisen,  wenn  auch  der  Tag  selbst  in  der  römischen  Feier 
festwurzeln  mag  (v^.  die  Pseudoaug.  tiorailia  de  sacrileg.  §  17:  Quicumqut 
in  (tiietidiis  jiinunritii  mtnsas  panibm  t.l  aUis  (ybis  ornat  etc.  und  dazu  die 
AnniL-rL  von  Ca^pari  S.  33).  Nudi  heute  ist  überall  diese  Zeit  eine  heilige. 
Die  wüde  Jagd,  das  wütende  Heer  allein  ist  es.  d.is  zu  jener  Zeit  die  Herr- 
schaft hat.  Oft  tritt  der  Führer  In  den  Hintergrund,  wo  er  aber  Im  Volks- 
glauben auftritt,  da  erscheint  er  nirgends  als  ein  gCttlichus  Wesen,  das  ein 
neues  Jahr  heraufführt,  sondeni  als  chthonische  und  W'indg«  itlheit.  Durch 
nichts  la^t  es  sich  weder  aas  alten  Quellen  nuch  au^  dem  Vulk^laubcn 
erweisen,  dass  diese  festliche  Zeit  der  Wjecterkehr  derSomie,  dem  verjüngten 
Hinunds-  und  Sonnenjjutte  gegrölten  liube.  Von  unserer  Auffassung  der  zwölf 
Nflchtc  aus  wird  uns  auch  der  Zauber  und  die  Weissagung,  die  in  dieser  Zeit  mehr 
<Je»n  siiiuit  in  Blüte  steht,  versuindlicb.  Trflume,  in  diesen  Tagen  getrfiumt, 
gehen  in  Erfüllung;  au>i  allerlei  Dingen  glaubt  man  zukünftige  Dinge  ablesen 
zu  können :  je  gewaltiger  der  Sturm  saust,  desto  fruchtbarer  wird  das  Jahr, 
gedeiht  in  dieser  Zeil  das  Vieh,  so  gedeiht  es  auch  femer;  was  in  diesen 
Tagen  gelnircu  wird,  erhalt  die  Gabe,  die  Geister  zu  sehen  und  mit  ihnen 
zu  verkehren  (Wutike,  Abergl.  §74  ff.).  Sehern  hei  dem  Tode  konnte  man 
die  Beobachtimg  machen,  dass  die  geschiedene  Seele  in  die  Zukunft  zu 
schauen  vermag,  und  das«  sie  unter  Umständen  diese  den  Menschen  mitteilt 
Hier,  zur  Z«ut  des  grossen  Seelenfestcs,  sehen  wir  den  Gedanken  verallge- 
meinert, und  aus  ihm  heraus  erklärt  sich  die  Heiligkeit  jener  Tage.  Aber 
die  seelia<.'hcn  Geisler  körmen  nicht  nur  Gutes  bringen,  sie  können  auch 
BAses  zufügen,  denn  es  gibt  sowohl  gute  als  auch  böse  GeLster,  und  deshalb 
sucht  man  vor  allem  den  Gartc*ii  und  Stall  vor  ihnen  zu  sctürmen.  An  die 
Stalltliüren  macht  man  Kreuze,  um  dadurch  die  Geister  von  den  Tieren  fem 
zu  halten.  Hiemilt  mag  auch  die  ü]>er  ganz  DeuLschland  verbreitete  Sitte 
in  Verbindung  stehen,  die  Stämme  in  jener  Zeit  mit  Stroliseilen  zu  umbindeti, 
damit  sie  reiche  Frucht  tragen  (Jahn.  Die  deutschen  Opfergebrauche  214  ff.), 
und  manches  andere. 

§  24.  Bestand  bei  unseren  Vorfahren  der  Glaube,  dass  die  Seele  ein 
zvettes  Ich  sei,  das  den  Körper  mit  dem  Tode  vcrlElsst  und  als  selbständiges 
Wesen  fortlebt,  su  war  nur  ein  geringer  Schritt  zftisdicn  dieser  Voretellimg 
und  der  Auffassung,  dass  die  Seele  auch  im  Schlafe  den  Menschen  verlassen 
könne.  Schlaf  und  Ti>l  sind  einander  so  ahultch,  dass  sich  ein  natür- 
liclies  Volk  den  Zustand  des  einen  nicht  anders  als  den  des  andern  denken 
kann.  Und  im  Schlafe  erfährt  der  Mensch  mehr  denn  sonst  die  £.xistenz 
der  persönlichen  Seele:  er  sielit  im  Tmume,  wie  längst  Vcr>chicdene  zu  ihm 
kommen,  wie  Personen,  die  weit  von  seinem  Aufentlialtsorte  weilen,  mit  ihm 
\-eri(chren,  er  hört  von  ilineti  Dinge,  die  erst  eintreten  sollen.  Es  kommt 
ihm  sti  natürlich  vor,  —  scheint  es  uiw  doch  zuweilen  noch  unklar  zu  sein, 
ob  wir  etwas  wirklich  erlebt  oder  nur  geträumt  haben  — ,  er  kann  es  nicht 
ftmlrrs  fassen,  als  dass  sich  etwas  Wirkliches  zugetnigen  habe,  und  da  der 
Köq>er  der  Traumgestall  nicht  zugegen  ist  und  war,  so  muss  es  ihre 
Seiele  gewesen  sein,  die  mit  dem  Träumenden  verkehrte.  Ist  aber  dies  Ober- 
xeugung  und  Glaube,    so  ist  der  nächste  notwendige  Schritt,    dass   auch    der 


262 


XI.  Mythologie. 


Körper  wflhrend  der  Nacht,  flberliaupt  im  Schlafe,  zuweilen  wie  tot  daliegt: 
dann  hut  ihn  seine  Scctc  vcrlüäscti,  sie  geht  wandelnd  unibcr.  geht  zu  Tanz 
unil  Freuden,  <|ua]t  ihre  Mitmen.srhcn,  stiftet  Sfhaden  an,  vermag  auch  zu- 
weilen die  Zukunft  zu  offenbaren.  Das  Ist  ein  Glaube,  den  fast  alle  Naturv-ülker 
hüben  (Tvl'ir,  Auf.  d.  CiiU.  I,  4j,iff.t.  Auch  unseren  Vorfahren  ist  er  durchaus 
eigen  gewesen;  er  haftet  uns  hi.i  zur  Gegenwart  an.  und  wie  tief  er  im  Volke 
wurzelt,  das  lehrt  das  grussc  Kapitel  der  HexenvcrfulguLgeii,  die  uns  nur 
otiter  der  Voraussetzung  die-tes  allen  Glaul>ens  verständlich  werden. 

Unser  TTrrtum*  und  ahd.  jplroc,  as,  ^i'itvfj.  a!tn.  draugr  »das  Gespenst« 
hangen  sprachlicli  auf  das  engste  zusammen  (vgl.  Oslhoff  PBB  VIIT,  276; 
Henzen,  Cbi-r  die  Tnlumc  i  ff.):  der  Traum  scheint  die  Thaiigkeil  des  draug 
oder  die  FJihigkeit,  mit  anderen  Seelen  im  Schlafe  zu  vcrkeliren,  auszudrücken. 
Wer  diese  Fähigkeit  nicht  besass,  hiess  nach  an.  Quellen  dmumstoU  {nX^x  Fä- 
higkeit zu  träumen  beraubt-  j,  und  !M>]ches  galt  als  Krankheit  (Fms.  VI.  199). 
Eine  wie  bedeutende  Rnlle  die  Traunierscheinung  im  nordischen  Volksglauben, 
aus  dem  sie  die  literarischen  Quellen  geschr*pfT  haben,  gespielt  bat,  ist  von 
Henzen  gezeigt  w.rdeti  (a.  a.  0.1  Und  wie  hier,  so  Ifbst  sich  auch  im 
deutschen  Vnlksglauben  das  Wandeln  der  Seele  Dherall  verfolgen.  Bei  den 
einzelrten  seelit-chen  Erscheinungen  wird  davon  zu  sprechen  sein.  Besonders 
hSufig  wird  erzählt,  dass  es  der  Geliebte  otler  die  Liebste  ist,  die  zu  nacht- 
licher Stunde  den  Ki*jqxT  verlflsst  und  den  Geliebten  aufsucht  (Praetorius, 
W"eltbesrh.  lo;  N'-irdd.  S.  420  u.  5ft.V  Im  Zusammi^dtaiig  damit  stelu  der 
weit  verbreitete  Aberglaube,  dass  in  gewissen  Nüchien  und  bei  gewissen 
Handlungen  die  Madrhcn  ihren  künftigen  Liebsten  sehen  kennen  (Wuttke, 
Abergl.  §  ^%i  ff.).  Wie  sinnlich  aber  im  V.ilksglanhen  die  Auffassung  von 
der  Waiulerung  der  Seele  währentl  des  Schlafes  war,  zeigt  die  Erzählung,  die  uns 
Praetorius  in  tler  W'eltbeschreibung  (S.  40)  aus  der  Saalfelder  Gegend  in 
Thüringen  bcriditet.  Darnach  soll  sich  einst  l«'im  ÖbstsrhiUen  eine  Magd 
schlafen  gelegt  haben.  Da  sahen  die  anderen  MSgde  ein  rotes  Mauslein  aus 
ihrem  Munde  kriechen,  das  zum  Fenster  hinaus  eilte.  FJne  andere  vorwitzige 
Magd  habe  dann  <lie  .Schlafende  genommen  und  verkehrt  gelegt.  Nach  kurzer 
Zeit  koninil  ilas  Müuslein  zurück  und  will  wieder  in  den  Mund  der  Magd 
fahren,  .\llcin  es  fintlet  die  Öffnung  nictit,  irrt  eine  Zeit  lang  umher  und 
verschwindet  dann  wieder.  Die  Magd  al^>er  ist  von  dieser  Zeil  an  »mausetot« 
gewesen  und  nie  wieder  lebendig  geworden.  Ähnliche  Sagen  sind  über  die 
ganze  germanische  Welt  verbreitet  und  lassen  sich  bis  in  die  frühste  Zeit 
deutscher  Gesi  hithte  zu  rück  \' erfolgen.  Ausser  Mlluscn  sind  es  besonders 
.Schlangen  und  Witytel,  die  dem  Munde  des  Schlafenden  entschlüpfen  (s*gt. 
E.   H.   Meyer,  (ierm.   Mylh.  S.  65  f.  Grimm   DS.   Nr.   461). 

Aber  aucli  sonst  besitzen  gewisse  Menschen  die  Kraft,  dass  ihre  Seele 
den  Kftrpcr  verlassen  und  andere  Gestalt  annehmen  kann,  hamfar  »Gestalten- 
fahrt« nannten  die  alten  Islander  eine  solche  Aiuifahri  der  .Seele  und  kamhln'fm 
das  mensi-hliche  Wesen,  das  diese  ausführen  konnte  (Eddalieder  Ausg.  Rugge 
S.  172;  Hcimskr.  Ausg  Unger  151,  25  ff.  Fas.  1.  102  f.  IIL  504  ff.  Eyrbyggja 
S.  18  f.  vgl.  Nyrop,  Navnels  Magt  S.  51  ff.;  Fritzner,  Hist.  Tidsskr.  (nnrsk)  IV. 
166. 168).  Interessant  ist  in  dieser  Beziehung  die  Erzählung  von  Kf'nig  Hertnids 
Gcmaltlin  in  der  Thiitrekssaga,  die  in  Drachengestalt  mit  ihren»  Geislerheere 
gegen  König  Isung  kämpft  (ca]i.  352 — 55).  Der  Sagaschreiber  erwithiu  hier 
ausdrücklich,  dass  er  nach  deutschen  Liedeni  dieses  erzfihle.  Wie  fest  dieser  , 
Glaube  im  Volke  wurzelt,  zeigt  die  ThaUiaihe,  dass  die  Volksgesctze  Be- 
stimmungen gegen  diese  Seelenwantlerung  haben:  sie  wird  nach  diesen  streng 
bestraft,  wenn  sie  aus  eignem  Antriebe  der  betreffenden  Person  vor  sich  gc- 


gu^n  ist,  dagegen  milder,  wenn  eine  hfiliere  Macht  es  erheischt  liat  (vgl. 
FMizner  a.  a.  O.  S.  174;  v.  Amira.  Tierstrafen  S.  i  ff.;  K.  Afaurer,  Sitzung 
bcr.  d.  Motu  h.  Akademie  iBqfi.  I.   i  ff.). 

^  2^.  Die  verschiedenen  Gestalten  allen  Scelrnglaubens.  Wah- 
rend ciie  vurhetKehenden  Ahschnilte  den  Glauben  an  ein  Fortleben  der  Seele 
im  allgemeinen  begründen  sollten,  wird  das  Fulgende  zeigen,  wie  die  furt- 
}ende  Seele  ausser  in  den  Elemenicn  den  Lebenden  erscheinen  kfmnte. 
itDmlich  ist  vur  allem  der  aus  dem  Körper  gewit-ht-Ticn  Seele  die 
Prr>teusnaiiir:  sie  vermag  alle  mriglidien  Gestalten,  besonders  Tiergc-stalicn,  an- 
zunehmen. Treten  d;ibi-i  t-inzelnc  Persimen  hervor,  so  hat  der  Volksglaube 
den  wesentlirhen  Charakterzug  der  betreffenden  Person  auf  die  Gattung  des 
Tieres  einwirken  lassen,  in  dessen  Gestalt  die  Seele  erscheint.  Die  Eigen- 
schaften des  Mensrhen  tMid  des  Tieres  waren  das  leriiuin  comparationis: 
Kinderseelen  erscheinen  bcv.>nck'rs  häufig  in  der  Gestalt  vi  -n  Vögeln,  Jungfrauen 
in  der  von  Schwänen,  listige  M.'lnner  als  Füchse,  grausame  als  Wc«lfc  u.  dgL 
Es  kann  ans  dem  Volksglauben  eine  vollständige  Seelenfauna  zusammengestellt 
wenlen,  aus  dem  deutschen  sowohl  wie  aus  dem  skandinavi.schen:  die  Seelen 
erscheinen  als  Fliegen.  Bienen,  als  Scliraetterlinge,  als  Vftgel  jeder  Art  (M^-th. 
II,  itqoif.).  Geizhalse  luid  Missethfiter  erhallen  die  Gestalt  schwarzer  oder 
feuriger  Hunde,  schnaubender  Pferde,  Stiere,  Kr«^Ien  u.  dgl.  Untreue  Weiber 
zeigen  sich  als  Eulen  f^vgt.  Wiittke  §  755).  Auch  in  Gestalt  von  Kalbern, 
Kühen,  Schafen,  LTimmeni,  Hirschen,  Hasen,  Kaninchen  zeigt  sich  die  forl- 
lebende Seele  (Mannhardt,  Germ.  Mvth.  490 f.)'.  Auf  dem  Gebiete  der  all- 
.nordischen  l*ri>saliicratur  hat  Henzcn  die  reiche  Fauna  seelischer  Tiergestallen 
^Xiuammengestelll  (Die  Traume  u.  s.  w.  S.  38).  Auch  hier  kam  die  Seele 
Gestalten  annehmen  vnm  Vogel  bis  zum  Löwen.  Wolf  und  EisbSren.  Charak- 
teristisch ist  die  schöne  Stelle  aus  den  christlichen  Solarijöd.  wo  die  Seelen 
in  der  Hölle  mit  versengten  Vögeln  verglichen  werden  (V.  53;  sviitnir fuglar 
—  tr  tälir  väm  fluf^u  —  svä  margir  tem  wr).  Der  heutige  Volksglaube  des 
Nordens  gleiiht  wiederum  dem  deutschen  bis  ins  kleinste:  auth  hier  h;iben  wir 
die  ganze  nordische  Fauna  (Hytten-CavalÜus,  \VHrend  I,  4^1  ff.  Tliiclc,  Daii- 
marks  Felkes.  11,  294  ff.  Faye,  Nor^ke  Folke-Sagn  72  ff.).  Eine  liewmdcrc 
Ri>lle  spielt  hier  der  Nachtrabe,  das  KSuzchen  (schwed.  naltramm,  Hytten- 
Cav.  I.  4<)7,  d.ln,  »atravn.  Thiele  II.  2<)'ji\  nach  sihwedischer  Sage  die 
Seele  eines  ausgesetzten  Kindes.  Das  ist  alter  Glaube,  der  fast  allen  Völkern 
e^en,  den  wir  bei  den  Wilden  ebensti  finden,  wie  bei  den  allen  Griechen 
und  Römern  (vgl.  Tylur.  Anfange  der  Kultur  11.  8 ff.;  Hildebrand,  Folkens 
Tto  S.  I36f.;  Koscher,  Kynamhmpie  des  Marcelhis  von  Side  S.  laff.t. 

Wir  sehen  hieraus  wieder  einmal,  wie  lange  sich  alter  Volksglaube  er- 
hidten  hau  Vielltidit  gelingt  es  noch,  diesen  Vorstellungskreis  auih  auf 
deutschem  Gebiete  bis  ins  .Aliemim  hinOberzufllhren,  Gervasius  vmii  Tilbury 
(lib.  HI.  S  73}  überliefert  von  den  Störchen  einen  Volksglauben,  na<h  tk-m 
hie  Menschen  sind,  die  sich  nur  bei  uns  als  Vögel  zeigen.  Dass  damii  unser 
altes  Ammenmarrhen,  der  Ston:h  bringe  die  Kinder,  zusammenhangt',  ist 
itrhwcTli<'h  anzunehmen,  wenn  auch  dieses  sicher  im  Seelenglaubcn  seine 
Wurzel  hat      Der  Storch  am  Weiher,  wie  auf  Rügen  der  Schwan  an  dem  See 


'  Soweit  goiQgcnde  ZoHitntncnMeliungcn  dieiWT  nivthiMfafn  Vomrlhui£«kreEse  vorliandfa 
nikL  bc|;iifi|[e  ich  mich,  auf  dinc  zu  vcrwriscn.  Dir  ncuer«n  Summlungea  lubtn  di«  Hr- 
bbrun^D  nur  durch  neue  ik-ispick  ^'cstüUU  Dieser  Abriu  der  >[>'ibologic  würde  zu  txht 
uiacltwrlim.  «.ullic  k'b  Ktcu  dir  rabJ reichen  Bcicgr  aut  den  Sanunlunges  scibitt  bringen. 
Docb  b»b«"  i(h  Ä\f  Bcircp  i;r[)rfift  und  krinrn  nuf^cncinmen.  der  nicht  aus  gcntiktiiscbcm 
Hunde  htMnmt,  k>  »chwer  r«  ntKb  luwdlen  ist.  diei  feaunutcilen. 


264 


XI.    MYTHOI.X>aiE. 


(Arndt,  Schriften  III,  547),  dem  Aufenthaltsrirtc  der  Seelen,  holt  die  junge 
Seele  nach  dem  Volksglauben  aus  dem  Wasser,  wena  er  sich  söne  Nahrung 
holt,  und  flic:g:t  dann  mit  ihr  weil  über  die  Lande. 

Ein  weiterer  Kreis  abergläubischer  Anschauungen  liat  im  Glauben  an  das 
ForUel>en  der  Seele  in  Tiergestalt  schic  Wurzel.  Schon  der  heilige  Eligius  ( Myth, 
III.  40^),  die  Vater  des  Trierscheii  Ktmzils  im  Anfang  des  14.  Jahrhs.  (Friedbeq^. 
Aus  deutschen  Üussböchem  104)  und  manche  andere  Kirchen  versammjungen 
eifern  gegen  den  heidnischen  Unfug,  auf  den  Vogelgcäang  oder  auf  die  Tiere 
zu  achten,  tlie  einem  beim  Verlassen  des  Hauses  oder  bei  Beginn  eines 
Werkes  zuerst  zu  Gesicht  udcr  Ohren  kommen.  Alles  Eifern  hat  di&scn 
Glauben  nicht  auszurotten  vermocht.  Wenn  ein  Hase,  eine  Kat/e,  ein 
Schwein  beim  Ausgehen  Über  den  Weg  Jaufl,  .so  bedeutet  das  Unglück;  eine 
weisse  Genue  bedeutet  fingar  den  Tod.  Der  Wolf,  Fuchs,  Adler  dagegea 
bringt  GlQck.  Älmlicher  Glaube  findet  sich  bei  fast  allen  Völkern  der  Eide 
(Andree,  Ethnograi)hische  Parallelen  und  Vergleiche  S.  i  ff.).  Was  das  oft 
Uli sihein bare  Tier  auf  diis  Geschick  des  Menschen  für  Einfluss  haben  soll,  bl 
nicht  recht  ereichtlich,  dagegen  wird  uns  derClaube  verstJindlich,  wenn  wir  wissen, 
dass  es  niiht  das  Tier  ist,  das  dem  Menschen  liegcgnet,  sondern  die  Sede 
eines  Verstorbenen,  die  in  Tiergeälalt  cinhcrwanddt  und  die  Glück  und 
Unglück  bringen  kann.  Natürlich  ist  im  lieutigen  Abergkmben  der  Xiisammen- 
hang  zwischen  Tier  und  Seele  vergessen,  nur  das  Resultat  di»selbiii  hat  sich 
erhalten  und  von  Geschlecht  zu  Gcscliiccht  fortgepflaJizt.  Noch  klarer  tritt 
der  alle  Se(-!englaube  in  dem  Vulksglauben  zu  Tage,  dass  maji  aus  den 
Tonen  der  Tiere  die  Zukuidt  erkennen  könne.  Eine  fütere  Stufe  dieses 
Glaubens  lasst  die  Tiere,  namentlich  die  Vögel,  .sprechen  und  die  Zukimft 
offenbaren.  Im  Müxchen  liat  sich  der  Zug  noch  erhalten.  In  den  nordischen 
E^ldaliederii  ist  er  trefflich  poetisch  verwcrtei  wurden:  den  Atli  nimhi  ein 
Vogel  aufmerksam  auf  die  schtinc  .Sigrlinn  {Helg.  Hj.  i  i'f.),  Helj^is  tWs  Hun- 
dingltJlerb  Ruhm  haben  Adler  geweissagt  (Helg.  Hb.  1),  Vügel  warnen 
Sigurd  vor  den  Nachstellungen  Regins  {Fäfm.  ^2  ff.}.  Die  Seele,  die  den 
K'/irper  verlassen  hat,  vermag  in  die  Zukimft  zu  schauen.  Weissagung  und 
Zauber  an  der  Leiche,  Weissagung  und  Zauber  während  der  Fest-  und 
Freudentage  der  Seele  entsprangen  aus  diesem  Glauben.  Der  nächste  Schritt 
des  Volksglaubens  ist  dann,  dass  die  Seele  auch  die  Zukunft  (offenbaren  kann, 
wenn  .sie  andere  Gc-stalt  angeJKimmcn  liaL  Die  Sprache  ist  heute  im  Volksglauben 
vergessen,  aber  das  Bellen  des  Hundes,  das  Wiehern  di-s  Ro!wes,  der  Schrei 
der  Katze,  das  Kröchzcn  der  Eule»  das  Krllhen  des  Hahnes,  das  Zirpen  der 
Grille  und  manches  andere  (Wutike  S  26S  ff.),  das  ist  die  Sprache  der  Tiere, 
durch  sie  prophezeit  die  dem  Metischen  entwichene  Seele  die  Zukunft  mich 
heute.  Diese  Tiere  zu  Tieren  dieser  oder  jener  Gottheit  zu  machen,  damit 
kommen  wir  nicht  mehr  aus,  da  jene  Prophetie,  wie  die  vergleichende  My- 
diologie  lehrt,  älter  un<l  ursprünglicher  ist,  als  die  Gottheit,  der  sie  unsere  My- 
tliologen  zuzuschreiben  pflegen  (Andree,  a.  a.  O.  S.  II  ff.). 

§  2(\  Aus  dem  alten  Seeleiiglauben  unserer  Vorfahren  Ut  femer  eine 
Reihe  mytiüscher  Gebilde  hervorgegangen,  die  im  Volksmunde  mannigfachen 
Wandel  durchgemacht  Itaben,  im  Kenic  aber  eins  sind.  Der  Verstorbene 
konnte  nicht  nur  Tiergestalt  annehmen,  er  konnte  auch  in  Menschengestalt 
wietier  erscheinen,  konnte  andere  Menschen  verlocken,  ihnen  Gtück  oilcr 
Ungiüi  k  bringen.  Wir  pflegen  solche  Wiedererscheinungen  Verstorbener  als 
Gespenst  zu  bczelclmen,  ein  Wort,  das  .schon  iüid,  {frispemt)  in  der  Bedeutung 
►Veriockung,  Tnigbild«.  bekannt  ist  Es  ist  gebildet  von  dem  altgerm.  sftanan 
«locken-.  D^ls  Wort  mit  seinem  abstrakten  Inhalt  lOssl  vermuten,  dass  seiu  Ur* 


Sprung  ein  relativ  junger  ist.  Ungleich  aller,  ja  urgcrm.  scheint  da-i  altnonl.  draugf, 
as.  ^itir^ii.  .i^i'l.  giiroc.  AllIiocIuleiiLtche  Glossen  übersetzen  damit  momirnm 
und  porienltm  (Graff  I.  ^lo\  das  Wurt  hat  also  eine  Betleutunp,  die  dem  alt- 
nord.  fimugr  nahe  koniniL  Auch  im  Sanskrit  ist  das  vcn^-andle  Femininum 
drük  in  der  Bedeulunj;  -weibhrhes  Gesjiensl,  Uiiholdin-  belegt.  Das  Wort 
ist  verwandt  mit  unserem  Traum  und  ßcht  auf  eine  idg.  Wuritcl  drettgk' 
=  »schadigen«  zurück  (Osthoff,  I'BH.  VIII.  270).  Der  DrdUg  ist  also  das 
Unheil  stiftende  Wesen.  Bis  ins  Mittelalter  hat  sich  die  Bezeichnung  in 
Deutschland  erhalten,  dann  wird  >\*t  durch  ^Gc-spcnst.  Geist«  verdrfingt.  Auch  im 
skandinavischen  Norden  sind  meist  andere  Bezeichnungen  dafür  aufgetreten: 
in  Dänemark  hesr.nders  (iiett^nger  (Thiek  III.  17Ö),  in  Schweden  Gasten, 
Gfngängart,  Aierffit»i>are  (Hylten-Cavallius  II.  464  ff.),  in  Norwegen  erMrheint 
nel>cn  Drang:  Gj^uganger,  (iasten  (Fnye  72  ff.),  auf  Island  hat  man  Draugar, 
ApiuTgaungur,  V^pi^akuin^nr  (Jon  Aniason  I.  222  ff. V  Auch  diese  jüngeren 
Bezeichnungen  lassen  sich  zurück  hi.s  ins  1,^.  Jahrhundert  verfolgen.  In  den 
nordischen  Worten  liegt  die  Auffassung  der  Seele  als  wiederkehrendes  Wesen 
nuch  ganz  klar  zu  Tage.  Die  Sagen  aller  germanischen  StUmnie  entlialtcn  dnc 
FOlltr  vtm  Geister-,  Gespenster- und  Spuksagen,  wie  mati  in  der  jüngsten  Sprach» 
pcriüfle  die  Erzahlui^en  von  heruiuirrenden  Tuten  zu  nennen  pflegt  (vf^. 
Pabüt,  Ober  Gespe-nster  in  Sage  u.  Dichtung,  Bern  18(17;  Wuttke  $  771  ff.). 
Die  altisländische u  Lieder  und  Sa^as  kennen  sie  in  gleicher  Fülle  (vgl.  z,  R 
Foma.  S.  144;  E\Tbyggja  S.  t/O).  und  aucli  die  ältere  deuLs<-hc  Dichtung  ist 
reich  an  ihnen.  In  der  Rege)  sind  es  Tt>te,  die  im  Grabe  keine  Ruhe  finden 
können,  weil  «ic  enlwedvr  selbst  wahrend  des  Lehens  gefrevelt,  oder  weil  die 
Oberiebenden  ihnen  gegenüber  nicht  die  dem  Tuten  zukommende  Khre  erwiesen 
halH-n.  Die  irrenden  (idstcr  kimncn  (kwlialh  durch  Sühne  erli'ist  werden  und 
finden  dann  Ruhe.     So  lange  sie  umherirren,  stiften  sie  meist  Schaden  an. 

Zunächst  sind  che  nordischen  Berichte  voll  von  .solchen  Spukgeistcrg^ 
schichten :  man  findet  die  Ofifer  dieser  brisen  Geister ;  wo  sie  liaasen.  zeigt  sich 
'grosses  Sterben;  zuwcUen  haben  sie  die  Gestalt  der  Venttorbencn,  zuweilen 
die  eines  Tieres,  auch  hin  und  wieder  die  eines  Riesen,  fines  Tnill  (Maurer, 
Bekehr.  II.  8.s  ff.,  vgl.  auch  Fas.  IL  370.  III.  378.  Laxd.  loo).  Auf  ähnliche 
Weise  erzählt  Praetorius  von  Geistern,  die  wahrend  der  Nacht  herumgegangen 
waren  und  Menschen  getutet  hatten  (WeJtbeschr.  276).  Unsere  Vnlks.sage 
ist  ja  elwnfalls  voll  von  soldten  Geisterge-schichtcn:  GreuKsteinverrocker, 
Gcizhftlse,  Morder.  kurz  Übelthäter  sind  es  meist,  die  umherwandeln  müssen 
(Wttitkc  §  753  ff-.  Maurer.  Isl.  S.  70.  Faye,  Norw.  Sag.,  74  u.  nft.).  Allein 
auch  Verunglückte,  wie  überhaupt  fast  alle,  die  eines  uiuiu türlichen  T<xles 
geslorbcD  sind,  ftmlen  im  Grabe  nach  atigemeinem  Glauben  keine  Ruhe 
(Wuttke  §  754).  Emiorilele  erscheinen  und  klagen,  ja  deuten  sogar  auf  ihren 
Marder  hin,  werm  dieser  noch  nicht  gefunden  isl.  Es  ist  nicht  umnagUcb, 
dass  die  allgemianisthe  Blutrache  in  diesem  mythischen  V'orstellungskreise 
ihre  Wurzel  hat  Verlangt  diich  überhaupt  der  Tote  Verehrung  in  jeder 
Weise,  weim  er  Ruhe  haben  &••!).  Selb<it  albeuviel  Klagen  und  Weinen  lässt 
den  Tf>tcn  nicht  ruhen:  die  ThrSnen  des  Sigrün  fallen  eiskalt  dem  toten 
Helgi  auf  die  Brust,  dass  er  nicht  Ruhe  gewinnt  (Hdg.  Hb.  11.  45).  in  der 
Sage  vom  Thranenkrüglcin  bittet  das  Kind  die  Mutter,  das  Weinen  zu  lassen 
^Witzschel,  Sagen  aus  Thüringen  I.  220). 

Mit  den  Geister-  und  Gespenstersagen  aufs  engste  zusammen  hängen  die 
Schaintagen.  Geister  Verstorbener  sind  es,  die  zu  den  Schätzen  hinführexi, 
die  selbst  Gold  oder  Silber  den  Lebenden  spenden  {Wuttke  §  757).  Aus  dem 
Sdiussc   der    Erde    imd    aus    Bergen    unrd    das  Silber,    das  Güld   gcwunncn. 


266 


XI.  Mythologie. 


Hier  hausen,  wie  sich  Z'Pigte,  die  Geister  der  Verstorbenen.  NatürUdi  müssen 
sie  dann  auch  wissen,  wo  sich  das  Ckild  in  der  Erde,  wo  sirh  der  Schatz 
befindet.  Beaundent  Geizhälse  finden  Ruhe,  wenn  sie  Lebende  hierher  führen, 
zumal  wenn  sie  ihr  Gt-ld  versteckt  oder  vergraben  haben.  Wenn  man  einen 
Schatz  graben  will,  steckt  man  deshalb  den  Geistern  Brut  zu  (Chcinii.  Rocken- 
phil. 3.  Hundert  S.  ik)).  Viele  von  diesen  Sa^c-n  cmpupperi  sich  ja  bald  ab 
jiinj^,  und  ich  bin  weit  davon  entfernt,  jede  aus  dem  lebendigen  Seelen- 
glauben entsprungen  sein  zu  lassen.  Die  Sagen  anderer  Gegenden  sind  nur 
ÄU  oft  die  einfache  Quelle  jüngerer  Sagen :  im  Grunde  aber  hat  der  ganze 
Kreis  seinen  Urquell  in  der  alten  Auffassung,  duss  die  Seele  fortlebt,  dass 
sie  sich  in  der  Natur,  in   Hergen  u.  s.  w.  aufliiili. 

Eine  weitere  Vorstellung  unserer  Verfahren  war,  dass  sidi  die  Geisler  ab 
Flammen  auf  den  Grabhügeln  oder  in  ihrer  Nahe  aufliielten,  dass  sie  sich 
aLs  Flammen  in  den  Lüften  zeigten.  In  der  altnord.  Hervarar^aga  wird  er- 
zahlt, dass  die  Seelen  Angantvrs  und  seiner  Brüder  allnilchtlich  als  Flammen 
auf  ihren  Grobem  erschienen  seien  (Ausg.  von  Bugge  2it).  Als  Gunniirr 
von  Hlidarendi  gestorben  war,  kamen  sein  Sohn  Hggni  und  Skar])ln:dinn  zu 
seinem  Grabhfigel:  sie  fanden  diesen  offen  und  hier  .sa>s  Gunnarr,  umgeben 
von  ■vier  Flammen  (Njala  Cap.  78).  Flammen  umgeben  die  Grabhügel 
(Egtks.  228.  Guljis.  47).  Noch  heute  zeigen  sich  auf  Island  die  Gespenster 
bin  und  wieder  von  Flammen  umgeben:  diese  führen  den  Namen  hnevareldi 
(Totenfeuer)  oder  eldf^Urringar  (Feuerhlilze.  Maurer,  Isl.  Volkss.  57).  Auch 
der  deutsche  Volksglaube  kennt  die  Seelen  in  Flammcngestalt  (R.  Köhler, 
ZfdMyth.  IV.  185,  Müllcnhüff,  Sagen  aus  Schleswig  370),  gerade  so  wie  der 
skandinavische,  wofür  Üezeirhnungen  wie  schwed.  väiitys  (Geisterlicht)  sprechen. 
Meist  haben  Jedoch  auch  die  Geister  in  dieser  Funn  neben  dem  lichtschein 
die  incrisL"hlichc  Gestalt,  «ie  diese  ja  immer  mid  immer  wieder  diesen  seelischen 
Wesen  aufgwlrOckt  wird,  [[icrin  wurzeln  die  vielen  Krschdnungcn,  die  die 
deutsche  Vulkssjige  ak  Fcuermaiuier.  Liclittrögcr,  Löchtemannckens,  Irrlicliter, 
Irrwische,  Heerwische.  Dickepoten,  TOrkbolde,  Brünniige  (Schweiz*,  Hexen- 
fackeln.  feurige  Mannen,  Wiesen  hüpf  er.  Keisler,  Zündler  (Wuttke  ^  "bi  f.),  die 
dSni.'^'he  als  Lvgtcmmid  (Lcuchteniaim),  Blaasmand  (Feucniiann.  Molbech,. 
Dansk.  Dtal.  39),  die  schwedische  als  Eldgast  (Kfucrgcisi),  Lyktegubben 
(Leuchtmaun,  Hyll.-Cav.  I.  466  ff.)  kennt.  Auch  von  ihnen  weiss  bis  heute 
der  Volksmund  zu  erzählen,  dass  es  Seelen  Verstorbener  sind,  die  den  Grenz- 
slein versetzt,  die  Geld  vergraben  haben,  die  eines  gewaltsamen  Todes  ge- 
storben sind.  Nach  chrisüicher  Umbildung  sind  es  besonders  die  Seelen  un- 
gctaufter  Kinder  (Pratorius  Weltbcschr.  2fxjl.  Sie  erscheinen  ganz  feurig 
oder  feuerspeiend,  hausen  besonders  in  Sümpfen  und  auf  feuchten  Wiesen, 
führen  den  Wanderer  irre,  springen  ihm  auf  den  Kücken  wie  die  Mahre  oder 
der  Alp.  Mnd  aber  auch,  zumal  wenn  man  ihnen  Geld  giebl.  sehr  gefallig 
(Wuttke  a.a.O.).  Bis  ins  i".  Jahrh.  hinauf  lassen  sich  diese  Cieistererschei- 
nungen  narliweisen,  sind  aber  sicher  alleren  Ursprungs  {MyUi,  11.  ('02).  Lichl- 
erscheiiiungen  über  Sümpfen  und  Wiesen  mügrii  diese  mythLS4-hcn  Gebilde 
einer  natürlichen  Phantasie  wachgerufen  haben. 

^  J7.  Die  Druckgeisler.  Im  Seelenglauhu-n  hat  ferner  eine  Reihe 
mythischer  Erscheinungen  ihren  Ursprung,  die  zwar  immer  geschieden  auf- 
treten, in  ein-  und  derselben  Gegend  nebeneinander,  die  aber  im  Kerne  auf 
gleiche  Wurzel  zurückgeliL-n.  Gemeinsam  ist  ihnen,  dass  sie  dem  Menschen 
nieUl  als  etwas  i^stiges  erscheinen,  dass  sie  ihn  w.ihrwid  des  .Schlafes  auf- 
suchen und  quälen  und  drücken.  Daher  mag  Druckgeisler  als  gemein- 
samer Name  für  sie  gerechtfertigt  erscheinen.     Einige  ihrer   Namen  tauchen 


Gbspehstsr.    Drockgeister. 


207 


bei  allen  germanischen  SULmmen  auf  und  ze^;en  sich  schon  dadurch  als  ur- 
alt, als  gemeingermiinisch.  Praetorius  z.1hlt  eine  ganze  Reihe-,  teils  deut- 
adicr.  teils  auswärtiger  Njimcii  dieser  Druckgeistcr  auf  (Wellbcschr.  3 f.); 
Alp,  Mahn-  «mUt  Malirt,  Tni!  otlcr  Tnide.  Schraltele^  Schrtiul,  Raizl,  I>)ggele, 
Walrider^ike.  Kork  sind  die  gebräuchlichsten. 

Am  raeJHien  verbreitet  und  am  frflhesten  finden  wir  die  Mahre.  Im  Volks- 
munde heissi  sie  bald  Mahtt.  bald  Mart,  Mniit,  Xnrhimahre  (\^1.  Wolf, 
NiedcTd.  Sagen  68ö  ff.).  Die  Islander  nennen  sie  mani.  ebenso  die  Norweger 
(Nirrilaiscn,  Fra  Nordlands  fortiti  5),  die  Schwetlen  (Rietz,  Dialekt-Ixx.  .130). 
Im  danischen  heisst  sie  man  oder  nnttemare  ^^Iolhech,  Dialekt-Lex.  .^54), 
im  holländischen  »ai^meirie,  im  englischen  uigkimare.  So  zeigt  sich  Wort 
tind  Begriff  bei  allen  germanischen  Stammen.  Allein  auch  zurück  lasst  sich 
das  Wort  bis  tn  die  Zeil  der  ältesten  Denkmäler  verfolgen:  im  Althochd.  ist 
das  Wort  belegt  (Graff  II,  Sio».  und  im  Alm.  findet  es  sich  bei  den  ältesten 
Skalden  (Heimskr.  14*  Kormakss.  4^*).  In  Nordfrankrt-ich  Ist  es  durch  die 
Franken  eingewandert  und  als  caucbe-mar  (von  (akart  »treten,  pressen«)  bis 
Iteuie  erhallen.  Die  Ableitung  des  Wortes  ist  dunkel.  Man  hat  es  bald  zur 
M^urzet  mar  >hindcm,  hemmen«  gestellt  (Mhd.  Wtb.  II.  62),  bald  mit  lat 
mori,  Ind.  maruix  zusammengebracht  (A.  Kuhn,  ZfdA.  V.  488  f.).  Die  eine 
wie  ilie  andere  Elymnlojnt:  bieten  .sprachliche  Srhtt-icrigkcilcn.  Auf  alle  Fälle 
ist  bei  allen  germanischen  Völkern  die  Mahre  eine  Erscheinung,  die  einen 
Sdila/enden  qufllt,  ja  ihn  sogar  töten  kaim.  Den  Tod  fülirt  sie  aber  dadurch 
herbei,  dass  sie  sicli  auf  den  Menschen  setzt,  wahrend  dieser  schlaft,  und  ihn  ra 
Tode  tri tL  Die  nordische  Vnglingasaga  {Hcimskt.  13)  erzählt  uns  nach  einer 
Quelle,  die  ausdemq.  oder  10.  jalirh.  stammt,  dass  KAnig  Vanlandi  von  Schweden 
wahrend  des  Schlafes  von  der  Mara  t<)i  getreten  worden  sei ;  siedrückte  ihm,  nach- 
dem sicihm  fattdie  Beine  zerbrochen,  den  Sch.1del  ein.  Schrecklich  ist  nach  der 
Eyrbygigja  (cap.  16)  Gunnluugr  von  einer  Mahre  {marUdiantii)  zugerichtet 
Gegen  die  Person,  von  der  man  die  That  annahm,  wir<l  ein  langwieriger 
Process  geführt  (Maurer.  Zwei  Rcliisfalle  aus  der  Eyrbvji^a  S.  3  ff.).  Im 
allgcmeineii  erscheint  die  Mahre  jedoch  nur  als  QuJllgeisL  Sie  ist  die  Seele 
einer  noch  lebtmden  l'ersnn.  die  wahrend  des  S*  lilafes  den  Körper  veriasst 
und  weh  auf  den  K<>rper  des  Mitmenschen  setzt  und  Ihn  qufllt  In  der  Regel 
ist  sie  weiblicher  Gestalt.  Oft  ist  es  die  Seele  der  (belichten,  die  ihren 
liebsten  im  Schlafe  drückt.  Sie  veriasst  in  Gestalt  eines  Tieres  den  KOrper 
und  wandelt  als  Katze,  Hund,  Maas,  .sehr  ofi  auch  als  Stmhhabn  oder 
Flaumfeder  wahrend  der  Nacht  umher,  Durch  Ast-  und  ScldflsselhVher 
Icommt  sie  in  die  Stuben.  Sic  set^t  sich  auf  des  Schlafenden  Brust  und 
Kehle,  dass  er  weder  atmen  nmh  schreien  kann.  Verstopft  man  SdiKissel- 
und  Astl'Mii.  so  kann  man  die  Mahre  fange?!.  Dann  hat  man  wahrend  der 
Nacht  in  der  Regel  einen  Strohlialm  in  der  Hand.  Mit  MoiTE^en grauen  muss 
aber  die  Mahre  ihre  richtige  Gestalt  annehmen,  und  dann  ist  sie  meist  ein 
nacktes  Frauenzimmer.  Auch  Tiere  drückt  <lie  Mahre;  diese  schwitzen  und 
»chnaut>en  dann  und  sind  arg  zerrauft  (Wuttke.  §  40Jff.;  Thiele.  Danm. 
Folkcs.  IIl.  ipoff.  Fayc  76f.;  F.  Magnüsson.  F.ddalarc  IV,  280—87).  Wie 
bei  anderen  seelischen  SVesen  (Mannhardt.  Germ.  Mythen  344  ff.)  ist  ihr 
Aufenthalt,  ihre  Heimat  im  Volksmunde  England  (Strackerjan,  Sagen  aus 
Oldenburg  I.  375  ff.)-  —  Der  nattlrliche  Hintergnmd  dieses  und  der  folgenden 
mytliischen  Gebilde  ist  einleuchtend.  Schon  das  Mittelalter  erklarte  das  Auf- 
treten der  Mahre  aus  den  schweren  Traumen,  die  den  Mens<*hen  oft  infnl^ 
Blutstockung  befallen  (Gcr%asius  von  Tilbun,-.  3a  45)  Welchen  mach- 
Eindruck  das  Alpdrflcken  auf  den   Menschen    2urilcklas.st,    weiss   jeder 


aus  Erfahrung.  Um  wie  viel  maclitiger  musste  dieser  bei  ticm  natürlichen 
Menschen  sein.  Zweifellos  hat  dieser  Zustand  der  menschlichen  Seele 
Mythen  veranlasst.  Allein  fast  alle  Mythen  hieraus  zu  erklären,  wie  es  neuer- 
dings I^iatner  im  Rätsel  der  Sphinx  gethan  hat,  Ist  sicher  zu  weit  gegangen. 
Die  Gemeinsamkeit  des  nmhlschen  Namens  und  Be)»riffes  bei  .'illen  germa- 
oischen  Völkern  zeigt  uns,  in  wit  hohes  Alter  der  Ursprung  der  Mahre  ge- 
hört: .sie  ist  eines  der  wenigen  mythisrhen  Gebilde,  die  in  einer  urgermani- 
schei)  Periode  sdiun  vorlianden  gewesen  sein  müssen. 

§  28.  Alp,  Trude,  Schrat.  In  Mittel-  und  einem  grossen  Teile  Ober* 
deutschlands,  weniger  in  Niederdeutsch land  erscheint  der  Druckgeist  unter 
dem  Namen  Alp.  >Mich  drückt  der  Alp«  isi  ja  allgemein  bekannt:  der  Aus- 
druck deckt  sich  mit  dem  norddeutschen:  ^Mich  reitet  die  Mahre.«  AUhd. 
ist  das  Wort  als  Simplex  nicht  belegt;  mhd.  a//>  in.  bedeutet  sowohl  »Ge- 
spensti  sclilechthin,  al.'*  auch  den  Quälgei.st  insbesiindere  (Mhd.  Wtb.  I.  24). 
Sprachlich  ist  das  Wort  du.s  ags.  if//,  y//,  engl,  e//,  alui.  a/fi;  mythulogisch 
jedoch  ist  das  hd.  A//'  vnn  diesem  verschietlen.  Die  tj//ai;  Elfen  sind  seelLschc 
Wesen  schlecblhin,  besonders  in  Zwerggestalt.  Hier  steckt  in  dem  Worte  der 
allgemeine  Begriff,  wie  ersieh  auch  bei  dem  mhd.  /)<(» nachweisen  iJUst,  und  wel- 
chen ahd.  Namen  wie  Äiphart,  Alperieb  u.  dgl.  auch  für  das  Ahd.  wahrscheinlich 
madieu.  Dieser  hat  sich  in  einigen  Gegenden  Deutschlands  —  und  zwar 
spittestens  im  Mittelalter  —  verengt  und  den  Begriff  des  Quälgeistes  an- 
gcnummen.  Von  den  verschiedenen  Etymologien,  die  man  dem  Worte  ge- 
geben hat,  ist  die  ansprechendste  die  von  Kuhn  (Kuhns  Zs.  IV.  109)  und 
Curtiuä  (Griech.  Et)-n\.  *  293;  vgl.  auch  I^iistner,  Katsel  des  Sphinx  I.  452  ff.), 
die  das  Wort  zur  skr.  wurzel  rabh  stellen  und  es  mit  rbhü  identisch  sein 
lassen.  Der  alp  —  alfr  wSre  demnach  von  Haus  aus  der  iTruggcist<.  Nicht 
überzeugt  hat  mich  die  Zergliederung  des  Woiies.  die  Wadstctn  mit  ihm 
vorgenommen  hat  {Uppsalastudier  S.   152  ff.). 

Besundcn*  auf  alcraaiuiischcm  Gebiete  herrscht  für  das  drückende  gespenster- 
hafte Wesen  der  Name  »Trut«,  »Trudes  .vOrute«.  »Es  hat  mi  die  Trud 
druckt«,  sagt  man  in  Österreich  (Vemaleken,  268).  In  Tirol  schritt  die 
»grosse  Trud*  im  Matscher  TTiale.  wo  sich  noch  jetzt  am  Feldenabhang  der 
»Drudenfass^,  —  d.  i.  das  l'cntagnimma,  das  simst  Alpfuss  hei'ist  und  das  die 
Trude  oder  den  Alp  nicht  ans  Betl  lässt  (Praetorius,  Wcllbeschr.  5),  —  be- 
findet, durch  die  Dörfer  und  drückte  des  Nachb:  in  den  Häusern  die  Leute 
und  quälte  das  Vieh  im  Stalle  (Zlngerle,  Sagen  42Ü  f.).  Ebenso  erscheint 
die  Trude  in  Bayern  (Panzer,  Sagen  und  Gebr.  I,  88,  v.  Le<»prechting,  Vom 
Lechrain  8  ff.).  Daneben  erscheint  die  Trude  auch  mit  Kigcnschaften,  die 
sonst  den  Hexen  beigelegt  werden.  In  diesen  zeigt  sie  höclisl  wahrscheinlich 
ihr  un*prflngliches  Wesen,  aus  dem  .sich  dann  ähnlich  wie  der  Alp  in  Ober- 
deulschland  der  QuJilgeist  entwickelt  hat.  Über  die  Bedeutung  des  Wortes 
herrscht  n(xh  Dunkel;  J.  Grimm  (Myth.  I,  350  f.  Wtb.  Ü.  1453)  bringt  es 
mit  ahd.  tritt  ■=■  dilectLis  zLisaiiinu-n,  das  sich  in  ahd.  Eigennamen  auf  -Jrüti, 
ahn.  h'^tir  —  die  Jungfrau  erlialten  habe.  Die  Kürze  ties  «  in  Trude  s|>riclit 
gegen  diese  Ableitung  iWeinhold.  DeuLsrhe  Frauen  *  I.  79).  Verwandt  mit 
dem  \N'orte  ist  wohl  gutländ.  ärwh  =  liederliches  Frauenziiiuuer  (Kietz, 
Svcnsk  Dialekticx.  y^). 

Auf  oberdeutschem  Gebiete  erscheint  weiter  der  druckende  Nachtgeist  als 
Schreltele  (Meyer.  Deutsche  Sagen  aus  Schwab.  I.  171  ff..  SchmcUer.  Bayr. 
W'tb.  II.  hio;  Schlosser,  Z.  f.  Vulksk.  IV.  107  ff„  218  ff„  251  ff.).  Daneben 
kommen  vor:  Schrat,  SdiraU.  Schretzlein.  Schrahcletu,  Rcttcle,  Ratzet.  Ratzen, 
Ratz.     Schrat  ist  sicher  die  ursprüngliche  Fi»rm,  zu  der  Schrettele  das  Demi- 


Alf.    Truub.    Schrat.    Valkvrje.s. 


^ 


L 


w 


nuHvtim  ist.  Wir  hahen  hier  wieder  ein  aligermanisches  Wort,  das  einst 
viel  verbreiteter  war  als  es  heute  Ist.  In  Mitte  kl  eiits<:lil>uid  ist  es  in  den 
letzten  Jahrhunderten  immer  mehr  zurOrk^ed rangt.  —  Km  findet  sich  8ow>hl 
in  Deutschland,  wie  in  <)en  anderen  liermanischen  I-clndem.  Altn.  »tim/i* 
und  nkralti*,  was  für  d  >pndil,  bedeutet  »Geist,  Ge.spen.'tt<.  Noch  heule 
hel<»t  auf  Island  der  Wassergeist  ra/nssirtif/i  (Maurer.  Isl.  Vulkss.  y\).  Auch 
in  den  anderen  nordischen  Sprachen  erscheint  *sira//e*.  namendich  als 
Zauber(;eü»t,  noch  heute.  Wie  im  Xordwchen  ISast  sich  au<h  in  Deutschland 
das  Wrtrt  \m  in  i\iv  ülteste  Zeit  zurilrkv  erfolgen.  Ahd.  Glossen  ^eben  mit 
jfTw/o  »pili^sus"  ftieder,  den  iHiliaarien  Waldgeist  der  Vulgata  (Jcs.  i.^,  21), 
»■as  Luther  mit  ►Felds:eist»  überseizl.  Daneben  erscheinen  aiui.  srrfi:  und  die 
Komposita:  wo/tirim/:.  uuiftsirazf  (Graff  VI.  .S77).  Auch  im  Mlid.  ist  das 
Wort  ziemtich  vcrhreilel  (Mhd.  Wtb.  11.  505).  Die  Ablcitujig  des  Wortes 
ist  rlunkel;  Dii<:tners  (»der  Behaarte-,  Nebels.  337)  und  Wcinholds  (»der 
Baumsi>aller<.  Riesen  S.  2'j8)  Etymnlo^ien  sciu'inen  mir  unmöglich.  Vielleicht 
geh/^rt  d;is  Wort  zu  non**.  skraita  =  Llrmen,  skrai/a  =  rasseln.  Wir  hatten 
dann  Larrageister,  Geisler  flberhau]Jt.  Sicher  ist  die  Be^'Jeutung  »Geist,  Gespenst« 
auch  hier  die  ursprün^tidie,  aus  der  sich   >Qualgeisi<  bikal  entwickelt  hat 

Im  Klsass  und  einem  Teile  der  Schweiz  heisst  der  Dnickgeist  -/te/ftvī, 
ciri  Deniinutivum  zu  i&^.  das  xum  Verbum  äiuha»  ^=  drtlcken  gehört 
(Laütner,  Nebek  3^11.  Andere  Namen  sind  DrutkerU,  Nachttnännle,  iMul, 
LfiZfiäp/fl,    Tirrnff  (frflnk.l. 

§  21).  Die  Valkyrjen.  In  etnxelneii  Gebenden  N»irddeulst:l:lands.  na- 
mentlich in  Oldenburg  und  Friesland,  helsst  die  Mahre  »walritlerske*  (Nordd. 
Sag.  419.  Strackerfan  i.  37,5  ff.,  Wcstf.  Sag.  II.  20  f.).  Der  erste  Teil  dieses 
Wtirtcs  deckt  sich  mit  dem  au.  tut/r  =  die  Lcicheu,  T<»ten,  Wir  haben 
abo  in  der  Walriderskc  die  Totcnrcitcrin,  die  Mahne,  die  den  Mens<hen 
xu  Tode  quillt,  wie  wir  sie  in  der  nnrchschen  Hichtung  und  in  vielen  Volks- 
sagen  kennen  lernen  (Laistiicr,  Raiscl  der  S|)hiiix).  Sie  berülirt  sich  liicriD 
mit  der  altnord.  valkvrja,  der  ags.  w^ikyrie  »der  Totenwahlerin». 

Djs  gunzc  allgermanische  Leben  fand  im  Leben  der  .abgeschiedenen  seinen 
Widerhall.  Was  hier  auf  Erden  vor  sich  ging,  führten  die  Seelen  der  Abge- 
schiedenen nach  dem  Tode  h>rt-  Auch  die  Vorstellung  von  den  Vnlk\tjen 
ist  eine  Vermischung  des  allgennanischen  Lebens  mit  dura  Seelenglauben. 
Weibliche  Gestillten  lebten  nach  dem  Tode  als  weibliehe  Wesen  fort:  iwi  die 
Malirc,  die  Trude.  die  Hexen;  jenes  sind  die  Seelen  der  Madchen  und 
Frauen,  diese.s  die  der  alten  Frauen.  Junge  Trtiden  werden  im  Alter  Hexen 
(Wultke  g  40V-  N'vm  ist  ps  unumstösslirhe  Thatsache,  da.ss  bei  den  Ger- 
manen nicht  selten  tlic  Krauen  ani  Kampfe  teilnaluiiien.  Nach  Flavius  Vopist.its 
(Vit  AareL  c.  34)  fotule  Aureban  zehn  gotisclie  Amazones  im  Triumphe 
auf,  »quas  virili  habitu  pugnantcs  inter  Gothos  ccpcruntt;  Dio  Cas.sius  (71,  3) 
erzahlt,  wie  man  auf  dem  Schlachtfelde  Leichen  bewaffneter  Frauen  gefunden 
hatte.  Paulus  Düiconiis  (I,  15)  spricht  von  Amazonen  »in  intimis  Gemumiae 
finibusi  (Weinhold,  Die  deutschen  Frauen^  L  54  ff.).  In  den  altnordischen 
Liedern  und  S^gur,  nainentlicli  in  den  ErzShlungen  aus  der  nordischen 
Hddensage,  begegnen  wir  den  skjahimeyjart  den  Schildmailchen,  auf  Schritt 
und  Tritt  {Fas.  IlL  762,  Steenstnip,  Norm.  I.  :q.  273.  3.SI  ff.  318  f.,  Wor- 
saae.  Vorgesch.  d.  Nordens  S.  in.  72);  in  der  Bravallasch  lacht  spielen  sie 
ane  Hauptrolle  (A.  (Jlrik,  Kildeme  dl  Sakscs  Oldhist.  I.  52  ff.);  selbst 
Schiffe  nennt  man  nach  ihnen  (Fms.  VIII,  20g}.  Auch  diese  KiUnpfcrinncn 
mtwfftf"  im  Volksglauben,  in  der  Volksdiclitung  unserer  Vorfahren  fortleben, 
madeso  wie  die  anderen  Menschen.     Ihre  Beschäftigung  war  natürlich  auch 


■270 


XI.    MvTHULOniE. 


nach  dem  Tode  noch  der  Krieg:  sie  haifcn  ihren  Freunden,  entfesselten  die  Ge- 
bundenen, schadeten  den  Fciiid<:n.  Natürlich  cn>ehcincii  auch  diese-  Gestalten 
von  Hau»  aus  allein;  erst  s[i3terc  Dichtung  hat  .sie  in  Abhängigkeitsverhältnis 
z«  dem  jüngeren  Schlachten-  und  Siege.-^otte  gebracht,  wenn  sie  auch  da- 
jicbcn  die  Dichtung  nuch  unabhängig  von  diesem  kcuut.  Die  Erinnerung  im 
<lcn  natflrlichen  Hintergrund  zeigt  sich  nc)ch  in  den  späten  Atlaniiil,  wo 
GIauiuv<^[  dem  Guniiar  zuruft  iV.  28): 

KoHur  hufjpak  datier  koma  l  nöit  hingaf, 

i'itri  THiii  liünar,  suidi  pik  itösa. 
Infolge  dieses  seelischen  Ursprungs  berühren  sich  die  furücbeudcu  Schladitct.- 
Jungfrauen  oft  mit  den  Nomen,  Hexen  und  anderen  mythischen  Wesen,  die 
im  Seelenglauben  ihre  Wurzel  haben.  Wie  diese  reiten  sie  durch  Luft  und 
Meer  (/ojW  o/t  Jfiff  Pixjsa  zu  Helgakv.  Hj.  tf;  SnE.  I.  249),  sie  exscheinen  in 
Schwanengestalt,  wie  häufig  die  .Mädchenseelcn  (Vkv.).  Agis.  Glossen  über- 
setzen mit  wkyrge,  vttieyrre  lat  btllona,  enttnys,  fiana,  xKtttfica.  Ihr  mahrcn- 
haftes  Wesen  geht  noch  aus  der  altialandisclien  Volkssage  klar  hervor.  In  der 
Hardarsaga  (Isl.  S.  II,  103  ff.)  wird  emahll.  wie  über  H^rdr  die  Herfj^tr 
d.  i.  Heerfesscl,  ein  bekannter  Valkvrjcnnamc.  gekommen  sei;  cbensfi  keimt 
die  Sturlunga  mehrere  Beispiele  von  I  le«^rfe,sseln,  die  den  Tod  des  davon 
Befallenen  zur  Folge  hatten.  Siels  geschieht  dies  iin  Kampfe  oder  auf  dcx 
Flucht  (Maurer,  ZfdMyth.  H,  341  ff.).  Diese  Berichie  zeigen  auffallende 
Ähnlichkeit  mit  dem  Tode  V'atilandis  durch  diu  Mara.  Ihren  sceli.schcu  Ur- 
sprung zeigen  diese  Schlachtenjungfnmen  auch  darin.  da.*is  sie  als  Wolken- 
wescn  enjcheincn,  denn  die  Wolke  ist  nach  altgerm.  Auffassung  ebenfalls  ein 
bekannter  .\ufunlhaltsurl  der  Seelen  (Mannhardt,  Gt-rm.  Mj-th.  255  ff.  726. 
Pfimnenschnüd.  Weihwasser  99  u.  (5ft.).  Hieraus  erkUlrt  sich  der  Valkyijen- 
name  MUt  d.  i.  Nebel.  Andere  Namen  uie  G^nduti  (zu  ga»Jf  »der  Geist«) 
erhartcu  ebenfalls  die  Thatsachc,  dass  sie  seelische  Wesen  sind.  In  der  lu-- 
sprüngltrhcn  .\uffassung  des  Volksglaubens  sind  diese  fortlebenden  Schlachten- 
Jungfrauen  selir  alt:  wir  finden  sie  in  voller  Thätlgkeit  in  dem  Merseburger 
Spruche  als  tdisi,  wie  auch  das  an.  däir  oft  die  Valkyrjen  bezeichnet  (Lex. 
pc*t.  100).  Was  dies  Wort  ursprünglich  bedeutet,  ist  dunkel;  weder  Kögels 
^»fine  durch  Weisheit  ausgezeichnete  Frau*  PBB.  XVI.  502  f.).  mx-h  Jostes' 
('Meerweib*  Idg.  Forsch.  11,  H>7).  noch  v.  Grienbcrgers  («die  Hin-  und  Her- 
gehende ZfdPliil.  XXVII,  441  f.)  Erklärung  trifft  das  Richtige.  Sic  erecheincii 
in  einem  ags.  Bicncnst^crv  als  sifftwi/  (Wülcker,  Kl.  ags.  Dicht.  31  vgl.  an. 
signntyjar  Fms,  V,  24C);  sigrftj6ä  Eyrb.  S.  114),  eine  Bezeichnung  für  die 
Bienen,  die  uns  unversUiiidÜrh  wSre,  wenn  uns  niclit  gerade  in  .sÄchsischen 
Landen  die  Heiligkeil  der  Biene  als  eines  höheren  seelischen  Wesens  mit 
weissagender  Kraft  bezeugt  wäre  (Kuhn,  Westf.  S.  IL  Ö4  ff.).  Erklärt  sich 
<loch  hieraus  auch,  dass  Egill  die  Luft  aU  Aufemhaitsnrt  der  Seelen  byskeifi 
■  Bienenweg«  nennt  (Sonalor,  18.  vgf.  Finnur  Ji'jtisson,  Egilss.  Halle  18^4.  S.  307). 
Ein  besonderer  Liebling  der  subjektiven  Phantasie  sind  die  Valkvrjur  bei  den 
Norwegern  mid  Islandern  geworden.  Sie  erscheinen  hier  als  schrei  gerüstete 
Schlachtcnjungfrauen,  die  durch  Luft  und  Meer  reiten.  .\us  dem  Walde  scheinen 
sie  zu  kommen;  daher  nennt  sie  Sa.\o  gramm.  nym/that sihesires.  Nach  anderen 
Quellen  steigen  sie  aus  dem  Meere  {Helg.  Hj.  26),  bringen  Fruchtbarkeit 
Über  die  Gefilde  (ebd.  2Ö);  Unwetter  und  Blitz  begleiten  oft  üire  Erschei- 
nungen (Hutg.  Hb.  l,  15;  Pntsa  zu  H.  Hb.  IL  i").  Bald  kommen  sie  in 
weissen,  bald  in  si'hwarzen  Gewändern  (Flh.  I,  420).  Wenn  sie  durch  die 
Luft  reiten,  schütteln  sich  ihre  Rosse:  da  fallt  der  Tau  von  deren  Mahnen 
Iiemb  und  der  Hagel  auf  hohe  Walder  (Helg.  Hj.  28). 


I 


Ife. 


Wie  hier  die  Valkyrjen  ganz  ffir  sirh  ererheinen.  so  fast  durchweg  in  der 
nordischen  PnHiaJiieratur  Nach  dem  herrlichen  ValkvrjcnUcdc  der  Njäla 
{la\.  S.  III,  8qS  f(.  >-gt.  K.  Maurer.  Bekehr.  I,  55,^  ff.)  weben  sie  das  GeM'ebe 
der  Schbchl,  die  ^in'ofu  u^tf^p/i/u  (Benw.  <v)8i;  Blutregen  träufelt  Iiei  ihrem 
Ersclicincn  aus  der  Luft  herab,  wie  in  der  StuHung:i  (II,  220),  wie  in  der 
Vig»glums<uigH  (Isi.  Fs.  I.  ii2),  wo  GKimr  im  Traume  eine  Schar  Frauen 
sieht,  die  einen  Trug  Bhit  Qber  das  Land  giesseii.  Auch  Saxo  (I.  112)  weiss 
nur  von  den  ^vt'tjiinfs  siheslres'-  xu  entSliten,  die  Ober  das  Krie^glOik  walten 
und  ihren  F'reunden  unsichtbar  die  gewllnschte  Hülfe  leisten.  Nur  hier  und 
da  finden  wir  die  Valkvrjen  im  Dienste  Odins,  wurüber  bei  Odin  zu  sprechen 
ist  Wo  die  n<-rdisrhe  Dichtung  den  Valkyrjen  Namen  beilegt,  sind  diese 
last  durcliweg  dicliterisclie  PcrMmifikatiüuen  de»  Kampfes  und  seiner  Um- 
schreibungen (Golther,  Studien  22). 

Frauer,  Di^  fVaftyrien  tt^r  ihtrtJ/mrrijr^-frrtaanürArn  GStUr-  und  flrlden- 
iOgr.  Wdmu  1846.  —  Gnllber,  Sliidim  tttr  gvrmanücArit  Safeni^srhühle. 
1,  Dct  VaJk\Tienmvthus.  Abb.  ilcr  k.  Uayr.  Akad,  der  Wi«.  i.  KI.'XXVHI. 
Bd.  n.  Abi.  401  ff. 

5  30.  Die  nurdischen  Fylgjur.  Besonders  stark  ausgebildet  ist  der 
Seelcngtaube  in  dem  nonJ^'t^sch-ialä»dis(.-hen  F'ylgjcngiauben.  Auch  die  mar 
erscheint  als  Fylgja  *mar  er  mantis  /i*/^j'  aw>$crT  der  Verfasser  der  Vatns- 
dcdasaga  in  elymulogisclier  Spielerei  (Fonis.  ü8').  Etymologisdi  bietet  das 
Wort  keine  Schwierigkeit;  es  geh^n  zu  /ylgfa  »folgen",  lieisst  alatj  küc 
Folgeiin»,  »der  Ftilgcgcist-.  Das  Wort  ist  auf  den  norw.-ialündischcn  Stamm 
beschrankt,  *-urzeJi  aber  liier  tief  in  der  V'olksanschauung:  die  ältcsteu  Bc- 
hchte  wissen  von  den  F>-|giur  zu  erzählen  (Maurer,  Bekehr.  II.  67  ff., 
Hcnzen,  Die  Traume  ,^4  ff.),  und  noch  heute  kennt  sie  der  Isländer  (K. 
Maurer.  Ist.  Volkss.  Sj  ff.  Jon  Amas(in  I'judsrigur  I.  354  ff.i  und  Norweger 
<Faye  (»8  ff.)  in  unzahligen  Gestalten  Wie  ihr  Name,  so  ist  auch  ihr  scc- 
lisdicr  Ursprung  klar.  Gleich  wie  nach  nordischem  Gbuben  Odins  Seele 
den  K5q>cr  \-erlas.st  und  als  Rabe  liitginn  über  alle  Welten  fliegt,  so  ver^ 
lasst  auch  der  menschliche  htigr  den  Leib  und  crecheint  l>ald  in  dieser,  bald 
in  jener  Gestalt  F.in  Istündcr  (räumte,  wie  eine  Schar  W^lfe  über  ihn  und 
sein  Gefolge  herfielen.  »Da-s  sind  mantnihngi»  <  Mannergeisier)»  antwortet 
ihm  der.  dem  er  den  Traum  erzklilt  iK^rd.  s.  hred.  37  f.>.  Ein  anderer 
trSiUQt  Von  1 8  Wolfen,  die  ihn  überfallen;  auch  (tiefer  deutet  sie  a\si  manna- 
Mügir  {Hiv-  s.  40).  Die  Seele,  der  hugr.  verlflsst  den  Menschen  und  nimmt 
verschiedene  Gestakoti  an:  sie  ersriieint  als  Bar.  .\dler,  Wolf,  Fuchs  u.  dgl. 
Indem  die  Seele  aber  die  Hülle  lan.  hamt)  dieses  oder  jenes  Tieres  an- 
le^,  wird  sie  zur  hamin^a,  und  so  ist  fmmin^j-i  rnit  fylgia  identisch.  Die 
jicciische  Ge8tali  tritt  natürlich  erst  dann  klar  zu  Tage,  wenn  sie  sich  ausser- 
halb des  menschlichen  KOrpets  befindet:  sie  begleitet  den  Menschen  und 
wird  so  sein  Folgegeist  seine  Reisegesellschaft  \f^runeyti  Fm.«i.  X.  2b2*);  sie 
beängstigt  ihn  imd  andere  im  Schlafe  und  wird  so  ein  Plag^eist;  sie  be- 
schinot  ihn  und  wird  so  zum  Schutzgeist.  Im  Traume  offenbart  sie  ihm  die 
Zukunft  freilich  giebt  sie  ihm  zugleich  zu  erkennen.  da.ss  das  Bev<>rstehende 
unabwendbar  »et.  Die  Vorstellung  von  der  Fylgja  ist  die  einer  Frau,  daher 
tue  Bezeichmmg  fylgjukana.  Die  Fyl^a  erscheint  bald  allein,  bald  mit  anderen. 
Se  verlasst  den  Menschen  bei  seinem  Tode,  wtrd  von  anderen  Fylgjur  ab- 
g«diolt,  geht  aber  auch  zuweilen  auf  die  Überlebenden,  besontlers  auf  die 
Äihne.  über.  In  diesem  Falle  erscheint  sie  als  Gesi  hlechtsfylgja  {ifittirfvlg/a, 
Jtyi*f}lgja:  vgl.  Maurer,  Bekehr.  IL  b7— 72).  Wie  jHirsöulich  man  sich  über- 
bauj>t  die  Fvlgja  dachte,   zeigt   die  Erzählung,   wo  einer   über  seine  eigene 


»* 


272 


XI.  Mytiioi-ogik. 


Fylgja  strilperi  (Fms.  III.  113  f.).  —  In  Schweden  heissen  die  den  norw. 
fyigjen  euLsprediundcn  sccIUiInrii  Wt-scn  r^fn/  oder  vähtad  (Hildebrand, 
Folkena  Tm  S.  130  (f.). 

§  31.  Der  Werwnif.  VerwaiidlscUäfl  inii  der  Fylgja  als  Hamiugja.  d.  h. 
GestakL-iiwcfhsleri«.  hat  der  Wer^^-olf.  Die  Bedeutung  cJes  Wont-g  ist  klar: 
utr  =  Mann,  Wertt*nlf  als»j  der  Mann  in  Wiilfsi;eslall V  Sumit  deckt  sich 
das  Wort  sprachlich  und  inhidtJich  mit  gr.  /.vxävd 010:10?.  Diese  Etvmult^ie 
kennt  bereits  Ger>-asius  von  Tilburj"  (S.  4:  l'iiitmus  tnim  firqnenUr  in  Atfglia 
per  hmniitmes  fwmints  in  iitfios  mulari,  qHod  hominum  ^rnus  »genilfos^  Galli 
Hotninant,  Angfici  vcro  ^ivacwolf*  dicNtit:  »wertt  enittt  An^iice  virum  sonat, 
uif  lupnm).  Die  Werwolfniythen  w\irzeln  nicht  allein  au/  germanisch eni 
Bt-Kldi,  sondern  sind  fast  über  tlie  ganze  Erde  verbreitet  (Aiidree,  Elhnogr. 
ParaUelen  i.  Sammlung  S.  6i  ff.).  Unter  den  indogcrmanisr  hen  VOilkem, 
kennen  den  Werwidf  freilicrh  nur  die  westahschai  (Griechen,  Romcr.  Kelten, 
Germanen,  Slaven),  den  Ofitarischen  (Indem  und  Iraniem)  i.st  er  unbekannt.  Der 
Urspi-ung  Scheint  uns  in  eine  Zeit  zu  versetzen,  wo  jene  Vtilker  nocli  als 
Hirtenvölker  ein  gemeinsames  Ganze  bildeten,  denen  der  Wolf  als  Riiuber 
der  Herden  ein  gefürchtetes  Gcschupf  war.  Auf  gennanisthtrrn  I)i.>den  lasst 
sich  der  WerwMlf  überall  auffinden.  Das  iütcste  Zeugnis  auf  deutschem  Ge- 
biete gibt  Burchard  von  Worms  (Myth.  III.  409).  Im  spateren  Mittelalter 
behandelte  man  die  Leute,  denen  raaii  die  Kraft  zuschrieb,  sich  in  Wer» 
wOlfe  verH'andt^hi  zu  kOnnen.  wie  die  Hexen:  man  verbrajinte  sie  (Hertz, 
Der  Wertt-nlf.  S.  70  f.).  Heutzutage  herrsclii  der  Werwolfglaube  hauptsäch- 
lich noch  im  Norden  und  Ostat  Deutschlands  (Wutlke,  AbergL  25g  ff.). 
Man  glaubt  hier  noch  rnierschütterlich,  dass  sich  einige  Menschen  auf  Zeiten 
in  Wnife  verwandeln  kOnnen.  Sie  vermögen  dies,  indem  sie  einen  Gürtel 
aus  Wolfsfel]  um  den  iiacktcji  Leib  binden,  in  welchem  nach  jungem  Aber- 
glauben die  zwitlf  Himinelszeichen  eingewirkt  sind  und  dessen  SthnaJle  sieben 
Zungen  hat.  Wird  ein  Werwolf  getötet,  so  tötet  man  einen  Mcnwhfn.  In 
vielen  Gegenden  kennt  man  die  Sage,  man  erkenne  den  Meiisohcii.  der 
Werwulfsgcstalt  annehmen  kann,  an  Fasern  zwischen  den  Zähnen  (Firme- 
nich, Genn.  Volkerst.  I.  332).  Zuweilen  ist  das  Ungetüm  -gefroren«,  d.  h. 
unverwundbar  i^Müllcnhoff,  .S^cn  aus  Schlesw.  Holst.  23:).  Eine  Abart  des 
Werwulfs  ist  ilet  /tn.xrmivi/,  den  man  namentlich  in  Westfalen  und  Hessen 
oft  antrifft.  Von  ihm  wird  beaundcrs  erzählt,  w:ls  sonst  von  Malire  und  Alp, 
dass  er  »aufhocke«,  d.  h.  den  Leuten  auf  den  Rücken  springe  und  si<"h  von 
ilmen  ein  Stück  tragen  lasse.  —  Bei  den  Angebüichseu  lasst  sich  der  Wer- 
wolf ebenfalls  bereits  im  ii.Jahrh.  nachweisen;  in  den  Gesetzen  Knuts  wird 
den  rriestem  zur  Aufgabe  gemacht,  ihre  Herden  vnr  dem  ^intinvu//-  zu 
schirmen  {Schmidt,  (iesetze  der  Ang<:ls.*  271).  Bis  heute  hat  sich  in  Eng- 
land der  Gh übe  an  ihn  in  Blüte  erhallen  ( Brand- Haziitt,  Populär  Antiquities 
of  Great  BriL  III.  331  ff.).  Beacmdcrs  reich  an  Werwolfssagen  aus  alter 
Zeit  ist  wieder  der  skandinavische  Norden.  Das  Wort  ivriiifr  freilich  ist  nur 
als  Seil  wer  tkeniiing  belegt  (StiE.  1.  565):  er  hcisstschleclitlmifv//yrd.  i.  Wolf  oder 
vargul/r.  Sch"in  erzählt  die  Vc^lsungasaga,  ft-ie  Sigmund  und  Sinfj^tli  \Vt>IIsfeüe 
{tilfahamit^  verwun.scliener  Menschen  angelt^  und  als  Wulfe  im  Walde  ge- 
haust hätten  (Ausg.  Bugge  95  ff.).  Der  Ahnherr  der  Myrameun  auf  Island 
besass  die  Gab«,  am  .Xbend  in  Wolfsgc-^talt  sein  Haus  verlassen  zu  k^innen 
(Egilss.  cap.  i).  Eine  norwcg.  GIijssc  zu  dem  nt>rdfranzüst.schen  Bisdarelsljöd 
berichtet  uns,  vt-ie  in  früherer  Zeit  manche  Menschen  Wolff^estalt  annehmen 

'    Kögrl  RM^itil.  dwM  «tiexe  AblHtun^  falsch  »ci;  ahd.  *v.vrin'Mlf,  aller '^ifir/M'rty  gclirtre 
Ml  got.   uHujaH    -klcüleii.;  W-  bnltiUc  nlso  AVoUskldd«.   Vgl.  rUgcgi-n  HBB.  XXI.  375  f. 


I 


Werwolk.     Bkrserkk.     B1I.WIS. 


273 


konnten  und  dann  im  Hain  und  Wald  wohnten;  hier  zerrissen  sie  Menschen 
und  Stiftelen  allerlei  Cbcl  .m.  so  lange  sie  die  WoIfhOlle  halten;  wvargtJ/r 
vor  ein  kxihtntli,  mtänn  ha»»  byr  i  vargi  hntn*  wird  wie  erklärend  hinzu- 
gefflgt  (Strengl.  30).  Noch  heute  lebt  er  in  gleicher  Weise  als  Vamlf,  Var- 
ulve,  Vgerulv  in  Schii-eden  (Hyltcn-Cavallius  I.  348  f.),  Norwegen  (Faye 
78  f.)  und  Danemark  (Thiele  11.  iQi  f.).  Nicht  immer  sind  es  Männer,  die 
in  Werwolfsgcslalt  erscheinen,  mweiicn  sind  es  auih  Frauen  oder  Mädchen, 
und  ein  alter  Aberglaube  sapt.  dass  vun  hieben  aufeinanderfolgenden  Mädchen 
eins  ein  Werwolf  sej  (Myt)i.  III.  477). 

W.  tiertz,  Vtr  H'rrwol/,  Ileitr^  zur  Sago^escbichte.  Stutig,  i8G3.  —  l-eu- 
bUBCbcr,    Oberttie  M'fhrwSlff  und  Timerwanälungen  im  Mittrlaltfr.   licH.  1850. 

§32.  Als  Abart  der  Werwolfsmythen  erscheinen  die  nordischen  Berserfcer- 
Mgen.  Die  hftstrkir  treten  ungemein  oft  in  den  allnurd.  Sagas  auf:  es  smd 
Menschen,  stilrkcr  und  wilder  als  andere,  die  in  Ecrserkrwut  ^bcnerirgangr) 
geraten  und  über  die  Menschen  wie  wrtlende  Tiere  herfallen.  Dan«  sind  sie 
unwiderstelUich ,  sie  sdieuen  weder  Elsen  nuch  Feuer.  In  manchen  dieser 
Erzählungen  Iritt  das  Cbematürliche  nicht  auf  den  ersten  Blick  zu  Tage;  das 
Wundt-rbare  ist  erblassi,  die  Gestalten  sind  in  menschliche  Sphäre  gezogen. 
Gleichwohl  iSsst  sich  nnch  der  alte  mythische  Gehalt  erkennen:  der  Berserker 
erscheint  als  n);i  einkamr  »nicht  eiDgestallig«,  also  als  einer,  der  andere  Ge- 
stalt annehmen  kann.  Sein  Name  bedeutet  ider  in  Bärcngcwand  Gehüllte« 
(Sv.  Egitsfton,  Lex.  poet.  s,  v.);  strir^s  Hemd,  Gewand,  htr —  ist  ahd.  bero, 
ags.  bfra,  unser  biir.  das  neben  der  gebräuchlichen  Furm  mil  Brechimg 
ßf'ffmj  in  bera  =  »una*  auch  im  N»>rdisclien  mich  mit  ungebnrchenem  f 
nachweisbar  ist.  (Vgl.  Valnsd.  Fs.  17:  /«■»>  fienrrtir.  rr  uifhednar  vütu  kaUaäir, 
Peir  hi^äu  rarystalika  fyrir  hrynjur.)  In  der  Saga  von  Hr<ilf  Kraki  wird  er- 
zählt, wie  B9dvar  als  mflchüger  Bär  unter  Hrolfs  Feinden  wütete  (Faü.  I.  \oz  f.). 
Nnch  heute  lebt  im  Norden  der  Glaube  fort,  dass  man  sich  in  Hären  ver- 
wandeln kflmie:  in  Norwegen  scheint  diese  Verwandlmig  das  Annehmen 
der  Wolfsgestah  zu  überwiegen  (Fave  78).  Auch  tlinisclic  Volkslieder  er- 
zählen, wie  man  sich  durch  ein  Eiscnhalsband  in  einen  Bären  ve^v^-andetn 
k^ne  (Gundtvig,  DgK.  I.  184).  Die  Berscrkereagcn  sind  demnach  von  Haus 
aus  nichts  anders  als  Wcrwolfmythcn.  V^on  Nurwegen  aus  nahm  man  die 
Mythen  mit  nach  Island.  Hier,  wo  nur  der  F-lsbär  al.s  seltener  Gast  sidi  ein- 
finilrt,  vfHor  der  Name  seinen  alten  (Jehah:  der  Berserker  wurde  durch  die 
Dichtung  zu  einer  Obennensch liehen  Sagcngeslalt,  der  nur  noch  die  ge- 
n-altigc  Kraft  seines  m^-thisclien  Vnri.lufers  innewohnte. 

S  33.  Bilwiä.  Ku  den  seelischen  Geisteni  gehört  weiter  der  Bilwis.  Er 
erscheint  fast  als  das  männliche  GegenstOck.der  llcxc  und  steht  dahex  auch 
in  den  BeichlbQchern  des  14.  und  15.  Jahrlis.  neben  der  Hexe  (Zfdrii.  XVI. 
190).  NtKi-h  heute  zcig<^  sich  beide  oft  nebeneinander,  und  in  Süd-  imd 
Älilleldcutschland  kennt  man  seinen  Namen  als  Hexenname.  Eibische  Züge 
(Myth.  I.  391)  weisen  auf  seinen  secILschen  Ursprung  liin.  Namentlich  in 
Mittel-  und  Süddeuischland  treibt  er  sein  Wesen:  in  Bayern,  Franken, 
Sachsen,  S4-ldesien.  Zciüich  Iflsst  sich  <Ier  Name  bis  ins  \i.  Jahrh.  zurück- 
vrrfolgen.  Bei  den  rahd.  Dichtem  erscheint  er  als  pihviz  piltriht.  pelcioys, 
bihhveis,  buhveths,  auf  ndd.  Gebiete  als  LeJu-it,  belUivitU ;  die  Gegenwart 
nftint  ihn  Bilmi:,  Bilmer,  Hihvis,  liifmiss-,  ßiimi',  ßinsen-,  Gttntdeschnäder, 
auch  Pi/mie-  oder  i*Hmiis.ubHiUfr  (Wuttke  §  394  ff.)-  Diese  grosse  Ver- 
■chicdenhcit  des  Namens  zeigt,  da.ss  man  Ihn  im  Vt*Ike  nie  recht  ver- 
standen hat.  r>er  Name  scheint  slavischen  Ursprungs,  zumal  sich  sein 
Vordriiii.'en  von  Ost  nach  West   verfolgen   Iflsst  (Feifalik.  Z.  f.  östr.  Gymn. 

Ccrauinbchv  PhUulusle  UL    ::.  Aufl.  lä 


274 


XL   MYTHOLOGIE. 


1858.  S.  40fe).  Doch  scheint  er  auf  ein  seelisches  Wesen  germanischen  Ur- 
sprungs übertrageu  zu  sein.  —  Der  BÜwis  ist  der  Geist  eines  bösen  Men- 
schen ( —  und  d«nti  dieser  selbst  — },  der  seinem  Nachbar  fu-hatlen  will.  Er 
geht  Mitteniatlits  piriz  nackt,  eine  Siehe!  am  Fusse  und  Zaubti'sprilche  hersa- 
gend, durrh  die  reifenden  Getreidefelder  und  vc^niichtel  dem  Landmann 
einen  Teil  der  Ernte.  In  der  Kegel  geschieht  dies  in  der  Nacht  vor  Wal- 
purgis,  in  anderen  Gegenden  am  Jubaunisabcnd,  aisu  zu  derselben  Zeit,  wo 
auch  die  llcxcn  ihr  Wcson  treiben.  Dabei  reitet  er  nicht  selten  auf  einem 
schwarzen  Bocke:  fussbreite  niedergelegte  und  verwüstete  Streifen  in  den 
Feldern,  der  sogcnaimtc  Biäwissthuitt,  Durchschnitt,  BuL-kschnitt,  zeigen  seine 
Spuren.  Zuweilen  erscheint  er  auch  dem  Menschen;  dann  verwirrt  er  ihm 
das  Haar  und  macht  c.s  slrupptchu  Ruft  man  den  Bilwis,  so  muss  der  in. 
seiner  Gestalt  wandelnde  Mensch  sterben.  Gegen  den  Bilwis  gibt  es  auch 
Mittel:  der  Büuerin  hilft  ihr  Brautring;  ein  Ta.»  neu  zweig  vor  der  Scheune 
verwehrt  ihm  den  Eingang;  durch  Gctreideapende  kann  er  wie  andere  see- 
lische Wfseii  grtnstig  gesitnimt  werden. 

SchflRwert,  Ait  der   Oöerfi/ah   I.    428—48, 

§  34.  Die  Hexen.  Es  ist  bisher  noch  nicht  gelungen,  in  den  mythi- 
schen Gehalt  dieser  Wesen,  die  in  der  gcimani^ichcn  Kultur-  und  Sitten- 
geschichte eine  ebenso  wichtige  Rolle  wie  in  der  Mythologie  gespielt  haben, 
genügend  einzudringen.  Es  steht  zunjlchst  fest,  dass  diese  dämonischen 
Wesen  ihren  Urspnmg  im  Heitlentum  haben,  zumal  sie  sich  bis  in  die 
älteste  Zeil  zurück  verfolgen  lassen.  Sie  scheinen  aus  dem  allgemeinen  Be- 
griffe der  unholde  herausgcwacltsen  zu  sein.  Mhd.  unhoUe  (f.)  bedeutet 
Hexe  (Mhd.  Wtb.  I,  "O.]).  Daneben  erscheint  der  unholde  als  D/imon.  Beide 
Formen  sind  .sdion  got.  {unhidpii,  unhidpä)  bdc-gt  und  gtrbfii  daif.wjv,  dtäfiokog 
wieder.  Auch  ahri.  haben  wir  im/toldo  iya)  und  twhoidä  (f.).  Glossen  über- 
setzen damit  cunienides,  manes  (Graff  IV,  915).  In  den  Abschwr>rungs- 
formcln  (MSD.  51.  52.)  hat  das  Wort  die  Bedeutung  »heidnische  Geister»,  das 
Feindselige  scheint  hier  mehr  in  den  Hintergrmid  zu  treten.  Das  Wort  ist 
also  uralt  und  gehurt  zweifellos  dem  üeidcntume  an.  Die  älteste  Bedeutung 
von  -Unhold'  ist  aber  'inimicus'  (vgl.  hierzu  Kauffmnim  PBB.  XVIII.  151). 
Diese  zi-igt,  iiass  sclmn  in  heidnischer  Zeit  unter  Unholden  bi-se  Geister 
verstanden  wurden.  Auf  der  anderen  Seite  lehrt  die  Wiedergabe  des  iat 
manes,  dass  unter  den  Unholden  Geister  verstanden  worden  sind,  die  im 
Seelenglauben  Ihre  Wurzel  iiaben.  Im  nortlischen,  wo  dieser  Name  zu  fehlen 
scheint,  cnts[>richt  ihm  der  allgemeine  BegrifT  Irall.  Zu  diesen  Unholden  ge- 
hören die  Hexen.  Das  Wort  ist  offenbar  ein  Kompositum.  Die  älteste 
Form  gewahrt  die  Pariser  Hs.  der  V'crgilglossen,  wo  fttriantm  mit  hngnzussnn 
glossiert  wird  (ZfdA.  XV,  40).  Zu  dieser  Form  stellt  sidi  ags.  kagtesse,  hag- 
tissc,  inndd.  hagvtissc.  Ob  davon  ahd.  hazns,  hazis.  hazes,  haxysa  ^  etytiHis, 
furtfi,  strio  (Graff  IV,  icx^i  f.)  zu  scheiden  und  mit  hittan  -anfeinden«  zu- 
sammenzubringen ist,  wie  Kauffmann  (PBB.  XVIII.  155)  und  Noreen  (Idg. 
Forsch,  IV.  32O)  annehmen,  lileibe  dahingestellt.  Ctjer  die  Etymologie  des 
Wortes  bestehen  die  verschiedensten  Ansichten  (Mytli.  11,  8ik).  Weigand, 
DWtb.  I,  804.  Heyne,  im  DWtb.  IV,  2.  1299;  Laistner.  Nebels.  28off.; 
Riltsel  der  Sph.  11,  187  u.  oft),  Der  erste  Teil  ist  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  ahd.  Aar  =  Wald.  Hain,  und  Weigands  Deutung  als  »Waldweib«,  »Wald- 
gctsl«  mag  das  Richtige  treffen  (vgl.  auch  Noreen  a.  a.  0.).  Hierzu  passen  auch 
sachlich  mehrere  Stellen.  In  der  Kaiserchronik  (I2i99ff.)  wird  die  Crcsccntia 
als  Hexe  angeredet  und  ihr  zugerufen:  du  sollest  pUUchfr  da  ze  heize  xfonit 
danne  dt  megfde  hie  liennini.     Nach    altnordischem    Volksglauben   hauseu  die 


Hexen. 


275 


Vulven,  üie  nonJiscKcii  Hexen,  ürdussen  im  Walde  in  GeselUchafl  der  Wolfc, 
auf  denen  sip  reiten  iHelg.  Hj.  Bugge  S.  176.  Vsp.  40),  mid  der  scthwedische 
VolLtffIdube  Ussl  alle  Weiber  on  einsam  im  Walde  wnhneti,  wo  sie  die  Wolfe 
in  ihren  Schutz  nehmen. 

Ebenso  schwer  wie  die  Bedeutung  des  Wortes  ISsst  sich  aucli  der  Ur- 
^>ning  der  Hexen  als  mythischer  Wesen  klar  k't;en.  Zaut>cr  la^  bekannt* 
lieh  bei  den  alten  Germanen  in  erster  Linie  in  den  Hunden  der  Frauen.  /Vuch 
rdicse  lebten  nach  dem  Tode  fort  und  trieben  ihr  Handwerk  nach  irdischer  Weise 
weiter.  Die  Zeugnisse,  das-s  dit'sell>en  im  Geisterzugc  der  Frau  Holle,  Diana, 
HeTtxiia-s  oder  wie  die  Führerin  der  Seclcuschar  heissen  mag,  steh  befanden, 
lassen  sich  bis  auf  Huchard  von  Wurms  und  Regino  von  IVtlm  {t  c)i5)  zurück- 
verfidgen  (Weinhold,  Deui&clic  Frauen  *  I.  741.  Auch  die  Hexen  haben  ihr  Fest 
im  Mitwinter,  wann  es  die  seelischen  Geister  haben.  Jemanden  töten  hei.S3t 
daher  bei  den  nurdischen  SkaUlcn  *tk'n  Hexen  übergeben«  \imlhim  ;fc/rt  aus 
dem  Q.  Jalirli.  Orkii.  s.  ca|>.  7).  In  den  altnord.  Hävamäl  erzahlt  der  Kuncii- 
meistcr.  wie  er  sein  Vcrslein  habe,  mit  dem  er  die  Hexen  {iHitriäur  d.  i. 
Zaunreiterinnen,  vgl.  dazu  die  irumiten  der  alten  tnhd.  Bescliwürungsrurmel, 
I Silzungsber.  der  Münch.  Akad.  181)7.  H.  S.  7.  ibjff.)  verwirre  und  heim- 
treil«',  wenn  er  sie  in  der  Luft  reiten  sehe  (\*.  155).  Allein  diese  mvibi- 
scheu  Scharen,  die  aus  dem  Lfrticn  hervorgegangen  sind,  wirken  auch  auf 
da.s  Leben  zurück,  wie  alle  seelischen  Wesen.  Die  Seelen  der  Zauberinnen 
kommen  nach  dem  Tode  in  jene  Scliaren;  wälirend  des  Lebens  besitzen 
gewisse  Fniuen  die  Macht,  dass  sich  ihre  Seele  vom  Köqjer  trennt  und  dass 
jene  an  dem  Treiben  der  Geister  mit  teil  nimmt.  \V>n  bliesen  haben  sie  ihre 
KcUutc,  durch  die  »ic  dem  Menschen  Schaden  Tiufügcn,  wie  aus  zaliln-ichen 
Beispielen  aus  der  altnurd.  Literatur  liervorgebt  (Maurer,  Bekehr.  H,  132  ff.). 
Sie  verstehen  die  Geister  zu  mfen  mid  mit  ihnen  zu  verkehren  (Vsp.  22). 
Vor  alten  vcretehen  sie  sich  aufs  Wetlennachen  (La.\d.  S.  142.  Fridlij.  S. 
Fas.  II,  72.  7S  ff.  Lex  VLsigol.  VT,  2).  Noch  heute  erlernen  im  Volksglaubett 
die  jungen  Hexen  ihre  bösen  KUnsile  von  alten  Hexen,  die  sich  auf  Wcller- 
madien  u.  dgl.  verstehen:  sie  mtLssen  dreimal  7  Jahre  in  die  Lelirc  gehen 
und  mit  dem  Teufel  gebuhlt  haben,  dann  erst  erhalten  sie  als  Siegel  den 
schwarzen  Bocksfuss  aufs  Kreuz  (von  Alpenburg.  Mythen  Tirols  2.V»f.).  So 
entst;ind  der  Gbube  an  die  Zusammenkünfte  irdischer  Frauen  mit  den 
Geistern,  demi  fast  in  allen  Hexensagen  wird  her\'orgehoben,  dass  die  irdische 
Hexe  an  gewissen  Tagen,  an  denen  sich  besonders  die  Geister  zeigen,  die 
Macht  habe,  durch  die  Luft  zu  reiten  und  au  den  Gcistervcrsammlungcu 
Teil  zu  nehmen.  S<'i  ist  der  Glaul>e  an  die  men.schtichen  Hexen  entstanden, 
der  durch  die  unzilhl^;cn  Hcxenpru«t»sc  und  Hexen  Verfolgungen  seit  dem 
Ib.  und  17.  Jahrh.  eine  kulturhisiMri>iche  Bedeutung  erlangt  hat.  wudurch 
auch  das  Wort  Hexe  verbreiteter  und  bekannter  wurde. 

Selten  hat  sich  altes  Heidentum  so  lange  und  reiu  im  Volke  erhalten,  wie 
gnade  im  Hexenglauben.  Gemäss  ihrem  mythischen  Charakter  zieht  die  Hexe 
mit  dem  Seelenherr  <lurch  die  Lüfte,  bisweilen  ihren  Kopf  uud  ihre  Gcdanne 
nach  sich  si-hle]ipend.  In  schwarzen  Wolken  —  und  hierin  zeigen  ;de  sich 
ebenfalls  als  selLsrhe  Wesen  —  reichen  sie  durch  die  Lüfte,  und  man  kann  sie 
dunh  Zauber  zum  Herabfallen  zwingen  [Wuttke  §  23).  In  der  Oberpfalz  sagt 
man.  wenn  es  wittert:  -Die  Hexen  schiessen  Purzelbäume«.  Allgemein  verbreitet 
ist  der  Glaube,  dass  sie  in  Hagelwolken  cinherreiten  und  dass  man  sie  daraus 
heruntcrschicssen  kann  iWuttke  §  20f)).  Zu  den  Sagen  von  wcttcrmachendcn 
Hexen  gehört  auch  der  treffliche  nortUst;he  Mythus  von  t'orgerd  Hvigabrud  und 
Vrpat.Fms.XI,  i34ff.Ftb.  I,  loiff.u.  oft  vgl.  Ark.  f.  n.  lU.  H.  iJ4ff.):JarI  Häkon 

IS* 


von  Norwegen  befindet  sirh  im  Kampfe  mit  den  Jömsvtkingem.  Durch  das 
Opfer  seines  siebenj.llirigen  Snlines  vermag  er  allein  jene  beiden  Schwestern, 
in  denen  die  dämonischen  Gewalten  unserer  Hexen  als  WL-tterniacherinncn 
stecken,  fftr  sirh  ni  gewinnen.  In  der  festen  Cfherzcugting,  nnn  wer<)e  er 
siegen,  spornt  er  die  Seinen  zum  Kampfe  an.  Der  Kampf  beginnt.  t);i  zieht 
ein  Wetter  heran;  im  Nnulen  tünnen  sich  dunkle  Wulken  und  ziehen  das 
Meer  enüang.  Bald  folgt  ein  Hagelwetter»  begleitet  von  furchthirem  Winde» 
zugleirJi  von  Blitz  und  jjewalUjicni  Donner.  Gegen  diesen  Hagel  hatten  die 
JÄmsvikinger  zu  kiimpfen.  Dam  hatte  sirh  die  Hitze  des  Tages  in  eisige  Kulte 
verwandelt.  Da  gewahrt  HAvardr  zuerst  die  rorgerd  in  Häkcms  Gefolge;  bald 
sehen  sie  auch  andere.  Man  sieht,  u-ie  von  jwlem  ihrer  Finger  Pfeile  aus- 
gehen und  wie  jeder  von  ihnen  seinen  Mann  trifft  Dies  wird  dem  Fohrer 
Sigvald  gemeldet,  imd  er  ruft  aa*;:  »Ich  glaube,  dass  wir  heute  nicht  nur  ^egen 
Menschen  zu  kämpfen  haben,  sondern  auch  gegen  die  allerb>".sesten  Hexen  (/■/</ 
in  ventii  tro/I),  und  Hexen  Stand  zu  hallen,  das  scheint  mir  allzu  schwierig; 
dodi  kiinipfcn  wir  so  gut  es  geht.«  Der  Hagel  litsst  etwas  nach,  .'\liermals  fleht 
Häkon  die  Porgcrfl  um  ihren  Beistand  an.  Sic  erscheint  «-ieder  und  diesmal 
mit  ihrer  Schwester  Vqia.  jetzt  beginnt  das  Weiler  heftiger  als  zuvor  zu 
werden.  Als  die  JAmsvikinger  diese  beiden  sehen,  da  beschlicssl  Sigvaldr  den 
Rückzug  anzutreten:  gegen  zi*-ei  Unholdinnen  {ßi^g'f),  meint  er,  sei  seine 
Macht  zu  gering.  —  Solche  Erzählungen  hat  die  nordische  Dichtung  in 
Menge.  Bekannt  sind  die  Trolle,  die  in  der  Fridfjjüfssaga  (Fas.  II,  72  ff.^ 
die  lifiden  König^^i^hne  gegen  Fri«1f>ji»f  dingen,  damit  d;is  Unwetter  diesen 
ntt.hl  anh  Land  stgeln  lasst-. 

Ihren  seelischen  Ursprung  bekunden  die  Hexen  femer  in  ihrer  iVoteus- 
natur.  HamhUypa  »die  in  anderer  Gestalt  I^uifcnde«  nennt  sie  der  Isländer. 
Nach  deutsihem  Aberglauben  erscheinen  die  Hexen  namentlich  als  Katzen 
und  Kn"ten  (Wuttke  §  155.  173),  aber  auch  als  Eidechsen,  Eulen.  Hunde 
u.  dg[.  (Wuttke  ^  217)-  Immer  stiften  sie  in  TiergeKtalt  Sch;idcn  an;  ckiher 
nehmen  sie  auch  nie  die  Gestalt  frommer  Tiere  an.  Gross  ist  die  Macht  der 
Hexen,  und  deshalb  fOrchlet  mar  .>ae  noch  heute;  sie  können  aus  allen  mög- 
lichen Gegenständen  Milch  melken,  ans  NJtgeln,  Besen,  Breitem  u.  s.  w.  Gern 
entwenden  sie  den  Kühen  der  Mitmenschen  wahrend  der  Nacht  die  Milch. 
Sie  können  femer  den  Menschen  auf  eine  Stelle  bannen,  dass  er  sich  nicht 
rühren  kjtnn.  Hieraas  erklärt  sich  uiLser  Hexfnschttss.  Weiter  bewirken  die 
Hexen  Viehs t-uchen,  behexen  die  Kinder,  riass  diese  nicht  gedeihen,  fügen 
auch  den  Menschen  Krankheilen  zu,  bringen  Wl-cIiscI balge,  wie  die  elbischcn 
Geister,  wie  die  Mahre,  bewirken,  das»  M3u.se,  Flrthc,  Raui>en  und  anderes 
Ungeziefer  ober  die  Lander  kommt,  vor  allem  aber  erzeugen  sie  auch  heute 
ncK-h  Unwetter,  Sturm.  H.'tgel,  Nebel.  Dann  fliegen  sie  wührcml  des  Un- 
wetters als  Krähen  odi-r  Raiien  in  der  Luft  umher.  Ja  in  <.)ldenhurg  behexen 
sie  sogar  den  Regen,  wenn  die  Wasche  gebleicht  wird,  %<.\  dass  diese  scliwarz 
wird.  So  zeigt  sich  die  Hexe  überall  hftse,  scliadigend,  nirgends  helfend  und 
gutmütig,  eine  echte  UidioIdJn  vtmi   Kopf  bis  zur  Zehe. 

Ihie  Th;u^3;kcit  und  ihren  L'rsprung  zeigen  auch  die  Namen,  die  die  Hexen 
im  V.)lksniui^de  liaben.  In  Süddeutschland  heissen  sie  Dnaien,  in  Friesland 
äe  lichtt  Lu  »die  leichlcu,  scliwcbcmleii  Leute«,  thl  ro<ie  Volk  auch  Wickersfhe 
aZauberin^i,  in  ( )Idenburg  qiaitie  oder  lefie  Lii  (schlechte  Leute),  in  der  Oberjifalz 
T<%ustr{i(hcrinmn,  weil  sie  oft  den  Tau  vi>n  den  Wiesen  nehmen  (Wuttke  §  209). 
Jn  Nor^^*egen  heissen  sie  //»//,  ftn^ty  sknss,  skasa,  das  sind  Bezeichnmigen,  die 
sonst  auch  für  Riesinnen  vorkommen,  daneben  besonders  i-^ilrur,  d.  li.  Stib- 
trügcrinnen,   wodurch    wie   in   stidkona    mehr  die    menschliche   Natur  jener 


mylhiaclicn  Gestalten  ausgedrückt  werden  soll.  Gegenwärtig  Ist  der  uligemeine 
Name  imil  im  Norden  der  herrsrhemle,  der  wahrscheinlich  mit  an.  ttväa,  ahd. 
Jnian    -Ircten*   zusammenhangt  tSiuvcrs,  Idg.  For:*ch.  IV.  33g). 

Krauen,  die  sich  in  Hexen  verwandeln  kiinnen,  sind  iltiüscrlich  erkennbar: 
nun  erkeimt  sie  an  zusamineiigewaLtiscncn  Augenbrauen,  an  roten,  triefen- 
<leit  Augen,  an  einem  wackeligen,  cntenartigen  Gange,  an  den  FlattftLssen. 
Sie  vermtjgen  ihrem  Mitmenschen  nicht  in«.  Gesicht  zu  schauen,  können  über 
keinen  Bcicu  gehen.  Ihre  Gesieh t-sfarbif  i.si  fahl,  ihr  Haar  verwirrt  und  strup- 
pichi,  ihr  Leib  mager.  Naih  christlirhr-m  Mytluis  h;it  ilmen  an  verschiedenen 
Teilen  deü  Kurjicrs.  iiajnentlich  am  Kreuz,  der  Teufet  üeiii  Siegel  aufgedrückt 
Auch  manches  GeheimmiUel  ISsst  die  He\e  erkennen:  ein  am  WeÜmaclils- 
abend  gepflücklesi  vierblaiteriges  Kleeblatt,  das  Ei  einer  sdiwarzen  Heiine 
u.  dgL  iWuttke  !^  375  ff.}. 

Die  Hauplbclustigung  der  He.\en  ist  der  Tanz,  ihre  Hauptspeisc  das  ?ferde- 
fleiscli.  i^u  fn'ihlichem  Tanze  und  Schmause  k<jmmen  »ie  an  bestimmten 
Tagen  im  Jahre  an  gewissen  Urten  zusammen,  in  der  Regel  auf  ilergen,  wo 
dann  der  aufgerichtete  Pferdeschadel  ihre  MaktStte  keinueichneL  Die  Berge, 
auf  denen  sie  sich  treffen,  waren  einst  alle  (_>])frrsti»ten  unserer  Vorfahren, 
Opfersiaiien,  an  denen  entw-cder  tlen  seelischen  Geistern  sdUccliiliin.  uder  den 
chlhonischen  (»«»ttheiten,  die  diese  filhnen,  geopfert  wurde.  Nach  aliger- 
maniscbem  Brauche  iil  hier  auf  einer  Wiese,  unter  einer  Linde  iwier  einer  Eiche 
ihr  Versaramliuigsort  gedacht,  ß/orh^r^  mii^i  limcksberg  [^bTOchetshcrg  ältestes 
Zeugnis  um  1300:  das  Wort  fiedeuiel  nach  üofmann  >Wolkonberg:.  Sitzungs- 
ber.  der  Münch.  Akad.  1867.  IL  S.  7.  167  f.)  heissen  in  Nurtldeutschland 
jene  Anhöhen,  wo  diese  Versammlungen  stattfinden.  Am  berühmte-sten  unter 
ihnen  ist  der  Brocken  im  Harze  mit  seinem  Jlexenttmzplatze  (vgl.  Jacobs, 
Der  Brocken  und  sein  Gebiet,  W'ernigr.  1871:  der  Brücken  In  Geschichte 
und  Sage.  Halle  \%'m\.  Schon  im  :>  Jahrh.  erscheint  er  als  Hexensamnicl- 
platz.  Andere  UInckshcrge  sind  in  Mecklenburg,  in  Preussen,  Holstein;  in 
<ler  Schweiz  kommen  die  Hexen  auf  dem  Pilatus  zusammen,  in  Tirol  auf 
«lern  Schtemkofel,  in  Elsaw  auf  dem  Hüchelberg,  in  Schwaiien  auf  dem 
Kandel  und  Heuberg,  in  Franken  auf  dem  Petersberg,  dem  Kreidenberg, 
dem  SlaffcUtein.  in  Westfalen  auf  dem  Köterlierg  oder  dem  Weckingsstein 
bei  Corvey,  in  Hi-s-sen  auf  dem  Heclielberg.  in  Thüringen  auf  dem  Hürsel- 
berg.  dem  Inselsberg;  dliiüsche  Vulkssage  versetzt  die  Hexeninalstatt  nach  dem 
iKekla  auf  Island,  dem  Hi-kkelfjeltl.  oder  nach  Tronis  d.  i.  Tnimmenfjeld  in 
Kurwegen;  Mfliwedische  nennt  den  Blakulta  in  Smaland.  Jungfrukulleii,  Nasafjlilll. 
norwegische  den  Blaakolle.  Dnvrefjdd,  Lvdcrhom  u.  a.  als  Sammelplutz  dieser 
Wesen  (Myth.  JI.  87V),  III.  3081,  Dorthin  reiten  die  Hexen,  nachdem  sie 
sich  mit  Hcxensalbe  bestrichen,  nach  moderner  Auffassung  durch  den  Schorn- 
stein der  Hsuner  auf  Stecken,  Utnigabeln  iKier  anderen  Werkzeugen,  meist 
nackt,  oft  auch  auf  Tieren,  Bocken.  Kjtlzen.  Ebem  u.  dgL  S()  beschreibt 
schon  der  Greifswalder  Arzt  Joel  ( *fh  ludis  laminrum  in  monU  BnuUrorum, 
4jwm  ß/ochberg  titfu/i/"  Rostock  I5<>0)  den  Hexenritt.  In  der  Dämmerung 
gelit  der  \\'eg  dahin.  Daher  lieissen  sie  Nachl/rauen,  Nacht mUrinnen,  an. 
i;-€idriä>tr,  tN\tkritinr.  Unter  diesen  Namen  lassen  sich  die  Hexen  schon  im 
JI.  JaJirh.  nachweisen.  Gc^jen  sie  cifcn»  schon  die  nordUcheu  Volksgesctzc 
auK  frtihchrisdicher  Zeit  (Norsk  HLst.  Tiditskr.  IV.  172].  Die  Hauptnacht  ist 
die  Walpurgismtcht,  die  Nacht  auf  den  i.  Mai.  Auch  die  Johannis-  und  die 
Barth« -Inm-linacht  finden  sich  als  Vcr&ammlungsn ächte.  Ausserdem  finden 
ilire  Fahnen  durch  die  Lüfte  wahrend  der  zwölf  Nat.hte  sta«. 

Wahrend  aluleutsche  Quellen  Qber  die  Versammlungen   der  Hexeit  nicht 


278 


XI.   MYTHOLOGIE. 


erhalten  sind,  fliessen  aucli  hier  wieder  die  altnordisrhen  reicher.  Eine 
Hexensage  aus  dem  14-  Jahrli.  entliult  die  Thorsteinssaga  (Fins.  III.  I7,sff.): 
Thf)rsteinn  lag  verslcrkt  im  Ried.  Da  hörte  er  einen  Knaben  in  den  nahen 
Hüfiel  rufen:  ^Müller,  reiche  mir  meinen  Stecken  und  meine  Handschuhe,  ich 
wii!  zum  Gci-stcrriu  {fiandreiä),  denn  es  ist  Festzeit  unten  in  der  Welt"..  Da  w*3rd 
ein  Feuerhaken  und  ein  Paar  Handschuhe  aus  dem  Hügel  geworfen;  jenen 
besteigt  dcT  Knabe,  diese  zieht  er  an  und  (.Ihrt  dann,  wie  Kinder  zu  reiten 
pflrgen,  durch  che  I^ftr.  Thorsteinn  ruft  fbenf;dls  in  den  Hflge!  und  erhalt 
dieselben  GegenstJlnde.  Er  reitet  dein  Knaben  nach.  Es  geht  durch  die 
Wolken  nach  einer  Felsenburg,  wo  eine  Menge  LtHitc  an  der  Tafel  sitzt  und 
aus  silbernen  Bcdiem  zeclit.  Ein  König  sitzt  oben  un  der  Tafel.  Thiinstcinn 
wird  ^^a]d  erkannt  und  muss  schleunigst  fliehen.  —  Wir  haben  hier  eine  Hexen- 
versammlung mit  einem  Künig  als  Leiter,  wie  in  der  deutschen  Volkssage  der 
Teufel  die  Versammlung  leitet  Amlerc  Sagen  berichten  gleiches.  »Wo  willst 
du  hin?*  ruft  Ketill  baengr  seiner  l'flegemuttcr,  einer  Trollkona,  zu.  als  diese 
sich  einst  wahrend  der  Nacht  erhebt  und  mit  lang  ütier  die  Schultern  herab- 
hängenden Haaren  hinaus  in  die  T.üfte  fahrt.  »Zum  Trollenthing«,  gibt  diese 
zur  Antwort;  iJurtliiti  kommt  Skelkingr  aus  Dunibliaf,  der  König  der  Trolle, 
und  Ofoti  und  ^o^ge^dr  H9i^troll  (d.  i.  H9lgabrüdr)  und  andere  berühmte 
Geister  aus  Norden-   (Kas.  II.   131). 

Die  Hcxcns*gcn  sind  bisher  f.ist  durchweg  nur  vom  kuImrhUtorischcn  Sundpunkc 
aus  bcbanJcl:  worden.  Das  bedeutendste  Werk  darüber  ist  Soldan,  Geschieht« 
der  Jirxfnprosru^.     z.  Aiifl.  von    Hcpfif.     %  B<lc.     Stiittg.    1880, 

§  "^5,  Die  Holden  und  I'erchieri',  Deutscher  Volksglaube  des  sputen 
Mittelalters  und  der  Gegenwart  wei.ss  vim  einer  Frau  Holcta  oder  Holle  und 
Perdita  zu  erzilhlcn,  die  mit  ihren  Scharen  durch  die  Lüfte  faliron,  beson- 
ders zur  Zeit  des  gros-stn  winterlichen  Seelenfesles  sich  den  Menschen  zeigen 
und  sie  bald  belohnen,  bald  bestrafen.  Man  hat  in  dieser  Figur  und  almlichcn 
anderen  Per><onifikationen  alter  germanischer  Gottheiten  finden  wollen,  allein  die 
Belege  aus  alldeutsrher  Zeil,  die  J.  Grimm  u.  a.  dafür  ins  Feld  geführt,  haben 
sich  als  unzuverlässig  unil  z.  T.  fat>K'h  crft'iesen  (vgl.  Maunhardt,  Vorn-ort 
zu  den  .\nt.  Wald-  und  Feldkulten  S.  XHI  und  besonders  Kauffmann  PBB. 
XVIIL  14,';  ff.).  Nun  findet  sich  für  die  seelischen  Wesen  neben  nnkotd 
schon  frühzeitig  der  Name  holdtn.  Die  Wassergeister  erscheinen  als  Wazzei^ 
hoidt.  /iriitirtftifwhie  (Myth.  I.  403),  als  HolUn  ersrheJnen  die  Zwerge  (Kuhn, 
Westf.  Sagen  I.  ii),l  f.,  200  u.  Oft.),  Oberhaupt  die  Seelen  Verslürbener  (ebd. 
H.  124).  Auch  im  Norden  finden  wir  dte„sell>e  Bezeichnung  fflr  die  seeli.schen 
Wesen:  in  der  Tliorsteins.saga  wird  ein  Unterirdischer  kuhiumadr  genannt 
(Fms.  III.  177),  in  dem  heutigen  isländischen  Viilksglauben  Ist  huldußlk 
gleiclibedeutend  mit  dljar  (Maurer,  Isl,  Vnlkss.  .S.  337),  die  norwegischen 
Geistersagen  sind  Jluldrc-rt'ctitvr  (Asbjonisen,  Norske  Huldre-Eveiityr).  Dasa 
der  Name  verstorbener  Vulven  und  Zauberinnen,  die  ihre  Seele  umher- 
schweifen lassen  konnten,  meist  HulJ  war,  ist  bekannt  (vgl.  auch  Fritzner, 
Norsk  Hisi.  Tidsskr.  IV.  186),  Überall  sehen  wir  auf  germanischem  Gebiete 
den  engsten  Zusammenhang  zwischen  den  Hulden  und  den  Seelen  der 
Verstorbenen,  und  wir  brauchen  deshalb  das  holdam  des  Correctors  des  Bur- 
chard  von  Worms  nicht  in  unhnidnm  (PHB.  XVIH.  150)  zu  ändeni,  wn  e8 
von  der  Schar  der  nachtfahrenden  Dämonen  heisst  *qnam  vtilgark  sluliitia 
hofdam  i-ornnf.*  Dies  Ao/da  gehört  aber  etymolugisch  zu  ahd.  Ar/an  »ver- 
bergen« und  berührt  sich  s<i  mit  an.  //r/.  unserem  //n/U.  Demnach  sind  die 
Holden  von  Haus  die  Unterirdischen,  die  nach  dem  IVpde  noch  ihr  Wesen 
treiben.     Wie  das  sprachliche  VerhaltnU  dieser   zu    den   Vnhoidtn   gewesen 


Hexen.    Holden  c.  Pbrcmten. 


279 


ist,  dflnkt  mich  noch  nicht  genQgrend  aufgeklart.  Aus  dieser  Schar  der 
Hdiden  ist  mm  in  spater,  vicütricht  erst  in  christlicher  Zeit  und  z.  T.  unter 
dem  Einflu&se  fremden  Volksglaubens  eine  Führerin  enbftanden,  der  die 
Volksphantasie  das  nomen  proprium  aus  dem  Koltektivbegriff  geschaffen,  die 
aber  im  Laufe  der  Zeit  die  von  ihr  geführten  Wesen  zurückgedrängt  hat 
'Das  ist  die  Fran  Holte  oder  Iloltia  unserer  Milrrhcn  und  Sagen. 

Das  Gebiet,  wo  der  Volksglaube  von  Frau  Holle  zu  erzählen  weiss,  ist 
besondere  Mitteldeutschland.  Im  Norden  reiclit  es  bis  zum  Harze,  im  Osten 
bis  in  die  Gegend  von  Halte  und  Leipzig.  Von  hier  aus  geht  die  Grenze 
ihrer  Verehrung  nach  Südwesten  bis  in  das  Maingebiel  in  Unterfranken.  Die 
Weslgrenze  endlich  zieht  sich  nacli  Norden  längs  der  Fulda  und  Weser,  bis 
^Bich  iK'trdlich  von  Minden  die  Sagen  von  ihr  verlieren.  —  Wie  alle  chthoniichen 

^esen  lässt  man  auch  sie  meist  in  Bergen  weilen,  zumal  da,  wo  Teiche  oder 
Quellen  sich  in  der  N.ihe  befimlen.  denn  auch  in  den  GrwiJfisem  ist  ihr 
Aufenthalt.  S<]  haust  sie  im  H(>rselbergc  bei  Eiseiiach  (M'itzel,  Sagen  aus 
TliOringen  I.  129  ff.,  IL  76),  im  Kyffhauser,  wo  sie  als  Kaioer  Friedrichs 
Schaffnerin  erscheint  (Nordd.  Sag.  216),  im  Unterberg  bei  Hasloch  am  Main 
(ZfdMnh.  I.  23K  vor  allem  aber  am  Meissner,  südöstlich  von  Cassel,  wo 
noch  heute  an  bestimmtem  Tage  ihr  zu  Ehren  die  Bauern  zusammenkommen, 
um  sich  nach  alter  Sitte  an  Tanz  tmd  Musik  zu  ergötzen  (Lyncker,  Sagen 
imd  Sitten  aus  hessischen  Gauen  S.  t6).  Hier  li^  das  H^>llenthal  und  in 
seiner  Nahe  ein  alter  OpfergrabcD,  hier  liegt  der  Frauhollenteich,  in  dem 
Frau  Holle  wohnen  sftll.  —  In  ihrer  Umgebung  befinden  sich  die  Holden, 
die  fast  ilbeiall  als  Seelen  von  Verstorbenen  erkenntlich  sind.  Mit  ihnen 
wohnt  yie  femer  in  Teichen  und  Bninncn  (LxTicker  S.  i";  ZfdMyÜi.  L  24; 
KHM.  No.  24),  mit  ihnen  zieht  sie  durch  die  Lüfte  (Witzel  I.  129;  Nordd. 
Sag.  222).  Wie  der  Wind-  und  Totengott  reitet  sie  zuweilen  auf  prachtigem 
Scliimmel  (ZfdMylh.  L  28)  oder  fahrt  im  Wagen  durch  die  Luft  (Witzel  I. 
144;  Pr«"'hle,  Harzs.  187).  Als  Herrin  des  Seelenheeres  kommen  von  ihr 
die  neugeborenen  Kinder  (Lyncker  17).  Zuweilen  hört  man  in  den  Bergen 
itu-  Lied,  ttHe  das  der  Elfen  (ZfdMyth.  I.  28).  Die  Zeit  ihrer  Umzüge  ist 
die  Zeil  der  zwölf  Nachte,  wo  alte  seelischen  Geister  ihr  Wesen  treiben.  In 
dieser  bringt  man  ihr  Gaben  und  Spende.  Auch  im  Wetter  erkennt  der 
Volk^laubc  ihr  Wallen:  «w/hneii  es,  so  macht  sie  nach  weitverbreitetem 
Glauben  ihr  Bell,  zeigt  si*  h  Nebel  am  Berge,  so  macht  sie  im  Gestein  Feuer 
(Lynckcr  S.  i8|.  Ruht  sie  in  ihrer  Behausung,  so  kann  sie  natürlich  nur 
das  ihun,  was  am  heimischen  Herde  die  deutsche  Hamfrau  zu  ihun  pflegt: 
spinnt  (Nordd.  Sag.  216).      So  ist  sie  auch   zum  Genius  des  häuslichen 

lerdes,  des  hauslichen  Fleisses  geworden.  Fldssige  Spitmerinnen  belohnt 
faule  bestraft  sie  (KHM.  No.  24;  Witzel  I.  135;  Pröhle  1K7:  Lyncker 
17  u.  oft.).  Ist  der  Flaclis  vor  Beginn  der  heiligen  Zeit,  am  Freitag  vor 
den  Zwölften,  nicht  abgesponnen,  *«3  besudelt  sie  diesen  (Nordd.  Sag.  370. 
417;  Sommer,  Sagen  aus  Sachs,  und  ThQr.  10.  162;  ZfdMyth.  L  24).  Audi 
l^schadet  sie  in  solchem  Haushalte  dem  Vieh  (Nordd.  Sag.  371).  Femer  vei- 
«  sie  Eheglück  und  macht  Frauen  gesund  und  fruchtbar  (Lyncker  47), 
steht  Wöchnerinnen  bei  mid  trocknet  ihnen  die  Whideln  (Sagen  aus  Weslf. 
IL  4).  —  Auch  sonst  zeigt  sie  sich  freundlich.  Marienlegenden  s<:he-inen 
z,  T.  auf  sie  übertragen  zu  sein.  Sie  befruchtet  die  Obstbaimie  (Sage»  aus 
Westf.  I.  162,  182),  die  Saaten  (Lyncker  S.  18),  spendet  Gold  (Nordd.  Sag. 
215:  Witzel  I.  114;  KHM.  No.  24),  tmterslützt  alte  imd  hOlfebedUrftige 
Leute  (ZfdMyth.  L  24).    Als  schöne  weisse  Frau  mit  weissem  Gewände  oder 


28o 


XI.    M\TH0L001E. 


Sclileier  sieht  man    sie    zuweilen    über  die  Wiesen   fliegen    (Lv-ncker    17; 
ZfdMyÜi.  I.  2y.  Prßhle  259).! 

Ganz  .Ihnlich  wie  Ursprung  und  Ausbildung  der  Holda  mag  der  der 
Pcrchta  uder  Bcrtha  gewesen  sein.  An  eine  Anlehnung  an  den  Perclilen- 
tag,  d.  t.  den  (>.  Januar,  isl  bei  der  Perchta  schon  deshalb  nicht  zu  denken 
(Mannhardt,  AniWFK.  IL  184  (f.),  weil  in  den  allen  KalcnÜL-rn  dieser  Tag 
nicht  unter  jenem  Namen  erscheint.  Vielmehr  sind  wohl  auch  hier  die 
Perchten,  d.  h.  seelische  Wesen  wie  die  Holden  (Ziugerlc.  Sillcn,  Brauche 
und  Meinungen  des  Timlcr  Volkc-ts  '  128  f.).  der  Antgangspunki  gewesen: 
dir  Pcrrhta  isl  die  Fülirerin  der  Perchten  geworden,  das  Wort  »Perchten« 
gehört  aber  zu  ahd.  pfvfian  in  derselben  Bedeutung  wie  kelan.  Pcrchta  und 
Holda  sind  Gestalten  späteren  Volksglaubens,  die  sich  volIst5ndig  decken: 
tiie  sind  nicht  sachlich,  sondern  nur  lokal  von  einander  zu  trennen. 

Das  Gebiet  der  Perchta  reicht  in  verschiedenen  Gegenden,  namentlich  im 
Vmijiland  und  in  dem  nürdüchen  Bayern  in  das  Gebiet  der  H"lda  hiiunn. 
Den  Namen  Pcrt:hla  finden  wir  über  ganz  Obcrdeutschlarid  verbreitet;  fast  in 
allen  österreichischen  Landen  ist  er  zu  finden,  in  Kayern,  in  der  Schweiz,  in 
Schwaben,  im  Elsass,  dazu  im  Vuigüand,  von  wo  aus  er  ins  südliche  Thü- 
ringen gedrungen  ist  Wie  die  Holda  ist  die  Perchta  die  .Seelenführerin. 
Mit  den  Seelen  versturbener  Kinder  fahrt  sie  durch  die  Lüfte  (Bümcr, 
Sagen  aus  dem  Odagau  128,  154;  von  Alpenburg,  Sagen  aus  Tirol  S.  6,^). 
Im  Orlagan  erscheint  »ic  deshalb  auch  aEs  HeinichcnkOntgin  ^Monier  114). 
Bekannt  ist  die  Sage  vom  Mädchen  mit  dem  Thränenkruge,  das  sicli  in  der 
Schar  der  Berchta  befand  (Römer  143;  Köhler,  Volksbrauch  im  Voigtland 
»190).  Spatere  Dichtung  iRsst  sie  Ackergeräte  und  Wirtsc haftsgegen stände 
tragen  (Bßmer  i.ui-  Wie  Hnlda  fährt  auch  sie  auf  einem  Wügcn,  den  sie 
zuweilen  von  Menschen  ausbessern  las.st,  die  dann  gut  belohnt  werden 
(IJömcr  173,  183:  Köhler  49 2).  Nicht  selten  fahrt  sie  auch  ungestüm  durch 
die  Lüfte,  wie  das  wilde  Heer;  daher  beisst  sie  die  wilde  Bertha  iWitxel, 
Sagen  aus  Thünngen  11.  134),  Wie  Holda  treibt  auch  Perchta  besonders 
in  den  ZwölfnäLhten  ihr  Wesen.  Vor  allem  ist  ihr  der  Perchtenabcnd  ge- 
weilit,  an  dem  diese  Xeit  der  Geister  ihren  Abschlnss  hat.  Dann  muss  man 
aller  Orten  auf  sie  gefasst  sein.  In  dieser  Zeit  besucht  sie  auch  die  Spinn- 
stuben, und  wehe  den  Faulen,  die  nicht  abgesponnen  haben  (Bömer  15.5; 
Kr.hler  488;  Zingerle  128).  Wl>  tnaji  sich  frCihlirbem  Geplauder  mit  den 
Burschen  und  dem  Xirrlitsthun  hingicbt,  da  wirft  sie  die  Spindeln  in 
die  Stube  und  verlangt,  dass  sie  in  einer  Stunde  abgesponnen  seien  (Utlmer 
1Ö7:  Kolller  489).  Ihr  zu  Ehren  fand  in  Tyrol  und  der  Schweiz  das 
Perrhtenlaufcn  statt:  im  Maskenanzug  sprang  und  lärmte  man  durch  die 
Gassen  und  in  den  Hauscni;  je  toller  uian  das  Perchtcnspringen  ausführte, 
je  besser  wurde  die  Ernte.  Es  ist  wieilerum  eine  Festlichkeil,  die  sich  bei 
allen  Tutenfesten  wiederfindet.  Ursprünglich  fiel  sie  auf  den  Pcrcblenlag 
(ZitiRicrle,  S-  128  f.),  spater  verlegte  man  sie  auf  den  letzten  Fasel lingsabcnd 
(Mannhardt,  BK.  542  f.).  In  Baycni  scheint  diese  Sitte  S4-hon  im  17.  Jahrh. 
ausgestorben  zu  sein;  161&  verbietet  der  Nürnberger  Magistrat,  >dass  die 
jungen  I^ute  in  der  Bergnarht  lärmend  durch  die  Stadt  ziehen  und  an  die 
ThUien  klupfen»  (Panzer.  Bayr.  Sagen  IL  iio).  Auch  ihr  Opfer  verlangt 
die  Perchta.  In  Tyrol  lasst  man  noch  heute  für  sie  Essen  stehen  (Zingerle 
127.  i8tt).  Im  Voigtlande  und  in  Thüringen  muss  man  an  ihrem  Tage 
Zemmede,  d.  i.  eine  Fastenspeisc  aus  Mehl,  Wasser  und  Milch,  essen 
(Bömer  153  f.V  Aber  aucJi  von  anderer  Seite  zeigt  sich  die  Perchta,  auch 
hierin  der  Holda   gleidi.     Sie    spendet    dem   Acker    Fruchtbarkeit   und    lasst 


Holden  u.  Perchtkn.    Norn*&h. 


281 


N 


k 


«las  Vieh  geUeüieii  (Br-mer  115;  v.  Alpenburg  64).  Wenn  Ober  die  Ocfilde 
befruchtender  Nebel  dahinziehi,  dann  erblitkt  die  Volkvphantasic  üire  hchrc 
Gestalt  in  langem,  weissem  Sthleier  (v.  Alpenburg  65;  Laiaiiier,  Ncbelsagen 
98  f.)-  Auch  sonst  xcigt  sie  sich  gnadig;  sie  beschenkt  alle  und  lülfsbe- 
dftrftige  Leute  (RVinicr  173},  wie  sie  die  Muischen  bestraft,  wenn  eiller 
Vorwitz  sie  oder  ihren  Zug  hemmen.  In  der  Kegel  Iflsst  sie  sie  erblinden, 
macht  sie  aber  dann  nadi  Jahresfrist  wieder  sehend  (v.  Alpeuburg  63  t; 
Bömer  l.u  f.).* 

Wie  diese  Gestalten  hat  die  Volksphantasie  einer  spätem  Zeit  anderen 
Orts  noch  andere  Frauen  an  die  Spitze  der  seelischen  Scharen  treten  lassen, 
die  man  früher  auch  als  Überbleibsel  altgennanischer  Göttinnen  auffasste,  die 
sich  aber  im  Laufe  der  Zeil  meist  als  Gestalten  des  Volkswitzes  entpuppt 
haben:  hierher  gehCrcn  Frü  Harke  oder  Herke  in  der  Mittel-  und  Alt- 
mark, die  ihren  N'amen  vom  liarkenberge  bei  Cainem  erhallen  hat  (Kiiuop. 
Zs.  f.  Vulksk.  IV,  81  ff.},  die  Frcke,  Frtc,  Frick,  Fuik  in  NieiJersachseii 
{ebd.  H.  449  ^^h  '''^  ''ra^  Göde  oder  Gauden,  ein  Name,  der  nichts  anderes 
als  »die  gute  Krau-  bedeutet  und  wohl  auf  die  Jungfruu  Maiia  geht  (Knuup.  Am 
UrqueJI  V.  q  ff.,  45  ff.,  6t;  ff.),  die  Werre  (d.  i  die  Ver\t'irTerin)  im  Voigt- 
lande iKisel  103.  -331).  All  diese  Gestalten  lehren,  wie  auch  noch  in  spater 
Zdt  unter  dem  Einflüsse  niytltischer  Denkfurm  Wesen  entstehen  konnten,  die 
ebensogut  im  Heidenturae  ihre  Wurzel  haben  ki'mnien.  Heidnisch-germanisch 
von  all  diesen  Wesen  ist,  dass  sie  selbst  tuid  die  Scharen,  die  .sie  TühreD, 
aeelischeu  Ursprungs  siiid;  ilire  Ausbildung  aber  gehV'irt  einer  späteren  Zeit 
an.  Nicht  nur  ZQge  von  der  Jungfrau  Maria,  wie  bereits  her^'orgehoben. 
sondern  auch  \xta  der  italischen  Diana  scheinen  auf  sie  übergegangen  zu 
sein,  nie  ja  Diana  selbst  und  die  Herodias,  die  an  ihre  Stelle  getreten  i^ 
als  FOhrcrinnen  des  Seelenheercs  auch  in  Deutschland  erscheinen  (Myth.  L 
237,  vgl.  KhcKle,  Psyche  375  Anm.  3». 

1  Cber  Frut  IIciUc  \gl.  rumcntlich  Atannbardt,    trrrw.    .Uv/Arn   2^5  fT.  — 
*  Über  die  l'crdbu.  besonder»  in  Tyrol,  Zinucrlc,  ZfJ\{yth.  111.  203  ff. 

§  36.  Die  Nomen.  Vielfach  mit  seelischen  Wesen,  namentlich  mit  Val- 
k^iijen  tmd  Si^hwanenjungfrauen,  bertthrcn  sicli  die  altnurdischeji  Schicksals* 
gOttümen,  die  Nomen,  weim  sie  auch  durch  ihre  bedeutendste  Vertreterin  eine 
Stelle  einnehmen,  die  sie  den  Göttern  zur  Seite,  Ja  tllier  diese  stellt.  —  In  der 
ahisUndischen  Dichtung  erscheint  L'rdr  als  die  ;i liest e  von  drei  SchueÄiem, 
välireud  den  l>eiden  jUngslco  ctyniolugischc  Spielerei  des  1^.  Jatirhs.  die  Namen 
Verdandi  und  Skuld  gcgcl>en  hat  (Interpol,  vun  V$.p.  20).  Man  hat  infolge 
«IcsBcn  eine  Nome  der  V'ergangenheit.  eine  der  Gegenwart  und  eine  der 
Zukunft  geschaffen.  Urdr  allein  bleibt  von  den  drei  Schwestern  bestehen. 
Der  Name  kann  nichts  mit  der  Verg;ingenheii  zu  thun  haben,  v/v/rheisst  sonst 
im  an.  »das  Geschick*.  In  dieser  Bedeutung  findet  sicli  das  Wort  bei  allei: 
germaniscticn  Stammen ;  die  I'eniunifikation  tritt  daiiclten  bald  mehr  bald  weniger 
havor,  geradeso  wie  in  der  an-  Sprache.  Ahd.  wuri^  4atum,  eventus,  fortuna« 
{Graff  \.  092),  im  Ileliand  ist  ii^urd  =^  der  Tod,  die  Schicksalsmacht,  die 
<kn  TikI  bringt;  im  ags.  ist  uyrti  meist  -Geschick,  \'erhaiignis'.  Diese  per- 
somfizierte  S«:  hick-sjüsmacht  finden  wir  im  Beowulf  webend,  wie  im  Nijrdis-.-hen 
<lie  Nomen,  oder  Schaden  anrichtend,  wofür  die  skandinavisirhe  Dii.litung 
ebenfalls  Beispiele  gibt.  »Norn  erumi  ffnmm*  klagt  Egils  Vater  Kvedulfi 
{£g.  S.  46),  oder  >iär  tr  dömr  nor»a-  .\ng;mtyr  in  der  Herx*araisaga.  Öfter 
iit  von  nräir  grimmar  (•icUinenden  Nunien«)  die  Rede,  und  die  Sn£.  (I.  74) 
nurhi  leinen  Unterschied  zwischen  gödar  und  lUnr  »ormr.  —  ,\us  allen  Stellen 
des  germanischen  Altertiuus,  wo  L'rdr  auftritt,  geht  hervor,  dass  es  einst  in 


2SZ 


XI.    MVTHOUXilK. 


dem  Glauben  unserer  Verfahren  eine  Marht  gegeben  haben  muss,  in  deren 
Gewalt  sirh  der  Germant:  das  Geschick  der  Mcnschi-n  daclite.  Andere  Be- 
zeichnung für  diese  Schirlisalsmacht  wt  tias  ;ilts.  i/te/üi^  (Vilmar,  Altertßmer 
im  Hcliand  8  f.),  ags.  mfotod.  an.  mj^iiitr.  »txlurdi  sich  jenes  Wesen  schon  seinem 
Namen  nach  als  <las  messende,  ordnende  zu  erkennen  gibt.  Neben  der  Ein- 
heit treten  die  Bezeichnungen  fOr  die  Schicksalsmacht  auch  im  Plural  auf. 
Nun  ist  es  ein  fast  bd  allen  Völkern  beobachtetes  mythisches  Gesetz,  dass 
sich  in  solchem  Falle  die  eine  Persönlichkeit  aus  der  Menge  empf)rgehobcn 
hat.  Dies  zeigt  sich  bes<'»nderb  bei  den  seelischen  Wesen.  So  scheint  auch 
hier  die  Menge  der  .Srhicksals^cLster  das  altere  zu  sein,  aus  denen  sich  der 
koUektivlsche  Singular  als  Führerin  der  Scharen  oder  als  einzige  Lenkerin 
der  menschlichen  Geschicke  herausgebildet  hat.  Dies  muss  bereits  in  ur- 
gennanischer  Zeit  geschehen  sein.  Gleicltwoh)  gehen  nr»ch  in  hUiiirischer 
Zeit  die  Vorstellung  von  mehreren  SchicksaLslenke rinnen  und  die  von  einer 
nebeneinander  her.  Jene  mAgen  im  Seelenglauben  ihre  Wurzel  haben. 
Hierher  zu  ziehen  sind  wahrscheinlich  auch  die  an.  rtgin  »die  Beratenden«, 
eine  Bezeichnung,  die  in  der  isländischen  Dichtung  auf  die  Aücn  Qbertragea 
worden  ist,  die  aber  in  frilher  gejneingernianischer  Zeil  den  das  SchiiLsat  be- 
stimmenden Wesen  geg<jlten  hat  (vgl.  Scliade,  Altd.  Wtb,  11.  698). 

Ftlr  rtie.se  Schicksalswesen  hat  die  nordische  Poesie  die  Bezeichnung 
nornir.  Sie  findet  sich  nur  im  Isländisch -Norwegischen  und  Facröischen.  Das 
Wort  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklärt;  am  ansprechendsten  ist  die  Deu- 
tung Schades  (Altd.  Wtb.  I.  157).  der  nom  aus  *norktii  =  Ver^chlingung, 
Verknüpfung  {*itorh  zu  ^snnhan  =  binden,  knüpfen)  entstanden  sein  iSsst. 

In  der  Hand  die-^ier  .Hchicksalimflchte  lag  das  Gr-schick  der  Menschen: 
«ifl  gaben  üinen  das  Leben,  von  ihnen  gingen  b«'>se  und  gute  Tage  aus.  sie 
schnitten  den  I.ebensfaden  ab.  Aus  dieser  dreifaclien  Thatigkeit  der  Nomen 
mag  sich  das  Dreigcstim  der  Schicksals  machte  eniwii-kelt  haben,  das  sich 
schon  frOhzeitig  auf  germanischem  Btriden  findet.  Da  ferner  die  Nomen  io 
ihrer  Thattgkcil  als  Unheilsciiderinncn  und  Todbringerinnen  für  den  Men- 
schen etuus  Grauen er^\-eckend es  haben,  so  erklJlrt  es  sich,  das  öfters  in  den 
Quellen  die  eine  Nome  als  die  buse  Schwester  erscheint,  die  den  anderen 
entgegentritt  und  ihre  Bestimmungen  zu  nichie  zu  machen  sucht  Das  may 
der  allgemeine  Volksglaube  gewesen  sein,  dem  höhere  Dichtung,  namentlich' 
die  nordische,  so  mannigfaltige  Fonncn  gegeben  hat. 

Junges,  islandist  lies  Machwerk  aus  dem  ^2.  Jahrh.  ist  die  Namengebung 
der  drei  Nomen.  Fallit  aber  die  Nome  der  Gegenwart  und  Zukunft,  so  kann 
auch  die  Urdr  nichts  mit  der  Vergangenheit  zu  ihun  haben.  Vielleicht  ge- 
hört das  Wort  zu  dem  idg.  Stamme  \!fri  ^  drehen,  wenden",  zu  dem  auch 
alid.  iviri,  mhd.  wiruf  =  Spindel  gehört.  Wir  hatten  dann  in  dem  Worte 
dasselbe  altgermanische  Bild  v<jn  den  Schirksalsmachten,  das  auch  in  nomir 
liegt;  es  sind  höhere  Wesen,  die  dem  Menschen  das  Schicksal  ordnen,  wie 
die  allgermanische  Frau  die  Faden  für  das  Gewebe.  »Die  Nomen  waiUen  Ober 
das  Schicksal  der  Menschen«,  sagt  die  SnE.  (F.  72),  »und  spenden  dem 
einen  schönes  und  glfinzendes  Leben,  dem  andern  nur  wenig  Gut  und  Habe; 
dem  einen  viele  Tage,  dem  andern  wenige«.  Ihre  Thüttgkeit  Lst  zu  schaffen. 
Das  Schicksal  heisst  daher  ags.  wyrJa  ^scea/t,  alts.  ivurdigisfapu,  wofür  auch 
regano  giskapu  ockr  mttode  giscnpu  sich  findet.  Daher  heisst  das  von  ihnen  Be- 
stimniie,  da.-i  Schicksal  alis.  ghkap,  ags,  gtseap,  ahd.  gmcaß;  die  Nonic  selbst 
ist  >die  schaffende-  fparea  =  scephanla).  Noch  im  15.  Jahrh.  sagt  Vinieler 
in  seiner  Blume  der  Tugend  (7863  ff.):  So  hahtn  rllrich  Intl  thti  w/in,  f/tu 
si  maif/en  unser  Mm,  t/m  uns  die  ^achsckepfen  geben,  und  das  st  um  hk  ff- 


Nor  KEN. 


283 


gtfrtn.  Geradeso  auch  im  nordischen:  nomtr  haia  pars  naud  tkapa  (SnE. 
I.  557);  den  si^tfi  nomti  kann  niemand  emgehen.  Aber  auch  das  ahe  Bild 
dfs  Webcns  hiil  sich  crhaltcrj.  Wie  es  im  ags.  lieisst:  me  p<et  Wyrd  ^waf, 
sf>  enahh  der  nordische  Dichter,  tlass  die  Nomen,  als  sie  dem  Helgi  das 
Leben  schufen,  den  Schicksalsfaden  mit  aller  Kraft  gewunden  liatten  |,Hclg. 
Hb.  I.  3). 

Als  inlisrhes  Zeichen,  dass  die  Schicksals*'esen  Ober  das  Geschick  der 
MenscJien  wallen,  gelten  die  weissen  Flecken  auf  den  Fingernägeln,  die  noch 
heute  auf  den  Fsröcm  nontaspor  (»Nonienspur-,  Ant.  Tidskr.  1849/50.  305) 
heissen,  Wir  haben  hier  den  Schiassel  zu  einem  alten  Aberglauben,  der  ober 
das  ganze  germanische  Gebiet  verbreitet  ist:  hat  man  weisse  Flecken  auf  den 
Nageln,  so  bekommt  man  nach  norwegischem  Vitlksglauhrn  etwas  Neues 
(Liebrccht,  Zur  Vulksk.  .v»,  nach  deutschem  bedeutet  es  Glück  und  eben- 
falls ru  erhoffende  Geschenke  ^Wuttkc  §  20,^1- 

Als  Lebenssfjenderin  steht  die  Nurne  den  MUttenn  bei  der  Geburl  bei 
(P4fti.  12.  Sgrdr.  9).  Nach  der  Gehurt  pflegte  man  den  Nomen  Opfer  zu 
bringen,  um  dadurch  für  das  Kind  Ghick  zu  erflehen  oder  wenigstens  UnglOck 
(cm  ru  halten.  Es  sind  Speiseopfer,  wie  man  sie  sonst  den  seelischen  Wesen 
bringt.  Burchard  von  Wi.irms  eifert  noch  dagegen  (Mvth.  III.  409).  Auch 
im  Nortlen  sind  lüese  Opfer  mehrfach  belegt.  Nach  Saxo  gr.  (I.  zyz)  bringt 
König  Frirtlevus  nach  der  Geburt  «seines  Sohnes  Olavus  diese  Spende,  um  Glück 
Jüt  ihn  zu  erflehen  und  seine  Zukunft  zu  erfahren:  zwei  der  Parcae  ver- 
heiMcn  dem  Kfinigssohn  treffliche  Eigenschaften,  Reiclitum  und  Glück,  die 
dritte  dagegen  giebi  ihm  Geiz  als  Angebinde  für  das  Leben  mit.  Auf  den 
FitrCkem,  wo  sich  in  der  Sprache  der  Bewohner  roch  viele  heidnische  Anklänge 
finden,  pflegt  noch  heute  die  Mutter  nach  der  Geburt  des  Kindes  als  erstes 
Gericht  Nomcngrfltze  {iwrnagttytiir  Ant.  Tidskr.  184g.  S.  308)  zu  essen.  Was 
die  Nomen  bestimmt  hdbcn,  steht  unwiderruflich  fest:  Uräar  ordi  hrär  ertf^' 
madr  {»Der  Urrt  Sprurh  kann  niemand  entgegentreten-  FJ9Ls\'m.  ''\  mft 
Svipdag  der  Mcnglyd  /n.  Es  ist  die  alte  Pra des tiiiations lehre  unserer  Vor- 
fahren. 

Wie  das  ganze  Leben  des  Menschen,  so  liegt  auch  das  Lebensende,  der 
Tod,  in  den  Händen  der  Nomen.  Als  Ti>rf-Einarr  den  Halfdan  hälcgg  ge- 
lötet hat,  schreibt  er  das  Schicksal  seines  Gegners  den  Nomen  zu  (rcifti  ptrl 
nomir,  Orkn.  s.  cap.  8,  HeioLskr.  S.  71).  Sie  künden  den  Tod  an,  denn  sie 
beMtzeii  in  erster  Linie  wie  alle  seetischen  Wesen  die  Gabe  der  Wei-wagung. 
Nach  einer  der  romantischen  isländischen  Sagjis,  die  in  ihrer  Fabelei  viel  aus 
Volk^lauben  und  Volkssittc  geschöpft  haben,  treffen  einst  Islander  zwei 
Geschwister,  Brader  und  Schwester,  in  einer  Höhle.  Auf  die  Fnige,  wie  sie 
heissen  und  weshalb  sie  so  einsam  lebten,  antwortet  der  Bruder,  dass  seine 
Schwester  ihn  «-hirme  und  pflege,  denn  die  Nomen  hatten  geweissagt,  dass 
sie  zugleii'h  mit  ihm  sterben  werde  (Isl.  S.  II.  47J).  Bei  Nomagcst,  wo 
nach  jüngerer  Wei.«  ob  ihrer  weissagenden  Kraft  Vi^Iven  und  Nnmen  ver- 
mischt werden,  sucht  die  jüngste  der  drei  Sirhweslem  das  glückliche  Leben 
des  neugrborentrn  Kindes,  das  ihm  eben  die  älteren  Schwestern  prophezeit 
haben,  dadurch  ru  ni<hte  zu  marlien,  dass  sie  bestimmt,  das  Kind  solle  nicht 
langer  leben  als  die  Kerze,  die  an  seinem  Lager  brenne.  Da  nimmt  die 
allere  Schwester  die  Kerze,  löscht  sie  aus  und  giebt  sie  der  Mutter  des 
Kindes:  In  seine  Gewah  kommt  hierdurch  sein  eigener  Tod  ^Nomagests^). 
Ausg.  Bugge  ii\.  Hiemus  erklärt  siih  die  Auffassung  der  Crär  nder  Xöm  als 
TmJf-sprittin,  wne  ja  auch  ahd.  xvuri,  ags.  wvrd,  alts,   xvurf  oft  »Tod«  bedeutet. 

r  eigentümliche  Monilericheinung,  der  grosses  Sierbcn  folgte,  nannten  die 


384 


XI.  M^-THot.or,iE. 


Islander  antarmäni  (Eyrb.  98);  ein  Ungetüm,  bei  dessen  Aiiblick  man  stirbt, 
nennen  sie  noch  heute  uräarköllur  (»Todeskatze«  Isl.  tj.  I.  61^).  Infolge- 
dessen fallt  die  Nome  oft  mit  der  eigentlichen  Twlesgöttin.  iXex  Hei,  zu- 
sammen, und  wird  alä  die  dunkle  «csfliildcrl,  die  wie  ein  schwarzer  Vu^jcl 
durch  die  Lüfte  dahin  fliegt  (Sturl.  I.  370).  Auf  der  ^mderen  Seile  berührt 
sie  sich  aber  auch  als  Lebenspenderin  und  -erhalterin  mit  der  allwaltenden 
Erdmuttcr. 

Wie  die  Men»i'l;en,  so  standen  wach  jungem  nordischen  Mythus  auch  die 
anderen,  die  mythischen  Wesen  unter  dem  SchiclciaUspmche  der  Nomen,  so 
die  iVsen,  AUcn,  Zwerge,  Daher  hat  die  islündiathe  Phantasie  in  einer  spät 
iiiterpülicrten  Visa  *lcr  Fäfnismal  {13)  Nomen  aus  dem  Geschlechte  der  Äsen, 
AIfcLi  und  Zwerge  gescliaffeii,  In  denselben  nordischen  Quellen,  wo  diese 
mehrfache  Abstammimg  der  Numen  gelehrt  wird,  lesen  wir  auch  von  der 
wclterhal  teil  den  Thaiigkeil  der  Nurncn.  In  den  Luftgefildcn  hat,  wie  andere 
seelische  Wesen,  auch  die  Nome  ihren  Sitz:  nach  ihr  hat  Dichierphantasie 
den  grossen  himmlisclien  Üromieu,  die  Wolken,  den  Cräarbninur  gemuint 
(Vsp.  k;}:  hier  wohnen  die  Nomen,  von  hier  aus  bcgicssen  sie  die  Erde  mit 
dorn  erhaltenden  Regen.  liier  ]>f1^en  sie  auch  die  Schwane,  in  deren  Ge> 
stall  sie  den  Menst:hen  ersclieinen  (SuE.  \.  70). 

Diese  Schicksalsgtitlinnen  erscheinen  bald  m  gr^Ssserer  Anzahl,  bald  er- 
scheint eine  als  Vertreteria  der  ganzen  Klasse,  besonders  liSufig  treten  sie  zu 
dreien  auf.  Worin  diese  Dreiteilung  ihren  Grund  hat,  war  schon  angedeutet 
Griechi.sch-rrtmisi:hen  Einfluss  dabei  anzunehmen,  isl  nicht  geboten,  da  sich 
die  Dreizalil  bei  versct dedunen  germanischen  Stummen  schon  in  alter  Zeit 
findet.  Obgleich  Burchard  von  W'orms  die  drei  Schwestern  par^as  nennt 
(Myth.  HI.  4CX)),  st»  Imt  ihm  doch  wohl  nur,  wie  in  anderen  Sttlcken,  deut- 
scher Aberglaube  vorgeschwebt,  g^en  den  er  eilen,  denn  wo  er  Iclirte,  spielen 
bis  auf  den  heutigen  Tag  die  drei  Schwestern,  die  in  fast  allem  den  nor- 
dischen Nomen  oder  urdir  gleichen,  eine  grosse  Rolle  (Panzer,  Beitrage  z. 
deutsch.  Myth.  I.  i— 20y;  Mmmhardt,  Genn.  Myth.  05off.|.  Drei  Schwestern 
bestimmen  nach  Saxo  das  Geschiirb  des  jungen  (_tlaf.  liire  wrinisvitn-s  kennt 
der  englische  Volkäglaubc  (Myth,  1.  .1371.  drei  Schwestern  aus  Ricscnhcira, 
ebenfalls  Nomen,  machen  dem  goldenen  Zeitalter  der  Götter  nach  der 
Vi^luspA  ein  Ende  (Vsp.  81,  drei  erscheinen  an  der  Wiege  des  Nomagest, 
drei  in  der  interpolierten  Stroplie  Vyluspä  {20\.  Au»  die.ser  Dreiheit  sind  wohl 
auch  die  <lrei  Arten  (l'äfn,  ij)  hervorgegangen.  Mögen  sie  aber  in  Menge, 
mögen  sie  zu  dreien,  mag  eine  allein  emcheicieu :  immer  findeu  wir  sie  als 
spinnende  und  w*ebende  (M^th,  I.  ^44.  Helg.  HU  I.  2),  also  in  einer  Thfttig- 
keit,  die  uns  schon  ihr  Name  erschloss. 

§  .i7.  Die  Schwanenjungfrauen.  Vielfach  berühren  sich  die  Valkyrjen 
■und  Schicksalsmlldchen  mit  den  Schwanenjungfrauen,  den  Lieblingen  gcrraa- 
iiiacher  Sagen  und  Märchen.  Gemeinsam  \>i  diesen  mit  jenen  Gebilden,  das* 
es  Frauen  sind,  die  ihre  Gestall  wechseln  können.  Auch  besitzen  sie  wie 
Valkyrjen  und  Nomen  die  Gabe  der  Weissagung,  In  diesen  Punkten  geben 
sie  sich  als  Gestalten  zu  erkamen,  die  ebenfalls  im  Seclenglauben  ihre  Wurzel 
haben  (Jb  nun  prophetische  Gestalten  wie  Veleda  au^i  dem  Hnicterer- 
slamnie  (Tae.  Genn.  8.  Hisl.  IV.  Ol.  C>.s»,  die  weisen  Frauen  (Mvth.  1.  3^8 ff.), 
den  ersten  Anstoss  zu  diesen  mythischen  Gebilden  gegeben  haben,  bleibe 
dahingestellt,  Vielleicht  haben  auch  hier  Natur  und  Leben  genieinsara  auf 
die  Phantasie  eingewirkt:  die  weissagende  Kraft  angesehener  Jungfrauen  und 
die  Überzeugung,  dass  deren  Seele  nach  dem  Tudc  in  der  Natur  fortlebe, 
und  die  Wolke,  die  sich  in  der  Phantasie  so  vieler  Naturs'Olkcr  als  Schwan 


NoRXEN.      SCHWANEXjnCGFKAL'ES. 


285 


findet  *.  Infolge  des  gleichen  mythisdien  Ursprunp*  werden  aber  Valkvrjen 
und  Nomen  in  der  nordischen  Diiiitunp  mit  den  Schwanenjungfrauen  oft 
venniscljt.  Jede  Vallcvrje,  jede  Nome  knnn  eine  Srhwanenjungfryu  sein, 
allein  eine  Schwanenjungfrati  in  der  engeren  Bedeutung  des  mytbiärhcn  Be- 
griffes kann  nie  eine  \'alkyrje  Lwlcr  Nome  werden.  In  ihrer  menM-liltrh  aufge- 
fajisien  Thatigkeit  lag  ihr  Unterscrlüedr  die  Valkyrje  hl  Kampferin.  die  Nume 
Idtcl  das  Geschick,  die  Schwanenjungfniu  prophezeit  die  Zukunft. 

Wie  srhon  der  Name  lehrt,  crscheini  die  Schwanenjungfrau  in  Schwan engestatt. 
Sie  legt  zuweilen,  zumal  beim  Baden,  ihr  Schwancnheind  ab  und  ist  dann 
eine  schtinc  Jungfrau.  Namentlich  in  der  ileul*  hrn  fJichtung  ih-s  Mittel- 
alters um!  im  .M.'lrrhcn  der  Neuzeit  spielt  die  Schwanen  Jungfrau  eine  Hauptmlle. 
Bei  dem  Bailen  wird  ihr  zuweilen  das  (Jewand  genommen;  sie  muss  <lann 
eine  menschliche  Rhe  eingehen  nder  die  Zukunft  kündt-n.  Eine  solche 
Sdiwanenjungfrau,  die  diristliche  Mythe  spater  zu  einem  Engel  gemacht  hat, 
erscheint  den  wa.schenden  Mädchen  Kudmn  und  Hildehurg  iKudr.  i(i6hff.); 
Schwanen  Jungfrauen  Mnd  es,  die  an  der  I>:inau  Hagen  das  Geschick  der 
Burguntien  iiu  Hunenlandc  künden  (Nibl.  Zamcke  j^y.  5  ff.).  In  allen  m'"«g- 
lichen  Gestalten  liat  die  liichtnng  dieseri  einfachen  und  schlichten  Gedanken 
verarbeitet. 


kaptthl  vi. 
DIE  ELFISCHEX  ÜEISTER. 

§  38.  Neben  den  .seelischen  Geistern,  bei  denen  die  irdische  Thatigkeit 
sich  immer  und  immer  «ieder  in  der  Volksdichtung  her^'ord rängt,  liahen  aber 
unsere  Vorfahren  noch  eine  grosse  Klasse  Wesen,  die  ebenfalls  im  Glauben 
an  da.<t  Fortleben  der  Seele  ihren  Urspnmg  haben,  bei  denen  ;iher  die  TlifUig- 
keil,  das  Eingreifen  in  das  Ge.schick  des  Menschen  mehr  in  den  Hintergrund 
üilL  Oft  ist  der  Zusammenhang  zwischen  dem  mythwehen  Gebilde  und  der 
Sleele  g:mz  vergessen,  die  schaffende  Phantasie  hat  nicht  einzelne  Individuen, 
wie  bei  Gespenster-,  Alp-,  Wcrw<ilfglauben,  auch  m'cht  ganze  Gattungen  von 
Menschen,  wie  bei  dem  Hexen-.  Valkyrjen-,  Nortiengl.mbcn,  vnr  Augen  ge- 
habt, sondern  die  Seelen  im  allgemeinen.  Viele  Menschen  liaben  ihr  Leben 
vollbracht,  ohne  dass  sie  irgend  welchen  Einflass  auf  ihre  Mitmenschen  aus- 
geübt haben.  Auch  diese  grosse  Menge  lebt  fort.  Die  ewig  belebte  imd 
bewegte  Natur  bezeugt  es.  Sie  haust  in  Luft  und  Wasser,  in  Berg  und  Thal, 
in  Haus  imd  Hof,  in  Wald  und  Feld,  in  Scharen  lilsst  sie  in  der  Kegel 
die  Volksphaniosie  rusannnen wohnen,  in  Scliaren,  die  untereinander  verbunden 
waren  nach  der  .\uffassung  des  altgcrmanischen  Slaatsbegriffcs.  Daher  haben 
sie  »jweilen  ihren  König.  Wir  pflegen  die  Gesamtheil  dieser  Wesen  elfisdu 
Oattrr  zu  ncimen.  Einzelne  von  ihnen  erheben  sich  aus  der  Menge,  erlialten 
Namen  und  werden  Lieblinge  der  Dichtung.  Diese  Westm  sind  die  Ver- 
treter der  in  der  Stille  wirkenden  clt-nu-ntarcn  Kräfte  in  der  Natur.  Hier 
berühren  sie  sich,  stellen  sich  aber  zugleich  im  Gegensatz  zu  den  Rie-sen,  die 
die  gewaJt%en  Naturerscheintmgcn  verköq>ern  sollen.  Deshalb  hat  ihnen 
die  VntksphanL-isic  kleine  Gestalt  gegeben,  oft  .sind  sie  nicht  hoher  alv  drei 
Finger.  Zuweilen  sind  sie  schfin,  zuweilen  hässlich  gestallet,  je  nachdem  ihr 
Woluiort  in  <«lt:r  Ober  der  Erde  ist.  Je  kleiner  aber  ilir  KOqjer,  desto 
scharfer  ist  ihr  Geist:    sie  .sind    verschmitzt,    klug,   .schnell,    kunstfertig.     Den 


*  So  fragt  der  Estbe,  w^nn  rine  wcfec  Wntkt  auTstdgc:  »Welch«  wdsse  Schwan  (Kcgt 
in  «lie  Mrth-*   ({loatr^   Finn.  Myth.  71).     Vi;l.  auch  Seh warix,  Ursprung  ik-r  M\-th.   H)4  f. 


Mensrhcn  gegenüber  sind  die  etfischen  Geister  im  »llgemeinen  tillfreicli.  sie 
untei-stuuen  sie  bei  der  Arbeit,  stehen  ihnen  oft  mit  Rat  iukI  Thal  zur  Seite, 
bringen  ihnen  wertvolle  Geschenke.  Der  seelische  Ursprung  dieser  Wesen, 
der  bis  in  die  ur^germanische  Zeit  hinaufrcir-Iit,  ist  natilrlirti  mit  <ler  2eii  ver- 
gessen, um  so  mehr  tiat  sich  die  subjektive  Phantasie  dieser  Gestalten  be- 
mächtigt und  hat  bei  alten  gemianiitchen  Stämmen  eine  BlQte  clfischcr 
Dichtung  gezeitigt,  die  noch  heute  im  V*nlke  nicht  erbschen  ist,  die  dem 
Kinde  die  erste  Freude  an  der  Dichtung  unseres  Volkes  bringt,  den  Mann 
an  die  alle  Einfachheit  umi  Tiefe  des  germanischen  Stamme-S  mahnt 

§  39.  Elf  und  Wicht.  Zwei  Wörter  sind  es,  die  schon  in  urjjenna nischer 
Zeit  die  elfisrhen  Geister  in  ihrer  Gesamtheit  bezeichnet  haben  mflgen,  da 
sie  sich  bei  allen  gemianischen  Stammen  in  unzahligen  Beispielen  aus  allen 
Zeilen  nachweisen  lasseri.  Und  zwar  decken  sich  die  Worte  nidit  nur 
sprachlich,  sondern  :iuch  inhaltlich:  es  sind  dies  Ä'*/ und    Wicht. 

Das  nhd  Elf  iw.  ist  in  dieser  Form  Im  lü.  Jahrh.  aus  England  nach 
Deutschland  gekommen  und  hat  die  eigentliche  hd.  Form  Eib  verdrangt 
(D.  Wtb.  III.  400)  ^  Mhd.  crschebit  das  Wort  als  aip,  In  welcher  Form  der 
allgemeine  Begriff  im  Laufe  der  Zeit  auf  den  besonderen  eines  drückenden 
Nachtgeistes  eingeschriinki  wnrden  ist  (s.  n.).  Im  got.  ist  das  Wart  ebenso- 
wenig wie  im  ahd.  als  Simplex  belegt,  allein  seine  Existenz  steht  durch  die 
KomiHMtita  mit  Alp-  (Graff  I.  244)  fest.  Erst  in  der  mittelhochdeutschen 
Literatur  findet  es  sich  ziemlich  oft  {atp  m.  pl.  tüte  und  flher;  oder  weiblicti 
tlbinne}.  Der  Alp  erscheint  hier  in  den  meisten  Fallen  als  listiges,  kluges 
Wesen,  das  den  Menschen  gern  an  der  Nase  herumführt,  zeigt  also  Eigen- 
schaften, die  besondei"s  den  Zweryen,  einer  Llnterableilung  der  Elbe,  eigen  sind 
(Mhd.  Wtb.  L  24).  Klarer  n"cb  tritt  tler  allgemeinere  Charakter  des  Wortes  im 
ags.  hervor,  wo  es  bald  als  Maskulinum  [alf,  pL  yifc),  bald  als  Femininum 
(ctifen:  Komp.  \vi»t(r>flfni.  imidtelfeii.  waUnelfen,  s/Mtri/en  Leo.  Ags.  Gloss.  471) 
erscheint  und  die  Bedeutung  Geist,  Genius  hat.  Eigentümlich  ist  den  Elfen 
im  ags.  Gebiete  die  glanzende  Farbe:  irifscine,  ogLlnzend  wie  ein  Elf--  ist  ein 
oft  gebrauchtes  Beiwort.  Eine  besonders  reichhaltige  El feiid ichtun g  aus 
früherer  Zeit  liat  uns  wieder  der  skandinavische  Norden  erhalten,  wo  die 
männlichen  Elfen  öl/ai-  (pl.  von  äffr),  die  weiblichen  meist  äifkanur  gen;mnt 
wcrdea.  Daneben  zeigt  sich  hier  ein  fem.  ti/r,  das  noch  siȊter  in  weiblichen 
Eigennamen  wie  altnorw.  pötvifr,  aschw.  Ame//r,  (iunneifr  u.  ahnl.  (Lundgren, 
Spar  af  hednisk  Tro  S.  50  f.).  alldiln.  Kdifelv,  Tfwraip  (Nielsea,  Olddanskc 
Personnavne  s.  v.)  )%fter  vorkommt.  Der  älteste  Hcleg  für  dies  Wort  ist  der 
Bracteat  von  Aagedal  im  Museum  zu  Bergen,  der  noch  dein  7.  Jahrh.  angehört 
(Bugge,  Nnrges  Indskrifter  med  de  reldre  Runcr  S.  186  ff.,  bes.  19S.  201 — 2). 
Etymologisch  ist  das  Wort  wahrscheinlich  =  skr.  tbhu  (vgl.  §  28  und  Wadstein, 
Uppsalastudier  S.  152  ff.,  wo  die  Elfen  als  alte  Ltchtgeistcr  aufgefasst  werden 
imd  tlie  ursprflngtiche  Bedeutung  von  skr.  rhhu,  germ.  aibh  =^  «glänzend, 
strahlend«  verteidigt  vsird). 

Wie  in  so  vielen  .Stücken  aligennanischen  Voltsglaubens  infolge  der  Reich- 
haltigkeit und  V'olkslümlichkeit  der  Quellen  hat  auch  auf  dem  Gebiete  der 
Elfcnmythen  das  .\Uisl3ndische  mit  dem  alten  Worte  noch  ani  reinsten  den 
ursprünglichen  Inhalt  dcsselbeji  bewahrt-  Wir  kennen  hier  noch  cleulüch 
den  Zusammenliang  zwischen  seelischen  Gcislem  und  Elfen  crkemiui.  So 
erzählt  der  Verfasser  der  Eyrbyggjasaga   (c.  4):     »Thörolfr  nannte  das  Vor- 


*  Doch  (indvt  lich  iK-rtils  im  17.  Jahrb.  das  Wort  mit  /  (Aifon,   die  woien  Knuei^ 
Hyri^ihiiL-  Diabolicar.     Vilmir,  Idbu  voa  Kurb<ssCD  *  S.  89). 


Elf  und  Wicht. 


2B7 


P 


gcbirgc,  wo  er  auf  Island  laiidelc,  Thursiits.  Hitr  slclit  ein  Berg.  An  die&en 
hatte.  Thörolfr  groiLSfn  Glauhcii,  m>  daxs  niemand  ungcwasrlicii  dahinschaucn 
»lihe,  und  nichts  sollte  man  itiif  dem  Berge  töten,  weder  Vieh  ntxrh  Menschen. 
Diesen  Berg  nannte  er  HelgafcH  iHdliBctibcrg)  und  muinlc,  dass  er  daliin 
fohren  werde,  wenn  er  «terbc,  und  ebenso  alle  seine  Verwandten.  Hier  war 
öne  grosse  Friedstalle,  und  niemand  solUc  dahin  gehen  ti//reif  ganga 
(d.  h.  das  thun,  was  die  äZ/ar  vertreibt,  seine  Notdurft  verrichten).*  Die 
Stelle  bit  uns  unveretflndlich,  wenn  wir  nicht  von  der  Voraussetzung  aus- 
gehen, dass  unter  den  di/ar  in  d//reJt  die  Seelen  der  Vcrsturbcuen  gemeint 
sind.  In  dem  Berge  maviten  diese  liJ/ar  hauten.  Hier  finde»  wir  sie  auch 
in  mancher  anderen  Cborlieferung.  Vun  Olaf  Gudrodsson  vim  Vestfold, 
<jem  Bruder  Halfdans  des  .Schwarzen,  *ird  erzählt,  da.ss  er  nach  dem  Tode 
in  seinem  Hflgcl  als  tf//r  furtgcicbt  hatte,  weshalb  man  ihn  Geinla^mlfr 
nannte.  Hier  opferten  llim  seine  Gaugenossen,  um  ein  fruchtbares  Jalir  zu 
bekommen  {Ftb.  II.  S.  7).  Nach  der  Konnaks&aga  ist  Thrm'ardr  schwer 
verkündet  Auf  den  Rat  der  zauberkundigen  Th<>rdi:t  geht  er  zu  einem 
nahen  Hügel,  worin  die  Alfcn  wohnen,  mid  verlangt  hier  von  diesen  Besse- 
rung, nachdem  er  das  Blut  eines  Stieres  um  den  Hügel  gestrichen  imd  aus 
dem  Fleiselic  den  .\lfcii  ein  Oiifcrinahl  Wreitut  hat  (Konn.  s.  c  iX).  Opfer 
werden  also  den  Elfen  gebracht,  ganz  so  wie  sunsi  den  .Seelen  der  Abgc- 
«chiedeneo.  Bis  ins  9.  Jahrli.  Iiinuuf  kümien  uir  dies  dlfabUl  verfolgen  (Ftb. 
II.  7;  aus  dem  Jahre   1018  Heimskr.  S.  308.  Fms.  IV.  187). 

Neben  den  .'\lfen,  die  in  der  Erde  wohnen  und  im  späteren  isländischen 
VolksglaulHUi  guiiz  ahnlich  wie  wisere  Zwerge  auftreten,  kennt  der  ahe  Volks- 
glaube noch  eine  zweite  .^rt  FJfen,  die  in  der  Luft  wuhnen,  in  naber  Verbindung 
mit  den  Glitten)  stehen  und  mit  diesen  gemeinsam  in  der  eddisdicn  Dichtung 
oft  genannt  wenJen.  Sie  zeichnen  sich  besonders  durch  ihre  Schönheit  aus. 
Fhä  iem  älfkona  «schCm  wie  eine  Elfin«  ist  im  alm.  der  Ausdruck  höclister 
weiblicher  Schönheit.  In  einem  Bruclistückc  rayüiischet  Köni>p>sagas  heisst 
«s,  dass  die  Alfen  alle  Menschen  an  Scliönheit  übertroffen  hätten  iFas,  I. 
387).  Das  können  unmc'igHch  die  im  Berge  hausenden  Zwerge  gewesen  sein. 
Auf  soldic  Erwägungen  hin  hal  sich  nun  der  Verfasser  des  Snorra  Edda 
sein  Hauptkapitet  über  die  ätfar  zusammengebaut  (SnE.  Kap.  17,  I.  78  ff. 
II.  2Ö4).  Hier  heLsst  es:  »Am  Urdarbrunnen  ist  eine  Stätte,  Aißeimar  ge- 
nannt, dort  wohnen  die  Ijosäifar  (Lichtelfen),  ahter  die  (/(*it-f(7//*7r  (Dunkelelfen) 
wohnen  unter  der  Erde,  um!  sie  sind  einander  ungleich  an  Aussehen  und 
Doch  ungletctier  in  ihrer  \VirksatiLkeit.  Die  Lichtclfcn  sind  weisser  als 
Sonnenschein,  al>er  die  Dunkvidfen  scliwarzer  als  I'e<:h.<  Das  ist  r.  T. 
subjektive  Auffassui^;  Snorris  im  Kerne  ist  sie  aber  in  dem  altgermanisdien 
Vulkaglauben  begründet.  Unter  den  dukkäl/ar  haben  Snorri  sicher  die  Zwerge 
vttfgeschwebt,  die  eine  l'ntt'rahteihing  der  äliar  sind,  wenn  auch  von  diesen 
sdiwarze  Hautfarbe  sich  sonst  nirgends  nachweisen  lasst.  Hat  doch  aiidercrseils 
auch  Ji^r^r  die  Bedeutung  ^seelischer,  alfisclier  Wesen»  (Vsp.  1 1  ff.),  Elfen  In 
der  umfas-scndsten  Bedeutung  des  Wortes  sind  seclisdie  Geister,  die  in  der 
Natur  in  der  Regel  zum  Nutzen  der  Men.*ichheit  «-irker.  Dieser  allgemeine 
Begriff  hal  sich  dann  verzweij-t  nach  den  verschiedenen  ürleu,  wu  sie  wirken: 
in  Luft  und  Sonnenschein  wirken  sie  als  Elfen  in  der  speziellen  Bedeutting 
des  Wortes,  unter  der  Knie  als  Zwerge,  Unterirdische,  im  Hause  als  Kobolde, 
im  Walde  als  Wald-  und  Holzfrflulein,  im  Wasser  als  Nijce  u.  s.  w.  Es 
^ebt  ilemnach  eine  jianze  Reihe  verschiedener  Klfenarten,  als  da  sind: 
Liclitelfen,  Lufielfcn,  Erdelfen,  Hauselfen.  Flurelfen,  Waldelfen,  Wasserelfcn. 
Die    Natur    der    Gegend,    wo    dann    die   einzelnen    germanischen  Stimme 


288 


XI.    M\THOI,<)GIK. 


gcwoluit  haben,  lial  bei  ticin  einen  diese,  bei  dem  anderen  jene  Art  be- 
srmclers  ausbilden  lasse-n.  Spflter  hat  die  Phantasie  des  Volkes  die  Elfenmy- 
then vom  religiös-mvihischen  Zweige  losgerissen  und  sie  in  den  Boden  der 
Marchcndithtung  veqjflaiut 

Die  eddisrhe  Dichtung  versteht  unter  den  Älfar  mit  brsftnderer  Vorliebe 
die  Lichtaifcn.  Diese  erscheinen  im  ßunde  mit  den  Äsen  versammelt  beim 
Gelage  de»  Meerriesen  vEgir  (Loican.);  weder  Äsen  noch  AJfen  billigen  Freys 
Liebe  zur  Gerd  (Skim.  7);  »was  ist  bei  den  Äsen?  was  ist  bei  den  Alfen?« 
rtift  die  Vylva,  als  sie  den  Anbruch  des  Gntietgesehicks  sdiitdcrl  (Vsp.  48). 
Mit  der  Sonne  stehen  diese  Alfen  im  engsten  Zusammenhang:  Äl/f'^H 
»Elfenstrahl':  hctssl  diese  wiederholt  in  der  nordischen  Dichtung;  Freyr,  der 
junge  Sonnengott,  erhieh  im  Anfang  der  Tage  Af/imm  als  Zahngesrhenk 
(Grimn.  5).  Besonders  anmutig  sind  die  Elfcnsagen  im  heutigen  skandinavi- 
schen Volksglauben,  vor  aälcm  im  schwedischen,  wahrend  sie  im  norw-egi- 
schcn  ziemlirh  zurflckRedrüngt  sind. 

Die  Elfen  {elfvar  m.  und  e}fi>ar  f.)  sind  ungemein  zart,  schlank  wie  eine 
LiKe,  tt-eLss  jrie  Schnee.  Ihre  Stimme  ist  lockend  und  lieblich.  Sie  baden 
sich  gern  in  den  Strahlen  der  Sonne.  Will  sich  ein  Elfemnädchen  mit  einem 
Menschen  vcrbÜKicn,  s<i  fliegt  es  mit  dem  S<>nnenstni)il  durch  irgend  eine 
Öffnung,  durch  das  Schlüsselloch  oder  eine  Ritze  des  Zimmers,  Oft  erscheint 
die  ganze  Schar  der  Elfen  fliegend ;  sie  bibcn  daim  kleine  FlQgel  an  ihren 
schneeweissen  Schultern.  Wenn  sie  durch  den  Wakl  in  schnellem  Winde 
d.'iher  fahren,  rascheln  und  bewegen  sich  die  Bflume.  Nocli  heute  leben  die 
Elfen  besonders  in  Hügeln  (chcrhöje).  Sie  bilden  in  Danemark  da.*i  elve- 
o<ler  ellf/oik.  In  Schweden  giebt  es  an  mehreren  Orten  RlfenalUire,  wo  für 
die  Kranken  geopfert  wird.  Ihrem  Hügel  zu  nahen  ist  gefahrlich;  schon 
mancher  Jüngüng  ha»  sich  schlafend  an  einen  Elfenhügel  gelegt  und  ist  nie 
wieder  zu  seinen  Mitmenschen  gekr.mmen:  tue  Elfen  haben  ihn  in  den  Hügel 
gelockt.  Besonders  lieben  sie  den  Tanz,  den  sie  wahrend  der  Mondschein- 
nacht  uuf  Wiesen  ausführen.  Der  aufsteigende  Nebel  mag  dicw.-  Gebilde  der 
Pluuitasie  hervorgerufen  haben.  Allein  sie  künnen  auch  gefährlich  werden 
imd  berühren  sich  dann  auffallend  mit  unseren  niithischen  Hexen  und  an- 
deren seelischen  Wesen.  EinSdilag  v<m  ihnen  lahmt  oder  bringt  Kninkheit. 
Aus  <icr  Luft  herab  schiessen  sie  ihre  Pfeile:  hiervon  kommt  der  nhskof 
(Aasen,  Norsk  Ordb.  s.  v.),  eht-  oder  eUakmi  (Elfenschussl,  der  den  Totl  bringt 
(vgl.  das  VoiksiiwI  Klveskud,  hi^g.  vr^  S.  GnindtWg.  Kbh.  r882i.  ,\u8 
dieser  Thntigkcit  hat  sich  der  beschrankte  Begriff  unseres  Alp  als  Druckgeist 
entwickelt  (s.  n.). 

Aber  man  findet  die  Elfen  nicht  mnr  in  Beiden  imd  auf  Wiesen,  aiH-h  in 
Waldeni,  Gewässern.  Quellen  und  Flü.sseii  w.»hnen  sfe.  Nach  schwedischer 
Sage  sieht  man  sie  z.  B.  in  Srhwanengestalt  durch  die  Luft  fliegen:  sie  stürzen 
steh  ins  Meer  und  in  Teiche,  und  alsbald  sind  sie  die  schi°>nsten  Mfidchen 
{vgl.  Hylten-Cav:Uliu.s  Warend  I,  249  ff.  Thiele,  Daum.  Folkes.  IL  175  ff. 
Faye,  Norske  Ks.  4*1  f.).  Eine  etwas  andere  Schattierung  haben  die  Etfen  in 
der  neui.slandisc]ieii  Volkssagt;.  (.\here  Sagen  über  sie  in  den  Annalen  des 
Bischofs  ( lisli  (jddsson  aus  dem  Jahre  ifi^;  vgl.  Zs.  d.  Ver.  f.  Volksk.  L 
iOq  f.).  Der  Begriff  des  W<irtes  hat  sich  hier  verengert:  sie  erscheinen 
ganz  unseren  Zwcrge-n,  den  Undetjordiske  der  skandinavischen  Volks- 
sage, ahnlich.  Wie  diese  wohnen  sie  fast  nur  in  Hügeln,  sind  men.schen- 
ahnlicb,  aber  ohne  Seele.  Ihre  Lebensweise  ist  g;m7,  der  dt»  UlandLscben 
Volkes  angepasst:  sie  werden  geboren,  haben  langes  Leben  und  sterben, 
lieben  Musik  und  Tan«,  feiern  in  den  festlich  erleuchteten  Wohnungen  der 


Ei-F.    Wicht.    Zwxrg. 


28q 


i 

li 


Berge  ihre  Feste,  namentlich  zur  Weihnachlsxdt.  ja  sie  haben  sogar  ihre 
Kirchen.  Nur  haben  sie  übernatürliche  Kräfte,  woduicli  äic  dem  Menscheu 
nQUen  oder  scliadcn.  Sie  veriangen  auch  menschliche  Hülfe,  l>esonders  ihxe 
gebSremlen  Frauen,  und  spenden  dafür  reichlichen  Lohn.  Gern  vertauschen 
sie  Üuc  hüislidicn  Kinder;  diese  ymskipün^ar  eulsprcthai  ganz  den  Wcchücl- 
bAlgen  unserer  Zwerpe.  Auch  Liebschaften  gehen  sie  mit  Menschen  ein  und 
strafen  treulose  Mädchen  oder  Mutler,  die  ihre  Kinder  veinadilüssigen  (K. 
Haoier.  laL  Volks,  z  ff.  Jon  Amason.  Isl.  l'j.  I,  i  ff.}.  '—  In  Deutschland 
ist  der  Name  »Elfen«  mehr  in  den  Hintergrund  getreten:  nur  vereinzelt  tritt 
ci  im  heutigen  Voiksj|;lüubcn  nutli  auf  uud  zwar  bald  in  seiner  allgemeinen 
Bedeutung  als  Geist,  bald  in  einer  besonderen  und  dann  hauptsächlich  aU 
Flurgcist.  An  Stelle  der  £Ucn  sind  unter  chiistlicheni  Einfluss  besonders 
häufig  die  Engel  getreten  (Laistner,  Nebs.  327  K.  Wuttke  §  5a  Gebr.  Grinun, 
Irische  ElfenmSrchen.     Lpz.  1Ö2Ö.). 

Ein  zweites  Wort,  das  \s\  uralter  Zeit  den  ganzen  Kreis  seelischer,  in  der 
Natur  fortwirkendor  Wesen  umfasst  liabcn  muss,  ist  unser  \Vii:ht  (got  -maihlt, 
ahd.  wiki  und  wihii,  alu>.,  a^s.  wihi,  alui.  vaUr).  Die  Grundbedeutung  des 
Wortes  scheint  >kleine8,  seelisches  Wesen«  zu  sein.  In  Bezug  auf  Geschlcclit 
erscheint  da^  Wort  bald  als  Ntr.,  bald  als  Masc,  bald  al»  Fem.  Vielleicht 
hangt  das  Wort  sprachlich  mit  > bewegen«  zusammen,  so  dass  in  den  Wichten 
vrjo  Haus  aus  die  lielebenden  Naturgei.ster  stecken.  Sidicr  ist,  dass  sich  das 
Wort  als  Bezeiclmmig  übeis-hmlichcr  Wesen  bei  allen  germanischen  SUimmen 
findet  und  deshalb  urgermanisch  sein  muss:  in  ahd.  sind  Jiu  wt/i/ fydvT  wtA/tt 
dAmnnischc  Wcs*:n  (Graff  I,  730),  ebenso  im  mhd.,  wo  sclion  daneben  äas 
wiMtel,  icüiitUn,  unser  Wichtelmännchen,  belegt  ist  (Mhd.  Wtb.  Itl,  O^off.). 
Den  gan/ftt  (kimr>nischen  und  seelisdieit  Charakter  zeigt  brs«itulers  die  Stelle 
aiis  Gl-  V\ox,  (25):  »tvifil^Jtn  vel  eilt*  lemurcs,  lares  cnm  coipimbus  mcrantcs 
vcl  QCNitunii  dacmoncs-^.  Ebenso  sind  im  Heliand  die  demtit  wthti  trügerische, 
dAnxjnische  Wesen,  ist  im  ags.  (viAt  ein  dUmonisches  V\'escn,  ein  Teufclchcn. 
VuDstflndig  klar  liegt  der  Begriff  seelischer  Wcsun  im  allgejiiciuca  uodi  im 
.  ngUr  (pl.  ufttir\,  dan.  virlU,  schwed.  vdtu.  Die  altnord.  Dichttmg  kennt 
ftff  wrtlir  oder  /föifvuiitr  (gütige  Geister),  meinv<tUir  (sdiadende  Geister), 
Uindvtettir  (Landgeislcr).  Von  Maas  au.i  haben  also  die  Wichte  eine  besuu- 
3ae  FUibung  nicht;  sie  sind  im  allgemeinen  kleine  sedische  Wesen,  älmlich 
wie  die  Elfen,  die  erst  s^iater  in  einzelnen  Gegenden  durch  die  Volksdichttmg 
eioe  bestimmte  Gestalt,  die  der  unserer  Zweige  ülmlich  ist,  angenommen 
haben. 

S  40.  Die  Zwerge.  Unter  den  eUisdien  Geistem  halMni  dne  beamdets 
weilr  Verbreitung  die  Zwerge.  D;is  Wort  findet  sich  ebenfalls  bei  allen  germa- 
nisdien  Stammen;  ahd.  twtrg,  mlid.  gciwerc  (miitctd.  ifuerrh,  zwtrc/i),  ags. 
JwrorA,  engl.  tfuHj//,  attn.  di^crgt,  nnrd.  ämrg.  Dass  die  Zwerge  zur  Sippe 
der  Elfen  gelu~>ren,  gehl  daraus  hervor,  dass  in  der  mhd.  Dichtung  Alberich 
ab  ilir  König  ersiheint,  d;uis  Wieland,  einer  der  hauptsachlichsten  Vertreter 
xwcfgiädiL-t  Kunst,  äi/a  ifvdi.  difa  visi  (Vkv.  10».  i.i*)  gcuamit  wird,  dass 
im  neuisland.  die  Zwerge  ^dfar  heUsen.  Die  Etymologie  des  Wortes  ist 
mich  nicht  genügend  aufgekl^irt  LaisUier  (AfdA.  XIII,  44)  bringt  es  mit 
mbd.  xiLxrgen  *comprimcre<  zusammen  und  deutet  dcmuacli  die  Zweige  als 
maliristihe  Wesen,  als  Druckgeister,  s«i  dass  das  Wnrt  dem  Dnickerli  oder 
Doggcli  der  Alcnumncn  cnts)>rechen  würde.  Unhaltbar  ist  die  oft  vertddigte 
Verbindung  des  W.-.ncs  mit  &EovQy6^  -übemaiürliche  Dinge  verrichtcndt. 
Khigc  (Etym.  Wtb.  "  423}  stdil  es  zur  germ.  Wurzd  dru^;  >tnlgeo«  und  deutet 
dcai  Zwerg  als   »TrugWkl-. 

Gernunisctvc  Phtloloffi«  III.   ^  Aufl.  19 


290  XI.  Mvthoijooie. 


Fast  kein  mvthischcs  Gebilde  wurzelt  sn  fest  in  der  Volksphintasie  wie 
der  Zwerg.  An<lcrc  tnj-thisrhe  Xamtin  haben  ihren  Begriff  bald  erweitert, 
bald  verengert,  der  Zwerg,  wo  er  sich  auch  findet,  lebt  wie  der  Riese  noch 
heute  im  Volksglauben  in  ücrsclben  Gestalt  fort,  in  der  wir  ihn  in  den  ältesten 
sdiriftlichen  Quellen  finden.  Klein  an  Gestalt,  oft  kaum  einen  Daumen 
gross,  erscheint  er  meist  als  Ix'jahrter  Mann,  als  GrtMs  mit  langem,  wcisäem 
Barte,  zuweilen  sclimutzig  grau,  mit  übel  gebautem  Leibe,  zuweilen  ver- 
wachsen, anyelhan  mit  grauer  Sackleinewand,  wuhcr  er  auch  den  Namen 
»graues  Mannchen«  führt  Sein  Kopf,  den  eine  Zipfelmütze  bedeckt,  ist  be- 
sonders gross  und  dick;  daher  hcisst  »^r  ina  B fanden burgischcn  oft  »Dickkopf«. 
Zuweilen  haben  die  Zwerge  Gänse-  und  Ziegenfüsse.  in  der  Obeqifalz  Kindcr- 
füsse.  Stets  sind  sie  sehr  schnell;  sie  sind  plötzlich  da  und  ebenso  schnell 
wieder  verschwunden.  Durch  eine  Tarn-  oder  Nebelkappe,  den  alln.  huUtts-, 
kjdlm,  dün.  limrgfhai^  kennen  sie  sich  unsichtbar  machen.  Immer  wohnen 
die  Zwerge  in  [len  Berten  und  in  der  Erde.  Daher  heisseu  sie  auch  Btrg' 
mämüein  (Thür.),  lijer^folk,  Hjfrspnanti  (Danem.).  Enimännthen  (Thöring.), 
lirdleutt  (Üldenb.),  ErdschmiedUin  (Süddeulsdil.).  Be*inders  liflufig  sind  in  Nord- 
deutschland und  ganz  Skandina\'ien  die  Bezeichnungen  Unterirdische,  Uuder- 
fordiskt.  Oft  verlassen  sie  diese  Berge  und  werden  dann  von  Menschen  ge- 
sehciL  In  den  Alvissmäl  sagt  Alviss  selbst,  dass  seine  Heimstatte  im  Stein 
sei  (Alv.  3).  Als  Svegdir  auszog,  tun  Godhcimar  zu  suchen,  kam  er  an  eine 
Statte,  die  hiess  ä  Steint:  hier  w^ihntc  eni  Zwerg  und  hui  ihn  zu  sich  in  das 
Gestein  ein.  Aus  deutschen  Sagen  ist  der  Avifenihali  der  Zwcrgi.*  io  Bergen 
hinlänglich  bekannt  (Grimm  DS.  I,  iQ2ff.).  Hiennit  hangt  es  zusammen,  tiass 
im  altnord.  das  Echo  die  jS]irache  der  Zwerge«  {dv€r^a  mdl)  heiiwit:  aas  den 
Bergen  erklingt  iti  dt-r  Ri!gel  das  Echo,  die  hier  wulmenden  Geister  geben 
die  hineingerufenen  Warte  zurück.  Hier  iin  Berge  haben  sie  ein  Reich,  das 
die  Volksphantasie  Ähnlich  weltiichcn  Reichen  aiLsgestattet  hat:  Künige  regieren 
sie,  wie  Alberich,  Goldeniar  r.der  Laurin  in  der  nihd.  Dichtung,  wie  noch 
heute  in  der  Volkssage  Hans  Helling  in  BAlimen.  Gibich  im  Harze.  In  der 
Regel  übertreffen  diese  Könige  die  anderen  Zwerge  an  Weisheit.  Die  Auf- 
fassiuig  dieser  Zwergkünige  ist  ganz  ilie  germanische  Auffassung  vom  König- 
tum zur  Zeit  der  V^ilk erwandern ng,  In  dieser  mögen  daher  diese  dichteri- 
schen Gebilde  vrjin  Zwergstaatt:  ihre  Wurzel  haben,  zumal  sie  sich  besondere 
bei  den  südgermanischen  Stammen  finden*.  In  den  Bergen  hilrt  man  oft 
Musik:  da  sind  die  Zwerge  bei  Tanz  und  frohem  Gelage.  Verlassen  wird 
der  Berg  nur  in  der  Nacht  —  und  hierdurch  giebl  sich  der  Zwerg  ;ds  seeli- 
sches Wesen  klar  zu  erkennen  — ;  das  Tagt^slicht  .scheut  der  Zwerg;  wird  er 
von  diesem  ubcrra.scht,  so  wird  er  in  Stein  verwandelt  Su  geschieht  e«  mit 
Alvis,  den  Thor  durch  sein  Fragen  solange  auf  der  Oberwelt  hält,  bis  im 
Osten  die  Sonne  erscheint  (Ah-issm.),  Eigen  ist  den  Zwergen  grosse  Weis- 
heil und  Gesclucklichkeit.  Sogar  der  Dichteriuet  befindet  sich  nach  jimgcin 
Mythus  urspninglich  im  Besitz  der  Zwerge  Fjalar  und  Galar  (SnE.  I,  216; 
JI»  295).  Sie  sind  die  besten  Sclmiiede  und  fertigen  die  trefflich^lcn  Waffen 
und  Kleinode.  Das  sind  sie  aber  durch  ihren  Aufenthalt  im  Berge  geworden, 
wo  sie  sich  nur  mit  Scluuiedearbeit  beschäftigt  haben.  Im  Gestein  rulil  Eisen 
und  Metall,    als  Herren  und  Bewohner  des  Gesteins  haben  die  Zwerge  dies 


1  Elfenkönige  encbrincQ  in  der  späteren  nord.  Volksdicbnmg  rAtx.  So  weiss  Fianur 
J&Quon  In  der  HUt.  «cd««.  (U.  368  f.)  \ü\\  zwt:i  IClfi:nk>>)ii|>cii  Auf  \i\anA  rM  «r^iililcn,  von 
denen  jedes  Jabr  einer  nach  Norwcf^n  fahren  mmstc-.  um  hier  dem  Oberkön^e  aber  den 
Zusund  »eines  Reicbci  Bericht  lu  ersmticn. 


Zwerge. 


291 


I 


in  ihrer  Gewalt.  Daher  bcsitica  sie  unsägliche  SchüUc,  mc  die  Dichtung 
vom  Nibelungenhort  lehrt  und  der  nordische  Mythus  vnn  Andvari,  der  in 
Hechtgcstalt  unsäglichen  Reichtums  wallet  (Rcgm.  Pros,  und  V.  i  ff.).  Daher 
sind  **ie  die  ältesten  Schmiede,  die  die  Menschen  eist  die  Schmiedekunst  ge- 
lehrt haben.  Aus  diesem  Grunde  sind  die  Zwergsagen  besonders  heimisch 
und  ausgeprägt  in  Gegenden,  wü  der  Bergbau  zu  Hause  isL  Wenn  im  Nor- 
den ein  treffliches  Schwert  erwälmt  wird,  so  wird  in  der  Rt^el  hinzugcfngt« 
dass  CS  ein  Werk  der  Zwerge  sei  (Weinhold,  Almord.  Leb,  197  ff.);  solch 
dvcrgasmiiti  durclischiieidet  Eisen  und  Stein  und  kann  nicht  bezaubert  werden. 
Sellftl  die  trefflichsten  Gegen st'indf,  die  nach  eddUchem  Mvthus  im  Besitz  der 
Götter  sind,  stammen  von  Zwergen.  Eine  dichterisch  schön  ausgeschmückte 
M_\lhc  der  SnE.  ^I,  340;  II,  35üf.)  erzählt  uns,  wie  einst  Thorr  den  Loki, 
der  seiner  Frau  Sif  die  Haare  abgeschnitten  hatte,  gezwungen  habe,  dase 
dieser  <lcr  Sif  neue  goldene  Haare  von  den  Schwarzelfen,  d.  i.  den  Zwergen, 
veiscliaffc.  Da  ging  Lxiki  zu  Ivaldis  Sölinen,  und  diese  schmiedeten  das 
goldene  Haar  ticr  Sif  für  Thor,  das  Schiff  Ski<lblailnir  für  Frey  und  den 
Speer  Gungnir  für  ndin.  Jetzt  brüstet  sich  Loki  mit  solchen  herrlichen  Dingen 
ujkI  wellet  in  seinem  Cbermute  mit  einem  anderen  Zwerge,  dass  sein  Bruder 
nicht  so  vorzQgliclic  Dinge  zu  schmieden  verstände.  Ya  kommt  zur  Wette: 
der  Kopf  steht  auf  dem  Spiele.  Der  Bruder  des  Zwerges  schmiedet  darauf 
tmtz  alier  Hiiulerungsvtrrsuche  Lolus  den  guldborsligcn  Eljcr  für  den  Sonncn- 
gK-ilt  Frey,  <len  goldenen  Ring  Draupnir  für  Odin  und  den  Blitzhamnier 
Hjvlur  für  Thor.  Die  Götter  sollen  die  Wette  entscheiden:  sie  hallen  den 
Hammer  für  das  schönste  Kleinod,  und  der  Zwerg  hat  gewonnen.  Nur 
durch  List  rettet  der  .schlaue  Loki  sein  Haupt.  —  Der  trefflichste  dieser  Zwerg- 
»chtnicfie  ist  Wielanä,  der  noriÜM-he  Viriundr,  den  die  Dichtung  schmi  In  seiner 
Heimat,  in  Niederdeutscliland,  vom  mythischen  Boden  losgerissen  und  wie 
einen  Sagenheklcn  besungen  bat,  so  dass  man  nur  noch  aus  seiner  Kunst- 
fertigkeit und  den  Beiwörtern,  die  ihm  die  Dichtung  gegeben,  seinen  elfischen 
Ursprung  schlicssen  kann  (vgl.  liicrübcr  Symons  in  seiner  Darstellung  der 
Heldensage).  Mit  dieser  Schmietlekunst  stehen  Überall  die  Zwerge  den  Men- 
schen zur  Seite.  Von  der  Zeit  an  aber,  s«)  erzählt  die  Sage,  wo  der  Mensch 
selbst  den  Bergbau  betreibt,  haben  .sich  die  Zwerge  zurückgezogen:  das 
Haniuem  imd  Fochen  in  den  Bergen  können  sie  nicht  vertragen.  Dazu 
kommt  noch,  dass  die  Mcnsclieu  ilinen  gegenüber  immer  treuloser  werden. 
Das  dritte  cndlicli,  was  .sie  vertrdbt,  ist  das  Gl<x-kcngelaute,  und  dadurch 
seigcn  sich  die  Zwergmythen  sj:>  rfxht  als  Sprösslinge  aus  der  Heidenzeit 

FOr  ihre  Hülfe  verlangen  die  Zwerge  al)er  auch  von  den  Menschen  Bei- 
stand. Namentlich  müssen  oft  Frauen  den  Zwerginnen  Hebamraendiensle 
leisten,  wofür  ihnen  dann  reichlicher  Lohn  zu  teil  wird.  Der  Zug  ist  alt, 
und  in  Deutschland  ebenso  aus  aller  und  junger  Zeit  belegt  wie  im  Norden. 
Allein  der  Zwerg  ist  nicht  immer  liebreich,  er  legt  dem  Menschen  gegen- 
über auch  Eigenschaften  an  den  Tag,  die  diesem  nicht  lieb  sind.  Bis  in» 
Altertum  lassen  sich  die»e  Eigenschaften  zurück  verfolgen  {Mylii.  L  ^85  ff. 
GrimiD,  Irische  Elfenm^rchen  XCIIf.).  In  dem  dvergatal  der  Edden  (PBB 
VIL  240  ff.  Symons,  Eddalieder  I.  20  ff.)  erscheint  ein  Alpj^ft  (Erzdieb). 
Jllepjöfr  (Hügeklicbi;  in  der  l*idrs.  heUat  Alfrikr  (Albrich)  *hinn  mikii  stelari' 
(»dei  grosse  Stehler«  Ji'").  Auch  Menschen  entführen  sitf,  wie  Laurin  die 
schAoe  KQnhilt,  Goldemar  die  Königstochter  (W.  Grimm.  HS.  274.  176.  DHB. 
I.  282).  Besonders  gefürchtet  sind  sie,  weil  sie  den  Menschen  oft  ihre  Kinder 
wegnehmen  und  dafür  die  ha.sslicl)  gestalteten  Zwergkinder  in  die  Wiege  legen. 
'^as  ist  ebenfalls  ein  Zug,  der  sich  bei  allen  germanischen  Stammen  aus  junger 


292 


XI.  Mythoi-ooie. 


uud  alter  Zeit  nachweisen  iassL  In  Deutschland  heissen  S'tkhe  Zwergkinder 
Wfckse/6tS/ge,  die  schon  Notker  (Ps.  17,  4Ö)  ak  taihseiinga  kennt  In  Nieder- 
deutschiand  und  in  Mitteldeutschland  nennt  man  sie  besonders  fCielkrüp/e 
(Praturius,  VVfUbcsclir.  357  ff.),  ein  Wurt,  das  wohl  mit  rad.  7«/=  Quelle 
zusairuncn hängt  (R.  Hildchmnd,  DWtb.  V.  6H1}.  da  stilrhe  Kinder  ans  Gc- 
u-üssem  her\or);»ebraclit  sind  und  infolge  dessen  auch  wieder  ins  Wasser  ire- 
wurfun  werden,  wie  uns  sowohl  deutsche  (PratoriuB  S.  362)  als  nordUche 
Sagen  berichten  (Rietz,  Sv.  Dial.  6g  unter -ff)'///«^).  In  Skandinavien  heissen 
derartige  Wesen  bytiing  (von  byila  =  tauschen),  xkifintg,  bei  den  Isländern 
nmskiptin^ar  (von  skipta  =  wechseln,  vertauschen). 

Über  den  Untprung  der  Zwerge  berichltl  uns  ein  junger  nordisdu-r  Mythu.v, 
den  in  seiner  ausfuhrlichen  Ge-stalt  nur  die  Snorra  Edda  kennt  {SnE.  I.  '>2  f. 
II.  2öo).  Nach  ihr  sind  die  Zwerge  von  Haus  aus  Maden  im  Fleiscli  des 
Riesen  Yinir  gewesen.  Dieses  war  der  Urricsc^  au-s  dessen  Fleisch  die  Götter 
die  Krde  schufen.  Die  Quellen  dieser  Schöpfungsgeschichte  (Grimn.  40  i. 
Vufjjr.  11)  wissen  nichts  von  der  ScliOpfung  der  Zwerge.  Die  zweite,  aber 
altere  Quelle  (Vsp.  ti/i  berichtet  nur,  dass  die  Gfitter  die  Zwerge  geschaffe4i 
haben.  Aus  beiden  Schöpfungsbericliten  hat  sich  Snorri  zusaniuiengebaut, 
dass  die  Zwerge,  wenn  sie  aus  Yrair  her\orgegangcn  sind,  in  dessen  Fleisch 
Maden  gewesen  sein  müs.sen.  VolkstOmlirhen  Glauben  giebt  die  Stelle  schwerlich. 

§  41.  Dif  Hausgeister.  Viel  Verwandtes  mit  ck-n  Zwergen  haben  die 
Hausgeister,  unter  denen  der  KoMii  den  ersten  Platz  einnimmt.  Schon  im 
ags.  sind  ro/gndtis  »penates«  belegt.  Der  Kobold  ist  seiner  sprachlichen 
Ableitung  nadi  der  der  Kobe,  d.  i.  der  Kammer,  des  Hauses  Waltende,  der 
Kobvalt  (DWtb.  V.  1548  ff.),  oder  der  Kobhold  d.  i.  der  Hausgeist  (Kluge, 
Etym.  Wtb.  S.  21X1).  Neben  diesem  Ximien  kennt  der  Volksmund  den  Hausgeist 
als  lieinsthuifinchen,  Wichlrimunachefi,  PolUrgti'sl,  üumpelgeisl,  IlüUhen.  Güttgfn, 
Popans,  BuIUrkatcr  u.  ilgl.  (Wultke  ij  5I7)-  Uiwcnders  ^'erbreitcl  ist  femer  der 
Butitmanii,  fries.  boesnuin,  büseman,  schwed.  hust,  dän.  buscmaud.  Das  Wort 
bedeutet  wahrscheinlich  von  HaiLs  aus  den  Daherfaiirendcn  und  Schreckencr- 
regcnden  U-aistncr,  ZfdA  XXXIl.  145  ffj.  Über  einen  grossen  Teil  Nieder- 
dcutscblauds,  Frieslancls  und  Englands  verbreitet  ist  der  poock.  engt,  puck, 
den  man  ebenfalls  in  Dänemark  al.s  kuspuke,  in  Schleswig-Holstein  (Müllen- 
ho(f  3181  als  nhpuk  kennt.  In  Dänemark  und  Schweden  heisst  der  Haus- 
geist nisu  (PI.  nisser),  in  Schweden  bohall,  lomU.  in  England  brownit,  good 
feUmv.  Diese  Mausgeister  erscheinen  ganz  «-ie  die  Zwerge:  klein,  grau,  mit 
feurig  glauzenden  Augen.  Der  Kobold  ist  ans  Haus  gebunden;  er  verlSsst 
es  nicht,  und  mir  (L-mn  kann  man  sich  seiiicr  entle(hgen,  wenn  das  I  laus 
verbrannt  wird.  Hier  haust  er  überall,  bald  hier,  bald  dml.  mit  besonderer 
Vorliebe  im  Gebalk  iKuJm,  Nordd.  S.  17.  18.  Mülleidioff,  Sdilesw.- 
Holst.  433.  Rochholz,  Aarg.  I.  73  ff.  Zingerle,  Sagen  aus  Tirv»!  34g  ff.).  Er 
steht  dem  Bauer  heimlich  bei  seinen  Arbeiten  bei,  füttert  ihm  das  Vieh, 
hilft  beim  Dreschen,  bringt  Geld  und  Getreide.  V«im  Lande  i.st  er  mit  nach 
der  Stadt  gezogen.  Hier  hilft  er  dem  Hiuidwerkcr  ebenfalls  bei  seinen  Ar- 
beiten und  schirmt  sein  Haus  vor  Feuersbrand.  —  Den  mythischen  Hinler- 
gnmd  des  Koboldes  kennt  der  voigtUlndische  Abei^glauhe,  wonach  dieser  der 
Geist  eines  ungelauftcn  Kindes  ist  (Kohler  476). 

Wie  das  Haus  seinen  Geist  hat,  so  bat  es  auch  das  Schiff.  In  ganz 
Norddeutsdiland  heisst  dieser  Schiff^eisl  Kladatitermann,  KlabaUnttänmhen, 
Kalfatermann  (vgl.  Am  Urquell  I.  134  f.).  Er  hilft  hier  den  Matrosen  die 
Segel  hissen,  das  Schiff  reinigen  u.  s.  w.  Dafür  setzt  man  ihm  Milch  imd 
Speise  vor.     Eine  Rügener  Sage  erzflhlt,  wie  der  Geist  in  das  Schiff  gckora- 


Haus-,  Wald-  üno  Feldgeister. 


393 


iiicn  ist,  und  lehrt  zugleich,  wie  immer  noch  im  Volke  die  Vorstellungen  vom 
seelischen  Ursprung  dieser  geLsterhafien  Gestalten  fortlebt.  Damach  ist  der 
Klabaulermann  die  Seele  eines  Kindes,  die  in  einen  Batua  fährt  Wird  dieser 
Baum  zum  Schiffsbim  VfTwentlct,  sn  entsteht  aus  <lem  im  Holze  weilenden 
Geiste  der  Klubaulcnnaiui.  Er  besteigt  das  Schiff.  s«jUild  das  letzte  Stück 
Hob;  an  diciw^m  angebracht  ist  (ZfilMvtli.  II.  141).  Ebenso  wi-sscn  pom- 
mersche  Sagen  zu  berichten,  class  die  Seele  eines  toigebomen  Kindes,  daa 
unter  einem  Baume  begraben  Hege,  mit  dessen  Holze  ab  Klabautermann 
aufs  Schiff  komme  (Temmc,  Volkss.  aus  l'ommcm  302). 

Als  gcldspendeudc  und  geld vermehrende  Hausgeister  oder  Hausfreunde 
srw^heinen  in  Westdeuisrhland  von  der  Schweiz  bis  nach  Friesland  hinab  die 
t/niuaen  oder  .Untnen,  üsilich  davon  von  Tirol  bis  nach  Osipreusseii  die 
m  Drachen,  mythische  Gebilde,  die  nicht  vor  dem  Mittelalter  entstanden 
'«ein  künncn,  die  aber  in  ihrer  Grundanschaiiung  ebenfalls  im  Seelenglauben 
ivurzeln.  Utesc  Geister,  für  die  im  christlichem  Mytlius  zuweilen  der  Teufel 
erscheint  sind  nicht  ans  Haus  gebunden,  sondern  lersrheinen  nur  von  Zeit 
zu  7.ä\  und  bringen  dünn,  in  der  Regel  durch  den  Schomslein,  das  Geld 
<Wuttke  §  49.  50J. 

^  42.  Wald-  und  Feldgeister.  Es  ist  Mannhardts  Ver<üenst,  den  Kultus 
und  die  M^-then,  <lic  mit  der  v.-achsendcn  und  grünenden  Vegetation  im  engsten 
Zusaninn^ntiange  stehen,  gesammelt  und  systemintisch  geordnet  tu  halien  ( Baum- 
kultas  der  Germanen  u.  s.  w.).  Auch  auf  diesem  Gebiete  zeigt  sich  überall 
das  mythenschaffende  Talent  unseres  Volkes.  Ein  Vergleich  mit  den  anderen 
seelischen  Wesen  belehrt  uns,  dass  auch  diese  Geister  im  Kerne  in  dem 
Glauben  an  ein  Furtleben  der  menschlichen  Seetc  iu  Wald  und  Feldern 
wurzeln.  Sie  hJlngen  aufs  engste  y.iLsammen  mit  den  Windgeistem  und  -damonen, 
werden  von  diesen  oft  verfolgt,  ja  (iccken  sich  zuweilen  mit  ilinen.  Der 
Schluss,  den  Mannhardt  aus  diesen  zahlreichen  .Mythen  gezogen  hat,  dass  aus 
der  Beobaclitung  des  Wadistumes  der  Urmensch  auf  Wcsensgleichheit  zwischen 
sich  und  der  Pflanze  geschlossen  und  dieser  eine  seiner  eigenen  ähnliche  Seele 
abrieben  liabc,  trifft  dalicr  nicht  das  Rechte.  Vielmehr  schioss  der  Mensch 
dem  Winde,  der  in  den  Ästen  rauscht  und  der  selbst  uns  noch  bei  ein- 
samem Gange  durch  den  Wald  eigentümlich  berührt,  aus  dem  W'inde,  der  die 
Saaten  wogen  lasst  dxss  hier  in  der  Natur  die  Geister  ebenfalls  ihr  Wesen 
treiben.  Natürlich  mussten  sie  auch  hier  ihren  Wohnort  haben,  gerade  wie 
die  Scharen  der  W'indgeister,  die  aus  den  Bergen  kommen,  in  diesen  wohnen. 
Ihn  fand  man  in  den  einzelnen  Biiumen  oder  in  den  Gefilden  der  Saaten, 
und  So  sind  die  Feldgcister  und  Baumseelen  entstanden,  die  so  tief  in  un- 
serem Volb^laubtn  wurzeln  (vgl.  Kober^tein.  Über  die  Vorstellung  von  dem 
Fortleben  menschlicher  Seelen  in  der  Pflanzenwelt,  Wcim.  Jahrb.  I.  72  ff.). 
Ab  seeiisdie  Wesen  genossen  sie  Verehrung  und  Spende,  vi-ie  unzilhlige 
Sitten  und  Gebrauche  bei  allen  germanischen  Stämmen  aus  alter  und  neuer 
Zeil  lehren.  Aber  auch  sie  hat  die  Poesie  im  Laufe  der  Zeit  vom  Boden 
alter  (jlaubfnsvufsti'llungen  auf  das  Gebiet  subjektiver  Phantasie  verpflanzt 
und  hat  neue  Mythen  entstehen  1aJ^sen.  aus  denen  der  alte  Glaube  an  das 
Fortleben  der  Seele  nicht  mf*hr  zu  erkennen  ist. 

So  sind  die  ihcriomorphischen  und  anthropümort>hisclieu  Gestallen  ent- 
idcn,  an  die  noch  heute  unser  Volk  unbewusst  glaubt     .\uch  bei  diesen 
Stern    hat   sich   die    Menge  gewissennassen    zu   einem   einzigen   höheren 
Teseu  verdichtet  der  kuUekti^ische  Singular  ericheint  als  hühcres  peraCnlicIies 
/^esen,  das  über  die  anderen  gesetzt  ist  das  dann  über  die  ganze  Vegetation 


im  Walde  herrscht.     Und  liier  wird  das  seelische  Wesen  in  der  Volksvw- 
stellung  zum  Darion. 

Unler  mancherlei  Namen  erscheinen  die  Waldgetsler  des  gcrmanisclten  Volks- 
glaubens. Überwiegend  liaben  sie  weibliche  Gestalt,  doch  erscheinen  sie  da- 
neben auch  in  mtlnnlichcr.  Überall  auf  germanischem  tloden.  woWaldußgen 
die  Anhoben  bedecken,  sind  sie  zu  Hause.  Nur  in  der  norddeutschen  und 
dänischen  Tiefebene  treten  sie  in  dt-n  Hintergrund  oder  haben  vielmehr  ihr 
Mythengebiet  den  Zwergen  und  Windgeislern  überlassen.  Ganz  besoDdos 
sind  die  Mythen  von  ihnen  in  Oberdeutschland,  in  den  Alpen  ausgebildet.  Hier 
erscheinen  sie  als  IVi/ife  l^itie,  als  Sttigt  oder  SaHj^r  h'riiuiein.  als  Fanggen,  aU 
Waldjfinkcn  u.  dsl.  In  Mitteldeulschland  leben  sie  in  der  Vnlkspluintasie  als 
Holz-  oder  Momfräulrin,  Holz-,  MomweihrJ.  a!s  /iuscfi/rautn,  als  Ijohjtmgfa 
(d.  i.  GebOschjuiigfer,  z.  B.  bei  Halle),  iils  Ärti'/**/uW**r  (Riesengebirge)  u.  dgL 
Aus  Sclileswig  weiss  Trogili  Anikiel  (1703)  von  der  Frau  Elhom  (der  HoU 
lunderfrau)  zu  berichten,  die  man  in  Schonen  als  Hyile/roa  (HoUunderfrau) 
oder  Askafroa  |Esrhcfniu),  in  Danemark  als  HyÜemor  kennt  jMannhaid^ 
Bauinkult  S.  10  f.).  Sonst  nennt  man  sie  in  Schweden  Skogs/m  (Waldfrau), 
Skogssfiua,  SJ^ogysnvra  <Rietz,  Dial.  lexic.  594).  Daneben  crMhcincn  mann* 
liehe  Gejitalten  wie  die  WaidfnA'nniein,  Wiliimännel,  Nörgeti^  Schrat,  SchriSUltix 
(s.  o.),  in  Sdiweden  der  Siogsman.  Je  höher  wir  in  die  Gebirge  hinauf 
steigen,  desto  ül>ernienschlicher  werden  diese  Gestalten  in  der  Vollodicfatung. 
Wührentl  sie  in  Mitteldeutschland  fast  durchweg  rein  menschliche  GrOsse 
haben,  kennt  sie  der  gebirgige  SOdcn  als  Rtcsinnen,  die  unter  <lera  Einflüsse 
gewaltiger  Naturerscheinungen  gross  gezogen  sind,  liigentflmlirh  hai  sie  die 
Volksphantai>ic  ausgestattet:  sie  haben  einen  behaarten,  meist  mit  Moos  be- 
wachsenen Leib,  ihr  Rücken  ist  oft  hohl  wie  ein  morscher  Baumstamm, 
weithin  flattern  ilire  Haare,  besonders  eigen  sJTid  ihnen  die  grossen,  herab- 
hängenden Brüste  (Mannhardi,  S.  147).  Zuweilen  knmmen  sie  in  die  mensch- 
lidien  Wohnsliltten ;  dann  helfen  sie  den  Menschen  bei  der  Arbeit  und 
bcrülircn  sich  hierin  mit  den  Hausgeistern,  wie  sie  auch  auf  den  Bergen  dem 
Sennen  die  Ik-rden  wt-iilcn.  Milch  und  K.lse  erhallen  sie  dafür  zum  I.,obD. 
Eine  weiten;;  Au-^bÜdung  tles  Mythus  ist  die  enge  Verknüpfung  des  scelischea 
Wesens  mit  seinem  Anfeuthall-sorte,  dem  Baum:  daher  bluten  die  BAume, 
daher  stirbt  nach  Tirulcr  Volksglauben  tue  Fanggc,  sobald  der  Baum  gefallt 
ist  Hiermit  hangen  die  über  das  ganze  germanische  Gcl)iet  und  dariüxr 
hinaus  verbreit  et  i.-ti  Schutzbaunie  zusammen,  die  schwedischen  l'aräfräd, 
d.  s.  Baume,  in  der  Nahe  des  häuslichen  Herdes  gepflanzt,  in  denen  der 
Schutz-  u]id  ScliJrmgoist  einer  Person,  einer  Fainiltc,  eines  ganzen  Dorfs 
wohnt  (Mannhardt  S.  44). 

Überall  verbreitet  ist  femer  der  Mythus,  dass  der  Sturm,  der  Windmann 
oder  der  wilde  Jäger  das  Waldfraulein  verfolge.  Dieses  berührt  sich  hier  mit 
der  Windsbraut  und  schemi  demnach  eher  zu  den  Dämonen  zu  gehr>Ten. 
Allein  andere  Vtirstellungen,  die  wir  bei  den  Waldf:eistern  finden,  sprechen 
für  unbewusste  Überreste  allen  Seclenglaubt^ns:  der  Volksglaube,  dass  sicii  die 
Seelen  namentlich  unschuldig  Gctuieier  in  Baume  flüchten,  ist  \'on  Obcrdeutsch- 
land  bLs  nach  Island  verbreitet  (Mannhardt  jy  ff.).  Besitzen  doch  diese 
Geister  auch  die  Gabe  der  Weissagung,  der  Heilkraft  (Panzer,  Beitrage  II.  Ift8. 
258.  Pröhle,  Deutsche  Sagen  ,57  f.  Venialeken,  Alpensagen  2i\).  Schon  deralte 
Wate  hat  von  einem  »wiMen  tvlbr<  seine  Hcilkunst  gelernt  (Kudr.  529!.  Des- 
halb verwünscht  das  Volk  durch  synipaiheiische  Kuren  unter  allerlei  Zauber- 
formeln die  Krankheiten  in  den  Wald,  in  die  Baume,  und  die  Sitte,  Kranke 
durch  einen  hohlen  Bauin  kriechen  zu  ]:issen  oder  durchzuzielicn,  damit  die 


Wau>-,  Feld-  und  Wassjehgeister. 


295 


I 


Krankheit  gehoben  werde  und  auf  den  Baum  flbergehe,  !asst  sich  bis  ins 
Heidentum  hinauf  verfolgen  ^Mannliardt  10.  32  f.).  Wie  andere  seelische 
Wesen,  biingen  auch  dieWaJdgeister  Glück  und  Unglück,  stehen  den  Menschen 
bei  üiren  Arbeiten  bei,  weiden  namentlich  pem  die  Herden  in  den  Bergen. 
Dafür  erlutlte»  sie  von  den  Mensehen  Opfer  und  Spende  (Mannhardt  76.  q6) 
und  werden  von.  ihnen  verehrt.  Endlich  besitzen  sie  auch  die  iVoteusnrtlur: 
die  Kanggc  cistheint  als  Wildkatze,  die  Holzweibcr  als  Eulen,  die  seligen 
Frilulein  in  Tirol  als  Geier,  die  die  Gemsen  scliiimen  u.  dgl. 

Alinlicb  den  Waidgelstem  sind  die  Feldgeisier.  Allein  wie  schon  b«i 
jenen  die  Volksphantasie  zu  Gunsten  neuer  Gebilde  die  alle  Vorstellung 
von  einem  Zusammen han;;  zwischen  dem  geisterhaften  Wesen  und  der 
menschlichen  Seele  aufgegeben  hat,  su  Lst  es  nuch  mehr  bei  dictien  der  FalL 
Nur  in  der  Sitte  und  einzelnen  Vorstellungen  zeigt  s\ch  roch  der  alte  Gehalt 
Dazu  kuroml  noth.  dass,  wie  bei  deu  nieisicn  mythischen  Gebilden  des  Volks- 
glaubens, auch  bei  jenen  beiden  Klassen  zwei  mythenerzeugende  Elemente  ge- 
wirkt liaben,  die  nicht  selten  mit  einander  vermischt  sind.  Die  menschliche 
Seele  lebte  fort,  ihr  Fortbestehen  zeigte  vor  allem  die  bewegte  Luft,  der  Wind. 
Wo  dieser  verweilte,  wo  dieser  sich  zeigte,  da  hausten  auch  Geisler  Ver- 
storbener. Allein  das  Element  war  auch  an  und  für  sich,  ohne  inneren  Zu- 
sammenhang mit  dem  Seelenheere,  mythenerzeugend:  die  Volksphantasie 
schuf  Gebilde,  bei  denen  sie  nie  an  einen  seelisdieii  Hinlergrund  gedacht 
hat.  Sie  gab  diesen  Wesen  alle  möglichen  GesiaUen,  ganz  ähnlich  wie  den 
seelisdien  Wesen,  bald  Mensch-,  bald  Tiergestalt,  Und  diese  Gebilde  sind 
CS,  denen  der  Name  •Dämunen«  zukommt.  In  der  weiter  schaffenden  Volks- 
dichtung, die  die  mythischen  Gestalten  von  ihrer  ursprünglichen  Qudle  los- 
getrennt hat,  treffen  beide  Arten,  sc-elische  Wesen  und  DHm<>nen  zusammen. 
Es  Iflsst  sidi  datier  oft  gar  nicht  bestimmen,  ob  wir  ein  Gebilde  des  Seclcu- 
glaiibcns  oder  des  D.'imiincnglaulicn*'  vor  uns  haben.  Das  gilt  schon  von  all 
den  Wesen,  die  in  den  vorangehenden  Paragraphen  besprochen  sind,  das 
gut  bcsondcn;  auch  von  den  Wal«lgcisiem.  Wenn  das  Waldfraulein  gejagt 
wird,  so  erinnert  dies  unwillkQriich  an  die  Windsbraut,  die  der  wilde  Jager 
nach  norddeutschem  Volksglauben  vor  sich  hertreibt.  Das  aber  ainddSmomschc 
Wesen.  Noch  ausgeprägter  zeigt  sich  ein  dilnionisi.her  Ursprung  bei  den 
Feldgeisteni,  weshalb  ieh  diese  in  das  Kapitel  der  Dämonen  vcrw*eise. 

§  4^  Die  Wassergeister.  PluUirch  erzahlt  in  der  Lebensbesdird- 
bung  Casars  (Kap.  ig),  Uass  unsere  Vorfahren  aus  den  Wirbeln  der  Flüsse 
geweissagt  hätten.  Als  die  Franken  539  unter  Thrudohert  in  Oberitalien 
vonlrangen,  nahmen  sie  die  zurückgebliebenen  Gotenweiber  und  Kinder  und 
warfen,  obgleich  sie  bereits  Christen  waren,  ihre  Körper  als  Opfer  in  den 
Po,  und  das  thaten  .sie,  um  die  Zukunft  zu  erfahren  (Procop.  De  hello  Goth. 
II.  2$).  Ebenso  berichtet  Agathias  von  den  Alcmaimen,  dass  sie  die 
^i&ga  jima^iüiv  verehrt  hatten.  Der  heilige  EEigiu-s,  der  Indirulu.s  super- 
stitionum.  Bmchard  von  Worms  und  andere  ehristliehe  Eiferer  gegen  heid- 
nis'he  Sitte  verbieten  immer  und  immer  wieder  (Quellen-  und  Gcwüsserkull. 
Gleiche  Verehrung  der  Gewässer  finden  wir  in  den  nordischen  Quellen.  Der 
Schulast  Adams  von  Bremen  berichtet  uns  von  Mciischeiiopfeni.  die  in  das 
heilige  Wasser  von  Upsala  getaucht  wurden  {lib.  IV.  c.  zb  schol.  13.J),  die 
Kjalnesingasaga  erzählt,  wie  Mens<Jien  in  heilige  Sümpfe  ab  Opfer  geworfen 
wonlen  seien  |Isl.  S.  II.  404L 

Eine  l»ftM>ndere  Verehrung  genussen  die  Wasserfalle  als  Sitz  geisterhafter 
Wesen  iu  Norwegen  untl  auf  Island.  Aufklarend  wirft  Lidit  auf  den  natür- 
lichen Hintergnmd  der  Verehrung  dieser  Gewässer  die  Krzdhltmg  von  Thor- 


39^ 


XL  M>'tholog:e. 


slein  niiirtnef,  der  auf  Island  sein  Heim  in  der  Nahe  eines  Wasserfalles  hatte. 
Diesem  Gewässer  opferte  er  alle  Speiseaberreste,  durcli  ihn  erfuhr  er  sein 
5ichicltsaL  In  derselben  Nacht,  wo  seine  Seele  sich  vom  Körper  getrennt 
hatte,  stürzen  seine  sAraÜichcn  Schafe,  20  Grosshundert  an  Zahl,  in  den 
Wjibscrfall  (Isl,  S.  I.  2qi  f.):  dieser  halle  seine  SccIl-  aufgenommen,  hier 
sollten  ;iu(:h  stnne  Herden  I)rJ  ihm  nacli  dem  Tode  w*nlcn.  —  Jahrhunderte 
sind  seit  dem  ErlftsiJien  des  Heidentums  vergangen,  aber  nc»ch  heute  fordern 
überall,  wo  Germanen  wohnen.  Flüsse,  Teiche,  Seen  ihre  Opfer.  An  Flüssen 
entficht  man  Lichter,  Quellen  werden  mit  Kranxcn  geschmückt,  Mädchen 
geli'jii  dahin,  um  die  Zukunft  zu  erfahren,  man  \ut\l  aus  ihnen  an  gewissen 
Tagön  geweihtes  Wasser,  das  liegen  Übel  hilft,  stillst-hweigend  tr.lgt  man  vor 
Si»nnenaufgaiig  Gcgenslüade,  namentlich  die  abgeschniiteucn  N^^;el,  nach 
dem  Flusse:  der  Strom  nimmt  sie  mit,  und  man  bleibt  auf  Jahresfrist  von 
Schmerzen  verschont  (vgl,  Lvncker,  Brunnen  und  Seen  und  Brunnenkult  ia 
Hessen,  Zschr.  d.  V.  f.  hesa.  Gesch.  1858;  Runge,  QueÜcnkultus  in  der 
Sfhweiz,  Monats<:hr,  des  wiss.  Vereirus  in  Zürich  i8,5*j:  Pfannen srhmid.  Das 
Weihwasser  70  ff.'l.  In  Brunnen  und  Teichen  wohnen  Frau  Holle,  Wrxlan 
und  andere  chthonischc  Golüieiten.  Aus  ihnen  kommen  die  Kinder,  hierher 
kclircn  ihre  Sculcn  nacl»  dem  Tode  (Wuitke  §  24I.  Wo  wir  auch  hinbücken 
m'')gen,  überall  treffen  wir  an  den  GewSssern  Opfer  und  Weissagung,  ttic  wir 
sie  ähnlich  auch  bei  anderen,  nicht  germanischen  Vülkcm  finden  (Tvior,  An- 
fänge der  Kultur  II.  210  ff.|.  Man  hat  auch  hier  wiedcriun  in  der  Verehrung 
der  persönlich  gedachten  Gottlieit  den  ursprüngiiclien  Kern  des  Kultus  und 
Glaubens  finden  wollen.  Allein  die  Übereinstimmung  mit  der  Verehrung 
von  Be^  imd  Wald  ist  eine  so  grosse,  dass  wir  auch  den  Gcwässerkult  mit 
in  das  Kapitel  des  Seelenkultus  ziehen  müssen.  Und  viele,  ja  fast  alte 
Beispiele  werden  uns  wohl  von  dieser  Voraussetzung,  nicht  aber  von  jener 
ans  erkl.'lHich.  Erst  als  die  chthonischc  G-itiheii  zur  Herrschaft  gcl;uigt  u-ar, 
erst  dann  wurde  sie  auch  als  Herrin  der  Geister  im  Wasser  verehrL  Der 
Schlüssel  aber,  der  uns  lehrt,  wie  man  dazu  kam,  da.ss  die  Seelen  der  Ver- 
scliicde]»cü  gerade  im  WjLsser  lebten,  liest  m.  E.  im  Quellenkult:  die  Quelle 
dringt  als  lebendes  Wesen  aus  Berg  und  Erde;  sie  Ist  das  Thor,  aus  dem  die 
Geister  wieder  an  das  Tageslicht  kommen.  Hierin  mag  es  auch  liegen,  da39 
gerade  der  QueUcnkull  ganz  besonders  ausgcbiUlet  isU 

Schon  frühzeitig  hat  die  Phanla.sie  unserer  Vorfahren  bestimmte  Wesen, 
denen  sie  Namen  und  Gestall  gegeben  hat,  in  Anlehnung  an  jene  allere  idl- 
gemeine  Vorstellung  und  neben  dieser  in  den  GcwAssern  wi^hnen  lassen.  Alten 
germanischen  Stammen  bekannt  ist  r/trr  jVt.v  oder  /Jie  iVCve.  Ahd.  Glossen 
geben  mit  nihhus  -crocoditUw  wieder  (Graff  II.  1018);  im  Bcowulf  ist  der 
nüor,  der  hier  immer  in  der  Mehrzahl  nkeroi  erscheint,  der  l^eprSsentant 
der  ungeheuren  Meergels.ler,  die  auch  hmn-  oder  menfixas  heissen.  .■Utnord. 
nykr  giebt  in  der  Alexandersaga  •hipjKjpotainus«  wieder;  auch  noch  im 
heutigen  Volksglauben  erscheint  der  mhir  in  Rossgestalt  und  hat  daher  deii 
Namen  vatnahesir  [Wasscrijfcrd,  Maurer,  Isl.  Volk.s.  ^1  f.).  Der  norwegische 
Volksglaube  kennt  den  n^kk  (Kave  48  ff.),  ebenso  der  dänische  (F.  Magnusson, 
Eddalxrc  IV.  j^o),  der  .schwedische  mkken  (Hylieu-Cavallius  I.  258  f.),  der 
englische  den  nik.  Neben  dem  Maskulinum  erscheint  schon  ahd.  da.s  Fem. 
w/i:fÄ«ra  ^Ivmpha,  ein  Wesen,  das  ganz  dem  rnhd.  mmt'ip.  w«-/t««V  entspricht 
Ob  das  Wcirt,  wie  man  allgemein  anniiumt,  zur  idgcnn.  Wurzel  m^  (skr.  ni/, 
griech.  vham)  =  ^sich  wa.schen.  baden«  gehurt,  scheint  fraglich.  .\nf  keinen 
Fall  wäre  dann  gestattet,  Unikarr  ixler  Hnikudr,  einen  Bcituunen  Odins,  mit 
dem  Worte  zusammenzubringen. 


Wassergeister. 


297 


Neben  dem  NLx  finden  sich  noch  andere  Namen  fOr  den  Wassergeist 
Von  gletcUcni  Wortstammc  Rcbtldct  sind  Nicier,  Niekci,  Nkktlmann;  weil 
verbreitet  ist  der  Name  Wasurmann:  in  Niedersachsen  besonders,  aber  auch 
in  Mittel-  und  Oberdeutscliland.  heisst  er  Hakemann,  weil  er  an  (lassen, 
Teichen  oder  Brunnen  die  Kiudcr  mit  einem  Haken  ins  Wasser  7Jeht 
{Schambach-MüUer,  Nieders.  Sagen  342);  der  Oldenburger  nennt  ihn  Ä*- 
■nunsth.  In  weiblicher  Gestalt  erscheint  der  Geist  ausser  als  Nixe  als  Waurr^ 
jung/mu,    WaiserfräuUin,  Seejungftr,  SeeioäiM,    WasseHisse  (Wuttke  §  54). 

An  dem  Meere  wird  der  Wassergeist  zum  Meennann  oder  Sccweib.  Zugleich 
wäclist  mit  der  Raumgr^isse  des  Elementes  der  Geist  selKst:  er  wird  zum  über- 
mächtigen DJüiiuh.  /.um  Rissen.  Nur  in  seinen  GrundzUgen  deckt  er  sich 
mit  dem  uiLichein baren  Brunnen-  und  Qucllungeistc.  Hier  erscheint  er  auch 
<^ter  in  TiergestalL  Die  danische  Volkssage  weiss  ^om  llav/olk,  von  den 
Hanmanii  und  Havfnier  zu  erzählen  (Tlüele  II.  255  ff.).  In  Schweden  kciml 
man  neben  dem  Netken'Cixt.  Vattene{fi>or  (Wasseredfen),  ß/affruar.  den  .Sfrönf 
Jtti/,  die  Källebäcksjun^frur  (llylten-L'av.  I.  J44  ff.).  Schün  crzäiiit  hier  die 
miltdaltcrliche  I^-gc«de  v(.im  Ursprung  dieser  Wuscn :  es  sind  Geister  von  Ludfers 
Anhang,  die  in  <ias  Wasser  stürzten,  ak  sie  von  Gott  aus  dem  Himmel  ge- 
bannt wurden.  In  Norwegen  taucht  dann,  ganz  der  Natur  des  Landes  an- 
gepasst.  neben  dem  Nokken,  den  Havnwend  und  Havfnier  der  Orim  oder 
/•esafgrim  auf,  der  in  den  Wasserfallen  oder  Mühlen  (wonach  er  auch  Qtum- 
Amurrer  heisst)  wohnt  (Kayc  48  (f.).  In  Norland  und  dem  nfircilirhen  Ber- 
gener Bezirke  heisst  der  Wassergeist  auch  MarmteU.  Auf  Island  ist  die 
Gcistcrwclt  der  Wasserwesen  niclit  weniger  ausgebildet:  vom  marmtnniU,  dem 
Meermännchen,  das  der  heutige  Isländer  tnnrbtndiU  nennt,  wissen  schon 
die  alte«  Sagas  zu  berichten  (Isl.  S.  I.  70;  Hälfssaga  Ausg.  Bugge  11  ff.), 
ebenso  von  der  haf^vgr^  der  Meerriesin,  oder  Imffrii  (Spec.  reg.  Christ.  Ausg. 
S.  39),  die  auch  mevfiikur  |Madrhcnfisch^  heissL  Daneben  ersrhi-inen  als 
Wassergeister,  imd  zwar  meist  in  Tiergestalt,  der  nykur  oder  vainaheslur.  der 
va/askratti,  der  nennir  (Maurer.  Isl.  Volks.  .^O  iV).  Wir  finden  hier  Qbei^ 
alt  den  Übergang  des  seelischen  Wesens  zum  flamonischen,  ja  nffenbar 
liegen  hier  schon  ausgeprägte  Dämoncngest alten  mit  vor,  die  nichts  mit  der 
tncnschlichcn  Seele  zu  ilmn  haben,  die  die  Phantasie  des  Volkes  unter  dem 
Einflüsse  des  gewaltigen  Elementes  geschaffen  hat  Gleichwohl  finden  sich 
bei  dem  Nix  und  einigen  Wassergeistern  mit  anderen  Nomen  entschieden 
dfische  Züge.  Vor  allem  hat  der  Geist  die  Protcusnatur.  er  vermag  ver- 
schiedene Gestalten  aiuunchmcn  und  erscheint  in  verschiedenen  Gestalten 
(Wuttke  §  54  ff.K  Von  den  nordischen  Wassergeistern  sei  nur  auf  den  Zwerg 
Andvaii  liingewicscn.  der  sich  in  Hechlsgestalt  in  einem  Wasserfalle  auflüelt, 
und  auf  Otr,  den  Sohn  Hreidmars,  der  in  Gttergestah  im  Wasser  lebte 
{Eddal.  Bi^e  S.  2li  ff.).  Dann  besitzt  der  Wassergeist  die  Gabe  der  Prt»- 
phetie.  König  HJ9rIeifr  hat  nach  der  Hälfssaga  (a.  a.  o.)  einen  Marmennil 
ICefangeii.  Er  gab  keinen  Laut  von  sich,  bis  der  König  einmal  seinen  Hund 
schlug.  Da  lachte  das  Mccrmän neben.  Der  KOnig  fragte,  weshalt>  es  lache. 
»Weil  du  den  schUigsi,  der  dir  einmal  das  Leben  retten  srill,<  antwonete  der 
Nix,  Jetzt  verlangte  Hj^rlcifr  weitere  Auskunft;  er  erhalt  sie  erst,  als  er  ver- 
spricht, da*  Mecrmannlein  wieder  ins  Wasser  zu  lassen.  Da  erzählt  es  denn  auf 
dem  Wege  von  dem  Kriegsunwetter,  das  dem  D.lnenlande  drohe,  und  wie  bei 
dioitun  der  Ki'nig  nur  durch  seinen  Hund  werde  gerettet  werden.  Auch  spen- 
dend, wie  andere  seelische  Wesen,  erschein!  der  Wassergeist,  da  er  auch  ver- 
borgene Schatze  weiss.  So  vcrsi>rach  ein  Was.sermann  einem  amten  Fischer 
einen  Schatz  zu  zeigen,  wenn  er  ehrlich  mit  ihm  teile.    Aufs  redlichste  kommt 


29ä 


XI.  Mythologie. 


der  Fischer  dem  Verlangen  nach;  den  letzten  Heller  «erschlagi  er  mit  seiner 
Axt.  Da  versthwindft  der  Nix  und  lassl  dem  armen  Manne  den  ganzen 
Schatz  (Vemaleken,  Sagen  aus  Östr.  1S5).  Eben»)  lehrt  ihr  Trachten  nach 
menschlichem  Blut  tnicr  menschlichen  Gliedern  den  elbisi-hen  Urspomg  der 
Wa.>vst;rgeister  (WeiniHild,  2s<!h.  d.  V.  f.  Volksk.  V.  121  ff.).  Besonders  mit 
dem  Zwerge  berOltrt  sich  vielfach  der  Nbc.  In  menschlicher  Gestalt  wird  er 
meist  klein  geda<ht,  alt,  bärtig,  mit  grünem  Hute  und  gttinen  Zahnen.  Öfter 
taiuht  er  aus  dem  Wasser,  oft  hftrt  man  seine  .Stimme.  Die  weiblichen 
Nixen  bezaubern  durch  ihren  Gesang,  wie  die  Elfen.  Die  Lorlet  und  andere 
altnlichc  Sagen  ra<")gen  im  Nüccnglauben  ihre  Wurzel  haben.  Oft  gehen  auch 
Nixe  Vftbinduuugen  mit  Menschen  ein  (Prütorius,  Weltbeschr.  498  f.l  und  ver- 
langen bei  der  Entbindung  ihrer  Frauen  menschliche  Hülfe  ( Wuttke  a.  a.  O.). 
Allein  diese  Züge  treten  nur  noch  vereinzelt  im  Volksglauben  auf:  im  grossen  und 
ganzen  ist  der  Wasser)^ist  der  scliädigende  WasserdiUnon.  der  in  den  Gewässern 
herrscht,  der  sdn  Opfer  verfangt  und  es  sich  holt,  wenn  man  es  ihm  nicht  giebL 

KAPrrzi,  vn. 
DIE  DÄMOXEN. 

%  44.  Wahrend  bei  den  elfisrhen  Wesen  sich  immer  tmd  immer  ^»-ieder 
der  seelische  Hintergrund  ze^^t,  treffen  wir  eine  weitere  Klasse  m^ihischcr 
Gestalten  unseres  Volksglaubens  aus  alter  und  neuer  Zeit,  an  denen  sich 
keine  Spur  allen  Seelenglaubcns  wahrnehmen  lässt.  Sie  haben  ihre  Wurzel 
in  der  den  Menschen  umgclxrnden  Natur,  in  den  FJementeji,  denen  gegen- 
über sich  der  Mensch  ja  meist  so  ohnmächtig  fühlt,  in  denen  er  ein  Wesen, 
Ahnlicli  seinem,  nur  ungleich  grösser  und  mächtiger,  zu  spüren  memt.  So 
entstaüd  in  der  Phanta.-üe  imserer  Vorfahren  die  St-har  der  Dämonen.  Auch 
sie  sind  nicht  selten  von  dem  Elemente,  dem  sie  ihren  Ursprung  verdanken» 
losgerissen  und  durch  den  immer  schaffenden  Vulksgeist  Gestalten  der  freien 
Dichtimg  geworden. 

Eine  in  der  isländischen  Literatur  erhaltene  Volkssage,  die  in  der  Nahe 
des  Kattegats  ihre  Heimal  haben  mag,  erzalilt  au.s  der  Vorzeit  Xorw*egens, 
dass  hier  ein  Mann  Namens  Fornßtr  gelebt  habe,  aus  dessen  Geschlechte 
Norr,  der  Norwegen  den  Namen  gegeben  habe,  hervorgegangen  sei  (Fas.  II. 
3  ff.,  vgl.  dazu  Noreen,  l'ppsalasmd.  S.  21Ö).  Seine  Söhne  waren  Hier, 
Legi,  KdH,  von  denen  der  erste  über  das  Meer,  der  «weite  über  das  Fcucr^ 
der  dritte  Über  den  Wind  herrschte.  KAri  war  der  Vater  des  /(«J«/,  der  den 
König  Sme  zeugte,  den  Vater  des  Porri.  der  f^nn,  der  Drt/a.  der  M/^/. 
Wenn  irgend  eine,  so  gewährt  uns  diese  kurze  euherairisüsche  Erzählimg 
einen  Einblick  in  die  Werkstatt  mytlii.schen  Schaffens,  sie  giebt  xms  einen 
Mythus,  der  unmittelbar  an  die  Natur  und  Sprache  des  Landes  anknüpft, 
wo  er  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zuerst  enriihlt  worden  ist.  Fomjötr 
deutete  man  als  den  alten  Jotcn  (xler  den  Ahnherrn,  je  nachdem  man  Fom- 
jötr  (Rask.  Saml.  Afhaiidl.  1.  78  ff.)  oder  For-nj.'.tr  (Uhland,  Thor  S.  53;  PBB. 
X!V.  <.})  abteilti;,  wSlireiid  neuerdings  Norcen  Fom-njütr  lesen  und  das  Wort 
mit  »UpfL-rgcniesser»  wiedergeben  möchte  tUppsalastud.  Ö.  2i()).  I>ie  mehr 
konkrete  Deutung  Rasks  mag  im  Hinblick  auf  die  Heimal  des  Mj-lhus.  die  auf 
jütischem  Gebiete  liegt,  das  Richtige  treffen.  Unter  Fomjöls  Söhnen  und  Nach- 
kommen verstehen  die  »indischen  Skalden  die  Riesen.  .Seine  Kinder  tauchen 
auch  anderen  Orts  in  der  nordischen  Dichtung  auf:  Hier,  den  Snorri  in 
richtiger  Kombination  mit  /-Hgir  und  Gyroir  identifiziert  |SnE.  IL  3101,  be- 
zeichnet wie  diese  Dämonen  das  Meer,  besonders  das  brausende  Meer.   Die  Insel 


Die  Dämonen. 


399 


LxaÖ  (ahoord.  Hl&cy^  im  Kattcgal  ist  nach  ihm  genannt.  Logt  ist  verwandt  mit 
unserem  •Luhe»,  er  ist  das  pcrsunifizicrte  Feuer.  AV/i"  cndlidi  ist  die  durch 
den  Wind  bewegte  Luft,  die  der  Schwede  und  Norweger  noch  heute  dialektisch 
unter  gleichem  Numen  kennt  (Riciz  379.  Aasen  348).  Käris  Kinder  und 
Kindcskindcr  sind  ebenfalls  Enscheinungc^  in  der  Natur,  nh  Appcllativ'a  in 
aller  urvl  neuer  Zeit  oft  belegt.  Sein  Si"»hn  ist  J^ull,  das  Eisfeld  der  nor- 
wcgisdicn  Berge,  uadj  midcrem  Bcriüitc  Frosti,  die  Kalte  (Fas.  II.  17)» 
dessen  Kind  Snar,  im  späteren  Fortgar^  der  £r7.ählung  »hinn  gamh*  {der 
Alle)  genannt,  der  greise,  ewige  Gebirgssclmce  (Uhland,  Thor  zy).  Dieser 
Snxr  oder  Snjör  war  spüter  zur  Sagengesialt  geworden.  Kr  herrschte  als 
KCtnig  nach  der  Vnglingiisuga  in  Fiunland  (Heiioskr.  13),  nach  Saxu  Ober 
Dlnemark  (I.  415  ff.),  nach  altdSnischen  Chroniken  aber  war  er  Hirte  des 
Riesen  Lse  auf  La>so  (Gammetdanske  Kreniker  I.  10  f.).  Snaers  Kinder 
sind  F^gnn,  der  Schiicchaufe,  Drifa,  der  Schneewirbel,  die  als  S^engestalt 
ihren  Verlobten  Vanlandi  durch  eine  Mahre  toten  lasst  (Heimskr.  13},  ^^j^i, 
der  Schneestaub.  Von  Haus  aus  iu5geii  alle  diese  Gebilde  Käris  Kinder 
sein;  der  ganxe  genealogische  Entwurf  Lst  sicher  erst  spflteres  Machwerk. 
Alle  ^ind  sie  in  J^tunheim,  in  Ricsenheiui,  zu  Hause,  im  Nordosten  der  skan- 
dinavischen Halbin.sel,  woher  noch  heule  ein  scharfer  Wind  die  unliebsamen 
Kinder  des  winterlichen  Sturmes  bringt,  So  gehl  unser  Bericht  noch  ein 
Stück  weiter.  —  Niemand  wird  diese  Mythen  in  ein  voniordiscljcs  ZL-iialter 
verle^'cn.  Sie  lassen  sich  nicht  vi  in  dem  linden  trennen,  wo  sie  sich  fmden; 
nur  in  Skandinavien  können  sie  ihre  Heimut  haben,  nur  aus  den  nordischen 
Sprachen  kftnnen  wir  sie  verstehen :  es  sind  durch  die  Phantasie  der  Nord- 
lander vermenschlichte  Naturerscheinungen  ihrer  Heimat,  die  in  menschliches 
Gewand  gehüllt  und  durch  die  Dichtung  zu  Sagcngestaltcji  weiter  gebildet 
worden  sind.  Und  wie  es  liier  im  Norden  gegangen,  si»  ist  es  ülKrall  der  Fall 
gewesen.  Die  Sagen  vom  Rie.senkönig  Watzmann  (Panzer  I.  245  ff.)  oder  von 
Rübezahl  i'Pratorius,  Salyrus  elvm<j|ogicus;  IJncke,  Die  neuesten  Rübezalilfor- 
schungenloder  von  den  oldenbnrger  und  schleswiger  Riesen,  die  ans  l^nd  steigen 
(MoUcnhoff  ^77)  und  deigl.  erklären  sich  nur  aus  der  Natur  des  Landes,  wo  sich 
die  DÄraoncnmvthcn  finden.  Fast  durchwegsind  demnach  diese  Mythen  lokaler 
Natur;  sie  sind  überall  zu  Hau.se,  besonders  aber  ausgel>ildet  in  Berggegenden 
und  in  Lflndem,  wo  das  weithin  sichtbare  Meer  die  Küste  bespült.  Alle 
Naturenw-heinungen  und  Elemente  haben  sie  in  der  Phantasie  unserer  Vor- 
fatireu  wachgerufen;  mit  der  Zunahme  der  Heftigkeit  der  Elemente  wachsen 
aarh  sie.  Aus  urgermanischer  Zeit  mögen  unsere  Vorfahren  nur  den  Typus 
mitgebracht  haben,  das  hfihere  Wesen,  das  in  d^n  Elementen  herrscht,  das 
dem  Menschen  bald  in  übermenschlicher,  bald  in  tierischer  Gestalt  sich  zu 
ericennen  giebt.  das  höhere  Wesen,  in  dem  si<h  namentlich  die  verderbliche 
Seite  des  Elementes  «eigt;  die  Ausbildung  der  einzelnen  Formen  und  Ge- 
stalten dagegen  gelulrt  einer  spätemi,  z.  T.  der  dirisüichen  Zeit  an.  Ganz 
besonders  zjJilreich  sind  die  Mythen  von  \\'inddamonen.  Indem  aber  zu- 
gleich die  Seelen  im  Winde  fortlclR'-n,  berühren  sich  diese  Dftmonen  sehr  oft 
mit  den  mythischen  Gebiklt-n  des  Seelenglaubens.  Auf  der  anderen  Seite 
erhielten  die  jüngeren  Gebilde  der  perst'mlichen  Gottlietten  auch  Gewalt  über 
die  Elemente,  und  daher  treffen  sie  oft  mit  den  Damtmen  zusammen,  wenn 
sie  auch  in  diesem  Falle  fast  durcliwi-g  die  dem  Menschen  Nutzen  bringend« 
Seite  des  Elementes  vertreten.  Daraus  aber  hat  sich  im  MyÜius  der  Kampf 
zwisthen  Gt^Mtem  nnri  Dämonen  herausgebildet,  in  dem  die  Götter  als 
Schützer  der  Menschen  auftreten.  Die  Dämonen,  die  noch  heute  in  reicher 
Anzahl  in  der  Volksdichtung  forüeben,  zu  vcrbtassten,  durch  das  Christentum 


300 


XI.  Mythologie. 


abgesetzten  Gottheiten  gemacht  zu  haben,   ist  einer  der  ärgsten  Fehler,  den 
die  wissenschaftliche  Mythologie  begangen  liat. 

§  45.  Bezeic^hnungen  und  Auftreten  der  Dümonen.  Der  Qber 
alle  germanischen  LSntUir  vcrbrpitRle  Name  für  die  dämonischen  Gesiaken, 
dk-  wir  in  ihrer  menschlichen  Erjjrheinung  Riesen  nennen.  iA  ahd.  tiims, 
mhd.  //Jne,  ndd.  dros,  ags.  ih-n,  altn.  pun  (naJii<^itli'-'>  i'"  K<>fni>osituni 
hihHpun),  neunnrd.  lasse.  Von  Norwegen  oder  Scliweden  aiLs  drang  das 
Wort  als  tunas  ins  Finnische,  wo  es  ein  Mfcrungcheucr  bezeichnet  (Thomsen, 
Den  got.  sprrigkl.  indflyd.  S.  74I.  VerwarcU  ist  etat  Wart  wahrscheinlich 
mit  altind.  turds,  »stark,  kräftig«  (KOgel,  AfdA.  XVIII.  49).  Mehr  die 
2ersti''(rende  Thatigkeit  der  Riesen  bezeirhnet  ags.  eiUon,  ns.  etan,  aiitiord, 
jQluun,  (läpp,  fefamis),  schw.  fniif,  em  Wort,  das  zu  etan  »essen,  fiessen- 
gehört  Dem  Worte  »DSmon*  am  n^lchsten  steht  der  mhd.  trolle,  der  uns 
namentlich  im  altnord.  traii,  wt-wvKivt.-.-A&n.  trolfl,  in  unzähligen  Gestalten 
enigegentritt.  In  ihm  berühren  sich  die  D-lmonen  mit  den  Druckgcistcm, 
wie  auch  das  Wort  aller  Wahret-heinlithkeit  narh  zu  gttt.  truJan,  altn.  troda^ 
»treten«  gehört  (Sievers.  Ind.  Forsch.  IV.  330).  In  ÜbcrdeutscUand  und 
einem  grossen  Teile  NietlcrdeuUicIilands  ^■e^breitet  ist  der  Name  Rttst  (ahd. 
risi,  as.  wrüii).  Das  Wort  ist  sprachlich  veru-andt  mit  skr.  j-rian  =  astark, 
krflfdg,  gewaltig*.  Im  altnord.  tritt  es  besouders  im  Kompos.  berfirisi  auf, 
als  Simplex  ist  es  jung  und  selten.  Ferner  erscheint  im  ags.  die  Bezeichnung 
€n/,  zu  welchem  Worte  sich  das  baierische  euzensrh.  emionisck  »imgdieuer 
grosso-  geseilt  (Sehmeller,  Bayr.  Wtb. 'I.  117).  NamenÜich  in  Westfalen  luid 
längs  dem  Strande  der  nordischen  Meere  findet  sieh  der  Name  hüne  (mhd. 
hmne),  der  wohl  im  Anschluss  an  das  verheerende  Auftreten  der  Hunnen 
entstanden  ist,  die  nach  agK.  Gedichten  in  <lcr  Rtcscnburg  an  der  Donau 
sich  sammeln,  wohin  sie  aus  Thessaliens  zerklüfteten  Bergen  gekimmien  sind 
(Elene  V.  30  tf,).  Andere  fa.'isen  da.«!  Wort  als  ein  urgermanisches  auf,  das 
mit  skr.  f«m  -der  Held«,  griech.  xvoto^  »mächtig-  verwandt  sei  und  »der 
Starke  bedeute  (Kfig<^l,  AfdA.  XVIII.  50).  Unter  klas.sischem  Einflüsse  ent- 
standen findet  sich  gigant  schon  im  Beöwulf  und  <,)tfrid.  Unter  den  vielen 
Namen,  die  .sich  in  der  nordischen  Mythologie  für  weibliche  DJImoncn  finden, 
ist  der  verhreiieistc  g\'gr,  ein  Wort,  das  zum  trans.  sygfifn  *en;rhrecken«  und 
dem  intrans.  gugna  --den  Mut  verlieren«  gehört.  Über  die  Etymoleigie  des 
Wortes  \^\.  Jnlian.^son,  Ind.  Forsch.  IL  54,  der  es  zur  Würz,  ghugh  »ver- 
bergen, verhehlen«  stellt,  und  Wadstein  (ebd.  V.  32),  der  es  ga~ygr  deutet 
■und  mit  ygr  »gritam,  wild,  sclirccklich«   zusainmenbringL 

Allen  diesen  Wesen  eigen  ist  ihre  ttbeniattlrlirhe  Gri"lsse  um!  ftbcrmensch- 
liche  Kraft,  die  nur  selten  von  einem  erwJlgenden  Geiste  gczügell  wird.  Bald 
haben  sie  tierische,  bald  menschliche  Gestalt  Aber  auch  in  letzterer  gleichen 
sie  —  abgesehen  von  ihrer  Grösse  —  nicht  immer  dem  gewnhnlichen  Men- 
schen. Oft  erscheinen  sie  melirhauptig:  Sklniir  erwähnt  in  Skini.  (31)  einen 
dreihüupiigen  Thursen,  geradeso  wie  im  Wahtelma-re  von  einem  »drtlioup- 
ligen  Tursen-  (Massmaiin.  Dcnkni.  loo)  die  Rede  ist  Einen  seclishtiu|rtigcn 
Sohn  erzeugte  nach  nordiscliciii  Mythus  <lrr  Urrieäe  Aurgelmir  (Vafl»r  33). 
—  Daneben  erscheinen  sie  mit  mehreren  Annen.  Heime  hat  nach  dem  An- 
hang zum  Heldenbuch  und  der  altiKrhwed.  Didrikssaga  \ier  Ellenbogen  (W. 
Grimm,  DHS.  257),  .-Vsprian  nach  dem  Rosengarten  M  vier  Hände  (elxl  248), 
der  nordische  Starkadr  acht  Arme,  die  ihm  Odinn  verlielien  hatte,  nachdem 
ihm  Thor  \ier  von  seinen  ursprünglichen  sechs  abgeschlagen.  Oft  erscheint 
der  Riese  als  Tülpel,  ab  grober,  ungeschlachter  Kerl,  zuweilen  aber  auci», 
namcndich  im  nordischen  Mythus,  klug  und  verst'lndig.     Nordische  Skalden 


I 

1 


Rl£S£K.      WaSSEKUÄMÜNEN. 


301 


nennen  ihn  fmdr,  hundi'us  (weise,  sehr  weise);  <_)dinn  geht  zum  Riesen  Vaf- 
{vüdnir,  uiD  sich  nül  Uim  über  in>-thisclic  Dm^c  in  einen  WetLsUcit  einzu- 
lassen. Geradeso  wie  bei  den  eifisclien  Wesen  hat  die  Vtillcsphanuisie  den 
Riesm  ein  Reith  anj^edichlct:  J^lunhetmar,  iin  iiussersten  Nordiwtfn  seiner 
Halbin«(eJ  geleiten,  nennt  c:s  (ti:r  Skandinavier.  Ebenso  Lst  in  den  mhd.  (Ge- 
dichten von  einem  Riesenlande  die  Rede.  Hier  hausen  sie  im  jiHgemcincn 
frei;  nur  vereinzelt  tritt  ein  Riescidierrsrher  wie  J*r>Tiir,  der  »(/«>///««  puna* 
(Pritv.  II),  auf.  Soast  wirken  sie  in  den  Elementen,  in  und  auf  Bcr);en.  im 
Meere,  in  der  Luft  —  Fast  ebenso  häufig  wie  in  menscliHchet  kennt  sie  der 
Volki^laubc  in  liervu  her  (i^'^tatt.  I  )er  Midgard*itrmr  ist  eine  gewaltige 
Sclitangc,  die  um  die  Erde  herumliegt;  der  ntmlische  Schöpfungsmythus  weisa 
von  einer  Kuh  Audumla  zu  er;i<'lhlen;  in  AdiersgestaU  »itzt  Hra.'svcigr 
{Leiehcuschwelg (  im  Aus-iersten  Norden:  von  sdncn  Schwingen  gelten  die 
Winde  aas.  Bcsondcni  häufig  erscheint  der  Riese  in  Hunds-  oder  \VoIf*^estalt, 
d.  L  in  Gestalt  zweier  Wesen,  die  sich  In  der  mvthisclien  Vurstellmiii  aller  ger- 
manischen Stamme  vrillsündig  detken.  Üic  n'trdische  Dichiung  nennt  den 
Wiftil  den  Wolf  oder  den  Hund  des  Waldes;  als  Hund  oder  tt'olf  falut 
auch  nach  unznJiLigen  deutschen  Afythen  der  Wind  dmch  die  Luft.  Walfe 
jagen  im  Korne  umher,  und  je  gn'isser  «e  sind,  desto  reichere  Ernte  erhofft 
der  Bauer.  Dem  Kornwolfe  werden  Spenden  gebradit  (Mamdiardt,  Roggcn- 
wnlf  imd  Roggenhund).  Auch  der  Nebel  erscheint  in  der  Volkssage  oft  als 
riesi&cher  Wulf  (Laistncr,  Nebelsagen).  Ganz  ühnlicii  ei^cheint  im  Norden 
der  Ffnrir  in  Wolfsgeslalt.  ferner  der  Mänafftrtnr,  der  den  Mond  verfolgt, 
//»/»  und  i^ifil.  die  beiden  Verfolger  der  Sonne.  Weitere  Blicke  in  die  Vor- 
stellung dei  alten  Nordlitniler  von  theridwoqjhisehen  Riesen  gewJlhrcn  Riesen- 
namni  wie  K\>tr  ^dcr  Kater«,  ilvndla,  MtUa  i-dic  Hündint,  Ttami  >der 
Kranichi.  Krdkn  »die  Krühei.  udgl.  Hin  und  wieder  besitzt  auch  der  Riese 
die  Eigenschaft,  vordbergeliend  tierische  Gestalt  annehmen  zu  können.  Allein 
dieser  Zug  scheint  nicht  ursprünglich,  \ielmehr  scheint  er  aus  dem  Seelcn- 
glauben  entlehnt  zu  <u.^in*. 

*  Das  btst«  Werk  (tbtT  die  Kiesen  ist  da*  Wcinholds  *Dü  Üitifn  drs g/rnux' 
nuthtn  Afj-iAust  in  den  Sit/bcr.  dvr  k.  Aod.  der  %VJ3»eiuch.  /u  Wiva  XXVI. 
IJJ — jo6.  —  Vieles  ßiebt  Uhland  im   .\fyiAus  z-art    Thor, 

%  46.  Die  dämonischen  Gestalten  der  einzelnen  Elemente.  Die 
Wasscrd&monen.  Schon  bei  den  cIAm-Iicu  Wassergeistern  zeigte  sieh,  daas 
dasselbe  Wesen  in  verschiedenen  Gegenden  vere^inctlenc  Gestalt  erhielt: 
wfthrend  der  Nix  in  den  deutschen  Gewässern  aU  ein  zwergartiges  Wesen 
erscheint,  kennt  ihn  der  skandinavische  Norden  als  machtiges  Ross,  das  den 
Fluten  des  angrenzenden  Meeres  entsteigt,  oder  als  Riesen.  Die  umgebende 
Namr  zeigt  sich  auch  hier  von  umnittelbarem  Einflüsse  auf  die  Volks- 
phantasie.  Wasserdamonen  in  Riesengestall  finden  nir  demnach  fast  nur  in 
meemmspnlten  Gebenden.  Aber  auch  aus  den  Alpeii.seen  entsteigt  hin  und 
wiwlcr  der  Dämon  in  R«eisgesuitt  dem  Gewü-sser  (^Panzer,  II  90  f.).  In  Mitlel- 
uad  Norddcutschland  weicht  et  der  sdiOncn  Wasscrfrau  oder  dem  hab- 
gier^en  Nixe,  bis  er  wieder  da,  wo  sich  unsere  Hauptsln">me  busenartig  er- 
vcitem,  in  Stiergestalt  auftritt  und  sein  Wesen  treibt  (Mallenhoff.  Sagen  aus 
Schicsv.  HotsL  127  f.).  -So  ist  der  Norden  besonders  reich  an  riesischen 
WaMerd^lmoneri.  Das  älteste  Epos,  das  uns  in  germanischer  Sprache  er- 
halten in,  der  Benwulf,  ist  angefOlh  mit  solchen  Mythen  von  Wasserriesen; 
der  Kampf  g^;en  sie  ist  der  Mittelpimkt  der  grossartigen  Dichtung.  Ob  der 
schatzbOtende  Drache  (Beow.  V.  2242  ff.),  der  dem  Helden  die  Todeswundc 
be&nDgt,  ein  WasscrdUmon  oder  nicht  %ielmehr  ein  Gebilde  der  subjektiven 


y>2 


XI.   MyTHOLOGIE. 


l'h:inta>ii*^  ist,  bleibe  dahingeslclU ;  Grentiei  mit  seiner  Mutter  und  seiner  Um- 
gebung waren  aller  Wahrechcinlichkcit  narli  \Vasserungeheuer.  Er  herrscht  im 
Sumpfe  am  Meere,  dort.  wt>  an  windigem  Vorgebirge  sich  der  Bergstrom  ergicsst 
(135t)  ff.}.  Micrhausti.'rmitseincrMuttertnm3rhtii:erHalle(i5i5).  diedic  Dichtung 
nach  akgcriiuinlscher  Weise  ausgesr]imUrkt  hat:  Waffen  hSngen  an  der  Wand 
^1558),  ein  düsteres  Feuer  brennt  auf  dem  Langiierdc  (1518).  Er  selbst  ist 
ein  ^eolcit"  (7t)2),  seine  Mutter  nennt  der  Dichter  eine  iirimwylf  (1507. 
1600),  die  Secmigcheucr,  die  men-  oder  säd/or  sind  nUrnu  (Nixe),  der 
^ofeaa  cvn  i.\2J  f.).  In  drr  Dämmerstunde  bringen  sie  am  Vorgebiige  dem 
Schiffer  oft  Unlieil  (14^8  ff).  Wie  Grende!  seihst  haben  sie  NSgd  wie 
Stahl  (oSfi)  und  Krallen  statt  der  Hände  ((;8H.  I5(j8).  Über  Grendels 
Wulmung  steigen  die  Wellen  hfjch  einp<ir,  bis  zu  den  Wolken  gehl  ihr  Gischt, 
der  W^ind  treibt  hier  heftige  Gewitter  duher,  die  Luft  crdrOhnt,  die  Himmel 
weinen:  so  giebt  sich  das  Wirken  des  Ungeheuers  /u  erkennen  (1375  ff.). 
Bei  nächtlicher  Weile  vcrllb'st  der  Herr  der  Dsmonai  seine  Halle,  um  am 
benachlxirten  Gestaile  Menschen  /u  rauben  und  7.11  verschlingen.  In  Nebel 
gehüllt  (7:1).  von  Wulken  umgeben,  üchleiclil  er  dann  umher.  Sein  Ziel  ist 
Heorot,  des  Danenkftnigs  Hrodgar  treffliche  Halle,  aus  der  er  allnächtlich 
Helden  raubt.  Hier  wird  ihm  von  Beowulf  der  Arm  aufzogen;  im 
Meeresgrund  stirbt  er  an  drr  Wmidr.  Dann  macht  sich  Beimiilf  ai;f,  um 
die  Mutter  des  l'ngeiflms  in  ihrf^r  Halte  aufzusuchen  und  r.n  tnten.  —  Ein 
gewalliges  Naturereignis,  das  Eiiidnngen  des  Meeres,  das  in  vurlüs torischer 
2eit  ganze  Stücke  Landes  abrUs,  sich  über  die  L.lnder  ergoss  und  so  Inseln 
schuf  und  menschliche  Ansiedlungon  vtniichlelc,  mag  ini  Volke  fortgelebt 
und  den  Ansttuss  zu  dieser  grossariigcn  Volksdichtung  gegeben  haben,  die  die 
Angeln  aus  ihrer  Heimat  mit  nach  Britannien  nahmen,  die  in  den  islän- 
<Üschnn  Sagen  und  Liedern  von  Grettir  .\smundarsim  (Grettiss.  14S  ff.) 
B^dvar  Bjarki  (Fas.  L  69  f.),  Orm  Sti!irölfison  (Fnis.  III,  204  ff.;  Hammera- 
haimb,  Fa;r.  Kva'dcr  II.  Nr.  11.  12,  An*-idsson,  Svcn.ska  Fomsknger  Nr.  8) 
niderhallt  (Bugge,  ?BB.  XII.  55  ff.).  Von  solchen  W'asserd.lmonen,  die 
in  der  verheerenden  Gewall  des  Wassers  ihre  Wurzeln  haben,  und  von 
Kämpfen  gegen  sie  weiss  nf)cli  heute  tlie  nonkleuWrhe  und  dänische  Vnlks- 
sage  zu  erzählen  (Zfd.A.  VII-  425 ff.).  Dass  wir  es  wirklich  im  Beowulf  mit 
einem  Wasserdarann  zu  thuii  haben  und  nicht  mit  einem  Ncbelwesen,  wie 
Laistner  (Nebels.  8Ö  ff.  264  ff.)  annimmt,  zeigen  Wörter  wie  mendeor,  brim- 
tvyl/,  viir  allem  aber  auch  die  nordischen  SdiÜdcrungcn,  die  nocli  klar  das  Mccr- 
ungelQm  erkennen  lassen. 

Auch  sein  Name  scheint  Grendel  als  Wasserdnmon  zu  erweisen.  Deiselbo 
ist  verwandt  mit  nord,  grrnja,  das  sowohl  vom  Heulen  des  Sturmes,  weshalb 
dieser  auch  furiiiäiit  h«)s.sl  (SnE.  II.  486),  als  auch  vom  Tosen  der  GewSsser 
gebraucht  wird  (Lex.  i>oet.  260).  Der  gewaltige  Gegner  aber,  der  dem  Grendel 
und  seiner  Mutter  das  Handwerk  legte,  war  ein  Spntss  der  Sage,  den  die 
Dichtung  niil  dem  allen  Himuielsgutte  unserer  ^^■rfahren  ziLsaui mengebracht 
hat,  unter  dessen  Schutze  er  zum  Heile  der  Menschheit  seine  Tliatcn  voll- 
brachte; er  gehört  der  Dichtung,  der  Heldensage,  nicht  dem  Dämonen-  oder 
Güttermythus  an. 

BtS'inflers  reich  an  Wasserdamonenroythcn  ist  die  nordische  Dichtung.  Zum 
teil  verknüpft  mit  (jöttermvlben  sind  sie  der  Ausilruck  des  nurtlischcn  Volks- 
geisles,  der  unter  dem  Kinflusse  des  gewaltigen  Klemenics  in  seiner  furchtbaren 
Gewalt  steht  Obenan  stellt  -^^V,  von  Uliland  (Thor  S.  160)  trefflich  als 
die  Personifikation  des  ruiiigen,  für  die  Schiffahrt  geeigneten  Meeres  gedeutet 
Etymok»giscli  ist  der  Name  vei-wandt  mit  pA.  a/iwa  (Gislason,  Aarboger  1876, 


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I 


I 


WassbrdAmon  8X. 


303 


3 13  ff-,  Norccn,  Uq^cnn.  Lautlehre  S.  ^q).  das  Wesen  giebt  sich  also  schon  durch 
seint^i  Namen  als  WaÄScrd.lmon  m  erkennen,  lo  der  skaldischcn  Sprache  be- 
zeiclmcl  /■/■j^V  iiaufig  »das  Meer«.  iJass  er  die  ffir  den  Menschen  vurlcühafle 
Seite  dci  Meena  vertritt,  zeigt  sein  enges  Verliültnis  xu  den  (jöuem.  Kr  ladet 
die  Aaen  zum  Mahle  (ürimn  45.  Hym.  1,  Ijok.  Pros.),  wie  er  selbst  bei  ihnen 
cischcint  (SnEL  L  20Ö).  In  machtigem  Kessel  l>creilet  er  dann  den  Göttern 
den  Trank  (Hym.).  Festlich  bcletn-litct  ist  die  Malle,  ^/äi'r  {»Feuer*)  und 
J^tr/etig  (-Funkenfang«  Weinhold,  Riesen  239)  helfen  aufwarten.  In  ihren 
Namen  personfizicrt  der  nordische  Dichter  das  Über  dem  Meere  lagernde 
Nerdiicht.  Gleichwohl  bleibt  ^Kgirein  Riese:  i^r^Ä«/ nennt  ihn  die  Hymiskvida 
{2),  er  ist  bamieitr  (»froh  wie  ein  Kind»),  wie  andere  riesische  Dämonen.  An 
Jüllands  Nurdspitzc  und  dein  westlichen  Norwegen  war  er  als  Hier  bekannt, 
nach  dem  die  InscJ  Hlcscy,  das  heutige  Laa«,  den  Namen  führt  Seine 
Gemahlin  ist  /iün,  *der  Raub«,  die  alles  verschlingende  Herrin  des  Meeres, 
das  Weib  ohne  Herz  im  Leibe  {siäiaus  kona),  wie  sie  Frid|>jöfr  in  junger 
Dichtung  einmal  nennt  (Fas.  IL  493).  Wen  .sie  en»*isr_hen  kann,  filngt  sie 
mit  ihrem  Netze,  dessen  Maschen  Niem:md  eutschlQpfu  Loki  leiht  es  des« 
lialb  von  ihr,  als  es  gilt,  den  Andvari  zu  fangen  (Eddalicd.  Buggc  S.  212). 
Wer  enriiikl,  fahrt  zur  Rän,  und  wen  man  ins  Meer  «-irft,  weiht  man  ihr,  So 
bertllirt  sidi  die  R;uj  mit  th-r  Tcif3«.-.sgr.ttin,  ja  sie  kann  als  Toteng'Htin  dos 
Meeres  angesehen  werden.  Und  s«^  haben  sich  denn  die  Ni>rdl.'inder  auch 
bei  ihr  den  Aufcatlialt  sdi^n  nach  ihrer  Weise  ausgemalt:  da  gibt  es  Hummer 
und  DuHich  (Fms.  VL  376),  da  gibt  es  ein  treffliches  Gelage  (Eyrb.  S.  100). 

Der  Ehe  /Kgirs  mit  der  Ran  entspri/ssen  nenn  Töchter,  junge,  dichterische 
Verkörperungen  der  Wu^ui  und  einiger  Eigenschaften  des  Meeres  (Weinhold 
S.  2^2).  die  nach  der  Mutter  geartet  und  bei  heftigen  Secsttlmien  den  Schiffern 
ihre  Umarmung  anbirum  {Fi>stbni:dnis.  13).  Als  Mütter  Ileimrialls  sind  .sie 
in  den  Hereich  der  Gotterrnythen  gezc^en.  —  Als  dritter  Name  för  ./Egir 
erscheint  in  der  SnE.  Gymir  (L  32()),  der  ebenfalls  unter  den  J9maheiti 
^SnE.  L  54fj)  aufgezählt  ist.  Auch  ihn  gebrauchen  die  Dichter  häufig  für  das 
Merr  (Lex.  \>oci.  2S2),  wie  sie  dieses  auch  (h'mis  flit  (Gyniis  Wuluiung  Fas- 
!•  -175)  ncnne-ii.  Die  Glejchhrii  mit  yKgir  zeigt  die  Kenning  Kef.s,  drj-  die  Rän 
Gymis  jr^h'a  (SnE.  I  32Ö)  nennt.  Daneben  ersdieint  noch  in  den  Skirnisinäl 
der  Riese  Gj-mir  aU  Vater  dex  t^icrd  und  des  Bell,  die  licide  im  Freysmythus 
eine  Rolle  spielen.     Er  ist  der  Gemalil  der  Aarboän.     Ob  dieser  hier  der  Meer- 

8C  ist,  wie  man  meist  annimmt,  oder  ein  anderer  Riese,  wie  Bugge  will, 
)leibe  dahingestellt;  jedenfalls  findet  sich  in  dieser  .schönen  Dichtung  keine 
S|nir,  voraus  wir  den  uatQrllchcu  Hintergrund  eines  Wasserriesen  begrtlnden 
kötmten. 

Wie  dies  Lied  von  der  schönen  Riesenjtmgfrau  Gerd  zu  erzählen  weiss, 

finden  wir  auch  in  der  Hymiskvida  beim  Riesen  Ifymir  ein  goldenes,  weiss- 
»rauiges  M.ldclu-n.  Dieser  H>T]iir  ist  offenbar  wieder  ein  Meeresdamon.  allein 
«  vertritt  die  winterliche  Seite  des  Meere.s.  Der  Name  fmdet  si<Ji  aurji  in  der 
Form  >'«/>  öder  /■'vmir,  und  die  Gestall  wird  in  beiden  Flülen  oft  mit  dem 
Urrieseu  Yimr  zusaiiuuengeworfen  (Gislaaon,  »Om  navnet  Ymir«  in  Vidensk. 
Selsk.  Skr.  5.  R.  4.  Bd.  435  ff.).  Hymir  ist  der  Riese  des  winterlichen 
Meeres,  auf  dem  seine  asciigraue  Gestalt  ihärQm  »pjalla  Umngtm  llymk.  i6.) 
XU  lagem  scheint,  denn  humr  m.  und  hum  n.  bezcLchnet  die  Dämmerung 
und  die  fahlgraue  Luft,  die  im  Winter  das  Meer  umgiebt  Die  Hymisk\'ida 
bat  ihn  trefflich  gesciüldert:  er  wohnt  im  Osten  an  des  Himmels  Ende,  zu- 
len  mit  seiner  neunhunderthSuptigen  Mutter,  in  krystallencm  Saale  am 
leere^estade.    Jagd  ist  seine  Bcscltaftigung.     Die  Gletscher  dröhnen,  wenn 


304 


XI.    MVTHOLOGIR. 


er  heimkehrt:  zu  Eis  gefroren  hiingt  ihm  der  Backenbart  herab  {v.  lo).  In 
der  Xahc  »cidcn  seine  Herden,  das  Meer  gibt  ihm  Wale  zur  Nahrxing.  Wohl 
wider  ihren  Willen  befindet  sich  bei  ihm  als  Frilla  das  allgoldene  wei*Äbrauige 
Weib,  da$  C3  mehr  mit  dem  Gegner,  der  sie  befreien  soU,  als  mit  dein  Buhlen 
hUlL  In  Hvmirs  Gewalt  befindet  sirh  der  niiU'Iitigc  Kessel,  den  Thor  und 
Tyr  zu  .tgirs  Gelage  holen.  Hier  hat  ein  späterer  Üherarbeiler  des  allen 
Liedes  Rt-stc  eines  anderen  eingesdinben,  in  dem  eine  weitere  mythische  Vor- 
stellung der  Nordländer  vom  Weltmeere  erscheint:  die  Vorstellung  des  Welt- 
meeres als  einer  macliügcn,  die  Erde  umgebenden  Sclilaiigv,  des  Mi^garäs- 
orm.  Schon  ira  Namen  liegt  da.s  mythische  FiiJd:  \fiifyaritr  ist  die  von  tlen 
Meusdien  bewohnte  Ertle.  Daneben  ni^niit  sie  die  Vc^luspä  {f,Q)  Jgnnuni'itndr 
d.  h.  gewaltiges  Ungetüm.  Wenn  das  Meer  tost,  dann  sctiwillt  sie  in  Kiestm- 
zom.  Thor  ist  am  uortt-egisclien  Gestade  der  Gegner  dieses  riesischen  Dä- 
monen. Es  tt*ar  ein  Ucblingathcma  nordisclicr  Dichter,  der  Kampf  Thors 
mit  der  Midgardsschlangc.  Junge  FalKrlei.  die  sich  namentlich  in  der  My- 
thologie dw  Snitrra  Edtia  findcl  und  wold  auf  faLsclicr  Ktanbinatioii  beruht, 
hat  sie  in  die  Sippe  Loicis  gebracht  (SnE.  U.  271.  312)  und  ISsst  sie  ein 
Kind  Ijnkis  und  der  Angrbi>da,  der  Schadenbieteriu,  sein.  In  Lokis  Gefolge 
rieht  sie  nach  der  Vsp.  einst  bei  Beginn  des  Ansturms  der  bösen  Machte 
mit  heran  und  k;impft  gegen  Thor,  cier  sie  wohl  tutet,  aber  selbst  von 
ihrem  giftigen  Hauehc  geiruffen  zu  B<xlen  fällt  Dit:  >ridgardsi)chlaiige 
ist  nicht.s  anders,  als  die  alte  Fabelei  von  der  Seeschlange,  die  heute  noch 
hin  und  wieder  in  der  Phantasie  der  Ni>rdlander  aus  dem  Meere  empor- 
taucht. Durch  alle  Zeilen  hindurch  lasst  sich  das  Phantasiegebilde  auf  Island 
und  in  Norwegen  verfolgen  (Fayc  50  ff.). 

Neben  dicst-n  Gebilden  irelen  noch  aiulerc  vereinzell  hervor,  meist  in  <ten 
mytliischcn  Sagas,  nicht  mit  der  G/ittersagc  in  irgend  welchen  Zusaimnerdiaug 
gebnichi  und  daher  von  den  M>-thologen  meist  ausser  Acht  gelas.sen.  Es 
sind  mehr  Rit-sen.  wie  wir  sie  aus  unseren  Märchen  und  Sagen  keimen,  die  den 
Mensclien  Unheil  bereiten  und  von  Menschen  bekiirapft  werden,  Gebilde 
der  schlichten  Volksdichtung,  denen  meist  die  höhere  Weihe  der  religiösen 
Poesie  fehlt,  aber  dc^halL  nicht  weniger  mytluschc  Gebilde  wie  jene.  Im 
mythischen  Hatafjord,  wo  der  Kiese  Hati  mit  Frau  und  Tochter  sein  Wesen 
treibt,  zankt  sidi  einst  Hclgis  Gefährte  AUi  mit  der  Riescnloditer  ilrimgerd, 
nachdem  Helgi  ihren  Vater  getötet,  sie  aber  mit  ihrer  Mutter  den  Helden 
die  Einfahrt  in  den  Busen  fast  unmugüch  gemacht  hat  (Helgakv.  Hj^rv, 
12  ff.).  Allgewaltige  Mecrjimgfrauen  sind  wohl  auch  />«/»  und  Menja  (SnF-  I. 
374 ff,),  die  dem  KMuige  Frödi  auf  der  il:indmflhle  Groiti  (iold  mahlen,  bis 
sie  infolge  der  ullzugrosscn  Habsucht  des  Küiüg^  den  Scckr>iiig  Mysiiig  mit 
seinem  MeeTe  hcranmahlcn,  der  Prodis  Herrschaft  ein  Ende  macht  und 
sich  der  Mtlhle  und  der  Madchen  bemSchtigt.  die  ihm  nun  das  Salz,  das 
dem  Meere  seinen  Geschmack  gibt,  mahlen  (Uhland,  Schrift.  VIT.  (jQff.).  — 
Hierher  gehört  weiter  der  mythische  Starkaifr,  den  sjjüte  Kombination  mit 
dem  norwegischen  sagenhaften  Heklcn  gleichen  Namens  zusammengeworfen 
hat  (Müllenhoff,  DAK.  V.  353).  Er  ist  vielleicht  der  riesische  D.'imon  der 
Alu  Wasserfalle  in  Norwegen.  Stör^'erkr  war  sein  Vater.  Acht  H.lnde  hat  ihm 
der  Mythus  gegeben  (Fas.  I.  41,3).  In  der  Gautrekssaga  (Fas.  10.  15)  wird 
er  Aludrmsir,  Spioss  des  AJa,  genannt,  der  hundxths  j^tunn.  Thor  füllt  ilin, 
wie  die  anderen  Riesen  (ebd.  Vgl.  LMiland,  Schriften  VI.  101  ff.).  In  »einem 
PHegesühn  Grim.  der  ihn  nach  seinem  Tode  beerbt,  scheint  sicli  das  my- 
thische Wesen  bis  heute  im  Vi>lkjjmunde  erhalten  vw  haben  (Fayc  S.  53  ff.). 
—  Ein  Islanrler  sieht  cinst  am  Gestade  einen  kiesen  sitzen,   der  mit  den 


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^  135 1 

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Beinen  bammelt  unil  dndurch  die  Brandung  hen-orruft  Sobald  er  aber  mit 
Um  Beinen  zusanimrrnjichl.'lgt,  dann  ist  hnher  Seegang  (Isl.  S.  I.  84).  Solcher 
Mythen  kennt  die  alle  Literatur  in  Mi-n;j;c.  Daneben  ersthcinen  die  f^argy^i, 
der  mtinnenmli  lind  andere-  mythisrhi*  Srewrsen.  Und  wf  im  Aherttim,-  so 
kciuit  noch  heute  die  nordische  Volkssagc  überall  die  Ungetüme  dri  Äletres 
und  der  gn.issen  Gewässer,  nur  dass  gegenwärtig  mehr  die  theriomorphische 
Gestalt  her\ortriit.  Sn  erzählt  der  Islander  vom  valnahtstttr  [Wasserpferd), 
vom  sknmil  (Ungeheuer),  valnsikrutti  (Wassersdiralzl.  v-jn  der  stlamodir  i^Mir- 
hundmul(er),  der  nkötumtidir  (Rochtmmutter)  «njer  vom  ntnnir  ijAn  Arnason  I. 
135  ff,),  der  Bewohner  der  Farrti-cr  vom  sjvJreygif,  der  in  Mensthen-  oder 
Htmdcgestalt  dem  Fisciicr  am  Abend  ai]ri;]uert«  oder  von  der  ha^  oder  der 
4mm/  (der  »Seekuh«  Ant.  Tidskr.  1849/51.  iQSff.l,  der  Norweger  von  Aav' 
>t/  und  bavjrufr  ixler  vcim  sceonn  (fler  Sepsrhlange;  Faye  55  ff.),  der  Schwede 
von  der  HaffrN,  den  J/nfoxar,  Hafkör  {Hylleti-Cavall.  I.  245  ff.).  Gleiche 
mythisrhi?  GebiUle  ki-nni  auch  der  Dane  (Thiele  II.  25.5  ff.).  Wie  die  alt- 
nordischen Wasserdamoncn  verfügen  auch  diese  jüngeren  Geschripfe  meist  über 
ganiEc  Herden.  Nonldeutsthc  Sagen  und  Aipensagen  mssen  von  ahnlichen 
mythischen  Gebilden  zu  erzählen,  die  in  Menschen-  ixler  Tiergcstalt  den  Fluten 
entsteigen  (Müllrnhoff  257.  2O4.  127.  Kuhn,  Sagen  aus  Westfalen  I.  ^87  ff. 
Lai.'iiner,  Nebels.  77  ff.).  Ob  der  Nebel,  der  (Iber  den  Gfw.lRsem  lagert,  «las 
nivthintlic  Gebilde  hervorgerufen  liai,  wie  Laister  will,  oder  nicht,  bleibe 
diihingestellt;  jedenfalls  hat  man  dasselbe  schon  frillizeitig  mit  diesem  in  Zu- 
sammenhang gebracht. 

Wahrend  bei  :ill  diesen  Wesen  nur  der  Typus  alt,  die  Ausbildung  abcT 
rein  ktfcaler  Natur  ist.    scheint  ein   mythischer  \\'assergpist   in   umlie  Zeit  zu 

iflren:  es  ist  [dies  der  nord.  Afimir.  Der  <t}*molog]sche  Ursprung  des 
'oites  scheint  mir  ni)ch  nicht  genügeml  aufgeklart;  in  der  Kegel  bnngt  man 
ea  zu.iammen  mit  fUfirtjoxtUf  numini  und  deutet  es  aU  das  sinnende,  denkende 
Wes*-n  (Uhland.  Shriflen  VI.  Wvf).  Wi>  rs  etvheint,  steht  es  im  engsten 
Zusammenhange  mit  dem  nassen  Elemente,  dem  Wasser.  In  Deutschland 
lebt  dies  myihisi'hp  Wesen  fort  in  dem  Flflsschen  Mimling  im  Odcnw.-ild, 
in  Memboni  bei  Anhauten,  in  Mejuleben,  dem  allen  Miinileba,  an  der  Uu- 
ftnrt  u.  a.  O.  (Uhland  tl.  a.  O.  203).  Im  Biterolf  erscheint  iler  kunstreiche 
Minte  der  Alte  neben  Wtelant  {V.  137  ff.);  in  der  nordischen  HdreUssaga  ist 
der>*eU>f  Mime  .'^igfri>i1s  Lelirmeinler  in  der  Schmiedekunst  (Grimm,  DHS.  7.5. 
148).  Nach  ihm  hat  das  berilhinle  Sollwert  Miining  seinen  Namen.  Er 
erscheint  hier  melir  als  elfi.'ichcs  We-sen  wie  als  Riese.  Smaalandische  Lieder 
kennen  einen  Mimessjö,  wo  ein  gefährlicher  Wassergeist  sein  Wesen  treibt  tmd 
dne  Mimes.'i,  die  sich  aus  jenem  crgics.**!  {Arwidssim.  Sv.  Fnms.  II.  ,^ll  ff.). 
In  den  altislündischrn  {Juellrn  ist  Mimir  ein  Ri<-se  (SnE.  1-  5.^9),  die  Wogen 
dw  Meeres  nennt  der  DichtiT  der  Vyluspä  seine  SOlmc  {Afims  synir  46).  S<> 
erscheint  im  Norden  Mimir  als  Gegenstück  zu  ^"Igir;  er  scheint,  wie  andere 
Wassergebiter,  mit  der  Betleutung  imd  der  Macht  de.s  Elementes  gewadisen 
tu  sein.  Der  innerste  Kern  seines  Wesens  ist  die  Weisheit  Wie  unsere 
Vorfahren  aus  den  Wirbeln  der  Flösse,  aus  Quellen,  au-s  Brunnen  zu  weis- 
pflegten, i-st  schon  mehrfach  hcn'cirgehoben  wonlcn,  Diese  Seite  des 
rii  Elementen  hat  Mimir  besonder*;  vt-rtreten.  Mythen  von  ihm  kennen 
wir  nur  aus  »Iflndischwi  Quellen:  sie  wurzeln  alle  in  der  nordischen  Auffassung 
de»  Mimir  als  weisen  Gottes  des  Meere.s  und  der  himmlischen  GewiLsser. 
Ak  solcher  ist  er  Liebling  der  nordischen  Dichtung:  Die  Vylva  ruft  dem 
<  Wlin  zu:  »Icli  weiss,  Odin,  wo  du  dein  Auge  verbargst:  in  jenem  trefflichen 
Mimitsbmnnen.    Jeden  Morgen  trinkt  Mimir  Mrt  aus  dem  Pfände  Valvniers« 

r. ««uch«  Philologe  III.    a  Aoll.  » 


ysö 


XI.  Mytholoüie. 


(Vsp.  28).  Diese  Worte  aus  dem  Gedichte  Josgeliüst  und  für  sich  betrachtet 
geben  sofort  den  aatürlicheii  Hintergrund:  »ir  haben  das  Abbild  eines  all- 
täglich sich  wiederholenden  V.irgange-s,  da-w  nämlich  die  Sonne  ;tm  Abend 
ini  Meere  zu  versinken  scheint.  Dann  kommt  der  Hiniiiu-Isj^jU  Odinn  zum 
Meeriiamon  Mimir  und  setzt  sein  Auge,  die  Simne,  zum  Pfände  ein.  Allein^ 
er  erhall  dafür  Gegengabe:  »Die  Sonne  zieht  Wjisser«,  sagt  man  noch  heute 
allgemein,  wenn  ihre  Strahlen  bis  tief  lüiiab  an  den  Horizont  sichtbar  änd: 
dann  holt  der  Ilimmckgotl  seine  Gegengabe  von  Mimir,  die  dejn  Wasser 
iimcwohiiL-ride  Weisheil  iMüilenhoff,  DAK  V.  99  ff.).  So  herrscht  zwisclien 
Odin  und  Mimir  fortwährender  Wechsel  verkehr  und  infolgedessen  innige 
Freimdschaft.  Dalier  nennen  die  Skalden  jenen  wiederholl  Mirairs  Freund 
{Mims  vinr).  —  Einen  zweiten  Mythus,  der  freilich  etwas  cuhemeristisch  ange- 
haucht ist,  weiss  die  Heimskringla  (S.  5)  von  Mimir  zu  berichten.  Nachdem 
Äsen  und  W;uien  mit  einander  Frie<len  geschlossen,  sandten  jene  den  Hoenir 
als  Geisel.  Da  dieser  eine  stumpfsinnige  Person  war,  gaben  sie  ilim  den 
weisen  Mimir  mit.  der  Uira  in  allem  Rat  erteilte.  Dadurch  wurde  Hcenir 
bald  in  Vanahetm  oberster  Ratgeber.  Nun  kam  es  aber  zuweilen  vor,  dasa 
Mimir  beim  Dinge  nicht  zugegen  war;  dann  pflegte  Hoenir  zu  sagen:  »es 
mögen  Andere  raten«.  Da  merkten  die  Valien,  dass  sie  betrogen  worden 
waren.  Sie  nahmen  deshalb  Mimir,  srhUigen  ihm  das  Haupt  ab  und  sandten 
es  den  Aseu  zurück.  Odinn  aber  »albie  da.sseU>e,  sprach  tlen  Zauber  darüber, 
da.ss  es  nicht  verwese  und  seine  alw  Kraft  behalte.  Oft  sprach  er  mit  ihm, 
und  es  sagte  ihm  viele  geheime  Dinge.  So  jung  dieser  Mythus  an  und  für 
sich  klingt,  so  setzen  ihn  d<x:h  mehrere  Stellen  der  Eddalieder  voraus:  Mirairs 
Haupt  lehn  Rimenweisheit  (Sigrdrifum.  \.\),  zu  Mimirs  Haupte  geln  Odinn 
vor  dem  grossen  GiHterge-schick  (V's]i.  4h).  Was  bedeutet  dieser  Myllius? 
Bei  Zaul>er  und  W'ahisiguug  tritt  oft  an  Stelle  des  ganzen  Leibes  der  Kopf 
als  Sitz  der  Seele  (Liebrecht,  7.\it  Volbikimde  280  f.),  ja  wir  bfsiitzen  aus  alter 
und  neuer  Zeit  Sagen,  die  sich  auffallend  mit  jenem  Mytlius  decken.  Nach 
der  Eyrbyjj^a  findet  ein.^t  Freystcinn  ein  Manneshaupt,  das  unbcerdigt  diJiegt 
und  ihm  in  einer  Hvilbstrophe  einen  blutigen  Kampf  weissagt  (Eyrb.  S.  77). 
In  d(.-r  fabelhaften  Er/alilung  von  ^orsteiIl  Büejannagn  besitzt  König  Gcirrwdr 
ein  Tnnkhorn,  an  dessen  Spitze  sich  ein  MenscIienliHupi  mit  Fletsch  und 
Mund  befindet,  das  dem  König  Kuktlnftige  Dinge  ]  prophezeit  {Fms.  HL 
191  f.).  Ebenso  besass  ferner  nach  einer  idlen  Überlieferung  eiu  IslJlnder 
Namens  ^orIpifur  den  Kopf  einejiertninkenen  Manne-«;  (nach  anderen  den  eines 
Kindes),  den  er  in  einer  Kisle  aufbewahrte.  Dieser  offenbarte  ihm  alles,  was  er 
zu  wissen  wünschte  yhtfdi  päd  lii  xfuhagnar  og  fjölkynn^i.  J/.n  Ama-son  I.  523). 
Ganz  Ähnliches  berichten  auch  danische  Sagen  (Am  Urquell  IH.  59  f.).  Wir 
haben  also  im  Norden  ein  ziemlich  verbreitetes  Motiv  des  Vulk^laubens, 
das  in  der  eddiachen  Diclitung  an  den  Mythus  von  Mimir  geknüpft  Ist*. 

Verwandt  mit  den  Wasserdamonen  sind  die  Dümouen,  die  der  Nebel  in 
der  Volk.'^phantasic  erzeugt  hat.  Liiistner  hat  ihnen  in  den  N'cbcisagen  ein- 
gehende Untersuchungen  gewidmet.  Die  Gestalten  erscheinen  bald  als  Wolf 
(S.  9),  bald  als  Fuchs  (S.  18),  bald  als  Kater  (S.  81)  udgl.  Nur  selten 
jedoch  erzeugt  der  Nebel  in  der  Volksphantasie  ein  selbständiges  dSmonisches 
Gebilde;  meist  zeigt  sich  in  ihm  nur  das  Leben-szeichen  eines  Damunen,  der 
im  Berge  haast,  um  den  der  Nebel  lagert,  oder  im  Gewisser,  über  dem, 
er  ruht 

'   ChtTtlcii  BwwuLfniylhu»  vgl.  Leo.    ^A-r  Ä-Atv*/^  (Halle  1839);  —  Mälltn- 

hofr,   Z!iL\  VII.  4l0ff.  41«)  IT.—  De«.  Heawutf  (Berlin  i88q).  —  D«u  Hcintcl. 

AfdA  XVI.  ;(:^  ff.  —  9  über  Mimir  vyl.  UliUnd.  Schrincn  VI.   rg?  ff.:  Mülkohoff. 

DAK  V.  9')  iT. 


I 


§  47-  ^'^  Winddämonen.  Ungleich  verbreiteter  als  die  Dämonen  des 
Wassere  sind  die  des  Windes.  Wind  weht  überall,  bald  mehr  bald  »•eniger. 
Kein  Element  ist  mehr  geeignet,  die  Phantasie  eines  Nalunolkes  zu  mythi- 
scher Schöpfung  anzuspornen,  als  gerade  er.  Man  hört  sein  Heulen,  man 
sieht  die  Gipfd  der  BfLume  durch  ihn  bewegt,  man  sieht  die  Felder  wogen, 
man  sieht  ihn  das  Nasts  der  Knie  tKKrknen,  die  Wolken  jagen,  ja  man  sieht 
ihn  selbst  Baume  entwurzeln  imd  in  der  Natur  Schaden  anstiften.  Hier  muss 
ein  h<)heres  Wesen  valten,  das  sich  natürlich  der  Mensch  ganz  nach  seinem 
Bilde  schuf.  Uralt  imd  in  allen  germanischen  L3ndem  verbreitet  ist  die 
Vorticllung.  tlass  in  der  bewegten  Luft  die  Seelen  der  Verstorbenen  fortleben. 
Allein  schon  zeitig  hat  sich  daneben  die  Vorstellung  entwickelt,  dass  ein  ge- 
waltiges Wesen  in  dem  Winde  sicli  offenbare,  ein  Riese,  ein  Dämon.  Der  Sturm, 
das  heftigste  Wehen,  mag  dazu  besonder*  veranlasst  haben.  Eine  Gestalt  hatte 
der  Damun,  ähnlich,  wie  die  Wassergeister  sie  haben,  bald  menschliche,  bald 
tieiischc.  In  jcm-m  Falle  wunlu  spater  die  »lytliische  Gestalt  nicht  selten 
Sagengeätalt.  In  dieser  Gestalt  berührt  sie  sich  aber  zugleich  auch  mit  der 
G<^theit  des  Windes.  Aus  der  wulilthatigen  Seite  des  Windes  entwickelt  sidi 
nämlich  schon  frühzeitig  bei  unseren  Vorfahren  ein  göttliches  Wesen,  das,  wie 
test  bei  allen  heidnischen  Völkern,  als  Wind-  und  Totengoltheit  eine  bedeu- 
tende Rolle  ge?q)ielt  hat  und  in  verschiedenen  Gegenden  in  den  Arittel|>unkt 
des  Kultes  getreten  ist.  Dieses  brachte  der  Vnlksgeist  bald  mit  dem  .Seelen- 
hccrc  in  Verbindung  imd  Hess  es  dasselbe  führen.  (VII  diese  Vorstellungen 
spielen  nicht  selten  in  einanda-  über,  und  es  ist  oft  urunlglich,  sie  von  ein- 
ander scharf  zu  trennen.  Falsch  zweifellos  Ut,  wenn  man  in  den  vielen 
Sagi'n gestalten  des  wilden  Jügers  immer  und  immer  wieder  durchweg  einen 
verbUssien  Wodim  erblicken  »ill.  Der  Glauhc  an  «.lie  heidiiische  Gottheit 
hat  nach  lünführtmg  <i*^  Christentums  aufgehört,  die  damoncn zeugende 
Kraft  des  Volkes  nicht  Kur  aus  dem  natürlichen  Boden,  dein  auf  der 
einen  Seile  Wodan,  auf  der  anderen  der  Dämon  entsprossen  ist,  erklilrt  sich 
<lic  Ül»ea'insümmung  zwischen  beiden. 

In  allen  gemumischen  Landern  ist  wie  bei  andern  Völkern  (Tylor.  Anf. 
d,  Kult  II-  2()j  U.;  Kohde,  i'sychc  384  f.)  die  Sage  verbreitet,  dass  bei  hef- 
tigem Winde  ein  mythisches  Wesen  durch  die  Lüfte  reite,  bald  allein,  bald 
begleitetvon  einer  grossen  Schar  Menschen,  bald  von  Gelieren  aller  Art  Nament- 
lich norddeutsche  und  nordische  Sagen  wissen  von  ihm  zu  erz.1hlen,  dass  er  ein 
leidenschaftlicher  Jüger  gewesen  sei,  der  nach  dem  T<ide  sein  Haudwcrk 
fortsetze.  Hierher  gehören  die  nbcr<icutschen  Sagen  vom  Schimmel rciter, 
vom  Rodenstein  er,  die  norddeutschen  von  Hackelberg,  von  HcfiKies,  von 
dem  mMhiwhen  Dietricli  von  Bern,  vom  Herzog  Abel,  Rübezalil,  vom  wilden 
Jager,  die  danischen  von  dem  fly*ende  Jasger,  Knng  Volmer.  Palnejfeger. 
Groujelie  u.  a.  Einige  dieser  Mythen  enthalten  offenbar  unbewusstc  Eriime- 
rung  an  alte  Wodansmytheu,  andere  dagegen  nicht.  Da  sich  die  Grenze 
»diwer  ziehen  lässt,  ist  bei  Wi)dan  n<K'hmals  auf  sie  zurückzukommen. 

AU  dichterische  Bezeichnungen  des  Windes  finden  sich  in  der  SnE.  (I.  330) 
Ai^r  (Brecher)  — ,  siaäi  (Sclmden)  — ,  /»ani  (Fäller)  — ,  Au/tJr,  —  lutrgr  (Wolf) 
vidar  de*  Waldes.  Alle  diese  Ausdrücke  haben  in  der  persönlichen  Auffassung 
des  Windes,  der  als  Mensch  udc-r  Tier  durch  den  Wald  streicht,  ihre  Wurzel. 
Sic  siivd  der  Anschauung  des  Volkes  entnommen.  da.s  sie  in  gleicher  Lebendig- 
keit nod)  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  hat  In  welche  Waldgegeiül 
genuanisdiec  Länder  wir  aucli  kommen  mOgen,  überall  treibt  in  derselben 
nadi  dem  \"olksglauben  ein  dämonischer  Geist  sein  Wesen,  der  bald  allein, 
boU    mit    seuicn  JagdgefUhrten    und    seinem   Getier,    bald    als  Verfolger    des 

30- 


308 


XI.   M\THOLOGIt 


WaldfrJluicins,  des  Holzwcibi-s,  der  Windsbraut,  dii.'  nach  ihm  ihreji  Naincn 
hat,  erscheint  (Maiinhardt,  Am,  Wahl-  tiiid  Fcldkultc;  S-hwartz,  Dcrdicutigc 
Volksglaube).  Ganz,  aluilirh  zeij^t  sich  dieser  riesische  Dämon  dann  weiter 
in  Felden  und  Fluren.  Die  geringe  Höhe  des  Getreides  mag  hier  mit  be- 
sonderer Vuriiebe  theriomorphische  Dsmonengesiahen  erzeugt  haben.  Be- 
sonders liüufig  sind  es  wieder  Hutid  und  VWilf,  die  liier  ersulieinen:  der 
Ro^S^mtfol/y  der  Geireidewolf,  der  KoniwolJ,  iler  Koggenßiumi.  CJanz  Jlhnliih 
kennt  der  Volksglaube  GraswoJ/e.  Pf^aumeinvÖi/e,  Uettpudel  und  dg[.  Daneben 
ersclicinen  nf>ch  anden;  Tiei^estahen:  die  Rog^nsau,  tler  Hajcrhoci,  iler  Kort:- 
stier,  die  Komkatsf.  der  littlikaler  u.  s.  w.  In  Schweden  silxt  die  Oioso  im 
Getreide.  In  menschlicher  Gestalt  kennt  die  Volksphanuisie  den  Winddilnion 
im  Getreide  als  Kormnutlcr,  WtiitnmutUt-,  Gtrslrnnuitttr,  k'orn/ian,  Kurtimuhmt. 
Erhstnmuhmf.  in  Dänemark  als  bykjftUing  (Gersten alle),  rukjaUinf:  (Ri^en- 
altclf  überall  mit  langen,  herabhangenden  Brüsten,  oder  auch  als  Getreitie- 
»tann,  Jfa/crmana,  ab  der  Alle,  den  gamfe  rmtwi  und  dergl.  Alle  diese  Wesen 
zeigen  sich,  wenn  der  Wind  das  Getreide  bewegt:  dann  gehl  nach  dem  Volks- 
glauben der  Wulf  durchs  Ki-ini.  dann  jagen  sich  die  Hujide;  er  heult,  er 
bellt,  frisst  das  Getreide  und  winl  nimmer  wilt.  Nebd  und  Regen  zeigen 
sich  oft  in  seiner  Begleitimg.  Wenn  das  Getreide  gesclmitien  wird,  flieht  er 
von  einer  Garbe  zur  anderen,  biü  er  m  der,  die  zuletzt  niK.-li  Ktdit,  gefangen 
wird.  Dann  wird  er  feierlichst  zum  Herrn  gebracht,  der  ihm  zu  F.liren  das 
Enitehier  geben  mu-ss.  Die  letzten  Getreidebuschel,  in  die  er  sich  zurück- 
gezogen hat,  werden  ein  Talismaim  für  Haus  und  Scheune  (»der  bleiben  als 
solcher  auf  dem  Felde  stehen  (Mannhardt,  Roggenwulf  un<l  Ki^enhund; 
ders.  Die  Konidamonen).  Es  ist  bemerkenswert,  mit  welcher  Beliarrlichkcit 
nicht  nur  die  germanisc)ien,  sondern  auch  die  a^nderen  indogermanisi  hen 
Völker  diesen  mythischen  (irundgcdanken  erhalten  unil  teils  bewus.-.t,  teil* 
unbewusst  In  alle  luögllt.'hen  Fumien  gegossen  haben. 

BeTüondere  Namen  für  einzelne  WinddJimonen  sind  un.*i  aus  alter  Zdt 
wenige  erhallen.  Ob  die  Riesen,  mit  denen  Thor  7Ai  kam])fen  hatte,  in 
Wirklichkeit  fast  alle  Winddamoncn  gewesen  sind,  wie  man  nach  Uhlands 
Vorgange  .sehr  oft  annimmt,  i.ft  fraglich;  sicher  gehören  sie  alle  zu  dem 
Mylheukreis,  der  sicli  um  Tlmr  gebildet  liat,  uail  siml  demnach  bei  diesem 
ZU  bespreclien.  Eine  besondere  Rolle  spielt  der  Wimlrie-se  Adr/,  der  Vater 
der  winterlichen  Erscheinungen,  des  Frostes  (Fas.  II.  17)  und  Schnees  in 
seinem  mannich faltigen  Auftrelea  (^-gl.  §  44).  In  Adlersgestalt  sitzt  nach 
anderem  Mythus  der  Kiese  ///■'M/Vijt?- (I>cichcn.>ichwclg)  am  Fnde  des  Himmels, 
von  seinen  Fittigen  gehen  die  Winde  aus,  die  über  die  Erde  wehen  ^ViJ|jnn. 
37).  Vhtgnir,  der  Schüttler,  unil  Illdrti,  die  Tosende  (Weinhold  S.  i()8  f.) 
erscheinen  als  Thnrs  Pflegeellem;  jenen  kennt  aucli  die  nafmitmla  der  Riesen 
(SnE.  T.  550).  Mehr  als  poetische  Bilder  einzelner  Dichter  darf  m:u»  unter 
den  letztgenannten  Namen  scliweriich  suchen. 

Auch  anderen  gewaltigen  Naturerscheinungen  hat  die  V\»IL:splianlasie  riesen- 
hafte i\Ieiischengestaltei\  beigelegt.  So  erscheint  im  jungen  ncnjischen  Mythus 
die  alles  verzehrende  Flanuue  als  /-jy^i.  Auch  £ltlr,  das  jjenionlfizierlc  Feuer, 
erscheint  unter  den  Kiesen  (SnE.  I.  550,  vgl,  da/u  Weinhold  275  ff.).  An- 
dere sind  oben  in  der  Gesdüchte  von  Fomjöts  Cie.schledil  erwSlmt  fh>$t$ 
(»Frost*),  f^kttl  ("Eisbcrgo),  Gtist  (>Stunn«)  finden  wir  im  Gefolge  des 
K"!Jnigs  Geirrod  von  Riesenheim  (Fms.  III.    i8ö  f.). 

§  48.  Die  Bergriesen.  Wiederum  kennt  die  nordische  Diditung  eine 
reiche  Anzahl  Bezeichnungen  von  Riesen,  in  denen  sie  als  verköq^ertc  Beige 
oder  als  Herren  derselben  crsdieinen.     Solche  Namen  sind  bergiianr.  btr^üiy. 


BERGRIESEK.      £tNZRI.XB   RiBSBK   DER  KORD.   DiCHTUKO. 


309 


herfrjari,  fittllj^itiir.  fjnUffdJir,  firaunlnit.  hraurniren^r  u.  dgl.  (Oa\'is  poet.  I  IQ), 
Wo  irf^nd  ein  gewalliger  Berg  in  die  Lüfte  starrt,  da  wohal  ein  raaditiger 
Riese.  So  wohnt  im  norwegischen  Dovrefjeld  schon  nach  alter  m\tliischer 
der  Riese  Dofri,  der  ilem  Gebirge  den  Namen  gegeben  hat  tlsl.  S.  II. 
1^1  ff.).  In  .'Ihtilicher  Weise  haust  im  I'ilanislwrge  der  Kiese  IHlatus  (Henne 
am  Rhyn.  Dcuts<he  Volkss.  370I,  im  Walzniaim  der  alte  KOnig  Walzmann, 
ein  gcÄ-alüger  Steinriesc,  der  nach  s]>ater  Sage  hier  sein  Grab  gefunden  hat 
(Vemaltrkcii.  Alpens.  loi).  Berge  sind  in  Stein  verwandelte  Riesen.  Im 
Schehjrespracli  zwischen  Atli  imd  der  Riesin  Hrimgerd  hat  jener  die  Hrim- 
genl  aufgdiaheu,  his  der  T;ig  anbriclit.  '■Nun  ist  es  Tag,-  ruft  er  ihr  dann  zu, 
mun  stehst  du  da,  veruandeU  in  Stein«  (Helg.  Hjyn".  \i\i.).  Wo  zwei  Berge 
«inander  gegen üt»eriiegen,  da  wohnen  zwei  Kiesengenossen,  die  sicli  öfters 
mit  Steinen  'xler  .\xlcn  werfen  (Mylli.  I.  .4.^0  f.).  Wo  Ideine  HOgel  oder 
Feldsteine  sich  hefintlen,  da  hat  ein  Riese  »einen  Schuh  au^e^chüttet,  in 
dem  ihn  ein  kleines  Steinchen  drückte.  Die  hübsche  Sage  vom  Riesenspiel- 
zeug, tlie  durch  Chatnissus  Gedicht  allgemein  bekannt  ist,  findet  sich  in 
ähnlicher  Fai^sung  in  fast  allen  Gebirgsgegenden  (Myth.  1.  4.)6  f.  III.  157). 
Wo  machtige  Bauwerke  die  Zeiten  ütjcrlebl  haben,  da  sind  sie  Machwerke 
der  Riesen,  denn  wie  sie  Herren  der  Bergt:  sind,  so  verstehen  sie  auch 
felsenfeste  Geb;iude  zu  errichten.  Schon  e<ldtsche  Mythen  wissen  von  einem 
riesischen  Bauinrister  zu  rrzühlcn.  der  einst  mit  den  Göttern  einen  Pakt  ge- 
schlossen hatte,  in  einem  Winter  ohne  jemandes  HtUfe  eine  mflchtige  Burg 
zu  bau«i.  die  kein  Riese  einuelimen  kOnne.  Allein  wie  meist  in  den 
spateren  Volkssagen  von  solchem  Baumeister  (Mytli.  I.  443-  453.  III.  156. 
158),  so  ist  auch  hier  nur  die  Kunst  der  Riesen  zurückgeblieben  und  dich- 
Icrwih  be*irbeitct  worden,  von  dein  nutürlichcn  Ureprung  des  Riesen  ist 
nichts  xu  spüren. 

§  40-  Die  Übrigen  Riesengestalten  und  -mythen.  Wahrend  sich 
bci'deo  eben  besprochenen  Mythen  mehr  oder  weniger  das  Element  ilires 
Uispnu^  wahrscheinlich  maclien  lüsst,  hat  der  germanische  Vnlk.tglaube  n(*rh 
Gestalten  geschaffen,  die  si<  h  weder  ihrem  Namen  ntxh  ihrem  Wesen 
aus  einer  Naturerscheinung  oder  der  Macht  eines  F.lementes  erklären 
lassen.  Fs  sind  dies  Gestalten  der  subjektiven  Phantasie,  der  volkstümlichen 
Dichtung,  die  mit  der  £.xisteiiz  riesischer  Dämonen  rccluicl  und  sie  bald 
(ücsc  bald  ]^:i\c  Obennenschliche  Handlung  vollbringen  läs-tt.  Sic  sind  unseren 
Vorfahren  zugleich  ein  Geschlecht  gewesen,  das  vor  dem  meuschtichen  auf 
der  Erde  hauste,  das  die  Meiwchcn  mit  Hflifc  der  GvHter  erst  vertreiben 
mu.<sten.  das  in  stetem  Kampf  mit  <ien  G<'^'llem  lag.  S<i  haben  sie  auch 
tliatig  bei  der  \\'cltsclw'ipfung  und  beim  Ausbau  der  Welt  mit  eii»gegriffcn. 
Hierher  gehnrt  vor  allem  eine  Reihe  eiidtscher  .Mythen,  die  in  der  erhaltenen 
Form  sicher  rein  noriliM  h  und  jung  sind  uJid  tlie  reclit  wohl  von  fremden  Elementen, 
vonaussergemianiÄchen  Mythen  tM^einflu-sstsein  können.  Bjnzelne«>lcher  Gebilde 
«ind  (.ifTenbar  allegorische  Gestalten,  an  die  niemand  im  Volke  aus.ser  dem  Dichter 
geglaubt  hat.  Daneben  erscheimm  aber  auch  echt  volkstümliche  Wesen,  Wesen, 
wie  sie  namemlich  im  Märchen  bis  heute  fortleben.  Die  Mythe  vom  Urriesen 
y*nir,  aus  dem  die  Welt  gewhaffen  wurde,  gehört  in  erster  Linie  liierher.  allein 
sie  Iflsst  sich  nicht  gut  voiv  dem  Ht-richtc  über  die  Einrichtung  der  Well  trennen, 
weshalb  dort  auf  sie  eingegangen  wird.  Zu  »ilch  ailrgurisc  hen  Mythen  junger 
Dichtung  gehören  ferner  die  Jlythen  von  der  Nacht  und  ihrem  Gcschlechle,  aus 
denen  die  Knrschung  noch  nichts  VemQuftiges  hat  herausschälen  können. 
Wir  iKTsilzen  .sie  im  Zusammenhang  nur  in  der  SnR.  deren  Verfasser  sie  aus 
den  Kenningar  der  Skalden  zusammengestellt  hat  (PBB  VII.  J39).  Der  Riese 


jxo  XI.  MyTHOLOGra. 


jVj»rT  ist  der  Vater  der  Nött  (der  Nacht;  vgl.  Vafjir.  25*  AIvm.  ^p').  N6tt 
war  zuerst  verheiratet  mit  Nagifari  (vgl.  dazu  Detter,  ZfdA.  XXXI.  208), 
beider  Sohn  war  Auär.  Ihr  zweiter  Gemahl  war  Onarr,  der  mit  Nött  die 
J^rä  (die  Erde)  erzeugte.  Aus  der  dritten  Ehe  endlich  mit  D^gHng  oder 
Delling  ist  der  schöne  Dngr  (der  Tag)  lier\*orgegangeii.  Von  diesen  Ge- 
stalten wissen  die  Eddalieder  nur  von  N.'nt  und  D.^  etwas  zu  berichten: 
Nött  reitet  auf  Hnm/axi  (Reifmähne)  allnächtlich  um  die  Erde:  vnn  der 
Mahne  ihres  Riwses  trSufclt  der  Tau  auf  die  Huren.  Dagr  reitet  auf  Skw/axt 
(Lcuchtmälinc)  am  Tage  um  die  £idc  und  erleuchtet  durch  die  Alähne  seines 
Rosses  die  Welt  (Vafjtr,   12.   14). 

Zum  Riesengeschlechte  geh'jrt  ferner  Fenrir  oder  der  Fcnriitilfr.  (Vsp. 
47;  SnE.  I.  555),  ein  Ungetüm  in  Wolfsgeslalt  (SnE.  I.  59).  Sein  Name  ist 
dunkel;  in  der  Regel  bringt  man  ihn  mit  fen  —  »Rleer^  (Biigge.  Stxidien 
214)  «der  =  »Sumpf«  (Ark.  f.  nord.  fit.  VII.  24)  zusammen  und  fasst  ihn 
als  einen  dem  Meer  txler  Sumpf  entsteigenden  Nebel-  oder  Stunndamon  auf 
(\Veirihold,  Riesen  S.  249;  Laisüier,  Ncbeisagcn  S.  ,^0).  Nach  jüngerem  Mythus 
soll  er  bei  den  Äsen  gross  gezogen  worden  sein;  hier  konnte  ihn  niemand 
ausser  Tyr  speisen  (SnE.  11.  271  ff.).  Als  er  aber  immer  siarker  wurde,  da 
bcschloss  man  ihn  zu  fesseln.  Nur  durch  List  gelang  es  den  Gt'Vttem,  ihn 
mit  dem  Bande  GUipnir  zu  binden,  das  Schwarzelfen  aus  seclis  unsichtbaren 
Dini^en  gefertigt  hatten.  Bei  dieser  Fesselung  verlor  Tyr  seinen  Arm,  den 
er  dem  Ungetüm  ins  Maul  gehalten  hatte,  als  dieses  der  Sache  nicht  traute 
(Lukas,  38—0;  SnE.  II.  .^72).  Dann  wird  der  Wulf  nacli  der  unterirdischen 
Höhle  GJqU  geschafft,  wo  ihn  die  Götter  festbiaiden  und  ihm  ein  Schwert  in  den 
Rachen  klemmen.  Hier  liegt  er  bis  zum  grossen  Göttergeschick.  Aus  seinem 
Munde  aber  enlslrrimt  der  Fluss  V^n.  ~-  AU  der  Ragnarokm\thiK  ausge- 
bildet war,  spielt  er  auch  in  diesem  eine  Rolle:  er  k<mimt  mit  deii  anderen 
Dämonen  «u  dem  grossen  Kampfe,  kämpft  mit  Odin,  filllt  diesen  (Vsp. 
53—54;  Vaft>r.  23;  Lokas.  58),  wird  aber  gleich  darauf  sellwt  von  \*idar 
getötet,  indem  dieser  einen  Fuss  auf  den  Unterkiefer  setzt  und  dann 
mit  der  Hand  den  Oberkiefer  in  die  Hübe  zieht  (Vsp.  a.  a.  O..  SnE.  U. 
291).  Nach  anderem  I^Iythus  wird  nur  von  ihm  erz-'lhlt,  wie  er  einst  nach 
dem  Sitze  der  GOtter  schnappt  (Eiriksm.  6;  Häkonartn.  20)  oder  die  Sonne 
verschlingt  (Vafjir.  4O).  —  Ein  Sternbild  in  der  Milch-strasse,  das  alte 
Glossen  ul/s  ieptr  nennen  (Aldsta  Dcicn  af  cod.  1812  hrg.  von  Larsson 
S.  43]  und  das  unter  gleichem  Namen  eine  islandische  Sternkunde  aus  dem 
14.  Jahrh.  kennt  (Gislason,  Prover  S.  477  •*'i,  mag  zu  diesem  nordisch- 
mythischen Bilde  Veranlassung  gegeben  haben  (Wüken,  ZfdPhü.  XXVIII. 
i8o  ff.  297  ff.).  S|»?ltere  Dichtung  brachte  den  Fenrir  in  <lie  Sippe  LoIcls, 
üess  Loki  seinen  Vater  (l^okas.  co\l,  die  Angtboda  seine  Mutter  (Hyndlul. 
42),  den  Midgardsorm  und  die  Hei  (vgl.  Corp.  poet.  bor.  II.  7)  seine  Ge- 
schwister sein. 

Von  Fenrir  wiederum  stammen  nach  der  Vsp.  (40)  die  Ungetüme,  die 
Sonne  und  Mond  verfulgcn :  im  Eisenwalde  gebar  die  Alle  diese  Brut  de* 
Fenrir.  Auch  hier  hat  spätere  Dichtung  zwei  ganz  verschiedene  M\thcn 
miteinander  vcrknllpft.  J/rödaitnir,  den  alles  vernichtenden  Wolf,  nennw  an 
anderer  Stelle  die  Eddalieder  den  Vater  der  SonnenwöUe  (Grini,  391:  der 
Name  ist  sicher  nur  eine  poetische  Bezeichnung  des  Fenrir. 

Wie  alle  Naturvölker,  so  trennt  auch  der  Nordgennaae  Sonne  und  Tag  und 
Mond  und  Nacht  scharf  von  einander;  beide  sind  vollsUlndig  verschiedene  Be- 
griffe. Zweifellos  stammten  Söl  und  Moni  nach  dem  jungen  Mythus,  der  sie  als 
Peisrjnen  auffa.sst,  auch  aus  dem  Riesengeschlechte,  denn  die  einzige  Quelle, 


ElKZ£LNS  RiESSK  DER  NORD.  DiCHTDMG. 


3" 


in  der  sich  der  M)-thus  findet,  Vaffir..  handelt  in  dem  gnnzen  Abschnitte 
(V.  20 — ,^7)  nur  vuii  riesischen  Dämonen.  Nacli  ihr  ist  der  Vater  von  Söl 
und  M;iiii  Mundilfari  <»der  -Ja:ri  d.  h.  der  Beschützer  (Wislicenus,  S^inb. 
von  Tag  und  Nacht,  S.  70),  Ob  dem  Übemoule  seuen  die  Götter  sie  an 
den  Himmel  und  bestimmen,  dass  die  Söl  den  Sonnenn'agen,  M^ni  den 
Mnndwagen  ziehe.  Sie  müssen  ungemein  eilen,  denn  zwei  Wölfe,  i^gU 
und  Ilali,  vcrfulgcn  die  Sunnc,  einer,  der  Mänagarmr,  den  Mond  (SnE.  II. 
359).  Manches  in  diesem  Mythus  ist  jung,  die  Wolfe  dagegen  sind  sicher 
sehr  alt  Die  SunncnwOlfe  kennt  auch  die  KAtseldichtuiig  der  Hervarartaga 
(Ausg.  von  Petersen,  S.  65).  Noch  heute  sagt  der  Islilnder,  wenn  sich  auf 
beiden  Seiten  der  Sonne  Nebensonnen  zeigen,  die  Sonne  Ut  in  Wolfsn("iten 
{%  vl/altrtppu,  Ji'm  Amasf.n,  Is!.  Pji'-ds.  I.  '15IS).  In  Deutschland  war  es  nicht 
anders.  Die  Geistlichen  der  ahesten  christlichen  Zeit  eifern  unausge-setat 
gegen  den  I-^rm,  den  man  im  Vdbe  erhub,  wenn  sich  Sonne  oder  Mond 
verfinsterte,  um  die  Ungetüme  zu  vertreiben  (^-gl.  Caspari,  Homil.  de  sacril., 
S.  y>  ff.).  Noch  heute  glaubt  man  in  verschiedenen  Gegenden,  dxw  sich 
bei  der  Soimenfinsicmis  ein  Wolf  oder  Drache  mit  der  Sonne  raufe  (ZfdMvth. 
IV.  411). 

Spfitäkaldischen  Ursprungs  and  auch  der  Vater  des  Sommers,  Soästt^  (der 
Müde),  und  des  Winters,  l'int/sia/r  (WinUkalt  Vafpr.  27.  SnE.  I.  532);  auch 
sie  erscheinen  unter  den  Riesennamen  (SnE.  I.  550).  Femer  gehflren  hierher 
färtaufi  >dcr  gefahrlich  scWagl*  und  seine  Frau  AW  »Nadel  am  Nadel- 
baum« oiirr  iMu/n-  >LaubinseN  (Bugge,  Studien  I.  80),  die  Eltern  Lokis,  der 
iriederum  mit  der  Angrboäa  »der  Schaden bringerin«  vermahlt  war  und  als 
'Brüder  den  Byl<%str  (BHerplr)  und  Ihlbtindi  hatte. 

Mit  dem  Gfitler-  und  Hen>enmythus  verwachsen  sind  die  Riesensagen  \*on 
fjati,  »dem  Fresser«.  Er  ist  der  Sohn  des  Atuhaldi,  des  Rcichtumwallers, 
der  in  den  Härbardsljnd  zum  Allvaldi  gc-wcrden  ist,  der  Bruder  des  Gang  und 
JiÄ'.  Die  SnE.  (IL  21^)  weiss  von  dem  Reichtunie  des  Vaters  xu  erzählen.  Als 
der  Vater  starb,  teilten  die  Brüder  das  Erbe  in  der  Weise,  dass  jeder  der  Reihe 
nach  einen  \fund  voll  von  dem  Golde  nahm.  Pjazi  entführte  spater  mit  Lokis  Hülfe 
die  Idun,  wurde  aber  bald  darauf  von  den  Äsen  gelötet.  Seine  Tochter  Ska^ 
»in  den  Vater  rächen,  erliSlt  von  den  Äsen  Gusse  und  wird  die  Gemahlin 
des  Nji^ird.  Die  Augen  ihres  Vaters  versetzen  die  GWter  als  Sterne  an  den 
Himmel.  Der  grossere  Teil  des  Mythus  von  l*jazi  gehfirt  der  Dichtung  von 
I<Stm  an.  —  Mit  den  Odinsmvthen  verknüpft  sind  die  Mythen  von  Stiftung 
and  Von  Hniämar  und  seinen  Söhnen;  mit  de-n  Thorsmytlien  die  von  l*rym, 
Gfim^,  lirungttir  u.  a.  Xrjch  andere  Riesen  spielen  beim  Weltuntergange  eine 
RoUe.  —  Reich  wie  der  Norden  ist  auch  der  germanische  Süden  an  Riesen- 
gestalten. In  der  deutschen  Heldensage  erscheinen  sie  oft  (W.  Grimm.  DHS* 
397  f.).  Allein  in  dem  Umgang  mit  den  Menschen  haben  sie  hier  mehr 
menachliche  Natur  erhallen,  vor  allem  fehlt  ihnen  die  Verwandlungsgabe. 
Es  sind  Mensclicn  von  übernatürlicher  Grösse  und  Starke,  denen  imr  hin 
imd  wieder  mehr  Glieder  zugeschrieben  werden  als  der  Mensch  besitzt.  Und 
in  gleicher  Gestalt  zeigen  sie  sich  dann  auch  im  Märchen,  in  dem  sie  be- 
sonders oft  als  Menschenfresser  geschildert  sind. 

Nordische  Dichtung  hat  ihnen  si">gar  ein  Reich  gegeben,  Ji>iuitheimnr,  das 
sich  der  Volksglaube  hoch  bu  Nordosten  dachte.  Hier  herrsclien  Könige  über 
■ic,  hier  weiden  sie  ihre  grossen  Herden,  die  in  der  Regel  Rinderherden 
sind,  hier  stellen  sie  ihre  Wachler  aus,  die  dem  Fremden  den  Eintritt  wehren. 

Neben  den  GestHlteii  der  nordischen  MytlK)logie,  die  vom  Kopf  bis  zur 
Zdie    Rieseimatur   zeigen,   gibt  es  noch   andere,    die  bald   als  Riese,  bald 


3" 


XI.  Mythologix. 


als  Gottheit  eischcinen.  Offenbar  haben  dann  Vermischungen  und  Über- 
tragungen stattgefunden,  die  nur  eine  genaue  Vcrfolgunjj:  der  Geschit^htc  der 
mythischen  GestJitt  Mufgeklflren  kann.  Hierher  gehören  Wesen  vrie  Ijtkt, 
G</}on  u.  a.  Da  sie  die  nordische  Dichtung,  aus  der  wir  sie  ausschliesslich 
kennen,  unter  die  Götter  reclmet,  sollen  sie  unter  diesen  bdiandelt  werden. 

KAPITEL  vni. 
DTE  AI-TGERMAN ISCHEN"  GÖTTER. 

%  50.  Ob  die  Riesen,  wie  wir  sie  namentlich  aus  der  nnrdiMrheTi  Diclilung 
kennen,  in  ihrer  Wurael  die  Vertreter  einer  früheren  Religion  unserer  Vor- 
fahren ;jeweseQ  siud,  Ulsst  sich  nicht  beweisen.  Jedenfalls  sind  sie  in  der 
erhaltenen  Gestalt  rein  nordische  Erzeugnisse  der  scliaffcnden  Phantasie,  die 
an  die  heimatliche  .Schfitle  anknüpft.  So  allgemein  der  Typus  des  Riesea 
aucli  bei  allen  germanischen  Viilkem  ist,  so  versdiieden  .sind  sie  doch  in 
den  einzelnej:  Gebenden  ausgebildet.  Sicher  ist,  dass  schon  in  den  alteätea 
Quellen,  aus  denen  wir  gennanischen  Glauben  kennen  lernen,  Wesen  nef>cu  ihnen 
b^^tehen,  vor  denen  der  Mensch  mit  Elirfurcht  aiiflslickt,  in  deren  Gewalt  er 
sich  begibt,  die  er  sich  besonders  durch  Gebet  und  0])fer  geneigt  zu  inachea 
bemüht.  Die  MajesUlt  des  gewaltigen.  Himraeäs  mit  seinem  lenchtemlen  Tage^ 
gesiim  mag  in  grauester  Vorzeit  den  ersten  iVnstoss  zur  Bildung  eines  solchen 
göttlichen  Wesens  gegeben  haben.  Aus  ihrer  Urheimat  nahmen  es  die  indo- 
gemianisciicn  Stämme  mit  in  die  neue  Heimat;  hier  finden  wir  es  bei  fast 
allen  Stammen  wieder,  bei  den  Indem  als  Dyfuis,  bei  <lcn  Griechen  als  JZeÜc, 
bei  den  Römern  als  Jupiter,  bei  den  Germanen  als  Ziu-Tyr.  Mit  dem  Vor- 
rilcken  der  Stämme  hat  sich  der  alte  Gehalt  seines  Wesens  zuweilen  geAndert. 
Thatigkeiten,  aus  denen  besonders  .seine  Machtfülle  sprach,  haben  Veran- 
lassung zur  Bildung  neuer  Gottheiten  gegeben.  Von  Haus  aus  waren  alle  Gott- 
heiten Naturgottheiteu,  nahmen  aber  mit  wacliscnder  Bildung  und  Gesitlui^ 
einen  ethischen  Gehalt  an  und  ■wurden  die  Bringer  und  Triiger  der  Kultur. 
In  ihrer  .Vnwcsenhcit  wurde  das  Recht  gesprochen,  mit  ilu'er  Hülfe  wurden 
aJIc  Untemi'hmungi-n  begonnen,  ihnen  zu  Ehren  vereinte  sich  der  Gauverband 
zu  geraeinsamem  Opfer  unter  Führung  eines  Priesters  i:»der  einer  Priesterin. 

Als  einzigen  gemeinsamen  Namen  für  die  so  entstandenen  höheren  Wesen 
haben  alle  gennanischen  Sprachen  dis  Wort  -Gott«  (got.  gup-,  ahd.  fp>t,  alls. 
^d,  alto.  ji^Wf/,  guith  Über  die  Bedeutung  lies  Wortes  ist  viel  gestritten  wor- 
den (\^I.  Schade  .Mtd.  Wtli.  I.  342);  sie  i.st  noch  nicht  gfiiügend  aufgeklart. 
Kluge  (Wlb.'  143)  bringt  es  zusammen  mit  der  sk.  Wuricl  hü  •=  »Götter 
:uinifen<  und  deutet  es,  .«das  anzurufende  Wesens.  Brugmann  dag^en  er- 
klart es  als  »das  gefürchtete,  gescheute  Wesen',  und  bringt  es  mit  altind. 
gbaräs  zusammen,  zu  dem  sich  auch  griech.  ^föc,  lat.  dem  geselle  l'Ber.  der 
Kgl-  sflch.  Gesellsch.  der  W'issensch.  XLl.  S.  41  ff.|.  —  Unter  den  giittUchen 
Wesen,  die  bei  allen  gcrmani.schcn  Stammen  erscheinen,  lassen  sich  drei  mann- 
iiche  und  ein  weibliches  mit  Be.stLmmtheit  nachweisen.  Neben  dem  leuchtenden 
Himmcisgütte  *  T^waz  findet  sicii  eine  Wind-  und  Totengottheit  *  Wodauaz  und  ein 
Gott  des  Gewitters  ''Hiouaraz.  Von  diesen  i.st  bei  allen  germanischen  Völkern 
*Tiwaz  zum  Kriegsgotlc  geworden  und  nur  hier  und  da  erinnern  Mythen 
an  seine  alte  Maihlfülle.  Als  er  diese  einbüsste,  scheinen  sich  Gestalten 
wir  Freyr  und  Jialär  von  ihm  abgezweigt  zu  haben,  wahrend  anderen  Orts 
KW<iff  an  seine  Stelle  getreten  und  zum  Himmet:^otte  geworden  ist.  — 
Aus.ser  diesen  m.lnnüchcn  G<»tiheiten  kennen  alle  germanischen  Stamme  eine 
weibliche:   die  Frija   >die   Geliebte,   das  Weib  schlechthin«.     Sie  mag   von 


Die  altgekm.  Gottheitek  im  Alluemeimex. 


313 


Anfang  an  die  Gemahlin  des  Himmcl^tittcs  und  ein  Sinnbild  der  mütterlichen 
Erde  gewesen  sein:  in  hisiDriwInrr  Xeit  ist  sie  die  Gemahlin  Wodans,  mit  dem 
sie  dann  in  Verbindung  gebracht  sein  müsiitc,  ab  dieser  Go(l  zum  Himmets- 
goti  geu'onlcn  war.  Nad»  ihren  vcrsehiedenei»  ThStigkeiten  und  Kigcnschaften 
nimmt  sie  wie  Tlwas  versdiiedenc  Namen  an. 

Zu  {liefen  alten  Gotüieilen  sind  im  I^ufe  der  Zeit  in  einzelnen  Gauen  neue 
hinzugetreten,  die  bald  Abzweigungen  vnn  den  alten.  I>nld  aber  auch  durch 
Süssere  Verhältnisse  im  Kultvcrband  bedingte  XeuschöpfunKcn  sind.  Besonders 
zahlreich  wurden  die  G«itter,  als  sich  im  Norden  im  Anfang*?  der  Wikingerzeit  eine 
reUgiOse  Dichtung  entwickelte.  Ganz  neue  Gültlieltcn  sind  damals  hcrvor)^- 
«pioasen.  NaMUlich  kt'innen  diese  nie  einen  Kult  gehabt  haben.  Zuweilen  haben 
sich  fremde,  namentlich  chrislüdie  Elemente  mit  den  heimischen  vermischt. 
Und  als  sich  dann  Snurri  daran  machte,  die  Mvthen  von  den  Gnttheiten  der 
Dichlun<^  in  ein  System  zu  biingcn,  da  sprach  er,  beeinflussl  von  der  klassischen 
Mylhulogie,  von  einer  Zwölfzalil  der  Götter  (Sn£.  I.  8j),  die  aber  weder  er 
noch  ein  anderer  Zeitgcnasse  herauszubringen  vermcjchte.  Auch  neue  ge- 
meinsame Xaiiieii  für  die  G<jltheiten  traten  in  jener  Zeit  religit'iser  Dichtung 
her\'or.  Ausser  der  alten  neutralen  Bezeichnunjj;  f^ä,  neben  der  die  weib- 
lichen fft-ifjur  erscheinen,  finden  wir  sie  besonders  aU  asii.  Äsen.  Das  Wort 
ist  walir^chriiilidi  mit  skr.  äiu  >I^bcn,  Lebensgeist«,  zend.  anhu  ■Herr« 
verwandt  iFick,  Etym.  Wtb.s  III.  iH;  Buggc  Studien  i  f.)'.  Es  Iflsst  sich 
etienfalls  bei  den  Golen  nachweisen,  deren  Könige  ihr  Gcschleclit  auf  simidfos 
vi  ni  tsHiis  zurückführten  i'ji-rri.  70 '*).  Im  Ags.  werden  die  rse  nelnrn  die 
yi/t  gesiellt;  hier  ist  von  einem  e'iij  ^escot  ^Asengeschnss'i  die  Rede,  wie  s«>nst 
von  dem  Elfenschuss  (M)tlL  I.  2\).  Die  \ielen  hd.  Namen  auf  .-l'u-,  die 
add.  auf  Os-,  ilcncn  sich  die  nordischen  auf  Ai-  zur  Seite  stdlcn,  sprechen 
<lafOr,  dass  diese  Bezeichnung  für  hühere  göttliche  Wesen  gemeingermanisch 
ist  Dem  mannlichen  trstr  gesellen  sich  im  Norden  die  weiblichen  iLtvttjnr 
zu.  Als  ein  zweites  Götter;;esc*hlcdit  bfzdi.hnen  islriiidisch- norwegische  Quellen 
<Jic  rauir.  Das  Wort  ist  aller  Wahn4i;heinUi'hkeit  nach  verwandt  mit  altt. 
mrdnam,  einem  Wirrte,  diis  die  Tugeshelle,  den  Sonnenglanz  bezeidmet  (Vil- 
mar»  Altert  im  Hei.  S.  17  f.).  Daneben  kennt  die  Diditung  die  Jiar,  Ovar 
<dic  glanzenden),  ngia,  r^gn  (die  Berater),  A(»««/,  hapt  [A\c  Fesseln). 

KAprrEL  IX. 
DER  ALTGERMANISCHE  HIMMEI-SGOTT. 


K.  Matlcnhofr,  Chi'r  Tuiseo  unJ  seitif  XafhkitmBnm  in  Sditniili^  Allgffin.  Ztcb. 
für  Gwchidile  VUL  zog— 6q;   DeR^  frim'n  und  ffitu  Hriiätr  ZfdA.  XXin.  aj  ft 
—  J.  Hoffory,  EJdasluMrn  141  — 173.  —  K.  WciDhold,    Cfn-r  äfH  Mythus  vom 
H'antnkrtfg.     Sitzungsbcrkhlc  der  kgl,  preitM.  .\kademic  der  WiMCiuclLaftcn    1890. 
611—35. 
I  51.     Die   sicherste  Parallde,   die  wir   der   vergleichenden   Sprachwissen- 
schaft und  Mvtholiigit-  verdanken,    erMfnei    uns    zugleit  h    dnen    weiten  Blick 
Qbcr  die  mythischen  Vorstellungen  der  alten  Germanen;  skr.  fhiius,  gr.  ZeiJc. 
laL  Ju'piltr,  hSngt  sprachlich  zusammen  imt  ahd.  7Ju,  an.  TJV.    Wir  finden 
hier  bei  den  verschietJenen  indogermanischen  Stammen  ein  g.rttllich  verehrtes 
Wesen,  dessen  Name   auf  eine  Wurzel    Jiv    »strahlen  <    zurückgeht    und    das 
«ch  durch  einen  Vergleich  mit  stammverwandten  Wörtern  als  eine  glanzende 


1  V,  ftricnlwvgpr  sirllt  trä  411  tikr.  ana\  •Hniuht,  griecli,  arifio^  •Wlndi,  fthd,  uast 
«ppicdla,  («fnp«lju.i  uoü  tieutt^  M  itU  den  'grusseo  G«i4l«  (ZfdA.  XXXVI.  313).  Die 
■ItoT  Deutui^  ist  «ospracheoder. 


3J4 


XI.  Mythologie. 


HimmeJs-  und  Tagcsgotthcit  zu  citcnncn  gibt.  Diese  Parallele  ist  jüngst  von 
Bremer  wieder  angegriffen  wnnien  (Idg.  l'"orsrh.  III.  301  f.),  aHein  Bremer 
hält  nur  gezeigt,  was  scli^n  vor  ihm  feststand,  tlass  wir  ein  germ.  'llw^:  aa- 
jEiLsetzi^n  haben,  ein  Wort,  dessen  Süimm,  wii^  Bremer  seihst  einrflumt,  zur  Wurzel 
ift'v  gehurt  (vgl.  aucl»  Kf'igel,  Gesch.  der  deutschen  Lit.  S.  14).  Der  helle  Tj^es- 
himmcl  hat  zu  diesen  Mytheiigcbilden  Veranlassung  gegeben,  und  da  wir  das 
Wort  von  gleidicr  Wurxel  bei  cien  verschiedenen  indogermanischen  Stammen  als 
eine  peniönlicli  aufgefasste  bühere  G<:itllicit  finden,  si.»  ist  der  Schluas  berechtigt, 
(Inss  es  eine  s^Idie  bereits  vor  der  V<itkcrtre-nnuiig  war.  Wenn  sich  diese 
aber  in  den  ältesten  Veden  und  vor  allem  bei  den  Griechen  als  oberste 
Gottheit  crhalttn  hatte,  und  wenn  sie  sich  als  solche  auch  bei  den  Germanen 
noch  in  historischer  Zeit  zeigt,  so  folgt  daraus,  dass  sie  diese  Stelle  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  in  der  indugermani-scheii  Perif>de  einnahm.  Zu  Ähn- 
lichen festen  Schlüssen  sind  wir  bei  keiner  anderen  Gottheit  berechtigt,  imd 
deshalb  hat  eine  GlauVicnsgeschichte  germanischer  Völker  vi>\\  dieser  Gottheit 
auszugehen;  jene  Parallele  ist  in  dieser  <ler  erste  historische  Anhaltspunkt.  Diese 
Gottheit  finden  wir  bei  fast  allen  germanischen  Stammen,  bei  dem  einen  unter 
dem  alten  Namen,  bei  anderen  unter  einem  aus  einem  Epiüielcm  enKandenen. 
Wohl  war  bei  den  meisten  Stämmen  die  alte  Herrscliaft  des  Gottes  über  den 
Himmel  in  den  I  lintergmnd  gedrangt;  infolge  der  Beschäftigung  mit  dem  Krieg  war 
erzürn  Kriegsgoitc  geworden,  die  anderen  Beziehungen  treten  im  Hinblick  auf 
4Jie3e  mehr  zurück.  Sn  erklärt  es  sich,  da.ss  ihn  die  lateinisch  schreibenden 
Scliriflsteiler  mit  Man.  griechisch  schreibe-ndc  mit  14o»;c,  wiedergeben.  Dass 
dies  in  Wirklichkeit  der  alte  'Tiwaz  ist,  lehrt  vor  allem  der  Xame  des  dritten 
Wochentages:  alJe  Volker  am  Rheine,  in  tJbeideutscblaud.  in  Norddeutsch- 
land, Sachsen,  dem  skanilinavi.sclien  Norden  geben  nach  ihm  den  römi- 
schen (/i'cj  Mnriis  wieder  (Alyth.  I.  102  f.,  111.  45  ff.).  Noch  im  späten 
Mittelaller  übersetzt  ein  Islander  »in  temph  Martis*.  mit  »/  T\s  hofi-  (Ann. 
f.  nord.  Oldk.  1848.  Z2\.  Aber  auch  als  Kriegsgotl  behalt  er  noch  lange  die 
oberste  Rolle.  Im  batavisi^hen  Aufstande  nennt  der  Abgesandte  der  Tencterer 
den  obersten  Ciott  der  (Jermanen  (irafäputis  deorum  Man  (Tac.  bist.  IV.  64,1,  tn 
der  germanischen  Trias  auf  römischen  Voti\'steinen  steht  er  fast  stets  an  der 
Spitze  (Zangemeister,  Heidelberger  Jahrb.  V.  51).  Die  Goten  bringen  ihm, 
als  dem  höchsten  Gotte,  de-in  praesn/i  Mlorton,  Menschenopfer  (Jord.  Get. 
c.  5).  Dasselbe  thnn  die  Ht-rmunduren  im  Kriege  mit  den  Chatten  (Ann. 
Xin.  57).  Friesen  in  den  britiscben  Legionen  errichten  ihm  als  dem  Man 
77iifif,'3us  Altäre  (Hübner,  Westd.  Z.  l  Gesch.  lU.  t20  ff.).  Die  Schwaben 
heissen  nach  ihm  Cvtuujri,  Ziuverchrcr  (nach  einer  Wcssobmnncr  Glosse  vgl. 
Auz.  f.  d.  A.  XIX.  3  gegen  Laistner,  Germ.  Völkernamen  S.  2  ff.,  wo  Cyuuari 
als  Schreibfehler  für  Reciuvari  =  j»  Bewohner  der  Riess«  aufgefasst  ist).  Von 
den  Skandinaviern  weiss  Procopius,  der  im  allgemeinen  gut  unterrichtet  war. 
zu  erzählen,  dass  sie  dem  'A^r^z,  der  ihr  i^ft)?  fiiyioxoz  gewesen  sei,  Men- 
schenopfer gebracht  hatten  (bell.  Gol.  11.    15). 

Diese  Gottheit  stand  in  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung 
noch  bei  fast  allen  germanischen  Slömmen  im  Mittelpunkte  des  Kultes.  Sie 
wurde  axis  diesem  erst  verdrängt,  als  W"Ml;ui-Mcrcurius  im  unteren  Rlieingebiete 
durch  die  Berührung  der  Germanen  mit  Galliern  imrt  Ri-tmem  der  Trager  einer 
hij'hercn  Kultur  ^^'urde,  mit  der  er  rheinaufwUrts  und  das  Seegestade  entlang 
seinen  Siegeslauf  über  viele  germanische  Stämme  nahm. 

Im  2.  Kapitel  der  Germania  berichtet  Tacitus,  wohl  in  .Anlehnung  an 
Plinius  (HisL  nat.  IV.  S  tjg  f.),  dass  die  Germanen  nach  den  Söhnen  des 
Mannus  sich  in  drei  grosse  StammverbUnde  geteilt  hätTen:  in  die  IngvaKmea 


i 


I 
I 


Der  altgeru  an  ISCHE  Himmei.sgott. 


3'5 


am  Meere,  die  Hemiinones  im  mittleren  Deutschland,  die  Istvaeones  in  dem 
Qbrigen  Teile  Germaniens.  Nadi  Müllciihoffs  Vorgange  (Schmidts  Zsch.  VIII) 
igt  man  gewohnt,  in  diesen  VrilkcrhOndnissen  alte  Kultverbande,  Amphi- 
ktyomen,  zu  finden.  Aus  dem  ganzen  Zusammentiangc,  in  dem  sich  die 
Stelle  bei  Tudtu.s  findet,  scheint  dies  unstreitig  hervorzugehen,  denn  wenn 
sich  mulircre  St-lmmo  als  Nachtommen  ein  und  desselben  Gottes  bezeich- 
neten, s«j  müssen  sie  diesen  gemeinsam  verchrl  haben.  [Vgl.  jetzt  dagegen 
Kossinna.  Idg.  Forsch.  VII,  276  ff.,  der  in  jenen  drei  Bezeichnungen  Namen 
henorragender  germanischer  Vülkerschaften  findet.]  Allein  die  bei  Ta- 
utus  f()lgenden  Worte  (quiäam,  tti  in  liceniia  vctustatis,  pUtris  deo  ortox  plurü' 
tjM  ^enfr'i  appcllationts.  Mafios,  Gapibm'os,  Su(f>of.  VandiUos  affirmnntj  scheinen 
zugleich  zu  zeigen,  dass  die  alten  Kultverbande  damals  bereits  gelöst  und 
neue  an  ihre  Stelle  getreten  waren.  Welche  Ausdehnung  die  cirxzelnen  Ver- 
bände gehabt  und  welche  Stimme  ihnen  angeliOrt  haben,  wird  sich  ebenso 
schwer  feststellen  lassen,  wie  der  Name  oder  Beiname  des  Gottes,  der  im 
Mittelpunkt  ihres  Kultes  stand.  Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  nennt  Mflllen- 
ho/f  (ZfdA.  XXIII.  12  ff.)  die  .\hnherm  der  drei  Stilmmc  "In^^z,  * Erm(r)nas, 
*Iifvaz,  und  deutet  Ingvaz  als  den  »Gekommenen',  Ermenaz  als  den  »Er- 
habenen«, Istvaz  als  den  »VcrchrungSÄÜrdigen*.  Nun  wissen  wir,  dass  die 
Enninones  Ziuverchrer  waren,  wir  wissen,  dass  *Ifi^'az  sich  mit  dem  nor- 
dischen Frey  deckt,  dieser  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  weiter  nichts 
als  eine  Bezeichnung  des  alten  *77iv<is  ist,  wir  können  endlich  durch  nichts 
beweben,  dass  die  Istvaeones  besonders  den  Wödan  vereJirt  hatten;  auch 
weiss  man  seinen  Namen  /rftwj  nicht  mit  seinem  Wesen  zu  vereinen.  \'iel- 
mehr  scheinen  alle  Namen  Epitheta  des  alten  Himmels-  und  Sonnengottes 
gewesen  zu  sein,  so  schwer  cj*  auch  hjllt,  diese  selbst  allsciüg  befriedigend 
zu  deuten.  Man  liat  bei  Ingifas  an  die  Wurzel  igh  .begehen,  erflehen« 
(ZfdA.  XXXIII.  10),  bei  Istinz  an  etih  »brennen,  leuchten«  (Scherer,  Sybels 
HisL  Zsch.  N.  V.  I.  lüo)  oder  an  den  Stamm  ist  »glänzen,  leuchten«  (KOgel, 
Ans.  f.  d.  A.  XIX.  9)  gedacht,  wahrend  andererseiLs  I..ai$tner  in  den  Ist- 
ttaeonet  »die  Echten,  die  Vollblütigen«,  in  den  In^-aeonfs  »die  Einheimi<ichen« 
findet  und  in  dem  Schutzverbandc  auf  dem  Buden  der  Sippe,  nicht  aber  Im 
Kullverbande  die  Quelle  der  Namen  sucht  (Genn.  Vnlkcmamen  S.  ^i  ff.). 
Ein  anschauliches  Bild  von  der  Verehrung  dieses  allen  Himmels-  und 
SonncngoUes  gibt  uns  Tacitus  (Germ.  39),  wo  er  von  den  Scmnonen,  dem 
vornehmsten  Stamme  der  Sueben  berichtet,  der  vor  den  germanischen 
Stammen  durch  da.H  Alter  seiner  Religion  geadelt  war.  In  heiligem  Walde, 
dessen  Hfltcr  die  Semnoncn  sind,  vereinen  sich  zu  festgesetzter  Zeit  die 
Amphiktyonen  und  beginnen  die  hohe  Festlirlikeii  mit  Mensthenopfcr.  Ge- 
fesselt nur  betreten  sie  den  Hain,  und  wer  in  ihm  strauclielt,  muss  sich  hin- 
auswalzen tind  darf  nicht  in  ihm  aufstehen.  Noch  in  christlicher  Zeit  wer- 
den die  Schwaben  Cyuudri  genannt,  und  die  Civitas  AugustensLs  erhielt 
nach  diesem  Gotte  den  Xanien  (!'iesburc  (Zfd.^.  VIII.  5^7),  Nordwestlich 
von  den  Scnniunen  sa.ssen  die  Sachsen  als  Ziuverehrer.  Die  IrminsÄulen 
mAgen  ihm  geweiht  gewesen  sein  (Vilmar,  Alten,  im  Hel.  62  ff.).  Eine  solche 
errichlelen  die  Saclisen  bei  Scheidungen  nach  ihrem  Siege  über  die  Thüringer 
(550):  nach  Osten  gerichtet,  dem  Mars  geweiht,  uie  Widukind  (I.  iz)  berichtet; 
in  jenem  zeigt  sich  ein  Nachklang  an  den  alten  Himmelsgoit,  in  diesem  seine 
Verehrung  als  KriegsgotU  Im  Gebiete  der  Sadisen  zerstörte  Karl  der  Grosse 
unweit  der  Eresburg  eine  Irminsilule,  ein  altes  Heiligmm  an  geweihter  Statte. 
Auf  ein  Gemisch  heidnischer  und  christlicher  Anschauung  mag  zurückgehen, 
venn  im  Hildebrandsliede  der  Vater  beim  Irmitigoi  versichert,  daaa  er  gegen 


3i6 


XI.    M^■THOI^GIE. 


scitien  Willen  in  den  Kampf  iieli*.*  (V.  ,^i  vj^l.  Cosijn,  Tijd-irhr.  v.  ml!.  Taal-  en 
Letterk.  XI.  2iX)  f.).  Er,  Ear  nannten  ihn  die  sächsischen  Siamroc,  eui  Bei- 
wort, das  wir  auch  bei  den  Bayern  finden.  Es  ist  wahrsrheinlich  ven*-andt 
mil  ved.  aryä  ■=  ztigcthan,  freundlich,  einem  beliebten  Beiworte  der  GOtler. 
Dass  in  diesem  Er  der  alte  Tiw.iz  steckt,  lehrt  die  baicrisrhc  Itezcichniing  des 
Dienstai?  als  Ereslaj;.  Die  an^elsüdis Esche  Rune  Y  ^''rd  ferner  siiwnh!  mit 
«r  als  auch  mit //>  glossiert  (W.  Grjnim,  Ober  deutsche  Kiuien,  Taf.  III.  L). 
Vielleicht  noch  alte  Volkserinnerung  hat  den  Cberarbeiter  der  Coiveier  An- 
naiea  veranlasst,  in  der  Ereshurg  in  erster  Linie  ein  dem  Ares  d.  i.  dem 
»dominator  dominantium«  geweihtes  Ileiligtuui  zu  erblicken,  wie  solche  noch 
zu  r^ibnitz'  Zeiten  unbcwusst  in  der  Bezeichnung  Ityntitesntif^n  für  den  grossen 
Bären  fortgelebt  liiil'xjn  iri;ig  (Mvth.  I,  2fj5).  Später  wurde  der  (.lott  hei  den 
Sachsen  durch  Wödati  verdrängt:  in  dem  sachsLichen  Taufgelöbnis  nimmt  er 
ala  Saxnöt  erst  die  dritte  Stelle  ein  (MSD  y). 

Wir  finden  aber  auch  weiter  ourd-  und  westwärts  Cberresle  vun  der  ein- 
stif!;en  Bedeutung  des  T^jcaz.  In  den  Niederlantlen  z.  B.  widmete  ein  ger- 
manischer Onturio  tier  20.  I-egicm  unter  Claudius  dem  .\furs  Ilalnmnrdm, 
in  dt^seii  Beiwort  von  Grienbergei  den  manru-rfällendea  "Dicaz  findet  (/IfdA. 
XXXVIl.  389),  einen  Stein,  der  noch  heute  erhalten  ist  (Brambach,  Corp. 
Insrr.  Rhen.  No.  2028).  Auf  den  römischen  Vutivsteinen,  die  die  nieder- 
rljL'inischcn  Reiter  und  besondci^  die  Bataver  ihren  heinu'sehei»  Göltem 
setzten,  nimmt  er  f;i.st  durchweg  die  erste  Stelle  ein  (Zany:emeister,  Neue 
Heidc-Ibeiger  Jahrb.  V.  46  ff.).  Von  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Ver- 
ehrung des  altgennanischcti  Jhvaz  ist  jener  Altar,  der  ajn  Hadrian-swall  ge- 
funden worden  ist  Ihn  setzten  freie  Germanen  aus  Twenthe,  die  im  cuneus 
Frisiorum  standen,  ihrem  heimischen  Gotle  Marti  TTiinf^o  und  den  beiden 
AlaisiaK%']i  Be^ic  und  Fimtnilcne.  Viel  ist  über  das  Beiwort  dieses  Gottes  und 
seine  liegli'ilcrinnrn  ccschricbeii  wonlen,  i'tiiie  dass  man  jedoch  zu  einem  all- 
seitig befriedigenden  Resultate  gelangt  ist.  Man  lial  ihn  baUI  als  Gott  der  Volks- 
versammlung (Scherer,  Hoffon"),  bald  als  GerichLsgott  iWeinlufld),  bald  ab 
einfachen  Schutzgott  der  Reiterabteilung  (Hiischfeld,  Kauffmann),  bald  als 
Himmels-  und  Weltergoll  (Siebs)  aufgefasst.  Schwerlich  werden  jene  Reiter 
am  Hadrianswaile  dem  Gotte  erst  in  der  Fremde  den  Beinamen  gegeben 
haben,  vielmehr  kannten  sie  diesen  wohl  aus  ihrer  Heimat.  Und  da  wir 
wissen,  ilass  sich  die  Friesen  jederzeit  durch  ausgcpriigtcM  Rechtsinn  hervor- 
gethan  haben,  .so  mag  er  in  der  Heimat  die  hcK-hste  Gottheit  gewesen  sein, 
die  in  der  Thingversamnilang  das  Recht  schirmte  und  unter  deren  Schutze 
man  zu  gemeinsamer  Beratung  zusammentrat.  ( Über  den  Mars  Thingsus 
vgl.  Hühner,  Westd.  Zsih.  HT.  120 ff.  2^7  ff.:  Schcrvr,  SB.  der  Beri.  Akad.  1884 
S.  571  ff.:  W.  rieyle,  Mcde<lee!.  d.  kon.  Akad.  vuii  Wettcnsch.  III.  2,  iio  ff.: 
Möller,  Wcstct.  Zsrb.  \.  ^21  ff..  Hoffor\-,  Eddastudien  145  ff.;  Weinhold, 
ZfdPhil.  XXI.  I  ff.;  Hirschfeld,  Wesid.  Zsch.  i8Bq,  S.  iq;  Jäkel.  ZfdPhil.  XXII. 
257  ff.;  Kauffmami.  BBB.  XVI.  iooff.;  Siebs,  Zf<äPhil.  XXIV.  4jji  ff.).  —  Mehr 
als  in  Deutschland  wissen  nordische  Quellen  von  der  urspriinglicben  Bedeu- 
tung dieses  Gulteji  zu  erzählen.  Nur  vollständige  Verkemnuig  de-s  T>  nnylhi-s 
kann  den  treuen  (Jenossen  Thors  bei  der  Kes.sclho!ung  vom  sj>ateren  Kriegs- 
gotte  iK-nnen  und  in  ihm  einen  Riesen  erblicken  wollen.  Hier  erscheint  er,  ein 
Sohn  des  Meerriesen  Hymir,  der  im  fernen  Osten  wohnt,  jenseits  der  Eli\'ägar: 
ein  mytliisches  Bild  der  ain  dem  Meere  em|^irsteiqenden  Tageshelle  (Hym.). 
Femer  schildern  die  nordischen  Quellen  den  Tyi  cinhSncUe;,  wie  CidinUf  sein 
Nachfolger  als  Himnielsgott,  einüugig  ist.  Den  andern  Arm  verlor  er  bei  der 
F««elung  des  Fenriswolfes,  dem  er  allein  seine  Rechte  in  den  Rachen  zu  legen 


Der   ALTGER UAKISCRB   HlU&IEI-SGOTT.      HeiMDALLR. 


317 


wagte,  ab  Um  die  G^xtcr  biinden.  ÜtKrrhuupt  /ci^  c-r  sk-h  im  Mytltus  vi>n 
der  Fesselung  des  Femiswulfes  imch  ihinhttfj;  ;ils  lichter  Himmels-  oder 
TagcspJtl  (Wilkciis,  ZfdHiil.  -KXVril.  iq;  it.,  313  ff.).  Mit  sviner  Frau  gcbuhll 
zu  liab»i  rtiliint  Mch  I^>ki,  \vi\s  er  auch  mit  i)<titi.>i  Gattin  ßtMtiati  )ia}>rn  «nll. 
Danel>en  aber  erechemt  aucli  im  Norden  '/'i-r  als  Kriep^utt.  Der  dritte  Tax 
der  Woche  ist  Dbcra.ll  hier  na*:h  ihm  bctjannt,  auf  das  •/  Tvs  Ao/i*  wies  ich 
schon  hin.  lir  hcjsst  weiter  der  vigogoit  'der  Gott  der  Kampfe«,  herrscht 
Ober  den  Sieg,  und  Skalden  schoD  der  ältesten  Zeil  nennen  angesehene 
FOntlcn  seine  Sprö-ssün^e.  Er  Lst  es  ja  aller  Wahmcheintichkeit  nach  auch 
gewesen,  den  I'rnnipiuÄ  als  den  i^föi"  fitytorov  bezeichnete  (bell.  GoL  IT.  15). 
Als  si>aier  Oilinn  zur  Herrschaft  gelangt  ist  und  die  Götter  mehr  rxler  weniger 
mit  ilun  in  Zusamnu-nhang  gebracht  werden,  erscheint  Tir  als  sein  Sohn; 
sein  alter  Glanz  ixt  verges.scn  und  auiti  ab»  Kriegügutt  spielt  TVr  jetzt  nur 
eine  ganz  unierge^irdnete  Rf»lle.  \ur  als  Freyr  lebt  er  nnrh  im  alten  Glänze 
besonders  im  U]>salaer  und  Thnjndheiiner  Kultverbande  fort. 

Der  Übergang  de*  alten  Himmelsgfittes  zum  Kriegsgntte  mu&s  erfolgt  sein, 
als  der  Krieg  für  unsere  Vorfahren  da»  eigenUichc  Lebenselemcnt  geworden 
war.  Damals  wurde  auch  das  Schwert  des  Gutie;*  Waffe,  mit  der  er  seinen 
steten  Gegner,  die  Finsternis,  besiegte.  Finden  wir  dorh  bei  fast  allen  ger- 
maitischen  Völkern  dieses  in  engster  Verbindung  mit  dem  ''Tiwaz-^^ari.  Die 
Sage  von  dem  Hirten,  <ler  das  Schwert  des  Man  fand  und  dem  Attila  über- 
brachte I  J'trd.  Ausg.  Muinmstn  S.  lo.i  f.).  wuniit  dieser  dann  die  Welt  eroberte, 
kann  nur  eine  gotische  sein;  die  Quaden  brachten  dem  Schwerte  göttliche 
Verchmng  (Amm.  Marc.  XVH.  121;  mit  dem  Schwerte  bahnte  sich  der 
Thüringer  Himmelsheme  Iring  den  Weg  durch  die  Feinde  und  scliuf  da- 
durdi  die  Milclistrasäc  (Widuk.  L  1.5);  nach  dem  sahs  ihres  Saiisnwi  (d.  i. 
Tiu-Mars  MSD  51 1  nannte  sich  das  Vnlk  der  Sachsen ;  das  Si'hwert,  da.*i  von 
selbst  kümpft  luid  ihm  einst  den  Untergang  bringt,  besitzt  Freyr  iSkini.  8); 
dasselbe  muss  Hutlierus  gcnimicn,  um  den  lichten  Baldenis  xu  t>eknmpren 
(Sax.  Gr.  I.  S.  114  f.).  Und  wenn  Heimdalls  Schwert  sein  Haupt  heisst, 
das  iluD  den  T<xl  bringt  (SnE.  I.  2O4),  s<j  liegt  derselbe  alte  ^f^'thus  zu- 
gnmde:  das  S<hwrrt  kann  iiirhLs  anderes  als  die  k-uchtendf  S^nne  sein;  mit 
ihm  besiegt  der  Hinunci»g>itt  die  Mächte  der  Fiiisteniis  aber  es  bringt  üuu 
auch  selbst  den  Tod,  Hobald  es  in  die  Gewall  jener  Machte  gelangt  isL  Wir 
hal>cn  also  in  all  diesen  Mythen  Übeireste  eines  alten  Tagesmythus,  zu  dem 
wir  bei  Odin  weitere  Parallelen  finden  werden. 

g  52.  Der  nordische  Heimdallr.  Schon  durch  seinen  Namen  gibt 
sich  dci  nordische  Heimdallr  als  ein  lichter  Himmelsgutt  zu  erkennen, 
mag  man  diesen  mit  Bugge  als  >den  über  die  Welt  Glänzentlen«  erklären 
(Eddal.  S.68)  oder  mit  Kögel  als  den  .Hellleuchlenden<  {Idg.  Forsch.  V.  313). 
Liegt  doch  auch  in  dem  femininen  Mard^;»!!,  einer  dichterisdicn  Bczcicbntmg 
der  himmlischen  Freyja  (/..  B.  SnR.  I.  114  u.  oft),  derselbe  Sinn.  Wir  kennen 
den  Nimicn  Heimdali  nur  aus  isUindisch-rw  iri*egi»Jien  Berichten ;  niigends 
findet  sich  sonst  eine  Spur  dei«ell>en.  Kr  ist  ein  Gebilde  der  norwegisch- 
isländischen  Skalden,  eine  dichterische  H^-postasc  des  alten  Himmelsgottes. 
Er  Bteilt  diesen  nur  von  einer  Seite  dar.  Er  ist  das  am  Horizonte  sielt  zei- 
geiwle  Tageslicht,  ider  Gott,  dem  Oberall  die  Frühe,  der  Anfang  angehört«, 
«ie  ihn  schon  Ublaiid  (Sehr.  VI.  14I  trefflich  gedeutet  hat.  Am  Horizonte 
steigt  er  aus  dem  Meere  imd  Ober  die  Felsen  e.miM>r.  Ihn  gebaren  netm  Schwe- 
stern tSnE.  I.  I02|,  riesisclie  Jungfrauen  des  Meeres  mid  der  Berge  (Hyndl, 
35-  37)*  ''^  Anfang  der  Zeiten  am  Saume  der  Erde;  er  ward  gross  gezogen 
durcli  die  geheimen  MJlchle  der  drei  WelMirunnen  (HjTidl.  3K.   Rydberg,  Myth. 


UndcraCJk.  I.  104).  Auf  den  Gipfeln  der  Berge,  die  den  Himmel  zu  bcrtlhren 
scheinen,  zeigt  sich  sein  goldener  Schimmer,  daher  sind  die  JItminbj]frg,  in 
Norwegen  die  sieil  über  dem  Mccrcsnfcr  sich  erhebenden  Berge,  sein  Aufent- 
hallaort  (Grimn.  li).  Hier  hilll  er  Wacht,  der  »weiseste  der  Cuttert  (|*rkv.  14), 
der  Zukunft  kundig  wie  die  Vancn  (elid.).  Seine  Zähne  sind  von  Gold,  da- 
her heisst  er  GoHintmini;  golden  sind  die  Stirnhaare  seines  Rosses  üollfoftp 
(SnE.  I.  100).  AUtaglidi  bezieht  er  diese  Wacht  (Hnifng.  26),  die  Wacht 
zum  Schutze  der  Götter  vor  einem  Einfall  der  Riesen  {Lok.  48.  Giinin.  13. 
SuE.  I.  100).  Diese  ist  so  recht  ciordischeni,  ja  alt}(cnnamschcm  VorstcHungs- 
kreise  entsprossen:  er  wac-bt  wie  Haf*en  im  Hunnitnliindc  (NI..  Ausg.  Zamcke, 
2/9,6),  wie  der  Wart  in  Hrüdgärs  Halle  (Beow.  iJÖS  ff.),  wie  Hallvardr  in  der 
Frifljijofssaga  (Fas.  II.  81).  Ja  wie  letzterem  u-ird  ihm  auch  das  Hörn  ge- 
reicht (Grimn.  13).  Ab  solcher  Wächter  ist  nun  Heimdallr  der  vorzügüdiste  aller 
Wächter:  er  bedarf  weniger  Sr:hlaf  als  ein  Vogel,  er  siclit  Tag  und  Xachl 
gleich  gut  und  gleich  weit,  er  hon  das  Gras  wachsen  und  die  Wolle  auf  den 
Schafen  (SnE.  I.  ico).  Als  solcher  besitzt  er  auch  des  laut  scliallendc  Gjallar- 
hom,  durch  das  er  einst  die  GCtttcr  zum  grossen  Wellkampfe  ruft  |Vsp.  46), 
sonst  geborgen  unter  dem  heiligen  Weltenbaume  (Vsp.  27).  Sein  natürlicher 
Gegner  ist  l/jki  »der  Beschliesscr*,  der  alles  endigende  Gott  (Uhland  Sehr. 
VI.  [4.  MQllenhoff  ZfdA.  XXX.  22C)).  Mit  ihm  hat  einst  Heimdallr  den  letzten 
Kampf  zu  bestehen  (SnE.  I.  IQ2).  wie  er  auch  tiiii  ilimalUt>etHllichani  Singaatcin 
in  Roht>engesialt  um  cl;ts  köstliche  Brisingamen  der  HimmelsgCittin  ringt  (SnE. 
I.  2ÜÜ.  .268).  diis  er  ani  Morgen  derselben  zurückbringt.  Wir  haben  in  dieaem 
alten  Tagesmythus,  der  im  Norden  ziemlich  verbreitet  war  imd  nf>ch  im  9. 
Jahrh.  Stoff  zu  künstlerischer  Darstellung  bot  (PBB.  VU.  419  ff.),  ein  Gegen- 
stück iÄum  Baldi-V'aliinytlius. 

In  seiner  Tbiiügkeit  als  der  alles  erweckende  und  infolgedessen  sdiaffende 
Gott  ist  aber  auch  Heimdallr  der  Gründer  der  menschlichen  Ordnung  und  der 
verschiedenen  Stünde  gcwurdtai:  >höherc  und  niedere  Süline  HeimcUUb'  spricht 
die  Vpiva  die  Menschen  an  (\'8p.  i),  und  nach  der  R^gsfiula  zeugte  Heimdallr 
imter  dem  Namen  R'igr  die  Stünde  der  Knechte,  freien  MSmier,  Jade.  In  diesem 
Gedichte  haben  wir  einen  der  jüngsten  Mythen  vor  uns.  der  in  der  Wikinger- 
zeit und  Wohl  erst  im  spüteren  Teile  derselben  entstanden  ist.  Denn  schon 
der  Name  Jii^r  ist  nichts  anderes,  als  das  irische  Wort  ;/  -der  König«  (cas. 
obliq.  rig).  —  Unter  den  mannigfachen  Deutungen,  die  Heimdallr  in  neuerer 
Zeit  erfahren  hat,  ist  eine  der  beliebtesten,  ihn  als  Gott  des  RegcnUigens 
aufzufassen,  weil  dieSiiE.  die  Himinbjyrgam  Kopfe  dieser  Hinmiclsbrücke  liegeu 
U.'vst  (.SnK.  H.  20^.  I.  78».  Im  Hinl>lick  auf  dfiwen  Bericht  ist  auch  das  Wort 
thhmiallr  ;ils  »Himmelsbogeri«  gedeutet  wurden  (Hellijuist,  Ark.  f.  n.  fil.  VU, 
171  f.).  Dieser  ganz  junge,  wohl  nur  durch  siiiltere  Kombination  entstandene 
Zug  Iftsst  sich  weder  aus  den  alten  Quellen  erhflrten  noch  begründen. 

§  53.  Frevr-N'jyrdr.  Seinem  ganzen  Wesen  nach  als  eine  Lichlgottheit 
erscheint  femer  der  ni>rdi^che  I*'reyr.  !)ie.ser  ist  nach  den  QuelK-n  niclit  von 
Njyrd  zu  trennen,  wie  er  auch  fast  durchwc-g  als  dessen  Sohn  aufgcfasst 
wird.  Tacitus  Germ.  40  beric_htet.  dass  sieben  Vfilkerechaften,  wohl  auf  der 
Insel  Seeland,  an  heiliger  Statte  (Mucli,  PBB.  XVII.  195  ff.;  A.  Kock,  Sv. 
Hist  Tid.'^kr.  iSc)^.  S.  103)  die  Xerthus  verehrten,  tlic  er  infolge  der  Ähn- 
lichkeit des  äusseren  Kultu>  mit  der  n'^mischen  »Temi  mater<  wiedergibt.  Zu 
bestimmter  Zeit  des  Jahres  ersclunnt  die  Gottlicit  in  ihrem  Heiligliune,  einem 
g:cweihlen  Haine ;  der  Priester  empfangt  sie  und  fahrt  sie  dann  in  einem  umhüllten 
Wagen,  der  von  Kühen  gezogen  wirtl,  umher,  bi.s  sie  au  dem  Umzüge  genug 
hat,  wrirauf  er  sie  ihrem  Heiligtume  /urßckgibi,  nachdem  zuvor  noch  Göttin, 


» 


Gewand  und  Wagen  in  geheimem  See  gebadet  und  jener  daselVjst  die  l>ei  der 
Feicriichkeil  beleiliglen  Sklaven  zum  Opfer  gebracht  worden  sind.  Wahrend 
jener  Tage  ruhen  die  Waffen,  überall  herrscht  tiefer  Frietle  und  alles  feiert  in 
froher  Festlichkeit.  Fast  ganz  derselbe  Vorgang  wird  uns  aus  dem  lo.  jnhrh. 
in  der  grossen  Olafs  saga  Trj'ggvasunar  erzählt  (Ftb.  I.  ^.^7  ff.).  Xat:h  dieser 
führt  eine  junge  Pri<5tterin  auf  einem  Wagen  das  Bild  d<a  Frey  von  Altiij>i»sala, 
dem  gemeinsamen  Heiügtume  der  Schweden,  zur  Spätu-interzeit  durch  die 
Gaue  der  *\inphiktyoncn.  Übcmll,  wohin  das  Götterbild  kommt,  wird  die  Gott- 
heit freudig  empfangen  und  Opfcrsch mause  geschehen  ihr  zu  Ehren.  Menschen- 
opfer sind  in  diesem  wie  bi  jenem  Falle  mit  der  Feierlichkeit  verbunden. 
Hier  findet  sich  also  für  die  Tadteischc  Nerthus  der  nordische  Freyr.  Eine 
Nenhu3  keimt  der  Norden  nicht,  wohl  aber  einen  Nj^rd,  der  sich  sprachlich 
mit  dieser  deckt.  Doniclbc  steht  aber  nach  den  isländischen  Quellen  im 
engsten  Zusammenhange  mit  Frey:  dieser  ist  sein  Solm,  beide  sind  Vanen, 
beide  spenden  Reichtum  und  Glück  (SnE.  I.  g2.  q6),  Friede  und  Fruchtbar- 
keit (Vngl.  S.  10.  11).  Aus  den  Vergleichen  geht  ein  enger  Zusammenhang 
zwisclieo  NertIius-NJ9rd-Frey  her\'or.  Ist  dann  weiter  unter  der  Nerthusiusel 
Seetand  zu  verstehen,  so  fallt  in  die  Wagschale,  d;iss  nach  Saxo  Hadingtis,  der 
Künig  der  Dilnen.  in  seinem  Lande  der  Sage  nach  das  Freysopfer  eingeführt 
habe  ^Sa}co,  cd.  Müller  I.  50),  und  dass  der  Freyskult  in  Uppsitia  cn>t  von 
hier  ans  eif^edrtmgen  sei  (ebd.  1.  i2o\.  Nun  erscheint  aber  von  gleichem  Wori- 
stammc  nebai  Frey  seine  Sdiwesler  Freyja.  Beide  sind  Kinder  des  Njyrd 
und  seiner  Schwester  (Loks.  3Ö/37).  Obgleicli  letztere  nirgends  genannt  wird, 
karm  es  doch  nach  dem  eben  ausgeführten  keine  andei-e  gewesen  sein  als 
die  Nertlius,  die  Tacitus  erwähnt.  Es  ist  s-ihwicrig,  die  cinzchiai  Gfilterge- 
stalien  aus  diesen  Göiiert>aaren  klar  heiauszuschülen  und  sie  in  ihrer  Grund- 
idee und  ihrer  historischen  Entwicklung  zu  verstehen.  Am  klarsten  tritt  uns 
nucfa  Frcyr  entgegen,  der  offenbar  ein  leuchtender  Himtnelsgott  war,  aus 
welcher  Stellung  ihn  jüngere  Forschung  ohne  Grund  zu  verdrängen  .sucht. 

In  allen  germanischen  Sprachen  findet  sich  das  Apjjellativijm,  mit  dem 
sicJi  Frevr  deckt,  in  der  Bedeutung  'Herr«  (got.  frauja.  ahd.  frö,  ags.  ßred\ 
Die  ältesten  christlichen  Dichter  gebrauchen  dies  Wi^irt  als  ständige  Anrede 
an  Gott  (Mytli.  1.  173).  Ob  dasselbe  mit  unserem  froh  (ahd.  frö,  gnädig, 
bold)  zusammenhangt,  lasst  si<:h  sprachlich  nicht  unumsli'Jsslich  beweisen. 
Aber  selbät  wenn  wir  in  ftv  ebi  ganz  anderes  Wort  hatten  (ZfdjV.  XXXII.  272), 
lasst  sich  der  nordische  Frevr  aas  gesclüchtlichm  Krwagtiiigcn  nicht  von 
got  frauja  >Hcrr«  trennen.  Der  Name  />rKr  ist  vun  Haus  aus  ein  Epithct<jn, 
und  dies  mu.«^.  wenn  mr  es  auf  lieidnische  Zeiten  übertragen,  dem  hi>clisten 
Gotte  gegolten  liaben.  Dieser  aber  war  kein  anderer  als  Tiwaz.  Ob  nun 
Timiir  unter  dem  Beinamen  Frö  oder  Freä  auc:h  von  anderen  germani- 
schen St<lmmeii  verehrt  worden  ist,  Llsst  sich  schwer  entscheiden.  Der  alid. 
Name  Fröwin,  ags.  Freäivitt,  daii.  Froviaus  (Saxui.  der  dem  iiunlischcii  Freys 
r*Är  =  Sigiu-dr  (Sigk.  III.  2^)  entspricht,  scheint  dafür  zu  sprechet». 

Sicher  wissen  wir  nur.  dass  Freyr  in  tlcn  Letzten  Jalirlmnderten  des 
I^eiilentums  in  den  fruchtbaren  (bilden  von  Altupp^ala  den  Mittelpunkt  des 
Kultes  bildete  (Ftb.  I.  337  ff.,  Adam  von  Brem.  IV.  zb).  Ebenso  gab  es 
com;  Amiihikti'onie  Throndhcimcr  Gaue  (Ftb.  I.  400  ff.),  die  ihn  verehrte. 
Hier  wurden  ihm  heilige  Kossc  gehalten  (S.  40!).  Von  liier  aus  nahmen  dann 
auch  Nur^eger,  wie  der  jimge  Hrafnkdl,  ihre  Vorliebe  für  diesen  Gott  mit 
hinüber  nach  Island. 

Allein  wr  gewinnen  für  Frey  leicht  weiteren  Buden.  Er  steht  offenbar 
im  cngsiai  Zusammenhange  mit  dem  Ini^,  vun  dum  sidi  die  Iiig%-HK>nen,  die 


Nerthustverphrer,  ableiteten,  und  führt  snnach  auch  (iurrli  tüesen  wieder  auf 
Tiwa«.  In  den  nftn^-egisch-isIflncUschen  Quellen  trefft^n  wir  ilm  wicderliolt  als 
Ift^'fifreyr  (Yngb.  K.  \z\  Heimskr.  S.  157  u.  f\ft.).  In^mmrftryr  (Ijik.  ^.v  OH. 
1853.  S.  2).  Ingiinar  frrvr  strhi  für  !ngfiaa  ihyttyr  .der  Gott  der  Fnicht- 
burkcit  bei  den  Jng^inen»  (A.  K<'ck.  Sv.  Hist.  Tid>kr.  1805.  xiyoii.).  Femer 
heissen  die  schwedischen  Könige,  di«;  von  Frev  ihre  Ilorlcunft  abieilen  (Yngs. 
K.  12),  }'n}^ingar.  Wir  sehen  hier  den  engsten  Zusammenhang  zwischen  In^ 
oder  yngT'i  und  Fr-v,  weshalb  schnn  Öfter  die  Parallele /flj^= /mr  angesetzt 
worden  ist  (z.  H.  ten  Bririk,  Grundrisse  II.  i  S.  532  f.).  Nun  Ist  aber  nach 
dem  Berii  hie  Sjlmws  d.  (20)  der  Freyskult  erst  in  UjijiSKld  eingeführt  (vgl.  auch 
.A.Olrik,  Kild.  ul.  Sakses  Oldtiiit,  I.  04)  und  zwar  aller  \V;i)irsrheinIirhkeil  nach 
aus  SchL>ueii.  wo  in  alter  Zeit  die  üstdilneii,  die  E'*>stdf  ne  dc-s  Büowulf.  ihren 
Sitz  hatten.  ,\uch  diese  erscheinen  im  Bc'jwulf  als  Itii^viiie  (v.  1045.  1320), 
als  Verehrer  di*s  Ing,  Nach  dem  ags.  Riinenliede  (Kluge,  Ags.  Leseb. 
XXXI.  t>7  ff.(  war  dieser  Ing  zui-nit  bei  den  Ostdänen  verelirt  worden,  ehe 
er  nach  Osten  weiter  zog.  FUr  die  Verehrung  der  Ing-Frey  in  Schonen 
spricht  weiter  die  Sage  von  Styhi  i^reßug  (Beow.  3  ff.),  von  jenem  Knalien, 
der  auf  einer  Garbe  (sceäf)  zu  den  Danen  kam  und  daher  Scefing  (»Sohn 
der  Si'e'if')  hiess  (M5lEer,  Altengl.  Volksep.  S.  43  f.),  denn  nach  Kocks  schönem 
Nachweise  (a.  a.  O.i  steht  diese  5iage  aufs  ei^ste  im  Zu>ainnK-ii hange  mit  der 
Wanderung  des  Xerthus-  und  FreykuUes,  des  Kultes  der  Goithdteu  der 
Fruchtbarkeit  Mit  Schonen  aber  bcireten  wir  das  Gebiet  der  DfWien  und 
damit  zugleich  auch  das  der  NerlhusvOlker,  wenn  diese  nuf  dem  fruchtbaren 
Set-kuirf  den  Mittelpunkt  ihres  Kultes  gehabt  haben.  Freyr  ist  demnach  eine 
besondtre  Bezeichnung  für  Ing,  in  diesem  aber  haln-n  wir  das  männliche 
Gegemttlck  zur  Nenhus,  wir  hiibcn  in  ihm  den  alten  Himmelsgott,  desäen 
Kult  Aber  Si-honi^n  nac:h  Altuppsala  gi^konimen  \sX. 

In  den  spateren  Quellen,  namentlich  den  norwegisclien,  trat  dann  eine 
Vermischung  des  alten  Vng\i-FreykuUcs  mit  dem  jüngeren  UdhikuUe  ein.  Da- 
zu hatte  man  vergessen,  ifass  Yng^'i  und  Freyr  einst  identisch  gewesen  waren. 
So  erscheint  Vng\'i  gerade*!  wie  Freyr  ISnE.  1.  554.  Fljolsd.  h.  mein  12q\ 
als  (_>rt3ns  Sohn  (.SnK.  I.  2S).  Für  die  'Flial-sache,  da.«.-!  Vng\'ifrcyr  von  (.Win  ver- 
drangt wurde,  spricht,  dass  Yng^ifreyr  und  Odinn  fflr  ein  und  dasselbe  Ereignis 
in  <len  Quellen  auftreten.  In  der  Haustl^ng  fj^olfs  sind  die  Götter  noch 
vom  Geschlechte  Vngvifreys  (SnE.  I.  312),  sonst  erscheinen  sie  fast  immer 
als  kind  oder  atl  titler  mfgir  öitim.  Neben  Odin  findet  sich  Freyr  als  -Herr 
der  Äsen*  (jmliitr  lUa  \jö\.  35  >.  Ev\nndr  Iflsst  Häkon  den  Guten  von  Vngvis 
Gt:schlechte  sein  (Hmskr.  io8);  sonst  pflegen  die  norwtyischcn  Könige  und 
Jarle  ihre  Ahnenreihe  auf  CWlin  zurückzuführeji.  Noch  der  Beart>eiter  der 
spaten  Trojumannasaga  gtebt  den  .Salumus  mit  Frey  wieder  (Ann.  1848, 
S.  4),  wälirend  der  der  Üretasygur  ihn  mit  Udin  übersetzt  (ebd.   130/2), 

Neben  liiesem  spaten  Verli.'lllnijÄe  zwischen  Ortin  und  Frev  kennen  die 
islandisch-norwegischen  Quellen  Frey  als  Scihn  dc-s  Njyrd.  In  vielen  Stücken 
decken  stell  Vater  und  Sohn,  im  allgemeinen  spielt  aber  Nj9r<1r  eine  ungleich 
geiiDgerc  Rolle.  Beide  sind  die  Hauptvertreter  der  Vanir,  und  ;.tnd  sdiou  da- 
durcJi  als  Gottheiten  de.^  Lichtw  gekennzeichnet.  Gleichwohl  Iflsst  sieh  bei 
Njprtl  wenig  finden,  das  ihn  als  Lärhtgott  charakte-n'sierc.  Dagegen  zeigt 
auch  er  auffallende  Übereinstimmungen  mit  der  Tadteischen  Nertlias  (Kode, 
ZfdPlül.  XXMII.  289).  Es  ist  noch  nicht  gelungen,  das  Verh-Iltnis  zwischen 
der  tacdteischen  Nerthus,  dem  nordischen  Nj9r<l  imd  Frev  genügend  aufzu- 
hellen, nur  dass  es  das  engste  ist,  ist  anerkaruitc  Thalsaclie.  [Cber  den 
jimgstcn  Versuch  vgl.  A.  Knck,   a.  a.  O.    Nach  Kock  smU  durch  Absterben 


der  femininen  u-St3inmc  die  weibliche  Nerthus  geschwunden  und  an  ihre 
Stelle  ein  männlicher  Nj^rdr  getreten  sein].  Auch  das  Folgende  will  nicht 
mehr  als  duc  HjTxjlhesc  sein.  —  Es  ist  zunadust  klar,  das»  der  Kult  der 
lerthus,  wie  ihn  uns  Tadtus  von  den  sieben  Stammen  schildert,  sicli  ganz 
'mit  dem  grusscn  Freysfcstc  in  der  Uppsalacr  Araphiktyonie  deckt.  Nerthus, 
vr>n  Tadtus  aU  -terra  mater«  hczcit'hnct,  ist  die  Göttin  der  mütterlichen 
Erde  und  ab  solche  die  Mutter  des  Himmelsgottes.  Wo  dieser  verehrt 
»imie,  wurde  auch  jene  verehrt  Tadtus  sdiciut  also  nur  ein  Fest  jener 
sieben  Stamme  geschildert  zu  haben,  das  Fest  der  Xcrthiis,  wahrend  er  Ül>cr 
das  Fest  ihres  Sohnes  keine  Nachrichten  hatte.  Möglich  erweise  ist  dies,  wie 
die  Nachrichten  über  das  Upi>salaer  Freysopfer  schliessen  lassen,  mit  dem  Feste 
der  Mutler  zugleich  gefeiert  worden.  Nun  ist  aber  die  Nerthus  als  Erdgöttin 
mglcich  chthonische  Gottheit,  und  als  sokhe  mag  sie  in  der  Meereagegend  die 
Mutter  des  S<jnncngottes  geworden  sein,  der  sich  am  Hnriznnte  aus  ihrem  Schosse 
erhebt  Durch  ihren  Suhii  kam  dann  ihr  Kult  und  mit  ihm  zugleich  auch 
ihr  Xame  nach  Uppsala  und  von  hier  oder  direkt  von  Schonen  nach  Nor- 
wegeiL  Hier  wurde  aus  der  weiblichen  Ncrtlius  ein  männlicher  Njyrdr,  der 
als  Vater  des  Ing-Frey  aufgefasst  wurde,  wie  früher  Nerthus  als  Mutter  des- 
selben. Von  Frey  zweigte  sich  dann  wieder  eine  weibliclie  Freyja  ab.  Allein 
Njvrdr  ist  in  seiner  neuen  Heimat  in  erster  Linie  Meeresgott  geworden,  sein 
.'xihn  Freyr  aber  hat  sich  als  der  alle  Gott  der  Frurhlbarkt-it  in  den  fruchtbaren 
Gegenden  Skandinaviens  gehalten.  Dalier  ist  tr  der  Vanc  xat'iSoxijv  und 
zeigt  sich  auch  dadurch  als  der  alte  Himmelsgott. 

Als  Himmels-  und  Soniiengolt  ist  nun  Freyr  zunSdist  ein  liclites  Wesen, 
das  wohlwollend  auf  die  Menschen  und  die  Natur  cinuirkt  und  den  Felden» 
Fruclilbarkcit,  den  Menschen  G\ürk  bringt. 

Das  Schwert,  das  wir  beim  Hininielsgolt  in  all  seinen  Erscheinungen  fanden, 
besitzt  audi  er;  auch  er  gibt  es  in  die  Hände  der  finsteren  rie.sisdien  Machte 
und  verliert  tiadurch  seine  Waffe  gegen  diese  (Lok.  42.  Skim.  q).  Wie  er 
selbst  der  Leuchtende  genannt  wird  (Grinm.  4,)),  so  ist  auch  der  Eber,  auf 
dem  er  reitet,  goldborstig  (SnE.  II.  311),  und  in  .seiner  Nflhe  dunkelt  es  nie 
(SitE.  1.  344}.  Skimir  >der  Hellniaclier«  ist  sein  Diener;  mit  ihm  war  er  seit 
{rflhesten  Zeiten  vereint  (Skim.  5).  In  setner  Gestalt  stecken  die  eraten  er- 
wärmenden Sonnenstrahlen  des  Frühlings,  mit  denen  FrevT  die  Natur  aus 
der  Gewalt  der  wmterlichen  Reifriesen  befreit  Datier  hat  man  mit  gutem 
Gnmde  ;ingenommen,  ilass  .Skimir  ursprünglich  der  Gott  Freyr  sdbst  sei 
(Nicdticr,  ZfdA.  XXX.  135  f.,  Nureen.  Uppsalastud.  216).  In  der  Prosa 
m  einiMn  alten  Lie<lc  (den  Skimismal)  xiird  erzählt,  wie  der  junge  Gott  einst 
auf  Hhdskjiilf,  dem  Sitze  Odins,  v<jn  w<i  aus  er  die  gaiue  Wdt  Oberschaut, 
gesessen  und  die  sdirtne  Gerd  in  Riesenheim  gesehen  und  sich  in  sie  ver- 
liebt habe.  Auf  des  Gottes  Rosse  sei  Skimir  zu  ihr  geritten  und  habe  sie, 
die  gefesselte  Natur,  endlich  durch  Runenzauber  seinem  Herrn  gefreit  Was 
sein  Diener  als  Brauipreis  bietet,  sind  wiederum  GegensiAnde,  die  nur 
einem  Himmelsgott  eigen  sein  kOnncn:  die  goldenen  Äpfel  und  der  Ring^ 
Draupnir,  der  von  Odin  dem  toten  Raldr  mit  zur  Hei  gegeben,  aber  durch 
Herm-'id  wieder  in  Besitz  seines  allen  Eigentümers  gekommen  war.  sind  langst 
als  Symbole  der  Stmnc  erkannt  (WLslicenus,  Symb.  von  Sonne  und  Tag,  S.  32). 
Mit  Gerds  Bruder  //<•//  d.  i.  >dem  HrüUer*.  vielleicht  einer  Personifikation 
des  winterlichen  Stumies,   hat  er  zu  kiUupfen. 

Auch  der  alte  Mythus  vom  Schiffe  Sk'iÖbladnir  zeigt  Frey  als  einen 
Himmels-  und  Sonnengott.  Dieses  Sdiiff,  vnn  Zwergen  gemacht,  besitzt  die 
Eigenschaft,  dass  es  sich  wie  ein  Tuch  zusaimnen legen  und  einstecken  lässl  (SnE. 

Gcnitknischc  Phtloloctc.  III.    2.  Aall.  VI 


322 


Xr.  M\THotj:«iE. 


I.  342  f.);  es  ist  die  Wolke  iMannliardt.  Genn.  Myth.  57,  Anm,  6).  die  vor  den 
SlralilcD  dff  Sonne  schwindet.  Mit  si-üicm  Wesen  als  Uchtgott  hängt  es 
auch  zusammpn.  d;*ss  Krc\T  Herr  v«in  Alfheim  ist,  wo  die  lichten  Alfen 
wuhiK-it,  diu'stcieii  Boslfiter  des  heiteren  HiiiuiielsitottCN  (Grinin.  5),  Als  Zahn- 
iwrhHnk  gaben  vs  ihm  ditr  Gritter  im  Anfange  der  7.i:iU-n.  Seine  Heimstätte 
U].)i>saUr,  das  Heim,  das  fiber  allen  anderen  sii^h  befindet  (Heimskr.  7). 
Ügurdr,  die  lichte  SagL-ngestalt.  erscheint  als  sein  Freund  (Sigk\'.  III.  24); 
ai^  dem  (jrabe  anderer  seiner  Verehrer  bleibt  weder  Schnee  noch  Eis 
(Gistas.  ^2).  S*.>  erscheint  Freyr  überall  als  eine  üthle  Gotllieit;  er  ist  in- 
folge dessen  der  Hanpivertrcicr  di;s  GeschlechL*!  der  Vanen,  der  alten  Licht- 
gottheiten  ('Vilinar,  Alt.  im  Hcl.  17  f.),  tienen  S[)fllcr  von  den  eindringenden 
.\sen.  der  Rang  streitig  geniarhi  wurde.  Diese  hohe  Hedeulung  des  (joties 
zeigt  sicli  mieh  klar,  wenn  er  als  Goll  der  Welt  (i^eraldar  goit  Heiniskr.  12) 
oder  als  »Fürst  der  Gilttcr«  (folkvatdi  goita  Skim.  3)  erscheint,  oder  wenn 
ihm  die  Sdiweden  Menschenopfer  darbringen  iSa-xo  I.  12\),  die  man  sonst 
nur  tlem  hüehsen  Gott  spendet.  Wie  Zeus  und  Mars-Thingsus  erscheint 
er  auch  als  Scliinner  des  Hechts.  Daher  schwur  man  bei  ihm  (Isl.  s.  I.  336. 
Flb.  \.  249)  und  rief  ilm  als  Radier  erlittener  Unbill  an  (Egilss.  S.  130. 
Brandkrf).  51^.  Glüras.  29).  Hiermit  hängt  es  vielleicht  auch  zusammen,  dass 
sich  Güden  nach  Uim  als  /''m's^aftar  bezeichnen  iHrafuks.  4.  Isl.  s.'I.  321. 
Bist  a.  I.  18.  Nj.  491).  Wnhl  tritt  uns  Freyr  auch  als  Kriegsgoit  en^egcn 
(Loks.  37.  Heimskr.  60'".  Fas.  II.  288/9),  allein  als  solcher  irill  er  gegen- 
Ober  seiner  Bedeutung  als  Friedensgott  in  den  Hintergnmd.  Freys  Friede  ist 
in  Schweden  sprüchwVlrtHch  geworden,  wie  Früdis  PViede  in  Dänemark.  Um 
diesen  Frieden  vom  Gottc  zu  erlangen,  wird  ihm  der  Becher  geweiht  I  Heimskr. 
93  ").  Durch  dirsrn  Krieden  aber  bringt  er  den  Merischen  Glück  (SnK,  I. 
t>6).    Als  Himmelsgutl  ist  er  auch  Herr  Ober  Regen  und  Sonnenschein  (SnE. 

I.  96).  und  sdbst  Schiffer  erbitten  von  ihm  günstigen  Wiud  (Ftb.  I.  307). 
Er  erwciki  die  Erde  aus  ihrem  Winlersrhtafe  und  ist  infolgedessen  Goll  der 
Fnichlbarkeil  (SiiE.  I.  (/j.  2(>2.  Heimskr.  ii.  03.  Ftb.  I.  402  ff.  337  ff.),  dem 
der  Mensch  den  Flrtrae  des  Hodens  und  das  Gedeihen  des  Viehe.<i  \'(-rdankt 
(Egilss.  204.  .SnFZ.  I.  2'i2).  Hienuit  hlingl  es  zusammen,  dass  er  als  iihallisdie 
Gotüicit  crsdieint,  sodass  man  ihn  -cum  iiigetiii  priafx»"  lAdam  v.  Bremen  IV, 
K.  2*1)  darstellte  und  ihm  bei  Hochzeiten  IJbatiunen   brachte   (ebd.    K.  27). 

Die  grOsste  Verehrung  genoss  Freyr  vor  allem  in  S4:hweden.  Hier,  in 
der  gritssen  fruchtbaren  Ebene  von  AUupiwala.  stand  sein  Tempel,  in  ihm 
aus  Gold  sein  Idol  neben  dem  des  I'i'ir  lutd  Odin,  wnhl  als  des  htVhslen 
von  ihnen,  wie  Adam  von  Bremen,  der  ihn  Fricco  neimt  {a.  a.  0.>,  nadi 
den  anderen  Berichten  zu  verhe-ssem  ist  (Saxo  I.  50.   Ftb.  I.  403  f.  Heimskr. 

II.  u.  0.).  Von  ihm  leiteten  die  schwedische  Könige  ihre  Herkunft  ab  (Saxo 
I.  278.  Heimskr.  18**.  28  ").  Von  Uppsala  aus  fuhr  seiiic  Priestenn  sein  Bild  in 
den  L.inden  umher,  nachdem  zuvor  das  grosse  Winteropfer  stattgefunden  halle 
(FÜJ.  I.  337  ff.).  So  wird  er  schleclilhiii  der  Schwedengolt  genannt  (Svia  gf>i 
Ftb.  Hl.  246),  Nach  alter  Sage  kam  er  von  hier  in  die  nopAegische  ProWnz 
PraiiLÜieini.  wo  ihni  ebenfalls  ein  Tempel  errichtet  war^  auf  desseji  Gefilden  ihm 
gcwfihte  Ki'ssc  weideten  (Ftb.  I.  403 ff.}.  Auch  auf  Island  fmden  wir  ihn  ver- 
ehrt: im  (_)sten  der  Insel  errichtete  ihm  Hrafnkell  einen 'rem])cl  (Hrafnks.  4), 
im  Nordosten  brachte  üim  f^nrkell  eliietj  Ochseu.  damit  der  Goll  Glt'im  ebenso 
besitzlos  von   dem  l-ande  scheiden  lasse  wie  ihn  (Glüma  20)- 

Neben  Rossen  und  Stieren,  die  man  ihm  weihte.  giUt  besinidci«  der 
Eber  als  ein  ihm  heiliges  Tier,  Wenn  im  Spatwinter  ihm  zu  Ehren  der 
CJpferschmaus  suttfand  (Ftb.  I.  337.    G'isins.  27),   brachte  man   den  gTv")HSlen 


Nj^KOK.     Baidk.     Foft&XTI. 


3^3 


und  schönsten  Eber  ihm  zum  (;)pfcr,  «icn  sonarg^Ü,  li.  i.  Hcrcleiiebcr  (!'BB.  XVI. 
540 (f.),  um  den  Gott  füt  das  neue  Jahr  günstig  zu  stimmen,  und  Icgie  zugleich 
vor  ihm  als  wie  vor  dem  Gölte  selbst  Gelübde  für  zukünftige  Tliaten  ab  (Herv, 
s.  Aas^.  von  Buj^'c  233.  Eddal.  Ausg.  von  Bugge  S.  176).  ~  Welche  Be- 
deutung Frevr  cinal  in  SkiUidiiia\-icn  gehabt  haben  niuss.  icigt  auch  die  gn>sse 
Menge  der  Ortsnamen,  tlie  ;tus  seiner  Verehrung  hervorgt^angen  sind  (Lund- 
gren,  llcdii.  Gudatro  i  Svergc  S.  03  ff.  Munch,  Nunhu.  Gudel.   li). 

Im  engsten  Zusammenhange  mit  Frey  steht  der  ebenfalls  nur  aus  nnrrlischen 

Quellen  bekannte  Nj9rdr.     Wo  er  in  alterer  Volksüberliefening  jiuftrill,  er- 

»rhejut  er  fast  iimner  neben  Frey:  Frcyr  <'k  NJ9rdr  sollen  Reii-htum  .sjH-nden 

(Egilss    .'04),   Kreyr  ok  NJ9r<tr,  durch  prae<lik;aiven  Singular  gewisse rmassea 

als  Einheit  aufgefasjit,  sollen  Eirik  aus  seinem  Lande  vertreiben  {ebd.  130), 

bei  Frey  ok  Njprd  schwur  man   (Ftb.  I.  249.  lal.  s.  I.  330),  Njardarfull  ok 

Freysfull  tiank    man    des  lieben  Friedens    und    der  Frudubarkeit    der  Äcker 

w<^n    I  Heimskr.  93).     So    isi   auch    Njyrdr   allein    Spender   des    Reichtums 

(SnE.  1.  i}i),    und  der  Ausdruck   »reich  wie    Njyrdr*   iaudi^r  stm  N.  Vatnsd. 

So)  spridit  dafür,  dass  er  selbst  als  ein  reicher  Gott  gedacht  wurde  wie  Freyr. 

Er  ist  Vane,   ist   der   Vater  des   Frey   und   ein.st  mit  seinen  Kindern   den 

A*en    als   Geisel   gestellt    worden    (Lok.  34.  Vafjir.  y^)X     Aus    diesem    eugeD 

\'crh;ütnLs   der    beiden    (jr.tter    zu    einander   ging    ferner    hcr\"or,    dass    die 

Äsen  nicht  nur  Freys  Geschledit,  sondern  aucli  Xj^rds  Geschlecht  genannt 

wi'rden  ( Hallfredar».  Fs.  S.  v5)-     Ob    Njyrdr    •Spender   des    Reichtums^    als 

üijlt    der    Fruchtbarkeil    war    {s,    o.)    oder    i>b    er    es    erst    als   Gott   der 

Sdüffahrt  geworden   ist,    bleibe  dalüngestdlt.     Auf    alle   Fülle    spielt   er  als 

Gott    des     Meeres     und    der    Schiffahrt     in     den     norwegisch-islandischen 

Quellen  eine  U^ondere  Kullc.     Kr  lu-rrMht  nLs  solcher  über  den  Wind  und 

beruhigt    ihn    und    da-;    Meer.       Deslialb     rufen    Seefahrer    und    Fischer    ihn 

besonders  an   (SnE,  11.   -O7).     XSaiün  d.  b.  Schiffsstütte    ist   sein  Aufenthalt 

(Grimn.  10).     In  Nurwegen  entstand  auch  der  Mjihus  von  seiner  Verheiratung 

mit  Skadi,  der  Tochter  des  Riesen  1-^jazi,  die  sich  als  Sülme  für  die  Eruior\lung 

Lihrcs  Vaters  einen  der  Ascn   zum  Gf^nabl  wShlie  (SnE.  I.  214),  derm  SkaÖi 

ibt  die  mächtige  Riesin   der  Winttrniiüinit  Norwegens,    die   durch   ihre  Hen- 

[scliaft    den  grftsslen  Teil    des  Jahres   auch    die  Scliiffalirt    labin    legt.     Neun 

'  Kachte,  d.  s.  die  neun  winterlichen  Monate,  —  auch  Freyr  soll  eist  nach  neun 

Nächten  mit  Gerd  vereinet  werden    (.Skim.  39),   —  will    Njvrilr    mit    Skadi 

in  I*n'iilheim  hausen,  wo  sie  auf  Schneeschuhen  läuft  und  jagt.  wSlirend  sie  .»felbst 

nur  drei  Nachte  sich  mit  ihrem  Gatten  am  Gestade  der  See  zu  Nt)atün  auflialt 

(SnE.  II.  io8.  >AXi->  I.  53  ff.  vgl.  ZfdA.  XXXVI.   lif.ff.,  Upi>s;üastud.  2iBf). 

Nj^rdr  wurde   überall   da  verehrt,   wo  auch  Freyr  verehrt  wurde.    Haine 

tind  Ortseliaften.  die  nach  ihm  den  Namen  fOliren,  finden  sich  liauptsadilich  In 

Uppbnd,  in  S<  hweden  und  den  angrenzenden  Gauen  (I-undgren,  Hcdnisk  Gu- 

datiu  i  Svergc  S.  74)  und  einem  grosst^n  Teile  Norwegens,  namentlich  inj  Thrond- 

>  Jieime-r  (icltieie  ^Munch,  Ciudelitre  .S.  14).     Die  Verehrung  dieser  Götter  ist  der 

alterte  Kult,  der  sich  im  mittleren  Skandinavien  klar  erkennen  lasbl;  wie  er  dorthin 

gekommen  ist.  wurde  oben  gezeigt  Er  inuss  den  alteren  Thorskult  hier  vcrdrfingt 

haben.  Als  dami  der  Odiriskull  ebenfalls  hierher  drang,  der  sich  höchst  wahrschein- 

lirh  damals  schon  teilweise  mit  dem  westnorH'cgis».:hcn  Thorskult  vereint  hatte, 

kam  es  zu  dem  Streite,   <ler   im  Mythus   vuin  Wanenkrieg  seine  dichteri-sche 

Verherrlichung  gefunden  hat.  zu  einem  Kultkriege,  der  mit  der  Aussölmung  beider 

Parteien  emlete  ^vgl.  Weinhold.  Über  den  Mythus  vom  Wanenkrieg  Berlin  1890). 

§  54.  Baldr-  Forseti.   Neben  Frey  erscheint  in  den  nordischen  Quellen  eine 

weitere  Gottheit,  die  mit  dieser  geradezu  auffallende  Cbereinstiiinuungen  zeigt  Es 

2t» 


ist  dies  Baldr,  der  lichte  Gott,  (fen  schon  die  Etymologie  seines  Namen  als  den 
helltru,  Icuchlfiiden  Sonncnpjtt  kennzeichnet  Das  Wurt  gehört  zum  lil.  batias 
»weiss*,  zu  einem  germanisrhcii  Stamme  Art/  —  >licht,  hell,  glänzend^  iSchrft- 
der,  ZfdA.  XXXV.  237  ff.).  Mythen  von  dieser  Gottheit  liaben  wir  nur  Ia-i 
dem  norwcgiädi- isländischen  Stamme.  Ob  der  altengl,  Htfldtef^,  den  iingel- 
sSchsische  und  isl.'lndischc  Genealogien  zu  einem  Sohne  Wudans  machen 
(vgl.  Hauck,  Zeugiiiüse  zur  altengl.  Ileldcnsiigc)  und  das  Appcllativum  beaidor 
'Herr,  Fürst«,  sowie  der  ah<I.  Eigenname  Paltar  Rekann twhaft  von  Mvthen 
bei  anderen  germanischen  Stimmen  vi  nniussetzen,  l.'lssl  sich  nicht  beweisen. 
Auch  die  Sagen  von  Baltram  und  Syntnun  (ZfdA.  VI.  158  ff.)  mler  von  den 
Härtungen  (vgl.  ZfdA.  XH.  553  f.  344  ff.)  (nlcr  von  Oi-lnit  und  Wnlfdictridi  zeigen 
wohl  gewisse  Ähnlichkeiten  mit  dem  lialdrmythus,  beweisen  aber  nicht,  dass  sie 
aus  diesem  hervorgegangen  sind,  wie  Mtilleiihoff  annahm.  Etwa.s  anders  liegt  es 
bei  dem  2.  Merseburger  Zaubers]iruclie  (Mdllenhoff-Sclierer,  Dciikm.  IV.  2: 
l*h')l  (ikU  Vtiädan  vuorun  zt  bolza.  du  uuart  dfino  Halderts  •.'olon  siit  vnas  bi- 
reahi).  Allerdings  ist  lüer  weder  über  BiiUer  noch  Über  Phoi  irgendwie  Einigkeit 
erzielt,  fest  dürfte  nach  den  neueren  Forschungen  stehen,  das  Bnidtres  sich 
nur  auf  Phol  beziehen  kann  und  dass  in  Phel  eine  germarische  Gottheil  zu 
suchen  ist.  Für  letztere  Thatsachc  sprechen  besonders  Ortsnamen  wie 
I'huhouua,  ffoliau,  Pholspiunt  in  Osterreich  und  Bayern,  Phaiahrumw  in 
Thtiringen,  Bjlsler.  PolaUah,  dem  sich  ßaUrres  U^  zur  Seite  stellt  (Kiigel, 
Gesch.  d.  deutschen  Lit  I.  S.  yi),  in  EngL-xnd.  Wer  jedoch  hinter  diesem 
germanischen  Pho!  steckt,  lasst  sich  nicht  entscheiden.  Die  Identification  mit 
Apollo  (Gering,  ZfdPliil.  XXVI.  14.5  ff.)  oder  mit  PauUts  (Bugge.  Studien 
30t  f.)  st^Jsst  auf  ebenso  grosse  Schwierigkeiten  wie  die  Herieitimg  von  skr. 
bala-  aKraft«  (Ktjgel.  Liigesch.  ^i,  v,  Grienberger,  P^fdPhil.  XXVH.  4fi2) 
oder  die  Annahme^  dass  PhoS^^  Vol  wwA  der  Num,  zu  V'oUa  sei  (Kauffraann, 
PBB.  XV.  207  (f.).  Ebenso  lasst  es  sich  nicht  endgültig  entscheiden,  ob 
BaUerts  als  Name  für  den  Gott  Pliol  aufzufassen  ist  (Gritnni,  Myth.  I.  185, 
E.  Schriider,  ZfdA.  XXXV.  243,  Martin,  Gf.tt.  Gel  Anz.  iSijj,  128;  Gering 
a.  a.  C;  K("igel  a.  a.  O.)  oder  nur  als  Appellativum  =  Herr  (Bugge.  Studien, 
296  ff.;  Kauffmann  a.  a.  O.;  v.  Grienberger  a.  a.  O.)  aufgefasst  werden  muss. 

Bwgge  hat  den  Nachweis  zu  führen  gesucht,  dass  die  nordischen  Mythen 
von  Baldr  unter  dem  Einflüsse  irischer  Legenden  von  Christus  und  antiker 
Mythen  von  Achilles  entetanden  seien,  und  da.*«  Baldr  geni(äezu  eine  Be^Kcich- 
nung  für  Christus  sei.  Mag  itn  Einzelnen  die  jüngere  isländische  Dichtung 
durch  irische  I.x;genden  von  Christus  beeinflusst  sein,  im  ganzen  stösst  Eugges 
Auffassung  auf  zu  grosse  Schuierigkeiten,  die  sich  offenbar  bei  der  Erklärung 
der  Baldrmylhcn  als  nordisch -germanischer  nicht  finden  {vgl.  Bugge,  Studien 
Ober  die  Entstehung  der  nord.  Gatter-  und  Heldensage  I.  83  ff.,  dagegen 
A.  Olrik,  Sakses  Oklhisturie  II.  S.   13  ff.). 

Die  Mythen  von  Baldr  sind  offenbar  Erzeugnisse  der  nordischen  Dichtung. 
Wir  kennen  sie  namentlich  aus  zwei  Berichten;  den  alleren  hat  uns  in  seiner 
euhemeristisrhen  und  combinierenden  Weise  Saso  grammaticus  (Üb.  HI)  über- 
liefert, den  anderen  finden  wir  zerstreut  in  der  eddischen  Dichtung  und  in  zu- 
saiumenfasscndei  Darstellung  in  Snorris  Gylfaginning.  In  letzterer  finden  sich 
neben  vielen  alten  offenbar  jimgeZüge.  Ob  Baldr  als  besondere  Gottheil  auch  Kult- 
stfltten  gehabt  habe,  ist  nicht  crwdslich.  Allein  Mytlien  von  ihm  müssen  in 
Skandinavien  weiter  verbreitet  gewese-n  sein  als  nur  auf  Island  und  in  Danemarir. 
In  Schweden  ist  die  Erinnerung  an  den  Gott  nur  gering  (Lundgrcn,  Hednisk  Gu- 
datro  i  Sverge  77);  grosser  ist  sie  auf  I.sland  und  in  Norwegen  (Bugge  265  f.), 
ganz  besonders  gross  ist  sie  aber  in  Dünemark  (ebd.  iS8ff.  A.  Olrik  a.  a.  O. 


S.  44).  ^Ulen  nordischen  Vülkem  Ix-kannt  ist  die  liaUrshraue  {Baldrsfmf), 
die  Hundskamille,  die  nadi  dei  weissen  Furbc  des  Guttcs  ihren  Namen 
haben  si>U  (SnE.  I.  90).  So  ist  die  Baldrsbraue  wohl  nichts  andcn  als  ein 
irdisches  Bild  der  leuchtenden  Sonne.  Dagegen  entbehrt  j^licher  hislurisclicn 
Untcrbge,  was  die  Fridpjüfssaga  (Fas.  II.  S^ff.)  von  Baldrshag  und  Bald« 
Verehrung  an  dieser  Statte  crzilhlt. 

Gemeinsam  den  beiden  Hauptquellcn  des  Baldrmythus  sind  die  Thatsachen« 
dasB  nach  ihnen  Baldr  der  Sohn  CXtins  und  der  Frigg  ist,  dass  er  von  H^dr 
(Saxo  Hotherus)  getötet  iind  darauf  vun  seinem  Bruder  gcrflchl  wird.  Dieser 
Bruder  hcisst  bei  Saxo  Bous,  in  aJtdan.  Chroniken  Both  (Garad.  Kr.  14),  in  den 
isliLndi.schen  Quellen  Väli  (Ali).  Die  weitere  Ausbildung  der  Mythen  ist  vcr- 
sdiicdt-n  und  mag  den  vcn»chieUenen  Stimmen  angeh(>rcn.  Indem  der  Baldr- 
m>tl)U5  an  den  üdinsmythus  anknüpft,  setzt  er  diesen  als  ausgebildet  voraus. 
Da  Ödinn  aber  erat  zu  Wikingerzeil  für  den  Norden  der  Mittelpunkt  der  MytJicn 
wurde,  so  kann  der  uns  erhaltene  Baldrmythus  nicht  vor  dieser  Zeit  ent- 
standen sein.  An  der  Grenzscheide  di;s  i.  Jahrtausendb  war  er  dagegen  voll- 
ständig ausgebildet:  die  Skalden  Kormakr  (c.  c^xü)  und  Vetrlidi  (c.  <^no)  ge- 
brauchen Umschreibungen,  die  in  dem  avLsgebildeten   Mythus  wurzeln. 

Baldr  ist  zunflclat  seinem  ganzen  Wesen  nach  ein  Lichtgi.>tl,  ein  Sonnen- 
gott, der  sich  ungefähr  ähnlich  aus  dem  'Ttwaz  entwickelt  hat,  wie  bei  den 
Griechen  Apollo  aus  Zeus.  Daher  heJssl  er  der  weisseste  yhvStastr  SnE.  II. 
20~'|  der  .\sen,  daher  ist  nach  ihm  die  glänzendwcisse  Balilr^brauc  genannt 
{Halihihrä  ebd.»,  daher  gdit  von  ihm  nur  Glanz  aus.  Seine  Burg  ist  fireida- 
biik  ^Weilglanz'  (Grinm.  13),  von  der  aus  er  die  Well  übentchaut,  wie  Qdinn 
oder  Frcyr  als  HimmeLsgötter  von  Hlidskjälf.  Er  ist  kriegerisch  (Lok.  27. 
Fas.  I.  yf2)  und  milde  (SnE.  U.  i^f)  zugleich,  ein  spendender  Gtitt  wie 
Freyr.  Als  Richter  steht  er  oben  an.  Auch  hierin  berührt  er  sich  mit  Frey, 
den  man  beim  Eide  anrief,  und  vielleicht  mit  dem  Mars  Thingsus  der  Wesl- 
friesen,  dem  Foseti  der  Nnrdfriescn.  Sein  Gegner  Ist  H9dr  ixler  IJotherus, 
wie  in  Saxü  nennt,  d.  L  der  Kampf  oder  der  Kampfer.  Er  ist  als  des  Soimcn- 
gottes  Gegner  ein  skaldisches  Gcgcn-itOrk  zu  Luki  und  wie  dieser  wohl  nur 
eine  dichterische  Gestalt  aus  der  Wikingerzeit.  Wahrend  Hotherus  aber  bei 
Sa.xo  ein  streitbarer  Held  ist,  ist  er  nach  der  islandischen  Übcrticferung  ein 
blinder  Ase,  der  nur  durch  Loki  den  todbringenden  Mistelzweig  wirft  Die 
liebe  Kor  schönen  Kanna  ist  nach  Saxo  der  Gnmd  des  Kampfes  zwischen 
Hotherus  und  Baldr.  Auch  die  wlandischcn  Quellen  kennen  die  Nanna  als 
Baldrs  Gemahlin.  Was  Nanna  bedeutet,  ist  nicht  recht  klar;  schwerlich  ist 
mit  Bugge  an  die  griechische  Oencme  zu  denken.  In  dieser  Liebeserzahlung 
scheint  sich  der  Mythus  gespalten  zu  haben,  txler  eine  besondere  danische 
Sage  von  Hotherus  scheint  mit  ihm  bei  Saxo  vx-rschmolzen  zu  sein  (A.  Olrik): 
wahrend  llaldr  nach  Saxo  beim  "Werben  um  die  Nanna  zugrunde  geht  und 
seine  Geliebte  in  den  Be^tz  des  Gegners  kommt,  —  ahnlicli  befindet  sich  die 
schöne  Gerdr,  die  Frevs  IJebe  erworben  hat,  in  den  Händen  der  Reifriesen.  — 
ist  er  in  den  Lslandwcheu  Quellen  der  Gemahl  der  Nanna.  der  Tochter  Nefo, 
die  zugleich  mit  ihm  stirbt  Die  Vorgänge  vor  Baldrs  Tode  sind  dann  in  den 
iaillndischen  Quellen  weiter  in  echt  nordischer  Weise  ausgeschmückt  Schwere 
Traume  Baldra  lassen  die  Götter  ein  grosses  Unglück  ahnen.  Das  ist  ein  echt 
nonlischer  Zug,  denn  wo  der  Nordlander  von  grossen  Erdgnissen  berichtet, 
haltn  TrSume  diese  verkündet  Auch  Saxo  erzahlt,  wie  die  Hei  {Pnstrpina) 
dem  Baldcius  vor  seinem  Tode  im  Traume  enicheint  (I.  \i^).  Der  DiclUer  der 
Vegtamskvida,  dem  wir  diesen  Mydius  verdanken,  lUssl  Ddin  darob  zu  einer 
V^lva   gehen   und   von   ihr    die   Traume    deuten.      Frigg    vereidigt    infolge 


3^6 


XI.  M\THoij»r,rs. 


tlifser  Ahnun^'cii  rlic  ^imxc  Natur.  BaWr  kein  Ll-IcI  zuzufügen.  Nur  der  un- 
sclieintwre  Mistelzweig  i.st  zu  gering,  als  «ia-ss  mai\  auch  vun  ihm  den  Eid 
verlange:  er  wird  des  Crottes  Tod,  denn  ihn  giebt  Loki.  der  eigentliche  Ur- 
heber des  Mordes,  dem  blinden  Hyd  in  die  Hand,  dass  er  beim  frohea 
Spiele  der  Grtiter  damit  räch  Baliir  werfe.  —  Diese  ganze  Au.'achmflckung 
ist  offenbar  jünger  und  hiit  die  .allere  DicIilunR  versdiübcn  und  neue  Elemente 
in  sie  gebracht.  Zunfichst  hat  I,öki,  der  Gegner  des  alten  lichten  Himmels- 
gottps,  den  Ilyrt  mehr  in  den  Hinter^grund  gedrängt.  Dann  ist  aber  auch 
an  Stelle  des  allen  Schwertes,  duah  das  der  Gutt  uffenbar  gefallen  ist, 
der  mtstilleinn  getreten  und  zwar  aiw  einem  Gnmde,  der  nirlit  mehr  er- 
sichtlirh  isl,  da  der  MisleUweig  doch  snnst  im  Vntksglaulten  nur  als  Schutz- 
mittel gegen  W-rhcxung  gehntiichl  wird  (Kuhn,  Ilerabk.  d.  Feuers*  204  ff., 
Wuttke,  Abergi.  §  128).  Nun  wissen  wir  aus  anderer  gemianisilien  Mythen 
von  HiinwebignLtem,  dass  diese  sich  in  Besitz  eines  vurzftglichen  Schwertes 
befinden,  durch  welches  sie  uml-ommen,  sobald  es  in  die  Hflnde  ihrer  Gegner 
kommt;  es  ist  dies  Schwert  das  Symbol  der  Sonne:  die  Madtt  des  lichten 
Tages-  und  Himmelsgottes  hrtrt  auf,  wenn  diese  am  Horizonte  verschwunden 
ist,  wenn  sie  sich  in  der  Gewall  der  finsteren  M;ichte  heiindet.  Durch  ein 
solches  Schwert  fallt  auch  Baldr  nach  Saxo  (1.  114);  es  befindet  sich  im 
Besitze  des  Waldgeistes  Minimingus  imd  vermag  allein  dem  Sohne  Ües 
Oihinus  den  TL»rl  zu  bringen.  Dieses  gewinnt  Hother\is  und  mit  ihm  zu- 
gleich den  ewig  GtjJd  zeugenden  Ring,  den  i-*lilndischen  Draupnir,  ebenfalls 
ein  Symbni  fler  Srnne.  Misielteinn  ersrlieint  aber  in  den  nordischen  Quellen 
mehrfach  als. Schwertname  (SnE.  r.  5O4.  Hervamrs.  Ausg.  Biigge  2of>).  Vor  allem 
spielt  dies  Schwert  eine  Rolle  in  der  Hromundar  saga  Greifwsonar  (F'as.  IL 
571  ff.),  in  der  ganz  vcrblasste  Erinnerungen  an  den  Baldnmihus  vf>rzulicgen 
achcincit.  Hier  treten  zwei  Brüder  auf,  die  nach  der  Ausgabe  Bildr  und 
Voli  heissen,  unter  denen  aber  wühl  Baldr  und  Väli  genieiiii  sind.  Sie  sind 
offenbar  Gegner  lU-s  Hr(''mund,  in  dessen  Besitz  sich  das  Schwert  Mis/e/tn'nn 
befindet.  Bildr  füllt  ein.st  im  Kampfe  gegen  die  Haddingen;  ilas  S<-hwert 
spielt  dabei  keine  Rolle,  aber  bald  darauf  entwindet  Vuli  dem  Hrüraund 
durch  Zauber  die  Waffe,  und  nun  isl  dieser  dem  Tode  geweiht.  So  unklar 
aui  h  die  ganze  Erzflhlung  ist,  .so  treten  d«ich  in  üir  die  Hauptgeslalten  des 
Baldrmyihus,  die  den  Tod  bringende  Waffe  und  mehrere  Züge  der  Handlimg 
auf,  die  eine  Erinnerung  an  jejien  wahrscheinlich  machen. 

Baldr  ist  tot.  Nach  nordi.'*chcT  Seemann.sweise  wird  er  bestattet:  auf  dem 
Schiffe  wird  ihm  der  Leichenbiand  errichtet.  Thor  entfacht  ihn  mit  seinem 
Hammer,  nachdem  die  Riesin  Hvrrokin  das  Schiff  flott  gemacht.  Wiederum  in 
echt  nordischer  Weise  kommt  da.«  Weib  auf  einem  Wolfe  geritten,  Nattern 
sind  die  Zügel  ihres  Reittiers.  In  feiedichem  Zuge  siml  die  Äsen  um  den 
Leichenbrand  vereint:  Odinn  mit  den  Walkvren,  Frcyi  auf  goldenem  Eber, 
Hcimdall  auf  seinem  Rosse.  Diesen  Zug  sah  der  Skalde  ÜUr  Uggason  unter 
den  Gemälden  der  neuen  Halle  de«  Olaf  pä  (PBB  VH.  .UÖff.).  Auch  Saxo 
erzählt  von  einer  almlichen  Totenfeier,  nur  hat  er  «len  Schiffsbrand  auf  den 
Sachsenkunig  Gclderus  übertragen,  der  am  Kampfe  teilnahm  (F.  119).  —  Über 
das  fernere  Schick.sal  des  Nanna  gehen  wieilerum  beide  Quellen  auseinander. 
Nach  Saxo  kommt  sie  in  den  Besitz  des  Hotherus,  den  sie  selbst  Hebt,  schon 
vor  Baldrs  Tode  (Saxo  L  iio.  124),  nach  der  .SnK.  dagegen  (IE.  388)  geht  sie 
mit  ihrem  Gemahl  zu  Grunde:  sie  l>arst  v'»r  Schmerz  und  kam  mit  ihm  zur 
Hei.  Nun  folgt  in  der  islandischen  Überliefenmg  ein  Mythus,  <ler  sonst 
nirgends  nacliweislMir  ist:  Herinodr  reitet  auf  Veranlassung  der  Krigg  auf  CXtins 
Ross  Sleipnir  zur  Hei,  um  Baldr  wieder  aus  ihrer  Gewalt  zu   Uisen.     Neun 


Baldr.    FoRSBn. 


3^7 


Nachlc  dauert  SL-m  Ritt,  bis  er  zum  Gjallarstrom  kommt,  an  dessen  g^den«r 
Brü<ke  dir  M.'nlgiidr  sitzt,  tlie  ihm  venu  Tntenzug  Ualdrs  eizAhll.  Herm^dr, 
den  die  eddisdie  Mytlu'lupe  zu  ilfii  Aseti  reihiiel  und  zu  ciiiem  Sohne  Ödins 
macht,  ist  sonst  als  Goll  unbekannt;  er  seheint  aus  der  Heldensage  (llviidl.  2) 
in  den  jungen  M>-thus  gekommen  xu  sein.  —  Hei  verspricht  auch,  den  Gott 
«icdcr  aus  ihrer  Gewalt  zu  lassen,  wenn  alles,  lebendige  und  lehl(»e  Dinge:, 
iho  l»eu«'inen  würde.  Da  klagt  und  trauert  die  ganze  Natur,  nur  die  Riesin 
Pvlii-  't-  i-  die  Sthweigcrin.  hinter  der  verkappt  I-oki  sltekcn  stJl,  weint 
nidit.  und  so  bleibt  Baltir  in  llcis  Ikhausung.  Bevor  sich  aber  Hennndr 
von  Baldr  trennt,  giebt  dieser  üim  den  Guldriiig  Draupnir  für  Odin,  und 
Nanna  ihren  herrhrhen  Kopfputz  fßr  Frigg  und  einen  Gr-Idring  für  Fulla  mit 
(SnE.  II.  J8.JI. 

Wiederum  stimmen  die  Quellen,  die  von  der  Rache  an  dem  M ürder  Batdrs 
entrUiIen,  liberein.  S«->wolii  nach  dänischem  wie  nach  i.sl;indiscJiem  licrichte  ist 
es  ein  Sühn  Odins  und  der  Rind  (Rinda  bei  Saxu),  der  als  Kind  seinen  Bruder 
rächt.  Nur  die  Namen  sind  verschiedcri.  Nach  dem  islündisrhcn  Uerirht 
heisst  er  Väli  oder  Ali;  er  wäscht  sich  nicht  früher  noch  kflmmt  er  sein 
Haar,  bevor  er  den  Rnider  gcriichi  hat  \V'egt.  u.  H^ndl.  JO).  Ks  ist  der- 
selbe isländische  Ase.  der  nach  anderer  Quelle  im  Vereine  mit  Vidar,  Odins 
RAchcr,  und  Thors  .Sühnen  Modi  und  Miigni  die  veriilngte  Welt  regiert 
(Vaf|>rm.  511.  wälirend  nach  der  Vyluspä  Baldr  wlbst  zurückkehrt  und  fried- 
lich neben  H^  herrscht  (Vsp.  h2).  Sa.\o  nennt  dagegen  den  Racher  des 
Baldr  Bous,  d.  h.  Bebauet  oder  Nachbar  i Bu^-ge  Siu<t.  I.  1^2),  und  iHsst  ilm 
selbst  bald  darauf,  nachdem  er  den  Hothenis  geliitei  hat,  sterben  (Saxo  I.  I^I). 

Soweit  die  Quellen  des  Baldnnythus.  Wenn  wir  von  aller  lokalen  Weiter- 
bildung des  Mythus  absehen,  stellt  sich  heraus,  dass  die  Ti^tung  Baldis  durch 
cme  geweihte  Waffe,  die  Kich  sein  Gegner  H^dr  zu  verschaffen  gewusst  hat, 
und  die  Rache  seines  Bruders  an  dem  Miirder  der  eigentliche  Kern  des 
Mytlius  ist.  Und  in  diesem  vermag  ieli  nichts  anders  als  einen  alten  Jahres- 
mydiUH  zu  t-rkennen.  Kr  hat  in  tler  Vorstellung  vom  Tode  des  lichten  Soimen- 
gottes  seine  Wurzel.  War  aber  tler  Gott  dunh  einen  anderen  getötet,  so  be- 
durfte er  nacJi  altgeniiantschem  Rechtsbegriffe  des  R;ichere,  und  aus  diesem 
Auffassungskreise  ist  dt-r  Bruder  in  i.[er  Dichtung  entsprossen.  Ihre  Heimat 
hat  diese  Dichtung  hncitsi  w^hrstiieinli«  h  bei  <lcm  gauii.-;!  htn  i-der  dänischen 
Stamme.  Auf  danischem  Boden  wurzelt  sie  daher  in  der  VolkMil«-riieferung 
am  festesten.  Auf  Seeland  kennt  man  seit  alter  Zeil  ein  ßaldenbrönd,  dne 
Quelle,  wo  Baldr  für  seine  ersclu>])ften  Kri^^er  Wasser  aus  der  Erde  ge- 
sdilagen  habe,  und  verschiedene  Orte  Buldn  höjc,  wo  Baldr  begraben  sein 
soll.  Der  Gi-itt  war  im  I-aufe  der  Zeit  zum  Kleinkönig  geworden,  dessen 
Gegner  Hoder  in  Horsens  seinen  Sitz  hatte.  Auch  auf  Jütland  lebten  die 
Sagen  wm  ihm  noch  bis  in  unsere  Zeit  fort  (A.  Olrik.  SaltÄCs  OldliLst  11, 
S.  38  ff.).  Von  hier  aus  mag  dann  Kult  und  Mytlius  oder  vielleicht  nur 
letzterer  nach  Nom-egen  gekommen  sein,  wo  ebenfalls  Ortsnamen  an  den  Gott 
Ctfnnem  (A.  Olrik  a.  a.  (V  S.  1.5  ff.).  Norweger  und  Islander  haben  ihn  dann 
nach  ihrer  Weise  ausgebildet  und  vieileirhl  auch  manchen  fremden  Zug  mit 
aufgenommen.  Sie  mOgen  es  auch  gewesen  sein,  die  den  Forseti  w(^n  seiner 
ObereiDstimmung  mit  B;ddr  zu  dessen  Sohne  gemacht  haben  (SnE.  11.  370). 

Forseti,  d.  h.  *der  Vorsitzr-r«.  war  nach  der  .SnK.  der  beste  aller  Richter, 
Seine  Wohnung  war  Glu*m  d.  i.  »der  glänzende  Palast*  (Grim.  15),  von  wo 
aus  er  allen  Streit  schliditete.  Letztere  deckt  sich  mit  dem  Breidablik  Baldr?, 
wie  «ich  ihr  Herr  selbst  mit  dem  in  ReclitS:>achen  nie  irrenden  Gottc  deckt. 
Aas  den  wen^n  Bemerkungen  isländischer  Quellen  erselien  wir,  dass  Forseti 


3^8 


XI.  Mythologie. 


weiter  nichts  ist  wie  Baldr  als  Rechtsgott,  denn  nur  als  solcher  tritt  er  uns 
in  den  Quellen  entgegen.  In  diesen  finden  wir  ihn  überliaupt  nur  in  den 
Grimnismal  und  der  von  diesen  abhangigen  SnE.  Freilich  scheinen  norwe- 
gische Ortsuarocn  «ie  Fondehmd.  FostettSund  (Bugge,  Studien  290  Amn.  2) 
für  Verehrung  des  Gottes  in  Norwegen  zu  .';i>rechen.  Käme  faneti  im  alt- 
nordischen Volks-  und  Rechtslebcn  vor,  so  wäre  die  nordische  Verbindung 
mit  Baldr  leicht  erklart.  Allein  dies  ist  nicht  der  Fall.  Nun  finden  wir  einen 
Fosiie  in  den  friesischen  Landen  westlich  der  jotisrhen  Halbinsel,  nach  dem 
die  Insel  Helgwl;ind  den  Namen  FosileSand  erhalten  hat.  Wir  wissen  femer, 
wie  ausgrpr;ig:t  der  Rechtssinn  gerade  bei  den  Friesen  gewesen  ist.  Mit 
diesen  haben  aber  Norweger  seit  alter  Zeil  Handel  getrieben  (Stccnstrup. 
Norman.  II.  27  f.)^  und  auch  in  der  Wikingerzeit  finden  wir  Friesen  zuweilen  auf 
Seite  der  Normannen,  um  ihre  Freiheit  zu  sclürmen  (ebd.  150  f.).  Es  ist 
daher  recht  wohl  möglich,  d;iss  die  Norweger  von  ihnen  diese  Gottheil 
kennen  gelernt  und  von  Fricsland  mit  in  ihre  Heimat  genommen  haben. 
Auf  V(  ilkselyuiolugische  Weise  isl  hier  tler  Name  Foscte  xu  Forseti  ge- 
worden, und  da  sich  seine  Thiltigkeit  mit  der  Batdrs  deckte,  so  verschmolz 
er  mit  diesem  und  wurde  zu  seinem  Sohne. 

Auf  der  Insel  Helgoland  war  das  alle  Gauheiligtum  der  Nnrdfriesen.  An 
heiliger  Quelle  war  dem  Fositc  i>der  Fosete  der  Tempel  errichtet;  hier  wur- 
den ihm  Menschenopfer  gebracht  (Vita  Willibr.  c.  10),  die  nach  anderen 
Quellen  nur  dem  höchsten  Gölte  galten;  hier  war  alles  dem  Gotie  geweiht, 
nicnuuid  dmfle  wedet  Tier  noch  sonst  etwa:>  auf  der  Insel  berühren,  und 
schweigend  nur  durite  man  aus  der  Quelle  schöpfen.  Es  ist  derselbe  Foseti, 
der  die  friesischen  .\5egen  nach  alter  Sage  das  Recht  lehrte,  ein  üott,  der 
vor  ihnen  erschien  und  nach  ihrer  Belehrung  wieder  verschwand,  nachdem 
er  zuvor  noch  den  alles  stillenden  Quell  hatte  herwisprudelu  lassen  (v.  Rieht 
hofen,  Fries.  Rq.  430)-  Das  war  kein  untergi5ordnr;ter  Gott,  sondern  eine 
Golüicit,  die  bei  den  Amphykiinnen  ihres  Heilij-tiun^  die  höch.sle  Bedeulimj^ 
hattfi:  wir  verstehen  .sie  allein  von  friesi-schem  Boden  aus  mit  einem  Hinblick 
auf  den  Mars  Thingsus.  nimmermehr  vom  nordischen,  auf  den  sie  zweifelloB 
erst  in  spätui  Zeil  verpflanzt  ist.  Die  Etymokügic  des  Namens  ist  dunkel. 
Schwerlich  i.st  es  mit  Buitenru.st  Hetlema,  der  in  ilira  Tlionar  zu  finden  meint,  als 
»der  Frudilbaie-  zu  erklären  (Tijdschr.  van  Ned.  laal-  en  letterk.  1Ö93,  281  ff.). 


KAPITEL   X. 

WÖDAN  —  ÖBINN. 

§  ^$.  Keine  gennanische  Gottheit  hat  in  der  Geschichte  unserer  Mytho- 
logie eine  ähnliche  R<»!le  gespielt  wie  Wodan.  Sie  gilt  noch  heule  vielen 
als  die  altgernianische  Haupigottheit,  als  der  Mittelpunkt,  mit  dem  die  anderen 
Gfitter  mehr  oder  weniger  im  Zusammen! lange  stehen.  Hiermit  hängt  die  groöC 
Reihe  der  Üeututigs versuche  zusammen;  dem  einen  ist  er  in  seiner  ursprting- 
Itclicn  Erscheiumig  das  allumfassende  und  alles  durclidringende  W*esen  (Grimm. 
Myth.  I.  1 10),  dem  andern  nichts  weiter  als  ein  Gcsangesgott  ^Vigfüsson,  Corp. 
poet.  bor.  I.  CHI  E,;  v.  Biadke.  Djäus  Asura  X).  Und  doch  ist  er  beides 
erst  im  Norden  geworden:  jenes  vum  christlichen  Vurslellungskreise  aus, 
dieses  durch  norwegische  Dichter.  Hier  kann  wie  überall  nur  eine  Geschichte 
des  MylliUÄ  zur  reclilen  Etymologie  des  g^Utlichen  Namens  führen»  die  sich 
seilen  bei  einer  Gottheit  klarer  verfolgen  Iftsst  als  bei  dieser. 

Die  Entwicklungsgeschichte  der  Wödansverehrung.  Es  isl  schon 
langst  erkannt,   dass   wir   keinen    feälen  Stutzpunkt  haben,    einen  Wuotans- 


FoRSETi,    Wodan. 


329 


W 


kult  bei  UcD  uberdcutschcn  SUlnimeo  als  7*hatsuch<:  hinzmlcUcn  (Leu,  Ober 
Odins  Verehrung  in  Deutschland);  seihst  Ortsnamen,  (bc  ditch  in  erster  IJnic 
fOr  einen  lebendigen  Kuh  sprechen,  fehlen  hier  {Mjih.  I.  131).  Auch  die 
Nordendorfer  Spange  vermag  an  dieser  Thalsachc  nichts  zu  ündem,  da  es 
sich  nicht  beweisen  lassi.  welchem  Stamme  der  Kitzer  jener  Runeninschrift 
angchüitc  (Henning.  Die  deutschen  Kuncndenkm.  lOi  ff.)'.  In  Ennanglung 
tnftiger  Beweise  tiahen  der  Eigenname  Wuntan  (Myth.  I.  109.  ZfdA.  XII. 
4O]  f.)  tind  die  Glosse  wotan-  »tyrannus«  (Myth.  I.  1 10)  Beziehungen  auf 
ciie  Verehnmg  des  aJtcn  Gottes  bieten  sollen.  Nut  lüsst  sich  weder  erweisen, 
dass  G{>ttemamen  schlechthin  als  Eigennamen  aviftrcicn,  ni>ch  d:Lss  ein  altes 
allgemein  verehrtes  Wesen  gerade  als  »Tyrannus-  bezeiciinet  wurde.  Dem 
widerspricht  nicht,  da^  Jonas  von  Bohbio  in  der  vita  Cnlumhani  erzählt, 
dass  (Üe  Alemannen  ihrem  Gotte  Vodano  Opfer  gebracht  hatten.  Es  finden 
»ich  bei  den  Alemannen  ebensowenig  wie  bei  den  Baicm  —  was  Quitzmann, 
ReL  d.  ßaiwaren  S.  21  f.  vvirbringt,  ist  nicht  beweisend  —  irgend  welche  .Spuren 
eines  hervurtreu-ndcn  WuutaiikuUes;  kein  Ort  ISsst  sich  mit  Sicherheit  auf 
die  Gottheit  zurückführen,  keine  Pflanzen,  Steme  u.  dgl.,  wie  vielfarii  in 
Mitteldeutschland  und  dem  Norden.  Noch  entscheidender  ist  der  Name  des 
vierten  Tages  der  Woche.  Grimm  (Myth.  I.  102  ff.  III.  46  ff.)  zeigt,  wie 
man  in  allen  germanischen  Landen  deutsche  Gottheiten  für  die  römischen 
setzte,  als  die  römische  Kultur  die  Namen  der  Wiicheutage  nach  Ger- 
nuutien  brachte.  Nur  der  >dies  AUreurü*.  fand  bei  den  Oberdeutschen  keine 
entsprechende  Wiedergabe.  Während  er  sie  diKrh  bei  allen  niederdcnwchcn 
und  nordischen  SULmmeii  hat  und  hier  l^ödenesdag.  Wtmriei.  Ö^mäagr 
IL  s.  w.  lautet,  ersetzt  ihn  in  <  >berdeutschland  und  weit  nach  Mitteldeutsch- 
land  liinein  das  schon  bei  Nolker  belegte  miitmvecha.  Da  nun  bair.  Eieltig, 
alam.  Cüsdac  zur  Genüge  zeigen,  dass  diese  Stumme  mit  vollem  Bcwusstsein 
die  heimischen  Gottheiten  für  die  römischen  setzten,  so  kann  sich  das  Feh- 
len eines  "  WHoiaiustat,  den  wir  bei  der  untergelegten  grossen  Bedeutung  des 
Gottes  um  so  mehr  vermissen  dürften,  nur  daraus  crktürcu,  dass  die  ober- 
deutschen Stamme  keine  Gntlheit  verehrten,  tlie  sie  für  den  rrim.  Mernirius 
einsetzen  kunnien,  wie  auch  bei  allen  ijennanischen  Stämmen  keine  den  Saturaus 
«icderzugebeu  vermochte.  Diesen  negativen  Zeugnissen  gegenüber  fallt  das 
einzige  de»  Jonas  von  Bobbio,  der,  ein  Langobarde  von  Geburt,  .leinc  vita 
Columbani  kurz  nach  620  schrieb,  nicht  in  die  Wagschale:  noch  im  6.  Jahrh. 
berichtet  der  gut  unterrichtete  Agathias  (Hist.  I.  7),  wie  die  Franken  auf 
religiösem  Gebiete  auf  die  Alemannen  von  liinfluss  gewesen  seien.  Die 
Franken  aber  waren  zweifellijs  Wödausverehrcr,  und  so  hegt  nichts  naher 
als  die  Annalmie,  dass  einzelne  Teile  Atctnanniens  von  ihnen  den  Kult 
dieses  Gottes  angenommen  haben.  Somit  bleibt  Niederdeutschland  bis  tief 
nach  Mitteldeutschland  hinein,  Dänemark  und  der  skandinavische  Norden 
als  die  eigentliche  Statte  der  Wr^lansverehrung.  Jn  Skandinanen  fliessen 
nun  die  Quellen  ziemlich  rcichtidi,  namaitltch  in  der  nurwcg.- isländischen 
Skaldendichtung,  wie  sie  die  nordischen  Könige  hebten  und  pflegten.  Und 
duch  feiert  fast  nur  die  Dichtung  diesen  Gott  sowie  die  Kreise,  mit 
denen  die  Di<:htcr  in  engstem  Verkehre  stehen,  die  grosse  Masse  des  Volkes 
isi  ihm  g^enüber  kalt.     An  KünigshOfen  bringt   man   ihm  wohl  Opfer  und 


1  E»  ist  fi^i  unvcntlndlkh.  •*•«  man  uus  Martin  roa  Bracan  WuoumkuU  t>d  deo 
Suelicn  tcfaliesaea  kann.  Man  lese  nur  da«  7.  Kap.  Km<r  Corrcctio  rusticorum.  wo  der 
Jttfi/n'ur.  ifHi  maj^i  fuerat  cp«'3hni  wird,  und  jnlctn  Voruftcitsftvteii  wird  es  sofort  klar 
•düi.  wai  hier  Mmln  votgcsctiwcU  hau 


330 


XI.    MTiTHOLOOIE. 


weiht  ihm  Tempel,  alier  der  norwegische  Bauer  verehrt  nach  wie  vfir  seinen 
J'or  odtT  scint'ii  Frey  und  Njyrd.  Es  ist  Hcnrv  Ptrlt-rseiis  unbestrittenes 
Veniienst,  die  Thatsathe  hemescn  zu  haben,  das.i  sich  der  ganze  nordische 
Götterßlaube  nur  unter  dur  Vuraussclzun^  verstehen  lasse,  wenn  wir  den 
Ursprung  der  ("Idinsverehning  ausserhalb  des  NVirtlens,  in  r)euts<liland  oiler 
in  Enjjland  sui'hen,  wo  diese  viel  alter  sei  als  im  Xorden  (Om  Nrirdboemes 
Gudedyrkclae  og  Gudetro  i  Hedenold.  Kbäi.  187^).  Wohl  durchweht  die 
Kcldalieder  wie  die  Skaidendichtnng  durchweg  Odinsx-erehrung,  aber  die  volks- 
lüniliche  Saga  stellt  dazu  in  auffallende m  Gegensätze:  W>rr  ist  der  misf 
tignaär  >der  am  meisten  Geehrte« ,  er  ist  der  allmilrhtigc  Ase  {dss  inn 
alntiUski),  der  fivtenlmimus  drontm,  wie  ilm  Adam  von  Bremen  nennt,  nirgends 
OÖinn.  Pörs  und  Frc\B  Bild  werden  oft  erwähnt,  nur  einmal  *  )dins.  Abge- 
sehen von  den  Kunigs<_)pfeni  gelten  die  (_)[)rt,'r  nur  i'ör  und  Krev.  Personen- 
imd  Stadtenanieri  finden  sich  erst  in  spaterer  Zeit  liaufijrer  mit  Üttin  in  Ver- 
bindung gebracht  und  xwar  hauptsächlich  in  Sftdschweden,  in  alter  Zeit 
herrschen  I*or-  und  Kreykomposita:  h^rr  Jillein  weihte  die  Runen,  nii^ends 
Odinn:  alle  Thingtage  fit-len  auf  den  rörsdag,  nie  auf  (Jflinsdag;  l'ors  Hammer 
findet  sirh  auf  kingen,  Uraneaten,  Sthmucksachen,  (Hlins  S]ieer  oder  seine 
Raben  lassen  sich  nirgends  nachweisen.  Und  selbst  in  der  Eidesfurmcl  tritt 
nie  Odinn  auf.  sondern  nur  FrejT,  Nj^rdr  und  tnrr.  Hierzu  kommt,  dass 
auch  in  DSinetnark  die  Odins\  erebning  nie  besrmders  ausgettildet  gewesen 
ist,  da  CS  Sa-xo  Schwierigkeiten  matht,  die  Gestalt  des  Gottt-s  nach  seinen 
norwegisch -isla  ndisehen  Quelli-n  recht  zu  erfassen,  weil  er  nach  diesen  in 
gewissem  Gegensatz  zur  danischen  Vnlksüberlieferunjf  steht  (A.  Olrik,  Sakses 
Oldhist.  I.  30  ff.). 

Diesen  negativen  Zeugnissen  treten  aber  auch  positive  zur  Seite:  Die 
Heimskringla  (S.  6  f.)  kennt  eine  Sage,  nach  der  ( tdinn  aus  Saxland.  worüber 
er  König  gewesen  sei,  über  Danemark  narh  dem  N4>rden  gekommen  tst. 
Dieselbe  Sage  weiss  anrh  die  Snorra  Kdtla  zu  berichten  (AM.  IL  252).  und 
die  Einkleidung  der  Gylfagicming  setzt  sie  voraus.  Xach  anderer,  wenn  auch 
junger  Aufzeichnung  «-ird  Odinn  geradezu  als  Saxa  goä  bezeichnet  (Flb.  III. 
446).  Hierin  mag  auch  der  Kampf  zwischen  den  Äsen,  von  denen  Odinn 
allein  uiti  Namen  genainit  wird,  und  den  Vanen  seine  F.rkklrung  finden:  es 
ist  der  Kampf  des  eJUKiehendcn  Gottes  mit  den  früheren  Güttt-m,  der  mit 
einer  Vereinigun;;  der  beiilen  Gntterfaniilien  endt-t.  wobei  jednih  Odinn  die 
Oberhand  behalt.  Auch  der  alte  Mythus  von  der  Findung  der  Runen  mag 
darauf  hinrleuten.  Es  steht  fest,  dass  diese  aus  dem  lateinischen  Alphabete 
entstanden  und  über  Deutschland  nach  dem  Norden  gekommen  sind.  Odinn 
braehte  sie  mit,  der  Gott  ;dUw  Zaubers.  Femer  unterliegt  es  keinem  Zweifel, 
dass  der  Kern  der  Sigurdslieder  aus  Deutschland  nach  dem  Norden  ge- 
langte; iu  diesem  scheint  aber  der  Odtnsmythus  ein  unhisbarcr  Bestandteil. 
denn  nur  durch  das  Eingreifen  Odins  in  ihr  Geschlecht  erhalten  die  V9I- 
sungen  ihre  Bedeutung:  wo  sie  zu  Hause  sintl,  da  muss  man  auch  den 
Odin  verehn  haben  und  zwar  als  den  hiVlisten  Gott.  Und  wenn  diese 
Sagen  mit  Bestimmtheit  nach  dem  Norden  wiuiderien.  warum  kann  es  dann 
nicht  auch  mit  den  Mythen  von  Odin  geschehen  sein?  Was  uns  daher  die 
Edden  und  Skalden  von  (.>din  erzählen,  kam  nicht  zum  geringen  Teil  au» 
der  nortideu Ischen  Tiefebene,  wo  wir  allein  mit  Bestimmtheit  eine  ausge- 
bildete Wödansverehrung  zur  Zeit  der  Vülkerwjinderung  finden,  wahrend  sie 
der  nnrdisclien  Volksitberlieferiuig  in  der  eddisclien  und  skaldisclien  Auf- 
fassung von  Haus  aus  durchaus  fremd  war:  hier  spielte  (»dinn  keine  andere 
Rolle  als  der  Wode  in  der  deutschen  Volkssagc,  d.  i.  als  Windwesen.     Wo 


GESCHicars  des  Wödanskultss. 


53^ 


k 


wir  als«»  Wrxlarwvert-hrung  fiinlen,  Ohirall  fflhrt  sie  uns  narh  NiwiMxif^utwh- 
iand.  Hier  war  es,  wo  die  Sachsen  rmcli  im  8.  Jahrh.  dickem  Gott  ab- 
»chM-rirvii  ^mK^tcn  (MSD.  LIi,  dL-mselben  G<At,  den  bereits  ihre  Vorfahren  als 
den  hr(clisrrn  Gott  im  5.  Jiilirli.  mit  hinflber  nach  England  genommen  h;itten, 
vuu  dctn  (Üc  sapaihaftcii  Führer  iBcda.  Hisl.  l-clI.  I.  131  und  spÄtcr  die 
angettiachsi^hen  K«■^ni(i;e  ihre  Al)kunft  Ijerleiteien  (Mydi.  III.  S/O),  den  sie 
(Or  den  Krliauer  der  Tempel,  den  Kinder  der  ßuchstaben  und  nach  christ- 
licher Auffassung  fOr  den  Gutt  des  Truges  und  da  Biebcreicn  hielten 
(Kjemblf-,  Die  Sachsen  I.  276  f.).  Hier  war  es,  wi>  die  de«  Sachsen  bwiach- 
barten  Lanjjnbarden  sclmn  vor  ihrem  Zuj;e  narh  dem  Süden,  aisu  ebenfalls 
im  5.  Jahrli.,  ihn  als  Himmels^im  um!  Siegeshcrm  kannten  iPaulus  Diac, 
De  gest.  Lang.  I.  ö),  und  vun  hier,  wu  sie.  selbst  Wt'idansverchrer,  neben 
lautet  W'Hlansvrrchrem  wohnten  und  mit  solchen  gemeiiiitain  wanderten, 
mag  die  Auffassung  stammen,  dass  er  ein  von  allen  Germanen  verehrter 
Gott  gewesen  sei.  Vun  hier  nuimien  ilui  auch  die  Thüringer  mit  hinauf 
nach  sQdlirhercn  Gegenden,  wo  wir  ihn  vnr  Kinföhning  des  Christentums  als 
den  höchsten  uiul  zuglr-ich  heilenden  G"tt  finden  i,MSD.  IV.  2(.  Ungewiss 
ist  es,  welcher  deutsche  Siauim  es  war,  von  dessen  Einfall  in  Gallien  der 
Verfasser  der  Miracula  St.  ApnUlnaris  berichtet,  den  er  »Hungri«  nennt  und 
die  er  als  Wodansverehrer  schildert  (ZfdMyth.  III.  303)- 

Diese  E(-tspielc  meliren  sirh  niich  dun-li  die  Fßlle.  w<t  Mercurias  für 
Wt'idan  steht.  Dass  aber  Mercurius  stets  W.Vlan  ist,  lernen  wir  ans  dem 
Namen  des  4.  \Vi>chcntages.  von  Paulus  DJaconus  (I.  9  HWaw  saue,  tfurm 
ttdjttia  litera  Gu-oäau  dixentnt,  ipst  est,  i/ui  afmU  Romanos  Mnrttnus  didtur), 
von  Jona.s  von  Bobbio  iaÜi  ajunt,  dto  suo  Vodano  quem  Meratrium  rora/U 
aÜi/,  aus  einem  alten  Bücherverzeiclinis  vun  Verlamacestre  aus  dun  10.  Jaluh. 
(Myth.  I-  lOO;  Menun'nm.  l'aden  anglue  (tp/tcllatumj .  aus  GeojTroy  v.  Mon- 
mauths  Hi.st.  Brii.  Colimus  nia,xime  Meirurium,  quem  Wodan  Ungua  nostra 
appeÜamus)  uml  ^einenl  isL'lndischen  Übersetzer  (Anii.  1H49  S.  b».  aus  Saxo 
Gram.  (I.  275)  uikI  splitcren  altengUschen  Quellen  (Kcmble.  Die  Sachsen  I.  2/8). 
Deckte  sich  doch  auch  Hennes-Mercuriu.s  zum  gr(^>sscn  Teil  mit  der  ursprflng- 
Uchen  Gestalt  des  Wndan  t  Koscher,  Hermes  als  Windgott.  Lp-t.  1878). 
Setzen  wir  nun  WiVlan  für  den  Mercurius  lateinisch  .schreibender  Schrift- 
steller ein.  so  finden  wir,  <i;iss  bereit^  zu  Tacitiis  Zeiten  dieser  bei  den 
Voikem  der  unteren  Rlieingegend  und  von  hier  ostwärts  am  meisten  ^-ercbrt 
miirdc.  denn  nur  auf  diese  Völker  kann  das  ma.xime  coliiui  {Germ,  tj)  gehen, 
wie  uns  nicht  nur  die  Germania  (c.  40.  43),  sondern  auch  die  anderen 
Werke  des  Tadtus  (HisL  IV.  O4.  .\nii.  XIII.  571  und  anderer  Schriflstcller 
belehren.  HieJ  verehrten  ihn  die  Bataver  im  z.  Jahrh.  unserer  Zeit- 
rechnung net»en  Man  Tiu  und  IhrcHles  Thonar,  wie  die  zu  Rum  gefuiuleiicn 
Votiviafeln  der  Garde reilcrkaseme  Ichren  (Zangemeister.  Heidelb.  Jahrb.  V. 
46  ff.),  hier  setzte  ihm  der  Bataver  Blesio  als  dem  Merruno  regi  einen  Stein 
( Brambach.  C«iri>.  Insix  Rheii.  Xu.  70).  Auch  auf  dem  linksrheinischen  Ufer,  im 
Kifelgcbicie,  finden  sich  Spuren  seiner  Verehrung.  An  der  uberen  Ahr  z.  B. 
hat  man  Bruchstücke  eines  Aluirsteines  gefunden,  der  dem  Mcrturio  Hannini 
geweiht  war  ^Bonner  Jahrb.  1873.  17^  ff.;  vgl.  dazu  Murh,  ZfdA.  XXXV. 
207  f..  Siebs.  Zfiiniil.  XXIV.  145  ff.).  Für  die  Verehrung  des  Gottes  durch 
die  Franken  geben  uns  dann  auch  Gregor  von  Tours  (HLsL  Franc.  II.  2()\ 
die  C-apitulare  und  Bussordnnngen  iWasserschleben  353  ff.»  neue  Beweise, 
während  uiw  auch  unter  dieser  Vriraussctzung  oberdeutsche  Belege  durchaus 
fehlen.  Nun  ist  aber  der  rege  Verkehr  der  Rftmcr  mit  den  Germanen  am 
unteren  Rheine  und  wm  da  landeinwärts  seit  Cäsar  bekannt,  wir  wissen,  dass 


332 


XJ.    M^•THOL«lGIE. 


tliirch  diesen  Verkclir  eine  Menge  rilmiscber  Kultur  auf  dif  Germiincn  übcrj^n^ 
(Mommsen,  Köm.  Gesch.  V.  107  ff,,  Hübner,  Rom.  Herrschaft  in  Westeuropa 
S.  87  u.  öfL),  wir  wissen  u.  a..  dass  wir  den  Römern  die  Namen  der 
WfKhcntage,  der  Monate,  das  AlphAbet  verdanken  (vg^,  u.  a.  Strabo  IV,  4: 
nanoTieiaffhrcg^  de  fil'puiQÖtg  h'dtddaot  -Tpöf  tö  yior^mftvtv,  oiaxr  xal  nat- 
d€{ac  änretj&at  xal  Xtiyoyv;  dsgl.  Florus  IV.  12).  Wt-nn  nun  als  Fiudcr  der 
Runen  nach  einem  schönen  nordischen  Mytlius  Oöinn  genannt  wird,  was 
hindert  uns,  diesen  als  den  Gott  aufzufassen,  der  in  seiner  Pereon  die  neuen 
Künste,  die  neue  Kultur  vereinte  und  weitertrug,  nachdem  er  sich  bereits, 
che  er  sie  aufnahm,  lokal  d.  h.  in  Xordwestdeutschland  aus  einem  unterEre- 
ordneten  Gottc  zum  Hauptgotte  entwickelt  hatte?  Aber  auch  diese  &»t- 
M*ickelung  ISsst  sich  verfolgen. 

Fast  in  allen  Gauen,  wo  Germanen  wohnen  oder  einst  pewohnt  haben, 
finden  **ir  die  Vurslcllung  vam  Wutes-  oder  Mutes-  oder  wütenden  Heere, 
vom  Woejager  und  ähnlichen  GeRtalten.  Rs  ist  iMngst  erkannt,  dass  diese 
Be/iehun.i;cn  spraclilicli  mit  Wndan  aufs  cnjj>te  zu.sainnienliJlnyt-ji,  niu  können 
sie  nicht  Reste  einer  alten  Wüdans Verehrung  sein,  d.  h,  des  Glaubens  an 
einen  Wudan,  wie  ihn  die  nordischen  Dichter  kennen.  Es  Ist  ausgemachte 
Thatsache,  dass  all  jene  Erscheinunj^n  nichts  weiter  als  die  Personifikation  der 
bewegten  I.uft.  des  Windes  sind  und  als  solche  oft  mit  Dämonen  des  Windes 
zu-sammenfliessen.  Sie  wtirdt-n  demnach  den  Wödan  nur  von  einer  Seite  dar- 
stellen, die  in  den  Hauplquellen  der  Wöilari-smvthen  ganz  in  den  Hintergrund 
tritt.  Hatte  Wudan  in  ganz  Deutschland  wirklich  jene  Macht  und  jenes  An- 
sehen besessen,  das  er  nach  den  nordischen  Quellen,  nach  Paulas  Diaconus, 
nach  Tacitua  in  der  unteren  Rht-ingcgend  hatte,  sa  w.'(re  diese  Einschrän- 
kung ganz  unerkladich.  Diesr-  mythischen  Bilder  müssen  demnach  alteren 
Volksglauben  vertreten,  wie  schon  richtig  von  W.  Schwurt?,  erkannt  ist  (Der 
Volksglauben  und  das  alte  Heidentum  '.  Berl.   18O2V 

Es  tritt  nun  die  Frage  heran:  ist  das  so  entstandene  Wesen,  d:is  noch 
überall  im  Volksglauben  fortlebt,  von  Haus  aus  ein  Dflmon,  der  sich  lokal 
zur  höheren  Gottheit  entwickelt  hat,  oder  Lsl  es  nur  die  eine  Seite  der  Thtltig- 
keit  des  alten  Himniel-^ttes  und  ist  aus  dieser  Tb.Higkeit  der  alten  Gottheit 
eine  neue  ers]3rossen.  die  in  gewissen  Gegfiuien  der  Mitte!]miikt  des  Kuttver- 
bandes und  hier  zur  hOherc-n  ethischen  GotOieit  emporgehoben  wurde.  Es  lassen 
sich  ftir  beide  Auffassungen  Gründe  anführen.  Im  Hinblick  auf  den  vedi- 
schen  Vä/a  »den  Wehenden«,  der  sprachiii.h  mit  Wöde  zusaiiunen fällt,  liat 
man  das  crstere  für  das  wahrscheinlichere  gehalten  und  mit  dem  Aufsteigen 
zur  Gottheit  zugleich  die  Wcitexbildung  von  Wode  zu  Wodan  zu-virnmen- 
gebracht  (ZfdMvih.  H.  320.  ZfdA.  XIX.  170  ff.).  Auf  der  anderen  Seite 
lässt  sich  fcstetelien :  Verehrte  man  den  Himmelsgolt  als  hOchsli»  Wesc-n, 
so  muss  man  ihn  auch  mit  den  verschiedenen  Himmels-  imd  Lufterschei- 
nungen in  Verbindung  gebracht  haben.  Indem  man  ihn  aber  als  Gott  des 
Windes  auffasste,  nannte  man  ihn  TTriwc  Wö(/anti:  (Grimm,  Gr.  II.  157) 
oder  nur  WöJanaz,  HW*/«.  Auf  alle  Falle  kannten  ihn  in  dic.>*t!r  Eigenscliaft, 
d.  h.  als  Windgotl,  sämtliche  germanischen  Stamme,  doch  trat  er  durchaus 
nicht  Ijci  idien  in  den  Mittelpunkt  des  Kultus.  %ielmehr  scheiut  er  bei  den 
meisten  ziemlich  b«i  Seile  geschoben  zu  seiiL  Er  spielte  hier  nur  eine  iinler- 
geordnete  Rolle,  dem  zu  Ehren  weder  growe  Feste  stattfanden  noch  Opfer 
galten,  wie  man  .sie  in  allen  Lebenslagen  der  Stanunguttheit  darzubringen 
pflegte.  Dagegen  genoss  er  besondere  Verehrung  bei  den  nord-  und  west- 
deutschen Stammen,  wo  er  bei  verschiedenen  der  Mittelpunkt  des  KuUver- 
bandes  gewesen  zu  sein  scheinL    Es  ist  dabei  nicht  zu  vergessen,  dass  gerade 


W'nnAN-    AUS   WiNDGRTT. 


333 


diese  Völker  zuerst  dauernd  sesshaft  wurden,  wodurch  der  Ackerbau  in  den 
Mittelpunkt  ihrer  Lcbensinleressen  trat  Bei  ackerbautreibenden  Vnlkeni  Irilt 
aber  der  Windgrut  überall  mehr  oder  weniger  in  den  Vordergrund. 

Als  Gott  des  Windes  war  Wödan  abc-r  zugleich  der  Führer  dos  Tulen- 
heercs.  und  su  kam  es,  dass  ihn  die  römischen  SchrifLsicller  mit  ihrem 
Meixiirius  wiedergaben,  der  in  echt  f>"^mischen  Inschriften  der  ersten  Jahr- 
hunderte unserer  Zeitrechnung  fast  immer  als  Totengott  erscheint  iBrambach, 
Corp.  Inscr.  Rhenan.  a.  v.  O.).  Ais  dann  die  n'imische  Kultur  sich  bei  deji 
Germanen  imqicr  mehr  pellend  machte,  wurde  Wüdaii  ihr  Träger,  wie  ftber- 
haupt  der  Gott  jeder  hiiheren  geistigen  Kntwirkclung.  Dieser  Entwickelungs- 
prozess  mag  in  der  Zeit  zwischen  Cäsar  und  Tacitus  vor  sich  };egangen  sein. 
Man  vergegenwärtige  sich  das  Zeitalter  der  ersten  rflmischen  Kaiser,  die 
FeJd-  und  Streifzüge  des  DruÄua,  Tiberius  Varus,  Germanicus,  ihre  Gewalt- 
hertschaft in  den  gennanischen  Gauen,  und  man  wird  den  gewaltigen  Einfluss 
rümischer  Sitten  und  röniiwhen  Geistes  erkl.'lrlirh  finden.  Und  aU  dann  die 
Flanken  als  neuer  Völkerbund  am  unteren  Rheine  auftraten,  da  waren  sie 
besondere  Wödansverehrer  imd  wurden  'l'rilger  des  Wodanskuhus  und  mit 
ihm  höherer  geistiger  Kultur.  Nelien  ihnen  m5gen  schon  frühzeitig  weiter 
ostwärts  wohnende  VMkcr  wie  Chauken  und  Langobarden,  vielleicht  auch 
Sachsen  Wodansverehrer  gewesen  sein.  Von  hier  aus  drang  der  Kult  rhein- 
auf^Hns  v«m  den  Franken  zu  einem  Teile  der  Alemannen.  Die  Sachsen 
aber  ualimeu  ihn  bei  ihrer  Wandermig  nach  Britaimicn  mit  auf  dieses  Inscl- 
rdcb,  imd  n-enig  spiiter  mag  er  über  Dänemark  nach  dem  Norden  gekommen 
sein,  wo  er  in  gcwi^en  Kreisen  und  Gegenden  die  alle  Freys-  und  Pors- 
verchrung  verdrängte  und  unter  den  nordischen  Skalden  seine  höchste  Blüte 
erreichte.  Auch  Ih'I  den  Gäulen  in  Schweden  scheint  er  Verehrung  genossen 
zu  haben.  Wenigstens  dürften  seine  Beinamen  Gan/r  «der  Gautc«  und  Gaulalyr 
«Gull  der  Gauten«   dafür  sprechen  (Krdmann,  Ant  Tidsk.  f.  Sv.  XI.  4.  54). 

%  56.  Wodan  Gott  des  Windes.  Aus  der  indog.  Wz.  tfd  »wehen«. 
auf  die  auch  unser  -Wind«  zurückgeht,  ist  auf  gleiche  Weise,  wie  das  arische 
v4ta  >die  bewegte  Luft,  der  Wind«  (Spiegel,  die  arische  Periode  S.  157  f.) 
ein  gemianisdies  *v6tha  hcr\'ürgeg;uigen,  das  schon  in  genieingerm.  Zeit  nicht 
nur  die  heftige  Bewegung  <ler  Luft,  sondern  auch  des  mensciiHchen  Geistes 
bezeichnete.  Dunh  die  Weiterbildung  durch  das  Suffix  -ano  entstand  daraus 
der  Wddanaz,  den  wir  ndd.  als  W&dan,  obcrd.  als  WttotoH,  altn.  als  Oiinii  zur 
Gottheit  erhoben  finden.  Dieser  alte  Windgott,  der  ab*  .solcher  zugleich  Führer 
der  Totenstliar  war,  die  in  der  bewegten  Luft  daherfuhr,  war  allen  germanisdien 
Stflmmen  gemeiiuiam  und  hat  sich  fast  überall  noch  bis  heute  im  Volksglauben 
crtialtcn.  Allein  wir  haben  weder  bei  den  ing\a»nischen  noch  bei  den 
erminonischen  Stämmen  irgend  welchen  Anhaltspunkt,  dass  er  besondere 
Verehrung  genossen  h.1tte,  ja  er  scheint  in  manchen  Gegenden  schon  in 
alter  Zeit  mit  den  Dämonen  des  Windes  zusammengefallen  zu  sein.  Bald 
eischeint  er  allein,  bald  mit  seinem  Gef<ilge,  seinem  Heere.  <Iem  Seelenheere 
der  Toten.  Fast  in  ganz  Schwal>en  sind  die  Mythen  vom  Wutes-  oder  Mutti- 
kter  oder  schlechthin  von  's  Wuotas  verbreitet.  Es  .saust  in  der  Luft,  macht 
tilt  wunderbare  Musik  und  wird  begleitet  von  heftigem  Sturme.  Ein  Mann 
rettet  vorau.s  und  ruft  den  Leuten  zu  >nu.ssem  Weg!  äussern  Weg!«  Dieser 
Vfirreiter  ist  derselbe,  der  anderenorts  »Sfhimmelreiter^  oder  >Iirtithiti*  hel«t, 
der  auf  weissem  oder  schwarzem  Ros-se  durch  die  Luft  reitet,  oft  selbst  ohne 
Kopf  oder  mit  kopflosem  F'ferde.  Wo  er  hinkommt  ist  Windstoss;  die 
BSumc  krachen  und  es  saust  durch  die  Luft  (E.  Me\er,  Sagen  aus  Schwaben 
L  103  ff.  Birlinger,  Volk^ttlmliches  aus  ScliK-abcn  i.  S.  I.  .:6  ff.  z.  S.  80  ff.). 


Ganz   ahnlkh  tritt    er   in  OstoiTeic:h  ;nif.     Als    Hofri  jagt  er   mit    Frau  /loi^t 
durch  die  Luft,   iiuf  «■eissei«  KofiM,*.   in  weilen  Mantel   gehüllt,  einen  breil- 
krSmp^en  Hut  atif   dem  Kopfe,   ganz  wie  wir   in   nordisclien  Quellen   vod 
(>lin  erzählen  li^^ren  (Vemntcken.  Mythen  imd  Brauche  in  Österreich  S.  23  ff.). 
Ebenso    erst-heint    lt  als    II'hc/cs   In    Biiiern  (Panzci.    UHyrUche  Saj^en  L  07), 
dauflM^n  findet  sirh  hier  das  »wütende  Heer«  jebemla  II.  nn-t).    IVut/a/t^er  hehsi 
in  der  Eifel  ein  fürchterlicher  Sturmwind,  der  die  I3aumc  entgipfelt  (ZfdMyth.  I. 
315  ff,);  >  WüicnAeer*  nennt  man  üui  im  VuiglJ;uide  (Eifcl.  Saj^enbueh  des  VoigtL 
114  ff.V     Ausser   «licsen    Namen    tritt   dieselbe    F.rseheinung    nur    weJiig    ab- 
weichend auch  in  diesen  Gegenden  ;iLs  ywiUe  Jn^'i*.  nder   •tcildti  Jhrr*   f>der 
»wiiäe  (tjai^  oder  'tcilJt  (ijdd*  (in  K-lmten.  ZfdMyth.  IV.  ^tx))  auf.  ihr  Führer 
ist   der  =wiMe  Jngf-f'-.     Gleich  verbreitet  ist  sie  unter  derselben  Bezeichnung 
auch  in  Nurdtleutsciiland.     Sie   begegnet    hier  uls    Woejägfr,    Wotjenjäger,  Joc- 
)äger,  Xnchiji'igei,  HeUjägfr,  in  \\'esif:ilen  namentlic-h  und  weiter  ("»stlich  davnn 
als  IfactelUrg  oder  ursprüniilielier  IfacMteretid  (MiuiieltrüKer)   <>der  auch  als 
Heroda  udgl.  (Kuhn  und  Schwanz,  Nnrddeiitsrhe  Sagen:   Kuhn,  WestfAllsche 
Sagen;  —  Niedersflchs.  Sagen    von   Schamljach   und  Müller),   in  dei   Lausitz 
als  Dietrich    von    Ihm,    in  Schleswig   als    Herzog  Abel,    im  Riesengebirge   als 
Rithezühi.     Sagengestalten  sind  hier  an  seine  Stelle   getreten   oder  lok:d  ent- 
wickelte Damunen.    Li  Mecklenburg  sagt  man,  wenn  man  das  wütende  Heer 
zu  hi'^rcn  glaubt,   »der   Woode  thiit-:.   (Adelung  unter  wöten).   der   Damen,   der 
namenilicl)    in    den    ZwOlfixUcliten    als     W'ode,    Wand.    Wor    durch    die   Lüfte 
fshrl  {B;irlscli.  Mekl.  S.  I.  3  ff.),   unil  in  Schlcswig-Hnlstcin   reitet  der    Wode 
auf  grossem  weissen  Ri)s.se  in  den  zwMf  Niichten  durch  bewaldete  Gegenden 
(Müllcnhoff,  Sagen  der  Herzogtümer  Sciüeswng- Holstein  372  f.).    Aber  auch 
Hber  die   Grenze   Deutschlands    hinaus    finden   sich    dieselben  Vorstellimgcn 
miter  ganz  gieiihem   Namen,     fht  er  den  fh'ttnde  oder  fÜde  Jäger,   sagt  der 
dänische  Bauer,    wenn    es  hei  nadidicher  Weile   durcli  die  Lüfle  saust,   und 
nennt  ihn  bald  Kotig  l'o/mer,  bald  (Ini/t  Jette,  bald  Pahe  Jtrger  (Thiele,  Dan- 
marks Folkesagn  II.   1 13  ff.).     Auch  in  Schweden  ist  die  Sage  von  ihm  weit 
verbreitet.    In  Smäland  kennt  man  Odfm  Jagt:  wenn  es  stürmt,  sagt  man.  Odea 
far  ßrbi  oder  Odeit  /iiger;  er  f_rsrhfint  liier  ebenfalls  meist   rejtend   und  mit 
hreitnmdigem    Hute,    begleitet   von  xwei  nder  mfhrtrren  Hundt-n    (Lundgren. 
Hedn.  Gudatro  i  Sverge  57  ff.;  Rielz.  Svensk  dial.  11.  Odeni.    Wir  sehen  als^^. 
dass  diese  persönliche  Auffassung  des  Windes    über   ilie  ganze  germanische 
Welt  verbreitet  ist    und  deshalb    uralt    sein   muss.     Zeitlich    IJlsst    sich    diese 
Vorstellung  vom  VVuutcs-Hecr   bis  ins  Miitelaiter  zurückverfolgen.     In  einer 
alten  Besrhwrirungsfonnel  Mitteldeutsi  hlands  aus  dem  Anfange  des  r4,Jahrhs. 
wild  wutmifs  her    nade    alle   sine    mau    erwJÜuit    (SiUungsber.    d.    bayr.  Akad. 
i8(»7.  2  S.  7);  im   Rcinfried    von   Hntunschweig  ^V.  479  um   1300)   heisst  es 
von    den    Rittern    sie  ^rusehent  sarn  das   Wuntes  bert.    Andere  mlid.  Gedichte 
nennen  daz  uiitrnde  für,    das  wütend  her,    das    woden  her,  des  tüi-cis  wütendes 
her  udgl.     In  vielen  Gegenden  hat  sich  daiu»   der  Mythus  weiter  entwickelt: 
man  glaubte,   der  Wodc  jage  einem  weiblichen  Wesen  nach,  und  .so  entstand 
der  weitverbreitete  Mythus  vim  der  Jagd  nach  .I/^kw-,  Waid-  oder  t/ohjräulein, 
an  deren  Stelle  vielleiclil  durch  Volksetymologie  die    Windstraul  getreten  ist. 
Zuweilen  bringt  ruan  ihm  luid  seinem  Gefolge,  namentlich  seinen  Hunden  und 
seinem  Pferde,  Kuiier.  Das  sind  Cbt-rhleibsel  alter  Opfer,  die  man  dem  ursprüng- 
lich Gotle  brachte.     So  füttert  man  in  Nieder osterreieli  noch  heule  den  Wind, 
damit  er  in  der  Heuernte  nicht  wehe  (ZfdMyth.  IV.  148).  oder  gicbt  ihm  .sein 
Teil  (in  Kamte]),  elxl.  IV.  300)  oder  spendet  es  seinen  Hunden  (Nordd.  S. 
&  67)  «der  seinem  Kinde  (Mytii.  III,  443)  u.  dgl.     Finden  wir  so  die  Vor- 


I 


WÖDAN    ALS   WiKDGOTT. 


33S 


Stellung  von  IVoJrs  oder  dem  miiteitdett  lierrt  über  die  ganze  gcrmanisclic 
Well  %'ctbreitct,  sieht  dann  ilir  enger  ZusammcnlianK  mit  Wodan  ft-^U  Llsst 
sich  diese  Gotthtit  als  Mittelpunkt  tirs  Kuhcs  aber  nur  in  cinzt-hirn  Gegenden 
OermanictiÄ  erweisen,  walirfrid  dmJerc  sie  fast  jtiinz  ven)iii.hUi>si|;fn,  »i  liegt 
hierin  der  Schlüssel  zum  Versiändiüs  des  Wesens  und  der  Gesehielilc 
des  Gottesv  —  Wie  jene  Vurstellung»m  vom  Wudes  oder  w-ütpndcn  Heere 
sich  sdion  im  MittehUler  naettweiscn  lassen  (s.  o.  und  Mytii.  U-  7f>'i),  so 
finden  *-ir  uueh  in  allnordisrhen  CJuellcn  Überreste  der  Verehrung  Wodans 
als  allen  U'ind^niu-s.  Sehun  Namen  lassen  ihn  a).s  S(jKhen  erkennen.  Er  heisst 
G<iguäri,A\cT  Vü/uJr,  beides  W<irle,  die  auch  den  >Wind'  bezeichnen  (Kalk,  PBB. 
XrV.  35,  36).  Er  reitet  durch  Luft  und  Meer  (SnE.  I.  120).  Dann  isl  seine  ganze 
Erscheinung  dit.-üelbe  wie  in  den  deutschen  Sagen.  Er  eilt  daher  auf  seinem 
weissen,  aehil>einigen  Russe  Sieipnir,  das  narh  jungem  Mythas  vom  Hengst 
Svadilfari  mit  L<.>ki  aU  Stute  gezeugt  Lsl  [SiiE.  II.  179;  \*gl.  auch  d/*«»;  yÄrc/a/ 
^Mum  Sax.  I.  i"7).  F-r  ist  eine  h"he  Gestalt  mit  langem,  welsÄem  Barte,  umhüllt 
von  einem  weilen  dunkeln  oder  gefleckten  Maiilel,  unter  dem  er  seine  Sdiützlinge 
durch  die  Lüfte  tragt  <Saxo  I.  40),  auf  dem  Haupte  hat  er  einen  brtilkrampigen 
Hui.  den  er  oft  lief  ins  Gesichl  hereindrückt,  sodass  man  von  diesem  nichts 
5clicn  kajui.  Nach  anderer  Sage  reitet  vi  unter  helligem  IJirm  auf  grauem 
Rnssedurchdie  Lüfte  und  tr^jit  zündende  Flammen  in  der  Hand  (XjäUiKap.  125; 
dazu  Nord.  Tidskr.  f.  Hisi.  IV.  170).  Bald  erscheint  er  blind,  bald  aber  auch 
cinAugig,  eine  Vurütellung,  die  die  durch  die  Wölken  durchbrechende  Soime 
erzeugt  halten  mag,  denn  auf  dc^  Wolken  fahrt  der  Sturmgott  datier.  Eine 
Reihe  ieiner  Namen  hat  in  dieser  Süsseren  Erschi-inunj;  ihre  Wurzel:  er 
heisst  lltirbafdr  d.  i.  Grauhart,  SiiiU-e^i^r  mid  Stiff^raiii  der  Langbart,  Gntm 
ilcr  IJartigr,  //{»//*  der  Hut,  SirtA^iflr  der  Schlapphul,  (irimr  und  (irimnir. 
der  Verkinie.  Auf  Slcipnir  reitet  er  nach  Niflhel  (Vegtkv.  2).  Als  der  blinde 
Gast  fragt  er  in  seinem  Rätsetslreilc  König  Hreidrck,  wer  das  Paar  wflre, 
das  zum  'Itiing  rette,  mit  drei  Augen  und  zehn  Küssen  und  einem  Schwänze 
und  ober  die  l^ndc  streiche,  wurauf  Heidrekr  antwortet,  dass  es  Odinn  auf 
SIeipnir  sei  (Hen'arars.  Aiwg.  Bugce  2<^2\,  dem  trefflichsten  aller  Russe.  Einst 
^  i39»1  er  l>ei  einem  Scliniiede  sein  Ross  beschlagen  ufui  sthwingi  sich,  nach- 
■^ifsn  er  sich  als  Ödiim  zu  erkennen  gegeben  hat,  mit  ihm  über  einen  sieben 
BHpen  hoben  Xaun  und  verschMindel  in  der  Luft  (Kms.  IX.  175  f.).  Uas 
^^Bi  dasselbe  Pferd,  um  welches  Starkader  im  Lübecker  Schwcrttanzspicle  den 
^Gon  hillet  \HtUifit  W'ofit,  nii  Uit  mi  iiin  peni  ZfiiA.  XX.  13I.  In  der  cddi- 
sciten  iJithiuug  fuhrt  i-s  den  Namen  y^msUl  -Rnss  des  Vgg«  und  weidet 
im  Geäst  des  grossen  \\'elt<*nbaurnes  (Hirikr  Magnüsson,  Odin»  Horse  Vgg- 
dfasill,  Lond.  iH(;5t.  Als  Windgott  ist  natüdicli  W<"»dan-Odinn  weit  gewandert, 
CT  ist  der  imermüdUche  Wanderer,  der  vialor  indefesitts  (Saxo  I.  iz8);  er 
lieisst  d;dier  Gangirri  -der  W,inderer>.  G'ittgriiär  Kler  \Veg\i'alier«,  Vfgtamr 
•der  Weggewfihnte«  u.  dgl.  Zu  Frigg  sagt  er  selbst,  dass  er  WcJ  umher- 
^eführen  (N'aft^r.  3),  wie  er  auch  dein  Vafl>rudnir  en^egnet.  das.s  er  lange 
uoierwegs  gewesen  sei.  Daher  nennt  ihn  nodi  Snorri  in  der  Heimskr.  >weit- 
gereisu  (viiU^tuU  5*),  ja  schreibt  ihm  sogar,  wie  in  der  Edda  dem  Frey,  das 
Schiff  iskiffhhiihir  zu.  die  Wulke,  die  dem  SIeipnir  entspricht  (Heimskr,  8"). 
W^^xliUi-Odinn  gleicht  liicrin  dem  indischen  fa/a,  dem  Immergehcr.  Immer- 
«anderer  i^Srhwartz,  Poet.  NaL  IL  70  f.  |.  Als  Wjndgoit  b.«iit/t  Wotkin-Gilinn 
aucli  die  Proteusnutur  wie  kaum  ein  anderer  Gott:  alle  mttghchen  Mensclien- 
ond  Tiergestalten  nimmt  er  an.  Bald  erscheint  er  als  Knecht,  der  sich  all 
Efntearl>eilcr  verdingt,  bald  als  Kahmiann,  der  den  i<iien  Sinfjydi  über  den 
Sund  sclialft;  in  Schlang eiigestatl  gelangt  er  zur  Gumilyd,  als* Adler  entführt 


336 


Xr.  Mythologie. 


er  ihrem  Vater  den  Dichlcrmet.  —  Neben  dieser  altgennanischen  Gottheit,  die 
sich  im  Winde  offenbart  und  im  Grunde  nur  die  Personifikation  des  Windes 
ist,  cRichfiiit  aber  der  nordische  Odinii  aucli  als  Herr  des  Windes  und  dt-s 
mit  diesem  im  engsten  Zusammenhange  stelnjulen  Wetters.  So  rufen  ihn 
die  Isländer  um  ^üiistigtti  Fahrwind  an  {Fnis.  II.  i'>),  denn  er  j^ebi  s<:>Iehen 
den  Männern  (Hyndl.  3).  Nach  der  Hcimskringla  beruhigt  er  die  Wellen 
und  lenkt  die  Winde,  wohin  er  will  (H '■).  Ein  Beispiel  dam  findet  sich  in 
den  alten  Liedern  von  Sigurd.  Als  dieser  sich  mit  seinem  Heer  auf  der  See 
befindet  um  Vaterrache  xu  nehmen,  hat  sieh  heftiger  Sturm  erht>hen.  Da 
erscheint  auf  einem  Ber^vorsprun^e  ( »dinn,  und  sobald  dieser  auf  einem  der 
Schiffe  Aufnahme  gefunden  hat,  legt  sich  dx»?  Wetter  (Rcgm.  lOff.).  Weil 
er  über  das  Wetter  Iicrrscht,  heisst  er  ViiMr  »der  Wctlermacher«  (Kms.  X, 
171),  und  der  Runenmeister  dc-s  LjiVdatal  h:it  üim  abgclaascht,  wie  man  NVind 
und  Wellen  benihigen  kann  (HÄv.  152),  Und  w^'nn  der  Sturm  dahersaust, 
da  Zierat  IJdinn  (Fas.  I.  5011,  da  wird  er  zum  i'f^,  zum  Schrecken  der 
Menschen. 

In  seiner  Erscheinung  als  Windgottheil  müssen  dann  auch  die  Tiere,  die 
ihn  begleiten,  die  Gegenstände,  die  ihm  eigen  sind,  ihren  Ursprung  haben. 
Wie  dem  wilden  Jager  oder  dem  Wode  eine  .Schar  Hunde  folgt,  wie  in  der 
schwedischen  Odensjajcd  den  KAnig  ebenfalls  zwei  Hunde  begleiten,  so  finden 
sich  in  der  Umgehung  des  Gottes  di«  beiden  WiMfe  Gen  d.  h.  der  Gierige 
und  Frrki  der  Gcfrtbsige  (Grimn.  19).  Ein  Sinnbild  der  bewegten  Luft  sind 
wohl  auch  die  Raben  /ftiginn,  der  Gedanke,  und  Muninn,  das  Gedächtnis, 
deren  Namen  schon  ganz  in  die  Zeit  spfller  dichterischer  Reflektion  fallen 
TagtJlglich  fliegen  sie  über  die  Erde  und  brin;*en  Odin  Nachricht  aus  allen 
Gebenden  (Grimn.  20).  Das  ist  ein  ganz  junger  nordischer  Zug.  als  schon 
aus  dem  heweglirlion  Luftgotte  ein  allgebietemler  Herrscher  nach  dem  Vor- 
bilde der  norwegischen  KOnigc  geworden  war,  dem  aber  dasselbe  Naturbild 
zugrunde  Hegt,  wie  in  dem  neu  isländischen  VoIksÜede,  wo  es  heisst: 

Uml  die  Kalier  jagte  der  Slurmwind, 

Und  der  Sturmwind  rauschte  dahin  auf  den  Wolken.     (Z,  f.  vcrpl.  \AU,  1878.) 

In  seiner  Hand  trflgt  ddinn  den  Speer  Oungmr,  einst  von  Zwergen,  den 
Ivaldissohnm.  gemacht  und  vtm  Loki  dem  Gotte  gegeben  (SnE.  L  34Jl.  Es 
Ist  der  Blitz,  den  der  Gott  ans  dunkler  Wolke  hervorsclileuderi.  In  der 
Volkssage  tritt  diese  W'affe  zurück,  da  man  liier  Odinn  weniger  als  einen 
Gewitterg<itt  kennt.  Überhau]>t  war  dieser  Speer  schon  ziemlich  zeitig  in 
seiner  ursprünglichen  Bedeutung  vergessen:  er  war  xum  S>"mbn!  des  Schlarhten- 
gottes  geworden,  der  an  der  Schlacht  selbst  Teil  nalun  und  seinen  Speer  nach 
den  Gegnern  seines  Schützlings  schleuderte.  Sn  lehrte  er  selbst  König  Eirik 
dCT  Speer  über  seine  Feinde  schwingen  und  ihnen  die  Worte  zurufen : 
»Odinn  hole  euch  alle«  (Ems.  V.  250).  —  Der  Aufenthaltsort  WGdan-Odins 
als  Windgutt  sind  die  Berge  oder  die  als  Berge  gedachten  Wolken,  die  ja 
mit  jenen  übcra-ll  zusammenfliessen  (Rnscher,  Hermes  2of.),  Aus  den  Beiden 
scheint  der  Wind  zu  kommen,  nach  den  Bergen  scheint  er  zu  gehen.  Er 
nennt  sieh  selbst  den  »Alten  vom  Berge«  (Regm.  iS),  Skalden  nennen  ihn 
fjaHgaulr  oder  ßnUgeigtiär  iFelscngoii«.  Über  ganz  Deutschland,  England, 
Skandinavien  sind  Wotlansberge  weit  verbreitet  (Myth.  L  i2Öf.,  Remble,  die 
Sachsen  I.  280).  Odinn  gleicht  hifirin  dem  im  Berge  geborenen  Hermes. 
Ki->mmc  doch  auch  der  ftilde  Jäger  der  deutschen  Volkssage  meist  aus  den 
Bergen,  zumid  aus  dem  Venusberge. 

Aus  iliescr  alten  Vorstellung  des  Windgottes  haben  sich  die  anderen  gött- 
lichen  Seiten   Wodan-Üdins    eiitwickelL      Diese    Weiterentwicklung    ist    zum 


Wi^DAN-ÖOlSN    AI„S    \\'lN-[>Gt>TT. 


3.17 


Teil  Inkaler  Art; 


Hinblick  auf  iias  Z( 


des  Tat 


■■h. 


inuss  im  MinOlick  aul  ilms  Zeugnis  des  laatus 
in  der  vuitacitcisi-hca  Zeit  liege».  Nur  seine  Auffassung  als  Ttitengutt  scheint 
schon  der  gemeingennanischen  Periude  aiizugcIiOreu ;  sie  ist  enlsLindei»  aiLS  der 
Venni-M^hung  ;i!ti.ii  Sccienglaubcns  mit  jüngerem  Cnitcrglaubcn:  da  das  Heer 
der  Seelen  im  Winde  daherfuhr,  wurde  der  WinHgi»«  der  Herr  dieses  Heeres. 
§  57-  WOdan-^Minn  als  Totengott.  Narh  der  Vorstellung  unserer  Vor- 
falucn  lebten  die  Seelen  der  Verstorbenen,  die  dem  Lufthaurhe  glichen  und 
sich  im  Winde  uffenbancn,  bald  in  Bergen,  bald  in  Sümpfen  und  TeicJien, 
Da  man  aber  auch  von  Wodan  annahm,  daxs  er  im  Berge  weile,  wenn  Luft- 
sÖUe  war,  da  man  auch  seine  Exivlenz  in  den»  Heulen  des  Sturmes  wahr- 
nahm, iio  brachte  man  die  Toten  mit  ihm  in  engen  Zu.s:immen!iaiig:  in 
der  stünnischen  Luft,  namentlich  während  der  Zwulfn5chte,  glaubte  num  ihn 
mit  der  Schar  der  Gestorbenen  daherfahrcn  zu  sehen.  Diese  Vurslclluiig 
von  Wfxlan  war  namenUich  in  Ni  irddeutschland  zu  Hause,  wie  schon  der 
Name  Ihlljä^rr  ftir  den  Führer  der  wilden  Jagd  lehrt  (Nordd.  S.  275.  Westph. 
S.  300  u.  oft.).  Aus  dem  Mythus  \iim  Verweilen  des  Gottes  im  Berge  ent- 
wickelte sich  die  Vorstellung  vioi  \'alh9ll  imd  ihren  Bewiihneni,  die  nichts 
acdervs  ist  aU  ein  nordisches  ticgenstück  der  vielen  S;igcn  vtmi  bergentrück- 
len  Kaker.  Stj  wird  in  der  Vngl.  s.  erzählt,  d;vis  Künig  .Svegdir  sich  aufge- 
macht habe,  Odin  in  Godlieiin  zu  besuchen.  Da  sei  er  an  ein  Gehüft  ge- 
kommen. >al  Steini«  genannt,  weil  es  neben  einem  gr«»ssen  Felsen  lag.  Am  Ein- 
gang dieses  Felsens  stand  ein  Zwerg  und  forderte  den  KOnig  auf  einzutreten, 
wenn  er  i>din  besuchen  wolle.  Svegdir  thut  es,  aber  alsbald  schlies.st  sich  der 
Stein  und  der  Kt^nig  wird  nimmer  gesehen  (Heimskr,  iJ/t^).  Hier  zeigt  sich  noch 
klar  der  natüriiche  Hintcigrund  der  poetisch  ausgeschniQcklen  Valhvll-  Diese  ist 
ursprünglich  nichts  andotes  als  das  Totcnreidi,  imd  im  Zusamnieuhangc  hier* 
mit  steht  auch  Odins  N'amc  als  Valfoiiir  i>der  l'alguutr,  d.  i.  T(^)tenvatcr, 
Tolcngott,  oder  l'tilitjiUomH  »Totenwahler*  (Konnakss.  Str.  23,  vgl.  Bugge. 
Aarb.  1889. _S.  54).  Xoch  heute  leben  Spuren  dieser  allen  Vorstellung  vom 
Totcngottc  *jdin  im  Norden  fort:  Der  Hatleberg  in  Vestergfttland  in  Schweden 
heisst  auch  Valehall,  in  seiner  Nahe  hat  sich  früher  eine  Odinsquelle  bc- 
ftmden  (Rietz,  Sv.  Dial.-Lcx.  78«)).  Dah(-r  entstand  der  Glaube,  dass  man  bei 
Oflin  gasten  werde,  tuid  ///  Oäins  /am  »zu  Odin  fahren«  ist  eine  geläufige 
Wendung  för  »sterben*.  Vor  allem  gehören  ihm  die  Gehängten,  weshalb  er 
die  Namen  llannagoit  t»der  I/an^aiyr  rwier  ämttiun  luttifpi  führt.  So  ist  er  auch 
vüMr  gal^  d.  h.  Herr  der  Galgen,  zumal  er  unter  diesen  besonders  geni  ver- 
weflt  iHeimsfcr.  8).  Diesem  Mythus  entsprechend  erz,'ililt  die  deutsche  Volks- 
sage.  dass  Mch  einer  erhilngt  habe,  wenn  starker  Wind  weht.  Seine  vollste  Ent- 
wicklung erhielt  dann  dieser  Valh<^Ilglauhe  in  der  Wikingerzeit,  in  der  das  altere 
Totenreich  zu  einem  Kriegerparadiese  n-urde  (PUB  XII.  221  ff.).  Als  Totengott 
ciscfacint  ödimi  auch  als  Ferge:  s<>  nimmt  er  Sigmund  seineu  toten  Sohn 
SnQölli  ab  und  f:ihrt  ihn  hinaus  ins  Meer  (Krä  dauda  Sinfj.).  Erscheint  er 
aber  als  Totengott,  so  war  es  nur  noch  ein  Schritt,  dass  er  auch  zum  Goll 
des  Todes  und  Herr  ßher  das  Leben  der  Menschen  wurde.  Als  Scldachten- 
gott  en»'ahh  er  sich  seine  Opfer,  und  seine  Begleiterinnen,  die  Valk\Tcn, 
haben  die  Aufgabe,  die  dazu  bestimmten  Helder  zu  füllen.  Gegen  Opfer 
veriangcrt  er  König  Ann  von  Schweden  das  Leben  und  verspricht  ihm, 
dass  er  immer  leben  .stille,  solange  er  ihm  den  Zehnten  gäbe  (Hcimskr.  Ji). 
Starttadr  verdankt  ihm  sein  langes  Leben,  den  Harldingus  entreisst  er  dem 
Untergange  und  stärkt  ihn  mit  erfrlscluiidem  Na.sse.  Ja  selbst  Tote  vermag 
er  «ieder  zum  Leben  z»t  bringen  (Heim.>;k.  B«).  Die  letzlere  Auffassung 
Odins  als   Herr  Qber  Leben  tmd  Tod  ISsst  sich  nur  bei  den  Nordländern 

CcTTUial&chc  PbiloloEic.  III.    'J.  AttB.  23 


33« 


XI.    MVTHOI^>GlE. 


nachweisen,  wahrend  er  bei  den  undcrei)  gcrmamsdicn  SULinmen  ausschliess- 
lich als  Führer  oder  Herr  der  Tuten  auftriu. 

§  58.  Wndan-Udinn  nls  tiott  der  Fruchtbarkeit  Der  Wind  gilt 
als  Briiiger  der  Fruchlbarkcit.  »Viel  Wind  viel  Oltst«  sagt  eine  alte  Bauern- 
regel, und  Äuhnc  Wind  verscheinet  das  Kurn-.  Mit  dieser  alten  Auffassung 
hangt  es  zusuninicn,  dass  der  Wiudgotl  Fruchtbarkeit  bringe.  Das  Vo\k  im 
Aargaü  freut  sich,  wenn  das  Guelishccr  schon  singt,  denn  dann  giebt's  ein 
fruchtbares  Jahr  (Rttchhulz  1.  91).  Ist  aber  das  Getreide  gehauen,  darm 
will  man  sich  auch  dciu  Gottc  dankbar  erweisen.  Fast  überall  in  germani- 
schen Gauen  lasst  man  auf  dem  Felde  nuch  Ährenbüschcl  stehen.  Diese 
mügu«  in  tiiuijintu  Gaut-n  dem  W'tdan  als  Wind-  und  Feldgolte  gegolten 
haben.  Der  XorddeutsLhe  Isssl  die  letzten  Halme  »dem  IfWm  für  sein 
Pferd»;  ebeusu  lüssl  der  Schwede  für  üdens  Pferde  die  letzten  Halme;  in 
Mecklenburg  rief  man  tlahcr:  •'  Woiii,  Wofie,  hak  äinem  Rosse  im  fader*. 
Oft  wird  dieses  llaSmbüschcl  mit  Bhimen  geschsnückt.  (^anz  ähnliche  Ge- 
brauche finden  wir  hi  DcuLschlajid  überall.  Mancherlei,  wie  die  Bezeichnung 
Vergodtndii  für  das  Erntefest  (Kuhn,  Milrkische  Sagen  S.  337  f.)  oder  das  U'odel- 
bjcr'xTi  manchen  Gegenden  Norddeutscidands  hat  man  Trüher  ebenfalls  als  Reste 
alten  Wötlankultcs  angeschen,  doch  lässt  neuere  Fiirschung  diese  Zeugnisse  mit 
vollem  Rechte  nicht  gellen  (Ktii-i]!]),  Zsch.  f.  Voifcsk.  Hl.  41  Ef.;  Am  Urcjuell  VI. 
4yff.).  Nach  dem  farüischen  Lokkaliittur  besitzt  ferner  Udinn  die  Kraft,  ein 
Getreidefeld  hi  einer  Nacht  wachsen  zu  lassen  (Hamraersh.  Fser.  Kv.  1.  S.  140). 
Daher  baten  die  Nurdlander  Odin  im  Mitwinteropfer  tun  guten  Jahreiienrag 
und  uin  Gedcüicn  der  Saal  (Hcimskr.  i)l-  Als  einst  bei  den  Schweden  Rliäwadis 
eingetreten  war>  verl>rannten  sie  ihren  Künig  I.Jlaf  treleigja  und  weihten  ihn 
Odin  (Hciniskr,  S.  Ji7).  So  zeigt  sich  diese  Eiilwicklungsstufi-  des  WT^lau- 
kulles  bei  vielen  Genmuicnilänunen  als  eine  in]  Volke  wohlbekannte,  die 
vielleicht  si>  alt  ist.  i*-ie  der  Ackerbau  bei  den  Germanen  überhaupt. 

§59.  Wudan-Üdinn  als  Krjegsgott.  Bei  den  ältesten  nordischen 
Skalden  finden  wir  das  weit  verbreitete  und  in  allen  Gegenden  bekannte  Bild, 
die  Schlacht  als  ila.s  Wtitter,  den  Hagel,  den  Regen,  den  Stunn,  das  Tliing 
Odins  zu  bezeichnen,  wie  auch  als  Sdiwertregen^  S^jeerwetter,  Lanzensiunn 
udgl.  In  diesen  dicliterischen  Bezeichnungen  zeigt  es  sich  noch  klar,  wie 
die  Auffassung  von  Odin  als  Schlachtung»  iti  aufs  engste  mit  seiner  ur>iprtlng- 
hchcn  Windnatur  zusanuneiihüngt:  der  Sturm  in  der  Luft  war  den  iKTdischcu 
Dichtem  ein  Bild  des  Kampfes  auf  der  Erde,  und  wie  der  Windgutt  jenen 
leitete,  so  nahm  er  natürlich  auch  an  diesem  teil.  Wodan  td  est /uior,  sagt 
Adam  von  Bremen  (Ltb.  IV.  Ka}].  26).  bcUn  gerit  komintquc  mitmiral  viriuUm 
conlni  inimieos.  Auch  in  dieser  Stelle  scheint  der  ganze  Mythus  in  seiner  vollen 
Entwicklung  klar  vor  Augen  zu  hegen.  Der  im  Stumie  daherbrausende  Gutt 
muss  natürlich  in  erster  Linie  selbst  Krieger  seitL  Im  Waffensch mucke 
prangte  er  daher  im  Tempel  zu  U]jsala.  Sadpunt  annaltim  statt  nostri 
Marltm,  sagt  derM:lbe  Adam  von  Bremen;  annipotens  nennt  ihn  Sa.\n  und 
sagt  vun  ilim,  da.ss  er  •tisu  hellorum  aiilere*.  Auch  die  nurdischen  Lieder 
wissen  ilm  mit  trefflichen  Waffen  au.sgcrüslel  (i'ü/w^p/u^t  Grim.  19),  und  Snorri 
nennt  ihn  einen  machtigen  Heermann,  der  in  jedem  Kampfe  den  Sieg  davuQ 
trage  (Jleimskr.  5).  Im  Zankgcsprach  mit  niur  (den  Härbl.)  rül)mt  er  sich 
seiner  Kriegslliaten,  nennt  »Kainpflield«  ^<cinen  Gesellen,  wie  er  auch  dem.] 
Sigurfl  gegenüber  seiner  Kampfe  gedenkt.  Als  Führer  der  Scluiren  im  Kii^e 
heiüst  er  Hecn-ater  oder  der  Heerfrohe  [Uerfaäir,  Herjan,  Htriciir  udgi). 
Nach  spaterem  Mythus  geht  Überhaupt  auf  ihn  der  erste  Krieg  zurtitk:  als 
die  Riesen  die  unheilsliflende  üullveig   zu   den   Aseji  geschickt   hatten,   da 


WÖDAN-OOisx  Ali  Acker-  und  Kriegsgott. 


339 


schteutlerte  tjainn  den  Speer,  und  hierdurch  war  der  Anfang  aller  Kampfe 
gemacht  (Vsp.  21  f.).  Und  »ie  er  den  Krieg  in  die  Welt  gcbnicht  hat,  so 
regt  er  ihn  immer  und  immer  weder  an:  er  erregt  Streit  unter  Vcru-andtcn 
(Helg.  Hund.  II.  33)  und  verbietet  diesen  (Fas.  I,  145);  er  spornt  Harald 
Hildil^nn  an  zur  Schlacht,  in  der  dieser  fallt  (Saxo  I.  363);  er  nimmt  im 
Kampfe  seihst  ("artci  wie  die  homerischen  GV^tter  (Herv.  Bugge  283*.  284*).  So 
ist  er  der  oberste  Leiter  aller  kriegerischen  Unternehmungen.  Als  der  gewal- 
tigste aller  Krieger  mus.s  er  natnriich  auch  den  Sieg  in  .seinen  HSndcn  Imbcn, 
wie  er  auch  die  Seinen  mit  siegbringendeu  Waffen  ausrüstet  (Hyndl.  23). 
So  heisst  er  Sigfaäir  oder  Sig^u/r  u.  ahnl.  Kr  herracht  über  den  Sieg  der 
Männer  (Ftb.  I.  388).  leiht  dem  Dag  seinen  Speer  (Helg.  Hund.  U.  27  f.),  be- 
straft Brynliiltl,  weil  .sie  gegen  seinen  Willen  den  Sieg  verliehen  hat  (Helr. 
8  f.).  Vun  Loki  wird  dem  Gotte  u.  a.  vorgeworfen,  dass  er  ungerecht  den 
Sieg  gespendet  habe  (Loks.  22).  Sigtün  hcisat  im  Hinblick  auf  die.se  Tha- 
dgkeit  Odins  Burg  (SnE.  H.  253).  Daher  opfern  ihm  die  Fürsten  und  bitten 
ihn  um  Sieg:  Haralds  Vater  Hälfdan  opferte  ihm,  wahrend  der  S<jlin  dem 
Thor  i.pferte  (Ftns.  X.  178);  Eirikr  weiht  sich  ihm  selbst  (Fms.  V.  250); 
Haraldr  Hildit^nn  verspricht  ihm  alle  Gefallenen,  wenn  er  den  Sieg  über  König 
Hring  «bvuntrage  (Fas.  L  380);  Einarr  Orkneyjajarl  lasst  HAlfdan  hälegg 
eduen  Adler  auf  den  Rücken  einritzen,  alle  Rippen  zerbrechen  und  die  Lungen 
herau&zielien  und  weiht  ihn  so  dem  Odin  fflr  den  Sieg  (Orkn.  S.  c,  8). 
Hierdurch  wird  Odinn  al>cr  namentlich  der  Gott  der  Krieger,  vor  allem  der 
Fürsten,  die  von  ihm  ihre  Herkunft  ableiten,  was  er  im  Harbardslied  sdbst  von 
sich  sagt,  wie  es  in  der  Gautrekssaga  von  ihm  hei.sst,  dass  er  nichts  mit  Knechten 
zu  lliun  haben  wolle  (Fas.  HI,  8).  Es  liegt  nahe,  gerade  diese  im  Norden  so 
au^cprügte  Thattgkeit  Odins  dem  Dichterwirken  in  der  Umgebung  Haralds 
und  seiner  Nachfolger  zuzuschreiben.  Ihre  volle  Enlfaltung  mag  sie  hier 
wohl  auch  erreicht  tmben,  allein  die  Wurzel  geh(">rt  cntschic-den  den  südger- 
manischen Ländern  an.  Schon  Paulus  Diaconus  kennt  WTtdan  als  Siegesgott, 
wenn  er  erzählt,  dass  die  Wandalen  Wodan  um  Sieg  Über  die  Winiler  ge- 
beten liattcn,  und  dass  dieser  den  Sieg  demjenigen  Volke  versprochen  hatte, 
welches  er  nach  Sonnenaufgang;  am  fnigenden  IWorgen  zueret  sflhe  (Hist 
Lang.  I.  8).  Ebenso  setzen  die  Stammtafeln  der  iingelsachsischen  Könige, 
die  fast  alle  von  WrKlan  ausgehen,  eine  Verehrung  dieses  Gottes  als 
Kriegs-  und  Siegesgoltes  voraus,  wie  auch  in  /Edelveards  Chronik  geradezu 
gesagt  wird,  dass  man  Wödan  •vic/on'ai  eatisa  sirt  virfu/is*  geopfert  habe 
(Kemble,  Die  Sachsen  I.  sjb).  Diese  W<tdnnsvcrchi'ung  mQ.sscn  Sachsen  und 
Langobarden  mit  aus  ihrer  niederdeutschen  Heimat  gebruclit  haben,  da  bei 
beiden  die  Mythen  hier  einsetzen.  Dadurch  steht  für  die  Zeit  der  Völker- 
wanderung in  diesen  Gegenden  eine  Wotlansverehrung  fest,  die  ganz 
der  Verehnmg  Odins  an  den  nordischen  Königshöfen  entspricht.  Allein 
diese  Verehrung  lassl  sich  bis  zur  Tacitetschen  Zeit  hinauf  verfolgen:  wenn 
nach  der  Römer  Berirht  in  Niprdwestdeutschland  dem  Mercurius  als  dem 
höchsten  Gotte  Menschcncipfer  gcbmcht  worden  sind  (Germ.  9),  so  setzt  dies 
eine  Verehrung  desselben  als  Kriegsgotles  vnraus,  Seit  wann  aber  dieser  Gott 
in  jenem  Teile  Gennanicns  diese  Rolle  gespielt  tial,  lasst  sicli  nicht  ent- 
scheiden, dixb  mOgen  die  letzten  Jahrhundertc  vor  oder  die  ersten  i>ßch  dem 
Beginn  unserer  Zeitrechnung  dem  rechten  Zeitpunkt  nicht  fem  liegen. 

§  60.  Valh^IL  Valh^tl  ist  von  Haas  aus  nichts  anderes  als  das  Toten- 
reich,  sie  deckt  sich  mit  dem  Reiche  der  Hd  oder  dem  Nnbishaus  altdeut- 
M:her  Quellen.  Dieses  Totenreich  trat  in  engste  Beziehung  zu  dem  zum 
Totcngotte  gewordenen  Windgotie,  dieser  wurde  Herr  von  Valh9ll.   Als  dann 

22* 


340  ^I-    MVTHOLIIGIB. 


in  der  Wikingerzeit  der  Krieger  sein  Leben  nach  dem  Tode  in  {Ihnlicher 
WcUc  wie  auf  Erden  finUt-Ucii  wolUc,  da  wurde  Valh^Il  zu  einem  licrrlkiien 
Kricgeqiara(5ie.se,  in  dem  gt-kampft  und  gezecht  wurde,  in  dem  Kanipijung- 
frauen  den  Becher  und  das  Hom  reichten.  In  dem  LJdinn  das  Rexinieni  führte, 
zu  dem  allein  der  in  der  Schlacht  gefallene  Kämpe  gelangen  konnte.  Ob  wir 
ausserhalb  des  skandinavischen  Nonlcns  Ähnliche  Vorstellungen  von  einem 
WödaiisreicliL-  nach  dem  Tode  gehabt  haben.  lAsst  sich  nicht  erweisen,  dtxli 
nuichen  es  die  vielen  Sagen  von  den  bergentrüekten  Kaisern,  die  im  Grunde 
auf  denselben  Vurstellungskreis  zurtickgehen.  wahrscheinlich.  Autli  im  Norden 
ist  diese  Yurslcllung  nur  einseitig  weitergebildet,  wir  finden  sie  nur  bei  den 
Skalden,  nicht  aber  im  eigentlichen  Volksglauben.  Hier  scheint  Valli9ll 
nichts  anderes  als  das  Totenreich  geblieben  zu  sein,  in  das  alle  gelangen, 
ganz  .Ihnhch  der  Behausung  der  Hei.  Neben  diesem  treffen  wir  die  herrhch 
ausg'.-slattetc  Valhf,ill,  die  uns  die  Grimnismäl  vor  allem  vi,.r  Augen  fuhren.  Ais 
herrliche  Burg  schildert  sie  der  Dichter,  in  der  Odimi  mit  den  im  Kampf 
gefallenen  Recken  lebt,  die  am  Tage  kämpfen,  des  Abends  aber  zechen. 
Ein  Teil  dieser  Burg  mag  Vingölf  gewesen  sein,  das  wir  nur  aus  Snorris  Edda 
kennen  (AM.  Ausg.  II.  2bo,  263).  Uiul  auch  diese  Quelle  tt-iderspricht  sich  an 
den  beiden  Stellen,  wo  wir  den  Namen  finden,  indem  sie  da^  cinemal  den  Saal 
als  .Rufend laltsgrt  der  Guttinuen,  das  anderemal  als  Tu«mu;lpLitz  tlcr  Ein- 
lierjer  auffasst.  So  kommt  es,  dass  man  Vingolf  bald  als  Weinhalle  (PBB. 
XIV.  369  ff.),  bald  als  das  freundliche,  hiihsche  Haus  ^Ark.  f.  n.  fil.  VII.  280  ff.) 
oder  gar  als  die  »Halle  der  Liebenden,  w<j  diu  SchlUljungfrau  den  un.sterb- 
lichcn  Volkshelden  beglückti  (ZfdA.  XXXVL  32  ff.),  gedcuiei  hat  Trotz  der 
Einwandt-,  die  dagegen  vorgebracht  sind,  ist  Braunes  Deutung  als  »Weinhalle* 
im  Hinblick  auf  Vinheimr  des  Einar  Skälaglaram  (Vaün^ll,  Heiinskr.  Ausg. 
K  Ji'in.ison  S.  250)  die  einleuchtendste.  —  Jene  Burg  hegt  in  Gladiuim, 
»der  Welt  der  Freude«  (Grim.  8).  Ihr  Dach  ist  mit  Gold  bedeckt,  d;dier 
heisst  sie  die  GoldglOnzendc.  Ein  Wulf  hangt  am  westlichen  Thore,  darüber 
schwebt  ein  Adler,  das  Wappcn.scliüd  des  Herrn,  der  ja  selbst  den  Namen 
(^m  d.  h.  ^Adler'  führt.  Das  Innere  ist  luicli  echter  Kriegc-i^weise  aus- 
geschmückt: Speere  und  Sdiilde  hangen  an  den  Wanden,  Brünnen  bedecken 
die  Bänke  (Grim.  9.  xo).  Sie  besteht  aus  vielen  Hallen,  tmd  durch  mehrere 
hundert  Thüren  gehen  die  Einhcrjcr  aus  und  ein.  Nach  aussen  Ist  sie  diirch 
das  Thur  Vaigrind  und  cUm  Fluss  Valgüium  alige-schli».sseji.  Auf  den»  Dache 
der  Burg  weidet  die  Ziege  Ihiäni»,  aus  deren  Eutern  den  Einherjcni  der 
Met  zuströmt.  Sie  frisst  vom  Baume  Larüä,  der  sich  vor  der  huhen  Halle 
erhebt.  MisverstJindnis  hat  ihr  den  Wtilkenhirsch  Eikpyrnir  zugesellt,  dessen 
Geweihe  der  Regen  cnlstiümt  {Grim.  i%ii.).  Hier  diront  Ödinn  wie  ein 
König,  ihm  zu  Füssen  seine  hciilen  Wiilfe  Geri  und  Freki,  auf  den  Schultern 
seine  Raben  Hu^inn  und  Muninn,  die  iliin  alltäglich  schon  vor  Frülistück 
Kunde  von  dem  bringen,  was  sich  auf  der  Weh  zugetragen  haL  Wir  sehen 
hierin  schon  die  volle  Weiterbildung  des  Toten-  zum  Himraelsgutte-  Natürlich 
ist  er  in  erster  Linie  von  den  andern  GcJttern  und  Gotünncn  umgeben.  Da- 
neben aber  weilen  bei  ihm  die  einherjar,  d.  s.  ausgezeichnete  Kampfer,  denn 
mit  der  Ausbildung  der  Valh^ll  als  Kriegerparadies  war  zugleich  Liie  Ausidit 
entstanden,  dass  man  nur  durch  Seh  lach  tentixl  den  Hintritt  in  Valh9ll  erwerben 
küimc.  Unzahlig  sind  die  Schalen  derEinhcrjer,  die  tagtäglich  aus  den  j^oThoreu 
auszichcti,  um  sidi  am  Kampfe  zu  erfreuen.  Zuiückgekehrt  harrt  ihrer  treff- 
liche Kost  und  guter  Trank:  Audhrimnir,  der  Koch,  führt  der  Dichter  der 
Grimnismäl  aus,  hat  im  Kessel  Eldhrimutr  den  allabendUcli  sich  verjüngenden 
Eber  SaJirimnir  gebraten,    dessen  Fleisch  die  Kämpfer  genie&sen    nie  Odins 


VALHpt-t. 


34« 


Wolfe,  wahrend  C>dmn  nur  vcm  Weine  lebt.  ValkjTcn  kredenzen  den  Helden 
das  Hom  wie  beim  krmiglirhen  Jiilfcste.  Sic  sendet  auch  Ödinn  aus.  die 
Helden,  namentlich  Könige,  in  seine  Genossenschaft  zu  entbieten  (Häkonann. 
I),  wahrend  alle  Sagenhclden  wie  Sigmundr  und  Sinfj^tU  (Eiriksm.)  cxler 
Hennödr  sie  in  Einpfanc  nehmen.  Ihr  Weg  geht  durch  die  lalgnttd,  das 
Totenihor,  das  in  AnlelinuHg  an  die  Hei-  'xlcr  Ntigrim/.  das  HellhLT.  ent- 
standen ist:  es  sthliesst  sicli,  sobald  der  Tote  im  Bereich  der  Burg  ist 

Es  ist  frülier  <laranf  hingewiesen  worden,  »ie  die  Valkj'ren,  von  Haus  aus 
selbstandijte  mythische  Wesen,  durch  die  Erhebung  Wodan-Ödins  zum  Tolen- 
und  Sf  htachtengott  mit  diesem  in  engsten  Zusnmmeniiang  gekommen  sind.  Sie 
erscheinen  als  drösir.  mcyjar,  »{mrnir  Odins  oder  Hexans.  Als  solclte  führen 
sie  des  Gottes  Befehle  aus.  An  seiner  Stelle  stehen  sie  seinen  Schfllzlingen 
bei  tmd  verhelfen  Ihnen  zum  Siege.  So  entsandte  Ödinn  einst  die  .Sigftlrifa, 
dass  sie  dem  alten  Hjalnigumiar  <1cj»  Sieg  bringe.  Allein  diese  stand  seinem 
Gegner,  dem  jungen  Agnar,  l>ei  und  fällte  jenen.  Zur  Strafe  stach  sie  Odinn 
mit  dem  Schlafdom  und  sliess  sie  aus  dem  geweihten  Verbände  der  V'al- 
.kvren,  indem  er  bestimmte,  dass  sie  sich  verheiraten  solle  (Sigrdr.  3).  Sind 
'so  die  Valkyren  als  Schlachtenjungfrauen  in  das  engste  VerliJlltnis  zu  Odin  ge- 
treten, so  werden  sie  auch  seine  steten  Begleiterinnen.  Als  ödinn  zum  I^ichen- 
brande  seines  Sithnes  Baldr  ritt,  wurde  er  von  seinen  Raben  und  den  Val- 
kyröi  begleitet,  wie  Ulfr  Uggason  in  Öläfs  neuer  Halle  sah  (SnE.  I.  238). 
Vor  altem  aber  sollen  sie  die  gefallenen  Helden  nach  Valhi^ll  führen.  »G^n- 
dul  und  Sk^gu!  sandle  GauUilyr  (d.  i.  Udinn).  die  K<\nigc  7u  kiesen,  wer  von 
Ynp\Ts  Gcsclilccht  zu  fidin  k'unmcn  und  in  Valhyll  sein  solle«,  so  beginn!  das 
Loblied  Eyvinrts  auf  den  gefallenen  lläkon  (aus  dem  ro.  Jahrh.  vgl.  Cami. 
oorr.  16).  In  dieser  Thfltigkcit  finden  wir  die  Valk}Ten  beiden  spateren  Skalden 
ziemtlcli  oft.  Und  haben  sie  die  gefallenen  Helden  nach  Valh^l!  gebracht, 
dann  reichen  sie  ihnen  hier  am  AlK-nd  bei  frohem  Zechgelage  das  Mcthom. 
So  war  das  nordische  Kriegeq^aradies  durch  Dichterphantasie  prächtig 
'  ttitsgeschroackt  und  wohl  geeignet,  die  Lust  zum  Kampfe,  aus  der  es  selbst 
hervorgegangen  war,  zu  mehren  und  zu  wecken.  Und  deshalb  finden  T^ir 
diese  Dichtung  namentlich  am  Kr)nigshofc,  bei  den  Jarlen  und  imler  den 
Kriegern.  Hier  war  es  ja  auch  vor  allem,  wo  man  C)din  als  Kriegs-  und 
^Sicgesgott  verehrte,  wo  ihm  zum  Preise  die  Skalden  sangen,  wo  man  sich 
Vach  seinen  Behausungen  scliutc.  »Ödinn  hat  die  Jarle  (d.  i.  die  Fürsten), 
Thor  die  Knechte!«  lasst  der  Dichter  der  Harbardsljöd  Odin  se!l>st  als  ver- 
kappten Fergen  ausrufen,  und  Saxo  hebt  hervor,  dass  die  nordischen  Kfinige 
vor  allen  diesen  Gott  verehrt  hätten  (L  42).  Als  Schätzung  der  Fürsten  er- 
rKheint  er  dann  auch  In  den  nordischen  Sagas  ziemlich  c>ft  .-Vn  den  Königs- 
^köfcn  werden  ihm  Opfer  gebracht  und  Feste  gefeiert.  Hier  gilt  ihm  der  ersle 
Trunk  aus  dem  Home  als  dem.  der  Sieg  und  Macht  gewahrt  Durch  seine 
Kaben  veikQndet  dann  der  Gott,  dass  er  das  Opfer  gnädig  aufgenonunen 
ibe  (Hdmskr.  145). 
Mag  mm  die  Od  ins  Verehrung  nach  dieser  Seite  hin  an  den  nordischen 
KOnigshOfen  auch  ihre  lir,chslc  Entfaltung  erlangt  haben,  so  ist  es  doch  nicht 
wahtscheinllch,  rlass  sie  hier  ihre  Wurzel  hat  Wenn  nach  ags.  Sage  Hengürt 
und  Horsa  unter  .seiner  Leitung  nach  der  neuen  Heimal  gefülirt  werden, 
Wenn  angelsächsische  wie  nordiB<'he  Fürsten  ihre  Abkunft  von  ihm  ableiten, 
sn  spricht  alles  dafür,  dass  auch  die  Wurzeln  dieser  Wi>dansmythcn  au$ 
Xordileutschland  nach  dem  skandinavischen  Norden  gekommen  sind. 

§  61.   <idinn  als  Gott  der  Weisheit  und  Dichtkunst     In  den  nor- 
Qucllen  erscheint  Ödimi  ferner  als  Vertretet  alles  höheren  geistigen 


342 


XI.   ÄhTHOLOGIE. 


Lebens.  Eine  Ffllle  von  Wissen  stand  ihm  zu  Gebote,  das  er  ziim  Nutzen  der 
Äsen  verwandte  oder  seinen  Verehrern  spendete  oder  vielkimdifien  Riesen 
und  Fürsten  gegenüber  au  den  Tag  legte,  wie  dem  Riesen  VafprüAiir  (Vafpr.) 
oder  dem  König  Hcirtrck  (Herv.  S.  235  ff.)  oder  dem  jungen  Krinigs.'fohne 
Agnar,  den  er  alle  niüglichcn  mythischen  Dinge  lehrt  (Grim.).  Nament- 
lich zeigt  er  sich  als  Herr  der  übernatürlichen  Kräfte;  er  lehrte  Zauber  und 
Bannkraft  und  war  Finder  der  Runen,  die  dieses  bergen.  Beim  Zauber  aber 
gebrauchte  der  Gennaue  die  rhythmisclic  Zaubcrfurniul,  und  so  finden  wir 
(Jdin  aucii  als  Hcrni  der  Dichtkunst,  und  die  Dichter  verehrten  iim  als  den 
Hüter  des  Dichtermets  und  als  ihren  Schutzpalron,  von  dem  sie  die  Kraft 
der  Dichtung  erhalten  hatten. 

Mehrere  nordische  Mythen  berichten  uns,  wie  der  Gott  in  den  Besitz  der 
Fülle  solcher  Weisheit  gelangt  isL  Eibischen  Wesen  vcrtlankt  er  nach  der 
einen  dieselbe,  dem  Zwerge  pjö^rerir  (Hav.  i(xi),  dem  bejahrten  Rlilnnlein 
im  Hügel  der  Erde  (Härb.  44),  nach  anderer  aber  dem  vielkundigen  Jlirair, 
dem  alten  Elbi-n  gerraanischcn  Volksgeistcs,  der  im  Sleinhügel  wohnt  wie  im 
Wolkenberge  «der  Meere,  der  die  Kunst  des  Schmiedens  lehn  und  selbst 
vürtreffliche  Schwerter  schmiedet,  der  am  Wellenbaume  den  Weltgeist  be- 
wacht und    vnn   diesem   dem    zum  Himmelsgott   gewordenen  Odin    spendet. 

Wie  Odinn  der  Welt  das  Leben  gicbt,  so  gewährt  Miinir  durch  ihn  Geist 
und  Verstand.  Beide  sind  einen  unzertrennlichen  Bund  eingegangen.  Schon 
die  ältesten  Skalden  nennen  Odin  Mimirs  Freund.  Der  Urquell  aller  Weis- 
heit und  alles  Wissens  sind  aber  den  alten  Germanen  die  Gewisser,  nament- 
lich die  himmlischen.  Ihrer  aller  Herr  ist  Mimir,  imd  so  erklart  sich  der 
schöne  Mythus,  dass  Udiim  tagtäglich  zu  diesem  Wesen  gehe,  um  neue 
Weisheit  vim  ihm  zu  erlangen,  wie  er  aber  ilafür  sein  Auge,  d.  i.  die  Sonne, 
ziun  Pfände  einsetze:  die  im  Meer  otlcr  hinter  den  Wolken  verschwindende 
Sonne  mag  den  Mythus  haben  entstehen  lassen.  Vgl.  §  44  (Uhland,  Sehr. 
VI.  197  ff.  DAK.  V.  CK)  ff.).  Ganz  ähnlich  ist  der  Mythus,  dass  ehist  die 
Äsen  den  Hoenir  zu  den  Vjuicn  als  Geisel  geschickt,  diesem  aber  den  Mimir 
beigesellt  hatten,  damit  er  ihm  in  allem  mit  Kat  und  That  zur  Seite  stehe 
(Hcimskr.  5  f.).  Hier  wie  durl  haben  wir  das  schöne  Bild,  dass  alles  höhere 
Leben  erst  dann  entsteht,  wenn  sich  mit  der  Sonne  als  dem  Atigc  des 
Himmelsgottes  das  Weisheit  und  Zukunft  ber^gcndc  Nass  verbindet. 

In  den  gleichen  Vorstellungskreis  gehört  auch  der  Mythus  von  Odin 
und  Saga,  der  allkundigen  Seherin.  In  SfiJh-nJ'eH.  d.  h.  ;«Sinkebach*,  wo 
kühle  Wogeu  rauschen,  trinken  beide  Götter  tagtäglich  (roh  aus  goldencu 
Schalen  (Grim.  7).  Hier  erhielt  der  Gott  Kunde  von  vergangener  Zeit  und 
von  der  Zukunft,  Kunde,  von  der  er  im  Riltselslrctt  mit  dem  Riesen  Vaf- 
t)rüdnir  oder  dem  König  Heidrek  Gebrauch  macht  — 

Einst  kommt  der  Skalde  Egill  zu  einem  Bonden,  dessen  Tochter  schwer  krank 
damiedcrliegt  Er  erfährt,  dass  man  Runenzauber  angewendet  habe,  dass  das 
Madchen  aber  kranker  geword^-n  sei.  Sofort  untersucht  er  das  Lager  und 
&idet,  dass  die  in  einen  Fistihkiemen  eingegrabenen  Runen  falsch  seien;  er 
schabt  sie  ab,  grflbt  neue  ein  und  nach  kurzer  Zeit  ist  ilas  Mridchen  wieder 
hergestellL  Dieser  Runenzauber  zur  Beseitigung  von  Krankheit  war  im  heid- 
nischen Norden  allgemein;  auch  ihn  schrieb  man,  wie  alle  Runen xveiaheit, 
üdin  zu.  In  den  Hävaniäl  Iftsst  der  Dichter  den  Gott  selbst  erzAlilen,  wie 
er  in  den  Besitz  dieser  Weisheit  gelangt  ist: 


Ich  weiss,  dass  icli  hing  an  windigcin  Baonie, 
Neun  canec  Nilchlc, 

Mit  il«n  Sj»«rTv  vctwuntict,  dem  l'din  geweiht. 
Ich  sclltst  nirr  ».-llist, 

Xicht  reichte  man   nrir  Speise  nixh  Trank, 
Forficbftiu]  spiihlc  kh   nii-der, 
Ich  nahm  beritur  ilic  Runen,  laut  whreiend, 
I>ann  fiel  ich  herab  vom  Baume. 

I>a  bcfpuin  ich  zu  ctdcibcn  und  weis«  zu  Mtti 
Und  Ml  wachsen  und  mich  wohl  rn  befinden; 
Wort  mir  vom   Worte  das  Wort  sucbic 
Werk  mli  vorn  Werke  du  Werk. 

So  kam  ÖSinn  in  früher  Jxigend  zn  den  Runen.  Christlirhen  Einfluss, 
d.  h.  den  am  Kreuze  liaagenden  Chrihlus,  in  diesem  Mythus  zu  finden,  wie 
Bugge  will  (Stud.  I.  317),  ist  nicht  nötig.  War  Üdinn  im  Besitze  der  Runen- 
re^eit,  so  musste  die  Frage  ki>mmcn:  wie  hat  er  diese  erlangt?  Sie  ver- 
ilasste  einen  Dil  hier  zu  dem  MytliiLs:  in  früher  Jugend  hing  der  Wind- 
et im  Wcitciihaum.  bis  er  in  den  Besitz  der  Runen  Weisheit  dAnionisrher 
Gewalten  kam  (vgl.  Kauffmiinn.  PEB,  XV.  105  ff.,  Eirikr  Majjnü?..son,  Odins 
Horsc  i/ff.).  Durch  diese  aber  wurde  er  zum  Herrn  aller  geheimen  Kräfte, 
vor  altem  zum  Antlc,  der  durch  die  Beschwörungsformel  die  Krankheit  be- 
seitigt So  zeigt  er  sich  im  Merstburger  Sprudie.  wo  er  das  gelähmte  Rtwa 
hcüL  Nach  Saxn  ersrheint  er  di?m  krarken  Sivard  und  verspricht  ihn  zu 
heilen,  wenn  er  ihm  alle,  die  er  fallen  werde,  weilic  (I.  44O).  Dalier  ver- 
danken die  Menschen  Odin  die  Heilkunst  (Fas.  HI.  237).  J^'ifi  heisst  »Ge- 
heimnis, geheimes  Lied,  geheimes  Zeichen«,  imd  dieser  geheimen  Zeichen 
bediente  man  sich,  um  Unangenehmes  zu  bannen.  Erwünschtes  herbeizu- 
mfeiL  Wahrend  thescr  Brauch  tier  Runen  nur  bei  den  Nordgermanen  be- 
legt ist,  crfahrt-n  wir  von  fast  allen  germanis»  lien  Stammen,  dass  num  sich 
bestimmter  Zeichen  hedienie.  um  die  Zukunft  zu  erfahren.  Hier  bedurfte 
des  VerstiUidnisses  der  Zeichen,  dort  der  Kenntnis,  die  glftck-  oder  un- 
Jückwirkenden  anzuwenden  und  zu  ordnen,  damit  durch  sie  ein  Geist  oder 
HC  Gottheit  beschworen  werde  und  wirke.  Dieser  Gebrauch  mit  Zeichen  vcr- 
icner  Stäbchen  bei  \Veissagungc*ii  muss  bei  den  Germanen  umlt  sein,  denn 
lie  ältesten  Schriftsteller,  ihe  über  germanische  Dinge  schreiben,  erw.ihnen  ihn. 
Die  Zeichen  selbst  kennen  mit  denen  nicht  übercinstimraen.  die  wir  heute  unter 
dem  Namen  Runen  kernen  und  in  denen  wir  eine  grosse  Reihe  von  In- 
schriften besitzen.  Diese  Sclmftrunen  sind  erst  in  den  ersten  Jahrhunderten 
tmserer  Zeitrechnung  dem  spatlateinLsehen  Alphabete  nachgebildet,  %>-flhrcnd 
der  Losst.lbe  schon  TaciliLs  (Germ.  c.  to)  Erwähnung  thut  Doch  scheinen 
diese  mit  der  Zeit  von  jenen  abgcl<"'Sl  wtjrdcn  txler  wcnlitslens  mit  ilmcn 
verschmolzen  zu  sein.  Unsere  hauptsJtchlichsten  Quellen  der  Kenntnis  des 
Runengebrauchs  sind  ein  Teil  der  Hävamäl  (V.  144  ff.),  wo  ein  l^ulr  aus- 
luamt.  was  er  alles  infolge  seiner  Runcnwcisheit  vermag,  und  die  SigrdrifumAI, 
wo  die  von  Sigiird  eru-eckte  Valkyre  Sigrdrifa  ihren  Liebling  die  rechte  Be- 
nutzung dieser  gelieimen  Zeiclien  lehrt  (Vgl.  Ulilantl  Sehr.  VL  225  ft 
V.  Tjlienm-m  und  MOllonhoff,  Zur  Runenlehre.  Hallo  1H52).  Allein  Ödinn 
hat  ntctit  nur  die  Runen  erfunden,  sondern  ei  lehrt  tue  auch  die  Menschen. 
Nattirlich  hat  er  sie  auih  selbst  gebraucht  wie  die  Menschen.  Er  sprach 
Ober  Mirairs  Haupt  den  Zauber,  rlass  es  nicht  in  Fäulnis  Obergehe  (Heimskr.ö), 
er  sang  den  Totenzauber,  um  die  Vylva  aus  dem  Grabe  hcn*orzubringen 
(Vegt  4),  er  singt  den  Liebeszauber,  um  Frauen  ihren  Männern  abspenstig 


344 


XI.  Mytholimiie. 


zu  rnarhcn  (Ilärb.  20}.  er  schlagt  die  Rinda  nüt  der  mit  Runen  versehenen 
Zauberrulc,  als  sie  ihm  nicht  zu  Willen  sein  wül,  sodass  sie  wahnsinnig  wird 
(Saxo  I.  126).  Daher  führt  OdJnn  den  Namen  ^idrsfat^r  »Vater  des  Zaubers«; 
er  wird  »vielkundig«  g:enamit  iFms.  II.  i.}8.  Hciinskr.  6")  und  besitzt  alle 
Künste,  die  man  suiLst  bei  <len  zaubcrk  und  igen  Finnen  suchte  (Fritzner,  Norsk 
HisL  Tid^kr.  IV.  197  f.).  Puriebcn  erschehii  er  auch  2\s,  forspiir  »einer  der 
die  Zukunft  voraussieht'  iHcimskr.  6).  Saxo  nennt  ihn  Uggents  vatcs  (I. 
238),  und  nach  demselben  Schriftsteller  besass  sein  Günstling  Harald  Hilde- 
tand Ottlins  Pru[)hetcDgiibc  |I.  ,l6l).  Nuch  in  L.  Pelri  Sv.  Krön,  hcisst  er  nach 
der  sc}iwedi.sdieu  Viilkssage  der  'tandskumn^ runokarkn  oeh  afgudat,  Rtke  Otltn*. 
(Lundgr.  jq).  Ganz  Jihiilich  wie  die  Nttrdlilndcr  haben  auch  die  Angctsaelisen. 
ihren  Wi'idan  von  dieser  Seite  gekannt:  er  galt  ihnen  als  Finder  der  Buch- 
staben und  als  Gott  aller  List,  oder  i*ie  der  christliche  Schriftsteller  sich  aus- 
drückt, aller  Diebereien  und  Bclrtlgereien  (Kemble,  Die  Sachsen  I.  J78). 

Zu  der  Beschwünni^,  zu  dem  Zauber  gehört  die  BesrhwOningiformel  und 
das  Zauberzeichen.  Jene  aber  war  bei  den  Germanen  wie  bei  fast  alleo 
Naturvölkern  in  rhythmisrher  Form.  Wu  Zauber  ist,  ist  auch  Poesie.  Wer 
daher  jenen  beherrscht,  muss  auch  in  der  Dichtkunst  zu  Hause  sein. 
wer  jene  spendet,  spendet  auch  diese,  wer  jene  fiuiil,  Ul  auch  der  Urquell 
dieser.  Und  <,K^  finden  wir  Udin  als  Vater  der  Dichtkunst,  diese  als  seine 
Gabe,  den  Dichter  als  SptJider  seines  Trankes.  Der  Verfasser  der  Heims- 
kringla  (3.  8)  geht  sogar  soweit,  dass  er  von  OiCtin  sag:t.  er  habe  alles  in 
htndittgarA,  i.  in  Keimen  gesprochen.  Mag  er  von  Haus  aus  auch  nur  der  Gc^lt 
der  poetischen  Zauberfonnel,  der  Ijöd  oder  de*  gaUr,  gewesen  sein,  so  M'iudc 
er  doch  auch  mit  der  Zeil  der  Herr  der  hnita,  des  erz^lhlenden  Liedes,  da 
er  als  Nornagestr  und  in  anderen  Gestalten  seine  Weisheit  aus  alten  Zeiten 
und  voll  früheren  Gt.->chlechteni  an  den  Tag  legt  —  Ein  eigcntOmlicher, 
zweifellos  junger  und  rein  nttrdischer  Mythus,  dtr  in  seiner  jüngsten  Gestalt 
nichts  besi  Inders  Anziehendes  hat,  lüsst  erst  spater  Odin  zum  Herrn  des  Dichter- 
nietes werden.  Von  Haus  aus  ist  der  Dichtcrmel  im  Besitze  der  Riesen.  In 
der  Weisheit  des  Vaffini'anir  zeigt  sich  .soine  Wirkung.  In  Suttungs  Salen 
befindet  er  sich.  Hierher  ki;inmt  einst  Üdinn  als  Bt^herkr  -Cbelthater«,  ab 
des  Riesen  Tuchtcr  Gunul^xt  den  Trank  bewacht.  Durch  Worte  weiss  er 
ihre  Zuneigung  zu  gewinnen,  erhalt  von  ihr  auf  goidnem  Sessel  von  dem 
herrlichen  Tranke  und  bringt  dann  diesen,  den  ÖAvcrir,  »dai  zur  Dichtung 
treibenden^,  nach  den  Wohnungen  der  GVUter,  zu  dejien  die  Riesen  am 
andern  Tag  koimnen  und  fragen,  ob  zu  ihnen  ein  Bt^lverkr  gekommen 
sei  (Häv.  103  ff.).  Spätere  Dichtung  hat  diesen  Mythus  teilweise  umgestaltet 
und  er^veitert.  Damach  wird  die  Hntstebung  des  Metes  in  die  Zeit  des 
Fricdenssclilusscs  zwischai  ^Vscn  und  Vanen  gesetzt.  Beide  Teile  spuckten 
in  ein  GefJlss.  Alis  dem  Speichel  aber  schuf  in;iii  das  wcLseste  aller  Cesdiüpfc, 
den  Kviisir.  den  die  Äsen  von  den  Vanen  iUs  (jeisel  erhielten.  Dieser  wird 
von  den  Zwi-rgen  Fjalar  und  ihihr  getötet,  sein  Blut  mit  Honig  gemischt  und 
dieser  so  enlstandene  Älel  in  den  Ku&scl  Odra-rir  und  die  Krüge  Siiti  und  Boitn 
gebracht.  Hiemach  verdankt  alsij  der  Dichlcnnct  den  .'Zwergen  seine  Entstehung, 
elbtschen  Wesen,  die  von  Haus  aus  die  höheren  gei^^igen  Güter  besitzen. 
Von  diesen  Zwergen  kuuiint  der  Met  als  Sülme  in  die  Hände  Suttungs, 
dessrn  Vater  Gillingr  von  jenen  auf  dem  Meere  ertrankt  worden  i.st.  Sutiinigr 
ÜbergieUi  den  Trank  der  Hut  seiner  Tochter  Gunnlyd,  die  ihn  in  festem  Berge 
bewacht  Eiast  kommt  Odinn  unter  dem.  Namen  B«^Ivcrk  zum  Riesen  Baugi,  dessea 
Knechte  sich  gegenseitig  erschlugen  halx>n.  Kr  bietet  ihm  seinen  Dienst  an, 
der  der  Arbeit  von  neun  M^uieni  gleich  kommen  solle.     Als  Lohn  verlangt 


Odixn  aus  Gnrr  dek  Wkisheit  und  Herr  hrs  Dichtermittes.   545 


^ 
^ 


er  einen  Trunk  vom  Suttungsmete.  Baugi  f;eht  auf  diesen  Vurschlaf;  ein.  Nach 
vollbraclitcr  Arbeit  wird  der  Berg,  in  dem  Gunnlvd  Jen  Met  hütet,  durclilnihrt, 
0<]inn  sihlüpfl  inSrhlangengast;ilt  diircli  das  L»K:h  und  wird  vonGvinnl^d  gastlich 
aufjKetUknimui.  Drei  NSehte  üchlUft  er  in  ihren  Armen;  in  jeder  Xacht 
selilürft  er  eincK  der  Gcfassc  aus.  Dann  fliegt  er  in  Adlcrsgestaät  nach  As- 
gurd  zurück,  aber  Suttungr,  ebenfalls  in  Adlergestalt,  ist  dicht  Iiintcr  üim. 
AU  jenen  die  Ascn  k«  »mnicn  acheri,  setzen  Me  ein  Gcfäss  hin.  in  das  Odinn  den 
Met  speit:  das  ist  der  Trank,  den  der  Gott  den  guten  Dichtem  spendet 
Etwas  aber  fahrt  ihm  lüjiteu  heraus,  tmd  das  erhalten  die  schlechten  Dichter 
(SnE.  II.  295  "■)■ 

£a  darf  wuhl  als  sicher  angenommen  werden,  da&s  diese  Mvllien,  sowie 
die  g;inxc  Entwicklung  Odins  als  Gottes  der  Dichtkunst  in  der  GeKtalt,  wie 
wir  sie  vun  den  Skalden  vernehmen,  aiL««i»liessIich  dem  Norden  angehurt.  Es 
ist  die   nalürliclif   WciierbilduiiH  der  Mydien  \x>m  Guitc   des  Runenzaubere. 

inn  war  das  Ideal  der  nordischen  Dichter  gewurden,  und  diese  bildeten  und 
Qckten  ilir  Ideal  aus,  die  einen  mehr  als  ein  höheres  Wesen,  das  Aben- 

er  erlebt  und  Liebcshaiidcl  anknüpft,  wie  der  Dichter,  der  ihn  besingt,  bei 
den  andern  aber  wurde  er  zum  gebietenden  Herrn,  zum  GoUcrfüislen,  der 
erhaben  über  den  Men:>dien  >li:ht  und  die  Gabe  der  Dichtkunst  nach  Gut- 
dünken spendet,  wem  er  will.  Weder  das  eine  ntxrh  das  andere  lüsst  sich 
bei  einem  andern  germanLscheii  Volke  nachweisen.  Dagegen  kannten  ihn 
die  norddeutschen  Stämme  bereits  als  heilenden  G(»tt  tmd  Giitt  des  Zaubers, 
und  in  dieser  Auffassung  mag  er  nach  dem  Norden  gekommen  sein. 

§  bi.  \Vüdun-l>dinn  als  Himmels-  und  Sonnengott  2ur  Zeit, 
Wo  der  Germane  im  Kriege  das  Ideal  seines  Lebens  erblickte,  war  der  alte 
llimmelsgott  zum  Kriegsgoltc  geworden.  In  dieser  Gest:ill  verehrten  ihn  in 
der  frühsten  historischen  Zeit  fast  alle  germanischen  Stämme.  In  Nurd- 
deutschiand  dagegen  hatte  mit  der  Krliebung  tlts  alten  Windguttes  dieser 
das  Gebiet  des  früheren  HauplgtHics  übernommen.  Sdion  in  den  ereien 
Jalirhunderten  lutserer  Zeitrechnung  muss  er  dies  Machtgebiet  eingenommen 
haben.  Nur  von  dieser  Thatsache  ans  erklürt  es  sich,  wenn  er  nach  Tacitus 
(Gerui.  Q)  bei  diesen  Vülkeru  von  allen  Gütteni  a:n  meisten  verehrt  worden  sein 
soll,  wenn  ihm  hier  Menschenopfer  gebracht  worden  sind.  Die  alte  Sage  vom 
Ursprünge  des  Namens  der  Langobarden  (Paulus  Diaconus  lib.  I.  et))  stellt  diese 
Thatsache  ebenfalls  über  allen  Zweifel,  denn  hier  erscheint  IlWau  oder  Gwofian 
ab  Gemahl  der  Fun,  die  als  die  (beliebte  schlechthin  von  Haus  aus  wohl  des 
HimmclsgoltesFrau  war,  wie  MüllecihuffwalirschdnliLh  gemacht  hat  (ZfdA. XXX. 
217  ff.).  Hier  wird  femer  von  ihm  erzählt  da.ts  er  alle  Morgen  im  (l)sten 
durch  ein  Fenster  die  Erde  überschaue,  ein  Bild  ties  im  Osten  aufsleigtrnden 
TageshimraeJs.  Das  Fenster,  durdi  <las  er  blickt  gleicht  der  nordischen 
Hhäifyi//  i&VXix\.  I.  Grim.  S.  76),  von  wo  aus  (idinn  —  auch  einmal  Freyt 
(Skim.  1)  —  die  ganze  Welt  überschaut.  In  der  Uingo bardischen  Sage  er- 
wacht er  noch  alUügUch  mit  dem  Tagesgrauen,  ckis  er  selbst  bringt  In  dem 
nordischen  Mythus  hat  er  einen  festen  Sitz,  von  wo  aus  er  sein  gewaltiges  Reich 
überblickt  und  beherrscht.  I^a  er  Miuimel*^i">it  ist  *""'  ist  die  Sonne  sein  Ai^e 
oder  sein  Goldheim,  dun  er  aufseut  wenn  er  zum  giussen  Kampfe  gegen  die 
feindlichen  Mrichie  reitet,  die  die  Well  vernichten  werden.  Die-selbe  ist  auch  der 
Kiti^  Dmufimr  »der  Tropfer«,  wie  die  anderen  Symbole  der  Götter  das  Werk 
kunstreicher  Zwerge^  von  dem  in  jeder  neunten  Nacht  acht  gleich  schwere 
Ringe  heruntertropfen  (Skim.  2\.  Wisticenus,  Symbtilik  von  Sonne  und  Tag 
4u|.     Wir  fitulen  ihn    bald  im  Besitze  Odins,    bald    in    dem  Freys,    bald    in 

drs.  In  dieser  Thatsache  zeigt  sich  wieder,  wie  alle  drei  Gottheiten  zusammen- 


34'J  ^iI•    MVTHOUJGIE. 


treffen.  In  Niederdeut»«'hlancl  führt  ferner  der  Himmelsftagen  den  Namen 
Wocnsu'if^hffi,  auf  dc-m  nach  chrislJichcr  Umwandluna;  und  zugleich  mit  An- 
spielung auf  drn  alten  Scclengtauben  die  Toten  in  flas  Geisteireich  geführt 
werden. 

Als  Himmels-  und  Sonnengott  stieg  alsdann  OiTinn  im  Norden  zum  all- 
gewaltigen, machtigen  Gott  empor,  zu  dem  die  anderen  Gatter  mehr  oder 
weniifur  in  eniics  Verhältnis  traten.  Einzuinc  Züge  mögen  dabei  durch  den 
Verkrhr  mit  Christen  Aufnahme  gefunden  hahen.  Kr  wurde  bei  den  Skalden 
zum  Al/aitir  (Allvater),  zum  AUtifuäir,  zum  Vater  der  Menschen  rxlcr  Zeiten, 
zum  Vtralvr,  zum  Gotte  der  MSnner.  Die  Äsen  wurden  sein  Gechlecht.  Was 
das  menschliche  Herz  ^■erIangt,  wird  von  ihm  erbeten.  Dem  einen  giebt  er 
Sieg,  dem  anderen  j^ten  Fahrwind  itdcr  Reichtum,  dem  dritten  Verstand  oder 
Redegnbe  (Hj-ndl.  3).  So  weiss  er  auch,  wo  Reichtum  verborgen  ist  (Hclmskr.  8). 
Aus  dieser  Gestalt  heraus  hat  Snurri  in  seiner  Edda  seine  ganze  Herrschaft 
in  ein  System  gebraihi.  In  dieser  Marhtfülle  greift  er  auch  in  die  Geschicke 
der  Menschen  ein.  Offenbar  ist  hier  alter,  nationaler  Odiiwglaube  in  seiner 
SfiStesten  Entwicklung  mit  jungem  Christenglauben  zasammengeflnssen,  und 
CS  halt  oft  schwer,  beide  Elemente  von  einamler  zu  trennen. 

Auf  dieser  hr»chstcn  Stufe  der  Entwicklung  wurde  CWinn  auch  zum  Schröpfet 
der  Welt  und  Menschheit.  Jene  acliuf  er  als  Bors  S*>hn  mit  seinen  Brikiern 
Vili  und  Ve  aus  dem  Urriesen  Ymir.  Die  Spaltun;;  des  Schöpfers  in  die 
drei  BrQder  ist  offenbar  jung,  A-ielleicht  skaldisches  Machwerk.  Gleichwohl 
gehört  sie  noch  der  heidnischen  Zeit  an.  da  wir  sie  in  der  Lokasenna  (v.  26) 
sowie  in  Pj.'jdiMfs  Vnf:lingatal  finden,  wo  OJinn  Vilja  hrö<tir  (Hcimskr.  3.  14) 
genannt  wird.  Vielleicht  alter  ist  der  Mythus  von  d<*r  Erschaffung  der  Men- 
schen, die  Ödinn  mil  Homir  uinl  b'rtur  aus  Bäumen  erschaffen  hat.  Im 
Mythus  von  der  Weltsfhöpfnng  ist  hierauf  zurückioikommen.  —  War  nun  auf 
diese  Weisi"  Odinii  zum  m^lchiigen  Himmelsgoii  geworden,  so  miisste  ersieh 
natQrlii  h  auch  auf  doppelte  Weise  zeigen.  Die  Natur  ist  nicht  immer  die 
gleiche,  aber  der  Gott  war  in  jener  späten  Zeit  des  Heidentums  immer  da. 
Der  Himmetsgotl  herrschte,  allein  er  zeigte  sich  in  der  Nacht  anders  als 
am  Tage,  im  Winter  anders  als  im  Sommer.  Und  so  mag  denn  neben  dem 
nordischen  Odin  eine  zweite  Gestall  entstanden  sein,  der  Mitoihinus  des 
Saxo,  IMIr  und  L<iki  der  nordischen  Quellen.  Aber  dieser  Götter  Ursprung 
war  bald  vei^essen,  Namentlich  wurde  L*.iki  ein  Liebling  der  Dichtung,  die 
bald  mit  ihm  frei  schaltete  und  waltete.  Sie  reisst  ihn  ob  seiner  winterlichen 
Seite  von  dem  Asengcschlt-chte  los  und  macht  ihn  zum  Riesen,  sie  verbindet 
ihn  mit  Thor  und  lilsst  ihn  sein  Gefithrte  sein,  sie  schreibt  ihm  alles 
Schlechte  zu  und  macht  ihn  so  zu  einer  Colüicit,  die  alles  Böse  über  Götter 
und  Menschen  bringt. 

Ti'i^  reichhaltigste  und  crcrflichstc  Mono^rnphi«  Ober  Odin  v<>Txluikca  wir  Ubiand 

im  ft.  Bande  seiner  SchriftMi  (129—426).—  AVcni«  Wrrt  hat  MenzeK  CWin.  (Stu«e. 

185s).  —  ^iru:n  hübschen  Überblick  giebt  Wisin.  Odeu  och  Loke  (Siockh.  1875). 


KAPITFX  XI. 
LÜKI.  —  ULLR.  —  HCENIR. 

§  dl.  Lokis  Name  und  Verwandtschaft.  Sowohl  durch  seinen  Namen 
ak  auch  durch  die  Mythen,  die  es  v.:in  ihm  giebt,  hat  Loki  ausschliesslich  Uftr- 
gerrecht  in  der  nordischen  Mvthologie.  Er  ist  eines  der  schwierigsten  mytholo- 
gischen Probleme,  dereinem  entschlüpft,  wenn  man  ihn  schon  fest  zu  haben  meint. 


I 


I 


wie  er  Bcll>äi  i'inst  den  Göttern  enttwlilflpfte,  als  sie  nach  Baldrs  Tixle  dem  in 
einen  Lachs  verwandellen  nach  Lebt;n  und  Freiheil  trachteten.  Wie  bei  allen 
Göltem,  liat  man  auch  bei  ihm  einen  physischen  Hintergrund  gesucht  und 
bat  ihn  aufs  engste  mit  dem  ähnlich  klingenden  Logi^  d.  i.  unserem  Lohe, 
FcucT,  zusammengcbiacht,  weil  ihm  wicderliuh  eine  dem  Feuer  almüdic  ver- 
nichtende Gewalt  inncwiihnt,  und  weil  L<>gi  in  junger  CU-rtirfening  als 
Dämon  des  Feuers  erscbcini.  Dazu  ^'^"1^^  "'^^  öuch  die  Doppelnalur 
Ix>ki5  aus  der  Dop[icln».iur  des  Feuers  am  besten  erklären  zu  können.  Von 
anderer  Seite  (Bujrge,  Stud.  I.  S.  73  ff.)  ist  das  Wort  Loki  als  verkürzte  Form 
für  Liui/er  aufgefasst  worden,  und  man  hat  in  dem  Gottc  oder  Dflmon  das 
nordische  Bild  des  christlichen  Teufels  wiederfinden  wollen.  —  Gehen  wir 
von  der  unbestrittenen  Thalsaclie  seiner  nordischen  Heimat  aus,  su  lehrt  uns 
die  Sprache,  dass  Loki  nichts  anders  als  der  i.Schliessert  bedeuten  kann;  das 
Wort  gehört  zum  Verb.  Itiia  t>der  i/iika  =  "schücssen,  beendigen'  ebenst)  wie 
lok  >der  Schluss'.  Das  Wort  ist  gebildet  wie  kroii  von  i/ijöia,  skoti  von  sk/6ta 
n.  digl.  In  der  Zeit  der  Besiedlung  Islands  finden  wir  diesen  Namen  als 
männlichen  Beiuiunen  (pjorlj^m  loki  Is.  Sog.  L   1.^2). 

Diese  emzig  mrigliihe  Ktynmlogte  rles  Wortes  lehrt,  dass  Li^ki  «ner  jungen 
Periode  der  Jtythenbildung  angehört,  einer  Zeit,  als  man  abstrakte  Begriffe 
in  den  Bereich  mythischer  Dichtung  zog  und  diese  hier  weiter  bildete.  Der 
Bedeutung  des  Wortes  nach  ist  er  der  Gott,  der  alles  endet,  wie  üin  schon 
Uliland  deutet  (Th<ir  S.  i<>).  und  hierin  liegt  seine  Doppelnatur:  er  ist  der 
Endiger  des  Angenehmen  wie  Unangenehmen  und  dadurcli  der  Freund  und 
Feind  der  Götter  und  erscheint  in  Begieiiung  letzterer  als  das  verniditcnde 
Element.  So  ist  er  im  Anfang  der  Zeilen  mit  (Jdln  Bluts bn\derscliaft  ein- 
g^angen,  so  ist  er  Thors  Begleiter  auf  seinen  Fahrten.  Er  führt  das  Ende 
der  angenehmen  Jahreszeit  herbei,  indem  er  mit  den  winterlichen  Dünionen 
zum  Veniichtunpskiimpfe  gegen  die  Götter  heranzieht;  er  verhilft  aber  auch 
Thor  *i«lcr  zu  seinem  Hammer  und  macht  dadurch  dem  rauhen  Winter 
cLu  Ende.  Loki  ist  vem-andt  und  verbündet  mit  den  Riesen,  er  ist  aber  auch 
ein  Freund  der  Götter  und  Wachler  ihrer  Beute.  Als  Endiger  des  Tages 
lagert  er  in  finsterer  oder  slenienlicHcr  Nacht  über  den  Gefilden  und  zeugt 
hier  mit  der  AngrboÖa  d.  i.  der  Srha^lenbotin  die  Dämonen  der  finstern  Ge- 
walten, vor  allem  die  Hei,  mit  der  er  sich  selbst  als  ftgtiritnloki  deckt. 

Wie  L<jki  selbst,  so  ist  auch  seine  VenvandtscJiaft  zum  grossen  Teile  aus  dem 
Reiche  der  Abstraktion  genommen.  Sein  Vater  ist  Färbauti,  »der  gefahrlich 
Schlagende«  (d.  i.  der  Sturmwind,  Buggc  Studien  S.  80),  seine  Mutter  Laufey 
►die  Laubinset^  oiler  Nal,  ^die  NadeU  d.  i.  der  Nadelbaum.  Es  mag  bei  der 
SchöpfungdieserVerwaiultM-JiaftVennischungalter  Naturmythen  mit  dem  jüngeren 
Lokimythus  stattgefunden  liaben,  deim  hier  scheint  schon  Loki  als  das  vernich- 
tende Feuer  aufgefasst  zu  sein,  das  der  Sturm  auf  bewaldeter  Insel  vom  Himmel 
herabbra<^te.  Das  wSredann  ein  Parallel mvthus  zu  dem  Mvthus  von  der  Entstc- 
btmgdes  Lichtes  und  der  Warme  auf  Goiland  (Sieve,  Gutniska  Urkunder  S.  31). 
Sein  Weib  ist  die Schadenbutin  Angrboifla,  jung  im  Mythus  wie  ihr  Gemahl. 
Beider  Kinder  sind  der  Mi^gardsormr,  das  riesische  Meerungeheuer,  das  die 
Gfltter  um  die  Erde  legten,  der  Fenrisulfr,  das  finstere  Ungetüm,  das  die  Äsen 
anfangs  gross  zogen,  und  vor  allem  die  dünkte  Hei,  die  Behcrrschenn  des  unter- 
irdischen Reiches:  alle  sind  Machte  der  Finsternis,  wie  ihre  Ehem.  Dec-h 
diese  sind  z.  T.  älter  als  der  Vater  und  sind  erst  mit  der  Zelt  an  Loki  geknüpft. 
Diese  Verknüpfung  muss  vor  dem  in.  Jahrh.  erfolgt  sein,  da  sie  in  den 
Kcaningar  von  \*y' (X'Ah  Gedichten  als  bekannt  vorausgesetzt  werden  (vgl. 
Corp.    poeL   bor.   IL  471).      In    seinen    beiden   Brüdern    Helblindi    und 


B<'lei]U  erscheint  Loki  nur  in  anderer  Gestillt:  sie  liaben  sidi  frflhzeitig  von 
ihm  abgezweigt.  In  HtlhlinJi  berührt  er  sich  offeiihar  mit  seiner  Tochter 
Hei,  wie  er  ja  andererseits  selbst  als  Herrscher  über  das  Tutenreieh  erscheint. 
"Was  ßvietptr  oder  livltiptr  (xler  Bvkistr  sein  soll,  ist  dunkel;  sicher  steckt 
im  zweiten  Teile  des  Wnrtes  der  Blitz.  \Vad.stein  (Ark.  f.  n.  fil.  XI.  77  f.) 
hat  neuerdings  das  Wort  mit  bylr  ;-der  Stunii'  zusammengebracht  und  deutet 
es  als  bylUiptr  »der  Sturniblitz-, 

Als  zweite  Gcmalilin  Lokis  ermahnt  die  Edda  die  Sigyn,  deren  Name  für 
den  Mythus  eben.so  dunkel  ist  wie  ihr  Wesen.  Wir  wbscn  nur,  djiss  sie  aurh 
uater  die  Asinnen  gezühti  wrd  und  dass  sie  ihrem  gefesselten  Gatten  das 
Gift  nicht  ins  Gesicht  träufeln  Ifisst  (Vsjx  35).  Ihr  und  Lokis  Sohn  soll 
Narfi  (Vngl.  Ueimsfcr.  Ka]5.  xo.  SnE,  I.  104)  sein,  der  mit  VAli  aufs 
tngste  in  Vcrbimlung  gebracht  wird.  N:ich  einem  sonst  unbekaimten  Mythus 
verwandeln  die  Äsen  den  V;ili  in  einen  Wolf,  und  als  solcher  zerreis.«t  er 
seinen  Bruder  Narfi  (Vsp.  34.  SnE.  I,  184).  —  Schon  dieses  ganze  Ver- 
■ttTindLschaftsverhflUnis  Lokis  zeigt  das  bunteste  Gemisch  von  Gestalten  mit 
physischen  Hintergrund  und  subjektiven  poetischen  Geliilden,  denen  sich 
MisvcrstamJnisse  des  Verfassers  der  Sncrra-Edda  zugesellt  haben  mOgen 
{PER.  XVIII.    [1)4  ff.). 

Halten  wir  daran  fest,  dass  Loki  seiner  Etymologie  nach  eine  diclitcrisch 
ausgebildete  Abstraktion  ist,  so  muss  diese  im  Verhältnis  zu  jenen  alteren 
Natui^esialten  das  jüngere  Erzeugnis  des  mythensrhaff enden  Geistes  der 
nordischen  Dichter  sein,  der  sich  dann  im  luuife  der  Zeit  die  alteren  Natur- 
gcbildc  anscld'jssen.  als  Loki  in  den  Mittelpunkt  eines  ganzen  Mvthenkreises 
getreten  war.  Dieser  Anscliiuss  erklärt  sich  aber  nur  daraus,  dass  sich  Loki 
von  einem  anderen  höheren  Wesen  abgejtweigt  hat,  dass  er  von  Haus  aus 
nur  die  eine  Siriie  dt-ssclbcn  vertrat. 

Schtm  Weinbolcl  iZfd.\.  W\.  27),  Wislicenus  {l»ki  24)  u.  a.  haben  richtig 
die  gi'is.<ic  Bedeutung  des  Gottes  erkannt  und  ihn  mit  ituten  Gründen  in 
engste  Verbindung  mit  dem  mächtigen  Himmels^ntte  gebracht.  Nur  kann 
er  nicht  mit  diesem  identisch  sein,  sondern  muss  sich  als  eine  Seile  desselt>en 
von  diesem  abgezweigt  haben.  Aus  der  Kraft  jener  Gottheit  heraus,  die 
nicht  nur  alles  nusführoji.  sondern  auch  alles  abschli<'ssen  konnte,  die  sich 
nicht  nur  von  der  angenehmen .  sondern  auch  von  der  unangenehmen 
Seite  dtra  Menschen  zeigte,  ist  er  zur  Zeit,  wo  sich  der  Dichtergeist  mit 
der  poetischen  Abstraktton  beschäftigte,  entstanden.  Von  hier  aus  erklärt 
sich  vor  allem  sein  Name  Loptr,  der  persönlich  aufgefasste  Luftkreis,  und 
I.0durr  mag  demselben  Vors  teil  ungskr  eise  entsprossen  sein. 

Hieraus  erklart  sich  auch  tUis  enge  Verhältnis  einerseits  zwischen  C>din 
und  Loki.  andererseits  zwischen  Thor  und  Loki.  Obgleich  nach  splitcren  Be- 
richten als  Spro-ss  des  Rit'-*iengeschlechts  aufgefasst,  erscheint  er  diKh  stets 
als  Ase  und  nimmt  au  den  Beratungen  und  den  Gelugen  der  Götter  teil  Bald 
aber  halicn  die  Dichter  seine  Gestalt  weiter  ausgebildet,  ohne  Rücksicht  auf  den 
Boden,  dem  sie  erwachsen  ist.  I^jki  wurde  zu  dejn  Schlauen  und  Listigen 
unter  den  GOtien»,  der  diese  immer  in  \'erlegenlieit  setzte,  wie  er  sie  auch 
aus  derselben  zu  befreien  verstand,  das  echte  Bild  eines  i'ul,  der  seiner 
LTntgebung  gern  ein  Schnippchen  schlagt,  der  sich  aber  stets  aus  der  SchEnge 
2U  ziehen  weiss,  wenn  es  ihm  an  den  Kragen  gehen  soll. 

§  (33.  Lokis  Verhältnis  zu  Odin  und  ^ö^:  seine  Thaten.  Als  das 
alte  Heidentum  seinem  Verfalle  entgegeneilte,  liess  ein  Dichter  beim  Gelage 
yEgirs  den  schmahsüchiigen  Loki  den  Göttern,  tue  hier  versammelt  waren, 
nicht  immer  angenehme  Stückchen  aus  ihrem  Leben  vorhalten.    Man  kannte 


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den  Zank  suchenden  Gott  und  halle  ihm  deshalb  von  Haus  aus  den  Zutritt 
zur  Halle  .-Egirs  vervclirt.  Da  trinncri  Loki  C)din  darin,  wie  sie  einst  unter 
grünem  Rasen  ^-  nach  altgermanisclier  Weise  —  das  Blut  gemischt  und  sich 

»geschwuren  hatten,  iiictil  zu  ze«.tien,  ucnu  nJiht  aueU  dem  andern  da^  Bicr 
munde  (L(iks.  9).  So  erzu'ingi  er  den  Eintritt,  und  bald  ist  der  Streii  ent- 
sponnen^ Die:>en  engen  Bund  zwischen  L'»ki  und  t.idin  kennt  eine  Reihe 
anderer  Quellen,  wie  auch  mich  in  dcmscllK-n  Liede  Frigg  die  beiden  Gi'iUer 
im  Anfang  *ler  Zeiten  gcineins^im  handeln  l.'lsst  (V.  z^).  Vm  dies  \'erhaltnis 
zu  verslehen,  inüs!>en  wir  uns  zu  Saxu  wenden,  dessen  Mituthin  sich  uffen- 

•  bar  mit  Lnki  deckt.  Jener  ist  fcleber  praexitgiis  (I.  43I,  wie  Loki  ßrumh^di 
ßtxntanna  (SnE.  I.  104I,  jener  regiert  für  tjctin  wahrend  seiner  Abwesenheit, 
lässl  sicil  mit  der  Frigga  in  Buhlerci  ein  und  raubt  ihr  das  Halsband,  timt 
ai.so  dasselbe,  was  I>~iki  nach  islrmdi>tchen  Quellen  gethan  hat. 

IMitotliin*Luki  tritt  hier  als  winterlicher  Gegeusai/  des  somnierlii.  hen  Hiuimels- 
guttcs  auf.  In  dieser  Thaiigkcit  berührt  sich  Loki  mit  Ollerus,  der 
ebenfalls  als  Stellvertreter  Odm^,  ja  selbst  unter  dessen  Namen  auftritt,  dem 
gleiche  Buhlst haftun  uie  L<»ki  nachgesagt  werden,  der  sich  ebenfalls  duah 
allerici  Liat  und  Kunst  hervorgcthan  hatte,  bis  (Jdinn  seiner  Herrschaft  ein 
Ende  machte  iSaso  I.  ijof.;.    Diesen  kennen  als  Uli  auch  die  nor*'egisch- 

»  inländischen  Quellen  und  «"isscn  von  üun  zu  erzählen,  dass  er  ein  trefflicher 
Jager  und  Schlittschuhläufer  sei   (SnE.  L   I02),   also  Beschilftigungcn    triebe 
die  uocli  beute  der  Nordländer  im  Winter  liebt   und   pflegt   und   die   man 
audi  vüo  der  wimerlichen  .Sk:iä    erzahli.    Wie  Loki  ist  auch  UUr  scliön  von 
Gestall.  wie  L<iki  steht  er  u\  enger  Beziehung  zum  Feuer  (Grim.  43).    Beide 
stehen   auch   zu  Thor   im  engsten  Verhältnis:   von  Uli   nahm   man  an,    dass 
^ft  er   sein  Stiefsohn    sei   und   machte    ilm    infolgedessen    zum    Sohne    der   Sif, 
^B  Sein  Name  ist  ebenso   schwer  zu  deuten,  wie   der  Mythus   dunkel  ist,  nach 
^Bdcni  UUr  seinen  Schild  als  Fahrzeug  gebraucht  habe.    Möglicher  Weise  liegt 
^■hJer    eine    Verwechslung    vnr.    indem    nian   skUt   »Schneeschuh«    nicht  mehr 
^H  in    seiner   uisprOnglicIien   Bedeutung,    sondern   als  »Brett,  Schild«   au^asste. 
^1  *£»  wäre  demnach  nicht  der  Schild,    sondern  der  Schneeschuh  Ulis  Fahrzeug 
■  <Much,  PBR  XX.  35  f.). 

^1       Ferner  fnulen  viir  Loki  als  treuen  Genttssen  Odins  bei  einer  Reihe  Unter* 

^■Ttchmungen.     F-s  Lst  wiederholt  darauf  hingewiesen  worden,    wie   sicli  in  der 

^P  germanischen  und  be-onders  in  der  nordischen  Mytholi.igie  das  Streben  zeigt, 

(he  iinprüngUche  Einheit  dreifach  zu  sjialten;  die  Wurzel  der  Weltcsche  erscheint 

spater  dreifach,  der  einfache  Brunnen  ebensc»,  an  Stelle  der  einen  Nome  treten 

drei  auf,  selbst  nodi  in  der  Gylfugiiuüng  erscheint  Odinn  als  Här,  Jafnhär 

»imd  Priai,  wie  neben  ihm  Vili  und  Ve  schon  in  alten  Liedern  auf- 
treten. Ähnlich  ist  das  Verludtnis  bei  der  Schöpfung  der  Menschen  auf- 
xufaascn,  wo  an  Stelle  von  Odin,  Vili  und  Ve  nach  der  Vsp.  (lü)  C»dinn, 
HoBOir  und  Lr^durr  treten.  Dass  sich  liier  L>'>dLirr  mit  Ix>ki  deckt,  der  »^nst 
stets  nehen  Odin  mid  Ha:nir  ersdicint,  ist  zweifellos.  Wiederholt  wird  üdinn 
von  den  Skalden  vinr  Lädtirs  genannt  (Häleygjat  Str.  10;  Ul.  dräpa 
Str.  1),  wie  er  in  iüinlicher  Bindung  auch  vhtr  Lopu  heisst,  wo  unter  Lopt 
[Luki  zu  verstehen  ist  (L«tkas.  6.  ly;  Hyndl.  41;  SuE.  L  2<)0,  310  u.  oft.). 
|I>agegen  ist  Saxc«  Loihena  (I.  23)  schwerlich  mit  dem  islandischen  L^idur 
,  jEusammcnzubringfcii  (A.  Olrik,  Sakses  Oldliist.  IL  140 f.;  Sievers,  Sitzungsber. 
Kgl.  Sachs.  Gesellsch.  der  Wi!isens<-haften  1895.  S.  176  ff.).  —  Nach 
iem  Mythus  von  der  Schöpfung  der  Menschen  verdanken  diese  dem  Loki 
rlichkcit,  Gebärde  und  fristbcs,  gesundes  Aussehen,  Eigenschaften,  die 
Her  an  dem  Loki  hervorheben.     Zwischen  Odin  und  Lödur  steht  als 


dritter  Hcenir,  überall  die  stumme  dritte  Person,  dunkel  ihrem  Wesen  nach 
wie  ihrem  Namen.  Am  ansprechendsten  ist  noch  die  Dontung  Wt^inhulds 
(ZfdA.  VII.  24  f.),  der  in  dem  Gotle  ein  Sunncnwesen  fiiidt-n  will,  das  zu 
dem  nlichtlichen  Loki  recht  gut  passte  und  sirh  auch  neben  Odin  gut  stellen 
würde,  da  die  Nordländer  zwischen  Tag  und  Sonne  immer  scheiden.  Auch 
nAierdings  hat  ihn  Bloete  als  einen  Gott  gedeutet,  dessen  Wesen  den  ersten 
Übergang  vom  Winter  zur  somincrüclien  Jahreszeit  angab.  Kr  erklärt  dabei 
das  Wort  (lurkommsr,  wie  Hocnir  öfter  yenjmnt  wird,  als  »König  des  Frühlings- 
glanzcs<  (ZfdA.  XXXVIII.  287).  Die  Deutung  Hoffnrys  {H<rnir  =^  »der  Schwa- 
nengleiche' Eddastudien  loS  ff.)  ist  auf  das  Resultat  zugesclmitten  und  unhaltbar. 
Den  Namen  aber  mit  lat  canert  zusammenzubringen,  wie  jüngst  Y,iedcr  gescliehen 
ist  (PBB.  XVlIl.  547),  iSsst  sich  nur  dtin  h  haltlose  Combinationen  verteidigen. 
Oder  steht  der  Gutt  vielleidit  sprachlieh  dem  slavischeii  Hennii,  Hainal 
{Myth.  II  Ö25).  dem  CJotte  der  Morgenröte  nahe,  der  früh  auf  der  Wacht 
ist  und  gewissermussen  die  Mitlelspersunen  zwischen  Tag  und  Nacht  bildet? 
Wie  dem  auch  sei.  je<lenfal]s  lernen  wir  aus  der  Edda  Hcenir  nur  :ils  Freund 
und  Gefährten  Odins  und  Lcikis  kennen,  gegen  die  er  aber  ganz  in  den  Hinter- 
grund tritt.  Eine  illmliche,  niclitsKigende  Rolle  sjsieUe  er  auch  nacli  der  Heims- 
kringla  (S.  5  f.)  als  Ascngeisel.  Nach  diesem  Berichte  Lsl  er  wf)h!  ein  grosser 
und  schüner  Mann,  allein  im  höclisten  Grade  beschrankt,  sodass  er  ohne 
Mimir  selbst  das  Einfachste  nicht  zu  entscheiden  vermag.  Eine  auffallende 
Rolle  spielt  daneben  Hc^nir  in  der  verjüngten  Welt,  in  der  er  neben  Odins 
Söhnen  als  Hüter  des  Loszweiges  ersdieiiit  (Vsp,  (13).  Die  Stelle  ist  leider 
unvollständig  erlialten,  sodass  es  schwer  halt,  den  rechten  Sinn  derselben  zu 
finden.  Auf  einen  natürlichen  Hintergrund  scheinen  aucli  die  Epitheta  zu 
deuten,  die  dem  Gotte  beigele^  werden;  er  licissl  der  sdmelle  Ase  {«»« 
ikjAti  Äa),  der  Langfuss  {enn  langt  fötr  SnE.  I.  268). 

Die  Dreilieit  Oitin-Hirnir-Ijiki  erwähnt  die  nordische  Dichtung  öfter.  Diese 
Götter  waren  es,  die  einst  Oti,  Hreidinars  Sohn,  den  Bruder  Fäfnirs  und  Regins, 
töteten  und  dafür  die  s<:hwere  Otterbusse  zahlen  mussten,  die  sie  allein  aus 
Hreiömars  Gewalt  befreien  konnte.  Wie  Loki  es  gewesen  war,  der  Olr  ge- 
tutet hüUcj  so  scäiaffte  er  auch  Rat:  er  holte  das  geforderte  Gold  vom 
Zwerge  Andvari  und  erlangte  von  *liesem  auch  den  verderbenbringenden 
Gütdring.  der  stets  von  neuem  so  viel  Gold  hervorbrach tc,  als  sein  Besitzer 
haben  wollte.  Über  diesen  Ring  .spradi  Andvari  einen  Fluch,  dass  er  stets 
seinem  Besitzer  den  Tod  bringen  sollte.  Und  so  kam  durch  jenes  Gold 
das  in  die  Völsungensagc  so  tief  eingreifende,  verderbenbringende  Element 
^Eddal.  212  ff.  SnE.  I.  352  ff.).  —  Ein  andermal  waren  es  dieselben  Äsen, 
die  auf  Abenteuer  ausgingen.  Als  sie  Hunger  bckajnen,  nahmen  sie  von 
einer  Wiese  einen  Ochsen,  um  ihn  zu  verzeliren.  Allein  das  Fleisch  wollte 
Tiicht  gar  werden.  Ein  Adler  verspricht  ihnen  seinen  Beistand,  wenn  er  die 
besten  Teile  des  Tieres  erhalte.  Die  Götter  willigen  ein,  und  der  Adler  ISsst 
sich  vom  Baume  herab  und  nimmt  sich  die  besten  Stücken  vom  Ochsen  weg. 
Erzürnt  darüber  stüsst  Loki  mit  einer  Stange  nach  dem  Vogel,  durdibohrt  thn, 
wird  aber  von  dem  davonfliegenden  Adler  mitgenommen  und  nur  unter  der 
Bedingung  frei  gelassen,  dass  er  ihm  Idan  mit  ihren  Äpfeln  verschaffe.  Der 
Adler  aber  ist  der  Riese  Thiazi.  Im  Folgenden  zeigt  sidi  dann  klar  —  wie 
überhaupt  in  allen  folgenden  Mythen  —  Lokls  Doppelnatur:  er  veranlasst  die 
läim  mit  ihren  verjüngenden  Äpfeln  hinaus  in  den  Wald  zu  gehen,  wo  &ie 
der  Sturmriesc  in  Adlersgcstalt  entführt.  Bald  werden  die  Götter  alt.  Loki 
musä  wieder  Rat  schaffen.  In  Freyjas  Falkengewande  fliegt  er  zu  Thiazts 
WülmuDg,  verwanddt  Iftun  in  eine  Nuss  und  tragt  sie  wieder  nadi  AsgarA. 


I 


LOKI. 


.^51 


Als  Thiazi  den  R:iuh  mctkl,  flicht  er  Ltiki  nach,  allein  er  kommt  dem  Feuer  zu 
nahe,  das  die  Götter  nn  der  Umzaununj;  ihrer  Feste  anj-e/ündel  Imtleh,  vcr- 

•  sengt  sich  die  Flügel  und  wird  V4in  den  Göliem  eischtagen.  Mit  seinci 
Tochter  Skadi  schliessen  die  Äsen  einen  Vertrag:  Lofci  bringt  die  finstere 
Winicrgöttin  ^vgl.  Mudj,  ZfdA.  XXXVI.  12(1  ff.)  zum  Lachen,  und  ihr  Trou 
hat  ein  Ende.     So  hatte  im  Frühjahr  I^oki  wieder  gut    gemacht,    was   er    im 

I Herbste  verbrochen  (I  Iausil9ng  SnE.  I.  50t»  - 14 ,  vgl.  dagegen  S.  Buggt-,  Ark. 
X.  Durd.  Fil.  V.  1  ff.,  der  in  den  Äpfeln  der  Wuu  die  Äpfel  der  Hcsi>eriden 
-wricderzufmdcn  glaubt}. 
Ganz  ahnlich  zeigt  sich  Lokis  Doppelnatur  im  Mythus  vom  ricsischcn 
Baumeister,  der  ebenfalls  ein  winterlirlier  Sturmdännrn  wie  Thiazi  war. 
XSicsei  hat  den  Äsen  versprochen,  in  drei  Halbjahren  eine  Burg  zum  Sdiutze 
Jlitgen  die  Riesen  zu  errichten,  wenn  man  ihm  Freyja,  S^nne  und  Mund  zum 
Lohn  gebe.  Auf  L^kis  Kat  hin  nehmen  die  Götter  das  Anerbieten  an.  Mit 
HUfe  seines  Russes  Svaitil/ari,  des  Eisschleppers  (Uhland  Sehr.  VI.  63),  ist 
der  Riese  nahe  daran,  den  Preis  zu  erhalten.  Abermals  muss  Luki  helfen. 
In  eine  Stute  verwandelt,  in  der  Uhland  und  \Veinh(.>Id  dcti  Tluiuwind  iles 
Frühlings  vermuten,  lockt  er  Svadilfari  mit  Erfolg  von  .seiner  Arbeit    Er  wird 

Ivon  ihm  schwanger  und  bringt  den  Sidpnir  zur  Welt,  Odins  aditbeiniges 
Ras»  j-dca  raschen  lAufcr«  (Norecn,  Urgcrni,  Lautl.  S.  67;  Magnüsson,  (Jflins 
Horse  S.  58  f.).  Nun  kann  der  Baumeister  sein  Ziel  nicht  erreichen.  Thor 
wird  gerufen   und  crachl&gt   ihn    mit  seinem    Hammer   (SnE.  II.    ^/O-     Vsp, 

Ein  andenua)  halle  Lt'ki  in  seinem  Cberamle  der  Sif  die  Haare  ahe,^- 
schnitten.  Da  zwingt  ihn  Thor,  seiner  Frau  goldene  zu  verschaffen,  die  so 
fest  am  Haupte  bleiben,  wie  die  froheren.  I^iki  gehl  zu  den  Ivaldissühncn, 
den  Schwarzelfen,  und  diese  st  hniicdcii  nicht  nur  dits  guldene  H;mr,  sundeni 
auch  das  Schilf  SkhibiaJmr  und  den  S]>eer  Ganf^ir.  Stolz  auf  diese  Dinge 
wettet  der  GoU  mit  zwei  anderen  Zwergen,  unier  denen  wrthl  Lichtalfe  ge- 
meint simi.  ob  sie  gleich  treffliche  Dinge  zu  schmieden  verstanden.  Trotz 
Lokis  Heimtücke  schmieden  sie  den  Ring  Draupttir,  Freys  goldenen  Eber 
und  den  Hammer  Mj^lnir.  Die  Ascn  sollen  die  Wette  enlsclieiden;  sie 
gehen  das  Urteil  ah,  diLss  Mj9lnir  der  treffliclistc  Gegenstand  sei.  Loki  hat 
die  Wette  verloren  und  entkommt  nur  duxch  List  dem  sicheren  Tode  (SnE. 

•  L  340  ff.)- 
Wahrend  in  diesen  Mythen  Loki  den  Schaden,  den  er  den  G6tlcm  zu- 
£cfQgl  hat,  wieder  gut  macht,  vermag  und  will  er   es  bei  Baldrs  Tode  nicht 
und  erhAlt  inh>lgede;(sen  die  verdiente  Strafe.     Ct>endl    Irilt  er  hier  als  das 
vernichtende  Element  auf.  das  durch  List  seinen  Zweck  erreirht:  in  der  Ge- 
.stalt  eines    alten  Weibes    erfährt    er  von  Frigg,    duas    ullc-iji    der  Mistelzweig 
nicht  vereidigt  sei.  dem  Baldr  kein  Leid  zuzufügen.     Er  hult  ihn  und  gicbt  ihn 
^H    dem  blinden   H^ft  in  tlie  Hand,    er  lenkt  ihn  nach  Baldr  und  ftüitt  dadurdi 
^B   dessen  TkI  herbei.     Als  Hei    den    Gott    zurückgeben  will,    wenn    ihn    alles 
^^U0veinc,  ist  Loki  allein  hi  Gestalt  des  Riesenweibes  i>^kt  nicht   zu  bewegen. 
^^PSb  beschliessen   endlidi    die  Ascn,    dem   Treiben    des    B«lsen    ein  Ende    zu 
zaacheu.     Auf   steilem    Felsen    hat    er  sich    ein    Haus    mit  vier    Thtlren   er- 
xicbtet     Von   hier  aus  späht   et  wahrend    der  Nacht   überall   hin,   am  Tage 
aber  birgt   er  sich  m  Laclisgestalt  in  FrAnangrsfors,    wo   die  Äsen   ihn   mit 
vieler  Mohe  fangen.   Darauf  binden  >ie  ihn  in  einer  Holde   fest.     Auf  Skadis 
Veranlassung  speit  daselbst  eine  giftige  Schlange  auf  ihn  ihr  Gift;  seine  Gattin 
Sig>'n  halt  dasselbe  fern,  indem  sie  es  in  einer  Schale  auffängt     Nur  wenn 
sie  diese  aufesst,    kommt   ein  Tropfen   auf  Lokis  Gesidit;   dann   zuckt  er 


zusammen  imd  die  Erde  bebt:  das  nennen  die  Menschen  Erdbeben  (SnE.  IL 
287  ff.). 

Auch  beim  Weltuntergfinge,  der  mit  Baldrs  Tod  in  Zusammenhang  ge- 
braclit  worden  ist,  finden  wir  I.oki  als  Gegner  der  Äsen.  Er  ist  der  Steuer- 
mann, der  das  Schiff  der  finstem  Machte  dem  grossen  Kampfplatze  zusteuert 
und  wird  tUidurch  der  Urheber  des  Endes  alles  Bestellenden  (Vsp.  51). 
Diesen  letzten  Kampf  snll  er  einst  mit  Heimdall  :iu.sziife«hten  haben,  mit 
dem  er  auch  s«^iisl  allnächtlich  auf  dem  fedtliteu  Sirj^ai-leine  unt  das  Brisin- 
ganien  der  Frevja-Frigg  streitet  (SnE.  I.  26Si. 

Der  einzige  unter  den  Äsen,  der  I.okis  List  durch  seine  Kraft  bandigen 
kann,  ist  Tlior.  Er  zwingt  ihn,  der  Sif  neue  Haare  zu  besorgen,  die  Iftun  mit 
ihren  Äpfeln  wic^ler  herbeizuschaffen,  die  Verhulnumg  der  Götter  zu  beenden 
(Lfjks.),  er  fäniit  ihn,  als  er  sich  in  Fränangrsfurs  verlwjrgen  hält.  Gleichwuhl 
erscheint  I-oki  .luch  als  Thors  Bcgiciter. 

Als  Tlirt'mr  des  Gottes  Hammer  gestohlen  und  verborgen  hatte,  briigt 
Ixiki  Kunde  davon,  begleitet  selbst  den  Thor  nach  Riesenheini  und  Jiilft  ihm. 
seinen  Hammer  wieder  erwerben  (Prkv.l.  Ancl»  auf  der  Fahrt  zu  L'^tgarildoki 
begleitet  Luki  den  Th<ir.  Ein  junger  Mythus  lasst  ihn  sogar  hier  mit  dem 
Diener  Ütgarftalokis,  dem  personifizierten  Wilrifeuer  /.o"?  um  die  Wette 
essen:  Loki  verzelut  alles  Kicisch  in  kürzester  Zeit,  Logi  verzehrt  aber  nicht 
nur  das  Fleisch,  sondern  auch  die  Knochen  und  die  Schüssel.  Audi  auf 
der  Fahrt  zu  Geim  S  begleitet  Ltiki  Thor.  In  diesem  Mythus  zeigt  sich 
wieder  Irefflich  Lokts  Doppelnatur.  Er  war  einsl  in  Freyjas  Falkengewande 
nach  Riesenheim  geflogen  und  hier  von  Geirrod  gefangen  und  drei  Monate 
lang  eiugespeiTt  worden.  Nur  unter  der  Bedingung  la^st  ihn  der  Riese  frei. 
daas  er  üuu  verspriclit,  Thor  ohne  seinen  Hammer  und  Kraftgürtel  nach 
Geirroüs  Wohnung  zu  bringen.  Thor  lüsst  .sich  bereden  und  macht  sich  mit 
Loki  auf  den  Wei».  Nun  wird  der  Gott  aber  hei  seinen  Unternehmungen  von 
Loki  unteistützt  (Eilifr  Gudnjnar:5on  in  der  Porsdraj^a  StiE.  I.  2t>o  ff.).  So 
zeigt  sich  Loki  aucli  im  Verh'llinis  zu  Thor  als  das  alles  beendende  Wesen: 
wie  er  auf  der  einen  Seite  Thors  Macht  ein  Ende  bereitet,  indem  er  seinea 
Hammer  in  die  Gewalt  der  Reifricscn  bringt,  —  denn  in  der  !*rymsk\-irta 
scheint  Loki  den  Diebstahl  des  Hammers  veranlasst  zu  haben  — ,  s<i  endigt 
er  auf  der  andern  die  Macht  der  wiiiterliclicn  Maclite,  indem  er  dem  Gotte 
wtetier  zn  scir^em  MjtUncr  xerhiift. 

Aus  diesem  Wesen  Lokis  niusste  sich  aber  auch  eine  Beziehung  zur  Beherr- 
scherin des  Totenreiches,  zur  Het,  entwickeln,  und  diese  zeigt  sich  darin, 
dass  er  als  ihr  Vater  aufgefasst  vdrd.  Daneben  tritt  er  aber  auch  selbst  als 
Herraclier,  wenn  auch  nicht  des  Totenreiches,  so  doch  der  abgestorbenen 
Natur  während  tlcs  Wintere  auf.  Als  solcher  heisst  er  l'/garäiiioki  iK\<:z  Cgttr- 
tkiio<us,  wie  ihn  Saxo  nennt.  Alter  als  diese  Erziihluiig  mag  der  Mythus  sein, 
dass  er  sich  acht  Winier,  d,  s.  acht  Monate,  unter  der  F.rde  als  milchende 
Kidi  und  aus  Weib  befunden  habe,  was  ihm  üdinn  in  der  Lokasenna  (23) 
zmn  Vorwurfe  macht  Ausserhalb  der  Welt,  wo  die  vfinterlichcn  Riesen 
wohnen,  das  ist  in  ÜtgarÜ,  wurde  Loki  nach  Baldrs  Tode  gefesselt;  hier  lag 
er  in  einer  Gegend,  wo  weder  Sonne  noch  Mond  schien,  an  Händen  und 
Füssen  gefesselt  (Saxo  L  429  ff.).  Abgeschlossen  ist  sein  Besitz  und  schwer 
ist  CS,  in  sein  Reich  zu  gelangen.  Erst  ganz  junger  Mythus  machte  ihn  da- 
selbst zu  einem  gewaltigen  Herrscher,  in  dessen  Gefolge  sich  /fngi  »der  Ge- 
danke«, JT/Zf  »das  Alter*  als  Amme  befindet,  zu  dessen  Haustieren  die 
Midgardschlange  gehi'irl,  dessen  Hörn  ilas  tiefe  Weltenmcer  Ist.  Etwa.s 
alter  als  dieser  ^lythus  ist   die  Erxahhmg  von  Thors  Besuche   bei   diesem 


LOKI.      DONAR-foRR. 


353 


I 


wintcriiclicn  Tudcsguttc,  bei  dem  seine  Kraft  und  Macht  \'DrÜbcr  ist  (SnE. 
II.  281  ff.). 

Von  dieser  zu*iefachen  Natur  Lokis  ist  der  bessere  Teil  mit  der  Zeit  ge- 
schwunden, nur  als  G<iU  der  Vernichtung  ist  Liikis  Gcstah  übrig  geblieben 
und  hni  sich  bis  heute  im  Norden  im  Volksmunde  erhalten.  Es  erinnert  an 
Lokis  Verweilcu  als  Kuh  wulirend  des  Winters  unter  der  Erde,  wenn  in 
Jfltland  im  Frühjahr  von  dem  Dunst,  der  über  den  Feldern  lagert,  gesagt 
wird:  »Loki  treibt  heute  seine  Geissen  aus«.  Die  brtse  Seite  des  Gottes  ze^ 
sich  auch,  wenn  ebenfalls  der  Jütländer  sagt:  »Loki  sJlt  Hafer«,  dem  LoUes 
kavre  üit  ein  Unkraut,  das  dejn  Tiere  schadet  (Molbech.  Dial.  lex.  330  f.). 
Beim  Knistern  des  Feuers  prügelt  Loki  nach  norwegischem  Glauben  seine 
Kinder  (Aasen  S.  458).  Wenn  die  Viigel  sich  mausern,  gehen  sie  unter 
Lokis  Egge  (ebenfalls  in  jätland).  Auf  Island  heisst  der  Syrius  Loia  hremta 
»Lokis  Brand',  der  Syria>i.  von  dem  man  anmJim,  dass  er  das  Ende  der 
Wdt  herbeiführe  (Lex.  Myth.  504)  u.  dgl. 

Es  ntag  sein,  dass  sich  mit  dem  nordischen  Loki  ein  alter  Blitz-  odtr 
Feuerdamon  vereinigt  hat,  der  Haupikcm  des  Gottes  ist  und  bleibt  aber  die 
eine  Sdte  des  alten  Himmelsgottes,  und  hierin  bestärkt  uns  audi  ein  Blick 
in  die  finnische  MyÜiulogie.  die  bekamitlidi  einen  grossm  Teil  der  nordischen 
Mythen  aufgenommen  hat.  Die  machtige  I'ohjolawirtin  Ijtuln  deckt  sich  in  jeder 
Weise  mit  dem  nordischen  Loki;  üv  ist  die  Gegnerin  des  lichten  WaiuflmOincn, 
die  ihren  Feinden  Büren  in  thc  Herde  sendet,  ihnen  Sfjnne  und  Mond 
raubt,  das  Feuer  vom  Herde  stiehlt  (Castren.  Kinn.  Mythol.  281  ff.  u.  oft). 
Nirgends  lasst  sich  dieselbe  als  Dämon  des  Feuere  oder  Blitzes  erm-eisen; 
auch  sie  vertritt  im  Gegensatze  zum  lichten  Himmelsgit'ttc  den  finstern 
und  ist  daduah  die  Beendigerin,  der  finnische  Loki,  der  von  Norwegen  hicr- 
her  gekommen  ist 
H  Ob  bei  den  Südgermanen  ähnliche  Mythen  bestanden,  wie  bei  den  Nord- 
^  lAndem  die  von  Loki,  lässt  sid»  nidit  erweisen.  Die  Macht  des  nordischen 
Winters  mag  diese  Gotüieit  zum  Teil  gross  gezogen  Iiabcn.  Man  hat  Loki 
im  Rcineke  Fuchs  «»der  dem  Teufel  «iederfinden  wnllen,  allein  weder  diese 
niKh  stJ  manche  Man--h enges tall.  in  der  man  Loki  auf  deutschem  Briden  hat 
»iederfinden  wollen,  tilsst  sich  mir  Li»ki  aU  identis<'h  erweisen.  Loki  ist  und 
bleibt  ein  speziell  nordisches  mythisches  Gebilde.  Die  einzige  Gestalt  aus  aller 
Zeit,  die  an  diesen  nordischen  L<fki  erinnert,  ist  der  Deus  RequnUvahanus 
»dem  die  Finsleniis  überlassen  ist«,  wie  ihn  Hollhansen  gedeutet  liat,  in  dem 
das  finstere  Element  iiereonifiziert  zu  sein  scheint.  Wenigstens  steckt  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  in  dem  ersten  Teile  des  Wurtes  »die  Finsternis,  das 
^  Dunkel«  (Holthausen,  Bonner  Jahrb.  1Ö81.  78  ff..  PBB.  XVL  342  ff.,  Mudi, 
■  ZfdA.  XXXV.  374  ff..  Kauffmann,  PBB.  XVHI.  157  ff.).  Diesem  Gotte 
brachte  nach  einer  romischen  Inschrift  aus  der  Rheingegend  ein  Q.  Aprianus 
Opfer  und  Gelübde   dar  (Jahrb.  des  Ver.   von  Altcrtumsfr.   im  Rheinlande 

B  LXXXL  81  r.). 

^K  Cb«  IäU  vcrgl  W'oitihold,  Die  Sakcii   von   lj>ki.    ZfilA.   VII.  1  —  194.  — 

^H  WUliceous,   Loki,  (Zürich    1867).   —  Wiain,   Oden  och  Lökc.  (Stockh.    J873). 

^^^^       —  Warnatsch,  &ciu%c  zur  gern).  M]!!»!.  (Beuthea  1S93). 


KAMTEL   Xn. 

DONAR-}*ÖRR. 


§   65.     In   einem    norwegischen   Licde   aus   der  Zeit  des    Begimies   des 
sosalen  Streites  zwischen  dem  freien  Bauerntum  tmd  den  KOnigsteuten,  den 

Klie  PhllötUKt«  III.    C.  Auft  23 


k 


HArbar(lsIji>fI,  Iflsst  der  Dirhtcr  die  heicien  nurwcgi-ichen  Hauptgöttcr  des 
jQugstcn  Heidentums  sich  in  ein  Streitgespräch  verwickeln:  von  seinen  üst- 
fahrten  kommt  Thor,  barbeinig,  in  Landstrdchcninzug,  etwas  Bauemkost  in 
der  Tasche,  an  einen  Sund  und  verlangt  vom  Fergen  Harbartt,  d.  h.  Graubart, 
dem  verkappten  0<lin,  über  das  Wasser  gesetzt  zu  werden.  Letzterer  Üiut 
CS  nicht;  es  pnbipiiint  sich  ein  Wei'hselgesprädi,  in  dem  beide  ihre  Thaten 
hervorheben  und  den  Gegner  zu  verkleinem  suchen;  jener  rühmt  sich  seiner 
Kämpfe  gegen  das  Riesengeschiccht,  dieser  seiner  Kriegsthaten  und  gatanten 
Liebesabenteuer.  Trotz  seinem  migestOmen  Fordern,  trotz  seinem  Hammer 
vermag  Thor  den  Harbard  iiidit  zu  bewegen,  ilin  überzusetzcu ;  unverrichtetcr 
Sache  muss  Asa-I*/)rr  abziehen.  —  Es  ist  (Sngst  erkannt,  dass  dies  Gedicht 
einen  sozialen  Hintergrund  haL  Ein  Vertreter  des  Jarhum.s  will  die  geistige 
Überlegenheit  seines  Standes  ober  das  urwüchsige,  aber  etwas  ungehobelte 
Urbuuemlum  triumphieren  lassen  und  führt  die  in  beiden  Ständen  haupt- 
sächlich verehrten  Götter  streitend  vor  (von  Lilicncrou  ZfdA.  X.  i8o — 9I1). 
Aber  auch  für  die  Geschichte  nordischer  Götterverehrung  Ist  das  Lied  von 
Bedeutung.  Im  Volke  erhalt  sich  der  Kern  aller  Religion  ungleich  lüngcr 
als  in  den  höheren  Kreisen,  die  schon  durcli  ihren  Verkehr  mit  anderen 
Völkern  und  Gegenden  mehr  GeEege-nheit  haben,  auch  fremden  Kult  und 
Glauben  kennen  zu  lernen.  Dalier  belehrt  uns  dieses  Gedicht,  was  andere 
ThaLsachen  stützen,  dass  in  Noni-egen  Thor  der  eigentliche  Gott  des  Volkes 
war,  an  dessen  Veiehrung  der  Bauer  lüng  wie  an  seiner  Scholle.  Und  diese 
Verehrung  muss  uralt  sein. 

Wie  die  griechische  Mythologie  lehrt,  muss  sich  einst  bei  den  Indoger- 
manen  die  Thätigkcit,  in  den  Lüften  den  Donner  zu  erregen,  bei  dem  hr»clisten 
Gfütte,  dem  alten  Himmelsgotte.  befunden  haben.  Von  diesem  hatte  sich 
aber  bereits  in  der  gemein germani.srh«m  Zeit  eine  hc-sondcre  Gottheit  ab- 
gezweigt, die  man  nacli  dem  lauten  Tünen  des  Gewitters  ^ Punara^  nannte. 
Das  \\''ort  gehört  zur  skr.  W'z.  tan  mid  Ist  mit  laL  tonart,  toni/na,  gr.  TtJjwff 
eng  verwandt.  Von  der  Verehrung  dieses  Gottes  haben  wir  Spuren  bei 
allen  germanischen  Stammen.  Direkt  genannt  als  Gott  mit  germanischem 
Namen  erscheint  er  nur  bei  den  Nonlgermanen,  die  ihn  pöir  (aus  *Ponta^) 
neiutcci,  auf  der  grösseren  Nordcndurfer  S])unge  {wi'i^i  Po/iar,  Henning  Runen- 
denkm.  102)  und  in  dein  silclisischen  Taufgelr»bnisse,  nach  dem  ihn  die 
Sachsen  Thumt  nannten  (MSD.  No.  LI).  Ausserdem  i$l  in  fast  allen  germanischen 
Gauen  von  den  Alpen  bis  nacli  Island  der  fünfte  Tag  der  Woche  uüch  ihm 
benannt:  den  römischen  «dies  Jovis«  kennt  man  in  ObcrdcutÄchland  als 
Donaresiag^  in  Nurddculschland  als  Donradach;  bei  den  Friesen  findet  et 
sich  im  13.  Jahrh.  als  Thunresdev,  hei  den  Angekaciisen  als  Thunoresdäg,  bei 
den  Nci'rdlandem  als  pöndagr.  Lateinisch  schreibende  Schriftsteller  setzten 
für  Donar  entweder  den  römischen  Juppiter,  der  als  Gettittergi^ilt  ihm  allein 
gleichen  konnte,  oder  den  Herkiiles,  wozu  Donars  gewaltige  Stärke  und  der 
Donnerkeil  Veranlassung  gaben.  Noch  Sx\o  Granimaticiis  (L  275)  sagt: 
*Ea  atim,  quat  uputi  nosiros  Thnri  vtl  Othint  düs  diciiur,  n/md  i'/fas  (Rnmainis) 
/ot'i's  ve!  Meratrii  feiüt  mtncttpahtrt ,  und  in  der  Trojumamiasaga  ersetzt  regel- 
massig Torr  den  Juppiter  der  lateinischen  Vorlage  (Ann.  1848,  14.  20.  82. 
96).  Ebenso  sagt  Adam  von  Bremen:  Thor  atitem  tum  sccptre  Jottm  sttnu/are 
vidcltir  (Üb.  IV.  c.  26).  S(i  kann  auch  das  wbur  Joris,  das  Bonifazius  bei 
Geüvmar  in  Hessen  imi  das  Jahr  730  füllte^  nichts  anderes  als  eine  dem 
Donai  geweihte  Eiche  gewesen  sein,  und  die  Feste  an  dem  ^dies  Jo^a«:, 
namentlich  im  Mai,  die  der  heilige  Eligius  von  Novon  um  650  oder  der 
Indioüus  supcrstitiontmi  tmi  7Ö0  oder   Burchard  von  Wonns  im    l.  Viertel 


I 

I 


I 


des  12.  Jahrhs.  verbietet,  können  keine  andern  als  dem  Donar  bestimmte 
FesUirhkeiten  sein  (Mjth.  III.  403),  wie  auch  in  Schwaben  die  Leute  wohl 
von  diesem  Gotte  abliessen  {/oirm  U'juunt  anitnlrm  MSD.  No.  XJI,  3),  als 
der  heilige  St  Gülhis  hier  auftrat  und  das  Christentum  lehrte.  Nach  diesen 
Aussagen  steht  fest,  dass  Üonar  mehr  oder  weniger  von  f-nst  allen  Germanen 
als  Gutt  verehrt  wurde;  nur  für  den  bayrischen  Stamm  lassen  sich  su  gut 
wie  keine  Zei^nisse  erbringen,  denn  die  oft  junge-n  Donneraberge  kennen  die 
Verehrung  des  Gottes  ebensowenig  erweisen  wie  die  oft  ins  Feld  geführten 
Donnerkeile,  von  denen  der  Glaube  herrscht,  dass  sie  mit  dem  Blitze  nieder- 
gefallen seien  und  infolge  dessen  als  Mittel  gegen  den  blitz  gelten,  und  die 
unter  dem  gleichen  Xamcn  auf  der  ganzen  Erde  bekannt  sind,  bei  uns  cbciisusehr 
wie  bei  den  Schweden,  bei  den  Südamerikanem  wie  bei  den  Japanern  (Monteltus, 
Kultur  Schwedens  S.  39).  Hervnrgchuben  zu  werden  verdient  audi,  dass  das  bay- 
rische Volk  den  5,  Tag  der  Woche  nicht  Dunners-,  sondern  meist  Pfinztag  nennt 
(Schmeller,  Buyr.  Wib,  '  I.  437  ff.)-  Wir  erfahren  weiter  vum  Currettor  Bur- 
chardi,  aus  dem  Ind.  sup.,  aus  einer  atemannischen  oder  frflnkischen  Humilia 
de  sacrilegiis  aus  dem  Anfange  des  S.  Jalirlis.  (ZfdA.  XXV.  315)  und  aus  der 
Vita  des  heil.  Eligius,  dass  diesem  Gotte  der  fünfte  Tag  geheiligt  war,  dass  an 
diesem  Tage  nichts  gelhan  werden  durfte,  dass  man  ihm  Opfer  brachte  und  dass 
die  dazu  geeignete  Zeit  in  den  Mai  fiel.  War  demnach  der  Donareslac  der 
heilige  Tag  der  alten  Germanen  (vgl.  auch  Petersen,  Nordb.  Gudedyrk. 
S.  b7  ff.),  so  spridit  schon  diese  Thatsache  für  die  grosse  Bedeutung  des 
Gottes.  Daher  vermoduen  die  Geistlichen  trotz  aElen  Ermahnungen  altge- 
wohnte Sitten,  die  aus  der  Verehrung  des  Gottes  hervorgegangen  sind,  nicht 
auszurotten.  In  vielen  Gegenden  Deutschlands  darf  noch  heutzutage  Donueis- 
tags  nichts  geschehen,  kein  Holz  gehauen,  kein  Mist  gefahren,  kein  Spinn- 
rocken gedreht  werden  (Wutlke,  AbcrgL  §  70).  hsi  die  Sacra  ferner,  die 
zu  Ehren  Duoani  dargebracht  wurden,  mögen  die  über  ganz  Deutschland 
aus  allen  Zeiten  bezeugten  Maifcstc  und  Maiopfer,  vielleicht  auch  die  ct^-as 
spater  fallende  Hagclfeier  erinnern,  worüber  Mannhardt  in  seinem  Baum- 
kultus und  (.).  Jahn  in  seinen  >Dcutschen  Opfergebram  lien«  umfangreiches 
Material  gesammelt  haben,  nur  müssen  wir  dasselbe  hier  wie  dort  mit  grosser 
Vorsicht  benutzen,  denn  der  Kultus  war  zweifellos  alter  als  die  Verehrung 
des  persönlichen  Gottes,  und  wenn  irgendwo,  so  hat  gerade  bei  derartigen 
Sitten  die  Analogie  eine  unberechenbare  Rolle  gespielt 

Ausser  Juppitcr  wird  in  den  alteren  lateinischen  Quellen  öfters  Herkules  für 
Donar  gesetzt  Tadtus  (Germ,  c  g)  nennt  ihn  neben  Mars  und  Mercurius 
imd  berichtet,  da-ts  man  ihm  Menschenopfer  bringe,  Jenseits  der  Weser,  d.  i. 
aa  ihrem  östlichen  Ufer,  befand  sich  ein  dem  Herkules  geweihter  Wald,  in 
dem  Amiinius  seine  Bundesgenossen  gegen  Germanicus  zusammenscharte 
(Ann.  II.  c.  12),  Nie  verga.ssen  ilui  die  batavischcn  Gardereiter  zu  Rom, 
wenn  sie  ilu-en  heimischen  Güttem  Voti^  steine  errichteten  (Zangemeistcr, 
Heidelberger  Jahrb.  V.  4Öff.).  Längs  des  ganzen  Rhdngebieles  finden  wir 
den  Herkules  iu  lasdiriften,  die  zweifellos  auf  eine  germanische  GotÜidt 
ftchlicsscn  lassen:  als  Hercules  badmtm  (Branibach,  Corp.  inscr.  Rhen.  No.  653), 
als  Herkules  mit  langem  Barte,  mit  dem  auch  nordi.'tche  Quellen  den  TTior 
«cbildeni.  als  lUrcuUs  magusanus  im  batavischen  Gebiete  (ebd.  No.  130  fl. 
•v^  Kauffmann,  PBB.  XV.  553  ff.),  ats<.i  aU  den  kndtvollcn,  starken  Herkules, 
den  nordLsdic  Quellen  in  Thors  Sr»hne  Magni  erhalten  haben,  ein  Vorbild  der 
Gennanen  auf  ihren  Kri(^zilgen,  daher  /«wV/«j'(Brambach  a.  a.  ü.  No.  654) 
und  primta  omnium  vironim  foriium.  Der  IlercuJes  Saxnniis,  in  dem  man 
ebenfalls   einen   germanischen    Gott   oder   Heros   hat  finden  wollen   (ZfdA. 

23" 


XXXV,  39^'^)'  '■''^  dagegen  aus  schlagenden  Gründen  den  Rümeni  zuiück- 
gcgtben  worden  (E.  H.  Meyer,  PBB.  XViU.  lotiff.). 

Wie  die  Sachsen  in  Deutschland,  so  verehrten  auch  die  nach  Britannien 
gewanderten  Angelsachsen  den  Thunor,  dnch  nitl  er  bei  diesen  ini  Vergleich 
zu  Wodan  wesentlich  zurQck  (Kenible,  Die  Sachsen  I.  JÖ^ff).  Für  Däne- 
mark bezeugt  ihn  Saxo  Graimnaticus  und  die  Volkssage.  Im  Tempel  von 
AJtupsala  befand  sich  auch  Thors  Bilct.  Adam  von  Bremen  sagt  von  ihm: 
Tlior  ptaetidtt  in  aere,  qui  ionUrm  et  /Himina,  venlos  imbresqne,  semia  ei  fruges 
gtibermit,  nachdem  er  ihn  kurz  zuvor  als  den  poltniissimus  äeomm  bezeichnet 
hat  (IV.  ib),  und  im  folgenden  Kapitel  lasst  er  die  Schweden  ihm  opfern  »« 
pesfis  et  /ames  imminei*.  Wie  tief  aber  die  Thorsverehrung  in  Schweden  in 
Wirklichkeit  wurzelte,  leim  nicht  nur  die  Menge  Redensarten,  die  an  seinen 
Namen  anknüpft,  sundcm  auch  die  grosse  Zahl  von  Pcrs<jncn-  und  Stjldtcnamen, 
die  seine  Verehnmg  voraussetzen  (Lundgren,  Hednisk  Gudatn.»  S.  41 — Ö-2). 
Thor  war  hier  sJciitr  neben  Frey  der  höchste  und  >-idleicht  der  älteste  Gott. 
—  Mindestens  eben  so  gross  war  aber  auch  seine  Verehrung  in  Korwegen; 
CT  war  liier  von  altersher  der  Hauptgott  und  blieb  es  audi  bei  dem  Volke, 
als  durcli  Fürsten-  und  Dichtergunst  sich  L»ainn  in  höheren  Kreisen  fast 
alleiniger  Verehrung  zu  erfreuen  hatte.  Überall  waren  ihm  hier  Tempel  er- 
richtet, fast  überall  Wdrd  er  als  der  mal  tigtia<tr  »der  am  meisten  Verehrte« 
bezeichnet.  Hieraus  erklärt  sich,  dass  \Heie  Züge  von  ihm  auf  den  norwe- 
gischen Nationalheiligen,  auf  Olaf  helgi.  Übertragen  worden  sind  iNursk  Hist. 
Tidsskr.  IV.  176;  Daae,  Norgcs  Helgener  106  f.).  Eine  seiner  heiligsten 
Stilttcn  war  zu  Moeri  im  Dronüicimschen  und  dürt,  wo  sich  die  Norweger  zum 
Früstu^ing  versammelten.  Hier  stand  in  geweihtem  Tempel  sein  Bild  aus 
Gold  und  Silber  kunstvoll  bereitet.  Nach  anderem  Berichte  befand  sich 
dasselbe  auf  prachtigem  Wagen,  den  zwei  liöcke  zogen,  an  deren  Hi'>mcm  sich 
kostbares  Silber  befand;  .'dies  wurde  von  Radern  gelragen,  die,  wie  das  ganze 
Werk,  mit  grosser  Kirnst  gearbeitet  waren  (Ftb.  L  320).  Weitere  Thors- 
tempel fanden  sich  in  den  Bezirken  von  Akershus,  Hedemarken,  Stavanger. 
Bergenhiis  (Rygh.  Minder  om  Gudeme  i  norske  Stedsna^-ne).  —  Von  Nor- 
wegen aus  war  der  Thnrkult  auch  zu  den  Finnen  gekommen  (Norsk  Hist. 
Tidsskr.  IV.  14.51.  Ebenso  luüinicii  ihn  die  N"or\*-cger  mit  nach  den  Kolonien 
des  Wcsimeercs  und  nach  Island.  Auf  <ien  I'fciltr  des  Hoclwitzes  hatte 
man  sein  Bild  eingegraben ;  bevor  man  die  Heimat  verliess,  hatte  man  ihn 
erst  um  Rat  gefragt,  und  stibald  die  neue  in  Sicht  kam.  wurde  der  Hoch- 
sitzpfeiler au-sgeworfen,  um  sich  dort  anzubauen,  wo  Thor  hinweise.  Eine 
charakteristische  Erzählung  giebt  uns  hierüber  die  Eyrbyggjasaga.  Schon  in  der 
Heimat  ein  treuer  Vcrelirer  Thors,  dem  er  auch  äusserlich  glich,  segelte  der  nor- 
wegische Häuptling  l'i'irolfr  Mostrarskegg  dem  fernen  Eiland  zu.  Wo  die  Hoch- 
sitzsaulcn  anscliwimmen,  wird  die  neue  Heimstätte  gegründet.  J'ursnes  heisst 
von  nun  an  die  Landspitze,  wo  man  landete,  hjrsd  der  Kluss,  der  in  ihrer 
Nahe  uiüridcle.  Hier  entsteht  bald  ein  grosser  Tempel;  K'irolfr  richtet  ihn 
ein  und  pflegt  ihn  und  wird  Gilde  der  Gegend.  Die  Statte  ist  so  heilig, 
dass  sie  niemand  imgewaschen  anschauen  darf;  kein  Blut  darf  liier  fliessen, 
niemandem  ist  es  gestattet,  seine  Notdurft  hier  zu  verrichten.  —  Wo  nun  in 
jenen  volkstümlichen  Erzahlmigen  Thor  auftritt,  fast  überall  tritt  er  als  der 
hüdiste  Gott  auf:  mau  bittet  ihn  um  guten  Wind,  erfleht  von  ihm  Reiditum 
und  Glück,  fragt  ihn  in  wichtigen  Lagen  des  Lebens,  ja  bittet  ihn  selbst  um 
Sieg  im  Kampfe.  Seiner  Gestalt  nach  erscheint  er  von  grossem  Wüchse, 
schönem  .Antlitz,  jung,  liier  und  da  barsch,  überall  aber  mit  rotem  Banc;  er 
ist  derselbe  in  seinem  .\uftrelen,  wie  er  uns  in  den  Eddaliedern  und  bei  den 


I 


Skalden  entgegentritt,  und  so  kennen  wir  aus  VolksübL-rlicfcning  und  Dich- 
tung von  ihm  ein  klares  und  grosses  Bild  gc^iinncn,  wie  es  zuerst  Uhland 
in  seinem  schönen  Buche  über  den  M\thus  von  Thor  entwnrfeii  hat. 

g  66.  D'jnar-{*örr  ist,  wie  schon  der  Name  lehrt,  von  Haus  aus  das  im 
Gewitter  daherbrausende  guttlirhe  Wesen.  Den  Donner  ver^iich  man  mit 
dem  heftigen  Rollen  dnes  Wagens;  daher  fahrt  Thor  in  einem  Wagen,  w<:nn 
er  sich  im  Kampfe  gegen  die  Riesen  befindeL  Im  Stunnc  fahrt  er  daher, 
woraus  sich  sein  Beiname  Htorriäi  (=  HU>-hriäi  »der  brüllende  Weiterer«, 
Gering.  ZfdPhil.  XXVI.  25)  erklärt.  Die  Berge  scheinen  zu  brechen,  die 
Erde  scheint  zu  flammen,  wenn  er  nach  Jptunheim  geht.  Der  Glaube,  dass 
der  Donnergott  durch  die  Lüfte  fahre,  hat  sich  noch  heutzutage  bei  den 
Nordgermanen  erhalten.  Im  Anfang  des  vorigen  Jahrhs.  schreibt  Rhyzelius, 
dass  der  gemeine  Mann  sage,  wenn  es  donnere  »Thorguhbcn  oder  Gogubben 
AJun  d.  h.  der  alte  Thor  oder  Gott  fahrt  (Lundgren  S.  43^,  und  auf  dieselbe 
Vorstellung  geht  das  heutige  schwed.  itska  =  donnern  (dial.  aseka)  zurück, 
d.  i.  äsaka  ^  Asenfahrt,  der  gebrauchliche  Ausdruck,  neben  dem  auch  toraka 
<»Thorfahrt«)  vorkommt.  Dieselbe  Vorstellung  von  dem  falirenden  Gotte 
haben  aber  auch  die  Angelsachsen  gehabt  (Kcmblc  I.  28^),  und  bei  den 
Ditmarichen  scheint  sie  fortzuleben,  wenn  es  hier  bei  starkem  Gewitter  beisst: 
JX'w  faert  de  Olde  all  iveäder  da  haiven  unn  kaut  mit  syn  E.x  anric  Räd 
(Schksw.  Holst  Sagen  No.  4815).  ALs  Besitzer  dieses  Wagens  nennen  nor- 
disdie  Dichter  den  Thor  Reidartyr  {»Gott  des  Wagens«)  oder  faldi  kj^ 
(•Walter  der  Wagen«)  oder  vagna  jvrr  (>Wagcnnia.nn«)  vor  allem  aber  Qkupd» 
(Fahrthor).  Gez<')gcn  wird  dieser  Wagen  von  zwei  Bijcken.  die  die  Dichter 
TanagHJöstr  (ZahnknLstrer)  und  Tanngrisnir  iZaluikiiirscher)  genannt  haben, 
woni  der  zackige  Sprung  des  Blitzes  Veranlassung  gegeben  haben  ma^. 
Er  selbst,  mehr  Mann  als  JOngling,  steht  in  seinem  Wagen,  seine  Augen 
ftinkehi  wie  Feuer;  seinen  Bart  schüttelt  er,  wenn  er  aufgeregt  ist;  wenn  er 
in  ihn  spricht,  wirft  er  alles  zurück,  was  ihm  entgegenkommt  {Fms.  I.  303). 
Daher  heisst  er  Atli,  d.  h.  der  Ungestüme,  Zornige.  Mit  diesem  Bartrxife 
bangt  wolü  der  bardiha  zusammen,  von  dem  Tacitus  (Germ.  3)  berichtet; 
tarmiva,  quorum  relaiu,  quem  h^i-dilum  vocan!^  aeeendunt  animos:  die  alten 
Deutschen  suchten  durch  das  V'irhalten  der  Schilde  den  Bartruf  des  Donner- 
gottes nachzualimen  oder  im  Bartgesange  sein  Lob  zu  singen.  —  In  seiner 
Hand  hatte  Thor  den  Hammer  Mj^Unh^  den  Zermalmer,  einst  von  Zwergen 
geschmiedet  und  von  den  Gottern  alü  das  beste  Werkzeug  anerkannt.  Er 
hat  die  Eigenschaft,  da.«  er  in  die  Hand  dessen  zurückgeht,  der  ihn  geworfen 
bat.  Das  ist  Thors  Waffe  gegen  Riesen  und  Trolle.  Diesen  Hammer  halt  er 
mit  seinen  Eiscnhand-ichuhen  {Jämpxipr)  fest  Um  seine  Lenden  hat  er  den 
KraftgArtel,  die  megin^ardar:  durch  ihn  wachst  seine  Kraft.  Zu  jenem  Hammer 
mOgeo  die  Domicrkeile  Veranlassung  gegeben  haben.  Diese  clava,  wie  um 
Saxo  nennt,  mag  auch  den  Römern  Ursache  gewesen  sein,  den  alten  Donner- 
gott mit  Herkules  zu  inteqireticren  und  ihn  in  unmittelbaren  Zusammenhang 
mit  dem  barditus  zu  bringen  (Germ.  c.  3).  Schildert  ihn  doch  Saxo  als  den 
mit  der  Keule  (clava)  bc^vaffnelcn  (I.  118),  mit  eiiier  Waffe,  die  auch  in 
Deutschland  an  Stelle  des  nordischen  Hammers  gestanden  haben  mag.  Im 
Norden  lebt  der  Hammer  noch  fort:  »Thor  mit  dem  schweren  Hammer« 
kennt  noch  heute  der  Norweger  (Fave,  Norske  Sagn  ^\. 

Charakteristisch  für  Thor  ist  femer  seine  Ess-  und  Trinkiust  Einen  Ochsen 
und  adu  Lach.se  ass  er,  als  er  sich  in  brautUchcm  Schmucke  bei  Piym  be- 
fand, und  drei  Tonnen  Met  trank  der  Gott  bei  derselben  Gelegenheit  (I*r>mskv.). 
Die  Ebbe  ist  die  Spur  seiner  Trinklust  (SnE.  II.  286).  —  Aul  seinen  FaluteQ 


358  XL  Mythologie. 


erscheint  er  nicht  immer  allein.  Loki  begleitet  ihn  oft;  er  ist  dabei,  wenn 
es  gilt,  der  Macht  der  Riesen  ein  Ende  zu  machen.  Daneben  begleitet  den 
Gott  l^jälft,  viellcidit  »der  Arbeiter«  (Uhland,  Schriften  VI.  33),  wohl  eine 
Persdnifieaiion  des  Blitzes.  Er  ist  der  Bnider  der  R9skva,  d.  h.  der  Raschen, 
und  musste  Tlior  folgen,  weil  er  gegen  das  Verbot  des  Gottes  einen  Knochen 
seines  Btjckes  zerbrochen  hatte.  In  seiner  Schwester  tritt  die  wichtigste  von 
{•jalfis  Eigenschaften  zu  Tage:  er  ist  das  schnellste  aller  Wesen,  Acz ßthi'ataitr, 
der  allein  den  Wettlauf  mit  Hugi^  d.  h.  dem  Gedanken,  unteraimml,  der  dem 
Thor  v-imii-slJluft,  al-s  es  gull,  den  dämonischen  Gegner  Hmngnir  zu  besiegen. 
Das  ist  derselbe  t*jä]fi.  der  als  Thielvar  zuerst  das  Feuer  nach  Gutland  brachte 
imd  dadurch  bewirkte,  dass  die  bis  dahin  lichtlose  Insel  Licht  und  Festigkeit 
erlüelt  (Gulniska  Urkunder  Ausg.  Sarve,  Stockh.  1859  S.  31).  Wir  haben  hier 
eine  bei  fast  allen  Germanen  verbreitete  Mythe,  dass  "das  Feuer  durch  den 
Blitz  auf  die  Erde  gekommen  sei  (Kuhn,  Hbk.  d.  F.*  224).  —  Überall  er- 
scheint Thor  als  der  Starke  (pnidugr)  schlechthin:  er  ist  der  pniitt-aUr,  der 
starke  Schirmet  der  Götter;  sein  Hammer  \\cmX  Act  pn'idhamarr ;  auch  seine 
Wohnung  heisst  Prüäheimr  oder  ^ntih-angr  »Welt  oder  Land  der  Stärke«. 
Hier  findet  sich  der  mir  für  Augenblicke  heitere  Pala.st  des  Gottes,  BÜskimir, 
dem  spute  Dichtung  in  Anlelmung  an  die  540  Thore  Valh9lls  540  Gemachei 
gegeben  hat  (Grim.  24), 

§  67.  Thors  Verwandtschaften.  In  den  Edden  sowohl  wie  in  der 
Attesten  Skalden  dich  tung,  also  bereits  um  800,  erscheint  der  nordische  Tlior 
als  Sohn  Odins.  Es  muss  demnach  schon  damals  in  der  nordischen  Dichtung 
die  innere  Umwälzung  vollzogen  gewesen  sein,  die  den  Windgutt  an  Stelle  des 
alten  HimmeLsgottes  gesetzt,  denn  nur  dieses  Sohn  kann  Thor  sein,  nirht  jenes. 
In  diesem  Verhältnis  liegt,  dass  OÖiim  Über  Tlicir  steht.  Dies  wider- 
spricht jediK.h  der  VulksQberlicferung,  wo  Thor  als  der  hOchstc,  ja  als  der 
allein  verehrte  Gntt  in  Norwegen  dasteht  In  Deutschland  la.s.st  sich  ein 
Verwand ischa/tsverhaUnis  des  Donar  zu  anderen  Göttern  überhaupt  nicht 
erweisen.  Die  Taciteische  Interpretatio  »Hercules«  zeugt  ebenso  dafür,  dass 
er  hier  nicht  eine  ahnliche  Rolle  wie  im  Norden  gespielt  habe,  wie  der  Um- 
stand, dass  nirgends  Juppiter  als  der  höchste  Gott  eines  germanischen  Stammes 
genannt  wird;  diese  Wiedergabe  ist  nur  nach  der  Seite  des  Juppiter  als  Ge- 
wittergottes. Als  Thors  Mutter  erscheint  vor  allem  Jflrd,  die  Göttin  Erde. 
Neben  ihr  wird  Fjgrgyn  genannt,  die  die  Skalden  schicchtliin  für  /frd 
setzen.  Der  Name  deckt  sich  mit  got.  fairguni  idas  Gebirge*.  Zu  diesem 
Wort  geseilt  sieb  ein  Fjyrgynn,  welchen  die  norU.  Quellen  den  Gatten  der 
Himmcisgrtttin  Frigg  nennen  (Li>k.  26).  Letzterer  gchürt  ctvmolt igisch  zum  lit 
Ptrkünm,  zum  ind.  Parjnnya  und  hx  demnach  ebenfalls  ein  Gewittergott  Wir 
haben  hier  also  ein  almhches  Götterpaar  wie  m  Nj^rä'Nfrihus,  Frey-Freyja.  Mag 
die  ursprüngliche  Bedeutung  von  diesem  Fj9rgi.-n  auch  ^die  im  Eichenwald  ver- 
ehrte Gottheit«  sein  (Hirt,  Idg.  Forsch.  I.  480),  s<.j  lassl  sich  doch  für  das 
Germanische  keine  andere  Deutimg  ermitteln  als  >die  im  Waldgebirge  verehrte 
Gottheit',  denn  weder  die  Virgunt  noch  die  Silva  Hercj'uia  haben  sich 
jemals  durch  Eichen  bestände  her\*orgethan.  In  Waldgebirgen  den  Vater  oder 
die  Mutter  Thors  wohnen  zu  lassen,  giebt  aber  trefflichen  Sinn:  noch  heute 
lassl  der  schwedische  Volksglaube  Thor  in  den  Bergen  wohnen  und  aus  ihnen 
kormuen,  und  die  zahlreichen  Dnnnerberge  in  Süd-  und  Norddeutschkiod 
bezeugen,  da.ss  hier  einst  gleiche  Vorstellung  geherrscht  hat  —  Daneben 
erscheint  Thor  auch  noch  als  Sohn  der  Hiöflyn.  Dieselbe  Göttin  ist  auch 
in  Nordwestdeutschland  auf  Steininschrifton  als  Hhuiana  gefunden  (Corp.  insc. 
Rhen.  No.  150.  löö.  Korresp.  f.  Wcsld.  Gesch.  VIII.  Xo.  1),  und  wenn 


J 


einer  altengl.  Aufzeiclmung  T^tiina  Jinis  matcr  mit  punrtt  modur  (Bt^ge 
Stud.  24)  glossiert  wird,  so  zeugt  diese  Glosse  auch  für  ihre  Bekanntschaft  unter 
dcu  Angelsachsen.  Dass  diese  Hlüd^-n  die  Mutter  Viöars  sei,  was  neuerdings 
behauptet  (I'BÜ.  XVIII.  135  ff.)  und  unvorsichtig  genug  bereits  in  Hand> 
bQchcr  aufgenommen  würden  ist,  ist  eine  ganz  unbegründete  Annahme,  die 
schon  dadurch  iiiTifütlig  wlhI,  dass  die  Skalden  in  ihren  Kenningar  wieder- 
holt hlixivn  für  j^rd  «Erde«  gebrauchen  (SnE.  I.  474,;  Fms^  1.  123.  Fas.  I. 
46Q).  Was  die  Deutung  und  Erklärung  des  Wortes  betrifft,  so  sind  die 
mannigfaltigsten  und  w-underjichsten  Hypothesen  aufgestellt  worden  (PBB. 
XVIII.  154 ff.,  ZfdPhil.  XXIII.  12Q  ff.,'ebd.  XXIV.  457 ff-  Bugge  a.a.O.), 
die  annelimbarste  ist  noch  immer  die  alte,  schon  von  J.  Grimm  vertretene, 
den  Namen  mit  isl.  hlöi  »der  Erdhaufen,  der  Feuerherd«  (Haldorson,  Lex. 
isJ.  308)  zusammenzubringen.  So  wird  Thr)r  auch  durch  sie  mit  dem  Erd- 
reich, dem  fruchtbaren  Erdboden  aufs  engste  in  Verbindung  gebracht 

Dasselbe  gescliielit  auch  durch  den  Namen  seiner  Gemahlin  Sif.  Unter 
den  Nafna[>u1ur  befindet  sich  derselbe  ebenfalls  als  Bezeichnung  für  »Erde« 
wie  hlödvn  und  f}v'*g>'n  {SdE.  I.  5851.  Ihr  Name  bedeutet  wahrscheinlich 
>die  Erfreuende*  d.  h.  die  Gattin  (zu  goL  si/an,  Wamatsch.  Fcslschr.  der 
schlos.  Ges.  für  Volkskunde  für  K.  Weinhold  S.  24 1  ff.).  Sic  scheint  aufs 
engste  mit  dem  sprossenden  Erdreich  verknüpft  zu  sein.  Ein  Mydms  erz^It 
von  ihr,  dass  Lofci  sie  ihres  Haares  beraubt  und,  nie  aus  einer  Andeutung 
der  Lükasenna  (V.  54)  zu  schliessen  ist,  mit  ihr  gebuhlt  habe.  Thor  zwingt 
dantb  Loki,  seiner  Gemahlin  von  den  Elfen  neues  Haar  fertigen  zu 
lassen,  das  wie  Gold  glänze.  Ivaldis  Söhne  schmieden  es,  und  alsbald  wachst 
es  auf  der  Göttin  Haupte  fest  (SnE.  II.  3.58).  Sonst  erfaliren  wir  nur  wenig 
von  dieser  GȆttin.  Dass  sie  in  Gudbrandsdalir  eine  Kultstatte  gcl^iht  hStte, 
»ie  wiederholt  behauptet  w<jrden  ist,  beruht  auf  Missvcrsiandnls  (I'IiB.  XIV. 
91  fl.).  —  Durch  Sif  tritt  Tlior  in  Verwandtschaft  niil  Uli,  dem  sch<"'nen 
Sohn  der  winlcrlichen  Erde,  der  olien  neben  Loki  gestellt  war.  Dieser  hcisst 
»Thors  Stiefsohn«;  seinen  Vater  meldet  keine  Quelle.  Mit  der  Sif  erzeugt 
Thor  die  t*rütf.  Wir  fanden  den  Stamm  dieses  Wortes  schon  als  Aus- 
druck der  Kraft  des  Donnergottes,  I'n'iilr  ist  die  Kraft  schlechthin;  als 
Tfxhter  der  Sif  ist  sie  vielleicht  die  treibende  Kraft  des  Erdbodens,  die  der 
Donnergott  durch  seine  Umarmung  mit  der  neuerwachten  Erde  ins  Leben 
gerufen  hat.  Der  Sieinriese  hat  sie  gestohlen,  denn  auf  steinichteni  iloden 
kann  sich  dieselbe  nicht  entwickeln;  daher  hcisst  dieser  ^Dieb  der  Prüd« 
(SnE.  I.  426).  Nach  anderem  Tkh'thus  ist  sie  <'hne  Wi.ssen  und  in  Abwesen- 
hdt  des  Vaters  dem  Zwerge  Alvis  verUibt  worden,  dem  weisen  Hüter  unter- 
irdisdier  Schatze.  Als  Thor  zurückkehrt,  verweigert  er  dem  Zwerge  die  Hand 
der  Tochter  und  weiss  ihn  durch  allerhand  Fragen  auf  der  ErdoU^rfläche  zu 
halten,  bis  die  aufgehende  Sonne  ihn  in  Gestein  verwandelt  (Alv.).  In  den- 
selben Kreis  skaldischer  Reflektion  wie  l'n'idr  gehören  auch  die  Namen 
von  Thors  Söluien  Magni  und  Mndi  (»Kraft«:  und  »heftiger  Sinn«).  Jener, 
erzeugt  mit  dem  Rtesenweibe  Järnsaxa,  besitzt  schon  ak  dreitilgiges  Kind 
•olcbe  Kraft,  dass  er  allein  v^'H  allen  Gr»tteni  seinen  Vater  von  dem  Fusse 
des  Riesen  Hrungnir  befreien  kann  (SnE.  II.  2t>v)-  Beide  Söhne  sind  per- 
sonifizierte Eigenschaften  des  Vaters.  Nach  dem  Weltuntergange  werden  sie 
«ein  Erbe,  den  Besitz  des  Hammers  MjvUnJr.  antreten  (Val]>r.  .^i).  Von 
Meili,  dessen  Bruder  Thor  genannt  wird  (Härh.  g),  wissen  wir  nur.  dass  er 
C>dins  &ihn  war.  Wie  aus  Thors  Eigenschaften  seine  Söhne,  so  enlsprossen 
aus  seiner  Thaügkeit  »eine  Pflegesiiluie:  aus  dem  Schwingen  des  Hammers 
Vingoir,  aus  der  zuckenden  Flamme  des  Blitzes  Hlura  (SnE.  I.  252).  — 


36o 


XI.   MYTHOLOGIE. 


Von  all  diesen  VerÄ-andtsdiaften  lasst  sich  auf  südgennani;ichem  Boden 
nichts  finden,  sie  sind  nordische-S  Eigentum  und  nur  in  Thors  Mutter  mag 
ßidi  alte  Ansdmuung  erhallen  luiben.  Man  hat  bei  der  Sif  an  die  batavische 
Haiva  (Corji.  Inscr.  Rhcn.  No.  130)  gedacht,  der  im  Verein  mit  dem  Her- 
cules Magusanus  ein  Altar  erric hiet  worden  ist,  und  diesen  Namen  »Gclicble,  Frau« 
gedeutet  (Much,EfdA.XXXlX..S)i.\-gl.  auch  Siel»,  ZfdPhil.  XXIV.  4O1).  allein 
einen  zwingenden  Grund  für  die  Cbereinstimmung  hat  man  nicht  beigebracht 
§  08.  Thors  RiesenkfLmpfc.  Thor  ist  der  Gott  des  Gewitters,  allein 
nicht  der  verheerenden  Seite  tlesselhen.  sondern  der  wohhhatigen,  die  Luft 
reinigenden  und  die  Erde  befnicbtendon.  Daher  cnidiciiit  er  überall  als  eine 
gern  gesehene  Gottheit,  als  ein  Freund  der  Mcnsciicn  iviar  veHtäa  Hym.  11) 
und  Gotter,  als  der  Scliirmer  von  Miflgard  und  Äsgiirfl,  den  Heimstätten  der 
Menschen  und  Äsen,  vor  allem  aber  als  unerschrH>ckener  und  unerschütter- 
licher Kämpfer  gegen  die  Riesen  und  Trullc.  In  dieser  TlUiligkeit  ist  er 
besonders  ein  Liebling  der  norwegischen  und  isländischen  Dichter,  die  alle 
müglichcn  Kümpfe  mit  Riesen  und  Unholden  an  seine  Person  geknüpft 
haben.  Daher  heisst  er  die  -Furcht  der  Riesen*  oder  der  »Mörder,  der 
Faller  der  Riesen  oder  Riesenweiber»,  In  diesen  K^lmpfen  isi  er  so  recht 
das  Vorbild  des  nurwegischen  Bauern  geworden,  der  mit  Mühe  dem  Boden 
den  Ertrag  der  Erde  abgewinnen  mass.  Bei  dieser  sauren  Arbeit  steht  ihm 
der  Gott  zur  Seite  und  hilft  ihm,  die  widerwärtigen  Mächte  der  Natur  \>t> 
siegen.  In  der  grossen  Olafs  saga  Tn'ggvas<inar  (Fms.  I.  18,1)  erscheint  Thor 
dem  K&nig  Olaf  und  erz.'ihli  ihm,  wie  etnst  Riesen  Norvi-egen  bewolmt  und 
wie  das  dort  einwiuidcrude  Mctisthcngeschledit  seinen  Beistand  gegen  diese 
angerufen  hatte;  mit  seinem  Hammer  hatte  er  den  noch  übrigen  Trollen  ein 
Ende  gemacht.  —  G^en  das  Eis  des  langen  Winters,  gegen  die  Stürme  des 
Frühlings,  gegen  das  andringende  Meer,  gegen  den  steinichten  Erdboden  ist 
hier  dem  Bewnhner  der  G^tt  Bdstand,  d;iher  haben  sich  an  ihn  die  mannig- 
faltigsten und  schünslen  Mythen  geknüpft.  Wenn  Thor  gegen  diese  Riesen 
auszieht,  geht  es  nach  Osten,  denn  in  hohem  Nordosten  lag  nach  der  Plian- 
tasic  der  Ni>rdlander  J9tunhcim.  d.  h.  >Riescnhetm<.  Auf  .seinem  Wege  wsi 
dort  bringt  er  den  Aurvandil  mil.  den  er  über  die  eisigen  ElivAgar  tragt  und 
dessen  erfrorene  Zehe  er  an  den  Himmel  wirft:  das  ist  der  leuchtende 
Morgenstern,  der  nach  jenem  Wesen  AumatuHh  tii  (Aur.'s  Zehe)  heisst  (SnE. 
L  278J.  Aurvaudill  ist  schon  seinem  Namen  ein  leuchtendes  Stenigcbiid« 
(zu  skr.  usrd  »Morgenröte«,  lat.  aurnnj-,  vgl.  agis.  eärendet  «jubar»).  Zur  Zeit  des 
Frühlings  mag  Thor  den  glänzenden  Aurvandil  mitgebracht  haben.  In 
sagenhafter  Einkleidung  lebt  dieser  bei  Sa.xo  fort,  w.ihrend  e5  ganz  unsidier 
ist,  rah  ihm  den  Orendel  der  deutschen  Spielmannsdichtung  zusammc-n- 
mbringcn.  Nach  Saxo  (I,  135  ff.)  hat  jener  Horvendillus  in  frühlingsgrüncm 
Haine  gegen  einen  norwegischen  König  Collems,  die-  pereonifizierte  KAltc, 
z\x  kämpfen  und  vemiditct  diesen.  Später  fällt  er  durch  die  Hand  des 
eignen  Bruders,  wird  aber  von  seinem  Sohne  gerSchL  Seine  Gemahlin  ist 
nach  der  Edda  Gröa.  die  sehnsüchtig  des  Gatten  harrt  und  aus  Freude  über 
die  Nachricht  seiner  Wiederkunft  tlas  Zaubcrlied  vcrgisst.  mit  dem  sie  Thors 
Steinsplitter  aus  dem  Kopfe  befreien  soll.  - —  Während  Thors  winterlicher 
Abwesenheit  liat  sich  in  Äsgard  mancherlei  zugetragen.  Ein  Baumeister  aus 
Riesenheim  hatte  den  Ascn  versprochen,  bis  Sommcrsbcginn  dne  Burg  m 
erbauen,  wofür  er  Freyja.  Sunne  und  Mond  erhalten  sulltr.  Schon  ist  er 
mit  Hülfe  seines  Rosses  Svadilfari  ziemlich  zu  Ende,  da  muss  Loki  Rat 
schaffen,  dass  diese  göttlichen  Wesen  nicht  in  die  Gewalt  der  Riesen  kom- 
men.    In  eine  Stute  verwandeil  lockt  er  das  Ross.     Nun  wird  der  Bau- 


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jütirter  nicht  fertig.  Da  ersrheinl  Thor  und  tötet  ihn  mit  seinem  Hammer 
($aE.  L  134  ff.).  In  sp;iterer  Zeil  hat  sich  dieser  Mythus  an  den  heiligen 
Olaf  geknüpft,  dem  ein  Unhold  für  Sonne,  Mond  und  Olafs  Seele  den  Dom 
von  Drontheim  erbauen  wollte  (Daae.  Norji.  Helg.  loö  f.).  —  Wahrend 
Thors  Abwesenheit  ist  auch  seine  Tochter  I*ruilr  mit  dem  Zwerpe  Alvis  ver- 
lobt. Da  er  diesem  nichts  mit  dem  Hammer  anhaben  kann,  halt  er  iltn 
solange  auf  der  Oberfläche  der  Erde,  bis  die  Sonne  den  Xichtsahn enden  in 
Stein  verwandeil.  —  Einen  weiteren  Mvthus  vom  wiedeiicehrenden  Dnnnergotte 
enthalt  das  über  den  ganzen  Norden  verbreitete  Lied  von  Thors  Fahrt  «i 
I*rvm  )'I*r\'msk\-irta ;  DgF.  1.).  Mag  r'r\-mr,  womuf  das  Wort  hinweist  (pruma 
=  domiern),  ein  dam«  mischt-s  Gegenbild  des  Donuergotles  sein,  der  Mvtlius 
verscUt  UTw  in  da*i  Frühjahr,  wo  Thor  seinen  Hammer  aus  der  Gewalt  der 
Reifriesen  u-iederhoU,  Thor  ep»acht  und  vermisst  seinen  Hammer.  Loki 
muss  in  Fre>*jas  Falkengewanrte  auf  Kundschaft  ausgehen.  Der  Riese  I*r\'mr, 
in  dessen  Gehege  goldhömige  Kühe  und  rabenschwarze  Ochsen  weiden, 
birgt  ihn  acht  Rasten  unter  der  Erde  und  will  ihn  nur  hergeben,  wenn  er 
Frerja  r«m  Weibe  bekomme.  In  Freyjas  Gcwunde  fiihrt  Thor  mit  Loki 
nacli  J^tunheim:  die  Berge  bersten  und  die  Erde  brennt,  wo  er  fahrt.  Beim 
Brautraahle  isst  der  Gott  einen  Ochsen,  acht  Ijichse  und  trinkt  drei  Tonnen 
Bier:  seine  Augen  sclieinen  Feuer  zu  sprühen.  »Nichts  ass  Freyja.  keine 
Augen  schloKs  Fre\ja  seit  acht  Nachten,  so  heiss  war  ihr  Sehnen  nach 
Riesenheim*,  so  erklärt  Loki  alles  dem  staunenden  Riesen.  Der  Hammer 
wird  gebracht,  damit  mit  ihm  die  Ehe  geweiht  werde.  Aber  solwild  er  sirfi 
auf  Tliors  Knie  befindet,  erfassl  dieser  ihn,  schwingt  ihn  und  vernichtet  l'rjin 
und  sein  ganzes  Geschlecht. 

In  ahnlicher  Weise  wie  im  Kampfe  gegen  I'n-m  erscheint  Thor  im 
Kampfegegen  Hrungnir.  Hrungnir,  d.  h.  der  Larmer.  — -noch  heute  gebraucht 
man  im  Hallingdaler  Dialekte  für  lärmen  riin^ht  (Aasen  618),  —  war  auf 
Odins  Veranlassung,  gegen  den  er  mit  seinem  Rfjsse  Gullfaxi,  d.  h.  Gold- 
mahne,  prahlte,  nach  A^rÖ  gekommen  und  «•ollte  in  trunkenem  Übermuie 
viin  hier  V'alh^ll  nach  J9tunhcim  überführen  und  alle  Gottcr  ausser  Freyja 
imd  Sif  tmcn.  Da  rufen  die  Äsen  Thitr,  der  sofort  erscheint  und  seinen  Hammer 
schwingt.  Als  sich  Hrungnir  auf  das  Gastrecht  beruft,  wird  auf  neutralem  Sleio- 
gcbiet  zu  (7/7oV««vi^r*/ ein  Zweikampf  bc5irhli»s*en.  Die  Ricjien  bekommen  Angst 
imd  stellen  daher  einen  Lelunriescn,  M^krkaifi,  d.  h.  die  dicke  Wolke,  auf, 
hinler  dem  sich  Hrungnir  birgt,  der  selbst  ein  steinernes  Herz  und  Haupt 
besitzt.  Thor  ist  von  I'jälfi  begleitet;  dieser  eilt  voraus  und  sagt  dem  Riesen, 
Thor  habe  ihn  gesehen  und  k"nimc  von  unten.  Da  stellt  sicli  Hrungnir 
auf  seinen  Schild  und  fasst  seine  Waffe,  einen  Schleifstein,  fest  in  die  Hand. 
Bald  künden  Blitz  und  Donner  des  Gottes  Erscheinen;  der  Riese  wrft  seinen 
Stein;  dieser  stösst  auf  Thors  Hammer,  der  alsbald  dem  Riesen  in  den  Kopf 
dringt  und  ihm  den  Tnd  bringt.  Beim  Falle  fallt  ein  Bein  Hrungnirs  auf 
Thur.  der  dadurch  selbst  zu  Falle  kimimL  Thors  drei  Tage  alter  Sohn 
Magni  vermag  dies  allein  zu  beseitigen,  ,^be^  auch  Thor  ist  verletzt,  ein 
Stück  von  des  Riesen  Schleifstein  ist  ihm  ins  Haupt  gefahren.  Die  VöK*e 
Gd«  soll  es  ihm  herauszaubem.  vergisst  aber  den  Spruch,  als  ihr  der  GoK 
die  baldige  Ankunft  ihres  Gatten  Aurx'andil  erzahlt  (SnE.  L  278  ff.V  — 
Zu  den  danmnisrhen  Gegnern  oder  Nebenbuhlern  Thors  gehört  auch 
Gcirrodr,  der  Sj-H-errütcr.  <icr.  ein  .Schmie<]  in  Jvlunhcim.  seinen  Speer  mit 
goldener  Spitze  versah,  um  ihn  dann  vernichtend  nach  der  Erde  zu  schleu- 
dern. In  alten  Liedern,  von  denen  wir  noch  eins  vom  Skalden  Eilif  Gu<I- 
rünarson  aus  dem  10.  Jahrh.  besitzen,    ist  gesungen  wordcu,   wie  einst  Loki 


von  GciiTOÖ  gefangen  und  nur  unter  der  Bedingung  freigelassen  worden  sei, 
dass  er  Thor  veranlasse,  unhci**a/fnet  nach  J^tunheim  zu  gehen.  Loki  über- 
redet den  GoU  und  nimmt  an  der  Fahrt  teil.  Unterwegs  kehrt  Thor  bei 
Grifl,  der  Mutter  des  Äsen  Vidar  ein,  die  ihm  von  Geirro<t  erzählt  und 
ihm  aus  weiser  Vorsicht  ihren  Kraftgürtel,  Eisenhandschnh  und  Zauberstab 
leiht.  Mit  Hülfe  dieser  Gegenstande  durchwatet  Thor  den  mächtigen  Strom 
Vimur,  den  Geirrofls  Tochter  schwellen  macht.  Schon  scheint  seine  Kraft, 
Ober  den  Fluss  zu  gelangen,  nicht  mehr  zu  reichen,  da  erfasst  er  einen  Vogel- 
beerstrauch  und  rettet  sich  durch  diesen  aus  dem  Flusse.  In  Geirrods  Gehöft 
soll  er  von  dessen  beiden  Töchtern  G  j  Ä I  p  und  G  r  e  i  p  an  die  Decke 
gedrückt  werden,  aHeia  er  zerbricht  diesen  das  Genick,  als  er  sich  auf  den 
Stuhl  setzt,  unter  dem  .sie  sich  verborgen  hatten.  Als  Geirroflr  in  seiner  Halle 
Thor  gegenübersitzt,  schleudert  er  einen  glühenden  Eisenkeil  nach  dem 
Gotte.  Dieser  fangt  ihn  aber  mit  GriÖs  Handschuh  auf,  wirft  ihn  nach  dem 
Riesen  zurück  und  tötet  diesen  damit  trotz  der  Eiscnsüulc,  hinter  welche 
sich  derselbe  aus  Furcht  vor  der  dr<ihenden  Gefahr  geflüchtet  hatte  {Sn£.  I. 
284  ff.).  Denselben  Mythus  kennt  Saxo,  da  er  von  König  Gorms  und  Thor- 
kils  Falirt  in  die  eriüegenen  Wm  Grruifn  erzählt.  Hier  treffen  sie  den 
Geruth  mit  zerfleischtem  Kfirper  und  Riesenweiber  mit  zerbrochenem  Rücken. 
Auf  ihre  Frage  hin  erfahren  sie,  dass  einst  Thor  den  Stahl  nach  dem  über- 
mOtigcn  Riesen  geworfen  habe,  infolgedessen  sei  er  so  zugerichtet  (Saxo  I. 
425  f.).  Auch  in  der  spSlcn  Sagu  von  Thorstein  Ba'jarmagn  (Fm.s.  HI. 
182  ff.  ZfdMytii.  I.  410  ff.)  findet  sicli  mmantisch  ausgeschmückt  derselbe 
Stoff,  und  die  Aufforderung  des  Ki"migs  HArald  Harönidi,  sein  Skalde  Thjöä'ilf 
solle  den  Streit  eines  Gerbers  mit  einem  Eisenschmiede  besingen  nach  dem  Vor- 
bilde von  Thors  Kampf  mit  Geirrod  (Fms.  VI.  361 ),  setzt  eine  weitere  Verbreitung 
cle.t  Mvthus  voraus.  —  Aber  nicht  nur  gegen  die  schädigenden  Elemente  der 
Luft  zieht  Thor  zu  Felde,  sondern  auch  gegen  die  der  Gewässer,  namentlich 
die  des  Meeres-  Härb.  .^7  ff.  erzählt  Thor,  wie  er  mit  Ricscnwcibem  gekämpft 
habe,  die  aller  Weh  geschadet,  sein  Sthiff  zerschelh,  den  I*jälfi  verjagt  hatten. 
Unter  diesen  Riesenweibem,  die  mehr  Unholde  als  Frauen  sind,  sind  die 
Wellen  des  Meeres  zu  verstehen,  die  ans  Land  schlagen  und  dem  Schiffer 
auf  der  See  Unglück  und  Verderben  bringen.  Die  stürmische  See  hatte 
dem  Nordländer  manchen  Schaden  gebracht,  daher  waren  Thors  Kitmpfc 
gegen  diese  ein  beliebtes  Thema  nordischer  Dichter.  Vor  allem  schien  ihnen 
das  Toben  des  Meeres  von  der  die  ganze  Erde  umgebenden  Midgardssch lange 
auszugchen.  Man  glaubte,  eine  Schlange  läge  um  den  aussersien  Rand  der 
Erde,  die  sich  in  ihren  eignen  Schwanz  beisse,  ein  Kind  des  Loki  und  der 
Angrboda.  Wenn  sie  in  Riesenzom  gerät,  tobt  das  Meer.  Gegen  sie  zieht 
Thfir  auf  dem  Nachen  des  Riesen  Hvinir  und  von  diesem  hegleiteu  Mit 
dem  Haupt  des  Ochsen  Himinrjöär,  den  sich  Thor  aus  Hymirs  Herde  geholt 
hat,  angelt  er  nach  ihr  und  zieht  sie  an  den  Bord  des  Kahnes.  Da  zer- 
schneidet der  Riese  die  Angelschnur,  das  Ungetüm  fallt  ins  Meer  zurück. 
Da  trifft  den  Riesen  Thors  Hammer  und  schleudert  ihn  über  Bord  (SnE. 
1.  iftftff.  Über  die  Verbreitung  des  Stoffes  im  Norden  vgl.  PBB  VIL  2ßi  ff.). 
—  Diesen  Vorgang,  der  die  Veranlassung  gegeben  haben  mag.  dass  Thor 
beim  g^roascn  Weltcnkampfe  mit  der  Mi<lg:irfls3ch lange  zu  kämpfen  habe,  bat 
eine  spatere  Dichtung,  die  Hymiskvirta,  in  Zusammenhang  mit  der  Heimholung 
des  KesseKs  gebracht.  Beides  sind  jedoch  von  Haus  aus  verschiedene  M_\*tlica, 
da  der  Schluss  jenes  Liedes  den  Tod  des  Riesen  beim  Angeln  nach  der 
Midgarässch lange  umnöglich  macht  —  Die  Aseu  sind  bei  j^gir,    dem  Gott 


I 


des  gastlichen  Meeres,  zum  Atahlc.  Da  fehlt  der  Metlcessel.  Auf  Tyrs  Veranlas- 
sung soll  Thor  einen  solchen  vom  Riesen  Hymir  holen,  der  als  Tyrs  Vater 
erscheint.  Hymir  ist  die  penwimfizieric  Dunkelheil  in  der  Luft,  die  über  dein  win- 
teriitiien  Meere  lagert,  die  noch  heute  der  Norweyer  unter  gleicher  Bezeichnung 
kennt  und  die  schwer  auf  der  St-elc  der  Non*'eger  liegt  Auf  der  einen  Seite 
Steht  dieser  Dämon  in  engster  Verbindung  mit  dem  Winter,  auf  der  andern  mit 
dem  Meere:  sein  Bart  ist  gefroren,  als  er  von  der  Jagd  heimkehrt,  Eisschollen 
nmgeben  sdnen  Palast,  der  sicli  an  dem  Himmeisende  befindet.  In  seiner 
Ge^-alt  befindet  sich  die  schöne  Jungfrau,  deren  Haar  wie  Gold  glänzt,  ein 
Ebenbild  der  Clerd.  Diese  unterstützt  den  eingekehrten  Gott  bei  seinem  Be- 
ginnen. Auf  ihren  Rat  zerbricht  dieser  den  Becher  an  des  Riesen  Schade), 
wodurch  der  Gott  allein  in  die  Gewalt  des  Kessels  kommen  kann.  Dieser 
Kessel  ist  das  Meer,  das  der  Gott  im  Frühjalire  aus  der  Gewalt  der  winter- 
lichen Mächte  befreit,  indem  er  seine  Eisrinde  durchbricht  und  dann  dem 
Mceresgiitt  der  schöneren  Jahreszeit  und  den  Menschen  zuführt. 

Mit  Thors  winterlicher  Abwesenheit  mag  auch  seine  Reise  zu  Ütgarilaloki 
zusammenhangen,  wie  sie  uns  die  Edda  (I.  142  ff.)  und  in  seiner  cuheme- 
ristischen  Weise  Saxo  erzählen  (I.  429  ff.).  U^arÖr  steht  im  Gegensatz  zu 
Asgard  und  namentlich  Mirtgard:  er  ist  die  Welt  ausserhalb  der  Ijcwohnten 
Erde,  das  Heim  der  dämonischen  Mächte.  Hier  herrscht  ein  Ltiki.  der 
winterliche,  mehr  dämonische  Loki.  Auf  seiner  Fahrt  nach  Utgarfl  begleiten 
Thor  Lrtki  und  ThjiUfi.  Nach  der  Edda  erwirbt  er  den  letzleren  erst  auf 
der  Reise  dahm.  Es  geht  zu  Fusse  bis  an  das  tiefe  Meer;  Ober  dies  wird 
geschwommen.  Alsbald  kommen  Thor  und  seine  Begleiter  in  einen  dichten 
Wald.  Der  Riese  Skrymir  gesellt  sich  zu  ihnen,  gegen  den  Thor  »iederholt 
vergeblich  seinen  Hammer  mit  .tller  Macht  schwingt:  der  G«itl  i.-it  in  Utgard, 
ausserhalb  des  Bereiches  seiner  Macht  Skrymir  weist  Thor  zu  Ütgardalokis 
Burg,  die  mit  einem  Gitter  umgeben  ist,  durch  das  sich  der  Asc  und  seine 
Gefährten  mit  knapper  Not  durchdrängen.  Vor  Utgardaloki  sollen  sie  ihre 
Kflnste  zeigen.  Loki  rühmt  sich,  dass  ihm  niemand  im  Essen  gleich  komme; 
er  wird  vom  Logi,  d.  h.  dem  Feuer,  besiegt.  PjÄlfi  rühmt  sich  der  Sihnellig- 
kcit  im  Laufen;  ihn  besiegt  Hugi,  der  Gedanke.  Thor  verspricht  im  Trinken 
et«'as  zu  lci.stcn;  so  sehr  er  auch  ansetzt,  <ias  Rom  liegt  im  Meere  und 
kaum  bemerkbar  ist  der  dreifache  Schluck,  den  er  gethan.  Alsdann  soll  er 
eine  Katze  heben;  dies  ist  tue  Midgardsschlange,  nur  einen  Fuss  hebt  erste 
von  dem  Boden  Endlich  soll  er  mit  Ütgardalokis  Amme  ////;'  kämpfen. 
Auch  hier  vcnnag  Thor  nicht  zu  «jbzusicgcn,  denn  diese  ist  das  Alter,  dem 
niemand  u-iil ersteht.  Mftrrisch,  weil  er  so  wenig  geleistet  hat.  zieht  Thor  von 
dannen.  Da  erzählt  ihm  Ctgardaluki,  was  er  geleistet,  wie  ihm  und  den 
Seinen  bange  gewesen  wäre.  Thor  will  seinen  Hammer  schwingen  und  den 
falschen  Riesen  tr»ten:  da  ist  das  Bild  enlschw-unden  und  die  Wanderer 
finden  sich  auf  freiem  Plane.  —  Die  ganze  Erzählung  trägt  unverkennbar 
den  Stempel  junger  Mythenbildung,  wenn  auch  bei  den  poetischen  Gestalten 
der  natürliche  Hintergrund  durchblickt. 

In  allen  diesen  Mythen  erscheint  Thor  als  ein  Freund  des  Menschen  und 
ihr  Beschirmer  und  Helfer  gegen  die  dämoni.schen  Machte.  Mit  seiner  Hülfe 
werden  diese  in  ihre  Schranken  gewiesen.  Der  Gott  ist  zu  einer  ethi.schen 
Gestalt  geworden,  die  nur  liier  und  da  den  physischen  Hintergrund  de»  Donner- 
gottes durctischdncn  lässt.  Dies  ist  um  so  weniger  zu  vcrwundeni,  als  das 
Gewitter  in  den  nordischen  Reichen  fast  gar  keine  Rolle  spielL  Die  Mythen 
and,  wie  schon  die  Namen  der  in  ihnen  auftretenden  Personen  lehren,  nor- 
disches Eigentum  und  lassen  sich  bei  keinem  südgermanischen  Stamme  nach- 


weisen.  F.s  mag  hier  aiinliche  Mythen  gegebea  haben,  wofür  man  z.  B.  die 
Kämpfe  Dietriclis  mit  Riesen  und  Drachen  (Heldenbuch  V.  Einleitung  S.  44) 
hält,  allein  diese  können  ebensogut  späte  dichterische  Erfindui^^cn  sein;  i 
Helden  werden  sich  nie  und  nimmer  als  Nachkömmlinge  des  alten  Gott^l 
Dunar  erweisen  lassen. 

§  iiQ.  Thor  als  hfichste  norwegisclie  GottlieiL  Überall  in  den 
Riesenk.lmpfen  tritt  Thor  als  Freund  der  Menschen,  als  Beistand  und  F.'ürderer 
ihrer  Arbeit  auf.  Der  Gott  des  Donners  ist  zu  dem  Gott  des  Ackerbaues 
geworden,  mit  dem  sich  der  Nordgcrmane  in  erster  Linie  beschäftigta. 
Schon  in  seinen  BezicliuTigen  zur  Erde  txilt  dieses  Verhältnis  klar  hervor. 
Er  herrscht  infolgedessen  über  Wind  und  Regen,  bringt  heiteres  Wetter  und 
bew-irkl  dadurch  die  Fruchtbarkeit  der  Felder  (Ada]n  von  Bremen  a.  a.  O.); 
er  liilft  den  Bilden  urbar  machen  und  wird  der  Menschen  Beistand  gegen 
Felsen  und  Klippen  |Ftb.  I.  3B8).  Auf  Ackerbau  und  Grundbcsiu  ruhte 
aber  Wohlstand  und  Wohlbefinden  der  Norweger  in  der  Zeit,  wo  sie 
uns  in  der  Gescliirhte  entgegentreten,  und  so  wurde  der  TrSger  und  För- 
derer desselben  der  Gott  der  Familie,  der  Gott  des  Gaues,  der  Gott  des 
Öffcntliclien  und  privaten  Lebens,  der  höchste  Gott  schlechthin,  der  überall 
angerufen  wurde,  wo  die  menschliche  Macht  nicht  ausreichte.  In  dieser 
Auffassung  zeigen  una  die  norwegisdi -isländischen  Quellen  Thor  in  den 
letzten  Jahrhunderten  des  Heidentums ,  und  ein  grosser  Teil  Schwedens 
muss  ihn  auf  ähnliche  Weise  verehrt  haben.  So  erscheint  er  als  der  erste 
der  Ascn  (dsaSra^),  Egill  nannte  ihn  schlechthin  den  lamids:  er  war  nach 
altnopÄ-egischer  Auffassung  der  k^fdingi  aüra  goda,  >der  Häuptling  aller 
Gotter«  (Ftb.  I.  389).  So  wurde  er,  wie  er  sich  einst  selbst  vor  König  Olaf 
rühmte,  als  Beistand  bei  allem  angerufen,  dessen  man  bedurfte  (Ftb.  L 
397).  Sein  Bild  wurde  auf  dem  Hochs itzp feiler  eingeschnitzt  (Eyrb.  5  f. 
Laml.  if)2.  206  u.  oft)  (Klcr  auf  der  Stuhllehne  (Ftb.  H.  217)  oder  auf  dem 
Steven  des  Schiffes  iFtb.  I.  488).  Als  .\mulet  führte  man  es  aus  Knochen 
bei  sich  (Fs.  97).  Rauftr  umging  oft  mit  dem.selben  seine  Insel,  um  alle 
Widerwärtigkeiten  von  derselben  zu  bannen  (Ftb.  L  291  f.).  Bei  allen  grös- 
seren Unlcmelimen  wurde  der  Gott  um  Rat  gefragt  (Eyrb.  2.  Ftb.  L  296) 
hier  und  da  versagt  er  die  Antwort  (Fms.  L  302). 

Helgi  magri  war  schon  Christ.  Gleichwohl  glaubte  er  nach  wie  vor  bd 
Sccfalirten  und  schwierigen  Unternehmungen  Thor  anrufen  zu  müssen  (Frus.  L 
256).  Als  Gott  de.»;  Windes  uml  Wetters  (Ftb.  IL  100.  Bsk.  S.  \.  15)  M-ar 
Thor  ziun  Gott  der  Schiffahrt  geworden  (Fms.  IL  15  f.).  Audi  als  Beistand 
im  Kampfe  wurde  er  angeriifen  (Fms.  H.  246).  Beim  Gelage  weihte  man. 
ihm  den  ersten  Becher,  indem  man  das  Hammerzeichen  über  demselben 
machte  und  des  Gottes  Mimie  trank  (Ftb,  L  283).  Bei  allen  heiligen  Hund* 
lungcn  glaul>te  man  an  seine  Gegenwart;  mit  .seinem  Hammer  weihte  er  alle 
rechtsgültigen  Handlungen.  Daher  hiess  er  schlechthin  Ve'ttr,  d.  h.  der  Weiher. 
Durch  .seinen  Hammer  auch,  glaubte  man,  weihe  er  die  Ehe.  Ihm  brannte  auf 
dem  Herde  gewi-ihtes  Feuer,  das  nie  verlöschen  sollte  (Isl.  S.  11.  -103),  das 
er  wohl  selbst  nach  alter  Anschauung  vom  Himmel  hemtjgebracht  hatte,  wie  er 
auch  durch  seinen  Hamraerwurf  Baldrs  Leichenhügel  in  Brand  setzte  (SnE.  11. 
288].  Mit  seinem  Hammer  weihte  er  auch  alle  Rechtsverträge.  Daher  fallen 
fast  alle  nordischen  Gerichtstage  auf  den  Thorsd;ig,  wie  auch  die  Thingstätte 
sich  an  einer  dem  Thor  geweihten  Statte  befand.  Wenn  in  Härb.  Härbardr 
dem  Thor  zuruft: 

Oäeun  (i  jaria  pä's  i  tfal  ftUa,  tu  pörr  ä  prala  iyn, 
so    kann   unter  dem  /nr/a  kyn  nichts  anderes  2U  verstehen  sein,   ab  das 


1 


Geschlecht  der  norwegischen  U.iuotti.  und  wir  sehen  hieraus,  dass  man  Thor 
auch  ab  Tutcngoit  auffassic.  Hiennit  ma^  es  zusammenhangen,  dass  man 
Thor  Runensteine  und  Graber  weihen  liess,  dass  man  auf  erstc-rcn  scia 
Hammerzeichen  eingnib  ^i.  Petersen,  Gudedirk.  50 ff.).  —  Die  Opfer,  die 
man  ihm  darbrachte,  waren  an  keine  Zeil  gebunden.  Haraldr  härfajfri  opferte 
ihm  am  Julfest  (Ftb.  I.  507),  im  Dnuitheimischen  bradile  man  ihm  im 
Herbste  Hornvieh  luid  R<.isse  und  besprengte  mit  ihrem  Ulute  die  SauJen 
seines  Tempels  (Ftb.  II.  184!.).  —  Derart  war  seine  Herrschaft  zur  Zeit 
Haralds;  so  blieb  sie  im  Volke,  bei  der  grossen  Menge,  bis  zum  Ausgange 
des  Hcidcutiuns,  und  selbst  der  Hofmaiut  und  Skalde  stand  unter  dem  Biinne 
dieses  Glaubens,  wenn  auch  bei  ihm  sein  Glanz  durch  den  neu  aufgestie- 
geneu  Odin  verdunkelt  war. 


I 


I 


islAxdisch-norwegische  Götter. 

§  70.  Neben  den  ntudischen  Hau]itgültem  treffen  wir  einige  Gestalten,  die 
meist  nur  hier  und  da  einmal  in  der  Diclitung  auftreten,  in  dtT  Regel  zu  einem 
bestimmten  Zwecke,  die  aber  nie  irgend  welches  Ansehen  bei  der  grossen 
Menge  gehabt  haben,  die  selbst  der  Skalde  bei  der  Bildung  seiner  dichterischen 
Umschreibungen  meist  bei  Seite  lasst.  Hierher  gehurt  zunächst  Vi  darr,  den 
wir  fast  nur  aus  den  EddaUedem  kennen.  Er  ist  der  Solm  Odins  l,Vsp.  55)  und 
der  Riesin  Grid,  die  zu  den  Ascn  in  frcundschaft]icht;m  Verhältnisse  steht  (SnE. 
IL  500).  Auf  der  weiten  Ebene  Vidi,  die  mit  Buschwerk  und  huhem  Grase 
bewachsen  ist,  tunundl  er  sein  Ri>ss,  um  von  hier  aus  zur  Vaterrache  zu 
ziehen  iGrim.  17.  Aarb.  i86c».  S.  25g).  Nur  axif  diese  sinnt  er;  daher  lieisst 
er  der  Schweigsame  (SnE.  II.  270).  Er  ist  der  stärkste  der  Äsen  nach  Thor 
{ebd.).  In  seinem  Besitz  befindet  sich  der  machtige  Eiseiischuh  (SnE.  I.  206), 
mit  dem  er  einst  beim  Weltuntergänge  dem  Feuriswülf  in  den  Rachen  treten 
wird,  nachdem  dieser  OiXin  getütet  hat  (Vsp.  55).  In  diesem  Kampfe  stOssl  er  dem 
UngetQm  das  Schwert  ins  Herz  (Vsp.  55}  und  reisst  ihm  Ober-  und  Unterkiefer 
auseinaniler.  S<*  i.<t  er  auch  bestimmt,  in  der  verjvingten  Weh  mit  das  Re- 
giment zu  führen  (Vafpr.  5.^).  Mit  der  Ebene  \'idi,  wo  er  wuhnt,  mag  der 
Name  des  Gottes  zusamnicnliangen.  vüti  bezeichnet  das  nii-^^lrice  Gestrüppe 
der  Heide.  Von  einem  Kulte  dieses  Gottes  im  Norden  haben  wir  keine  Spur. 
Was  Kauffraann  (PBB.  XVI.  157  Amn.)  dafür  vorgebradit  und  von  Golther 
(Myth.  595)  ungeprüft  hingenommen  worden  ist,  macht  ein  Blick  auf  Munch 
(Hist-geogr.  Beskr.  «.'ver  Nrirge  S.  -(5),  Aasen  (Norske  Ordbog  929),  Styffe 
(Skand.  imder  Unionstiden  153't  zu  nidile;  Amescn  >Vi()arshof<  vermag  ich 
lücht  zu  koDtrolieren  (Cber  Vidar  vgl.  Rüdiger  ZfdPhil.  XXVII.  5  ff.). 

In  der  veijüngten  Welt  erschien  neben  Viöar  auch  Väli,  der  Gott,  der 
bestimmt  ist,  Baldr  zu  rftchen,  indem  er  H<pa  tutet  (Hj-ndl.  2(f).  Er  voll- 
bringt die  Tlial kurz  nach  seiner  Geburt  i Vsp.  >,},).  Kühn  ist  er  in  der  Schlacht 
tmd  ist  ein  vortreffticher  Schütze  (SnE.  I.  102).  Er  ist  der  Sohu  Odins  und 
der  Rind  (Vegi.  u)  und  wird,  wie  Vidarr,  iii  der  verjüngten  Welt  die  Heilig- 
tümer der  Götter  bewohnen  (Vaffir.  53).  Neben  \'k\i  nennt  ihn  die  SnE, 
(L  102)  Ali.  Dieser  Name  ist  wohl  schwerlidi  ursprünglich.  Väli  geht 
wahrscheinlich  zurück  auf  *  iVanihf  ein  Wort,  das  mit  alls.  waniim  »strahlend, 
leuchtend«  verwandt  ist  (Sievers,  PBB.  XVHI.  582!.),  und  so  stellt  sidiVäli 
auch  durch  seinen  Namen  nelicn  seinen  Bruder  Baldr. 

I  71.  Bragi.     In  den  Eiriksmäl,  die  ein  begabter  Skalde  auf  Veranlassung 


der  Gunnhild  nach  935  auf  Künig  Eirik  biödox  dichtete,  treffen  wir  Bragi 
in.  Valht^il  bei  Öilin  als  dessen  Ratgeber  neben  Sigmund  und  Sinlj9ili,  jenea 
Geartalten  aus  der  Heldensage  (Cpb.  L  260  f.).  Ebenso  finden  wr  ihn  in  den 
jenen  Eiriksmil  nachgedichteten  Häkonarmat  (g;ed.  951.  Cpb.  I.  2tt2  ff.)  neben 
dem  später  zum  Äsen  erhobenen  Hemiüd,  Bragi  crschciiil  hier  als  der 
HaupLskalde  Odins,  der  die  Fremden  bewillkommnet  und  sicher  in  Valh9ll 
ihre  Thaten  verherrlicht  hat  Dieser  Bragi  ist  von  Haus  aus  eine  geschicht- 
liche Gestalt,  die  im  9.  Jahrh.  gelebt  hat,  der  erste  nachweisbare  Skalde,  der 
von  Hof  zu  Hof  gezogen  ist,  um  IJeder  zum  Preise  der  Forsten  xu  dichten 
(vgl.  Fimiur  Juiissün  Ark.  f.  nurd.  fil.  VI.  141  ff).  Uiu  diese  hat  sich  spater 
der  Mythus  gerankt.  Bragi  wurde  das  Vorbild  aller  höfischen  Skalden;  man 
vergass  sein  menschltclies  Leben  uiid  Schaffen,  man  machte  ihn,  da  er  sich 
in  Valh^ll  aufhielt,  selbst  zum  Äsen,  Hess  ihn  einen  Sohn  U3ins  sein  und 
verehrte  ihn  bald  als  Gott  der  Diclitkunst.  Als  solchen  kennt  ihn  die  sjiate 
eddische  Dichtung,  vor  allem  aber  Snurri  in  seiner  Edda.  Dieser  lÄsst  in 
den  Bragarcediir  bei  festlicliem  Gelage  den  Bragi  dem  Meerriesen  ^'Kgir  er- 
2älilen,  wie  aus  alten  Myliicn  und  Sagen  die  didilerischen  Umschreibtuigcn, 
die  kenningar,  in  die  Dichtung  gekommen  seien.  Dabei  erscheint  der  Ase 
alt  {in»  ^amii),  mit  langem,^  websera  Barte  (inn  siikir^i  liss  SnE.  I-  206), 
■wie  sein  Vt»rbild  und  Vater  Oilinn  den  Beinamen  Sidiicggr  (Griin,  4S)  ffüirt. 
Hier  und  da  taucht  er  als  Gemahl  der  Idun  auf,  der  Göttin  mit  den  ver- 
jüngenden Äpfeln  (Grettiss.  154.  Luk.  16).  Feigheit  wirft  ilmi  Luki  vor, 
nachdem  der  Gott  den  Schmäher  der  Äsen  durch  Gaben  hat  versöhnen  wollen, 
»Bäixkelungcrer«  nennt  er  ihn  (Lük.  I2 — 15).  Nur  bei  den  Skalden  steht 
Bragi  in  hohem  Ansehen;  ihnen  ist  er  der  trefflichste  der  Skalden  (Grün.  44) 
und  von  seiner  Zunge  kommt  die  ganze  Runenweisheit,  deren  sie  zu  ihrer 
Dichtung  bedürfen  (Sgrdr.  16).  Aber  auch  hier  ist  das  Gebiet  seiner  Ver- 
ehrung nur  beschrjinkt  gewesen,  erst  des  Christen  Suorri  mylliologischen  Auf- 
fassungen verdanken  wir  das  ausgeführte  Bild  dieses  jungen  Gottes*. 

1  Uhland  Sehr.  Vi.  2?7  IT.  —  PBB,  XU.  jSj  tT.  XIII.  187  ff.  XIV.  81  ff.  — 
^■^t^<  Bidr.  til  den  rclclstp  SkAIdl^t]igUli^g3  HLstDri'r  Christ,  1^94  (hier  leugnet 
B.  die  gcscbiclilllchc  Existenz  des  Skaldcu  Bragi;  vgl.  tlttgegcn  Lit.  Ctbl.  l895> 
No.   IS;  ZfJPhil.  XXATIl,   t?i  IT.;  U1>I.    1895  Sp.  2S9  fl.). 


I 


KAPITEt   KIV. 

DIE  GÖTTINKEN. 


S  ji-  Ganz  ähnlich  wie  sich  der  germanische  Ilimmcisgott  infolge  seines 
mannigfaltig^cn  Auftretens  in  verschiedene  Gotllieiten  spaltete,  scheint  es  auch 
mit  seiner  Frau  der  Fall  gewesen  zu  sein.  Diese  war  die  rafltterliehe  Erde, 
die  Geliebte,  die  Frau  sclilechtliin.  Als  .solche  ^^-ar  sie  aber  besondere 
chlhonischc  Gottheit,  die  die  Toten  in  ihrem  Schosse  aufnahm,  die  mit  der 
Schar  der  Toten  durch  die  Lüfte  fulir,  der  die  Totenopfer  gebracht  wurden. 
Daneben  er^scheint  sie  als  die  Göttin,  die  im  Frühjahre  wieder  in  die  Lande 
zieht  und  Flur  und  Hain  in  neuen  Sclimuck  kleidet  Als  Frau  ist  sie  besonders 
die  Göttin  der  Frauen,  die  Sclürmcrin  der  häuslichen  Arbeil,  die  Göttin  der 
Familie,  des  Ehestandes  und  des  Kindersegens.  Unter  manclierlei  Namen 
tritt  sie  in  den  einzelnen  Gegenden  auf,  immer  bit  sie  dem  Leben  der  Bewohner 
angcpasst.  In  altdeutschen  Quellen  tritt  sie  uns  selten  und  nicht  immer 
durchsichtig  entgegen,  hSufig  finden  wir  sie  in  der  nurdischen  Dichtung, 
manches  liat  von  ihr  auch  der  Volksmund  und  Volksglaube  bcwahrl 


Bkagi.    Nerthus. 


367 


I 


I 


§  73.  Nerthus.  Von  allen  allgermanischen  Gottheiten,  deren  die  Römer 
gedcukcn,  wirü  uns  der  Kult  keiner  klarer  gescliildcrt  als  der  der  Nerthus  im 
4a  Kap.  der  Germania.  Sieben  Vülker  Norddeutsch lands  halten  ein  gemein- 
sames Heiligtum,  das  auf  einer  fruchtbaren  Iiist-I  lag.  Wahrciul  man  dieses 
früher  ruch  MüUenhoffs  Forst--hungen  (Nordalbing.  Siudit-n  I.  uBff.  Stiimidt 
Allgem.  Zsch.  f.  Gesch.  V'III.  220}  auf  einer  der  friesischen  Inseln  der  Nordsee 
suchte,  tritt  jüngere  Fursthuitg  aus  guten  Gründen  dafür  ein,  dass  jenes  Ei- 
land die  fruchtbare  dJUiLsche  In.wl  Seeland  gcwt-sen  sei.  auf  der  noch  Jahr- 
hunderte spater  alt  heidnischer  Kult  und  Mythus  blülite  (Much,  PBB.  XVII. 
195  ff.  A.  Kock,  S%-.  Hist.  Tidskr.  iS<.j,v  161  ff.).  Hier  verehrten  sieben  Völker 
die  Nerthus  id  est  Ttrram  matrem,  ramtjue  intenenire  rebiu  hominum,  invrbi 
fiopulis  arhüranlur.  est  in  insnh  Oceutii  caatum  nernns,  duatumqiu  in  fo  jvhi' 
m/um,  ivste  contectitm ;  aUingere  wii  iacerdoti  €Otuessnm.  is  adesse  ptnetraii  deam 
inttlUgit  rcelatnifuc  bubns  fcmims  mulla  cum  vtntrafione  firoierfuitur.  laeti  lunc 
dies,  /esla  loca,  t]uatcumqiu  adventn  liospttioque  dif^atur.  non  bclla  i»eunl,  non 
arma  sumrint :  dausum  omne  ferrum ;  pax  et  qmts  tum  tanlum  nota,  tum  tan- 
tum  amaia,  donec  tdem  sacerdos  sntialam  convenatione  motiaÜum  deam  iempio 
rtddat.  mox  vthicuium  et  itstis  et,  si  eredere  velis,  aumen  ipsum  secrtto  iucu  ab' 
luilur.  servi  miaistranl,  giios  statim  idem  locus  hamil.  Über  die  Ableitung  des 
Namens  sind  die  mannigfachsten  Ansichten  aufgestellt  worden  (Schade,  Ahd. 
Wtb.  1,  fi45"i:  viele  Anhanger  hat  Lei'S  Deutung  (ZfdA.  III.  22t>\,  der  das  Wurt 
mitkelt  «^r/A=die  Kraft,  Macht  zusammenbringt.  Am  meisten  für  sich  liat  es,  das 
Wurt  zu  griech.  vigie^ot  -die  Götter  der  Unterwelt«,  nord.  «o/vA  »nurdwarts« 
zu  stellen  (Norecn.  Urgerm.  Lautlehre  S.  lOg;  Kfigcl,  Gesell,  der  dcutSL-hcn 
Lit  I.  22).  Nerthus  wäre  dann  schon  ihrem  Namen  nach  eine  chtlionische 
GvUh«l,  eine  Terra  Mater,  und  als  sulche  erklärt  sie  sich  vurtreffUch  ab»  Ge- 
mahlin des  altgcrmimischen  Hiramelsguties.  Ihre  grusse  Bedeutung  geht 
schon  daraus  hervor,  dass  ihr  Menschenopfer  dargebracht  wurden.  —  Die 
ProzcssiuQ  bei  dem  grossen  Feste  war  nun  ganz  ahnlich  wie  die  beim  Freys- 
feste in  Uppsafa,  die  wir  aus  einem  Berichte  kennen  lernten,  der  atts  der 
Zeit  kurz  vor  1000  stammt  (Fms.  II.  73  ff).  Der  heilige  Hain  war  auf  einer 
Insel;  durt  steht  der  heilige  Wagen  der  Göttin,  mit  Tüchern  behängen,  ihu 
anzurühren  ist  nur  dem  Priester  gestattet.  Sül)ald  dieser  an  gewissen  Zeichen 
die  Anwesenheit  der  GottJieil  gemerkt  hat,  wird  der  Wagen  in  der  Amphyktionie 
von  Ort  zu  Ort  gefahren;  überall  sind  frohe  Feste,  bis  der  Priester  den 
Wagen  dem  Heiligtum  zurQckgiebt.  nachdem  er  denselben  vorher  nf>ch  an 
jcwTilitcr  Statte  gewuschen  und  die  Knechte,  die  ihm  bei  der  Prozessiuu 
beigeatandeJi,  im  Wasser  ertrankt  haL  —  F-s  darf  als  ausgc-inarht  gellen, 
dass  »ir  es  in  dieser  Umfahrt  mit  einer  i'rozession  zu  thun  haben,  die  der 
Deucrvacbten  Mutler  Erde  im  Frühjalirc  galt'.  Gleichwie  aber  imsere  Vor- 
fohren dieses  Erwachen  der  Natur  feierten,  so  feiert  es  noch  heute  das  Volk 
in  allerlei  Formen,  die  Mannhardt  in  seinem  Baumkultus  so  schön  geschildert 
hat  (S.  i,5'>ff.).  Die  Aufzüge  des  Viilkes  decken  sich  Zug  für  Zug  mit  dem 
allen  Nertliusfcste.  Man  vergleiche  z.  B.  das  Stehseläulcii  in  Zürich  (Rei- 
mann, Deutsche  Volksfeste  im  ly.  Jahrh.  322ff.K  wo  bei  Beginn  des  Früh- 
jahrs die  Kinder  hinaus  ins  Freie  ziehen,  den  Beigen,  eine  l*uppe,  auf  einem 
Wagen  hemmfahren  und  dann  mit  den  Eltern  und  den  übrigen  Einwohnern 


>  Im  Winter  ßtutcrn  ttckannüicb  <li«  Gcnaaneo  keine  Krie)[e.  tVon  beUa  t'nmnt  dei 
Tkcitiu'  kaiui  am  nuf  ripe  Zeit  ift'bt-n,  wo  mau  tuiJcrenurüt  biswrilc-n  zu  den  WaiTcn 
piff.  Da*  war  aber,  wenn  i!«  Sopimer,  uml  nitlit,  wmn  der  Winit-r  vtir  «Ici  Tbilre  sUuid. 
Eft  bt  unventändlicli,  u'ii;  ntiin  A\fw.  Wnrtc  für  sinnlos  ufklüim  kann  (PBB.  XX.  533)1 
>~nt)  das  hier  g»chi!iWlc  Fest  als  KrUbjahrsfesI  auTgelosst  winj, 


der  Stadt  den  Tag  unter  allerlei  Lust  und  Freude  ^xrlcben.  In  den  Kreis 
dieser  FrOhjahrsfeste  gehört  auch  das  Herbeiholen  und  Aufpflanztn  des 
Maibaumes  oder  der  Pfingstmaie.  das  aUaberatl  in  Deutschland  sich  mxh 
bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  hat.  Bald  ist  der  erste  MaJ.  bald  der 
Pfingsttag,  bald  der  25.  Juni  der  Tag  der  Freude  (Mannhardt  BK.  ilxiff.). 
Auch  das  Einliulcu  des  Maigrdfeii  '_Hler  Maikünigs  oder  PfiiigstkOnigs  (auch 
Gras-,  Laitiihkönigs)  gehört  hierher.  Wie  die  Sitte  des  Maibaume-s  lilsst 
sich  auch  diese  bis  ins  13.  jahrh.  zurück  verfolgen.  Oft  steht  dem  Mai- 
grafeji  oder  MaikOnig  eine  Maikfinigin  zur  Seite,  die  auch,  namentlich  in  den 
alten  (gellen,  allein  erscheint.  Ja,  ihr  Ein-  uml  Umzug  mag  möglicher 
Weise  das  Ältere  sein,  er  las.st  sich  dem  Unizug  der  Nerthus  zur  Seite 
stellen.  Den  Srhiftssel  zum  Verständnis  der  hit^torischen  Enfwickelung  dieser 
FrUhJingsfestc  gicbt  eine  im  13.  Jahrh.  verfabste  Schrift  des  Aegidius,  die 
uns  den  niedertilndischen  Brauch  vom  Einzug  der  Pfingstkönigin  aus  dem 
12.  Jahrh.  schildert  iMyth.  II.  637).  Hier  heisst  es:  sacerdotes  celeragtjue 
tcciesiasttcae  pcnonae  cum  uniKtzo  pa/tuh  in  solemniUitihus  paschae  et  pfniecoslts 
aiiqtMm  ex  mardoium  comubtnn  fmrpuratam  ac  liimitmale  nitittnUm  in  emimn- 
tiori  solio  consliltüam  et  (ortittis  velahim  rt^nnm  (nabaitt,  et  eoram  ea  assislentes 
in  choreis  tympatm  et  aliis  mtmcalibus  iiiftmmentis  iota  die  psaUtbanl,  et  quasi 
idohtrae  efftctt  tpsam  Imnquam  ido/nm  coiebont.  Damals  also  v'crehrte  man 
noch  die  heniniziebende  Küuiirin  wie  eine  GAttiu.  Der  natOrÜchc  Hinter- 
grund dieser  Feste  zeigt  sich  namenilicii  im  germanischen  Norden.  Terpager, 
der  Chronist  der  jiitlündischen  Stadt  Ripen  aus  dem  Anfange  des  lö.  Jahrh., 
nennt  den  Maygrefve  cf>mis  acstivus;  er  erzählt,  dass  man  diesen  schön  ge- 
ziert und  in  feierlicher  Prozession  diuxh  die  Stadt  geführt  habe,  und  das 
habe  man  genannt  at  fore  Sommer  i  Ih-  (>dcn  Sommer  in  die  Stadt  führen« 
Ripae  Cimbricae  723  ff.).  Der  Ausdruck  at  ride  oder  /ort  Sommer  i  Bv  war 
in  Dänemark  allgemein  verbreitet,  wenn  der  Maigraf  seinen  Einzug  hielt 
(Mülbech,  Dansk  Dialektle.xic.  S.  333  f.).  Selbst  bis  Fiiuitaiid  hinauf  ist  das 
Fest  gedrungen.  Hier  schmückt  man  bei  Beginn  des  Sommers  ein  Mflrlchen 
mit  Blumen,  das  man  Afujdronm'nf:  (Maikönigin)  nennt  (Rietz,  Svensk  Dialekt 
Lesic.  425).  Hierher  gehört  aucJi  der  Blitme»^r>it\  der  Vertreter  des  Sommers 
in  den  schwedischen  iintl  sch<mischen  Stildten,  dessen  Olaus  Magnus  in 
seiner  Kuliurgcschidite  des  Nordens  aus  der  Mitte  des  16.  Jahrhs.  gedenkt 
(Pabst,  Der  Maigraf  und  seine  Feste  S.  7b  ff.). 

Ganz  ühniich  zieht  man  in  Mittel-  und  Süddeutschland  im  Mai  hinaus, 
am  den  Mai  zu  suctien  (Mannhardt  BK.  lOii,  schmückt  Knaben  oder 
Midchen  mit  Blumen  und  führt  sie  dann  umher,  indem  man  an  den  ThOre» 
Gaben  sammelt.  Diese  Gesuilien  haben  alle  möglichen  Namen;  so  heissen 
sie  in  TliQringen  der  ^üne  Mnnn,  der  Grask(^tüg,  dos  Laubmätmehen  (Witze!, 
Sagen,  Sitten  und  Gebrllurhe  aus  Thüringen  II.  203  ff.).  in>  lilsass  der  I^ngU- 
klotzet  uder  das  Maienröslein  (Mannhardt  BK.  3IJ).  in  Schwaben  der  Latz- 
mann (Birlinger,  Volkstum  lieh  es  aus  Schwaben  i.  S.  I.  120  f.i.  Unter  den 
sieben  bürgischen  Sacliseii  werden  SDgar  drei  Mädclicn  feierlich  umherge- 
führt (Halterich,  Zur  Volkskmide  der  Siebenbürger  Sachsen  *  286).  Das 
Fest  hat  sich   überall   der  Bevölkerung  angeschmiegt:   es  ist  ein  landliches  _ 

unter  der  Landbevölkerung  geblieben,  in  den  StUdten  dagegen  haben  bc-  ■ 
sonders  die  Giltlen  dasselbe  ausgestaltet.  Unter  letzteren  ist  es  zum 
SchQtzenfeste  geworden,  dem  fast  unkenntlichen  Ausläufer  des  alten  Mai- 
festes, das  sich  historisch  bis  ins  12.  Jahrh.  verfolgen  Ulsst  {Pfannenschmid, 
Germ.  Erntefeste  S.  5Ö5  f.).  So  mannigfach  aucli  diese  Frühlingsfcste  auf- 
treten, gemeinsam  ist  ihnen  allen  der  Kern:  Schniückung  eines  Auscrwfthlten, 


Nertwüs.    FrTjä  —  FRioa 


369 


I 


I 


Umzug  und   frohes    Gelage*    (vgl.    Mannhardt   BK.   311  ff.   —  Pabst»  Der 
Maigraf  und  seine  Feste.     Reval   18(14). 

Zu  diesen  Volksfesten  nun  verhalt  sich  das  von  Tadtus  beschrielwne  Fest 
der  Nerthus  nirht  etwa  so,  dass  wir  in  jenen  Überreste  altgermanischer 
Nerlhusfeste  hatten,  scndeni  sie  sind  mit  diesem  aus  gleicher  Wurzel  hervor- 
gegangen. Zu  gcmeinHaraer  Lust  und  Freude  Ober  <Jle  wiciler  er*'achte  Mutter 
Eide  verbanden  sich  mehrere  ingvadnisdie  Stamme,  um  die  vom  Himmel 
herabsteigende  Göttin  fderlichst  zu  empfangen  (Mülleiilioff.  Allgcm.  Ztsch. 
für  Gcst'hirhic  VIII.  ?2()ff.). 

§  73.  Frtja-Frigg.  Am  lUlufigslen  und  bei  den  verschiedensten  germa- 
nischen Stammen  erwähnt  wird  die  Frija-Frigg.  I^iutgesetzlich  decken  sich 
ahd.  Fiija,  ags.  /Wi.',  as.  Frt,  altn.  Frigg  (PBB.  IX.  544).  Dieser  Name  ent- 
spricht skr.  ptiya  =  Gattin  (ZfdA.  XXX.  ZI7)  und  gehört  zu  alta.  /rf,  ags. 
/nÄ»  »da.s  Weib<.  Diese  :iltgenti;inische  Gottheit  finden  wir  bei  einem  grossen 
Teile  germanischer  Stamme,  namcutlicli  in  Norddcutsclihuid  und  dem  skan- 
dina>ischen  Norden.  Bei  den  oberdeutschen  Stummen  ISsst  sie  sich  nirgends, 
bei  den  mit teldcu Ischen  nur  im  zweiten  Merseburger  Spruche  (MSD.  N<j.  4, 
2)  nachweisen.  Es  ist  nicht  ohne  Bedeutung,  dass  sich  diese  Gr>ttin  gerade 
bei  den  gerroanischen  Vt"ilkem  nachweisen  lässt,  bei  denen  man  eine  hfihere 
Wodansverehrung  findet,  und  zwar  zeigt  sie  sich  überall  in  engster  Ver* 
ländung  mit  Wödan-Odin.  Mag  sie  daher  auch  von  Hausaus  die  Gemahlin 
des  altgermanischea  Himmelsgotlcs  gewesen  sein  iZfdA.  XXX.  2iy),  so  ist 
sie  doch  schon  frühzeitig  mit  Wodan  vereint  worden.  Indem  WCnlan  zimi 
Himmeli^otte  emporstieg,  wurde  die  Gattin  des  früheren  Himmcisgottes 
sein  Weib.  Diese  VeteEuigung  kann  natürlich  auch  nur  da  erfolgt  sein, 
wo  Wodan  zum  höchsten  Gotte  wurde,  d.  i,  in  Niederdeutsch land  Hier 
finden  wir  die  flUesten  ZcugnUse  ihrer  Verehrung.  Es  Üegt  kein  Grund 
vor,  die  alte  Sage  vom  Ursjirunii  des  Namens  der  Langobarden,  die  wir 
Paulus  Diaconus  verdimkcn  (L  c.  8)  imd  die  auf  ähnliche  Weise  Fredc^ar 
scbun  ungefähr  hundert  Jahre  früher  erzahlt  hat.  einer  Zeit  abzusprechen, 
wo  die  Langobarden  noch  an  der  unteren  Elbe  ihre  Sitze  hatten,  wenn  sie 
auch  tiedcutrnd  sijJltrr  entstanden  sein  mag,  als  man  die  Kampfe  der  Winiler 
mit  den  Wandalen  anzusetzen  prir^t  (D.-VK.  II.  97  f.).  Nach  dieser  Sage 
erscheint  frut  als  die  Gemahlin  \V<'Vtans,  dieser  alrier  ist  schon  zum  Gott 
des  Sieges  und  Himmels  emporgestiegen,  der  seine  Gemahlin  an  der  Herr- 
schaft teilnehmen  Issst.  Weniger  klar  geht  das  Verhältnis  Frijas  zu  L'uodan 
sna  dem  2.  Merseburger  Spruche  her\'or.  in  dem  jene  die  Schwe.*iier  der 
VoUa  und  eine  wundcnhcilcndc  Göttin  ist.  Neben  diesen  allen  Zeugnissen 
lebt  die  Göttin  noch  heute  im  6.  Woclientage  fort,  der  germanischen  L*ber- 
tragung  des  tf/es  VeNeris:  ahd.  friatar,  ags.  /rtgedctg,  ndl.  vrijäag.  Aus  Nieder- 
deutschland kam  der  Name  des  Tages  nacli  Skandinavien,  weshalb  er  hier 
frjöHa^,  nicht  Friggjardagr,  wie  man  erwarten  sollte,  heisst  (vgl.  Bugge,  Ark.  f. 
n,  fil.  IV.  121  ff.).  Gestillten  des  Volksglaubens  wie  Friekt,  dt  Fuik,  de  Füi,  ftü 
fy/en,  Frtkt,  in  deren  Namen  man  die  FrTja  hat  wiederfinden  wollen,  sind 


*  D*n  gennanischcn  Ursprung  dicstr  Kcstc  zeigt  vor  allrm  da»  Gelage.  Wie  »ehr 
bknnf  gc>«h<o  wurde,  icigl  a,  ■.  di<;  SkrAordning  fOr  die  St.  Knulü^Idc  in  I.und  vom 
Jftbre  1^86,  wo  CT  hcissi:  126  Huo  tom  Mnjf^rfßu  ronUr  hattti  stall  med  sinr  med- 
br*drt  vJtfggc  Jfm  tßntler  lysl  Sil  iWvr  Maigjaf  wird,  der  «ill  mit  »einen  BrUdem  au»- 
Irgco  fünf  Ti>rncn  deutscbm  Bier)  und  12":  Jfuilken  Slajgrrfue  vordrr,  hand  ma  bc- 
kvmmf  Ikrtt  Matgrrffuf  SU  Citf  Fritt  paa  irtffierts  ivywr,  om  hand  dft  fr  begiertndä 
(Wer  Mvcnf  wird,  der  noII  da»  Miiigrarvnbier  acciseim  bekommeo  von  Reditswegen, 
wenn  tr  e«  l^f^dutl  Pabct  a,  n.  (^.  S.  6j. 

••  Pbnol&clc  m.    %  Aufl.  74 


durch  Missveretflndnis  in  die  Mvtholi.)gie  gekommen  (Knapp,  Zscli.  f.  Vcilksk. 

n.  44y  ff.)- 

In  den  a'tnorwegisK^h-i-slandiHchcn  Quellen  erscheint  Frigg  durchweg  als 
CL-n\;iIilin  Otlins,  aber  als  Gt-nmlilin  des  Oit'm,  der  dt-m  lanj^i  ibardisclxen  Gwt-idan 
gh'ii-hi:  als  GrftlernmttRr,  als  Hfirin  tles  iliiumcls.  Sie  wird  sein  WVib  gi-naiial 
(Lok.  Ein!.,  v.  2b;  bei  t'jodi'iif  SnK.  I.  23b;  bei  Saxo  Gramm.  I.  107  u.  oft.), 
die  mit  ihrem  Gcmalil  ratsdilagt,  ob  er  die:>eä  oder  jenes  unternelunen  snUe 
(Vafjjr.  i),  die  nül  ihm  von  Hli(tskj/ilf  aus  rlie  ganze  Welt  Überschaut  (Grim- 
Einl.).  lu  dli-ser  Stellung  ist  sie  die  ireffliilisle  der  GMtinnen  {SnE.  I 
1 14).  die  G«)tiin  der  I.ielie  mid  des  Kindersegens  (Vi^ls.  s.  Bugge  S.  85).  die 
das  Schicksal  des  Menschen  voraus  wt-iss  (Lok.  29),  weshalb  ni.»ch  spAte 
Übersetzer  sie  mit  Minerva  identifizieren  (,Ann.  1S48  S.  84.  184g  S.  b);  ia 
dieser  Stellung  ist  sie  die  llimmelsgnitin.  die  mit  dem  Bruder  oder  den 
Brüdern  Uires  GemaliU  walirtnd  seiner  wiiitcrlichen  Abwesenheit  buhlt  (Lok. 
2(3,  Heimskr.  5,  &ixo  L  42  ff.|.  Wie  uns  die  nordischen  Skalden  die  Frigg 
darstellen,  bertlhrt  sie  sich  einerseits  mit  der  mTdischen  Freyja,  s«i(iass  Snurri 
sie  wie  diese  ein  Falkengewand  besitzen  Iflsst,  andererseits  mit  der  ingvSo- 
Dischen  Nerthus.  Eine  dieser  ähnliche  Stellung  gab  Veranlassung,  daas  sie 
bei  dem  Tode  Baldrs,  als  dessen  Mutter  sie  erscheint,  allen  Gegenständen 
auf  der  Erde  den  Eid  abnimmt,  dass  sie  dem  jngendlii'hen  Himmelsgntte 
kein  Leid  zufügen  wullen  {SnE.  I.  172),  d;iss  gerade  ihr  Nanna,  die  mit 
Baldr  hinab  lu  die  Unterwell  gegangen  war,  ihr  Kopftuch  sandte  (SnE.  L  lito). 
Als  chilumisrhe  Gi»itheii  berührt  sie  sich  auch  mit  j^rd  und  l'ji^rgyn.  Mieraiw 
erklilrt  sich  vielleicht  ihre  Benennung  hIs  Ffifrg^>ns  mar  {Li)k.  ib).  Wir  Iiaben 
in  Fj^rgynn-Fjiprgyn  ein  ganz  .^hnlichrs  Gfltierjiaar  gefunden,  wie  in  Nji^rCtr- 
Nertluis  udor  Freyr-Freyja;  I'j9ri;yns  marr  ist  daher  nicht  als  FJ9rgyiis  Tochter, 
sondern  als  Fji^r^yns  Giiiiin  aufzufassen,  was  ja  mirr  recht  gut  in  der  dichteri- 
sclien  Spntche  bedeuten  kann  {y^.  f/itt  mey  Vsp.  2^.  Lejc,  poet  5(13).  Als 
chthonisclie  Gottheit  berührt  sich  die  Krigg  auch  mit  der  Hli'idyn.  die  ja  auch 
füs  Thors  Mutter  erscheint,  und  zugleich  mit  der  Hludima  oder  Hludeua  nieder- 
rheinischer  (Brdmbach  Corp.  Insir.  Khen.  Na  i üo,  Bonner  Jahrb.  1.  1S4) 
und  friesischer  (Kurresp.  f.  wt-sld.  Gesch.  VlIL  2  ff.)  Inschriften.  Nach 
letzteren  waren  es  Fis<:her  (candurlorts  pisi-tjius),  die  der  Göttin  Gclfibde 
bnichten.  über  ihren  Niimen  ist  bei  Thur  gehandelt  i^vgl.  S.  358  f.).  In  dieset 
Machtfülle  verzweigt  sich  nun  die  Frigg  namentlich  in  der  Poesie  der  Nord- 
länder in  eine  ganze  Reihe  GesU'dten,  die  weiter  nichts  sind  als  poetische 
Personifikationen  theser  oder  jener  Seile  der  Frigg  luid  im  Volke  nie  irgend- 
welche grössere  Bekanntsdiaft  gehabt  haben.  Alt  allein  ist  das  Verhältnis  zwi- 
schen Frigg  unrl  Kulla,  jener  Erscheinung,  die  auch  von  allen  jenen  IIy]X"Stasen 
in  der  nordischen  Dichtung  Öfter  auftritt.  Schon  im  2.  Merseburger  Spruche 
ersrhelnl  Volla  als  Schwester  der  Frta.  Auch  der  Norden  kennt  sie:  der 
Norweger  Ep'indr,  der  im  10.  Jalidi.  lebte^  bezeichnet  das  Gold  als  das  Kopf- 
band tlcr  Fulla  |SnE.  l.  34'»);  mit  flatterndem  i  laar  wird  -lie  von  dem  Verfa.sser 
der  Gylfaginning  dargestellt,  andei  wiirLs  als  dieGötiin,  die  die  Wunsche  der  Herrin 
den  Menschen  flbennittell  (Grim.  Eiiil),  die  ihre  Kleider  und  Schuhe  bewacht, 
die  seihst  zu  den  Geheimnissen  der  Herrin  herangezogen  wird  (SnE.  L  1 14). 
Als  leuchtende  HinmieUg()tlin  oder  S^mncngritlin  mag  man  sicli  einst  die 
Fulla  .gedacht  liaben.  Dafür  spricht,  dass  ihr  Nann;i  den  G^ldring  aus  d< 
Untenveh  sandte,  der  offenbar  in  engsleui  Zusainruen hange  mit  dem  Rini 
Dnui]>nir  slchl  (SnE.  L  180).  —  In  engem  Zusammenhange  mit  der  Fulla 
scJieiiit  die  Gu.'i  zu  stehen,  die  auf  ihrem  Ro^se  IJti/i-tirpiuf,  «■dem  Hufeii- 
wcrfer«,  durch  Luft   und  Meere   reitet,    ebcufalis   um  Friggs  Befehle   auszu- 


riililen.  Kcmcr  eisrlieint  Frigg  als  Eir,  die  heilende  Göttin,  ;ils  Sjgfn,  die 
<lic  UtbeiidcD  zusammenbringt,  als  Lofn.  die  Vermitllcriii  zwUchcn  Alfadir 
und  Frigg  und  den  Memichen,  als  V'9r,  die  Schirmerin  der  Verti^lge,  als 
Syn,  die  Wachterin  des  H;iiiK-  und  I'ingfricdens,  als  Hlin.  die  SiljutügöHin 
vor  Gefahren,  ;ils  Snutra,  die  Spenderin  vun  Weisheit  (SnE.  I.  n^ff.).  Kit 
h;ilK' diese  Hypostasen  der  Frigg  aufgezflJdt,  da  sie  sich  dun-l»wcg  bei  Skalden 
finden.  Allein  hier  ersetzen  sie  weiter  nichts  ab.  das  Appellativum  t/^a,  s<.>- 
daas  ihr  Inlialt  aU  altlieidiiisdie:«  Eigentum  zum  mindesten  sehr   fraglich  ist 

Als  ixmnengöttin  erscheint  die  Frigg  durch  ihre  Wohnung,  die  Fensaür 
(Vsp.  54-  SnE.  I.  Ii4\  die  wulil  niclils  andere  als  die  Mccrsäle  bedeuten 
kfinnen  ( Bugge,  Studien  S.  214).  Schon  hierin  zeigt  Mch  die  nmhiw he 
Diehliuig  als  eine  rein  ni»rdgemii\nische;  im  Meere  scheint  die  Sunnc  zu  ver- 
sinken, im  Meere  beweint  die  Mutter  den  Tod  ihres  gelieblen  Baldr.  In 
dieser  Auffassung  ist  SÄga  eine  Hypostase  von  ihr,  Säg;t,  mit  der  Ödiim 
alltilglicli  aus  ^uldeueu  Gelassen  iu  Sukkvabekk,  d.  h.  Sinkebach,  trinkt 
^Grirn.  7.  SnK.  I.   114.  vgl.  Müllenhoff,  ZfdA.  XXX.   218). 

Als  Göttin  der  Liebe,  der  Ehe  und  des  liauslichen  Fleisses  liat  sich  die 
Frigg  im  skandinavischen  Volksglauben  bis  heute  erhallen.  Dürfen  «ir  den 
Zeugnissen  Lundgrens  (Hednisk  Gudatr«.»  S,  83)  Vertrauen  schenken,  so  lial 
die  Gflttin  besundcrs  in  Sdiwodcn  Vcrelirung  genossen,  wahrend  norwegische 
Ürtsnamen.  die  auf  sie  hinfuhren,  nicht  nachweisbar  sind.  In  Blekinge 
soll  sich  der  Name  der  Göttin  bis  heute  erhallen  haben.  Hier  darf  am 
Thorsiage  nicht  gesponnen  wenlen,  weil  an  ihm  A>7gi,'  «der  Fri^fie  spinne, 
ujid  in  \ielen  Gegenden  Schwedens  leuchtet  der  Gürtel  des  Urion  als  Gc- 
spinnst  der  Frigg  am  Himmel,  weshalb  dieser  im  Volksmunde  auch  /Wg;«- 
roktN  i  Kler  Frigf^etenen  .  Rocken  oder  Spindel  der  Frigg«  heisst  (Hylten- 
Cavalliui.  Warend  f.ch  Wirdame  l.  23*1  f.,  Rielz.  Sven&k  Dial.  Lex.  105).  An 
die  Frigg  als  Göttin  der  Liebe  erinnert  das  isländische  Friggjur^ras.  das  neben 
eUk-ugras  die  OrcliLs  marulala  hejteichnet  ^Preyer  und  Zirkel,  Reise  nach 
Island  356). 

S  75.  Frcyja.  Ein  Liebling  der  isländischen  Diditung  istFreyja.  KincSpur 
ihrcT  Existenz  findet  sich  ausser  bei  dem  norwegi-uhen  hei  keinem  anderen  ger- 
auuischcn  Stannne(Mannhardt.  Genn.  Myth.  708).  Auch  Schweden  unil  Danen 
kenocn  die  Göttin  nicht,  ja  sellwtden  Xorwegcni  Ut  sie  nur  wenig  bekannt.  Wir 
fmden  sie  fast  nur  in  der  islandischen  Dichtung.  Hier  aber,  auf  dem  fernen 
Eiland,  ist  sie  sicher  in  weiteren  Kreisen  bekannt  gewesen :  Thorgerdr,  Egiis  TiK-h- 
ter,  &agte  einst  ihrem  Vater,  sie  werde  nicht  frflher  als  bei  Freyja  ihre  Atwnd- 
matilzeit  einnehmen  (Egilss.  Khli,  iSHä.  S.  jH.si,  und  Hjalii  Skeggjasfm  wurde 
auf  dem  Aldiing  gt/t)  wepen  Gotteslästerung  verurteilt,  weil  er  Freyja  eine 
Beue.  Odin  einen  Hund  genannt  hatte  (Njäla  S,  538.  Kib.  L  42b.  W.  s.  L  ii). 
Nun  liegt  es  auf  der  Hand,  dajis  Frigg  und  Freyja  sich  in  den  nurdiscben 
Quellen  nur  zu  oft  decken.  Afan  liai  die«  daraus  zu  erklaren  versucht,  da-w 
die  Gemahlin  iles  urgenn.  Hiuiinelsgotles  .sich  in  Frigg  und  Freyja  gc^I>allcu 
halle  (Llh.  f.  genn.  Ph.  1882  Sp.  5).  Dies  Freyja  =  ahfl.  froiiwa  sei  tlam» 
die  Herrin.  So  erklären  sich  wohl  die  Ähnlichkeiten,  aber  nicht  die  Ver- 
BThicdcnhciten  der  Gf^tthcitcn.  Bei  der  Frigg  ;<eigte  es  sich,  dass  sie  bei  fast 
allen  germ:amchen  Stammen  vurkummt.  Deshalb  hat  man  sie  mit  gutem 
Rechte  als  die  allere  der  Iwiden  Gottheiten  angesehen  (MtllUnhorf  ZfdA.  XXX. 
Jl7ff.).  Da  sich  nun  Freyja  wetler  in  Danemark  nocl\  Schwc<len,  ganz 
^len  nur  in  Norwegen,  stmdem  fast  nur  in  isIändiMjhen  Quellen  uachwei^eu 
L^ttt,  so  ist  der  SclUasa  nahe  gelegt,  dass  sie  hauptsächlich  erst  ein 
dichterisches  Erzeugnis  der  Wjkingerzeit  ist.     Dann  kann  al«er  unmöglich  der 

24* 


Name  Freyja  auf  ein  urgenn.  Wurt  zurüclcgehcn.  aus  dem  auch  unser  ahd. 
frouxL-a  her\'OTgegangen  ist,  sondern  wir  haben  in  Freyja  weiter  nichts  als 
eine  Fem Ininbil düng  zu  Frey,  gerade  so  wie  zu  god:gyitja,  zu  Finnr:  Finna 
gebildet  ist.  Hieraas  erklärt  sirh  nun  auch  die  oft  geradezu  auffallende  Cbcr- 
einsuinmung  der  Göttin  mit  Frey.  Diesem  dichtete  man  eine  St:hwe<.ter  an,  die 
sich  bald  mit  ihrem  Bruder  deckte,  die  aber  auch  eine  Reüic  vun  Zügen  der 
nord germanischen  Frigg  in  sich  aufnahm.  So  erklart  sich  auf  der  einen 
Seite  ihre  Übereinsiimrniuig  mit  Frey,  auf  der  andern  mit  Frigg,  die  sie  auf 
Island  ganz  aus  dem  Sattel  gehoben  zu  haben  scheint.  Wie  Freyr  NJ9rCls 
Sohn,  ist  sie  NJ9rrts  Trichter  (SnE.  I.  348.  Heimskr.  0),  wie  er,  gehört  sie 
zu  den  Vanen,  daher  lieisst  sie  7'auabnidr  (SnE.  I.  350),  vatiadU  (ebd.  F. 
114),  vnii/i^ht  (ebd.  304).  Wie  jener  a)s  Hyfwistase  des  alten  Iliminelsgottes 
über  Regen  und  Sonnenschein  und  die  Fniclitbarkeit  der  Ätkcr  herrscht,  so 
auch  Freyja  (Uhland,  Sehr.  VI.  57  f.  154!.).  t>b  sttlcher  Herrschaft  streben 
wiederholt  die  Riesen  darnach,  sie  in  ihre  Gewalt  zu  bringen.  So  begehrt  sie 
der  winterliche  Sturmriesc  Pri'mr  (Prkv.  8),  der  Baumeister  aus  Riesenheim 
(SnE,  I.  134  ff),  der  ji^tunn  Ilnmgnir  (ebd.  jjjo),  ailes  dämonische  Machte 
des  Wimer>*.  Wie  Freyr  in  spaterer  Zeit  ist  auch  Freyja  hau |3tsäch lieh  die 
Göttin  der  im  Frühjahre  wiedergebi>renen  Sonne  und  der  Natur.  Ganz  wie 
ihrem  Bruder  wird  ihr  auch  der  goldene  Eber  zugeschrieben,  das  S)Tnbol 
der  Sonne,  den  Zwerge  gesctimicdel  haben  sollen,  wie  alles,  was  aas  Gold  ist 
(Hyndl.  7).  Wie  Fre\T  auf  dem  Schiffe  Skidbladnir,  der  Wolke,  daherführt, 
so  wird  der  Freyja  ein  Falkengcwand  ifjnärhamr,  i-olhotiirj  zugeschrieben 
(Prkv.  3.  Hjtidl.  <}),  das  andere  Ascn  von  ihr  leihen  ^Prkv.i;  auch  dies  kann 
nur  das  Syaibol  der  Wolke  sein.  Dieselbe  Vorstellung  hat  auch  den  Mvthus 
eizeagtj  dass  Freyja  auf  einem  Wageii  durch  die  Luft  führe,  den  Katzen 
zOgen  (SnE.  I.  1 76.  96).  Als  Gott  der  Fruchtbarkeit  wurde  Freyr  zur 
phallischen  Gottheit  und  zum  Gotte  der  sinnlichen  Liebe,  weshalb  sein  Bildnis 
in  Uppsala  cum  ingaiti  priapo  (Adam  von  Brem.  lU.  c,  26)  dargestellt  war. 
Auch  der  Frejja  wirft  in  der  Lok.  Loki  ihre  sinnlichen  Triebe  vor;  sie 
habe  mit  aller  Welt  gebuhlt  (Lok.  30.  32).  Daher  gefallen  ihr  Liebcslicder, 
daher  ruft  man  sie  an,  wenn  man  jemandes  Liebe  gewinnen  will  (SnE.  L 
9<>}.  Den  Drontheimcni  hatte  ihr  Frc\T  die  Zukunft  offenbart  (Ftb.  L  402), 
auch  Freyja  leiirte  den  Zauber,  wie  ihn  die  die  Zukunft  weissagenden  Vulven 
übten  (Heimskr.  6).  Beide  Geschwister  waren  bei  den  Äsen  Opfei^/jtter 
(Heimskr.  6).  Wie  man  dem  Frey  den  Erinnerungstrank  weihte,  so  auch  der  Frevja 
(Fas.  lU.  i23).  Die  Anmut  ihres  Bruders  gehl  natürlich  auch  auf  sie  über: 
80  Ist  sie  trefflichste  und  schfinste  der  Asinnen  (SnE.  F.  9b.  Heimskr.  11) 
die  bei  den  Guttergelagen  die  anmutige  Schenkin  spielt  (SnE.  L  Z']z).  In- 
folge dieser  Schönheit  hat  ihr  die  Dichtung  zwei  Tüchler  beigelegt,  die  Hnoss 
ttnd  Gersimi.  den  personifizierten  Schmuck  und  das  Kleinod  (SnE.  L  537. 
I.  114.  Heimskr.  11).  Wenn  aber  die  untergehende  oder  aufgeherde  Sonne  auf 
dem  Meere  ruht  (Wislicenus,  Symh.  von  T.ng  und  Nncht  25  ff),  dann  glänzt  ihr 
Brisinganien.  der  treffliche  Schmuck,  aii  ihrer  Brust,  ein  ScJimuck,  der  fast  von 
jedem  Mythendeuler  an<ifrs  aufgefasst  worden  ist,  in  dem  man  bald  den  Mond 
(F.  Magnüsson,  W.  Müller),  bald  den  Morgen-  und  Abendslern  (Uhland,  Thor 
99)  oder  das  Morgenrot  (Mannhardl,  Göttenivelt  301)1,  bald  den  Regenbogen  hat 
finden  wollen  (E.  H.  Meyer,  Idg.  Myth.  IL  4S5).  Xach  spatem  Mytlms 
sollen  vier  Zwerge,  denen  sich  Freyja  hingab,  das  glänzentlc  Kleinod  ge- 
schaffen haben  (Syrlapättr  Fas.  L  39ff.l.  Allabendlich  wurde  es  der  Göttin 
von  Loki  geraubt  und  von  Heimdall  am  Murgcn  wieder  erworben,  wie  noch 
Ulfr  üggasson  im  Ausgang  des  10.  Jahrhs.  zu  erzählen  weiss  (SnE.  L  268}. 


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I 


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Nacli  diesem  Kleinod  hiess  die  Göttiii  MeRgfftt  «die  mit  dem  Halsschmuck 
Bdadcne<  (Idg.  Forsrh.  V.  1,5),  unter  welchem  Namen  sie  bewmdcrs  in  den 
Fj^lsvinnsmäl  uns  erv^egentritt.  Und  wenn  dann  die  schüne  Himmels- 
gOttin  auf  dem  Meere  zu  mhen  schien,  dann  mag  ein  Dichter  sie  ab  Mar- 
d^t,  als  xlie  Aber  das  Meer  Glänzende«  (SnE.  I.  402).  verhenlicht  haben^ 
dann  mi^  der  j^oldcnc  Schimmer  auf  dem  Wasser  dai*  Bild  erzeugt  haben, 
das»  die  Himmlwche  goldene  Zähren  »eine,  die  in  der  Skaldensprache  das 
Gold  umschreiben  (SnE.  I.  346  f.).  So  eignete  sich  ihre  ganze  Ersdieinung 
allein  unter  allen  Göttinnen  dazu,  dass  sie  in  chrisiticher  Zeit  die  Venus 
glossierte  (Pastula  Sog.  S.  146.  Tröjunis.  Ann.  1848.  20).  —  War  so  bei  den 
nonregifich-islandischen  Skalden  die  Frcyja  der  I-iebling  unter  den  Gi'^ttinnen 
geworden,  so  wäre  es  geradezu  auffallend,  wenn  sie  nicht  die  allere  Frigg 
zurückgedrängt  und  Züge  von  dieser  angeniimmen  hätte.  Wie  weit  noch  in 
spätchristlicher  Zelt  diese  Vermischung  der  beiden  Göttinnen  ging,  zeigt  die 
Skidarinia  recht  deutlich.  w«i  Freyja  als  Fj^lnis  vif.  d.  h,  Odins  Weib, 
(175)  und  als  sparsame  Hausfrau  (105)  erscheinL  Aber  auch  in  alteren 
Quellen  ist  sie  zu  Odios  GemalUin  geworden.  Offenbar  ist  dies  Verhältnis 
Grün.  14  angedeutet,  wo  es  \'on  Freyja  heisst,  daas  sie  die  eine  H&lfte 
der  Gefallenen  erhalte,  wahrend  die  andere  Öilinn  bekommt,  und  in  dem 
K\idling  des  Hjalli  (Njäla  5.58)  vermag  ich  das  VerliUltnLs  zwischen  Odin 
und  Freyja  auch  nicht  anders  als  das  engste,  als  ein  eheliches  aufzu- 
fassen. Durch  diese  Annäherung  an  die  Frigg  ist  aber  Freyja  auch  zur 
chthonischen  Gottheit  geworden,  wenigstens  kann  ich  ihre  Wohnätze 
fhttvan^  (Grim.  14)  und  Sessnimtitr  (SnE.  I.  304)  nicht  anders  als  Be- 
xdchnungcn  für  die  Erde  deuten.  Als  chthunische  Gottheit  zeigt  sie  sidi 
auch  auf  ihrctu  Totenritte  (t  valshtni)  in  den  H)-ndluljöd,  wo  sie  die 
Vülve  H)'ndla  weckt,  wie  der  Toiengott  Ödimi  die  VCilva  in  Baldrs 
draumai  (vgl.  aucli  A.  Olrik,  Norskc  Oklkvad  og  Sagnkonger  S.  gf.).  — 
Unerklärt  bleibt  bei  dieser  Auffas-sung  der  Freyja  das  Verhältnis  zu  03,  als 
dessen  Genuahlin  .«ie  bei  den  Dichtem  wiederholt  erscheint  (Vsp.  25.  SnE.  I. 
348.  114.  314)-  Sie  soll  diesen  in  der  Welt  suchen  und  goldene  Thranen 
um  ihn  weinen.  Das  klingt  nicht  nordisch,  und  ahnliche  deutsche  Sagen, 
die  man  zur  Stütze  dieses  Mythus  hat  hcrunzichen  wollen  (Mauiihardt,  Germ. 
Mylh.  288*.  295*),  sind  durchaus  nicht  der  Art,  dass  sie  diesen  Zug  als 
gcmeingermantscJi  retten  konnten.  Es  liegt  daher  die  Wahrscheinlichkeit 
nahe,  dass  in  diesem  Mythus  fremder  Einfluss  vorliegt,  wie  ihn  Bugge  zu 
erweisen  ge-sucht  hat,  wenn  ich  auch  nicht  in  Öd  den  griech.  Adonis.  son- 
dern eine  verkürzte  Fonn  für  Ööin  suchen  mrtchte  (Christ.  Mürgcnbladcl 
vom  16.  Aug.  1881.  Falk,  Aarb.  1891,  275  ff.).  Dunkel  sind  auch  die  Bei- 
namen der  Freyja  wie  Gefn,  H^rn.  Syr,  ^rungva.  Skjilf  (SnE.  I.  557), 
deren  Erklärung  aus  dem  Nordischen  nocJi  nicht  hefrietligend  gefunden  ist 
Sie  werden  häufig  von  Skalden  gebraucht,  doch  sind  sie  hier  vollständig  farb- 
los: ue  bilden  nur  den  Teil  einer  Kenning  für  -Weib-  (z.  B.  mett-G^  >die 
Kleinodgefn«,  die  Frau,  die  sich  mit  K1ein<xlien  schmückt?). 

§  77.  Einzelne  sttd-  und  nordgermanischc  Gottinnen.  Ausser 
den  G<^ttinnen,  die  sich  mehr  oder  weniger  als  H>'poslasen  der  altgemui' 
nischen  Erdmutter,  der  Gemahlin  des  Himmebgottes,  zeigen,  giebt  es 
ncK-h  andere  Göttinnen,  die  wir  teils  dun:h  Tacitus  in  der  interpretatio 
latina,  teils  durch  die  Vüiivsteine  germanischer  Kriqjer.  teils  nur  aus 
isländischen  Quellen  kennen,  von  denen  uns  aber  die  Quellen  kein  ge- 
nügendes Bild  geben.  Zu  ihnen  gehrirt  die  Tanfana.  dereu  Heiligtum  sich 
UQ  Gebiet  der   Marsen  befand  und  das  Germ^ticus  14  u.    Chr.    vermditetc 


(Ann.  I.  51).  Milllenhuff  findet  in  der  GOttin  eine  spendende  Eulgöttin, 
deren  Fest  die  Marsen  im  Spätherbste  feierten  (ZfdA.  XXIII.  i,^  ff.),  eine 
üpfergflnin.  untl  bringt  das  W^rt  mit  altn.  tafn,  ;ihd.  sebar  ►Opfer»  zusammen. 
Kögel  (Gesch.  der  dculscheii  Dt.  I.  19)  bringt  es  mit  i$b /j/wA  >FüUe«  zu- 
sammen. Die  Etvmulugie  und  Bedeutung  der  Göttin  bleibt  dunkel.  — 
Ebenso  dunkel  ist  die  Isis,  die  nach  Taciius  (Germ.  9)  ein  Teil  der  Sveben 
verehrte  mid  deren  Symbol  ein  leichtes  Sclüff  tt*ar.  Mandicrlei  Hypothesen 
sind  Ober  diese  Gr.ttin  aufgestellt  worden  (vgl.  Drexler,  in  Rfischers  Lex.  d. 
gricch.  und  röm.  Mylh.  II.  048  ff.  Zangeincisler,  Hcidelb.  Jahrb.  V.  47  Anm.  5). 
So  ist  sie  u.  a.  auch  mit  der  Nehaleunia  identifiziert  worden,  von  der  im 
Rhtundelia  und  auf  den  vurlageniden  Inseln,  besonders  auf  Walcheren,  eine 
grosse  Anzahl  Votivsteinc  gefunden  sind.  (Sic  finden  sich  aufgezahlt  von 
Kauffniann,  PBB.  XVI.  auf.;  hier  wird  auch  der  Nachweis  zu  ftthren  ge- 
sucht, dass  die  Nchalcnnia  und  die  Isis  der  Sveben  die  gleiche  genn.  Gott- 
heit sei).  Auf  den  bildlichen  Darstellungen  der  G»Utin,  die  die  Steine  ent- 
halten, sehen  wir  sie  in  einem  römischen  Maü-onengewande.  bald  sitzend, 
bald  stehend;  hier  und  da  befindet  sich  an  ihrer  Seite  ein  Hund,  fa^t  über- 
all ein  Fnichtkorb.  Auch  in  ihrem  Schosse  hat  .sie  FrOchte.  Auf  einigen 
Steinen  befindet  sie  sich  in  Begleitung  von  Neptun  und  Hercules,  auf  eintg:en 
setzt  .sie  ihren  Fuss  auf  den  Steven  eines  Schiffes,  auf  einem  stützt  .sie  sich 
auf  ein  Ruder.  Man  hat  aus  dem  letzten  Umstand  gesthlussen,  dass  man 
die  Gottin  aL>i  die  •SchifferbescIiQtzende«  verehrt  habe  (Kauffniann  a.  a.  O.), 
allein  diese  Deutung,  die  die  Et_\Tnologie  de-s  Wortes  stützen  soll,  steht 
auf  ebenso  schwankem  Boden  wie  die  Muchs  (ZfdA.  XXXV.  324  ff.  *« 
•  die  Göttin,  die  hilfreich  nahe  steht«)  ixler  Siebs  (ZfdPh.  XXIV.  4(x>  »die 
Todbringerin-).  —  Gar  niclil.s  Bestimmtes  L'ls.st  sich  ferner  sagen  Aber  die 
friesische  Badulieiina  {Ann.  IV.  73.  vgl.  dazu  v  Grienbcrgcr  PBB.  XIX. 
.S3I  ff.),  über  die  Haiva  (CIRli.  130.  ZfdPh.  XXIV.  304  ff.;  ebd.  461  f.;  ZfdA. 
XXXIX.  51),  die  Dea  Garmangnbis  (Corresp.  cl.  Wcsid.  ZfGesch.  T893. 
184  ff.  vgl.  ZfdA.  XXXVITI.  i8qff,:  PBB.  XX.  52(1  ff.),  die  Dea  Vagda- 
vercustis  (CIRh.  67.  vgl.  Verslag.  en  Medetlel.  d.  Knng.  Akad.  van  Wetensch. 
1874.  344  ff-;  ZfdA.  XXXV.  393  f.),  die  Dea  Harimella  (CIL.  VII.  1065; 
vgl.  ZfdA.  XXXVI.  44ff.>,  die  Dea  Hariasa  (CIRh.  314:  ZfdA.  XXXVT. 
208).  die  Vihansa  (De  Nederlandsihe  Spectator  1874;  vgl.  ZfdA.  XXXVI. 
3iüff.),  tUe  Sandraudiga  (CIRh.  132:  vgl.  ZfdA.  XXXV.  328  f.,  389^). 
Wir  sehen  aus  diesen  Namen,  dass  die  Zahl  der  germanischen  Göttinnen 
ungi;mein  zalilreich  gewesen  ist.  Sic  werden  noch  vermehrt  durch  die  For- 
tuna, die  sidi  dcjn  Donar-Herkules,  tlurch  die  Victr)ria,  die  sirb  dem 
Ziii-Mara.  duah  die  Felicitas,  die  sich  dem  Wödan-Mercurius  auf  den 
Votivtafeln  der  batavischen  Reiter  zu  Rom  paarte  (Zangwneister,  Heidelberger 
Jahrb.  V.  51).  Leider  haben  wir  auch  durch  diese  Namen  keine  lebensvollen 
Gestallen  gewonnen:  die  Combination  mit  bekannten  Gottheiten  ist  w(>hl  ein 
leichtes  Spiel,  aber  sie  verwirrt,  statt  zu  klaren.  Und  gerade  die  Menge  der 
Namen  muss  uns  vor  ilar  warnen.  —  Im  2.  Merseburger  Spruclie  finden  wir 
femer  die  Sinthgunt  als  Schwester  der  Sonne,  eine  zauherkimdige  Gftttin 
(MSD.  IV.  1).  Ihrem  Namen  nach  ist  sie  die  Genossin  und  mag  daher 
Wohl  mit  gutem  Rechte  als  Montlgi'Jttin  aufgcfa.s.st  werden.  —  Eine  altger- 
nianisfhe  Frilhlingsgnitin,  deren  Existenz  vielfach  angezweifelt  wird  (Weinhold, 
Die  deuUsiiien  Monatsnamen  52;  Maunhardt,  BK.  505),  ist  aller  Wahr>chcin- 
lichkeit  nach  die  Austrn  gewesen,  die  wir  nur  dialektisch  als  Eoitn  aus  dem 
Angelsächsischen  kennen  {Beda,  De  temporum  ratione  c.  XV),  und  nach  der 
der  Ostcrmonat  (ahd.  Ostarmänotht  ags.  Eosturmöttaih)  gerannt  sein  s!»U.    Ilir 


I 


Name  cifckt  sich  mit  dein  iiid.  nsrd  »Mnrgfiirölf',  dem  lat.  anwra  (Kluge. 
Eljin.  Wtb.  unter  Ostern).  Sic  mftss«;  alsn  von  Haus  aus  eine  Göttin  der 
MoTgcDtOU-  gewesen  sein,  die  auf  gcnnaniiH:hem  B<:>den  zur  G/Jttin  de»  im 
Frilhlinge  wieder  kehrenden  Tagrsgcstinis  geworden  Lst 

Unter  den  iblflndisch-nci'wegisrlien  Gt^tiinnen,  die  »nr  aus  späterer  Zeit 
kennen,  ist  besonders  die  Iiliinn  her^-orzuhcbcn.  die  ewig  junge  Götltn,  die 
Hüterin  der  goldenen  Äpfel,  clie  den  Göttern  die  Jugend  bewahren.  Wir 
besitzen  über  sie  einen  Mythus,  den  l*ji'idi''lfr  in  seiner  Haustlt^ng  (SnE.  I. 
306 — 14I  besungiii  hat,  woran«  ihn  dann  Snorri  scliöpfle  (SnE.  II.  203). 
Ihrem  Namen  nach  ist  Idurin  die  Göiün.  clie  sirh  immer  wieder  selbst  veijOngen 
kiinn.  Loki  entführte  sie  einst  den  Gtitteni,  indem  er  sie  in  eine  Nuss  ver- 
wandelte, imd  brachte  sie  dem  Riesen  tjazi.  Als  darauf  die  Götter  zu  altem 
anßngen,  mu¥>ie  er  sie  wieder  nach  Asgaril  zurückbringen.  Sjjatcre  Mythe 
hat  Idun  zur  Gemahlin  Bragis  gemacht.  Wir  haben  in  dem  Mythus  von 
der  Idun  zweifellos  eine  abgesclüossene,  rein  nordische  Dichtung.  Üass  die- 
selbe eine  einfache  Wiedergabe  des  Mythus  von  den  Äpfeln  der  Hesptriden 
sei,  wie  Bugge  (Ark.f.n.Fil.  V.  i  ff.)  zu  beweisen  sucht,  ist  wenig  wahrschein- 
lich, da  die  verjüngenden  Apfel  im  deutschen  und  nordischen  Mardien  zu 
Hause  sind  und  d;i  sie  aurh  sonst  im  nordischen  Mythus  ohne  die  Idun 
eine  Rollt:  spielen. 

Eine  eigentümliche  nordische  Göttin  ist  die  Gefjon.  Der  Beiname  iler 
Frejja,  Gcfn,  lässt  fast  vermulfii,  dass  sie  mit  dieser  in  engstem  Zusammen- 
stehe. Es  ist  femer  mit  gijten  Gründen  die  Vermutung  ausgesprochen, 
i,dass  sie  mit  Nerthiis  identisch  sei  (Much,  ZfdA.  XXXV.  3.';;  PBB.  XVII. 
Iq6).  Wie  der  Freyja  wirft  auch  ihr  Loki  ßuhlcrd  mit  einem  blondhaarigen 
jDn^nge  vor,  der  ihr  dafür  herriirSicn  Schmuck  gegeben  habe  (Ijok.  20). 
I)ic  Andetitung  erinnert  an  KrevJ.ts  Verhrdmis  zu  Heinidall  und  wie  dieser 
der  Göttin  den  Brlsingenschmuck  zuführt.  So  sagt  aucli  Odinn  lebd.  z\) 
von  ihr,  dass  sie  das  Schicksal  der  Menschen  wisse.  .Snorri  wei.«Ls  dann 
weiter  von  ihr  zu  erzählen,  dass  sie  Jungfrau  sei  und  dass  zu  ihr  alle  kommen, 
ijie  als  Jungfrauen  sterben  (SnK  II.  274).  Daneben  keimen  die  Heimskringia 
(Vngis.  c.  5J  und  die  erweiterte  Gestalt  der  Gvlfaginning  (c.  1)  von  ihr  noch 
*.inen  weiteren  Mylhu.s,  der  aller  \V;ihrscluiiili<hkcit  nach  scliwedisthcn  Ur- 
sjinmgs  ist  (Mollenhoff,  DAK.  11.  ^ni  f.i.  Beide  Stellen  gehen  zurück 
auf  ein  Gedicht  Bragis,  von  dem  (a.  a.  OO  eine  Visa  erhalten  ist  Nach 
diesem  Mythus  kam  einst  die  (iefjon  als  fahrendes  Weib  zu  K""tnig  Gylfi 
von  Schweden  und  erhielt  von  diesem  soviel  Land,  als  sie  mit  vier  Ochsen 
wahrend  eines  Tages  und  einer  Njirht  umpfhlgcn  kannte.  Darauf  ging 
Gefjon  nach  Jytunheim  und  gebar  hier  einem  Riesen  vier  S^'^hne  in  Stier- 
jtestall.  Dort,  wo  sie  das  Land  ausgepflügt  hat,  entstand  dcx  Mälan>ec,  das 
Land  aber  scliaffte  sie  selbst  nach  Westen;  es  ist  ein  Teil  der  dänischen  Lande. 

Erwähnung  verdient  schliesslich  noch  die  nordische  Totengöttin,  die  Hcl. 
Im  aUgenicinen  tritt  diese  in  der  männlichen  Zeit  der  Wikinger7üge  und  ihrer 
l.)irlilung  in  den  Hintergrimd.  Frigg  und  Freyja,  vor  allem  aber  (Jilinn  aU 
Totengotl  und  Herr  von  Valb^ll  spielten  damals  die  Hauptrolle.  Die  Hei 
ist  mehr  ein  dämonisches  Wesen  als  eine  Göttin,  Wenn  sie  I'jiMlt'dfr  (Hcim- 
skr.  15)  mtrr  Lokü  nennt,  so  fassl  t;r  sie  wolil  als  Frau  Lokis  auf,  dessen 
weibliches  Gegenbild  sie  in  manchem  ist.  Später  ist  sie  seine  und  der 
An};rbo%Ia  Titchier  (Grim.  31),  Sie  wuhni  im  unterin.lis«  hcn  Reich,  und  dies 
hat  von  ihr  den  Namen  erliallen.  Spätere  Vr»lkssagc.  die  den  christlichen 
Einflu!»  auf  der  Stirn  trflgt,  hat  ihr  eine  schreckenerwerkende  Gestalt  ge- 
geben: sie  ist  halb  schwarzblau,  halb  fleischfarben,  von  grässlichem  Au.sschen. 


376 


XI.    M\THOU>GIE. 


MQhe  und  Plage  heisst  Ihr  Saal,  Hun>?er  ihr  Tiscli,  Mangel  ihr  Messer, 
Faullenzec  ihr  Knecht,  Verderben  ihr  Thor,  Geduldermßder  ihre  Schwelle 
(SnE.  II.  271). 

KAPITEL   XV. 
DIE  EDDISf  K£  KOSMOGONIE  UND  ESCHATOLOGIE. 

§  78.  Die  Schöpfung  der  Welt.  Einen  zusammenhangenden  Bericht 
Über  die  ersten  Dinge  haben  wir  wiederum  nur  in  isländischen  Quellen  und 
zwar  namentlich  in  der  Snorra  Eddü,  die  zuni  grussten  Teil  auch  hier  aus 
den  Eddaliedern  sch^vpft.  Von  den  Eddaliedern  bericlilen  darüber  die  V^hi^ 
spä,  die  Vafjirüönismäl,  die  Grminismäl. 

Im  .\nfaiig  der  Zeit,  so  berichtet  die  Vsp.  (3),  gab  es  weder  Erde  noch 
Himmel,  nicht  Strand  ncx^h  See  noch  sihJiumendc  Wogen,  Oberall  war  gähnender 
Abgrund.  Dieser  gähnende  Altgrund  hicss  Ginnungagap.  Ei  befand  sich 
nach  Anschauung  der  alten  Nttr\*eger  nördlich  von  Norwegen,  wahrend  die 
Islander  ihn  in  die  Gebend  zwischen  Vinland  und  Grönland  versetzten.  Dort 
kennt  ihn  Haraldr  Hardr^di  (t  iof>()).  der  bis  an  das  immatu  abvssi  barainan 
(Adam  v.  Brenu-n  IV.  c.  38)  vorgedanipen  war,  hier  erwühnt  ihn  die  Gripla 
noch  im  14.  Jahch,  (Grünl.  Iiisl.  Mind,  III.  224).  Dort  hört  die  Erde,  die 
man  steh  als  Scheibe  dachte,  auf  (G.  Storm,  Ark.  f.  n.  Fil.  VI,  340 (f.; 
Svensen,  Svensk  Hist.'  Tidskr.  i88q.  123  ff.).  Im  Norden  dieses  Abgrunds 
war  es  eisig  kalt,  im  Süden  hciss.  Dort  befand  sich  die  kalte  Ncbelwelt, 
Niflheimr,  in  deren  Mitte  der  Uniniicn  }I  vcrgelmir,  der  Rauschekessel, 
stand.  Diesem  eniströintcn  zwOlf  StnUne,  die  Elivägar,  Strome  mit  kalten, 
feuchten  LufLschichten,  die  nocti  heute  der  Norweger  als  el  kennt  (Aasen,  Nordt 
Ordb.  131),  die  oft  als  Hagelschauer  zur  Erde  niedergehen,  in»  Süden  dagegen 
war  der  warme  M  isp eil z heim r,  die  Quelle  des  Feuers  und  der  Warme.  Als 
nun  jene  Strftme  weiter  vun  üirein  Ursjirungc  entfernt  waren  und  dann  in  Ginnun- 
gagap  niederfielen  wie  Sinter,  —  ein  Bild  der  herabfallenden  Hagelkümer,  — 
da  entstanden  iüer  Eisschichten.  Diese  wurden  von  den  heissen  Funken 
und  der  warmen  Luft  aus  Muspellzheim  berührt,  und  durch  das  Zusammen- 
«i*irken  von  Warme  luid  Killte  entstand  das  erste  Geschöpf,  der  uiächlige 
Mecrriesc  Ymir  »der  Rausi-her*  oiler  Aurgelmir  »das  rauschende  NaaSR. 
(Vafjjr.  29).  Er  ist  der  Slainiuvater  der  Reifriesen,  der  dämonischen  Gestalten- 
des mit  Eis  bedeckten  Meeres.  Aus  der  Vermwchung  von  Kalte  u]id  Warme, 
von  Feuer  und  Wasser  entsteht  also  das  erste  Gescliöpf.  aus  denselben 
Elementen,  aus  denen  nacli  Ansicht  der  Chatten  und  Hermunduren  das 
heilige  Salz  entstand  (Tacitus,  .\nn.  XIII.  57),  das  auch  nach  nordischer 
Auffassiuig  der  Urquell  alles  geistigen  Lebens  war.  —  Der  Bericht  in  der 
SnE,  fahrt  dann  fort  fll.  25I'-)),  dass  von  dem  Reife,  der  über  Ginnungagap 
lag,  infolge  derselben  Warme  die  Kuh  Audumla  entstanden  sei,  aus  deren 
Eutern  dem  Riesen  Ymir  Nahrung  zugeflossen  wäre.  Zweifellos  Ut^  dieser 
Kuh,  wie  so  oft  tm  germaniwhen  Mythu.s  die  VorstcUusig  von  der  Nass, 
und  Fruchtbarkeit  spendenden  Wolke  zu  Grunde,  die  den  gewaltigen  Meer-' 
riesen  speist.  Sie  selbst  nährte  sich  von  den  salzigen  Eisblöcken,  inid  durch 
die  Warme,  welche  sie  dadurch  diesen  mitteilte,  entstand  ein  neues  Geschöpf, 
Buri,  der  Vater  des  Borr,  joner  der  Enteiser,  dieser  der  Erzeugte.  LetiF 
terer  hatte  die  Riesentochter  Bestla  zur  Frau  und  zeugte  mit  ihr  Otfin, 
Vili  und  Ve,  denn  neben  diesen  Gescht^ipfen  hatte  Vniir,  der  gleich  dem 
Tuisin  dey  Tacitus  v(.iu  zwiefachem  Geschlecht  war,  aus  sich  selbst  eine 
Naihkominenschaft,  die  Riesen,  gezeugt  (Vafpr.  33).  —  Bors  Söhne  nun 
waren  die  eigendichen  Schöpfer  und  Ordner  der  Welt.    Sie  tüten  den  Ric 


Ymir  und  ertränken  in  seinem  Blute  sein  ganzes  Geschlecht.     Nur  Bergel- 

tmir  entkommt  auf  semem  Nachen  und  wird  der  Vater  eines  zweiten  Ricsen- 
geschlechts.  Ymirs  Leib  wird  dann  in  die  Mitte  von  Oinnungagap  geworfen : 
sein  Blut  gtebt  Seen  und  Gewässer,  sein  Fleisch  das  Land,  seine  Knochen 
die  Berge,  seine  Haare  die  Wfllder,  sein  Schädel  den  Himmel,  sein  Gehirn 
die  Wolken  (Vafl)r.  2t.  Grim.  40/1).  —  Diese  ganze  Darstellung  der  Wclt- 
schöpfung,  wie  «-ir  sie  namenüich  aus  Grim.  und  \'uf^r.  kennen,  hat  man 
neuerdings  ab  die  letzten  Ausläufer  der  alten  babylonischen  KDsmogonie 
angesehen,  die  über  das  Abendland  auch  zu  den  Nurdländcm  gekommen 
sei.  Ganz  besonders  sei  es  die  stoisch<r  Ix'hre  gewesen,  die  namemlicti  durch 
Plutardi  Verbreitung  in  Deutschland  uud  dem  Norden  gefunden  habe.  Nach 
dieser  ist  der  Mensch,  der  Mikrokusmi»,  fa.«!!  aus  denselben  Dingen  ge- 
schaffen, aus  denen  nach  der  eddischen  Dichtung  der  Makrokosmos,  die 
Welt,  entstanden  ist».  Diese  MenschenschüpEung  findet  sich  bei  den  verschie- 
denen germanischen  Stämmen,  bei  den  Friesen,  AngeUachsen  u.  s.  w.  (Mvth.  I. 
469;  ZfdA.  1.  I  ff.;  XXIII.  350f.).  Auch  bei  den  Iren  ist  sie  im  11.  jahrh. 
nachweisbar  (Gaidoz,  Rev.  celt.  \'l.  0  ff.).  Nichts  destowcniger  kann  die 
nordische  Weltschöpfung  recht  wr>hl  nationalen  Ursprungs  sein,  wenn  auch 
in  dem  detaillierten  Berichte  der  V'af(>r.  und  Grim.,  die  von  einander 
abhangig  sind,  fremder  Eiiifluss  eingeuirkt  haben  mug:  die  Schöpfung  der 
W'elt  aus  einem  riesischen  \\'csen  findet  sich  bei  den  verschiedensten  Völkern 
der  Erde  (\'gl.  Chanlepie  de  la  Saussaye.  Gcrmaansche  Kosmogonie.  Vcrsl. 
cn  Mededeel.  d.  Kgl.  Akad.  van  Wetensch.  ^.  ReeLs  Deel  VIH.  Amstcrd. 
1893;  R.  M.  Meyer,  ZfdA.  XXXVII.  i  ff.;  Anz.  f.  d.  A.  XIX.  120).  Wie 
die  Wilden  auf  solche  Gedanken  kommen  konnten,  so  konnten  es  unstreit^ 
auch  die  alten  Germanen,  ohne  dass  sie  dazu  von  aussenher  angereg;l  wurden. 
Und  was  von  der  Erschaffung  der  Welt  gilt,  gilt  auch  von  jener  grossen 
Flut,  in  der  wir  durchaus  keinen  christlichen  Eiiifluss  zu  finden  brauchen 
(\-gl.  R.  .\ndrec.  Die  FluLsagcn.  Braunschw.  i8c;i).  Eine  Erweiterung  des 
SchOpfungsbericIites  scheint  dagegen  durch  Snorri  erfolgt  zu  sein.  Nacli 
ihm  war  n*Trh  Midgardr  aus  den  Augenbrauen  des  RieaeJi  entstanden,  wah- 
rend die  Zwerge  aus  den  Maden  hervorgingen,  die  sich  in  seinem  Fleische 
einstellten  (SnE  II  2.S7-  itio;  L  .50  ff..  02  ff.). 

Nordisch  germanisch  ist  auch  der  Schöpfungshericht  der  Vsp.  (4  ff.). 
Damadi  hüben  BuisS^thne  die  Erdscheibe  aus  dem  Meere  und  schufen  dadurcli 
.dn  iMWhchen  Midgarrt,  die  vrm  elen  Menschen  bewohnte  Well,  die  alle 
^nUMUlIschen  Stämme  kennen  (gut.  mitlfuit^ardi.  ahd.  mittilgart.  ags.  midriangeard, 
as.  middil^ardi.  Noch  irrton  Sonne,  Älund  und  Sterne,  Funken  aus  Müs|}elb:heiro, 
planlos  umher,  ein  echt  nordisches  Bild,  dem  die  Mitternachtssonne  Leben 
und  Farben  gegeben  hat  iHoffor)-,  Eddastudien  73  ff.).  Da  schaffen  die 
GiÜtter  den  Gestirnen  ihre  Bahn,  und  nun  scheint  die  Sonne  auf  den  den 
Wogen  enthobenen  Midgard  und  Iflsst  das  erste  Grün  auf  ilun  wachsen.  Dann 
veisammetn  sich  die  Äsen  auf  Mavi^ll.  dem  Felde  der  Arbeit,  und  errichten 
hier  Tempel  und  Opfetsteine.  Iqren  Schmiedcherde  an  und  lehren  s<j  die 
Menschen  Werkzeuge  und  Verehrungsstätten  herstellen.  In  imschuldiger 
Freude  verbringen  sie  selbst  ihre  Tage  (Vsp.  7.  8).  bis  ihre  Verbindung  mit 
den  Riesen  diese  stürt  und  durch  C)din  der  erste  Kampf  in  die  Welt  kommt 
(Vsp.  8.  21;  Caströn.  Finn.  Myih.  245  ff.).  Im  Anfang  üirer  welturdncndcn 
Ttiatigkrit  schufen  auch  die  Gntter  die  Zwerge;  nach  feierlichem  Tlünge  be- 
achliea?it  man  sie  aus  Blut  und  dunklem  Gestein  ins  Leben  zu  rufen. 

S  70.     Die  Schöpfung  der  Menschen,     fn  jene  Uranftoge  der  Welt 
fAllt  auch  die  SchiVpfung  der  Menschen.     Drei  jener  GOtter,  CKIinn,   ilcDnir 


untJ  I/iflurr,  kamen  einst  narh  Miilgarrt  und  fanden  hier  ohne  Bestimmung 
und  unvermögend  A s k  und  Km  b  I a ,  zweifellos  Baume,  vAe  die  Namen 
lehren  und  die  tr/menn  (Häv.  4g*)  bezeugen.  Diesen  gab  ÖCtino  die  Seele, 
cbs  Leben  (\mtJty  Hoenir  den  denkenden  Geist  ^6,ir),  Lötfurr  Lebens«-ünne 
und  bhlliL-mlcs  Aussehen  {l^  ok  liiu  gei&i  Vsp.   I" — 18). 

Aurh  bd  Si'höjifung  der  Menschen  glaubt  man  den  Einnuss  antiker  (Ge- 
lehrsamkeit fjefunden  zu  haben  (H.  Falk,  Martianus  Capella  og  den  nnrd. 
Mytologi.  Aarb.  iSyi,  271  H.).  Ich  vermag  diesen  ebensowenig  anzuerkennen, 
wie  bei  der  Schi^pfiing  der  Welt.  Ist  er  vtirhandcn,  so  kann  er  sith  auch 
nur  in  der  Aussvhiiulckung  finden.  Sicher  ist  der  Mythus  von  der  Mcn$<.-lien- 
s<"hApfiing  niirdisrher  Mythus.  Anders  finden  wir  ihn  bei  den  Südgermanen. 
Vun  diesen  bericlttel  Tacitus  (Germ.  cap.  2),  dass  sie  in  Uedem  den  erd- 
ent.sprossenen  Tui.sto  und  seinen  Sühn  Mannus  verherrlicht  hatten.  Letz- 
lerer habe  drei  Söhne  gehabt  und  diese  seien  die  Stammvater  der  Ingxaeonen, 
Herminonen  und  lst\'actwicn.  Mannus  erscheint  hier  als  der  Stammvater 
aller  Germanen,  denn  ausser  jenen  VölkerbQnden  sollen  auch  andere  Völker 
von  ihm  abstammen  '. 

§  So.  Die  Einrichtung  der  Welt.  Von  der  Kinrirhtung  der  Welt 
können  wir  nur  mit  Bestimmilieit  in  urgennanische  Zeit  die  Vorstellung  der 
bewohnten  Erde  als  Mittelpunkt  des  WeltalLs  setzen.  Bei  allen  germanischen 
Stammen  findet  sich  der  gleiche  Namen  für  die  Erde:  gut,  miiijun^anh. 
alul.  millil-  oder  miUingmi.  alts.  midtiilgatd,  ags.  mtddangeani,  ahn.  müt- 
j^ftfr.  Um  diesen  I^liltelpunkt  de.-*  Weltalls  henmi  zog  sich  dann  nach  .\n- 
schauung  der  am  Meere  wohnenden  gennanisclicn  Stumme,  namentlich  der 
Nordländer,  das  Meer  in  Gestalt  einer  machtigen  Schlange,  des  Mi^garfls- 
orra  (»der  Jt^rmungand.  Andere  Welten  haben  sich  in  der  nurdischeo 
Dichtung  diesem  Mensclienheim  zugesellt.  Wahrend  in  Deutschland  die 
Götter  in  heiligen  Hainen,  seelische  Geisler  und  Dümoncn  in  Gewässern, 
Bergen,  Bäumen  wohnten,  gab  ihmm  der  Nnrdgermanc  ein  Reich,  schuf 
einen  Asgarcl  für  die  Äsen,  einen  Alfbeira  für  die  Alfen  (Grim.  .5),  J9lun- 
lieimar  für  die  Riesen,  Niflheim  otler  Niflhel  fVegl.  f\  Vaf])r.  45)  für 
die  Seek-n  der  Verstorbenen.  Wohl  mag  die  Vorstellung,  dass  unter  der 
Erde  sicli  noch  eine  VV-lt  befinde,  dass  der  gewtStbte  Himmel  eine  dritte  sei, 
uralt  sein,  denn  nur  von  dieser  Auffassung  aus  erklart  sich  dos  Wort  Mitlingart, 
allein  es  lOsst  sich  weder  beweisen  noch  u>'ahr^;eheiidlch  madicn.  dass  diese 
Wehen  bei  anderen  germanischen  Stammen  den  mirdi.sclien  Bezeichnungen 
ähnliche  Namen  gehabt  haben.  War  der  Nordgermanc  d<Jth  nicht  einmal 
klar  über  die  Lage  dieser  Welten.  Wohl  dachte  man  sich  Ji,itunheimar  im 
Öussersten  Nonlen,  jenseits  der  bewohnten  Errle,  und  nannte  das  Reich  des- 
halb auch  l'tffartt  (Ausscnwelt),  wohl  dachte  man  sich  da«  Reich  der  Hei 
unter  der  Erde  (Var|)r.  x;^\,  allein  wohin  man  Äsgard  versetzte,  darüber 
gi'ben  luis  die  Quellen  keinen  Aufschluss.  —  Femer  spreclien  die  Eddalieder 
mehrmals  von  neun  Wellen  (Vsp.  2.  Vaf^r.  43I.  Skaldische  Gelehrsamkeit 
des  12.  Jahrlis.  bat  diese  neun  Heime  aufzuzählen  gewussl  (SnE.  I.  ^i}i. 
II.  485),  allein  sie  hat  hier  ebensowenig  aus  der  Volksdichtung  geschöpft 
wie  neuere  Mylh<«logcn,  die  durch  gelehrte  Kombination  die  neuen  Welten 
entdeckt  zu  haben  glauben  (Simnuk,  Mvth.  .^öff.i.  Die  neun  Welten  sind 
zweifellos  erst  spüt  in  die  nnrdische  Dichtung  gekommen,  und  Namen  dafür 
liabcn  im  Volke  nie  bi-standeu.  —  Ausschliesslich  nordische  Dichtung,  die  wir  nur 
au.s  den  firimnism.^d  kennen,  ist  es  auch,  wenn  den  einzelnen  Gf^tiem  einzelne 
Welten  und  Sitze  zugeschrieben  werden  (Grim.  4 — lö).  Damach  sollen  Tlutr 
in  I^rüdheim,  Ullr  in  Ydalir,  Freyr  in  Alfhetm,  Bakir  in  Breidablik, 


I 


Hdindallr  iii  Hiniiiibji^rg,  Forcü  in  Glitnir,  Xj^rilr  in  N/talün,  Frcyja 
in  Folkynng,  Skacli  in  Prymheim  wr.hnen;  V'alaiifcjälf  und  Gladsheimr 
gehurt  Oiiin,  in  Svikkvabckk  sdicnkl  ihm  S:'iga  aus  goldener  Schale  den 
Wein. 

Ah  scheint  ferner  die  VoriteltunK  des  Weltalls  als  eines  mächtigen  Bixuracs, 
der  sein  Gezweig  über  den  Himmel  erstreckt  (SchM-arix,  In<i<>germ.  Volks- 
glaube, lierl.  1885).  allein  die  Ausschmflckunsi  dieses  Baumes  ist  juiip,  speciell 
isländisch  und  steht  in  manchen  Stacken  vielleicht  unter  dem  Einfluss  der 
aus  dem  Süden  eingeströmten  i'hristlicb-abendUlTuUsclicn  Kultur  Uhiggc,  Stud. 
4^tff.)-  Wir  schöpfen  den  Bericht  Über  diesen  Weltbaum  auM hliesstich  aus 
der  Vs]).,  den  Grim.  und  den  sp<1tcn  Kj^lsvm.  Von  diesen  Gedichten  giebt 
die  Vsp.  den  relativ  ursprünglichsten  Bericht  Dieser  Weltbaum  führt  nach 
skaldiächcr  Weise  den  Namen  Askr  Yggdrasils  (»Fjiche  des  Rosses  Odins« 
Vsp.  47.  Grim.  31.  ;^5.  44);  es  ist  das  alte,  volkstümliche  Bild,  dass  CKlinn  als 
Windj.n.itl  sein  Rnss  in  dem  luftigen  Gezweig  des  Baumes  weidet,  das  Veran- 
lassung zu  dieser  Kcnning  gegeben  liat*.  Daneben  erscheint  für  den  Baum  der 
<lunkleNamc  Lairädr  (Grim.  25.  2b).  Die  Wurzel  der  Esche  befindet  sich  am 
Brunnen  der  Urft  (Vsp.  iq),  dena  nach  al^eitnaniächerVurstclIungerliob  sich  ein 
heiliger  Baum  neben  der  geweihten  Quelle,  iyo  trat  er  in  eng*ite  Verbindung  mit  der 
Schicksalsmacht  und  wurde  selbst  zum  Sdiicksalsbaume,  zum  mj^'iär  (Vsp.  2. 
Fj^lsvm-  22),  zu  dem  Baume,  der  dem  Menschen  das  Lr«  zumisst.  In  naher 
Beziehung  steht  er  dadurch  auch  zu  Mimir,  der  nach  anderer  Auffassung 
desselben  Brunnens  waltet,  und  so  hcisst  der  Weltbaum  auch  Mimamet^ 
iVy}\^\!m.  201.  l'nsichtbar  sind  seine  Wurzeln  (FJ9lsvm.  20),  denn  auf  die 
unklare  Viirstellunjj  der  Grim.  f.lil.  wonach  sich  die  tine  bei  der  Hcl,  die 
andere  bei  den  Keifriesen,  die  dritte  bei  den  Menschen  (nach  SnK.  II  2hi 
bei  den  Äsen)  befunden  haben  soll,  ist  nichts  zu  geben.  Hier  an  dieser 
geheimen  Wurzel  liegt  Heimdalls  Honi  verborgen  bis  zmn  Gflltcrgewhick 
(Vsp.  27t,  hier  lÄ-ird  der  Baum  begossen  mit  dem  weissen  Nass  (Vsp.  in), 
hier  leba»  in  Schwancngestalt  die  Jungfrauen,  die  die  Volksdichtung  als  Schwäne 
kennt  (SnK.  II.  2^41.  Aus  der  Erde  erhob  sich  dann  der  Stamm  hinauf  in  den 
blauen  Äther,  daher  heisst  er  der  äthergewnhnte  {untlir  heith-^num  badmi 
Vsp.  27).  An  ihm  Ist  die  Ri(htstfltte  der  Gatter  (Grim.  29),  wiederum  ein 
Zi^,  der  aus  dem  altgermanischen  Rechl*:lcbcn  geschöpft  ist,  denn  unter 
heiligen  Bäumen  pflegten  unstre  Vorfahren  zu  Gericht  zu  sitzen  (Grimm, 
RA.  704  ff.).  In  dem  Gezweig  der  K>iche  weidet  die  Ziege  HeiJlrün,  aus 
<leren  Euter  der  für  die  Eiuherjcr  bestimmte  Met  konmit  (Grim.  25I.  Ebenso 
befindet  sich  hier  der  Hirsch  F.ikpvrnir  (F.irhdorn,  ebd.  2U),  aus  dessen 
Geu-eih  di*-  Erdgewasser  kommen.  Hier  sowohl  wie  dort  haben  wir  ein  dichte- 
risches Bild  von  der  wasserspendenden  Wolke.  Eine  spater  inteqxiHcrte 
Strophe  (ji3)  weiss  gar  von  vier  Hirschen  zu  erzählen,  die  an  den  frischen 
Sprossen  der  Esche  beissen.  In  einer  verloren  gegangenen  Visa  hat  femer 
der  rjjchter  der  Grim.  von  dem  vielkundigen  .^iller  erzahlt,  der  in  den 
Zweigen  der  Esche  sitzt,  und  von  <h;in  Habicht  Vcdrfylnir.  der  zwischen 
seinen  .\ugc*n  weilt  (SuK.  II.  203).  Wie  schon  in  der  Strophe  von  den  vier 
Hirschen  sieh  das  Streben  zeigt,  ein  Element  einzuführen,  das  die  den 
Baum  xerst'lrenfte  Gewall  darstellen  ^11,  so  ist  dies  noch  mehr  der  Fall  bei 
N'idhi;igg,  >dcm  schadengierig  Haut.-nden-'  (Bugge,  Siud.  I,,  484K  dem  Drachen, 
der  an  den  Wurzeln  des  Baumes  nagt  (Grim.  35).  woraus  wiederum  jüngere 
Fassung  Hne  Mf-nge  von  Schlangen  gemacht  hat  (Grim.  34t.  Endlich  tritt  noch 
unter  den  mvlhischen  Tieren  des  Weltbaums  das  Eichhiinichen  Ralatoskr 
auf,  das  wrtlil  Bugge  richtig  mit  *Rattcnzahn>  %-iedergicbt  (a.  a.  O.  44)7);  es 


tauft  am  Stamme  auf  und  ab  und  trägt  gehässige  Worte  zwischen  Ntdt)9gg 
und  dem  Adler  (Gritn.  J2)  *. 

§  8i.  Die  Schöpfung  der  Gestirne.  Sonne  und  Mond.  Unstat, 
berichtet  die  Vsp.  {5),  flogen  die  Gestirne  als  Funken  aus  Müspellzhcim 
umher,  bevnr  ihnen  die  Götter  feste  Wohnnilze  gabeJi.  Als  aber  diese  ge- 
schaffen waren,  da  lenkten  sie  Tages-  und  JaJireszeiten.  Tag  und  Nacht  ziehen 
herauf,  gezogen  von  feurigen  Rossen.  Hrimfaxi  zieht  die  NacJit  Skin- 
faxi  den  Tag.  —  Nach  anderem  Mnhus  wird  die  Sonne  am  Himmel  empor- 
gezogen, die  RcÄse  Arvakr  ( »Frühwach*)  und  AUvidr  (»Allschnell«)  ziehen 
sie.  Unter  iliren  Bugen  kfllilcn  zwti  Blaseiiülge  die  GluL  Vnr  der  Sonne 
selbst  befindet  sidi  der  schützende  Schild  Svaüiin,  wahrend  die  beiden 
Ungetüme  Sk9l]  und  Hati  die  leuchtende  Braut  des  Himmels  zur  Eile 
treiben  (Grim.  37 — 39). 

§  82.  Die  germanischen  und  speciell  nordischen  Vorslellungen 
vom  Leben  nach  dem  Tode.  Nach  altgermanischer  Vorstellung  lebte  die 
Seele  nach  dem  Tode  als  zweite-s  Ich  des  Mcn-schcn  in  der  Well  fori.  Sie 
konnte  dann  mannigfache  Gestalien,  namentlich  Tiergejitalten,  annehmen  und 
in  diesen  tlein  lebenden  Menschen  Glück  oder  Unglück  bringen.  Das  grosse 
Heer  der  Seelen  aber  lebte  in  der  bewegten  Luft  weiter,  zeigte  sich  besundent 
zu  gewi-ssen  Zeiten,  hatte  aber  sonst  seinen  Wohnort  in  Bergen  oder  m  dem 
Inneren  der  Erde.  Über  dieses  erlaugten  nu'i  der  Zeit  die  clLthonischcn  Gott- 
heiten die  Herrschaft.  So  entstand  der  Glaube  an  ein  Reich  der  Toten  in 
der  Unterwelt,  über  das  die  Gottheit  der  Unterwelt  herrschte.  Das  Leben 
in  diesem  Reich  gestaltete  sich  ganz  nach  dem  Leben  in  die.ser  Well. 
Daher  nahm  die  Vorstellung  vom  Lel>en  nach  dem  Tode  bei  den  einzelnen 
Standen,  in  den  verschiedenen  Gegenden  und  Zeilen  verscliiedene  Gestalt  an. 
Auf  deutschem  Boden  müssen  wir  uns  besonders  auf  die  Vulksübcr liefe amg  des 
Mittelalters  und  der  Gegenwart  stützen.  Die  Vorstellungen  unseres  Volkes 
nach  dic'scr  Richtung  hin  sind  in  dem  Kapitel  vom  Seelenglauben  besprochen. 
In  der  nordischen  Dichtung  hat  dieser  Glaube  konkretere  Foruien  angenommen, 
ja  wr  finden  hier  sogar  StelEen,  \vn  von  einer  Belohnung  der  Guten  und  einer 
Bestnifung  der  Busen  die  Rede  ist.  Für  eine  Belohnung  der  Guten  haben  wir 
in  der  germanischen  Lebensauffassung  keinen  Hintergrund:  wer  sein  Leben 
ohne  Schuld  und  Fehl  führt,  lebt  in  den  Scharen  des  seelischen  Heeres  fort, 
ra^  man  sich  diese  bei  Wödan  im  Berge  oder  bei  der  Räu  im  Meer  oder 
bei  Odin  in  Valln^ll  denken.  Belohnung  der  Tugend  nach  dem  T^nde  in 
christlicher  Auffassung  kannte  der  Gemiane  nicht.  Anders  dagegen  steht  es 
mit  der  Bestrafung  der  Bösen.  Der  auf^;epragte  Rechts.sinn  unserer  Vttrfahren 
komite  recht  gut  zu  der  Auffassung  kommen,  dass  Übertreter  des  Rechts,  die 
dem  weltlichen  Gericht  entgangen  waren,  nach  dem  Tode  bestraft  wurden. 
Wenn  demnach  die  Vsp.  von  einer  Belohnung  der  Guten  spricht,  so  steht 
sie  höchst  wahrscheinlich  unter  dem  Einflasse  der  christlichen  Sittenlehre; 
wo  sie  dagegen  von  der  Bestrafung  der  Bösen  handelt,  scheint  sich  Christ- 
liches mit  Germanisch-Heidnischem  vermischt  zu  liaben.  —  Ein  rcissender 
Fluss  umströmt  das  Reich  der  Toteng.^ttin  Hei,  den  Niflheim  oder  die  Nifl- 
hel;  Süd  »die  Fttrchterlichee  nennt  ihn  die  Vsp.  (30);  er  kommt  von  Osten 
her  mid  strr>rat  über  Schneiden  und  Schwerter.  In  ihm  erkennt  man  un- 
schwer die  Geirhvimul  der  Grim.  (28),  .die  voller  Speere  Wimmelnde«, 
die  Gjvll  »ch*  Dtrmende«,  über  die  Hermödr  ritt,  d^n  ßuvius,  der  mit  /e/is 
aller  Art  angefüllt  ist,  zu  dem  nach  Saxo  Hadüingus  auf  seinem  Ritt  in  die 
UnlerueU  konunt  (L  51),  wieder.  Besonders  trefflich  geschildert  ist  dieser 
Strom,   iler  vor  der  Unterwelt  fliesst,  in  der  Saga  af  Thorstcim'  Baejarmagoi 


(Fmj>.  III.   183  ff.),  nach  der  Tlion>tcinn  den  >*luss  durchrcilci.     Das  Wasser 

Iwar  hier  50  kalt,  da-ss  alles  sirli  sogleich  entzündete,  und  als  Thnrstcinii  Zehe 
von  ihm  benet2t  wurde,  da  ging  sie  alslxild  in  Eiterung  über.  Von  diesem 
FhsK  wissen  auch  die  Lappen  zu  erzählen,  die  die  Kunde  davun  von  dea. 
Korwegem  haben  (Norsk  Hist.  Tidsskr.  IV.  215  f.)-  Vor  dem  Flusse  zieht 
sich  eine  Wiese  hin,  mit  grünen  Krflutcm  bewachsen,  wc  die  Untcrwcllswicsc 
der  deutschen  MSrchen  (Mannhardt,  Germ.  Mylh.  444  ff.)  oder  der  Rosengarten, 
der  Vron-  oder  Freudenhof  in  der  miltelaJlcrüchen  Dichtung  <Laistner,  Genn. 
XXVI.  65  ff.).  Schuhe  hängen  auf  ihr  nach  der  Vision  des  hobtteinischen 
Bauern  Godcskalk  (Mtillenhoff,  DAK.  V.  113  f.),  deren  man  sich  bedient, 
wenn  man  den  Flu^is  durchschreitet.  Hierin  hat  die  Sitte  ihren  Ursprung, 
das.%  man  Toten  neue  und  besonders  feste  Schuhe  anzuziehen  pflegte,  die 
der  Nordländer  hehkvr  neiutt  (Gisia  s.  24.  Müllenhoff  a.  a.  O.).  Eine  Brücke 
fahrt  nach  einem  Parallelmythus  t^ber  den  Fluss.  Über  sie  musste  Hermödr, 
als  er  Baldr  aus  der  Gewalt   der  Hei    befreien    wollte.     Er   begegnete  dabei 

■  am  Brik'kcnkopfe  der  Jungfrau  Möögnü.  die  die  ßrürke  liewaclite.  Jenseits 
derselben  erhebt  iich  der  Vai-  oder  Helgrindr,  die  Mauer  Syxos,  die  das 
eigendiche  Totenreich  uingiebt     liinerlialb  dieser  leben  nun  die  Toten  fort- 

■  Hier  kämpfen  sie,  wie  Sa.\u  erzahlt.  Hierher  versetzt  der  Dichter  der  Grimn- 
i&inäl  seine  Valh^U  mit  den  Einherjem,  lüer  liegt  der  Ödainsakr,  der  in 
den  romantischen  Sag»:«  Islands  öfter  erwillmt  wU  tFas.  I.  411.  III. 
ö6iff.).     Hier  ist  es  aber  auch,  wo  Meineidige  und  MOrder  ihre  Strafe  ver- 

Ibüssen.  wo  der  Draclie  Nidh^iggr  an  ihren  Körpern  saugt   tmd  sie   zerreist 
(Vsp.  39»». 
§83.  Untergang  und  Erneuerung  der  Welt.  Eine  zusammenhängende 
Dar^ellung  über  den  Untergang  und  die  Erneuerung  der  Welt  schöpfen  wir 
wiederum    fast    auitsclJicssücIi    aus   der  V9IU-SPH.     Ergänzend    treten    hier   in 
H  einigen  l*unktfn  die  Vaftihidnisraäl  hinzu.     Die  Schilderung   in    der  Vsp.  ist 
^^^tossaitig,    und    wenn    auch  in  einzelnen  Punkten,    »vie    namentlich    bei    der 
^HBlffstelitmg  deü  sittlichen  Verfalls  der  Menschen,  >iich  chrisilii-her  f'ünflus.t  zeigen 
^^»agi  so  ist  da*  ganze  doch  nordisch-gennanischen  Anschauungen  enlspnjssen 
und  atmet  nordisches  Leben.   Von  den  tiesischcu  Ungetümen,  den  Stinnenwölfen 
tuid  dem  Mundwulfe,  wird  den  Gestirnen  arg  mitgespielt.     Mit  Blute  röten  sie 

Idcn  Sitz  der  Götter.  Der  Sonnenschein  sdiwindet,  die  Wetter  toben.  Auf 
tXvoi  Hi^el,  auf  der  Warte  von  J9tunheim,  .sitzt  Egg{3är,  der  Wächter  der 
Riesen,  und  schlagt  die  Harfe,  ein  nordisches  Bild,  ahnlich  der  schönen 
Schilderung  im  Nibelungenliede,  nach  der  Volker  mit  seiner  FiOjL-1  am  Huimcn- 
bofc  Wacht  halt.  Über  ihm  kräht  der  rote  Hahn  Fjalarr  und  nift  zum 
Kampfe.  Auf  nhnliche  Weise  weckt  Goltinkambi  (Goldkainin)  die  Ascn 
zum  Kampfe,  ein  anderer,  ein  schmutzigroter,  die  Benvjhner  von  Hels  Reich. 
Laut  bellt  jetzt  der  H^IIenhund  Garrar  (der  BrÜller.  vgl.  norw.  gartna  »laut 
schreien«,  ein  Wort,  das  bestmders  von  den  Kühen  gebniucht  wird),  der  gefej»selte 
Fenrir  reisst  sich  lus.  Auch  unter  den  Menschen  sind  alle  Hände  geli'^i:  Brüder 
und  V*cr«-andte  stellen  sich  gegenseitig  nach  dem  Lebete  kern  Mensch  schont  den 
andern,  QberatI  ist  Ehebruchs  Diir  ganze  Natur  bebt,  die  Esche  Yggdrasils 
zittert,  auch  die  Zwerge  stöhnen  vor  ihrer  Felswand  und  wissen  nicht,  wo  aus 
and  ein.  Da  machen  sich  denn  die  Gütter  zum  Kampfe  auf:  ÜQinn  spricht 
mit  Mimirs  Haupte  ( —  in  diesem  Mythus  steckt  der  alle  Volksglaube,  dass 
das  Haupt  der  Toten  guten  Rat  erteile  _  und  die  Zukunft  kOiidc,  vgl.  GrOnl. 
Hi&t  Mindesm.  I.  080;  Fm,s.  III.  190;  Isl.  Pji'rfls.  I.  523;  Am  Urquell  III. 
[501.  87;  Liebreclit,  Zur  Vulkskunde  280  — )  und  holt  bei  ihm  Rat,  Heiradallr 
kbllit  in  sein  Hom,   die  Gütter  reiten  zum  grossen  Kampfplatz,   zur  Ebene 


382 


XI.   ^[\■THOLOGIE. 


Vigrifl  (Vaf|jr.  18).  Hierher  $ind  uuuh  die  den  Güttc-ni  feindlichen  Machte 
gekommen.  Von  Osten  her  kommt  Hr)'mr,  die  Midgardsschlange  gerät  in 
Riesenzom  und  peitscht  die  Wogen,  das  Totenschiff  Naglfar,  das  nach  der  Snorra- 
Edda  infolge  volksetymu  logisch  er  Umdcutung  aus  den  Xälgeln  der  Verstorbenen 
gemacht  ist,  wird  flott.  VimSildcn  kmtinit  Surir,  der  Herr  der  Feuerweh  MiisiM!llz- 
heim,  mit  ik-ii  MüspellzsOhneii ;  auf  der  Spit/e  seines  Sollwertes  trögt  er  <las  Feuer, 
das  die  Wchv(.'niichtet.  V^on  Norden  her  kommt  Luki  mit  einer  anderen 
Riesenüchar,  den  Genossen  der  Hei;  sein  Bruder  Byleiptr  ist  in  seinem  Gefolge. 
Soslnd  denn  die  Ragnar^k,  dasGöttetgescliick,  wtirausspülercsMissverstandnts 
Rajinarnkkr  (Gi'tterverfinstenmg)  genuicht  hat  (ZfdA.  XVI.  I46ff.),  herein- 
gebrochen. Oilinn  kämpft  mit  dem  Fcnriswolfe;  der  Ase  ffllli.  wird  aber 
alsbald  von  seinem  Sohne  ViJai"  gerächt.  Thor  kämpft  gegen  die  Midganls- 
schiange;  er  tötet  sie,  fällt  aber  seihst  durch  sie.  Die  Gölter  sind  tot  Jetzt 
erlischt  der  Sonne  Ucht,  die  Slejne  fallen  vom  Himmel,  die  Erde  versinkt 
ins  Meer  und  die  züngelnde  Flamme  spielt  bis  zum  Himmel  hinan.  Dies 
ist  der  Muspell,  das  alts.  Müspilli.  Was  dies  Wort  bedeutet,  ist  noch  nicht 
befriedigend  aufgeklärt.  Vielleicht  ist  esans  Niederdeutschland  nach  dem  Norden 
gekommen.  Kögels  Deutung  »Erdzer>)lürer'<  (Grundr.  IIa.  2:2)  ist  el>cnsowenig 
hallbar,  wie  die  Bugges  (Studien  448),  der  den  ersten  Teil  des  Wortes  mit 
mtitidui,  ixier  Martins  (ZfdA.  XXXVIII.  iS(^>ff.).  der  ihn  mit  moU  »brenn- 
barer Erdhaufen«  zusammenbringt.  An  eine  Zusammenstellung  mit  mund 
und  eine  freie  Wiwiergahe  von  ftropAelin  (TfiB.  XXI.  107  ff.)  ist  natflrlifh 
noch  viel  weniger  zu  denken. 

Die  Hauptgöttcr  sintl  dahin,  die  Menschen  sind  vernichtet.  Allein  nicht 
alle  sind  im  grossen  Kampfe  imd  Wcltbriindc  zu  Grunde  gegangen.  Im 
Holze  Hoddraimir,  an  dem  Teile  der  Weltcsche,  wo  Mimir  seine  WohnstSttc 
hat,  haben  sich  Lif  umi  Liffirasir  verborgi;n  und  vom  Morgentau  genährt 
ihr  Dasein  gefristet  (Varf>r.  45).  Sie  sind  die  Stamtneltem  des  neuen  Men- 
schengesdil echtes,  nachdem  die  Erde  von  neuem  aus  den  Fluten  eiuporge- 
taucht  ist  und  in  schönerem  Grün  als  früher  prangt,  und  nachdem  der  alten 
Sonne  schönere  Tochter  in  herrlicherem  Lichte  aufgegjuigen  ist  (Vafl>r.  47). 
Da  komnuMi  auch  die  Gtiti<;r  des  Friedens  wieder  und  versammeln  sieb 
auf  Idavvll-  Hierher  kommt  Baldr  und  sein  Gegner  H^dr.  Hoenir  mit 
dem  Loszweige,  Thors  wackre  S.ihne  Magni  und  Möiti  und  Odins  Kinder 
Vdli  und  Vidarr.  Hier  plaudern  sie  von  den  Ereignissen  früherer  Zeiten, 
hier  finden  sie  das  Spiel  aus  der  goldenen  Zeit  wieder,  hier  wachsen  ungesSl 
die  Acker.  Auch  die  Mcnsche-n  genie.sscn  mit  ihnen  der  Freude:  in  gold- 
bcdachtcm  Saale,  auf  Gimlc,  der  Edelsteinhai  de,  hausen  tlic  Scharen  der 
Treuen  mit  den  Götteni  des  Frieden-s.  Jetzt  he-rrsrht  übejall  feste  Onlnung. 
Noch  einmal  fliegt  der  dttslere  Drache  Nidhi^ggr  daher,  allein  seine  Zeit  ist 
vorüber:  nun  wird  er  für  immer  versinken  (Vsp.  40— W)). 

J  E.  H.  Mt-ytr,  Dk  eitdtsthe  Koimo^onit.  Frcibiirg  i./B.  1891. — *  Wtcker- 
nagcl.  Zi^iLV  VI.  t^ff.;  MüUcnhuff,"  Schmidt  ZlliW,  vm.  209  ff.  —  » l^irikr 
MAtjnäBSun,  Odins  Hone  YggdrasiU.  Lond.  1895;  Ebctid.  Vggdrttsiil  Cditu 
hfitr.  Rfvkjavlk  1895.  —  *  Den  gr-'ssu-n  Ttil  dicirr  Mytlicn  ISsst  H.  F»lk  aus 
dem  Mardamw  r^iptlln  j;i,si.-hi"i>rt  sein.  Anrb,  iHqi.  jS6  IT.  —  "  V|;!.  J. 
TwUkr.  ((ir  VIiümI.  I.  ^ZU  f{.;  K.  Mülleiih<.ß".  r>.\K.  V.  113  ff.;  V. 
l"mier»Ciktiitigar  I.  235  ff- 


I 


ruK  aus  H 

J.  Aun.         ■ 
KydlKTS,         ■ 


KAI-ITEL   XVI. 
KULTUS  DER  ALTEN  GERMANEN. 

S  84.  Jedes  Viiält.  auch  das.  welclies  auf  der  unierelen  KuHursiufe  steht, 
hat  das  Bcdiirfiiis.  mit  den  pcrsöülicli  gedachten  Geistom  in  der  Xatur,  mit 
den  hier  fortlebenden  -Sedtii,  mit  den  DUinonen  der  Elemente,  mit  den 
Göttern  in  Vcrbindun)^  zu  irelcii.  Man  hielt  dirso  Wesen  für  Wesen,  wie 
sie  der  Mensch  aus  meiner  Uni^cliung  l::innte,  in  der  Unsichtlxirkeit  lag 
bcsfinders  ihre  höhere  Macht.  Dt-slialb  suchte  man  siih  mit  ihnen  in  Ve:- 
hinilun^  zu  setzen.  m;in  hoffte  v«m  ihnen  die  tiüter  des  Lehens  zu  erhalten, 
mau  fühlte  den  Draiij;.  ihnen  für  erhaltene  Gaben  zu  danken,  sie  uin  Bet- 
etand bei  einem  Vurliaben  zu  bitten,  ihnen  Speise  darzubieten,  »ie  sie  der 
Mensch  sdlwi  liebte,  ihnen  Gescht- nke  zu  bringen,  wie  man  .*ue  I iuhen  und 
Gebietern  zu  brinacn  [iflcyte.  Sn  cutstanden  Gebet  und  Opfer.  V-m  Haus 
aus  bewirgte  dies  jeder  einzelne  für  sich  oder  der  Familienvater  für  sich 
und  seine  Angehörigen.  Erst  mit  dein  Heranwachsen  einer  Gleiche»  erstre- 
benden Genossenschaft  machte  sicli  das  BcdQrfniK  geltend,  einen  Mittler 
zwischen  dieser  und  dem  höheren  Wesen  der  Gi>Iiheit  zu  erw'RliIen  oder 
gewissen  Per>onen  die  ^otteÄdicnstlicUeii  Hanttlunnen  anzuvertrauen.  Sv>  ent- 
stand «las  l'riestertuni.  Auch  der  Ort  der  Verehnmg  war  urspntntiürh 
überall  da,  wo  man  das  Walten  des  buhercn  Wesens  walirzunehmen  glaubte, 
wo  das  Element  war,  wo  man  die  Naturerscheinung  wahmalim.  Man  betete 
tmd  opferte  an  Quellen,  an  Flüssen,  in  Wäldern,  auf  Bergen,  g;ub  dem  Winde 
seinen  Tribut,  spendete  der  Erde  U7id  dem  Feuer  Gaben.  Erst  naclidcm  sich 
da.s  übernatürliche  Wesen  zu  einer  höheren  ethisihen  Guitheii,  die  nadi 
mehrer«.*n  Seiten  hin  von  F-influss  auf  die  Geschicke  der  Menschen  war.  heraus- 
gebildet liattc.  schuf  man  das  anzubetende  Götterbild,  in  das  die  Seele  der 
Gottheit  zu  Zeiten  ihren  Einzug  nahm,  nach  menschlicher  Gestalt  und  er- 
richtete für  dietics  ein  besonderes  Gebfiude,  in  dem  es  wohnen  s*jllte.  Der 
lUheit  zu  Ehren  fand  das  ^tro-sse  Opfermahl  statt,  an  dem  sie  Kelbst  un- 
tbar  teilnahm,  wie  die  Seelen  fler  Verstorbenen  am  Feste  der  Geister. 
Durch  den  Quell  alles  Lebens,  das  Blut,  mit  dem  man  das  geweihte  Idcjl 
besprengte,  glaubte  man  das  llcrabkommen  <)es  (leiste»  tn  ilen  toten  Körper 
bewirken  zu  können:  su  entstand  das  blutige  Opfer,  das  sehie  hücliste  Form 
im  Mensciienopfer  erhielt  Hier  ist  aber  das  Opfer  Überhaupt  auf  seinem 
Gi{>felpunki  anjielangt;  es  ist  der  flussersie  Ausl.'lufer  des  Huldigungsopfers, 
das  Tylur  w»  treffhcli  als  Entsapuiigsopfer  bezeichnet  hat  t.\nE.  der  Kultur 
n.  3c>8|.  Hat  das  Opfer  bei  einem  Volke  diesen  Gipfelpunkt  erreicht,  so 
gellt  CS  alsbald  zurück.  An  Stelle  <les  ganzen  Geschöpfes  tritt  ein  Teil,  an 
Stelle  des  Wertvollen  das  Minderwertige,  bis  sich  endlich  «las  (_)pfer  in  die 
biUUiche  Nachahmung  des  geupfcrten  Gegenstandes,  in  das  Symbol  rettet. 
Siese  Entwicklung  der  Gülter  verehnmg,  die  wir  aus  der  vergleichenden  Kult- 
l^escbichte  kennen  lernen  (vgl.  namentlich  Tylor,  a.  a.  O.  IL  365  ff.),  lasst 
si<.'h  auch  bei  unseren  Vorfahren  verfolgeiu  Es  gehen  hier  die  verschiedenen 
Arten  der  Ojifer  nnch  in  rler  historischen  Zeit  nel>en einander  her:  da-s 
schlichte  Geschenkupfcr,  die  Spende,  die  man  den  Verstorbenen  cfder  dem 
beseelten  Elemente  brachte,  neben  dem  blutigen  lluldigungs-  und  Enisagungs- 
opfer.  das  die  Amphiktyunie  zu  gemeinsumem  Feste  zusammenrief.  Jenes  wurde 
bauptsAchlich  von  einzelnen,  dieses  vr»n  der  Gemeinde  durch  den  Priester 
besori^l,  jenes  überall,  im  Hause,  in  der  Natur,  im  Walde,  auf  dem  Felde, 
dem  Ber);e.   «.lies  an  geweihter  Suitte  im  oder  in  der  Nahe  des  Gaulieilig- 


tums,  jenes  bei  maimigfachsler  Veranlassung,  bei  Todesfällen,  bei  ilissw-achs^ 
Krankheit,  dies  vor  allem  zu  besonderen,  zu  festlichen  Zeiten.  G^en  letztere 
Opfer,  die  allein  Staat&opfer  genannt  werden  können,  wandte  sich  in  erster 
Linie  das  eindringende  Christentum;  die  einfacheren,  aber  viel  tiefer  wurzeln- 
den persönlichen  (>pfer  hint  es  nicht  ansrumtien  vermocht,  ja  hat  sogar  einen 
Teil  dciscibcii,  wie  Bilder-  und  Heillgcnverelirung  lehren,  in  seinen  Kult 
he rübergeni mimen.  Xoch  verbreiteter  lebt  aber  dies  alte  Opfer  fort  in  einer 
fast  unzähligen  Menge  von  Sitten  tmd  Gebrauchen,  die  wir  in  allen  germa- 
nischen Ländern  in  ähnlicher  Form  und  gleichem  Inhalte  wiederfinden. 

§  85.  Das  altgernianische  Gebet  und  Opfer.  Gebet  und  Opfer 
.sind  fast  stets  aufs  engste  miteinander  verburulen.  Wo  sich  dies  findet,  findet 
-sich  aucli  jenes.  Nur  wenige  N'atur\'ölker  kennen  das  Opfer  ohne  Gebet 
(Tj'lor  a.  a.  O.  IL  365;  Slyth.  IIL  lo).  Das  Gebet  ist  gewtssemias^a  die 
BegrÜndtmg  des  Opfers,  es  sind  die  Worte,  durch  die  man  dem  höheren  Wesen 
mitteilt,  weshalb  man  die  Spende  bringt  und  wns  m,in  dafür  zu  seinem  eigenen 
Vorteil  erbittet.  Einen  sitcralen  Ausdruck  ftlr  das  Gebet,  der  sich  auf 
gemelngemianische  Zeit  zurückführen  hesse,  haben  wir  nicht.  Auch  haben 
wir  atif  deutschem  Bfxlcn  kein  Beispiel  über  den  Hergang  bei  einem  heid- 
nischen Gebete.  Dagegen  erfaliren  wir  aus  den  nürdis<:hcii  Quellen  wieder- 
holt, wie  man  die  Götter  angerufen  hat  bei  ungünstigem  Winde,  vor  Schlachten, 
bei  Misswachs,  wie  man  bei  dem  Schwur  ihren  Namen  gerufen,  wie  man  sich 
oft  mit  ihnen  unterhalten,  wie  ^ie  selbst  .\ntwiirt  erteilt  haben  (Fms.  I.  jOi  ff.). 
Ja,  wir  haben  hier  sogar  Berithte  über  den  Hergang  beim  Gebete  selbst: 
man  warf  sich  vor  dem  G^'Jtterbilde  zur  Erde  oder  hielt  die  Hände  vor 
die  Augen.  Die  Riclilung  der  Betenden  war  dann  nach  Norden  (Maurer, 
Bekehr.  II.  203  f.).  Seilen  finden  wir  das  Gehet  allein,  fast  immer  ist  es 
an  das  Opfer  geknüpft.  Dieses  tritt  uns  in  viel  klareren  Zügen  m  den 
Quellen  entgegen. 

Das  uns  gebrfluchliche  Wort  Opfer,  ahd.  opfar  ist  von  dem  Zeitwort  oj>far6n 
gebildet,  das  auf  das  kirchenlal.  ofimiri  »Almosen  spenden«  zurückgeht, 
während  das  aits.  ofrdti,  ags.  offno»  aus  dem  lat.  offerre  übernommen  ist  (Kluge, 
Etym.  Wtb.  ^  2"öi  Den  Verkehr  der  Menschen  mit  den  Obematfirlichen 
Machten  im  allgemeinen  bezeichnet  gi_il.  ags.  OiSion,  ailn.  hiöfa,  ahd.  piuoxan, 
und,  mit  diesem  Verbum  hMngt  das  ahn.  hi6t  »Opfer*  zusammen.  Unserem 
Ücgriff  »Opfer^  am  nächsten  kommt  ahd.  keU.  as.  f^id.  ags.  gield,  das  noch 
in  unserem  ^Geld«  fortlebt.  Gewisse  Arten  der  Opfer  bezeichnet  got.  huatl, 
ags.  hiisei,  altn,  htisi,  ferner  got.  sau/fx.  vielleicht  auch  altn.  /om,  dem  sich  ein 
Verb./crwff  »opfem«  zugesellt.  Im  Hinblick  auf  die  Bewegung  bei  dem  Opfern 
heisst  im  Ags.  das  t">]ifer  iäc 

Von  Haus  aus  brachte  jeder  selbst  der  Übernatürlichen  Macht,  den  Seelen  der 
Verstorbenen,  den  Dllmoncn,  die  über  die  Elemente  hcnschteu,  vielleicht  auch 
der  Gottheit  die  Spende.  Den  Seelen  brachte  man  sie  bes<inders  an  GrilLiera  und 
da,  wo  rnait  nach  dem  Volksglauben  die  Seelen  nach  dem  Tode  sich  auflialtcn 
Hess.  TMpste  und  Concilien  eifern  gegen  diese  mtrificia  m&rtmrnm  Jaffc, 
Bibl.  rer.  Germ.  III.  30.  37;  2fdA.  XII.  436)  oder  gegen  das  sacrilegium  aJ 
sfpukfjrn  mortuontm  (Ind.  sup,  No.  i).  Diese  sarrificia  waren  Opfer,  die  dem 
Verstorbenen  gebraclit  wurden  und  an  die  sich  in  der  Regel  eine  Opfemiahkeit 
;uischloss,  die  der  Tote  verlangte  und  an  der  er  selbst  teilnahm.  Im  Kapitel 
über  den  Seelenglatiben  habe  ich  gezeigt,  wie  dieses  Opfer  in  Sitte  und  Brauch 
sich  bis  zur  Gegenwart  erhalten  hat  (vgl.  aucli  Pfannenschmidt,  Weihwasser 
50  f.  62  ff.;  Laiätner,  Germ.  XXVI.  öo  ff.).  Bis  in  die  früheste  historische 
Zeit  reichen  die  Volivsteine,  die  man  im  westlichen  Deutschland  den  Matres 


1 1 


I 


oder  Matronae  setzte  und  von  denen  zweifellos  ein  grwser  Teil  vun  Ger- 
manui  hcrriilirtf  (Coq).  Iusct.  Rh.  a.  v.  O.).  Wie  man  der  Gottheit  den 
Gedenkstein  beim  Opicr  errichtete,  so  opferte  man  sicher  auch  jenen  höheren 
weiblichen  Wesen.  Zu  diesen  Opft-rn  gehi^ren  die  Disablöt,  die  die  nor- 
dLsriten  Sagas  so  oft  erwÄhm-n  (Heimskr.  jS;  Kgilss.  84;  Vigagl.  6;  Kas.  11. 
85  ff-  ».  öft.>.  Sie  sind  ira  Gnxnde  iiirhts  .-mders  als  jene  iacrificia  matro' 
narum  der  rheinlündischen  Germanen  und  fanden  besonders  in  derWinlenseit 
statt,  da  zu  dieser  Zeit  die  grossen  allgemeinen  Seclenopfer  Oberhaupt  gehallen 
w-urden.  Alit  ihnen  bcnthrt  sich  das  Alfablüt  (Olafs  S.  h.  1853.  S.  8g.  Knrm. 
S.  48),  das  den  eltwichen  Geintem  gebrachte  Opfer,  das  zu  derselben  Zeit 
staufand  \\-^^.  H.  Hildebrand,  Folkcns  Tro  om  sina  Döda  1^8  ff.).  Ja  wir 
habt-n  in  den  ni>rdischen  Quellen  sogar  einige  Berichte,  wo  es  ganz  offeti 
ausgesprochen  ist,  dass  nmn  Verstorbene  wie  Götter  vcrehn  und  ihnen  ge- 
opfert habe  (Vita  Ansgarii  c.  23.  is).  S.  I.  47.  291),  und  geradeso  wie  nach 
anderen  Berichten  Frey  .nm  Julfeste,  .so  opferte  man  auch  ihnen  ///  an,  der 
Fruchtbarkeit  wegen  |Fnii.  X.  212).  Selbst  Trollen  wurden  Getötete  gebracht 
(Heimskr.  r>99). 

In  der  Verehrung  Verstorbener  hat  auch  ein  gmssor  Teil  dto  Über  alle 
germanische  Lünder  verbreiteten  Wald-,  Berg-  und  Quellenkultus  seine  Wurzel. 
Allein  es  Üsst  sich  hier  unmöglich  die  Grenze  zwischen  Seelen-,  DOmonen- 
und  G<^ttcr^-crehrung  ziehm.  Wir  haben  nur  mit  der  Thabsachc  zu  rechnen, 
dass  die  F-Ienienie,  die  BJiume,  Haine,  Quellen  ihr  Opfer  erhielten,  das  den 
in  iluien  wohnenden  hüheren  Wesen  galt.  Doch  will  es  mir  das  Walirschcin- 
lichere  erscheinen,  dass  auch  in  diesen  C>pfem  überwiegend  Totenopfer  vor- 
liegen; ich  stütze  mich  dabei  nicht  allein  auf  die  Beobachtung,  dass  nach 
gemcingcrmanischcr  Vorstellimg  die  Geisler  der  Verstorbenen  genide  hier 
iluen  Sitz  haben,  sondern  vor  allem  auf  die  unanfechtbare  Stelle  des  jüngeren 
Chrisienrechts  des  Gulathinges,  nach  der  es  verboten  ist  ai  Iriia  A  lanihnliir, 
at  st  i  lundum  <Ai  haugum  täa  fonitm  (NgL.  II.  .io8).  als<j  an  Landgeister 
zu  ^uben,  die  in  Hainen,  HOgein  imd  Wasserfallen  wohnen.  Diesen  Wesen 
cntspriclil  ganz  das  numen,  das  nach  Burchard  von  Wonns  an  diesen  Orten 
ver»'ei!t  {reluii  idi  ^iw/tfam  numen  sit  l.  <>4).  Auf  alle  Falle  ist  e.s  vollständig 
halllos  und  unerweisbar.  ja  im  Hinblick  iiuf  die  aUcreii  Quellen  ganz  unwahr- 
scheintirli,  in  diesen  Opfern,  die  noch  tjcute  so  tief  im  Volke  wurzeln,  aus- 
schliesslich alte  Golteropfer  zu  sehen. 

Das  Wasser  hat  in  seinen  maiuiigfaltigen  Erschein uuguii  bei  fast  allen  Vülkcni 
teutemde  und  zukunft kündende  Kraft  tTylor,  Anfange  der  Kultur  II.  4.^0  ff.; 
Pfaiuieubchmid,  WL-ihwa>scT  14  ff.).  Hiermit  hangt  e?  zusammen,  dass  dasselbe 
und  das  in  ihm  gedathte  hrdicre  Wesen  ganz  besonders  häufig  Gegenstand 
giltdichcr  Verelirung  gewesen  ist.  Bei  sämtlichen  gennanisclien  Stammen 
flndeu  wir  zahlreiche  Beispiele  von  Quell-,  Brunnen-,  Fluss-,  Teich-,  See- 
opfem.  ja  im  skandinavischen  Norden  wurden  seihst  den  Wasserfällen  Spenden 
gebracht  (Mydi.  I.  484  f.  HI.  xö^.  Pfannenschimd,  Weihw.  Soff.).  Concilien- 
besrhlüsse,  die  altesien  christlichen  Gesetze,  die  Bussordnungen  predigten  immer 
und  immer  wieder  bis  tief  ins  Mittelalter  liinein  gegen  solche  Opfer.  Gleich- 
vohl  hat  sich  bis  heute  das  alte  Quell-  und  Flussupfer  überall  crlialten.  wo 
Germanen  wohnen  ( l*(annenschmid.  Weihw.  85  ff.;  Runge,  Quellkultus  in  der 

iweiz;  Jahn,  Opfcrgebr.  140  ff.).     Kein  Opfer  wird  schon  in    den  ältesten 

leiten  so  häufig  erwähnt  wie  gerade  das  Wasseropfer.  Bei  den  Alamanncn 
er«'£Lhnt  es  Agathias  (^8,  4),  bei  den  Franken  Greg<:ir  von  Tours  (H.  10), 
Prc^opius  (Beil.  Got.  II.  25),  bei  den  Hessen  Rudolf  von  Fulda  (Mon.  Germ. 
11.  67^^),  bei  den  Langobanlen  wird  es  durch  Gesetze  verboten  (Leg.  IJutpr. 

-<«niscbc  PhUologie.  IIJ.    2.  AuA.  SS 


VI.  30),  bei  den  Skandinancm  kennl  es  Prokopius  (Bell  Got.  II.  15),  kennen 
es  die  isländisctien  Quellen.  [I.sl.  S.  I.  291).  Besfmders  die  Quelle  hielt  man 
für  li'pitig.  Spendete  sie  doch  das  Wasser,  das  man  vor  allem  zum  Leben 
Ledurftt:.  An  Quellen  siedcllen  sich  die  Germanen  an  (Genn.  cap.  x6). 
durch  (JpEer  mu.*istc  man  die  un.sichtbaren  Wesen  zu  erhalten  suchen,  die 
dies  Nass  spendeten.  Von  der  einfachsteii  Spende  bis  zum  blutigen  Upfer, 
ja  seltisl  von  Mens<!henoprem  lassen  sich  Keispicie  finden.  Heute  haben  sich 
diese  Opfer /.um  gn'lssten  Teil  indiesymbnlische  Handlung  geflüihtet.  Zu  f  Istern, 
Pfingsten,  am  i.  Mai,  an  dem  man  das  Maibrumienfest  feiert,  am  Johannistage 
pflegen  die  M;^clrlien  an  Quellern  oder  Flüsse  zu  gehen  und  diese  mit  lilumen 
(Muntanu.s  VoLb-fesle  22  ff.,  Lyuker,  Sagen  aus  Hessen  u.  oft.)  udcr  farbigen 
Bändern  (Birlingcr,  Aus  Schwaben  11.  90)  zu  zieren,  wie  man  auch  Kier 
oder  Brut  daselbst  niededegi  (Monlaiuis  31).  Ja  das  erzgebirgische  Madchen 
weihte  sogar  die  ersten  S])ilz<.'n  den  WaMsergeistcm  und  erflehte  dadurch 
Gedeihen  für  ihre  fernere  Arbeit  {Clicnmiizer  RtK-ken])hil.  V.  tSi).  Mit  diesen 
Opfern  war  auch  das  Erfragen  der  y^ukunft  verbunden.  Wie  die  Sveben  zur  Zeit 
CÄsars,  die  Franken  im  6.  Jahrh.  aus  dem  Wasser  weissagten,  so  fragt  noch  heute 
in  Bayern  das  Mädchen  den  Spiegel  des  Wassers,  wer  sein  Bräutigam  werden, 
und  in  Norddcubichland  giebt  der  Stand  des  Wassers  an,  üb  (Jas  K»jrn  gut 
oder  schlecht  geraten  wird  (Jahn,  Öpfergebr.  itSff.;  141  ff.).  —  Besondere 
Bedeutung  erlangte  die  Quelle,  .sutiald  sie  das  gemeinsame  Heiligtum  mehrerer 
Gauverbilnde,  ein  Amphiktyonenheüigtum,  wurde.  Dann  wurde  sie  aufs  engste 
vcrknü])ft  mit  der  Gottheit,  die  hier  verehrt  wurde.  Hire  Heiligkeit  be- 
stimmte den  Ort,  wo  die  Friesen  ihren  Gott  Ftwetc  verehrten  (v.  Richtliofen, 
Unters,  über  fries.  Rechtsgesch.  H.  424  ff.),  durch  sie  wurde  Altuppsala  die 
heiligste  Statte  der  Schweden,  an  der  der  Landesgottheit  die  Opfer  gebracht 
wurden  (Adam  v.  Brem.  IV.  Schol.  134). 

Neben  den  Quellen-  und  Flussijpfem  spielen  namentlich  die  Windopfer  tu 
unserem  Vfdke  eine  bedeutende  KolJe.  Wohl  lassen  sich  keine  Beispiele  aus 
alter  Zeit  nachweisen,  nacli  denen  inuii  dem  Winde  seiiie  S[>e]ide  brachte, 
wie  es  heute  der  österrcii-hi.srhe  Bauer  thut  (ZfdMxlh.  TV.  14Ö.  3{X))  oder  im 
17.  Jahrh.  das  frankische  Mütterchen  {t'raetnrius,  Weltbeschr.  429).  Allein 
im  Walde,  in  den  Bergen  wohnen  die  höheren  Machte,  die  im  Winde  verehrt 
werden.  Wald-  und  Hflgelkult  erwithnen  aber  die  ältesten  Quellen,  die  auch 
der  Heiligkeit  des  Wassers  gedenken  (Agalhias  a.  a.  O.;  Monuni.  Genn.  II. 
67Ö;  Ind.  sup.  Ni).  IV;  Mylh.  I.  85).  In  heiligen  Hainen  wurden  ebenso 
wie  an  Quellen  mit  besi.mderer  Vorliebe  den  Gittern  Altare  errichtet  (Ann. 
I.  61).  Hier  trieben  allerlei  Dämonen  ihr  Wesen,  die  sich  die  Phantasie 
des  Menschen  unter  vielerlei  Gestalten  dachte  (Mannhardt,  AWF.  1.  15). 
Wenn  der  Wind  die  Äste  beugte,  durchzog  die  Brust  ein  eigentümliches 
Schauem,  das  diese  Scharen  der  Geister  ahnen  liess.  In  den  H.'iumcn,  glaubte 
man,  wulinen  diese  Geister.  Hieraus  erklärt  sich  die  Verehrung,  die  man 
Bäumen  zu  zollen  pflegte  und  noch  ztilll  (vgl.  Feüherg,  Die  Baumseele  bei 
den  Nurdgerraanen.  Am  Urquell  V.  88  f.  119  f.).  Wie  der  Baum  schon  im 
Heidentum  für  etwas  Heiliges  und  Verehrungswertes  galt  (Mannhartit  a-a.  O. 
70!.).  so  bittet  man  ilin  n^ch  heute  um  Verzeihung,  so  bestraft  man  den 
Baiimfrevlcr  aufs  härteste,  so  hielten  viele  Menschen,  ja  g:inze  Gemeinden  ihr 
Leben  und  Geschick  an  das  des  Schicksalsbauines  geknüpft  (AWF.  1.  10  f. 
26  ff.).  Die  Heiligkeit  des  Baumes  gab  dann  bei  fortschreitender  Kultur 
Veranlassung,  dass  man  den  Baum  aus  dem  Walde  berein  in  die  ländlichen 
und  stadüsL'hen  Bezirke  bulle;  man  glaubte  mit  ihm  zugleich  den  im  Biiume 
wohnenden  Geist  oder  Gott  herbeizuführen,  dem  das  Fest  galt.    So  entstan- 


I 


den  der  Mai-  und  Pfingslbauin,  den  man  aller  Orten  kennt  (ANVF.  I.  159 ff.), 
der  Emtcmai,  der  geschmückt  auf  dan  Erntewagen  uufgcpflatizt  wird  (ebd. 
I.  190  ff.),  wohl  auch  der  Chrislbaum  (cIkI.  I.  224  ff.).  Der  Maibaum  rnag 
das  Ursprünglichste,  Emteniai  und  Cliristbaum  mügeo  ihm  in  späterer  Zeit 
nachgebildet  sein,  die  vielleicht  erst  auftauchten,  als  der  lebendige  Kult  und 
Glaube  zur  toten  Sitte  geworden  war. 

Ganz  ähnlich  wie  die  Haine  gcwjsscn  seit  der  ;Ute!)tcn  Zeh  die  Berge  und 
Felsen  oder  netmehr  die  Geisler,  die  in  ihnen  wuhnten,  göttliche  Verehrung. 
Wie  der  lieÜLge  Eligius  verbietet  tti/  fif/ms  l»mifiaria  faun  oder  de:  Ind. 
supcrsL.  äe  kis,  qtutt  /aciitnt  super  pciras  handelt  oder  Burcliard  von  Wurms 
gegen  die  vola  ad  hpiJes  eifert,  so  wird  in  den  nordischen,  sowohl  den 
schwedischen  wie  den  norwegisch- isländischen  Rechtsquellen  wiederholt  die 
Verehrung  von  Hügeln  (battgar)  untereagt  (XgL  I.  ifct).  Auch  die  Sagas  be- 
richten mehrfach  von  Berg-  und  Hügdkult.  Den  Berg,  den  K'irülfr  dem 
Thor  weihte  und  in  den  er  selbst  einst  zu  fahren  hoffte,  durfte  niemand 
uogewasclien  anscliauen;  an  ihm  brachte  er  seine  Opfer  (E>Tb.  ü).  Die 
m^iiiische  Ketilssaga  weiss  von  einem  ärhaug  (:>Fruchtbarkeitshügel<)  zu  er- 
zählen, dem  die  Schweden  namentlich  am  julabende  opfenen,  um  dadurcli 
Fruchtbarkeit  der  Äcker  zu  erlangen  (Fas.  H.  132  f.).  Weitere  Belege  giebt 
K.  Maurer,  Zsch.  d.  V.  f.  Vk.  IV.  267  ff,  Über  den  religiösen  Hintergnmd 
solcher  Berichte  nehmen  wieder  die  nordischen  Quellen  jeden  Zueifel.  In 
durclxaus  zuverlässiger  Erzählung  wird  von  dem  I^äuder  Koflran  EilifssoBr 
<ier  wenige  Jahrzehnte  vor  Einführung  des  Christentum.s  lebte,  lierichtet.  dass 
«r  und  seine  Verwandten  zu  Gilji  einem  FelsbltH-k  Opfer  gebracht  hatten, 
weil  sie  glaubten,  claxs  in  ihm  ihr  ärmadr,  d.  h.  der  Afann,  der  Fruchtbarkeit 
bringt,  wohne,  ein  Geist,  der  nach  den  Worten  des  Kodran  selbst  zuglelcli 
sein  Eigentum  au  Vieh  schirme  und  ihm  die  Zukunft  künde  {Foas.  I.  261. 
Bisk.  S.  I.  j).  Im  Hinblick  auf  diese  Erzählung  venttehen  \vir  auch  die 
in  alten  germanischen  Ländern  noch  heute  weil  verbreitete  Verehrung  der 
HOgel  und  Berge  (Mj-th.  I.  536.  Widf,  Beiir.  IL  6vff.).  an  deren  AblUlngcn 
und  auf  deren  Höhen  heilige  Feuer  loderten  und  Feste  gefeiert  wurden. 

Es  ist  fraglich,  ob  auch  das  Feuer  als  Sitz  von  Gdsteni  oder  Dämonen 
Verehrung  genfiss,  oder  ob  man  sie  diesem  Elemente  nur  deshalb  zollte, 
weil  man  in  ihm  das  himmlische  Feuer,  die  Sonne,  wiederzufinden  meinte 
(Kulm,  Hcrabkxmft  des  Feuers  und  Güttertnuikes  '  lO  ff.),  dass  man  also  in 
ihm  gewisscrraassen  einSymh<il  des  Himtnelsgoties  verehrte.  letztere  .Annahme 
scheint  die  wahrsclielnlichere.  Eine  Sage  von  der  Insel  GtUland  berichtet, 
dass  Thielwar,  der  in  nor^^'egisch-islandischen  Quellen  als  f'jalfi  der  stete 
Begleiter  Thors  ist,  das  Feuer  den  Menschen  zur  Erde  gebracht  liabe  (Gutn. 
UrL  ji).  Auch  die  Räder  als  Sinnbild  der  Sonne  bei  fast  allen  Festfeuem 
zetigen  dafQr,  dass  man  in  diesen  Fcueni  das  Feuer  der  Sunne  hat  nach- 
ahmen wollen  (Schwartz.  Poet.  Naturansch.  I.  QU  f.;  Mannhardt  .^WF.  I.  1Ö6. 
516 f.;  Vogt,  Zsch.  d.  V.  f.  Vk.  IH.  549 ff.  IV.  195 ff.).  Demnach  mögen 
Äolchc  Feuer  vor  allem  dem  Himmels-  und  Sunnengolle  gegolten  haben. 
Allein  mit  der  Zeit  hat  üffenl>ar  <las  Feuer  eine  al Ige ni eitlere  Bedeutung  be- 
kommen. Rs  hat  reinigende  Kraft  und  wurde  ontzUndet,  um  bOse  Geister 
tmd  DSünoneu  fem  zu  lialteii  und  dadurch  Glück  nnd  WuhUtand  in  die 
Familie  zu  bringen.  Entzündet  wurden  dann  die  Feuer  in  der  Regel,  wenn 
die  Krankheit  und  Unwetter  bringenden  Dämonen  die  meiste  Gewalt  hatten, 
d.  L  im  Hoclisonuncr  mid  im  Winter.  Natüriich  veränderte  sich  die  Auffassimg 
voti  aolchen  Opferfeuern  mit  der  Veränderung  der  Lebensbedingungen  unserer 
Vorfahren,    ftfau  enlzQndcte  das  Feuer,  um  Schutz  tmd  Vorteil  für  das  Vieh 

23* 


2U  crfichcn,  so  lange  in  clitrscjii  der  Rcicliliun  der  Germanen  bcslaiitl;  man 
sah  diigcgen  das  Feuer  auf  den  Feldern  lodern,  wo  der  Wr.hlstand  des  Volkes 
von  der  FruclUbiirkeit  der  Äcker  und  gtmsl^;er  Witterung  abhanjrig  war.  In 
diesen  Formen  hat  sich  bis  heute  das  Opferfeuer  erhalten;  als  toter  Kult, 
als  Brauch  erbt  es  sich  von  Geschlecht  xu  Geschlecht  in  der  alten  Fnrm, 
mit  den  alten  Form  lieh  keilen  fort  (vgl.  namentlich  Pfanncnsdimid,  Germ. 
Erntefeste  4<)oIf.  Jahn,  Opfergebrauche  2,5  ff.  u.  ^ift.). 

Alle  diese  Opfer  werden  von  Haus  aus  von  den  einzelnen  Personen  oder 
für  die  Familie  vom  Haupte  derselben,  von  dem  Fajnilicnvatcr,  vorgenommen. 
Man  will  dabei  das  h">here  oder  seelische  Wesen  entweder  teilnehmen  lassen 
an  den  Freuden,  die  man  selbst  geniesst.  oder  bringt  sie  ihm  als  Dank  für 
die  gelei.«ete  Hülfe,  oder  auch  um  dadurch  persrm liehen  Gewinn  zu  eilangen. 
So  sind  alle  allen  Opfer  entweder  einfache  Spenden  oder  Dank-  und  Bitlopfer. 
Erst  sp.ller  scheint  das  Sühnopfer,  die  grosse  Spende,  durch  die  man  einen 
begangenen  Frevel  oder  eine  Unterlassung  bei  der  Gottheit  wieder  gut  machen 
wollte,  entstanden  zu  sein.  Eine  höhere  Kulturstufe  setzt  auch  das  gemein- 
same (-Jpfer  einer  grosseren  Anzahl  nahe  bei  einander  wohnender  Menschen 
voraus.  Dies  kann  erst  dann  entstehen,  wenn  die  ersten  Anfange  cints  Staates 
vorhanden  sind.  Die  gemeinsamen  Interessen  solcher  Gemeinschaft  er- 
strecken sich  dann  auch  anf  die  Religion,  und  so  entsteht  das  gemeinsame 
Opfer^  aus  dem  erst  wieder  das  gemeinsame  Opferfest,  der  Opferschmaus, 
hervorgehen  kann.  Wie  der  einzelne  für  sich  die  Spende  bringt,  um  persön- 
lichen Voneii  dadurch  zu  eriangen,  so  thut  es  hier  eine  grössere  Anzahl 
Menschen,  die  in  vielem  gleiches  Interesse  haben  imd  durch  gemeinsame 
Sprache  und  Sitte  sich  als  Ganzes  fohlen.  F.rst  wenn  dies  der  Fall  ist,  kann 
auch  Von  einem  Letter  der  Opferfeierlichkeiten,  einem  Priester,  kann  von 
bestimmten  Opferzeiten^  an  denen  man  zu  gemeinsamem  Opfer  zusammen- 
kam, die  Rede  sein.  Auf  dieser  Stufe  der  Kultur  finden  wir  die  Germanen 
bei  ihrem  ersten  .auftreten  in  der  Geschichte;  sie  haben  alltlberall  Opfer- 
verbandc,  bestimmte  Opferzeiten,  Opferfeste,  Opferlciter  oder  Priester.  Solche 
Opfer\'erbände  finden  wir  bei  den  Sveben  zwischen  Elbe  und  Oder  (German. 
yg),  bei  den  Nerlhus Völkern  an  der  Ostsee  (Genn.  40),  bei  den  MiuTicn  im 
Haine  der  Tanfana  (Annal.  I.  51),  bei  den  Friesen  auf  Helgoland  (v.  Riciit- 
hofen,  Untersuchungen  II.  434  Ff.),  bei  den  Dilnen  in  Letbra  auf  Seeland 
(Thietmar  v.  Merseburg  I.  cap.  g\  bei  den  Schweden  in  Uppsala  (.\d;im  v. 
Bremen  IV.  c;ip.  2^),  bei  den  Drontheimem  zu  Moerir  (Heimskr.  S.  183) 
XL  a.  O.  Der  Mittelpunkt  des  Kultes  waren  fast  durchweg  eine  otler  mehrere 
durchaus  persi'Wilich  gedachte  Gottheiten,  die  auf  die  Geschicke  der  Menschen 
einwirkten  und  sich  den  Menschen  in  den  vielen  Erscheinungen  der  Natur 
und  in  seinem  Geschicke  zu  erkennen  gaben.  Da  man  .sie  nicht  mit  den 
Augen  sehen  konnte,  so  schuf  man  ihr  Abbild,  das  Götterbild,  errichieic 
diesem  ein  Gebäude  und  verehrte  es  hier,  als  ob  es  die  Gottheit  selbst  sei. 
Neben  diesen  C>pfem,  die  ich  Styatsopfer  genannt  habe,  gehen  jederzeit  die 
persönlichen  Opfer  bis  in  das  jüngste  Heidentum  her,  geradeso  väe  sich 
neben  den  eigentlichen  Festzeiten,  die  sich  bes-^nrters  zum  Opfer  eignen 
und  dafür  bestimmt  sind,  auch  Opfer  zu  allen  Jahreszeiten  nachweisen  lassen, 
m<'igen  es  staatliche,  mrigcn  es  persönliche  sein.  Die  zahlreichen  Verbote  der 
ältesten  christlichen  Kirche  gegen  heidnischen  Opferdienst  (Wasserschicben, 
Die  Bussordnungen  der  abendländ.  Kirche  a.  v.  O.;  Maurer,  Bekelir.  IL 
417  ff.)  müssen  gegen  beide  .^nen  der  Opfer  gehen. 

Tacitus  berichtet,  dass  unsere  Vorfahren  iiiren  Göttern  nach  dem 
Si^e   namentlich    Menschenopfer  gebracht   hatten   (Ann.  I.  61.  XIII.  57). 


I 


I 


Ahnliches  überliefern  Orosius  (VIL  37)  und  Flonis  (FV.  12)  von  den  Sveben, 
Sidonius  Apollinaris  vu»  den  Sacliseu  (VIII.  6).  Auf  gleiche  Weise  weihte  der 
Nordgermane  seinen  Feind  den  Göttern  oder  versprath  ihn  CMin,  falls  dieser 
ihm  den  Sieg  verleihe  (Fxs.  I.  454-  III.  31.  34).  Auch  an  der  Beute  halte 
der  Kriegsgott  seinen  Anteil  (Livl.  Reirachron.  ibyoU.  339S  ff.).  Die  Frariken 
cipfertcn  bei  dem  Poübergjuig  (Prokop,  BclL  gotli.  U.  25),  die  Norweger, 
wenn  sie  neues  Land  in  Besitz  nahmen  (Hnifnk.  S.  4}  oder  wenn  sie  sich 
längeres  Lirben  erbaten  (Hcimskr.  22  ff.)  oder  wenn  sie  güiistigeu  Wind  für 
die  5H:hiffahrt  crfleliten  (Fs.  9O.  Bes<m(lers  liHufig  cnA-alint  werden  Opfer, 
wenn  ein  Übel  ttber  d.-is  Land  hereingebrochen,  vor  allem  wenn  Hungersnot 
infolge  der  Missemte  eingetreten  war.  Sn  versprachen  die  Dünen  alle  m»ig- 
lichen  Geschenke,  wenn  sie  von  Grendel  befreit  »-ürden  (Beov.  17^  ff.),  so 
wurde  König  Obifr  trctd(ya  von  den  Seinen  verbrannt  und  Udin  ge- 
weiht, als  grosse  Missemte  eingetreten  war  (Hciin^kr.  37  **,  vgl.  auch  Herv. 
S.  227),  so  wiiUten  die  Reykdojlir  auf  Ihlaiid  den  Götiem  alles  Mei^liche 
weihen,  um  das  schlechte  Weiter  abzuwenden  (Rcykd.  S.  32).  Auf  nichu 
anderes  als  auf  ein  SUhnopfer  lauft  es  auch  lünaiis,  wenn  die  Burigiuiden  bei 
einem  L'nglück  im  Kriege  oder  Misswachs  ihren  K5nig  zwingen,  sein  Amt 
niederzulegen  (Amm.  Marc.  XXVIII.  .5,  ^  14).  In  einer  ganzen  Reihe  von 
Gebrauchen  der  Gegenwart  lebt  dies  sühnende  Opfer  noch  fürt  (Jalm,  Opfer- 
gebr.  9  ff.).  Bei  Feuerehamst  wirft  man  Brot  oder  Eier  oder  Tiere  in  die 
Flamme,  bei  Vieliseuchen  ver]grabi  man  ein  Tier  oder  verbreiuit  einen  Teil 
desselben  rtder  schneidet  ihm  d;is  Haupt  ab,  das  man  der  erzürnten  Gottheit 
oder  dem  Dämon  weiht.  Um  gutes  Weiter  zu  erlangen  bringt  der  l^ind- 
mann  seine  Wettergarben,  bringt  er  dem  Winde  seine  Spende,  will  er  durch 
Brot  und  andere  Spelstn  Hagel  und  (iewiiler  fem  hallen. 

In  diesem  sühnenden  Ltpfer  hat  auch  das  Nolfeuer  seine  Wurzel  (Myth. 
I.  302  ff.;  Kulm.  Herabk.  d.  Feuers  42  ff.;  Wolf,  Breitr.  L  116  ff..  378  fl.; 
Maimhardt,  AWF.  I.  51S  ff.;  Jahn  iO  ff.).  Es  findet  sich  bei  allen  ger- 
inanisclien  Stammen.  In  Deutschland  heisst  ein  s<.»lches  Opfer  Nolfeuer,  hat 
also  einen  Namen,  dessen  erster  Teil  mit  tn'uwan,  nüan  »reiben«  (Schade, 
Ahd.  Wtb.  I.  659;  654)  verwandt  ist.  Schon  der  Ind.  superst.  eifert  gegen 
das  ignis  /rüatus  ät  ligno  >'.  e,  mdfyr  (XV),  luid  in  Norddeutschland  hat  es 
unter  gleidiem  Namen  bis  vor  kurzem  fortgt'.lebt  (Bartsch,  Gebr.  aus  Mecklen- 
burg il.  i4Qf.).  In  England  erscheint  es  no<.h  in  diesem  Jahrhunderte  als 
xvülfirt^  d.  h.  durdi  Reibung  hervorgebrachtes  Feuer  (Kemble,  Die  Sachsen  L 
295  ff.),  in  Schweden  und  Dänemark  als  ^mäeld  (Hylten-Ca^-allius,  Warend  I. 
iSqT.  193},  was  dasselbe  bedeutet.  Den  ausführliclisteu  BeriLht  über  dies  Feuer 
gidit  Reiitke  aus  dem  Anfange  des  vorigen  Jahrhs.  in  seiner  ^Untersuchung  des 
Notfeueni  (Myth.  I.  502  f.).  Damach  wurde  dasselbe  bei  bösen  Seuchen 
entzündet,  rauhten  diese  Über  Vieh  oder  Menschen  gekommen  sein.  An 
ihm  beteiligte  sich  die  ganze  Gemeinde.  Alle  Feuer  wurden  zuvor  in  den 
Gehöften  gelöscht,  und  alsdann  wurde  auf  einem  freien  Platze  ein  neues 
Feuer  mittelst  Reibung  erzeugt.  Man  steckte  ein  Holz  in  die  Öffnung  ^nes 
anderen  oder  in  eiu  Wagenrad  und  drehte  d;u>.^elbe  solange,  bis  das  Holz 
Fcuer  fing.  Die  Nahrung  für  d;i->  neue  Feuer,  Holz  und  Stroh,  mussien  alle 
>tilglit--der  der  Gemeinde  mitbringen.  Brannte  dann  der  H(.>lxstos.s,  so  mu.ssten 
das  kranke  Vieh  oder  bei  Epidemien  die  Menschen  dreimal  durch  die 
Flamme  laufen.  Alsdann  nahm  jeder  Teilnehmer  einen  Feuerbrand  und 
ein  verkohltes  Stück  Holz  mit  nach  Haase;  jener  entfachte  das  neue  Herd- 
feuer und  dieses  war  ein  Schutzmittel  gegen  die  Seuche.  Aus  diesen  Not- 
fcuem  sind  in  manchen  Gegenden  j>criodisch  wiederkehrende  Feuer  hervor- 


^|D  XI.  Mythologie. 


gegangen,  an  die  sich  ein  Opferfest  anzuschliessen  pflegte.  So  erklärt  es  sich, 
tiass  die  Johannisfeuer  mehrfach  als  Nntfeuer  erscheinen.  In  Mittsttmmer 
traten  ganz  besonders  die  Seuchen  auf,  man  hielt  infolgedessen  die  Luft  für 
vergiftet  (Jahn  34)  und  glaubte,  dass  Drachen  und  andere  hßse  Geister  durch 
diese  flögen  (Kemble,  Die  Sachsen  I.  207).  Um  nun  dem  Unheil  vorzu- 
beugen, zündete  man  in  der  Zeit  um  Johannis  ein  Notfeuer  an,  da.t  sich  in 
seiner  abwehrenden  Form  zugleich  eng  mit  dem  Hagelfeuer  berflhne. 

Alle  diese  Opfer  sind  imgebntcne,  sie  sind  an  keine  bestimmte  Zeit  im 
Jahre  geknüpft  und  werden  angewendet,  wenn  m;m  von  dem  fllxTirdischen 
Wesen  etwas  verlangt  oder  ihm  danken  oder  es  versöhnen  will.  Der  Gegen- 
stand, den  man  dabei  opferte,  war  geradeso  wie  bei  den  Opferfesten  ganz 
verschiedener  Art  und  richtete  sich  z.  T.  nach  der  Lebenswdse  des  Stammes. 
Die  einfachsten  Opfer  waren  Spenden  von  den  Erzeugnissen  des  Bodens, 
Speisen,  die  man  selbst  zu  geniessen  pflegte,  die  Früchte  des  Feldes,  spJlter 
Teile  von  dem  Ertrag  der  Wein-  ,und  Obsternte  u.  dgl.  Daneben  findet  man 
die  mannigfaltigsten  Tiere,  die  den  höheren  Wesen,  Geistern  oder  Gflttem,  dar- 
gebraclit  M-erden,  vnr  allem  PfertJe,  Rinder,  Eber,  Widder,  aber  audi  Geflügel, 
Hühner,  dann  Hunde,  Katzen  und  dgl.  (Myth.  I.  37  ff.).  Mit  besonderer 
Vorliebe  opferte  man  den  grOssten  Eber  der  Herde,  den  Herdeneber 
(langob.  sonarpair,  altn.  sotiar^igltr  vgl.  Sievers,  PBB.  XVI.  540  ff.).  Das 
höchste  Opfer  vi-ar  das  Menschenopfer,  und  dies  war  in  der  Rege!  ein  Staats- 
«pfcT.  Nicht  den  niederen  Geistern,  sondern  nur  der  Gottheit  und  zwar  der 
höchsten  Gottheit  scheint  es  gebracht  worden  zu  sein.  Wohl  sind  die  Men- 
scheiioiifcr  bei  den  Germanen  geleugnet  werden  (von  Löher,  Sitzungsbcr.  der 
Mönch.  Akad.  der  Wissensch.  Hist.  Kt.  1882.  373  ff),  allein  die  Fülle  der 
Zeugnisse  stellt  die  Thatsache  Ober  allen  Zweifel.  Namentlich  wurden  Kriegs- 
gefangene, Sklaven  geopfert.  Schon  Tacitus  gedenkt  wiederholt  der  Menschen- 
opfer (Germ.  tj.  30.  Ann.  1.  bi.  XIII.  57  u.  oft.);  die  fivebcn,  Cherusker, 
Sugamber  '>j)ferlen  20  römische  Centuri^men  (Flnms  IV.  \i),  das  Opfer  der 
Franken  beim  Poübergang  ist  schon  mehrfach  angeführt,  bei  den  Sadisen 
und  Friesen  werden  sie  ebenfalls  ernJShnt,  und  noch  Karl  der  Grosse  eifert 
in  den  Capltulis  de  parlibus  Saxoniae  (c  cj)  gegen  die  Menschenopfer  (v. 
Richthofen,  Zur  lex.  Sax.  200.  J04  ff.).  Ungemein  zahlreich  sind  auch  die 
Beispiele  im  skandinavischen  Norden  (Müller.  Zu  S;l\ü  Gramm.  III.  114  ff.): 
\*on  dem  Hltesten  ZcugnisKc  über  skandinavische  Zustünde,  das  uns  Prokopius 
gewahrt  {Bell.  goth.  11.  1.5),  bis  zur  Einführung  des  Christentums  (Btsk.  S. 
I.  23)  können  wir  sie  auf  Schritt  und  Tritt  verfo^en.  —  Zweifellos  ist  das 
Menschenopfer  das  höchste  und  feierlichste  aller  Opfer.  In  den  nordischen 
Quellen  können  wir  die  Steigerung  des  Opfers  noch  verfolgen.  So  opfern 
einst  die  Schweden  bei  Missemte  und  Hungenmot  Im  ersten  Herbste  Ochsen, 
im  zweiten  Menschen,  im  drillen,  da  das  Übel  immer  noch  nicht  gehoben 
ist,  den  König  (Heimskr.  14  f.).  Auf  ähnliche  Weise  wird  in  der  Gutasaga 
erzählt,  wie  bei  den  kleineren  Thingen  nur  Vieh,  bei  dem  grossen  I^ndthinge 
aber  Vteh  und  Menschen  ge*ipfert  worden  seien  (Gutn.  Urk,  ^1). 

§  8b.  Opferzeiten.  Die  grossen  Staatsapfer  fanden,  wenn  es  nicht  galt, 
ein  plötzliches  Unheil  abzuwehren  oder  zu  sühnen,  zu  bestimmten  Zeiten 
statt  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  hangen  diese  Opferzeiten  aufs  engste 
zusammen  mit  der  Jahreseinteilung  der  alten  Germanen,  d.  h.  sie  wurden  ge- 
feiert, wenn  ein  neuer  Teil  des  Jahres  begann.  Leider  haben  wir  über  diese, 
worüber  schon  Pfanncnschmid  klagt  (Genn.  Enitefeste  S.  326),  keine  er- 
schöpfenilen  Untersuchungen.  Nach  J.  Grimms  Vorgange  war  man  gewohnt 
von  einer  Dreiteilung  des  germanischen  Jahres  zu  sprechen.     Man  stülzt  sich 


Opfer;  Opferzeitex. 


391 


I 


dabei  auf  versdiiedene,  z.  T.  unanfö-litiwre  Zeugnisse  der  nordischen  Sagas. 
Ä>  htds&t  es  hier  in  der  Ilcimskringla  (S.  n**}:  A'  J-fi'/*/'  *A>/«  /  mö/i  rv/ri 
///  lin,  en  ut  miä/nm  vftri  hlöia  tii  ^ödrar,  hit  priäja  at  sttmri,  pat  rtir  jyr- 
l/öt.  Man  s^jllte  also  zu  Wintersanfang  (d.  i.  gegen  Mitte  Oktober)  fOr 
ein  gutes  Jahr  opfern,  —  d.  I».  man  bcgrüsstc  das  neue  Jahr,  —  im  Mtttwinter 
(Mitte  Januar)  für  das  Wachsen  und  Gedeihen,  im  Sommtranfang  (Mitte 
April)  für  Sieg.  Ebenso  heisst  es  von  S^urd  W)rissnn  (Heiiiiskr.  351*'. 
Olafs  S.  helg.  1853.  S.  112  5):  l/firin  vür  f>vi  vanr,  meilan  heiäni  z'ar,  al  hafa 
Prmn  blät  htm  j'tir,  eiti  nt  vttnwUum.  en  ntimti  at  midjum  jvfn,  prüffa  at 
sumri.  Isländische  Berichte  treten  diesen  norwegischen  zur  Seite  (^Gisla 
S.  27;  vgl.  auch  K.  Maurer,  Bekehr.  II.  236  ff.).  Aber  nicht  nur  die  Nord- 
germanen, auch  die  Deutsdien  scheinen  zu  diesen  Zeiten  ihre  grossen  Feste 
gefeiert  zu  haben.  Wenigstens  überrascht  Oermanirus  die  Marser  heim  Feste 
der  Tanfana  zu  Winteranfang  (Aniial.  I.  51),  und  das  grossL-  Ncrthusfest 
scheint  zu  Sommcrsanf:mg  stattgefunden  zu  haben  (vgl.  Müllenhoff,  Schmidts 
Zsch.  für  Gesch.  VIII.  2ftö  ff.).  Dazu  kummt  noch,  dass  die  alten  tjpferfesle  mei-st 
mit  den  al^erraanischen  ungcbolencn  Volk-sversammlungeu  zusammenfielen 
(RA.  821  ff.;  245;  745),  diese  fanden  aber  besrvnders  im  Sommersanfang  und 
Spaihetbste  statt  (RA.  a.  a.  O.).  —  Diese  Dreiteilung  des  altgermanischen 
Jahres  ist  von  Weinhold  (Über  tlic  deutsche  Jahrteilung.  Kiel  1862)  ange- 
fochten worden.  Weinh«>ld  tritt  für  eine  Zwei-  und  Vierteilung  des  Jahres 
ein,  die  sich  auf  die  SoLsiitien  und  AcquincH^tlen  stützen  soll,  und  Pfannen- 
schmid  (Erntefeste  326  ff.)  siiwie  Grr>tefend  (Die  Zeitrechnung  des  Mittel- 
alters S.  80  f.)  sind  ihm  hierin  gefolgt,  wahrend  Tille  die  alte  Grimmsche 
Auffassung  verteidigt  (Gesch.  d.  deutschen  Weihnacht  S.  6  ff.l.  —  Bei  der 
Zwei-  und  Vierteilung  des  Jahres  spielt  eine  ganz  be»<>ndere  Rolte  das 
alte  Julfest,  das  man  als  ein  Fest  der  wiederkehrenden  S<mnc  auffasst 
Ich  halte  diese  Auffassung  weder  für  bewiesen  noch  für  wahrscheinlich. 
Sonne  und  Tag  waren  bei  uns<-ren  Vorfahren  an  un<l  fQr  sich  durchaus  ver- 
schic*lene  Din^e.  Die  Zunahme  des  Tages  kümmerte  sie  weniger;  erst  wenn 
sie  merkten,  dass  die  Tage  durch  das  leuchtende  Himmelsgestim  warmer 
wurden,  empfanden  sie,  dass  die  Sonne  sich  ihnen  wieder  nähere.  Es  scheint 
daher  vor  allem  in  nichts  be;irimdel.  das  unstreitig  höchste  Fest  unserer 
Vorfahren,  das  grosse  Winterfest,  das  die  Nordlander  Julfest  nennen,  als  Fest 
der  wiederkehrenden  S«mne  aufzufassen.  Zu  solchem  Ergebnis  ist  man  gelangt, 
indem  man  das  altn.  yoVmit  ags.  hvtiU,  alln.  kitl  «das  Kad*  icusammen brachte 
Dnd  dies  Wort  auf  die  S<.mne  deutete.  Allein  das  ist  unmöglich.  Altn.  j6l, 
nmord.  /«/  liflngi  vielmehr  sprachlich  zusammen  mit  ags.  gehhol.  ^eehhol 
(Khige,  Engi  Stud.  IX.  311  f.),  das  auf  urg.  'Jefnvtla  zurückgeht  und  dasselbe 
wie  lat  Jorulus  »Scherz,  Spass^  ist  (Bugge,  Ark.  f.  n.  Fi).  IV.  135).  Das  Julfest 
ist  also  das  fröhliche,  lustige  Fest,  wir  haben  in  dem  Wfirle  eine  Bezeichnung, 
die  in  der  Vemiummung  ilire  Wurzel  hat.  Femer  soll  das  Fest  als  Fest  der 
winteriichen  S<»niienwende  zu  Ehren  des  iiL'uerwachten  Himmels-  (oder  Sonnen-) 
gottes  gefeiert  worden  sein.  Allein  Wrklan,  Holda,  Perchta,  die  iKKrh  hci;te  an 
diesen  Tagen  im  Volksmunde  ihrWes^n  treiben,  sind  chthonische  Wesen  und 
Wtndgottheitcn  und  erscheinen  im  Volksglauben  nur  als  solche.  Mit  dem  Feste 
der  wiedererwachten  Sonne  kommen  wir  nicht  aa"*.  Vielmehr  scheint  dieses 
grosse  Winterfest,  das  zu  einer  Zeit  gefeiert  wurde,  wn  die  ganze  Natur  ab- 
gestorben zu  sein  schien,  wo  die  Winde  arger  heulten  als  je,  wo  die  Geister 
nach  dem  Volksglauben  los  waren  und  allilfiendl  ihr  Wesen  trieben,  in  erster 
Linie  ein  allgemein  gemianisches  Totenfest  gewesen  zu  sein.  Hierfür  spricht 
vor  allem  der  Name.     Schon  dass  dem    neuerwuchten  Himmclsgotte    gerade 


ciie  NSrhte  geweiht  sein  sollten^  ist  auffallend,  eine  so  berfeutende  Rnlle  nucb 
die  Nadit  im  allgermanischen  Rechlsleben  spielt  Ferner  bezeichnet  Beda 
im  kullcktii.i8':hen  Singular  das  althcidnische  Fest  als  modraniht  (i.  e.  matnira 
noctera,  De  t^mp.  rat.  c.  15),  .'ilso  mit  einem  Worte,  das  auf  die  Verehrung  der 
OTfl/zoff^wTömisdi-yennanisdier  Inschriften  (vgl.  Much,  2fdA.  XXXV,  Jt23f.  ge^en 
Kauffniann,  Zsfh.  d.  Ver.  f.  Vulksk.  III.  24  ff.,  der  in  dem  riieinischen  ma- 
tronae  keltischen  Kult  Riehen  willi,  der  ahn.  r/üar  hinweist:  es  sind  die  Nachte, 
die  den  weibUchen  Schutzgeistem,  den  Seelen  der  Verstorbenen,  geweiht  sind. 
Auch  die  nordischen  Namen  jdl  und  mült^tmmStt  sprechen  für  diese  Auf- 
fassung. Fenier  spricht  dafür,  das*  in  ganz  Deutschland  und  im  Norden 
der  Glaube  und  Brauch  sicli  erhalten  hat,  der  sich  fa.st  ausschliesslich  bei 
dem  Scek-tiglauben  und  -kult  nachweisen  lassU  Die  Zeit  ist  die  heiligste  des 
ganzen  Jahres,  es  ist  die  Hauptzeit  für  Wewsagung  und  Zauber,  jeder  T^ 
ist  vfjrUedeutungsvoU  für  Wetter  und  Schicksal,  jetler  Traum  gelit  in  Erfüllung. 
Alle  Geister  sind  an  diesem  Tagrc  los.  Hexen.  Werwulfe,  Allen,  Zweite,  die  see- 
lischen Scharen  ungeiaufter  Kinder  treiben  ihr  Wesen,  an  der  Spitze  Frau  Holle 
oder  Per<  hta;  das  ist  auch  die  Zeit  des  wütenden  Heeres  tider  wilden  Jagers, 
des  Wi  »de,  I  leljagers,  Harkelberigs,  Schimmel reiters  oder  wie  er  im  Volksmnnde 
heisst.  —  In  den  norwegischen  \'ulkssagen  heissen  noch  heute  die  Geister- 
scharen, die  zur  Julzeit  die  Gehi'Ute  aufsuchen»  JoUkrtid  \idcJ /olsi-einar  (Aasen, 
Kursk  (Jrrlb.  3345),  uml  die  schwedischen  Lappen  verehren  sie  unter  dem 
Namen /om/o-^ö-tjc  (Julvulk)  durch  Opfer  iFritzner,  Norsk  Hisi.  Tiiisskr.  IV.  156). 
Aber  auch  anderen  Orts  finden  Schmaus  und  Gelage  statt,  worrm  die  Geister 
teilnehmen.  An  cAieseu  Tagen  wird  nameutlicli  die  Minne  zu  Ehren  Ver- 
.storbener  getrunken.  Und  in  den  vermummten  Gestalten,  die  noch  heute 
in  unserem  Nikolaus,  Ruprecht  und  ahnlichen  Namen  fortleben,  werden  die 
Geister  leibhaftig  vorgeführt,  die  unter  allerlei  Scherz  und  Spiel  ihr  Wesen 
treiben.  Ganz  entschieden  sprechen  endlich  auch  die  nordischen  Quellen 
für  die  Auffassung  des  JulTestes  als  eines  Totenfestes.  Die  ursprüngliche 
Form  des  nordischen  Julfestes  haben  wir  noch  ia  dem  alfublöi  uud  dhahiol. 
Dass  unter  den  alfar  und  dhar  »irklich  seelische  Wesen  zu  verstehen  sind, 
gebt  aus  verschiedenen  Betspielen  herv  'n  (s.  «.i.).  Dass  das  Opfer  aber,  das  ihnen 
gebracht  wurde,  zur  Julzeit  stattfand,  lehrt  vnr  allem  ciie  gri»sse  Olafs.saga,  nach 
der  der  Skalde  Sighvatr  spat  im  Winter  zu  einem  Gehöft  kommt,  in  dem 
das  Alfablot  gefeiert  wird  (Olafs  S.  helg.  80).  Auch  wird  wiederholt  erzählt,  dass 
an  dem  Julfeste  Riesen  und  Unholde  teilnahmen  (Maurer.  Bekehr.   H.  235). 

Dies  F'est  war  also  das  Haupttest  der  Gennaneu.  —  Schon  frühzeitig 
mH'igen  wirtschaftliche  liiieressen  bei  der  Feier  dieses  Festes  eine  Rulie  mit- 
gespielt haben,  wenn  ich  in  diesen  auch  nicht  mit  Tille  den  Ursprung  des 
Festes  zu  erblicken  vermag  (A.  Tille,  Die  Geschichte  der  deutschen  Weih- 
nacht). Goipfert  wurde  für  ein  glückliches  Jahr;  das  reue  Jahr  wurde  be- 
grOsst  [til  lin,  Bisk.  S.  I.  5,  Fros.  I.  261;  Fas.  II.  I3if.)-  I"i  engen  Kreise 
der  Familie  mochte  hier  utuI  da  dies  Opfer  den  Geistern  gehen.  War  aber 
im  Gauverbande  eine  höhere  Gottheit  da.  der  man  Fruchtbarkeit  der  Äcker 
zuschrieb,  wie  dem  schwedischen  Frey,  dem  norwegischen  Thor,  so  wurde 
die  Feierlichkeil  im  Gauverbande  auf  diese  und  die  anderen  Gottheiten 
übertragen.  —  Gefeiert  xiiirdc  das  alte  Fest  der  Seelen  in  den  einzelnen 
Gegenden  an  verschiedenen  Tagen.  Wahrend  in  Südileutschland  im  allge- 
meinen die  Tage  von  Weihnaditen  bis  zum  hohen  Keujah:  geheiligt  waren, 
fielen  sie  in  Franken,  Norddeutschland  und  Skandina\ien  erst  auf  Anfang 
Januar. 

Ausser  diesem  Hauptfesle  unirde  ungefähr  einen  Monat  spater,   im  Februar, 


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im  Norden  das  Güiblut  gefeiert  (Maurer,  Bekehr.  II.  236).  In  diese  Zeit 
fiel  auch  das  Hauptopfer  zu  üppsala.  vro  namentlich  der  Himmelsgott  Freyr 
verehrt  wurde.  An  diesen  Tagen  beginnen  die  Skandinavier  eine  Rückkehr 
der  Sonne  zu  merken.  Ich  glaube  daher,  dass  vielmehr  dieses  Fest  das  Fest 
der  wiederkehrenden  Sonne  gewesen  ist.  An  diesen  Tagen  ist  es  auch,  wo 
noch  heute  das  Volk  in  Deutschland  Feste  feiert,  an  ihnen,  zu  Fastnarhten,  werden 
draussen  im  Freien  Feuer  enizßndet,  an  diesen  Tagen  spielt  das  Wagenrad 
•ll  Symbol  der  Sonne  eine  Rolle,  iiiL-hl  zur  Zeit  der  Zwfilfnachte.  Aus 
dem  frühen  Mittelalter  hat  F.  Vogt  wertvolle  Zeugnisse  für  das  alte  Scheiben- 
treiben und  Frühlingsfeucr  nachgewiesen  (Zsch.  d.  V.  f.  Volksk.  III.  349  ff.; 
IV.  195  ff.).  Aus  den  vielen  Beispieleji  der  letzten  Jahrhunderte,  die  sich 
ausser  bei  Vof^  bei  Ffannenschmid  und  Jahn  zusammengestellt  finden,  sei 
nur  das  aus  Sebast.  Franrks  Wahrhaftiger  Bcschrelbunge  aller  Teile  der 
Welt  ds^^y)  angeführt:  »Zu  Mitterfastt-n  (rt.  h.  Fastnacht)  flechten  sie  ein 
alt  \S'agcnrad  voller  Stroh,  tragens  auf  einen  hohen,  jähen  Berg,  liabcn  darauf 
den  ganzen  Tag  ein  guten  Mut,  nih  vielerley  Kurizweil,  singen,  springen, 
dantzen,  Gcradtgkcit  und  anderer  Abentheuer,  vmb  die  Vesperzeit  2Qnden 
sie  das  Rad  an.  und  lassens  mit  vollem  Lauff  ins  Thal  lauffcn,  das  gleich 
anzusehen  ist,  als  ob  die  Sonne  vom  tlimmel  liefe.«  Aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  ist  dies  Fest  mit  dem  Fi ühlingsfe&le  identisch:  man  feierte  die 
ROckkehr  der  Sonne  in  d^n  einz**Incn  Gegenden  zu  verschiedenen  Zeiten. 

Ausser  diesen  Feslzciten  erwähnen  die  nordischen  Quellen  noch  die  Opfer 
0/  sttinri  »zu  Sommersanfang*  und  das  hausthl^t  'das  Hcrbstopfer-:  oder  das 
Opfer  at  r>ttrmUitim  »zu  Wintersanfang«.  K.steres  fand  wohl  im  April  statt, 
letzteres  im  Oktober.  Diese  beiden  Opfer  treten  im  Nordischen  offenbar  im 
Vergleich  zu  Ucm  grossen  Mittwinteropfer  zurück,  obgleich  sie  mehrfach  cr- 
«-ahnt  werden  (Maurer,  Bekehr.  IL  233.  237).  Und  weim  dazu  Snorri  in 
der  Heimskr.  (g")  bemerkt,  dass  man  beim  Somraeropfer  des  Sieges  wegen 
geopfrrt  habe,  so  kann  das  nur  auf  nordische  ^'crhaltnisse  gehen,  die  wohl 
in  der  Wikingerzeit  erst  ihre  Wurzel  haben.  Aber  auch  auf  deutschem  Boden 
scheinen  wir  noch  Cberrrste  dieser  allen  Frühsommer-  und  Herbstopfer  zu 
haben,  jene  in  der  Hagelfeicr,  dem  Johanntsopfer,  an  dem  es  bt^ondcn 
galt,  Menschen,  Vieh  und  Erzeugnisse  des  Bodens  vor  bösen  Geistern  zu 
schützen,  diese  in  den  Erntefesten  oder  den  Marlinsschmauscu.  Doch  sind 
die  Nachrichten  auf  diesem  Gebiete  mit  Vorsicht  für  aligcrmani-schen  Kult 
2U  vcr«ertcn.  da  sie  in  Kulturvcrhallnisscn  üire  Wurzel  haben,  die  wir 
hauptsttchtich  den  Römern  verdanken  ^. 

§  87.  Hergang  beim  Opfer.  Wahrend  bei  dem  einmaligen  und  per- 
sönlichen Opfer  ein  jeder  dem  gfitllichen  Wesen  seine  Spende  an  irgend 
einem  Orte,  an  dem  er  die  Gegenwart  der  Gottheit  oder  der  Geister  wühnte, 
brachte  (vgl.  den  interessanten  Bericht  des  Arabers  Ibn  Fadhlan  bei  Thuniscn, 
Urspr.  des  russ.  Staates  .S.  30  ff.),  kam  man  bei  den  grossen  i"^  ff  entliehen  Opfern 
in  grAs»eren  Scharen  zusammen.  Dass  bei  denselben  an  bestimmtem  Orte,  d  h. 
im  Heiliglmne  der  Gottheit,  sämtliche  Mitglieder  der  Amphiktvonic  teilnahmen, 
ist  nicht  erueislich  und  höchst  unwahr-^hetnlich,  wenn  man  auf  die  räumliche 
AttMirhnung  di-s  Tempels  und  die  Mitgliederzahl  des  Kultverbandes  blickt. 
Vielmehr  nahm  nur  ein  Ti-i!  derselhfüi  an  dem  Mahl  im  Tempel  teil,  der 
andere  feierte  das  Fest  in  engerem  Kreise,  wie  aus  dem  Beridite  des  Tacitus 
^Ann.  I.  51)  und  mehreren  nordischen  Quellen  mit  Wahrscheinlichkeit  her\'or- 
geht  DiKrh  wurde  es  hier  wie  dort  auf  dieselbe  Weise  gefeiert  Daher 
wurde  an  ihrem  Feste  die  Gottheit  vom  Priester  in  der  .\mphiktyonic  herum- 
gefahren,  wie  U'ir  da.s  von  der  secUndischen  Nerthus   tmd  dem  Uppsataer 


Frej*  erfahren.  —  Eingehemle  Berichte  Über  den  Hergang  beim  Opfer  ver- 
danken wir  aiisschliessSidi  nordischen  Quellen  aus  den  letzten  Jahrhunderten 
des  Hei<Irntums.  Geleilet  wurde  ii;is  Opfer  vom  Priester  otler  dem  Vor- 
steher des  Bezirks.  Zunächst  wurde  das  Opfertier  f'hhiul}  (leschlachlet  und 
das  Blut  in  ein  geweilites  Gefilsa  gelassen  (Heimskr.  yj.  Hervar.  S.  297), 
Letzleres  war  der  Mauiboüi,  der  Opferkessel,  der  auch  in  deutschen  Quellen 
Öfter  enn-ähnl  wird  I  Jlyth.  I.  47V  In  diesem  lag  der  Opfcrwcdel,  der  klaui- 
ieinn.  Diesen  tauchte  der  Priester  in  das  <>pferbhit  und  besprengte  damit 
die  Götterbilder  (Heimskr.  14.  gj.  .^.^8.  fsl.  S.  I.  2,58.  Fas.  I.  454.  Hervar. 
S.  228  u.  "jfL)  und  ebenso  die  Wände  des  Tempels  innen  und  aussen 
(Heimskr.  92).  Alsdann  wurde  das  Fleüich  über  dem  Feuer,  das  in  der 
Mitte  des  Golfes  brannte,  in  grossen  Kesseln  gekocht  und  darauf  gemeinsam 
verspeist.  Ks  fand  der  Opferschmaus,  die  blöffehia.  statt,  Auf  dem  Hoch- 
aitze  sass  der  Leiter  des  Opfers,  in  Norwegen  und  Schweden  meist  der 
K^nig  oder  nn  seiner  Statt  der  Jari,  auf  Island  der  Gode.  Das  Mahl  fand 
in  einem  liesondercn  Hause  statt,  das  geschmöckt  und  dessen  Galf  bestreut 
war  (Gisl.  S.  27).  Genossen  wurde  das  Fleisch  der  Opfertiere  und  die  BrOhe, 
in  dem  es  gekixjit  war,  sowie  das  Fett,  das  darauf  schwamm  (Heimskr.  95), 
Dabei  wurde  aus  HOmem  oder  Bechern  Bier  getrunken.  Der  Häuptling  er- 
öffnete das  Mahl,  indem  er  das  Hom  zum  Preise  der  Götter  leerte  (/«//  si^na 
Heimskr.  92  f.,  3,^8).  Ausscrdcni  trank  man  zum  Gedächtnis  Verstorbener 
(minrri  sig»a  Heimskr.  93).  Aus  dieser  HandUnig  spricht  noch  ganz  klar  der  alte 
Secletikuit.  Zuweilen  wurde  aucli  das  brasacfull  getnmken  (Heimskr.  32. 
Hervar.  S.  207.  Ftb.  L  345),  an  das  sich  feierliche  Gelübde  anschlössen,  wie 
man  llbediau]jt  beim  Opferschmaus  öfters  Gelübde  brachte  (Her\'ar.  S.  a.  a. 
O.  Heimskr.  93).  BragarfuU  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  na<h  cIils  FOrsten- 
gclflbde,  das  der  junge  Fürst  nach  dem  Tode  seines  Vaters  bei  dem  feier- 
lichen Opfer  ablegte,  denn  es  wurde  besonders  nach  dem  Tode  des  Königs 
bei  dessen  Leichenopfer  gebracht  (Heimskr.  32).  Bei  dem  Mahle  wurden  dann, 
zu  Ehren  Toter  oder  der  Götter  Lieder  gesungen  (Fas.  IH.  222  f.).  Auch 
Mimciis]iict  war  mit  dem  (Jpfcr  verbunden  (Saxo  L  258},  und  Sctiwerttänze 
scheinen  dabei  stattgefunden  jeu  haben  (Friedberg,  Aus  deutschen  BussbQchcm 
26),  wie  es  auf  Island   öfter  vom   Ballspiele   begleitet  war  (ZfdPliil.   XXIL 

152  ff)- 

§  88.  Der  Ort  der  G/Jtterverehrung;  Tempel.  Zwiefacher  Art  ist 
der  Ort,  an  dem  unsere  Vorfahren  nach  den  ältesten  Berichten  der  Römer 
die  höheren  Wesen  verehrt  haben:  bald  werden  Haine,  Berge,  Quellen,  Flüsse, 
bald  Tempel  erwähnt.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  jenes  das  altere 
und  vcrbreitetcre  gewesen  ist.  Oiesc  Orte  sind  es  auch,  die  sich  im  Volk."*- 
glauben  als  heilige  Orte  ins  Christentum  geflüchtet  und  sich  hier  bis  heule 
erhalten  haben,  nachdem  die  Tempel  schon  über  ein  Jahrtausend  gebrochen 
sind.  Wenn  der  einzelne  betete  und  opferte,  so  ging  er  hinaus  in  die  Naltu', 
in  der  er  das  Wallen  eines  höheren  Wesens  zu  verspüren  glaubte.  In 
der  historischen  Zeit  finden  wir  zahlreiche  Belege,  dass  unsere  Vorfahren 
selbst  im  Kultverbande  noch  gemeinsam  in  der  freien  Natur  opferten  und 
ihre  Götter  verehrten  (Myth.  L  53  ff.).  Mit  der  Zeit  erst  entstand  das 
gebaute  Haus,  der  Tempel,  sicher  ursprünglich  das  StamnicsheiligUim. 
Erst  in  den  sputen  nordischen  Berichten  finden  wir  auch  Privaltempelr 
namentlich  auf  Island  (das  bliUhih),  in  Deutschland  lassen  sie  sich  nicht  nach- 
weisen. Enl-standen  ist  wohl  der  Tempel  aus  dem  gemeinsamen  Dinggebaude, 
das  sich  bei  lungeren  und  grösseren  Versammlungen  uölig  machte.  Aus  den 
nordischen  Quellen  wenigsten  erkennen  wir  noch  klar,    dass  jeder  Thingver- 


band  sein  gemeinsames  Heiligtum  hatte,  dass  die  grossen  Festzeiten  ziq^Ieich 
ungel>oienc  Thing<'  wiircn,  dnss  der  Leiter  des  Thinges  auch  zugleich 
Leiter  des  gemeinsamen  Opfers  war  (H.  Petersen,  Om  Gudedyrkclso  i  ff.). 
Tempel,  d.  h.  Gebäude,  in  denen  die  Gottheit  in  ihrem  Bude  verehrt  wurde, 
gab  es  demnach  von  Haus  au3  nur  an  Dingstatten;  in  ihnen  wurde  nur  ge- 
opfert, wenn  die  Dinggwiussen  zu  gemeinsamer  Beratung  vereint  waren.  Da- 
bei leitete  das  weltliche  Oberhaupt  oder  sein  Vertreter,  der  Code  oder  Ewart, 
das  C>pfer,  d.  h.  er  erbat  für  die  he  vorsieh  endrn  Verhandlungen  den  Beistand 
und  den  Schutz  der  Gottheit,  fragte  diese,  wenn  es  galt  ihren  Willen  zu  er- 
forschen, und  brachte  die  gebührenden  Dank-,  Bitt-  und  Sühnspenden. 
Vielleicht  waren  infnlgctlessen  die  ältesten  Tempel  dem  Gotte  des  Dinges 
geweiht.  Allein  schon  frühzeitig  entstanden  daneben  Tempel,  die  auchi  für 
andere  Gottheilen  bestimmt  waren,  sobald  diese  der  religiöse  Mittelpunkt  eines 
oder  mehrerer  Gaue  geworden  waren.  Trat  dann  auch  die  Verehrung  der 
Gottheit  an  und  für  sich  in  den  Vordergrund,  war  auch  das  ihr  zu  Ehren 
gefeierte  Fest  die  Hauptsache,  so  knüpfte  man  doch  auch  bei  diesem  oft  die 
Beratung  über  gemeinsame  Angelegenheiten  an  die  gi.ittesdiensiliche  Feier, 
Diescll>en  ht'^rten  nur  dort  ganz  auf,  wo  der  Tempel  ein  einfaches  blöthtis 
für  die  Familie  war.  —  Errichtet  wurde  der  Tempel  in  der  Regel  an  Statten, 
die  schon  an  und  für  steh  nach  altem  Glaubei»  für  heilig  galten,  besonders 
in  Hainen,  aber  auch  an  Quellen,  an  Bergen.  Daher  bezeichnen  die  ältesten 
Worte,  die  wir  für  den  Ort  gf.ttlicher  Verehrung  haben,  sowohl  diese  Orte 
als  auch  das  der  Gottheit  einciiiete  GebSude.  Ahd.  hnruc  glosiiert  bald 
»nemus,  lucus-,  bald  i-fanum.  delubrum'^,  dasselbe  thut  ags.  heaTh  (Graff  IV. 
1015:  Wright-Wülcker  L  433.  510.  517.  519).  Dagegen  ist  das  entsprechende 
alln.  h^rgr  bald  »Berg,  Felsen«  (Fritzner*  II.  191,  auch  noch  in  den  neu- 
nordischen Dialekten  vgl.  Aasen  2Qo;  Riotz  244),  bald  ebenfalls  »Tempel-  und 
dann  meist  mit  »/w/«  grstabt.  Vielleicht  bezeichnet  hfr^,  wie  Finnur  Jöns- 
son  annimmt  (Festsch.  für  K.  Wciiitiuld  S.  13  ff.),  in  Skandinavien  speziell 
einen  Tempel  für  Göttinnen,  wii  Frauen  den  Opferfesten  vorstanden.  .\uch 
ahd.,  ags-,  alts.  rvih.  altn.  vf,  das  Heiligtum,  das  Geweihte  schlechthin  be- 
zeichnet bald  den  heiligen  Ort  im  allgemeinen,  bald  das  Gebäude,  in  dem 
die  Gottheit  verehrt  wird  (Myth.  I.  54).  Ein  solcher  Ort  war  bei  den  alten 
Germanen  eine  Frieden sstiiite,  wo  je«ier  den  Schutz  der  G6uer  geno.ss,  wes- 
halb der  Dichter  des  HcUand  ]\\n/ndtiwih  (513)  netmt.  ein  Wort,  das  ganz 
dem  altn.  heli^-  i»der  {^nitaslfti^  ent-^jiricht.  Es  galt  daher  nach  nr»rdischem, 
ja  sicher  noch  gcmcingcrmanischem  Rechte  als  eine  der  höchsten  Strafen,  von 
dem  Tempelfriedcn  au.sgcschl«ts.sen  m  sein.  Wer  tiies  war,  hiess  vargr  i  ve'um 
»ein  den  Göttern  Geweihler  im  Heiligtmne'  (Wilda,  Strafrecht  d.  Germ.  280 f.; 
Kauffmaim,  PBB.  XVIII.  175  ff.).  Neben  diesen  Worten  wird  das  errichtete 
Gebawle  noch  goi.  alhs,  a.s.  nlnh,  ags.  e/ilh  genannt;  ferner  heisst  es  im  Nor- 
dischen ko/,  das  von  Haus  aus  den  eingehegten  Tcmpelbezirk  bedeutet;  auch 
das  guilflndisfhe  stafyarifr  s=  Tempel  ist  »der  mit  Ruten  umzäunte  Platz« 
(Gutn.  L*rk.  4  32).  Da.«*  ags.  ealhslefie  bezeichnet  die  heilige  Statte  ganz 
allgemein,  alid.  piöslnrhiis,  pldzhüs  charakterisiert  den  Tempel  als  OpfcrgebSude, 
wahrend  das  altn.  bhiihih  vor  allem  von  Tempeln,  die  sich  Privatpersonen 
erriditet  haben,  gebraucht  wird. 

Nachweisen  lasst  sich  die  G<^tte^^'crehrung  sowohl  in  der  freien  Natur  als 
auch  in  Ijc^wnuh-rs  dazu  t-rrichleten  Gebäuden  bei  allen  germanischen  Stammen. 
Unter  den  Bäumen  im  \\'alde,  auf  .\uen  und  Wiesen,  an  Quellen  und  Flüssen, 
an  Bergen  und  Felden,  miler  freiem  Himmel,  auf  Feld  und  Khir,  seil«!  am 
leimischen  Herde  fand  sie  statt  (Grimm,  RA.  793  ff.;  Jahn,  Opfergcbraudie 


a.  V.  O.)-  Gefesselt  gehen  die  Semnonen  in  ihren  heiligen  Wald,  wodurch 
sie  sich  gcwissermassen  selUsl  der  Goiihcit  weihen,  in  den  Hainen  hängten 
sie  den  Gi'iitem  als  Tribut  die  heiligen  Waffen  auf  (Gerra.  7;  Ann.  I.  61. 
11.  25!-  In  waldreicher  Gegend  opferten  die  Hessen  dem  -robur  Jovis«  (Mon, 
Germ.  IL  j4.^t.  Wie  tief  ditscr  Bauin-  und  Waldkult  im  Volksglauben  sich 
durch  die  Jahrhunderte  erhalten  hat,  zeigt  Mannhardt  in  seinem  Werke  übet 
den  Bauiiikultuü  der  Germanen  an.  Beispielen  auä  alten  Zelten.  Und  als 
man  spater  nicht  mehr  hinausging,  um  im  Freien  zu  opfern,  da  holte  man 
den  Baum  aus  dem  Walde  herein  und  pflanzte  ihn  am  häuslichen  Herde, 
vor  der  Tbür,  vor  der  Scheune,  auf  dem  Hofe  auf.  So  lebte  der  alle  Kult 
fort  in  unseren  Mai-,  Pfingst-,  Ernte-,  vielleicht  auch  in  den  Weihnachts- 
bäumen (Mannhardt  a.  a.  O.).  Niedere  und  hüliere  Wesen  waren  es  gewesen, 
die  man  dort  verehrt  luitte;  die  letzteren  sind  iin  Volksglauben  geschwunden 
und  selbst  der  Glaube  an  die  ersteren  ist  meist  ein  tüter  geworden.  Auch 
der  Kult  an  anderen  (Vtcn,  namentlich  Bergen  und  Quellen,  lilsst  sich  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart  bei  allen  germaiiischen  Völkern  ver- 
folgen (s.  o.).  Während  wir  aber  hier  vorzugweise  Verehrung  seelischer 
Wesen  zu  suchen  hatten,  haben  wir  in  den  Tempeln  die  Verehrung  einer 
höheren  Güttheit,  die  man  sich  in  dem  von  Menschen  erbauten  Hause  xu 
Zeiten  gegenwärtig  dachte,  der  der  Gauverband  durch  den  Priester  seine 
Opfer  brachte,  an  deren  Fest  sich  der  Ampluktvuuenbund  zu  gemeinsamem 
Malile  vereinte.  In  ilim  stand  das  geweihte  Götterbild,  auf  geweihtem  Sockel 
eine  kimstl'jse  Figur. 

Es  ist  die  Frage  aufgeworfen  wurden,  ob  sich  bereits  zur  Zeit  des  Tacitua 
Tempel  bei  den  Germanen  nachweisen  las-sen.  Man  hat  sie  verneint  auf  Grund 
v<_iu  Germ.  9  fcelerum  ntc  cohidne  parieiibm  flfos  mijm  in  iiUam  himani  orä 
spetum  iissimu/are  ex  ma^ntuJiitc  tarlcsliiitn  arbitrantur).  J;l  man  hat  selbst 
den  Nordgcrmanen  alte  Tempel  abgesprochen  und  behauptet,  diese  hatten 
sie  erst  unter  dem  Einflüsse  der  angelsflchs.  Kirchen  erriclitet  (Dietrichsson, 
I^^etlerst  Tidskr.  1885.  S.  8c|Ef.:  197  ff.;  vgl,  dagegen  Nicolavsen,  Norsk  HisU 
Tidsskr,  2.  R.  VI.  2b^M.\  402  ff. ;  Taranger,  Den  ags.  Kirkes  Indflyd.  i>aa 
den  norske  2,50  f.).  Allein  das  Gotteshaus  der  Marsen  (quod  Tanfanac  vocant}, 
das  Germanicus  vernichten  lässt  (Ann.  I,  51).  und  das  Gebäude  bei  den 
Nerlliusvirdkem,  das  zu  festloser  Zeit  das  Bild  der  Ncrthus  barg,  lassen 
sich  nicht  anders  deuten  als  gebaute  Gotteshäuser.  Überwi^cnd  nur 
scheint  daher  die  Verehnmg  der  Götter  zur  Zeit  des  Tacilus  in  freiei  Natur 
gewesen  zu  sein,  wühreiid  die  Verehrung  im  Tempel  im  Vergleich  zu  dieser 
nur  selten  vorkam.  Vom  o.  Jahrb.  an  mehren  sich  die  Zeugnisse,  in  denen 
von  Gottertempeln  die  Rede  ist.  Zahlreich  sind  sie  besonders  in  der  Zeit 
kurz  vor  EinfUlirung  des  Christen! mu.s,  wie  ja  auch  oft  Kirchen  an  Stelle  der 
alten  Tempel  traten  |  Heda,  Hist.  eccl.  I.  c.  .)0.  Bisk.  S.  I.  20).  ^'ir  finden 
Tempel,  worunter  nichts  anderes  als  Gebäude  zu  verstehen  sind,  bei  den 
Franken  und  .\lemannen,  bei  den  Burguiiden  und  L;mgobarden  (Myth.  L 
65.  67),  bei  den  Sachsen  (v.  Riehlhofen,  Zur  le.x  Saxoiium  175  ff.)  und 
Friesen  (v.  Richthofen.  Unters,  zur  fries.  RechLsgcsch.  IL  439  ff.),  bei  den 
Angelsachsen  ^Kemble,  Die  Sachsen  I.  272  ff.),  Skandinaviern  (Maurer, 
Bekehr.  II.  iiioff.;  H.  Petersen.  Gm  Gudedyrk.  2rff.|.  Fine  besondere  Be- 
deutung hatten  die  Tcmpd  an  den  Königshöfen,  wo  ihnen  meist  der  K''mig 
selbst  vonitaiid.  Wolil  war  g-anz  Friesland  reich  an  Tempeln,  aber  keiner 
hatte  die  Bedeutung  wie  der  des  Füsete  auf  He^uland  (Mon.  Germ.  II.  410). 
In  Dänemark  galt  als  besoiulers  heilige  .Stätte  der  Tempel  zu  Lethra,  dem 
allen  Kunigssitze  (Mnu.  Germ.  UI.  730J,  in  Schweden  der  von  Uppsala,  wo 


die  KAnige  in  erster  Urne  opfrnen  (Adam  von  Bremen  IV.  c.  26.  2j).  In 
N".'nvegen  s<wohl  wie  :mf  Island  Uatlc  jeder  Thingvcrband  st-incn  Tempel. 
In  Norvegcn  musstcn  der  König  oder  in  seiner  Vertretung  der  Jarl,  auf  Island 
der  Gode  fOr  den  Tempel  sorgen.  Die  Tempelgemeinde  zahlte  zur  Er- 
haltung und  für  das  Opfer  eine  Abgabe,  den  koftoÜ  (Evrb.  S.  6.  fsl.  S.  I.  402). 

Ausführliche  Beschreibungen  vr.n  Tempeln  haben  wir  nur  in  nordischen 
Quellen.  Ich  bin  weit  davon  enlfeml.  das  Bild,  das  wir  aus  ihnen  gewin- 
nen, als  das  echte  Bild  eines  gcmeingcrnianischen  Tempels  hinzustellen.  Wie 
ii)  dem  Bau  ihrer  H^tuser,  vj  haben  die  germanischen  Stämme  z^^-cifcUos 
auch  im  Bau  ihrer  Tempel  verschiedenen  Geschmack  gehabt.  Allein  da  wir 
aus  deutschen  Quellen  Ober  die  Teni[>el  uicliis  Besiiiunites  schöpfen  können^ 
mfissen  wir  zu  den  nordischen  Quellen  unsere  Zuflucht  nehmen '. 

Die  Ausgrabungen,  die  man  in  den  letzten  Jahrzehnten  auf  Ii^Iimd  \'">rgc- 
nomnien  hat,  geben  uns  einen  ziemlich  klaren  Einblick  in  die  Süssere  Ein- 
richligung  des  Gebäudes  {.\rl)i'.k  hins.  isl.  furnlcifafjcl.  18H0/ÖI,  "gff.;  1882, 
3  ff.;  i8<j,i,  7  f.;  i8q4,  ö  f.  q  f.;  iSc/.s,  ict  ff.;  vgl.  auch  Kalund,  Aarb.  f.  nord. 
Ohlk.  1882,  83  ff.).  Der  Tempel  war  ein  länglicher,  an  dem  einen  Ende  in 
de-T  Regel  abgerundeter  Bau.  Er  bestand  aus  zwei  vullsia.ndig  von  einander 
getrennten  Gebäuden,  in  die  je  eine  ThÖre  führte.  Das  Ltngere  Hauptge- 
bäude war  fQr  den  Opferschmaus  bestimmt,  das  kleinere,  das  aptüs  (Eyrb.  6)> 
war  für  den  Gi>den.  Die  räumliche  Ausdehnung  war  verschieden.  Der 
Tempel  des  G'iden  ^l■.rg^^m  war  n.nch  der  Kjalne-singasaga  \20  Kuss  lang 
und  ()0  breit,  der  zu  Ljarsktigar  88  Fuss  lang  und  51  breit,  der  zu  Hrüls- 
stadir  60  Fuss  lang  imd  20  breit. 


Crunäriu  äfs  IVtapi-h  von  Ljdnkogar,  noch  den  Ausgratningett  i-un  Si^trJur  Vig/ünfn. 


Wahrend  in  den  andern  lindem  die  Tempel  wöhl  Oberwiegend  aus  IIolx, 
selten  aus  Stein  waren,  war  der  isländische  Tempel  aller  Walirschcinüclikcit 
nach  aus  Torf.  Um  da.s  Gebäude  herum  befand  sich  ein  Zaun,  der  garih 
(Lsl.  S.  n.  409)  (Xler  skiä^arär  (Fas.  II.  4(Vo),  der  verschlossen  werden  konnte 
und  ungefähr  die  Ht^he  eines  Mannes  hatte.  Was  den  Ausbau  de-s  Tempels 
betrifft,  so  miigcn  in  dt-r  Dach  Wölbung  der  norwegischen  Holzkirdien  (der 
stavh'rker)  und  in  der  Knit-verbindung  ihres  Gebillks  Überreste  alter  Tempcl- 
baukunst  noch  c-dstieren  (Diclrichson,  De  norske  Stavkirker  S.  163  ff.). 

Das  wichtigere  von  den  beiden  Gebäuden  Ist  das  Afhus.  In  ihm  befanden 
sich  vor  allem  die  Götterbilder,  die  früher  durchweg  aus  Holz  geschnitzt 
waren,   weshalb  sie   irtgod  (Fas.  II.  288J   oder  sJturägod  {Bisk.  S.  I.    10*) 


>  Die  Ding«  be<lllrrea  der   Bcncbti|:ung  ntchl;    ciie  nenstcn   Ausgrnbungen  lubcn  ile 
Bttr  bestiUigt,  und  KAluniJ  hat  ia  den  Aürb.  gär  nidit  di«  Absicht  gdubt,    lic  zu  wider- 


398  XL  Mythologie. 


hiessen.  Doch  emälincii  die  nordischen  Qudlen  auch  Gütterbiider  aus  Silber 
und  Gold.  Ditselben  befamlen  sich  auf  einer  Erhöhung,  dein  slallr  oder  slalii. 
In  der  Regel  waren  es  mehrere.  Vor  allem  hflufig  werden  die  BÜdcr 
Freys  und  Thors  erwähnt,  Odins  Bild  treffen  wir  sehen.  Im  Tempel  zu 
Uppsala  befanden  sich  die  Bilder  von  Thor  mit  dem  BHlzhammer  in  der 
Hand,  von  Odin,  der  im  Waffenschnmck  prangte,  und  von  Frey,  den  als 
Spender  der  Fruchtburkeit  ein  grosser  Friapus  zierte  (Adam  vuii  Bremen 
IV.  26).  Hier  stand  trotz  Adams  Zeugnis,  das  Thor  für  den  obersten  GoU 
erklart,  sicher  Freyr  obenan  iFras.  II.  73 ff.). 

Zu  Mcerir,  tm  inneren  Dronthcimer  Bezirke,  befand  sich  aus  Gtild  und 
Silber  das  Bild  Thois  (Heimskr.  184).  Ein  anderes  Thorsbild,  ebenfalls  aus 
Gold  und  Silber,  dem  taglich  Wer  Brote  und  Fleisch  gebracht  wurden,  stand 
in  einem  Terapel  zu  Gudbrandsdal  (Heimskr.  343^).  In  demselben  Gud- 
brandsdal  stand  ein  anderer  Tempel,  wurin  sieh  Thor  auf  einem  Wagen 
befand;  daneben  standen  die  gVUtlich  verehrten  Wesen  Porgerdr  h9lgabr\idr 
und  Irpa;  alle  drei  hatten  raflchtige  Goldringe  an  iliren  Armen  (Njala  420). 
Freys  Bild  treffen  wir  in  einem  Tempel  in  Drontheim  (Fms-  X.  312),  auf 
Island  (DropL  S.  109)  u.  oft.  in  Anlehnung  an  das  Bild  des  Tempels 
schnitzte  man  dasselbe  in  die  HuclisiUpfeiler  des  häuslichen  Herdes,  auf  die 
Steven  des  Schiffes,  oder  trug  es,  wie  Hallfredr  gethan  haben  soll,  in  Miniatur- 
gestah  in  der  Tasche.  Wo  die  Nordgermanen  hinkamen,  überall  fiVhrten 
sie  die  Götterbilder  mit  sich.  Der  Araber  Ibn  Fadhlan,  der  sie  4>2[  an  der 
unteren  Wolga  traf,  berichtet  darüber:  «Subald  ihre  Schiffe  an  diesen  Anker- 
platz gelangt  sind,  gehl  jetler  von  ümeii  ans  Land,  hat  Brut,  Fleisch,  Zwiebeln, 
Milch  und  berauschend  Getränk  hei  .sich,  und  begiebt  sich  zu  einem  aufge- 
richteten hohen  HoUe,  das  wie  ein  men.schliches  Gesicht  hat  und  von  kleinen 
Statuen  umgeben  ist.  hinter  welchen  sich  noch  andere  hohi.'  Hölzer  aufge- 
richtet finden.  Er  tritt  zu  der  gri>s,sen  hölzernen  Figur,  wirft  sicli  vor  ihr 
zur  Erde  nieder  und  spricht;  »Mein  Herr,  ich  bin  aus  fernem  Lande  ge- 
kommen, führe  so  und  soviel  Mädchen  mit  mir  und  von  Zobeln  so  und  so- 
wel  Felle  u.  s.  w.»   (Thomsen,  Urspr.  des  niss.  Staate*  S.  30 f.). 

Der  Stallr,  auf  dem  diis  Bild  im  Tempel  stand,  war  eine  Art  Altar,  auf 
dem  zugleich  der  staUahiingr  lag,  bei  dem  alle  Eide  geschworen  wurden  und 
den  der  Priester  bei  Opferhandlungen  am  Arm  trug.  Auf  dem  Stallr  brannte 
zugleich  das  geweihte  Feuer  (Isl.  S.  1.  2.^8.  II.  403).  Hier  stand  femer  der 
Opferkessel  (hlauiboHi),  in  den  da.s  Blut  de*  geopferten  Tieres  gegossen  wurde, 
von  Haus  aus  nur  eine  Vertiefung  in  einem  Steine,  spater  ein  metallenes 
Gefass.  lu  diesem  lag  der  Opferzweig  fhiautteinn),  mit  dem  der  Priester  die 
Götterbilder  und  zuweilen  die  VV  finde  des  Tempels  besprengte.  Letztere 
waren  häufig  mit  Tüchern  behangen  (Isl.  S.  11.  404.  Dropl.  S.  109  f.). 

Das  Langhaus  war  eingerichtet  nach  Art  der  nordischen  Wohnhäuser. 
Es  wurde  vor  allem  zum  t>pferschmaus  benutzt.  In  der  Mitte  des  Golfes 
brannte  das  Langfeuer.  Zu  beiden  Seiten  dc.'ssclben  befanden  sich  die  Sitze  der 
Teilnehmer,  in  der  Mitte  fßr  den  Leiter  des  Opfers  der  Hochsitz  (^ndvtgi)  mit 
den  Hocbsitzsflulcn  (^ndvegissiUnr).  In  diese  war  ebenfalls  das  Götterbild 
eing^chnitzL  Eine  lange  Reihe  Nagel,  die  reginnaglar  (d.  h.  Nagelreihe, 
Bjüm  OEsen,  Gm  Runeme  S.   io  Aimi.),  zierte  sie. 

Der  Tempel  galt  allen  germanischen  Stammen  als  da-S  grösste  Heiligtum. 
Er  gab  Schutz»  aber  er  galt  auch  für  unverletzlich.  Waffenlos  betrat  man 
ilm  (Fs.  29.  Egils.  S.  qg).  Wer  das  Heiligtum  verletzte,  den  traf  die  härteste 
Strafe:  nach  friesischem  Rechte  wurde  er  entmannt  und  den  Göttern  geoj)fert, 


nach  nordischem  u-urd«  er  fOr  friedlos  erklärt  und  aus  dem  Tempelbezirke 
verbannt  (vgl.  v.  Rfclithufcti,  Zur  lex  Sax.  lS6). 

§  69.  Die  Priester.  Einen  Priesiersland,  der  eine  aligcschiosscne 
Kaste  bildete,  kannten  die  Germanen  nicht  Wie  das  Opfer  des  Gau- 
vcrbandcs  aus  dem  prakliüchcii  Leben  hcrvorgegaiigcti  und  von  Haus  aus 
an  die  r)ing\-eniammlung  geknüpft  war,  so  hat  auch  das  germanisfhe  Priester- 
tum  im  praktischen  Leben  und  in  der  Rci'Iilspflege  seine  Wurzel.  Der 
altgermanische  Priester  ist  von  Haus  aus  ein  Beamter,  der  göttliche  Waher 
des  Dinges,  und  hat  als  solcher  bei  Krüffaung  des  Dinges  die  Opferhandäung 
vofxunchmen,  die  Dtngvcrhandlung  zu  leiten  (Germ,  c  la  21.  7)  und  die 
Strafe  zu  vollziehen.  Er  steht  neben  dem  Häuptling  (dux)  oder  König  und 
scheinl  gewissernia.ssen  dessen  gütllidier  und  geistiger  Beistand,  ja  dessen 
Stellvertreter,  weshalb  er  auch  wie  der  König  selbst  obnaxius  dischmmibui 
nuUts  (Ammian.  Marceil.  XXVIII.  5.  ^  14)  ist.  Vcim  Verhältnis  des  Prieslers 
zum  HHupiting  berichtet  der  Araber  Ibn  Dustali  (um  912),  dass  mandicr 
der  Priester  dem  KUrsten  gebiete  und  das-s  letzterer  unbedingt  Folge  leisten 
mDsse,  wenn  der  Priester  Weiber,  Ma.nner  udet  Pferde  für  ihren  Gott  zum  Opfer 
fordere  (Thomsen,  Urepr.  d.  russ.  Staates  S.  2^).  Von  der  .sa(  rifiralcn  .Seite  seiner 
Thätigkeit  führt  er  im  guC.  dun  Namen  gudjn,  bei  den  Skandinaviern  kufti  (auf 
Runensteinen),  guäi  oder  ^W/  oder  ho/godi.  einen  Namen,  der  sprachlidi  mit  goä 
»Gottheit«  verwandt  ist  und  der  sich  in  ahd.  GIos.^en  als  coiing  iiribunus« 
ebenfalls  findet  Seiner  Slellunf,'  nach  ist  er  aber  aller  Wahn>cheiulichkeit 
nadi  schon  hier  nicht  nur  der  Leiter  des  Opfers,  scmdcm  auch  der  Hüter 
des  Gesetzes  gewe-seii,  wa.-^  der  islundisdie  gudi  unstreitig  von  Haus  aus  war, 
der  mit  der  gcisilichen  Gewalt  und  geistigen  Herrschaft  bald  auch  noch  die 
vrchlichc  Macht  vereinte  (K.  Maurer,  ZfdPhil.  IV.  1:25  ff.). 

In  den  westgermanischen  Bezeichnungen  für  den  IMester  tri»  denn  auch 
in  erster  Linie  seine  gesetzgebende  und  gcsctzsdiinnende  Tliütigkeit  hervor. 
Hier  heisst  er  entweder  Geseizsdiirmer  (ahd.  hcart,  iwarto)  n<ler  Gesetz- 
Sprecher  (ahd.  esago.  as.  eosago,  altfries.  äsfjpi).  Die  Thatigkeit  des  alt- 
germanisdien  Priesters  war  also  eine  doppelte:  er  musste  auf  der  einen  Sdte 
opfern  und  das  Orakel  befragen,  er  mauste  aber  auch  des  Gesetzes  walten 
und  die  Strafen  erteilen.  Wir  können  schon  bei  Tadtus  diese  zwidache 
ThStigkdt  klar  erkennen.  Sobahl  die  Volksversammlung  zu.«unmengctrcten 
ist  ist  publice  comulteiur  Germ.  10),  vollbringt  der  Priester  das  C>pfer  und 
fragt  das  Los,  ob  es  den  Güttcru  gefalle,  dass  über  dies  oder  jenes  berat- 
schlagt werde  (a.  a.  O.).  Ist  dassdbe  bejahend  gefallen,  so  erheischt  er 
Sdiweigen  {sifeniium  impcnittir,  ein  Ausdruck,  der  ganz  dem  nordischen  hl/6äs 
bidja  entspricht!,  und  die  Rechts  Verhandlung  l>eginnt  Kr  ist  cjs  dann  auch, 
der  die  Strafen  verhängt  und  zwur  straft  er  nicht  auf  des  H^iuptlings,  sondern 
auf  der  Gottheit  Befehl  (Genn.  7).  Neben  ihm  führte,  wenigstens  nach  norwe- 
gischen-islandischen  Quellen,  der  Kt'inig  i>der  dessen  weltlicher  Stellvertreter, 
der  Hcrae  oder  Jarl,  den  Vorsitz  beim  Opfersthmaus.  Er  musste  zugleich 
das  erste  Hom  zum  Preise  der  Gottheil  leeren  (Fms.  I.  35.  I.  131),  ja  öfter 
ist  hier  der  wdüidie  Fürst  zugldth  Opfcr^wicsler  (H.  Peterseix,  Om  Gudedyrk. 
1  ff-,  Maurer,  Bekehr.  II,  214)-  Als  die  Norweger  aber  auf  Island  einen  freien 
republikanischen  Staat  geschaffen  hatten,  da  wuclis  der  Priester  audi  zum 
wclüichcn  Oberhaupte,  dem  sdnc  Thingicutc  geft*issennasen  untergeben  waren; 
der  Gcjde  erscheint  als  ihr  h^fdtngi  (Häuptling),  fyrirmaär,  yfi^tttär.  Diese 
Gewalt  wurde  rediüidi  sanktioniert,  als  l'ordr  gL-llir  den  Antrag  auf  die 
Thingeintdlung  der  Insel  .stelltf.  Nach  dieser  zerfiel  die  ganze  Insel  in  39 
Tliingbezirke,  deren  jeder  ducn  Tempel,   ein  h^nitkof.    haben  musste.     An 


der  Spiize  des  Bezirks  stand  der  Gode,  sein  AnU  Iiiess  godorit  <.>dcr  forrait 
(MuufLT,  Island  ^^).  Wie  schon  früher  erwähnt,  lag  iliiu  die  Pflicht  ob,  fQr 
den  Tempel  zu  a(irg:i'n.  Unterslütxt  w-urdp  er  dabei  von  seinen  Thingleuien, 
die  den  Tempelzoll,  den  ho/toll,  zu  entrichten  liatten.  Überhaupt  war  das 
Codenamt  erblich,  wie  jeder  andere  Besitz,  da  es  meist  in  der  Grösse  des  Besitzes 
seine  Wurzel  hat,  denn  nur  vermogt-ndc  Leute  konnten  auf  ihre  K'j>tcii 
einen  Temiiei  erriditen  und  dadurch  Tliinjjleute  «ewinnen.  In  der  Regel 
ging  es  v<im  Vater  auf  den  ältesten  Sohn  Über  (Drup!.  S,  f>'*  -^  Sturl.  I.  4*), 
allein  es  konnten  auch  zwei  Brüder  zusammen  haben  (Hrafnk.  S.  7*.  31*), 
Ja  es  war  sogar  verkauflich  (Drapl.  S.  6 ').  So  war  aus  dem  alten  Priester- 
tum  eine  rein  weltliche  Macht,  ein  weltlicher  Besitz  geworden. 

Neben  Priestern  fintlen  wir  in  den  ältesten  Quellen  und  in  den  späteren 
nordischen  Sagas  üfter  Priesterinnen  er\\':ihnt.  Sie  heissen  in  letzteren 
gyifjuro^fit  bofffi'äjur;  das  Wort  ist  ein  regelrechtes  Femininum  zu  godi  (Maurer, 
Island  44  Anm.  1).  Die  Frauen  haben  stets  in  germanischer  Voiksauffassung 
etwas  Heiliges  gehabt,  ihnen  war  besonders  die  Gabe  der  Weissa^xmg  eigen. 
Dagegen  haben  sie  sich  nie  ni  Rechtsangetegenhcilcn  mischen  dürfen.  Wo 
ae  auftreten,  können  sie  daher  nur  f'jpfer-  und  Wei>sage]i riesterinnen  gewesen 
sein,  nie  aber  geseusprcchende.  Wenn  sie  dennoch  auch  auf  die  welllichen 
Angelegen hchen  von  Einfluss  gewesen  sind,  wie  die  Veleda  aus  dem  Bruk- 
tererstamme,  so  sind  sie  es  nur  in  jener  Thatigkeit  gewesen,  indem  die  Gott- 
heit durch  sie  Vi>rschrieb,  was  zu  thun  und  was  zu  lassen  sd.  —  Die  bekann- 
tste altgemianische  Priesterin  war  Veleda,  deren  sich  der  Bataver  Civilis  bei 
seinem  Aufst^tnde  gegen  die  Reimer  bediente,  eine  angeschene  Jungfrau, 
weil  sie  den  Germruien  Glück  verheissen  hatte  (Histor.  IV.  <.>i^,  die  auf  hohem 
Turme  den  Willen  der  Gottheit  offenbarte  (ebd.  IV.  05),  spater  aber  ge-_ 
fangen  und  unter  Kaiser  Vespasian  in  feierlichem  Triumphe  nach  Rom 
bracht  wurde  (Germ.  8}.  Von  weissagenden  Frauen,  die  aus  dem  Blul  im 
Opferkessel  die  Zukunft  pniphczeitcn,  weiss  femer  Strabo  (VII.  z\  z\x  be- 
richten, und  zwar  an  einer  Stelle,  wo  er  von  den  Cimbem  erzahlt.  In 
Upiwala  war  Freys  Priestei  eine  Jungfrau,  die  Dim  zu  Diensten  stand  tmd 
sein  Bild  durch  die  Lande  führte  (Fnis,  II.  75  ff.).  Der  sich  in  den  Sagas 
oft  wiederhcilcndc  Beiname  g>"dja  zeigt,  wie  verbreitet  im  Xorden  die  weib- 
lichen Priesterinnen  gewe-sen  sind.  Nach  dem  spaten  Berichte  der  SnE.  (IL 
260;  I.  ^2)  Mllen  die  Gt^tter  selbst  den  h^»rg  für  die  Pricsierinnen  errichtet 
haben:  Annan  sai geräti  pdr,  er  h\^r}^  var  i,  er  ^■ifjur  ältri. 

§  90,  Weissagung.  In  dem  Hatiptkapitel  über  altgermanische  Offcn- 
bamiig  des  Götierwilk-ns  unterscheidet  Tacitus  (Germ,  c,  loi  zwei  Hauptarten 
der  Divinatio:  scr/cs  und  mispiria,  Los  und  Weissagung;  beide  slandcn  bei 
unseren  Vorfahren  in  hohem  Ansehen.  Gemeinsam  ist  ihnen,  dass  man 
durch  sie  das  A^^rbaben  und  den  Willen  der  Gottheit  erfahrt,  der  Unter- 
schied liegt  darin,  dass  man  beim  Lose  die  Gottheit  nach  ihrem  "Willen 
fragt,  wahrend  sie  ihn  durch  das  .Auspirium  selbst  offenbart,  man  erfahrt 
ihn  durch  genaue  lle*;ibaohumg  gewisser  Dinge  oder  HaiHllungen.  Beides» 
Los  und  Weissagung,  befand  si<i]  in  den  Hacidcn  des  Priesters  oder  der  Prie- 
sterin, wenn  es  galt,  über  Angelegenheiten,  die  den  ganzen  Gau  oder  Staat 
angingen,  den  Rat  der  Gottheil  zu  erforsdien.  Verbunden  waren  in  diesem 
Falle  wohl  immer  Los  und  Weissagimg  mit  dem  Opfer,  wofür  sclion  da» 
altn.  Wort  hlatd  •Opfer-'  spricht,  welches  dasselbe  Wort  ist,  wie  uns 
Los.  Auch  der  Ausdruck  btöispän  ftUa  für  »opfern«  dürfte  diese  Annatmie 
stützen. 

Das  Losen  ging  auf  folgende  Weise  vor  sich:  Man  nahm  die  Rute  eines 


Fuism.    WEiss&GUNa 


401 


I 
I 


^ 


fruchttragenden  Baumes  (arloris  frugiferae  Genn.  10)  und  schnitt  diese  in 
eine  Anzahl  Weiner  Stücke.  Ein  soklies  hiess  jiot.  tains,  ags.  tön.  all».  Uinn, 
ahd.  sein.  Daneben  erscheint  dafür  im  ahn.  der  Ausdruck  blötspätin  «Opfer- 
span«  (Kritzner,  Ordb.  *  I.  tto).  In  diese  Siabclien  wurden  besiimnite  Zei- 
chen cingcschiiitzL  Diese  scheinen  zicmlicJi  einfacher  Natur  gewesen  zu 
sein,  hatten  aber  beslimmtf  Be<lcutung.  Unter  dem  Gemurmel  von  Zauber- 
liedem  pflegt  sie  der  Priester  auf^cuheben,  wenn  es  galt  in  Staatsangelegen- 
heiten die  Gottheit  zu  frapen  (Genn.  c.  10;  v^l.  Ammianu.^  Marcellinus 
XXXI.  2.  §  24:  futura  mim  praangiunl  modo,  nam  ttctions  virgas  vimintas 
eoBigrnles,  etw/ut  imaniametttis  tjuthusdam  stcrtlis  praestiltifo  Irmport  disctmentes, 
aperie  quid  porlenäatur  norutti).  Man  nimmt  an,  <la4s  dies  Zeichen  gewesen 
seien,  die  z.  T.  in  das  spätere  Runenfulhark  übcrgegHiigeti  seien  (R.  M. 
Meyer,  PBB.  XXI.  162  ff.).  Das  ist  schon  deshalb  wenig  Ä-ahrscheinüch, 
WC0  Mch  vor  dem  3.  Jahrh.  n.  Chr.  kein  Fund  nachweisen  ISsst,  der  den 
Schriftnmen  ähnliche  Zeichen  enthalt,  und  Wiramers  Ansicht  (Die  Runcn- 
scluift  S.  176  ff.),  dass  diese  dem  lateinischen  Alphabete  nachgebildet  seien, 
muss  m.  E.  zu  rechte  bestehen.  Wohl  aber  mügcn  in  einer  späteren  Zeit  die  von 
den  Römern  herübergenommenen  Zeichen  bei  Los  und  Weissagung  verwendet 
worden  sein,  wofür  sowohl  die  Namen  sprechen,  die  man  Urnen  gegeben, 
als  auch  che  dguntftniüchi;  Reüicnfolgt:  des  dreifach  gegliederten  Futhark.  — 
Bei  Staatsangcl^pnheiten  erfolgte  die  Aufliebung  der  Stäbchen  unter  be- 
stimmteu  Ccremonien:  sie  wurden  auf  ein  weisses  Tuch  geworfen  und  zuge- 
deckt; erst  dann  nahm  der  Priester  dreimal  je  ein  Stabchen  auf  (Germ.  c. 
10.  Bell.  galL  I.  c.  53).  Die  Antwort  der  Gottheil  durch  das  Los  war  wohl 
nur  »ja«  oder  »ndn«  (Germ.  10.  Bell.  gall.  I.  c.  53),  wofür  schon  der  Um- 
stand spricht,  dass  jeder  Familienvater  das  Losen  vornehmen  kormie  und 
dass  selbst  dem  K^mer  die  Art  des  Ix>5ens  einfach  ßimple.v)  erschien. 
Hatte  die  Gottheit  mit  »nein«  geantwortet,  so  sah  nian  von  einem  Unter- 
nehmen ftlr  diesen  Tag  ah  {Bell.  gall.  I.  50.  53.  Ann.  Xant.  Mon.  Gerat. 
Script  II.  228).  Auf  ganz  ähnliche  Weise  kennen  auch  die  nordischen 
Quellen  den  Vorgang,  wenn  es  galt,  den  Willen  der  Gottheit  zu  erfaliren. 
Hier  ist  der  Ausdnick  dafür //v?/  »das  Erfragen«,  und  sich  zu  dieser  Hand- 
hmg  aufmachen  heissl  ganga  til  /r/ltar.  Von  besonderem  Interesse  Über 
Hergang  beim  Losen  ist  ein  Bericht  ül>er  das  Losen  bei  den  Finnen,  die  es 
den  Nordßerm;incn  nachgemacht  haben.  Diesen  verdanken  wir  Lencquist 
(De  superstit.  vctenim  Fcnnorum  >.  Qt  f.  1:  Kv  asmiis  ligneis  cullro  elaboratis 
tonficiebant  pinnnlas  plura,  »juibta  insculpfMant  stngnlis  suum  signum  vel  eha* 
racterem  pccuHarem  ;  dtinde  muüitabant  canrten  consiutum  ;  quo  finita  ex  rigfto 
gtiod  tum  retimpubaluT  in  manu  confcctal/ani,  uirum  /c/ix  futura  esset  venaiio, 
auf  piscatura,  ubi  reprriendum  foret  mumal  deperdilum  etc. 

Ausser  im  reUgiüsen  Kulte  spielt  das  Los  im  altgermanischen  Rechts- 
lebea  eine  Hauptrolle.  Allein  beidos  greift  unmittelbar  in  einander  ein.  Hier 
wurde  das  Los  gewissemiassen  als  Gottesurteil  benutzt,  es  sollte  über  die 
SchuJd  oder  Unschuld  eines  Angeklagten  oder  über  den  rechtlichen  Besitz 
entscheiden.  Ein  klares  Bild  von  solcher  Art  des  Losens,  wenn  auch  aus 
christlicher  Zeit  suinmiend,  giebt  uns  die  lex  Frisinnura  (TiL  14).  Hier  heisst  es: 
Soll  unter  sieben  Personen,  die  des  Mordes  beschuldigt  sind,  die  schuldige 
gefimden  werden,  so  werden  zimSchst  z«ci  Lose  geworfen,  das  eine  mit  einem 
Kreuze,  das  andere  ohne  Zeichen.  Der  IViester  nimmt  alsdann  eines  der 
Lose  weg.  Ist  es  das  ohne  Kreuz,  so  ist  der  Schuldige  unter  den  sieben. 
Alsdann  werden  7  neue  Lose  (ienot)  geschnitten,  und  jeder  Beschuldigte  ritzt 
in  ein  solches  Stabclien  sein  Zeichen  (suum  signumj.  Darauf  weiden  alle  verdeckt 

CennMnl»clw  Phllotocie  UL    2.  Aufl.  36 


r 


Ein    unschuldiger    Knabe   nimmt    nun  6  Lose  iiachcimmdcr  weg;   dasjenige, 
welches  daiin  noch  zurückbleibt,  bezeichnet  den  Schuldigen. 

Allein  nicht  nur  ober  Schuld  und  Unschuld,  auch  aber  Mein  und  Ddn 
entschied  das  Lijs.  Es  u-urdcn  bei  solchen  Rechtsfüllcn  die  Lose  der  bei- 
den beteiligten  Personen  i:idpr  Parteien  mit  dem  Zeichen  derselben  versehen 
und  verhüllt,  und  dann  wurde  ein  Los  gezogen.  Wessen  X^os  hcrau^cnom- 
men  ^•ar,  dem  wninle  das  Besitztum  zuerkannt*. 

Wahrend  da.s  Losen  hauptsächlich  im  RechlS'  und  Staatsleben  eine  Rolle 
spielt  und  deshalb  vor  allem  Sache  des  Priesters  oder  des  Priesters  der  Familie^ 
des  Haus\'aters,  ist,  greifen  die  ■»auspicia<  in  alle  Verhältnisse  des  Lebens 
ein  und  werden  mehr  oder  weniger  von  allen  Personen  geübt.  Nur  in 
öffentlichen  .Angelegenheiten  erheben  auch  hier  Priester  (Germ.  lo)  oder 
Priesterinnen  (Bell.  gall.  I.  50.  Strabo.  VII.  2)  ihre  Stimme.  Geweissagt 
wurde  aus  mannigfachen  Dingen  und  Erscheinungen:  aus  der  Stimme  oder 
aus  tleni  Fluge  der  Vögd  {Germ.  10.  Ind.  siipcrst.  Nr.  13.  Fagrsk.  40. 
ZfdPhil.  XVI.  18Ö.  191),  aus  dem  Sclmaubcn  und  Wieheni  der  Rt>s.se  (Genn. 
a.  a.  O.),  —  daher  züchteten  die  Drontheiraer  dem  Frey  heilige  Rosse  (Ftb. 
I.  401),  —  aus  den  Winden,  den  Gestirnen,  besonders  aber  aus  den  Traumen 
(Maurer,    Bekehr.  IT.  409;  Henzen,  Über  die  Träume  im  Altnord.)'. 

Die  ßcf.ibachtung  eines  Dinges  oder  einer  Erscheinung  wurde  in  erstet  Linie 
vorgi^nonmien,  wenn  es  galt,  den  Willen  der  Gottheit  zu  erfahren,  zu  erkennen, 
ob  ein  Unternehmen  einen  glücklichen  Ausgimg  haben  würde,  nb  man  etwas 
tbtm  oder  lassen  sollte.  Allein  wir  finden  diese  Beobachtung  auch,  weim  es 
galt,  allgemein  die  Zukunft  crder  das  Schicksal  eines  einzelnen  Menschen 
vorauszu bestimmen.  In  beiden  Füllen  kann  die  Offcnbiming  entweder  eine 
erbetene  oder  ehic  zufällige  sein,  d.  h.  entweder  man  beobachtete,  nachdem 
man  das  höhere  Wesen  angerufen  oder  gerufen  hatte,  gewisse  Gegenst^de 
oder  Ersclieinungen  und  las  aus  ihnen  den  Willen  der  Gottheit  ab,  oder 
man  achtete  auf  gewisse  Wesen  oder  Erscheinungen  und  deutele  diese  ab 
glück-  oder  unglückbringend.  Zu  jener  Beobachtung  eigneten  sich  nicht  alle, 
sondern  hauptsachlich  nur  Priester  und  gewisse  Frauen;  diese  Dinge  verstand 
jeder  Mensch  auszulegen,  und  deshalb  ist  gerade  diese  Art  der  Pruphetie  so 
verbreitet  und  hat  sich  bis  heute  im  Volksglauben  erhalten.  Dort  r^ähert 
sich  der  Mensch  dem  höheren  Wesen  und  sucht  von  diesem  durcli  symbo- 
lische Handlungen,  den  Zauber,  die  Offenbarung  der  Zukunft  zu  erlangen, 
hier  nähert  sich  das  höhere  Wesen  freiwillig  dem  Menschen,  warnt  ihn, 
muntert  ilin  auf,  weist  ihn  auf  das  Bevorstehende  hin.  Wie  bei  fast  allen 
Naturvölkern,  .so  .scheint  auch  bd  den  Germanen  die  Wurzel  der  Wel'wagung 
im  Seelenglauben  zu  liegen  (vgl.  u.  a.  Rhode,  Psyche  S.  383  f.).  Wie  die 
Seele  frei  im  Lufträume  oder  in  Bergen,  Gewässern,  der  Erde  als  persönliches 
Wesen  fortlebt,  das  den  Menschen  so  oft,  besonders  im  Traume  erscheint, 
das  alle  möglichen  Gestalten  anzunehmen  vermag,  das  bald  Glück,  bald  Un- 
glück bringt,  so  schaut  sie  auch  in  die  Zukunft.  »Weit  habe  Ich  die  Geister 
umhergetrieben  «r,  ruft  die  alte  tördis,  als  sie  einst  aus  schwerem  Traume 
er\^'acht,  »und  nun  habe  ich  viele  Dinge  erfahren,  die  mir  bisher  unbekannt 
waren«  (Föstbr.  S.  S.  06).  Noch  heute  heisst  es  im  islandischen  Volks- 
glauben, dass  man  einen  Geist  (sagnarandij  zu  gewinnen  suchen  müsse,  wenn 
man  über  verborgene  Dinge  Aufschluss  haben  will  (Maurer,  Isl.  Volkss.  S.  Q4). 
Hieraus  erklärt  sich  die  alte  Pruphetie  an  den  Gräbcni  Verstorbener  (Ind. 
superat.  Nr.  2),  die  sich  bis  heute  erhalten  hat  (Wuttke  §  741.  771  ff.),  die 
sidi  in  Deutschland  ebenso  findet  wie  im  skandinavLsdien  Norden  (vgL 
V<^.  4.  Hyndl.   i.  Grog.   i).     Hieraus  erkliirt  es  sich,    dass  namentlich  dort 


I 


Weissagung. 


403 


gewetssagt  wirtJ,  »-o  die  Geister  ihren  Sitz  haben:  an  Bergen,  Quellen,  FIftssen, 
Kretuwcgcn,  Begräbiusorten,  am  häuslichen  Herde  UDd  an  der  Sdiwdle 
(Wuttkc  §  i/Of.).  Hieraus  erklärt  sich  der  weitverbreitete  und  schon  in 
Ältester  Zeit  ganz  bekannte  Glaube,  dass  gewisse  Menschen  die  Sprache  der 
Vögel  oder  anderer  Tiere  verstehen,  hieraus  auch,  dass  die  Weissagung 
zu  bestimmten  Zeiten  mehr  als  zu  anderen  geübt  wurde  —  und  das 
waren  die  Zeiten,  wo  die  grossen  Seelenfesle  stattzufinden  pfl^en,  vor  ^lem 
die  Zeit  des  grossen  winterlichen  Totenfestes.  Keine  Zeit  ist  für  die  Offen- 
barung der  Zukunft  geeigneter  aU  die  ZwflUnachtc.  Erst  im  Laufe  der 
Zeil,  wenn  auch  sclion  lange  vor  unseren  Itltesten  Quellen,  war  vom  Seelen- 
glauben auf  die  Gottheiten  die  Eigenschaft  übertragen  worden,  dass  sie  dem 
Menschen  die  Zukunft  üffenbarten. 

Auf  welche  Weise  die  Erforschung  der  Zukunft  auf  Befragen  hin  vor  sich 
g^angcn  ist,  darüber  erfalucn  wir  aus  deutschen  Quellen,  die  im  Hciden- 
tame  wurzeln,  nichts.  Dagegen  belehren  uns  wieder  nordische  Berichte  aus 
den  letzten  Jahrhunderten  des  Heidentum.s  eingehend  darüber,  wenn  auch 
naclidrückticlist  betont  werden  muss,  dass  wir  es  auch  hier  zunjlctist  nur  mit 
norwegisch -isländischen)  Brauche  zu  thun  haben.  Damach  besassen  —  und 
das  ist  gemeingennanisch  —  st'wohl  Männer  als  Frauen  die  Gabe  der  Weis- 
s:igung,  nach  der  jene  spdmenn,  diese  späionur  hiessen.  Besonders  h<lufig  «-arcn 
letztere,  die  mit  der  Gabe  der  Weissagung  zugleich  den  Zauber  verbanden 
oder  vielmehr  diesen  benutzten,  um  durch  ihn  die  zukunftköndcnden  Geister 
willf.1hrig  zu  machen.  Durch  allerlei  symbolische  Handlungen  verstanden  sie  sidi 
den  Sclicin  besonders  von  der  GotUicit  begnadeter  Wesen  zu  geben.  Zu  ihren 
Zauberu'erkzeugen  gehörte  vor  allem  der  Stab,  wonach  sie  V^lvur.  d.  h.  Stab- 
tragerinnen, hiessen  (Fritzner,  Norsk  Hisl.  Tidsskr.  IV.  1(19;  DAK.  V.  42).  Diese 
Völven  zeigen  zur  Zeit  der  grü3scnO])tersdnnaiisc,  zur  Julzcit,  von  Gehöft  zu  Ge- 
höft und  wurden  überall  feierlichst  aufgenommen.  In  ihrem  Gefolge  befand  sich 
eine  Anzahl  Knaben  und  Mädchen — je  15  werden  einmal  erwähnt — ,  die 
die  Aufgabe  hatten,  die  Geister  { gandir  ^  ga-andir  vgl.  Bu^e,  Aarb.  1895, 
130  ff.),  die  die  Zukunft  übermitteln,  durch  Lieder  herbeizulocken.  Die 
_Völven  waren  bekleidet  mit  einem  dunkelblauen,  durch  Riemen  zusammen- 
Bbundenen  Mantel,  der  von  oben  her  bis  zum  Schosse  mit  Steinen  besetzt 
ir.  Um  den  HaU  trugen  sie  eine  Kette  aiLs  Glasperlen.  In  der  Hand 
hatten  sie  einen  Stab,  an  dem  sich  ein  Messingknopf  befand.  Am  Gürtet 
trugen  sie  einen  Ledcrbeutel  mit  dem  Zauberzeug  (t(fr).  —  Nach  ehrfurchts- 
voller B^;rflssung  von  Seiten  aller  Anwesenden  erhielt  die  V9lva  ihr  Mahl; 
«8  bestand  aus  dem  Herzen  der  geschlachteten  Tiere  und  aus  Grütze,  die 
mit  Gossinilch  zubereitet  war.  Nach  Tische  begann  die  Wcissagimg.  Die 
Vplva  setzte  sich  /urächst  auf  den  Zaubcrsessel,  den  ieidhjnü.  Alsdann  musste 
ihr  Gefolge  durch  Lieder  (fntiti  oder  rardlokkur)  die  Geister  herbeilocken. 
Nur  wenn  diese  erschienen,  konnte  die  Weissagung  vor  sich  gehen.  Waren 
sie  da,  so  begann  die  Prophezeiung.  Die  Geister  waren  es,  die  die  Zukunft 
offenbarten:  das  war  die  spä  ganda  (Vsp.  2g).  Die  Kun.>tt  der  V9lva  bestand 
darin,  dass  sie  die  Worte  der  Geister  verstand,  die  sie  dann  den  Menschen 
mitteilte  (Anliq.  Amcric  I.  [04f.  prv.  Odds.  10  ff.  Fs.  19.  Fas.  L  10.  Föstbr. 
S.  96.  vg^.  dazu  Kritzncr  a.  a.  O.   164  ff.). 

Wie  sich  diese  Art  der  \\'cissagung  bis  heute  in  allen  möglichen  ver- 
blasstcn  Formen  erhalten  hat  (Wuttke  §  260  ff.),  so  ist  dies  noch  mehr  der 
Fall  bei  der  Beobachtung  eines  höheren  Willens  in  dem  zufälligen  Erscheinen 
gewisser  Dinge  oder  Personen  oder  in  dem  Eintreten  bestimmter  Ereignisse. 
Seit  ältester  Zeit  achtete  man  darauf,  wer  einem  beim  Beginne  eines  Unter- 


nehmens  zuerst  begt^ete,  wie  das  Feuer  des  Herdes  brannte,  was  man 
bestimmten  Tilgen  geträumt  hatte,  an  welchem  Tage  man  ein  Werk  begann,' 
wie  der  Mond  stand  u.  dergl.  Diese  Art  der  Beobachtung  eines  höheren 
Willens,  die  aJlen  Völkern  eigen  ist,  lässt  sich  auch  bei  uns  von  den  frühesten 
Zeiten  bis  zur  Gegenwart  verfolgen.  Die  ältesten  Dekrete  und  Homilien 
eifern  dagegen  (Homil.  de  sacril.  §  iiff.;  Ind.  sup.  Nr.  XVII.  u.  oft).  Im 
Mittelalter  spielt  der  ane^ng,  widergang,  d.  h.  die  Beoharhlung  des  Dinges, 
das  beim  Beginne  eines  Unternehmens  dem  Menschen  zuerst  begegnet» 
eine  bedeutende  Rolle  (Mhd.  Wtb.  I.  475.  Myth.  II.  g.^7).  und  noch  heute 
weiss  fast  jeder  aas  dem  Volke,  dass  das  eine  Tier  dem  Menschen  Glück, 
das  andere  Unglück,  der  eine  Mensch  Heil,  der  andere  Unheil  bringt,  wenn 
er  ihm  zuerst  bei  seinem  .\usgange  begegnet  {Wuttke  §  268  ff.),  dass  ein  Ko- 
met Krieg  oder  Krauklieit,  eine  Sternschnuppe  Reichtum  verheissl  (ebd.  Jooff.). 
Unzählig  fast  sind  diese  Omina,  sie  alle  wurzeln  tief  im  Heidentum  und  sind 
älter  als  manches  andere,  was  vnx  aus  den  ältesten  Quellen  erfahren. 

§  91.  Zauber.  Aufs  engste  mit  der  Weiss;^ng  ist  der  Zauber  verknüpft 
Er  ist  der  formale  Weg,  auf  dem  man  scheinbar  riie  Geister  zwingt,  die  Zu- 
kunft zu  offenbaren  und  dem  Menschen  zu  Diensten  zu  sein.  Daher  sind 
vor  allem  die  Personen,  die  die  Macht  der  Prophetie  besitzen,  zugleich  Zau- 
berer. Zauber  und  Weissagung  s'md  auch  gemeinsam  im  Besitz  fast  aller 
Völker  und  stammen  aus  den  ältesten  Zeiten  der  Kulturanfänge  der  Mensch- 
heit. Sie  sind  entstanden  in  einer  Zeit,  wo  der  Name  eines  Gegenstandes, 
eines  höheren  Wesens  mit  diesem  selbst  gleich  gestellt  wurde.  Durch  das 
Aussprechen  des  Naancns,  glaubte  man,  trete  man  mit  dem  höheren  Wesen 
in  j>ersönlichen  Verkehr  und  erhalte  von  ihm  die  Macht,  die  dieses  selbst 
besass.  Im  Besitze  dieser  höheren  Macht  vermochte  man  aber  der  Natur, 
den  Dingen,  den  Tieren,  seinen  Mitmenschen,  sich  selbst  entweder  Vorteil 
oder  Nachteil  zu  bringen  (Tylor,  Forschungen  Über  die  Urgeschichte  der 
Menschheit  136  ff.). 

Ganz  dieselben  Grundformen  des  Zaubers,  die  Tylor  an  der  Hand  der 
Religionen  wilder  Völker  aufgestellt  hat,  lassen  sich  auch  als  die  Wm-zel  des 
Zaubers  bei  unseren  Vorfahren  wiederfinden.  Geknüpft  war  der  Zauber  bei 
diesen  Dingen  an  das  geheime,  wimderkraftige  Zeichen  und  an  das  Zauber- 
lied. Jenes  magische  Zeichen  war  in  spaterer  Zeil  die  Runa  (ags.  altn.  rti«), 
die  bald  Glück,  bald  Unglück  brachte,  die  gegen  alle  Widerwilrtigkeiten  des 
Lebens  schirmte  und  feite.  Seine  Kraft  erhielt  aber  das  an  imd  für  sich 
lote  Zeichen  durch  das  Zauberlied  (altn.  ^Idr,  ags.  gealdor,  ahd.  gaälar; 
andere  Bezeichnungen  hierfür  sind  ahd.  spgll,  altn.  spjall,  vgl.  E.  Schröder, 
ZfdA.  XXXVII.  24iff.j  Ijod,  wahrscheinlicli  von  Haus  aus  auch  riitiü ;  vgl. 
Egilss.  Sagabibl.  III.  S,  125,  wo  nin  und  jyJ^jjjÄ' identisch  sind;  Uliland,  Sdiriften 
VI.  225  ff. ;  Einn.  ru«o  =  »Zauberlied«,  Comparetti»  Kalewata  240  ff.).  Durch- 
aus das  Richtige  trifft  daher  Snorri,  wenn  er  in  der  YngCingasaga  nach  jungem 
MnhuÄ  berichtet,  das  Odinn  die  Zauberkünste  gelehrt  hätte  »meä  ninum  ek 
Ißäum  f^im  er  galdtar  heiia"  (Heimskr.  S ").  Trefflich  weiss  der  Runen- 
mcifitcr  der  Hävainäl  (V.  146  ff.),  wie  die  geheimen  Zeichen  geritzt  werden 
und  wie  die  I-ieder  heissen,  die  Heilung  bringen.  Feinde  fesseln,  Waffen  un- 
schädlich machen,  Feuer  unterdrücken,  W'Ind  und  Wogen  stillen.  Tote  be- 
schwören. Madchen  geneigt  machen  u.  dgl.  Leider  sagt  er  uns  nur,  dass 
er  das  alles  kaim,  aber  nicht,  ^^le  er  es  bewerkstelligt.  Ganz  ähnlich  lehrt 
die  Sigrdrifa  den  Sigurd,  der  sie  erv-'ockt  hat,  die  Runen,  die  ihm  Sic^  bringen, 
die  ihn  gegen  Gift  feien,  die  ihn  gegen  Sturm  schirmen,  die  Wunden  heilen, 
die  '"^xKi  Rechtskunde  und  Klugheit  bringen,  und  andere  (Sgrdr.  6  ff.).  Treff- 


Zauber. 


405 


I 


I 


I 
I 


lieh  ist  die  Schilderung  von  der  HeilkraTt  der  Runen  in  der  Egilssaga  (S. 
182  f.).  Egiil  kommt  einst  in  NonÄCgen  zu  einem  Bonden,  dessen  Tixiitcr 
schwer  krank  ist.  Er  crfMut,  dass  man  zu  ihrer  Heilung  Runen  geritzt  habe 
und  lasst  sich  diese  zeigen.  Sofort  erkennt  er,  class  sie  falsch  sind,  ver- 
nichtet den  Fischkienien,  in  den  sie  eingeritzt  wurden  sind,  und  sdmcidet 
neue,  die  sofort  helfen.  —  Audi  Zauberlieder  sind  uils  erhalten.  Sie  leben 
fort  in  den  vielen  Segen  und  Zauberformeln,  von  denen  auf  deutschem  Bi>den 
die  ältesten  die  Merseburger  Zaubersprüche  sind,  wie  auch  die  magischen 
Zeichen  sich  bis  heute  in  allerlei  Gestalten  erhalten  haben  (Wuttke  §  243  ff.), 
Fin  treffliches  Beispiel  eines  nordischen  Zauberliedes,  durch  das  ein  König 
gezwungen  wird,  seinen  gefangenen  Sohn  und  dessen  Freund  aus  den  Fesseln 
zu  lassen,  giebt  uns  die  Hcrraudäsaga  in  der  Busluboen  (Fos.  IIL  202  U.; 
Börasaga  lirg.  von  Jiriczek  S.  100  ff.).  Ist  die  Saga  auch  chrisütchen  Ur- 
sprungs und  jung,  so  ist  die  ganze  Episode  und  &as  Lied  mit  seiner  wirken- 
den Kraft  dodi  sicher  dem  Volks^lauben  cntnoimueti. 

Geübt  wurde  der  Zauber  in  erster  Linie  von  Frauen,  allein  daneben  auch 
von  Männern,  «-ic  schon  das  Beispiel  von  Egil  lehrt.  Von  Harald  härfagii 
crzälilt  die  Hcimskringla,  dass  ci  seinen  eigenen  Sutm  und  nicht  weniger  als 
80  Zauberer  wegen  Zauberd  habe  verbrennen  lassen  (S.  75).  Besonders 
galten  die  Finnen  bei  den  Nordländern  als  ein  des  Zaubers  kundiges  Volk 
(Fritzner,  Norsk  Hist  Tidsskr.  IV.  135 — 217).  Nachweisen  lassen  sich 
ferner  bei  dem  Zauber  gewisse  Förmlidikeiten,  nach  denen  er  «/*fr  hiess. 
Diese  FOnuhchkdten  vornehmen  hicss  stää  oder  i^a  seid,  fremja  stid.  Nadi  ihm 
hiesä  der  Zauberer  seidmadr,  die  Zauberin  seidkona.  Auf  welche  Weise  diese 
FOrmhdikeiten  vor  sidi  gingen,  lassen  die  Quellen  nicht  klar  erkennen. 
Sicher  wissen  wir  nur,  dass  der  Zauber  von  einem  Zaubersessel  aus,  auf  dem 
der  Zauberer  sass,  dem  seidhjnU.  getrieben  wurde*. 

Aller  Zauber  kaiui  eutweder  zum  Nutzen  oder  zum  Schaden  der  Mensch- 
hdt  getrieben  werden,  und  hieratL<t  erklärt  es  sicli,  dass  auf  der  einen  Sdte 
—  und  zwar  schon  in  heidnischer  Zeit  —  die  Zauberer  in  Ansehen  standen, 
auf  der  anderen  Sdle  aber  verddiCct  wurden,  so  dass  man  ihnen  sogar  nach- 
stdlte.  In  Ansehen  standen  namcntlidi  tlie  Zauberer,  die  den  Zauber  zur 
Weissagxmg  und  beim  Opfer  übten.  Angewendet  wurde  der  Zauber  bei  den 
mannigfaltigsten  Dingen;  man  fühlte  sich  durch  ilm  als  Herr  über  die  Elemente 
tmd  die  Naturerscheinungen  und  machte  diese  seinem  Willen  unterthan.  Vor 
allem  wurde  der  Zauber  zum  Wohle  der  Mitmuiädicn  angewendet  bei  der 
Weissagung.  Hier  wurden  durch  ihn  die  Geister  gelockt,  um  dem  Seher  oder 
der  Seherin  die  Zukunft  zu  kunden.  Daneben  bedienle  man  sich  des  Zaubers 
zur  Hcilimg  von  Krankheiten,  von  Wunden,  feite  durch  ihn  den  KOrpcr  gegen 
Eisen  und  Gift,  staJid  mit  ihm  den  gebärenden  Weibern  zur  Seite,  erlangte  durch 
ihn  gut  Wetter  auf  der  See,  besprach  durch  ilm  das  Feuer,  stillte  den  Wind. 
brachte  das  Wasser  zum  Stauen,  die  See  ruhig,  gewann  mit  sdner  Hülfe  die 
Liebe  der  Frauen,  beschwor  Tote  und  bannte  Geister,  die  dem  Zauberer 
Rede  stehen,  die  ihm  dienstbar  sdn  raussten  (Maurer,  Bekehr.  IL  138  ff.). 
Auf  der  anderen  Sdle  beschwoien  aber  auch  die  Zauberer  Unheil  Über  ihre 
Mhmensdien:  sie  erregten  Sturm,  um  das  Schiff  nicht  an  den  Strand  gelangen  zu 
lassen,  brachten  Krankheit,  Wahnsinn  und  Tod  (Hdmskr.8),  schadeten  dem  Vieh, 
dem  Acker,  dem  Haus  und  Hof,  ja  sie  erschienen  seUffil  als  Hexen,  Mährten, 
Werwölfe,  Berserker,  In  beiden  Arten  hat  sieb  bis  heute  neben  dem  toten 
dauben  an  den  Zauber  das  alte  Syml>ol  bei  der  Handlung  erhalten  und 
Eom  Teil  chrisüiche  Formen  angenommen.  Die  Widerstandsfahigkdt  unsere» 
Volkes  zeigt  sidi  auch  lüerin.     In  derselben  Art  und  Weise,    wie  die  nordi- 


4o6  XI.  Mythologie. 


sehen  Quellen,  die  im  Heidentume  wurzeln,  uns  den  al^ermanischen  Zauber 
vorführen,  finden  wir  ihn  auch  in  Deutschland  kurz  nach  Einführung  des 
Christentums  (Caspari,  Homilia  de  sacril.  S.  29.  3g;  derselbe,  Kirdienge- 
schichtliche  Anect.  173 f.;  Friedberg,  Aus  deutschen  Bussbüchem  26 f.).  Er 
hat  sich  die  Jahrhunderte  hindurch  erhalten  und  steht  noch  heute  in  üppig- 
ster Blüte  (Wuttke  §  63  ff.).  Nur  die  alten  Blüten  dieses  germanischen  Kultes 
sind  zerstört,  die  Wurzeln  hat  das  Christentum  wie  so  vieles  andere  nidit 
auszuziehen  vermocht. 

^  Vgl.  Pfannenscbmid,  Germanische  Erntefeste:  Jahn,  OpfergebrSuche t 
Mannhardt,  Der  BaumkuU  der  Germanen.  —  *  Homeyer,  über  das  germa- 
m'sche  Losen.  Monatsber.  der  kgl.  Akad.  der  Wissenschaft  zu  Berlin  1833;  K. 
Müllenhoff,  Z.ur  Runenlehre.  Halle  1852;  Grägäs  III.  624  unter  hlutfall;  E. 
Mogk,  Über  Los,  Zauber  und  Weissagung  bei  den  Germanen.  Kl.  BeitrSge  Eor 
Gesch.  von  Dozenten  der  Leipziger  Hochschule  S.  81  ff.  —  '  Wackernagel, 
^ExEa  jtzegoivxa  Basel  1860.  —  •  Finnur  Jönsson,  Um  galära,  seidmertn  og 
vßlur.  Prjdr  n'igj'Sräir  iileinkaäar  Pdli  Meisted  S.  I  ff.;  dazu  K.  Maurer, 
Z.  d.  Ver.  f.  Volksk.  IH.   100  ff. 


XII.  ABSCHNITT. 
SITTE. 


I.  SK-ANDINAVISCHE  VERHALTNISSE 

VOH 

VALTYR  GUDMUNDSSON  i  nu  KRISTIAN  KALUND.^ 


DIE  VORHISTORISCHE  ZEIT. 

§  I.  Der  historischen  Zeit,  wcldu-  im  skandinavischen  Norden  mit  der 
Einführung  des  Christentums  um  das  Jahr  icxx>  ihren  Anfang  ninimt,  gehui 
für  D-inemark,  Non*-<^en  und  Schweden  Jahrtausende  voraus,  in  welchen 
diese  Lander,  besonders  Danemark,  eine  zahlreiche  Bevölkerung  beherbergten, 
wcldie  vf>n  einer  ntcdrigstchcndcn  Kulturstufe,  uhne  Bekanntschaft  mit  dem 
Gebrauch  der  Metalle,  sich  stufenweise  zu  der  nicht  geringen,  barbarischen 
VorkuUur  erhoben  hat,  m  deren  Besitz  wir  im  Bi.-giniic  der  historischen  Zeit 
die  Nordländer  flnden.  Diese  ganze  F.ntwirkluiig  kennen  wir  nur  aus  den 
in  der  Erde  gefundenen  Geriltsc haften  und  festen  Denkmälern  (besonders 
Grflbcm},  welche  Geschlecht  auf  Geschlecht  dieser  MenscJicn  der  Vorzeit  ims 
hinterlassen  hat;  das  so  hintcrlasscne  Material  ist  mdessen  so  gross  und  von 
den  Gelehrten  unseres  Jalirhunderts  so  gut  bearbeitet,  dass  es  schon  jetzt 
uner^'artet  reiche  Aufschlüsse  gibt.  Mit  voller  wLssenschaftlicher  SicheHieit  ist 
für  die  nordischen  Lander  eine  Einteilung  der  vorhistorischen  Zeit  in  ein 
Stein-,  Bronze-  und  Eiscnzcitalter  festgestellt  nach  dem  Material,  aus 
dem  die  Bevölkerung  ihre  Waffen  und  Schneide  Werkzeuge  verfertigte. 

§  2.  Im  Steinzeitalter,  in  dem  der  Gcbrauih  der  Metalle  unbekannt 
war,  scheint  die  standige  Bebauung  sich  wesentlich  auf  Dänemark,  das  süd- 
westliche Schweden  und  den  allersüdli<  listen  Teil  von  Norwegen  eingeschränkt 
zu  haben.  Die  Altenümer  aus  dieser  Zeit  finden  sich  teils  in  den  sog.  jhi' 
immitr/iiinger  (5.  Küchcnab falle),  Abfallhaufen,  bestehend  aus  Muschelschalen, 
Tierknochen  und  andern  Cberreslen  von  den  Mahlzeilen  der  Urbewohner, 
teils  in  Gräbern  oder  auf  andre  Weise  in  der  Erde  verborgen.  Die  meisten 
Forscher   {nicht  so   J.  Steenstrup:   s.  dessen  Kpkkcn-MöJdingrr.   deutscli. 


S  Von  der  DacbfolgrDdcQ  Dirstclluiif;  hat  V.  O.  §§  20—33,  37 — 74  au^carbdlet; 
<lai  Qbrigc  ist  von  K.  K.  mlitticrt.  Der  Al>scbnttt  ist  ursprilii)cl>ch  in  <)Sntscbcr  Sprache 
nbsefaisl,  vnn  Hctto  Dr.  A.  Lcitzmann  ins  Deutsche  übcnetxt  und  vom  Verfasser  durch- 
Kcaebcn,  §§  37—74  jedoch  thircli  FrAulein  M,  Lehmana'Filhi»  venicutKbl. 


4o8 


Xn.  Sitte,     i.  Skakdinavische  Verhältnisse. 


Kopenhagen  1886)  beziehen  diese  Denkmäler  der  Vorzeit  auf  z\i'ei  vererfiie- 
dene  Zeiträume  (füteres  und  jüngeres  Steiuzcitalter);  die  Abfallliaufcn.  welche 
fast  ausschliesslich  an  den  Küsten  Danemarks  gefunden  werden,  sollen  von 
einem  sehr  niedrigstehenden  Jäger-  und  Fischervolk  stammen,  welclies  den 
Hund  als  einziges  Haustier  hatte;  wolil  kannten  sie  das  Feuer  und  verstan- 
den irdene  T'^jjfe  zu  verfertigen,  aber  ihre  Feuerstein  Werkzeuge  sind  plump 
und  grob  zugehauen.  Von  ihrer  Begrflbnisart  hat  man  bis  vor  Kurzem  nichts 
gewusst.  Im  jüngeren  Sieinzeitalter  dagegen  baute  das  Volk  ansehnliche  Grab- 
kammem  für  die  Toten,  wckbc  darin  unverbrannt  mit  Schmuck  und  Waffen 
nietlc^rgelcgt  wunicn.  Die  .Seh tnurksa eben  sind  gewöhnlich  von  Bernstein,  die 
Waffen  sind  von  trefflidi  geschliffenem  Stein,  Die  in  den  Gräbern  und  in 
den  Wohnstätten  aus  dieser  Xeii  gefundenen  Tierkni'ichen  und  Knochengerät- 
schaften bezeugen,  dass  die  Bevölkerung  ujiscre  gewöhnliclia»  Haustiere  ge- 
halten hat,  und  schon  Analogieen  der  Pfahlbauten  in  der  Schweiz  machten 
es  nicht  tmwahrscheinlich,  dass  man  auch  etwas  Ackerbau  getrieben  hatte. 
Ein  beginnender  Kunstsinn  macht  sich  in  Form  und  Omamentierung  der 
Gerätschaften  geltend,  imd  sowohl  die  Begräbnisart  als  möglicherweise  die 
Welen  in  der  Erde  verburgcnen,  mit  Flciss  niedergelegten  Funde  bezeugen 
religiöse  VorsieJlungen.  —  Uiicr^i-artete  Aufschlüsse  über  das  Verhältnis  zwischen 
<lein  älteren  und  jüngeren  Stcinzeitalter  s'jwohl  iüs  über  diese  ganze  Periode 
überhaupt  geben  die  kombinierten  naiunvissenschaftlich -archäologischen  Un- 
tersuchungen, weiche  das  dänische  Natiouahnuseum  1893  angefangen  haU 
und  die  fortwährend  mit  Beistand  eines  Kreises  von  Fachmännern  (urtgesetzt 
werden.  Zeugnisse  von  Änderung  der  Küstenlinie  (durch  Hebung  und  Sen- 
kung) verlegen  die  Periodi-  in  eine  ferne  Vorzeit.  Die  vorgefundenen  Sdialen 
von  Mollusken  sowohl  als  die  Tier-  und  Pflanzenweh  zeigt,  dass  das  Klima 
milder  als  jetzt  gewesen  ist,  besonders  durch  höhere  Temperatur  des  Winters, 
und  bestätigt  cnie  grössere  Salzinengc  des  Meeres.  Die  ausgedehnten  Walder 
Ijestanden  hauptsächlich  aus  Eichen  (die  Huclie  war  n«irh  nicht  eingew;mdert) 
und  l>i-lKTt»ergten  eine  relclie  Fauna,  wesentlich  mitteleunipäischen  Gepräges. 
Von  grosser  Wichtigkeit  ist,  dass  man,  ausser  den  gewölinlichcn  kokkcnnwd' 
dingtr  aus  dem  älteren  Steinzeitaller,  entsprechende  Abfallhaufen  aus  dem 
jüngeren  Steinzeitaller  entdeckt  hat.  wodurch  die  Trennung  der  beiden  Ab- 
schnitte bestätigt  wird.  Diese  letzteren  Küchenabfällc  entlialteji  —  im  Gegen- 
sätze XU  den  ersteren  —  ausser  Sihalen  und  Knochen  von  «.ilden  Tieren 
Geräte  aus  geschliffenem  Stein  und  Knochen  von  drei  zahmen  Ticrgcschlcch- 
tcm,  Ochs,  S<-hwein,  Schaf,  femer  unzweifelhafte  Zeugnis.^e  von  Getreidebau, 
teils  durch  Abdruck  vereinzelter  Könicr  tu  dew  eriiallenen  Scherben  der  ir- 
denen Gcfässe,  theiLs  indem  geröstete  Körner  sich  Jetzt  noch  aus  den  Haufen 
aiuwcheiden  lassen.  Die  gebauten  Getreidearteii  erwiesen  sich  als  Weizen, 
Gerste.  Hinie  —  also  niittel europäische  Getreidearten.  In  mehreren  Ab- 
fallliaufen  aus  dem  alteren  Steinzcitalter  hat  man  Skelette  unter  solchen  llm- 
sLänden  gcfutnlen,  welche  annehmen  lassen,  dass  man  hier  Begräbnisse  dieser 
Zeit  vor  sich  hat 

§  3.  Da^  Sleinzeilalter  wird  abi^eilösl  von  emem  Bronzczeitalter.  d.  h. 
von  einer  Zeit  in  der  man  von  den  Metallen  Bronze  und  Gold  kennen  ge- 
lernt hatte.  Die  Bronze  (eine  Mischung  von  ungefäJir  '/lo  Kupfer  \ind  Vw 
Zinn)  \erwandte  man  zu  W'affcn,  Gerätschaften  und  Schmuck,  Gold  selbat- 
veretündlich  nur  zu  Schmucksachen  imd  kostbaren  Gegenständen.  Die  Bronze 
und  die  danut  üi  Verbindung  stehende  Kultur  muss  den  nordischen  Ländern 
von  Süden  zugeführt  sein,  oh  (und  datm  in  welchem  Grade)  begleitet  von 
neuen  Einwanderungen,   lässt  sich  nicht  ausmachen;    dodi  scheint  Verschie- 


I 


dencs  auf  einen  stufcnwciseu  Obergang  vom  Stein-  zum  Rronzezeiultcr  zw 
deuten.  Aurh  tla»  Bronzczcitalter  zcrfllllt  in  meiirere  Perioden,  ausgezeiclmct 
durch  besondre  BegrabnUart  und  cigcntQmtiLhc  Oniamcntienmg.  Ungeachtet 
alles  SIctaü  eingeführt  werden  musste  (das  zur  lironze  vern'andte  Kupfer  und 
Zinn,  wie  es  scheint  immer  zusammengeschmelzt)  crreichle  die  Mctallarbcit 
im  Norden  doch  einen  liuhcn  Grad  vuti  Vullkümmenheit.  Dit  nordischen 
Bronzen  sind  immer  gegossen.  Sehr  vertiefte  IJmamcjite  sind  durch  Giessen 
hervorgebracht,  weniger  vertiefte  dat^'gen  in  der  Regel  mit  der  Punze  ausge- 
führt, nie  graviert.  Bilder  von  Menschen  und  Tieren  auf  ihnen  sind  selten, 
"^'ogcgcn  sie  mit  einem  Reichtum  geschmackvoller  geometrischer  Muster  be- 
deckt sind  (Zickzacklinien,  Spiralen.  Wellenlinien  u.  s.  w.).  Unsere  Kenntnis 
von  dieser  Zeit,  wie  vun  der  frilhereii,  schreibt  sich  teils  von  Gräbern,  teils 
von  Funden  in  der  Erde  her,  aber  hiczu  kommen  jetzt  auch  bildliche  Dar- 
stellungen, auf  FeLsflüchen  eingehauen,  bekannt  haupts.vh]irh  aus  .srhwedi- 
ÄAen  Landschaften  und  mit  einem  sthwedisclien  Worte  /i'////7i/«/w;.'rtr  (Felsen- 
«eichnungen)  genannt.  Die  Graber  beweisen  uns,  dass,  während  das  Bronze- 
zeil.ilicr  damit  bcg:inn  die  Leichen  unverbrannt  zu  beerdigen  luid  auf  eine 
Art,  tlic  sich  im  Ganzen  der  des  Stciiizeitalters  nähert,  man  spfiter  dazu 
■Oberging,  die  Leichen  zu  verbrcimen  und  die  Aschenume  im  GrabhOgel  auf- 
zubewahren. Die  Funde  in  der  Erde  geben  uns  (ausser  zufiillig  verlorenen 
Sachcni  eine  Reihe  mit  Fleiss  niedergelegter  (ierStschaften  und  K<isibar- 
keiten,  deren  Xiederlt^ung  man  religiösen  Vorstellungen  scheint  zuschreibeu 
zu  müssen.  Sowohl  diese  als  die  entsprechenden  Funde  aus  dem  Slcinzcit- 
ahcr  fasst  man  gewiss  am  richtigsten  al>  Votivgaben  auf.  Die  Fel.senskulp- 
turen,  von  bedeutender  Grüssc  und  stets  vertieft  eingehauen,  io  horizontale 
oder  schräg! iegende  Feisflächen,  zeigen  uns  wechselnde  Scenen  aus  dem  Le- 
ben des  Volkes  in  Krieg  imd  Frieden  und  wahrscheinlich  verschiedene  my- 
thologbche  Darstellungen.  Die  Bevölkerung,  deren  Nordgrenze  beim  Beginn 
des  Bronzczeitalteni  ungefähr  mit  der  des  Steinzeitalicrs  zusammenfällt,  breitet 
sich  allm<lhlich,  wenn  auch  nur  schwach,  in  Schweden  und  Norwegen  nach 
Norden  aus;  Dänemark  ist  ausserordentlich  reich  an  Überresten  aus  dem 
Brtnuezeitalter.  Zwischen  der  Kultur  im  Norden  und  der  in  den  nord- 
deutschen Ländern  besteht  in  dieser  l'eriode  so  gut  wie  im  jQngeren  Stein- 
xdtalter  eine  grosse  Ähnlichkeit.  Auf  verechiedcnc  Weise  bezeugen  diu 
Funde  aus  dem  Bronzezeitalter  eine  steigende  und  nicht  geringe  Kultur. 
Unter  den  Erwerbsquellen  kann  der  Ackerbau  nachgewiesen  werden;  nicht 
nur  meint  man  Überreste  von  Korn  aus  dem  Bronzezeitaltcr  gefunden  zu 
haben,  sondern  auf  einer  häiinstnittg  sieht  man  deutlicli  eine  Ackerscene  ab- 
gebildet, wo  der  Pflug  von  zwei  Odisi-u  gezogen  wird.  Dass  das  I*fcrd  zum 
Reiten  gebraucht  wurdt*,  sieht  mi^n  eliejifalls  aus  den  häUrislningar,  wo  ganze 
Reilerk^rapfe  abgebildet  sind.  Kine  fler  häufigsten  Darstellungen  auf  den 
hdürütttingar  sind  bemannte  Schiffe,  wie  es  scheint  Ruderfahrzeuge;  Vorder- 
steven und  Hintei^teven  sind  etwas  verschieden,  aber  beide  sehr  hoch,  vor 
dem  Vordersteven  .sieht  man  gew^luilicli  eine  kleinere,  etwas  nach  oben  ge- 
bogene Spitze.  Von  Waffen  und  Kriegsaussteuer  kommen  aus.ser  Spies5;en 
und  Äxten  jetzt  namentlich  kleine  dolcli ähnliche  Schwerter  mit  auffallend 
kurzem  Griff  vor,  samt  Schilden  und  Kriegstrompeten;  auch  Spuren  von 
Hdinen  können  nachgewiesen  werden,  wiigegen  l'anzer  oder  ähnliche  Schutz- 
waffcn  schwerlich  angewendet  worden  sind.  Betreffs  der  Kleidung  im  Bronze- 
zeitalter haben  mehrere  Gräberfunde  unerA-artete  AufschJü-sse  gegeben,  welche 
zeigen,  das»  man  es  verstanden  hat  Wolle  zu  Zeugen  zu  verarbeiten,  wah- 
rend sich  erst  gegen  den  Schluss  des  Bronzezcitaltei^  Spuren  von  Leinwand 


4IO 


Xn.  Sitte.    :.  Ska^ojivavische  VkriiAltthsse. 


zeigen.  Die  inannlirlie  Kleidung  bestand  nach  diesen  Funden  aus  einer 
wollenen  Haube.  Mantel,  einem  um  den  Leib  geschlungenen  Stܫk  ^ci^ 
(einer  kurzen  Scliürzc),  einer  Fussbekleidung  von  Wollenzeuj;  und  Leder, 
nebst  einem  I'laid,  dagegen  keine  Beinkleider.  Die  weibliche  Kleidung  wurde 
au'^macht  vi.in  einem  Netz  für  das  Haar,  einem  Mantel,  nebst  einem 
Wamms  mit  zugchorcndeni  Rock.  Unter  deri  SchtnuL-ksdchcn  ist  Bernstein- 
schmuck  jetzt  ver^chttimden.  dagegen  fintlrn  sich  in  grosser  Auswahl  Ringe, 
Spangen.  Knüpfe,  Kflnnne  u.  s.  w.,  unter  den  kleinen  Geröischafteu  kennen 
die  häufig  vorkommenden  Pinretten  und  die  breiten  dünnen  Rasinuesser 
hervorpich  üben  werden,  wogegen  Scheren  noch  unbekannt  sind.  Auch  Ta- 
towirgrr^te  finden  sieh.  Ein  F.influss  der  Kiiltun-ftlker  des  klassischen  Altcr- 
tUDis  Ifl-sst  sich  schwerlich  schon  spüren, 

§.  4.  Einige  J^hrhumicrte  vor  dem  Beginn  unserer  Zeitrechnung  breitet 
sich  der  Gebrauch  des  Eisens  nach  den  nordischen  Landern  aus,  und  das 
BroiizezeitaUer  wird  hiermit  von  einem  Eisenzeitalter  abgelöst,  welche  Pe- 
riode im  archHölc^isfhf'n  Sinne  mit  dem  Durcldinirh  der  historischen  Zeit 
(c.  looo)  abschliessl.  Wenn  auch  die  ältesten  Funde  des  Eisetizcitalters  ver- 
muten la-icsen,  dass  die  Kenntnis  des  neuen  Metalls  zunächst  von  den  Lan- 
dern nordlich  der  Alpen  als  eine  'vorrömisrhe  Eisenkullur«  gekommen  ist, 
erhalt  doch  das  ältere  Eisenzcitalter  bald  von  einem  auffallend  starken  römi- 
schen Einfluss  das  Gepräge;  da  dieser  allmählich  sich  wieder  verliert,  macht 
er  für  einige  Zeit  <istr6nüschen  Strömungen  I'latz,  wonach  die  nationale 
Kultur  sich  durch  das  Mitteleiscnzeitalter  (von  ungefähr  ^oa)  und  die  Vikinger- 
zeit  (von  ungefähr  iitoo»  den  jüngsten  Zeitraum  dtrs  EisenKeitalters,  mehr  selb- 
ständig entwickelL  Eine  neue  Einwanderung  lasst  sich,  vom  archäologisch 
Standpunkt  ans,  im  Beginn  des  Eisen  Zeitalters  nicht  nachweisen,  dagegen  ist 
es  w;fhrscheinlich,  dass  partielle  Einwanderungen  sputer  zu  verschied<'ner  Zeit 
sich  können  geltencl  gemaciit  liaben.  Die  Bevölkerung  breitet  sich  ge 
Norden  aus,  so  tiass  der  ntirdischc  Stamm  allmählich  in  Schweden  und  Nor— ' 
wegen  fjist  seine  jetzige  Nordgrenze  erreicht.  Das  Eisenzeitalter  bezeichnet 
auf  manche  Art  einen  Fortschritt  in  der  Kultur,  zu  allererst  durch  den  Ge- 
brauch des  neuen  Metalls,  des  Eisens,  welches  man  bald  aus  dem  einhei- 
mischen Sumpfeiseiislciu  gewinnen  lernte  und  mit  grosser  Ges«:hickUchkeit 
schmiedete.  Mit  dem  Eisen  kam  die  Kenntnis  des  Silbers,  des  Glases  und 
mehrerer  aiiderer  Metalle  und  Stoffe.  Den  Fortschritt  der  geistigen  Ent- 
Wickelung  liczeugt  die  Aneigrnnig  tter  Schreibekuiist;  wir  treffen  jetzt  zum 
ersten  mal  im  Nonicn  ein  Alpliabet:  am  Ende  des  alteren  Eiscnzeitattcts- 
und  in  der  nächstfolgenden  Zeit  die  geineingennanische  altere  Runenreihe, 
später  die  dem  Norden  eigentümlichen  jüngeren  Runen.  In  den  mit  Runcti 
dargestellten  Inschriften  werden  wir  zugleich  durch  die  Sprache  über  die 
Nationalität  des  Volkes  belehrt  und  können  so  die  Bevölkerung  im  Eisen- 
zcitalter als  germanisch  (si>ezicll  nnrdgermani.sch)  bestimmen.  Das  vollstän- 
digste Zeugnis  von  dem  Lrben  im  Jilteren  Eisen  Zeitalter  geben  uns  die  grossen 
M'K^rfundc  aus  tleii  l^ndschaften  Scliieswig  und  Führten.  Es  ist  dort  bei 
Ausgrabungen  die  votlsLIndige  Ausrüstung  eines  der  damaligen  Heere  ans- 
Licht  gezogen  worden,  die  meisten  Gegenstände  mit  Fleiss  zerstürl,  bevor 
sie  ins  Wasser  versenkt  wurden.  Die  mannliche  Kleidung  bestand,  wie  sich 
aus  diesen  Fumlen  ergieltt,  aus  Wolle;  die  Kleichmgssiftcke  sind  Mantel, 
Rmk  mit  langen  Ernieln.  Hosen  zusaiuniengenähi  uiii  den  kurztm  ScKrkcn, 
neb.st  einer  .An  Ledersandalen.  Unter  den  zahlreichen  Waffen  können  von 
den  Schutzwaffen  ausser  Sc-liildeni  her\'urgcliubcn  werden  Ringi>anzer,  beste- 
hend  aus  wirklich   zusammengeketteten,   in   einander  geflochtenen    Ringen,. 


4 


k 


Vorhistorische  Zkit:  EisENZErrALTER. 


411 


nicht  auf  eine  UnlerEane  von  Zeug  oder  Leder  auf};enAhl,  und  einzelne  Helme. 
Die  Seetüchtigkeit  der  damaligen  Zeit  beacugl  das  im  Nydammoor  in  Schles- 
wig gefundene  grosse  Ruderboot  zu  28  Rudern,  k-linkertteise  gebaut  und  spitz 
an  beiden  Enden  zulaufend.  Aus  dem  alleren  Eisen  Zeitalter  kennt  man  fer- 
ner Reitzeug  (dagegen  nicht  Hufeisen,  auch  nicht  Stcigliügel,  welche  letzteren 
doch  gegen  den  SchEuss  des  Eisenzeitallers  sich  zeigen)  und  Wagen,  ver- 
schiedene Mandwcrksgerätschalten,  Handspindcb,  Bretsptclc,  S|>angcn  und 
andere  Schmucksachen  u.  s.  w.;  in  dieselbe  Zeit  gehören  auch  die  zwei  be- 
rOhmten,  in  Nordschlesuig  gefundenen  goldenen  Homer,  von  u-cldien  jedoch 
nur  Abbildungen  jetzt  erhalten  sind. 

Wahrend  Dänemark  tn  Rütkslcht  auf  Funde  aus  dem  alteren  Eisenzeit- 
alter  unbedingt  am  höchsten  steht,  ist  es  auffallend  arm  an  Denkmälern  und 
Gegenstanden  aus  der  späteren  Zeit  des  EisenzeitatterB,  wogegen  Schweden 
und  namentlich  Norwegen  einen  grossen  Reichtum  von  Funden  aus  der 
Vikingerzeit  aufweisen.  Die  ßegrabnisarten  im  EisenzeiUilter  sind  ziemlich 
wechselnd;  man  findet  teils  verbrannte,  teils  unverbrannte  Leichen,  teils 
HOgelbestattung  (bisweilen  mit  gezimmerten  Grabkammcm),  teils  unterirdische 
Begräbnisse  u.  ».  w.  Aus  dem  jüngeren  EisenzcitaUer  ist  vcrschietiene  male 
Bestattung  im  Schiff  gefunden,  von  welchen  Funden  der  von  Gokslad  im 
südlichen  Norwegen  der  berühmteste  ist;  hier  wurde  aus  dem  Grahhflgrl  ein 
fast  vollständig  erhaltenes  Segelschiff  ungefülu  vom  Jalire  ijoo  ausgegraben, 
versehen  mit  einem  Mast  und  ausserdem  im  Ganzen  32  Ruder  führend. 
Mit  dem  Toten  waren  hier  wie  in  einigen  ahnlichen  Fallen  verschiedene 
Haustiere,  besonders  Pferde  und  Hunde,  begral>cn.  LäJigs  der  Brüstung  war 
das  Schiff  mit  Schilden  behangt.  Bei  andern  Graberfunden,  namentlich  aus 
älterer  Zeit,  sind  die  niedergelegten  Sachen  mit  Fleiss  zerstört.  Gegen  den 
Schlau  des  Eisenzeitallers  scheint  die  Leichenverbrennung  abzurelimen.  Zu 
den  Begrabnisgebräuchrn  gehilrl  ferner  die  Aufrichtung  von  Runensteinen 
wie  auch  von  inschrifllosen  ßautasteinen  auf  oder  bei,  ja  zuweilen  auch  in 
dem  Grabe.  Während  die  inschriftloaen  Bautasteinc  st>gar  bis  ins  Bronze- 
ceilalter  zurückgehen,  scheint  der  Gebrauch  zum  Andenken  an  dit^  Toten 
Steine  mit  Runeninschriften  aufzustellen  in  Norwegen  und  Schweden  erst  im 
B^jinn  des  Mitteleiscnzeitalters  entstanden  zu  sein.  Allmählich  verlor  sich 
diese  Gewohnlieii,  besonders  in  Norwegen,  und  erst  gegen  das  Ende  der 
lieidnischen  2fcit  kommen  wieder  Runensteine  in  bedeutenderer  Anzahl  vor, 
aber  dann  namentlich  in  Danemark  und  Schweden,  wo  sie  nun  ausschliess- 
lich auf  oder  bei  Grabeni  sichtbar  aufgestellt  werden.  Die  auf  Island  ge- 
fundenen (übrigen.s  wenig  zahlreichen)  heidruschen  Grilber  fordern  ein  be- 
sonderes Interesse,  weil  sie  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  datieren  la.ssen; 
sie  müssen  nümlich  zwischen  die  Besiedelung  des  Landes  (c.  870)  und  die  Ein- 
führung des  Christentums  (1000)  fallen.  Es  sind  ziemlich  unansehnliche 
Grabhügel,  zu  denen  vereinzelte  unterirdische  GrSber  hinzukommen,  welche 
samtlich  unverbmnnit  Leahcn  ciiis<h!iessen;  sie  kommen  teilweise  in  Grup- 
pen vor,  indem  sie  Bcgrabnisplaize  bilden.  Der  Hund  und  besonders  das 
Pferd  iat  häufig  seinem  Herren  ins  Grab  mitgegeben.     Runen-  und  Bauta- 

le  sind  nicht  bekannt.  Zahlreiche  und  höchst  interessante  Gräberfunde 
der  Cbeigangszeit  vom  Heidentum  zum  Christentum  sind  bekaiml  aus 
den  Begrabnisplatzt-n  auf  Björku  (bei  den  laleinisclien  Schriftstellern  Birca) 
in  dem  schwedis<:hen  Landsee  Malar,  seiner  Zeit  dem  Sitze  eines  um  das 
Jahr  1000  zersiarten  blühenden  Handelsplatzes.  Hier  sind  manche  Leichen 
in  Holzsargen  begraben  wurden. 

Schmucksachen  und  Kostbarkeiten  mangeln  im  Eiseiueitahcr  nicht,  sogar 


412 


XII.  Sitte,      i.  Skandinavische  VerhÄltkissk. 


auffallend  reiche  and  grosse  Schatze  sind  aus  dieser  Periudi;  bekannt,  da  die 
Sitte  Kostbarkeiten  in  der  Erde  niederzulegen  fortdauert.  Aus  der  alteren 
Zeit  des  Eisenzeitalters  ist  namentlich  der  Reichtum  an  Gold  überrascheiul, 
später  wird  Silber  vorhcrrscliend.  Die  Büdkunat  zeifit  sich  sowohl  in  Abbil- 
dungen Huf  lösen  Offenstanden  (den  zwei  goldenen  Mömem,  den  gewöhn- 
lich Brakleatcu  genamilen  münz  unähnlichen  Hangcschmucksachcn)  als  in 
RunenstfinsLulpluren,  um  häufigsten  wohl  zur  Bezeichnung  religiöser  Vor- 
stellungen. EinheimUche  Münzen  kennt  man  erst  aus  der  Übergjingszeil  zum 
Mittelalter;  rtmische  Münzen  dagegen  sind  zusammen  mit  Sachen  aus  dem 
Alleren  Kisenzcitalter  gefunden;  später  werden  sie  von  ostrflmischen  wnd  am 
Scbluss  der  Periu<le  ndmentlich  von  kufischen  abgt'IilsL  Im  Hinblick  auf 
Münzen  wie  auf  Aliencinior  flberbaupt  gilt  vom  jüngeren  Eisenzeitalter,  dass 
trotz  der  innigen  Verbindungen  der  Vikingerzeit  mit  den  westüdien  Landern 
die  Funde  nur  wenig  Erinnerungen  damn  bewahrt  haben. 

LiteraturftngJiben.  J.  J.  A.  Wors-me,  Dit  VorgrsthichU  da  !<(oriUni,  Kom* 
l)urK  1S78  (Üher»eui  von  J.  McstotC;  danltcb  Kjribenhavn  i88l).  C.  Kng«lhiirdu 
Df.nmark  in  fhe  eariy  hon  Agf.  London  1866  (dilQÜcb  KjOhenliavo  1863 — 65 
unter  dem  Titel  Thuribjrrg  i\fase/und  ag /\'ydam  Afoiffund.  Derselbe,  Fyrrukt 
Mosefunä  1 — II,  Kjfibenha\-n  1867 — 69,  AarbBgrr  for  nordisk  Oldkyndighcd  og 
Jiistorif  KjöbrnhavB  i8bb  if.  J.  J.  A.  Worsatc.  Nordükt  Oidsag,-r  1  dri  tgl. 
MiiirtiM  i  Kji'b/'nfiarn,  Kjflbcnhavn  1859.  S.  Müller,  Ordning  af  Danmarkt 
Oidsngrr,  KjnIwriilMivn  18S8— 96.  Dcrsrtbc,  /'or  0/<//>i/.  Kjübrnhdvn  1897  ( über- 
setzt sonO.yxTiczK-V  H.U  Xordüchf  AUertiimskumit).  —  O.  Rygh,  Norsif  O/dsagtr 
l — n.  Chri-iimni»  1885  (mil  franzriMachem  resiimt),  N.NieoIaytien,  I^ngskibet fra 
Gvkstod  vfd  Sandefjnrd,  Cfaristtania  1882.  —  H.  Hildcbranri,  Si-^mka  folktt 
undfr  htdnatidfH,  StraUholni  [873.  O,  MontcUuä,  Die  KuUur  ^hwed^ms  in 
rorikriiiliiher  i^it.  BL-rlin  1885  fubiTsctst  von  C,  Appcl);  in  französischer  Bcar- 
bHlung  als  Zcj  trmpi  pr/hiitoriques  rn  Sur'de,  Paiis  1895.  Anliqx-ariik  tidibrift 
fSr  .Svfrigr,  Stockbi>Iiii  ( 864  (T.  SvfHska  f^rnminmsförcnmgfm  tidfkrj/t,  Stodc* 
holni    1871  ff.      A'gi.    \'ilt^rhrts  .  .  .  Akadtmienj  Mtinadsbiad,  Slockbolm    1 872  ff. 

DIE  HISTORISCHE  ZEIT. 


§  5.  Mit  der  dunh  die  Einführung  des  Christentimis  eintretenden  Ver- 
änderung in  der  Begrübnisart  werden  wir  von  dem  getrennt,  was  für  die 
vorhistorische  Zeit  die  Hauptquclle  unserer  Kenntnis  über  Zustand  und  Sitten 
der  Bevölkerung  ist;  Cirabr-rfundc  und  Ahnliches  liefern  nicht  länger  etwas 
von  Bedeutung  und  un  Stelle  derselben  haben  wir  in  der  niichsl  folgend« 
Zeit  von  gleichzeitigen  Zeugni.ssi.'n  nur  vereinzelte  magere  Berichte  von  frem- 
den Schriftstellern.  Die  gestrliriebene  Literatur  im  Nurden  ist  an  die  200 
Jahre  jünger  uml.  wir  liekannt.  ist  es  nur  die  norw^^ch-islündische  Literatur» 
welche  eine  solche  Fülle  und  nationale  Eigentümlichkeit  hat,  dass  sie  sich 
zu  einer  Schilderung  des  alten  Lebens  im  Nurdcn  verwerulen  lüsst  Die  Be- 
denklichkeiten, welche  durch  den  Mangel  der  Gleichzeitigkeit  dieser  Werke 
mit  den  geschilderten  Bc-gcbenl leiten  und  den  Umstandj  geweckt  werden,  dass 
die  Erzalllungen  von  ciriem  einzelnen  Zweige  des  norqischen  Stammes  her- 
rühren, können  wohl  nicht  ganz  gehoben  werden,  aber  man  darf  gewiss  an- 
nehmen, das.s  die  hierdurch  überlieferten  Berichte  über  Sitten  imd  Cicbrauche 
des  Altertums  in  ihren  wcsentlidien  Zügen  richtig  und  allgemeingültig  sind, 
da  teils  dc-r  Kulturzustand,  der  im  12.  Jahrh.  in  Norwegen  und  auf  Island 
herrschte,  von  dem  Zustand  vor  der  Einführimg  des  Christentums  nicht  sehr 
verschieden  gewesen  ist,  teils  das  Cherlicferte  in  Folge  der  Beschaffenheit 
der  Literatur  selbst  verhältnismässig  unverdorben  aus  einer  Zeit  bewahrt  ist, 
in  der  alle  Nordlander  auf  wesentlich  gleicher  Kulturstufe  standen.  Aus 
sämtlichen  Quellen  geht  hen*or,  dass  die  Bevölkerung  in  den  drei  nordischen 


Historische  Zeit:  Aixgeueincs. 


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Reichen  bti  Einführung  des  Cliristentunjs  eine  Bauern bevßlkemng  war,  hin- 
gewiesen auf  tlif  für  eine  solche  natüriichen  Er^i'erbsquellen:  Landuirtschaft 
mit  Ackerbau  und  Viehzucht  und,  wo  die  Gelegenheit  sich  bot,  Fischerei, 
Jagd  u.  s.  w.  Obwohl  Handelsstädte  si<:h  fanden,  hatte  sich  ein  eigentlirhcr 
Bargerstand  noch  nicht  au^ebildei.  Die  Sagas  schildern  uns  namentlich  das 
Leben  unter  den  Häuptlingen  und  den  angeschenen  Bauern;  dass  neben 
diesen  glücklichst  geÄtelltcn  (wenn  nicht  ilurch  besondere  Vorrechte  begün- 
Itigtcn)  Sdüchten  der  ßevülkerung  zahlreiche  Individuen  und  Hausstände  in 
allen  Stadien  der  Abhängigkeit  und  Amiui  gelebt  haben,  biü  herab  xu  der 
grossen  Menge  der  Knechte,  versteht  sicli  von  selbst,  aber  von  diesen  hört 
man  nur  bei  Gelegenheil.  Die  Sitten  und  GehriUirhe  des  nordUchen  Alter- 
tums, sowie  sie  aus  der  altnordischen  Literatur  bekaruit  sind,  werden  wohl 
am  richtigsten  unter  Familienverhältnisse  und  Lebensweise  behandelt 
werden  können,  welchen  hier  als  dritte  Abteilung  eine  Übersicht  Ober  die 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  beigefügt  ist. 

§  h.  Die  ilauptquelle  für  den  Stoff,  der  hier  behandelt  w'rd,  geben  selbst- 
verständlich die  historischen  Sagat  ab,  besonders  die  isländischen  Familien- 
sagas; aber  auch  die  altnordische  Dichtung  [namentlich  die  Eddagedichte) 
und  die  sagen  historischen  oder  erdichteten  Erzählungen  müssen  benutzt  wer- 
den, wenn  auch  mit  erforderlicher  Kritik.  Hierzu  kommen  die  Gesetze  und 
Urkunden.  Dieses  reichhaltige  Material  ist  jedoch  noch  keineswegs  erschö- 
pfend behandelt;  die  zuveri!is.sigste  Darstellung  gibt  R.  Keyser,  Nordmoen- 
denes  firivate  Liv  i  OtHtidtn.  Christiania  1867  {EßertadU  Skrifter  H,  2);  um- 
fassender ist  R.  Weinhold,  Alinordtsthes  Ltben,  Berlin  1856;  zunächst  für 
die  Gesamtheit  der  Gebildeten  bestimmt  ist  A.  E.  Holmberg,  Nordbon  under 
htdnaitden,  Stoikholm  lH«i2,  1871*  Kürzere  Übfn^ichli-n  finden  sich  in  ver- 
schiedenen Handbüchern  und  Darstellungen  der  nnrdisrhen  Geschichte  auf- 
genommen, so  in  N.  M.  Petersen.  Danmarks  Historie  i  Hedenotd  III.  Kji'iben- 
ha>'n  1855.  —  Für  vereinzelte  Alschniite  innerhalb  der  ersten  Abteilung 
künncn  folgende  Spezialabhandlungen  hervorgehoben  werden:  Th.  Bartholin^ 
Antiquifatum  Danicarum  de  causis  roattmptae  a  lianis  adhuc  gentHihta  mortts. 
Ubri  tres,  Havniae  l '->89 ;  Sk.  Thnrlacius,  Borfalium  ifUrum  matrimonia 
rum  Romanontm  instttulis  coUata  {Antt^uilalum  BortaUum  observationts  misecl- 
ianeae  spte.  IV),  Ha\'niac  1785;  L,  Engclstoft,  QvindekjonntU  liuusUge  og 
horgerlige  Knar  hos  Skandinapemr,  Kjöbenhavn  1799;  H.  F.  J.  Estrup,  Om 
TttUäom  i  Norden,  Soröe  1823;  A.  E.  F.riksen,  Om  Tratdam  hai  Skanditta- 
verrn  {Nordisk  C'nivfrsiuts  Tidsskrifi  VII,  3—4,  KjObenhavn  18hl);  A.  Gjcs- 
sing,  Tmldom  i  Xorgt  (Anna/er  for  nordisk  Oldks'ndighed,  Kjöbenhavn  1862); 
Kr.  K«klund,  Famiiitlivel  pa  Island  .  .  .  indtii  wjo  {Aarb.  for  nord.  Oldi.  og 
ffist.  1870).  Von  recht&historischer  Seite  ist  der  Stoff  namentlich  behandelt 
von  R.  Keyser,  Norges  Sfais-og  Rets/orfaining  i  Middelalderrn ,  Christiania 
1867  {Efteriadif  Skrifier  11,  l)  und  V.  Finscn,  Dtn  isiandskt  Famiiiertt  efier 
Grdgät  {Ann.  Jor  nord.  Oldi.  184g — 50).  Vgl.  K.  v.  Maurer,  über  die  Wasser- 
weikt  des  germaaisthen  Heidenfxtms,  München  1880  (.-IM.  der  K.  Baier.  Aka- 
demie der  Wist.  /.  a.  XV.  Bd.  ///.  Aht);  K.  Lehmann,  Verlobung  und  Hoeh- 
zeit  nach  den  nordgermanischen  Rechten,  München  1882;  A.  C.  Bang,  Vdstgt 
artr  den  nor^he  kirkes  hatorie  under  kalhöiieismen,  Kristiania  1887.  —  Inner- 
laib der  zweiten  Abieiiiing  ist  der  Abschnitt  von  den  Baiutrten  C-rschüpfend 
behandeh  von  V.  Gudmundsson,  Prrvatbofigm  pä  Island  i  sagatiden  samt 
dehis  i  det  evrige  Norden,  Kiibenlia\T  1889,  wo  zi^eich  Aufschlüsse  über 
die  altere,  hierher  geh/^rige  Literatur  sich  finden;  von  dieser  kann  besonders 
hervorgelioben  werden  E.  Sundt,  Bygningsxkikkene paa  Landet  i  Norge  (Sonder- 


414  XJI-  Sitte,     i.  Skandinavische  Verhältnisse. 


druck  aus  Fofkevennfft),  Christiania  1862.  —  Was  Dänemark  beirifft,  so  geben 
Saxo  und  die  iniueUillerliL-hcn  ProWnziulgeaetzc  die  älttrstcn  Aulschlüsse,  aber 
diese  Quellen  sind  in  Hinsicht  auf  das  PrivatK-bcn  noch  wenig  bearbeitet. 
Für  eine  t-twas  spau-rc  Zt-il,  das  jüngere  Mitti-laltet,  findet  sich  ein  reiches 
Material,  namemlicli  zur  Srhilderung  des  Let>ens  der  li5heren  Stande-,  in  der 
üppigen  Vulkshederdichtung;  auf  ihrer  Grundlage  \sX  dieser  Zeitraum  beiian- 
<lelt  von  V.  Simonsen,  Kampn'isentes  Skiliiritif^  af  Middeiaidcrens  RiJder- 
i*as4H  (Nordisk  Tidsskrift  for  Ilälorie.  Uleraiur  t)g  Kamt  III,  Kjöbenhavn 
1829).  Wieder  eine  etwas  jüngere  Zeit,  wo  die  schriftlichen  Quellen  reich- 
licher fliessen  und  noch  viel  alles  bewahrt  ist,  wird  beleuchtet  in  einem  nach 
einem  sehr  umfassenden  Plane  angelegteji  Werke  von  Troels  Lund,  Dan- 
warki  ttg  Norgr-i  Historie  i  Slnlnin^en  af  det  iti,  Aarhundredf ,  KjAbenhavii 
187g  ff.,  vuii  des.seii  erster  AbtL-ilung  [Iiidre  Hisiorif)  bis  jetzt  (1897)  zwölf 
Hücher  erschienen  sind;  hiervon  können  besonders  hervorgehoben  werden  das 
2.  und  3.  Buch  über  Wohnungen,  welche  ins  Deutsche  tibersetzt  sind  unter 
dem  Titel  Das  tägliche  Lehen  in  Skandinavien  während  des  16.  Jahrhunderts, 
Kopenhagen  1882,  und  das  9.  Uurh  über  Verlobung.  —  Schwedens  Kultur- 
verhaltnissc  im  Mittelalter  werden  ausführlich  unil  allseitig  geschildert  werden, 
auf  Grund  sowolil  geschriebener  Quellen  (be-sonders  der  Gesetze)  als  monu- 
mentaler Durslellungcti,  in  dem  noch  nicht  abgeschlossenen,  illustrierten 
Werke  von  H.  Hildebrand,  Sveriges  medtltid,  Stockholm  1879 ff.  —  Im 
ganzen  Norden  haben  ferner  bis  hinab  in  unsere  Zeit  mannigfaltige  Reste 
von  alten  Sitten  und  Gebrauchen  sich  im  Volke  erhalten,  worüber  nicht  wenig 
Aufsclilüsse  in  toi>iig;raphischen  Spezialabhandlungen  und  ähnlichen  zu  finden 
sind.  Beispielsweise  nenne  ich:  R.  Gjellcböl,  BeskriKclse  af  S^trrsdaien  (in 
Norwegen)  Tof>ßgrapbisk  founiai,  Christiania  i ftoo) ;  N.  H  e r t  z  b e  rg ,  Oni 
JioiidfsinudetL'i  I^vemaade  ....  /  vore  Bygder  (in  Norw-egen)  {BudsUkken  1821): 
Niculovius,  Foiklifvet  i  Skylis  härad  i  Skiim,  Lund  1847;  H yllün-Ca  val- 
lius,  Wäreiid  och  Wirdame,  I— II,  Stockholm  1864 — 68.  —  Über  die  eigen- 
tümlichen Verhaltnisse  auf  den  Färöer-Inseln,  wo  vieles  altes  bewahrt  ist, 
siehe  V.  U.  Haraniershaimb,  Fan'sk  authohgi  I — II,  Kübenhavn  1891, 
besondere  den  Abschnitt  iFtdkeüvshiücder--  (teilweise  dun-h  O.  Jiriczck  in 
ZeitscbrEfi  des  Vereins  für  Volkskunde  III  übecsctzt),  —  Reich  illustriert  ist 
Paul  B.  du  Cliaiilu,  The  Viking  Age  1 — II,  London  1880,  die  Kultur- 
verhaltnisse des  5kandina\Tschen  Nordens  sowohl  in  der  vorhistorischen  Zeil 
als   in  der  Sagazeit  behandelnd. 

I.  fahiliesvekkXltmsss. 

§  7.  Kindheit  Das  neugeborene  Kind  wurde  mmiitlelbar  nach  der 
Geburt,  welche,  Mie  man  aimehmen  darf,  auf  dem  Fussboden  vor  sich  ging. 
vor  den  Vater  gebracht,  wclclier  Herr  übet  sein  Leben  und  seinen  Tod  war. 
Bewegten  UnwiSle,  Armut,  des  Neugeborenen  Gebrechlichkeit  oder  andere 
Gründe  ilin  dazu  es  abzuweisen,  wurde  es  an  einem  abgelegenen  Orte  aus- 
gesetzt und  so  seinem  Schicksal  ftbcrla.ssen  {al  bera  «/  ham,  Imrtia  ütburdr\\ 
in  der  Kegel  wurde  jedoch  das  Kind  naturUcherweUe  vom  Vater  ange- 
nommen und  nun  folgte  die  Wasserbegiessung  {ai  ausa  vatni)^  womit  die 
Namengebung  verbunden  war,  wie  auch  die  Mutter  jetzt  das  neugeborene 
Kind  in  ihre  Ajine  nehmen  und  ihm  Nalirung  geben  ilurftc.  Wer  das  Kind 
mit  Wasser  begt>ss,  sclieint  auch  in  der  Regel  seinen  Namen  bestimmt  zu 
haben;  gewöhnlich  war  dies  der  Vater,  doch  konnte  dies  Gescliäft  auch 
einem  oder  dem  andern  Freunde  des  Hauses  zufallen  und  zwischen  diesem 


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Literatur  Obrr  die  historische  Zeit.    KikdHeit. 


4J5 


und  dem  betreffcndi^n  Kinde  knüpfte  sich  dann  ein  starkes  Band.  Dem 
Namen  folgte  eine  Gabe  als  Patengcachenk  {nafnfeslr)  und ,  wenn  der  erste 
2ahn  sich  zeigte,  erhielt  es  wieder  ein  Geschenk  {tarinfe").  Dieselben  Namen 
kehren  häufig  in  demselben  Geschlecht  wieder,  indura  man  die  Namen  nach 
bcrülunteu  Vorfalu-en  wählle:  dem  Namen,  glaubte  man,  fol^ie  das  Gliück 
de-s  früheren  Trägers  und  den  Vcr\vandten  selbst  war  es  angelegen,  daas  ihrt; 
Namen  gewählt  wurden,  d-imit  die-sclbeji  nicht  ausstfirbcn.  Die  Namen  sind 
aus  den  verschiedensten  Gebieten  geuominea;  Farbe,  Aussehen,  geistige  untl 
körperliche  Eigenschaften,  Arbeit,  Geram-liaften .  Waffen,  Tiere,  die  leblos*; 
Natur  u.  s.  w.;  besonders  b.lufig  sind  zusammengesetzte  Namen,  bei  denen 
das  erste  Glied  einen  Gflttemamen  bezeichnet,  und  Namen,  welche  mit  Zu- 
sammensetzungen oder  mit  Ableitungen  von  Worten  gebildet  werden,  die 
auf  Kampf,  Sieg,  Mut  und  ahnliclies  hindeuten,  so  dass  die  nordischen  Namen 
einer  gewissen  Einförmigkeit  nicht  cnlgelirn,  Je*le  IVrson  erhielt  nur  einen 
Namen,  aber  der  Deutlichkeit  wegen  wuriie  man,  wenn  es  erforderlich  war, 
zugleich  als  Sohn  oder  Tochter  des  Vaters  bezeichnet  Zuweilen  wurde  man 
Dach  der  Mutter  benannt,  besondere  wenn  der  Valer  vorher  gestorben  war. 
Ausser  der  Benennung  nach  den  Vorfahren  war  es  ausserordentlich  allgemein 
■meines  Mannes  Ndnien  einen  lieinamen  beizufügen,  hindeutend  auf  eine  innere 
■oder  Süssere  Eigentümlichkeit  i, selten  schmeichelnd),  eine  oder  die  andere 
Begebenheit  oder  komische  Situation  aus  des  Betreffenden  I-eben;  in  der 
Anrede  kümiteu  solche  Benennungen  im  allgemeinen  nur  zum  Spott  ange- 
wandt »-erden.  Dass  die  Geburt  eines  Kindes  gewöhnlich  die  Veranlassung 
zu  einem  Gelage  gab.  bezeugt  das  norwegisch-schwedische  bamsöl  (Kindei- 
bicr).  im  Dänischen  erhalten  in  der  Foini  band  (jetzt  mit  der  Bedeutung 
»Niederkunft«).  —  luteressame  Regeln  für  nordische  Namengebung  tut.  G. 
Stoim  un  Ariw  /.  noräisi  fihhgi  IX.  (189,5)  nachgewiesen.  Ursprünglich 
war  imtcr  den  gcnnaiiischcn  Völkern  nicht  Betiamuiig  nach  Vorfahren, 
Jem  eine  Art  Namen-Variation  im  Gebrauch,  in  der  Weise,  dass  von 
zwei  Gliedern  des  neuen  Namens  (Gunde-rich  zum  Beispiel)  das  erste 
3n  dem  Namen  eines  Anverwandten  geliehen,  das  zweite  willkftrlieh  gewählt 
st,  oder  beide  können  von  Namen  der  Anverwandten  —  z.  B.  Vater  und 
Mutter  —  genommen  werden,  ein  Glied  von  jenem.  Was  den  Norden  be- 
trifft, stimmen  hiermit  Qbcrein  Zeugnisse  aus  dem  ßeowulf  und  den  alteren 
Runeninschrifien.  Von  dem  8.  Jahrh.  an  kann  man  in  den  skandinavischen 
Landern  Benamung  nach  Vorfahren  nachweisen,  und  daran  walirwiicinlich 
geknüpft  den  Glauben,  dass  —  durch  eine  Art  Seelen  Wanderung  —  der- 
ligc,  nach  welchem  die  Benanmng  stattfand,  in  dera  benamtcn,  wieder- 
jrcn  werde.  Man  wählte  deshalb  nie  (oder  selten?)  den  Namttn  noch 
lebender  Leute,  sondcni  entweder  Namen  fernerer  Vorfahren  oder  jüngst 
veretorbencr  Vcrttaiidten ;  falls  der  Vater  %'or  der  Geburt  des  Sohnes  slari), 
bekam  dieser  unbedingt  seinen  Namen.  Wenn  der  Verstorbene  einen  Bel- 
len trug,  wurde  gewöhnlich  dieser,  und  nicht  der  eigentliche  Name  zur 
lenamung  benutzt,  wodurch  viele  neue  Namen  entstanden.  Diese  Kegebi 
:n  sich,  ganz  'xler  teilweise,  in  den  skandinavischen  Landern  lange  hin- 
erhalten. —  Wenn  ilie  Erziehung  des  Kiiuk-s  in  der  Heimat  vor  sich 
wurde  in  vornehmen  Hausen»  die  besondere  Aufsicht  über  dasselbe 
snem  der  unter;geordnelen  Mitglieder  des  Hausstandes  Übertragen;  zwischen 
Kleinen  und  seiner  Pflegemutter  (/ösira)  oder  seinem  Pflegevater  {/ösin) 
knUpfte  sich  ein  Band  fürs  ganze  Leben.  Aber  ausserordentlich  häufig  scheint 
es  vorgeki>mmen  zu  sein,  dass  das  Kind  in  zartem  Alter  zur  Krziehung  {/mtr) 
aus  dem  Hause  geschickt  wurde.     Dass  auch  in  solchen  Fallen  die  Erziehung 


p«ond( 


gcboi 


Fiiabei 


4i6 


Xn.  Sitte,     i.  Skandinavische  Verhältnisse. 


ursprQnglkh  als  ein  Vertrauen  samt  betrachtet  worden  ist,  mit  dem  Unter- 
gebene betraut  wurden,  kann  daraus  gcsehlosscn  werden,  dass  der  allgemeinen] 
Anschauunif  zufolge  der,  welcher  eines  Andern  Kind  aufzog,  sich  als  dessen-! 
Uniergebenen  anerkannte.  Dodi  bat  diese  Art  Erziehung  gewöhnlich  deaJ 
Charakter  eines  angetragenen  Freundschaftsbeweises  und  wird  in  vielen  Fallen' 
von  einem  Gleichgestellten  grw^ihrt,  oft  jedoch  natflrlicherweisc  auch  von 
Leuten,  weldie  dadurch  den  Schutz  Machtigerer  zu  erlangen  »-ünschen. 
Gegenüber  solchen  Pflegeeltern  fühlte  sicii  nämlich  das  Geschlecht  des  Kin- 
des sehr  verpflichtet  und  es  hegte  selbst  gewöhnlich  grosse  Ucbe  zu  den 
Pflegeeltern.  Für  den  Einfluss  des  Pflegevaters  auf  das  Adoptivkind  zeugt 
das  Sprichwort  ßördimgi  hrtgitr  (il  ßsirs  (um  ein  Viertel  artet  man  dem  Pflege- 
vater nach).  Eine  besonders  fcsüiche  Form  ein  Kind  zur  Erziehung  {oder 
möglicherweise  eher  an  Kindes  statt)  anzunehmen  scheint  dies  gewesen  zu 
sein,  es  auf  die  Kuie  zu  setzen  [knesetja]  d.  h.  auf  den  Schoss  zu  nehmen. 
Über  Legitimation,  vgl.  §  lo.  Kinder,  welche  zusammen  erzogen  wurden, 
vereinigten  sich  gewöhnlich  in  lebenslänglicher  Freundschaft,  so  dass  das 
Wort  fSsthrcäralaf>,  das  ursprünglich  die  zwischen  solchen  entstandene  Ver- 
einigung bczeicluiet,  dazu  kam,  einen  zwischen  Männern  unter  besunderer 
Feierlichkeit  geschlossenen  Freundschaftsbund  zu  bedeuten  (vgl.  §  8).  Selbst 
in  jener  vnn  aller  Weichlichkeit  so  entfernten  Zeil  war  doch  Rücksicht  auf 
des  Kindes  Bequemlichkeit  und  Vergnügen  keineswegs  ausgeschlossen:  Win- 
deln, Wiegen  und  Spielzeug  werden  erwähnt.  In  der  Erziehung  herrschte 
grosse  Freiheit:  Knaben  und  Madchen  tummelten  sich  frei  untereinander  und 
mit  den  gleichaltrigen  Kindern  der  Knechte  des  Hofes,  von  welchen  zu- 
weilen eins  bereits  bei  der  Geburt  dem  jungen  HcrrenkJndc  geschenkt  war. 
Bald  bcRaiHi  man  im  Spiel  die  Wirksamkeit  der  alteren  nachzuahmen;  es 
dauert  nicht  lange  und  der  Knabe  beweist  durch  sein  Auftreten,  dass  er  sich 
als  Mann  fühlt.  Vom  Leben  des  Madchens  in  der  Kindheit  und  ersten 
Jugend  bis  zum  Eintntt  des  Liebesverhältnisses  h5ren  wir  nur  wenig.  Selbst 
vor  dem  12.  Jalir,  welches  ursprünglich  das  Mflndigkeitsalter  für  Knaben 
war,  findet  man  viele  Beispiele  von  grossem  Eigensinn,  aber  zugleich  von 
Selbstgefühl  mid  zeitig  erwachter  Vernunft;  sogar  ein  ntx'h  so  anmassendes 
Auftreten  des  Jungen  (ein  von  ihm  begangener  Todschlag  z.  B.)  scheint  kaum 
gcmissbilligt  worden  zu  sein;  die  Freude  über  jedes  Zeichen,  dass  der  Knabe 
einen  kecken  und  nnhiegsamen  Charakter  entwickehi  würde.  Überwand  leicht 
den  Ärger  darüber,  d^ss  es  zeitweise  beschwerlich  fallen  konnte,  mit  ilira  zu 
thim  711  haben.  Das  Mündigkcitsalter  für  Knaben  wurde  später  vom  12.  auf 
das  15.,  in  Island  das  16.  Jahr  verlegt,  und  für  das  allgemene  Bewusstsein 
hörte  wohl  auch  die  Kiudiieit  im  L;iufe  dieser  Jahre  auf. 

%  8.  Jugend.  Als  das  eigentliche  Jünglingsalter  sah  man  jedoch 
das  Alter  von  18  Jahren  an.  In  diesem  Alter  hatte  der  Jüngling  eine  kraf- 
tige körperliche  und  geistige  Entwicklung  erlangt.  Seine  Erziehung  hatte 
vornehmlich  die  körperliche  Ausbildung  im  Auge  gehabt,  ohne  doch  gelst^ 
Fertigkeiten  ganz  bei  Seite  zu  setzen;  die  auf  beiden  Wegen  erworbene 
Fertigkeiten  nannte  man  zusammen  ipr^ttir  (Sing,  tpraif).  Ein  wohl  ai 
hildeter  Jüngling  musstc  Meister  sein  im  Gebrauch  dt-r  Waffen,  im  Reiten, 
Schwimmen  u.  s.  w.,  tüchtiger  JSger  und  Handwerker,  kundig  im  Würfel- 
sjMel  und  gcsellsch:LflJiLher  Unterhaltung;  besonderes  Ansehen  verschaffte 
Kenntnis  der  Runen,  Verständnis  der  Dichtkunst,  Kenntnis  der  Gesetze  und 
Beredsamkeit;  zu  allererst  verlangte  man  Kraft  imd  Starke,  Abhärtung  und 
Todesverachtimg.  Man  trieb  darum  mit  vielem  Eifer  melirere  Arten  ziem- 
lich gewaltlhütiger  und  oft  blutiger  Spiele,  man  hllrtete  den  Leib  gegen  Kälte 


Kindheit.    JunEKO.    Hrirat. 


417 


und  Hilze,  Wunden  und  Schmerzen,  die  Seele  gegen  GemQtsbewcgungcn  ab, 
«Dan  gewöhnte  sich  uhnc  Furcht  dem  Tcxle  ins  Angesicht  zu  «tchen  und  eine 
Ehre  darin  zu  suchen,  wenn  man  dns  Leben  bei  gefahrlichen  Untcmelimun- 
gen  aufs  Spiel  solzto.  Unter  solchen  Verhältnissen  wurde  die  Heimat  für 
den  JOngting  leicht  ein  hIIzu  enger  Tummelplatz,  Kr  brach  auf,  wurde  eines 
Häuptlings  Üienslmimn  und  nahm  an  dessen  Heereszügen  teil  tnlcr  ging  auf 
eigene  Hand  auf  Vikingszüge  aus,  überwinterte  bei  seinen  Gastfreunden,  be- 
slaod  gefahr\'otle  Abenteuer,  um  diese  zu  beschützen,  und  konnte  dann  nadi 
Verlauf  einiger  Jahre  mit  Ruhm  und  ehrenvoll  erworbenen  Kostbarkeiten  in 
die  Heimat  zurückkehren.  Zur  gegenseitigen  Unterstützung  in  den  vielen 
■Gefahren,  welche  ein  sotclics  Leben  mit  sich  führte,  diente  der  Abschluss 
von  Blutsbrüderschaften  {J6itbrt>äral(tg)  zwischen  zwei  oder  mehreren  Männern. 
Die  Belieffenden,  wdche  mit  fdciUcltem  Eid  gdubten,  einander  zu  rächen, 
einander  zu  unterstützen,  ja  vielleicht  sogar  ursprünglich  einander  nicht  zu 
Überleben,  stellten  sich  unter  einen  ausgesdinittenen  Rasenstreifen,  der  an 
beiden  Enden  mit  dem  B(>dcn  zusammenhing,  und  Hessen  ihr  Blut  zusammen- 
laufen, dass  es  sich  mit  Erde  vcmiischle,  alles  zum  Zeichen,  dass  sie  sich 
als  Brüder  fültltcn,  als  SOlmc  einer  gemeinsamen  Mutter  (der  Erde).  Sie 
wurden  jetzt  geschworene  Brüder  {eiäbroär,  irfarabrödr);  aber  da  eine  solche 
Verbindung,  wie  man  annehmen  kann,  besonders  oft  von  Männern  einge* 
gangen  Ä*urde,  die  als  Kinder  zusammen  erzogen  waren,  wurde  ßsi'br&itr 
(Sing,  -bröäir)  die  allgemeine  Bezeichnung  für  solche  Eidesbrüder;  vgl.  M. 
Pappenlieim,  DU  altäättischen  Scbutigiidea,  Breslau  1885,  §  2,  besonders 
S.  31 — 33,  3Ö,  und  V.  Gudmundsson,  Fdstbraäralag  (in  prjdr  ritgjördir 
etc,  Kph.  1892).  Eine  eigentümliche  Stellung  nalimen  einzelne  von  den 
Jünglingen  ein,  welche  in  ihrer  Jugend  trüge  und  stumpf  waren  und  den  Tag 
über  in  der  Asche  am  Feuer  lagen,  die  sogenannten  Kulilenbeisser  {kolbitar), 
bis  sie  bei  bestiuderer  Veranlassung  erweckt  wurden  und  als  Maimer  mit 
Obennenschlicher  Kraft  auftraten.  Die  Erziehung  der  Mädchen  ging 
selbstverständlich  zunächst  darauf  aus,  sie  an  die  Teilnahme  an  den  häus- 
lichen Geschäften  zu  gewöhnen.  Sic  setzten  eine  Ehre  darein  sich  durch 
kunstvolle  Handarbeiten  auszuzeichnen:  gewöhnlich  witr  auch  die  Heilkunde 
den  Fntutii  vorbehalten.  Der  Gebrauch  der  Waffen  scheint,  jedenfalls  in 
der  historischen  Zeit,  ausschliesslich  den  Maimem  überlasscu  worden  zu  sein. 
Dagegen  war  es  nicht  ohne  Beispiel,  dass  Frauen  sich  in  der  Dichtkunst 
vereuchtcn. 

!>  0.  Heirat.  Aus  der  Schilderung  der  Sagas  geht  hervor,  dass  die 
jwigen  Madchen  si^^h  frei  bew^en.  an  gesellschaftlichen  Zusammenkünften 
und  dergleichen  teilnehmen  kunnlen.  Doch  scheint  eine  so  angeknüpfte 
Bekanntschaft  zwischen  den  jungen  Leuten  selten  die  Einleitung  zur  Ehe 
gewesen  zu  sein.  Die  Ehe  war  ein  reines  Geschäft,  bei  dessen  Eingehen 
die  Erotik  am  liebsten  als  ein  .'Jtr>rendes  Moment  betrachtet  worden  zu  sein 
scheinL  Für  die  Manner  war  wohl  die  Zeit  sich  zu  ^'erheirati:;u  In  der  Kegel 
auch  erst  in  reiferem  Alter,  nachdem  die  unruhigen  Jugendjahre  zu  Ende 
waien,  wogegen  allerdings  die  Weiber  öfter  in  einem  mxh  sehr  jugendlichen 
Alter  verheiratet  wurden.  Der  Mann  war,  wie  man  annehmen  darf,  in  der 
Regel  vüilst-tndig  frei  in  seiner  Wahl,  aber  häufig  leitete  einer  oder  der  an- 
dere seiner  nächsten  und  ansehnlichsten  Verwandten  die  Saclie  dadurch  ein, 
dass  er  ihn  aufforderte  sich  zu  verheiraten,  ihm  eine  passende  Partie  be- 
zeichnete und  ihm  anbot,  die  Sache  in  Ordnung  zu  bringen;  hier  liess  auch 
der  Jüngling  sich  gern  vom  Rate  Älterer  imd  VersLlndigerer  leiten,  ja  licas 
sie  die  Sache  ganz  abmachen,   so  dass  er  nicht  einmal  mit  dem  Aussehen 

GcnnaolKAc  Philologie  UI.    'i.  AufL  37 


4i8  XII.  SinE.     1.  Skaxdinavische  Verhältnisse. 


seiner  ZukOnftigcn  sich  vnr  der  Abmaclmng  bekannt  machte.  In  vielen 
Fallen  waren  politische  Rücksichten  der  vomelunste  iixier  einzige  Beweggrund 
SU  einer  Heirat,  aber  in  jedem  Falle  galt  es.  eine  passende  Partie  {^/ttr<r/ti) 
zu  finden,  also  fClr  einen  vornehmen  jOngling  pin  Müdchen  aus  angesehener  und 
wohlhabender  Fatiiilie,  selbst  liMqjerlich  und  geistig  wohl  ausgestattet.  Eine 
auf  nähere  Bekanntschaft  gcgründi'te  gi!^*ui.seitige  Zuneigung  vor  der  Al>- 
raiuhung  gehörte  zu  den  gnissen  Ausnahmen.  Alles,  was  dem  glich,  was  mit 
einem  modcnicn  Ausdruck  ein  UUigcr  fr>rtgcsctztca  Kourmachen  genannt 
wercJcn  kannte,  setzte  den  Vater  oder  Vormund  des  Mädchens  in  gprosse 
Unruhe  und  brachte  ihn  si.">gk-ich  dazu  zu  j^laubcii,  dass  der  Betreffende  sie 
verführen  wollte.  Kine  solche  Kiniejiung  einer  Heirat  war  so  übel  ;inge- 
selien,  dass  die  V;Uer  lünrelchend  Veranlass uiija  fanden,  eine  in  jeder  Hin- 
sicht passende  Partie  auszusclt]:igen,  wenn  das  Vcrhültniss  der  jungen  Leute 
auf  Gnmd  wiederholter  IJesuclir  des  Jünglings  in  den  Muntl  der  Leute  ge- 
kommen war.  Noch  schlimmer  als  häufige  Besuche  scheinen  LicbesUeder 
{mam^ngTvhur)  aufgenommen  worden  zu  sein:  das  Isländische  tiesetz  be- 
stimmt sogar  die  Acht  für  die  Dichtung  eines  solchen.  Die  Stellung  des 
Weibes  im  Liebesverhältnis  ist  in  hohem  Grade  passiv.  Von  einer  Auswahl 
von  ihrer  Seile  hi'in  man  selten,  sei  die  Rede  von  der  Ehe  oder  von  loseren 
Verbindungen,  wo  Wideistandskrafl  von  ihrer  Seite  weder  erM'arlel  zu  wer- 
den, noch  .sich  geltend  zu  machen  sclieint;  die  Strafe  des  Gesetzes  und  die 
Rache  des  beleidigten  (.ieschlechte-s  waren  es,  welche  den  Verführer  zurück- 
haheii  miissten.  Bei  dt!r  Walil  des  Gatten  war  das  Weib  aucli  rechüich 
j  ohne  allen  Einflnss.     Ihr  Vormund  [giptingarmadr)  konnte  sie  zur  Ehe  zwin- 

gen,  und  wir  sehen  auch  in  der  Kegel  den  Vater  seine  Tochter  ungefragt 
I  verheiraten:    wenn    er   ausnahmsweise   die    Abmachung    auf    üirem    eigenen 

I  Willen  beruhen  Hess,    geschah   dies   in  Erkenntnis   ihres  stolzen  und   unbi^- 

I  samen  Charakters  oder  auf  <inind  besimdcrer  Achtung  imd  Liebe.     Können 

I  wir  den  Sagas  glauben,   so   waren  doch  unglückliche  Ehen  keineswegs  allge- 

mein.     Das  Mädchen  mussle  nach  der  Anschauung  der  Zeit   diese  Art    von 
I  Verheiratung  als  eine  Sache  betrachten,  die  ganz  in  der  t>rdnung  war.     Die 

I  lan^ücklichen    Ehen    rühren    namenüich    von    dem  Mlssvcignügen    der  Frau 

'  her,  keine  passende  i'artie  gemacht  zu  haben,  d.  h.  keinen  Mann  zu  haben, 

der  dem  Stande  wie  den   kürperlichcn    und   geistigen  Verhältnissen    nach   in 
einer  Reihe  mit  ihr  stand;    in   solchen  Fallen    war   es   gewöhnlich    das  Ver- 
mügen  de*  Bewerbers,  das  den  Vater  dazu  gebracht  halte,    den  Mangel  der 
I  übrigen  Bedingungen  zu  übersehen;    die  Tochter   ist   um   des   Geldes   willen 

verheiratet  [gep»  lil  /pit ).  Kreier  gestellt  war  doch  die  Wittwe  und  die  g^ 
schiedene  Krau,  obwnhl  auch  hier  die  n^lclisten  Verwandten  einen  bedeu- 
tenden Einfiuss  hatten. 

Die  Heirat  {kvänfattg,  gifiii»g)  wurde  unter  Bei lUicluuiig  gewisser  Formen 
eingegangen,  welche  nicht  versäumt  werden  durften.  Wenn  der  junge  Kfami 
sich  eine  Braut  ausersehen  h^tte,  Z(ig  er  zur  Bewerbtmg  [bönord)  zu  ihrem 
Vater  oder  nächsten  Verwiiiiiken,  um  mit  ihm  den  Vertrag  {Jeslar)  abni- 
schiiessen,  eine  Handlung,  welche  eine  notwendige  Voraussetzung  für  jctie 
rechtsgültige  Ehe  war.  Er  wurde  von  seinem  Vater  oder  einem  seiner  Ver- 
wandten oder  Freunde,  *ift  auch  zugleich  von  einem  grösseren  Gefolge  be- 
gleitet. Gewähniich  führte  einer  seiner  Begleiter  das  Wort  für  ihn.  Die 
Heirat  wurde  als  eine  Art  Kauf  ykaufi)  bezeichnet.  M-obei  der  Bräutigam  fflr 
eine  gewisse  Summe  seine  Braut  V("in  ihrem  Voruumd  kaufte;  bei  dem  Ver- 
trage wurde  die  naliere  Verabredung  und  die  verpflichtende  Übereinkunft 
betreffs   dieses   Handels  getroffen.    Die  Grösse   der    Kauf&umme    {mumir). 


IIeikat. 


419 


welche  nach  dem  Eingehen  der  Ehe  der  Braut  ruficl  und  ohne  deren  Ent- 
rirhujng  kdne  Ehe  rwhtsgültig  war,  tlic  Mitgift  {hciman^l^n\,  die  der  Braut 
von  ilirtin  Vater  ndcr  Vurmuml  bezalilt  wurde,    und   mehiere  ähnliche  Ab* 
gal>rn  mussten  jetzt  vcrahredel  werden,  wie  au<:h  der  Ehejrattcn  gq^nseitige 
Vennögensverhaltnisse    überhaupt,    wenn  WrniMgensgemeii^si-haft    sein   srjlUe, 
imd  in  solchctn  Falle  von  welcher  Art.    Wenn  der  Freier  nicht  hinreichend 
gut  gestellt  war,  so  mnssten  die  Verviandtcn  ilm  aussteuern,  so  da&s  er  eine 
passende  Partie  darbielL-n  konnte.    Gloidizeilig  wurde  die  Zeit  für  die  HcKrh- 
leit  frstgcsetzt     Hatte  der  Freier  eine  längere  Reifte  s:u  niarlicn  ttder  lagen 
andere  wichtige  Gründe  vor,   so  konnic  diese  auf  mehrere  Jalire  hinausge- 
schoben  werden;    im   en^egengesetzten  Fall   wurde  sie   im  Laufe  desselben 
Jahres  abgehalten,  oft  mit  nur  kurzer  Fiist.     Die  j^ewCihnHche  Zeit  war  wolU 
der  Herbst  oder  der  Anfang  tles  Winters.     Die   eigenüichc  Verlobung   ging 
so  vor  Bich,    dass  der  E'Veier,    nmiidcm   die  Übereinkunft    in  Gegenwart  von 
Zeugen  verkündigt  worden  war,    zum  Vormund   tler  Frau    trat,    weldier   mit 
Handsrhlag  ihm  die  Frau  verlobte,  wahrend  beide  Parteien  sich  Zeugen  des 
Vertrages  wählten.     Diese  war  nun  für    beide  Teile  rechdich  bindend.     Die 
Verlobung  ist  walinvtheinlieh  ziirmlich  allgemein    durch    ein    Gelage   {Jaiar^) 
gefeiert  und  durch  eine  Gabe  \/f)iiorgj\»/)  ausgezeichnet  worden,    welche   von 
dem  Freier,  der  durch  die  Verlobung  festannaär  wurde,  »einer  Jestarkona  Über- 
reicht   wurde.     Am    hJlufigsten    fand    die  Hochzeit   ibniäMaup,  bniäkaup)   bei 
dem  Vater  der  Braut  statt,  zuweilen  jedoch  auch  bei  dem  Vater  des  Bräuti- 
gams und  dann  hauptsflchlich  als  ein  En^cgenkummen  ihm  gegenüber:  war 
der  Vertrag  abgeschlossen  und  die  Urautkaufsumme  Iie/;ihlt,  so  war  sie  noch 
als  dritte  Haupibedingung    für  eine  rechtsgültige  Elie    übrig.     Die   wichtigste 
Cercmonic  bei  dieser  Gelegenheit  war  unzweifelhaft,  dass  das  Brauti>aar  im 
Beisein  \Y>n  Zeugen  in  dasselbe  Hctt  geführt  wiirtle,    wiwlurch   sie  Ehegatten 
{kf^n)  wurden.     Bei  Veranlassung  der  Hochzeit  wurde   ein  Gelage  gehalten, 
welches  grosse  Kosten  und  lange  Vorbereitung  erforderte  und  welches  liüufig 
mehrere  Tage    hindurch    für   die    in    grosser    Menge    Eingeladenen    dauerte. 
Den  Haupttdluehmcni  am  Gastmahl  wurden  Plätze   nach    t-iner   bestimmten 
Regel  angewicjten,  so  da.ss  der  KT^utigam  (hniitgumi)   auf  <lcm   lIcK-lisitz   auf 
der  vornehmsten  der  zwei  langen  Bänke  sass  mit  den  %*on  iliin  Eingeladenen 
auf  l»eidcn  Seiten,    der  nächste  Verwandte   der  Braut  auf  dem  Hochsitz  auf 
der  geringeren   Bank  mit  *ien  von  ihm  Eingeladenen    auf  Ix'iden  Seiten,    die 
Braut    ibniär)    miuen    avif    der  Qucrbaiik    mit    den    anwesenden  Frauen   auf 
beiden  Seiten;    ihr  Ha;ir,    welches  sie   bit   dahin   als  UnvcrmSldte   offen  ge- 
tragen hatte,  wurde  jetzt  von  einem  Tuch  (//«)  bedeckt.     Den  Tag  nach  der 
Hochzeit   nahm    die    Frau    die    sogenannte    Morgengabe    {ffiorgHffgjff)    ihres 
IlrAutigams  entgegen.     Ursprünglich  scheint  am  Morgen  nach  der  Htichzeits- 
nacht    der    jungfräulichen    Braut    ein  Gcsi^henk  {linfr)   gewährt    zu    sein,   der 
sich  verheiratenden  Wittwe  dagegen  am   Hochzeitsabend  ein  entsprechendes, 
aber  anders  benamites  {i'fthjargj^f). 

Nach  den  Zeugnissen,  welche  die  mitte lalterliclien  Quelkm  liefern,  waren 
die  Verhallnisse  in  Schweden  in  dieser  ganzen  F^eriode  noch  wenig  ab- 
weichend. Auch  hier  wurde  die  Ehe  nicht  wie  eine  Privaltniclie  zwUchen 
den  Beiden,  Sfjndem  wie  eine  Verfnndung  zwischen  zwei  Geschlechtern  be- 
trachtet, welche  mit  umständlichen  und  formellen  Verhandlungen  eingeleitet 
werden  musste.  Dem  Vertrag  geht  em  Besuch  des  Freien*  bei  dem  Vor- 
mund de»  Madchens  vorher,  wobei  er  seinen  Antrag  vorbringt;  im  Falle 
ler  günstigen  Antwort  wird  eine  Zusammenkimft  verabredet  und  erst  da 
•ht  die  Verlieiratung  vor  sich.     Hier  ireften  sich  der  Freier,  der  Vormund 

ST» 


420  XII.  Sirre.     i.  SKAMoufAViSBHB  Verhältnisse. 


k 


des  Madchens  und  die  Zeugen,  dagegen  in  allerer  Zeit  nicht  notwendiger- 
weise die  Braut  selbst-  Auch  nach  schwedischem  Gesetz  u*urde  die  Haus- 
frau ursprünglich  mit  einer  Summe  {'mund')  erkauft,  doch  begann  diese  Aus- 
steuer Namen  und  Bedeutung  zu  verlieren  und  hatte  in  jetlem  Falle  aus- 
schliesslich den  Charakter  eines  Geschenks,  welches  der  Mann  der  der- 
cinstigcn  Hausfrau  gelobte,  welcher  dann  gleichfalls  von  Hause  eine  Mitgift 
ungesagt  wurde.  Ein  fester  Brauch  war  es,  dass  die  Verbindung  durch  einen 
Handschlag  zwischen  Bräutigam  und  Braut  bekräftigt  wurde,  begleitet  von 
einigen  formellen  Worten  von  Seiten  der  betreffenden  Parteien.  Von  den 
anwesenden  Verwandten  wurden  bereits  auf  der  Versammlung  'Freundes- 
gaben' cntrirhiet.  Die  Hochzeit,  welche  meist  binnen  einem  Jahre  nach  der 
Verlobung  gefeiert  wurde,  fand  un  Hause  des  Mannes  statt;  sechs  Wochen 
vorher  mussten  die  Abmachungen  mit  dem  Vormund  der  Braut  getroffen 
sdn.  Die  Braut  wurde  von  einer  formellen  Gesandtschaft  abgeholt,  woran 
der  Bräutigam  keineswegs  immer  teilnahm;  bei  der  AiLkunfl  im  Hause  der 
Braut  wurde  den  Fremden  Friede  zugesichert  und  die  Braut  nahm  gewisse 
Geschenke  entgegen.  Wahrend  des  folgenden  Gastmahls  trug  einer  der  Ver- 
wandten des  Bräutigams  auf  die  Auslieferung  der  Braut  an  und  ihr  Vonnund 
wandte  sich  dann  zu  ihr,  die  besonders  vom  Gesetz  ges4:hützt  auf  der  Braul- 
bank  Platz  genommen  halte,  mit  einem  feierlichen  Fonnular,  wodurch  er  sie 
zu  dem  vollen  Rechte  einer  Hausfrau  vermählte.  Nachdem  das  Trinkgelage 
noch  eine  Zeitlang  fortgesetzt  war,  wurde  das  Zeichen  zum  Aufbruch  ge- 
geben und  die  Braut  mit  ihrem  Gefolge  begab  sich  jetzt  mit  den  Leuten 
des  Brauügams  fort.  Ziemlich  früh  .scheint  kirchliche  Trauung  durchge- 
drungen zu  sein:  der  Zug  ging  dann  vom  Hause  der  Braut  zur  Kirche  und 
erst  nach  beendeter  Trauung,  wobei  sowohl  Brautkronc  als  Brauthng  in 
Anwendung  kamen,  von  dort  zum  Hau.se  des  Mannes,  zum  Hochzeilshof c. 
Noch  erhaltene  schwedische  Gebräuche  kOinnen  darauf  hindeuten,  dass  der 
NeuvcnnÜLhttL-n  erster  Gang  bei  der  Ankunft  in  der  neuen  Heimat  zum 
Herclfeuer  ging,  doch  wird  nichts  dergleichen  in  miitelalterhchen  Quellen 
erwähnt.  Im  Hause  des  Mannes  b^ann  jetzt  das  eigentliche  Huthzcits- 
raahl,  das  in  Schweden  wie  anderwärts  überreichlich  und  langdauemd  war. 
Die  endliche  Vollziehung  der  Ehe  geschah  damit,  dass  die  Neuvermählten 
am  Abend  in  das  gemeinschaftliche  Bett  gingen.  Tags  darauf  erhielt  die 
Hausfrau  ihre  Morgengabe,  welche  später  den  Kindern  als  möttcrliches 
Erbe  zufiel.  —  In  Betreff  Danemarks  geht  es  aus  verschiedenen  Stellen  b« 
Saxo  hcr\-ur,  dass  die  Braut  vor  Alters  gekauft  wurde;  in  den  mittelalterlichen 
Gesetzen  sind  hiervon  nur  schwache  Spuren  erhalten  und  iiestmdere  Ge- 
bräuche bei  der  Heirat  werden  fast  nicht  erwähiiL  Des  Mädclicna  Vor- 
mund hatte  über  die  Verheiratung  zu  verfügen,  welche  jedoch  nicht  g^en 
ihren  Willen  geschehen  durfte;  kann  man  in  dieser  Hinsicht  Saxo  Glauben 
schenken,  so  nahm  man  in  alter  Zeit  sogar  ausserordenUiche  Rücksicht  auf 
den  Willen  der  Tochter,  und  die  bei  ihm  auftretenden  Fmuen  haben  durch- 
gängig freie  Wahl.  Auch  in  den  Volksliedern,  wo  selbstverständlich  die 
Erotik  eine  grossere  Rolle  spielt,  wird  die  Kinwilligung  der  Verwandten  als 
der  erste  und  notwendigste  Schritt  der  Ehe  vorausgesetzt;  darauf  gab  der 
Freier  seiner  Auserkorenen  Brautgeschenke  und  ein  Brauunahi  wurde  ge- 
halten; endlich  folgte  die  kitchliche  Trauung  mit  zugehörigem  Hochzeilsmahl, 
das  Brautpaar  wurde  zu  Bett  geleitet  und  am  nächsten  Morgen  forderte  die 
Braut  ihre  Morgengabe.  Ausführlich  kennen  wir  die  Verhältnisse  aus  dem 
[6.  Jahrhundert  und  sehen  da  den  alten  Charakter  der  Heirat  voll  bewolirt, 
nur  von  einem  religiösen  Fimi&s  oberzogen.    Das  Eingehen  der  Ehe  ist  wie 


J 


I 


früher  ein  vorsichtig  abgeschlossener  Handel  mit  Misshilligung  jeder  Lieb- 
schaft, ja  die  Unfreiheit  der  jungen  Leute  scheint  unter  dem  Druck  der 
tonangebenden  Gebtiichkeit  nun  mehr  hervorgetreten  zu  sein  als  frQher. 
Die  Werbung  erfo^  durch  Fürsprecher,  im  Beisein  von  Zeugen,  ohne  dass 
der  Freier  selbst  eine  hervorragende  Rolle  spielt;  nachdem  die  notwendigen 
Verliandlungen  zu  Ende  gebracht  sind,  folgt  die  feierliche  Vermählung  und 
schliesslich  die  Hochzeit,  bei  welcher  kirchliche  Trauung  vom  Schiusa  des 
Jahrhunderts  an  obligatorisch  wurde.  Ja  noch  bis  in  dieses  Jahrhundert 
findet  man  im  Bauernstände  in  ihren  HauptzQgcn  Verheiratung  und  Hoch- 
zeit in  der  alten  Form  erhalten.  Wahrend  ursprünglich  dem  Gesetz  zufolge 
eheliches  Zusajiimenleben  vor  der  Hochzeit  mit  Strafe  belegt  war,  betrachtete 
man  spÄter.  !to  in  Dänemark  im  ib.  Jahrh.  und  im  Volke  noch  in  unsem 
Tagen,  die  Verlobung  als  Zeilpunkt  des  beginnenden  ehelichen  Zusammen- 
lebens. Eine  weit  verbreitete  Form  heimlicher  Zusammenkünfte  zwischen 
den  Jünglingen  und  Madchen,  wodurch  Bekanntschaft  gestiftet  und  eine  Elie 
angeleitet  wurde,  war  die  sogenannte  Nachtwerbung,  bei  der  das  junge 
Madchen  Sonnabend  Abend  den  Besuch  ihres  Freiers  im  Bette  empfing;  — 
unprflnglich  riurdUch  ist  jediK'h  der  Brauch  kaum,  jedenfalls  kennt  man  ans 
der  mittelalterlichen  Litteratur  kein  Zeugnis  dafür. 

Unter  den  norwegwchen  Bauern  scheinen  sich  bis  in  unsere  Tage  ausser 
Rcminiscenzen  der  Hochzeitsgeb rauche  aus  der  Sagazeit  (Bmutkauf  u.  s.  w.) 
Spuren  noch  allerer  Gewohnheiten  gehalten  zu  haben,  so  die  Einleitung  der 
Ehe  mit  scheinbarer  Feind.schaft  zwischen  den  betreffenden  Parteien,  so  dass 
der  Freier  sich  den  Zugang  zum  Hause  der  ausersehenen  Braut  gleichsam 
crrwiagen  muss,  wo  die  Braut,  nachdem  die  Werbung  stat^efuuden  hal, 
aus  ihrem  Versteck  hervorgeführt  und  mit  Gewalt  zum  Bräutigam  gebracht 
wird  u.  s.  w.  Als  im  Laufe  des  13.  und  14.  Jahrhs.  in  Norwegen  die  ktrch* 
lidi  gegründete  Ehe  das  Normale  wurde,  folgte  der  Vcriobung  das  Aufgebot 
zur  Ehe  in  der  Kirche,  darauf  Hochzeit  mit  Segnung  des  Brautringes  und 
folgender  Trauung  des  Brautpaares  vor  der  KirchenthOr.  sclüiesslich  im 
Horhzeitshause  Segnung  des  Mahlas  und  Ehebettes  durch  den  Priester. 

§  la  Ehe  {ijiisiafir).  War  auch  die  Hausfrau  ungefmgt,  durch  eine 
Art  Verkauf  in  den  Besitz  des  Mamies  gekommen  und  stand  sie  auch  dem 
Gesetz  zufolge  unter  seiner  Vormundschaft,  so  nahm  doch  die  verheiratete 
Frau,  die  Hausfrau  {hHsfrtyja)  eine  angesehene  und  selbständige  Stellung  an 
der  Seite  des  Hausherrn  {bSndi,  küsböndi)  ein.  Ihr  kam  die  Leitung  des 
inneren  Hauswesens  {räd  fyrir  innan  sioAk)  zu;  sie  sollte  <len  eigentlichen 
HaiLshalt  führen,  die  Nahrungsmittel  unter  ihrer  Aufsicht  haben,  deren  Zu- 
bereitung und  Austeilung  bes<irgen;  die  Schlüssel  zu  des  Hauses  Vorrats- 
kammer und  Truhe,  von  ihr  au  der  Seite  getragen,  waren  das  Zeichen  ihrer 
hausmütieriichen  Würde.  Weiterhin  sollte  sie  die  Aufsicht  über  die  weib- 
liche Dienerschaft  des  Hofes,  Dienstfrauen  -und  Knechtsfrauen,  haben  und 
darauf  sehen,  dass  die  wcibliclicn  Arbeiten  im  Hause,  wie  Weben,  Woll- 
arbeiten und  ahnliches,  richtig  ausgeführt,  zugleich  dass  die  Wartung  der 
Hflnner,  welche  den  Frauen  des  Hauses  oblag,  ordentlich  besorgt  wurde. 
Bei  der  Annahme  von  Dienstleutcn  hatte  die  Hausfrau  eine  gewichtige 
Stimme,  wie  sie  auch  dieselben  belohnen  und  strafen  konnte.  Die  Liebe, 
deren  Entstehen  vor  der  Hochzeit  die  VerlUÜtnisse  meist  aus>chlossen,  scheint 
doi  Sagas  zufolge  sich  bei  den  Neuvermählten  häufig  und  rasch  eingefunden 
zu  haben;  viele  Beispiele  unverbrüchlicher  Treue  zwischen  Ehegatten  sind 
uns  überiiefcrt  und  die  Tugend  der  Hausfrau  scheint  untadelhafl  gewesen 
zu  sein.     Nicht  selten    nimmt   bei   der  Hausfrau   das   Kräftig -imbiegsame. 


422 


XII.  Sitte,     i.  Skakdistavische  Verhältnisse. 


Thatige,  OiaraktRrfeste  auf  Kosten  des  Weiblichen  starker  flberhand,  als  ea 
uns  jetzt  ansprechend  erscheint,  aber  solche  Weiber,  welche  mit  dem  Namen 
tkfnmgr  bezeichnet  werden,  werden  stets  mit  ungeteilter  Bewunderung  er- 
wähnt. Kine  solche  Krau  hatte  grossen  Einftuss  auf  ihren  Mann:  der  Mann 
liOrt  auf  den  Rat  der  Hausfrau,  oft  mit  Recht,  aber  er  kann  aucli  in  Fällen 
nachgehen,  wo  er  Festigkeit  hatte  bewei.ten  sollte.  l!<t  der  Mann  eines  ge- 
waltsamen Todes  gestorben,  so  ist  sie  es,  die  am  allen-ifrigsten  zur  Rache 
treibt.  Ira  ganzen  wheint  der  M:inn  im  täglidien  Zusamrnenlel>en  der  Ehe- 
gatten, weit  entfernt  auf  tjTannische  Weise  aufzutreten,  gerade  in  hohem 
Masse  auf  den  Charakto*  der  Hausfntu  Rücksicht  genommen  und  sicli  danach 
gefOgt  zu  haben;  körperliche  Züchtigung  finden  wir  nur  selten  angewandt 
und  dann  darauf  eingeschränkt,  dass  der  Mnnn  sich  hinjeissen  la-ssi-n  kann, 
der  Frau  einen  Rackenstreich  zu  geben ;  und  immer  wurde  so  etwas  von  der 
Frau  als  eine  gmsse  KrJinkung  betniclitet,  die  schwei  verziehen  werden 
konnte.  Misshandlung  von  Frauen,  ge.schweigc  Toüschlag,  sah  man  als 
Bubenstück  an,  gleichwie  es  auf  der  andern  Seite  filr  eine  grosse  S<-hmach 
gehalten  wurde.  Sehlägc  vun  Fntuen  zu.  erbaiien,  SchlJlge,  welche  also  nicht 
gerecht  werden  knnntRn,  welche  man  sich  aber  auch  wohl  nur  durch  sehr 
verächtliches  Benehmen  zuzog.  Einen  zur  SelbstÄndigkeil  der  Hausfrau 
nurwirkenden  tlnind  kannte  man  versucht  sein  in  der  grossen  Leichtigkeit 
zu  suchen,  mit  welcher  sie  (jedenfalls  nach  den  Sagas)  Scheidung  (sh7naä>-) 
mit  Zurflckerstattung  ihres  Veniiögens  erlangen  konnte.  Ehescheidung  ist 
unzweifelhaft,  wenn  die  Gesinnung  der  Eheleute  nicht  übereinstimmte  oder 
eine  tnisüicliere  Disharmum'e  unter  ihnen  entstand,  sehr  liaufig  gewesen; 
welche  Grtlnde  v..n  Scheidung  man  für  jeden  der  Ehegatten  aJs  gesetzlich 
angesehen  hat,  ist  dagegen  schwer  mit  Ucstiiomtheit  zu  sagen;  in  den  Be- 
richten der  Sagas  ist  es  meist  unmöglich  zwischen  dem  streng  Gesetzlichen, 
dem  Billigen  und  dem  bloss  Willkürlichen  zu  scheiden.  Die  Freiheit  zur 
Scheidung  erscheint  zur  Zeit  der  Sagas  fast  uneingesclininkt;  die  in  den 
Sagas  vorkommetiden  Falle  haben  so  verschiedene  und  zum  Teil  wenig  be- 
deutende Ursachen,  dass  es  schwierig  ist,  gewLsse  einschränkende  Jiedingungcn 
aufzustellen;  es  scheint  sogar,  dass  ein  einfacher  Zwist  zwischen  den  Ehe- 
gatten oder  der  Wille  des  Schwiegervaters  ein  zureichender  Grund  gewesen 
ist  die  Ehe  zu  lüsen.  Waren  beide  Ehegatten  einig,  so  entstanden  natür- 
licherweise keine  Schwierigkeiten,  kaum  auch,  wenn  der  Mann,  im  Falle  er 
seine  Frau  fortsandte,  ihr  Vermögen  auszahlte;  verlangte  die  Frau  die  Schei- 
dung, so  wurde  dagegen  die  Sache  schwieriger  und  in  wieweit  sie  die  Aus- 
zahlung ihres  Vermögens  erreichte,  hing  wohl  zunadist  \(m  dem  gegen- 
seitigen Macht vcrJialtitis  zwisclien  den  Familien  der  betreffenden  Ehegatten 
ab,  zwischen  denen  bei  der  Sclieidung  sehr  oft  ein  mehr  oder  weniger  feind- 
liches Verhältnis  entstand.  Als  charakteristisrii  für  die  Auffassung  der  Zeit 
kann  hervorgehoben  werden,  dass  es  als  gesetzlicher  Scheidungsgrund  be- 
trachtet wurde,  wenn  einer  der  Khegatlen  Kleider  getragen  hatte,  weiche 
sich  fOr  des  betreffenden  Gesclilecht  nicht  passten.  Isolierte  Spuren  der 
fernen  vurhistt irischen  Zustande  einer  roheren  Zeit  begegnen  uns  in  verein- 
zelten Berichten,  welche  eine  weil  untergeordnetere  Stellung  für  die  Haus- 
frau andeuten:  mit  der  Verpflichtung  dem  verstorbenen  Ehegatten  in  den 
Tod  zu  folgen,  rechtlos  dem  Manne  gegenüber,  von  dem  sie  willkürlich 
vertauscht,  verkauft,  gelötet  werden  konnte.  Otter  begegnete  es  wohl  in 
heidnischer  Zeil,  dass  die  Hausfrau  eine-m  Manne  unter  Drohung  des  Zwei- 
kampfs abgedrungen  wurde.  Vielweiberei  wird  in  der  Sagaliteratur  nur  aus- 
nahmsweise bei  einzelnen  fürstlichen  Personen  crwahnl. 


EUB.    Fakiu£. 


4*3 


Wahrend  von  tirr  Hnusfraii  iinh<iiingtc  Trciip  verlangt  wurde,  war  es 
vollst.'lndig  gesetzlich ,  dass  dpr  M,inii  ausser  drr  Klic  zugldch  mit  einer 
andom  Frau  zusammenlebte >  sich  eine  Konkubine  {Jriila)  hielt,  und  hierin 
sah  die  Zeit  gar  nichtÄ  anstüssiges.  I^^ufig  war  dies  eine  Knechtsfrau, 
entweder  eine  vom  Hofe  oder  eine,  welche  gerade  in  der  Absicht  gekauft 
wurde,  als  Konkubine  xu  dittu-n.  Wo  es  sich  machMt  Hess,  hatte  der 
Hausherr  sie  auf  einem  eigenen  Hofe  wohnen;  das  Verhältnis  zwischen 
ihr  und  der  Ehefrau  war  nJlmUcli  alle.s  andere  eher  als  Jreundscliaftlich. 
Die  Dauer  der  Verbindung  hing  vom  Gutdünken  des  Mannes  ab  und  die 
tSchandlung.  welche  üic  erhielt,  war  selbstverständlich  nadi  den  Umstanden 
höchst  verschieden.  Des  Vaters  WrhJiItnis  zu  den  Bastarden  {louagrti» 
bpm)  war  zum  grussen  Teile  übliängig  v<,*m  Charakter  iter  Hausfrau  und 
ihrem  Kinfluss  auf  ihn,  vom  Stand  der  Konkubine,  von  der  geistigen  und 
körpcrliclieu  Entwickeluug  des  Kindes  u.  s.  w.  Der  Unwille  der  Haui^rau 
g^en  die  Konkubine  Obertrug  sich  nilmlich  sehr  oft  auf  deren  Abkämm- 
lir^e,  die  Ehefrau  knnnte  sügar  Üiren  Maim  beu'egen  das  neugeborene 
Kind  der  Nebenfrau  au-weizen  zu  lassen.  Ist  das  Kind  hübsch  und  ent- 
wickelt sich  gut.  so  fasst  der  Valcr  ganz  natürlich  liebe  zu  Uim.  so  dass 
er  wünscht  es  zu  legitimieren  (/r/dti  /  <rii),  wodurch  es  erbljcrcchtigt  wurde; 
aber  hierzu  gehOrte  die  Zustimmung  des  nächsten  Erben.  Hatte  man  diese 
erlangt,  so  ging  die  Hiuidluiig  mit  gtwisseji,  in  den  norwtrgischcii  GeseliCU 
genau  vorgesrhri ebenen  Fonnalililten  vor  sich,  wobei  unter  andenn  bei 
einem  zu  dieser  Veranlassung  veranstalteten  Gastmahl  die  Beireffenden,  der 
eine  nach  dem  andern  in  einen  Schuh  traten,  welcher  aus  der  Haut  vuu 
dem  rechten  Vorderbein  eines  frisch  geschlachteten  dreijähr^en  Ochsen  ge- 
macht war.  Dagegen  stand  es  dem  Vater  frei  ein  uneheliches  Kind  als  das 
seinige  anzuerkennen;  schon  liierdunh  wurde  dessen  Stellung  westiitlich  ver- 
l>essert  und  er  könnt»*  ihm  bis  zu  einem  gewissen  Betrag  Geschenke  machen. 
(Vergl.  K.  »'.  Maurer,  Die  unmhle  Gehurf  nach  aitnord.  Ütthte^  Öitzuugsbc- 
rirhte  der  k.  Baier.  Akad.  der  Wiss.  1883.) 

§  II,  Familie.  In  der  Regel  tritt  in  den  Sagas  ein  schönes  Verhältnis 
zwischen  dem  Vater  und  den  erwacliscnen  Söhnen  hervor;  mit  grosser  Frei- 
heit im  Auftreten  verbinden  sie  Geliorsam  und  Ehrerbietung  gegen  den 
Vater.  Oft  übertrug  der  Vater  n«.K;h  bei  Lebzelten,  namenUich  wenn  er 
etwas  bejaiirt  geworden  war,  einem  oder  mehreren  seiner  Söhne  ganz  oder 
teilweise  die  Verwaltimg  des  Hofes.  Zuweilen  jedoch  werden  Fülle  erwähnt, 
wo  das  Verhältnis  zwischen  Valcr  und  Sohn  weniger  gut  war.  entweder  atif 
Irfund  von  Charakter\'erschiedcnhe4te-n  oder  anderen  besonderen  Ursachen. 
Es  konnte  Mjgar  geradezu  Feindschaft  zwischen  Vater  und  Sohn  enlslehen. 
was  jedoch  immer  als  im  hohen  Grade  ungebührlich  und  skandalös  ange- 
sehen wurde.  Wie  auch  cl;i.s  Verhältnis  zwischen  Vater  und  Söhnen  gewesen 
war,  so  blieb  doch  im  Falle  eines  Morde«  Rache  ixler  Einforderung  der 
£usse  dem  (jberlebenden  eine  heilige  F^fUcht.  Die  Sagas  haben  viele  Bei- 
spiele des  Eifers  bewahrt,  mit  dem  man  sich  bestrebte  diese  Pflicht  zu  er- 
fOUen.  Oft  wird  mit  starken  Farben  der  vernichtende  Kummer  gemalt,  wel- 
chen ein  aller  Maim  beim  Morde  des  Sohnes  fühlt,  wenn  er  nicht  Hoffnung 
hat  Ersatz  für  ihn  zu  bekommen,  und  die  plötzliche  körperliche  und  geistige 
Kraft  von  der  er  ^lurchsin'Jmt  wird,  wenn  sich  Aussicht  au/  Rache  zeigt, 
und  noch  mehr,  wenn  sie  \ollzügeii  uird.  Für  die  S<!>lme  war  Radie  die 
erste  unabweisbare  Pflicht.  Zuweilen  bewies  sich  die  Dichtkunst  als  das 
beste  Mittel  den  druckenden  Schmerz  über  den  Verlu«  eines  geliebten  Solmcs 
Kti  erleichtem.     Das  gegenseitige  Verhältnis  der  Mutter  tmd  der  S^jtine  scheint 


424  XII.  Sitte,     i.  Skandinavische  Verhältnisse. 


etwas  sehr  Zärtliches  gehabt  zu  haben.  Als  Winwe  wohnte  die  Mutter  in 
der  Rt-gcl  mit  einem  oder  mehreren  ihrer  Söhne  zusammen  imd  leitete  die 
innere  Ilaushaltung,  so  lange  sie  unverheiratet  waren.  Liegt  der  Vater  un- 
geracht,  so  tritt  oft  die  Mutter  auf  und  rei/t  zur  Rache.  —  Unter  den  Kin- 
dern konnten  ab  und  zu  Idioten  {fifl)  vorkommen.  Sie  acheinen  fa.st  wie 
Tiere  angesehen  worden  zu  sein ;  doch  erkannte  man  die  Verpflichtung  an^ 
sie  am  Leben  zu  erhalten.  —  Für  besondere  Achtung  des  Greisenalters  als 
des  durch  Weisheit  und  Rrfahrung  au.sgezeichncien  Alters  liegen  nicht  Wele 
Zeugnisse  vor.  Das  am  meisten  bei  ihm  in  die  Augen  Fallende,  die  Ab- 
nalime  der  Seelenstarke  und  das  dazu  auftretende  Nachgeben  den  e^neji 
Gefflhlen  gegenüber,  worin  etwas  Weibisches  war.  zugleich  mit  der  körper- 
lichen und  geistigen  Schwächung  kuimte  ein  Volk  mit  der  in  den  Sagas  her- 
vortretenden Lebensanschauung  nicht  dazu  aufmuntern.  Daher  findet  sich  in 
der  Darstellung  der  Alten  in  den  Sagas  melir  eine  Art  Mitieid  oder  gut- 
mütiger Spott  als  Ehrfurcht;  um  so  mehr  wurde  der  bewundert,  der  trot» 
höheren  Alters  seine  Kraft  ungeschwacht  erhalten  konnte.  Nicht  selten  war 
das  GreLsenalter  bei  den  Männern  mit  Eigensinn  tKJer  Bosheit  verbunden. 
Bei  den  Frauen  nahm  man  an,  dass  oft  eine  Gabe  der  Voraussicht  unter 
einem  scheinbaren  Kindisch  werden  verborgen  war.  Im  Gegeiksalz  hierzu 
muss  doch  her\-orgehoben  werden,  dass  der  schwedÜMrhe  Schriftsteller  Olaus 
Magnus  (t  15,58)  von  den  nordischen  Völkern  am  Schluss  des  Mittelalters 
bemerkt,  dass  man  den  Alten  d^)rt  eine  ausserordentliche  Ehrerbietung  be- 
weise. Eine  Spur  der  barbarischen  Auffassung  einer  langst  entschwundenen 
Zeit  über  das  Verhältnis  zu  den  Alten  kann  vielleicht  in  vereinzelten  Encäli- 
lungen  bei  Saxo  und  in  den  Sagas  gesucht  werden,  Hungersnot  habe  den 
Vorschlag  veranlasst  die  alten  abgelebten  Leute  zu  t<'Jtcn.  —  Das  Verhältnis 
2wisclien  den  Geschwistern  oder  richtiger  den  ßrOdeni,  da  namentlich  diese 
erwähnt  werden,  scheint  in  der  Regel  gut  geweseji  zu  nein.  Zuweilen  srhiiftsae-n 
sich  alle  Brüder  nahe  zusammen  (.nier  ein  Bruder  nimmt  in  alten  wichtigen 
Sachen  besondere  Rücksicht  auf  den  anderen,  den  leitenden:  selbstverständ- 
lich konnte  auch  Uneinigkeit,  z.  B.  wegen  des  Erbes,  entstehen,  besonders 
zwischen  Halbbrüdern  oder  wenn  der  eine  etn  unehelicher  Sohn  war;  auch 
konnte  Charakter-  oder  Marhtverschiedenheit  ein  dauernd  kaltes  Verhältnis 
herbeiführen.  Das  Vcrhsltnis  zwischen  den  Brüdern  hatte  keinen  Elnfluss 
auf  die  Verpflichtung  einander  zu  rilchen  und,  ehe  die  Rache  vollzogen  war, 
lag  ein  schwer  lastender  Dnick  auf  dem  Überlebenden.  —  Dasselbe  Band, 
welches  Eltern  und  Kinder  und  Geschwister  imter  einander  verband,  ver- 
knüpfte auch  das  ganze  Geschlecht  {<rtt'),  so  weit  die  Verwamltichaft  ge- 
rechnet wurde,  obwohl  natüd icherweise  ihre  Starke  gradweise  abnahm.  Ver- 
wandter {/rtendi)  war  der  gemeinsame  Name,  womit  man  ihr  gegenseitiges 
Verhältnis  bezeichnete^  sowohl  Vater  und  Sohn  als  fernere  Verwandte.  De« 
einen  Ehre  und  Tüchtigkeit  war  des  ganzen  Geschlechts  Ehre  und  Vorteilt 
so  dass  man  also  an  einem  Manne  sich  rächen  konnte,  indem  man  den 
tüchtigsten  des  Geschlechts  tötete.  Eine  Beleidigung,  wekhe  einem  der 
Gheder  des  Geschlechts  zugefügt  «-urde,  beleidigte  das  ganze  Geschlecht 
Die-ves  Verhältnis  drückt  der  ganzen  Lebensanschauung  ein  eigenes  Gepiflge 
auf  und  bringt  zum  grossen  Teile  die  Eigentümlichkeit  des  gesellschaflliclicn 
Lebens  hervor,  wahrend  es  eine  unauflösliche  Reihe  kleiner  Fehden  hervor- 
ruft mit  einem  Reichtum  vi>n  Beispielen  das  kei  kcn  Mutes,  der  Seelenstflrke 
und  der  Unbiegsanikeit  in  der  .\iLsfühmng  des  einmal  gefassten  Platts,  widcho 
die  MJliHicr  der  Zeit  auszeichneten  und  welche  noch  leuchtender  durch  den 
Hintergrund  hervortreten,   welchen   diese  Eigenschaften    erhielten.     War  der 


B«schluss  auch  noch  so  fest,  die  Keckheit  und  der  Eifer  auch  noch  so  gross, 
so  wurde  doch  der  bevorstehende  Pian  immer  nur  mit  wenig  Worten  erwähnt, 
auf  eine  bes<:heidene  und  zurückhaltende  Weise,  wie  etwas  für  das  man 
\'ielleicht  bei  Gelegenheit  ein  weniges  werde  thun  kennen.  Und  war  die 
That  nun  ausgeführt,  rausste  sie  für  sich  selbst  sprechen:  Prahlerei  war  im 
höchsten  Grade  verachtet.  Kostete  sie  das  Leben,  so  war  doch  in  der  Todes- 
stunde immer  Zeit  zu  einer  kurzen  treffenden  Äusserung,  einem  Sehens,  der 
zeigte,   dass  man  die  körperlichen  Schmerzen  zu  beherrschen  verstand. 

§  12.  Gesinde-  Wohl  wurde  in  der  Regel  ein  Teil  der  Arbeiten  des 
Hauses  von  der  Herrschaft  ausgeführt,  aber  teils  konnten  die  Mitglieder  der 
Familie  nicht  alles  bewältigen,  teils  sah  man  es  für  diese  nicht  als  passend 
an  sich  mit  den  gröberen  Arbeiten  abzugeben.  Solche  mehr  anstrengende 
und  unehrenhafte  Geschäfte  wurden  teils  von  Knechten,  teils  von  gedun- 
genen Dieustleulen  besorgt  Die  Knechte  (Knecht /nr//,  Knrchtsfrau  am^^//) 
waren,  abgesehen  von  vereinzelten  besonderen  Fallen,  entwe<ler  geborene 
Knechte  oder  Gefangene,  auf  Kriegszügen  geraubL  Der  Knecht  gehörte 
nicht  zum  Staats  verbände,  er  war  seines  Herrn  Eigentum  und  konnte  also 
von  ihm  nach  GutdQnkcn  behandelt  werden,  gleichwie  auch  die  Verantwor- 
tung für  seine  Handlungen  auf  den  Herren  zurückfiel.  Äu.s,sere  Kennzeichen 
des  Knechtes  waren  kurzgesrhorenes  Haar  und  ein  Rock  oder  Wamms  von 
grobem  ungefilrbtem  Zeug.  Für  den  Knechtsstand  hegte  der  Nordlander 
die  tiefste  Verachtung  und  die  Knechte  werden  übereinstimmend  hiermit  als 
Icürperlich  und  geistig  vcrkümnicrt  geschlEdert.  Schon  der  Mythus  (Kigs[>ula) 
schildert  uns  das  unbeholfene  und  unschnmc  Aas.sere  des  Knedits  und  der 
Knechtsfrau;  des  Sklaven  Feigheit.  Dummheit  und  Unzuverlassigkeit,  welche 
geradezu  s|,irichwÖrtIich  geworden  waren,  sind  unaufliörüclier  Gegenstand  für 
den  S)x)tt  dei  Freien.  Einem  Knechte  gegenüber  hatte  man  keine  m(.)ni- 
lischc  VerpfHchtung,  ohne  da-;  geringste  Bedenken  wurde  sctin  Leben  aufge- 
opfert, wenn  es  aus  dem  einen  oder  andern  Grunde  vorteilhaft  erschien. 
Dagegen  war  ein  geradezu  grausames  oder  tyrannisches  Benehmen,  das  nur 
wenig  mit  dem  Charakter  des  Volkes  stimmte,  verhältnismässig  selten,  wie 
auch  die  herrschende  Verachtung  gegen  Knechtsstand  und  Knechtssinn  kaum 
hinderte,  dass  man  dem  einzelnen  Knechte  gegenüber  sich  wohlwollend  und 
geföUig  zeigen  konnte.  Im  Hausstand  waren  die  Knechte  kaum  von  den 
Gliedern  der  Familie  abgesondert,  aber  nahmen  im  Zusammenleben  mit 
diesen  einen  von  dem  der  Dienstboten  nicht  sehr  verschiedenen  Platz  ein. 
Die  Wirksamkeit  der  milnnlichcn  Knechte  bestand  in  Arbeiten  in  Feld  und 
Stall;  Strick.  Mistgabel,  Sielten  waren  ihre  gewöhnlichen  Werkzeuge.  Bei 
besonderen  Gelegenheiten  lag  es  nahe  den  Knecht  zu  herabwürdigenden 
Verrichtungen  zu  gebrauchen,  welche  kein  ehrliclier  Mann  auf  sich  nehmen 
wollte:  zum  K inderaussetzen,  Meuchelmofti  und  Ähnlichem.  War  Gefahr 
mit  einer  solchen  Handlung  verbunden,  so  konnte  ein  mutiger  Knecht  durch 
das  Versprechen  tler  Freilassung  dazu  verlockt  werden.  Knechte,  denen  man 
mehr  vertraute,  wurden  zur  Aufsicht  über  die  andern  oder  über  die  Haus- 
haltung im  Ganzen  [i^trksifäri,  bntt)  gesetzt  oder  machten  des  Eigentümers 
persönliche  Bedienung  {pjönn)  aus.  ja  konnten  sogar  einen  Hof  auf  eigene 
Hand  zu  verwalten  bekommen.  Die  am  meisten  anstrengende  und  herab- 
würdigende Arbeit  der  Knechtsfrauen  war  die  Mühle  zu  drehen,  femer  fiel 
es  ihnen  zu  zu  melken,  zu  backen  u.  s.  w.  Auch  für  die  tüchtigeren  von 
diesen  waren  ehrenvollere  Stellungen  als  Haashalterin  [maticlja,  deigja)  oder 
Kammermädchen  {uta)  erreichbar.  Selbstverständlich  waren  die  mehr  vor- 
wärts strebenden    miter  den  Knechten    mit    ihrer    Stellung   unzufrieden    und 


n 


4^  XII.  Sitte,     i,  SKAirDiyAViscHE  Verhältnisse. 


besonders  galt  dies  vnn  den  kricgsgefangenen  Knechten.  weUhe  auch  mehr 
als  andere  Gegenstand  des  Verdachts  waren  und  harter  Behandlung  ausge- 
setzt wurden;  und  namentlich  von  Seiten  solclicr  kennt  man  Ueispicle  für 
Überfälle  ihrer  Herren  oder  Fluchtversuche.  Die  Knechte  Lm  allgeiucincQ 
hattCD  eine  Aussicht  auf  Eru-crbung  der  Freiheit  namentlich  dadurch,  da^ 
ihnen  gewühnÜrh  Gelegenheit  zu  freier  Arbeit  gepeben  wurde,  deren  Ertrag 
zusanunengespnrl  i%erd«:'n  konnte;  auch  war  die  i-'rci lassung  als  Ausdruck  des 
W«ihlwoUens  des  Herrn  ziemlii-h  häufig-  F-in  solcher  Freigelassener  {/ausingi, 
itysingi)  stand  jedoch  in  starkem  Abhürj-igkeitsverhaltni-i  zu  seinem  früheren 
Herm.  Inwieweit  die  Knechte  untprOngUch  eine  ordcntlidie  Ehe  haben 
eingehen  kennen,  kann  zweifelhafterscheinen;  die  Verbindung  musste  jedoch, 
müchie  man  sie  als  Zusamiucnwohnen  c»der  als  Ehe  auffassen,  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  respektiert  werden.  Her  Preis  der  Knechte  variierte  von  i 
bis  zu  3  Mark;  der  Wert  eines  mitüeren  Knechtes  wurde  zu  iVt  Mark  ge- 
rechnet Der  Verkäufer  hatte  für  verborgene  Fehler,  worunter  man  auch 
Cfaaraki erfehler  rechnete,  einzustehen.  Das  Einzige,  was  ein  Knecht  mit 
vollem  Eigentumsrecht  besitzen  konnte,  war  sein  Messer.  Die  Anzahl  der 
Knechte  auf  einem  Hofe  scheint  nicht  besonders  gross  gewesen  zu  sein,  am 
grOssten  wohl  in  älterer  Zeit,  wahrend  sie  nach  der  Einführung  des  Christen- 
liim  stufenweise  abralim,  bis  die  Sklaverei  ungefähr  i3no  ganz  verschwindet. 
Einer  fernen  Vorzeit  gehört  der  Brauch  an  Knechte  zu  löten,  um  sie  Uirem 
Jlerm  in  den  TimI  folgen  zu  lassen;  wahrscheinUih  sind  in  heidnischer  Zeit 
auch  Knechte  aU  Opfer  für  die  Götter  gct'Jtet  worden. 

Als  die  Anzahl  der  Knechte  abnahm,  naiim  gleich  zeitig  das  freie  Gesinde 
an  Zahl  zu  und  in  den  Sagas  ist  es  oft  .^hwierig  zwischen  den  zwei  Arten 
KU  unterscheiden.  Der  freie  Dienslmann  {^riämaär,  heimamaär)  nahm  eine 
ehrenvolle  und  verhältnismässig  selbständige  Stellung  ein;  er  war  nur  an  die 
Arbeit  gebimtler,  die  er  ilbernommen  hatte;  er  erhalt  Kost  und  Lohn  und 
Her  Hausherr  halt  sich  für  vi:qjni<_lilet  ihm  in  vorkoinmcndcn  Fallen  Beistand 
zu  leisten.  Nicht  selten  nahm  ein  Häuptling  einen  Mann  in  seinen  Dienst, 
weim  dieser  ihn  darum  ersuchte,  c^hne  ihn  L-igeutlich  als  Arbeiter  nötig  zu 
haben;  aber  i>ft  geschah  es,  dass  dieser,  wenn  er  ein  unbeliebte-r  oder  ge- 
lichteter Mann  war,  erst  durch  das  Versprechen  die  Dienststellung  erlangte, 
sich  als  ToLst-hLlgcr  oder  Mcuchelmfirder  gegen  einen  der  Feinde  des  Häupt- 
lings gebrauchen  zu  lassen, 

Jj  13.  Begräbnis.  Die  Bestallung  und  die  damit  in  Verbindung  steheji- 
den  Gehriluche  machten  den  letzten  Dienst  aus  welchen  den  Verstorbenen 
zu  erweisen  die  Cberlehendcn  für  ihre  Pflicht  hielten.  Die  alte  nordische 
Literatur  liat  die  Erinnrning  an  Leichenverbrennung  wohl  bewahrt,  aber  in 
der  von  den  historischen  Sag;is  geschilderten  Zeit  Lst  Begräbnis  der  unver- 
hrannten  Leichen  einzig  herrschende  Sitte.  Die  erste  Pflicht,  welche  die 
Überlebenden  hatten,  nachdem  der  Tod  eingetreten  war,  war  dem  Toten 
I^lchcnhtiire  {nähjargir)  zu  leisten,  wozu  das  Schliesscn  der  NasenlVVcher  ge- 
hörte; im  F'alle  gewaltsamen  TLrdcs  sclu-ini  diese  Leistung  die  Veqjflichtung 
zur  Rache  mit  sich  gebracht  zu  haben.  Bevor  die  LeichenhQlfe  geleistet 
war,  wurde  es  als  gefährlich  angesehen  von  vom  an  den  Toten  heranzu- 
gehen, jedenfalls  wenn  er  gewaltsamen  und  unheimlichen  Oiarakteni  gewesen 
war,  so  dass  man  sich  etwas  Bfl^ses  von  ihm  versehen  konnte;  dalicr  leistete, 
man  tlie  LeichenluUfe  oft.  indem  man  von  hinten  an  den  Toten  herangingt' 
Wenn  die  Leiche  na(  h  Sitte  und  Brauch  behandelt,  d.  li.  gut  gewaschen  tmd 
bekleidet  war.  schritt  man  so  schnei!  als  n^üglich  zum  Begräbnis,  Aus  den 
Sagas  geht  hervor,  dass  man  zuweilen,  besonders  wenn  ein  Manu  einen  un- 


ll 


heimlichen  Tod  gefunden  hatte,  üui  nid;l  durch  die  gewöhnliche  Thür  hin- 
ausbrachtc.  stmdcm  die  Wand  hinter  ihm  otier  ihm  g^enOber  entzwei  brach 
und  ihn  durch  das  Loch  hinauslnig;  konnte  man  es  nicht  sogleich  erreichen, 
dass  er  begraben  «-urdc,  so  schlug  man  t'in  Zelt  über  ihm  an  einem  Orte 
drausscn  auf.  Dieses  Verfahren  ist  sicher  nel  weiter  ausgebreitet  gewesen,  als 
die  Sagaliteratur  vennuleu  KissL  Der  Brauch  alle  Leichen  zu  einem  der  Fenster 
des  Hauses  oder  einer  zu  diwejn  Zwecke  in  der  Wand  angebrachten  Öffnung 
hinauszubringen  hat  fiich  nämlich  an  mehreren  Stellen  im  Niirden  bis  zur 
heutigen  Zeit  erhalten.  Auch  Wachen  bei  der  Leiche  wird  erwähnt  At>ge- 
sehen  von  einzelnen  unbestimmteren  Angaben  werden  ungesehene  Manner 
und  Frauen  gewAhnlich  so  begraben,  dass  über  der  Leiche  ein  Hflgel  auf- 
geworfen wird;  Waffen,  gelieble  Geraiscluiften  und  Kostbarkeiten  werden  in 
der  Ri^cl  dem  Veretorbeneii  mitgegeben,  nach  der  gewöhnlichen  Erklärung, 
damit  sie  in  der  andern  Welt  ihm  zu  Gute  kommen  sollen ;  auch  Knecht 
und  Haustiere  können  dem  Herrn  folgen;  zuweilen  werden  mehrere  Leichen 
gleichzeitig  oder  nach  einander  im  selben  Hügel  begraben  oder  es  wurden 
die  Mitglifi.ler  desselben  Geschlechts  mdie  bei  einander  bestattet.  In  der 
Regel  wurde  die  Leiche  ausgestreckt  begraben,  aber  auch  sitzende  Stellung 
wird  erwähnt  Zuweilen  wurde  die  Leiche  in  einem  in  den  HtigeJ  einge- 
setzten Fahrzeuge  bestattet.  Gewöhnlich  scheint  man  des  Toten  in  einer 
Leichenrede  gedacht  zu  haben ;  so  wies  man  in  heidnischer  Zeit  den  Ge- 
fallenen nach  Vallial,  wahrend  man  an  dem  Grabe  redete.  An  besonderen 
Gebrauchen  wird  an  einer  Stelle  der  genannt,  dem  Toten  Totenschuhe  zu 
binden.  Ülx^r  Rflubem,  Geachteten  oder  ähnlichen  ehrlosen  Leute  begnügte 
man  sich  einen  Steinhaufen  {f/ji'i  aufzuwerfen.  Keine  Leiche  dmfte  unbe- 
deckt gelassen  werden;  der  Würder  wurde  geächtet,  wenn  er  nicht  die  Leiche 
des  Getöietcn  br<lerkte.  Bildete  sich  der  Glaube,  dass  der  Verstorbene  um- 
ging, so  wurde  die  Leiche  gewriimlich  wieder  ausgegraben  und  verbrannt  — 
Der  Einführung  des  Oiristentums  folgte  atlmahltch  das  Begräbnis  in  geweihter 
Erde  auf  dem  Kirchhof  und  es  wird  berichtet,  dass  man  die  Gebeine  heid- 
nischer Vorfahren  zu  der  heiligen  Statte  gebracht  hat  tun  sie  dort  wieder 
einzugraben.  —  Nach  der  Üestaitung  wurde  zur  Ehre  für  den  Vcrst(irl>enen 
ein  Erbmahl  (rr^)  gehalten,  das  zugleich  eine  rechtliche  Bedeutuiij:  geliabt 
zu  haben  sclteint,  indem  lüerbei  die  Erbschaft  angetreten  wurde.  Das  Erb- 
mahl konnte  mehrere  Tage  dauern;  diese  Gastmahler  sowie  die  Moirhzeits- 
m&faler  scheinen  die  pradiligsten  und  weitläufigsten  Familienfeste  gewesen  zu 
Min.  Bis  da-s  Erbmahl  des  1  lausherm  gclialten  war,  st;ind  dessen  Hochsitz 
leer.  Mittelalterlichen  schwedischen  Quellen  zufolge  hielt  man  am  Begrabnistage 
selbst  ein  Bt^abnismahl  und  am  Jahrestage  darauf  im  Zusammenhang  mit 
der  Erbteilung  ein  Erbmahl.  la  Norwegen  unirde  die  Erbteitung  in  der 
Regel  am  Bcgrabnistage  selbst  vorgenommen. 

Den  zuverlässigsten  Nachweis  über  die  Begrllbnisgebrauche  des  nordi- 
schen Altertums  geben  selbst%*erst.'indlich  die  archäologischen  Untersuchungen; 
in  betreff  ihrer  Resultate  sehe  man  das  in  §  4  angeführte.  Zum  Vergleich 
hiermit  und  mit  dem,  was  vorher  nach  den  Sagas  über  die  Begrabnis- 
gebraurhc  in  der  letzten  Zeit  des  Heidentums  raitgeteih  ist.  kOnnen  jedocli 
aiK'h  die  schriftlich  überlieferten  Berichte  über  die  Verhaltnisse  in  femer 
Vorzeit  berücksichtigt  wcnicn.  So  wini  in  der  aUnurdischen  Literatur  (Vor- 
rede zur  Heiniskringla)  auf  Grusid  der  Bcgrabni^ebrauche  der  Vorzeit 
zwischen  zwei  Abschnitten,  dem  Brennzcitalter  {bmua^/d}  und  dem  Hügei- 
zdtaher  (haugs^id),  unterschieden.  Das  erste  war  das  älteste;  da  werden  die 
Toten  verbrannt  imd   man   feierte   sie   durch  Eirlchtung  vt^n   Bautasteinen. 


428  XII.  Sitte,     i.  Skandinavische  Verhältnisse. 


Das  HOgelzeitaiter  .wüte  in  Danemark  enwtanden  sein  und  sich  namentlich 
dort  verbreitet  haben,  während  beide  Bräuche  neben  einander  in  Srhwcden 
und  Norwegen  bestanden.  In  das  Brennzeitaher  gehören  viele  der  be- 
rühmtesten Leichenbegängnisse  der  alten  Dichtungen,  so  Baldni  Scheiter- 
haufen imd  das  Leichenbegängnis,  das  eins  der  Eddagedichtc  die  Brynhildr 
zur  Ehre  für  sich  selbst  und  Sigurdr  anordnen  lasst:  sie  sollen  auf  einem 
praclitvoll  ausgcrü-stetcn  Scheiterhaufen  verbrannt  werden,  umgeben  von 
Dienern  und  ihren  Lieblingslieren.  Der  berühmte  Sagenköuig  Haraldr  hildi- 
t^nn  wird  Saxo  zufolge  verbrannt,  aber  altnordische  Quellen  lassen  ihn  mit 
Pferd^  Wagen  und  Reitzeug  begraben  werden,  damit  er  nach  BcJiebcn  nach 
Valhal  fahren  oder  reiten  könnte.  Sowohl  Baldr  als  Haraldr  hildit^nn 
werden  in  ihrem  aufs  I-and  gcxi.>genen  Schiffe  verbrannt,  worauf,  wie  man 
sith  denken  muss,  ein  Hügel  über  den  Überresten  des  Sdieiterhaufens  auf- 
geworfen wurde.  —  Den  ältesten  historischen  Bericht  Ober  ein  nordger- 
maniscbes  Leichenbegängnis  haben  wir  in  der  Beschreibung  des  Leichen- 
begängnisses eines  russischen  Häuptlings  von  dem  Araber  Ibn  Fadhian 
(ungefähr  von  920),  vorausgesetzt,  dass  dieser  Schriftsteller  ohne  Aus- 
schmückung über  rein  skandiiiavisi'he  BL^räbnfsgebräuche  berichtet;  für  den 
verstorbenen  Häuptling,  welcher  gleich  nach  .seinem  Tode  aus  dem  Hause 
gebracht  wird,  wird  eine  neue  Tracht  genäht,  zwei  Drittel  .seines  lünlerT 
lasscnen  Gutes  gehen  für  Kleider  und  Trinkgelage  darauf.  Sein  Schiff  wird 
aufs  Land  gezogen  und  mit  Brennholz  umgeben.  Die  Leiche  wird  ge- 
schmückt und  auf  dem  Schiff  auf  ein  Lager  niedergelegt,  umgeben  mit 
Lebensmitteln  und  geschlachteten  Haustieren;  ein  Mädchen  aus  der  Diener- 
schaft, welches  nach  einer  an  sie  gerichteten  Aufforderung  steh  freiwillig 
erboten  hat,  dem  Herrn  in  den  Tod  zu  folgen,  wird  getötet,  wahrend  die 
Krieger  auf  die  .Schilde  schlagen.  Das  .Schiff  wird  angezündet  Ein  Hügel 
wirtl  auf  der  Brandstelle  aufgewi.>rfen  und  der  Name  des  Verstorbenen  auf 
einem  hier  errichteten  Denkmal  eingcsch neben.  — -  Nach  einem  andern 
arabischen  Schriftsteller  begruben  die  Russen  ihre  Toten  unverbrannt  mit 
ihren  Kostbarkeiten  und  übrigem  Zubehör  in  gros-sen  häuserähnlichen  Grä- 
bern; vgl.  Dr.  W.  Thomsen,  Der  Usprung  des  russvtefun  SftMlfs,  Gotha  1879, 
S.  28.  29  ff. 

Sowohl  der  Zustand  der  alten  Gräber  als  ältere  imd  jüngere  Oberliefe» 
Hingen  bezeugen  im  Übrigen,  dass  die  bei  den  Toten  niedergelegten  Schätze 
früh  die  Überlebenden  gereizt  haben,  so  dass  Hügel pl und enmg  und  55chati* 
graberei  seit  alter  Zeit  in  grosser  Ausdehnung  betrieben  worden  sind,  trota 
der  Schrecknisse  und  Gefahren,  womit  der  Volksglaube  diese  Handlungen 
in  Verbindung  setzte. 

II.   LE8EMSWE19E, 

§  14.  Wohnung.  Verschiedene  Bde^  älterer  Bauart,  so  wie  sie  sich 
bis  hinab  auf  unsere  Tage  hier  und  da  in  den  nordischen  I-3ndern,  b*» 
sonders  in  den  abgelegeneu  Gegenden  Norwegens,  erhallen  hat.  berech- 
tigen uns  zu  dem  Schlüsse,  dass  das  Wohnhaus  in  alter  Zeit  ein  sogen. 
Rauchzimmer  gewesen  ist,  d.  h.  ein  Haus  mit  Feuerstätte,  aber  ohne  Schorn- 
stein. Der  Fussboden  in  einem  solchen  Hause  bestand  aus  fcstgestiimpfter 
Erde  oder  Lehm,  wahrscheinlich  längs  der  Seilcnwiinde  etwas  erhöht;  in 
RüdL'iidit  auf  die  Fcueretätte  musste  der  Bau  nach  dem  Dddie  zu  offen, 
d.  h.  ohne  Boden,  und  im  DachrOcken  mit  einem  Rauchloch  versehen  sein, 
wodurch   zugleich  das  Tageslicht   hereindrang.     In   der   ältesten  Form   des 


I 


Rauchzimmers,  dem  Herdziramer,  ist  der  Herd  ein  gepflasterter  Flau  oder 
auch  bloss  eine  Vertiefung  mitten  auf  dem  Fussbwicn  unlcr  dem  Rauch- 
loch; das  hier  brcnnaiUe  Feuer  verbreitet  Licht  und  Wanne,  der  niMige 
Zug,  um  das  Feuer  zum  Aufflammen  zu  bringen,  mus&te  durch  Öffnen  der 
Thür  hervorgebracht  werden.  Will  man  die  Warme  festhalten,  so  wird  das 
Rauchloch  mit  einem  Holzrahmen  bedeckt,  Ä'orüber  eine  durchsichtige  Haut 
att^gespanni  ist  und  welcher  mit  einer  Stange  vorgezogen  «»der  entfernt  wird. 
Diese  Stange  erhielt  in  Norwegen  eine  Art  s^'mbolischer  Bedeutung  als  des 
Hauses  heiliger  Mittelpunkt,  indem  die  Heiligkeit  des  Herdes,  über  welche 
mehrere  andere  Zeugnisse  vorltL-gcn,  gleichsam  auf  sie  überging.  Solange 
das  Rauchloch  geschlossen  ist,  herrscht  Halbdunkel  in  dem  gewöhnlich 
fensterlosen  Rauchzimmer;  aber  selbst  bei  vollem  Licht  haben  die  im  Zimmer 
Anwesenden  wegen  des  Platzes  der  Lichtoffnung  keine  Gelegenheit  zu  sehen, 
was  drausseii  vorgeht.  Allmahlich  {bereits  seit  dem  ii.  Jahrh.  den  Zeug- 
nissen der  Sagaliteratur  zufolge}  wurde  das  Herdzimmer  an  Welen  Orten  zu 
einem  Ofenzimmer  (Rauchofenzimmet)  verändert.  Aber  damit  veränderte 
das  Haus  nicht  in  hohem  Grade  den  Charakter.  Mit  dem  Ofen  war  nSm- 
lich  noch  kein  Schornstein  verbunden.  Das  alte  Kauchloch  musste  also  bei- 
behalten werden,  ilas  Feuer  flammte  noch  immer  nur  bei  dem  Zug  von  der 
Thor  zum  Kauchloch  auf.  Der  Hauplvorteil  bei  diesen  gemauerten  Öfen 
mit  offener  Vorderseite,  welche  gCMk-öhnlich  in  der  Ecke  links  van  der  Ein- 
gangsthür  angebracht  wurden,  war  der,  dass  man  sich  begnügen  konnte  ein- 
bis  zweimal  am  Tage  zu  feuern,  da  der  Ofen,  nachdem  er  heiss  gemacht 
war,  die  Warme  für  längere  Zeit  festhielt  Aber  er  stand  hinter  dem  filteren 
Herd  zurück,  weil  er  nicht  ausser  zu  wannen,  zugleich  erlenihten  kunnte. 

Es  hat  wahrscheinlich  eine  Zeil  gegeben,  in  der  das  Rauchzimmer  der 
einzige  Aufenthaltsort  der  Familie  war,  so  dass  man  dort  arbeitete  und 
schlief,  das  Essen  zuriciitete  und  seine  Mahlzeiten  genoss,  ja  sogar  häufig 
einigen  der  kleineren  Haustiere  Raum  gab.  Doch  scheint  ziemlich  frOli 
durch  eine  Querwand  ein  Vorzimmer  mit  daliinterliegender  Kammer  an 
dem  einen  Ende  abgeteilt  wniden  zu  sein.  Auch  aus  der  alten  Literatur 
gcltt  hervor,  dass  das  Rauchzicuner  die  einzige  bekannte  Form  für  ein 
Haus  mit  FeuerslÄtte  wai.  Aber  im  übrigen  führt  uns  die  Sagaliieratur 
eine  weitere  F.ntuicklung,  besonders  wie  dieselbe  sich  auf  Island  gestaltete, 
sowohl  in  Hinblick  auf  die  Zahl  der  Rüume  als  in  Bezug  auf  ihre  Aus- 
stattung viir  Augen. 

VS'iihl  hat  man  lange  gemeint,  gestützt  auf  eine  unkritische  Anwendung 
einzelner  misslicher  oder  zweifelhafter  Quell ensl el len ,  dass  auch  den  Zeug- 
nissen der  Sagaliteratur  zufolge  auf  jedem  Hufe  nur  ein,  dem  Rauchzimmer 
in  seinen  verschic<lcncn  Anwendungen  entsprechender  Hauptbau  sich  be- 
funden habe,  welchem  man  den  Namen  sitUi  beigelegt  hat  Dass  dieses 
Mch  nicht  St»  verhält,  haben  jedoch  die  neuesten  Untersuchungen  gezeigt, 
wie  dies  aus  der  folgenden  Darstellung  ersehen  werden  kann,  welche  in 
allem  wescnUirhen  auf  V.  Gudmundssons  im  Quellcnvcrzcichnis  §6  an- 
geführter Abhimdlung   Priituboligin  pä   Island  i  sagatidtn  gegründet  ist 

§  15.  Den  Berichten  der  Sagas  zufolge  hatte  man  auf  Jedem  allgemeinen 
Bauernhöfe  {her,  byr)  ausser  einigen  Nebengebäuden  oder  Vorratshäusern 
und  Viehstallcn  mindestens  3  bis  4  und  oft  mehr  Wohnlifluser  {hui,  herixrgt). 
Die  gewöhnlichen  vier  waren  r)  die  Stube  {stofa),  2)  die  Schlafkammer 
{tvt/nk&s,  siä/i),  3)  die  Küche  {eUhus),  4)  die  Speisekammer  {bür).  Da  man 
nicht  Äie  jetzt  grosse  Hiluser  aufführte,  die  in  mehrere  Zimmer  eingeteilt 
waren,  sondern  stall  dessen  mehrere  kleinere  Hauser  baute,  von  denen  jede& 


430  XU.  Sitte,     i.  Skantjinavischb  Verhältnisse. 


einen  einzelnen  Raum  in  sich  fasste,  so  sind  diese  Wohnhauser  im  Hinblick 
auf  ihre  Anwendung  jedes  für  sich  als  ein  Zimmer  in  einem  grt^sseren  Bau 
aufzufassen.  Auf  Island  bildeten  die  Wohnhäuser  einen  GebSudekomplex, 
am  liSufigsten  so.  dass  sie  in  duppeller  Reihe  aufgestelit  wurden,  zu  beiden 
Seiten  eines  anter  eigenem  Dache  aufgeführten  Ganges  (rfr/r,  t'i'fttrg^^g), 
wclclicr  quer  durch  den  Gebäude  komplex  hindurchging  und  zuweilen  nach 
hinten  mit  dem  Kuhstall  {ßös)  in  Verbindung  stand  (vgl,  den  Grundriss 
S.  479)-  Doch  hat  man  auch  eine  Aufstellung  der  Häuser  in  einer  einzigen 
Reihe  gekannt,  das  eine  in  der  Verlängerung  des  andern,  sowie  eine  Form 
der  Zusammen sCt'üung,  die  den  Übergang  /.wischen  diesen  zweien  bildet,  wo 
einige  von  den  HSuscni  liinter  die  nndcrn  gestellt  werden.  Das«  man  auch 
im  übrigen  Xorden  die  einzelnen  Wohnhauser  zasammenzuslellen  pflegte, 
scheint  unzweifelhaft,  wenn  audi  möglicherweise  diese,  wo  man  Zimmerholz 
als  Baumateria]  benutzte,  ebenso  oft  zerstreut  und  von  einander  abgesondert 
gestanden,  haben. 

Was  die  Stellung  der  Hauser  nach  den  Himmelsgegenden  angeht,  so 
scheint  man  in  dieser  Hinsicht  ebenso  ^venig  wie  heutzutage  einer  be- 
stimmten Regel  gefolgt  zu  sein.  In  den  bergigen  G<^enden,  wo  die  HOfe 
in  einem  Thal  zu  liegen  kamen,  ging  der  Haupteingang  doch  gewiss  immer 
auf  die  Thalebene  und,  wenn  der  Hof  nach  dem  Meere  zu  lag,  in  der 
Regel  auf  dieses  hinaus.  Möglicherweise  hat  man  jedoch,  wo  die  örtlichen 
Verhältnisse  es  zuliesscn ,  die  Richtung  nach  Osten  und  Westen  vorgezogen 

Was  das  Baumaterial  anbetrifft,  so  führte  man  in  dem  waldreichen 
Norden  gewiss  hauptsächlich  Zimmerbauten  auf;  bwonders  in  Norwegen 
hat  man  seit  alter  Zeit  grosse  Fertigkeit  in  der  Holzbaukonstruktion  gc- 
habt.  la  Dänemark  und  Schweden  hat  man  jedoch  auch  seit  alter  Zelt 
Bauten  von  Fachwerk  gekannt,  welche  Iclimgeklebtc  Wände  hatten,  die 
-durch  ein  Skelett  von  Bauholz,  Flechtwerk  von  Zweigen  und  almliches  zu- 
sammengehalten wurden.  Nur  ausualunsweisc  und  in  einer  verhalmismAssig 
Apflten  Zeit  werden  gemauerte  Steinbauten  und  auch  dann  nur  Kirchen  und 
ahnliche  öffentliche  Gcbüude  erwilhnU  Auf  Island  dagegen  wie  auf  den 
Färöen»  und  in  Gr^inland  \vurdcn  die  Hsuscr  allgemein  nur  von  F-rde  oder 
Rasen  oder  von  unbehauenen  Feldsteinen  mit  Erdlagen  dazwischen  auf- 
geführt Nur  inwendig  brauchte  man  hier  Bauholz,  teils  imi  das  Dach  auf- 
recht zu  erhalten,  theils  um  die  Wände  damit  zu  bekleiden  oder  zur  Scheide- 
wand und  dergl.  Die  Decke  des  Daches  war  uacli  den  Umstanden  Bauholz, 
Rasen,  Struh  \\.  s.  w. 

§  i6.  Von  ilen  vier  geradlinigen  Wanden  {vtggir.  Sg.  vcggr)  des  Hauses 
hieasen  die  zwei  längsten  Lang^^•ände  [hn^-i^ir)  «xier  Seitenwände  ihlitt' 
veggir),  die  zwei  kürzeren  Giebelwande  ii,'ii/^-f^r);  die  Giebel  {ffii^.  gaflhlaä) 
bestanden  oft  aus  Holz,  selbst  wo  das  Gebäude  im  Übrigen  vun  Rasen  oder 
Erde  und  Stein  aufgefOhrt  war.  Wo,  wie  namentlich  in  Norwegen,  die 
Häuser  au.s  Holz  waren,  baute  ]nan  die  Wände  aus  ansehnlichen,  auf  ein- 
ander gelegten  und  an  den  Ecken  zusammengefügten  Baurast.1mraen  {limbr- 
stokkar,  Sg,  •stokkr),  deren  kreuzweise  gelegte  Enden  (ng^  Plur.  na/ar)  ein 
wenig  hervnrragten.  Wie  jetzt  in  Norwegen  hat  man  wahrscheinlich  jeden 
Balken  von  unten  aa*tgeböhlt,  si>  dass  er  den  darunterlit^nden  umfassen 
konnte;  die  Zwischenräume  wurden  mit  Moos  verstojjft.  Die  Thüren  in  einem 
sokhen  Hause  sind  sehr  niedrig,  dieXhÜrschwelle,  welche  von  dem  untersten 
Wandbalken  gebildet  wird,  sehr  hoch.  Auswendig  wiirde  das  Haus  mit 
Theer  bestrichen  und  um  einen  Teil  des  Gebäudes,  wohl  gewöhnlich  die 
«ine  Seitenwand  und   eine  der  Giebelwände,  erstreckte  sich  häufig  eine  Art 


I 


Anbau  oder  Schup{?en  (sko/),  welcher  von  leichterem  Material  aufgeführt 
war  als  da^  Hauptgebäude  und  teils  aU  Schutz  fOr  dieses,  teils  zur  Auf- 
hen'ahrung  verschiedener  Ding<?  diente.  Er  hatte  auf  der  Langseitc  mit  jenem 
dasselbe,  auf  der  Giebelseitc  dagegen  sein  eigenes  kleines  Dach,  tiber 
wekhem  man  den  Giebel  des  Hauses  sah.  Die  kleineren  Hnlzhauser 
(*Är,  sirmma)  konnten  zwei  Stockwerke  hoch  gebaut  werden;  das  obere 
Stockwerk  war  dann  hSufig  v<»n  einem  Attan  (si'n/ar)  umgeben;  ein  solcher 
bedeckter,  nach  der  Auss4-nseitc  offener  Gang  konnte  jedoch  auch  den  sJto/ 
ersetzen  und  sich  also  auch  bei  riiislückigrn  Gebäuden  finden.  Über  sJto/ 
auf  Island  ^Küiun  zwischen  Erdwand  und  GetILfel)  siehe  §  i8. 

Das  gewöhnliche  Dach  {^a/t)  war  ein  Sattel-  oder  Winkeldach;  haußg 
kam  es  als  gebrochenes  Dach  (Mansardendach)  vor,  indem  der  untere  Teil 
steilere  Hallung  hatte  als  der  obere.  Auf  Island  scheinen  zugleich  Walm- 
dädier  seit  alter  Zeit  bekannt  gewesen  zu  ücin.  Das  Dach  b<.-stand  aus 
zwei  Teilen,  dem  Dachwerk  (rä/,  rcr/r)  und  der  Dachdeckung  (fiei/a).  In 
Hinsicht  auf  die  Konstruktion  ruhte  das  Dachwerk  auf  horizontalen  Dach- 
balken {äsar,  Sg.  äss);  an  kleineren  (^ebauden  konnte  man  sich  mit  einem 
Jss  begntlgen;  gew*)lmlich  hatte  man  jedoch  drei  Dachbalken  (dsar),  bei 
grücsercn  Gebäuden  natürlicli  aus  verschiedenen  Holzstücken  zusammen- 
gesetzt In  einem  solchen  grosseren  Gebäude  wurde  das  Dach  von  vier 
Reihen  Trflger  {s/n/r,  stikf,  stölpi),  den  Süsseren  und  inneren  Pft-ilem,  ge- 
tragen. Diu  äusseren  standen  längs  der  Seitenwinde,  doch  nicht  unmittelbar 
an  der  Wand.  Oben  auf  die  Köpfe  der  Tr^r  wurden  längs  der  inneren 
Wandkante  schwere  Balken  {staflai^'a ,  syll.  sylia)  gelegt ;  auch  Iflngs  der 
obersten  Kante  der  Gii*l>elwand  ürf  ein  entsprechender  Batken  {p^-iny-U), 
welcher  auf  den  in  den  Ecken  des  Hauses  angebrachten  Trägem,  den  Eck- 
pfeilern (Aoms/fi/r).  ruhte.  Ein  gutes  Siück,  ungefähr  ein  Drittel  Hauses- 
breite, innerhalb  der  Äusseren  Tragerreihe  {AMa/r)  stand  eine  zweite  I'feiler- 
reihe  {mnsta/r,  sula);  diese  Pfeiler,  welche  zuweilen  sehr  schwer  warer,  waren 
hoher  ab  die  äusseren  Pfeiler,  da  ihre  Rrstimmung  war  die  zwei  Sciten- 
dachbalkcn  (A//(Äi.u.  lan^äss)  oder  Kanlbalkeii  {biümiss),  wie  diese  zuweilen 
genannt  wurden,  zu  tragen;  gegenseitig  waren  die  Seitendachbalkcn  Über 
jedem  Pfeilerpaar  durch  einen  Querbalken  (f«ig/)  verbunden.  Auf  jeden  Quer- 
balken war  wieder  ein  kurzer  Dadilrflgcr  {tiivr^)  gestellt;  auf  diesen  thfrgar, 
wOrtl.  »Zwergen»  ruhte  der  Firstb.Tlkcn  ymöniiiss),  welcher  <ien  DacJirÜcken 
Uklctc.  In  weniger  breiten  Häusern  gingen  Sirerkbalken  {pveritv,  biti) 
quer  über  das  Haus,  mit  den  Enden  unten  in  die  Wandbalken  gefügt;  mau 
hatte  dann  an  Stelle  der  zwei  hohen  inneren  Pfeilerreihen  kürzere  Träger, 
welche  oberhalb  der  Querbalken  vun  tieii  Dachtragent  fortgesetzt  wurden. 
Das  Si>arrendach,  welches  jetzt  auf  Island  allgemein  Ut,  scheint  ver- 
halmixma.<sig  junp  /u  sein;  this  Wort  S|Kirren  {sperra)  k'*mnit  kaum  vor 
dem  Ende  des  14.  Jahrhs.  im  Altnordischen  vur.  Dem  Sparrendach  fehlen 
die  Dachbalken,  aber  das  Dach  wird  von  paarweise  gegen  den  First  zu- 
sammenlaufenden schrägen   Balken  getragen  (vgl.  die  Abbildung  S.  479). 

Zwischen  den  Wandbalken  und  dem  Dachfirst  wurden  L;»tten  {raptar^ 
Sg-  rapfr)  ijuer  Ober  das  Dach  und  zwischen  diese  wieder  kleine  und  dünne 
Latten  ISngs  des  Daches  gelegt  otler  man  wandle  ein«?  Hrelier\'erÄchalung 
an.  Die  äussere  Bedeckung  des  Dat"hes  wurde  gewöhnlich  von  Erde  oder 
Rasen  gebildet.  Zwischen  dieser  äusseren  Lage  und  der  inneren  Bekleidtmg 
{triävidt)  brachte  man  eine  Lage  Birkenrinde  {na/r)  oder  ähnliches  zum 
Schutz  gegen  Feuchtigkeit  an.  Wenn  die  Wände  von  Enic  uml  dann  in 
der  Regel  sein  dick  aufgurtlhit  waren,   ging  die  unterste  Kante   der  Dach- 


dcckung  nur  bis  zur  Mitte  ihrer  Oberfläche.  Waren  die  Wände  dagegen 
von  HulzsUlrameii  aufgeführl,  so  bildete  das  vorspringende  Dach  ein  wirk- 
liches Vf>rdat:h  {ttpi).  Wenn  die  Giebel  aus  Holz  waren,  so  «iirde  der 
äusserstc  Rand  des  Dachgiebels  mit  zwei  ausgeschnittenen  Brettern  {vindsitiä^ 
von  vinda  winden)  versehen,  welche  gegen  die  Giebelspitzc  zusammenliefen; 
zum  weiteren  Schmuck  <les  Gcbaiicies  wurde  zuweilen  ganz  oben  auf  der 
Giebclspitze .  wo  diese  Bretter  einander  kreuzten,  eine  Wetterfalme  (wahr- 
«cheinhcli  brandr  genannt)  aufgerichtet 

Auf  dein  Dache  befanden  sich  die  Lichtöffnungen  und  Luftlöcher 
{gitiggr,  /jdri)  des  Hauses;  die  als  Rauchloch  dienende  Öffnung  musste 
selbstverständlich  im  Dachrücken  selbst  angebracht  werden,  aber  daneben 
hatte  man  häufig  verschiedene  Lichtüffnungcn,  die  dicht  unter  den  Seitcn- 
dachballten  angebrarhl  waren.  Geschlossen  wurden  die  Dachöffnungen 
entweder  mit  einer  Holzscheibe  (spild),  welche  vorgedreht  werden  konnte, 
oder  mit  einer  auf  einem  Rahmen  ausgespannten  dünnen  Haut  {skjär), 
welche  tn  dieselben  hineingesetzi  wurde. 

§  17.  Von  den  Gebäuden  des  H<jfes  war  die  Stube  {sto/a)  das  an- 
sehnlichste. Sie  diente  als  Wuhnzimmtr  und  Speisezimmer;  hier  hielt  man 
sich  den  Tag  Aber  auf,  sowolil  die  Frauen  mit  ihrer  Handarbeit  (jedoch 
konnte  es  auch  eine  besondere  Frauenstube  geben)  als  die  Mdnner  und 
die  Leute  des  Hofes  überhaupt  Dagegen  wird  die  Stube  fast  niemals  ab 
Schlafzimmer  benutzt  Die  Stube  konnte  sehr  gross  sein,  so  dass  Gast- 
mähler hier  abgehalten  wurden,  selbst  wenn  die  Zahl  der  Gäste  sich  auf 
mehrere  Hunderte  bclief,  Die  Wände  wurden  dann  mit  gewebten  Teppidien 
behängt;  doch  waren  die  Wände  der  Stube  nicht  selten  inwendig  getäielt 
und  sowohl  diese  als  die  Innenseite  des  Daches  mit  Holzschnitzerei  ge- 
schmückt. Durch  die  zwei  Reihen  innerer  Pfeiler  wurde  die  Stube  in  einen 
Hauptrauin  und  zwei  Seitcnräunie  gctpilt;  der  Mittelraum  hatte  Lehmboden, 
der  bei  festlichen  Gelegenheiten  mit  Struh  oder  Ähnlichem  bestreut  wurde, 
und  hier  befand  sich  der  Herd  {arinn)  mit  einer  oder  mehreren  offcuca 
Feuerstellen,  von  wo  der  Rauch  aufstieg  durch  das  Rauchloch  im  Dache. 
Auf  Island  kam  es  jedoch  bei  fehlendem  Brennholz  gewiss  verhältnismässig 
früh  ausser  Gebrauch,  die  Stube  zu  heizen.  In  den  Seitenräumen  zwischen 
den  icineren  und  äusseren  Pfeilerreihen,  zuweilen  auch  längs  der  einen 
Giebelwand,  wurde  der  Platz  von  einem  Bretterhoden  ipaUr)  eingenommen, 
welcher  sich  stufenweise,  gewCihnlich  in  zwei  Stufen,  gegen  die  Wand  erhob 
und  zu  Sitzplätzen  verMxndet  wurde.  An  den  Seitenwätiden  hiess  diese 
Erh^jhung  luiig/iailr,  an  der  Querwand  ftverfmlir.  Zuweilen  werden  längs  der 
Seitenwilnde  Langbänke  {hngbekkr)  genannt,  welche  kaum  sehr  verschieden 
sind  von  dem  Sitz  auf  dem  eben  genannten  hugpaUr.  Von  den  Erhöhungen 
längs  der  Seitenwände  hiess  die  eine  die  vornehmere  {öäri  beiir,  4dii  paüt), 
die  andere  die  geringere  {luidri  hekkr,  üitdri  pailr)  \  wahrscheinHcli  ist  die  vor- 
nehmere die  zur  Recliien  dt-s  Eiiig;uigs  gewe.seiL  Die  in  §  16  genannten 
Pfcilerreihen  (die  inneren  und  äusseren  Träger),  welche  die  Stube  drei- 
schiffig  machten,  teilten  sie  zugleich  in  eine  Reihe  Querräume  {sta/gölf,  ffilf). 
Der  niiiielstc  von  diesen  war  der  vornehmste  und  hiess  gadvegi;  hier  be- 
fanden sich  die  Ehrenplätze,  ein  vornehmerer  und  ein  geringerer  (^iV  «fta 
fndvegi.  hii  mdra  ^ndve^i),  welche  den  Raum  zwischen  den  äusseren  und 
inneren  Pfeilern  einnahmen,  sowohl  auf  dem  höheren  als  dem  geringeren 
paür,  und  also  gross  genug,  jeder  für  sich  Platz  für  mehrere  Personen  ku 
geben.  Der  erste  Ehrenplatz  «ird  stets  vom  Herren  des  Hauses  einge- 
nommen   und    der    zweite,    ihm    gerade    gegenüber,    vom    Geehrtesten    der 


§ 


I 


Obrigen  Versammelten.  Die  das  ftidvegi  begrenzenden  inneren  Pfeiler  waren 
die  sugcnamitcn  ^ndifgiisiilur,  weiche  prächtig  ausgeschnitten  und  mit  GOtier- 
bildeni  gcsrhmUrkt  waren;  sie  Hiirdcn  hoch  in  Ehren  gehalten  und  als  ein 
Heiligtum  angesehen.  Der  vornehmste  Sitz  auf  dem  pimpaUr  war  wie  auf 
deji  lan^allar  der  mittelste.  Dieser  paUr  konulc  für  die  Fnjuen  auft>ehallen 
seit;,  »"ar  es  jedoch  nicht  immer;  diese  hatten  sonst  ihre  Platze  auf  dem 
inneren  Teil  der  zwei  lan^pallar.  Dass  die  Tische,  welche  für  die  Mahl- 
zeiten aufgestellt  und,  wenn  mati  gegessen  hatte,  furtgenommen  wurden, 
ihren  Platz  am  Runde  des  crli''.vhteii,  pallr  genannten  Bretterbodens  gehabt 
haben,  scheint  aiw  verschiedenen  Ausdrücken  in  den  Saigas  hen-ornigehen. 
Ausser  den  oben  erv^'^hnten  fe.stcn  BfinkcMi  hatte  man  auch  lose  beM^'cgliche 
BSnke  oder  Stühle,  welche  bei  festlichen  (ieiegenheiten  reihenweise  auf  dem 
Erdboden  der  Stube  angebracht  wurden  und  so  für  eine  bedeutende  Anzahl 
von  Gästen  Platz  geben  konnten.  Der  Eingang  in  die  Stube  war  in  der 
Regel  durch  die  Giebelwand,  aber  er  kennte  auch  auf  der  Scitenwand  in  der 
Nalie  der  einen  Giebel»*and  sein;  zuweilen  war  eincTliür  an  beiden  Enden. 
In  der  Stube  konnten  wie  in  anderen  ILlusem  zuweilen  abget^fehe  Alkoven 
{JiUfi)  V(.irkommen. 

Gr»Vsser  und  prüchtiger  eingerichtet  als  gewAhnüche  HSuscr  Ä-arcn  die 
kAnigtichen  Gefolgcstuben  (hirdslofa).  In  der  letzten  Hälfte  des  1!.  Jahrhs. 
criitten  diese  Stuben  in  Norwegen  eine  grosse  Veränderung  sowohl  in  Rück- 
sicht auf  Einrichtung  und  Benennung  als  in  ROcksicht  auf  Grosse.  Da  das 
feste  Gefolge  drr  K-'^nigc  um  diese  Zeil  auf  das  Doppelte  vergrOssert  wurde, 
musate  sei bstverst-'lnd lieh  die  Gefolgestube  grösser  gemacht  werden  und  hiess 
von  nun  an  Halle  {h^l).  Die  Ehrenplätze,  welche  hier  wie  gewöhnlich  mitten 
in  der  Stube  gewesen  waren,  einer  auf  jeder  Seite,  und  wo  der  König  seinen 
Platz  auf  der  Langbank  gehabt  hatte,  weldie  der  Sonnenseite  zugewendet 
war,  also  auf  der  nördlichen  Seite,  wurden  jetzt  an  das  eine  Ende  der  Stube 
verlegt  und  die  Stube,  welche  früher  an  Jedem  Ende  eine  Thftr  gehabt  hatte, 
erhielt  jetzt  nur  eine  Thür  an  dem  dem  Hoch.*titz  entgegengesetzten  Ejide. 
Der  erste  Ehrenplatz,  des  Königs  Hochsitz  oder  Tron  {häurii),  wurde  jetzt 
mitten  auf  einer  ansehtiUchcn  Erhöhung  [hdpal/r)  angebracht,  welche  hings 
der  inneren  Gielxlw.nu!  der  Stube  entlang  lief.  Gleichzeitig  .schaffte  man 
den  offenen  Herd  mitli-n  ;iuf  dem  FussbtKlen  ab  und  machte  Plnlz  für  einen 
Ofen  in  einer  der  Ecken  der  Halle.  Mitten  auf  dem  Boden  gerade  dem 
Kön^  gegenüber  brachte  man  jetzt  Stßhle  quer  durch  die  Halle  an,  auf  wel- 
ciien  die  vornehmsten  Gefulgsmflnner  sasscn  und  welche  in  der  Halle  dem 
geringeren  Ehrenplatz  in  der  Alteren  Stube  entspnirhen. 

§  iS.  Neben  tler  Stube  war  das  Schlafliaus  {stdii)  das  wichtigste  Wohn- 
haus. Es  konnte  gctflfelt  sein  und  zwischen  dem  GelAfel  und  der  Erd'wand 
(«'O  es  sich  um  Rasenhauser  handelt)  war  gewöhnlich  ein  dimkler  Raum 
{skot),  der  zuweilen  durch  eine  Thür  mit  dem  Inneren  des  Gel»audes  in  Ver- 
bindung stand.  An  beiden  Scilenwanden  entlang  lief  zwischen  den  äusseren 
und  inneren  Pfeilern  ein  erhöhter  Bretterboden  (jc/),  der  jedoch  kaum  ganz 
bis  an  die  Giebelwande  reichte;  vom  wurde  er  von  horizontal '.-n  Planken 
{ret'Siokiar,  Sing,  -ttokkr)  begrenzt,  die  in  gleichem  Ansehen  standen  wie  die 
fmivegiuii/ur  in  der  Stube  Auf  dem  stt  ruhte  man  die  Nacht;  gewöhnlidi 
war  der  Platz  in  BetLstelkn  abgeteilt,  jede  für  zwei  Personen  berechnet. 
Am  einen  Ende  des  Gebäudes  fanden  sich  eine  oder  mehrere  Bcttkammem 
{Joi-hvUur^  Sing,  -kvila);  diese  vi-urden  für  den  Hausherrn  tmd  die  Hausfrau 
mit  den  ihnen  zunächütstebcndcn  aufbehalten.  i?uweilen  war  am  einen 
Ende  des  Hauses  Ober  den  Querbalken  ein  Boden  ijopt),  wie  e«  scheint,  ge- 

GcrauiEMlic  Pbtiülorl«.  IJI.    2.  Auf).  2B 


434  ^^I-  Sitte,     i.  Skandinavische  VkkiiAltxis&e. 

wohnlich  an  seinem  äussersten  Ende  dicht  beim  Eingang;  dieser  Boden  ist 
in  der  Regel  nach  dem  liincni  d«  Hauses  zu  offen  gewesen.  Er  wurde  zu- 
weilen als  Scliiafkammcr  br.niitzi.  Im  .Schlafzimmer  hingen  die  Waffen  über 
Naelit;  in  der  Regel  hatte  jedt-i  Mann  seine  Waffen  ühcr  seineni  Bell  hän- 
gen. Watirend  in  Island  in  der  Regel  alle  Leute  des  Hauses  im  sJeäii 
Schliefen,  scheint  ausserhalb  Islands  die  Familie  für  sich  einen  eigenen 
Schlafraum  In  einem  davuii  verschiedenen  Gebäude  gehabt  zu  haben.  Aiu 
Tage  stand  das  Schlafzimmer  entweder  leer  oder  diente  den  Knechten  und 
dein  J4erini;eren  Gesinde  als  Aufenthaltsort, 

Au  Stube  und  skäli  schlicsscn  sich  gewöhnlich  als  das  dritte  und  vierte 
Wohnhaus  Speisekammer  (ä«V)  und  Küche  {trUhth).  Der  skäÜ  hat  jedoch 
erat  allnuihliih  sich  iw  einem  aussei ilie-sslichen  Sehlafliaase  entwickelt.  Ur- 
sprünglich bezeichnet  siäli  nur  ein  Haus  im  allgemeinen,  liesondera  ein  primi- 
tives oder  interimistisches  Gebäude,  wie  wenn  z.  B.  die  ersten  Wohnungen 
der  isländischen  Ansietiler  mit  diesem  Worte  bezeichnet  werden.  Eine 
Zwischenstufe  in  der  Kntwicklung  liegt  in  verschiedenen  Quellenschriften 
vor,  welche  Hiife  mit  drei  Wuhnlifiusem  erwähnen,  nämlich  ausser  sto/a  und 
imr  ein  tldhüs  oder  ddasiäU,  welches  als  Küche  und  .Schlafhaus  benutzt 
wurde.  Dieses  Haus  war  dann  bei  weitem  ansehnlicher  aLü  das  eidhüs,  die 
KUche  einer  spatcrai  Zeit,  und  näherte  sich  in  der  Einrichtung  dem  oben 
bcschriebpnen  Schlafliaus,  dem  gewöhnlichen  skäli;  es  war  am  Tage  ein  Auf- 
entlialtsort  für  das  Gesinde  imd  sammelte  am  Abend  alle  Glieder  der  Familie 
um  das  Küihenfeucr  {mäUldar).  Noch  eine  andere  Art  eidhüs  kommt  vor; 
mau  findet  nümlich  diese  Benennung  bei  den  besonderen  Gebäuden,  welche 
auf  grossen  Höfen  alldu  zum  Gebrauch  bei  den  jllhrüchen  Gastmählern  ge- 
baut wurden.  Solche  Geb.'iude,  welche  auf  iilutliche  Weise  wie  die  Stube 
eingerichtet  wurden,  konnten  sehr  prächtig  ausgerüstet  sein.  Zuweilen  war 
jedoch  das  Gastmahlsliaus  {veizluskäti)  eui  bloss  zu  dieser  Gcl<^ciilicit  ein- 
gerichtetes Wirtschafbigebäude. 

Als  ein  fünftes  Gebäude  kann  auf  isbndischen  Höfen  der  Gang  \fiej<irg^n^ 
gerechnet  werden.  Dieser,  welcher  wie  erwähnt  gewöhnlich  quer  durch  die 
in  doppelter  Reihe  aufgestellten  Wohnhfluser  führte  und  ein  Gebüude  mit 
eigenem  Dache  war,  zerfiel  in  mehrere  Abteilungen,  jede  mit  ilircm  beson- 
deren Namen  idyrr^  anddyn,  g^ng  u.  s.  w.).  Nicht  allein  die  Thüroffnung, 
sondern  auch  die  eigentliche  Vorstube  nllchst  dem  Eingänge  hicss  dyrr.  Man 
konnte  jedoch  auf  einem  Hufe  auch  mehrere  Gänge  mit  zugehörigen  Aus- 
gängen {fUiäyrr)  haben;  so  scheinen  zwei  Aussenthüren  keineswegs  etwas 
Seltenes  gewesen  zu  sein.  Diese  Thüreu,  weldic  jede  itiren  besonderen 
Namen  halte,  finden  sicJi  auf  verschiedene  Weise  be-nannL  Unter  diesen 
Benennungen  bt-gegnet  karhivrr,  welches  im  Gegensätze  zu  dem,  was  mau 
frülier  angenommen  hat,  wohl  am  richtigsten  als  Gcsindetliür  aufgefasst  wird, 
denn  eine  der  Mannerthür  entsprechende  Frauenthür  ist  nicht  bekannt.  Die 
vornehmere  Thür  ist  es  wahrscheinlich,  die  unter  andenn  unter  der  Be- 
nermung  brandadyrr  vorkommt.  Vor  der  Thüroffnung  war  eiim  Thür  {hurä) 
at^gebracht,  welche  gewöhnlich  mit  einem  Ilolzla^len  {ioka)  oder  einem  Sperr- 
baum \siagbrandr)  geschlossen  wurde.  Vi.rratsbiiijser  und  -lluilirhc  Behälter 
wiirden  durch  ein  Schloss  mit  zugehörendem  Schlüssel  geschützt.  Müglicbet* 
weise  Ist  die  ThÖr  zuweilen  eine  Fallthür  gewesen;  doch  bietet  das  Ver^ 
Btändnia  der  hierher  gehörigen  Ausdrücke  der  aUen  Schriften  verschiedene 
Schwierigk  c  itei  i . 

§  19.  .ausser  den  angeführten,  in  der  Regel  dicht  zusammengerückten 
Häusern  fanden  sich  auf  jedem  Hofe  versdiiedene  andere  Gebäude,  wckhe 


h 

1 


I 


in  kürzerem  oilcr  längerem  Al>stande  von  den  e^entlieheii  Wolmliäuscni 
zerstreut  liegen  konnten.  Hierzu  gehörten  die  verschiedenen  Stalle  unü 
Scheiuicn,  Vorratshäuser  mit  oder  ohne  Keller,  die  Schmiede  u.  s.  w.  Die 
gcwtihnlichen  Bezeichnungen  für  H.luser  zur  Aufbewahrung  von  allerhand 
Waaren  und  GcbrauctisgcgcusUlnden  Witren  siemma  luid  bür.  welcher  letzte 
Ausdruck  keineswegs  auschliesslirli  zur  Uezcichnuiig  der  zu  den  \Vi)hnhau- 
scm  gcreclmeien  Speisekammer  verwandt  wird.  Beide  haben  indessen  eine 
weitere  Anwendung.  So  benutzte  man  die  siemma  ausserhalb  Islands  häufig 
als  Schlafzimmer  für  die  Glieder  der  Familie  und  angesehene  Ci.iste :  sie  war 
da  gewöhnlich  zweistöckig  und  bcscmdcni  das  obere  Stockwerk  ijopt)  ver- 
wandte maai  auf  diese  Weise.  Zum  o1")ercn  Stt.'wkwerk  in  einer  solchen 
iofitsiemma  (im  allgemeinen  zu  dem  dieses  umgebenden  Allan  {svatar))  fOlirte 
aussen  eine  Treppe  {riä)  und  durch  eine  Luke  im  Boden  stand  diese  mit 
dem  uuteni  Stockwerk  in  Verbindung.  Btir  und  skemma  werden  in  der 
Dichtung  und  S;igc  als  Aufenthaltsort  für  Ktlrstentikrhter  mh  ihrer  weib- 
lichen Bedienimg  erwflhnt;  selbst  verstand  lieh  sind  es  dann  Prachtgcbaude, 
durch  eine  Einfriedigung  (/jfüa^nfr)  (»der  durcli  abenteuerliche  Verteidigungs- 
mittel geschützt.  Häufiger  begegnet  jedoch  dya^'a  als  Benennung  für  die 
von  den  übrigen  Wohnhausem  abgesonderte  Frauenstube;  der  Name  deutet 
darauf  hin,  ditss  dieser  Raum  urs]>rünglirh  in  die  Erde  eingegraben  und 
mit  Ddi^r  bedeckt  gewu-scn  ist,  womit  auch  das  übeteiiustiuuni.  was  man 
von  entsprechenden  Gebäuden  bei  den  Bewohnern  Deuuchlands  weiss.  — 
Zur  Bequemlichkeit  der  Bewohner  fand  man  in  der  Regel  eine  Retirade 
{kamarr,  saicmi).  Auf  manchen  Höfeit  fand  man  auch  eine  zu  Dampf- 
bfiderD  benutzte  ßadestube  {haäHo/a)\  sie  war  mit  einem  Steinofen  versdien, 
welcher  stark  geheizt  und  dann  mit  Wasser  ttbergussen  wurde,  wobei  der 
nAtige  Dampf  erzeugt  wurde.  Doch  karmte  man  auch  Wannenbader  {ker- 
iati^  und  auf  Island  Bader  in  den  wannen  Quellen  {iaug).  Zum  Schutze 
konnte  man  einen  unterirdischen  Gang,  der  von  einem  der  Häuser  des 
Hofes  ausging,  oder  ein  unterirdisches  \'' ersteck  {jarähüs)  haben:  auch  war 
der  Hof  rucht  selten  mit  einer  Art  Refestigung  {virki)  umgeben.  Gehörten 
Bergweidcn  zum  Hofe,  so  war  damit  gewOludich  eine  Sennhütte  [stl,  satr) 
verbxmden,  welche  oft  in  einem  ziemlich  bedeutenden  Abstände  von  den 
andern  Häusern  lag. 

Durch  die  jüngsten  dänischen  Untei^ucltungen  (l>csonders  die  i^^  unter- 
nommenen, durch  D.  Bruun  ausgeführten)  der  Nordlaiidcr-Ruinen  in  der  allen 
eyttri  bygä  in  Grönland  —  im  jetzigen  Julianehal)s  distrikt  — ,  wf),  wie  be- 
kanntf  die  skandinavische  Bevölkerung  im  Verlauf  des  15.  Jahrb.  ausstarb, 
hat  man  eine  überraschende  Obereiustimmung  zwisclien  den  dortigen  HOfcu 
m)d  der  obent>eschriebenen  i-tlandwchen  Bauart  consiatiert.  Die  Wohnhäuser, 
die  wegen  der  eingestürtzten  Rasen-Wände  bisher  übcreehen  wurden,  be- 
stehen ganz  wie  in  Island  aus  einem  mittels  eines  Ganges  verbundenen  Oe- 
bäudekomple.\,  wo  noch  in  mehreren  Zimmern  eine  ErliGhung  an  den  Wan- 
den (Sitz-  oder  Schlafplatz)  erhalten  ist.  Rings  um  die  zasammengcstcllten 
Wohnhauser.  innerhalb  oder  ausserlialb  des  eingefriedigten  Grasfeldes,  liegen 
die  zahlreichen  Nebengeliaude  und  Hürden,  die,  weil  wesentlich  aus  Steinen 
aufgeführt,  weniger  eingeölten  .Mnd  und  deswegen  früher  die  Aufmerksam- 
keit auf  sich  gezogen  liatten  uid  unrichtig  als  Hauptgebäude  gedeutet  u'urden. 
Hier  sieht  man  Ställe  mit  den  einzelnen  Standen  durch  aufgerichtete  Fliesen 
geschieden.  Pferche  für  Melkschafe  und  Lämmer  ganz  «ie  in  Island  u.  s.  w. 
Von  der  Lel)cii3weise  <ler  Bewohner  geben  die  erhaltenen  KOchcnabfalle 
AufachlÜase.     (Siehe  Meddelelserr  om  Grönland  XVI,  Kbh.   1895.) 


436  XII.  Sitte,     i.  Skandinavische  Verhältnisse. 

Sehr  konst-rvativ  Ui  Jie  Bauart  auf  den  Farüer-Inscln,  da  liier  jcdt-r  Huf 
ein  Raucluimmer  enüialt,  das,  ausser  dass  es  als  Küche  diente  der  gewöhnliche 
AufcnÜialtÄOrt  der  Familie  ist.     {FiFresk  Anthologi.) 

Über  die  Isländistlicn  wirtschaftliL-licn  Verhältnisse  der  Neuzeil  und  die 
dortige  Bauart  finden  sich  interciwante  Auf.s<"hltlss(;  in  dem  in  Kopcnhagpn 
l8c>7  crschinK-nen  Buche  D.  Bruun,  Forfiäsmimier  o^  NatiJshJfm  paa  Island, 
durch  zahirtriche  Illustrationen  erläutert  Ais  Resultat  ergieht  sich  eine  weit- 
gebende ObereinslimmuDg  mit  den  Verhallnissen  der  SagazeiL 

Wie  in  Island  und  Grönland  ward  audi  in  Norwegen  und  dem  nördliclien 
Schweden  die  liebauung  aus  zerstn^ut  geh^encn  liavicnihöfen  gehildct,  in  Dane- 
mark und  Süd-SchwctJen  dagegen  aus  j^eäammeltt-n  DOrfcni,  die  in  Danemark 
bis  2ur  Aufliehungder  Feld-Ciemein.scha/t,  Ende  des  iH.  Jahrh.,  in  allem  wesent* 
liehen  ihre  Eigen türaüchkeil,  wie  sie  in  den  mittelalterlichen  Provinzial-Ge- 
setzen  hervortritt,  bewahrt  hatten.  Die  DOrfcr  waren  entweder  nmd  oder 
länglidi.  In  den  Kund-Di^rfem  liegen  die  Hftfc  um  einen  eingeschlossenen 
Platz  von  recht  ansrlmlichcr  Grösse  —  in  den  Gtsetzen  forte  genannt  — ; 
hier  mündci'.-n  die  s.'immtlic]»en  Wege  aus;  hier  Uig  der  genieinschafthche 
Dorfteich,  und  unter  freiem  Himmel  wurden  lücr  die  Angelegenheiten  des 
Dorfes  verhandelt.  Dagegen  haben  die  I^ng  -  Dflrfer,  die  sich  meistens  in 
Jütland  mul  Schleswig  finden,  den  gemeinschaftlichen  Durfplatz  ausserhalb 
des  Dorfes  (P.  Lauridscn,  Äarb&ger  for  nordisk  Ofdk.  og  //ist.  Kbh.  1896). 
—  Die  danischen  Dörfemamen,  die  zum  teil  ziemlich  durchsichtig  siml,  geben 
interessante  Winke  brzttgäich  der  Bebauung  des  Landes.  Die  ansehnliclisten 
Dürfer,  uiul  darunter  die  meisten  Kirchdörfer,  teilen  sich  m  zwei  Gruppen, 
deren  erste,  die  auf  -/ev  (s.  Besitz)  endet,  immer  mit  einem  Fersonenuamea 
zusammeDgcsetzt  ist,  die  zweite,  die  auf  -h  (s.  Dorf)  oder  ein  Wort  mit  der 
Bedeutung  »Stelle«,  »Wiese«  u.  dgl.  endet,  als  erst<-s  Glied  ein  an  natür- 
liche oder  sonstige  Verhaltnisse  t>ezügliches  Wort  enthalt  Dic-sen  gegen- 
über stehen  eine  tlritte  und  \ierle  Gruppe,  weniger  ansehnlich  .suwohJ 
was  Areal  als  Grundzins  betrifft  und  jüngere  als  oV»en  genannte,  gebildet 
von  (5.)  Naincu  auf  -/korp,  wodurch  spätere,  durch  Ausraärker-Höfe  ent- 
standene, Df^rfer  bezeichnet  wcrdrn,  welche  immer  mit  einem  I'ersoncn- 
Kamcn  zu.samnieiigesetzt  sind,  oder  (4.)  Namen  auf  -Ao//,  -md  u.  dgl.  die 
ausgerodete  Waldungen  bezeichnen  (J<ili..Stepnstrup,  //u/.  Tidssin/it,  Kbh. 
1895).  —  Eigentümlich  für  einen  grossen  Teil  von  Dänemark  ist  der  aus 
4  zu.samniengcbautcn  Fltligeln  bestehende  Bauenihof,  aber  tias  Alter  dieser 
Grundfonn  ist  unsicher.  Ausführitcher  über  Bau;iit  R.  Mcjbitrg,  Nordiskt 
/iimdergnrde,  Kbh.  1892  ff.  (auch  in  deutscher  Übersetzmig:  Die  Nordischen 
JSaueniJiÖ/f,  i6.—i8.  Jahrh.  /.  SfA/esivig). 

I  20.  Kleidung.  Die  Kleidung  {iunadr,  khäabunadr),  welche  beim  Be- 
ginn der  historischen  Zeit  über  den  ganzen  Norden  dieselbe  war  wie  sie  auch 
ira  wesentlichen  zu  der  der  Nachbarvölker  gestimmt  zu  haben  scheint,  lucll 
sich  die  ganze  Sagazeit  hindurch  ziemlich  unverändert,  jedoch  mit  gewissen 
durch  die  Mode  iK-wirktcn  .Änderungen  in  St<iff,  Farbe  und  Schnitt,  wodurch 
teilwei.se  neue  Benennungen  henorgerufen  wurden. 

Der  Stoff  {e/nt)  konnte  höchst  verschieden  sein,  feiner  und  gröber.  Von 
Stoffen  werden  erwähnt  Felle,  Wollenzeug,  Ixinwand,  Seide,  Baimiwolle.  Das 
Fell  {siinn)  benutzte  man  leils  mit  den  Haaren  darauf,  teib  ohne  diese.  Von 
ilen  Fellen  rechnete  man  zu  den  einfacheren  Schafsfell  {klippingr,  gitra)* 
Ziegenfell  {gei(arsiina)  und  Ochsenhflute  (u.vahud,  ^dungshüä).  Weim  sie 
bestimmt  waren  al»  Handelswaarc  ausgeführt  zu  wertlen,  hicssen  sie  Handels- 
fcllc  {jwtmrsiinr/,  vaniint/)  und  diese  wurden   als  noch  einfacher  augesehen. 


Hierzu  kutnnil  Kalbsfell  (idi/skinn),  Seehundsfell  (stMinn)  und  endlich  Hai- 
nsclifell  {ikrdpr,  Uskräpr),  wehhes  das  allereinfachste  war  und  nur  )>enutzt 
wurde,  Schuhe  für  die  Knechte  und  das  geringere  Gesinde  <JarauH  zu  machen. 
Zu  feinerem  Pelzwerke  bcnuUic  man  Lammfell  {lambxkm»,  lamboskinn), 
Katzenfell  {katiaikimi),  Kuchsfcll  [mflntkkaheigr,  töuskinn),  Bärenfell  {bjamskinn), 
Biberfell  {b/ör),  Zobelfell  (sa/a/i)  u.  s.  w.  —  Wüllenzeuj:,  welches  oft  z>€fnadr 
und  vefr  lieisst  und  meist  in  Zuiiammensetzungen  als  veffar-  vorkominl,  «"ar 
der  allgemeinste  Kleiderstoff.  Hiervon  war  Friess  {itaämäl),  den  man  selbst 
verfertigte,  das  am  meisten  gebrauchte  und  zugleich  das  cinfaclistc.  Dieser 
konnte  wieder  feiner  und  grober  sein.  Der  feinere,  welcher  bestimmt  war, 
Klcitter  mit  der  natürEichcn  Farbe  der  Wullc  daraus  zu  verfertigen,  hicss 
Klciderfriess  {httfaariHid.  ha/nanmimäl),  der  einfachere,  welcher  haupIsAchlicIi 
dazu  bestimmt  war,  als  Haiidclswaare  ausgeführt  zu  werden,  hiess  Handels- 
Mess  {xfJuvJä,  v^tiwäd,  rara,  7'aran'iiä).  Vielleicht  bestand  der  Unterwrhied 
nur  in  der  Farbe,  so  dass  Handelsfriess  von  weisser,  Kleiderfness  von  braun- 
roter und  schwarzer  Wolle  verfertigt  wurde.  Zum  altereinfachsten  Wollen- 
zeug muss  auch  das  sogenannte  Filzzeug  ijliki.  ftöfi)  gerechnet  werden.  Von 
feinerem  Wollenzcug,  das  aus  dem  Ausland  eingeführt  wurde,  war  das  all- 
gemeinste der  Scharlach  {skarlat).  NYi<h  feiner  war  das  sogenannte  Gattcs- 
gcwebe  {guäv^r),  welches  vermutlich  nur  wenig  von  jenem  vcrscliieden  ge- 
wesen ist.  —  Leinwand  (//w,  l^upi)  war  sehr  allgemein  seilet  auf  Island,  wo 
sie  dücli  eingeführt  wcnicn  mussle  und  viermal  so  teuer  als  Friess  war.  — 
Seide  {«/*/)  wird  ziemlich  häufig  bei  den  Vornehmeren  erwähnt.  Hierzu 
scheint  auch  das  sogenannte  peil  gerechnet  werden  zu  mOssen,  welches  ausser- 
ordentlich selten  war  und  erst  in  spaterer  Zeit  erwähnt  wird.  Man  meint, 
da&s  es  eine  Art  Seidensammet  gewtsen  isL  Auch  diis  sogenannte  baläikin 
lind  purpuri,  raetni  man,  ist  eine  Art  Seidenzeug,  mit  fiold  durchwirkt,  ge- 
wesen. —  Baumwollenzeug  (z.  B.  fustan)  findet  man  nur  selten  erwähnt. 

§  21.  Die  Farbe  {Ittr)  kormte  wie  der  Stoff  sehr  verschieden  sein.  Von 
Farben  werden  folgende  in  den  Sagas  erwähnt.  Weis»  {hvitr)  war  die  all- 
gemeine Farbe  der  Leinwand  und  man  legte  grossen  Wert  darauf  .sie  so 
weiss  als  möglich  {drißn-itr)  zu  bekommen.  Dagegen  wurde  der  weisse  Friess 
als  das  allcrcinfachste  angesehen  und  in  der  Regel  nur  zu  Kleidern  für  die 
Knechte  und  geringeren  Leute  benutzt.  —  Braunrot  {.mömuitr)  war  sehr 
allgemein,  am  häufigsten  er^^alint  als  braunrot-gestreift  {mörrndr).  wobei  man» 
um  die  braunrote  Wolle  zu  sparen,  ohne  doch  in  ganz  weissen  Friesskleidem 
gehen  zu  müssen,  das  Zeug  so  webte,  dass  der  eine  Streifen  braunrot  war, 
wahrend  der  andere  weiss  war.  Der  Friess  dieser  Art  war  also  ein  wenig 
einfacher  als  ganz  braunroter  Friess,  aber  er  war  bedeutend  teurer  als  ganz 
weisser  Friess.  —  Schwarz  {svar/r),  worunter  man  die  natürliche  Wollfarbe 
(tattArar/r)  verstehen  muss,  war  auch  sehr  allgemein.  —  Grau  igrär)  wini 
sehr  häufig  erwähnt  Wenn  von  KIcideni  die  Rede  ist,  welche  diese  Farbe 
haben,  so  mu.<t$  nrin  hierunter  teils  Kleider  \on  grauer  Wnitt*  iciie  natürliche 
graue  Wollfarbe),  teils  Kleider  verstehen,  weldie  entweder  von  Garn  gewebt 
waren,  wo  der  eine  Faden  schwarz  und  der  andere  weiss  war,  oder  bei  denen 
das  Garn  aus  schwarzer  und  weisser  Wolle  zusammen  gesponnen  war,  also 
nur  eine  Mischung  zweier  natürlicher  FarlKm.  Eine  Variation  dieser  Farbe 
war,  wie  beim  braunroten,  das  grauge.sirciftft  {;,'riiuni/r). 

Alle  obenerwähnten  Farben  waren  naturliche  WoUfarbcn.  Im  Gegensatz 
zu  den  Kleidern,  welche  diese  Farben  hatten,  standen  kflnsdich  gef^bte 
Kleider,  welche  Farbekleidcr  (/i/k/träf)  hiessen.  Jene  sah  man  als  einfacher, 
diese  als  stattlicher  an  tmd  nannte  sie  auch  zuweilen  Prachtkleidcr  iskraui- 


438 


Xn.  Sitte,     i.  Skandinavische  Veruältnisse. 


i/a-(ti).  Kleider  von  natQrlicher  Farbe  wurden  vom  Volk  im  nDgemeinexi, 
künstlich  gefärbte  Kleider  nur  von  den  Bessergestellten  und  den  Häuptlingen 
getragen.  Zu  den  kOnstlidien  Farben  gehörten  also  folgende.  Gelb  (^Wr) 
wird  zwar  scltai  als  Farbe  für  Kleider  erwähnt,  aber,  tiass  sie  gebraucht 
worden  ist,  ist  sichrr.  —  Blau  {bldr)  war  sehr  allgemein.  Hierunter  muss 
man  eine  rabenschwarze  {brafnhU'tr)  Farbe  verstehen,  selten  c»der  niemals  die 
Farbe,  weJrhe  man  jt-tzt  blau  nennt.  Hflufig  werden  auch  blaugttstreifte 
{bldrendr)  Kleider  erwähnt.  —  Braun  {btHnn)  wird  nicht  sehr  oft  ertt-.lhnt, 
Ist  aber  gewiss  zienilich  allgemein  gewesen.  Als  Variatiun  dieser  Farbe  wird 
rotbraun  [rauiihrunn]  und  dunkelbraun  ymodrt'inn)  erwähnt  —  Grün  {grvnny 
wird  zuweilen  erwriliiit:  auch  davon  hatte  man  Variationen:  gelbgrün  igu/- 
gmiiH)  und  lauligrfln  ylau/gionn).  —  Kot  [rnttt/r)  wurde  al$  die  aller]irachlig;ste 
Farbe  angesehen,  und  Kleider  von  dieser  Farbe  wurden  ausschliesslich  voa 
Häuptlingen  und  reichen  lauten  gebraucht.  Sie  werden  im  Gegensatz  zu 
andern  als  gute  Kleider  {jjöä  kl<r<ti)  bezeichnet.  Rute  Kleider  wurden  auch 
hei  Opfern  für  die  Güttcr  gebraucht  (blöiklaäi). 

Bunte  Kleider  hii-k  man  für  sehr  hübsch  und  die  einzelnen  Kleidungs- 
stücke waren  daher  nicht  selten  aus  mehreren  verschiedenen  Stoffen  zu- 
sammengesetzt, JRder  mit  seiner  Farbe- 

§  22.  Die  mannliche  Kleidung  {karlJtlväi,  iari/^t)  kann  auf  fönende 
Weise  eingeteilt  werden; 

Knpfbekleiduiig  \k<t/uähün<iär).  Die  verbreitetsle  Kopfbedeckung  war  ein 
Hut  Un'ifr,  hallr),  im  allgemeinen  von  zu-iammengewalkter  Wolle,  und  hicss 
deshalb  teils  Wollhut  {uUh^ttr\  teils  Filzhut  {pifah^Ur,  p6/ahaltr).  Was  die 
Farbe  betrifft,  so  werden  schwarze,  blaue,  graue  und  weisse  Hüte  erwähnt. 
Oft  war  der  Hut  am  Überkleid  befestigt  und  in  dieseir  Falle  heisst  er  auch 
nicht  selten  Knpuze  {hrda]  und  ist  dann  ohne  Zweifel  vom  selben  Stoffe  ge- 
wesen wie  dieses.  Ein  Hut  dieser  Art  konnte  sehr  tief  herab  reichend  sein 
uncE  ganz  über  das  Gesicht  heiuiitergezogen  werden,  nur  mit  einer  kleinen 
Öffnung  vom  für  Augen,  Muod  und  Käse.  Er  wurde  dalier  oft  als  Maske 
{ditlhqHi\  grima\  grbnmcht,  wenn  man  sich  vor  den  I.euten  verbergen  woUla 
(_>ft  wurde  er  nach  hinten  übergcw(>rfen  und  blieb  am  Mantel  auf  den  Schul- 
teru  hangen.  Dilnisrhe  {äamkr  hattr)  und  rus-sische  {gerzkr  halir)  Hüte  scheint 
man  für  feiner  als-  andre  angesehen  zu  haben.  Ausser  Hüten  werden  oft 
Hauben  {kiifo)  erwähnt,  teils  von  Lcinwimd  [linhAßi),  teils  von  Fell,  sowohl 
von  Srhafsfell  {stinnhi'tfa,  hmhskinnshüfa),  als  von  Bärenfell  \b}anukhmshüfa\ 
leib  von  Seide  [xilkihü/a).  Die  Hauben  waren  zuweilen  mit  kostbaren  Borten 
belegt  {hladlfüin).  (}ber  ihre  Fonn  und  Fart>c  geben  die  Sagaa  keine  Auf- 
schlüsse. Kine  besi'iidere  Art  Haube  war  der  m »genannte  ^ly«',  der,  wie  man 
annehmen  darf,  eine  hohe,  bienenkorbf«'»rmige  Haube  und  zuweilen  von  zot- 
tigem L;immfell  {lambskinnske/n)  war,  nebst  dem  ki?ei/,  welcher  im  12.  imd 
13.  Jahrb.  von  voniehmen  geistlichen  wie  weltlichen  Personen  gebrauclit 
wurde.     Von  der  Form  wird  nichts  gesagt. 

Vornehme  Leute  pflegten  auch  vielfach  ein  Band  (b^fnähand,  hlaä,  skarband^ 
um  den  Kopf  zu  knüpfen,  um  das  lange  Haar  hinten  zu  halten.  Dies  Band 
war  nicht  selten  von  Seide  {siitik/ad)  und  zuweilen  mit  Gold  durchwirkt 
{gullband,  gitähiiitt\\  vielleicht  bestand  es  auch  zuweilen  aus  zusainmeoge- 
hefteteu  Goldplatteu. 

§  2},.  Unterkleider  {undirkiudi,  nteriiatii.  Hkvaril  Unmittelbar  am  Körper 
trug  man  ein  Hemd  {skvria\  das  gewöhnlich  vom  ohne  Schlitz  war  und 
über  den  Kopf  durch  das  Halstoch  {hp/uäsmdu)  heruntergezogen  wurde,  Das 
Hemd  war  wohl  immer  von  weisser  Farbe  und  im  allgemeinen  von  Wollen- 


7#ug:  aber  bei  reicheren  Leuten  war  es  von  Leinwand.  Auch  das  Manns- 
hciud  tiiuss  zuweilen  serkr.  welche  Benennung  jedoch  meist  vtin  Franen- 
hemtlen  gebraucht  wiirdc.  Die  Untcrheink leider  {nitHträkr)  waren  nicht  sehen 
Von  Leinwand  yUnbri'kr),  aber  oft  waren  sie  ohne  Zweifei  van  Frie&s.  Zu- 
weilen fielen  die  Unterbeinkleicler  mit  den  Oberbeinkldtlcm  ziisamincn,  wenn 
man  nur  ein  Paar  Beinkleider  trug.  Wenn  Hemd  und  Unterbeinkicidcr  von 
Leinwand  waren,  hicssen  sie  mit  einem  Namen  Leinenkieider  \linkladi\.  In 
der  Regt'l  lag  man  Nachts  über  in  Unterkleidern. 

§  24.  Pberkletder  {vfirkfatft,  holkUriti,  ^ttngrari).  Das  K*-"^'ühnlicliate 
Kleidungsstück  auf  dem  Oberkörj>er  war  ein  Roek  (kvriiU).  Dieser  war  vom 
ganz  und  mussie  wie  das  Hemd  über  den  Kopf  durch  ein  Hidslodi  {h^/uä- 
smd/i)  heruntergezogen  werden.  Er  war  fast  immer  mit  Annehi  versehen  und 
reichte  in  der  Regel  etwa  bis  zu  den  Knien,  konnte  jedoch  auch  kürzer  oder 
langer  üvin.  Der  Rock  wurde  durch  einen  Gürtel  (M/i),  welcher  nicht  selten 
aus  zusammengehefteten  Silberplatten  [iilfrbeiti)  bestand,  am  I^ihe  festgehalten. 
Am  Gürtel  hing  gern  ein  Messer  \kni/r)  an  einem  Band  oder  emem  Riemea 
{tygüini/r)  und  in  einer  Scheide  1/  sieültim),  und  die  eigentliche  Tasche 
{fiua),  welche  sowohl  zur  Aufbewahrung  verschiedener  Kostbarkeiten  igripr) 
wie  als  Geldbeutel  {/('^•ntill.  sf'ittr)  benutzt  wurde.  Zuweilen  zog  man  die 
Beinkleider  aussen  Über  den  Rock  {g^'r^ir  i  hwkr)  und  der  Hosenbund  trat 
dann  an  die  Stelle  des  Gürtels.  Der  Rock  war  oft  mit  prächtigen  Borden 
cingcfasst  [hhitbüian).  Der  Stuff  kunnie  sehr  verschieden  sein.  Der  im  allge- 
meinen vom  Volke  am  meisten  gebrauchte  war  natürlich  Kriegs,  sowohl  der 
feinere  {Aa/nandit)  als  auch  zuweilen  der  einfachere  {if/uitifturhrfrU).  Bei 
vomelimcn  und  reichen  Leuten  war  der  Rock  von  Scharlacli  {skarlaiskyritU), 
zuweilen  auch  von  Goitesgewebe  [fftuti^fßarkYiiiM)  und  ptil-'laxk^  {ptlhhrüU)., 
sowie  Baumwollenzeug  {Jttsi'mskvriiU).  Was  die  Farbe  betrifft,  so  werden 
Tolc,  grtinc,  laubgrüiie,  gelbgn'ine,  braune,  rotbraune,  dunkelbraune,  l'lauc, 
schwarze,  hniunrote,  braunrotgest reifte,  graue  und  äusserst  selten  weisse  Röcke 
erwaluit. 

Die  Blousc  {atakkr)  war  von  demselben  Schnitt  wie  der  Rock,  nur  etwas 
weiter  und  viel  kürzer.  Sie  reichte  teils  bis  zu  den  Hüften,  teils  ein  wenig 
unter  sie  hinab.  Sie  war  sehr  hilufig  von  einfachem  Friess  ^i^aramiilarstakkr^ 
und  nicht  selten  von  Schafsfcl!  \ikinmtakkr),  al>er  als  stjldie  wurde  sie  niu: 
von  einfacheren  Leuten  und  meist  von  den  Knechten  gebraucht  Sie  wird 
sowohl  htau  al.i  weiss  erwflhtit.  Die  Blause  sah  man  ab  ein  sehr  zweck- 
mässiges Kleidungsstück  für  den  an,  der  ringen  sollte,  und  sie  hicss  deshalb 
zuweilen  Ringblouse  [ /angattakir). 

Das  Hemd  {skyria),  das  auch  als  Obcrkleid  erwähnt  wird,  war  wohl  nur 
eine  andere  Benennung  für  die  Blouse;  zum  mindesten  war  es  von  dem- 
selben Scluiitt.     Es  wird  weiss  erwähnt. 

Ein  sehr  prilchligcs  Kleidungsstück,  das  nur  von  vornehmen  Leuten  ge- 
tragen wurde,  war  das  sogenannte  Schh-ppklcid  {sUiAtr).  Es  w:u'  bis  zu  den 
Fassen  herabhängend,  war  vom  offen  und  musste  mit  Knflpfen  zusammen- 
gehalten werden.  Es  war  am  häufigsten  von  Seide  (si/kisUAir)  oder  von 
anderem  kostbarem  Zeug  {a/  gärfit  kladi)  und  zuweilen  goldgestickt  {gull^ 
sattmaäar)  und  von  oben  bis  unten  mit  üoldknöpfen  besetzt  {u/iar  guff- 
jtagfifium  mär  i  gtgii). 

Treyja  und  hjitpr,  welche  oft  von  Seide  waren  tmd  aLs  Prachtkteidung  ge- 
braucht wurden,  glichen  unzweifelhaft  der  Blouse  sehr  Im  SchnilL  Der  letz- 
tere heisAt  auch  zuweilen  kurzer  Rock  {kyrtitl  ilultr).  Eine  andere  Bencn- 
juing   für   hjupr  ist   kfsiingr,    besonders    wenn    er   von    Fell    (skitini/üpf)  war. 


440  XII.  Sitte,     i.  Ska>-dinavisch2  Verhältnisse. 


Sowohl  ireyja  und  hj&pr  als  skyrla  und  stakkr  konnten  auch  ak  \\'afrenröcke 
gebraucht  werden.  Die  beiden  erstgenannten  wari;ii  in  diesem  Falle  zuweilen 
ohne  Ärmel  und  wurden  aussen  über  dem  Panzer  (brvnja)  getragen. 

Ausaer  diesen  konnten  auch  die  meisten  Überkleider  (vgl.  g  27)  an  Stelle 
des  Rockes  und  der  andern  üben  erwähnten  Kleid ungsstflcke  gebraucht 
werden.  Als  sehr  seltene  KIddungsstOcke  können  weiterhin  genannt  werden 
pilz.  piliuai^r  und  f/ja/fil  oder  kjafal). 

§  25.  Die  Oberbeinkleider  (ftrikr)  waren  zuweilen  eins  mit  der  Fussbc- 
kleidun^  und  hicssen  dann  feistfiMkr;  im  entgegengesetzten  Falle  wurde  der 
Fuss  vun  einem  Socken  (sokkr,  Instr)  ln*derkt,  innnweit  er  nicht  blosÄ  mit 
Zeugstreifen  umwickelt  wurde.  Doch  kannte  mau  auiJi  «Hosen«  d.  h.  Lang- 
strümpfe  fhosur),  welclie,  wie  man  annehmen  darf,  Fuss  und  Hein  bis  hinauf 
an  den  Schenkel  bedeckt  liaben;  diese  konnten  zuweilen  von  Fell  oder  Leder 
sein  und  ersetzten  dann  zugleich  die  S<.hube.  Da.s  Stück  zwischen  KnrtcheJ 
und  Knie  scheint  in  älterer  Zeit  mit  B<1ndem  oder  Riemen  umwickelt  wor- 
den zu  sein.  Der  Bund,  mit  wekliem  die  Beinkleider  i>bcn  um  den  Leib 
gehallen  «urden,  hiess  Hoseiigürtel  [brökaheiti,  hnikiiiidi,  hndi).  An  rliescm 
hing  oft  eine  Tasche  (püss,  pungr},  besonders  bei  denen,  welche  die  Hosen 
Ober  die  Rocksrhösse  (kyrtihblqä)  zogen,  ebenso  Messer  und  ähnliches.  Die 
Beinkleider  waren  fast  immer  von  Fricss,  teils  von  feinerem  ihafnan^oämäi)^ 
teils  Vi>n  gr'^bercm  fs^hnuidarhn'tkr).  Sie  werden  als  schwarz,  weiss  imd  blau- 
gestreifi  erw^hnL     Das  IlintersiOck  in  den   Reiukleidem  hiess  se/ffriri. 

§  2b.  Das  Schuhwerk  (skökifeiti)  war  in  der  Regel  sehr  einfach.  Die 
Schuhe  (skör)  waren  %on  demselben  Schnitt  wie  die,  welche  noch  jetxt  auf 
Island  am  meisten  gebraucht  werden;  sie  waren  aus  einem  Stück  Fell  oder 
Leder  (skotii)  verfertigt,  welches  hinter  der  Ferse  oder  oberhalb  der  Zehen 
zusammengenalit  wurde  und  das  grf%.s3te  StOck  des  Oberfus.ses  blieb  so  \*ora 
Schuh  unbedeckt.  Sie  wurden  durch  zwei  sehr  dünne  Riemen  fsköpiengr) 
am  FuÄse  festgelialtcn.  welche  unterhalb  des  Knöchels  um  den  Fuss  ge- 
wickelt wurden.  Die  Enden  der  Schuhriemen  waren  zuweilen  mit  TroddeJn 
cxier  Quasten  fskii/r,  tkiifa^ir  sköpvefigir)  versehen.  Die  Schuhe  konnten 
von  Schafsfell.  Qchscnhautcn,  SeehuncLsfell,  Kalbsfell  u.  s.  w.  seiti,  zuweittn 
mit  den  Haaren  darauf  floitnir).  Zu  den  allereinfaclisten  Schuhen  brauchte 
man  auch  zuweilen  Haifiscksfell  (skräpr).  Das  Fell^  woraus  die  Schuhe  ge- 
fertigt wurden,  war  zuweilen  schwnrzgefarbt  und  schwarze  Schnhc  (svaiiir 
sküar)  .sah  man  als  sehr  stattlich  imd  fein  au  [sinirtir  skiun  sirauiligtr').  Zu- 
weilen werden  auch  hohe  .Schuhe  (itpfihdßr  skünr)  erwähnt,  welche  wohl 
den  ganzen  Fus.-*  bedeckt  und  bis  zum  Knöchel  hin;iufger rieht  haben. 
Auch  wird  eine  Art  Schuhe  genannt,  die  Iföfar  (Sing.  b(Ui\  hiesscn,  welche 
vemjutlich  den  heute  gebräuchlichen  Stiefeln  glichen,  Wenn  man  auf  Eis 
oder  auf  glattem  Wege  gehen  sollte,  pflegte  man  zuweilen  Schuhstachela 
ftiöbroddar.  mannbroddar}  unten  unter  die  Schuhe  zu  binden.  Wenn  man 
zu  Pferde  reiste,  l«fesligte  mau  aucli  Sporen  fspornr}  daran. 

§  27.  Überkleider  (yjirh^nh  Vnn  diesen  halte  man  viele  und  auch  im 
Schnitt  ziemlich  verschiedene. 

Der  Radmantet  (ikikkja}  war  ein  Rock  ohne  .'irmel,  der  auf  den  Sdiul- 
tem  hing.  Er  war  in  der  Regel  mit  Fellen  gefüttert  Er  war  ziemlich  lang, 
und  sehr  weit,  so  d;iss  man  Waffen  unter  ihm  verbergen  konnte,  ^\■enn  der 
Radmantel  nicht  mit  Fellen  gefflitert  war,  so  hiess  er  oft  Mantel  (mftfuil), 
aber  diese  Benennung  wurde  aucli  oft  vom  Oberstoffe  im  Radmantel  im 
Gegensatz  zur  FcUfultening  gebraucht.  Schi ies-sl ich  konnte  der  Name  skj'kk/a 
von  jedem  beliebigen  Überkleid  (yfirh^n)  gebraucht  werden,    we  man  auch 


I 


I 
I 


aus  dem  Austinjck  at  skiikja  sik  sehen  kann,  der  so^ai  im  Sinne  von  »einen 
Pelz  (feidr)  umtUim«  gebraucht  werden  kann.  Doch  wird  dieser  Name  wohl 
nur  von  losehWngcnden  Überkleidern  gebraucht.  Der  Mantel  oder  Rad- 
mantel wurde  auf  der  Brust  tdU  durch  eine  Spange  befestigt,  teils  durrh 
Bänder  {m^ttuUbqnd,  skikkjttbqnd,  luglar}.  Der  Name  dieses  Bandes,  tygil/. 
ist  gebildet  aus  tag  (Verbum  to/^a)  wie  /••;(/// (Schlüssel)  aus  hk  (Vcrbum  loka) 
und  bezeiciinet  so  ein  Gerät,  damit  zu  ziehen,  wie  Iviili  ein  Gerät  bezeichnet, 
damit  zu  schliessen.  tygt7i  war  eine  Schnur  oder  ein  Riemen,  welcher  durch 
den  Besatz  des  Mantels  gezogen  war,  und,  wenn  man  an  dieser  Schnur  zog, 
konnte  man  es  erreichen,  dass  der  Mantel  am  Halse  dicht  schloss;  aber  sehr 
häufig  liess  man  die  Schnur  auch  schlaffer,  so  dass  der  Mantel  auf  den 
Schultern  hing.  Diese  Sdmüre  waren  auf  der  Bnist  zusammengeknüpft  und 
die  Enden  oft  mit  prachtigen  IVoddcln  versehen.  Eine  andere  Bcncnnimg 
für  fvgiil  ist  sgil,  d.  h.  eine  Schnur.  Wenn  der  Mantel  mit  dieser  Art  Sclinur 
zusaiumengclialten  wurde,  hiess  er  oft  SLluiurraantel  (Sughm^ituil,  seUam^tttäl). 
Der  Radmantct  war  oft  mit  kustbaren  B<>rtcn  fhiaJbüinn),  selbst  bis  hinab 
z\i  den  Schössen  [siaui.  skikkjmkaut.  m^ttulskaul)  verbrämt.  Er  war  sehr  oft 
VOD  Sdiarladi  oder  Friess,  aber  zuweilen  auch  von  Gotlesgewebe  und  /«//- 
Zeug.  Am  haufii;sien  wird  er  rot  erwähnt.  Er  wurde  am  meisten  von  den 
Reicheren  uud  Vornehmeren  gebraucht. 

Der  Pfiz  (/eldr)  war  am  häufigsten  eine  viereckige  Decke,  .sowohl  in 
liegender  als  in  aufgerichteter  Stellung  ühL-rzuwerfen.  Die  vier  Ecken  hiessen 
ikaui  und  der  Pelz  selbst  liiess,  wcim  er  so  1>esdiaffen  war,  oft  Schosspelz 
ßkautfeidr).  Die  zwei  obersten  Ecken  des  Pelzes  wurden  auf  der  rechten 
Sclmlter  mit  einer  Nadel  (dälkr,  Jeldardäikr)  befestigt,  welche  seltf  oft  von 
Silber  oder  Gold  war.  Aber  zuweilen  p^hch  der  Pelz  mehr  einer  »Kappe«  (kdpci 
und  in  (lie.^em  Falle  helsst  er  zuweilen  Pclz-»kappe-  (/e/didpa  oder  loäkdpa). 
Möglicherweise  ist  der  Pelz  in  diesem  Falle  zuweilen  mit  Ärmeln  versehen  gewesen, 
jedoch  am  häufigsten  war  er  ohne  diese.  Die  Halsöffnung  liiess,  wenn  der  Peht 
eine  9ol«"he  hatte-,  wie  beim  Rock  h^uJ&mdtt.  Dt-r  Name  feldr  bezeichnete  ur- 
S(»1Uiglich  nurein  Schafsfcll  (vgl.  lat.^//üi  mit  Wolle  darauf,  kam  aber  s|)3ler  dazu. 
einen  vm  solchem  Feile  gefertigten  IVlz  zu  bezeichnen.  Doch  hat  man  zuweilen 
rwiachen  diesen  uiUen>cliieden  und  jedem  von  ihnen  seinen  besonderen  Namen 
g^eben,  indem  man  den  aus  Schafsfcli  gefertigten  Pelz  KIciderpelz  (kafttar- 
feldr)  nannte  im  Gegensatze  zu  dem  einfachen  Schafsfell  in  seiner  natür* 
liehen  Form  (feldr  üskiktr),  welches  als  Bezahluiigsinittel  und  als  Haridcls- 
waaje  gebraucht  wurde  und  daher  Handelsiielz  (furar/eldr)  hicss.  Wenn 
die  Wullzotten  oder  Locken  auf  einem  solchen  Schafsfell  lang  waren  und 
sich  gleichsam  in  Rcilien  legten,  hiessen  diese  rfggvar  mid  das  Fell  selbst 
r^goarfeldr  (Lm^kenpelz).  Je  mehr  Reihen  Wollzotten  ein  Lockenpelz  halte* 
desto  teuerer  war  er.  Ein  gewohnlicher  Handclspelz  {7U}rar/eldr)  stiUte  4  (3 
danische)  Ellen  lang  uud  2  (i'/j)  Ellen  breit  sein  und  15  Reihen  Wollzotten 
qucrtiber  haben.  Ein  solches  kam  auf  j  nuiot :  der  KlcideriJeli:  [ha/nar/elär) 
war  dagegen  bedeutend  teuerer.  Der  Kleidcrpelz  bestand  in  seiner  einfach- 
sten Form  ausschliesfllicb  aus  SchaFsfell.  Sehr  hauf^  scheint  er  jedoch 
dot^lt  gewesen  zu  sein,  bestehend  aus  einem  Überzug  und  einem  Futter, 
dann  immereinem  Pelzfutter.  Zuweilen  war  sowohl  Überzug  als  Kuller  Pelzwerk 
\Jeidr  tvihdinn).  Selir  h;iufig  war  jedix-h  der  Überzug  von  Friess,  nur  aus- 
nalimsweise  von  Scharlach.  Die  Farbe  koimtc  sehr  verschieden  sein:  grau 
{gräf$idr\  blau  \JildJtldr),  rot  imudfeidr)^  schwarz  und  weiss.  Zuweilen  hatte 
das  Futter  eine  von  der  des  Überzugs  verschiedene  Farbe  {fftdr  trUUr.  tvt- 
Mit>tf).  z-  B.  schwarz  auf  der  einen  Seite,  wei.sä  auf  der  aJideren. 


442  xn.  Sitte,     i.  Skandinavische  VerhJSltnissb. 


Der  Pfiz  wurde  sehr  hflulig  als  DcLkc  benutzt,  wenn  man  sich  zum 
Schlafen  nietlerlegtc.  sowohl  dahrim  bei  Nacht  a(s  drausscn  auf  Reisen. 

Als  kjsc  hangende  Überkleider  kOnnen  noch  genannt  werden  der  Reiler- 
mantel  (iw/.  sio^ningr),  der  von  vornehmen  Leuten  gebraucht  wurde,  und 
der  Überwurf  {käst )  nebst  dem  Kapuzenmantel  {hftto,  fiokahelta,  skauttutta, 
keüheUa)  und  dem  Scluitzniantd  {vtrjn).  Die  drt-i  Iclzlgcnannlen  waren  sehr 
einfache  Kleidungsstßike  und  wurden  nur  von  Jlusscrst  einfachen  und  armen 
Leuten  gelragen. 

Die  »Kappe«  {käpa\  wurde  wie  der  Überzieher  der  heutigen  Zeit  vorn 
auf  der  Brust  zugeknöpft;  sie  war  sehr  i'jft  mit  Ärmeln  versehen,  aber  der 
Name  ermakdpa  scheint  doch  darauf  hinzudeuten,  dass  es  auch  welche  ohne 
Ärmel  gab.  Sie  war  sehr  höufig  mit  einer  Kapuze  [kiipuk^tlr)  versehen. 
Die  »KappcK  war  ziemlich  lang  und  konnte  sehr  weit  sein.  Sic  wurde  sehr 
oft  als  Überkleid  gebraucht,  konnte  aber  auch  als  Rock  und  Mantel  auf 
einmal  gebraucht  werden,  so  dass  man  keinen  Rock  unter  ihr  trug.  Beson- 
der? viel  brauchte  man  sie  auf  Reisen  zu  Pferde.  Sie  war  am  hauf^istea 
von  Frtess  und  nur  ausnahmsweise  von  Scharlach,  zuweilen  auch  von  Pelz- 
werk {loiliäpa,  vgl.  feldr).  Die  Farbe  war  oft  blau,  zuweilen  schwarz  und 
ausnahmsweise  gnln  und  rot. 

Die  olpa  oder  lUpa  war  \ot\  der  >Kappe-<  nur  durch  üire  grossere  Lange 
verschlpclen.  Sie  war  teils  von  ?"'riess,  teils  wm  Pelzwerk  {skinntifpa,  inirar- 
skinnsöipa,  h/nmsitntisölpa.  loäoipa). 

Da.s  Wamnis  {ktifl)  unterschied  sich  vom  Manie)  dadurch,  dass  er  vom 
ganz  war  imd  über  den  Kopf  heruntet^ezogen  weiden  musstc.  Es  glich 
daher  mehr  dem  Rock  und,  wie  dieser  um  die  Mitte  mit  einem  GQrtel  fest- 
gehalten w\irde,  So  auch  das  Wamms  durch  einen  Strick  fider  Lederriemeti 
\reip,  reipi,  svardrfip\.  Das  Wamms  war  wie  die  ^Kappe»  sehr  häufig  mit 
einer  Kapuze  {knfHn'Hr)  versehen.  Es  wurde  meist  von  Knechten  xmd  ge- 
ringeren lauten  gr-tragen  untl  vtm  den  Vornehmen  nur  bei  schlechtem 
Wetter,  meist  auf  Reisen  als  eine  Art  Regenmantel  iiMiskt^),  um  sicli  nicht 
die  Prachtkk'ider  isiratt(kl<räi)  zu  beschmutzen.  Es  wurde  auch  nicht  selten 
von  vornehmen  Leuten  zur  Verkleidung  {fhlartuf/)  j;ebraurht,  da  Unemge- 
weihte  die  für  Leute  vcm  geringerem  Stande  ansehen  mussten,  welche  sich 
in  »liehen  Kleidern  zeigten.  Das  Wamms  wurde  sehr  hüiifig  als  Obcrklcid 
gebraucht^  aber  von  den  Geringeren,  besonders  den  Knechten,  wurde  es  als 
Rock  und  Mantel  zugleich  gehraucht,  d.  h.  kein  Rock  unter  ihm  getragen. 
Es  war  teils  v.  in  Fell  yskiunktifl).  teils  vim  grobem  Fdess  Uj'/i/jv/'d'/irjf'/j^/,  i-fn*' 
vättarkuji)  und  grau  oder  schwarz  von  Farbe. 

Die  hekla  glich  wahrscheinlich  dem  Wamms  im  Schnitt.  Sie  war  zuweilen 
von  kostbarem  iicuge,  wie  vm  Scharlach  und  wurde  sowohl  von  Vornehmen 
als  von  geringeren  Leuten  getragen.  Sie  wird  weiss  und  rot  erwähnt,  am 
häufigsten  aber  blau,  btaugestreift  {blärcnd)  und   blaugefleckt  {biö/itkiott). 

§  28.  H an dlx-k leidung  {hantiagon-i).  An  den  Händen  trug  man  Hand- 
schuhe (Aartzki).  Diese  waren  teils  ^/iJ/?  (Flur.  g/iS/nr),  welche  am  häufigsten 
von  Fell  (zuweilen  Hirschfell}  oder  feinerem  Zeug  und  zuweilen  goldbrodiert 
\gUfar  ^uUfjaUnitir')  gewesen  zu  sein  scheinen  und  den  jetzt  üblichen  Finger- 
handscludien  glic-hen,  teils  v^lr  {Plur,  vettir),  welche  wohl  am  hüufigsten  von 
Winllenzt-ng  waren  und  den  jetzt  üblichen  Fausthandschuhen  glichen,  g^ö/ar 
hieJl  man  für  feiner  und  sie  wurden  nur  vun  vornehmen  Leuten  getragen, 
iW///  dagegen  für  einfacher,  welche  auch  der  gemeine  Mann  trug. 

Schmucksachen  {gnpii\  dytgfipir,  was  übrigens  auch  von  anderen  kost- 
baren   Dingen   gebraucht    werde*)    kann!-     Es    war  ganz  allgemein  Arrori 


{armAnngr,  guUhringr)  zu  tragen,  welche  von  Gold  oder  Silber  waren  und 
ausserdem  Fingerringe  {ßngrpu//). 

Uni  den  Hals  trug  man  ruwiilcn  ein  prärht%es  Halsband  {mf»),  welches 
von  Gold  {gtillmfH)  und  von  Silber  (siV/nnrn)  sein  konnte-.  Zuweilen  wird 
■owolü  das  Messer  ity^ilknifr),  da»  in  der  Regel  am  Gürte]  hing,  ab«  an 
einem  Halsband  hilngcnd  erw^ihnt,  als  auch  ein  Beutel  ij>ungr\  worin  man 
vcrechiedcnc  Kostbarkeiten  vemahrte;  aber  man  pflegte  auch  zuu-cilcn  den 
GUrtcl  setbst  mit  Zubehör  um  den  Hals  zu  hangen. 

Von  anderen  Schniui.ksiichfn  können  verschiedene  Spangen  \Jö/kr)  genannt 
werden,  welche  am  hllufigsten  auf  der  rechten  Schulter  getragen  wurden. 

Waffen  {väpna&ü/taär).  Da  ein  voll  itu gekleideter  Mann  immer  eine  oder 
mclirere  Waffen  trug,  kftnnen  diese  mit  zur  Kleidung  und  am  n/lchsten  zum 
Sclimuck  gerechnet  werden,  da  man  seinen  Stolz  darein  setzte  sie  so  hübsch 
aiugestatlct  wie  möglich  zu  haben.  Der  Helm  {hjälmr)  war  oft  vergoldet 
(gyiär,  gtiUroäht»),  der  Schild  {sk/fldr)  mit  verschiedenen  Figuren  bemalt  und 
zuweilen  auch  mit  Gold  belcKi  uml  Schwert  und  Spiess  sowohl  sUber-  als 
gold beschlagen,  besonders  Kniiufe  und  Handgriff,  wie  auch  die  Klinge  zu- 
weilen mit  eingelegten  Ornamenten  {mal)  und  Runen  versehen.  Ein  vor- 
nehmer Mann  trug  immer,  sowohl  daheim  als  drausscn,  einen  Spicss,  Axt, 
Keul*^  oder  einen  Stab  in  der  Hand  und  war  ifft  «ugleirh  mit  einem  Schwert 
imigürtet.  Auf  Reisen  halle  er  zugleich  einen  Helm  auf  dem  Kopfe  und 
einen  Schild  an  der  Seite. 

Haar  {kdr).  Die  Nordlander  setzten  grossen  Ruhm  in  ein  schönes  Haar. 
Besonders  war  das  gelbe  Haar  (;?«//  fidr)  sehr  beliebt  und  danacli  das 
kastanienbraune  \jarpl  Aür).  In  der  Regel  Uess  man  das  Haar  sehr  lang 
wachsen,  so  dass  es  sogar  bis  zum  Gürtel  hcrabreirhen  konnlc  Es  wird 
immer  in  den  Sagas  als  ein  wahnT  Schniu<k  bezeichnet,  langes  und  di(.'htes 
Haar  (miht  hdr)  zu  haben,  besonders  wenn  es  oben  glatt  war  und  in 
Locken  auf  die  Schultern  niederfiel.  Glattes  Haar  {nitkärr)  wurde  für  weit 
Schoner  als  gekräuselte«.  Haar  {ikrüßärr,  hrokkit  hör)  und  ein  Haarscheitel 
oder  sehr  gekräuseltes  Haur  auf  der  Stini  geradezu  als  ein  Fehler  angesehen 
{fTtipr,  sjreipt  här  i  enni).  Zuweilen  Hess  man  da.s  Haar  über  die  Stirn  her- 
abhängen, wo  es  gleich  oberhalb  der  Augenbrauen  [brünaskurrtr  li  Adn)  quer 
durciigeschnittcn  wurde,  aber  am  häufigsten  wurde  es  hinter  die  Ohren  ge- 
kflmmt  {grtiit  aptr  um  ry-rutt)  und  in  dieser  Stellung  durch  das  Haarband 
{tJtar^'tJ)  festgehalten.  Man  pflegte  das  Haar  sehr  gut.  kflimute  und  «"u-ich  es. 
Wenn  man  einem  eine  grosse  Schande  zufügen  wollte,  so  scbor  man  ihm  das 
Haar.  Ks  scheint  eine  altgemeine  Sitie  gewesen  zu  sein,  dass  die  Krauen 
das  Haar  der  Männer  scheren  und  wuschen.  Am  Ende  des  12.  Jalirhundcrts 
»-ar  es  am  Hofe  in  Norwegen  Sitte,  d;is  Haar  ein  wenig  kflrzer  als  die  Ohr- 
Iqppen  m  scheeren  und  es  mil  einem  kurzen  Schopf  auf  der  Sürn  Über  den 
Jfa^JBMntten  zu  tragen;  darauf  kSmmle  man  es  ringsum  glatt,  so  wie  jedes 
Haar  seihst  fallen  wollte. 

Der  Bart  {skfgg)  war  am  häufigsten  sehr  lang  und  dick,  aber  dt-th  .sehr 
veisrhieden  fOr  die  verschiedenen  Zeiten  und  die  verschiedenen  Personen. 
So  findet  irwn  er^iflhnt.  dass  der  Bart  einem  Manne  in  sitzender  Stellung 
bis  zu  den  Knieen  reichen  und  sich  über  die  ganze  Umst  ausbreiten  konnte. 
Andre  werden  mit  kurzem  Bart,  aber  langen  Knebelbarten  {tampr\  erwähnt 
Am  Schluss  des  12.  Jahrhunderts  n-ar  es  am  Hofe  in  Norwegen  Sitte  kurzen 
Bart  und  kurze  Knebeltorte  zu  haben  und  etwas  spater  pflegte  man  da.selbst 
einen  Backcnl>art  nach  deutscher  Sitte  zu  scheeren.  Bartlos  zu  sein  wurde 
für  einen  grossen  Kehler  angesehen. 


444 


XII.  SiTTB.     I.  Skakdinavische  Verhältnisse. 


§  2Q.  Die  weibliche  Kleidung  {kttnttbunadr,  ifetini^A',  kvennväJlir) 
kann  ehpnso  wie  die  mannlifh*^  eingeteilt  werden: 

Kopfl^cdetkung  {hffuäb&na^).  Das  unveiliciralcle  Msdclien  pflegte  mit 
offenem  Haar  isUffit  Aar),  am  häufigsten  mit  unbcdet-Jctcm  Kopfe  zu  gehen, 
nur  mit  einem  Band  {//an//,  drtgiU,  klad)  um  die  Stirn  von  diesem  oder 
jenem  kostbaren  ^cug.  oft  vuci  5<:Idc  {silkihiatt)  uud  mit  GolddriUiten 
{gttUofit,  guUband,  guilhlad)  dun-liwcbt  /uweiltni  bestand  das  Haarband 
vermutlicli  aas  einer  G'ildplalte  iß''ffiPf"g)  vom  auf  der  Stiin  mjd  einem 
Band,  das  hinten  im  Geuiik  fe.stgeknQpft  wurde.  Natürlicherweise  Mar  das 
Haarband  auch  zuweilen  von  Silber  {stlfrbanJ)  und  bei  den  Ärmeren  nur 
von  diesem  oder  jenem  Zeug,  aber  in  der  Regel  vom  besten,  das  man  zu 
seiner  Verfügung  halte.  Für  die  verlit-iraiete  Krau  war  es  dagegen  schick- 
lich diLs  Haut  zu  verliüUen.  Daher  Irflgl  die  Braut  am  Hochzeilstage  das 
sogenannte  Brautleinen  ybrüäur/in),  welches  «"ahrscheinhch  mit  der  gewöhn- 
lichen Kopfliedeckung  der  verheirateten  Frau  zusammeufällt,  deren,  wichtigster 
Bestaiidtt-il  das  Kupftuch  {h^uddükr)  war.  Dieses  konnte  zuweilen  allein 
angewandt  werden  dm  Kopfputz,  den  sogenannten  faldr,  zu  bilden;  häufig 
scheint  man  jeduch  ausser  dem  Kupfturh  noch  nit-hrere  aadere  Tücher 
(siaut)  gebniucht  /u  haben.  Dem  /u/dr  glich  die  noch  jetzt  auf  Island  ge- 
brauchliclie  Kopfbedeckung  dieses  Namens.  Er  konnte  entweder  lotrecht 
emporgctmgeji  oder  eine  gekrümmte  Form  haben  und  sich  fast  wie  ein  Hom 
vom  Hinterkopf  aus  nach  vorn  /u  nach  der  Stirn  biegen  {krokfaldr^  xvetgr). 
Es  wurde  fUi  staltlith  gehalten  den  /aldr  hoch  zu  tragen  {fa/da  hall,  Ivppa) 
und  als  solclier  wurde  er  nur  bei  festlichen  Gelegenheiten  angewandt.  Der 
Kopfputz  konnte  so  angebracht  werden,  das5  das  Gesicht  teilweise  verdeckt 
wurde.  Das  Kopftuch,  das  viele  Namen  hatte  (z.  B.  motr),  war  in  der  Regel 
von  weissem  Linnen  und  nictit  selten  mit  GolddrShten  durchwebt  \pßt  t 
gut  af  guiii,  gtiHofinn).  Wenn  man  um  einen  loten  Vcnn-andten  oder  Freund 
trauerte,  hat  man  mögÜLherweise  ein  blaues  [d.  h.  schwarzes)  Kopftucli  ge- 
tragen {tU  falda  hld). 

Auf  Reisen  trugen  die  Frauen  wie  die  Msimer  einen  Hut  {h^lir,  ketta). 
Ausnahmsweise  werden  auch  hii/a  und  hofri  als  von  Frauen  getragen  er- 
wähnt. 

§  30.  Utilerkleider  {undirkltrdi).  Die  Frauen  trugen  wie  die  Mamwr 
ein  Henul  zunächst  am  Leibe,  welchra  nur  darin  von  dem  der  \[Anner 
verscliieden  war,  dass  es  weit  mehr  ausgescliweift  oder  das  Hulslüch 
{hq/udsmäU)  viel  gri'isser  und  die  Ärmel  bedeutend  kürzer  waren;  sehr  oft 
hatte  es  nur  Halbärmel  {häi/trmadr).  Es  war  so  stark  nusgeschM'eift ,  dass 
die  Baistwarzen  eines  Maruies  davon  niclit  bedeckt  werden  konnten.  Das 
Frauenht.'md  lirisst  sehr  oft  stiir,  was  Wdhl  ein  Hernit  mit  HalbAmielu  Ije- 
zeichnel,  aber  es  heisst  auch  zuweilen  skyria.  Femer  wird  eine  Art  Hemd 
erwähnt,  welches  smokkr  hicss.  Es  war  sehr  ausgeschweift  tmd  ohne  Ärmel. 
Die  Stücken  oder  Streifen  oben  auf  den  Srlmltem,  womit  es  oben  gehalten 
wurde,  hiesseit  dvergar.  Im  Hemd  scheinen  die  Frauen  in  der  Regel  des 
Nachts  gelegen  zu  haben,  woht-r  der  Name  Nachthemd  \niiliserir).  Der 
Stoff  war  Friess  t>der  Leinwand  uiul  zuweilen  bei  deu  Voruehiuen  Seide 
{siiJtiserir). 

Vei^clüedenc  Au-sdrücke  und  F.rzülilungen  in  den  Sagas  deuten  auch 
darauf  hin,  d-iss  die  Krauen,  wenigstens  zuweilen,  eine  Art  Unterhosen  ge- 
tragen bal>en,  aber  ohne  ein  Hinterstück  {se/gciri]  und  von  ziemlicher  Weite. 
Dagegen  b(;trachlcte  man  es  als  höclist  unpassend  für  eine  Frau,  sich  Bein- 
kleider solcher  Art  anzuziehen,  wie  sie  die  Männer  trugen. 


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§  31-  Oberkleider  {yfirkhefti).  Von  den  Oberkleidem  der  Frauen  wird 
in  den  Sagas  nur  sehr  weniges  erwähnt.  Das  wichtigste  von  diesen  war 
der  tytiili  oder  kxtnnkyrtiU ,  dns  Kleid  in  raodemein  Sinne,  welcher  nur 
darin  vun  dem  Kork  der  Männer  verst  liiedcn  war.  dass  er  langer  war,  teils 
bis  jcu  den  Füssen,  tdU  bis  zu  den  Knfnlie]n  hinabreichte,  zugleich  unter- 
halb der  Hofften  viel  weiter  und  am  Halse  ausgeschweift  war.  Zuweilen 
reichten  die  Arroel  auch  nur  bis  zu  den  Ellbi^jgen.  Er  wurde  am  Leibe 
durch  einen  Gflrtcl  {Undi,  hetti),  nicht  selten  einen  SilbcrgOrtel  {silfrbtlti)  fest- 
gehalten und  an  die^em  hing  eine  Tasche  ipiUs,  sj'öär),  ehi  Messer,  zuweilen 
mit  Silber  oder  Gold  eingelegt  \bumn  Aiti/n,  einer  Scheerc  (sMitri)  u.  s.  w., 
bei  der  Hausfrau  auch  ein  Schlusseltiund.  Was  Stoff  und  Farbe  betrifft,  so 
gilt  da.sselbe.  was  üben  vim  den  Röcken  der  MJlnner  gesagt  ist.  Wie  der 
männliche  kyrtill  war  auch  der  weihliche  niclit  selten  mit  praditigen  Borden 
besetzt  {hiaähuinn). 

Ausser  dem  gewfOinlichen  kyiiüi  trugen  die  Frauen  zuweilen  eine  andre 
Art  kvrtill,  welcher  mimiyrtiil  hiess  und  wie  der  R>»ck  eines  Kleides  war, 
zu  welchem  ein  sehr  enger  Oberteil  [upphlutr,  helfni)  gebraucht  wurde, 
weldier  vermutlich,  ira  Gegensatz  zu  dem  gewöhnlichen  Kleide,  vom  offen 
war  und  auf  der  Brust  mit  einem  Riemen  zu.sammengthaki  oder  -geschnart 
wurde,  da  es  wegen  seiner  ?^nge  schwerhch  über  den  Kopf  herunterge- 
zogen werden  konnte.  Zu  diewm  Anzüge  brauchte  man  eine  Schürze 
{jblaja)^  welche  zuweilen  mit  Fransen  (/rg/")  unten  unil  mit  eiiigttwcbtcn 
Figuren  (m^rk)  von  verschiedener  Farbe,  z.  B.  blau,  versehen  war.  Der 
nämliche  Rock,  welcher  ziemlich  weit  war,  wurde  entweder  durch  einen 
Besatz  oder  durch  einen  Gürtel  obcngchalten. 

Das  Sihleppklpid  iill'ättr)  wurde  auch  von  Frauen  getragen,  aber  ob  es 
in  etwas  vun  dem  der  Manner  verschieden  gewesen  ist,  kann  nicht  ersehe« 
werden. 

Strümpfe  {sokki)  und  Schuhe  {tkör)  waren  die  Fussbekleidung  der 
Frauen. 

§  32.  Überkleider  (vfirhffn).  Vnn  den  Überkleidern  der  Frauen  wird 
der  Radmaiitel  [skUkjn.  kr-rnnskikk/tj)  am  häufigsten  in  den  Sagas  erwähnt, 
welcher,  wejin  er  nicht  mit  Fell  gL-füllert  war,  auch  Mantel  (m('//w//t  hiess. 
Er  war  wie  der  münnlichc  ein  Kleidungsstück  ohne  Ännel,  welches  über 
die  5ichultem  geworfen  und  auf  der  Brust  mit  einer  Spange  {m'sfi,  sv/^) 
oder  den  nbenerwalmten  Schnüren  (/u^/ar)  zusammengehalten  wurde.  Er 
war  sehr  weit  und  lang.  fJbwnhl  der  Name  h'^nnskikkja  voraus/u  setzen 
scheint,  dass  es  einen  Unterschictl  zwischen  dem  Radmantcl  einer  Frau  und 
dem  eines  Mannes  gegeben  hat,  kann  man  doch  aus  den  Sagas  nicht  er- 
sehen, worin  dieser  Unterschied  bestanden  liaben  sollte.  Im  G^entcil  deuten 
alle  Beschreibungen  darauf  hin,  das.s  zwischen  ihnen  kein  andrer  Unter- 
sdiied  gewesen  ist  als  der.  dass  der  Frauenmantel  viclleitht  etwas  l.lnger 
war.  Fun  Mann  schenkt  oft  seinen  Radmantcl  einer  Frau  und  in  den  Ge- 
setzen finden  sich  Bestimmungen  dariiber,  dass  ein  Sohn  den  Radmantel 
seiner  Mutter  erben  soll.  In  Rücksicht  auf  Stoff  und  Farbe  gilt,  n-as  oben 
von  dem  mannlichen  gesagt  ist.  Natürlicherweise  waren  die  weiblichen 
Mlntel  wie  tlie  mannlichen  sehr  oft  mit  prachtigen,  zuweilen  goltklurch- 
«irkten  Bonlen  verbrämt  ihladbüinn). 

Von  andeni  Überröcken ,  welche  von  Frauen  getragen  w'urden .  »erden 
nur  genannt  kdpa,  kufl  und  hekla.  Diese  wurden  wotil  nur  auf  Reisen  ge- 
braucht, wcnigstei»s  von  vornehmeren  und  reicheren  Frauen;  von  den  firmsten 


44* 


XII.  Sitte,     i.  Skandinavische  Verhalts issb. 


auch  zu  Hause,  wenn  sie  übcrliaupi  uin  Obcrkleid  trugen,  was  jiaiucU  ucm- 
lich  a%emein  gewesen  zu  sein  scheint. 

§  3,^.     Die  HaiidbL-kJcidutig  [hamlagorvi)  wü.r  dieselbe  für  Frauen  wie  för 
Mflnner. 

Schmucksachen  (^ripr).  Gemeinsam  Für  Frauen  und  Männer  w;u%n  Arm- 
und  Fingerringe,  Spangen  und  Halssdimuck  von  Silber  und  Gold.  Aber 
ausserdem  trugen  die  Krauen  ein  Jialsband  von  I'erUni  [saivi,  jfanastrrvi) 
und  mehrere  besondere  Bruslschinucke  [iin^a,  syi^'a). 

Da»  Maar  {här)  war  der  gri^sste  Schmuck  der  Frau  und  man  liess  es 
so  lang  wie  möglich  wachsen.  Es  wird  immer  in  den  Sagas  als  das 
höcliste  Zeichen  einer  weiblichen  Schönheit  horvnrgehoben,  dass  sie  langes 
imd  schönes  Haar  {h<ir  tmkit  ok  fagrt)  liatle.  Man  findet  erwähnt,  dass 
es  zum  Gürtel  lilnabrcichtc  uiiil  Ua.ss  es  zuweilen  su  lang  und  dick  war, 
dass  es  den  ganzen  Leib  bedecken  konnte.  Die  lichtgclbe  Haarfarbe 
var  die  beliebteste  und  man  sctiätzte  das  weiche  und  glatte  Haar  am 
höchsten,  wogegen  das  gekrausehe  nicht  .so  beliebt  war.  Die  Frauen  pflegten 
Auch  ihr  Haar  sehr  gut  und  sie  werden  oft  erwähnt,  wie  sie  sitzen  und 
ihr  Haar  kümmcn  und  wasclicn,  zuweilen  an  einem  Baclic  oder  einem 
Flusse. 

Dass  offenes  Haar  das  Kennzeichen  des  jungen  unverheirateten  Msdclicns 
war,  ist  bereits  früher  angeführt. 

§  34.  AHtagsleben.  Der  Hof  {dar),  wie  er  §  14 — 19  beschrieben 
ist,  trat  mit  semen  zahlreichen  Hauseni,  welche  einen  ansehnlichen  Ge- 
bäudebümplex  ausmachten,  und  mit  seiner  nicht  geringen  Zahl  von  Be- 
wohnern al:3  eine  abgcscIUusäcne  Gesellscliaft  auf,  die  so  weit  möglich 
sich  selbst  genug  .sein  rausstc  imd  wo  ein  jeder  seine  Arbeit  zu  thun 
hatte,  wenn  auch  ai>gepasät  nach  des  betreffenden  Stellung  imd  Geschlecht 
und  etwas  verschieden  nach  den  wechselnden  Jahreszeiten.  Das  Jahr,  das 
bereits  seit  alter  Zeit  in  Monate  eingeteilt  wurde,  zerfiel,  wahrend  man 
zugleich  auch  zwischen  den  vier  gewöhnlichen  Jahreszeiten  unterschied, 
kalendariscli  in  ein  Sonmier-  und  ein  Winterhalbjahr,  von  welchen  jenes 
in  der  letzten  Hälfte  des  April,  dieses  in  der  letzten  Hälfte  des  Oktober, 
bezw.  mit  dem  ersten  Sommertag  und  dem  ersten  Wintertag  begann.  —  Die 
Grundlage  des  altuordischcu  Jalues.  wie  es  uns  im  10.  jalirh.  in  den  isliln- 
disrbcn  Quellen  bt^egnct,  war  die  Woche  (7.>ii<i),  nbschon  gewisse  Angaben 
vermuten  lassen,  dass  man  ursprQnghch  nicht  nach  Zeitabschnitten  von  7, 
sondern  V4jn  f^  Tagen  (yfwi/)  gerechnet  hat  Das  Ja!;r  bestand  aus  52  Wochen, 
deren  364  Tage  zugleich  in  12  Monaten,  jeder  mit  30  Tagen,  verteil!  waren, 
so  dass  die  Clbrigen  4  Tage  besonders  hinzugefügt  wurden.  Femer  wurde 
das  Jahr  in  zwei  Halbjahre  {missen)  geteilt  —  Summer  und  Winter  —,  die 
mehr  hervortretend  als  lins  Jahr  selbst  waren  und  deshalb  auch  der  Jahres- 
berechnung {misserisial)  den  Namen  verliehen.  Man  zalilte  im  gewöhnlichen 
lieben  nach  Winter  und  Nächten  (nicht  Jahren  und  TageuJ  und  bestimmte 
eine  Begebenheit  nach  der  verflossenen  Anzahl  von  Sommer-  oder  Winter- 
Wochen  (nicht  nach  Monaten).  Da  die  Jahreszeiten  wegen  der  Kürze  des 
Kalendeijahres  sich  vcrsdioben,  führte  Porsteinn  surtr  imi  die  Mitte  des 
10.  Jahrh.  eine  Reform  durch,  wonach  je  der  siebente  Sommer  um  eine 
Woche  vergrössert  wurde.  Als  man  bald  darauf,  mit  dem  Christcntumc, 
den  Juliaiiischen  Kalender  kennen  lernte,  nahm  raan  auf  den  Julianischen 
Schaltlag  Rücksicht ,  so  dass  die  Schallwoche  nun  in  28  Jahren  fünänal 
eingeschoben  wurde.  Un\*erändcrl  aUo  blieb  eine  Eigentümlichkeit  dieses 
Jahres,  nämlich  dass  jeder  beliebige  Monatstag  an  einem  bestimmten  Wochen- 


Weibliche  Kleiduko.    Alltagsleben. 


447 


I 


I 


tag  eintrifft;  der  erate  Sommertag  ist  zum  Beispiel  immer  cii»  DünntTslag; 
(9. — 15.  April  a.  St.).  der  erste  Wintertjig  immer  ein  !>onnabcnd  (11. — 17. 
October  a.  St).  Diese  Jabrcscinteitimg  hat  sich  noch  iu  dem  bländischcn 
Kalender  crhaltni;  nur  wird  jetzt  die  periodische  Schaltwoche  {sumnratiAi)  am 
Schlusb  des  Sommers  eingeschoben,  wahrend  es  scheint,  als  habe  maii  ursprünj;- 
lich  sowohl  diese  als  die  4  jährlichen  Si:)ialltagc  {auiantitr)  unter  dem  Namen 
sumaraitii  unmittelbar  vor  der  Mitte  des  Summers,  s.  am  Jnhrcssclihiss  einge- 
schoben. Siehe  Gcelmuydcn,  Naturen,  April  i88.;i,  Kristiania.  \cx^.  Corpus 
pottkum  bortaU  I,  42"  ff.  Oxford  1H83.  —  Die  iLintetlung  des  Tages,  welche  in 
Rücksicht  auf  die  taghellen  Arbeilen  von  su  grosser  Bedeutung  ist,  wurde  durch 
den  scheinbaren  Gang  der  Himmelskc'^rper  bestimmt  Man  dachte  sich, 
die  Suimc  durdilaufe  iin  Laufe  eines  Tages  und  einer  Naclit  die  adit 
gleichgrossen  Himmdsgegenden  {attir,  Sg.  rt-//|  N.  NO,  O,  SO,  S,  SW,  W, 
NW.  Die  Zeit  am  Tage  wurde  nacli  der  Stellung  der  Sonne  über  dem 
Horizont  bestimmt,  indem  man  auf  jedem  Hofe  sidi  gewisse  hervorragende 
Punkte  innerhalb  des  (jesichtskreises  zu  Tageszeichen  iHags-m^rk,  Sg.  -mark) 
auswählte,  s'.>  dass,  wenn  die  Suune  über  einem  sulclicn  Tagcszeiclicn  slantl. 
ein  bestimmter  Zeitpunkt  ani  Tage  angegeben  wurde.  Die  nichtigsten 
Tageszeiten,  welche  auf  diese  Weise  bestimmt  wurden,  waren  nsmäl  oder 
midr  morf^inn  yp  Uhr  vonn.),  dagmäl  {g  Uhr  vorm.),  hädtgi  {iz  Uhr  mitt), 
miihnnndi  uV»  Uhr  nachm.),  non  igewiss  ursprünglich  undom  genannt; 
3  Uhr  nachm.),  miär  aptann  (0  Uhr  lutchm.],  naüTaiÜ  fq  Uhr  nadmi.).  Die 
beigefügten  Siundenangaben  sind  jeduch  nur  ungefähre,  da  die  Zeit  nach 
der  Lage  des  betreffendeu  Ortes  variiert.  Der  Zeitpunkt  12  Uhr  nachts 
hiess  mtänitUi,  der  letzte  Teil  der  Nadit  rf/to.  Bd  Nacht  leisteten  der 
Mond  und  gewisse  Sterne,  besonders  das  Siebengestim,  eine  ahnhche  Hülfe. 
Im  Übrigen  teilte  man  den  Tag  in  eyktir,  ^.Sg.  «■>/),  Abschnitte  von  drei 
Stunden;  der  Ausdruck  fvkt  wird  indessen  auch  von  einem  bestimmten  Zdt- 
punkt  3'/i  Uhr  nachiniitagH,  gehraucJit 

Hauptmahlzeiten  waren  zwei,  eine  Tagmahlzeit  {dagverär),  weldie 
imgeJähr  q  Uhr  vomiillags  eingenommen  wurde,  wddicr  Zeitpunkt  danach 
auch  äag^^rdantuii  genannt  werden  kunnie.  und  eine  Xachtmahlzeit  {mitt- 
verär)^  welche  eingen^ninien  wurde,  wenn  die  Arbdten  des  Tages  vollendet 
■waren.  Diese  wurden  im  aligejneinen,  jedenfalls  auf  gr^scren  H/>fcn,  von 
dea  versammelten  Leuten  des  Hauses  eingenommen  und  besonders  wsr 
dies  mit  der  .\bendmuhlzcit  der  Fall,  welche  als  die  Hauptmahlzeit  an* 
gesehen  wurde  und  bei  welchi^r  es  sehr  reichlich  Speise  und  Trank  gab; 
die  gemeinsame  Spciscstubc  war,  wie  in  §  17  angeführt  ist,  die  slo/a  des 
Hofes.  Nicht  .illein  liatte  hier  während  der  -Mahlzeit  der  i-Iausherr  seinen 
festen  Plalz  auf  dem  H<.>chsitz ,  sundern  auch  die  übrigen  Anwesenden 
nahmen  auf  den  I^rngbäitkcn  in  bestimmter  Ordnung  Platz;  je  naher  dem 
HochsiLz  auf  bddeu  Seiten,  um  so  ehrenvoller  war  der  Platz.  Vor  der 
Mahlzeit  wusch  man  die  Hunde,  entweder  ehe  man  seinen  SitJt  dnnalmi 
oder  nachdem  man  Platz  genommen  liatte,  in  welchem  Falle  dne  der 
Frauen  Waschbecken  \mutniiaug)  un<l  Handluch  t>esonders  bei  jedem  her- 
umlnig. 

Die  Nahrungsmittel  waren  bcrdts  in  der  Sagenzeit  ctnigcrmassen 
gleich  aus  Tier-  und  Pflanzenrdch  genommen  und  die  Zubereitung  ging 
wie  heute  mit  Hilfe  des  Feuers  durcli  Kochen,  Braten,  Backen  vor  sich, 
wahrend  man  in  BetrcK  des  Korns  sich  auf  den  Gebrauch  der  Handmühle 
stützte.  Von  cssbaren  Kulturpflanzen  baute  man  in  den  nordüwhen  Landern 
seit   dner   grauen  Vorzdt    die    Uerste    (ja    .selbst    luch    Island   wurde   diese 


448 


XII.  Sitte,     i.  Skakdinaviscbs  VERnALimssE. 


Komart  übergeführt,  wenn  auch  ihre  Anpftanzunfi;  wegen  mangelnder  Sommer- 
wärmc  iihnr  Bwlriitung  hlic-h  und  längst  aufgehört  hat;  wiis  hier  von  Knm- 
wuaren  verbraucht  wird,  muss  wie  bekannt  eingefillirt  werden),  auf  Wir 
blieb  der  Name  Korn  besonders  haften;  aber  auch  Roggen  und  Hafer 
waren  z«Üg  in  Gebrauch  und  selbst  Weizen  war  bekannt,  wenn  auch  fttr 
manche  Gegenden  hauptsächlich  nur  als  Gegenstand  der  Einfuhr.  All- 
niahSich  k,'imen  ;iuch  Krh-^en .  Bohnen  und  Rüben  in  Gehrsurh.  Ein  be- 
liebtes, wenn  auch  einfaches  und  dörfliges  Gericht  war  Grütze  {groHtr), 
weiche  Jius  den  grobgcmalilenen  Gerstenkorn em  gckockl  \t"urde.  Von 
allen  Komstirten  wurde  Brot  gebacken,  ursprünglich  das  düiuie  ungc- 
gohrene  Fladenbrol,  das  auf  einem  flachen  Stein  oder  auf  der  Glut  .selbst 
gebacken  werden  konnte,  spater  auch  gegubrenes  ürot,  das  im  Ofen  zu- 
bereitet werden  inu.sste.  Als  eine  Art  Delikatesse  genos.s  man  in  Norwegen 
und  auf  Island  Wurzel  und  Stengel  der  angelica  avchangela  (Jw^nn) ;  auf 
Island  halte  man  einen  essbaren  Tang  {s^i)  und  benutzte  vielleicht  bereits 
damalK  gewisse  Moüsarten  {ßallagr^'s)  als  Nahrungsmittel,  obschon  solche 
in  der  alten  Literatur  nicht  ennilhnt  werden,  —  Üie  Haustiere  lieferten 
selbstverständlich  s<jw<ilil  dur<:h  ihr  Fleis<.:]i  als  durch  ihre  Milch  Nahrungs- 
mittel. Gebratenes  KleLsch  kam  seltener  vor  und  wurde  als  Delikatesse 
angesehen ;  dagegen  genoss  nmn  das  Fleisch  gewiihnlich  entweder  frisch 
gekocht  oder  an  der  Luft  getrocknet;  in  welchem  letzten  Falle  es  jedoch 
vennutlich  auch  häufig  gekoctit  wurde;  das  Rauchern  hat  man  unzweifel- 
haft auch  gekamil.  Dass  da.s  frische  Fleisch  roh  gegessen  wurde,  was 
von  den  Christen  verurteilt  wurde,  kam  gewiss  selbst  in  heidnischer  Zeit 
nur  ausnaluiis weise  bei  Vikingem  und  JLhnlichen  vor.  Schaf-  und  Ochsen- 
fleisch *-aren  wühl  die  allgemeinsten  animalischen  Nahrungsmittel ,  doch 
wurden  ausser  Wild  auch  Schweine  und  Ziegen ,  sowie  das  Fleisch  der 
Hausvögel  verzehrt;  der  Genuss  vun  Pferdefleisch  ist  ausser  bei  Opfcr- 
malilzeiten  kaum  sehr  allgemein  gewesen.  Das  Blut  wurde  zu  Würsten 
und  auf  ühnliche  Weise  benutzt.  Die  Milch  genoss  man  teils  frisch  roh 
oder  frisch  gL.-kocht,  teils  bereitete  man  Butter  und  Kasc  djiraiis  oder 
man  machte  aus  der  beim  Gerinnen  verdichteten  Milch  skyr,  der  Iflngere 
Zeil  aufgehoben  werden  komite.  Ein  AJltagstrank  war  saure  Molken  {t^ra), 
gewöhnlich  mit  Wasser  vermischt  und  dann  blandn  genannt;  ferner  wurde 
von  Gerste  Bier  ([»/,  mungät),  aus  dein  Honig  der  Bienen  Met  (*«/(»«*■)  ge- 
braut und  ausserdem  Wein  eingeführt. 

Für  manrlie  Gegenden  war  die  Fischerei  von  grosser  Bedeutung  und, 
ausserdem  dass  man  die  Fische  frisch  verzehrte,  trocknete  man  sie  in  Menge 
an  der  Luft  und  sie  bildeten  so  eine  Art  Suirogat  ft\r  Brot,  besonders  der 
getrocknete  Dursch  \xinvi<f\.  Auch  die  Saugetiere  des  Meeres.  Seehunde 
und  besonders  Wallfi^clle,  mussten,  wo  man  welche  erhalten  komite,  zur 
Nahrung  dienen.  Verschie<lene  Arten  Flcischwaaren  verstand  man  gewiss 
durch  Einlegen  in  saure  Mulkt^n  für  laiigere  2eit  aufzubewahren  oder  mau 
licss  als  Surrogat  für  das  Einsalzen  Butter  sauer  oder  ranzig  werden.  Salz 
«■ar  nämlich  eine  verhallnismüssig  seltene  Waare;  es  musslc  durch  Ver- 
brennen von  .Seetang  oder  Kochen  von  Meerwasser  gewonnen  werden. 

Der  Hausrat,  der  beim  Servieren  dieser  Gerichte  angewandt  wurde,  war 
in  der  Regel  ilürftig,  wemigleich  sowohl  aus  der  Literatur  als  aus  den  auf- 
gefundenen Altertümern  kostbare  Gebrauchsgegenstande  bekannt  sind.  Zum 
Hausrat  können  auch  die  Tische  {bont)  gercclinet  werden,  da  diese  für  die 
Mahlzeit  herangezogen  und  nach  deräelbeu  fortgebracht  wurden  (vgl.  §  17). 
Sie  waren  wahrscheinlich  ziemlich  niedrig  und  schmal,  im  allgemeinen  kleine  und 


Alltagsleben. 


449 


viele,  ja  zuweilen,  wie  es  scheint,  einer  für  jede  Persi-m;  ein  solcher  kleinerer 
Tisch  hicss  siufi'J/,  ein  Wort,  das  auch  ai^ewandt  wird,  um  »Schüssel*  zu 
bcxeicfanen.  Zuweilen  wurde  die  Speise  auf  die  Tische  selbsi  gelegt,  so  dass 
kein  weiteres  Tischzeug  {bor^ünaär)  gebrauihl  wurde.  In  der  Rege!  ^*-urde 
jedoch  die  Speise  auf  Schüsseln  {skutill)  '»der  Tellerti  (düir)  \x)rgesetzi,  die 
im  allgcmeiiicii  von  Holz  »jiren.  und  die  Tische  wurden  dann  in  vorneh- 
meren Hausem,  »xlei  bei  besonderen  Gelegenheiten  mit  Tüchern  von  weisser 
Leinwand  bedeckt.  Die  Teilnehmer  zerlegten  bei  der  Mahlzeit  ein  jeder 
seine  Portion  mit  dem  Mt-sser,  das  er  am  Gürtel  führte;  Galicln  kannte  man 
nidit.  Grütze  wurde  in  TrOgen  (treg,  tn-gilf)  vorgesetzt  und  mit  1^'ffeln 
\sf>tinn)  von  H<ilz,  Hnm  oder  Bein  gegessen.  Milcli  und  andere  flüssige 
Speise  wxirrle  in  den  sogenannten  askar  (Sing,  askr),  einer  Art  niedriger  und 
weiter  Holzkannen  mit  Deckeln  darauf,  tvder  in  Näpfen  {holh')  vorgcsctzL 
Gewöhnlich  asscn  mehrere  aus  derselben  Schüssel  oder  Trog.  Zur  Erwär- 
mung grösserer  Mengen  Wasser  imd  Milch  benutzte  man  oft  HolzgefOsse 
(gegossene  Metalltöpfc  kuimle  man  nOmlich  niclil)  und  die  Warme  wurde 
durch  glühende  Steine  erzeugt,  welche  in  das  gefüllte  Gefass  geworfen  wur- 
den; von.  der  Anwendung  solcher  Kochsteine,  an  welche  die  Eritmcnmg 
teilweise  in  Norwegen  bewahrt  ist,  geben  uns  die  Sagas  ein  Par  Beispiele. 
—  Das  Bier  wurde  in  grösseren  Haushaltungen  in  einem  grossen  Gefass 
{skaf>ier)  hereingebracht,  das  auf  einem  besonderen  Schenktisch  [ttapiza) 
nahe  dem  Eingang  AufstelUmg  fand  untl  aus  dem  der  Trank  in  Trink- 
hömcr,  Becher  imd  dergl.  gegossen  wurde;  gewöhnlich  tranken  auch  mehrere 
aus  einejn  TrinkgcfSss.  Wo  es  verschwenderischer  herging,  trank  man  jeden- 
falls bei  der  Abendmahlzeil  das  Bier  ungemessen,  d.  h.  jeder  konnte  uinken, 
so  viel  er  wollte.  Man  pfli-gtc  in  solchem  Falk-  das  Trinken  fortzusetzen, 
nachdem  die  Speisetische  fortgenommen  waren,  und  sehen  ging  man  dann 
ohne  einen  Raasch  zu  Bette.  An  diesen  Trinkgelagen  nahm  jedoch  schwer- 
lich das  Gesinde  teil.  Die  Bedienung  am  Tische  wurde  gcwßhidich  von  den 
Frauen  besorgt,  welche  für  gewöhnlich  kaum  wie  die  Manner  ordentlich  am 
Tische  gesessen  liaben. 

Da  die  ArbeiLstcitung  in  der  Gesellschaft  jener  Zeil,  wo  es  noch  kernen 
Handwerkerstand  gab,  s'»  wenig  fortgeschritten  war,  muss  jeder  einzelne  Hof 
der  Schauplatz  einer  lebendigen  und  mannigfachen  Wirksamkeit  gewesen 
sein.  Ausser  den  Geschäften,  die  Bau  und  Wirtschaft  des  Feldes  mit  sich 
fahrten,  mus&lc  in  einem  jeden  griVsseren  Heimwesen  gemalilen  werden,  ge- 
backen, gebniut.  gesponnen  {nachdem  Wolle  und  Flachs  der  mitwendigen 
vnrau-sgehenden  Behandlung  untertt'orfen  waren),  gegerbt,  gefärbt,  gewalkt. 
Der  Hof  liatte  seine  eigene  Schmiede,  Kunstfertigkeit  in  Metallarbeitcn  und 
Holzschnitzerei  war  sicher  auch  allgemein  vertreten;  femer  waren  gewöhn- 
lich einige  der  dienenden  Mönner  damit  beschäftigt  duah  Fischerei  u.  s.  w. 
zur  Wrsoigung  *ies  Hofes  beizutragen.  Ja  in  der  Vikingerzeit  erhielt  die 
Haushaltung  an  nelen  Orten  eine  regelmJlssige  Stütze  dadurch,  dass  <lcr 
Hausherr  mit  setnt.ii  Mannen  im  Frühjahr,  nachdem  er  die  Äcker  besät, 
\md  im  Spatsommer,  nachdem  er  die  Ernte  abgeschnitten  hatte,  auf  seinen 
Schiffen  auszog,  um  Beule  zu  gewinnen.  —  Nach  votlbraditetn  Tagewerke 
versammelten  sich  die  Mitglieder  des  Hausstandes  um  das  Herdfeuer;  hier 
wurden  die  Alten  an  dem  icilweise  entblössten  Körper  wann  gerieben,  lüer 
wurden  die  Feuchten  getrocknet  und  hier  wärmte  man  wieder  die  erstarrten 
Glieder  {baiasi  lid  eld).  Das  Herdfeuer  hat  man  sicher  damals  wie  auch 
später  wjrgsara  gehütet,  so  dass  es  nie  ausging,  und  es  des  Nachts  sorgsam 
zugedeckt,  nicht  allein  aus  praktischen  Rücksichten,   sondern  eben   so  wohl 

Gcrmulscbc  Phitol«rk  IIL    2.  Aufl.  9 


4S0  Xn.  SriTB.    I.  Skakdinavisces  Verhältnisse. 


in  <3em  Glauben  an  seine  hrschützendc  Macht.  T)«>(4i  hat  tiwn  auch  and*!re 
Beicuchlunj;,  nameiiüidi  Lam|>eii  {imfa)  von  derselben  cinfuchen  Kunsinik- 
tiou  gekannt^  welche  in  gewissen  Gegenden  fast  bis  heute  sich  in  Gebrauch 
erli.iUen  hat:  sie  bestehen  aus  einer  offenen  ovalflachen  Schale  mit  einer 
Art  ScluK'ppc.  die  dem  freischwimmenden  Duchl  zur  Unterlage  dicnL 
Die  Frauen  naljinen  den  Heimgekommenen  das  ArbeilfUüeiig  ab,  wahrend 
jede  Pereon  des  weiblichen  Gct-indes  einen  oder  melirere  Männer  zu  be- 
dienen {pi'ötta)  hatte;  sie  sorgten  dann  für  ihr  Zeug  und  zogen  ihnen  un- 
zweifelhaft auch  wie  nnrh  jetxt  auf  Island  die  Kleider  aus,  wenn  sie  zu  Beit 
sollten.  Dass  die  Frauen  die  Köpfe  der  Müimcr  wuschen  und  a-iuigtcn,  »-ar 
auch  atigemein. 

Die  Betten  {nim,  hvila,  itmg,  rekkj'a),  wuriii  die  Mitglieder  des  Haus- 
standes die  Nacht  über  die  notwendige  Ruhe  suchten,  licfanden  sich  in  der 
Regel  in  dem  skdti  benannten  GeliJlude  (vgl.  §  ly),  wo  sie  die  sogenannten 
Sit  aufnalinien,  welche  durdi  niedrige  Bretterwände  iu  kleinere  Sclihifplatzc 
oder  Hetistellen  abgeteih  waren.  Diese  wari-n  mh  Stroh  oder  Heu  gefüllt, 
und  auf  diesem  Strohlager  selbst  scheint  man  ;<uueilen  ohne  eigentliche 
Bettklcider  gelegen  zu  haben,  entweder  in  einer  Art  Schlafbeutel  [hiii/at; 
solche  wurden  jedoch  besonders  auf  Reisen  oder  zur  See  gebraucht)  oder 
mit  Tierhäuten  oder  seinem  Mantel  über  sich.  Doch  fanden  sidi  bei  allen 
besser  Gestellten  ordentliche  Betlkleider:  Betten  und  Kissen  mit  Heu  ge- 
stopft, Federn,  Daunen,  Laken  von  Friess  und  Leinwand,  Decken,  ja  sogar 
Bettvorhange.  Bewegliche  Betten  waren  äusserst  selten.  Jede  Bettstelle  war 
auf  mehrere  l'ersonen  berechnet  und  da»welbe  Hans  oder  Zimmer  nahm 
IVUinner  mid  Frauen  auf.  Die  im  S^hlafliau^  häufig  vorkommenden,  vom 
Hauptniura  durch  Bretterwände  abgetrennten  »geschlossenen  Betten«  (/oMr/'/wr, 
lokirikjur)  waren  m  Wirklichkeit  khune  Kettkammeni,  zum  Versi  hlie.ssen  ein- 
gerichtet, mit  einer  Thor  und  oft  mit  Platz  für  mehrere  Betten;  auch  Fenster 
werden  in  ihnen  cn^'üluit. 

§  35.  Ungeachtet  die  Lehensanschauung  der  Nurdlandcr.  wie  sie  sich 
in  der  altnordischen  Literatur  zeigt,  eine  an  Misstrauen  grenzende  Vorsicht 
als  sicherste  Grundlage  für  die  Lehensführung  einprägt,  so  dass  man  zurück- 
haltend in  seinen  Äusserungen  war,  jeder  sicli  selbst  der  nächste,  Bclses  mit 
Bösem  wie  Gutes  mit  Gutem  vergalt,  vcrliindertc  dies  doch  nicht,  dass  die 
Solidarität,  welche  notwendigerweise  die  einzelnen  Mitglieder  einer  Gesell- 
schaft mit  einander  verbinden  muss.  auf  viele  Arien  ihren  Ausdruck  fand. 
Unter  einer  der  ans|jrcchen(lsten  Formen  tritt  diese  in  der  grossarligcn  Gast- 
freiheit auf,  welche  den  Reisenden  erwiesen  wurde.  Diese  war  um  so  mehr 
mitig.  als  Wirtshäuser  (ausgenommen  die  sogeriaimten  skylmngsstofur,  welche 
an  KaufpL'ltzcn  sich  allmilhlich  einwickelten,  und  die  unbcwoluUen  Berg- 
hSusvr  {sü/uhis,  saluhüs)  hier  und  da  auf  den  Wegen  über  öde  Bei-gstrecken) 
nicht  bckaimt  und  gleiv^hwohl  Reisen  sowohl  in  Geschäfts-  als  in  Familien- 
angelegenheiten teils  zur  See,  teils  zu  Lande  sehr  allgemein  waren.  Reiste 
man  zur  See  in  grosseren  Schiffen,  su  galt  es  ja  im  allgemeinen  nur  einen 
Hafen  für  die  Nacht  zu  finden;  den  notwendigen  Schulz  verschaffte  man 
sich  durch  Ausspaimen  einer  Art  Zelt  (//c/(/.  Sing,  tjald)  über  das  Schiff. 
Erst  wenn  es  während  einer  längeren  Reise  notwendig  war,  am  Schiusa  des 
Sommers  die  Mannscliaft  an  einem  fremden  Orte  einzuquartieren,  musste 
man  auf  den  Beistand  der  Umwohnenden  rechnen.  iVfit  Landreisen  war  es 
anders.  Üb  man  zu  Pferde  fortreiste  oder  im  NVinter  zu  Fuss  oder  auf 
ScJmeescImhen  (Wagen  mid  Schlitten  wurden  nur  ausnahmsweise  als  Be- 
förderungsmittel für  Menschen  gebraucht),   so  mtLsste  man  in  der  R^el  auf 


I 


die  private  Giistfreiheit  rechnen,  und  keiner  konnte  al)ge*iesen  werden,  ohne 
dass  der  Üclrcffcnde  sich  den  schmSliticIten  Ruf  der  KiUjtlicil  zuzu^.  Da- 
gegen war  CS  eine  Ehre  ita  einen  Haiuherra,  dafür  bekannt  zu  »ein,  das» 
sein  Haus  für  alle  offen  strtnd.  Der  Reisende  konnte  jeiindi  nicht  gleich 
eintreten,  sondern  mussle  ankl'.jpreii  und  erst  auf  eine  EinlaJung  hin  durfte 
ci  uühei  treten.  Man  lies»  jetzt  den  Fremden  sich  uni/ielien  und  führte 
ilm  zu  seinem  Sitz,  worauf  weder  Speise  nuch  Trank  j^esiwirl  wurde.  Ein 
bewundere»  Zeiclicn  von  Güte  war  es,  dass  Hausherr  und  Hausfrau  dem 
Fremden  ihr  Bett  überÜcssen.  Kür  ttnpassend  wurde  es  angesehen,  den 
Fremden  nach  Namen  und  Gesdiaft  aiu>/ufragen,  ja  selbst  Uekaimtc  kamen 
gewöhnlich  erst  hei  der  Abreise  mit  dem  Gt*sch.'lft  liervcr.  Unpas-Hcnd  für 
den  Reisenden  erschien  es,  mehr  als  drei  Nachlc  im  demselben  Orte  zu 
verweilen.  Bei  der  Abreise  half  man  tlera  Fremden  uneigennützig  mit 
frischen  Pferden  u.  s.  w.  und  begleitete  ihn  auf  dem  Wege.  Eine  beson- 
dere Klasse  Menschen,  die  uinherslrcifenden  Bettler  (s/a/iar/ar.  gp/iffumatn. 
gfitgiiAonur),  lebten  jedoch  au-sschliessüch,  intlrm  sie  von  Hof  zu  Hof  zog«i, 
wenn  sie  aucli  redillos  und  uacli  dem  Gesetz  strengen  Strafen  verfallen 
waren,  soweit  sie  nicht  zu  der  Klasse  von  Armen  gehörten,  welche  durch 
solchen  Umgang  versiirgt  werden  sulUen. 

FesiUUie  Zusanuneiikünftc  oder  Gastmähler  {Öüäj  veixia),  sei  es  xu  reli- 
giösen Zwecken,  aU  gegenseitige  Ehrenbezeugungen  oder  zur  Zcnitreuung, 
spielten  unter  den  alten  Notdlandera  eine  bedeutende  Rolle.  Anktss  und 
Anordnung  kuimten  diesen  Gastmählern  einen  mehr  oder  weniger  öffent- 
lichen oder  einen  ganz  privaten  Charjikler  geben;  man  kannte  so  neben  den 
voo  eitUEclne»  veranstalteten  Festen  Gelage,  zu  denen  alle  zusammen- 
schössen und  solche,  wo  nach  einem  bestimmten  Turnus  jeder  die  ganze 
GeseJLschafi  verkr»stigie;  einige  wie  (\us  Julmahl  waren  an  bestimmte  Jalires- 
zeiten  geljunden  und  kehrten  r^elmössig  wieder,  andere  wurden  durch  ein 
zufalliges  FamiUcncreignis  veranlasst;  im  allgemeinen  sali  man  wühl  das  Spfll- 
jahr  für  die  bequemste  Zeit  an.  Die  gewöhnlichen  GaslmAliler  wurden  nach 
\'orausj{cgangener  Einladung,  oft  mit  langer  Ankündigung,  gehalten  und 
dauerten  oft  eine  «»der  mehrere  Wochen,  in  welcher  Zeil  eine  zahlreiche 
Menschenmenge  auf  dem  betreffenden  Hof  vers;mimelt  war.  Bei  ihrer  An- 
kunft fanden  die  Gaste  grossen  Vorrat  an  Speise  und  Trank  lierbeiKebrachl, 
gleichwie  auch  das  Fesitokal,  welches  entweder  des  Hofes  sio/a  oder  ein  be- 
sonders zu  diesem  Zweck  aufgeführtes  Gebäude  war,  auf  das  liesle  ge- 
schmückt war:  dawaren  glühende  Langfeuer  (/««^^/i/ar),  welche  den  mittclstCD 
Teil  des  Bodens  fast  seiner  ganzen  Lange  nacl»  einnahmen,  strtthl>estreuter 
Boden,  aufgehängte  Wandteppiche  {t/^iä)  und  mit  PoUtem  oder  Decken 
belegte  Sitze.  Die  Bewohner  des  Hauses  empfingen  die  Fremden  und  nah- 
men das  Reisezeug  in  Verwahrung.  Bereits  die  Sagas  kennen  den  spÄter 
auf  Island  si.>  allgemeinen  Brauch  sich  durch  einen  Kuss  zu  begrflssen. 
Eine  wichtige  Sache  war  es,  den  GiLslen  Platze  nach  ihrem  Stand  und  An- 
sehen aiumweisen,  so  dass  keiner  sieh  verletzt  fühlte.  Der  Hoclisitz  des 
Hausherrn  wurde  jedoch  nur  ausnahmsweise  einem  Fremden  eingeräumt 
Das  GasUnatU  wurde  dadutcli  eingeleitet,  dass  der  Hausherr  einen  Friedens- 
sprtich  Ober  das  Mahl  sprach,  Waschwasser  herumgetragen  und  danach  die 
Tisdic  aufgestellt  wurden,  so  dass  die  losen  Bänke  (/orste/t).  wn  solche  be- 
nutzt wurden,  die  äussere  Seite  der  Tisdie  einnaluncn  und  die  hier  Sitzen- 
den den  Rücken  dem  Feuer  zuwandten.  Schnell  wurden  jedoch  die  Tisirhe 
und  die  auf  ihnen  stehende  Speise  wieder  fortgenommen,  und  jetzt  begann 
das  Trinli^elage,  des  Gastmahls  wichtigster  Teil,  woher  auch   das  Gastmahl 

29* 


452  XII.  Sitte,     i.  SicANDtNAViscuE  Vermältkisse. 


oft  schlechthin  ^i  (uBier«)  oder  drykkja  (»Trinken«)  genannt  wird.  Man 
brachte  Gesundheiten,  in  heidnischer  Zeit  zu  Ehren  der  Göttcrf  aus.  Übri- 
gens trank  m;ii>  auf  verschiedene  Weiso  werliselseitig,  entweder  alle  zu- 
samiuen  {svriiarilrykkja)  oder  der  eine  trank  dem  andern  zu  und  reichte  ilim 
dann  das  halhgdehrtc  GefSss,  oder  es  thaten  sich  auch  zwei  und  zwei,  ge- 
wöhnlich Narhbam  oder  Nebenmänner,  für  den  ganzen  Abend  zusammen 
und  veranstalteten  eüi  Wetttriiiken  [drekka  ti'imftjnin^).  Zuweilen  waren 
Maiuier  und  Frauen  paarweise  gesetzt  utmj  tranken  da,nn  mit  einander  ft-/- 
menningr.  Die  Gaste  wurden  auf  verschiedene  Weise  aufj-emunlcrt  zu  trin- 
ken; so  konnte  es  eine  Verpflichtung  sein,  bei  jeder  Gesundheit,  die  ausge- 
bracht wurde,  ein  Hom  zu  leeren,  oder  es  wurden  zuweilen  Strafen  festjre- 
seizt  für  jedes  Hom,  das  nicht  geleert  wurde.  Man  konnte  auch  verurteilt 
werden  zur  Strafe  ein  Hom  zu  leeren;  si>  wurden  beim  Gefolge  der  nor- 
wegischen Könige  zur  Julzeit  Übertretungen  der  täglichen  Hausordnung  gc- 
büsst,  indem  der  Schuldige,  auf  dem  Stroh  sitzend,  das  Strafhom  {vüishont) 
leeren  mu.sslc,  Wo  man  mit  verschiedenen  Getranken  bewirtete,  begann 
man  mit  dem  gewöhnlichsten  und  Hess  dies  dann  spater  von  selteneren 
und  kostbareren  Sorten  ablösen.  Ein  Öusserster  Rausch  mit  dem,  was  dazu 
gehörte  un;l  daraus  folgen  koiuitc,  beschloss  gewöhnlich  den  Abend.  Doch 
war  mit  dem  Gastmahl  auch  geistige  Zerstreuung  verbunden.  Beim  Ge- 
lage wirden  Lieder  hergesaßl,  von  eigenen  Thaten  berichtet  «xlcr  Sagas 
u.  dergk  erzählt  oder  man  nahm  den  manju/naitr  vor,  d.  h.  man  verglich 
zwei  bekannte  Münner  mit  einander  oder  sich  selbst  nut  dem  einen  oder 
dem  andern  der  Anwesenden,  was  jedoch  ein  gef'ihrlichcr  Spass  war,  der 
oft  unangenehme  Folgen  hatte.  Bei  den  grossen  Gastmühlcm  wurden  auch 
feierliche  Gel[\bde  abgelegt,  in  heidnischer  Zeit  an  die  I-rerung  de*  bragar- 
fuH  genannten  Becliers  geknüpft.  Beim  Schlüsse  des  Gastmahls  erhielt  jeder 
der  angesehenen  GlLsle  ein  Geschenk,  das  ihm  von  Wirt  überreicht  wurde, 
wenn  derselbe,  nachdem  er  den  betreffenden  auf  den  Weg  gebracht  hatte, 
Abschied  von  ilun  nahm. 

§  36.  Dass  Leibes-  und  Waffenfllnmgcn  bei  den  allen  Nordländern,  bei 
denen  die  Kftrperknift  und  Starke  so  hoch  angesehen  waren,  eine  grosse 
Rolle  spielen  mussten.  ist  selbatverstandlich;  in  Wirklichkeit  waren  Übun- 
gen und  Spiele  auch  der  wichtigste  und  heb'^te  Zeitvertreib  der  männ- 
lichen Jugend.  Unter  den  Waffen  üb  unjien  kunncn  liervurgehoben  werden 
Bogenschicssen  (hognskot).  Stein-  oder  Sjüwwwerfen  {hjndskai)  und  Fechten 
{skytmin^).  Dagegen  bietet  die  Sagalitenitur  kein  Zeugnis  dafür,  dass  künst- 
liche Reitübungen  Eingang  gefunden  hatten,  obgleich  Reiten  beliebt  war. 
Den  Waffenübungen  nahe  stand  der  sogenannte  imm/uixaleikr,  die  Kunst 
mit  mehreren  kleineren  Schwertern  spielen  zu  können,  so  dass  ein  immer  in 
der  Luft  war,  was  sehr  bewundert  wurde  Ausserdem  Übte  man  sich  im 
Springen  {khujf/),  Schnell  laufen  {ska'ä).  Schwimmen  [snn<i)\  man  lief  auf 
Schneeschuhen  {skia),  auch  Schlittschuhe  von  Dein  (fs/rgf.-ir)  waren  bekannL 
—  Vun  den  Spielen  war  wohl  das  Ringen  (Ji'^f(,  gUma)  das  gewöhnlichste 
und  besonders  Hiirde  die  mehr  künstliche  ^//wri  littrieben,  bei  der  es  ebenso 
sehr  auf  Geschmeidigki-ii  wie  auf  Starke  ankam.  Die  Gegner,  welche  wahr- 
schciidich  wte  die  Isländer  heute  einander  mit  der  einen  Hand  in  den 
Husenbund,  mit  der  andern  an  den  Schenkel  fassten,  suchten  teilweise 
durch  Rucke  mit  den  Armen,  aber  namentlich  durch  verschiedene  unvcr- 
muiete  Schhlge  mit  Füssen  und  Beinen,  die  sogenannten  Ringk-niffe  {br^gd. 
Sing.  bra^S),  einander  zur  Erde  zu  werfen.  Doch  wird  fast  noch  öfter  Ball- 
spiel  {knaUieikr)   crwalint.    Zu  diesem  Spiel   versammelte  man  sich   oft  in 


GastmAulcr.    LeibesObungek.    Spiele. 


453 


I 


grosser  Menge  and  spielte  es  auf  einer  weiten  Ebene  oder  auf  dem  Eise. 
Zum  Spiel  gelierten  ßalt  {kn^ftr)  und  ßallholz  {inatllre),  aber  die  Spiel- 
regeln gehen  iiu  übrigen  niclil  mit  Klarlieit  aus  den  alten  Quellen  hervor. 
Man  suchte  su  viel  als  ranglich  ebenbürtige  Gegner  als  Spieler  einander 
gegenüberzustellen;  von  solchen  Hauptspielem  sind  jcdnrh  wahrscheinlich 
nur  z«-ci  auf  ciiunal  aufgctrelcn,  vun  denen  der  eine  mit  dem  Ballhulz  den 
Ball  schhig,  wahrend  des  andf^m  Aufgabe  vermutlii-h  die  war,  ihn  zu  f;xssen 
und  rurÜL-kzuieuden.  Die  Thaiigkeil  der  Übrigen  Teilnehmer  scheint  darin 
bestanden  zu  haben,  dass  sie  ventuiiiten  sich  des  Balles  zu  t)cmachtigen, 
wcim  er  zur  Erde  fiel  oder  sonst  Gelegenheit  dazu  gegeben  wurde;  vgl. 
E.  Mugk,  Der  sogenannte  zweite  grammatiscfu  Traktat  der  Snorra  -  Bldda, 
Haue  a.  S.  1B89,  S.  24 — 26.  Oft  kam  es  zwischen  den  Spielenden  zu 
ernsten  Auftritten  und  sowohl  mit  dem  liarteu  Ball  als  mit  dem  Ballholz 
brachte  man  einander  häufig  Wunden  imd  Scliljige  hei.  Eine  Belustigimg, 
welche  wie  das  Ballspiel  viele  Zuschauer  versammelte,  war  der  Pferdekampf 
{hestavig,  histaping)\  man  Hess  hier  die  Hengste  paarweise  unter  Leitung 
der  Eigentümer  kämpfen,  welche  die  Aufgabe  hatten  sie  zu  stützen,  wenn 
sie  sich  auf  die  Hinterbeine  stellten.  Die  Hengste  bissen  sich  heftig  und 
nicht  selten  kamen  die  mil  Treibstachel  {hestaslafr)  versehenen  Eigentümer 
gegenseitig  in  Kampf-  Weniger  angesehene  Spiele  oder  solche,  deren  Be- 
scha(fenh«t  nur  unvollkommen  bekannt  Lit,  waren  u.  a.  skinnUikr,  reipitrAttr, 
sk^futeiir.  Tanz  {dans.  dansleikt)  hat  •*iA\\  erst  gleiclizeitig  mit  der  Verbrei- 
tung der  romantischen  Volksliedcrdlrhiung  Eingang  gefunden.  Im  12.  Jahr- 
hundert war  er  auf  Island  ganz  verbreitet;  es  war  ein  Ringtanz  zusammen 
für  beide  Geschlechter,  mit  Gesang  verbunden.  Wo  S])icie  oder  Lcibes- 
Qbungen  nach  einem  grossartigeren  Masstab  lietrieben  wurden,  errichtete 
man  auf  dem  Spielplatz  (üiktj^/r)  Buden  {büitir.  Sing,  hii^)  und  Teilnehmer 
und  Zuschauer  blieben  da  mehrere  Tage  versammelt 

Eine  Lieblingszerstreuung  für  die  Nnrdl;indcr  in  freien  Stunden  war  seit 
alter  Zeit  WQrfelspiel  und  Brellsplcl.  Würfel  und  Bretspielsteine  ge- 
hören zu  den  gew/lhnlichcn  Gegenstaiulen  der  an-haologischcn  Fimdc  aus 
dem  Eisenzeitalter  und  in  der  Sagalileratur  finden  diese  Spiele  häufig  Er- 
walmimg.  NamcnUich  war  das  Brettspiel  U<^  ausserordenllich  beliebt; 
die  gcwöhnlic-he  Art  scheint  hrif/ntaß  gewesen  zu  sein,  das  mit  Steinen 
{t^fitir.  Sing,  taßa)  von  zwei  Farben  und  einem  K5nigsstem  {hnefi)  gespielt 
wurde.  Ziemlich  früh  scheint  auch  das  Schachspiet  liekannt  geworden 
zu  sein.  —  Für  Musik  ist  dagegen  der  Sinn  vcrlialtnissmilssig  wenig  enl- 
vrickelt  gewesen.  Wohl  wird  bereits  in  alten  und  echten  nordischen  Quellen 
die  Harfe  {harpa)  genannt,  aber  in  hlstnrischer  Zeit  scheint  sie  nicht  \'iel 
in  Gebrauch  gewesen  zu  sein;  es  muss  angenommen  werden,  dass  die 
Dichter  ihre  Lieder  ohne  Begleitung  vorgetragen  haben.  Ebenso  wenig 
kaun  man  annehmen,  dass  der  Gesang  besonders  ausgebildet  gewesen 
Sei,  und  e^cntliches  Singen  gehört  zunächst  den  Zaubcriiedem  {ga/är)  tXL 
Der  Gesang  im  christlichen  Gottesdienst  machte  deshalb  aucli  einen  ausser- 
ordentlichen Eindruck  auf  die  Heiden.  Späterhin  kannte  man  an  den 
Höfen  Spielleute  {leikarar),  welche  auf  Saiteninstrumenten  ißig/'ur,  ßdiur^ 
spielten  und  auf  Flöten  {ß>ipur)  bliesen,  aber  sie  wurden  für  ebenso  vcr- 
aditliche  Pcrwmen  angesehen  wie  die  Gaukler  (titUi^ir),  welche  einem  gleich- 
zeitigen Gedicht  zufolge  bereits  am  Hofe  Haialds  ScliOnhaar  (ca.  900)  Künste 
mit  ohrcnlosen  Hunden  und  flammendem  Feuer  machten.  In  den  Heeren 
»nirde  das  KriegHliom  [hidr)  gebraucht,  das  bereits  unter  den  Funden  des 
Brocuczeitalten  vurkummt. 


454 


XU.  Sitte,     i.  SKANniXAVistiHE  Verhältnisse. 


Eine  eigene  Stellung  zwischen  Übung  und  Zerstreuung  nahm  die  Jagd 
(r«d!>-)  ein,  die  besonders  für  Könige  und  Häuptlinge  eine  beliebte  Belusti- 
gung war.  Man  jagte  teils  mit  Hunden,  teils  mit  Falken  oder  Habichten. 
Die  Hunde,  deren  Wartung  zuweilen  Knabtrii  aus  des  Hiluptlings  eigenem 
Geschlerhte  anvertraut  wurde,  wurden  zusamraengekoppcil  gehalten  bis  sie 
auf  das  Wild  losgelassen  werrlen  durften;  die  Falken  und  Habichte,  welche 
zur  Vogeljagd  gebrauL-ht  wurden,  trugen  die  Jagenden  auf  dem  Ann  und 
diese  Vögel  waren  im  Norden  Gegenstand  einer  gidchen  Bewunderung  wne 
anderswo. 


tu,  wirrscH.\Fi-. 

§  37.  Viehzucht.  Der  wichtigste  und  neben  der  Jagd  und  Fischerei 
zugleicli  älteste  NalirungSÄweig  der  Bewohner  des  Nordens  war  die  Viehzucht. 
Dies  gilt  je<ioch  in  noch  höherem  Grade  fOr  Norwegen  und  Island  als  für  die 
anderen  nordischen  Lander.  Aber  selbst  in  Dänemark,  das  sich  am  besten  für 
Feldwirtschaft  eignete,  sull  der  Getreidebau  nodi  zu  Beginn  des  12.  Jahrlis. 
ziemlich  gering  gewesen  sein  und  der  Reichtum  des  Volkes  hauptsächlich  in 
Vielilierden  bestanden  haben.  Unter  dem  Vieh  [kvik//)  betrachtete  man  wieder 
das  Rindvieh  {nantf/)  als  dasjenige,  was  die  grßsste  Bedeutung  für  den 
Bauen»  hatte.  Dies  gilt  besonders  von  rlcr  Kuh  {Hr)^  die  als  das  wichtigste 
Haustier  urs]3rünglich  die  Gnmdlage  für  alle  Wertberechnung  bildete,  indem 
man  sie  als  Weneinheit  .setzte  {itigi/ifi,  Hrla^),  nach  welcher  der  Wert  an- 
derer Haustiere  und  Waren  bestimmt  wurde  (§  64}.  Die  .\nzahl  der  Kühe 
und  Ochsen  konnte  txd  einem  einzelnen  Bauern  oft  sehr  gross  sein.  So  soll 
ein  norwegischer  Uauer  um  das  Jahr  cpo  540  Ochsen  besessen  haben.  Selbst 
auf  Island  wurden  bei  mehreren  Bauern  (jo  bis  120  Kühe  erwähnt  und  her- 
vorgehoben, dass  eine  Anzahl  von  7 — 10  Küheii  als  ziemlich  gering  ange- 
sehen wurde.  Da-ss  auch  hier  Kühe  und  Ochsen  für  den  wichtigsten  Be- 
standteil des  bauerlichen  Viehstandes  galten,  geht  u.  a.  daraus  her^'or,  dass 
nur  diese,  doch  weder  Stihafe  noch  Pferde,  bei  der,  nach  den  Gesetzen  des 
Freistaates  in  jeder  Kommune  bestehenden,  gegenseitigen  Vieh-  und  Feuer- 
versicherung versichert  waren.  Hinsichtlich  der  BeliandJuug  des  Rindviehs 
kann  bemerkt  werden,  dass  das  trockene  Vieh  {gelänevli)  und  das  Jungvieh 
{nngtiey'ti)  im  Sommer  in  die  Berge  auf  die  sogenannten  RinderweiJeii  {/lau/a- 
afre'tir^  getrieben  wurde,  wo  man  es  sich  .selbst  übertiess.  Nur  die  Milchkühe 
wurden  ent^veder  zu  Hause  beim  Gehöft  oder  bei  einer  zu  demselben  ge- 
hörigen Sennhütte  gehütet,  wo  sie  jeden  Morgen  und  Abend  auf  einem 
hierfür  eingehegten  Platz  {sl[>duU,  s/^<fii/^erifi )  geinnlkcn  unirden.  Ja  selbst  im 
Winter  scheint  man  im  allgemeinen  rmr  die  Kühe  im  Stall  gehalten  zu  haben, 
wahrend  die  trockenen  Tiere  meistenteils  für  sich  selbst  sorgen  musstcn  oder 
doch  Jedenfalls  zum  Grasen  hinatu  auf  die  Flur  gelrieben  u'urden.  Kam 
dann  ein  sehr  strenger  Winter,  so  konnte  es  den  Eigentümern  auch  schlimm 
ergehen,  da  das  Vieh  vielleicht  vor  Hunger  starb  oder  geradezu  erfror  und 
unter  dem  Schnee  begraben  wurde.  Da  so  das  Vieh  einer  ganzen  Gegend 
gemeinsam  auf  den  weit  ausgedehnten  Triften  weidete,  musste  jeder  einzelne 
Besitzer,  um  sein  Vieh  nieder  zu  erkennen,  eine  bestimmte  Ohrmaike  (ntfivJVs- 
mari)  haben,  mit  der  es  versehen  wurde  (§  38). 

§  38.  Nächst  dem  Rindvieh  war  das  Schaf  {/irrsattdr,  //)  dasjenige  Haus- 
tier, das  für  einen  Bauern  die  meiste  Bedeutung  hatte,  denn  von  itim  konnte 
er  eigentiich  alles  bekommen,  was  er  zum  Lebensunterhalt  gebrauchte,  Wolle 
zu  Kleidern,  Fell  zu  Schuhen  und  Fleisch,  Fett  und  Milch,   weldie  leutere 


Viehzucht. 


453 


wieder  zu  v-erschiedenen  Molkcrcipmcluklcii  umgestaltet  werden  konnle,  zur 
Nalirung.  Für  wie  wichtig  man  die  Scliafe  lür  lien  isläntiischen  Bauern 
hielt,  geht  am  deutlichslen  danius  hen-nr,  das»  sich  an  den  Besit2  von 
Mildiäciiaft-n  gewisse  staatsbürgerliche  Richte  knüpften.  Vielleitlit  Ui  aber 
die  Schafzucht  auf  Island,  im  Verhältnis  zu  anderen  Nahrungszweigen,  nt>ch 
bedeutender  gewesen,  als  s<:)nst  irgendwo  im  Norden,  und  fast  alle  Aufschlüsse, 
die  sich  in  der  allen  Ute-ratur  darüber  finden,  gelten  Island.  Der  Bestand 
an  Schafen  war  hier  oft  sehr  bedeutend.  So  ist  von  600  bis  2.400  Schafen 
bei  onero  eitueincu  Bauern  die  Rede,  welche  leutere  Zalil  indessen  als  etwas 
exc^tionell  bezeichnet  mrd,  was  sie  sicherlich  auch  gewesen  ist.  Dagegen 
scheinen  bei  wohlhabenden  Bauern  200 — 4cw  .Schafe  sehr  häufig  ge- 
wesen zu  sein.  Die  trockerien  Schafe  {^Id/e)  wurrlen  im  Frühling  auf  die 
Ben?e  getrieben  {rcka  /^  ä  ßall)  oder  auf  die  entfernter  liegenden  Geineindo- 
weiden  {aß^ifr),  wahrend  die  weiblichen  Schafe  {dsatutr,  ,rr)  «laheim  in  der 
Nahe  des  Gehöftes  gehütet  wurden.  Die  Zeit  des  Limmiens  begann  in  der 
RcgeJ  im  Mai  und  wcim  die  Lilmmer  etwn  14  Tage  alt  waren,  fing  man  an 
sie  tu  entwtlhnen  {sUn),  indem  man  sie  von  nun  an  nur  am  T.ige  zu  den 
Multerscliidcn  geben  Hess,  wulirend  sie  des  Nachts  in  den  sogenannten  Ab- 
spemingsstall  {suAir)  gesperrt  wurden.  Diese  Entwöhn ungszcit  wurde  die 
«Zeil  des  Abspemingsstallcs«  {sukktüt)  genannt,  welches  auch  der  Name  für 
einen  der  12  Monate  des  Jahres  wurde.  In  dieser  Zeit  wurden  die  Lämmer 
mit  Ohrenmarken  {fvrttamari,  Fttthmii)  versehen,  indem  jeder  Kigentümer 
seine  besliniinte  Marke  hatte,  die  sich  vom  Vater  auf  den  Sohn  vererbte. 
Diese  Marken  besmnden  teils  in  verechiedenen  Einschnitten  in  die  Ohren, 
teils  darin,  dass  kleine  Stücke  vun  verschiedener  Form  aus  dem  einen  oder 
aas  beiden  Ohren  herausgeschnitten  wurden.  In  der  Absperrungszeit  werden 
auch  die  Widdedltjumer  verschnitten  {^eida\.  Ein  (»aar  Tage  nachdem  dies 
geschehen  war,  begann  man  die  U4mmer  auch  am  Tage  am  Savigen  zu  ver- 
hindern, was  raun  dadurch  erreichte,  dass  man  sie  aknelicUe-  \kefln),  d.  \\.  man 
band  ihnen  einen  cylinderförmigen  PfkM^k  {ke/W)  in  den  Mund.  Ungefähr 
um  Mitsommer  trat  die  Zeit  der  gänzlichen  Treimung  \Jriifimtr)  ein,  wu  die 
Lammer  ganz  von  den  Mutterschafen  fem  gehalten  wurden.  Danach  wurden 
die  Lammer  eine  Woche  lang  auf  einem  eingehegten  Weideplatz  {fnmha- 
hagi)  bewacht,  um  sie  daran  zu  gewöhnen,  selbst  das  Gras  zu  suchen  und 
für  ihre  Nahrung  zu  sorgen,  worauf  sie.  ebenso  wie  das  erwachsene  GaltWeh, 
in  die  Berge  getrieben  wurdL-n.  In  einzelnen  Fallen  liess  man  jedoch  den 
Mutterschafen  ihre  Lämmer  den  ganzen  Sommer  hindurch  und  dann  wurden 
sie  ebenfalls  in  die  Berge  getrieben.  Ein  solches  Schaf  hiess  »Saugescliaf« 
{tiiiJkar)  und  das  Lamm  >Saugelamra«  {diiir)  und  dieses  wurde  ni<:ht  mit 
Ohrenmarken  versehen.  Wenn  die  Lammer  von  den  Mutterschafen  getrennt 
wurden  waren,  wurden  letztere  den  g:mzen  Sommer  entweder  in  der  Nahe 
des  Hofes  oder  bei  einer  Sennhütte  gehütet,  wo  sie  jeden  Morgen  und  Abend 
in  einer  dazu  bestimmten  Sch;dhürdc  {ktiar,  sing,  km)  gemolken  wurden.  Im 
Herbst  wurde  das  Galtvieh  vi»n  den  Bergweiden  zurückgeholt  [heimta  //  ,jj 
fiaüi,  ür  afriti).  Die  Schafe  wurden  da  nach  einer  bestimmten  Stelle  ge- 
trieben, wn  für  jede  einzelne  Gegend  eine  grosse  gemeinsame  Hürde,  eine 
»Sortierungshürde'  («■?/,  Ig^re'it)  aufgeführt  war;  diese  bestand  aus  einer  sehr 
grosBCD  langgestreckten  HauplhOrde  aimenningr  (>Almende*)  genannt,  um- 
geben von  einer  Menge  Einzelhürden,  die  alle  in  die  Haupthürde  mündeten. 
Jede  der  EinzcUiOrden  wurde  »Saugelamm«  {dtlkr)  genannt,  indem  man  die 
ganze  Hürde  mit  einem  Mutterschaf  mit  mehreren  saugenden  Lämmern 
veq^cb.     Die  Schafe  wurden  nun  nach  und  nach,  wie  der  Raum  es  erlaubte, 


456  Xn.  Sitte,     i.  Skandinavische  VerhXltnissb. 


in  die  Haupüiflidc  gclriclieii,  uoi  liier  sortiert  zu  wt-rdcii,  imlL-m  jeder  Eigen- 
tümer seine  Schafe  an  den  Olircnmarken  erkannte,  und  man  sammelte  nun 
die  Schafe  eines  einzelnen  oder  einiger  wenigen  Bauern,  sobald  man  sie 
fand,  in  die  Einzelhflrdcn  {draga  saiutt).  Im  Winter  wurden  die  iJlnimer, 
die  Widder  und  zum  Teil  auch  die  weiblichen  Schafe  im  Stall  gefüttert, 
wahrend  die  Hammel  meist  drausseii  auf  der  Flur  für  sich  selbst  sorgen  und 
hier  die  Schneedecke  fnrtkratzen  mussten  iJtrnpx^j),  um  zum  Grase  zu  ge- 
gelangen, und  da  w;ir  es  vun  grüsser  Wichtigkeit,  einten  gutcu  Leithammel 
{fotyslusituitr,  /oiysiiigtiäingr)  zu  haben,  der  starker  war  als  die  anderen  und 
ihnen  den  Weg  bahnte.  In  der  ältesten  Zeil  Hess  mau  sogar  oft  alle  Schafe  den 
ganzen  WTntcr  draussen  laufen  und  für  .sich  selbst  sorgen  {gan^a  sjdi/ala), 
wobei  man  höchstens  irgendwo  draussen  auf  der  Weide  einen  grossen  Stall 
für  sie  aufführte,  wo  sie  im  Kall  starken  Schneesturmes  oder  Unwetters 
hinflilchten  und  Schutz  finden  konnten  [saudahvrgi).  War  aber  der  Winter 
streng,  so  erlitt  man  natürlich  fühlbare  Verluste  und  dies  fülirtc  dazu,  dass 
man  allmühiich  dieses  Verfahren  aufgab  und  für  alle  Schafe  ordentliche  Ställe 
{saudahiis)  zu  bauen  begann,  «'o  sie  nachts  untergebracht  wurden  und  nüligen- 
faJls  etwa.s  Heu  lickamcn,  w.'thrcnd  sie  am  Tage  von  einem  Schafliirtcn 
{sauäamadr)  riraussen  geweidet  wurden,  der  sie  zu  den  Stellen  führen  *jllte, 
wo  das  Gras  am  reichlichsten  und  die  Schneedecke  am  dünnsten  war. 

§  5c;.  Ausser  Rindern  und  Schafen  halte  man  an  \'ielen  Orten  auch  eine 
bedeutende  Anzahl  Ziegen  i^itfe.  i^n/sitinfr)  und  Schweine  (si-in).  Besonders 
in  Dänemark  und  Südsi:hwcdcr  war  die  Schweinezucht  sehr  betleutend; 
sie  wurden  hier  im  Knilijahr,  wie  t-s  in  Mitteleuropa  Schick  und  Brauch  war, 
in  die  grossen  Buchen-  und  Eichenwalder  getrieben,  wo  sie  vortrefflich  ge- 
diehen. Ahpr  auch  in  Norwegen  und  auf  Island  hatte  man  eine  recht  lie- 
deutende  St  hwcinczurht.  Ausserdem  besass  jeder  Bauer  in  der  Regel  eine 
anselmliche  Anzahl  Pferde  (//«//■);  dies  war  ilas  Tier,  welches  die  Nordlander 
am  allerliebsten  hatten  und  als  das  edelste  ansahen.  Man  teilte  seine  Pferde 
in  drei  Ilatipiklassen  ein:  Reitpferde  {reidhestr),  Arbeitspferde  {i-erkhesti) 
und  Zuchtpferde  {sfödfieslr),  von  denen  hauptsächlich  nur  die  Hengste  als 
Kampfpferde  [lü^hesir)  bei  den  häufigen  Pfenlekampfen  l§  36)  gebraucht 
wurden.  Da  es  für  eine  gmsse  Ehre  galt,  Besitzer  eines  Herdes  zu  .tein, 
das  in  vielen  Pferdekämpfen  oder  Wettlaufen  gesiegt  hatte,  verwendete  man 
viel  Mühe  darauf,  gute  Pferde  zu  züchten,  und  fast  jeder  Bauer  hatte  dazu 
ein  oder  mehrere  Geslüle  [stöä),  welche,  wenn  der  Hengst  vc»n  besonders 
guter  Racc  war,  von  anderen  Pferden  möglichst  gelrennt  gehalten  wiudcn. 
Die  Behandlutig  der  Pferde  vtat  sehr  verschieden.  Gute  RHipfcrdc  und 
tüditige  K;nn[>fpfrrde  wurden  gc^fCittert  und  winters  im  Stall  gehalten,  während 
Arbeitspferde  in  der  Regel  draussen  auf  der  Flur  gehen  und  srlbst  für  ihre 
Nahrung  sorgen  mussten,  so  dass  sie  nie  unter  Dach  kamen.  Solche  Pferde 
i*-urden  -Eispfcrdei  itlaktjhross)  genannt,  Sehr  allgemein  hielt  man  einiges 
Federvieh  {u/i/i^/),  besonders  Hüluier  (Wnjr)  und  Gänse  {heirngtis,  aiigäs). 
Von  anderen  Haustieren  kann  he rv'orge hohen  werden  der  Hund  {hiuidr), 
die  Kiitze  [ti/tlr)  und  auf  Island  und  in  Grönland  einige  zahme  Bären 
(aiihj^rnj. 

%  40.  Bei  Leuten,  die  hauptsächlich  von  Viehzucht  leben,  spielen  Weiden 
und  Heugewinnung  natürlich  eine  grosse  Rolle.  Mit  Rücksicht  hierauf 
wurde  aller  Boden  in  Hau^lanri  oder  Flur  yhiiJarxi)  und  gemeinsame  Weiden 
{a/minrttngr,)  afreltr  eingeieili.  Die  Flur  wmde  wieder  eingeteilt  in  Heu- 
wiese {iiiitta,  iUigja)  und  Weideplätze  ibagi),  w()zu  als  drittes  das  Ackerland 
kam  iakr,  akrlanJ),  wo  man  auch  Ackerbau  trieb.    Die  Heuwiese  zerfiel  ia 


I 


Viehzucht.    Ackerbau. 


457 


eine  Hauswk-sc  [fün,  tiinv^Ur),  die  gedüngt  {te^a,  mvk/a)  und  mit  einem 
"U'all  {ftingtjrifr)  umgeben  war,  der  eine  bestimmte  Hi>he  und  Breite  haben 
mosstc  {iffigarär),  mid  eine  Flurv^iese  {eng,  tngt),  die  nidil  gedüngt  ^t-urde, 
oft  aber  eingeliegt  war  und  auf  die.  um  den  Grasunachs  «i  befördern, 
Wasser  geleitet  wurde  {irita  ihUh  ti  eng.  gera  vei/nr).  Die  Weideplätze  wur- 
den eingeteilt  in  Somnierweideplütze  itnmcrha^i).  die  besonders  im  .S«»mmcr 
lOr  das  Melk\'ieh  benutzt  \nirden  \hiifjärhagi),  und  Winterueideplatze  {\ftr^ 
Aagi),  die  im  Winter  für  das  Galtvich  dienten  {getdßdrhagi).  Ausserdem 
konnten  die  WeidepUtzc  nach  ihrer  Lage  in  Hau&wcidepiatze  {hcimabagi) 
und  Hergweldeplütze  (JjoUfiagi)  oder  solche,  die  weiter  entfernt  v<.im  Gehöft 
lagen  \tithaffi),  eingeteilt  werden.  Die  Heuernte  {hevunnit,  he\-jrrk)  begann 
in  der  Regel  mit  dem  Mähen  der  Hau^wiese  (tiinannir.  tp4iij'<rk),  worauf 
man  an  die  Flurwiese  ging  {engireHi).  Die  wichtigsten  Geräte  bei  <ier  Heu- 
gewinnung waren  eine  Heusense  [ff],  die  an  das  Knde  eines  langen  hulzemen 
Schaftes  {orf)  festgeschnürt  war.  und  ein  Retrhen  {hti/ä).  War  das  Heu  ge- 
tiüc'knet,  so  wurde  es  in  eine  Heuscheuer  (fieyhlaiJa)  oder  in  eine  offene 
Einfrittligung  \hn-gartir,  siaikf-nnfr),  die  dann  mit  Grastorf  bedeckt  wurde, 
gebracht,  entweder  auf  Pferderücken  in  zusammengesclmürten  Bündeln 
{keyk(v/)  oder  auf  einem  Sclilitteu  {keysleäi),  einem  N\'ageJi  {vagu)  oder  end- 
lich auf  einer  -Schleifbahre«  Ovtgar,  vfgur),  einem  sehr  cigentOmUchen  Fuhr- 
werk von  einfacher  Kunstruktion,  das  auf  Irland  nixh  bekannt  ist. 

§  41.  .\ckerbau  wurde  in  der  \'ikiiiger-  uml  Saga«-it  im  ganzen  Nor- 
den gelrieben,  doch  war  die  Rolle,  die  er  für  jedes  einzelne  l^ind  spielte, 
von  hOrlist  ungleicher  Bedeutung.  In  Dunemurk  und  Südschweden  war  die 
Ac^eibeslcUuiig  weit  mehr  entwickelt  als  an  anderen  Orten.  Doch  scheint 
der  dflnis<-he  Ackerbau  hinter  dem  deutschen  etwas  zurückgestanden  zu 
haben,  was  aus  den  Aussprüclien  einiger  baml »erwischen  Geistlichen  im  An- 
fange des  12.  Jahrhunderts  hervorgeht,  die  den  danischen  Getreidebau  als 
xiemlich  gering  bezeichnen  (vgl.  §  ^7).  Andererseils  stand  der  norwegische 
Ackerbau  weit  hinler  dem  dänischen  zurUck.  obgleich  der  Ackerbau  auch 
dort  ziemlich  über  das  ganze  Land  verbreitet  war  und  schon  weit  zurück  in 
vorgeachichilichcr  Zeil  Iwtrieben  worden  sein  muss.  Mwr  der  Krirag  war 
oft  ziemlich  gering  und  es  wurde  an  eidigen  Orten  als  eine  besonders  zu- 
XricdenstcUende  Ernte  ang(;sehen,.  wenn  man  soviel  Kom  erlüelt,  dass  die 
meisten  ausser  dem  Bedarf  für  ihre  Haushaltung  noch  hinreichend  Getreide 
zum  Saatkorn  i/neiom)  für  das  nächste  FrUhjahi  liatteu.  Dass  oft  grosser 
Mangel  an  Saatkorn  gewe-.sen  i^t,  geht  auch  aus  einer  Bestimmung  in  den 
norwegischen  Gesetzen  hervor,  die  darauf  hinzielt,  den  Leuten  das.selbc  zu 
sichern.  Oft  .schlug  die  Saat  auch  ganz  fclil,  was  besonders  im  nordlichen 
Teil  des  Inindes  haufy*  geschah,  und  man  musste  sich  dann  au^ihelfen.  indem 
man  entweder  Getreide  von  den  Orten,  wo  die  Enitc  reichlicher  gewesen 
■war,  einkaufte,  oder  durch  Einfuhr  vom  Austand,  von  wo  man  gewiss  sdbst 
guten  Jahren  ein  Quantum  KiTu  hat  enlnchmen  müssen.  In  Dänemark 
die  Getreidecrmte  in  der  Regel  so  reichlich,  dass  man  von  lüer  Korn 
Dach  Norwegen  ausführen  kuunte.  Auch  in  Island  wurde  ziejnlich  in  allen 
X-andeaieilen  von  seiner  Besiedelung   an    bis    herab    zum   Jalire    i6oo    etwas 

Ackerbau  getrieben,  obgleich  er  dann  in  den  letzten  paar  Jahrhunderten 
ziemlich  unbedeutend  gewesen  ist.  Wie  vielfach  aber  der  Ertrag  des  isländi- 
ftcben  Getreidebaues  gewesen  Ist  oder  ob  die  Arbeit  und  die  Kosten,  die  der 

U'-kerl>au  inil  sich  fülirte,  im  Verhältnisse  zu  anderen  Nahningszwdgen  It.h- 

'nend  gewesen  sind,    darüber  hat  man   keine  Aufschlüsse.     Dodi   kann  maii 

aehcu,  dass  die  Ernte  gewülmlidt  sehr  unbedeutend  gewesen  und  die  Saat 


45^ 


xn,  StTTE.     I.  Skandinavische  Verhältnisse, 


oft  /flil^'fscdlagfu  ist,  dfnn  es  wird  von  einzelnen  besonders  fruditbaren 
Äi  kern  als  etw;is  ganx  einzig  dastebeniles  hrrvurge hüben,  ciass  sie  jedes  Jahr 
reifes  Kom  gelra^n  hiiben. 

§  4J.  Die  Getreidearten,  die  man  baute,  waren:  Gerste  (h'^),  als  die 
Alteste  Getrcideari  oft  »Kom»  [itont)  genannt,  Weizen  {Avetfi),  Roggen  {nigr} 
und  Hafer  [kafri\.  Die  zwn  zuerst  genannten  (Gerste  und  Weizen)  wurden 
im  Norden  von  <ien  nlte-sten  Y.oiWw  an  gfhaut,  was  snw.iiil  aus  der  alten 
Literatur  wie  aus  neueren  arrliaolugisrlieii  Untersuchungen  her\'(.irgcht.  Da- 
gegen sind  die  beiden  letzten  Getreidcarten  (Roggen  und  Hafer)  im  Nor- 
den nicht  sehr  alt  Es  iSsst  sich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden,  ob  sie 
hier  schnn  in  heidnischer  Zeit  lkUt  erst  nach  Einführung  des  Cliristentums 
angebaut  wurden,  was  aus  den  Aufschlüssen  der  aiu-n  IJteratur  am  ehesten 
her\'fjrzugchen  suJieint,  Hirse  {hirsi),  die  in  vodiisturischer  Zeit  angebaut 
wurde  (vergl.  §  2),  wird  nur  einmal  in  altnordischer  Literatur  (in  einer /u/rz 
in  Siiorra  Edda)  genannt.  Ausser  diesen  Getreidearten  baute  man  in  der 
christlichen  Zeit  mehrere  andere  Feldfrüchte,  we  Erbsen  {trtr)  und  Bohnen 
[batmir],  auch  Rüben  [mfput],  wogegen  tüese  in  den  'lagen  des  Heidentums 
siclicriii:h  niclit  gebaut  w« mlcii  sind.  Vun  Gespinstpflanzt-n  wurden  schon  in  der 
heidnisclien  Zeit  sowohl  Flachs  (Äj>'r,  //«)  als  auch  Hanf  (Artm/r)  gebaut  Eigent- 
lichen Gartenbau  erhielt  man  erat  einige  Zeit  nach  Einführung  des  ChristenttmiSr 
dttch  finden  sich  schon  in  der  heidnischen  Zeit  einzclue  Spuren  einer  ge- 
wissen Gartenanlage  in  den  sogenannten  Krautergarten  igmsgarär),  wumit  in 
der  illlesten  Zeil  nur  eingelicgte  Plätze  bezcitJuict  wurden,  die  zum  grössten 
Teil  mit  Gras  bewachsen  waren,  wn  man  aber  gleichzeitig  gewisse  besonders 
beliebte  Pflanzeu  zog,  teils  essbare,  teils  einzelne  Zier[)flanzen  und,  wie  es 
scheint  zuweilen  einzelne  Bllume.  In  den  Krilutcrgärtcn  scheint  man  vor- 
nchralirh  Angelika  {/wfMn)  und  mehrere  Arten  I-auch  {/auir)  gebaut  zu 
haben,  auch  werden  diese  Gärten  häufig  unter  den  Namen  Angelika- 
gUrtcu  ihvanngarär)  und  Lauchgärten  {lauktif^arär)  erwähnt  Sogar  auf  Island 
ist  im  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  von  einem  Lauchgarten  die  Rede.  In 
den  KrSutergärtcn  baute  man  auch  ziemlich  frühzeitig  Kühl  {käi),  weshalb 
sie  zuweileji  Kifhlgflrten  {käi^atitr)  genannt  werden.  Eigentliche  Ohstgjlrtcn 
{itliitii^i^artft)  liat  man  dagegen  kaum  frtlher  als  im  13.  Jahrhundert  gehabt, 
und  selbst  im  14.  Jalirhundert  fanden  sie  sich  hauptsächheh  nur  bei  den 
Klfistem,  Äpfel  {ep/i)  un<l  Apfelbaume  iapaldr)  werden  allerdings  schon  in 
heidnisclier  Zeit  erwähnt  hiermit  sind  aber  sicherlich  nur  die  gewöhnlichea 
wildwachsenden  Holzäpfel  gemeint,  die  man  damals  im  Herbst  zu  sammeln 
und  zu  essen  pflegte,  wie  es  noch  jetzt  in  einzelnen  Gegenden  Norwegens 
geschieht  Apfelgärten  {.rph^rdr)  werden  erat  uro  das  Jahr  1300  erwähnt 
und  der  Anbau  von  Äpfeln  kann  kaum  aus  früherer  Zeit  als  etwa  der  Mitte 
des  13.  Jalirliunderts  datieren. 

g  43.  Der  Acker  {akr,  eitra)  war  gewöhnlich  in  eine  gewisse  Anzahl 
Ackertei]e  (/^yr)  geteilt  die  durch  einen  Ackerrain  (oJtrfan)  getrennt  waren. 
Er  war  in  der  Regel  eingjliegt  und  hiess  als  solcher  meist  >Ackergehege< 
{aJtrgfriti,  ehusrräi).  Man  legte  viel  Gewicht  (tarauf,  ihn  gut  zu  dUngeD„ 
und  vor  der  Aussaat  wurde  er  durch  Umgniben  zubereitet,  teils  mit  Hülfe 
eines  Spatens  und  einer  Hacke  (f^a/a  v^ll,  brjöia  j^rä  tU  ahm),  teils  durch 
PflQgen  {frja,  p^öftjaS,  und  darauf  mit  der  Egge  geebnet.  Die  Säezeit  Udit- 
iid)  begann  im  günstigsten  Fall  zu  Ende  iles  Ajiril,  im  schlimmsten  Fall  aber 
in  iler  zweiten  Hälfte  des  Mai,  indem  man  sich  in  dieser  Hinsicht  nach 
der  Witterung  richten  musste.  Roggen  und  teils  auch  Weizen  wurden  so- 
wohl im  Herbst   als  auch   im  Frühjahr  gesäet    denn    sowohl  Winterroggcn 


I 


{vttntigr)  als  Winierwcizen  werden  erwähnt  {letzterer  jedoch  nur  einmal  in 
einer  lateinischen  Quelle:  tritüum  Jivfmn/e).  Das  Mshen  {icrHsturth;  kom- 
ttätta)  oder  die  Erntezeit  fiel  in  der  Regel  in  die  zweite  Hälfte  dea  August 
und  den  Anfang  des  September.  Üas  Oetrcide  wurde  zuerst  in  kleine  Gar- 
ben {kombuntiin,  mli\  ^esainmelt  und  darauf  geschubcrt  \skryfa,  skrtvfa  kom), 
worauf  es  später  heimgefahren  und  in  gnase  Schober  Kkotnamstr^  kortivirii, 
kont^rjr)  oder  Komhelme  \korHhjtUmr)  gebracht  wurde.  Zu  Anfang  des 
Winters  wurde  es  dann  gedroschen  {pnsk/a\  auf  einer  Tenne  {läfi,  tä/agar^), 
worauf  CS  in  einer  Scheune  {komhhäa,  komküs)  aufbewahrt  wiirtle.  Wurde 
aus  dem  Kurn  Malz  bereitet  (mel/a),  so  liatie  man  dazu  ein  eigenes  Ge- 
bäude (meltuhüs),  welches  jedncli  gewis-s  meist  mit  dem  Trockenhause  oder 
der  Darre  {kvfna)  eins  war.  Saatwechsel  sclieint  ziemlich  frtt}i  dbUch  ge- 
wonlcn  zu  sein ;  die  Saatfolge  war  dann  die,  daiut  man  auf  den  Acker,  der 
brach  gelegen  hatte  {ir^ä).  zuerst  Gerste  und  dann  Roggen  sücte.  Bei  den 
Äirnercn  waren  die  Ackergerate  sehr  cinfatti.  Statt  tieii  Boden  zu  pflügen, 
»iirde  er  bei  ihnen  nur  mit  Holfe  eines  Spatens  {rtka)  und  einer  Harke 
i^tr/',  päU)  umgegraben,  welches  ursprünglich  gewiss  die  einzigen  Ackcr^gerüt- 
schaftcn  waren,  die  man  kannte. 

Schon  zu  Anfang  der  Sa^azeit  hatten  jedoch  alle  besser  situierten  Leute 
ein  Pflügewerkzeug,  teils  einen  einfacheren  Hackpflug  (a/üfrl,  ursprünglich 
nur  mit  einem  Pfliigeisen  yantr/äni).  wozu  aber  sp-lter  ein  Pflugme*ser 
(ruiiU)  kam,  teiU  einen  regelrechten  Pflug  \J>i<>f;r),  der  nicht  nur  mit  zwd 
Pflugeisen  {piiigjäm),  sondern  auch  mit  einem  Streichbrett,  einer  Pflugsterze 
u.  s.  w,  versehen  war  und  in  allem  Wesentlichen  gewiss  den  jetzt  gebmuch- 
Udien  Pflügen  glich.  Schon  in  den  .iltesten  Quellen  wird  auch  eine  Egge 
{harfr,  htrfi)  erwähnt.  Als  ZugN'ieh  vor  dem  Pflug  scheint  man  meLsl  Ochsen 
\anirQxi\  seltener  Pferde  verwendet  zu  haben. 

Der  Dünger  wurde  auf  das  Feld  hinaus  teils  auf  einem  Düngcrschlitten 
{mvksleiti)  gcfahrt^n,  teils  auf  l'fcrderücken  transportiert  und  zwar  in  DOnger- 
kSsten  {klä/r),  von  denen  einer  auf  jeder  Seite  des  Packsattels  angebracht 
war  und  deren  B<Hlen  unten  ge^'jffnet  werden  konnte,  so  daas  der  Dünger 
auf  den  Acker  hinabfiel,  wo  er  dann  mit  einer  Mistgabel  {mvkikfUl.  akrh'fs/) 
anigebrcitct  wurde.  Um  den  auf  dem  Felde  ausgestreuten  Dünger  noch 
beaser  zu  verkleinern  imd  auszubreiten,  brauchte  man  ein  Büschel  zu- 
sammengebundener Reiser  oder  Strflucher  {s/mt/,  shhiahrü),  welches  über  den 
Acker  Ixingeschleift  wurde  {si^ää).  Beim  Säen  brauchte  man  einen  Saat- 
knrb  {koniki/ifiti.  korvskrefipa),  der  an  einem  um  den  Hals  gehenden  Bande 
liüngend  getragen  wur*.le.  indem  man  mit  dem  einen  Ann  den  Korb  um- 
fasste  und  mit  dem  andern  das  Korn  ausstreute.  Bei  der  Getreideernte  be- 
nutzte man  entweder  ein  Kfaheisen  {air/dm,  komskuntatjäm)  oder  eine  Kom- 
sichcl  {kornsigär).  An  vielen  Exemplaren  derselben,  die  in  Grabhügeln  aus 
heidnischer  Zeit  gefunden  sind,  kann  man  sehen,  dass  diese  Maheisen  ur- 
sprünglich nicht  vollständig  glatl,  sundcm  {ftie  zuweilen  bei  den  alten  Grie- 
chen) mit  kleinen  Einschnitten  «.der  Zahnen  nach  Art  einer  Sage  versehen 
gewesen  sind.  Bciiu  Dre-schen  wurtle  das  Kom  mit  einem  Dresdifl^d 
i^üst,  hdimpüst)  auj^eklopft, 

^  ^4.  Fischerei.  Der  dritte  Hauplnalirungszweig  der  Nordlander  war 
die  Fischerei.  Be.s'>nders  auf  Island  und  in  Nnn**egcn  wurde  viel  Seefisch- 
fang betrieben,  aber  auch  in  Dänemark  wird  eine  ausgezeichnete  Fischerei 
im  Limfjucd  und  gn^sartiger  Häringsfang  im  Örcsund  hervorgch^tbcn.  Vom 
SQsswasserfischfang  galt  (ler  I^chsfang  {lax:-iiär)  als  der  wichtigste,  aber 
auch  der  Fang  der  Forellen  {st/nnf;r)  und  der  Lachsiorellen  {aurn'äi,  äny-ät-) 


460  XII.  Sitte,     i.  Skandinavische  Vkrhäi-tnisse. 

«urde  \ift\  getrii:t>en.  Tjigeii  die  KIflsse  und  Seen,  in  denen  ein  guter  Fi>- 
rellenfang  war,  in  einer  unbewolinten  Gtrji^cnti  injicc  im  Lande,  so  wurden 
oft  FisciicrbuUcn  iin  iimcn  crriditet,  in  denen  man  sich  aufliielt,  wenn  man 
im  Sommer  hinzog,  um  eine  Zeit  lang  der  FUclierei  ubzaliegen.  In  wi- 
chen Fischerliuden  Messen  sieh  die  Friedlosen  gern  nieder  und  Ie.bten  dort 
vom  Fischfang  in  den  Seen.  Die  Sflsswasserfischerci  %\-urde  von  einigen  mit 
so  grossem  Eifer  getrieben,  dnss  mau  sie  s*jgar  auf  künstlijjhf  Wuisc  durch 
Fisehzutht  zu  fördern  suchte,  indem  man  lelwmdc  Fische  {aüfiskr)  aus  einem 
Binnensee  twhm  und  sie  in  einen  Bach  setzte,  in  dem  sich  zuvor  kerne 
Fmlie  fanden,  und  sie  dort  laiclicn  licss,  was  so  gut  gelungen  sein  soll, 
dass  in  clirsem  B;irh  sp.Her  ein  er^cbiger  Fang  stattfand.  In  Nor\i'egen, 
trieb  man  auch  Aalfang  [.iiaiviftr)  und  gewiss  aucli  an  anderen  Orten.  Aber 
obgleich  die  Süss was.se rfischcrei  eine  ganz  ^ite  Ausheute  liefern  konnte, 
war  ihre  Bedeutung  doi.h  gering  im  Vergleich  zum  Seefisclifang,  der  ausser- 
dem von  viel  mehr  Menschen  betrieben  werden  konnte.  Da  man  nicht 
überall  gleirh  gut  fi-schte,  veisanmielte  man  sich  gewi^hnlirli  zu  gewl<tseii 
Zeiten  des  Jahres  an  den  Orten  der  Küste,  wo  der  Fang  die  reichste  Aus- 
beute ergab,  an  den  s(  «genannten  Fischerorten  (Jish't'rr,  fiskist^d).  Lag  ein 
solcher  Fischerort  fem  von  l>ewohntcn  fjegcndc]!  oder  auf  einer  Insel 
draussen  vor  der  Küste,  so  hiess  er  *Ausscn-Fi.sclicrort>  (w/ivr)  und  noaa 
musKte  hier  Fischerbuden  {fiskibnä,  fiskisktUt)  aufführen,  in  denen  man  wohnte, 
so  lange  man  dort  fischte.  M;ui  legte  grosses  Gewicht  darauf,  dass  an  jedem 
Fischcrort  unter  allen  Fischern  \iirmenu\  Einigkeit  herrschte,  ilenn  allgemein 
war  der  GlaulK-  verbreitet,  dass  Uneinigkeit  sehr  üble  F<»lgen  habe  und  den 
Fang  bedeutend  beeinliaditige.  Dwh  war  es  nicht  immer  so  leicht,  die 
Eintracht  aufrecht  zu  erhalten,  da  hier  oft  viele  hcVhst  verschiedene  Men- 
schen zusammen  kamen.  Wurde  gleich  der  FUchfang  hauptsachlich  von 
denen  betrieben,  die  an  der  Küste  selbst  wohnten,  so  kamen  diKrh  zuweilen 
auch  Leute  aus  dem  Landt:  nach  den  Fischerorten  herab,  um  lüer  kürzere 
oder  lungere  Zeit  zu  fischen.  Sogar  mehrere  Häuptlinge  waren  sehr  eifrige 
Fisclier,  und  obgleich  die  Seefischerei  im  allgemeinen  nur  von  Münnern  be- 
sorg wurde,  finden  sich  doch  Beispiele  dafür,  dass  sowohl  Sklavinnen  als 
sogar  die  Mausfrau  selbst  auf  den  Fischfang  hinaus  ruderten.  Der  Harings- 
fang  {siltißski,  siUvfr)  wird  bc-sonders  in  Dänemark  und  Norwegen  erwähnt, 
aber  der  Dorschfang  {slretipiski.  skrntfirri  besonders  in  Nnrwcgen  und  Is- 
land. In  den  beiden  letztgenannten  Liindem  und  in  Grünland  fing  man 
auch  \ie!e  Haifische  [ßiäkarl,  /uixkanfinp),  Seehunde  («/r)  und  WjiUische 
[hvair). 

§  45.  Die  Fischereigera tc  {i-eiitaifSri,  ßski^gn),  die  beim  Dorschfang  ver- 
wendet u-urden.  waren  einfach  und  nicht  zahlreich.  Man  scheint  dal>e-i  ent- 
weder äusserst  selten  tuler  gar  nicht  Netze  gehraucht  zu  haben,  sondern 
ausschliesslich  eine  Handleine  oder  Angelschnur  {fog.  vaär,  /in,  lina,  sniri), 
weshalb  diese  Art  Fischfajig  Angelfischerd  {fogfiski]  genannt  wurde.  Ära 
Ende  der  Schnur  war  ein  Angelhaken  {fit^uU)  befestigt,  der  mit  Kil'Kier  [agn, 
6dia)  versehen  wurdi,'.  und  ein  kleines  Stück  vom  untersten  Ende  der  Schnur 
entfernt  war  ein  Senklot  {sakka)  an  ihr  angebracht,  wozu  man  meist  einen 
kleinen  Stein  {vaäsieitm)  benutzte.  Fing  man  kleine  Fische  dicht  am  Lande, 
so  bediente  man  sich  auch  einer  Art  von  Angelappurat  {t/org),  der  von  der 
gewöhnlichen  Angelschnur  etwas  verschieden  war.  Zu  den  Fischergertten 
gehörte  ausserdem  ein  Ködermesser  (ngnstiA).  um  den  Kf>der  danrit  zu 
schneiden.  Die  Fischerbtiote  {/iskitäir)  scheinen  in  der  Kegel  sehr  klein  ge- 
wesen  zu   sein;   ihre  Besatzung  bestand   sehr  oft   nur   aus  zwei   oder   drei 


FiscHRRKi.     Handel  und  Seefahrt. 


4bt 


I 


W 


Männern,  zuweilen  sogar  nur  aus  einer  einzigen  Person,  Man  gab  sich  \'iel 
Molic.  gute  Fiscligründf  ivaziir,  mid)  ausfindig  zu  machen,  die  man.  u-arcn 
sie  einmal  enuleckt,  mit  Hftlfe  verschiedener  Merkmale  an  der  KQst«,  z.  B. 
BoTgüpiUcn.  GeUludc  tMlcr  dgl.  wiederfinden  konnte,  indem  man  beobachtete, 
in  welcher  Rirhiunjt  von  denwlben  die  Fiscligrüude  waren  {miäa).  Bei  der 
Sass Wasserfischerei  und  dem  Hiiringsfang  benutzte  man  verschiedene  andere 
kOnstiiehcre  Fanggetütscbaftcn  {ßskiitfu  Das  gcwAhnlirhste  derscibe-n  "kkt 
das  Netz  {net),  das  in  griissert-n  oder  kleineren  Maschen  {m^h'K  ri.xn)  aus 
Flachsfpini  geknüpft  war.  An  die  oberste  Xetzleine  {pimirr.  pinttll)  waren 
Schwimmhülzer  {ßär,  fijöifndis  tKler  kurze  Holzsiürke  {kaflar)  befestigt,  um 
sie  oben  auf  dem  Wasser  zu  halten,  wJlhreml  die  unterste  mit  einer  Reihe 
kleiner  Scnksteinc  {ihr)  versehen  war,  um  das  Netz  auf  den  Gnmd  hinab 
zu  ziehen.  Erwähnt  werden  ein  Lachsnetz  ila-yn-arpa),  F'trellennetz  {aurriäa- 
att),  Scchundsnctx  {selnet,  selanöi)  und  ein  Hfiringsnetz.  wozu  m;m  ein  sehr 
langes  Netz  \J\'^»,  strii$uiiuir/ni)  benutzte,  mit  dt-ni  man  die  Hflringe  ans  Land 
z<»g,  Worauf  man  sie  mit  GefJissen  wUt  langgcsticllen  offenen  Karben  {hverf, 
{k)roitAä/r,  \h)n>äausa)  aiw  dem  Xeiz  schöpfte.  Bei  der  SOsswasserfis<hcrei 
benutzte  man  auch  Lachskisten  (fiskiker),  ReusenkArbe  (/anrtr.  stafmart), 
Lachsfange  {taxagaritr.  ta.\avirki\  und  Aalfange  {iihffarär,  älavi/^i)  sowie  ver- 
schiedene an<iere  künstliche  Vorrichtungen  \tjurridav/l  u.  s.  w.).  Beim  Fang 
in  den  Flussmündungen  bnuichte  man  ausser<ieni  eine  Fiwhstange  ( fiskist^ng), 
die  mit  einer  Spitze  versehen  war,  mit  der  man  die  Fische  sta<  h  {slanga), 
und  warf  sie  dann  mit  Hülfe  der  Stange  ans  Land.  Walfische  wurden  mit 
einer  Harpune  {hvaljdm,  Uuiilf)  geschossen  und  auch  Seehunde  wurden  oft 
harpuniert  {selskultU).  Ausserdem  wird  ein  Gerat  erwähnt,  weldies  Haueisen 
(V-W"")  hi'^**  u^*'  *^^  diente.  Delphine*.  Grindwale.  Seehunde  und  andere 
Sectiere  toi  zu  schlagen,  wenn  sie  von  selbst  an  das  Land  kamen  imd  auf 
dem  Trocknen  gefangen  werden  konnten. 

§  46.  Handel  und  Seefahrt.  Der  Kaufmann  koimte  in  der  Vikinger- 
tmd  Sagazeit  nicht  wie  jetzt  daheim  in  seinem  Kontor  sitzen  und  Waren  und 
Briefe  nach  alten  Richtungen  senden.  Dazu  waren  die  Konmmnikations mittel 
viel  zu  unvoUkummen.  Nein,  er  rausste  dazumal  selber  mit  seinen  W^ren 
von  einem  Ort  zum  andern  ziehen,  um  sie  abzusetzen  und  gegen  andere  zu 
vertau.stThej),  und  auf  diesen  Reisen  war  er  allerlei  GefiUircn.  Plünderung  und 
Mord,  ausgesetzt.  Eine  Handelsreise  lief  in  der  Vikingerzeit  selten  ganz 
friedlich  ab.  Wenn  in  den  Sagas  von  den  Seereisen  junger  MRimer  erzählt 
wird,  ist  es  daher  oft  schwer  zu  entscheiden,  ob  ihre  Falirl  als  eine  HandeU- 
rebe  tfdcr  als  ein  Vikingerzug  anzuseilen  lsl  Meist  war  sie  wohl  beides  zu- 
gleich. Die,  denen  der  Handel  die  Hauptsache  war,  mussten  auch  so  aus- 
gerüstet sein,  dass  sie  im  Notfall  imstande  waren,  einen  Kampf  mit  Vikin- 
geni,  die  sie  überfielen  und  iluieu  ihre  Güter  fortnehmen  wollten,  aufzuneh- 
men. Die,  denen  die  .Seenluberei  die  Hauptsache  war,  trieben  andrerseits 
fast  immer  neben  ihren  Plüuderungcn  einigen  Handel  Vikiiigs/ug  und  Han- 
del fielen  auf  diese  Weise  zu  )ener  Zelt  grossenteiis  zusammen,  so  dass  der 
Unterschied  zwischen  einem  Kaufmann  und  einem  Vjking  oft  sehr  gering 
oder  K)  gut  wie  nicht  vorhanden  war.  Derselbe  Mann  konnte  den  cinea 
Tag  als  friedlicher  Kaufmann  und  den  nächsten  als  verheerender  Feind  oder 
Vildng  auftreten.  In  den  alten  Saga.s  wiul  an  mehreren  Stellen  erzalilt,  dass 
die  Seefahrenden,  wenn  sie  an  fremde  Kosten  kamen,  sich  mit  den  Ein- 
wohnern darüber  einigten,  dass  sie  eine  bestimmte  Zeit  (z.  B.  zwei  Wochen) 
Frieden  halten  wollten,  um  zu  handeln,  s<.)bald  aber  diese  Frist  abgelaufen 
war»  betrachteten  sie  einander  als  Feinde  und  das  Plündern  und  Zerstören 


462  XII.  Sitte,    i.  Skanowavische  Verhältnisse. 


b^pnn.  Handel  und  Vikingsfrilirt  galtwi  im  HÜgemeineii  als  zwei  nebenein- 
ander besIelienrJe  Zwei^-e  dt-^selben  Gewerbes  und  galien  beide  für  gleich 
ehrenvoll,  obgleirh  man  eher  dem  ^'iking  den  VortriU  Hess.  Ab  eine  ge- 
nieins.'tnie  Benennung  für  die,  welche  diesen  Nahmngszwcig  betrieben, 
brauchte  man  die  Bezeichnung  •Sccfalirendc=  {farmaät);  nur  wenn  man  her- 
vorheben widlte.  d.iss  sich  der  Betreffende  .-lUSSchlicÄslich  (»der  doch  haupt- 
sachlich nur  mit  dem  ehien  Zweige  bcfassle,  wurde  er  entweder  Kaufmann 
{kaiipmaitr)  «xler  Viking  [i'Utinf^r)  genannt.  Nach  der  Denkweise  jener  Zeilen 
lag  eine  solche  Anschauung  auch  sehr  nah,  denn  obgleich  die  Mittel  des 
Vütings  und  des  Kaufmaims  ganz  verschiedene  waren,  hatte»  sie  doch 
hauptsächlich  ein  und  dasselbe  Ziel:  Geld  /u  verdienen.  Gewiss  war  das 
Ziel  desVikiiigs  ausser  dem  Erwerlj  von  Gutem  auch  das.  Ehre  und  Rulim 
zu  gewinnen,  aber  der  junge  Kaufmann  hatte  ebenfalls  neben  dein  Trachten 
nach  Gelderwerb  das  Streben,  zu  Ansehen  zu  gelangen,  nicht  wie  der  Vi- 
king  lun  seiner  Stärke  und  itcincs  Mutes,  sondern  um  seiner  Klug- 
heit und  Welterfahrenheit  wilk-n,  indem  er  auf  seinen  Reisen  nach  verschie- 
denen Liludern  sich  Menscliinkenninis  Bildung  und  feine  Lebensart  anzu- 
eignen suchtt^  wtnlurch  er  befühigt  werden  konnte,  später,  wenn  er  mit  dem 
Reisen  aufliürte  und  sich  hfiuslich  uiederüess.  In  sebier  Helmal  als  Befelils- 
hubcr  aufzutreten  oder  Gefolgsmann  bei  irgend  einem  Füreten  zu  werden. 
Es  wird  im  Ki*inigsspif'gel  ausdrücklich  hervorgehnben,  dass  Handelsreisen 
ab  eine  vi.rtref fliehe  V<irschule  für  scldte  Leute  angesehen  wurden,  die  am 
Hofe  eint'S  Fürsten  iJiensi  zu  nehmen  gedachter. 

§  47.  Her  Handel  vuUzog  sich  in  älterer  Zeit  mebt  an  Opfer-  und  Thiug- 
Stfltten  und  anderen  Orten,  wo  sich  \'iclc  Menschen  zu  bestimmten  Zeiten  zu 
versammeln  pflegten.  Da  die  Kaufleute  wussten,  da.ss  sie  hier  viele  Menschen 
treffen  würden,  zogen  sie  mit  ihren  Waren  dorthin,  um  sie  zu  verkaufen  und 
gegen  andere  zu  verlauschen.  Auf  diese  Art  entstanden  au  solchen  Orten 
jährliche  Märkte  {murkadr)  oder  I  landelszusammenkflnfte  \kaupstefna),  von 
denen  einige  sich  an  denselben  Statteii  ujid  zu  denselben  Zeiten  bb  auf 
unsere  Tage  crlialten  liahen  (z,  B,  der  Markt,  der  jährlich  in  Upsala  unter 
dem  Namen  .-ITpsala  disting«  gehalten  wird).  Die-s  führte  dahin,  dass  sich 
mehrere  Leute  an  diesen  Orten  nicderlies.scii,  luid  su  entstanden  im  Laufe 
der  Zeiten  an  denjenigen  unter  ihnen,  die  für  den  H.'uidel  die  günstigste 
Lage  hatten,  grC>ssere  oder  kleinere  Handelsorle.  Siiwnhl  aus  den  Auf- 
schlüssen der  alten  Literatur  als  besonders  aus  einer  Menge  in  der  £rde 
gefundener  Sachen  und  Münzen  (voniehralich  aus  der  Zeit  etwa  von  700 
bb  1000).  kann  man  ersehen,  dass  die  Nordländer  sehr  ausgedehnte  Han- 
delsverbindungen geliabt  haben,  ?iicht  nur  mit  Nachbar^t'ilkem,  sondern  auch 
mit  den  fernen  südeuropaischen  und  asialbchcn  Kultur\'i'>lkem.  Hiusichtlich 
der  Ein-  und  Ausfuhrartikel  sind  die  Aufschlüsse  der  allen  Schriften  ziem- 
lich tuivollstandig.  Doch  sieht  man  aus  ihnen,  dass  man  nach  Norwegen 
unter  anderem  aus  England  Wein.  Weizen,  Mehl.  Honig,  Wachs,  Leinwand, 
Kleider,  Eisenwaren  u.  s.  w.  einführte,  aus  Dc»itschhnd  Wein,  Bier  u.  s.  w., 
aus  Dänemark  Malz,  Weizen  und  Honig,  aus  Grönlanil  Walrossliflute,  W;d- 
rosiutähue,  Thran  (bUweilen  Eis-Bären)  u.  s,  w.,  aus  Finmarken  und  Bjanna- 
land  Pelzwerk,  aus  Russland  {Gar^riki),  ausser  versciüedenen  ntssischcn 
Waren  auch  kostbare  griechische  und  orientalbche  Stoffe  u.  s,  w.  Die  wich- 
tigsten .Ausfuhrartikel  aus  Norwegen  waren  Pelzwerk,  Kalken,  Ebche,  Thran, 
Wolle  und  Wullenzeugt:,  Federn,  Bauhölzer,  Theer  u.  s.  w.  Ausserdem  wur- 
den aus  Norwegen  verschiedene  der  eingeführten  Waren  nach  Island,  den 
Färöem  imd  Grönland  wieder  ausgeführt. 


d 


Hano&l  und  Seefahrt. 


4Ö3 


§  48.  Auf  lidand  kannte  ein  inländischer  Handel  sich  in  einem  irgend 
nennenswerten  Grade  nicht  ent\»ickeln.  teils  wegen  der  dorftigen  Verkehrs- 
mittel, teils  auch  besonders  darum,  weil  die  Naturjirodukte  des  Landts  so 
einförmig  und  fast  überall  dieselben  waren.  Dagegen  war  der  Handel  mit 
dem  Auslände  recht  bedeutend.  Er  wunie  zum  Teil  von  den  Isländern 
selbst  auf  ihren  cig»;nfn  Schiffen  Itetrieben,  ein  weit  ül>erwif^enderTfil  des- 
selben srheini  sich  .iber  in  den  Hrmden  Fremder  befunden  zu  haben,  da 
sich  auf  Island  nie  ein  eigentlicher  Kaufmannssland  heranbildete,  d.  h.  Leute, 
die  den  Handel  als  llaupteru'erb  trichcn  wnd  als  ihre  Lcliensaufgal>e  betrach- 
teten. S<>wcit  der  Handel  v'..n  den  Islandern  selbst  getriel>en  wurde,  salien 
ihn  die  meisten  nur  als  ein  einstweiliges  Gewerbt'  an  oder  —  wie  ül»erhaupi 
Reisen  ins  Ausland  —  als  ein  atLsgezeicluielus  Mittel,  uiu  sich  Weltkenntnis 
und  Ausbildung  und  einiges  \'ermngeji  und  Ansehen  zu  verschaffen,  um 
sich  dann  nachher,  wenn  sie  dieses  Ziel  erreicht  liatten .  als  Landwirt 
{böndi]  auf  tlirem  vaterlichen  Hofe  oder  einem  für  ihre  erworbenen  Güter 
gekauften  Besitztum  niederzuUissen.  Die  allermeisten  Isländer,  welche  Han- 
delsreisen ins  AusUmd  uiileniiLlimcn,  betrachteten  sich  selbst  kaum  uls  Kauf- 
leutc,  selbst  wenn  die  Verhilltnisse  es  mit  sich  brachten,  dass  sie  als  Han- 
deltreibende reisten.  Der  Kauf mannsst and  u*ar  für  Wele  von  ihnen  fast  nur 
das  Mitltrl,  eine  Reise  ins  Ausland  machen  zu  kCmnen,  indem  sie  die  Kosten 
eines  Aufenthaltes  in  der  Fremde  auf  keine  andere  Weise  als  mit  inländi- 
schen Waren  bestreiten  konnten,  die  sie  mit  sich  führten,  um  sie  im  Aus- 
lande seJbst  umzusetzen.  Wenn  sie  sich  dann  aitf  die  Heimreise  begaben, 
nahmen  .sie  naiUrlich  ausländische  Waren  mit,  um  sie  in  ihrer  Heimat  tax 
verkaufen,  jud(>cli  uhne  diesen  Handel  als  eigcntHchcii  £rwerb  anzusehen, 
so  d;i.ss  sie  oft  ganz  zufrietien  warm,  wenn  sie  bei  diesem  Handel  genug 
verilienten,  um  damit  ihre  Keuseki'slen  bestreiten  zu  können.  Im  Ausland 
gewesen  zu  sein,  galt  für  fiist  jeden  jungen  Mann  aus  besserer  Familie  für 
unentbehrlich,  wenn  er  nicht  als  ein  ungebildeter  Bauemii'^lpel  angesehen 
werden  wollte.  Bat  aber  ein  jungcT  Mann  seUicu  Vater  um  die  Mittel 
xum  Reisen  {/ararevrit),  sd  best;uiden  diese  fast  immer  in  einigen  isländi- 
schen Waren,  meist  Fries  \ra<tmtil)  u.  dgl.,  und  er  musste  dann  als  Han- 
delnder reisen,  gleichviel  oh  er  nun,  wenn  er  einmal  ins  Ausland  gekommen 
war,  seine  Kaufmannsfahrt  fortsetzte  oder  einen  andern  Lebensweg  einschlug, 
X.  B.  bei  einem  <tt.ler  dem  andern  Fürsten  Dienste  natim,  Hofdichtcr  wurde 
IL  a.  w.  Selbst  Personen  geistlidien  Standes  ma-vstcn,  wenn  sie  ausländi- 
sche Reisen  unternahmen,  als  Handeltreiberide  reisen.  Aber  eine  scharfe 
Greiuce  zwischen  diesen  tVlegiMihcriLskaufleuten  und  <iejicn  zu  ziehen,  denen 
der  Handel  als  Nahrungserwerb  dienle,  ist  natürlich  nicht  möglicli.  —  In 
den  Sagas  findet  sich  recht  vollständige  Auskunft  über  die  Art  mid  Weise, 
in  welcher  der  Handel  auf  Island  vnr  sich  ging.  Wenn  ein  Schiff  in  den 
Hafen  gekommen  war,  so  Hess  der  Sei liffsf uhrer  entweder  eine  Lantlungs- 
brücke  \iiryggju)  aj»  das  Land  werfen  und  .sem  Schiff  vertäuen,  oder  er  liess 
das  Schiff  sellist  auf  das  Land  ziehen,  nachdem  die  Waren  ausgeladen 
waren.  Dann  wurden  am  Hafcnurt  sogleich  Buden  {biiä)  oder  Zelte  {(/aM) 
aufgeschlagen,  zu  welchen  man  die  Waren  brachte,  und  dann  begann  die 
Handelszusaiamenkunft  oder  4.1er  Markt.  Sogar  von  weither  strömten  die 
L<eutc  zum  Markte  und  führten  die  erstandenen  Waren  entweder  auf  Henfe- 
rOcken  oder  in  Booten  mit  .^tth  nacli  Hause.  Die  ersten,  die  den  Markt  be- 
suchten, waren  in  der  Regel  die  Goden  oder  Häuptlinge  der  G^end,  welche 
bestimmten,  zu  welchem  Preise  die  Waren  verkauft  werden  sollten,  und  für 
sich  selbst  auswählten,  was  sie  davon  haben  wollten.    Da  luan  in  der  Regel 


jeden  Snraiuer  nur  eine  Reise  Ober  das  Meer  marhte,  sf>dass  man  tlen 
einen  Sommer  nach  Island  und  den  nächsten  zurück  Tulir,  nalimen  die 
Kjiufleutf,  sofern  sie  Fremde  waren,  nacli  Beendigung  des  Marktes  Winter- 
aufenthatt  bei  einem  f>der  mehreren  Haviem  der  Gegend,  der  Schiffsfflhrer 
gewölirilitli  bei  diesem  i<der  jenem  Häuptling  und  die  übrigen  bei  anderen 
Bauern.  Im  T^ufe  des  Winters  verkauften  sie  oft  den  Rest  ilirer  Waren  und 
im  Frühjahr  ritten  sie  umher,  um  hei  denen,  die  Waren  auf  Kredit  entnom- 
men halten.  Uir  Guthaben  cinzufürdeni.  Die  vom  Auslände  nach  Island  ein- 
geführten Waren  wan^  haupKlrhlich:  Bauhölzer,  Mehl,  Stoffe  und  Leinen- 
zeugc,  verarbeitetes  und  unverarbeitetes  Eisen  und  Kupfer,  Waffen,  Thccr, 
Wein.  Hier,  Warhs,  Rflurheru-erk,  Honig  ii.  dgl.  Die  Miichiigsten  Ausfuhr- 
artikel waren :  Wolle  und  WoUenzeuge  [vaämäi),  Scliaf-  und  LamuifeUe, 
Fleisch  und  Ta!g,  Hliutc  und  Pelzwerk  (Fuchs-  und  Katzenfelle),  ferner  Käse, 
Butter,  Thran,  Fische,  Falben  und  Schwefel. 

§  49.  Schiffe.  Da  Handel  und  Vikingsfalirt  im  älteren  Teile  der 
Sagazeit,  wie  itben  ervvJihnt,  so  eng  mit  einander  verbunden  waren,  ki>nnten 
die  allermeisten  Schiffe  als  Handctsschiffe  benutzt  werden,  obgleich  nur  eine 
gettisse  Klasse  derselbwi  besonders  für  diesen  Zweck  eingerichlct  war.  Um 
sich  ein  cinigermassen  abgerundetes  Bild  von  den  Handelsschiffen  der  Nord- 
länder entwerfen  zu  können,  ist  es  also  nütwend^,  eine  kurzgcfasstc  Schil- 
derung aller  der  verschiedenen  Arten  von  Schiffen,  die  Oberhaupt  in  dieser 
Periude  benutzt  wurden ,  zu  geben ,  nicht  nur  von  den  Schiffen ,  die  aus- 
schliesslich dem  Hanilcl  (lieiilcn.  sondern  auch  von  Kriegsschiffen  und  kleinen 
Booten.  Über  die  versrhiedrnen  Srhiffsartpn  und  ihre  Einrichtung  finden 
sich  in  der  alten  Literatur  eine  Menge  Aufschlüsse,  woraus  man  sehen  kann, 
dass  die  Schiffsbaukunst  bei  den  Bewohnern  des  Nordens  schon  selir  früh 
eine  vcriialtnismas-sig  hohe  Entwickelung  erreicht  hatte.  Man  ist  indessen 
in  dieser  Hinsicht  nicht  ausschliesslich  auf  die  Auskunft  in  den  alten 
Schriften  angewiesen,  sondern  kann  mit  eigenen  Augen  sich  davon  Ober- 
zeugen, indem  man  einige  Fahrzeuge  betrachtet,  die  gefunden  mid  aus  der 
Erde  gegraben  sind,  sowohl  aus  vurgcschichtlicher  wie  aus  der  Vikingerzeit 
selbst.  Man  fand  nflmlirh  ausser  mehreren  kleinen  Booten  (bestindcrs  von 
ausgehöhlten  Baumsianiincn)  drei  einigerniassen  wohlerhaltenc  Schiffe  aus 
dem  Altertum,  ■L-ines  in  Nt»rd.schleswig  und  zwei  in  Norwegen.  Das  eretere 
ist  das  Nydams-Boot  (gefunden  18631,  f'"  ^.ehr  grosses  Ruderboot  mit 
14  Rudern  auf  jeder  Seite,  von  dem  man  annimmt,  dass  es  aas  dem  4.  Jahr- 
hundert stammt  (vergl.  §  4).  Das  zweite  ist  das  Schiff  von  Tune  (gefunden 
1867),  ein  klinkerweise  gebautes  Segchchiff.  das  auf  jeder  Seite  12  Ruder 
gehabt  haben  kann,  von  denen  sich  jedoch  keine  fanden.  Man  nimmt  an, 
dass  dieses  Schiff  aus  dem  9.  |ahrhundert  stammt.  Das  dritte  ist  das  Schiff 
von  Gukstad  (gefunden  1880),  ein  ziemlich  grosses,  auch  klinkerweise  ge- 
bautes Schiff  mit  H>  Ktidem  auf  jeder  Seite  und  ausserdem  mit  Mast  irad 
Segel  versehen.  Die  Länge  zwischen  den  Steven  betragt  au  der  Recting: 
72'/3  Fuss,  die  Breite  an  der  Reeling  ib','4  Fuss  und  die  Hrthe  von  d«- 
Unterseite  der  Kiciplanke  bis  zur  Reeling  in  der  Mitte  5V3  Fuss,  an  beiden 
Enden  aber  etwa  8'/«  Fuss.  Dieses  Schiff  stammt,  wie  man  vermutet,  aus 
dem  Schluss  des  Q.  Jahrliunderts.  Indem  man  diese  Schiffe  mit  den  Kr- 
Llutenmgen  vergleicht,  die  sich  in  der  alten  Literatur  finden,  kann  man  sich 
einen  zicmhch  deutlichen  Begriff  von  den  Schiffen  der  Nordländer  in  der 
Vikinger-  und  Sagazeit,  ihrer  Konstruktion  und  Bauart  machen. 

§  50.  Der  Schiffsbau  ging  gewühnlicli  unter  einem  Schuppen  {hrd/)  vor 
ndl.    Zuerst  wurde  der  Kiel  {k/flr)   auf  einen   Stapel   {baikasiokiar)  gesetzt 


und  alsilunii  ilic  Steven  und  Binnenhölzer  iinntlttir)  hiiizujiffOgi,  wcldic  aus 
SiKititfii  (r^'iig,  plur.  rai^r)  und  Knux-n  odor  Kmmnilir»l/,cni  {hit)  nelxsi 
Bandern  udcr  Balken  [biti)  bestunden,  die  quer  über  du-s  S«liiff  gingen. 
Von  iiiescn  ßandfin»  hatten  wcnigstwis  zwei  ihre  l»cKonderen  N:uiicn,  nüm- 
lieh  ein  Ilauplband  {h^/uitbiii\  glt-uli  \-\>x  dem  Mäst  und  durum  auch  Mast- 
hand {si^ihltiu)  genannt,  und  ein  SfhOpfband  itimirbiti)  aiiätheinenü  bei 
*lcin  liinlersten  Schüjifraum  Ig  53).  Die  Spanten  wtirden  aussen  demnathst 
tuit  Planken  {bord)  vcrkleiilel.  wekhc  -ah  gi'Iegt  uiirden,  da>$  jede  hoher 
liegende  Tlanke  ein  wenig  abtr  die  Kante  der  xuniUrhst  darunter  liegenden 
liinaus  ging  {s^fr).  Einzelne  PIiLnkenlagen  yumfar,  svja)  hatten  bes^jndere 
^7alnen.  S*i  hirss  die  ersiP  Bretterreihe  vom  Kiel  aus  Kiriplanke  {i/^borä, 
fy'f/s\ya),  die  /.weile  SthniulKplanke  {aurbonf),  die  fünfte  Rabcuplunkc  {itr/ni) 
u.  s.  w.  Die  ganze  Siluffsseite  wurde  in  zwei  Hanptleile  geteilt:  den  ge- 
wölbten Bug  \^tti/r),  dessen  einzelne  Teile  wieder  besondere  Namen  liatten 
{umiirfiüfr,  meginhii/r,  yfirhtifr,  niärurhü/r),  und  den  mehr  senkrecht  stehen- 
den Teil,  weither  I'lankenweg  {hontttfir)  tuWt  nur  Planke  [hor4\  genannt 
wurde.  DieReelIng  selbst  Ix-stand  aus  drei  Teilen:  der  auswv'cndigeii  Plankcn- 
bekleidung.  der  Reelings)>laiikL'  [bordslokkr,  htistokkr\  und  einer  unten  auf 
der  inwendigen  Seite  derselben  hefestiglen  Leiste  Krim),  die  mit  einer  Reihe 
Unglich  vieroekigei  Lüeher,  den  Mjgcnanntcn  •Klauben*  ykhfi,  [ilur.  klofar) 
versehen  war,  durch  welrhe  die  Zellschnflre  yingen,  wenn  das  Schiff  ein 
Zelt  erhielt  (§  3JV  Walirend  des  Seyclns  wiude  die  Reeüng  auf  grüsseren 
Schiffen  oft  mittelst  einiger  uIx-ti  darauf  aufgekanteter  Bretter  noch  hoher 
gemacht:  man  nannte  dieselben  teils  Sonnenbord  ysöHiord,  uUhyräi),  teils 
Sch;inxbord  ivfgiy,  hic  dienten  wahrscheinlich  wesentlich  dazu,  die  in  dem 
tiffencii  Lastraum  oft  sehr  huch  aufgestapelte  JUtdung  gegen  die  See  (vergl. 
norwegisch  »viirborii<'\  und  vielleicht  teils  dazu,  die  Mannschaft  gegen  die 
Sonne  zu  beschützen,  was  der  Name  Suiinenb«jrd  anzudeuten  scheint.  Zum 
DicJitmachen  zwtM-hen  tlen  cin/.elncn  Plankenlagen  benutzte  man  Kuhhaar, 
iuifgezupftes  Tauwerk  oder  dgl,  {iiä\  zuweilen  zu  einem  Faden  {si{d'^räär) 
zusanunengcdrcht.  Die  Planken  wurden  miteinander  mittelst  lündurdi- 
gclicnder  ei-senier  N.lgel  (skipsaitmr)  vcrbuncien,  die  auswendig  einen  runden 
Kopf  und  inwendig  eine  vieret.kige  Platte  t/tO  hatten,  die  fc.stgenietcl  wurde 
{huttäMumr).  Mit  Ausnalmie  einzelner  kleinerer  Boote  waren  alle  Fahr- 
zeuge an  beiden  Kn»Ien  mehr  oder  weniger  spitz,  sowohl  der  Vordersteven 
{/ntmiUt/ii).  v\ie  der  Hintersleveu  {sknlslü/'u.  skuir).  Der  oberste  freistehende 
Teil  der  Steven  vmr  ziemlich  h<Kh  und  endete  gleichsam  in  einer  Art  von 
^il/c,  welche  Brand  {hratidr)  genannt  wurde,  wahrend  der  unterste  TcU, 
von  aussen  ge-sehen,  Nacken  {svln)  hJcss.  Den  scliarfen  hervorstehenden 
Rand  unlerhidb  des  Narkens  zwischen  den  Bugen  dw;  Schiffes  {kiunungr, 
ki^r)  naruitc  man  Barte  ibarä);  sie  bildete  eine  Fortsetzung  des  Kieles  und 
vereinigte  sich  mit  diesem  in  einem  krummen  ZwiM-hen&lück  \s(äf).  Die 
Barte  war  auf  einzelnen  Kriegsschiffen  mit  eisernen  Platten  ijtinup^u<;)  be- 
kleidet und  nn't  eisernen  .Siachcln  {skrj^)  veistheii,  die  man  gehrauclil  zu 
haben  scheint,  um  andere  Schiffe  damit  in  den  Grund  zu  bnhren.  Alle 
Falirzeuge  waren  entweder  lallsiandig  udcr  teilweise  offen.  In  den  Booten 
waren  zwischen  den  Spanten  nur  Dielen  oder  lose  BretterstOcke  {fii/fa)  an- 
gebracht, um  darauf  zu  gehen,  fn  grAsscrcn  Schiffen  hatte  man  dagegen 
eine  An  Verdeck  {pilfai\  pUjur),  ein  Halbdcck,  Hrhöhung  {(yptin^)  genannt, 
im  Hinlerslcven  und  ein  anderes,  Vorsteveudcck  {sia/nlok,  pi/jur  Jrammi)  im 
Vordersteven,  bei  dem  an  der  Recling  auf  beiden  Seiten  ein  sclmiales  Säteu- 
deck  {sesspHj'ur)  entlang  lief,  auf  dem  die  Ruderbänke  standen  (§  51).    Der 

GeraulnKc^e  P)iiIaloK<e  III.    2.  Aufl.  30 


466 


XIL  Sitte,    i.  SKANnmAvrscHE  VERiiXi-TKrssE. 


eigentliche  I^Htrauin  in  dtT  Mitte  war  dagegen  uffcn.  weslialh  die  Ijtdung 
{btifki,  huiiki)  wahrend  der  Knlirt  srirgfaltig  mit  Ilflutcn  bedeckt  «erden 
inussle.  die  darüUei  fcslgcsdinürt  wurden  Kfunda  bülka)- 

§  51.  Alle  livsen  Gegen -tt^inde,  die  mit  zu  der  Ausrüstung  eines  Schiffes 
gehönirn,  führten  den  Namen  sktpteiiti..  der  jedoch  bew."nders  für  die  Take- 
lage gehraurht  wurde  {rei/tfireiiti).  Hierzu  gehörten  audi  die  Ruder,  das 
Sleuemider,  der  Mast,  die  Taue  11.  s.  w.  Die  Kuder  \<ir\  l«ewej;ten  sich  auf 
kleineren  FaUrzcupL-n  in  einem  Rudcr^lrick  ifinmh,  fipfiluband),  der  an  einen 
Ruderklotz  [Hieifir,  hijr)  oder  ein  aufrediLitehendes  Knimmholz  befestigt  war, 
das  einen  Teil  eine*  nbeihalh  der  Reeling  ansehrachlen  PliiTikejistückes  oder 
Riiderbreites ,  »Rudcrwagcn-  (htirnd)  genannt,  ausmachte,  welcher  Name 
jedoch  besonders  fiir  den  von  dein  kmmmen  Ruderklolz  und  dem  Ruder- 
brett gebildeten  Winkel  gebraucht  wurde,  in  welchem  das  Ruder  sicli  w^ihrend 
des  Rudcms  bewegte.  Für  jedes  ['aar  Ruder  war  eine  Rudeibank  {popta) 
Vorhanden,  die,  faDs  sie  nicht  mit  den  Qucrbandcm  l§  50)  m'^ammenfiel, 
aus  losen  Breitem  bestand,  die  quer  Aber  das  Hiiot  gingen.  Auf  grösseren 
Schiffen  bewegten  sich  die  Ruder  dagegen  in  Ruderlöclu-ni  {hMom)  in  den 
Seiten  des  Schiffes,  durch  welche  cUis  Ruder  hinausgesteckt  wurde.  Auf  dem 
Schiffe  von  Gokslad  finden  sich  diese  Rudertöchcr  in  der  dritten  PUmke 
oder  Verklcidui^reihe  voa  oben  mitten  zwischen  jedem  Paar  Kniee  in 
gegenseitigen  Absirinden  von  3  Fuss  und  i','*  Fiiss  über  dem  Deck.  Damit 
die  Rudcrlilatter  liinausgesteckt  werden  kftiuiEcn,  ohne  dass  die  Löcher  allzu 
gross  wtirden,  war  in  der  hinteren  Hälfte  der  Peripherie  jedes  Loches  in 
schräger  Richtung  von  dem  tiurizoncalen  Durchmesser  aus  ein  kleiner  S|>alt 
ausgeschnitten,  und  wenn  die  Ruder  herein  genommen  waren,  wurden  die 
Lßchev  mit  Schiebekl.ippen,  die  innenbords  angebracht  waren,  geschlossen. 
Auf  solchen  Schiffen  benutzte  man  niclit,  wie  in  den  Booten,  Ruderbünke. 
die  quer  über  sie  hinweg  gingen,  sondeni  kürzere  Rudersitze  {s^ss),  die  auf 
den  Seitendecken  (§  50)  jeder  Reeling  eniUuig  eine  Reihe  bildeten,  so  dass 
ein  Paar  von  ihnen  in  jedem  Raum  oder  eines  in  jedem  Halbraum  (§  53) 
angebracht  war,  Das  Steuerruder  (f/j'-n,  st/örri)  bestand  aus  einer  Planke  in 
Gestall  eines  breiten  Ruders  mit  einem  breiten  Blatt  unten  (stfömarbfaä)  und 
oben  mit  einem  Knopf  {tlvnsknnppr)  versehen,  unter  dem  Mch  eine  vier- 
eckige Öffnung  durch  den  Ruderhals  {hjitimumahrhald)  befand,  wo  liinein 
die  Ruderpinne  [hjalmimv^lr,  si/örnj'^ir,  srvi/)  gesteckt  wurde.  Mitten  am 
Steuerruder  war  ausserdem  ein  rundes  Loch,  durch  da.i  ein  Tau  {st/iinwiä) 
ging,  mit  dessen  Hülfe  das  Slcucniidci  an  die  Schiffsscite  befestigt  wurde, 
wahrend  der  Ruderhals  vnn  einer  Schlinge  oder  einem  Kuderband  [styri- 
/tam/n)  umschlossen  war.  Das  Steuer  war  auf  der  rechten  Seite  des  Hinter- 
stevens angchnicht,  weslialh  diese  Seite  Steueri>onl  [sfpinihofdi)  genannt 
wurde,  wahrend  die  vom  Steuennann  links  befindiiclte  Seile  Backbord  {bak- 
hordi)  genannt  wurde.  Der  Mast  [sinfa,  siglutr/)  wurde  In  eine  Öffnung  in 
einem  schweren  Block  {stalfi)  gcbctzt,  der  seineu  Platz  Über  den  mittelsten 
Spanten  mitten  im  Schiffe  hatte;  diese  Offimng  erstreckte  sich  mit  der- 
selben Breite  ein  Stück  nach  hinten,  um  das  Aufrichten  und  Niederlegen 
des  Mastes  zu  erlcichtcni.  Wenn  der  Miist  aufgerichtet  war.  wurde  er  mit 
verschiedenen  Tauen  gestützt,  von  denen  eines  f,stog)  nach  dem  Vordersteven 
und  mehrere  {k^/ndixndhr,  Sing,  -bcnda)  nach  jeder  Seite  gingt;n.  Diese  Taue 
wurden  um  die  Mastspitze  {Aürtn]  befestigt:  dicht  unter  der  Stelle,  wo  sie 
Äusamraen trafen,  war  im  Mast  ci:i  Loch  {fiiinhora),  durch  welches  das  His.s- 
tau  {dragreip)  für  die  Raa  ging.  Die  Raa  {rd)  wurde  durch  einen  Reif 
{niki)  am  Mast  festgehalten,  mit  dessen  Hülfe  es  auf  und  nieder  geschoben 


SCHIS^FS. 


P 


werden  konnte.  An  jedem  Ende  der  Ksa  wur  ein  Bmsstau  {ni/itumr)  angebracht, 
um  ihi  eine  sotclic  Slclluiig  zu  geben,  wit-  der  Wind  sie  rrfordcrtc.  Wollte 
man  kreuzen  {btiiä),  so  wurde  das  Segel  mit  einem  Rundhol/  {/ki/wss)  aus- 
gespannt. Das  Segel  [srg/)  war  meist  vi.n  Fries  (iw'rf).  zuweilen  aber  gewiss 
von  Segeltuch.  Sollte  es  rcrht  fein  sein,  so  war  es  —  niaiirbmal  selbst  auf 
Handelsschiffen  —  rot,  blau  cxler  grftn  gestreift  {tlafal  venäi).  ja,  zuweilen 
mit  schönen  Bildem  gestickt  {seit  sJtn'pf).  Der  Rand  des  Segels  {Ui)  vi-urde 
durch  ein  angenähtes  Seil  (/iisimu)  verstärkt.  Sowohl  an  die  RJinder  des  Segels 
wie  au  seine  unteren  Ecken  {skaul,  häis\,  von  denen  dies  Schultau  [skitu/reip) 
ausging,  waren  Ringe  {k/ö)  befestigt,  und  ausserdem  war  die  Segelfläche  selbst 
mit  einer  grossen  Anzahl  von  Stricken  {fiatiki)  VL-rsehen.  welche  quer  über 
das  Segel  Reihen  bildeten,  wodurch  die-ses  in  mehrere  Felder  {ri/)  von  einer 
bestimmten  Breite  geteilt  wurde.  Durch  diese  Ringe  und  Stricke  gingen  ver- 
schiedene Taue  {si'iptingr,  hefilt),  mit  deren  Hülfe  das  Segel  gerefft  *-urde 
{svifila,  hfßa),  was  teils  su  geschah,  dass  man  eines  oder  mehrere  der 
untersten  Felder  des  Segels  loslie^s  {si-ip/a  of  n'/i,  hälsan,  hälsasliurär),  so 
da.«  die  Flache,  die  dem  Winde  Widerstand  leistete,  kleiner  Miirde,  teils 
indem  man  eines  oder  mehrere  der  obersten  Felder  des  Segels  oben  unter 
der  Raa  zus;imnicnxog  {hefian,  heftaskurär).  Auf  diese  telztcrc  Weise  wurde 
das  Segel  gewöhnlich  eingenommen,  wenn  die  Fahrt  entweder  plötJ.licli  ge- 
hemmt werden  sollte  oder  das  Schiff  in  emen  Hafen  lief:  das  Segel  legte 
sich  dann  unter  der  Raa  in  schwere  Falten  zusammen,  wodurch  so  grosse 
Säcke  entstanden,  dass  ein  Mann  sich  gut  darin  verbergen  konnte.  Ausser 
den  genannten  Tauen,  die  in  den  meisten  Fällen  aus  starken  Lederstricken 
(«■pfiÄ;  svatäieip)  bestanden,  musste  jed<-s  Schiff  sowohl  mit  einem  Ankertau 
(aiitrjs/fs/r)  als  mit  einem  Lundlau  {lamifexh)  versehen  sein.  Auf  kleineren 
Fahrzeugen  hatte  man,  um  sie  am  Cirundc  zu  befestigen,  meist  nur  einen 
Stein  {stjön),  oft  einen  auf  jeder  Seite  {Üar),  wahrend  dagegen  grössere 
Schiffe  einen  eisenien  Anker  (tiHen)  hatten,  mit  welchem,  jedenfalls  in 
späterer  Zeit,  eine  Winde  [vindass]  in  Verbindung  stand.  Zu  allen  grösseren 
Schiffen  gehörten  ein  oder  zwei  Boote  iskipshätr),  ein  grösseres  Boot  und 
eine  Jolle,  die  teils  hinter  dem  Schiffe  herguscliteppt  \tptirhätr\  teils  herein- 
genommen und  auf  den  Ijidungsstajiel  hinter  de-m  Mast  ge-setzt  mirdcn. 

S  52.  Das  Ausst:höpfen  des  eindringenden  Wassers  geschah  auf  Booten 
mit  Hülfe  kleiner  Schöjifgefasse  {amk<r,  amtrker\  aus  dem  sogenannten  Sclu'ipf- 
raum  (§  53).  Auf  grösseren  Schiffen  liatte  man  zwei  Schöpfräume.  den 
einen  nach  vorn  und  den  anderen  nach  hinten  hinaus  und  das  Ausschupfen 
ging  hier  ursprünglich  mit  HCälfe  vfm  Bütten  {bvttnaustr)  »xler  Kübeln  islamp' 
ausir)  vor  sich,  wobei  ein  Mann  unten  im  B'^en  des  Schiffes  stand  und 
die  Bütte  füllte,  worauf  er  sie  ehiem  andern  oben  au/  dem  Scitendeck  (§  50) 
stehenden  zureichte,  der  die  Bütte  in  Kmpfang  nahm  und  sie  Über  die 
Reeling  hinweg  entleerte-  Spater  geschah  das  AussiliApfcn  mittelst  einer 
Pumpe  (<//rf//<dM//-),  doch  scheint  diese  erst  um  i  roo  ixler  im  12.  Jahrlmndert 
in  Gebrauch  gekommen  zu  sein.  Wenn  das  Schiff  im  Hafen  lag.  wurde  es 
mit  Decken  oder  Zeltvoi  hangen  itj^ld.  Sing.  tjtttd\  überdacht,  die  von  einem 
Paar  Zellstützen  {tjaldstudiU ,  t/aldstod)  und  einem  auf  diesen  ruhenden  hori- 
zontalen Balken  (l/d/diiss)  getr;igen  wurden.  Der  Ranil  des  Zeltes  ging  ge- 
wiss über  die  Reeling  hinaus  auf  seiner  unteren  Seite  aber,  ein  Stück  ober- 
halb de»  Randes,  n-aren  Schnüre  angebracht,  deren  Enden  in  den  KJaubcn- 
Offnungen  der  an  die  Reelingsijkmke  befestigten  I-eiste  (§  50)  festgemacht 
waren,  entweder  allein  oder  mittelst  einiger  spindclahnlicher  Holzslücke,  die, 
ebenso  nie  die  Offnungen,  an  dem  Schiffe  von  Gokstad  zu  sehen  sind.    War 


468 


XII.  Sitte,    i.  Skasdixavische  Verhältnisse. 


es  dunkel,  s«^i  «Tirtie  unter  tlem  Zelte  IJcht  angezündet  Im  Herljst  ivunlen 
die  Schiffe  auf  das  LunU  gezogen  [setja  skip  »pp,  uida  siipi  iÜ  Muitns)  uud 
«e  blieben  tlanii  den  Winter  Über  in  cinera  Schiffsschuppen  {namt,  kräj) 
stehen,  wo  gej^en  ihre  Seiten  eine  gewisse  .Anreiht  Stützen  {skoräa)  gesetzt 
wurden,  damit  sie  gt:radt;  standen.  Damit  das  Sehiff  leiditer  gleiten  konnte. 
wurden  Rollen  {hlunni)  tnitcr  rieii  Kiel  gi-lcgt,  der  in  der  Regel  auch  mit 
einer  schützenden  Unterlage  oder  Bekleidung  {'fmx)  verichen  war.  Sollte 
ein  Schiff  entweder  auf  das  Land  gezugen  oder  in  die  See  geschoben  {sefja 
skip  fram)  werden,  sn  hatte  der  Schiffsfl^hrer  das  Recht,  von  den  nSchst- 
wohnenden  Bauern  zu  verlangen,  dass  sie  und  Ihre  Leute  beim  Ziehen  des 
Scliiffes  {siijis'lmitr)  halfen;  sie  waren  dann  veqiflkhtet,  si<_h  einzufinden, 
und  verfielen  in  grössere  Geldstrafen,  wenn  sie  e*  unlerliuvscn,  einer  diescr- 
ha]b  an  sie  gericliteten  Auffordcning  natlizukomnien. 

S  53-  Alle  Sehiffe  wurden  in  mehr  iKler  weniger  zahJreifhc  Räume  (mm) 
geteilt,  deren  Anzahl  sich  nach  der  iJlnge  des  Schiffes  richtete.  Hoote  und 
kleinere  Fahrzeuge  sclieint  man  nur  in  4  Räume  eingeleill  zu  haben.  nSnilich 
den  Vorsteven  [sta/n],  auch  Hals  (fiMs,  harki)  genannt,  den  Vorraum 
{/yn'rnim)  zwischen  dem  Hals  und  dem  Hauptband  (§  50),  den  Scliupframa 
{ftnsinüm)  zwischen  dem  HauptbaJid  und  dem  Scht^pfbimd  (S  50)  und  end- 
lich den  Hiniersteven  ysititr)  hinter  dem  Sciiöpfbande.  Gr^isscre  Schiffe,  die 
ein  Verdeck  und  darauf  Ruderbänke  hatten  (§  50)  und  wo  <lic  Rmier  sich 
in  RuderiiVhem  durch  die  Scliiffsseiten  bewegten  (§  51),  teilte  man  dagegen 
in  eine  Menj-e  R^ume  ein.  Am  weitesten  nach  vom  im  Vurdersleven  hatte 
man  einen  Scevtnraum  {slafnrüm) ,  demnächst  einen  Schwertraum  (fÄr)  imd 
den  vurdersteii  Voirraum  K/rrmra  fyrirnim\  der  zugleich  Erhebung  (ramn)  ge- 
nannt wurde,  weil  sich  hier  die  Recling  über  ihre  HOhe  im  Miltelschi/f  erhob. 
Gleich  hinter  der  Erhebung  kam  der  vorderste  Scliopfraum  (/nrwm  ««j/m^w), 
von  da  an  scheinen  al)cr  die  RJlume  nach  ilirer  Nunimerordnung  ben;innt 
worden  zu  sein  bis  zum  Ha  upiband  s  räum  {h^fudhitarüm)  dicht  vor  dein  MasL 
Gleich  liinter  dem  Mast  halte  man  einen  Klaubenraum  {klo/artim\  der  zu- 
sammen mit  dem  Hauptbandsrnum  den  sogenannten  Mastplatz  [iigiMkeiä) 
bildete.  Hinter  dum  Klaubenraum  sclieiuen  die  Rüume  wieder  von  ihrer 
Nunimerordnung  die  Namen  geführt  zu  haben  bis  zum  hintersten  Schöpf- 
raum  {eplra  tna/mim).  Von  dt-n  Namen  der  Räume,  die  nadi  ilireu  Num- 
mern benannt  waren,  kommt  in  der  Literatur  nur  einer  vor,  nämlich  ein 
dritter  Raum  K^nit/tiniin).  Hinler  dem  hintersten  Schüpfraum  kam  der  hin- 
terste Vorraum  {,fpira  /inn/it/f),  dann  der  Engenrauiu  (happ,iriim\  der  dem 
Schwertraum  vom  cnt^p^a^h,  und  endlich  im  Hintiirstcven  selb-st  die  Decks- 
erhöhung {hpltng).  Bei  dem  'jffeneii  Laätmuni  in  der  Mitte  {§  .V>)  wurde 
jeder  Raum  in  zwei  Halbräume  ihäi/t-iim,  hälfrimi)  geteilt,  einer  auf  jeder 
Seile  der  zwei  Seitendecke  [sesspilfiir)  und  in  jedem  Halbraum  befand  sich 
eine  Ruderbank  isfss),  von  der  ein  Ruder  ausging. 

§  54.  Mehrere  der  grösseren  Schiffe,  bcsundeni  die  Kriegsschiffe,  waren 
oft  auf  verschiedene  .\rten  geschmückt.  Willirend  die  meisten  Schiffe  nur 
gethceri  waren  {tjargat,  bratt),  waren  einige  Ober  der  Wasserlinie  mit  ver- 
schiedenen FarVwn  bemalt  {sieiNi  fyrir  o/an  s/d).  Der  Vordersteven  war  oft 
mit  einem  i^er  mehreren  geschnitzten  Köpfen  {h^fHä)  geschmückt,  entweder 
in  Gestalt  emes  Menschenliauptes  [karth^di,  konungsh^fmi  u.  s.  w,)  o<Jer  eines 
Tier-  mler  Vi>gelkopfcs,  z.  B.  eines  Stlerkopfcs  (^»W/g/"«.^),  eines  Biä4inkopfcs 
{visutuiiirh^/uä),  eines  Geiers  (gammr),  eines  Kranichs  (/nana),  eines  Drachen- 
kopfes {t/reia/is/'fi'f)  ixler  dergleichen,  und  der  Hinlersteven  war  dann  auf 
den   Drachenschiffen  mil  einem  Sciiwanz  {sporär,  ftrokr)   veniehcn,   der   den 


Schiffe. 


469 


I 


S<^i«'anx  des  Drwhcrw  vtustdlen  sollte.  S<iwohI  die  Kßpfe  wie  die  BrÄnde 
<5  50)  und  die  Nacken  {si-fn'\  waren  oft  stark  vergoldet,  uie  aiicli  der  Vor- 
steven von  aussen  oft  mit  prtlchtig  ausgest-hnittciicn.  teils  bcmaltcu,  teils 
vergoldeten  i'htten  {emmpirnir,  enuilingl,  tht°l\  ait*gelrgi  war.  Ferner  war 
am  Vorder>loven  in  der  Regel  eint-  FuliiiCiustaiige  {ßaug.  inotni)  mit  zujtc- 
hflriger  Wetterfahne  {ttitn'iit.  /huganlegg)  angebracht,  die  nidit  selten  ver- 
goldet war.  Der  Reeling  des  Schiffes  entlang  war  oft  eine  Reilie  \'ersrhieden 
gefärbter  Schikie  angcbradit  hkarat  skj^ldiim). 

g  .S5-  fthgleich  da.s  WVirl  "■Schiff-  fftr  alle  Fahrrcvigr  {Jttr,  fartostr)  ohne 
Rodcsiclit  auf  ilire  Furni  oder  Griüsse  gebraucht  werden  konnte,  wurde  es 
<|och  gewöhnlich  in  engererr  Sinne  nur  für  grflsjiere  Schiffe  angewendet.  Im 
allgemeinen  teilte  man  dalier  alle  Schiffe  nach  ihrer  GriWse  in  drei  Klassen ; 
nämlich  Boote  {bätr),  kleinere  Fahrzeuge  {.btitsüp,  sm<hkif>)  und  Schiffe  {stip, 
stäntip).  Die  letztere  Klasse  wurde  wieder  nach  der  Seetflchtigkeit  der 
Schiffe  in  KlMcnfalirzcuge  und  Secsi-hiffe  \hafskip.  kaffnnmda  skip)  eingeteilt 
wid  ausserdfm  nach  ihrer  Anwendung  in  Kriegsschiffe  ihenkip)  und  Handels- 
schiffe {katipsiip').  obgleich  eine  scharfe  Trennung  zwischen  diesen  sich  nicht 
durchführen  lüsst,  indem  alle  Handelsschiffe  und  die  meisten  Schiffe  über- 
haupt zugleich  als  Kriegswlnffe  benui/i  werden  konnten.  Jwle  dieser  KbL»«en 
konnte  wieilcr  in  verschiedene  l'nU-iaUcrlungen  elngrtcilt  werden,  teils  nach 
der  Gn'fsseund  Verwendung  tter  Schiffe,  teils  nach  ihrer  Fi.>m!,  Aus*climOckung 
und  übrigen  Bescliaffenheit.  Botitc  und  kleinere  Falirzeuge  konnten  so  nach 
ihrer  Orflsse  \*erschiedene  Namen  ffihrcn,  welche  die  Zahl  der  Ruder  angaben, 
z.  B.  ein  Viermderer  [htiir /errftifr),  ein  Sechsruderer  {sextriingr).  ein  Achtruderer 
{dUtningr),  cm  Zchnrudercr  [/fit/trrif/gi-).  ein  Zwr-Krudercr  {/ö//tfntigr)  u.  s.  w„ 
mit  beziehungsweise  4,  6,  8.  10  und  12  Rüdem.  In  Bezug  auf  grössere 
Schiffe  wurde  die  Grösse  dadurch  bezeichnet,  dass  die  Namen  angaben, 
wie  ^Hcle  Ruderbflukc  sich  auf  jeder  Seite  des  Schiffes  befanden,  z.  B,  ein 
dreizehn  bankiges  { pr/ftänsesio),  ein  fOnfzehnbanklges  {/im/dnsfssa),  ein  zwanzig- 
bSnkiges  (tviiMgsesM) .  ein  dreissigbänkiges  Schiff  { finfugsessti)  u.  s.  w,,  mit 
bczie hu ngs weise  ij.  15.  20  und  30  Ruderbänken  auf  jedem  Seitendeck  tider 
2h,  30,  40  und  tio  Rudern.  Die  (Jn'V'i'fe  der  Schiffe  konnte  auch  nach  der 
Anzahl  vim  R;iutnen  (ft  $^).  die  sie  liattcn,  angcgel>en  wenien,  z.  B.  mit  25, 
30  u.  «.  w.  {hdlfpriiitgr^  prltugr  u.  s.  w.  ai  nintatn/i),  was  im  Grunde  da.'«sclbe 
bezeichnete,  indem  die  Zahl  der  Räume  immer  dieselbe  war  wie  die  der 
Ruderbänke  einer  einzelnen  Seite. 

§  50.  Die  BfHiie  (Arf//)  konnten  nach  ihrer  Form  imd  Obrigen  Beschaffen- 
heil in  verschiedene  Klassen  geteilt  werden.  Zu  den  allercinfai  hsien  gehörte 
der  Kajak  »der  das  Frlllxvot  (hüäktipr,  keipuil),  da>*  jedoch  mir  in  Grönland 
und  Vinland  als  Fahrzeug  der  Urbewohner  erwähnt  wird,  und  das  Kanoe 
{eikjtt),  was  utsprünglicli  einen  ausgehfihUen  Eichenstamm  bezeichnete,  der 
als  Biini  beituizl  wurde.  spJlter  aber  für  jedes  einfache  Boot  ohne  Kiel 
{tiäjuiarfi)  gcbmucht  wurde.  Von  ilhnlirber  Beschaffenheit  war  der  Prahm 
ipr4mr\,  ein  Bi>oi  mit  flachejn  Boden  und  gerade  abgi^chniiienem  Hinter- 
ende. Dagegen  scheint  die  Jolle  {kirnn)  und  das  FalirlKxit  Kferja,  /etjtutüir) 
eine  gcwöhnli<he  Schiffsfonn  mit  Kiel  unti  spitzen  Steven  gehabt  ku  lial>en. 
Diese  Botite  wurden  besonders  auf  Flössen  und  Binnenseen  gebraucht.  Nach 
ihrer  Anwendung  teilte  man  die  Bix>te  in  Fischcrboctc  {JisJtitä/r).  Soehuiid»- 
boote  (selahtUr)  u.  s.  w. 

$  57.  Zu  den  kleineren  Fahrzeugen  (häffkip)  gclif^rle  das  Fährschiff 
{^fttjmkip.  ftrja)  umi  die  Schute  \imdshila,  tiüta).  die  von  brichst  ver^chje- 
4Scner  Grösse  sei]»  konnten;  meist  waren  es  grössere  Boote,  dixh  konnten  es 


470 


XII.  SiTT£.    1.  Skandinavische  VerbAltnissb. 


auch  Seesdiilfe  (§  55)  mit  15  Ruderbänken  od^^  jo  Riidem  und  darüber 
sein.  Wenn  diese  Namen  grössere  Buolc  bezdthncien,  konnten  diese  Falir- 
zeugi"  teils  aUÄSt^hliesslicli  Ruderboote  {riärarftrja,  röärarsküta),  teils  auch  mit 
Mast  und  Segel  versehen  sein.  Sie  w-urden  besonders  beim  Häringsfang 
verwendet  {siidferjo,  hf^ianküfa),  aber  auch  im  Kriegsdienst  (§  581  und  die 
grüsseren  wigar  al-t  H^nciclssrhiffc  (iä  59).  Diese  Fahrzeuge  konnten  oft  von 
sclir  einfacher  K<in>lrukiii>n  sein.  So  werden  in  Nifi'we3;en  im  Jahre  115S 
einige  S«:huten  mit  24  Rudcm  crwähnl  (die  allerUings  vchi  den  Lappländern 
gebaut  waren,  doch  von  vornehmen  Noniegem  benutzt  wurden),  welche  ganz 
ohne  Niet  [lanmr)  und  deren  Bretter  nur  mit  Ticrschnen  zusanuncngcbundcn 
waren,  wahrend  man  stall  der  \\a\mrr\v\\  Kniec  Weid<.'nruten  (i'/J/ar)  ver- 
wendet Imtte.  Ein  <1hnli<  lie-s  Faiirzcug.  mit  h<'Jlzomen  Stiftni  {Ire'sanmr)  zu- 
sammengenagelt und  mit  Tiersehnen  gebunden,  ä.^11  im  Jalire  ii8<)  mit  einer 
Besatzung  von  13  Mann  von  Gröuland  nach  Isliuid  gekonunen  sein.  Zu 
den  kleineren  Fahrzeugen  muss  man  auch  den  Naihen  {n^kvi)  rechnen, 
weltlicr  Name  in  der  allen  Literatur  uusscliIieNsliih  für  mvtische  SLhi/fe, 
besonders  Riescnsrhiffe  vi>ri  versdiietk-ner  Beschaff  et  ihdl  {sieiiin^ih'i.  jäni- 
ti^hn)  gebraucht  wird.  Zuweilen  findet  siih  jedorh  dieser  Name  auch  für 
sehr  grnsse  Sehifrc  angewendet,  /..  B.  fiVr  Baldni  Schliff  Hriiighonü,  da^  als 
ein  imgeheiier  gro.%ses  Schiff  ge.srliildert  wird. 

Ji  58.  Die  Knc;;sschiffe  {herskip),  die  wwohl  gross  als  klein  iein  konnten» 
hatten  viele  Name»  nacli  ihrer  Fitrm,  Ausschmttckung  und  übrigen  Bescliaffen- 
hi'it.  In  d(T  iiltc>trn  Zeit  braiuhie  man  .nn  int-isten  die  sngenannten  tisiar 
tSg.  asJtr)  und  die  fliiäar  (Sg.  eiiiiti),  aber  im  lo.  Jahrhundett  und  im  »pilteren 
Teil  der  Sagazeit  waren  die  I^ngschiffe  [ian^ip)  die  gewöhnlichsten.  Zu 
diesai  geli/irten  s-iwuhl  die  kleinen,  schncllsegelnden  Fahrtschiffe  {sie/d\  und 
die  Sclinabel-vthiffc  Ixnrkkjn),  aU  die  höheren  und  scliwercren  Drachenschiffc 
{lireki)  und  die  Bartenhchiffe  \l>orJi).  Mehrere  der  sh igenamilen  btiznr  (Sg. 
hUn  §  59)  waren  auch  Langschiffe  (hn^kijMfuhn),  und  das.sell«e  war  zuweilen 
der  Fall  mit  den  grösseren  Schulen  ($  57),  die  als  Kriegsschiffe  verwendet 
wurden,  von  denen  j<*<!iH-h  flie  kleineren  im  Kriegs<iicnst  meist  als  schnell- 
segehide  Laufsrhifre  {Mev/mtrihi.  Iifrrphkip,  Wuishita,  le'tthkip)  für  Spione  oder 
Sendboten  gebraucht  wurden.  Zu  den  Kriegsschiffen  xwusa  man  auch  am 
ehesten  die  knr/fir  (Sg.  kitiß)  zJlhlen,  denn  sie  finden  sich  manchmal  als  t^nd- 
vcrteidigungsschiffe  {iaiKivstninnkip)  erwähnt;  am  häufigsten  waren  diese  Schiffe 
jiKloch  eine  Art  1, 11  stf ahnt  enge  von  hr»ch.st  venjchiedeiiei  Grüs.se.  <he  gr.'issten  mit 
.lO  Rutlem  oder  15  RmlurbiLnken  auf  jeder  Seite.  Von  frenKJen  Krieg^^icliiffen 
werden  in  tien  alten  Schriften  ferner  Galeere  {jtfn/eiff)  und  Dmmund  yiirötnttndr) 
erwfihnt,  d.»ch  wurden  diese  Namen  nie  von  ni>rdischen  Schiffen  gebraucht. 

§  50.  Ais  Handels». liiffe  {kaitpxl-ip)  bramlite  inau  in  der  ältesten  Zeil  die 
sogenannten  kjäfar  (Sg.  tpUl),  aber  im  grössten  Teil  der  Sagazdl  waren  die 
kntrrir  (Sg.  kn^rr)  die  gewülmüchstcn,  von  denen  die  grössten  die  söge- 
nannten  Ost  fahrtschiffe  {aHsIrJaratkn^n;  iimfrfararskip\  waren,  mit  denen  ge- 
W'ilmlich  Hatult'lsreisen  nach  Russland  nnil  den  (_>stseeproviii/en  uiitennmunen 
wurden.  Neljcii  ttiescn  Schiffen  verwcndelc  man  zuweilen  auch  grosse  Si'hu- 
ten  und  Fährschiffe  (§57)  al.s  llandekscliiffe.  Im  s^>.'iteren  Teil  der  Sagazeit 
wurden  zu  längeren  Reisen  die  weit  breiteren  und  Jiöhercn  büzur  (Sg.  hu^t^ 
htizfiskip)  und  Koggen  {kngßr)  gehnnucht.  Zu  den  Handelsschiffen  gehörten 
auch  die  Tiansii-n'lschiffe  {f>yi(iitif;i),  (Wc  meist  zur  Frachthdirl  längs  der 
Küste  dienten.  Alle  Ilandel-vschiffe  konnten  im  N<itfall  als  Kriegsschiffftj 
vt'rw-endet  wenlen,  die  TnmsporLschiffe  jedoch  niclit  al^  Kanipfschiffe,  sondern 
nur  zimi  Tnuis]K)rt  von  Lebensuiilteln  u.  dgl.  {vis/aivnfiagr). 


Schiffe.    Gewicht  und  Mass. 


47» 


§  ta.  Die  Schiffsmnnnscliaft  {.■iii/>s/ip/»,  süfiarar)  bestand,  wenn  man  nur 
die  e^cntlichc  Schiff^bcsuuiuig  in  Bctnicht  zieht,  aiu  einem  Stliiffsführer 
{s/yrimatfr,  si/fis/jö/riarmnifr]  und  einer  pr<5sscrer»  oder  kleineren  Anzahl  \'on 
Rüderem  \/uise//\  l^'mhiitmifi)  und  nft  zugleich  aus  einem  K'X'h  ymahzn'nn, 
Hiat^ritarmatfrU  der  auf  HatuielsM'hifleu  jed.<K:h  erst  im  1 1.  Jahrhund(!rt  in 
Aufnahme  kam.  wiihrend  frtüier  die  Mannschaft  abwectiselml  die  ZutKrreitung 
der  Speisen  bcäur^c,  die  wegen  der  damu-U  unvollkumnteucn  Feuerstätten 
selten  an  Burd  vor  sich  gehen  konnte,  so  duss  der  Koch  immer,  wenn  etwas 
gekocht  oder  eine  wurme  Sjjcise  bereitet  werden  sollte,  an  das  Land  gehen 
mn^Äte,  um  dort  das  iissen  zu  koclicn,  das  tUmn  an  Uord  gebracht  wurde. 
Wenn  man  auf  dem  Meere  .segelte,  nm»äie  man  üich  alsi>  mit  kalter  und 
trockener  K«»st  begnügen,  die  jeder  Einzelne  mit  sich  führen  mnssie  (Jamest). 
Das  Getränk  war  dagegen  für  alle  gemein^chaitlicli.  Es  wurde  teils  in  diiem 
mit  Deckel  versehenen  Kübel  {ktt\  der  beim- Mast  stand,  teils  in  kleinen 
Tonnen  {%-er}tlar\  aufbewiilirt,  aus  denen  man  den  Trank  in  der»  Kübel  füllte, 
wenn  dieser  leer  wurde.  Die  GhJsse  iler  Besatzung  war  natürlich  buchst 
verschieden  und  richtete  sich  meist  na<"h  der  (inisse  des  .SchiffrÄ.  Die  ge- 
wöhnliche ßeiMitzung  auf  Kriegsschiffen  bestand  auf  den  kleineren  aus  lo — 40 
Mann,  auf  den  grosseren  aus  (kj — ba  und  darüber  bis  zu  320.  Auf  Handels- 
schiffen bcslajid  die  Besatziuig  oft  nur  aus  10—12  Mann,  sehr  hüufi}{  jedoch 
aus  20 — 30  und  konnte  bis  40  Mann  erreichen.  Von  den  Schiffen,  die 
swischc^  Norwegen  und  Island  gingen,  wiid  durchschnittlich  angegeben,  sie 
seien  mit  einer  Geschwindigkeit  von  3^/3  Seemeilen  in  der  Wache  (4  Stunden) 
g^ufen,  was  nicht  viel  weniger  ist,  als  itas,  was  man  heutzutage  im  Durch- 
schnitt für  die  Segelfahrt  zwischen  Kupenbageu  unil  Jslaiid  reclinct.  nämlich 
3 — 4  Meilen  in  der  Wache.  V'^n  einem  einzelnen  Schiff  wird  s«.igar  berichtet, 
dasÄ  es  in»  Jahre  10^4  vi»n  iMuri  in  Norwegen  nach  Eyrar  (dem  jetzigen 
Eyrarbakki)  auf  Island  im  Verlauf  von  4  Tagen  und  N.lc!ilen  segelte,  und 
da  die  Entfernung  auf  21»  Seemeilen  geschätzt  werden  kaim,  s*i  liat  es  in 
24  Stunden  50  Seemeilen  ««der  reichlich  8  Meilen  in  der  Wache  zuriltkge- 
k^  welche  Dur<  bs<  bmttsgcÄch  windig  keil  jetzt  bei  der  Segelfalirt  zwisdiea 
Ko|)enliagen  und  Island  zu  tien  grossen  Seltenheiten  gehört 

§  Ol.  Gewicht  und  Mass.  Auf  Island  waren  die  GewiclUseinheiteii : 
ein  »GcMkichi*  {vtttt\  das  in  8  Viertel  [Jjöräungr)  geteilt  wurde;  ein  Viertel 
KerHel  wieder  in  20  Halbpfunde  oder  Mark  [m^rk),  eine  Mark  in  6  Unsea 
oder  Ore  {rvrir)  und  ein  t>jc  in  3  Ortug  {^rtttfi).  In  alterer  Zeit  bat  man 
gewiss  auth  im  übrigen  Nortlen,  je<lcnfalls  an  einigen  l.trten,  dieselben  Ge- 
wichtseinheiten angewendet  wie  auf  Island,  doch  sind  die  GcwicIiLscinhciteD 
hier  vielleicht  in  den  verschiedenen  Gegenden  etwas  verschieden  gewesen. 
So  scheint  es  sich  i«  Norwegen  verlialten  zu  haben,  bis  in  der  letzten  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts  hier  dun  h  ein  Ge^ietz  brstinmue  Gewichtseinheiten  für 
das  ganze  Land  festgesetzt  wurden.  Infolge  dieses  Ge^etze-S  waren  die  höhe- 
ren Gewichtseinheiten:  ein  Schiffspfnnd  [skippumi i,  welches  in  24  -Gewichte« 
{nr//)  zerfiel,  jedes  zu  j8  Mark  und  20  Ortug.  wUltrenü  u  Schiff>pfunde 
eine  Last  (lest)  und  I3  La^itcn  eine  Ladung  {dhi^fH)  ausmaditcn.  Ausser- 
ilcm  rechnete  irum  mit  vers»  hie<lenen  anderen  Ifimden,  wie  Butteqifunden 
{srnf^rpiimi)  oder  Bescnier pfänden  {hismtirapiiiuf\,  die  aus  J4  Mark  hritan- 
den;  femer  Srhnalenpfunden  {siähpuNti]  von  2  Mark  uml  spiiier  einem 
Ucsspfund  ylißpitud,  lispumi)  von  32  Mark.  Zum  Wiegen  brauchte  man 
verschiedene  Wagen  {vng,  rtida).  Handeitc  es  sich  nur  um  kleinere  Ge- 
wichtseinheiten, so  brauchte  n»an  Wageschalen  {sinlar)  mit  dazu  gehörigen 
Gewichten  \^met),  aber  grö.ssere  Gewichtseinheiten  wurden  auf  einer  einarmi- 


472  Xn.  StTTK.    I.  Skahdikavische  VerhAltwissb. 


gen  Stangenwage  (^pundari)  abgewogen,  von  der  es  indessen  mehrere  gab, 
wie  Schilfspfundwage  {skij*pundan'),  mit  der  man  Vg — 'Vt  Schiffspfund  wie- 
gen konnte;  fcracr  Bcscmcr  {bisniari)  udcr  Butterwage  {smjgrpundari).  mit 
der  man  bis  ru  5  Butterpfiinden  (72  Mark)  wiegen  konnte.  Auf  Iiiland 
wird  von  Wagen  nur  eine  Stangenwage  [pundnri),  mit  der  mau  von  1 
Viertel  his  zu  2  »Gewichten«  hurU)  wiegen  konnte  (20 — 520  Mark),  und 
eine  Handwage  [handpundari)  erwähnt,  mit  der  man  von  '/j  Mark  bis  zo 
l'/s  Vierldn  (^o  Mark)  wiegen  konnte;  diese  Wage  sollte  eine  >Zui»gen- 
wage«   {iungtiputidari)  sein. 

§  62.  Als  Hohlmasse  brauchte  man  verschiedene  MassgefSsse  {mirliker, 
tnatilemid),  deren  GrOsse  in  der  alleren  Zeit  in  den  vei"srhiedenen  Gegenden 
ein  wenig  variiert  zu  luiben  sdieint.  Auf  Island  brauchte  mau  ein  Tonnen- 
mass,  welclics  »Sieb«  isdld)  genannt  wurde  und  3  »Gewicht«  {valt,  §  6i) 
Roggen  oder  480  Mark  {m^ifk)  enthalten  zu  haben  scheint.  Kin  sdld 
wurde  wieder  in  6  Sihcffel  {mirfir),  jeder  zu  Va  ^'""f'  "^er  80  Mark,  ein 
Scheffel  wieder  in  4  ViertelsrlieffeJ  if/öritun^)  zu  20  Mark  und  eine  Viertel- 
scheffel  in  4  kvi^ntiaxkr  (Suiipt-ngcfilss  für  Weiber)  zu  5  Mark  geteilt.  Kemer 
halle  mim  hier  einen  AVirtsdiaftsciiner'  {btiskj/iia)  von  30  Mark,  der  in  4 
kariaskr  (Suppengefäss  für  MSnner)  zu  y'r,  Mark  zerfiel.  Aussertlem  ist  zu- 
weilen die  Rede  von  einem  Kessehnasseimer  {Je/tf/amiihsk/dla),  der  l/V^Mark 
enthalten  zu  haben  scheint.  Ähnlich  scheint  es  in  der  alteren  Zeit  im  übri- 
gen Norden  j4cw<-sen  zu  seh^,  im  1,^.  [alirhundrrt  aber  sollte  ein  jr/V»/  in  Nor- 
wegen Vs  S*:liiffspfund  (§  f»i)  Rnggeii  udcr  .^46  Mark  halten.  Das  sdid 
wurde  auch  hier  in  (1  Scheffel  [tHtfiir)  und  ein  Scheffel  wieder  in  2  Halb- 
scheffel  {häi/r  mtrHr^,  4  Viertelscheffel  {fßrStmgr)  oder  '1  SechsteUchcffel 
{s/Uiin^r)  geteilt.  Um  flüssig  und  Fett-Waren  zu  messen,  brauchic  man  zu 
derselben  Zeil  in  N(»rwegen  eine  T<tnne  [fiinna).  die  in  zwölf  nsl-r,  jeder  zu 
20  Mark,  geteilt  worden  zu  sein  scheint.  Ein  rtskr  zerfiel  wieder  in  2  Halb- 
askc  [kdi/r  tjskr),  ein  Halbask  in  2  Sclialen  [boUC},  eine  Schale  hi  2  Halb- 
schalen {hdl/hoili),  eine  Halbschale  in  2  Kannen  (iijntta,  jüsM,  fus(uinnna)  und 
eine  Kanne,  wie  es  scheint,  in  2  Halbkannen  i/iätfkamta).  Ferner  wird  häufig 
ein  Kort>  [Itiupr]  erwühnt.  der  in  4  Kimer  {spaiitt)  geteilt  wurde,  bcsimder» 
als  Mass  für  Butter,  vcn  welcher  der  Korb  .^  Butteipfundc  (72  Mark,  Jj  Ol) 
und  der  Eimrr  18  Mark  halten  sollte,  nligleii-h  die  Gri*5sj<e  dt&ser  GefJlsse  in 
der  Praxis  etwas  variiert  zu  liaben  scheint.  —  Pelzwerk  und  Haute  über- 
haupt wurden  nach  Zimmer  (limbr)  zu  40  Hauten  berechnet;  5  h'mh  mach- 
ten einen  sfrir  aus,  der  also  aus  200  Stück  H-InteJ»  bestand. 

t|  6.V  l>'ui  das  Lilngenmass  zu  bestimmen,  benutzten  die  Nordländer. 
wie  andere  alte  N'r'ilker,  ursprünglich  den  Fuss,  den  Finger  und  den  Ann. 
Die  Einheiten  waren  hier  ein  Fiiss  (/«Vr.  /et}  und  eine  Elle  d»/«.  aiin),  die 
in  Zoll  {pHtnlungr)  eingeteilt  wurden.  Femer  halte  man  eine  Seemeile  {jdka 
sjdrar)  und  eine  Landmeile  (r(>.r/),  die  in  2  Halbmeilen  [biH/  t\ist)  oder  4 
Viertelwege  {/Jörduttgr  ras/nr)  zerfiel.  XJm  Zeuge  u.  dgt.  zu  messen,  be- 
diente man  sieb  eines  Kilenmasses,  weichet  .Stock  (s/iJtn.  tTardi)  genannt 
wurde  und  i8^/j  dänische  Zoll  (ca.  48.5  ein)  m,iM.  enisprecheiid  der  I^-iitge 
vom  Ellenbogen  bis  zur  Hussersten  Spitze  de»  längsten  Fingers.  Auf  Island 
wurde  indessen  etwa  um  1200  durch  Gesetz  he.<«timmt,  dass  Fries  und  alle 
Zeuge  mil  einem  Stock  {fliia)  von  2  Ellen  (37*/;  danische  Zoll)  gemessen  wer- 
den sollten,  von  denen  10  einen  2o-Ellen-Sto(k  {h^ardi  h'itogr)  ausiuaclien 
sollten,  deweii  I-angc  an  der  Kirchenwand  auf  der  Ahhingsstltte  Pingvellir 
angegeben  war,  wonach  alle  ihr  Ellenma.ss  kontrollieren  konnten.  Der  is- 
ländische Stock  wurde  so  etwa  der   englischen   yard    gleich,   wahrend   die 


Gr«'icKT  üXD  MA5S.    Tauschmittel  uwd  Wertdereciikung.     473 


norwcgisrhe  sich  noch  unverändert  erhielt  und  nur  eine  Elle  mass.  Um 
Grösse  oder  Enlfemiiiig  beim  Messen  von  Boden  zu  bestimmen,  warde  oft 
eine  Messstan^  (mtr/is/ffUff)  verwendet,  die  in  der  Regel  6  Ellen  gemessen 
m  haben  srhcint. 

^  O4.  Tauschmittel  und  WL-rtberechiiung*).  Das  älteste  und  ge- 
wöhnlichste Zahlmittcl  war  das  Vieh  (//)  und  verschiedene  Naturalien  {r«nf- 
aHrrrr\,  besonders  Fries  Um^mril).  Um  solrhe  Dinge  als  Zalilmiiicl  benuizcn 
zu  können,  musste  man  indessen  einen  ein  für  alleraal  festgesetzten  Wert- 
messer haben,  im  Verhältnis  zu  welchem  der  Wert  anderer  Waren  bestimm! 
•werden  konnte.  Als  solcher  diente  in  ältester  Zeit  die  Kuh  (g  .^7)  und  noch  in 
viel  späterer  Zeit  pflegte  man  oft  grossere  Summen  in  Kuhwerten  {ingildi, 
i^riafi)  zu  berechnen.  In  der  Sagazeit  selbst  brHUchte  man  jed(»dv  weit 
häufiger  eine  andere  WerteJnheit.  namlirh  eine  Klle  Fries  ([>/«,  tilin\  wo- 
von iro  ein  Hundert  {huniirait  aha)  ausraarhten,  welches  denselben  Wen 
liattc  wie  dhc  Kuh.  S«;hon  lange  vor  dem  Beginn  der  Sagaxeit  hatte  man 
auch  edle  Metalle  als  Tauschmittel,  S'">wohl  Gold  (^//)  als  Silber  {lUfr).  Diese 
wurden  in  der  heidnischen  Zeit  nur  nach  Gewicht  genommen  und  die  Ein- 
heiten waren  hinsichtlich  ihrer  eine  Unze  oder  Öre  {evrir),  wrt\Y>n  8  eine 
Mark  {m^rk'\  und  120  ein  Hundert  (htutdrait,  huntiraä  (aum)  silfn)  aus- 
machten. Ein  Öre  zerfiel  wieder  in  3  Ortug  {^riHg)  oder  lo  »kleine  Stöcke* 
ißptiti,  vgl.  deutsch  Peilt,  hnll.  tfnit),  die  jedoch  an  einzelnen  Stellen  in  der 
alten  Literatur  irrtümlich  Pfennige  l  fifniiin^r)  genannt  werden.  S«.iwohl  Gold 
als  Silber  brauchte  man  in  den  älteren  Zeil  und  neben  Münzen  noch  weit 
später  teiU  in  F^^nn  von  gr<>ssereii  (Kler  kleineren  Stilcken.  teils  in  Form 
serschiedeiior  Gegenstände  und  Schmurksarhen,  d(K"h  am  allerhäufigsien  in 
Form  von  Ringen  {h/iti^r,  An'nffr),  die  in  der  Regel  ein  bestimmtes  Gewicht 
halten,  z.  B.  ein  Ring  von  3  Mark  {pn'merh'ttgr),  ein  Ring  von  20  Oren  tvHogryr- 
^fg^i  ^  Rmg  von  2  Mark  Urimerii/tf^\  ein  Ring  von  i.;  *  )ren  Uäi/evringi), 
ein  Ring  von  2  Oren  Urievrhr^t)  u.  s.  w.  In  der  Vikingci^eit  hatte  man 
auch  eine  Menge  fremder  Münzen,  diese  wurden  alHir  niemals  nach  ihrem 
Gepräge,  ».»ndeni  nur  nach  ihrem  Gewicht  und  Gehalt  ebenso  wie  unge- 
mOiutes  Silber  un<l  Gold  genommen. 

%  t»,"i-  Um  da.s  Jahr  rocxi  begann  man  im  Norden  selbst  Geld  zu  prä- 
gen. Die  Einheiten  waren  dafür  dieselben  wie  früher  für  das  ungemtlnzte 
Silber,  nur  mit  dem  UntennHiiede,  dass  anstatt  10  kleiner  Stücke  jetzt  ^^o 
Pfennige  {/>tfiinngr\  auf  einen  ( Ire  gingen,  indem  avis  1  Mark  Silber  240 
Pfennigstücke  geschlagen  wurden.  Bald  fingen  jeduch  die  Könige  an,  klei- 
nere Münzen  zu  scltlagen,  ^1  dass  sie  aus  einer  Mark  bis  zu  der  do|ipelten 
Anzahl  Pfennige  und  wold  nodi  darüber  prägten.  Da  der  Pfennig  so  unter 
sein  ursjjrüngliches  Gewicht  gesunken  war  und  man  beständig  fortfuhr,  einen 
Ore  zu  30  Pfennigen  zu  rechnen,  ob  nun  tlas  .Silber  gezählt  oder  gewogen 
wurde,  musste  man  jetzt  zwischen  gew<igcnem  Silber  {si//r  tvi^i/)  und 
gezähltem  Sillwr  (si//r  talit)  unirrsrheiden.  Ein  gezählter  Öre  {.ryrir 
tniittt)  bezeichnete  nun  30  MOnzstücke  ipfnningr  /a/rnn)  ohne  Rücksicht  auf 
ihr  Gewicht,  während  ein  g»-wocencr  Ore  {nur  reffinii)  eine  so  gnwyjc  An- 
ssahl  Münzen  Ijezeichnetc,  wie  zusanimen  einen  Öre  wogen  oder  30  pewogene 
Pfennige  {pennint^r  j^ci^inn)    ausmachten.     So   konnten    in  Wirklichkeit    z.  B. 


*  Da  die  hier  gcgclHMic  l>ar*uHunj;  ihr  WcrtbtTCchnuuj;  di-r  NonilXnilfr  in  \icleii 
Puaktrn  %-oii  (rQh<.T«i  Auffas^unßcd  in  hohem  GraiJr  aliwek-ht,  »ml  tictiiirrkl.  Aus»  die- 
jetzige  Onrstrlloii;;  niif  itmfanrndcn  m-urrcn  CTucPHK-htingnt  hauertt  (leren  Rc-snltal^  ui 
Stell«  Ite^iDncIcl   n-rc«lm  wUcn. 


474 


XII.  Sitte,     i.  Skan-dixavische  VkrhAltvisse. 


r 


45  und  später  'k.i  Miinzi-ii  (gezJlliIlL-  Pfennige!  auf  einen  gewogenen  Urc 
pchtM».  In  erstereni  F;i.ll  \vur*lf.  eine  gewogene  Mark  (mfiiJt  ttgin)  gleifh  mit 
iV»  j;e/ahUen  Mark  {tn^rk  taiin),  wahrend  sie  in  letzterem  Fall  xwei  gezflhltea 
Mark  pieirh  kam.  S(jaicr  ;ils  man  das  Silber  sehr  stark  zu  mischen  begann 
und  dabei  einen  neuen  MftnzfiLns  einführte,  sti  d;iss  man  aus  einer  Mark 
nur  i(>o  l*feiinii;>lü«  ke  ausuillnzte,  vdu  denen,  wie  in  England,  20  auf  einen 
Orc  gingen,  wurde  das  Verhallnis  zwischen  gezähltem  und  gewogenem  Silber 
wie  3:1;  eine  gewogene  Mark  wurde  also  gleich  3  geziihllen,  oder,  wie  sie 
auch  genannt  wurden,  gangbaren  Mark  i^ttigsm^ri)  und  ein  gewesener 
Pfennig  gleich  3  gezahlten  oder  giuigbarcn  Pfenningen  [gnngspenningr). 

%  ()().  Man  untersehieti  zwischen  mehreren  ventchiedenen  Arten  von 
Silber:  l.  reines  «xler  gebranntes  .Silber  ij>/;/,  hnnnt  sU/r);  2.  .Münzsilber  oder 
gangbares  Silber  ^tf^if/r),  von  dem  e.s  wieder  nach  seinem  besseren  «>der 
geringeren  Gehaät  mehrere  Arten  gab,  z.  B.:  a.  Bleichsilber  {bleut  sil/r),  das 
sowohl  gewogen  als  gezfllilt  wurde  und  das  sich  beim  Wiegen  zum  gebraun- 
ten Silber  wie  2  :  i  verhielt;  b.  Blausilber  {bläsii/r),  das  nur  gezählt  wurde 
und  sich  zum  gewogenen  RIfirhsilber  wie  3:1  verhieU  (%  (>3);  c.  Grau- 
silbcr  i^nisil/t*!,  welches  das  all  ereinfachste  gewesen  zu  sein  scheint,  wenn 
danmter  nicht  da&sellH:  wie  unter  Blausilbcr  zu  verstehen  ist.  Im  sp«lteren 
Teil  der  Sagazeit,  als  man  bereits  mehrere  Arten  Silber  hatte,  die  mehr  oder 
weniger  stark  mit  Kupfer  gemischt  waien,  wahrend  volUOligej*  reines  Silber  eine 
seltene  Wanr  geworden  war,  scheint  man  das  feinste  oder  am  wenigsten  ge- 
mischte Münzsilber  als  reines  Silber  betrachtet  oder  d'  'ch  als  si  «Iclies  angem  >mmcn 
zu  haben.  Dieses  erlüeit  nun  den  Namen  gesetzliches  Silber  (/(>a'x/j/o.  wei- 
ther Name  anzudeuten  scheint,  dass  durcl»  gesetzliche  Vorschrift  befolden 
worden  ist,  dass  es  als  vollgültige  Bezahlung  angenommen  werden  sollte^ 
selbst  Wenn  eine  Summe  in  reinem  oder  gebramitt-m  Silber  zu  erk^en  war. 
Möglicherweise  steht  hiennit  in  Verbindung,  dass  der  Wert  des  reinen  Sil- 
bers im  Veriialtiiis  zu  den  Waren  so  |vlOizlich  vim  einem  Verhältnis  wie 
I  :  7'/a  auf  I  :  6  herabsank  (§  68). 

§  67.  Nachdem  Silber  als  Zahlungsmitiel  allgemein  geworden  war.  wur- 
den die  Namen  seiner  flcwicbtscinlieiteu  aucli  auf  die  Berechnung  von 
vaitmäl  übertragen,  obgleich  dieses  natürlich  nie  gewogen  %-urde.  So  mmnie 
mjui  ')  F-Uen  weissen  yetnliti)  oder  ,5  Ellen  graubraungcstreificii  {mörent) 
Fries  einen  Oe  {ernr  vaämiils,  sex  ahm  eyrir),  von  i^tenen  8  eine  Mark  aus- 
machten im^rk  vaibnäh  m.  !\i^iimi)\  ein  Ore  (Fries)  wurde  wieder  in  Oo 
Pfennige  (Frie-s)  geteilt,  so  dass  eiiic  Elle  gleich  lü  Pfennigen  wurde.  Da 
es  am  allergebrTiuchlichsten  war,  Summen  in  Natunüien  /u  beret  hnen  wid 
zu  bezahlen  und  es  gesetzlich  bestimmt  war,  duss  auch  Bussen  hierin  zu 
erlegen  seien,  wurde  der  <.>re  von  b  Ellen  auch  gesetzlicher  Öre  c/[»jV«ri''vr)  oder 
Bussen  •  Öre  {iak^iidr,  sakmetinn  eyrir)  genannt.  Neben  dem  gesetzlicjien 
(>e  brauchte  man  auch  einen  Ore  von  12  Ellen  {.töif  alna  eyrir),  auch 
silbert;L\iertcr  t  »re  isilfrmelitm  rvrir)  genannt,  weil  er  dnem  gezahlten  t)re  in 
MCinz^ilbcr  gleich  kam.  Na<"bdem  man  aber  begonnen  halte,  das  Silber 
stark  mit  Kupfer  zu  mi«:lien,  sank  dieser  (l)re  nach  und  nach  im  Wert,  zu- 
erst .'luf  einen  Ore  von  in  Ellen  Kliu  nlna  eyrir)  und  später  auf  einen  Ore  von 
0  Ellen  (n/rt  alna  ei'rir).  weldier.  nachdem  das  reine  Silln-r  im  Wert  gesun- 
ken war,  so  dass  ilessen  Verhältnis  zum  Va<lmcl  wie  I  :  b  war  1§0Ö),  gleich 
wurde  mit  einein  Ore  gezJililten  Münzsilbers.  Ausserdem  brauclile  man 
einen  Öre  von  3  Ellen  iprinf^Ja  alna  eyrir),  auch  Scbaizungsöre  (,siattxtirr 
eyrir)  genannt,  weil  Steuern  in  diesen»  Ore  berechnet  mid  erlegt  wurden;    er 


bestand  aus  30  Pfennieen  xaftmiU  und  war  uls  solcher  gleich  mil  */|  ge- 
selzlichcn  Öre  (einem  Dre  von  6  Ellen). 

§  68.  Der  Wert  des  reinen  oder  gcbuinntcn  Silbere  im  Verhältnis  zu 
vadnuil  «jdcr  NaluruUen  war  in  den  verschiedenen  Zeiten  sehr  verschieden. 
Bis  zur  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  vr.rliielt  weh  auf  Island  reines  {gewoge- 
nes) Silber  zu  vaämäl  wie  i :  8.  <^xler  ein  Ore  reines  Silher  war  gleich  8 
gesetzlichen  Ören  (^  i  Markt.  In  der  letzten  HaUtc  des  11.  Jahrhunderts, 
im  12.  und  bis  etwas  ins  13.  Jahrhundert  war  das  Verhältnis  wie  i  :  7V1, 
oder  J  öre  reines  Silber  gleich  /Vj  gesetzlichen  Oren.  Aber  aui  Schlüsse 
des  13.  Jahrhunderts  war  der  Wen  des  reinen  Silbers  so  stark  gesunken, 
dass  das  Vi-rhallnis  Kleich  i  :  0  geworden  war.  <>der  i  Ore  reines  Silber 
gleich  6  gesetzlichen  Ören  oder  12  Oren  von  3  Ellen.  Etwas  dem  ahnlich 
ist  das  Verhältnis  gewis.^  in  Norwcrgen  und  im  übrigen  Norden  gewesen,  ob- 
gleich der  Wert  des  Silbers  hier  vielleicht  ein  wenig  früher  herabgegangen 
ist  als  au/  Island.  Übrigens  pfli^ie  man  in  Ni)rwegen  nicht  so  häufig  wie 
in  Island,  Summen  in  gebranntem  Silber  zu  licrcchnen,  sondern  dagegen  in 
Ml^nzsilber,  dessen  WertverhSitnis  sich  jedoch  beständig  nach  dem  reinen 
Silber  und  dessen  Verhältnis  zu  Naturalien  richtete.  Gold  sdieint  sich  um 
das  Jahr  900  und  Jm  10.  Jahrhundert  zum  reinen  Silber  «-ie  i  :  7'/8  verhalten 
zu  haben,  doch  am  Sihlusst*  (U-s  11.  und  bis  zu  Anfang  des  13.  Jahrhun- 
derts war  das  VerhaltnU  wie  1:8.  während  am  Knde  des  13.  Jahrhunderts 
das  Gold  in  demselben  Verhältnis  im  Werte  gestiegen  ist,  wie  das  Silber 
herabging,  so  <lass  das  Vcrh»ttni.s  damals  wie  i :  10  oder  i  Öre  Gold  gleich 
10  Aren  reinen  Silbers  oder  was  dazumni  als  reines  Silber  betrachtet  und 
angenommen  wurde,  geworden  war. 

S  6q.  F.inc  Mark  reinen  oder  gebrnnnicn  Silbers  war  ungefähr  gleich 
mit  36  deutschen  .Mark.  Kin  Öre  reines  SüIht  enthielt  namhch  ungefähr 
dieselbe  Silbermenge  wie  2  danische  Zweikronenstacke  (s.  7  Lot  Silber).  Er 
war  als«>  gleich  4  Kronen  dänischer  Münze  ( 1  Mark  =  3J  Kronen,  i  Hun- 
dert Silber  :=  480  Kronen).  Da  das  Verhältnis  {wie  im  10.  Jahrhundert) 
zwischen  reinem  Silber  und  vadnuil  wie  i  :  8  war,  war  ein  gesetzlicher  Öre 
oder  1  Öre  rv/*/wrf/ gleich  '/j  Knmc  d;inisi-her  Münze  (i  Mark  (gesetzlicher 
öre)  =  4  Kronen,  I  Hundert  [gesetzlicher  Ore)  =  60  Kronen,  i  Hundert 
EUen  oder  1  Kuh  (:=  2',,  <')re  reinen  Silbers)  =  10  Kronen).  Im  Vei- 
hAlinis  hierzu  krmnen  alle  anderen  Werteinheiten  ausgerechnet  werden.  Da 
indessen  in  der  Sagazeit  Silber  im  Verhältnis  zu  Waren  etwa  den  zehnfachen 
Wert  tlessen  be^ass,  den  das  Geld  jetzt  hat,  so  dass  man  damals  dieselbe 
Warenmenge,  die  nuin  jetzt  mit  10  Kronen  bezahlt,  für  i  Krone  hätte  kaufen 
können,  muss  man  immer,  wenn  m^n  in  jetzigem  Gelde  die  Gr/Vsse  eines 
Betrages  ausrechnen  will,  das  Facil  mit  10  multiplicieren.  Infolge  dieser 
Regel  wird  ein  Ore  reines  Silber  gleich  40  Kronen  (i  Mark  =  320  Kronen 
IL  s.w.)  und  I  geNetzlicherOre  oder  i  (Ire  vaihuil  gleich  5  Kronen  (i  Mark 
■=■  y:>  Kntneu  u.  s.  w.l.  Diese  Art  der  Berechnung  gilt  jedoch  nur  für  die 
Zeit,  als  tkis  Verhältnis  des  reinen  Silbers  zum  vaämäl  1:8  M-ar  Nach- 
dem das  Silber  im  Werte  gesunken  war,  so  diiss  das  Verhältnis  i :  7Vj  war 
(f  ^»8).  muss  eine  Mark  Silber  gleich  30  Kronen  danischer  Mönze  gerechnet 
werden,  iKler,  mit  lo  inuUipliciert,  gleich  3(10  Kronen  u.  s.  w. 

1^70.  Hatitlwcrk  und  Kunsifleiss.  Irgend  welche  Industrie  als  Nah- 
Tungszweig  »»der  als  aiisschlie^Nh'i  he  Beschäftigung  für  einzelne  l'ersimen  «xler 
gewisse  Klassen  gab  es  in  heidnischer  Zeit  nicht  Dergleichen  kam  erst  in 
christlicher  Zeit  auf,  nachdem  griissere  und  kleinere  Städte  entstanden  waren 
uiuJ    einige  Kniwiikehmg   erlangt    hatten.      Kunstferligkcil  jt"dixh    {hagUikr, 


476  Xn.  Sitte,    i.  SKAyoixAViscHE  VKRHALTinsss. 


v^lfimi)  war  clnmals  viel  gewölmlirlier  und  heim  Volke  im  allgemeinen  inelkr 
verbreitet  als  in  spilteren  Zeilen.  Man  konnte  dalier  in  der  Regel  auf  jedem 
Gehöft  alles  verfertigen,  dessen  man  bedurfte  {ver^.  §  .34).  Während  das  ■ 
Weben  und  das  Nflhen  der  Kleider  und  Schuhe  von  den  Frauen  des  Haukes 
bcsurgt  wurde,  war  ;JIc  TLscIiler-  und  Sduniedcarbeit  tu  der  Rege!  die  Sadic 
(ier  Manner  des  Geb5fte-s.  Sic  hieben  gewohnlicl»  scU>st  ihr  Bauholz  zurerht 
und  errii.'htt'len  ihn*  HUuser,  verfertigten  itire  Acker;:er;ue  und  ihren  Hausrat 
und  schmiedeten  zum  Teil  selbst  ihre  eigenen  Waffen  cwler  setzte»  sie  »enig- 
stens  in  Stand.  Viele  der  Waffen  und  ebenso  ein  grosser  Teil  der  feineren 
Kleider  sind  jedoch  siclicrlich  vom  Auslände  eingeführt  wortleii,  teils  im 
Handel  erwürben,  teils  als  lieute  auf  den  h.'Uifigen  Vikingcrzügcn,  wovon  man 
in  den  Sagas  auch  itahlreiche  Beisj^iele  hat. 

§  71.  Kill  Mann,  der  Kertigkeit  in  der  Uearbeilung  sei  es  nur  von  Holz, 
Metallen  tider  andea-n  Sl'iffen  besa>s,  hJess  ein  »kunstfertiger  Mann*  (Acryr 
tnaär,  ha^kiksmattr^  frtler  nur  ein  Schmied  \smitir\.  Da  eine  solche  Fertigkeit 
als  eine  vurzügUclie  Auszeicliniuig  angesehen  wurde,  war  es  sehr  gewr.hnliVIi. 
dass  angesehene  Leute  sie  sich  anzueignen  strebten.  Auch  wirtl  in  den  Sagas 
von  einer  Menge  v*imehmer  und  angesehener  Manner  her\'(trgehoben,  da&s 
sie  ausgezeicliuetc-  Schmiede  waren,  imd  in  der  ältesten  Zeit  ricJieint  es  :dl- 
geraein  Brauch  gewesen  7U  sein,  dass  der  Hausherr  sclUst  das  mci.ste  der 
auf  seincMii  Gehtift  vorfallenden  Tischler-  und  Schmiedearbeit  besorgte.  Hatte 
er  aber  selbst  entweder  nicht  Lust  oder  nicht  Anlage  zu  dei^leichen  Arbei- 
ten, .so  nahm  er  gew^lhnlich  einen  schniiedckuiidigcn  Mann  in  seinen  Dienst, 
entweder  als  Werkführer  oder  als  einfachen  Dienstboten,  crtier,  wenn  es 
grössere  Arbeiten  wie  den  Aufbau  eines  Gebäudes  oder  dgl.  galt,  nur  ftlt 
die  Zeit,  die  eine  solche  Arbeil  erforderte.  In  der  ältesten  Zeit  scheint  es 
nicht  sehr  gcbr-lucldich  gewi-sen  zu  s<nn.  d;is.s  angeseliene  kunstfertige  Männer 
für  andere  arbeiteten,  in  dem  alten  ihh-iumil  wird  sngar  bestimmt  davon 
abgeraten,  iiulem  es  dort  helsst,  mau  »'Ue  nicht  ai.s  ScJiuhmacher  [skösmiär) 
oder  Waffenschmied  für  andere  alt  für  sich  selber  arbeiten,  weil  man  nur 
Undank  und  Vcrwünsdiungcn  ernten  werde,  wenn  an  der  vollbrachten  Ar- 
beit ein  Makel  sei.  Aber  natürlich  ging  es  in  dieser  Hinsicht  wie  es  immer 
zu  gehen  pflegt;  es  «ab  gewisse  Leute,  die  sich  in  Kunstfertigkeit  vor  den 
meisten  anderen  McnsLlien  auszeichneten  oder  das  wurÜL'ii,  was  man  Kunst- 
schmiede (r'(i/rt«rfr  ai  hagleik)  oder  Volk-sschmiede  i^pjoäsmiär,  pjodhaf^  fflivd)^ 
naiuitc-,  und  sulchcScIimiede  förchtelen  sich  natürlich  nicht  davor,  für  andere 
zu  arbeiten,  sei  es  nun  aius  Freunilschaft  <jder  gegen  Bezahlung.  Soldie 
annen  Kunstschmiede  haben  schon  sehr  früh  das  Schniietlcliandwerk  zu 
ilirem  Lebensunterhalt  uder  als  Hauplerwerb  betrieben.  Sie  arbeileten  gegen 
Bezahlung  bei  ve^rnehinen  unci  reichen  lauten,  und  von  mehreren  der  nonli- 
sehen  I-'flrslen  wird  hervoi^clioben.  dass  sie  vorzügliche  Schmiede  in  ihrem 
Dienst  zu  haben  pflegten,  wo  diese  hohes  Ansehen  genossen.  Dicjen^en 
Kunstschmiede,  die  nicht  zu  einer  suUhen  Stcllunjj  gelangten,  suchten  da- 
gegen Wohl  ihre  Kiuistfertigkeit  dadurch  gewinnbringend  zu  machen,  dass 
sie  in  ihrer  Heimat  verschiedene  Gegenstamle  [sinitii,  smiifis^nfir)  anfertigten 
und  verarbeiteten,  die  dann  zmu  Verkauf  geslelll  wurden.  gewrihuÜeh  in 
der  Wei.se,  dass  ein  Mann  mit  ihnen  im  Lande  von  einer  Gegend  zur  au- 
ren  umherreiste,  um  sie  feilzubieten.  Aber  wie  gesagt,  das  Schniicdehaud- 
werk  konnte  eigentlich  erst,  nachdem  griissere  Städte  entstanden  waren  — 
was  :iiif  Island  niemals  geschah  —  als  gewöhnlicher  Erwerbszweig  be- 
trieben wcrd{.*ii,  alsdann  aber  hat  es  sich  auch  bald  i>edcutcnd  cnt- 
u*iekdt. 


Handwerk  und  Kl'xstfi.eiss. 


47? 


§  72.  So  \Anffi  das  Schmictlchanilwcrl;  nur  als  nn  Nebenerwerb  be- 
[triebcn  wurde,  war  e*  sehr  ull^L-inciu,  dass  derselbe  Manu  sieb  i»it  der  Ver- 
'  arbeitung  z.  U.  vjn  Holz  iinil  Mi^tiillcn  al>jnilj>  Dix'h  findet  man  schun 
sehr  frähreiüjt  Si>uren  einet  Arbeitsteilung  in  diesem  Handwerk,  indem  die 
flink^-ren  Scluiiiede.  besonders  diejenigen  KunslsL-h miede,  die  gegen  Bezalihuig 
för  andere  art»eiteten.  bald  eins;then,  dass  sie  weil  grijjüM're  Fertigkeil  und 
Vollkommenheit  errctclicn  kunntcii,  wenn  ^lie  ^ich  auss>.lilics^Ut'b  mit  einem 
bestimmten  Zweige  <]es  Schmiede Kanduerkcs  be.schQftigtcn.  Einige  gaben 
sich  nunmehr  nur  mit  der  Verarhciiung  vnn  Metallen  ab,  entweder  als  Gold- 
schmiede {jf/tZ/smü/ri  und  Sübersthmiede  i,si//rjmiifr\  <xler  als  Eiscnst  huiiede 
{/tirvirniäf).     Andere  li'gten  ^ich  speziell  auf  Zitnmerarbeit  ytretHitär),  entweder 

•  als  B;iutjschler  \hüiiismiäi')  «.»der  .Schiffsl>auer  [ski^tumülr,  i/uirninmufr).    Nuch 
andere  waren   hauptsfichlich   eine  Art  von  ^IilbeltJsehlern  und  fertigten  vcr- 
wiiiedene    Gebmuclisgegcnstünde    wie    z,   B.    Kisten    {iisfunsmittr),    Schreine 
{skrinxmiiir),  liiilzenic  Kannen  (as/tas mit/r)  u.  s.  w.      Nachdem  gr«üsscrc  Stddtc 
K  entslimden  waren,  findet  man  in  ifmen  viel  melir  Arien  von  S<h mieden  und 
Handercii  Gewerbetreibenden  {iäimnnaär)   erwalml   —  vun  denen  jedoch  eiu- 
Huebic  sclw)n  früher  genannt  «iirden  — ,  die  ihr  Hantlwerk  als  selbstsländigen 
^^ Lcbcnbcrwerb  betrieben,  z.  B.  verschiedene  Waffensclnniede.  wie  Speer^chaft- 
srhmicde   {ii/piismütr),   Schwerlftrger   {sveräskriät,  sitrtiiiipari),  Schildüchmiedc 
[sifaMuri)  und   ranzermeLsier  \hi\iijumeistari ,    pldtiamistari),     Kemer  Ke«*el- 
•M-hnüede  {kaihtsmiitrs,    K;uiimma<her  [kambari),  ver^rlüedene  Arie»  von  BüU- 
chem  (kopfitiri,  /ag}inn,  ^antari),   Maurer  oder  Steinmet^te   {siansMÜi>\  gijöh 

■  smiärS,  wie  auch  Weber  {ir/un),  Schneider  [smäJari,  sJtraJJan),  Schu!imacher 
{ikÖtmiJr,  sköffträarmattr,  siiiari).  Sattler  [s^^an),  Gärber  (skinimh),  Maler 
{peu/ari),  MiUler  {mvfnari)  u.  s.  w.  —  Gesrhirktirlikeit  im  Schnitzen  sowohl 
in  KnLM;hen  wie  in  Holz  i/iti^Uikssiuntt,  thkimlr,  K^i^plr)  war  solir  verbreitet, 
H  tmd  nicht  nur  >[iinncr,  sondern  auch  einzelne  Frauen  werden  ai?«  vorzüg- 
^  liehe  Bildschnitzer  {näiika^r)  erwflhnt.  Wie  angesehen  diese  Kunst  war.  ist 
daraus  zu  ersehen,  duss  nicht  nur  viele  vornehme  Manner,  äondera  s<jgar 
die  Könige  (wie  z.  B.  Olaf  der  i^eilige)  sich  in  ihren  Mussestunden  mit 
Holz>«hnitzeiei  beschäftigten  {ikera,  risla  sptiu).  Diese  Schnitzerei  wurde  auch 
fast  Qbcrall  verwendet,  nicht  nur  auf  losen  G^enstümlcn,  sondern  auch  in 
Gebäuden,  an  Schiffen  u.  s.  w.  Sie  beschränkte  sich  auch  durchaus  nicht 
auf  ventchiedene  zierende  Onianiente,  sondern  man  schnitzte  auch  richtige 
Bilder:  Vojictbildcr,  Tierbilder,  Mensi.  henbüder.  Götterbilder  u.  s.  w..  sowohl 
lijse  für  sich  wie  an  Stühlen.  Säulen,  Paneelen  u.  s.  w.,  entweder  einzeln 
oder  grupjK'nweise.  so  da.ss  sie  zuweilen  ganze  Gescliichten  und  Myüien 
daiMelltcn.  Zieht  mau  in  Betracht,  was  sowohl  von  verschiedenen  dieüer  ge- 
»dmitxten  Bilder  wie  von  \'erschkedencn  Melallarbeiten,  wie  Tier-  und  Götter- 
bildern von  Silber,  berichtet  wird,  so  kann  man  in  der  That  von  einer 
biUlcnden  Kunst  reden ,  die  sogar  eine  recht  bedeutende  Entwickelung  er- 
reicht haue. 

•  S  73.  Nicht  minder  entwickelt  war  die  weibliche  Kunstfertigkeit  {ivtitit- 
iütir)  oder  Fertigkeit  in  verschiedenen  Arten  von  Handarbeiten  (kamtyritiri^ 
wie  Kunstweberei,  Kujistslickerei  u.  s.  w.  Gemusterte  Teppiche  (bonii,  b6k) 
mit  eingewebten  i«ler  eingestickten  Figuren  {m^irk.  Sing,  mark)  oder  Bildern 
{iktipt)  werden  sehr  oft  in  der  alten  Ulemiur  erwähnt,  wie  au<h  vornehme 
Frauen  gewöhnlich  als  bei  einer  solchen  Arbeit  sitzend  er^v-.thnt  werden 
ißii^  vi'if  hördat  xkrifa),  teils  im  Begriff>  Figuren  oder  Bilder  einzuweben 
({■9I&,  merk/ij,  böka,  ktada^  rtkja,  sM  borita),  nicht  selten  mit  Gold-  oder  Silber- 
1  laden  {jpälbtika,  cf r.  gulhfinn,  f^ullskotimi,  fptlimi'-rkir,  sUfrofinn,  tiierklr  it//  sil/r). 


478  XII.  Sitte,    i.  Skandikatische  Verhältäisse. 


1 


I 


teils    sie    auf  Teppklic    zu    sticken    (sauma  J,    bynti  ä,  /esa  d.   Uggja  bordai), 
nicht    selten    mit    Seide    \stlkhauinai1r),    Silber   {sil/rhtgiir)    oder    Gold    (JffS^  m 

gnlli,   cfr.   gu/Zsattmaifi-,  gufihgJr).     Die  eingewebten  und  eingestickten  Btldei         I 
konnten  alles  uii'Sgtichp  vtirstcllen:  V'ögül,  Tiere,  Menschen,  Gebande,  Schiffe, 
Waffen.  Spiele,  Schlachten  u.  s.  w.     Auf  einem  solchen  Teppich  konnte  auf 
diese  Art  eine  ganze  Geächichte  ixler  Mythe  dargestellt  sein. 

§  74.  Von  Schmiedegera  tschaften  {smiäariö/),  um  Kise.n  und  andere  Metalle 
zu  bearbeiten,  sind  ausser  der  Esse  (a/I)  mit  dazu  gehörigen  Schmiedebalgen 
(stnidbeigr)  hervorzuheben:  Ambuss  {sleäi),  Hammer  {hamatr),  Srhlaghammer 
isltj^^,  /lims/fji'i^/fi).  Zange  i/yni,:  plur.  ien^r),  Schiauben/angu  {k/^mdr),  Feile 
(ßf'f),  Meissel  {m€itiil)  und  ein  N.igeleisen  {mt/tt),  das  auch  benutzt  «iirde,  um 
Metalldra,ht  daroit  zu  zielien  ((//rt^/ci//«/).  Bei  der  Zimmerarbeit  waren  die  wich- 
tigsten Gerate:  Zimmcraxl(jwx/(Ä2w.v. /<i/^*\-),  Schnitzmesser  {fä/grtJtni/r) ,  Bohrer 
(aa/an),  Drehrisen  (stolpr),  Hnbel  {tnktin)  und  Sage  (jf>y'i.  An  lüldsclmitzer- 
geraten  hatte  man  au.-iser  tlem  Messer  und  dem  Dreheiseu  auch  einen  Grab- 
stichel {grn/,iil),  der  gewiss  vornehmlich  zur  Bearbeitung  von  Metallen  wie 
von  Knochen  und  Zahn  benutzt  wurden  ist.  Wtn  den  Nahwerkzeugcu  war 
die  Nadel  biäi)  das  wicliligste.  Es  gab  mehrere  Arten  von  Nadeln.  Die 
^teste  derselben,  die  in  der  Sagazeit  besonders  zum  Nahen  \Tin  Fellen  imd 
sehr  schweren  Stoffen  gebraucht  wurde,  war  die  sogenaiutle  Ziehnadel 
{dra^näl);  dies  war  eine  knrVchtrme  Nadel,  die  dazu  diente,  das  Nähgarn 
durch  ein  Loch  zu  ziehen,  welches  zuvor  mit  Hülfe  eines  Pfriemens  (ff/r)  gt- 
stüchcu  war.  Beim  gewöhnlichen  Nahen  benutzte  man  dagegen  die  eigent- 
liche Nahnadel  {xaummil)  und  zum  Nahen  von  Schuhen  und  Leder  eine 
Schuhnadel  (.sköiuil),  die  ciiicni  kleinen  Speerblatt  glich,  mit  einer  scharfen 
Spitze,  aber  oben  flach  mit  scharfen  schneidenden  Kanten,  Ausserdem 
brauclite  man  heim  Nahen  einen  Fingerhut  {fingrhj^r^)  und  ein  »Fingereisen< 
{ßng}f<im\  das  wahrscheinlich  dazu  gedient  hat,  die  Spitze  der  Zielmadcl  ■ 
und  der  Schuluiadel  zu  erfassen,  um  sie  heraus  oder  durch  den  zu  nahenden  ' 
Stoff  zu  ziehen.  Zum  Schneiden  brauchte  man  eine  Scheere  {s^x,  siirn),  beim 
■  Nahen  eine  kleinere  Nahscheere  Ufiumyhrn),  aber  beim  Scheerni  der  Schaf- 
wolle und  des  Mahiienhaarcs  der  Pferde  eine  Mähnen.schcere  {mnuxktrri} 
Die  Scheere  wurde  in  einem  F'utteral  {ii<erahiisi)  am  Gürtel  hangend  ge- 
tragen. —  An  Werkzeugen  bei  der  WoUarbeit  {lövinna,  T'jitfiv/i)  können 
folgende  erwilhnt  werden,  Zum  Kratzen  brauchte  man  WitUkratzen  fW/- 
kambar)  und  einen  Wijllkorb  {nllhiipr),  um  die  gekratzte  Wolle  hinein  zu 
legen.  Beira  Spinnen  liatte  man  einen  Rockenstock  {rokii^,  um  das  zu 
spinnende  Material  —  Wolle  oder  Flachs  —  zu  halten,  wahrend  das  Spinneu 
selbst  mit  Hülfe  einer  Spindel  {smrUa)  geschah;  diese  bestand  aus  einem 
<^-linderfönnigen  Holzschaft  {ittttiduhaii),  an  einem  Ende  mit  einem  Haken  ■ 
und  einem  an  detnselben  Ende  angebrachten  rundlichen  steinernen  oder 
hölzernen  Wirte!  {siuidr)  versehen;  der  Wirtel  hatte  in  der  Mitte  ein  Loch, 
durch  welches  der  Schaft  der  Spindel  ging.  Der  Wirtel  diente  dazu,  der 
Spindel  beim  Umdrehen  Si'liwung  zu  geben.  Beim  Weben  von  Zeugen 
grosserer  Breite  diente_  eine  Art  von  Webstuhl  {ve/r,  iv/itadr],  der  doranf 
eingeridiiet  war,  dass  man  stehend  daran  webte.  Er  bestimd  aus  zwei  senk- 
recht stehenden  Pfosten  [hUinar,  Sing.  hUin),  zwischen  denen  ein  Weberbauni 
{ri/r^  ging,  der  auf  zwei  am  oberen  Teil  der  Pfosten  angebrachten  hölzernen 
Haken  ruhte.  Der  Aufzug  igom)  war  oben  an  den  Weberbaum  befestige, 
unten  aber  mit  einer  gewissen  Anzahl  von  üewichteii  oder  Steinen  {kijagrpt, 
kljdr.  Sing.  kU)  behängt,  die  dazu  dienten,  den  Aufzug  zu  spannen  mid  ihm 
die  nötige  Stciflieit  zu  geben.     Ungefähr  mitten  zwischen  dem  Weberbaum 


Haxdwekk  VSD  KtmSTFtEtSS. 


47f' 


I 


TOid  cl«n  Gewrhtcn  waren  zwisi-lK-n  den  Pf<i»ten  quer  Über  das  Gewebe  ei» 
oder  mehrere  Webersthafle  [skapt)  angebracht,  an  welchen  der  Aufzug  durch 
Bander  oder  Ösen  {ha/aJd)  festgehalten  wurde.  Mit  Hülfe  dieser  wurden 
■die  Faden  des  Aufzuges  abwerliselncl  gehoben  iider  niedergedrückt  {hristn 
vtf  »pf>  ok  ofan),  wenn  der  Einschlag  U-^ptr,  rip/a)  hindurch  (iew."hossen 
werden  sollte.  N'ach  der  verschiedenen  Anzahl  ilcr  Schafte  hie^s  das  ge- 
webte Zeug  entweder  einschäftig  (e/nsitp/t).  zwcijuliaftis  Ut-Ukeptr),  oder  drei- 
sdtaftig  ipmiepir).  Den  Einschlag  durch  den  Auf;tug  hinduicliführen  lucs» 
»das  Gewebe  winden«  [vint/a  i'n/),  und  hierzu  benutzte  man  entweder  nur 
eine-u  KnSuel  {hno/ta)  oder  ein  Geriil.  welches  Winde  {vinJa)  hicss  und  um 
«dches  der  F.insrhlagsfaden  wie  um  eine  Weberspule  gewunden  oder  gewickelt 
war.  Als  Schlagbrett  isiaä)  dieiile  ein  scliwenfömiiges  Werkzeug  von  Wal- 
fischknochcn,  w*otnit  der  EiniM'hbig  cnipor  getrieben  und  zwischui  den  Faden 
des  Aufzi^cs  festgednickt  wurde  (sin  ve/).  Um  die  Fiiden,  die  heim  Weben 
entzwei  gingen,  wiederzufinden,  Querstriche  tlber  den  Aufzug  zu  machen. 
um,  wenn  die  Schrdte  gerückt  wurden,  den  Zwischenraum  (sJii/)  l>esaer  zu 
öffnen,  sowie  den  Einschlag  an  seine  richtige  Stelle  zu  bringen  {hnfla), 
brauchte  man  etn  spitzes  Stöckchen  {Anr//)  wm  KnfKrhen  oder  zähem  Holz. 
Wenn  das  Zeug  plnscli.'irtig  werden  sollte  {io^tiiikt\  iocti),  wendete  man  hierzu 
ein  Gerat  an.  genannt  »Plasohmacher«  {yilir,  cfr.  «//),  dessen  nähere  Be- 
schaffenheit man  nicht  kennt.  Zeuge  von  geringerer  Breite,  besonders  ge- 
mustcile  oder  kutlstVl^lI  gewebte  Bander,  wurden  mit  Hülfe  dümier  vier- 
eckiger Holzscheiben  (spjQid,  Sing,  spiald,  cfr.  blada  spJQliiiim,  s.  mit  Holzscheiben 
weben)  gewebt,  die  wahrscheinlich  —  wie  noch  jetzt  auf  Iskuid  —  meist 
von  Buchenholz  gewesen  sind,  weshalb  das  Weben  mit  ihnen  auch  höka  und 
das  ao  gewebte  Zeug  bök  genfuint  wurde  (§  73}. 


TT 


sa  ^  vtitafir;  bb  ^  innstafir,  stifttr:  cccc  = 
raptar:  M  =  staßagjur,  syllr:  tx^hliddior, 
hrünAsar:  f=  minidss: g=^dfergr:  h  =: vagl. 


X  =  sto/a ;    b  s=  sidii;    c  ^  rläfiüs . 
i^^r;  K^t/yrr,  ttljar^tip. 


XII.  ABSCHNITT. 

SITTE. 

DEUTSCH-ENGLISCHE  VERHÄLTNISSE 

VON* 

ALWIN    SCHULTZ. 


Hier  soll  nur  die  Art  ins  Auge  gefasst  werden,  wie  eine  zuverlässige 
Schilderung  der  Sitten  des  deutschen  und  englischen  Volkes  aus  den  Über- 
lieferungen der  Schriftsteller  entnommen  werden  kann:  von  dem  Versuche 
einen  Überblick  über  die  Kulturgeschichte  dieser  Völker  zu  geben,  die 
das  gesamte  geistige  und  materielle  Leben  auf  allen  Gebieten,  in  denen 
sich  dasselbe  manifestiert,  anschaulich  machen  müsste,  wird  ganz  und  gar 
abgesehen. 

Die  ältesten  Überlieferungen  über  das  Leben  der  Deutsclien  verdanken 
wir  Caesar  und  nach  ihm  Tacitus;  was  diese  uns  schildern,  ist  in  zalillosen 
Werken  bald  mit  mehr  bald  mit  weniger  Einsicht  und  Geschick  verwertet 
worden.  Im  grossen  Ganzen  sind  es  doch  recht  dürftige  Nachrichten  und 
auch  für  die  nJlchsten  Jahrhunderte  liegt  das  geringfügige  Material  ziemlich 
zerstreut  (vgl.  K.  !Müllenhuff,  liettlsche  AUeiinmsknnde.  I.  Berlin  1870).  Die 
Merowingerzeit  und  das  Leben  der  nach  Gallien  übersiedelten  deutschen 
Völkerstämme  wird  durch  die  beiUlufigcn  Bemerkungen  des  Gregor  von 
Tours,  des  Fredegar,  auch  niclit  zu  anschaulich,  uns  vorgeführt.  Von  hoher 
Bedeutung  dagegen  für  die  Sittengescliichte  der  Angelsachsen  ist  das  Beowulf- 
lied.  Über  die  in  Deutschland  ansässigen  Völkerschaften  geben  die  in  den 
Lebensbeschreibungen  der  christlichcTi  Glaubensboten  hie  und  da  vorkom- 
menden Äusserungen  dürftige  Auskunft,  auch  wird  in  den  Gesetzsammlungen 
manche  Bemerkung  Beachtung  verdienen.  Reicher  i.st  das  Material,  das  seit 
der  Regierung  Karls  des  Grossen  uns  zur  Verfügung  sieht.  Einhard  wird 
immer  eine  wichtige  Quelle  bleiben,  aber  man  darf  nie  aus  dem  Auge  ver- 
lieren, da.ss  sein  Stil  mit  allerlei  den  römischen  Klassikern  entlehnten  Phrasen 
verziert  ist,  und  immer  muss  man  zusehen,  ob  nicht  mit  der  Phrase  auch 
der  Gedanke  entlehnt  ist. 

Die  Dichter  des  Kreises  von  AIcuin  und  seiner  Schule  tragen  nur  wenig 
zu  unserer  Kermtnis  bei,  eher  dass  aus  des  Kaisers  Kapitularien,  aus  erhal- 
tenen Briefen,  Gedichten  sich  zuweilen  eine  Bemerkung  ver.verten  lüsst.  Auch 


t 
■ 


bildliclic  DurstcUungen,  die  un»  eine  Vorslulluiig  vnn  der  äusseren  ErsclKi- 
nung  der  [JeutHchcn  zur  /eil  Karis  des  Gnjsst^n  oder  der  frtthcrt'n  Eimchcn 
vemiitteln  kannten,  fehlen  ^finzlich:  die  wenigen  \'ijrliaJi denen  Miniaturen 
stellen  nur  kirchliche  Sccneu  dar,  und  aucli  wo  Profangestalten  auftreten,  ist 
es  immer  zweifelhaft  ob  nicht  die  spatrömische  Vorlage  auch  da  kopiert  iirt. 
So  aber,  wie  unsere  beuligen  Maler  Karl  den  Grossen  darsiellcn.  Iiat  er 
sicher  nie  ausgeselieu;  v-r  konnie  ja  ainh  die  Kcichsinsignicn  nicht  angelegt 
haben,  wie  wir  sie  auf  dem  Bilde  von  Albrcclit  Dörcr  sehen,  dessen  Poriniit 
KarU  heute  noch  immer  allen  Daratfllungen  zu  Grunde  gelegt  wirti,  weil 
eben  diese  Gewänder,  die  Kaiserkrone  u.  s.  w.  erst  aus  der  Staufenzeit 
herstammen.  Die  langbärtige  Gestalt  ist  auch  eine  Schöpfung  Albrecht 
Dürers.  Die  Physiognomie,  die  Karl  yuf  den  authentischen  Si(^In  zeigt, 
ist  eine  durchaus  andere,  und  da»  Mosaikbild  in  S.  Giitvatini  in  Laterano, 
das  bald  nach  dem  Tode  des  Kiiisers  entstanden  ist  (Quicherat,  //«/.  Ju 
ccstHHtr  (H  France  (Paris  IÖ75,  —  loö|,  gibt  auch  eine  ganz  andere  Vor- 
ütcllung  von  seinem  Äusseren.  Ein  Bildnis  Kaiser  l,otliars  ist  in  einem 
Evangeliarum  zu  Aachen  und  in  einem  andren  zu  Paris  ertmlten.  Karls 
deri  Kalilen  Erscheinung  kennen  wir  aus  dem  Tiielbitdc  der  für  ihn  ge- 
schriebenen jetzt  in  Rom  in  der  Bibliothek  von  St  Paul  vor  den  Mauern 
bewahrten  Üibet  (Quicherat  a.  a.  O.  113,  vgl.  Wocrmann  und  Wohraann, 
Gctch.  der  Malerei  I  (Lpz.    1879}  S.  2o6.   207). 

Die  Quellen  für  die  Sittengeschichte  des  i> — 12.  Jahrhs.  sind  schon 
reidter  und  ausgiebiger.  Wir  haben  eine  grus.se  Anzahl  von  Amiiilcn  und 
Chroniken  und  besitzen  dieselben  in  den  trefflichen  korrekten  Ausgaben  der 
Monumenta  GemKiniae.  Auch  in  England  stehen  uns  eine  grosse  Zahl  von 
Chroniken  und  aiuialisti^clicn  AuTzcichnungen  zur  Verfügung,  die  z.  fi.  in 
Potlhast's  Bibliothecu  medii  aevi  aufgezahlt  werden.  Die  Verfasser,  wohl 
meist  dem  gcisüichen  Stande  angehörig,  zum  grössere  Teile  Mrtnche,  erzählen 
die  Ge«.cliichtc.  wie  sie  ilieselbe  aus  Schriften  <;dcr  aus  mündlichen  Mit- 
teilungen erfalutn.  als  Zcitgencfssen  sie  miterlebt,  wie  sie  zuweilen  auch  pen^i^inhch 
in  ihre  Entwickelung  mit  eingegriffen.  Es  handeil  sich  also  immer  um  Dar- 
stellung historischer  Vurgüngc:  das  Lcbcu  des  Volkes  wird  als  bekannt  vor- 
ausgesetzt, und  deshalb  der  Besprechung  nicht  wert  gehalten;  nur  zuweilen 
ist  eine  Bemerkung  für  die  Sitttngcschichte  beachtenswert.  AVtnn  man  aber 
alles  zu&fimmen nimmt,  was  aus  jenen  Geschirhtswerkcn  zu  ersehen  i.st,  so 
bleibt  die.s  doch  im  höchsten  Grade  dürftig.  Gesetzt,  die  Lebensverhältnisse 
der  Kulturvölker  Europas  seien  in  jener  Zeit  noch  sehr  fllmUch  gewesen, 
so  kann  m^m  ja  auch  die  Geschichtsschreiber  der  Italicner,  Franzosen.  Eng- 
lander nocli  zu  Kate  ziehen,  aber  selbst  daini  wird  man  eine  reiche  Aus- 
beute nicht  erwarten  dürfen.  Eher  werden  die  Biographien  der  Metligen. 
überhaupt  die  überliefeilen  Lebensbeschreibungen  mit  Nutzen  durchforscht 
werden;  die  Wundergeschich tcu,  die  an  den  Wallhüirtsorlcn  passiert  sind, 
—  nur  leider  meist  nicht  datiert  —  teilen  manchen  Zug  au»  dem  Volks- 
leben mit,  doch  wird  tä  immer  am  luluiendslen  bleiben,  der  |}octiscliea 
Literatur  besi^ndere  Aufmerksamkeit  zu  widmen. 

Die  alleren  deutschen  oder  angelsachsischen,  wie  die  in  lateinischer 
Sprache  abgpfa.<;stcn  Gedichte,  behandeln  zumeist  religiöse  Stoffe.  Die  Er- 
zählung soll»sl  ist  gegeben,  ist  uns  aus  der  Bibel,  aus  den  Legenden  etc.  wohl- 
bekannt; nun  muHs  mau  zusehen  wie  der  Dichter  seinen  Stoff  beluindclt, 
deniiellien  seinen  Zeitgenossen  deutlich  und  intcrcs.-^ant  zu  machen,  wie  er 
ihn  umgeKtahct.  furtlasst.  zusetzt,  sich  in  selbNtorfundenen  Schilderungen  er- 
geht.    Es  ist  dies  eine  mühsame  Arbeit,  aber  jedenfalls  belohnender  als  das 

i;crmKnf»chc  Phlloloi:!«  III-    J.  .^ufl.  31 


482 


XU.  Srrre.    2.  Deittsch-knolische  VBRnXtTKisss. 


Durchlesen  der  Annalc-n  uml  Chroniken,  das  deshalb  aber  kcinpswegs  ausser 
Achl  zu  lassen  ist  Die  Dichtunj^en,  welche  profane  Sloffe  bchandclu.  wer- 
den gegen  Ende  unserer  Periode  li^ufiger,  das  Epos  des  Waltliarius,  die 
ErzIlhUingen  aus  dem  Kreise  der  Tierfabel,  wie  die  Eobasi.s  raptivi  etc..  \'or 
allem  der  RuudUcb,  siud  in  Betradit  zu  ziehen.  Es  wird  jedoch  jeder  der 
sich  mit  der  SiUcnge-scliiclitc  dir-ior  Epoche  beschafii^t,  j,'nt  tbun,  sich  eine 
Kenntnis  der  gesaniteu  erhaltenen  Uleralur  jenes  Zeilraumcs  zu  verschaffen 
und  dieselbe  .stirgsain  durchzuarbeiten,  selbst  Glossensammlungen  u.  s.  ve^ 
nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  denn  nur  auf  Grund  des  vollständigen  Malcriah 
la^st  sich  eine  leidlich  zuverlässige  Schilderung  entwerfen:  dürftig  wird  die- 
selbe aber  immer  bleilicn,  selbst  wenn  man,  wie  silmn  bemerkt,  aucli  die 
literarischen  Erzci^iissc  der  Deutschland  benarhi>arlen  Staaten  mit  in  Be- 
tracht zieht. 

Gründlicli  behiuidelt  isl  die  Sittengeschichte  Deutschlands  in  der  Zeit  \'on 
Karl  riem  Grossen  bis  zur  Regirnuig  der  Staufen  n(x:h  nicliL  Was  Wein- 
hold, Du  dattsdien  Frauen  in  dem  MittehiUr  (2.  Aufl.  (88j,  3.  Aufl.  181)7), 
ftber  diese  Periode  bietet,  ist  durrhaiLS  nn zureich etKi,  so  gut  dies  mit  Kecht 
gefeierte  Werk  auch  den  folgenden  Zeilabschnilt,  die  Blülepenode  der  deut- 
schen Epik  und  Lyrik,  schildert. 

Diese  Epoche,  die  etwa  die  hundert  Jahre  von  1150 — 12,50  umfasst,  hat 
schon  langst  die  Aufmerksamkeit  der  Germanisten  in  Anspnich  genommen; 
es  existiert  eine  ziemliche  Menge  von  Monographien  und  zusammenfassenden 
DarstellunReu.  Die  Quellen  sind  wieder  in  erster  Linie  in  <lai  historischen 
Schilderungen  zu  sudicn;  diese  sind  schon  redseliger  abgefasst  und  bieten 
deshalb  mehr  als  die  älteren  Schriften.  Neben  den  Chroniken,  Biographien, 
Briefen.  Gesetzen  u.  s.  w.  liefern  nun  die  reichste  Ausbeute  die  Gedichte 
der  Zeit,  weniger  die  lyrisdicn,  mehr  die  epischen;  auch  die  didakli-^Mien 
Poesien  sind  immerhin  von  Hcdculung;  es  gilt  ebenfalls  hier  alles,  was  niaD 
erreiclicn  kann,  zu  prüfen  und  wenn  es  angeht,  zu  verwerten.  Die  histori- 
schen Quellen  .sclüldeni  uns  die  tbatsachlii  h  vorhandenen  I>ebcnsverhältnisse; 
was  wir  erfahren  ist.  wie  dies  nicht  anders  sein  kann,  sehr  mager  und  voller 
Locken.  EInigennasscn  kann  man  dieselben  ausfüllen,  wenn  man  die  Pre- 
digten der  volkstümlirlicn  Kechier,  die  ja  doch  auch  wirkliches  Leben  vor 
Augen  hatten,  zu  Hilfe  nimmt.  Die  Predigten  des  Bertliold  von  Regens- 
burg werden  immer  eine  sehr  wichtige  Quelle  für  die  Sittengeschichte  des 
13.  Jahrlis.  bleiben;  man  darf  nur  nicht  jeder  Äusserung  ein  zu  grosses  Ge- 
wicht beimessen:  in  der  Absiebt  auf  die  Zuhörer  zu  wirken  ist  natürlich 
manches  fibertrieben  dargestellt.  Vor  allem  aber  hüte  man  sich,  die  Auf- 
zeichnungen der  Geschicliisschreiber  falsch  zu  deuten.  Es  werden  da  öfter 
5?c  band  diäten.  Unsittlichkeiten  iL  s.  w.  erzählt,  und  viele  moderne  5ichrift- 
steller,  z.  B.  der  verdienstvolle  Joli.  Scherr,  sind  sofort  bereit,  diese  Berichte 
zusammenzustellen  und  sie  als  charakteristische  Merkmale  denielben  Zeit  zu 
ver^vertcn.  Indessen,  wenn  diese  Sünden  so  allgemein  im  Schwange  gewesen 
»ilrcn,  hiUte  sie  der  Chronist  scliwedich  crwrduu;  nur  weil  sie  seine  Auf- 
merksamkeit erregten,  hat  er  dies  gethan.  Heute  würde  ja  auch  kein  Chro- 
nik enscli  reibet  jeden  Diebstahl,  jeden  Bankerott  buchen,  sondern  nur  Auf- 
sehen erregende  Falle  des  Aufzeichnens  für  wert  halten.  Es  ist  also  immer 
erst  recht  sorgfältig  /u  prüfen,  ob  suSche  si>genannle  charakterisiische  Ge- 
schichten wirklich  so  bezeichnend  sind.  Ebenso  wird  man  bei  Beurteilungen 
der  Sitten  und  Lehensformen  einer  Zeitepoche  —  und  solche  Bemerkungen 
finden  sich  hie  und  da  —  fragen  müssen,  von  wem  sie  herrühren.  Wir 
werden  ein  solches  Zeugnis  anders  beurteilen,  wenn  es  von  einetn  eifernden 


RtTTKRZETT. 


4S3 


Sittenprediger  herrührt  —  sein  Ideal  von  Sitten  rein  hoit  Ist  nie  auf  dej-  WrU 
veiwiiklicht  wonlirii  —  tMler  wenn  es  ein  aller  Herr  ausspricht,  dem  die 
G^enwart  »o  ßraii  crsdicint  gegen  die  güldenen  Tage  der  Jugentl,  als  auch 
er  an  den  sp;iter  gescholtenen  'rhorliciten  seineu  vollen  Anteil  hatl».  Ktwas 
kann  wohl  auch  hei  diesen  Strafpredigten  wahr  sein,  und  dies  herauszufinden 
ist  die  Aufgahe,  der  sich  jetSer  unterziehen  muKs,  wer  an  .siiienge>ichirhtli(.-he 
Untersuchungen  Hand  anlegen  will.  Hat  man  nun  die  historisch  überlieferten 
Thaütaehen  grup])iert,  so  gehl  man  daran,  die  Dichtungen  zu  Rate  zu  ziehen. 
In  England  sind  für  jene  frOhe  Zeit  nur  wenige  nationale  anzutreffen,  meist 
liaben  wii  es  mit  Hnglonornianiiischen  Dichleni  zu  thun,  die  im  Geiste  der 
Kranzcisen  dichten,  wie  sie  sieh  auch  deren  Sprache  hedienen.  Thi)ma» 
Wright  ia  histoty  0/  äomestic  wanners  anti  seniimettls  in  EnglamI  during  Ihe 
midiflf  ages  —  Lond.  1862)  zieht  deshalh  auch  meist  franztisische  Quellen 
heran,  englische  Zustünde  zu  scliikleru.  Über  die  lyrischen  Gedichte  ist 
wenig  zu  sagen.  Stofflich  eulltalteii  sie  selten  etwas  brauchixires,  un<l  will 
man  sie  als  AiL<Mlruck  der  Gesinnung  gewisser  GeselUcliaftsk lassen  gellen 
lussen,  so  ist  d'M'h  erst  die  Grenze:  zu  beAilmmeu,  wo  die  Phantasie  des 
Dichters  beginnt  Ich  glaube,  daas  z.  B.  zahlreiche  Minnesänger  Tageliedcr 
gedichtet  haben,  ohne  dass  sie  je  in  der  Lage  waren,  solche  Situalinn  [K-r- 
sönlii:h  zu  erfahren.  Die  didaklisclu-n  Poesien  werden  ebenfalls  sorgsanier 
Prüfung  wert  sein;  in  tien  SUndenklagen  und  .Ihnlichen  ascetiMhen  Schriften 
vird  man  gut  thun,  nicht  alles  für  die  ganze  Zeit  und  Gesellschaft  gelten  2U 
la<«en.  Was  mm  die  grossen  Epen  anbetrifft,  so  beruhen  sie,  wie  bekannt, 
meist  auf  franzrtsisrhen  DriginaJen,  die  zum  Teile  wenigstens  mir  in  deutsche 
Verse  ilbertragen  sinil.  Die  Lehensgcwolmheiten  waren  unter  der  vomelunen 
Gc«.e!Lschafi  in  Deutsclilaad  wie  üi  Krankreich  ziemlich  dieselt>en:  französische 
Sitte  galt  als  die  Norm  anständigen,  höfischen  Benehmens,  mag  auch  im 
übrigen,  was  wir  nie  aus  dem  Auge  verlieren  dürfen,  eine  Maiuiigfalligkeit 
-der  Sitten  und  Gebrauche  bei  den  versrhiedenen  VAlkem  in  den  iJUidem 
und  Stfidlon  vorhanden  gewesen  sein,  eine  Maanigfaltigkeil,  die  noch  bis  in 
das  vorige  Jahrhundert  sich  verfolgen  ISs-st.  Für  diLs  Mittelalter  sind  aller- 
dings die-ie  Verschiedenheiten  nicht  nachgewiesen,  da  nns  zu  dürftige  Ülier- 
licferungen  zur  Verfügung  stehen,  dass  sie  aber  gerade  in  jener  Zeil  sich 
brsiinders  grJtend  machten,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Wir  können  also 
die  Schilderungen  der  Epiker,  die  ja  alle  ihre  Erzählungen  genau  in 
das  tiewand  ihrer  Zeit  kleiden,  im  allgemeinen  wohl  als  glaubwilrdig  an- 
sehen: *ie  die  Helden  der  Epen,  so  handelten  die  Killer  jener  Zeit  «Mier 
hallen  wenigstens  so  handehi  sollen:  die  Gestatten,  die  der  Dichter  schuf, 
waren  hleale  für  die  Hörer  seiner  Gedichte,  in  diesem  Sinne  winl  man  sie 
aufzufassen  hal>en.  Diese  Helden  betragen  sich  also  im  hrtchsien  Grade 
korrekt,  und  was  sie  tliun  und  lassen,  was  sie  für  erlaubt  halten  das  galt  im 
allgemeinen  der  grossen  Menge  der  Riller  als  zulässig  und  ansu'lndig-  Es 
ist  nun  wohl  zu  beachten,  wie  die  deutschen  Dichter  die  franz^isLschru  Epen 
übertragen,  umdichten,  was  sie  fortlassen  und  was  sie  zaseizen.  Die  fran- 
zOiüschcn  Oian*ms  de  geste  erzählen  häufig,  da.ss  ein  Held  l>ei  einer  hefti- 
gen Gemütsbewegung  ohnrnSt  htig  wird,  —  das  musste  doch  einem  so  er- 
|>roUen  Krieger  passieren  können,  ohne  dass  es  bei  den  HOrern  oder  Ixsem 
■<lcs  Gedichtes  Bedenken  erregte,  —  in  die  dculsclie  Poesie  Ist  dies  Motiv 
nur  höchst  sehen  (cf.  Willehalni  öl,  19)  aufgenommen  worden.  Wie  die 
Dichter  nur  Helden  und  Heldinnen  scliitdem,  so  häufen  sie  in  iluren  Be- 
Kchreibungen  auch  alle  Pracht  und  HerrUchkeit  auf  sie.  Die  Burgen  imd 
■Sdilüsser  siiul  nrieh  viel  herrlicher,   als  sie  in  WirkUchkeit  den  Zeitgenossen 


484 


XII.  Sitte.    2.  Deutsch -englische  VbrhXltnisse. 


vor  Allgen  standen,  aber  immer  den  damaligen  Prachtbauten  im  gmsscn 
GaJizcn  alinlich.  Was  der  Dichter  je  von  Kostbarkeilen  gehört  hat.  das 
bringt  er  bei  seinen  Schilderungen  sicher  an;  selbst  die  wunderbaren  Auto- 
maten, die  golrlnen  Baume  mit  den  Vögeln,  die  durch  ein  Orgelwerk  zum 
Singen  gebiatht  w-urdcn,  auch  solche  Kunstwerke  hatten  die  Kreuzfahrer  iu 
Knnstantinopel  oder  im  Orient  gesehen,  und  die  Dichter  erzählen  mir  aus- 
schinOckend  wieder,  was  sie  wtrklicli  gehört  haben.  Etwas  Wahres  ist  also 
immer  in  den  Scliildcrungen  der  Dichter  vorhanden  —  dass  in  der  Erfindung 
der  Erzälilung  sie  ihrer  Phantasie  freien  Spielraum  lassen,  das  versteht  sich 
ja  \*on  selbst  —  die  Gestalten  der  Erzählungen  betragen  sich  je  nadi  üucm 
Stande  so,  wie  die  Zeitgenossen  dies  in  ihrem  Kreise  gewohnt  waren,  und 
auch  die  Kleider,  Rüstungen,  die  Burgen,  Palllste,  die  Kriege,  Belagerungen^ 
Toumiere,  kurz  das  ganze  ritt(*rliche  Leben  ist  der  Wirklichkeit  entsprechend, 
nur  zuweilen  etwas  übertrieben  prächtig  dargestellt.  Nun  redea  aber  die 
l^iihter,  eben  weil  sie  an  das  sie  selbst  umgebende  Leben  anknüpfen,  oft 
nur  andeutend  tiber  Dinge,  die  den  Zettgenossen  wohl,  aber  nicht  uns  völlig 
verstandlich  waren;  dann  niuss  man  sehen,  möglichst  viele  Stellen  zu  sammeln, 
die,  dieselbe  Sache  besprechend,  sich  unter  einander  ergänzen  und  erklären. 
Bei  der  grossen  Menge  von  Dichtungen  kann  man  sicher  darauf  rechnen^' 
auf  diese  Weise  zum  Ziele  zu  gelangen,  zumal  wenn  man  noch  die  gleich- 
zeitigen franztlsischen  Poesien  mit  zu  Htllfe  nimmt 

Die  Poesien  bringen  zwei  Momente  besonders  zur  Geltung.  Tapferkeit 
ist  die  Haupttugend  des  Ritters,  und  -sein  Lohn  ist  die  Gunst  der  Frauen. 
Kor  die^e  beiden  Momente  hegte  die  damalige  Zeit  das  höchste  Intcre$.se; 
einen  tüchtigen  Kampf  sidi  schildern  zu  lassen,  wurden  die  jungen  und  die 
alten  Ritter  nicht  müde,  und  sicher  hellten  sie  als  SachversiJlndige  jedes 
Versehen  des  Dichters  gerügt,  dann  aber  hörten  sie  gern  von  Liebesaben- 
teuern erzählen,  aucii  wenn  die  romantische  Geschichte  durcli  eine  recht 
handgrejfliche  Derbheit  gewürzt  wurde.  Die  Schwanke  und  andere  kleine 
Gedichte  fanden  trotz  ihrer  oder  gerade  um  ihrer  unverblümten  Scherze 
Beifall,  dcim  stets  gilt  die  Zu.stiiimiung  dem  guten  Witze,  der  Schlauheit,  mit 
der  ein  Weib  ihren  M;mn  betrog  —  immer  sind  die  Frauen  die  Klugen, 
ihre  Mainzer  die  Dummen  —  und  dass  diese  kurzwellige  Geschichte  in  einer 
■  fft  genug  uns  recht  aiistössigcn  Weise  erzühlt  wurde,  darum  bekümmerte  man 
sich  nicht,  solche  Geschichten  waren  ja  nicht  für  die  Kinderstube  bestimmt. 
.\ber  aus  dieser  unzweifelhaften  Vorliebe  für  erotische  Schilderungen  auf  die 
I^benswelse  der  guten  Gesflls«  haft  jener  Zeit  zu  scliliessen.  ist  doch  wohl 
nicht  erlaubt.  Es  kann  einer  gern,  sehr  geni,  solche  Gescluclilcn  hören  und 
sie  selbst  doch  in  Wirklichkeit  auszuführen  nie  in  Versucliung  kommen. 
Nicht  das  Gewöhnte,  sondern  das  Ungewöhnliche  pHe^  ja  immer  die  Leser 
der  Romane  zu  interessicreu. 

Auf  diese  Erwägungen  die  Aufmerksam  keil  zu  richten,  dQrfte  nicht  über- 
flüssig seiu. 

W.'ihrend  für  die  Geschichte  des  Lebens  der  obersten  Ge&ellsrhaftsk reise 
tier  Stoff  nicht  mangelt  und  fast  jede  neue  Publikation  ungedruckter  Spradi- 
'■der  Geschieh tsdcnkmalc  neue  AufsclUüsse,  mag  dies  auch  nur  für  Kleinig- 
Leiten  zutreffen,  bringt,  ist  es  sdiwicrig,  über  die  Sitten,  der  Bttiiger,  der 
IJauer«  Aufschluss  zu  erhalten.  Urkunden  werden  liier  am  clieslen  Material 
liefern,  aber  kaum  ein  bedculcmlcs  und  sclir  ausgiebiges.  Die  WVisiümer 
sind  meist  undatiert  und  deshalb  so  überaus  schwer  zu  verwenden. 

Die  ritterliche  GcscILschaft  Ist  bis  jetzt  ausschlics-stich  ins  Auge  gcfasst 
worden;  man  hat  ihre  Wohnungen  in  den  Uurgen  studiert  und  versucht  die 


I 


I 


Beschreibungen  der  Sc-hriftstelier  durch  (Mos  .Siiidium  der  noch  vorhandenen 
Burgruinen  zu  ergünzen.  Dit.'s  würde  leicht  zu  erreichen  sein,  wenn  sich 
oner  die  MOhc  nflhrao,  die  Burgen  alle  zu  zeichnen,  ihre  Lage,  ihre  Grund- 
risse u.  s.  w.  festzustellen  und  diese  Ergebnisse  dem  Publiknm  zu  Übergeben. 
Das  ist  aber  schwerer  als  man  denkt;  eine  Kirche  kann  im  Nntfall  ein 
MauriT  aufiTirs^en,  eine  topographische  Skizze,  die  brauchbar  ist.  die  jede 
Differenz  der  Höhenlage  genügend  anschaulich  macht,  herzustellen,  erfordert 
einen  sehr  gcAchickten  und  geradt^  im  Kartenzeichnen  geübten  Mann.  Ist  dies 
aber  auch  erreicht,  so  tritt  nun  die  Schwierigkeit  her\or,  die  Entstehungszeit 
•des  Baues  und  seiner  Teile  zu  ermitteln.  Damit  ist  gar  nichts  gewonnen, 
dass  wir  wissen,  die  Burg  wird  in  dem  und  dem  Jahre  zuerst  erwähnt;  des- 
halb kennen  die  Biiuten  viele  Jahrhunderle  sfjRter  aasgeführt  sein.  Fehlen 
architektonische  Schmuckteile,  und  die  sind  meist  aus  den  Ruinen  langst 
«ntfemt,  und  bleibt  nur  die  aus  Bruchsteinen  aufgetürmte  Mauer,  dann  ist 
es  sehr  schwer,  die  Entstehungszeit  auch  nur  annähernd  zu  bestimmen. 
Manche  stellen  sich  diese  Art  von  Untersuchung  so  überaus  leicht  vor; 
ihnen  mOgen  die  vorstehenden  Bemerkxmgcn  iK^onders  ans  Herz  gelegt  sein. 
Durch  die  Untersuchungen  von  Näher,  die  ich  hftf.  Leben  *  I.  8  Anm.  zu- 
sammengestellt habe,  und  A.  v,  Essenwein  in  seiner  Arbeit  über  die  Kriegs- 
baukundc  (Darmst.  1 889)  ist  auch  die  Bearbeitung  dieser  schwierigen  Fragen 
wesentlich  gefordert  worden. 

Die  Kleidung,  derer  man  sich  im  12.  und  13.  Jahrh.  bediente,  wird  zumal 
in  den  Gedichten  htlufig  und  eingehend  beschrieben.  Es  kommt  nun  daittuf 
an,  sicher  zu  datierende  Miniaturen  und  sonstige  Abbildungen  zur  Erläute- 
rung jener  Beschreibungen  heranzuziehen.  Und  da  Lst  \'or  allem  zu  bemerken, 
dass  für  die  Zeit  des  Wolfram  von  Eschenbach  u.  s.  w.  die  Ire  übrigen  so 
wichtigen  Miniaturen  der  Heidelberger  (falschlich:  Manessischen)  Liederhand- 
sclirift  durchaus  nirlit  zu  verwenden  sind,  da  sie  mehr  als  hundert  Jahre 
später  gemalt  wurden.  Für  das  12.  Jahrh.  bleiben  immer  als  Hauptcjuelle 
die  Miniaturen  des  1870  verlorenen  //oriies  delictarum  der  Herrad  von 
Landsberg  (hrsg.  von  Engclhart,  Stuttgart  u.  Tübingen  1818,  Nachträge  von 
Straub  Strawb.  1880  ff.).  Für  den  Beginn  des  13.  Jahrhs.  ist  die  Bilderhand- 
schrift  der  Eneit  des  Heinrich  von  Veldecke  und  die  des  Marienlebeas  von 
Wemher  von  Tcgemsce  (beide  in  der  Berliner  Bibliothek)  zu  b&ichten, 
und  die  Handschriften  des  Konnid  von  Scheycm  (München,  Hof-  und 
Staatsbibt.)  geben  für  die  erste  Hfllfle  des  1 3.  Jahrhs.  sichere  Anhalts- 
punkte. Je  mehr  Bilder  noch  aufgefunden  werden,  desto  klarer  win.1  die  so 
schwierige  Kostttmfrage  sich  beantworten  lassen.  (Vgl.  v.  Hefner- Alteneck, 
Trachten  des  christl.  Mittelalters.  Mannh.  1840 — 52.  —  2.  Aufl.  Frankf.  a.  M. 
1879  ff.  und  Herrn,  Weiss,  KostUmkunde,  Stultg.   1856  ff.  —  2.  Aufl.    1 881  ff.). 

Cber  die  Art  der  Bewaffnung,  der  Belagerungen,  der  Schlachten  ist  ku 
den  Berichten  der  Zeitgenossen  M.  Jahns'  Handb.  einer  Geschichte  des 
Kriegswesens  (Lpz.  1880)  und  Köhler,  Kriegswesen  in  der  Rilterzeit  (Breslau 
1886  ff.)  zu  vergleichen. 

Ganz  andcn«  sind  die  Quellen  beschaffen,  denen  wird  die  Materiaüen  zu 
einer  Sittengeschichte  «ies  ausgehenden  13.  Jahrhs.  bis  zum  Tode  Maximi- 
lians 1.  verdanken.  Die  Chroniken  und  Geschichtserzahlungen  werden  wdt- 
lüuf^er  und  ziehen  nicht  seilen  auch  Fragen,  die  uns  speziell  interessieren, 
m  Betracht:  die  Limburger  Chronik  ihrsg.  von  A.  v.  Wyss  in  den  Monu- 
mentis  Germ.  1883*  stliildert  nicht  nur  die  merkwürdigen  Handlungen,  die 
Trachten,  sondern  erwähnt  auch  die  Lieder,  die  man  sang  und  pfiff,  und 
manclies  Ähnliche.     Besonders  die  Stadlechroniken  (hrsg.  von  C-  Hegel,  Lpx, 


Xn.  Sitte.    2.  DnirrscH-EXGLrscHK  VhrrSltnisse. 


l86a  ff.)  sind  zuweilen  reich  an  solchen  Schilderungen  au>i  dL-iii  Voifcslebei 
An  SellM4thl(^rai>hien  fehlt  es  nicht:  es  sei  nur  auf  die  interessanten  AufJ 
xcichnun(;cn  des  Bernhard  Rorbach  (hr^.  v.  H.  Orotefend,  Oeschichisqucllcn 
von  Frankfurt  a.  M,  1884  I.)  in  Frankfurt  ii.  M.  hinpcwiL-scn.  Dazu  kommt 
die  unabsehbare  Menge  von  crhriltenen  t.'rkuTulcn,  die  zuweilen  auch  für  uns 
wichtig  sind;  sie  finden  sich  in  den  Codices  diplomaiici,  Gc^chitlitsqucUen, 
Rt^eslen  etc.  gesammelt,  aber  das  Widitigstc  ist  nach  unediert  in  den  Stailt- 
bUchcm  und  ahnlichen  Manu^skripten  verborgen,  Prediger  we  Berthold  von 
Regen sburg  fehlen  allerdings  für  das  14.  Jahrb.;  die  Mystiker  bitten  s<>  gut 
wie  gar  nichts,  aber  im  15.  Jahrh.  liefert  der  Augustiner  Gottirhalk  Hiillen 
und  vur  allem  Dr.  Geiler  von  Kaisersberg  eine  unschätzbare  Quelle  der 
SiltengcM:hichif.  Dagegen  ist  che  Ausbeute  aua  tlcn  Dichtungen  ziemlich 
flnnlich.  Im  14.  J:ihHi.  sind  es  vor  allem  die  Werke  von  Suchenwirt  und 
Heinrich  dein  Teicbner,  die  Stoff  bieten;  viel  weniger  wird  man  in  Hadamar 
von  Labers'  Jagd  (circa  1340)  finden,  und  die  Mörin  des  Hermann  von 
Sachsenheim  (c.  1453)  ist  für  unsere  Zwecke  fast  gar  nitht  zu  brauclien. 
F-inzelne  Satiren  wie  des  Teufels  Netz  {c.  1414 — ^18)  haben  eine  grt'issere 
RrdfUTiing,  doch  wirklich  rcii-h  an  Material  ist  erst  wieder  Sebastian  Brands- 
Narrenschiff  (1494)  und  die  an  <lasselbc  anknüpfenden  Predigten  Geilers  voa 
Kaiserberg,  scjwic  die  Dichtungen  Thomas  Mumers,  die  Narrenbcschwörung 
(1512I,  die  Badenf;ihrt,  die  MüMr  von  Sch^s^nde]sheim,  die  Geurhmat  (1519). 
Das  Bauemieben  schildert  der  Ring  des  Heinrich  von  Wilti-nwciler,  und 
mani-liprlei  ist  auch  aus  den  dem  Ende  des  15.  Jahrhs.  angehftrigen  Fasi- 
na chtspivlen  (hrsg.  von  A.  v.  Keller  Siulig.  1853.  1858)  zu  lernen. 

Die  englische  Literatur  ist  bei  weitem  nicht  so  reidi  und  bietet  zu- 
nächst haiiptsllchlich  Bearbeitungen  fremder  Stoffe,  wie  ja  auch  Chaucer 
solche  in  seinen  Canterhury  Tales  geliefert.  Hier  ist  zu  beachten,  wie 
die  Bearbeitung  ausgeführt  wird,  was  der  Dicliter  fortliisst  oder  zusetzt 
um  sejnen  Hörern  verstflndticher  oder  angenehmer  zu  erscheinen.  Auch 
hier  wird  nur  eine  Kenntnis  tler  gesamten  vorhandenen  Literatur  berech- 
tigen ein  Bild  vun  dem  Geist  und  den  Sitten  der  Zeit  zu  entwerfen.  Über 
englische  Burgen  ist  zu  vergleichen  I  ludson  Turner,  Sonic  accotmt  of 
d'  'Uieslic  iirchitecture  in  England  fruin  the  Conquesl  to  thc  eud  of  the 
Ihirteenth  cenluni',  Oxf.  1H51,  und  Parker,  Some  accnuni  of  domcstic 
architectnre  fruni  Edward  L  to  Richard  IL  0.xf.  1853.  —  über  Costumc 
u.  s.  w.  geben  die  alteren  Werke  von  J.  Strutt  Auskunft,  dress  and  habitg. 
und  spnris  and  pastimes.  (Lnnd.  1801).  —  Die  Sittengeschichte  behandelt 
Thomas  Wnght  in  seinem  uljcn  citicrteu  Werke  und  in  Womankind  in  all 
ages  of  western  Europe  {Ijind.  1869)  sowie  Edward  L  Cutts  in  den  Seciicii 
and  characters  of  the  middle  :iges.     (Lond.   1872.) 

Es  ist  nicht  mehr  die  adelige  Gesellschaft,  die  die  Poesie  ausschliess- 
licli  beherrscht:  das  hflrgeriiche  Element  tritt  namentlich  in  den  Chronikea 
mächtiger  in  den  Vordergrund;  der  Adel  Lsi  mehr  zurückgedrängt  und 
selten  noch  auf  der  Hr.hc  d(*r  Bildung,  der  Kultur.  Der  Cieschmacfc  ist 
ein  anderer  geworden;  die  lÜKühlungen  von  den  Abenteuern  der  Ritter 
munden  der  i^eit  nur  noch  in  so  fem.  als  den  betriebsamen  Geschäfts- 
leuten  em  ihnen  verschlossenes  Gebiet  sich  eröffnet,  und  aucli  die  leicht- 
fertigen LJebesgeschichten  sind  pluro])er  geworden;  oft  (Iberwicgt  der  Schmutz 
in  der  Erzilhlung  weitaus  den  Wiu,  den  guten  Scherz.  Man  vergleiche 
eine  freie  Erzählung  des  Konrad  von  Wörzburg  mit  den  Spassen,  die  uns 
vom  Tyll  Eulen-^piegel  mitgeteilt  werden.  Der  Witz  der  Franzosen,  den 
die   alteren  SchwSüike  nachahmen,   beschäftigte  sich  meist  mit  geschlecht- 


Kchen  Verlialtnissen,  die  drutsthen  Wilze  des  15.  Jahrh.  dagegen  sind  ge- 
wVihulirh  plall  unü  übeldudend. 

Über  die  Srhlnsser  und  Butten  finden  wir  jetzt  bei  den  Diehteni  kaum 
norh  eine  Besehreibung,  d^tgegen  sind  uns  Uaurerhnungen,  Invcntnre 
U.  drgl.  erhallen;  es  sind  vorh:uidcn  eine  gniSsc  Menge  von  Ruiucn  und 
manche  Schlösser  wie  Marienbtirg  in  Treusscn  in  leidlicher,  Meitscn 
in  vortrefflicliater  Kuns^ervicriinji;.  Die  Slildle  dagegen  sind  weniger  gut 
uns  oberliefert:  <lie  Grflben  und  Mauern  sind  beseitigt,  die  »Iffentlichcn 
Gebäude  entweder  der  Zerstörung  anheimgefallen  uder  modemisiert,  von 
den  BOrgerhauseni  ist  kaum  noch  die  Aussenseite  in  dem  alten  Zustande. 
Aber  doch  Ut  nuth  immer  eine  ganze  ^fe^ge  sulcher  Denkmäler  vurhaiideii, 
deren  Aufnalime  und  Srhilderung  den  Kunsthistorikern  We]  mehr  am 
Herzen  liegen  müsste.  als  den  lausenden  Uingstbekannlen  gotischen  oder 
romanischen  Kirchen  eine  neuentdeckte  zu/ufdgen. 

Die  Trachienwett  gestaltet  sich  im  14.  und  1$.  Jahrh.  höchst  mannig- 
faltig.  Die  langen  gegürteten  Röcke,  die  im  i,v  Jahrl».  Mflnner  wie  Frauen 
getragei»  halten,  waren  auch  in  den  ersten  Decennien  des  14.  noch  ge- 
brauchlich, wie  die  Büder  der  Heidelberger  Liederliandsclirift  (in  Liihtdruck 
publiziert  von  Fr.  X.  Kraus.  Strassb.  1Ö81 )  zeigen.  In  den  zwanziger 
Jaliren  verkürzt  sich  der  M;innerr<Kk  aufrallcnd,  dass  er  kaum  noch  die 
Oberschenkel  halb  bedeckt.  Audi  diese  Mode  kommt  aus  Frankreich, 
erregt  gewaltigen  Aufruhr,  wird  aber  allmiihlich  überall  angen<  inimen.  Die 
Miniaturen  do  Willchalni  in  Ka.*.se]  (1334),  die  Wandmalereien  in  der 
Burg  Neuhaus  in  Böhmen  033^)  zeigen  no4h  keine  Spur  der  neuen 
Mode.  Zu  dieser  kommt  nun  eine  alle  wieder  aufgenommene  Thorheit 
der  lang  herabhängenden  Annel.  Erst  treten  dieselben  nur  in  Form  v(m 
Streifen  auf,  die  von  dem  FJIenbogrn  bis  zur  Erde  reichen,  dann  um 
1400  werden  dieselben  zu  wirklichen  Ärmeln,  die  aber  auch  s<->  weit  sind, 
da-SR  sie  den  Boden  berühren.  Diese  Mode  machen  auch  die  Frauen  mit. 
Es  sind  genug  datierte  Miniaturhandschriften  In  den  verschiedenen  Biblio- 
theken niKrh  erhalten,  die  uns  den  Verlauf  dieser  Mode  genau  zu  ver- 
folgen gestatten.  Dann  wird  der  Kock  wieder  langer  und  die  Ärmel 
kürzer  und  enger,  aber  die  ausgezackten  Kleidcrsüunie.  die  zu  Anfang  des 
15.  Jahrhs.  wie  wlio»  im  1^.  Jahrli.  und  dann  wieder  im  14.  gebraucht 
wunlen,  bleiben  fast  bis  üt>er  die  Mitte  de<.selben  beliebt.  Dann  kommt  ein 
Schneider  auf  den  Gedanken,  den  Bruch,  die  Unterhose,  und  die  (Strumpf-) 
HoHc  zu  verbinden;  der  Bruch  bekommt  vom  einen  Latz,  und  die  Hose 
»ird  in  der  Mitte  der  Oberschenkel  mit  Nesteln  an  den  Bruch  befestigt; 
bald  uird  Hose  und  Bruch  ai«  einem  Stück  gemacht.  |elzt  erregt  der 
Ha'icidatz  «ierler  den  Grimm  der  Monilprediger.  In  Folge  der  Vervoll- 
kommnung der  Hülse  wird  der  Rock  aufs  neue  kurz,  gestaltet  .'(ich  zur  Jacke; 
die  Ärmel  sind  eng,  und  damit  dies  die  Beweglichkeit  des  Armes  nicht 
hindert .  werden  sie  an  den  Eilenbogen  aufgeschnitten ,  dass  das  weisse 
Hemd  sichtkir  uird.  Dies  geschieht  etwa  148.^ — 90,  Die  Schuhe  sind 
spitz,  und  vyn  Zeil  zu  Zeit  knmmt  die  alte  .mIiuu  im  12.  Jahrh.  erwähnte 
Narrheit  der  Stlmabelsclmlie  wieder  auf.  Auch  um  14(^1  uird  der  Schnitt 
der  Schuhe  ein  anderer:  an  Stelle  der  spitzen  Schuhe  treten  die  hrdlen. 
die  Ochscnm.'iuler.  Die  Wanwer  und  Hosen  werden  zen;ehlitzt ,  das 
taxhige  Unterfutter  hervorgezogen ,  die  Kleider  aus  bunten  Flecken  zu- 
sammen gesiOckelt.  Dagegen  ist  die  MiKie  der  Schellen  und  Glfkkchen, 
mit  denen  man  schon  im  i,\.  Jabrli.  Gürtel  und  Kleider  besetzt  halte,  seil 
der   Mitte   des  15.  abgekommen;    die   Schellentracht  bleibt    niu    asur   Fast- 


4B8 


Xn.  SnTE.      2.   DEUTSai-ENGLISCHE  VERHÄLT^rlSS£. 


nachtsmaske  und  zum  Aufputz  dea  Narren  üblirh,  wie  die  ehedem  moderne 
msamnipngeflirkie  Kleidung  spater  dem  Hanswurst  übcrlasseu  wurde.  Der 
Beginn  des  i6  Jahrli.  bringt  tue  Puffen-  und  l>ald  auch  die  Pluderhaw; 
die  Arniel  des  Wamses  werden  g^^pufft ,  aber  der  ehrbare  Mann  irSgt  über 
dem  Wams  die  pelzverbr,1mte  Sclvaubc.  Die  Wandlungen  des  Kostümii 
sind  durch  datierte  Miniaturen,  dunh  eine,  grosse  Anzald  gleichfalls  d;i- 
ticrtcr  Tafel-  und  Wantlmalcrcien ,  durch  gleichzciiigc  Kupferstiche  und 
Holzschnitte  ziemlich  genau  zu  verfolgen  (vgl.  v.  Hefner-AUflneck  und  H.  Weiss 
a.  a.  O.). 

Die  Sittengeschichte  des  ausgelienden  MtttolaUcrs  aber  hat  bisher  noch 
keine  genügende  Darstellung  gefunden.  WeinholdsWerk,  für  deutsche  Frauen, 
ist,  stibald  die  Glanzperiode  des  Mittelalters  gi'Sthildcrt  worden,  wieder 
ganz  imzureichend ;  es  hat  dem  Verfasser  augenscheinlich  nichts  daran 
gelegen ,  auch  diesen  Abschnitt  gründlich  zu  studieren  und  dann  tüchti^r 
darzustellen.  Die  Schildenuigeii  vnn  Johmme:s  Schcrr  beschranken  sich  auf 
allgemeine,  wenn  auch  (jft  geistvolle  Bemerkungen. 

Was  an  Quellen  und  vor  allen  an  Abbildungen  zur  Verfügung  stand,  hHbc 
ich  in  dem  »Deulschcn  Leben  des  14.  und  15.  Jahrhunderts«  (Prag,  Wien, 
Leipzig  1892]  zufyimnien/ufassen  versucht. 

Noch  mehr  fällt  es  auf,  wie  wenig  raan  sich  bisher  um  die  Sittenge- 
schichte der  folgenden  y^eit  gekümmert  hat,  denn  die  Par  Seiten,  die  in 
den  sogenannten  Kultui geschieh ten  derselben  gewidmet  sind ,  kennen  in 
keiner  Weise  als  gcnügcnti  angesehen  werden .  ein  gi1\ndliche.s  Studium 
aber  Iiat,  s*-i  viel  Viekannt,  Niemand  bisher  dieser  Zeil  zugewendet.  Nur 
die  Untcrsuchungeu  vuu  Th.  Vatke,  Kulturbilder  aus  All -England  (BcrI. 
1887)  wSren  hier  zu  erwJihnen. 

Auch  für  diese  Zeit  werden  zunächst  die  historischen  Quellen  in  Betracht 
zu  ziclien  sein.  Es  ist  dies  eine  dunhaus  niclit  leichte  Arbeit,  einmal  weil 
die  Menge  des  Materials  zu  bcwHltigt'n  eine  lange  Zeit  erfordert,  daiMi  es 
noeti  au  Repertorien  der  Literatur  fehlt ,  wie  wir  sie  für  das  Mittelalter  in 
Pottliasts  Hibliotheka  medü  aevi,  in  Wattenbaclis  und  O.  Lorenz'  Geachichts- 
qucllen  glücklicher  Weise  beiitzen.  Man  wird  also  gut  ihun ,  die  Arbeit 
aucli  hier  zu  teilen  und  die  Zeit  des  16.  Jalirlis.  vom  Tode  Maximilians 
bis  zum  Heginn  de.s  <ln-issigjahrigen  Krit-ges  zunfirhst  ins  Auge  zu  fasseji 
Stadtechroniken  werden  auch  liier  zunllchst  zu  beachten  sein  —  letdec  sind 
viele  derselben  nncli  ungedruckt  —  dann  aber  sind  es  Biographien,  z.  B.  die 
des  GCitz  von  Bedicliingen  n.  a.,  die  reichen  Stoff  bieten.  Besonders  hervor- 
zulicben  waren  die  Zimmemsche  Clirunik  (hrsg.  von  Barack,  Stuttg.  l8öc>; 
n.  Aufl.  r88i),  die  Denkwünhgkeiten  <les  Hans  von  Scliweinichen  (hrsg. 
von  OesteHcy  1878).  Die  liisturische  Literatur  Eiigiuiids  wird  nach  den- 
selben Grundsätzen  zu  benutzen  sein.  Balaeus,  scriptorum  illustrium  majoris 
Britanniae  .  .  .  catalogus  (Basil.  1557 — 59),  Jnhn  Berkcnhout,  bingraphia 
litteniria  i'Lond.  1777).  Tho.  Wright's  bi;igraplua  Britannica  littcraria  (184- 
— 46)  weiden  ausreichen  über  die  zunJlchst  in  Betmcht  kommenden  Schriften 
zu  orientieren. 

Bei  Benutzung  dieser  historischen  Schriften  wird  man  gut  thun.  nicht 
die  überlieferten  Zöge  zu  generalisieren,  jeden  Berichtersiaiter  vielmehr  selbst 
ins  Auge  zu  fassen.  Der  Graf  Werner  von  Zinunem  erzählt  mit  sicht- 
lichem Behagen  s;iflige  Geschichten ,  während  bei  Schweinischen  manche 
Derbheit  niilgeteih  wird,  uhne  dass  es  dem  Verfasser  der  Memoiren  eigent- 
lich um  dieselbe  zu  thnn  Lst.  Immer  aber  muss  man  klar  vor  Augen  be- 
halten,   in   welchen   Gesellschaftskreisen    diese    Geschichten    spielen.      Mag 


Späteres  Mittelalter.     i6.  Jahrhundert. 


489 


der  Adel,  der  im  lö.  Jahrh.  wieder  eine  markantere  Sieihmg 
lüderlich  Ipbte,  so  ist  dies  doch  für  den  Bürgerstand  etr.  erst 
nachzuweisen.  Kinzelne  Falle  dürfen  tla  nicht  als  Beweise  für  die  Allgemein- 
heit verwertet  werden. 

IVedijjieii ,  fjcsetze,  Polizeiordnungen  werden  manchen  interessanten  Zug 
beisteuern.  Besonders  zu  beachten  ist  die  Tcufelsliteratur:  der  Sauftcufel, 
<lcr  liosenteufet.  der  Jagdteufel  u.  s.  w. 

Nun  kummt  die  Pr<}fanliteratur  noch  in  Betracht,  weniger  die  Cber- 
setzung  französBcher  Werke,  wie  die  von  Rabelais  ciurch  Fischart,  t)l>glejch 
auch  sie  zur  Kennzeichnung  des  literarisclien  Geschmackes  nicht  uhne 
Bedeutung  sind,  als  die  deutschen  Untcrhaliungshttrher.  die  Rrmnaiie  Georg 
Wickrams,    die  .\nek<lMten,    die   deiscibe  DIrtiler   im  RoUwagenbüchlein  ru- 

■  sainmengcstrllt  hat,  die  in  Freys  Garlengesellsrhaft,  in  Kirchhof fs  Wcnd- 
unniut  und  andern  Sammlungen  sich  finden.  Die  Fiistnachtspidc  und 
andere  Dichtungen  des  Hans  Sachs,  die  Komrtdien  und  Tragfklien  Friseh- 
lins  und  der  anderen  Dramatiker,  uUe  werden  nicht  ohne  Nutzen  für  die 
Hrforscliung  der  Siiicngcschichte  sich  erweisen. 

So  wird  auch  F'hilipp  Sidney's  Arcardia  kaum  gnVsere  Autibeute  ge- 
Tifähreti,  wohl  aber  Sackvtlles  mirror  for  magislrates  und  die  Fülle  von 
Schriftstellern  aller  Art,  die  zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth  auftraten. 

Norh  stehen  in  Nürnberg,  Rulhenburg  an  der  Tauber,  LfllxK-fc,  die 
Stadtebilder  fast  unverändert,  wie  sie  das  16.  Jahrh.  geschaut,  nuch  sind  zahl- 

■  lose  l*rivathauser,  Burgen.  Schliisser  gxit  erhalten,  die  uns  über  die  Fc-rra, 
den  Styl  der  damaligen  Bauweise  Auskunft  geben.  Die  (jeschiclitc  der 
deutschen  Renaissance  von  Lübke  (2.  Aufl.  rSßi).  die  groMc  Ix-i  Seemann 
erscheinende  Sammlung  »deutsche  Renaissance*,  das  Sammelwerk  von  Georg 
Hirth   .der  Fnrmens«.'hai2   dvr  Renaissance«    bieten    da    ein  überreiches  An- 

•  schauuiigsmaterial;  auch  für  England  bringen  2.  B.  der  Vitruvius  Briuni- 
nicus  und  zahlreiche  moderne  Werke  eine  Menge  von  Abbildungen  der 
heute   noch  vorhandenen  Baudcnkmalc,    z.  B.  Jos.   Nash  (The  Mansions  of 

■  Engbnd  in  ihe  older  time.  I — IV.  Lond.  i8(x)— 72).  —  In  den  Kunst- 
sammlungen, in  den  Gewetbcmuseen  sind  die  Hausgerate  jener  Zeit  in 
Fülle  anzutreffen,  von  dem  mächtigen  Schranke  an  bis  zu  dem  feinsten  und 
zieriich-sten  Schmuckstück.     Und  was   etwa   noch   fehlt,   d:i.s  ergJinzen  die  in 

■  so  grosser  Zahl  vuriiandeneti  Abbildungen  gleichzeitiger  Holzschneider  und 
Kupferstecher.  Georg  Hinh  hat  das  grt)ssr  Verdienst  sich  erworben,  die 
wichtigsten  dieser  oft  seltenen  und  schwer  nur  zu  beschaffenden  Bilder  in 
seinem  »Kulturgeschichtlichen  Bilderbudi  (Münch.  iBSz  ff.)«  zu  veröffent- 
lichen. 

Mit  diesem  Bilderbuch  in  der  Hand  ist  es  leicht,  die  Wandlungen  der 
Moden  zu  verfolgen,  deren  Gesriiichte  imn  auch  durch  die  zahllosen  Kleider- 
ordnungcn,  welche  Regierungen  und  städtische  Behörden  erlassen,  weiter  er- 
läutert wird. 

Für  den  Beginn  des  secliszehnlen  Jahrhunderts  sind  besonders  die  Holz- 
schnitte zu  beachten,  die  iia(Ji  den  Zeichnungen  des  Augsburger  Malers 
Hans  BuTgkmair  ausgeführt  wurden,  zumal  die  Illustnitioncn  fOr  die  von 
Kaiser  Maximilian  I.  veranlassten  Kunstpublicationen .  in  erster  Linie  den 
Weässkunig  und  den  Triumphzug  des  Kaisera,  .■\tbrecht  Dürere  Kupferstiche 
und  Holzschnitte  bieten  gleichfalls  viele  Aufschlüsse.  Besonders  reich  sind 
die  Arl»citen  des  Hans  Schfluffclein  an  Sitteiischilderungen ;  s«'<lche  finden 
fach  schon  in  den  Illustrationen  zum  Thcuerdanfc,  mehr  aber  noch  in  den 
DaratelluDgen  aus  dem  Alltagsleben  seiner  Zeit,  z.  B.  den  Darstellungen  des 


I 


490  XII.  Sitte.    2.  Dboisch-esguschb  Verhältnisse. 


I 

I 


Hochzeitstanzes.  Auch  der  wpsipliaüsrht*  M;iltr  Heinrich  AI(iegre\'er  giebt  in 
wincn  Hüchzcitsianzen»  (1538)  eüi  gutes  Bild  der  höheren  bOrgerlidien  Ge- 
sellschaft. Das  Leben,  der  Bauern  sciüldcrl  vortrefftich  Hans  SebaJdus  Beham 
in  seinen  Kupferstichen.  Kör  die  zwcitr  Hälfte  des  sechszehnten  Jahrhunderts 
bieten  die  Werke  des  Just  Amman  aus  Zürich  (153Q — Ql),  das  von  Wd>;cl 
in  NOmberg  VTröffcnttichte  Trachtenbuch  (1577).  die  Sammlung  von  Frauen- 
trachlen,  die  i5Hf>  bei  Siegm.  Feyrabend  in  Frankfurt  a,  M.  erschien  (ein 
Neudruck  ist  von  Georg  HJrlh  lieruusgegebcn)  und  zahlreiche  Bilder  und 
BilderfrOgen.  Über  iljc  Trachten  von  Stnissburg  und  B;ise]  sind  gegen  Knde 
des  scchszehnlcn  Jahrhunderts  eigene  Werke  erschienen;  die  Danziger  Frauen- 
trarht  schildert  die  Folge  von  Holzschnitten  nach  Anton  M^iUer  (1601.  — 
Neudrut:k  von  A.  ßt-rtling,  Danzig  iö8o>.  Eine  Menge  der  verschieden- 
art^sten  C!ostumbildcr  bictrt  das  von  Br^un  und  Hogcnberg  herausgegebene 
grosse  StadtebucU.  Doch  wird  man  da  vorsichtig  sein  niOssen,  da  die  Heraus- 
geber oft  filtere  Vorbilder  benutzen.  Die  Costuines  civiU  et  mililaires  ^-on 
Abrali^fm  de  Rruyn  (1581  —  neue  Ausgabe:  Bruxelles  1872)  sind  gleichfalls 
von  hervorragender-  Bedeutung;  für  die  Kenntnis  dts  Studentenlebens  zu 
Anfang  des  17.  Jahrhundt-rls  ist  zu  beachten  das  »Staininbuch  der  jungen 
Gesellen«  (1617)  und  das  Speculum  Comelianum  (i(>i8't,  beide  vor  Kurzem 
in  Stnissburg  wieder  neugedruckt.  Eine  Menge  von  Einzelblütlem  ist  nicht 
zu  Übersehen;  ganz  besonders  aber  verdienen  die  Stammbücher  die  giösstc 
Beachtung,  da  in  ihnen  siib  lulufig  TrarbtejibÜdcr  vorfinden  und  deren  ge- 
naue Zeitbestimmung  leicht  festzustellen  ist. 

Filr    England    sind  von  Bedeutung    die    in    den    ersten    Decennien   des 
17.  Jahrhs.  gefertigten  Stiebe  von  Wenzel  Hollar,  welche  MudebUder,  Städte-        ■ 
ansirhten,  Tagesbegcbenheiteii  darstellen.  " 

Für  die  Sittengeschichte  zur  Zeit  des  dreissigjährigen  Kri^es  liefern 
uns  zahlreiche  Aufzeichnungen  ein  Oberreiches  Material,  aber  mit  diesen 
gcinelnsum  sind  die  Roniiine  von  Grimmet^hausen  zu  verwerten,  der  Sim- 
plicissimiLs  zum:il  und  die  I^Lndstürzerln  Couras<'he  und  manche  KrzUhlungen  ■ 
untergeordneten  Kunstwertes.  Es  kommt  eben  bei  den  Geschichten,  die  uns  ' 
Stoff  ftlr  die  Sittenscliilderungcn  liefcni  soMen,  gar  nicht  darauf  an,  ob  sie 
eine  künstlerische  Bedeutung  haben,  wenn  sie  nur  das  LeUm  ihrer  Zeit 
recht  darstellen.  Die  überreiche  R«  imanHieralur  des  1 7.  und  1 8.  Jahrhs. 
durchzulesen  verursacht  allerdings  keine  kleine  Arbeil,  —  man  wird  auch  die 
leichtfertigen  Schriften,  die  H.  Haj-n  in  seiner  Bibliotheca  germanica  ero- 
tica  zusammengestellt  hat,  nicht  übersehen  dürfen  —  indessen  darf  uiaa 
zuversichtlich  hoffen,  auf  diese  Weise  am  ehesten  zu  gutem  Materiale 
für  Sltlciischildernngen  zu  gelangen.  Die  unter  dem  Einflüsse  des  Aus- 
landes, besonders  Frankreichs,  verdorbenen  Sitten  gcisseil  Mnschcrosth  in 
seinen  Gesichten  des  l'hiiandcr  von  Sittcwald  und  vor  allem  Laurembcrg 
in  seinen  köstlichen  Scherzgedichten.  Den  Roman  Anninius  von  Caspar 
T^henstein  wird  man  fOglich  übergehen  kfmncn  und  auch  auf  die  l^ktüre 
der  sonst  ganz  lesbaren  Asiatischen  Banise  venfithtcn,  dagegen  die  Erzah- 
lungen  von  Christian  WeL^e  wohl  bcaclilcn  und  auch  die  verschiedenen 
Robinsonarien,  die  in  der  ersten  H.llfte  des  vorigen  Jalirhumlerts  erschienen. 
—  vor  allem  die  Insel  Fclsenburg  von  Sclmabel  —  aus  Pflichlgefolil,  i:u- 
weilcn  auch  mit  Interesse  durchlesen. 

Es  wird  nicht  leicht  sein,  eine  Übersicht  über  alle  erschienenen  Erzfllilun- 
gen,  Satvren,  Flugschriften  zu  gewinnen,  noch  schwerer  ihrer  habhaft  zu  wer- 
den, da  nur  in  den  grösseren  Bibliotheken  diese  sonsi  s..i  wertlosen  Schriflcn 
anzutteffcu  sind.     Allein  nur  auf  einer  umfassenden  Kenntnis  der  gCHuntcii 


I 


^ 


Nsvfiss  Zeit. 


49X 


I 


Literatur  kann  eine  wirklich  zuverlässige  SJUengeschichlc  gegründet  werden. 
Dass  Predigten,  Pr.lizeiordnongrn,  Beschreibungen  vt.n  Festen,  Ho(lizeil»i- 
gcdicblc  uiid  iLhnlirlic  Zeui^iiihsc  nicht  übersehen  werden  dOrfen.  liegt  nui 
der  Hnnd.  Audi  ReLseheschreihungen  können  manchmal  Wertvolle»  ent- 
halten: den  Fremden  fallt  ftfter  eine  Eigentümlichkeit  auf  als  den  Einheimi- 
schen. Die  hihturische  Literatur  hat  auch  hier  wieder  den  festen  Ralmicn 
zu  gebfit.  l)ie  wenigen  Zeitungen,  das  Theatnim  Europaeum.  die  Slfldte- 
throniken  müssen  dun hgelesen  werden;  fühlUii  ist  in  Deiilt-chlaiid  der  Mangel 
an  Denkwürüigkeiien,  wülirend  die  frauzöüisrhc  Literatur  de-s  17.  und  be- 
ginnenden iH.  Jahrhs.  alierrcich  an  wichtigen  Memoiren  ist.  In  Hng)an<l 
sind  sie  in  grosser  Zahl  vorbanden,  von  denen  an,  die  Guizot  in  der  Ct>llec- 
tion  des  menmires  relatifs  ;\  la  revolution  d'Angleterre  (Par.  1823)  zusammcn- 
geütcllt  bis  auf  die  von  Bolingbroke,  Walpule  etc. 

Die  gTt >*sartigen  Mi-numentalUiuten  des  Üarnekstiles  sind  auch  inDcutsth- 
land  zahlreich  noch  erlialien,  bis  jet/i  aber  unter  der  Narbwirkung  des  seit 
Anfang  unseres  Jahrhunderts  zur  Nonn  gewordenen  Geringschätzung  meist 
unbeachtet  geblieben.  Die  prächtigen  Einrichtungsstttike,  die  zu  ihnen  ge- 
hüien,  finden  sich  ebenfalls  an  Ort  und  Stelle  oder  sind  in  Museen  anzu- 
treffen. Die  Baudenkinale  haben  in  dem  grriss  angelegten  und  auf  grOnd- 
lichster  Sarhkeiintniü  benibt-nden  Werke  von  Cornelius  Gurlilt  »Gescliicbte 
der  Baroekarchitektur>  IlL  (^DeutiichlätHl.)  Sluttg.  i88g  Ihre  Darstellung  ge-^ 
funden  {vgl.  auch  Gu.'it.  Ebe,  Gescb.  der  Spatrenalssance  —  Berlin  1886).. 
Über  die  engli-sche  Barockkun-^t  .s.  Com.  Gurlitt,  a.  a.  O.  IL 

Wir  k<'\nnen  noch  beute  fcsUtelleii,  dass  <licse  luxuririsen  Prachtgcbaude 
nur  für  l'flrsicn.  für  deh  hiVlisten  uiu\  reichbegüterten  Adel  errichtet  wur- 
den, der  wohlliabende  Kaufmann,  der  Beamte  viel,  viel  einfacher  wülmteiv 
der  Handwerker  wieder  •K.hlielUer.  und  der  Bauer  damals  kaum  anders  ge- 
haust hat  als  frQhcr  oder  »pSter.  £»  fehlt  urut  in  Deut<«cliland  für  die  Zeit 
de*  17.,  ftir  die  erste  Hälfte  de.s  18.  jabrhs.  an  instruktiven  Bildern.  Die 
Werke  der  holl.'indiscbcn  Meister  können  wir  kaum  für  un.sere  Zwecke  ver- 
wenden, allenfalls  dass  die  GemSlde  v<in  Philipp  Wouwennan  uns  eine  Vor- 
stellung vom  Kriegs-  und  Lagerteben  zur  Zeit  des  dreissigjahrigcn  Krieges 
gclxm.  Deutsehland  Ist  seit  Beginn  dieses  Krieges  nl:>erau»  arm  an  Kün.**!- 
lem.  zumal  soirben,  die  das  Leben  ihrer  Zeil  darstellen.  Am  wichtigsten  ist 
immer  nocb  Mathaeus  Meriau  (1503 — t(>5u),  der  die  vortrefflichen  uislruk- 
tivcn  Pnispektc  zu  Zeillers  T*jpographie  lieferte,  Illustrationen  fßr  das  Tbea- 
truiu  Europaeum  stach  und  sich  aucti  sunst  als  fnichtbarer  Kupfen-tccher 
bewahrte.  Weniger  Bedeutung  hat  für  Deutschland  Wenzel  liullar  (1607 
bis  77).  Dann  erscheint  gegen  Ende  des  17.  jabrhs.  in  Augiburg  die  Ka- 
mibe  <ler  Rugendas,  die  hauptsächlich  Schlacbienbilder  malt  und  in  .schwarzer 
Kunst  stiiht,  uns  Dapitellungen  aus  den  Reichskriegen  gegen  I-iidwig  XIV., 
aus  dem  nordischen  Kriege  bietet  Georg  Pliilipp  Rugendas,  geboren  1666, 
lebic  bi.*»  174^  und  seine  Söhne  arbeiteten  in  derselben  Weise  weiter.  Das 
wären  die  bedeutendsten  Namen,  aber  ihre  Werke  allein  genügen  durchaus 
niriit  F^  gibt  jedi»ch  nnrh  eine  Menge  von  Kupferstichen  und  Holz- 
schnitten, so  si'hlecht,  dass  sie  kein  Kunstsaninder  der  Betrachtung  wert 
halt:  Stfidteprospekte.  Abbildungen  von  Einzügen,  FcsUichkeiten,  Hinrich- 
tungen, lUu&tTalionen  zu  Gescbirhts-  und  Roman büchern,  die  dixh  für  die 
Siltcngeschichle  von  höchstem  W^erle  sein  kOunen.  Auf  dcu  künstlerischen 
Wert  kommt  es  hier  gar  nicht  an.  Deshalb  wird  man  auch  die  Stamm- 
bücher, die  zuweilen  neben  vielen  scblechlen.  oft  unsauberen  Bildern  auch 
redit  vuhlgclungene  zeigen,    zu  studieren  nicht  uutcrla.ssen  dürfen.     Für  die 


492  XII.  Sitte.     2.  Deutsch-englische  Verhältnisse. 

Kenntnis  des  englischen  Lebens  werden  immer  die  Werke  von  William  Hc^arth 
■(1697 — 1764)  eine  vorzügliche  Quelle  bleiben. 

Seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  sind  mehr  solche  Abbildungen 
vorhanden,  und  besonders  bieten  die  Zeichnungen  und  Radierungen  von 
Daniel  Chodowiecky  (1726 — 1801)  uns  volle  Möglichkeit  das  Berliner  Leben 
aus  des  Künstlers  Zeit  kennen  zu  lernen.  Die  Arbeiten  von  Chodowiecky's 
jüngerem  Genossen,  von  Daniel  Berger  {1744 — 1824),  reichen  schon  bis  in 
unser  Jahrhundert  hinein,  und  noch  länger  war  Joh.  Heinrich  Ramberg 
{1763 — 1840)  thätig.  Nimmt  man  noch  die  Stiche  des  so  überaus  frucht- 
baren Kupferstechers  Jurj'  hinzu,  so  liat  man  ein  reiches  Material  sich  eine 
Vorstellung  von  der  äusseren  Erscheinung  des  Lebens  bis  zu  den  Freiheits- 
kriegen und  darüber  hinaus  zu  bilden.  Freilich  ist  es  nicht  so  leicht  aller 
■dieser  Bilderchen  habhaft  zu  werden,  da  sie  meist  als  Illustrationen  zu  Ro- 
manen und  andern  Dichtungen,  in  Taschenbüchern,  Almanachen  u.  s.  w. 
veröffentlicht  wurden.  Schon  Chodowiecky  hat  Modebilder  gestochen;  seit 
1786  erscheint  Bertuchs  »Journal  des  Luxus  und  der  Moden«,  welches  bis 
1827  eine  forriaufende  Serie  von  kolorierten  Abbildungen  modischer  Kleider 
und  Möbel  liefert.  Ich  habe  nur  die  vorzüglichsten  Quellen  der  Anschau- 
ung hier  hervorgehoben;  es  gibt  aber  noch  eine  grosse  Menge  künstlerisch 
m-ertloser  Kupferstiche,  die  doch  nicht  übersehen  werden  dürfen.  Wenn  man 
nun  mit  den  aus  den  Geschichtsbüchern,  Memoiren  etc.  geschöpften  Kennt- 
nissen noch  das  Studium  der  zeitgenössischen  Romane  und  Dichtungen  ver- 
bindet, so  werden  jene  Bilder  bald  zu  lebendigen  Zeugen  der  Sittenge- 
schichte sich  gestalten  lassen.  Gründliche  Belesenheit  ist  auch  hier  ein  not- 
wendiges Erfordernis:  wer  diese  sich  zu  erwerben  nicht  die  Geduld  xmd 
Ausdauer  hat,  soll  an  solche  Studien  nicht  seine  Hand  anlegen.  Kurz- 
weilig ist  Hermes  »Reise  von  Memel  nach  Sachsen«  oder  der  »Sebaldus 
Nothankerc  von  Nicolai,  Millers  Siegwart  nicht  zu  lesen,  aber  es  gibt 
noch  geistlosere  Werke,  die  doch  das  Leben,  die  Anschauung  jener  Zeit 
kennen  lehren,  oft  besser  wie  die  mit  Recht  als  Meisterwerke  gefeierten 
Erzälilungeii  der  Dichterfürsten.  Engels  Lorenz  Stark,  die  Romane  von 
August  Lafontaine,  der  Rinaldo  Rinaldini  des  Vulpius,  wie  die  Schauer- 
und Rittergcschichtcn  von  Spiess  und  Gramer  dürfen  nicht  vernachlässigt 
werden, 

Die  englische  Romanliteratur  bietet  allerdings  bessere  und  interessantere 
Lektüre  in  Fieldings,  SmoUets,  Sternes,  Goldsmiths,  Richardsons  Werken, 
aber  neben  diesen  glänzenden  Erscheinungen  wird  es  unzweifelhaft  auch 
noch  viele  unbedeutende  Schriftsteller  geben,  deren  Werke  trotzdem  nicht 
zu  vernachlässigen  sind.  Wer  die  scliwere  Arbeit  eine  Sittengeschichte  zu 
schreiben  übernimmt,  muss,  soweit  es  ihm  möglich  ist,  das  ganze  erreich- 
bare Material  beherrschen;  mit  hi(;r  und  da  aufgelesenen  Anekdoten  kann 
man  wohl  ein  pikantes  und  amüsantes  Feuilleton  schreiben,  nimmermehr 
aber  wird  man  eine  wirklich  zuverlässige  Darstellung  des  Lebens  und  der 
;Sitten  einer  Zeit  zu  geben  imstande  sein. 


XII.  ABSCHNITT. 

SITTE. 


ANHANG. 

DIE  BEHANDLUNG  DER  VOLKSTCXTLICIiEN  SITTE  DER  GEGENWART. 

VON 

EUGEN    MOGK. 


I.  ÜBERBLICK  ÜBER  DIE  BEHANDLUNG  DER  VOLKSTÜMLICHEN 
SITTE  DER  GEGENWART. 

BcgrifT  uml  UmfAri);  der  VotkNkiinde:  K.  Weiiiliohl,  ll'as  soll  die  Volkikunäe 
UisUnt  Zs.  f.  Vulkerps,  XX.  I  ff.  —  K.  \Vcinhijld,  /.ur  Einleitung.  Zs. 
d.  V.  f.  Volkik.  I.  I  ff.  —  A.  (iktc^e,  /.*•  folklurt  et  lon  utilitf  giniraU.  Rev, 
(Je  Beiß.  XVIII.  335  ff.  309  ff.  IlnixcllM  1886.  —  Gommo.  The  kandb^k  of 
folklon.  Lond.  1891.  —  E.  \l.  Mcycr.  Dtutufu  Vclkskundc.  Strassburß  189;. 
—  Ed.  Koffmann-Krttvcr,  Zur  Einfüht-Hng.  Schweiz.  Aich.  f.  Volksk,  V.  1  ff. 
Zürich  1897.  —  E.  H.  Meyer,  Jiaduchf  i'olkskuudr.  iVlcmanniii  XXII  97.  fT-  — 
A.  Hiiuffcn,  Einführung  in  dff  dfutjeh-bShtnisi^he  Volktkundt.  Frag  l8">6.  — 
A.  Gill*e,  Vraagbcrk  tot  Itef  Zamtlm  van  yiaamsihe  Folklore  of  Voünkunde. 
Gern  1888.  —  E.  Monscur.  ^hteslionnaire  de  Folklore.  Liege  1890.  —  O. 
JiiLCick,  Anleitung  fur  Mitarbeit  an  iiilkikundlichm  SammlungTM.  bnttiti  ]894. 
AuMndnn  sind  von  faxt  allen  Pmvin/inl.  oder  I.,<u)(leiivercinen  ttir  Vnlksktinüc 
Fragebogen  lietaij*|^geh«i :  eine  Anuhl  in  Mei-klent>iit|>  von  "Wosnidlo.  in  Bfth- 
■nen  von  Hauffen,  iii  SächMi-irh-f^elrenhiirgen  vnn  Schulleruü  Miid  Wittfituck, 
in  Elsau-Lothnngcn  von  Prannenschmid,  in  Schlesien  von  Vogt  und  Kehrijig, 
in  Baden  vcd  Klu[:<^t  K,  II.  Meyer  und  Pf.-iff,  in  B.-iycm  vor  Brenner,  in  Sacbien 
ton  Mo|;k.  —  Zur  Geschichte  volkskuDilHcher  BcstTcbun^^n :  G.  Meyer,  Essays  und 
Studien  x%tr  Sprac/iffeschü'htr  und  l'}listunde.  I.  Berlin  1885.  —  A,  Linckc.  Ober 
dm  fffgmipärligyn  Stand  der  f'olksktinde.  DrcMleii  1897.  —  A.  Ltindell,  .Xyare 
Sidrag  tili  Kiinnedcm  om  de  nrnita  Landsmälen  Oik  svenskt  F\*lklif.  I.  459  IT.; 
U.  I  ff.;  XXVmff.  —  Muntbc.  rolkhn.  Nord.  TUUkr.  for  Vetenik.-ip,  Konit 
och  Indusiri  1888,  555  ff.  —  Fcilbcrg.  Folklore.  Tilskuercn  X.  —  Über  die 
Weitere ntvi-icklunjj  der  Volksktindc  berichten  die  Berliner  Zcitschr.  des  Vereins  für 
Volkskunde  und  last  alle  l*rD^-iIuixlzctt!idlrift€n.  —  Ein  rcgclm&5si|^  Literatiir&bcr- 
blkk  enchrtnt  von  Vogt  seit  1893  vca  Jahresher,  f.  nettere  Ltteraturgfsch. 

Die   Erfiirscliung   volksl  Uml  icher   Sitte    und   volkstümlichen   Brauches   ist 
eines  ilcr  wichtigsten  Kapitel   auf  ticiii  Gebiete  tler  Volkskunik*,   die  sich  in 
dem  letzten  Jahrzehnt   mit  erstaunlirhi-r  Schnelligkeit    immer   mehr    ru  einer 
.ptulologiw:h-lüätoriM:hcn  \Vis:M.-nüdiari  entwickelt  liaL     Daher   tut    bei   diesem 
kbachiiitle,  der  die  Utteratur  von  Sitte  und  Brauch  der  Gegenwart  bringen 


Holl,    ein  Eingehen  uuf  die   volkskundltclien   Bestrebuiis:«!    in    den    gennaui- 
schen  Ländern  geboten. 

§  I.  Unter  volkstümticher  Sitte  und  vülkätümlichem  Braudit-  verstehen  wir 
■den  Brauch,  der  aus  alter  Zeit  noch  heute  im  Volke,  namcnllidi  in  den  unteren 
Schichten,  bei  dem  einfachen  Manne,  fortlebt.  Er  Iiat  sich  von  Geschlecht 
KU  Geidiicchl  furt^qjflKUZl  und  ist  mit  dem  innersten  Wesen  des  Menschen 
SCI  verbunden,  dass  er  den  grös&ten  Teil  desselben  ausmacht.  Die  Kenntnis  der 
Sitlc  eines  Vulkes  ist  daher  von  ^■'Vjster  Bcdeutuoj;,  wenn  mau  ein  Volk  kennen 
•lernen  will  Hierin  zeigt  sich  das  Volk,  wie  es  wt,  was  es  liebt  und  was  es  liasst. 
was  es  glaubt  und  was  es  denkt,  was  es  an  seine  Heimat  kettet  und  was  es  selbst 
diegrftssten  Mühs.ile  des  Lebens  in  froher  Hi)ffnung  ertragen  liisst.  Aus  dem  Stu- 
dium volkstümlicher  Sitte  lernen  wir,  wie  der  schlichte  Manti  seine  Tage  ver- 
lebt, wie  er  seine  Feste  feiert,  was  ihm  die  Natur,  die  Pnauzen-  und  Tierwelt, 
seine  Heimat  heilig  macht.  Wir  kt'Snnen  diese  Sitte  der  Gegenwart  durch  die 
Jalirlmiuierte  zurück  verfolgen:  sie  Lsl  in  ihrem  Kerne  iiumer  die  gleiclie  ge- 
blieben, wenn  sie  auch  hier  und  da  andere  Können  angenommen  hat  Ein 
grosser  Teil  hat  im  Heidentum  seine  Wurzel;  der  Brancli  ist  heidnisch  ge- 
blieben, wenn  er  auch  christlichen  Anstrich  bekninnieii  hat.  Itn  Heidcn- 
tume  wurzelt  auch  der  Aberglaube,  der  unzertrennliche  Begleiter  der  Sitte. 
Etwas  Höheres  leb!  in  der  ganzen  Natur,  die  den  Menschen  urogiebt,  das 
/ühk  jeder.  Und  dies  höhere  "Wesen  offenbart  sich  dem  Menschen.  Es  entspringt 
-aus  dieser  Überzeugung  der  Abei^laube  an  Wahrzeichen  imd  Zauberei  imd  die 
symbolische  Spende,  die  bei  keiner  Handlung  fühlt,  Haus  und  Hof,  Acker  und 
Feld,  Leib  und  Leben  wird  in  die  Hand  der  w,-ilienden  Wacht  gelegt.  Wohl 
ist  die  Bedeutung  der  Handlung  längst  vergessen,  so  lange  sich  diese 
auch  erlmheu  gehabt  liat,  allein  die  Handlung  selbst  dauert  fort  und  der 
alle  Glaube  an  die  Kraft  der  Natur  ist  so  stark,  dass  man  wohl  nidits 
mehr  davrm  wissen  will,  dass  man  aber  im  Grunde  genommen  sicli  doch  im 
Banne  desselben  befindet.  So  darf  bei  einer  Behandlung  volkstümlicher 
■Sitte  nie  die  Erforschung  des  Aber^Uubens  eines  Volkes  fehlen.  At 
schkissen  werden  dagegen  muss  alles,  was  eine  hnhere  Kultur  erst  in  das 
Volk  hineingebracht  hat.  —  Am  festesten  hat  an  dem  alten  Brauche  der 
Ackerbauer  gehalten.  Daher  muss  bei  der  agrarischen  Bevölkerung  in  erster 
Linie  cingekelirl  werden,  wenn  wir  Sitte  und  Brauch  eines  Gaues  kennen 
lernen  wollen. 

Es  liegt  nicht  in  meiner  .\bsichi.  eine  tlbersichtliche  Darstellung  der 
Sitten  und  Gebrauche  zu  geben,  die  wir  heute  in  den  verschiedenen  Gauen, 
die  Germani'ii  bewohnen,  fincicn.  Eine  solche  Arbeit  ist  imch  nicht  spru<-h- 
reif,  soviel  aucli  in  den  letzten  Jahrcu,  namentlich  auf  Anregung  Mannhardts, 
iür  diese  gcihan  worden  ät.  Vielmehr  gedenke  ich  weiter  nichts  zu  geben,  aU 
■einen  Überblick  über  die  Werke  und  Unternehmen,  die  seit  dem  Wirken  der 
Brüder  Grimm  sich  die  Aufgabe  gestellt  haben,  die  Sitten  der  Gegenwart 
der  Vergessenheit  zu  entziehen,  und  deren  Urheber  der  Überzeugimg  leben, 
■dass  in  niclit  zu  langer  Zeil  auch  ilie  wenigen  Sitten  aus  der  guten,  alten 
Zeit  gesfhwnnden  sind.  X>enn  schon  fiingt  der  Bauer  an,  sich  des  ^'on  den 
Vätern  ererbten  Braudies  zu  schämen,  schon  lächelt  der  kleine  Bürger  ül)er 
aIt^  aterisrhe  Sitte,  und  an  Stelle  der  einfachen  Belustigung  im  Hause  oder 
im  Freien  tritt  das  wüste  Gelage.  Und  unsere  Gesetze  sind  wahrlich  auch 
nidtt  dazu  geschaffen,  das  Alte  zu  erhalten  und  zu  begünstigen.  Der 
Klassenhass  trennt  die  Stande,  und  schon  die.se  Kluft  macht  ein  altes  fröh- 
liches Volksfest  fast  zur  Unmöglichkeit.  Daher  ist  es  hohe  Zeit,  dass  ge- 
jade  auf  dem  Gebiete  der  Sitte  gearbeitet  und  gesammelt  werde,    die  es  zu 


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ALtGEtonnR  Obsrbucr.    Brüder  Grimm. 


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spUt  ist:  sie  ist  der  klunCe  Spiegel  unserer  Volksseele,  und  mit  ihrer  Holfe 
eine  deutsche  Kullur^esrhichte  zu  schreiben,  wäre  eine  mindestens  ebenso 
dankbare  und  nüti^^c  Ar1;eit  als  an  der  I4and  der  Litoralur-  und  Kunstdcnk- 
mäler,  die  immer  nur  den  Kulturzustand  der  riehiltk-teren  widers^m-geln. 
Leider  haben  wir  Deutsche  erst  in  dem  letzten  Jahrzehnt  die  Arbeil  auf 
diesem  Gebiete,  zu  der  j.  Grimm  und  W.  Muunhardtdie  Wege  so  klar  gezeigt 
hatten,  wietlerene^isch  in  Angriff  genommen.  nachdcmdasGobiet  über  ein  S'iertel- 
jahrhundcrt  fast  ;^an/,  brach  gelegen  hatte.  Bis  iii  die  neunziger  Jahre  lierrechtc 
in  DeuLti'hlanü  Ruhe.  Nicht  einmal  die  grosse  Zeit  von  1S70  hatte  uns  an- 
spornen kV^nnen,  eine  alte  naii<~in,ile  Schuld  abzutragen.  Unsere  Stammes- 
brQdcr,  Englander,  Niederländer,  SkandinavHer,  waren  mit  einem  Eifer  und 
einer  Rttst^kei:  an  solche  Arlxsil  gegangen,  die  alles  Lob  verdient;  sie  ernteten 
die  Frtlchte,  wozu  in  Deutschland  der  Same  ausgestreut  war.  Die  vorzüg- 
lichsten Gelehrten  hielten  es  hier  schon  frtlhzeiiig  fi^r  ihre  Pflicht,  roh  Hand 
ans  gemeinsame  Werk  zu  legen,  bei  ims  liegt  Mannhardis  wertvolles  Material 
noch  heute  als  toter  liallast  auf  der  Berliner  Bibliothek.  Diese  Jahre  der 
Ruhe  sind  aber  der  Wissenschaft  ztiiu  Vorderb  gewesen,  denn  gerade  int 
letzten  Drittel  imseres  Jahrhunderts  haben  neue  Auffassungen  ^oni  Leiten  un- 
gemein viel  .Mtcs  weggeräumt,  das  uns  so  in  manchen  Gegenden  Deutsch- 
lands auf  immer  verloren  gegangen  ist.  Nirgends  nahm  sich  ein  ziclbewusster 
Leiter  des  verwaü*t(:n  Kindes,  der  Volkskunde,  an.  Da  erwachte  im  Volke 
das  Bedürfnis,  alles  Volkstümliche  zu  sammeln  und  so  der  Vergessenheit  zu 
entreissen.  Es  entstand  die  Zeitschrift  »Am  Urds-Brunnen«,  die  V'jlksschul- 
Ichrcr  NnrddcuLschlaibds  bemusgabcn,  und  bald  darauf  auch  eine  Zeitschrift 
für  Volkskunde,  allein  es  fehlte  hier  wie  dort  an  der  richtigen  Leitung  und 
Untcrstüt/urig,  und  so  segelte  nainenllii  li  letztere  bitld  im  F;ilirwasser  der 
OberflJlclilichkeit  und  des  Dilettantismus,  wtjdurch  die  deutsche  Volk.skunde 
als  Zweig  philologisch-historischer  Wissenschaft  im  In-  imd  Anslande  in 
Misscrcdit  zu  geraten  drohte.  Da  nahm  sich  endlich  der  Altmeister  der 
germanischen  Philolngie,  K.  Weinhold  in  Berlin,  der  Volkskunde  an.  Auf 
seine  Veranlassung  wurde  ein  Verein  für  Vt,iilkskunde  ins  I^ben  genifcn, 
die  Zeitschrift  für  \'t<lkerpsychol(>gie  und  Sprachwissenschaft^  die  in  iJiren 
letxten  JahrgJlngen  manchen  licilrag  zur  Volkskunde  gebracht  halte,  hörte 
auf  und  an  ihre  Stelle  trat  die  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde  (Berlin 
1891).  Weinhotd  wies  gleich  im  ersten  Hefte  die  Ziele  und  Aufgal>en  der 
Volkskunde  als  Wissenschaft  und  warf  ilen  ungefügen  Schülken,  die  Wissen- 
schaft von  Dilettantismus  und  Strebertum  nicht  zu  unterscheiden  vermögen. 
den  Fehdehandschuh  hin.  Seilde-m  weht  auch  in  r)eut'i(hland  für  die  Volks- 
kunde wieder  ein  frischer  Wind,  der  die  Segel  bläht  uml  Erfolg  erhoffen 
Iflsst  Und  nicht  zum  Xaclitcite  für  das  Ganze  sind  es  jetzt  bei  uns  die 
einzelnen  Lflniler  und  Pro\inzen,  die  sich  des  S;»mmelns  und  Bearbeitens  alles 
VolkstQnilicheu  unterziehen,  denn  nur  in  <lcr  Heimat  kann  man  <las  Volk 
^Indlich  kennen  lernen,  und  desh.ilb  vennag  man  .luchnurvon  dem  gemeinen 
Manne  des  heimischen  Gaues  ein  wahres  Bild  zu  geben. 

%  2.  Wie  auf  manchem  anderen  Gebiete  sind  es  die  Brüder  Grimm 
auf  dem  der  Erfontchung  der  Sitte  gew-csen,  die  die  erste  Anregung  zur 
nschaftlichcn  .'\aslHHttung  dieses  Feldes  gegeben  haben.  Wühl  hatte  man 
frflher  sction  aufgezeichnet,  ja  zu-sanmiengestelli,  was  im  Volke  an  Sitte  und 
Aberglauben  aus  alter  Zeit  fortlebte,  —  ich  erinnere  nur  an  die  flewsigen, 
aber  kritiklosen  Arbeiten  des  PrSltorius  aus  der  Mitte  des  17.  Jahrhs.  oder 
an  die  Gtstrifgelu  Rackenphilosoftbta  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrhs.  — , 
aber  die  Verfasser  all  dieser  Arbeiten   verf<ilgten  weder  ein  bestimmtes  Ziel 


noch  halten  sie  irgend  ein  nationales  oder  wissenschaftliches  Interesse  im 
Auge.  r>a  lenkten  die  Brfider  Grimm,  veranlasst  durch  den  Einfluss. 
den  die  Romantiker  auf  sie  hatten,  schon  durch  die  Ausgabe  der  llaus-  und 
Kindermärihen  und  der  Denlichitt  Sagen  das  Augenmerk  auf  die  Funken, 
die  aus  alter  Zeit  in  allen  Schichten  der  germanischen  Völker  foriglimmteo, 
und  in  der  Einleitung  seiner  Mythüloßie  wies  J.  Grimm  nachdrücklich  auf 
die  Brauche  und  Gewohnheiten  des  Volkes  als  Quelle  altgermanb«:hen  Gütter- 
kuJtes  und  deutscher  Rechtsverfassung  hin  (Deutsche  Mylh.*  I.  S.  lO).  Seit- 
dem begann  man  von  einem  höheren  Gesichtspunkte  aus  auch  die  Sitten 
und  Gebrauche  des  Volkes  aufzuzeichnen.  Im  ;il]gcmeinen  freilich  spielen 
die  Saramhingcn  tier  Gebriiuclie  im  Vergleiche  zu  denen  der  Sagen.  Mär- 
chen und  Volkslieder  eine  untergeordnete  R(tlle,  sie  sind  meist  ein  An- 
hängsel van  diesen,  damit  die  Volksphantasie  der  Bewohner  dieses  oder  jenes  ■ 
Gaues  in  möglichster  Vollständigkeit  dargestellt  werde.  Daneben  erscheinen  * 
volkstümliche  üriLuche  in  geographischen  Werken,  denn  auch  die  besseren  von 
diesen  haben  !>ii"Ji  die  Aufgabe  gestellt,  den  Volkscharaktcr  der  gei^:ni- 
phisch  besprocUem-n  I-fLnder  möglichst  lebendig  zu  sclnldem.  Si.>  liegt  das 
Material  zur  KeimlnLs  unserer  Vulkssitte  Überall  zerstreut.  Versdimahen  es 
doch  selbst  Lokalblatter  nicht,  dann  und  wann  eine  Schilderung  heimischer 
Sitten  zu  bringen,  utid  aus  den  besseren  DialeklwOrterbUchem  lasst  sich 
Vielen  schöpfen,  was  hierauf  Bezug  hat.  Welche  Fülle  von  Volksbr'luchen 
bieten  nicht  SchmeHers  Bayrisches  Wörterbuch,  das  grosse  Schweizerische 
Itliotikon,  Feilbergs  Oidbog  over  jyskc  Ahüucsniäl.  So  dankens-  und  wün- 
schenswert es  auch  ist,  dies  gesamte  Material  einmal  örtlich  und  inhaltlich 
zu  gruppieren,  so  kann  doch  dies  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein.  Wer 
der  Literatur  volkstümlicher  Sitte,  zumal  in  den  letzten  Jahren,  auch  nur 
oberflächlich  sein  .\ugenmerk  zugewendet  hat,  wird  wissen,  wie  zeretrcut 
das  Material  ist.  Es  sei  nur  auf  die  LiteraturüberMchi  der  Zeitsuhrift  des 
Vereins  für  üstcrreiclüsclie  Volkskunde  lungewiesen,  wo  die  Literatur  aus  der 
Tagespresse  verzeichnet  ist.  Selbst  in  den  grössten  Bibliotheken  sind  diese 
Tageblatter  nicht  zu  haben.  Daher  ist  beute  eine  vollständige  Aufzahlung 
aller  Beitrage  zu  volkstümlicher  Sitte  eine  Unmöglichkeit.  Es  sollen  im 
folgenden  nur  die  wichtigeren  und  unifangreis  heren  Arbeiten  nach  den 
Liludeni  und  Provinzen  geordnet  angeführt  werden,  nachdem  icli  vorher  eine 
kurze  Skizze  Über  die  Behandlung  der  volkstümlichen  Sitte  zu  geben  ver- 
sucht habe. 

§  3.  Der  erste,  der  den  Plan  der  Sammlung  deutscher  Volkssitte  in 
Grimmschem,  d,  h,  nationalem  Sinne  auffasste,  warFr.A.  Reimaon.  SdnWerk 
Dtuisthe  Voiksftste  im  79.  Jahtfmnderi  (Weimar  j8j(j)  Ist  in  mancher  Beziehung 
reclit  gut  und  ist  heute  noch  in  i-nelen  Stücken  eine  gute  Quelle,  da 
der  Verfasser  ein  Material  benutzt  hat,  das  uns  zum  Teil  uicht  mehr  «ur 
Verfügung  steht,  ein  Material,  das  gewissenhaft  am  Schlüsse  des  Werkes 
verzeichnet  ist.  Allein  das  Buch  scheint  nicht  die  Aufnahme  gefunden  zu 
haben,  die  der  Herausgeber  erhoffte,  ein  zweiler  Band  wenigstens,  der  am 
Schlüsse  der  Vorrede  angekündigt  wird,  ist  nicht  erschienen.  —  In  der  zweiten 
Hillfle  der  vierziger  Jalire  erschien  ilann  untei  der  Leitung  von  J.Scheible 
ein  eigentümliches  Werk,  »Das  KiosUrt.,  das  alles  Mögliche  aus  allen  Blattern 
und  aus  dem  Volksmunde  kritiklos  auf  einander  häufte.  Als  Materiab^mm- 
lung,  aber  nur  als  solche,  hat  es  auch  heute  noch  Interesse.  Das  Werk  er- 
schien in  \i  meist  recht  dickleibigen  Duodezbünden,  von  denen  für  uns  be- 
sonders Ml  BetraLht  kommen:  der  scclistc:  »Die  gute  aiie  Zal<,  aus  v.  Rein- 
ölils  handschrift hellen  Sammlungen  herausgegeben,   der  siebente:    ^Dtr  IrU- 


^K~^^ 


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I 


kakniftr<  und  der  zwölfte:  >f)ie  Sitten  und  Gfhrättche  der  Deutschen  und  ihrer 
Sachbnniölker'^ ;  die  beiden  letzleren  gab  F.  Nork  heraus.  —  Ailniahlich 
begann  man  auch  in  den  cinzclneR  LAndcm  wie  die  Sagen  so  die  Gebrauche 
zu  Kimmein.  Wohl  sind  schon  jene  ein  Heitrag  zur  Siitcnkundc,  allein  sie  l>e- 
rOliren  nur  den  Brauch  gelegenilicli  im  Gefolge  clei  Sage.  Wie  auf  nian- 
chera  anderen  Gcbicle  gtihürl  auch  hier  dem  genialen  A.  Kuhn  das  Ver- 
dienst, ztiefÄl  ilen  Weg  zu  s<il(  hcri  Sammimigfii  gewiesen  zu  haben;  seinen 
Märkischen  Sa^en  und  Märchen  (Berlin  1843)  fügte  er  einen  Anhang  Ge- 
bräuche und  Aberglauben  der  Mark  Brandenburg  bei.  Duüselbe  tltat  er 
un  Vereine  mit  seinem  Schwager  W.  Schwanz,  als  beide  nach  jahre- 
langem Umherstreifen  die  Frucht  ihres  Sammclflcisscs  in  den  Xorddeuischen 
So^en,  Märchen  und  Gebräuchen  ans  Mefiitnburg,  i*omtnem,  der  Mark,  SachstH, 
Tltüringen,  Rrannschwetg,  Hannover,  Oldenburg  und  Westfalen  (Leipzig  1848) 
niederlegten.  Sihon  vorher  hatte  der  leider  zu  froh  verstorbene  K.  Sommer 
eine  Sammlung  vi_>n  -Sageu.  Märchen  und  Gebräuchen  am  Sarbsrn  und  Thii' 
ringen  crschcincT  lassen  (Halle  iS^'i).  Diesen  Forechcm  folgten  bald  Panzer 
mit  den  liaverisrhm  Sagen  und  Bräuchen  (2  fido.  München  1848  und  1H53), 
Ernst  Meier.  Prof.  der  morgen  ländlichen  Sprachen  an  der  Univeisitat  Tü- 
bingen, mit  Sagten,  Sitten  und  Gebräuchen  aus  Schitaben  {2  Bde.  Stut^rt 
1852)  u.  a.  Um  Sj-stem  in  derartige  Saninilungai  zu  bringen,  hatte  bereits 
1845  der  damals  27  Jalire  altt:  Mflllenhoff  mit  seinem  Feldhermfinger  <Icn 
Weg  für  solclie  Sainmelarheiten  gezeigt :  seinen  Sagen,  Mänhtn  und  IJedem 
aus  Schiesifig-Hobleiu  und  Lanenburg  fügte  er  einen  Wegweiser  für  die  Samm- 
lung der  Sitten  und  Gebräuche  der  Hcrzogitimcr  bei,  der  mich  heute  für 
alle  derartige  Sammlungen  als  Richtschnur  benutzt  werden  kann. 

Unterdessen  sollte  ein  ^üttclpunkt  wie  für  die  gesammle  Volksüberüefc- 
rung  so  auch  für  die  volk.stümllclie  Sitte  geschaffen  werden.  J.  W.  Wiilff 
(geb.  1817  zu  Köln,  gest.  1855  zu  Darmstadt),  einer  der  begeistertsten  An- 
hänger der  Brütlcr  Griuim.  halte  bereits  1843  mit  eiuein  Kreise  belgischer 
Freunde  die  Zeitschrift  Wodana,  Museum  iroor  nederduitsche  Oudheitskunde  hcr- 
ausgegel>en.  Sih'»n  in  ihr  liegt  eine  Menge  Material  Ober  Volkssitte  aufgestapelt. 
Denereten  Band  -mwci  Beiträge  zur  deutschen  Mythologie  (GiMtingcn  und  Leipzig 
1852)  lüsst  er  mit  Gebrauchen  und  Aberglauben  (S,  205  ff.)  schliessen;  in 
der  Vorrede  desselben  (XVII  ff.)  hebt  er  die  Wichtigkeit  der  noch  leben- 
den Gebrauche  fQr  tue  Mylholf»gie  her\'or.  Für  sie  sollte  aucli  das  Organ 
der  Mittelpunkt  werden,  das  unter  seiner  Leitung  seit  1853  erschien:  die 
Zeitsehn/i  fär  deutsche  Mythologie  und  SiHenkunde,  der  er  jedoch  nur  zwei 
Jahre  Leiter  sein  konnte.  Und  in  di-r  Thal.  nelK'n  manchem  Uberfl.'irhlichen 
und  Unzuverlässigen  enthüll  diese  Zeitschrift  für  Sitte  und  Brauch  unseres 
Volkes  manclien  schonen  Beitrag;  aus  Tiivl  steuerte  namentlich  Zingcrlc  bei 
(L  235  ff.,  IL  357  ff.  420  ff.),  aus  detn  llaisgehiete  Pröhle  (L  ;(>  ff.  195  (f.), 
aus  dem  Mtfselgehifle  Hocker  (L  88  ff.  iSt)  ff.  24O  ff.),  aus  Kärnten  Lexer 
(in.  20  ff.  IV.  298  ff.  407  ff.),  aus  dem  biiviiselien  }lochgeh%rge  Massniann 
(IL  123  ff.),  aus  der  Rheinprovinz  Lünig  (HL  s.i  ff-*,  aus  dem  Oidenbnrgi- 
ichen  Mannhardt  (II.  135  ff.),  aus  Schaumburg  E.  Meier  (I.  168  ff.);  der- 
selbe (I.  441  ff.)  und  Uirlinger  (IV.  44  ff.)  aus  Schwaben,  Schrüer  aus 
Ungarn  (IL  187  ff.),  Wurth  aus  Niederösterteich  (IV.  24  ff.  140  ff.),  Baicr 
aus  Ragen  (II.  139  ff.)  u.  a.  Es  ist  gewifw  Wolf  und  seiner  Zeitwhrift  mit 
zum  Verdienst  anzurechnen,  dass  gerade  in  den  folgenden  Jahr^ctrlmlen  der 
Sammeleifer  einen  so  b«leuiendcn  Aufschwung  nimmt,  der  es  emKJglichte, 
<Jlass  im  Jahre  181»  \.  Wuttke   sein  vtitzüglicho-i  Werk   /)er  deutsche   l'olks' 

GMmaniiche  PhitoluffU.'  Uf.    1*.  Aull.  äJ 


güjuig   dir   Gegentoari   (2.  völlig  neun   Bearbeitung,    Bcriin  1869)   schreiben 
konnte. 

Wo  Wnlf  aufliArt,  ln'ginnt  Mannhardt.  Ei  ninirat  jpnra  Plfmc  mit  dtT 
ihm  eij?nen  WillenssiJlrke  iiuf,  erweitert  >ip  und  sucht  für  sie  eine  Gnuidlage 
zu  scliaffcn,  die  einen  feslcreu  Hatl  gewäiirlc.  Wir  habou  ilui  liier  nicht 
als  MvihotiTgcn  ins  Auge  zu  fassen,  sondern  als  Sammler  und  Bearbeiter 
von  Sitte  und  Brauch.  MüIlenKoff  mag  es  gewesen  sein,  der  ihn  vür 
allem  auf  die  Wichtig kt-it  der  ^■^>!k3xc■brauchc  liiiigcwiescn  hat  Schon  als 
junger  Student  miiss  ersieh  eingehend  mit  ilmcn  Ix-schaftiTt  liabcn,  denn  1853 
u-andtc  er  sicli  um  Auskunft  über  V'olk-Sgebrauche  ans  Ausland  und  regle 
dascthst  SanimUingen  :Ln,  nachdem  er  eingesehen  hatte,  dass  das  Studium 
sich  nicht  auf  das  eines  Landes  beschranken  dürfe  (Mylh.  Forsch.  S.  VII). 
Gleichwohl  i^cheint  damals  unch  da.s  Interesse  für  das  \'<)lkslicd  und  die  Sage 
übcnA'ogcn  zu  haben,  da  die  Bedeutung  der  Sitte  für  den  alti-n  Kuh  und  dieser 
seihst  bei  seinen  mythologischen  Forechungcn  noch  im  Hintergründe  süuiden. 
KrsI  Anfang  der  sechziger  Jahre  sciiuint  er  sich  ganz  für  jene  entschieden  zu 
haben.  Er  beschUesst  zunächst  alle  beim  Ackerhau  gebräuthlicheJi  Sitten  zu 
sammeln  und  so  die  iioiwcndige  Grundlage  zu  einem  Urkunden  buch,  einem 
»Quellenschatz  germanischer  Volksüberlieferung«;,  zu  schnffen.  Dem  I'laJie 
folgte  bald  die  Ausführung,  die  mit  um  so  grösserer  Energie  betrieben 
wurde,  als  ihn  dabei  die  Berliner  Akademie  uiiterstützic.  Mit  welch  heili- 
gem Eifer  er  an  die  Ausführung  seiner  Aufgabe  ging,  zeigt  das  Vorwort 
zur  I.  Auflage  seines  Rog^icnwol/es  und  Rof^enhiwJes  (Dan/ig  1865),  d;is 
ein  Muhnwort  an  alle  Nationen  ist,  nicht  eine  .schwere  Unterlassungs- 
sünde auf  ihr  Gewissen  zu  laden.  In  alle  Gaue  Deutschlands  versandte 
Maimhardt  Fragebogen,  in  denen  er  über  alle  Sitten  beim  Ackerbau  Aus- 
kunft erbittet;  in  ,^t),(xx>  Exemplaren  werden  sie  an  Seminarien,  Gymnasien, 
landwirtschaftliche  Vereine  u.  dgl.  versandt.  Andere  lausende  werden  ins 
Ausland  geschickt.  Maimhardt  selbst  bereist  Schweden,  Holland,  die 
nissisclicn  UstseeproWnzen.  um  hier  Auskunft  zu  holen;  er  geht  in  die  Ka- 
sernen, fragt  die  gefangenen  Franzosen  1Ö70  aus,  er  scheut  keine  Mühe,  um 
das  Material  möglichst  vollständig  zu  haben  (vgl.  Antike  Wald-  und  Feld- 
kulle  IL  S.  XXXIV  ff.).  Dies  Material  liegt  auf  der  Berliner  Bibliothek  und 
harrt  bis  heute  der  Verarbeitung  und  VervolUtändigung  nach  anderer  Rich- 
tung. Dass  dieses  nicht  gleichwertig  ist,  liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Es 
muss  deshalb,  wenn  es  einst  benutzt  werden  sollte,  auch  nathgeprüft  weiden. 
Auf  Gnmd  diesem  (Jueilcnschatzcs  schrieb  Mannhardt  seinen  Roggenivoif 
tinil  Ro^^nhitHfl  {i..  Aufl.  Danzig  1866),  die  Komdämontn  (Berlin  iS(j8),  die 
Wald-  und  FeldkuUe  {2  Bde.  Berlin  1H75-  1877),  die  Mvthologiscfie-n  Forx^httu- 
geti  (Strassburg   1884). 

g  4.  Fast  zu  derselben  Zeit,  wo  Mannhardt  seine  Erstlingsarbeitcn  auf 
dem  Gebiete  der  .Sitte  vernffenTüchte,  s<iirieb  T\\.  W.-iitz  die  Anthropologie 
dfr  .WaiNwolier  (185p — 65).  Auf  seinen  Schultern  standen  dann  Bastian  und 
namentlich  G,  Tylor  mit  ihren  die  ethnographisch-anihrnpolMgischen  Wer- 
ken: sie  zeigten  an  Sitte  und  Brauch  der  wilden  Vülkei,  wie  eine  Menge 
Volksgcbniutdi  und  Volksan-scliauung  fast  allf:n  V«jlkcm  eigen  ist,  und  wie 
Selche  ]Je<ibachtung  zur  Kindheit  der  \'ölker  hinaufführe.  Namentlich  aind 
Ci  Tylors  .\rbeiten  [EaHv  IJniory  0/  Mankind.  Vrgcuhichfe  der  Mensek- 
heit  deutsch  von  H.  Müller,  I^ipz^  18Ö7,  —  Primitir^  Oüturt.  Die  Ah- 
föfigr  der  CiiUur.  deutsch  von  Spengel  und  Poske.  Leipwg  18731.  die 
auch  in  weitere  Kreise  drangen  und  von  anderem  Gesichtspunkte  aus  auf- 
f-^rderten.  Sitten  und  Gebraudic  zu  sammeln.     Sein  und  Mannltardls  Verdienst 


Du  SAUULDKGEV  IX  DEL-reCHI-AKD.    Makkharpt.    £kglakd.     4gij 


I 
I 


ist  «s  alif  r,  dasÄ  die  Volkskunde,  die  Fo/khrr,  wie  man  dw  neue  Wissenschaft  nach 
dem  \'organgc  der  Engländer  zu  nennen  ]>nrg1,  eine  .sulrhe  Hliite  errcichi  hat, 
in  der  sie  jetzt  fast  bei  allen  gebildelen  Nationen  steht.  Von  England  kam 
ein  neuer  Name  für  die  juiij^c  Wissenschaft,  die  nueh  etwas  planlos  betrieben 
wurde,  die  EngUnder  brachten  sie  auch  in  festere  Bahnen  und  vor  allem 
in  ein  neues  Entwitkluii^^tadium.  Das  WeltTcich  dieses  Volkes  veranlasste 
die  Vertreter  dieser  Wissenschaft  Über  die  engen  Schranken  des  Heimal- 
lande^  hinauszugehen  und  auch  das  Vclkalftmliclie  der  Bewohner  ihrer  Kü- 
lonien  mit  in  das  Bereich  der  Knrschung  zu  ziehen.  Von  weitergehender 
Bedeutung  dabei  wurden  vor  allem  die  Sammlungen  der  Sitten  und  Ge- 
bräuche, der  religiösen  Ansclianungeii  und  der  G'^tterverrhriuig  der  Natur- 
völker. Ks  zeigte  sith  l>ald.  dass  l>ei  diesen  in  ursprttiigHcher  Form  nocli 
LcsUind.  was  ;iuch  einst  bei  unseren  Vorfahren  bestanden  haben  nui*Ä,  was 
no<-h  jetzt,  wenn  auch  in  abgeschwächter,  in  symbolischer  Form  im  Volke  fortlebt 

-So  wurden  die  Anschaumigswcise,  Sitte,  Brauch  und  Aberglauben  der  Nalur^'ölker 
zurF.rfrirschung  der  eignenVergangenhcit  verwandt,  es  entstand  eine  vergleichende 
VoIi;>kunde.  aber  vergleichend  fassle  man  in  anderem  Sinne,  als  man  das  Wort 
bei  der  vergleichenden  Sprarh Wissenschaft  oder  Mythologie  zu  verstehen 
pflegt.  Nicht  eine  indogermanische  Urform  sollte  gefunden  werden,  sondern 
der  Ursprung  und  die  Entwicklung  heimischer  Sitte  sollte  ihre  Erklärung  fin- 
dcai  durch  Heranziehung  analoger  Beispiele,  in  denen  Ursprung  nnd  Kntwick- 
lung  no*  h  klar  vrir  die  Augen  tritt.  Als  der  bedeutendste  und  zielbeu-uss teste 
Schftler  Mannharrits  und  Tviors  ist  hier  A.  Lang  zu  nennen,  der  in  seinen 
Werken  [Mvlb.  Ritual  am/  Urligion  2  Bde.  L/J^ndon  1874  und  Cnsin»i  mul 
Mvth  2.  etlit.  1885)  der  anthroiwlogischen  Richtung  der  modcnien  Volks- 
kunde feste  Rihnen  olmele.  Durch  diese  drei  Fi>rsrher  sind  der  Volkskunde 
neue  Wege  gewiesen,  auf  denen  sie  sich  erst  als  Wissenschaft  entwickeln 
konnte. 

§  5.     Atif  germanischem  Boden   tritt   in    erster  Linie  England    für  die  zu 
Neuem  Iwrufene  Wissenschaft   in  die  Schranken.     Hier  war  ja  schon  lange 

-der  Boden  für  die  Volkskimde  bearbeitet  (vgl.  A.  Brandl,  Englische 
Volkspotsie  Grundriss  Bd,  II),  Schon  im  vorigen  Jahrhunderte  hatte  H. 
Bournc  in  seinen  ».Vntitjuitalcs  Vulgarcnscs-  (17251  eine  treffliche  Samm- 
lung vcm  V'iilkf^ebrüurhen  und  Aberglaul>en  geliefert,  die  J.  Brand 
1777  umarbeitete  und  unter  dem  Titel  */\)pu/iir  Anliquiiits  0/  Gnutf 
Bnfain<  herausgab.  Das  Buch  ist  dann  wiederholt  neu  bearbeitet  wor- 
den (1813  von  H.  Ellis,  1870  von  W.  C.  Haziiti)  und  im  noch  heule, 
namentlich  in  der  Ausgabe  vt^i  Ellis,  tlie  wichtigste  Quelle  gross  britannischer 
Sitten  untl  GebrUtiche.  Weitere  Beitrage  zur  Volkskunde  im  weitesten  und 
kosmopolitischen  Sinne  enthielten  daim  die  Xotes  an//  Qufrits  (1859I.  In 
England  tauchte  für  die  neue  Wi.ssenschaft  aucli  zuerst  der  Name  Folklore 
auf,  der  ja  bald  intemalional  geworden  ist  W.  J.  Thoms  hatte  im  Athc* 
iiüinn  des  Jahres  1846  in  einem  anon^-mcn  Artikel  zirai  erstcnniale  diestti 
Ausdruck  gebtBucht,  und  jener  Artikel  wirkte  wie  ein  Zauberstab  auf  das  Volk. 
Jetzt  bcg:inn  man  im  ganzen  Lande  Sanuuluiigen  volkstümlicher  Cbcrliefemngen 
anzulegen.  Im  Jahre  1H78  vereinigten  sich  dann  in  England  die  trefflichsten 
Manner  der  Nation,  vom  Minister  bis  zum  Kaufmann,  und  gründeten  die  FoMore 
Society.  DicseGeacIlscIinft  gab  eine  Reihe  Zeitschriften  heraus;  1878 — 82  Folklore 
fiecorJ,  1 083^80  The  Fnii/oir  Jimrmü,  l8t)0  ff.  Folklore.  letztere  hat  bcson- 
<lers  rladurih  Wert  erhalten,  dass  sie  eine  IJteraturübersicht  des  so  zer- 
streuten Stoffes  auf  dem  Gebiete  der  Volkskunde  bringt.     Aus  allen  Gegcii- 

•<len  des   englischen   Reiches   ist   in  diese»  Zeitschriften  das  Material  aufgc- 

32» 


lifluft ;  Abtrjijlaubt*,  Sillc,  Volksmedizin  u.  dgl.  findet  sich  in  reicher  Fülle 
{dtj  Inhali  der  allpr<-n   Reihen  steht  in  Gommts  Ilandbool;  S.   1S4  ff.). 

Ausserdem  hat  die  Gesellschaft  verschiedene  Scliriflen  herausjccgcben.  die 
mit  der  Vulkskundc  in  Zusamnicnhang  stehen.  Allein  man  beschrankt  sidi 
in  der  Aus«'ahl  nirht  auf  britische-s  Gebiet,  sondern  bietet  Stoff  aus  allen 
Lflnduni  der  Erde.  —  In  Illinlicliur  Welse  wie  England  ist  auch  das 
Ttyhterland,  .\merika,  thaiig.  Hier  hat  sith  ebenfalls  eine  Folklore-Society 
gebildet,  die  seit  188S  'fhe  Journal  0/  Amerüan  Folklore  heraushiebt.  Ur- 
sprünglich leiteten  Newell,  liüas,  Crauc  und  Dorsey  gemeinsam  die 
Zeitschrift,  seit  1891  jedoch  liat  NcwcU  die  Leitung  allein.  Dieser  Gesell- 
schaft für  Volkskunde  hiit  sich  spater  (löyj)  The  Chicago  Folklore  Sodcty 
-cugeselli,  die  unter  der  Redaktion  Fletchers  'T?ie  Folklorist'  herausgiebL 
(Chicago  i»92  ff.). 

§  6.  Nächst  England  hat  von  allen  germanischen  Landern  Schweden 
am  meisten  systematisch  für  die  F.rhaitung  des  Volkstümlichen  gesorgt  Wohl 
hatten  auch  liier,  wie  in  den  anderen  nordisclien  Reichen,  einzelne  Männer 
V'nlkstümhches  gesammelt,  doch  der  An.stoss,  diese  Sammelarbeit  mit 
vereinten  Krllftcn  in  Angriff  /u  nehmen  und  den  Stoff  systematisch  zu 
bearbeiten,  ging  erst  später  von  Studcjilen  aus.  Von  Nation algefflhl  getrieben, 
thaten  sich  die  einzelnen  Landsmannschaften  an  den  Universit*1ten  zu  Up- 
sala,  Lund  und  Helsingfors  zusammen  und  bildeten  die  Lattdsmülsföreniugart 
(he  neben  Dialcktsainmhingcn  auch  Sammlungen  von  Sitten  und  Gcbrüu- 
chen  auf  ihr  l'rogramm  seizlen.  Wohl  hatte  schon  1861  Prof.  liloin- 
ätrand  in  Lund  die  Anregung  zu  einer  Foremtig  för  SmAlamh  Minnen 
gegeben,  allein  dieser  Verein  fristete  nur  ein  Sclieindasein.  Erst  als  1872 
von  studenlLsclicn  Kreisen  in  Upsala  die  Auregung  zur  Bildung  von  Dialekt- 
vereinen  ausging,  folgten  bald  auf  den  ersten,  die  Vesigola  Landsmähförrning, 
Vereine  in  fast  allen  LancUmannsrliaftcn.  1874  folgten  die  .Studenten  in 
Helsingfors  unter  Freud  enthüls  Leitung  nach,  und  1873  sah  auch 
Btom.strand  in  Lund  sein  altes  Bestieben  endlich  von  Erfolg  gekrönt:  die 
Förening  ßr  Smälands  Minnen  blühte  auf,  andere  Vereinigungen  schlössen 
sich  ihr  an.  —  Verschiedene  dieser  Vereuie  gaben  schou  jetzt  ihre  Zeit- 
.«ichrift  heraus,  fn  dem  Mittelpunkte  der  Arljeit  ilicser  Vereinigungen,  denen 
Studenten  aller  Fakultiiten  aiigeluirlen,  stand  die  Dialektforschung,  die  von  der 
neuen  Sprachwissenschaft  in.s  Leben  gerulcn  worden  war  und  von  ihr  be- 
fruchtet wurde.  Das  gemeinsame  Dialektalphabet  brachte  auch  die  verschie- 
<]ciicn  Vereine  einander  naher,  so  dass  man  eudlich  sich  über  die  Herausgabe 
einer  gemeinsamen  Zeitschrift  verstSndigen  konnte,  die  seit  dem  ]ahre  187H 
erschien.  Diese  nun  wui"de  der  Mittelpunkt  aller  Forschung  über  sdiwedi- 
stiics  Volkstum.  Es  suid  dies  {\^q  Xyare  Bidrag  lill  Känmdom  om  de  si-emia 
LandsmäifN  ork  svetiskt  Folkh/.  Tidskrifl  tUg.  pä  uppdrag  af  Landmnhförtnin- 
iiamc  i  Uppsala,  Hrlsingfon  ock  iMtid  genom  J.  A.  Lundetl.  Stockh.  i87qff. 
1  )ie  Zeitschrift  erscheint  in  zwangtosen  Heften  und  bringt  nicht  nur  Volks- 
iJinliches  in  reich.siei  Fülle,  sundein  auch  eine  treffliche  Literat urübersidil 
auf  diesem  (iebiete.  Li-idcr  scheint  in  letzter  Zeit  der  Eifer  fUr  dies  nationale 
l'ntemehmen  etwas  erkalict  zu  sein.  ^  Wesentlich  zur  Helelrnng  des  Inier- 
cäsrs  fQr  das  Volkstümliche  hat  aber  hier  auch  das  von  A.  Hazelius  in 
Stockholm  ins  Leben  genifene  Museum  Eür  schwedische  Volkstrachten  bei- 
getragen, das  ein  getrcuL-.s  Bild  von  dem  Leben  und  der  Kleidung  des 
>rh\vedLschen  Volkes  gew.'lhrt.  Dies  Interesse  zeigt  sicli  auch  in  der  Samm- 
lung von  Svenska  FolklijukUdrin^ar  frön  olika  Ijjndskap,  die  in  Stocklnilin  bei 
A.  Bonnicr  erscheint  und  woran  sich  vor  allem  die  LundsmalsfOtcningar  be~ 


teiligpn,  —  Wie  in  Schweden  so  zeigte  sich  frühzeitig  aurh  bei  den  Schwe- 
den in  Finland  ein  reges  Interesse  für  alles  Volkstßmliche.  Uen  Ausgangs- 
punkt bildete  hier  die  vun  Freudenthal  1874  ins  Leben  gerufene  Srtntkit 
LaHdsmäU-ßrem»^  i  Fifdand.  <lie  sich  vielfach  mit  den  Bestrebungen  der 
Nvläridisclica  Landsmannschaft  der  Helsingfurs<;r  Studenten  berührte.  Letzten- 
halle  schon  seit  1870  ihr  Angcnmerk  auf  alle  Vi)lksüberheferung  gerichtet 
und  gab  seit  1884  das  Sammelwerk  NyUmii  heraus,  von  dem  der  4.  Band 
die  nylüTidischen  Volksgcbrauchc  bringt  {Kyländtka  Folksedcr  ocfi  Bruk,  Vid- 
skepeUe  m.  ra..  framsLIIda  af  Anders  Allardt.  Melsf.  i88<)).  (Über  die  Th5- 
tigkcit  der  verächiedcncn  Gesellschaften  vgl.  Fin/ändska  Bidrag  lil  Svtmk 
Spnik-  ock  Foiklifsfonkniti^.  Helsf.  1894.  r — 50.  504  ff,.  Auch  die  Fimka 
VeUmkaP'Socielet  und  Sremhi  Litltmiursälhknpct  i  Finland  vcrüffentÜclicn 
Beitmge  zum  schwedischen  Volkstum  in  Finland.) 

Die  schwedischen  Landsinalsföreningar  sind  es  gewesen,  welche  auch  auf 
■das  Schwesterland  Norwegen  eingewirkt  haben.  FOr  Sammlungen  von  Sagen 
und  Märchen  war  hier  ihirch  Faye,  Asbjornsen,  Jurgcn  Mne,  die  unter 
Grimms  Einflüsse  sumdeii,  für  die  Dialektforschung  namentlich  dur<-h  Aasen 
schon  manches  gethan,  Sitte  und  Brauch  dagegen  waren  noih  wenig  be- 
handelt worden.  Da  vereinigte  sich  1881  eiue  Anzahl  Manner  von 
bestem  Xanicn  (Asbjurnscn,  Aasen,  Buggc,  Fritzner,  Moltkc 
Mue,  Ross.  Joh.  Storm,  Unger)  und  forderte  zu  einer  Fm-tnin^  A'* 
notske  Diakkler  ok  Foikdraditioner  auf.  Allein  Nürwep'll  schciiit  für  wilche 
Arbeit  nicht  der  Boden  zu  sein.  1884  erst  erschien  das  r.  Heft  der  Zeit- 
schrift dieser  OoscIUchaft,  die  Notvegia,  'lidukrifl  fot  dtt  ttonkt  Fo/ks  .\faal  og 
Minder,  udg.  af  Foreningen  f.  norske  Dial.  og  Tradit  ved  Moltke  Moc  og 
Joh.  Storm  (Kristiania.)  Bei  diesem  ersten  Hefte,  das  nur  sprachlichen 
Inli^ts  ist,  ist  es  bis  heute  geblieben,  und  nii^ends  sieht  man,  dass  der  Ver- 
ein irgend  wo  im  Lande  Samen  gestreut,  der  zur  Frucht  gereift  wSre. 
Und  gerade  die  nnn*'cgisi:hcn  Gaue  sind  so  reich  an  alter  Sitte  und  altem 
Brauch,  dass  es  in  hohem  Grade  zu  bedauern  ist,  dass  sich  hier  nicht 
Kräfte  dazu  finden,  das  Volkstümliche  einem  weiteren  Kreise  zugänglich  zu 
machen. 

Zweifellos  unter  dem  Einflüsse  Schwetlens  steht  auch  die  Entwicklunir 
■der  Volkskunde  innerhalb  der  letzten  Jahre  in  Dänemark.  Hier  hatte 
schon  im  .^nfar^  der  vierziger  Jahre  der  Bibliothekar  Christians  VIII.,  J.  M. 
Thiele,  eine  treffliche  Sammlung  Volkssagcn  veröffentlicht,  der  sich  1860 
«ine  gleich  gute  abergläubischer  Meinungen  des  Volkes  anschloss.  Nach  ihm 
trat  Svend  Hersieb  Gru  ndtvtg  (geb.  18^4.  gest.  1883)  auf,  der  das 
iiammeln  alles  Volkstümlichen  für  eiue  nationale  Pflicht  crkiHrtc  und  sich 
dieses  selbst  zur  Lebensaufgabe  machte.  Er  hat  auf  diesem  Gebiete  mehr 
denn  jeder  andere  geschaffen:  er  ist  einer  der  bedeutendsten  Folklonsteni 
die  bisher  gelebt  haben,  für  sein  Vaterland  ein  J.  Grimm.  Wohl  achtete  er 
weniger  auf  Sitte  und  Brauch,  um  Volkslied  und  Miirchen  drehten  sirii  besonders 
Beine  Arbeiten.  Aber  in  seinen  GamU  duntke  Minder  (j  dele.  Kbh.  1854 — tu) 
berOlirt  er  oft  jene,  wenn  sie  auch  nicht  den  Hau plgegen stand  der  Sammlung 
ausmachen.  —  Einige  Jahre  vor  seinctu  Tudc  zeigte  sich  nun  in  Dänemark 
der  schwedische  Einfluss.  1879  that  sich  eine  giosse  .Anzahl  Manner  aus 
allen  StAiideii  zusammen,  die  das  UnivcrsiUh-fHbihrtis  danske  SamfHnd  grün- 
deten. Diese  richteten  ihr  Augenmerk  auf  die  Schriften  aus  alterer  Zeit  und 
auf  die  Dialekte  der  Gegenwart  und  kömnierten  sich  anfangs  im  ganzen 
um  Sitte  und  Brauch  wenig,  weun  sie  auch  einiges  davon  in  ihre  Schriften 
aufgenommen  haben.  Erst  seit  1890  wurde  auch  diesem  mehr  Aufmerksamkeit 


y)2  xn.  Sitte,  Anhang:  Behandlung  d.volkstüml.  Sitte  d,  Gegenwart^ 

geschenkt.  Von  diesen»  Jahre  an  gab  die  Gesellschaft  auch  eine  besondere 
Zeiischrift  für  dänische  Volkskunde  heraus,  die  Dama,  Tidsskrifi  for  Folkemäl 
ug  Kotkeminder,  udg  af  Jespcrscn  og  Nyrop.  die  man  seit  1897  in  eine 
Tidsskrift  for  danke  Sprog  og  Litteratur  sanii  TflLeminder  umgewandelt  hat» 
niididem  V.  Dahlcrup  mit  in  die  Redaktion  eingetreten  ist.  —  Scii»c 
I^ndsleute  zum  Sammeln  vtilkBiflmlirher  Sitte  zu  den  Waffen  gerufen  zu 
haben,  isi  das  \'erdicnsl  des  Wilksschullehrers  Evald  Tang  Kiislcnsen, 
der  durch  seine  Sammhuigen  jütlsndischer  VolksQbcrlieferung  sich  schon 
mehrfach  hervnrgethan  hatte.  Auf  seine  Veranlassung  wurde  1883  das  DansA 
Samfuud  ///  Imhamling  af  Folkeminder  ^t.^tX\vyKX,  welches  von  1883 — 1889  die 
Zeitsclirift  SkiUtt^memi  unter  K.  T.  Kristcnsens  Leitung  herausgab.  Ausser  den 
bereits  geiianiili-n  Hcrausgt:bcrii  der  Dania  und  des  Skattegraver  haben  sich  in 
letzter  Zeit  in  Danemark  besonders  Feilberg  und  A.  Olrik  um  die 
<laniscUe  Volkskunde  verdient  gemacht  (vgl.  A-  Olrik,  Folkeminiier  in  Sal- 
monsens  Konversationsleksikon ). 

Auch  auf  Ulantl  that  sich  eine  Anzahl  jüngerer  Leute  zusammen,  um 
das  \'olkstünilii:he  der  Vergessenheit  zu  cntrcissen  und  aufzuzeidinen.  Sic 
gaben  <he  Zeitschrift  //«/(/,  Safn  alj>ydlegra  fra?da  islenskra,  heraus  (iHcjoff.), 
<lic  jedoch  i8(>5  wieder  eingegangen  isU  Eine  grössere  Sammlung  islän- 
discher Volkssitte  gab  O.  Davidsson  iro  Auftrag  der  islflndlschen  Literatur- 
gesellschaft heraus.  Den  Volksbrauch  auf  den  FDerÖem  endlich  zeichnete 
liammcrshaimli  in  seiner  Fcrmsk  Anthologi  -am^  (Kopcrih.   lÖt^i). 

§  7.  Unter  Maiinhardts  l'linfluss  erwachte  in  den  siebziger  Jahren- 
aucli  in  Frankreich  das  Streiten ,  das  Volkstttmliche  zu  sammeln.  Sch^-m 
1877  hatte  der  Direktor  des  Luxemburger  Gymnasiums,  M.  N.  Gredt, 
Fragebogen  zur  Sammlung  des  Volkstümlichen  ausgesandl,  18B0  folgte  ihm 
Sebillot  in  Krankreich.  Verschiedene  Zeitschriften  und  Sammelwerke,  die 
die  Volkskunde  auf  ilir  Programm  geschrieben  hattet;,  erschienen.  Vnn  hier 
aus  drang  die  jutigc  Wissenschaft  nach  den  Niederlanden,  wo  sich  nament- 
lich Aug.  Gittee,  Professor  am  Athenaura  zu  Charleroi,  derselben  annahm. 
Die  Volkskunde  der  vLimischen  Provinzen  wurde  in  erster  Linie  ins.  .\nge 
gefasst.  i8ä8  erschien  von  Gittee  der  erste  Wegweiser  zur  Einführung  iu 
die  wLssenschaftlichr  Behandlung  des  Kolklorc,  das  Vm^ghoei  int  äet  ZameUn 
van  Vimvmclit  Foikhre  0/  Vaikskiinde-  In  demselben  Jahre  erschien  auch  die 
IiBuptsachlich  durch  denselben  Verfa.>««;r  ins  Leben  gerufene  ZeiLtichriftr 
Vo!ksku$tHf.  Tijihehrifl  i'oor  Xtderlauduhe  Foikhft  onder  Redaclie  van  Pof 
de  Mont  rl  Aug.  Gittea  (Gent).  Für  Gittee  trat  spater  in  die  Redak- 
tion A.  de  fock,  der  mit  de  Mont  noch  heute  die  Zeitschrift  herati^ebt. 
Aus  dem  Volke  heraus  kam  diinn  schon  im  folgenden  Jahre  eine  neue  Zcil- 
sdirift  uns  TagcsliclTt:  Om  Voiksirrvn.  Antuvrftsch-Brabantsch  Ttfdsrhrift  voor 
Taal  ett  l'niksdirhti-eerdigiieit.  it>ir  Onde  Gf^nuken,  Wan^ho/kundt.  Brecht 
1889.  Femer:  Volk  en  Taal,  Maandsschrift  over  Gebruiken  enz.  uitgcgev. 
df>or  de  Zanter^gilde  van  Zuid-Vlaandem.  Ronse  t88o  ff-  (JnÜch  begrenzte 
Zeitschriften,  wie  De  Hanvlandcr.  s^rhliessen  sich  den  grü.s,sercn  an.  In  Lim- 
burg enschicn  seit  der  Mitte  der  achtziger  Jalire:  7  Daf^hei  in  d^n  Osten, 
IJmhurgsolie  Tijdssthrift  voor  alle  Liefhabbevs  van  Taal-  en  andere  Wetcns- 
weerdigbeden.  So  scheinen  die  Niederlande  in  der  Rührigkeit  Schwedens 
Erl»e  angetreten  zu  haben,  aber  die  Vertreter  der  Volkskunde  sind  sich  voll 
und  ganz  bewusst,  dass  die  neue  \Vis.scnsch«ift  in  deutschem  Boden  ilire 
Wurzel  hat. 

§   S.     Wahrend    sii    ubenill    Zeitschriften    entstanden    sind,    die  Samm- 
lungen    volkstümlicher    Sitten    und    Brüuchc    aufnehmen,     ist    Deutsddand 


iDgc  zurüLkgcblit'ben.  Ungemein  eifrig  sammelte  man  schon  in  den 
^-einzelnen  Gegenden  unter  dem  Eiiiflusso  der  Brüder  Grimra.  Fasl  aus 
allen  Gauen  Dculschhnds  Hegen  heute  grossere  oder  kleinere  Sammlun- 
gen von  Volkssüger,  Matchen,  Sitten  und  Gebrauchen  vnr,  die  einen  mehr. 
die  Hmtcm  weniger  zuverlHssig.  Wrr  nur  um  des  Vrilksiümlitrhcn  willt-n  an 
solche  Arbeit  gegangen  i^t,  hat  das  Beste  mit  gehefert:  andere  dagegen,  »lie 
sich  mit  lialb verdauten  mythologischen  Aulfassungeu  der  AufgalK.-  unter- 
zogen haben,  sind  nicht  selten  selbst  zu  Mythenmachem  geworden.  Geo- 
graphische Zeilwbriften,  wie  das  Amfond.  Europa  n,  a..  haben  ihre  Spalten 
ctK-nfalts  tkin  Volkstume  geöffnet.  Herausgeber  grösserer  gct^aphischer 
Werke  veis^unien  es  nie  mehr,  die  Volkssiiie  v.*n  kundiger  Hiind  bear- 
beiten   zu  lassen. 

So  war  hereiu  viel  Material  in  den  beiden  ersten  Perioden  volkskund- 
licher Arbeit  gesammelt  und  dies  z.  T.  schon  trefriicli  verarbeitet,  so  von 
l'fannenschmid  in  seinem  vorzüglichen  Werke  »Germanische  EmUfufe*^ 
Von  U.  Jahn  in  seiner  fleissigen  Arbeit  >Die  deutuhen  Opferbmufht  htt  Arirt' 
hau  und  Viehzufhf'  u.  a.  Die  mythi »logischen  Forschungen  von  E.  H. 
Meyer  und  L.  Laistner  hatten  el>enfalls  gezeigt,  welche  ergiebige  Kund- 
grube Sitte  und  Brauch  der  Gegenwart  für  die  Kulturgeschichte  unseres  Volki-s 
ist  Da  brach  sich  auch  in  Deutsihland  endlich  die  Überzeugung  Bahn, 
ilass  die  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Volkskunde  in  wissen schaflliche 
H.1mic  gem)nimcn,  dass  für  sie  ein  Mitteljiunkt  geschaffen  und  dass  das  be- 
reits vorliegende  Material  gesichtet,  ver\'ollkommnet  und  vertieft  werden 
mQ&se.  Die  Zeitschrift  Am  Urdi-Bnamm.  Mifteiftaifjrn  für  Fnnndr  7-olhtüm- 
lieh-u'iuenscba/tlirfKr  Kunde,  die  F.  Höft  in  Rendsburg  seit  1881  heraus- 
gab, vermochte  sii  h  keine  rechte  Anerkennung  zu  verschaffen,  obgleich  sich 
z.  T.  recht  brauchbares  Material  in  ihr  befand.  Sie  ist  180J  umgewandelt 
Worden  in  eine  internationale  Zeitschrift  für  Volkskunde,  hat  den  Titel  ^Am 
l'tyiuiU  angenommen  und  .steht  seitdem  unter  der  Leitung  des  Slavisten 
Fr.  Kraus*.  Seil  188Ö  gab  auch  E.  Veckenstedt  eine  Ztitschrift  /ür 
raUikunde  heraus.  Sic  hatte  ursprünglich  gute  Mitarbeiter,  wenn  auch  die 
Abhandhmgen,  namentlich  die  des  Herausgebers  selbst,  an  Wiissenschaftlich- 
kcit  viel  zu  wüiisclien  übrig  liesseii.  Als  aber  spater  der  Her.iusgcl)er  die 
pers.jnliclic  Eitelkeit  Ohtr  die  Wissenwliaft  stellte,  verücssen  ihn  die  besseren 
seiner  Mitarbeiter,  und  so  stellte  denn  die  Zeilschrift  nach  dem  vierten 
Bande  ihr  Erscheinen  ein.  Es  war  dies  um  an  weniger  zu  bedauern, 
als  kurz  vorher  K.  Wein  hold  in  Bertin  einen  Verein  ft^i  Volkskunde 
ins  Leben  gerufen  halte,  der  der  Mittelpunkt  wissenschaftlicher  Bestre- 
bungen auf  diesem  Gebiete  werden  stillt*-  und  auch  geworden  ist.  Die 
Zeitschrift,  die  der  Verein  unter  Wcinlucliis  Leitung  seit  1891  herau^ebt, 
bietet  reiches  Material  und  treffliche  Untersuch ungi^n,  so  dass  sich  auch  in 
der  Volkskunde  jetzt  Deutschland  den  anderen  Ländern  wieder  ebenbürtig 
ziw  Seite  stellen  darf.  Ganz  richtig  unterscheidet  Weinhold  zwei  Kkissen 
Arbeiter  auf  diesem  Gebiete;  beide  sind  unbedingt  nOtig  und  arbtiten  ejn- 
attder  in  die  Hflnde.  Die  eine  Klasse  hat  zu  sammeln  und  das  Gehörte 
oder  Gefundene  treu  aufzuzeichnen  ohne  irgendwelche  wifÄCnsi-ba filichen  Ex- 
curse.  An  dieser  Arbeit  kann  jeder  im  Volke  sich  beteiligen.  Die  andere 
Klasse  dagegen  liat  die  Aufgabe,  den  angesammelten  Stoff  zu  verarbeiten, 
ihn  in  seiner  geschichtlichen  Entwicklung  zu  verfolgen  und  dann  mit  seiner 
Hülfe  die  deutsche  Volksseele  darzustellen,  wie  sie  sirli  in  der  Poesie,  dem 
Rechte,  den  Sitten,  der  Sprache,  der  Kunst  des  gemeinen  Mannes  zeigL  Zu 
ihr   äiiid    nur    piiilologtscli     und    hisloriscli    geschulte    KrSfte    heranzuziehen. 


504  XIL  Sitte,  ^nuanc;  Behandlung  d.volkstüml,  Sitte  d.  Gegenwart. 

Nun  isl  aber  DcutschEaiid  ein  so  vielgliederiges  Reirh,  der  Volks*  ha ractcr 
ist  in  tien  einzelnen  (Jegenden  so  verschieden,  dass  es  schwer  hall,  alle 
StSmme  Deutschland»  unter  einen  Hut  zu  bringen.  Von  dieser  Clrerzeugung 
aus  ist  bei  uns  in  letzter  Zeit  der  Gedanke  der  Prounnnlvereine  auf]^- 
taucht  und  hat  in  vielen  Gebenden  AnklatJg  gefunden.  Mecklenburg  liat 
n  Anfang  gemacht.  .Schon  i8()i  erlJess  der  Verein  für  mecrklpnburgisclu- 
escliichie  und  Allertumskunde  den  Aufruf  zum  Sammeln  alles  Volks- 
tamiichen,  und  unter  Wossidlns  trefflicher  Leitung  sKiirdtet  hier  di«- 
Arbeil  rüstig  fort.  1893  riefen  <lann  Kntiop  und  Maas  die  BKltter  fflr 
l'ommcrsche  Volkskunde  ins  Leben:  1804  *urde  in  Bayern  auf  Brenners 
Veranlassung  der  Verein  für  liayrische  Volkskunde  und  Mundartpnforschung. 
in  Schlesii'u  unter  Vogts  und  Nehrings  Leitung  die  Öchlesischc  Gesell- 
schaft für  Volkskunde  gcgrClndct.  Beide  X'creinc  geben  jicriodisrh  erschei- 
nende Mitteilungen  heraus.  In  demselben  Jahre  thaten  sich  in  Baden 
V.  Kluge»  E.  H.  Meyer  und  F.  Pfaff  zusammen,  das  Voikslümliche 
dieses  Landes  der  Vergessenheit  zu  entreissen.  In  der  Alemannia  wird  von 
Zeit  7M  Zeil  über  den  Furtgang  ihrt-r  Arbeit  beriehiet.  Fndlich  trat  iB^" 
in  Sachsen  der  Verein  für  sJtchsische  Volkskunde  ins  Leben,  i»  dessen  Auf- 
trag E.  Mogk  die  Mitteilungen  herausgiebi. 

Ahnlich  wie  in  Deutschland  steht  es  bc)  den  Deutschen  in  öäterieich. 
Aui  Habcrlandts  Betrieb  ist  hier  1 8u5  der  Verein  für  «"istcrrcichi.schc  Volks- 
kunde gcgrvmdct  worden,  der  alle  Volker  des  ■'JsterrcichEsrhen  Kaiserreichs 
umfasst  und  eine  Zeilschrift  licraLisgicbt,  die  sich  tJer  Bcrhuer  würdig  zur 
Seite  stellt.  In  den  einzelnen  Teilen  des  Reiches  ist  man  ebenfalls  an  der 
Arbdl.  Unter  den  Sicbenbürgcr  Sachsen  hat  sich  der  \'erein  für  sieben- 
bürgische  I^andeskunde  auch  der  Volkskunde  angenommen;  in  seinem  Korre- 
spondcnzlilatte  erscheinen  von  Zeit  zu  Zrit  Berichte  über  die  Vorarbeiten. 
die  von  A.  Schullerus  und  Wiltstock  ausgehen.  In  Böhmen  gicht 
seit  1800  die  C.ie^ellwhaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und 
Literatur  unter  Hauffens  trefflicher  Leitung  die  Beiträge  zur  biihmt'sebat 
Vnlkshiniif  heraus.  Im  frJlnkisclien  Kgerlande  luit  sich  1897  ein  Verein  für 
EgerlandisL-hc  Volkskunde  gebildet,  in  dessen  Auftrag  A.  Jolin  Unser  Eger- 
land  redigien. 

Am  ]i  die  Schweiz  bat  sicli  in  jüngster  Zeit  den  Bestrebungen  auf  deui 
Gebiete  der  Volkskunde  angeschlossen:  1806  trat  in  Zürich  die  Schweize- 
rische Gesellschaft  für  Volkskunde  ins  Leben,  und  die  in  ihrem  Auftrage 
von  Hoffmann-Kraycr  herausgegebene  Zeitschrift  Schweizerisches  Ar- 
cJuK  fflr  lolkskmde  (1897)  ist  der  Sanimelort  des  an  alter  Sitte  so  reichen 
Landes. 

So  ist  denn  in  allen  Landern,  wo  Deutsche  wohnen,  schon  so  vor^- 
arbcitet  worden,  dass  bereJts  ein  Ixitfaden  der  Deutschen  Volkskunde  ge- 
s<hriehen  werden  konnte;  es  isl  dies  E.  H.  Meyers  ebenso  klares  wie  in- 
haltsreiches Werk  »Deutsche  Vollsiiittde<'  (1897). 


I 

I 


n.  BIBUOGRAPHISCHE  ZUSAMMENSTELLUNG  DER  QUELLEN 
VON  SITTE  UNO  BRAUCH  BEI  DEN  GERMANISCHEN  VÖLKERN.») 

I.   Deutschland,   Deutsch-Österreich,   die   Schweiz. 

A.     DAS  GESAXnGEBIET. 

§  9.  Zeitschriften.  Ztilsckrift  für  deuHche  MylhohgU  und  SUlatkunJe. 
hrg.  von  J.  W.  Wulf,  vom  3.  Bande  ari  von  W.  Mannhardt.  4  Bde.  Oit- 
tingf^n  1853 — 1850.  —  Am  Unh-ßnmnen.  Mitteihmgen  für  Freunde  vollcs- 
tQmUdier  Kuiulc.  hrg.  von  Höft,  1881 — 1889.  Fnrtsetzujig:  Am  ürqueÜ. 
Monatsschrift  fßr  Volkskunde,  hrg.  vnn  Friedr.  Krauss.  6  Bde.  1890 — 1896. 
Neue  Folge,  Leyden  1897  ff.  —  Zeilicbrift für  VoikikunJe,  hrg.  von  E.  Vcckcn- 
stcdt.  4  Bde.  Leipzig  1889 — 1R92.  —  Zeitschrifl  des  Vereins  für  Volhtunde. 
Neue  Folge  der  Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  und  Spracliwis&ensciiaft.  Im 
Auftrage  des  Vereins  lirg.  van  K.  Wcinhold.  Berlin  189t  ff, 

§  10.  Allgemeines.  F.  Nork  (Korn),  Die  Sitfen  und  G^räufhe  der 
Deulifheti  und  ihrer  Nachbanölker.  (Das  Kh»slcr.  12.  Bd.)  Stuttgart  1849.  — 
^lunlanus  (A.  v.  Zuccalmaglio),  Die  denischen  VolAs/ale,  Volksbräuehe  und 
detituk<r  Vo/ksg/au&e  in  Sigcn.  Mdichen  und  Volksliedern.  Iserlohn  o.  J.  —  Roch- 
holz, Dtutscher  GLiube  und  Braue h  im  Spiegel  der  heidnischen  Voneil.  2  Bde. 
Berlin  186".  — A.Wuttke,  Der  deutsche  Volkmbcri;/auhe  der  Gegenn^irt.  2.  Aufl 
Berlin  1869.  (Ein  rtichhaUiges.  treffliches  Werk.)  —  M.  Busch,  DetUsehtr 
Volksf^nuhe.  Leipzig  1877  (populär,  ohne  .Angabe  der  Quellen).  —  Lippcrt, 
Chrislctitum.  Vtiiksglaube  und  Vo/ks/injuei.  Berlin  l86a.  —  Ch.  Roggc,  A&ef' 
^lauhe,  Volk^^lauhe  und  Valkshraueh  der  Gegenxvari  nach  ihrer  Entstehung  aus 
altgennanisihem  Heidentum.  Leipzifj  1890.  —  A.  Schroot,  Die  SymhoUk  im 
Volisglauhen.  Am  Urq.  IV.  ^41  ff.  —  Weiss,  Volkssitten  und  re/igiiise  Ge- 
bräuche. Bannen  1872.  —  Gruebcr,  Deutsches  Lehen.  Scliildcrung  des  deut- 
sdien  Volkes  in  allen  seinen  Stämmen.     Prag  1871. 

§  II.  Der  Festkalender.  E.  Dulle r.  Dq!(  deutsche  Volk  in  seinen 
.Mundarien,  Sitten.  Gehräuchen  und  Festen.  Mit  50  kolor.  Bildern  (\'ollcs- 
irachten).  Leipzig  1847.  —  F.  Nork,  Der  FeUkalendrr.  (Das  Kloster.  7.  Bd.) 
Stuttgart  1849.  —  Gehhart,  Das  kirchliche  Jahr  oder  die  heiligen  Gebräiuh« 
und  Kirchenfeste.  Pest  1856.  —  v.  Reinsberg-Dftringsfeld,  Das  festliche 
Jahr  in  Sitten,  Gebräuchen  und  Festen  der  germanischen  Völker.  Leipzig  1863.  — 
Lippert,  Deutsche  Festtnäuehe.  Prag  1884.  —  Rolfs,  Unsere  V(ylksfesie.  Ge- 
krönte PreisschrifL  Leipzig  i8q6.  —  Pfanuenschmid,  Das  M'eihicauer  im 
heidniichen  und  christlichen   Cuilus.    Plannover    i86tj   (eine   reichhaltige  Arbeit, 


t]  Benutzt  sind  ftlr  dte  foIi*cnde  l^bJiograpbiscbc  Cbcnicbt:  v.  Babder,  Dtf 
deyttckf  Phil«logü  im  i7rhiniriss.  Paderboni  1883.  S.  a38fr.;  l".  Jahns  Zusainmrn- 
»telluiif;  der  Literatur  de«  Volkxtüinlicbcn  in  der  Anthtung  zur  JeutscArrt  Landet-  und 
Votks/oriihung.  Im  Auftrage  der  Central  kommisston  lür  wisücnscfaKTllicbe  Ijitiile«ktinde 
von  Deutschland,  hrg.  v.  A.  Kirchhoff.  Slulljpirt  1889:  die  bibtiußnipliischfn  DbersuJitea 
in  der  Ofrmaaia,  Jrm  fnhrffbfrictite  über  die  Ertchrinnn^m  auf  arm  tirbiete  der  ger- 
utant'setten  Ptulofafrie,  t\t:tn  Jahresheriefile  für  neuere  lifHtnrhe  /.iteritturgrwhichte,  dnn 
Art.  f.  itfrd.  /■'ttatofi.  in  Sii.  Lnudsmnlrn,  die  Litt-mluriitttrücbtcn  in  den  unter  %  Q 
AitgHahrlfn  Zcilu:l>rif(FFi.  AulHat««-  ia  der  Toguslitenitiir,  dir  »llcn  U'cri  luben,  «ind 
nicht  vt^rzeidinrt.  Kh«Mo  ^ind  die  kurzen  Xultzcn  in  den  Zeiischriltcii  nur  dann  twxück- 
aicbtigt  worden,  wenn  sie  nach  dt-r  einen  oder  andern  Riditiin]-  bin  von  Bedeutung  »ind.  — 
Hsl  ein  und  derselbe  Artikel  mehr  als  zue!  Fontetznosefl,  so  i^t  nur  der  Band  dtiert, 
nicht  alter  ilie  Seite,   wo  die  einzelnen  Ab«cbniue  b«f;llllMMI. 


5o6  XII.  Sitte.  Anhang:  Behandlung  d.  volkstüml.  Sitte  d.  Gegenwart. 

in  der  viele  religiöse  Gebrauche  auf  ihren  Ursprung  hin  untersucht  werden).  — 
Pröhle,  Kirchliche  Sitten.  1858.  —  Zingerle,  Johannissegen  und  Gertruden- 
minne. Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie  der  Wissensch.  1862,  177  ff.  — 
V.  Repta,  Religiöse  Sitten,  Gebräuche  und  Gewohnheiten  tn  ihrer  Bedeutung 
für  die  Entivicklu/ig  der  Kultur.  Czemowitz  1887.  —  Menzel,  Die  Sonnen- 
zveiide  im  altdeutschen  Volksglauben.  Germ.  11.  228  ff.  —  P.  Cassel,  Weih- 
nachten. Ursprung,  Brauche  und  Aberglauben.  Berlin  i86i.  —  W.  Mann- 
hardt,  Weihnachtshliiien  in  Sitte  und  Sage.  Berlin  1864.  —  K.  Weinhold, 
Weihnachtsspiele  und  -lieder  aus  Siiddeutschlatid  und  Schlesien.  N.  Ausg.  Graz 
1870  (enthält  in  den  einleitenden  Kapiteln  vielerlei  über  die  Weihnachtsge- 
bräuche  aller  germanischen  Völker).  —  Usener,  Wethnachts/est.  Religions- 
geschichtl.  Untersuchungen.  Bonn  1889.  —  P.  de  la  Garde,  Altes  und  Neues 
über  das  Weihnachtsfest.  Göttingen  1891.  —  Ortwein,  Deutsche  Weihnachten. 
Der  Weihnachtsfestkreis  nach  seiner  Entstehung,  seinen  Sitten  und  Bräuchen 
deutscher  Völker.  Gotha  1892.  —  Tille,  Die  Geschichte  der  deutschen  Weih- 
nacht. Leijizig  1 89JI  (neben  Useners  Werk  die  gediegenste  Untersuchung  über 
Weihnachten  und  Weihnachtsgebräuche,  wenn  auch  das  Fest  etwas  zu  ein- 
seitig vom  wirtschaftlichen  Standpunkte  aus  aufgefasst  wird).  —  J.  v.  Zin- 
gerle. St.  Nicolaus.  Zs.  f.  Volksk.  II.  329ff.;  409ff.  —  O.  Schade,  Klopf 
an.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Neujahrsfeier.  Hannover  1855.  —  J. 
Wi.snar,  Das  Neufahr.  Eine  folkloristische  Plauderei.  Znaim  1895.  —  Rack- 
witz,  Ostcrfeier.  Korrespbl.  f.  Anthropol.,  Ethnogr.  und  Urgesch.  XXI.  — 
Pabst,  Der  Maigraf  und  seine  Feste.  Reval  1864.  (Die  beste  Arbeit  über 
Mai-  und  Schützenfeste.)  —  Kluge,  Über  die  ursprüngliche  Bcdetttung  der 
/ohanniifcste  und  der  damit  venvandten  Feiern.  Mühlhausen  i.  Th.  1873.  — 
Veckenstedt,  Vorabend  und  Tag  St.  Johannis  des  Täufers.  Zs.  f.  Volksk.  IV. 
—  Sl.  Andreas  als  Heiratsstifter.  Am  Urq.  N.  F.  I.  69  ff.;  191  ff.  —  K.  Wein- 
hold,  Vom  heiligen   Ulrich.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  V.  4 16  ff. 

§  12.  Das  Leben  in  der  Familie  und  bei  der  Arbeit.  Ploss, 
Das  Kind  in  Sitte  und  Brauch  der  Völker.  Leipzig  1882.  —  Haberlandt. 
Gcfiräuchc  und  Ahcrglaulicn  beim  Essen.  Zs.  f.  Völkerpsycliologie  und  Sprachw. 
XVIII.  —  J.  Sepp,  Völkerbrauch  bei  Hochzeit,  Geburt  und  Tod.  Beweis  füi 
die  Einheit  des  Menscliengcschlechts  und  die  Urheimat  Asien.  München  iStii 
(manch  gutes  Material,  sonst  i)hantastisch).  —  J.  und  (_>.  v.  Düringsfeld,  Hoch- 
zciisbuch.  Brauch  und  GlaubcderHochzeit  bei  den  christlichen  Völkern  Europas. 
Mit  24  Illustr.  1895.  —  K.  Weinhold,  Der  Wcitianf  im  deutschen  Volksleben. 
Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  III.  I  ff.  —  R.  Köhler,  Die  Haut  (das  Fell,  den  Bast) 
-.•ersaufen.  Am  Urq.  I.  113  ff.,  vgl.  dazu  V.  161.  VI.  341.  122  f.  —  W^  Hein,. 
Die  geographische  Verbreitung  der  Totenbretter.  Mitt.  d.  Anthropol.  Gesellsch.  in 
Wien  XXIV.  =i).ff.  —  Der  Eid  im  Volkslet>en.  Am  Urq.  II.  III.  ~  P.  Sar- 
tori, Vom  Zählen,  Messen,  Wägen.  .\m  Urq.  IV.  —  Reimann,  Deutsche  Volks- 
feste im  !<).  fahrhundertf.  Weimar  1839.  (Für  die  erste  Hälfte  unseres  Jahrhs. 
recht  gut.)  —  Mannhardt,  Ro^genivolf  und  Rogf^enhund.  Beitrag  zur  gen«. 
Sittenkunde.  2.  Aufl.  Danzig  186Ö.  —  Mannhardt,  Die  Korndämonen.  Beitrag 
zur    germ.    Sittenkunde.    Berlin   18Ö8.  —  Mannhardt,     Wald-   und  Feldkulte. 

1.  Der  Baumknlnis  dci  Germanen  und  ihrer  Nachbarstämme.  Berlin  1875.  \\~ 
Antike  Wald-  und  Fcldkultc  ans  nordcnrofMiischer  Überlieferung  erläutert.  Berlin 
1877.  —  .Mannhardt.  Mytholoi^ischc  Forschungen.  Aus  seinem  Nachlasse  mit 
Vorreden  von  Müllenhoff  und  W.  Scherer,  hrg.  von  Patzig.  Strassburg  1884. — 
A .  Kuhn,  Mythologische  Studien  I.  Die  Hcrabkunft  des  p'cuers  und  des  Göltertranks. 

2.  Aufl.  Gütersloh  i88(j.  (Reich  an  Beisjjielen  deutscher  Sitten.)  —  H. 
Pfannen schmid.  Germanische  Enitefcsie  im  heidnischen  und  chrisiüchen  CaÜta 


I 


miibciottiicrtr Bcitbnu^auf  Nitficnafhseti.  Hannc)%cr  1878.  (Das  Ircfflichste  Werk 
über  EmtegebrJluche ;  reich  an  Belehning  in  allen  Teilen  gewahrt  dasselbe  in 
seinen  Annierkungen  eine  Fülle  feiner  Untersuchungen  Ober  alle  miTgUchen 
Kultuseischi'inuiifjcn  unseres  Volkes,;  —  U.  Jahn,  Dit  deuhibm  Opfcr^hräuclie 
hfi  Atkeriiiut  unii  Viehzmhf.  Brcslatt  1884.  —  Boebel,  lUt  Hitns-  um/  FrU- 
Wfhhdt  ihs  L/iHihviris.  Berlin  1854.  —  Ifilins,  Hoxs  und  RtUrr  in  Ltbrti  nni/ 
^nuhi,   GltiutHin  und  Gesthkhie.    2  B(Ip.    I^ipztg  1872. 

§  13.  Aberglauben,  Volksmedizin.  Kiesewetter,  Die  Gfhrim- 
wiuensehap.  Leipzig  1895.  —  W.  ]klannhardt,  Zauhrrglanhe  und  Geheim' 
wiisett.  3.  Aufl.  Leipzig  i8g~.  —  A.  Lebmann,  Oretim  ok  TroUdom  fni  <lc 
A-Idstc  'Fidcr  til  vitre  Dagc.  4  Bde.  KM[H,-tihagen  189^ — 18<>6. —  \V.  Herlz. 
ihr  WttivQiJ.  Kin  Boiimg  zur  Sagengeschithie.  Stutigart  18(12  (das  beste  Werk 
über  diesen  Gegenstand  des  Abei;gla«bens).  —  W.  Schwartz,  Die  Wünuhtl- 
nit€  iib  Qutllai'  und  Si/ianutc/ifr.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  IL  67  ff.  —  M.  Bartels, 
Ühtr  JCntnkheilsfjcsfhwanwfien.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  V,  l  ff.  —  Volixmediziii. 
Am  Urq.  L  III.  —  M.  Hftfler,  />r  KidttiviJd  in  der  loiksmrdizin.  Am  Urq. 
IIL  307  ff.,  353ff.  -  M.  Ilafler,  Der  Biimnbaum.  Am  Urq.  N.  F.  I.  35  ff. — 
Baumsägen  und  BtJumkuiiHs.  Am  Urq.  V.  VL 

§  14.  Haus  und  Hof,  Kleidung.  Gebrauchsgegenstilnde.  Meitzen, 
Sitdeiuitg  und  Aßfianvrseu  der  liesf~  und  Osl^rmtinen .  der  Kellen  und  Römer, 
Finnen  und  Sii.ve»,  3  Bde.  Berlin  1896.  —  Henning,  Dat  detifsehe  Haus 
tn  seiner  Imiürisiften  EMiivieitelnn^.  Quellen  u.  Forech.  Nr.  47.  Slrassb.  1882.  — 
Mcitzcn,  Das  deutsche  Hata.  Berlin  1882.  —  Mcringcr,  Studien  zur 
f'ermanischen  l'o/hhunde.  Das  Bauemluuis  und  de.ssen  Einrichtung.  Mitt  der 
Anthropol.  GeselLsch.  in  Wien  XXL  joi  ff.  XXIII.  136  ff.  —  Petersen,  Die 
/yerdf^Öp/r  Quf  d<H  Bauerhäusdn,  buonden  in  yonideufichland.  Kid  1860.  — 
Ch.  Pcter«ien,  Ar  /Jtmmrhexen.  Kiel  1802.  —  Mietkf%  Volhkumt.  .Mit 
85  Abbildungen.  Majtdcburg  189Ö.  —  Sartori,  Der  Schuh  im  ro/hj^/auhm. 
Zs.  d.  V.  f.  Volk.sk.  IV.  —  Weiss,  Koslümkunde.  2.  Bd.  Stuttgart  1872.  — 
A.  Kret Schmer,  Deuiuhe  Volisirachien.  2.  Aufl.  Leipzig  1891  (mehrere 
Hundert  Volkstypai).  —  Hottenrolh,  llandburh  der  deutstben  Trtuht.  Mit 
1631  gHn/cn  und  1391  Teilfiguren,  y^  Faibcniafeln.  Stuttg.  iSi/h  —  Hans- 
jacob, Untere  VolhilntchUn.  3.  Aufl.  Freiburg  l8<)3.  —  Homeyer.  Haus- 
imd  Hofmarktn.  Mit  44  Tafeln.  Aus  den  .\bhandl.  der  Berliner  Akademie. 
Berlin  1870. 


B.     DIE  EINZELNEN  DEUTSCHEN  LANDER. 

S  15.  Oberdcutschland.  Den  gcsamniten  Alpengürlel  umfasst:  Ver- 
naleken,  .Upensagrn.  VulLsObcrlicferung  au.s  der  Schweiz,  aus  Vorarlberg» 
Kärnten,  Salzburg,  Ober-  und  NiederOsterreich.  Wien  1858.  —  Reiches  Ma- 
terial bietet  die  Zs.  des  dcutsch-österreichi-schen  Alpcnvercins. —  L.  Freitag,. 
Tlrre  im  GUuthfu  der  Alpler.  Am  Urq.  III.  —  Ilwuf,  Allerlei  Jnsehrifltn  nux 
den  Alpenltindern.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  IIL  278  ff.  —  v.  Hörmann,  Hans- 
Sprüche  mts  den  Alpen.  I^ipzig.  l8((0. —  Meringer,  Das  oherdetüsche  Bauern' 
haus  und  seine  Geniihe.  Zs.  f.  *"'Sterr.  Vulksk.  II.  257  ff. 

I.  Österreich.  (Gcsajnmtreich.) 

%  16.  Zeiischri/t  für  as/enricAiithe  Vo/hhinde.  Organ  des  Vereins  für  Osterr. 
Volksk.  in  Wien,  r«l.  von  R.  Haberlandt.  Wien  i8t)5ff.  (Die>c  Zs.  bringt 
«.  a.  eine  genaue  Litcrainrübersicht  kleinerer  Beitrage  zur  Volkskunde,  die 
sich  in  der  Lokalpresse  finden.)  —  Die  öslerretehisefie  Monarchie  in    Wort  umf 


5o8  XII.  Sitte.  Anhang:  Behandlung  d.  volkstüml.  Sitte  d.  Gegen«' art. 

Bild,  Auf  Anregung  und  unter  Mitwirkung  weil.  Sr.  Kais,  und  Kgl.  Hoheit 
des  durchl.  Kronprinzen  Erzherzog  Rudolf  begonnen  und  fortgesetzt  unter 
dem  Protektorate  Ihrer  Kais,  und  Kgl.  Hoheit  Frau  Kronprinzessin-Witwe 
Erzherzogin  Stephanie.  Wien  1886  ff.  —  Pröhle,  Aus  dem  Kaiuniaat, 
Schilderungen  aus  dem  Volksleben  in  Ungarn,  Böhmen,  Mähren,  Oberöster- 
reich, Tirol  und  Wien.  Wien  1849.  —  Vernaleken,  Mythen  und  Bräiuhe 
des  Volkes  in  Österreich.  Ein  Beitrag  zur  deutschen  Mythologie,  Volksdichtung 
und  Sittenkunde.  Wien  1859.  —  Ilwof,  Harn-  und  Hofmarken  (in  Öster- 
reich). Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  IV.  279 ff.  —  H.  Schukowitz,  Ländliche  Kerb- 
schniltkunst   in    Österreich    (mit    51    Textabbildungen).     Zs.   f.    österr.    Volksk. 

ni.  33  ff- 

2.  Tirol  mit  Vorarlberg. 

§  17.  Egger,  Die  Tiroler  und  Vorarlberger.  Die  Völker  Österreich-Un- 
garns. IV.  Bd.  Wien  i8(j3.  ~  v.  Alpenburg,  Mythen  und  Sagen  Tirols. 
Züricli  1857.  —  J.  V.  Zingerle,  Sitten,  Bräuche  und  Meinungen  des  Tiroler 
Volkes  (\%\.  ^Mc\\  Zingerle,  ZfdMyth.  I.  235.  IL  420ff.;  I.  323  ff.;  II.  357  ff.: 
die  Schwendtage;  II.  359  ff.:  aus  dem  Vintschgau;  II.  362  ff.).  —  Schneller, 
Sagen  und  Märchen  ans  Welschtirol.  Innsbruck  1867.  —  v.  Hörmann,  Mv- 
ihologische  Beiträge  aus  Welsch tirol.  Innsbruck  1870.  — v.  Hörmann,  Tiroler 
Volkstypen.  Beitrage  zur  Geschichte  der  Sitten  und  Kleinindustrie  in  den  Alpen. 
Wien  1873.  — ■  Pasch,  Erster  Beitrag  zur  Kunde  der  Sagen,  Mythen  und 
Bräuche  im  Innvierlel.  Jahresber.  des  k.  k.  Real-  und  Obergymnasiums  in 
Ried.  Ried  1873.  —  Waldfreund,  Volksgebräuche  und  Aberglauben  in  Tirol 
und  dem  Salzbutgischeji  Gebiete.  ZfdMyth.  III.  334  ff.  —  Menghin,  Aus  dem 
.deutschen  Sndtirol.  Meran  1884.  —  Lieber,  Volksmedizin  in  Deutschland.  Zs. 
des  deutsch-östcrr.  Alpen  Vereins.  XVII.  222  ff.  —  Dörler,  Zaubersprüche  und 
Sympathie-Mittel  ans  Tirol.  Zs.  f.  österr.  Volksk.  IL  149  ff.  —  M.  Rhesener, 
Wind,  Wetter,  Regen,  Schnee  und  Sonnenschein  in  Vorstellung  und  Bede  des 
Tiroler  Volkes.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  I.  67  ff.;  IL  189  ff.  —  v.  d.  Passer, 
Hoch  Zeitsgebräuche  im  Ki.tacktbale.  Zs.  des  deutsch -österr.  Alpenvereins.  1B88. 
146  ff.  —  Alton,  Das  GriUlenthal.  Beiträge  zu  seiner  Geschichte,  Kultur- 
geschichte und  Ethnographie.  Zs.  d.  deutsch-östcrr.  Alpenverciiis.   1888.  327  ff. 

—  V.  Gruppenberg.  Das  Batiemthcnfer  in  Südbaxem  und  Tirol.  Zs.  d.  deutsch- 
üsterr.    Alpcnvereins.     1889.    I36ff.    —    M.    Rhesener,    Die    Gebirgsnatur  in 

i^oisiellung  und  Sage  der  Gossensasser.    Zs.  d.  V.  f.  V(.)lksk.  I.  420ff.;  IL  IQ7  ff- 

—  M.  Rliesener,  Aus  Gos.sensa.^s.  Arbeit  und  Brauch  in  Haus,  Feld,  Wald 
und  Alm.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  IIL  40  ff.;  IV.  107  ff.  —  M.  Rhesener,  Das 
Leben  in  der  A  u/fassnng  der  Gossensasser.  Zs.  d.  \''.  f.  Volksk.  V  L  304  ff. ; 
393  ff.  —  K.  Reiser,  Sagen,  Gebräuche  und  Sfifiehztwter  des  Allgäus.  I.  Kempten 
180.5.  —  P.  Gieussiug,  Sagen  und  Gebräuche  im  Stubaithal  tn  Tirol.  Zs.d.  V.f. 
Volksk.  III.  löQff.  —  P.  Greussing,  Der  Kirchtag  in  Stubai.  Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  VI.  83  ff.  —  Passler,  Aus  dem  Defereggenthal.  Zs.  f.  üsteir.  Volksk. 
III.  i.^off.  — -  Th.  Hell,  Auf  einem  Bauernhofe  im  Griessthal  in  Tirol.  Zs.  d. 
V.  f.  Volksk.  IV.  77  ff.  —  Leonliardi,  Rhätiscbe  Sitten  und  Gebräuche.  St. 
Gallen  1844.  — -  Vonbun,  Beiträge  zur  deutschen  Mythologie  aus  Churrhätien. 
Chur  1862.  —  Elsensühn,  Sagen  und  Aberglauben  im  Innern  Bregenzer  Walde. 
Progr.  d.  k.  k.  Gymnas.  in  Teschcn  18OÖ.  —  J.  Hiller,  Au  im  Bregenzer- 
ivahic  rjgo — 18(^0.  Bregcnz    1895. 


■ 
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I 
I 


I 


^.  Salzburg. 

I  iR.  J.  Doblhoff,  Beiträge  ztim  QutUenstuiimm  sahhuf^ischer  l^ntfes- 
kHnd(,  ncGsl  Hinweis  aiif  die  wiiJitijj;slen  Quetlenwerkc.  Salzburg  lÜg.V  — 
Manclierici  bringen  die  Milteilun^ai  der  Gesellseh.  /.  Salsb.  Ijindeskitnde: 
Zillner,  Der  Unuslmii  im  Sahhur^tsehen^  ein  geschicliüicher  Umriss; 
Huttcr,  Pinxgauer  Rangel/cste.  —  ScUwarzbach,  Zaubersphkhe  uml  Sym- 
palhtemitlel  vnn  der  salzburgisch-obcrösterrcicbischcn  Grenze  Zs.  f.  Österr. 
VtJbsk.  III.  4  fr.  —  Eysn,  l'bet  tiiu  Sfeinkreuze  und Kreucslrinc  in  der  Um- 
gebung Salzburgs.  Zs,  f.  Österr.  Volksk.  III  05  ff.  (S.  70  f.  findet  sirli  eine 
reiche  Übersicht  über  die  Steinkreuze  in  anderen  Landern.) 

4.  Kärnten   und  Krain. 

%  19.  Mancherlei  über  Vulkssiite  in  Kärnten  bringt  die  Giriiitkia.  Zs.  f. 
Vaterlaiidskundc,  Belehrung  und  Uiilcrhallung,  hrg.  vom  Gcschichts vereine  in 
Knniten.  Klagenfurt  1811  ff.  —  I'ogalschnigg,  lieiträge  zur  deutsehen 
Mylholo^e  nnd  Siltenkimde  atts  Kärniett.  Gerra.  XI.  74  ff.  —  Lexer,  Volks- 
ah*Hü/erun^vN  aus  Käniten.  ZfdMyth.  III.  29  ff.;  IV.  298  ff.;  407  ff,  —  Fran- 
Ziszi,  CuititnluäUu  über  Voik&liben,  Sillett  und  (jebräuche  in  Kärrtfen.  \\'ien 
1879.  —  W  a  i  2  c  r ,  Kämtnerisclu  GtbräHche  bei  Geburt  und  Tod.  Zs.  d.  tlt-utsch- 
ttStOT.  Alpen  Vereins.  X^'^I  I.  3 1 0  ff.  —  F  r  a  n  z  i  s  z  i ,  Kärntner  Alpetifabrt. 
Landäcliaft  und  Leute,  Sitten  und  Brauche  in  Kumten.  Mit  einem  Grleits- 
brief  von  A.  Freiherr  v.  St hweiger- Lerche nfekl.  Wien  189^.  —  WaJzcr  und 
F  r  a  n  z  i  s  z  i ,  V'olbscharakler,  TrtuhteH,  Sitten  und  Briiuehe  in  Kärnten.  Öster- 
reich in  Won  und  Bild.  Wien  1891.  S.  pyff.  —  Hauffen  Die  deutuhe 
SpmcbtHsel  Gottsebee.  Geschichte  und  Mundart,  Liel>esverhflJtnisse,  Sitten  und 
Gebffluche,  Sagen,  Märchen  und  Lirdcr.  Mit  4  Abbildungen  und  einer 
Sprachkarte.    Graz  1895. 

5.  Steiermark. 

J  20.  Roaegger,  Sittenbilder  am  dem  s/eimcAen  Hochlande.  Graz  1870. — 
Roscggcr.  Das  Volksleben  in  Sieitrmark.  2  Hde.  Graz  1875.  —  Kratnz, 
Mythen  und  Sagen  aus  dem  steiriscbcn  Hochlande.  Brück  ü.  d.  M.  1B80.  — 
Krainz,  Hochzeitsgebräuthe  in  Steiermark.  Heimat  VII.  —  Krainz,  Volks- 
leben, Sitten  und  Sagen  der  Deutschen  in  Steiermark.  Österreich  in  Wort  und  Bild. 
Wien  l8t)t).  S.  139  ff.  —  Krainz,  Sitten,  BniNcbe  und  Meinungen  des  deutschen 
Volkes  in  Steienn/trk.  Zs.  f.  i^sterr.  Volksk.  I.  65  ff.;  243  ff.;  II.  209  ff.  — 
Schlosser,  Kultur  und  Sittenbilder  aus  Steiermark.  Graz  IÖ85.  —  Sclilusscr,. 
Otterreichische  Kultur-  und  IJteraturf>ilder  mit  besonderer  Berücksichtigung 
Steiennarks.  Wien  1879  (bringt  11.  a.  Berichte  Ober  den  Schwerttanz  in 
ObcTStcicrmark).  —  Sclilosscr,  Ein  St.  Xicolanssfiitf  in  Steiermark.  Zs.  f. 
Volfak.  I-  349ff-  —  Schlosser,  Volksmeinung  und  Volksatterglaube  in  der 
deutschen  Steiermark.  Germ.  XXXVL  380  ff.  —  Eis  I  er,  Der  Samson-l*m:ug 
in  Krakaudorf  \^v\  Murau.  Zs.  f.  üsterr.  Volksk.  I.  10  ff.  —  langer,  Aus 
dem  Volks-  und  Hecbtsleben  in  Altsteiermark.  Zs.  Ü.  V.  f.  Volksk.  VI.  — 
Ilwof.  Zm  Volkskunde  in  Steiermark.  Zs.  f.  rfsterr.  Volksk.  III.  7  ff.; 
42  ff.  —  tlwof,  Hexenwesen  und  Aberglaube  in  Steiermark  .tonst  und  jetzt. 
Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  VII.  i84ff.;  287  ff.  "—  Fossel,  Volksmedizin  und  medi- 
siniscber  Aberglaube  in  Steiermark.  2.  Aufl.  Graz  1S85.  —  Pichter,  /Am 
Wetter.  Nach  deutscher  und  im  besonderen  nach  steierischer  V'nlksnieinung. 
—  Gi>th,  Haus-  und  Hofmarken,  mit  bcJiondercr  Beziehung  auf  Steiermark^ 
Mitt  des  hiüt.  Vereins  f.  Steiermark.  1854.  103  ff. 


6.  Ober-  und  NiederOslcrreich. 

§  21.  Baum  garten,  Dax  Jahr  und  seint  Tage  ht  Meintiug  uud  Ih-auth 
•der  Heimat.  KremsmQmler  Prograinm.  Linz  1860.  —  Baumgarten,  äks 
der  x'olksliimlicben  t^eriicfcnm^  der  Iltimat.  Her.  Ober  das  Museum  Franzisca- 
Carolinnm  No.  2j.  IJ^—H}.  Linz  18(^^2.64.  70.  —  I'riU,  Übet hldbsel  aus  dem 
hohen  Allfriume  im  Leben  und  Glauben  der  Bewohner  des  lindes  ob  der  Enus. 
Linz  1853.  —  Holzingcr,  Weibnaehlsgehräuche  im  SethkammergtiU.  Zs.  d. 
■deulsclWislerr.  A![)en  Vereins.  XV.  439  ff.  —  v.  Ran  sonnet.  .-Ule  Stilen  und 
Sagen  im  Sahkammcr^ute.  Jahresb.  des  österr.  Alj>envereins.  VI.  :(x)ff.  — 
Wurth,  Sitte»,  Brämhe  und  Meinungen  des  Volkes  in  Xtederihlerrae/i.  Blatter 
i.  Land<:sk.  v.  N'iedtTüstc-rrrich  L  IL  Wim  iSO^.  60.  {Weiteres  zur  Volks- 
kunde NiederöslerreJcti!»  bringt  Wurth  in  dc-r  Zf»LVIyth.  IV.  ^4ff.;  i^off.)  — 
Landsteincr.  Reste  des  Heiden giaubens  in  Sagen  und  Gebrättehrn  des  nieder- 
■östcnvichisehen  fo/ii-s.  Krems  iMfKj.  —  Blaas,  I  o/jtsfnm/iehes  ans  Ntederdster- 
reieh.  Germ.  XX.  34<)rf.;  XXV.  42Öff.:  XXVL  229  ff.;  XXIX.  85  ff.  — 
Blaas,  Voikstiimlifhes  am  Xiederöuerreieh.  Anz.  f.  Kunde  der  ilcutschen 
Vorzeit.  1881.  —  Silbcrslein,  Bräuehe  und  Sitte»,  Mtinungen  und  Aber- 
,glauben  im  Lande  unter  der  Enns.  Topogruphic  vun  Niederösterrcich  I.  Wien 
J877.  —  Weisscnhofer,  7.Hr  Voikxkutide  NiederSsierreiehs.  f)sterreich  in 
Wort  und  Bild  Wien  1887.  S.  i8t>ff.  —  Kralik  und  Winter,  Deulsehe 
]*uppenspiele  (aus  Niederüsterreich)  Wien  18H5.  —  A.  Hof  er,  Wrihnachls- 
spieie  (aus  NiederOsterrcicb).  19.  Jahresb.  des  nieden-stf^rr.  i^ndeülehrerseni. 
11  Wiener-Neustadt.  1892.  —  Calliano,  Uralte  l'olhtpieie  in  A'iederiistfr- 
nieh.  Niederfisterr.  I^ndesfreund  i8c)3.  —  Frischauf,  Gebräuche  bei  Grras- 
begehun^n  in  NiederÖsti-rrrieh.  Niederösterr.  Landesfreund  1893.  —  Leeb, 
Zum  Johantiis/rst.  Brauche.  Meinungen  und  Sagen  aus  Xied erÖsterreich.  Zs. 
f.  Vülkak.  I^^  jSj  ff.  —  Bogler,  Land  uud  Leuic  am  dem  Wiettencalde.  deren 
Harn  und  Hof,  Sitten  und  Gebriiuchr.  Wien  ]  871J.  —  Äfoses,  Das  /estiiche 
Jahr  im  Semmeringgebiete.  Zs.  f.  r»stcrr.  Volksk.  IL  193  ff-  —  Popp,  Volis- 
gtaube  im  niederiisieireiehischen  Wafdvtertel.  Am  L'rq.  V,  i/O  f.;  2l6f.  — 
Maverhofer.  Die  Tracht  der  Hauer  bei  Baden.  Zs.  f.  östcrr.  Volksk.  11. 
2J5'ff.  —  SchlGgL   Wiener  Volksleben.  Östcrr.  in  Wort  und  Bikl.  1887.  Ol  ff. 


7.  Böhmen. 

g  22.  Hauffen,  Einführung  in  die  diutseh'bshmische  Volkskundt  nebtt einer 
Bibliographte.  Beilr.  zur  deutsch-bühra.  Volksk.,  hrg.  vou  der  Gcsellsch.  zur 
Förderung  deutscher  Wissenscliaft,  Kunst  und  Literatur  in  Böhmen.  L  l'rag 
l8<K'.  —  Naaf,  Volksleben  der  Deutschen  in  West-,  Notd-  and  Osibvhme». 
■Österreich  in  Wort  und  Rild.  Böhmen  L  Wien  1894.  S.  496  ff. —  v.  Rcins« 
berg-Dü  ringsf  eld,  Feslkahnder  aus  Bühmev.  Kin  Beilrag  zur  Kenntnis 
■des  Volkslebens  und  Volksglaubens  in  Böhmen.  2.  Ausg.  Prag  18(14.  — 
Lippert,  Deutsche  Eest(>raHche.  dem  Volke  kulturgest-hichtüch  erjcilhlL  Prag 
1884.  • —  Grohmanii,  Alfcrglauben  und  Gebräuche  aus  Böhmen  und  Mdbren. 
Beitrage  zur  GosiiiifJitE  Böhmens  II.  Prag  1HÜ4.  —  Rank,  Am  dem  Böhmer- 
walde.  Leipzig  1843;  Ans  dem  Böhmenvnlde.  Bilder  und  Er/..'lhlvingcn  aus  dem 
Volksleben.  1.  Bd.  Leipzig  iti^i.  —  PetcT,  Charakter-  und  Sittenbilder  aus 
dem  deutschen  Böhme r^i-nldc.  Graz  ]ö8().  —  Peter,  Dorfhitziveil  im  Hühnm- 
loald.  Zs.  d,  V.  f.  Volksk.  V.  iSyff.  —  Lauseker,  Ans  dem  Bahmeru'ald. 
'(Volksfeste.)  Mitt.  d.  V.  f.  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen.  IIL  \2zti.  — 
^ebcr,  Charak/et  und  Leben  der  Bdhmern.uildler.   1884.  —  Habler,  Hoeh- 


BlBUOGRAPHlE:   ERZHERZOCn*.   OsTSIUt£lCH.      BOUliEK. 


5»< 


sritssrbriiurhf  im  siid/khen  Böhmen.  Mitt  d.  V.  f.  Gesch.  der  Dwitsrhen  in 
Iji'jtimen.  XXV'tll.  172  ff.  -  Ammann.  Hochzeiisgthnlndit  aus  Hmt  lio/imn- 
wv/A/a  Zs.  f.  Vülksk.  11.  —  Ammann,  Fastnacht  im  Böhmenvalde .  MiU.  d. 
V.  f.  Gtwch,  der  Deutschen  in  Üillmien.  XXVIll.  50  ff.  -  Anunann, 
l'oitssegrn  aus  dtm  Biihmtrwaläc.  7a.  d.  V.  f.  Volksk.  I.  i(»7  ff.;  ,507  ff.:  11. 
i<>5  ff.  —  Ammann,  Der  ^.htmrttanz  im  süJhehen  lUhnuit.  Milt.  d.  V.  f. 
■Gesch.  d.  Deutschen  in  Böhmen.  XXVI.  35  ff.;  Zs.  f.  d.  A.  XXXIV.  178 ff.  — 
Hein,  Die  Toiruhirtttr  im  linhtnenvaiiie.  Mit  2  Tafehi  und  (>  Tcxtilhistrat. 
>litt.  d.  Wiener  Anlhrnpul.  Gcscllsch.  XXI.  85  ff.  —  Hcrgel,  Am  dtm 
l'olksfffvn  im  BOhmfnvalde.  I.  Die  Denkmäler  und  Totenbretter.  Mitl.  d.  deuLsrh. 
B«vhmerwaldhundcä  XXL  223  ff.  —  Für  das  Kgertand  giebt  dt:r  \>rcin  für  Eger- 
l^ndisdie  Volkskunde  unter  Johna  Leitung  Unser  Egeriand\\v.vAyxA.  Eger  1S97  ff. 

—  HabernKinn,  Aus  dtm  VnlkslelteH  dfs  Egfrlandes.  Mit  MeliKÜen  von  Vtilks- 
liedern,  einer  Pliinskizze  und  Lichtdruckbildeni  nacl!  Phutogtapliien.  Eger 
i88t>.  —  John,  Im  Hau  de»  Sarisktr.  Schiklercien  aus  dem  Egerlande. 
Eger  1»88.  —  John,  Zur  rvlhhmde  des  Egerhndes.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  11. 
^13  ff.  —  John,  Aiie  Sitten  und  Gebräuche  im  Egerlande.  Zs.  d.  V.  f.  Vulksk. 
"\^I.  303 ff.  —  Wolf,  Aus  Effer  und  dtm  Egerlamif.  hrg.  vnn  Hationnann. 
Hgcr  1891.  —  Neubauer,  Die  Thicrr  in  ^rache.  Brauch  und  Glauben  des 
Ei,rriandei.  Zs.  f.  listerr.  V<ilk>k.  II.  —  Über  du  Sitten  und  Gebnhnhf  des 
Eneriiindiifhen  Landvolkes.  (Aus  den  nachgelasseneu  Manuscripten  des  Rates 
•Grüner.)  Kalcnd.  f.  d,  Egcrl.  1885.  34  ff.  —  Urban,  Von  der  Wiege  his  zum 

Gmbe.     Ein   licitrag   zur    Kulturgeschichte  des  ehemaligen    Egcrer   Kreises. 

Erzgcb.    Ztg.     1801.  —  Hiiberniami,    Die    Hochzeit    im    Ef^erlandc    in    dct 

Gegeawnri.   Eger.  Jahrb.  III.   1.^4  ff.  —  Thurnwald,   Die  Bautnihochzat  in 

-der  Tepler  Gcf^end.  Mitl.  d.  V.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in  Bt»hmen.  III.    liff. 

—  Janota,  Hochseits^bn'iuche  im  Falkenauer  Ltindr.  MitL  d.  V.  f.  Gesch.  d. 

tnpotschen  in  Üöhmen.  XI.  I38ff.  —  Urban,  Die  Fest^bräuche  im  E^rgnu. 
Ein  Beitrag  zur  Kultur-  und  Volksgeschichte  Deulsch-Biihniens.  Erigeb.  Ztg. 
XIU.  —  Habcrmann,    Gcbninehe  der  Weibnachtsuit.  Eger.  Jahrb.  II.  130 ff. 

—  Janota,  Ein  Syltrsterbrauch  in  Faliena»  an  der  I^er.  Mitt.  d.  V.  f.  Gesch. 
H  -der  Deutschen  iu  Böhmen.  XXIV.  325  ff-  —  Thurnwald,  Dos  Pßnj^treiten. 
^  Aus  der  Gegend  \Y)n  C'hotieschau.     Mitt.  d.  V.  f.  Gesch.  der  DeuLsdien  in 

B«>hmen.  III.  82  ff.  —    Meyer,    Am   dem   Falkenauer  iMude.     Mitt.  d.  V.  f. 

■  •Gesell,  der  Deutschen  in  Böhmen.  IX.  189  ff.  —  Ägmrisehe  Gebrauche  der 
Schönbaeßier  Gr^rrul.  Mitt.  d.  V.  f.  Gesch.  der  Deutschen  in  liiilimen.  X,\II. 
I2üff.  —  Xeiibauer,  Drr  E^erliinder  Bauernhof  und  seine  Einrichtnugen. 
Pnjgr.  der  StaatJürcaLsch.  zu  EIltmU)gcn.  \.  1Ö93.  11.  1894.  —  Johu,  E^er- 
ländet    Voliskunsi.  Zs.  \.  österr.  Volksk.   II.   289  ff.  — John,    über  Kreuzsteine, 

■  Metrierln  und  sogen.  Pestsäulen  im  Egerlande.  Zs.  f.  festen".  Volksk.  III.  79  ff. 
—  W  e  i  d  1 .  E_r  r  b  a  n  und  Hammer,  ilrimalskunde  des  paiitisehen  finirkes 
Pian.  Plan   i8o*.>.    (.\l>sth.  XII.  bcliandeU  da.s  deut*i  he  X'olkslebeii  im  I*lan- 

^K'■^n^gswa^ter  Bezirke.)  —  Urban,  \oiizen  zur  Heimatskunde  des  (ierichts- 
hrjrriet  Plan.  lüii  Beitrag  zur  Geschichte  Deutsch- Böhmens.  Tachau  1884.  — 
Kiiferl,  Der  pofitisehe  Bezirk  Tachau.  Eine  Hcimatskundc  fQr  Schule  mid 
Haus.  Tacliau  iHe/x  Supplement  diizu  ebd.  1895.  —  Kapper  und  Kandier. 
/Jas  Böhmerland.  Waiidetungcu  und  .\n:jichten.  Der  Nordwest.  Prag  1HÖ5. — 
FOdisch,  Aus  dem  u»rdwes//uhen  Böhmen.  Beitrflge  zur  Kenntnis  des  deut- 
rhcn  Volkslebens  in  B<">luiien.  Prag  iH'->9.  —  Wilheim.  Alirtghnbr  um/ 
Votkthnjufh  im  Karlsbad' Dufipauer  Gelände.  Mit  allgemeinen  ."Micrglaubcn 
vcricheuclienden  Bemerkungen.  Karlsbad  1891.  —  Aus  Nurdbr.lmirn  bringen 
itrlge  xur  Volkssitte:  Die  Erz^birgs-Zeitung,  hrg.  vum  nurdv^estbohmischen 


512  Xn.  Sitte.  Awhasg:  BEitAia)i.uNGi).voLKSTOML.  Sitte  d.  Gegenwart- 

GeUii^ verein* verbände.  K"mmi>tau  i88off.  und  die  Mii/fifungen  des  uordbuh- 
mischat  Kximntons-Chihx.  Leipa  1B7H  ff.  —  I';iud]er,  CttltmitUiier  »ruf 
Wandenki::en  aus  tlvm  mrdlkhnt  liOfimcn.  Lcipu  3B8.V  —  Faudlcr.  Ein 
deutsches  Buch  aus  ftöhmen.  l^rigiiialzfirltnungen  von  O.  Pftinnigwertli.  2  Bdc 
Lcipa  i894~<)5.  —  Fritsch,  Volhfektn  und  l'oiks/^bräuche  im  Et-z^bi^. 
Erxgch.  Ztg.  IV.  07  ff.  —  Vogel.  Hoihzeits^bräHcht  am  Joachimsthal.  Mitt 
d.  V.  f.  Gesch.  der  Deutschen  in  Bühmen.  XI.  34  ff.  —  Mavcr,  yoihxpicie 
aus  Bohmtm  Ilof-fcnlande.  Mitt.  d.  V.  f.  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen. 
VII.  4(>ft.  ^  Mnttauch,  Gflöhnisiage.  Mitt  des  nordb.  ExkursionscJ.  XV.  50  ff.; 
16,  97  ff.  —  Müller,  Rmhenhtrg^er  L^bni  und  Weben  7<or  "jn  Jahren.  Prag 
i8q6.  —  KTH")thc,  Hocbzii!  und  TIochsiitsgebn'iHfhe  im  nardßsffirheu  nahmen. 
Riesengeb.  IX.  4  ff. 

8.  Mähren  und  Schlesien. 

§  23.  Sitte  und  Brauch  im  Riesengebirge  ist  in  Preussiscli-Schlesicn  an- 
fiefilhri.  Mnnche  vnlkskundlichen  Beitrage  zur  Sitte  in  l.lsterTPirh-Srhlesien 
enthüll  6ixi  Kiest ufiffjtr^e  in  Wort  und  Biid.  Fachblatt  für  die  Gesanimlkuude 
des  Ricsengcbirgi-s  und  der  angrenzenden  Gebiete,  hrg.  vom  ßsterr.  Riesen- 
gebirgs verein.  Marschendorf  1 881  ff.  —  Strzeinc:ha,  Vnlkslehen  der  Deut- 
achen  in  Mdhrai.  Österreich  in  Wort  und  Bild.  Mahren  un<l  Schlesien.  Wien 
1897.  S.  130  ff.  —  W.  Müller,  fteitnif^e  zur  Volkskunde  der  Deutsehen  in 
Mahren.  Wien  und  Glniülz  1^93.  —  Urbka,  Sitten  und  Gehaucht  im  stid- 
westlifhen  Mähren  (I-nndbezirk  Znaim).  Zs.  f.  österr.  Vnlksk.  II.  160 ff.;  308 ff. 
—  Werner,  Die  Ilmhteitsgehräuehe  der  denisihen  Bauern  in  der  I^fautr 
Ge^nd.  Mitt.  d.  Ver.  f.  Gesell,  der  Deutschen  in  B<'5hmen-  IV.  187  ff.  — 
Piger,  Gehurt,  Hochzeit  und  Tod  in  der  /^aiter  Spntchime/  in  Mähren.  Zs. 
d.  V.  f.  Volksk.  VI.  251  ff.;  407  ff.  —  I'iger.  I/andwerlshmueh  in  der  Iglauer 
Spmehinsti.  Zs.  d.  V.  f.  Vulksk.  11-  272  ff.;  382  ff.  —  Piger,  Oster^hränche 
in  der  Iglauer  Sprachinsel.  Iglauer  Kai.  1893.  73  ff.;  Das  Osterei  in  der  J^laner 
Sprachinsel.  Zs.  f.  üslerr.  Volksk.  II.  23  fr.  —  Peter,  Volkstumluhes  am  ösltr- 
reichisch  Schlesien.  3  Bde.  Troppau  1HC15 — 73.  {VolksiCimlirhe  Uriluche  und 
Sitten  finden  sich  im  z.  und  3.  Bande.)  —  Peter,  Vtdhlehtu  der  Deutschen 
in  Schlesien.  Österreich  in  Wort  und  Bild:  Milhrcn  und  Schlesien.  Wien 
i8*)7-  550  ff- 

f».    Ungarn    und  Siebenbürgen. 

§  .74.  Kinen  Mittelpunkt  liat  die  Volkskunde  der  Deutschen  iu  Ungarn 
in  den  Elhnologischen  Mitteilun^n  aus  Ungarn,  zugleich  Anzeiger  der  Ge- 
sellschaft für  die  Volkskundr  Ungarns,  begrtlndct  von  A.  Hermann,  hrg. 
vun  A.  Hermann  und  Katnna.  Budajwsi  1887  ff.  Die  Zs.  steht  vx 
engem  Zusammenhange  mit  der  ungarisch  geschriebt;nen  Eihrtogntphia,  dem 
Organe  der  Gesellschaft  für  die  Volkskunde  Ungarns,  aus  dem  sie  zuweilen 
.\ufsatze  in  deutscher  Sprache  bringt  —  Schröer,  Beilriige  zur  deutschen 
Mythologie  und  Sittenhunde  aus  dem  Volhlehen  der  Deutsehen  in  Ungarn.  Prcss- 
buiger  Progr,  185.5.  —  Schröer,  Aus  dem  Volksiehen  in  J*ressburg  und  Cm - 
gegend.  ZfdMyth.  II.  lK7ff.;  424  ff.  —  v.  Ipolyi,  Beitrage  zur  deuttchtn 
Mythologie  uns  Ungarn.  ZfdMylh.  I.  258  ff.  —  SzentklAray,  Die  Deidseäea 
in  Südungaru,  Osterreich  in  Wort  und  Bild.  Ungarn  II.  iSot-  511  ff.  — ' 
Bart  ha,  VolkskundUche  liritrage  aus  der  r'rmelltik.  Ethnogr.  IL  401  IT.  — 
Müller-Gulleiibrunn.  Deuisthe  Kulturbildcr  ans  Ungarn.  .Mit  g  lUustnt- 
lionen.  2.  Aufl.  Leipzig  iö8f>  {reiches  Material  über  Sitten  der  lianatcr  Schwa- 


I 

I 

1 


ben).  —  L.  Mälyäs,  Schväbisrhr  Kinderspieie  aus  der  Ofencr  Gegend.  Am 
Un|.  VI.  iHyf.;  2ni  ff. — S.  Kurz,  Hiailzoi-Ihchzfit.  Ethnogr.  III.  loff. — 
LeJioczky,  Deulsrhr  A'o/v/iirn  im  lirre^komilaU.  Ethni:»gr.  III.  l  ff.  — 
Reiches  Material  zur  Volkskunde  der  Stebenbürgcr  Sachsen  cnth^t  das 
Kontsfiondtnihhlt  des  Vereins  für  sürfienhürgisctie  iMndfskundt,  hrg.  von  A. 
Schullerus.  Hcnnannstadt  i878ff.  Fasfnachltgrbnwche  in  C'rnYf>rn  IV.  — 
Wolff,  Haus,  Hof  Hiui  Heim  IV;  —  Fronius,  I)as  UrztUattfen  in  A^ntik- 
ien  (ein  Fasüinchlsspiel)  V;  —  Maiz,  Kellini^fr  Tanzhrnnthe  V;  —  Nrujahn- 
braueh  IV;  —  Das  Atisschuftcn  der  Frau  V,  VI;  —  Der  Atcherta^  VII;  — 
WeihnaehlS'  und  Ntujtihrupiel  IX;  —  Luister,  Opferhräuch  tu  Reussdorf 
XII;  —  Sauer,  Die  Anwendung  der  Siäbehenlase  in  Broiler  XII;  —  SchuU 
lerus,  Weihnachii- nnd  Neujahn^eimiuehc  W\  \  firaiiüaiif  W ;  Aimesehtrinken 
XV;  WeupväjfUsehen  XV; —  Manchen,  Das  Rei/ten  der  Knedüe  in  Nadeseh 
XV;  —  Wolff,  Die  Hausstlignnf;.  XV;  —  NAssner  u.  a.,  Kinderspiele  und 
Kinderreime  XIX,  XX;  —  Se&tvertianc  der  A'tineAner  XIK;  —  Seraphin,  Al/e 
Veihbräticlit-  und  Sa^rn  aus  dem  ßtirzenland XX).  —  Haltcrich,  e^ur  Volks- 
kunde der  Siebentür^r  Snehsen.  Kleinere  Schriften  von  Hnherich,  hrg.  von  J. 
Wolff.  Wien  1885.  —  Fronius,  Bilder  aus  dem  sächsischen  Banemlehen  in  Sieben- 
bör^n.  3.  Aufl.  Wien  1885.  —  v.  Wlislocki,  SiUe  und  Brauch  der  Siebenbärger 
Sackten.  (Sammhnig  gtnieinnül?,.  Vortr.  N.  F.  Heft  f)^.)  Hamburg  1888.  — 
V.  Wlislocki,  Voikshrauch  und  Volksglaube  der  Siebenbürger  Sachsen.  Berlin 
'095-  —  V*  W'lislocki,  j\'eue  Beiträge  zur  Volkskunde  der  Siebeabf/rger  Saehsea. 
Ethnol.  Mitt.  III.  18  ff.  —  Wiltslock,  lolkstüniiiches  der  Siebenbnrger  Sachten. 
In  den  »Forschungen  zur  deutschen  Landes-  und  Volkskunde«,  hrg.  vun  A. 
Kirchhoff.  IX.  Stuttgart  1805.  —  O.  Schuller.  Der  siebenbürgiseh-säelisisehe 
Bauernhof  und  seine  Betüohner.  Eine  kullur-hist.  Skizze.  Im  Auftrage  des  Her- 
mannütfldter  Komitatcs  verfasst.  Hermannstadt  tSgö.  —  Mätz,  Die  sieben' 
bärgiseb-stfehsiicbe  Bauernhochzeit.  Hermannstadt  1861.  —  Hillncr,  Volts- 
lümiieher  Glaube  und  Brauch  bei  Geburl  und  Taufe  im  Siehenbiirger  Saehsen- 
lande.  SrhSssburg  1877.  —  Schuller,  I>as  Todaustragen  und  der  Muorlef 
Hermannstadt  1861.  —  Schuller,  Volksiiimticker  Glaube  bei  Tod  und  Be- 
gräbnis im  Siebenbßrger  Sachsmlande.  Zwei  SchSssburger  Progr.  1863.  1865.— 
V.  Wlislocki,  Tod  und  Totenfetische  im  Volksglauben  der  Siebeubiif^r  Sachsen. 
Am  Urq.  IV.  —  Heinrich,  Agrarische  Sitten  und  Gebräuche  unter  den 
^aehsen  Stebenburgrn.t.  Progr.  d.  Gymn.  m  Regen.  Srhassburg  1880.  —  Witt- 
Stock,  über  den  Schwerftan:  der  Siebenbiirger  Sachsen.  Philol.  Stud. -Festgabe 
f.  K.  Sievers.  1896.  349ff.  —  Wittstock,  Heiträge  zur  siehenbärgisch-sdeb- 
suchen  Trachtenkunde.  HermaniLsiadtcr  Progr.  i8<?5.  —  Weber,  Gesehiehte 
der  Stadt  Be'la.  Ein  Beitrag  zur  Zii>ser  und  vaterlandischen  Gesdiichts- 
forschung.     Igiö  1892  (Über  Sille  und  Brauch  bei  den  Sachsen  m  der  Zjps). 


10.  Die  Schweiz. 
§  .2.^.  Beitrage  zur  Volkskunde  des  gesamten  alemannischen  Gebietes 
bringt  die  Alemannia,  Zs.  für  Sprache,  Literatur  und  Volkskunde  des  Elsasses, 
Oberrheins  und  Schwabens,  hrg.  v<.>n  Birlinger,  B<inn  l873ff.  Seit  dem 
19.  Bande  wird  die  Z.s.  von  Pfaff  fortgeführt  als  Zu.  für  Sprache.  Kun:>t  und 
AJiertum,  hestmders  des  alemanni.sch-schwri bischen  Gebiets.  —  Den  Mittel- 
punkt der  Vulk-skunile  in  der  Scliweiz  bildet  das  Sehtveiterisrhe  Archiv  für 
Volkskunde,  im  Auftrage  der  Schweizerischen  Gesellschaft  für  Volkskunde  hrg. 
von  Hnffmann-Krayer.  Zürich  lÖO/fL  —  Ungemein  viel  über  volkstAra- 
lichc  Sitten  in  der  Schweiz  enthält  das  noch  im  Erscheinen  begriffene  Schwei- 
zerisehe  /diotikon,  Wörterbuch  der  schweizerdeutschen  Sprache,  bearbeitet  von 

C«niu]iiftChc  PhUolofie.  III.    2.  Aull.  33 


Staub  imd  Tn liier,  fortgefCllirl  von  Bach  mann,  Srhoch  und  Hrup- 
pacher.  Frauenfeld  i88l  ff.  —  Herzng.  Scfmdsnische  Volksfestr,  Sitten  und 
Gehaucht.  Aaniu  1884.  —  LOtolf,  Sagtn.  ünhiche  tmd  Ltgenden  nus  den  5 
Orlen  Lusern,  Uri,  Stbwyz,  l'iilenvalden  nud  Zug.  Luzem  l8t>5.  —  Schoch, 
Zürich  und  Vm^bun^  (Sitten  und  Volksfeste  S.  1.^2  ff.).  —  Messikomnier, 
Eini^  alle  Volissit/nt  und  Vnlksgebriinche  am  dem  Nnnton  Zürich.  Ausland 
1890.  239  ff.  —  Itlicn,  VoUifiitnliches  ans  dem  A'anlan  Zu^.  Schweiz.  Arch.  I. 
—  Zinde],  Volksgehräuche  tti  Satgans  und  Umgebung.  Schweiz.  Arch.  L 
152 f.  —  Rothenbach,  VoikstRnüiches  am  dem  Kantnn  Bern.  Zürich  1876. 
- —  Schild,  Der ^Grosiöiit  aus  dem  /^fterberg.  (Volkstümliches  am  dem  Kan- 
tone Snlothum.)  Soloihum  1863.  —  Reiser,  Stigen,  Gebräiuhe  und  Sprieh- 
Wörter  des  Algutti.  Kempten  i8Q5ff.  (erscheint  in  Lieferungen).  —  Storck, 
S^ruchgedichte  und  Volksbräuehe  aus  der  l'ordenchwriz.  Zs,  d.  V.  f.  Volksk.  V, 
384ff.  —  Fient,  Begrähnis/cierliehkrit  im  i*ttUlig(iu.  Schweiz.  Arcli.  I.  43 ff. — 
Bächtold,  Die  Amuendung  der  Bahrprobe  in  der  Schweiz.  Roman.  Forsch. 
V.  231  ff.  —  Koch  holz,  Kiltgaug  und  Külsftrüche  im  Aaigau.  Alem.  IV. 
i  f f.  —  Freitag,  Das  chrisfHche  Kirchenjahr  im  Alfiengebiefe.  Zs.  d.  deutsch- 
usterr.  Alpenvereins  XI.  2<x)f(.  —  Runpe,  Der  Bercbtoldstag  in  der  Schxtmz, 
Zürich  1850.  —  Rochhoix,  Drei  Gaugültiu neu  WaWnrg,  Verena  und  Gertrud 
als  deutsche  Kirchenheilige.  Sittenbilder  aus  dem  germanischen  Frauenlcben. 
Leipzig  1870.  —  Roch  holz,  Weihnachten  und  Neujahr  in  der  Sehweiz.  Grenz- 
bolen  1SO4.  No.  415 ff.  —  Hoffmann-Krayer,  Die  Faslnachtsgebräucke 
in  der  Schweiz.  Schweiz.  Arch.  I.  —  Ulrich,  Ein  oberengadinisehes  IJed äbtr 
die  Fastnacht.  Schweiz,  Arch.  I.  147 ff.  —  Wernli,  Fcutnaehtsgeliräuche  m 
Laufenburg.  Schweiz.  Ardi.  I.  I95ff.  —  Zahn,  Fasinachtsbmuch  in  Ursemu 
Schweix.  Arch.  L  236 f.  —  Winteler,  Frühjahrsbrauch.  Sc-hweiz.  Arch.  I. 
l6of.  —  Balraer,  I^as  »Abetringelei  in  Ijinpen.  Schweiz..  Arch.  L  222if. — 
Runge,  Aberglaube  in  der  Schweis.  Zs.  f.  d.  Myth.  IV'.  iff.;  I74ff.  — 
Runge,  Der  Quellenkulfta  in  der  Schtveiz.  Zürich  1S59.  —  Rochholz, 
Aargauer  Beregnungen.  Z&.  f.  d.  Myth.  IV.  103  ff.  ^  Slickelberger,  Aber- 
glaube aus  dem  Kanton  Bern.  Schweiz.  Arch.  I.  218 ff.  —  Rochholz,  Afi' 
mannisehes  Kinder/ied  und  Kinderspiel  in  der  Schweiz.  Leipzig  1856.  —  E.  M  eier. 
Über  f^anzen  und  Kräuter  (aus  dem  Kauton  Aargau).  Zs.  f.  d.  Myth.  I 
433  ff,  —  W  a  r  t  m  a  n  II ,  Beitrage  zur  St.  GalUseben  Volksboiamh.  St.  Gallen 
1861.  —  Hunziker,  Vom  Sebxveizetdorf  an  der  Landesausstellung  in  Geirf, 
Schweiz.  Arch.  I.  13  ff.  (mit  Zeichnungen). 


IT.  Bayern. 
§  26.  Den  Mitteipmikt  volkskundlicher  Bestrebungen  in  Bayern  bildet  d«r 
»Verein  für  baycrisclic  Volkskunde  und  Muiidartcnforsdiung',  in  dessen  .auf- 
trage Brenner  seit  [895  die  Mitieilmigen  und  Um/ragen  herausgicbt  In 
ihnen  findet  sich  eine  grtwse  Anzalil  kleinerer  Beilrage  zur  Sitte  des  bayeri- 
schen Volkes.  —  Zusammenhangende  Darstellung  volkstflmlirher  Sitte  aller 
bayrischen  Provinzen  eulhall  die  Bavaria,  Liuides-  und  Volkskunde  des 
Königreichs  Bayern,  hrg.  v*in  Riehl.  4  Bde  Mlinchen  1860 — b;.  —  Eine 
weitere,  sehr  reichhaltige  Fundgrube  i.st  Schmellers  Bayerisches  Wörterbtieh, 
neu  bearbeitet  von  Frumraaim.  2  Bde.  MüiKhcn  1872 — 77.  —  Panzer,  Bayc- 
risehe  Sagen  und  Bräuche.  2  Bde.  München  1848 — 55.  —  Quitzmann,  />« 
heidnische  Religion  der  Baiwaren.  Leipzig  18ÖO.  —  Lammert,  Volksmedisia 
und  medizinischer  Aberglaube  in  Ba]^rn  und  den  angrenzenden  Bezirken.  Würr- 
burg  1809.  —  Hier  und  da  brauchbaren  Stoff  enthalten  die  sonst  phantasti- 
sdicn  Arbeiten  %"on  Sepp,  Altbayriscker  Sagenschatz  zur  Bereicherung  der  inj^n 


germanischen  Mythologie.  Neue  Ausgabe.  Manchen  l8<35;  Dir  Religion  der  allen 
Deuischen  und  ihr  Fortbestand  in  Volhsagen,  Au/zSgen  und  Feslbrämhtit  bis  zur 
Gegrtnoari.  München  i^qo.  —  Höflcr,  Dir  KaleiuiaheUi^t»  ah  Kfankhetts- 
Pttirone  heim  tavcnschen  Volke.  Zs.  d.  V.  f.  VolksL  I.  miH.  —  Holland, 
Sagen  und  Aberglauben  in  Allbayern.  —  F.  Dahn,  f'olhsif/tn  in  Obe)i>aynn. 
Bavaria.  I.  363/1.  —  Höfler,  Volksmedizin  und  Aberglaube  in  Oberbavema 
Gegenwart  und  Vergangenheit.  München  1888.  ^  H  of  ler,  Waid- und  Baum* 
kull  in  Beziehung  zur  Volksmedizin  Oberbayerra.  München  iSqj.  —  Höfler, 
Das  Sterben  in  Oberbayern,  Am  Urq,  IL  Qoff.;  XOxM.  —  Höficr,  Der  Isar- 
Winkel,  ärztlich  u.  topographisch  geschildert  München  1891.  —  Traulinana, 
Oberammergau  und  sein  Passionsspicl.  Ba\T.  BiH.  No.  iS.  Bamberg  1S91,  — 
Haushofer,  Arbeitergestalten  am  den  be^risehen  Alpen.  Bayr.  Bibl.  4.  Bamberg 
1890.  —  F.  Dahn,  Volkssitte  in  Niederbayem.  Bavaria  I.  ^ffiü.  — Panizza, 
Das  Ilabrrfeldtreifieu  im  bayerischen  Gebirge.  Eine  sittengcschichlliche  Studie, 
Berlin  1896.  —  v.  ReinhardstÖltncr,  Land  und  LeuU  im  bayrisehen  Walde, 
Bayr.  Bibl.  17.  Bamberg  1890.  —  Schftnwerth,  Aus  der  Oberp/ah.  3  Bde. 
Augsburg  1857—59.  —  Fentsch,  Volkssitte  in  der  Oberpfah.  Bavaria  II. 
253  ff.  —  Brenner-Schaf  er,  Darstellung  der  sanitätlichen  Volkssitten  in  der 
Oberp/ah.   1S61.  —  V.  Leoprcchting,  Ans  dem  L^chrain.    München   1855. 

—  Spichlcr,  Das  Lechthäl.  Zs.  d.  dcutsdi-österr.  Alpunvereirw.  18B3.  258ff. 

—  Dahn,  Volkssitte  in  Schwaben  und  Neubmg.  Bavaria  II.  827  ff.  —  Fentsch, 
Volkssitte  in  Vnterfranken.  Bas-aria  IV.  I74ff.  —  Kaufmann,  Sagen  und 
Gebrauehe  aus  der  Main-  und  Taubergegend.  Zs.  f.  d.  Myth.  IV.  19  ff.  — 
Fentscli,  Volkssitte  in  Mttttlf ranken.  Bavaria  III.  944  ff.  —  Fentsch,  Volks- 
sitte  in  Oberfranken.  Bavaria  III.  2670".  —  SchandcJn,  Valkssitte  in  der 
bayerischen  Rheinp/ah.  Bavaria  IV.  344fr.  —  Grunewald,  Rin  pfälzischer 
Bautntkaleuder  Beitrag  zur  Volkskunde  der  Hinlerpfalz.  Aus  den  Mitl.  d. 
liist.  Vereins  der  Pfalz.  XX.  183  ff. 

12.   Baden.     Wflrtlemberg.     Hohenzollern. 

§  27.    Sehr  \-iele  kleinere  Beilrage  au.s  alemannischem  und  schwabischem 
Gebiete  von  Birlinger,  Mündel,  Creceliusu.  a.  enthalt  die  Alemannia. 

—  Birlinger,  X'olkstämliches  ans  Sehioaben.  2.  Bd.  Sitten  und  Gebräuehe. 
Freiburg  i.  Hr.  1862.  —  Birlinger,  Aus  Sehioaben.  Sagcrt,  Legenden,  Aber- 
glauben, Sitten,  Rechtsbraudie,  Ortsneckereien,  Lieder,  Kinderreimc.  i.  Bd. 
Sagen,  Legenden,  Volksaberglauben.  Wiesbaden  1872.  2.  Bd.  Sitten  und 
Redilsbrauche.  ebd.  1874.  —  Das  Grossherzoglum  Raden  in  geoi^raphischer. 
naturwissenscha/llieher ,  wirtschaftlicher  und  statistischer  Hinsicht  darstellt. 
Karlsruhe  1883  (im  3.  Ab«clinitte  findet  .sich  mancherlei  Ober  Sitten  und 
Gebräuche  des  Volkes).  —  E.  Meier,  Deutsihe  Sagen.  Sitten  und  Gebrauche 
aus  Schivaben.  2  Bde.  Stuttgart  1S52.  —  E.  Meier,  Schwäbische  Sitten  und 
fre/'/iiitche.  Zs.  f.  d.  M\th.  I.  441  ff.  —  Huck,  Medizintscher  Volksataubt  und 
Volksaltcrglaube  aus  Schwaben.   Ravciisberg  IÖ65.  —  Ludwig,  t'ber  den  badi' 

sehtn  Bauer  im  18.  Jahrh,  (Abbandl.  aus  dem  staatsu-issensch.  Seminar  zu 
Strassburg  XVI.)  1896.  —  E.  H.  Meyer,  Der  badisehe  Hochzeitsbmueh  des 
Vorspannens.  Freiburgcr  Universitataprogr.  zum  70.  Geburtstage  Sr.  Kgl.  Hoheii 
des  Grossherzogs  Friedrich.  S.  37  ff.  —  Sütterlin,  Sitten,  Gebräuche  und 
abergläubische  Vorstellungen  aus  Baden.  Aleni.  XXIV.  142  ff.  —  E.  H.  Meyer, 
Die  Tütenbretier  im  Schioarzwalde.  Strassburger  Festschrift  für  K.  Wcinhold. 
S-  55  ff-  —  Sarrazin,  Det  Bändeletan:  zu  Freibutg  i.  Br.  Alem.  XX.  297  ff. 

—  Schmitt,  Sagen,  l'olksglaube,  Sit&n  und  Brauche  aus  dem  Baulande 
(Hetiingen).    Ein  Beitrag  zur  badischen  Volkskunde.  1895.  —  Hoffmann. 

33* 


5i6  XII.  Sitte.  Anhang:  Behajtdlung  d.volkstOml.  Sitte  d.  Gegenwart. 

Schaphach  und  sftne.  Tifwohner.  Alrm.  XXIII.  l  fr.  —  Schreiber,  Zur  Gr- 
sfhifhic  und  SUilnlik  drs  Ahcr^hubrm.  Alis  der»  Kiiwl^'  und  Albthale,  Klegg- 
und  Hiihgau.  Schreibers  Taschenbuch  I.  u.  II.  —  Heilig,  Abei^hubc  und 
ßräuthe  der  liamr»  im  Tattb^rgrund.  Alem.  XX.  28o  ff.  —  Heilig,  SagtH 
aus  Handsfhfihshtim  {bei  Hcidelbt-rg).  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  V.  2g.5ff.  — 
Losch.  Deutscht-  Sngtn,  Ifrii-  und  linnmpriirht.  Wftmeinb.  Vierlcljahrehefte 
2.  Laiidcsgesch.  XIII.  157  ff.  —  Th  e  t  c ,  Biilräj^t  zur  MvihohgU  und  (icschithie 
HühemolUrns.  In  iien  Hohcnzollemschen  Rlattrni  1881  unti  82.  —  Stehle, 
VolksiÜmiichts  mts  Hobttnoitem.  Alem.  XU.    I  ff. 

13.  Elsass-Lothringcn.  Luxemburg. 
§  28.  Zahlreiche  Beitrfige  zur  Volkskunde  des  Elsasses  enthäh  die  Ahatia, 
Jahrbuch  für  elsässische  Geschichte,  Sage,  AhcrtuniÄkundc,  Siiie,  Spraclie  und 
Kunst,  hrg.  von  A.  Stöber.  MQlhauscn  1B50— 58.  N.  F,  1861—7*1.  — 
Slüber,  i\eu€  Ätsatia.  Mülhausen  rHÖ5.  —  Anderes  bringen  ([\c  Jahrhuehtr 
für  GeschifhU,  Spnicht  und  Literatur  in  EhaU'Lotbringen.  —  Sauve,  Le 
Folklore  dis  Ilautf^'  Vasga.  Les  Htteratures  populaires  de  toutes  les  nations. 
XXIX.  Paris  1890.  —  Stehle,  VolksfümUihe  Feste,  Sitten  und  Gfbräuebe 
im  Flsass.  Ein  reiches  Material  in  den  Jahrb.  für  Geschichte,  Sprache  und 
Literatur.  VI.  VII.  VlII.  X.  XL  XIL  —  Pfannen-ichmid.  Alte  Gehräucbe 
im  Elsass.  Rev.  nouvelle  d'Alsace-Lorraine  III.  —  Pfannenschmid,  Fast- 
naebtsgtbräticbe  in  Ebass'lMh ringen,  Rev.  nouvelle  d'Alsace-I..orraine  III.  — 
Graf,  Volksliimliche  Feste,  Sitten  und  Gebräuche.  Jahrb.  f.  Gesch.,  Spr.  und 
LIt.  IV.  —  Kassel.  Zur  VolkssitU  im  Elsass.  Jahrb.  für  Gesch.,  Spr.  lukI 
Lit.  X.   i8off.  —  Stöbet,    Volksliimlicbts  aus  dem  Eisass.  Alem.  VIT.  22<^\\. 

—  Lienhart,  Die  Kunkrlituhe.  Jalirb.  f.  Gesch.,  Spr.  und  Lit.  VIII.  7O  ff.  — 
Lambs,  Aberglaube  int  Eisass.  Strassburg  1880.  —  Kassel,  Zur  Volkskunde 
im  alten  Hanauerlande,  Jahrb.  f.  Gesteh.,  Spr.  und  IJl  XL  Ij8ff.  —  Helix, 
Die  Sommenonmvendfeier  in  St.  AmannthaU.  Am  Urq.  N.  F.  L  181  ff,  — 
Richard,  Tmdittons  populaiyes,  croyanees  supersiitiemts,  rtsagrs  et  eoutumes  de 
l'aneienne  lj>rrainr.  2.  cd.  Keniiremont  1848.  —  Stehle,  Volksglauben,  Sitten 
und  Gehräuehe  in  iMbn'ngrn.  GUtbus  LIX.  —  De  la  Fonlainc,  tM.xemburgn 
Sitten  und  Gebräuche,     Luxemburg   1883. 

14.  Nassau  und  Hessen.  Waldeck. 
S  20.  K  eh  rein,  Volkisprrtrbr  und  Volkssilte  im  Herzogtum  Nassau.  2  Bde. 
Weilburg  1862.  Neue  Ausg.  Leipzig  i8qi.  —  v.  Pfistcr,  Sogen  und  Abrr- 
glaube  aus  Hessen  und  Nassau.  Marburg  1885.  —  Kant,  Hessische  Sagen, 
Sitten  und  Gebrdurbe.  Offeiibach  1 846.  —  Langheinz,  Sagen  und  Gebniuehe 
der  Gegend  von   Hirschhorn.    Arch.  für  hcss.  Gesch.  und   Altertum.':!:.  XIV.    1  ff. 

—  E.  M  üb  1  hause,  Die  Urreligion  des  deutschen  Volkes  in  hessischen  Sitten, 
Sagen  u.  a.  w.  Cassel  iS(kj.  —  E.  Müh!  hause,  Die  aus  der  Sagenieit  stam- 
menden Gebräuche  der  Deutschen,  namentlich  der  Hessen.  Zs,  d.  Ver.  f.  hess. 
Geschichte  18(17.  2^(^ii.  —  Kolbe,  Hessische  Volkssitte  und  Gebränche  im 
Lichte  der  heidnischen  Vorsrit.  2.  Aufl.  Marburg  e888.  —  Üirlinger,  Sitten- 
geschichtliches am  Hessen.  Arch.  f.  hess.  Gesch.  XV.  —  Sander,  Huchzeiis- 
gebrätuht  am  Hessen.  Zs.  f.  d.  Myth.  II,  78  ff.  —  K.  Lyncker,  Deutsche 
Sagen  und  Sitten  in  hessisrhen  Gauen.  2.  Ausg.  GMtingen  1860. — Lyncker, 
Brunnen  und  Seen  und  Bninnenkultm  in  Hessen.  Zs.  d.  Ver.  f.  hess.  Gesdi. 
1858.  103  ff.  —  Loticli ,  Aufzeichnungen  aus  dem  Munde  des  Volkes  und 
Schilderungen  aus  dem  Volksleben  tn  der  l'mgegend  von  Schlüchtern.  Zs.  d.  Ver. 
f.  hess.  Gesch.  unil  I^ndesk.  VI.  356ff. —  Curize,  Volksülvrlic/ei 
dem  Fürstentum    Waldeck,     Arolsen  18O0. 


Ü 


Bibliographie:  Elsass-Loth ringen.   Nassau  u.  Hessen.  Sachsen*.    517 


15.  Nord-  und   Mitteldeutschland. 

§  30.  Kuhn  und  Schwanz,  Nordiieutsche  Sagen.  Mtirrhen  und  Ge- 
braucht  aus  Mecklenburg,  Pommern,  der  Mark,  f»chsen,  Thüringen,  ßraun- 
achwcig,  Hannover,  Oldenburg;  und  Westfalen.  Aus  dem  Munde  des  Volkes 
gesammelt  Leipzig  1Ö48.  —  Schwartz,  Der  heutige  Volksglaube  und  das 
alte  Heidentum  mil  Bezug  auf  Nortidtuischland,  hesondf-rs  die  Mark  und  Merklen- 
hurg.  2.  Aufl.  Berlin  i86j.  (Die  i.  Fassung  der  Schrift,  die  als  Berliner 
Programm  i  Ö50  erechien ,  findet  sich  wieder  abgedruckt  in  Schwartz' 
Prähisl9>is(h-anihropologischen  Studien  I  (f.) 

16.   Königreich  Sachsen  {einschl.  Voigtland,   Altenburg). 

5  31.  Der  «V^erein  für  sachsische  Volkskunde«,  dem  auch  Altenburg  zu- 
gehört, verßffemlicht  seit  1897  Mittelungen,  hrg.  von  E.  Mogk.  —  Reiches 
Material,  namentlich  über  die  Sitten  der  Gebirgsbewohner,  bieten:  GtUekauf, 
Organ  des  sachs.  Erzgebirgsvercincs.  Schnceberg  1881  ff.;  Jahrbuch  da  Ge~ 
hirgivereiries  für  die  uichxisch-biihmische  Schweiz.  Dresden  1884  ff.;  Oywiua, 
Blatter  für  Topograpliic  und  Touristik  des  südlausitzcr  Gebirges.  Oybin 
1880 — 84,  seit  1S85  als  Gebirgx/reund,  Or^an  des  Gebirgsvereinsverbandes 
'«Lu.satta«  (Zittau);  Ata  deutsehen  Bergen.  Blätter  für  Reise-  und  Heimatskuude; 
f)ber  Berg  und  Thal;  Unser  Vogtland,  Mimatasuhrift  für  I^iidsleute  in  der 
Heimat  und  Fremde.  Leipzig  i894rf,  —  E.  Richter,  Liiieralur  der  Landes- 
und  Volkskunde  des  Kifnigreiehs  Sachsen.  Dresden  1889.  Nadltrag  l:  1892; 
2:  1894.  *—  Preusker,  Blicke  in  die  7'aterländische  Vorzeit,  Sitten,  Sagen 
u.  8.  w.  der  s^Lclisischen  und  der  angrenzenden  Lande.  Lei]>zig  1845.  — 
Sommer,  ^gen,  Matchen  und  Gebränclie  aus  Sichsen  und  Tlwritigfn.  Halle 
1846.  —  örtcl.  Beitrüge  zur  lindes*  und  Volkskunde  des  h'Önigsrcicfu  Siehsen. 
I-eipzig  l8<>0.  —  Bunle  Blatter  aus  dem  Sachsenlande,  hrg.  vom  Sächsischen 
Pestalozzivereine.  2  Bde.  Leijjzig  iSgj.  —  Sächsische  Bauemtrachten  und 
Bauernhäuser,  hrg.  von  dem  Ausschusse  für  das  sflclisische  Volkstrachtenfest 
2U  Dresden  iSqO  durch  Schmidt,  Scyffert  und  Spousel.  Dresden  1897. 

—  Kf'ihler,  Volksbmuch,  Aberglaube,  Sagen  und  andere  CbertieferuugeH  im  Voigt' 
lande  mit  Berücksichtigung  des  Orlagaucs  und  des  Pleissncrlandcs.  Leipzig  1867. 

—  Eiset,    Sagenbuch    des    Veigtlandts.    Gera     1 87 1    (reichhaltige    Littcratur- 
angabe).  —    Köhler,  Nachklänge  der  all^nnanischen  Frühlings-  und  Sommer- 

feier  im  Voigilande.  Mitteil,  aus  dem  .\n-hiv  des  votgtland.  .\liertuins Vereins. 
1874.  —  J.  Schmidt,  Mfdizinisch-physikalisch-suuislische  Topographie  der 
fliege  Reichetifels.  Ein  Beitrag  zur  Charakteristik  des  \tiigti;iiidischen  Land- 
volkes. Leipzig  1827.  —  Spie.*is,  Aberglaube,  Sälen  und  Gebräuche  des  sächs. 
Obererzgebirges.  Annaberger  Plrogr.  1862. — G.  Moscu,  Die  Weiknathtsspiek 
im  Erzgebirge.  Zwickau  1861.  —  v.  Weber,  Ein  Weih aachtsspiel im  Erzgebirge. 
Mitteil,  des  sachsischen  .Mtertumsvereins.  1874,  2off.  —  Weinhold,  Weih- 
narhfispiele  im  Erz^birge.  Glückauf.  XVL  2  ff. —  Kohl,  Abergläubische  Mei- 
nungen und  Gebräuche  der  Anwnbner  des  Erzgebirges.  Zs.  f.  Kultuxgesch.  1875, 
513ff-;  "Uff-  ~  ^'  Süssmilch-Hörnig.  Das  Erzgebirge  in  Vorzat,  Ver- 
gangenheit  und  Gegenwart.  1889.  —  M  eiche,  Sagenbuch  der  säe hs.  Schiceis. 
Leipzig  1894.  S.  ii4ff.  —  V.  Kronbiegel,  über  Kleiderirachi.  Sitten  und 
Gebräuche  der  altenburgisehen  Bauern;  j.  Aufl.  von  Henipel:  Sitten,  Ge- 
hräuche,  Trachten,  Mundart,  hauslifbe  und  ivirisc häßliche  Einrichtung  der  alten- 
iuTpschen  Bauern.  Allenburg  1839.  —  Vogler,  Altenburgtr  Bauern  in 
Tmehten,  Sitten  und  Gebräuchen.  t%(fi.  —  Friese,  Historische  Nachriehten  von 
den  merkwürdigen   Ceremonien  der  Altenburg.  Bauern.    Ncudiuck  von    Geyer. 


5i8  XII.SnTB.  Anhang:  BEHANDHWGD.V0LK5TÜML.  Sitte  D.  Gegenwart. 

Schmölbi  1807.  —  Weise,  Äbtrglauht  aus  dem  ÄlUnburgischtn.  Mittcil.  des 
geschichts-  und  alterlumsforsch.  Vereins  xu  Kisenberg  1892,  r  ff.  —  Pfeifer, 
Aherglanbe  aus  dem  Alteubtirgtithen.  Zs.  f.  Volksk.  II.  —  Brückner,  LandcS' 
künde  ivn  Jiettss /.  Linie.  Gera  1870.  I.   161  ff. 


17.  Thüringen.     Provinz  Sachsen. 

§  3^.  Zahlreiche  Beitrilge  zur  Volkskunde  Thüringens  und  der  Provinz 
Sachsen  enthalten:  2j.  des  Vcr.  /.  Tkürin^tr  Gtschtchte.  Jena  1852  ff.;  das 
Archiv  f.  Landes-  und  Volkskunde  der  I^vinz  Sachsen  net>st  angrenzenden 
Landesleilcn.  Im  Auftrage  des  tliüringisch-sächs.  Vcr.  f.  Erdkunde  hrg.  von  A. 
Kirchhoff.  Halle  i8gi  ff.;  die  Mamfelder  Blätter;  Aus  der  Heimat.  Sonntagsbl. 
d.  NordhSuscr Kuriers;  iM^J/arscrMonalsheße.  —  Regel.  TTiiirinscn.  2.  T.  2.  Buch. 
Jena  180,5.  —  Witzschcl,  Kleine  Beiträge  zur  deutselun  Mythologie,  Sitten-  und 
Ueimatskuiide  in  Sagen  und  Gebrauchen  aus  Thüringen.  2.  T.  Wien  1878.  —  Fr. 
Schmidt.ÄrV/fo  w.  Gebräuche  bei  Hochzeilen,  Taufai  u.  Begräbnissen  in  Thüringen. 
Weimar  1863.  —  v.  Auen,  Sagen  und Zauberformdn  aus  lliüriugen.  Zs.  d.  V.  f. 
ihür.  üesch.  1852,  184  ff.  —  Kunze,  Volksliimliches  aus  dem  Thüringer  Waide. 
Zs.  d.  V.  f.  Vülksk.  VI.  [4  ff.,  175  ff.  —  Kunze,  Der  Gebrauch  des  Kerbhohes 
auf  dem  Thüringer  Waide.  Zs.  d.  V.  f  Volksk.  II.  50ff.  —  Issleib,  Der 
Sommergewinn  in  Kisenach.  Zs.  f.  d.  Mylh.  11.  lOJ^  ff.  —  Witzschel,  Über 
den  Sommetgewitin  in  Eisenach.  Eisenarh  1852. —  Spies«,  Volkstümliches  aus 
dem  Fränkisch- Hcnnebergiscbfn.  Wien  I ÖO9.  —  Slertzing,  Kleine  Beiträge 
zur  deutschen  Sfvlhologie  (Zaubereprüche  und  Aberglauben  aus  der  Grafschaft 
Henneherg).  Zs-  f.  d.  A.  III,  358  ff.  —  Sigismund.  Landeskunde  7<ci$  Schwarz- 
burg'Rudoisiadt.  I.  84  ff .  —  Schleicher,  Volkstümliches  aus  Sonneberg  im  Mei- 
ninger  Oberlande.  Weimar  1858.  —  Flügel,  Volksmedizin  und  Aberglaube  im 
Frankanvalde .  München  1883.  —  Harnisch,  Zur  Naturgeschichte  des  Volkes. 
Aberglaube  aus  dem  Fraiikenwalde.  Mitteil,  aus  dem  Archiv  des  voigtländ. 
.Altertums ver.  in  Hohenleuben.  Weida  1870,  33  f f .  —  Krünig,  Sitten  uad 
Gebrämhe  aus  Nordthüringen.  Aus  der  Heimat  1892.  —  Lommer,  Vt/lkstüm- 
liches  aus  dem  Saallhal.  Sagen,  Sitten  u.  Gebrauche.  Kahle  1S81.  —  Meitzen.jCant/ 
und  Leute  in  der  Saalgegend.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  I.  l^ijiff-  —  Üpel,  Zur  deutschen 
Sittenkunde  (Sitten  und  Gebrauche  aus  Naumburg  a./S.).  Neue  Miltetl.  des  Üiür.- 
s3chs.lschen  Vereins.  XVII.  256ff.  —  Strassburgcr,  Volkstümliche  Bräuche 
und  Aberglauben  in  Aschersleben.  MitteiL.  d.  Vcr.  f.  Erdk.  zu  Halle  1893, 
i^Sff.  —  GrOssler,  Sagen  und  Gebräuche  der  Grafschaft  Mansfeld.  Mansf. 
Bl.  III— V.  —  Kulckmann,  Volkstümliches  aus  Kisiehen.  Mansf.  Bl.  1894, 
174  ff.  —  Kunze,  Volkstümliches  aus  der  Grafukaft  Homtcin.  Aus  der  Heimat. 
1893.  —  Rackwitz,  Zur  Volkskunde  in  Tliüringen.  Halle  1864.  —  Rackwitz, 
Sitte  und  Brauch  im  Ifclmegau.  Nordh.  18Ö2.  —  E.V  ecken  siedl,Z^r/--^i'JC<fö/*«(/(f/ 
TMin  Homburg  in  Sitte,  Brauch  und  Schwank.  Zs.  f.  Volksk.  III.  302  (T.  —  Nott- 
rott, Der  Festkalender  von  Sfdcketidorf  und  l'mgegend  nach  Sitte,  Brauch  und 
Sthtvank.  Zs.  f.  Volksk.  IV.  27  fC,  6g  ff.;  der  ,'l^f;j^a«^  aus  derselben  Gi-gend 
IV.  32(1  ff.,  387  ff.  —  WIschernpp,  Aus  dem  Festkalender  von  Vehlitz  bei 
Magdeburg.  Zs.  f.  Volksk.  IV.  300 ff.  —  Wegener,  Hochzeitsgebräuehe  des 
Magdeburger  Landes.  Gcscbichtsblatter  für  Stadt  und  Land  Magdeburg  XIIL 
225  f.;  XIV.  68  ff.,  184  ff.  —  Spiele  aus  dem  Magdeburger  Lande.  Zu  den 
liochzeitsgehräuchen  des  Magdeburger  Ijzndes.  Gcschichtsbl.  f.  Magdeburg  XVIII. 
—  Prühlc,  Harzbilder.  .Sitten  und  Gebräuche  aus  dem  Harzgebiete.  Leipzif^ 
1855.  —  Jacobs,  Der  Brocken  und  sein  Gebiet.     Wernigerode   1871. 


BmUOOR.:    ThOrINGEK.    BRAimSCHVSIG.    BlUUfDENBURG.   SCHUBXEM.      jXQ 

l8.  Braunschveig.     Anhnli. 

§  33.  Zs.  des  Harzi'ireins  für  Gesrhiehle  und  AUertumikutidc,  hrg.  von 
Jacobs,  Wernigerode.  —  Andree,  Braumtkweigtr  Volk&kimtlf.  Mit '1  Tafeln 
und  80  Abbildungen,  riflncn  und  Karten.  Braunschwcig  iSgö.  —  Härtung, 
Zvr  Vo!kskmui(  am  Anhalt.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  VI.  429  ff.;  VII.  74  ff..  147  ff.  — 
Ahrends,  ßtmerkun^m  zu  einigen  Deaaucr  KindrrspicUtt.     Am  Urq.  VI.  184  ff. 

19.  Brandenburg. 
§  34.  Kuhn,  AfiirkisfAe  Sagen  und  Mtlrrken  nebst  einem  Anhange  von 
Gebrauchen  und  Aberglauben.  Berlin  1S43,  —  Engclicn  und  Lahn,  Der 
Volksmmui  in  der  Mark  Brandenburg.  Sagen,  Märchen,  Spiele,  Sprichwörter 
und  Gebrauche  1.  Tcjl.  Berlin  1868.  —  Prahn,  Glaube  und  Brauch  in  der 
Mark  Brandeuiufg.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  1.  178  ff.  —  Schwebet.  Weihiaehli- 
wiä  Neujahn^ehräwhe  in  der  Mark  Brandenburg.  Brandenburg.  PruviniäalbL 
'I880,  298  ff.  —  K.  E.  Haase,  Die  Welterprophtlen  in  der  Orafsthaß  Ruppin 
und  l'mgegend.  .\m  Urq.  III.  —  K.  E.  Haase,  Volksmedizin  in  der  Graf- 
schaft Ruppin  und  Umgegend.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  VII.  —  Gandcr,  Die 
wichtigsten  Momente  des  Lehens  im  Giauben  des  Volkes  der  Niederlaasiiz.  Mitt. 
d.  niederlaus.  Gesellsch.  für  Anthropol.  und  Urgesch.  i8po.  (Derselbe  Band 
der  Mitt  enthalt  eine  Reihe  Aufzeichnungen  von  Festgebrauchen  von  ver- 
schiedenen Verfassern.) 

20.   Schlesien. 

§  35.  Den  Mittelpimkt  für  die  volkskundlichen  Bestrebungen  in  Schlesien 
bilden  die  Mitteilungen  der  -Schlesischen  Gesellschaft  für  Volkskunde*,  hrg. 
von  Vogt  und  Jiriczek,  Breslau  i8Q4ff.  —  Viel  Materiiil  bringen:  das  Riesen' 
gt^irgr  in  Wort  und  Bild  (vgl.  J^  23.  Mähren  und  Ostenr.  Schlesien),  die 
Schiesischen  Provin:ialbläitr.r  und  die  Vierieljahruchriflfiir  Geschichte  und  Heimnts- 
kunde  in  der  Grufachajt  Glatt.  —  Parlsch,  Literalur  der  Landes-  und  Volks- 
kunde der  Provinz  Schlesien.  Breslau  l8(>2  ff.  —  Hoser,  Das  Riesengebirge  in 
Mtur  statistisch-topographischen  und  pittoresken  übfrsicht  mit  erläuternden  An- 
merkungen, dieses  Gebirge  auf  die  zweck  massigste  Art  zu  bereisen.  Mit 
9ch«*arzen  und  ausgemalten  Kupfern  und  einem  Musikblatte,  i.  Bd.  Wien, 
Baden,  Triesi  1S04  (dieser  Band  enthalt  eine  ausführliche  Schilderung  der 
Sitten  der  Bcwuhner.  Neu  bearbeitet  ist  dann  derselbe  hrg.  vrtu  der 
»Gesellschaft  des  \'aterland Ischen  Museums  in  I3öhmen<:  Hoscr,  i>ai  Riesen- 
gthirge  und  seine  Bezvohner.  Prag  1841).  —  Mosch,  Das  Riesengebirge,  seine 
Tkäler,  Voriierge  und  das  Isergebirf^.  Leipzig  1852.  —  Ph.  v.  Walde,  Schlesien 
in  Sage  und  Brauch.  Berlin  1884.  —  Grabinski,  Die  Sagen,  der  Af'crglaube 
und  abergläubische  Sitten  in  Schlesien.  Schwcidnitz.  —  Schrollcr,  Zur  Cha- 
raJcteristik  der  schiesischen  Bamm.  BresSauer  Festschrift  f.  K.  Wcinhnld,  153  ff. 
—  Vogt,  über  schUsisehen  Volksglauben.  >[illeil.  I.  4  ff.  —  Vogt,  Die  Fest' 
^/df^  im  Glauben  des  schiesischen  Volkes.  Miiteil.  1. 11.  IIl.  —  Kflster.  Alltags- 
ruhe  aus  Schlesien.  Am  Unj.  III.  3«  ff.,  107  ff.  —  Vogt,  Vermächtnisse  der 
Vorxat  in  Bräuchen,  Sa^en  und  Liedern  des  schiesischen  Volkes.  Mitteil.  III. 
5Qff.  —  Dittrich.  Das  schlcsisrhe  Bauernhans.  Mitt.  III.  3f>  ff.  —  Schol«, 
Uindlicht  Trachten  Schlesiens  aus  dem  Anfange  dieses  Jahrhunderts.  Mitleit.  IL 
77 ff.  —  Drechsler,  Uandwerh^prache  und  -brauch.  Btesiauer  Festschrift  für 
K.  Weinilüld,  11  ff.  —  Nchring,  Bericht  über  Aberglauben.  Gebrauche,  Sagen 
und  .Märchen  in  Obersehlesien.  MitteJI.  III.  3  ff.,  75  ff.  —  A.  Mayer.  Ein 
Weihnachlstpiel  aus  Krrutzberg  (Obersehlesien).  Zs.  f.  d.  k.  XXIX.  104  ff.  — 
Volkmer.   Volksglaube  und  Gebrauchs  ata  der  Grafschaft  G/ats.    Vierteljahrs- 


520  XII.  Sitte.  Anhakg:  Behandlung  d.volkstümi,.  Sitte  d.Gegekwart. 

schrifl  in.  —  Schwlz,  Gebräuche  bei  einer  Bauemhochzeil  in  Glatz.  Viertel- 
jahrsschr.  IT.  226  ff.  —  Weinhold,  Ein  giälzis^bes  C/inslkindcIsfiiel.  Z.s.  f.  d. 
A.  VI.  340lf.  —  Rösler,  Winter/estgebriiiuhe  im  hergebirge.  Am  Urq.  I. 
100 ff.  —  Rösler.  Walpurgisnacht  im  hergibirge.  Am  Urq.  I.  161  ff.  — 
Riumgart,  Aus  dem  mitttUehU-sischen  Dofflebeu.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  III.  144  ff., 
IV.  Soff.  —  Dittrich,  Oslergebräucbe  iu  NieiienfhUmu.  Am  Urq.  VI.  i^^f.; 
aus  luöhichiilz,  cbtl.  187  f.  —  Gander,  Friihlingsgebriiuehe  in  der  Laust/z. 
Jahreshefte  d.  Ges.  f.  Aiuhropol.  und  Urgesch.  d.  Öberlaiisitz  1893,  149  ff.  — 
W.  Sc'hwartz,  Volkstümlichem  ata  der  Lausitzer  Gegend  von  Fünsbcrg.  Nieder- 
bus. Mitteil.  III. 

21.  Posen. 

§  36.  Kleinere  BeilrJige  zur  VfJksk.  der  Proiinz  Pcisen  bringt  neuerdings 
das  Roj^asener  Fnmtiicublatt.  Beilage  zuin  Rujfasener  Wochenblatt,  hrg.  von 
Knopp,  Rogasen  iSg".  —  Knopp,  Sagitn  und  Erzählungen  aus  der  Provins 
I^nen.  Vcrüffeiill.  der  Hist.  Gesellsch.  für  die  Pruv.  Po.seu  II.  Posen  1893.  — 
Knoo]],  Ihilniscber  und  deutscher  Aberglaube  und  li rauch  aus  der  Provinz  Pitstn. 
Zs.  f.  Volksk.  III.  30 ff. 

22.   Ost-  und   Westprcussen. 

§  37.  Eine  AnzaW  kleinerer  Beitrage  zur  Volkskunde  Preussens,  nament- 
lich Westprcussens,  findet  hidi  in  den  Mitteilungen  der  Berliner  Gesellschaft  /Ür 
Anthropologie,  in  de]»  Sdmften  der  Nalurfgr^fhfudf-n  Gesellschaft  zu  Damig  und 
in  der  Altpreussischen  Monatsschrift.  —  v.  Tel  tau  und  Temme,  Die  Volh- 
sagen  Ostprenssens,  iJtlauens  tind  Westpreussens.  2.  Ausg.  Berlin  1865.  255  ff.  — 
Hlntü,  Die  alte  gute  Sitte  in  AUpreussen.  Kuoigsberg  l8ö2.  —  Lemke, 
Volkstümliehes  aus  Ostpreussen.  2  Bde.  Molirtmgen  1084.  87.  —  Frischbieri 
Ostpreussischer  l'olisgiauhe  und  liraueh.  Am  Urq.  I.  —  v.  Medem,  Osrpmt- 
ssisthe  l'olisgebnitte/ie.  Zs.  d.  V.  f.  \*olksk.  VII.  315  ff.  —  Tüppen,  Aberglaube 
am  Masuren.  2.  Aufl.  Danzig  1807.  —  Premsische  Erntcgebrämhc,  preussisch* 
Sprirlutiörter, preussisrher  AberglaufH  von  Keusch  u.  a.  Preussiwhc  Pruvinziaibl. 
1848.  —  V.  Schulenburg,  Wdhnachls-  und  Neujahrsgebräuche  (aus  Osl- 
preusscn).  Am  Urq.  I.  104  ff.  —  Frisrhbier,  Zur  voltsiümiichen  NatHrknrtde. 
AIlpreiLss.  Monaissclir.  1885,  2i8ff.  —  Frischbier,  Hcxenspruch  und  Zauber- 
bann. Ein  Beitrag  ^ur  Geschichte  des  Aberglaubens  in  der  Provinz.  PrcussciL 
Berlin  1870.  —  J.  Senibrzycki,  Ostpreussischc  Haus-  und  Ziinhermillel.  Am 
Urq.  III.  13  ff.,  00  ff.  "  Prcuschoff,  Volksiümliches  atts  dem  grossen  Marien- 
burger  Werder.  Schrift  d.  Naturf.  Ges.  N.  F.  VI.  164  ff.  —  Trcichcl.  Vom 
Binden  und  Hansen.  Altpreuss.  Monatsschr.  XXVI.  ^oöff.  —  Trcichel, 
Kartenspiel  und  Losglanbe  aus   Wcstpreussen.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  VII.  315  ff. 

23.   Pommern. 

§  38.  Eine  Fülle  kleiner  Beitrage  zur  poromcrschen  Volkskunde  enthalten 
die  Blätter  für  pommenche  Volkskunde.  Monatsschrift  fClr  Sage  und  Myrrhen, 
Sitte  und  Brauch,  Schwank  und  Streich,  Lied,  Räi-sd  und  Sprachliches  in 
Poumiern,  hrg.  von  Knoop  und  Haas.  Stettin  1893  ff.  ~  Temme,  Dit 
Volkssagen  von  Pommern  und  Rügen.  S.  33.5  ff.  —  Asmus,  Sitten,  Gebrämfu 
nnd  Aberglaube  des  Landmannes  (in  Pnniraem).  Bl.  f.  pom.  Volksk.  IU.  — 
Haas.  Volkslanze  in  Pommern.  BL  f.  pom.  ^■o^ksk.  I.  182  ff..  V.  —  Haas, 
Das  Rind  im  Glauben  und  Bramb  dn  P>mmem.  Am  Urq.  V.  VI.  —  U.  Jahn. 
He.xemves£n  und  Zauberei  in  Pommern.  Stettin  iHÖ'x  —  Schmidt,  Gereimter 
und  ungereimter  Aberglaube  in  Pommern.  Beitr.  zur  Kunde  Pommerns  VI.  55  fL 


k 


BiBuoOR.:  PüSEN.  Ost- u.  Westpr.  Pduuerk.  Mecklenburg.  Lübeck.   521 

—  Höfer,  Zur  MytholngU  und  Sitttnkumü  (aus  Pomniem).  v.  d.  Hageas 
Genu.  1.  loi  ff.  —  Giluw,  De  Dicre,  as  man  to  scggi  uu  wal's  u^en.  An- 
klam  1871.  : —  Gilow,  ZV  IHantcn,  as  man  to  uggt  tm  icai's  seggeN.  Anklam 
1872,  —  Knoop,  SfAn'ani  und  Sireich  aus  Pommern.  Posen  1894.  —  Klioup, 
Volhsagent  Erzahlun^n,  Aberglaube,  Gehräueke  und  Märchen  aus  dem  ÖilUchcn 
I/interpommem.  Posen  I&85.  —  Kaiser,  VoltsiämUfhex  aus  HinUrpommem. 
Monatsl'l.  \\x%.  V.  d  Ges.  f.  pyiiiiiieretlic  Gtsciüclitc  ibi^i.  —  Ü.  Jahn» 
/amund  bei  C^lin.  Z*..  d.  V.  f.  Vclksk.  I.  77  ff.,  335  ff.  —  W.  Sthwartx, 
Volkstümliehes  aus  Rügen.  Verhandl.  der  Berl.  AiUhropoI.  Ges.  1891,  445  ff.  — 
Haas,  Drei  aUe  Reehisbräuche  auf  der  Insel  Rügen,  Am  Unj.  V.  209  f .  -^ 
Haas,  Die  Insel  Hiddensee.    Stralsund  1896. 

24.   Mecklenburg. 

§  39.  In  Mecklenburg  lial  sich  der  »Verein  für  mccklcnburg;ischc  Ge- 
schichte und  .\It(*rtuni.skundet-  der  Volkskunde  angen<pmmen.  In  seinem 
Auftrage  sammeU  R.  Wossidio  die  Merkleuburgtiehen  VolksitberUeftrungen, 
von  denen  bisher  der  \.  Band  {Rälstl,  Wismar  1897)  erschienen  ist.  Von 
Zeit  zu  Zeit  wird  über  den  Furtgang  der  Arbeil  in  der  »Rosiocker  Zeitung« 
berichtet.  —  Bartsch,  Sa^en,  Märchen  und  Gebrätuhe  ans  Mccklenlmi^, 
2  Bde.  Wien  1879 — 80.  (Sitten  und  Gebrauche  finden  sich  im  2.  Bande.)  — 
(/raff,  SiUen  und  Gehrtiuehe  des  mecklenburgischen  Ijindimlkes.  Arch.  f.  Landes- 
kunde Mecklenburgs  1867,  449 ff.  —  Beyer,  Erinnerungen  an  die  nordische 
Mythologie  in  l'olissagen  und  Aherghuben  Mecklenbtirgi.  Jahrb.  d.  Ver.  f.  meüt- 
Icnb.  Gesell,  u.  Altertuinsk.  XX.  140  ff.  —  Sc]»5ne,  Deutsche  AlUrtüinfr  im 
Mechlfnburger  Osferspiele.  Ludwigslust  1S87.  —  Glöde,  »De  Suchlen  hreken*. 
in  Mecklenburg.  Am  Urq.  lU.  236  ff.  —  Wossidio,  Der  Tod  im  Munde  dts 
mecklenburgischen  l'olies.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  IV.  184  ff.  —  Wossidio.  Das 
NeUuiieben  im  Munde  des  Mecklenburger  1'olkf.s.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  V. 
302  ff.,  424  ff.  —  Schiller,  ^nm  Tirr-  und  Kriintetbuche  des  mecklenburgischen 
Volkes.  3  Hefte.  Scbweriu  i8üi — O4.  —  Fromm  und  Struck,  Sympathitn 
und  rindere  abergliJubisc/te  Kureu,  Lebens-  und  l'ethaltungsregeln  und  sonstiger 
angtxvandler  Aberglaube,  tvie  er  sich  noch  heule  im  Volke  findet.  Aich.  f.  Laudesk. 
Mecklenburgs  XIV,  497  ff. 


25.   Lübeck.     Schlesu-ig-Holstein. 

§  40.  C.  Schumann,  ßeifrjge  zur  iMbeek'sehen  Volkskunde.  Eine  Reihe 
Aufsätze  in  den  »Mitteil.  d.  Ver.  f.  Lübeck 'sehe  Geschichte  und  Altertums- 
ktmdee  iSqi  ff.  —  Mehrere  Beitrflge  zur  Sitte  in  Lübeck  liefern  auch 
Deeckes,  iJibiiche  Geschiebten  und  Sagen.  2.  Aufi.  LOherk  1878.  —  Aus 
Schleswig- Holstein  bringt  eine  Reihe  Aufzeichnungen  das  Jahrbuch  für  die 
Landeskunde  der  Herzogtümer  Schleswig,  Holstein  und  Lanenburg.  —  Braueh 
und  Sitte  tn  Sehlesrvig-IIohtein  im  Anfange  des  iq.  Jahrhs.  Zs.  f.  deutsche 
Kulturgcsch.  N.  K.  L  —  Carstens.  Kinderspiele  aus  Schleswig- Holstein.  Jahrb. 
d.  Ver.  f.  niederd.  Sprachforschung  VIII.  98  ff .  —  Volksniatm,  t'astnachtS' 
^brauche  aus  Schleswtg- Holstein.  Am  Urq.  L  129  ff.  —  Vnlksmann,  St. 
Martinstag  in  Sehksxoig- Holstein.  Am  Urq.  II.  200  ff.  —  Volksmann, 
Schlesivig-Holsteiniscke  Harn-  und  Zanbennitlel.  Am  Urq.  IV.  277  ff.  — Treu, 
Das  Boosteln.  Am  Urq.  III.  102  ff.  -^  Handelmann,  yor^lalbingiscke  Weih" 
nachten.  Kin  Beitrag  zur  Sittenkunde.  Kiel  10*11.  —  Carstens,  Ihu  Johannit- 
hier  in  Norderdtthmanchen.  Am  Urq.  I.  87  ff.  —  Carstens,  Tolengebrauehe 
aus  Diihmarschen.  Am  Urq.  I.  —  Frahm,  Holsteinische  Kindtnpiele.  Am  Urq. 


$22  XILSiriE.  Anhang:  Behakdlunü  D.  voLKSTüML.  Sitte  d.Gegejiu"art 

V.    i88f.,    231  f.    —    Handclmann,    Fo/ismeffätn   (aus   dem   Rendsburger 
KrcUc).    Am  Urq,  I. 


26.  Lippe.    Hannover  {ausschliesslich  Ostfricaland).     Bremen. 

§  41.  E.  Meier,  Sa^^i  und  Sittett  aus  dem  Fürstentum  Srhaumhur^- 
Uppe  to:d  den  angrtnzfudfit  JJindern.  Zs.  f.  d.  Mjth.  I.  168  ff.  —  Aus 
Niudeniacbsen  findcl  sich  Material  in  der  Zeitsclmft  des  historischen  Vereitts 
für  Niederstuiisen.  —  Golds chraid,  Volksmedizin  im  nordioestlichen  Deuüeh- 
fand.  Bremen  1854.  —  Seemann,  Ihmnoi'eriche  Sitten  und  Gebrmuhe  in  ihrer 
Jifziehimg  zur  Pflanzenwelt.  Leipzig  1862.  —  Hartmann,  Der  Volksaiierglanbe 
im  hannor^trschen  Westfalen,  !MiitciI.  des  histor.  Vereins  zu  Osnabrück.  VIL 
372ff.  —  Harland,  Sagen  und  AfviJien  ans  dem  SoiHnge.  Zs.  d.  bist.  Ver.  f. 
Niedersachsen  1878,  76 ff.  —  Sohnrey,  längsten  auf  dem  I^ngstmiger.  Ein 
Volksbild  aus  dem  Sollinger  Walde.  Am  Urq.  I  62  ff.  —  Sohnrey,  Geburt 
und  Taufe  in  der  Gegend  des  SolUnger  Waides.  Am  Urq.  IL  197  ff.  —  Andree, 
Volhhindliches  ans  dem  lioldecker  und  Knesebecker  Lande.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 
VIL  31  ff.  —  Sitten  und  Gebräuche  aus  Dudetstadt.  Zs.  f.  d.  Myth.  IL  106  ff. 
—  Schwanz,  Voikslümliches  aus  I^iüerberg  am  I/arz.  Zs.  f.  Etimologie  1896, 
i4Qff.  —  Seifart,  Sagen,  Märchen,  Schivdnke  und  Gebrämhe  aus  Stadt  und 
Stift  Ilildesheim.  Gfitringen  1854.  —  Colshorn,  Hoehzeitsgebräuehe  und  Sprüche 
ans  dem  Luneburgisehen.  Weim.  Jalirb.  IIL  359  ff.  —  Ktlck,  Die  Bauernhoch- 
zeit in  der  Lüneburger  Heide.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  VIL  31  ff.  —  Poeck,  Aber- 
glaube und  Besehioöntngsformeln  aus  der  Lßneburger  Neide.  German.  XXXVII. 
114  ff.  —  Heise,  GesehichtUches,  Sitten  und  Gebräuche  aus  dem  Amte  Dirpenau, 
Zs.  d.  hist.  Ver.  f.  Niedersachsen  1851,  81  ff-  —  Küster,  Altertümer,  Ge- 
schichten und  Sagen  der  Herzogtümer  Bremen  und  Verden.  Stade  1856.  —  Posl, 
Mitteilungen  aus  dem  Bremischen   Volis/ebcn.     Am  Urq.  V  und  VI. 


I 


2-/.  Friesland  und   Oldenburg. 

§  42.  Wertvolles  Material  über  das  friesische  Volksleben  enthalt  das  Ott- 
friesische  Monatsbla/t  für  provinc.  Interessen,  hrg,  vfin  Zwitzers,  Emden  1873  ff. 
Ebenso  bringt  der  /h'esche  l'olksalmanai  Beitrage  zur  Kenntnis  der  Sitte  der 
friesischen  Volkes.  —  H.  Meier,  Ostfiesland  in  Bildern  und  Süssen,  J^nd 
und  Volk  in  Geirhichte  und  Gegenwart.  Leer  1868.  —  Sundermanii,  Osi- 
friesisches  Volkstum.  Am  Urq.  IL  —  Siebs,  Das  Saterland.  Ein  Beitrag  zur 
deutschen  Volkskunde.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  III.  23off..  373  ff.  —  Stracker- 
jan, Aberglauben  und  Sagen  ans  dem  Herzogtum  Oldenburg.  2  Bde.  Oldenburg 
1867.  —  Strarkerjan,  Von  Land  und  Leuten.  Bilder  und  Geschichten  aus 
dem  Herzogtume  Oldenburg.  Oldenburg  1882.  —  Mannhardt,  Jeversckt 
Hoehzeitsgebräuehe.  Zs.  f.  d  Myth.  II.  I35ff.  —  Jensen,  Die  nordfritsischen 
Inseln  Svtt.  Fahr,  Amrnm  und  die  Halligen  vormals  und  fetzt,  mit  besonderct 
Berücksichtigung  der  Sitlt:ii  un*.]  Gcbrauclie  der  Bewohner  bearbeitet.  Mit  61 
Abbildungen,  1  Karte  und  7  färb.  Trachteniafein,  Hamburg  i8qi.  —  Ben- 
nikc,  Nord-Friseme  og  dtres  Land.    Sküdringen  fra  Vesterhus.    Aaihus  1890. 

—  Janson,  Altt  Sitten  und  Gthräuche  auf  Führ  sonst  und  fetzt.  Ausland  1868. 

—  Nerong,  Fahr  frfiiier  und  fetzt.  Wyk  a.  F.  1895.  —  Black,  Helgoland 
und  die  nordfriesischen  Inseln,  deutsch  bearbeitet  imd  vermehrt  von  B.  v.. 
Werlhof.     Hannover  189a 


I 
I 


I 


BiBUOGR.:  Lippe.  Haknover.  Friesl.  u.  Oldenb.  Rhewprov.  Westf.  523 

28.   Rheinprovinz.     Westfalen. 

g  4^1.  BeitT.1ge  zur  Volkskunde  der  Rheinlaode  bringen  die  seit  1896 
crschciuendcu  Rktinücktn  Gcschichtsbtättcr.  —  Montanus,  Die  deuitcJun 
Volis/esie  und  Volksgebräuche,  du  Sitten  und  Sagen  des  deutschen  Volies  am 
Niederrhein.  Iserlohn  o.J.  —  Montanus,  Dit  Vorzeit.  Sagen  und  Geschichten 
der  Lander  Clevc,  Mark,  JüÜth,  Berg  und  Westfalen.  2  Bünde.  Elbcrfeld 
1S70 — yi.  —  Müller  von  K<5nigswinter,  Das  Rheinhmh.  Landschaft, 
Geschichte,  Sage,  Vülksk-bcn.  Neue  Ausg.  Brüssel  1863.  —  Radcmachcr, 
Alu  Sitten  und  Gebräuehe  am  Rhein.  Zs.  tles  Bergischen  Gesrhichtsver.  XXIL 
149fr.  (Maifesle).  —  Ratlemachcr,  Maisilltn  am  Rhein.  Am  Urq.  IV.  und 
V.  —  Linnig,  Volksüberlieferuug  aus  dfr  Rheinprovinz.  7.s.  f.  d.  Ahlh.  IIL 
53 ff.  —  Spee,  VolkstHmliehes  vom  Xiederrhein  {aus  Leuth  im  Kreise  Geldern). 
2  Bde.  Köln  1875.  —  Schell,  St.  Martimlag im  Bergischen.  .Am  Urq.  II.  72  ff. 

—  Schell,  Das  Sterbestroh  im  Bergischen.  Am  Urq.  VI.  20I  ff.  —  Schell, 
Todvorbedeutung  im  Bergischen.  Am  Urq.  N.  F.  L  I5ff.  —  Schcil,  Über  den 
Zauber  mit  dem  menschlichen  Ktlrper  und  dessen  einzelnen  Teilen  im  BergiseheN. 
Am  Urq.  III.  20Q  ff.  —  Schell,  Zur  Volksmedizin  im  Bergischen.  Am  Urq. 
IV.  i27  ff.  —  Diiksen,  Sitten  und  Gebräuehe  bei  Sterbe/älUn  m  Meiderieh 
(Regierungsbez.  Düsseldorf).  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  I.  iigff.  —  Korth,  Volks- 
tümliches aus  dem  Kreise  Bergheim.  Aniial.  d.  hist.  Vcr.  f.  d.  Niedenli.  LH.  — 
Korth,  Volkstümliches  am  der  Erftniederung.  Bonn  iSq!.  —  Schmitz, 
Sitten  und  Bräuche,  Lieder,  S/znehworter  und  RätSfl  des  Elfter  Volkes.  2  Bde. 
Trier  1856  (für  die  Brauche  kommt  nur  der  1.  Bd.  in  Betracht). —  Hocker, 
Gebränehe  von  der  Mosel.  Zs.  f.  d.  Mylh.  1.  u.  IL  —  Merkens,  Das  lloch- 
xeit-IIenlbier  im  Brohlthal.  Am  Urq.  V.  ubf.,  154!.  —  Kuhn,  Sagen,  Ge- 
bräuche und  Märchen  aus  Westfalen.  2  Bde.  Leipzig  1Ö59.  —  Hartmann, 
Bilder  aus  Westfalen.  Sagen.  Volks-  imd  Familienfeste,  Gebrauche,  Volksaber- 
glaubcu  und  soustige  Vulkstümlichkeiten  des  ehemaligen  Fürstentums  Osna- 
brück. Osnabrück  1871.  Neue  Folge.  Minden  1884.  —  Weddigen.  West" 
falen.  Land  und  Leute  in  Wort  und  Bild.  1896.  —  Hartmann,  Wesifäli- 
scher  Aberglaube  in  Beziehung  auf  die  sogen.  Donnerkeils,  Monatsschrift  für  die 
Gesch.  Westdeutschi.  VII,  167  ff.  —  Woestc,  Varia  (Volkstümliches  aus 
Westfalen).  Zs.  f.  d.  Myth.  III.  51  f.,  302  ff.  —  Woeste,  Aberglaube  und 
Gebräuche  in  Sü'dn-es/falen.  Niederd.  Jahrb.  III.  127  ff.  —  Woeste,  Volks- 
Überlieferungen  in  der  Grafschaft  Mark.  Iserlohn  1848.  —  Bahlraann,  Die 
Lambertusfeicr  :h  Münster  in  Westfalen.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  V.  174  ff.  — 
Hüfer,  Beiträge  zur  Volkskunde  (aus  Brilon).  Progr.  des  Briloner  G>Tnna- 
siums  1892/93.  —  Harlmann,  Maifest  lu  Wehdem  (Kreis  Lübbecke,  Westf.). 
Monat-tfchr.  f.  d.  Gejich.  Wesldeutschl.  VII.  i84ff.  —  Matthias,  Der Haus' 
tmnk  im   Teiüoburger   Walde.  Zs.  f.  Volksk.  IV.  344  ff. 

29.   Belgien  und  Holland. 

§  45.  Grootmoederken.  .\rchiv  voor  nedcrduitsche  Sagen.  Volksliederen, 
Volksfesten  en  Vnlksgebnuken,  Kinderspeelen  en  Kinderliederen,  uitg.  door 
J.  W.  Wolf.  Gent  1842 — 43.  —  Wodana,  Museum  voor  nederduitsche  Oud- 
heidskunde,  uitg.  door  J.  W.  Wolf.  Gent  1843.  —  Gegenwartig  ist  nament- 
lich in  Belgien  ein  reges  Interesse  für  Volkskunde.  Die  hier  erscheinenden 
Zeitschriften  enthalten  eine  Fülle  Beiträge  zur  Volkssitte  der  Niederlande: 
Volkskunde.  Tijdschrift  voor  nederlandsrhc  Folklore,  b^jündet  von  Pol  de 
Mont  en  A.  Giitee,  hrg.  von  P.  de  Mont  en  A.  de  Cook.  Gent  i888ff. 

—  0ns  Valislafen.    Tijdschrift  voor  Taal-,  Vulks-  en  Oudhcidkundc,  onder 


524  XII.  Sitte.  ANHAWi:  BEHANTJi,i;Kon.voLKSTOML.  Sitte  d.  Gegenwart. 

Leidinjf  vivn  Corneüssen  eii  Vervliet  Te  Brecht  i88gff.  —  V  Daghti 
in  den  Osten.  Limburgsch  Tijdschrüt  vour  alle  LicOiabbcrä  vaii  Taal  en  andere 
Weiensweerdighedcn.  Hasselt  1885  ff.  —  Volk  en  Taal.  Maandiwdirift  «ver 
Gcbmikci),  Gcstlücdcnes,  Taalkunclt  eiiz.,  uitgogcveii  doar  de  Zauter$gilde 
van  Zuid-VlaandtTcn.  Ronse  iSSgff,  —  Gittec,  L'elude  du  folkhre  en 
J^andrc.  Rev.  de  Belijique  1890.  —  Blink,  NeJerhtnd  en  zij'ne  Beivonerx. 
Handboek  der  Aardrijkskunde  cn  Volkeiikunüc  vau  Ncderlaiid.  Met  Kartea 
en  Afbeeldingen.  tSgoff.  —  Coremans,  L'annee  de  Vancienne  Belgtque. 
Mcmuirc  sur  Ics  saisous,  Ics  semaincs,  Ics  fctcs,  Ics  usagcs  duns  les  lemps 
fnttricuni  ä  riniroduclion  du  christianJsmc  en  Belgiqiie,  :ivec  rindication  et 
Fexplication  de  differciites  dates  qui  sc  trouvent  dans  les  dt>cunients  du  nioven 
Sge  et  qui,  en  partie-,  soTit  enrare  usitees  de  nos  jours.  Umxellcs  1844.  — 
de  Reinsberg-Düringsf eld,  Calettdritr  Bel^t.  2  Bde.  BriLxelles  1861 
— (3i.  —  Coremans,  La  Btlf^qut  et  la  Boheme.  Tradittuns,  omtumes  et 
ffites  populaires.  Bruxelles  i86i.  —  ScheUema,  Volksf^intiken  der  Xfder- 
hndcrs  ly  bet  Vrij'tn  en  Trotiwen.  Ulicchl  1832.  —  Vervliet,  Volksivißhed 
in  Beelii  eil  Schrift,  Te  Brecht  1894.  —  de  Cock,  Volksgeneeshinde  i  Flan- 
dern. Gent  i8gi.  —  Desrousseaux.  Moeun  popidaires  de  la  Ftondn-  /ran- 
faise.  2  Bde.  Lolle  i88g.  —  Hock,  dwances  et  remides  popuhircs  au  pars 
de  JJegt.  Liege  187?.  —  Wellers,  IJmbur^^che  Le^nden,  Saften,  S^rookjcs  en 
Volksverhakn.  2  Dcle.  Venlo'v  lB~5 — yb.  —  Dautzenberg,  Gebräuche  aus 
/JmÖurf,'  und  Brabaut.  Zs.  f.  d.  Myth.  II.  173  ff.  —  Maaskamp,  Afheldingen 
van  den  KUedin^n,  Zedrn  en  Gewtionhften  in  de  iioardelijke  Provinzien  van  det 
Nederlanden.  {Tablcaux  de  habilliint-'n-s  mocurs  et  o  lutume.'i  dans  les  proviuces 
septentrionales  du  n"»yaume  des  Pays-Bas  an  commencement  du  iq.  siecle.) 
Anisierdam  1S29.  —  Dykstra,  Vit  Fritsiands  Volhitaen  ziin  Vrites^r  en 
Later.  Volksoverleve ringen.  Volk-^ebruiken,  \''olksverleIlingen,  Volksbegrippcn- 
Leeuwarden  idg^. 


3a   Grossbritannien   und  Nordamerika. 

§  46.  In  England  ~sind  die  volkskundlichen  Bestrebungen  mehr  inter- 
nationaler Natur;  ebenso  in  Nordamerika.  Dort  besteht  seit  187S  »The 
Folklore  Society  for  Collecting  and  FMniing  Relie.s  of  populär  Antiquities  etc.«. 
Diese  Gesellschaft  gicbt  Zeitschriften  heraus  und  vcrij  ff  entlicht  oder  übersetzt 
volksk  und  liehe  Sammlungen  und  üllerc  Werke  volkstümlichen  Inhalt*;.  Die  von 
ihr  hentii-^egeljcnen  Zeitschriften  sind:  Täc  Folt-I^n  Reroni.  5  Vol.  London 
1878 — 82;  Falk- I^re  Journal.  7  Vol.  London  1883 — 8i);  Sf:it  i8c»o  erscheint 
die  Vierteljahrssclirift:  P\dk-I^re  a  Quarterly  Review  of  Myth,  Tradition, 
Institution  and  Custom.  (Der  Inhalt  der  Zeitschriften  und  die  Veröffent- 
lichungen der  Gcscllsrhaft  bis  1890  finden  .'sirh  bei  Ciomme,  'fhe  itondbook 
of  Folkiiiie.  London  iBqo,  184  ff.)  —  A  Dictionary  of  British  Folkhre,  ed.  by 
G.  Laurence  Gomme.  Part.  I.  The  traditional  Games  of  England,  Scotland 
andireland  withTunes,  Singing-rhymes,  and  Meüiods  of  Plaviug  Accordiug  to 
the  variants  cxtant  and  rccordcd  in  different  Parts  of  the  Kingdom,  collected 
and  annotaied  by  A.  Hertha  Gommc.  Vol.  I.  Aceroshav —  ;V«/i  in  May.  Lon- 
don l8t»4.  —  J.  Brand,  Observatiom  0«  the  populär  Antiquities  of  Great  Bri- 
tain.  London  1777  (eine  Umaibeitung  der  1725  von  H.  Bourne  herausge- 
gebenen Äntiijuiiates  Vulgartmes;  das  Werk  Brands  wiirdc  1813  u.  oft.  von 
H.  Ellis,  1B70  von  liaxlitt  neu  herausgegeben  und  ist  noch  heute  das 
Hauptwerk  für  englwrhe  Sitte  und  englischen  Aberglauben.  3  Bde.  lx>ndoD. 
Die  Au.sgabc  von  ElUs  ist  der  von  Hazütt  vorzuziehen  tiud  tst  daher  auch 


I 


BiBLiooR.:  BeliiIen  u.  Holland.  Gross  Britannien  v.  Nordamerika.  525 

im  Abdnick  von  iStio  zu  Grunde  gelegt  worden.!  —  Dyer,  En^ish  Falk- 
lore. Londuii  187B.  —  Tli.  Davidson,  /-c  Folklore  en  An^ltttrrr.  La  Tra- 
dition, PariÄ  1800.  —  Dyer,  British  populär  Ctisioms,  prtsent  atiJ  past.  Lon- 
don 1876.  —  Althaus.  Englische  CharakterbtUler.  2  Bde.  Berlin  1860-  — 
\V.  Hone,  The  Vear-Book  of  daih  Rearalion  and  Information  tte.  London 
1832.  —  W.  Hone,  The  e^^fry  Dav- Book  nud  TahU'fiaok,  or  e:rrlaslinir  Cnlendar 
of  populär  Amustmrufs,  Sports,  Pastimts,  Ctremontes,  Manners,  Cnsfums  find 
EiJtnts  incidtnt  to  tack  0/  the  36$  Days.  3  Bde.  London  iSjS.  —  WilÜHms, 
Thr  Superstitions  of  Wiiehcra/t.  London  18Ö5.  —  Cunningham,  Traditional 
Talis  0/  the  english  and  sco/iisk  Ptasaniry.  London  1875.  —  Wright,  The 
ffontes  of  olhers  Days.  London.  —  Stonchange,  vi  Manual  of  hritish  nnal 
Sports.  Lond<  )n  1 8,56.  —  I  n  g  r  a  in ,  The  Haunted-houses  and  Family^tradttiom 
0/  Great  lirilain.  L<rtKlon  lb<)0.  —  Blark,  Folk-Midiciiie.  London  1883. — 
Whitcombe,  Begone  Days  in  Devonsliire  and  0)rmvall  wilh  Notes  of  e.xi- 
tting  Suptrztitions  and  Ctulonu.  Londtm  1874.  —  Jones.  Lincolnshire  Folk- 
lore. Linof)1nshire  Notes  and  Queries  1800.  —  Udal,  Ckrisimas  Mnmmrrs  in 
Dorsetshire.  The  Kolklore  Ret".  HL  —  J.  Allics,  TAe  ancienl  british^  romatt 
and  saxon  Antit/nities  and  Fnlkhrt  nf  Wotrcsttrshire.  2.  Efl.  L«^ndon  185.;.  — 
Hardwick,  Traditians,  Snperstitions  and  Folklore,  ckitfly  0/ Lancashire  and 
the  Nord  0/  England.  Manchester  1872.  —  Harland  and  Wilkinson, 
taufoskirt  Folklore,  illustrative  of  tlie  siiperstilious  Beliefs  and  Practiccs,  local 
Cuütoms  and  UsaRen  of  the   People  of  the  Coui»ty  of  Palaiinc.  London  1882. 

—  Harland,  iMncashire  Legendi,   Tradilions,  Pageants,  Sports.  L*->ndon  1873. 

—  Scandale,  or  Life  on  the  Lancashire  and  Vorkshire  Border  tkirthy  i'ears. 
London  1860.  —  Roby,  Traditiom  0/  Lancashire.  Ljndon  1891.  —  Wilkin- 
son and  Tattersall,  Memeires  of  llurstivood.  Bumley,  Jjtncoshire,  ivitk 
Tales  and  Tradilions  of  the  Neighhour/iood.  Buriev  l8<)l.  —  Nicholson, 
Folklore  of  Fast  Vorkshire.  London  1890.  —  Henderson,  Notes  on  the 
Folklore  of  the  nortbem  Counties  of  England  and  the  Herders.  London  l8~c). — 
Moure,  The  Folklore  of  the  Jsle  Man,  beiiig  and  account  of  its  Myths,  Legends, 
Superstitions,  C'ustoms  and  Proverbs.  I^ondon  i8q2.  —  Dolyell,  The  darket 
Snpenttfiens  of  Srolland.  Glasgow  1884.  —  Sharpe,  A  historical  Account  of 
the  Btlief  in  Wttchcraft  in  Scatland.  Glasgow  1884.  —  Napier,  Folklore  or 
superxlitious  Beliefs  in  the    W'esi  of  Scotland  nitün  this   Century.   London    1879. 

—  Napier,  Folklore  of  the  IVest  of  Scotland.  Paisley  1882.  —  Gregor, 
Notes  on  the  Folklore  of  the  Nortli-emt  of  Scotland.  L<indon  1881.  —  Eine 
bibliograpkiscLe  Übersicht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der 
Volkskunde,  be^mders  in  England,  erscheint  seit  dem  5.  Bande  von  Folklore 
Record  und  wird  jetzt  in  Kolklore  fortgesetzt.  —  Der  Sammelpunkt  volks- 
kundlicher Bestrebungen  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nonlamenka  i-it  das 

Journal  of  american  Folklore,  Boston  i888ff.,  Organ  des  »American  Folk-Lore 
Sodety<,  ursprünglich  \*on  NewcU,  Boas,  Cranc  und  Dorsey  heraus- 
gegeben, jeui  v.in  Newell  allrin.  Daneben  ist  seil  1892  in  Chicago  ein 
»Chicago  Folk-Lore  Sndely«  entstanden,  in  dessen  Auftrag  Fleischer  The 
/ViAm/ herausgiebt.    Chicago  1892  ff. 


31.   Skandinavien  im  allgemeinen. 

$47.  Feilberg,  Totenfetische  im  Glauben  nordgermaniseher  Väiktr.  Am 
Urq.  III.  —  Feilberg,  Die  Baumseele  dei  den  Nordgermanen.  Am  Urq.  V. 
88  ff.,  119 ff.  —  Feilberg,  Zwieselbäume  nebst  verwandtem  Aberglauben  in 
Skandinavien.    7.%.  d.  V.  f.  Volksk.  VIL  42  ff.  —  Reiches  Material  zur  Sitte 


526  XIL  Sitte.  Akhakg:  Behandlung  n.  volkstümi- Sitte  d.  Gegenwart. 

aUcr  iiürdischcn  Völker,  besonders  der  Dänen,  birgt  Fcilburgs  Bhirag  tU en 
Ordbog  oi'tr  ^yske  Ahmusmäl.  Kph.  1866  ff.  (nc»ch  airlit  abgeschlossen.).  — 
Thomsen,  Hüira^  iii  eu  Skiltirit/f;  af  Noniem  /ul/est  i  tfUrr  og  nyerf,  heiitnsk 
og  chmUlig  Tili.  Kph.  1054.  —  A.  HazcUus,  AßUdningar  af  I-oremäl  i 
Nordiska  Müsset,  äfvcnsom  nordUka  Ansiktetyper,  Klädcdrakter  och  Bygg- 
nader,  af  hvilku  Tcckningar  fOr\aras  i  Nordiska  Museets  Arkiv.  —  H.  Thul- 
strup,  A/hiiiiningar  af  tioniiska  Dräkter,  sadane  de  burits  eller  bäras  uli 
olika  Landskap.  Med  en  kurl  svensk  och  fransk  Text  af  H.  J.  Kramer 
(Cofiituines  nationaux  sauidliiaves).     Stockhulm  li^tiff. 


I 


32.   Dänemark. 

§  48.  SkatugraiHren,  Et  Tidsskrift,  udg.  af  >Darisk  Samfund  til  Indsam- 
ling  af  Fulkemindcr«  ved  K  T.  Krisiensen.  Kolding  1884 — iBÖq.  — 
Dam'a.  Tid^krift  U  >r  Folkcmal  og  Folkemüidcr,  udg.  for  >Universilets-JubiI*tets- 
Samfund«  af  O.  Jesperseti  og  K.  Nyrop.  Kph.  i89off.  Seit  1897  tmter 
dem  Titel:  »Tidsskrift  for  dansk  Sprog  ug  Litteratur  samt  Folkcminder«  udg. 
af  V.  Dalilcrup,  O  J.  og  K.  N.  —  Thiele,  Dartmarks  Folkesagri.  3  D. 
Kph.  1843^60  (filr  die  Sitte  kommt  besonders  der  3.  Bd.  in  Betracht:  Den 
damkc  AJmua  overfroiske  Afcninger).  —  Sv.  Grund t vi g,  Gamle  damhe 
Minder  i. — 3.  5>am!.  Kph.  1857 — 61.  —  Nielsen,  Den  dauskt  Bande.  Et 
kulturhistorik  Forsog.  Odense  i8Sö.  —  Kamp,  Danskc  Folkeminder,  ^^oentyr, 
Folkesagn,  Gaader,  Rim  og Fotketro.  Odcnae  1877.  —  Feilberg,  DansJe  BoH' 
deliv,  saaledes  som  dtt  i  Afands  Minde.  /nrtfs,  navnlig  i  Vestj'yUand.  Med  49 
Fig.  Vcd  Udvalget  for  Folkcoplysiiings  Frenime.  Kpli.  1889.  —  K.  Skyitc, 
Far  og  nu.  VirkcHghedsbilJeder  fra  Ijndet  2.  OpI.  Kph.  1891.  —  Feilberg, 
Wtiurmacher.  Eine  Volkssitte  in  Danemark.  Am  LTrq.  II.  56  ff.  —  Fcilbergv 
Tallene  i  Folkeh  Brtig  og  Tro.  Dania  II.  185  ff.  Dasselbe  Übersetzt:  Die 
Zaiden  im  dänischen  Bmmh  und  Glauben.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  IV.  243  ff., 
374  ff.  —  Danske  Nafiofialdragier.  Tegnede  af  F.  C.  Lund,  med  Text  af 
Bergs oe.  Kph.  1890  ff.  —  E.  T.  Krisiensen,  Jydskt  Folkeminder.  g  D. 
Kolding  1871—88.  —  E.T.  Kristensen,  Gamir  folksjortallinger  om  da 
jyske  Ätmtusliv,  som  dtt  er  blevei  f»rt  1  Mands  Minde,  samt  cnkelte  opiysendt 
Sidistykker fm  Oeme.  4  D.  Kph.  1892 — 94.  —  E.  T.  Kristensen,  Dtn 
jyske  Bandes  fcsiiige  Sammenkomsler,  saaltdes  som  de  har  v<tret  hofdte  1  Afnndi 
Minde.  Jyliand  II.  1S91.  —  Kvolsgaard,  S^redte  Trtrk  af  Landbolivef, 
optegnede  i  jysk  Mundart.  Kph.  1891.  —  Pedersen-Bjergaard,  Mindtr 
fira  et  Bondehjem  i /yUand.  Aarhus  1894.  —  Feilberg,  Fm  Heden.  HadcrsL 
1864.  —  Dreyer,  Ovre  fra  Heden.  Tratk  af  Üvertroen  hos  Bonden  i  Nuti- 
den.  Tilskuercn  iS8<^i,  287  ff.  —  Chr.  Lurenzen,  Gamle  og  nye  Minder 
fra  Sumiered.  Haderst.  1859.  —  Foers'im,  Om  Samlinger  af  danske  Land- 
skabsord  og  om  Sader  og  Overtro  i  Ribeegnen.  udg.  af  Molbech.  1820.  — 
Madsen,  Falkeminder  fra  Ifamied  Sagn  ved  Mtnsborg.  Kph.  1870.  —  Feil- 
berg, Fra  VfSterfyHand.  Et  KiUiuirbillede.  1882.  —  Grönborg,  Optegnelser 
pä  Vendemäl  (Jüttand),  udg.  af  ^fUnivcrsitcts-Jubilaiets  danske  Samfund«  ved 
Nielsen,  i.  11.  Kpli.  1882,  —  Lizenzen,  Faikesngn  og  Folhtro,  for  forste 
Delen  samlede  ved  Grcuä.  Aalb.  187^.  —  Gaardboe,  Om  Overtro  fvr  og 
nu  i  det  nordli^e  Vendsyssct.  Saml.  til  jj-dsk  Hist.  og  Topogr.  2.  R.  I.  4(1  ff-  — 
Nielsen,  Ski/dringer  og  Sagn  fra  Vtsl-Hinimeriand.  Saml.  til  jydsk  HtsL  og 
Topogr.  2  R.  III.  34off.  —  Kvolsgaard,  Fiskerliv  i  Vesterhanhrrrtd.  Kph. 
18Ö6.  —  E.  T.  Kristensen,  Otn  Holmsland  ogdeas  Klitt,  bcskrcvet  saerlig 
med  kulturhist.  Hcnsj-n.    Kph.  1892.  —  E.  T.  Kristensen,   0€n  Ankett  i 


k 


Biblioghaphib:  Skandixavjkn.    Dänemark.    Schweden. 


527 


» 


k 


Sagn  og  Smi  tfUr  ^amk  folh  mmdlUge  MtdihUUtr.  Kph.  1892.  — Th,  Müller, 
£jf  par  S/uäitr  fra  /^so.  Dania  III.  i  ff.  —  Junge,  Den  nordsl<rUamk<  Land- 
almtus  Charakter,  Skikke,  Mniingtis  og  Spro^.  MetI  en  nordsj^Jlandsk  Ordbdg. 
2.  Oj>I.  Kph.  1S84.  —  A.  Nielsen,  Fra  Landet.  Bülcdci  af  Folkdivel  i 
Sjscltand.  4.  OpL  Kph.  1B91. 

3.1.  Schweden. 

S  4g.  Unna.  En  Skrift  für  Fädemeslandels  Fomvanner,  ulg.  af  R.  Dy- 
berk.  10  Hefte.  Stockh.  1842 — 5t).  —  Xyarc  Bidrag  tili  Kännedom  em  de 
sjvnska  Lüitdsma/i»  ofk  sieNit  tolklif.  Tidsskrift  mg.  pä  LTpptirag  af  Laiid.<i- 
mälsföreiiingama  i  Uppsala,  Hcisingfors  ock  Lund  gen.  J.  A.  Lundell.  Stock- 
holm 1879  ff.  —  Mancherlei  auch  für  die  Vnlkssitte  ttichtiges  Material  findet 
ach  in  den  aDtlquamcheii  Zeilsclirifien  1  Anfii/varük  Tidsskrift  Jor  Si'en'ge. 
utg.  af  Kgl.  Vitterhets  Hist.  och  Antiq.  Akad.  begr.  von  E.  Hilde- 
brand.  Stockh.  l868ff.,  hrg.  von  H.  Hildebrand.  —  Sitnska  Fomaiinn£s- 
torcninf^ns  Tidskri/t.  Stttckholm  1870  ff.  —  Samfimdct  fOr  nurdiska  Mus<:ct^ 
Framjande.  Mcddeianden,  utg.  af  A.  H  a  z  c  1  i  u  s.  Stockholm  r  888  ff.  — 
Hazclius,  Bidrag  tili  vär  Odiings  Iläfder.  (i.  Bd.  Retzius,  Finlanä  i 
nordiska  Mmeet.  Stockh.  1881;  1.  Bd.:  HazeliuR,  Ur  de  nordiska  Folkem 
Li/.  (Aus  Schonen,  vgl.  Ny.  Bidr.  II.  CXLIV  ff.;  Anz.  f .  d.  A.  IX.  304  f.)  — 
Strindberg,  Svenska  Folket  i  Ihlg  och  Söken,  i  Krig  och  i Fred,  hemma  och 
Ute,  eiitr  tll  lasen  Ar  af  sxemka  liildningcm  ach  Seder/ias  //is/oria.  med  IHu- 
strationiti.  2  Bde.  Stockholm  1S81 — 83.  —  Hof  berg,  SkUdringar  ur  sirnsia 
Folklifitt.  Orebro  1879;  —  Svenska  FolkeU  Seder,  sädune  de  jfafii  ofh  tili  en 
dtl  ämm  aro,  idd  Hogtidrr,  Ftierier,  BrSlhp,  BamJop.  Begrafningar  og  Nöjen; 
jtmU  de  ras  Skrock.  Vidskepalur,  /luskurer,  Amktodtr,  SiügHtr  och  Ordsprdk  m. 
m.  af  aldre  och  yngrc  Författare.  Stockh.  184t».  —  v.  Feilitzen,  Spridda 
Drag  ur  sivitska  FolkU/i'et.  Tectningar  af  J.  Nyström.  Stockli.  1891.  —  Sv^nsk/ 
Skämlfynne.  Folklifsbüder,  Sagner  och  Ancktoder  m.  m.  samladc  af  O.  Svahn, 
Teckn.  af  Ljung  och  Liljefors.  2.  Upl.  SlucLh.  1890.  —  Sttgor.  Sägner,  Le~ 
gmder,  Äft-entvr  ock  SkÜdritigar  af  Folketi  Ltfnadaätt;  pii  Landsraid.  Sv.  Landsm. 
in,  2.  Stockh.  1881.  —  Lloyd,  Svenska  Allmogens  Plägseäer,  Ofversaitning 
af  Swedenis.  St'Xkh.  1871.  —  Brcberg,  Bidrag  frän  vär  Folkmedic im  Vid- 
skipelser.  Stockh.  1878.  —  E.  Wtgström.  Taflor  ur  skämka  Folklifmt  ßr 
Jyratio  är  sedan.  Lund  1870.  —  E.  Wigström,  Folkdiktning,  Visor,  Sä'gner, 
Sagor,  Gätor,  Ordspnik,  Ringdaftsnr,  Lekar  orh  Bamvisor.  Kph.  1S80.  —  E. 
Wigström,  Folkdiktning,  Visar,  Sägntroch  en  Si-artkotutbok  (saml.  och  uppteckn. 
i  Skäne).  2.  Saml.  Göteborg  1881.  —  E.  Wigström,  Vandringar  i  Skäne 
oeh  Bleking.  Ny.  Bidr.  VIII,  i.  —  E.  Wigström.  Allmogeseder  i  Konnebärgs 
liärad  i  Skiim.  Ny.  Bidr.  \'III.  2.  —  Frän  skämka  Bygdeti.  Förr  och  nu  1886. 
—  Wr a  n  c  r ,  Gärafolk  och  Uttsmän.  Bilder  ur  Alhnogelifvet  i  s>'döstra 
Sk&ne  förr  och  nu.  Stockh.  1885.  —  Wrancr,  /skämka  Stugor.  Smabilder 
ur  Folklifvet  i  öslra  Skäne  föiT  och  nu.  Stuckh.  1886.  —  Ave,  Ftihi  Slätt- 
oeh  Skogsöygd.  Stockh.  iSgi.  —  Nicolovius,  Folkli/ivt  i  Skytts  Ilämd  i 
Skäne  tvid  Början  af  detta  Arhundmde.  2.  Upl.  Lund  1S08.  —  E.  Wigstrüm, 
Kardegille.  Skünska  Byhi.st<)ncr.  Ny.  Bidr.  XIII,  10.  —  Wranir.  Gamlingar 
ock  Grönsküliningar.  Sm.i  Fülklifsbiklcr  fr:ui  SkaneslUtten.  Stockh.  1894.  — 
Wrancr,  Stuesnaek  mh  Sliittalams.  Drag  ur  skiinska  Slattbans  Lif  undcr 
de  »cnaste  25  Aren  p.'i  SimrLshammstraktens  Allmogemul.  2.  UpL  Stockh. 
1893.  —  Nilsson,  Muntra  Folklifsbilder  frän  östra  Blekings  Strandbvgd  och 
SkargiSrd.  Karlskrona  1870;  Dcr.,  A'i  Sämling  muntra  Folkltfsbilder  frän  Sstra 
ock  mellersla  Blekinges  Strandbygd.    KarUkruna  l888,  —  Boadeson,/ott  1 


S/^////n//.  Hallilndske  Gränsbulifvet.  2.  Uppl.  Siockh.  1681.  —  Bondcson. 
Afarina</s^fM>ar pti  S/ona-a(/.  Stockh.  1881. —  Brjndeson,  Om  Folkfls  I^kt- 
iionst  i  meiUrsia  Ilallami.  Uppsal.  LakarefAren.  Fürhandl.  XVI.  214  ff.  ^ 
Hof  berg.  Nitgra  Drctg  ur  dd  fonta  Skogsltyjif;arli/ivf  i  /laUand.  Örebro  1881. 

—  Bondeaon,  AUmo^bträllehfr.  1  Hefte;  Der».,  Nya  AUmogeherättelser. 
SlocWiolm.  —  Hylten-Cavallius.  Wärtnd  oth  Wirdamt.  Ett  Fürsök  \ 
svensk  Ethnologi.  2  Bde.  Stockiiolm  18O4 — 68.  —  Jonsson,  Folktro,  Stdtr 
0ch  Bnät   i  Mim:   ander  nittatide  Arhundradei.    Xy.  Bidr.  II,  5.    StL^ckh.   irtHl. 

—  Alden.  /  Qetapulien.  Vaiidriiiyar  ucli  Forskningar  i  SiimJands  B>-gd€r. 
Stofkli.  1883.  —  Sjöstrand,  En  GifUrmfibafärd  i  Raskens  Hia,  en  Tittin 
i  Smälands  Allmogelif.  Ny.  Bidr.  II.  ly,  07  ff.  —  Rapp.  En  Jtdgdng.  Friln 
Sanseryds  Socken  i  Smälaiid.  Ny.  Bidr.  II.  XIV  ff.  —  Lindsten,  fluru  dct 
gär  fiii  alt  gti  Angang.  Fran  Urstiuli  1  Kinnevalds  H5rad  i  Sinälatid.  Ny. 
Bidr.  II.  XVI  ff.  —  En/ft  Smä/and.  Ürd,  Touer  och  Bilder  af  SuiäJandingar, 
Stockh.  1893.  —  Raaf,  ydre  Härad.  z  Bde.  Örebro  1850.  —  Wiesei- 
gren, Ny  Smölamh  Bfskn/iting.  3  Bde  Wexin  1844—46.  —  Alivin, 
ßtskrifniftg  öfi-er  Wrstho  Härad  i  Jönköpingi  Lä'n.  Jollk^ping  184Ö.  —  Allvin, 
Heskri/nittg  üßtr  Ostlio  Härad.  jünkoping  1852.  —  HeiknfniHg  o»t  Aiimogens 
Sinnelag,  Seder  vid  de  ärliga  Jloglider,  FrUrier,  Jirii/hp,  Barndop,  Be^rafningar, 
VidskeppeUer,  Lefnadssält  i  Mal  oeb  Dryek,  Kiddedrägt,  Sjukdomar  och  Lake- 
medr!  m.  m,  i  Jnaköpingi  iJihn  och  W'dssbo  Härad  a,f  Kyrckoherden  Gas- 
lander i  Burscryd.  Ny  uppL  Ny.  Bidr  Bib.  I,  3.  —  F.  L.  Grundtvig, 
Svtmke  Minder  jra  Tjust.  Andere  Eklunds  Forla-llinger.  Kph.  1882.  —  Wide- 
gren,  FSrsük  liU  en  ny  iieskrifuing  ößvr  ÖHfr^ötland.  \.  Linki'fping  1817.  — 
Sundblad,  Gnmmaidags  Brnk.  Kuhurbilder  fran  Vct-tergötlanil.  Guteb<irg 
1881.  -^  Sundblad,  (iatnia  Blad.  Biografiska  Xotiser  mb  strödda  Kultur- 
drag fran  Veslergüdand.  Stockh.  1883.  —  Einiges  Über  Westgoialand  enthalt 
VesUrgöÜands  Eontminnesfimnings  Tidshift.  —  Sagor  og  Sägtur,  Vi'sor,  Skrock 
och  Ordspräk  frtin  VesSergötiand,  üre^krifter  för  Folkcl.  Stockholm  iSqi.  — 
Alhtogrlif  t  Vesiergäi/and.  Folklifs&kildringar,  Sagor,  Sagner,  Visor,  Skrock  och 
Ordspräk.  Samlade  af  Veslgiita  Landsmitlsfür.  i  U]]psala.  ulg.  genom  Fel- 
lander.  Stockh,  1801.  —  Kullander,  Niigra  Drag  ur  det  forna  SkttgS' 
bygger/ifef  i  Edsvedats  Skagjlrnklcr.  Ny.  Bidr.  XJ,  lO.  —  Llgncll.  Beskrif- 
niiig  öftrer  Gre/skapei  Dal.  Stockh.  1851.  —  Holmberg,  Bohusläns  Ifutotia 
oeh  Beskri/ning.  2.  Uppl.  Orebro  18Ö7.  —  Djurklou.  Ur  JVerikrs  Eo/kspräk 
och  Eolklif.  Örebro  lÖ6o.  —  Hofberg,  Ntrxkes  gatnla  Minnen  sadana  de 
ännu  qvarüfaa  i  EornUmningar,  Fomfynd,  Aßeffor  aj  MedeUidens  kvikiiga 
Konst,  EotkUf,  Singer,  Siigner,  Eo/kipruk  nt.  ni.  Örebro  1868.  —  Anrcp. 
Nerkiufiarna.  Bilder  ur  Folklifvct.  j.  Uppl.  Stix:kholni  (VoILsstOck).  —  Djnr- 
klnu,  IJ/iet  i  Kinds  Härad  i  Västergöttand  i  fiörjan  af  sjutlonde  Arhundradet. 
Stnckh.  iSS,";.  —  Aininsfin,  Bsdrag  iiU  S»dernianhnds  äldrr  A'id/nrliistvhti. 
.5  Bde.  Stockh.  1877 — 84.  —  Luadin  (Kh  Strindberg,  Gamla  Stockholm. 
Anttekningar  ur  tryrkta  oth  otryrkla  Käilnr.  Stockh.  1882.  —  Blutnenberg. 
Ur  Altmogem  Mal  oeh  Seder  i  Kärs/a  med  Omnejd.  Stockh.  1883.  —  Axclssuo, 
Vandring  i  Wermlands  Etfdai  oeh  Einskogar.  Sinckholm.  —  Axelsson,  Vesier- 
dalame.  das  .\'afitr,  FolkHf  oeh  fornminnen.  Siockh.  1855.  —  BjcVrkmaii. 
Beskrifning  Sfver  Wermland.  Carlstad  1842.  —  Erdn  en  S/ndieftird  i  Wermland. — 
(Mehrere  Aufsätze  von  S.  Adlersparre  v.  Lejonhufvud  finden  sich  in  Tidskr. 
f.  Heramet  XXIV.  XXV.)  —  Svarlciigrcn.  N6  hört  frä  Vürmlandska 
Skogshygila.  Stockholm.  —  A.  Dahlgren,  Vemiländingame.  Sti.rkh'''Im.  — 
J.  Henriksson,  Plägseder  och  Skrotk  bland  Dnlslands  Alhnoge  Eordomsdags, 
jemit   en    Sämling  Sagor,    Gätor,    Ordsprak,    Eolkvisor  och  Leknr  Jrdn   rtämda. 


I 


I 


Zanäskap.  3.  Uppl.  Gunnarenäs  och  Mellenid  1896.  ~  Säve,  Anj^ra  Upp^ 
iystiingar  am  Dalmäiet  oth  Dalallmo^ns  Folkfynm.  1.  Uppl.  Stockh.  1855.  — 
H-  Bore,  BärgsmamUf  i  liihjan  af  t&oo-taitl.  Antecknmgar  frän  Nora  och 
Lindes  Bfirgslagar.  Ny.  Bidr.  V,  7.  —  Gamia  Mmnai  frnn   DcUbo  och  Bjur' 

täktr.  samlade  ixh  utgifna  af  K.  G.  W.  Gefle  184.^.  —  Nordländer,  Om 
TroUdom,  ViJskepelse  och  Vaitiro  hos  Atlmof^eH  i  xXorrfand.  Sv.  FornminuesfOr. 
THdskr.  IV.  ii^ff.  —  Äslund,  Beikrifnin^  Öfver  Vaurnonlands  Län.  Hemü- 
sand  1878—80  (vgl.  dazu  NordUinder,  Ny.  Bidr,  11.  CXXXVII  ff.).  —  Nord- 
länder. Fäbodvimndci  i  An^fr»satdand ,  med  Sidoblick  pä  Förhällandena  i 
nliliggande    I-amlskap    i    Kurüict    framstiildt.     Ny.  Hidr.    V,  3.  —  Modin, 

»Jfiaknirr  och  Si^cricr  sami  folkliga  Namn  pu  iMkemfiifl  /ran  Angcmmnland. 
Ny.  Bidr.  VII,  2.  —  Gubben  Noach,  Skogvakiartns  HerätuUtr.  3  Bde. 
Stockholm.  — J.  Lindström,  I  Jämtehygd.  Studier  och  SUildringar.  Stockh. 

—  Mcllin,  Koifinname  t  //e/äiogen.  Siocldi.  —  Waltmao,  Lidmol.  Ord- 
spräk  i"xk  Taiesatt,  Smärim,  Gaior,  Äventyr,  S.lgner,  Seder  ock  Tankesiit! 
uppt  i  Froslviken.  Ny.  Bidr.  XIII,  1.  —  S.  Obcrg,  Nägra  Bilder  /ran 
Jiärjedaletu  Fäboder.  Ny.  Bidr.  VH,  11.  —  Über  die  Sitte  des  schwc- 
dist^iieD   Volkes   in  Finmarken   bringen   mancherlei  die   Ftmka  Fomminnes- 

.J^nningeni  Tidsin'ft  und  die  Veröffentlichungen  von  »Finska  Vetenskaps- 
Societelen«.  —  Runcken,  Niigra  Akcriiruksplä^eder  bland  Svemkanst  i Ftn- 
iomd.  Ell  Ax])lockiiiiig  tili  Dr.  W.  MaiinliartlLs  Faniknmg.    NJkoIaistad    187t». 

—  Fagcrlund,  AnUekningar  om  Korpo  och  iloutskän  Sockuar.  Bidr.  tili 
Kannedom  af  Finlands  Nat.  och  Folk  XXVIU.  —  Z.  S{chaUD),  Ftj/ktro 
ocM  Pidgteder  1  mcüenfa  ÖsUrbotUn.  Finska  Fcimminne.sfr»r.  Tidskrift  V.  — 
Elmgren,  Bakrifning  tifver  l^nrgas  Socken.  Sur>mi  VII.  —  Allardt,  Ny- 
ländska  Folkudcr  och  Bnd;  Vidskepclse  m.  m.  Hclstngsfors  1881).  —  Lagus, 
Du  Folklore  iufdois  eu  Fitdande.  Helsingsfors  iboi.  —  Radloff,  BeskrifHÜig 
i^vtr  Aland.  Äbo  17Q5.  —  v.  Korriag,  Fordomar  hos  Alands  Bt/olkning. 
Ny.  Bidr.  11.  XIA'IIff.  —  Renvall,  A/dadsk  Folktro,  Skrock  och  TroUdom. 
Ny.  Bidr.  VII,  9.  —  Ga!im  Persson,  Beskri/m'ng  Öfver  Oiand.  Upps.  1768. 

—  Ahlquist,  Olands  Historia  och  Beskrifning.  Calmar  1822.  —  Säve, 
Akwms  Sagor.  Spridda  Drag  ur  Odlingshüfdcrna  ocli  FulkÜfvct  pÜ  Golland. 
Stockli.  1846.  —  Säve,  Sko^m  Sogar  cllcr  VflxtUfilictcn  pa  Goüaud,  jcmte 
qiridda  Drag  ur  Öns  Odiingssaga  orh  Folklifvet  derstädes,  Stockh.  1877.  — 
Sftve,  Bemierkningar  oivr  On  Golland,  dens  Jndbyggerc  og  disses  Sprog. 
Molbcchä  Hist.  Tidskr.  IV.  1(17  ff.  —  Savc.  Hixfvtts  och  Fiskarens  Sagor, 
samt  xpridda  Drag  ur  Gotlands  Odiingssaga  och  StrandalhiKJgcns  Lif.  Visby 
1860.  —  Bergman,  Gotliindaka  Skildtingar  ock  Mintun.  Visby  1882.  — 
Bergman,  Om  Goüands  Folklekar.  3  Uppl.  Visby  1S83.  —  Vcndell.  Om 
fitk  frän  Oammal-Sjfenskhy  (schwerl.  Kolonie  in  Stldrussland).  Fin.sk  Tidskr. 
XU.  81  ff.  —  Russwurni,  Eibofolke  oder  die  Schweden  an  den  Küsten  Eksl- 
lands  und  auf  Runs.  2  Bde.  ReN-al  185,5 — 56.  —  Ekman,  Bcskri/ning  om 
Rmnö  i  Liffiand.  Tavastelius  1847.  ^  Trachten  der  Schweden  an  den  Küsten 
ßks/iands  und  auf  RunS,  gez.  von  Schlichting.     Leipzig  XS54. 


I 


34.   Norwegen. 

I  50.  Viel  Material  Ober  Sitte  und  Brauch  in  Norwegen  enthalt  die  Zeit- 
scfaiift:  Foika'ennen.  Et  Tidskrift  udg.  af  >SeUkabe(  for  Folkeoplysningens 
Frenune«.  Kristiania  1851  ff.  —  Von  der  Zeitschrift,  die  der  Mittelpunkt  der 
norwcpschen  Volkskunde  werden  sollte,  der  NotT?f.gia  (Tidsskrift  for  det  norske 
Folks  Maal  og  Minder,  udg.  af  »Foreningen  for  norske  Dialekter  og  Tradi- 
tioner«-   vcd  M.  Moc  og  J.  Storm.  Kristiania  18S4)  i:>t  nur  das  erste  Hclt 

Gemuwischc  PbUolocic  HL    2.  Aafl.  M 


crschtenen,  das  nur  eine  sprachliche  Abliandlung  bringt  —  Liebrecht,  Zur 
norwegischett  VtUkskumk.  Germ.  XXV.  38S  ff.  —  R.  Lnland,  Folktliv.  Kri- 
stiania. 1891.  —  Eflert  Sundt.  FolkeUv  i  Xor^e.  Krist.  1869.  —  N.  Hertz- 
berg. Om  Bomlesiatiilcns  Lcvtmaadt  i  j/orr  Rygder.  Budsdkken  1821.  -^. 
Landstad,  Nonke  Folkei'tser.  Krist.  1853,  —  F.  Liebrecht,  Nonvegischi 
Aberglauhr.  Zur  Volkskunde  S.  310  ff.  Hcilbnmn  1879.  —  Slorakcr,  Om  Je 
ovttiroiske  FonstiUin^r,  som  knvtte  sig  til  Ihsicn.  {Norsk)  Histür.  Tidsskr.  I. 
457  K.  —  K.  Maurer,  Das  SfhnetsehuMatrfeu  in  Norwegen.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 
II.  301  ff.  —  Nonke  Xaliotialdragter^  kolorerede  og  paa  Karton.  Krist.  1891  ff. 

—  Storaker,   Overtro  ttg  Sag/t  i  Lister  og  Mandals  Amt    Folkevennen  1862.J 

—  GjeHebfVl,  BeskriveUe  af  Salersdalen,  Topograph.  Journal  1800.  —  So- 
renaen,  iJdt  am  Samifherred  ßr  i  Tiden.  Krist.  1872.  —  Haukenaes,  Reise' 
skiidringer  fm  Norges  Natur  og  Folkeliv.  Z — 3.  Telemarkeu,  Ostianti.  Bergen 
1892.  —  Haukenaes,  Hardanger  og  Stnderhordland.  Natur,  FolkeÜv  og 
Folketro.  Bergen  1893  ff.  —  H.  Dergh,  Nye  Fo!keet*eiityr  og  Sagn  fra  l'u/ders. 
Krist  1B79.  —  H.  Bergh,  Sogur /nta  Va/dris  og  HaUingdal.  Krist.  187g.  — 
Steile,  Beretning  om  fn/ens  Feirende  i  Vang  {Valders  i  Norge)  omkring  Ar 
1S60.  Samf.  f.  nord  Museets  Framj.  1890.  Stockli.  iäg2.  —  Soegaard,  / 
Fjeldbygdeme.  Krist  1868.  —  Noculaissen,  />a  Nordlands  Foriid.  Sagn  og 
Smaabüleder.  Anden  Sämling.  Krist  1891.  —  Reiches  MateriaE  zum  Volksleben 
der  Norweger  bringt  auch  die  neuere  norwegische  Uttccatur,  her\-orzuheben 
sind:  B.  BjornäL>n,  Fortallinger.  2  Bde.  Krist.  1868.  —  Unter  den  geogra- 
phischen Werken,  die  norwegischer  Sitte  vielfach  gedenken,  sei  vor  allen 
genannt:  Du  Chaillu,  Im  Lande  der  Mitternachtisonne.  Aus  dem  Englisdien 
Übersetzt  von  Helms.  2  Bde.   Leipzig  1884. 

35.  Island  und  die  Fseroecr. 

§51.  Den  Mittelpunkt  volkskundlicher  Bestrebungen  auf  Island  sollte 
bilden  die  Zs.  Huld.  Safn  allndicgra  frarda  islenzkra.  ülgef.:  H.  l*orstcins- 
aon,  J.  ^orkelsaon,  O.  David.sson,  P.  P&lssoa,  V.  Asmundsson. 
Reykjavik  i8c>3 — 05.  Direkte  Darstellung  islandischer  Sitte  bringt  die  Zs. 
nicht,  dagegen  bietet  sie  indirekt  mauclien  interessanten  Beitrag  zum  Leben 
auf  Island.  Einsclilagigcs  Material  enthalten  fast  alle  Beschreibungen  Islands, 
von  denen  eine  der  besten  die  Bilder  aus  Island  \*ji\  A.  Huusler  sind,  Rund- 
sdiau  1&96,  3B5  ff.  Vieles  enthalten  auch  die  Sagen  Sammlungen  von  K. 
Maurer,  Isländische  Vo/kssagen  der  Gegetnvart.  Leipzig  1860  imd  J.  Arnasou, 
Islenzkar  pfddsögur  og  ^Sfintvri.  z  Bde.  Leipzig  1862 — 64.  —  Ölafur  Daviils- 
snn,  Venjur.  Viflba-'tir  til  Pjötlsögur  J»ns  Amasonar  II.  5(17 — 580.  Huld  IH. 
44  tf.  —  Islenzkar  Qälur,  pulur  og  Skemianir,  gefnar  ut  af  hinu  isleuska 
Bökinentafjclagi.  5  Btic.  Kph.  1885 — tj5.  —  F.  Liebrecht,  Isländisches.  Zur 
Volkskunde  362  ff.  —  hlaudske  Vartter  og  Tegn.  Antiq.  Tidsskr.  1861—63. 
331  ff.  —  S.  Eyjölfsson,  Pjöätru  og  Pjödsagnir.  Tim.  I2,  Q/ff.  —  f^orkdl 
Bjarnason,  Fyrir  40  Arftm.  Tim.  13,  i7off.;  16,  ^04  ff.;  Ölafur  Sigurds- 
son,  Tim.  15,  198  ff.  (Dieser  Aufsatz  Bjaniasoiis  mit  den  Bemerkungfn 
Sigurdssons  ist  übersetzt  von  Lehmann-Filhes,  Ktäturgescbichtliches  aus 
Island.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  VI.  235ff.,  373  ff.)  ~  Hammershaimb,  Fa^nriske 
Ordeprog,  Talemäder,  Skikke  og  Lege,  Bamet'iser  og  Ramser.  Gäder.  Aniiq. 
Tidsskr.  i8;i9— 51.  271  ff.  —  Hammershaimb,  Folkelivsbilleder:  InderFserosk 
Anthul.  I.  38g  ff.  [ÜberseUt  von  Jiriczek.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  IIL  155  ff, 
285ff.)  —  N.  Winther,  Faroentes  lüsione  (Abschnitt  11).  Kph.  1859.  — 
Holm,  Skiläringer  og  Sagn  fra  Fanterne,    Z.  Opl.    Kph.   1860. 


XIII.  ABSCHNITT. 


KUNST. 


..   BILDENDE   KUNST 

VON 

ALWIN    SCHULTZ. 


I 
I 


:hle  der  deutschen  Kuiist  Est  in  neuerer  Zeit  wiederholt  dar- 
worden. Im  Verlage  von  Grole  in  Bertin  Lst  1885 — 1890  eine 
ausfülir liehe  Bearbeitung  derselben  erschienen;  die  Geschichte  der  Baukunst 
hat  R.  Dühmc  übcrnutninen ,  die  der  Büdhiiucrei  Wilhelm  Bude,  die 
Entwicklung  der  Malerei  wird  von  Hubert  Janitschek  geschildert,  wahrend 
C.  V,  Lützow  die  Geschichte  des  deutschen  Kupfe^tichs,  Jac  v.  Falke  die 
des  deutschen  Kunstliandwerks  darstellt.  Von  H.  Knackfuss  besitzen  wir 
eine  zumal  durch  ihre  Abbildungen  beachtenswerte  Geschichte  der  deutschen 
Kunst  (Lpz.  1888).  und  der  Altraeister  unter  den  deutschen  Kunstforschem 
Wilhelm  v.  Lübkc  hat  eine  neue  Bearbeitung  desselben  Stoffes  in  Stuttgart 
veröffenilicht  (1Ö90).  Auf  alle  diese  Werke  seien  die  hingewiesen,  welche 
ausfQlirlicherer  Srlülderungen  bedürfen;  sie  werden  zugleich  in  ihnen  audi  gute 
zuverlässige  Abbildungen  finden,  und  diese  sind  für  Jeden,  der  sich  unter- 
richten will,  selbstverständlich  von  der  höctistcti  Bedeutung.  Deshalb  eru'Uhne 
ich  auch  noch  das  grcfsse  Bilderwerk  von  Ernst  Förster,  Denkmäler  dtuischer 
Kunti  (Lpz.  1S55 — (Tg),  dessen  Wert  weniger  auf  dem  erklärenden  Text  als 
auf  den  vortrefflichen  Abbildungen  beruht.  Dann  die  Kunstgeschichte  von 
Karl  Schnaase  und  zwar  die  Bande  III — VIII  (2.  Aufl.  Düsseldorf 
1869—79). 

Für  den  Zweck,  den  dies  Werk  hier  im  Auge  hat,  wird  eine  kurze  Schil- 
derung der  wesentlichen  Momente  ausreichend  sein.  Erwünscht  wäre  es, 
hätte  die  Tcclmik  der  einzelnen  Kunstzweige  besprochen  werden  k<3nnenf 
indessen  ist  dies  in  dem  so  beschränkten  Räume  nicht  möglich.  Eine  Orien- 
tierung über  die  Technik  der  wichtigsten  Kunstzwe^e  habe  ich  in  meiner 
EinfOhrung  in  das  S/ut^ium  der  netteren  Kuns(gesehickte  (Prag  und  Lpz.  1884; 
2.  Aufl.  1&S7)  zu  geben  versucht. 


532 


XIII.  Kunst,    i.  Bildende  Kusst. 


Über  die  englischi?  Kunstgeschichte  bietet  Franz  Kiigicrs  Geschichte 
der  Bankumt  II  und  III  (Stutlg.  1858  und  1859)  eine  hinreichende  auch  mit 
Abbililungen  ausgestattete  Orientierung,  und  die  Geschichte  der  Skulptur  und 
Malerei  wird  mit  genauer  Verzeichnung  der  Quellenschriften  in  der  zweiten 
Ausgabe  von  Schnaase's  Kmislgfsrhüfile  gefunden,  ein  Werk,  das  auch  die 
Geschichte  der  englischen  Architektur  nach   neueren  Forschungen  vorffthrt. 

Die  ältesten  Denkmäler  deutscher  Kuii^täbung  Hegen  uns  in  den  durch 
ihre  eigentümliche  (.hnamentik  interessanten  (Jrnbi'rfunden  vor  (vgl,  L. 
Lindeuschniid t,  Alh-nhimcr  tkr  hehiniichen  Vorzeil.  Mainz  1858).  Ihre 
Herkunft  ist  jedoch  in  den  seltensten  Fallen  mit  \nller  .Sicherheit  zu  bestim- 
men, wenn  nidit,  was  selten  genug  der  Fall  ist,  Runeninschriften  deu  germa- 
nischen Ursprung  jener  Überreste  verbürgen  (Rud.  Hennig,  die  tieutsrhtn 
Runendenkmiikr,  Strassburg  i88q.  So  haben  wir  in  der  bei  Müncheberg 
gefundenen  bronzenen  Lanzenspitze  ein  sicheres  Denkmal  deutscher  Herkunft, 
da  die  in  Silber  tauschierte  Runenschrift  dies  feststellte.  Allein  in  vielen  Fällen 
kann  es  zwcäfcllia/t  sein,  ob  wir  in  den  Funden  Arbeiten  der  Deutschen  oder 
Slawen  vor  uns  haben.  Und  wenn  der  deutsche  Ursprtmg  sich  zweifellos  be- 
weisen lasst,  so  ist  es  meist  auch  darui  noch  unmöglich,  die  Zeit  der  Anfertigung 
zu  prüzLsiercn.  So  dürften  zu  den  Ültcstcn  sicher  beglaubigten  Monumenten 
deutscher  Kunst  die  im  Grabe  Childerirh  I.  (t^f^')  zuTfiiimai  1O.53  gefundenen 
Waffenstücke  etc.  gehören,  die  jetzt  in  den  Pariser  Museen  bewiihrt  werden, 
denn  an  den  Überresten  vom  Palaste  des  Theodorich  zu  Ravenna  sind  gar 
keine  Spuren  eines  germanischen  Kunsteinflusses  zu  entdecken:  an  dem  Grab- 
denkmal des  grossen  Golcnkünigs  dürfen  deren  nur  sehr  sparHche  nachru- 
wcken  sein.  Eine  eigentümliche  Oroanientik  findet  sich  dagegen  an  den 
Schnallen,  Sc h muckse hcibcn  etc.,  die  m  den  Franken-  und  Atemann engräbem 
am  Rhein,  in  der  Schwein:  entdeckt  wurden  sind.  Diese  Zierstückc  sind  ge- 
wöhnlich aus  Ei-scn  geschmiedet;  in  die  FIftche  des  dunklen  Eisens  sind  die 
Ornamente  tief  eingeschnitten,  diese  Einschnitte  dann  mit  Silberdraht,  den 
man  fest  einhämmerte,  au^cfdllt  worden,  so  das  nun  das  Ornament  hdl  auf 
dunklem  Grunde  sichtbar  wird. 

Am  häufigsten  treffen  wir  das  <^maraent  des  Bandgeflechtes  au,  das  iu 
den  mannigfacluitcn  Vurschlinguugen  dargestellt  ist.  Walirscheinlich  hatte 
man  ursprünglich  farbige  Lederstreifen  zur  Zier  an  die  Wände  genagelt; 
die  Nagelköpfe  sind  in  den  Tauscblerarbeiien  der  Gräberfunde  durch  Punkte 
angedeutet,  in  den  Sleinomamenten  der  roinanisclien  Kuiust  aber  ganz  deut- 
lich mit  runden  oder  facettierten  Fonnen  zu  erkennen.  Am  Anfang  und 
Ende  solcher  Bandgefleclite  brachte  man  wohl  Tierköpfe  an,  fQlhc  leere 
Stellen  im  Ornament  dadurch,  dass  man  Tierklauen  aus  dem  Bandstreifeu 
hervori^'achsen  Hess,  und  so  gestaltete  sich  dies  Oniameut  noch  phantastischer, 
indem  märchenhafte  Schlangen  und  Ungetüme  sich  zu  \nel verschürzten  Knoten 
vereinigt  zu  haben  schienen  (v-gl.  Sophus  Müller,  Die  Tieromamentik  im 
Noriien,  übers,  v.  J.  Mcstorf.  Hamb.  iKKi  und  L.  Dietrichson.  Den  ttonk* 
tt-Qtskyaileierkmtdi.  Cliristiania  1878).  Diese  Form  des  Zierat,  die  sich  in 
den  fränkisch-alemamiischen  Grübeni  vorfindet  und  die  bis  in  die  christliche 
Periode  fortreicht,  ist  nun  weit  verbreitet ;  in  England  wird  sie  welfach  zur 
Ausschmückung  der  Stuinkruuze  (z.  B.  in  HawkswetI,  Penrith,  Bedall,  Walton 
!o  Yorkshiro  u.  s-  w.,  vgl.  Mackenzie  E.  C  Walcott,  Soned  Arthatalogy. 
Lond.  1868,  S.  igs),  ver\iendet,  in  Iriand  ist  sie  z.  B.  noch  iJi  Sarkophag 
des  Cormac  Mac  Carthy  (t  11 38)  zu  Cassel  (abgeb.  C.  Fr.  Kugler,  Gtsck.  d. 
Bauiumt  II,    2f>4),   ru  bemerken;   auch  die  irischen   Minialuren,  die  in  Sl 


Altgerm AKiscHE  Kunst.    Einführung  der  rOuischsk. 


533 


Gallen  und  an  anderen  Orten  DeuLsrhIands  von  irischen  München  attsgefQhrt 
wurden,  zeigen  alle  mehr  oder  minder  modifiziert  dies  charakteristische  Oma- 
mcait.  In  Dänemark  sind  dieselben  Formen  nachzuweisen,  endlich  erscheinen 
sie  hoclientwickett  nur  bei  monumentalen  Bauten  verwendet  an  den  norwe- 
j;i$chen  Holzliirchen  (vgl.  L.  Dietrichsou.  die  uordtscticn  Stabbirchcu.  —  BeiUn 
i8q5);  walirsdieinlich  hat  neben  dieser  den  kirchlichen  Zwei'ken  gewidmeten 
Baukunst  auch  ehedem  eine  Prorankunst  bestanden,  sind  auch  Wohnhäuser 
in  ühnlichcr  Weise  ausj^esflimOckt  worden.  Diese  Ornamente  und  verM-andte 
Motive,  denen  u-ir  bei  den  romanisirhen  Bauten  des  elften  und  zwölften  Jahr- 
hunderts begegnen,  die  eJgentQmlichen  WUrfclkapilfilc,  die  Eckknollea  m 
den  Saulenbasen,  die  akulpierten  Saulenschflfte,  alle  diese  Formen  scheinen 
atif  das  Vorbild  einer  reich  entwickelten  Holzbaukunst  zurückzusehen,  bei 
deren  AusschmQckung  die  Schnitzerei  wie  die  Farbe  Verwendung  fand. 
In  dieser  Weise  müssen  wir  uns  den  Palast  des  Attila,  den  Priscus  (hrg.  v. 
Niebuhr.  Bonn  182g),  schildert,  vorstellen,  ebenso  wie  die  Halle  Heorot, 
welche  im  Beowulfliede  beschrieben  wird  (Montz  He^-ne.  die  Halle  Jfmrot 
etc.,  Paderborn  I**Ö4);  reicher  mit  geschnitzten  Figurendarsteilungen  geziert 
ist  die  Halle  des  Olaf  Pa,  die  in  der  I-^axdaelasage  Erwähnung  findet.  (Finn 
Magnusen,  de  imaginibtis  in  Aede  Olai  Piwonis  in  Ijtxdaela  mfmomtts.)  Sehr 
walirscheinlich  ist  es  nun,  dass  die  Slaven  diese  Kunstform  von  den  Deutschen 
annahmen;  der  Tempel  zu  Rethra,  den  Thietmar  von  Merseburg  bespricht. 
der  zu  Stettin,  weicher  von  den  Biographen  des  Missionars  Bischofs  Otto 
von  Bambeig  geschildert  wird,  der  von  Arcona  endlich,  dessen  Beschreibung 
ftir  Saxo  Granunaticus  verdanken  (vgl.  die  zusammengestellten  Citate  in 
Schnaase's  Gesch.  d.  bild.  Küiisle  *  III.  ,^10  Anin.  i).  sind  augcnscheinlidi 
ganz  in  der  Art  jener  alten  Hallen  erbaut  und  dekoriert  gewesen. 

Die  C'berrestc  jener  altgermanischen  Holzbaukunst  sind  sehr  gering;  man 
sollte  indessen  doch  dieselben  s;inmieln;  durch  Hinzunahme  der  in  der  roma- 
nischen Ornamentik  nachweisbaren  nicht  rüml-ichen  Formen  würde  es  wohl 
möglich  sein,  unsere  Kenntnis  über  die  Anfange  nnserer  heimatlichen  Kunst 
zu  mehren  und  zu  vertiefen. 

Dieser  heimischen  Kunstfnrra  trat  nun  nach  Einführung  des  Christentums 
die  römische  gegenüber,  die  bei  der  Erbauung  vun  Kirchen  ausschliesslich  in 
Gebrauch  war.  Vor  dem  achten  Jahrhundert  sind  kaum  Reste  von  Bau- 
denkmalen crhahcn;  zu  den  ältesten  Proben  gehört  die  bekannte  Vorhalle 
der  Kirche  zu  L<^rsch,  deren  Fnnnen  einen  strengen  Anschluss  an  antike 
Vorbilder  nicht  verkennen  lassen.  Ebenso  ist  das  von  Karl  dem  Grossen 
errichtete  Monster  von  Aachen  nach  byzantinischem  Muster,  vermittelt  durch 
die  Kirche  St  Vitale  zw  Ravc-nna,  konstruiert,  eine  Grabeakirche,  wahrschein- 
lich zur  Aufnahme  von  Karls  Grabmal  bestimmt.  Das  Aachener  Münster, 
ein  Achtecksbau,  bedeckt  von  einer  Kuppel,  mit  einem  scchzehneckigeii 
Umgang,  wurde  \ielfach  selbst  n«xh  in  späterer  Zeit  nachgeahmt  (Schnaasc 
a.  a.  O.  lU  525};  sowohl  in  den  aus  der  Ottoncnzeit  herrülircndeii  Bauteilen 
des  Münsters  zu  Essen  als  auch  in  der  Kirche  zu  Oitmariheim  im  Elsass 
sind  Anklänge  an  das  Aachener  Münster  unschwer  zu  erkennen.  Aus  der 
Zeit  Karls  des  Grossen  dürften  dann  noch  die  schlichten  Basilikenanlagcn  zu 
Seüg^stadt  und  Michelstadt  herrühren.  Von  den  grossartigen  Profanhauten 
Karis  des  Grossen  ist  nichts  melir  übrig;  der  Aachener  Palast,  den  AngUbert 
und  der  Monachus  Sangallensis  beschreiben,  wurde  von  den  plündernden 
Normannen  zerstört  (Franz  von  Reber,  die  Paläste  von  Ravenna  und  Aachen. 
München  1S95);  von  dem  Ingelhcimer  Schlossbau  sind  wenigstens  einige 
Kapitelle  im  Dom  und  im  Museum  zu  Mainz,  eine  Säule  im  Sdilosshofe  zu 


53-1 


XIII.  Kunst,     i.  Bildende  Kunst. 


Heidelberg  erhalten.     Klar  tritt  In   dei  Karoliugisdicu  Kunst  das  Bcstrcbca^ 
hervor,  im  Geiste  und  mit  der  Formenspnichc  der  Römer  zu  bauen;  weisea 
auch  die  Zieraten  der  Kapitelle  etc.   nur  ungeschickte  Nachbildungen  unge* 
übter  Steinmetzen  auf,  die  antiken  Vorbilder  sind  doch  nicht   zu  verkennen. 

Auch  die  Gemälde,  mit  denen  diese  Paläste  einst  geziert  waren,  sind  ver- 
sch»-undcn.  Nach  Paulus  Diaconus  hatte  die  Longobardcnkönigin  Theode- 
limla  in  ihrem  Palaste  zu  Monza  Darstellungen  aus  der  Geschichte  ihres 
Volkes  nmlori  lassen;  umfangreiche  Wandgemälde  bedeckten  die  Wände  dcÄ 
Palastes  zu  Ingelheim.  Wie  wir  aus  dem  Gedichte  des  Ermoldus  Nigdlus 
erfahren,  waren  die  Hcldenthaten  des  Altertums  aber  auch  die  »Gesta  patema« 
die  Geschichte  der  frankischen  Ffirsien,  die  Grossthaten  derselben,  vorgeführt, 
wie  noch  Heinrich  I.  im  Palaste  zu  Merseburg  ein  Gemälde  zum  Auderdten 
seines  Sieges  Über  die  Ungarn  ausführen  liess.  Der  Verlust  dieser  und  ähn- 
hcher  Malereien  ist  sehr  zu  beklagen;  die  erhaltenen  Reste  von  Darstellungen 
aus  dem  christlichen  Kreise  können  uns  keineswegs  entschädigen,  da  ia 
ihnen  das  volkstümliche  Element  so  gut  wie  gar  nicht  zu  Geltung  kommt, 
es  sich  meist  nur  um  mehr  oder  weniger  verfelille  Nachbildungen  spatrümi- 
scher  Vorbilder  handelt.  Aber  auch  die  Wandmalereien,  die  in  jener  Zeit 
xahlreich  in  Kirchen  und  Kk^stem  ausgeführt  wurden,  sind  zu  Grunde  ge- 
gangen und  allem  die  Miniaturen,  mit  denen  Pra<:hthandsehriften  wie  Evan- 
geliarien, Psalterien  und  Gebetbücher  aller  Art  ausgestattet  wurden,  geben 
uns  eine  Vorstellung  von  dem  Stande  der  Malerei  in  der  Zeit  Karls  des 
Cnösen  (vgl.  Franz  Leitsrhuh,  die  karolingische  Malerei).  In  der  Orna- 
mentik der  Miniatunnalerei  gewinnt  jetzt  die  Verwendung  der  Pflanzen  formen, 
die  durch  Nachaliniung  römischer  Vorbilder  üblich  werden,  an  Bedeutung. 
Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  da  das  Evangehstariima  von  Godescalc 
781  vollendet,  frilher  in  S.  Satumin  zu  Toulouse,  jetzt  in  der  Bibliotheque 
Nationale  zu  Paris,  die  AIcuinsbibel  in  Bamberg,  die  Bibel  Karls  des  Kahlen 
in  der  Pariser  Bibliothek  und  ein  Evangcüar  aus  S.  Emmcram  in  Kegensburg, 
jetzt  in  der  Mümbener  Hof-  und  Staatsbibliothek,  endlich  die  Bibel  in  S. 
Calisto  zu  Rom,  für  Karl  den  Kahlen  oder  wie  Rahn  annimmt  für  Karl  den 
Dicken,  ausgeführt.  (Vgl.  die  Trirrer  Ada-Ih.  hgg.  v.  K.  Menzel,  P.  Corssen, 
H.  Janitschek,  A.  ScluiÜtgen,  F.  Hettner.  K.  Lamprechl,  Leipz.   1889). 

Die  Figurendarslellungen  sind  meist  steif  unil  leblos,  ungesckicktc  Nach- 
atunungcn  lüngst  vorhandener  Muster,  dagegen  sind  die  Zieraten  der  grossen 
einen  Abschnitt  des  Buches  eröffnenden  Anfangsbuchstaben,  der  literae 
initiales,  meist  mit  vielem  Geschmack  und  zwar  in  der  Art  der  schon  ge- 
schilderten Band  verschlingungen  des  alten  Stiles,  verbunden  mit  der  neu  hin- 
zutretenden Pflnn/enomamentik  ausgeführt,  glücklich  in  der  Farbenzusammen- 
stcllung,  die  durch  die  Anwendung  von  polierten  Goldpia  liehen  noch  einen 
eigenen  Reiz  crlWtlt.  Die  vorzüglich  gelungene  Ausgabe  des  Ihalttrium  aurtum 
von  S.  Gallen  durch  R.  Rahn  veranstaltet  (St  Gallen  1878),  kann  eine  Vor- 
stellung von  der  Wirkung  dieser  Initialen  vermitteln. 

Wahrend  es  bei  den  Miniaturen  oft  möglich  ist,  Herkunft  und  Ent- 
slehungszeii  wenigstens  annähernd  zu  bestimmen,  ist  dies  bei  den  wenigen 
erhaltenen  Skulipturen  meist  ganz  unrnf^glich,  ja  ^^'ir  können  wohl  nur  das 
eine  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass  die  Elfenbeinschnitzwerkc,  welche 
uns  in  Ermangelung  grösserer  plastischer  Monumente,  die  Enrwickitmg 
der  Plastik  Im  ersten  Jahrtausend  unserer  Zeilrechnung  aufweisen,  wenige 
Ausnahmen  abgerechnet,  nicht  in  Deutschland,  sondern  in  Italien  angefert^t 
worden  sind.  Nur  ein  solches  Schnitzwerk,  die  Einbandtafcln  des  Evangelium 
longum  in   der  S.  Gallenser  Bibliotliek  ist  —  ob   zum  Teil   oder  ganz,  du 


I 


wullen  wir  hier  unctörtert  lassen  —  von  Tuotilo,  dem  kunstreichen  MGnch 
von  S.  Gallen  (t  nach  915),  ausgt^nhrt  worden.  Ich  habe  das  interessante 
Leben  dieses  KOnstmönches  im  ersten  Bande  von  Dohmcs  Kunst  und  Künstler 
geschildert  und  diirauf  hingewiesen,  wie  in  denDarstdIungrn  aus  dem  I^hen  des 
11  Gallus  sfhon  eine  gewisse  Frische  der  Naturbenbachtung  nicht  7,u  verkennen  ist. 

Noch  weniger  Denkmäler  ältester  Kuiu-tübung  sind  iu  England  erhalten; 
6ic  sind  wohl  zum  gössen  Teile  wahrend  der  Kriege  des  15.  Jahrhs.  und  in 
den  Religionskampfen  des  lö.  und  17.  Jahrhs.  zu  Grurde  gegangen. 

Als  aucli  in  England  das  Bedürfnis  erwuclu»,  statt  der  bisherigen  Holz- 
bauten steinerae  Kirchen  u.  s.  w.  zu  errichten,  fanden  sie  im  Lande  keine 
Arbeiter  vor,  die  dieser  Aufgabe  gewachsen  waren,  sie  mussten  ^tau^er  aus 
Krankreich  kommen  la-ssen  (vgl.  Schnaase  a.  a.  O.  525),  die  nun  zugleich 
auch  die  rOinisdien  Bauformen,  welche  in  Frankreich  unter  den  Meruwingem 
nur  in  unges*:hickterer  Ausführung  noch  immer  die  herrschenden  waren,  nach 
England  übertrugen,  dort  juxta  Romanorum  morem  bauten.  Als  Beispiel  der 
Bauform  kntm  der  Tliunn  zu  Karls  Barton  in  Nortliamptonshirc  dienen  (vgl. 
Schnaase  a.  a.  O.  57'>  und  Kugler,  Cesrh.  d.   Baukunst  II,  2.^yff.). 

Von  äJtCTen  Skulpturen  ist,  so  viel  mir  bekannt,  In  England  nichts  erhalten, 
dagegen  finden  sich  in  den  englischen  Bibliotheken  noch  zahlreiche  Proben 
angelsächsischer  Miniaturmalerei  vor.  Woltmann  hat  in  seiner  Gcschichtt 
der  AiaUrei  (I,  2O7)  die  wichtigsten  Bilderhantlschriften  aufgezahlt  und  be- 
schrieben, und  eine  Probe  aus  dem  Renedictionale  des  h.  Aelhelwuld,  Bischofs 
von  Winchester,  geschrieben  von  Godemannus  vor  Q70,  milgetcilL  Dies  inter- 
essante Manuskript  befindet  sich  jetzt  in  der  Bibliothek  des  Herzogs  von 
Devonshire  zu  Chatsworth.  Das  Ornament  erinnert  bin  und  wieder  aji  das 
irischer  Manuskripte;  die  Figuren  sind  entweder  im  Geiste  der  festlandischen 
Kunst  entworfen  oder  mehr  »skizzenhaft  ungeschickt,  aber  mit  lel»endiger 
Bewegung  gezeichnet. 

Im  al^emeineu  blieben  die  Grundsätze  der  karoUnlschcn  Baukunst,  das8 
die  römische  Kunst  das  mustergihigc  Vorbild  für  die  Gestaltung  der  archi- 
tektonischen Details  biete,  auch  für  die  nüchstfulgende  Zeit  in  Gülü'gkcit; 
die  Kapitelle  in  der  Kr^-pta  der  \Vi|icrtikirclie  zu  Quedlinburg  (erbaut  etwa 
unter  K'jnig  Heinrich  I.)  verraten  klar,  dass  dem  Steinmetzen  die  Form  des 
ionischen  voRchwebtc;  besser  dem  korintliischun  Muster  nachgebildet  sind 
die  Kapitelle  von  der  Vorhalle  zu  Corvey  und  die  der  Barth otom 3 uska pelle 
2U  Paderborn,  Bauten  aus  dem  11.  Jaiirh.  Allein  das  eiruige  Vorbild  bot 
die  römUchc  Arciiittiktur  denn  d*)ch  nicht;  waren  nidit  Denkmäler  römischer 
Baukunst  in  der  Nahe,  so  dass  sie  der  Architekt,  der  Steinmetz  gründlich 
zu  studieren  vermochte,  so  wird  zunächst  die  Nachbildung  eine  nur  im  all- 
gemeinen zutreffende;  wo  das  Gedächtnis  den  Arbeiter  im  Stiche  lasst,  hält 
er  sich  ungefähr  au  das  Schema,  z.  B.  des  korinthischen  Kapitells^  setzt 
aber  stair  der  Akanihusblatter  erfundenes  Blattwerk,  oder  entnimmt  der  üim 
«uganglichen  Pflanzenwelt  die  Formen,  durch  die  er  die  üim  fremden 
Akanthu.somamente  ersetzt  Solche  Versuche  treffen  wir  schon  in  der  Stifts- 
kirche zu  Gemrode,  gegründet  vom  Markgrafen  Gero  ohi.  C>der  man  ver- 
sucht die  fremdartige  Kapilellsf<)rm  durdi  Nachbildung  von  Gestaltungen 
der  allheimischen  Holzbaukunde  zu  ersetzen;  das  sogenannte  Würfelkapilell 
und  veru'andte  Formen  treten  schon  neben  antikisierenden  S^ulenknaufcn  in 
der  Krj'pta  der  Wipcrtika pelle  zu  Quedlinburg  auf,  noch  deutlicher  in  der 
Krypta  der  Schlosskirche,  wo  neben  zieinlich  streng  gebildeten  korinthisclien 
Kapitdlen,  solche  mit  BandvetscliUngiingen,  mit  Sdilangen  und  Fmtzenwcrk 
^dekorierte  uns  begegnen. 


536 


Xin.  KuxsT.     r.  Bildende  Kunst. 


Die  AiisgestdUuiig  der  Kirt:hcnbauktinst,  so  weit  dies  die  Gesaratwirkung, 
die  Disposilioii  des  Grundrisses  u.  s.  v.  betrifft,  enwickclte  sich  unabh.1ngig 
vrm  den  soeben  geschiWcrteti  Erscheinungen,  in  der  Omaincntik  scheu  wir 
aber  bis  ins  ii.  Jahrh.  hinein  xwei,  oder  wenn  man  will  drei  verschiedene 
Elemente  auftreten ,  die  allniahlicli  sich  wieder  zu  einem  harmonischen 
Ganzen  vereinen:  die  Formcngcbung  der  römischen  Baukimst,  die  Vorbilder 
einer  altheimischen  Holzarchitektur,  endlich  die  Nachahmung  von  Pflanzen, 
Tieren  u.  s.  w.,  die  der  Künstler  in  seiner  nächsten  Urugcbuiig  aiitraf  und 
aus  denen  er  neue  Gestaltungen  zu  bilden  sich  bemühte,  Auf  die  Omamenirk 
allein  stützt  sich  also  die  Begründung  des  Namens  romanisdic  Kuust;  sie  ist 
in  ähnlicher  Weise  entstanden,  wie  die  romanischen  Sprachen.  Auch  hier 
bildet  die  Grundlage  die  römische  Kunst,  deren  Formen  vergri""bert  und  ver- 
schliffen  werden,  und  mit  dieser  verbindet  sich  dann  ein  germanisches  Ele- 
ment, wahrend  die  naluralistische  Beimischung  zunächst  noch  gering  erscheint. 
aber  mehr  und  mehr  an  Btxlculung  gcv*innt  und  endlich,  jcducli  immer  uocli 
stilisiert,  in  der  sogen,  gotischen  Kunst  die  beiden  anderen  Elemente  gänz- 
lich in  den  Hintergnuid  drangt  Die  Bauforai  der  Kirche  im  allgemeinen 
ist  wie  die  Kirche  selbst  dagegen  international;  nur  in  Rinzetnheiten,  vor 
allem  in  der  Omamenlik  prSgl  sich  nationale  Eigenart  aus,  weim  dieselbe 
auch  nicht  an  die  politischen  Grenzen  gebunden  ist,  oft  dieselben  Überschreitet 

Die  Kunst  steht  fast  ausschliesslich  im  Dienste  der  Kirche,  Privatbauten 
sind  selten  mit  einem  grösseren  Aufwand  von  künstlerischem  Zierrat  ausgc- 
fillirt  worden.  Die  Künstler  sind  denn  auch,  wenigstens  in  den  Tandem,  in 
denen  das  Christentum  neu  eingeführt  wurde  und  nodi  kein  entwickeltes 
Kulturleben  VH->rfanri,  immer  zunächst  die  Geistlichen,  Mönche  wie  Wch- 
priester;  sie  bauen,  meisseln,  malen,  sind  in  allen  Fächern  der  Kleinkuiut- 
technik  geübt  und  erfahren.  Das  ist  für  die  älteste  Zeit  zutreffend,  gilt  aber 
nicht  für  die  folgenden  Jahrhunderte.  Kunstübende  Mönche  und  Wcltpricstcr 
hat  es  ja  auch  da  gegeben,  allein  in  der  Kegel  waren  die  Geistlichen  nur  so 
weit  in  der  Kunst  gebildet,  dass  sie  die  Ausführung  eines  Kunstwerkes  an- 
geben und  aachverstflndig  überwachen  kormten.  Die  Arbeil  selbst  blieb 
weltlichen  Werkmeistern  überlassen. 

Wir  rechnen  die  Dauer  des  romanischen  Stiles  in  Deutschland  bis  etwa 
um  die  Mitte  des  13.  Jahrhs.  Von  her^'orragenden  Bauten  sind  zu  erwähnen 
aus  dem  ri.  Jahrh.  der  alte  Teil  der  Michaeliskirdie  zu  Hildesheim,  erbaut 
vom  Bischof  Beraward  {f  1022),  die  Kirche  St.  Maria  im  Capitolio  zu  Ki>ln, 
geweiht  1049;  aus  dem  12.  Jahrh.  die  Dome  zu  Mainz,  Speyer  (gegründet 
1030).  Wanns  (geweiht  Ii8.^),  die  Klustcrkirchc  zu  Laach  (geweiht  1156K 
das  Münster  zu  Bonn,  die  Klosterkirche  zu  Paulinzelle,  die  Liebfrauenkirche 
zu  Hatberstadt.  Aus  der  zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  rührt  her  die 
Doppeikapellc  zu  Schwarzrheindorf  gegenüber  von  Bonn,  die  in  Landsberg  in 
Sachsen,  der  Chor  der  Gereonskirche  xu  Köln,  der  Bau  der  ApnsteJkircho, 
der  Kirche  Gross-St.  Martin  zu  Köln  und  zalilrciche  andere  Bauwerke. 

V(»n  Monumenten  des  13.  Jahrlis.  seien  erwälint  die  Quirinskirche  xa 
Neuss  (1.2OQ  begunnen).  die  Kli:>sterkirche  zu  Heisterbacli  im  Siebengebirge, 
12 10 — 33  erbaut,  von  der  wenigstens  der  Chorichluss  noch  erhalten  ist,  der 
Dom  zu  Limburg  an  der  Lahn  (geweiht  1235),  die  Pfarrkirche  zu  Gelnhausen, 
der  Dom  zu  Bamberg  (OstteiJ  gc\k-eiht  1237)  und  der  Dom  zu  Naumbuij; 
an  der  Saale  (geweiht  1247). 

Von  Privalarchitekturen  finden  wir  aus  dem  li.  und  13.  Jahrh.  Bewpielc 
von  Häusern  in  Trier,  zu  Ki^ln,    zu  R^ensburg,   dann  die  Kaiscrburgun  zu 


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<jdnhausen.  Wimpfen,  Eger,  die  Wartburg,  die  Burgen  zu  MOnzenberig  UDd 
zu  Seligen  Stadt  und  viele  andere. 

In  England  fallt  die  Neugestaltung  der  Baukunst  mit  der  Erorbenini;  durch 
■die  Normannen  (io'j'j)  zusammen.  Zu  den  früliesten  erhaltenen  Dcnkinflleni 
gehören  die  Reste  des  Klosters  von  Sl.  Albans  und  der  sog.  weisse  Turm 
im  Tower  zu  Londim.  die  Kathedrale  zu  Winchester  (Kreuzschiff  1079 — Q3), 
<ler  Chor  der  Kathedtale  zu  Norwich  (1096 — iioi),  die  Krt'pta  und  der 
Oior  zu  Gloucester  (1088 — 1100).  Dem  12.  Jahrh.  gehören  an  Bauteile  der 
Kathedralen  zu  Peterborough,  zu  Ely.  zu  Cliichester,  zu  Rocheater  (geweiht 
1130},  zu  Worcester.  Bei  dem  Bau  der  Kathedrale  zu  Canterburj-,  nach  dem 
Brande  1 174,  erscheint  ein  fninzösischer  Meister  Wilhelm  von  Scns,  der  die 
Formen  französischer  Frühgotik  der  all  hergebrachten  romanischen  Forraen- 
gebuiig  beimischt.  Und  so  wird  in  Kitgland  früher  als  in  DeuLichland,  der 
Kinfluss  französischer  Kunstfumien  b(-nifrkb;ir,  eine  TliatÄache,  die  ja  auch 
bei  dem  innigen  Verkehr  beider  Länder  ganz  naturlidi  war.  Ober  die 
Privalbauten  Englands  vgl.  T.  Hudson  Turner,  Some  account  of  äomestic 
Jinkilature  in  En^iaud  /r»m  thc  conquut  to  the  end  0/  Ihe  thirtecntk  cenittrv 
^Oxford  1851). 

Unter  den  plastischen  Werken  des  n.Jahrhs.  ragen  in  Deutsrliland  ganz 
besonders  liervur  die  Erzgussarbeiten,  die  auf  Anregung  des  Bischofs  Bem- 
ward  von  Hildesheim  (f  iozi\  ausgeführt  wurden,  die  Bronzethürflügel  und 
<Iic  eherne  Sflule,  beide  ursprünglich  für  die  Su  Michaelskirche  bestimmt, 
jetzt  ztuu  Dome  zu  Hitdesheim  gehörig.  Vor  allem  interessant  erscheinen 
die  Reliefs  an  der  ThOr,  Scenen  aus  der  Schi'ipfungs-  und  I'assionsgeschichte, 
in  denen  in  bewegten  lebensvollen  Kumiwsitionen  mit  lierzlich  stümperhaft 
entworfenen  Figuren  die  biblischen  Geschichten  vorgeführt  werden.  Von 
■einer  Kenntnis  der  Gesetze  des  Keliefstilt^s  ist  bei  diesem  Bildhauer  garnicht 
die  Rede,  wohl  aber  kennt  dieselben  sehr  genau  der  Künstler,  welcher  die 
Modelle  zu  den  Er/tliüien  des  Augsburger  Domes  entwarf,  einem  Werke, 
<l3s  nicht  lange  nach  den  Hil<lesheimer  Arbeiten  entstanden  sein  muss.  Bei 
diesem  merkwürdigen  KunstWL-rke  ist  die  Nacliahmung  antiker  Vorbilder  mehr 
als  wahrscheinlich,  jedenfalls  hat  der  Künstler  römische  Monumente  strengen 
Stiles  gekannt,  wenn  er  diese  Kenntnis  vielleicht  auch  nur  dem  Studium  ge- 
schnittener Steine  verdankt,  ist  der  Hildesbeimer  Meister  durch  die  Frische 
■der  Komposition  ausgezeichnet,  so  tritt  uns  hier  schon  eine  relative  Korrekt- 
heil  der  Form  entgegen,  die  auf  dura  Studium  antiker  Kunstdenkmale  l>erulit. 
Die  Elfejibeinschnitzereien  an  der  I'rachtkanzel  des  Aachener  Münsters,  die 
unter  Heinrich  II.  entstanden  sein  sollen,  stehen  ui  Beziehung  auf  Formge- 
schick noch  über  der  Augsburger  Broiizetbür  und  zeigen  uuvcrkcimbar  die 
Nachahmung  römischer  Vorbilder,  es  ist  aber  sehr  fraglich,  ob  diese  Arbeiten 
in  Deutschland  entstanden  sind  oder  nb  man  sie  als  deutsche  Kunstdenk- 
mdler  bezeichnen  darf.  Die  Grabplatte  des  Gegenkiinigs  Rudolf  von  Schtt-a- 
ben  (t  1080)  un  Dome  zu  Merseburg  z«gt  noch  von  grosser  Befangenlicit 
tmd  künstlerischer  Schwache.  So  ist  der  Fortschritt,  den  wir  bei  der 
Betrachtmig  des  ehernen  Taufbeckeas  in  der  Barth oloraäikirche  zu  Lüttich 
bemerken,  ein  ganz  gewaltiger.  Dies  Werk  vo\i  um  11 12  von  einem  gewissCD 
Lambert  Patraa  von  Dinant  gegossen  sein.  Hier  ist  schon  die  lebendige 
Komposition  mit  einer  angemessenen  Formenschünhcit  vereint.  Weniger 
Vann  man  dteä  von  dem  grossen  Relief  an  den  Exlemsteiucn  beliaupteu. 
D^pegen  lernen  u-ir  in  dem  grossen  mächtigen  Relief  am  Neuthor  zu  Trier 
«inen  sehr  bedeutenden  Künsüer  kennen,  der  wohl  in  Kleinigkeiten,  wie  in 
der  Anordnung  des  Gewandes  noch  einige  Befangenheit  zeigt,   seine  Ideal- 


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XIII.  Kunst.     1.  Bildende  Kunst. 


gestalten  aber  trefflich  zur  Darstellung  zu  bringen  weiss.  Sicher  hat  der  Trierer 
MciätLT  Denkmäler  rumischi.'r  Plastik,  die  ja  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in 
Trier  und  Umgebung  anzutreffen  waren,  studiert,  wie  ja  aurh  die  Erhebung 
der  frjmzösischen  Plastik  des  zwiil/ien  Jahrhunderts  auf  dem  Studium  der 
römischen  Bildwerke  der  Provence  beruhen.  So  hat  diesseits  der  Alpen 
eine  erfolgreiche  Förderung  der  Plastik  durch  das  Studium  der  römischen 
Denkmäler  schon  mehr  als  hundert  Jahre  früher  sich  vollzogen,  als  Nic- 
colo  Pisano  in  Italien  den  gleichen  Versuch  machte.  In  den  Stuckrelicfe 
der  Michaciskirchc  zu  Hildesheim  ist  die  unfreie  Art  der  Gewaiidbchand- 
lung  noch  wahrzunehmen;  in  den  ähnlichen  Arbeiten  der  IJebfrauenkirche 
zu  Halberstadt  ist  aber  jene  Befangcnlicit  schon  Übem-undai,  und  um 
den  Beginn  des  13,  Jahrhs.  finden  wir  bereits  den  Bildhauer  im  Vollbesitz 
der  techTiischen  und  künstlerischen  Vollkommenheit,  die  seit  dem  Verfall  der 
römischen  Kunst  man  vei^blich  gesucht.  Zu  gleicher  Zeit  ist  in  Frankreich 
ein  gewaltiger  AuTsdiwung  der  Bildhauerkunst  zu  gewahren;  wie  weit  derselbe 
auf  Deulsrliland  eingewirkt,  oder  ob  in  beiden  Landern  die  Kunst  sich  selbst* 
ständig  zur  höchsten  Vollkommenheit  entwickelt,  verdiente  wohl  eine  genauere 
Untersuchung. 

Der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhs.  gehören  die  plastischen  Bildwerke 
der  Kirche  zu  Wechselburg  zu,  die  alteren  Reliefs  an  der  Kanzel,  die 
Jüngeren  Rundfiguren  an  dem  Altar.  Hier  ist  bereits  das  Gefühl  für  Fonncn- 
schönheii  hfich  entwickelt ;  noch  mehr  offenbart  es  sich  an  den  herrlichen 
Skulpturen  der  goldenen  Pforte  am  Dome  zu  Freiberg  im  Erzgebirge.  Audi 
die  gro.'aen  Statuen  am  südlichen  Pönale  der  Ostseiie  vom  Dnme  zu  Bam- 
berg, die  vortrefflichen  Standbilder  im  Westchore  des  Domes  zu  Naiunbtu^ 
(circa   1270)  dürften  hier  zu  erwähnen  sein. 

So  hat  im  13.  Jahrh.  in  Deutschland  wie  in  Frankreich  die  Kunst  der 
Bildnerei  ganz  hervorragendes  geleistet,  bedeutenderes,  als  es  späteren  Jahr- 
hunderten zu  erreichen  beschieden  war.  Wenn  wir  aber  heute  in  die  zu 
jener  Zeit  geschaffenen  Bauten  hineintreten,  die  damals  enL-*tandenen  Denk- 
maler der  Plastik  betrachten,  so  müssen  wir  uns  immer  noch  eins  liiuzu- 
dcnken,  was  den  Monumenten  heute  in  den  meisten  Fallen  fehlt:  die  Farbe- 
Die  Architekturen  sind  im  Imicrn  immer,  vielleicht  S'jgiir  im  Äusseren  mit 
leuchtenden  Farben  bemalt  gewesen,  und  ebenso  hat  man  die  Bildwerke  natura- 
listisch gefärbt.  Nach  den  uns  erhaltenen  Resten  geschah  dies  aber  mit 
einem  so  ausgesuchten  Schön  hei  tsgcfühl,  dasa  diese  bemalten  Kunstwerke 
ganz  vorzüglich  wirken.  Das  Grabmal  der  h.  Aurelia  in  Sl  Emmexara  zu 
Regensburg.  allerdings  erst  aus  dem  14.  Jalirli.  herrührend,  zeigt  noch  Spuren 
der  alten  Polychroinie  und  kann  allenfalls  als  Beispiel  einer  bemalten  Skulptur 
angeführt  werden, 

Auch  in  England  tritt  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts,  unter  der 
R^erung  Heinrichs  HI.,  eine  Blütezeit  der  Plastik  ein.  Unter  französischem 
Einfluss  entstand  das  Denkmal  des  Königs  Johann  (t  I2ib)  in  der  Kathe- 
drale zu  Worcester.  Die  Figuren  der  GrabmSler  werden  lebendiger;  nicht 
mehr  wird  der  Tote  in  starrer  Rulie  auf  dem  Sarkophag  hingestreckt  darge- 
stellt, sondern  die  Beine  sind  wie  zum  Fortschreiten  gekreuzt,  die  Rechte 
fasst  den  Schwertgriff,  trotzig  imd  kampfbereit  schauen  sie  aus.  Im  Chore 
der  Westminslerkirche  zu  London  ist  eine  reiche  Auswahl  mittelalterlicher 
Denkmäler;  die  schönsten  sind  die  in  Bronze  gegossenen  Bildnisse  Heinrichs 
HL  (127^)  und  der  Königin  Eleonore  (I  Mc,o);  der  Künstler  hiess  Wilhelm 
Torel).  Zu  nennen  sind  dann  noch  die  Skulpturen  in  den  Kathedralen  <n. 
Welis  und  zu  Lincoln. 


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Was  nun  die  Entwicklung  der  Malerei  anbelangt,  so  gelangt  dieselbe  ja» 
Vit  bekannt,  spater  als  die  Architektur  und  Plastik  zur  hC'clislen  Blote.  Die 
deutsche  Miniaturmalerei  wird  unter  Oen  Ottonen  eifrig  gepflegt.  In  Paris 
(Bibl.  nat  lat.  H851)  »ird  eine  Pracht  Handschrift  bewahrt,  in  der  die  Bildnisse 
Heinrichs  L,  Ottus  I.  und  II.  gemalt  sind.  Ein  aus  Echtcrnach  stammcndcii 
EvaiigcHar,  jetzt  in  Gotha,  zeigt  auf  dem  getriebenen  Einband  die  i'ortraits 
Ottos  ni.  und  seiner  Mutter  Theupliano.  Besonders  l>emerkcnswert  erscheint 
aber  das  aus  Bamberg  nach  München  gebrachte  Evangeliar,  auf  dessen 
I>edikarionsbilde  wir  Kaiser  Otto  III.  (früher  nahm  man  an  Heinrich  II.) 
umgeben  von  äcincn  Hofbcanitcn,  dargcslellt  sehen,  wie  ihm  Roma,  Gallia, 
Germania  und  Sciavinia  ihre  Huldigungen  darbringen.  Andere  aus  Bamberg 
stammende  Evangcliaricn,  jetzt  in  München,  zeigen  das  Bildnis  Heinrichs  II. 
Ein  Evangelistarium  aus  Kchtemach.  jetzt  in  Bremen,  enilialt  die  Portraits 
Heinrich.s  III.  und  seiner  Mutter  Gisela-  Ein  Bild  Kaiser  Heinrichs  V.  findet 
sich  endlich  in  dem  Evangeliar  der  Krakauer  Bibliothek,  das  nach  Weltmanns 
Vorarbeiten  1887  von  M.  Thausing  tuid  K.  Ricger  in  den  Mitt.  der  K.  K. 
Centralcomm.  f.  Erf.  u.  Erh.  der  Kunst-  und  bist.  Denkm.  NF  XIII.  pubti- 
»ert  worden  ist.  Von  historisch  interessanten  Miniaturwerken  wQre  datm 
noch  zu  neimcn  das  für  Heinrich  den  Löwen  geschriebene  Evajigcliar,  im 
Besitze  des  Herzogs  von  Cumberland.  das  Psalterium  des  Landgrafen  Her- 
mann von  Thüringen  in  Stutlfiart,  das  für  denselben  Fürsten  gefertigte  Gebet- 
buch, jetzt  zu  CividaJe  im  Friaul. 

Wenn  auch  ein  Fortschritt  in  der  Zeichnung  und  Malerei  wahrend  des 
12.  Jahrhunderts  sich  nicht  leugnen  Iflsst,  so  bleiben  doch  die  Leistun- 
gen der  Malerei  erheblich  hinter  denen  der  Plastik  zurCick;  in  den  Dar- 
tteUungen  biblischer  Vorgänge  bildet  sich  ein  Schematismus  aus,  der  mit 
geringen  Abweichungen  immer  wiederholt  wird  und  der  Individualität 
des  Künsüers  kaum  sich  geltend  zu  machen  gestattet.  Freiere  Entfaltung 
ist  derselben  gewahrt,  wenn  die  darzustellenden  Vorgange  nicht  die  herge- 
brachten sind,  wenn  die  Plianlasic  des  Künstlers  auch  schöpferisch  thälig 
»ein  kann;  dies  ist  z.  B.  der  Fall  bei  den  trefflichen  Miniaturen,  mit  <!e-ncn 
Herrad  von  Landsberg,  Äbtissin  des  Klosters  Hohenburg  im  Elsass,  circa 
115g — 75  ihr  Werk  den  Hortus  deliciarum  ausstattete,  ein  Kunstdenkraal, 
das  bekanntlich  bei  der  Belagerung  von  Strassburg  1870  zu  Grunde  ging. 
Ahnlich  ungebunden  ist  die  Darstellung  in  den  beiden  der  Berliner  Bibliothek 
angehörigcn  Mlniaturhandschriften,  dem  het  von  der  Maget  des  Wemher  von 
Tegemsee,  der  Eneit  des  Heinrich  von  Veldecke. 

Die  Volkskunst,  wemi  ich  so  sagen  darf,  ist  freier,  lebendiger,  anschau- 
licher; die  kirchliche  Kunst  verfügt  über  grössere  ForTnge:*"andthcit,  die  auf 
der  imimterbrochenen  Tradition  begründet  ist.  Durch  die  Vereinigung  beider 
Kunstströmungen  »ird  die  Malerei  zur  hiVhstcn  Vollkommenheit  gefördert. 

Grosse  monumentale  Wandmalereien  sind  erst  aus  dem  Ende  des  hier 
2U  behandelnden  Zeitabschnitt*^  erhalten.  Die  in  der  Vorhalle  der  Georgs- 
kirche zu  Oberzcll  auf  der  Insel  Reicheiiau  vorhandenen  Gemälde  gehören 
wohl  n«ich  dem  Ausgange  des  1 1.  oder  dem  Anfange  des  12.  Jahrhs.  an,  zeigen 
aber  auch  deutlich,  wie  sehr  sie  den  gleichzeitigen  Skulpturen  nachstehen.  Inter- 
essanter und  forraenschflner  sind  die  Malereien  in  der  Unterldrchc  zu  Schwarz- 
rheindorf bei  Bonn  (Mitte  des  12.  Jahrhs.),  die  um  dreissig  bis  vierzig  Jahre 
jflBgeren  in  dem  Kapitelsaal  zu  Brauweiler  bei  Köln,  die  noch  spateren 
Gemälde  im  Nonnenchore  des  Domes  zu  Gurk  in  KSmthen  und  viele  an- 
dere. Es  ist  zimial  bei  den  Schöpfungen  des  13.  Jahrhs.  ein  entschiedenes 
Streben  nach  ruhigen  voniehmsdiünen  Formen  zu  beobachten;  die  Gesichter 


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XIII.  KtwsT.     1.  Rii.DEXDE  Kunst. 


sind  oft  unrkliili  edel  und  sclifm  gebildet,  allein  dieselben  mit  dem  rechten 
Leben  zu  erfüllen,  die  Gemftlsbewegungen,  die  Leideiisihaflcn  auszudrücken, 
dazu  reicht  die  Kunst  der  Maler  dieser  Epoche  nicht  aus.  Wo  eine  drama- 
tische Handlung  dargestcltl  werden  sull,  wie  dies  beispielsweise  bei  den  so 
arg  verdorbenen  WandgemSlder  des  Domes  zu  Braunschweig  der  Fall  ist, 
zeigt  sich  diese  Unzulanpüchkeit  ganz  unverholen. 

Als  merkft-flrdiges  Beispiel  einer  gemallen  Hnizdccku  dürfte  die  der 
Michael iskirc he  zu  Hildesheim.  Ende  des  12.  Jahrhs.,  zu  erwflhnrn  sein. 

Von  Staffcleigemalden  ist  Iiervürzulteben  ein  Altnrwerk  aus  der  Wiesen- 
kirchc  zu  Soest,  jetzt  im  Berliner  Museum  (13.  Jahrb.);  von  Gla.snialcreien  die 
deji  Dumes  zu  Augsburg  (um  1065).  die  im  Strassburger  Münster  aus  dem 
Anfange  des  13,.  Jabrhs.,  die  im  Kloster  Heiligenkreuz  in  Österreich. 

Auch  in  den  figiidichcn  Darsieüiingen  der  Tcppichstickerei  und  Wirkerei 
zeigt  sich  die  Kunst  der  daniaUgeii  Mater;  es  sei  besonders  auf  die  inter- 
essanten Teppiche  zu  Quedlinburg  (1200)  hingewiesen. 

Die  Eniailteclinik,  die  Kunst  mit  Schraclzfarben  auf  gravierte  Metallplatten 
eine  Ail  von  Büdem  herzuslcllen,  wnirde  mit  Erft-Ig  in  Kr^ln  und  in  Lothringcu 
gepflegt.  Eins  der  schönsten  Denkmäler  ist  der  Alfiraufsatz  im  Stifte  Kloster- 
ncuburg,  1181  von  Nicolaus  von  Vcrdun  gefertigt  Aus  der  Zeit  Kaiser 
Friedrichs  I.  stammen  die  ReÜquiensrhreine  Karls  des  Grossen  zu  Aachen, 
der  der  h.  Drei  Könige  iiii  Dome  zu  Köln,  Werke,  die  zugleich  Zeugnis  für 
die  Leistungsfähigkeit  der  deutsclien  Goldsclimicdekunst  ablegen.  Die  Tüch- 
tigkeit der  deuischen  Meister  wird  bestätigt  durch  die  mit  Nielltrflarstellungen 
verzierte  Lichterkrone  im  Münster  zu  Aachen,  eine  Stiftung  Kaiser  Friedriclis  I. 
{S.  E.  aas'm  Weenh,  VS'andma!.  d.  MA.  im  Rheinlande.) 

Von  den  Siteren  W'andmalereien  Englands  erfahren  wir  nur  aus  gelegent- 
lichen Äusserungen  der  CluL>nislen;  so  liat  Heinrich  I.  (t  1135)  das  Zimmer 
seiner  Geimihlin  itn  Schlosse  zu  Nottingham  mit  der  Darstellung  der  Thaten 
Alexanders  des  Grossen  ausmalen  lassen;  die  Deckengemälde  im  Dome  zu 
Cantcrbur)-  werden  gerühmt:  allein  kein  Überrest  gestattet  uns  heute  über 
den  Wert  dieser  Kunstleistungen  ein  Urteil  zu  fällen.  Ebenso  wissen  u-ir 
aus  den  erhaltenen  Rechnungen,  dass  unter  Köin'g  Heinricli  III.  in  Kirchen 
und  Schli"»aseni  viel  gemalt  wurde;  wir  kennen  sogar  die  Namen  einiger  der 
vom  Kftnig  beschllfligien  Künstler,  z.  B.  den  Meister  Wilhelm  von  Florenz, 
indessen  von  den  damals  ausgeführten  Arbeiten  ist  so  gut  wie  nichts  erhalten, 
da  die  Malereien  der  l'ainted  Chamber  im  I'alaste  zu  Westtninstcr,  die  iSoo 
aufgefunden  worden  waren,  schon  1834  von  einer  Feuersbrunst  wieder  zer- 
stört wurden,  so  dass  wir,  wenn  wir  von  den  auch  nidit  gerade  belang- 
reichen Miniaturen  (cf.  Schnaase  a.  a.  O.  V.  505),  absehen,  eigentlich  nur 
ein  bedeutendes  Denkmal  anzuführen  haben:  den  Tcp])ich  von  Baveux. 
Gestickt  ist  derselbe  auf  einen  Leinwandstreifen  von  210  Fu.4S  Länge  und 
19  Zoll  Hohe  von  Mathilde  der  GemaliUn  Wilhelms  des  Eroberera  oder  wie 
einige  wollen  von  der  englischen  I*rinzessin  Mathilde,  die  den  deutschen 
Kaiser  Heiniich  V.  heiratete  und  bis  ii'->7  lebte  (ibid.  IV,  640,  vgl.  Wolt- 
niaiin,  Gesch.  d.  Malerei  I,  2ijoff.;  W.  Waltenbadi  in  ilen  Silzungsbericiiten 
der  Berliner  Akad.  i8qi,  VII,  Febr.  5,  und  Ztschr.  f.  bild.  Kunst  1891,  S.  176). 
Die  Eroberung  Englands  ist  auf  diesem  Teppich  in  fortlaufender  Darstellung 
bildlich  vorgeführt,  und  so  bietet  derselbe  nicht  allein  ein  sehr  bemerkens- 
wertes Denkmal  der  Kunst,  sondern  ein  nicht  minder  wichtiges  Dokument 
für  die  Gescliichtc,  für  das  Kriegswesen,  für  die  Kt-nntnis  des  Lebens  im 
II.  Jahrh.     Grossen    Kunstwert   darf  man   ihm   aber  nicht  beimessen;  die 


Zeiclmung  ist  &ehr  dUettaniisch  und  unbeholfen,  gtringwertiger,  ais  iii  den 
Miniatuien  der  ZeiL 

Um  die  Mitte  des  12.  jahrhs.  hntte  in  Krankreich  der  romanische  Baustil 
ciiie  cigvntümlicli  interessante  Furtbüduug  erführen.  Auf  die  DctaiU,  die  in 
jeder  Geschichte  der  Bautcunst  verzeichnet  sind,  kann  hier  nicht  eingegangen 
werden,  es  genüge  darauf  hinzuweisen,  dass  aus  einer  geschickten  Vervoll- 
kommnung der  GcwOlbetcduiik  aidi  fulgerichtig  eine  vullc  Umgestallung  des 
glänzen  Bauorganismus,  die  Anwendung  der  Strebepfeiler  tmd  Strebebogen, 
der  hulbpol>'gonalen  Chorgchlüsse,  die  Anwendung  de$  S]:iitzbogens  statt  des 
bislier  allein  verwendeten  Kuudbugens  herausbildete,  mit  einem  Wurte  der 
Stil  entstand,  den  wir,  einem  Scheltworte  der  Italiener  folgend,  den  gotischen 
nennen.  Spitzbogen stil  passt  nicht,  da  der  Spitzbogen  nicht  unbedingt 
charakteristisch  ist;  noch  weniger  aber  ist  der  Name  altdeutscher  Stil  berech- 
tigt, da  diese  von  den  Küuianlikecn  als  urdeul:«clt  verelirte  Bauform  uacli- 
weLsbar  franzcisischen  Ursprungs  ist.  So  mag  denn  die  thtlrichte  Bezeichnung 
des  gotischen  Stiles  festgehalten  weiden;  jeder  weiss,  was  er  sich  dabei  zu 
denken  hat,  und  die  Bauten  als  Werke  der  alten  Guten  anzusehen,  wird  wohl 
im  Krnste  Niemanden  einfallen. 

Die  Vün  Suger,  Abt  von  St.  Denis,  veianlasstcii  Neubauten  an  seiner 
Kirche  (1140 — 44),  die  Errichtung  der  Kathedrale  zu  Chartres  (1145)  bringen 
diese  Slilwandeluug  zuerst  zur  Gellung;  es  folgt  die  Katliedrale  zu  Noyon, 
die  Kiahe  St.  Remy  zu  Reims  (31(14 — 81),  Notre  Dame  zu  Chälons-sur- 
Mame  (1157 — 85),  dann  der  langwahiende  Bau  von  Nölre  Dame  zu  Paris 
(von  1163  an),  die  Katliedrale  zu  Laon,  zu  Scns,  Reims  (von  1212  au),  \'on 
Amiens  (1210 — 30),  von  Beauvais  (1225)  u.  s.  w. 

Es  währte  bis  in  das  13.  Jolirh.,  ehe  man  in  Deutscliland  von  der  neuen 
Bauweise  Gebrauch  machte,  aber  da  In  der  Ttiat  die  in  Frankreich  ent- 
wickche  Fortbildung  des  romanisdien  Sülcs  aehr  viele  praktisch  beachtens- 
werte Vorteile  darbot,  da  überdies  der  Einfluss  der  franzüsischen  Gesittung 
schon  im  12.  Jahrb.  in  Dcutsdibnd  sich  Geltung  verschafft  halte,  war  es 
ganz  erklärlich,  dass  auch  die  deutschen  Architekten  von  der  Neuerung 
Nutzen  zogen.  Am  Chorbau  des  Domes  zu  Magdeburg  (1207—34)  zeigtett 
sich  die  ersten  nadiweisbaren  Spuren  dieser  franz<'Xsischen  Hinrichtung,  wie 
an  der  Uebfraueukirche  derselben  Stadt  (seit  1215);  bei  dem  sonst  romani- 
schen Bau  des  Domes  zu  Limburg  au  der  Lahn  ist  dieselbe  uicht  zu  %*er- 
kennen,  wie  an  dem  polygonalen  Teile  der  St.  Gcreonskirchc  zu  Köln 
(1211 — 27).  1227  wird  die  eiste  ganz  im  Geisle  der  Gotik  errichtete  Kirdic 
in  Deutschland  begonnen:  die  Liebfrauenkirche  zu  Trier.  Und  nun  mchit 
sich  die  Zaiil  der  gotischen  Kirchen;  es  sei  nur  die  EUsabethkirche  zu  Mar- 
^^  (^235 — 83)  erwähnt.  Von  hoher  Bedeutung  war  es,  dass  man  bd  dem 
Neubau  des  Kölner  Domes,  der  1248  begonnen  wurde,  französische  Kadic- 
dnden  (Amiens)  zum  Muster  nalun.  Von  dieser  Zeit  an  ist  der  Sieg  des 
gotischen,  die  Zunlckd rängung  des  romanischen  Stiles  in  Deutschland  ent- 
schieden und  bd  ;dlen  neuen  Bauuntemehmungen  wunle  er,  wenige  Aus- 
nahmen abgerechnet  (in  Siebenbürgen  wird  noch  in  der  ersten  Hälfte  des 
14.  Jahrhs.  romanisch  gebaut),  fortan  zu  Gnmde  gel^. 

Der  gotische  Stil  des  13.  Jahrhs.  ist  streng  in  sdncr  Formengebimg,  sparsam 
mit  Zierraten,  d^egcn  beginnt  schon  im  14.  Jahrh.,  ja  bereits  in  den  letzten 
Jahren  des  13.,  Luit  an  rddieni  Omamentcnsdimuck  sid»  Gdtung  zu  ver- 
schärfen. Der  Veigleich  der  unteren  Partie  vom  hohen  Chore  des  Kölner 
Domes  (geweiht  1322)  mit  den  oberen  Bauteilen  ist  da  sehr  instruktiv.  Die 
Westfai^de  des  Strassburgcr  Münsters  durch  Meister  Erwin  (die  Bezeichnung 


54^ 


XIIL  Kunst,    i.  Bildende  Kunst. 


r 


>von  Steinbach«  ist  sehr  problematisch!)  1277  zeigt  schon  dne  ÜhcrtOlle  des 
ornamentalen  DetaiU  Der  jirücluige  duichbrochene  Tiiriulielm  des  Freiburger 
Monsters  dürfte  bald  nadi  Beginn  des  14.  Jahrks.  errichtet  worden  sein. 

Es  kann  nun  nicht  in  dem  Plan  dieser  kurzen  Schilderung  li^en,  audt 
nur  die  wichtlg^iten  gotischen  HaudL-nkinUler  aufzuzilhlen.  Es  genüge  nur 
einige  namhaft  zu  machen.  Der  Veitsdom  auf  dem  Hrattschin  zu  Prag  wird 
1344  von  dem  franzusisfhen  Meister  Matthias  von  Arras  begonnen,  spater 
135-  von  Peter  \'On  GemQnd  weitergel>auL  Die  tiberreich  auageataltete 
Barbarakirche  7.u  Kuttenberg  fing  man  13H5  oder  86  an.  Früher  noch  als 
der  Bau  des  Prager  Dumes  ist  der  des  Wiener  Stefansdames,  die  Ausfülirung 
des  schi'H  im  13.  Jahrh.  begonnenen  Dnmes  zu  Regensburg.  Wahrend  bis- 
her die  bisdif>flidicn  Kirchen,  die  Kathedralen,  sowie  die  Khwlerkirchen  mit 
besonderem  Aufwände  vnn  Kunst  errichtet  worden  waren,  suchen  jetzt  die 
Städte  ihrem  Reichtum  entsprecliend  auch  ihre  Pfarrkirchen  luxuriilVs  auszu- 
statten. So  beginnt  z.  B.  1377  Ulm  den  Bau  des  Münsters,  dessen  gewaltige 
Masse  noch  heule  mit  der  kleinen  Stadt  In  keinem  rechten  Verhältnisse  steht 

Auf  den  überladenen  gotischen  Stil  des  14.  und  15.  Jahrhs.,  den  man 
etwa  den  gotischen  Barockstil  nennen  könnte,  folgt  gegen  Ende  des  15. 
Jahrhs.  ein  Stil  der  flusserslen  Nüchteniheit  und  Schmucklosigkeit,  der  wohl 
mit  dem  bekannten  Zopfstile  sich  vergleichen  liesse.  Besonders  in  den 
sachsichen  Landen  finden  sich  da  Beispiele:  der  Dom  zu  Freiberg  (seit  1484), 
die  Kirclie  der  hl.  Aima  zu  Annaberg  (1499 — 1525),  die  Marienkirche  zu 
Zwickau,  die  Kloslerkirche  zu  Chemnitz  u.  s.  w.  Diese  ohne  jede  Phantasie 
entworfenen  Bauten  raussten  besonders  allen  denen  unenrüglich  erscheinen, 
die  in  der  Lage  waren,  sie  mit  den  herrlichen  Werken  der  italienischen  Frülirenais- 
&ance  zu  vergleichen.  Der  sogenannte  gotische  Stil  war  in  der  That  erschöpft: 
und  ging  an  Entkraftung  zu  Grunde,  vmd  an  seine  Stelle  trat  nun  schon 
der  ersteq  Hülfte  des  lö  Jahrhs.  der  neue  Baustil,  welcher  italienische  Zier- 
formen der  Zweck  mä-ssigkeit  deutscher  Bauten  anzupassen  sich  bemühte  und 
spater  jene  zum  mindesten  wunderliche  Stilgattung  hervorrief,  die  wir  mit 
dem  Namen  der  deutschen  Renaissance  zu  bezeichnen  uns  gewölml  haben. 

Die  giitLsche  Raukimst  war  jedoch  nicht  allein  dem  Kirchenbau  geweiht 
worden,  auch  Profanbauten  sind  in  diesem  Stile  zaldreich  errichtet  worden. 
Das  Schl(>s.s  zu  Marienburg  in  l'reussen,  1230  begonnen,  seit  I3cx>  Residenz 
des  Hochmeisters  der  Deutschordensritter,  ist  da  zunächst  herx-orzuheben, 
sowie  die  Albrechtsburg  zu  Mci.ssen,  dem  Ende  des  15.  Jahrlis.  zugehörig. 
Die  Rathüiiser  von  Braunschweig,  von  Münster,  von  Breslau,  dann  die  an 
Schmuck  überreichen  von  Brügge,  Brüssel  (1401 — ,S5).  vun  Löwen  (1448 — (>^)n 
Oudcnaardc  (1527 — 30}  können  als  Bei-spiele  <Jer  stadtischen  Gemein debauten 
dienen,  zu  denen  dann  uoch  eine  Menge  Marktliallen,  Kaufhai\ser,  Kranken- 
häuser u.  s.  w.  zu  zählen  sind.  Da.ss  auch  die  Bürgerhäuser  tn  diesem  Stüe 
erbaut  wurden,  ist  selbstverständüciL 

In  der  Zeit,  die  dem  gotischen  Baustile  angehört,  lit^gt  die  Ausfülirui 
der  Baudenkmale  ausschliesslich  in  den  Hunden  von  Laien,  von  Handwerkern,^ 
die  in  den  Städten  bald  zu  Zünften  und  Innungen  zusammentraten  und  be* 
stimmte  Gesetze  über  die  Ausbildung  eines  Bauhandwerkers,  eines  Maurers 
oder  Steinmetzen,  vereinbarten.  Die  Meister  der  grossen  Kirchenbauten 
scheinen  diesen  städtischen  Verbanden  nicht  angL'hOrt  zu  haben,  sie  bilden 
erst  1459  eine  Vereinigung  unter  einander,  die  bis  imj  r8.  Jahrh.  sich  er- 
halten, aber  mit  deu  FraumaureHogen  absolut  nichts  zu  tliuu  hat.  In  den 
Arbettshüttcn  erlernte  der  Lehrling  die  Geheimnisse  seiner  Kunst,  und  um 
<lie  Regeln  derselben  leichter  und  fasslicher  zu  gestalten,  hatte  man  dieselt 


I 


I 


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I 


in  ein  geometrisches  Schema  gebracht.  Wer  in  die  Gnindlehren  eingereiht 
war,  konnte  mit  einfachen  ZirkeUchlägen  die  Proportionen  eines  G^iSudes, 
die  wesentlichen  Mauerst^rkeii  ebeti.so  ermitteln,  «ie  die  am  häufigsten  an- 
gewendeten Verzierungen,  j;i  selbst  die  ungefähren  irmrisse  einer  mensch- 
lichen Gestalt  konstniicren.  Wer  der  bedeutende  Mann  gewesen,  der  die 
auf  langer  Erfahrung  wohl  mehr  aU  auf  wLssenschafllichen  Berechnungen 
beruhenden  Gesetze  der  Statik  in  diese  leicht  fassUche  Form  gebracht,  wissen 
wir  nicht;  dem  Vorhandensein  solcher  feststehenden  Regeln  aber  ist  es  zu- 
zuschreiben, das  wir  unter  den  zahllosen  gotischen  Bauten  wohl  mittelmässige 
und  schwache  Leistungen  vorfinden,  aber  kaum  vun  ganz  und  gar  verfehlten 
reden  können.  Und  doch  wird  es  unter  den  bürgerlichen  Meistern  genug 
gegeben  haben,  die  den  künstlerisclicn  Aufgaben,  zu  deren  Losung  sie  be- 
rufen wurden,  keineswegs  gewachsen  waren.  Diese  Art  von  geometrischer 
Tabulatur  gab  ihnen  immerhin  eine  Direktive,  bei  deren  Befolgung  sie  nicht 
fehlgehen  konnten. 

In  Deutschland  ist  mit  der  Einfflhnmg  des  gotischen  Stiles  auch  dem 
Einflüsse  der  römischen  Bau-  und  OmameDtformen  ein  Ende  gemacht;  nur 
an  den  frühgotischen  Bauteilen  des  Magdeburger  Domes  finden  sich  merk- 
T*-ürdiger  Weise  schon  Kapitelle  mit  AkaiitliusblattersL-hmuLk  und  mit  Eierstab?- 
omamenten.  Sonst  aber  tritt  die  naturalistische  Neigung  klar  hervor;  mit 
Eichen-  oder  AhombUutcni,  mit  Blumen  und  Blüten  aller  Art  schafft  man 
anmutige  und  ansprechende  Zierraten,  die  durch  die  allgemein  angewendete 
Polychromie,  die  wie  zum  Lied  die  Melodie  nach  damaliger  Auffassung  zum 
plastischen  Kunstwerk  unbedingt  gehörte,  noch  deutlicher  und  ausdrucks- 
voller erscheinen. 

In  England  hatte  der  neue  französische  Stil,  nie  schon  früher  lüer 
bemerkt  wurde,  noch  im  12.  Jahrhundert  Eingang  gefunden,  indessen  sind 
auch  erst  im  13.  eine  grössere  Zalil  von  Monumenten  dieser  Bauform 
naclizuweisen  und  zwar  tritt  da  der  gotische  Stil  in  einer  eigentümlichen 
Form  auf,  die  den  auf  dem  Kuntiiient  gebräuchlichen  Mustern  sich  nicht 
anschliesst:  die  lJlngenaus<Jehnuüg  der  Kirchen  zeigen  gegenüber  den 
Höhendimensionen  der  Kirchenschiffe  und  -türme  eine  entschieden  be- 
deutendere Abmessung,  als  dies  bei  den  koutincntaleu  Kiivlienbauten  der 
Fall  ist  Nach  Kugler  hat  die  Kathedrale  von  Lichfield  eine  Länge  von 
411  Fuss,  inbegriffen  die  an  den  Chor  angebaute  Ladychapel,  dagegen  ist 
die  Breite  Ö5  Fuss,  die  lichte  Weite  des  Mittelschiffes  2Ö  Fuss,  die  Höhe 
desselben  55  Fuss.  [Die  Dimensionen  des  Kölner  Domes  sind:  Lange  42t 
rli.  Fuss,  Breite  140,  liclite  Weite  des  Mittelschiffes  44,  Höhe  desselben 
140.]  Auch  werden  manche  Omamentalformen  des  romanischen  Stiles  noch 
beibehalten  und  mit  den  gotischen  verschmolzen.  Unter  die  Denkmäler  der 
Frühgotik  ist  zu  zahlen  die  Verlängerung  der  Katliedrale  zu  Winchester  (seit 
1202),  die  KathecErale  zu  ^'ork,  die  Westminstcnibtei  zu  London  u.  s.  w 
Dem  14.  Jahrli.  gehören  an  die  Kathedralen  zu  Exetcr  und  Lincoln  etc.,  die 
schon  die  reichere  Omamentierung  verraten,  welche  veranlasste,  dass  eng- 
lische Kimstschriflsieller  die  Bauweise  von  1300  bis  1370  als  im  decorated 
Stile  gehalten  bezeichnen. 

Dem  verzierten  Stile  folgte  der  sogenannte  l'erpendikularstil,  benannt 
nach  der  mit  Vorliebe  bei  Ornamenten  zumal  bei  den  Masswerken  der  Fenster 
beliebten  senkrechten  Gliederung.  Spater  gegen  Ende  des  15.  Jahrlis.  tritt 
der  Flaclispitzbogenstil  auf.  der  gewöhnlich  als  Tudorslil  bezeichnet  wird, 
weü  er  unter  der  Regierung  der  Könige  aas  dem  Hause  Tudor  {seit  1485) 
entstand  und  verbreitet  wurde.     Von  Denkmälern  dieser  spateren  Stilformen 


544 


XIII.  Kunst,     i.  Bildende  Kunst. 


wäre  zu  nennen  der  Oberbau  des  Chores  der  Kaüiedrale  von  Noru-icli,  die 
Abteikirthe  zu  Balh  (1500—31)).  Als  besonders  charakleristisch  für  die 
omamentale  Überladung  der  spatcnglischen  Bauten  der  Kreuzgang  der  Kathe- 
drale ZQ  GlouLcstcr.  die  Kapellen  des  Kings-Kollcge  zu  Cambiidgc  ( — 1.530), 
des  bl.  Georg  zu  Windsur,  die  Hebirirhs  VII.  in  der  Westminsterabtci  zu 
London  (1502 — 20). 

Noch  bis  in  das  17.  Jahrh.  blieb  der  gotische  Stil  in  England  vorherrschend^, 
obschon  bereits  im  16.  Jahrh.  vereinzelt  italienbtche  Vorbilder  b&  der  Er- 
bauoi^;  von  Palasten  nachgeahmt  worden  waren. 

Die  miltchiUerlichen  Privatbauttn  Englands  sind  u.  a.  besprochen  in 
(Parker),  some  arcount  of  dornest it  arrhitttime  tu  En^ami  from  EduHtrd  I.  lo 
Richard  IL  {Oxford   1S53). 

Die  Plasnk  des  13.  Jahrhs.  erhalt  sich  in  Deutschland  auf  der  Hübe,  die 
sie  zu  Allfang  desselben  erreicht  So  bieten  noth  einige  Statuen  der  West- 
fa^de  des  Strassburger  Mün.^ters  treffliche  Beweise  von  der  Tüchtigkeit  iler 
Bildhauer.  Gegen  Ende  dieses  Jahrhunderts  und  zu  Beginn  des  14.  macht 
sich  ein  SireL>cii  bcmcrklich,  den  Gestalten  eine  zarte  Anmut  zu  verleihen;  der 
Faltenwurf  wie  der  Gesichtsausdruck  Mrd  weich,  oft  weichlich.  Die  Skulpturen 
in  der  VorliaUe  des  Freiburger  Münsters,  die  Statuen  der  klugen  und  der 
thiirichteri  Jungfrauen  an  der  Brautpforte  der  St.  Sebalduskirche  zu  Nürnberg 
können  als  Beispiele  dienen.  Gegen  Anfang  des  15.  Jalirhs,  tritt  das  Be- 
streben hervor,  durch  Studien  nach  der  Natur  auch  eine  wirkliche  Natur- 
wahrhcit  der  darzustellenden  Figuren  zu  erreichen.  Der  früheren  Zeil  war 
es  versagt  gewesen,  Gemütsbewegungen,  Leidenschaften  in  den  Gesichtszügen 
zum  Ausdntck  zu  bringen  —  wo  sie  den  Vemich  gemacht,  ft-ar  derselbe  oft 
geradezu  komisch  mi&sglückl  —  man  halle  sich  mit  der  ungefähren  Wieder- 
gabe der  menschlichen  Gestalt  begnügt,  jetzt  will  man  realistische  Waiirheit. 
will  dramatische  Bewegung;  das  Chanikteristische  hat  für  den  Künstler  mehr 
Wert  als  das  Schöne,  das  Anmutige.  So  zeidmen  sich  die  Skulpturen  des 
15.  Jahrhs.  durch  eine  gewisse  Harte  und  Unachfinheit  aus;  scharf  gebrochene 
Falten,  wie  sie  am  Gliedermann  studiert  unirden,  ersetzen  die  im  weichen 
Flusse  sich  anschmiedenden  Gewander.  Wir  müssen  schon  bis  zum  Ende 
des  15.  Jahrhs.  warten,  ehe  uns  ein  namhafter,  bedeutender  Bildhauer  be- 
gegnet. Nicht  dass  es  an  Denkmälern  fehlte:  es  sind  Tausende  derselben 
noch  erhalten;  indessen  selten  erheben  sie  sich  über  das  Durchschnittsmas^ 
handwerksmassiger  Geschicklichkeit, 

Und  in  der  Thal  rühren  ja  auch  alle  diese  Arbeilen  von  Handwerkern 
her:  die  Steinplastik  ist  dem  .Steinmetzen  vorbehalten,  die.  Holzskuljitur  dem 
Maler,  die  Metallgussarbeit  dem  Rotgiesser.  Wir  kennen  nun  Dank  den 
Forschungen  in  den  Arcliivcn,  eine  grosse  Zahl  solcher  Mcistemameu,  in  den 
seltensten  Fallen  aber  ist  es  möglich,  diesen  Äleistcm  bestimmte  Werke  aus 
der  Menge  der  fast  inmier  ohne  Bezeichnung  des  Autors  erhaltenen  Denk- 
mäler zuzuweisen.  So  sind  es  gerade  ein  paar  Nürnberger  Künstler,  deren 
Namen  mit  noch  vorhandenen  \\'erken  in  Verbindung  gebracht  werden  können, 
z.  B.  der  Steinmetz  Adam  Krafft  (t  1507)1  dessen  Grablegungen,  Pasaioi 
darstellungen  in  Nürnberg  von  der  Innigkeit  der  Empfindung,  von  dem^ 
Gestaltungsvermögen  des  Masters  das  glänzendste  Zeugnis  ablegen.  Mindei 
herxorragend  ist  der  Bildschnilzer  Veit  Stoss  (t  1553).  dessen  bestes 
Werk  sicli  aber  nicht  in  Nürnberg,  sondern  in  Krakau  befindet:  da" 
Hochaltar  dei  St.  Marienkirche;  jedoch  hat  es  zur  Zeit  von  Veit  Stoss  eine 
Menge  Künstler  gegeben,  die  dasselbe,  vielleicht  auch  bedeutend  mehr  z« 
leisten  vermochten.     Der  hervorragendste  deutsche  Plastiker  des  ausgehenden 


Periode  der  Gotjk:  Skulptur  uhd  Maleru. 


545 


Mittelalters  ist  der  Roigicsscr  Peter  Vischer  —  vorausgesetzt,  dau  er  die 
Moddle  zn  seinen  Gussnrbetten,  besonders  zu  dem  herrlichen  Scbaldiisgrabe 
in  Nürnberg,  selbst  ausgeführt  hat.  Mail  hat  das  früher  immer  als  eine 
ausgemachte  Sache  angesehen,  ist  dann  aber  docli  bei  eingehender  Bctrrich- 
tting  seiner  Arbeiten  auf  Bedenken  gestossen;  die  grossartigsten  Schöpfungen 
der  deutschen  Bilducrci  des  Mittclattcrs  sind  aus  sriner  Giesshüttc  hervor- 
gegangen, daneben  aber  auch  recht  matte  und  unbe<leutende  Arbeiten,  die 
unmOgUch  von  demselben  Künstler  herrühren  künnen.  Wenn  aber  nicht 
Peter  Vischer  die  Modelle  gemacht  hat,  wer  ist  dann  der  grosse,  einzig 
hervorragende  ftlcister.  dem  vdr  sie  verdanken? 

Allein  wer  auch  dieser  Meister  war,  jedenfalls  halle  die  deutsche  Plastik 
gezeigt,  dass  auch  sie  Grosses  hervorzubringen  imstande  war.  Doch  bt 
auf  dieser  so  schwer  errungenen  Gmndlage  nicht  weiter  gearbeitet  worden; 
zu  verführerisrh  erschien  es,  den  Weltkampf  mit  den  Italienern  aufzu- 
nehmen, zunächst  deren  Arbeitsweise  sicli  anzueignen.  So  fand  auch  auf 
dem  Gebiete  der  Bildnerei  die  italienische  Renaissance  schon  zu  Anfang  des 
]6.  Jahrhs.  Eingang;  das  eigentümlich  deutsche  Wesen,  das  auch  in  der 
iCunst  seinen  Ausdruck  gefunden  hatte,  wurde  zurückgedrängt  von  fremd- 
ffttigen  Elementen,  die  unverstanden  und  übel  angeeignet  jenen  Schwulst 
herv'orbrachlen,  der  die  Werke  der  deutschen  Skulptur  im  i6.  bis  iS.  jahrh. 
so  imgeniessbar  «scheinen  ISsst,  und  dem  nur  wenige  auaenvahlte  Meister 
sich  zu  entziehen  vermochten. 

Die  englische  Plastik  bietet  in  dem  spateren  Mittelalter  wenige  erfreuliche 
Denkmäler;  zu  stark  haben  in  den  religiösen  Wirren  des  17.  Jahrhs.  die 
Soldaten  der  Puritaner  gehaust;  was  der  Zerstörung  entgangen,  btt  iticht  von 
hervorragendem  Wert.  Die  zahlreichen  Grabfiguren  sind  steif  und  starr;  nur 
hin  und  wieder  finden  sich  an  den  Bauten  Kftpfe  angebracht  vrtn  h*iherer 
Schönheit.  Die  Weichheit  der  Figurenbildung,  wie  äe  in  den  Sdiulen  des 
Kontinents  im  14.  Jahrh.  beliebt  war,  wird  in  England  leicht  übertrieben, 
wird  geradezu  zur  Weichlichkeit.  Auch  im  15,  Jahrh.  ist  ein  Aufschwung 
der  englischen  Bildnerei  nicht  zu  bemerken,  und  so  ist  es  erklärlich,  dass 
man  gern  fremde  Künstler  heriieirief,  wenn  es  galt  ein  grossartiges  Werk  aus- 
zuführen, da  man  einheimischen  KrÄften  stilche  Arbeit  nicht  zumuten  konnte. 
So  führt  schon  151g  der  Florentiner  Pietro  Torriggiano  (1470 — 1522), 
der  Smdiengennwe  Michelangelos,  die  Grabdenkmäler  Heinrichs  VII.  und 
seiner  Gcniahliu  in  der  Wcstminstcrabtei  aus. 

Die  Geschichte  der  deutschen  Malerei  von  der  Mitte  des  13.  bis  zu 
den  ersten  Dezennien  des  16.  Jahrhs.  in  wenigen  Worten  darzustellen  ist  unmög- 
lich; jeder,  der  genauere  Kenntnis  dieser  an  sich  so  interessanten  Kunst- 
periode sich  verschilften  will,  wirfj  daher  gut  thun,  in  den  ausfflhriichen  Dar- 
:»tellungcn,  die  er  in  Woltmanris  schon  oft  citiertem  Werke  findet,  die  ihm 
aber  bes<jnders  Janitschcks  vortreffliche  Arbeit  bietet,  dieselbe  zu  suchen. 
Hier  können  nur  dnige  wichtigere  Momente  hervorgehoben  werden.  Ähnlich 
wie  «chon  bei  der  Schilderung  der  deutschen  Bildhauerei  bemerkt  wurde,  ist 
auch  bei  den  Malern  bis  zum  i,^.  Jahrh.  das  Streben  nach  lieblichkeit  und 
Anmut  der  äusseren  Ers<  ht-inung  charakteristisdi.  ebenso  aber  die  Unfähig- 
keit der  geistigen  Bewegungen  in  den  Köpfen  Ausdruck  zu  verleihen.  Die 
Gestalten  laclieln  oder  sehen  ernst  vor  sich  hin;  sollen  sie  vom  Zorn  oder 
Schmerz  erregt  erscheinen,  so  bringt  der  Künstler  meist  nur  eine  Kairikatur 
zustande.  Und  doch  hat  man  sich  schon  im  Anfang  des  14.  Jahrh.  mit 
historischen  Gemälden  beschäftigt;  in  dem  Codex  Balduineus  des  Koblenzer 
Archives  sind  die  Thaten  Kaiser  Heinridis  VII.  geschildert;   vielleicht  sind 

Genainiactie  Phllologi«  m.    2.  AuO.  3& 


546 


Xin.  KuKST.     I.  Bildende  Kvkst. 


diese  Miniaturen  die  Entwürfe  zu  den  Wandmalereien,  mit  denen  Halduin 
von  Trier  die  Gciichicke  seines  kaiscrÜLlicii  Bruders  vcrlierrliclien  lassen  »-ulltc 
Aus  dem  14.  Jahrh.  rflhren  dann  noch  die  berühmten  Miniaturen  der  Heidei- 
bcnrcr  Minnesingerliandsclirift  her.  Viel  schöner  und  feiner  sind  die  Minia- 
turen :iusgefulirt,  welche  in  der  Kasseler  Hs.  des  Willehalm  (1334)  sich  vor- 
finden. Beachtenswert  erscheinen  dann  die  Wandgemälde  aus  der  Georgs- 
legendc  zu  Neuhaus  in  Böhmen,  die  nach  der  Inschrift  1338  vollendet  wurden. 
Überall  wie  in  den  übrigen  zahlreichen  Denkmälern  der  damaligen  Malerei 
tritt  dies  Streben  nach  Formen  Schönheit  hervor. 

Kine  Au.-inalirne  von  dieser  Regel  machen  nur  die  Tafelbilder  auf  Schloss 
Karlsteiii,  die  von  den  Hofmalern  Karls  IV.,  der  sogen.  Prager  Malerschule 
herrt\hren,  und  sich  durcli  Hässlichkeit  der  Gesichtszüge,  durch  trübe  Farben- 
gebung  auszeichnen  (vgl.  Jos.  Neuwirth,  Mittelalterliche  Wandgemälde  und 
Tafelbilder  der  Burg  Kiulstein  In  Büluuen.  Prag  i8e>6).  Doch  scheint  dieser 
Mangel  an  Schünheitsgefühl  nur  dem  einen  Meister  pers<"nlich  eigen  zu  sein. 
Die  Hasslichkeit  der  ModeJle,  die  zur  Vcrfflg\mg  standen,  mag  ja  auch  da- 
zu beigetragen  zu  haben.  Karl  IV,  selbst  konnte  mit  seiner  kolbigen  Nase 
persönlich  als  Muster  unsympatischer  Gesichtszüge  Verwendung  finden.  Aber 
sonst  finden  wir  überall  die  Miniaturen,  wie  in  Tafelgemälden  und  Wandmalereien 
dies  Streben  nat  h  un schuldvoller,  holdseliger  Anmut  ausgeprägt,  lichte  freund- 
lidie  Farben.  Züge,  an  die  die  späteren  Arbeiten  des  Kra  Angelico  da  FiestJe 
eriimcm.  Diesen  Charakter  tragen  ituch  die  Arbeitt-Ji  der  alteren  kölnischen 
Schule  an  sich,  ja  bis  in  die  Mitte  des.  15.  Jahrhs.  Ist  er  nicht  nur  den 
kölnischen  Malern  wie  dem  Meister  des  Dumbildes,  dem  Stefan  Lochncr 
eigen,  sondern  findet  sich,  allerdings  in  verschiedener  Form,  fast  in  allen 
deutschen  Malcrschulen  wieder  vor. 

Eine  Umwälzung  der  künstlerischen  Anschauungsweise  ging  nun  im  An- 
fange des  15.  Jahrhs.  vor;  in  den  Niederlanden  knüpft  sich  diese  ThaLsache 
an  den  Namen  der  Brüder  Hubert  und  Jan  van  Eyck,  in  Italien  an  den 
des  Masaccio.  Es  handelt  sich  darum,  statt  der  imgefshren  Wiedergabe 
der  Natur  durch  gründliche  Studien  zur  exakten  Nachbildung  m  gelange-n, 
mit  einem  Worte:  an  -Stelle  des  Idealismus  tritt  der  ReallsmiLs.  Durch  Ver- 
besserung der  Mallcchnik  für  Staffelcigcmalde,  Ersetzung  der  Temperafarben 
durch  die  Icu  cht  kraftigen  Ölfarben,  wurde  diese  realistische  Tendenz  noch 
besonders  unterstützt.  Die  ideale  Schönheit  wird  jetzt  der  frappanten  Wirk- 
lichkeit geopfert;  nicht  schöne  aber  charakteristische  Gesichtszüge,  Bewegun- 
gen etc..  sucht  der  Künstler  darzustellen;  er  strebt  danach,  der  Geniüiscrrc- 
gung  in  den  Zügen  Ausdruck  zu  verleihen  und  dramatisches  Leben  in  die 
bis  dahin  so  unbeweglichen  Kompositionen  zu  bringen.  Auf  die  van  Eycks 
folgen  die  Rogicr  von  der  Weyden,  Dierik  Bouts,  Peter  Christus, 
Hugo  van  der  Goes.  Hans  Memling  und  viele  andere;  nach  und  nach 
verbreiten  sich  die  in  den  Niederianden  entstandenen  Neuerungen  aucli  weiter 
in  Deutschland  und  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  haben  sich  wohl  die 
deutschen  Malerschulen  .so  \icl  von  jenen  Grundsätzen  angeeignet,  als  ihnen 
angemessen  erscliien.  Wesentlidi  vun  Bedeutung  für  die  Verbreitung  neuer 
Kunstanschauungen  war  die  Ausbildung  und  Verwendung  des  Holzschnittes, 
und  des  Kupferstiches,  zweier  Kunst  techuiken,  die  wahrscheinlicli  in  Deut 
land  selbst  erfunden  worden  sind.  Je  nach  den  verschiedenen  I^ndstrichcn 
haben  sich  da  nun  Malerschulen  gebildet;  Eigentümlichkeiten  ze^en  sich  in 
der  Kunstrichtung  der  in  einer  Stadt,  einem  Ländchen  zusanunenvirkendea ; 
Meister.  Alten  deutschen  Künsitem  gemeinsam  Ist  die  phiüstrOse  Auffassungs- 
weise,  die  nur  bei  den  allerbesten  Meistern  etwas  gemildert  crsclieint,   die 


sich  aber  aus  dem  handwerksmässi^en  Betrieb  der  Kunst,  der  sozialen  Stcl* 
lung  der  Maler,  wie  aas  der  Bestimmung  der  Bilder  auf  die  grosse  Masse 
des  Volkes  zu  wirken,  leiclii  erklären  l.1sst  —  im  einzelnen  finden  sich,  wie 
gesagt,  kleine  oder  grössere  Verschiedenheiten.  Wir  sprechen  z.  B.  von  einer 
westfälischen  und  einer  kölnischen  Malcrschule,  von  einer  schwäbischen,  deren 
Hauptmeistcr  Bart  hole  maeus  ^eitblum,  derfLllcro  Hans  HuLbcin,  Martin 
Schaffner  u.  a.  sind,  und  von  einer  fränkischen,  als  deren  Hauptvertreter 
Michael  Wolgemul  und  Albrecht  Dürer  angesehen  werden  u.s.w.  Dürers 
Arbeiten  zeichnen  sich  vor  denen  {ler  meisten  seiner  Zeitgenossen  durch 
Gedankentiefe,  durch  meisterliche  Gestaltung  aus.  allein  das  Gefühl  für 
Formenschönhcit  ist  bei  ihm  docli  nur  in  geringem  Grade  voriianden;  auch 
ihm  steht  das  Charakteristische  höher  wie  das  Anmutige  und  Liebliche. 
Deshalb  wird  Dürer  auch  da  am  ereilen  gewinnen,  wo  er  uur,  was  er  vor  sich 
sieht,  wiedergiebt;  die  Schönheit  seiner  Bildnisse  Ist  jedem  verstandlich,  w.'ih- 
reud  die  seiner  bibUsclien  Kompositionen  nur  bei  längerer  aufmerksamer  Be- 
trachtimg  zum  Beftiisstacin  gebracht  wird.  Und  dasselbe  gilt  von  dem  jüngeren 
Hans  Holbein,  obschon  er  Dürer  an  Formengefühl  weit  überlegen  war; 
auch  seine  Portraitgeinilklc  fesseln  auf  den  ersten  Blick,  seine  historischeu 
Entwürfe  u.  s.  w.  wollen  Studien  sein.  Wenn  schon  Holbein  ein  feineres 
Gefüld  für  Formenschön  heil  hatte,  als  dies  Dürer  zuteil  geworden,  so  ist 
dieselbe  Begabung  auch  manchem  seiner  Zeitgenossen  dem  Hans  Baldung* 
genannt  Grien,  wie  dem  Hans  Sebald  Beham,  dem  Georg  Pencz  u.  a. 
verliehen,  und  unzweifelhaft  war  im  Beginn  des  i6.  Jalirhs.  die  Kmist  der 
deutschen  Malerei  auf  dem  besten  Wege  auch  üirerseits  zur  hCichsten  Blüte 
zu  gelangen,  als  die  Interessen  des  Volkes  sich  auf  einmal  der  Kunst  gänz- 
lich ab  und  anderen,  vielleicht  wichtigeren  Fragen  zuwandten.  Jedenfalls  ist 
es  der  deutschen  Kunst  damals  nicht  vergönnt  gewesen  ihr  h^jclistes  zu 
leisten,  und  man  thut  deshalb  Unrecht,  wenn  man,  was  ja  auch  sonst  in 
jeder  Hinsicht  ungerechtfertigt  ist,  Dürer  und  Holbein  dem  Michelangelo 
oder  Raffael  gegenüberstellt. 

In  England  scheint  man,  wie  schon  erwähnt,  unter  Heimich  III.  eifrig 
die  Malerei  gepflegt  zu  liaben,  und  auch  in  Eduard  HI.  fand  diese  Kunst 
einen  freigebigen  Gönner.  Bis  1834  waren  noi^h  in  der  Stephanskapelle  zu 
Wcstminstci  (gemalt  1350 — 58)  bedeutendere  Überreste  von  Malereien  erhalten, 
Bildnisse  des  Königs  und  der  königlichen  Familie;  nach  Abbruch  der  Kapelle 
sind  wir  nur  auf  die  frülier  gemachten  Aufnahmen  und  Publikationen  ange- 
wiesen, und  nach  denen  zu  urteilen  ist  der  Kunstwert  dieser  Arbeiten  nicht 
gar  so  hoch  anzuschlagen.  Einen  klaren  Einblick  in  die  Ent*icklungs- 
gcschicbtc  der  englischen  Malerei  werden  wir  schon  deshalb  kaum  je  erhalten, 
weil  Wandgemnlde  wie  Staffeleimalercien  fast  gar  nicht  vorhanden  sind  — 
sie  sind  alle  der  Zeit  oder  absichtlicher  Zerstörung  zum  Opfer  gefallen  — 
und  die  Miniaturen,  die  Überdie.s  nicht  in  zu  grosser  Zahl  erhalten  sind,  die 
einzigen  uns  leitenden  Denkmäler  bleiben.  So  sdteint  es,  dass  eine  cigciit- 
hche  nationale  Kunst  in  England  wenigstens  auf  die.sem  Gebiete  keine  Wurzel 
gefasst  hat;  Itald  sind  es  französische,  bald  niederländische  Einflüsse,  die  sich 
da  geltend  machen,  aber  sie  sind  nicht  in  Fleisch  und  Blut  den  englischen 
Künstlern  übergegangen,  die  dieselben  meist  reclit  ungeschickt  nur  reproduzieren. 
Aus  den  Aufzeichnungen  in  den  Archiven  erfahren  wir  die  Namen  von  zahl- 
reichen Malern,  aber  keiner  derselben  mu.iste  doch  etwas  tüchtiges  leisten 
können,  da  man  schon  vor  Holbeiu  den  Niederländer  Lucas  Hurebout  zum 
Hofmaler  berief,  dann  den  grossen  deutschen  Meister  mit  diesem  Amte  betraute. 
Selbst  die  in  grosserer  Zahl  erhaltenen  gravierten  MetaJIpIauen  —  die  Gestalt 


54» 


Xm.  Kunst,     i.  Bildende  Kunst. 


wurde  auf  die  Platten  gezeichnet,  die  Contouren  vertieft  eingeschnitten,  dann 
ursprünglich  niit  st:hwarzera  oder  tarbigcni  KiU  gefüllt  —  sind  mclir  für  die 
Geschichte  des  Costumes  in  England,  als  für  die  der  Kunst  von  Bedeutung. 
Auch  hier  sind  es  fremde  —  niederländische  Erzeugnisse  —  die  erst  im- 
portiert, später  nicht  glücklich  nachgcalimt  werden. 

Die  prächtigen  Denkmäler,  welche  die  grtwsen  Baumeister  Italiens  im 
15.  und  16.  Jahrh.  schufen,  fanden  auch  bei  den  Deutschen,  die  des  Handels- 
verkehrs halber  iKler  angezogen  durch  die  berühmten  Hoclischulen  Italiens 
dies  Land  besuchten,  uneingeschränkt  liewi'undening.  und  da,  vie  wir  gesehen, 
der  gotische  Baustil  iu  Deutschland  seil  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhs, 
wenig  erfreuliche  Leistungen  aufzuweisen  hatte,  versucht  man  den  italienischen 
Renaissancestil  In  DeutscliLand  einzuführen  und  thu  den  deutschen  Anfurde- 
ningen  entsprechend  umzugestaken.  Die  Anfänge  dieser  neuen  Bauweise  ist 
bis  in  die  ersten  Jahre  des  16.  Jahrlis.  zurückzu verfolgen.  Zunäclist  wirkt 
das  Beispiel  der  oberitalischcn,  lombardischen  und  venezianischen  Architekten. 
Zahlreiche  italienische  Baumeister  sind  seil  den  drei&äger  Jahren  des  16. 
Jahrhs.  in  Deutschland  thatig;  eine  grosse  Menge  deutscher  Bauleute  suchen 
in  Italien  ihre  Ausbildung.  Diese  Meister  werden  in  den  Urkunden  als 
wiUschc  Maurer  bezeidmet.  VortreÜÜclae  Beispiele  dieser  eretcn  Epoche  der 
deutschen  Renaissance  bietet  das  Portal  der  Hofkapelle  zu  Dresden,  jetzt 
am  Johanneum  aufgestellt,  das  Eingangsthor  des  Schlosses  zu  Brieg.  Dodi 
schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhs.  tritt  die  Neigui^  zu  immer 
grösserer  Pracht  der  tjmamcntik  hervor,  die  nur  aussedich  mit  dem  Bau- 
werke verbunden  erscheint.  Diese  Überiadung  und  Geschmacklosigkeit  wird^ 
vielleicht  durch  Einflüsse  aus  den  Niederlanden  genährt,  in  den  Werken,  die 
seit  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhs.  entstehen,  immer  auffälliger.  Es  handelt 
sich  jetzt  nur  selten  um  Kirchenbauten,  für  die  ni'cli  bis  ins  17.  Jahrh.  die 
eq^robte  gotische  Anlage,  allerdings  maskiert  durch  die  dem  Zeitgeschmacke 
entsprechende  Ornamentik,  festgehalten  u-urde.  Die  Marienkirche  in  Wol/cn- 
büttel  (1608—23),  erbaut  von  Paul  Franke  (t  1615),  kann  als  ein  sehr 
lehrreiches  Beispiel  betrachtet  werden.  Die  Michaelskirche  zu  MOnchea 
(1582 — 93)  ist  zwar  von  deutschen  jVrchitekteu,  aber  wahrscheinlidi  nach 
italienischen  Fklnen  errichtet  worden.  Dagegen  werden  eine  grosse  Zahl  von 
Schlössern  neu  gebaut.  Besunders  bezeichnend  ist  der  unter  dem  Kurfürsten 
Otto  Heinrich  (1556 — 59)  unternommene  Neuhau  des  HcidelbergcT  Schlosses. 
Eine  grosse  Anzahl  solcher  Renaissanceden bnaler  sind  in  dem  in  Seemanns 
Verlage  erscheinenden  Sammdwerk  >dic  deutsche  Renaissance*  abgebildet 
worden  (vgl  den  »Formenschatz  der  Renaissance«,  hrg.  von  Georg  Hirth, 
München   1877  ff.). 

Gegen  die  unleugbar  gcjM-h macklose,  wenn  auch  von  viel  schöpferischer 
Phantasie  zeugende  Überfülle  der  Ornamentik  —  man  möchte  in  Fiscbaits 
Dichtungen  Parallelen  finden  —  tritt  nun  gegen  den  Anfang  des  17.  Jahrhs.  eine 
Reaktion  ein:  die  Werke  der  grossen  Meister  der  italienischen  Hodirenais- 
sance,  des  Bramantc,  des  Jacopo  Sansovino  u.  s.  w.  werden  Jetzt  Vorbilder, 
nachgeahmt.  Schon  in  dem  Residenzbau  in  München,  den  Picter  de  Witte 
(Pietro  Candida]  Idtcte,  ist  dies  Bestreben  nach  grösserer  Einfachheit  wahr- 
zunehmen. Das  Rathaus  zu  Nürnberg  (1Ö16 — 22),  von  Jakob  Wolf  erbaut, 
giebt  eine  sehr  gute  Vorstellung  dieser  neuen  Kmislströmung.  Dass  auch 
geschmacklose  Werke  in  jener  Zeit  entstehen  konnten,  beweist  der  einst 
vielgepriesene  Bau  des  Augsburger  Rathauses  (löij^io).  Der  Meisler  Elias 
Holl  (1573 — 1Ö36)  ist  etwa  dem  Martin  Opitz  gegcnübenmstdlen. 

Als  der  Frieden  in  Deutschland  wieder  eingekehrt  war,  verging  eine  Ito- 


gere  Zeit,  che  man  an  grossere  Bauuntemehmungcn  zu  gehen  die  Müsse 
fand.  Vor  allem  werden  die  katholischen  Kirchen  und  Klösler  neu  und 
prächtig  aufgebaut  und  ausgeschmückt;  selbst  wohlerhaltene  GebiUule  baut 
man  dem  modernen  Barockgeschmack  gemäss  um.  Der  Stil,  der  in  Italien 
durch  Bernini,  Bor  romini.Guarini  ausgebildet  worden  war.  findet  im  katho- 
lischen Deutschland  willige  Aufnahme;  die  schon  I)ei  den  Italienern  krause 
Ornamentik  wird  noch  dem  deutschen  Geschmacke  entsprechend  überladen. 
Die  Bauten  Süddeutsch land.s,  die  Klöster  in  Bayern,  Österreich  u.  s.  w.  bieten 
zahhcichc  Beispiele.  Nächstdem  werden  zahllose  Fürstenschlösser  neu  und 
prunkvoll  erbaut.  In  Wien  errichtet  Joh.  Beruh.  Fischer  von  Erlach 
Palaste  im  Barockstil,  in  Dresden  entsteht  unter  August  dem  Starken  der 
Prachtbau  des  Zi^ingers,  in  Berlin  wird  das  k.  Schloss  durch  Andreas 
Schlüter  und  Eosander  von  Goethe  schlicht  und  imposant  in  der  Fa<;:aden- 
bildung,  im  Innern  dem  Zeitgeschmäcke  enl-sprecliend,  aufgebaut  Unter  dem 
Einflüsse  von  Frankreich  wird  der  Rococostil  in  Deutschland  eingeführt. 
Das  Äussere  wird  strenger,  einfaclier,  mehr  der  Antike  folgend,  gebildet,  im 
Inneren  allein  kommt  jener  kokette  Dekorationsstil  zur  Geltung.  Die  von 
Cuvillie  errichtete  Amalienburg  im  K_\Tnphenburger  Park  bei  München,  die 
von  F'riedrich  dem  Grossen  in  und  bti  Potsdam  erbauten  Paläste  bieten 
bezeichnende  Mtisier  dieser  Stilrichtung. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  wird,  von  Winckelmann 
imd  Lessing  theoretisch  gefördert,  wiederum  eine  Umgestaltung  des  Ge- 
schmackes herbeigeführt.  Die  antiken  Meisterwerke  bleiben  nach  wie  vor 
die  Vorbilder,  man  hält  sich  aber  nicht  mehr  an  die  früher  so  hoch  ver- 
ehrten Werke  der  Romer.  sondern  studiert  die  Denkmäler  der  Griechen  und 
sucht  deren  Stil  sich  anzueignen.  Charakteristisch  ist  die  Vorliebe  für  die 
dorische  Saulenordnung,  die  bisher  von  den  Architekten  mehr  vcmachlüssigt 
worden  war.  Die  unvollkommene  Nachahmung  der  Griechen  vertritt  u.  A. 
Langhans  (Brandenburger  Thor  in  Berlin),  die  verständnisvolle  Nachbil- 
dung Karl  Friedrich  Schinkel  (i"8i — 1841),  ^  (Schauspielhaus,  Haupt- 
wache, altes  Museum  zu  Berlin)  und  Leo  von  Klenze  (1784 — 1864).  Wal- 
halla bei  Regensburg  u.  s.  w.  Der  Feldzug  Bonapartas  in  Ägj'pten  hatte 
die  Baudenkmiller  dieses  Landes  bekannt  gemacht;  der  Versudi,  auch  aus 
diesem  Baustil  für  die  Gegenwart  Nutzen  zu  ziehen,  wurde  vereinzelt 
unternommen,  aber  bald  aufgegeben.  Dagegen  bemüht  man  sich,  die  Bau- 
stile des  Mittelalters  für  die  moderne  Zeit  wieder  nutzbar  zu  machen;  je 
weiter  die  kunstgeschichiliche  Forschung  vordringt:  immer  suchen  die  Archi- 
tekten aus  deren  Arbeiten  für  sich  Anregungen  zu  gewinnen.  Es  werden 
gotische,  dann  romanische,  dann  byzantinische,  aJichristlichc  Kirchen  gebaut 
I'alais  und  Synagogen  im  maurischen  Stile  entworfen,  die  Meisterwerke  der 
grossen  Renaissance-Architekten  nachgebildet.  Eine  unglückliche  Episode 
dieser  auf  reiner  Nachempfindung  und  Nachbildung  beruhenden  Kunslent- 
wickelung  bietet  die  Zeil  nach  1870  mit  dem  Versuche,  die  geschmacklosen 
Werke  der  deutschen  Renaissance  noch  geschmackloser  zu  cpieren.  Der 
Widerwille,  den  frühere  Zeiten  vor  den  Werken  des  Ban.ick-  und  R(,»coco- 
slües  gehabt,  wird  dann  auch  überwunden,  und  selbst  die  dienen  als  Vorlagen 
für  die  modernen  Archhekten  (Herrenchiemsee,  LJnderhof),  Ja  der  einst  so 
verketzerte  Empire-Stil  scheint  Gnade  vor  den  Augen  der  heutigen  Bau- 
künstler gefunden  zu  haben,  die  seit  einem  Jahrhundert  nur  von  der  Nach- 
ahmung leben.  Das  Charakteristische  urLsrer  heutigen  Baukunst  scheint  es 
sein,  dass  er  eines  ausgesprochenen  eigenen  Stiles  gänzlich  ermangelt,  sich 


550 


XIII.  Kunst,     i.  Bm)ENDE  Kunst. 


vielmehr  besürebi,  innerhalb  eines  Jahrhunderts  alle  europaischen  Stilformen 
noch  einmal  zu  versuchen. 

England  hat  denselben  Entwickehingsgang  seiner  Architektur  durchge- 
macht. Verhaltniäiuä:)»!^  spflt  hat  die  italicnläciie  Rcimissaiicc,  zuiiäctist  ver- 
einzelt um  die  Mitte  (ies  i6.  Jahrhs.  Eingang  gefunden,  aber  .sogleich  sich 
gewisse  Umwandlungen  der  nationalen  Eigenheit  halber  gefallen  lassen 
mflssen;  durchschnittlich  h^llt  man  auch  an  dem  Tudorslilc  fest  bis  zum  Tode 
der  Kön^jin  Elisabeth,  also  so  lange  die  Tudors  regierten.  Erst  unter  Jakob  L 
tritt  ein  ganz  in  der  Schule  des  Palladio  gebildeter  grosser  Architekt  auf, 
Inign  Jones  (1572 — 1662),  der  Erbauer  des  Bankett-Üause-S  im  Palast  von 
White-Hiül.  Die  strengere  ältere  Richtung  der  Italienischen  Renaissance 
wird  auch  femer  in  England  festgehalten,  so  da.ss  der  Barock-  und  Rococo- 
Isil  nur  vereinzelt  bemerkbar  werden.  Der  grosse  Baumeister  Sir  Christofer 
Wren  {1632 — 1723)  lehnt  sich  bei  dem  Entwurf  für  die  Paulskirchc  zu  Lon- 
d'jn  (1675 — 1710)  an  die  Pläne  an,  die  Antonio  da  Sangallo  für  die  Peters- 
kirche zu  Rom  erfimdcn  hatte.  Auch  die  spateren  englisclicn  Baumeister 
entfernen  sich  nicht  w^-it  von  den  Vorbildern,  die  sie  in  den  Werken  der 
italienischen  Hochrenaissance  fanden,  so  das»  der  Übergang  zu  der  strengeren 
auf  griecliische  Denkmaler  zurüi -kg reifenden  Richmng  weniger  als  an  anderen 
(Jrten  sich  auffällig  vollzieht  (Benjamin  Dean  Wyatl  1775— 184S  [Drury- 
lane-Thcater  1800,  dorisch;  Crorkfort-CIubhouse,  korintlusrh]  — ;  Sir  Robert 
Smirke  1780 — iBO"  Cuventgarden-Theater,  1808,  durisch,  Postamt,  britisches 
Äluseum).  Früher  als  in  anderen  Ländern  fangt  man  an,  die  geschicht- 
lichen Bauwerke  zu  beachten  und  nachzuahmen.  Unter  den  Meistern  des 
mittelalterlichen  Baustiles  ist  hervorzuheben  Sir  Charles  Barry  (1795^1860). 
der  Erbauer  des  Parlanientshauscs,  und  George  Gilbert  Scott  (1811 — 78), 
der  imter  anderen  Monumenten  die  F'etrikirche  in   Hamburg  baut. 

Die  Plastik  hat  in  Deutschland  noch  im  16.  Jahrh.,  trotz  des  auch  auf 
diesem  Gebiete  sich  bemerkbar  machenden  Ungeschmackes  doch  noch  immer 
einige  recht  gute  Werke  aufzuweisen,  unter  denen  die  Portraiistatuen  der 
bayrischen  Herzoj;e  Willieluis  V.  und  Abreclits  V.  am  sonst  herzlich  unbe- 
deutenden Grabmal  Kai.'ier  Ludwigs  tlt-s  Bavem  (Fraupnkirc-lie  zu  München) 
wohl  die  hervorragendsten  sein  dürften.  Im  17.  Jahrli.  macht  sich  der 
Schwulst,  das  lct:re  Pathos  ganz  besonders  in  den  Bildhauerarbeiten  geltend, 
aber  neben  wahrhaft  abstossenden  Leistungen  sehen  »nr  vereinzelt  Werke 
entstehen,  die  durch  die  schlichte  Vornchmiicit  ihrer  Fonnen  grade  in  jener 
Zeit  um  so  verdienslvullcr  auffallen.  So  das  liegende  Bildnis  der  h.  Ursula 
in  der  Ursulakirche  zu  Köln  von  J oh.  Lenz.  Ein  vereinzelter  grosser 
Meister  tritt  uns  in  Andreas  Schlüter  entgegen  (1662 — 1714),  dessen 
Hauptwerk,  die  Reiters(atue  des  grossen  Kurfürsten  in  Berlin,  seinen  Ruf  für 
alle  Zeilen  festbegrilndel  hat.  Nach  ihm  giebt  es  keinen  bedeutenden  Bild- 
hauer mehr  in  Bcriin;  Friedrich  der  Gro.sse  muss,  als  er  seinen  Feldhcrro 
Denkmäler  errichten  will,  aus  Antwerpen  Johann  Pelcr  Tassaert  berufen. 
Wien  besass  in  Georg  Raphael  Donner  (i(kj2 — 1741),  dem  Meister  des 
Brunnens  auf  dem  neuen  stärkte,  einen  ausgezeichneten  Kflnstler,  dem  aber 
seine  nächsten  Nachfolger  auch  nicht  an  Genialitat  f^eichkamen.  Donner 
hat  ein  feines  Gefühl  für  Form en.schf>n hei t,  dabei  eine  enlsthiedene  Ab- 
neigung g^en  allen  Schwulst  und  alle  Überladung,  ist  somit  seiner  Zeit  weil 
vorausgeeilt.  Johann  Gottfried  Schadow  (i7(>4 — 1850)  ist  der  erste,  der 
von  der  der  Antike  abgeborglen  Maskengarderobe  absieht,  seine  Hel(Jen  dir- 
stellt,  wie  die  Zeitgenossen  dieselben  zu  seilen  gewohnt  waren  (Friedrich  den 
Grossen  in  Stettin  und  Sansouri,  den  alten  Dessauer  und  Ziethen  in  Berlin). 


Renaissance.    Barock*,  Rokukostil  und  Ki.assicisul'S.        551 

Auch  Christian  Rauch  (1777 — 1857)  mtiss,  so  sehr  er  in  der  aligiiechi- 
sehen  Kunst  das  alleinige  Vorbild  für  den  Bildhauer  crbückle,  der  iiralistt- 
schen  Auffassung  Zugeständnisse  machen;  seine  Könige,  Generale  u.  s.  w. 
tragen  das  Zcitkostflm,  wenn  ain.h  ein  grosser  Mantel  mit  seinem  monumen- 
talen Faltenwurf  die  Unifarni  nach  JlCgUchkcit  vcrUetkt.  Friedrich  Drake 
(1805 — 82)  und  Ernst  Rietscliel  (1804 — 61)  haben  nach  Schadows  Vorbild 
sich  auch  von  diesem  Hulfsmitlel  zu  befreien  geit-usst.  Die  Naturwahrheit 
gewinnt  au<:h  auf  dem  Gebiete  der  Plastik  ihre  so  lange  der  antiken  An- 
schauungsweise geopferten  Rechte  wieder.  Freilich  das  Stoffgebiet  der  alten 
klassischen  Kunat  kann  man  sich  nicht  gut  entziehen  lassen,  da  sonst  der 
Anlass  zu  unbekleideten  Id&ilfiguren  fehlen  wflrdt',  aber  man  sucht  diese 
Göttinnen  und  Götter  nach  inudcnicr  Weise  aufzufassen,  fragt  nicht  mehr 
danach,  nb  die  Griechen  das  so  oder  so  gemacht  hätten,  sondern  strebt  die 
allen  Stoffe  so  zu  gestallen,  wie  sie  der  Gegenwart  entspredien.  Ein  Meister 
dieser  neuen  Kunst  ist  Johannes  Schilling  (geb.  182S).  Der  malerischen 
Behandlungs weise  des  B^ockstiles  nähert  sich  Rctnhold  Begas  m  BerUn 
{geb.  1831)  und  vor  allem  der  Wiener  Viktor  Tilgner  (1844 — 96).  Auch 
mit  der  p<.ilythromen  Ikhaudlung  der  Bildwerke  hat  man  vielversprechende 
Vereuche  JUigcstdiL  Nur  schade,  dass  die  Bildhauerkunst  so  selten  wirklich 
erfreuliche  Aufgaben  gestellt  werden;  der  Denkmäler  verdienter  MSnner  und 
die  allegorischen  Darstellungen  Öffentlicher  Monumente  bieten  docli  in  den 
seltensten  Fällen  dem  Künstler  Gdegeuheit,  audi  seine  Phantasie  zum  Aus- 
druck zu  bringen. 

Die  wenigen  erhaltenen  Denkmäler  der  Plastik  von  Bedeutung  in  England 
sind,  so  weil  uns  bekannt,  im  lö.  und  17.  Jahrh.  von  AustJindem.  Italienern, 
Nietlerl ändern,  Franzosen  ausgeführt  worden.  Unter  den  Bildhauern  fies  18. 
Jahrhs.  ragt  hen'or  John  Flaxnian  (175.5— 182b),  mehr  bekannt  durch  seine 
im  Stiche  veröffentlidilen  Compositionen  zur  Ilias  und  Odysseus,  zum  Dante 
und  Äschylus,  Arbeiten,  die  sich  an  die  Vasenmalereien  der  Alten  aufs 
engste  anschliessen,  als  durch  seine  ausgeführten  GrabdeukmUlcr.  Auch  die 
Arlieitcn  von  Sir  Richard  Westmac*itt  (1775 — 1856),  seine  Statuen  (Nelson, 
Fox  u.  s.  w.),  seine  Grabrnununienle  (I'itt  in  Westminster)  werden  nur  einen 
mAssigen  Beifall  finden.  Bekannt  machte  sich  John  Gibson  (1701 — 186OJ, 
wen%er  durch  seine  zahlreiclien  Statuen,  als  durch  den  Versuch,  eine  Venus- 
statue  polychrom  auszufahren  (1854).  Die  heutigen  englischen  Bildhauer, 
wie  tjnslow  Ford,  der  ein  sehr  interessantes  Denkmal  fdr  den  Dichter 
Shelley  entworfen  hat,  Thornycroft,  George  Frampton  u.  s.  w.,  stehen 
den  Kßnstlem  anderer  Lander  in  keiner  Weise  nach. 

Als  die  Malerei  in  Deutschland  zur  Zeit,  da  Dürer  auf  der  Hohe  seines 
KOancns  stand,  sich  anschickte  zum  Gipfel  ihrer  EntwickeKing  emporzusteigen, 
trat  die  Beweg;ung  der  Reformation  ein,  und  so  wurde  die  Kunst  auf  lange 
Zeit  in  den  Hintergrund  des  allgemeinen  Interesses  gedrangt.  Hans  Hulbein 
fand  in  England  Anerkennung  und  Erwerb;  die  in  Deutschland  zurückge- 
bliebenen Meister  leisten,  je  mehr  sie  dtm  Ende  des  16.  Jalirhs.  sich  nähern, 
desto  weniger;  sie  haben  von  den  Italienern  wohl  die  Ges|>rcizthe.it  der 
Geberden,  nicht  aber  die  Feinheit  der  Zeichnung,  den  Glanz  des  Coloritcs, 
die  F.^higkeit  geistiger  Belebung  gelenit.  Am  ehesten  befriedigen  noch  die 
Leistungen  der  Portraitmaler.  Nach  dem  Ende  des  grossen  Krieges  sind 
auch  die  Portraitmaler  noch  immer  ;\m  ertraglichsten.  Was  sonst  geschaffen 
wird  beruht  auf  Nachahmung:  der  Italiener,  der  Niederländer,  bald  auch  der 
Franzosen.  Nur  vereinzelt  treten  bessere  Maler  auf,  deren  Werke  den  Ver- 
gleich mit  den  Arbeiten  fremder  Künstler  nicht  zu  scheuen  braudien,  z.  B. 


55^ 


XIII.  Kunst,     i.  Bildevde  Kuvst. 


Cliristoph  Paudiss  (i6l8 — 67?).  Am  geschicktesten  sind  noch  die  Fresko- 
mater, die  mit  erprobter  Routine  aber  im  Grossen  dekorativ  wirksam  die 
Decken  und  Wände  der  Kirchen  und  Klostereale  matten:  Daniel  Gran 
(1694 — 155 j"),  Martin  Joachim  Schmidt  (der  Kremser  Schmidt  1718 — i8of), 
Anlon  Franz  Maul  per  tsch  {1724 — 96)0.  s.w.  Raphael  Mengs{i728 — 79) 
verstand  wenigstens  das  Handwerk  des  Malers  ganz  vorzüglicti,  jedenfalls 
besser  als  Adam  Friedrich  Oser  (1717 — 09),  dessen  Wollen  sein  Kunnen 
weit  übertraf.  Die  Kunst  wieder  zur  Einfachheil  zurückzufüliren,  ihr  ernsten 
grossen  Inhalt  zu  gehen,  das  ist  das  Streben  von  Jacob  Asmus  Carstens 
(J"54 — 98),  allein  seine  küiisüeriachc  Vorbildung  ist  viel  zu  gering,  dass  er 
etwas  wirklich  Vollendetes  z«  schaffen  vermag.  Man  nniss  mit  der  guten 
Absiclit  sidi  zufrieden,  geben.  Schlimm  war  es  aber,  dass  die  Bewunderer 
von  Carstens  als  Grundsatz  vorküiideten,  auf  Korrektheit  der  Zeichnung,  auf 
tüchtige  Amfülirmig  in  Farben  koiiune  es  überhaupt  nicht  an,  sondern  auf 
die  grosse  Idee,  die  der  Künstler  darstellen  wolle.  Diese  Lehren  haben  in 
Deutschland  einen  namenlosen  Schaden  angerichtet:  selbst  ein  so  hochbe- 
deutender Künstler  wie  Peter  von  Cornelius  (1783 — 1867)  hat  sich  nur 
mit  vieler  Mühe  allmalig  zur  Richtigkeit  der  Zeichnung  durrtigerungen;  ein 
schwacher  Colurist  ist  er  sein  Lebtag  geblieben.  Die  Reaktion,  die  Carstens 
herbeigeführt  Itatte,  war  gegen  den  einseitigen  Cultus  der  schienen  Form  ge- 
richtet, jener  Kunst,  der  die  äussere  Erscheinung,  die  Anmut  und  Gefällig- 
keit die  Hauptsache  war,  der  Inhalt  dagegen  ganz  glcictigtiltig.  Carstens  und 
seine  .Anhänger  hatten  m  der  Rückkehr  zur  Kunststrenge  der  Griechen  das 
Heil  erblickt:  gegen  diese  einseitige  Überschätzung  der  alten  Kunst,  gegen 
die,sen  Cultus  des  Heidentums  und  des  Nackten  tritt  die  Schule  der  Nazarener 
auf,  die  In  den  Werken  Giotlos  und  Fiesoles  die  Vorbilder  für  ihr  Schaffen 
erblickten,  die  allein  für  die  Kiahe  und  zwar  einzig  für  die  katholische  zu 
arbeiten  für  ilire  Aufgabe  erkannten  und  die  chri-süiche  Kunst  jener  heidni- 
schen gegenüberstellten.  Der  Haiiplvertreler  dieser  Richumg  ist  Friedrich 
Ovcrbcck  (1789 — 18Ö9).  Freier  standen  dieser  Strömung  gegenüber  der 
schon  genannte  Peter  von  Cornelius  und  der  Protestant  Julius  .Schnorr 
von  Carolsfeld  (1794 — 1872].  Während  die  kla.ssi.sche  und  diese  neuchrist- 
liche Auffassung  noch  mit  einander  stritten,  wird  die  Landschafts-  und  Genre- 
malerei in  Düsseldorf  imier  der  Leitung  von  Wilhelm  von  Schadnw  (1789 
— 1860)  erfolgreich  gefördert.  Die  Einflüsse  der  französischen  Romantiker 
bringt  die  Gesell ichtsillustraii an  in  Mode :  Imnte  Wäm.ser,  glanzende  Har- 
nische u.  s.  w.  Aber  altitiJltig  versucht  man  doch,  was  man  sonst  fast  ge- 
flissentlich versäumt  hat,  malen  zu  lernen.  Wilhelm  von  Kaulbach,  dessen 
geistreiche  Satiren  (Fries  im  neuen  Museum  zu  Berlin,  r'"ai,-adenmalereicn  der 
neuen  Pinakothek  zu  München,  Illustrationen  zum  Rcinecke  Fuchs)  seine  an 
die  Schlusstablcaux  der  C>per  erinncmdcii  Historienbilder  überdauern  werden, 
legt  auf  die  Malerei  sclion  viel  mehr  Wert  als  Cornelius.  Noch  höhere  Ver- 
dienste erwirbt  sich  um  die  Verbreitung  der  Malkunst  sein  Schüler  Karl  von 
Piloty  (1826 — 86),  aus  dessen  Atelier  eine  grössere  Zahl  deutscher  und  fremder 
Maler  hervorgegangen  sind.  Hans  Makart  (1840 — 84)  strebte  mit  Erfolg 
Ituhc  koloristische  Wirkungen  an,  vernachlässigte  aber  die  Zeichnung  und  tt*usste 
seine  dekorativ  wirkenden  Gestalten  mit  keinem  Leben  zu  erfüllen.  Dte  Kunst 
ist  etwa  da  wieder  angekommen,  wo  ihre  Entwickelung  durch  Carstens  gestOrt 
worden  war.  Nicht  was,  sondern  wie  gemalt  wird,  ist  die  Frage,  die  die  jüngst 
vergangene  Zeit  beschäftigt.  Die  Freilichtmalerei,  van  den  Franzosen  zu- 
erst geübt,  findet  im  letzten  Viertel  unseres  Jahrhunderts  auch  in  Dcuüschland 
Eingang.     Halten  die  allen  Meister  seit  Ende  des  16.  Jahrlis.  im  Atelier  mit 


I 
I 


Nonllicbt  ihre  Modelle  gemalt,  so  sucht  man  jetzt  das  ungleich  schwerere 
Problem  der  Beteuchtiing  unter  freiem  Himmel,  die  durch  die  vielfachen  Reflexe 
modifiderten  Farbenwirkungen  zu  erfassen  und  wiederzi^eben,  Dinge,  an  die 
die  Maler  der  alten  Schule  wolil  nie  gedacht  hatten.  Die  strenge  Zcidmuug, 
die  sonst  eine  hersorragende  Bedeutung  gcViabt.  tritt  gegen  die  Wiedergabe  der 
Farbenwirkung,  der  Impression,  zurück.  Mit  Vorliebe  wälilcn  die  Maler 
lange  Zeit  ihre  Vorwürfe  aus  dem  Kreise  der  arbeitenden  Klassen,  die  sie 
meist  in  Lebensgrösse,  ohne  zu  idealisieren,  dazustellen  sich  bemühen.  Diese 
aogenaunte  Armeleute>Malerei  hat  lange  Zeit  Beifall  gefunden.  Auch  die 
Mythologie,  die  biblischen  Geschichten,  lieferten  u-illki-mme-nc  Stoffe,  doch 
kümmerte  man  sich  bei  den  Darstellungen  aus  dem  Sagenkreise  der  alten 
Völker  nicht  darum,  ob  die  Griechen  in  gleicher  Weise  das  Sujet  aufgefaßt 
hatten,  wie  man  von  der  Nachalimung  der  berühmten  alten  Meister  man 
sicli  lossagte,  allein  dem  niodemt-n  Geschmacke  zu  genügen  sich  bestrebte. 
Der  chardkterislisclie  Vertreter  dieser  Kuiislrichtuiig  ist  Arnold  Böcklin 
^geb.  1807).  Selbständig  wollte  man  sein,  von  aller  Tradition  sich  um  jeden 
Preis  befreien.  Dass  dabei  auch  sehr  wertvolle  Emingeiischaflen  frtüierer 
Zeit  prei^egebcn  werden,  lasst  sich  nicht  leugnen,  jedenfalls  hat  aber 
durch  die  neuen  Bestrebungen  die  Technik  der  Malerei  sehr  bc-deutende 
Fortschritte  gemacht  Die  neueste  Zeit  ist  nun,  wie  es  scheint,  nicht  mehr 
mit  bli"Ä&  meisterhaft  gemalten  Bildern  zufrieden,  sie  will  sicli  bei  deren  Be* 
trachtung  auch  etwas  denken  können,  und  so  finden  selb-tt  die  syml>olistischen 
Bestrebungen  mancher  Kün^der  jüngster  Zeil  Beiiall  und  in  gewissen  Kreisen 
auch  Anerkennung. 

England  hatte  im  16.  und  t7.Jahrh.,  einige  Portndlmaler  etwa  ausgenommen, 
keinen  Künstler  von  Bedeutung  aufzuweisen.  Bedurfte  man  eines  tüchtigen 
Meister^i.  so  Uess  man  einen  Mider  aus  Deutschland,  aus  den  Niederlanden 
kommen  und  bezahlte  ihn  bes.ser.  als  seine  Landslcute  dies  thaten.  Sn  hatte 
Hans  Holbein  der  Jüngere  sein  Brod  in  England  gefunden,  im  folgenden 
Jahrhundert  Pelcr  Paul  Rubens  und  Autony  van  Dyck,  Sir  Peter 
Leiy  (Picter  van  der  Faes)  und  Gottfried  Knellcr.  Im  iK.  Jahrh.  war 
Angelika  Kaufmann  freundlich  aufgenommen  worden,  wie  in  unseren 
Tagen  der  Friese  Alma  Tadema  und  der  Bayer  Hubert  Herkomcr. 
Die  englischen  Maler  stehen  in  der  ältesten  Zeit  hinler  jenen  Ausländem 
weil  zurück.  Doch  treten  nun  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhundert» 
zwei  Meister  auf,  die  nicht  nur  in  England,  sondern  auch  unter  allen  Kultur- 
natiunen  Beifall  und  huulisle  Anerkennung  finden:  William  Hogarth 
(1697 — 1704)  und  Tlioraas  Gainsborough  (1727 — 88);  mit  ihnen  beginnt 
die  Geschichte  der  englischen  Malerei  (Ernest  Cliesneau,  la  pcinture 
anglaise.  Parti.  Quantin  s.  a.).  Sie  sehen  die  Natur  nicht  durch  die  Brille 
weder  der  griechischen  und  römischen  KünsUer,  noch  der  gefeierten 
grossen  alten  MeLilcr  Italiens,  sondern  geben,  was  sie  mit  eigenen  Augen 
eischaut;  darin  liegt  ihre  hohe  Bedeutung,  in  dieser  Hinsicht  sind  sie  allen 
nuKJemcii  Künstlern  vorausgeeilt  Mag  Sir  Joshua  Reynolds  (1723 — 92) 
auch  viel  mclir  Erfahrung  gesammelt  und  die  Guiwt  seiner  Zeit  in  noch 
höherem  MasM;  genossen  haben,  so  sind  seine  Werke  wie  die  des  augc- 
«launten  Benjamin  West  (1738—18.30)  und  vieler  Anderen  vergessen, 
während  Hugarths  und  Gaiiisboruughs  Namen  in  immer  erhöhtem  Grade 
gefeiert  bleiben.  Allein  das  Beispiel  jener  bedeutenden  Künstler  fand  zunächst 
wenig  Nachahmung;  nur  einzehie  Portraitraaler  wie  der  Schotte  Sir  Henry 
Rachurn  (1756 — 18^3)  luid  Sir  Thoraas  Laurcncc  (176Q — 1830)  haben 
sich   einen   wohl  begründeten    Ruhm   gesichert     Für  die  Landschaftsmalerei 


554 


XIII.  KüKST.     I.  Bildende  Kunst. 


tritt  neben  GainstKjruugli  epochemachend  auf  Joseph  Mallord  William 
Turner  (1775 — 1^5:),  John  Constable  (1776 — 1837)  und  Richard 
Parkes  Bonington  (iBoi — 28},  der  Genremaler  Sir  David  Wjikie 
(1785 — 18^ [)  und  der  Tiermaler  Sir  Erwin  Landseer  (1802 — 73).  Die 
neuen  Maler  Englands  tiagen  einen  mehr  internationalen  Charakter  an  sich; 
sie  haben  in  Paris,  in  Mfmthen  ihre  Stu<Jien  gemacht.  Allein  trutzdcm 
erkennt  man  in  ihren  Formen  die  Engländer.  Mag  Lord  Frederik 
LtighlüH  (18.10—96)  und  Edward  Foyuter  {^h.  1836)  auch  an  dem 
traditionellen  Herkommen  festhalten,  die  Antike  als  Ausgangspunkt  ihrer 
Tliatijjkeil  ansehen  und  in  den  grossen  alten  Meistern  ihre  Vorbilder  ver- 
ehren, trotzdem  sind  es  englische  Mädchen,  die  sie  malen,  wenn  sie  sie  auch 
gleich  Phryne  oder  Andromaclie  etc.  nennen.  In  der  Bildnismalerci  leistet 
Walter  Ouless  (geb.  1S48),  Salomon,  Sant  u.  s.  w.  sehr  bcdeutcndcä  und 
auch  die  Landschaftsmalerei  hat  her\*o tragende  Meister  aufzuweisen.  Zumal 
die  schottischen  Maler,  die  Schule  von  Glasgow,  kann  sich  einer  bedeutenden 
Zahl  von  töchtigen  KOnstlem  rühmen ;  ich  nenne  nur  den  Portraitmalcr 
John  Lavery  (geb.  1858)  und  James  Guthrie  (geb.  185«)),  den  Land- 
schaftsmaler James  Paterson  und  James  Whitelaw  Hamilton.  So 
hat  auch  auf  dem  Gebiete  der  Malerei  England  seit  der  zweiten  Hälfte  un- 
seres Jalirhuiidetts  sehr  tOchliges  geleistet,  sich  eine  geachtete  selbständige 
Stellung  zu  erringen  gewnsst. 

Unsere  Schildeiung  würde  unvollständig  sein,  woIUen  wir  einer  Rjchtung^ 
der  englischen  Kunst  nicht  gedenken,  die  nach  langen  Kämpfen  sich  endlich 
die  allgemeijic  Anerkennung  zu  erwerben  verstanden  hat,  der  Schule  der 
PraeraphaCliten.  Beeinflusst  von  dem  angesehenen  Aestlietikcr  John 
Ruskin  iKitie  der  Maler  Dante  Gabriel  Rossetli  (1828—82),  mit  ihm 
seine  Freunde  William  Holman  Hunt  (geb,  1827),  Lord  Madox  Brown 
(1821 — 93),  John  Evcrett  Millais  (182^1 — i8',i6)  u.  s.  w.  um  die  Mitte 
unseres  Jahrhunderts  versucht  durch  eindringendes  Xaturstudium,  Streben 
nach  unbedingter  Wahrheit  und  Ablehnung  jeder  Nacliahmung  frfüierer 
Kunstfnrmen  eine  Erneuerung  der  englischen  Kunst  anzubahnen.  Ihre 
ersten  Werke,  die  auf  den  Ausstellungen  erschienen,  fanden  lebhaften  Wider- 
spruch. Millais  wandte  sich  ganz  der  Poriraitmalerei  zu  und  hat  sich  da  einen 
wohlverdienten  Ruhm  erwarben,  allein  die  andern  blieben  der  .Sache  treu  und  heut 
wird  deren  vorzüglichster  Meister  Edward  Burne-Jones  (geb.  1833)  mit  Recht 
anerkannt  und  gefeiert.  Auch  Walter  Crane  (geb.  1845),  der  vortreffliche 
Illustrator  der  bei  Rmitledgc  vcn^ffenilichten  Toy-books,  hat  in  seinen  grös- 
seren Gemillden,  die  wie  die  der  ganzen  Schule  ideale  Stoffe,  aber  in  meister- 
licher Danstellung  behandeln  die  höchste  .\nerkennung  gefunden.  Meut  ist 
in  der  That  England  im  Besitz  einer  nationalen  Kunst,  eine  Errungenschaft, 
deren  sie  viele  Jahrhunderte  lundurcli  gänzlich  entbehrte. 

Die  eingehendste  Schildenmg  der  neueren  Kunst  in  Deutschland  wie  in 
England  hat  Richard  Mutlier  in  seiner  Geschichte  der  Malerei  im  iq.  Jahr- 
hundert (München  T893,  189-1)  gegeben,  einem  Werke,  das  nicht  nur  seines  hohen 
wissenschaftEithen  Wertes,  sondern  auch  der  zahlreichen  Abbildungen  wcgeu 
besonders  zu  empfehlen  ist  Adolf  Rosenbergs  Geschichte  der  modernen 
Kunst  (Berlin  1884—89)  giebt  eine  treffliche  Darstellung  der  deutschen 
Kunstverhflltnisse,  nur  ist  der  Mangel  alter  Abbildungen  zumal  fOr  alle,  die 
nicht  ganz  mit  dem  behandelten  Stoffe  vertraut  sind,  sehr  fühlbar. 


XIII.  ABSCHNITT. 


KUNST. 


2.  MUSIK 

VON 

ROCHUS    VON    LILIENCRON. 


I 

I 


§   I.    EINLEITUNG.     DIE  GRUNDLAGEX  DER  MODERNEN  MUSIK. 

Die  Kunst  der  Musik  *  floss  der  flltesten  christlichen  Kirche  aus  zwei 
Quellen  zu:  aus  der  Kunstübung  und  Theorie  der  griech.-röm.  Welt  und  aus 
dem  jfldischcn  Tempel-  und  Synagugengcsange.  Die  Grundlegung  und  eiste 
Entfaltung  der  racMlemen  Mu.<iik  vollzieht  «tich  ausschliesslich  auf  dem  Boden 
der  Kirche,  in  ihren  Schulen  und  für  ihre  Zwecke. 

Die  griechisch -r">mische  Musik  *  bildete  ihre  Tonrcihe  aus  aneinand  einge- 
fügten Tetrachorden  (Reihen  von  je  4  Tönen).  Im  diatonischen  Tetrachord 
waren  die  Saiten  des  Tctrachords  s'^  gestimmt,  dass  sie  von  unten  nach  oben 
einen  Halbton  und  zwei  Ganzt^ne  darstellten,  also  z.  B.  (in  heutiger  Bezeich- 
nung) h  Vf  c  *  d  *  e.  Fügte  man  an  ein  so  gebautes  Tetrachord  von  der 
Stimmung  EFGa  nach  oben  im  Absland  eines  Ganztones  (diazeugmcnnn)  ein 
zweites  gleiches,  also  h  c  d  e,  dann  ergiebt  sich  diejenige  Octavengattung, 
^■elche  bei  den  Griechen  die  dorische  hiess  und  für  die  «Iteste,  nationalste 
Dud  vornehmste  galt:  EFGa  h  c  d  c  Die  Reihe  D — d  hiess  ihnen  die  phry- 
gische,  C — c  die  lydische,  A — a  die  aolische,  G — g  die  jonische  oder  hypo- 
phrygische,  F — f  die  hypolydische,  H — h  die  mwolydisi.he.  Diese  Reihen 
(Octavengattungen)  unterscheiden  sich  von  einander,  wie  man  sieht,  durch 
die  verschiedene  Lage  des  H<ilbtuns  in  den  Tetrachorden. 

Setzte  man  aber  an  das  Tetrachord  KFGa  ein  zwcitcjs  dergestalt,  dass 
der  Unterton  des  höheren  auf  den  Oberton  des  tieferen  fiel  (Synemmcnon), 
dann  ergab  sich   die  für  weitere  Combinationcii  wichtige  Reihe  EFGa  b  c  d. 

Die  Griechen  brauchten  ausser  diesem  diatonischen  noch  zwei  andere 
Tongeschlechtcr  (Stimmungt'n  des  Tetrachords),  das  cluomati.sche  und  das 
«nharmonischc.  In  beiden  stehen,  wie  im  diatonischen,  Ober-  und  Unterton 
im  Verhältnis  der  Quart  zu  einander,  die  mittleren  Töne  aber  sind  anders 
gestimmt,  nSmlich  im  rhromaiisrhen  Geschlecht  (von  unten  nach  oben) 
Halbton  und  Halbton,  im  enharraonischen  Viertel-  und  V'iertclton,  also 
chromatisch:  h  V«  c  */t  da  i*/i  e,  cnharmonisch:  h  '/^  h«  V4  c  '  c.     Beide  uiir- 


556 


XIU.  Kunst.     2.  Musik. 


den  jedoch  nicht  zu  sclbstaudigea  Toiileilcni  zusamniengetilgt,  sondern  nur 
der  diatonischen  Tonleiter  zu  Zwecken  ge-stcigerten  Ausdruckes  eingesetzt 
Als  die  alte  Musik  auf  die  chrisüiche  Kirche  überging,  war  die  Enharmonik 
mit  ihren  Vierteltönen  aus  der  Praxis  versctmiinden  und  die  Chromatik  ward 
von  der  kirchlichen  Musik  in  ihrer  allen  Gestalt  nicht  aufgenommen.  (Vergl. 
La  melop^e  antique  dans  le  chant  de  l'eglise.     Gaud   1805.) 

Zur  Zeit  des  Übergangs  der  antiken  Musik  auf  die  junge  christliche  Kirche 
war  das  wehlicbc  Musiktrcibcu  zwar  cutartet,  weil  es  den  AusschweifungCD 
des  zerfallenden  antiken  Lebens  diente.  Die  Musik  selbst  aber  als  Kunst 
stand  auf  der  Höhe,  diu  sie  in  der  antiken  Welt  überhaupt  erreicht  hat. 
Der  letzte  antike  Theoretiker  Boethius*  (t  524)  bildet  den  vornehmsten 
Ausgangspunkt  für  die  Theone  des  christlichen  Millelalters  und  hat  sie 
wen^tens  teilweise  bis  in  das  11.  Jahrhundert  beherrscht 

Der  älteste  Gesang  in  der  abendlJlndischen  christlichen  Kirche  benjlit  auf 
den  aus  der  morgen  landischen  Kirche  stammenden  Überlieferungen.  Von 
einem  Gesang  wechselnder  Chöre  und  von  Gesangen  in  antiken  Cbormetrcn 
hören  wir  (durch  Philo)  schon  bei  den  Alesand rinischcn  Therapeuten,  wobei 
es  freilich  in  Frage  kommt,  ob  hier  die  Sitte  des  chorischen  Wechselgesanges 
nicht  vielmehr  aus  dem  jüdisclien  Tempelgcsang  stanunl,  Von  christlichem 
HjTiinengesang  ln'^ren  wir  in  der  Syris<-hen  Kirche  zuerst  bei  den  Gnosiikcm, 
dann  auch  bei  Rechtgläubigen.  Chr^'sostoraus  brachte  die  Sitte  nach  Kon- 
stantinopel; von  da  verbreitete  sie  sich  weiter.  Im  vierten  Jahrhundert  be- 
gegnen lateinische  wie  griechiche  Hjinnendichter.  Solchen  llynmengesang 
nahm  Bischof  Ambrosius  (.^,^3 — 397)  in  die  Liturgie  seiner  maüandischen 
Kirche  auf  *.  Selbstverslilndlich  handelt  es  sich  dabei  um  Hj-mnen  in  antiken 
Metren;  in  der  antiken  Kunslübung  regelte  das  Metrum  aber  nicht  nur  die 
Verwendung  langer  und  kurzer  Silbcu  im  Verse  luid  die  Geslali  der  Strophe, 
sondeni  es  stellte  zugleich  den  Rhythmus  der  Tr»ne  und  die  Gliederung  der 
Melodie  dar.  Dass  hierdurch  den  Melodictüuen  also  der  Rhythmus  von 
aussen  her  als  etwas  fremdes  auferlegt  werde,  ist  eine  nur  sdicinbar  richtige 
Vorstellung.  Vielmehr  ruht  umgekehrt  das  Metrum  auf  einem  Prinzip, 
welches  seinem  inneren  Wesen  nach  der  Musik  angehört  und  von  dieser  nur 
theorcti.scJi  losgelöst  ist.  Nicht  den  Musiktönen,  sondern  dem  Worte  wird 
durch  das  Metrum  und  seine  strenge  gemessenen  Langen verhallmsse  ein  ihm 
an  sich  fremdes,  wenn  auch  analoges  festes  Maass  auferl^t. 

Die  Musik  der  HMnnen  bewegte  sich  in  den  antiken  diatonischen  Skalen, 
die  man  lateinisch  t^ni  nannte.  (Ambrosius  licss  angeblich  in  der  Kirche 
ihrer  nur  4  als  ersten  bis  vierten  Tonus  zu,  nämlich  die  Reihen  D — d,  E— e, 
F — f  und  G— g.     S.  jedoch  unten  unter  Gregor  S.  55Q  o.) 

Von  den  eigenen  Hymnen  des  Ambrosius  leben  in  der  katholis<lien 
Kirche  mehrere  noch  heute,  darunter  als  die  am  sichersten  beglaubigten: 
Veni  redemlor  gentium,  Aetenie  rerum  conditor  und  das  wohl  aus  dem 
Griechischen  übertragene  Tedeuni,  d.  i.  der  sog.  Am brosian Ische  Lobgesang. 

Die  zweite  Gattung  der  altkirchlichen  Musik,  vielmehr  ihre  erste  und  vor* 
nehmste,  der  eigentlich  liturgische  Gesang,  dessen  Quelle  im  attjOdischeo 
Tempel-  und  Synagc^cngcsang  zu  suchen  ist,  zerfallt  iu  zwei  Arten,  welche 
spfltcr  (aber  mit  altem  Namen)  als  accentus  und  concentUÄ  bezeichnet  wurde  *. 
Accentus,  übersetzt  aus  jjQoaqtdia,  bedeutet  genau  was  es  besagt:  Zugcsang. 
In  der  Sprache  ist  darunter  die  Tonbewegung  der  Stimme  beim  Aussprechen 
des  Wortes  nach  der  Beschaffenheit  und  dem  Starke  Verhältnis  seiner  Laute 
und  nach  seiner  Stellung  im  Satzbau,  nach  seiner  metrischen,  rU>'tluiiischeiL 
und  syntactiscben  Beschaffenheit  zu  verstehen.     Als  Gattung   der  Musik 


I 


GRinrDLAOEK   DER   MODERKEN   MuSIK. 


557 


I 


N 
p 


^ 


zeichnet  accentiis  den  recitirenden  Gesang,  bei  dem  die  Stimme  des 
Lesenden  uder  des  singenden  Chores  auf  ein  und  demselben  Ton  liegen  bleibt 
indem  sie  sich  nur  an  einzelnen  Stellen,  nilmlich  im  Eingang  (initium), 
der  Mitte  (medialio)  und  am  Vers-  und  Satzschluss  (finaüs)  in  bewegteren 
Tonfiguren  über  diesen  einen  mittleren  Ton  erhebt  oder  unter  ihn  herab- 
senkt. Als  mittlerer  Ton  galt  nach  der  sj>ateren  Entuickelung  ttie  Dominante 
der  Tonart,  in  der  gesungen  wurde.  Die  Tonfälle  der  Initicn,  Medianlcxi 
und  Finalen  waren  fOrjt^te  Tonart  licstimmt  vorgeschrieben.  Den  wichtigsten 
Teil  dieses  accentischen  Gesanges  bildet  der  liturgische  Vortrag  der  Psalmen, 
die  Psalmodic.  Ihr  analog,  nur  in  seinen  Tonbewegungen  noch  weit  be- 
schraiikter  und  an  die  Andeutung  der  Satzgliedcmng  nach  Komma,  Kolon 
Punkt  oder  Fragezeichen  gebunden  ist  der  Leselon,  in  dem  die  verschie- 
denen biblischen  Lectionen  vorgetragen  werden.  Er  ist  gleichen  Alters  mit 
der  Psalmij{tie. 

Der  concentUB  besteht  dagegen  darin,  dass  die  Melodie  in  selbständigen 
Tonbewegungen  von  Silbe  zu  Silbe  dem  Text  folgt,  sei  es,  dass  sie,  wie  in 
dem  vorhin  en*;ihnten  H>Tnnengcsange,  jeder  Silbe  nur  einen  Ton  giebt,  oder 
dass  sie,  worauf  die  Prosatexle  fuhren  mussten,  thirch  mehr  Töne  über  einer 
Sflbe  eine  rhythmisclie  Ausgleichung  herbeifülirt.  Wie  alt  dieser  sich  offenbar 
an  den  accentus  als  kunstvollere  musikalische  Entwickehmg  anschliessende 
OODcentus  im  kirchlichen  Gebtauch  ist,  darüber  gehen  die  Meinungen  noch 
auseinander.  Zur  Zeit,  wo  vni  sicher  urteilen  kßnnen  (um  das  8.  Jahrh.), 
sang  man  in  dieser  im  vollen  Sinne  musikalischen  Weise  neben  den  Hvmnen 
vor  allem  die  Antiphimen  und  die  Resi>onsonen.  In  ihnen  liegt  der  Aus- 
gangspunkt für  die  Entwickelung  der  weiteren  kirchlichen  Kunstmusik. 

Auf  diesen  musikalischen  Gmndlagen  nun  und  mit  dem  bis  dahin  im 
Gebrauch  «.ler  jungen  Kirche  erwachsenen  liturgiM-hen  Stoff  nach  Wort  und 
T(m  gab  Papst  Gregor  I.  d.  Gr.  (590 — 604)  den  Lituigien  des  ganzen 
Kirchenjahres  in  Messe,  Hören  u.  s.  w.  die  Gestall,  die  ihnen  in  der  katlko- 
lischen  Kirche  bis  heute  im  Wesentlichen  geblieben  ist  und  aus  der  sich  im 
if>.  Jahrh.  die  gt>tte.srlicnstlirh-musika]i sehen  Formen  der  Rcfnrmati<mskirch«n 
entwickelten.  Gregi^rsWerk  ist  weder  in  den  Te.xlen  noch  in  der  Musik  eine 
Neuachöpfung,  sondern  es  wird  wiederholt  und  ausdrücklich  als  ein  cento, 
also  als  ein  aus  gegebenen  Bnichslflcken  zusammengesetztes  Werk  bezeichnet. 
Wie  vollständig  übrigens  der  liturgische  Bau  des  Kirchenjahres  schon  durch 
Gregor  selbst  geschaffen,  wie  viel  die  nächste  Folgezeit  bis  zum  8.  Jahrh.  im 
Einzelnen  hinzugefügt  habe,  darüber  gehen  die  Ansichten  auseinander.  Das 
kanonische  Exemplar  der  Gesänge,  welches  er  der  Tradition  nach  in  St.  Peter 
in  Rom  an  den  Altar  ketten  liess  als  Richtschnur  für  die  von  ihm  in  neue 
Verfassung  gesetzte  römische  Sangerschule,  hat  sich  bisher  weder  im  Original 
noch  in  einer  unmittelbaren  Abschrift  nachweisen  lassen.  Gleichwohl  hat 
die  römische  Sangerschule  ganz  ge*n'ss  ein  solches  kanonisches  Buch  besessen 
und  strenge  befolgt  Es  fragt  sich  nur,  wie  weit  die  nachweislich  im  8.  und 
(>.  Jahih.  ztmi  Zwecke  der  Sicherstellung  der  kirchlichen  Einheit  im  Gesang 
von  den  Pa))stcn  namentlich  ins  Frankenreich  geschickten  Abschriften  noch 
dem  ersten  Original  genau  entsprachen.  Aas  Ekkehards  Bericht  in  den  Casus 
Sl  Gaili  ist  bekannt,  dass  790  ein  solches  Exemplar  durch  den  von  Pa]ist 
Hadrian  geschickten  Romanus  nach  St  Gallen  kiim.  Auch  dies  Exemplar 
ist  bisher  in  keinem  der  ältesten  Antiphonare  nachgewiesen.  Dass  es  indessen 
in  St  Gallen  vorhanden  war  und  dort  in  der  kirchlichen  Praxis  wie  beim 
Abschreiben  als  geheiligte  Norm  behandelt  ward,  darf  für  gewiss  gellen. 

Nur  stellt  nun  der  Erkeimtiiis   der  Melodien  dieser   ältesten   kirchlichen 


559 


Xtll.  Kunst.    2.  Musik. 


Handschriften  eine  grosse  Scliwierigkcit  entg^e-ti:  sie  sind  nicht  in  {griechisch- 
römischer)  NutenscUrift  verzeichnet,  senden»  in  Neumen.  Das  Wort  {yevfta) 
bedeutet  Wink  und  ist  ursprünglic!h  der  technische  Ausdruck  für  die  Zeichen- 
sprache, mit  der  der  Chein.">nc»me  den  Gesang  (und  die  Bewegungen)  des 
singenden  (und  tanzenden)  Chores  leitete.  Diese  Kunst  der  Cheirononiie 
war  wie  bei  (ien  Griechen,  sn  aucli  in  nachweisbiir  ganz  flhnliclier  Weise  im 
Orient  verbreitet,  bei  den  Indem,  Armeniern,  Juden;  ja  Spuren  davoi\ lassen 
sidi  bis  ins  Mittelalter  herab  verfolgen.  Die  Tonbewegung  der  Stimmen, 
also  den  accentus  (Zugesang)  aufsteigend  cxler  absteigend,  oder  beides  in 
mannigfacher  Verbindung  oder  uingektihrl  das  Beharren  der  Slinunen  auf  ein 
und  demselben  Ton  deutet  der  Chdronom  durch  ent-ip rechende  Uewegungen, 
namcntlidi  der  HJliidc  an,  Indem  diese  bewegten  Zeichen  für  den  Zugesang 
schriftlich  dargestellt  wurden,  entstanden  die  sprachUchen  Arcent-  und  andre 
damit  zusaramenhilngende  Zeichen  für  richtige  Aussprache  und  Vortrag 
(Acutus,  Gravis»  Perispomenon  u.  &.  w),  und  ans  diesen  Zeichen  w-iedcr  wurden 
die  Zeichen  zur  schriftlichen  Darstellung  des  Ziigcsange^  fOr  die  kirchUchen 
Texte  in  den  ältesten  Mandscliriften,  also  die  musikalihchcii  Neumen  gebildet. 
Ohne  Zweifel  ward  auch  in  dem  Gr^orianischen  Normalexemplar  der  Gesang 
nur  in  solchen  Neumen  notiert.  Diese  Zeichen  aber  zeigten  nur  die  Ton- 
bewegungen der  Stimmen,  nicht  auch  die  absolute  Tonhöhe  und  den 
genauen  Abstand  der  Töne  von  einander  an.  In  diesem  Sinne  bildeten  sie 
keine  wirkliche  Notenschrift.  Sie  beduriteu  zur  praktischen  Verwendung  der 
mündlichen  Tradition  der  Melodien,  wie  solche  in  der  Zeit  bis  zum  9.  Jahr- 
hundert von  der  gregorianischen  Gesangschule  in  Rom  ausging  und  über- 
wacht ward,  spater  von  den  kirchlichen  Musikschulen  des  fränkisclien  Reiches 
in  Soissons,  Metz,  für  Deutschland  vor  Allem  in  St.  Gallen.  Da  nun  aber, 
2umal,  wie  es  scheint,  durch  griechische  Einflüsse  am  Hofe  der  fränkischen 
Könige,  die  Neigung  zu  kQnstUcheren  Melodien  mid  zu  reicheret  Aus- 
schmückung der  alten  Melodien  stieg,  so  stieg  damit  zugleich  die  Schwierig- 
ieil,  den  Gesang  in  Neumen  genügend  keimtÜch  zu  macheu.  Auf  der  einen 
.Seite  wuchs  die  Zahl  dii-r  i  omliinicrten  Zeichen  zur  Darstclhmg  der  Ober 
einer  Silbe  oder  der  in  emem  Athcm  zu  sbigendcu  Tünc.  Die  gewöhn- 
liclisten  dieser  zusammengesetzten  Zeichen  sind:  Clivisis  Acutus  und  Gravis, 
aisü  ein  höherer  und  ein  tieferer  Ton,  z.  B.  de  Podatus  =  Gravis  imd 
Acutus,  z.  B.  c  d.  Scandicus^' Gravis,  Gravis,  Acutus,  z.  B.  cd  e.  Clima- 
cusss  Acutus.  Gravis,  Gravis,  z.  B.  e  d  c.  Torculus  =  Gra\is,  Acutus,  Graws, 
z.  B.  c  e  c.  Porrcclus  =:  Acutus,  Gravis,  Acutus,  z.  B.  c  c  c.  Pudatus 
subbipunctis  =  Gravis.  Acutas,  Gra\Hs,  Gravis,  z.  B.  d  e  d  c  Podatus 
-subtripunctis  =  Graxis,  Acutus,  Gravis,  Gravis,  Gravis,  z.  B.  cdcha  u.  s.  w. 
Eine  rhyOmnsche  Bedeutmig  hat  der  Pressus:  er  zeigt  an,  dass  die  Silbe  einen 
doppelten  tctus  liahen  solL  Die  Tonhöhe  und  der  Abstand  der  Töne  von 
einander  wird,  wie  bemerkt,  in  diesen  Zeichen  nicht  bestimmt.  Neben  den 
gewöhnlichen  Neumen  in  graden  Strichen  und  neben  der  daraus  sclion  früh 
gebildeten  Cursivschrift  finden  sich  auch  noch  andere,  namentlich  punktiene 
Neumen,  die  durch  den  Abstand  der  IMnkte  das  Tonverhaltnis  darzustellen 
suchen.  Zur  Veranschaulichmig  stelie  hier  (nach  Coussemaker.  Hist.  de  l'har- 
raonie  au  Moyen-äge,  vgl.  Wattenbach,  D.  GeschichtsqucUen  i.  M.A.  5.  Aud. 
Bd.  I,  S.  307)  der  modus  Ottinc  in  einfachen  Neumen. 


I 


I 


I 

I 


GRUKDLAGKX   der  MODSRSEüt  MustK. 


559 


I     I  M>  .    I      I.MAI 

Maguiw  ctsv  Otto  queni  hk  ttkkIub  rcfert 

.  I  I!    II    I  I     -  /    /  V 

tu  nomine  ottinc  dictns  qtuulain   nocte 

/   -  j  -    /  /  /  ./-..A-j  /;  / i 

RMtnbni  stia  dum  coliocat  pilatio  camt  subito  Joflanmur. 

Um  das  S.  Jalirh.  hatte  daa  System  der  kirchlii  Ken  Tonarten  seine  seitdem 
gebliebene  Gestalt.  Dass  es  sie  schon  durch  Gregor  d.  Gr.  erhallen  liabe, 
indem  er,  so  «ird  erzählt,  zu  den  vuo  Ambrusius  aufgcnummencn  4  authen- 
tischen Tonarten  (Skalen)  die  ^  plagaleii  hinziifOsi^e,  ist  schon  darum  kaum 
gbiublich,  weil  ilamals  in  Rom,  wie  man  aniieluncn  muss,  die  antiken  grie- 
chisch-römischen Tonarten  nncli  in  praktischer  Übung  standen,  von  denen 
die  kirclilichea  Tonarten  (Kirclientüne)  schon  dem  Namen  nach  abweichen. 
Diese  Ä  alten  Kirchentöne  sind  fiilgaide: 

Gnindton  Hauptuiiifang    Domi- 

dtr  Mclodio       nante 

I.  tonus.  D.  authcni,  {durisch)  D — d a. 


II. 

> 

D.  pLagu 

iir. 

* 

E.  auth. 

IV. 

» 

E.  plag. 

V. 

- 

F.  auth. 

VI. 

> 

F.  plag. 

VII. 

» 

G.  auth. 

VIII. 

» 

G.  plag. 

(phrj-gisch) 

(hypuplirjgisdi) 

(lydisch) 

(hyptilydisch) 

(mi.\t>lydisdi) 

( hy  ixMni  X  oly  disch) 


-a. 


D— d- 


Dic  plagalen  Tonarten  haben  die  gleiche  Tonica  (Giundton)  mit  der  ihnen 
entsprechenden  authent.  Tonart;  der  erste  und  zweite  tonus  haben  also  beide 
Uic  Tonica  D.  Daher  sind  z.  B.  der  aulheul,  erste  und  der  plagaie  achte 
nur  scheinbar  gleich,  denn  jener  iiat  zum  Gruudton  D,  dieser  G  tmd  jener 
modulieit  (modern  gesprochen)  vermöge  »einer  Dominante  a  in  D-nioH,  dieser 
vermöge  der  Dominante  c  aus  G-dur  nach  C-dur. 

In  der  nächsten  mittelalterlichen  Periode  kamen,  was  gleich  hier  bemerkt  sei, 
das  unsenu  Dur  ent^pret/hende  jonische  C — c  (Dominante  G)  und  das  unserm 
Moll  am  nächsten  kommeadc  IU>Usche  A — a  noch  hinzu.  Man  hat  diese  Ton- 
reilien  in  den  weissen  Tasten  iin.serer  KIa\'iere  vor  Augen,  die  eben  die  diato- 
niüdien  Tonleitern  darstellen.  Von  den  Tönen  der  schwarzen  Tasten,  die  als  zu- 
fällige und  im  Kirchengesang  im  Allgemeinen  nicht  zulässige  Ton  Veränderungen 
galtai.  ward  in  ältester  Zeil  nur  das  b  in  den  beiden  oberen  Octaven  ge- 
braucht, welches  neben  dem  h  quadratum  (d.  h.  h)  seine  Verwendung  als  b 
rotuiidum  fand.  Die  jetzt  gebräuchlichen  griechischen  Namen  für  die  8  Töne 
finden  sich  zuerat  in  der  dem  Hut-bald  (t  930)  fälschlich  zugeschriebenen 
Musica  enchiriadis.  Im  accentischen  Gesang,  d.  h.  in  der  Psalmoiiie  bildet, 
wie  schon  bemerkt,  die  Dominante  denjenigen  Ton,  auf  dem  recitien  »ird 
und  von  dem  aus  die  .Stimme  sich  in  den  Tonfallen  des  Eingangs,  der  Mitte 
imd  des  StliliLSses  aufwärts  mid  abwärts  bewegt.  In  der  concentischen 
Melodie  bildet  die  Dominante  den  Ton,  zu  dem  in  jeder  Tonart  die  Melodie 
steh  von  der  Tonica,  dem  Grundton  aus  liauptsüchtich  bewegt,  den  sie  vor- 
zugsweise berührt,  von  dem  sie  zum  Grundton  zurückkehrt  und  der  dadurch 
ihre  harmonischen  Verhältnisse  beherrscht,  d.  h.  die  inner liarmonischea 
zwischen  den  sich  folgenden  Melodictüuen.  Denn  von  Harmonien  melirerer 
gleichzeitig  erklingender  Töne  ist  in  dieser  ganzen  Musik  noch  keine 
Rede. 


560 


XIII.  Kunst,    2.  Musik. 


1  Allgecn.  Lehrbüclicr :  A.  W.  Ambio«,   Geuh.  der  Musik.  4  B<!e.  9fl.   i86a. 

18&4.  186S  und  (n»ch  dem  Tode  des  Verf.)  1878;  dazu  vun  O.  Kade  u)k  5.  Bd.: 
Auseru'ählu  Taniptrke  der  berühmUn  Meister  des  XK  und  XVf.  Jahrhs.  (mit 
Bcnuizung  von  Arabros*  Nacliiass).  3.  (duich  Solkcvsky,  O.  Kade  und  Rei- 
maon)  besorgte  Ausgabe.  Leipiig  1887 — 1892.  —  Arrey  v,  Domrocr,  Hdb.  d. 
Musiltgfich.    8^.    2.  Aufl.    1878.  —   Heinr.  Ad.   KöaiUn,   Gesch.  d.   Musik  im 

t/mriss.  8".  3.  Aufl.  1884.  —  Emil  Naumann,  füuttrierte  Mnsikgrsfh.  3  Bde. 
8*.  1885.  —  •  Fricdr.  Bcllcrmann,  Die  Tonleitern  und  Musiknoten  der 
Griechen.  1847.  4*'.  Derselbe,  liie  Hymnen  des  Dionysos  und  Mesomedes.  1840. 
4*.  —  Wcitxmanii,  Gesch.  drr  griech.  Musik.  1855.  —  R,  Westphal,  Har- 
monik u.  MeiopSif  li^r  Griechen.  1863.  8".  Drrsclbe,  Gesch.  d.  alten  u.  miltel- 
ailerl.  Mmik.  1865  —  66,  8"^.  Derselbe,  Die  Mutik  des  griech.  AlUrthums.  1883. 
8".  —  >  jV.  M.  S.  BoiJlius,  De  instihilione  musica  lihri  V.  t-d.  Friedlein.  I867.  8®. 
Au«  dem  I^iein  und  niil  besonderer  Berück sichti^n^  der  ^cchischen  Hartnonik 
sachlich  erklärt  von  Ose.  Paul,  1872.  8".  —  Branibach,  Die  Muuktitirratur  des 
MittelaiUrs.  Karlsr.  1883,  —  *  W,  Bttumker,  ?Atr  Geschichte  der  Tonkunst  in 
DeutschSanä  von  den  ersten  Anfängen  bis  aur  Re/ormalion.  1S81.  8".  — 
Königsfeld,  Lateinische  Hymnen  und  Gesänge  im  M.A.  mit  Anm.  von  A,  W, 
Schlegel.  2  Bde.  1847—65.  —  Jo«.  Kehteim,  Kirchen-  u.  rel.  Lieder  aus 
dem  13.  bis  1$.  Jakrh.  1853.  8*.  —  K.  Simrok,  Lauda  Sion.  3.  Aafl.  1868. — 
fi  Dom  Jos.  Poihier,  Der  gregorianische  ChoraL  OberveUt  von  P.  Ambrostus 
Kieole.  Tourtiai  1881.  \i,^.  —  Schubiger,  Die  Sängerschtile  lu  St.  Gaiien. 
1858.  —  Patecgraphie  musicaU.  Bd.  1 — IV.  l88g  f.  (herausgegeben  von  den 
Bcncdictincm  zu  Solennes,  wohL  von  Dom  Job.  Potbier  gearbeitet).  —  Frz. 
Xav.  Habcrl.  Magister  thoratis.  Rcgensbu^  b.  Pustet.  —  Fr.  Aug.  Gevacrt, 
Der  Ursprung  des  röm.  Kirchengesttnge^,  Deutsch  von  Hagn  Riemano.  Leipx. 
189t.  8".  —  Oskar  Fleisciier,  Neumen-Sludittm.  T.  t,  Ldp/.  1895.  (T.  U 
kunnli,-  hier  leider  nicht  mehr  benutzt  werdeu.  Vgl.  «Insu  noch  P.  U.  Korn- 
niUller,  I^ie  Nenmen/arschung,  im  ICirchcnmuuk.  Jidirb,  f.  d,  Jahr  1896,  bng. 
von  Frz.  X,  Habcrt.)  * 

g  a.     DIK  PERIODE  DE-S  GREGORIANISCHEN    GES.4NGS. 

Die  Hauptschulen  der  kirchlichen  Musik,  der  auch  Karl  d.  Gr.  seine  alles 
umfa&iendc  Sorge  zuwandte,  waren  für  das  frünkischc  Reich  jenseits  des 
Rheines  in  Metz  imd  Soissons,  diesseits  in  St  Gaiien,  Rcichcnau,  Fulda.  Die 
für  die  Kirche  so  unentbehiiiche  Kunst  der  Musik  ward  als  eine  der  7  artes 
liberalcH  gelehrt.  Ihre  eigentliche  Aufgabe  war  der  kirchlich -liturgische  Ge- 
sang der  Messgesfinge  (Kyrie-,  Gloria.  Credo,  Sanctus,  Agnus)  der  Introiten, 
Graduales  iL  s.  w.,  der  Antiphonen,  Responsoricn,  Hymnen  u.  s.  w.  und  die 
Psalmodie.  Sie  ergriff  und  beherrschte  aber  von  dieser  Grundlage  aus  auch 
den  weltlichen  Gesang.  Wie  der  ihren  Einwirkungen  voraufliegende  deutsclic 
Volksgcsang  gelautet  habe,  das  wissen  wir  nicht;  Spuren  davon  liaben  sich 
nicht  erhalten. 

Dass  uns  durch  die  genannten  Schulen  die  aceentisclien  GcsUngc  in 
ihrer  ursprQngUchcn  Gestalt  erhallen  sind,  darf  man  annehmen,  rweifelhaft 
ist  dies  \'erniöge  der  Un^cherheit  der  Neumenzeichen  bei  den  concenliscfac 
Gesängen.  Wir  gewahren  eine  zunehmende  Neigung,  den  ursprOngüch  wohl 
in  höherem  Maasse  syllabischen  Bau  auch  dieser  Melodien  durch  Tongnippen 
Über  den  Silben  auszuschmücken  und  zu  bclebtui,  Es  scheint,  das»  die  schon 
erwJihnten  griechischen  Einflüsse  daliin  gewirkt  haben.  Unberührt  davon 
blieben  jcdcM'ii  die  Mekjdien  der  Hymnen,  in  denen  sich  i:n  Allgemeinen 
der  alte  Grundsatz  erhielt,  dass  jeder  Silbe  des  Textes  eine  Note  der  Melodie 
entsprechen  müsse.  Die  Hymnen  mit  ihrem  strophischen  (^esang  bildeten 
bis  dahin  den  Hauptgegenstand  der  kirchlichen  Compo^ition.  Durch 
sind  uns  ohne  Zweifel  älteste  Meindien  erhalten  worden.  Im  Allgemeine 
hat  man  in  den  Dichtem  der  H>-mnentexte  auch  die  Erfinder  der  i^Ieludi( 
vorauszusetzen. 

Ais  Hymnendichter •  begegnen  nebst  vielen  andern: 


i 


Periode  des  Gregorianischen  Gesanges. 


561 


Hilariiis  (t  <"-  y>*^)'  I-"*"is  largiior  splcndüic.  Damasus  (t  3H4)  (Ge- 
vacrt,  Ursprung  des  rüm.  Kirchengesiingcs  S.  14,  s.  ">.  hült  jedoch  die  auf 
Hilarius'  und  Damasus'  Namen  übfrlieferten  Hymnen  für  apokn-pli).  Pru- 
dentius:  lani  moesta  quiescc  quercla;  Nox  et  tenebrae  et  nubila;  Ades 
patcr  supcmc;  Aics  dici  nunüiis;  Salvete  fli^res  martyrum.  Gregor  d.  Gr.: 
Audi  lienigne  »onditor;  Veni  crcator  spiritus;  Rex  Christe  factor  om- 
ninm;  Surami  largilor  praemü;  Ex  niore  dixti  mystjro.  Venanlius  For- 
tunatus  (t  609):  Crux  fidelis  inter  unmes;  Vcxilla  rcgis  prodeunt  (?)  Salve 
festa  dies.  Tlieodulfus  von  (Orleans  (t  821):  Gk)ria  laus  et  honor.  Rha- 
banus  Maurus  (t  85h):  Chrisle  sanclorum  decus  angelorum;  Fcstuni  nunc 
celcbre.  Fnlbert  von  Chartres  (t  10J9).  Hermannus  Contractus 
(t  1054);  Alma  redfiiiloris  mater.  Adam  von  St.  Victor  (t  H/?)-  Aba- 
lard  (t  1142).  Bernhard  von  Clairvaus  (t  1153):  lesu  duicis  memoria; 
Salve  Caput  cruentatum.  Th 0 m as  v.  Aq uinu  (f  1274) :  Fange,  lingua, 
gloriosi;  Verbum  supemum  prodicns. 

Die  weltlichen  Melodien  dieser  Periode  werden  wir  uns,  seitdem  sie  von 
der  Kunst  der  ktrchtichc-n  Mtuiiksclmlcu  beherrsclit  waren,  von  fihnlichcr  Be- 
schaffenheit 7,u  denken  haben. 

Dei  erwülmten  Neigung  zu  reichen  Alelismen  dankt  eine  neue  Gattung 
kirchlicher  Gesänge  ihr  Entstehen.  Es  hatten  sicli,  namcndich  am  Schluas 
des  Halleliija  '  längere  wortlose  Tonreihen  als  Ausdruck  der  freudigen  Er- 
hebung und  Lobpreisung  —  daher  auch  Jubilationen  genannt  —  gebildet. 
Es  scheint,  da.s-s  griecliische  Sänger  sie  an  den  Hof  Karls  d.  Gr.  brachten. 
Nicht  regellose  Tonreihen,  sondern  rhythmisch  nach  Art  zweiteiliger  Psalmen- 
verse gegliedert,  die  einzelnen  Glieder  in  rhythmische  Tongnippen  (Neumen) 
geordnet;  den  Namen  der  Sequenzen  danken  sie  vermutlich  eben  ihrer  Stel- 
lung hinter  dem  Halleluja.  Statt  der  letzten  Silbe  des  Halleluja  versuchte 
man  dami  wieder  diesen  langen  Meli.smen  Worte  unterzulegen.  Dergleichen 
Gesänge  brachte  ein  aus  seinem  Kloster  Jumiegcs  a.  rl.  Seine  vor  den  Nor- 
mannen (851}  geflüchteter  Presbyter  in  seinem  Antiphonar  nach  St  Gallen, 
wo  der  damals  junge  Noiker  balbulus  (s<j  erzfihlt  er  selbst  uns  in  der  Vor- 
rede zu  seiner  Sequenzen  sammln  ng)  sie  kennen  lernte  und  von  ihrer  Schön- 
heit entzückt,  sich  mit  Hülfe  seines  Lelircrs  Iso  diiian  machte,  iluicn  bessere 
Texte  unterzulegen  und  zwar  .»m,  d;is.s  nun  wieder  auf  jede  Melodienote  eine 
Textsilbe  gebracht  wurde.  Diese  Texte  nahmen  naturgemllss  die  zweiteilige 
Strophcnfonn  der  Melodien  und  die  rhythmische  Gliederung  der  Keumcn- 
gruppcn  an,  meist  nur  i  ixler  2  .Strophen  auf  die  selbe  Melodie.  Dann  aber 
erfand  Notker  auch  selbst  neue  Sequeuzenmeludicn,  denen  er  dann  seine 
ebenen  Texte  nnierirgte,  Iwld  richüge  Verse,  bald  rhythmische  Prosa,  daher 
auch  der  Name  »Prosen«.  So  entstand  seine  im  St  Gallener  Cod.  484  er- 
haltene Sammlung,  die  er  887  dem  Liutwan,  Erzkanzler  KOnig  Karls  des 
Dicken  widmete.  Ihm  gehört  auch  die  berflhmtc  Scquctu  Media  vita  in 
morte  sumus.  Diese  Noikersclien  Sequenzen  wurden  schon  von  Papst  Nico- 
iaus  I.  (B5S — B()7)  für  den  kirchlichen  Gebrauch  sanctioniert,  so  dass  nun  an 
jedem  Fest  unrl  Heiligentag  in  der  Messe  hinter  dem  Alleluja  eine  Sequenz 
gesungen  werden  durfte.  Sie  verbreitetet!  sich  sehr  rasch  und  es  cutstanden 
ihrer  in  den  folgenden  Jahrhunderten  zahlreiche  neue,  bis  Papst  Pius  V.  sie 
X  j68  bis  auf  ,5  aus  dem  Missale  wieder  strich.  Diese  5  singt  die  katholische 
Kirche  bis  heute:  zu  Ostern  Victimac  paschali  laudca  von  Wipo  (t  1050); 
auf  Pfingsten  Veni  sancte  spiritus,  von  K^nig  Robert  von  Frankreich  (t  103 1); 
zu  Fronleichnaiu  Lauda  Sion  .salvatorera  von  Thomas  v.  Aquiuo  (t  1274); 
an  Marienfesten  Stabat  mater  dolorosa  von  Jacobus  von  Todi  (t  1309)  und 

CfniimniKlie  Phnolorl«  III.    2.  Aufl.  36 


^L 


562 


Xni.  KUTfST.      2.  MrsiK. 


im  Tütenanil  Dies  irae  von  Thomas  v.  Celano  (c.  1320).  Die  lutherische 
Kirche  sang  aber  ndch  bis  ins  17.  Jahrh.  hinein  auch  viele  der  andern  all- 
kirchlichen  Sequenzen.  Die  Ursprung! iche  Regel,  dass  in  diesen  GesangCD 
auf  jede  Silbe  nur  ein  Ton  kommen  dtvrfc,  w-ard  seit  dem  12.  Jahrh.  weder 
aufgegeben. 

Die  Form  der  Sequenz  findet  sich  auch  im  mittctalt.  weltlichen  Gesang 
unter  dem  Namen  Leich.  Es  ist  mfiglich,  aber  nicht  er^viescn,  dass  mit 
der  kirchlichen  Sequenz  eine  ähnliche  schon  ältere  Gattung  weltlicher  GeäTmge 
2usamraenn<».'w.  Da  das  Wort  Leich  die  Bedeutung  Tanz  und  Spiel  hat 
(vgl.  Grimm,  Würterb.  s.  v.),  so  ist  anzunehmen,  dass  die  Sequenzenforra  mit 
ihren  kurzen  Strophen  und  lebendig  wechselnden  Rythmen  und  Meindien 
im  weltlichen  Gesang  besonders  als  Tanz-  und  Chorlied  beliebt  ward.  Doch 
erinnert  audi  wieder  der  Umslai\d,  dass  sie  bei  den  höfischen  Dichtem  mit  Vor- 
liebe für  das  Maiienlied  gebraucht  ward,  an  ihren  kirchlichen  Ursprung. 

Zur  selben  Zeil,  wie  in  der  Kirche  die  Sequenz,  kam  im  Volksgesang 
selbst  auf  ganz  fLlinlichc  Weise  eine  andere  Liedergattung  auf.  Das  einzige 
Stück  der  Liturgie,  an  dessen  Gejtang  das  Volk  sich  beteiligen  durfte,  war 
das  Kyrie  eleison  der  Litaneien,  indem  es  den  Ruf  refralnartig  wiederholte. 
Auch  hierbei  nun  bildeten  sich  Mclismen  (längere  silbenlose  Tonreihen) 
nach  den  Jubilationen  tujd  auch  diesen  legte  man  dann  Liederstrophen  unter. 
So  entstanden  die  traten  geistlichen  Volkslieder.  Die  Melodie  des  ältesten 
erhaltenen  auf  St.  Peter:  »Unser  trohtin  hat  farsalt«  ^  ist  zwar  in  Neumen 
Oberlieferl,  noch  abei  nicht  entziffert.  Sehr  beliebt  war  ein  derartiges  Lied 
auf  .Si.  Gall.  von  Notkers  Freund  Ratpcrt;  von  dem  aber  ist  nur  der  Te.'rt 
in  latein.  Gestalt  erhalten.  Man  nannte  diese  Lieder  nach  ihrem  Refrain 
(KvTic  clcis<.ni)  Leisen. 

In  allem  bisherigen  ist  niu:  von  einstimmigem  Gesänge  die  Rede;  b<s 
gleiteten  Instrumente  den  Gesang,  so  geschah  es  im  Einklang  cider  höchstetis 
mit  Icicnirügem  Bass;  spielten  Instrumente  allein,  so  spielten  sie  Gesaiig- 
mclodien,  wenn  man  auch  annehmen  darf,  dass  das  beweglichere  Instrument 
die  Melodietune  schon  frOh  mit  verzierenden  Trmen  umspielte.  Es  darf  hier 
von  der  Frage,  wie  wul  unter  dem  vno  lijr  oid^i'  xooi'etv  der  Griechen  an 
wirkliche  Mchrstimmigkeii  zu  <lenkcn  ist,  abgesehen  werden.  In  die  alte 
mittelaller liclie  Masik  ist  das  jedenfalls  niclit  mit  übergegangen.  Hier  hat  sich 
vielmehr  die  Mehrstimraigkeit  neu  und  aus  der  Natur  der  Sache  heraus  ent- 
wickelt. Der  älteste  dafür  gebrauchte  Name,  Orgammi,  legt  die  Vermutung  nalie, 
dass  die  ersten  Versuche  mit  der  Orgel  gemacht  sind.  Theoretisch  wird  sulche 
neue  Kun.stübung  zuerst  in  der  Musica  enchiriadis  (wohl  um  970)  behandelt 
Dies  Organum  besteht  darin,  d.'tss  die  Melodiestimme  in  lauter  parallel  mit 
ilu-  fortschreitenden  Quinten  (oder  Quarten,  je  nachdem  die  zweite  Stimme 
unten  oder  oben  liegt)  begleitet  wird.  Derselbe  Tractat  kennt  aber  auch 
sdion  einen  bedeutsamen  zweiten  Schritt  auf  diesem  Wege,  den  man  ab 
schweifendes  Organum  bezeichnete;  dass  nSmlich  das  Orgamnn  nicht  auf  der 
Quint  oder  Quart  liegen  bleibt,  sondern  als  Durchgangstöne  auch  Terz  und 
Sekunde  benutzt  Das  j  s  t  noch  keine  kontrapunktische  Tonverbindung, 
aber  es  erschliesst  die  Thür  dahin.  Darum  rauss  man  dies  O^nura,  audi 
Diaphonia  genannt,  als  die  folgenreichste  F,ntwicklung  in  der  MiLsik  dieser 
Periode  bezeichnen.  In  seiner  Handhabung  bildete  sich  das  GefiÜil  für  Har- 
monie im  neuen  Sinne  von  gleichzeitig  erklingenden  Tönen  und  für  Har- 
mtmicfolge  aus. 

Unsere  wichtigste  Quelle  für  die  Erkennlniss  dieser  Perioden  sind  ihre 
theoretischen  Schriftsteller:  sie  reichen  bis  Ins  13.  Jahrh.  herab.  Von  deutschen 


I 


Musikscliriftslelk-rn«  sind  hauplsadiUcli  zu  nennen:  Notker  Balbulus  (+ 012): 
£x|)lanati(i  quid  stngufae  Uteme  etc.;  verloren  ist  sein  Werk  de  musica  et 
symphonia.  —  Regino  von  Prüm  (t  915):  De  harmonica  institutione  und 
Tonarius  {bd  Coussemaker  Scriptt  II.  p.  i  f.,  facsini.).  —  Hucbald,  Münch 
in  St.  Amand  (t  930):  De  harmonica  institutione;  Alia  musica;  De  mcnsura 
otganicanim  fistulanun;  Comincntatiu  brc:\'is  de  tunis  et  p^Kilinis  mudulacdis. 
^Nach  Gevaert,  Ursprung  etc.  S.  15,  Anm.  4  ist  diese  Schrift  wobl  nicht  von 
Hucbald,  sondern  nur  solche  Schriften,  in  denen  die  Dasia-Notation  nicht 
vorkumint.)  Vgl.  hierzu  Hans  Maller:  Hucbatds  Achte  und  unadite  Schriften 
Ober  Musik.  1S84.  —  Von  unbekanntem  Verf..  nicht  von  Hucbald.  wie  bis- 
her angenommen  ward,  ist  die  höchst  bedeutende  Musicit  eucliiriadis,  wohl 
um  970  vcrfasst;  vgl.  Spitta  in  Vierteljahrsschr.  f.  Mus.  Wiss.  18S9,  S.  445  f. 
—  Bernu  von  Retchenau  (t  1048):  ani  wichtigsten  sein  Prolugus  in  tona- 
rium.  —  Hermannu.s  contractus  (t  1054}:  De  musica.  Neu  herauag^. 
von  W.  Brarabach  1B84. — Johannes  Cotto,  ein  um  1047  lebender  Trierer 
MöDcli,  falls  nicht  ein  Engländer.  —  Wilhelm  von  Hirschau  (t  tOQl). 
Hans  MüUer:  Die  Mibik  Wilhelms  v.  Hirschau.  1883.  —  Aribo  Schola- 
sticus  (11.  Jalirh.).  Vgl.  W.  Bniinbach:  Die  Musiklilleratin  des  M.A.  bis 
xuT  Blüte  der  Reichenauer  Sängcrschule  (im  Beiheft  zum  Centratblatt  für 
Bibliothekwesen.  II.  1888). 

Die  Musik  als  solche  erfShrt  in  den  Arbeiten  dieser  Theoretiker  ira 
Grunde  nur  die  eine  Erweiterung  des  Organums,  Im  übrigen  wird  nur 
die  altgriechische  Theurie,  soweit  und  so  wie  sie  damals  vetslandcn  ward, 
und  mit  den  Abwandlungen,  die  ihr  in  der  allkirchhchen  Anwendung  wider- 
fahren waren,  vorgetragen.  Ein  »ichtiger  Fortschritt  ward  aber  dabei  dem 
Musikunterricht  zu  Teil  und  dessen  Bedürfnisse  führten  auf  die  hoch- 
wichtige Erfindung  der  Notenschrift  ^x.  Es  galt  zuvörderst  eine  sichere  Be- 
zeichnung der  Inter\-ßlle  zu  finden.  Dies  ward  auf  mancherlei  Weise  ver- 
sucht: durch  Buclistabcu  oder  Zalilen.  Dann  zog  man  eine  Linie,  um  die 
relative  Höhe  des  HaupUons  einer  Neum>enrethc  zu  bemessen,  so  dass  sich 
darnach  das  in  verschiedenen  Abstanden  darüber  und  darunter  geschriebene 
aidierer  ixach  seiner  Tonhöhe  erkennen  liess;  man  versah  auch  den  Strich 
des  Neumenzeichens  mit  einem  Punkt,  um  anzuzeigen,  von  wo  ,ius  der  Ab- 
stand von  der  Linie  zu  rechnen  sei.  Es  folgte  eine  zweite  Linie,  die  den 
Abstand  einer  Quinte  von  der  ersten  darstellte.  Indem  man  dann  weiter 
die  eine  dieser  Linien  für  den  Ton  F,  die  andere  für  dessen  Oberquinte  c 
bestimmte,  und  den  Linien  diese  Ruchstaben  vorsetzte,  war  man  damit  auf 
die  Erfindung  der  Schlüssel  (claves)  und  zugleich  zu  der  Festsetzung  einer 
absuluteu  Tonhöhe  der  einzelnen  Tonzeichen  geführt.  Mit  dem  Hinzu- 
treten einer  mittleren  Linie  fflr  a  und  einer  oberen  für  c,  auf  und  zwischen 
denen  nun  die  Neumcn  die  Gestalt  der  quadratischen  Noten  mit  oder  ohne 
Strich  annahmen,  war  das  System  so,  wie  es  bis  zum  Ende  der  Periode 
blieb,  fertig.  Seine  \olIsiandige  Entwickelung  ist  das  hohe  Verdienst  des 
Italicners  Guido  von  Arezzo"  (um  1028),  in  dessen  Schule  auch  zu  Unter- 
richtszwecken die  Benennung  der  Tone  vt.n  C — a  mit  den  Namen  Ut,  re, 
mi,  fa,  sol,  la  (s)>äter  kam  si  für  h  hinzu)  aufkam.  Sie  sind  den  gleich- 
lautenden Silben  des  sapphi.sdien  Hymnus  Ut  queant  laxis  resonarc  fibris 
mira  gestorum  famuli  tw^rum  solve  puüuti  labii  reatum,  sancte  lohaimcs 
entnommen.  In  der  Melodie  dieses  Hymnus,  wie  sie  am  Feste  Johannes 
des  Taufers  noch  heute  gesungen  wird  {Antiphon,  rom.  i.  nativ.  S.  loh.  Bapt 
24.  Juni  in  I  vesperis)  fallen  nämlich  diese  Silben  auf  die  Tc^nc  CDEFG  a. 
Die  Striche  an  den  quadratischen  Noten  dienten  ursprünglich  nur  dazu,  die 


564 


XIII.  Kunst.     2.  Musik, 


relativ  höhere  Note  henorzuheben  und  diejenigen  Noten,  welche  zu  einer 
Neume  gehörten,  zusammen  zu  halten,  ohne  den  Wert  der  Noten  zu  ver- 
ändern. 

Obgleich  nun  die  folgende  Periode,  die  der  Mensural niusik.  mit  dem  Ende 
des  12.  Jahrh.  einsetzt,  si»  dauert  doch  neben  dem  kirchlichen  gregoriünischen 
Gesänge  ein  aus  ihm   erblühter  Zweig  der  deutschen  Mustk  noch  wahrend 
mehr    als  zweier  Jahrhunderte    neben    der    neuen  Kunst    der  MenüunilmuÄilc 
fort.     So  weit  also  müssen  wir  hier  mit  seiner  Betrachtung  den  allgemeinen 
Ablauf  der  ältesten  Periode  überachrdtcn.     Vorhin    konnte    über   die   welt- 
liche Älusik  dieser  ältesten  Periode   nur    sehr  weniges  gesagt   werden.     Das 
13.  Jahrh.  bringt  sie  uns  aber  in    einer   höchst    bedeutenden    und    reizvollen 
Entfaltung  entgegen,  nämlirii  in  den  sn  zahlreich  überlieferten  Melodien   der 
Minnesänger.       Man    hat    mit    dieser    Musik    nur    darum   nichts  anzufangen 
gewusst,    weil    man    sie,    irregeleitet    durch    den  UmBtand.    dass  sie  der  Zeit 
nach  in  die  Periode  der  begiimendcn  Mensuralmusik   fallt,   hartniLckig   nach 
den  Gesetzen    dieser  neuen  Musikgattung    und    ihrer  Notierung   (d.  h.    nach 
den  Regeln  der  Ligaturen)  behandeln  zu   sollen  glaubte.     Die  Unmöglichkeit 
hiervon  lag  freilidi  bei  jedem  Versudi  der  Übertragung  auf  der  Hand;  man 
half  sich  bald  mit  der  Annahme,  hier  müssten  mjch  besondere  bisher  unbe- 
kannte Gesetze  der  Notenschrift  vorliegen,  bald  mit  der  Annahme  vermeint- 
licher Einwirkungen   tk-s  Volksgesanges.     Die  Musik    tler   ritterlichen  Minne- 
sänger hat  vielmehr,  wie  gesagt,  mit  der  Mensuralmusik  überhaupt  nichts  zu 
sdiaffeu,   sondern  ist  diejenige  Form  der    weltlichen    Musik,    welche  sich 
aus  der  Kunstühung  des  kirchlichen  gregorianischen  Gesanges  abgezweigt  imd 
XU  einer  eigenen  weldiohen  Musik  ausgebildet    hat.     Darin    liegt    die   unver- 
gleichliche musikgeschiclitliche  Bedeutung  dieser  Musik.     Wohl  ist  sie,   misl»- 
fera  sie  weltliche  Musik  ist,  der  kirchlichen  gegenül>cr  auch  Volksgesang» 
denn  ein  dritte-s  gab  es  für  jcJic  Zeit  nicht     Aber  e*  ist  zugleich  eine   nach 
festen  Regeln  geübte  und  auf  technischer  Schulung    beruhende   Kunst,  als 
deren    hauptsildilicbc  Trüger    *ir    die  Fahrenden'*    zu  denken  Iiaben,  aus 
deren  Händen  diese  Kunstftbung  dann  im   u,  Jahrh.  in  die  enger  gezogenen 
Kreise  der  ritterlichen  Sünger  überging.     Die  Kunstübung  und  Schulung  der 
filteren  Fahrenden  haben  wir  uns    dabei    als    stets    in    engster   Beziehung  zu 
den  kirchlichen  Musikschulen    stehend    zu    denken    und    wie    wir   unter   den 
hr.fischen  Sängern  des  13.  Jalirh.  geistliche  Herren  finden,   so  werden   auch 
in  den  früheren  Jahrhunderten  lebensfrohe  Manche    und  Schüler   sicli    nicht 
versagt  haben,  an  der  frisch  blühenden  welllichen  ZwillingsUunst  ihres  kirch- 
lichen Schulgesanges  ihren  Anteil  zu   suchen.     Gegen    Ende    des    13.   Jahrb. 
ging   dann   diese    Kunstübung  aus   den   höfischen    Kreisen    wieder   an    die  ^ 
Fahrenden  zurück;   während  jedoch  diese  sich  dann  bald  der  Technik 
Mensuralmusik    zuwandten,    setzten    die  städtischen  Meistersflngerschulen   dJe 
alte  Kunstübung  noch  fort,    bis   sie   unter   der   trockenen,   Sasscriichen   und 
geistlosen  Behandlung  durch  die  Meistersinger  erst  im   16.  Jahrh.  abstarb. 

Was  nun  aus  diesem  Wesen  der  Melodien  der  Minnesünger  folgt,  tsl: 
dass  sie  nadi  den  Prinzipien  der  Choralnote  und  der  Ncumcn  gelesen  und 
nach  denen  des  roncentischen  gregorianischen  Gesanges  ausgeführt  werden 
müssen.  Die  hier  in  Notensdirift  erscheinenden  Keumcn  (Gruppen  ver- 
bundener Noten)  sind  alsn  über  einer  Silbe  und  in  derselben  Zeit  zu  singeo^ 
die  über  einer  Sill>e  der  einzelnen  Note  zukommt.  Der  Finalgruppe  d< 
Zeile  gebührt  so  gut,  wie  der  der  PsiUmenzeile  eine  leichte  Verlangsamung 
und  wie  im  Psalmengesang  über  der  ersten  Silbe  der  ersten  Zeile  das  Ini- 
lium  mit  einer  Neumc  ausgescluuückt  wird,   so   ist  dies  auch  liier  zulässig. 


I 
I 


Periode  des  GRECORiANKCHEy  Gesanges. 


565 


So  hat  z.  B.  Wizlavs  Ued  »Ich  warne  tlich,  vi\  junger  man<  über  dem  Auf- 
takt »Icli«  ein  aus  clivis,  podalus  subbipunctis  und  porrectiis  subtripunctis 
zusammengesetztes,  die  lydLscbe  Tonart  des  LJedclicus  deutlich  darstellendes 
Inilium: 


-*~m- 


Ich 


Der  Gesang  wird ,  gleich  df;m  kirchlit  licn ,  im  muÄikh.!isch  gehobenen 
Spra<:hlun  ausgeführt  sein.  Daraus  folgt  zuvGrderet,  dass  es  sich  für  Hebung 
und  Senkung  der  Verse  nicht  um  einen  Drei-,  sondern  um  Zweivierteilakt 
handelt.  Man  hat  im  Deutschen  im  12.  Jahrh.  so  wenig  als  heute  die  Worte, 
sei  es  in  Prosa  oder  Vcis  nach  Quantität,  sondern  nur  acx^-entisch  gesprochen, 


J  J  J  JJ    J  J 


J  J'J  /J    J'J 


nie  Uns  ist  in  alten  macrcn  sondern  nur  Uns  ist  in  alten  maeren. 
Dreivierteltakt  kommt  nur  da  wjr,  wo  der  Text  sogenannte  Dactylcn  enthalt 
(vieünehr  Tribrachen  oder  Molossen,  auf  die  Quantität  der  Silben  kommt 
nichts  an):  z.  B.  bei  Wizlav  ts.  u.) 


Lou  •  be  -  re  ri        •        sea 

WO  aber  die  3  Silben  nur  durch  aufgelöste  Hebungen  oder  Senkungen  ent- 
stehen, da  löst  sich  auch  das  entsprechende  Viertel  in  2  Achtel  auf,  ent- 
^ sprechend  dem  anali  igen  Verfahren  im  gregorianischen  Gesang;  z.  B.  in 
demselben  Wizlavsdicn  Ued: 


nu  -  oi  -  ger  •  faan*  de 
Der  klingende  Reim  entspricht  auch  in  der  Mujtik  stets  zwei  Hebungen; 

JJ  J  J 

eIso  bei  Viertelnoten  nicht  wisen  sondern  wi-sen.  Jede  Verszeile  bildet  in 
sich  ein  Ganzes,  mit  Finale  abschliessend,  um  die  Abschnitte  herv'ürtrclcn  zu 
lassen,  auf  denen  die  Architektonik  des  Strophenbaues  bertiht,  der  sich  im 
musikalischen  Aufbau  wiederspiegclt:  man  kann  sagen,  dass  hier  das  Eine 
nur  die  Kchraeite  des  Andern  bildet.  In  den  Taktperioden  können  sowohl 
innerhalb  der  Zeilen  als  innerhalb  der  Strophe  Perioden  von  2  und  von  5 
Takten  sich  verbinden,  im  niemals  zu  lösenden  Anschluas  au  das  Versmaass 
des  Textes.  Obwohl  an  sich  das  Maass  der  Noten  kein  scharf  gemessenes 
ist,  so  tritt  doch  zur  alten  gregorianischen  Rccilicrkunst  für  diese  ihre  welt- 
liche Tochter  ein  Moment  hinzu,  welches  eine  festere  Messung  der  Ni-.ten- 
werte  mit  sich  bringt.  Es  Ist  der  Umstand,  dass  ein  wichtiger  Teil  der 
Lieder  dieses  Stils  vun  jeher  als  Tanadied  diente.  Der  Schritt  des  taiuenden 
Chores  ergab  ja  von  selbst  ein  festes  Maass  des  Gesangs.  Statt  weiterer 
Ausführung,  die  hier  nicht  mOglich  Lst,  gebe  ich  ein  nach  den  angedeuteten 
Gesichtspunkten  übertragenes  Ued;  wohl  ohne  Zweifel  eben  ein  Tanzlied. 
Es  ist  das  noch  bei  Ambtus  (Bd.  II',  276  nach  v.  d.  HaHcn  M.  S.  Bd.  IV, 
Anh.  1,  S.  1)  so  grausam  mishandcUe  zierliche  Ucdchcn  Wizla«  (v.  d.  Hagen 
M.&IV,  S.  816): 


566 


XJII.    KUSST.       2.    MUSJK. 


Löu-be  •  re      ri    -    sen   von  der  böo-tuän  hio    ni       tal,     des  stan  blos    ir 
Blu-men  sich    wi  -    sen,  du  sie  sint  vur-tor-bca       %\,      scofne     wis    ir. 


1. 


a. 


1 


e    -    -    s 


^    >     glc  -   stea.  Sas  twia-get  der    ri-  fc     ma*iii-ger-lian-dc 


-tr 


r^=ff=*: 


m 


war-iel     aal,    des  bin  ich  gar    se  -  te  be-trü  -  bet;  nu    ich    lu-gri  -  fe, 


rw-r- 


X: 


3^: 


:± 


2S: 


1 


seil  der  wia-ter     U     so         kal,       des  Wirt  nin-we  ytoo-de     ge  •  fi   •   -    b«t. 

Hauptquelle  für  diese  Gesänge  ist  die  grosse  und  kostbare  Liederhaiid- 
schrift  der  Jenaer  Universitätsbibliothek,  gesclirieben  in  der  ersten  Hülfte  des 
I4.jahrhs.;  jetzt  in  einem  vorzüglidi  gelungenen  phot<)iyi>ugraphischen  Abdruck 
durch  Fr.  Strobel  (Jena  1896)  der  Forsfhung  allgemein  zugTuiglich  gemacht, 
Emen  im  Ganzen  recht  korrekten  Abdruck  der  Melodien  gab  schon  von  der 
Hagen.  M.  S.  Bd.  IV,  S.  775—844.  Die  Handschrift  enthalt  Lieder  von 
I  Sänger  des  12.  Jahrbs.  (Spervogel),  3  uiu  1250  (Tunhäuser,  Bruder  Wenüier, 
Meister  Alexander),  ii,  darunter  Ktnirad  v,  Würzburg,  von  1250 — 7.5,  16  aus 
dein  Ende  des  Jahrli-,  v«in  denen  Wizlav  und  Frauenlob  ins  14  Jahrh.  hin- 
flbcrfQhren '*.  Es  sind  im  Ganzen  t)i  Melodien:  Sprüche,  Lieder  und  zwei 
Leiche,  die  vermöge  üner  Ijreiter  ausgeführten  musikalischen  Composition 
von  besonderem  Werte  sind,  zumal  man  zur  Vergleichung  mit  ihnen  die 
akkirchlichen  Sequenzen  zur  Hand  hat.  Die  Tonarten  sind  die  altkirchlichen, 
zu  denen  aber  bereits  eine  kleine  7.n\\l  von  Melodien  iiinznkommt.  wenn  ich 
nicht  irre  8,  die  modernes  Dur  zeigen  ".  —  Kürzlich  ist  eine  weitere  Fundgrube 
erschlossen  in  den  durcli  I'aul  Runge  in  schönem  Abdruck  veröffentlichten 
>Sangeswcisen  der  Colmarer  Handsrhrift  und  der  Liederhandschrift  Donau- 
eachingcn«.  Leipzig.  Breitkopf  u.  Harlel.  iSoöf.  Der  Herausgeber  ist  auf 
anderem  Wege  in  Beireff  der  Lesung  und  Auffassung  der  Melodien  zu  dem- 
selben Ergebnis  gekommen,  wie  ich.  Es  giebt  auf  diesem  Gebiet  noch  wei- 
tere bisher  ungehobene  Schatze. 

Die  Schöpfer  der  Melodien  haben  wir  im  Aligemeinen  in  den  Diditem 
der  Texte  zu  suchen.  Gilt  uns  Waltlier  v.  d.  Vugclwcide  als  der 
lyrische  Dichter  seiner  Zeit,  so  haben  wir  in  ihm  ohne  Zweifel  auch 
grossen  Tonsetzer  und  vielleicht  auch  den  grossen  Meister  des  Vortrages  vor- 
auszusetzen. Es  gehörte  jedenfalls  zur  Technik  der  Schule  und  der  Fahren- 
den, den  Gesang  auf  geigenanigon  Instrumenten  zu  begleiten.  Vor  der  Ein- 
führung der  Mensuralmusik  kann  tlies  aber  nur  entweder  im  Einklang  mit 
den  Stimmen  oder  in  den  einfachen  Formen  des  alten  schweifenden  Orga- 
nums geschehen  sein;  die  Melodien  sind  als  einstimmige  Tonrcilien  gedacht 
und  erfunden.  Höfische  Dichter  pflegten  zum  Zweck  der  Begleitung  Sjnel- 
leute  mit  sich  zu  führen. 

•&.  Anm.  4.  —  'F.  Wolf.  Cbfr  die  Lais.  Sequenzen  und  Leiche.  1841.  8». 
—  "W.  CbrisC,  Cixr  die  ßfiiniiung  wn  Hirmot,  Troparion  und  Kanon  in 
der  gritchiith^t  Potuc  des  Af.A.,  erlüulerl  an  dtx  Hand  dncr  Schrift  des  Zenan%. 
(SJUungib«r.  d.  Bayr.  Akad.  d,  Wisscnsch.  1870,  Bd.  II.  S.  75.)  —  ■  p'a 


bei  Meisler,  Das  Kalh.  D.  Kirckenlird^  Bd.  I.  Anb,  I.  —  »  Vg!.  MarL  Ger- 
bert, Scrtfitcrrs  fvr/rtiosim  de  muucn  sncra  fiottssimum.  3  Bde.  I'fi^.  4".  — 
CoUBsetnaker.  Scn/Honint  dr  musU-a  mrJii  an't  ttaia  ieries  a  G^rhertina  aU 
tera.  Fax.  1864 — 75.  —  ^^  Hugo  Rieniann,  Studien  sur  ttetirft.  d*f  Noten- 
Schrift.  1878.  8".  —  DeriieUie,  Die  Enturii^keittn^  unserer  Xotensehri/t.  (SammL 
musac.  Vnrlri^e,  heiausgeg.  vor  Paul  Graf  Wartensee.)  1881.  S"-'.  —  '*  W. 
Jlcrmcsdorff,  Micralo^ts  Guidonis  Je  disi-iplina  arlis  musieae,  Übcr»cUt  und 
erkürt.  Tri«  1876.  —  "  Vgl.  Ambro»  II  \  S.  235  f.  —  "  R.  v.  Lilicncron 
und  Wiih.  Stade,  Lieder  und  Sprüche  aus  der  ietite»  Zeil  des  Minnesanges 
(BChlau.  Weimar  1854.  jeizt:  Ldpii^  bei  C.  F.  Kabm),  entbüJt  20  dieser  Melo- 
dien in  modcTDcr  vlrrsümm.  Uannunisienmt;  mit  Ubcrscuieni  Text.  Eine  gcKhicht- 
licä  ricliiige  Erkenntma  dieaer  Mu^iik  war  )>ci  dem  damaligen  Stand  der  Musik- 
viucDschaft  noch  nicbt  möglich,  daher  ist  auch  meine  damalige  Hinleilung  fum 
Teil  veraltet.  Stade  ward  aber  vom  rein  mosikolischcn  Standpunkt  aus  Khoo 
dmmnis  auf  die  im  Wesentlichen  ricbiigc  Auffnssuitj*  der  Melodien  gcfuhn.  — 
^  Vgl.  biemi  meinen  Aufsatz  ober  'Die  Jenaer  Mitnesängtrhandschri/t*  in  der 
Zeit»chr.  f.  vergleich.  Litcraturgescbidite  1894,  S-  252  f. 

DXS  MUSIK  INäTRUllEXTE  DES  ALTEBTITUES    DXD  UITTELALTEIS  IN  OEILMAMSCHEX 

LÄNDERN. 

I.  Die  ersten  Spuren  von  Musiki nstnimenten  in  den  germanischen  I.anclen 
finden  sich  in  rohen  Bildern  auf  Felsenreliefs  und  vorgesduchüicheu  Urnen. 
Die  ältesten  und  primitivsten  Darstellungen  dieser  Art  dürften  die  S-Mmftig 
ge«-undcD  Posaunen  sein,  die  zwei  Spieler  bei  eincni  Opfer  blasen,  dai- 
gestellt  auf  cmcm  südschwedischen  Fclsenrclief,  dem  Kiwikmonumcnl  bei 
Mslby  im  östlichen  Schoonen,  das  nach  Nilsson  (das  Bronzealter)  unge- 
fähr 1000  Jahre  vor  Christi  Geburt  entstanden  sein  soll.  Diese  Instiounentc 
haben  etwa  halbe  Manneslftnpe;  ilsre  SrhallmOndung  ist  nach  oben  gerichtet 
und,  wie  es  scheint,  mit  einem  flachen  Teller  versehen.  Wir  würden  freilich 
die  Bedeutung  der  Bilder  nicht  sidicr  feststellen  kOnncii,  H-aren  uns  sieht 
Originale  von  Blasinstrumenten  die.icr  Form  aus  dem  Altertume  in  reicher 
Anzahl  erhalten  geblieben.  In  den  Oslseelündem,  besonders  in  Schleswig- 
HoUteio  und  Südschweden,  fand  man  eine  grosse  Zahl  von  bronzenen  Musik- 
instrumenten in  Mooren,  wo  sie  durch  das  konservierende  Moorwasscr  vor- 
trefflich erhalten  geblieben  waren,  so  dass  \'icle  jetzt  noch  ganz  gut  musika- 
lisch brauchbar  sind.  Man  kennt  davon  bisher  gegen  dreissig',  da.s  Kopen- 
hagener  Museum  bew-alirt  allein  etwa  zwanzig,  und  dort  gicbt  man  jetzt  zuweilen 
sogar  Concerte  d;irauf.  Diese  Instrumente,  denen  man  den  Namen  »Luren« 
(altdnord.  /uär,  Alphorn,  Hom)  beigelegt  hat,  haben  fast  alle  MannesUinge 
und  sind  dabei  seht  eng  von  Mensur  (d.  h.  innerer  Weite).  Ihre  gewimdune 
Rßhre  besteht  aiw  mehreren  Röhrenstflcken  von  Bronze,  die  man  in  einer 
l4nge  von  iVi — 2^'a  Metern  mit  erstaunlicher  Kunstfertigkeit  zusanimenge- 
iKhwetsät  haL  Diese  Blasinslrumente  gehören  der  Familie  der  Posaunen  an, 
deren  Vorgänger  sie  also  sind.  Mit  den  (AU-  und  Tenor-) Posaunen  haben 
sie  Umfang  und  Behandlung,  wie  den  edlen  Klangcharaktcr  gemeinsam.  Es 
acheint,  da.ss  auch  sie,  wie  spater  die  Posaunen  noch  bis  tief  ins  itS.  Jahr- 
hundert hinein,  vorzugsweise  bei  gottesdicnsl liehen  FeierlJdikeiten  gebraucht 
wurden.  Meist  haben  sie  sirh  paarweise  vorgefunden,  genau  gegenseit% 
flbereinstimmend.  In  jeder  Hinsidil  verdienen  die  Instrumente  Beachtung 
uikI  Bewunderung*.     Dir  Gebrauch   wird   sich   wohl  bis  in   die  Zeiten  des 


^  Ausfilhrlicb  t>csprochcn  niul  abgphiltlet  vnn  Angul  Ilairimerich  in  der  Vfencl- 
}ahra>£hrift  für  Musik  Wissenschaft  [894,  S,  l  ff.  Besprechunccn  und  Abbildungen  TOD 
diesen  und  Hni^irn  anilt-ren  drr  hier  tr^ähnten  alten  Instrumente  findet  nun  u.  a.  in  der 
Hinotre  gin^ale  de  la  musique  von  F^lis,  Band  IV.  S.  J'rfT. 

'  £ine  gute  Xachbildung  betiut  da«  VülkermuAeura  tn  Berlin. 


Mittelalters  hinein  in  nordischen  Landern  erhalten  haben,  so  dass  die  vor- 
gefundenen Originale  wahrschein] ich  sehr  verschiedenen  Jahrhunderten  oder 
wohl  gar  verschiedenen  Jahrtausenden  angchürcn.  Doch  scheint  es  nicht 
mehr  zweifelhaft,  dass  die  Riilstehungszcit  aller  noch  in  die  geschichtliche 
Vorzeit  und  das  Altertmn  fallt  Bei  einigen  davon  fanden  sich  übrigens 
Ct^enstande  mit  römischen  Steinpehi. 

Auch  Blasinstrumente  von  der  Form  der  Hörner  haben  sich  in  germanischen 
LfUidem  aus  dem  Altcrtuine  (gefunden.  Im  Jahre  i'gq  förderte  man  in  Gross- 
Sl  Miklus  in  Ungarn  einen  grossen  Goldschatz  zu  Tage,  der  eine  erhebliche 
Anzahl  von  golducni  Geschirr  u.  a.  Gej;enslünden  enthalt  und  jetzt  im  k.  k. 
kunstliLstorischen  Museum  in  Wien  aufbewahrt  wird.  Man  hat  ihn  eine  Zeit 
lang  ;Js  den  Goldschatz  des  Attila  betrachtet.  Die  kunstvoll  gearbeiteten  Gegen- 
stände tragen  eigenartig  phantastischen  Bildschmuck  und  zum  Teil  (neben  griechi- 
schen) auch  Runen -Inschriften.  Unter  den  SchMzen  befindet  sich  ein  bisher 
als  Trinkliorn  ausgegebenes  kleines  Hom  von  Gold;  icli  kannte  jedoch  leidilU 
feststellen,  dass  es  ein  Bbsinstrument  ist,  da  es  ein  ganz  unverkennbar  ausge-^ 
bildetes  Mundstück  aufweist  Die  Rülue  verlauft  stark  kouisch.  Offenbar  war  ihr' 
Verfertiger  noch  nicht  im  Stande,  seine  ursprüngliche  Absicht  auszuführen, 
nämlich  ein  gekrümmtes  Hörn  (nach  dem  Vorbilde  der  Natur)  herzustellen  ; 
deshalb  Ist  die  Röhre  aus  zwei  geraden  Teilen  stumpfwinklig  zusammen- 
gesetzt. In  dieser  geknickten  Form  wurden  noch  bis  in  jüngste  Zeiten  hinein 
die  Wächterhömer  in  den  DoDaulieflilndem  verfertigt;  das  Museum  für 
Völkerlrachtcn  i:i  Berlin  besitzt  ein  solches  von  1 76^,  das  jenem  Runcn-H'jrn 
sehr  ahnlich  i.st.  Aber  auch  halbkrelsrvind  gegossene  goldene  Homer  aus 
altgermanischer  Zeit,  mit  eingravierten  Runen- luschriflen  veräehen.  hat  man 
besonders  in  Jütland  gefunden,  namentlich  zwei  bei  Gallehus  in  Schleswig 
(1639  und  1734),  deren  Andenken  noch  heute  in  der  Volkssage  lebtt.  Was 
Diodor  von  Sicilien  (V.  30)  von  den  Kelten  berichtet,  das  sie  »barbarids 
ctiam  pro  suo  more  tubis  utuntur,  quae  horridum  et  belUco  terrori  conve- 
nientem  reddunt  mugitura  inflatae*,  trifft  also  auch  auf  die  Germanen  za. 
Eine  Silbemiünze  von  Drusus  dem  Älteren  weist  gennanische  Waffen  und 
Trompeten,  eine  Kupfermünze  von  Man'  Aurel  ebenfalls  germanische  Waffen 
und  ein  grosses  Hom  auf'':  und  es  mag  nicht  unerinnert  bleiben,  dass  in 
der  Edda  das  Gialla-hom  zum  grossen  Entscheid ungskampf  zwischen  Göttern 
und  Riesen  anfmft,  wie  die  Posaune  heim  jüngsten  Gericht.  Auch  in  der 
germanischen  Sage  spielt  ja  das  Hom  eine  Rolle  (z.  B.  der  Olifant  beim 
Tode  Rulands),  und  Miniaturen  in  frühmittelalterlichen  Handschriften  stellen 
germanische  Krieger  mit  Hörnern  öfters  dar.  Es  kann  also  gar  kein  Zweifel 
darüber  herrschen,  dass  in  frühesten  Zeiten,  selbst  bevor  noch  die  deutschen 
Völker  in  den  Hannkreis  der  Geschichte  und  der  griechisch-römischen  Kultur 
traten,  vor  allem  in  den  nordischen  Landern,  Blasiustrumenle  bekannt  und 
in  ausgedehntestem  Maassc  gebraucht  vbiirden.  Die  bedeutende  Kunst- 
fertigkeit, mit  der  diese  Instrumente  fast  durchweg  bergcslelll  worden  sind. 
lasst  auf  eine  lange  und  nicht  geringe  technÜHche  Übung,  und  diese  auf  eine 
crheblii'he  Intensität  des  musikalischen  Interesses,  mithin  auch  auf  einen 
verhältnismässig  hohen  Standpunkt  der  autochthoncu  Musikübung  bei  den 
germanischen  Völkern  der  Vorzeit  schliessen.    War   aber  die   Blasmusik   im 


^  Über  die  Funde  ».  Forkel.  GfuhüHu  der  Afusik  Xl.  119  f..  Abbildong  im  Allu 
d'Arch^ologie  da  Nord^  Kopenba^e  1S57;  über  dir  Sa);c  9.  MüUtnboff,  Sagm^  ÜSr^ 
c/uH   unJ  l.ie<ier  du  fferiogtums  SchUneig'I/oUuiH.     Kiel   1845,    S.   34S. 

*  Beide  MOnzen  im  BerUii«r  K5nigl.  MOnzkabinet. 


Norden,  in  den  OsUee-Ländem,  so  stark  im  Schwange,  so  ist  zugleich  ihr 
Charakter  und  selbst  das  Tonsystem,  worin  sich  diese  Musik  bewegte,  ohne 
■weiteres  bekannt:  der  Cliarakter  diesei  uralten  germanischen  Musik  war, 
vie  die  erhaltenen  Luren  beweisen,  kriegerisch-erhaben,  übrigens  nidit  roh- 
schmettemd  und  lärmend,  sondern  getragen,  kraftig  und  edel;  das  Tonsystem 
aber  vaz  dasjenige,  worauf  alle  Rühren -Instruincnle  von  der  luicrschülter- 
lichen  Naturnotwendigkeit  angewiesen  sind:  das  System  der  NalurtunreihOi 
<L  b.  der  Durakkord  und  die  Durtonlciter: 

C,  CGceg  I  b  I  cMie»  r>j:ia'  h'c»... 


DunlitrikUog.  iJüiUniik,    DiiituiilL;ilrr, 

Beide  elementare  Faktoren  der  Musik  darf  man  dalicr  als  autocbttion -ger- 
manisch bezeichnen. 

Was  insbemtndere  den  Akkord  luigehl,  so  darf  nicht  übersehen  werden, 
dass  die  völlige  Umwülzung,  die  gegen  die  Mitte  des  Mittelalters  durch  die 
allgemeine  Anwendung  des  Zusammenklanges  in  die  Musikgeschichte  gekom- 
men ist,  nicht  vom  Süden,  sondern  vom  Norden  Euroixis  ausgegangen  ist. 
Ein  niittelatterlicher  Geschichtsschreiber  (Gcraldus  Cambrcnsis  um  1185)  be- 
richtet, dass  in  Nord-England  das  Volk  und  selbst  die  Kinder  ganz  allgemein 
mehrstimmig  sängen,  was  ihnen  durch  lange  Übung  zur  Gi^wohnheit  und  fast 
zur  andern  Natur  geworden  sei  und  wahrscheinlich  durch  die  Danen  und 
Norweger  ins  Land  gebracht  worden  wäre.  Dieser  Bericht  wird  von  meh- 
reren Belegen  jener  Zeit  bestätigt,  z.  B.  durch  die  Nachricht  vim  mehr- 
slimmigeni  Gruppengcsange  bei  der  Hochzeitsfeier  des  englischen  Kianprinzen 
1159  und  beim  t'iffentlirhen  Auftreten  der  englischen  Kirchenfüisten  zu  dieser 
Zeit;  femer  durch  die  Nachricht  des  Walter  Udington  (um  ti8o)  von  einer 
besonderen  Art  der  Mehn>tlmmigkett  (dem  zweistimmigen  Organum  purum): 
et  hoc  gciius  antiquissimum  est  Die  nordgermauischc  Bla^imusik  musstc 
mit  unabwendbarer  Naturnotwendigkeit  zur  Mehrstimmigkeit  führen, 
selbst  wenn  maj»  sich  —  wofür  kein  veniünfüger  Grund  erdaclil  werden  kann 
—  dagegen  strSubte.  Denn  wenn  mehrere  Spieler  auf  Blechinstrumenten 
blasen,  so  werden  sie  nur  dann  akkordisch  zusammenklingende  Töne  ver- 
meiden kflnnen,  wenn  sie  sich  bereits  eine  grosse  Übung  und  Beherrschung 
der  Blastechnik  erworben  haben;  je  roher  und  ursprünglicher  aber 
ihre  Kunst,  desto  niehr  werden  sie  akkordlsche  Zusammenklange 
(selbst  gegen  den  Willen)  hervorbringen. 

II.  Auch  unwiderl^ltche  Beweise  des  Gebrauchs  von  Saiteninstru- 
menten in  vorgeschichtlicher  Zeit  sind  vorhanden.  In  der  schwarzen  Lasur 
mehrerer  grosser  Urnen  aus  der  IIa llstatt- Periode,  die  man  in  den  Grabhflgela 
um  Oedenbun^  in  Ung;im  ausgegraben  hat,  finden  sich  mannigfache  Dar- 
stellungen von  Tänzeriiinen  und  Spielern,  letztere  mit  viereckigen  und  vier- 
saitigen  lyraartigen  Saiteninstrumenten.  Die  .litesten  Bilder  (aus  dem  dritten 
Jahrtausend  vor  Christo?)  sind  allerdings  so  prinutiv,  da.ss  man  ein  endgültiges 
Urteil,  ob  wirklich  Musikinstnmienie  vorliegen,  noch  nicht  für  ausreichend 
gesichert  halten  koimte.  Da  fand  ich  tS()2  auf  einer  nicht  lange  vorher 
ausgegrabenen  grossen  Urne  aus  März  bei  Oedcnburg  (jetzt  im  k.  k.  natur- 
historischen Museum  in  W'itrn.  Saal  XII,  l'feilerschrank  65)  die  unzweifelhafte 
Darstellung  eines  Saiteninstrumentes,  welciic  jene  Umenbüder  von  Tänzcra 
tmd  Spidern  auf  das  klarste  interpretiert  Ein  Mann,  in  primitivster  Zeich- 
nung angedeutet  (den  Leib  stellt  ein  Dreieck,  den  Kopf  zwei  kleine  konzen- 
trische Kreise  dar),   h.llt  in  den  ausgestreckten  Hunden  ein  Saiteninstrument 


voTi  <äer  Form  einer  altgrierhisdien  Kithara^  Das  Saitenspiel  weist  4  Saiten 
auf  imd  gleidil  fast  •;;;inzlicii  denjenigen  Kitharen,  die  auf  drei  alten  gulÜschcn 
Münzen  aus  Casars  Zeit*  dargestellt  sind,  so  üass  man  aimelimeu  darf,  dass 
wir  es  dort  mit  dem  Urbilcle  der  Lyren  oder  Kitharen  zu  tlmn  haben,  zu 
denen  die  berufsmässigen  Masiker  der  Kellen  und  Gennanen,  die  Barden,. 
nacK  dem  einstimmigen  Zeugnisse  der  griecliischen  und  lateinischen  Sdirift- 
steller  ihre  Spoit-  und  L'^blicdcr  sangen.  Sämtliche  bildlichen  Darsteihmgen 
dieser  Saiicninhtrumcnte  zeigen  einen  (eckigen  oder  runden)  Schal Ikürper, 
von  dem  zwii  Hrirner  aufwürls  gehen.  Diese  beiden  Homer  (die  xi^aza 
der  griechischen  Kithara)  verbindet  ein  Querstab  [Zvyov),  woran  die  Saiten, 
die  zum  Schallküqier  laufen,  befestigt  sind.  Schriftsteller  des  Altertums 
überiiefem  uns,  dass  die  filtesten  Kitharen  von  den  Thrakern  zu  den  Griechen 
gekommen  sind,  also  au-s  den  Donauliefläiideni  stammen,  und  ursprünglich 
nur  drei  oder  vier  Saiten  gehabt  haben,  die  in  Grundton,  Quarte,  Quinte 
(und  Oktave)  gestimmt  waren,  z.  B.  G — c — d( — ^g)*.  Diese  Stimmung  ist 
Gnmdbge  de.s  altgriechischen  Tonsystemea  geworden  (die  Töne  heissen  hier 
»die  feststehenden,  unveränderlichen«)  und  kehrt  in  der  Folge  bei  vielen 
volkstümlichen  Saiteninstrumenten  des  Mittelalters  xmd  der  Neuzeit  in  Europa 
als  Grundstimmung  wieder,  ganz  insbesondere  bei  der  »deutschen  Zither«  und 
dem  tradiduncUen  Instrumente  der  Bürden,  der  Chrotta,  deren  sedis  Saiten 
ebenso  gestimmt  waren  in  den  Tönen  G — c — d  mit  ihren  höheren  Oktaven. 

Dass  die  alle  Citliara  im  frühen  Mittelalter  noch  allgemein  im  Gebrauch 
war,  beweisen  zahlreiche  Bilder  und  schriftstellerische  Erwähnungen  dieser 
Zeil.  Gehören  die  Blasinstrumente  mehr  dem  Norden  zu,  so  scheint  sich 
der  Gebrauch  der  Saiten iii-strumentc  von  Süden  her  über  alle  germanischen 
Länder  verbreitet  zu  haben.  Je  mehr  nach  Norden  zu,  desto  weniger 
Spuren  von  Saiteninstrumenten,  aber  desto  mehr  Reste  von  Blasinstrumenten 
lassen  sich  nachweisen;  und  umgekehrt:  je  weiter  man  zum  Süden  der  ger- 
manischen Lande  geht,  desto  mehr  fehlen  die  Spuren  von  Blasinstrumenten 
und  häufen  sich  diejenigen  der  Saiteninstrumente.  In  einem  altgcnnanischea 
Hcidcngrabe  in  Obejflachi  im  Oberamt  Tuttlingen  im  württembergiscben 
Schwarzwald  fand  man  1840  sogar  noch  die  Überreste  eines  solchen  hölzernen 
Instrumentes;  das  Skelett  eines  Kriegers  hieh  es  im  Arme.  Das  Instnunent 
war  iiffenbar  eine  Chrntta,  nicht  eine  Geige,  wie  J.  Grimm  wollte,  denn 
Bogeninstrunientc  gab  es  damals  in  Europa  noch  nicht. 

In  jüngster  Zeit  wurde  unweit  jenes  ersten  Gmbes  am  Lupfenherg  bei 
Oberflacbt  durch  den  Oberamtspfleger  Schad  in  TutUingcn  ein  ähnliches 
Grab  des  4. — 7.  nachchristlichen  Jahrhunderts  ausgehoben,  dessen  reichai 
Inhalt  das  Völkermusciim  in  Berlin  ertt-orben  liat,  wo  auch  nunmehr  eine 
vortreffliche  Nachbildung  des  gesamten  Fundes  in  seiner  Ureprünglichkeit 
ausgestellt  worden  ist  Ein  alemannischer  Krieger,  in  der  Hand  das  Schwert. 
Über  der  Brust  den  Bogen,  hrJt  im  Arme  ein  sechssaitiges  Musikinstrument, 
das  durch  das  Grundwasser  der  luftdichten  Thonschicht  vollständig  erhalten 
worden  ist.  Und  dieses  Saitenspiel  ist  genau  das  Mittelglied  zwischen  den 
uralten  prähistorischen  Darstellungen  iler  Cithara  einerseits  und  den  spä- 
teren   mittelalterlichen   der  Chrotta  andrerseits,  sodass  damit  der  geschicht- 


1  Di«  Abbildung  vrrOfTtntlkhle  ich  in  d«r  Allcrm.  Musikxeitung  (Cb&rloKcDburg)  1893, 
Mo.  30  ff.,  in  einer  Skizxe  aber  ' MusikioftUumentc  aus  dcuucber  Urzeil«,  auf  die  bJcr 
QberhAUpt  vcnric^cn  sei. 

*  ».  FttiB,  //isloire  g^niralt  dt  ia  mtniqtie.     Pari«  l86g — 76.  Bd.  IV.  S.  341, 

*  Vgl.  bc«.  Boetius,  Dt  musiea,  td.  FrudUin.    Ups.  1867,  S.  305  f. 


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liehe  Zusammenhang  jener  prahisturiachai  Citharen  mit  der  Chrotta  her- 
gestellt ist'. 

Auch  sonst  nixh  hat  man  Spuren  von  cttliara-ahn  liehen  Inslrumenlcn  im 
südlichen  und  wcslJichen  Germanien  entdeckt  da,  wo  Germanen  sich  mit 
Kelten  mischten  und  mit  griechisch-römischer  Kultur  in  Berührung  standen. 
Je  mehr  eine  solche  Verbindmig  stattfand,  desto  häufiger  also  bt-gcgncn  wir 
den  SaiLeninstrumentcTi.  Deren  Bevorzugung  kennzeichnet  mithin  die  zweite 
Epoche  der  altgermanischen  Instrumentalmusik  gegenüber  der  ersten  Epoche 
der  Blasinstnmicnte ;  ihr  Anfang  scheint  in  die  letzten  Jahrhunderte  vor 
Christo  zü  fallen    und  dauert  das   ganze  Mittelalter  hindurch. 

Auch  rhythmische  Instrumente  hat  man  in  Deutschland  aus  prä- 
historischer Zeit  vielfach  gefunden.  So  namentlich  trichterfnjrmigc  Trommeln 
von  Thon  in  me^'alithJsdien  Grübern  besonders  der  Altniark.  In  einer  Ab- 
handlung Ober  >Die  raegalithischen  Gräber  Deutschtands«  in  der  Zeitschrift 
für  Ethnologie  1893  haben  Ed.  Krause  und  Otto  Schoetensack  (Text 
S.  60 — 65,  Taf.  XIII)  eine  grosse  Zahl  derartiger  Thongefilsse  beschrieben 
imd  abgebildet  und  ihre  Übereinstimmung  mit  ilhnlichen  Trommeln,  wie  sie 
sich  noch  heute  besi>ndcrs  bei  a.siatisclien  Völkern  (auch  von  Thon}  im 
Gebrauche  finden,  nachgewiesen.  —  Rasseiinstrumente,  x^ie  Sistren  und 
Klappern  wnirden  im  vorigen  Jahrhundert  in  Mitteldeutschland  häufiger 
ausgegraben,  so  namentlich  1714 — 173O  in  Grossendurf  imd  Diebau  bei  Steinau 
a.  d.  Oder*.  Auch  hier  bandelt  es  sich  vermutlich  um  Lehngut  von  orien- 
talisdien  Völkern.  —  Von  flotcnartigen  Instrumenten,  tlie  bei  den  alten 
Griechen  eine  so  wichtige  Kollo  spielten,  wo  sie  aber  auch  erst  von  Kleinasien 
aus  eingeführt  N^-urden,  sind  Spuren  und  Reste  im  alten  Germanien  meines 
Wissens  bisher  nirgends  gefunden  worden. 

III.  Schon  in  den  Zeiten  des  frühen  Mittelalters  gehörte  das  Spiel 
von  Saileninstrumenien  zu  den  Gegenstanden  des  Unterrichtes.  Als  Saiten- 
instrumente nennt  Venantiu-s  Fortunatus  bei  den  Britancn  die  ChroUa,  bei 
den  Germanen  die  Jlarpa.  zwei  Namen,  die  —  wie  überhaupt  die  Bezeich- 
nungen der  nordischen  Hauptinstrumente  —  aus  den  klassischen  Sprachen  nicht 
erklärt  werden  können.  Diese  beiden  Instrumente  sind  Verwandte  der  grie- 
cliischen  Kithara  und  Lvra,  mit  denen  Vena:itius  sie  auch  gleichstellt«.  Die 
Harfe  war  den  Saclwen  ein  unveräusserliches  Besitztum,  ihre  Spieler  politische 
Persönlichkeiten,  von  deren  Untergang  sich  Eduard  I.  in  Wales  die  Sicherheit 
seiner  Herrschaft  versprach.  Trotz  des  alten  Testamentes,  in  welchem  soviel 
von  harfenartigen  Instrumenten  die  Rede  ist,  entschlug  sich  die  chrisdiche 
Kirche  des  Gebrauches  der  auch  bei  den  Heiden  so  angesehenen  Harfen; 
und  dennoch  blieben  die  Harfenarien  im  nördlichen  Europa  allen  anderen 
Musikinstrumenten  gegenüber  noch  lange  Zeil  die  vornehmsten. 

Die  beiden  genannten  Harfenarten,  chroila  und  hatpa.  lauschten  sich  die 
Völker  der  Kelten  und  Germanen  vermutlich  schon  in  vorgeschichdicher 
Zeit  gegen  einander  aus,  so  dass  es  schwer  halt,  sie  ganz  von  einander  xu 
trennen.  Der  Grund  unterschied  beider  scheint  dieser  zu  sein:  Die  Harfe 
stellt  sictt  dem  Auge  als  ein  dreieckiger  Rahmen  dar,  in  welchem  eine  grössere 
Zahl  ungleichlanger  Saiten  völlig  frei  liegen,  so  dass  sie  dem  Anschlage  der 
Hände  von  beiden  Seilen  zugänglich  sind.     Bei  der  Chrotta  aber  (aldr.  erot. 


*  Eine  NachhiMuoK  des  Oriipnals  schenkte  der  Wiederbtr«wll*T  de«  GesamtiuinlM,   Herr 
Conscr\'4ior  Eduard  Kraute  der  K|;l,  .Sanimlun)>  alter  NtusikiDiinim^tc  in  Btrlio. 

»  V^I.  Forke]  II.   109. 

*  I.ib.  VII,  cann.  8  die  vieldiicncn  Verse:    RomanuKiuc  lyia  plaudat  tibi,    barbama 
torpä,  Graeciu  Acbilllaca,  Crotu  Briuuinn  cauui. 


kyrar.  cnv//i)  liegen  nur  wenige  Saiten  von  gleicher  Lange  in  cmera  \'ier- 
eckigen  Rahmen  befestigt  und  laufen,  nur  iu  ilircm  oberen  Teil  von  beiden 
Seiten  dem  Anschlage  der  Handc  ioigänglich,  in  ihrem  unteren  Teile  über 
einen  Schallkastcu,  der  den  Hulzrahraen,  etwa  in  seinem  unteren  Drittel, 
ausfüllt  Spater  ward  dieses  Instrument  <5fters  mit  dem  Bugen  statt  mit 
blossen  Hunden  gespielt  und  schliesslich  ganz  zum  Streichinstrument  (daher 
engl,  croxi'd,  die  Fiedel).  Noch  anfangs  unseres  Jahrlis.  hat  es  Crüwdspieler 
gegeben,  auch  einige  Original  exemplare  des  alten  Barden  Instrumentes  haben 
sich  erhalten.  In  Deutschland  erscheint  dies  keltische  Instruinente  als  roila 
neben  dpr  harpa  schon  bei  Otfrid  (V.  23,  199).  Noch  im  12.  Jahrh.  ist  es 
an  Skulpturen  namentlich  in   Mitteldeutschland  zü  erblicken. 

Eine  dritte  Harfenart  ist  das  Psalterium.  Der  Name  tritt  als  Übersetzung 
des  hebräischen  Ä'diel  {i'dßÄa,  vnvln)  schon  im  Altertum  auf.  Diese  latei» 
nische  Bezeichnung  war  ursprünglich  nur  ein  Äquivalent  für  harpa,  wie  ctthara 
für  chroita:  im  lo.  jahrh.  aber  verschmelzen  auch  diese  lateinischen  Namen 
mit  einander,  um  sich  er<it  spater  wieder  zu  spezialisieren.  Der  spatere 
mittelalterliche  Psalter  [fisalirrfe,  müerion,  saiterio  Udesco,  sauterioti,  sauiier) 
ist  meist  em  tvapczfünuiger  Kasten  mit  darübcrlauf enden  Saiten  in  grosser 
Anzahl  (zuerst  8 — 10,  s|>ätcr  mehr),  im  früheren  Mittelalter  mit  blossen 
Kngem,  später  (besonders  auf  den  Totentanz-Gemälden)  mit  Kluppcln  ge- 
schlagen. Er  hat  sich  erhalten  in  unserem  Hackebretle  und  dem  Zigeuncr- 
cvmbal.  Eng  verwandt  mit  dem  Psalter  ist  die  Spitzharfc,  bestehend  aus 
einem  trapezoid Ischen  Resunan/.kasten  mit  vielen  aufliegenden  Metallsaiten 
aufrecht  bteliend  und  mit  Schlagring  gc-spiell.  Vielleicht  ist  unter  der  bei 
Minnesängern  erwähnten  deutschen  swaiwt,  einer  kleinen  Harfenart,  die  im 
12.  Jahrh.  nach  England  eingeführt  wurde,  dieses  Instrument  zu  verstehen.  — 
Bei  allen  diesen  Harfenarten  erhielt  sIlIi  bis  auf  unsere  Zeit  das  Spiel  mit  blosser 
Hand  {\fi6X).Etv.  psaüiren')  neben  d<'m  mit  einem  Plectrura  (Federkiel,  Sc 
ring,  Klöppel).  Nurdie^-Z/n'/Za  ward  in  der  Folgezeil  zu  einem  Streichinstrument 

Zu  dcu  Saiteninstrumenten  des  spateren  Mittelalters  gehört  femer 
eines  der  wichtigsten  das  Monochord.  Es  besteht  aus  einem  langen, 
schmalen  Schallkasten  mit  einer  einzigen  übergespannten  Saite  imd  diente 
anfangs  ausschliessHch  den  Slusiklehrem  zur  Unter^-eisung  der  Schüler  in  den 
Tonin icrva II en.  Der  Lehrer  zeigte  daran,  wie  die  Hälfte  einer  Saite  die 
Oktave,  V^  derselben  die  Quinte,  %  die  Quarte  des  Gnmdtoncs  u.  s.  f.  ergeben. 
Schon  im  10.  und  11.  Jahrhundert  aber  bediente  man  sich  des  Instrument- 
chens  bereits  zur  Bildung  von  Melodien  (Odo  von  Clugny,  Guido  von 
Arczzo)  und  damit  ward  es  in  die  praktische  Musik  übergeführt,  wo  es  die 
mannigfachste  Verwendung  gefunden  hat  Indem  man  dann  <las  Instnmient 
mit  mehreren  (gleichlangen  und  gleich  gestimmten)  Saiten  bezog,  erhielt 
man  das  Scheitholt,  das  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  als  eines  der 
niedrigsten  Volksinstrumenle  verachtet  wurde.  Trotzdem  ist  das  so  weiter 
ausgestaltete  Monochord  als  der  Uralm  einer  grossen  Zahl  wichtiger  Inslru- 
xuente  der  modernen  Zeit  von  grosser  Bedeutung.  Seine  Verbreitung  war 
in  den  frankischen  Landern  schon  im  Mittelalter  ganz  allgemein.  AU  Ein- 
saiter  stellt  es  ein  Griffbrett  dar,  wie  es  die  Geigen-  und  Guitarrenartcn 
verwenden;  als  Mehrsaiter  führte  es  einerseits  zu  der  bayrischen  Zither 
(nicht  zu  verwcchschi  mit  der  dcubichen  Zither,  s.  o.  570),  andererseits  uutec 
Anseizung  einer  Claviatur  zum  Clavichord,  der  ältesten  Form  des  KlaWcresi^ 


1  Vgl.  hierzu  und  zum  tianzet)  meinen    •Führer    duicb    die    Sammlong    Alter    Muiik- 
itutrumemc,  2.  Aufl.  Bcrilo  (W.  bpcmana)  Uti>8. 


I 


I 


IV.  Streicliinstrumentt^  kannte  das  Altertum  unr!  .Mittelalter  nicht,  der 
Gebrauch  des  Bogens  bei  Sailenspielen  kam  frühestens  im  8.  Jahrh.  auf,  ist 
aber  erst  einige  Jalirhunderte  später  bezeugt.  Die  Bogcuinstruraente  gehen 
auf  zwei  antike  Gniiidfonnen  zxiritck:  die  der  Kithara  (Chrotta)  und  der 
Lyra  (testudi>)  mit  S«.hltdkrölen-Schallkürpcr.  Lelzlerer  wird  im  Abenülanüe 
gebildet  durch  ein  ausgchöhhes  Stück  Holz  von  der  Gestalt  einer  halben  Birne» 
unten  gewulbt.  oben  vnxi  einem  Brette  bedetkt.  Auf  der  Decke  l;ig  eine, 
später  zwei  (selten  mehrere)  Saiten  auf.  wekhe  duRh  die  auf  dem  Griffbrett 
oder  Halse  des  Instrumentes  sich  auf-  tmd  abbewegenile  linke  Hand  ver- 
kürzt, d.  h.  in  ihrer  Tonhöhe  verändert  werden  konnten,  während  die  rechte 
sie  mit  dem  Bogen  anstrich.  Die  gr»"isste  Form  dieser  Insiruinenie  stellt  das 
Trurasclieii  dar  ( Nunnengcige,  itvmba  mnnna'i,  ein  ausgehöhlter,  oben 
spitz  verlaufender  hnlljer  Biiumstamm  von  über  ManneshMie,  mit  einer  Saite 
überspannt,  das  seinem  Klange  nach  Ähnlidikeit  mit  der  Trompete  {fmmba), 
seiner  Konstruktion  nach  mit  der  Trommel,  seiner  Gestalt  nach  mit  einem 
Baumstumpf  {trum)  hat,  also  die  mannigfachsten  etymologischen  Beziehungen 
zulüsst.  Die  kleinste  Form  dieser  Bogen  Instrumente  weist  die  Rubebc  auf 
{rutuiU,  rthel,  rehec,  rebecca,  arabisch  tYbah),  d.  i.  die  Tasclienge^e.  Der  Name 
dieser  ganzen  Gattung  scheint  anfünglidi  iira,  seit  dem  12.  Jahrb.  aber  j^ga, 
gtgi  gewesen  zu  sein.     Der  Name  Geige  scheint  germanisch  k 

Die  Geigenarten  waren  durch  ihren  Bau  auf  eine  geringe  Anzalil  voq 
Saiten  besdiränkt  Im  i.i.  Jahrh.  noch  waren  es  deren  meist  nur  zwei. 
Mehrere  Saiten  bedingten  ohne  weiteres  arrordisches  Spiel;  denn  s<»  lange 
ilmeu  die  Einschnitte  zu  beiden  Seiten  fehlten,  wie  sie  xmsre  Geigen  auf- 
weisen, konnte  der  Bogen  auch  die  Saiten  umso  weniger  einzeln  anstreichen. 
Je  mehr  ihre  Zahl  über  zwei  hinausging.  Zu  solchem  Behufe  bedurfte  es 
also  der  Seiteueinschnitte,  welche  wiederum  einen  besonderen  Bau  des  Schali- 
kiirpers  bedingten,  nämlich  die  Guitarrenform,  wie  die  ChroUa  heätehend  aus 
zwei  flachen  Deckbretiem,  ringsum  durch  Seiteriw.'inde  (Zargen»  mit  einander 
verbunden.  Diese  Zargeninstnimcntc  fasste  man  imler  dem  Namen  Fideln 
zusammen  {Jitiuiu,  bei  (Jtfrid  V.  23,  198  Iira  ich  ßdttia  d.  i.  Geigen  und 
Fideln;  span.  vihmia.  ital.  viola,  franz.  vUüe).  Auch  hier  ist  gcrmauischcr 
Urspnnig  des  Wortes  nach  Kluge  wahrscheinlich.  .'\tis  den  Fideln  gingen 
unsere  sämtüi-tien  modernen  Streichinstrumente  hervor  {Hofirto,  vioia  */a  firacch 
oder  Bratsche,  viola  Ha  gamba  oder  Gambe,  liotonallo,  viola  da  hasio  oder 
Bass  u.  s.  w.),  während  die  alte  Geigenform  allmAhlich  abstarb. 

Die  Strcicliinslrumente  stellten  sich  nun  in  der  Minncsüngerzeit  eben- 
bflrtig  neben  die  Harfenarten  und  drängten  sie  in  den  Hintergmnd,  Die 
Frauen  bedienten  sich  ihrer  ebensowohl,  als  die  Heklen  tics  Xibdungen- 
tiedes.  Im  allgemeinen  litsst  sich  sagen,  dass  die  Fideln  ursprünglich  mehr 
I>ei  den  Romanen,  die  Geigen  aber  mehr  bei  den  Germanen  zu  Hause  ge- 
wesen sind. 

Ein  eigenartiges  Streichinslruwient  ist  die  Drehleier,  Bauern-  oder  Beitler- 
leicr.  Ältester  Name  (im  10.  Jahrh.)  ist  rtrganistrum,  der  spatere  Symphonie, 
chinfonie,  cifonit,  und  erst  seit  dem  i'i.  Jahrh.  geht  In  Frankreich  der  Name 
viellt,  der  bis  dahin  nur  für  die  Fidel  gidl,  auf  die  Drelileier  über.  Ihre 
Saiten  werden  nicht  mit  dem  Bogen,  sondern  durch  dn  an  einer  Kurbel 
drelibares  Rad,  auf  dem  die  Saiten  aufliegen,  angestrichen.  Am  Halse  des 
Instrumentes  ist  eine  Art  Klaviatur  angebracht,  durch  die  man  die  Saiten 
verkürzen,   und   so  Melodien    erzeugen    kann.     Das  Instrument  ward  früher 


>  Kloge.  Etymokig.  Wb,  S-  101.     Aucfa  der  Kune  trSgl  (Trögldn)  ßndel  sidi. 


574 


XIII.  Kunst.    2.  Musik. 


von  zwei  Personen  gespielt,    von    welchen    die   eine    die  Kurbel    drehte,    di< 
andere  das  Klavier  handhabte;  später  ward  es  fflr  eine  einzige  Person  spidbar' 
gemacht.     Erhallen  hat  sich  das  Instrument,  das.  seit  dem  15.  Jahrh.   wenig 
gebraucht,    im  17.   18.  Jahrh.    dne    zweite   vorübergehende    Blütezeit    erlebte, 
nur  noch  als  Instrument  der  Savoyardcnknaben. 

V.  Seit  dem  13. — 14.  Jahrh.  taudite  in  der  Tonkunst  der  gebildeten 
Völker  die  Laute  auf  und  verdrängte  allmählich  die  Streichinstnimente 
aus  der  bevorzugten  Stellung  innerhalb  der  Oesellschaftsmusik,  wie  diese 
vordem  die  Harfen  in  den  Hintergrund,  geschoben  hatten.  Im  16.  und  17. 
Jahrh.  genoss  .sie  dasselbe  unbedingte  Vorrecht,  als  heute  das  Klavier.  Leta- 
tercs  tritt  enit  mit  Ende  des  15.  Jahrh.  in  Eisdidnung,  aber  mit  solcher 
Klangarmiit,  dass  es  mit  der  I-aute  nicht  zu  konkurrieren  vermochte. 

Die  aJteste  Geschiclite  der  Laute  ist  duukel;  man  hall  sie  allgemein  für 
«in  ursprünglich  arabisches  Instrument,  doch  ist  das  trotz  Übereinstimmung 
<les  Namens  Laute  (/»«fr,  /«//  //«/py  /«f  /wA)  mit  dem  arabischen  ai'oufi  und 
türkisch  lauH  (cig.  Schildkröte)  nicht  ohne  technische  Bedenken-  Die  kleinste 
Art  der  Laute  ist  noch  heule  in  der  ital.  Mandoline  {pattd^ra.  banäurria, 
mandora,  mandola  u.  s.  w..  frz.  ic  lulhee  die  kleine  Laute}  erhalten.  Die  Lauten- 
form mit  ihrem  halbkugelftirmigen  Schallkötper  ist  der  der  Lyra  und  der 
ihr  versippten  Geigenarten  am  nüclisten  verwandt;  sie  erscheint  als  eine 
mehrsaitiges  (4 — bsaitiges)  Rebec  ohne  Bogen. 

Hinsichtlich  der  musikalischen  Wirkung  und  Behandlung  aber  ist  der 
Laute  nllchster  Verwandter  die  Guitarrc.  Dieser  Name  ist  der  alten  Kithara 
entlehnt  (Jtitmn,  quitaire,  quiteme,  quinteme.  quiiara  u.  s.  w.  von  KtOäoa  mit 
zweitbetontcr  Silbe).  Wie  die  Laute  zur  Geige,  so  verhält  sich  die  Guitane  zuz 
Fidel;  wie  diese  hat  die  Guitarre  Zargen  und  Seiteneinsrhnitte.  Ohne  Seiten- 
cinschnittc  ist  die,  sonst  der  romanischen  Chitara  gleiche,  alte  deutsche  Zither. 

VI.  Als  rein  geistliches  Musikinstrument  und  von  Anfang  an  fast  aus- 
schliesslich den  Zwecken  der  chri.süichcn  Kirche  dienend,  tritt  die  Orgel  den 
besprochenen  Instrumenten  der  Gesellschaftsmusik  gegenüber.  Ihr  Name 
erganum,  eine  Allgenieinbezeichnung  für  Musikinstrument  (so  noch  l>ei  Otfridl. 
hat  schon  im  Frübmillelalter  eine  Hinneigimg  zur  Spezialisierung  auf  die 
Orgel.  Ihre  Erfindung  geht  hi  das  Altertum  (spätestens  3.  Jahrh.  v.  Chr.)  zurück, 
freilich  in  der,  trotz  Viiruvs  u.  a.  Bieschreibungen,  noch  immer  nicht  recht 
ihrem  Wesen  nach  fassburai  Fona  der  Hydniuiis  {hydrauliM  Wasserflöte). 
Im  Anfang  des  7.  Jahrlis.  gab  es  bereits  Orgeln  mit  Blasebfügcn  (pneuma- 
tische  Orgeln  gegenüber  den  hydraulischen). 

Pipni  d.  KI.  und  Karl  d.  Gr.  erhielten  Orgeln  von  den  byzantitiiscJien 
Kaisem  zum  Geschenk.  Seitdem  liaben  sich  die  Deutschen  der  Erfindung 
«frigst  angenommen  und  sie  stark  verbessert  Es  ward  das  bevorrechtete 
Kirchcninstiuracnt  Im  13.  Jahrh.  baute  man  Orgeln  in  allen  Grflssen,  be- 
sonders solche,  die  man  wie  andere  Instrumente  bequem  mit  sich  fQhrea 
konnte  (Portativorgeln);  die  kleinste  Art  derselben  waren  die  Handoi^ln, 
ein  Spielzeug  dei   Eraueti  (vgl.  die  h.  Caccilia  von  Kafael). 

VIL  Fast  alle  übrigen  Musikinstrumente  waren  den  Beruf smusikem  über- 
lassen, besonders  die  Blasinstrumente.  Diese  standen  von  jeher,  soweit 
sie  von  lautem  Klange  waren,  im  Dienste  des  Krieges,  namentlich  tag  ihntn 
der  Signaldienst,  auch  von  den  Türmen  herab,  ob.  Die  milderen  Arten  der. 
Holzblasinstrumente  waren  vor  allen  anderen  Tonwerkzeugen  die  Instrumente 
der  landlJclien  scsshaflcn  Be^'Olkcrung.  Sic  dienten  besonders  zum  Aufspielen 
bei  ländlichen  Tanzen,  und  vornehmlich  hei  Hochzeiten,  wahrend  der  höHsche 
Tanz  sich  lieber  der  Saiteninstrumente  bediente,   wie   das  in  dem   lauteren 


I 
I 


Charaktci  Her  Bauern  und  dem  zu rüclilmUeii deren  der  Gebildeteren  begründet 
cracheint.  Man  teilt  die  Blasiiisirumentc  in  zwei  Gruppen:  Holz-  und  Blech- 
blasinstnimentc.  Doch  gab  es  z.  B.  auch  Hörner  von  Hom  (z.  B.  wisea» 
Jkorti),  Elfenbein  {oli/ani)  u.  a.  Sluffen  [cor  t/'huiire,  cor  He  laiton.  cor  de  pin\ 
Die  Hnmer  fanden  sich  bei  allen  V{\lkern  {cor  sarracmou,  windisch  hörn 
u.  s.  w.).  Aus  ihnen  entwickelten  sich  im  Au.s^nge  des  Mittelalters  die 
Zinken,  ebenfalls  ji;i:krünu]ilt:  Bbsinslrumcntc  von  verschiedenem  Stoffe  {be- 
sonders aus  Holz  mit  T.ecler  Aberzogen),  welche  in  der  Musik  noch  bei 
J.  S.  Bach  eine  grosse  Rolle  spielten,  jetzt  aber  abgeschafft  sind,  wegen  der 
starken  I.ungenkraft,  die  sie,  wie  schon  die  mittelalterlichen  Htimer  (Rolands 
Tod)  eifurderten. 

An  eigentlichen  Holzblasinstrumenten  finden  wir  im  Mittelalter  zahlreiche 
Fluten  arten  (Jhihuh,  floite,  fintU:  ßistc;  flahs,  ßa/or,  ßagcus.  fiahi.  ßavie/) 
und  Pfeifen  [ßcsiel,  freiele;  pipc:  managfaha  lä^gala  bei  Otlrid)  in  der  Form 
von  Lang-  oder  Schnabel-  und  Querflöten  von  Holz  und  festerem  Material. 
Einen  weicheren  Klang  ergaben  die  von  Holländer  (sambuca,  sambiut;  holler- 
ßoyte»,  iiairt,  holt),  die  man  auch  mit  einer  Schwcinsblase  zum  Dudelsack 
verband  {holcrblmen),  und  die  RohrflGien  ((ahmus,  chahimcau,  ehaJitaeU, 
schaimie)  aus  derun  Verbindung  mit  einer  HolzflOte  Ausgangs  des  Mittelalters 
die  Schalmeien  und  Bomharte  oder  Pommern  (die  gri^ssten  von  unge- 
heuerlicher Länge)  her\-oi  gingen.  Die  Oboen  {/lan/hois)  und  Fagotte  (der  Name 
stammt  aus  Illvrien?)  sind  Abkömmlinge  dieser  Schalmeien.  Beliebter  ist  die 
Zusammenstellmig  der  kleinen  Schalmeien  mit  dem  Üudelsack  oder  Sack- 
pfeife, der  /tbia  utriculatis  der  alten  Römer,  bestehend  aus  einem  Schlauch, 
den  man  vor  dem  Gebrauch  mit  Luft  füllt  und  wahrend  des  Spieles  der 
Pfeifen  wie  einen  Blasebalg  mit  dem  Arme  drUckt.  Die  Sackpfeife,  noch 
heut  das  beliebte  V'ülksiiistrumoiU  ebenso  in  Schottland  wie  in  Süditalicu, 
ist  in  der  Musikgesrt lichte  von  allcrgrüsster  Wichtigkeit  wt^cn  des  Funda- 
mcntalbasses,  der  bei  ihrem  Spiel  sich  von  seil«!  ergibt.  Verschiedene  Arten 
der  Sackpfeife  sind  die  muse  oder  comemuse  und  die  stha  (eslhv  de  Comoyaille). 
Die  Syringen  und  Pansflijtcn  sind  Zusammensetzungen  von  einfachen 
Pfeifen  (z.  B.  sehs  fißfcn  ivahchen  ri'r),    ebenfalls  schon  im  Altertum  bekannt 

Als  schraeticmdlaute  Blasinslrumejite,  meist  aus  Metall  gefertigt,  stellen 
sich  dar  die  Posaunen  {bucc'ttm.  huisine,  pHsi'tne),  Tuben  (wozu  das /üinm, 
hcion,  aus  dem  lömischen  Uium  her\'orgehend,  gehört),  und  Trompeten 
(/ntmfia,  tromhe)  dar.  Mit  den  Kriegs-  imd  Signalinslrumenten  verbanden 
sicli  zu  allen  Zeiten  gern  Larminstrumcute  wie  Paukt-u  und  Trommeln 
{püke :  tympanon.  tumfHinatvfr :  sumher :  rtiiumUe,  ralubitmhe,  rattobtivibe :  iatn- 
boNT.  fabor.  iavbtr,  Itiitber;  hingen  und  die  arabische  nekariek  als  nafiiaire, 
naeairr),  denen  sich  zuweilen  Schellen,  Castagneiten,  Klappern,  SLstrcn, 
Glocken  und  Ciiubeln  {limbre,  zimbel)  zugesellten. 

VHL  Schon  zur  Zeit  des  Minnegesanges  thiiten  sich  die  Benifsrausikantcn 
zu  Genossenschaften  zusammen  und  erhitlten  auch  Innungsrechte  (S.  Nikolai- 
Bruderschaft  in  Wien  gestiftet  1288).  j-{ierbci  hat  man  zu  unterscheiden 
zwischen  den  fahrenden  lauten  {eom/Mgtwus.  Jongleurs,  metieslruett.\ ,  mcne- 
streit,  mcneslriers.  ministeW),  die  unter  einem  S[üelgT;ifcn,  Geiger-  oder  Pfcifer- 
kOoig  standen  und  auf  dem  I^indc  zu  Tanz  11.  dgl.  aufspielten;  und  zwischen 
-den  sesshaften  Stadtmusikauten  (Tunnblaseni ,  Stadtpfcifeni).  welclie  letztere 
besonders  in  DeuticWand  seit  dem  15.  Jahrb.  dem  Orchesters-pielc  zu  seiner 
Blüte  verhalfcu.  Die  Spielkunst  der  Blasinstrumente  tag  fast  ganz  in  ihren 
Händen,  und  nur  ihnen  ist  die  Entstehung  des  modernen  Orchesters  zu  verdanken. 

Man  hat  sich  ein  mittelalterliches  Orchester   keineswegs,   wie  man   C3 


57t» 


Xm.  Kunst.     2.  Musik. 


gewöhnlich  thut,  als  ein  Spielen  deler  Instrumente  durcheinander  auf  gut 
Glück,  üass  sie  ab  und  zu  cinuiül  einen  eiiihcitlit;hcn  harmonischen  Eindmck 
machten,  vorzustellen,  wie  ni;in  ebensowenig  das  Gegenteil  annehmen  darf, 
dass  nämlich  alle  Instrumente  immer  nur  dieselbe  Mebdit-  zusanuucn  gespielt 
hätten.  Es  liegt  kein  Grund  vor,  dem  Mittelalter  eine  auf  ästhetische  und 
harmonische  Wirkung  abzielende  Musikiibung  abziLsprechen.  Nur  wurde, 
gerade  wit-  heutigen  Tagts,  die  Absicht  nicht  immer  encichl,  voniehralich, 
weil  ma,n  bei  der  Unmasse  v<tn  Insirumrnten  (deren  Namen  kaum  jemals 
alle  erklart  werden  künnen)  erst  nach  mühsamen  Versuchen  zu  einer  geregelten 
und  gesetzma^sigea  Zusamuienstellung  derselben,  zu  einem  einheitlichen 
Orchester  gelangen  konnte.  Jlan  versuchte  alle  möglichen  Zusanmiciistcl* 
lungen  von  Instrumenten,  doch  lässt  sich  dabei  gar  nicht  selten  eine  gesetz- 
massige  Gruppienmg  nach  verwandten  Klangfarben  eikemien.  So  findet  man 
fast  standig  die  Kombination  von  Handpauke  oder  Trommel  mit  der  Pfeife, 
femer  Posaunen  mit  dem  Zink,  Verbindungen,  die  völlig  naturgemäss  imd 
Bsüictisch  berccliügt  sind  und  sich  im  modernen  Orchester  erhalten  haben. 

Die  ersten  deutlichen  Anfange  des  K  unsiorchesters  liegen  in  der 
Mudellierung  der  einzelnen  Instrumente  in  den  verschiedensten  Grossen.  Man 
baute  die  Orgeln,  Cicigcn  u.  s.  w.  in  kolossalischen  wie  in  winzig  kleinen  Formen, 
und  indem  man  dieses  IVinzip  allmtlhlich  auf  alle  Hauptinslrumente  übertrug, 
erhielt  man  Instrumenten chOre  oder  -Gruppen,  die  kleinen  Arten  für  Discant, 
die  grossen  für  Bass,  die  mittleren  für  die  Mittelstimmen.  Diese  Gruppen 
konnte  man  nunmehr  ebenso  leicht  handhaben^  wie  die  einzelnen  Gesangs- 
stimmen in  tlen  mehrstimmigen  Chören,  welche  die  Kirche  seit  dem  Auf- 
blühen der  sogenannten  MensuralmiLsik,  d.  h.  seit  dem  13.  Jahrb.,  so  fleiss^ 
benutzte.  Die  Vorarbeit,  bei  welcher  die  Instrumentenbauer  den  Löwenanteil 
hatten,  war  bei  Eintritt  der  rauderneti  Zeit  iin  Prinzip  vollendet.  Wo  mm. 
ein  Chor  nicht  vi>Ilstan<lig  in  allen  Stimmlagen  herzuslellen  war,  nalim  man-, 
Instrumente  von  passendem  Klangcharakter,  wenn  auch  ganz  verschiedener  1 
Klangcrzcugung  zu  Hilfe  und  so  entstand  dann,  durch  Auswahl  der  klang^i 
falligsten  Instrumente  für  die  einzelnen  Chorgruppen  imd  deren  Zas;immen* 
Stellung  zu  einem  t-inlieithchcn  Ganzen  das  moderne  Orchester,  mit  welchem 
die  instrumentale  Tonkunst  scliliesslidi  ihre  höchste  Blüte  durch  Beeüioven 
erreicht  hat.  Oskar  Fleischer.' 


I 


S  3.     DIE  PERIODE  DES  KONTRAPUNKTES  UND  DEK  MENSURALMUSK. 

An  die  auf  S.  5Ö3  genannten  Theoretiker  der  iUtesten  Periode  schHesst 
sich  zeitlich  ein  Deutscher  an,  dessen  Arbeiten  jedoch  einer  neuen  Perk 
angeh«"ren,  nämlich  Magister  Franco  von  Köln  imi  üoo.  Die  ihm  zt 
schriebene  grundlegende  Schrift  Musica  et  ars  cantus  mensunibilis  dürfte  in- 
dessen nicht  von  ihm,  sondern  einem  gleichzeitigen  Franco  Parisiemiis  sein". 
Mit  Aii-snahmc  der  Niederlande,  welche  bald  gtilnzend  in  den  Vordeigrund 
treten,  verschuindet  dann  Deutschland  scheinbiu:  für  fast  3  Jahrhunderte  aus 
der  Geschichte  der  Musik,  Wir  müssun  für  diese  Zeit  die  ausserdeuische 
Entviicklung  verfolgen,  um  s«:i  mehr,  da  wir  uns  doch  auch  für  Deutsctiland 
wenigstens  im  allgemeinen  eine  der  au^iücrdeutücheii  folgende  Musikübung  zu 
denken  haben. 

Frankreicli    und    die    Pariser    Schule ",    vertreten    besonders    durch    die 

'  Herr  Prof.  Dr.  Fleischer,  ilc«en  ciimchcndt*  Siiidicn  üWr  die  bisher  sehr  im  Dub- 
kcb  Ulkende  Geschichte  der  mineUJcerlidicn  Instrumente  noch  imuicr  nicht  veräAenilicAi 
sind,  hat  die  Gut«  gehabt,  den  obigen  Abachoitt  Über  »Musikinstnimcate  des  Altermms  nod 
Mittdalteri«  hier  t>ci£ustcucni. 


Orgaiithlcn  von  Nutrc  daine,  gingen  in  dieser  musikalisclicn  F.ntwickclung 
voran  vind  bcliiclten  vom  ii.  bis  14.  Jnhrh.  die  Kühnmg.  Aus  dem  kunst- 
losen, vielfach  improvisierten  zwcislimmigen  Organum  halte  sich  der  nach 
Consonanzen  kürisütcher  gi^regelte  Discantiis  (derhant)  gebildet.  Weil  dabei 
die  zum  Cantus  hinzutretende  Stimme  Über  ihm  lag,  ward  Di&caiit  die  Bc- 
zdclmung  für  die  Oberstimme  überhaupt,  wie  tenor  (ursprünglich  Melodicn- 
slimme)  fftr  die  mittlere.  Neben  dem  zweistimmigen  dechant  erscheint  bald 
der  dreistimmige  Faux  bourd'Mi,  bestellend  in  par^lLcl  mit  dem  Tenor  fort- 
schreitender Oberquart  und  L'nterlerz.  Indem  man  nun,  wie  im  schweifenden 
Oiganum»  auch  wechselnde  Inier\-alle  in  Ober-  und  Untersiimme  zu- 
liess,  kam  man  nmi  wirklich  dreistimmigen  Salz  und  zwar  in  Frankreich 
schon  im  12.  jahrh.,  vun  da  alsbald  zum  Quadruplum,  dem  vierstimmigen 
Satz.  Gleich  richtete  sich  auch  das  Streben  dahin,  die  cirizehifn  zum  Tenor 
hinzutretenden  Tonreihen  nicht  bloss  nacli  ihrer  Consonanz  mit  dem  Tenor 
zu  berechnen,  sondern  sie  zu  selbständigen  Stimmen  zu  machen,  indem  man 
sie  in  rhj-thmischen  Conirast  zum  Tenor  und  zu  einander  setzte.  So  ward 
der  conlrapuuktische  Stil  geboren.  Die  beiden  wichtigsten  Kunslinittel, 
nämlich  die  Gegenbewegung  der  Stimmen  und  die  Imitation  erscheinen  in 
eisten  noch  unbcwussten  Anwenciungcn  bereits  im  i^.  Jahrh.  in  Frankreich, 
im  1 3.  aucJi  die  tlieorctische  Erkenntnis.  Schon  fasst  man  das  neue  Prinzip 
selbständiger  Stimmen  so  bestimmt  als  Ziel  ins  Auge,  dass  man  sogar  darauf 
verfällt,  mit  dem  Tenor  nicht  nur  Tonreilien  zu  verbinden,  die  für  ilm  und 
nach  ihm  erfunden  sind,  »jndem  schon  fertige  und  gegebene  Melodien  von 
Volksliedern,  freilich  nicht  ohne  den  als  Tenor  zu  Grunde  liegenden  kirch- 
lichen (Gregüriaiüschen)  Oioral  willkürlich  zu  rhyUimisicren  und  ebenso  die 
zum  Discant  benutzte  welUiche  Melodie  nach  Bedürfnis  zu  ändern.  Neben 
dem  lateinischen  Text  des  Tenors  Iflsst  man  sogar  dem  dwcanticrenden 
Liede  seinen  französischen  Text.  Einen  solchen  Satz  nannte  man  motctus 
(Motette).  Diese  kirchliche  Form  ward  dann  auch  in  die  weltliche  Musik 
übertragen,  indem  man  statt  des  kirchlichen  Chorals  ein  Volkslied  mit  seinem 
französischen  Text  als  Tenor  benutzte.  Solcher  weltliche  Sulz  hicss  con- 
ductus,  franz.  conduit  *'. 

Mit  dicsiT  Entwitkclung  hing  nun  aber  eine  zweite  notwendig  zusammen. 
Im  Gegensalz  zum  ("»rcgurianischen  T<inmass  stützte  das  contrHpunkli<><:he 
Zusammenfügen  mehrerer  Notenreihen  Noten  von  bestimmt  gemessener  Zeit- 
dauer voraus  (wie  sie  annflhemd  im  Volks-  und  Tanzlied  vun  jeher  vor- 
handen gewesen  sein  müssen).  Dies  führte  zur  Erfindung  der  Mc^lsu^aI- 
noten",  nach  denen  nun  diese  ganze  >neue  Kunst«  (an  noivi)  den  Namen 
der  Mensurahnasik  erlialten  hat.  Ursprünglich  teilte  man  dabei,  wie  ntnie.ttens 
erkannt  ist,  die  grüssere  Note  in  zwei  kleinere;  avich  das  .llteste  französisch« 
Volkslied  lüsst  gradcn  Takt  erkeimen.  Bald  aber  ward  das  Sv'stcm  auf  Drei- 
teiligkeit der  Hauptgallungen  der  Noten  basiert  (tempus  iJcrfectum),  der 
gegenüber  diu  grössere  Note,  welche  nur  zwei  kleineren  entsiirarh.  als  ver- 
kürzt (tempus  iraperfectum)  betrachtet  ward.  In  der  ältesten  Notation  des 
12.  Jalirhs,  änderten  sich  die  Werte  der  Noten,  namentlich  in  clen  Ligaturen, 
d.  h.  wenn  über  einer  Silbe  mehrere  gebundene  TOnc  gesungen  wurden, 
nach  dem  Modus,  in  dem  das  Musikstück  gesetzt  war.  Darunter  verstand 
man  seine  rhythmische  Grundform:  molossisch,  irochaisch,  jambisch,  dacty- 
Usch,  anapastisrh  u.  s.  w.  Erst  die  beiden  Francos,  der  Pariser  imd  ('«llner 
(s.  o.)  brachten  das  System  zum  Abschluss  indem  sie  Noten  von  stets  gleich 
bleibenden  Werten  eint'ührten.  Man  behielt  anfangs  die  schwarzen  vier- 
eckigen Noten  des  Gregor.  Chorals   bei;   erst  später   trat   für  die  grosseren 

GcrmaBtoctie  PbUolosU  ni.    2.  Aufl.  37 


Notenwerte,  nümüch  die  maxima  =  S  nif>dfmen  Takten,  die  Innga  =  4  Takten» 
die  brcvis  =  2  Takteu,  die  (Riudc)  scmibrcvis  *=  I  Takt  und  die  minima  = 
unserer  halben  Taktnote  der  weisse  (leere)  Nolenkopf  ein.  Nur  die  semi- 
mininia  (unsere  Viertel-)  und  die  fusa  (unsere  Achtelnote)  behielten  de» 
schwarzen  Kopf. 

Dil:  altfste  Hauptqueltc  für  die  Musikg:attung;  dieser  ars  nova  ist  der 
berühmte  Codex  von  Montpellier,  bekannt  gemacht  in  Aus;:ftgcn  durch 
Coussemaker"',  dem  erst  im  14-  Jahrh.  gcscliricbencn  Codex  liegen  Hand- 
schriften vcrschicdtaicn  Alters  des   13.  und   14.  Jahrh.  zu  Grunde. 

Innerhalb  des  G<.ittesdienstes  bildeten  sicli  nun  7wei  canonische  Formen 
dieser  Behandlungsart,  die  Messe  und  die  Motette.  Es  wurden  nämlich  von 
den  liturgischen  Bestandteilen  der  Messe  fünf  dem  Gesang  des  Chores  in 
Kunstformen  frei  gegeben:  Kyrie,  Gloria,  Credo,  Sariclus  und  Agnus.  Musi- 
kalisch verstellt  man  also  diese  5  Sätze  unter  dem  Namen  Messe.  Anfangs 
lagen  den  contrapunklischen  StLtzen  tlber  diese  5  Texte  immer  üirc  Grc* 
gurianischen  Choräle  als  Tenor  zu  Grunde.  Schon  aber  im  14.  Jahrh.  finden 
wir  die  Sitte  verbreitet,  auch  andere  Melodien  dafür  zu  benutzen,  bald  frei 
crfimdene,  bald  ganz  oder  nach  ihren  Motiven  dem  Volkslied  enüelmte. 

Den  Text  der  kirchlichen  Motetten,  die  aus  einem  einzigen,  wcmi  auch 
m  mehrere  Abschnitte  geteilten  Satz  bestehen,  bilden  die  biblisch-liturgischen 
Stücke,  meist  Psalmen  verse,  die  den  gesamten  Ritus  durchziehen,  iimerhalb 
der  Messe  z.  B.  als  Introitus,  Gniduale,  Offerturium  und  Commnnio,  innerhalb 
der  Horengebeie  als  Antiphünen,  Responsorien  u.  s.  w.  Die  Form  der  Motette 
ward  nicht  nur,  wie  schon  bemerkt,  bald  im  weltlichen  Condukt  nachgeahmt, 
sondern  auch  die  Musikfonn  in  die  Insmimentalmusik  übertragen.  Oberhaupt 
erblühte  in  Frankreich  die  ars  noii-a  der  contrapunklischen  Musik  alsbald 
auch  in  der  weltlichen  Musik  in  drei-  imd  vierstimmigen  Chansons.  Roiideaux 
a  s.  w.,  wobei  auch  einzelne  der  Stimmen  auf  Instrumente-n  gespielt  werdeiVj 
konnten.  Überhaupt  beniücluigte  sich  die  Instrumeutalmusik.  beim  Fest 
oder  zum  Tanz  aufspielend,  dieser  Compnsitionsformen.  In  der  Kirclie  sdbst, 
von  der  die  ganze  Bewegung  ausging,  spann  die  Orgel  die  Form  der  Imita- 
tion, des  Canons  uu  s.  w.  weiter  aus,  bis  sie  —  erst  jenseits  dieser  Periode  — 
ihre  höchste  Vollendung  in  der  Fuge  erreichte.  (Das  Orgclpcdal  ward  nm 
1300  erfunden.) 

Atif  die  von  Paris  ausgehenden  Anfänge,  deren  gefeierter  MeLster  Perotin 
le  Grand  war,  Kapellmeister  zu  Notre  dame  in  der  ersten  Hälfte  des  12. 
Jahrhs.,  folgte  die  grosse  Kunstpcriode  der  Niederländer»  anhebend  mit  der 
noch  archaistischen  französ.-flan (Irischen  Schule,  deren  Haupt  und  gritsster 
Meister  Willi,  du  Kay"  ist.  geb.  um  1400,  1422—37  Mitglied  der  päpstlichen 
Kapelle  in  Rom,  dann  am  Burgunder  Hofe  und  anderwärts,  t  1474  als 
Canonicus  in  Cambrai.  In  seinem  Aufenthall  in  Italien  stellt  sich  ein  b^ 
dculungs voller  allgemeiner  Zug  der  Zeit  dar,  Itidien  hat  zwar  bis  ujd  die 
Mitte  des  t6,  Jahrhs.  keine  selbständigen  hervorragenden  Meisler  dieser  Kunst 
aufzuweisen,  dennoch  aber  zu  ihrer  Ausgestaltung  viel  beigesteuert.  Neben 
dem  in  der  pSpsdichcn  Kapelle  stets  festgehaltenen  hohen  Geist  der  altkirch- 
lichen Musik  herrschte  in  Italien  im  Volk  und  an  den  Fürstenhöfcn,  numeot' 
lieh  am  Medicäersitz  zu  Florenz,  ein  lebendiges  musikalisches  Leben  in  den 
leichteren  und  volkstOmlichen  Formen  damaliger  Masik,  mehr  auf  den  Reix 
der  Melodie  aU  auf  ixjnliapunkiische  Kunst  gerichtet.  Nun  liaben  sich  fast 
alle  grossen  niederliLndisrhen  Meister,  li'vie  spater  auch  die  deutlichen,  kürxer 
oder  langet  in  Italien  aufgehalten.     Hinbeiufco,  um.  den  Italienern  ihre  hOlier« 


Periode  der  Meitsuraluusik. 


579 


Kunst  des  Contrapunktes  zu  bringen,   nahmen   stc   als  Ge^nga.be  den  Sinn 
der  Italiener  für  Klangschönheit  in  sich  und  ihre  Kunst  auf. 

Aus  der  nächsten  Gruppe  der  grossen  nundriscli-iiicdcrlantliscUcu  Schule 
treten  hcsonders  hervor:  Okhpgüm  (c.  1430  bis  nach  1512);  Jakob  Ohrecht 
(c  1430  bis  1505);  Anloine  Brumel,  er  wie  Alexander  Agricola  (f  1526), 
Schüler  Okeghem's.  Der  bedeutendste  Theoretiker  dieser  Schule  war  Tinc- 
toris  (t  in  Neapel  nach  1495}.  Femer  Josquin  des  Pr^s,  zeitweilig  in  K. 
Maximitian's  Kiipollc  (t  1521}-  Zu  der  letzten  Gruppe  gchOrcn  Arcadelt 
(geb.  um  1495),  1540  in  der  pJlpsU.  Kapelle  in  Rom,  seit  1555  in  Paris; 
Nie.  Gombert  (t  in  Madrid  nach  1556);  Benedict  Ducis  (f  uin  1540) 
scheint  auch  in  Deutschland  gewirkt  zu  haben;  Adrianu  Willaert  (t4(/>— 
1562),  geb.  in  Bri\ggc.  der  grösste  Ürgelmeisler  und  der  beliebteste  Madrigalist 
seiner  Zeit,  nicht  minder  berühmt  durch  seine  zwcirhörigun  Kirchenkomposi- 
tionen; seit  1527  Kapellmeister  zu  St  Maria  in  Venedig,  Gründer  der 
vcnetianischen  Scliule;  Cyprian  de  Rure  (f  156,5};  Claude  Guudinicl 
{c.  1510 — 1572)  1535  in  Rom,  Palcstrina's  I-^hrer,  trat  in  Paris  zu  den  Re- 
fonuierten  über,  ward  in  Lyon  ermordet.  Berühmt  seine  zwei  Psainienwerke ; 
Les  [isaumes  de  David  mis  en  musiquc  ä  quatres  parties  en  forme  de  motets 
1562,  und  Les  psaumcs  mis  en  rimt- franc^aise  par  Clement  Marot  et  Theod. 
de  Bezc  1565.  Endlich  als  der  Gipfelpunkt  der  ganzen  Eulwicklung  aus 
dem  Kreise  der  Niederländer  selbst  Orlandus  Lassus  (Roland  de  Lattre, 
1520 — 1594)",  geb.  in  Mens,  in  Italien  erst  bei  Fernando  Gonzuga,  dann 
1538  in  Neapel^  1540  Kapellmeister  zu  St.  Gio\'anni  in  Latcrano  in  Rom, 
endlich  von  1557  bis  zu  seinem  Tode  Kapellmeister  der  Herzoge  Albrecht 
und  Wilhelm  in  München.  In  der  staunenswerten  Fülle  seiner  Werke  über-, 
sieht  man  zugleich  so  ziemlich  den  ganzen  Umfang  der  damaligen  Mitsik- 
formen:  51  Messen,  516  oder  mehr  Motetten  (nitch  immer  in  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  eines  mehrstimmigen  contrapunktischen  Vokalsatzes  über 
einen  Psalmenvers  oder  sonstigen  liturgischen  Text),  180  M;tgnificats 
(Magnificat  anima  mea  dominum,  Lnbgesang  der  Marie  Luc.  i,  40^ — 55,  der 
gleich  den  Psalmen  seine  eigenen  Grcgi.>riaiiischcn  Forrncln  in  den  Kirclicn- 
tonartcn  hat),  429  sacrac  cantiones  (unter  diesem  Ausdruck  befasste  man 
Psalmen,  Hymnen  und  andere  liturgische  Texte,  die  nicht  unter  die  Motetten 
fielen,  daher  »mutetac  et  sacrac  cantiones« ;  man  bcfasstc  aber  auch  wohl  die 
Motetten  mit  darunter  z.  B.:  »«irrae  cantiones  quas  mutetas  vocant«).  Dann 
an  weltlicher  Musik  noch  eine  Menge  mehrstimmiger  deutscher  und  italieni- 
scher Ueder. 

Neben  Orlandus  war  aber  in  Italien  der  höchste  Vollender  dieser  ganzen 
Kunstrichtung  erblüht  in  Giovanni  Pierluigi  Santo  aus  Palestrina  ge- 
bürtig, daher  Palestrina  genannt  (geb.  wahrscheinlich  1526,  f  1594),  in 
Rom  SdiQler  der  oben  genannten  Meister  Arcadelt  und  Goudimcl,  1544  in 
Palestrina  angestellt,  1551  in  Rom  als  Singincister  der  Knaben  (Kapellmeister) 
in  Sl  Peter,  seitdem  in  wechselnden  kirchlichen  Stellungen  in  Rom.  begraben 
in  St.  Pelerw.  Der  wohl  sog.  »Palestrina-stil«  ist  kein  ihm  eigentümlich  neuer. 
Auch  seine  berOlmite  missa  papae  Marcelli  (15Ö7)  und  die  beiden  andern, 
in  denen  er  im  Auftrage  des  Papstes  die  vom  Tridentiner  Konzil  an  die 
Kirclienmusik  gestellten  Anforderungen  (namentlich  Reinigimg  von  aller 
Künstelei  und  deutliche  Vemehmbarkcit  des  Textes  erfOlUe,  sind  im  über- 
lieferten niederländischen  Stil  geschrieben,  niu"  dass  Palestrina  die  Contra- 
punktik  von  Spielereien  und  Trockenheit  ISutert  und  sie  dafür  mit  der  höch- 
sten Fülle  von  Ausdmck  und  Wohllaut  durchzieht,  die  sich  innerhalb  der 
Strenge   dieses    Stils  überhaupt  hat  erreichen  lassen.     Er  machte  den   Stü 

37* 


zu  gleicher  Zeit  erhabener  und   fasslicher   und   entfaltete   üiu   zur  h{>chslen 
Sdiünheit. 


So  weit  inusstc  der  Blid:  über  Deutschland  hinausschweifen,  um  das 
Weitere  verstJlndlich  zu  machen.  Als  Palestrina  wirkte,  war  inzwischen  auch 
Deutschland  seit  einem  Jalirhundcrt  weder  in  diesen  Gang  der  Entwicklung 
mit  eingetreten.  Dass  die  Melodien  der  Meistersänge r  wenigstens  ihrem 
Ursprung  nacli  noch  auf  Gregarianischera  Boden  stehen,  Ui  oben  erwähnt 
Wie  es  in  die-ser  Hinsicht  um  die  Spruch-  und  WappcndicUtcr,  Persefantcn, 
Herulde  und  Fahrenden  des  I4-~15'  Jalirhs-,  wie  Mich.  Beheim  (t  1474) 
bestellt  war,  bleibt  noch  zu  untersuchen.  Im  Gegensatz  dazu  hatte  sich  das 
Volkslied  und  vermutlich  auch  die  sonstige  volkstümliche  Musik  der  Men- 
surabnusik  zugc\vandt.  Das  Locheimer  Liederbuch"  {Mitte  des  15.  Jahrh.) 
zeigt  mensuriertc  Melodien  und  contra  punktische  dreistimmige  Sätze  über 
Volkslieder.  Ohne  Zweifel  gehörten  diesem  Gebiet  ebenfalls  die  Melodien 
des  geistlichen  deutschen  Volksgesanges  an*,  entiehnte  doch  Heinrich  v. 
Loufenberg  (f  als  M'.'Jnch  zu  Strassburg  nach  145$)  sdne  Melodieii  wenig- 
stens teilweise  eben  dem  Volkslied. 

Die  fahrenden  Spiellcule,  welche  seit  der  Karolingerzeit  nachweisbar 
sind'*,  neluuen  seit  dem  13.  Jahrh.  eine  zunfimässigp  Ordnung  an.  Die 
1282  in  Wien  gegründete  Nicolaibrüderschaft  scheint  die  älteste  Genossen- 
schaft der  Art;  sie  steht  unter  dem  Gericht  eines  Oberspielgrafen  und  unter 
dem  Schulz  des  t5sterr.  Erbkämmercrs.  Im  Elsass  war  das  Obcrspielgrafen- 
amt  der  Familie  der  Kappoltst einer  verliehen;  die  Geschäfte  führte  der  ihnen 
unterstelltu  Pfetferküiiig.  Ähnlich  wurde  mm  überall  in  Städten  und  Land- 
schaften das  Musikmachen  der  zünftig  geordneten  Spiclleute  imtcr  landes- 
herrliches IViviieg  gestellt.  Es  entstanden  die  Stadtpfeifereien.  Höher  im 
Rang  als  die  gemeinen  Spiclleute  standen  die  Thürmer  und  an  den  Füraten- 
hüfen  noch  höher  die  Tn:iniix-ter  und  Heerpauker.  Nach  dem  Vorbilde  der 
kirchlichen  Chiire  bildeten  sich  jetzt  auch  an  den  FOr^tenhufen  Kapellen, 
deren  vornehmster  und  wichtigster  Bestandteil  aber  nicht  die  Instrumentisten, 
sondern  die  Sanger  waren.  Ihre  polyphonen  Gesänge  wurden  auf  den  In- 
strumenten bis  gegen  den  Scliluss  dieser  Periode  nur  noch  miterstützend  im 
Einklajig  mit  den  Stimmen  begleitet.  Daher  auf  Druckai  hüufig  Bezeich- 
nungen wie:  »auf  4  Stimmen,  audi  auf  die  Instrumente  zu  gebraueben«. 
Eine  selbständige  Fonn  für  Instrumentalmusik*^  gab  es,  vom  Tanze  abgesdien, 
noch  nicht.  Auch  was  man  auf  der  Orgel  und  der  als  Viituoseninslrument 
beliebten  Laute  spielte,  waren  üb  eingetragene  Gesangsmusiken,  nur  nach  Be- 
schaffenheit des  InstruraentCÄ  eingerichtet  und  verziert.  Schon  14 13  wird  ein 
deutscher  Lauteiüst  Heinz  Hell  gejjriesen  und  seit  1461  ab  berühmter 
Lautcnfabrikant  der  Nürnberger  Konrad  Gerle  (f  1521)*.  Als  Orgelmei.ster 
genobS  der  blinde  Nürnberger  Konr.  Paumano  (vgl.  Anm.  24)  einen  bis 
nach  Italien  reicliendcn  Künstlerruf,  geb.  1410,  1446  Organist  zu  St.  Scbaldus. 
Das  älteste  gedruckte  Orgelbuch  ist  das  von  Arnold  Schlick,  gedruckt  1512 
bei  Peter  Schöffer  in  Mainz.  Der  gefeiertste  deutsche  Orgehncister  in  der 
ersten  Hälfte  des  in.  Jahrhs.  ist  Paul  Hofheimer  (1459 — 1537)  in  Kaiser 
Ma.\imilian's  Diensten,  Organist  zu  St.  Stephan  in  Wien,  gest.  in  Salzburg. 
Für  Orgel  und  Laute  bediente  man  sich  eigener  Notenschriften  (Tabulaturen). 

So  g\it  wie  diese  Meister  Schüler  der  Niederlander  waren,  so  fussen  auch 
die  um  diese  Zeit  begegucudcu  deutschen  Theoretiker  auf  ihnen:  Adam  von 
Fulda  (um  1490}  De  musica;  verdeutscht  von  Sebastian  Virdung:  Musica, 


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grtutscht  und  ausgezogen,  1511;  Andreas  Ornithoparchos:  Miisicac  activae 
mictologios,  1517  u.  ü.;  Martin  Agricola:  Musica  instrunientalis.  deutsch, 
Wittenberg  bei  Georg  Rhaw,   1529,   1532,   1542 — 45. 

Der  erste  grosse  Meister  der  contrapunktischen  Kunst  in  Deutschland  ist 
Heinr.  Isaat  {f  um  1517).  Zugleich  mit  Obrcchl  und  Joscjuia  (s.  o.)  war 
er  1480  in  Floren?^  wo  er  fflr  I,orcnzo  magniftco  die  von  diesem  gedichteten 
canti  camavaleschi  (Mask<?nUeder)  auch  Ijjrenwj's  geislliclies  Schauspiel  S. 
Gio\*anni  e  Paolo  conip<>nierte.  Zugleit:h  war  er  Geschäftsführer  für  K.  Maxi- 
milian, der  ihn  1492  als  symphonista  regius*  nach  Wien  berief.  Erhallen 
sind  vüc  ihm  48  meh stimmige  weltliche  Lieder  mit  ital.,  franz.  und  deutschen 
Texten  (darunter  >Innsbruck  ich  muss  dich  lassen*.  War  %'icllcicht  sein  an- 
geblicher Dicliter,  K.  Maximilian,  hier  zugleich  der  phunascus  und  Isaac  nur 
der  s\-mphoneta?);  ferner  4Ö  Motetten,  58  Officien,  34  Messen  etc.  Neben 
ihm  Ranzte  Heinrich  Fink,  zwi.schcn  140^2 — i,^4<j  im  Dicaste  der  polnischen 
Könige,  bertthmi  neben  kirchl.  Kompositionen  durch  seine  4  stimmigen 
deutsclien  Lieder".  Der  grösste  Aller,  ist  Ludwig  Senfl  (t  um  1555)  aus 
Basel:  Schßlcr  Isiiac's;  zuerat  in  K.  Maximilians  Kapelle,  um  1526  Kapell- 
meister in  München-  Auch  er  schrieb  neben  seinen  kirchl.  Kompositionen 
eine  Menge  4stiinmiger  Lieder. 

Zum  Tenor  dieses  mehrstimmigen  Uedes  dient  das  Volkslied;  die  Ent- 
wickelung  der  Mensui\ilmusik  am  VtilksHede  können  wir  bis  in  den  Anfang 
des  15.  Jahrhs.  zurück  verf-ilgeii.  (V^.  »Die  Mondsee  —  Wiener  Liederlumd- 
schr.  u.  der  Möncli  von  Salzburg  etc.,  von  F.  Arnold  Meyer  und  Heinr.  Rietsche. 
Berlin  1896.  Die  Handschr.  ist  um  1450  geschrieben.)  Sobald  mau  anfing. 
die  Melodien  in  der  Form  des  Organums  zu  begleiten  (s.  o.  S.  566)  musste, 
namentlich  unter  dem  Einfluss  der  inr.wisrhen  entwickelten  rts  nova,  auch 
hier  die  Mcnsuralmusik  erwachsen.  In  der  Mundsec- Handschr.  sehen  wir 
Lieder  mit  »Pumhart*,  d.  h.  einer  gespielten,  gebla-wnen  oder  auch  gesungenen 
Bassstiiume  im  einfachsten  Stil  des  Organums.  Wenn  es  hier  ftber  einem 
Liede  (Xr.  ici)  heiast:  *Ain  tenor  von  hübscher  raelodey,  als  sie  es  gern  ge- 
macht haben,  darauf  nicht  yglicher  kund  Qbersingen«,  so  ist  mit  dem  Über- 
lingen offenbar  das  Hinzufügen  einer  tiiscanticrenden  Stimme  gemeint:  die 
Melodie,  das  «-heim  die  Meinung,  ist  so  gebaut,  dass  es  Kunst  erfordert, 
daru  zu  discantieren.  Hier  in  der  Mond see- Handschr.  finden  wir  nun  dem- 
entsprechend die  Melodien  {namcntÜch  die  von  der  sorgfältigen  ersten  Hand 
geschriebenen)  auch  schon  genau  mensuriert  Um  die  Mitte  des  Jahrhundert 
begegnen  bereits  3  stimmige  Volkslieder  dieser  Gattung.  Seitdem  war  nun 
dieses  mehrstimmige  Tjed,  namentlich  das  4  stimmige  recht  zur  HaiLsrausik 
geworden ;  nur  vemWige  der  musikalischen  Bildung  der  Knaben  für  den 
Kirchenchor  war  es  möglich,  dass  die  Fähigkeit  für  eine  so  schwierige  Auf- 
gabe so  weit  verbreitet  sein  konnte.  Allerdings  klagt  Glarean  {I.  c.)  Über  die 
meistens  schlechte  .\usführung  dieser  Gesänge.  Für  ihre  grosse  Beliebtheit 
zeugt  die  Menge  der  gedruckten  Liederbücher: 

Oeglin's  Liederb.  Ausg.  1512  (herausgeg.  von  Rob.  Eitner  und  Jul.  Maier 
im  IX.  Bd.  der  Publik,  der  Gcsellsch.  für  Musikförschung).  Peter  Schöffer^s 
Lieberb.  1513.  Amt's  v.  Aich  Liederb.  Cöln  c.  151Q.  Joh.  Ott,  121  Lieder. 
Nümb.  i$i4-  Grassliet/idn  c.  1535.  Oassenhmveriin,  Frankfurt  a.  M.  bei 
Egenolf  1535-  ReutteriitdUin.  das.  1535.  Schaffer  und  Apiarius,  «15  Lieder, 
Strassb.  1536,  Heinr.  Finck's  Lieder,  Nümb.  1541.  Tricinia,  Wittenberg 
bei  G.  Rhaw,  1542.  Joh.  Ott,  115  Lieder,  Nümb.  1544  (herausgeg.  im 
Bd.  IV.  der  Publik,  der  Gcscllsch.  für  Musikforsch.)  u.  a.  Endlich  als  letzte 
und  grfJsste  Fundgrube:  Äußzug  guier  alter  und  ntwer  Ttutsefun  UedUin,  einet 


582 


XHI.  Kunst.    2.  Musik. 


reckten  ttittscktn  Aii,  atiff  allerhy  Instrumenten  zu  brauchen,  auficrlescn,  durch 
Georg  Forster>  5  TeÜe,  1539 — 1.55b.  Forster,  der  am  kurfürsll.  H<-'f  zu 
Heidelberg  erzogen  war,  starb  1568  als  Leibarzt  des  Abtes  Friedrich  zu 
Haiisbronn.  Er  war  zugleich  ein  durchgehitdeter  Musiker  und  KüKiponist. 
Das  vollständige  Verzdcluiis  der  Sammelwerke  gicbt  Bühme  im  alld.  Liederb. 
S.  790  f.     Eine  eigene  Gattung   bilden    die  Kompositionen   antiker   Metren**. 

Aus  den  Liedern  dieser  Sammlungen  lernen  wir  eine  Reilic  tüchtig« 
Komponisten  kamen:  Jobst  Brant,  Arnold  v.  Brück,  Sixt  Dietrich, 
Benedict  Ducis  (s.  o.),  Jrath.  Eckel,  Heinr.  Finck  {s.  o.),  Hermann 
Finck,  Geofg  Forste r^  Wcifg.  Grufingcr,  Paul  Hoffhaimer  (3.  o.), 
Heinr.  Isaac  (s.o.),  Lamem  Lemlin,  Stephan  Mahu,  Ludw.  Senfl  (s,  o.), 
Thom.  Sloltzer,  Stepli.  Zi  erler  und  viele  andere.  In  ihren  Sätzen  liegt 
die  Melodie  mit  vereinzelten  Ausnahmen  noch  immer  als  Tenor  in  der  Mitte 
der  Stimmen. 

Neben  solcher  idealisierenden  Erhöhung  des  VolksJiedcs  zum  musikalischen 
Kunstwerk  durchzog  ein  lebendig<*r  Volksgesang  das  ganze  Volk,  das  sich 
liicrin  zum  letztenmale  im  deutschen  Kulturleben  als  eine  ungeteilte  Einheit 
darstellt.  So  wenig  wie  das  eigentliche  Volkslied  stellt  sich  auch  das  »Höf- 
lied«,  heute  gewöhnlich  »Gesell seh aflslied«  genannt,  ein  aus  dem  alten  höfi- 
schen Licde  der  Minnesänger  im  Volk  crA'achsencr  x^ilder  Schössling,  als 
Eigentum  einer  Klasse  der  liöhcr  Gebildeten  dar.  Der  Höhepunkt  der 
schöpferischen  Kraft  auf  diesem  Gebiet  in  Wort  und  Weise  scheint  im 
14.  und  15.  jahrh.  zu  liegen". 

Aus  dieser  Liebe  zum  Volkslied  wuchs  als  seine  edelste  Frucht  der 
evangelische  Kirchengcsimg,  d.  h.  das  geistliche  (Volks-)Licd  als  Glied  der 
kiichlichen  Liturgie  hen'or,  dem  ein  reiiJihalüger  geistlicher  Volk^esang,  auf 
den  es  sich  stützen  konnte,  voraufging  und  dem  auch  die  Zulassimg  des 
Genieiudcliedes  in  der  deutscheu  katholischen  Kirche  folgte^.  Lutlier  war 
schon  venii5ge  seiner  geistlichen  Erziehung  ein  Kenner  des  Gregor.  Chorals 
und  auch  sonst  ein  tüchtiger  Mu.siker.  Als  Berater  hatte  er  neben  sich  den 
kurftirsü.  säcli.*üschen  KapellmeUiler  Joh.  Walther  (14CJ6 — 1570)1  Sängerund 
Kompi:>nist,  spatt-r  Kapellnieisier  der  kuifürsil.  sAchs.  Kantorei,  nach  deren 
Auflösung  1530  Kantor  der  Stadt  Torgau,  1,548  Kapellmeister  der  in  diesem 
Jalire  gegründeten  Kapelle  des  Kurfürsten  Moritz  in  Dresden,  1554  in  Ruhe- 
stand getreten.  Kebst  ilun  ist  als  Drucker  aber  auch  Toiisctzer  Gcurg 
Rhaw  (14S8 — 1548)  zu  nennen,  seit  1524  Buchdrucker  zu  Wittenberg.  Das 
ültcste  evangelische  Liederbuch.  Witiembcrg  (oder  Nürnberg)  1524  enthielt 
nur  8  Lieder  mit  4  Melodien.  Noch  1534  folgten  Erfurter  Enchiridien  mit 
schon  25  Liedern  und  1525  das  Walther' sehe  Chorgesang büchlein  mit 
Vorrede  Luther's.  Die  32  deutschen  Lieder  dieses  Druckes  sind  in  meistens 
sehr  einfachem  Contrapunkt  gesetzt,  die  Melodie  im  Tenor**.  Dann  folgten 
rasch  eine  Menge  von  Gesangbüchern  mit  einstimmigen  Melodien  für  den 
Gemeindegesang.  Auch  die  Reformierten  in  Strassburg  ireien  mit  dem 
.>Teutsch  Kirchcrramt«:  1524 — 25  und  den  Köpphcrschen  GesangbOciiem  von 
1530  und  1537  in  diese  Bewegung  mit  ein;  reiche  Beitrage  lieferte  das 
Gesangbuch  der  böhmischen  Brüder  von  Michael  Weiss,  1531.  Das  erste 
von  Luther  selbst  autorisierte  kirchliche  Gesangbuch  erschien  bei  Klug  in 
Wiltemberg  I52(>,  in  stark  vermehrten  weiteren  Ausgaben  bei  Klug  1535,  bei 
Val.  Bapst  bis  1545  etc.  Das  erste  kath.  Gesangbuch  von  ^lidt.  Vehe  er- 
schien 1537,  ein  zweites  von  Leisentritt  erst  15Ö7. 

Für  die  Liturgie  des  lutherischen  Ritus,  wie  er  sich  von  Wittemberg  aus 
Über  Norddeutschland  und  Thüringen  verbreitete,  Uefcrten  grundlegende  Can- 


tionales  für  den  kirchl.  Gebrauch:  Joh.  Spangenberg,  t  1550  als  Super- 
intendent zu  Eisleben  (Canliünes  cct;icsiasticac  .  .  .  auf  die  &jnn-  und  Fest- 
üjge  dun  h's  pinzc  Jahr.  1545).  Lucas  Lossius,  t  1582  als  Rektor  zu 
Lüneburg'  (Psalmmdia  hoc  est  cantica  sacra  veteris  ecciesiae  selccla,  quo 
3rdine  et  mclodüs  per  tutiua  anni  curriculuni  cantari  usitatc  solcnt  in  templis, 
'553-  'S^Ö-  ^"9-  '595)-  J^^-  Keuchenthai.  Pfarrer  zu  St.  Andreasberg 
>.  liäiz  (Kirchengesänge,  Latiniscti  u.  Deutsch,  1573).  Matthäus  Ludccus» 
t  nach  1(101  als  Dei-haiit  zu  Hallwirstadt  (Missale  et  Vcsperale,  ijSt);  jenes 
enthält  den  Haupt-,  dieses  die  Nebeng«ttesdienste)  und  Franz  Eier,  Ham- 
buzger  CanVjr  (Cantica  sacra,  1588).  Im  übrigen  stattete  audi  die  evangel. 
Kirche  namentlich  ihre  Festgottesdienste  mit  Chorgcsang  ganz  nach  der  alt- 
hergebrachte:! Weise  der  Me.sseu  und  Motetten  aus.  Aus  der  alten  Kirche 
■wurden  aurti  die  Pnssionsmusiken  herttbergenomraen.  Sie  erhielten  um  diese 
Zeit,  z.  B,  in  den  Musiken  von  Joach.  v.  Burgk,  Nicul.  v.  Scinecker,  1587, 
Barthol.  Gcsius,  1588,  Scandellus  (Italiener,  aber  bis  1580  Kapellmeister 
in  Dresden)  einen  dramal.  Charakter,  indem  die  Reden  Christi  und  der 
Apostel  liturgisch  im  Grcgtir.  Choral,  die  Stimmen  des  Volkes  aber  (turtKe) 
im  raehrsiinmiigen  Chorgesang  vorgetragen  wurden. 

Als  Setzer  mehrstimm.  Bearbeitungen  von  Kirchenliedeni  treten  hervor: 
Scth  Calvisius  (i55'> — 1Ö04),  seit  1594  Kantor  der  Leipziger  Thomaskirchc: 
> Kirch engcsange  und  geistl.  Lieder  mit  4  Stimmen«,  I5q6.  »Der  Psalter 
Davids  aufs  Neue  mit  4  Stimmen  abgesetzt«,  1617);  Lucas  Oslander  d.  3. 
(1534 — 1604)  ftlhrte  in  -leinem  4  stimm.  Gesangbuch,  Nürnberg  158(1,  zuerst 
die  Melodie  in  dec  Obcjäümnie  >da.ss  ein  ganlxe  Christi.  Gemeine  durchaus 
mitsingen  kann«.  Diesem  Vorgang  des  Geistlichen  folgte  der  bedeutend.'ne 
Tonsetzer  dieser  Richtung,  indem  er  zugleich  den  Contrapunkt  in  der  ein- 
fadisten  Weise  handhabte:  Joh.  Eccard  (1553 — 1611),  Schüler  des  Orlandus* 
1578  Fugger'sclicr  Kapellmeister  in  Augsburg,  seit  1385  Kapellmeister  in 
Königsberg,  i(»oH  in  Berhn  (fOnfstimm.  Sätze  über  die  55  in  l*rcussen  ge- 
brauch! iclislcn  Kirchen  meludien,  1307  micl  »die  prcuss.  Festlieder  durch 's  guuze 
Jahr  mit  5 — 8  Stimmen*  I5<)8).  Die  »Fesüieder«  halten  die  Mitte  zwischen 
Kirchenlied  und  Motette.  —  Seit  dem  Anfang  des  17.  Jahrhs.  begann  man, 
die  Orgel  zur  Begleitung  des  Gcmeindcgcsjuiges  zu  brauchen. 

Als  hervorragende  Meister  der  cvangeli.schen  Kirdie  seien  noch  genannt: 
Melchior  Friinck  (i.'5t>o^i639).  Koburg.  Kapellmstr.  (»Teutsche  Psalmen 
imd  Kirchengesänge  auff  die  gemeinen  Melodcyca  mit  4  Stimmen  gesetzt« 
i6o8,  Motetten  u.  a.),  Herrn.  Schein  (isiKi  bis  c.  1630),  Kant<jr  der  Leipz. 
Thomaskirche  (>Cantional'i  1627;  audi  wcltlicke  Lieder:  »Vcnusgar^leiu«, 
*  Waldliedlein''.).  Als  Setzer  kirchl.  Lieder  gehören  diese  MSnner  noch  hierher 
wegen  dos  schon  stark  erkennbaren  Italien.  Einflusses  gehOren  sie  eher  den 
folgenden  Gruppen  an. 

Den  ganzen  Schatz  dieser  ersten  Periode  evangelischer  Kirchenmusik 
Überschaut  man  in  den  9  Banden  der  Masae  Sionac(i'x>5 — 10),  1244  zwei- 
bis  zwülfstitumige  Gesänge  aus  eigenen  und  fremden  TonsÜtzen  zusammen- 
gelesen von  Michael  Praetorius  (1571  —  ]t>2i),  itK)4  herxogl.  Kapellmstr. 
in  Wolfenbüttel.  Auch  eine  Art  musikalischer  Enc)'clop<'ldie  hat  Praetorius 
hinterlassen,  in  den  3  Bänden  seines  SvTitagma  musicum  {161.5 — -O)»  'it:ren 
zweiter  das  für  die  Geschichte  der  Instrumente  wichtige  Theatrum  instru- 
nientorum  enthalt 

1^  Der  sogen,  Anonymus  quartus  bei  CousscniakcT,  Script.  I.  »n^:  Um^ut 
mogittri  FratKvnis  primi  et  aUcrtm  magitlri  /•'ronceafs  di-  Coloma,  yui  tice* 
femnt  in  mit  tibris  aüttr  fro  fartt  notare  (aicb  einer  (cüwetse  neuen  —  oiLniltcb 


534 


Xin.  Kunst.    2.  Musik. 


mcnrarierten  —  Notenschrift  lu  bedieneB).  "  E.  de  Couiieniftker,  L'art  Kar' 
moniqiu  attx  XII^  tt  XIII*  sifcUs.  Paris  1865.  —  Guido  Adler,  Studien  x. 
G<s(h.  d.  Harmonie.  18B1.  —  '"  Die  Vcnruuin^  tÄge  nahe,  drus  wie  hierbei  die 
Volkslieder,  so  aucb  Melodien  der  Troubadou/a  in  Klttcher  Weiic  Rlr  konlrapunk- 
tische  Süi/c  verwendet  worden  wir«»  und  doss  tn  Verbindung  mil  der  ganzen  an 
nova  die  Musik  der  Tr«ubadoun  ihren  ureprttnglicb  grcgoriantscheo  Charakter  mit 
dem  der  iicutn  MensuraJniiisik  vertauscht  hillte.  Wenn  aber  dalQr,  daas  dies  wirk- 
lieb (•escfaehen  sei,  ein  Jtuinimi^r  Sal^.  aiij^rlilhri  wird,  der  als  Tenor  eine  ^cgorivu 
Mcludie,  im  Di^oint  tbis  wriil.  Lird  Rnlun  m'aivw  cnlhltlt.  und  der  sich  in  dem 
Jeu  de  Rnbin  «  de  Marido  de«  Tnntbadoitr«  Adom  de  In  Half  {f  li86)  findet, 
so  ist  es  nach  O.  Kell^'s  «^harfsinrnger  Bemerkiint;  (rDer  TJederkodex  v,  Moot- 
pcUieTL  in  der  Viertcljahrsichr.  i.  &fu.<iikwi«iensLh,  Jahr^.  4,  lä8ä)  sehr  wahr^cheiD- 
Uch,  dass  diese  Melodie  Kobio  m'aim«  kein  Trfjubadoiirgc&aQg  vun  Adam  de  la  H. 
ist,  sondern  ein  von  ihm  nur  in  sein  Spiel  aufgenommenes  Älterci  Volkslied.  Die 
ganz«  Frof^e  nach  der  Beschaffenheit  der  Melodien  der  Trmiliadcitirs  bleibt  also  Ims 
auf  Weiteres  noch  uffen.  —  **  Heinr.  Bcllerinann,  MimuralnoU-M  u.  Tatt- 
uUfun.  Berl.  1858.  4",  —  Jakob*lbaI,  Dit  Mrmurahiotfmchrift  dts  13.  und 
13.  Jahrh.  Berl.  [87  t.  —  1"  In  der  Art  hanrnnique.  Vgl.  die  in  Anm.  17  diierte 
Arbeit  Osw.  Keller».  —  ^  Kiesewetlcr,  Die  Verdienst«  dtr  Niederländer  um 
die  Totttunsl.  1829.  —  *1  Franz  Xav,  Haberl,  fVHh.  du  I'ay  (Bausteine  Rkr 
Mu*ik(rt-tcb.  I.  Leipz.  1885.  —  **  W.  Bfimnkcr,  Orlandus  de  Lassus.  1878. 
Vgl.  Allj;.  D.  Biogr.  s,  v.  Eine  kritisch  durchgesehene  Gesamtausj^be  seiner  Werke, 
durch  Kr*,  Xav.  Haberl  u,  Adolf  Sandbcrger  erscheint  bei  Breitkcfpf  und 
Härtet.  —  "  G-  Baini,  .^femiyrie  stprtro-crtticAe  delln  t-Hn  e  delle  npere  di  G.  P. 
da  PaUilrina.  Dmilsch  vnn  Kandier,  I.pic.  1834.  —  R.  v.  Winlerfcld,  Cr.  P. 
V.  PaUitrina.  Bresl.  1832.  —  W.  Bäumker,  Palestrino.  Kreiburg  1877.  — Die 
sümtlichen  Werke  P.'s  erscheinen  unter  Haberl's  Redaktion  bei  Breitkopl'  u.  Hand 
in  I^ip/ig,  —  *•  Hrsg,  vur»  Fr.  W.  Arnold  in  Chrj-»*nder'*  Jjhrb,  lür  mualk. 
WL*,sen»ch.  Band  11.  1S67.  S.  l  f.,  nebst  der  Ars  organiiaHdi  von  Konr.  Pau* 
mann,  —  33  Y)\t^  „(rd  b(>at.Migi  durch  das  Hohcnfurwr  Liederbuch  a.  d.  2.  HiUfte 
des  15.  Jubrh.  (W.  Bäumker,  £/«  deutsches  f^isti.  l.iederh.  mit  Mehdieu  a.  d. 
'S-  Jthrh.  Leipzig.  Brciikopf  u.  Hilrtel.  1895,)  —  **  Franz  M.  Böhme.  fJesck. 
des  Tanzes  in  Ikutsfhüind.  1880.  T.  1.  Kap,  lt>.  — "^  v,  Wasiclcwski,  Geich. 
d.  jHStrHmenlalmtt\ik  im  XVI.  Jnhrh.  1878  und  B«ibiiie\  Getch,  de»  TafUM 
(«.  o.  Anm,   26).  —  iW  Rin  VeteeicbnU  dür  erh.tllenen  LaucenbUeher  giehl  BAhme 

1.  c.  S.  3)1  f.  —  ^  Als  K)'mphoniala  bezeichnete  man  den  Komponi-Mcn,  wenn  man 
seine  vomebmsic  Aufgabe  des  Kontrapunkticrens  meinte:  auch  sympboocta;  dagegen 
als  phonascus.  wenn  man  von  der  lür  antürgcordneter  gehenden  Thäiigkcit  des 
HrtindeDi  von  Melodien  sprach.  Vgl.  Glarean.  Dodecaehord,  Buch  II  Kap.  38. 
Daaj  Olarean  hier  mit  trelFenden  Erörterungen  die  Verkehrtheit  dieser  Ansicht  vom 
Vorrang  des  s^inphonisla  befttreltet.  beweist  eben,  dans  sie  bd  seinen  Zeitgenossen 
galt.  —  ■•  Heinrich  Fink's  ausgewJlhlte  Lieder  (Nürnberg  1536)  hrsg.  v.  Kol>.  Eil- 
ner. Bd.  VIU  der  FubUkat.  d.  Ciescllsch.  f.  Muirikforsch.  —  ■'  Vgl.  v.  Lilien- 
crOn.  Dif  Hormitchen  Metren  in  Kamposit innen  des  i6.  Jahrhi.  in  der  Viertd- 
jahrwhr.  f.  Musik  wissen  seh.  Jahrg.  HL  —  "S  Franz  M,  BiHime,  Altd.  Liederb. 
1877.    —   R.  v.   f.iliencmn.    Die  hiilar,     VoUtstii'der  d.    Deutuhen  vom   13. — /tf. 

Jahrh.  (Bd.  I— IV).  Kachlrag,  «mhidtend  die  Tone,  1869.  —  Dcrs^  Deutu-hes 
Leben  im  Volkdied  um  iS30.  (Bd,  Xltl  der  KurschncnKben  deutschen  National- 
litcratur.)  —  '"  v.  Wintcrfcld,  Der  er-ang.  Kinhenges.  und  sein  Verhältnis  zwr 
Kunst  des   Tonsattet.   1843 — 47.   —  Ders-,    Zur  Gesch.  der  heil.    Tenhtmf.   1850 

—  52.  —  E,  E.  Koch,  Gesch.  d.  Kirchenliedes  h.  Kirchengrs.  der  christl.,  tmS' 
besondere  der  deutschen  evangei.  Kirche.  3.  AuH.  8  Bde.  iSÖö — 77.  —  G.  v. 
Tacber,   Schalt  des  rvangel.   Kirchengrs.   im  ersten Jalirk.  d.  Reformation.  1848, 

—  y.  Layritz.  Kern  des  Deutschen  Kirchenge sangvs.  1844.  (3.  Aufl.  18J3.)  — 
Job,   Zahn.    Die    Melodien    der    deutschen    ei-angel.    Kirchenlieder.    (Bd.   I — VI, 

1889—93,)  —  Scver.  Meister.    Das  kath.  deutsche  Kirchenlied.    Bd.   i.    1861. 

2.  ganz  uirmearbcitete  Auipibe  ^-on  W.  BSumkcr,  1883.  Dazu  Bd.  2  von  W. 
BAumker,  1883.  Bd.  3.  1891,  —  Ltidw,  Scbriberlvin,  Schalt  des  iiturg.  Chor, 
und  t iemeinde ^esan^s  nebst  den  Alt'srge\dngen  der  denischen  n-angrl.  Kirche- 
1881.  —  **  Hrsg.  von  O,   Kade  in   B.  VII   d.  Publik,  d,  Gescllsch.  f.  Musikforsch. 


Hfrrschakt  des  italienischen  u.  französischen  Stiles. 


585 


9  4.  DER  DEUTSCHE  STIL  L'NTER  DER  HERRSCHAFT  DES  ITALIENISCHEN 

UND  FRANZÖSISCHEN". 

In  Italien  machten  um  die  Mitte  des  t6.  Jahrlts.,  gerade  als  dort  darch 
Palcstrina  die  niederländische  Cuntrapunktik  auf  Grundlage  der  diatonischen 
Tonreihen  in  hf>clu(ter  Blüte  stand,  neue  Strörauiigeu  sich  geltend,  die  im 
Lauf  eines  Jahrhunderts  zu  ganz  neuen  Gestaltungen  der  Kunst  fllhrten. 
Ilire  letzte  Wurzel  ist  in  der  Nt.*igung  und  dem  vorwiegenden  Talent  dtrr 
Italiener  für  sinnliche  Klangschünheit  zu  suchen.  Daraus  ging  ein  Streben 
nach  Befreiung  dur  Melodie  aus  Dircr  Gebundenheit  im  luntrapunktischca 
Satz  und  nach  einer  mehr  akkordischen  und  farbenreicheren  Kombinicrung 
der  Stimmen  hervor.  Beides  zusammen  führte  am  letzten  Ende  zur  Allcin- 
herTsch;ift  der  Melodie  in  Solostimmen  mit  völlig  unselbständiger  akkordischer 
Begleitung.  —  Eine  freiere  und  leichtere  Art  der  Conliapunkük  machte  sidi 
schon  in  der  Frottolc«  geltend,  d.  h.  Vulkslicdchen  imd  Gassenhauern,  von 
denen  q  Bücher  bei  IVtrucci  in  Venedig  erschienen  (1504 — 8).  Dem&elbca 
leichteren,  mehr  volksraüssigen  Stil  wandle  sich  nun  in  Italien  das  Lied 
überhaupt  zu  in  Villancllcn,  Vitloten,  Canzcnen,  Balleten  ^gesungenen  T.1nzen) 
und  dem  vor  allen  beliebten  vi.>mchinercn  Madrigal,  welches  aus  der  weltlichen 
Musik  die  Motettenform  verdrJlngte.  Einer  der  letzten  grossen  Niederländer 
in  Italien,  Adriaen  Willaert  (s.  o.)  gehfirt  schon  zu  den  gefeiertsten  Ärhüpfem 
des  Madrigals.  —  Er  ward  mit  seinen  gleich  grossen  italienischen  Schülern 
und  Nachfolgern  Andrea  Gabrieli,  +  158*^  und  dessen  Neffen  Giov. 
Gabrieli,  t  1^13,  der  Gründer  der  grf>ssen  veneiianischen  Schule;  alle  drei 
die grössten  Orgelmeister  ihrer  Zeit  D:ls  ;die  diattinischc  S\stem  der  Kirchen- 
tonarten wird  bereits  vielfach  durch  zunehmende  Einführimg  chromatischer 
TtSne  tlurchbrochen  und  den  modernen  Tonarten  des  Dur  imd  Moll  ent- 
gegengeführt- Der  »madrigaleske  StiU  dringt  auch  in  die  Kin  henmusik  ein. 
Neben  die  Orgeikunst  stt^llt  sich  für  den  ausser  kirchlichen  Gebrauch  das 
Cembalo  und  es  bilden  sich  hier  iiistrum'f^nt:(lp  Formen  aus:  die  Toccate, 
in  der  ohne  vorwiegende  Melodie  die  Harmonien  in  laufende  oder  gebrochene 
Figuren  zerlegt  werden  und  die  Ricercate,  aus  der  als  vollendesle  Gestalt 
die  Fuge  erwuchs;  auch  in  Tassacaglia  und  Ciaconne  die  ältesten  Arten 
der  Variatiiiuen. 

Von  Toscana  ging  zugleich  der  Hauptanstoss  zum  sog.  monodischen 
Stil  (dem  Sologesimg)  aus;  die  Anfange  der  Oper**.  Man  wollte  dort  in 
humanistischen  Kreisen  die  antike  Tragiidie  nm  hjdimen.  Ein  erster  Versuch 
in  der  Form  des  mehrstimm.  Madrigals  eruies  sich  als  unbrauchbar;  man 
griff,  an  den  Vortrag  des  Gregor.  Chorals  anscliliessend,  zu  einer  Art  von 
Recitation,  die  sich  hie  imd  da  zum  Arioso  hob;  das  Arif>Äfi  wuchs  sich 
nochrmils  zur  Arie  aus.  An  der  akkordischen  Begleitung  der  Recitative  ent- 
wickelte sich  der  Grneralhass,  ausgeführt  auf  Cembalo,  Laute,  Viola  a  a. 
Instrumenten.  Instrumentale  Vor-  und  Zwischenspiele  belebten  das  Ganz«. 
Die  Daphne  des  Peri,  151(4  (Text  von  Rinucrini)  gilt  für  das  erste  voll 
au^epragte  Stück  dieses  Slilo  rappresentativo,  des  dramnia  per  musica.  Die 
neue  Erfindung  verbreitete  sich  mit  reissendcr  GeschttindigkeiL  Unter  den 
zahlreichen  Opemkomponbiten  ragt  Claudio  Monteverde  (1568  bis  r.  1650), 
venetian.  Kapellmstr.  zu  St  Marco  hervor.  In  den  Frauenparlien  kam  der 
Kastratengesang  auf.  In  Frankreich  gab  Giov.  Battista  Lully  (1632 — 1Ö87), 
gebildet  in  der  königt.  Kapelle  in  Paris,  der  Oper  ein  national-französisches 
Gepräge.  Die  neapolitanische  Schule  fügte  zur  cjpcra  scria  die  opera  buffa 
hiiüu. 


586 


xm.  KussT.    2.  Musik. 


Der  monodische  Stil  hatte  die  Entwickluiig  iltr  grossen  Italien.  Gesang- 
schule im  Gcf'.Jjje  und  zugleich  Ha-s  instrumentale  Solospiel.  Die  Geige*^ 
erhielt  ihre  klassische  Gestalt.  Dem  berühmten  südtirnlischcn  Geigenbauer 
Tieffenbrücker  (Duiffobmggar^,  nachweisbar  151 1 — 47,  folgten  im  17.  und 
18.  Jahrh.  die  Geigcnbaucrfamiliun  Amati,  Stradivari  und  Guarncri.. 
Schon  die  GabrieÜ  in  Venedig  durchbrachen  auch  in  der  Kirchenmu-sik  den 
allen  a-capdla-Stil  in  ihren  d<>pi)el-  und  mehrchörigen  Kirchenkorapositionen 
durch  /Zuziehung  des  Orchestera  zur  Begleitung  des  Oiors,  für  solche  Sätze 
komral  der  Name  sonata  auf,  ursprünglich  keine  besondere  Form  eines  Musik> 
Stückes,  sondern  nur  der  Gegensatz  zu  der  rein  vokalen  cantata;  später  be- 
zeichne: t-s  zunächst  den  nur  auf  fn:>trumenten  gespielten  Satz  im  Gegensatz 
zu  der  a  c:ipclla  <Klcr  mit  ini^truniun taler  Begleitung  gesungenen  >Cantate« 
und  man  unterschied  die  sonata  oder  cantata  da  chiesa  (statt  des  älteren 
Naineu  der  ironcerti  spiritiiali)  von  der  son.  oder  canl.  da  camara.  Die 
kirchliche  Cantate  hatte  aber  stets  nur  den  kirchlich  vorgeschriebenen  litur- 
gischen Te.xt.  Kür  den  Schöpfer  der  cantata  da  camara  gilt  Giac. 
Carissimi  (1604 — 74),  Kapcllnistr.  zu  Sl  Apollinaris  in  Rom;  er  bildete 
sie  zu  einem  sich  halb  dramatisch  entwickelnden  TotLstück  mit  Recitativen, 
Alien  und  Chfjren. 

Der  grösste  Italien.  Geigenvirtuose  dieser  Periode,  Arcangelo  CorelU 
(16.53 — 171,1).  that  in  der  Sonatenform  schon  den  wichtigen  Schritt,  von 
den  üblich  gewordenen  <Irei  Sätzen,  einem  langsamen  und  zwL-i  raschen,  den 
mittleren  in  die  Dominant entonart  zu  versetzen.  Ebenso  gebaut  wird  nun 
das  concertu  da  camara  für  ein  Süluinslrument  mit  Orchester.  Das  conccrto 
grosso,  welches  die  gleiche  Folge  der  Satze  hat,  besteht  in  der  Gegenüber- 
stellung von  einer  oder  mehreren  Sologeigen  und  dem  GesanitkiVrper  der 
Geigen  und  des  tutti.  Auch  die  Ouvertüre,  d.  h.  ein  einleitender  Instru- 
menialsatz  zu  jeder  G-ittnng  von  Ti  )n.<itticken,  bildete  sich  zu  fester  Form 
aus:  in  Italien  ein  langsames  Tempo  zwischen  zwei  raschen,  in  Fiankreich 
umgekehrt. 

Ihren  dramatischen  Stil  mit  Sologesang,  Generalbass  und  Orcliester  übertrug 
die  Oper  nicht  nur  im  allgemeinen  auf  die  Kirche,  sondern  prSgle  ihn  gani 
speziell  noch  im  Oratorium  aus.  Der  Keim  dazu  liegt  in  Faslena n<!achten. 
welche  Philipp  Neri  in  Rom  im  Betsjial  (oralorio)  seines  Klosten»  hielt,  indem 
er  seine  Erklärung  der  Bibel  durch  eingestreute  Gesänge  illustrierte,  wobei 
ihm  Giov.  Animuccia  und  Palestrina  zur  Hand  gingen.  Die  eigentliche 
Ausbitdung  dieser  Form  zum  gesungenen  geistlichen  Drama  ist  this  Weric 
des  oben  genannten  Carissimi. 

In  Deutschland,  dessen  weitere  Musikgeschichte  ohne  diesen  Ausblick 
nicht  verstandlich  wäre,  änderte  bald  nach  der  Mitte  des  16.  Jahrhs.  der 
mehrstimmige  Liedergesang  sich  in  die  ^ madrigalische'  Art.  Auch  bei  man- 
chen kirchlichen  Meistern  gewahrt  man  schon  früh  den  Einfluss  iler  Vcnetiancr. 
So  bei  Jac.  Gallus  (Hamll,  1.550—1,590),  1.5Ö7  kais.  Kapellmeister  in  Prag^ 
dessen  Motetten  Willaert'sche  Art  zeigen.  Jac.  Mciland  (1,542 — it>07l, 
Kapellmeister  zu  Ansbach:  Motetten  und  weltliche  Gesänge.  Adam  Gum- 
polzhaimer  (1.559  bis  nach  1622),  Kantor  zu  Augsburg;  geistliche  wie  welt- 
liche Lieder  nach  Canzonetten-  und  Villanellenart.  Christ.  Erbach  {l^fjo 
bis  nach  1628),  Fugger'scher  Kapellmei-ster  in  Augsburg.  Erb.  Bodenschatt 
(t  if)3'>),  um  1600  pn:itest.  Kantor  zu  Schulpforia,  gab  in  seinem  Florilegium 
Portense  eine  Sammlung  ausgewählter  mehrstimmiger  S^lze.  Ilure  hOdisie 
BIflte  erreichte  aber  diese  Gruppe  erst  in  den  bcidi;n  grüsstcn  deutichen 
Meistern   der  Periode:   Leo   Hassler  (1564  bis   1612),   geb.   in   NUmbcrgr 


I 


Herrschaft  des  itauenisciien  u.  französisches  Stiles. 


587 


^ 


Schüler  der  beiden  Gabrieli,  1585  Fugger'scher  Organist,  i6c)i  Organist  und 
Aofseher  der  st,ldt.  Musiken  in  Nürnberg,  auch  kaiserl.  Diener,  iboö  kurf. 
Sachs.  Kapellmeister  in  Dresden. 

In  seinen  Hauptwerken  stellt  sich  ungefähr  der  damalige  Umfang  der 
Komponisienlhatigkeit  dar;  zumal  da  er  für  kathol.  wie  evangel.  Gottesdienst 
schrieb.  Die  Messen  und  sacrae  canlioncs  waren  eben  damals  noch  in  beiden 
Kirchen  verwendbar.  CauzontiUn  Mi  ^  St.  1590;  Cantioncx  sanae  di  fcstis 
4—78  VOC.  1591;  Madrigaii  ä, — 8  voc.  I5q6;  Madri^lien  und  Cansondten  I596; 
Mtuen  zu  4 — 8  SL  1599;  Sacri  cencentm  4 — 12  voc.  1601;  Lüitgarien  netter 
Teutsrher  Geiänge  zu  4 — 8  St,  1601  (wekl.  Lieder  von  grosser  Schönheit; 
darunter  die  Melodie  »Mein  Gemftt  ist  mir  verwirret«,  welche  für  das  Knoll'- 
sche  Kirchenlied  »Herzlich  ihut  midi  verlangen<  verwendet  ward  und  von  da 
auf  Paul  Gcrhard's  »O  Haupt  voll  Blut  und  Wunden«  überging.  Pialmen 
und  chriiti.  Gesänge  auf  Conlrapunkiwctse  gesetzf,  i(x)7  {erscilicncn  noch  1717 
in  neuer  Auflage).  Kireh^ngesänge  und  gris//.  Lieder  mit  4  St  1608,  in  ein- 
fachstem .Satz  noia  contra  notam,  ako  die  H.innnnien  akkordisch  gesammelt 

Der  zweite  noch  bedeutendere  Meister  ist  Heinricli  Schütz^  ('.'^85 — t'^/i)» 
geb.  zu  K/Vstritz,  iboq — 13  Giov.  Gabrieli's  Schüler,  dann  Hoforganist  in 
Casset  und  seit  1617  Kapellmeister  in  Dresden.  1628  ging  er  nochmals  nadi 
Italien,  um  das  Musikdrama  zu  studieren,  nachdem  er  schon  1627  Rinucdni's 
Daphne  (s.  o.)  in  Opitz'  Übertragung  neu  kompnniert  hatte.  Er  organisierte 
die  kmfürsli.  Kapdtc  und  s[>Iiter  aucli  die  braunschweigische  wie  diejenige 
König  Christian's  IV.  in  Kopenhagen  nach  italienischem  Vorbild.  Vor  allem 
wichtig  sind  seine  kirchlichen  Kompositionen.  Im  innersten  Wesen  deutsch 
und  protestantisch,  obwohl  er  die  protest  Kirchenmusik  aus  ihrer  bisherigen 
Gebundenheit  an  das  Kirchenlied  fast  ganz  toslfiste;  aus  der  Italien.  Schule 
nahm  er  den  Glanz  mächtiger  Chorwirkungen  neben  der  Monixlie  und  dem 
Zug  zu  dnunat  ßclcbuii};  in  äicli  auf. 

Ein  Band  fünf.-^iimm.  Madrigale  schon  1612.  Psalmen  David's  1619,  drci- 
und  \ierchörig,  wobei  mit  den  Stimmen  in  mannigfaltigster  Weise  Instmmente 
verbimden  werden,  unter  Anwendung  des  rezitierenden  Stiles.  Symphoniae 
sQcrae  1629 — 50  (Sologesänge  für  i  und  mehrere  Stimmen  mit  obligatem 
Orchester).  Geistliche  CoiicerU  163b — 30  (Gcsfliigc  mit  Geiicralbass).  MtaicaUa 
ad  chorum  saemm  1648  (Motetten  in  madrigtilischem  Stil).  Sodann  die  in  der 
Mitte  zwischen  den  alteren  Passionen  und  der  neuen  Oratorienform  stehenden 
dramatischen  Kirchenwerke  Die  Historie  von  der  Avfattehtmg  des  Herrn  1623; 
Die  I/istorir  von  der  Mettsc fnverdung  Christi:  Die  7  Worte  am  Kreuz  1645 
(die  Reden  Chri.sti  in  ürioscm  Stil)  und  die  4  Passionen  nach  den  4  Ex>angelisten 
1666,  in  denen  der  Mcisler  wieder  zu  dem  suengcren  Stil  zurückkehrt;  die 
Reden  der  Evangelisten  und  der  handelnden  Personen  im  altkirchl.  Kollckten- 
ton,  moU;ttenartige  ChAre  ohne  Instrumentalbegleitung,  eigentlich  dramat 
Behandlung  nur  in  den  turbae,  d.  h.  den  Reden  des  Volksund  der  Schüler. 
Schütz  bestimmte  diese  Passionen  nicht  für  den  Gottesdienst,  sondcm  für 
»fürstliche  Kapellen  oder  Zimmer«. 

Der  »conccrtierendc-  Stil  verbreitete  sich  inzwischen  über  die  ganze 
evangelische  Kirche.  Auf  dieser  Bahn  geht  der  schon  genannte  Leipziger 
ThomanerkanUir  Joh.  Herrn.  Schein  (1586 — 1630);  Job.  Kosenmüllcr 
(t  itiSi).  .\ndrcas  Hammerschmidt  {1611  —  1Ö75),  Organist  zu  Zittau, 
unter  dessen  zahlreichen  Kompositionen  (gt-istl.  Concene,  Messen,  Motetten 
etc.)  die  Dialogi  spirituaii  1645,  1658,  d.  h.  Gespräche  zwischen  Gott  und 
der  glaubigen  Seele  her\'orzuheben  sind,  als  erste  Vertreter  dieser  auf  die 
(Bach* seile)  Cantate  vorbereitenden  Form;   ähnlich  seine  'Musikalischen  Ge- 


58Ö 


XilL  Kunst.    2.  Musik. 


Sprache  Aber  die  Evangelien«  1655.  Folgenreich  ward  besonden  die  Art, 
wie  cc  dabei  das  prutcst.  Kirchcnticd  vcr^vciidete.  Auch  dC3  Hcinr.  Schütz 
Neffe  HeJnrirh  Albert  (1604 — if>55)  ist  hier  noch  anzwreilien,  seit  1631 
Organist  zu  Künij^sberg,  Freund  Simon  Dach 's,  Roberthin's,  Opitz';  .Schöpfer 
zahlreicher  Kirchenlieder;  die  Lieder  in  den  8  Teilen  seiner  »teils  geistlichen, 
teils  weltlirhent  Sammlung  sind  meistens  in  einfacher  Liedform  gesetzt,  ein- 
stimmig mit  Gcneralbass  oder  mehrstimmig.  Für  das  Kirchenlied  wirkten 
noch  Joh.  Stobans,  t  16.16,  Mich.  Altenberg  (1584 — i(>4o),  Job.  Crüger 
{1,598 — 1662),  seit  1622  Kantur  an  der  Berliner  Nicolaikirche.  Joh.  Rud. 
Ahle  (1625 — 73),  Kantcir  in  Mühlhausen.  Joh.  Schop  (um  1650)  Kapell- 
meister in  Hamburg  und  ebenda  gleichzeitig  mit  ihm  Themas  Seile  u.  s.  w. 

Die  sonstigen  bedcutctidercn  Meister  des  17.  Jahrhs.  stellen  sich  in  z«'ci 
Gruppen  dar,  im  Süden  katholische  Meister,  die  sich  den  ItjiHencm  und  Fran- 
zosen eng  anschlie^sen,  im  Norden  die  auf  den  grossen  niederländischen 
Oigelmeister  Sweelinck  zurückgehende  protest.  Kaniorenschule.  Auf  beiden 
Seiten  steht  die  Kunst  des  Orgelspiels  im  Vordergründe  und  das  Instrumentale 
ent^*■ickeh  sich  zu  immer  selbständigeren  Formen. 

Als  Hauptvertreter  der  kathol.  Gruppe  und  Schüler  C^rissimi's  (s.  o.), 
des  grossen  römischen  Orgclmeisters  Frescobaldi  (t  nach  1640)  und  der 
italienischen  Opemknmpouislen  erscheinen  Greg,  Aichinger  (ijf^S — i(i2\), 
joh.  Kasp,  V.  Kerl  (c.  11^25— i()q3),  1^58  Kapellmeister  in  München,  spater 
in  Wien,  neben  seiner  Orgelmusik  als  0])enikoniponi.st  geschätzt,  wobei  aber 
hier  stets  nur  von  italien.  Opern  die  Rede  ist.  Joh.  Jak.  Froberger  (c. 
16:2 — 76).  geb.  in  Halle,  in  Rum  zum  Katholizismus  übergetreten,  dort 
Frescobaldi's  Schüler.  hr)rte  in  Paris  den  üUeren  Couperin :  Organist  in  Wien, 
Mainz,  Stuttgart:  gesrhnizt  vor  allem  seine  Orgel-  und  KUt\ierwerkc.  Georg 
Muffat  (c.  1^40—1704),  studierte  in  Paris  vur  allem  Lully's  Werke  (s.  o.). 
war  i<)74  Orgiuiist  in  Strassburg,  besuchte  um  1682  Rom,  dann  Organist  in 
Salzburg  und  Passau:  sein  Apparatus  rausico-organisticus  enthalt  12  Toccaten 
ucbst  Klaviersachen;  Orchestermusik  französischen  und  Kanunermusik  italien. 
Stib*.  Balletmiusiken  nach  Art  der  Lullv'schen.  Heinr.  Franz  v.  Biber  (1648 
bis  1705)  bürgerte  die  (filtere)  italien.  Senate  für  4— 5  Saiteninstrumente,  für 
drei  Instrumente,  für  Sologeige  und  Generalbass  ein,  machte  auch  (wohl  das 
erste  Beispiel  in  Deutschland)  aJs  Geiger  eine  Concertreise. 

Das  Haupt  der  norddeutschen  Scliule,  der  »Organ isleninacher«  Jan  Pielere 
Sweelinck  (1540 — 1621)  ist  selbst  da.s  letzte  Glit^  an  der  Kette  der  grossen 
Nicdedander;  gebildet  in  Wnedig,  Organist  in  Amsterdam.  Nel>en  nelen 
andern  norddeutschen  Organisten  ist  Sam.  Scheidt  (c  1587 — 1654)  Organist 
in  Halle,  sein  Schüler,  gerühmt  für  seinen  ki.»lorierten  Orgelslil  und  sein 
Orgelbuch  (Tabulatura  nova).  Ebenso  Hcinr.  Scheidemann,  s«t  162(1 
Organist  in  Hamburg  und  Jaknb  Pratorius,  glciclifalls  Hamburger  Organist 
Schcidcmann's  Schüler  und  Nachfolger  ist  Joh.  Adam  Kcinken  (1Ö23  bis 
1722).  In  I,ü,beck  glänzte  zugleich  ein  Dane,  Dietrich  Buxtehude  (c.  1635 
bis  1707),  seit  1668  Oi^anist  an  der  Marienkirche;  berühmt  waren  seine 
xAbendmusikenc,  nicht  eigcutlich  gottesdienstlich,  aber  doch  kirditiche  musi> 
kaiische  Andachten,  mit  Chor  und  Orchester. 

Die  Klaviermusik,  welche  seit  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jalirlis.  bei  den 
Franzi>scn  durch  die  Couperin's,  namentlich  Franz  C.  {i(t68 — 1733)  tmd 
in  Neapel  durcli  Domenico  Scarlatli  (1683 — 1757)  zu  selbständiger  Technik 
erblühte,  benutzte  dabei  die  Formen  der  Tixcaten,  Fugen.  Phantasien,  Ca- 
pricci,  Arien  mit  doubles  (cl.  h.  Variationen,  auch  Partiten  genannt),  vor 
allem  aber  verschiedene  Tanzfurmeii,  musikalisch  zu  Chanikterslückcn  idca- 


lisien.  Für  die  Instrumentalmusik  erwuchs  aus  diesen  Bestandteilen  als 
älteste  cjvlische  Fonii  die  Suite  (auch  sie  wunle  wohl  Piirliui  genannt). 
Aus  Frankreich  stammend  gelangte  sie  seit  der  Mitte  des  i~.  Jahrhs.  (vgl. 
aber  Hugo  Rlemann  in  der  Jlunatsschr.  f.  Musikgesth.  iti94,  Nr.  7,  S.  85  f.) 
auch  in  DeutscJiland  zu  grosser  Beliebtheit:  eine  Folge  von  Tänzen  in 
gleicher  Ti^nart,  ursprünglich  die  deutsche  Allemande,  die  sixinische  Sara- 
bande, die  fcaiizösischc  Cuurante  und  die  cngliüclic  Gigue.  Dazu  kamen 
bald  andere  Tanze,  wie  Uourrec,  Urmiic,  Galliarde,  Menuett,  Musette,  Pavane, 
Passapicd,  Ki^audon  u.  s.  w.,  aucfi  andere  kleine  F<jmieu;  IntraUe.,  Arie  inil 
Variationen  u.  s.  v,:  Unter  Buxtehude's  Klavierkomjx)sitionen  findet  sich 
jeia  Cydus  von  7  Suiten,   welche   die   7  Planeten   nacli   ihrer  aslrologi.',chen 

leutung  darstellen  S'-illcn.  Überhaupt  liebte  man  es,  der  Instrunitntaimusik 
durch  den  Namen  eine  Art  von  Prugrannu  mit  auf  den  Weg  zu  geben;  ein 
bedeutsajnes  Zeichen  für  die  erstarkende  Selbständigkeit  der  Instrumentalmusik. 
Bis  dahin  hatte  sie  nur  übennigene  Gesanginusik  oder  T.lnze  xum  Inhalt 
gehabt  Der  Stoff  des  Textes  oder  Tajiz^.-s  übertrug  sich  unwillkürlich  in  die 
Vorstellung  des  Hörers  auf  die  bloss  gespielte  Musik.  Dass  aber  auch  die 
reine  Instrumentalmu.sik  niclii  blijss  ein  Spiel  mit  Tönen  sei,  sondern  dass 
es  zu  ihrem  Wesen  gehöre,  irgend  etwas  darzustellen,  liegt,  wenn  auch 
noch  in  unklarer  Auffassung,  in  jenen  Namen  der  SUUke  ausgedrückt. 

Die  zweite  cyclisctie  Form  ist  die  Sonate  der  allen  italicnisdicn  Form. 
Aufs  Klavier  übertrug  sie  in  Deuurhiand  zuerst  Joh.  Kuhnau  (1667  bis 
1722),  Leiimger  Thomanerkanl<»r,  der  grüsste  deutsche  Klaviermeister  des 
17.  Jahrhs.  (vFrische  Klavierfrüchte«  i(k/j;  »Musikal,  Vorstellung  einiger  bibl. 
Htslctrien  in  6  Senaten*).  Ihrer  spitteren  höheren  Entwickltmg  reifte  jedoch 
die  Si-inatenform  erst  in  der  Schule  Bachs  entgegen. 

An  die  genannten  sei  cndlidi  noch  als  protcst.  Kirchenkomponist  der 
Nürnberger  Joh.  Pachelbcl  (1653— 1706)  gereiht,  Organist  in  Wien.  Stuttgart, 
Eisenacb.  Erfurt,  Gotha  und  Nürnberg.  Besonders  hervorzuheben  ist  an  ihm 
che  Durdidringung  der  ganzen  kirrhlictien  Tonkunst  mit  dem  evangc:lische-n 
Kirchenlied.  Aus  den  Melodien  der  Kirchenlieder  (um  diese  Zeil  auch  schon 
Choräle  genannt)  verschwanden  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhs.  die 
bewegteren  Rhythmen  gegen  Noten  von  gleicher  Lange;  durchgeführt  ist 
diese  Neuerung  zuerst  in  Bricgei's  Darnistüdter  Cantiunal  von  1O87. 

Schütz'  Versuch  einer  Oi>er  mit  deutAcbem  Text  {s.  o.)  war  ohne  erheb- 
liche Folgen  geblieben;  seine  Daphne  ist  uns  nicht  erhalten.  Das  fllieste 
bekannte  deulsclic  Singspiel  ist  Harsdorffer's  geistliches  WaJdgedidU  oder 
Freudenspiel,  genannt  Seelewig,  Gcsangsweis  auf  italienische  Art  gesetzet  von 
Siegln.  Thcophilus  Stauen,  i()4.4;  von  Eitner  mitgeteilt  in  den  Monatsh.  f. 
Mu.s.-Gcsch.  188 1,  S.  53 — 133. 

Weim  aber  aui  h  namentlich  an  Höfen  einzelne  weitere  Versuche  folgten 
imd  das  Schaferspiel  mit  Musik  vielfach  kultiviert  ward,  Sfi  verdrängte  doch 
die  italienische  Oper,  komponiert,  gesungen  und  geleitet  von  Italieneni  alles 
andere.  Die  bedeutendsten  solcher  Opembühncn  waren  in  Wien,  München, 
Dresden  und  Beriin;  daneben  auch  in  Braunschweig,  Breslau.  Kassel,  Leipzig, 
Stuttgart  und  anderwärts*".  Duch  sind  neben  den  italienischen  Opemkom- 
poni&ten  auch  einige  deutsche  zu  nennen,  deren  Ruhm  auf  diesem  Fdde 
li^jt,  indem  sie  italien.  Te.xte  im  Italien.  Stil  komponierten.  In  Wien  der 
Oberkapellroeister  Joh.  Jos.  Fux**  {1660 — 1741),  dessen  bleibende  Bedeutung 
dodi  weniger  in  seinen  Opern,  Oratorien,  Instrumental  werken  und  äusserst 
zahlreichen  KirchcnkompositJonea  liegt,  als  in  seinem  berülunten  Lehrbuch, 
dem  Gradus  ad  Pamafsum,  1725.     Der   gefeiertste  tmd   in   der  That  auch 


590 


Xin.  KuKST.     2.  Musik. 


bedeutendste  deutsch-italienische  Opcmkomponist  ist  Joh.  Adolf  HasBc  (i6qq 
bis  1783).  geh.  in  Bergedorf  bei  Hamburg,  17^2  in  Neapel  bei  Scarlutti.  1727 
Kapellmeister  nm  Conser\*aturio  clcll'  Incurabili  in  Venedig»  w<i  er  die  gefeierte 
Sängerin  Faustina  Bttrdoni  heiratete,  1731  Oberkapdimcisicr  in  Dresden, 
pensioniert  1763,  gest.  in  VenctUg.  Seine  mehr  als  50  Opern  beherrschten 
die  gesamten  Italien.  Bühnen.  Auch  er  sclirieb  daneben  in  allen  andern 
damals  Üblichen  Formen. 

Eine  deutsche  Oper  in  Anlehnung  an  diese  italienisclie  erblülite  endlich 
in  Ha:nburg.  Unter  Leitunj-  des  nachmaligen  Ratsherren  Schott  (t  1702} 
ward  ein  Theater  am  Gänsemarkt  gegründet  inid  IÜ7Ö  crüffnct  mit  einer 
geistliclien  Oper  »Der  erschaffene,  gefallene  und  wieder  aufgerichtete  Mensch«. 
Test  von  Chrisrian  Richter,  iVfusik  vonjohannes  Thcile(i646— 1724J,  emem 
Schaler  von  Heinr.  Schfltz.  AuflitOhend.  zeitweilig  wieder  verfallend,  sich  dann 
aufs  Neue  heljend,  lial  diese  Bühne  bis  1738  gelebt.  Ilire  meist  besdiiifligtea 
Dichter  waren  Lucas  Hostel  {t  1 716),  Chr.  Postel  (t  1705),  F.  C.  Brcssand(t  1702), 
Chr.  Fr.  Hunold  (t  1721).  Barth.  Feind  (f  1721)»  l^"'r-  v.  König  {f  1744).  Fr. 
Chr.  Feu.stkind  {t  lyyi).  Unter  den  Ton.setzern  sind  zu  nennen:  Nie  Adam 
Strungk  (t  1700),  Joh.  Sigm.  Kusser  (Cousser  1657 — 172g),  geb.  in  Pres- 
burg,  i6j<) — 97  Kapellmeister  in  Hamburg,  gest.  in  England.  Reinli.  Keiser 
{1673 — 1730}  mit  mehr  als  120  Opern.  Von  1703 — 8  schrieb  auch  Händel 
hier  seine  ersten  Opera.  Gleich  fruchtbar  an  Kompositionen  und  theoretisch- 
geschichtlichen  Schriften  «-arjoh.  Mattheson  (1681 — 1764),  geb.  in  Hamburg, 
zuerst  Sünger  an  der  Oper,  der  Hauptstreiter  für  die  damals  moderne  Kunst. 
Unter  seinen  Schriften  haben  »Das  neueröffnete  Orcliester^  1713.  »Der 
vollkommene  Kapellmeister'^  1 739  und  die  »Ehrcnpfortec  1740  bleibenden 
kunstgeschichtlichen  Wert".  Auch  der  zu  seiner  Zeit  am  hüclisten,  selbst 
■über  Bach  und  Hllndel  gefeierte  Georg  Phil.  Tclcmann  {1681 — 1767)  bt 
hier  zu  nennen.  Geb.  in  Magdeburg,  KapellmeLster  in  Sorau,  Frankfurt 
Eisenach,  Musikdirektor  am  Johanneum  in  Hamburg,  seit  1722  Kapellmeister 
•der  Oper.  Berühmter  noch  als  seine  etwa  40  Opern  waren  seine  44  Passioos- 
musiken,   12  Jahrgange  Cantaten.  Oratorien  u.  s.  w. 

Mau  blieb  in  dieser  Hamburger  Oper  nicht  ba  der  italien.  Opcmfonu 
stehen;  schrieb  dareben  halb  myslerienartige  geisttiche  Spiele,  und  ein  buntes 
Gemisch  von  lokalen  Opemstoffen,  SpektakelstOcken,  Balleten,  bis  zu  den 
rohsten  Burlesken  herab.  Zueret  168Ö  ward  iu  die  komische  0(icr  aud»  ge- 
sprochener Dialog  eingcf lochten.  Über  Nnrddeutschland  verbreiteten  sich  diese 
Aufführungen  teilweise,  doch  starb  das  Ganze  ohne  weitere  Naclifolge  ab. 

Will  mim  sich  von  den  allgemeinen  Masikzustündeji  dieser  Periode  eine 
Vorstellung  macheii.  muss  man  vor  Allem  drei  Punkte  ins  Auge  fassen: 
I.  die  Wandlungen  in  der  Kirchenmusik,  2.  die  Mittel  des  Musicierens,  d.h. 
die  Kapeilen  u.  s.  •*■.  und  3.  die  Formen  der  Musikstücke,  —  Die  Musik  der 
kalhul.  wie  der  evangel.  deutschen  Kirche  wurde  in  gleichem  Maasse  von 
der  venetianisrhen  Schule  beherrscht.  Da  aber  im  kathol.  Gottesdienste  die 
unantastbaren  liturgischen  Texte  liier\'un  nid«  berührt  wurden,  so  bildete  die 
venetianische  wie  die  ihr  folgende  neapolitanische  Schule  so  gut  wie  jede 
andere  in  der  Musik  zur  Gellung  kommende  ZeJlrichtung  nur  eine  vorüber- 
gehende Erscheinungsform  für  die  davon  an  sich  nicht  berührten  liturgischen 
Texte  der  Messen,  Hören  u,  s,  w.  In  den  Gottesdiensten  der  evangel.  Kiidien 
hatte  man  aber  seit  dem  ausgehenden  16.  Jahrh.  den  festen  Zmiammenhang 
mit  den  liturgischen  Texten  mehr  und  mehr  cingebüsst**.  Noch  immer  finden 
wir  zwar  in  grüsseren  Hof-  und  Stadikirchen  den  Chorgesang  der  alten  In- 
traiten,   Hallelujaverse  und  Responsorien,  z.  B.  in  Nürnberg**,  doch  zeigt  er 


aucli  hier  st:Iion  sehr  cingcschßiikt.  zugleich  aber  übeiall  im  Verschwinden 
'j^Bgen  allerlei  neue  Formen  von  Musiken  mit  willkQrlidien  bald  biblischen, 
baJd  und  Öfters  noch  frei  gedichteten  Texten.  Durch  den  gleich  Anfangs 
in  den  Rcfonnalionskirchen  eingctTL-tcneu  Wt^all  dos  Offcrloriums,  verbunden 
TCäl  der  Ablehnung  der  Kunstmusik  für  die  Ausfühnmg  des  Credo  m-ar  ein 
Misvcrhaltnis  im  nmslkalis<.lieu  Auflmu  de»  Hauiii;;i.ilte5dienstes  (der  Messe) 
entstanden.  In  diese  Lürkc,  welche  durch  tlen  Gemeindegesang  nicht  angemessen 
ausgefüllt  werden  krmnte,  drängte  sich  eine  Musik  ein.  für  die  man  sich,  weil  es 
hier  eben  an  einem  liturgischen  Text  fclilte,  beliebige  Texte  schaffen  musstc. 
So  entstaud,  was  man  schon  im  17.  Jahri».  als  die  »Hauptmusik«  liczeichnete, 
•die  nun  der  eigentliche  Tummci|ilatz  für  <iie  modenie  Mu,sikülmiig  tu  der 
««tngcl.  Kirche  ttiirde.  liier  sangen  die  grossen  Ch(*ire  und  Doppelcliüre, 
begleitet  vun  Otf.<:\  und  iiistrunienlaleii  Massen,  hier  fanden  die  SülugesUnge 
mit  b€7it'fertem  Bass  und  den  instrumentalen  Zwischenspielen  ihre  Statte,  wie 
Heinr.  Schütz  und  seine  Schüler  sie  nach  vcnetianischem  Muster  einbürgerten. 
Von  all  diesen  Schöpfungen,  su  herrlich  und  grossailig  sie  aucli  als  gdsl- 
liche  Alusiken  sind,  hat  doch  für  die  Verwendung  im  Gottesdienst  nur 
Weniges  bleibenden  Werl,  .^hou  um  ikr  Texte  willen.  Für  die  evangelische 
Kirche  harte  es  zugleich  die  verderbliche  Fnlge,  die  Überreste  des  alteren  an 
die  lituipschea  Texte  gebundenen  Gesanges  noch  mehr  in  Gcringschiltzung 
und  Verfall  zu  bringen. 

Den  Anfordeningen  entsprechend,  welche  die  Ausführung  der  angedeuteten 
lilusiken  in  der  Kirche  machten  und  die  sich  unmittelbar  auch  auf  die  wdl- 
üche  Musik  flberlnigen,  wurden  nun  die  grösseren,  namentlich  die  fürstlichen 
Hofkapellen  au.'^'bitdet.  Die  Säuger  bildeten  nur  noch  ihre  eine  Hälfte;  die 
andere,  mit  jener  zu  einem  Körper  vereinigt,  bestand  jetzt  aus  den  In.stni- 
mentL<tten.  Zu  diesen  gehörten  auch  die  z.  T.  hr>ch  bezahlten  Virtuosen, 
\'or  Allem  die  Lauteiiisten  und  die  Orgel-  und  Ccrabatospicler.  Neben  solchem 
Kapellkörper  stand  aber  ntK'h  ein  iro  Range  höherer,  namhch  der  Chor  der 
Trompeter.  Sie  gehörten  zum  steten  Gefolge  der  Fürsten,  wurden  auch  zu 
Botschaften  an  fremde  Höfe  oder  im  Kriege  gebrauclit.  Mu.<tika]Lsdi  waren 
sie  auf  Fanfaren,  M.irsche  u.  Ü.  beschrankt,  was  aber  auch  hier  das  Virtuosen- 
tum  und  gelcgentitche  Mitwirkung  in  der  Kapelle  nicht  ausschluss.  Überall 
in  den  Stadien  wareJi  zünftige  Stadtmusifcanten,  die  Stadt-  und  oder  Rats- 
pfeifer angestellt  und  für  die  ausschliessliche  Ausführung  der  Musiken  ia 
Kirche  und  Geseltsrhaft  verpflichtet  und  privilegiert.  Eine  sclbst^dige  Stellung 
neben  ihnen  nahmen  die  Türmer  ein,  die  schon  um  des  Choralblasens  willen 
Zinkenisten  sein  musslen.  Danutls  hatte  nuch  jeder  Sonntag  seine  bestimmten 
(de  tem[H>re-)TJedcr  und  es  war  eine  mehrfach  bezeugte  Sitte,  das  flauptlied 
■des  Sonntags  die  folgende  Woche  hindurch  vom  Turm  blasen  zu  lassen. 

Die  alte  Motetlenform  des  raehrstimmigcn  weltlichen  Liedes  «-ar,  wie 
oben  erwähnt,  schon  im  lO.  Jahrh.  dem  MadrigaJ  gewichen;  dieses  bildete 
im  17.  Jahrh.  die  vornehmste  Form  mehrstimmigen  Gesanges.  Das  charak- 
teristisrhe  der  musikalischen  GesU'Lll  des  Madrigals  besrteht  darin,  dass  seinem 
polyphonen  Släumengewcbe  nicht,  wie  dem  der  Äfotctte,  eine  selbständige 
und  in  sich  geschlossene  Melf>die  zu  Grunde  liegt,  sondern  nur  Mntive, 
unter  deren  Entwicklung  und  Vciflechlimg  m  imitatorischer  Behandlung  der 
Stimmen  sich  ein  musikalischer  Gesamtkörjier  bildet  Die  in  oder  nach 
italienischer  Schule  gebildeten  Sanger  der  fürstlichen  Kapellen  gaben  dieser 
Gesaugsgaltung  seine  vornehmste  Ausprägung.  Daneben  aber  steht  jetzt, 
gleich  berechtigt  in  der  allgemeinen  Gunst,  der  neue  Sologesang,  durch  In- 
strumentalbegleitung (Cembalo  oder  Instrumente  oder  beides)  gestützt    Dieser 


arienartige,  uft  ans  Recilaiiv  .slrcifeiule  Sologesang  ist  stark  durch  die  neue 
italienische  Oper  beeinflusst.  Er  drang  tief  in  das  allgemeine  Musikieben 
ein;  in  Kirche  und  Omccrt  als  Ana  da  diicsa  und  da  camera.  Auch  in 
der  Hausmusik  nahm  das  Lied  diese  l-'orm  an  und  wenn  auch  das  Kirchen- 
lied seinen  vulküinlbsigeii  Cliaraktcr  und  echte  Licdfumi  iin  Allgemeinen 
auch  wahreiui  dieser  Periode  bewahrt,  s«!  bleibt  doch  auch  seine  Melodie- 
bildunp  vun  dem  Zug  der  Zeil  zum  Arienslil  nicht  unberührt,  wahrend  seine 
mehrsiiminige  Behandlung  höchster  künsüeri  scher  Vollendung  entgegen  reif  L 
Das  eigentliche  Volkslied  entzieht  sich  unseren  Blicken  für  längere  Zeit. 

W  VrI.  Rnd.  Schwartz  in  der  Vierldjahiscbr.  f.  Musikf.  Jahrg.  II  iSSfr 
S.  437  r.  —  *  Rob.  Eitncr,  Dit  Ofier  von  ihren  rrstm  Anfängt»  bis  utr 
Mint  dti  19.  Jahrhu  {Bd.  X  d«  Publik,  der  Gwcllsch.  f.  Musikf.)  _  «  J.  W. 
V,  Wasielewski.  Die  Violiue  und  ihre  Mrutcr.  iBfrg.  —  *  Eine  Ge«amtaiug. 
>.  Werke,  begonnen  unter  Spittn's  Re<tAkl)on,  «rscheint  bei  Brcitkopfu.  HSrtel.  — 
>"  Rudhart,  O'ttch.  d.  Oper  am  Hcf  zu  München.  1S65.  —  M.  l-'Or*tenau. 
Zur  (Jeschichtt  der  J/wji*  und  des  Theaters  :h  Dreide».  l8bi — 62.  —  L, 
Schneider,  Gcuh.  dir  Oper  u.  des  tgi.  Opernhauses  an  Berlin.  1853.  — 
SchlcUerer,  Das  lieuttche  Singspiel.  1863,  —  Dcrs.,  Die  Entsieh,  der  Oper. 
1873,  —  w  L.  V.  KOchel.  Joh.  Jns.  Fvx.  1873.  —  "  L.  Mcinardu«,  Mat- 
theson  u.  seine  Verdiettxte  um  die  Drulscbr  TonOunst.  (StunmC.  musik.  VurtrHg«;  vo« 
Graf  Walderaee,  LS".  1880.)  —  *»  \^.  tin-ine  iLiturg.-musik.  U'esehuhte  der 
evangel.  GolU-sdietute  von  1523 — ijoo^.  Schleswig  1R93.  —  *•  Max  Hernld, 
AH-Nürnberg  in  seinen  (lotirsdiensten.  GülcrUab  rSqo.  —  **  Ldurcich  (ilr  diese 
Verhältnisse  ist:  Angul  Ilanimcricb,  Mustken  ved  Christian  den  IVdes  Hof; 
auuOglich  in  überseuuiif:  niitgctetlt  in  der  VicrteljobrschriA  f.  AruukwtsMiwduft, 
9.  JahiU.  [1893)  S.  63  1*. 


g  5.  HÄXDEL  UNI)  BACH. 
Die  zuletzt  geschilderten  Verhältnisse  führten  uns  zunadist  zur  Kirclien- 
musik  zunick.  Zwischen  den  Musikern  untereinander  und  (JeLstiich'-n  wie 
der  pietistischen  so  der  orthodfixen  Richtung  entspann  sich  nun  von  Homburg 
ausgehend  eüi  Streit  darüber,  in  wieweit  der  drauiatische  Stil  mit  seiner 
höheren  Lebendigkeit  auch  in  die  Kirchenmusik  zu  überlragen  sd.  Es  ent- 
stand unter  solcliem  Gesteh tspmikt  tlie  sogen,  »grusse  Kirdicnkantatc<  und 
eine  neue  Gestalt  der  PassiL>nsnnL'iik.  Der  biblisch -liturgische  Text  ward 
grösstenteils  oder  sogar  ganz  durch  freie  Dichtung  ersetzt,  in  der  die  Recilative, 
SülogesÜnge  (Soliloquicn,  s.  o.)  und  Duette  mit  Chfjren  abwechselten.  Dem 
Eingangsrhor  der  Kantate  Hess  man  noch  einen  Bibettexi,  den  Lektionen 
des  betreffenden  Sonntags  entnommen,  folgen.  Gcwisscmiasscn  als  dranialb 
pcrsonae  werden  die  »j^lflubige  Seele«  und  die  »unsichtbare  Kirche<  gedacht, 
die  ihre  Empfindung  reflektierend  in  den  SologesUngen  ergiessen.  Als  Ver- 
treter der  i)roteslantische]i  Gemeinde  bleibt  der  Clioral-  Nicht  in  Hamburg  selbst 
sondern  in  Weissenfeis  für  tXv.w  tlortigen  KapeEImctster  Joli.  Phil.  Krieger 
sclirieb  Erdmann  Neumeister  1700  die  ersten  Texte  dieser  Gattung.  Ei 
hat  ihicr  fünf  Jahrgänge,  eine  Kantate  auf  jeden  Sonn-  und  Festtag  gedichtet, 
von  denen  Teleinann  drei  komponiert  hat.  Als  Kantatendirhier  folgte  ilini 
namentlich  Salonum  Franck.  Es  war  das  Ende  des  Verhängnis  vollen  Ab- 
wegs, der  ein  der  Mtxie  nnterwurfenes  individuelles  testliches  Element  an 
die  Stelle  der  liturgischen  Teste  gesetzt  hatte.  Noch  Srger  erging  es  den 
Passionstexten.  Hunold's  »Sterbender  Jesus',  1704,  komptmicrt  von  Keiset, 
sollte  das  Muster  der  neuen  Gattung  werden.  Das  elende  Machwerk  richtete 
sich  selbst.  Zwar  suclile  dann  Brockes  in  seinem  »für  die  Sünden  dieser 
Well  gemarterten  und  sterbenden  Jesus*  einen  würdigeren  Text  zu  schaffen; 
auch  diesen  kumpunierte  Keiser  17 12,  nach  ihm  Mattheson.  Telemann, 
selbst   Händel   (Bd.   XV    der   deutschen    Ausg.)    uuü    aucli   Badi  benutzte 


Stocke  daraus  in  seiner  Johannespassion.  Babei  ist  es  dann  aber  auch 
für  immer  geblieben. 

Die  Entwickelung  hat  uns  zu  Bach,  und  Handel  geführt:  es  ticgt  klar  vor 
Augen,  dass  in  den  im  vur.  §  dargestellten  Zustanden  alle  Keime  liegen, 
welche  durch  die  beiden  Meister  zu  tmsterblirhen  Schöpfungen  erblüht  sind. 

Georg  Friedr.  Händel  (1685,  25.  Ft-bruar  bis  175Q,  13.  April)",  geb.  in 
Halle  a!»  St>hn  eines  >kurbraiidenb.  Kammerdieners«  (Chirurgen)  bezog  1702, 
um  Jura  zu  studieren,  die  Universitill,  ging  aber  schon  1703,  um  sich  der 
Musik  zu  widmen,  nach  Hamburg,  von  wo  er  auch  Buxtehude  in  Lübeck 
aufsuchte;  hauptsächlich  förderte  ihn  Mattheson.  1705  kam  dort  seine  erste 
Oper  Alraira  zur  Aufführung,  der  noch  drei  weitere  folgten.  Von  1707—10 
in  Florenz,  Rom,  Neapel  und  Venedig.  1710  Kapellmeister  in  Hannover 
geworden,  ging  er  trotzdem  gleich  nach  Engtand,  Anfangs  nur  im  Urlaub, 
noch  vur  dem  Tode  dur  Königin  Anna  zu  blcibcaidcm  Aufenthalt.  Hier 
halten  Henry  Purcell  (!(>5Ö — 95)  und  nach  ihm  Will.  Croft  in  Musik- 
dramen und  Kircheimiusikeni  eine  fruchtbare  und  bedeutende  Thatigkeit 
entfaltet,  durch  welche  Bündel  reiclic  .■Vnregimg  fand.  F.r  schrieb  zunächst 
eine  Reihe  ital.  Opern  für  die  111  Haymarket  s|)iele[ide  Truppe;  als  ersieden 
Rinaldo,  171 1.  Im  Auftrag  der  Königin  schrieb  er  das  sogen.  Ulrechtcr  Te 
deum  und  den  100.  I'salm,  1713.  Naciidem  König  Georg,  der  ihm  wegen 
des  Verlasscns  Hannovcra  zürnte,  zur  Ritgierung  gelangt  war,  schrieb  er,  ihn 
zu  begütigen,  die  »Wassermusik«.  Auf  einer  Reise  komponierte  er  1716  in 
Hamburg  die  Brockes'sche  Passion  (s.  o.);  zurückgekehrt  die  berühmten  12 
Anihcmh  (Motetten  Über  Psulmentcxte),  1720  als  erstes  seiner  Oratorien  die 
Esther,  auch  »Acis  und  Giilüthca*.  Seit  1721  beteiligte  er  sich  an  mehren 
Italien.  Opcrnunternehmungen  in  Haymarkel,  für  die  er  mehre  Reisen,  audi 
»ach  Italien,  inaulite  und  die  lange  Reihe  seiner  Italien.  Opern  schrieb  (da- 
zwischen 1717  das  Krönungsanthem).  Intriguen  der  Sanger  und  z.  'V.  auch 
der  engl.  Aristokratie  führten  zu  einem  Konkurrenzunternehmen,  worauf  sich 
Handel  endlich  unter  gri»s.seni  Geldverhist  verbittert  und  körperlich  leidend 
um  1740  vom  Theater  ganzlich  zurückzog,  um  bich  fortan  mit  ungeteilter 
Kraft  dem  Oratorium  zuzuwenden.  1731  war  zuerst  ein  Händel'sches  Ora- 
torium in  London  an  die  Öffentlichkeit  getreten:  die  Esther  nilmlich  ward 
vor  geladenem  Auditorium  in  Kostüm  gesungen;  die  Öffcutlichc  Aufführung 
(ohne  Kostüm)  fand   1732  statt. 

Es  folgten  nun  Dthomh  und  Athah'a  1733;  Das  Akxanderfat  und  israei 
in  Egyptrn  1738;  dann  —  um  nur  die  erhabensten  zu  nennen  —  Messias,  und 
Samson  1741;  Judas  Maccabäus  174O:  Josua  1747;  Herakles  1750.  Im 
L'Alltgro  ed  H  I^mittvso  1740  war  die  Gattung  auf  das  lyrische  Drama 
ausgedehnt 

Neben  diesen  monumentalen  Schöpfungen  standen  noch  eine  Menge  anderer 
herrlicher  Werke  für  Orgel,  Klavier,  Orchester,  Kammermusik  u.  s.  w.  Handel 
starb  geehrt  und  gefeiert,  wie  es  nur  wenigen  Glücklichen  unter  den,  grossen 
Genien  bescliiedcn  gewesen  ist. 

Johann  Sebastian  Bach«  (1685,  21.  Marr  bis  1750,  28.  Juli),  geb.  zu 
Eisenach,  enisprosste  einer  alten  Musikerfamilie.  Hans  Bach  t  it^iö  als 
Spielraann;  sein  Sohn  Christoph  als  Hof-  und  Stadtmusikus  zu  Amstcdt  i6f)i; 
dessen  Sohn  (und  Joh.  Sebastians  Vater)  Job.  Ambrosius  als  Hof-  und  Rats- 
musikus zu  Eisenach  1695.  Generationen  von  Seitenverwandten  waren  über 
Thüringen  als  Musiker  verbreitet;  die  bedeutendsten  danmter  Joh.  Sebastians 
Oheime  die  Brüder  Joh.  Chrlslt)ph  (t  J703),  Hoforgani.st  zu  Eisenach,  und 
Joh.  Michael  (t  1^94),  Organist  zu  Gehren.  Joh.  Sebastian,  früh  seinem 
.Gcntuwltchc  Fblloloffi«.  m.    2.  AafL  "Tk 


594 


XIII.  Kunst.    2.  Musik. 


alteren  Bruder  in  Ohrdruff  zur  Erziehung  überleben,  kam  1700  als  Schüler 
der  Michaelsschule  und  Sopranist  des  Kirchenchorcs  nach  Lünebui'g,  besuchte 
von  dort  Reincken  in  Hamburg  (s.  o.);  ward  nach  erlangtem  Reifezeugnis 
der  Prima  1703  als  Geiger  in  der  Wcimarschcn  Kapelle,  aber  auch  schon 
im  selben  Jahre  als  Orgjmist  in  Amstedt  imgcatelll.  Von  da  machte  er  1705 
einen  längeren  Besuch  bei  Buxtehude  in  Lübeck  (s.  o.),  heiratete  t707  die 
Tochter  seines  Oheims  Joh.  Michael  (3.  o.),  ward  17U7  Organisl  zu  Mühl- 
haiisen.  1708  Hofor^nisl  in  Weimar,  1714  zugleich  Konxcrtmeistcr;  1717 
Hofkapellmeislcr  des  Fürsten  Lcupuld  in  Külhcii.  Hier  verlor  er  17^0  seine 
Gattin  und  verheiratete  sitth  wieder  mit  einer  Schülerin.  1723  endlich  ward 
er  zum  Kantor  der  Thomasschule  in  Leipzig  berufen,  wo  er  bis  2U  seinem 
Tode  blieb.  1730  hatte  er  den  Titel  eines  Kurf.  Sachs.  Hofkompositeurs 
erhalten.  1 74*  machte  er  Friedrich  d.  Gr.  auf  dessen  liinJadiing  einen  Besuch 
in  Potsdam.  Bald  nach  der  Rückkehr  erblindete  er.  —  Seine  grossen  Kirchen- 
werke beginnen  in  Weimar  um  1711  mit  mehren  Kantaten:  auch  an  der 
Kom|X)silion  der  von  Sal.  Franfk  gedichteten  drei  Kantaten -Jahrgange  be- 
teiligte er  sich.  Auch  die  berühmte  Passacaglie  C-mnll  gehört  in  diese 
Periode.  Der  Köthener  Zeit  gehören  bedeutendste  seiner  Orchester-  und 
Kammermusiken:  die  j-Invenüonen  und  Sinfonien-  für  Kla\"icr;  die  »Franzö- 
sischen Suiten«;  die  Sonaten  und  Suiten  für  Sologeige  (mit  der  berühmten 
Ciaconne);  die  sechs  Suiten  für  Violonccll;  Sonaten  für  Geige  und  KIa\*ier, 
für  Flöte  und  KliU'icr;  Violinkonzerte;  die  sechs  »Brandenburger  Konzerte 
(es  sind  concerli  grci»si,  s.  o.  S,  586)  172 1;  endlich  der  1.  Teil  des  »wuhl- 
tcmpcrierten  Kla\iers<  1722.  In  Leipzig  folgte,  um  nur  das  bedeutendste  zu 
nennen,  die  lange  Reihe  der  Kantaten,  bis  zu  fünf  Jahrgängen.  Das 
Magnifical  1723;  Juh^innespassion  1724;  MattliHuspassiuii  1729:  fünf  Mutetleu 
a  capclla;  H-moU-Messe  (Kyrie  und  Gloria  sind  von  1732);  Weihnachts- 
oratorium, 1734:  2.  Teil  des  wohltemperierten  Klavners,  1744:  die  drei  Tripd- 
konzerte  für  Klavier,  wohl  von  1733:  Ktavierübung  i.  Teil  (sechs  Partiten) 
1731;  2.  Teil  (ItalieiL  Konzerte  mul  H-moll-Suite)  1735:  J.  Teil  (Orgel- 
Stücke)  1739);  4.  Teil  (die  sog.  Goldbeigschen  Variationen),  1746;  die  sechs 
>englischeu  Suiten«. 

Von  Bach'a  Söhnen  ward  der  genialste.  Friedemann  (1710 — 84),  Orgarust 
in  Dresden  (1733).  Halle  (1747).  Einem  wüsten  Leben  verfallen,  trieb  er  sicli 
seit  1764  umher  und  starb  in  Berlin.  —  Philipp  Etnanucl  (1714 — 88) 
Studiertc  Reditswissenschaft,  ward  1740  Kammermusikus  und  Cembalist 
Friedrich 's  d.  Gr.  und  ging  1767  als  Telernann's  Nachfolger  iiaclt  Hamburg. 
Neben  Kirch enkomposilionen,  Sonaten  und  Konzerten  für  Klavier,  \-ieleQ 
Liedern  u.  a.  hat  er  sich  einen  bleibenden  Namen  gemacht  durch  seinen 
•  Versuch  über  die  wahre  Art  das  Klavier  zu  spielen».  Unbedeutender  n-aren 
Christoph  Friedrich  (1732 — 95),  Konzertmeister  m  Bflckeburg,  imd  Joh. 
Christian,  der  »Mailänder«  cnier  »englische  Bach«  (1735 — 82). 

In  Gach's  Fuge  findet  die  kanonische  Form  ihre  höchste  Steigerung;  in 
seinen  Orgel-  xmd  Choral komposilionen  die  gesamte  bisherige  Orgelkunsi  ihre 
höchste  Vollendung,  in  seinen  Kantaten  die  protestantische  Kirchenmusik, 
getragen  vom  Choral,  ihre  vollkommene  Ausprägung. 

«  Fr.  ChrysiiDdvr,  G.  F.  Hänäfl.  Bd.  I— 3  erste  Häl^.  i8s8— 68.  HändtVi 
Wrrke.  Amg.  der  deiituchtn  HanddgesetlichBft,  Lcipz.  Brcilkopf  o.  HairUl.  — 
*•  Pb.  Spitta.y.  S.  Ba<h.  1873—80.  M>rkt:  Aittgahc  der  dcuucfaen  Bachg««eU- 
scliaJi  bei  Breitkopr  u.  HSrlcl  iii   Leipzig. 


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1750—1850.     KLASSIKER  UND  ROMAJiTlKER. 

%  6.    Das  Lizd*'. 

Als  im  Verlaufe  des  16.  Jahrh.  das  mehrstimmige  deutsche  Lied  durch 
die  ilalienischen  Formen  vt-rdrangt  ward,  crtiielt  sich  die  altere  und  volks- 
massige Melodie  nur  im  Kirchenlif-d.  In  die  Mrlodiehilriung  des  Kunstliedes 
drang  der  rezitierende  und  ariose  Stil.  Darüber  kam  es  bei  den  Licdersangem 
»ie  Schein,  Albert.  Stobaus,  Hammcn»chmidt  u,  \.  (s.  o.)  nicht  zu  einer 
eigenen  K-nschen  Form,  die  sich  national  weiter  entwickelt  hatte.  Im  Gegen- 
teil verlor  sich  im  17.  Jalirh.  das  Kunstlied,  z.  B.  bei  Ahle,  Krieger  u.  A.  auf 
immer  weitere  Abwege.  Das  deutsche  Volkslied  versclmindet  dem  Blick  im 
17.  Jahrh.  fast  gänzlich;  aber  es  lebte  natürlich  nicbt  nur  im  Stillen  fort, 
sondern  man  irrt  wohl  kiium  in  der  Annahme,  dass  sein  geistiges  Wesen  zu 
den  Elementen  zahlt,  vermöge  deren  sich  namentlich  in  Mittel-  und  Nord- 
deutschland iu  der  zu  Bach  und  Handel  Innfüluenden  Musik  trotz  der  er- 
drückenden fremden  Einflüsse  deutsche  .\rt  erhalt  und  mit  dem  Fremden 
verschmilzt.  Es  dauerte  doch  lange,  bis  die  seit  Opitz  neu  angeregte  »Oden-- 
komposition,  worunter  mau  eben  nur  das  Lied  verstand,  einen  neuen  Auf- 
schwung nahm.  AU  frühsten  Repräsentanten  eines  solchen  mag  man  den 
Braunschweiger  Joh.  Gräfe  mit  seinen  »Oden  und  Liedern«,  1737,  betrachten. 
Aber  bis  17(51  zühlt  dann  Maqiurg  in  den  Kritischen  Beitragen  bereits  39 
auf.  Dabei  schliessen  sich  in  der  Meltxiiehildung  die  Einen  enger  an  (Üc 
italienische  Arie,  wenn  aucli  mit  dem  Streben  nach  Vereinfachung  und 
stroplüscher  Gliederung  (Telemann,  Doles,  Graun,  Quants,  Bcnda),  die  An- 
dern enger  an  die  Bachsche  Art  der  Mdodienbildung  (Agricola,  Nichelmaim 
Marpurg,  —  \-gl.  S.  5q8  — ,  Phil.  Em.  Bach).  Seit  den  40er  Jahren  raaclit  sich 
ein  doppeltes  Streben  fühlbar:  das  eine  nach  BeschrSnlnit^  der  Melodie  auf 
die  Aufgabe,  die  Deklamation  der  Worte  pathetisch  zu  steigern;  das  andere 
nach  volksmässigcr  Einfachheit.  Beides  entspricht  parallelen  Bewegungen  in 
der  Literatur  von  Gottsched  bis  Goethe.  Hier  werden  die  Keime  des  mu- 
demcn  deutschen  Liedes  gelegt.  An  der  Spitze,  der  ersten  Richtung  finden 
wir  Gluck  in  ICIopslock's  Oden  und  Lieder  heim  Klavier  su  singen,  geschrieben 
mn  1772,  also  inmitten  seiner  grossen  RefoL-men  der  Gesangsmustk.  In  der 
andern  Richtung  ist  Joli.  Adam  Hülcr  (s.  S.  598)  der  Bahnbrecher.  Die 
schlichten  Liedchen  seiner  Singspiele  drangen  von  der  Bühne  herab  rasch  in 
weitesten  Kreisen  ins  Volk  {»Als  ich  auf  meiner  Bleiche«,  »Olme  Lieb  und 
ohne  Wein«  etc).  Er  kompanicrte  eine  Saramfung  von  Liedern  aus  Weisse'» 
Kiiidcrfreimd  u.  a.  In  gleichem  Sinne  wirkten  unter  Beihülfe  Bürger's  und 
de«  Göttinger  Diclitcrkrcises  auch  die  Musenalmaiiache  zur  Verbreitung  volks- 
tOmlichei  neuer  Liedweisen.  Als  Komponist  tritt  hierbei  besonders  Joh. 
Abraham  Schulz  (1747 — 1800)  hervor,  Schüler  Kirnbergcr's,  Milarbdter  an 
Sulzer's  Theorie  der  schßnen  Künste,  Musikdirektor  am  französischen  Theater 
des  Königs  in  Berlin,  1780  Kapellmeister  am  französischen  Theater  des 
Prinzen  Heinrich  in  Rheinsberg,  wo  er  seine  Chöre  zur  Athalia  schrieb.  Sie 
schafften  ihm  den  Ruf  als  Kapellmeister  nach  Kopenhagen.  1795  nahm  er 
seinen  Abschied.  Unter  seinen  zählreichen  Liedern  finden  sich  »Lieder  im 
Volkston  am  Klavier  zu  singen«,  1785,  mit  einer  theoretischen  Abhandlung 
über  das  Lied.  .\uch  schrieb  er  Gedanken  ilber  den  Einflms  der  Musik  auf 
die  Bildung  eines  Volkes  und  über  deren  Einfiiknmg  in  die  Schulen  der  kgl.  dän. 
Laoten,  1790,  wobei  es  sich  namentlich  um  Liedergesang  handelt.  Diesen 
Kreisen  entstammt  auch  Rud.  Zach.  Becker'»  MÜdeskeimisches  Uederhuck^  1799; 

SB* 


596 


Xni.  Kunst.    2.  Musik. 


überhaupt  ersrliieiicii  im  1800  eine  grosse  Anzahl  von  Sammlungen  solcher 
volkstümlichen  IJeder,  eigener  und  fremder,  för  alle  Verhältnisse,  Stande  und 
Alter.  Auch  begann  man  auf  dieser  Grundlage  das  4stinmiige  Gesellscliafts- 
lietl  zu  pflegen.  Der  Schweizer  Hans  Georg  NSgeli  (17OÖ — 1836)  grflndete 
im  Anfange  des  1 0.  Jahrha.  die  eisten  MännergcsangveR-ine.  Im  allgemeinen 
aber  verlief  sich  diese  Richtung  .luf  das  zu  eng  gefasste  Volksmässige  in 
Bedeiitungslosigkeil  und  Flallheii.  Einzelne  TonsetKer  wurden  jedoch  durch 
die  Texte,  denen  sie  sich  zuwandten,  namentlich  durch  die  Goelhcschc  Lyrik 
zu  höherem  Schwimg  erhoben:  ausser  Schulz  auch  Joh.  Friedr.  Rcichardt 
(s.  u..  wie  spüter  seine  Tuchter  Louise).  Zelter  (s.  u.)  und  Joh.  Kud. 
Zumsteeg  (1760 — ^1602),  seit  1792  Kapellmeister  in  Stuttgart,  den  namcnt- 
licli  Scliüler's  Dichtungen  zu  ersten  bedeutenderen  Versudien  der  Romanze 
imd  Ballade  anregten. 

Inzwischen  erfuhr  aber  das  Lied  eine  Steigerung  von  fielen  Sdten  her: 
durch  Hiller's  unicn  zu  nennende  Nachfolger  auf  dem  Gebiet  der  komischen 
Oper  Kauer,  \V>nzel  Müller,  Pet.  Winter,  Jus.  Weigl,  Himmel.  Diese 
freiUch  blieben  bei  der  einfachsten  Form  stehen.  Wichtiger  ward  die  Ein- 
wirkung der  grossen  Meister:  Gluck,  dessen  Refc^rm  der  Oper  vom  Geiste 
des  IJeiles  durchdrungen  ist;  Haydn.  in  dessen  InstrumentalwerkeJi  reiche 
Quellen  lyrischer  JleUxlienschöpfung  fliessen;  Mozart,  Beethoven,  Weber, 
die  jeder  nach  seiner  IndiWdualität  die  Liedbildung  venieflen  und  erweiterten 
iihne  dotl^  eine  als  kanonisch  zu  bezeichnende  Form  herauszubilden.  Dies 
geschah  erst  auf  der  dergestalt  gc^^*onnenen  Grundlage  durch  Löwe  und 
Schubert.  Karl  Löwe  (i7c>('i — iStKi),  seit  1820  Gymnasiallehrer  in  Stettin, 
ward  1821  ziy^Ieich  stadiischer  Masikdirektor.  Die  ersten  Hefte  seiner  langst 
hämisch nfU ich  vcrbtcitetcn  Balladen  erschienen  seit  1824.  —  Franz  Schubert 
(1797 — i8i8),  in  Wien  als  Sohn  eines  Schullehrers  geboren,  lebte  und  starb 
dort  ohne  ein  anderes  Amt  zu  bekleiden,  als  dass  er  1815 — 17  Gehülfe  seines 
Vaters  war. 

Sein  >Gretchen  am  Spinnrad«  wurde  schon  1814,  45  seiner  Goetliescfaen 
Lieder,  darunter  der  Erlkönig  sowie  seine  Osslaugesange  wurden  schon  1815 
komponiert,  »der  Wanderer*  181Ö,  »Lob  der  Thranen»  1817,  das  sogen, 
Forellen quintclt  [810.  Zuerst  gedruckt  ward  als  op.  i  »der  Erlkönig«  1821. 
Musik  /.um  Drama  Rosomundc  und  die  Oper  >dcr  hfluslichc  Krieg*  1823. 
rMulterlieder«  gedruckt  :823.  Auch  die  Oper  >Estrellac  stammt  aus  dieser 
Zeit.  iWinterreise«  gedruckt  [82() — 27.  Den  letzten  Lebensjahren  gehören 
seine  bedeutendsten  Kammermusiken  und  Klaviei-sachcn;  seinem  Todesjahr 
die  (7.)  Symphonie  C-dur  an:  v«>n  Schumann  aus  seinem  Nachlass  hervor- 
gezogen. Von  Mendelssohn  zuerst  i8,iq  in  Leipzig  aufgeführt. 

Schubert,  in  früher  Jugejid  durch  3  Hefte  Zumsicegscher  Lieder  starii 
angeregt,  ist  durch  die  Goethesche  LjTik  auf  die  Höhe  des  eigenen  Schaffens 
gehoben.  Von  andern  Dichtem  zog  ilui  Wilh.  Müller  besonders  an.  Sonst 
erscheinen  in  seinen  Liedeni  neben  mancherlei  Wiener  Dichtem  des  Tages 
nur  ganz  einzebi  Uliland,  Ptaten  und  Ruckert,  Heine  erst  unter  den  Liedern 
des  »Schwanengesang»,  der  nach  Schubert's  Tode  gedruckt  ward. 

Diesen  beiden  folgten  als  die  grössten  Meister  des  Liedes  bis  zur  Mitte 
des  Jahrhs.  Mendelssohn  und  Schumann  (s.  u.),  Mendelssulm  im  Liedc 
zwar  selten  durch  Tiefe,  immer  aber  durch  Innigkeit,  Anmut  und  edle  Form 
ausgezeidmet;  Schumann,  der,  wahrend  Schubert  bei  Hebie  endet,  im  »Liedet- 
kreis«  op.  .>4,  mit  ihm  bcgirmt,  die  Melodiebildung  aufs  Tiefste  mit  dem 
Gemiitsleben  durchdringend,  den  reich  durchgebildeten  Musikkorper  der  Be- 
gleitung aufs  Iruiigste  mit  der  Melodie  verschmelzend. 


Neben  diesen  grössten  Mastern  nimmt  Robert  Franz  einen  chrcn%'ollen 
putz  ein,  geb.  ifiij,  seil  1S37  Organist  und  Universitatsmusikciirektor  in  Halle. 
Audi  Willi.  Taubert,  geb.  181 1,  seit  184^  Berliner  Hofkapellmetstcr  i^seiiie 
anmutigt-n  Kinderlieder,  siel>en  Hefte,  erschienen  1840 — (to).  —  Das  Volks- 
lied ward  mit  scbi^nem  Krfolg  in  Samnilunj;en  und  eigenen  Knnipdsttinnen 
kultiviert  von  Friedr.  Silcher  (17^*9 — 1860),  seit  1Ö17  Univcrsitatsmusik- 
direklor  in  Tflbingen  und  vrni  Ludw.  Erk  (1807 — 83)  in  Berlin,  se-it  iS.57 
kgL  Musikdirektor. 

Unbedeutender,  aiuserlieh,  zumeist  nur  der  Tagesliteratur  angehörend, 
vielfach  sOsslich  und  phrasenhaft,  gerade  darum  freilich  Lieblinge  der  grossen 
Menge  waren  Kari  Friedr.  Cursclimann  ^1805 — 41),  der  doch  gehaltvollste 
dieses  Kreises,  Heinr.  Proch  (1809—78),  1840—70  Hofopcmkapellmeisier 
in  Wien,  Friedr.  Willi.  Kücken  (1810 — 82).  1853  K;q3cllmcister  in  Stuttgart, 
lebte  seit  iSin  in  Schwerin;  Franz  Abt  (löiq — 85),  seit  Jb$s  Braunschwei- 
gischcr  Horkapellraeister,  Ferd.  Gurabert  (geb.  1818)  in  Berlin  und  Köln 
und  viele  Andere. 

Seit  dem  Anfange  des  Jahrhunderts  hatte  in  der  Schweiz  der  Züricher 
Musiklehrcr  Hans  Georg  Naegeli  (1/73 — '^3^')  'ßr  den  Churgcsang  des 
Liedes  gewirkt  und  insbesondere  auch  ffir  4  stimmigen  Mftnnergesang  (ein 
musikaUsch  wenig  ergiebiger  Stimmenkörper).  Er  selbst  schrieb  dafOr  viele 
licder,  die  rasche  Verbreitung  fanden.  Jm  Jahre  1S08  gründete  Zelter  in  Berlin 
aus  Mitgliedern  der  Singakademie  die  erste  •Liedertafel«  fitr  Mannerquartett 
Zunjlclist  folgte  die  Schweiz  unter  Naegcü  dem  Beispiel.  Bald  waren  die 
Liedertafeln  über  ganz  Deutschland  ^'crbreitet.  Es  waren  die  Jahre,  in  denen 
K.  M.  V.  Webers  patriotische  Lieder  die  Gemüter  ergriffen:  1ÖJ4  schrieb 
er  seine  Männerchvire  zu  Körners  »Schwertliede  und  »Lüizows  wlde  ver- 
wegene Jagd«.  Die  Liedertafeln  hatten  von  Anfang  an  ^schnn  die  Zellersche) 
eine  patriotisch-politische  Färbung.  Wie  Naegeli  und  Zeher,  so  schrieben 
Berger,  Klein,  der  Dessauer  Schneider,  Methfessel,  Marschner,  Conradin 
Kieuzer,  Löwe,  Dom,  Mendelssohn  für  das  Mnnnerquartett  nebst  viel  andern 
Geistern  geringeren  Schlages  ^Zöllner,  Jul.  Otto,  Abt),  unter  deren  H^den 
dieser  ganze  Kunstbetrieb  zur  Geschmacklosigkeit  und  Plattheit  herabsank. 

*T  Auj^  R^issm&nn,  jObj  druiscke  Lied  in  t.  kislor.  EnfvricMtrtg.  1861, 
—  GtsthkhU  tUi  d<Hiu-hen  Lkäfs.  1874.  —  K.  E.  Schneider,  (irtrhicku  rfw 
dnttichen  Lieä^i.  —  Lindner.  Die  Oiuhichte  des  deutuAen  /.iedet.  1874.  — 
Bcrnh.  Seyfcrl,  Das  mttsikaliseh-x'olkstiimWc/te  Lied.  Vierteljabrsdu'.  f.  Mosik- 
wuscoscfa.   1894.  S.  33  f.     Vgl.  dazu  ebenda  S.   234  f. 


§  7.    Oper  uku  Cuorhusik. 

Die  italienische  Oper  (s.  o.  S.  58g)  lebte  in  Wien  bis  ins  ig.  Jahrh.  hinein 
fort,  teils  untrr  italienischen  I^iteni.  wie  1716—36  Caldara,  1774— 1824 
Salieri,  teils  unter  deutschen,  wie  Gluck  und  1764—74  Flor.  Leop.  Gass- 
mann. Ebenso  in  Dresden  nach  Hasse"a  Pensionierung  1763  imtcr  Job. 
GottL  Naumann  (1741—1801),  Hofkapellmeister  seit  1776.  der  rfjcn  wie 
Hasse  ganz  im  italienischen  Stil  aufging.  Nach  Berlin  ward  diese  deutsdi- 
itaUousche  Schule  erst  durch  Friedrich  d.  Gr.  verpflanzt  Karl  Heinrich 
Graun  (1701— ,5g),  1726  (ital.)  Vizekapellmeister  in  Braunschweig,  1735  als 
Sänger  und  KomjMmist  nach  Rheinsberg  berufen,  und  1 740  zum  Kapellmeister 
ernannt,  richtete  die  ital.  Oper  im  neuerbaulen  Opernhaus  ein  und  blieb  bis 
zn  seinem  Tode  ihr  Leiter  und  Komponist.  Neben  ihm  wirkten  Job.  Joadi. 
Quanz  (i697_i773),  der  berühmte  Flfllenblaser,  in  Neapel  durch  Scarlaiti 
g^ildet;  PhiL  Emau.  Bach  (1714— SB),  Schüler  seines  Vaters  Joh.  Sebastian. 


598 


Xm.  Kunst.    2.  Musik. 


1740—67  erster  Cembalist  des  Königs,  dessen  deuisch-iialienischem  Geschmack 
er  sich  ganz  anzupassen  wxisstc;  Christoph  Nichclmann  (1717—6^),  eben- 
falls Jnh.  Seb.  Bach's  Schüler,  1744—56  zweiter  Cembalist  des  Königs;  Job. 
Friedr.  Agricola  (1720 — 74),  auch  er  ein  Bachianer.  1751  zum  Hor-{Opem-) 
Komponisten  ernannt  und  1759  als  Dirigent  der  Kapelle  Graun 's  Nachfolger. 
Ais  Theoretiker.  Scbriftsteller  und  Lehrer  von  her\'orragender  Bedeutung 
wirkten  in  Berlin  zugleich  Friedr.  Wilh.  Marpurg  (1718—9^5),  Lotterieein-' 
nehmer,  und  Job.  l'hil.  Kirnbergcr  (1721— H3),  Schüler  Job.  Seb.  Bacb's, 
Cembalist  der  Prinzess  Amaüe  von  Prcusscn  {-»Die  Kunst  des  leincn  Satzes 
in  der  Musik«  1774— 79  u.  s.  w.).  Der  letzte  Sprosse  dieser  Schute,  die  sich 
aber  inzwischen  mehr  und  mehr  der  deutschen  Seite  zugewandt  hatte,  war 
Karl  Friedr.  Chr.  Fasch  (1736— 1800),  der  1790  die  Berliner  Singakademie 
grtüidete.  Als  Leiter  folgte  ihm  hier  sein  Stbüler  Kad  Friedr.  Zelter  (175b 
bis  183J),  gldth  eindussrelch  als  Kirchen-  und  Lietlerkomponist  und  als 
Theoretiker  und  Lehrer.  Ihm  folgte  an  der  Singakademie  wieder  sein  Schüler 
Rungenhagcn  (1778—1851).  —  Der  letzte  italicnisdic  Kapellmeister  in 
Berlin  war  Vincenzo  Righini  (1750—1812),  nach  Berlin  1793  berufen.  Die 
ital.  Oper  ging  1806  ein. 

Inzwischen  war  längst  eine  deutsche  Oper  erblüht:  Aus  gleicher  Neigung 
und  Richtung,    wie    das    deutsche  Lied,    entstand    in   Leipzig    ein    deutsch« 
Singspiel,    dessen  Vater  auch   derselbe  Job.  Adam  Hitler  (1728—1804)  ist 

1762  hatte  er  in  Leipzig  d;is    »öffentliche  Konzert«    eingerichiel   und   ward 

1763  Leiter  des  =grossen  Kotizerlcs«,  seit  1781  •Ge'A"andbauskunzert<  genawit. 
Nach  Dulea  Pensionierung  erhieh  er  178g  das  Thomaner  Kantorat.  Ihn 
nun  veranlasste  der  Schauspiel  prinzipal  Koch,  zu  Christ.  Fei.  Weisse's  deut- 
sdier  Bearbeitung  von  Coffcy's  The  devit  to  pay  (*Der  Teufel  ist  los  oder 
die  verwandelten  Weiber«)  die  Musik  zu  schreiben;  zuerst  aufgeführt  lyi 
Die  vornehmeren  Personen  liess  Hiller  im  Stil  der  ital.  Arie  singen,  den 
Personen  des  Volkes  aber  gab  er  jene  schlichten  Licdwciscn,  die,  aus  dem 
ganzen  Zug  der  Zeit  zur  Zurflckffthruug  der  Kunst  zur  ursprünglichsten 
Quelle  des  Volksmassigeu  hervorgehend,  so  schnell  die  Liebe  des  Volkes 
errangeu  und  sich  teilweise  bis  heute  erhalten  haben.  Das  ward  der  Aus* 
gangspunkt  für  ein  deutsches  Singspiel,  welches  sich  an  die  franz.  komische 
Oper  anlehnte.  Hiller  selbst  schrieb  bis  1771  noch  eine  Reihe  soldier 
Singspiele  (deren  2  oder  3  erste  also  Goethe  als  Student  in  Leipzig  gcsch« 
hat).  Sie  verbreiteten  sich  rasch  an  allen  deutschen  Wanderbülmen,  ill* 
Berlin  durch  die  DAbbelinsche  Truppe,  welche  dort  1786  zum  Hof-  und 
Nationaltheater  erhoben  ward.  Von  177!— H6  hatte  man  hier  schon  an  loo 
solcher  Singspiele  gegeben.  Hier  wurden  2.  B.  Gocthe's  Erwin.  Claudine, 
Jcr)*  u.  R.  mit  Musik  vtm  keirhardt  gespielt  und  1804  Kotzebue's  Fanchon 
mit  Musik  von  Friedr.  Heinr.  Himmel  (1765— 1814).  seil  1795  Kapellmeister 
in  BerUn.  Den  nachhaltigsten  Aufschwung  nahm  aber  dies  Singspiel  in  Wien. 
Hier  war  schon  1760  Gassmann's  ^Liebe  unter  den  Handwerksleutcu«  gespidl. 
Wühl  die  erste  deutsche  Wicden^bc  einer  ital.  opcra  buffa.  Im  Stil  des 
deutschen  Singsjiieles  folgten:  Karl  Ditler  von  Dittcrsdorf  (1739 — 99); 
»Doktor  und  Apotheker«  1786;  Hieronymus  Knicker  1787;  Rotkäppchen, 
1788  u.  a.,  Job.  Schenk  (1755— 1836)  »Dorfbarbier«  u.  a.  Wenzel  Müller 
(1751— 1831)  'Neusonnuigskind«  1793.  »Schwestern  von  Prag«  1794,  »Teulels- 
mtthle  am  Wienerberge*  1799  u.  a.;  auch  zu  mehren  Raimundscheii  Possen 
schrieb  er  nfx-h  die  Musik.  Job.  Weigel  (i7')5 — 1846}  die  »Schweizerfa 
u.  a.  Näcltsl  diesen  Wienern  sind  besonders  zu  nennen:  Chr.  G( 
Neefe  (1748—98),  Musikdirektor  in  Bonn;  Georg  Bcnda  (1721—99),  Kapeil- 


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mclstci  in  Gutha;  Peter  v.  Wiultrr  (i"54— 1825).  Kapellineistcr  in  München; 
Tgnaz  Holzbauer  (1711—83)  in  llaniihoim;  Anton  Schweizer  (1/37 — ^7) 
in  Weimar  und  Gotha;  Ernst  Wilh.  Wolf  (1735—92)  in  Weimar;  Job.  Andre 
(1741—99)  LH  Offenbach  u.  s.  w. 

Die  meisten  tlcr  genannten  schrieben  aber  auch  in  grosserem  Stil  der  mittler- 
weile geschaffenen  deutschen  Oper,  deren  grosse  Meister  kunt  genannt  seien. 

Christoph  WUibald  Gluck  (1714— 87)**  begann  als  Kompt»nist  italienLscher 
Opern,  deren  er  auch  spater  und  bis  zuletzt  im  Hofdienst  schrieb.  In  London 
erfulir  er  1740  entscheidende  Einflüsse  von  HSndcIschcr  Musik.  Den  Weg 
seiner  grossen  Refi>rTO  betrat  er  17Ö2  mit  >Orpheus*,  Text  von  Calzabigi 
Es  folgten  Calzabigt's  »Alcesle«  1707,  desselben  »Paris  und  Helena*  1770^ 
Le  Blänc's  und  du  Roullet's  »Iphigenie  in  Auhs<  1774,  Quinault's  »Armide» 
1777  und  Giiillard's   »Iphigenie  in  Tauris«    1779. 

WoUgaiig  Amadeus  Mozart**  (175t)— 91),  Schüler  seines  Vaters,  des  erz- 
bischOflichen  Konzertmeisters  Leopold  M.  in  Salzburg.  Erste  Kunstreisen 
1762,  1766,  1767—60  (erste  Oper  La  finta  sempüce  und  das  Singspiel  »Bastien 
und  Bastienne*),  erzbischiVflicher  Konzertmeister  1769;  drei  Reisen  nach  Italien 
1760—7^  (mehre  grosse  Opern  ilalien.  Stiles),  Aufenthah  in  Salzburg  1773—77: 
La  finta  jardinicra  (f(\r  Älünchen)  1774;  eine  Anzahl  Kirchcnkomposilionen 
fallt  in  diese  Periode;  Reise  nach  Paris  1777  imter  Verla^jsen  des  erzbischöf- 
liclicn  Dienstes,  in  den  Kl.  177g  notgedriuigcn  als  Kouzerluicister  und  Huf- 
organist weder  eintrat,  bis  er  ihn  infolge  andauernder  gerin gsciifltziger  Be- 
handlung und  schliesslich  Mishandlung  1781  für  immer  verliess.  1780  hatte 
er  inzwischen  (wieder  für  München)  den  »Idoraenco«  gescliriebcn  und  damit 
die  Bahn  seiner  Reform  und  künftigen  völligen  deutschen  Selbständigkeit 
betreten.  Er  lebte  seit  1781  in  Wien,  seit  1782  mit  Konstanze  Weber  ver- 
heiratet. »Eulfühnmg  a.  d.  Serallc  1782.  In  diese  Periode  fallen  die  be- 
deutendsten seiner  Klavierkonzerte,  Trio's  und  Streichquartette  nebst  anderer 
Kammemmsik  und  drei  Syiuphonicu.  *Dcr  Schauspieldireklor«  1786;  »Figaro's 
Hüchzeit<  1786  (in  Wien);  »Don  Juani  (in  Prag)  1787;  die  Symphonien 
Es-dur,  G-moll  und  C-dur  178Ö.  Eingehende  Beschäftigung  mit  H.1ndcl 
1788—89,  mit  Bach,  seit  er  Werke  von  ihm  in  Leipzig  I78q  auf  einer  Reise 
nach  Berlin  gehört  hatte.  *Cosi  fan  tuttc»  i'^qo.  Wahrend  der  Wintersaison 
rausste  M.  als  kaiserl.  Kammermusik us  mit  dürftigem  Gehalt  für  die  Hofballe 
die  Tanze  schreiben.  >Titus«,  die  *Zauberfl<"fte«  und  das  nicht  ganz  beendigte 
Requiem  geh^»ren  seinem  Tr>desjalir  an. 

Beethovens  FidcHo  (s.  u.)  ward  1805  zum  ersten  Mal  gespielt. 

Karl  Maria  v.  Weber  (1786-1826),  Schüler  Abt  Vogler's,  seit  1816 
Kapellmeister  In  Dresden,  hatte  schon  1810  Silvana,  181 1  Abu  Hassan  auf 
die  Bühne  gebracht  Preciosa  1820;  Freischütz  (zuerst  in  BitHd)  182 1; 
Euryanthe  1823  (zuerst  in  Wien);  Überon  (zuerst  m  London)  1826. 

Ludwig  Spohr  (1784— 1859),  seit  1822  Kapellmeister  in  Kassel:  Faust 
1813,  aufgeführt  zuerst  1816  in  Prag;  Zemire  und  Azor  1818;  Jeasonda  1823. 

Franz  Schubert  {s.  o.  S.  596)  EntrcUa   1S22;    .Hauslicher  Krieg«    1823. 

Peter  Jos.  Lindpaintner  (1791^1856),  seit  1819  KapcllmeLsler  in  Stuttgart; 
Vampyr   1828  und  zalUrcidie  schnell  vergessene  Opern. 

Karl  Heinrich  Marschner  (1795—1861),  seit  1830  Kapellmeister  in  Han- 
nover: Vampyr  1828;  Templer  und  Jüdin  1830;  Hans  Hcüing  1833;  Adolf 
von  Nassau  1S44. 

Kari  G'-iltl.  Reissiger  {J798— 1859),  seit  1827  Kapellmeister  in  Dresden: 
Yelva  1828,  nebst  zahlreichen  bald  verschollenen  Opern. 


Konradin  Kreutzer  (1780— 1849)  »Das  Nachtlager  in  Granada«  1834 
u.  s.  w. 

Franz  Glaser  (1780— 1869),  1830  in  Berlin,  seit  1842  Kai>cllmeister  in 
Kopenhngen;  »Adlers  Horst«  u.  s.  w. 

Aug.  Krebs  {1804—80),  seit  1827  Kajjellmeistcr  in  Harabui^,  seit  185a 
in  Drcsdcn. 

Fnui/  Lachner  (1804— 1890),  seit  1834  in  München:  Catarina  Coraaro. , 

Giacomo  Meyerbeer,  Bruder  Midiael  Beer'a  (1791  —  1864),  seit  184J 
Generalmusikdirektor  in  Berlin;  Robert  d.  Teufel  1830  (erst  1832  in  Berlin); 
Hugenotten  [836;  Feldlager  in  Sc:hlcsien  1844  (umgearbeitet  als  Vielka  1847, 
mit  neuem  Text  als  Nurdstem  1854);  Prophet  184^  (in  Berlin  erst  1850); 
Dbiorah  1859;  Alrikancrin,  kam  erst  nacli  des  Meisters  Tode  1805  21 
AuffOlirung. 

Robert  Schumann  (s.  u.)  Geuofeva  1848.  (Die  Musik  zu  Byrons  Man- 
fred 1849.) 

Richard  Wai-ners  (-istr  dramatische  Werke  kamen  allerdings  schon  in 
dieser  Periode  auf  die  Bühne;  seiner  vnllen  Entfaltung  nach  gehört  aber  der 
Meisler  nicht  mehr  hierher. 

Endlich  seien  noch  als  Schöpfer  komischer  Opiem  genannt;  Alb.  Lortzing 
(1803—51)  Die  beiden  Schützen  1836;  Czar  und  Zimmcrman  1837;  Wild- 
schütz 1842;  Undine  1844;  Waffenschmidt  1845  u.  a.  —  Friedr.  v.  Flotow 
(1812—83)  Stradella  1844;  Martlm  1847.  —  Otto  Nicolai  (1810-49), 
1841  Ilofkapellmeister  in  Wien,  1847  in  Berlin:  Die  lustigen  Weiber  1849, 
die  Perle  dieses  Kreises. 


Die  geistliche  Musik  scheidet  sich  in  die  gottesdieiisllicjien  Musiken  und 
die  Oratorien,  Von  ersteren  ist  in  dieser  Periode  eigentlich  nur  in  der 
katholischen  Kirdie  die  Rede.  Alle  oben  (S.  ,SQ7)  genannten  Meister  der 
talienLsch-deulschen  Schule  schrieben  zugleich  Kirchmnnusiken:  Messen  und 
Requiems,  Graduale?  und  OffL-rtLiricn,  Psahnenuud  Magnifikats.  Passionsrausikeu, 
Litaneien,  l lyninen  u.  a.  Kbcnsti  die  katholischen  Meister  der  deutschen 
Schule:  von  Jos.  Haydn  besitzen  wir  14  Messen,  2  Tedeum,  eine  instru- 
mentale Passionsmusik:  »Die  sieben  Worte  am  Kreuz«  u.  a.  Neben  ihm  war 
sein  jüngerer  Bmder  Michael  (1737— 1806),  seit  1763  erabischöfl.  Concert- 
meistcr  in  Salzburg,  ein  ebenso  fruchtbarer  wie  beliebter  Kirchenkomjxjnisl; 
50  Messen,  r^S  Gradualt-s  und  Offertorien  u.  s.  w.  Von  Mozart  besitzen 
wir  neben  vielen  anderen  Kirchenmusiken  15  Messen,  fast  alle  seinen  jüngeren 
Jahren  angehörend,  die  spateste  von  1783;  zwar  sehr  weltlich  in  ihrer  ganzen 
Haltung,  aber  voll  musikalischer  Schönheit:  dazu  das  berühmic  Requiem. 
Beethüvcn's  2  Messen  sind  von  1810  und  1823.  Eine  sehr  grosse  Menge 
von  Kirchenmusiken,  mehr  geistreich  als  tief,  schrieb  Abt  Vogler*  (Gcoij 
Jos.  V*.  I74tj — 1814),  seit  1807  geisl).  Rat  und  Hofkapellnistr.  in  DarmstadL 
Auch  Karl  Maria  v.  Weber  scimeb  2  Messen,  1S18  und  1819,  Hummel 
3  Messen  u.  a.  Zu  den  wertvolleren  Arbeiten  dieser  Gattung  gehören  ferner 
diejenigen  Benihard  Klein's  (1793—1832).  Musikdirektor  an  der  Berliner, 
Universität;  und  der  beiden  Münchener  Joh,  Kasp.  Aiblinger  (1779— 1867), 
seit  1825  Kapellmeister  in  München,  und  Kaspar  Ett  (1788 — 1847),  seit 
18  ib  dort  Organist  an  der  Micbaelakirchc.  Ein  nocli  grösseres  Verdienst  als 
durch  die  eigenen  Kompositionen  erwarb  sich  der  letztgenannte  dadurch, 
d:iss  er  die  Messen  Lassu's,  Palestrina's  und  anderer  grosser  Meister  der 
alten  Zeit  zuerat  wieder  in  den  kirchlichen  Gebrauch  einführte  und  daduidi 


eine  ebenso  folj^n reiche  Anregung  gab,  wie  der  junge  \rencieIssohn  in  Berlin 
durch  die  ensle  Wiederauf fnhning  der  Rich'schen  Malthauspassion  L  J.  1829. 

In  der  evangel.  Kirche  war  und  blieb  wahrend  dieser  ganzen  Periode 
die  gottesdieiistüdie  Chonnusik  bis  auf  ganz  vereinzehc  Nachklange  und 
fruchtlose  Verauche  stumm.  Der  Orgt-lslü  und  die  Behandlung  da»  Choral- 
gcsangcs  litten  an  V'erznpfung  und  Trorkenheit,  bis  durch  die  auf  die  Altere 
Zeit  znrOckgreifenden  Bestrebungen  von  Männern  wie  Winierfeld.  v.  Tucher, 
Layritz,  Faisl  u.  a.  eine  bessere  Zeit  anbnich,  Die  lüdiligsten  Meister  auf 
diesem  Gebiet  waren  Quanz,  Hillcr,  sein  Schaler  Joh.  Gottfr.  Schicht 
(1758—1823).  seit  1810  Thomaner  Kuntor  in  Leipzig,  und  die  Bach'schen 
Epigonen  Joh.  Christ.  Kitte!  (1732  — 1801)},  Bnch's  Schüler,  seit  1756  Organist 
in  Erfurt;  Karl  Teophil  Urabreit  (1763—1829),  Kittel's  Schüler,  seil  17Ö5 
OoranLst  in  Sotuicborn  bei  Gotha;  ÄHch.  Gotth.  Fischer  (1773 — 1629), 
Kittels  Schüler,  seit  1790  Organist  in  Erfurt;  Joh.  Christ  Heinr.  Rinck 
(1770— 1846).  ebenfalls  ein  SdiQler  Kitlel's,  seit  1805  Organist  in  Darmstadt, 
Karl  Ferd.  Becker  (1804,-77),  seit  1825  Organist  in  I^ipzig  u.  A. 

Auf  das  l,)ratorium  hat  Graun 's  letztes  Werk  »Der  Tod  Jesu«,  gedruckt 
erst  ijfx),  cinun  lange  dauernden  Einfluss  geübt.  Erst  seil  den  siebziger 
Jahren  des  18.  Jahrhs.  greift  die  Bekanntschaft  mit  Hflndel's  Werken,  um 
die  wiederum  Hiller  in  Leipzig  ein  Ha'a]Jiverdien.st  halle,  bebend  und  läuternd 
ein.  Auch  auf  diesem  Gebiet  sind  die  grossen  Meister  ihatig:  Mozart's 
Davidde  penitente,  1785;  Haydn's  »Schöpfung«,  1798  (-Jahreszeiten«  1799); 
Beethoven 's  >Chri.slu.s  am  Ölberg«,  1800.  Unter  den  jüngeren  ragen  ]ier>'or: 
Spohr  (>Die  letzten  Dinge-  1829;  »Des  Heilands  letzte  Stunden«  1835; 
»Der  Fall  Babylons«  1840)  und  besonders  Friedr.  Schneider  (1786—1853), 
seit  1831  Kapellmeister  in  Dessau  (Weltgericht,  1820;  Sündfiut,  1824:  verlor, 
Paradies,  1825;  ClirLstus  der  Meister,  1828;  Pharao,  1829:  Gideon,  1S34;  be- 
freite Jerusalem.  1 837 ;  Gethsemane  und  Golgatha,  1839).  Karl  Eckert 
(1820— 187g;  Ruth.  1834;  Judith,  1841).  Weit  empor  ragt  aber  hier  Mendels- 
sohn Ober  alle  Zeitgenossen,  indem  er  wieder  unmittelbar  an  Bach  und 
Handel  anknüpft,  wie  in  seinen  gottesdiensllichen  Canlalen.  Motelten.  Psalmen, 
Oiorftlen,  so  in  den  beiden  Oratorien  Paulus   1836  und  Elias  184Ö. 

Ais  die  einflnssreichsten  Theoretiker  und  Lehrer  dieser  Epoche  sind 
endlich  noch  zu  nennen:  Joh.  Georg  Albrechtsbcrgcr  (1736 — i8oc^),  seit 
1772  Hoforganist  in  Wim,  seit  [703  Domkapcllmstr.  zu  Sl  Stejihan.  Adolf 
Bemh.  Marx  11790—1866),  seit  1824  in  Berlin,  1832  Universitats-Musik- 
dircktor.  Moritz  Hauptmann  (i7<>2 — 1868),  als  ausgezeichneter  Geiger  ein 
Schüler  Spohr's:  seit  1822  in  Cassel,  1842  Thomaner  Cantor  in  Leipzig,  als 
Komponist  am  bedeutendsten  in  seinen  kirchlichen  Arbeiten. 

**  fiio^apkie  (iluck'i  von  Aotiin  Schm'ul,  1854.  —  A.  B,  Marx,  Gluck 
und  tii^  Oper.  1863.  —  "  OU"  Tai"».  W.  A.  Mutart.  2.  Aufl.  1867.  —  *"  v. 
Scharbäuil,  Abi  G.  J.   VogUr.   1888. 


%  8.     Die  INSTRU&CEXTALMUSIK. 

Die  höchste  und  eigentümlichste  Offenbarung  des  deutschen  Genius  in 
dieser  Periode  Hegt  in  der  Instnmicntalmusik,  und  ihre  Hauptform  ist  die 
Sonate  Die  Sonatenform  ist  im  taslt^ndcn  Sudien  nach  einer  sich  in  sich 
sdbst  vollendenden  und  abrundenden  Gestak  im  Ansrhluss  an  die  alte 
itaüenisclie  Sonate  allmaliüch  vorbereitet.  Von  Phil,  Eman.  Bach  ausgehend 
fand  Haydn  ihre  abschliesiiendc  all^meinc  Fonn  und  hob  deren  musikalische 
I^rinzipien   zu  deutlicher  Erkeimtnis.    Sie   wird   durdi   ihn   rar   kanoiüschen 


Fonn  für  alle  grfissere  Inslrumentalmusik :  für  das  Orchester  als  Symphonie, 
für  die  Kammennusik  iii  den  nijtnnigfalügsten  Kombinationen  des  Duo,  Ter- 
zett, Trio,  Quartett,  Quatuor,  Quintett,  Sextett,  Septett.  Octett,  Noncti;  ihnen 
Namen  der  Sunatc  hat  sie  nur  auf  dein  Kla%'iei  behalten.  Einen  etwas 
abweichenden  Bau  behält  allein  das  Konzert  durch  die  Gegenfibersteil ui\g 
des  Soloinstrumentes  und  des  Orchesters.  Bei  Haydn  selbst  hat  übrigens 
die  Sonatenfunn  ihre  vullslc  EnlfaUung  noch  nicht  gefunden,  sondern  erst 
bei  Beethoven.  —  Die  aheren  Instrumentalformen  der  Sercnate,  Cassation 
(beides  ursprt\nglich  Abends  tandchen)  werden  bis  zu  BeeUioven  herab  noch 
einzeln  gebraucht  Eni  vüd  jüngeren  Kumponü^ten,  wie  Franz  Lachner  ist 
die  alte  Form  der  Suite  wieder  her\'orge zogen  und  teilweise  weiter  entwickelt 
worden.  Als  kleinere  Hauptform  aber  steht  seit  Beethoven  neben  der  Sonate 
die  Ouvertüre.  Auf  dem  Klavier  werden  Lied,  Tanz  und  Charakterstück  in 
den  mannigfaltigsten  Gestalten  zu  hoher  Kunstblüte  entwickelt. 

Jos.  H  a y  d  n  ^'  ( 1 732 —  1 809),  musikalisch  erzogen  (als  Chorsanger)  im 
Kapellhaus  zu  Wien  vom  DomkapeElmeister  Georg  Reuiter,  schrieb  sein 
erstes  Singspiel  » Der  krumme  Teufel»  vun  Kurz-Bemardon  1 75 1 ;  erstes 
Streichquartett  1755;  erste  Symphonie  1759;  seit  1701  Kapellmeister  des 
Grafen  Eszterhazy  zu  F.isenstadt,  mit  dem  er  meistens  die  Wintemionalc 
in  Wien  zubrachte.  Er  hinlerliess  ungefähr  an  Symphonien  125,  Streich- 
quartetten 77;  gedruckte  Sonaten  i^  24  Smgspiclc  u.  s.  w.  Erste  Reise 
nadi  London  Dezember  1790  bis  Juni  92;  in  Oxford  zum  Doktor  promo- 
viert; seitdem  bUeb  H.  dauernd  in  Wien.  Zweite  Londoner  Reise  Januar 
1794  bis  Augusi  95.  Das  Lied  =Gott  erhaJte  Franz  den  Kaiser«  zu  des 
Kaisers  Geburtstag  12.  Febr.  1797.  "Schöpfung«  1798  (auch  Haydn  ward 
durch  die  in  England  erfahrenen  Eindrücke  von  Händel'scher  Alusik  zum 
Oratorium  geführt),  ^Jahreszeiten«   17'Cjg. 

Mozart:  s.  0.  S.  590. 

Bis  in  die  ersten  Jahrzehnte  unseres  Jahrhunderts  herab  wurden  nebeji 
Haydn  und  Mozart  Adelb.  Gyrowetz  (1763 — 1Ö50)  als  Schöpfer  zahlreicher 
Werke  aller  Gattungen  der  Kirchen-,  Theater-  und  Kammcrrausik  und  Leop. 
Kotzeluch  (1753 — 1814)  hauptsachlich  als  Klaviermeister  gefeiert,  selbst 
oft  Ober  die  grossen  Meister  gesetzt.  Ludwig  van  Beethoven  (1770  bis 
1827),  in  Bonn  unterrichtet  von  Neefe  {&.  o.  S.  598)  und  seit  1782  dessen 
Adjunkt  an  der  Orgel,  auch  erzbischöfl.  Cembalist,  besuchte  1787  auf  kurze 
Zeit  Mozart  in  Wien,  lyuz — 93  Haydn's  Sdiülcr,  spater  Albrechtsbcrger's  in 
Wien,  das  er  fortan  auf  die  Dauer  nicht  mehr  verhess.  Erstes  öffentliches 
Auftreten  als  Klavierspieler  und,  Komponist  (C-dur-Concert,  gedruckt  erst 
18011  1705.  Die  drei  Trios  op.  1  1795;  »Adelaide'  179(1;  die  Sonaten  be- 
ginnen mit  op.  2  179Ö;  Concert  B-dur  179O;  Sonate  pathctique  1799;  Septett 
op.  20  i8üo;  .-Chiistus  am  ölberg«  179g — 1803.  Schon  rSoi  ürgannen  die 
in  Taubheit  endenden  Gehörsstörungen.  Die  0  ersten  Quartelle  1800 — l; 
Concert  C-moll  iSoo;  erste  Symphonie  C-dur  i8üo;  Sonaten  As-dur  op.  20^ 
£s-dur  und  Cis-moll  op.  27  iHoi;  zweite  Symphonie  D-dur  1802;  Sonate 
F-mc»lI  op,  57  1Ö04;  erste  Aufführung  der  dritten  Symiihonic  Eroica  1805; 
»Kreuzersonate-  für  Klarier  und  Geige  op.  47  1805;  erste  Auffültrruig  des 
Fidelio  1805  (allgemeiner  verbreitet  erst  in  der  dritten  Bearbeitung  von  1814); 
die  Rasumoffsky-Quartette  1806;  4.  Symphonie  B-dur,  Violinconcert  D-dur 
und  Kla^'ierconcert  G-dur  op.  58  i  ^Sob :  Coriolan -Ouvertüre  (zu  CoUin's 
Trauersjjicl)  1S07;  5.  Symphonie  C-moll  und  (6.)  Pastoralsymphorüe  1808; 
Klavierconcen  Es-dur  1809;  B-dur-Trio  op.  97  1811;  EJgmontmusik  und 
Ruinen  von  Athen  zuerst  auifgefuhrt  1812;    7.  Symphonie  A-dur  zuerst  ge- 


I 

I 


KlaSSIKKR   V.   ROUANTIKER:    iNSTRUUENTALMUSriL 


603 


I 


spielt  1813;  8.  Symphonie  F-dur  1S14;  Sonate  A-dur  op.  loi  und  Cello- 
sonatcn  op.  102  181.^;  »IJcdcrkreis  an  die  ferne  Geltcbie*  iSib;  Sonate 
B-dur  ijp.  106  1Ö19;  Missa  solennis  1823;  9.  Symphonie  beendet  1823,  au- 
erst  aufgefUlirt  1824. 

Franz  Schubert  (s.  o.  S.  59Ö). 

Felis  Mcndelssohn-Bartholdy  (1809—47)  siedelte  mit  seinen  Eltern 
181 1  von  Hamburg  nach  Brrlin  Über.  Hier  war  Ludwig  Berger,  später 
(1824)  für  kurze  Zeit  Moscheies  sein  Klavierlehrer,  Zelter  sein  tbeorctischct 
Lelirer.  i8u>  trat  er  in  die  Singakademie  ein.  Von  Jugend  an  \iel  gereist; 
bei  Goethe  führte  ihn  Zelter  1821  ein;  der  Besuch  ward  1822  und  1825 
wiederholt  Die  Kompositionen  von  1825  —  wie  das  fis-moll-Capriccio  op.  5, 
Octetl  op.  20,  »Hot'hzcit  des  Camiicho«  —  zeigen  bereits  den  fertigen  Meister. 
Quarteil  A-dur  op.  18  und  Ouvertüre  zum  Sommeniachtstraum  1826.  Von 
1827 — 29  besuchte  M.  die  Berliner  Universität:  Quartelt  A-moll  1827; 
Quartett  Es-dur  und  »Meeresstille  und  glückliche  Fahrt«  1828.  Im  März 
1829  veranlasste  und  leitete  M,  die  erste  Wiederaufführung  der  Bach'schen 
Matthäuspa.ssion  in  der  Singakademie.  Reise  nach  England  t82g;  liier  schon 
wurden  die  A-inoll-Symphonie  und  die  Hebriden-Ouvcrlüre  begonnen.  Re- 
formations-Symphunie  i8^^o.  Aufenthalt  bei  Goethe  und  in  Mönchen,  Rom, 
Schweiz,  Paris,  England.  G-moll-Concert  1831;  Hebriden-Üuvertüre  beendet 
1832;  seil  diesem  Jalire  beginnt  auch  die  Au^abc  der  »Lieder  olme  Worte«; 
auch  Walpurgisnacht  und  Capriccio  H-moll  erschienen  1832;  S_vmphonie 
A-raoll  beendet.  Ouvertüre  zu  Melusine  1833.  Von  1833—35  w^r  M-  städ- 
tischer Musikdirektor  in  Düsseldorf.  Paulus  1834—35.  Jm  Oktober  ward  M. 
als  Leiter  der  Gewand hausconcerte  nach  Leipzig  berufen.  Am  Elias  dauerte 
die  Arbeit  von  1 837—46 ;  Lobgesang  1 840.  Von  184 1—45  war  M.  auf 
König  Friedrich  Wilhelms  IV.  Wunsch  und  Berufung  meistens  in  Berlin, 
seit  1843  als  General-Musikdirektor.  Musik  zur  Antigone  1841;  zum  Sommcr- 
nachtstraum  und  zu  Racine's  AÜialia  1843;  Viotinconcert  1844.  Quartette 
op.  80  und  81    1B47. 

Robert  Schumann*"  (1810—56)  ging  nach  Absolvierung  des  Gymnasiums 
in  seiner  Vaterstadt  Zwickau,  schon  als  ein  tüchtiger  Klavierspieler,  um 
Rechtswissenschaft  zu  studieren  1828  nach  Leipzig,  wo  er  zugleidi  Wieck's 
Musikuii  lern  cht  genoss,  1820  nach  Heidelberg,  w^j  er  an  dem  Musiktreibeu 
des  Thibaut'schen  Hauses  teilnahm,  seine  ersten  Werke  (die  >Abcggft-Varia- 
tionen  op.  i)  schrieb  und  sich  definitiv  für  die  Musik  cnischicd.  1^30  kehrte 
«  nach  Leipzig  zurück.  1830—39  nur  Klaviurwerke  op.  1—23,  darunter 
Syn^honie-Ettiden  1B34;  Cameval  1834—35;  Sonate  op.  11;  Concert  ohne 
Orclicster  und  Sonate  op.  22  1835;  Davidsbündler,  Phantasieslttcke,  1B37; 
Kinderscenen,  Kreisleriana,  Novelletten  1838;  Nachtstücke  1839.  —  1834 
gründete  er  in  Leipzig  die  «Neue  Zeitschrift  für  Musik«.  1840  verheiratete 
CT  sich  mit  Clara  Wieck.  Das  sLicderjalir*  1840  brachte  138  Lieder  und 
mehrstimmige  Gesänge  hervor  (Liederkreis  von  Heine;  Ijebesfrthling  von 
Rückert;  Fraucnüebe  und  Leben;  Dichterliebe  u.  s.  w.).  B-dur-SympUome, 
D-moil- Symphonie  184E ;  3  Quartette  op.  41,  Klanerquintett  op.  44;  Quatuor 
op,  47  1842;  Paradies  und  Pen  1843.  1844  siedelte  Seh.  nadi  Dresden 
Ober.  Es  folgte  eine  Reihe  contrapunktischer  Arbeiten  und  das  Klaxierconcert 
op.  52,  1845;  C-dur-Symphonie  iS4(>;  Trios  op.  Ö3  und  80,  1^47;  Genovcva 
1848 — 49;  Manfred,  Weihnachlscanlale  1840;  Waldscenen,  wieder  zahlreiche 
Lieder  und  Spanisches  I-iederspiel  1848—50;  Symphonie  Es-dur,  Ouvertüre 
zur  Braut  von  Messina  1850,  In  diesem  Jahre  ward  Seh.  als  slädt.  Musik- 
direktor  nach    Düsseldorf    berufen.     Ouvertüre   zu  Julius  Cäsar,   Der   Rose 


604 


XIII.  Kunst.    2.  Musik. 


Pilgerfahrt,  Sonaten  für  Klavier  und  Geige  op.  105  und  121,  Trio  op.  1 10 
1851;  Mesäe  in  C  uud  Ruquiem,  1Ö52.  Im  Jahre  1854  machlt:  Geistes- 
störung seinem  Schaffen  ein  Ende;  er  atitrb  in  der  Heilanstalt  Endenich 
bei  Bonn. 

Diese  (i  gr/5ssten  Meister  der  Epoche  haben  alle,  wenn  auch  in  ungleichem 
Masse,  auf  allen  Gebieten  rler  Musik  geschaffen.  Auch  einige  Meister  zweiten 
Ranges  thaleu  dies  wohl,  sind  über  dabei,  wie  Haydn's  einst  gefeierter 
Schüler  Ignaz  Pleyel  (1757—1821),  seit  1783  Kapeüme-ister  am  Strassbnrger 
Münster,  seit  170.'!  als  Pianofonefabrikant  und  Musikverleger  in  Paris,  oder 
»ie  Ritter  Sigismund  von  Neukomm  {1778— 185S)  rasch  der  Vergessenheit 
verfallen. 

Auf  cicni  Gebiet  der  Orcliestcr-  und  Kantmcnnusik  haben  sich  einen 
dauernden  Namen,  wie  es  scheint,  nur  Spohr  und  Franz  Lachner  erworben. 

Die  Hauptmeister  der  Geige  in  dieser  Epoche  sind  Andr.  Romberg 
(1767— :82i),  seit  1815  Musikdirektor  in  Gotha;  alle  Anderen  an  geistig 
Bedeutung  und  an  Gröwe  dos  Spiels  überragend  Spohr  {17S4 — iÖ5q);-' 
ferner  Frii:dr.  Willi.  Pixis  (1786— 1842),  seit  1810  Professor  am  Pr 
Konservatorium;  Karl  Joseph  Lipinski  ( I7cp— i8*)i),  seit  1839  Kapellmeister 
in  Dresden:  Wilh.  Beruh,  Moliqae  (1802— üq),  seit  1826  Musikdirektor  in 
Stuttgart  und  Ferd.  David  (1810—73),  Schüler  Spohr's,  seit  183Ö  Concert- 
meister  in  Leipzig. 

Die   Meister   des   Violoncells:   Bernhard   Romberg   (1770— 1841),    iSo^iJ 
bis    iHoS    als    Kammemiusilius    und    i8in— 20   als    Kapellmeister    in    Berlin, 
dann    in  Hamburg;   Just.  joh.    Friedr.    Dotzauer    (17^3—1860),    seil    1811 
erster  Cellist  in  Dresden  und  sein  Sohn  Karl  Ludwig  (geb.  181 1),  seit  iSzq 
in  Cassel. 

Die  Meister  der  Flöte:  Friedr.  Ludw.  Dulon  (1760 — ^1826),  Schüler  von 
Quaiiz  (er  war  blmdt;  K:Lsp:ir  Fürstenuu  (1772 — i8ig),  seit  I7g4  erster 
Flötist  in  Oldenburg;  bedeutender  nr>rh  sein  Sohn  Antcvn  Bemh.  (1792  bis 
1B52),  seit  1820  erster  Flnlist  in  Dresden;  Friedr.  Kuhlau  (1786 — 1832), 
seit  i8in  erster  FlAtiat  in  Koijenhagen;  er  komponierte  1813  öhlenschlager's 
Oper  »Die  R;iuberburg«  und  wurde  als  Schöpfer  einer  danischen  Natinna!- 
oper  gefeiert;  bis  heute  erhielt  sich  sein  Singspiel  Elverhöi  von  1828  auf  der 
dortigen  Bühne. 

Meister  der  Klarinette:  Heinr.  Jos.  Barmann  (1784— 1847),  seit  1806 
erster  Klarinettist  in  München. 

Aus  den  Concerten  wie  aus  der  Übung  der  Dilettanten  vendiwandea 
aber  allmiihlicli  alle  Instrumente  neben  dem  Klavier,  welches  bis  18,50  drei; 
Gruppen  bedeutender  Meister  aufzuweisen  hat.  Die  erste  noch  gleichzeitig 
mit  Haydu  und  Mozart,  joh.  Bapt.  Vanliall  (i73(j— 83)  in  Wien;  Dan. 
StcibelE  (I7b5— 1H23),  Schöler  Kimberger's;  Joh.  Ludw.  Du.^sek  (1700  bis 
1812),  Schuler  Ph.  Em.  Bach's;  Ludw.  Berger  (1777— 1839)  in  Berlin, 
Schüler  Clementi's;  Leop.  Kozcluch  in  Wien;  Ignaz  Pleyel  (s.  o.);  Abbi 
Gelinck  (1738—182,5)  in  Wien;  Jos.  Wr.lfl  (1772  — 1814).  Schüler  Mozart's; 
Wenzel  Jos.  Tomascliek  ('1774  —  18301  in  Prag;  Itth.  Bapt.  Craraci  (1771 
bis  1838),  ausgeliend  vom  Studium  Mozart's,  Schüler  Clementi's:  seine  be- 
rühmten Etudenwerke  ersdiienen  seit  1804. 

Die  zweite  Gruppe  ist  die  der  Epigonen  Beethoven'»:  Joh.  Nqiom. 
Hummel  (1778— 1837),  gebildet  in  Wien  bei  Mozart.  Sahen  und  Albrechls- 
beiger,  seit  i8tci  Kapellmelsicr  in  Weimar;  Ferd.  Ries  (1784—1858),  SchQler 
Beethoven's;  Kriedr.  Wilh.  Kalkhrenner  (1788—1840),  SchQler  des  Pariser 
Konservatoriums,   Clementi's   und   Hummel's;    Karl   Caerny    (1791— 1857), 


von  bleibendem  Wert  seine  Etüden;  Charles  Mayer  (i7go— i8(ij),  Schüler 
John  Field's:  Igiiaz  Moscheies  (1794—1870),  gebildet  in  Wien  durch 
Albrechtsberger,  Salieri  und  das  Studium  Beeihovcn's,  ging  1825  nach  London, 
von  da  1Ö46  als  Professor  des  Klavicrspiels  an  das  neugegründete  Konser- 
vatorium nach  Leipz^.  —  Es  darf  aber  auch  K.  M.  v.  Weber  hier  um  so 
wenigt-i  uiiyeiiiuml  bleiben,  da  unter  seinen  Klavierwerken  wie  unter  denen 
von  Hummel  und  Moscheies  sich  vielleJclit  allein  solche  finden,  welche  neben 
denen  der  6  grossen  Meister  fortleben  werden. 

Als  dritte  Gruppe  folgen  die  Virtuosen :  es  sbid  die  Zöglinge  der  Technik, 
welche  die  bci<len  vorigen  Gnippcn  in  ihren  Elödenwerlten  herausarbeiteten: 
Henri  Herz  (180Ö — 88),  gcbildt-t  in  Paris,  wo  er  auch  sein  Leben  zubrachte; 
Adolf  Henseli  (j8I;|— 89),  Schuler  Abi  Vogler's,  Hummers,  Czemy's;  der 
feinste  und  j;  ehalt  vollste  der  Gruppe,  in  Petersburg;  Stephan  Heller  (1815 
bis  88)  in  Paris,  auch  er  nicht  ohne  echten  musikalischen  Gehalt;  Theod. 
Döhlcr  {1814— .5Ö),  Schüler  Czemy's;  Sigism.  Thalberg  (1811—72);  Alex. 
Dreyschock  (1818—69),  Schüler  Toraaschek's;  Rudolf  Willraers  (1821-^78), 
Schüler  Hunimel's  u.  s.  w, 

Sie  alle  an  Geist  des  Spiels  und  Zauber  des  Tons  überragend  erschien 
(in  Deutschland  seit  1840)  Fmir/.  Liszt.  Er  gehört  aber  dieser  Periode  nur 
als  Virtuose,  seiner  halberen  Thatigkeit  nach  eist  der  nächsten  an. 

Dies  ganze  Virtuosenlreiben,  das  seinen  Höhepunkt  seit  1835  erreichte, 
ward  von  den  StQnnen  des  Jahres  1848  mit  weggefegt.  Als  auch  für  die 
Kunst  wieder  Ruhe  und  ücsinnung  eintrat,  begann  für  die  Musik  eine  neue 
Zeit,  in  der  die  von  Mendelssohn  und  Schumjtnn  gestreuten  Saaten  in  Blüte 
traten,  neben  dem  tieferen  Verständnis  Heethoven's  <las  neubelebte  Studium 
Bach's  und  der  alteren  Meister  seine  Früchte  trug  und  Richard  Wagner's 
Gestirn  sich  in  voller  Kraft  erhob. 

Sl  E.   F.   Pnhl.  /.w/A   //avdn.    Bd.  I    1875.  Bd.  U    1881.    —   »J.    E.  v.  Wa- 
5iel«wski,    /iob.    .Sthumann.    tlJjS. 


XIV.  ABSCHNITT. 

HELDENSAGE 

VON 

B.    SYMONS. 


Allgemeine  Litteralur:  Du  Hauptwerk  fQr  die  Keldensiige  bi  noch  immer: 
W.  Grimm,  Pte  d^HUche  Httdmsage,  Gfllt.  1829,  2.  Ausg.  (bcwirgt  von  K. 
Mülleiihoff)  Berl.  1867,  3.  Aufl.  (vor  R.  Sieig)  rriilersloh  ]889.  Auf  die 
«Irillc  Auflage  bfzic-beti  sich  alle  Cttalc  [//rfj,].  Die  von  Wühclm  nrimm  gouii- 
melt«n  Zeugnisse,  aus  dcacn  die  ältcsie  Geschichte  jjennaiiiscbirr  Sa^c  und  Volks- 
epik ifeacböpfl  wcrjcn  mus&,  sind  vermehrt  von  K.  Müllenhoff.  Zettgiusst  und 
Ex£urse  tur  ärulsrhtn  Ikldfmagf..  ZfdA.  12,  253  ff.  413  ff.;  weitere  Xuhleae  von 
O.  Jjienicke,  ebenda  15,  jioft',  [ZE\.  Die  dritte  Auflage  der  Hdi.  hat  die  in 
W.  Grimms  Nachlass  vorijefiindcnrn  Zeugnisse  dem  Texte  drs  Biidies  einzughrdem 
versikht,  w^renJ  ein  Anhang  (S.  451 — 495)  über  die  ZusäUe  von  Müllenhoff 
und  Anderen  orienliert,  a.iidi  eigene  B«nerkungen  de«  Herwzugeber»  beisteuert. 
Die  wichtigen  KinzelaibcJtcn  ^^uIIenhüf^!l,  auf  denen  der  FnrLvJiritt  in  der  Ei> 
kenntnis  der  Hclden&agc  seit  W.  Grimm  xu  einem  nkbt  gi^riiigea  Teil  beruht, 
werden  m  den  ciozelncii  Sagenkreisen  angerührt.  —  Von  anderen  zusammen- 
lassuideii  Arbeiten  sollrn  vor  allem  bcr^orgohoben  werden  die  durch  wisscnaduJt- 
lichen  Geist  und  poelischen  Sinn  gk-icb  ausi^zeichncten  Vorlesungen  Ludwig 
Uhlands  [Schriften  lur  Gesch.  der  DUhtung  %ind  Sagt,  Bd.  i  [Stutlg.  1865] 
und  VII  [ebda  18WJ],  sowie  Einrcin«»  in  Bd."  VIII  [ebda  1873]).  besonder»  das 
Kapitel  über  das  Ettische  in  der  gerrnan.  Sage  {Sehr.  I.  211 — 34?).  —  Ferner 
kommen  an  dieser  Stelle  in  Betracht:  F.  j.  Monc,  Üniers-Hnhungfn  tvr  Gr- 
schickte  der  teuhchen  Hriäettsage,  Qucdl.  tind  I-prc*  '836  (al«  reiche  Material- 
Sammlung,  oameRliiiili  Hir  dit?  vutt  W,  Grimm  nicht  ausrricbtrnd  benutxteu  Orts-  nod 
PciuoupnnanieD,  nocb  in)itier  wichtig);  A.  Raszmann,  Die  detttiche  ffeUnuagt 
und  ihre  Heimat^  Haan.  1857/8,  2.  (Titcl.)Au«g.  1863;  W,  Müller,  Mythohtgit 
der  deutschen  Heldensage,  Heilbronn  1886  (tcolz  vieler  beadHenswerlen  EinzelbenMr* 
kungcn  muss  das  Buch  als  Ganze»  semer  Gnindaoschauur^  und  seiner  Methode 
nach  alsTcrTchU  bezeichnet  werden;  vgl.  die  Besprechungen  von  E.  H.  Meyer.  A/dA. 
13,  19  ff..  M.  Roediger,  DLZ.  1887,  Nr.  46.  Sp.  1617  ff.,  und  Verf.,  LitenrtuibL 
1888,  Nr.  6,  Sp.  2.S0ff.;  ferner  Müllers  weitere  Erörterungen  in  seiner  Schrift: 
Zur  Mythologie  der  griechischen  und  deutschen  Heldensage,  Heilbronn  1889); 
R.  Koegel,  Geschickte  der  deutschen  Litteratur  bis  tum  Ausgange  des  MitttU 
alters,  \.  l  (Strassb.  1894).  131  — 175:  i,  2  (ebda  1897).  191 — 219.  —  Der  d«ni- 
nlchsterKh einende  erste  Band  des  trcfflichcnj  triczck'scbcn Werkes /V»/ii:4^//'irAilnc- 
sagen  (Strassburg,  TrObncr),  der  mir  In  der  Korrektur  vorgeicgiT  hat,  bebandelt  in 
monographischer  Fonn.  mic  bnondecer  Betonung  der  entwi^klungitgeschicbtUchai 
Detailproblemc,  die  Wiclandsag^  die  Ermanahduace  und  den  S>f;eokreix  Diec 
von  Bern*.  —  Neuere  populäre  Darstellungen  des  Stoffes  bieten  O.  L.  Jirict* 
Die  deutsche  Heldensage  (Sammlung  Gäsdbeti  Nr.  32],  2,  Auß.  Lpig.    1S97,    und 


Ist  soeben  erschienen  und  noch  nachtrtgUch  ciliert  [Jiriczek,  DHS.I. 


P 


I 


ElNLEITITHU.      BeURIFFSBESTIUMITKG. 


607 


W.  Goltbcr,  Dtutscht  lielJtniafff  (Deutsche  Scbul-Aosgobcn  von  H.  ScbUlcr  imd 
V.  Vakntin  Nr.  2).  Dresden    1894. 

KINI-KITUNG. 

§  I.  Die  Entstellung  und  Ausbildung  der  Heldensage  und  der  epischen 
Poesie  ist  bei  allen  indogermanischen  Völkern,  soweit  früher  oder  spater  die 
Heldendichlmig  ihr  Dasein  schmückte,  eng  verknüpft  mit  dem  grössteo, 
entscheidendsten  Zeitpunkte  ihres  nationalen  Lebens.  In  jüngerer  Zeit  spiegelt 
sich  in  der  Epik  der  Franzuscn.  der  Spanier  und  der  Russen  die  Gründung 
einer  eigenen  Nation,  in  der  Epik  der  keltisriien  Bewohner  von  Britannien 
und  Irland  und  der  Serben  der  Untergang  der  nationalen  Freiheit.  Wie 
bei  Indem,  Iraniem  und  Griechen  sind  auch  bei  den  Germanen  Heldensage 
und  epische  Dichtung  Ansfluss  und  Widerhall  der  grossen  Umwälzungen  und 
Mach tvcrscl lieb ungL-n,  die  zuerst  das  historische  BewnwstseJn  und  das  Selbst- 
gefühl des  Kriegsadels  weckten  und  einer  neuen  Entwickhing  Kaum  schafften. 
Die  Geburtsslunde  der  germanischen  Heldensage  Jsl  die  sogenannte  Völker- 
wandcnmg:  in  der  Heldensage  hat  sich  das  Andenken  an  jene  grosse  Bewe- 
gung erhalten,  die  das  alte  lüiropa  zertrümmerte  und  den  Germanen,  welche 
in  neuer  Gliederung  ihrer  Stumme  und  zum  Teil  in  anderen  WuhnsJtzen 
aus  dem  allgemeinen  Schiffbruch  her\-orgingen,  aU  der  eigentliche  Beginn 
ihres  gescliichtlichen  Lebens  erscheinen  musste.  Der  Tj-pus  des  Helden 
erhielt  im  fünften  und  sechsten  Jalirhuiidcrt  seine  feste  Gestalt,  wie  sie,  in 
ihrem  Kerne  imgeschadigt,  noch  im  mhd.  Volksepos  die  Zeit  ihrer  Aus- 
prägung nicht  verleugnet,  und  die  aus  alteren  mythischen  Vorslclluiigcn  er- 
wachsenen Heroen  mussten  sich  unter  der  Pflege  eines  in  den  Kreisen  der 
Fürsten  und  Edlen  heimischen  Sängertums  dem  neuen  Tj-pus  anbequemen. 

§  2.  Der  Begriff  *Hc]densage«  bedarf  zunächst  einer  genaueren  Bestim- 
mtmg  und  Abgrenzung.  Je  nach  dem  wechsehiden  Standpunkte,  den  die 
Forscher  der  Krage  nach  dem  Ursprünge  und  Gehalte  der  Heldensage  gegen- 
über einnahmen,  hat  auch  das  Furschungsgcbict  selber  sein  Ansehen  ge- 
ändert und  seine  Grenzen  verschoben.  Von  dem  Standpunkte,  auf  den  sich 
der  Verfasser  des  vorliegenden  Abscluiittes  stellt  und  dessen  Berechtigung 
aus  seiner  Darstellung  sich  ergeben  muss,  ist  unter  » Heldervsage  *  zu  ver- 
stehen: der  Gcsamtschatz  der  Überlieferungen,  welche  sich  im  Heldenxeit- 
altcr  eines  Volkes  oder  Stammes  gebildet  oder  dem  Charakter  dieses  Zeit- 
alters gemäss  umgebildet  haben  und  den  Stoff  zur  tyklischcn  epischen  Dich- 
tung, sei  es  des  betreffenden  Stammes  selber,  sei  es  der  Nachbarstarame 
oder  verwandter  Stämme,  abgeben.  Dieser  Versuch  einer  Begriffsbestimraung, 
die,  obgleich  allgemein  gehalten,  wesentlich  aus  der  Betrachtung  der  germa- 
nischen (deutschen)  Heldensage  gewonnen  ist.  cnnangcll  freilich  der  Kürze 
und  der  Eleganz,  bietet  dafür  aber  den  unleugbaren  Vorteil,  dass  sich  so- 
gleich wichtige  Abgrenzimgen  und  Beschränkungen  aus  ihr  ergeben;  die  üb- 
liche Definition  der  sHeldensage«  als  des  Inhaltes  des  Heldenepos  oder  der 
dem  Heldenepos  zw  Gnmde  liegenden  Überlieferuijg  ist  zwar  weniger  schwer- 
fäUig,  aber  auch  weniger  geschlt)sscn.  Vor  allem  muss  schon  durch  die 
Begriffsbestimmung  mit  der  Abstraktion  gebrochen  werden,  als  sei  die  Sage 
etwas  vor  und  ausserhalb  der  Dichtung  liegendes  —  eine  Abstraktion,  die, 
wie  die  Beschäftigung  mit  der  deutschen  Heldensage  überhaupt,  ein  Kind 
der  Romantik  ist.  Dichtung  und  Sage  sind  so  wenig  getrennt  zu  denken, 
wie  Dichtung  und  Mytlius,  und  wenn  zwischen  Heldensage  und  Helden- 
dichnmg  ein  theoretischer  Unterschied  gemacht  werden  soll,  so  kann  es  ntn* 
der  sein,  dass  man  durch  die  beiden  Ausdrücke  die  mündliche  Oberlieferung 


der  späteren  Epik  als  Vurelufe  und  Quelle  enijjefiei^stellL  Die  Heldensage 
ist  deiniiarh  durchaus  ein  Gegenstand  der  Lilteraiurgeschichte,  nicht  ein 
Problem  der  Volkskunde  ';  nur  praktische  Erwägungen,  namentlich  der  frag- 
mentarische und  iuteniationale  Charakter  der  Überlieferung,  haben  iht  den 
Platz  einer  besonderen  Disripün  gesichert  Überall  ist  der  dichteriscli  ge- 
färbte Beritht  historischer  Ereignisse  Ursprung  und  Kern  des  HeJdengesanges, 
und  es  ist  daher  im  eirizelneu  nicht  immer  Ictclit  zu  sagen  udcr  dcx:h  mit 
der  wissenschaftlich  erforderlichen  Festigkeit  zu  bestimmen,  wo  das  episch- 
historische  Lied  aufhört  und  das  eigentliche  Heldenlied  beginnt  *.  Die  lango- 
bardisclien  Lieder  von  Allioins  Ermordung  und  Autharis  Brautwerbung,  die 
wir  aus  dem  lateinischen  Berichte  des  Paulus  Diaconus  erschhessen  dtlrfen, 
die  fränkischen  Gedicht«  aus  der  vorkarolingischen  Zeit,  die  Karl  der  Grosse 
sammeln  iiess,  werden  sich  nach  Komi  unri  Inhalt  nicht  wesentlich  unter- 
scliieden  tiaben  von  den  Einzelliedern,  deren  Nachklang  uns  aus  den  Epen 
des  Dietrichkrcises  und  aus  der  Nibclunge  not  cntg^cntönt.  Nicht  ihr  Ur- 
sprung, sondern  ihre  spätere  Entwicklung  trennt  beide  Gattungen.  Das 
Heldenlied,  obgleidi  nicht  minder  aLs  das  episcb-hlslorische  Lied  in  seinen 
Anfängen  durchaus  in  der  Geschichte  ruhend,  ntranit  bald  einen  anderen 
Flug.  Diircli  die  besondere  BeLiebiheit  und  rupularitat  der  in  ihnen  ge- 
feierten Helden,  durch  das  Erschütternde  unil  Tnigischc  der  besungenen 
Begebenheiten,  so  dürfen  wir  \'erniuten,  wuchsen  einzelne  epische  Lieder  aus 
ihrem  ursprünglichen  Kreise  heraus,  wälirend  andere,  weniger  gesuclit  und 
wen^er  vorgetragen,  das  zeitlich  beschrankte  Interesse  der  Stammesange- 
hCrigen  an  ihren  Stoffen  nicht  L>der  doch  nur  kurze  Zeit  liberlebten.  Die 
besten  und  beliebtesten  Lieder  aber  wurden  immer  neu  gesungen  und  voa 
den  Sängern  in  zunehmendem  Masse  mll  neuen  Zügen  ausgestattet;  von 
Stamm  zu  Stamm  verbreitet,  entfernen  sie  sich  stets  mehr  von  dem  Boden 
der  Wirklichkeit,  ihre  Trüger  erheben  sich  zu  Idcalgcstalteu ,  ihre  Stoffe 
streifen  das  örtlich  und  zeitlich  ZuMllige  ab,  neue  Personen  treten  in  sie  ein, 
die  nicht  mehr  verstandenen  Ereignisse  verlajigen  neue  Äl'jtivierung.  Schick- 
sale und  Thateji  ^iltcrer  Helden  werden  auf  die  grossen,  im  Mittelpunkt  des 
epischen  Gesanges  stehenden  Figuren  übertragen,  und,  was  vor  allem  enl- 
»clicidcnd  ist  für  die  Ausbildung  des  Heldenliedes,  auch  njcht-historischc 
Elemente  -setzen  sich  an,  Elemente,  die  man  immerhin,  rirhtig  verstanden, 
»mythische^  nennen  mag.  So  erreicht  die  Heldensage,  obgleich  geschichtlich 
in  ihrem  Keime,  <icnni>ch  erst  ihre  volle  Eigenitiralirhkeit  in  dem  Ai^eii- 
blicke,  wo  sie  die  Fesseln  der  Geschichte  von  sich  abschüttelt,  um  frei  in 
sich  aufnehmen  zu  können  was  auf  den  FlQgeln  des  Gesanges  als  ungebun- 
dene Cberlicferung  sehr  verschiedenen  Urspmngs  umherschweht.  Ge-*whichte, 
die  sich  ni'ht  mehr  als  Geschichte  fühlt,  das  Herauswachsen  über  den  ein- 
zelnen Stamm  hinaus,  die  Aufnalime  älterer  liisturischer,  namentlich  aber  auch 
unhistorischer  Elemente,  endlich  eine  immer  stärkere  Neigung  zur  Bildung  von 
Sagenkomplexcn,  von  epischen  Cvkien  —  das  sind  die  wesentlichsten  Merk- 
male des  HeSdengesanges  dem  einfacheren  episch- historischen  Liede  gegenüber. 

'  Eine  anilerc  Ansidil  ist  llc^cttliI^^  von  C.  Voretrsch  nus^prodica  in  scttuc 
Aatriltsvorlmin);  Dir /rann'iwhe  Ufldemage,  Hcitlflbcij;  189+;  vjjl.  auch  d>o 
AtifsaU  (iMKclben  CK-kbrlen:  Das  Mfrou<iHfftrfpr>s  und  dtr  /ränkisfhf  I/eldt-puagf 
(Philol.  Sludjen.  Fcsigabc  für  E.  Skvcr».  Halle  1 896.  S.  53  ff.).  —  «  2uni  Fol}>niden 
vgl.  die  Anifilhrungcn  von  R.   Koegel,   Gtiih.  4er  dtuUchen   Litt.  I,   l,    131  ff. 

§  3.  Der  Stoffkreis  der  germanischen  Heldensage  ist  durch  ihre  Wurzel 
im  Zeitalter  der  Völkerwanderung  bedingt.  Ihr  nationaler  Charakter  schltesst 
selbstverständlich  nicht  nur  die  Artus-  und  Gralsage,  sowie  alle  antik-mittd- 
alterlichen  und  legendarischen  Stoffe  aus,  sondern  auch  die  Karlssage,  welche, 


I 


wenn  auch  sagenhafte  Krinnentnfi^n  an  den  grossen  Kaiser  und  seine  strenge 
Gerechtigkeit  sich  in  Deutschland  erhielten,  nur  in  Frankreich  Stoff(|uell<:  der 
epischen   Poesie  geworden  und  erst  auf  diesem  U?nwege  den  Utieraturen  der 

fennaiiischen  Völker  xugekümmcn  ist.  Aus  ühnlichem  Grunde  fallen  die 
Iberlieferungcn  von  Franken  und  Westgoten,  welche  die  französische  und 
spanische  Diclilung  erhalten  hat,  ausserhalb  Ihres  Bereiches.  Aus  anderen, 
leicht  ersieh tlicht;n  Gründen  gehi^ren  weder  die  historischen  Sagen  spaterer 
Zeit,  die.  wie  die  Sagen  von  Herzog  Ernst  ixler  Heinrich  dem  L*"iwen,  gc- 
scliichttiche  Personen  mit  dem  Zauber  der  Romantik  umwehen,  noch  die 
Liikalsagen,  die  dem  Epheu  gleich  um  die  verwitterten  TrQmmer  einer  alten 
Burg  sich  schlingen,  in  den  Kreis  der  Heldensage,  sondern  sie  fallen  der 
Volk<ikunde  zu.  Endlich  verzichtet  die  Heldensage  auf  die  Behandlung  der 
bereits  obc-n  angedeuteten  alten  Stamm-  und  Geschicchtssagen  der  Goten, 
Langobarden,  Franken  und  anderer  Völker,  die  zu-ar  ihrem  Urspmnge  nach 
von  den  eigentlichen  Heidensagen  nicht  vcrst^Iiieden  sind  und  eliensü  früli 
wie  diese  Gegenstand  des  epischen  Gesanges  wurden,  die  aber  nicht  Ober 
den  engeren  Kreis  der  Stammesangehörigen  hinausgekommen  sind  und  keinen 
Eingang  gefunden  haben  in  den  cyklischen  Zusaminenhiuig  des  Volksepos: 
für  sie  genüge  an  dieser  Stelle  eine  Verweisung  auf  den  zweiten  Band  der 
Deutschen  Saften,  heraasgegebcn  von  den  Brüdern  Grimm  (1818),  sowie  auf 
Uhlands  Schriften  I,  456  ff.  Eine  letzte  Beschränkung  der  Aufgabe,  wozu  der 
Verfasser  sich  auch  in  dieser  zweiten  Auflage  hat  entschüessen  müssen,  ist 
prinzipiell  freilich  nicht  geboten,  findet  aber  ihre  Erklärung  in  der  Fülle  des 
StCfffes  und  den  noch  immer  ungenügenden  Vorarbeiten:  die  specicll  nord- 
germanischen (skandinavischen)  Heklcnsageri,  die  der  Anlage  des  »Grund- 
risses' nach  Berflcfcsichtigiuig  verlangt  hatten,  sind  nach  dem  Stande  der 
Forschung  fflr  eine  knappe  Behandlung  auf  beschranktem  Räume  auch  jetzt 
noch  nicht  geeignet '.  Es  sind  also  wesentlich  die  bei  den  Ost-  und  West- 
germanen im  Zeitalter  der  V^Hkerwanderung  entstandenen  oder  umgebildeten 
Sagen  und  Sagenkreise,  welche  den  Gegenstand  der  fr.lgenden  Fr^rteniTigcn 
bilden:  die  Büowulfsage,  die  Nibelungen  sage,  die  Ortnit- Wolf  diel  rieh-  oder 
Hartungensagc,  der  grosse  Komplex  der  Sagen  von  Ermanarich,  Dietrich  von 
Bern  und  Etzel,  die  Waltharisage.  die  Hildesage  \md  ihre  Sch^sslinge,  die 
Wielandsage  nebst  den  Überlieferungen  vom  Meisterschützen,  einige  Eiuzel- 
sagen,  wie  etwa  die  Sage  von  Iron,  von  geringerer  Bedeutung,  endlich  die  auf 
alter  Sage  beruhenden  Bestandteile  in  den  deutschen  Spielmannsgedichten  von 
König  Rother,  Oswald  und  Orendcl. 

An  der  Aus-  und  Umbildung  dieser  Sagen  sind  die  verschiedensten  ger- 
manischen Stamme  beteiligt:  Goten  und  Burgunden,  iVngeln  und  Friesen, 
Franken.  Alemannen,  Baiem  und  Sachsen  haben  an  ihrer  Ausgestaltung  mit- 
geaibeitcL,  und  für  viele  von  ihnen  wurde  der  Boden  des  skandinavischen 
Nordens  schon  früh  eine  Statte  dichterischer  Pflege.  Nur  »germanisch-  kann 
daher  nach  heutiger  wissen  seh  af  dich  er  Terminologie  der  Gesamtname  sein, 
wekrher  sie  msammenfasst.  So  wenig  wir  noch  von  >dcutschc:r*  Grammatik 
sprechen  im  Sinne  Jacob  Grimms,  so  wenig  ist  die  Bezeichnung  »deutsche« 
Heldensage  zu  billigen,  und  auch  der  Umstand,  dass  die  nihd.  Epik  in  ihren 
Stoffen  den  Umfang  der  Helden.sage  wesenüich  begrenzt,  kann  diesen  Namen 
nicht  genügend  rechtfertigen.  Denn,  davon  abgesehen,  dass  weder  die  ßeowulf- 
sag;e  noch  die  Wielandsage  in  den  Kreis  des  mhd.  Volkscjws  fallen,  können 
doch  nur  Ursprung  und  Pflege,  nicht  aber  die  zufallige  letzte  Form  der 
Oberlieferung  für  die  Wald  einer  begriffsbestimmenden  Gesamlbexeichnung 
anaschlaggebend  sein'. 


G«rtnftnUche  Philolotrfc  Itl.    2.  Aufl. 


M 


I  KIne  schöne  OberAkht  Über  die  nordische  Hddmdicbtung  biete!  Sv,  Grundt- 
vig,  (TJsigi  over  Jm  nordiske  otdtids  heroiske  äiglning,  Kbbvn.  l86".  Feiner 
vgl.  naiiieuUicb  UhUnd,  S^hr.  VII.  86— »76;  P.  E.  Müller,  Sagabibliothek. 
Buid  II  (iSiS).  EiDc  ni-ichticc  Vorarbeit  fQr  ebe  Gcschlchie  der  ftlundmarücbcn 
Heldcndtdituofi  ist  Axel  Olriks  ausgezeichiKtes  Werk:  Kildfrrtf  fil  SaJts^s  OU- 
histon>,  7  Bde..  Kbhvn.  1892/94:  9.  dazu  Job.  Sleensirup.  Arie.  1".  nord.  Ffl. 
13.  101  ff.  und  Olrikii  Entg<rgnuiig,  ebda  14.  47  ft!!.  —  ■  Vgl,  liicmi  die  ib« 
weichenden   Bemerkungen  von  Jiric/ck.   /Jr^  deutsike  Heldensage  *  S.    16  f. 

§  4.  In  seiner  denkwürdigen  Abhandlung  •Gedanken  ober  Mythos,  Epos 
und  Geschichte«,  die  1813  in  Fr.  SchtegeLs  DeuLsdiem  Museum  ererhien 
(A7.  Ä://r.  IV.  74ff.).  luit  Jacob  Grimm  das  Wesen  des  Volksepos  dahin 
bestimmt,  das«  man  ilim  »weder  eine  reinmythische  (göttliche)  mich  rein- 
histurische  (facüsche)  Wahrheit  zuschreibt,  simdem  ganz  eigentlich  sein  Wesen 
in  die  Durchdringung  beider  setzt«.  2u  dem  Epos  sei  »eine  liistorische  That 
nötig,  von  der  diis  Volk  lebendig  erfüllt  sei,  dass  sich  die  göttliche  Sage 
darBii  setzen  könne,  luid  beide  sind  durch  einander  bedingt  gewesen«.  Der 
g^iitliche  Teil  des  Epas  >heht  die  Poesie  über  die  blosse  Geschichte«,  der 
menschhche  »nähert  es  letzter  wieder,  indem  er  sie  nie  ohne  historisdien 
Hintergnmd  Iflsst,  und  ihr  einen  frischen  Erdgeruch  verleihet,  der  nichts 
Eingebildetes,  sondern  etwas  Wahrhaftes  ist«.  Der  hier  von  Jacob  Grinun 
gefundene  Satz  beruht  gewiss  nicht  auf  methodischer  Forschung  —  nicht 
gelungen  ist  der  Nachweis,  den  er  an  der  Teilsage  und  an  der  Sage  von 
Frau  Bertha  zu  führen  versucht  — ,  bietet  vielmehr  ein  überraschendes  Bei- 
spiel genialer  Intuitii^ji.  Weit  vursichiigec  ab  Jacob  verfuhr  sein  Bruder  in 
seinen  Bemühungen,  das  Wesen  der  Sage  zu  ergründen.  Wilhelm  Grimm 
betrachtete  mit  Recht  gründliche  Erforschung  der  Denkmäler  und  fleissiges 
Sammeln  der  Zeugnisse  als  die  nächstliegende  und  notweudigstc  Aufgabe  der 
Sagenforachuiig.  Mit  einer  abgeschlosseneu  Ansicht  über  das  Wesen  und 
den  Ursprung  der  Heldensage  trat  er  ziuiacKst  nicht  hervor,  sondern  be- 
gntlgtc  sich  mit  der  Abwehr  verfrühter  und  willkürlicher  Deutungen '.  Erst 
der  spater  veröffentlichte  Briefwechsel  mit  Ladiraann,  der  siel»  an  W.  Grimms 
Rezension  von  Lachmanns  Schrift  »Cber  die  ursprüngliche  Gestalt  des  Ge- 
dichtes von  der  Nibelungen  Notli«  in  den  Jahren  1B20  und  1S21  anknüpfte!, 
zeigt,  wie  er  allmählich  und  Schritt  für  Schritt  zu  einer  Theorie  gelangt,  die 
nüt  Lachniami  darin  einig  ist,  dass  sie  die  gewaltsamen  mytliischen  Aus- 
deutungen Mones  und  von  der  Hagens  verwirft,  daim  aber  aucli  von  Lach- 
manns eigner  Meinung  sich  nicht  unwesentlich  entfernt.  Während  Karl  Lach- 
mann, den  schon  von  Jac.  Grimm  aufgestellten  Fundamentalsatz  durch  seine 
F-rforschung  der  Nibclungensagc  bestätigend,  schon  damaht  in  dem  Zu^ammen- 
fUessen  vi;n  Geschichte  und  Mythus,  in  der  innigen  Durchdringung  mythischer 
und  historischer  Bestandteile  den  Grund  imd  das  Wesen  der  Heldensage  er- 
blickte, suchte  W,  Grimm  in  der  poetischen  Wahrheit  das  dem  epischen 
Stoffe  EigenlUmlidie.  Weder  in  der  Geschichte  noch  im  Mythus  will  er 
den  eigentlichen  Ursprung  der  Sage  selien,  und  seihst  in  Fallen,  wo  die  Be- 
ziehungen zur  Geschichte  haudgieiflich  scheinen,  wie  bei  Etzel  und  Dietrich 
von  Bern,  nimmt  er  spätere  Anlehnung  der  in  eine  frühere  Zeit  zurück- 
reichenden Sage  an  historische  Persönlichkeiten  und  Ereignisse  an.  So  schwebt 
für  ilm  die  Sage  als  ein  Drittes  frei  zwischen  Mythus  und  Historie:  *bej 
einer  Betrachtung  des  Epos«,  heisst  es  in  dem  interessanten  Briefe  an  lach- 
mann vom  26.  Juni  läji  (ZfdPh.  2,  355),  »kann  man  .  .  .  die  mythische 
Hi-dfutung  so  gut  auf  der  einen  Seite  wegschieben,  als  auf  der  andern  den 
historisclien  Inhalt'.  Öffentlich  hat  W.  Grimm  erst  in  der  Abhandlung  »Ur- 
spnmg  und  Fortbildung«,  die  den  Schluss  der  »Deutschen  Heldensage*  bildet 


i 

I 


Geschichte  der  Forschung. 


6ii 


(1829)',  auch  jetzt  nur  lialb  widerstrebend  fs.  die  Vorrede  S.  ^^II  '),  seine 
Ansicht  entwickcJt.  Durch  ein  merkwürdiges  Zusammentreffen  entstand  etwa 
gleichzeitig  mit  dk-scr  Abhandlung  (im  Mai  1829)  die,  allerdings  erst  einige  Jalire 
spater  veröffentlichte,  »Kritik  der  Sage  von  den  Nibelungen«   K,  Lachmanns*. 

Die  Rücksicht  auf  den  Raum  verbietet  den  Irrwegen  nachzugehen,  auf 
denen  riif  Sagenforachung  vor  und  nach  W.  Grimms  und  Lachmanns  ein- 
schneidenden Arbeiten  gewandelt  hat  und  zum  Teil  wohl  auch  heute  «och 
wandeh.  Es  mag  genügen,  in  der  Aruiierkung  dem  auf  diesem  Gebiete  nicht 
ganz  Unbewanderten  durch  einige  Titel  von  Nibi^lungcnschriften  die  chemi- 
schen*, astrunomischen  '  und  mj-thisch-sj-mbolischen  •  Deutungsvcrauchc  einer- 
seits, die  Ausgeburten  des  nackten  Euhcmerismus  8  andererseits  zu  veran- 
schaulichen. Vorgangem  wie  Trautvetter,  v.  rt.  Hagen,  Göttling  gegenüber 
Jasst  sich  \V.  Grimms  Verzicht  auf  eine  einheitliche  Erklärung  der  Helden- 
sage wohl  verstehen,  und,  wenn  auch  heutzutage  das  Schwankende  und  Un- 
konkrete in  setner  Betrachtungsweise  langst  erkannt  ist,  so  hat  man  doch 
zugleich  einsehen  lernen,  vdt:  weislich  er  das  rein  poetische  Element  in  der 
SagenbÜdung  betonte,  den»  Lachmann  und  seine  Schule  einen  zu  geringen 
Plau  einräumten.  Au  W.  Griimus  Richtung  st^hluss  sich,  wie  es  von  dem 
Dichter  zu  erwarten  war,  Ludwig  Uhland  an,  sei  es  auch  mit  etwas  stär- 
kerer Betonung  des  geschichtlichen  Elementes.  Auch  Uhland  sieht  in  der 
Helden.sage  wesentlich  Poesie,  die  aber  aus  jedem  bewegten  y^eitraum  der 
GesdiiclUe  üire  Nahrung  zieht.  Es  finde  hier  das  schöne  Gleichnis  seine 
Stelle,  in  weldies  er  seine  Anstellt  kleidet:  »Die  Sage  ist  ein  Lagerfass  voll 
«dein,  alten  Wernes;  wann  er  angesetzt  worden,  weiss  niemand  mehr;  jeder 
sonnige  Herbst  bringt  ihm  frischen  Aufguss  und  vom  ersten  Stoffe  ist  wohl 
nichts  mehr  vorhanden,  als  der  immer  fortduftende  Geist;  draussen  aber  auf 
den  grünen  Bergen  thränen  und  blühen  die  Reben,  und  wenn  sie  bltlhen, 
gahrt  CS  auch  innen  im  Kasse;  blutrote  Trauben  reifen  und  goldhclle;  die 
Zciteji  steigen  am  Weinberge  geschäftig  auf  und  nieder  und  tragen  den  neuen 
Gewinn  herzu;  indes.t  fliesst  unte-ii  rein  und  klar  der  gnidene  Quell  und  die 
Sanger  sind  die  Schenken,  die  das  duftige  Getränk  imilierbietca«^. 

Lachmanns  »Kritik*  erwarb  Jacob  Grimms  Zustimmung  1°  und  wurde  für 
Karl  Mtlllenhoff.  dem  sie  noch  in  seinen  letzten  Lebensjahren  als  »Muster 
und  Meisterstück  der  methodischen  Sagen  forsch  ung«  galt ",  der  Ausgangs- 
punkt für  eine  Untersuchung  der  raei.iten  deutschen  Heldensagen  sowie  des 
Beo«iiU.  Müllenhoffs  sagengeschichtliche  Arbeiten  werden,  wie  man  sich 
auch  zu  vielen  Üirer  Resultate  im  einzcbcn  und  sogar  zu  ihren  Gnindan- 
scliautmgen  stellen  mag,  ihre  gnindlegcnde  Bedeutung  behaupten.  Nach  Lach- 
manns Vorgang  trat  er  mit  der  grüssten  Entschiedenheit  für  die  philologische 
Kritik  der  Quellen  ein  als  notwendige  Vorarbeit  für  jede  Analyse  und  Re- 
küDstruktion  der  Sage,  und,  wenn  auch  eingeräumt  werden  muss,  dass  die 
Sicherheit,  womit  MüJIcnhoff  in  dui  Geist  der  alten  Dichtung  einzudringen 
imd  ihre  verschiedenen  Bestandteile  zu  sondern  sich  getraut,  einer  über- 
mässigen Zuversicht  zu  der  McUiodc  der  höheren  Kritik  entspringt,  so  wai 
doch  nur  auf  diesem  Wege  die  I-i'^sung  der  Aufgabe  uberhaiipl  erreichbar. 
Überall  ergab  sich  für  Müllenlioff  eine  Bestätigung  der  Ladmiannschen  Auf- 
fassung: die  Sage  Verbindung  von  Geschichte  und  Mythus,  die  Zeit  der 
Wanderung  >das  deutsche  Heldenalter*,  die  Myüien  aber  Eriteugiüsse  und 
Oberlicfcruiigen  einer  noch  alteren  Zeit**.  Ihm  wie  Lachmann  sind  die 
Helden  des  Volksepos  ihrem  Ursprung  nach  zum  Teil  historische  Figuren, 
zum  Teil  aber  verblasste  GOtter,  und  so  wird  für  ihn,  hu  Gegensatz  zu  W. 
Grimm  und  Uhtand  und  in  sehr  anfechtbarer  Ausdehnung,  die  germanische 

30* 


Heldensage  eine  wichtige  Quelle  für  den  Aiifl>au  der  germanischen  Mytho- 
logie. Aber  zugleich  hat  Mdilenhoff  für  mehrere  Sagen,  vnr  allem  für  den 
zweitt^n  Teil  der  Nibelungensage  und  für  die  frSnlusctie  Wolfdictrichsag^ 
den  historischen  Hinlergjund  durch  unvergängliche  Forschungen  sicher  ge- 
stellt, und  in  seiner  Schule  haben  wir  uelernt,  die  Geschichte  als  den  mcthti- 
dischen  Ausgangspunkt  für  jede  Erforschung  der  Heldensage  zu  betrachten- 
Dass  der  von  J^chmann  eingeschlagene,  von  Mflllenhoff  konsequent  verfolgte 
Weg  der  richtige  ist.  wird  auch  derjenige  anerkennen  müssen,  der  die  Grenzen 
des  Erreichbaren  in  ihren  Arbeiten  nftcr  überschritten  findet.  Die  Analyse 
der  Sage,  die  Sonderung  der  Bestandteile,  aus  denen  sie  erwachsen  ist,  und 
die  Erkenntnis  ilirer  Entw-icklungsgeschichte  sind  auf  der  von  I^ichni.-inn  und 
Müllenlioff  vorgezeichnelen  Bahn  zum  Teil  wenigstens  bereits  gelungen;  un- 
verkennbar hat  \V.  Grimms  angstliche  lichulsamkcit  hier  weniger  bleibende 
Resultate  erzielt  als  ihre  kühne  Kombination. 

Eine  besondere  Stellung  bat  schon  früh  und  bis  zuletzt  Wilhelm  Müller 
eingenommen  "•.  Seine  spätere  Erklftrungs weise  ist  zwar  vorwiegend  historisch, 
aber  in  seinem  Streben,  hislorische  Thatsachen  zu  finden,  aus  denen  die 
Sage  sith  eulwickelt  hat,  verkennt  er  häufig  das  Wesen  der  Sagenbildimg. 
Dit  von  ihm  vertretene  Auffassung  der  meisten  Heldensagen  als  symbolischer 
Formen  der  Erinnerung  an  geschichtliche  Ereignisse,  wobei  die  Helden  und 
Heldinnen  nur  als  allgemeine  Re]>rasentanten  ihrer  linder  erscheinen,  muss 
als  verfehlt  bezeichnet  werden.  In  der  liistorischcn  licirachtung  wurzeln  auch 
die  wi.litigeii  EinzcluiUcrsucliungen  Riebard  Heinzeis '■*,  der  doch  auch 
die  Bedeutung  von  Elementen  anderen  Ursprungs  für  die  Bildung  und  Aus- 
gestaltung der  Heldensai^  keineswegs  unterschätzt  Die  rein  mythologische 
Deutung  dagegen  ist  in  neuerer  Zeit  sehr  in  den  Hintergrund  getreten.  Auf 
einem  eigenen  Standpunkt  steht  Svcnd  Grundtvig  in  seiner  oben  c-iüerten 
anregenden  kleinen  Schrift  {f.'ilst\^t.  lÖb;,  s.  zu  tj  3);  weit  entschiedener  als 
W.  Grimm  und  Uliland  erblickte  er  in  der  Heldensage  rein  poetische  Schti- 
pfungen  der  Volksphantasie,  aus  ethischen  Grundanschauungen  hervorge- 
wachsen. Als  Reaktion  gegen  die  Einseitigkeiten  der  mjthisierenden  ».'wohl 
als  der  namenüicb  von  älteren  skandinavi.^hen  Forschem,  wie  P.  A.  Munch 
und  N.  M,  Petersen,  vertretenen  historisierenden  Tendenz  wohl  eTkldrlich, 
ist  diese  jVnsicht  in  Ihrer  Allgemeinheit  dennoch  unberechtigt. 

Sophus  Bugges  bekannte  Forschungen  1*  gehen  zwar  auf  die  Heldensage, 
soweit  sie  nicht  speziell  nordisch  ist,  nur  gelegentlich  und  ohne  weitere  Be- 
gründung ein.  Allein  es  liess  steh  erwarten,  dass  seine  Andeutungen  nicht 
ohne  Nachfolge  bleiben  und  es  an  Versuchen  nicht  fehlen  würde,  auch  in 
der  Entstehung  der  Heldensage  den  Einfluss  fremder  Erzählungen  mid  Cbcr- 
ticferungen  nachzuwewen.  We-nn  Bugge  »die  berühmten  Sagen  von  Siguritr 
Fäfnisbani  (Sigfrid).  Sinfj^tli  (Sintarfizzilo),  den  Hjadningar  (Hegelingen)  und 
V^lundr  (Wieland)  unter  dem  Einfluss  griechisch -römischer  Erzählungen« 
sich  entstanden  denkt  {Stutfirr  I.  22  Anm.,  vgl.  auch  S.  ().\),  s<i  ist  wenigstes» 
für  die  zuletzt  genannte  Sage  der  Nachweis  dieser  Beliauptung  sowohl  von 
Golther  als  von  Schuck  wirklich  in  Angriff  genommen  (s.  §  04).  Dass  in  den 
späteren  Entwicklungsphasen  der  Heldensage  auch  ungennacische  Sagen- 
und  Milrchenmotive  in  das  ältere  heimische  Gewebe  eingeflochtcn  sein  kännen, 
braucht  nicht  geleugnet  zu  werden  und  lasst  sich  in  einzelnen  Fallen,  z.  B. 
in  der  Sage  von  Hug-  und  Wolfthetrich,  selbst  zur  Waliischeiulichkcit  er- 
heben, allein  Übersetzungen  antiker  S.igen  ins  Germanische  oder  Zusammen- 
setzungen genmmisclier  Sagen  aus  kunstvoll  gefftgten  antikea  Motiven  sind 
bisher  nicht  wissenschaftlich  glaublich  gemacht  worden. 


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GiCSCHICUTE  DER   FOEtSCHUNG.      METHODE  DER   FORSCUUHO.  613 


Zu  diesem  §  «I  R.  Steigs  Voircd«  sur  3.  Aunsge  von  W.  Grimms  /las.  ni 
vergleichen.  —  '  \V,  Grimm.  Chfr  die  KnlsUhung  dtr  aUdeuUck^n  Pt^iie  und 
ihr  l'erhiiltniu  tu  drr  nordischen  in  Daiib  und  Crcurcrs  Studien  Bd.  IV,  1808 
{Kl.  Sehr.  I,  93  If.):  Re/cnsion  viin  KIouos  •EiDleitung  in  das  Nibelungenlied*  in 
der  Lci[Kri|;cr  T-iUirratur-Zriliini:  1818  (A7.  Sihr.  II.  aioff.).  —  *  firü-/-,errhsrt 
übrr  ioi  iVibelungenltni  vnn  (".  LtuhmartN  und  li'ilhrim  (fn'mm,  vrrfjffeiitlicln 
ron  Zacher  in  ZfdPh,  3,  193  ff.  343  ff.  5:5  ff.  (iSöq),  —  *  /fUi.  S.  335—399 
(=a  '  S.  383—449).  —  *  Sie  erschien  er»L  iSjJ  iu  Nielmhr  uni1  Brwjdin'  Rbeini« 
Khem  Mtueum  3,  4^5 — 464  und  wurde  wieder  al>gednu:kt  1636  in  l.jubinaiiBX  Xu 
den  XiMunffen  und  zur  Kla^e  S.  353 — 349,  —  *  E.  Trautvetter,  Der  Sehtüss*l 
xur  Edda,  Berlin  1S15.  —  *  E.  Ttauivctter,  Ast;iburg  odtr  die  gtrmanitcMen 
GßtUr  und  U^ldenbilder  des  Tacitus  und  dir  Edda  als  Sternbilder  darj^eiielit, 
in  Okens  Isis  1820.  —  'F.  H.  v.  d.  Hauen,  Die  Xihtlungen:  ihre  Bedeutung 
Jür  die  Gnffrnu^trt  und  für  imtner,  BresLui  l8ic):  F.  J.  Mone,  Einleitung  in 
das  XibeluHgtnlied,  Hcidclherij  1818:  Geschichte  des  Heidenthums  11,  292!!.:  P. 
E.  MülIcFr  SagabibUQthek  I],  365  ff.  —  9  K,  W.  GStlUng,  Nibelungen  und 
Gibciinfft,  Rudoltl.  i8lt>  («.  dazu  W.  Grimm,  AV.  Sehr,  IL  161  ff.):  F.  J.  Monc, 
Cöer  die  Heimath  der  I^ibeiungeM.  in  scioeo  -Quellen  und  For»cfaungen  zur  Gesch. 
der  teutschcn  Litt,  und  Spr.«  Bd.  I  (1830);  E.  Röckcrt.  Oberon  von  Mohs  und 
du  Pipine  von  tVii^ella^  l-P'K-  1836;  A-  Giesebrecht,  Cber  den  Ursprung  der 
Siegfrtedstagr :  Genn.  2,  203  ff.;  A.  CrÖger,  Der  Ursprung  des  Nilfelungen- 
litein  ii*w.,  t^mlsluT^  a./il.  WarlLe  l8^l  (».  tU«u  W.  Grimms  Brief  an  den  Ver- 
äutser,  .^t'dA.  ^,  327),  I11  neuen-r  /eil  hat  11.  A.  G.  Vigfiision  in  seiner  Schrift 
lum  »Grimm  Centenary«  [Sig/red-Arminiiti  and  nther  pitprri,  1886)  Sigfrid 
wieder  von  Anninius  hergeleitet,  ebenso  H,  JelUnghaii*,  .irm  im  ins  und  Siegfried, 
Kiel  u.  LpxR.  1891  (vgl.  L.  SchmidL,  Germ.  36,  315  f.).  Verlwodung  der  Sage 
von  Arminiua  mit  einem  Mythus  zur  Sigfridss^e  hält  R.  Much.  ZfdA.  35,  i^o  (Ur 
niiiglich  {a.  audl  unten  §  28).  ■  —  »  Utiand,  Sehr,  l,  138.  —  W  ärießiwhsel des 
Erhrn.  von  McHsehoih  mit  J.  und  IV.  Grimm  S.  366.  —  "  Deuttehe  Alter- 
tumsJtunde  V.  61.  —  1*  ».  Deutsche  Atlertumskunde,  I,  VII,  —  "  W,  Müller, 
Versuch  einer  mytkologisehen  Erklärung  der  Nibelttnfvnsagt,  Beriin  1841 ;  Du 
gesehichtliehe  Ümndiage  der  Dietrichssage,  in  HcnncbeiKcn  Jahrtwch  für  deutsche 
LiteialiirgeiKh.  I  ( 1 855),  1 59  IT. ;  Cher  ijtchmanns  Kritik  der  Sage  von  den 
Nibelungen:  Genn.  14  (1869).  25"  ff.;  Mylhulogie  der  deutschen  Heldeninge, 
Ilcilbronn  1886;  Zur  .\fythologü  der  griechisthe-n  und  deuischen  Heldensage, 
ebda  1889.  —  '•  R.  Keinzcl,  Über  dir  Xihelungensage.  Wien  1885  (aus  Ata 
Wiener  SB  CIX):  Über  die  Walthersage,  ebda  1888  (aus  den  Wiener  SB  CX  VIQ; 
Über  die  ostgolhisehe  Heldensage,  ebda  1889  (aus  den  Wiener  SB  CXIX).  — 
**  S.  Bugge,  Studier  m-er  de  nordiske  Gude-  og  Ileltesagns.  Oprindelse.  Forste 
Rttkke.  Chriatiatiia  1881—89  (deutsch  von  O.  Brenner,  München  1889I;  Anden 
Ra-kke:  HelgcDigtene  i  den  aldrr  Edda,  deres  H/em  og  Fcr^indelse-r,  Khhvn. 
1896;  vgl.  K.  Mogk,  oben  111.   2451. 

§  5.  Wie  in  der  mylhultjgtsciien,  so  hat  auch  in  der  sagengeschirhtlichen 
Forschung  die  Riiiseitigkeit»  w-tirait  man  atis  einem  Erklariujgsprinzip  tlie 
bunte,  vielge.staltige  Reihe  der  gennanischen  Heldensagen  auszudeuten  ver- 
sucht hat,  grossen  Schaden  angerichttl.  Die  historische,  die  mythische,  tlie 
rein  poetische  ErklSnmgsweisc  haben  unzwcifeihaft  alle  drei  ihre  volle  Bc- 
rechtigmig,  nur  nicht  in  ihrer  Vereinzelung,  sondern  mit  und  neben  einander. 

Aiü^ngspunkt  fOr  eine  methodische  Erforschung  der  Heldensage  sollte 
allerdings  stets  die  Gest;hii;hle  sein.  Das  frühere  Mittelalter  betrachtete 
die  Rage  durchaus  als  wahre,  wenn  auch  längst  vergangene  Geschichte. 
Ekkehard  von  Aurach  ijläs.  Nr.  23),  Otto  \-on  Fretsing  (/M.  Nr.  24).  Gott- 
fried von  Viterbo  [Hds.  Nr.  32.  ZE  Nr.  37,  2)  bemerken  wohl,  dass  Ennana- 
rit^i,  Attila  und  Theodorich  nicht  Zeitgeno.<»eii  gewesen  sein  können,  bezeugen 
aber  eben   durch   ihre  Kritik  die  geschiditliche  Geltung  der  Sage,   und   der 


"  [In  »einem  Aiif*at»e  Der  Ursprung  der  Siegfried- Sage  (Zs.  f.  vgl.  Utleraturgest^. 
N,  F,  XI,  113  ff.)  greifi  G.  Sarrazin  wieder  aufSigibett  uihI  die  «ustrasiadie  Geschichte 
curück,  —  XarreJ^turnole.'] 


6i4 


XIV.  Heldensage.    Eixlwtung. 


zuletzt  genannte  Historiker  scheut  sich  nicht,  den  Ihrmenricta  und  den  Theo-' 
ilomarus  auf  Grund  der  Sage,  nicht  der  Gesclüditc,  aJs  Veronensii  zu  bezeich- 
nen. In  der  That  nimmt  die  Heldeiisage,  d.  h.  der  Stoff  der  ältesten  epi- 
schen Heldendichtung,  überall  ihren  Ursprung  von  der  Geschichte,  richtiger 
von  dem  Berichte  über  das  Geschehene.  Wie  der  blinde  Sänger  in  der 
Odyssee  zeitgenössische  Begebenheiten  besingt,  so  bringen  griechische  Schrift- 
steller episch  gehaltene  Erzälilungen  über  Ereignisse  der  persischen  und  me- 
dischen  Geschichte,  welche  in  eine  recht  naheliegende  Vergangenheit  zurück- 
reichen und  demnach  selir  schnell  Gegenstand  der  Votkssage  oder  tlerVolks- 
püesie  geworden  sein  müssen  i.  Die  altfratizösischc  Volksepik  ist  in  ihrem 
Kerne  nichts  anderes  als  die  poetische  Geschichte  der  um  die  Herrschaft 
Galliens  ringenden  und  durch  Karl  i\tzn  Grossen  sie  erringenden  Franken. 
Besonders  lehrreich  ist  die  Mitteilung  Snouck  Hui^onjes,  auf  welche  auch 
Nöideke  kürzlich  aufmerksam  gemacht  hat,  dass  noch  in  unsrer  Zeit  in 
Atjeh  (auf  Sumatra)  ein  mündlich  fortgepflanztes  volkstümliches  Epos  Über 
die  Ereignisse  der  nnmittelbaren  Vergangenheit  entsteht.  Ein  Volksdichter,  an 
alteren  Mustern  geschult,  der  aber  weder  lesen  noch  schreiben  kann,  besingt 
die  Heldenthaten  der  Atjeher  in  ihrem  Kampfe  gegen  die  Niederländer.  Jeder 
Vortrag  bringt  Änderungen,  Zusätze  und  Körrungen;  neue  Episoden  werden 
eingefügt,  je  nachdem  eigene  .Anschauung  oder  der  Beridit  von  Augenzeugen 
ihm  neuen  historiRchen  Stoff  bieten  *.  Denselben  Gang  dürfen  wir  überall 
voraussetzen.  Das  erschütternde  Gescliehnis,  das  den  eignen  Stamm  oder 
den  Nachbarstamm  trifft,  an  einem  ruhmvollen  Namen  haftend,  wird  aufge- 
griffen und  durch  den  epischen  Gesang,  das  älteste  Mittel  der  geschichtlichen 
Überlieferung,  verbreitet,  ohne  Kritik  und  ohne  Kontrole,  zu  Verwechslungen 
und  Übertreibungen  die  Gelegenheit  reichlich  darbietend,  aber  doch  zunadist 
von  bewusster  Erfindung  und  willkürlicher  Aus«<'limückung  sich  fem  hallend. 
Das  Individuelle  ist  der  Stoff  des  nationalen  Epos,  das  sicli  erst  später 
mehr  verallgemeinert:  symbolische  Formen,  wobei  Helden  und  Hcldiimcu 
als  Vertreter  ihrer  Lander  erscheinen,  sind  der  naiven  Heldendichtimg  der 
alteren  Zeit  fremd.  In  welcher  Form  z.  B.  der  Untergang  eines  Volkes  in 
der  Sage  pdctisch  festgehalten  wird,  zeigt  die  Vernichtung  der  Burgunden  in 
der  Nibelungensage  deutlich  genug.  Die  Lebenskraft,  die  dem  lüstorisch- 
cpischen  Liedc  innewohnte,  wird  durch  verschiedene  Umstände  bedingt  ge- 
Dresen  sein,  die  wir  freilich  nur  vermuten  können  (x^l.  §  2):  die  grössere  t>der 
geringere  Beliebtheit  der  besungenen  Helden,  das  mclir  oder  weniger  Er- 
greifende und  allgemein  menschlich  Rührende  der  Begebenheiten,  welche  ein 
episches  Lied  verherrlichte,  aber  auch  die  Kunst  und  Geschickliclxkcit  des 
Rhapsoden  und  die  Schicksale  des  Stammes,  bei  welchem  die  historische 
Sage  entstand  und  zuerst  Verbreitung  fand,  werden  hier  in  Frage  kommen. 
Siegreiche  Schlachten  und  ruhmreiche  Thaten,  folgenschwere  Niederlagen 
und  tückische  Ansc-hläge,  die  Eindruck  auf  die  Mitlebenden  machten,  fehlten 
gewiss  nirgends  wo  Germanen  sassen,  allein  offenbar  nur  in  einzelnen  Fallen 
haben  sie  über  die  Grenzen  des  eigenen  Stammes  hinaus  und  lange  nach- 
dem die  Ereignisse  selbst  ihr  historisches  Interesse  verloren  hatten,  Verbrei- 
tung und  dichterische  Pflege  gefunden.  Wenn  gotische  und  burgundisclie 
Überlieferung  einen  so  hervorragenden  Platz  unter  den  Stoffen  der  germa- 
nischen Heldensage  einnimmt,  so  werden  zur  Erklärung  dieser  Thatsache  die 
hohe  Begabung  der  ostgermanischen  Vi^lker  und  die  eindrucksvolle  Tragik 
ihrer  Geschicke  gleichcp»'dse  in  Betracht  zu  ziehen  sein.  vVber  selbstver- 
ständlich mussie  die  historische  Sage,  je  weiter  sie  sich  ■von  ihrem  natür- 
lichen Nährboden   und  vod  der  zeitgenössischen  Erinnerung   entfernte,   sich 


i 


Methode  der  Forschung;  historische  ELEMEirrE. 


bis 


stets  stiUkcr  vun  ihrer  geschieh Üiclicn  Wurzel  loslösen.  Die  Figuren  der 
Geschichte  wachsen  durcli  die  Phantwaie  des  Volkes  und  die  Kunst  des 
Dichters  zu  idealen  Gestalten  empor,  bei  denen  zwar  nr»ch  die  Namen  und 
manchmal  die  Grundzüge  ihres  poetischcu  Charakters  an  das  histurische 
Urbild  gemahnen,  ihre  geschichtlichen  Thatcn  aber,  nicht  mehr  verstanden 
in  ihren  Bcwcgjiründen  und  Veranlassungen,  durch  neue  Motinerimgcii  und 
neue  Verhinflungp-n  oft  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt,  ja  gerade-zu  in  ihr 
G^enteil  verwandelt  sind.  Was  hat  die  Gudrun  der  Edda  oder  gar  die 
Kriemhitd  der  Nibelungen  noch  mit  jener  Ildico  gemein,  an  deren  Seite 
ruhend  der  historische  Attita  an  einem  ßtulsturze  verschied?  Und  ist  nicht 
andererseits  Dietrich  von  Bern,  der  Lieblingsheld  der  oberdeutschen  Sage, 
allem  Wandel  der  geschichtlichen  Faktoren  z»im  Trotz,  in  allen  Hauptzügen 
seiner  Erscheinung,  setner  milden  Gerechiiskeitsliebe,  seiner  überlegenen  Rulie 
und  Grösse  der  Gesinnung,  seiner  friedfertigen  L;ingmut  und  doch  auch 
unwiderstehlichen  Tapferkeit,  dem  historischen  Charakterbilde  des  edlen  Ost- 
gotenkönigs, dem  selbst  der  Feind  seine  Be^A-underuiig  nicht  versagte,  merk- 
würdig treu  geblifhen?  Die  Schnelligkeit,  womit  die  Umsetzung  des  histori- 
schen Helden  in  eine  Gestalt  der  Sage  sich  vollzieht,  ist  oft  Überraschend. 
Und  auch  dafür  fehlt  es  nicht  an  Analogien  in  der  Epik  anderer  NationerL 
Schon  um  boo  n.  Chr.  ist  der  Grtlnder  des  Bweiten  persischen  Grossreiches 
Ardaschir  zur  rein  sagenhaften  Persönlichkeit  und  sogar  zum  Drachenkampfer 
geworden  3.  Ein  Jahrhundert  nach  der  geschichtlichen  B^ebenheit  erscheint 
Karlmanns  Vasall  Auicharius  beim  Mönch  von  Sanct  Gallen  als  Mann  des 
Königs  Desiderius  in  Pavia,  um  nach  verschiedenen  Metamorphosen  als 
Karls  Paladin  zu  enden  *.  Und  ist  nicht  aus  dem  grossen  Karl  selbei  nach 
wenigen  Jahrhunderten  in  der  Epik  der  Franzosen  schon  völlig  eine  fabel- 
hafte Figur  erwachsen!  Mit  dem  Schwinden  der  örtlichen  und  zeitlichen 
Gebundenheit  tritt  auch  eine  Vennisrhung  der  historischen  Cberlieferungen 
ein.  Die  epischen  Ucblingshelden,  die  grossen  Gestalten  der  Sage,  ziehen 
mit  magnetischer  Kraft  allere  und  jüngere  geschichtliche  Kiemente  an  sich, 
die  durch  Anlehnung  an  ihre  grösseren  und  populäreren  Genossen  dem  Unter- 
gange entrissen  werden.  Wie  im  Reformationszeitaltcr  die  geschichtliche 
Figur  des  fahrenden  Scholasten  Johann  Faust  der  Liebling  der  Zaubersage 
wird,  auf  dessen  Scheitel  frd  umherschwebende  Züge  und  Streiche  von  aller- 
hand Zauberern  und  Gauklern  sich  häufen,  s-t  hat  auch  die  Heldensage,  durch 
Übereinstimmung  in  den  Namen.  Ähnlichkeit  der  Schicksale,  Gleichheil  der 
Motive,  oder  auch  durch  blosse  dunkle  Erirmerung  geleitet,  Thaten  verschie- 
dener historischen  Persönlichkeiten  auf  eine  einzige  flbertragen.  lehrreiche 
Beispiele  bietet  die  in  ihrer  EntM'icklung  so  viel  klarer  und  greifbarer  als  die 
germanische  vorliegende  niid  daher  für  die  Methmlik  sager ge-schichtl icher 
Forsf-hung  so  instruktive  franz<5sische  Heldensage.  Karl  der  Grosse  sanmielt 
in  striner  glänzenden  Figur  die  Überlieferungen  von  Vorfahren  und  Nach- 
kommen, die  an  sich  nicht  mehr  die  Kraft  besassen,  die  Pliantasie  des 
Volkes  zu  erregen  und  die  Kunst  des  Dichters  zu  beflügeln:  so  vertritt  er 
Karl  Mariell  in  den  llaimnnskindem,  Karl  den  Kahlen  im  Kpi"«  v«in  Muon 
von  Bordeaux.  Ähnlich  ^ind  in  dem  Helden  des  Sagenkreises  von  Gulllaume 
d'Orange  Erinnerungen  an  drei  historische  Willielme  und  ihre  Thaten  ru- 
sa  m  mengcflosseii . 

In  den  so  gebildeten  Kreis  der  historischen  Heldensage  treten  Vor- 
stellungen und  Überlieferungen  aus  älterer  Zeit,  die  wir  mythische  zu  nen- 
nen pflegeiL  Der  Ausdruck  ist  bereditigt,  insofern  sie  derselben  Wurzel 
entstammen,    wie  diejeiugen  Vorstellungen  und  0 herlief enm gen,    welche  den 


6i6 


XIV.  Heldensage.     Einleitung. 


mythologischen  Grundsloff  bilde«;  üudi  sie  liaben  ihre  Wurzel  in  dem 
Glauben  an  das  Übersinnlidie ;  auch  sie  knüpfen  sich  an  die  tflghch  <:)der 
pcrit'ilisrh  wiederkehrenden  Katuir* irgänge,  an  die  eindrucksvuUen  Begeben- 
heilen iio  Leben  des  Einzeäucii  oder  der  Familie,  an  tiefgreifende  Umwäl- 
zungen in  den  realen  Lebensverhältnissen  und  den  KulturzusULnden;  auch 
sie  finden  ihre  Nahrunfi  in  der  vergn'jsserndcn  und  Dberlreibendcn  Phantasie 
und  ihre  Lebensfähigkeit  durch  die  gestalten  bildende  Dichtung.  Die  Bezeich- 
nimg »mythisch«  ist  aber  irreführend,  wenn  man  mit  ihi  die  Auffassung 
vcrbiiidft.  düss  die  Helden  der  Sage,  soweit  ihr  Ursprung  nicht  geä<:hichllich 
ist,  verblassie  ixier  vcnnenschlichte  Götter  .seien.  Dieser  durch  Jacob  Grimm 
verbreiteten  Meinung  haben  sich  schon  Wilhelm  Grimm  und  Uhland  nur 
seiir  bedingt  angeschlossen  und  ist  in  neuerer  Zeit  naraeutlich  E.  H. 
Meyer  nn't  Erfolg  entgegengetreten  \  Neben  dem  Gotleniivthus  zeigt  sich 
bereits  in  den  ältesten  Denkmälern  der  Indogerraanen,  in  den  Hymnen  des 
Rigveda,  im  Avcsta  und  in  der  Ilias,  der  HeruenraytUus  fertig  ausgebildet, 
mid  die  Annalmie.  dieser  sei  aus  jenem  sekundär  hervorgegangen,  findet 
keine  Stütze  in  den  ihatsachlichen  \'erhaltnissen.  Vielmelir  sind  Göttcr- 
mylhus  und  Heroenmylhus  zwei  Äste  aus  demselben  Stamme:  von  einander 
miabhüngig  sind  sie  aas  gleichen  Vorstellungen  er^vathaen,  die  aber  in  den 
Kreisen  iler  Priester  und  im  Rahmen  (h-s  Kuliverbandes  andere  Gestalt  an- 
nehmen iiiussten  als  in  den  Kreisen  der  Edlen  und  in  der  Pflege  einer  auf 
Unterhaltung  abzielenden  .Standespoesie.  Für  die  <!Jermanen  bezeugt  Tacitus 
(Germ.  c.  z)  die  Ausbüdwig  des  Heroernnyltius,  und,  was  nameuüicli  wichtig 
ist,  indem  er  seiner  Xotiz  von  den  alten  Liedern,  in  denen  die  Germanen 
den  mythischen  Ursprung  ihres  Volkes  verherdichten,  die  Bemerkung  liiuzu- 
fügt  '/uoJ  unuTH  apnd  iUos  memoriae  ei  atmalium  gcnus  est,  deutet  er  damit  an. 
dass  diese  Nfythen  schon  damals  als  alte,  lilngst  vergangene  Geschichte  gal- 
ten. Hier  liegt  der  eigentliche  Grund  für  die  Verschmelzung  von  Heroen- 
niyllius  luid  historischer  Sage:  die  Verschiedcnlicil  ihres  Ursprungs  wurde 
nicht  mehr  empfunden.  Das  Bedürfnis,  die  in  der  Geschichte  wurzelnden 
Helden  immer  strahlender  erscheinen  zu  lassen  und  mit  einem  überuatür- 
lichen  Glorienscheine  zu  umgeben,  erleiditerte  ihre  Verschmelzung  mit  den 
alteren  Heroen,  welche  sich  in  gleichem  Masse  vemienschlichen,  als  die 
hi.'itoriscljcn  Helden  eine  Neigung  zum  Überm enschüchen  zu  zeigen  beginnen. 
In  dem  .Aiigenbhcke,  wo  sie  in  die  epische  Heldensage  eintretoi,  haben 
diese  myüiisch- heroischen  Elemente  bereits  eine  lange  gcsi-bichtUche  Ent- 
«icklung  hinter  sich.  Der  Sagenforschung  erwachst  die  schwierige,  oft  tin- 
lösbare  Aufgabe,  im  einzelnen  Falle  zu  entscheiden,  ob  Vermcoschlichung 
eines  Heroen  oder  HeroLsierung  einer  historischen  Figur  vorliegt,  ob  sich  an 
einen  alten  Heroenmythus  spfltere  geschichtliche  Data  angesetzt  haben  oder 
eine  geschichtliche  Sage  mit  einem  mythischen  Überwurf  nur  leidit  umhüllt 
worden  ist.  Gewiss  ist  in  der  Slgfridssage  oder  der  Sage  von  den  Har- 
luikgcn  die  mythisch-heroische  Grundlage  ebenso  unverkcimbar,  als  die  histo> 
rische  in  der  Burgimdensage  oder  der  Dietrichssage.  Aber  beispielsweise  in 
der  Beurteilung  der  WalUiarlsage  herrsiiu  keine  Einstinnnigkcit,  un<i  wer  wUl 
mit  Sicherheit  entscheiden,  ob  Helden  wie  Witege  und  Heime  von  Hause 
aus  historisch  oder  myttiisch  gewesen  sind,  wenn  auch  für  jenen  Anknüpfungs- 
punkte an  die  Geschiclile  unleugbar  vorhanden  sind? 

Die  Geschichte  und  der  Heroenmythus  liefern  die  Elemente,  aus  denen 
sich  der  Rolistoff  der  Heldensage  zusammenseizl:  ihre  Verarbeitung  und  Aus- 
gestaltung ist  das  Werk  der  Poesie,  die,  unersch«"pflich  m  Variationen,  Ver- 
schmelzungen und  Motivbercicherungen,  der  Phantasie  ihr  gutes  Recht  Usst 


Methode  di 


IUNG:   HEROESTMYTnUS;   POETISCHE  AUSBILOOXG.    617 


I 


und  auch  ethischen.  Wünschen  die  Gewährung  nicht  versagt  S<^on  die 
epischen  Sänger  der  Vöüerwanderuiigszeit.  die  alteslen  TrSger  der  Tradition 
wie  sehr  »c  sich  auch  aU  Mund  der  Sage  fühlen  mochten,  waren  docli  vor 
allem  Dichter,  und  die  Annahme,  dass  die  Sage  nicht  schon  in  ihrer  frühe- 
sten Ausbildung  ihres  Geistes  einen  Hauch  verspürt  hatte,  wäre  unnatürlich. 
Von  der  Walirheit  der  Übcriieferimg  waren  sie  freilich  überzeugt,  aber  durch, 
Motivierungen  und  Zuthaten  glaubten  sie  der  Wahrhaftigkeil  ihres  Berichtes 
aichl  zu  schaden.  Je  weiter  die  Sage  sich  dann  von  Üirei  Wurzel  entfernt, 
je  mehr  ihre  Kiitwicklung  fortschreitet,  um  so  kräftiger  treten  naturgemass 
die  püclischtji  und  ethischen  Motive  in  deu  Vordergrund.  Diese  Entwick- 
lungsgeschichte der  Sagenstoffe,  die  Verfolgung  ihres  allniJlhlichen  Wachstums 
und  ihrer  poetischen  Umformung,  ist  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unab- 
hängig von  der  Vorstellung,  die  sich  der  FoRcher  von  ihrer  Entstehung  ge- 
bildet hat,  und  bietet  eine  Fülle  der  wichtigsten  und  anziehendsten  Deiail- 
problcmc.  Von  diesem  Teile  der  sagengeachichtlicheu  Forschung  giU  in 
Wahrheit  das  bereits  oben  {S.  t>ii)  citierte  Wort  W.  Grimms,  dass  man  bei 
der  Betrachtung  des  Epos  die  mytlüsclic  Bedeutung  so  gut  auf  der  einen 
Seite  wegschieben  kflnne,  als  auf  der  andern  den  historischen   Inlialt». 

'  Tb.  Nöldeke,  Das  iranitckt  SationaUpos  (Soadcrabdr.  xus  dem  Gnindr. 
der  iran.  Phil.)  S.  2  f.;  auf  diese  mcutcrhiiftc  Arbeit  aci  ibrcr  BUgcmcLnca  Bedco- 
Uing  lüt  die  Methodik  der  Fonchung  vcgcQ  an  dieser  Stelle  libcrbaiipt  hing«» 
wiesen.  — '  C.  Snouck  Hurgronje,  De  Atjehtrs,  II  (Balavia  und  Leiden  1894), 
106  ff.  —  *  N'ßldekc  a.  a.  O.  S.  6.  —  *  C.  VorcUsth.  Qbrr  Uit  Sagr  von 
Ogirr  iirm  Dänen  und  dif  Enttlfhung  der  Cfu-vaierir  Ogier,  HaJle  189I;  Die 
/raus.  Heldfmage  S.  15  I.  —  *  E-  H.  Äleyer,  Indogermanhehe  Mythen,  2  Btle., 
Berl,  l88j— r88;;  n.  «uch  AfdA.  [4,  62;  Germamtche  .Xfyl/whgie  %  379  f.  — 
[•  S.  jeat  auch  Jiriczek,   OHS.,  I,  Vorwf>ri]. 

§  6.  Erstes  Erfordernis  nietliodi-scher  Sagenforschung  \sx  eine  sorgfältige 
Kritik  der  Quellen;  in  Verbindung  mit  gewissen liaftcr  Ve^^^■ertlmg  der  Zeug- 
nisse bildet  sie  die  notwendige  Grundlage,  auf  welcher  die  Zerlegung  der 
Sagcnübertieferung  in  ihre  Elemente  und  der  Wiederaufbau  der  ursprüng- 
lichen Sage  sich  erheben  kann.  Niemand  hat  scharfer  als  Miillenhoff 
den  Grunilsatz  betont,  dass  jede  Sage  ein  bestimmtes  historisches  Pro- 
dukt und  zunHcliÄt  als  solches  zu  erforschen  sei'.  Das  Problem  der  Helden- 
sage ist  wesentlich  ein  historisches;  ähnlidi,  aber  in  noch  höherem  Grade, 
wie  für  den  Mvtltologcn  gilt  für  den  Sagenforschcr  die  Forderung,  dass  er 
jedes  sagengescluchtJIclie  Denkmal  vor  allem  als  litterarhistorische  Erscheinung 
betrachte,  d.  h.  als  Erzeugnis  einer  bestimmten  Zeit  und  einer  bestimmten 
G^end,  dass  er  sich  die  historischen  Bedingungen  klar  mache,  die  die  (^^elle 
voraussetzt,  und  dem  Ideenkreise  Rechnung  trage,  in  welchem  Üir  V^erfasscr 
zu  Hause  war.  Allein  andererseits  darf  nicht  Übersehen  werden,  da.ss  der 
Inhah  sagengcschichtliclicr  Denkmäler  durchweg  in  weit  altere  Zeit  zurück- 
reicht, soda.ss  aus  dem  höchsten  Altertum  stanuncnde  Züge,  entweder  unver- 
standen und  treu  erhallen,  oder  falsch  verslanden  und  umgemodelt,  oft  genug 
hart  neben  jüngeren  Elementen  lagern,  die  erst  der  jeweiligen  Zeit  des 
Dichters  ihre  Einführung  verdanken.  Es  ist  ebenso  unrichtig,  diese  für  die 
Herstellung  der  uraprünglichen  Sageugestali  zu  verwenden,  als  die  Bedeutung 
jener  für  diesen  Zweck  zn  untersrhrttzen  *. 


'  Diese  S&Ize  waren  mcdei>;eschricbcti,  aIs  li.  Mogks  am  II.  Mai  1895  in  Leiptig 
gehaltene,  aber  ent  vor  kurzem  gedruckte  (Nrue  Jabrbb.  für  dwt  kla».  AIktI.  u>w.  i, 
68  fr)  akadembche  Antrittsvorlcsuiij;  Dif  gf/n.  H<ldfndifhtung  mit  heianderer  Rnckiichl 
auf  du  Sagr  X'on  Süg/rifd  und  Umnhild  mir  diireli  die  Gült-  de»  Veriaasers  lukam. 
In  der  Bvtoouou  dei  oben  bervurgebirfiuieo  GruntUaUea  stimme  ich  Mof^k  völlig  bei,  aber 


In  zweiter  Linie  steht  die  Verwendung  des  in  myüiischen  Verstellungen, 
Sagen  und  Milrchen  noch  vorhandenen  gcrmanisrhen  Volksglaubens.  Die 
Vcrgleichung  der  Heldensagen  anderer  Völker  darf,  soweit  es  sich  dabei 
nicht  um  blosse  methodologische  Ähnlichkeiten  der  Entwicklung  handelt,  nur 
mit  ausserster  Vorsicht  und  Zunickhaltung  geicht^hcn;  es  kann  nicht  genügt 
betont  werden,  dass  der  vergleichenden  Mythologie  und  Sagenkunde  noch 
die  sichere  Methode  abgeht,  die  nach  bestimmten  Kennzeichen  zu  entscheiden 
geJemt  hatte,  wo  bei  analogen  Erscheinungen  Ur\'crwandtschaft,  wo  liiteni- 
rische  Entlehnung,  wo  unabhängige  Ausbildung  gleicher  Motive  und  Formen 
anzunehmen  ist.  Die  Sage  von  Hildebrand  und  Hadubrand  (§  46)  liefert 
ein  lebrreithos  Beii*pie]  dafOr.  wie  die  Annahme  selbständiger  Entstehung 
eines  naheliegenden  und  in  den  Lebensverhaltnisseji  begründeten  poetischen 
Motii*s  bei  versdiiedenen  Vtilkem  dennoch  die  MöglicTikeit  nicht  ausschliesst, 
dasa  die  näheren  Übereinstimmungen  zwischen  einzcJnen  Gruppen  der  Ober- 
liefenmg  in  Stoff  Wanderung  oder  iittcrarischer  Herftbemadme  ihre  Erklärung 
finden  können.  Zu  der  Gestaltung  der  Sage  von  Wielaud  dem  Schmied 
(§  62  ff.)  haben  ohne  Zweifel  mythische  Vorstellungen  die  Grundtage  abge- 
geben, welche  sich  bei  zahlreichen  indogermanischen  und  nichtindogermani- 
schen Völkern  wiederfinden,  allein  es  bleibt  ein  vergebliches  Beginnen,  die 
in  den  weitverbreiteten  Schmiedesagen  partiell  auftretenden  Analogien  als 
Bausteine  für  eine  Entwicklungsgeschichte  der  germanischen  Wielandsage  zu 
vcru'crten :  uralter  Omein besitz,  unabhängige  Ausgestahung  und  fiühe  Motiv- 
wandening  sind  hier  im  einzii-lnen  nicht  mehr  zu  sondern.  Zur  Vorsicht 
dürfen  auch  die  Folgerungen  gemahnen,  die  ein  so  behutsamer  Fi>rschcr  wie 
Uhland  an  gewisse  Ähnlichkeiten  zwischen  der  Wolfdietrichsage  und  den 
Abenteuern  des  Isfandivftr  im  Schahname  geknüpft  hat  {Sr/ir.  I,  177  ff.;  v$i. 
W.  Scherer,  AV.  SrAr.  l,  603). 

Im  Folgenden  Lst,  nadi  einigen  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  Grund- 
lage der  gennanischen  Heldensage  und  ihre  älteste  Verbreitung  bis  zum 
Anheben  imscrcr  zusammenhängenden  Quellen,  zweierlei  angestrebt:  i)  eine 
kritUche  Übersicht  über  das  tjucllenmaterial;  2)  eine  Darstellung  des  gegen- 
wärtigen Standes  der  Forschung  in  Bezug  auf  die  einzcUicn  Sagen  uud 
Sagenkreise.  Auf  eine  Auseinandersetzung  mit  abweichenden  AnsirhtciV| 
konnte  nur  selten  eingegangen  werden.  Leider  verbot  der  verfügbare  Raum 
auch  eine  Darstellung  des  Inlialts  der  Sagenquellen,  der  allerdings  zum  Ver- 
ständnis der  folgenden  Krörtcnmgcn  :ils  bekannt  vorausgesetzt  werden  muss. 
Unübertroffen  sind  die  Nacherzählungen  Uhlands  {ScAr.  I,  30 — 88). 

>  S.  Miilleaborfa  Vorrede  zu-itantütuäu  AfytAötcf^is^Atfm  Forifhungra  (QF. 

Heft  51). 


I 


GRUNDLAGE  UND  ÄLTESTE  VERBREITUNG. 

§  7-  Obgleich  Tatiius  neben  anderen  Dedem  auch  Heldenlieder  der 
Gerinaneti  erwiUint,  in  denen  ArminiiLs  noch  nach  mehr  als  einem  Jahr- 
hundert gefeiert  ^^■urde  (Ann.  11,  88),  aurh  Anknüpfung  der  geschichtlichen 
Sage  an  den  Mythus  durchblicken  lasst  [Germ.  c.  2),  so  sclieint  sich  doch 
von  diesen  frühen  Überlieferungen  in  der  epischen  Poesie  der  gennanischen 
Vrtlker  nichts  erhalten  zu  haben.  Alle  Versuche,  in  dem  Sigfrid  der  Nibe- 
lungcnsage  den  Sieger  der  Schlaclit  im  Teutoburger  Walde  zu  entdedcen  (s. 

df7  Durchrah ruri);  ileit>eU>e-n  im  Eiiuelnen  verauig  ich  «1  wenig  beizupflichten  wie  täXKt 
Dmtting  der  Siigi^  von  Si^lriiJ  uml  llrunbUd  (s.  iinl(*ii  g  28),  Selh^ttrdt-ntl  wird  ni  etil- 
gehcml^r  Kritik  dk>  ld  Au»>icbl  ^t«Ilic  wi&s(!nsch.ir(liche  Bcgrflndtin^  ■In'  in  dietera  Ao^ 
SaUe  voructratto'^ti   Ansichten  abzuwarten   sein. 


Methoob  der  Forschung.  —  Geschichtmche  Elemente.       619 


oben  §  4  Anm.  8  und  unten  §  28).  müssen  als  verfehlt  bctraclitet  werden. 
Auch  deutet  nichts  darauf,  dass  wir  unter  den  von  Tacitus  bezeugten  Ijedeni 
zum  Preise  des  Anninius  epische  EinzelHcUer  zu  verstehen  haben;  vielmehr 
führen  noch  Zei^issc  aus  spaterer  Zeit  zur  Annahme  choristhen  Masscii- 
gesangs  («.  §  9).  Das  eigentliche  historische  Bewusstsein  der  Germanen 
datiert  erst  von  der  Vr>lkenivanderung;  wie  hei  anderen  indogermanischen 
Völkern,  s«i  bilden  auch  bei  ihnen  die  Thaten  ihres  Heldenzeitalters  (etwa 
400 — 000)  die  Grundlage  ihrer  cvklischcn  Sage  und  Epik. 

Die  ältesten  historischen  Helden,  die  in  die  Sage  eingetreten  sind,  be- 
gegnen bei  den  Ostgotcn.  Ostrogotha  (um  250),  der  nach  Jwrdanes  (de 
reb.  gct  c.  14)  der  dritte  in  der  Genealogie  der  Amaler  war  und  nach  dem 
Zeugnisse  Cassiodors  (Var.  XI,  i;  \f'l.  2JC  ^r.  i) />a/irnfia  mituir.  ist  dem 
Widsid  bekannt,  spielt  aber  sonst  in  der  Heldensage  keine  Rolle,  Mehr  als 
ein  Jahrhunden  spater  (575)  gab  der  kriegerische  König  Ernianarich  heim 
Einfall  der  Hunnen  sich  selber  den  Tod,  imd  sein  tragischer  Selbstmord  aus 
Verzweiflung  über  den  dixjhenden  Zusammenbruch  der  ostgotisrhen  Herr- 
schaft wurde  für  sein  Vulk  der  Anfang  einer  langen  Periode  nationaler  Un- 
selbständigkeit und  unsteten  Wanderlebens:  schon  bei  Jordanes  ist  er  ein 
Held  der  Sage  gewurden.  Vor  allem  aber  wurde  der  grosse  Ostgotenkönig 
Theodorich  (475 — .526},  Theodemers  Sohn,  der  Besieger  Odoakers  und 
Eroberer  Italiens,  der  beliebteste  lldd  der  deutschen  Sage.  Oas  von 
ihm  in  Itaheu  und  den  Donauländem  gegründete  Reich  war  dreissig  Jahre 
nach  seinem  Tode  bereits  zersl'>rt,  ohne  dass  von  diesem  drei.ssigjJlhrigcn 
Zeitraum  heldcnnuiiigen  Ringens  die  Sage  einen  deuÜScheu  Nachklang  ge- 
rettet liätic.  Sogar  der  zu  epischer  Verherrlichung  in  so  hervorragender 
Weise  einladende  Fall  des  letzten  Ostgotenkünigs  Teja  m  der  Schlacht  am 
Vesuv  (553)  hat  keinen  Eingang  melir  in  den  gotischen  epischen  Cyklus 
gefunden.  Die  mit  den  Goten  nahe  verwandten  ostgennanlschen  Burgunden, 
ursprünglich  zft-ischen  Oder  und  Weichsel  sesshaft,  erhielten  413  unter  ihrem 
Könige  Gundahari  (Gundicarius)  W'ohnsitze  am  linken  Rheinufer  in  der 
Germania  prima,  wurden  aber  schon  435  und  437  in  zwei  Schladiten  von 
Aötius  und  den  Hunnen  fast  vernichtet.  Der  Rest  ihres  Volkes  grttndeie 
443  ein  neues  burgundtschcs  Reich  im  alten  SafKiudia  (Savoyen)  zwischen 
Genf  und  Lyon,  wo  sie  schnell  romanisiert  wurden  und  schon  53S  den 
Franken  erlagen.  Das  Geschick  dpr  Ostgoit^n  wie  das  der  Burgunden  ist  mit 
den  Hunnen  aufs  engste  verbunden.  In  der  ersten  Hälfte  des  fünften 
Jahrhunderts  herrschte  Attila,  erst  mit  seinem  Bruder  ßleda  gemeinschaftlich, 
seit  444/45  a"«".  ^her  ein  weites  Reich:  Ostgotcn.  Gepidcn,  Heniler  kam]ifen 
unter  seinem  Banner,  sein  Hof  ist  gotisch  eingerichtet,  sein  Name  i^i  ganz 
'►der  zum  Teil  gotisch,  in  seiner  Umgebung  befindet  sich  Theodemer, 
Theodorichs  Vater.  Mit  der  grossen  Völkerschlacht  in  der  catalaunischen 
Ebene  {451)  wendet  sich  Attilas  Glück.  Dieser  Sieg  der  mit  den  ROmera 
verbündeten  Westgoten  über  die  Hunnen  und  ihre  ostgotischen  Bundes- 
genossen muss  den  Stoff  eines  westgotischen  Liedercyk!a*i  gebildet  haben. 
Durch  fränkische  Vermittlung  scheint  die  Sage  Ober  England  nach  dem 
skandinavischen  Norden  gelaugt  zu  sein,  wo  sie  nach  Hetnzels  glücklichem 
Nachweise,  mit  heimischen  Überlieferungen  verbunden,  in  der  Hervararsaga 
fortklingt  Die  Schlacht  ist  dort  auf  die  Ihiithei/tr  verlegt '.  Zwei  Jahre 
spater  (4,S3)  flog  die  Kunde  von  Attilas  ploty-lichem  Tode  in  der  Brautnacht 
durch  die  deutschen  Uinde.  Unter  den  Kämpfen  seiner  Söhne  mit  den 
HUupdingen  der  unterworfenen  Germanen  stamme  stürzte  das  mächtige  Hunnen* 
reich  zusammen;  in  einer  mörderischen  Schlacht  in  Panncmicn  wurde  durch 


den  Fall  von  Attilas  LieblingSÄohne  Ellak  und  die  Flurhi  der  andern  Söhne 
das  Loos  der  Barbaren  bcäicgvll,  die  unterjochten  Stammt:  errangen  ilire 
Freüieit  wieder,  und  auch  ein  letzter  Versuch  der  Hunnen,  in  das  Gebiet 
der  Ostgoten  einzubrechen,  wurde  von  Theodorichs  Oheim  Walamer  erfolg- 
reich vereitelt  (454 '55).  Dieses  Ereignis  ist  ungefähr  gleiclizcitig  mit  Thci- 
dorichs   Geburt. 

Von  den  westgermanisciten  Völkern  haben  namentlich  die  Franken  an 
der  ersten  Ausbildung  der  Heldensage  einen  entscheidenden  Anteil  gehabt. 
Etwa  um  dieselbe  Zeit,  wo  Theodorich  das  i>stgotische  Reich  in  Italien 
stiftet,  gründet  der  Merowinger  Chbjdowech  (481 — 51 1)  das  fränkische 
Reich.  Sein  unehelicher  Sohn  Theodorich  erweitert  die  ürcnzen  seines 
Gebiet«5,  Austrasiens.  durch  tlie  Zerstörung  des  thüringischen  Reiches  (etwa 
530),  ciessen  letzter  KOnig  Irminfrirl  tiurch  sJichsische  Sagen ftberlieferung 
seinen  Weg  in  die  süddeutsche  N'ibelungcudichtuug  gefunden  haL  Das 
Andenken  an  diesen  fränkischen  Theodorich  und  an  die  Machtstellung  seines 
Ä-ihnes  Thetidebert  (554 — 547),  dem  auch  die  Alemannen  und  Bajuwarier 
sich  unterwerfen  mussten.  bewahrt  die  Sage  von  Hug-  und  Wulfdietiich. 
Aber  auch  das  ags.  Kivis  enthalt  Erinnerungen  an  die  Zeit  der  Meri:>winger: 
in  dem  Gcatenkönige  Hygeläc  des  Be«  >wulfei>os  erblickt  man  mit  Recht  jenen 
danischen  (gautischen)  Ki'inig  Chorhilaicus,  der  zv\isc-hen  512  und  520 
plündernd  in  den  Gau  der  salfräJikischeu  Chattuaricr  (ajis.  Hchvare)  einfiel, 
aber  vi>n  Theodebert  an  der  Spitze  eines  Heeres  von  Kranken  luid  Friesen 
geschlagen  und  getutet  wurde.  Ein  spiiti^rer  Merowinger.  Chilperich  (,>6t 
bis  5&4lr  der  neben  seinem  Stammlandc  Ncustricn  durch  die  Ermordung 
Sigiberts  Au.strasien  an  sich  riss,  scheint  wenigstens  dem  Namen  nach  in  dem 
Hjäl^rekr,  bei  dem  nach  den  ntirdischen  Quellen  Sigurd  aufwachst,  und  in 
dem  Hcifefich,  der  in  di-ii  dcutsclieu  Gedichten  von  Dietrich  von  Beni  eine 
Rolle  spielt,  fortzuleben.  Von  den  ing\'aischen  .Stflmmeu,  die  ursprünglich  an 
der  mittleren  oder  am  linken  Ufer  der  unteren  Elbe  sassen,  haben  die 
Langobarden  spärliche  Spuren  im  Epos  hinterlas-sen.  Im  ö.  Jahrb.  in 
fortwährwulen  Kämpfen  im  flonaugebictc  beschäftigt,  besetzten  sie  jbS  unter 
Alboin  (.tberitalien  und  dehnten  ihre  Macht  weithin  nach  Süden  aus.  Lieder 
über  Alb<:»in,  die  auch  l^ei  Baiern  und  Sachsen  gesungen  «-urdtn,  bezeugt 
l'aulvw  Diaconus  (I,  27),  und  lango bardische  Elemente  haben  sich  unstreitig 
in  der  Sage  von  Krmig  Rother  erhalten,  wenn  dieser  auch  mit  dem  als 
Gesetzgeber  bekannten  langnbardischen  Könige  Rothari  (Ö36— (350)  kaum 
mehr  als  den  Namen  gemein  hat.  Wahrscheinlich  aber  ist  schon  in  der 
langobardischen  Üheriiefcrung  auf  ihn  <iie  Geschichte  von  der  Brautwerbung 
seines  Vorgangers  Autliari  |t  590)  um  die  bairi^che  Prinzessin  Theudelind 
übertragen,  wovon  Paulus  Diaainus  (III^  30:  vgl.  Grimm,  Deutschr  Sagen  Nr. 
402)  einen  zweifellos  aus  einem  schönen  Liede  geschnpften  sagenhaft  gfr 
färbten  Bericht  erhalten  hat.  Mit  dem  Ende  des  0.  Jahdmnderts  ist  dai< 
Heldenalter  der  Germanen  abgeschlossen. 

Dies  sind  Im  wesentlichen  die  geschichtlichen  Begebenheiten,  von  denen 
die  Ausbildung  der  Heldensage  ihren  Ausgangspunkt  genommen  hat.  .alsbald 
wird  Attila  der  p*jctisc]ic  \^ertreter  alles  hunnischen  Wesens:  er  wird  in  der 
historischen  Sage  der  Vcniichter  der  Burgunden  mul  sein  Tod  ein  Racheakt 
für  diese  Frevelthat.  Deutlich  tritt  so  das  ethische  Element  dem  gesi'hichi- 
lichen  unmittelbar  an  die  Seite.  Der  Gote  Tlieodoricli  wird  mit  seinem 
Vater  Theodemer  verwechselt  und  mit  Attila  in  Vcrbimiung  gebracht  Von 
den  Schicksalen  des  grossen  Goteukflnigs  wahh  sich  die  Sage  vomclmiHch 
:»cine  liarte  Jugendzeit  aus.    wahrend    welcher   er  mit  seinem  Volke   ein  un- 


Geschichtuchs  Elemente.     Mythische  Elemente. 


021 


stetes  Wanderleben  führen  mussie,  sowie  den  raühsanien  Winlerfcldn^  und 
die  fünf  wechscIvoUen  KriegsjaJire  bis  zur  Eroberung  Italiens.  Die  Gegner- 
schaft zwischen  Ihm  und  CJdoaker  wird  zunächst  von  der  Sage  festgelialtcn. 
aber  die  Rollen  der  Gegner  werden  vertauscht;  Itaücn  wird  als  das  Vater- 
land der  Guten  und  Thef»d»»richa  Eroberung  desselben  als  Rückkehr  in  sein 
Erbe  aufj-efasst.  Wenn  so  der  slegieiche  Usurpator  zum  Klüiliilint;  wird, 
so  apicll  wieder  ein  ethisches  Motiv  in  die  Sagenbüdung  hinein.  Jede  feste 
Chronolt>gie  ist  aufgehoben.  Und  v«ir  Allem  ist  ganz  vergessen,  dass  die 
Bewegting  gegen  Rom  gerichtet  war;  selbst  ACtius,  der  eigentliche  Gegner 
der  ßurgunden,  ist  vergessen.  Ein  anscliautiches  Bild  der  aller  Chronologie 
sp«jtlcnden  Gtstalt.  in  welcher  die  Ereignisse  und  die  Helden  der  Völker- 
wanderung etwa  zu  Anfang  des  ".  Jahriiunderts  im  epischen  Gesänge  lebten, 
gibt  der  ag>.  Widsid,  der  von  Hof  zu  Hof  wandernde  Spicimann,  der  bei 
Eormanric  (Erraanarich)  dem  ürcäcynin^  gcwL-scn  ist,  rcicJic  Geschenke  von 
dem  Burgundenki^nige  Güähere  empfangen  hat  und  die  Freigebigkeil  des 
jEl/witte,  des  I..angübardcn  Alboin,  preist,  mit  dein  er  in  Italien  war. 

'   Hi-ir/.el,    CIt  die  Hervaranaga.  Wien   1887  (aus  ilen  Witn«  SB  CXJV), 
riiinieiitl.  S.    51  n*.;  &.  auch   R.    Mucb,    '/SAA,   33,   4  ff. 

§  8-  Allein,  die  .Sage,  die  sich  an  den  gotischen  Theodorich  anleitete» 
die  Sage  Dietriclw  von  Bern,  sclieint  in  ihrem  Kerne  rein  historisch  geblieben 
zu  sein;  die  Einfülirung  des  vor  allem  in  den  unteren  Volk-ssclüchtcn  be- 
liebten Helden  in  myUiischc  Sagentypen  und  die  Anlehnung  lokal  beschrankter 
Riesen-,  Drachen-  und  Zwcrgcukümpfe  an  seine  Person  sind  nur  äusscrliche 
Zuthaten.  Dagegen  sind  die  Überlieferungen  von  der  Vernichtung  der  Bur- 
gundcn  durch  die  Hunnen  und  von  Attilas  Tod  mit  dem  Mythus  von  dem 
Weisung  Sigfritl  zum  grussen  Komplex  der  Xibelungensage  verschmolzen; 
die  historische  Niederlagi:  des  Geatenkflnigs  Hygeläc  verband  sich  mit  dem 
alten  ingviionischen  Heroenmythus  von  Beowa,  der  den  Meerriesen  Grendel 
bciwbigt  und  im  Kampfe  mit  einem  Drachen  den  Tod  gicbt  und  empfangt; 
aus  der  Verbindung  der  ge.schichUichen  austrasischen  Dietrichssage  mit  my- 
thischen Zügen  ciitsland  die  Sage  von  Hug-  und  Wolfdielrich,  womit  in 
späterer  Zeit  ein  alter  vandilischcr  Dioskurenmythus  zus;immc>nf1oss;  auch 
die  in  ihrem  Ursprünge  rein  historische  Sage  von  Ermanarich  ist  bei 
den  Atemannen  mit  <Iem  Mythus  von  den  Harlungen  verknÜpfL  In  allen 
diesen  Fällen  erwachst  der  Sagen  forsch  ung  die  Aufgabe,  die  In  der  Über- 
lieferung seit  uralter  Zeit  vcrbtuidenen  liistoiischcn  und  mytJiischcu  Bestand- 
teile behutsam  zu  sondern  und  den  Faktoren  nachzuspüren,  die  eine  Ver- 
schmeUung  ermöglichten.  Die  ausgeschiedenen  Mythen  überliefert  sie  der 
Mythologie  als  Material.  Sie  selber  aber  verfolgt  vor  allem  die  gescJuclitliche 
Entwicklung  der  Sagen  in  allen  ihren  Phasen  und  richtet  dabei  ihre  besondere 
Aufmcrkhamkeit  auf  die  späteren  Umge:>t;tltungeli,  die  rein  mythische  oder 
heroische  Sagen  durch  <lcn  Einfluss  verschiedener  historischer  Ereignisse  und 
Zustande  und  veränderter  Sitte  erfahren  haben.  Auf  diesem  Wege  ergiebt 
sich,  dass  die  aus  einem  gemeinsamen  Gruudmythus  entwickelten  Sagen  von 
Walthari  und  von  Hilde  nur  ausserlich  an  die  Geschichte  geknüpft  simi: 
jene  wurde  früh  auf  einen,  möglicherweise  histurisclicn,  seiner  Heimut  nach 
nicht  ganz  sicheren  Helden  übertragen  und  trägt  in  ihrer  epischen  Gestaltung 
unverkennbar  das  Gepräge  der  Volkerwanderungszeit;  diese,  bei  den  Nord- 
seeanwohnem  episch  ausgebildet,  ist  in  jüngerer  Zeit  ein  poetisches  Abbild 
der  Dünen-  und  Normannenzüge  geworden,  in  welchen  gcwisscrmassen  die 
Nurdgemianen  ihre   verspätete  Völkerwanderung   anliaten.    Gaiu  verschont 


geblieben  von  historischen  Einwirkungen  sind  die  Sagen  von  Wieland  xind 
von  Orciidcl. 

§  9.  Als  im  fünften  und  sechsten  Jahrhundert,  dem  gennanisclien  Helden- 
zdtaltcr,  mit  der  Ausbildung  des  historischen  Gesanges  und  der  Heldensage 
die  epische  Poesie  die  h\innis<Iic  abUlste  oder  ihr  zur  Seite  trat,  rouss  die- 
selbe wesentlich  in  den  Kreisen  der  Könige  und  Helden  gepflegt  wurden 
sein,  denen  sie  galt.  Bekannte  und  vielfach  angeführte  Zeugnisse  la.ven 
darüber  keinen  Zweifel  bestehen.  Der  oströmische  Gesandte  am  hunnisdieu 
Hofe  PrUcu»  berichtet  von  Gesängen  auf  Attitas  Siege  und  Kriegstugenden 
beim  Mahle  (Mist.  Goth.  ed.  Bonn.  205,  ti).  Die  Stelle  weist  mit  Bestimmt- 
heit auf  Rezitation  historischer  Lieder  durch  zwei  bcnifamässigc  Sanger,  und, 
da  wir  diese  unzwL^ifethaft  als  gotische  zu  betrachten  halben  werden,  giebt  sie 
ein  vollgültiges  Zeugnis  ab  für  die  Pflege  des  epischen  Gesanges  bei  den 
Ostgoien  um  die  Mitte  des  5.  Jahrhs.  Jordancs  c.  5  bezetigt  in  Überein- 
stimmung damit,  dass  an  den  Höfen  der  gotischen  Könige  die  mächtigen 
Thaten  ihrer  Ahnen  zur  Zither  besungen  wurden.  Wcini  derseJhc  Schrift- 
steller von  Liedern  zu  Eliren  des  bei  ChSlons  gefallenen  westgoiischen  KOnigs 
Theodorich  berichtet  (c.  41),  und  wenn  in  QhnLidier  Weise  die  Leiche 
Attilas  geehrt  wurde  (c  49),  so  wird  freilich  an  chorischen  Totcngesixng  zu 
denken  sein.  Für  Wes^oten  und  Bui^nden  sichert  ApoUinaris  Sidonius  den 
Heldengesang  beim  Gelage  (Epist.  I,  2.  Cann.  XII,  6);  von  den  Vandaleu 
besitzen  wir  die  sch6ne  Erzählung  des  Procop  (d.  hello  Vand.  II,  h)  von 
dem  durch  da>  Heer  des  Belisarius  in  der  uumidischen  Bergfeste  Papf)ua 
eingeschlossenen  Könige  Geiimer  (533),  der  sich  vom  Gegner  ein  Brnd  er- 
bittet um  seinen  Hunger  zu  stillen,  einen  Schwamm  um  seine  von  Tliränen 
geröteten  Augen  zu  waschen,  und  eine  Laute  um  auf  ihr  (Jigd;  xi&dQav) 
ein  selbstßediclitetes  Lied  von  seiner  Not  zu  begleiten.  Wichtig  ist  die  Mit- 
teilung Cassiodors  (Var.  II,  40  f,),  dass  Chlodowech,  der  Gründer  des  frän- 
kischen Reiches,  sich  von  dem  Ostgoteu  Theodorich  einen  »kimstgeübtcn 
Harfenspieler«  [cUharoedum  arte  sua  e/sctum),  also  einen  Rhaiisoden,  erbeten 
habe,  um  beim  Mahle  ore  manitusque  contena  voce  cantanJo  zur  Unterhaltiuig 
des  Königs  beizutragen.  Mag  auch  Ko(?gels  Folgcnmg  aus  die,sem  Berichte 
{Gtsrh.  <i.  d.  LiU.  I,  r,  i^qff.  135),  die  Sendung  dieses  Sangeis  bedeute  den 
Anfang  der  epi.schcn  Dichtung  bei  den  Westgermanen,  übers  Ziel  hinaua- 
schiessen,  zumal  nicht  teststeht  dass  der  citharoeda  ein  Gote  war,  jedesfalls 
bezeugt  er  auch  für  die  Franken  um  die  Scheide  des  5.  und  6.  Jalirhuuderts 
den  Brauch,  Heldenlieder  mit  Harfen begl ei tung  beim  Trunk  vortragen  zu 
lassen.  Für  das  Ende  des  6.  Jahrlis.  weist  Venaiillus  Fortunatus  auf  ahn- 
liche Verhältnisse  an  den  fränkischen  Hftfen  (Carra,  Praef.  imd  VII,  8, 
61  ff.) '.  An  beiden  Stellen  bezeichnet  der  Bischof,  der  auch  nach  Baiem 
und  .\lemannien  gekommen  war,  die  germanischen  Gesänge  als  lendos,  und 
dieses  Wort  (ags.  Uody  ahd.  Uod  Uod,  an.  Ijid  pl.,  vgl.  got-  liupartis,  //ufio»), 
zunächst  wohl  ein  Ausdruck  für  das  Zauberlied  fE,  Schröder,  ZfdA.  37.  258),  mag 
dann  auch  speziell  für  das  epische  Einzellied  verwandt  worden  sein;  deT  epische 
Sanger  aber  lüess,  wenigstens  bei  den  Westgermanen,  scop^.  Ein  Bild  ger- 
manischen Heldenlebcns  ist  es,  wenn  im  BeowulF  867  ff.  ein  Mann  des 
Königs  Hr<Iidg*ir,  im  Zuge  der  Helden  reitend,  von  dem  Drachenkampf 
Sigcmunds  singt,  den  er  in  die  ruhmvollen  Thaten  des  Bcowulf  cinfüchl;  an. 
einer  späteren  Stelle  des  Gedichtes  (2105  ff.)  wird  von  dem  KOnig  selber 
berichtet,  dass  er  das  Amt  des  Sangers  {Hrödgäres  srop  10Ö6)  in  der  Halle 
Heoroi  übernommen  habe.  Eine  traditionelle  rhapsodische  Poesie,  durch 
-wandernde  Sänger,   wie  sie  ihren  idealen  Vertreter   im  WidsiÖ   fanden,    von 


Stamm  zu  Stamm  getragen,  ist  die  älteste  Überlieferung  der  Heldensage. 
Die  alenianuisthe  Wallhersage  ist  im  8.  Jahrh.  in  England  bekannt;  die 
rhein frankische  Nibelungensagc  muss  bereits  früher  sowohl  zu  den  Sachsen 
und  vermutlich  von  ihnen  aus  weiter  in  den  skandinavischen  Norden,  als 
auch  in  den  Saduslcn  Deutschlands  gcwaitdert  sein;  Lieder  von  Alboin 
wurden  auch  hei  Baicm  und  Sachsen  gesungen  (oben  S.  (>jo).  Diese  .llteste 
jjenuanische  Heldciidkhtung,  wovt»n  kdn  Überbleibsel  auf  die  Nachwelt  ge- 
kommen ist.  trug  aJso  durchaus  den  Cliurakttr  einer  adligen  Standespoesie. 
Sie  muss  aber  den  Keim  des  Volkstümlichen  in  sich  gehabt  haben.  Ihre 
Pfleger,  die  wandernden  Sdngcx,  sanken  allmählich  mit  der  zunehmenden 
Abneigung  der  Geistlichkeit  gegen  die  heimische  nationale  Dichtung  von  ihrer 
gesellschaftlichen  Höhe  Itcrab  und  wandten  sich  an  die  grosse  Menge.  Wie 
frühe  der  epische  Heldengesang  auch  in  die  Kreise  des  Volkes  <lrang,  lässt 
sich  allerdings  nicht  bestimmen.  Duss  dies  jefIcKh  in  NiederdeuLschlaud 
wenigstens  nicht  zu  spat  geschehen  ist,  darauf  licutet  die  eigentümliche  Ent- 
wicklung der  sachsischen  Sage.  Der  Quediinburger  Annalist  freilich,  der  zu 
Ende  des  lo.  Jahrhs.  von  Tkiäeric  de  Beme,  de  i/tio  catUabant  rmiiei  olim, 
spricht  (Mon.  Germ.  SS.  III,  31),  braucht  damit  nicht  auf  langst  vergangene 
Zeiten,  sondern  nur  auf  seine  eigene  fugendzeti  zu  weisen  ^. 

Unsere  iüteste  Urkunde  der  deutschen  Epik,  welche  uelleicht  noch  zu 
Ende  des  g.  Jaltrhs.  der  Erzbischof  Eulco  von  Keims  k^innte  (Mon.  Germ. 
SS.  III,  365;  lids.  Nr.  17),  ist  verloren.  Wenn  Einhard  (Viu  CaroL  c  29) 
von  Karl  dem  Grossen  mitteilt:  barbara  ft  antiquissima  eat-mina,  qui&us  netentm 
rtgur»  acltis  et  betla  canehantur,  striftsil  tnenwrioeifrir  mandavil.  s«,)  kajm  nacli 
dem  Zusammenhange  —  es  ist  unmittelbar  vorher  die  Rede  von  der  Auf- 
zeichnung von  Vülksgeaetzeu  —  nur  an  eine  Niederschrift  aller  epischer 
Lieder  gedacht  werden.  Ob  man  sich  darunter  mit  MüUenhoff  (ZfdA.  6^ 
435)  ausschliesslich  historische  Lieder  von  den  Merowingeni  wird  vorstellen 
dürfen,  ist  mindestens  zweifelhaft:  mag  auch  der  Poeta  Saxo  V.  117  (Mon. 
Genn.  SS.  I.  iöSf.)  bei  seiner  Notiz  von  den  vuigaria  cannina,  die  Karls 
Ahnen  feierten,  von  Einhard  abhängig  sein,  so  kann  doch  seine  Interpreta- 
tion desselben  lediglich  auf  Misverständnis  beruhen.  Der  allgemeine  Aus- 
druck vtierum  regum  acitts  et  hello  weist  eher  auf  Überreste  der  allgemein 
germanischen  Heldenpoesie  (Braune,  PBB.  21,  5  Anm.).  Aber  gewiss  werden, 
die  von  Kart  dein  Grossen  gesaintnelten  Heldenlieder  nicht  mehr  die  alten 
heidni-schen  Gesänge  der  Vrtlkerwanderuiigszeit  gewesen  sein,  sondern  ihre 
vcrchristlichten  Umdichtungen,  la  denen  die  anstösstgsten  heidnischen  Remi- 
niscenzen  getilgt  waren,  um  sie  den  veränderten  Anschauungen  wenigstens 
einigermassen  anzupassen.  Wenn  Theganus,  der  Biograph  Ludwigs  des 
Frommen,  von  diesem  mitteilt,  dass  er  die  poeiica  carmina  gentHia,  die  er  in 
der  Jugend  gelernt,  später  verachtet  habe  (Mon.  Germ.  SS.  II,  594;  Hds. 
Nr.  12},  so  kann  diese  Stelle  für  das  Vurhaudcnsciu  heidnischer  »Volksge- 
säi^a  in  den  Krei.sen  der  karolingischen  Karsten  und  Edlen  nichts  beweisen, 
da,  wie  G.  Kurtli  und  W.  Braune  Überzeugend  uachgewie^eu  haben,  sicli  unter 
den  geniilia  carmina  dem  Sprachgebrauch  und  dem  Zusammenhang  nach  nur 
die  lateinischen  Dichtungen  der  Alien,  etwa  Vergils,  Ovids,  Lucans  u.  A-, 
veniteheu  la.ssen*.  Dass  aber  auch  unter  der  christliche«  Tünche  die  Helden- 
dichtung der  Geistlichkeit  ein  Dom  im  Auge  war,  dürfen  wir  g^ost  anneh- 
men. Und  wie  erfolgreich  der  Kampf  des  Christentums  gegen  die  epische 
Dichtung  in  manchen  Gegenden  geführt  wurde,  erhellt  aus  der  auffallenden 
Thatsache,  dass  Otfrid,  dem  es  doch  so  nahe  gelegen  hätte,  lebendiger  Volks- 
epik bei  den  Franken  ratt  keinem  Worte  gedenkt.    Sein  Hinweis  auf  den 


624       XrV.  Heldensauk.    Grundlage  u.  Ai.t&ste  Verbreituso. 


lakomm  ra/ttus  ohseenus  (ad  Uutbert  Z.  h  f.)  mufis  sich  aof  lyrische  Dichtung 
bezichen  *. 

Ais  dnriges  Überbleibsel  der  Epik  jener  Zcitrn  im  inneren  Deutschland 
kann  das  Fragment  des  Hildebrandsliedes,  w-ie  es  um  die  Grenze  des  8. 
und  9.  Jahrhs.  zwei  niederdeutsche  Schreiber  nach  einer  hochdf^utschen 
Vorlage  waJirsc  Kein  lieh  in  Fulda  anfgezeichnet  haben,  nur  eine  unjrenügende 
Vorstellung  liefern  %'on  Fonn,  Stil  und  Vortrag  altdeutscher  Hcldendichtung. 
In  der  uns  vorliegenden  Gestalt  ist  es  chriadich,  abiT  Inhalt  und  Darstellung 
reichen  in  eine  altere  Zeit  zurück.  Es  scheint  unsere  Phantasie  hinzuweisen 
auf  epische  Lieder  von  massigem  Umfang,  nicht  gesungen,  sondern  rezita- 
tiviäch  vorgetragen  mit  Harfenakkorden  auf  den  Hebungen,  stabreimend, 
ohne  strophische  Gliederung  in  fortlaufenden  Lingzeilcn  vorsch reitend,  eine 
einzelne  Episode  ans  der  Sage  hervorhebend,  indem  der  Zusammenhang  der 
Sage  als  dem  Hörer  bekannt  vorauj^esctzl  wird,  mit  ähnlichen  Liedeni  in 
Ton  und  Stil  sich  herilhrend;  die  Darstellung  balla  den  artig,  dramatisch  bewegt, 
vorzugsweise  dialogisch  und  nur  auf  den  Höhepunkten  der  Handlung  er- 
zahlend. Von  solcher  Art  mOgen  die  alten  fränkischen  oder  sächsischen 
Lieder  von  den  Nibelungen  gewesen  sein,  die  In  den  Nurden  drangen.  Und 
es  scheint,  dass  *lii;  meisten  germaniscljcn  Vfilker  auf  dieser  Stufe  der  Epik 
stehen  geblieben  sind.  Bei  den  Skandinaviern  wurde  nicht  einmal  diese  er- 
reicht: vielmehr  sdieinl  sich  im  Norden  als  Zwischenglied  zwischen  der 
ältesten  hymnischen  Poesie  und  den  erzahlenden  epischen  Liedern  eine  aus 
Prosa  und  poeiisrh  gefassten  Einzel-  oder  Wechselreden  gemischte  Form  der 
epischen  Überlieferung  entwickelt  zu  haben  *.  Ein  Ansatz  zu  einem  wirklichen 
Epos  zeigt  sich  in  dieser  Zeit  unter  allen  Germanen  nur  bei  den  Angelsachsen, 
aliein  auch  der  Beowulf  bezeugt  mehr  den  Verfall  de-s  epischen  EinzeJIiedes 
als  die  Blüte  der  geschlossenen  Epopöe.  Erst  im  12.  Jahrhundert  feiert  in 
Oberdeutschland  die  Volksepik  auf  Grund  der  in  der  Volkstraditiun  schlum- 
mernden Überlieferungen  des  gerraanisehen  Hcldenzeitalters  ihre  Auferstehung, 
und  das  Nibelungenlied  ist  kein  unwürdiger  Ersatz  für  das  Epos  der  frftheren 
Jahrhunderte,  desscu  Ausbildung  den  Germanen  durch  die  Ungunst  der  Ver- 
hältnisse versagt  blieb. 

1  MOIIenhoff,  Zur  Gnck.  der  AVÄ.  NU  S.  1 1 :  A.  Köhler,  Germ.  15. 
2;  ff.  —  8  Die  Belege  bei  Kocgel,  Ortmdr.  t  U.  1.  188.  CV-^fA.  d.  d.  Litt.  I. 
I,  I40ff.  —  •  Vgl.  fids.  36f.;  Lachm»nn,  Ä7.  Sehr.  1.4^0;  Wackerniigcl. 
G<jch.  d.  d.  Litt.  1  ■,  96  Anm.  3;  E.  Schröder.  ZfdA.  41,  3a.  An  der  Anlhcn- 
licidt  dieser  Angahr  miiss  ich  gegen  Koegel  {Gesch.  ä.  d.  Lift.  I,  3,  319)  fe«I- 
halten  [3.  jetzt  mich  Jiric/ek,  DI/S.  I.  183.  239,  snwie  zur  Reurleiluii);  des 
sBgcnt^eschicbtlicfaen  Wi-itc»  der  Qucdlinburgcr  Annalen  überbnuiit  unten  §  18].  — 
*  Kurth,  lfm.  por'l.  drt  Herttvingiens  S.  jj  f.;  Br/iune,  PBB.  2i,  5  ff.  251  f.  — 
^  HeiDJtel,  Ober  dtr  S'ihelungfnsage  S.  46.  [Eine  andere  Auflas^UDg  hat  soeben 
Roediger,  DL2.  1897,  Sp.  1817  aaeedcutet].  —  "  Müllenhorf,  ZfdA.  33,  151  f.; 
Koegel,  Gtich.  d.  d.  Litt.  I,  i,  97  fT.;  s.  auch  Buggc,  Hetgt'^gt^nt  S.  317 
mit  Awn. 

§  10.  Die  Art  der  Obertieferung  und  Verbreitung  der  Heldensage  wurde 
entscheidend  für  ihre  geschichtliche  Etitwicklung.  Wahrend  einerseits  die 
Stellung  des  epischen  Sängers  zur  Gesamtiieit  seiner  Stammesgenossen,  füi 
welche  er  auftrat  und  denen  er  verständlich  sein  musste,  auf  den  Kern  der 
S^e  nur  erhaltend  wirken  konnte,  darf  andererseits  die  Bethatigung  des  rein 
poedschen  Gestaltungstriebes  nicht  zu  gering  angeschlagen  werden.  Griff  d« 
wandernde  Silnger  aus  dem  Zusammenhang  der  Tradition  einen  einzdncn 
Teil  zu  seinem  Vortrage  heraus,  sang  er  seinen  Hörern  aufs  neue  das  schon 
80  oft  Vernommene,  so  konnte  er,  so  wenig  aiKh  der  Gedanke  an  persön- 
lichen  Ruhm   in   itim   aufkommen   mochte,  auf  neue  Erfindung  nicht  ganz 


I 


Alteste  Überlieferung.  Typische  Forüex  der  Aus-  u.  Umbildung.  625 

verzichten:  dieselbe  Tlialsathe  konnte  verschieden  motiviert,  verschieden  ein- 
gcklcidei,  verschieden  umrahmt  werden,  ein  glücklicher  Einfall  konnte  einer 
Lücke  des  Gedächtnisses  entgegenkommen  oder  einem  alten  -Stoffe  neue 
Anzieliungskraft  verleihen.  Gemeingut  war  nur  der  Stoff;  seine  dichterische 
Ausbildung  war  immer  das  Werk  des  Einzelnen,  wenn  es  auch  nicht  sein 
gdstigcs  Eigentum  blieb.  Wir  kfinnen  nun  in  der  poetischen  Entwicklung 
der  5>age  t>esr)nders  häufig  folgende,  hier  nur  kurz  zusanunengestcllte  (dazu 
vgl.  ihis.  390 — 4J5),  Vorg-Inge  hrobachten.  Es  wird  ein  Ereignis  oder  ein 
Sagenzug  in  mehrere  gespalten,  wodurch  Wiederholungen  und  Widersprüche 
entstehen:  so  der  Drachenkampf  der  Sigfridssage  in  der  Überlieferung  des 
Sigfridstiedes,  Dietrichs  Zug  gegen  Ermanarich  in  deutsdicn  Dictiicliscpen. 
Dasselbe  Gnmdmoiiv  erfährt  parallele  Ausbildungen,  die  sich  dann  durdi 
ihre  Ähnlichkeit  gegenseitig  beeinflussen:  so  die  Sage  von  den  altereu  Wel- 
simgcn  imd  die  Sage  von  dem  Untergang  der  Burgundcn,  die  Sagen  von 
Wolfdtctrich  und  Dietrich  von  Bern.  Eine  Sage  wird  umgestaltet  oder  er- 
weitert durch  Umwälzungen  in  den  eüüschen  Anschauungen  —  man  denke 
an  Kriemhilds  Verhalten  nach  Sigfrids  Tod,  an  den  Kampf  zwischen  Vater 
und  Sohn  in  seinen  verschiedenen  Fassungen  — ;  durch  neue  Einwirkung 
historischer  Ereignisse  itder  neue  LokaÜsicnrng,  wofür  die  Hildesage  ein  lehr- 
reiches Beispiel  ist;  riiirrh  Einführung  neuer  Personen,  wie  das  Eintreten 
Dietrichs  und  Rüdigers  in  die  Nibelungensage;  durch  Aufnahme  \\>\\  Lt>ka]- 
sagcn,  wie  der  Laurin-  und  Eckensage  in  den  DJelrichsa,'klus;  durch  Ver- 
bindung mit  kleineren  Heldensagen,  wie  etwa  im  Norden  die  Sage  von  den 
Weisungen  die  Helgensage  in  sich  aufnahm.  Zwei  grosse  Sagenkreise  werden 
endlich  verschmolzen:  so  hat  sich  im  Nor<len  die  Sage  von  Erraanarirh  an 
die  Nibelungensage,  in  Deutschland  an  die  Dietriclissage  angeschlossen,  so 
sind  in  loserer  Weise  im  Biterolf  und  in  den  Rosengarten  Dietrichs-  und 
Sigfridssage  verbunden.  Im  Nibelungenliede  ist  der  Untergang  der  burgun- 
dischen  Künigc  im  Hunnenlandc  eine  Episode  in  Dietrichs  Heldenleben 
geworden,  und  die  norwegische  f'idrekssaga  hat  um  die  Figur  des  Bemers 
sogar  den  gesamten  sächsi-schen  Sagetutchatz  gruppiert,  der  de4»  Gewährs- 
m^nem  des  Sagaschreibers  zuganglich  war. 


I 


ÜBERSICHT  ÜBER  DIE  QUELLEN  -. 

§  II.  Von  nicht  geringer  Bedeutung  sind  urkundlich  überlieferte  Per- 
sonen- lind  Ortsnamen  für  die  Untersuchungen  über  Heimat,  .\usbreitimg, 
Bestand  der  Heldensagen  oder  für  die  Feststellung  der  Zeit  ihres  Bckannt- 
seins  in  gewissen  Gegenden.  Um  ihre  Sammlung  und  Sichtung  haben  sich 
namenüich  Mone^  und  Müllenhoff  Verdienste  erworben.  Das  aus  den 
altenglischen  Namen  für  die  Geschichte  der  germanischen  Sage  in  England 
sich  ergebende  Zeugnismaterial  hat  neuerdings  G.  Blnz'  in  trefflicher  Weise 
zusammengestellt  und  verarbeitet,  dessen  einleitende  Bemerkungen  (S.  142  f.) 
auch  die  richtigen  Gesichispimkte  für  die  kritische  Verwertimg  dieser  Quellen 
angeben.  Namen  der  Heldensage  sind  schnell  beliebt  geworden  als  Personen- 
namen, und  unter  gewissen  Ein-kbrankungen  darf  ihr  Vorkommen  in  Urkunden, 
Totenbüchem  u.  s.  w.  a]s  Zeugnis  für  die  Verbreitung  einer  Sage  zu  einer 
bestimmten   Zeit   und  in  einer  bestimmten  Gegend  gelten.     Namentlich  ist 

"  In  der  fci^endieii  Übcnicht  sintt  die  »nz«liicn  Denkmäler  >elbt>tvcTStSmllkli  nur  in 
ihm  Bedeutung  uls  Quellen  für  die  HelHtnsnge  betracfalct;  idle  rein  lilterjulii^UiriKfaeB 
Fragen,  die  ja  an  amlercn  Stellen  des  >(initidruise«*  ihre  Behandlung  rinden,  sind  aiisge- 
Bcblosoea,  aorem  sie  nicht  den  AVcrt  des  beuelTenden  Denkmats  ■!&  ^tielle  fiir  die  Helden- 
ait£e  tfMtiniinen. 

CcmwniKhc  ftitkvIoKJc.  lU.    '1.  Ayf).  40 


626 


XIV.  Heldensage.    Üuersicht  über  die  Quellen. 


das  der  Fall,  wenn  ein  sagenberilhmtcr  Name  in  eiiicr  Liutfortn  auftritt,  die 
sich  nur  duah  Etiüclmung  aus  diiL-r  andcit-n  Mundart  ctklait,  wie  etwa  die 
Namentorm  Kudrun  in  Ohenltrutüic-hLpiid  (MUllenhoff,  ZfdA.  12,  315 ff.),  oder 
wenn  die  eilten tünil »che  Bedeulung  des  Namens  den  Gedanken  an  einen 
andt:ren  Ursprung  als  die  Sage  ausschüesst,  wie  2.  B.  die  Nameu  Nibeluni^.. 
IVf/isttitc.  Shit/tnizzilo  [ZE  Nr.  10,  i.  2.  14*.  ZfdA.  23,  toi).  Am  sichersten 
aber  ist  der  Beweis  zu  erbriu)^en,  wenn  melircre  aus  der  S^e  bekannte  Pur- 
scmennamcn  in  dnem  der  .Sage  cntsprerhendcn  vej^-andischaftUclien  VerliSlt- 
nissc  der  Träger  in  derselben  Urkunde  erei-lieinen.  Sc  findet  sich  ein 
Sigj/ridtis  p/ha  Si^miiudus  (I.  -dt)  r.  750  im  KUass,  so  treten  Sigi/ridus  und 
Guiithtr  neben  einander  auf  in  einer  Urkunde  aus  der  Wormscr  Gegend  a. 
774  \7Ä*\k.  J3,  i'xj).  In  zwei  Sanct  Gallcr  Urkunden  vom  jalirc  804  {ZE 
Nr.  14  öj  Icnrnnien  Witiga  {WUigniiuo)  und  Wielanl  {Wilaiü\  zusammen  als 
Zeugen  vor:  waren  sie,  wie  mau  vermuten  darf,  Sohn  und  Vater,  so  böte  die 
Urkunde  ein  frühes  Zeugnis  für  die  Verbindung  beider  Helden  auf  deut- 
schem Boden.  Auch  Ortsnamen  haben  als  Quellen  für  die  Heldensage, 
nanieiiüi«  h  der  Steligkcil  M'fgen.  wi.imit  sie  bis  in  si^ate  Zeit  an  einer  (Jrt- 
lirhkeii  hafirn,  nirht  geringen  Wert.  Wenn  si<  h  in  einer  Urkunde  des  Jahres 
931  Bcoivan  harn  und  GremUla  mere  zu.saRimen  finden,  so  düifen  wir  daraus 
mit  ziemhVher  Sicherheil  auf  Lokalisierung  des  B^>wamythus  in  WÜtshire 
schliesen  iZE  Ist.  8.  Binz  S.  150  f.).  Ferner  sei  noih  beispidsweise  auf  den 
wichtigen  Nachweis  einer  ÜrunkhUdis  domus  und  ahnlicliL-r  t!)risb«.-7.eithnungen 
auf  französischem  Sprachgebiet  hingedeutet*.  Zus.'immenstetlungen  von  oher- 
deutsi  hen  und  rheinischen  Orlsnamen,  die  an  die  Heldensage  erinnern,  haben 
F.  Grimme  (Germ.  32,  f>5ff.)  und  John  Meier  (PBB.  10,  81  ff.)  gegeben.  — 
Dcmnäclist  sind  nicht  nur  für  die  Verbreitung  der  Heldendichtung  (§  q),  sondern 
auvh  für  die  Geschichte  der  Heldensage  die  bei  den  Historikeni  und  sunstigeu 
Srhrifüftelleni  des  frOhere-n  und  spateren  MiiielaJler»  erhidtcneii  Zeugnisse 
sorgfältig  aui^zubeuten :  für  dieses  Quelleninaterial  kann  an  dieser  Stelle  nur 
auf  die  Sammlungen  in  W.  Grimms  Hds.  und  MtiUenboffs  ZE  liingewiesen 
werden.  Die  Dissertation  von  O.  Haark,  Zeugnisse  zur atlenf^mhen  He/dtn^ 
S'tge  [Ltngen  1892)  berücksichtigt  nur  die  spezifisch  englischen  Sagensioffe 
£\^].  Binz,  LiteraturbL   1843,  Sp.  203  ff.). 

1  Mone,     Unterstuhungen  tnr  (JeschichU  sUr  leuttek^n  Jfrldftuage,    Qu«dl. 

und  Lpig.   1836;  Zmgnisse  ^tr  leuischen  Hehleniage ;   .\rijr.  f.  Kiirwle  il'.T  tculscben 

Vorteil  3.    141  ff.  508  ff.  6,   t?I  r.  —  •  Müllcnhoff  in  der  ZEmikK  mumi  paftsim. 

—  "  G.  Bin/,     XntgHiiif   tur  germ.   Sage  in   F.MglttNti:    PBB.  20,    141  ff.    (*i;I. 

Kluge,    Engl.  Siud.  «i.  446  f.).  —  *  C.  HofinAnn,  ZfdA.  38,  I4jf.;  J.  M«ier 

a.  A.  O.  S.  81  r. 
§  12.  Es  seien  hier  .s>tgleich  die  seltenen  bildlichen  Darstellungen 
vun  Stoffen  der  Heldensage  angeschlossen,  die  aus  alterer  Zeit  auf  uns  ge- 
kommen sind.  Die  älteste  und  für  die  Sagengeschichlc  widiügste  befindet 
sich  auf  dem  sogenannten  Ctcrmouler  RunenkSstchen  (Franks'  Caskel) 
im  BritLsh  Museum.  Auf  diesem  Küstchen  aus  Wallrossbein  isl  auf  der  einen 
(vorderen)  Seile,  umgeben  von  einer  RunenJnMhnfl,  die  ags.  Verse  vom 
Wallfisch  enthält,  rctrhts  die  Geburt  Christi  dargestellt.  Hnks  aber,  wie  zueräl 
Bugge  erkannt  hat,  eine  Szene  aus  der  Wictandsage,  tleren  Deutung  für  die 
Entwicklungsgesd lichte  dieser  Sage  nicht  ohne  Belang  ist  (s,  unten  §  62). 
Der  spraihliche  Charakter  der  Inschrift,  die  u.  a.  Erhaltung  des  -«  nach 
langer  Tonsilbe  {fiüdu)  und  dt;^  Diphthongs  eu  igreni)  aufweist,  verbietet  das 
Denkmal  liefer  herabzutücken  als  in  den  Anfang  des  8.  J.thrhs. '.  —  !in  skai 
dinavisihen  Norden  hat  die  Sigfri(ts.<agc  Anlass  zu  bildlichen  DarsLellunf 
geboten,   die  neben  dem  Volksgesang  die  dauernde   ungemeine  Beliebtheit 


I 


Peksosen-  untj  Oktsnamrn.     Bildliche  Darstellungen. 


037 


dieser  Cberlieferun(;;en  bezeugen.  Aus  Norwegen  gehören  hierher  die  Holz- 
schnitzereien auf  den  Thüren  der  Kirche  von  Hyllestad  im  Satenidal  von 
der  ersten  Hitlfte  des  13.  Jahrhs.,  die  in  einer  Reilie  von  Bildern  Regin  und 
Sigurd  bei  der  Schmiedearbeit,  Sigurd>>  Draditriikampf,  das  Braten  und  Kosten 
des  Drachenherzens,  das  Rnss  Grani  und  die  wciwiagenden  Vögel,  die  Er- 
schlagung Regins.  endlich  den  mit  den  Zehen  die  Harfe  rührenden  Gunnar 
im  Schlangcnzwingcr  vorführen;  ähnliche  Darstellungen  finden  sich  auf  einer 
Thftr  diT  Kirrin?  von  Opda!  (N'uinf?dal),  auf  einem  Taufbecken  der  Kirche 
von  Nürum  (Boluislau).  auf  zwei  Stuhllehnen  von  Hovc  (Teleinarkcn)  u.  s.  w. ' 
In  Schweden  tiind  Kinritxungen  auf  Steinen  gefunden,  die  durch  schLan- 
genförmige  Runeninschriften  umringt,  un*:weifelbaft  Darbtellungen  aus  der 
Sigurdssage  enthalten ;  es  kommen  namcnthch  in  Betracht  der  Gokstein  und 
der  Ranisunci bergstein  in  Südennannland,  aber  auch  in  iuideren  schwedischen 
Landschaften,  in  Upland  und  Gestrike  (der  Ockdbostcin),  sind  solche  Denk- 
mäler entdeckt".  Nicht  gesichert  scheint  die  Deutimg  der  Figuren  auf 
«incm  Steine  in  der  Alauer  der  Kirche  von  Fahrenstedt  in  Angeln  auf  die 
Sigtutlssage  •,  ebensowenig  Worsaacs  Auslegung  der  Dantellungen  auf  den 
Goldbrakteaten,  die  namentlich  auf  d^ni.->chi'm  Buden  in  grosser  Zahl  ge- 
funden worden  sind  *  Unverwertbar  für  die  Sagengeschichte  ist  auch  die 
mehrfach  erinnerte  Schnitzerei  auf  der  »KirchenthQr*  von  Valjijf'ifsstadr  auf 
Island,  die  Dietrich  vun  Bern  oder  Wolfdietrich .  der  durch  die  Erlegung 
eines  Drachen  einen  Lf^wen  befreit,  darstellen  soll.  Die  Deutung  des  Denk- 
mals ist  ebenso  unsicher  wie  scme  Datienmg".  —  In  Deutschland  sind 
bildliche  Darstellungen  aus  der  Hddensage  selten  und  wenig  bedeutungsvoll. 
Ein  Freskencvkius  im  Schlosse  Runkelstein  bei  Bozen  aus  dem  Ende  des  14. 
Jahrhs.  zeigt  Dietrich  von  Bern,  Sigfrid  und  Dietleib  mit  üiren  sagenberühmten 
Schwertern,  drei  Riesen  und  drei  Riesciiweiber'.  Jünger  sind  die  Laurin- 
bilder  in  den  Ruinen  des  fichictsses  Lichtenberg  im  Vinstgau  (ZE  Nr.  5a 
Germ.  23,  29!,).  Auf  anderes  hierher  Gehöriges  kann  nicht  eingegangco 
•wenlen  (\-gl.  noch  Hds.  Nr.  172  b  und  S.  493.  ZE  Nr.  21,  4 — 7.  63,  3). 

'  AhbilitiiDKi^n  in  G.  Stephens'  Old  Northern  Rttnic  Monurnfnli  1,  476  (in 
(I<*r  Einleiuing  S.  LXTX  f.  Bugge»  Deulunt;),  in  Gr«in<\Valk«r'«  lUhlwilu-k  ärr 
agi.  Poicisr  Bil.  I,  snwic  tu  Jiriczek.i  kleiner  Drulaher  HrlJ^nutge^.  I.itECratur 
in  Walkers  Grnndrisi  zur  G*sch.  der  agi.  Litt.  %  373 — 377;  vj;!.  Bin/..  PBB. 
20.  188  und  nnlen  §  62.  —  *  Eidirc  widitißc  norw.  und  scbwi-d.  Danicllungen 
sind  reprnduawt  im  Jahr^^Jic  i9^o  dn  Aartvgtrr  /or  ncnf.  O/M..-  eine  Reihe  von 
norw.  Holnchniucreien  (Portalen)  *iu  der  Sii^urdsuge  bt  abgebildet  im  3.  Bande 
ron  P.  B.  du  Cbaillu,  7'Ae  Viking  .-igr,  London  1889;  die  KolzthUrco 
von  Hyllcsud  und  der  Ramaundätein  neuerdings  auch  bei  Jiriczek  a,  a.  O.  — 
*  C.  Save.  S'gtirdS'Jiistttingarnf  •!  ^amsHndt-A'rgff  orA  Gi^ksSiftifn.  Stockh. 
l86g  {deutsch  von  Frl.  J.  Mestorf.  Hamb.  1870):  K.  Hj.  Kempff.  Bild-  och 
Kunstemm  I  (X'ketbo.  Gcilc  1887  (s.  das  Refrrat  v»n  Möbius.  ZfdPh,  20.  JJlf.V: 
BuEKc,  Studifr  I,  503  ff.  —  *  Gcnii.  15,  122  f.  17,  J 1 1  iT.  —  "'^  J.  J-  A.  Wor- 
saae,  Op*  FareUiUingrrne  paa  Guldbrailfat^rn* :  A^ub.  lor  jhtO.  Oldk.  1870,  S. 
388  ff.  —  ■  Sv.  Grundtvig,  Danm.  gami^  Folknnfr  XK ,  fi8t  ff.,  wo  sieb  wei- 
tere t.ineralur  und  eine  Ahhildung  des  jelii  im  Kopenhagener  Nfineum  aun>v- 
wahrten  DenkiuaU  linden.  —  'Ziagcrie,  FreskemytlHi  dei  Schlatsn  Runtehlrtn 
bei  ßiiten,  Innsbruck   1857;   vgl.  Genn.   2,  468.   33,   38  ff. 

S  13.  Die  ältesten  2U.sammenhang enden  litterariiichen  Quellen  fQr  die 
germanische  Heldensage  begegnen  bei  den  Angelsachsen;  sie  liefern  ein 
beredtes  Zeugnis  für  das  frühe  Wandern  der  Sage.  Der  Wldsid'  scheint 
seiner  Grundlage  nach  in  eine  Zeit  zu  fallen,  wo  die  spateren  Bewolmer 
Englands  noch  ihre  alten  Sitze  auf  der  kimbrischen  Halbinsel  und  dem  süd- 
lich aiigrenxendeu  Teile  dcä  Festlandes  öslUcIi  von  der  Elbe  inne  hatten. 
Die  Verhältnisse  in  diesem  ältesten  Denkmal  germanischer  Epik  reichen,  so- 

40* 


638 


XTV.  Heldensage.     Übersicht  über  die  Quellen. 


bald  man  es  von  den  Inteqnolarionen  befreit  hat,  alle  ncich  ins  sechste  Jahr- 
hundert zurück;  in  ihin  hat  dur  Weitgereiste  die  Überlieferungen  des  zu  Ende 
gehenden  gemanischen  Heldenalters  gleichsam  katalogmässig  zusammen- 
gefasst  und  um  die  Idealgestall  des  wandernden  Sängers  gruppiert.  Der 
Stoff  des  Beowulfepos>  in  der  uns  erhaltenen  Gestalt  berulit  auf  einer 
Verschmelzung  des  Beowaniythus  mit  der  historischen  Sage  von  Befitt-ulf» 
einem  gautisdicn  Helden,  der  sich  bei  dein  Zu^e  des  Königs  Hygcläc  an 
die  Rheinmündung  (§  7)  ausgczeiclinet  haben  muss.  Es  wurde  die  Sage 
vermutlich  von  Angeln  aus  ihrer  festländischen  Heimat  nach  Britannien  ge- 
tragen, und  ihre  epische  Gestallung  muss  in  sehr  aJtc  Zeit  zurückreichen, 
da  die  ursprünglichen  Teile  des  Epos,  denen  ältere  Lieder  zu  Grunde  liegen, 
noch  dem  7.  Jahrh.  anzugehören  scheinen.  Wie  sich  aus  dem  Bcowulf  er- 
giebt,  waren  damals  oder  doch  wenig  später  auch  die  Sagen  von  Signnind 
und  Sinfj9tU  (Fitela)  und  Higfrids  auf  seinen  Vater  übertragenem  Drachen- 
kampfe (Beow.  875  ff.),  von  Wieland  dem  kunstreichen  Schmiede  (Beow.  455), 
von  Ermanaricli  und  Heime  (Heow.  1 197  ff.)  den  Angelsachsen  geläufig. 
Ausserdem  sind  nur  s{>ärliclie  Reste  der  ags.  Epik  erhalten.  Das  Fragment 
vom  Kampf  um  Finnsburg*,  tlessen  Zusammenhang  erst  klar  vnrd  durch 
ein  Lied,  welches  als  Episode  in  den  Beowulf  eingelegt  ist  ( 1068  ff.),  führt 
in  den  Kreis  der  alten  Nordseehcldcnsage,  die  auch  in  Oberdeutschland  im 
8.  Jahrh.  bekannt  gewesen  sein  muss.  Die  Sage  von  dem  Friesen könig  Finn 
imd  seinem  Schwager  Hnief  dem  H«')cing  hat  ihren  Schauplatz  an  der  frie- 
sischen Nord-seeküste  und  ist  den  Angelsachsen  augenscheinlich  durch  die 
Friesen  vemiittelt  worden,  die  vielleicht  auch  sonst  öfter  die  Verbreiter 
deutscher  Sagen  in  England  gewesen  sind.  F'Or  eine  kraftige  Ausbildung  der 
epischen  Poesie  in  Friesland  zeugt  der  bekannte  Bericht  von  dem  blinden 
SÄnger  Bemlef,  der  (im  g.  Jahrh.)  a  tt'n'nts  suis  vaMe  dUi^balur.  eo  quod  esstl 
affabilis  t!  atitü/uontm  nclus  regitm<jiie  crriamina  btne  novcrat  psalleado  promert 
(Alon.  Germ.  SS.  H,  412;  vgl.  die  etwas  abweichende  Fassung  in  den  Dfutsthen 
Soffen  der  Gebr.  Grimm '  II,  XI),  wohl  auch  die  Sprache  der  friesischen 
Rechtsdenkmäler  *.  Weit  mehr  aber  als  die  bisher  genannten  fJichtungen 
sprechen  die  ags.  Bmchstticke  des  Waldere^  wohl  aus  der  Mitte  des  8. 
Jahrlis.,  für  das  schnelle  Wandern  der  S^e.  da  in  ihnen  wesentlich  die 
alemannische  Fassung  der  Sage  von  Walthari  und  Hildegund  vorliegt,  allein, 
mit  eigentümlichen  Zügen,  die  auf  eine  längere  Unabhängigkdt  der 
Überlieferung  deuten  {vgl.  §  52  ff.).  Dass  die  W^alderefragmentc  keine  originale 
ags,  Dichtung,  sondern  Fragmente  einer  ags.  Bearbeitung  eines  ahd.  Walther- 
epos seien,  hat  Kucjijtl  zu  erweisen  gesucht  [Gesch.  d.  d.  Litt.  I,  I,  235 ff.), 
aber  weder  seine  sprachlichen  noch  die  von  ihm  und  Binz  S.  218  geltend 
gemachten  sachlichen  Gründe  scheinen  stichhaltig:  s.  namentlich  C.  Kraus^ 
Zs.  f.  d.  ttsterr.  Gymn.  i8t>6,  328  ff.  und  Cosijn,  Versl.  en  Sied,  der  Kon. 
Akad.  van  WeL  Afd.  Lett.  lU,  12,  64  f f .  Eigennamen  beweisen  die  Verbrei- 
tung der  Walthers:ige  in  England  schnn  am  F-nde  des  7.  Jahrhs.  (Binz  S.  210). 
Dass  noch  andere  Heldensagen  in  England  bekannt  waren,  erhellt  beson- 
ders aus  dem  strophischen  Gedichte  D6ors  Klage  (des  Sänger^'  Tro«l)^J 
Der  Sanger  D^or,  dem  das  Lied  in  den  Mund  gelegt  ist,  klagt,  dass  der- 
Kederkundige  Heorrenda  ihn  aus  seinem  Sängeraint  am  Hofe  der  Heodeninge 
veTrln'lngt  habe;  er  trüsiet  sich  in  seinem  Leide  mit  der  Erinnerung  an  den 
von  König  Nidhad  gefesselten  Weland  und  die  von  Weland  geschwängerte 
Bca<inhi!d,  und  an  den  verbannten  l^eodric.  Ob  der  Dichter  als  Dietxit 
Gegner  schon  Enrmenrir  kannte,  den  die  nächste  Strophe  allerdings  als  einen 
grimmigen    Gotenkönig    mit    wölfischem    Sinne    erwähnt,    muss    dalitngestelU 


AcÄ  Quellen.     Hilde brandsued. 


639 


W 


bleiben.  Jcüesralls  zci^  ur  Kenntnis  der  Sagen  von  Hltdc,  Widäiid,  £nna> 
nahch  nnd  Dietrich  von  Bern.  Die  Ähnlichkeit  in  den  Situationen  und 
selbst  im  Ausdruck  zwischen  der  Welandepisode  in  dem  ags.  Gedichte  und 
der  eddischen  VtStundarkvitia  UUtsl  für  beide  Darstellungen  eine  gemeinsame 
Quelle  möglich  erscheinen,  die  dann  wohl  ein  niederdeutsches  Lied  ge- 
wesen wäre  (vgl.  §  62). 

Ein]ieimi.sche  Sagen  der  Angelsachsen  sind  uns  im  Beoniilf  erhalten, 
so  die  Sage  von  Hcremöd  (901  ff.  ijo^ff.).  den  der  Beawulfdichter  allerdings 
zu  einem  Dünen  macht,  und  die  Jiage  von  dem  Angehikönige  Offa  und  seiner 
Gemahlin  l'rV'do,  die  namentlich  in  Mercien  lange  lebendig   blieb   (193,1  ff.). 
Andere  Stoffe,  deren  sich  die  ags.  Epik  schon  in  der  festländischen  Heimat 
bemächtigte,   sind    vennutlich   danischen  Ursprungs,   so   die  vertlungenen 
Erzählungen,    die  sich  einst  an  tlie  lialb  mythischen  Gestalten  von  Sigehere, 
dem  Sigarr  der  nordischen  Sage,  der  lengeit  Sti-Denum  ttro/rf' (W'ids.  28),  und 
Alewih  (Wids.  35  ff.)  knüpften,   mid  die  Überlieferungen   von  den  Kämpfen 
ZH-ischai    Heatfobardeii   und    Dänen  (Bcow.  2020  ff.  Wids.  45  ff.).     Auch  die 
Kämpfe  zwischen  Schweden    und  Gauten,    von    denen   das   Beowulfepos  zu 
berichten  weiss,  werden  frühzeitig  in    englisclicn  Liedern    besungen   und    mit 
■den  letzten   germanischen   Einwanderern  nach  Britannien  übertragen    worden 
sein.     Alle  diese  Stoffe  fallen  ausserhalb  der  Grenzen  unserer  Er&rtenmgen  '. 
Ten   Brtnk,   6>jrA.  drr  rtigi.  Litt,   I,    15  ff.   29 — 40.  7&  f.   185;    AltfngUseh« 
Litfralur  in  Pnuls  CinintlniK*  ^  II,    1,   510  ff-     i.i«<rnmir   iii   Wölkers     Grundriu 
§  206—337.    —    1  fircin-Wolker.  Bibi.   d^r  agi.  Pnesie.  I,    1—6;   vgl.   Müllea- 
hoff.  ZrWA.  II,   375  ff.;   Bojung«,  PBB.    t(i,   545  fr.  —  "  UUtratur  s.  §  2^  f. — 
8  Grtin-Wüllscr  T,   14  —  17:  vgl.  MUlIciihtifr,  ZfdA.  11,  281  1.  12,  2*85  ff.  (= 
ZE  "ÜT.   9).     Jie^vuif   S.    105  f.;    Maller,  Alt^gl.     loJist^oi,   S.    46  ff.    151  ff.; 
BuRn«,  PBB.  12.  loe.-.   JelHnek.    PBB.  15,  4a8flr.;    Kücgcl,    fiacA.   d.  d. 
Litt.  I,  1.  163  fr.;    Binz  r.  a.  0.  S.  I79ff.  —  *  MQllcnhorr.  &ovui/' S.  104 
—  108;  Kocgcl.    a^scfi.  d.  it.  Litt.   I.    (,    141  f.   242  ff.    (doch  %,  «uch  Sieb», 
/ftlPh.  19.  405  ff.  —  *  Grcin-Wülkcr  I.  7  —  13;  UUcmiur  a.  8  52.  —  *  Gtcio- 
Wülln-r  r.   278-180;  vgl.    fids.  Nr.  8:   Müllcnhoff.  ZWA.  ti.  272  ff.  II.  261 
Anm.  —  "^  ObtT  sc  ».  Miilli-iihotT,  Beovttl/ {]^-säm);  MOHcr,  Attengl.   l'ottjtpos 
S.   100  ff.   23  ff.   27  ff.   105  ff.;   Kocgvl,   Grich.  d.d.  Litt.  \.   l,    153  —  163.   167 — 
169;  BIdx  ».  a.  O.  S.  15817.;    SiickEer,    Über   dit  Sage  von    Offa   und  Prydc: 
PBB.  4.   500  ff. 
§  14.     Im  iniiem  Deutschland  ist  das  Hildebrandslied,  der  einzige  Rest 
altdeutscher  Heldendicäilung  (§  q),    zugleich,    wenn    auch    nur  durch  .\ndeu- 
tungen,  ein  wichtigt-^  Zeugnis    für    die    Entwicklung    der    IMelrichsage   im  8. 
Jahrh.     Die  vom  Dichter  voraussesetzte  Situation    ergiebt.    dass  Hildcbrand, 
der  an  der  Grenze  des  bernischen  Landes  mit  seinem  Sohne  zusammentrifft, 
im  Gefolge  Dietrichs,  von  einem  hunnischen  Heere  unterstützt,  nach  dreissig- 
jahriiiem  Exil  in  die  Heiruat  zurückkehrt.     Und  wenn  es  heisst,  dass  Dietrich 
zu  den  Hunnen  geflohen  sei  vor  Oiacbres  nid,    so  erhellt,    dass  ( )doakcr  als 
Dietrichs  Gegner  damals  in  Obcnleulsc bland    nocli    nicht    durcli  Ennanarich 
vcrdrai^,    somit   die  Verbindung   von  Dietrich-  und  Ermanarichsagc   im   8. 
Jahrh.  nicht  oder  dodi  nicht  allgemein    vollzf^en    war.     Mit    dem    Hunnen* 
könige  {Hüneo  tmhiin\    bei  dem  die  Vertriebenen  Zuflucht  gefunden  haben, 
kann  nur  Attila  gemeint  sein,  wenn  man  nicht  mit  Kauffmann  (/%/'/«/.  SttuHm. 
ßes(j;ah(  für  E.  Siners,  S.    1.54  f.)    eine   unbeweisbare  Sagenrekonstruktion   an 
die  Stelle  vorsichtiger  Kombination  des  erhaltenen  Sagenmaterials  setzt.   Von 
einem  mis^lückten  Eroberungsversuche  IiaHens.    wie  in  der  Klage  und  jün- 
geren Quellen,   ist   im  Hilriebrandsliede    nirgends   die    Rede.     Auch   auf   ein 
schon  erfolgtes  Eintreten  Dietrichs  in  die  Sage   von   den   Nibelungen    deutet 
keine  bestimmte  Anspielung  im  Gedichte;  der  Kampf  im  Osten,  der  dem  alten 
Hildebrand  das  Leben  gekostet  haben  soll  (Va.  42  ff.),  braucht  nicht  auf  Teil- 


630 


XIV.  Heldeksace.     Übersicht  Ober  die  Quellen. 


nähme  an  den  Nibelungcnkaropfen  hinzuweisen.  Es  setzt  somit  unsere  Quelle 
als  die  älteste  erreichbare  Form  der  Dietri». hssage  voraus:  Flucht  vor  Odoaker; 
dreiss)gjäh^^j;cs  Exil  üin  )lull^>^^chcn  Hofe,  siegreiche  Rockkehr  in  das  Erbland. 
Die  Verbindung  Hildchrands  mit  Dietrich,  die  sich  bei  den  Angelsachaea 
nicht  nachweLsen  lasst,  ist  im  Hildebrandsliede  bereits  fest  geworden.  Dass 
das  Lied  in  seiner  alten  Fassung  tragisch  mit  dem  Tttde  des  jungen  Helden 
endete,  kann  nicht  bezweifelt  werden.  Der  Ton  und  die  Anlage  cics  Liedes 
drangen  auf  diesen  Ausgang  liiii;  mit  dem  Falle  des  Sohnes  enden  auch  die 
persische  Sage  von  Rustem  und  Sohrab,  die  irische  von  Cuchulain  und  Con- 
laoch  und  die  russische  von  lija  aus  Murom  ^.  Ein  bestimmtes  Zeugnis  da- 
für bietet  eine  Halbstrophc  der  Asmundar  saga  kappabana  (FAS  II,  485; 
Detter.  /fi<r/  Fomaldarsögur  99,  8  ff.),  in  welcher  der  sterbende  Hildibrandr 
Hünakappi  unter  den  von  ihm  erschlagenen  Helden,  die  auf  seinem  Schilde 
aufgezahlt  sind,  auch  den  eignen  Sohn  nennt: 

Liggr  par  enn  sxfäse       wnr  ai  hf/pe. 
epter/ittge,        €s  eiga  gatk, 
oviljanät  aliin  svnjapai. 

Es  müssen  die  Verse  aus  einem  verlorenen  Hildebrandsliede,    weldies   mög- 
licherweise direkt  aus  deuischer  Quelle   hervorgegangen   ist,    schon   frühzeit^ 
in  das  Gedicht  geraten  sein,   das   in   dieser  interpolierten  Form  auch  Saxos 
lateinischer  Paraphrase  (ed.  Müller  556  ff.,  Holder  J44,  1,3  ff.)  zu  Grunde  liegt*. 
Div  Liltcntlur  dbiT  i\a»  Hililtrhrandslit-d  (indrl  sich  am  ülicnichtlichaton  zusnm- 
jnrriKrslcllt   in   Braiintr»  Ahä.   Ijeirhuch^   (1^97)  S.   I70ff.  —  '  UhUnd,    Sehr. 
I.   164  lif.  VII,    546ff.;   R.   Kfthlcr,   Weimar.  Jahrb.   4,  4rjff.;  r.anihc),   Gmn. 
10.   338  ff-;  Ot.  Miller,   Hfrriga  Arcbiv   53,   257  fr.   [tJticr  die  weile  Verbreilung 
des  Motivs  s.  Jiriczck.    />//.*».   1,   i"5  ff.  und  die  dort  jingefilhrlo   Uucralur].  — 
»  Uhland.   Srhr.  VI,   US  ff.;   Ricgcr,   ricnn.  9.  313  ff.;  MSD^  11,    17;  Bdci, 
PBB.  22.  345  ff.  Qiricrek.  DHS.  I,  284  ff.  329  f.]. 

§  15.  Die  Entwicklung  des  Heldensanges  und  des  Epos  wurde  unter- 
brochen durch  das  Cliristcnlutii.  Ist  schon  der  Beowulf  'CÜi  halbfertiges, 
gleichsam  mitten  in  der  Entwicklung  prstirrtes  Epos«  (Ten  Brink),  so  haben 
Friesen.  Franken.  TliUringer,  Hessen,  Alemannen  und  Baiem  ihm  nichts 
Ähnliches  an  die  Seite  zu  stellen.  Auch  die  Sachsen  nicht,  tmtz  ihrer  müh- 
samen  Bekehrung  zum  Christentum:  der  Heliand  und  die  allsfkchsisclien 
Gencsisfriigincutu  zeigen  lUe  Epik  in  ihren  letzten  vcrgcblidien  Versuchen, 
sich  der  neuen  Lehre  anzu])ashen.  Der  Heldengesang  verstummt  im  neunten 
und  zehnten  Jahrhundert,  die  Heldensage  weicht  in  die  Kreise  des  V'olkes 
zurück  und  findet  durl  ihre  Pflege.  Die  Fahrenden  treten  die  Erbschaft  der 
Berufssangor  aus  den  höheren  Kreisen  an,  und  mit  ihnen  ändert  sich  die 
Geschmacksrichtung  wesentlich  (vgl.  §   17). 

In  Süd-  und  Mitteldeutschland  reicht  dem  Christentum  die  Renaissance 
des  Mittelalter«  die  Hand,  die  in  der  Zeit  der  Ott-inen  aus  einem  Kompruraiss 
zwischen  der  Spieiuiamispocsic  und  der  antiken  Bildung  hervorwacbsoide 
sogenannte  lateinische  Hnfiniesie.  Der  Pflege  der  heimisi.:hon  Stoffe  sieht 
diese  nicht  wie  das  Chrislenium  feindlich,  sondern  nur  umbildt-nd  gegenüber. 
Dieser  mittelaltL-rlicIicn  Renaissance  verdanken  wir  eine  der  wichtigsten  Quellen 
für  die  HeMensage.  den  Wahharius  Ekkehard  I.  in  welchem  um  q^o  iu 
der  Klusterschule  von  Sanct  Gallen,  in  lateinischen  Hexametern  nach  dem 
Muster  Vergils,  das  germanische  Heldenlied  noch  einmal  auflebt  Wenn 
auch  nicht  genide  ein  alid.  Waltiierepus,  so  liegen  doch  jedesfall-s  ahd.  Lieder 
dem  G«3ichte  zu  Grunde,  wofür  namentlich  die  zahlreichen  Parallelen  im 
Ausdnick  wvx  dem  späteren  mhd.  Volksepos  sprechen,  üb  diese  Lieder 
mxJi    stabreiinend    waren,    bleibt    zweifelhaft*.    Spunm  deutscher    Helden- 


HiLDEBRAimsuED.  Waltharios.  Ruodli£B.  Lat.  Nibelüsgek.    63t 


I 


■ 


dichlun};  in  latdntschem  Gewände  zeigt  auch  der  Ruortlicb,  den  ein  unbe- 
kannter Tegcmaeer  Möncli  etwa  dn  Jahrhundert  nai.h  dem  Waltharius  ver- 
faaste.  Der  letzte  Abschnitt  [lics<*8  Roinaiis  i^Ruodlicbs  zweiter  Auszug: 
Fragil).  XVII.  85--XVni.  52)  scheint  allerdings  nach  Laistners  Nachweis 
das  Überbleil«el  einer  Älteren  Dichtung  zu  sein,  welche  leicht  Oberarbeitet 
dem  Werke  nachträglich  einverleibt  wurde.  Aber  eine  bestindere  Heldensage 
von  Ruodlicb  anzunehmen,  wie  es  Laistncr  Üiui.  ist  kaum  ausreichender 
Gnind  vr^rhanden;  vielmehr  sind  Züge  der  HeJdensage  auf  eine  Figur  der 
Spielmannsdichtung  übertragen.  Ein  Zwerg,  den  er  bezuingt  (Alberich?), 
weist  den  Ru'idlieb  au/  den  Hort  zweier  Künigc,  des  Irnmuug  und  seines 
Sohnes  Härtung;  durch  ihre  Bezwingung  soll  er  den  Schatz  und  die  reiche 
Erbin  Hcriburg.  Immungs  Tochter,  erwerben.  Dass  ihm  dies  gelingt,  dürfen 
wir  wohl  aus  dem  Eckenliede  Str.  82  f.  schliessen,  und  auch  das  Spielmanns- 
gedicht, das  dem  Berichte  der  t'idrekssaga  c.  ()H  zu  Grunde  liegt,  hat  Kunde 
von  Ruodlicb  {Ro:eUiJ,  RutsiUtf)  gehabt.  Ruodliebs  Sohn  war  Herb'irt.  der 
mit  dem  Schwerte  Eckesahs.  das  einst  dem  Vater  von  einem  Zwerge  gebracht 
war,  den  Riesen  Hugebuld  erschlug.  In  diesen  Bruchstücken  alter  Sagen 
sind  nur  spielmannsmassige  Umgestaltungen  alterer  Sagen  zu  erkennen,  nicht 
Reste  einer  besonderen  Ruodlicbsage  \ 

Viel  erörtert  ist  die  Krage,  ob  es  bereiu  im  10.  Jahrh.  eine  lateinische 
Niederschrift  der  Ni  belungensage  gq;eben  habe.     Nach  der  Klage 
4295  ff.  (Bartsch)  soll  der  Bischof  Hlgrim  von  Passau  (971 — 991)  den  wesent- 
lichen Inluilt  des  Nibelungenliedes  —  oder  nur  des  zweiten  Teils  desselben, 
I  der  eigentlichen  Nibclungc   not  *  —  durch   seinen  Schreiher  Meister  Koiu^d 

^K  in  lateinischer  Sprache  haben  aufzeichnen  lassen.  Die  Narhrirht  hat  gew-iss 
^1  an  sich  keine  Gewahr  der  Glaubwürdigkeit,  erhalt  aber  durch  die  Aufnahme 
^B  Pilgrims  in  dus  Nibelungenlied  und  namentlidi  durch  die  Erwägung  der 
^B  geographischen  VerliAltnissc  im  Liede  eine  wesentliche  Stütre.  Die  östliche 
^^  Grenze  der  Passauer  Diözese  bei  Mülären,  wo  Pilgrim  sich  von  Kriemhild 
^H  verabschiedet  (Nib.  izögf.),  ist  gcscliichtlich  gerade  in  den  scclizigcr  und 
^H  siebziger  Jahren  des  10.  Jahrhs.  nachweisbar,  und  zwar  nur  damals.  Ihre 
^1  Erwähnung  im  Nibelungenliede  deutet  also  auf  eine  Redaktion  des  10.  Jahr* 
^P  hunderLs  wie  der  Schluss  der  Klage  sie  bezeugt*.  Die  Frage,  ob  man  sich 
^1  eine  prosaische  Niederschrift  'jder  ein  Gedicht  nach  Art  des  Waltharius 
^^       darunter  vorzustellen  habe,  bleibt  nalQrlich  offen. 

^B  '  J,   Urimm.    Lat.    O^khu  dn   X.   und  Xf.  Jahrhs.  (Gölt.    l8j8)   S.  ggf-: 

^H  Ublind,    Sehr.   I.  430  f.;  Kocgd,   OVirA.  d.  d.   Uu.    l,    2,   330  (T.   —  8  Aus«. 

^H  drs  Ruodlicb  von  Seiler.   Halle   1881,    tTl>enwUuiiii:   vcin    Heyne,    \.\a.%.    l897i 

^^f  autführLichr-  Bchandlunji  Jrs  Werkes  bei   Kiieyel,   Gt.\<:h.  d.  d.   Litt.  I,   a,   J42 — 

^^^^  412;  vgl.  Laistncr,   AfilA.  Q.   70  fr.   Zr(l.\.   29,    1  ff,   443  AT.  (über  die   •Rm^dlieb- 

^^^^^  ugvi    t.    mich   Seiler,    ZfilA.  27,   338].  —  >>  Z.-irncke,    Liritr.    utr   ErkL    und 

^^^y  Ceitk.  da  .\ih.  (185;),  S.  168  (T.;  Lämmerhirt,  ZfdA.  4t,  8  ff. 

^  ^  16.     Die  alten  deutschen  Hcklenlieder,   deren  Verlu-st  durdi  die  Ungunst 

^B  der  Zeiten  wir  zu  lieklagcn  haben,  sind  frQh  auf  ihrer  Wanderung  in  den  skan- 
dinavischen Nurden  gelangt  Die  erste  Einwanderung  der  Nibelungen- 
sage und  Ermanarichsage  hat  nach  MüUenhoff  vor  dem  Ende  des  6.  Jahrhs. 
stattgefunden,  und  unbestreitbar  ist  wenigsiL-ns  so  viel,  dass  die  ältere  Sdiicht 
der  eddischen  Heldenlieder  die  BlQte  der  deutschen  Heldensage  voraussetzt, 


'  Letzierea  tut  mir  wahruillciaiicbTr.  Denn  die  Worte:  von  d<r  airtrstm  itundr,  viet 
tich  kupb  und  oucft  brgan,  und  ^twes  md^  gra^n,  umbc  dfr  guolrn  tnrkU  n<M,  und  tpte 
n'  altf  gfUlgt^i  mt:  dnt  hin  rr  alle:  srArltvn,  ern  lies  ita  niftt  li^nfjrn  trirnern  deutlich 
an  die  Trührre  Stelle  3464  (T..  wu  iiur  vun  ik-m  Uaierf^nag  der  Kurgunden  im  Hunncti- 
kitd«  die  Rede  »ein  kann. 


welche  nach  600  zu  Ende  ist.  Mogk  bat  Zeil  und  Anlass  dieser  erstea. 
Wanderung  naher  zu  bcstiinnien  gesucht^.  Seiner  Meinung  nach  hättea'^ 
Heruler  baki  nach  512  die  von  den  Ostgoten  vemomraenen  Sagen  von  den 
Nibelungen  und  von  Ennanarich  nacli  Gautland_  gebracht,  von  wo  sie  sich 
nach  Nurwegen  verbreiteten.  Diese  Auffassung  setzt  voraus,  das3  die  bei  den 
Franken  vollzogene  Verbindung  der  mythischen  Sigfridssage  mit  der  histori- 
schen Sage  vom  Untergang  der  Burguiiden  fllter  ist  als  die  Anknüpfung  der 
Sage  von  Attilas  Tod  an  die  Burgundensage;  sie  setzt  ferner  voraus,  daa 
das  poetische  Bild  des  grausamen,  gewaltthaiigen  und  habsüchtigen  Atli,  wie 
es  die  nordische  Sage  im  Gegensatz  zur  oberdeutschen  kennt,  sich  in  ost- 
gotkcher  Sagcnpflege  entwickelt  hat.  Beide  Annahmen,  namentlich  abec 
letztere,  sind  bedenklich  (s.  uiucu  §  .^1),  und  Mogks  Hypothese  muss  daherJ 
abgelehnt  werden.  F-s  Llssi  sieht  Oberhaupt  nifht  mit  Sicherheit  behaupten, 
dass  diese  Sagen,  wenn  auch  die  ältesten  nordischen  Quellen  wesentlich  die 
Gestalt  voraussetzen,  welche  die  Nibelungen-  und  Ermanarichsage  im  h.  Jahih. 
in  Deutschland  angen"mmen  hatten,  bereits  in  so  frtlher  Zeit  in  den  Norden 
vorgedrungen  sind.  Erst  zu  Anfang  des  9.  Jalirhs,  sind  sie  dort  thatsaclüich 
nachweisbar,  wie  sich  aus  den  Kenningar  der  ältesten  Skalden,  vor  allemi 
Bragis  des  Allen,  ergiebt  (s.  F.  Jönsson,  Ark.  f.  nord.  Fil.  q,  10;  Verf.,  ZfdPh.' 
24,  3).  Beachtet  man  nun  die  merkwürdigen  Übereinstimmungeai  zwwchen 
der  ältesten  nordischen  und  der  sachsischen  Form  der  Nibelungensage,  wie 
sie  die  l'idrckssaga  kennt,  so  darf  die  M^>gUchkeit  nicht  für  ausgeschlossen 
gehen,  dass  die  rlieinfrankische  Nibelungensage  und  die  gotische,  von  den 
Alemannen  gepflegte.  Eimanariclisagc  im  ü.  Jahrb.  zuniiclist  nur  zu  den 
Sachsr-n  und  von  diesen  aus  erst  im  Laufe  des  8.  Jahrhs.  in  den  Nordea 
gelangt  seien,  Entscheidbar  ist  diese  Frage  nicht.  Wie  man  aber  auch  Über 
die  Zeit  der  ältesten  Wanderung  urteilen  mag,  als  atisserster  Endpunkt  nius» 
unbedingt  der  Scliluss  des  8.  fahrha,  angenommen  werden,  denn  die  eigen- 
artige naiiiinale  Umbildung  der  Sage  dun  h  die  Nordleute  und  namentlich  die 
Durciisi^tzuiig  der  Nibelungeusage  mit  Anschauungen  des  ncrdischcn  Göttct- 
glaubeiis  muss  in  einer  Periode  des  nordischen  Lebens  erfolgt  sein,  welche 
zu  Anfang  des  9.  Jahrhs.  im  wesentlichen  als  abgeschlossen  gelten  darff 

Neue  Einwrkungen  deutscher  Sage  verraten  einzelne  von  den  jüngeren 
Eddaliedern.  Manche  Inkongruenzen  der  Sagenfassiing  in  den  Einzelheiten 
der  L'ddischen  Cberlicferung  machen  es  wahrsclieinlicli.  dass  eine  neue  Ein- 
wanderung der  inzwischen  umgestalteten  deutschen  Sage  im  9.  oder  10. 
Jalirli.  stattgefunden  hat.  Mit  der  /Zunahme  des  Handelsverkehrs  zwischen 
DeuLsdilantl  und  dem  Norden  (vgl.  K.  Maurer,  ZfdPh.  2,  440  ff.,  bes.  454  ff.) 
wurde  ein  neuer  Austausch  vot»  Sage  und  Dichtung  angebahnt,  und  die 
Herübernahme  des  in  NiederdeuLsc bland  umlaufenden  Sagenstoffcs  von  Mit- 
gliedern der  Hansa  im  13.  Jahrh.  (s.  §  lÖ)  ist  eigentlich  nur  der  letzte  Ab- 
schluss  dieser  Bewegung.  Das  Näliere  tlbcr  diese  jüngere  SagensclUcht  in 
den  eddi.schen  NibetungenHedem.  auf  welche  zuerst  Edzardi*  aufmerksam 
gemacht  hat,  wird  <lie   Behatidlung  der  NilHilungensage  (§  30)  bringen. 

Dass  die  Sage  üherbaupi  aus  Deutschland  nach  Skandinancn  eingeführt 
worden  Lst,  darf,  obgleich  in  fitlherer  Zeit  nordische  Gelehrte  die  Thalsache 
geleugnet  haben,  als  ena'Jesen  betrachtet  werden:  nicht  nur  aus  dcra  Lokale 
der  Sage  (///A.  S.  4 ff.  ZfdA.  23.  Ib3ff-I  und  den  zum  Teil  unnordischen 
Namcnformen  gellt  dies  hervor,  sfmdeni  die  Sage  wird  aucli  in  der  Vrflundar- 
k\'ifKi  15  und  siinst  ausdrücklich  als  eine  unnordisrhe  anerkannt  Auch 
Gollher  und  Bugge,  die  ganz  andere  Wege  für  die  Wanderung  der  Sage 
annehmen,  sind  doch  von  dem  westgermanischen  Ursprung  derselben  flbet* 


ElKWANDERUNG  DEUTSCHER  SaGE  I»  DEK  NoRDEN.       EdDALIEOER.      Ö33 


zeugt*.  Trotz  vieler  eigentümlichen  Weiterbildungen  und  Umgestaltungen 
ist  im  Norden  die  Nibclunguusagt:  in  ihrer  ältesten  erreichbaren  Form  er- 
hallen, die  Sage  von  den  alteren  WctLsungcn  im  wesendichen  allein,  ebenso 
die  Sagen  von  VVieland  und  von  Hilde  in  ihrer  verhältnismässig  ursprüng- 
lichsten Faiuung  und  die  Ernianarichsage  in  einer  der  gotischen  noch  sehr 
nahe  stehenden  Gestalt. 

Uiucrc  älteste  und  wichtigste  altn.  Quelle  für  die  Heldensage  sind  die 
Heldenlieder  der  Edda,  unter  denen  die  ältesten  gegen  F-nde  des  9. 
Jahrhs.  in  Norwegen,  die  jüngsten  um  die  Mille  des  ii.  Jahrhs.  auf  Island 
und  Grönland  gedichtet  sein  mAgen.  Einzig  die  Griplssp^J  scheint  einer  noch 
jüngeren  Zeit  anzugehören.  Wahrend  die  V ol ii  nd a  r k v i J>a ,  nach  wahr- 
scheinlicher Annahme  das  älteste  der  nordischen  Heldenlieder,  die  Sage  von 
Wieland  überliefert,  fallen  alle  anderen  Lieder  in  den  Kreis  der  Nibelungen- 
sage, in  welche  die  Sage  von  HelRi  Huudingsbani,  die  ihrerseits  wieder  eng 
mit  der  Sage  von  Helgi  Hj9rvardÄSon  verbundi^n  erscheint,  inteqiolieri  und 
an  welche  die  Sage  von  J^nuunrckr  (Ermanarich)  ausserlich  angeknüpft  ist 
Diejenigen  Lieder,  welche  den  Abschnitt  der  Si^e  vtm  Sigurds  Geburt  bis 
zu  Br\'nhnds  Tude  behandeUi,  scheinen,  mit  zusammenhängender  mid  chro- 
noI<jgisch  fortschreitender  Prosa  untermischt,  nach  der  Absicht  des  Sammlers 
eine  Art  Si^'urparxai;a  m  bilden,  die  vermutlich  schon  vor  unserer  Lieder- 
sammlung existierte  und  ihr  vom  SamnUer  als  Ganzes  einverleibt  wurde*. 
In  unserer  einzigen  Handschrift  (Cod.  Reg.  no.  2365,  4*  lu  Kopenhagen) 
fallt  gerade  in  diese  der  Forschung  die  grö«sten  Sch«*ierigkeiten  darbietende 
Partie  der  Sage  eine  bedaueniswcrte  groase  Lücke.  Sehen  wir  von  den 
Helgiliedem  ab,  so  umfasst  dieser  Teil  der  Sammlung  folgende  Lieder  und 
als  selbständig  bezeichnete  Prosastücke:  Frä  dau}ja  Sinfj^tla,  Gri[)isäp<Jp, 
Reginsm^l,  FäfnJsmiJl,  Sigrdrifum^J  —  (Lücke)  —  Brot  af  Sigor[>- 
arkvijiu,  Gu[>rijnarkvi(>a  I,  SigorJ>arlcvi()a,  Hetreifi  Hrynhildar; 
unter  diesen  ist  die  GuJ)nLinarkvi|ja  I  wohl  erst  spater  in  die  Srgtirparsaga 
eingeschoben.  Es  folgen,  als  eine  Art  Fortsetzung,  zunflclist:  DrAp  Niflunga, 
Gu[>rünarkvi{ia  11  und  IH,  und  weiter,  ohne  verbindende  Prosa,  Odrünar- 
grätr,  Atlakvi{)a,  Attamyt,  endlich  in  die  Ermiuiariclisagc  hineingreifend, 
Gu^irünarhv^t  imd  I-famJilam^l  ••.  —  Diese  unsere  Hauptquelle  wird 
durch  einige  Prosaquellen  ergänzt  Die  wichtigste  derselben  ist  die  Vyls- 
ungasaga,  eigenUich  ein  Teil  der  Ragiiars  saga  lo^brökar  (^um  1260), 
welche  die  Liedersammlung  in  eine  zusammenhängende  Prosadarstellung  ver- 
arbeitet hat;  besonderen  Wert  erhält  sie  einmal  dadurch,  dass  sie  eine  im 
allgemeinen  zuverlässige  Paraphrase  der  durch  die  Lücke  des  Codex  Regius 
veriorenen  Lieder  bietet,  snd;mn  aber  durch  die  nur  in  ihr  erhaltene  Geschichte 
von  Sigurds  Ahnen.    Der  als  Teil  der  ausfuhr liclisten  Redaktion  der  Oläfssaga 


•  Auf  eine  Diskussion  der  voo  den  hier  vorßctraKcrujn  Tfilliß  at)wtich«idtD  Andditen 
GoTthen  und  Bu|xca  musa  ich  verzichlcn,  nicht  w«1  ich  dlMe  filr  unfnichtliar  ansih«, 
■OOderB  weil  tlie  Rauinv«rhUuil)M«  sie  in  dieser  Skizze  verbieten.  Goltbcr  {Genn.  jj, 
469  fr.  476)  nitncnt  an.  dasa  die  rrinktAcbe  NlMringrnsAge  zuent  Im  9.  Jahrb.  tu  Frank* 
reich  m  dänischen  und  nor*'C(;i*ctien  Wikingcn»  gedrungen  «ei;  die  Sage  hlitc  sich  dann 
unter  den  noch  Westen  ziehenden  Nordlcmen  verbreitet  und  sei  über  Irlnnd  nach  Islotwl 
eekommcii.  Buggc  {Ifelgf^igtrne  S.  339  f.;  PUB.  22.  115)  meint.  d«5s  die  Nonreger 
die  Sft|[e  von  Sigrid  tuid  den  NitKltmi-en  >tra  Westen,  namentlich  auf  dm  brittiscben 
Inwln  und  besonders  im  Verkehr  mit  £nglündern*  auli^nonimen  hStten.  Norwegische 
DichttT  in  BritUniiieii  hüben  nach  ihm,  von  ag».  Sprache  imd  Dühmng  beeinflußt,  die 
meiuen   V»^l*iinj^iiLii.-iJfr  iler  [«eiischen  Eildn  verfo**!. 

**  Zitate  dcfr  Eddidie<ler  nach  nieiiker  Autgabe  (I,  l  Halle  1888:  1,  a  im  Dru^ 
bdindlich). 


634 


\IV.  Heldensage.     Übersicht  über  die  Quellen. 


Tryggvasonar  erhaltene  Nornagestsjiättr  aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrhs. 
beruht  wie  die  Vplsungasaga,  auf  der  Liedersammlung,  hat  aber  von  dieser 
wahrscheinlich  nur  die  Sigttrpanaga,  sei  es  in  noch  selbständiger  Gcstali,  sei 
es  alä  besonders  gekeniucichnctes  Stück  der  Liedcrsainrolung,  benutzt,  auf 
wdche  sich  der  Verfasser  c.  5  (ed.  Bugge  65')  beruft.  Aus  der  Snorra 
Edda  kommen  besonders  in  Betracht  zwei  Abschnitte  der  SkÄJdskaparraäl; 
in  dt-m  einen  (c.  39— 4^:  SnE  I,  55 i  (f.  11.  359  f.).  der  Snurris  ursprüng- 
tichrm  Wt-rke  nur  in  seinem  rrslen  Teile  angeliöri,  wird  jnjr  Erklärung  der 
Kciintng  oirgj^ld^  >Gold«  die  Herkunft  des  Nibelungenhortes  erzählt,  woraus 
dann  in  der  Überarbeitung  eine  vollstAndige  Skizze  der  Nibelui^cnsage  ge- 
worden ist"*:  der  andere  (c.  50:  SnE  I,  432  ff.  H.  355f.)  bringt  zur  Erklä- 
rung der  Kcnning  lljapmfiga  i>ef>r  epa  e'l^  t-Kampf«  die  ahcstc  Relation  der 
Hildesage.  Aus  der  reichen  Skald  enpopsie,  deren  Anspielungen  für  die  Hel- 
densage nur  geringe  Ausbeute  gewähren,  mögen  hier  speziell  die  Fragmente 
der  RagnarsdrÄpa  Bragis  des  Alten  hervorgehoben  werden,  deren  Bedeutung 
für  die  Erkenntnis  der  nordischen  Überlieferungen  von  J9imunrekr  iRagndr 
»Ir.  3 — 6  Geringl  und  von  den  Hjadniugen  (str.  8 — 11  Geiiug)  noch  zur 
Sprache  kommen  wird  (§  42.  57)*.  Die  fftr  die  nordische  Heldensage  un- 
schätzbaren Gtsta  Danontm  des  Saxo  Granixnaticus  von  der  Scheide  des 
12.  und  13.  Jahrhs,,  über  deren  Verhflltnis  zur  islandischeji  SagalitU-ratur 
neuerdings  die  mustergültigen  Forschungen  Axel  Olriks  Licht  verbreitet  haben 
(s.  oben  §  3,  Anni.  1 ),  kommen  für  die  in  den  Kreis  unserer  Betrachtung 
fallenden  Sagen  namenthch  in  Frage  durch  die  beiden  Abschnitte  über 
Hildesage  (Hb.  V,  23B — 242  ed.  Müller-Velschow.  15H— i<K»eti.  Holder)  und* 
Ober  die  Ermanarichsage  iHb.  VHI,  41: — 415  =  278 — 281).  Endlicli  M-hliesscn 
sich  an  die  Altere  nordische  Gestalt  der  Nibelungensage  auch  einzelne  dänische 
und  faröische  Lieder  an  (vgl.  §  18),  sowie  das  norwegische  Lied  von  Sigunt 
svcifi  (Landstad,  Xonkf  Foika'her,  1853,  S.  iiiff.;  Obers,  von  Golther,  Zs. 
für  vgl.  Uiceraturgesrh.  X.  F.  2,  205  ff.). 

'  E.  Miit>k,  Die  tUttsle  WanderuHg  der  deutichen  Ucldensagt  muh  drm 
Xordtrt,  in:  Foncbungcn  cur  dcutscbco  Phil.  FcBtjiabc  flir  R.  Hildcbrand  (1894) 
S.  I  ff.  —  *  V'cl.  die-  ircfft-ndcn  Bemerkungen  F.  J6ns«on«.  Litt.'Hist.  I,  76  ff. 
—  »  Edzardi.  GnTn.  23.  86  ff.  340  t;  Vtrf..  ZIdPh.  12,  gt.  ff.  —  <  Edx»rdt, 
G«nn.  13.  186  f.  Anm.  34.  356.  j&2  f.,  rgi.  Zf<lPli.  1 3.  111  f.  -  ^  Verf„  ZfdPb.J 
13,  103  ff.;  MuUenboff,  t^-uUcht  Adertumst.  V,  it^^, —  ^  Kvafahrot  Bragm 
ens  gamia.  brrauig.  von  H.  (icring.  Halle  idS6:  vgl.  F.  JAnsson,  Ark.  \.  dorL 
FtJ.  9,   10.  Utt.-Htst.  1.  420  ff. 

§17.    In  Deutschland  hatte  sich,  jedes^lls  seit  dem  g.  Jahrb.,   die  Hel- 
densage in  die  Kreise  der  Bauern  zurückziehen  müssen  (^  15).     Lieder  tand- 

liclif-r  Süngi^r  aus  seiner  Jugend  über  Dietrich  von  Bern  meint  vermutlich  der 
Quedlinbiirger  Annalist  zu  Ende  des  10.  Jahrh-i.  (§  o).  In  den  Kreisen  der 
Vnmehmeai  verdrflngt  den  edlen  Sänger  der  Vülkerwiindeningszcit  der  Spiel- 
mann, welcher,  den  Neigungen  seines  Publikums  entsprechend,  den  grossen 
Ereignissen  der  Heldensage  die  kleinen  Neuigkeiten  der  Tagesgeschichte  vor- 
zieht, und  nur  in  der  Abgeschiedenheil  eines  schweizerischen  Klosters  wagt 
sich  in  der  ersten  Hälfte  des  lo.  Jahrhs.  n'ich  einmal  eine  antikisierend» 
Bearbeiiimg  germanischer  Heldensage  hervor,  .Sonst  sind  Eigennamen  in  dieser 
Periode  viel/ach  die  einzigen  Zetignisse  für  das  Vorhandensein  und  die  Ver- 
breitung der  Sage,  deren  F-.>rtIeben  nur  in  prosaischer  Tradition  in  manchen 
Gegenden  kaum  in  Abrede  gestellt  werden  kann.  Erst  im  Laufe  des  1 1. 
Jahrhs.  tritt  eine  Änderung  ein,  deren  Öusserliclie  Symptome  schon  im  Ruod- 
lieb  (§  15)  vorweggenommen  wurden;  die  Heldensage  erführt  eine  Wieder—] 
belebung  durch  die  Spielleute,    die  als  Erben  ihrer  vomehnierea  Vor 


I 


aus  dem  Heldenzeitalter  nun  auch  die  Träger  des  Epos  werden.  Neue  Fi- 
guren treten  in  die  Sagenkreise  ein,  rtie  Rüroerzüge  bleiben  nicht  ohne  Ein- 
lluss  auf  die  enieutc  Beliebtheit  der  Dietrichssage.  Aber  mit  dieser  neuen 
Pflege  beginnt  auch  ein  neuer  Widerstand  der  Geistlichkeit,  dessen  Spuren 
unverkennbar  sind,  wenn  sich  derselbe  auch  mehr  in  verdeckten  als  in  offenen 
Angriffen  flussert  und  trotzdem  auch  die  Geisdichkeit  selber  den  Dichtungen 
und  Figuren  der  Heldensage  nicht  immer  den  niUigen  Abscheu  ejitg^cn- 
brachtc.  Ein  merkwürdiges  Zeugnis  dafür  ist  ein  Brief  v.  J,  io6i  au  den 
Bischof  Günther  von  Bamberg,  in  welchem  gegen  einen  hohen  Prälaten,  den 
Erzbischnf  Siegfried  von  Mainz,  der  Vorwurf  erhoben  wird,  dass  er  sich  nie- 
mals mit  Augustinus  und  Gregorius,  sondern  immer  nur  mit  Attila,  immer 
nur  init  dem  Amalung  und  Uhnlicheu  Ungeheuern  dieser  Art  beschäftige 
{ZE  Nr.  i6.  Ifds.  Nr.  m^}.  Und  ähnlich  «-ic  im  cj.  Jahrh.  Otfrid,  so  tritt 
jetzt  eine  Dichtung  der  Geistlichrn  in  eine  hewusste  Knnk\irrenz  zur  Epik 
der  Spietleute,  wie  sich  aus  dem  Anfang  des  Annoliedes,  aus  der  Kaiser- 
chronik und  andern  Zeugnissen  klar  ergiebt  {H<h.  Nr.  ^ü.  ZE  Nr.  37,  i; 
Schcrer,  QK.  12,  19  f.).  Allerdings  mit  ungleichem  Erfolge.  Wahrend  in 
Mitteldeutschland  und  Alcmannien  und  in  geringerem  Grade  auch  in  den 
rheinischen  Gegenden  die  geistliche  Reaktion  siegte,  bildeten  sich  in  West- 
falen und  in  Östeneich  und  Baiem  zwei  Brennpunkte  der  niederen  und 
höheren  Spielmannsdichtung  und  Pflege  der  Heldensage. 

Für  die  im  engeren  Sinne  sogenannten  Spielmannsgedichte  des  \2. 
Jahrhs.,  die,  von  wandernden  Volk.sdichtcm  für  ilie  niederen  Kreise  des 
Volkes  berechnet,  die  Motive  ihrer  Fabeln  den  verschiedensten  Stoffkreisen 
und  (gleiten  entnahmen,  but  auch  die  Heldensage  willkummenes  und  keck 
verwertetes  Material.  Der  um  1150  von  einem  rheiniächen  Spiclmann  in 
Baiem  gedichtete  König  Roth  er  verbindet  mit  Spuren  langobardischer 
Tradition,  bairischen  Lokalbe Ziehungen  und  Kreuzzugsanekdoien  Elemente 
der  WolfdieUichs-  und  der  Hildesage  (vgl.  ^  61};  das  Gedicht  von  Oswald 
misciit  in  eine  ursjirünglich  englische  I^'gcnde  gleichfalls  die  wesentlichen 
Züge  der  Hildesage  (§  bi);  der  um  iicjo  wahrscheinlich  von  einem  Trierer 
Spiclmann  verfasste  Orendel  ist  zwar  das  roheste  unter  den  Spielmannsge- 
dichten des  12.  Jahrhs,.  fusst  aber  auf  sehr  alter  Sagenüberiieferung,  die  der 
Dichter  in  seiner  Heimat  vurfaud  und  mit  der  Legende  von  der  Befreiung 
des  heiligen  Grabes  durch  den  ungcnühten  grauen  Rock  Christi  lose  ver- 
knüpfte (§  oö). 

§  18.  In  Niedersachsen  raus»  die  milndlich  fortgepflanzte,  durch  wan- 
dernde Sänger  besonders  in  den  nuttleren  und  unteren  Standen  gepflegte, 
durch  vielfachen  Austausch  auch  mit  fremden  Best;mdtuilen  durchsetzte  Hel- 
densage ziemlich  früh  eine  eigentüinlirhe  Ausbildung  gefunden  haben.  Für 
das  frühere  Mittelalter  sind  freilich  auch  hier  die  wenigen  Eigennamen  aus 
der  Sage  in  westfälischen  Urkunden  (PBB.  9,  498ff.)  die  einzigen  —  zudem 
nicht  immer  einwandsfreien  —  Zeugnisse.  Als  Zeugnis.sc  für  die  Entwicklung 
der  Ermanarich-  und  Dietrichsage  in  Niederdeuischland  um  die  Scheide  des 
la  und  II.  Jahrhs.  dürfen  auch  einige  in  letzter  Zeit  eifrig  erörterte  Stellen 
der  Quedlinburger  Aniialen  (Mon.  Germ.  SS.  III,  31:  vgl. /A/s.  S.  ,^5ff.) 
in  Anspruch  genommen  werden.  Nach  Edw.  Schrriders  scharfsinnigem  Nach- 
weise sind  die  Notizen,  die  für  die  Geschichte  der  Heldensage  in  Betracht 
kommen,  au.s  einem  interpolierten  Texte  von  Bcdas  WeEtchronik  geschöpft; 
die  Inteqiolaiinn  ist  alier  tauin  mit  Sihrödcr  einem  Angelsachsen  zuzu- 
schreiben, sondern  sie  ist  in  DcutscJiIand.  wahrscheinlich  in  der  Quedünburgcr 
Gegend,  vorgenommen  worden,   und  zwar  wie  es  scheint  von  zwei  verschie- 


denen  Händen,  denn  die  beiden  Ermanarichstellen  stimmen  weder  in  den 
Thatsachen  noch  in  den  Namenformen  unter  sich  überein  (s.  unten  §  44). 
Nicht  als  angelsachstsciie,  sondern  als  niederdeutsche  SagenüberUefening.  eine 
Vorstufe  der  in  der  ^id^ekssaga  verarbeiteten,  wäre  das  Zeugnis  der  Quedlin- 
burger Chronik  sonach  verwertbar '. 

Zum  Jahre  1131  bezeugt  sodann  Saxo  Grammaticus  (lib.  XIII,  p.  65S  ed. 
Müller-Velschow,  p.  42;  ed.  Holder),  dass  ein  sachsischer  Sanger  den  be- 
drohten Ht-rzog  Knud  Laward  von  Schleswig  durch  den  Vortrag  eines  Liedes 
von  Kriemhilds  allbekannter  Treulosigkeit  gegen  ihre  Brüder  vor  den  ver- 
räterischen Anschlägen  seines  Vetters,  des  danischen  Königs  Magnus  zu 
warnen  gesucht  habe:  speniosissimi  eanninis  contextu  nottsiimam  GrimilJa* 
erga  frattcs  perfidiam  de  induUria  mmiorare  adorsus,  famosae  fraudts  exemplo 
similium  ei  metum  ingenerare.  Uniabat.  Die  auch  für  die  Geschichte  der  Xibe- 
lungensage  und  Nibelungendiclttung  wichtige  Noüz  lasst  der  Situation  nach 
und  im  Zusammeahang  mit  dem  Berichte  der  Viia  Canuti  —  wo  auch  der 
Name  des  Sängers,  Siward,  überliefert  wird  —  scm  einer  dreimaligen  Wieder- 
holung des  Liedes  ein  kurzes  nd.  EiuzelHed  aus  dem  Nibelungencj-klus  ver- 
muten {Hds.  S.  53  f.  ZK  Nr.  22). 

Erhalten  wäre  uns  von  der  reich  entwickelten  sächsischen  Heldensage 
nichts,  hätte  niclit  um  die  Mitte  des  13.  Jahrl«.  ein  norwegischer  Saga- 
schreiber auf  Grund  niederdeutscher  Erzählungen  und  Deder  die  l^iüreks- 
saga  (I*s.)  zusammengestellt  und  um  die  Figur  Dietrichs  von  Bera  chrono- 
logisch gruppiert.  Den  wiederholten  Versicherungen  der  Saga  zum  Trotz 
dieselbe  nur  für  eine  durch  niederdeutsche  Cbertragimg  und  nordische  Zu- 
thaten  vielfach  entstellte  Wiedergabi;  der  mhd.  epischen  Gedichte  halten  zu 
wollen,  wie  es  für  die  Niflungasaga  B.  IMring  zu  erweisen  suchte  (lödg),  ist 
entocbieden  unzulässig.  Allerdings  fehh  es  noch  an  einer  methodLsch  ange- 
steiltcrv  abschliessenden  Untersuchung  Über  Komposition  und  Quellen  der 
Saga,  allein  den  selbständigen  Wert  dieses  Sammelwerkes,  an  dem  freiUcli 
mehrere  Bande  gearbeitet  haben,  stellt  heutzutage  «'ohl  niemand  mehr  in 
Abreda  In  der  ts.  haben  ix\  der  That  die  im  i.v  Jahrh.  in  Liedern  und 
Erzählungen  umlaufender  niederdeutschen  Heldensagen  ihren  Niederschlag 
gefmiden,  wie  sie  dem  Norweger  durcli  sadisisthe  Männer,  watii^cheinlicli 
KaufEeute  —  speziell  für  die  Niflungasaga  l>eruft  .sich  der  Verfasser  (oder 
Bearbeiter)  c.  394  auf  Gewährsmänner  aus  Soest,  wo  Attila  früh  lokali^ert 
gewesen  sein  muss,  Bremen  und  Münster  —  vermittelt  wurden:  also  eine 
ZTA-eite  oder  gar  dritte  (§  16)  Überführung  deutscher  Sage  nach  dem  Norden. 
Daneben  hat  sich  der  Sagaschreiber  allerdings  durch  die  ihm  bekannte  nur- 
disch<^  Gestalt  der  Sagen,  sowie  durch  Sitten  und  Vorstellungen  seiner  Heimat 
beeinflussen  lassen;  auch  scheinen  einzelne,  doch  wenige,  Partien  der  Saga, 
speziell  auch  der  Xiflungasaga,  aus  süddeutscher  Tradition  geflossen  ru  sein. 
Dass  aber  das  Nibelungenlied  dem  A''erfasser  bekannt  gewesen  sein  sollte,  ist 
nicht  glaublich.  Gewiss  ist  die  fidrekssaga.  die  ja  ein  Unterhaltungsbuch 
sein  will,  nicht  nur  von  Misvenständnissen  und  Widersprüchen,  sondern  auch 
von  Übertreibungen  und  absichtlichen  Ausschmückungen  niclit  freizusprechen, 
aber  alles  zusammengenommen  muss  sie  als  eine  ausserordendich  wichtige 
Quelle  für  die  Heldensage  gelten,  die  an  Reichlialtigkeit  nicht  ihresgleichen 
hat  und  an  Ursprünglichkeit  den  süddeutschen  Sagcnfassungcn  sehr  oft  über- 
legen ist.  Eine  für  die  Kritik  wichtige  Obersetzung  der  Saga  ins  Schwedische 
kam  etwa  14.S4  zu  stände'. 

Aber  auch  durch  den  lebendigen  Volksgesang  ist  die  sächsische  Sage  ta 
den  Norden  gedrungen.     Die  dantsch-schwedtschen  Folkeviset  '  geben 


ThIDREKSSACA.      FOUCEVISER.      HsLDEX&AGE  A»   NlEDERRHElN.      O37 


rum  Teil  unzweifelhaft  auf  diesdbcn  oder  ahnliche  niederdeutsche  IJeder 
zurück,  wie  sie  die  l*s.  benutzte,  desgleichen  die  verlorenen  danis«.lieii  Lieder, 
welche  der  im  Jalirc  1603  aus  einem  lateinischen  Original  überaetrten  Hvcn- 
schcn  Chronik  zu  Grunde  liegen*,  in  der  die  Nibelungensage  auf  der 
Insel  Hveii  ini  Sunde  lokalisiert  eischeirit.  Die  farüischcn  Lieder*,  ob- 
gleich sie  noch  in  unseren  Tagen  als  Tanzlieder  gesungen  wurden,  sind  nicht 
in  dem  Sinne  Volkslieder,  wie  die  dänischen:  einige,  die  der  nordischen 
Gestalt  der  Nibclungensagc  folgen  (§  16),  gehen  in  Iclzter  Instanz  auf  die 
V^lsungasaga  zurück  {/Cfgirt  smtJttir  und  der  Hauptteil  von  Britihili/},  wahrend 
die  andern  sich  der  deutschen  Sagengestalt  nahem  und  zum  Teil  auf  der 
^s.  {Brinhild  II),  zum  Teil  aber  mittelbar  auf  niederdeutscher  Volksdichtung 
{Hßgni)  beruhen.  Am  wichtigsten  für  die  Sage ngesc hie hte  ist  das  aus  der 
Vergleichung  des  faröischcn  Liedes  Hö^ni  mit  der  dSnisi-hen  Vise  von 
GrimhiLds  Rache  {Grimildt  hmm)  und  der  Hvenscheji  Chronik  sich  ergebende 
skandinavische  Lied,  das  um  dieselbe  Zeit  wie  die  i'idrekssaga  aus  nieder- 
deutscher Quelle  hen'orgegangen  sein  muss  und  neben  dieser  als  Zeugnis  für 
die  niederdeutsche  Nibelungendicbtung  des  13.  Jahrhs.  zu  gehen  hat*.  — 
Ohne  selbständigen  Wert  ist  die  Blomstrvallasaga  (ed.  Möbius,  Lips.  1B55), 
eine  phantastische  Riticrsaga  vom  Ende  des  14.  Jahrhs.,  die  mit  grüsster 
Willkür  viele  SagenzQge  aus  der  ^%.  schöpfte. 

1  Watleobach,  CtsthühU^uellen  \\  319  f.;  H.  Loreai.  Germ.  3],  137  fF.; 
Edw.  ScbrCdcr.  ZfdA.  43,  34  ff.;  Kocgel,  Ctah.  d.  ä.  Litt.  I.  1.  21a  ff. 
381.  [Jiriciek,  DHU.  1,  70  fl".].  —  *  Ausg.  vod  Ungcr,  Christ.  1853,  der  «It- 
tcbwcdischcn  Cbcrtcutini*  von  KylKn-Cavallius,  Stockh.  1850 — 54.  Wichtigste 
Littcmtur  üb«  die  ts.:  Döring,  ZMPli.  j.  1  ff,  265  ff.;  Trcuiicr.  Clemi,  20, 
151  ff, ;  G.  Storni,  Sagnkrfdsenf  om  Karl  den  tiore  üg  Dtdrik  af  Bern  hos  de 
nord.  Folk,  Cbri»!.  1874  und  Xye  Sludii-r  oirr  Tks.^  in  den  Aarb.  for  nord.  Oldk. 
1877,  S.  297  ff.:  Grundtvig,  Dgf.  IV.  623—676:  Rasamann.  Die  .Vißumga- 
iaga  und  das  Nibtlurtgrnlitd,  U<ilbr.  1877  (ongcz.  von  Edzaidi,  Germ.  23,  73  ff„ 
vgl.  ebda  25,  47  ff.  1+2  ff-  =57  ff.);  Holthausen.  PBB.  9.  451  ff.;  Klockhoff, 
SittdiW  Sfvrr  ti..  Upi.  1880;  Euer.  Aik.  for  nord.  Fi],  ;.  205  ff.  ZfdPh. 
*5.  433  ff-  —  *  Orundivig,  DgF.  I.  7  ff.  IV,  583  ff.  —  •  Grtindtvig,  DgF. 
I,  38ff.;  nach  der  Stockholmer  Hs.  her.  von  jiricxek,  Bcrl,  1892  (=  Acu 
Ueimui.  III.  3).  — '  **  HammcrBhaimb,  Üjürdar  kvttdi.  Kph.  1851.  S.  l — $8. 
—  «Grundivig  und  BuggL-,  Dgi-'-  IV,  586  ff.;  Gollher,  Dif  nord.  VeDtsliedtr 
von  Sigurd:  Zs,  f.  vgl.  Liueraturgesch.  N.  V.  2,  269  ff.  Die  von  Golther  venreiene 
Auffassung  der  bt-iden  ilRn.  Lieder  Snard  Sttarrns^-rm/  uml  Sn-ard  og  Bryniid 
kann  ich  nicht  teilc-n.  Otier  dax  Vc-rh&ltni»  der  farriischen  Lied)-[  zii  Vs.  tind 
P«.  s.  auch   Mullenboff,   AfdA.    4,    1I4;    Verf.,  Genn.   22,  445  f. 

g  I ci.  In  den  Gegenden  des  Niederrheins  ist  erhöhte  Pflege  der 
Heldensage  zu  Anfang  des  12.  Jahrhs.,  wenn  flberltaupt,  nur  in  wenigen 
Spuren  walirzunchmen.  Man  hat  allerdings  am  Nicderrliein,  wo  Deutsche, 
Niederlander  und  Norrifranz<isen  in  ununterbrochenem  geistigen  Verkehre 
zusammen.sU essen,  die  eigenUiche  Wiedergeburt  des  deutschen  Heldenepos 
suchen  und  in  dem  mhd.  Epos  sogar  thatsachliche  Einwirkung  romanisdi* 
niederländischer  Dichtung  nachweisen  wollen  ^  Etwas  richtiges  kann  in  dieser 
Ober  Geböhr  aiisgctlchntcn  .Ansicht  immerhin  enthalten  sein,  insofern  dem 
rheinischen  Spielmann,  wie  die  sachsischen  Lieder,  so  auch  durch  nieder- 
ländische Vermittlung  Motive  der  nordfranzüsischen  Epik  zugekommen  sein 
mögen.  Allein,  wahrend  Belege  für  germ.  Sage  auf  frz.  Boden  nicht  fehlen 
(ZfdA.  12,  2i;ioff.  15,  310.  28,  143  f.),  sind  sichere  Zeugnisse  für  die  ange- 
deutete Auffassung  nicht  vorhanden.  Der  Umstand,  dass  die  ranl.  Litteratiu- 
fast  gar  keine  Erinnerungen  an  die  germ.  Heldensage  bewahrt,  ist  ihr  nicht 
günstig.  Sehen  wir  ab  von  etlichen  Anspielimgen  und  blossen  Namen ',  so 
bleibt  nur  das  Fragment  des  Gedichts  van  Bcre  Wisselauwe"  Übrig,  das 


eine  numicre  Spielmannsgeschichte,  einen  auf  ältere  FeatbrSuche  zurück- 
gcUtindeu  Barenschwank,  mit  Namen  aus  der  Heldensage  verbrämt  und  an 
die  KarLssage  anlehnt  In  der  I*».  (c.  1^2  St.  l8l)  ist  das  lustige  Abenteuer 
ebenso  ausseriich  an  die  Sagen  von  Witege  und  Dietrich  von  Bern  geknüpft: 
das  eine  wie  das  andere  sehr  (.iiaraktcristisch  für  die  dominierende  R'jlle  der 
Diftrichssage  in  NiederdeuLscrhIand  und  <U*r  Karlsiiage  in  den  Niederlanden. 
Die  llcinjat  des  Schwankes,  der  sii.h  zunächst  dem  Rother  und  Oswald  (§  17) 
an  die  Seite  stellt,  ist  uffenbar  das  mittclfränkischc  (niederrhcinischel  Sprach- 
gebiet, wo  der  Name  Wissf/aufwe)  »Weisslöwe-:  allein  seine  Erkianmg  findet; 
vom  Niederrhein  aus  ist  er  sowuhl  in  die  mnl.  Pi>esie  als  in  das  Repcrloirc 
der  WL-siftliischen  Spieiit-utc  gedrungen.  Spätere  Anspielungen  auf  die  Helden- 
sage in  den  Niederlanden  iZE  Nr.  27)  stammen  gewiss  nicht  aus  einheimi- 
schen Quellen.  Im  12.  Jahrb.  war  in  den  Niederlanden  die  Heldensage  so 
gut  wie  abgestorben.  Ebensowenig  lasst  sich  für  eine  irgendwie  kraftige  Ein- 
wrkimg  auf  die  Sage  von  Frankreich  aus  genügendes  ilaterial  beibringen; 
wenige  frz.  Namen  {ZE  Nr.  2t>,  i)  und  auch  einüdne  Moüve  und  Typen 
der  frz.  Epik  mögen  durch  rheinische  Spicileutc  in  die  Diclitung  gekommen 
sein  *,  die  aber  für  die  Entwirkhmg  der  in  allen  Hauptpunkten  ausgebildeten 
Sage  nicht  wesentlich  in  Betracht  kommen.  Dass  die  Sagen  von  Hilde  und 
Kudrun  im  10.  oder  11.  Jahrb.  durch  rheinische  Spiellaite  aus  den  Nieder- 
landcHj  wo  sie  lakLiüsiert  und  gepflegt  waren,  nach  Oberdeulschland  gebracht 
Worden  sind,  ist  allerdings  eine  wall  r.sch  ein  liehe  Annahtue  (vgl.  §  60). 

'  H«anini;,  QF.  3t.  igff.;  vgl.  J.  M«icr.  PBB.  16,  79!?.  —  »  Jonck- 
bloei,  Grdch.  der  nfttn-l.  h-titrk.  I^,  \i>%  f.;  le  Winkel,  Grnndr.  l  II,  i.  454. 
—  *  Martin.  yK.  65.  ^7  ff.  (sortj^iliige  Awt;-  ^^^  ErUuwmng  des  Bruchäiück») ; 
Frantzcn.  l>c  ütds  iStly.  S.  45  ff.  (vgl.  ZfdPb.  33,  498}.  (jiriczck.  DUS.  1. 
«97  f-]-  —  *  Hi^iuzcl.  (higoth.  Hrt4em.  S.  8?  ff. 

§  20.  Die  Wiedergeburt  des  deutschen  Epos  ist  in  Österreich  erfolgt, 
wo  zwar  in  fortwährendem  K:uupfc  mit  der  geistlichen  Dichtung  des  11.  und 
12.  Jahrhs,  das  Gebiet  der  Heldensage  bedeutend  eingeschranJct,  aber  das 
Interesse  für  sie  doch  lebendiger  gehhehen  war  als  in  dai  anderen  iJlndera 
Süd-  und  MitteUleutsrhIands.  In  der  Pflege  der  österreichischen  Spielleute 
hat  die  Sage  erhebliche  Wandlungen  erfahren:  durch  neue  Anlehnungen  an 
die  Geschichte,  wozu  auch  tlie  reich  entfaltete  hi.*ttorische  S|3ielmanns<lichtung 
beigetragen  haben  mag;  durch  Zurücktreten  der  luyihischen  und  märchen- 
haften Bestandteile;  durch  veränderte  Muüvierung  auf  dem  Boden  veränderter 
Sitte  und  Empfindung,  vor  allem  durch  den  Efnfluss  des  Christentums*.  In 
seinem  innersten  Kerne  ist  dennoch  das  mhd.  Epos,  dessen  schriftliche  Fi- 
xierung um  die  Scheide  des  ti.  und  13.  Jahrhs.  in  t*)stcrreich  beginnt,  allen 
Umgestaltungen  zum  Trotz,  seinem  Ursprung  m  den  Stflrmen  der  Völker- 
wanderung treu  geblieben.  Die  alten  Teile  des  Nibelungenliedes,  aus  üircr 
höfisdien  Umgebung  losgelöst,  überraschen  durch  ihre  Übereinstimmung  in 
den  Begebenheiten  mit  der  unabliangig  ausgebildeten  .sachsischen  Überliefe- 
rung und  durch  ihre  U berein stinunung  in  der  epischen  Kunstübung  mit  den 
spärlichen  Resten  altdeLilscher  Helden  dich  lung,  die  sich  zum  Vergleich  heran- 
ziehen lassen.  Mit  Recht  wird  dies  neuerdings  auch  von  E.  Kettner  hervor- 
gehoben in  seinem  für  die  KIdmng  der  Nibclungenfrage  wicliügen  Budie 
Die  ösiertekhische  NtMunfiemihhluitg  (Beil.  1897)  S.  ujt^  f.  Zum  Vcnttändnis 
der  Sago,  wie  sie  uns  in  den  mhd.  Epen  entgcgenlriti,  bedarf  nicht  nur  die 
umbildende,  sondern  ebeusowutil  die  rezeptive  und  erhallende  Seite  in  der 
volkslumiJL'hen  Epik  der  Österreichischen  Spicileutc  sorgfältiger  Beobachtung. 
Hier  kömicn  nur  in  gedriingtester  Kürze  und  mit  Ueiseitclassuag  aller  Utlcnx- 


HELDI-ncSAGE    AM    NiEDERRHEIN'.      MHIX    VoLKSBPOS. 


639 


histotischeti  Streitfragtm  die  Quellen,  nach  den  grossen  S^gcnkreücn  geordnet, 
angcfolm  wenlen. 

Nibcluugcnsagc.  Ausser  dem  Nibelungenliede  (Strophenzalilen  nach 
Lachmann),  d;is,  wie  es  uns  vorliegt,  eine  in  den  ersten  Jahren  des  13,  Jalulis. 
entstandene  Bear  bei  tiinjr  eines  nlteren  Originals  ist,  in  welchem  ein  ritlcr- 
lichej*  listerreii'hischcr  Dichter  den  ihm  durch  alte  Lieder,  von  der  Art  des 
in  §  :8  besprochenen  sachsischen  von  Kriemhilds  Untreue  gegen  ihre  Bruder, 
und  durch  mündliche  Überlieferung  bokannlen  Stoff  zu  einem  einheitlichen 
Epos  gestaltete,  hat  für  die  Sage  auch  die  Klage  (zitiert  nach  Bartschs 
Kurzzcilcn}  selbständige  Bedeutung.  Der  Verfasser  dieses  Gedichtes,  ver- 
mutlich ein  Ge-isüicher,  hat  ohne  Zweifel  das  Nibelungenlied,  nicht  bloss  ein- 
zelne Bestandteile  desselben,  gekajuu,  drfhcbtn  aber  eine  andere  schriftliche 
Quelle  benutzt,  auf  welche  er  sich  w-iederholt  beruft  *.  In  die  Blütezeit 
des  mhd.  Volksepos  filUt  auch  die  Grundlage  des  SigfridsUedcs '.  Leider 
ist  diese  wchtigc  Quelle,  die  einen  besonderen  Strang  der  Sagenent- 
wicVIung  repräsentiert  und  sehr  altr  Elemente  der  Sigfridssage  enthalt, 
nur  durch  fliegende  Drucke  des  i'j.  Jahrhs.  in  einer  aus  verschiedenen  Teilen 
zusammengeschweissten,  überaus  rohen  und  entarteten  Gestalt  erhalten  (Der 
HAnini  Sry/nW).  Dass  das  Lied  aber  schon  im  14.  Jahrlu  existierte,  ergibt 
sich  aus  dem  Svenliuren- Verzeichnisse  der  sonst  verlorenen  Darmst^dter 
Nibehmgonhandschrift  «■  (=  w:ZfdA.  10,  142  ff.  Bartsch,  AVÄ.  .Völ  L  XXV  ft) 
aus  dem  Anfang  des  15.  Jahrhs.,  demzufolge  die  Gescliichte  vom  hömencn 
Sigfrid.  d.  i.  eine  altere  Re<!aknon  des  Sigfridsliede:s,  schon  damals  in  eine 
Bearbeitung  des  Nibelungenüedes  eingeflucliteu  war.  Wie  die  Druckredakliün 
das  Gedicht  bietet,  lassen  sich  zwei  Bestandteile  unterscheiden:  I:  Str.  1 — ij, 
verkürzt  und  in  roher  Weise  zusammengeschweisst  mit  11:  Str.  lO — 179,  welches 
Lied  zugleich  interpoliert  wurde.  1  dürfte  noch  dem  1^.  Jahrh.  angehören  und  ist 
möglicherweise  im  Nibelungi-nlicde  für  die  dem  Hagen  in  den  Mund  gelegte 
Erzählung  von  Sigfrids  Jugendabemeuem  (Str.  88 — loi)  benutzt  worden;  11  ist 
nach  dem  Ortnil,  aber  vor  dem  Ende  des  13.  Jahrlis.  gedichtet,  du  mit  Cilf- 
firfäa  im  Reinfried  von  Braurachweig  (//*A.  Nr.  80)  der  Riese  Kuperan  des 
Liedes  gemeint  sein  muss.  —  Eine  Art  Verbindung  von  Sigfrids-  imd 
Dietriehssage  bieten  die  Gedichte  von  Biterolf  und  Dietleib*  und 
vom  Rosengarten  zu  Worms*,  ersteres  im  Anfang  d<rs  13.  Jahrhs.  (s. 
aber  auch  Holz.  Rosengarfen  S.  CHI),  letzteres,  das  nur  in  jüngeren  Bear- 
beitungen vorliegt,  wohl  nicht  vor  der  Mitte  des  13.  Jahrhs.  entstanden. 
Beide  haben  zum  Haupithema  den  Kampf  Dietrichs  und  seiner  Genossen 
gegen  Sigfrid  und  seine  rheinischen  Helden  vor  Worms,  womit  in  den  Rosen- 
garten-Gediditen  das  Motiv  von  einem  mvthtschcn  Rosengarten  mit  einer 
Jimgfrau,  deren  Liebe  nur  durch  Kampf  gewonnen  wir<l,  verknüpft  ist.  In- 
wiefern beiden  Dichtungen  Ulterc  Sage  zu  Grunde  liegt,  bedarf  lujch  genauerer 
Untersuchung  {s.  auch  §  32  und  .(7).  Der  Biterolf  ist  aber  jedenfalls  wegej» 
der  ausgedehnten  Sagenkenntni^  seines  Verfassers  eine  selu  wertvolle  Quelle 
für  die  Hclder\sage. 

Dietriehssage.  Die  zahlreichen  mhd.  Gedichte  aiö  dem  Kreise  der 
Dieirichss.ige  würden  uns  zu  einem  zusamraenhüngcndcn  Bilde  dieses  Sagen- 
kreises kaum  verhelfen,  da  sie  meist  bei  Einzelheiten  verweilen,  wäre  nicht 
in  der  ^idrck.ssaga  eine  vielfach  ältere  und  volUtilndigere  Überlieferung  be- 
wahrt. Zum  Teil  schildern  sie  Dietrichs  Jugendkämpfe  mit  Zwergen,  Riesen, 
Drachen:  so  der  auf  einer  an  Dietrich  geknüpften,  mit  dem  Kosengarlen- 
motiv  verschmolzenen,  Zwergen-  oder  Aibensage  beruhende  Laurin^  den 
der  neueste  Herausgeber  ohne  hinlänglichen  Grund  (HoU,  Laurin  s.  XXXV  f.) 


erst  in  die  Miiie  des  13.  Jahrhs.  setzt,  unti  dessen  Fortsetzung,  der  ganz 
willkürlich  erfundene  Walbcran;  ferner  einim;  durch  dieselbe  StrophcnTorm 
zusammengehaltene  Dichtungen,  die  sämtlich  nur  in  überarbeiteter  Gestalt 
überliefert  sind  und  in  dieser  jedesfalls  erst  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhs. 
angehören  können:  das  EckcnHud,  Virginal,  Sigenot  und  das  Bruch- 
stück des  {jnldcniar'.  Ob  Alhrccht  von  Kemenaten,  der  sich  als  Verfasser 
des  letztgenannten  GcdicIUes  (oder  seiner  Vorlage?}  nennt  (Gold.  2,  2),  auch 
an  der  Abfassung  und  Bearbeitung  der  andern  oder  dodi  des  Ecke  und 
Sigenot  beteiligt  gewesen  ist,  lasst  sich  bei  dem  sehr  fragmentarischen  Cha- 
lakter  des  erhaltenen  Goldemar  nicht  bestimmen.  Als  Heimat  dieser  ner 
Dichtungen  wird  gewöhnlich  Oberatemannien  betrachtet.  Eine  zweite  Reihe 
von  Dictrichscpcn  beschäftigt  sich  mit  Dietrichs  Flucht  zu  den  Hunnen, 
Aufenlhatt  bei  Etzd  und  Rückkehr  in  die  Heimat.  Unter  ihnen  das  dichte- 
risch wertvollste  ist  Alpliarts  Tod*,  das  als  Episode  aus  der  Sage  von 
Dietrichs  Flucht  vor  Erraanarich  die  Tütung  des  jungen  Alphart  durch  Wi- 
tegc  und  Heime  erzählt;  fest  steht,  dass  das  Gedicht  nur  in  stark  über- 
arbeiteter und  intejijoüerter  Gestalt  trhalten  ist,  aber  die  Ansichten  über  die 
Entstehung  der  uns  überlieferten  Form  und  ihre  Vorgeschichte  stehen  sich 
noch  schroff  gegenüber.  Zu  dieser  Gruppe  gehören  sodann  Dietrichs 
Flucht  und  die  Rabenachlacht",  beide  Gedichte  in  ihrer  Überlieferten 
Gestalt  wohl  von  demselben  Verfasser,  der  sich  Dn.  8000  Ileinrifh  der 
Variiere  nennt,  einun  österreichischen  Fahrenden  vom  Ende  des  i.v  Jahrhs., 
doch  beruht  wenigstens  die  Rjibenschlacht  auf  alterer  Grundlage,  die  der 
Dichter  erst  in  Dietrichs  Flucht  benutzt  und  dann  in  seinem  zweiten  Werke 
sclbstJüidig  Qberarbeilct  zu  habeti  scheint.  Aus  weit  spaterer  Zeit  überliefert^ 
aber  seiner  Grundlage  nach  in  unsere  Periode  zurückreichend,  darf  auch  das 
jüngere  Htldebrandslied  i"  in  ditscn  Zusammenhang  gcsteJli  werden.  In 
hochdeutscher,  niederdeutscher,  niederländischer,  danischer  Fjissung  ist  es  aus 
dem  15. — 17.  Jahrh.  bekannt,  allein  ein  sehr  ahnliches  Lic-d,  das  die  l^s.  be- 
nutzte, beweist  sein  höheres  Alter,  und  die  Anspielung  Wolframs  von  Eschen- 
bach (Wh.  4,iq,  15)  führt  in  den  Anfang  des  13.  Jahriis.  Die  erhaltenen 
Fassungen  freilich  gehen  nach  SteJnmeyer*  glaubhafter  Annahme  auf  eine 
Beaibeitung  des  14.  fahchs.  zurück.  Auch  das  merkwürdige  nd.  Volkslied 
Koninc  Ermenrikes  dtit"  mag  an  dieser  Stelle  Erwähnung  finden.  Er- 
halten auf  einem  fliegenden  Blatte  des  ib.  Jahrhs.,  beruht  es  doch  auf  sehr 
alter  Sagenüberlieferung.  Indem  es  berichtet,  wie  Dietrich  selbzwölft  Erma- 
naricli  in  seiner  Burg  angreift  und  erschlagt,  hat  es,  wenn  auch  in  junger 
Anlehnung  an  die  Dietrichssage,  die  in  t'berdeutscliland  fast  verschollene 
Vorstcliung  von  Ermanarichs  Ermordimg  erhalten;  in  einzelnen  Zügen  er- 
innert CS  lebhaft  an  die  eddischen  Hamfiism^I.  Anhangsweise  seien  hier  aus 
dem  Dietricliscyklus  noch  erwfthnt:  das  Bruchstück  von  Dietrich  und 
WenezlJin'*  vom  Ende  de.t  13.  oder  dem  Anfang  des  14.  Jahrlis.  (Holz, 
Hosen^.  S.  CHI  Anm.),  das  von  Rümpfen  Dietrichs  mit  einem  Polenköaiger 
der  zwei  von  seinen  Mannen  gefangen  halt,  zu  berichten  weiss  (vgl.  {5  50); 
femer  das  Gedicht  von  Et z eis  Hofhaltung  oder  Dietrichs  Kampf  mit 
dem  Wunderer'*,  das,  vollständig  niu"  im  Dresdener  Hcldenbuchc  (g  21), 
biuchstöckweise  auch  in  einem  nahe  verA-andten  alten  Drucke  erhalten,  doch 
wohl  mit  anderen  Fassungen  des  Stoffes  auf  ein  älteres  Gedicht  zurückgeht 
und  in  seiner  Fabel  an  die  Eckc-VasoU-Sage  anklingt.  Das  Gedicht  vom 
Meer  wunder,  nur  im  Dr&Mlener  Heldenbuche,  gehi'irt  kaum  noch  hierher. 
Ortnit-Wolf  dielrichssage.  Dieser  Sagenkreis  ist  im  1 5.  Juiirh.  ver- 
schiedentlich behandelt  worden.    An  der  Spitze  steht  der  Ortnit  (nicht  vor 


Mhd.  Volksjetos.    Volkslieder  im  13.  Jabrh. 


64t 


I 


1^31).  in  weldiem  die  Spiel mamispoesie  des  12.  Jahrhs.  in  dnrr  dem  Volks- 
epos nachgeahmten  Form  neu  auflebt.  An  seine  Art  schücsscn  sich  die 
Wolfdictrichc  ;m,  am  engsten  der  Wolfdietrich  A,  deJtsen  ursprünglicher 
Bestand  (Str.  i — 505)  doch  wohl  vom  Ürtnitdichter  herrt^hri.  Ein  Älteres 
Spielmannsgedicht.  das  Ortnit  und  Wülfdictrich  umfasstc  (vgl  Dfl.  2109^ 
2294),  darf  vorausgesetzt  werden.  Der  ursprt^ngllchc  Wolfdietrich  B  mag 
tingefflhr  gleichzeitig  sein  mit  dem  Orln.  und  Wolfd.  A;  er  besteht  in  unserer 
Überlieferung  aus  sechs  Liedern,  von  denen  jedoch  nur  da.*;  erste  imd  zweite 
vollständig  in  ihrer  alten  Form,  die  andern  bloss  auszugsweise  erhalten  sind. 
Von  einem  Wolfdielrich  C  sind  nur  wenige  Fragmente  erhalten,  zu  denen 
als  Einleitung  ein  Ortnit  C  hinzugedichtet  wurde.  Eine  vierte  Bearbeitung, 
der  Wnlfdietrich  D  (der  grosse  W(>Udietri<-h),  stellt  sich  heraus  als  eine 
Kompilation  von  B  und  C  aus  den  letzten  Jahrzehnten  des  15.  Jahrhs.  Alle 
diese  Gedichte  weisen  nach  dem  Südosten,  nur  der  Wolfüietricli  D  nach 
dem  Südwesten  Deutschlands". 

Wallharisage.  Nur  geringe  Bruch-stücke  eines  strophischen  Gedichtes 
von  Walther  und  Hlldcgund  sind  gereitctw,  aus  der  guten  Zeit  des 
mhd.  Epos;  man  niminc  ohne  ausreichenden  Gmnd  stcirische  Heimat  an. 
Die  in  diesen  Fragmenten,  welche  grösstenteils  dem  Schlüssteile  des  Gedichtes 
angehfiren,  auftretende  Sagenfassung  weicht  von  der  des  Waliharius  und  der 
ags.  Brudistacke  ab,  ist  ilagegen  wesentlich  dieselbe  wie  in  dex  fs.  (vgl.  §  52). 

Hilde-Kudrunsage.  Einzige  deutsche  Quelle  ist  die  Kudrun'*:  das 
nur  in  der  grossen  Ambraser  Handschrift  erhaltene  Gedicht,  das  in  den  ersten 
Dezennien  des  1 3.  Jahrhs.  auf  bairisch -österreichischem  Sprachgebiete,  am  wahr- 
scheinlichsten in  Steiermark,  entstanden  ist,  hat  in  der  auf  uns  gekommenen 
Gcsuilt  starke  Interpolationen  und  mehrfache  formelle  und  inhaltliche  Über- 
arbeitung erfaJiren.  Die  Vorgesciiichte  (Str.  i — 203)  ist,  wie  der  Anfang  des 
Biterolf,  Erfindung  nach  dem  Vorbilde  höfischer  Gedichte. 

Es  l^nn  nicht  bezweifelt  werden,  dass  neben  den  grossen  Epen  und 
Spielmannsgedichtcn  auch  kilrzerc  Volkslieder  im  13.  Jahrh.  das  .Andenken 
an  die  Heldensage  erhielten.  Nicht  nur  die  Zusammensetzung  des  Sigfrids- 
liedes  und  die  für  das  jüngere  Hilde brandslied  und  das  Lied  von  Ennanarichs 
Tod  zu  erschliessenden  alteren  Lieder  weisen  darauf  hin,  sondern  auch  aus- 
drückliche Zeugnisse.  Der  Mamer  und  Hugo  von  Triinberg  im  Reimer 
(Häs.  Nr.  öo.  /fi)  sind,  ebenso  wie  die  Stelle  de.i  jüngeren  Titurel:  le  st'ngent 
ufu  die  blinden,  daz  Sivnl  hnrmn  wtFtr  {J/ds.  Nr.  79),  vollgültige  lielege  für 
liedmassigen  epischen  Gesang.  Darauf  deuten  auch  die  Anspielungen  auf  die 
Heldensage  bei  Wolfram  {//dr.  Nr.  42),  in  dem  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhs. 
in  Österreich  entstandenen  Gediclile  von  dem  übelen  ivibe  {Ilds.  Nr.  52.  ZE 
Nr.  28,  l^ — 5),  und  sonst. 

1  ScbOnbkch,  Dai  Chrittentum  in  der  altdfuliehen  HeldtnäUhtung,  Gnx 
1897.  —  '  Lachmann,  Anm.  S.  287  ff.;  Sommer.  ZfdA.  3,  193  ff.;  Rieg«, 
ebda  10,  141  ff.:  E.  Kettntr.  ZfdPh.  17.  390  ff.;  J.  Sieger,  cbd»  25.  I4S  ff-; 
Schönbach,  ChrisUntum  S.  98  ff.  —  '  Aui%.  von  Goltber.  Halle  1889 
(Br&uoM  Nmilnick«  Nr.  81/82).  —  *  h«r.  von  Jacnickc  im  Deutschtn  ildden- 
kHck,  Bd.  I.  [Deuuche«  Heldrobuch  {DHB).  5  Bde.  Brrlin  1866—73]:  rgt 
Scbönbach,  Ober  die  Sage  von  Biterolf  und  DieiUif,  Wien  189;  (aus  den 
Wiener  SB.  CXXVI,  No.  9).  —  *  Holz,  Die  Gniirku  vom  /fotntgart^n  tu 
U'orms,  Hall«  1893.  —  ^ha.  von  Mällenholf  im  PNR,  Bd.  I  (Sondirrabdnick 
Berlin  1874);  von  Holi,  Halle  1897.  — ■  '  Alle  her.  von  Zupilza  im  DJ/S. 
Bd.  V;  die  Litteratur  ober  die  in  die»en  Oedicblcn  behandflten  Sloffe  ».  %  48, 
—  *  Ausg.  von  Marlin  im  DHfi,  Bd.  II;  vgl.  F.  Neumann,  Germ.  25,  jooff,; 
E.  Kettner.  Unten,  über  Alpharti  Tod  (Pmgr.  de«  Gymn.  zu  Mühlluuicn  1. 
Th.  1891);  Jiriczek,  PBB.  16,  115  ff.  (s.  auch  Martin,  ebda  471  ff.);  Schön- 
bach,  Chrt^tentnm  S.  233  ff.  —  *  B*****  h«r.  von  Martin  im  DHB  Bd.  11; 
GcrmaniKcbc  Philologrie  III.  2.  Au0.  '1 


64a 


XIV.  Heldensage.    Übersicht  Ober  die  Qubllbk. 


r 


»BI.  Wegencr.  Z(dPh.  ErgJLnzungsbd.  5.  447  ff.  —  "*  Krit.  Ausg.  von  Stcin- 
meyer  in  A/SD  ■  II,  20  fl'.  —  "■  her,  von  Gocdtkc,  1851,  und  in  v.  A.  Ha|;cns 
Hel^nb^Kh  in  8"  II.  535  ff.  —  '»  her.  von  /upit/a  im  DÜß,  Bd.  V.  — 
W  Die  BrucfastiicUc  dra  Druckes  in  v,  d.  Hagi-ns  Hfldtnbtuh  in  8'*  II,  52«)^.; 
vgl,  Stcinmryrr,  ZfdPb.  3,  ^43  f.;  F.  ZinuncritCädl,  Vtitersvchungm  tibrr 
äai  Gtdickt  id^r  Wttmirrrr-i  (Proiiir.  dw  Lutsrnsl.  Rfalgj-inn.  iw  Beriin  1888); 
neu«  AiKg.  niil  BrrÜLk^iditi^m};  .-illcr  FiM»un|;fn  ^rwunsiht,  —  **  Au.1^.  von 
AineLuHg  und  J^eniclte  ini  HHH.  Bd.  IIT  und  XW .  —  »^  ZfdA.  2,  2l6ff.  12, 
a8of^  vgl.  2$.    181  f.;   Hein/el.   Oh^r  ätf   It'alrJwrj.  S-   13—20,  —  "  Liltcralur 

t-  8  $6. 

§  21.  In  der  zweiten  Hklftc  des  13.  Jahrlis,  beginnt  die  Heldensage  in 
Deutsclilnnd  langsam  abzusterhpn.  Neue  Bearbeitungen  finden  sich  seit  dem 
14,  nicht  mehr,  Uinarhcitungen  unti  Verkürzungen  alUircr  Dichtungen,  seit 
der  Mitte  des  15.  Jahrhs.  auch  durch  den  Druck  verbreitet,  treten  an  die 
Stelle  spielinannsiiifissig'er  Erfindung.  Iliren  Abschlu.ss  fand  diese  entartende 
Heldendichtung  in  den  sogenannten  Heldenbüchern.  Das  wichtigere  der- 
selben ist  das  zuerst  ohne  Ort  und  Jahr,  jedoch  spätestens  1400  nach  einer 
der  Stra.ssburger  (Gi.K:deke  (j  (ii,  12)  ähnlichen  Handschrift,  dann  innurlialb 
eines  Jahrhunderts  wiederholt,  zuletzt  1590  gedruckte,  das  mniichst  den 
Wolfdielrich  D  nebst  dem  Ortnit.  femer  den  Rosengarten  und  Laurin  ent- 
halt i.  Für  die  Sage  von  Wichtigk<^it  ist  die  prosaische  Vorrede  (auch  als 
»Aidianij'i  zitiert  und  ursprünglich  wold  als  solcher  gemeint)  zu  diesem 
HcJdcnbuchc,  die  auf  anderen  (Quellen  beruht  »ic  das  Buch  selber;  es  sind 
rohe,  dürftige,  entstellende  Sagenauszüge,  die  aber  auf  Volkssage  fussen  und 
manchen  alten,  sonst  verschullenen  Zug  gerettet  haben,  somit  zwar  eine 
trübe,  aber  reichhaltige  Quelle  (Abdr.  im  I.  Bde.  von  v.  d,  Hagcns  Hetden- 
buch  in  8";  s.  auch  /A/j,  Nr.  [54).  —  Das  Dresdener  Heldenbuch  liegt 
vor  in  einer  Handschrift  des  Jahres  1472,  an  deren  Herstellung  Kas[>ar  von 
der  Roen  beteiligt  war:  es  enthält  das  sonst  unbekannte  Mccrwundcr  und 
das  andcmv-^rts  nur  unvollständig  erhaltene  Gedicht  von  Ktzek  Mnflialtung 
(S  20)  und  ist  dadurch  von  Bedeutung;  amscrüeni  Bearbeitungen  von  Ortnit. 
Wtilfdietrirh,  Ecke,  Rosengarten,  Sigenot,  Laurin,  »Dietnch  und  seine  Ge- 
sellen* {Virginal),  Hildebr.indslied,  endlich  das  BilnkeJsangerlied  von  Herzog 
Ernst'.  Die  beiden  ersten  Stücke  und  die  Virginal  sind  sehr  stark  gekürzt, 
der  Laiirin  ist  stn>phisi«rt,  Obcrdll  ist  der  -Hiltlelirandston*  durchgeführt  ausser 
in  den  Gedichten,  die  die  d^eizehn^eilige   -Bemerweise«  anwenden. 

Überraschend  genug  treten  dürftige  Züge  der  Wielandsagc,  in  Obcr- 
deutschland  7um  ersten  Male,  in  ph;intastiÄch- ritterlicher  L'ragestaltung  auf 
in  einem  abenteuerlichen  Gediclue  des  14.  Jalirhs.,  Herzog  Friedrich  von 
Schwaben".  Die  dunkle  Kunde  stammt  kaum  aus  einer  in  Obcrdeutsch- 
land  nirgends  nachweisbaren  schriftlichen  Vorlage,  sondern  am  ehesten  aus 
mündlicher  niederdeutscher  Überlieferung,  woher  auch  die  verworrene  Notiz 
im  ,\nhang  zum  HB  [Ilris.  Nr,  1^4,  4)  rühren  wird.  —  Anspielungen  auf 
die  Heldensage  verleihen  dem  allegorischen  Gedichte  »Die  Mflhrin»  des 
schwabischen  Ritters  Hermann  von  Sachsenheim  (I4.s.i)  ein  gewi-ssca  Interesse 
yllds.  Nr.  12S.  ZU  Nr.  77,  2.  3);  das  Fragment  »Herr  S^-frid  und  der 
schwarze  Maim«  {Hds.  Nr.  123  *■)  ist  möglicherweise  ein  verzerrter  Rest  einet 
abweichenden  Darstellung  des  Sigfridsliedes. 

Auf  dem  Sigfridsliede  und  dem  Rosengarten  in  der  Fassung  des  Helden- 
huchs  beruht  die  Tragödie  des  Hans  Sachs  »Der  hürnen  Scufrid<  (1557)*. 
Die  .Annahme,  dass  dem  Dichter  für  seine  Darstellung  von  Sigfnds  Ennoi- 
dung  (Actus  7)  noch  eine  drille  verlorene  Quelle  {Hds.  S.  350 f.:  Goetze, 
Einl.  zum  Ncudr,  S,  IV  f,)  oder  doch  das  m  die  Druckredaktiou  des  hOmen 
Seyfrid  übergegangene  Lied  11  (§  20)  im  handschriftlichen  Original  (Golllicr, 


I 
I 


HbUIENBÜCHRR.      QüEIXEN  DBS  AUSO£H.  MA.      VOUCSUTTBRATOR,    643 


Hürnen  Seyfrifi  S.  XXIII  f.)  ZU  Gebote  gestanden  habe,  mms  nach  Dresche« 
Ausführungen  abgewiesen  werden.  Hans  Sachs  hat  die  Szene  nach  SUua- 
Tionen,  die  ihm  aus  dem  HeltJenbuch  und  der  Novellenhiteniiur  gcUufig 
waren,  frei  gestaltet;  die  \\t\  erörterte  Ermordung  Sigfrids  im  Schlafe  unter 
einer  Linde  ist  somit  für  die  Rekonstruktion  der  alten  Sagcnfurm  imvenvert* 
bar.  Eine  allere  Dramatisierung  ist  das  Sterzinger  Spiel  von  den  Rosen- 
gartenkämiiEeD  (Germ,  zi,  420(f.;  Sterzinger  SfiieU  her.  v.  Zingetle  I.  140  ff.) 
aus  dem  Jahre  151t;  Fragmente  einer  anderen  aus  dem  Hcldenbuch  ge- 
schöpften dramatischen  Bearbeitung  des  Rosengartens  A  v.  J.  1533  sind 
ZfdA.  II,  252  ff.  gedruckt  Mit  dem  -Wunderer'  (§  20)  berührt  sich  nahe 
das  Fastnachtspiel  vom  «Ferner  und  dem  wundrer*  (Keller,  FasltiachtspieU 
II,  Nr.  62).  —  AusscliHeasIich  die  Druckred aktion  des  Sigfridsliedes  setzt  das 
Volksbuch  vom  gehörnten  Sigfrid^  vfjraus,  obgleich  es  aus  dem  Französi- 
schen übersetzt  zu  sein  vorgiebt.  Es  ist  nichts  als  eine  Prosaauflösung  des 
Liedes  mit  einigen  freien  Zutliaten  und  Erweitenmgen  und  romantisch  ent- 
stellten N'amen,  die  iiiclit  sehr  viel  alter  sein  wird  als  die  älteste  vorhandene 
Ausgabe  (1726)  und  in  keinem  Za^ammenhaiig  mehr  steht  mit  !eh»endiger 
&ge.  —  Lange  daitem  neben  den  Quellen  die  Zeugnisse  für  eine  nicht 
völlig  absterbende  Tradition  und  Beliebtheit  der  Ht-Idcnsage,  wie  sie  in  W. 
Crimms  Htls.  und  MolIenli(_>ffs  und  Jaenickes  ^Ä' beigebracht  sind;  am  läng- 
sten erhielt  sich  die  Kunde  von  dem  hörnernen  Sigfrid  und  von  Kriemhild, 
von  Dietrich  und  vom  getreuen  Eckart  In  den  Possen  und  Schwanken  des 
ausgehenden  Mittelalters  fand  die  Heldensage  Verwendung,  die  Xümbcrger 
Meistersanger  pflanzten  ihre  Stoffe  fort,  ohne  dass  die  Sagenforschung  aus 
-diesen  gdegentUchen  Andeutungen  viel  Nutzen  zOge.  s 

'  Ausgabe  ron  A.  v.  Keller,  Lit  Vct.  Nr.  87.  —  *  gedr.  in  v.  d.  Hagent 
und  PriitiUsfM»  Helärnbtmh  in  der  Unpratihr,  }  Bde.,  Berlin  iftzo — 35:  vgl 
Zarnckc,  Genn.  l,  53  ff.;  Steinmeyer,  ZfdPb.  3,  24t  ff.  —  "  Aus7.ug  in  Hagen 
Cierm.  7,  95  ff.;  vgl.  Uhland,  Sihr.  I,  481  ff.;  Hdi.  S.  310  f.  473;  Ranzmann 
II,  36;  ff.;  L.  VoKs.  CbrrUef.  nnä  Vfrfaisersch.dts  mhd.  RitUrromanei  Friedr, 
V.  Sihva^^,  MönMcr  1895  (Diss.).  [Jiriczek,  DZ/S.  I,  24  ff.].  —  *  Ncudmdt 
ron  E.  Goetztf,  Halle  I880  (BnuDcs  Keudrudie  Nr.  19);  vgl.  Drescher,  S/tt. 
dien  3N  Jfans  Sachs  I.  Hani  Sathi  und  die  Ileldensa^t.  Berlin  l8gi  (=  Acu 
Gcrman.  l\,  3)  S.  5  ff.  —  ^  Abilruck  d«  Auag.  von  1726  tn  Goltbers  Atug. 
des  HUmen   Sey/rid  S.   59  ff. 

§  22.  F-ine  Reihe  sekundärer  Quellen  für  die  Heldensage  bietet  endlich 
■das  ausgedehnte  Gebiet  der  Volkslitteratur :  Volkslieder.  VolkÄ^agen  und 
Volksmärchen,  bei  deren  Benutzung  die  grOsste  Vorsicht  geboten  utid  genau 
zu  trennen  ist  zwischen  Zeugnissen  w-irklicber  Volkstradirion  imd  Nachklangen 
literarischer  Quellen.  Im  Volkslicde  oder  der  Ballade  des  15.^17.  Jahrhs. 
ist  hie  und  da.  doch  selten,  eine  Umwandlung  halb  unkenntlich  gewordener 
Heldensagc-n  zu  spüren  oder  zu  vermuten:  so  mag  die  Ballade  »Der  Graf 
von  Rom«  (Uhlands  Volkslieder  Nr.  299)  eine  dtmkle  Erinnerung  an  die 
nur  aus  der  l*s.  bekannte,  aber  auch  in  Oberdeutschland  einmal  geläufige 
Ironsage  (§  67)  enthalten.  Die  merkwürdige  Ballade  von  der  schönen 
Meererin,  die  noch  heule  in  verschiedenen  Fassungen  in  Gottschee  gestmgen 
mrd,  ist  aber  ohne  Frage  kein  Nachklang  der  Sage,  simdem  aus  dem  mhd. 
Kudrunepcs  entsprungen*.  Aus  der  Heldensage  entwickelte  Volkssagen 
sind  nur  spärlich  bewahrt  Lokalisierungen  der  Nibelungensage  auf  der  Insel 
Hvcn  im  Sunde  (§  i8).  der  Wjelandsage  in  Berkshire  {ffds.  Nr.  170.  ZE 
Nr.  6)  und  im  Sachsenwaldc  (Jahrb.  f.  nd.  Sprachf.  i,  104  f.  II<is.  S.  492) 
sind  liier  anzuführen.  Die  seit  dem  tu.  Jahrh.  auftaudiendeu  schwedischen 
Lukalsageo  von  Wieland  dagegen  (//A.  Nr.  169.  [Jiricxek.  DHS.  U  53  und 

41* 


644    XIV.  Heldensage.  Übers.  Ob.  d.  Quellen.  —  Die  einz.  Sagenkreise. 

Anm.])  scheinen  grossenteils  auf  Kenntnis  der  scliwedischen  Didrikssaga 
(§  18)  zu  beruhen.  Als  ein  Schweinhirtenbube  Silufritz  lebt  Sigfrid  unweit 
Gemeinden  in  Unterfranken  fort  {ZE  Nr.  32);  andere  Lokalisienmgcn  der 
Sigfridssage  verdienen  lebhaftes  MLstraucn  '.  Dietrich  von  Bern,  dessen  An- 
denken mit  dem  clreissifyahrigen  Kriege  im  Vcilke  erlosih,  ersiTheint  dtxdi 
noch  hie  und  da  in  Volkssagen  als  Teilneluner  an  der  lÄ-ildcn  Jagd  {M\/A.* 
177.  781  f.  III,  283.  2fdA.  12,  436).  Der  deutsche  Volksmarcbenschatz 
ist  etwas  ergiebiger.  In  phantastisclicr  Auflösimg,  nanien-  und  heimatlos, 
wie  im  kindlichen  Spiele,  hat  das  Märchen  freilich  mehr  verdunkelten  Mjthus 
als  wirkliche  Heldensage  bewahrt.  In  den  Sigfridsraärchen  •  —  und  die 
Sigfridssage  kommt  fast  allein  in  Betracht  —  scheint  der  alte  Sigfridsmyihus, 
unberührt  durc!»  die  historische  Sage,  in  Nachklüugen  fortiuleben.  Die 
Vergleichung  der  Märchen  mit  den  FJylsvinnsm^^l,  in  welchem  Liede  eben- 
falls ein  nahe  verwandter,  aber  bereits  märchenhaft  gestalteter  Mythus  vor- 
liegt, fülirt  zu  auffallenden  Übereii^timmungcn  unter  sich  und  mit  dem 
Sigfridsmythus.  Da»  Märdien  vom  Domröschen  aber  (Ä'/AV.  Nr.  50),  wie 
merkwürdig  auch  die  Ähnlichkeit  ist  zwischen  der  aus  hundurtjälirigcm  Zaubcr- 
schlafe  erweckten  Königstochter  und  der  Walküre,  die  nach  der  eddischen 
Oberiiefenmg  durch  U^ins  Sclüafdom  in  Todesschlaf  versenkt  und  durch 
den  jungen  Sigurd  wieder  zma  Leben  geweckt  winl,  darf  nicht  langer  in 
diesen  Kreis  der  SigfridsrnSrchen  gestellt  werden.  Nach  F.  Vogts  schöner 
Untersuchung  ist  es  der  Auslaufer  eines  griediischen  Vegetatiüiismythus,  aus 
dessen  Gruudmuliv  auch  die  mytliischc  Vorstellung  erwachsen  ist,  welche 
bei  den  Germanen  zur  Sage  von  Sigfrid  und  Bmnhild  geführt  hat*. 

»  K.  J.  Schrßer,  Genn.  14.  327  ff.  (\-gl,  ebda  17,  ao8.  425);  A.  Hauffen. 
Die  dtitfiche  Spracfsins€l  Golts^/ire,  Gr«  1895,  S,  24J  IT,  (s.  audi  2s.  f.  Osterr. 
Volltsk.  I,  336  f.).  —  »  Zarncke,  XififlungtHlifd*  S.  CV  ff.  —  •  Al»  «olchc  gelten 
mit  mehr  orier  inioder  Wahrscheiulichkcit:  KlIM.  Nr.  (57).  60.  90 — 93.(97).  III. 
djuruRaÄtmann  1,  360,  Gerrn.  8,  373.  Ein  lilauwchirsSigfiridsinäidicn  Icilce  Edrardi 
Gemi.  20,  317  mit.  —  *  Spillcr,  Zur  Grxirk,  des  Märchens  vom  DomrCicken 
(Progr.  der  ThiiTEaiiischcn  KÜconsschvilc  1893);  F,  Vogt,  DomrSschfH-Thaha  in: 
BdtiBge  nix  Volkskoodc.  Fettschrift  für  K.  WeintioM,  BresUu  1896,  S.  197(1!. 

DPE  ErNZELXE>J  SAGENKREISE  ". 

A.   B^WULfSAOE. 

%  23.  Zwei  Thaten  Biowulfs  sind  es,  die  den  Kern  des  aga.  Beowulf- 
epos  bilden:  sein  Kampf  mit  Grendel  und  sein  Kampf  mit  dem  Drachen. 
Die  erste,  die  den  Hauptinhalt  des  ersten  Teils  des  Gedichtes  ausmacht,  ist 
dort  auf  die  Insel  Seeland  an  den  Sitz  der  dänischen  Könige  verlegt  In 
die  Halle  Heorot,  die  der  dänische  König  Hrödgär,  Healfdenes  Sohn,  sich 
erbaut  hat,  dringt  Nacht  auf  Nacht  der  in  den  Moorai  hausende  Unhold 
Grendel,  der  die  Insassen  mordf-t  und  den  Saal  vcrMet,  bis  mit  Werzehn 
Graten  Bcüwulf  über  das  Meer  dem  Könige  zur  Hülfe  eilt  Er  verwundet 
in  einem  nachtlichen  Faustkampf  den  Riesen  auf  den  Tod  imd  schlagt  ihn 
in  die  Flucht.  Die  zweite  That  siiiell  \\xx  Lande  der  Geaten  und  in  B^wuUs 
hifhem  Alter.  Nachdem  er  fünfzig  Jahre  über  die  Geaten  geherrsciit,  zieht 
der  greise  Held  noch  einmal  aus,  um  einen  feuerspeienden  Diachen  zu  be- 


*  Die  liiienriiclien  NachweUe  xu  den  ciiLzcIneri  Soenücrrt&CD  bezwecken  keine  VoU- 
scÄndigkdu  Auuer  des  Scbrifien,  deren  Re^ulut«  filr  dea  Tm  verw'tftct  worden,  ütd 
In  der  Hegel  nur  solcbe  angelUhrt,  denen  bleibende  Bedeutung  zuerkannt  werden  dürft*, 
oder  auf  deren  von  den  im  Text  vorgetragenen  abweichende  Aufiunineen  «ntdrÜcUkh 
hingewiesen  werden  »Ute, 


I 


zwingen,  der  auf  einem  Schatz  in  einer  Höhle  am  Meeressiraiidc  lagert.  Er 
«ri^  den  Wunn  (mit  Wiglafs  Hülfe),  wird  aber  selber  zum  Tode  verwundeL 
Ein  drittes  Abenteuer,  wovon  das  GcdiclU  zu  berichten  weiss,  fallt  in  Beo- 
wulfs  Jugend:  sein  Schwimmwettkampf  mit  Breca,  Beaustäns  Sohn,  dem 
Herrn  der  Brondinge  (Bcow.  500  ff.).  Ob  auch  diese  Sage  dem  Beowa 
{Beowulf)  von  Hause  aus  zukam  (»der  erst  auf  ihn  übertragen  wurden  ist, 
raubs  dahingestellt  bleiben.  Die  beiden  Hauptthaten  des  Beowulf  aber,  sein 
Kampf  mit  Grendel  und  sein  Kampf  mit  dem  Drachen,  weisen  zweifellos  in 
die  Sphäre  des  Mythus  und  führen  auf  einen  Heros,  der  säuberad  und 
segensreich  wirkt.  Auf  den  Graten  Beowulf  sind  sie  nur  übertragen;  ihr 
ursprünglicher  und  eigentlicher  TrSger  war  ein  myllvischcr  Heros  B&iw  oder 
Beow(a),  der  Sohn  des  Scvid,  dessen  Name  im  Epos  erst  sekundär  durch 
den  Namen  des  historischen  Beowulf  verdrängt  ist. 

Die  Existenz  eines  raytliischen  BA>w(a)  ist  gesichert  sowohl  durch  die 
aga.  Genealogien  als  durch  englische  Ortsnamen.  In  den  ags.  Genealogien 
{Afylh.*  ll\,  377  ff.)  gilt  B€aw{a)  i.^Aftx  B<ow(a)  als  %^\m  (kcs  Scyld {Sctldxoa}, 
welcher  seinerseits  an  Är^'ij/' angeknüpft  wird;  ats  letztes  Glied  der  Genealogie 
wird  Tithva  angefügt,  abo  Sc/a/-Sfylä-Beow{aJ-7<ilwa.  Von  Sceaf  berichten 
englische  Chronisten  des  :o.  Jahrhs.  die  schöne  Sage,  dass  er  als  kleiner 
Knabe  auf  einem  steuerlosen  Schiffe  an  der  anglischen  (oder  skandinavischen) 
Küste  gelandet  sei,  schlafend,  mit  dem  Haupt  auf  einer  Garbe  (ags.  sc/af, 
ndd-  nl.  schö/,  ahd-  seouh)  nihend  und  von  Waffen  und  Schätzen  umgeben. 
Er  wird  vnii  den  Einwohnern  gastlich  aufgenommen,  ä«-(j/ benannt,  .sorgfältig 
erzogen  und  spater  zum  König  gewählt,  als  welcher  er  in  der  Stadt  Släswich 
^Schleswig)  im  alten  Angeln  residierte.  Zu  Anfang  des  B^wulf  wird  der 
Schills«  dieser  Sage  berichtet,  die  Bestattung  6cs  Heros  auf  demselben 
Schiffe,  das  ihn  einst  ans  Land  gebracht;  allein  nicht  von  Sceaf,  .sondern 
von  Sryiä  Seffin^  wird  sie  dort  erzählt.  Da  nun  die  Mtcste  Hs.  der  Sachsen- 
chronik die  Figur  des  Sciaf  nicht  kennt,  ist  die  Annahme,  sie  sei  erat  atis 
dem  patronvmisch  umgedeuteten  Scyid  Scefiafi  (»Scyld  mit  der  Garbe«)  ge- 
folgert, in  hohem  Grade  wahrscheinlich  >.  In  Scj-ld  hatten  wir  dann  den 
ersten  Angelnkönig  zu  erblicken,  dessen  Attribute,  Ährenbündcl,  Waffen  und 
Kleinodien,  auf  die  mythische  Gründung  eines  durch  Ackerbau  und  Kriege 
zur  Kultur  sich  entwickelnden  Staates  weisen.  Geheimnisvoll  kommt  der 
Heros  aus  <ler  Feme,  und  in  dasselbe  geheimnisvotte  Dunkel  hülU  der  My- 
thus sein  Ende  (Bcow.  ihff.).  Mit  der  mythischen  Natur  des  Äf/r/l'Scliild, 
Schirmer*)  Lst  aucli  die  seines  Sohnes  B^wfa)  gesichert,  wenn  audi  die 
etymologische  Deutung  des  Namens  bisher  nicht  gelungen  ist*  Von  Bemuul/, 
der  ihm 'im  Epos  substituiert  wurde,  aber  ursprünglich  mit  ihm  in  keinem 
etymologischen  Zusammenhang  gestanden  zu  haljen  braucht  —  die  Ähn- 
lichkeit der  Namen  muss  ja  gerade  die  Verschmelzung  des  Mythus  mit  der 
geschichtlichen  Sage  veranlasst  oder  crieichtert  haben  — ,  ist  der  Name 
B/a(w),  wie  er  in  seiuer  ältesten  Form  gelautet  zu  haben  scheint  (doch  s. 
Binz,  PBB.  20,  154),  wohl  zu  trennen.  In  dem  Mythus  von  {Sc6af)-Scyld- 
Beaw  scheint  ein  fortschreitender  Kulturmythus  vorzuliegen:  der  Vater 
s\Tnbolisiert  die  Gründung  des  sdiirmendcn  Königtums,  das  den  Ackerbau 
pflegt  und  den  Besitz  gtgen  Feinde  schützt;  in  dem  Sohne  versinnbildlicht 
der  Mnhius  die  Scgnimgcn  gesicherter  WohiLsitxc  für  das  secanwohnende 
Volk;  nach  langer  glücklitJier  Herrschaft  kann  er  das  Land  seinem  Sohne 
Tdtwa  izu  ags.  Tai-  in  Eigennamen,  frühmhd.  zct's.  an.  tdfr  «froh,  erfreu- 
lich«) in  behaglich  geordneten  Verhältnissen  zurücklassen. 

Mit  dieser  Auffassung  ist  auch  die  Deutung  der  beiden  Grossthaten  des 


646 


XIV.  Heldensage.    Die  einzelnen  Sacbnkrei&e. 


r 


myiliischeri  Beowulf  wohl  vereinbar.  Am  klarswn  weist  :ier  Kampf  mit 
dem  Meerriesen  Grendel  auf  die  Rettung  von  Mensdi  und  Land  aus  der 
Gewalt  des  die  Küsten  überflutenden  Meeres.  In  Grendel  darf  man  die 
Personifikation  dfrr  Sturmflut  fwben»  die  im  Frühling  ^ch  über  die  niederen 
Landschaften  an  den  Küsten  der  Nurdsec  ecgicsst  (vgl.  an.  GriuJill  unter 
den  veära  hetit  der  Snorra  Edda  II,  480.  569),  die  Mcn.ichen  aus  ihren 
Wohnsitzen  raubt  imd  diese  selbst  verschlingt;  einen  Dämon,  der  die  zer- 
stütcnden  Gewässer  entfesselt,  und  den  der  TrSger  der  menschlichen  Kultur^ 
der  Heros  des  friedlichen  Anbaues,  l>e7wingt.  .\n  sich  \'ieldeutig  ist  der 
Drachenkarapf,  aber  von  demselben  mvdiischen  Herus  wie  der  Kampf  mit 
Grendel  erzJlhlt,  darf  er  mit  Müllenhoff  als  *das  herbstliche  Gegenstück  zu 
dem  Kampfe  mit  Grendel  im  Fnihjahr*  aufgefasst  werden.  Die  verheerende 
Sturmflut  nimmt  jetzt  das  Bild  des  Drachen  an,  der  auf  den  Schätzen  des 
Bodens  lagert;  noch  einmal  erhebt  sich  der  aitgewordene  Held,  um  den 
Unhold  zu  erlegen  und  den  vi>ii  ihm  gehüteten  Hnrt  den  Menschen  zurüct- 
zucrobem.  Aber  der  Kampf  kostet  ihm  selber  das  Leben:  sein  Reich  ist 
aus,  der  Winter  steht  bevor.  Durch  den  Kulturmythus  briclit  also  der  allere 
Naturmythus  durch,  woraus  er  crwaclisen  ist:  der  Kampf  mit  Grendel  und 
der  Kampf  mit  dem  Drachen  sind  im  Kulturmythus  verschiedene  Bilder  für 
dieselbe  Vorstellung,  den  erfolgreichen  Kampf  gt^ea  die  den  Seevölkem 
vom  Wasser  drohenden  Gefahren,  aber  zu  Grunde  liegt  ilmen  ein  Nalur- 
mythus  von  einem  Heros,  der  im  Fri\hling  das  Überströmende  Wasser 
bandigt,  d.  i.  den  dasselbe  peitschenden  Diünon  bezwingt,  im  Herbste  aber 
im  Kampfe  gegen  den  winterlicfien  Drachen  den  Tod  findet.  Zum  Kultur- 
mythus ist  der  alte  Naturmythus  vermutlich  erst  geworden,  als  er  an  den 
Mythus  von  Sccaf-Scyid  angegliedert  wurde.  In  Beowulf  oder  ric-hügej  in 
Beaw,  Beow  haben  wir  demnach  einen  aus  einem  alteren  Lichtwesen  ent- 
wickelten Kulturhcrüs  der  Noidseevölker  zu  erblicken,  der  allerdings  in  seiner 
Thatigkeit  als  Reiniger  und  Schützer  an  Glitte rgestalten  der  nordischen 
Mythologie  gemahnt  Abzulehnen  ist  aber  sowohl  die  weitere  Ansicht 
Müllcnhoffs,  der  in  ilun  eine  Hypostase  des  Freyr  (Ing  als  Stammvater  der 
Ingvüonen)  erblickt,  als  die  .\uffassung  Anderer,  die  in  ihm  einen  Thorshelden 
sehen,  wenn  auch  Beowa  beiden  Güttcni  in  seiner  Erscheinung  nahe  steht,^ 
dem  Frevr  als  mildes,  freundliche!!  Wesen,  ilas  im  Lenz  den  feindlichen  Winter 
vertreibt,  dem  Thor  durch  seinen  Drachenkampf  und  überhaupt  als  Schirmer 
der  Menschen  gegen  die  drohenden  FJeraentarmachte,  erstercm  Gotte  mehr 
in  sehicr  allen  naturmythis*  hen  Rolle,  letzterem  mehr  als  Kulturheros. 

Wie  der  Beowamythus  im  ags.  Epos  vorliegt,  hat  er  bereits  Erweiterungen 
imd  Zusätze  erfahren.  An  den  Kampf  mit  Grendel  schloss  sich  ein  zweiter 
mit  Grendels  Mutier,  die  ihren  Sohn  zu  rachcu  kommt,  doch  von  Beowtilf 
auf  dem  Grunde  der  See  erschlagen  wird  (Bcow.  1251  ff.)-  ^^cr  Grendd- 
mytlius  .selber  wurde  an  den  Sitz  der  danischen  Könige  geknüpft.  In  Beo- 
wiilfs  Kampf  mit  dem  Drachen,  den  er  ursprünglich  natürüch  gani/.  allein 
luitemahm,  wurde  si.>ater  Wiglif  eingemischt,  um  dem  Helden  dnen  Nach- 
folger zu  geben.  Alle  diese  jüngeren  Ausgestallungen  aber  hangen  unleugbar 
zusanmien  mit  dei  Umwandlung  des  Beowamythus  zur  epischen  Sag;e  unter 
der  Einwirkung  eines  hist«.irischcn  Ereignisses. 

MalUaboff.  ZfdA.  7.  410  IT.  419  jf.  \z,  382  if.  Bfovul/,  Berlin  1869,  S.  I 
—  13;  LniHtoer.  XfbthagfM,  Stun«.  1879,  S.  88  fr.  264fr.;  MOlUr,  Ae.  I'oiii- 
efios  S,  40  ff.;  Ten  Brink.  O'runJr.  ^  II.  i,  533  f.  Ilecwul/  {QY.  6a),  Soassb. 
1888:  KocficI.  ZfdA.  37.  374  ff.  CtuH.  d.  rf.  Lftt.  I.  i.  104  ff  looff.  — 
1  Mßllcr,  Ai\  l'dtsrjKis  S,  43  f.;  fiinz.  FBB.  20.  147  f.;  dAgegcn  Tcrtcidieen 
die  Uierv  vViuicht  tcn  Brink,  litowul/,  S.  195  f.  Anm.  uik]  iijuncDÜicb  \\tn,ü\n^ 


I 

I 
I 


I 
I 

I 


ZrdA.  4:,    156fr.  —  ü  Zur  Etymologie  s.  Koegelt  Aufuu  Beowtiif,   ZTdA.  37, 

26a  ff. 

§  ^4.  In  der  Genealogie  zu  Anfang  des  Epos  ist  aus  dein  m^ihischen 
Scyldini;  Beow(a)  der  Stammtafeln  und  Ortsnamen  durch  Anknüpfung  an 
die  dänisclien  Slcildinge  (Skj^^ldungar)  der  Scylding  Beuwulf  geworden,  der 
als  Vater  des  Healfdene  gilt.  An  die  Stelle  des  mjthischeji  7tftiva  Lst  abw 
der  aller  WalirsdidnliclJtcit  nach  historische  DanenkOnig  Healjdene  {Haidanus 
bei  Saxoi  getreten,  dem  sich  dann  Hröitgdr  und  Hälf^,  und  weiter  Hridulf 
anscliliessen,  enLsprecliend  Saxos  Rot,  Hrlgo — Rßh>o.  Und  der  Name  Bifowfa) 
ist  durch  Bt'oimiif  ersetzt  Zu  diesem  Namenwechsel  hat  offenbar  der  Held 
des  Gedichts  Vcranlassur^  gegeben,  der  Gcate  Ücowulf,  EcgjK-ows  Sohn, 
auf  weichen  die  Thaten  des  mythischen  Be'jwa  übertragen  wurden.  Er  sclieint 
eine  histrirische  Persönlichkeit  zu  sein.  In  epistxlischen  Einschaltungen  des 
Beowulf  (1202 — 14.  2354 — 72.  2,soi — 8.  2QI0— 21)  wird  vün  einem  Plünde- 
rungszuge des  Gcatenkitnigs  Hvgeläc  in  das  »Land  der  Friesen»:  {on  Frü^ta 
iand  2915,  womit  die  westfriesische  Küste  in  den  Niederlanden  gcme-inl  sein 
muss)  berichtet.  Er  stösst  aber  auf  kraftigen  Widerstand  von  Friesen  und 
Franken:  im  Gebiete  der  /feiivare  i,C1iattuarii)  wird  sein  Heer  fast  vernichtet 
{2365  f.),  er  »eU)er  getötet,  seine  Leiche  und  die  vergeblich  verteidigte  ge- 
machte Beute  fallen  in  die  Hand  der  Feinde  (i2iof.|.  Auf  die^iem  unglück- 
lichen Raubzuge  zeichnet  sicli  unter  den  gcatischen  Helden  Beowulf  aus, 
der  Sohn  des  Et^fieow,  aus  dem  Geschlecht  der  Wrfgmundinge;  er  erschlägt 
den  Franken  Dit^hrefn  ohne  Schwert  (2501  ff.)  und  rettet  weh  schwimmend, 
mit  drcissig  Bninnen  licladen  (2351)  ff.).  Die  historische  Grundlage  dieser 
Begebenheit  hat  zuerst  N.  F.  S.  GmndtWg  (1817)  erkannt.  Nach  Gregor 
von  Tours  III.  3  und  den  Gesta  Francorum  c.  icj  drang  der  dfLuische  König 
Choclülaicus  zwischen  512  und  320  mit  seiner  Flotte  plOndemd  und  ver- 
heerend bi.s  in  den  Gau  der  sal fränkischen  Chattuaner  vor,  wurde  aber  von 
einem  fränkischen  Heere  unter  Theodebert,  dem  Sohne  des  Merowingers 
Theodorich,  geschlagen;  er  selbst  fallt,  die  Beute  wird  den  Normannen  ab- 
genommen (s.  §  7).  Bis  auf  Einzelheiten  decken  sich  die  Berirhic  der 
fr&iikischen  Chronisten  und  des  Epos.  Der  Name  OuKhilaiens  steht  für 
* Otugilaictu  SS  ?k^.  Hy^läc.  Von  den  Ruhmesthaten  eines  tlünischen  (gau- 
tischen) Kriegers  bei  dieser  Gelegenheit,  »ie  das  ags.  Gedicht  sie  von  Bfe- 
wulf  berichtet,  verlautet  allerdings  in  den  geschichtlichen  Quellen  nichts, 
allein  die  Annahme,  dass  ■wirklich  ein  Held  von  ausserordentlicher  Körper- 
kraft  und  Schwimmer  von  grosser  Austlauer  sicli  als  Teilnehmer  an  dem 
Zuge  des  HugiJaik  an  die  Rhejnroündung  hervorgetlian,  und  dass  dieser 
einen  dem  mythischen  Beow(a)  ahnlichen  Namen  getragen  habe,  ist  durchaus 
tmbcdcnklich  und  zur  Erklärung  der  Beowulfsage  xmerlasslich.  Hicss  der  gaulische 
Held  *fiiwivoi/r  >Bieiienwolf«  (an.  lijölfr  aus  *Byolfr\  so  wäre  damus  regel- 
recht in  anglischem  Munde  lie'ouulf  (alüiorth.  Bimvulf)  gewnrtlcn  V  wndurch 
die  Phantasie  auf  den  angelsa«.'hsischen  Siammesheros  Beaw  hingelenkt 
wurde:  abgesehen  vom  Namen  wird  das  tertium  cumparadunis  zimUchst 
seine  v^'underl>aro  Fertigkeit  im  Schwimmen  gewesen  sein,  die  an  den 
Schwimmwettkampf  zwischen  Beowulf  (B6owa^  und  Breca  erinnerte,  welche 
nun  auf  den  historischeu  Helden  übertragen  wurde.  Der  Kampf  mit  Grendel 
folgte,  imd  endlich  schloss  sich  der  Kampf  mit  dem  Drachen  an.  That- 
sachlich  blieb  der  alte  Mythus  der  Kern  des  Epos;  von  dem  historischen 
Bcou'ulf  weiss  es  so  gut  wie  nichts.  Man  muss  notwendig  voraussetzen, 
dass  in  der  alten  Heimat  der  Angelsachsen  die  Kraftleistungen  des  Gautcn- 
hdden   auf  dem  Rückzüge   des   HugUaik   zwar  eine   äugen bllcklidie  starke 


648 


XIV.  Heldeksage.    Die  eikzelnes  Sagenkreise, 


Wirkunjf  hen'orriefen,  stark  genug  um  ihn  vorübergcliend  zum  Helden  des 
Tages  zu  machen  imd  ihn  das  Erbe  des  mythischen  Heros  antreten  zu 
lasscD,  däsa  der  Eindruck  aber  nicht  bleibend  war,  da  andernfalls  im  ags- 
E]xiÄ  weniger  ausschlieaslicli  der  Mythus  herrschen,  und  der  Norden  nicht 
jede  Erinnerung  an  einen  sagenberUhmten  Gauten Helden  Bjölfr  verloren 
haben  wQrde.  Die  Bildung  der  cpisrlien  Sage  kann  demnach,  wie  teu  Brink 
{Beorv.  S.  21^  ff.)  mit  Recht  hervorhebt,  nicht  lange  nach  dem  geschichtlichen 
Ereignis,  das  den  Anstöss  zu  ihr  gab,  alsu  nicht  spAtcr  als  etwa  530,  ange- 
fangen haben. 

Bcowulf  ist  im  Epos  ein  Gcatc.  Wenn  die  fränkischen  Clironisten  den 
Chochilairus  (HygelÄc)  einen  König  der  Danen  nennen,  so  wird  man  darin 
nur  eine  unberechtigte  Ausdehnung  des  Däuennaniens  auf  alle  nordischen 
Seeräuber  zu  sehen  haben:  eine  jüngere  Quelle  erzählt  eine  Sage  von  der 
ungeheuren  Körjjergrösse  desselben  HtigUaicHs  (verderbt  in  Iluiglatiau,  Jlunrg^ 
laciis),  den  sie,  die  ags.  Überlieferung  l>estatigcnd,  einen  »-rex  Gctarum< 
nennt  {s.  ZE  Nr.  9,  2).  Die  Gr'atiu  des  Epos  (auch  ^g/atas,  Wedergeaias 
oder  WeJeras  genannt)  sind  unzweifelhaft  die  Gauten,  d.  h.  die  Bewohner 
der  jetzigen  Landschaften  Väster-  und  Hstergödand  im  südlichen  Schweden 
(an.  Gautar,  aschw.  Gstary  nicht,  wie  sie  auch  gedeutet  worden  sind,  die 
Juten  (ags.  ^tas,  Iotas;  an.  Jölar)  *. 

Die  geschieh tiicbcn  Elemente  im  Bi.'owiür,  auf  welche  ein  näheres  Einjichcn  hier 
unthnnlich  üt^  ^ind  »tu  cindrinKcadsten  umcrsucht  worden  von  Müllcnhoff.  Bfovutf 
S.  13  — 109.  Über  die  HyifL-h'ic-Eptsoüe  s.  auch  Kurtk,  Wtt.  poit.  <Ui  M^roving^ 
S.  337  IT.  Von  JUiertrf  Litterahir  (s.  Wülkers  GrunärtsT  g  244 — 266)  sei  ange* 
ftlhrt  Kemble's  Vorrwle  £u  «Hiier  Ausg.  des  B^w,  ('  1835):  H.Leo,  Beovntl/^ 
Halle  1830,  und  Grein  in  Eberts  Jahrb.  IV  (1862),  260  ff,  (s.  ferner  die  Litteratur- 
aogaben  xu  %  33)  —  ^  Zum  Xamen  s,  Cnsijn,  Anntt^ri.  op  lie»  Biovt.  (1891) 
S.  \l\  Sicverü,  PUB.  18,  +13.  20,  154  Atim.;  Binz.  PBB.  M.  153  Anm.  3 
\y^'  §  23  Anm.  z).  Man  k'ititiie  B^o-w(a)  als  Komproinissfonn  aus  Bf<ne  und 
Biawulf  ansehen.  —  '  Die  jQten-Hj-poihft^e  iiC  in  neuerer  Zeit  vcrteidigi  worden 
von  FahlbcclE,  Anti<jvor.  Tidakr.  (Jlr  Svcrige  VIII  (1884)  2.  26  ff.  und  Bugge, 
PBB.  12,  r  ff.  Dagegen:  Ci.  Sarrazin,  B^cntuif. Studien  %  23  ff.;  tcn  Brink,  Beo' 
timf/S.  196  ff.;  Möller,  Engl.  Stud.  13,  3IJ  Aixtn. 

§  25.  Die  Frage,  welchem  germanischen  Stamme  sowohl  der  alle  Mythus 
von  (Sceaf)-Scy!d-Beüwa  als  die  eigentliche  Beuwulfsagc  ursprünglich  ange- 
hören, ist  trotz  ihrer  häufigen  Rn'Srtrrung  in  älterer  und  in  neuerer  Zeit  noch 
keineswegs  entschieden.  In  den  beiden  vorhergehenden  g§  bricht  wiederholt 
die  Ansicht  durch,  dass  nicht  nur  der  ^[ythus,  sondern  auch  die  epische 
Sage  von  Bcowulf  sich  bei  den  englischen  Stämmen,  ganz  oder  doch  grössten- 
teils noch  in  ihrer  alten  Heimat,  gebildet  hat.  Dem  gegenüber  haben  von 
alteren  Gelehrten  die  meisten  Bkandina\'i.s<'Jien  Forscher,  aber  z.  B.  auch 
EtImUller  imd  TIiLirpe.  von  neueren  namentlich  Bugge.  G.  Sarrazin  und 
SievLTs  dürzutlnm  ge.sucht,  das.s  die  beiden  in  unserm  Ejms  verechmolzenen 
überliefern ngsschichten  alter  skandinavischer  Tradition  entst;tmraen  *.  FOr 
die  zuletzt  genannte  Auffassung  kannten  zunächst  allgemeine  Erwägungen  zu 
sprechen  scheinen,  einmal  der  allerdings  sehr  bemerkenswerte  Umstand,  dass 
die  Sage  auf  .skandinavischem  Boden  spielt  und  nicht  angelsaclisische,  son- 
dern dänische  und  achwedi.sche  Helden  in  ihr  auftreten,  femer  die  That- 
sache,  dass  nirgends  lu  der  alt-  oder  mittelenglischeu  Litteratur  steh  eine 
Anspielung  auf  sie  findet.     Von  grosserer  Bedeutung  sind  aber  die  von  den 


*  Nur  von  der  Sage  ist  hier  die  Rede.  Di«  alle,  nvuerdinp  von  G.  Sarracio 
«ieder  auf^eoiimmene  Ansicht,  der  B^wulf  sei  nicht  original  eagliscfa,  »ondt-m  «w  einem 
skandinaviscbeD  [gauüschen  oder  ditaütchen)  Dijilekt«  äbenvUt,  darf  damit  lulUitich  nicht 
susamm<mEewOrfcQ  werden. 


Beo'K'Ulfsaoe:  Historische  Sage.    Heimat  der  Sagb. 


649 


I 


genannten  Forschem,  vor  allem  von  Sievers,  aus  der  nordischen  Sagen- 
dichtung, speziell  aus  Saxo,  zum  Beweise  dafür,  dass  die  Elemente  der  Beo- 
u-ulffahel  auch  im  skandinavischen  Norden  im  Liede  lebten,  beigebrach- 
ten Parallelen.  Zweierlei  muss  hier  genau  unterschieden  werden.  Gewisse 
Übereinstimmungen  zwischen  nordischer  Sage  und  dem  Bcuwulf  sind  ohne 
Frage  auf  englischen  Ursprung  zurückzuführen:  so  die  an  die  Kflmpfe  mit 
Grendd  und  dessen  Mutter  stark  critincniden  und  vermutlich  diese  wieder- 
gebenden Partien  in  der  isländischen  Grtttix  saga  c.  64—67  ';  Übrigens  kann 
diese  Interpolation,  die  nach  den  Untersuchungen  Boere  (ZfdPh.  30,  59  ff.) 
erst  dem  Ende  des  13.  Jahrhs.  angehört,  so  wenig  wie  der  von  Bi^ge  heran- 
gezogene Orms  fMittr  SiMl/ssonar  (Fiat  I,  52iff.>  s.  PBB.  12,  58  ff.  30off. 
ZfdPh.  30,  65  ff.),  für  die  lebendige  Existenz  einer  Form  der  Beowulfsage 
ra  skandinavischen  Norden  etwas  beweisen.  Dasselbe  gilt  von  der  Erzäh- 
lung vom  Wettschwimmen  Egils  in  der  £gih  saga  ok  Ärmurtäar  aus  dem  14. 
Jahrh.  (PBB.  12,  51  ff-),  wenn  Überhaupt  in  diesem  Falle  ein  historischer 
Zusammenhang  anzuerkennen  ist,  was  für  andere  von  Bugge  beigebrachte 
Parallelen  sicherlich  zu  leugnen  ist  (s.  die  Bcmerktingcn  tcn  Brinks,  Beoto. 
S.  191  ff.).  Anders  dagegen  steht  es  mit  der  Sage  von  JJ^di^arr  Bjarki  und 
mit  den  von  Sievers  angeführten  Stelleu  aus  Sa.\o.  Ereierc,  in  der  Hr6i/s 
sa^  kraka  (naraenUirh  c.  34 — 36:  Fas.  I,  65  ff.)  und  bei  Saxo  (lib.  II,  p.  87 
MV.,  p.  56  ed.  Holder)  erhallen,  zeigt  ohne  Frage,  besonders  in  der  Form 
der  Saga,  Ähnlichkeiten  mit  Bcot^iilfs  Grendclkampf  und  Drachenkampf,  die 
nicht  zufällig  sein  k<'nnen  *.  Und  die  von  Sievers'  nachgewiesenen  Berüh- 
rungen zwischen  Beowulfs  Drachenkampf  und  Saxos  Bericht  von  dem 
Drachenkampf  Frothos  I.  des  Vaters  des  Haldanus  jHealfdcne),  zu  Anfang 
des  zweiten  Buches  sind  vollends  schlagend;  auch  den  Parallelen  IleremÖd- 
Leikerta  und  Scylri'Siyoliius  darf  eine  gewisse  Bedeutimg  nicht  bestritten 
werden.  Es  ist  nur  die  Frage,  ob  diese  unleugbaren  Parallelen  wirklich 
beweisen,  was  sie  beweisen  snllen:  den  skamünavischen,  speziell  dänischen 
Ursprung  des  Beawaraythus.  In  der  Sage  von  B9dvarr  Bjarki  nach  der 
Hn'tlfssaga  liat  ten  Brink  (Beow.  S.  188)  Umbildung  dänischer  Überlieferung 
unter  dem  Einflüsse  >der  englischen  Beowulfsage«  erblickt  Diese  Auffassung, 
die  schon  dadurch  nahe  gele^  wird,  dass  das  Abenteuer  ß^flvars  in  der 
nordischen  Sage  aus  dem  Grendel-  und  dem  Drachenkampf  zu.sammcnge- 
flossen  scheint,  also  sicherlich  keine  ursprüngliche  Gestalt  der  Sage  repräsen- 
tiert, eiliält  eine  sehr  wesentliche  Stütze  in  einer  noch  nicht  genügend  be- 
achteten, wenn  auch  von  Buggt^  gett^cntlich  (PBB.  12,  57)  her\-orgehobenen 
genealogischen  Notiz  in  der  Flateyjarbök  (1,27):  Ädfl^  (nämlich  des  Sccldwa- 
Skjpldr)  son  Beaf  er  ver  koUum  Biar,  die  zwischen  dem  Mythus  %on  ßeaw 
und  der  Sage  von  Bjarki  die  Brücke  bildet  Züge  aus  dem  angUscben 
Mythus  vun  B<atv-Biar  [Biarr  oder  Bjärf;  s.  Verf.,  Lieder  der  Edda  I,  222) 
wurden  auf  den  dänis<;hen  Sagenhelden  {Bf{itfarr-)Bjnrki,  durrh  Ähnlichkeit 
der  Namen  veranlasst  übertragen.  Und  auch  in  den  Fällen,  auf  welche 
Sievers  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat,  dürfte  eine,  freilich  ältere,  F,inwirkung 
englischer  Dichtung  auf  die  skandinavische  vorliegen;  d.  h.  die  alten  däni- 
schen Lieder,  auf  weli;he  Saxos  Darstellung  schliesslich  zurückgeht,  haben  in 
früher  Zeit  ebenso  wie  sie  zu  den  Angeln  und  Sachsen  drangen  —  man 
denke  nur  an  die  Kämpfe  zwLsdien  Danen  und  Headobearden  — ,  anderer- 
seits auch  Züge  angelsächsischer  Sage  und  Dichtung  in  sich  aufgenommen. 
Nur  durch  die  Annahme  reger  Wechselwirkung  zwischen  der  mythisch-epi- 
schen Poesie  der  Angeln  auf  der  kiuibrischen  Halbinsel  und  der  bloss  durch 
den  kleinen  Belt  von  ihnen  getrennten  Inseldflnen  erklärt  sich  das  Sagen- 


650 


XIV.  Heldensage.    Die  eikzelnek  Sagenkreise. 


gewirr  im  B6owulfe|ius.  Der  BcowainyÜius  selber  aber,  wenn  er  oben  nadi 
Müllenhoff  richtig  ge<ieiitet  Ist  <^§  23),  wird  nur  als  Dichtung  eines  Nordsee- 
stammes verständlich,  dem  der  unausgesetzte  Kampf  mit  dem  Meere  den 
Inhalt  für  seine  primitive  Diclilung  gab.  Sa  crgiebt  sich  für  die  historische 
Entwicklung  der  Benwulfsage  folgende  Skizze,  deren  nähere  Bt^;rOndung  der 
Raum  nicht  gestattet. 

Der  Mythus  vmi  Beowa  ist  in  der  alten  Heimat  der  Angelsachsen  ent- 
standen und  bereits  von  den  ersten  Besiedlem  Britanniens,  unv<*rbundcn  mit 
und  unbceinflusst  vun  der  histcrisclicn  Beüwulfsage,  in  die  neuen  Wohnsitze 
hinübergetragen.  Darauf  weisen  Ortsnamen  wie  h/ouan  harn  und  GremicUs 
mcre  zusammen  in  einer  Urkunde  v.  J.  Q31  aus  Wiltshire,  ferner  Gritjäles  Uc^ 
Grimieks  pylt  in  Worcestershire  {ZE  Nr.  8),  und  andere  von  Binz  (PBB. 
20,  155  f.)  nachgewiesene,  von  denen  die  ältesten  noch  dem  Anfang  des  8. 
J;ihrhs.  angehören.  NamentJich  die  Urkunde  v.  J.  »»31  deutet  mit  Entschie- 
denheit auf  Fortleben  und  I^okalisiening  des  alten  Mythus  in  Wiltshire. 
Weniger  entscheidend  sind  die  übrigen  Zeugnisse.  Aus  dem  Umstände,  dass 
diese  Namen  sich  vorzugsweise  auf  westsächsischem  Gebiete  Hndcn,  hat  man 
vielleicht  mit  Recht  auf  besondere  Pflege  des  Beowamythus  l>ci  den  West- 
sachsen geschlossen,  was  jeducli  seine  Entstehung  bei  den  Angeln  keineswegs 
ausschliesst.  Bei  den  .Engeln  ist  jedesfalls  die  .Ausbildung  der  epischen  Beo- 
wulfsage  vor  sich  gegangen,  die  durch  ein  liistorisches  Ereignis  aus  dem 
zweiten  Jahrzehnt  des  6.  Jahrhs.  veranlasst  und  nicht  zu  lange  nachher  voll- 
zogen sein  muss  {%  2^).  Dass  auch  die  Übertragung  des  Biowamyihus  auf 
den  alü  historisch  zu  betrachtenden  Dicnstinann  des  GautcnkÖnigs  Hygeläc 
wenigstens  in  ihren  ersten  Etappen  noch  in  dpr  alten  fesll^ndischen  Heimat 
der  Augeisachsen  erfolgte,  unterliegt  keinem  berechtigten  Zweifel:  nur  hier 
waren  dazu  die  Bedingungen  vorhanden,  die  nahen  Berührungen  mit  skandi- 
navischen Stämmen  und  ihrer  Dichtung  —  denn  ein  gautischcs  Lied  wird 
doch  als  Vermittler  von  Beowulfs  Heldenthaten  anzusehen  sein  —  und  t\ber- 
haupt  das  Interesse  für  Begebenheilen,  deren  starke,  aber  offenbar  vorüber- 
geliende  Wirkung  nur  innerlialb  der  Welt  erklärlich  ist,  wo  sie  zuerst  gefeiert 
und  besungen  wurden.  Auch  die  Veriegung  des  Grendel kampfes  nach  See- 
land erklärt  sich  nur  in  der  alten  Heimat,  wo  leicht  der  alte  Träger  des 
Mvthus.  n6nwa  tler  So-lding.  an  den  Ahnherrn  des  danischen  Königs- 
geschltchles  Scyld-Skjyldt  eriiniern  konnte.  Die  historischen  Überlieferungen 
der  Angelsachsen  lehren  imn.  dass  um  530  (s.  §  ^4)  die  Gründung  der 
sächsischen  Keiche  in  Britannien  im  wesentlichen  vollendet  war;  auch  Nieder- 
lassungen der  AngeUi  fallen  zwar  schon  in  frühere  Zeit,  allein  ein  grosser 
Teil  ilerselben  blieb  bis  gegen  die  Mitte  des  0.  Jahrhs.  in  den  alten  Sitzen. 
Diese  anglischen  Nachzügler,  die  Begründer  der  Königreiche  ßeniidcn  und 
Deira,  Ostangchi,  Mcrcien,  bei  denen  der  Mythus  von  Böiwa  auch  nach 
seiner  ersten  Überfflhnmg  nach  England  lebendig  geblieben  war,  kommen 
für  diL'  epische  Ausbildung  der  BüowuUsage  allein  in  Betracht  Mit  ihnen 
ist  die  ßeowulfsage,  wir  dürfen  annehmen  in  der  Form  epischer  Einzellieder, 
nach  Britannien  gekommen,  etwa  um  die  Mitte  des  6.  Jahrlis.  Halten  *ir 
fest  an  der  ags.  Tradition,  wonach  die  ersten  anglischen  Reiche  547  (Bemi- 
den)  und  gegen  560  (Deira)  gegründet  wurden,  so  werden  wir  in  diese  Zeit 
auch  die  Überführung  der  Bcuwulfsagc  vun  der  kimbrischen  Halbinsel  ui  das 
Astliche  Britannien  setzen  dürfen.  Wie  weit  damals  die  Bildung  der  Soge 
vorgerückt  war  und  ob  nicht  ilir  Abschluss,  namenUidi  die  Übertragung  von 
B^uwas  Drachenkampf  auf  den  Gautcn  Beowulf,  erst  in  England  erfolgt  ist, 
darüber  sind  nur  unsichere  Vermutungen  möglich,  die  mit  den  m'dit  weniger 


Estwicklung  der  Beowulfsage.  —  Nibelungensaoe. 


651 


unsicheren  Ergebnissen  der  höheren  Kritik  des  Beowulf  eng  zus-amnicnhangcn. 
Auch  die  Frage,  welchem  der  anglischen  St.'lmme  die  Aiishildung  der  Sage 
zufallt,  ist  kaum  entscheid  bar.  Auf  Nordhuinbrien  deutet  allerdiDjjs  das  sehr 
h^iufige  Vorkommen  von  Namen  aus  der  B^*üftTilfsage  im  Über  Vitac  der 
Kirche  von  Durtiam  (Sievers,  PBB.  10,  465!.;  ten  Brink,  Btow.  S.  222; 
Binz,  PBB.  ^o,  [bi  f.),  alkin  sie  k'mnen  nur  für  Kenntnis  des  Epos  rcsp. 
seiner  Bestandteile  etwas  beweisen.  Auch  ten  Brinks  geistvolle  Abwägung 
der  Ansprüche  Mcrtiens  und  Northumberlands  (a.  a.  O.  S.  223  £f.)  gehl  über 
die  Sagengeschichte  hinaus. 

2ö  diesem  §  vul.  vor  allem  Müllcnhoff.  Skcvulf  ^.  53  ff.,  und  ten  Brink, 
Bfcwut/,  Cap.  1 1  und  13.  —  Schroff  entßcitenßesrtzt  sind  die  Anhichter  U.  Sarra- 
zins, FBB.  ]  I,  139  fr.  ^38  fT.  (Oazu  Sicver«.  «bdu  11.  354  ff.  I3,  168  ff.).  Aoglla 
9,  195  ff.  200  fr.  515  ff.  A>ozi'u//-Sfu(fifM.  Berlin  1888.  Engl.  Said.  16,  79  f.  33, 
2:1  ff,  —  I  O.  Vigfügjion.  Sturlun^,  Prot.  S.  XLIX.  Corp.  poct.  bor.  II, 
501  ff.  (vgl.  üering.  Anelift  3.  74  ff.):  Bagge.  PBB.  12.  57  ff.;  Bocr.  ZfdPh. 
30,  j9ff.  —  i  fiugge,  D^f.  111.  801.  PBB.  12,  55  ff.;  Mülk-nbolf,  Jieov. 
S.  55  f.;  ccn  Brink,  Breit.  S.  iSjff.  —  ^  Sicvcrs,  Biowulf  unä  Saxo,  in 
den  Bericfalcn  der  sScfas.  Ges.  der  Wüs.  4;  (1895),  S.   17s  i^' 


B.  NlBSLV;« GENSAGE. 

§  zty.  Die  NibeUingensagc  ist  in  zwei  Hauptgestaltungen  auf  uns  ge- 
kommen, die  wir,  obgleich  ihrem  Ursprünge  nach  beide  deutsch  sind,  her- 
kömmlicher Weise  als  die  nordische  und  die  deutsche  unterscheiden.  Die 
nordische  (genauer:  narwcgisch« isländische)  Sagengeslalt  wird  durch  die 
Etldalietlcr  und  die  mltlL-lbar  oder  unmittelbar  davon  abhängigen  Quellen 
(§  16)  vertreten.  Die  deutsche  ist  in  dreifacher  Tradition  überliefert:  der 
obenievtsiArn  im  Nibelungenliede:  und  in  der  Klage  (§  20),  der  nieder(ien(scken 
tu  der  norwegischen  ^Idrckssaga  und  einigen  dänischen  und  färoischen  Lie- 
dern, soweit  sie  unmittelbar  aus  nd.  Volksdichtung  geschöpft  haben  {§  18), 
endlich  derjenigen,  welche  im  Sigfridsliede  (§  201  und  dem  .Anhang  Kum 
Heldenbuchc  (S  2 1 1  vorliegt  und  \'ermuihch  die  spätere  rbeiHmh-fränkhcht 
Oberiiefenmg  vertritt,  die  in  einigen  Punkten  der  altrhcin fränkischen,  wie  sie 
deii  norwcgisch-Isländischcu  Quellen  zu  Grunde  Hegt,  noch  nahe  steht.  AtiS 
einer  Verglcichung  der  deutschen  (;  her  lieferungen  unter  sich  und  weiter  der 
zu  ersclili essenden  deutschen  Grundgcstalt  der  Sage  mit  der  nordischen  er- 
giebt  sich  die  gemeinsame  Grundlage  beider  und  Issst  sich  die  geschichtliche 
Entwicklung  der  Nibelungensage  in  ihren  Hauptzügen  ermitteln.  Von  den 
deutschen  Können  stehen  sich  die  sachsische  und  die  besunders  durch  das 
Sigfridslied  bewahrte  näher  als  eine  von  ihnen  der  oberdeutschen,  der  g^en- 
über  jene  öfter  das  Ursprüngliche  erhalten  haben.  Die  nordische  der  alteren 
Eddalieder,  die  aus  ihrer  frankischen  Heimat  vermutlich  durch  sachsische 
(«Kler  friesische!  Vermittlung  nach  .'Skandinavien  kam  (s.  §  it>(.  ist  aber  die 
verhältnismässig  ursprünglichste  und  hat  den  ersten  Teil  der  Sage,  die  Sage 
vun  den  alteren  Weisungen,  allein  in  zusammenhangender  Fassung   bewahrt 

Wicbiigste  Liilcratur:  Brielweduel  xwÜKben  LacbinAoa  und  W.  Grimm 
Qtier  das  Nibelungenlied  auü  den  jähren  i830rzi  (s.  §  4  .\nin.  3^:  Lacbmann, 
Kritik  dir  Sag-f  lon  d<n  Ssbtiuttgtn.  1829  ^s.  §  4  \a\n.  4);  Milllcnhofr, 
7.iA\.  10.  146  ff.  23.  Jl3ff. :  Rieger.  'icrrn.  3.  163  ff.;  \V.  Miiller's  .\rbeitcn 
tur  NttielungctiM]^  *»•  S  ^  Anm.  13):  E.  Koeh,  Oif  Xibeftingemaft'^,  Grimma  187a; 
Edtardi,  Altä.  und  ailnnrd  Hfld^rmagm.  Bd.  111,  Smitj;nrt  l«8o,  S.  LXX  ff.; 
Ueinsel,  Obrr  die  Xibeluu^ntage,  Wien  l88j  (aus  den  Wiener  SB,  CIX, 
(•71  ff-;  vgl.  I.thJ,  188(1,  Sp,  44(>ff.);  Gdliher,  Studien  ivr germaniu hm  Sagen' 
geuhnhtr,  MuiK-hi-n  lfc88  (aus  den  Abhh.  der  l>air.  Akad.,  Cl.  I.  B<l.  XVin,  2, 
S,  401  ff.;  vgl.  Ltbl.  1890,  Sp.  212  ff.),  (icnii,  33,  4^1  ff.  34,  165  ff,;  Lichten- 
bfrreer,  t*  forme  et  la  ie'grndt!  dei  .Vide/ungrn,  Paris   1891,  S.  62  ff.    (dazu  die 


652 


Xrv.  Heldensage.    Die  einzelnen  Sagenkreise. 


wicht^es  Bwprecbungcn  vor  Wilminns,  AfdA.  i8,  66  ff.  und  Vogt.  ZfdPh.  15, 
405  ff.).  —  Zur  Orientierung  al>cr  die  altere  Littcninir  sind  bnuchbar  die  "Ober- 
sichtm  bei  Herrn.  Fischer,  Fonchungen  über  das  Nittflnngenlifä  (18^4)  S. 
95  fr.  und  V.  Mutli,  EinU^ituHff  in  das  Mbelutigeniieä  (1877)  S,  13  ff.  Die  g«- 
siuiiL«  Litteratur  üher  die  Sag«  (bis  1887]  Hast  BLcb  am  besten  übersehen  bei 
Zarncke,  Ntlft^lungenlirJ^  S.  LXI  (T.  —  Scbriften  Ober  spezielle  Punkte  wenlea 
zu  den  einzeLneo  Tolgenden  %%  luigenihrt. 

§  27.  Den,  ältesten  Teil  der  Nibelungcnsage  bildet  die  mv-thisch-heroische 
Sage  von  dem  Weisung  Sigfrid,  die  früh,  wenn  auch  vielleicht  nicht  von 
aUeru  Anfang  an,  das  Schlusagtied  einer  mehrere  Generationen  umfassenden 
Welsungcnsage  formte.  Die  Geschichte  \on  Sigfrids  Ahnen  ist  in  zusam- 
menhängender Erzählung  nur  in  den  zwölf  ersten  Kapiteln  der  V^lsunga- 
saga  (§  16)  erhallen:  sie  führt  den  Stammbaum  des  Helden  durch  vier  Ge- 
schlediler  ( Sigmund r-Vylsungr-Rcrir-Sigi)  bis  zu  Odinn  hinauf.  Es  handelt 
sich  darum  festzusteilen,  inwieweit  diese  Sage  von  den  alteren  Weisungen 
auf  alter  Überlieferung  beruht,  inwieweit  sie  als  nordische  Zudichtung  be- 
trachtet werden  muss.  Des  Verf.a  frühere  Ansicht  über  diese  schwierige 
Frage  ist  durch  Mtlllenhoffs  Untereuchungen  in  einigen  Punkten  umgestaltet. 
Zuiiaclist  führt  die  nähere  Betrachtung  der  betreffenden  Kapitel  der  V9lsunga- 
saga  zu  folgendem  Ergebnis  in  Betreff  ihrer  Quellend  In  den  beiden  ersten 
Kapiteln  (Sigi  und  Rerir)  ist  von  poetischen  Quellen  nidits  mehr  zu  ver- 
spüren; dagegen  verraten  die  folgenden  Kapitel  von  V^lsungr  und  dessen 
Sohn  Sigmundr  (c.  3 — 8)  in  ziinehuiendetn  Masse  Spuren  dichterischer  Vor- 
lagen. Es  mag  der  Sagaschreiber  für  diesen  Teil  seiner  Erzählung  Sagen  in 
ungebundener  Rede,  aber  vermischt  mit  einzelnen  Liedresten,  als  Quellen 
benutzt  haben,  in  denen  die  Höhepunkte  der  Handlung,  vor  allem  die  ent- 
scheidenden Wechselredt-n,  die  alle  poetische  Form  am  längsten  bewahrten. 
Sigmunds  und  Sinfj^tlis  Werwolfsleben  im  Walde  (c.  8)  tragt  die  Kennzeichen 
einstmaliger  poetischer  Behandlung  aufs  dcutlicliste  zur  Schau,  und  was 
weiter  folgt  —  der  Rachcversurh  der  beiden  Notgestallcn,  ihre  Eiiufcliliessung 
und  Befreiung,  endlich  die  Ausführung  der  Rache  —  kann  der  Gegenstand 
eines  alten  Liedes  gewesen  sein,  von  welchem  der  Sagaschreiber  eine  Strophe 
zitiert  (Bngges  Ausg.  qq*— ').  Auch  die  schönen  letzten  Worte  der  Sign*-, 
bevor  sie  sich  in  das  Feuer  der  brennenden  Halle  stürzt  (B.  9920-2*^.  sind 
unverkennbar  Wiedergabe  cine,s  Lictifragments.  Mit  dem  Schluss  von  c.  8 
lenkT  dann  die  Saga  in  die  Paraphrase  des  ersten  Liedes  von  Helgi  Hun- 
dingsbani  ein,  die  sich  in  c.  9  fortsetzt.  Die  Erzählung  von  Sinfji;»t]is  Tod 
in  c.  10  berührt  sich  mit  dem  im  Codejc  Regius  der  Eddalieder  auf  die 
HelgiUeder  folgenden  Prosaslücke  Fni  daupa  Sinfj^tla,  mit  welchem  sie  auf 
ein  verlorenes  Lied  als  gemeinsame  Quelle  weist.  Endlich,  c  11  und  12, 
Sigmunds  Werbung  um  Hji^rdis,  seine  Fehde  mit  dem  verscUmShlcn  Neben- 
buhler Lyngvi,  sein  Fall  und  die  letzte  Unterredung  des  sterbenden  Helden 
mit  der  Gattin  auf  der  Walstatt,  sind  unzweifelhaft  zum  Tefl  auf  verlorener 
poetischer  Überlieferung  aufgebaut,  wenn  auch  dci  Verfasser  seine  berdls 
lückenhaften  Berichte  durch  freie  Einschaltungen  ergänzt  hat  Der  Veriust 
dieser  Lieder  aus  der  Sigmundssage  ist  aufs  tiefste  zu  beklagen:  n<:>ch  im 
Prosagewande  der  Saga  verraten  sie  eine  kernige  epische  Haltung  und  eine 
Altertümlichkeit  des  Stils,  womit  nur  wenige  der  erhaltenen  eddischen  Helden- 
lieder sich  messen  können.  Und  auch  die  Sage  selber  «ird,  wie  kaum  dna 
zweite,  vom  Geiste  des  germanischen  .Altertums  getragen. 

Es  unterliegt  denn  auch  keinem  Zweifel,  dass  die  Sigmundssage  in  der 
Gestalt,  wie  sie  die  Vs.  bietet,  im  wesentlichen  schon  hei  den  Franken 
ausgebildet  war;  im  Norden  ist  sie  nur  durch  Einschaltung  der  skandinavt* 


sehen  Helgensage  entstellt  und  an  einer  Stelle  lückenhaft  geworden.  Die 
Sage  vuii  SigmuDcU,  Signy  und  SinfJ9tli  {Vs.  c.  3 — 8)  scheint  auch  den 
Angelsachsen  in  Verbindung  mit  der  Sigfridssage  bekannt  gewesen  zu  sein ; 
wenigstens  ist  der  Drathenkampf  Sigfrids  im  Bcow-ulf  (V.  884  ff.)  auf  Sigfrids 
Vater  übertragen.  Im  Norden  ist  sie  durch  Anspielungen  im  ersten  Licde 
von  Helgi  Hundingsbani  und  durch  die  Eiriksm^I  (bald  nach  950)  weiter 
bezeugt,  während  für  die  einstige  Verbreitung  der  Sage  in  Deutschland  der 
Name  Siniarvizsua  (ZE  Nr.  14.  ZfdA.  ^3,  lOi)  in  bairischen  Urkunden  des 
9.  und  der  ersten  Hälfte  des  10.  Jahrlis.  spricht.  Es  sclieint  der  auffallende 
Name  (ags.  Fitila  =  ahd.  Fizzilo,  Fezsilo)  nacl»  Sievers'  und  Kocgels  aiispre- 
chender  Deutung  (PBB.  lö,  563.  509;  vgl.  Kluge,  Engl.  Stud.  16,  433)  sidi 
auf  die  blutschänderische  Zeugung  des  Sinfj^tU  durch  ein  Geschwisterpaar  zu 
beliehen  •;  die  nordische  Kumi  Si»/J^iii  weicht  im  ersten  Kompositionsgliede 
vun  der  ahd.  ab  (aus  einem  as.  *Sin-/clulo  übeniummcn?).  Auch  der  Name 
WelüuHff  {ZK  Nr.  10,  1)  ist  um  dieselbe  Zeit  auf  deutschem  Boden  beleg- 
bar •'  und  entspricht  dem  ags.  Walsing,  an.  V^thunfp- ;  die  nordische  Über- 
lieferung irrt  aber  darin,  dass  sie  Sigmunds  Vater  V9lsungr,  also  patrony- 
misch,  benennt;  vielmehr  ist  Sigmund  selbst,  wie  Sigfrid,  ein  Weisung,  und 
der  Vater  Sigmunds  kann  in  der  alten  Sage  nicht  anders  geheissen  haben 
als  ■  Walis,  d-  h.  nach  J.  Grimms  sL-höner  Deutung  »der  Eclitc,  Erlesene« 
(gut.  zvalis(aj,  vgl.  Uuakstus  in  der  Lex  Burg.  34,  12;  ZfdA.  37,  230),  wie 
ja  auch  der  B^*owulf  Siginund  richtig  Walus  ta/era  »Nachkomme  (Sohn)  des 
Walis«  (896)  nennt.  Die  Sage  von  Sigmund  und  SignV'  (ahd.  Sigtniu:  Koegel 
I,  2y  ipBf.)  ist,  wie  zuerst  Rieger  bemerkt  hat  (Germ.  3,  igöff.)  das  Vorbild 
geworden,  nach  wcluhcm  die  historische  Sage  von  dem  Untergang  der  Bur- 
gimdeu  und  Attilas  Tod  ihre  epische  Form  erlangte.  Da  nun  diese  Aus- 
bildung, wie  sich  aus  den  der  deutschen  Gestalt  des  zu'eitcn  Teils  der  Ni- 
belungensage mit  der  nordischen  gemeinsamen  Zügen  crgicbt,  bereits  in 
DeuL-^chland  begonnen  haben  muss,  lässt  sich  auch  aus  dem  zweiten  Teil 
dci  Nibelungensage  rückwärts  der  Beweis  führen,  dass  die  Sage  von  Siguumd 
einmal  in  Deutsdiland  bekannt  war;  mit  dem  zweiten  Viertel  des  lü.  Jahrhs. 
verschwinden  dort  ihre  Spuren.  Ebenso  dürfen  die  Überlieferungen  über 
Sinfjvtlis  Tod.  Sigmunds  Werbung  um  Slglind  (an.  Stgrlinn.  wofür  in  den 
nordischen  Quellen  durch  einen  Namenwechsel  mit  der  ersten  Heldensage 
Hj^rdis  eintrat),  die  Erzeugung  Sigfrids  und  Sigmunds  Ende  (Vs.  c.  10—12) 
für  die  alte  frankische  Wclsungcnsagc  in  .'Viispruch  genommen  werden.  Da- 
gegen ist  Mütlenhoffs  Ansicht,  dass  auch  die  Erzählungen  von  Sigi  und 
Rerir  (Vs.  c.  i.  z)  und  die  Abstammung  des  Heldengeschlechles  von  dem 
höchsten  Gotte  als  altfränkisches  Sagengut  zu  betrachten  seien,  nicht  haltbar. 
Die  Namen  Si^  und  Rtrir  sind  ganz  singulär  und  finden  nicht  die  geringste 
.Anknüpfung  au-sserhalb  des  Nordens,  ihre  Schicksale  sind  teils  bedeutungslos, 
teils  aus  alteren  Motiven  zusam menge! cten,  und  das  Vorhandensein  dieser 
beiden  alleslen  Glieder  der  Genealogie  widerspricht  der  späteren  Darstellung 
der  Saga,  wonach  Rerirs  Gemahlin  einen  fruchtbar  machenden  Apfel  von 
ÖCtinn  und  Frigg  erhalt,  um  zu  einem  Sohne  gelangen  zu  kOnnen,  der 
dann  aus  dem  Muttprleibe  geschnitten  werden  muss.  Mit  dem  »ungebomen« 
V^lsungr  (s.  J/iM.  *  321  f.)  betreten  wir  offenbar  erst  das  Gebiet  der  echten 
Sag^  aber  auch  ihm  wird  die  göttliche  Mithülfe   zu  seiner  Konzeption  erst 


*  Abwckhenil  ilcutcn  GcrioG  (EddAabere.  S.  183  Ann.  i]  ODd  KaufTmann  (FBB.  18, 
l&a  Aom.  a}  den  Kamen  ak  «Wolf«. 

*'  Ak  Schwertoame  findet  sich   W<lsunc  im  mbd.  VoUuep«  {Hdt.  S.  18.  163). 


654 


XrV.  HEUiENSAaE.     Die  einzeutek  Sagenkreise. 


vermitielst  eines  verbreiieien  MStchenraotivs  (s.  KHM.  Nr.  47.  53  und  III, 
87)  in  der  Saga  angedichtet  worden  sein,  deren  Tendenz,  die  Verteidigung 
der  zweifelhaften  Legitimität  von  Harald  Schönhaars  Dynastie,  die  Hcrieitung 
des  Wdsungengeschlechts  von  üilinn  forderte.  Der  Zusammenhang  der 
Welsungensage  bedingt  die  göttliche  AbsUtmmung  keineswegs,  und  MüUenhoff 
ist  zu  dem  von  ihm  rekonstruierten  Inhahe  der  alten  Sage  nur  durch  Annahme 
einer  Lüeke  iii  der  Cbcrliefeniug  gelangt.  Dieser  aJtcstcn  fränkischen  Sage 
dürfen  wir  auch  die  in  der  nordischen  Dichtung  allerdings  schön  und  wirksam 
hervortretende  Teilnahme  Odins  an  den  Schicksalen  des  Heldengeschlechts 
noch  nicht  zusclxrciben.  Sic  ist  erst  im  Norden  mit  der  Ȁh-thisierung*  der 
ganzen  Sitge,  d.  h.  ihrer  Verbindung  mit  der  nordischen  Mythologie  (s.  untea 
§  30),  zu  Stande  gekommen.  Aber  weit  jtiiiger  noch  ist  die  Anknüpfung 
von  Sigfrids  Geschlecht  an  Odinn;  l.lsst  sich  doch  überall  beobachten,  dass 
die  Nachrichten  von  göltliclier  Abstainmung  der  Heroen  und  deren  Verbin- 
dung mit  den  Göttern  verhältnismässig  jung  sind.  Der  r\wnq  himwfio^  des 
Geschlechtes,  •Walls,  wird  der  ältesten  Sage  auch  als  der  Stammvater  des- 
selben gcgohen  haben*.  Erst  im  Norden  ist  es  durch  doppelte  Anknüpfung 
bis  zu  Üdinn  hinaufgeführt,  nachdem  dieser  zum  höchsten  Glitte  erhoben 
worden  und  ihm  von  der  nordlsclien  Didilung  die  einheitliche  Schick:ials- 
leitung  in  die  Hand  gegeben  war. 

Müllenboff.   Du  altf  DtchtHngr  von  den   XiMung^t:  ZfdA.  2J.  iijfl.  (v^ 

Llbl.  1880.    Sp.   49  ff.);    Vcrf„    FBB.    3.    287  ff.;    Kdzftrdi,    Wldf^t-Sa^fn    S. 

XXlItT.:    Kocgcl,    Ctich.   d.   d.   Litt.  1,    :.    172  ft.   I.  a.   lySff.  —  'Für  die 

□Uicrc  Aiuführung  wird  auf  §   14  der  dctnoAcbst   cnsclicincndcn    £inlcilun|>   zu   des 

Vcrf.'s  Eddiuusj^bc  L  2  verwiesen. 

§  28.  Uralt  und  ohne  Krage  in  urgennanische  Zeit  hinaufreicliend  ist 
der  Sigfridsmytlius.  Alle  Versuche,  für  Sigfrid  hü^lonsche  Anknüpfungs- 
punkte zu  finden  (s.  j$  4  Anm.  8),  sind  miätuugeu  und  konnten  nicht  anders 
als  mislingen,  aber  nicht  weniger  hoffnungslos  sind  die  Bestrebungen  derer, 
die  uns  seine  Sage  als  Erfindung  eines  fränkischen  Dichters  verständlich 
machen  wollen.  Die  mythische  Grundlage  der  Sigfridssage  ergibt  sich  aus 
den  beiden  Hauptthaten,  die  entweder  alle  Überlieferungen  Übereinstimmend 
oder  doch  sowohl  die  nordische  als  ein  Teil  der  deutschen  Überlieferung 
(Sigfridslied)  von  dem  Helden  berichten,  der  Erlegung  des  Drachen  und 
Horterwerbving  und  der  Befreiung  der  Jungfrau,  mit  Sicherheit.  Nicht  Namen- 
dcuCungen  und  Lokalisierungen,  die  nur  eine  besUlLigendc  Kraft  besitzen, 
sondern  f\i^  Handlung  der  Sage  selber  und  ihr  innerstes  Wesen  weisen 
mit  zwingender  Notwendigkeit  in  die  Sphäre  des  Mythus  •". 

Die  HauplzQge  des  allen  Natunnytlius,  aus  welchem  die  Sigfridssage  er- 
waclisen  ist,  finden  sich  in  dem  edrlLschen  IJc<le  Fji^lsvinnsm^'I  und  den 
deutschen  Sigfrldsmftrchen  mit  grosser  Treue  erhalten.  Aus  der  Vetgtcichung 
der  versclUedenen  Fassungen  lässt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  etwa  folgende 
Grundgestalt  gewinnen.  Der  Held  wachst,  ohne  seine  Ellem  zu  kennen,  im 
Walde  bei  einem  kunstreichen  Alben  oder  Schmiede  auf.  Er  cHitei  eine 
Jungfrau,  die  auf  einem  Berge  oder  in  einem  Turme  eingeschlossen  ist,  um- 
geben von  flammender  Lohe   oder  einem   grossen  Wasser,    HindemissTt  die 


*  Martin«  Bedenken  gesen    dies«    aud)    in    d«r    mt«n  AuflAgc  berdu  au^esprocbetic 
Aaikbi  (ZfdPh.  33.  369)  ist  ebenda  35,  398  iurtickeewie»«!!  worden. 

**  Dies  sei  hier  ausdrücklich  hcrt-orgcbohen  anÜUsJicll  der  •Vorbenierinuig*  zu  der  S.617 
Anm.  zitierten  AbliandluDf*  von  K.  Mogk.     Wenn    nun  freilich   mit  Mo(;k   (S.  71) 
di?  alleinige  AiimritSt  dw  B^iwulf-Intcrpolalors  hin  »ich  berechtigt  glaubt,    Drwbent 
und  Hortt>(.-M-innung.    als  ur5praQ|;Iicb  zur  SifmuiKlssfi{>i:  (rrbOrig,  aua  der  Sigfiidisaf^ 
Buscheiden,  Ia»*t  sich  ihr  my^i^er  Gehalt  leicht  verflüchÜ)[eD. 


Nibblungensage:  Welsunkensaob.    Sigfrxdsuythus. 


655 


I 


jedem  unüberwindlich  sind  ausser  dem  Berufenen;  diesem,  der  nebst  einem 
treniichen  Rosse  ein  bcsonderca  Schwert  besitzt,  womit  er  den  hütenden 
Drachen  oder  Rie-sen  erlegt,  ebnen  sich  die  Schwierigkeiten  vtm  selber.  Mit 
der  Jungfrau  erwirbt  der  Held  einen  unerschöpfäiclien  Hort  und  den  Besitz 
Obern atürlichcr  Kräfte.  Dann  fallt  er  in  die  Gewalt  dämonischer  Machte  — 
die  falschen  Brüder  des  Märchens  — ,  die  ihn  durch  ZauberkOnste  in  ihre 
Netze  locken,  die  erl^jste  Jungfrau  für  sich  erwerben  und  den  Hort  durch 
die  Ermordung  des  Helden  wieder  an  sich  bringen.  —  Die  Überheferung 
ist  hier  ergänzt.  Die  ältesten  Besitzer  des  Hortes  und  die  dämonischen 
Ge{i;ner  Sigfrids  sind  offenbar  im  Grunde  idemisch,  wie  deutlich  daraus  her- 
vorgehl, dass  der  Name  Nibtlutif^e  (an.  Nißungar)  >Nebelkiiider«  nicht  nur 
dem  mythischen  Nachtgeschlechte,  das  den  Hort  ursprünglich  besitzt,  sfndem 
auch  den  mit  Siji;frids  mythischen  Gegnern  verschmolzenen  burguudischeii 
Königen  beigelegt  wird,  während  Sigfrid  und  Kricmhild  niemals  so  heissen, 
sodass  die  vielfach  gegebene  Erklärung  der  doppelten  Verwendung  des  Na- 
mens, er  hafte  am  Scliatze  und  sei  von  den  ersten  Besitzern  demselben  auf 
die  .spateren  Übertragen,  unstatthaft  ist.  Die  mythische  Bedeutung  des 
Nibelungeniiamens,  die  besonders  von  Wilh.  MüHer  {Mylh.  der  deutschen 
Heldensaf^e  S.  56  ff.)  geleugnet  w<)rden  ist,  welcher  in  ihm  eine  epische  Be- 
zeichnung der  Franken  sieht,  erheUt  aus  seinem  Ursprünge  —  vgl.  Nifthtl^ 
Niflheimr  als  Be/x-ichnung  der  Unterwelt,  des  von  Nebel  erfüllten  Tolenrcichs, 
m  der  nordischen  Mythologie  — .  und  dieser  raythisclie  Sinn  der  Benennung 
würde  auch  dann  nicht  angetastet,  wenn  Wilmanns  mit  der  Annahme  Recht 
hatte,  dass  sie  ursprünglich  nur  den  letzten  Besitzern  des  Hortes  zukam 
und  von  diesen  erst  auf  die  mythischen  Zweige,  die  Sigfrid  tötet,  übertragen 
wurde' (AfdA.   18,  95  f.). 

So  wenig  wie  Bcowulf  (§  2,3)  ist  Sigfrid  die  Hypostase  eines  Gottes:  weder 
Baldr  noch  Freyr  ist  in  ihm  vermen.srhlidit.  und  auch  unmittelbare  Ableitung 
dieser  Heldengestalt  aus  dem  Wndanskultus  ist  abzulehnen.  Will  man  dcii 
Mythu-H  von  Sigfrid  und  Bmnhild  aus  dem  Göttermytlius  deuten,  so  müsste 
er  jedesfalls  in  eine  Zeit  zurückreichen,  da  die  Germanen  Tius  als  Hlmuiels- 
gott  und  die  Sonnengöttin  Frija  als  seine  Gemalilin  verehrten:  in  den  Fj^ls- 
vinnsm^l  ist  die  erlf^ste  Mrngl^d  *die  Halsbandfrohe»  im  engslen  Zusammen- 
hang gedacht  mit  der  Halsbandgöttin  Frija  (Frigg),  an  deren  Stelle  erst  später 
im  nordi.«"heTi  HaLtbandmythus  Frevja  trat.  Allein  der  der  Dichtung  von 
Sigfrid  und  Brunhild  zu  Grunde  liegende  elementare  Naturxorgang  erscheint 
im  Sigfndsmythus  von  allem  Anfang  an  so  menschlich  aufgcfasst,  dass  seine 
Herleilung  aus  dem  Göttermythus  überflüssig  ist  Einen  Lichtheros,  der  die 
Sonnenjungfrau  erwirbt,  dürfen  wir  gewiss  in  Sigfrid  sehen,  aber  der  Tagca- 
mythiis  hat  sich  in  der  epischen  Gestalt  der  Sage  mit  Zügen  der  nahe  ver- 
wandten Form  des  Jahreszeitenmythus  gemischt.  Der  junge  Tag  weckt  am 
Morgen,  nachdem  er  den  Nebcldrachen  erlegt  hat,  die  auf  dem  Himmels- 
berge schlafende  Sonne;  die  Morgenröte  verschwindet  vor  seinem  Glänze. 
Am  -Abend  aber  erliegt  er  den  düsteren  Nebelmächten,  welche  die  Sonne 
wieder  ni  die  unterirdische  Tiefe  ihres  Reiches  versenken,  Auf  diese  Nalur- 
anschauimg  als  mythische  Grundlage  der  Dichtung  von  Sigfrid  und  Brunhild 
deutet  nicht  nur  der  Name  ihrer  mythischen  Gegner,  der  Nibelunge,  als  der 
Mflchte  der  Finsternis,  sondern  namentlich  auch  die  Vorstellung  der  nordi- 
schen Sage,  dass  Brunhild  auf  einsamer  Felsenhöhe  { HindarfjaU)  hinter  einem 
Flanimenwall  schhmimert.  Von  einer  nordischen  Erdichtung  kann  bei  diesem 
Zuge  nicht  die  Rede  sein.  In  einer  Urkun<le  des  Erzbi.scli<>fä  Bardo  von 
Mainz  von  1043  hdsst  der  mächüge  Quarzblock  auf  dem  Gipfel  des  Feld- 


656 


XIV.  Heldeksage.    Die  eiNZEiJtEN-  Sagen'kreise. 


bergs  im  Taunus  hpis  i/ui  vulgo  äicifttr  leclufus  Brnnihild^,  und,  wenn  man 
die  Beziehung  a,uf  die  Rrunliüd  der  Nibelungf-nsagc  ziigiebi  —  dicMfibe  lässt 
sich  mit  Grund  nicht  leugnen  — ,  so  kann  nicht  spätere  Dichtung,  son- 
dern nur  die  Sage  zu  dieser  Bezeichnung  Anlass  gegeben  haben,  da  die 
deutsche  Nibelungendichtung  ein  »Lager  der  Bmnhild-  auf  der  Höhe  eines 
Berges  nicht  mehr  kennt  *.  Andere  LokaUMerungen  '  sind  weniger  beweisend. 
Und  will  man  auf  die  Urkunde  von  1043  keinen  Werl  Jcgen  und  die  Ver- 
sion de-s  Sigfridsliedes  als  vOllig  wertlos  bei  Seile  schieben,  so  hat  doch  selbst 
das  Nibelungenlied,  das  von  der  Brunliild  alles  Mytlüsche  nach  Kräfte»  ab- 
Streitt,  ihren  Wohnsitz  nach  dem  fernen  Isenslein  verlegt,  und  ihre  Figur 
verleugnet  noch  in  der  ritterlichen  Umgebung  des  Uedes  den  abermcnsch- 
Hchen  Ursprung  nicht.  Die  Deutung  als  Tagesmythus  erhellt  Sigfrids  Er- 
weckung der  auf  dem  Felsen  schlafenden  und  von  der  Waberlohe  umge- 
benen Jungfrau,  sowie  den  frühen  Tod  des  Helden  und  die  Erwerbungseiner 
Braut  durch  seine  Gegner,  die  in  der  epischen  Sage  mit  den  Burgunden 
zusammengefallenen  Nibelimgen.  Auch  der  Drachenkampf  findet  in  diesem 
Rahmen  seine  Erklärung.  Allein  diesem  kann  auch  ein  Jahreszeitenmythus  zu 
Grvmde  lieger,  der  zur  ErklJlrung  der  HorterfterUmg  wohl  eine  imerlassUche 
Annahme  ist,  Der  Lichtheios,  der  im  FrUUingsgewitter  den  Wolkendrachen 
tiitet  und  die  sommerliche  Vegetation  (den  unermesslichen  Hort)  aus  den 
Fesseln  des  Winters  befreit,  ist  eine  allgemein  verbreitete  Form  des  Heroeii- 
mythus.  In  den  epischen  Gestalluiigen  des  Sigfiidümytlius  sind  deiimach  neben 
dem  zu  Grunde  liegenden  Tagesmythus  Züge  eines  Jahreszeiten mythiis  er- 
kennbar. Dass  auch  in  den  Darstellungen  von  der  Erlösung  der  Jungfrau 
einzelne  Züge  in  Vorstellungen  vom  Wechsel  der  Jahreszeiten  ihre  Er- 
klärung finden  (Vogt,  ZfdPh.  25,  413  f.),  braucht  nicht  geleugnet  zu  werden, 
aber  unstatthaft  scheint  es,  die  natursymbolische  Deutung  auf  die  verschie- 
denen Formen  auszudehnen,  in  denen  die  Dichtung  von  Sigfrid  und  Brun- 
hild  uns  in  den  nordischen  Quellen  erhalten  ist.  Der  tragische  Vor^gang, 
dass  Sigurd  iu  Guimars  Gestalt  die  ihm  selber  bestimmte  Braut  für  den 
Gegner  erwerben  muss,  gehfirt  lediglich  der  Dichtung  an,  und  eine  mythische 
Ausdeulmig,  selbst  wenn  sie  so  sinnreich  ist  -«le  die  von  Wilmanns  (AfdA. 
18,  72)  vorgetragene,  verkennt  die  Grenzen  der  m)-thiscbcii  und  der  epischen 
Ausgestaltung. 

Jcdesfallä  hat  sich  der  alte  Myüius  in  unserer  ältesten  Überlieferung  der 
Nibclungensage  bereits  völlig  zur  menschlichen  Heroaisage  entwickelt  Diese 
Umbildung  liat  sich  bei  den  Rheinfranken  voUzt^en.  Noch  in  ihrer 
nordischen  Gestalt,  wie  in  den  deutschen  Gestaltungen,  verleugnet  die  Si^ 
fridssage  diese  ihre  Heimal  nicht,  imd  die  Namen  Nihtiluttg  u.  Ä.,  die  nach 
MüUenhuffs  treffender  Bemerkung  ein  Vater  seinem  Kinde  erst  geben  koimte, 
nachdem  ihre  ursprüngliche  Bedeutung  in  der  Sage  verblasst  war,  erscheinen 
zuerst  und  am  häufigsten  bei  den  Franken  iZE  Nr.  10,  2.  61,  l — 3;  dazu 
ZfdPh.  4,  349.  454;  Ko^el  I,  2,  209  f.),  ebenso  Sigifrid  (ZfdA.  23,  1590.; 
Koegel  I,  2,  204  f.).  Auf  die  bekannte  Stelle  des  Waltharius  555,  wo  von 
den  Franci  ntbidoncs  die  Rede  ist,  darf  freilich  kein  Gewiiiit  gelegt  werden; 
WaUlier  braucht  hier  ein  lai.  Schimpfwort,  das  zu  den  Nibelung;en  der  Sage 
keinerlei  Beziehung  hat.  Um  so  bedeutsamer  dagegen  ist  in  der  eddischen 
Überlieferung  Frakkiand  als  Name  für  das  Reich  der  V^lsunge:  am  Rhein 
ist  Sigurd  geboren  und  aufgewachsen,  um  Rhein  hat  er  den  Hort  gewonnen 


I 


I 


*  [Eben  vor  der   Drucklegung   eibnlte   ich  Braunes  Aufsatz   firunkild^nbett  ^PBBi 
33,  246  fr.),  mit  desMn  Auflamtog  die  meinigv  vOUtg  Ubeinnstiinmi.} 


I 


(vf^I.  Vkv.  15),  die  auf  HindarQall  schlafende  Walküre  sucht  er  suSr  tU 
Fnütklands,  er  findet  nach  Brot  af  Sig.  5  den  Tod  snnnan  Rinar,  und  in 
den  Rhein  wnrd  endlich  der  Hort  versenkt  (Akv.  ^9).  Wenn  der  Nibelungen- 
hort, jcdeäfalts  schon  in  der  ältesten  frankischen  Sage,  zum  Rheingold  ge- 
worden ist,  so  wird  zur  Aushildiing  (üeser  Vorstellung  die  Goldhaltigkeit 
des  Rheins  mitgewirkt  haben:  hatte  diese  Thatsache  im  Munde  der  Franken 
die  sagenhafte  Form  angenommen,  in  den  Fluten  des  Rlieins  liege  ein  grosser 
Schatz  verboiTgen,  so  lag  für  sie  nichts  naher,  als  mit  diesem  Schatte  den 
unersch5pflichen  Hort  ihres  Nibelungcnraylhua  zu  identifizieren  (s.  zuletzt 
Vogt,  ZfdPh.  25,  412).  Aus  den  dämonischen  Nibelungen  wurden  in  ihrer 
heroischen  Form  rheinische  Könige,  aus  der  Albin,  die  durch  einen  Zauber- 
CHler  Licbestrank  den  arglosen  Sigfrid  veriockt  —  ein  noch  heute  in  norwe- 
gischen und  faröischcn  Sagen  fortlebcn<ler  Albemuytlius  a  —  eine  schOne 
Königstochter.  Doch  es  hafteten  einzelne  dsmonische  Züge.  Trugen  in  dem 
Mythus  vermutlich  die  nibclungischen  Brüder  zusammen  die  Schuld  an  Sig- 
frids  Ermordung,  wie  sie  auch  nach  der  1*5.  und  dem  Sigfridsliede  dieselbe 
ziemlich  gleichmässig  teilen,  so  ging  sie  in  der  epischen  Form  der  Se^  mehr 
auf  Hagunö  (an.  ll^gni,  ags.  Jlagona  als  Personenname  PBB.  20,  192  f.,  alid. 
Belege  Z£  "Sx.  u,  mhd.  I/a^nc)  über.  Er  ist  noch  in  der  Vs.  c.  169  f. 
(vgl.  auch  c  361.  391)  ein  Albcnsohii  und  der  Stiefbruder  der  rheinischen 
Könige,  in  der  oberdeutschen  Sage  ihr  mSc  oder  Vasall;  im  Norden  ist  er 
der  rechte  Bruder,  und  der  Mord  wurde  dort  auf  den  Stiefbruder  Gotßormr 
(vgl.  Hyndl.  27)  gewalzt,  der  erst  nach  der  Verbindung  der  mythischen  mit 
der  historischen  Sage  in  den  Komplex  eintrat.  Offenbar  ist  Hagen  seinem 
Ursprünge  nach  ein  rein  mylhischcrs  Wesen,  *cler  Nibelung  xar'  iioyrfjr",  und 
vielleicht  schon  durch  den  Namen  als  solcher  angedeutet  (vgl,  Koegel  I,  2, 
20/  ff.).  Das  dflmimische  Wesen  der  Albin,  das  diese  verlor,  haftete  in  der 
allen  frankischen  Sage  an  der  Mutter,  welche  nun  den  zum  Vergesi>enheits- 
trank  gewordenen  I-iebestrank  dem  Helden  reic}it  (xler  reiclien  lasst;  mit 
dem  Zauberwesen  ging  im  Norden  auch  der  Name  der  Tochter  OrimhUti, 
der  diese  als  eine  »verhüllte  Kampferin«,  also  eine  Nachtdaraoniii,  im  Gegen- 
salze zu  der  erlösten  Jungfrau  BrimhilH,  der  d  Kampferin  Im  Panzer«,  be- 
zeichnet, auf  die  Mutier  über,  wahrend  die  deutsche  Sage  den  allen  Namen 
für  die  Tochter  behielt  und  der  Mutter  den  typischen  Namen  der  Helden- 
mOtter  öda  (mhd.  VoU)  gab.  Die  nordische  Sage  hat  für  die  Tochter  den 
Namen  Gitpnin  yGopnin})  vermutlich  aus  einer  anderen  Sage  Qbeniommen *. 
Wenn  im  Norden  dem  fränkischen  Sigt/nd  der  Name  Sigvrpr  aus  älterem 
SigT'p'pr,  Sigorpr  (Sicvers,  Ark.  f.  nord.  Fil.  5,  135  ff.)  entspricht,  so  darf  man 
annehmen,  dass  der  fremd]andis<.he  Name  durch  einen  heimischen  anklin- 
genden und  dem  ersten  Korap-sitionsgliede  nach  gleichen  Namen  ersetzt 
vk-urde.  In  dem  Mythus  bemächtigen  sich  die  Nibelungen  der  von  Sigfrid 
erlösten  Jungfrau  wieder.  Daraus  ist  in  der  späteren  S;^e  ein  zweiter  Flam- 
menritt geworden :  Sigfrid  reitet  zum  zweiten  Male  durch  die  Waberlohe,  um 
fQr  die  nibelungiscthen  Brüder  (die  Gjükungen)  Brunhüd  zu  erwerben,  umd 
der  Liebestrank  wurde  zum  Vergessenheitstrank,    wie  ihn  die  Sage  brauchte, 


•  Koe^)s  cotgc^DgCKtzte  AulTa.sxung  d«  VrrbiltnuuH:»  zwitdiro  den  Xunea  Grim' 
hitdr  und  Cufrün  (Gfich.  d.  d.  Litt.  I,  j,  205)  verbiet«  *itti  »chnn  dtirch  die  RUck- 
•JdbtOAbtne  auf  die  iu»tonsche  IfildUa  (§  29).  Ober  den  ivin  mythischen  ChAnikter  des 
Ntmei»  Grimhildr  und  »eine  BewhrUnkung  im  Nortlen  auf  däinotii^cbe  Wi-scn  (die  Hui- 
dern)  *.  Jiiiczek,  2s.  f.  vgl.  LitteiÄtuTKnacb,  N.  F,  7,  57  f ;  MitL  der  schlts,  Ges.  f.  VolksJc. 
1894/95,  H.  I,  S.  31.  Die  Vermeidting  desselben  {ix  die  in  der  DonUscbea  Dichtung 
illwrwieitend  sympathisch  iLuftrefaftste  Tochter  des  GjiUd  niKf;  sich  eben  dadarch  ericlären. 

GcmanUctK  Philologie  HL    3.  Agfl  \i 


658 


XIV.  Heldensage.    Die  einzelnen  Sagenkreise. 


um  Sigfrids  Handeln  zu  motivieren.  Allein  noch  in  den  nordischen  Quellen 
blicken  altere  Sagenformen  durch,  die  auf  verschiedene,  ursprönglich  neben- 
einander hergehende,  aber  spater  in  chronologischen  Zusammen  hang  ge- 
brachte, epische  Umbildungen  des  allen  Mythus  deuten.  Nach  der  einen  Form 
erweckte  Sigfrid  die  schlafende  Jungfrau  und  verlobte  sich  mit  ihr;  nach  der 
anderen  erwarb  er  sie  für  Günther,  mit  dessen  Schwester  er  sich  vcmiäblt  hat. 
Beiden  Fassungen  aber  gemeinsam  ist  die  Vorstellung,  dass  Sigfrid  der  der 
Brunbild  vom  Scliicksal  bestimmte  Erloser  ist,  so%ic  der  Zaubcr«chbf  und 
der  Flamraenritt,  die  in  der  alten  Sage  unzertrennlich  zusammengehören». 

Vi,  Müller,  P'^rsuch  rtner  tnyihoiogiichen  Erklärung  ä^r  NtMungetfiogt, 
BerliB  1S41.  ZfdrV.  3,  43  t!'.;  IC  Slcigcr.  Dit  vtrichieditncn  Gestaltungen  lUr 
SifgfrieUsiage.  1873  [Lctpj.  Diss.);  Uctlcr,  PBB.  18.  194.8'.  (vgl.  ctxla  S.  ;8  fl', 
KoA  Hcinicl,  AfdA.  15,  töSC).  Ferner  ist  aturh  zu  diesem  §  die  zu  §  2*j  ao- 
gefObrtcr  Litu-intiir  jru  vcrjjlcichen  ',  —  *  Riegcr.  Dir  A'iie/vngftisage  rn  ihren 
Betiehungm  tum  RketnlanJ:  Quartalbl.  des  him,  Ver.  f,  d.  Gr(»slicrT«£t.  HcucB 
1881,  S.  34  ff;  Jiricick,  Die  äeuticfu  NeUemage^Sh  68.  —  »Jiriciek,  7a.  f.  vjji, 
Uurratur^escb,  N.  F.   ;,   49  ff,  —  >  Verf^   ZfdITi.  24,  l  ff.;  Vngi,  ebda  35,  413  f. 

§  29.  Der  Sigfridsmjthus  bietet  der  Uniersuchiuig  besonders  deslialb  so 
grosse  Schwierigkeiten,  weil  er  in  sein«.'m  zweiten  Teile,  als«j  abgesehen  von 
Drachen  kämpf,  Horterwerbung,  Besitz  üliematürlicher  Kräfte  und  Erti^sung 
der  Jungfrau,  nicht  in  reiner  Gestalt,  sondern  nur  mit  der  historischen 
Burgundensage  kontaminiert  erscheint.  Die  Ausscliddung  der  mythischen 
Bestandteile  und  die  Rekonstruktion  des  Mythus  in  dem  mit  Sigfrids  Anktinft 
am  Hofe  der  burgundischen  Könige  (Gjükungen)  anhebenden  Abschnitt  der 
Sage  wird  durch  diesen  Umstand  bedeutend  ersichwcrL 

Im  Jalire  437  drang  in  die  rheinfraitkische  Heimat  der  Sigfridisage  eine 
crsehültemdc  Kunde  aus  dem  Nachbarreiche  der  Burgunden.  Nachdem 
bereits  zwei  Jahre  vorher  die  Burgunden  nach  einem  mi.s.slungcnen  Einrall 
in  Belgien  von  dem  römischen  Feidherm  Aßtius  zu  einem  schmahhchen 
Frieden  genötigt  worden  waren,  wurden  sie  437  in  einer  entscheidenden 
Schlacht  von  den  Hunnen  fast  vernichtet;  ihr  Kijnig  Gundicarius  (so  geben 
Prosper  .^quitaims  und  Cassiodor  den  Namen]  fiel,  JOOüO  Mann  vcrlorco 
sie,  ihre  politische  Existenz  war  gebrocJien  (vgl.  §  7)  ^  Dieses  mit  fast  lako- 
nischer Kürze  von  den  zeitgenössischen  Historikern  gebuchten  Ereignisses  — 
illwn  (^Gundicarium)  Chunni  cum  poputo  sxio  ac  stirpt  Jclaxrunt  sagt  Proaper 
—  bemächtigte  sich  die  Sage,  und  in  ihr  wurde  Attila,  der  nicht  wohl  dabei 
beteiligt  gewesen  sein  kann,  als  Vertreter  alles  hunnischen  Wesens  auch  der 
Vernichter  der  Burgunden,  als  welchen  ihn  schon  Paulus  Diaconu.»!  kennt 
Woher  diese  Hunnen  kamen  und  ob  sie  Htllfsv."ilker  des  ACüus  waren,  er- 
fahren wir  nicht;  hat,  wie  ra^n  vermuten  darfj  bei  dieser  geheimiiisvt)llen 
Zerstörung  des  ersten  germanischen  Königreich«  auf  römischem  Bixicn  Verrat 
eine  R.^lle  gespielt,  so  fehlte  zur  Sagenhildiing  auch  dieser  mifchlige  Faklrt 
nicht.  In  GHnJir<inus  oder  Gundaharim,  wie  die  Le.'i  Burg,  um  nennt, 
finden  wir  das  historische  Prototyp  für  den  Günther  (an.  Gtmnart,  ags.  Güd- 
here^  mhd.  Günther)  der  Xibclungcn.sage,  in  seiner  und  seines  Volkes  Ver- 
nichtung durch  die  Hunnen  die  geschichtliche  Grundlage  des  zweiten  Teils 
des  grossen  Sagenkumple.\es;  aucli  die  Rheinpfalz,  die  Gegend  um  Wonns, 
als  damaliger  Wohnsitz  der  Burgunden,  ist  in  der  Sage  festgehalten.  Ausser 
Guniher  gehören  der  historischen  burgundischen  Überlieferung  auch  an 
Gibka  (an.  Gjüki,  ags.  Gifica,  inlid.  Gibecke),  den  mit  Ausnahme  des  Nibe- 
lungenliedes und  sonst  weniger  Quellen  die  germani^he  Sage  als  Vater  der 

•  [Nkht  mehr  benuUcn  konote  ich  die  Schrift  rno   H.    Patsig,    Zur    GesekkkU   i*i 
Sigfridimythus  (Pioßr.  de*  Fricdrichftjö'iiin.  zu  Berlin.   Ostern    1898).  —  KorreisturHoU\. 


NlBELUSGENSAGE:   BURG  UNDENS  ACE. 


659 


I 


burgundischen  K'inige  anerkennt;  der  in  der  nordischen  Sage  und  in  cimg*m 
andeien  Überlieferungen  nicht  vorkommende  GUtihtr ;  und  vermutlich  auch 
der  nordische  Gotßormr  {Guipormr),  wenn  dieser  Name,  wie  wahrscheinlich, 
aus  *GopmätT  oder  *Gtipmärr  entstellt  ist,  wofür  tlie  deutsche  Sage  Gimot 
einsetzte.  Alle  vier  Namen  erscheinen  zusammen  in  der  vor  516  erlassenen 
Lex  Burg;undionum  TiL  III  (Mon.  Germ.  LL.  III.  533),  wo  König  Gundobad 
seine  Vorfahren  nennt:  5/  qum  apud  tvgiae  memoriae  autloru  nostrvs,  id  est 
Gibicam,  Godomarem  [var.  Gundomarrm,  Gondemarum\,  Gislaharium,  Gunda- 
karium,  patrtm  quaqiu  rtastrum  et  palruum  liberos  Itbtrasve  fuiue  eomiiterit,  in 
eadetn  libertaie  permaneant.  Über  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  und 
die  chronologische  Folge  der  vier  historischen  Burgundenkönige  entscheidet 
diese  Aufzahlung  allerdings  nichts ,  nur  Gibichs  Stellung  in  der  Sage  als  einer 
alteren  Generation  angehflrig  bestätigt  sie,  für  die  geschichtliche  Grundlage 
des  brüderlichen  Verhältnisses  iw-ischen  Günther.  Gemot  (Godomar)  und 
Giselher  bietet  sie  keinen  Anhalt. 

Wenige  Jahre  spSler  (^53)  erregte  ein  anderes  Ereignis  die  Gemüter  in 
den  gennanischcn  Landen.  Altila  war  plötzlich,  als  er  in  der  Brautnacht 
trunken  neben  seiner  jungen  CJemahün  Ildico  (d.  i.  ttüdikS)  lag,  an  einem 
Blutsturze  verschieden.  Sxü  Murgen  fanden  ihn  seine  Diener  in  seinem 
Blute  schvhimmcnd,  aber  ohne  Wunden,  neben  ihm  das  junge  Weib  mit 
gesenktem  Blicke  unter  ihrem  Schleier  weinend.  So  erzählt  Jordanes  c  49 
nacli  Priscus.  Die  näheren  UnisUlnde  waren  wohl  dazu  angethan,  das  Mad- 
chen ru  verdachtigen,  und  in  der  That  heisst  es  schon  beim  Comes  Mar- 
cellinus, der  etwa  gleichzeitig  mit  Jordanes  schrieb,  Attila  habe  in  der  Nacht 
durch  die  Hand  eines  Wdbes  seinen  T^^d  gefunden.  Die  S^e  suchte  den 
angeblichen  Gewaltakt  zu  motivieren,  und  nichts  lag  naher  als  die  Auffas&ung 
von  Hildikos  That  als  Rache  für  die  Ermordung  ihrer  Verwandten  durch 
den  »Schrecken  ganz  Europas«.  Nach  dem  Poeta  Saxo  und  der  Quedlin- 
burger Chronik  rächte  sie  den  Tod  ihres  Vaters  {Hds.  S.  10);  dort  aber,  wo 
der  ungerochene  verräterische  Untergang  der  burgundischen  Könige  durch 
Attila  den  Gcscnstand  des  epischen  Gesanges  bildete,  wurde  Hüdiko  als 
eine  burgundische  Prinzessin  und  ihre  That  als  Blutrache  für  ihre  Brüder 
aufgefasst.  Eine  episch -lüsiorische  Sage  etwa  folgender  Gestalt  hatte  sich 
demnacli  gebildet:  Altila,  der  Gemahl  der  burgundischen  Königstochter  Hild, 
beaegt  und  tritet  verräterisch  deren  Brüder,  die  burgundischen  Könige 
Gundahari.  Godomar  und  Gislahan,  Sühne  des  Gibica,  und  findet  durch  die 
rächende  Hand  seiner  Gattin  den  Tod.  Urschwer  erkennt  man  hierin  die 
Grundgeslalt  dcÄ  zweiten  Teils  der  Nibelungensage  in  ihrer  nordischen  Fassung. 

Diese  historische  Burgundcnsage  ist  mit  der  Sigfridssage  ver- 
schmolzen. Diese  Thatsache  darf  nach  den  gnmdlegenden  Forschungen 
Lachmanus  und  Mülleiihoffs  als  feststehend  betrachtet  werden.  Auch  dass 
die  Sagenkontamination  am  Rheine,  wo  die  historischen  Kreigni&se  spielten,  die 
dem  zweiten  Teile  der  Sage  zu  Grunde  liegen,  und  wo  auch  die  Sage  selbst  noch 
ihren  Schauplatz  hat.  und  zwar  in  der  rheinfränkischen  Heimat  der  Sigfrids- 
sage, vor  sich  gegangen  ist,  darf  als  höchst  wahrscheinlich  gelten.  Die  erste 
Ausbildung  der  historischen  Sage  vom  Untergang  der  Burg^indcn  kann  aller- 
dings noch  den  Burgundcn  selbst  zufallen,  und  in  dieser  jlltesten  Form, 
ohne  Verbindung  mit  der  Sigfridssage,  mag  sie  zu  den  Angdsachsen  gelangt 
sein,  bei  welchen  der  Widsid  zwar  Kenntnis  von  Giflca  {19)  und  Güdhere 
(65  ff.)  bezeugt,  aber  lebendige  Bekanntschaft  mit  der  Sigfridssage  vor  der 
normannischen  Eroberung,  trotz  der  verworrenen  Mitteilungen  eines  Btewulf- 
Interpolators,   nicht   nachweisbar  ist    (Binz,    PBB.    2(\    190  ff.    202  ff.).     Die 

47* 


Burguiiden  verliessen  aber  schon  443  die  Wonwser  Gegend  und  wurden  in 
ihren  neuen  Sitzen  zwisclien  Genf  und  Lyon  bald  roniiuiisic-rt;  erst  bei  den 
Rheinrranken,  die  in  der  Germania  prima  die  Burgunder!  ablüsten,  kann  die 
Nibeluugcnsage  als  Sagcueinhcit,  wohl  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  5. 
Jahrlis.,  zu  Sunde  gekommen  sein.  Wenn  freilich  die  burgundische.n  Kfün^c 
im  Wilitliarius  Franken,  im  Biterolf  (aut^  Klage  303)  zwar  Burgunden,  aber 
aucli  Franken  oder  Rhcinfrauken  heisscn,  so  kann  das  eine  Korrektur  auf 
Grund  der  spateren  geographischen  Vcrhättnissc  sein.  Alle  weitwen  Fragen» 
wie  und  wodurch  die  Verbindung  der  mythisch-heroischen  und  der  liistori- 
Kchen  Sage  sich  vollzogen  hat.  Lassen  höchstens  Vermutungen,  keiness^'ega. 
befriedigende  Antworten  zu. 

Nirlit  mit  Sicherheit  zu  entst'heiden  ist  zunächst,  ob  die  Sage  von  Attilas- 
Tod  den  Abschlusa  der  schon  verbuntlenen  Sigfrid-Burgundeusage  bildete, 
oder  ob  sich  jene,  bereits  vor  der  Kontamination  der  historischen  Sage  mit 
dem  Sigfridsmythus,  mit  der  Sage  vom  Untergang  der  Burgunden  verbunden 
hatte.  Walirscheinlidier  aber  ist  letztere  Annahme:  wenn  die  historische 
Sage  bereits  eine  llild  [fftldikß)  als  Schwester  der  burgundischen  Kflnige, ' 
kannte,  so  konnte  die  Ülte^ein^t^raraung  in»  Namen  zwischen  üir  und 
Grimhüd,  der  Schwester  der  Nibelungen,  für  das  Zusanimenfliesscn  von 
Historie  und  Mythus  eine  wesentliche  Stütze  darbieten,  namenüicl»  bei  der 
bekannten  gcnuanischcu  Sitte,  stalt  des  zusammengesetzten  Eigennamens  nur 
das  eine  der  beiden  (Glieder  zu  setzen  •.  Name  und  Figur  der  Hild(ik6) 
sind  aber  erst  durch  den  Anschluss  von  Attilas  Tod  au  den  Untergang  der 
Burgunden  in  die  historische  Sage  gekommen.  Es  ist  damit  die  Hauptfrage 
berührt,  welche  gemeinsamen  Elemente  in  den  beiden  Sagenkreisen  ihre 
Verschmelzung  veraidasst  haben  können.  Da  uns  der  Schluss  des  Sigfrids- 
mythus nur  in  seiner  konlaminiertun  Gestalt  bekannt  ist,  kommen  wir  bei 
ihrer  Beantwortung  über  unsichere  Venmiiungen  nicht  hinaus.  Ist  unsere 
bisherige  Entwicklung  der  Sagen  bestand  teile  und  ihrer  Ausbildung  richtig,  so 
ist  im  allgemeinen  allerdings  klar,  dass  die  nibelungf sehen  Brüder  und  ihre 
Schwester,  in  der  mythischen  Sage  bereits  am  Rheine  lokalisiert,  mit  den 
burgundischen  Brüdern  und  deren  Schwester  Hild  zu.sammenfielen,  und  nach 
dem  oben  bemerkten  wenigstens  wahrscheinlich,  dass  der  Name  von  Sigfrids 
Gemahlin,  Grimhild,  das  Vcrftadiscn  beider  Sagenkreise  erleichterte.  Einen 
mythischen  Günther  neben  dem  historischen  vcrmutcie  l.achmann  ohne  g*»' 
uflgenden  Grund.  Auch  der  Zwergkönig  Gibicli,  der  unter  verschiedcnatj 
Namenformen  {Ciiibtch,  HihUk,  Gäweke,  Gäbke)  m  Volkssageii  nactigewiesen 
ist  (Rieger,  Germ.  3,  171.  Quarialbll.  des  hisi.  Ver.  f.  Hessen  1H81,  S.  43  f.)» 
erkUrt  die  Verbindung  der  BurgundenkOnige  mit  den  Nibelungen  nicht,  zu- 
mal er  als  mildes,  freundliches  Wesen,  im  Kinklaiig  mit  seinem  Namen,  auf- 
tritt. Dagegen  kann,  worauf  neuerdings  Vogt  (ZfdPh.  ^5,  411  ff.)  mit  Recht 
hingewiesen  hat,  die  Auffassung  des  Nibelungenhortes  durch  die  Rheinfranken 
als  Rheingold  zur  Verschmelzung  der  Sagen,  d.  h,  zuvörderst  zur  Identi- 
fizierung der  burgimriischen  Könige  mit  den  rheinischen  Nibelungen  mitge- 
wirkt haben.  In  der  Sage  ist  ein  grosser  Schutz  der  c]>ische  Au.'idntck  fOr 
Herrschaft  und  Macht,  und  schon  in  der  episch-historischen  Burgundensage 
mag  gesungen  worden  sein,  dass  Attila  den  König  Gundahari  und  die  Seinen 
verräterisch  zu  sich  lockte,  um  sich  seines  gewaltigen  Hortes  zu  bemächtigen. 
Dafür  spricht  die  Rolle,   welche  der  Schatz  in  dem  zweiten  Teile  der  Soge 


•   HHiiB.  Grimktiä,  wie  HHär-^  HrynhilJr  Hclr,  6«  (vgl.  SnE.  L  360»"),  Ämi: 
Koittiera   Allm.   31  '.  49*.    tjA/r^  Fnäpyd/r   F.^S.   II,    91  ff.  S.   ÜdPb.   34.   29   Aam. 


NrBEJ.UNGENSAOE:    SlOKRIDSSAGE   U.    BURGUNRENSAGE   VERSCHMOt^EK.      66l 


I 


• 


spielt,  in  der  nordischen  Fassung  als  eigentliches  und  fast  einziges  Bindeglied 
mit  dem  ersten  Teile,  in  der  straffer  zusaramenhüngenden  und  anders  moti- 
vierten deutschen  als  Rudiment  einer  alteren  Gestalt;  dafür  kijnnte  auch  das 
begeisterte  Lob  sprechen,  das  der  Wtdsid,  der  die  Burgundcnsagc  verraulHch 
noch  ohne  Verbindung  mit  der  Sigfridsaagc  kannte,  der  Freigebigkeit  des 
Günther  spendet.  Bei  dieser  Voraussetzung  lag  es  für  die  Franken  nahe,  n 
den  Burgunden,  den  Be\vohnem  des  von  der  Natur  reich  gesegneten,  früh 
durch  Trtmische  Kultur  gehobenen  Wonnser  I^ndstrichs,  deren  Untergang 
in  der  Sage  eben  durch  ihren  Rci<."htuni.  episch  ausgedrückt  durch  Attilas 
Gier  nach  ihrem  Schatze,  veranlasst  wurde,  die  zeitweiligen  Herren  ihres 
mythischen  NlbeIun;,'enhortes  zu  sehen,  der  in  den  Fluten  des  Rheiiu  ver- 
borgen lag.  Waren  in  den  beiden  Sagen  als  gemeinsame  Rlemente  einmal 
die  Figuren  der  verderbenbringenden  (Grtm-)Hi!d  und  der  Mörderin  HÜdtikß), 
beide  als  Schwester  eines  Brüdcrpaarcs  oder  einer  Trias  von  Brüdern,  femer 
aber  ein  unheilvoller  Schatz,  nach  der  mjthischen  Sage  im  Rheine  lagernd. 
nach  der  historischen  im  Besitze  eines  in  den  Rhcinlanden  ansässigen  Kflnigs- 
geschlft'htes,  vorhanden,  sn  Iflsst  sich  ihre  Ve-rbindung  in  der  Hauptsache 
■wohl  verstehen.  Sic  wäre  d;uiQ  bei  den  rheinischen  Franken  nacli  453,  aber 
vermutlich  erst  einige  Dezennien  spater,  erfolgt.  In  anderer  Weise  hat 
Heinzel  diese  Verbindung  erklären  wollen.  Er  sucht  mit  Scharfsinn  und 
Gelehrsamkeit  nachzuweisen,  dass  sie  erst  in  Skandinavien  zu  Stande  ge- 
kommen sei,  und  zwar  in  der  Weise,  »dass  man  in  di-n  Helden  beider  Sagen 
Personen  zu  erkennen  glaubte,  oder  sich  an  Personen  erinnert  fühlte,  welche 
in  einer  dritten  Sage  schon  von  vornherein  in  Verbindung  gebracht  waren*; 
er  muss  dann  eine  Rückwanderung  der  verbundenen  Sage  nach  Deutschland 
annehmen  {Über  die  Nibs.  S.  29  ff.).  Der  Nachweis  für  diesen  komplizierten 
Entwicklungsgang  ist  aber  weder  durch  Heinzel  selber  (vgl.  Ltbl.  r886,  Sp. 
449  ff.),  noch  durch  Deiters  kühne  und  künstliche  Kombinationen  (PBB.  18, 
104  ff.)  erbracht;  der  zuletzt  genannte  Gelehrte  halt  übrigens  den  Sigfrids- 
m>'thus  für  ursprünglich  skandinavisch. 

Fest  ist  die  Verbindung  beider  Sagenkreise  anfänglich  nicht  gewesen;  der 
■ursprtlnglich  wohl  in  beiden  Sagen  eine  Rolle  spielende  unheilvalle  Hort, 
■der  nach  Sigfrids  Ermordung  in  die  CJewalt  der  ursprünglichen  Besitzer,  der 
Nibelungen,  zurückgekehrt  ist,  bildet  das  Bindeglied,  indem  Attila,  der  Sig- 
frids Wittwc  heiratet,  au.i  Gier  nych  demselben  die  mit  den  burgundischen 
Königen  verschmolzenen  nibelungisclien  Brüder  veniichtct.  Eine  weitere, 
ganz  aus.«!erliche,  Verbindung,  wodurch  Brunhild  zu  Attilas  Sch«-ester  gemacht 
wurde,  ist  erst  im  Norden  hinzu;;ekonmien.  Der  epischen  Auspragiuig  der 
historischen  Sage  innerhalb  des  Sagenkomplexes  kam  dann  die  ältere 
Welsungensage  zur  Hülfe  (§  27). 

1  Waitt,  Fonthungen  tur  tieutjcfiTtt  Gesch,  I,  i  ü  (1863);  A.  Jahn,  DU 
Gesehie/ttf  dtr  Burf^ndioTKn  und  Bttr^nJiens  bt's  sum  £nd£  der  J.  DyHOitü,  I 
(«874)'   341  ff- 

§  30.  Aus  ihrer  frankischen  Heimat  ist  die  Sage  von  den  Nibelungen  nach 
-dem  ^skandinavischen  Norden  gelangt.  Diese  Einwajiderurxg,  über  deren 
■vermuüichen  Weg  und  vennutliche  Zeit  in  §  16  gehandelt  ist,  darf  man  sich 
nicht  als  einmaligen  Sagenimport  vorstellen.  Vielmehr  lassen  sich  in  den  Edda- 
liedem  eine  altere  und  eine  jüngere  Sagenschirht  deutlich  unterscheiden. 
Bereits  in  der  alleren  hat  die  deutsche  ÜbeHiefenmg  eigenartige  Umwand- 
-iungen  und  Weilerbildmigen  erfahren,  teils  mehr  ausserUch  durch  Anknüpfung 
nordischer  Sagen,  teils  durch  den  tiefgreifenden  Einfluss  nordischer  Lebensan- 
schauung und  nordischen  Geistes.     Durch  die  Anknüpfung  der  skandinavi- 


sehen  Sage  von  Hclgi  Hiuidinpsbanj,  der  zu  Sigmunds  Sahne  und  SinfJ9tlis, 
Halbbruder  gemacht  wurde,  an  die  Weisungen  sage  kamen  einzelne  Züge  aus 
jener  in  diese*:  so  vermutlich  Sigurds  Vaterrache  und  damit  seine  Erziehung 
durch  einen  Stiefvater  Alf,  wUlircnd  der  iütcre,  in  der  ts.  und  dem  Sigfrids- 
liede  bewahrte  Zug.  demzufolge  er  ohne  seine  Eltern  zu  kennen  bei  einem 
Sdimifdc  im  Walde  aufwachst,  noch  einmal  unverstanden  in  den  Fäfulsm^l 
Str.  2  tlurchbricht;  aus  der  Sage  von  Hclgi  HJ9r\'ardsiMjn  .stammt  der  nor- 
dische Name  von  Sigurds  Mutter  Ilj^rdis.  der  den  frankischen  Sigüind  (an. 
Sigrlitin)  durch  Tausch  verdrJlngle  (s.  §  27).  Weit  bedeutsamer  aber  wurde 
für  die  Entwicklung  der  Nibelungensage  im  Norden  ihr  Ans<:hluss  an  die 
nordisclie  Mytholuj^e.  Bei  den  Nordleuten  wird  das  Vybiuiigeiigcsclilccht 
zum  I.ieblingsgp schlecht  des  Kampf-  und  .Sieggottes  OfÜnn,  der  die  Leitung 
seiner  Schicksale  übernimmt  uud  schliesslich  folgerichtig  zu  seinem  Stamm- j 
vater  gemacht  wird  (^  27).  Diese  iimigc  Verbindimg  des  Weisungeng©»] 
schlechis  mit  dem  höchsten  Gölte  bereits  der  frflnlcischen  Sage  zuzuschreibeiirf 
wie  CS  Müllenhoff  gethan  bat  (s.  die  Ausführung  bei  Scherer,  Vortr.  und  Au/t. 
S.  105  ff.),  haben  wir  kun  Recht.  Auch  die  Vorgeschichte  des  Nibelungen- 
hortes ist  nordische  Dichtung :  der  schon  in  der  deutschen  Sage  unheilvoll 
wirkende  Schatz  ist  im  Norden  mit  der  Götterwelt  in  Verbindung  gebracht; 
die  Äsen  selber  sind  es,  die  ihn  willkflrUch  und  gewaltsam  den  urspriing- 
lichea  Bcsitzeni,  den  Zwergen,  eulreisscn.  und  von  ihnen  kommt  er  mitsajnt 
dem  an  ihn  geknüpften  Fluche  erst  den  Rie.sen,  dann  den  Menschen  zu. 
Das  verderbenbringende  Gold  —  nanienüich  der  Ring,  den  der  Zwerg  zu- 
letzt noch  hergeben  muss.  der  Ändvaranauir  — ,  durch  Raub  bcmSchtigt, 
durch  Unihaien  vererbt,  wird  in  der  düsteren  ncirdischen  Wehbetrachtur 
zum  tragischen  Symbol,  und  Odinn  selber,  der  Schützer  der  V^ilsunge,  legt 
damit  zugleich  den  Grund  zu  ihrem  Untergange.  Allerdings  ist  es  der  nor- 
dischen Dichtung  nicht  gelungen,  die  ahe  Sage  auf  dieser  Grundlage  des 
skandinavischen  Schicksalsglaubens  konsequent  und  lückenlos  umzugestalten; 
in  Wirklichkeit  bestimmt  das  -Motiv  des  allen  seinen  Besitzern  zum  Verderben 
gereichenden  Schaues  die  Handlung  der  nordischen  Sage  nicht.  Von  an- 
deren Umwandlungen  der  älteren  skandinavischen  Dichtung  muss  namenüich 
das  Verhalmis  z*-ischen  Sigftid  und  Brunhild  hervorgehoben  werden.  Die 
zwei  Hauplformen  desselben  (ij  j8  Schluss)  treten  zwar  in  der  Edda  nocli 
deutlich  her\'or,  zeigen  aber  in  zunehmendem  Masse  die  Neigung  zu  biogra- 
phischer Verarbeitung.  Aber  erst  in  der  Grlpisspä  hat  diese  zm  Spaltung 
der  von  Sigurd  durch  den  Flammenritt  aus  ihrem  Zauberschlafe  erweckt 
Jimgfmu  in  eine  Walkfire  Sigrdrifa  {Sigrdri/}],  von  der  er  Belehnmg  empfangt, 
und  eine  Walküre  lirynhitdr,  die  er  für  Gunnarr  erwirbt,  geführt.  Der  Name 
Sigrdrifa,  der  in  den  Versen  nur  einmal  vorkommt  (Fäfn.  44),  war  ursprüng- 
lich vermutlich  eine  appellativisclie  Bezeichnung  der  Walküre  Bryuhild  als  »Si^- 
spcnderin«  Neben  diesen  zwei  Haupt/nrmen  sind  schon  früh  Kcbcnformt 
entstanden,  indem  die  Walküre  —  die  dem  Norden  geläufige  Gestalt  der' 
übermcnstlihcheu  Jungfrau  —  mehr  und  mehr  zur  menschlichen  Schwester 
Atlis  oder  Schwägerin  Heimirs  wurde,  hei  denen  sie  erzogen  wird  *.  Erst  in 
der  V9lsung;isaga  tritt  eine  Tochter  Sigurds  und  Brynhilds  auf,  Ailaag,  eine 
an  eine  in  Norwc-gen  lokalisierte  Marchenfigur  angeknüpfte  genealogische 
Fälschung;  die  Eddalieder  kennen  nur  ein  keusches  Verlialtnis».  Femer  isl^ 
H^gni  zum  rechten  Bruder  Gutuiars  geworden;  er  rät  ab  vom  Morde,  d< 
jetzt  Gotjjonnr,  der  .Stiefbruder  der  Gjnkungen,  wie  anfänglich  Haguno.  voll- 
führt; ist  Gui|>urmr  der  historische  GiKlomar.  so  schchtt  er  dtxii  erst  im  Nor- 
den die  fiustere  Seite  von  Hagens  Heldenge.stait  übernommen  zu  haben. 


Nibelungensaoe:  Einwanderung  in  den  Norden. 


66j 


I 


Der  jüngeren  Sagenschichl,  die  vor  allem  im  Broi  af  Sig.,  in  der  GüJ)- 
njnarkvi[ja  I  und  III.  den  Atlamt^l,  der  erhaltenen  Bearbeitung  der  Alla- 
k%n|>a,  sowie  in  cicjn  Licdc,  welches  dem  Verfasser  der  V9lsungasaga  für  c. 
25  über  Gudruns  Träume  vorlag,  zu  Tage  tritt,  gehören  besuiiders  folgende 
Züge  an:  die  Ermordung  Sigurds  im  Freien,  die  H^gni  selber  der  Gudrun 
meldet,  wahrend  in  der  älteren  Schicht  der  Held  im  Bette  neben  seinem 
Wcibc  getutet  ftird*:  der  Saalbrand  in  Akv.;  das  Auftreten  Dietrichs  (Pjöä- 
rekr)  an  Atlis  Hof.  wo  er  seine  Mannen  verloren  hat,  im  dritten  Gul»njn- 
liede,  in  welchem  sich  eiae  merkwürdige  Mischung  beider  Sagenschiel itea 
darin  zeigt,  dass  es  ein  freundliches  Verhältnis  zwischen  Atli  und  seiner 
Gemahlin  voraussetzt,  obwohl  jener  ihre  Brüder  getötet  hat;  die  Figur  der 
Helclie  [Hfrija)  als  Atlis  Beischläferin  in  demselben  späten  Gedichte;  der 
nachgeborene  Sühn  Hygriis  limfii^ngr  nach  Athn.  83,  den  sdnsi  nur  die 
niederdeutsche  Sage  unter  verschiedenen  Kamen  {Äldrian,  Ranke,  H^gni 
H^gnason)  kennt  *.  Diese  Züge,  denen  sich  andere  Einzelheiten  anreihen 
Hessen,  deuten  auf  eine  erneute  Einwandening  der  in  Deutschland  umge- 
stalteten Sage  in  den  Norden,  die  nach  dem  vermutlichen  AUw  der  unter 
ihrem  Einflüsse  stehenden  Lieder,  sowie  der  Namenform  PjöärtJcr  (=  as. 
Thiodric,  vgl.  piaurikr  in  der  altschwedischen  Rcvksteinlnschrift  vom  Anfang 
des  10.  Jahrhs. ;  dagegen  pidrekr  in  der  rs.,  Tiärikur  im  fär.  Högniliede), 
dem  Ende  des  ().  oder  der  ersten  Hälfte  des  10.  Jalirlis.  angehören  mag. 
Wo  der  Sainralcr  der  Eddalieder  in  der  Prosa  Frd  Janpa  Sigorpnr  die  ver- 
schiedenen Versionen  Ober  Sigurits  Tod  erwähnt,  beruft  er  sich  für  die  Er- 
mordung iui  Walde  aasdriicklicli  auf  die  Berichte  deutscher  Männer  \€n 
Pypvcrskir  menn  seg^a  si'ä.  at  ßeir  drtrpi  kann  tili  i  sidgi).  Die  cfH'ühnten 
Züge  sind  unzweifelhaft  ebensuviele  Spuren  der  niedt-rdeutsthen  Siigengestalt 
des  ffjio.  Jahrhs.  (vgl  §  16).  Eine  Stßtze  hat  die  hier  vorgetragene,  zuerst 
von  Edzardi  begründete,  audi  von  F.  Jonsson  {Uu.'Hüt.  I,  67  f.)  ange- 
nommene. Ansicht  durch  Zimmers  Abhandlung  (1887)  Kelimht.  lifilrä^  I 
(ZfdA.  32,  106  ff.)  erhalten.  Zimmer  führt  darin  den  Nachweis  (a.  a.  O.  S. 
290 — 324.  327  f.),  dass  die  Iren  im  9.  ctder  in  der  ersten  Hälfte  des  10.  Jahrha. 
von  nordischen  Wikingern  die  N'ibelungensage  vernommen  und  aus  derselben 
diuge  haibverstandene  Züge  für  ihre  eigene  fonneli  abgeschlossene  Helden- 
sage verwandt  haben.  Diese  Züge  aber,  namenüich  SIgfrids  linmhaut  und 
»eine  Ermordung  durch  Hagen,  sind  der  älteren  nordischen  Sage  unbckanul 
und  mOssen  also  einet  jüngeren  Form  der  Sage  angchfiren,  wie  sie  zunächst 
stückweise  und  das  ahe  Gefüge  nur  erst  in  Einitelheiien  lockernd  um  die 
Scheide  des  g.  und  10.  Jahrhs.  ihren  Weg  nach  Norwegen  und  Island  fand. 
Die  Art  und  Weise,  wie  Golther  (äh«/.  S.  95  ff.  Germ.  33,  47Af.)  sich  die 
Berührungen  irisclier  und  nordischer  Sage  zurechtlegt,  die  er  als  Symptome 
der  ersten  Einwanderung  der  deutschen  Nibelungcnsage  in  den  Norden 
betrachtei,  wobei  Iriand  eine  Station  gebildet  habe,  ist  rein  willkilriich.  Wenn 
man  schon  Sigfrids  Hornhaut  für  die  alte  Sage  zur  Not  zugeben  könnte,  so 
weisen  doch  die  in  der  irisclien  Sage  sich  findende  (Zimmer  S.  317  f.)  Tarn- 
kappe, unzweifelhaft  ein  jüngerer  Ersau  für  den  Gestalten  lausch  (s.  Wilmanns, 
AfdA.  18,  751,  und  das  in  ihr  hervortretende,  der  älteren  Sagengestali  völlig 
fremde  Motiv  der  Rache  für  den  ermordeten  Gatten  an  den  eigenen  UrUdem 
mit  Entschiedenheit  auf  die  in  Deutädilaiid  lungestallete  Nibeluugcnsage. 


*  An  dieser  AufTässung  (Im  BeltotiM  als  der  illerrn.  aixh  in  der  deutschen  Sage  ein- 
xasX  ^dtendeo,  Überiief«niii£  mtus  ich  ecgea  Goltbcr  {Stud.  S.  78  fT.)  u.  a.  festhalten;  a, 
Mcb  LtdjUotMigtr  S.  18a  und  WiUiuioos,  AfdA.  18.  83  f. 


Um  dieselbe  Zeit,  als  die  fränkische  Nibeluniiensage  zum  cntcn  Male  in 
dca  skanUina. vischen  Norden  drang  —  alsci  :iuf  jeden  Fall  spstesiens  im 
Laufe  des  8.  Jahrhs.  |§  i'>)  — ,  wird  auch  die  gotische  Ennanarichsagc 
(§  42)  in  deutschen  (sächsischen?)  Liedern  und  Erzählungen  nach  dem 
Norden  getragen  worden  sein.  Sie  wurde  dort  iltisserhch  und  lose  an  die 
Nibelungensage  angeknüpft,  indem  Sigiu'ds  Witiwe,  die  iii  der  alleren  Sage 
mit  ihrem  zweiten  ungeliebten  Gatten  Ath  den  Tod  fand,  sich  in  dritter  Ehe 
mit  Jnnakr  vermahlt,  und  Svanhild  als  Tochter  Sigurds  und  der  Gudrun 
aufgefasst  wird.  Diese  Anknapfung,  die  alle  nordischen  (non\-.-isI.)  Quellen 
vuraiLssetzen,  muss  spätestens  im  8.  Jahrh.  erfolgt  sein,  da  Bragis  Ragnarsdräpa 
aus  der  ersten  Hälfte  des  9.  sie  mit  der  Bezeichnung  von  Siyrli  und  Hamdir 
als  Gjüka  nipjar  »Nachkommen  Gjükis«  bereits  voraussetzt.  Auch  Saxo 
scheint  durch  den  Namen  Guthnnut  für  die  in  seiner  Erzählung  den  helies- 
pontisclien  Brüdern  zur  Hülfe  kommende  Xauberin  Kenntnis  der  Sagenver- 
bindimg  zu  verraten  (s.  imten  §  43). 

»  Verf..  PBB.  4,  187  ff.;  Bukkc  Htlge-äigitne  S.  173  f.  252.  —  »  Verf.. 
ZrdPh.  34,  1  (T.  (s.  tlort  S.  11  f.  dir  Sitrre  Litteratur  Ober  die  Bninbild-Siprdnäi- 
Frag«).   —  "  Verf.,  PBB.  3,   205  ff.  —   »  ».  §   16,   Anm.  3. 

§  31.  Die  frankische  Nibdun gensage,  deren  ursprüngliche  Gestalt  trotz 
alk-r  Veränderungen  und  Weiterbildungen  der  Norden  im  wesentlichen  be- 
waJirt  liat,  cr^dictnt  in  der  deutschen  Oberliefcrung  bedeutend  umge- 
staltet. Diese  Umgestaltung  ist,  auch  wenn  neue  historische  Ereignisse  sie 
beeinflusst  haben  sollten,  lief  in  der  Sage  selbst  begründet  und  aus  ethisch 
imd  ästhetischen  Bedürfnissen  zu  erklaren.  In  der  nordischen  Gestalt  I 
dingt  das  Verhältnis  zwischen  Sij;frid  und  Brunliild  den  notwendigen  Al>- 
schluss  des  eratcn  Teils  der  Sage.  Indem  Sigfrid  die  ihm  durch  das  Schicksal 
und  durch  ihren  eigenen  Eid  bestimmte  Brunhild  für  Gimther  erwirbt  und 
sich  selber  einer  anderen  vermählt,  macht  er  Brunhild  eidbrßch^,  und  wenn 
diese,  die  ihn,  trotzdem  er  au  ilw  gefrevelt  hat,  zu  licbcu  fortfährt,  des 
Helden  Tod  %-on  ihrem  Gatten  fordert,  dann  aber  dem  Geliebten  in  den 
Tod  folgt,  so  ist  eia  völlig  befriedigender  Abschluss  gegeben.  Die  Bewirkerin 
seines  Todes  ist  mit  dem  Helden  gefallen,  das  Werkzeug  ihrer  Rache  von 
dem  Sterbenden  getötet.  Einer  Versöhnung  der  Witwe  Sigfrids  mit  ihren 
Brüdern  stand  somit  nach  altgemianischer  Ansriiauung  nichts  im  Wege. 
Notwendige  Folge  war,  dass  die  Anknopfung  der  historischen  Bttrgimdensage 
an  die  Sigfridssage  keine  straffe  Einheit  herstellen  konnte:  an  eine  abge- 
schlossene Handlung  trat  eine  neue,  mit  jener  nur  lose  vermittelt  durch  den 
unheilvoll  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  forluirkenden  Hort,  wozu  die  nor- 
disdie  Aiuibildung  der  Sage  noch  die  wenig  glückliche  Verbindung  gefügt 
hat,  dass  sie  Atli  zu  Brynhilds  Bruder  machte,  der  zur  Sühne  Gudrun  aJSj 
Frau  erhalt.  Die  nordische  Gri nihil d-GuClrim  des  zweiten  Teils  der  Sage  hat 
mit  der  des  ersten  kaum  mehr  gemein,  als  dass  sie  in  beiden  die  Schwester 
der  Gjukungen  ist  Gerade  durch  diesen  ^langet  an  strenger  Einheit  der 
Handlung  erweist  sirh  die  in  ihrem  ersten  Teile  dem  Mythus,  im  zweiten 
der  Geschichte  noch  naher  stehende  nordische  Sagengestalt  als  die  ursprüi^- 
lichere. 

Die  enger  in  sicli  zusammenhangende  deulsrhe  Sagengestalt,  auf  welche 
schon  ästhetische  Anforderungen  führen  mussten,  findet  offenbar  ihren 
Keim  in  dem  Zurückweichen  des  Verständnisses  für  die  ursprüngliche  heid- 
nische Bedeutung  der  Sigfridssage  in  christlicher  Zeit.  AU  die  Walkrtren- 
natur  Brunhilds  immer  mehr  vcrblasste  und  an  Stelle  der  Verletzung  ihr» 
schicksalbestimmenden  Eides  imd  getauschter  Liebe  gekränktes  Ehrgefühl  und 


Eifersucht  die  Triebfedern  zu  Sigfrids  Ermordung  wurden,  als  seine  frOJiere 
Verlubuitg  mit  Brunhild  udcr  (in  der  anderen  Hauplform  der  Sage,  s.  {i  28) 
sein  Betrug  bei  ihrer  Rrwerbung  für  Günther,  wo  nirht  ganz  vergessen,  so 
doch  vöUijt  in  den  Hinier^Tund  getreten  waren,  und  Sigfrid  somit  unM:huldig 
üel,  trat  üaa  Bedürfnis  der  Rache  für  den  Tod  des  blühenden  Helden  her- 
vor. Ethische  und  ü&thetische  Rücksichten  trafen  darin  zusammen.  Nahe 
lag.  dass  Sigfrids  uugerochcncr  Tod  dem  Atlila  als  Vorwand  zu  der  vcrräte- 
risrjien  Eintaihmg'  der  Hurgundcn  dienen  konnte,  während  doch  Hal>gicr  sein 
Äliklichcs  Motiv  war:  eine  Spur  dieser  Auffassung  findet  sich  in  der  Vyls- 
ungasaga  c.  30  (B.  i/i-^'-),  die  hier  dem,  in  unaeier  Überlieferung  lücken- 
haften, Texte  der  Attantvt  folgt  (Edzardi,  Germ.  23,  411  und  Verf. 's  Anm. 
zu  Atlm.  40).  Vnn  da  war  der  Übergang  leirht  zu  der  anderen  Auffassung, 
dass  Sigfrids  Witwe  Attilas  Habgier  benutzt  zur  Ausführung  der  Rache  an 
üirvn  Brüdern:  Spuren  derselben  treten  in  der  l*idrekssaga  c  359.  423 ff- 
neben  der  jüngeren  hervor.  In  dieser  Sagenfa&sung  fiel  die  Rache  an  Attila 
dem  nacligeborencti  Sohne  Hagens  zu:  so  iiudi  die  ('s.,  die  freilich  durch 
Misditmg  mehrerer  Sagenformen  dieselbe  nur  verdunkelt  erhalten  hat;  deut- 
licher das  füröische  Högnilied.  wo  die  Rache  an  Grimhild  und  ihrem  Werk- 
zeuge Attila  {Gudrun  Jükadotlir  und  Äriäla)  durch  H9gni  H9gnason  in  der 
Weise  vollzogen  wird,  dass  er  die  Schäizegicrigen  in  den  Berg  lockt  und  bei 
dem  Horte  verhungern  lasst,  während  in  der  Hvenschen  Chronik  luid  dem 
danischen  Liede  von  Griniilds  Rache  diese  Strafe  allein  Grimhild  ereilt.  So 
muss  also  das  niederdeutsch-skandinavische  Lied  gesungen  haben,  das  für 
die  drei  genannten  Über  lief  emngen  die  gemeinsame  Quelle  war  (§  18).  Dass 
diese  Fassung  auch  in  Überdeutscliland  nicht  gänzlich  unbekannt  war,  lehrt 
der  Schluss  der  Klage,  der  sich  allerdings  nicht  in  A  findet  (Vs.  4323  ff.), 
sowie  die  Zeugnisse  llds.  Nr.  136.  ZE  l^t.  73  (vgl.  Mylh.^  799).  EntlUch 
trat  Attila  ganz  zurück  und  vollführt  Grimhild  die  Rache  an  Sigfrids  Mör- 
dern, ihren  Hnldem,  gegen  den  Willen  ihres  Gemahls  oder  doch  jedesfalls 
ohne  seine  Beteiligung.  Die  Strafe  trifft  jetzt  sie  allein,  und  sie  fällt  Die- 
trich von  Bern  zu,  an  dessen  Steile  nur  im  Nibelungenliede  der  alte 
Hildebrand  getreten  ist 

Diese  entscheidende  Wendung,  derzufolge  Sigfrids  Witwe  die  Mßrder 
ihres  ersten  Galten  an  Attilas  Hof  lockt  um  sie  zu  vernichten,  ohne  dass 
Attilas  Gier  nach  dem  Nibelungenhorte  noch  eiue  Rolle  spielt,  hat  die  Nibe- 
ImigcnsHge-,  obgleich  auch  die  jüngere  niederdeutsch e  Sage  die.se  Gestalt  mit 
einer  alteren  vermischt  kennt,  unzweifelhaft  in  Oberdeutschland  genom- 
men. Auch  ohne  äusseren  Anlass  ist  sie  nach  dem  oben  Erürterten  imd 
wenn  man  die  steigende  soziale  ücdeutimg  des  Ehebundes  und  die  damit 
der  Gattin  des  Ermordeten  auferlegte  heilige  Pflicht  der  Blutrache  erwagt, 
vollkommen  versländhch.  Es  bedarf  also  der  zuerst  von  A.  Giesebrecht 
(Hagen  Germ.  2.  2ioff.)  aufgestellten,  dann  oft  wiederholten  Vermutung 
nicht,  dass  die  Geschichte  der  Zerstörung  des  burgundischen  Reiches  in 
Savoyen  durch  die  Franken  im  Jahre  538,  wobei  die  burgundischc  Königs- 
tochter Chrndhild  ihre  Söhne  zur  Vernichtung  ihres  eigenen  Geschlechtes 
trieb,  die  Unibildung  der  Sage  veranlasst  oder  erleii^htert  habe,  um  diese 
eins<:lmetdendsie  Wandlung  In  der  deutschen  Sfigengestall  zu  erklären. 
Nach  Oberdeutschland  weist  schon  das  Vorkommen  der  umgedeuteten  imd 
verschobenen  Namenform  Criemhilt  u.  s.  w.  auch  in  Mittel-  und  Nieder- 
deutschtand, wohin  sie  durch  oberdeutsclie  Lieder  vor  der  Mitte  des  8. 
Jahrhs.  verbreitet  sein  muss  [ZE  Nr.  12;  anders  Koegel  I,  2,  ic^^  Anm.). 
In  Oberdeutsdiland,  wir  dürfen  genauer  sagen  in  Osterreicli,  muss  die  an- 


ziehende  G«staJt  des  edlen  Markgrafen  Rüdiger  in  die  Nibelungensage  ge- 
kommen sein,  der  zuerst  zu  Etzel,  dann  zu  Dietrich  und  mit  diesem  zu  den 
Nibelungen  in  Beziehung  trat  (\'gl.  §  50I.  Beide  aber,  Dietrich  und  ROd%eid 
kennen  ihre  wirksamen  Rollen  erst  in  der  Sage  erhalten  haben,  als  durch  die 
letzte  Umgestaltung  des  Stoffes  Etzel,  in  dessen  Schutze  sie  weilen,  voa  dem 
Vorwurfe  der  Hatigier  und  der  Treulosigkeit  entlastet  wurde  und  die  Haupt- 
handlung von  ihm  auf  Kricmhild  überging.  Dass  die  grosse  Verftndenu^ 
der  Sage  nicht  mehr  in  frankischer  Gegend,  sondern  auf  batrisch-asterrei- 
chischem  Gebiete  erfolgt  sein  mtiss,  wird  endlich  und  ^'or  ailero  durch  die 
für  die  deutsche  Dichtung  charakteristische  Umbildung  der  Figur  und  des 
epischen  Charakters  Etzels  erwiesen.  Als  >Gottesgeissel'  lebte  Attila  in 
der  Erinnerung  der  Franken,  imd  so,  grausam,  habgierig  tmd  treulos,  kennen 
ihn  die  nordischen  Quellen;  in  der  deutschen  Dichtung  dagegen,  der  er  aU 
milder,  weiser  Herrscher,  als  die  Zuflucht  aller  verbannten  Recken  gilt,  spie- 
geh sich  das  Bild  des  historischen  Hunnenk^migs  wieder,  wie  es  sich  bei 
den  verbündeten  GermaneostammeD,  vor  allen  bei  den  Ostgoten,  gebildet  und 
von  ihnen  aus  nach  den  bairisch-fisterreichischen  Alpenländem  verbreitet  hatte. 
Nur  dort  treffen  die  Voraussetzungen  zusammen,  unter  welchen  die  deutsche 
Umgestaltung  der  Sage  verständlich  wird  K  Kricmhild  bildet  nun  den  Mittel- 
punkt des  Interesses  und  das  verbindende  GHed  zwischen  l^dden  Teilen  der  Sage:, 
und  die  oberdeutsche  Nibelungendicblung  hat  zu  ihr  in  Hagen  ein  gewaltiges 
Gegenbild  geschaffen,  die  grossartigste  und  zugleich  unheimlichste  Verkörperung 
der  Vasallcntrrur.  Dem  Dietrich  von  Bern,  dem  in  der  oberdeutschen  Sage 
kein  Held  an  Ruhm  und  Stärke  gleichkam,  übertrug  sie  die  Bezwingung  der 
rheinischen  Haupthelden,  Günthers  und  Hagens,  und  ursprünglich  auch  das 
Strafgericht  an  Kriemhild,  wie  noch,  nach  oberdeutscher  Überlieferung,  in  der 
Ps.  c.  392  und  dem  Anhang  zum  HB.  Wie  er  das  waltende  Schicksal,  so 
vertritt  Rüd^cr,  dessen  Sage  in  ihrer  Ausbildung  lediglich  der  Dichtimg  zu- 
fallt, der  seinen  Tt^Kl  findet  «lurch  das  eigene  Schwert,  welches  er  seinem 
Eidam  Giselher,  wie  die  Ps.  c.  388  ursprünglicher  als  das  Xibcltuigenlied 
erzahlt,  geschenkt  hat,  in  der  Nibelungendirhtung  die  Mac-ht  des  Charakters 
und  der  Persönlichkeit 

In  dem  ersten  Teil  der  Sage  ist  für  die  deutsche  Sagengestalt  das 
Zurücktreten  der  ursprünglich  im  Mythus  wurzelnden  Partien  charakteristisch. 
Es  gilt  dies  allerdings  namentlich  von  der  durch  das  Nibclimgenlied  vertre- 
tenen süddeutschen  Dichtung,  denn  der  Kern  des  Sigfrid&licdes  zeigt,  dass 
die  alte  Überlieferung  von  Sigfrids  Jugend  sich  auch  In  Deutschtand  lange 
behauptete,  am  längsten  vermutlich  in  der  rheinfrankischen  Heimat  der  Sig- 
fridssage.  Die  Reihenfolge  von  Sigfrids  Jugend thaten  in  dem  zweiten  TePe 
des  Uedes  vom  Hürnen  Seyfrid  —  Drachenkanipf,  Hortgewinnung.  Befreiung 
der  mit  Kricmhild  zusammengeworfenen  Jungfrau  und  Hochzeit  —  deckt 
sich,  trotz  allen  Entstellungen  imd  Verrohungen,  so  vCillig  mit  der  im  Norden 
durch  die  Fäfnismyl  utid  Sigrdnfumijl  bezeugten  Sagenform,  dass  darin  ein 
direkter  Niederschlag  der  alten  fr;inkischen  S;tge  vermutet  werden  darf.  Aber 
auch  die  ridreks.Haga  hat  iicK:h  vielfach  dem  Nibelung(.-iilt<.-tle  gegenüber  altere 
Überlieferung  gewahrt:  so  namentlich  in  ihrer  Darstellung  von  Sigfrids  Jugend, 
die  im  Norden  durdi  die  Anknüpfung  der  Helgisage  umgemodelt  wurde 
(§  30),  femer  in  der  Ersetzung  des  alten  Geataltentausches  durch  einen 
Kleidertausch  —  der  Tarnkappe  gegenüber  immerhin  verhältnismässig  ur- 
sprünglich — ,  in  der  Schilderung  von  Sij^frids  Ennurduug  und  dem  weiteren 
Verlaufe  der  sich  daraus  entwickelnden  Handlung;  Überhaupt  fallt  in  de», 
ersten  Teil   der  Sage  der  Vergleich   zwischen  t*s.    und   Nib.   durchweg 


Nibelukgensage:  Umgestaltung  der  Sage  m  DEifTscHLAso.    667 


Gunsten  der  Ursprünglächkcit  freierer  Quelle  aus.  Im  Nibelungenliede  sind 
die  Reste  cier  alten  Sigfridssage  in  eine  nach  dem  Muster  der  hi'fischen 
Romane  und  nach  der  GosthiiiacUsriditunv;  der  ritterlitlien  Gesellschaft  ein- 
heitlich gestaltete  Dichtung  verwoben.  Aus  dem  verwaisten  l^indedosen 
Recken  ist  ein  am  vjiterlichen  Hofe  »orgfaltig  erzogener  Königssohn  gewor- 
den; Dradienkampf  vmd  Hortcrft-crbung.  ursprünglich  in  der  Sage  vereint, 
werden  als  zwei  selbständige  jugcntli baten  nur  beilJkufig  und  episodisch  er- 
wähnt; der  nuthisibc  Ursprung  dirs  Xibclungcnschatzca  ist  durch  ein  Mar- 
chenmotiv  ersetzt,  und  nur  in  dem  Nanieii  Xihtiune  für  die  früheren  Besitzer 
des  Hortes  bricht  alte  Tradition  durch;  die  Erk'sung  der  hinter  einem 
Flammenwall  schlnfenden  WalkOre  ist  in  die  Gewinnung  einer  auf  fernem 
Eiland  sil2enden  Ubennenschlicli  starken  Königin  vcruandelt,  wobei  Kanipf- 
spiete  den  Ritt  durch  die  Lohe,  ein  unsichtbar  iruichendcr  Mantel  den  Ge- 
staltentausch, eine  Kingszene  im  Ehegemarh  das  keusche  Beilager  vertreten; 
der  Betrug  bei  der  Erwerbung,  das  den  tragischen  Konflikt  herbeiführende 
Motiv  der  alten  Sage,  musste  gekränktem  Ehrgefühl,  die  getäuschte  Liebe 
beleidigtem  RangsloUe  weichen;  Brunhild,  die  in  der  Edda  mit  dem  ^nzig 
geliebten  Helden  den  Schcilerhaufcn  bestieg,  um  wenigstens  im  Tode  an 
seiner  Seite  zu  nilu-n,  verschwindet  nach  Sigfrids  Ennordung  spurlos.  Christen- 
tum und  Rittertum  wirkten  zusammen,  um  die  alte  Sage  sdiwer  zu  schädi- 
gen, allein  in  demselhen  Masse  als  die  ahen  Züge  des  Mythus  verblassten, 
spannen  sich  neue  Faden  durch  Verkettxmg  der  Handlimg  imd  Verinner- 
lichung  der  Charaktere  zum  Gewebe  einer  neuen  Dichtung  zusammen.  Die 
sehr  lohnende  aber  nicht  minder  schwierige  Untersuchung,  die  das  Eigentum 
des  Nibelungen dichters  von  dem  ihm  zu  Gebote  stehenden  Sagenstoff  aos- 
zosondern  unternimmt,  zuletzt  von  Wilmanns  scharfsinnig  geführt  kann  in 
dieser  Skizze  nicht  in  Angriff  genommen  werden.  Desgleichen  verbietet  der 
Raum,  auf  eine  Verglcichung  der  Sage  vom  Untergang  der  Nibelungen  nach 
der  ober-  und  nicdtrdeuLschcn  Fassung  einzugehen;  die  Vf-.  hat  hier  ver- 
schiedene Sagen  Versionen  k-mtaminiert,  eine  altniederdeutsche,  in  welcher 
Osid  imd  Iring  t§  321  imd  die  oberdeutsche,  in  welcher  wie  im  NibeJungen- 
liede  Rüdiger  und  Dietrich  hervorragende  Rollen  inne  hatten «. 

'  Vogt,  ZWPh.  25,  414  ff.  —  '  Busch.  Dir  MnprßngiicheH  Lifder  v»m 
Endr  der  JVibriungm,  Halle  1882  (vgl.  Gntt.  j^l.  Ära.  1882.  Sl.  50;  Ltbl.  1883. 
Sp.  l68ff.);  Hrnning,  QF.  Ji.  iSjff.;  Wilmanns.  A/dA.  18.  96  ft.  V^. 
reiner  «lie  21)  §   18,   Aniii.   2  angHuhrti*  Littcniliir. 

§  32.  Es  erübrigt,  einige  An-  und  Auswüchse  der  Nibelungensage  in 
gedrängter  übersteht  zusammenzustellen. 

In  der  altniederdeutschen  Version  vom  Ende  der  Nibelungen,  die  ihre 
Spuren  in  der  ts,,  aber  mit  der  oberdeuLschen  vermLscht  (g  31),  hinterlassen 
hat,  scheint  die  dort  dem  Rüdiger  (resp.  dem  Dietrich)  zugeteilte  wirksame 
Rolle  durch  Osid  besetzt  gewesen  zu  sein.  Der  Herzog  Osid  wirbt  für 
Attila  um  Grimhüds  Hand  (c-  35ör)  und  bezwingt  Gunnar,  den  er  in  den 
Wurmgarlen  werfen  lässt  (c.  383).  Neben  ihm  spielte  in  dieser  Fassung  Iring 
eine  bedeutende  Rcille.  Iring  {//»///.v)  überfallt  anf  Grimhilds  Bitte,  zu  der 
er  in  besonders  nahem  Verhältnisse  gedacht  wird,  die  Knechte,  wie  BltL-dclin  im 
Nib.,  unil  eröffnet  so  den  Kampf  (c.  .^78  f.),  und  wictlcrum  auf  Grimhilds  Bitten 
greift  er  H^gni  an,  den  er  schwer  verwundet,  aber  nur  um  5eU»st  durch  Hygnis 
Speer  den  Tod  zu  finden  (c.  387).  Mit  Redit  weist  Wilmanns  (AfdA.  18,  99) 
darauf,  dass  gerade  die  an  Osid  und  Iring  geknüpften  Ereignisse  in  der  Saga 
an  bestimmten  Örtlicbkeiten  in  Sü^at  (Suestt  lukalisiert  sind  (vgl.  Hnidiausen, 
PBB.  9,  452  ff.).     Reste  einer  altniederdeutschen  Schicht  der  Sage,   die  der 


ganzen  Anlage  nach  der  nordischen  naher  stand  ai3  die  reicher  entwickelte 
und  in  grosseren  Vcriialtnisscn  sielt  abspielende  überdeutsdie,  sind  hier  er- 
kennbar. Von  den  beiden  in  Niederdeutschland  in  die  Sage  eingefOhrten 
Helden  ist  Osid  sonst  imbekannt,  Iring  aber  ist  noch  im  Nib.  eine  zwar 
episodische,  aber  durch  die  Dichtung  mit  Liebe  ausgestaltete  Figur. 

Irnfrid  und  Iring^  gehören  nach  dem  NibeUingenlicde  zusammen;  mit 
Häwart,  der  als  Irings  Herr  gilt,  leben  sie  an  Etzels  Hof:  nach  der  Klage 
373  ff.  sind  sie  in  de.s  Reiches  Acht  {Hds.  S.  liSff.).  Schon  Widukind  in 
seiner  sächsischen  Geschichte  I,  o  ff.,  den  andere  Berichte  erganzen,  kennt 
Imfrid  und  Iring  vereinigt.  AnlässUch  der  Zerstörung  des  thüringischen 
Reiches  durcli  den  Krankenkönig  Theodorich,  Chlodowechs  Sohn,  im  Bunde 
mit  den  Sachsen  (um  530),  erzälilt  er  folgende,  offenbar  sächsische,  Sage. 
Der  letzte  thüringische  König  Irroinfrid.  des  Theodorich  Schwager,  von  den 
Feinden  eingeschlossen,  flieht  mit  Weib  und  Kindern,  wijd  aber  von  Theo- 
dorich trüglich  zurückgerufen,  welcher  darauf  Iring,  den  vertrauten  Rat  des 
tmglücklichen  Königs,  durdi  falsche  Versprechungen  zu  übeneden  weiss, 
seinen  Heim  zu  töten.  Als  aber  Iring  statt  der  erhofften  Belohnung  des 
Landes  vern-iesen  *ird,  ersticht  er  den  Frankenkönig,  legt  den  Leichnam 
seines  Herrn  über  den  toten  Dietridi  uud  bahnt  sich  mit  dem  Schwerte 
einen  Weg.  Hier  ist  der  historische  letzte  König  der  Thüringer  Imünfrid 
bereits  mit  einer  mythischen  Überlieferung  versclimolzen.  Aus  dem  Schlüsse 
von  Widukinds  Erzählung,  der  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  sSclisisclics 
Lied  zu  Grunde  liegt,  ergiebt  sich  nämUcli,  dass  die  Milchslrasse  liei  den 
sächsischen  Stammen  nach  Iring  benannt  war :  mirari  tarnen  non  possumu$,  in 
tan/am  famam  praernihtissey  ut  Iringü  nomine  gtum  ita  vecitant  lacUus  codi 
circultts  ttsque  in  praesem  stt  notatus;  dazu  Stimmt  die  altenglisclie  Glosse  via 
iecia:  IrinjiKs  tiHfj,;  resp.  lunanngfs  iu<^  {Mvtfi.^  297  f.  Iltis.  S.  444  f.  PBB. 
16,  504.  20,  201  f.).  Ob  Iring  ab  raytlusches  Wesen  in  die  Sage  vom  L'nter- 
gang  des  thüringischen  Reiches  eintrat,  oder  ob  ein  historischer  thüringischer 
Held  dieses  Namens  erst  sekundär  mit  einem  gleichnamigen  mythischen 
Wesen  verschmolzen  ist,  iSsst  sich  nicht  entscheiden.  Seinen  Namen  {iring. 
daneben  ahd.  iaring,  ags.  luring)  hat  J.  Grimm  zu  aitn.  Rigr,  dem 
I^eudonym  Heimdalls  gestellt,  an  welchen  allerdings  Züge  der  Iringssage 
gemahnen.  Die  Voi^eschichte  der  durch  Widukind  um  (»07  aufgezeich- 
neten Sage  ist  dunkel.  Wir  finden  aber,  dass  über  beide  Hdden,  Irminfrid 
und  Iring,  vom  10.  bis  zum  12.  Jahrh.  fortdauernd  sagenhafte  Traditionen 
in  Nieder-  und  Mitteldeutsdiland  bestanden,  und  schon  in  der  Schrift  dt 
Sutf'onim  orif^tu  (ZfdA.  17,  57  ff.),  die,  obgleich  erst  aus  dem  13,  Jahrh. 
Oberliefert,  ihrer  Sagenfassung  nach  älter  ist,  sind  sie  wie  in  der  Nibelungen- 
sage an  Attilas  Hof  versetzt  In  die  Nibelungensage  werden  sie  durch  säch- 
sische Dichtung  gekommen  sein,  nachdem  sie  bereits  früher  zu  Etiel  in  Be- 
ziehung getreten  waren.  Auf  sächsische  Sagenpflege  weist  die  oben  besptu- 
chene,  anfänglich  jedesfalls  bedeutendere,  Rolle  Irings  in  der  I*«.;  dass  diese 
Imfrid  nicht  kennt,  spricht  nicht  dagegen:  er  kann  als  unwesentlich  in  der 
in  einfachen  und  personenarmen  Verhältnissen  wurzelnden  altniederdeutschen 
Nibelungendichtung  früli  bei  Seite  geschoben  worden  sein.  Irings  auch  in 
obcrdeubicher  Sage  ursprUnglidi  bedeutendere  Rolle  bezeugt  noch  seine 
Aristie  im  Nibelungenliede  (Str.  10^.5  ff.  I;  auch  in  einer  Version  der  ober- 
deutschen Sage  scheint  er  auf  Kriemhilds  Bitten  in  den  Kampf  mit  Hagen 
eingetreten  zu  sein  (vgl.  Nib.  1991  ff.,  2003  und  besonders  2005).  JedesbUs 
entstammt  er  der  siichsisclien  Sage. 

Nach  Sachsen  weisen  auch  die  beiden  Markgrafen  G3re  und  EckewarL 


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In  ersterem  liat  Larhmann  {Aurti.  S.  336)  gevriss  richtig  den  aus  den  Slaven- 
kri^en  Otlo  I-  bekannten  Markgrafen  Gern  von  UstKichscn  gesehen,  der  t. 
J.  965  starb.  Eckewarta  Figur  scheint  zusammengoflosseii  aus  «Je m  historischen 
gleichnamigen  Markgrafen  von  Mei&sen  (985 — ioo2)  und  einer  mythischen 
Gestalt,  die  ihre  ursprtln gliche  Stelle  in  der  Harlungensage  (§  4:)  halte  und 
zum  typischen  Warner  in  der  HeldenRage  wurde*.  Im  Nibelungenliede  wie 
in  der  Saga  (c.  3*37)  crscheini  Eckewarl  als  Wächter  von  Kttdigers  Mark, 
und  in  beiden  Darstetlungen  warnt  er  die  Burgunden  vur  den  Hunnen,  »-ie 
an  spaterer  Stelle  (Nib,  i(»tii  ff.  Ps.  c.  375)  Üietrtcli.  Aus  der  widerspruchs- 
vollen und  unklaren  Art  von  Eckewarts  Einführung  und  Stellung  —  er  soll 
aus  Sigfrids  oder  Kriemhilds  Dienst  zu  Rüdiger  übergegangen  sein  —  darf 
man  kaum  auf  eine  Version  der  Sage  schllessen,  in  der  Eckewart  einst  grös- 
sere Bedeutung  hatte.  Die  Unverständlithkeiten  erklären  sich  durch  die 
HcrObemahme  seiner  typisch  ausgebildeten  Figur  aus  einer  anderen  Sage 
und  ihre  nur  uuvullkuminenc  Einfügung  in  einen  JlUercn  Zusammenhang. 
Die  Warnung  der  Nibelungen  fiel  in  der  ursprünglichen  Sagengcstait  ihrer 
Schwester  zu  (Akv.  Ö.  AUm.  4.  Vs.  c.  33);  bei  der  Umgestaltung  der  Sage 
wurde  das  dankbare,  die  Spannimg  erhöhende  Motiv  nicht  aufgegt:ben,  son- 
dern auf  andere  Personen  übertragen,  aber  nicht  überall  gleichmössig:  bald 
auf  Dietridi,  bald  auf  Rüdiger  —  in  der  l*s.  c.  Jbp  ist  es  seine  Frau  — , 
bald  auf  den  treuen  Eckart  der  Volkssage  und  Harlungensage,  der  dann  an 
eine  in  ihren  Ursprüngen  historische  Figur  seine  Anknüpfung  fand. 

Von  den  burgundischen  Helden  gehören  der  jüngsten  Schicht  der  Sagen- 
ent«-icklung  Dankwart  und  Volk?r  an.  die  dem  Hagen  als  Bruder  und 
Freund  zugesellt  wurden.  Dankwart  ist  der  ts.  fremd,  Volker  aber  erscheint 
in  der  gemeindeutschen  Sage  —  nur  im  Biierolf  fehlt  er  —  innig  mit  Hagen 
verbunden,  dessen  Ver\k-andter  (1*8-  c.  361)  oder  gar  Bruder  er  zuletzt  ge- 
worden ist  Er  ist  in  Alzey  in  der  Pfalz,  also  unweit  von  Wonns,  lokalisiert, 
wo  seil  dern  13.  jalirti.  eine  Fiedel  im  Wappen  eines  Truchscsscngt-schlcchtes, 
aber  auch  der  Stadt  selber  nachweisbar  ist,  woher  die  Alzeyer  auch  »die 
Fiedler«  hiesscn  {//äs.  Nr.  172.  Z£'  Nr.  zb.  5.  30).  Es  ist  der  kühne  Spiel - 
mann,  dessen  Rolle  im  Nibelungenliede  mit  sichtliclter  Liebe  ausgeführt  ist 
vermutlich  eine  Erfindung  rheinischer  Spielleute,  welche  das  Wappen  bereits 
voraussetzt  Wie  Dankwart,  dem  im  Nibelungenliede  eine  besondere  Aristie 
zu  Teil  fallt,  ist  auch  Ortwin  vt.n  Metz,  der  merkwürdiger  Wrise  gegen 
Ende  des  Gedichtes  veiwrliwindet,  der  l^s.  unbekannt.  Auf  die  der  Etzel- 
und  Dietrichssage  angehrtrendcn  Helden,  die  an  Etzels  Hof  auftreten,  wird, 
soweit  nötig,  an  anderer  Stelle  eingegangen  (§  50V 

Neben  neuen  Personen  treten  neue  Lokalisierungen  auf.  Den  Ver- 
nichtungskampf gegen  die  ßurgunden,  welcher  veimutlirh  auf  dem  linken 
Kheinufer  .stallfand,  aber  hi  der  Sage  schon  früh,  wo  nicht  von  allem  Anfang 
an,  aus  einer  offenen  Feldschlacht  zu  einer  verräterischen  Einladung  an  den 
hunnischen  Hof  geworden  war.  versetzte  die  niederdeutsche  Sage  nach  West- 
falen, die  oberdeutsche  nach  Ungarn.  Dort  residiert  Attila  in  Sdsat  (Soest), 
hier  in  Etzelenburc  (Ofen).  Hagen  wnirde  unter  Einfluss  der  fränkischen 
Trojasage  nach  Troja  benannt  (schon  Waltliar.  2$  r^niens  de  germine  Troiae, 
auch  l*s.  c.  38<>.  425  af  Troia)',  in  den  süddeutschen  Quellen  heisst  er  ww 
Tronege,  Trottje  {/Ids.  S.  07),  indem  die  Sage  ihn  nach  der  merowingischen 
Pfalz  Tronje  (Kirchheim)  im  elsässischen  Nordgau,  also  nicht  gar  zu  weit 
von  Worms,  lokalisierte,  vermutlich  um  sein  Vasallen  Verhältnis  zu  Günther  zu 
erklaren  (vgl.  Heinzel,  Über  die  Waüha^.  S.  79 ff.).  Mit  der  halbgelehrten 
Trojasage  häi^  wohl  auch  zusammen  die  Lokalisierung  des  ursprünglich  als 


670 


Xrv.  IIeldeksage.     Die  einzelnen  Sagenkreise. 


ländciloser  Recke  aufgcfasstcn  Sigfrid  in  Xanten  (tf  Saniert,  ad  Sanc/os), 
wohin  schon  Fredegar  die  Troja  Francorum  verlegt.  Nach  späterer  Über- 
lieferung soll  Hagen  Xanten  gegründet  haben;  im  Xanlener  Bischofsrecht 
von  1463  heiast  es:  Hector  van  Troicn,  den  wij  noemen  Uaegtn  van  Trvkm 
{ZE  Nr.  52.  I  =Hds.  Nr.  151  »)  *. 

Nicht  vom  Dichter  des  Nibelungenliedes  erfunden,  sondern  ein  ziemlich 
alter,  vermutlich  bei  den  Franken  entstandener,  Anwuclis  der  Sigfridssage  ist 
der  Sachsen  krieg,  Sigfrids  Kampfe  für  die  Burgundengegen  Liudcger  von 
Sachsen  und  duäsen  Bruder  Lludegast  vuu  Dänemark,  wo^cu  eine  nordische 
Variante  in  den  Kfimpfcn  Sigurds  und  der  Gjukungen  mit  den  Gandalfs- 
sOhnen  und  dem  nordischen  NatlonaUieldcn  Slarkadr  vorliegt,  welche  wolU 
die  Stelle  sächsischer  Helden  einnehmen.  Der  Bericht  des  Nomagcsts|)attr 
c.  6  wird  bestätigt  durch  Notizen  in  der  V^lsuogasaga  c.  29  und  wohl  auch 
im  Rosengarten  D,  wo  Frute  von  Dänemark,  von  Günther  aus  seinem  Lande 
vertrieben,  an  die  Stelle  der  Brüder  des  Nib.  getreten  scheint  [I/ds.  S.  281  f.)*. 

Die  Sage  vom  Rosengarten  (vun  den  Isungeii}^  .scheint  siel»  ebenfalls 
aus  einem  alten,  in  unserer  Überlieferung  fast  versi-hollenen,  Zuge  der  Sigfrids- 
sage gebildet  zu  haben.  Der  IlLnderluse,  verwaiste  Recke,  der  nach  dem 
Drachenkampfe  an  den  Huf  der  Nibelungen  (Burgundcn)  kam,  galt  der 
alteren  Sage  als  Günthers  Dienstinann;  noch  im  Nibelungenliede  tritt  dieses 
ursprüngliche  Verhältnis,  trotz  der  folgenschweren  Umgestaltung  von  Sigfrids 
Geburt  und  Jugend,  bei  dem  ersten  Auftreten  des  jungen  Heklcn  in  Worms, 
namentlich  aber  auf  der  Fahrt  nach  Island  und  bei  den  aus  dem  Betrug  bei 
Brunhilds  Erwerbung  cntspriesscnden  Vcrwickltmgen  unverkennbar  hervor. 
Als  uralt  und  schon  in  der  mvthischen  Sigfridssage  vorhanden  erweist  diese 
Auffassung  die  Natur  des  Albenmythus,  dessen  bcs<indcre  Eigentümlichkeit 
gerade  hierin  besteht,  dass  blühende  JüngUi^e  den  Unterirdischen  verfallen 
und  zu  ihrem  Dienste  gezwungen  werden  (vgl,  §  28).  Es  muss  eine  epische 
Form  dieser  mythischen  Anschauung  vorausgesetzt  werden,  in  der  ein  dämo- 
nischer König  den  dieostbaren  Helden  zu  Zweikämpfen  in  seinem  Dienste 
zwang;  nach  der  Verschmelzung  der  mythischen  Nibelungen  mit  den  histo- 
rischen Burgundcrkönigeu  scheint  diese  Sage,  losgeltJst  von  dem  Komplex 
der  Nibeiungejisagc,  Lsoliert  weiter  bestanden  zu  haben;  sie  suchte  so  naiur- 
gemäss  Anknüpfung  an  andere  Sagcnvorslellungcn.  Nach  der  I'iÖrckssaga 
c.  219  ff.  kämpft  Sigfrid  als  Bannerführer  Ki^nigs  Isungs  von  Bcrtangaland 
mit  Dietrich  vfm.  Bern;  im  Bileroif  ist  der  Massenkatnpf  der  rheinischen  imd 
der  östlichen  Heiden,  unter  ihnen  auch  Sigfrid  und  Dietrich,  hei  Worms  der 
Kern  des  Oediciues;  in  den  Rosengarten  findet  sicli  der  Zweikampf  in  Zu- 
sammenhang gebracht  mit  der  mythischen  Vorstellung  von  dem  Rosengatten, 
dessen  Besitzerin  duich  Zweikämpfe  gewonnen  wird,  einem  Motive,  welches 
in  anderer  Verbindung  im  Laurin  erscheint.  Es  beweisen  diese  drei  unab- 
hängigen Erzählungen  die  Existenz  einer  Dichtimg  vom  Kampfe  Sigfrids  und 
Dietrichs,  die  mit  dem  Stege  des  letzteren  endete,  also  oberdeutschen  Ur- 
sprungs war.  In  der  Fassung  der  t^s.  aber  steht  Sigfrid  im  Dienste  Isungs, 
und,  wenn  er  schliesslich  auch  hier  von  Dietrich  besiegt  *ird,  so  wird  doch 
seine  Niederlage  nur  durch  Dietrichs  Tücke  und  Meineid  herbeigeführt 
Diese  Fassung  kennt  also  sowohl  Sigfrids  Dienstbarkeit  als  seine  Unbe«eg- 
barkeit  auf  ehriiichem  Wege;  in  ihr  scheint  ein  Niedersdilag  des  alten  Alben- 
mythus  erkennbar,  in  welchem  die  Nibelungen  durch  die  Istingen  (s.  \ 
3C)  ersetzt  sind  tmd  die  Sage  sekundär  an  die  junge  Erfindung  vom 
Zweikampfe  zwischen  Dietrich  und  Sigfrid  angeknüpft  ist;  Gmmarr  und  H^ni 
stehen  in  der  {'s.  sogar  auf  Seiten  des  gotisch- bairischen  Helden.     Eine  neue 


I 


I 


NlBELUNGEN-SAGg;    AN-  ü.  AUSWÜCHSE.  —  ORTNIT-WoLFDIKTRICHSAGÜ.    (J?! 

Motivieranp  des  /Zweikampfes  ist  es,  wenn  im  Bit  9473  ff.  (vgl.  Nib.  1097,  y. 
H4s.  S.  %2  f.i  ein  JugfiidauffiilhaU  Sigfrids  bei  Etzel  vorausgesetzt  wird,  wo- 
hin er  als  Dietrichs  Gefangener  gelconunen  sein  solL  Die  dänischen,  auf 
nie<] erdeutscher  Grundlage  beruhenden,  Lieder  aKong  Diderik  og  hans 
Kaeinper»  {DgF.  Nr.  7,  vgl.  IV,  602  ff.)  und  »Kong  Diderik  i  Birting^andc 
{Dgf-  Nr.  8  t  kennen  den  Zweikampf  gleichfalls,  setzen  aber  bereits  Einwir- 
kung einer  Rusengartcuvcrsiun  voraus.  Näheres  Eingehen  auf  daA  Motiv  der 
Zwölfkampfe  (Roseng.,  I*s.,  Virg.,  Waltliar.)  ist  an  dieser  Stelle  untunlich. 
Auch  die  Frage,  wann  der  Rosengartenmythus  nach  Worms  lokalisiert  wurde, 
muss  hier  unerörtcrt  bleiben.  Die  Verbindung  dieses  Mythus  mit  dem  Zwei- 
kampf zwischen  Dietrich  und  Sigfrid  scheint  nicht  alter  zu  sein  als  die 
Enlstchiing  der  ältesten  Rcwengartendichtung  ( A '  nach  Holz)  selber. 

*  Mailcnhoff.  Zfdj\.  17.  57  ff.  19,  isüff.  30.  347  ff.;  UhUnd.  Sehr,  I, 
467  ff.;  Kocgcl,  OVitA.  d.  J.  Litt.  1,  1,  124  ff.  — •  A.  Gicicbrcch t,  Higeo 
Germ.  2,  232;  Henning,  Ql-".  31.  14  ff.;  Wilmaons.  jUdA.  itf,  102.  — 
*  Ober  die  franltisthc  TrcijasaK'^  s.  näincotltcb  Zarocke,  Bcr.  der  s^bs.  Ges.  der 
Wis».  i86<i,  S,  257  ff.  ^"«i  Kurth,  Hht.  peil,  drs  lUming.  Ü,  505  flf.  [O. 
Dijipe,  Du  fr^nt.  Trojanmagm  {Progr.  Wandsbeck  1896),  t,  Jahrcsb.  1896, 
X,  41].  —  *  Müllenhoff,  Xaräalb.  Studien  I  (1844),  I91  ff.  Zur  Ofsch.  ä€r 
S'tb.  X&l  S.  32  f.;  Ra-^/mann  I,  184  f.  —  5  UhUnd,  Sehr.  VIII,  504  fl.;  Ed- 
tardi,  G<mi.  a6,  172  ff.;  Heinzcl,  Über  die  Nibs.  S.  1 1  ff.  (uad  die  du«  si> 
tiOTW  Li«.);  Hol/,  Rosengarten  S.  C  ff.;  Schönbach,  Ober  die  Sage  von  Bit. 
Hnd  Dütl.  S.  i:  ff.  [Jiriczck,  DI/S.  I,  253  ff.]. 

C-      OHT.HIT.WnT.KUlKTlilf.HSACE    ODER    HaKTCKGE.VSAGE. 

§  33.  Die  Sagen  von  Ortnit  und  Wolfdietrich  Hegen  in  der  tf4*r* 
HcHtschat  Übedieferiuig,  welche  durch  die  mhd.  Gedichte  von  Ortnit  und 
Wolfdictrich  und  den  Auszug  in  Dietrichs  Fluclit  2icx) — 3294  (S  20),  sowie 
durch  den  süddeutscher  Sage  folgenden  Bericht  der  tiiXrek&saga  c.  41(3 — 422 
vertreten  wird,  nur  verbunden  vor.  Da  in  dieser  Verbindung  WnlMietrich 
an  die  Stelle  des  jüngeren  Härtung  getreten  ist,  kann  dieser  Sagen  komplex 
auch  als  Jiartungensage  bezeichnet  werden,  obgleich  dieser  Name  eigent- 
lich nur  einer  älteren  Sage  gebührt,  deren  ersten  Teil  die  niedertietUscke 
Überliefening  in  allerer  und  selbständiger  Gestalt  erlialten  hat.  welche  durch 
nordische  Quellen  erläutert  un<i  ei^anzt  wird.  Im  Folgenden  ist  versuclil, 
im  Auschluss  an  Müllenhoffs  grundlegende  Untersuchungen,  die  histo- 
rische Ausbildung  der  Hartungensage  in  ihren  Hauptzügen  xu  entwirkeln. 

MüllcnliDfr,    ZfdA.    6.   435  ff.    13,   344  ff.    (=  £E   Nr.    34),    IQ,    238ff.; 

Araelung,    ÜllB  J.  XlXff.;   Jaenkltc.  DHU  4,   XXXVIII  ff.;   W.  Müller, 

Afyth.   der  deutsch.  Jftldens.    S.     igüff.;     HciDZcl,     Ostgoth.    JMdetis.    S.    66  ff. 

75  ff.  (s.  auch  ArdtV.  9.  ZSrf.);    Kurlh,    /list.   po/l.    des  MJrvvtng.    S.   374  (f.; 

E.  H.  Meyor,  ZfA<V  38,  65  ff.;  DusRe,  Uetge-d-gUne  S.  70  ff.  227  ff.  238  It 
§  .^4.  Die  rahd.  Spielmannsgedichie  von  Wolfdietrich  bieten  der  Sagen- 
forschung ausserordentliche  Schwierigkeiten.  In  ihren  drei  oder  vier  im 
einzelnen  weit  auseinandergehenden  Fassungen  erscheint  die  alte  Sage  so 
Qpp^  von  jüneeren  Erweiterungen  und  Zuihaicn  umrankt,  so  grOndlich  durch 
die  Einflechtung  zahlreicher,  den  verschiedensten  Quellen  cntstaiiinicndcr, 
Abenteuer  entstellt ,  dass ,  bei  dem  gänzlichen  Fehlen  von  Mittelgliedern 
zwischen  den  geschichtlichen  Berichten  und  den  mhd.  Dichtungen,  eine 
wirkliche  Entwicklungsgeschichte  der  Sage  gar  nicht  in  Angriff  genommen 
werden  kann.  Entkleidet  man  die  Überlieferung  des  13.  Jahrh.s.  aller  mit  Be- 
stimmtheit oder  Wahrscheinlichkeit  als  sekundär  erkennbaren  ZUge  und  löst  man 
auch  die  Verbindung  Wolfdietrichs  mit  Ortnit  und  dessen  Wittwe  zunächst 
ab,  so  stellt  sich  als  der  Kern  der  Wulfdietrichssage,  wie  sie  sich  etwa 
im  12.  Jahrh.  gestaltet  hatte,   folgende  Erzählung  lieratjs.     Wol/dietrich,   der 


Sohn  rfes  Königs  Hugdietrich  von  Konstantinopel  (nach  C  des  KOnig 
Trippel  von  Athen),  wird  als  neugeborenes  Kind  unter  den  Wolfim  gefunden^ 
die  üim  nichts  zu  leide  thun.  Dem  Umstände  verdankt  er  seinen  Namen, 
Im  übrigen  w-eichen  die  beiden  wichtigsten  Bearbeitungen  in  der  ErzfÜilung 
von  Wolfdictrichs  Geburt  stark  von  einander  ab;  nach  dem  Wolfd.  A  wird 
das  Kind,  weil  sein  Vater,  durch  die  Verleumdungen  seines  treulosen  Rat- 
gebers Sabene  irregeführl,  seine  Echtheit  bezweifelt,  dem  Herzog  Bcrchtimg 
von  Meran  zur  Tötung  übergeben,  der  es  aber  rettet,  als  er  staunend  sieht, 
dass  seihst  die  wilden  Wölfe  im  Walde  e,s  verschonen;  der  Wolfd.  B  dagegen 
macht  den  Helden  zur  Frucht  eines  heimlichen  Liebesbundes  zwischen  Hi 
dietrich  und  der  schönen  Hiltburg,  der  Tochter  KVjmgs  Walgunt  von  Sal- 
necke.  Der  angebliche  oder  wirkliche  Makel  unehelicher  Geburt  haftet  aber 
nach  beiden  Versionen  der  Sage  an  Wolfdietrich.  Nach  gemeinsamer  Über- 
lieferung wächst  dieser  unter  der  Obhut  des  treuen  alten  Berchtung  auf. 
Bei  Hugdietrichs  Tod  wird  sein  Kelch  unter  seine  drei  Söhne  geleilt,  Wolf- 
dietrich aber  von  seinen  Brüdern,  die  ihm  uneheliche  Geburt  vorwerfen,  (auf 
Sabenes  Anstiften  nach  Wolfd.  A)  aus  seinem  Erbe  vertrieben.  Berchtung 
imd  seine  sechzehn  Söhne  stehen  im  Kampfe  zu  ihm,  sechs  von  ihnen  mit 
der  ganzen  Mannschaft  fallen,  die  übrigen  geraten  in  Gefangenschaft,  nach- 
dem der  von  ihnen  getrennte  Wulfdietrtch  ausgezogen  ist,  um  fem  \"on  der 
Heimat  HOlfe  zu  suchen.  Nach  vielen  Abenteuern,  in  deren  Zahl,  Anord- 
nung und  Ausführung  die  verschiedenen  Fassungen  wie<ler  stark  von  ein- 
ander abweidien,  gelingt  es  ilun,  indem  er  an  der  Spitze  eines  gewaltigen 
Heeres  aus  seinem  unfreiwilligen  Exil  zurückkehrt,  die  treuen  Dienstmannea 
—  der  alle  Berchtung  ist  inzwischen  aus  Gram  gestorben  —  zu  befrdeo, 
seine  Brüder  gefangen  zu  nehmen  und  sein  Reich  wicdcrzuerobcm. 

Diese  Sage  ist  in  ihrem  Ursprünge  wesentlich  historisch,  weini  auch  früh 
mit  unhistorischen  Zügen  versetzt.  In  Wnlfdietrich  und  seinem  Vater  Hug- 
dietrich  haben  wir  nach  MüUcnhoffs  Nachweis  geschichtliche  fr,lnkische  Fi- 
guren zu  erblicken.  Dass  zunächst  der  Name  //ugdittneh,  d.  i.  »der  fränkische 
Dietrich«,  den  Mcrowingerkönig  Theodorich  I.  bezeichnet,  ist  unbestritten  und 
unbestreitbar.  In  den  Quedlinbiirger  Annalen  (s.  §  18)  findet  sich  folgende 
Notiz:  Hugo  Thfodoricus  iste  (nflmlich  Theodorich,  Chlodowcchs  Sohn)  diet' 
Htr,  id  €st  Francus,  quia  olim  omnes  Franci  Hugones  vocabantnr  a  suo  ^uodam 
duct  Httgotie  (Mon.  Germ.  SS.  HI,  31).  Bestätigt  wird  sie  durch  AVidukind 
I,  9,  der  Thtadricus  zu  einem  Sohne  des  Huga  (Chlodowech)  macht  //«• 
gones  (ags.  Htigas  Beow.  2505.  2gi4)  war  ein  alter  epischer  Name  der  Fran- 
ken; im  Wids'id  Vs,  24  wird  ein  pe'odrir  genannt  als  Hemicher  Ober  (he 
Franken,  der  an  einer  späteren  Stelle  (Vs.  1 15)  mit  Srafola  tmhd.  Sabene) 
verbmulcn  wiederkehrt,  und  noch  der  Voeta  Saxo  vom  Ende  des  Q.  jahrhs. 
weiss,  dass  der  aiistntsischc  Theuderich  in  Liedern  gefeiert  wurde  { Theodn~ 

eos eanuni  V,   ik»>.     Httgdietrich  [ffugo   TTieodariens)   ist  somit  Th< 

doiich  von  Metz,  der  älteste  und  tüchtigste,  aber  vor  keinem  Frevel  sich 
scheuende  Sohn  des  Chlodnwcch,  der  zuerst  die  deutschen  linder  unter 
dem  Namen  Austrasien  vereint  besass,  der  Vemichter  des  ihüriogisd» 
Reiches  (511 — 534).  In  Hugdietrichs  Sohne  Wolfdietrieh  sind  Eiinn« 
an  Theodorichs  Sohn  Theodebert  I.  festgehalten,  der  energisch  und  rUclH 
sichtstos,  wie  sein  Vater,  aber  zugleich  nicht  ohne  milde  und  edelraütif 
Regungen  war,  und  dessen  Peraöulidikeit  und  Maclitstellung  —  auch 
Alemannen  und  Bajuwarier  unterwarf  er  der  fr;inki.kclien  Herrschaft  —  »o 
epi&cher  Verherrlichung  wohl  Aiilass  geben  kuunte  (+  .S48).  Theodoncb 
war  der  Sohn  eines  Kebsweibes,  er  teilte  nach  Chlodowechs  Tod  das  Reich 


J^ 


I 


mit  seinen  drei  Biadern^  nicht  ohne  Streit igkciteii  mit  dt-nselbcn.  Gegen 
Tlieodebert,  dem  grundlos  uneheliche  Gcbiin  vorgeworfen  wiirde,  sollen  sich 
nach  Theodnriehs  Ti-xi  seine  Olieime  erhoben  haben,  die  ihm  das  Reich 
nehmen  wulltcn,  doch  diuxh  die  Treue  der  fränkischen  Grossen  soll  er  seine 
Herrschaft  Behauptet  haben  (Greg.  Tnr.  III,  13).  Der  Kern  der  Wolfdietrichs- 
sage weist  demnach  auf  eine  Verschlingung  der  Geschichte  der  beiden 
Merowingcr  Tlieodorich  und  Thcodcbcrl,  die  in  der  Geschichte  wiederholt 
nebeneinander  erscheinen;  die  Sage  hatte  sie,  indem  nur  der  Name  des 
fränkischen  Thcodorich  (Hugo  Theodoritus)  dem  Vater  verblieb,  auf  den 
Sohn  zusammengedrängt;  aus  dem  kurzen  Kampfe  Thcodeberts  gegen  seine 
ländergierijien  Oheime,  den  sie  mit  den  Streitigkeiten  des  Theodoricli  mit 
seinen  Brüdern  verband,  machte  die  Sage  eine  lange  Vertreibung  aus  seinem 
Reiche,  die  Treue  seiner  Dienstmannen  aber,  die  ihm  die  Herrschaft  erhielt, 
erhob  sie  zur  treibenden  elliischcn  Kraft  der  poetischen  Ausbildung.  Di© 
aiwserelielirhe  Geburt  Wnlfdieirichs  ist  vom  Vater  Theodorich  auf  den 
Sfihn  übertragen,  dessen  Ansprüdie  auf  die  Krone  gleichfalls  angezweifelt 
wurden:  uneheliche  Geburt  spielt  ja  in  der  Geschichte  der  Merowinger  eine 
sehr  bedeutende  Rolle  imd  ist  in  der  uns  vorliegenden  Sagengestalt  noch 
immer  ein  sehr  wesentliches  Motiv  (ür  die  Handlung.  Schon  tlieser  Umstand 
würde  die  Ansicht  W.  Müllers  und  Bugges*  widerlegen,  die  zwar  die 
Beziehung  vuu  Hugdietrich  auf  den  fränkischen  Theudurich  nicht  leugnen, 
aber  in  Wolfdieirich  uniprQngüch  den  ostgotischen  Theodorich  sehen  und 
seine  Sage  als  eine  von  Haus  aus  gotische  auffassen,  die  erst  s|)ater  zu  den 
Westfranken  drang.  Nun  ist  zwar  auch  der  ostgotische  Theodorich,  Theodemefs 
Sohn,  ein  uneheliches  Kind,  aber  seine  Mutter  Erelieva  (Jord.  c,  5^)  ist  der 
Dietriclissage  vGtlig  frcmtl,  und  auf  Dietrictu>  Abstammung  von  einer  Konku- 
bine deutet  nirgends  eine  Spur.  Auch  Wolfdietriciis  östliche  Heimat  in  der 
spAten  mhd.  Dichtung  weist  nur  scheinbar  auf  die  Jugendschicksale  des  ost- 
gutischcn  Tlieodorich  auf  der  Balkanhalbinsel  und  die  Eroberung  Italiens 
von  Bvzariz  aus,  da  wiedenim  che  so  nüch  verzweigte  und  in  zeitlich  abge- 
stufter Reihenf'  »Ige  vodiegende  Überlieferung  der  Dietrichssage  nichts  davon 
weiss,  vielmehr  Übereinstimmend  Ttalien  als  Dietriclis  Erbreich  betrachtet.  Die 
Lokalisierung  der  Wolfdietrichssage  nach  Griechenland  und  den  griechischen 
Küstenländern  nuiss  anders  erklärt  werden  (5.6751.  Hcinzel.  der  mit  MüUcn- 
hoff  an  der  frttnkischen  Heimat  der  Wolfdietrich ssagc  festhält  und  sie  durch 
neue  Beobatlitungen  gestützt  hat,  meint  doch  iOsfgolfi.  HtUhns.  S.  66  f.). 
dass  die  Gestalt  des  treuen  Herzogs  Berchtung  von  Meran  von  Haus  aus  in 
der  gotischen  Heldensage  ihren  Platz  gehabt  habe  und  erst  nachträglich 
vom  (istgotischen  Dietrich  zum  fränkischen  W'olfdietrich  übergetreten  sei. 
Nun  lassen  sich  allerdings  Einwirkungen  <lcr  IHctrichssage  auf  die  epische 
Ausbildung  der  Sage  von  Wulfdietrich  wahrscheinlich  machen  (^  38),  aber 
Berchtung  scheint  s<-inem  Ursprung  nach  Überhaupt  keine  historische  Figur 
zu  sein,  und  der  Name  Mcrdn,  obgleich  unstreitig  ein  aller  epischer  Name 
für  die  ostgotischen  Lande,  ist  der  deutschen  tpik  als  Stammland  Dietrichs 
imd  der  Goten  sonst  unbekannt.  Jedesfalls  ist  daran  fest;!iihalten,  dass  die 
Sage  von  Wolfdietrich  wesentlich  auf  Personen  und  Eit-ignisst^  der  raero- 
wingischen  Geschichte  zurückgeht,  tmd  wenn  von  Theodorich  berichtet  wird, 
dass  er  in  fränkischen  Liedern  besungen  wurde,  so  werden  eben  diese  Lieder 
als  die  Anfange  der  Hug-  und  Wolfdietrichssage  zu  gellen  haben. 


*  Htigf-digUnf  S.  71.  338;    dugegeo  »d>liec»l  skfa  Bugge  nodi  im  Ark.   f,  nord,  Fil. 
13,  3  der  Ansicht  Mulleabuifs  ad. 

Ccnnutach«  PbüDloKl«.  III.    2.  AuS.  43 


Andererseits  sind  unhlslorierhe  Elemente  in  der  Sage  unverkennbar.  Berch- 
tung,  den  sein  Name,  wenn  auch  die  für  den  Stammvater  eines  Helden- 
geschlechtcs  niclit  passende  patronymische  Form  so  wenig  ursiirtingürh  ist 
wie  'V^biuigr«  in  der  Sage  von  den  alteren  Weisungen  (§  27),  als  ei«  giSn- 
Kendes,  lichtes  Wesen  kennzeichnet,  als  der  treue  Encieher  und* Vasall,  und 
Sabene  (ags.  Sea/ola  Wids.  115.  ahd.  Saun/o  Sahula:  ZfdA.  (>,  459.  30,  240), 
d.  i.  »der  Kluge,  Verscldagene« ,  als  der  ungetreue  Ratgeber  und  Ränkeschmied, 
sind  uralte  mytlüsche  Gegensätze,  die  sich  ebenso  gegenüberstehen  wie  Ecke- 
hart  und  Sibeche  in  der  Ilarlungensage.  Mythische  Züge  bewahre»  audi 
die  Überlieferungen  von  Wolfdictndis  Geburt  und  Jugcndaciiicksalen,  die 
vielfach  an  die  Sage  von  Sigfrids  Gehurt  und  Jugend  nach  der  sUchsisch- 
frilnkischcn  Fassung  und  an  verwandte  Sagen  gemaluieu.  Allein  cj»  scheint 
gewagt,  aus  diesen  mythischen  Anklangen  auf  einen  *Berchrungenriiythus»  xu 
schliessen,  wekher  der  historischen  Sage  von  dem  frankischen  Dietriclispaare 
erei  zu  ihrer  epischen  Fonn  verholfen  hätte.  Inhalt  und  Deutung  eines 
aolchen  Mythus  blieben  dunkel.  Vielmehr  wird  auch  ohne  diese  Amiahme 
die  epische  Ausbildung  der  Sage  durch  das  mehr  und  mehr  in  den  Vorder- 
grund tretende  Motiv  der  Treue  der  Mannen  zu  ihrem  Ki5nig  und  des 
Königs  zu  seinen  Mannen  wohl  verstandlich.  In  den  Gestalten  des  greisen 
Berchtiing  und  seiner  Söhne  fand  die  Sage  die  Personifikatiun  dieses  treiben- 
den Mülivs,  ilidem  sie  vermutlich  die  frei  umhersch webenden  mythischen 
Gegensätze  des  treuen  und  des  ungetreuen  Dieueni  mit  den  historischen 
Details,  die  sich  bereits  zu  verflüchtigen  begannen,  amalgamierte.  Die  Er- 
setzung der  frankischen  Grossen  {/fttäes),  die  die  Erbanspriiche  des  Theude- 
bert schützten  (Greg.  Tur.  III.  23).  durch  eine  bestimmte,  scharf  umrissene 
Person,  den  vaterlichen  Freund  des  jungen  Fürsten,  war  für  die  epische 
Fixienmg  der  geschichtlichen  Sage  so  uncrlassüch  und  selbstredend,  dass  es 
zu  ilirer  Erklärung  der  Heranziehung  der  osigotischcD  Heldensage  nicht 
bedarf.  Die  Kolle  des  Berchtung  dem  Wolfdtetrich  und  seiner  Mutter  gegen- 
über zeigt  keine  besonderen  Älmlichkeiten  mit  dem  Verhältnis  des  ahcii 
Hildebrwid  zu  Dietrich  und  findet  allerwärLs  in  gennanischer  Zeit  ilu-e  htsto- 
fischen  Voraussetzungen :  die  Stellung  Sabenes  aber  zu  der  verwittwe»e:i 
Königin  und  ihren  unmündigen  Söhnen  —  Wolfd.  A  167  f.  richtet  er  sogar 
an  des  Königs  Stelle  —  erinnert  sehr  stark  an  die  des  merowingischen 
Majord(>mus.  Mythisch  ist  nur  ihr  Gegensatz;  die  Ausgestaltung  ihrer  RoUcn 
und  Figuren  wurzelt  in  den  historischen  Verhältnissen  und  in  ethisch-poe- 
tischen Motiven.  Aus  der  Wolfdictrichssage  ist  die  Gestalt  Berchtungs 
(Berhicr)  von  Meran  in  die  Rother^age  gekommen  (§  61).  Der  Name  des 
iielilcn  \\\>lfiiufriih  uier  Woif  her  Dirlrith  Wolfd.  A.  II3,  4.  15^  4  u.  ö.). 
scheint  ihn  als  den  verbannten  Dietricli  anzudeuten,  und  die  Sage  von  sdner 
Auffindvmg  unter  den  Wölfen  könnte  leicht  nur  eine  durch  den  Namen  ver- 
anlasste /Vnlehnung  eines  weitverbreiteten  Moti\'S  \Myth.  •  323  f.)  sein. 

Die  Sage  vun  Wulfdietrich  muss  sich  bald  nach  Thcodeberts  Tod  (548) 
gebiUlel  tiaben;  dem  Wldsid^ist  sie  bereits  gelaufig.  und  zwar  ist  mit  dem 
Pe'oiirk,  der  nach  V's.  J4  über  die  Fnmkcn  herrsLhle,  sicherlich  Th«»dorich  L 
(Hugdieirich),  niil  dem  pe'oJhc  aber,  der  Vs.  115  neben  Seafola  unter  dem 
Gesinde  des  Kurmenric  genannt  wird,  dieser  oder  Wulfdietridi  gemeint  (s. 
auch  Hinz,  l'lJB.  20,  199 f.;  anders  Heinzel,  Ostgoth.  Htldens.  S.  8 f.).  Die 
fränkische  HtJmat  der  Sage  ist  schon  deshalb  niclil  zu  bezweifeln,  weil  ihre 
hisicjrischen  Klemenie  fränkischer  Überlieferung  entstammen.  Darauf  weist 
auch  die  voQ  Hetuzel  (a.  a.  O.  S.  öö  f.)  nachgewiesene  Ähnlichkeit  der  Wolf- 
dietrichfabel  mit  dei-  altfranziäischcn  Chanson  de  geste  »Parise  la  Duchesse«, 


ORTKir-WOLFDimuCRSAGB:   AUSBILDtmG  DER  WOLFDIETRICBSAGE.   675 


I 


die  sich  nur  als  das  Resultat  paralleler  EiitwicUung  westfrRnkiscbcr  historisdier 
Überlieferung  in  der  romanidchpu  und  germanischen  Epik  «rklarcii  Ulsst 
Zweifelhaft  ist,  'Ai  eine  Eriunening  an  die  frankische  Heiuiat  m>ch  in  der 
verwirrten  Anspielung  i»  Dfl.  234,7 ff.  durchbriilu  [//rfr.  S.  221  f.).  Wohl  aber 
weisen  einige  Namen  von  Helden,  die,  obgleich  in  Verbindung  mit  Dietrich 
vnn  Bern  OberHeferl  ursprünglich  der  Wt>lfdietrichsHage  anzugehrtron  scheinen, 
nach  Franken:  Helffrifh  i^n  Ijunt  (Laon),  Über  welchen  bereits  in  §  7  ge- 
handelt wurde,  sein  Bruder  Uudgasi,  Orttuin  und  Itfic  (von  Tfnemattt),  alle 
\ier  im  EckenUede  Str.  55  ff.  Dietrichs  Gegner,  aber  walirscheinlich.  ebenso 
wie  Sigestap  (§  47),  erst  mit  ihm  in  Verbindung  gebracht,  als  die  Sage 
Dietrichs  von  Bern  durch  die  Auffassung  von  Bern-Verona  als  Bonn  an 
den  Xiedcrrhein  gelangte.  Inwieweit  die  Ausbildung  der  frankischen  Dietrichs- 
sagc,  «ie  sie  in  den  rnhd.  Wolfdietriclien  vorliegt,  noch  bei  den  Kranken 
erfolgt  ist,  l;isst  sich  bei  dem  volligen  Mangel  an  Mittelgliedern  nicht  mit 
Sicherheil  entscheiden.  Die  Verbreitung  der  Sage  in  Niedcrdeutscliland 
beweist  das  danische  Lied  von  Gralvrr  {DgK  Nr,  2g),  d.  L  Gräulfr  »Grau- 
wolf«, oder  GranuoU,  d.  i.  ^rdn  uif  (Akkusativform),  das  von  einem  nd. 
Gedichte  des  13.  Jabrhs.  über  Wolfdiftrichs  Drachenkampf  abstammt '.  Ein- 
wirkungen der  Wolfdietriclissage  auf  irische  Sagen  aufbt  Bugge  {Iltigt-digtent 
S.  74  ff.)  wahrscheinlich  zu  machen ;  sehr  zweifelhaft  sind  die  Versuche  dieselben 
Gelehrten,  in  den  eddiscbcii  Helgiliedem  Nachahmungen  eines  angelsächsischen, 
auf  frankischer  Quelle  beruhenden.  Liedes  von  Wolfdietnch  nachzuweisen 
(ebda  S.  7g  ff.  227  ff.  238  ff.}.  Immerhin  ist  es  walirscheinlich,  dass  schon  in 
der  fränkischen  Wolfdietrichsdichtung  wesentlich  verschiedene  Formen  der 
Sage  neben  einander  herliefen,  insbesondere  eine  dem  Wnlfdietricli  B  ent- 
sprechende Form  ohne  den  ungetreuen  Sabenc  neben  der  bereiüi  im  Wiclsiä 
voransgesetztcn  Hauptfomi  der  Sage. 

Um  die  Lokalisierung  der  Sage  in  Griechenland  und  in  den  griechi- 
schen Küstenlandertj  zu  erklären,  nimmt  Mollenhoff  in  nicht  recht  überzeugen- 
der Weise  eine  Wanderung  der  deutschen  Heldeirsage  in  den  Osten  an. 
Dagegen  hat  neuerdings  G.  Sarrazin  (ZfdPh.  20,  504)  auf  die  Erzählung  Gregors 
von  Tours  ^VFI,  38)  von  dem  Prätendenten  Gimdovald  hingewiesen,  der 
aus  der  Verbannung  in  Konstaniinnpel  kam,  um,  als  unehelicher  Sohn 
CJilotachars  L,  seiu  angebliches  Erbrecht  gegen  seine  Brüder  geltcud  zu 
raachipn,  und  ,5^5  crmi^rdet  wurde.  In  diesem  Abfinteurer,  dessen  Schicksale 
thatsSchlicIi  nur  sehr  ausserlich  an  W'olfdietrichs  Geschicke  eriiutcrn  (s.  die 
Darstellung  bei  Dahn,  ürgesch.  der  gcrm.  und  rom.  Vü/ktr  3,  259  ff.),  wird 
niemand  das  Prototyp  des  Sagenhelden  erblicken  wollen,  doch  wäre  es  denk- 
bar, dass  GuudovaLds  Aufenthalt  iu  B^zanz  dcu  ersten  Anstoss  zur  Lokali- 
sienmg  der  schon  ausgebildeten  S^e  im  Osten  gegeben  hätte.  Nötig  ist 
aber  diese  Annahme  nicht,  zumal  wir  gar  nicht  wissen  können,  wann  und 
wo  sie  zu  stände  gekommen  ist.  .Auf  die  Versetzung  Wolfdietrichs  nach 
Griechenland  und  seines  treuen  Bcrchtung  nach  Mcran,  d.  i.  Dalmalien, 
Kroatien  und  Istrien.  das  als  Stamniland  der  Güten  galt  (>'gt.  Kehr.  D.  424, 
9  ff ,  und  eine  Regensburger  Glosse  des  12.  Jahrlxs.  Gctfii  Meranare  ZE  Nr. 
36)',  kaun  der  Wunsch  eingewirkt  haben,  jenen  zmn  Ahnhcrm  der  Amdun- 
gen,  diesen  zum  Stammvater  der  Wolfingen  zu  erheben  (vgl.  §  38).  Sie 
kann  sich  aber  auch  vornehmlich,  wenn  nicht  lediglich,  unter  EinOuss  der 
Kreuzzüge  in  der  Spielmannsdichtung  vollzogen  haben.  Entscheiden  lässt 
sich  diese  Frage  kaum. 

I  Bugge,  iVrIüv  f.  nord.  Fil.  12,  1  9*.    —    ^  Die  Frage  \%\  ctngcbcnd   unier- 

4a» 


6^6 


Xrv.  Heu>ensage.    Die  einzelnes  Sagenkreisr. 


«iirbt  vdii    Heinxe],    Osl^otk.  Fieldens.  S.  9 — 36;    rgl.    auch  v.  Grienbergcr^ 
ZMA.  39,   168  (T.  [Jirit:xek,  £>/W.  I,   125  ff.]- 

§  35.  In  Bctrdf  der  jüngeren  Eestandlcilc  Jcr  WolfUietrichssagc, 
die  mit  der  Entwicklungsgeschichte  der  eigentlichen  Sage  nur  noch  in  Insem 
Zusammenhang»:  stehen,  k'jnnen  nur  wervige  Andeutungen  gegeben  werden. 

Nur  der  Wolfdietrich  B  erzählt  ausführlich  die  Fabel  vom  Vater  des. 
Helden,  Hugdietrichs  Brautfahrt*.  Hiigdietrich  en»'irbt  durch  List,  in- 
dem er  sich  als  Mädchen  verkleidet,  die  van  ihrem  Vater,  dem  KOnig  Wal- 
gimt  von  Salnccke,  der  sie  keinem  Kreier  g<>nnt,  in  einen  Turm  eir^e- 
schlüsscne  Hiltburg.  Eine  besondere  Gestalt  der  beliebten  Frauen  raubsagen 
tritt  darin  her\'nr:  der  Werber  dringt  zu  der  ängstlich  gehüteten  Jungfrau  in 
Frduenkleidern  und  jrt:hwSngert  sie.  Ein  altes,  vieUerbreitetes,  in  Mythen, 
Sagf-n  und  Milrchen  der  verschiedensten  Völker  wiederkehrendes  Motiv  ist 
auf  Hugdietrich  übertragen,  von  dem  die  ältere  Überbefcning  wohl  katim 
viel  gc\^-usst  hat  imd  dessen  Sdiiclcsalc  die  spätere  Dichtung  nadi  Analogi« 
anderer  Sagen  ergänzte.  Die  antike  Erzshlmig  von  Achilles  und  Deidamia, 
der  nordische  Myihus  von  Oftins  Werbung  in  Weibsgestalt  um  Rindr  sind 
unabhängige  Fonnen  desselben  Sagenmotivs,  das  mit  tragisclicni  Ausgange 
in  der  über  den  ganzen  Norden  verbreiteten  Sage  von  Hagbarft  imd  Signy 
v<irUegt  und  femer  u.  a.  in  dem  Gedicht  vom  »Sperber«  (Altd.  Bl.  1,  238. 
ZfdA.  5,  426)  und  in  dem  Marcben  »Rapunzel«  {KHM.  Nr.  12)  seine  Paral- 
lelen findet.  Weit  über  die  thatsJlchltch  gegebene  Überlieferung  hinaus- 
gehend und  deshalb  unannehmbar  ist  der  VersuLh  von  K.  Wülfskehl,  in 
der  Sage  von  Hugdietrich  einen  alten  germanischen  Mjthus  nachzuweisen. 

Die  Anordnung  und  der  Inhalt  der  Abenteuer,  welche  Wolfdietrich 
auf  dem  Wege  nach  Lamparten  und  auch  später  noch  zu  bestehen  hat,  sind 
in  den  einzelnen  Bearbeitungen  sehr  verschieden.  Die  alte  Anordnung 
scheint  zerstört.  Einige  Hauptabonteucr  stimmen  al>er  in  <lcn  wesentlichsten 
Zügen  in  den  verschiedenen  Fassungen  überein,  und  zu  diesen  hat  Uhland 
mehrfach  {Skhr.  I,  177  ff.,  VIL  538  ff.;  s.  oben  §  6)  interessante  Parallelen  in 
den  Abenteuern  des  Isfandiyftr  im  Schahname  nachgewiesen,  die  sich  durch 
das  Eindringen  orientalischer  Überlieferungen  genügend  erklären  lassen.  Auf 
Benutzung  von  Motiven  der  franzi">sischcn  Epik  hat  Heinzel  die  Aufmerk- 
samkeit gcloukl  {Osigolh.  lieidem.  S.  77  ff.):  auf  den  Eiufluss  s[>atgriechischec 
Mythen  und  cl<ts  hellenisti.schcn  Roraan.s  haben  Jaenicke  {DHB  4,  XLIIT) 
und  neuerdings  E.  H.  Meyer  '(lÄAk.  38,  87  ff.)  gewiesen.  Die  meisten  dieser 
Abenteuer  sind  jedesfalls  erst  im  Zeitalter  der  Kreuzzüge  zur  Bereicherung 
des  Stoffes  von  den  Spiellcuten  aufgegriffen  worden:  so  Wolfdietrichs  Besuch 
bei  dem  messerwerf enden  Heiden  und  seiner  Tjx-hler  Maqiali  (Wulfd.  A 
nach  dem  Drcsd.  HB.  252 — 287,  B  .53: — 048,  D  VI,  i — 221),  eine  nach 
Meyers  Nachweis  durch  frz.  Dichtung  vemiiltelte  antike  Mischfabel;  femei 
die  Geschichte,  wie  der  Held  die  Königin  durch  den  Kampf  mit  einem 
Ungeheuer  gewinnt,  dem  er  zum  Wahrzeichen  die  Zunge  ausschneidet,  und 
wie  er  sich  daim  durch  die  Zunge  und  den  Ring  m\  Becher  als  Toter  des 
Ungeheuers  ausweist  (Wolfd.  A  Dresd.  HB.  300  ff.,  E  7()4  ff.,  D  VIH,  155  ff.), 
ein  gleichfalls  sclum  im  Altertum  bc-kanntes,  auch  im  Trislanroman  sich  findendes 
Motiv  \DHB  4,  XLIII  f.  AfdA.  15,  185  f.J,  das  übrigens  zu  den  vcrbreitetsten 
in:emationaIpn  Wandermotiven  gehört  >;  auch  die  Erschlagung  eines  Serpant,  der 
mit  einem  Löwen  kämpft,  in  B  und  D  gehört  wolil  in  diesen  Kreis  morgcn- 
ländlsch-byzantinischer  Aneätdoten.  Älter  scheint  das  Abf-nieuer  mit  einer  Wasser- 
frau, die  den  schlafenden  Helden  weckt  und  sich  aus  einem  sclmppigen  Ungeheuer 
in  das  schönste  Weib  verwandelt,  das  sich  ihm  ver;geblich  als  Gemahlin  anhielet 


I 


(so  A  4f>5 — 505);  in  B  entspricht  die  Begebung  niit  einem  zt>ttigpn  Walil- 
■weibe,  der  rauhen  Klse,  derpr  Reich  :er  alten  Troyt  ist,  die  sich  aber  durch 
ein  Bad  im  Jungbrunnen  iu  die  schöne  Sigcminne  verwandelt  {.^08 — 342). 
Vielfach  ahnliche  Züge  hat  das  Fragment  »Abor  und  das  Meerweib«  (ZfdA. 
5,  6).  Bugge  {Hfi^-digtene  S.  ^27  ff.),  der  ohne  genügende  Anhaltspunkte 
einen  historiärhen  Zusammenhang  zwischen  <liesem  W(»lfdietrichabenteuer 
und  den  Hrimgerfiarm^l  (Ileig.  HJ9n'.  12^30)  annimmt,  weist  mit  mehr 
Grund  auf  Cbt;reinslimniungcn  der  deulsclicn  Sage  mit  Motiven  der  Odysseu*- 
sage:  der  Kern  des  Abenteuers  ist  aber  im  deutschen  Marchwischatz  be- 
gründet, womit  dann  allerdings  (nur  in  weit  spaterer  Zeit,  als  Buggtr  seiner 
Theorie  zu  Liebe  annimmt)  Motive  von  Odysseus'  Begegnungen  mit  Kalypso 
und  Kirke  in  sp.1lgiiechisihen  Nachklangen  verbunden  sein  mögen.  Die  in 
allen  Fassuiij^'-n  begegnende  Kr/.Alilung  von  der  Frau  in  Kindcsnfitcn  geht 
vennutlich  zurück  auf  die  Apokalypse   12,  2  f.   13  f. 

Wolfdietrich  beachliesst  der  jüngeren  Überlieferung  nach,  wie  Heime  und 
Walther,  sein  Leben  im  Kloster:  so  erzählen  der  Wulfd.  D  und  die  Bearbei- 
tung im  Dresdener  HB.  (Str.  32Ö  ff.).  Er  hat  dort,  auf  einer  Balire  liegend, 
einen  Kampf  mit  den  Geistern  der  von  ihm  Erachlagejicn  zu  l>estehen; 
nach  demselben  ist  er  ganz  ergraut,  lebt  aber  noch  \*y  Jahre  im  Kloster 
(D  X,  123  ff.),  während  andere  Überlieferung  ihn  noch  in  derselben  Nacht 
von  den  Teufeln  in  die  Hölle  führen  lasst  Das  Motiv  des  »Moniage*  des 
alten  Helden  ist  unsireiüg  ein  ursprünglich  im  allfrz,  Epos  ausgebildetes 
Motiv '.  Auf  die  Form  aber,  welche  dasselbe  in  der  Wolfdietrichssage  an- 
genommen hat,  mag  eine  Sage  von  Einfluss  gewesen  sein,  die  sich  an  den 
Tod  des  Kaisers  L<)thar  I.  knüpfte,  der  wenige  Tage  nach  seinem  Eintritt 
ins  Kloster  starb  {vgl.  DHU  4,  XLV  f.). 

Wichtiger  ist  die  Verbindung  Wnlfdietrichs  mit  Ortnit  und  dessen  Witwe. 
Nach  der  alteicn  Cberlieferung  zieht  der  von  seinen  Brüdern  und  Sabenc 
schwer  bedrängte  Wolfdietrich  aus,  um  bei  Ortnit  von  I^mpartcn  Hülfe  zu 
suchen.  Nach  vielen  Abenteuern  tiMet  er  den  Wurm,  der  Ortnit  das  Leben 
genommen  hat,  gewinnt  Ortnits  goldene  Brünne  und  Schwert  und  vernifihll 
sich ,  nachdem  er  sidi  als  Drachentöter  ausgewiesen ,  mit  Ortnits  Witwe 
Liet^art  (SidrSt  in  D).  Diesen  Teil  der  Sage  kennt  auch  die  !*s.  c.  417 — 422. 
Nach  Wolfd.  A  faJlt  Ortnits  Tud  bereits  vor  Wolfdictriclis  Ankunft  in  Garten; 
nach  B  besiegt  Wolfdietricli  den  Ortnit  im  Turnier,  wird  sein  Freund  und 
zieht  uacli  einem  halben  Jahre  wieder  aus  Garten  weg:  diese  resullatlosc 
«rate  Begegnung  Lst  selbstverständlich  jüngere  Zuthat.  Gemeinsam  aber  ist 
den  Überlieferungen  die  Auffassung  Wolfdietrichs  als  Rächers  von  Ortnits 
Ttnl  an  dem  Drachen:  diese  Wendung  hat  die  Wolfdietrichssagc  durch  ihre 
Verbindung  mit  der  Hartungensage  genommen. 

,  1   K.  Wolfakehl,    Germ.    Wtrbtmgisagm.      I.  Hngdittrkh.   Jarl  Aßollonitts, 

Dannsiailt  1893,  S.  i— JS-  —  '  H.irtland,  7"*/  Ug^fHtt  of  Persem  IU.  303  AT. 
—  ■  P.  Kajna,  7jI  origini  dell'  epopea  /rancest,  S.  456;  Nyropj  Den  old- 
framhf  hfUtdigtH.  S.  I48;  Heinzel,  WaltJurs.  S.  a6  f.  Ostgotk,  IMJtns.  S. 
80  f.  87. 

§  36.  Tacitus  (Germ.  c.  43)  berichtet,  dass  die  vandilische  Vi'ilkerachaft 
der  Nahartarvali  —  oder  Nahanfalt,  s.  Much,  PBB.  17,  31  f.  —  ein  gött- 
liches Brüderpaar,  die  von  den  Römcrti  dem  Castor  und  PuUux  verglichenen 
Aicii  verehrte,  deren  Kultus  ein  sncen/os  muiiebri  omatu  vorstand.  Dieser 
Kultus  scheint  einmal  allen  Vandilicni  gemeinsam  gewesen  zu  sein,  und  in 
dem  antiquae  nUsionix  lufus,  dem  allheiligen  Hain,  wo  derselbe  vor  sich 
^ng,  wird  man  das  Heiligtum  des  vandilischen  Kullvcrbandes  sehen  dürfen. 
Bei  Jordanes  c.  2Z   führt  das   Königsgeschiccht  der  VaiidaleD  den  Naraca 


Äsdingi,  und  bei  DJo  heisst  der  Teil  der  Vandilier,  der  im  Laufe  des  mar- 
komaimisclien  Krieges  (um  1 70)  südwärts  über  die  Karpaten  drang  und 
sich  im  nördlichen  Dacien  -nieclerliess,  "Afnxyyniy  vcnnutlich  weil  dieser  Zug 
uiiler  der  Führung  jener  Dynastie  staltfand.  Der  Name  wäre  got.  *IIazäiggös 
(zu  'hazHs  an.  kaddr  »Haar  einer  Frau™),  und  ein  Zu,<;ammenhang  dieses 
Namens  mit  dem  nahanarvalisuhen  Brüderpaar  ist  nicht  abzuweisen.  Durch 
Müllenhof fs  glanzende  AbhaniUung  in  den  Zf'Nr.  24  (ZfdA.  12,  344 — 354) 
ist  als  feststellt  anzusehen,  dass  die  vandalische  Dynastie  ihren  Nameit, 
der  »Männer  mit  weiblicher  Haartracht'  bedeutete,  von  einem  dioskurischcn 
Heroenpaare  Iicrlt'iletc,  das  tx-i  <len  5stlic!ifii  Germanen  götthche  Verehrung 
genoss.  Im  Norden  finden  wir  das  Brüärq^aar  wieder  als  die  beiden  jüi^ten 
unter  den  zwftlf  Amgrimssöhnen,  die  Haddingar  (HjTidl.  23.  yrvarodds  s. 
c  [4.  Hervar.  s.  c.  2.  Saxo  cd.  MV.  p.  250,  ed.  Holder  166*— "^p  nach, 
der  Hervararsaga  Zwillinge  und  zusammen  nur  so  viel  vermfigend  als  ^iner. 
In  den  verlorenen  K^ru!jnl>,  deren  die  prosaische  Nachschrift  ^ur  Helga  knf>a 
Hundingsbana  H  gedenkt,  war  '»ffunbai  ajt  die  Stelle  des  einen  dieser  Brüder 
der  dritte  Heigi  iladdin^skati  -Kämpfer  der  Haddinge-  (vgl.  SnE.  1,  482. 
FAS.  II,  8  =  FlaL  I,  24)  getreten.  Auf  Grund  jenes  verlorenen  Liedes  weiter 
umgestaltet  liegt  die  Sage  \-or  in  der  Hrömundar  saga  Greipss«jnar  (FAS.  11^ 
372ff.l.  Was  hier  erzählt  wird  von  dem  Kampfe  der  neun  Greipssöhne  mit 
dem  haddingischen  Helgi  auf  dem  Eise  des  V^nersccs  (vgl.  auch  Saxo  p.  jrK>  ff. 
MV,,  p,  n>4  ff,  H.),  wobei  die  Walküre  Kara  üVkt  dt-m  Haupte  des  geliebten 
Helden  schwebt  und  durch  Zauberlicder  seine  Feinde  lähmt,  halt  MüllenholT 
(ZfdA.  12,  351.  23,  12")  für  wesentlich  dieselbe  Sage  wie  die  in  der  ts.  c. 
349  ff.  mitgeteilte  deuLsclie  von  Hertnids  Kampf  mit  den  Isungcn,  in  dem 
seine  Frau  Ostacia  ihn  durch  Zauber  schirmt,  sogar  als  fliegender  Drache  an 
der  .Schlaclit  teilnimmt  Mag  auch  diese  Vergleichung  unsichcj  bleiben,  un- 
zweifelhaft ist  in  der  nordischen  Heldensage  der  alte  vandilisclic  Heroen- 
mythas  von  den  Hazdingen  nachgewiesen.  Freilich  ist  er  im  Norden  nur 
flcken  haft  ßberltefert;  vollständig  hat  ihn  aber  die  deutsche  Heldensage  er- 
halten. 

In  der  niederdeutschen,  durch  die  ^s.  erhaltenen,  Sage  erscheint  der  ältere 
der  beiden  Brüder  als  llcrinid,  wovon  mhd.  OrinU  eine  entstellte  Namenform 
ist  Die  Saga  kennt  deren  drei:  der  dritte,  dessen  unglücklichen  Drachen- 
kampf  c.  417  berichtet,  entstammt  deuüich  süddeutscher  Überlieferung,  und 
von  seiner  Identität  mit  den  beiden  anderen  hat  der  Sagaschreiber  keine 
Ahnung  gehabt.  Der  erste  und  tler  zweite  Hertnid  der  Saga,  der  eine  an 
Enkel  des  andern,  sind  nur  Spaltvingen  eines  ursprtlnglichen  niederdeutschen 
Hardnid.  Sein  jüngerer  Bruder  ist  nach  der  Ps.  Hirdir  (c  22.  3i)  =  nd, 
Herdtr  as.  Hardheri.  Ihr  gemeinsamer  Name  muss  in  der  deutschen  Helden* 
sage  Harding«  (mhd.  Ilartunge)  gewesen  sein  ^^  vand.-got  'Hazding^s,  an. 
IhddiHgfßar.  ags.  /frardingus.  Die  Verbreitung  der  Sage  in  England  be- 
zeugen die  von  Binz  (?BB.  20,  201)  gesammelten  Belege  für  die  Namen 
Uardingfus),  llerdingfusj  u.  s.  w.;  Spuren  des  Namens  in  der  siiddeutschen 
Sage  verzeichnet  Haupt  in  der  Vorrede  zum -En^/Aard  S.  IX;  in  der  schwe- 
dischen Bearbeitung  der  l*s.  fintiet  sich  neben  Ilerinid  auch  Htrding. 

In  der  oberdeutschen  Sage  ist  an  die  .Stelle  des  Hardheri  Wolfdietritrh. 
getreten  {%  37  >.  .\ua  der  Vergleichung  der  nieder-  und  der  oberdeutschen 
Sage,  unter  Hinzuziehung  der  niirdi.srhen  Zeugnisse,  ist  Müllenhuff  zu  fol- 
gender Gruudgestalt  der  Hartungensage  gelangt,  die  zwar  durch  kühne  Re- 
konstruktion gewonnen  ist,  aber  grosse  innere  Wahrscheinlichkeit  besitzt 
Der  ältere  Härtung,  Hartntt  (OrtnitJ,  erkämpft  sich  gegen  ein  riesisches  Gc» 


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schlecht  (die  Isungen  »Eismanner«)  ein  schönes  Weib,  das  dem  Gdiebten 
im  Kampfe  gegen  die  Ihripen  beisteht.  Spater  zieht  er.  mit  einer  gold- 
gUnzenden  Kiisuing  angethan,  aus,  um  einen  Drachen  zu  bekämpfen,  welcher 
ilm  verschlingt.  Aber  er  fiudei  seinen  Rflcher  in  seinem  jüngeren  Bruder 
Hartheri  (Wolfdietnch),  der  den  Wurm  ersehlagt  des  Bruders  Waffen  anlegt, 
sein  Ross  besteigt  und  \'on  der  trauernden  Witwe  an  des  Bruders  statt  als 
Gemahl  angenommen  wird.  Den  enitcu  Teil  der  mvtliischen  Sage,  der  bruch- 
stücksweise in  der  nordischen  und  niederdeutschen  Cberlicfemng  (l's.  c.  3.^9 
— .■i5.>)  bewahrt  ist.  halte  die  süddeuLsehc  Ortnitsagc  naeh  dem  Typus  der 
Brautfahrten  und  unter  dem  Einfluss  der  KreuzzQge  zu  Ortnits  Meerfahrt 
ungestaltet.     Der  zweite  Teil  ist  nur  durch  die  oberdeutsche  Cberheferung 

—  die  Wolfdietricliepen  und  rs.  c.  417 — 4^2,  hier  auf  Dietrich  von  Bern 
übertragen  —  j;erettei. 

Die  idlen  vandüischen  Hazdiuge,  das  mythische  BrUderpaar.  das  aus  den 
Trümmern  der  Überlieferung  vor  unserem  Blicke  auftaucht,  waren  also  jugend- 
liche, streitbare,  ro&sebandigende  Helden,  wie  die  indischen  Ai;vins  und  die 
griechischen  Dioskuren.  Aus  diesem  Dioskurenmythus  leitet  MüUenhoff  auch 
die  nordische  Erzählung  von  Baidr  und  V'dli  her;  diese  Enisprechung  ist 
aber  nicht  genügend  gesichert.  In  der  l*s.  c.  105  f.  wird  erzahlt,  wie  Thidrek 
und  Fasold  einen  fieldcn,  Sistram,  aus  dem  Schlünde  eines  Drachen  be- 
freien; dieselbe  Sage  wird  in  der  Virginal  von  Rentwüi,  dem  Sohne  des 
Helferich  von  Lüne,  berichtet,  nur  dass  hier  Hildebrand  willkürlich  für 
Dietrich  eingetreten  ist,  der  M-ie  in  der  ^s.  auch  auf  einem  Kapitell  im  Ba- 
seler Münster  aus  dem  Anfanj^c  des  1 2.  Jahrhs.  ids  Befreier  erscheint.  Aber 
auch  Dietrich  von  Bern  ist  hier  wohl  nur  irrtümlich  in  die  Stelle  Wolfdietrichs 
eingerückt,  wie  in  dem  Berichte  der  l^s.  über  seine  Erlegung  des  Drachen^ 
der  Künig  Hcrtnid  getötet  hatte.  Endlich  scheint  Wolfdieiridi  audi  io 
dieser  Sage  nur  ein  Ersata  für  den  jüngeren  Bruder,  der  hier  den  alteren 
aus  dem  Kachen  des  Untiers  befreit,  wie  er  ursprünglich  seinen  Tod  an  dem 
Drachen,  der  ihn  verschlungen,  rSchtc.     In  dieser  älteren  Form  ist  die  Sage 

—  offenbar  nur  eine  jüngere  Umgestaltung  des  Hartungenmnhus  —  als 
Volkssagc  von  Ballram  und  Sin/mm  in  der  Schweiz  überliefert  *.  Die  Ent- 
wicklung des  Dioskurenmythus  zur  Helden.>;age  entzieht  sich  im  einzelnen 
unserer  Kenntnis;  und  ebensowenig  Iflsst  sich  Über  die  ursprüngliche  Bedeu- 
tung des  von  MüUenliuff  reiionstruicrten  Mythus  mit  Sicherheit  urteilen.  Eine 
alte  Beziehung  zum  Himmel.*!gotte,  wie  andere  idg.  Dioskurcnmvthen  *  und 
auf  genn.  Gebiete  die  Sage  von  den  Harlungeo  (§  41)  sie  aufweisen,  ist  nir- 
gends mehr  erkennbar. 

<  Grimm,  Dnttiche  Sagen  Nr.  S30:  Wackrrnsgel,  ZfdA.  6,  1^6  fT; 
Mallcnhoff.  ZfdA.  12.  339.  J5J;  DI/B  5.  XXVI.  —  *  MyriantbeuK.  Die 
Aitfins  oUrr  arisffu-n  Dwskurm,   Miliwlien   l8'6. 

§  37.  Die  niederdeutsche  Spielmannsdichtung  hat  die  Hartungensage  in 
Rnssland  lokalisiert:  die  )^%.  macht  den  filteren  Hertnid  zum  Beherrscher 
Russlands  und  fast  des  ganzen  Ostens  mit  der  Hauptstadt  Holm^ardr  (d.  i. 
Nowgorod»  und  zu  st-inen  Söhnen  und  Nachfi>lgem  üsanlrix  von  Vildnaland, 
Waldemar  von  Russland  und  Polen  und  den  von  einem  Kebsweii)e  geboreticn 
Jarl  Ilias  von  Tiriechenland.  Letzterer  hat  nach  der  Saga  (c.  31 )  zwei  Söhne,  die 
wieder  Herinicl  und  Hirdir  [dafür  «Osid*  in  der  anderen  Rezension]  heissen, 
I>a  in  der  süddeutschen  Sage  Ortnil  der  Neffe,  früher  jedoch  der  Sohn  (vgl. 
noch  Ortn.  .55)  des  yijas  x'oh  Ritnen,  dieser  aber  mit  dem  Htm  af  Grtka 
der  rt>.  identisch  i^-t,  so  lit^t  die  Folgerung  nahe,  dass  Hertnid  nur  durch 
falsche  Vervielfnltigimg  der  Vater  des  Ilias  geworden  ist:  ursprünglich  war  er 


sein  Sohn,  der  ältere  von  zwei  Brüdern.  Waldemar,  ui  dessen  GeselUchaft 
liias  niiftritt,  ist  deuUich  Wladimir  der  Grosse,  der  um  looo  über  Uiissland 
herrstlilt;  und  in  dur  Sa^jc  mit  sciticui  Zeitgenossen  Boleslav  von  Polen  zu- 
saiuinengewiirfen  wurde  [G.  Storni,  Aarh.  f.  nord.  Oldk.  1877,  S.  343);  Iliaa 
selber  ist  kein  anderer  als  Wladimirs  Hauptheld  Ilja  von  Murom.  Beide 
enltchute  die  niederdeutsche  Sai^c  aus  der  russischen  Heldensage,  was  nidi 
wohl  vnr  dem  Kndc  des  it.  Jahrhs.  gescliehen  sein  kann.  Die  Bcrflhnmgeo^ 
zwiäcUcn  niederdeutscher  und  russischer  Saue  erklaren  sich  in  dieser  Zdt 
durch  Handelsverbindungen  und  Seefahrt.  Die  alte  Hartuagcusagc.  die  der 
Verfasser  der  J*s.  noch  vollständiger  gekannt  zu  haben  scheint  (c  355:  oc 
af  hattum  [H<:rlnic!]  er  ailmikil  saga,  Po  at  ptss  verde  uh  a'^'i  her  ^M),  hX. 
dann  in  der  niederdeutschen  Spielmannsdichtung  später  in  willkürÜcher  Welse 
mit  dem  Wilzenkünig  in  Verbindunjr  K*=^^'^i*^'i*- 

Die  Wanderung  der  Sage  aus  Xiederdeuischland  nadi  Oberdeutschhuid 
kann  nach  dein  bisher  gesagten,  da  auch  in  der  süddeutschen  Sage  Vljas 
von  Riuzcn  fest  mit  der  Handlung  verwachsen  ist,  erst  zu  Ende  des  1 1,. 
oder  zu  Anfang  des  12.  Jahrhs.  vor  sich  gegangen  sein;  um  1190  begegnt 
in  Obcrbaicm  Utas  als  Pcrsfjnuinamc  (ZfdA.  [2.  3.54).  In  Oberdeutsch land 
ist  die  Ortnilsage  nach  der  Lombardei,  (;)nniLs  Residenz  nach  Oarte(a), 
d.  i.  Garda  am  Gardasee  [Gartesi  Oxlu..  88,  üa//**-' Wolfd.  A  523  f.)  verpflanzt 
worden :  nach  Müllcnholfs  glaublicher  Annahme  durch  eine  Verwechslung 
seiner  alten  Hauptstadt  Xowgi_)n>d  (innd.  Nouj^rden  Nögiträfn,  mhd.  N^Ögartett) 
mit  dem  obcritalieiiischcn  Garda.  Aber  weitere  .Anknüpfungspunkte  für  diese 
Lokalisierung  frlilcn;  die  Andeutungen  Heinzels  (AfdA.  *>,  251  f.)  führen  kaum 
weiter.  Auch  iu  Bergara,  wohin  die  I*s.  c.  417  iliren  dritten  Hcrtnid  versetzt, 
wird  eine  oberitalienisrhe  Stadt  zu  suchen  sein,  sei  es  ntm  Bergamo  (PBB. 
9,  475)  oder  Bresda  (=  Btiaen  Ortn.  5,  3). 

Erst  etwas  spater,  nach  der  Mitte  des  12.  Jahrhs..  scheint  in  der  süd- 
deutschen Sage  WoUdietrich  an  die  Stelle  des  jüngeren  Härtung  getreteji  xu 
sein,  da  noch  der  Dichter  des  König  Rother  den  Wolfdietrich  aosser  Be- 
ziehung zu  Ortnit  gekannt  haben  muss  und  umgekehrt  die  niederdeutsche 
Hartungensagr  keine  Uezichungen  auf  die  fränkische  Üietrichs.sage  aufweist 
Als  der  jüngere  Härtung,  der  Drachentüler,  in  der  Sage  stark  verblasst  war, 
konnte  leicht  ein  anderer  berühmter  Drachen kSmpf er  ihn  ersetzen.  £s  in^ 
dabei  .lucb  unwillkOrliche  Kontamination  von  Sagenzügen,  die  sich  an 
Gestalten  Wulfdietrictis  und  Dietrictis  von  Bern  knüpften,  im  Spide  gewesen' 
sein,  s.  §  38.  Die  Verbindung  der  Ortnit-  und  Wolf<lietrii-hsage  musste 
aber  bei  so  gewaltsamem  Anschluss  eine  lose  bleiben:  so  nimmt  es  nicht 
Wunder,  dass  die  Dichtung  zu  vei^diiedenen  Mitteln  griff,  dieselbe  fester  zu 
knüpfen.  Einers  dieser  Mittel  ist  es,  wenn  im  Wolfdictrich  D  (vgl.  auch  B 
346)  Ortnit  v'.>n  \\'tjlfdietiich  oder  dessen  Vater  Zins  verlangt,  ein  Motiv  der 
Alcxa  nde-rsage. 

Als  der  Dichter  des  uns  erhaltenen  Ortnit  und  Wr  »Ifdielrich  A  in  de« 
dreissiger  Jahren  des  13.  Jahrhs.  i§  30)  zur  Bearbeilimg  des  Stoffes  schritt, 
war  die  eigentliche  Ortnitsage  auijenscheinlich  schon  sehr  dürftig  geworden. 
Er  hat,  vermutlich  mit  Zugrundcicgung  eines  alteren,  auch  in  dem  Ausziige 
Dfl.  2 109  ff.  benutzten,  Si'uelmannsgedichics.  seine  Fabel  frd  komponiert  und 
erweitert.  Die  Sage  von  der  gefährlichen,  doch  mit  Erfolg  gckrOntcn  Bniut- 
fahrt  und  dem  ungiücklichen  Drachenkarapf  des  Königs  Ortnit  lehnte  er  an 
Zeitgenössische  Ereignisse  an.  vor  allem  an  die  Geschidiie  des  Kreuzi 
des  Königs  Andreas  von  Ungarn,  unter  Teilnahme  des  süddeutschen  Adeli.' 
im  Jahre  1217.     Muntabür  (Mons  Tabor),  wohin  der  Dichter  die  Kampfe  oia 


I 


die  Bniüt  verlegl.  ist  die  Äirrazeuiticlic  Vesle.  die  im  Jahre  1212  vim  Suladins 
Bruder,  dem  SuU;in  MaJek-al-Adel,  auf  dem  Ber>!:e  Tabor  erbaut,  1217  von  den 
Kreuzfahrern  vei^hÜch  belagert  und  121K  von  den  Söhnen  des  Sultans  wieder 
gcsciiJeift  wurde.  Auch  der  Name  des  Kraiisamen  Mulirenkönigs,  um  dessen 
Tochter  Ortnit  wirbt,  Machorel,  der  zu  Suders  in  Syrien  (d,  i.  Tyms)  herrscht  und 
dem  Jerusalem  unterthan  ist  (Ortn.  13  f.),  klingt  an  den  des  syrischen  Sultans 
an.  Die  gewhickte  Einflcchlung  des  xauberkundigen  Zwer^ge-x  Alherich,  der 
an  Stelle  des  Ihas  zu  (>rtnit.s  Vater  wurde,  mag  sich  gleichfalls  an  einen 
»par\'us  Sarracenus*  angelehnt  habeu,  der  bei  der  Belagerung  von  Tabor 
eine  tiem  Alberich  in  dem  mhd.  Gedichte  ahnliche  Rolle  spielte;  von  grös- 
serem Einfluss  auf  diese  ansprechende  kecke  Erfindung  Ist  aber  wohl  die 
Figur  des  Aubcri')n  im  Huon  de  Bordeaux  gewesen,  womit  alle  >^ngf  des 
Zwergküiügs  in  der  heimischen  Sage  zusammenflössen.  Es  kann  der  alte 
Zug,  dass  ein  kunstreicher  Zwerg  für  Ortnit  seine  Waffen  schmiedet  (vgl. 
1*3.  c.  167),  zur  Verknüpfung  der  Motive  mitgewirkt  haben,  aber  an  eine 
Kontamination  der  Ortnct&agc  mit  einer  ausgebildeten  Zwergensage  braucht 
nicht  gedacht  zu  werden.  Andere  KInzclheiten  der  Erzählung,  auf  welche 
hier  nicht  weiter  eingcgangeu  wcrdeu  kann,  siud  aus  der  Vtirgeschlchte  des 
ApoUoniusrornans  entlekmt  oder  aus  der  Zeitge.s«'lilchie  geschöpft '. 

»  Mllllenboff.  ZfdA.  15,  186  fr.  =  DHU  3.  XXV  ff.;  Lindner.  Die  Be- 
tüHuHgm  äts  Ortnit  tu  J/ncn  df  ßordfatx,  1872  (Kost  Dtss,);  Sccmüllcr, 
ZhL\.  26,  301  ff.;  E.  H.  Mtycr,  ZfdA.  38,  6$  ft. 

§  38.  Die  Sage  von  Wolfdietricti.  die  sich  von  Beeinflussungen  der 
gotisdieD  (bairisch-Osterrcichisclien)  Diclriclissage  nicht  frei  gehalten  iml,  hat 
ihrerseits  auf  die  epUche  Au-shildung  der  Sage  von  Dietrich  von  Bern  ein- 
gewirkt Auch  abgesehen  von  dem  Berichte  der  ts.  c.  41"  ff.,  in  M-elchem 
Dietridi  erst  g^uiz  spat  die  Rolle  Wolfdicuidis  übeniommen  hat,  und  ^-on 
dem  Eintreten  fränkischer  Helden  in  den  Sagenkreis  des  Berners,  sind  Be- 
rührungen zwischen  beiden  Sagenkreisen  unverkennbar.  Das  Verhältnis  des 
alten  Hildebrand  zu  Dietrich  zeigt  Ahiilldikeit  mit  dem  Berchtungs  zu 
Wolfdietrich,  wenn  auch  weder  auf  der  einen  noch  auf  der  anderen 
Sdte  an  direkte  Nachbildung  gedacht  zu  werden  braucht  {§  34).  Beide 
Dietriche  werden  aus  ihre-in  Lantle  vertrieben  und  müssen  es  mit  frejndcr 
Hülfe  zurUckeruberii,  nach  laugein.  dreisslg-  oder  zweiunddreisslgjahrigem 
Exil,  und  in  einer  Gestaltung  der  Dietriclissage  kehrt  auch  die  Gefangen- 
nähme  imd  Befreiung  i\vx  Dii^istmannen  wieder.  Dass  beide  Helden  einen 
Löwen  im  Wappen  führen  und  Ähnliches  der  Art  ist  freilich  ohne  Ge\*'idit 
{HM.  S.  2Ü0.  4CK)).  Ohne  dass  damit  für  jeden  einzelnen  Fall  über  die 
Priorität  eines  Zuges  in  einem  der  beiden  Sagenkreise  et«'as  entschieden 
würde,  darf  doch  darauf  liingewiesen  werden,  dass  der  Volkssi^e  Wolf- 
dietrich als  der  altere  Held  galt:  die  VVoIfdii^irichsdichtung  macht  Dietrich 
vou  Bern  zu  einem  Nachkommen  Hug-  imd  Wolfdietrichs,  Hildebrand  zu 
einem  Nachkommen  Berchtungs.  Wenn  der  Wotfdietrich  D  IX,  2 10  ff.  die 
treuen  Meister  der  Heldensage,  Hildebrand  und  Eckehart,  von  dem  treuen 
Bcrchtung  herteitct,  so  trifft  die  Überlieferung  damit  nicht  nur  den  ethischen 
Sinn  der  Heldensage  sehr  schön,  sondern  sie  erkennt  zu  gleicher  Zeit  auch 
das  höhere  Alter  der  Wulfdiclridi-ssage  an.  Und  wenn  man  auch  den  ver- 
wirrten genealogischen  .Angaben  in  Dietrichs  Flucht  und  den  trüben  Remini* 
scenzeo  eines  späten  Schriftstellers  im  Anhang  zum  Heldenbuch  nicht  mehr 
Wert  beilegen  wird  als  ihnen  gebührt,  so  dürfen  sie  immerhin  als  Zei^isse 
für    eine    festgewurzelte    Tradition   eine    gewisse    Beachtung    beanspruchen. 


682 


XIV.  Heldensage.    Die  einzelnen  Sagenkreise. 


Andererseits    mag  bemerkt  werden,    dass   im  Bit   10995    ^^^  junger   Sabene, 
der  stets  DcUcn  einem  jungen  Berchtuiig  auftritt,  als  Sibcehes  Sulin  gilt 

D.    Sagenkreis  von  Ekhanakich,  Dietrich  von  Bern  ükd  Etzel. 

§  39.  In  den  deutschen  epischen  Be-arbeitungen  des  Dietrirliscyklag 
(g  18.  20)  ist  dieser  mit  der  niteren  .Sage  von  Ernianaiich  verbunden.  Allein 
die  Ermanarichsagc  hat  auch  in  Deutschland  einmal  für  sich  bestanden; 
der  allere  gotische  Held  ist  erst  verhältnismässig  spät  in  der  Sage  des  jOngeren 
Gotenkönigs  an  die  Stelle  des  Odoaker  gelroten,  nachdem  zwischen  Theo- 
dorich und  Altila  (Etzel)  die  Verbindung  schon  längst  hergestellt  war.  Es 
soll  zunaclist  der  Versuch  gemacht  werden,  eine  Geschichte  der  Ermauaricb- 
sage  zu  entwerfen,  wobei  freilich  der  äusserst  fragmentarischen  Überlieferung 
wegen  für  wissenschaftliche  Kombination  ein  weites  Feld  bleibt. 

Liticfiitur  ober  die  ostgotische  Sai;«:  M.  Ri«ß«r.  Zs.  f.  d.  Myth.  I, 
33qfr.;  W.  MUlltrr,  I{«nDeberg<TH  J.-ibrb.  f.  <[.  LittermturgeKh.  1,  159  tT.  AfytJk. 
Jtr  äentschtn  lieUifmag*  S,  148  »f.  {der  wwivollgl«  AbHcbnlu  dieses  Werke«); 
UhUrd,  Sehr.  VIII,  J34  IT.  {-^  (icrm.  1,  304  fF.);  Hciniel,  Ober  äi<  otigolhücfu 
Hild<ntage.  Wien  1889  (aus  den  Wiimcr  SB.  CXJX);  Koegel,  G<ah.  d.  d. 
Litt.  I,  I,  146  flF.  2,  310II'.  —  Zur  OrieDÜcmog  ist  dienlich:  Karl  Meyer,  Die 
Diftrkiuiagt  in  ihrer  grithicittiichen  Eniu-icHuHg,  Basel  1868. 

Ermanaricbsai^e:  J.  Grimm,  ZfdA,  3,  i^l  ff-;  MUllenhoff,  ebd*  \2^ 
302  ff.  (=  ZE  Kr.  13).  30,  331  ff.;  Dugge,  vUkiv  f.  nord.  Fil.  I.  I  ff.  PBB.  11, 
6qff,;  RoediKcr,  Zs,  d.  \Vr.  f.  Volksk.  I,  241  ff.  [Jiric/ek,  DHS.  I,  55 — 
118],  —  Speiifll«  Litterätiir  zur  Dietrichiiage  t.  xu  §  44  ff- 


I.   Kniianarichstge. 

§  40.  Der  £irw«/rÄrÄ  des  mhd.  Volkaepos  {an, /prrunnnir,  älter  Ermtnrekt 
Ragnanwir.  3'  Gering,  ags.  Eormnirii:,  got.  'Airmanareiis)  ist  der  kriegerische 
K&nig  der  Ostgoten  Ermanarich,  der  nach  den  Zeugnissen  der  Historiker 
um  die  Mitt<f  des  4.  Jahrhs.  ein  weites  Gebiet  in  seiner  Gewalt  hatte,  bis 
ihn  der  Einfall  der  Hunnen  im  Jahre  375.  noch  bevor  er  iluien  in  einer 
Schlacht  entgegengetreten  war,  in  Verzweiflung  und  zum  Selbstmorde  trieb 
Diesem  Berichte  des  zeitgenössischen  Geschichtschreibers  Animlanus  Marcel- 
Hnus  (31,  3,  l)  zu  misstiaucn  liegt,  trotz  der  psycholügischcu  Schwcrigkeit, 
den  ungermanischen  Selbstmord  des  Ermanarich  zu  erkUren,  kein  genügen- 
der Grund  \ox.  Wohl  aber  wird  es  begreiflich,  wie  der  rätselhafte  freiwillig« 
Tod  eines  rtilimreichen  und  mächtigen  Königs,  nicht  um  der  Schande  der 
Gefangenschaft  oder  der  Niederlage  zu  entgehen,  sondern  unter  dem  lahmen- 
den Eitidnicke  einer  drohenden,  durch  das  Gerücht  in  unheimliche 
Farben  gesrhihlcrten,  Gefahr  zur  Motivierung  drangen  und  damit  zur  Sagen-] 
büdung  Anlass  geben  musstc.  Schon  bald  nach  Emianarichs  tragischcst 
Ende,  das  für  .sein  Volk  den  Anfang  langer  Unselbständigkeit  und  Unsess- 
hafligkeli  bedeutele,  scheint  er  ein  Held  des  ostgolischen  Volksgesanges  ge«. 
worden  zu  sein.  Um  die  Mitte  des  ti.  jahrhs.  erzählt  Jordanes  (Get.  c.  1^)^ 
nachdem  er  mit  epischer  Übertreibung  Ermanariclis  weit  ausgedehnte  Herr- 
schaft über  ganz  Scythicn  und  Germanien  und  den  Einbnidi  der  Huunca 
dargestellt  hat,  folgendes:  Ihnnanarifus,  nx  Gothorum,  licet,  ut  iuperita 
limu$,  muharum  gentium  t^xtiterat  triumphator,  de  Humwrum  lamen  aJxtntu 
dum  (Ogilat,  Hcsomonorutn  gftis  infida,  'piae  lunr  inter  alias  Uli  famulatum  tv- 
hibehal,  lad  eum  mmeisdlnr  oaasione  decipere.  dum  enim  quaiidnm  muliftent 
Suni/da  {Stinielh,  Sunihil  van.)  nomine  ex  gcnit  mtmorata  pro  mariti  /mudu- 
Unio  discessu  rex  furore  eommoius  eguis  ferocihits  inligatam   intitatiiqut  cnnihm 


DlFTRICHSCYKLÜS.      ERMANARICHSAGE  BEI   DEN  OSTGOTEN. 


Ö83 


per  divtna  divelii  praecfpmet,  /ratres  am  SartdS  ff  Ammim.  f;ermaiMf  obitttm 
vindicanlts,  llnmanarid  iatits  fttro  pelunint :  quo  vulttfrt  saueius  egram  vitatn 
(orporis  inbtdtlitate  contraxit.  Der  Schriflsleller  beneblet  weiler.  der  hunnische 
König  Balamber  habe  dieiten  UtnsUnd  zu  einem  Angriff  auf  die  Ostgoten 
benutzt,  und  srhiiessl  seine  Erzählung:  inier  hatr  litnnunarifus  tarn  7'uinerii 
doiore  tjtinm  etiam  Hunnorum  incursionibiis  non  ftrem  grandtvui  tt  phnus  die^ 
rum  etnttsimn  defhno  anno  vtlae  sitae  dtfunclus  tst  (Mc*n.  Germ.  Auct.  anliq. 
V,  I,  Qii.  Der  historische  Kern  der  Sage  ist  hier  bereits  durch  unhisturische 
Elemente  überwucliert;  eine  Gcwalltiiat  des  von  Jnrdanes  mich  als  nobilissi- 
mm  Ama/oritm  j;eprieseneD  Königs,  die  ja  immerhin  an  wirklich  geschehenes 
anknüpfen  kann,  aber  gewiss  urspnlnglich  mit  seinem  Tode  und  ilem  Unter- 
gang seiner  Herrschaft  in  keiner  Verbintiung  stund,  erscheint  durchaus  in 
sagenhaftem  Gewände.  Die  Roioutonomm  gras,  der  die  getötete  Frau  und  die 
rächenden  Bnider  angehfiren,  ist  scliwerlirh  historisch,  wenn  aiwh  eine  sichere 
Deutung  des  Xamens  noch  nicht  gelungen  ist  *.  Episch  aber  sind  vor  allem 
die  Namen  der  Sumida  {got  *SSntAi/ds,  ahd.  *Si/oit/ii//,  wie  sich  nach  Sunna- 
ilia  in  einer  Sanct  Galler  Urkunde  v.  J.  7H6  vermuten  iJlsst:  Mülknhoff 
ZfdA.  \z.  302  und  im  Index  zu  J'jrd.  ed.  Mommscn  S.  154)**,  im  Norden 
zu  iiiHiitfiddr  umgedeutet,  und  die  der  beiden  Brftder,  die  trutz  der  histori- 
sierenden  Erzählung  allein  die  Angreifer  sind.  Sana  und  Amtnius  beg^;nen 
im  Norden  als  S^rli  (as-  Sarulo,  lang.  Sariia),  eine  Diminntivbildung  zu  got 
*Sarus  »der  Gewaffncte«  (vgl.  sania  »Rilstung«'!,  und  Hamper  (ahd.  Ilama' 
dfo  Hamadtwh.  got.  * Uama-pius)  »der  gerüstete  Krieger«,  wozu  Ammim 
(got.  'Hamjis't  'Harnjaf.  vgl  ga-hambn  »sich  bekleiden«  zu  *hama,  as.  alid. 
-kamo)  entweder  Koseform  oder  eher  die  nicht  zusammengesetzte  ursprüngliche 
Namenform  ist:  die  Brüder  sind  also  nach  ihren  Brünnen  benaimt,  die  in  der 
nordischen  Sage  eine  so  wichtige  Rolle  spielen  ■'".  Leider  ist  der  Bericht 
des  Jordanes  vielfacli  unklar  imd  in  einem  Ä-irhtigen  Punkte  unvolisUlndig: 
weder  erfahren  wir  den  Namen  von  Sunildas  Gemahl  noch  ersehen  wir  deut- 
lich die  näheren  Umstände  seiner  Schuld,  ».ibwohl  der  Ausdruck  pro  mariii 
frauduitnto  disefssn  sich  nach  liriczeks  scharfäinni(<;er  Intcrpretatiim  [/)//S.  I, 
58  f.]  nur  auf  den  verräterischen  Abfall  eines  Mannes  aus  einem  dem  Enna- 
narich  dienstpfÜLhligen  Stamme  bezichen  lassi.  HinfalÜK  wird  durch  diese 
auf  den  Sprachgebrauch  des  Jordanes  ge.siützte  .\usl«?gimc  dei  Versuch,  aus 
der  gotischen  Überlieferung  die  nordische  Fassun«  der  Sage  herauszulesen 
und  in  der  von  Rossen  zerrissenen  Frau  Ermanarichs  eigene  Gattin  zu 
sehen.  Ermanarich  rächte  vielmehr  nach  der  .iltesten  F'>rm  der  Sage  an 
SunilOa  die  trculiee  Empörung  ihres  Gemahls,  der  vielleicht  der  Fürst  der 
dem  Gotenknnigc  dienstpflii'hiigim  Rcfsomoncn  war,  gegen  seinen  Oberherm* 
der  Schuldige  selber  war  also  wohl  entwischt.  Üb  Sunilda  an  den  verräte- 
rischen Absicliten  ihres  Mannes  beteiligt  war,  bleibt  unsicher,  und  den  Namen 
de«  Empörers  nennt  Jordanes   niclit.     Die  vieldeutige   und   vielbesprochene 


*  An  uupKcbcoditcn  Ut  die  Dcuning  Bugg««  (Ark.  1,  zft):  /tatomcHi ^ gfX, 
*RujmuHa*ti  «die  HfJUicbcn.  FAlscbrn-j  uiulcrc  i-pUcbc  Deutungen  vcnucben  Koegd  I, 
I,  148  und  V.  Gricnbcfgtrr,  ZfdA.  39,  159  Anm.  Als  sUviscbcs  Volk  sucht  ItcUuel 
(£?*rr  tiif   Hm'firarrngn  S.    I02)  "lip  tiotomartt   narh^uwc-ttm. 

**  E»  niiKs  ittitrr  lieiiirrkt  wmlen.  da»  Suanai/Zo  wh  muh  »Is  Strana-MiU  »Schwanhild« 
VCTsichfD  IShaI  [4,  Jittc/ek,  DJfS.  I,  68  Anm.].  SuttUf  lnH  Jnrd,,  mit  der  Variante 
SuHihil,  wcLst  jcducb  wohl  aul  gut.  Söni't  da&  aucb  aU  cnW^i  Kritii]N>siiiiiii»(;liv(l  in  lanjjo- 
budisi'htn  EigfMiniinKrn  vorkommt  [rbda  I,  63  ^Vnin.  3*.  Die  L'tmlputung  der  >Slilinliild« 
zu   •Schwonhitil  ■    küin  «cbon  Iwi  drut^titii  Stilnunen  vor  sich  gcgangco  wiii. 

•••  And«r  Eiyinr>k>Ki«fi  der  Namfo  bei  Ko«t^l  I,  J,  rti;  f.  Ein  bi&tori«i)er  Gnten- 
inbrrr  Sarus  findet  «kb  bei  Jord.  Rom.  3x1, 


684 


XIV.  Heldensage.     Die  einzelken  Sagenkreise. 


Stelle  des  B6owulf  iiqj — 1201.  derzufoluc-  Häma  (Heime)  dt-m  Ermaiiaricli 
(oder  für  den  E.?}  das  sagen  berühmte  Brisinga  meiii  geraubt  hatte,  bleibt 
besser  aus  dem  Spiele,  und  Mallenhoffs  aus  der  Verbindung  der  Beowulf- 
stelle  mit  dem  Berichte  des  Historikers  gefolgerte  Aimalirac,  dass  einmal 
Heime  fOr  den  Gemahl  der  nordischen  Svanhild  gegolten  habe,  ist  uner- 
wcisbar.  EbeusoweiiiK  Ui  die  in  der  ersten  Auflage  des  Grundrisses  ausgc- 
sprt>chene  Ansicht  streng  erweislich,  dass  BikAa  (an.  Bikki.  ags.  Becea  Wids. 
115),  dessen  Rolle  Sibich  übernahm,  der  von  Jordanes  verschwiegene  Name 
von  Sunildas  Gemahl  gewesen  sei,  wenn  auch  durch  diese  Vermutmig  einige 
Züge  der  Äpateren  Sag«  ungezwinigen  ihre  Erklänuig  finden  (s.  §  41). 

Über  den  Ursprung  der  Sage  von  Ermanarich  und  S'rtihild  ist  tiefes 
Dunkel  gebreitet  Es  lä3st  sich  nichts  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  darüber 
sagen.  Die  Namen  imd  die  Handlung  weisen  auf  epische  Dichtung; 
mit  der  histi  irischen  Überlieferung  von  Ermanarichs  Selbstmord  beim  Ein- 
fall der  Hunnen,  die  allerdings  zur  Sagenbildung  den  ersten  Anstoss  bot, 
zeigt  die  Saye  nur  geringen  inneren  Zusammenhang.  Mehr  als  die  blosse 
Mnglichkeit,  dass  ein  historischer  Gewaltakt  des  mächtigen  Heriwiiers  ihr  zu 
Grunde  liegen  kann,  ist  nicht  vorhanden,  wenn  auch  nicht  zu  leugnen  ist, 
dass  die  Sage  in  ihrem  Streben,  Ennanarichs  tragisches  Ende  zu  erklären, 
sehr  leii'bt  zur  Verwertung  eines  vennnilich  ursprünglich  folgenlosen  Er- 
eignisses aus  der  Zeit  seiner  Regierung  greifen  konnte.  Jedenfalls  findet  eine 
mythische  Deutung  der  Svanhildsage ,  wie  sie  M ü II e n h -i f f  und  zuletzt 
Rocdiger  versucht  haben,  kerne  Stutze  in  unserer  Überlieferung,  die  schon 
in  ihrer  ältesten  Form  rein  epiach-sagrnhafl  ist  und  alte  mythische  i^üge 
niigends  mehr  hervortreten  lüsst. 

§  41.  Bei  den  überdeutschen  Stammen,  zu  denen  die  Sage  von  d cd 
Goten  in  Italien  früh  gelangt  sein  muss,  sind  aus  älterer  Zeit  nur  si>arliche 
Zeugnisse,  keine  epischen  Gestaltungen,  criialtcn.  Krmanarich  —  so  viel  lasst 
»ich  erkennen  — ,  bei  Jordanes  trotz  seines  grausamen  Gerichts  an  jener  Frau 
aus  dem  Volke  der  Rosuraonen  als  »-der  edelste  der  Amaler«  aufgefasst,  ist 
in  der  oberdeutschen  Sage  bald  zum  epischen  Typus  des  T\Tannen  geworden, 
und  ihm  zur  Seite  trat  als  sein  W^scr  Daniun,  als  der  ungetreue  Ratgel>er 
und  Bewirker  alles  UnheiU.  das  den  Kunig  und  sein  Hau«  trifft,  Hikka, 
dessen  oberdeulschei  Name  "Bkcho  nicht  einmal  auf  uns  gekommen  ist.  Die 
Sage  motiWert  seine  bösen  Ratschlage  verschieden:  nach  {'s.  c.  276!.  und 
dem  .\nhang  zum  HB  hat  Ermanarich  seiner  Frau  Gewalt  angethan  oder  an- 
thun  wollen*),  nach  Saxv>  hat  er  seine  Brüder  gelötet.  Gewiss  brauchen 
diese  Zngc  kein  Nachklang  alter  Sage  zu  sein.  Das  Motiv  Her  Rache  für 
die  Kränkung  der  hauslichen  Ehre  ist  in  Geschichte  und  Sage  so  verbreitet 
(s.  die  Zusammenstellung  bei  Heinzel,  Osf^th.  Heldem.  S.  S),  dass  es  zu  jeder 
Zeit  in  die  Sage  gedrungen  sein  kann.  Allein  die  M<'^glichkeit  bleibt  bestehen, 
dass  es  die  Unigestallung  eines  älteren  Motivs  ist  (Rache  für  jene  von  Jor- 
danes berichtete  Gewnltthat),  das  mit  dem  Verblassen  und  \'frsc!iftn«den  der 
eigentlichen  SonhiUlsagc  in  Deutschland  tiatürUch  unverstantllich  wurde.  Die 
Vermutung,  dass  ursprünglich  Bikka  Sonhilds  Gemahl  gewesen  ist.  erhalt  so 
eine,  freilich  unsichere.  Stütze.  Die  Sage  hat  dann  auf  den  Kr>iug  und  seinen 
Rat  eine  Reihe  anderer  Scliandthaten  gehäuft.     Rrmanariihs  einziger  Sohn 


*  Dua  stellt  «ich  noch  crac  Redaktion  der  dSuLMrfecn  Ballade  von  «Marsk  Stic»  {DgF. 
Nr.  145)'  dt-rcn  verändert«:  Mriuvicrung  auf  Kenntni*  dnes  dlnixlien.  auf  ntcderdcuttcbcr 
Quelle  iKTuIirrrlpn,  Lieites  vi.m  Emi.-inaricli  uml  Silni'h  weist:  %■  Biif^e,  Det  phil.-tUsior. 
Simliimit   MiniWkr.,   Kpli.    r«;y,  S.  (54  ff.   [JirkvcW,    /JMS".   I,    1 13  f.]- 


IMANAKICHSAG£.      IhRE  VeRBINDUNU  MIT  DER  HaRLUNGEN'SAOE.    6S5 


durch  Uikkas  Verleumdungen  in  den  Tod  getrieben.  FUr  Deutschland 
bezeugen  Anspielungen  in  D/I.  2457  ff.  (vgl.  3847  ff.)  Kenntnis  die&es,  in  den 
nordischen  Quellen  mit  dem  Svanhildmotiv  verknüpften,  Zuges:  hier,  wie  in 
den  Quedlinburger  Annalen.  heisst  dieser  Sohn  Fri<4ri(h  (der  J-'rtodcric  des 
Wids.  124?),  in  den  nordisrhen  Berichten  Ranäv^'r,  bei  Saxo  Üroderus,  wäh- 
rend die  Ps.  c.  i/S  ff.  den  einzigen  Sohn  zu  dreien,  Friärekr,  Rtfiinbnhir  und 
Samson,  vervielfältigt  hat.  Weiter  erzählt  die  Sage,  wie  Ermanarich  auf  An- 
stiften seines  Rates  seine  Neffen  überfallt  und  tötet:  diese  Wendung  beruht 
auf  Verschmelzung  der  Ermanaridisagc  niit  einer  ursprünglich  selbatändigea 
mythischen  Sage,  der  Harlungensage. 

Die  am  ausfUhrlichälen,  aber  in  Einzelheiten  vielfach  entslellt,  durcli  die 
l*s.  c-  jSif.  erhaltene,  durch  ags.  und  inhd.  Zeugnisse,  sowie  durch  die 
Qnedlinburger  Ann;ileii  bestätigte  Sage  von  den  beiden  Harhingen  (ags.  //?- 
relitifias)  Ambrica  und  Fridila  (ags.  Emtrca  und  FridUt,  in  dai  Qucdl.  Ann. 
Embrim  und  Fritia,  mhd.  /rahretke  und  Friieit)  ist  bei  den  Alemannen  aus- 
gebildet. In  der  zu  Grunde  liegenden  heroischen  Form  des  Mythus  hat  es 
sich  vor  allem  um  den  grossen  Schatz  der  Harlnngen  gehandelt,  dessen  alter 
mythischer  Name  Brisingo  meni  (ags.  lirisinga  \J'msing(i  Hs.]  mene  Bcow.  1199, 
an.  Brisingamen)  war,  sowie  um  die  Gegnerschaft  ihres  treuen  Hüters  Ecke- 
hari  und  des  ungetreuen  Ratgebers  Sibtcho.  Mflllenhoff  hat  in  seinem 
nachgelassenen  Aufsatze  »Frija  und  der  Halsbandmythus»  (ZfdA.  50,  2i7ff.) 
den  Harhingeumytlius  als  altgcrmaiüschcn  Ditjskurenmythus  erA'icsen:  es  sind 
die  Harlungen  junge  und  reiche  Zwillinge  (die  schaizhut«.-nden  Ai;vin5  des 
Veda,  das  Zwielicht),  die  ausgc."iandt  werden,  um  dem  Hinmiclsguttc  Irmintiu 
die  Braut,  die  mit  dem  Geschmeide  (dem  Brisingo  meni)  geschmückte  Sonnen- 
jungfrau  (Söryfi)  heimzuholen;  allein  sie  entbrennen  selbst  in  Liebe  zur  slralJen» 
den  Maid,  gewinnen  durch  Sctifltzc  ihre  Guuüt  und  werden  von  dein  er- 
aürnten  Gotte  für  ihre  pflirht vergessene  Untreue  mit  dem  Tode  be-itraft.  Der 
Harluiigenmythus  ist  frOJi  nach  Breisacli  im  Breisgau  lokalisiert,  wo  Eckehard. 
von  Aura  (//»A.  S.  42)  ihn  zu  Anfang  des  \z.  Jahrhs.  kennt  und  Orts-  und 
Personennamen  ihn  genügend  bezeugen  (Mone,  lleitUas.  S.  Sof.  ZE  Nr.  13. 
j6,  11.  Ö5;  Hertz,  Deii/sche  Sage  im  Eisass  S.  ^23  ff.);  Anlass  ziu-  Lokalisie- 
rung gab  gewiss  tler  Name  des  Harlungen-schatzes,  des  Brisingo  meni,  der 
an  den  iiions  Brisiacus  erinnerte.  Bei  den  Alemannen  hat  sich  dann  die 
HarUuigensage  mit  der  Sage  von  Ermanarich  verbunden,  vor  dem  7.  Jahrb., 
denn  dem  Widsid  sind  die  Harlungen  bekannt  und,  was  starker  ins  Gewicht 
fallt,  der  Beo^t'ulf  kennt  das  Brislnga  mene  bereits  in  Ermanarichs  Besitz. 
Die  Sage  kann  zu  dieser  Verbindung  nicht  ausschliesslich  durch  die  Über- 
einstiinmung  in  den  Namen  des  Irmintiu  tuid  dcv.  Ermanarich  gelaugt  sein. 
Vielmehr  mflssen  ElemeJiIe  in  der  Ermanarichsage  den  .\nscliluss  des  heroi- 
sierten Mythus  von  dem  grausamen  Tode  der  Zwülingsbrüder  ermöglicht 
haben.  Wenn  man  voraussetzen  darf,  dass  schon  vor  dem  Auachluss  der 
Harlungensage  Ermananch  in  der  Sage  als  »das  Kolossalbild  eines  grausamen 
und  habsüchtigen  Herrschers-,  galt,  welcher  gegen  sein  eigenes  Geschlecht 
iwütete,  unermessliche  Maclit  und  also  nach  der  Anschauung  jener  Zeiten 
i  auch  einen  uncrschr>pflidien  Hurt  besass,  wie  ja  auch  sein  Reiv:htmn  lange 
sprichwörtlich  geblieben  ist  (Dfl.  7854  ff.  Hd$.  Nr.  56.  124),  lasst  sich  die 
Verknüpfung  verstehen:  Ermanarich  überfallt  aus  Gier  nach  ihrem  Scliatze 
seine  Neffen,  die  Harlungen,  vermutlich  indem  er  sie  unter  dem  VorR-ande 
einer  Verhandlung  verräterisch  zu  sich  lockt  (\*gl.  Dfl.  2551),  und  läs§t  si« 
erhängen.  Mit  den  Harlungen  traten  die  alten  mytliischen  Gegensatze  Ecke- 
hart und  Sibicho  in  die  Ermanarichsage  ein;  in  Berchtung  und  Sabene  der 


Wolfdictrichssafjc  (g  34)  habeo  sie  ihre  iiädisü legenden  ParaHelen.  Das  Ver- 
hältnis zu'ichen  Sibich  und  Bikki  ist  unklar,  doch  darf  man  die  l>eidcn 
Namen  (ahd.  Sibicfto  —  Biccho)  wohl  ebensowenig  als  ihre  TrSger  für  ur- 
sprünglich identisch  liallen.  WahRclieinlicher  ist  die  Aunahme.  dass  Bikka 
als  des  KOnijp  böser  Ratgeber  der  Ermanarich-Sonhildsagc  vnn  Haus  aus 
angeli^irte.  aber  dureh  die  in  der  Harlungenwige  heimisclie  Figur  seines  DoppeU 
gaiigers  Sibica  {St/in  in  der  ^s.,  mlid.  Sififche)  in  der  deuLsdicn  Sage  als- 
bald verdrangt  wurde,  wozu  die  Ähnlichkeit  der  Namen  der  beiden  Ung«- 
trem*n,  die  auch  die  Verschmelzung  beider  Sagen  crleichicit  haben  mag.  Aii- 
lass  geben  konnte.  In  den  nordüwhcn  Qurlleii,  welche  die  Marlungcnsage  nicht 
kennen  —  über  Saxu  s.  §  4.?  — .  heisst  der  Ratgeber  nicht  'Si/ki  /*S^ieoJ 
oder  'Sj'uJti  (*Sihuco),  snndem  liikki  [liueo  bei  Saxo).  Der  Wids'id  nennt 
Becca  (Vs.  115)  neben  den  Härtungen  (Vs.  112  f.)  imter  dem  Ingesinde  Er- 
inanarichs;  Sifeca  in  Vs.  ti6  wird  mit  Btnz  (PBB-  io,  207  f.)  nicht  auf  den 
Sibich  unserer  Sage  zu  beziehen  sein,  der  viehnehr  uie  sein  Geg:ner  Eckehart 
in  dem  Heldenkatalogc  fehlt. 

Der  Totl  der  SOnhild,  die  ausschliesslich  in  der  schon  genannten  San 
Galler  Urkunde  v.  J.  781J  als  Suanailta  rielw»  Ihrem  Vater  Hämo  und  in 
Gesellschaft  von  Sarahos  und  Eghiari  erscheint,  und  die  Rache  ihrer  Brüder 
an  Ermauarich  sind  in  der  spüleren  deutschen  Sage  ganz  vei^gessen.  Dass 
die  Sage  einmal  allgemein  bekannt  gewesen  ist,  bekunden  die  Zeugriisse  des 
Eckchard  von  Aura  und  der  Quedlinburger  Annalen,  sowie  Anspielungen  auf 
Ernianariclis  scliwere  Krankheil  in  Dfl.  und  l^s.  c.  401.  Alte  Zi^e  der  Sage 
von  Scinliilds  Ermordung  scheinen  in  der  I^s.  c.  28t)  für  den  Tod  von  Er- 
mauanchs  Sohn  Samson  vei'A'andt  zu  sein,  den  der  erzQnile  Vater  auf  der 
Jagd  vom  Pferde  reissl.  sodass  er  unter  die  Hufen  von  Ermanarichs  Rnss 
gerilt  und  zertreten  wird.  Sporadisch  sclieinl  der  getreue  EckcUart  die  Rolle 
der  reichenden  Briider  übernommen  zu  haben,  wie  im  .\nhang  zum  HB  und 
ahnlich  in  Agricolas  Sprichwürtcni  \lJds.  Nr.  1,14.  .5).  Nach  der  Verbindung 
der  Erraajiai ichsage  mit  der  Dictrichssage  wurtte  flann  —  aber  nur  in  Nieder- 
deutschland und  auch  da  nur  vereinzelt  —  Dietrich  der  Vollstrecker  der 
Rache:  so  erzählt  mit  merkwürdigen  Anklangen  an  die  nordische  Überliefe- 
rung das  niederdeutsche  Volkslied  von  Konig  Ermenrii^  Tod  (§  20),  wie 
Dietrich  selbzwölfl  in  die  Burg  des  Krmigs  dringt  und  ihn  samt  allen  seinen 
Mannen  erschlagt  (dazu  vgl.  noch  Grundtvig,  DgF.    i,   124'!. 

Dass  in  der  deutscheu  Sage  Söiihild  (Svanhildr)  jemals  als  Ermanarichs 
Gattin  und  ihre  Trtlung  als  Strafe  für  wirklichen  oder  augeblichen  EhebnirJi 
aufgefasst  wr.rden  wiire,  ist  durch  kein  Zeugnis  erweisbar:  Jiriczeks-  Theorie 
der  Sagen vcrscliiebun gen  auf  Grund  der  Einflechtung  der  Hartuugensage 
\pHS.  1,  loj  ff.]  ist  zwar  scharfsinnig,  aber  kaum  genügend  gestützt.  Eine 
engere  Verbindung  der  drei  an  die  Figur  des  grausamen  Tyramicn  ge- 
knüpften Sagen:  a)  Sonhild,  h)  Rrmaiwrichs  Sohn,  c)  die  Harlungen.  ob- 
gleich sie  alle  drei  in  DeutsclUand,  wie  wahrscheinlich  auch  in  England  (Biiiz 
PBB.  20,  207  ff.),  bekannt  waren,  ist.  soviel  wir  sehen  können,  bei  den  Süd- 
germanen  nicht  hei^testellt  worden.  Ein  innerlicher  Zusammen liang  zu-ischen 
dem  ersten    und  dem  zweiten  Elemente  }iat  sich  er^t  im   Norden  entwickelt 

§  42.  Wahrend  die  gotische  Sage,  die  Jordanes  Überliefert,  in  Oberdeutsch- 
land b."itd  ihre  üelieluheit  verlor  imd  auch  in  Niederdeutschland,  wohin  sie 
in  Verbindung  mit  der  Harlungeiisage  gelangte,  keine  sehr  bc<lcutcndc  Pflege 
gefunden  zu  haben  .scheint,  ist  sie  im  skandinavischen  Norden  in  ver- 
änderter  Form   und   eigentÜmUcher  Entwicklung  überliefert.     Die   nutdische 


{noPÄ'egLsch-isIandischc'l  J^rmunreksage  ^  liegt  vor  in  den  Eddaliedern 
Haia[}iäin9i  und  Gul>rüti;irlivyt  iiL-bst  der  Einguni^sprosa  dos  Sammlers,  einem 
Twie  von  Bragis  RagnarsdrÄpa  und  zwei  Prosaberichten  von  sell>stflndigem 
Werte  {\\h.  c.  40—42.  SnE  I.  jfioff.).  Abseits  steht  die  danische  Vcrsian 
bd  Saxu  Gramma.ticus,  die  fOr  sich  zu  betrachten  ist.  Alle  norM-<:;gisch-isl9n- 
dischen  Quellen  gehen  auf  mehrere  a!te  Lieder  und  auf  mündliche  Tradition 
zurück,  aJle  setzen  die  Anknüpfung  der  Ermanarichsage  an  die  Nibelungen- 
sage (§  30),  die  aurh  andere  Eddalieder  kennen,  bereits  voraus.  Die  Sage, 
welche  wir  aus  der  Vergleifhung  der  einzelnen  Cberliefcrungen,  über  deren 
gegenseitiges  Verhältnis  keine  v^jllige  Cl>ereinstimmung  herracht*,  als  die  ge- 
meinsame westnordische  erhalten,  unterscheidet  sich  von  der  gotischen  vor 
allem  darin,  dass  Svanhild  zur  Gattin  des  Jyrmunrck  geworden  und  dass  die 
Gewahthai  an  ihr  mit  der  anderen  an  des  Königs  einzigem  Sohne  Randver 
verbunden  Ist;  beide  werden  das  Opfer  der  Verleumdungen  des  treulosen 
Bikki,  der  Svanhild  des  Ehebruchs  mit  ihrem  Stiefsohne  beschuldigt.  Der 
König  läsit  Svanliild  von  Rosseti  zertreten  und  seinen  Sohn,  wie  die  Här- 
tungen in  der  deutschen  Sage,  erhängen.  Wie  bei  Jordancs  rächen  die 
Brüder  der  getöteten  Krau,  .Sijrli  und  Hani[>i*r,  denen  aU  dritter  {als  Stief- 
bruder nach  den  Hani|}. :  enn  sunJrmhpre  13*)  Erpr  gesellt  ist,  die  That  an 
J9rmunrekr,  licm  sie  I  Linde  und  Ftl-sse  abhauen.  Sie  selbst  aber,  die  durch 
ihre  wumlerbareu  Rtlstungen  für  Waffen  unverletzlich  sind,  werden  xu 
Tode  gesteinigt.  Die  Sage  k^mnen  die  Skandinavier  nicht  unmittelbar  von 
den  Goten  übernommen  haben,  da  sie  sich  bei  diesen  erst  gebildet  haben 
kann,  als  sie  die  Ostsccgegcnd  bereits  verlassen  hatten;  vielmehr  ist  dieselbe 
aus  Niederdeutsthland  naeh  dem  Xorden  (Xorwegen?)  eingewandert,  als 
Volkssage,  aber  vermutlich  auch  in  poetischer  Form,  wie  man  aus  den  Über- 
einstimmungen zw*i5chcn  den  Hamfiism^l  und  dem  nd.  XJede  von  Ermenriks 
Tod  schliesscn  darf.  Die  Einwandenmg  wird  gleichzeitig  mit  der  ersten 
Obcmahine  der  Nibelungensage  i§  tb.  30)  stattgefunden  haben,  also  spätestens 
im  8.  Jahrb.,  aber  aller  Wahrscheinlich  keil  nach  früher.  Bragis  RagnaradrApa 
aus  der  ersten  Hälfte  des  fj|.  Jahrhs.  setzt  die  Anknüpfung  derj9rmunreksage 
an  die  Nibelungensage  voraus,  der  doch  vermutlich  eine  längfrc  selbständige 
Entwicklung  der  .Sage  im  Nordcji  vorhergegangen  ist;  dasselbe  bezeugt  die 
Kenning  fönakrs  bnra  hurmr  »Steine«  im  Vnglingaia!  des  I^ji^dülfr  von  Hvin 
von  ;illerdings  zweifelhaftem  Alter.  Das  Nichtauf  treten  der  »Brerhung«  in 
dem  Namen  Etpr,  neben  jarpr,  kann  für  die  Zeit  der  Einwanderung  freilich 
nichts  beweisen,  da  derselbe  aus  Deutschland  übernonunen  sein  muss,  auch 
wenn  er  nicht  von  Haus  aas  der  Ennanarichsagc  angehört  haben  sollte 
(Buggc.  ZfdPh.  7.  .^94;  U'riczek.  DHS.  I.  10;  ff.]).  WichUger  für  die  Be- 
Btimmunc:  der  Zeit  der  Einwanderung  ist  der  Umstand,  dass  die  norwegisch- 
isländische  Sagenform  von  der  Harlungensage  nichts  weiss*).  Darf  man 
daraus  schliesaen,  dass  die  Verbindung  des  Mythus  von  den  •  Härtungen  mit 
der  Ermanariclisdge,  welche  der  B^wulf  und  vermutlich  schon  der  Widsid 
voraussetzen  und  die  folglich  noch  dem  6.  Jahrb.  zufällt  (§  41),  erst  nach 
der  Einwanderung  der  Sage  von  Emianarirh  in  den  Norden  stattgefunden 
hat,  so  wäre  datiiit  ein  fester  Ansatz  für  die  Datierung  der  HerUbernahme 
gewonnen.  Der  verlockende  Schluss,  den  Müllenhoff  (ZfdA.  10,  177)  ge- 
zogen hat ,  ist  allerdings  nicht  zwingend ;  Zufall  ist  nicht  ausgeschlossen 
^Heinzcl,  Ostgoth.  Ihidais.  S.  .^).  und  es  muss  auch  die  MögHchkeit  zugegeben 
werden,    da.<^   die  Harlungeniuge   in  Deutschland  zurückhlieb,    trotzdem  ihre 

*  Ab^iilcbncD   ist  die   BcjUcrbucg  von  Ham^.   17  auf  die  Harlungen  (Buggc.   Fornko. 
439  '*■  '^"  xuitldtgcDommcii  ZfdPb.  7,  405). 


Verbindung  mit  der  Krmanarichsage  bereits  vollzogen  «-ar  [Jiriczek,  ßJfS.  l, 
105  f.].  Wahrsclici iilii.il  aber  isl  wcdt-r  das  dnc  hülIi  das  andere.  In  jcdcni 
Falle  bleibt  auch  von  däcjwr  Seite  hi-r  nnt'rwrislirh,  dass  die  einschneidende 
Änderung  der  nordischen  Sasengestalt,  die  Auffassung  der  Svanhild  aU  Er- 
manarichs  Gattin  und  ihrer  Ermorilmig  als  Strafe  für  versuchten  Ehebruch 
mit  ihrem  Stiefsohne,  aus  der  deutschen  Sage  übemnmmen  wurde.  Nordische 
Dichtung,  die  auf  dem  alten  Motiv  »der  Liebe  zwi!>i.ben  SlicfmuHcr  und  Stief- 
sohn, welche  dem  Sohne  das  I>eben  kostet«  (Heinzel  a.  a.  O.  S.  off.),  auf- 
gebaut ist,  ist  die  nadistliegendc  Annahme. 

I  BuRge,  ZfdPh.  7,  3<)2  ff.;  Rnnifich,  Ä*r  Xritik  ttrtd  Metrtk  der  ffam^ 
ismdK  l888  (Berl.  Tilw.),  S.  3  ff.  [Jiriczek,  DHS.  I,  84—99]-  —  *  Bertntl«! 
ist  vor  allem  Uas  V<.TliAltnis  iwiMrliea  Hutn)n\m^I  und  Ragiiursdripa j  vgl.  ein«r- 
seils  Bugge,  Biärag  til  dtn  irlditr  ikjaUi.  htit.  S.  41  ff„  anderwcils  F,  jönü&OD 
zuletzt  in  den  Aarb.  1896,  S.  321;  fT.  Es  liiii^et  aber  wohl  überhaupt  evisdim 
beEden  ÜbetlietVninKcn  keim-  nähere  Bezk-hung  statt. 

§  43.  Atich  Saxo  Grammaticus  bringt  im  achten  Buche  (p.  411  ff.  MV., 
p.  278  ff.  Holder)  eine  ausführliche  Erzählung  der  Ermanarichsage,  die  un- 
mittelbar aus  clänisclitT  Tradition  geschöpft  hat.  Sic  ist  bd  ihm  in  (He  my- 
thische Königsgeschichte  der  Danen  eingegliedert,  zt-igl  aber  in  <len  Haupt- 
punkten dieselbe  Fassung  wie  die  norwegisch -islaiidisdiai  Quelle».  Auch  er 
kennt  Swavilda  (verlesen  aus  Swamlda),  die  Schwester  von  ^Her  hellesponti- 
schcn  Orüd<;m,  als  Gattin  des  Jannerkm,  den  treulosen  Rat  Bkco,  der  die 
Königin  des  Ehebruchs  mit  ihrem  Stiefsohne  Bmderus  zeiht,  die  grausame 
Bestrafung  des  Paares  —  nur  wird  der  Sohn,  tt-ie  in  der  V9IS..  schliesslich 
begnadigt  — ,  endlich  die  Rache  der  Brüder,  die  audi  hier  den  Tod  durch 
Steinigung  erleiden,  wahrend  dem  Jarmcricus  Arme  und  Beine  abgehauen 
werden.  Daneben  aber  .lind  wichtige  Abweichungen  unverkennbar.  Nament- 
lich weisen  einige  Punkte  in  Saxos  Bericht  mit  Bestimmtheit  auf  deutsch«! 
Ursprung,  vor  allem  die  beiden  Sdiwestersöhne  (sororii)  des  Jannericus.  die 
er  ihrer  Erbansprüdie  wegen  tötet.  Unzweifelhaft  sind  damit  <iie  dem  Norden 
sonst  unbekannten  Härtungen  gemeint,  und  ebenso  gewiss  rührt  die  Kenntnis 
der  noch  bei  Saxu  in  Deutschland  lokalisierten  und  in  Einzelheiten  zu  der 
späteren  Version  der  Ps.  stimmenden  Sage  aus  Deutschland  her.  Auch  die 
Vorstellung  von  Ennanarichs  fabelhaftem  Reichtiun  —  er  erbaut  sich  eigens 
eine  Burg  auf  schroffem  Felsen  zur  Bergung  seines  Hortes  —  wird  in  Ver- 
bindung mit  der  HarUmgensage  aus  Niederdeutschland  übernommen  sein, 
und  vlelleictil  noch  ein  paar  andere  Züge.  Sa-xus  eigentliche  Svauhildsage 
aber  schliesat  sich  in  allem  wesentlichen  —  den  Namenformen,  dem  Auf- 
treten Bikkis,  siiwic  dem  ganzen  Verlaufe  der  Handlung  —  so  eng  an  die 
norwegisch-isländische  Tradition  an,  dass  wir  in  (Ücicr  ihre  Quelle  suchen 
mflssen,  nicht,  wie  Jiriczek  will,  in  der  niederdeutschen  Überliefenmg,  wo  von 
einer  ausgebildeten  Svauliildsagc  im  12.  jaiirh.  keine  Spur  mehr  vorlumdea 
ist.  Es  sdieint  demnach  die  von  .Saxo  benutzte  dänische  Überlieferung  eine 
Mischung  aus  norwegisch- Isländischer  und  niederdeutscher  Sage  zu  re^irüseu- 
ticren.  Einen  Fingerzeig  für  die  nordische  Gestalt  der  Volkssage,  aus  welcher 
Saxos  Version  der  Svauhildsage  schöpfte,  bietet  die  Vqlsungasaga,  die  mehrere 
auffallende  Übereinstimmungen  mit  dem  Berichte  des  dfinisehcti  Historikera 
aufweist,  offenbar  Züge,  die  der  Sagaschreiber  nicht  seinen  schriftlichen 
Quellen,  sondern  lebendiger  Vnlksüberlleferung  cnllelmte.  Die  Anknüpft 
an  die  Nibdungeiuüige  tiitt  bei  Saxu  nur  in  dem  Namen  der  Zauberin  G% 
runa  hervor,  die  den  hellespontisrhen  Brüdern  bei  der  Vollziehung  der 
Rache  für  ihre  Schwester  beisteht,  wie  Gudrun  ihren  Söluien. 


A.  OIrtk,  A'ildtrHe  Ut  Satuti  Oldhist.  I.  174.  II,  152  ff.  [Jiriciek.   DHS. 
\,  95  ff.  115  ff.]. 


11.  S»]{c  Dicirtchs  von  Bern. 

%  44.  Die  Sage  Dietrichs  von  Bern  ist  in  ihrem  wesenllichen  Gehalle 
durchaus  aus  der  Geschicliie  zu  erklären.  An  dt-r  Identität  Dietrichs  mit 
dem  gros.sen  OslgotenkiVnig  Theodoricli  (got.  * pimiareih),  tlem  Sohne  des 
Theodemer  (mhd.  Diefmär),  zweifelte  das  Mittelalter  so  wenig  (/AA.  Nr.  18, 
4.  23.  24.  ,52.  ZS  Nr.  5,  i.  30.  71),  we  die  heulige  Sagenforschung,  obgleich 
schon  den  mittelalterlichen  Historikern  die  clirnnologischeti  Irrtümer  der 
Sage  nicht  verborgen  geblieben  sind  und  für  die  moderne  Forschung  die 
GegensStzIicbkeit  zwischen  S;ige  und  Geschichte,  ja  die  vollige  Umgestaltung 
der  Geschichte  in  der  Heklensage  offen  zu  Tage  liegt.  Aus  dem  »oberer. 
der  im  Auftrage  des  nstrümischen  Kaisers  Zeno  488/89  nach  Italien  kam, 
unter  verschiedenen  Wechselfallen  und  Wendungen  des  Kriegsglücks  in  drei 
gewonnenen  Schlachten  (am  Isonzo,  bei  Verona  und  an  der  Adda]  seinen 
Zwecit  eneichie  und  nach  einer  dreijalirigen  Belagerung  Raveimas  Odoaker 
nicderstiess  (493),  ist  in  der  Sage  schliesslich  ein  Vertriebener  geworden,  der 
nach  langem  Kxil  und  einem  vergeblichen  Eruherwngsversuche  endlich  mit 
fremder  Hülfe  »ein  reclitmflssigus  Krbe  wiedererlangt  Ein  Scheingruiid  der 
Geschichte,  indem  der  ostrfimische  Kaiser,  in  dessen  .auftrage  Theodorich 
handelte,  sich  als  natürlichen  Erben  des  weslrömis«.:hen  Reiches  betrachtete, 
wurde  von  der  Sage,  die  ihre  Sj-mpathien  keinem  Usurpator  günnte,  willig 
aufgegriffen.  Aber  der  Umstand,  da.ss  Dietrich  von  Byziuiz  aus  sein  Land 
erobert  hat,  ist  in  der  Sage  schon  sehr  bald  in  Vergessenheit  geraten:  was 
man  für  diese  Anschauung  beigebracht  hat,  die  Erwähnung  Zenos  bei  Hein- 
rich von  München  {Hth.  Nr.  84,  S.  2.27)  und  bei  Königshofen  (ZfdA.  15, 
319!.),  ist  auf  gelehrten  Ursprung  zurückzuführen,  und  die  neuerdings  von 
Kauffmann  aufgestellte  Ansicht,  unter  dem  Hiiuto  imhiin  des  Hildebrands- 
licdfs  sei  Zen'i,  iiitht  Attila  zu  verstehen,  indem  nach  frühmittelaltcrlichera 
Sprachgebrauch  für  den  Kaiser  von  Byranz  der  Balkanherrscher  eingetreten 
sei  {Fcii^ahf  für  Sihrrs  S.  I54f.),  zcrreisst  dc[i  Faden  unserer  zusainmen- 
hlngendcn  Sagenü  her  lieferung.  Vielmehr  ist  s«'hon  in  unserer  fittesten  Über- 
lieferung an  die  Stelle  Ostroms  der  Hof  des  HunnenkMnigs,  d.  h.  Atlilas, 
getreten,  den  sich  schon  das  Hildebrandslied  unter  dem  Hiimo  truhiin  ge- 
dacht haben  mitss  (§  14):  auf  diese  Wendung  der  Saige  hat  das  AbhSngig- 
kcitsvcrhfüttiis,  in  welchem  die  Ostgoten  zu  den  Hunnen  stunden,  sowie  die 
Venwechslimg  Thecidorichs  mit  seinem  Vater  Theodemer  eingewirkt.  Die 
wesentlichste  und  rätselhafteste  Abwcichutig  der  Dietrichssage  von  der  Ge- 
schichte alKrr  und  zugleii  h  ihr  Kernpunkt,  die  Umwandlung  des  siegreichen 
Eroberern  Italiens  in  einen  Flüchtling,  wird  nur  durch  die  Annahme  erklar- 
bar,  dass  in  der  Sage  Dietrichs  von  Bern  mit  der  Thatsache  der  Eroberung 
Ualiens  durch  Theodorich  seine  Jugendschicksate  zusammengeflossen  sind. 

Historische  Erinnenmgen  an  die  wechselvollen  Schicksale  Thcodtjrichs 
zwischen  der  Schlacht  unter  den  Mauern  Veronas  und  der  entscl leidenden 
Schlacht  an  der  Adtla.  vor  allem  der  Verlust  des  scivin  gewonnenen  Mailand 
durch  Tufas  Vernit,  fehlen  allerdings  der  Sage  nicht.  Sie  bilden,  verbunden 
mit  der  drcijfLlirigen  Belagerung  Ravcnnas,  die  Elemente  der  Rabenschlacht- 
dgCt  sie  sind  also  nicht  ;m  die  endliche  Ercrbcrung  Italiens,  sondern  an  den 
ij|Ater  in  der  Sage  voniusgeschickten  misglückten  Wiedereroberungsversuch 
geknüpft.     Allein,  wie  neucstens  jiriczek  eingehend  erörtert  hat,  die  wesent- 

Germaniache  Phllotofie  III.   2.  Aufl.  ^\ 


6qo 


XIV.  Heldensage.    Die  einzelkeh  Saqexkreise. 


liehen  sagunbildciidcn  Elemenle  sind  der  voritaUschen  Zeit  der  Goten  cnt- 
nümincn:  dit!  Peiiode  in  Tlieodorichs  Leben  vom  EiubruLli  der  Guten  in 
Mösicn  (473),  nuch  unter  Thefidemer,  der  aber  gleich  na<"liher  (474,'475) 
starb,  his  zu  seinem  sicgrcitheu  Eüuu^c  in  die  Thore  Ravennas,  ein  zwanzig- 
jähriger Zeitraum  unsteten  Wanderleben»,  schwerer  KSmpfe  und  wecliselnder 
Gesi'bicke,  hat  zu  der  Vorstellung  des  Flüchtling«  geführt,  der  in  beständigem 
Kampfe  gegen  sein  hartes  Schicksal  lange  Jahre  im  Exil  zubringen  inuss. 
Undenkbar  wSre  es  nicht  (Kauffmann  a.  a.  O.  S.  154),  d;iss  die  in  allrn  (Jucllen 
hcrwirtrctende  dreissig-  oder  zweiunddreissigjährige  Dauer  *  der  Laudflucht 
auf  alter  epischer  Überlieferung  herulitc:  es  würc  die  Zeit  von  der  Vergeise- 
lung  des  jungen  TheiKlurith  nach  Byzanz  (462)  bis  zur  definitiven  Besitz- 
ergreifung Italiens  (495).  Auch  bestimmte  geschicliüiche  Einzelheiten  aus  Theo- 
doriihs  voritaltsfher  Periode  sind  in  der  Sage  bewahrt  geblieben,  auf  welche 
noch  zurüi'kzukommen  ist  Es  ist  die  Exilsagc  alsu  wcsenilith  auf  der  epi- 
schen ÜberlieferLUig  von  Tlieodorichs  Jugendgeschichte  aufgebaut,  al»er  ihre 
Ausbildung  scheint,  ausser  in  deujiislorischen  Vümusselzmigcn  der  Erobcrui^ 
Italiens,  auch  Nahrung  gefunden  zu  halben  in  der  Vorstellung,  die  sich 
schon  früh  nachweisen  lässt  {Heinzel,  Ostfiolh.  JleUens.  S.  32  ff.)  und  ver- 
mutlich schon  hei  den  Goten  selber  VL-rljrcitel  war,  dass  Italien  bereits  vor 
Thcodürich  hl  gotischem  Belize  gewesen  sei,  woraus  sich  als  Konsequenz 
die  Vürstellung  von  einer  Vertreibung  aus  dem  Erblande  und  der  endlichen 
Heimkehr  entwickeln  mtisste.  Dass  Theodorich  als  Herrscher  Italiens  nach 
langer  segensreicher  Regierung  starb,  ist  durch  die  Sage  festgehalten,  und 
das  historische  Bild  des  edlen  und  gerechten,  nur  zCgenid  zum  Schwerte 
greifenden,  aber  dann  in  seinem  Zorn  nnwiderstehlichcn  Guteukunigs  ist 
allem  Wandel  der  geschichÜicJieii  Einzelheiten  zum  Trutz  in  der  deutschen 
Sage  unverrückt  geblieben.  Die  älteste  erhaltene  Gestalt  der  Dietriclissage 
rait  ihren  drei  Elementen:  Flucht,  Exil,  stegreiche  Heimkehr  repräsentiert 
demnach  gewissennassen  eine  epische  Auswahl  der  sympaili  ist  listen  Züge 
aus  Theodorichs  Geschichte,  bei  deren  Verbindung  vor  allem  der  Wunsch 
massgebend  gewesen  sein  wird,  die  HeldcngestaU  des  grossen  Königs  vou 
dem  Makel  zu  säubern,  der  durch  die  meuclJerische  Ermordung  OdoaJcen 
sein  edles  Bild  entstellt. 

Die  Gegnerschaft  zwischen  Dietrich  und  Odoaker  ist  tu  der  Sltesten  Sage, 
wie  sie  sich  aus  den  Anspielungen  des  Hildebrandsliedes  eipebt.  nur  mit 
Unikchrung  der  RuUcu,  festgehalten  (s.  {^  14):  der  deutlichste  Beweis  dafür, 
dass  Dietrich  von  Bern  von  I-Iawie  atLs  kein  anderer  als  Theodorich  ist 
Die  Ausbildung  der  Sage  von  Theodorich  fallt  in  ihren  ersten  Anf&ugcn 
unzweifelhaft  nuch  den  üstgnieu  zu,  aber  in  ihrem  vollen  Umfange  kann  sie' 
in  den  wenigen  Jahrzehnten  von  Theodorichs  Tod  bis  zum  Untergange  des 
ostgoiischen  Reiches  (52'j — 555)  nicht  mehr  zustande  gekuuuncn  sein;  viel- 
mehr muss  sie  befremidetcn  obenleutschen  Stammen  zugeschrieben  werden, 
am  ersten  wohl  den  verbündeten  Alemanucu.  Dietrich  iv»  Beme  (—  Verona, 
als  die  erste  bedeutendere  Smdt  <-)berilaliens,  die  man  von  Deutschland  aus 
betrat)  als  Personenname  i»t  in  alterer  Zeit  vornehmlich  in  Südwesldeutsch- 
land  uacligewicsen  (Uhland,  Selir.  VIII,  334  ff.  ZE\\t.  2Q)\  ebenso  findet  sich 
Amelung  hJlufig  in  alemannischen  Urkunden  des  8. — 10.  Jalirhs.  (Ubianda.  a.O,i 
379  Aam.  i).     Zu  den  Alemannen  wird  die  gutische  Sage  zum  Teil  jedesfolb 


*  30  Jahre  nach  dem  llildebtantlsUeJe  5,0  uiiil  D6orfi  Klatp;  18;  32  J*hrc  nach  V%. 
c  396  und  der  KLa^l-  {Jldi.  S.  135),  \>as  jüiij^arn:  HtUlcbraiidslicJ  wliwaakt  rwucbcB. 
33  lUd  33  Jahren  \MSn^  11,  36). 


Dietrichssage:  Histor.  Grunulaoen:  Verbind,  m.  n.  Ermanakichs.  bgi 


schon  in  poetiwhcr  l'"orm  vorgedrungen  sein,  und  zwar  sind,  w  ie  die  deutsche 
Sagciit-ntwlclduiig  zeigt,  namentlich  zwti  gotische  Liedcro'kleii  vorauszusetzen, 
einer  über  Theodorichs  Jugcndsrliicksnlt;  und  \V;in derieben,  ein  anderer  Ober 
die  Ereignisse  bei  der  Eruherung  luiliens.  Bei  den  Alcmiintien,  wo  die 
EnniinarirJisage  gepflegt  wurde  und  ihre  Verbindung  mit  der  Üarlungensage 
öfuljfte  (§  41),  ist  s|>iUer  als  diese  auch  die  Verbindung  der  Ermana- 
rieh-  und  Dietrit:hsafj;e  vullzogen.  Ennanarich.  der  weithcnschcnde, 
grau-same,  verwandten  feindliche  König  der  Goten  uiirde  an  C>dr»akers  Stelle 
der  Gegner  Dietrichs,  deu  die  Sage  immer  mehr  zum  Typus  des  zu- 
g;leicli  milden  und  kraftigen,  selbst  im  Elend  durch  Chaniktergrüssc  und 
WeLshcit  überlegenen  Helden  erhob.  Die  Verknüpfung  der  beiden  gotischen 
Helden,  an  sich  naheliegend,  namentlich  bei  einem  den  hisUnischeu  Über- 
lieferungen fremd  gegentibenstehenden  Stamme,  durch  die  Annahme  von 
einem  verwandtschaftlichen  Verhaltnisse  zwischen  Oheim  und  Neffe  ge- 
festigt, ist  dem  Wldsid  und  der  nordischen  Jynnunrek.sage  fremd*  und 
auch  dem  Hitdebrand^ilicdc  n(X'li  unbekannt  Sie  war  ai»ci  im  8.  Jahrh.  noch 
nicht  mier  (\oc]\  nicht  allgemein  vollzcigen.  Aus  den  unklaren  Angaben  von 
Deors  Klage  (§  13)  kaiui  die  Verbindung  beider  Sagen  und  die  Ersetzung 
Odoakers  durch  Ennanarich  nicUi  mit  Sicherheit  gefolgert  werden.  Aber  im 
lo.  JaJirh.  war  der  Anschluss  vollzogen,  wie  die  Quedlinburger  Annalem, 
oder  vielmehr  die  gemeinsame  Quelle  der  Quedlinburger  und  Würzburger 
Chronik,  lehren  (§  18).  Es  heisst  dort,  Ennanarich  habe  den  Tlieodorich, 
seinen  Neffen^  aus  Verona  vertrieben  und  im  Exil  bei  Attila  zu  verweilen 
gezwungen,  instimulante  (hioacro  patntde  suo  "'.  tWoaker  erscheint  hier  also 
in  der  Rolle  des  bOsen  Ratgebers,  Bikkis  oder  Sibidis,  doch  ist  nicht  ausser 
Acht  zu  lassen,  dass  nach  dem  Wortlaut  der  Stelle  nur  die  Vertreibung 
Dietrichs,  nicht  die  unmittelbar  vorher  erwähnten  Gewrdtlhatcn  Ermanarichs 
gegen  seinen  Solm  Friedrich  und  gegen  die  Harlungcn  den  RUnken  des 
Odraker  zugeschrieben  werden.  In  dieser  ganz  vereinzelten  Angabe  wird 
kaum  ft-irkliche  Volkssage  vorliegen,  sondern  nur  ein  Versuch,  Geschichte 
tmd  Sage  in  Einklang  zu  bringen.  Eckchard  von  Aura  polemisiert  gegen 
diese  vulgaris  fiihuhtio  {Ilds.  S.  41). 

[Zu  dtcflcm  %  \m.,  ausser  <lcr  »ll^mcincn  tu  §  39  .irüffEihitcn  Li[ti.T3ti]r  Ober 
die  ost^tüche  SAgc.  vor  aILcih  Jiricxek,  DHS.  1,  tw — (49  ^^  vcr(;kiL-licii.j 
§  45.  Die  verschiedene]!  Fassungen  der  Sage  von  Dietrichs  Vertrei- 
bung, Exil  und  Rückkehr,  wie  die  I*».  c.  284  ff.  und  die  mhd.  Gedichte 
von  Alpharts  TikJ,  Dietrichs  Flucht  und  der  Rabenschlacht  sie  darbieten, 
xeigen  das  wachsende,  bis  zum  Unverstand  gesteigerte  Streben  nach  Häufung 
seiner  Thaten  und  Schicksale  zur  grösseren  Verherrlichung  seines  Helden- 
ruhms und  seiner  CharaktergrcVsse.  Die  älteste  und  einfacliste  Gestaltung  der 
Sage  ergab  sich  aus  den  Andcutungwi  des  iUldebrandsliedes:  sie  enthfllt  als 


■  Olierluupc  ist  Dietrich  «m  Bern,  »enn  nun  von  der  tiii{>rüaarkri|ia  III  und  der 
duaiu  nur  grrnlf^tcn  riocAcmletoinc  m  Ouf>r.  II  absieht  ($  30},  ira  Norden,  cnt  dureb 
<Ue  nitfdcitteutub«,  lo  der  Ps,  kodHizicnc,  Sa^cnimwandcrung  des  13.  Jahrhs.  bekannt  ge- 
worden. Die  ilucbvredische  Kokatcitdn&cbrift  dcuici  nur  auf  KvnnuiU  einer  Kdtcnüinw; 
des  bistomdien  Gotcnköniga;  über  Spuren  cin<,rt  mythischen  DictridiMbeatcuer*  in  der 
Hrölb  laga  Gauirekssonar  s.  unten  %  4.8.  —  Auch  bei  den  Angeluicbaen  hat  die  E>ietridi*> 
sage  nur  jtcringe  Verbreitung  erlangt  (s.  Biiur,  PBB.  20.  212  ff.). 

'"  Et^vu  »pÜter  hctut  in  tjW  d<rr  dritte  iUt  Brildcif  A\x  an  Ermannrich  die  Ermor- 
dung ihres  Vaters  r^bcn,  AUdasarus  (AJJaiare  Q,  OJoatro  W),  Auch  hier  beruht 
Odosker  auf  gekbrtvr  Kumbinatiun  nls  HerüächLT  in  Italien  «wischen  Knuanaiich  und 
Tbeoddridi  (»,  Heiniel,  Ottgeth.  Hel^ms.  S.  3  f.).  Beide  Stellen  nihren  offenbar  nicht 
voo  demscibai  Intcrpolalur  her  (vgl.  §   18), 

44* 


eliarEktcristisctie  Punkte:  Flucht  vor  Üüoakcr  (Enuaiuidch),  drcissigjähriges 
Exil  beim  Hunnenkönig  Attila,  kriegerische  Heimkehr  (^  14.  44),  Die  mhd. 
Quellen  und  die  Vs.  dagegen  stimmen  darin  überein,  dass  der  endlichen 
Rückkehr  Dietrichs  iii  sdn  Erbland  ein  misslungener  Wiedereroberungs- 
versuch  vorhergeht.  Allein  in  dieser  erweiterten  Fassung  lassen  sich  ver- 
schiedene Etappen  auf  dcT  Balin  der  Sagcnbiidong  unschwer  unterscheiden. 
Einen  missglftckten  Versuch,  sein  Lan<l  wiederzugewinnen,  der  selbstverständ- 
lich mit  einer  Niederlage  enden  mussie  und  anfanglich  auch  wirklich  so 
endete,  hat  die  Sage  »chon  früh  eingeschaltet,  zunächst  wohl  mit  dem 
Zwecke,  die  thatenlose  Zeit  des  in  der  Überlieferung  feststehenden  dreissig-., 
txler  zweiunddrcissigjJlhrigen  Exils  durch  Handlung  auszuföllen:  Anspielungen 
in  der  KJago  1973  ff-  UM.  S.  133  ff.)  deuten  auf  diesen  Sagentypus,  den 
auch  das  Nibeluiigeulied  vorauszusetzen  scheint  und  der  allein  verstandlich, 
und  somit  als  verhältnismilssig  lu^prünglich  zu  betrachten  ist.  Nach  einem 
unglücklichen  Wledereroberungsversucli  seines  Landes  wurde  Dietrich  ge- 
zwungen, zu  Etzel  zurückzukehren.  Bald  muss  aber  diese  natürlichste  Form, 
der  Sage  komplizierteren  Fassungen  weichen.  Zuntlchst  werden  die  Ereigiüsse 
bei  der  Vertreibung  aUi^csclunückL  Nach  der  rs.  flielit  Dietrich,  gewarnt, 
vor  Ermanarich,  der  mit  seinem  Heere  anrückt,  zu  den  Hunnen;  naih  jün- 
gerer Auffassung  muss  er  sicli  nadi  einer  Niederlage  seinem  Oheim  auf 
Gnade  und  Ungnade  ergeben;  noch  später  gewinnt  er  zwar  die  Schlacht, 
geht  aber  dennoch  ins  Elend,  um  seine  gefangenen  Mannen  zu  befreien. 
Die  beiden  letzten  Fonncn  der  Vertreibungssagc  sind  in  »Dietrichs  Flucht« 
imgescliickt  verbunden;  die  driuc  imd  offenbar  unursprünglichste,  die  auch 
vAlpliarts  Tod*  und  der  Aiüiang  zum  HB.  keimen,  scheint  der  Wolfdietridis- 
sagc  nachgebildet,  und  selbst  der  alle  Berchlung  von  Meran  erscheint  in 
typischer  Rolle  als  Herlurnm  von  Hole  (d,  i.  Pola  in  Istricn)  wieder. 

Ebenso  lassen  sich  in  der  Darstellung  des  WIedercrobcrungsvcrsucties 
verschiedene  Stufen  der  Sagenbildung  unterscheiden.  Weim  die  f*s.  die 
Rabenschlacht  siegreich  für  Dietrich  enden,  diesen  aber  dennoch  ins  Exil 
zurückkehren  lässt,  so  ist  dies,  wie  der  Vei^leiih  mit  der  Klage  ergiebt,  be- 
reits eine  jüngere,  durch  den  Tod  der  Helchcnsöhne  nur  ungenügend  moti- 
vierte, Erfindung.  Aber  damit  noch  nicht  zufrieden,  lässl  die  mhd.  Über- 
lieferung in  der  uns  vorli<'gfndeii  Form  vim  Dfl.  und  Rab.  den  Helden  in 
einer  ganzen  Reihe  von  K.'iinpfe»  siegen,  aber  dennodi  sein  Reich  meiden 
und  fremden  Sdiutz  suchen.  Dreimal  erreicht  Dietrich  das  ersehnte  Zid, 
aber  jedesmal  tritt  er  freiwillig  ins  Exil  zurück.  Bei  aller  Unverständigkeit 
dieser  Motivhäufung  mangelt  es  In  diesen  Dichtungen  doch  koiiieswegs  an 
alten  Zügen,  die  auf  historische  Liwier  zurilckgrhen,  aber  ixnllküriich  aus  dem 
ursprünglichen  Zusammenhat)  g  gerissen  und  beliebig  angebraclit  worden 
sind. 

Unursprünglich  ist  auch  Dietrichs  endliche  friedliche  Heimkehr,  wie 
sie  die  Klage  und  I^s.  c.  .V)5  ff.  berirhten.  Da.ss  er  der  alten  Sage  nach  an 
der  Spitze  eines  hunnischen  Heeres  sein  Reich  eroberte,  bezeugen  das  alte 
Hildehrandslied  und  die  Quedlinburger  Annalen.  Die  friedliche  Rückkehr 
braucht  mit  dem  vergeblichen  Wiedereroberungsversuch  nicht  notwendig  zu- 
sammenzuhängen. Vielmehr  ist  eine  Sagcnfonn,  wdche  neben  der  Nieder- 
lage in  der  Rabenschlacht  und  der  daraus  sich  ergebenden  erneuten  Zuflucht 
bei  Etzel  noch  die  Wiedcreruberung  des  Erblandes  kautile,  mit  Walirschein- 
Kchkeit  vorauszusetzen.  Auf  die  Umwandlung  der  kriegerischen  Heimkehr 
in  eine  friedliclie  mag  dann,  wie  Heinzel  ( Oitgolh.  Hcldem.  S.  ^o  f.)  annahm, 
die  Verbindung  Dietrichs  mit  der  Nibelungen kataatrrtphe  von  Einfluss  gewcsenj 


Dietricrssaoe:  Ausbilduko  der  Sakk.     Episoden. 


693 


sein,  in  welcher  Etzets  und  Dietrichs  Mannen  fielen,  sodass  eine  Eroberung 
Italiens  mit  Waffengewalt  durch  diese  Vuretellung  ausgoschlLWsc«  wiirdc. 
Aber  eine  Nitxierlage  ohne  spatere  AiLswetzung  der  Scharte  kann  niemals  in 
der  Absicht  der  alteren  Sage  gelegen  haben:  erst  die  Auffassung,  dass  Die- 
trich in  der  Rabenschlaclit  siegt,  aber  .seinen  Sieg  nicht  weiter  verfolgt,  er- 
möglichte die  Annahme  einer  friedürhen  Rückkehr  in  sein  Land.  In  der 
Klage  sind  allere  luid  jüngere  Vorstellungen  verbunücn. 

Mattin.    DltB  a.  XLIX  f.;    Wc^-cncr,  ZfdPh.  Ergamuiigsbi  S.  447  fT.;  s. 

am-h  die  zii  §  20  ^A^m,   8  und  9)  /ilicrtc  LilU-ratiLr.   [Jiric/ck,   DHS.   I,    156 — 

ml 

§  46.  An  den  Kern  der  Kxitsagc  knüpften  sich  Episoden.  In  die 
Kampfe,  welche  sich  an  Dietriclis  Vertreibung  aus  Bern  anschlusscn,  fallt 
die  Tötung  eine^s  jugendlichen  Helden  durch  Witege;  mit  der  Rabenschlacht 
verbunden  ist  die  rührende,  gewiss  einmal  in  eigenen  Liedern  besungene, 
Ermordung  der  beiden  jungen  Söhne  Etzels  und  der  Ilelche  {Orte  und 
Etp/e  Bit.  5334,  Orte  und  Scharpfe  Rab.,  Oi-h^in  und  Erpr  ^s.)  ebenfalls 
durch  Witege,  entweder  allein  oder  unter  Bei«itand  Heimes  oder  eines  an- 
deren Helden.  Jener  jugendliche  Held,  spater  Nuotfntie  (Nib.  1637,  Roseog. 
D  3iO,  K.  t .  332,  vgl.  /Aä.  S.  1 1 1  f.)  oder  Alphart  (Alph.  Tod.  \-gl.  Hds. 
S-  213).  scheint  anfanglich  Dietrichs  junger  Ürudcr  Dittktr  gewesen  zu  sein, 
dessen  Tud  die  Sage  sjiater  mit  dem  der  Helchcnsölme  verband:  letztere 
Gestillt  kennen  die  !^l^rek.ssaga  (c.  333)  und  die  Rabenschlacht,  sowie  An- 
spielungen im  Eckenliede  1158  f.  und  im  Meier  Heluibredit  76  ff.  (MÄ.  Nr. 
51).  Die  Vermutung,  es  habe  bei  der  Sage  von  den  Helchensßhnen  eine 
dunkle  Erinnerung  an  den  Auszug  der  beiden  jugendlichen  Helden  Sarus 
und  Amraius  {Syrii  und  Ham|>cr)  gegen  Ermanarich  und  ihren  Fall  vorge- 
schwebt (P.  E.  Müller,  Sagabtbi.  IL  :!48.  Martin,  DHB  2,  XXV),  ist  nicht 
genügend  begründet;  sie  ist  auch  entbehrlich,  seit  durch  Heinzeis  glücklichen 
Nachweis  der  historische  Hintergrund  diL-scr  Episode  aufgedeckt  worden  ist 
Der  Fall  der  jungen  Sohne  Etzels  in  einem  unglücklichen  Kriege  der  Hunnen 
gegen  die  Goten  {Ernianarich)  in  der  deutschen  Didilung  des  r 3.  Jahrhs.  ist 
eiu  schwacher  Nachklang  der  hüttorischen  Sage  von  den  Kflmpfen  der  Ge- 
piden  und  Goten  unter  Theodemer  und  seinen  Brüdem  gegen  die  Söline 
Attilas  {§  7);  speziell  der  Fall  von  Attilas  Lteblingsaohn  Ellak  am  Flusse 
Nedao  in  Pannonien  wird  früh  in  der  gotischen  Sage  gefeieil  worden  sein, 
und  wenn  in  der  mhd.  Dichtung  Witege  der  Töter  vou  Etzels  Sölmeu  ist, 
so  spiegelt  .*^ich  auch  in  diesem  Zuge  die  Erinnerung  an  Witt^*.^  historisches 
Urbild  ab  (§  47).  (n  merkttürdiger  Weise  lasst  sich  hier  die  ungemeine 
Zaliigkeiit  der  epischen  Überlieferung  Ireobachten:  historische  gotische  Sage 
des  5.  Jahrhs.  leuchtet  mitten  aus  den  wirren  Fabeleien  spater  Erfindung  mit 
der  unverkennbaren  Farbe  alter  Einzcldichtung  hervor,  d'.»ch  so,  dass  von 
der  ursprünglich  gewiss  reich  ausgebildeten  und  anders  umrahmten  Sage  nur 
noch  die  sprechendsten  und  daher  uiiverwüsllit:luiteu  Grundeleraenle  übrig 
geblieben  sind  V 

An  Dietrichs  Rückkehr  nach  langem  Exil  hat  sich  früh  der  uralte  Sageu- 
stuff  von  dem  Kampfe  zwischen  Vater  und  Sohn  geknüpft,  der,  anfanglich 
tragisch  endend  (§  14),  in  der  Fassung  des  jüngeren  HildebrandsHedes  {%  20), 
wovon  in  der  fs.  c.  406  ff.  eine  altere  Gestalt  benutzt  ist,  humoristisch  aus- 
gebeutet wurde.  Die  bei  den  verschiedensten  indogermaniscben  Völkern 
verbreitete  Sage  ist  in  Deutschland  auf  eine  Figur  der  Dietriclissage  über- 
tragen worden  (ii  47);  die  Frage,  inwieweit  die  germanische  Überlieferung 
von  dem  mit  dem  Falle  des  Sohnes  endenden  Kampfe  mit  den  ihr  zimächst 


694 


XIV.  Heldensage.    Die  eixzelnes  Sagenkreise. 


stehenden  Versionen  hei  Griechen,  Iraniem,  Kelten  und  Slaven  auf  eine 
gemeinsame  mytlilsdi -heroische  Grundlage  zurückzuführen  ist,  kann  hier 
nicht  erf>rtert  werden'. 

1  Martin,  DHB  2.  XXlIIff.;  Hcinzel,  Ojtgofh.  Mridrnt.  S.  syff.  (Jiri- 
czck,  DHS.  I.  308 — i's].  —  '  [Die  wcitÄhithlijjc  LitliTRiur  über  diesen  Stofi* 
findet  sich  jetzt  bttjucm  EUMmincn^cslellt  bei  Jiriczi>l<.   DffS.   I,  375 — 3^9]. 

§  47.  Unter  Dietrichs  Helden  sieht  in  der  Sage  seinem  Herm  am 
nächsten  sein  aller  Etzieber  und  Waffenmeister  Hildebrand,  in  welchem 
eine  Gestalt  der  ostgotischen  Ubcrlief(^rung  festgehalten  ist;  ani  nächsten 
liegt  jener  Gensimund,  durch  dessen  Treue  nach  dem  Zeugnis  Cassiodors 
(Var.  VIII,  y)  den  unmündigeti  AmalerbrUdem  Walanier.  Theodemer  und 
Widiraeir  die  Krone  erhalten  blieb,  docli  der  Typus  des  erfahrenen  Fürsten- 
erziehers und  Hofmeisters  ist  so  allgemein  in  der  altgermatuschen  Poesie  wie 
tni  wirklichen  Leben,  dass  nach  einem  bestimmten  Vorbilde  nicht  gerade 
gesucht  zu  werden  braucht  Auf  ihn  hat  die  deutsche  Dichtung  die  Sage 
von  dem  Kampfe  zwischen  Vater  und  Sohn  Obertragen  (§  46),  und  mOg- 
tic!icn*'eise  ist  vun  dorther  auch  der  Name  Hihiehrand  tlcT  typischen  Figur 
der  historischen  g-ttischen  Sage  zugekommen'.  Um  Hildebrand  gruppiert 
die  Sage  ilas  Heldengesclilecbl  tlei  Wii/^/ij^e  (ags.  IVylßn^as,  an.  }7jiiif;<tr), 
dessen  alter  Name  von  der  Dietrichssage  ursprflnglich  wohl  unabhängig  war, 
aber  allerdings  auf  ostgennanisclien  Ursprung  weist*.  In  demselben  rageo 
WoUhart,'  Hildcbrands  Srhwcstersitbn,  der  Typus  des  jungtn  ung:cstümen 
Recken,  un<l  Wolfharis  Bnider  Alphart,  an  dessen  erledigte  Stelle  dann 
Sigestap  tritt,  hervor;  aber  auch  <lcr  In  den  Rosengarten  zur  konibichen 
Hauptfigur  gewordene  Mönch  Ilsan  gilt  als  Wftlfing.  Diese  in  den  ver- 
schiedensten Differenzierungen  erscheinende  Sagcngeslalt  scheint  ihren  Aus- 
gangspunkt zu  find<.'n  iu  dem  Typus  des  HQters  und  Zuchtineisteis.  als 
welcher  er  in  der  Kaben  seh  lacht  unter  dem  Namen  Eisän  auftritt  Seine 
PflichtversäumnJs  bcisstc  er  anfangs  ilurch  den  Tod,  spater  durch  ein  Leben 
im  Kl<wtier  (Moniage),  das  endlicli  nach  bekannten  Musien»  zu  der  burlesken 
Gestalt  des  groben  und  streitsüchtigen,  aber  auch  streitbaren  Mönchs  (QhTte.. 
Der  Jlst/n*;,  dem  im  Laurin  der  Zwergkönig  zur  Bekehrung  überlassen  werden 
soll  [DHU  I,  LIII),  ist  auch  nur  eine  besondere  Entwicklung  dieser  tnter- 
e.<Lsanten  Figur '. 

In  Witege  und  Heime*,  die  s<*hon  der  Widsid  als  Gesellen,  und  zwar 
als  vertriebene  Recken  (-wurfcfin).  unter  dem  Gesinde  Emianarichs  kennte 
hat  die  jQngere  Heldensage  den  Typus  des  treulosen  und  kAuflicbcn,  kalt- 
herzigen und  finsteren  Kampfers  doppelt  verkörpert:  bald  stehen  sie  zu  Diet- 
rich, bald  zu  Ermanarich,  ursprünglich  aber  zu  diesem.  Die  Gestalt  Wiieges 
fimiet  in  zwei  bist«  irischen  Persönlich  keilen  eiTu'n  Anhaltspunkt.  Als  Kämpfer 
Ermanarichs  geht  er  oluic  Frage  zurück  auf  jenen  VitU^ota  Gotbornm  Jortissi- 
mui,  der  nach  Jordancs  c.  3^  Sanna/iim  Mo  ocatbnit  und  nach  c  j  vom 
Volke  in  Liedern  gefeiert  wurde.  "  WüH^uja  (mhd.  Witefpfujve,  als  selbständige 
Figur  neben  Witege  auftretend  in  Dfl.,  Rah.  und  Anhang  zum  HR,  s.  Hdt^ 
S,  2 17  f.  326;  daneben  als  Kurzform  nihd.  M'i/cf>t,  ags.  MW^,  U'ii/ia,  in 
der  Pi.  l'iä^a)  muss  ein  westgoüscher  Held  gewesen  sein,  der  aber  auch  in 
der  ostgotisdien  Sage  bekannt  war;  als  Gegner  der  Hunnen,  welche  im 
Epos  die  Stelle  der  Sarmaten  einnahmen,  trat  er  bereits  früh  zu  Ermanaiich 
in  Beziehung.  Mit  geringerer  Sicherheit  darf  in  dem  Kampfer  Dietrichs  eine 
Erinnerung  an  den  hisinri-schen  (iotenk«>nig  Witigis  gesucht  werden,  der  in 
Ravenna,  das  in  der  Sage  Witege  an  Ermanarich  ausliefert,  kapiiplierle  (53OM0)* 
immerhin  liesse  sich  durch  die  Annahme  eines  doppelten  Ursprungs  die  eptache 


Oberiflu ferro Ue  Witegcs  ansprcclieml  erkUirtn.  Für  Heime  (aga.  IJäma)  fehlt 
jede  liistorische  Ankiidpfiing ;  wie  er  zu  Witege  gesellt  wurde,  ist  vtMIig  dunkel, 
und  weiter  iJlsst  sich  nur  vermuten,  dass  er  durch  seine  Verbindung  mit  Witege 
erst  zu  Ermanarirh,  <lann  auch  zu  Dietrich  in  Beziehung  trat  und,  wie  sein 
Geselle,  als  Überläufer  aufgefasst  wurde.  Von  Hauüc  aus  scheint  Heime  elicr 
inytliLsrh  als  historisch.  Aber  auch  fCir  Witege  mus*  es  dn  mnhisrhes  Pro- 
totyp gegeben  haben,  oder,  schärfer  ausgedrückt,  es  ntflssen  auf  den  historisch- 
epischen  Widijiauja  (Witigo)  die  Thaten  eines  ursprünglich  von  ihm  ver- 
scliieclenen  mvthisrh-hernischen  Riesenbek-lmpfers  übertragen  worden  sein. 
Aus  den  zerstreuten  Nachrichten  von  Riescnkampfen,  die  Witege  und  Heime 
zusammen  bestehen,  s.diupf«^n  wir  die  dunkle  Einsicht,  dass  in  einer  ahen, 
nur  in  Trümmern  und  armlichen  Resten  erhaltenen,  Sage  Witege  und  Heime 
Notgesiatlen  waren,  dass  sie  zusammen  zu  F.rmanarich  Obertratco,  indem 
Witege  mit  der  geschichtlichen  HeldengestaJl  des  Widigauja  verschmolz, 
spater  auch,  sei  es  nun  durch  die  Beriihning  Witeges  mit  Witigis  oder  durch 
die  Cbertragung  von  Tufas  Verrat  auf  ihn,  zu  Dietrich.  Auf  weitere  ZOgc 
cinzugclicn,  durch  wdchc  Witege  und  Heime  sich  als  halbmvtbische  We.sen 
ausweisen,  ist  untlnmlich;  auHi  die  in  der  ^s.  c.  132  ff.  nach  einer  munteren 
niederdeutschen  Spielniannsdiclitung  erzSlilten  Abenteuer  von  Witege  und 
Wildeber  (vgl.  §  ip)  müs.<;en  hier  übergangen  werden.  Die  Verbindung  Wi- 
teges mit  Wieland  wird  in  g  65  berührt.  An  Heime  ist  zuletzt  ein  Montage 
geknüpft;  nach  der  rs.  c.  454  wird  er  Manch  im  Kloster  Vadinctisan  (d.  i. 
das  um  1170  gegnmdete  IVflnionstratenserkloster  Wcdinchüsen  in  Westfalen: 
PBB.  9,  491),  während  er  in  Tirol  mit  dem  Kloster  Wihen  bei  Innsbruck 
verknüpft  wurde.  Die  jungen  tirolischen  Lokalsagen  von  Haimn  und  seioem 
Drathenkampf  sind  für  die  Heldensage  unverwertlwir". 

Nur  lose  mit  der  Dietrichssage  verbunden  ist  Dietleib,  Über  dessen 
eigentliche  Sage  wir  nur  unvollkommen  unterrichtet  sind.  In  Süddeulschland, 
wo  das  Gedicht  «von  dem  Abelen  wibc  \ZE  Nr.  28,  5)  eigene  Lieder  von 
einem  Kampfe  Dictleibs  mit  einer  Meerfrau  bezeugt  (s.  auch  Roseng.  A.  1 19 
und  Laur.  1304),  ist  er  in  Steiermark  lokalisiert.  In  der  ^s.  dagegen,  die 
von  I*eüeifr,  dem  Sohne  Biturulfs,  einen  ausführlichen  Bericht  bietet  (r.  iii  — 
12q).  welcher  neben  recht  willkürlichen  Elementen  auch  schöne  und  offenbar 
echte  Züge  enthfllt,  spielt  die  Sage  von  dem  in  seiner  Jugend  stumpfen  Hel- 
den, in  dem  pliitzlich  die  angeborene  Kraft  zum  Durchbruch  ktimmt,  an  der 
Ostsecküste;  I'etleifr  heiss-t  'der  dänische«,  und  noch  im  Bit.  n>0<_)  giebl  sich 
Dietleip  für  den  finnischen  RtNt-ken  Frunte  aus  (Srhönbach  S.  29).  Aas  den 
erhaltenen  Trümmern  die  urs])riinglic]ie  Sage  zu  ers«  hliesseii,  ist  nicht  mehr 
ni(*jglich:  den  ersten  Anspnich  auf  Echtheit  haben  unleugbar  die  Überliefe- 
rungen vim  Dictleibs  blöder  Jugend  —  in  der  I's.  durch  seine  I-okallsicrung 
nach  Ttimmaporp  auf  Schonen  bezeichnet  —  und  von  seinem  Kampfe  mit 
einem  Meerungeheuer.  Jiriczek  will  als  Kern  der  alten  Sage  einen  Kampf 
mit  einem  WasscrdSmon,  wie  Beowulfs  GrendelbezwinKung  und  die  lango- 
bardische  Lamissinsage,  erkennen;  er  verweist  somit  die  Dietldbsagc  in  den 
Kreis  der  Nord^elieldeii sagen  und  nimmt  spütcre  Wanderung  der  nieder- 
deutschen Sage  nach  Tiberdeutschland  an«. 

Dass  einige  Helden  aus  der  Wotfdielrithsage  in  den  Sagenkreis  Dietrichs 
von  Bern  üüirgctrcien  sind,  als  dieser  mit  der  .Auffassung  von  Bern  als  Bonn 
an  den  Nie<lerrhein  gelangte,  ist  in  ^  34  bemerkt  worden.  Auch  Sigcstap, 
dem  die  Sage  den  Titel  eines  Herzogs  von  Bern  giebl  ^Nib.  3ii)5,  r)  und 
den  sie  zu  Dietrich  allein  unter  allen  dessen  Mannen  in  eiu  nahes  verwandt- 
schaftliches Verhältnis  setzt,   mag  ursprünglich  dem  rheinischen  Bern-Bonn 


«96 


XIV.  Heldensage.    Die  einzelnen  Sagekkrsise. 


angeh(3rai:  der  Name  scheint  eher  ein  mfrk.  (=i  obd.  Si^tfap/),  als  ein  obd., 
mit  ahd.  stah  as.  sla/  zusammengesetzter,  Name  zu  sein :  Mona,  Heldens.  S.  67. 
ZE  Nr.  26,  4. 

Je  mehr  die  Sagen  sich  um  Dietrich  zusammenballen,  um  so  deutliclier 
wird  das  Streben,  seine  Helden  7u  einer  Zwölfzahl  zu  vereinigen.  Hiess  ur- 
S|>rünglich  Dietricli  selbst  der  Amdung  [u  Pe'odrfc  was  Amulin^  bei  Aelfrcd: 
ZE  Nr.  5,  j;  Amuiung  Theoderic  in  den  Qucdl.  Ann.*;  der  junge  Ameiunc 
noch  Dfl.  5655),  so  wird  ÄmtUtnue  oder  Bemttn  nun  der  Gesamtname  für 
seine  Recken.  Die  2!wölfzaliL  kennt  die  ^ittrekssaga,  zehn  Amelunge  kennt 
das  Nibelungenlied,  neun  die  Klage,  wahrend  im  Biterolf  ihre  Zahl  von  zehn 
bis  dreizehn  schwankt  und  in  späteren  Gedichten  noch  grössere  Zahlen- 
angaben sidi  finden.  Über  die  Zwülflcämpfc  Dietrichs  und  seiner  Helden 
—~  das  IQ  den  Gedichten  vom  R(»sengartcii,  im  BiteroU.  in  den  Isungcn- 
kampfen  der  t*s.  und  in  der  Virginal  benutzte  Moüv  —  ist  in  §  32  geliandelt 

>  ZE  Nr.  3;  Kauffraarin,  FntgaiK für  Sitrtvrs  .S.  156  ff.  [Jiriczek,  DHS. 
I,  373  fl.].  —  *  Mullctihoff,  ZHA.  II,  iSj.  23,  170.  /leavu// S.  90;  Verf., 
PBB.  4,  176  ff.  [Jiricztk,  n//S.  I,  29lf.J.  — 3  Müllenho  ff, /)i/^  l,  LUf.; 
HoU,  KotengarleM  S.  CVII  f.  [JirUzeW,  DHS.  I,  Slöff.].  —  »  Mfillcnborf, 
XfdA.  i3,i55ff.(=-?£Nr.  3);  Uhtand,  Sehr.  VIII,  541  ff.  \yix\cte)t,  DHS.  I, 
392 — 308).  —  *  Sccraüllcr,  Die  H'i/ferur  Grünättn^^ssage  ia  der  Zeitschrift  dt-s 
Kerdiiuindcunis  für  Tirol  und  Vorarlberg  1895.  S.  I  ff,  {vg\.  AfdiV  21,  332  t); 
[Jiru-Jtck.  DHS.  I,  300.  J2of.].  —  ^  Hds,  S.  139.  215.  XL'  Nr.  23,  i.  28,  5. 
DH/i  I,  Lf.;  Schönbaeb,  Übfr  ttü  Sagt  rcn  Hit.  i»nd  Dfetl.  S.  28  ff. 
[Jiricjck,  liHS.  I,  321—326.  33t}. 

1}  48.  Die  Annahme  eines  mylhischea  Dietrich  ist  durchaus  abzu- 
lehnen; seinem  Ursprünge  nach  ist  Dietrich  von  Bern  rein  historisch,  und 
alle  die  Kflmpfc  tnit  Riesen,  Zwergen  und  Ungeheuern,  welche  die 
deutsche  Sage  in  hunter  Verschiedenheit  auf  ihren  Liebling  häuft,  sind  erst 
sekunder  an  ihn  geknüpft  oder  auf  ihn  Übertragen  worden.  Dietriclis  unge- 
meine Beliebtheit  in  den  Kreisen  der  Bauern,  namentlich  in  den  etlichen 
Gegenden  Obcrdcutächland:».  aber  auch  In  den  sachsJächeti  Landen,  schon 
durch  die  Qiiedlinhnrgcr  Annalcti  bezeugt  (§  y)  und  durrh  vielfache  Zeug- 
nisse bis  ins  1(5.  Jh.  nachweisbar  {ffds.  Nr.  117.  122b.  izq,  4.  130.  133,  2. 
133  b.  133c.  136.  147.  ZJFNr.  30.  76.  Uhland,  5VÄr.  Vni,  340  Anm.  r),  erklärt  es, 
dass  seine  Figur  ein  Sammelpunkt  für  frei  umherschwebende  Züge  der  niederen 
Mythulugic  werden,  ja  dass  sie  geradezu  in  ältere  mythische  Sagen  eintreten 
konnte,  die  ursprilngli<-h  van  einem  gottlichrn  oder  heroischen  Wesen  erzShlt 
wurden.  Der  besunders  von  Uhland.  mit  grösserer  Beschränkung  aber  audi 
vim  Andern  vertretenen  Meinung,  das.s  in  Dietrichs  RicscnkSrnpfen  alte 
Mythen  von  Donar  fortleben,  kann  also  die  Berechtigung  nicht  von  vorn- 
herein abgesprochen  werden.  Zwar  darf  dabei  nicht  übersehen  werden,  dasi«, 
wenn  auch  die  Existenz  und  die  Verehrung  eines  südgermanischen  Donner-' 
gotles  durch  sichere  Zeugnisse  feststehen  und  in  der  Natur  der  Sache  be- 
gründet sind,  doch  von  einer  reichen  Entwicklung  eines  Donarkults,  wie  der 
Thorrikultus  bei  NorW'^em  und  I.slJlnilcni,  in  Deutschland  nicht  viel  zu  \et' 
.spüren  ist.  Andererseits  freilich  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  die  Aus- 
bildung von  Gewittemiythen.  an  den  Herni  des  Gewitter*  geknüpft,  in  der 
epischen  Form  von  Riesen kilmpfen,  in  den  Alpen  auf  ganz  derselben  natOr-] 
liehen  Voraussetzung  fussen  würde  u-ie  im  skandinavischen  Hochgebizge. 
Undenkbar  ist  es  also  nicht,  dass  die  ältesten  Dämonen  kämpfe,  wdche  sich 


*  Allcnlinü»  kann  Aclfrcilä  Notiz  in  seiner  BoethiusQbeneUun;;  aus  histpriscfaer  Quell« 
stammen   (Bin/.,    PBB.  30,  llj);    gewlM    l»   dl<s   oiunnebmca    ßlr   die   Qocdl. 
(Schtäder,  ZfdA.  4I,   36). 


an  Dietrich  von  Ben»  iuitehnten  und  die  allem  Anschein  nach  aus  Gewitter» 
mytbcn  hervorgegangen  sind,  Ausläufer  früherer  Donarmythen  sind.  Dass 
aber  in  diesem  Falle  die  Sage,  auch  des  Friedensfürsten  Theodorich  einge- 
denk, ahe  Überlieferungen  von  dem  durch  seine  Riesenkampfe  den  friedlichen 
Anbau  achützeaden  Baucragotte  zu  neuem  Glänze  erhüben  hatte  {Uhland, 
Sehr.  Vin,  380 ff.),  ist  kaum  glaublich:  Hass  Theodorich  durch  Urbannachung 
versumpfter  Landstrcckeu  den  Feldbau  gefordert  tial,  kam  für  die  Sage  so 
wenig  in  Hetrarht  als.  abgeselten  von  dem  allgemeineji  Faktum,  steine  dreissig- 
jahrigc  Friede nshcrrsthaft  überhaupt.  Vun  einem  •mythischen  Dietriche  kann 
also  jedesfalls  nur  in  dem  Siime  die  Rede  sein,  dass  auf  den  Rcmcr  mythi- 
sche Sagen  Übertragen  worden  sind,  in  denen  er  die  Rolle  einer  ursprüng- 
lich mythischen  Persr»n  übernahm,  nicht  aber  in  dem  Sinne  \V.  Grimms,  als 
aei  mit  dem  historischen  The»-'durich  ein  älterer  mythischer  Henw.  etwa  eine 
Hypustase  Donars,  zusammengeflossen. 

An  dieser  Stelle  kommen  nur  die  ursprünglich  selbständigen  I^kalsagen, 
die  sich  an  Dietrich  angelehnt  tiaben,  in  Betracht,  wobei  allerdings  nicht 
immer  festzustellen  ist,  ob  diese  Verbindung  von  Stoffen  der  niederen  My- 
lhoUi>jiL'  mit  der  Gestalt  des  beliebten  Sagenlieldeii  sich  in  der  mündlichen 
Valksiradition  oder  in  der  Dichtung  der  Spielleute  vollzogen  hat.  Andere 
»mythische«  Dictrichsabenteuer  sind  wilde  Schüssünge  der  entartenden  Volks- 
sagc  oder  reine  Erfindungen  spater  Pueten:  so  der  Hauptinhalt  derVirginal, 
deren  Riesen-  und  Ürachenkämpfe  zwar  teilweise  auf  älterer  Grundlage  be- 
ruhen, aber  durch  weitgehende  Umbildung  unil  wülkürliche  ^udichtung 
kaum  noch  in  den  Bereich  der  Heldensage  fallen,  femer  Dietrichs  Kfimpfe 
mit  dem  Wunderer  (§  20  Anm.  i,))  und  mit  dem  riesischeu  Paare  Grim  und 
Hilde  (I^s.  c.  16  f.).  wohl  auch  der  mit  dem  Riesen  Sigenot.  Endlich  werden 
einzelne  märchenhafte  Züge  aus  der  Wolfdietrichssage  herstammen,  ein  Vor- 
gang, der  ja  in  dem  Berichte  der  I*s.  c.  417  ff.  {§  30)  klar  vorliegt  und  auch 
sonst  leicht  begreiflich  ist  (s.  auch  Heiazel,  Os/golh.  Helens.  S.  75  f.).  Einer 
kurzen  Erörterung  beilürfen  die  ÜbeHicferungen  von  Dietrichs  Gefangenschaft 
bei  Riesen,  die  Eckensagc  und  die  an  Dietrich  geknüpften  Zwcrgcnsi^eu. 

Das  Motiv  von  Dietrichs  Gefangenschaft  l>ei  Ritisen*  scheint  der 
älteste  der  mit  seiner  Heldenfigur  verbundenen  märchenhaften  Züge.  Es  er- 
scheint aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bereits  in  dem  zweiten  ags.  Waldere- 
Fragmcnte  (§  13)*,  wird  bestätigt  durch  eine  Anspielung  im  Alphart  (Str. 
252  f.)  und  hat  breite  Ausführung  gefunden  in  der  Virginal  (Str.  315^791), 
freilich  verquickt  mit  allerlei  ungehörigem  halbhOfütchcn  Kram.  Dietrich  ist 
danach  einmal  in  die  Gefangenschaft  oder  in  die  Gewalt  von  Dämonen 
(Riesen)  geraten  und  durch  einen  seiner  Helden  ( Witcge :  Wald,  und  Alph.) 
oder  durch  seine  Helden  Oberhaupt  (Vii^.,  unter  ihnen  auch  Witege)  befreit. 
Ob  auch  die  Faijcl  des  Sigenüt  und  die  Gefangenschaft  bei  dem  Zwergkünigc 
I-aurin  auf  denselben  alten  Sagentypus  zurückgehen  —  in  beiden  Versionen 
ist  Hildebrand  der  eigentliche  Befreier  — ,  bleibt  zweifelhaft.  Eine  in  der 
ganzen  Anlage  und  in  verscJiiedenen  Rinzelzügen  zur  Virginal  stimntende  Er- 
zahltmg  bietet,  «ie  Heinzel  erkannt  hat,  der  Schluss  der  nurdisdieu  Hröi/s 


*  FrcUkfa  ist  dw  SuUe  dunkel  und  mehrdeutig.  Es  wird  auf  «in  Ereignis  angespteh, 
wobei  Widia.  WiLonds  Sohn,  den  Throdric  'aiia  Klemmen  befreite«  {of  nfarwum  .  .  .  tU 
/arUt):  'ühet  /i/e/it  grftaid  eülc  er  davont.  ^ma  fi/tf)}a  gr/eald  >0«:ülde  (dtr  Unge- 
heuer, Rieacn)<  bedeuten  kCJnot?,  i«t  zweifelhaft,  und  bei  der  AuttaMung  von  nfaru  als 
(tiefti^nisi  (vgl.  Etenc  711)  bleibt  <ter  PUinl  miffallentl.  Aber  allerdin^  «pdchi  dcr 
-Ztoammenhang  »lark  für  Hein/cI»  Deutung  {Üsigoik.  HeUens.  S.  72  f.);  s.  auch  Cosljo, 
Venl.  cn  Med.  der  Kc-n.  Akad.  van  Wci.  Afd.  Lctt.  III,  la.  70  f. 


698 


XIV.  Heldeksagb.    Die  eihzelksn  Sagexkreise. 


Saga  Gautrekssnnar  (FAS.  TU,  165  ff.;  Detter,  Zit-^i  FornaldarzHgur  58,  25  ff.)^ 
in  weklieni  die  Sage  auf  einen  scliwedisch-gautischen  König  Hrölfr  öbcr-j 
tragen  ist.  Anspielungen  in  den  Hyndlulj<»[»  22,  wo  neben  anderen  Held< 
derselbe  t'i'irir  Jämskjtjidr,  der  in  der  Saga  eine  so  bedeutende  Rolle  spielt, 
als  Gefolgsmann  Hri'>lfs  des  Alten  genannt  wird,  foliren  weiter  zurück.  >RfÄte 
oslgotisrhcr  Sage«  freilich  wird  man  nicht  mit  Heinzel  in  dieser  Überlieferung 
erblicken  dürfen,  denn  wt-dcr  werden  in  den  Hyiidl.  die  Mannen  Hn'ilfs  als 
»AbkAmmlinge  <les  ostgotischen  Rrmanarich^  angedeutet",  noch  d«rfen  wir 
die  Ansiltze  zur  Mylbisierung  Dietrichs  —  auch  der  Gegner  Hrölfs  in  der 
Saga  ist  n<ich  zauberlcundig  —  bereits  bei  den  Goten  suchen.  Die  Braiit- 
faJirt  der  HriMfssaga  ist  eine  in  die  menschliche  SphJlre  versetzte  Uindicbtung 
eines  in  Deutschland  mit  Dietrich  verbundenen  ÄlSrchenstoffes,  der,  worauf 
auch  die  Anspielung  im  ag»;.  Waldere  und  die  vermutliche  Heimat  der  Vir- 
ginal  föliren,  sich  in  alenmnuischer  Sagenpflege  an  die  Dietrichssage  angelehnt 
haben  wird.  Der  Norden  hat  aber  den  Stoff,  spHtesiens  im  10.  Jahrb.,  be- 
reits aU  Dietrichsabenteuer  empfangen,  da  die  Virginalepis(K!e  und  die  be- 
treffende Partie  der  Saga  auf  eine  gemeinsame  Sagenfnrm  zurückgehen  massen, 
die  bereits  dem  Verfasser  des  Hyndluliedes  vorlag,  und  nordisch  umgebildete 
Helden  des  Dictrichsagrnkreiscs  (Hildebrand  und  Wolfhart?)  noch  erkennbar 
durchschimmern. 

In  der  Eckensage*,  welche  in  zwei  Berichten,  die  mittelbar  auf  ge- 
meinsame Quelle  zurückgehen,  dem  nur  m  verscliiedenen  .jüngeren  Umarbei- 
tungen erhaltenen  oberdeutschen  Eckenliede  (§  20)  und  einer  Erzalilung  der 
f s.  c.  1)6  ff.  vorilegt,  ist  eine  mythische  Cberiieferung  von  Kämpfen  mit 
Stunndamonen  auf  Dicm'i  h  übertragen.  Das-s  Dietrichs  Gegner  in  dieser  Sage 
Gestalten  der  niederen  ^lytliolngie  ^ind,  ist  unbestreitbar:  Eck(  (*A^a)  »der 
Scbrecker*,  sein  Bruder  Väsoll  mit  den  langen,  in  Zupfen  gebundenen  Haaren, 
der  in  einem  Wettersegen  {,1A-M.'  IH,  4*54)  angerufen  wird  das  Welter  ■weg- 
zuführen«, und  seim:  sonstige  Sippe,  sowie  die  ilrei  KOnigiimen  auf  Joch- 
grimm,  welche  Ecke  entsenden  und  denen  in  der  heutigen  tirolischen  Volks- 
»age  drei  uralte  Hexen  entsprechen.  geh"»ren  in  den  Kreis  der  Wind-  und 
Wetterdilmonen.  Die  Sage  ist  in  der  I*s.  in  Kied erdeutsch land  und  am  Rhein, 
im  Uede,  abgesehen  von  der  ersten  unechten  Strophe,  in  Südrirol  lokalisiert: 
dass  ihre  ursprüngliche  Heimat  die  TircJer  AJpenwelt  gewesen  ist,  kann  einem 
Zweifel  nicht  unterliegen ;  ja  noch  in  der  Fassung  der  Ps.  tritt  in  einzelne« 
Zogen  die  süddeutsche  Tnivenienz  hervor,  so  wenn  Dietrich  c.  99  sein  R<»ss 
an  einen  Ölbaum  bindet.  Es  hat  sich  also  die  Sage  erst  spAter  in  der  Ge- 
gend von  ( >sning  und  Drachenfels  angesiedelt,  wo  dann  auch  Züge  der  fränki- 
schen Wolfdietrichssage  in  sie  Obergingen.  Wann  Dietrich  in  diese  AIjÄn- 
»age  eingetreten  Ist,  ta.sst  sich  nicht  ermitteln;  SchlO-sse  aus  dem  ags.  Komen- 
material  (P6B.  zo,  216)  sind  gewagt,  und  direkte  Zeugnisse  fehlen  vor  dem 
13.  Jahrb. 

Eine    Zwergensage*   findet   sich    an   Dietrich   geknüpft   im  L;iurin   und 
im  Goldemar.     Letzteres  Bruchstück,    das  durch  den  Anhang  zum  HB.  und 
eine  Anspielung  im  Reinfried  von  Braunschweig  ergünzt  wird  {DHB  5,  XXIXf.), 
scheint  eine  sehr  ahnliche,   wenn  nicht  dieselbe  Sage  benutzt  2u  haben, 
wir  RJe  in  weit  hütischerer  Gestaltimg  aus  dem  Laurin  keimen.     Ein  ZwergJ 
könig  (LatiHn,  Goldtmärj  hat  eine  schöne  Jungfrau  {Künhill.  Dietleibs  Schwester 


*  Die  Worte  allir  bcrmr  /\frmumrtkii  u.  t.  w.,  die  in  drr  Hs.  auf  Str.  as^--*  MgmJ^^ 
(«hören  jin  ein«  uidn-c  Sirll«  de*  tiedichu  und  h^xlehrn  »ich  gar  nJchi  auf  die  hrr^' 
Hritf%  cm  gumla  (r.  Buggc.  Aik.  I,  251  ff.  und  meine  Ausg.  S,  1S5  f.). 


DiSTRICHSSAGE:  LOKALSAGXN  AK  D.  AKGXLEBMT.     D.*S  EnDB.       699 


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in)  l^ur.)  gpraubt,  die  Dietridi  mit  seinen  Helden  ihm  weder  abnimmt.  Dt«e 
Sage,  offenbar  eine  erst  sekundär  an  Dielrirh  ond  seine  Helden  angelelinlc 
tiroÜRche  Volkssaije.  ist  im  Golderaar  selbständig  geblieben,  im  Laurin  da- 
gegen mit  dem  Rosengartenmotiv  verbunden,  indem  Dietrich  {oder  Wi(ege) 
den  wunderbaren  Rosengarten  des  Eibenkönigs,  den  die  heutige  Volksüber- 
Ijefcnmg  in  die  Gegend  von  Meran  oder  von  Bozen  verlegt,  anfsncht  und 
zerstört.  Eine  Abhängigkeit  der  Laurinfabel  von  der  Goldeiiiarfabel  darf 
aber  daraus  nicht  gefolgert  werden;  vielmehr  inarhen  die  Versrhiedenheiten 
beider  Quellen  im  einzelnen  bei  der  allgemeinen  Ähnlichkeit  des  epischen 
Stoffes  es  wahrscheinlich,  dass  Dietrich  auch  in  diesem  Falle  sclion  in  der 
mündlichen  Traditii^n  in  die  Sphäre  der  niederen  Mythologie  übergetreten 
und  der  Trilger  eines  Zwergen-  oder  Elbenmarrhens  geworden  ist.  In  einer 
salzburgischen  Urkunde  um  die  Mitte  des  11.  Jalirhs.  erscheint  der  Name 
Luaran  [ZE  Nr.  17);  ob  ilicser  aber  als  Zeugnis  für  die  Sage  von  Laurin, 
dessen  Name  Schwierigkeiten  bietet,  gehen  darf,  ist  zweifelhaft. 

[Zu  dirscm  §  ist  jirt/i  vrir  nilmi  der  AWhiiitl  tDietricht  KtiDpfe  mit  nijthi- 
«cbon  'W'wwfi'  in  JiricJsolts  D/iS.  I,  182  —  271  ni  vergieichen.)  —  '  Heinzel. 
Oitgotk.  f/elderu.  S.  70  ff.;  DeLt«>r,  /v^'  FsmaldarsSgur  S.  XXXIX  f. 
[Jiriczek,  DHS.  I,  310— aaa],  —  »  H<U.  S.  245  fF.  ZE  Nr.  26,  2.  30,  3; 
Zinijerle,  Oerm.  l,  I30ff.  ZiUPh.  6,  301  ff.  Tirol.  Sogen  Nr.  347;  Uhlind, 
ÄAr.  VIII,  539  ff.  548ff.i  Zupitza,  Df/li  5,  XLIII  (F.;  Vogl.  ZfdPIi.  »5, 
I  ff.  [Jiricick,  Df/S.  I,  1B5— 210].  —  >  Müllcnhoff.  /?////  i.  Xl.IIIff.; 
Zupil/a,  DH/I  5,  XXIX  f.;  Ho!/.  I^urm  S.  XXXV  f.  XXXXl  ff.  [Jiri- 
ci!*k,  DHS.  I,  349— 2531- 

§  4Q,  Die  Sage  Ulsst  Dietrich  am  Ende  seiner  Laufbahn  geheimnisvoll 
verschwinden.  In  verschiedenen  Variatiunen  wird  berichtet,  dass  der  Held 
auf  einem  schwarzen  Rosse  so  schell  entführt  worden  sei,  dass  keiner  ihm 
habe  folgen  können  (//./r.  S.  ^2f\.  54.  520.  338.  475  f.  ZE  Nr.  2\,  7.  30,  ib. 
52,  2.  78).  Vermutlich  ist  diese  Überlieferung,  die  in  sehr  ähnlicher  Form 
im  deutschen  Texte  der  Gesta  Knmanonim  von  einem  rOmischcn  KOnig 
Antioclius  oder  Symmachus  crzUhll  wird,  in  Italien  auf  Dietrich  übertragen, 
hat  aber  in  Deubtdiland  schnelle  und  willige  Aufnahme  gefunden:  nicht  nur, 
weil  von  Dietrichs  Ende  in  der  allen  Sage  nirliis  verlautete,  s^indem  auch 
in  dem  Bestreben,  um  den  Hingang  des  herrlichsten  Helden  den  Schleier 
des  Geheimnisses  7x\  weben.  Dictrii-h  stirbt  nicht;  er  wird  entrückt,  um  zur 
geeigneten  Stunde  wieder  aufzuleben:  nach  dem  Anhang  zum  HB.  führt  ein 
Zwerg  ihn  hinweg,  d.  h.  in  den  Berg,  und  die  Volkssage  reiht  ihn  als  wilden 
Jäger  in  das  grosse  Heer  ein  oder  lasst  ihn  als  unheilverkftndenden  Warner 
in  schwerer  Zeit  erscheinen.  Der  zu  Anfang  des  ij.  Jahrhs.  in  Deutschland 
verbreiteten  Sage  hat  sich  schon  frflh  die  Kirche  bemSchugt,  deren  Hass 
sich  TiiccHlorich  durch  seinen  Arianisnms,  sowie  durch  sein  Auftreten  gegen 
Boethius  und  Svmmaclms  angezogen  liatte;  sie  gestaltete  sie  in  der  Weise 
um,  dass  sie  den  Ketzer  gleich  bei  seinem  Tode  in  den  Vulkan  «Kler  zur 
Hölle  fahren  Iflsst.  So  erzählt  Otto  von  Freising  [ffds.  Nr.  24),  und  er  deutet, 
indem  er  hinzufügt:  ftiiic  puio  fahulam  iUam  traduflam .  i/iin  rufgo  tiifilur: 
Thfodorieui  virus  eijua  stiUns  aii  in/ervs  deseettdit,  die  von  seiner  Quelle,  einem 
Dialogus  Gregors  des  Crn.fscn,  abweichende  Volkssage  an.  Im  Wartburg- 
kriege Str.  168 — 173  (Simmrk)  erscheint  dann  die  römisch-katholische  Le- 
gende mit  der  V<:.lkssage  von  der  Entrftckung  Dietrichs  durch  einen  Zwerg 
kombiniert.  Eine  weitere  Konsequenz  war  die,  das»  die  entartende  Sage  dem 
Helden  teuflische  Abstammung  zuschrieb:  H<pgni  schilt  ihn  einen  Sohn  des 
Teufels  in  der  t*s.  c.  jgi,  der  Anliang  zum  HB.  weiss  mehr  davon  (Hds. 
S.  331).    Diese  Überlieferungen    von   Dietrichs   Geburt   und    Ende   smd  »o 


wenig  wiL-  der  Fcucraltm,  der  ihm.  jcdoeli  erst  in  der  roher  werdenden  Volks- 
dichtung, im  Kainpfzome  aus  dem  Munde  fahrt  —  in  dem  fÄrAigdien  Högni- 
liede  ist  Tidrikur  Tatnarson  vollends  zum  feuerspeienden  Drachen  gewoitien 
— ,  als  Stützpunkte  für  eine  mytlmche  Dietriclissage  verwendbar. 

Schoccgc,     Thfod9rich   der  Grosse   m  der  kirchlichen   Tradition  des  Mittet- 

atiers  und  in  der  dettlichen  Helilensagr:  Deutsche  Zs.  f.  Grscliichtswü».  1 1  (1894) 

S.    18  ff.  [Jirici(clc,  DliS.   I,   262  —  271]. 

III.  Etzelsa(;e. 

S  50.  Wie  ein  mvthisclier  Dietrich,  so  liat  auch  ein  mythischer  Attila 
in  der  Heldensage  keinen  R;ium.  So  wen^,  wie  die  Identität  DietrichB  von 
Bern  mit  dem  ost'tt 'tischen  Thckdurivli.  bezweifelte  das  MittelaUer  die  That- 
saclie,  d:iss  mit  dem  HunnenkCmige,  welcher  in  der  Sage  mit  den  Geschicken 
der  Nibelungen  und  Dfetriclis  von  Bern  su  eng  verknüpft  ist,  dessen  Residenz 
die  süddeutsche  Sage  nach  Ofen,  die  norddeutsche  nach  Soest  verlegt  kein 
anderer  gemeint  ist  als  der  geschichtliche  Attila.  Sein  Name  hat  sich  in  der 
über-  und  der  niederdeutschen  Sage  in  lautgesetzlicher  Weise  entwickelt  (mhd. 
Etzel  au«  ahd.  E:ziio,  altnd.  *Alti/o  >■  *Atio,  wor.ius  ags.  ^Eila,  an.  Atlt)*, 
Den  Iiistortsciien  Namen  seines  Vaters  (nach  Prl-^cus  MovvdtovxtK)  hat  die 
.Sage  zw;ir  durch  einen  andern  ersetzt  (an.  HuitU,  mhd.  liotelunc).  In  dcni 
mhd.  Bhedel  oder  BlatUHn  [ßlöititn  {*s.)  Ist  dagegen  in  volkselymologischtr 
Umformung  Attilas  Bruder  Bled.i  (ßÄ»)*5«f  bei  Priscus,  IHgfia  Jord.  usw.;  goL 
*ßU<iila},  agb.  BUHlii  im  Liber  Vitae:  Kngl.  Stud.  21.  447.  liUtla  in  den 
Qucdl.  Ann.,  s.  ZfdA.  41,  28  f.)  imvcrkcnnhar,  und  die  nunlische  Cbcrliefe- 
rung,  welche  diesen  Namen  niclil  kennt,  mag  d.x*h  in  decn  Zuge,  dass  von 
vier  Brüdern  Allis  ZM-ei  im  Kampfe,  wie  es  scheint  im  Bruderkriege,  gefallen 
sind  (.\tlin.  ,se,  vgl.  47*),  eine  Erinnerung  an  den  Tod  Bledas  durch  seineu 
Bruder  und  Mitrrgenten  (444/445)  bewahren.  Etzeis  erste  Gemahlin  Hekht 
{Herckt;  Htrkja  in  der  oiipr.  III.  Erka  fs.:  s.  ZfdA.  10.  i;of.)  ist  ebenfalls 
hiatorisch;  es  ist  der  Name  vf>n  AttiUis  eigentlicher  GemaliUn.  die  Priscus 
KQfxa  nennt.  Attilas  Tod  in  der  Brautnadii  an  der  Seite  der  jtmgcn  Udico 
bat  die  älteste  Gestalt  der  Nilwilnngeusage  (§  29),  seine  Verbindung  mit  den 
Ostgoten  und  insbesondere  mit  Theodemer.  den  die  Sage  mit  seinem  grosseren 
Sohne  verwccliselte  {g  44),  die  Sage  Dietrichs  von  Bcni  ediallen,  und  unsere 
süddeutschen  Quellen  kennen  Ktzel  überhaupt  nur  in  ßezieliuiig  mit  anderen 
Sagenhelden,  den  ßuigundcn,  Dietrich  imd  Walther  von  Aquitanien.  Die 
Auffassung  von  Attilas  gewaltiger  Persiinlichkeit  ist,  wie  bereits  in  §  31  aus- 
geführt wurde,  eine  wesentlich  verschiedene  in  der  nordischen  Nibelungen- 
dichtvmg  und  in  der  deutschen  Epik  der  AI]ieiilandei.  Don  lebt  in  dem 
Bilde  des  scbatzcgierigtm,  treulosen  und  grausamen  Tyrannen  die  frankische 
Vorstellung  der  »GottesgeisseU  fort,  hier  die  idealisierende  seiner  ostgotischen 
Verbündeten:  an  die  Stelle  des  blutdürstigen  Barbaren  ist  in  der  nbeideut- 
schen  Dichtung  der  milde  und  edelmütige  Friederxsfürst  getreten,  der  nur  ge- 
zwungen oder  zur  Wahrung  der  bedrohten  Rec-htc  seiner  Scliützlingc  zu  den 
Waffen  greift  (s.  Vugt.  Zfcll'h.  ^5,  414  f.;  Kdcgel,  Gesrh.  d.  </.  LiU.  I,  2,  ibjf.). 
Eine  Mischung  der  Lradltionellen  frankisch- nordischen  und  der  gotiscb'obet- 
deutschen  Auffassung  finden  wir  in  der  I'idrekssaga. 

•  Ag».  ALila  (nicht  *£.lla  =  mhd.  £twl)  weist  mit  ilcm  alui,  Ailt  nuf  eine  Altstcdct- 
fIent*chF  fi|-nkopicrtc  Form  *Alh  ztirück,  die  noch  Knj;Un>t  und  Skandia«%icn  wanden«; 
9.  Kluge,  Entil.  Sind.  21,  447.  Die  Komi  Attila  in  «Itr  l's.  vcrrii  Anlchouii£  txi  Jet 
hiiitariacben  XamcQ, 


I 


Eine  reicher  ausgebildete  Etzetsage  ist  nur  durch  die  I*s.  fflr  Nicder- 
deutschland  bezeugt,  und  in  ihr  hx  vieles  nachweislich  jüngere,  speziell 
niederdeutsche  Sagenbitdung.  Als  alte  Faktoren  einer  selbständiger  Sage 
von  Attil.1  darf  die  Sagenfnrschung  nur  in  Anspruch  nehmen  die  Vorstellung 
von  seinem  glanzenden  Hufe,  der  ZunuchtsstAtte  vertriebener  Recken,  seine 
Vermählung  mit  Hek'lie,  Oscrichs  T<K:hlcr,  und  sein  enges  Verhältnis  zu 
Rodjger.  Die  I*s.  c.  42 — 56  kennt  eine  ausführliche  Sage  v«iii  der  Entführung 
Erkas,  der  Tochter  des  Königs  Osantrix  van  Vilcinaland,  für  Attila  durch 
dessen  vornehmsten  Dienstmann,  den  sie  bald  als  einen  Herzog  RoSolfr,  bald 
iJs  den  Markgrafen  Ro^n^eir  von  Bokaiar  (Bt(htlänn)  bezeichnet  Man  er- 
kennt unschwer,  dass  diese  nach  einer  frischen  und  munteren  niederdeutschen 
Spiel  mal  lasdichtuug  erzählte  Brautwerbuagssage  imr  eine  Umbildung  anderer, 
zunächst  wohl  der  Osantrix- Rothersage,  Ist.  Eine  Spur  dieser  Entfiihrung 
Helches  in  uberdeutschcr  Dichtung  bietet  die  Anspielung  im  Bit.  370  f.  (vgl. 
1962).  Aus  den  sparsamen  Zeugnissen  anderer  Quellen  crgiebt  sicli  mit 
Bestimmtheit  wenigstens  so  viel,  dass  OserUh  (Osantri.x)  im  Epos  der  alte 
Vertreter  der  Wilzcn  und  Wenden  war,  von  denen  auch  in  Oberdeutschland 
gesungen  wurde  (ZfdA.  u,  340  ff,),  dass  seine  Tochter  ursprünglich  öipirin 
(Waltliar.  123.  3gO}  hiess,  die  einmal  in  der  Sage  neben  Helche  als  Attilas 
Gemahlin  galt,  dann  aber  vor  dieser  [Ösericha  ki»l  Bit  1962)  verschwand, 
dass  endlich  KiUligcr  zu  Attila  und  dessen  erster  Gemahlin  bereits  verhältnis- 
mässig früh  in  Verbinctuivg  gesetzt  worden  ist  Was  aber  liJsst  sich  in  Be- 
treff Rüdigers  ursprflngliclier  Gellung  und  Bedeutung  vermuten? 

Rüfdeger^,  des.scn  N'iune  (ahd.  Ifnwiii^rr)  nur  den  ruhmvollen  Krieger  an- 
deutet, erscheint  im  Kpos  als  Etzels  mächtigster  Vasall,  sein  Feldherr  und 
VcTlrauter,  das  Ideal  der  Heldcnlugcnd  einer  milderen  Zeit:  freigebig,  auf- 
opfernd, pflichtgetreu,  vaUr  aller  tu^cmie.  Als  Hüter  und  Schutzpatron  der 
Österreichischen  Lande  unter  der  Enns,  der  alten  deutschen  Grenzmark  gegen 
die  Ungarn,  früh  anerkannt,  zu  Becheluren  an  der  EHaf  als  Markgraf  lokali- 
siert, trat  er  zu  Etzel  von  selber  in  Beziehung.  Von  .-ieiner  Herkunft  weiss 
das  mild.  Epos  nichts,  mid  es  ist  ohne  alle  Bedeutung,  wenn  es  seine  Heimat 
bald  nach  Arabien,  bald  nach  Mailand  verlegt;  da«»  er  als  heimatflQchtig 
(eUrniie}  gilt,  versteht  sich  für  einen  Lehnsmann  Etzels  s«.«  von  selbst,  das* 
man  nicht  nach  Gründen  fflr  diese  Auffassung  zu  suchen  braucht.  Mit  Etzel 
tritt  er  in  die  Dielrichssage.  mit  Dietrich,  dessen  er  sich  nach  seiner  Flucht 
vor  Ermanarich  aimimmt,  tritt  er  in  die  Nibelungensage  ein  (S  31),  und  die 
Dichtimg  wird  nicht  müde,  das  Bild  des  edlen  Markgrafen  mit  ihren  schönsten 
Farben  auszuschmücken.  Indem  sie  ursprünglich  anderen  beigelegte  Funktionen 
auf  ihn  Obertriigt  wird  er  der  Warner  der  Nibelungen  (§  32)  und  der  Hüter 
der  HekhensGhnc;  zweimal  ist  er  Etzels  Frelwcrber,  und  sein  tragischer  Tod 
durch  das  eigene  Schwert  hat  der  österreichischen  Xibelungendichtung  den 
Ausgangspunkt  geboten  für  das  ergreifendste  und  menschlich  rührendste  Seelen- 
gemälde,  das  die  gesamte  Poesie  des  Mittelalters  kennt  Lieder,  in  denen 
Ro^erim  <omts  mit  Dietrich  gefeiert  wurde,  erwühnt  um  liöo  Metellus  von 
Tegcmsec  (Iltis.  Nr.  31),  imd,  wenn  AvcntJn  zu  Anfang  des  16.  Jahrhs.  die 
Notiz  wiederholt,  fügt  die  deutsche  Übersetzung  hinzu:  Mar^räff  HuJtnger 
....  otä  dem  man  noch  viel  sin^t  vnti  saget  {fftis.  Nr.  13^^  I**).  Zwar  ist 
Rüdiger  spater  in  die  Geschichte  aufgenommen  und  als  erster  historischer 
Markgraf  der  Otlonenzeil  und  unmittelbarer  Vorgänger  des  ersten  Baben- 
bergers  in  den  Anfang  des  10.  Jahrhs.  gerückt  worden  [ZE  Nr.  42),  allein 
diese  Erfindung  des  ausgehenden  15.  Jalirhs.  kann  seine  lustorische  Grund- 
lage nicht  wahrscheinlich   machen.     Mythischen    Ursprung  fand  Laclunann 


7oa 


XIV.  Heldensage.    Die  einzelnen  Saoenkrei&e. 


(Anm.  S.  338)  glaublich,  und  Mollenhtiff  und  v.  Muth  haben  diesen  Ge- 
daukcEi  verfolgt.  MüUcnhuffä  Deutung  des  >KCiedegcrinytiiuä''  als  nigiscbc 
Umbildung  des  aJKtn  Harliinpeninythu!*  ist  feinsinnig,  aber  doch  mehr  eine 
kühne  Rtrki'nstruküun  als  eine  der  ihaii^tcUJichen  Überlieferunß  sieb  an- 
schmiedende Hv'i)i>Uic?ie:  ganz  haltlos  .sind  die  luythdlogtscheu  Kombinationen 
V.  MuOis.  Allem  Anscheine  nach  ist  Rüdiger  weder  historisch  noch  nuthiscli, 
öuudem  eine  reiu  poetische  Gestalt,  ein  Typus  der  Dichtung.  Dasa  aber 
die  Figiir  des  erflen  Markgrafen  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahrhs- 
in  die  Nibclungendichtung  eingefügt  worden  wSre  nauh  dem  Musler  deutscher 
Kri^er,  die  sich  als  I^bnsleute  östlicher  Naclibam  genütigi  salien  gc.'gen  ihre 
Volksgenossen  2u  kümpfen,  uie  neuerding«  H.  LSuimerhirt  wahrscheinlich  zu 
machen  .sucht,  der  sogar  den  Bischof  Pilgrim  von  Passau  (s.  §  15)  für  die 
liinschaltung  dieser  Episode  verantwtirllicb  maclicn  nuXlile,  ist  nicht  annehm- 
bar. Der  Pflichtenkonflikl  Rüdigers  ist  nicht  die  Grundlage,  sundein  die 
Spitze  der  an  ihn  gcknupfien  Uii-titung,  sein  Eintreten  in  die  Nibelungensage 
kann  von  der  cntwheidenden  Rolle  Dietrichs  von  Bein  nicht  gelrennt  werden 
<§  SOi  ui^'^  "'^"  1'^*  keineswegs  das  Recht,  die  Verknüpfung  Rüdigers  mit 
Etzcl  und  durch  diesen  mit  Dietrich  ausserhalb  der  Xibelungendichtung 
kurzer  Hand  :üs  späte  Erfindung  abzutrennen.  Das  Rüdtgerprubicm  ist  aocli 
nicht  gelöst. 

Als  junge  ZuwCldise  des  Sagenkreises  von  Altila  und  Dielrich  sind  die 
Kriegszüge  gegen  slavische  Vfilkct*  zu  betrachten,  die  besondere  aus- 
fülirlicb  die  Ps.  c.  2gi — 31,'i  erzählt,  von  denen  aber  auch  süddeutsche 
Quellen  und  Zeugnisse,  darunter  das  §  20  erwähnte  mhd.  ßrudistück  von 
Dietrichs  Zweikampf  mit  dem  Polcnkönige  WenezSän,  zu  berichten  «isseu 
(vgl.  Bit  6538  ff.  Klage  1728  ff.,  sowie  die  Anspielungen  in  Rudolfs  von  Ems 
Alexander  und  beim  Manier  //äs.  Nr.  57.  üo).  Merkwürdigerweise  hat  sich 
aber  in  dem  wichtigsten  dieser  Kampfe,  dem  gegen  Waldemar  von  Russkind  und 
dessen  Sohn  Dietrich  (I^s.  c.  2<-)i  (f.),  eine  alle  historische  Erinnerung  edialteu 
au  die  Streitigkeiten  Theodorichs  mit  seinem  Namensvetter  Theodorich  (Strabo), 
<!cm  Sohne  des  Triarius,  einem  gotischen  Häuptling,  dessen  sich  der  byzanti- 
ni-sclie  Hof  bis  zu  seinem  Tode  (481)  jnit  Erfolg  gegen  die  Amaler  bediente. 
Ohne  Frage  ist  er  das  Prototyp  des  l^ictrekr  Valdemarsson,  der  in  der  J*s.  in 
einem  Kriege  Attilas  gegen  Waldcmar  vo]i  Russland  von  Dietiich  gefaii}^-u 
genommen,  aber  auf  Erkas  Verwendung  aus  seiner  Haft  befreit  wird  und  ent- 
flieht fc.  300  f.);  in  der  oberdeutschen  Cberliefcrung  ist  der  Triarier  nur  noch 
dem  Namen  nach  bekannt  als  Dittrich  iton  Kriechen  {//ds.  S.  219),  der  Gegner 
Theodörichs  ist  hier  zum  Kampfer  Etzels  geworden.  Schimmert  in  diesem 
Zuge  noch  ein  trüber  Nachklang  gotischer  Sage  durch,  so  müssen  dagegen 
mit  G.  Storni'  in  den  Kämpfen  Attilas  und  Dietrichs  mit  Wilzen  und  Küssen 
in  der  niederdeutschen  Sage  sagenhafte  Umgestaltungeu  der  Züge  der  deul- 
ächen  KHi:ter  ans  dem  sächsischen  Hause,  besonders  der  Ottoneu  mid  Hein- 
rich in.,  gegen  slavische  Völker  gesehen  werden,  die  im  11.  und  12.  Jahih. 
in  Nieder deutscliland  sich  mit  den  Sagen  von  Attila  und  Dietrich  mischten 
und  durch  die  Spielleuie  auch  nach  Oberdeulscliland  gelangten,  vermutlich 
etwa  gleichzeitig  mit  der  Ortnitsage  (>^  37). 

1  Mülk-nbolf,  7M.K.  10,  162  T.  30,  237  f.  249  f.;  voo  Muth,  Dfr  Afrlhtu 
vom  Markgrafft*  Rüdrgfr  (Wiener  SB.  I-XXXV,  165  ff.):  LStnmerhirl,  'ZliL\. 
4r,  I  ff.  —  «  Müllenholf,  ZidA.  I2,  379;  W.  Muller,  Mylh.  dtr  deMtuhm 
Heldem.  S.  154  ff.  —  "  G.  Siorm,  <\arb.  f.  nord.  Oldk.  1877,  S.  34!  ff,  [Jiri- 
C2ck,  OHS.  I,  131  f.  172-183]. 


ET2ELSAGE.      RÜCKBLICK.  —  WaLTUARISACE. 


703 


u 


* 


IV.  Rückblick. 

|;  3T,  Wenn  u-ir  noch  einmal  einen  Rßclcbliclc  auf  das  Zusammcn- 
■wactiseii  der  dnzelnen  Sagenkreise  werfen,  so  finden  wir  in  Attila  gewisser- 
niassen  <,ias  Ulndeglied  zwischen  Nibelungensagc  und  Dietritlissagc.  Nach- 
dem ejijc  nahe  Verbindung  R\idigcrs  mit  Etzel  und  llclihc  in  der  Sage  be- 
reits hergestellt  war  (S  50),  trat  Dietriili  von  Bcni  zuiu  HuuncukOnige  in 
Beziehung  (§  44),  welcher,  als  Vertreter  alles  hunuischen  Wesens,  in  der 
Ikislurischcn  ßurgundcusage  ISn^t  der  Vcniichtcr  der  burgundischcn  Künige 
geworden  war  (S  21»).  Dieiriili  und  Rüdiger,  an  Eizels  Hofe  lebend,  sind 
dann  in  Österreich  /u>amuicii  in  die  Sage  von  den  Nibelungen  eiiigclreten; 
offenbar  damals,  als  durch  die  grosse  Umgestaltung  dieser  Sage  alle  Schuld 
an  dein  Untergange  der  buigundischen  Helden  wn  Etzel  abgewälzt  und  der 
Kriemhüd  zugeschrieben  wnarde  (§  51).  In  Dietriths  Hand  wird  mm  die 
Entscheidung  gelegt;  er,  der  berühmteste  und  stärkste  Held  der  süddeutschen 
Sage,  übcriiefert  die  burgundischen  Brildcr  ihrem  in  der  Sagt  v<'n  allem  An- 
fang an  fest  V)esiimmten  Srhicksal  und  übt  dann  auch  an  Kricmbild  das 
Werk  der  strafenden  Gerechtigkeit.  Die  oberdeutsche  Sagimfassuug  gelangte 
weiterhin  auch  nach  NiederdeuLschland:  dass  Günther  nach  Ps.  c.  383  schon 
in  der  ersten  Phase  des  Kam|ifes  füllt,  ist  ein  Rest  einer  altniederdeutschen 
Schicht  der  Sage  (§  32);  spatere  Ver^\'imjng  aber  iKler  bewusste  Änderung 
des  Nibclungendiciuers  ist  es.  wenn  im  Nibelungenliede  Hildebrand  an  Die t- 
ridis  Stelle  KricnihüUl  in  Stücke  haut.  In  wahrhaft  grossartiger  Weise  hat 
die  Sage  Dietrichs  Ringreifen  in  den  Nibelungen  kämpf  nicht  durch  seine  Va- 
sallentreue gegen  Etzel  motiviert,  was  der  Vorstellung  von  seiner  überlegenen 
HcldcugrCissc  nicht  cntäprochen  h^tle,  !)t>ndem  durch  Tiauei  und  Grimm 
über  den  Fall  seinc.^  naclustcn  Freundes  Rlhligcr  und  über  d:is  Unglück  st-incr 
eigenen  Mannen.  Ist  nun  diese  Molivierung,  wie  sie  unstreitig  die  schönste 
ist,  auch  die  ursprüngliche,  so  müssen  Rüdiger  imd  Dietrich  ihre  Platze  in 
der  Nibdungciidiihtung  gleichzeitig  eingenommen  haben. 

Henning,  AfdA.  4,  6a  f.  ijF.  31,  7  fl'.  Wesentlich  abweichend  sind  tlie  An- 
«ichten  *-on  Wilnianiu,  ßirifr.  ziir  ürkl.  und  Cfsch.  ifts  AL.  (1877)  S.  60  ff.  (>. 
dam  Licbtcnberger,  S.  307  ffj.  AfdA.  iS,  99  ff. 


E.    WALTHARlSAOr.. 


§  52.  Den  ustgotischen  Sagen  von  Ermaiiarich  und  \un  Dietrich  von 
Bern  reiht  »ich  füglich  die  Sage  von  Walthcr  von  Aquttauien  an,  deren 
Held,  wenn  die  Angaben  über  seine  Heimat  in  Ekkehards  Gedicht  und  in 
eiucnt  Teil  der  mhd.  Quellen  Glauben  verdituien,  der  Vertreter  der  West- 
goten in  der  germanischen  Heldensage  ist.  Die  Waltharisage  liegt  uns 
vor  in  drei  wesentlich  abweichenden  Gestalten.  In  der  ersten,  der  aleman- 
n isch en ,  die  durch  Ekkehards  Wuliharius  (i)  : 5),  die  Anspielungen  im 
Nibelungenliede  und  im  Biterolf  (//t/s.  S.  95  ff.),  sowie  im  Allgemeinen  auch 
durch  die  ags.  Waldere-Fragmente  (§  13)  vertreten  wird,  kämpft  Walther, 
von  den  Hunnui  heimkehrend,  um  seine  Braut  Hildegund,  mit  welüier  er 
an  Attilas  Hof  als  Geisel  weilte,  und  die  entführten  Schaue  zu  beliaupten, 
gegen  Günther  und  zwölf  seiner  Helden,  miter  diesen  Hagen,  auf  dem 
Wa^ensteine,  einer  Höhe  der  Vogesen  unweit  der  Grenze  zwischen  der 
Rheinpfalz  und  Elsass-Lotliringen.  Die  zweite  Fassung  der  Sage,  für  m-elche 
Mülleiüiüff  frünkischen  Ursprung  behauptet  hat,  ist  hauptsächlich  erhalten 
durch  die  auf  eme  niederdeutsche  Quelle  weisende  ErzJÜilung  der  ^itfrekssaga  c 


704 


XIV.  Heldensage.    Die  eixzelnes  Sagenkreise. 


241 — 244:  Vaitari  aj  VaskasUini  hat  hier  den  Kamjjf  um  Braut  und  .Scliatx 
nicht  mit  den  Burgunden,  sondern  mit  den  verfolgenden  Hunnen  zu  bt-- 
stehen,  unter  denen  sich  aber  auch  Hpgni  befindet.  Auch  die  nilid.  Bruch- 
stücke von  Walther  und  Hildcgunde  (§  20)  scheinen  sich,  soweit  die  dürfiigeii 
Reste  einen  sicheren  Schhiss  zulassen,  dieser  Fassung  anzuschliessen,  imd  die 
Anspielung  in  dem  österreichischen  Gedichte  von  dem  Abelen  Weibe  305  ff . 
{ZE  Nr.  20,  3),  derzufolge  die  Liebenden  fmren  tiurch  diu  ricln  also  behauen' 
liehe,  wurzelt  wohl  gleichfalls  in  der  durch  sie  vorau-^sgesetzten  Situation.  Eine 
dritte  Version,  die  polnische',  welche  zuerst  in  der  laieinisclicn  sogenannten 
Chronik  des  Boguphalus,  einer  Kompiktion  des  14.  Jahrhs.,  dann  in  polni- 
schen Chroniken  des  16.  Jahrhs.  berichtet  wird,  zeigt  die  Sage  in  mcrkwür- 
diger  slavischcr  Umbildung  und  durch  eine  späte  Fortsetzung  erweitert,  die, 
wenn  auch  möglich  erweise  schon  in  Deutschland  mit  der  allen  Walüiersagc 
verknüpft,  doch  von  Hause  aus  nichts  mit  ihr  /u  sdiaffcn  hatte.  Der  pol- 
nische Held  Walrzerz  wfiaty  {Walterus  robustus)  entfahrt  die  frSnkbcbe 
Kiinigstochier  Helgiutda,  deren  Liebe  er  durch  nachtlichen  Gesang  gewonnen, 
muss  am  Rliein  mit  einem  alemannischen  Nebenbuhler  kämpfen,  siegt  und 
führt  seine  Braut  nach  seiner  Burg  TyneiT.  bei  Krakaa.  Die  Quelle  für 
diese  Erzühlung  in  der  grosspolmscben  Chronik  ist  nicht  bekannt;  sie  kann 
recht  wohl  ein  I-ied,  aber  auch  mftndliche  Tradition  gewesen  *ein.  Auf  welchem 
W^^  die  Sage  nach  Polen  gelangt  ist,  lässt  sich  nicht  mit  Sichcrhdt  er- 
mitteln. Die  von  Heinzel  [Wn/ifiers.  S.  88  f.)  gebilligte  .Annahme  Nehrings, 
der  die  Überführung  aus  I's.  c.  241  erklärt,  wo  es  von  Eruianarich,  an  dessen 
Hof  Walther  und  HÜdcgund  zurückkehren,  heisst:  er  pä  re'ä  PiUi  (Apulicn), 
welches  Pill  man  auf  Polen  bez<jgcn  hatte,  ist  wenig  wahrscheinlich,  da 
erstens  der  älteste  uns  erhaltene  polnische  Bericht  nicht  auf  eine  rein  litte- 
rarische Entlehnung  deutet,  zweitens  aber  die  polnische  Sagengestalt  nahe 
Berührungen  mit  der  alemannischen  des  Ekkehard  zeigt.  Wenn  die  Lokali- 
sierung der  Walthcrsage  in  der  Nllhe  von  Krakau  sich  nicht  uiunittclbar  aus 
oberdeutschen  Einflüssen  erklären  la.-4st,  so  weist  die  polnische  Version  auf  die 
Existenz  einer  der  alemannischen  Fassung  nahestehenden,  von  der  der  I*s.  nicht 
imbedeutend  abweichenden  Gestalt  der  Walthcrsage  in  Norddeutschland,  die 
im  13.  Jahrh.  oder  bereits  etwas  früher  auf  dem  Wege  des  Handelsverkehrs 
ebenso  nach  Polen  getlrungen  wäre,  wie  umgekehrt  russische  Heldensage 
nach  Niexierdeutschland  gelangte  (g  ,^7)-  In  'Ic  p<^>lnischen  Sage  sind  nament- 
lich zwei  Züge  benierkenswerl.  Erstens  Waltlicre  hcimliclier  näditlicher  Ge- 
sang, mit  dem  er  tlic  Jungfrau  gewinnt  Der  Zug  kann  natOrlirh,  wie  Heinzel 
annimmt  {Walthtn.  S.  go),  aus  der  Hildesage  'ider  einer  ahnlichen  KntfOh- 
rung[ssagc  entlehnt  sein;  wenn  aber  andere  Gründe  dafür  sprechen,  dass  in 
der  Wallhersage  eine  historisierende  Erneuerung  der  allen  Hildesage  zu  sehen 
ist  ($  53),  wi  gewinnt  der  an  Horands  Gesang  in  der  Kudrun  (s.  S  5Ö)  su 
lebhaft  eriimemtle  Gesang  Walthers  eine  erhöhte  Bctientung.  Ebenso  würde 
es  sich  in  diesem  Falle  mit  einer  amieron  Einzelheit  bei  Boguphalus  veriialtcn. 
Wenn  beim  Zweikampf  zmsclien  Watczerz  und  seinem  Nebenbuhler  der  An- 
blick der  Hclgunda  die  Kampfer  neu  kräftigt,  so  tritt  darin  das  Wesen  der 
Kampfjungfrau  und  Tolenerwe«-kerin  Hilde  noch  deutlicher  herx-or,  als  wenn 
im  ersten  ags.  Fragment  das  Müdchen  den  Geliebten  zum  Kampfe  mit 
Gimther  errouniert"  oder  bei  Ekkehard  (Vs.  i  i8of.)  Hildegund  in  der  Nacht 

•  Dass  Hildegund  die  sprechende  Penon  im  erst«  W»lderc-Fragnicnt  i&t,  bolrcil« 
Hein«:!  \\Valihfrsage  S.  6)  mit  Unrerht;  s.  Cosijn,  Ve«l,  cn  Med.  der  K«wi.  Aküd.  v. 
Wel.  AfiJ.  Leu,  III,  I2.  58  fl"„  der  die  fehlende  erste  Halbicile  ansprechend  erg&iutt:  **»J[_ 
/rf  Hiidfg&a  tvgl.  S.  68). 


zwischen  beiden  Kampftagen  wacht  und  singt,  d.  h.  ur^prOnjicIich  wohl  dtireb 
Zauberlietler  die  Gef;illencn  tu  neuein  Leben  erweckte.  Mit  beiden  ZOgen 
weist  die  |xilnische  Sageiiform  intt/  aller  jüngeren  Verwirrung  auf  eine  deulsche 
Cestah  zurück,  die  in  Ein/elhciiieii  Ursprünglicheres  bewahrt  hatte  als  die 
uns  bekannten  Quellen. 

LUtcratur:  J.  Grinini,  Litt.  6V./.  C1B38)  S.  lOi  ff.  ZfdA.  5,  z  fT.;  Mlill«ii- 
hoff.  ZfilA.  10.  163  ff.  13.  27J  ff.  30,  235  f.;  Sch«rer.  Drr  Wasgenatem  m 
der  Sage  ([»74):  KI.  Scbr.  I,  5^3  ff.;  Dk-lcr,  Anglia  10,  1:7  ff.  Il,  15g  ff.; 
W.  Müller,  Mytk.  ,i.  J.  Hf{d<m.  S.  il  ff.  '/.ur  Myth.  rf.  gr.  u,  d.  Hfldrm. 
S.  124  ff.;  Hchiieel.  OUr  die  UtiHitfrfage,  Wien  188«  (jhw  deti  Wierxjr  SB. 
CXVII.  II);  M.  U,  I-c»rncd.  Ihr  Saga  cf  Walther  of  AquUaitK,  Baiümorc 
189:  (bc^uriiic  ZusAlnmcnMcllung  aller  Quellen  uml  Zcugmsüc);  Kuegcl, 
Gfs<h.  d.  d.  Litl.  I,  I,  235  ff.  2,  278  ff.  Haltlfv»  nnrl  die  niyih'*1opschcn 
KambinatiDnen  RyJbcrgs.  Und^rx^nrngar  i  grrmaH.  mylk-tl,  1  (1886), 
742  ff,  ^  '  nie  in  Bt,-(rnc)tl  komniruilt'n  .Slelk-a  mu>  der  Chnmik  des  Ifopipbalus, 
PapnickU  Wii|n«'iilnidi  und  Bit-l-tkis  HolniüchL-r  Chninik  kiml  «m  k-icbtnttcii  «»- 
gjliiglicli  in  HL-inxflh  Schrift  Über  \\\e  Wultdenagv.  <lvr  üIht  ilax  V^-rh^lliit«  ilcr 
QuelleD  S.  27 — 39  und  \ihcr  die  poln.  Si^en;;estJill  S,  88 — 93  prscfaftpfend  liandeli. 
Von  iltcfMT  IJlicratui  sei  erwähnt:  Rischk.'\,  Ober  das  ferMltniSi  der  poin. 
Sagt  von  Halgi^n  wdaty  zu  J^n  deuticfurn  Sagrn  fan  iV.  v.  .Wy.,  Bmdy  188O; 
Knoop,  Ifir  dtuUi/t^  It'ültfttrsage  und  die  polnütht  Sagr  x'o»  WaitÄer  ttnj 
Helguntlty  Posen  1887,  und  aUai  v.  AnLoniewiciC,  AfilA.  14,  £41  ff.  Über  den 
dem  Verf.  nicht  xuKüni>lichcn  Aufutz  W,  Xebrtngs  ii»  Warschauer  Alnieum 
1883  B.  das  Referat  von  Jagid.  Arch.  f.  sUv.  Phil.  8,  353  f.  und  Heinxcl 
S.  88  f.  —  Die  Ltltcratur  über  dos  ffir  den  tvrcitcn  Teil  der  poln.  Saf^  verwandte 
ErjtablimEsmiJUv  von  der  luipv-ircucn  Frau  verzeichnen  Vogl,  Salman  und  Moralf 
S.  LXVI  f.  PBB.  8.  313  ff.;  V.  Antonicwk/.  a.  a.  O.  S.  24,4  ff.untl  Heinj^cl  S.  91. 

§  55.  Weder  über  den  Ursprung,  noch  über  die  HL-imat  der  Walüie^- 
sage  Ulsat  sich  zu  sichtTcn  Ergebnissen  gt-tHUgen.  Der  von  MOllcnhoff 
aufgestellten,  von  Anderen  und  zuletzt  wieder  von  Kocgel  geteilten  Auffas- 
sung gegenüber,  dass  die  Walthersage  wesentlich  tnythisch  und  zwar  eine 
UmCurmtmg  der  alten  Sagt;  von  Hilde  sei,  hat  Heinz cl  in  der  zu  §  52  an- 
geführten srliarfsinnigen  und  lehrreichen  .\blianillung  die  Sage  als  eine  lustrt- 
rische  /u  cTwciscn  gesucht,  die  nur  wetiig  von  einer  lihalichen  niytliischeu 
becinfliL-ist  worilcn  sei.  Nun  hat  Heinzel  un.'^treitig  gezeigt,  (Ias.s  die  .Motive, 
welche  den  epischen  Rahmen  der  Walthersajje  bilden,  die  Vergeiselung  voniehnier 
Jünglinge  in'i  .\tüla.  ihre  FIuclU,  die  Befreiung  gefangener  Frauen  aiui  der  Ge- 
fangerLschaft  des  Imnnischen  Königs,  ilie  Streitigkeiti-n  Ober  Tribut  und  die 
Entwendung  vcm  Schützen,  in  histijrisLhcn  Bericliten.  namentlich  b<n  IViscus, 
ihre  Seltcnstücke  finden  (a.  a.  (').  S.  (>5ff.),  und  da.ss  die  ganze  FJnkleidung 
der  Sage  in  die  Volke rwanderungszeil  weist.  Allein,  um  eine  Sage  als  in 
ihrem  Kenu-  hi.st<^risch  zu  erweisen,  ist  inclir  erforderlich:  bestiiumte  ge- 
schichtliche Ereignisse  und  vor  allem  bestimmte  geschichtliche  Persönlich- 
keiten niüüsen  sich  ungcsucht  darbieten,  wie  in  tler  Burgundensage,  der  /rSn- 
ki.srhen  Dictriirhssjige,  den  .Sagen  von  Emianaricli  und  Theoditrich.  In  Walther 
eine  historische  Persönlii.likeit  nachzuweisen,  Ist  bisher  nicht  gelungen ;  in 
seinem  Gesellen  und  späteren  Gegner  Hagen  sieht  Heinzel  allerdings  .\elius*, 
allein  wer  au  dem  mythischen  Ursprünge  Hagens  in  der  Nibelungensage 
festhält  (S  2ft),  wird  es  auch  in  der  SValthersagc. 

Andererseits  nniss  zugegebe]i  werden,  <ta.ss  Züge,  die  unverkennbar  auf 
t:ine  mythische  Grundlage  weisen,  in  der  Walthersagc  nicht  hervortreten;    in 


*  Vgl.  Heinzel.   NiteluHgrtn.   S,  4  f.    Utrvatartnga  S.  80  f.     Wnhhtn.   S.  63.  75  ff, 

(s.  Literaturb],  1886,  Sp.  4^1  f,  unil  S.  Siiiger,  AfdA,  13,   144  C).     Uieac  IdenUfixienmg 

vfin  AetitiA-TIa^en  schi:int  mir  heule   «j   wenig   haltbar    wie    vor    zwölf  Jahren.      Scbertn 

lilcciilikAlion  von  Aetius* Wallher  (A7.  Sehr.   1,    $53  I.J   Ul  kaum  mehr  als  ein  EinfaU  dcfl 

ku^enbllck«. 

GereiantMh«^  Phfloloci«  IH-    ^  AuA.  A 


7o6 


XIV.  Heldensage.    Die  EiNZELyEN  Sagenkreise. 


unseren  Quellen  ist  sie  in  <ier  That  »finc  rein  mensthtirtie  Sage  (Heinzel 
S.  M5).  Dcnnüth  keliren  die  wesentliclislen  Kleuienle  der  Hildesiige  (vgl.  § 
g6ff.)  in  der  Sage  von  WaltJiari  wieder:  die  Entführung  der  Jungfrau  mit 
den  Schätzen  und  der  Kampf  um  sie;  der  Name  der  Jungfrau  Hüvlegund, 
gewiss erniassen  eine  Verdoppelung  des  Nuiuenü  Hilde;  die  fnlliere  Freund- 
schaft nder  Blutsbrüdersfhaft  der  tjt-giu-r;  der  Name  Hagen  für  den  G^ner 
des  flielieudcii  Helden,  tii'wnhl  m  der  alenianni&chen  als  in  der  anders  ge- 
wandten Fassung  iler  I*s. ;  der  lieimliche  nächtliche  Gesang  Walthers  in  der 
polnischen  Sage;  dei  endlose  Karnj^f  der  Hedeningen  erscheint  hLstorisicrt 
nh  zweitägige  Schiacht,  und  Hildes  Erweckuiig  der  Tuten  bticlcl  iu  ihrem 
nachtlichen  Gesangs,  etwas  deutlicher  noch  in  der  Kr,1ftigiuig  der  Kampfer, 
durch  ihren  Anblick  bei  Buguplialus,  verbUtsst  durch.  Es  konimi  hinzu  (s.' 
Ko^el  I,  2,  2()2  f.  297),  dass  mehrf.ich  noch  iiei  Ekkchard  mangelhafte 
Motivierung  über  die  vorliegende  Sagengestalt  hinaus  auf  die  Verhältnisse  der 
alten  Hlldesagc  weist,  üo  vor  allem  die  Darstellung  der  gemeinsamen  Flucht 
Wallhers  und  der  Hildegund,  in  wt-lcher  die  vorhergehende  Überredungsszene 
und  die  in  der  {joetischen  Okonouiie  de»  Waltharius  unstOäsige  Mitnahme  von 
Atiilas  Schätzen  die  zu  ("irunde  ÜL-gende  Entführung  aus  der  Hut  des  Vater*  vor- 
aussetzen. In  dem  Kerne  der  Waltharisage  ist  demnach  immerhin  mit  Wahr- 
scheinlichkeit eine  auf  Walthan  übertragene,  historisierte  und  rein  menschlii^ 
gewordene  Erneuerung  der  mythischen  Ilildesage  zu  stehen,  die  sich 
bei  Stämmen  des  Bimteulandc^  bildete  mid,  uie  die  Hildesage  im  Norden 
zu  einem  poetischen  Abbild  der  Wikingerzeit  wurde,  in  ihrer  neuen  Form 
das  Gepräge  des  5.  Jaluhs.,  die  Berührung  germanischer  Stamme  mit  Atlila, 
xur  Schau  tragt 

Diese  Auffassimg  erklfirl  auch  die  Verbindung  Wallhers  mit  den  Bur- 
gunden.  Aus  der  Thalsache,  dass  auch  in  deijenigen  Fassung,  welche 
Walther  nicht  inEt  Gimllier  und  den  Seiuigen,  sondern  mit  den  verfolgenden 
Hunnen  kamiifcn  Iflsst,  Hagen  (1  ivgn')  (l'*-"  wichtigste  Kolle  spielt,  crgiebl  sich 
mit  Sicherheit,  dass  dieser  Walthers  ursprünglicher  Gegner  ist,  den  die  Sage 
allen  Wandlungen  zum  Trotz  fcatluelL  Ist  er  mit  Hedins  Gegner  in  der 
Hildesage  irlenlisch,  war  er  also  ursprünglich  der  Vater  des  geraubten  Mad- 
chens —  seine  alte  Verschiedenheit  von  dem  Hagen  der  Nibeluiigeiisagc 
wird  auch  durch  deJi  Namen  .ipines  Valcr>*  Hagatbie  bei  Ekkchanl  i  V's.  629) 
bezeugt  ~,  St»  kann  die  Namengleichheil  zur  Vermischung  mit  der  Bur- 
gundensage  geführt  haben.  Es  ist  demnach  die  naheliegende,  auch  von  Heinzel 
(S.  'X)  ff.)  vertretene,  Ansicht,  dass  die  in  der  l's.  und  im  mhd.  Gedichte 
erscheinende  Sagenfassung,  nach  welcher  die  Huiuten,  ali^o  die  Geschadigten, 
die  Angreifer  sin(i,  die  ältere  Vorstellung  repräsentiere,  »bzulelinen.  Die  alte 
Konn  der  Sage  kannte  vermutlich  nur  die  gemeinsame  Flucht  der  Liebenden 
(ursprünglich  die  Entführung)  imd  den  Kampf  WattJicrs  mit  Hagen,  dem 
Verfolger,  ursprünglich  dem  Vater  des  Madchens.  Wurde  Hagen,  der  my- 
thische Verfolger  des  mit  Braut  untl  Schatz  fliehenden  Helden,  mit  dem 
Nibelung  Hagen  identifiziert,  Si»  war  eine  weitere  F-inrenkung  der  Walthari- 
sage  in  den  Zusammcntiang  der  Burgundensage  und  damit  die  Vorstellung 
eines  Angriffs  vun  Seiten  Günthers  und  sehicr  Mannai  glichen.  Die  andere 
Fassung,  welche  die  Hunnen  als  Angreifer  kennt,  unter  diesen  aber  H^gni. 
könnte  freilich  davon  uiuibhangig  anderwärts  entstanden  sein,  ist  es  aber  wohl  < 
kaum,  da  die  ts.,  weim  sie  ilcn  Helden  Valtari  u/  Vaskasteini  nennt,  ob-i 
gleich  sie  den  Ort  des  Kampfes  nicht  besummt,  damit  die  durcli  die  allestcft] 
Quellen  vertretene  alemannische  Sagcnfonn  voniussetzt,  welche  den  Karapf 


Ucn  Wasgciistein  {Nib.  2281,  2)*  verlegt,  in  eine  Gegend,  wo  Alemannen 
und  Franken  ziisammenstiessen.  Auch  die  Zwölfzalil  der  Angreifer  kennt 
die  Ps.  wie  der  WaUlianus, 

Als  Wallhers  Heimat  gill  bei  Ekkehiird  Aquitanien,  das  im  5.  Jahrli., 
als  die  Sage  sidi  bildete,  ein  Teil  des  westgotisclicu  Reiches  war.  Dazu 
summt  ganz  wnJil  die  Bezeichiinng  rori  S^äne  (Spanje)  im  Nihrlnngenliede,  von 
Spaujflttni  im  Biierolf;  auch  in  den  mlid.  Fnigmenu-u  erscheint  Wallbcr  als  vogt 
von  Spatiige.  Daneben  geht  in  deu  mhd.  Gedicliten  (Bit.  2105.  5092.  Alph. 
77.  2.  307,  I  ti.  ö.,  auch  in  Dfi.,  Roseng.  D  und  Anh.  z.  HB.)  die  Vor- 
stellung her,  dass  er  König  ^'on  Frankreich  (Kerlhi};en)  sei  und  in  Langres 
(Lengen)  residiere;  im  nihcl.  Gedichte  von  VVjtlthcr  und  Ilildegund  «ird 
Langres  aU  Hauptstadt  vun  Spanien  aiifgefasat,  und  im  Bit.  seheinl  Wahhers 
Herrschaft  sich  Ober  Frankreich  und  Spanien  an.s zudehnen,  sein  Wohnsitz  ist 
Paris.  Darf  man  diesen  Angaben  Bedeutung  beimessen,  su  führen  sie  auf 
die  tiereits  von  J.  Grimm  (ZfdA.  5,  3)  angenfimmene  Auffassung  Wallhers 
als  eines  westgotischen  Helden.  Aquitanien.  das  alle  Westgoten  reich, 
führte  den  denwchen  Nnmen  WaseSno  innt  \Equitmua  Viiasfonoiaui  .Mid. 
Gl.  III,  610''),  von  den  Basken,  die  im  7.  Jahrh.  von  Spanien  aus  in  einem 
Teile  von  Aquitanien  sich  niederliessen.  Ein  Walthari  von  WaseSaolant 
(Wastöm)  konnte  auf  die  Lokalisierung  seines  sagenberühmteu  Kampfes  in 
den  Vogesen  {mtms  Vosagits  =-  Vnasgimberg  ZfdA.  12.  257)  und  speziell  am 
Wasgenstcin  führen.  Walthari  ist  also  eher  ein  westgoiischer  Held,  als  der 
Verircler  iIcs  n*maT]i.schcii  Galliens  (Fauriel,  Müllenhnff)  oiier  gar  eine  ur- 
sprünglich fremd  kindische  Sagenjierson,  ein  Bolske  (Heinzel).  Aber  wir 
kommen  auch  mit  dieser  Annahme  nicht  nel  weiter,  denn  wer  dieser  Walthari 
{H'a/äfre  im  ags.  Fragm.  B  1 1,  vgl.  Hinz,  PBB,  20,  jirj),  der  Sohn  des  A//>- 
hert  (ags.  JfJfhen,  mhd,  Alpk^  Alker),  ursprünglich  war,  was  von  ihm  er- 
zahlt worden  ist.  ehe  die  Entführung  der  Hüdegund  und  der  Kampf  mit  dem 
verfolgenden  Hagen  auf  ihn  übertrugen  wurden,  ob  die  in  Ekkehards  Gedicht 
so  lebhaft  ausgeführten  EinzelkSmpfe  seiner  Sage  von  Haus  aus  angehörten, 
das  alles  bleibt  in  tiefem  Dunkel.  Ül:«:r  Hildegimds  Heimat  ist  die  Sage 
nicht  unterrichtet:  wenn  Ekkehard  sie  zur  Tochter  eines  Königs  Heririna 
(Herricli)  von  Burgund  zu  ChaUms-sur-Saone  macht,  so  ist,  d;i  der  Sage 
nach  Günther  über  die  Burgunden  herrscht,  die  Fiktion  augenfällig,  und  die 
Angabe  hat  keine  grössere  Gewahr,  als  wenn  nach  den  mhd.  Fragmenten 
Hildcgund  aus  Arragorüen  stammt,  das  im  Bit  (.iorj.S.  O636)  mit  Navarra  zu 
Walthers  Reich  gehört,  iKlcr  die  f*s.  ihr  den  Jarl  Ilias  nf  Unat  (vgl.  §  37) 
zum  Vater  giebt.     Hildcgund  enstamnil  eben  der  allen   Hüdesage. 

U  54.  Zur  Beantwortung  der  Frage,  bei  wetdiem  germanischen,  Stamme 
die  epische  Ausbildung  der  Wallharisage  erfolgt  ist,  gibt  einen  Finger- 
zeig die  sympathische  Sclüldemng  Auflas  bei  Ekkehard  ttdcr  nelmehr  in 
seiner  deutschen  Quelle,  die  hierin  geiaiss  alter  Tradition  folgt.  Der  Hunnen- 
könig  erscheint,  wie  in  der  oberdeutschen  Ntbchnigendichtung  (S  3^)  und  in 
den  Gedichten  der  Dielrichssagc  (^  50),  itn  Waltharius  als  weitherrsthender 
Frietiensfürst,  weise,  mild  und  edelsinnig.  In  dieser  wohlwollenden  Cliarakte- 
riirik  und  hipfreundeten  Parteinahme  für  F.tzel  verrät  sich,  wie  Koegcl  mit 
Recht  betont    ( Gesch.  d.  d.  Lift.  I.  2,  283  f.),    die  gotische,   durch  die   ober- 


'  Dasa  t>eKiU  Ekkehflfxl  dic«;n  Kain]ifpl.-iU  vorauasrUEt,  aUmiioj^s  oho«  ihn  gcsHiun  jcu 
hotH^ri,  Ul  2Wai  uldu  skJier  (vgl.  \V.  Mcyci,  SiUungMber.  der  lair.  Ak.  1873,  S.  375  ß.; 
K-K-gd  I,  3,  399  f.),  ab«r  nttcb  Scheren  Dariq^een  (AZ  Sehr,  l,  548  C)  docb  walir- 
scbtinlich. 

45* 


7o8 


XIV.  Heldensage.    Die  EmzELSEN  Sagenkreise. 


deutsrhen  Stämme  flbemommene,  Auifawiung  seiner  historischen  Persönlich- 
keit. Vielleicht  darf  daraus  der  Schluss  gezngon  werden,  das-s  die  Sage  von 
Walthari,  wenn  dieser  auch  urspnlagticli  ein  westgotiscber  Held  war,  bei  den 
Ostgoten  ihre  Ausbildung  erlanp^t  hat:  die  Westgoten  sind  ihrer  historischen 
Stellung  zu  den  Hunnen  nach  ausgeschlossen;  dass  aber  auch  westgotische 
Helden  von  den  Üslgotcn  besungen  wurden,  zeigt  das  Beispiel  des  WidJgHUJa- 
Witege  (§  ^7).  Das  heg:ihte,stc  und  am  (rflhsirn  entwickelte  der  gennanischen 
Villkcr  hätte  dann  die  alte  Sage  von  der  Entführung  der  Hilde  und  dem 
Kampfe  ihres  EnEfülirers  mit  dem  verfolgenden  Hagen  auf  einen  stanraiver- 
wandten  Helden  übertragen  und  an  historische  Verhältnisse  und  wirkliche 
Vorkommnisse  der  attüanischen  Zeiten  angeknüpft,  auf  deren  Zustünde  und 
Machtverhill  Inisse  die  geographischen  Angaben  des  Waltharius  überall  weisen. 
Ob  auch  in  Walthers  Einzclkäinpfen ,  die  in  Ekkchards  Dichtung  tlen 
Mittelpunkt  bilden  ^Vs.  664 — 1061),  Züge  historischer  gotischer  Sage  sich 
bergen,  ist  nicht  zu  entsclietden.  Heinzel  hat  auf  den  Bericht  Prokops  von 
Tejas  Heldenkampfe  in  der  Schlacht  am  Vesuv  (552)  hingewiesen  {M'alifiers, 
S.  86),  vgl.  Koegel  I,  2,  305  Anm.  Die  Ausbildimg  der  Walther&age,  mag 
sie  mm  nnch  den  Goten  oder  bereits  einem  benachbarten  deutsclien 
Stamme  zufallen,  muss  jedesfalls  ihrem  wesentlichen  Gehalte  nach  noch  iti» 
5.  Jahrh.  fallen. 

Ihre  Anlehnung  an  die  Burgundensage  aber,  zu  welcher  die  Identifizienmg 
von  Hildegunds  (Hildes)  Vater  Hagen  mit  dem  gleichnamigen  Helden  der 
Nibclungcnsage  Anlass  gab  i^S  .5,5),  kann  nur  bei  einem  westlichen  Stamme,  ver- 
mutlich den  Alemannen,  erfolgt  sein.  Darauf  deutet  die  alle  LokalLsienmg 
des  Kampfes  in  dera  salltts  Vosfifjus,  dem  Wasgenn-ald,  sowie  die  Vorslellungi 
dass  die  Burgunden,  an  deren  Stelle  bei  Ekkehard  durch  gelehrte  Korrektur 
die  Franken  getreten  sind,  um  Worms,  Attila  im  C'sten  getlaclit  wcnjen.  Die 
merkwürdige  Auffassung  Gundiers  als  eines  Wegelagerers,  sein  räuberischer 
und  zugleich  feiger  Charakter,  sowie  das  Motiv  der  Zwülfk^mpfe  (§  32)  setzen, 
wie  Heinzel  hervorgehoben  hat  [Nihs.^,  13,  Wai/iun.  S.  24),  bereits  die  Ver- 
schmelzung der  historischeu  Burgundensage  mit  dem  Rosengartenmotiv  vtir- 
aus.  Da  Ekkchards  Gedicht  aus  den  ersten  Jahrzehnten  des  10.  Jahrhü.  auf 
alteren  nhd.  Liedern  beruht  und  die  ags.  Waldeie-Fragmente  von  der  Mitte 
des  B.  Jahrlis..  die  wesentlich  dieselbe  Sagenfassung  enthalten,  schun  auf  eine 
Ulngere  Unabh.lngigkcit  der  englischen  Überlieferung  deuten  (ZfdA.  13,  275. 
27Ö),  so  kann  ttiesc  Hlemannis(.']ie  Umbildung  nicht  spllter  gesetzt  werden  als 
in  das  7.  Jahrh.  Wenn  dann  in  der  Fa.vsung  der  I*s.  und  tier  österreichi- 
schen Bniclistücke  von  Wahher  und  Hildegund  an  die  Stelle  der  angreifen- 
den Burgiui den- Franken  die  verfolgenden  Hunnen  getreten  sind,  ohne  dass 
Hagen  und  die  Zwölfzah!  der  Angreifer  jedoch  aufgegeben  waren,  so  liegt 
CS  allerdings  nahe,  diese  Änderung  mit  Müllcuhoff  den  Fraiikcu  zuzuschrei- 
ben, da  fflr  sie  am  ersten  eine  Veranla.ssung  dazu  vorhanden  war.  insofern  siel 
ihre  eigene  Niederlage  zu  besingen  Anstoss  nehmen  musslen.  Abei  zwingend 
ist  diese  Annahme  keineswegs:  dii:  Ersetzung  der  ganz  unbeteiligten  Burgunden 
durch  die  geschädigten  Hunnen  konnte  überall  und  jederzeit  geschehen. 

Offenbar  war  iu  der  alteren  Sage  der  Kampf  am  Wasgenstcin  Walthers 
einzige  bekannte  That.  Was  jüngere  Quellen  sonst  noch  von  ihm  8U  be- 
richten wissen,  ist  ohne  sagenhaften  Wert  und  entspringt  gnlsstenteils  dem 
Streben  nach  cyklischer  Verbindung  der  einzelnen  Sagenkreise.  Tapfere 
Thaien  Wahhers  wahrend  seiner  Geiselschafi  am  hunnischen  Hofe  (so  sclion 
Waitli,  und  Nib.  173.5),  allein  oder  gcineiuschaftlich  mit  Hagen,  sowie  ein 
freundschaftliches  Verhältnis  zu  Rfldigcr  (im  Bit.,  s.  fitts.  S.  103  ff.)  ftchlnsacn 


Waltharisaoe:  epische:  Ausbildcno.    Novaleser  Chronik.     709 


sicli  leicht  an.  Die  Dietrichsepen  kennen  Waltlier  bald  auf  Dietrichs  Seite, 
bald  auf  Seiten  Ennanrichs  oder  dei  rheinischen  Helden;  ja,  in  Dfl.  ist  er 
sogar  in  einen  Walthcr  von  Lengers  und  einen  Walther  von  Kcrlingcn  ge- 
spalten, vuu  denen  jener  zu  Dietrich,  dieser  zu  Ermanrich  »teilt.  Nach  der 
I*s.  ist  der  Held  Ennanrichs  Neffe,  er  besteht  einen  Wettkanipf  im  Speer- 
werfen j^egen  Dietleib  (c.  t^Sf.)  und  wird  spflter  Ober  Gerinjsbeim  («-ohl 
Gernsheim  an  der  Bergstrasse)  gesetzt  (c.  151).  Alles  natürlich  junge  Er- 
findungen: die  alte  S;igc  kennt  den  Helden  zwar  in  Beziehung  i^u  hLiioris<"hen 
Figuren  dei  ersten  Hillfie  des  5.  Jahrliä.,  zu  Attüa  und  Günther,  nicht  aber 
zu  Rrmaiiarich  und  The(>di»rifh,  obgleich  eine  Beziehung  zu  letzterem,  der 
ja  auch  am  hunnischen  Hofe  lebte,  kaum  hatte  ausbleiben  können,  wenn 
dessen  Sage  damals  schon  ausgebildet  gewesen  wfire:  ein  weiteres  Kriterium 
für  das  hohe  Alter  der  Waltharisage  (Heiiize!  S.  83). 

Für  WaJthers  sagenhaftes  Schwert  H'asgi  (Bit.  1^286,  vgl.  642  ff.),  das  in 
den  Nibelungen  1988,  4  irrtümlicher  Weise  Iring  führt,  ist  in  dem  ersten 
ags.  Fragmente  Mimming  eingetreten,  das  beste  aller  Schwerter,  das  Wieland 
für  seinen  Sohn  Witege  geschmiedet  haben  soll  (  Wf'lamles  gejcorf  Wald.  A  2, 
vgl.  /A/i.  S.  n;.  30Ü.    %£  Nr.  27.  b). 

i  55.  Eine  besondere  Cberiicfcrung  über  Walthers  Alter,  wovon  die 
mit  der  glücklichen  Heimkehr  des  Helden  und  seiner  Hildegtmd  abge- 
schlossene liltere  Sage  nichts  berichtete  —  nach  Ekkehard  herrscht  er  noch 
drcis.Mjr  Jahre  nach  siünes  Vaters  Tcxl  Über  sein  Land  — ,  hat  das  vur  1027 
geschriebene  zweite  Buch  des  C'liroiiicon  Novaliciense  c.  7  ff.  (M<"'n. 
Germ.  SS.  VII,  85  ff.).  Wahrend  die  Chronik  im  übrigen  die  Walüiersage 
wesentlich  nach  Ekkehards  Gedicht,  dessen  Schluss  in  der  dem  Chronisten 
Vorliegenden  Handschrift  unlesedicli  gewesen  zu  sein  scheint,  erzahlt,  lüssl 
sie  den  aUemden  Helden  in  das  obcritalienische  Kloster  Novalcse  eintreten, 
einen  gottseligen  Lebenswandel  führen  imd  für  sein  KItister  gegen  Rüuber 
kämpfen,  wubtü  Einzelheiten  lebhaft  an  den  Bericht  der  Ps.  c.  431  ff.  über 
Heimes  Kampf  fürs  Kloster  gegen  Jen  Riesen  Aspilian  (vgl.  ^  47)  criimcru. 
Auch  der  Zug,  wie  Walther  sein  altes  Ritierpferd  wiederfindet,  kehrt  in 
der  Ps.  c.  432.  von  Heime  erzahlt,  wieder  (Heinzcl.  (hi^ioih.  Hehkm.  S.  87). 
Von  einer  selbslündigeii  italienischen  Sagenirestalt  ist  in  der  Darstellung  der 
Novaleser  Chronik  nicht  die  Kede:  \-ielmehr  hat  der  Verfasser  den  ihm  aus 
Ekkehards  Gedicht  hekannteu  Helden  mit  einer  NovaJcser  Lijkalsage  von 
dem  Moniage  eines  vornehmen  Kriegers  Waltharius  verknüpft,  die  bereits  mit 
Zügen  aus  anderen  Sagen  ausgestattet  war.  Die  Novaleser  Tradiiinu  scheint 
direkt  aus  der  Legende  vom  heiligen  Wilhelm,  wenn  nicht  geradezu  aus  einer 
Chanson  de  gestc  von  Gnillaume  au  court  nez  geflossen  zu  sein,  der,  ein 
Aquitanier  wie  Walther,  gleichfalls  eine  Prinzessin  aus  dem  Heidcnlandc  ent- 
führte. Dass  der  Clironist  in  Ekkehards  Gedicht  die  Jugendgcschichte  des 
Novaleser  heroischen  Mönches  ■Waltharius  entdeckt  zu  haben  glauben  konnte, 
ist  leicht  verständlich.  Die  eigentümlichen  Übereinstimmungen  /«-ischen  Wal- 
thers und  Heimes  Klosterleben  erkl.lren  sich  durch  die  zu  Grxuide  Hegende, 
atis  der  frauzösischcu  Epik  stammende,  gemeinsame  Tradition. 

Peiper,    IVattharius  (Bcd.    187J),  S.   XJ.IV  ff.;    Hcinrcl.   AfdA.  11,  67. 
IVatihrrt.  S.  3$  fT. 

F.  HiLIiG-  tTND  KfDEfMSAGE. 

§  5O.  Die  Quellen,  aus  welchen  die  gtschiclitliche  Entwicklung  der  ger- 
manischen Hildesage  oder  Hedeningensage  und  ihres  Schdsslings,  der 
Kudrunsage,  eimittelt  werden  niuss,  zerfallen  in  zwei  Gruppen;  eine  aoi* 


7IO 


XIV.  Heldensage.    Die  einzeljten  Sagenkreise. 


dische  und  «ne  nicht-nordische.  Unter  den  nordischen  steht  der  Be- 
deutung nach  an  der  Spitze  der  Bericht  Snorris  in  den  Skäldskapamiäl  c.  50 
(SnE.  I,  432.  IL  .V55))  wofür  neben  der  Ragnan^drüpa  Bragis  des  Alten,  aus 
welcher  die  üherarbcitung  der  Snorra  Edda  einige  Strophen  als  Beleg  an- 
führt, dem  Verfasser  Lieder  in  einfacheren  Versmassen  xu  Gebote  gestanden 
haben  müssen,  die  in  seiner  Prosa  noch  deutlich  durchklingen.  Neben  <licser 
Erzählung  sind  die  Berichte  im  S9ria{>ättr,  einer  islandischen  kleinen  Saga 
des  14.  Jahrhs.,  die  in  Verbindung  mit  der  Üläfssaga  Tnigg\'asonar  zwischen 
1370  und  i^bo  m  die  Flaleyjarbök  aufgenommen  wiirtle  (Fiat-  I,  275  ff. 
FAS  I,  391  f.),  und  bei  Saxo  Grainmaücus  (Lib.  V,  p.  23H — 242  cd.  MoUcr- 
VeUchow,  p.  158 — 160  ed.  Holder)  von  untergeordnetem  Belang.  Saxos  Re- 
lation ist  nach  Olriks  Errnterungen  {SahfS  Ohihia.  2,  IQI  ff.)  eine  Vcr- 
schnieljung  danischer  und  westni-rdischcr  Cberlicferung.  Kijr  die  Vcrbreitiuig 
der  Sage  im  Norden  in  iUtcrer  Zeit  sprechen  nnch  der  lläitaiykiH  des  Jarl 
R9gn\'aldr,  sowie  die  Erwähnung  eines  norwegischen  Kilm[>un  Ilcäiim  mjövi* 
im  Liede  von  der  Brävallasch lacht  (s.  Olrik,  Ark.  f.  nord.  Fil.  ic>,  229.  243): 
in  jüngerer  Zeit  bezeugt  sie  (doch  s.  §  57)  die  dünisdie  Vise  von  Hildebrand 
und  Hilde  (/^j,'/!  Nr.  83},  aucli  in  schwedischer  und  norwegischer  Fassung 
bekannt:_die  Vise  von  Ribold  und  Guldborg  aber  {Df^F.  Nr.  S2),  auch  auf 
Island  {Istftizk  fomkv,  1859,  Nr.  j6)  und  sonst  im  Norden  und  in  England 
verbreitet,  gehurt  nicht  in  diesen  Zusammenbang,  sondern  stelli  sicli  ihrem 
epischen  Stoffe  nach  .üs  Bearbeitung  einer  Helgidichluiig  unter  Einwirkung 
von  Zügen  der  Walihersage  heraus,'  F.ine  eigene  Bewandtnis  hat  es  mit  der 
1774  von  einem  scliolliscben  Reisenden  auf  der  Insel  Fula  oder  Foul  aus 
dem  .Munde  eines  alten  Bauern  aufgezeichneten  Shetlandshallade  von  Hiluge 
und  Hildina.  deren  Bezielnmgen  zu  unserer  Sage  P.  A.  Muncli.  Konr.  Hof- 
mann und  Wilmiunis  aufgedeckt  und  erüttert  haben  (vgl.  g  59)-* 

Die  zweite,  nicht-nordische,  Quellengruppe  wird,  von  einigen  ags.  Zeug- 
nissen und  der  wichtigen  Anspielung  in  Lamprechis  Alexander  (§  58)  zuti^iclist 
abgesehen,  vor  allem  durch  die  deutsche  Kudriin  vertreten  {%  20).  Der  erste 
Hauptteil  des  Gedichtes  (Str.  204 — 5O2)  hat  die  eigentliche  Hildesage  zum 
Vorwurf,  der  zweite  von  Kudnm  handelnde  kommt  aber  ausser  für  diese 
jüngere  Spntssform  auch  für  die  Erkenntnis  der  alteren  Sage  in  Betracht. 
Ferner  sind  in  den  Bearbeitungen  der  Herbonsage,  der  Sage  von  König 
Rother  und  der  Oswaldicgcndc  (§  61)  alte  Züge  der  Hüdesage  enthalte». 
Die  in  S  ~z  (s.  dazu  .\nm.  i)  erwähnte  Gottscheer  Ballade  von  der  scht'nen 
Meererin  darf  nicht  als  Nachklang  der  Sage,  sondern  nur  als  Zeugnis  fOr  die 
lange  anhaltende  Popularität  der  mhd.  Kudrun  gellen.  Die  von  Bartsch  m 
Mecklenburg  aus  den  Jugendeiinnerungen  einer  alten  Dame  und  anderer  Per- 
sonen gesammelten  Notizen  über  eine  Volkssagc,  die  allerdings  teilweise  merk- 
würdig an  die  Kudnmsage  gemahnen  wQrdc,  legen  den  Verdacht  einer  Seibsc- 
tauschung  nahe' 

LitUTiitur:  P.  E.  Malier,  Sagnbibt.  H.  57off,;  xu  Saxo  Grumm.  S.  158«".; 
W.  CTritiiin.  Hds.  »  373—380.  494.  A7.  Sehr.  IV.  S&off.;  Uhland.  tkhr.  L  327«"- 
VII,  2780".  536fr.;  Konr.  Hnfniun»,  Sitzwngsber.  Üw  bair.  Akiid.  1867,  U, 
206ff.;  G.  Klee,  Zur  Uifdeui^.  l8;j  (I-tfip/.  Dis*.);  Wilmnnn«.  Die  Ettt- 
iruklung lier  A'uilrunäichluHjf,  flallc  1873,  S,  221  —  270;  A.  Kirpünikov,  A'»- 
Jrun.  Ein  deiilichei  Xatt'analefos,  Charkow  1874  (rusttsch;  mir  nur  hcitannt 
durch  llcinetls  Referat,  AfdA.  9,  24a  ff.);  M&llcnboYf,  ZfdA.  30,  zz(f  ff.  Jteov. 
S.  io6ff.;    W.  Müller,    Mylh.  d.  J.  Htidem.    S.  215  ff.;    H<-iiixrl,  Cbtr  ä*e 


*  Hrätnn  mj'&ii  [fjylhin  gratib's  S«xo)  JKt  ohne  Frag«  der  Held  der  HildeMge;  »-Et, 
Suo  p.  239:  erat  aulem  is  (Hegintu)  corporis  habUn  prar^tnm,  mgtnio perriiax:  HtlkinUi 
vtro  torpore  prrquam  de<are,  itd  bm-i  txUtit, 


Hildesage:  Quellen.    Mvthcs  vos  Hilde. 


7" 


IValUiers.  S.  95  ff.;  L.  Beer,  PRB.  I4,  523  ff.;  Fic.inili,  U  pofme  de  Giuirun, 
Part«  1S93  faber  viion  1881  west^nilich  »h)T«icb1>^ASien),  S.  l  — 14.  97 — iHl; 
Wolfß.  Mcyct,  PBB.  16.  51(1  IT.;  Ktieeel,  6V/1A.  rf.  rf.  LiU.  1,  l,  U/q  ff.j 
Birz,  PBB.  30,  192  ff.;  Schönbach,  Chrittinlum  S.  156  ff.  —  E«  sind  ferner 
die  Eintciiunt^en  zu  den  Auffiabco  da  Kudnio  voo  Mflllcnbofr  (184^),  Bartsch 
(1865.  *i88ü  und  1885),  Martin  (1872,  Tatui»»;.  l88i)  and  Verf.  (1883)  zu 
verg1«ich<?n.  Eine  vtJlBtandigc  chroDoIogiKh  geordnete,  aber  \\k\  Un^h^ingrs  cnt- 
baltPnU'  Bililifijjraphie  iiiet«  Ftcamp  S.  237 — 260.  —  '  Grundtvig,  DgF.  II, 
338  ff.  III.  848  ff.;  Biiggc,  HelgeHÜgtenf  S.  283—295.  —  3  Die  Ltacntur  über 
die  ^hcttandsbalUidc  ist  vcrzdchntt  in  Verf.'s  Kuämn  S.  14  Anm.  2.  —  ^  Genn. 
12,  J3Pf!.  14,  333  ff.  Vul.  Bartsch,  Sagen,  Mi^rcken  und  Üebräuch^  trus 
Mekienhurg  l   (Wion    1879),  469. 

§  57.  Ein  Jlythus,  dessen  Deutung  den  Mv-thologen  überiassen  werden 
niiuis,  hat  äJch  bei  einem  üccaiiwohnendcii  gentiHiiiscIien  Stamme  zu  der  Sec- 
heldensagc  von  der  Hedeningen  (ati.  Ifjaitningar,  ags.  Ihodeningas,  mhd, 
Hf^liftgt*  statt  eines  alleren  Hflelin^e,  Ihunin^f:  ZfdA.  \i,  314)  oder  von 
Hilde  ausgebiEdet,  ilic  sowohl  im  skandinavisriien  Norden  als  bei  den  süd- 
licheren Seuanwuhnera  heimisch  war.  Ihre  im  wesentlichen  ursprüngUelisle 
Gestalt,  die  nur  hie  tmd  da  au.s  Bragi,  weniger  at»  den  anderen  Überliefe- 
rungen einer  Ergänzung  txler  Erläuterung  bedarf,  bielet  Snnrri.  Der  junge 
sch<1nc  Heitint!  (ngs.  lifodm  Wids.  2\  \^llanini  Hs.],  mhd.  f/etfle),  clcr  Sohn 
des  Iljarratiifi  (ags,  lltarttmla,  ahd.  Ilrrmnt  als  I'ersoneimamc  /TA' Nr.  lo,  i), 
der  Blutsbruder  des  altert-n  finsteren  H\>fini  (ags.  Hagemj,  mhd.  Hdj^ene),  wird 
spater  dessen  Gegner,  indem  er  seine  Tochter  I/ilär  (mhd.  Hildi\.  zu  der  er 
in  heftiger  Liebe  entbrannt  ist.  samt  ihren  Schtllzen,  in  Abwesenheit  des  Vaters 
entführt.  H9gni  setzt  dem  Paare  nach  tmd  ereilt  es  bei  der  Insel  Uäry  (Hoy), 
einer  der  südlichsten  Orkneys.  Kin  Versiihnungsversuch  (Wdbei  Hildr  dem 
Vater  im  .\uftntge  Hediiis  ein  goldenes  Halsband  zur  Sülme  aubieict) 
scheitert  an  Hc^gnis  starrem  Sinne,  mid  es  entbreiml  der  Kampf,  der  bis 
«um  Anbruch  der  Nacht  w;ihrt.  In  der  Nacht  ziehen  sich  die  Kr-nigc  auf  ihre 
Schiffe  zurück,  und  die  Gefallenen,  mit  ihren  Waffen  zu  Stein  gewurden,  liegen 
regungslos  auf  dem  Wahlplatz.  0er  Kampf  aber  i.st  olinc  Ende,  denn  jede 
Nacht  erwei.kl  die  zaubei kundige  Hildr  die  l'jlen  Krieger  zu  neuem  Leben; 
dann  beginnt  am  Morgen  das  alte  Spiel  von  vonie,  und  so  wird  der  Kampf 
der  He<leninge  (das  Ujaämn^nvig)  fortdauern  bis  ztuii  jüngsten  Tage.  Der 
ewige  Kampf,  das  endlose  Hjaänin^qar'ig,  ist  offenbar  der  eigentliche  Kern  des 
alten  Mythus,  ;md,  wenn  Müllen  hoff  in  seiner  .Abhandlung  Ober  den  Hahband- 
niythus  (ZfdA.  .^o,  22Q)  darin  'ein  Bild  des  unaufhOrliclicn,  allgemeinen,  aber 
nie  entschiedenen  Kampfe«  entgegengesetzter  Machte,  de.s  Aufgangs  und  des 
Niedergangs,  des  Entstehens  und  Vergehens,  des  Seins  und  Nichtseins«  er- 
blickte, so  trifft  diese  Deutung  den  Gedanken  der  tiefsinnigen  Sage  ohne  Zweifel 
richtiger,  als  der  flache  Euhemerismus,  der  auch  den  Mythus  von  den  Hede- 
ningen  zu  einem  inicres.seluscn  .Abklatsch  historischer  Zwisligkeiten  herab- 
wflnligen  möchte.  Mytliis<'h  ist  vor  allem  <Ier  Name  unrl  das  Wesen  der 
Hildr,  deren  wilde  und  unersättliche  Freude  am  Kampf  bd  Bragi  noch  weit 
deutlicher  hervortritt,  als  in  Snorris  Bericht:  sie  heisst  in  der  Dräpa  (8'--  Geting, 
vgl  F.  Junsson.  Kn'l.  Sind.  S.  13)  <ffa  o/perra  ösi-R^n  »die  Wunsch-Ran  der 
Adcmaustrocknimg'',  sie  hofft,  dass  der  Ausgang  des  Kam|)fes  ihrem  Vater 
zum  Unheil  gereichen  werde,  gilt  dem  Dichter  daher  als  r»  h^>k  of  fylda  (8*), 
und,  weim  er  von  ihr  aussagt  (g^  *■):  svd  ie'l  ev,  pöll  etle,  um  orrosto  UtU,  so  ist 
CS  klar,  dass  sie  ursprünglich  den  Sfthneversuch  Hedinä  absichtlich  hintertrieb, 


*  H,  MAllcf  {Ae.    Volksep.  S.  72  f.)  ^i^l  eine  Uutlich  bcfricdiKCode,  alter  oadilich  nicht 
ziuafiende  ErklliruBC  des  Xonicns  HegfUngt,  den  er  von  an,  Hjadmngar  trennt. 


indem  sie  nicht,  wie  ihr  Entführer  es  Üir  aufgetragen  hatte,  dem  Vater  das 
Halsband  zur  Sühne  anbot  (q'~*J.  Es  flicsst  also  die  allnächtliche  Emeue- 
ning  des  Kaatpfes.  der  Saxo  ein  falsches  M'itiv  unterschiebt  und  die  auch 
Snnrri  nicht  mehr  verstand  und  deshalb  ohne  Mntincrung  überliefert  aus 
dem  damoniwrhen  Charakter  der  Hüdr,  die  sich  als  t)"pische  Vertreterin  der 
Walküren  am  Kampfe  um  dLS  Kampfes  willen  freut  und  sich  an  ihm  nie 
genug  tliun  kann.  Im  S^rhiliAttr  L<<t  dieser  Mvthus  mit  dem  Halsbandmytlius 
verbunden:  der  ewi};e  Hjadn inj; en kämpf  ist  in  dieser  Quelle  durch  Frejja 
(Frigg)  veranlasst,  welche  dadurch  den  Zorn  des  Odinn  zu  versöhnen  sucht, 
der  ihr  die  Untreue  nicht  verzeihen  kann,  welche  sie  begangen  hat.  um  da» 
kostbare  Brisingiimen  zu  erlangen-  Wenn  aber  MüUcnhoff  in  dicstT  Ver- 
bindung etwas  Ursprüngliches  und  in  dem  Iljadnin^nvig  den  epischen  Ah- 
si.-hluss  des  Halsliaiidniythu.s  erblickte,  so  ist  diese  Kombination  duch  bedenk- 
lich, zumal  auch  im  S9rla]>ättr  die  Entfühnmgsgesrhichte  zur  Vorgeschichte 
des  Kampfes  gehr<rt.  Diese  Entfuhrung  der  nicht  widerstrebenden  Hildi  durch 
Heilinn  aus  der  Gewalt  des  \'atc:rs  steht  mm  fa-ilich  mit  dem  Schlüsse  der 
nordischen  Erz.1hluiig,  der  Wiedererweckung  der  Toten  durch  die  Walkflre 
mul  der  iiniiicrwilhrendc-n  Erneuerung  des  Kampfes,  in  keinem  notwendigen 
inneren  Zusanunen hange,  und  die  Annahme.  <lass  hifr  schon  sehr  früh  eine 
Verschmelzung  zweier  Mythen  oder  eines  Mythus  mit  einer  menschlichen 
Sage  stattgefunden  hat.  ist  nicht  lui wahrscheinlich  '.  Bei  Snorri  ist  jcdcsfalls 
die  Erv.fthlung  von  der  Entführung  der  IliUh-  un(i  der  Schlacht  zu-ischen  Il^gm' 
und  Hedinn,  in  welcher  beide  fallen,  bereibt  ganz  episch  geworden,  und  in 
diesem  Teile  seines  Berichtes  deutet  kaum  noch  etwas  auf  mytliischen  Ur- 
sprung. Zw  beachten  ist  allerdings,  dass  von  einer  festen  Lokalisierung  bei 
Snorri  erst  Spuren  wahrzunehmen  sind.  Hedinn  hat  bei  ihm  keinen  be- 
stimmten Wohiisilz.  Hvinii  daditc  er  sich,  cntspreehend  der  sonstigen  nor- 
cUsrhen  CbcTtieferung,  südlich  \<%\\  Norweg*'n.  In  den  ,inderen  norcjischen 
rrosaberichten  sind  verst^hiedene  Mittel  angewandt,  lledinn.  über  dessen  Her- 
kunft die  Sjige  offenbar  nicht  unterrichtet  war,  zu  lokalisieren:  wahrend  Saxo, 
in  diesem  Punkte  norrcrner  Tradition  folgend,  Hithinus  als  Kfinig  eines  an- 
sehnlichen norwegischen  Stammes  zum  König  Fn'di  kommen  lasst,  ist  nach 
dem  Syrla[)ättr  Hedinn  aus  fierkland,  also  aus  Afrika  (%^l.  auch  FAS.  III, 
284).  nach  Dünemark  gelangt.  Xacli  der  s]-vater  herrschenden  Auffassung 
gehört  Heöinn  nach  Nurwegen,  H9gni  nach  Dänemark.  Im  übrigen  lasst 
sich  die  Entwicklung  der  Hildesage  im  Norden  im  einzelnen  nicht  mehr 
feststellen.  In  Saxos  Erzählung  sind  mit  tlen  hervorstechendsten  Zügen  der 
i-slandischen  (Therlicferuiig  Züge  dflnUrher  Sonderen tunck hing  verbunden,  und 
der  frt'schichtsschreiber  hat  die  Sage  dann,  um  ihr  ein  historisches  Ansehen 
zu  geben,  unter  einen  .seiner  Frothonen  untergebracht.  Wenn  der  SyriaJiAttr, 
in  welchem  die  Sage  mit  dem  Giitiermiihus  kontanrinierl  erscheint,  den  bis 
zur  Götlerdanmicruiig  dauernden  Kampf  im  Sinne  des  Christentums  7^x  einer 
Spukgeschirhip  umgestaltet  hat,  so  mag  er  darin  der  jüngeren  Volkss^e 
folgen.  Udv erkennbar L'n  Einflu.ss  liat  die  nordische  Hja^ningcnsagc  ausgeübt* 
auf  die  skandinavische  Dichtung  von  Helgi  Hundingsbani  (Bugge.  fleigt- 
di^Uue  S.  iSi  f.).  Sigrün  ist  wie  Hildr  H9gnis  Tochter  und  spielt  ihrem 
Vater  gegenüber  eine  der  ihres  epischen  Vorbildes  sehr  ähnliche  Rolle.  In 
Helg.  Hund.  U,  2t  hat, man  langst  eine  AnsjMelung  auf  die  Hjadningeiis^e 


*   Vgl.  mrin«   A'uJrun  S.    lof.     Ähnlich  Hciniet,   WaUH^rs.  S.  95  ff-,  dnsen  Gedaalie 
van  Wolfitang  Meyer  (PBß.   16,   316  fr.)  ausifefuhrt  wonJen  ttU 


k 


erkannt*.  Wenn  abi-r  Ileflinn,  der  Bnictcr  des  Helgi  Hj^iA-arrtsson,  in  Nor- 
wegen g:ctlüchl  wird,  wie  der  Hedinn  iu  der  Sage  von  Hilde,  und  seine 
Schicksale  si^irk  an  die  seJnes  Namen.svetters  nach  dem  Berichte  des  S9rlaJ>Ättr 
erinnern,  so  ist  es  fraglich,  ob  daraus  mit  Buggc  {Siudürl,  174  f.  /if(::e-Jigt. 
S.  307  ff.)  Eiiitt-irkung  der  Hjadningciisagc  auf  die  Sage  von  Hclpi  Hjyrv-arda- 
Sfiti  geschlossen  werden  darf;  die  entgeg;engcsetrte  Annahme  hat  \ielleicht 
^iTüssere  WahrstheinliLhkeit.  In  nicrkwüidiget  Weise  zeigt  die  dänisch- 
achwedisrhc  Vise  von  HiMcbrand  und  Hilde,  \,-o  der  Herzog  Hillebrand  den 
Vater  der  Geliebten  und  alle  ihre  Brüder  bis  auf  den  jüngsten  ersclilagt, 
ähnlich  wie  Helgi  Hundingsbani,  Vcrquickuiig  der  Sagen  von  Hikle  und  von 
He^  dem  Hundingslüter;  sie  deutet  alwr  auf  lilterarische  F-inwirkuny  einer 
vcn  der  HiUlcsage  bereits  bccinflussten  HelgidJchtmig:  als  ZeugiiLs  für  den 
»■ursprünglich  selbständigen  Bestand  der  Hildes;^e»  (PBB.  lÖ,  522!  ohne  den 
mythischen  Schluss  im  Norden  darf  ila>  Lied  wi  wenig  benutzt  werden,  wie 
die  Anspielung  in  der   Helg.  Hund.  II. 

^  58.  Bei  welchem  der  seeauwohuenden  germanisclien  Stämme 
und  zu  welclier  Zeit  die  Hitdesage  ilire  epische  Ausprägung  erlangt 
hat,  ist  mit  Sicherheit  nicht  zu  entscheiden.  Wie  sie  uns  im  Norden  in  der 
Ältesten  be\vahrit;n  Gestalt  vurlJcgt,  trügt  sie  allerdings  unverkennbar  den 
Stempel  der  Wikingerzüge.  Allein  auf  eine  frftfiere  KnLsteliungszeJi  ileutet 
mit  Entschieilenlieil  zunächst  das  Zeugnis  des  ags.  Wid&ict,  w<.i  neben  ein- 
ander aufgeführt  werile]»  {Xs.  21)  Hagtna  als  Herrscher  über  die  /folmn'fjas, 
d.  i.  die  Uimei-u^i  des  Jurdanes  an  der  Weichsehnümluiig.  und  Jhoiittt  über 
<lie  SLMist  unbekannten  Glommax.  Auffallend  bringt  gleich  die  folgende 
Verszeile  die  Krwahnung  des  Wada  als  Herrscher  über  die  Htfbinf'as.  Darf 
man  daraus  sciiliessen,  dass  dem  Dichter  des  W"idsid  im  7.  Jahrb.,  wie  dem 
Pfaffen  Ijimpreiht  im  12.  (s.  u.),  Wate  bereits  in  Verbindung  mit  der  Hilde- 
sage bekannt  war,  der  er  nicht  ursprünglich  migehürt  (§  60),  so  wäre  die 
Form  der  Hildesage,  die  sich  in  England  oder  schon  in  der  alten  Heimat 
-der  Angelsachsen  verbreitete,  bereits  eine  sehr  wesentliche  Umbildung  ihrer 
ältesten  tlurch  die  Ragnarsdräpa  und  Snorri  erhaltenen  Gestalt  gewesen. 
Allein,  auch  wenn  man  vun  dieser  Kombination  ai«ieht  —  sie  ist  recht  un- 
sicher, da  in  dem  Sagenkalaktge  des  Weitgereisten  oft  die  Rücksicht  auf  den 
Stabreim  die  l'aanmg  der  Eigennamen  veranla.sst  hat  — ,  so  steht  doch  in 
jedem  Falle  fest,  dnss  die  Sage  von  Hagen  und  Heden  im  7.  Jahrh  in  Eng- 
land bekannt  gewesen  isL  In  einer  jüngeren  Form  findet  sich  dann  die 
Sage  in  dem  Getlichte  »Deors  Klagei  (jä  13),  dessen  Ans]>ielungen  leider 
nicht  ganz  unzweideutig  sind.  Der  Sflnger  Deor  ist  früher  der  Dichter  der 
Hedeninge  {Unuieuiuga  scap  Vs.  3^»)  ge^*'esen,  bis  ihn  Ueorrtnda,  der  lieder- 
kundige Mann  yleoäfmflig  nvm  40)  aus  seinem  Amte  verdrtingte.  Ein  Zu- 
sammenhang zwischen  dem  SSnger  Heorrfnda  und  Hjurrandt,  HeÖins  Valei 
im  Norden.  Ist  unleugbar  vorhanden.  Da  auch  die  Kudrun  Jlömiu.  durch 
welchen  seit  der  zu-citcn  Hälfte  des   11.  Jahrhs.  in  Oberbaiern  nachweisbaren 


*  Vgl.  Siinrock,  Afyth.  S.  394;  Edzardi,  Germ.  33,  166;  Xi«dticr,  Znr  LitJeraMa 
S.  J7f.;  BuiK«;  a.  a.  0.  S,  [Si  f.  Die  Art,  wie  W,  Meyer,  PBB.  16,  5JI  die  Stelle 
Mir  Reknnatnikikm  An  cpUcfacn  IIililn>as«  \-erwetidei,  ist  aher  vnfelili.     Die  Worte  der 

Li/tta  mundak  nü  kj'isa        ts  ti^ntr  V, 

knättak  ßü  ßtr  l  fapme  felaik 

dMleo  si-*nu]<--  auf  die  Totenerwecki-rin  Hild  und  bewiesen  aUo,    3ucb  wenn  die  Ent- 

ftthroni^nage  und  die  Sage  %*om  Hjadtiingavig  ursprünglich  nicht  zusaramcnifebOrm  »ollieo, 

^locb  JedeafAlti  deren  frühe  Vcrbtoduuf;. 


7"4 


XIV.  Heldensage.    Die  einzelsex  Sageskreise. 


Kamen  (ZfdA.  12,  313  f.  31,  87  f.)  die  deutsche  Sage  den  Name«  Ilrrmnf 
ersetzt  hat,  ids  Hctels  nüdisten  mäc  und  als  ausgezeichneten  Sanger  kcunt, 
femer  auch  im  Norden  spater  ein  Hjarmndnhljöd  (FAS.  IIT,  323)  genannt 
wird,  so  nmss  an  der  .-Viinahiiie  festgehalten  werden,  dass  die  SaIl^esklm-St  in 
der  Sage,  wenn  nicht  von  jeher,  so  doch  bereits  sehr  frtüi  an  ' HermiiJo 
haftete  ■.  Die  Aufstellung  aber  des  Sangers  als  einer  besonderen  Person, 
der  in  der  Kudrun  durch  sdncn  herrliclicn  Gesang  alle  lebenden  Wesen 
bezaubert  und  die  Liebe  der  Hilde  fOr  seinen  Herrn  gewinnt,  u-ie  in  der 
poluisthen  Fassung  der  Walthersage  (jj  52J  Wallher  selber  durch  zauberhaften 
nächtlichen  Gesang  die  Liebe  der  Hildegund  gewinnt,  in  der  angelsSclisischen 
und  in  der  deutschen  Sage  setzt  eine  frühe  Umbildung  der  alten  Hildesage 
und  damit  eine  noch  weit  früitere  Entstehung  derscUien  voraus.  Wenn  ferner 
unsere  Auffassimg  der  Walthcrsage  als  einer  bereits  im  5.  Jahrh.  erfolgten 
Übertragung  der  mytlus^-hen  Hildesage  auf  einen  westgotischen  Helden  (§  53) 
stichhaltig  ist,  so  ist  damit  ein  weiterer  Beweis  für  das  hohe  Alter  der  Sagen- 
gestalt gegeben,  die  als  gemeinsame  Grundlage  der  binnenländischen  Sage 
viin  Walthari  und  der  nordischen  Seeheldcnsagc  von  Hcdinn  und  HJIdr 
anzusehen  ist.  Bereits  In  dieser  gemeinsamen  Grtindform  dfirfen  u-ir  eine 
wesentlich  episch  gewordene  Sage  vermuten. 

An  den  Küsten  der  Nordsee  ist  die  Hildesage  heimisch,  und  bei  einem 
der  mecran  wohn  enden  Stamme  muss  sie  auch  die  Umbildung  erfahren  haben, 
die  in  den  englischen  und  deutschen  Quellen  zu  Tage  tritt.  Ob  diese  Um- 
bildung in  England  erfolgte  und  von  dort  zu  den  Friesen  und  Franken  an 
der  Nordsee  sich  verbreitete,  oder  umgekehrt,  ist  kaum  zu  entscheiden.  Wohl 
aber  darf  als  wahrscheinlich  gelten,  dass  die  älteste  epische  Gcstaltimg  des 
Hildcraythus  einem  skandinavischen  Stamme  zu  verdanken  ist,  »«.»dass  die  eigent- 
liclie  Hildesage  aus  dem  Norden  zu  westgermanischen  Stämmen  gelangt  wäre. 
Ihre  vornehmste  Pflege  scheint  die  Sage  jedesfalls  in  den  Niederlanden  ge- 
funden zu  haben,  wo  für  ihre  weitere  dichterische  A;isbildung  die  Zeit  der 
Dänen-  und  Nonnannenzüge  massgebend  geworden  ist.  Auf  diese  Epoclie 
weist  Hetels  Machtstellung  in  der  Kudnm:  er  ist  König  der  Dflnen,  aber 
audi  Wales  (Wäleix),  Holstein,  Friestu  und  Di^tmers,  ja  sogar  Xiftanf  (IJv- 
land)  sind  ihm  imtertban;  geographische  Angaben,  die  einer  Zeit  angehören 
müssen,  da  die  Dünen  in  England  herrschten  und  düniscbc  Häuptlinge  Lehen 
in  Friesland  hatten,  also  der  zweiten  Hülfte  des  9.  Jahrhs.  Die  Hedeningen- 
schlacht,  welche  bei  Snorri  und  nach  dem  S^rla^iättr  auf  der  Insel  flä(fy}. 
einer  der  südlicKstcn  Orknej's,  stattfindet,  wurde  in  der  dilnisclien  Tradition 
(Saxn)  nach  der  Insel  Hiridensee  (Utthinuy,  aisl.  Ihitinsey)  bei  Rügen  vorlegt; 
viellelclit  entspringt  lUcse  .\nderung  des  Schauplatzes  nur  dem  Glcichklang 
der  Namen,  möglicherweise  aber  steht  sie  in  Zusammenhang  mit  Habens 
Lokalisierung  im  Wldsid  an  der  Weichselmündung  als  Herrscher  der  Insel- 
rugcn,  was  darauf  weisen  würde,  dass  die  Sage  von  den  Danen  zu  den  Angel- 
sachsen gelangt  ist.  In  den  Niederlanden  wurde  der  berühmte  Kampf  auf 
dem  \Vul]]L-nwertier  an  der  südlichen  Scheldcmflndung  lokalisiert,  und  bev<ir 
dieser  in  die  Kudrunsage  vorrückte  (§  59),  muss  er  schon  in  der  Hildesage 
seine  Stelle  gehabt  haben.  Das  beweist  die  Anspielung  in  Laraprechu 
Alexanderum  ii30(Vs.  1 321  ff.  Vor.  =  1 830 ff.  Strassb.),  ein  wichtiges,  frülicr 
vielfach  mLssvenrtandenes,  Zeugnis  für  eine  altere  deutsche  Gestalt  der  Hildc- 


"  Die  Kombinaiioncn  Dttiers  und  Hcinzcjs  <PBB.  iS,  551  ff.)  Iubt-n  für  mich  nidbu 
Obertenjfcnd«.     Hjarrandi  al*  Name  Odin«  (SnE.  11,  471,  555)  ist  wohl  Alirrhiinpt  teii- 

siilialtm. 


Hiloesage:  Epischs  Ausbildung.  —  Kddrvksagb. 


7».5 


W 


sage.  Richtig  erklart  ^  deutet  cUe  Stelle  auf  eine  tleulschc  Fassung  der  Sage, 
in  welcher  ticr  Kampf  um  Hilde  auf  dem  Wülpenwcrder  iri/  WolffniLftde 
Vor.,  (//  Vfujipinuerde  Str:iäst>.)  slatlfaiid,  H;igi-n  und  Wate  sich  im  Kampfe 
majisen  luitl  Hagen  [HtUtn  r.'a/er)  in  (iemselben  fiel.  Die  Niunen  hhrtwkh 
und  Walfwin  (1326)  gehören  kaum  derselben  Situation  an,  und  nur  durch 
einen  neckischen  Zufal!  denken  wir  bei  dem  crstercn  unwillkürlich  an  den 
Verlobten  der  Kudrun.  Die  Anspielung  des  I'faffen  Liunprecht  liefert  den 
sclilagcndcn  Süsseren  Beweis  fctr  die  Entwicklung  der  Kuilrunsage  aus  der 
Hildesage. 

I  Die  richtige  Interprtution  d«r  Stelle  haben  durch  sinngemlHe  Interpunktion 

cnt  Kin<et,    Lamprechts,  Altxattäer  (1885)  S.  459  und  ().  Erdmann,    ZfdPb. 

17,  233  ft.   emiflelieiil. 

^  59.  Aus  der  Hildesage  hat  sich  dtirch  Spaltung  und  Differenzierung 
die  Kutlrunüagc  entwickelt.  Die  alten  N^inai,  wie  sie  uns  im  Nurden 
entgegentreten,  sind  der  deuts<l»cn  Hildesage  verbuchen :  iingette,  JleteU  und 
Jfiiift  eiiLsprechen  den  nr^rdisclien  Il^igni,  Heitinn  und  Hihir^  imd  die  He^' 
Unge  dürfen  den  nordischen  /Ij/iäiihigar  glticligL-stellt  werden  (S  57).  Auch 
von  Hörant  muss  angenommen  werden,  dass  er  avis  der  Figur  von  Hedins 
Vater  Iljarrandi  hcr\orgcjrangcn  ist,  wennglcidi  mit  Veränderung  seiner  Stellung 
und  Umbildung  seines  Namens  (§  5K).  W'ait  ist  der  Hildesage  von  Haus 
aus  fremd  und  iu  ihrer  mtesleii,  durch  die  skandinavische  Cberlieferung  ver- 
tretenen, Gestalt  noch  nicht  mit  ihr  verbunden;  dass  er  alier  bereits  früh  in 
sie  eintrat,  lehrt,  auch  wenn  man  auf  seine  Stelle  im  Widsid  keinen  Wert 
legen  will,  das  Zeugnis  in  Lamprcchts  Alexander  (§  58).  Ausser  den  Xamen 
Hilde,  Hagen,  Heiel,  Horiiut  ist  der  deutschen  Ilildesage  als  charak-tcristi- 
scher  Zug  die  Entfülirung  Dhue  Wider^^trebcn  verblieben.  Andere  Bestandteile 
der  alten  Sage  finden  sich  in  beiden  HauptteUcn  des  mhd.  Epos;  das  Nach- 
setzen des  Vaters  imtl  das  Einholen  des  l'aarcs.  Aber  wesentliche  Zilgc  sind 
in  die  Kudruusage  vorgerückt:  die  Entführung  in  Abwesenheit  des  Vaters 
durch  den  Liebhaber  {}iarimnoi\  seiher,  nicht  dmch  List,  lindem  mit  Gew-alt. 
Der  (angebliche  oder  wirkliche)  Vers*">hnungs versuch  der  nordischen  Sage 
musste  in  der  heiter  endenden  deutschen  Hildesage  notwendig  zur  %%-irklichen 
Versöhnung  werden,  und  zugleich  <lamit  ist  die  endlr«c  Hodcningcnsrh lacht, 
welche  schon  die  niededandische  Hildesage  in  Uirer  alten  tragisch  endenden 
Gestalt  auf  den  WülpenwenU-r,  die  ^Hochinsel»  der  nordischen  Sage,  ver- 
legt halte,  in  die  Kudrxinsage  eingetreten;  sie  hat  sich  in  dieser  gespalten  in 
die  Schladit  bei  Kinlruns  Entführung,  in  welcher  Hetcl,  ursprünglich  von 
Hartmut  (vgl.  noch  Kudr.  1405,  3),  dann  von  Ludwig  erschlagen  wird,  und 
in  die  Rai;heschlachl  in  der  Nomiandie,  in  welcher  ursprünglich  Hetels  Sulm 
Ortwin  den  Tod  seines  Vaters  an  Hartmut  rSchte,  wahrend  in  unserer  Üher- 
liefenmg  freilich  Herwig  den  Ludu-ig  tötet,  Hartmut  aber,  von  Wate  hart 
bedrängt,  durch  Herwigs  Einsciucilen  gerettet  wird-  Als  die  zu  vermutende 
Gnjndgestalt  der  Kud runsage  darf  denmarh  folgende  Erzählung  erschlossen 
wenlen:  Dem  Konig  Hetel  von  Hegelingen  wird  seine  Tochter  Kudrun  von 
Hanmut  gewaltsam  entführt.  Er  setzt  dem  Rauber  nach,  holt  ihn  auf  einer 
Insel  ein  und  fällt  im  Kampf  von  Hartmuts  Hand;  mit  ihm  fallt  der  grösste 
Teil  seines  Volkes.  Kudrun  wird  im  (rcnuien  Lande,  da  sir  Hartmut  stand- 
haft verschmäht,  hart  behandelt.  Ihre  Mutter  Hilde  erwartet  das  Heran- 
wachsen eines  neuen  GcschltchU,  um  den  Tod  des  Gatten  zu  rüchcn  und 
die  Tochter  zu  befreien.  Erel  nach  langen  Jahren  kann  sie  das  Heer  ent- 
senden. In  der  Racheschlachl  erschlagt  Hetels  Sohn  Ortwin  den  Toter 
sdncs  Vaters;  dann  führt  er  Kudrun  ihrer  Mutter  zurück.     Diese  Sage  ist  nur 


7l6 


xrv.  Heldensage.    Die  bin-zelkev  Sagenkreise. 


ulü  SchOsslmg  der  alten  Hildes^^e  verständlich,  und  in  der  Thal  ist  sie 
antlerwlirts  nicht  nachgewiesen:  fOr  die  Kudrun»age  ist  das  bairisch-Ö«ler- 
rcichische  Gedicht  de*  13.  Jahrhs.  die  einzige  Quelle.  In  unserer  Über- 
lieferunc  aber  ist  die  Sajje  von  Kudrun  mit  einer  ursprünplich  für  sich  be- 
stehenden Sage  verschmolzen,  deren  Hauptmotiv  di(:  Neben  buh  icrschaft 
zweier  Werber  w-ar,  und  die  wir,  in  Ermangelung  eines  passenderen  Kainens, 
als  Herwigsage  bezeiclinen  können.  Ihre  sehr  einfache  Grundgestalt  tSsst  sich 
mit  Wilnianns,  der  diese  Sagenkontamination  zuerst  erkannt  hat  {Ent7otck/unfi 
ihr  Kitiirtindichttmi^  S.  jj.^  ff.),  folgen demiassen  rekonstruieren:  Der  SeekOiüg 
Herwig  wirbt  um  die  Hand  einer  milchtigcn  KönigsttH-hler.  Rr  gewinnt  sie 
im  Kampfe,  allein,  ehe  er  sich  mit  ilir  vermalden  kann,  wini  sie  geraubt. 
Herxng  verfolgt  den  Rauber  und  erschlagt  ihn  im  Kampf.  Selbständig  liegt 
diese  Sage,  welche  den  Charakter  einer  tiordischen  Wikingssagc  an  der  Stirn 
trSgt  und  wahrscheinlich  von  DSnen  oder  Normannen  in  die  Niedcrbnde 
gebracht  wurde.  %or  iu  der  Shctlandsballade  von  Hiluge  und  Hildina  (§  5(1), 
wo  Hiluge,  wie  Herwig  in  der  Kudrun,  der  unebenbürlige  Freier  einer 
K^inigst' jchter  ist,  wo  ebenfalls  der  Raub  vor  der  Vermahlung  in  Abwesen- 
heit des  Vaters  und  des  Verlobten  stattfindel.  wo  auch  der  Orkne>Jarl  v-on 
Hiluge  erschlagen  wird.  Erst  durch  die  Sagenkontaminati<m  ist  in  die  Ku- 
drunsage  das  Motiv  des  Nebenbuhlers  gekommen,  das  allen  Fassungen  der 
Hildesage  fremd  ist:  der  Nebenbuhler,  in  der  Ballade  ein  namenloser  <^rkney- 
jarl,  kann  in  der  Herwigsage  von  Anfang  an  Ludwig  (anorw.  /wArr)  gc- 
heissen  haben,  entspricht  auf  jeden  Fall  dem  Lmicwie  des  mhd.  Gedichts, 
der  zwar  durch  die  Kontamination  zu  Hartmuts  Vater  wurde,  aber  noch 
Str.  143^^  in  sehr  auffallender  Weise  als  der  Rauber  von  Herwigs  Braut  gilt. 
Die  Vcrsolunelzung  der  aus  ticr  alten  Hildcsagc  durch  Spaltung  und 
Differenzierung  abgezweigten  Kudrunsage  mit  einer  aus  dem  Norden  einge- 
wanderten Wikings.sage  scheint  auf  friesischem  Sprachgebiete  zu  Stande 
gekommen  zu  sein.  Der  Name  der  Heldin  im  rahd.  Epos  Küärün  (in  der 
Hs.  Chmuirun,  daneben  Chantnin  u,  s.  w.,  s.  Bartsch,  Germ.  10.  40;  Martin 
zu  Kiidr.  575,  2;  Verf.,  Kudrtin  S.  2i,  Anni.)  weist  auf  eine  Übertragung  der 
Sage  nach  Oberdeutschland  aiL*;  einem  Sjirachgebiete,  wo  ein  urgennanisi  hes 
*Giiiiprnn  (ahd.  Cundrfiu  Guadrüu  u.  8.  w.  ZfdA.  12,  315.  57.  312)  sic!i 
tautgesetzlieh  zu  Güärün  wandeln  musste.  Das  ist  aber  zwar  auf  sächsischem 
und  friesischem,  nidit  aber  auf  nicderfrankischem  Gebiete  der  Fall,  Für 
Sachsen  spricht  nichts,  imd  der  Umstand,  dass  die  ^icl^ekssaga.  jenes  um- 
fa-tsende  C'orjius  niederdeutscher  Sage,  von  einer  Kudnmsage  keine  Spur 
kennt,  spricht  sehr  nachdrücklich  dagegen.  So  ist  die  Annahme,  dass  die 
Ausbildung  der  Kudrunsage  steh  an  der  Qussersten  Grerue  des  alten  friesi- 
schen Gebietes  vollzogen  hat,  zwi.schcn  Maas  tmd  Sincfal,  also  in  der  Gegend. 
wohin  schon  der  Schauplatz  des  gewaltigen  Kani])fes  in  der  Hüdesagc  ver- 
legt worden  war,  die  natürlichste,  und  sie  erh.lU  durcli  die  gectgraphischen 
Voraussetzungen  des  Gedichts  und  durch  historische  AnknOpfuiigs]nmkte 
ihre  cr^i-ünschte  Besiatigimg.  .ausser  dem  schon  im  Alexander  be2eiigten 
Wolpenwerder  [  IVüIpenivert  Kudr.  883,  4.  897,  4,  sonst  IVti/pntsftnl) "  kommen 
in  Betntcht  KassiVwc  als  Name  von  Ludwigs  Burg  (Cassand.  jetzt  Cadzand) 
und  Mülfliine  als  Name  von  Betels  Burg  (d.  i.  vermmHrh  Matlinge  in  Sftd- 


•  In  einem  •Keurbriefc  vnn  Brügge  v.  J.  iiqo  fWariikflnig-Kliiit,  Hut.  trit.  comit. 
Hoti.  ft  ZtYl.  II,  I,  85)  werden  die  •If'u/jn'n^i  hotniac^  de  H'ii/pio  sive  de  CaittntJt 
erwSlint,    untl  tli-r  OrisDaine    Wul^rn  erscheint  AXii  zwei  lürteo  dieser  Gebend  aus  dem 

14.  und  1^.  Jahrb.  (auch  in  der  Ausi;.  von  v.  Pl^^nnEes}. 


I 


I 


Kuurunsage:£ktwicku  AUS  D.Hildes.  u.Vermthmelz.  m.  d.  Herwigs.  717 

Holland:  JoncUbloci,  Gesrh.  der  mnl.  dithtk.  i,  80).  Wenn  Herwig  kuni<  von 
Sftcen  oder  rw«  Silanl  heLsst,  .s«j  wini  ihn  die  alte  nordische  Sage  xw:iv  al.i 
stekomtngr,  als  Wjkingerh.luptüng  ohne  Landbesitz  gedacht  haben,  aber  nach 
der  Überlrapmg  der  Siigt:  nach  der  niedcrlandUdien  X'irdseeküslc  muss 
»Seeland«  .selir  h;iltl  auf  die  Provinx  Zeeland  bezogen  worden  sein,  «-ie  die 
sibitUr  in  Herwijjp  Wappen  (Kudr.  1,^73.  4)  zeigen,  eine  Erinnerung  an  die 
friesisdien  Sedandc  (J/i///.  *  545.  ZfüA.  12,  ,^14).  Vielleicht  hat  aucli  der 
alte  Xame  ilfdtnsfe  oder  Ihidetiscf  fttr  die  westliche  ScheSdemUndung,  die 
Seeland  und  Flandern  trennte  (s.  J.  Grimm,  üfdA.  2,  4  und  die  alten  Karten 
bei  V.  PIrmnies  S.  20.^],  zur  I^akulisienitig  Hedens  wnd  der  Hedeninge  in 
dieser  Gegend  beigetragen;  wenn  etwa  die  Hedeningeiidchlaclit  in  der  (datii- 
schen?)  Furm  der  Hildesage,  diL-  nach  den  Niederlanden  drang,  schon  wie 
bei  Saxu  auf  die  Insel  Hiddensee  bei  Rügen  verlegt  war,  su  wäre  durch  den 
Anklang  der  Namen  die  Lokalisierung  auf  dem  Walpenwerder  besonders 
leicht  erklärlich.  Von  den  in  der  Kiulrun  auftretenden  Personen  deutet  der 
Mohrenkönig  Sigfrid,  Herwigs  Gegner,  auf  den  Dänenfürslen  dieses  Namens 
der  in  der  zweiten  Hflifte  des  *>.  Jahrh.s.  gegen  die  Franken  beerte  und  im 
Kampfe  gegen  die  Friesen  i.  J.  SÖ7  das  Leben  verlor;  als  heidnischer  Wi- 
kinger wird  er  nach  Möriant  versetzt,  wie  die  Normannen  in  der  Poesie  des 
Mittelalters  als  Sarr;izenen  auftreten '.  Anderes  dieser  Art  verzeichnet  W. 
Maller  {Myih.  der  datiah.  HeUem.  S.  233  ff.).  Diese  llia [sachlichen  Episoden 
aus  den  Kämpfen  der  Friesen  und  Franken  mit  den  gefürchteien  Nordleuten 
im  mhd.  Epos  weisen  für  die  Ausbildung  der  Kudrunsage  auf  die  Zeiten  der 
Dänen-  und  X-irmannenzüge.  die,  verbunden  mit  verdunkelten  Erinnerungen 
an  die  eigene  Sectieldenzcit  der  Nordseeanwohner,  in  der  Kudrun  poetiscli 
feslgeluillen  sind.  Nur  die  Pliantasie  der  Wtkingerzeit  konnte  die  Vorsleilung 
eines  Rciclies  zeitigen,  das,  wie  Hetcls,  sich  von  Wales  im  Westen  bis  Liv* 
land  im  Osten  erstreikt,  nur  diese  Zeit  konnte  ehemals  fricsisclic  «»der  frän- 
kische Seehekleii  /.u  Danen  umgestalten  und  mit  Figuren  der  skiuidinavischen 
Überlieferung  so  gründlich  vermengen,  da.^  .sich  im  einzelnen  die  Grenzen 
beider  Vorstellungskreise  nicht  mehr  fe.stlegen  lassen.  Auf  die  Verbindung 
skandinanschcr  und  fricsisch-fiankiseher  Sagenmotive  fülirl  die  Kritik  des 
Kudrunep««  mit  Notwendigkeit,  und  es  ergiebt  sich  als  (he  Zeit  <ler  Aus- 
bildung der  Kudrunsage  die  zweite  Hälfte  des  9.  und  der  Anfang  des  lO. 
Jahrhs.  Schon  im  in.  Jahrb.  scheint  die  Sage  nach  Baiem  un<l  Österreich 
voi^drungeii  zu  sein  (^  Oo),  und  in  den  Niederlanden  war  sie  zur  Zeit  des 
Emporblühens  der  mnl.  Litteratur  augenscheinlicli  bereits  ganzlich  ver- 
schollen. 

^  ba.  In  der  Ausbildung  der  Sagen  von  Hilde  utid  Kudrun  haben  sich 
neue  Motive  entwickelt  um!  sind  neue  Personen  zu  Bedeutung  gelangt, 
die  xum  Teil  auf  lange  Pflege  des  Stoffes  in  den  Kreisen  der  Fahrenden 
deuten.  Die  listige  Entführung  der  Hilde  durch  Heteb  Recken,  sdion  in 
alter  Zeit  durch  die  Abzweigung  der  Gestalt  des  Süngers  vorbereitet,  gab 
der  deutschen  Hildesage  in  ihrer  heiter  endenden  Form  von  vornherein  den 
richtigen  Grundum,  wurde  dann  verschiedentlich  variiert,  indem  die  Alannen 
des  Königs  bald  als  vertriebene  Recken,  bald  als  Kaufleute  auftraten  —  in 
unserer  Überlieferung  beides  verbunden  {PBB.  q,  56  ff.  14,  559  f.)  — ,  und 
blieb  in  der  Spielmannsdichtung  ein  stehende.s  Motiv  ($  61),     Die  gewaltsame 


•  An  die  Marint  [die  Bewohner  der  Grafschaft  Boulojjnf)  oder  an  Maurttngania  (den 
>Ierwc-Gau|  braucht  man  bei  Stt'ril  lon  JUSrfant  nicht  za  denken;  ax>  le  Winkel,  Roman 
vam  Jtfortatn  S,  34. 


7iS  XIV.  Heldeksage.    Die  ein-zelkek  SACEinuiEisE. 

Entführung'  der  Kudmn  durch  ik-u  vcrsLh mahlen  LiubhaUcr  ist  iii  Sage  und  EfX's. 
iin  Gef;ensatz  zu  dem  heileren  \'crlanf  dtr  neuen  Hildcsjige,  der  Ausgangs- 
punkt für  die  ergreifende  Schilderung  von  Kudruiis  Schicksalen  und  Leiden  gc- 
wofiien,  die  erst  nach  langen  Jahren  durcli  ihre  Befreiung  und  die  Bestrafung 
ihrer  Peiniger  einen  befriedigenden  Al>scliluss  finden.  Gewiss  kann  die 
Dichtung  selbständig  zu  dieser  Ausbildung  gelangt  scbi.  Aber  wahrschein- 
licher ist  es,  dass  sie  Motive  aus  einer  bereits  v<'rhandcncn  Sage  von  der 
Künigslochler,  die  in  fremder  Haft  von  einer  bösen  Herrin  hart  beliandcU 
wird  und  Magddienste  verrichten  miLss,  benutzt  hat.  Im  Norden  bezeugt 
die  Gujirünarkvilja  I,  8  f.  die  Existenz  einer  derartigen  Cberiieferung:  dort 
ist  es  Herborg,  eine  Königin  vim  Hünaland  (Deutschland),  die  nach  dem 
Verluste  ihrer  ganzen  Verwandtschaft  als  Heergefaogene  Sklavin nendienstc 
leisten  niuss  und  unter  den  Misshandluiigcn  einer  harten  Herrin  seufzt, 
wahrend  ein  giitiger  Herr  ihr  Leid  zu  lindern  bestrebt  ist.  Die  Figur  der 
bc>sen  GSrlhit  ilürfte  aus  dieser  Überliercrungss])hSre  stammen;  es  ist  eine 
Abart  des  beliebten  und  weit  \erbreiteten  Asclienbriidelmcitivs,  dessen  .Mch 
auch  die  Kudrundichtong  zur  Aus^'csudtung  des  in  dein  zweiten  HauplteU 
des  mild.  Eiw>.s  vorliegenden  Stoffes  bedient  haben  kann.  Im  einzelnen  hat 
namentlich  L.  Beer  {PBB.  14,  553  ff.)  die  verechiedenen  Sagen-  und  Marchen- 
motive  zu  sondern  versucht,  wodurch  die  Kudruudichlung  luiter  den  Händen 
der  Spiolleute  die  Erweiterungen  und  Begründungen  erfahren  hat,  aus  wel- 
dien  sich  die  überUeferlc  Gestalt  des  nihd.  Gedichts  entwickelt  hat,  das  ja 
für  flie  Kudrunsage  und  ihre  allmähliche  Ausbildung  unsere  einzige  Qudte 
büdet. 

Den  Fahrenden  venlankt  ohne  Frage  Fruutc  von  Tencmarke  seine 
Stelle  in  der  Kudnjndirhtung:  durch  sächsL^^che  Siinger  mag  der  sagenberühmte 
Fridfrodi,  an  welchen  der  Norden  tlte  Vorstellung  des  glücklichen  Zeitalters 
und  des  ewigen  Friedens  knüpfte,  aus  der  dänischen  Sage  in  die  deutsche 
Spielmannsdichtung  gekummen  sein.  Als  Typus  des  freigebigen  Gönners  er- 
scheint er  zuerst  in  zwei  Strophen  des  Spruchdichters  Herger  (MF.  25,  19.  30) 
imd  als  solcher  ist  er  sprichwiirtlich  geworden.  Aber  nur  in  der  Kudrun  liat 
Fruchte  festen  l'uss  gefasst;  wo  er  sonst  in  der  Heldensage  auftritt  \Rab., 
Roseng.  D,  Wolfd.  A  6,  vgl.  auch  Bit.  tyioft.  und  dazu  />//ß  1,  XVII; 
s.  //i/s.  S.  232.  28t  f.  471),  spielt  er  eine  Statistenrolle.» 

Auch  Wate  gehört  der  Sage  nicht  ursprünglich  an.  In  der  Kudrun  «- 
scheint  er  als  ein  gewaltiger  Greis  mit  ellenbreltcm  Barte,  unwiderstehlich  in 
seinem  unbändigen  Zorne,  ein  Heerhom  blasend,  bei  dessen  Schall  das  Land 
erbebt,  das  Meer  aufbraust  und  Muucni  umzusinken  drohet),  in  einigen  Zügen 
an  den  Hagen  der  Nibelungen,  in  anderen  an  Hildebrand  oder  Berchiung 
gemahnend,  aber  bei  aller  Annäherung  un  den  Typus  des  gci manischen  Hol- 
meisters und  Fßrstcnerzieliers  (vgl.  Kudr.  205.  354  ff.)  dennoch  seinen  Ur- 
sprung aus  einer  Vorstellung  der  niederen  Mvtlwilogie  nicht  vejieugnend. 
Ausserhalb  der  Kudrun  begegnet  Wale  (ags.  Ji'at/a,  in  der  Ps.  Kkä".  «der 
Water«)  im  Wldsid  und  in  Verbindung  mit  Wieland.  Inwiefern  seine  Er- 
wähnung im  Wids.  22,  unmittelbar  nach  Hagen  und  Heden,  für  Watcs  Ein- 
tritt in  die  Hilriesage  zeugt,  musste  oben  (§  58)  unentschieden  gelassen  «erden; 
in  jedem  Falle  bliebe  seine  ursiirüngüche  Rolle  hi  dieser  Sage  dunkel  Die 
H<rbingßs,  Ober  die  er  herrscht,  weisen  wohl  auf  den  Ji6Xova<K  :toTan6; 
{ie&  F'tulemaus.  wurimter  die  Ethnographen  bald  die  Trave,  bald  die  Eid« 
oder  Halerau,   bald   die  \Vaniow   verstehen^,  sodass   für  eine  Entscheidunjt 

*  V^.  Zcuss,  J>ü  Deuiscktn  S.  15O;  MOller,  A.   Votksep.   S.  37  f.;  Mocb,  PBB.  17, 


I 


ober  Wates  ursprtlngliche  Lok.il  isietung  der  Name  seines  Volkes  im  ^\'idsld 
nicht  wolil  verwertbar  ist.  Auch  der  Wit-Umdsage,  mit  der  diu  ^s.  iha  aU  Vater 
Wielands  und  Egils  in  Verbindung  setzt,  muss  Wate  nnKinglich  fremd  ge- 
wesen sein.  AbtT  sowohl  die  Kudrun-  als  die  Wielandsyge  hüben  von  dem 
Helden  alte  Züge  bewahrt,  aus  denen  sich  seine  ursprüngliche  Bedeutung  er- 
mitteln I.lsst."  Wtii/t),  der  Sohn  einer  Meerminne,  doch  wohl  jener  WtUhili, 
die  in  der  Rabeuschla^'ht  ihren  Urenkel  Witcge  \\\  ihren  feuchten  Sciuioss 
aufnimmt,  der  nach  der  i's.  c.  5S  seinen  Sohn  VVieland  Ober  den  (jro?nasund 
trägt,  vou  dessen  Beute  und  wunderbaren  F;ibrten  rKifh  die  mit lel englische 
Dichtung  zu  crz.lh!en  weJss  (.Vr/-*.*  312:  vgl,  Binz,  PBB.  20,  u^öff.),  Lst  un- 
xweifclhafl  ein  aller  Meerriese,  der  bei  den  seeanwohnenden  Germanen  au 
der  (Jstsee  zu  Hause  war.  In  ihrer  Rjiik  ist  er  zum  meisterlichen  Seemann 
geworden,  und  nucli  in  der  Kudrun  Str.  i  ib.^  und  in  dem  an  ihn  geknüpften 
ivazzfnnim  (Str.  1127  ff.)  tritt  diese  Kigenschaft  unzweideutig  zu  Tage.  Seine 
Mark  z*  SlUriHen  ist  doch  woUl  am  besten  auf  das  ruirdalbingische  Stormam 
zu  deuten,  da  duch  che  Ha-lsingc  des  Widsid  immerhin  am  walimcheiiihch- 
sten  auf  eme  Ix-kallsierung  in  dieser  Gegend  weisen.  Bei  niederdeutschen 
Stammen  muss  Wate  mit  der  Hilde- Kudruusage  verknüpft  w«.jrden  sein;  wann, 
lllsht  sich  nicht  mehr  bestimmen.  In  dem  Zeugnisse  des  Pfaffen  Lam])recht 
Ut  Wate  Hiigcns  Gegner  in  der  mit  Hagens  Tode  endenden  Schlacht  auf 
dem  Walpenwerder:  da  aber  diese  deutsehe  Gestalt  der  Hildesagc  mit  ihrem 
tnigi^hen  SchUisse,  die  ja  ncich  aus  dem  rz.  Jahrh.  bezeugt  ist,  längere  Zeit 
neben  der  Kudrunsa^e  bestanden  liaben  inaNs,  vaX  die  Möglichkeit  nicht  zu 
bestreiten,  dass  Wate  in  .seiner  Eigen-srhaft  al.i  berühmter  Seemann  zunächst 
in  die  Kudrun-  und  er&t  von  da  aus  in  die  Hildesage  eingetreten  sei. 

Aus  den  Niederlanden  ist  der  Sageukumplex  wohl  schon  im  10.  Jaluh. 
nach  Oberdeutschland  gebracht  worden,  wie  man  annehmen  darf,  dureh 
rheinische  Spielleuie,  Die  Üliesten  alemannischen  und  hairischen  Zeugnisse 
für  Bekaitntschaft  mit  der  Kudruiisagc  sind  die  Persunennamen  Guterun, 
Chuirtm  (ZfdA.  \2.  ^^15.  i7,  312);  sie  e^^cheinen  im  10.  und  mehren  sich  in  den 
folgenden  Jahrhunderten,  wiilireiid  die  echt  hochdeatschun  Namenformen 
Gundrvn,  Cuminm  schon  aus  dem  y.  JaUrh.  belcgbar  .*tind  [ZE  Nr.  ig,  2. 
ZfdA.  27.  312.  ,31,  Hh).  Aus  dem  12.  Jahrb.  lassen  sich  Hürande  in  Über- 
baiern  und  Österreich  nachweisen  (s.  S  58).  Die  Skep.sis  Schönbachs  (ChmUti- 
tum  S.  157  f.)  diesen  Zct^nissen  gegenüber  ist  kaum  berechtigt;  dagegen  ist 
das  Vorkummen  der  Niunen  Wate,  Frmtc,  Sigcbatit,  Otiriin  yZE  Nr.  19.  3.  4. 
ZfdA.  31,  83  f.  90.  92)  für  die  Keimtnis  der  Hitdc-Kudrunsage  in  Ober- 
deutschland nicht  beweisend,  da  sie  teils  anderen  Sagen  entstammen  können, 
teils  überhaupt  nicht  aus  der  Heldensage  entlehnt  zu  sein  brauchen.  Die 
Bearbeitung  der  Hitdes;ige,  auf  welche  die  wiederholt  erwlihnte  Anspie- 
lung LH  Lamprechts  Alexander  um  1130  ()i  38)  fUlirt,  dtirfte  allerding>  ein 
rheinischeit  (mittelfrtlnkisches)  Spiel maimsgedicht  gewesen  sein,  aber  wenig 
später  zeigt  auch  der  bairische  Pfaffe  Konrad  im  Rolandsliede  (2Ö6,  19  ed. 
W.  Grimm)  Bekanntschaft  mit  dem  Wale  der  Kudnm  {ff<is.  S.  62.  379. 
ZfdA.  2,  5). 

1  Haupt,  Vnrr.  zum  Engelhard  S.  XI  F.    ZfdA.  4,  51^7;    Müllenhoff,  ZR 

Nr.  33,   J;  J.  Grimm,  AV,  .S.A#.  IV,   135  ff.  —  »  Mülltnboff,  ZÜA.  6,  6a  %\ 

Manabardt,  Zs.  f.  «1.  Myth.  3,  396  ff. 


185(1.;    Kuescl,  Gficti.  d.  d.  Litt.  I,  1,  156.  169.     Müllfruhoff  (Äwp.    S.  q?)    bllt  die 
HMlsinge  tlir  i^inea  fuiglnten  VoIk»niuitcn. 


Anbxng:  EDtrflbrungssJigen. 

S  6i.  Auf  die  Reihe  der  EiitfÜhrungs-  oder  Brautwerbungssagen 
einzugehen,  die  unmiHelbar  oder  mittelbar  aus  der  alten  Hildesage  her\or- 
gegangcn  sind  udcr  sieb  nahe  mit  üii  berühren,  w5rc  eine  ebenso  lobncnde 
als  wichtige  Aufgabe,  auf  velciie  aber  an  dieser  Sti^lle  mit  Rücksicht  auf  den 
zu  Gebute  stehenden  Raum  verzichtet  werden  niuss.  Wenige  Bemerkungen 
Über  die  Herbortsage,  die  Rothcrsagc  und  die  Oswalditagc  mtbisen  hier  ge- 
nügen. 

Eine  rhehifrünkischc,  nur  Uusscrtich  an  Dietrich  von  Bcrn(-Bonn)  angc- 
äehnte,  Umbildung  der  Hildesage  scheint  die  in  der  I*s.  c.  ;3i— 239  und  in 
den  Lslündi-sclien  Herbutts  rhuur  \Fiiiihra  rinvvr  ed.  Wiscn,  Lund  1881, 
S.  fijff))  si^ttie  im  Btteroif  6451 — f>5io  erhaltene  Herbnrisage.^  In  ihrer 
alleren,  durch  die  t*a.  und  die  isl.  Rtmur  (s.  über  das  Verhältnis  beider  Köl- 
bing,  Germ.  20,  242  ff.  und  Wiscn  a.  a.  O.  S.  XVIII  f.)  vertretenen  Form  sind 
2wei  Motive,  die  listige  EntfcWining  durch  den  Liebhal)er  selber  und  die  listige 
Entführung  durch  einen  Buttn,  noch  unvllkonunen  verknüpft  Die  entführte 
Jungfrau  heisst  hier  m-ch  Hilde;  im  Bit.  dagegen  heisst  sie  Hildeburg  und 
gilt  als  Tochter  des  KOnigs  Ludwig  von  Urmanie  und  Schwestei"  Hartmuts, 
entspricht  also  ihrer  verwandtschaftlichen  Stellung  nach  der  Orlrün  unserer 
Kudnin  (vgl.  auch  Klage  2217  f.).  Vermutlicli  liegt  im  Bit.  sjvatere  Vermischung 
mit  der  Kudrunsage  vor,  speziell  sclieiiit  die  Rückeiitführung  der  Kudrun 
und  ihrer  .Schirksalsgefahrtin  Hildeburg  aus  der  Normandie  durch  Herwig 
auf  die  Umgeslakung  der  Sage  von  Herbort  und  Hilde  nii'ht  uhne  Einfluss 
gewesen  zu  sein.  Der  alte  Name  <les  Vaters  der  Entführten  wiir  in  der 
Herbortsage  wohl  schon  früh  vergessen;  von  ihrer  (alten •■)  Verbindung  mit 
R\iodlieb  {%  15),  der  narh  dem  Erkenliede  Str.  82  als  Herborts  Valcr  gilt, 
isl  uns  leider  zu  wenig  bekannt.  Als  Personenname  ist  ^m'^or/ nacligewiesea 
ZE  Nr.   ig,  4.  hi,  4, 

Die  Sage  von  K"inig  Rother''  ist,  ausser  in  dem  von  einem  rheinischen 
Diditer  in  Baiern  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhs.  gedichteten  Spielinannsepos 
(§  17),  auch  durch  eine  Erzählung  der  ts.  c.  29 — 38  nach  niederdeutscher 
Tradition  erhallen,  Die  Brautwerbung  des  nach  tleni  mhd.  Gedichte  zu  Bari 
in  A]mlien  rc-sidiercndcn  Königs  Rolhcr  um  die  Toditer  des  griechischen 
K'5m'gs  Constantiii,  durch  List  eingeleitet,  durcli  Gewah  beendet,  ist  in  der 
l*s.  auf  Osantrix  von  Vücinaland  (S  5u)  übertragen:  im  übrigen  aber  rci^rftscn- 
tiert  die  norddeutsche  Fassung  der  Sage  eine  ursprünglichere  Gestalt,  die  ak 
den  Kcni  und  Grundbestandteil  des  in  dem  mhd.  Spiel mann^edichte  ver- 
arbeiteten siigenhaften  Sioffe-s  eine  gttfahrvolle  Brautwerbung  crgiebt,  welche 
sich  von  anderen  Entführun^sgescl ächten  dunh  das  charakteristische  Motiv 
unterscheidet,  dass  der  königliche  Freier  sich  für  den  Boten  au^iebt.  Dieser 
entstheidcnde  Zug  der  Roiliersage  weist,  im  Zusammenhang  mit  dem  Namen 
des  Helden,  auf  die  langobardische.  von  Paulus  DiaconiLS  (III.  30)  überlieferte. 
srhftne  Sage  von  der  Brautwerbung  des  K«'migs  Authari  um  die  bairische 
Prinzessin  Theudelind,  die  wahrscheinlich  noch  bei  den  L;uigobarden  selber 
auf  den  als  Veranstalter  eines  Gesetzbuches  und  glücklichen  Fcldherm  be- 
kannten König  R.rthari  (Ö14 — 650)  übertragen  worden  ist  (vgl.  §  7).  L4ngi>- 
burdi-scher  Tradition  werden  auch  die  unbändigen  Riesen  enLspringen,  die 
sowohl  im  Rother  als  in  dem  Berichte  der  fs.  eine  Rolle  spielen  imd  somit 
alter  Überlieferung  angehören:  Aspriän  (Asp(i)Uatit,  \Av<ntrod  >^-i..^  EbimM 
im  Eckcnliede),  Atgeir  (ts.)]  untl  WidoU  (Vittol/r  miUumslangiJ.  Vor  allem 
letzterer,  der  seiner  Wildheit  wegen  an  einer  Eisenkeltc  geführt  werden  am-»» 


ist  der  Typus  cicr  ausser  im  Norden  nur  hfi  »len  Langolwrck-n  twzeugten 
Berserker,  unti  eine  drr  Kraftleiilung  tltii  Asprian,  der  einen  Loweu  an  der 
Wand  des  ki>niglichen  Saales  in  Slttcke  wirft  (Roth.  1146  ff.},  ahnlirhe  Ge- 
-schiihtfc  erzählt  Paulus  Diacunus  (II,  30}  von  dem  starken  Kümpen  Peredeo, 
dein  Mörder  Alboins  (vgl.  Heinzel,  AfdA.  g,  248;  K'->cgel,  Gtsch.  </.  d.  Uu. 
I,  I,  iiK).  Die  I^r^kalisierung  dieser  langobardischeii  Brautwcrliungssage  in 
der  niederdeutschen  Sa}{c  nach  WiLzcnland  (s.  PBB.  ij,  4c}2)  kann  nuch  in 
allen  liistDrischcii  Erinnerungen  oder  MiKsverstilndni.i.Hen  ihre  Erklärung  finden, 
uUhrend  in  der  süddeutschen  Cberliefcrung  Rolher  den  Zeitanscliauungen  ent- 
sprechend zum  Küoig  von  Rom  geworden  und  in  glaubhafterweise  in  ApuUcii 
lokalisiert  ist.  Die  oberdeutsche  Gestalt  der  Sage  hat  den  überkommenen  Stoff 
vielfach  ausgeweitet  durch  Motive  aus  amieren  Heldensagen.  Au-S  der  Wolf- 
dietrichsnge  stammt  Kothers  Erzieher  und  Ratgeber  Berchter  vonMerati  (§34); 
aus  seinen  lO  Sühnen  sind  12  gewardeii  (dix-h  vgl.  Rolli.  51301.1,  von  denen 
7  zu  den  von  Rother  aa^gesandteti  Bi.>len  gehören.  Das.«;  diese  ilisclumg  der 
Rother  (Osaniiix)-  und  W'olfdictrich&age  schon  in  der  Fassung  der  I*s.  vor- 
ausgesfizt  werde,  nimmt  Moltenboff  ^ZfdA.  6,  447)  wohl  mit  Unrecht  an; 
wenn  sowohl  Os;intrix  als  R^»lhcr  sich  bei  der  Befreiung  der  Dienstmannen 
Dietrich  nennen,  sei  ü-t  nicht  an  den  fränkischen  Dietrich,  sondern  au  Dietrich 
von  Bern  zu  denken.  Andere  Zflge  zur  Ausbildung  der  Sage  hat  die  Hilde- 
sage iiergegebcD.  Daliin  gehurt  nainenüich  die  Erweitenmg  des  Stoffes,  die 
Rückeutffllu-uiig  von  Rothtrs  Gemahlin  im  Auftrage  ihres  Vaters  duidi  einen 
listigen  Spielmann,  der  sirh  als  Kaufmann  vermummt  (Roth.  30«}  ff.),  wJihrcnd 
lungekehrt  der  alte  Zug,  dass  Osantrrc-Rütlier  .sich  für  einen  geachteten  Recken 
ausgicbt  und  Schutz  sucht  bei  Milias-Constantln  (Roth.  915  ff.  I*s.  c.  35),  der 
spielmannsmässigen  Ausgestaltung  der  Hildesage  in  unserer  Kudrun  zum  Vor- 
bilde gedient  haben  kann.  In  anderen  Bestandteilen  der  mhd.  Sagenform 
sind  Beziehungen  deutsclit-r  Könige  au  dai  griechischen  Kaisem,  Krcuzzugs- 
geschirhtcn  und  bairische  Lokal  Überlieferungen  erkennbar;  für  die  epische 
Ausprägung  der  Gcütalt  des  Coustanttn  mügcn  historische  byzantinische  Kaiser 
Züge  dargebiten  haben;  die  Anekdote  von  der  Erschiagung  des  zahmen 
Löwen  durch  Asprian,  obgleich  vermutlich  langu bardischen  Ursprungs  kann 
neu  belebt  worden  sein  durch  die  Kraftprobe  eines  Ritters  auf  Uan  Kreuz- 
xuge,  den  der  Herzog  Weif  von  Baicm  im  Jahre  1 101  untetnahm  (Wilken, 
Gesch.  ti  KrcHz:.  II,  124).  Bairiäches  Colorit  zcigeu  besonders  Amelger  von 
Tejigltngen,  wahrend  Rothers  Abwesenheit  der  Verweser  seinem  Reiches,  und 
sein  Sohn  Wolfrät,  in  welchen  zwei  aus  der  Dietrichssage  bekannte  Namen 
an  em  bairisdies  Adelsgcschlecht  angeknüpft  erscheinen. 

In  der  Cswaldsage»  kehren  wesentliche  Zog«  der  Hildesage  in  spicl- 
mannsmüsstger  Filrbung  wieder:  der  Vater,  der  die  ängstlich  gehütete  Tixrhier 
nit±l  hergeben  will,  die  Ustige  Werbung  durch  einen  Boten,  welcher  hier  zura 
klugen  sprechenden  Raben  geworden  ist,  die  listige  Entfühnmg,  hier  als  besonderer 
Akt,  das  Nachsetzen  des  Val(;rs  und  der  Kampf  auf  der  Itusel,  imd,  vor  allem 
merkwürdig,  sogar  da*;  Wieilererwecken  der  Gefallenen.  TrSgi-r  der  spiel- 
inannisch  au-sstaffierien  Sage  ist  dei  geschichtliche  KOiüg  Oswald  von  Nurth- 
umbrien  (t  Ö42)  geworden,  der  sich  mit  der  Tochter  eines  hcidnisdien  weM- 
sachsischen  Königs  vcimählle  und  diesen  zum  christlichen  Glauben  bekehrte, 
welchen  er  kurz  zuvor  selber  aiigenonunen  hatte.  Sein  Leichnam  wurde  IO38 
nach  Flandern  gebracht  und  geno.'w  im  12.  Jalirh.  besonders  im  Liucmbui^- 
sehen  Verehrung.  Mit  seiner  Le):ende,  die  bei  den  Kelten  ausgebildet  zu  sein 
scheint,  wiudc  die  typische  Bnmtt'abrt  in  den  Orient  luic  h  dem  allgemeiikcu  Muster 
der  Hildesage  wohl   in  der  niederrheinischen  Spielmannsdichtung  und  nicht 

Gnxnutlscbe  PbUoIocic  »I.    3.  AuH.  ib 


722  XIV.  Heldensage.     Die  einzelnen  Sagenkreise. 

vor  dem  12.  Jahrh.  verschmolzen.  Erhalten  ist  die  Oswaldsage  in  mehreren 
mhd.  Dichtungen  {§  17)  und  Prosaauflosungen,  und  in  einer  altnordischen 
Saga;  über  das  Verhältnis  der  Bearbeitungen  hat  zuletzt  Berger  (PBB.  ii, 
365  ff.)  gehandeh. 

Auf  die  in  ihrem  wesentlichen  Kerne  sehr  ähnlichen  EntfÜhnmgssagen  von 
Samsun  (Ps.  c.  i — 13),  von  Erka  und  Berta  (ts.  c.  42 — 56,  vgl.  §  50),  von 
Apollonius  und  Herborg,  Königs  Salomons  Tochter  {Ps.  c.  246  ff.,  vgl.  §  67), 
muss  der  nackte  Hinweis  genügen.  Dass  die  alte  Ortnitsage  in  der  süd- 
deutschen Dichtung  ebenfalls  in  die  Fonn  der  beliebten  Entführungsgeschichte 
gekleidet  wurde,  ist  in  §  37  gezeigt  worden.  Auch  die  aus  Siteren  und  anders 
gearteten  Vorstellungen  erwachsene  Orendelsage  (§  66)  zeigt  Annäherung  an 
diesen  T}'pus.  Eine  methodische  Untersuchung  der  historischen  Entwicklung 
der  gesamten  germanischen  Brautwerbungssagen  bleibt  noch  immer  eine  der 
notwendigsten  xmd  anziehendsten  Aufgaben  der  engeren  Sagenforschung.  Eine 
anerkennenswerte  Vorarbeit  ist  der  zweite  Abschnitt  von  H.  Tardels  Schrift 
Untersuchungen  zur  mhd.  Spielmannspoesie,  i.  Zum  Orendel.  2.  Zum  Salman- 
Morolf  {^o%i.  Diss.),  Schwerin  1894,  S.  33  ff-,  aber  sein  Versuch,  die  Motive 
der  Entführungsgeschichten  im  deutschen  Spielmannsepos  (Rother,  Kudrun» 
Ortnit,  Orendel,  Oswald  usw.)  sämtlich  als  mehr  oder  minder  freie  Nach- 
ahmungen der  Saloraosage  zu  erklären,  kann  nicht  als  gelungen  betrachtet 
werden. 

1  Hds.  S.  146  ff.;  MüUenhoff,  Kudrnn  S.  99.  ZfdA.  30,  234  f.;  W.  Müller, 
Mylh.  d.  d.  Hildens.  S.  238  f.;  Roediger,  ZfdA.  31,  282  ff.  —  «  Rückert, 
Einl.  zur  Ausg.  des  Rother  (1872),  S.  XVII  ff.;  Heinzel,  AfdA.  9,  248  ff.; 
V.  Bahder,  Germ.  29,  276  ff.  {s.  auch  die  Einl.  zu  seiner  Ausg.  des  Roths, 
1884);  W.  Müller,  Myih.  d.  d.  HeJdens.  S.  I90ff.;  H.  Bührig,  Die  Sagr 
vom  König  Rother,  Gott.  1889;  L.  Singer,  Zur  Rothersage  (Progr.  des  akadem. 
Gymn.  zu  Wien  1889).  —  3  Berger,  PBB.  II,  409  ff.;  "W.  Müller,  Myth.  d. 
d.  Heidern.  S.   242  ff. 


G.   WlKLANDSAGE. 

§  62.  In  der  sclii'jnen  nurwegischcn  Volundarkvi(>a,  die  wohl  noch  dem 
Ende  des  y.  Jahrh.  angehürt  und  vielleicht  das  älteste  unter  den  erhaltenen  Edda- 
liedern im  Fomyrdislag  ist,  sind  vum  Dichter  zwei  ältere  Lieder  von  Wie- 
land benutzt  und  mit  einander  in  gesdiickter  Weise,  jedoch  nicht  ohne  Wider- 
sprüche, verschmolzen  worden.  Dieses  Ergebnis,  auf  weiches  die  höhere  Kritik 
der  V(3IundarkviJ)a  führt^,  wird  durch  sagengeschichtliche  Erwägungen  be- 
stätigt. Zwei  verschiedene  Traditionen,  offenbar  in  Liedform,  müssen  dem 
norwegischen  Dichter  bekannt  gewesen  sein.  Die  eine  erzählte  von  den  Be- 
ziehungen dreier  Brüder,  Volumlr,  EgiU  und  Slagfidr,  zu  den  Schwanjungfrauen 
Jlen'^r  (Alvilr),  Qlnin  und  Illaitgmir  (S7-ankvil).  Es  kommen  die  drei  Maide 
von  Süden  geflogen  über  den  *  Dunkelwald«  (Myrkvip  i  gognom)  und  setzen  sich 
an  den  Meeresstrand  {ä  savarstrqnd).  Die  Bcjider  nehmen  sie  mit  sich  heim, 
augenscheinlich  nachdem  sie  ihnen  die  Schwanenhemden  entwendet,  allein 
nach  sieben  oder  acht  Jaliren  fliegen  die  Jungfrauen  wicnier  fort,  ihres  Wal- 
kürenamics  zu  walten.  Von  der  Jagd  heimkehrend,  finden  die  Brüder  ihre 
Säle  leer.  Während  Egill  nach  Osten  und  Slagfidr  gen  Süden  ziehen,  um 
ihre  Frauen  zu  suchen,  bleibt  Volundr  allein  zurück:  so  erzählt  das  Lied 
(Str.  (1  f.),  indem  der  Dichter  wahrscheinlich  durch  dieses  einsame  Zurück- 
bleiben Wiclands  die  Brücke  zu  dem  anderen  ihm  vorliegenden  Liede  schlägt, 
das  mit  dem  Überfall  des  feindlichen  Königs  anliub.  Von  dieser  Sage  hat 
nur  noch  das  abenteuerliche  deutsclie  Gedicht     Herzog  Friedrich  von  Schwa- 


bellt  (§21)  einen  inerkwttrdigeii  siiain»  Nachklang  in  ritterlich-phantastischer 
Umgestaltung  bewaliri,  der  zwar  zur  Erklärung  der  Sage  nithls  beilragt,  aber 
den  Beweis  liefert,  daas  auch  dieser  Teil  der  nordischen  ÜherKcfenuig:  von 
Wieland  in  Beutsdtland.  und  zwar  in  selbständiger  Extsteru,  bekiinnt  ge- 
wesen isL 

Ziemlich  unvermittelt,    mit   der  Sage  vom   Raube  der  Schwaiijung- 
(lau  nur  durch  den  Numen  de»  Helden   und  durch   einai   urspitlngltch  in 
beiden  Sagen   eine  Rolle  s]>ietenden  King   zusammengehalten,   sch]ies$t  »eh 
in  der  Vkv.  an  diesen  erstert-n  kürzeren  ein  zweiter  längerer  AlwdinilL    Der 
König  der  Niarcn  j\7d(«fr  nimnit  den  kunntreichen  Sflimicd    l'Mundr,    da  er 
allein  im  Wulfsihal  (d/i/alir)    »itzl,  gefaiig,    eigneten   sirh   sein  S«.-hwert    und 
seine  Kostbarkeiten  an,    unter  diesen    auch    einen  bcsinders  wichtigen  Ring, 
lüsst  ihm  auf  den   Rat  der  Königin  die  Kniesehnen  durchschneiden  und  ihJi 
auf   einer    nahen  In^cl  Geschmeide  Kchmicdcn.     V'<4undr   r<lcht   *nrh,    indem 
CT  den  jungen  Söhnen  dt-s  Königs,  als  dt-r  Zufall  sie  in  seine  Werkstatt  führt, 
die  HiluplL-r  alAclJagt  und  aU'»  ihren  Schadein  Trinkschalcii    für  den  Kouig, 
aus  ihren  Augen  tldelsteine  für  die  Königin,  aus  ihren  Zahnen  Hntstspangen 
für  die  Königstochter  bildet,  dami  aber  des  Königs  Toctilcr  BfitfUdr,  nach- 
dem er  ihr  einen  Schlaftrunk  gemischt,  überwalt^jt.     Dann  schwingt  «r  sidi 
(mit  Hülfe   des   wiedererlangten  Ringes,   dnrfen  ftir  ergänze«)   in  die  Lüfte 
und  verkündet,  hmh  in  der  Luft  srhwebend,  dem  Nid^>dr  seine  Rache.    Mit 
dem  Kinge  nSmlich,  den  die  Krieger  des  Königs  vor  allem  in  ihre  Macht  zu 
bekommen  suchen  (Str.  gf.),   den  der  König  seiner  Toditer  giebt  und  lu»- 
mittelbar    nacli    dessen   Wiedererlangimg  \\'ielani'l    sich    die  Freiheit  wieder- 
erobert (Str.  30  f.),    ist  ohne  Frage  ein  Flugring  gemeint,    der  dem  albischen 
Schmiede  die  Flugkraft  oder  die  Gabe  der  Verwandlung  in  V'ogcigestalt  ver- 
lieh (Koegel,    Gesc/i.  ./.  d.  Litt.  I,    i,   103    Anm.;    [Jiriczek,    DHS.  I,   11  ff.]). 
Wenn  es  heisst  (Str.  12),  Völundr  habe  beim  Vermissen  des  Ringes  geglaubt, 
die  entflohaie  Gattin  sei  zurückgekehrt,  so  erstrebte  der  Dichter  mit  dieser 
im  Zusammenhange  unseres  Liedes  nicht  recht  xerstandlichcn   Betiauptung 
eine  Anknüpfung  an    den  Ring   der  SL'hwanjmwfrausage,  den    wir  gleichfalls 
als  Flugring  auffassen  dürfen,  dunh  dessen  Veriusl  Her\-yr  in  die  Ge\talt  Wic- 
lands  geriet  und  nach  dessen  Wiedererlangung  sie  entfl'ih.     Diese  zweite  Sage 
von    Wielands   Gefangenschaft    und   Rache,    die  eigentliciie  Wickuid- 
sage,    findet  sich  selbständig,    ohne  Verbindimg   mit  der  Schvn-anjungfrausage, 
in  einer  der  Darstellung  des  norwegischen  Liedes  sehr  nalieslehenden  Gestalt 
bei  den  Angelsachsen.     Eine  Rlfenbeinschniuerei  auf  dem  Clenn<>ntcr  Ruucn- 
IcAstchen  (g   12)    zeigt    die  Szene   von  \\'ielands  Karhe   in    ihren  beiden  ent- 
stiieideiiden  Momenten,  der  Tötung  der  KOnigssölme  und  der  Entehrung  der 
Königstochter,  und  in  dcjn  Gedichte  »Di&ont  Klage«  (§  13)  kehren  ans]'«ehmgs- 
weise  die  wesentlichen  Züge  der  Sage  wieder:   Welanth  Fesselung  durch  den 
König  Niitbad  und  die  SchwSngerung  der  ihrer  Brüder  lieraubten  Königs- 
tochter Remhlnlii.     Die  Berillimngen  zwischen  dem  Berichte  des  altenglwchen 
Dichtern  und  dem  norwegischen  Liede  legen  sogar  die  Annahme  eines  mittel- 
baren Zusammenhanges  zwischen  beiden  Sagendarstellungen  nahe*.    In  diesem 
Falle  müsstc  als  gemeinsame  Quelle   ein  niederdeut:>ches  Lied  von  W^lands 
Gefangenschaft  und  Rache  vorgelegen  haben;  jedenfalls   muas  die  Sage  sich 


•  Vgl  Nicdner,  ZfdA.  JJ,  36  f.;  K.  J6auon,  Litt.-Hhi.  1,  110;  Kocgc!,  Griik.  d. 
d.  Litt.  1,  I,  toi  ff.  [JuTczck.  DhS.  I,  29).  Die  wörtlichen  AnkUog«  zwiscliMi  der  Vkv. 
oiu)  (1cm  Sf^.  Gerichte,  die  N'tcdner  siifjihrt  (a.  a.  O.  S.  36  Anm.  3},  siiid  berntffkcos' 
wtfrt,  wenn  lucb  nicht  grnüe  bewcrisciul  (\a  formaicfl  ZusamnietihAng. 

4ft> 


724 


XIV.   HEI.DENSAGE.      DiE  EINZBLKEK  SAGENKKEISB. 


bereits  ini  7.  Jahrh.  nach  Eiiglumi  verbreitet  haben  (s.  §  t>i)  und  nicht  viel 
spJiter  auch  nach  Skandinavien  gHangt  sein. 

In  der  weilsciiweifi^en,  durch  vor^chiedcne  Episoden  vermehrten,  aber 
hlr  die  Krkenninls  der  aheii  CberÜeferuny  wenig  ergiebigen  ErxÄlilung  der 
l*idrekssaga  (c.  57^—79),  auf  welche  in  ^  65  nncli  zurütkzukümmen  sein  wird, 
beginnt  erst  mit  c  73  die  der  \Vi!undark%i|>u  und  den  ags.  Zeugnissen  ent- 
sprechende ursprflngiiche  Partie  der  Sage,  die  uns  an  (heser  Stelle  zunächst 
allein  interessiert.  In  meinen  Gruudzügen  steht  dieser  Beridit  den  alteren 
Quellen  n<K;h  n.T.hc  genug:  auch  nach  der  hs.  wird  Veient  von  einem  K<"nige 
Nii/uN^r  tji  jtutand  als  Sdniiied  verwendet  und  gelillinit;  auch  hier  t<>tel 
er  die  jungen  Silhne  des  Königs,  aus  deren  Gebeinen  er  Schmuck  und  Tisch- 
gerät fertigt,  und  schändet  dessen  Tochter.  Der  Flugring  ist  durch  eia, 
Flughemd  et^etct,  das  Velent  aus  den  Federn  der  VOgcl  macht,  die 
Bruder,  der  Meisterschütz  Egil,  für  ihn  schiesst.  Wie  in  dem  alten  Liede' 
enihülll  dann  der  Schmied  dem  Xidung  seine  Rache  und  flitzt  diivon;  der 
Kfinig  befiehlt  dem  Egil,  den  Bruder  nietlemischiessen,  aber  durch  eine  \T>rhcr 
verabredete  List  wird  dieser  Versuch  vereitelt.  Zu  dieser  jungen  Verflachuag 
der  alten  Sage,  in  welcher  zwar  das  alte  Gerüst  bewahrt,  aber  die  dAnio- 
nische  Rache  des  albischen  ScJimiedes  zu  einer  komisch  gefarhteji  Eni- 
flUclitungsinlrigue  erniedrigt  isi,  hat  dem  Sagaschreiber  neben  jüngerer  nieder- 
deutscher Tradition  unsere  V(5lundarkvi(ta  als  haupisJlchUche  Quelle  gctitentp 
die  ihm  nach  ungenauer  mündlicher  Überlieferung,  doch  in  stellenweise  noch 
volLstänili gerer  Gestalt  bekannt  gewesen  zu  sein  sclieint.  Bereits  in  c  69 
(Unger  S.  82 ")  deutet  er  Kenntnis  nordischer  Tradition  an,  wenn  er  von 
Velent,  dem  berühmten  Schmiede,  spricht,  ^cr  l'trna^'ar  ka/la  lo/om/',  und 
die  Bezeichnung  Egils  als  Qfninar'Egill  l'.  75  (Ungcr  S.  (jl  ")  wird  nur  durch 
BekannLschaft  mit  der  Vkv.  erklärlich.  Aber  auch  der  Schuss  Egils  auf 
Wieland  ist  wohl  weiter  nichts  als  eine  Ausmalung  der  Andeutung  in  der 
^'^^v.  Str.  39 :  fsat  sz'ä  maPr  h^r  \  at  pik  af  hisU  iake,  \\  ne  svä  qflogr  \  at  pik 
nepan  skjöu..  Damit  wird  ilic  ganze  Einmischung  Egils,  deren  innere  Unwahr- 
scheinlich kcit  einleuchtet  —  die  Apfelschusssage  ist  auf  ihn  nur  übertraeeu 
(§  '\5)  — .  als  Zudiat  des  Sagasch roibers  wahrscheinlich,  uml  che  ganze  Hucht- 
version  der  l's.,  welche  EgiJs  Mitwirkung  voraussetzt,  als  blosse  litterariscbe 
Umbildung  des  \S-  Jahrlis.  dringend  verdilchtig  *.  Der  Zug,  da.»»  Wieland 
nach  der  l's.  c.  73  die  beide-ti  Knaben  bei  ihrem  ersten  Besuche  zurück- 
schickt und  sie  wietlerkomnien  heissl,  wenn  frischer  Schnee  gefallen  sei,  doch 
rOckwart-igeliend,  weist  doch  wohl  auf  eine  vollstilndigere  Gestall  der  Vkv.,  in 
deren  jetziger  Fassung  Wielands  Aufforderung:  komep  anttan  €fagx  (Str.  22^) 
kaum  genügend  motiviert  ist;  wenn  in  dem  rückwärts  gewendeten  KnalK>n- 
bilde  auf  dem  Runenkflstchcn  eine  Andcuuing  rles  KOckw .Irisgehens  der 
Kfjnigskinder  zu  sehen  ist,  so  wäre  damit  die  UrsprUnglichkeit  diese-:»  Zi 
sicher  gestellt  Inwieweit  der  Sagasrhreiber  für  seine  F,rz,'lhlung  von  Wielant 
Gefangenschaft,  Verslömmelung  und  Kache  neben  der  Vkv,  nodi  uicder- 
deutsche  Überlieferung  benutzt  hat  —  dass  diese  Sage  in  Niederdeutschland 
nf>ch  weit  später  bekannt  war,  zeigt  die  Sachsenu'aldsage  (g  63)  — ,  lasst  sich 
nidit  naher  bestimmen.    Soviel  steht  aber  fest,  dass  für  die  Untersuchung 


*  Der  Xame  ^j/V/  in  Kiinc-n  auf  dem  Ckmionln'  K^lc)i<;n,  ilrD  man  für  die  Altrr- 
tOmlichkcii  der  tn  der  P«.  anfüllenden  S:^•i:f]••mall  itut  TrrfTfn  t:c'ftilitt  hai,  nmu  «iis 
dem  Spiele  bleiben.  Er  »tcbt  nih  dem  WtelanilUikle  in  koinem  Zn^arnmcnhant;,  um)  «jcb 
die  I>.-utimg  der  vogdfangeadcn  Figur  auf  dem  Runcnküntcbeti  Auf  Egil  lui  nicfais  fUr 
Bicli.  ViHmchr  »cbi  Jiriczck  in  derselben  mk  Recht  einen  der  von  der  Vns«l)agi]  tA 
AiViclaiiiU  Bchjin^mig  vcrirri'.-n  jimpcn  Ki\nig»öbtjc  [Zi/JS.  I.  titß,  JJ  f.J. 


WlELANtSAGE:  QUELLfiK.      HeIIIAT.      WAKDERUKOSN. 


72s 


^ 


der  alten  Wielandsage  der  Bericht  der  f's.  im  wesentlichen  werllos  ist;  die 
Vcreuclu.-,  di:iisclbca  als  Grundlage  für  die  Rekonslrukliuii  iler  Sage  zu  be- 
nutzen (wie  es  von  W.  MflIIer  und  Golther  cescVieht-n  ist),  sind  als  durcJiaus 
vcrlelill  zu  bctrachlen.  Da  von  der  verworrenen  Notiz  im  Anhang  zum  HB 
{Hds.  S.  326)  füglich  abgesehen  werden  kann,  alle  sonstigen  Zeugnisse  aber 
sich  auf  den  Preis  und  die  sagenhafte  Verbreitung  von  Wiciands  51chmiedc- 
ktuist  beschranken,  so  ergicbt  sich  der  durch  die  beiden  ags.  Zeugnisse  l»e- 
statigtc  Bericht  der  alten  V()hinclarkvi|>a  a]s  unsere  eigentliche  Quelle  für  die 
Erkenntnis  der  ursprünglichen  SagengestalL 

Llltcratur:  Rieger,  Genn.  3,  176;  K.  Mcycr,  Gtrm.  14,  283  ff.;  E.  H. 
Meyer,  AFdA.  13,  23  (f.;  Nicdner,  ZfdA.  33,  24  ff.  Xur  Liedtredia  {Wim. 
Beil.  imn  Jiihresbcr.  des  fricdriclia-tSj-mn.  zu  Berlin  1896)  S.  17  ff.;  W.  M&llrr, 
Alyih.  J.  d.  Heidem.  S.  114  i!'.  Zur  Myth.  S.  ",14  ff.;  üolthcr,  Germ.  3J.  449  B.; 
Sclißtk,  Ark.  f.  uord.  FiL  9.  103  ff.;  Kolbc),  Cä-jj-A.  d.  d.  Uil.  I,  i,  9'>  ff. 
(Jiriciek.  DHS.  I,  1—54).  —  '  Zur  Kritik  dw  Vkv.  vgl.  rh««.t  den  EdOii- 
aitsgi;.  und  Niedncr»  ani!<-fährtvn  .'Viiwiten :  Detter,  Ark,  f.  norri.  Fil.  3,  309ff.; 
F.  JiViisson,  Lttt.-Hisl.   I,  204  ff, 

g  63.  Auf  Niederdeutschiand  als  die  eigentliche  Heimat  der  Wieland- 
Mge  fAhien  verschiedene  Anzeichen.  Eine  fortdauernde  lebendige  \'erbrei- 
tung  der  Sage  Klsst  sich  nur  auf  nicdcrdcutM'tieni  Boden,  s<)w<.»lil  durch  ihre 
Kodifizierurg  in  der  I'idrekssagft,  als  diirdi  ihr  Haften  in  der  Vt.Iksüber- 
liefetuug,  bel(^eu.  Xuch  in  der  Erzählung  der  ts.  c.  58  ist  der  Berg  Ballo/a 
{Kaiht'o),  d.  i  die  Balver  Hiihle  bei  dem  westfälischen  Stadtchen  üahr 
älter  Jiaihwa  {Hollhausen,  PBB.  <j,  4^9  f.).  der  Schauplatz  von  Wielands 
Lehr/Jiit,  und  auf  der  Weser  [}^iiarä)  unweit  ihrer  Mündung  begiiuil  er  (c.  61) 
seine  abenteuerliche  Fahrt  in  die  Nordsee.  Gottfried  von  Monmouth  deutet 
die  Stadt  Sie^at  als  Wielaixds  Werkstatt  aa  {HJs.  Nr.  26).  Der  holsteinische 
und  wcstffllisclic  Volksglaube  bewahrt  eine  Reihe  von  merkwürdigen  Schmiede- 
äagcn  S  die  es  klar  machen,  «"ie  tief  die  sagenumwobene  Gestalt  des  kunst- 
reichen Schmiedes  in  der  niederdeutschen  Anschauung  wurzelt  Unter  diesen 
bietet  die  unzweideutigste  Erinncmng  an  den  verstünunelten,  unter  t>-ranni- 
.«tclicm  Zwang  arbeitenden  Künstler  die  Sachse nwald sage  vim  dem  Schmiede 
Mc/antl  uder  AmmHanä  feiner  KumproinissfLimi  aus  Wfhnd  und  seinem 
Rivalen  in  der  jüngeren  nd.  Tradition  Amelias-AffUasfi*.  Aus  Niederdeutsch- 
iand hat  sich  die  Sage  nach  England  verbreitet",  wo  die  Darstellung  des 
Clemiunler  Runenkäslclicns  und  das  Gedicht  -Doürs  Klage  schon  für  das 
7./8.  Jahrb.  ihre  Bekannt-a'haft  hcwci-sen,  und  Wielands  Si~hmiedekuiLSt  hoch 
gefeiert  ( IV^'/arnffs  ^nvore  Beow,  455.  Wald.  A  2)  m»d  lange  im  Gedächtnis 
fortgepflanzt  wurde  {H<ii.  Nr.  2(>.  io(>.  izb^  =  ZfdA.  ly,  130.  ÄFNr.  (18?). 
In  Berkshire  lebt  die  erst  zu  Anfang  des  18.  Jahrh«.  aufgezeichnete  merk- 
würdige Sage  von  dem  unsichtbaren  Schnüede  Wayland  {/A/j.  Nr.  170).  und 
nach  Kembles  Nachweis  {The  Saxons  I,  431:  vgl.  ZE  Nr.  ())  hiess  der  Ort, 
wo  sich  die  Cberiiefeiomg  lokalisiert  findet  {Wayland  smilh  statt  W.  smitby), 
bereits  in  einer  Urkunde  v.  J.  ^^^  Wtlandcs  smiditc.  Wie  nach  Britannien 
oder  den  festlandischen  Wohnsitzen  der  AngeCsarhsen,  wird  die  Sage  auch 
nach  dem  skandinavisclien  Norden  aus  Niederdeutschland  eingewandert 
sein.  Auch  abgesehen  von  der  MiVglichkeit,  dass  der  Vi;t!undark\il>a  und 
»Deors  Klage«  ein  gemeinsames  niederdeutsches  Ued  zu  Grunde  liegen  kann 
(§6j),  weisen  die  Ortsangaben  und  die  Namcnfunnen  des  norwegischen  Liedes 
zum  Teil  unstreitig  auf  deutschen  Ursprung  der  beiden  in  ihm  verbundenen 
Wietandsagen.  Es  mischt  die  Vkv.  fingiertes  {t't/daUr,  Si/iars/pd)  und  wirk- 
hchcs  Lokal.  Die  Scliwanjungfraucn  sind  dröstr  u/ßrünar,  sie  kommen  von 
Süden  geflogen  über  den  Afyrhudi,   d.  i.   den  saltus  Hcrcynius   (Molleulioff, 


726 


XIV.  Heldensao£.    Die  eihzeixeu  Sagekkreise. 


ZfdA.  2^.  168  f.;  Koegel  I,  i,  09),  und  dorthin  sehnen  sie  sich  znriick  (Str. 
4*).  Wenn  die  Prosa  des  Sammlers  Wielaiul  und  seine  Brüder  zu  Söhnen 
eines  Fiünenk*'inigs  marht  und  seinen  Gegner  Nldiiftr,  den  Xiara  dröttian, 
nach  Schweden  lokalisiert,  so  fallen  diese  Angaben  weder  für  nordischen 
noch  für  •nniiischen«  Ursprung  der  Sage  irgendwie  ins  Gewicht.  Die  Namen 
von  Widands  Gegner  A^l^iftr  {Ni/tttftf),  Gen.  Niita^ar  (ags.  NUJiatf,  vgl.  Binz, 
PBB.  20.  t8ol  und  von  de5aen  Tochter  R^ih'ildr  (ags.  BeadohUd)  sind  in 
ihrer  allgemeinen  ejiLschen  Bedeutung  wenig  rhara.Lteri.suscli,  al>er  erstercr 
wenigstens  iüt  sownhl  unnordisch  als  nncnglisch.  Auch  Slagfiär  und  der 
Diener  des  Niarenkönigs  pakkrddr  (aJls.  ThanJträä)  tragen  deutsdie  Namen; 
ebenso  deutet  auf  fremden  Ursprung  die  Bezeichnung  zweier  von  den 
Schwanjungfraucn  ab*  TCwhter  ••Jfi^ti-e'x*,  aLsü  dnt?s  frankischen  KOnigs  *.  In 
gleiche  Rirhiiirg  weist  endlich  der  Name  des  Helden  sellier. 

i'iUundr —  die  Länge  der  Stammsilbe  fordert  tue  Metrik  an  verscIUedcncn 
Stellen  (3*,  11*.  14*.  30*.  34*.  35  *.  42*.  43«)  —  Ut  in  seinem  Veriiültnis  zu  ags. 
Weland,  alid.  Widtint  aus  dem  Nordischen  nicht  zu  erklären,  sondern  deutet 
auf  Herübemahme  einer  nicht-nnrdisctien  Namenform,  am  ersten  also  eines 
niederdeutschen  Wrland  \*l'c1undr  >■  Vt'fhmdr  mit  /'  aus  t  vor  /?),  worin  sich 
eine  Parti zipialbildung  zu  den  allerdings  nur  auf  nordischem  Boden  belegten 
Wörtern  rv7  >Kunst,  Kunstgriff,  List-,  iela  «■betrügen,  Obcrlisten*  vernntten 
lasst**.  An  dieser  schon  von  J.  Giimm  iMyih.^  313)  gegdienen  Krldarung 
des  Namens  aus  germanisclien  Sprachmittcln  als  skunstfertiger  Schmied, 
Künstler-  ist  fest  zu  hallen.  C.  Hofmanns  Versuch,  den  Namen  aus  dem 
Finnischen  herzuleiten  {Germ.  8,  10  f.,  vgl.  W.  Müller,  Myth,  d.  d.  H<Idms. 
S.  138),  ist  ebenso  verfehlt  wie  die  Deutung  aa-*  volksetymologischer  Anleh- 
nung an  VidrnRus,  wiL'  sie  zuletzt  wieder  von  Golther  (Germ.  33,  464  ff.) 
vorgenommen  ist,  freilich  mit  Einschrfinkung  auf  eine  vermeintliche  fritnkisch- 
nnrdische  Form  *  U'n/nnd,  ilie  es  neben  der  englisch -deutschen  W/Zund  in 
der  Sage  gegeben  haben  »üll.  Diese  j'fränldsch-nf>rdische-  Namenform  wird 
aber  weder  durch  die  altnorwegis<:he  CberlicferuuR  noch  durch  die  alt- 
franzt'sischen  Zeugnisse-"  genC^end  gestützt.  r)ic  Kunde  von  dem  be- 
rühmten Schmiede  Gitlans  wird  erst  durch  die  Normaimen  nach  Frankreich 
gekommen  sein.  Nirgends  zeigt  sich  die  Spur  einer  reicheren,  etwa  aus 
frankisi:her  Zeit  herstammenden,  sagenliaften  Tradition,  tmd  die  Namenforro 
Wahrtdfr  in  dem  ältesten  Zeugnisse  von  französischem  B"xicii,  Ademars 
Historia  aus  der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhs.  {ZE  Nr.  70),  vs-cist  nach 
Jiriczeks  treffender  Bemerkung  [DffS.  I,  23]  durch  ihre  Endimg  geradesu 
auf  Entlehnung  aus  slumdinanschem  Munde. 

Auch  in  Obcrdeutschland,  wo  bereit.*«  in  zwei  Sanct  Galler  ürlninden 
V.  J.  864  {ZE  Nr.  14  f;  vgl.  mn-h  Nr.  2^  7)  Wif/ant  {Weiunt)  nebei\  Witigo 
( M'itigouuc)  als  Zeuge  auftritt,  lud  die  Sage  offenbar  nur  geringen  Bi:>den 
gefunden.  Im  Waltharius  fifi5  heisst  Walthers  l'anzer  Wrlandm  fabrira,  wie 
in  den  ags,  'Wal<iere-Fragnienten,  jedesfalLs  nacli  alemannischer  Tradition, 
UV/aridcs  gatfforc;  im  Biternlf  und  in  anderen  mhri.  Gedichten  ist  Wieland 
als  berilhmter  Waffeasclmiicd    oder    bloss    als  Vater  W'itegcs   bekannt,    oltne 


"  Hlnp^ifir  ok  Herrfr  \  borm  vas  Hli^pvi.  '  |  iunH  Tat  Qtrttn  |  Kiars  AMUr:  oft'vo- 
bar  gch'irt  <tie  an  ilrr  flbrrtiefcrten  Stdlr^  unm^tidio  HalSstmphF  (16)  zwischen  3  twd  3. 
—  Zu  den  Namen  Her  Vkv.  i.  Koegpl  I,   I,    loo;  [Jiriczck,   DHS.   I,  27}. 

*•  In  ajp.  K'i/  >I..isl'  Ul  eine  AbUutsfomi  zw  uip.  M'tlatul.  aiJ.  i-//,  v^ta  (mit  *•) 
erlullen  (Xoreen,  Vrgfrm.  LauU.  S.  31).  Der  Dichiei  der  Vkv,  (30*  -.il  g^rft  tutdr\ 
hvatt  2^papf\  Bcheim  dn  Worupicl  xu'Uchen  1//  und  lliltindr  /n  t>eabsicbtigen,  braucbt 
aber  luifirlich  <Ien  etymobciscben  Znnjnmenhang  nicht  mehr  empfunden  ni  haben. 


WiELANDSAOE:  Wan-DERUKOEN.      URSPRUNn    UND    BEDEUTUNG. 


727 


rfass  sich  aus  diesen  Eni'ühmingen  eine  umfassendere  Sagenkenntnis  cr- 
schlifsstii  lit-bsc.  Und  audi  die  versprengten  Reste  der  Schwanjuniifrau- 
sage  in  'Herzog  Frie(!rich  von  Schwaben«,  sowie  die  konfusen  Notizen  im 
Anhang  /um  irleldcnbucli  krjnncn  diese  nicht  beweisen;  vs  i^t  vidmchr  sehr 
glaublich,  dawt  in  beiden  Fallen  die  reichere  niederdeutsche  Cberlieferung 
mittelbare  oder  unmittelbare  Quelle  gewesen  ist*. 

1  Kiibn,  &i/^ft  aus  \%tstfaleit  I,  42  fT,  —  '  Di*  Suchscrnwnlibui);«  milf;eicilt 
von  J.  Wcilde  im  Jahrli,  de*  Vcr.  f.  nd.  Sprachf.  t  (lS;5),  104  f.  (//<£!.  '  S.  492); 
vgl.  E.  H.  Ä[«ycr,  AfdA.  13,  30.  —  3  Bin/,  TBR.  20,  186— iqo.  —  *  Irland 
U  fori^eron.  Diss.  par  G.  It.  Drppinj;  «c  Fr.  Michel,  I'aris  iSjJ,  Chap.  V. 
(S.  37—46  und  Bo — 95t;  vgl.  H^s.  Nr.  38— 30.  ;?£■  Nr.  70.  —  *  [Zur  BcunciluDÄ 
der  olMTtietiuchpn  Äcußnisse  «.  jetit  Jiriczck,  DtiS.  I,  33 — 36|. 

5  64.  Die  Frage  nachdem  Ursprung  und  der  Bedeutung  der  Wie- 
landsage,  deren  Rniwicklunus<,'es<;hichie  als  epischer  Stoff  sich  in  ihren 
wesentlichen  Stufi-n  wohl  v<;rfolccen  Iflsst,  fällt  streng  genommen  nicht  mehr 
in  den  Bereich  der  sagen  geschichtlichen  Forschung.  Das  Piviblem  ist  weniger 
sagengeschtchtlichcr  als  utvth<>l<igischcr  Art.  sodass  an  dieser  Stelle  einige 
Andeutungen  rlarüber  genügen  müssen. 

Als  ältesten  Bestand  ik-r  Sage  erkennen  wir  einen  niederen  Mythus. 
Allen  Cberlicfcrungen  gemein  und  schon  aus  diesem  Grunde  als  ursprOng- 
liciister  Kem  der  Sage  in  Anspruch  zu  nehmen  Lst  die  Vorstellung  von 
Wielaiid>  wunderbarer,  zauberhafter  Schmiedekunsi,  wie  sie  selbständig  und 
nur  erst  durch  einen  bestimmten  Namen  episiert  in  der  Berkshire-Sage  vcm 
Waviand-Smith  erhahen  ist  i%  63).  Der  in  einem  alten  prähistorischen 
SieiiHlcnkmal  Imusentlc  Schmied,  welcher  den  Menscliai,  die  üuu  sein  Lohn 
hinlegen,  unsichtbar  die  gewünschten  ."v-bmiedearlieiien  anfertigt,  isi  ein  bei 
den  verschiedensten  indc^ermanisclien  (und  wohl  auch  nichlinüogennaaischen) 
Völkern  verbreiteter  mydiischer  T>'pus^  Er  repräsentiert,  wie  man  riclitig 
erkannt  hat,  das  naive  Staunen  primitiver  Büdungsjcuständc  über  ilie  neue 
Kunst  des  Metallgiessens,  die  als  etwas  Dümonisches.  Cberirtlisiches  aufgc- 
fasst  wurde,  und  knüpft  somit  au  jenen  gewaltigen,  weHenfömiig  in  pr^etL- 
nischcr  Zeil  verbreiteten,  Umschwung  in  <ier  menschlichen  Kultur  an,  de-r 
sich  in  dem  Übergang  vom  Steinalter  zur  Metallurgie  vollzieht  Diese  Grund- 
läge  der  Widandsage  in  einem  myüiischen  Vorstcllungskreise,  dessen  Keime 
sich  auch  bei  den  Stämmen  des  nördlichen  Kuropas  in  eine  vnrgeschicht- 
lidie  Zeit  verlieren,  macht  l-s  vl'U  vornherein  umnöglich.  die  bei  verwandten 
Völkern  sich  findendai  Parallelen  zu  einer  genealugischeji  Geschichte  der 
Sage  zw  verwerten;  es  muss  dahingestellt  bleiben,  inwieweit  die  unleugbar 
vorhandenen  partiellen  Analogien  in  der  grossen  Reihe  der  idg.  Schmiede- 
sagen auf  uraltem  Gemeinbesitz  oder  früher  Moiivwanderung  beruhen,  in- 
wieweit nur  unabhängige  Ausgi.'S takung  gleicher  Mytlienkeimc  zu  ähnlichen 
Sagenf.>nnen  geführt  hat  (\^;1.  ^  11).  So,  um  dio-sc  Auffassung  durch  ein 
Beispiel  zu  erlautem,  hat  Wielands  Lähmung,  die  gewiss  zu  den  alten,  wenn 
auch  nicht  ältesten,  Elementen  seiner  Sage  gehi'irt  —  sie  findet  sich  in  der 
Vkv.,  der  I^s.  mid,  umgestaltet,  in  der  Saclisenwaldsage  und  wird  in  anderen 
Quellen  wohl  nur  durch  Zufall  übergangen  sein  — ,  von  jeher  an  Hephaisios 
gemahni.  und  es  ist  nicht  undenkbar,  dass  dieser  Zug  schon  dw  indogerma- 
nischen Vorstellung  des  FeucrdSmons  angehört  hat.  Doch  lie^se  sich  anderer- 
seits auch  ohne  diese  Annahme  vfsllig  tKCgreifen,  wie  ein  Mythus  von  einem 
Feuerdämon,  der  mensclilichen  KuUurzwecken  dienstbar  gejnacht  wird, 
bei  Griechen  und  Germanen  sich  in  ahnliche  Formen  kleiden  konnte- 

Aus  dieser  ältesten  crschliess baren  Form  der  Wielandsage  haben  sich  zwei 
höher    aui^bitdcte   Sagentypen    entwickelt     Der   eine    ist    die  Sage  von 


728 


XIV.  Heldensage.    Die  etnzelkbn  Saoekkrsise. 


"Wielands  Gefangenschaft  und  Rache,  als  deren  Kern  die  verschU 
denen  Cljerlieferungen  fnlgende,  am  treusten  in  der  V(ilunclarkvit>a  erlialten^J 
Grundgestalt  ergeben  (vgl.  .ü  Ö2).  Der  Schmied  Wiciaiid  wird  von  einem  feind- 
lichen Könige  gefangen  und  gelahmt;  er  radit  sich  an  ihm  durch  die  Enuor- 
dung  seiner  Söhne  und  die  Schändung  seiner  Todlter,  und  fliegt  davon.  Die- 
selbe mythische  Vf>rstc!lungj  die  in  der  Bcrkshire-Sagc  noch  in  der  Forai  eines 
primitiven  niederen  Mvthus  vorliegt,  erscheint  hier  in  einer  episch-henüschen 
Gestalt  Der  gefesselte  und  gelähmte  dainunische  Künstler,  der  auf  Gehciss 
einem  Könige  und  den  Seinen  Geschmtkle  schmieden  muss,  scheint  auf  einen 
FcucrdAmou  zu  dcuteu,  der  In  den  Dienst  meiischliclier  Bildung  gezwSngtj 
wird,  dann  aber  verheerend  sich  an  seinen  Bezwingern  r3cht  und  endlich 
hoch  auflnderud  sieh  durdi  das  Dach  der  Esse  sdiwingt.  Is  diese,  von 
Jiriczek  gegebene  [/)//S.  1.  4],  Deutimg  richtig,  si»  weist  die  Sage  von  Wi 
lands  Gefangenschaft  und  Rache  in  ihrer  epischen  Kumi  in  eine,  zwar  gleif^' 
falls  noch  sehr  alte,  aber  doch  vorgeschrittenere  Zeit  als  die  rarthischc  Btxk- 
shire-Cherllefenmg.  da  man  sich  nicht  mehr  mit  staunemler  Khrfurcht  vur 
der  zuubcrhaflen  Schiuicclekuiut  begnügte,  suiidem  den  Kräften  nach-spürtc^ 
die  das  tückische  und  verheerende  Element  des  Feuers  zu  metallurgischen 
Zwe<_-ken  zu  verwenden  wusstcn.  Die  Einkleidung  der  nicflerdcutschea 
Wieland-iage  Lst  natürlich  wiederum  eine  jüngere  Entwicklungsphase.  Der 
zauberlxafte  Schmied,  der  tücJdsche  Feuerdamrm,  erhielt  die  Züge  des  all- 
weisen, kunstgeübten  Zweites,  dem  die  unterirdischen  Schätze  das  Material 
zu  seinen  Bilduiigt-n  geben  uml  der,  wie  in  der  nordischen  Myll>olugie  die 
Ival<lMöhne  oder  Hrokkr  und  Suidri,  danun  selbst  als  unterirdische  Klcmen- 
tamiacht  gilt.  In  der  Vdlundarkvi{>a  erscheint  der  Schmied  als  iuächti( 
Albenfürst  {aZ/it  Ijope  \i-,  rlsr  a/fit  14*.  .^'),  der  Flugknift  kundig,  betii 
durch  einen  neidischen  Gegner  imd  mit  dessen  Tot:hter  buhlend,  halb  Da- 
nion.  halb  Hen^s.  Das  Alter  dieses  Sagentqius  kisst  siih  nicht  sicher  be- 
stimmen. Darf  man  eine  Stelle  in  der  Biographie  des  heiligen  Sevcrinus  vun 
Eugippuw,  um  51]  (Mun.  Germ.  Aiict.  antiq.  I.  2,  11;  //f/s.^  4.^41,  auf 
welt:he  Mülleuhoff  zuerst  hingewiesen  liat,  auf  die  W'ielaudsagc  beziehen,  so 
hatten  die  Rugier  im  Donaugebiete  einige  hcrvorstcchenile  ZQge  des  T\-pus 
schon  in  der  zweiten  Hillfle  des  5.  Jahrhs.  gekannt,  was  auf  die  Ausbildung 
der  Sage  in  Uirer  niedenleutsclien  Heimal  mindestens  um  400  hiniviese 
[Jiriczek,  /)//S.  I,  30  f.].  Aliein  die  Heziehiing  ist  unsicher,  und  es  bleibt 
als  ältestes  sicheres  Sagendenkmal  das  Clcrmonter  Runenkästchen,  das  die 
Bekanntschaft  der  Sage  von  Wielands  Gefangenschaft  und  Rache  unter  den 
Angelsachsen  für  das  Ende  des  7.  Jahrlis.  bezeugt. 

Zu  einem  zweiten  Sagentypus  hat  die  Figur  des  damonUchm  Schmiedes 
Anlass  gegeben  diurh  ihre  Verbindimg  mit  einem  weil  verbreiteten  Moti^-c, 
dem  Raube  einer  Schwanjungfrau.  Die  albische  Natur  des  Schmiedet 
in  der  deutschen  Sage  hat  wohl  dazu  geführt,  auf  ihn  einen  mythischen  Stoff 
zu  abertragen,  der  in  zahheiciien  Volkssagen  mannigfadi  variiert  wiederkehrt 
laid  besonders  von  E.  H.  Meyer  {/dff.  Mythen  II,  4153.  623.  (130)  und  Laist- 
ner  {RiHs<I  i/er  S/>At».x  1,  ijgff.)  behandelt  worden  ist:  eine  mvtliia 
Jungfrau  (Aibin,  weisse  Fmu.  Schwanmildchen)  wird  durch  den  Raub  emea* 
Ringes,  Schleiers,  Schwantfnhemdes  otler  sonst  eines  Gegenstauflcs,  woran 
ihre  übennenschltche  Natur  geknüpft  ist,  in  die  Geu'ull  eiues  Mcusdicn  (uc- 
s|)rünglich  wohl  eines  Alben)  gebracht,  aus  welcher  sie  nach  einiger  Zeit 
weder  entflieht,  sei  es  indem  sie  den  geraubten  Gegenstand  zurückerlang^. 
oder  hidcm  der  Mann  nach  ihrer  Herkunft  fragt  oder  die  vcr»prochciic  Ent-' 
hattsamkeit  oder  gon.st  eine  Bedingung  verletzt '.     AU  Träger  dieser  Schwan- 


jungfniusage  ertcheint  Wieland  nur  in  der  Völunclark\*ilja,  deren  Dichter  diesen 
Sageriiypus  mit  ileni  andern  von  Wielamis  Gefangenschaft  und  Raclic  auf 
Grund  zweier  alteren  Lieder  verknüpfte  (S  ('2)f  und.  selljstandijr,  in  »Hernog 
Friedrich  von  Schwaben«.  Grosse  Pflege  scheint  diese  Sagenkorahinatiou 
nicht  gefunden  zu  liabcii.  aber  aus  der  Übt-reinstininiung  der  Vbv.  und  dea 
deutschen  Gedichts  irdit  liervor.  dass  sie  schon  in  der  sJkhsischrji  Heimat 
der  Wieland<iaj;e  votlzojren  worden  ist. 

Aus  den  hier  gegebenen  Andeutungen  über  den  Ursprung  der  Wieland- 
snge  ergiebt  sich,  dass  an  der  echt  germanisciien  Grundlage  der  Sage  nicht 
gerüttelt  werden  darf.  Durchaus  abzulchuen  sind,  wie  die  früheren,  so  auch 
die  neuesten  Versuche  Golthers  und  Schucks,  in  ihr  eine  Nachbildung 
antiker  Überlieferungen  nachzuweisen.  Ersterer  (Germ.  .^3,  449  ff.)  sieht  in 
ihr  die  Schöpfung  eines  genialen  Franken  des  ti.  Jahrhs.,  der  sie  aus  den 
Sagen  von  Vulcanus  und  vi>n  Daedalus  kunstvf.1l]  zusammensetzte,  während 
letzterer  (Ark.  f.  nord.  Fil.  q.  ioj  ff.)  sie  einfacher  als  Übertragung  einer 
antiken  Daedalussage  betrachtet,  die  in  dieser  Form  erst  von  deni  schwedi- 
schen Gelehrten  selber  gebildet  worden  Ist 

1  .l/vM.*  313  f.  3Mo;  A.  Kuhn,  Zs.  f.  vgl.  Spr.  4,  81  IT.;  E.  H.  Meyer, 
Mg.  Mytht-n  U,  678  ff.  ,\fdA.  13,  2J  ff.;  Schradcr,  Spracftrrrgl.  und  CrgruH.* 
S.  225  ff,  [Wtfitcn.-  Litu-ratuT  Iwi  Jirk/«-k,  lUIS.  I,  3.  7,  ui  dwwfn  vortrtff- 
IkW  Aiisrvthnui^uti  Jiesrr  $  »ich  wocuilioti  atixchik-iuLJ  - —  (*  Rvicllc  Litteralur- 
UBchwt-isv  für  ilu.*  Vtrlireiluin;  dicMr«  Sageiimotiv»  gicbt  jeUL  Jiriczek,  D//S-  I,  9.] 

§  t>5.  Die  spJUere  Sage,  *ie  sie  in  dem  Berichte  der  l'idrekssaga  vor- 
liegt, zeigt,  neben  anderen  Erweiterungen,  auch  schüchlenie  Ansätze  zur 
■cyklischf-n  Verbindung  der  is*ilierlen  und  rius  dein  gewohnten  Ralimen 
der  Heldensage  so  ganz  herausfallenden  Wielandsage.  Um  Wielaud,  den 
besten  Waffensclimied,  hat  sie  andere  Meister  in  Künsten  und  Fertigkeiten 
gruppien:  Wate,  der  beste  Schiffer  (iJ  (xi).  ist  nach  der  ts.  sein  Vater, 
Egil,  der  neste  Schütze,  sein  Bruder,  und  sein  Üheim  Nordian,  der  Vater 
<lra  Riesen  .■Vspiliaii  und  seiner  Riesenbrüder,  ist  wohl  kein  anderer  als  der 
geu'altige  J3ger  der  Ironsage  (S  0").  Die  Absichtlichkeit  dieser  Zusammen- 
stellung tiat  Alüllenhoff  (ZfdA.  0,  (>7)  her>'orgehubeu.  Älter  bt  die  Anglic- 
dening  «ies  lurühmien  Kämpfers  Witegc  {fi  47),  der  schon  in  den  ags. 
Waldere-Fragmenten  als  Wielands  Sohn  gilt;  diese  Verbindung,  die  doch 
vermutlich  in  der  niederdeutschen  Heimat  der  Wieland,sage  zustande  kam, 
iftt  besonders  in  der  oberdeutschen  Dichtung,  die  von  der  Herkunft  des 
beliebten  Sagenlieiden  Witegc  nichts  wusste,  willig  aufgegriffen  wurden. 
Ihre  ßekanntsclwft  in  Alcniannten  bezeugt  ilic  Xusanuncnstellung  der  Namen 
in  den  beiden  Sanct  Gallcr  Urkunden  v.  J.  »O4  (fj  63)  und  früher  schon, 
indirekt,  die  auf  alemannische  Tniditi>m  zurückgehende  ags.  Walderc- 
Dichtung. 

Auch  st^rist  ist  die  Erzählung  der  I's.  reich  an  Episoden  und  Stoff- 
erweitcrungen ',  die,  abgesehen  vun  einzelnen  Zu4.lticn  aus  der  älteren 
nordischen  Tradition  {ti  O2)  und  einer  mit  Bestimmtheit  deui  Saga^ichreiber 
zuzuweisenden  Partie,  als  Niederschlage  einer  jüngeren  Ent«'irklungs.siufe  der 
sächsischen  Sage  zu  betrachten  sind.  Zunächst  wird  Wielands  Jugend  aus- 
führlich berichtet.  Velent,  der  Sohn  des  Riesen  Vadi,  wird  von  seinem  Vater 
dem  berühmten  Schmiede  Mimir  in  Hünaland  i^Saclisen)  in  die  I-ehre  ge- 
lben, spater  aber,  da  er  von  dem  jungeti  Sigurd  misshandelt  wird,  zu  zwei 
Zwergen  im  Berge  Ballofa  (§  63)  gebraclii.  Der  Vater  hinlerUlsst  ihm  heim- 
lich ein  Schwert,  ki.tmmt  dam»  seinem  Versprechen  gemitss  nach  Jahresfrist 
um  ihn  abzulK>len,  wird  aber  im  Sdtlafe  durch  einen  Dergsturz  getötet  Vclcnt 


730 


XrV.  Heldensage.    Die  eixzei.nen  Sagenkreise. 


nimmt  das  Schwert,  erschlagt  seine  Lebnneister,  bemacliligt  sich  ihrer 
Srhaizc,  beladet  damit  sein  Ros«  und  reitet  davon.  In  einem  ausgchühhen 
Baumstämme  treibt  er  auf  der  Weser  nach  Jütland,  wo  er  von  Fischern  des 
Königs  Nidung  ans  Land  pcz<jgcn  wird  (c.  5" — b2).  Diese  Jugcndgeschi':hlc 
hat  sich  durch  Aufnahme  sächsi.'^dier  Schmiede-  und  Zwergensagen  —  die 
doppelte  Lehrzeit  si*!!  WleUmds  grosse  Geschicklichkeit  in  rationalistischer 
Weise  erkliiren  —  und  imter  <ipm  Einfla'ise  von  Motiven  der  Sigfrtdssage 
gebildet.  Als  niederdeutsche  Erweiterungen  de-S  alten  Stoffes  sind  auch  die 
Ameliascpisode,  der  Wettstreit  mit  einem  Rivalen,  von  dessen  Existenz  und 
Name-n  noch  die  Sachsen  waldsage  eine  Spur  bewahrt  (g  63),  so\i-ie  die  Ge- 
schichte mit  dem  Siegstein  und  die  Erschlagung  des  Truchsessen  anzusehen 
(c.  b3 — 70);  Anekdoten  und  Märchen motive  haben  den  alten  SagenbeAtand 
bereichert.  In  Wiclands  Verbannung  darf  ebenfalls  kein  ursprünglicher  Zug 
erblickt  werden  *,  und  die  Rache  des  Verltanntcn,  der  sich  unkcnnUich  an 
den  königlichen  Hnf  siiilcichl,  sich  zu  des  Königs  Köchen  gesellt  und  Liebes- 
zauber in  die  Speisen  der  Prinzessin  mischt  (c.  71.  72),  sull  nur  in  nc<vellis- 
tischer  Form  die  Strafe  der  iJhmung  motivieren,  womit  der  Sagaschreiber 
endlich  in  das  Geleise  der  alten  Sage  einlenkt  ^c.  ~2 — 78;  vgl.  !?  02).  Spuren 
dieser  jüngeren  niederdeutschen  Sagengcstalt,  aus  welcher  die  Erkenntnis  der 
alten  Sage  keinen  Nutzen  zieht,  finden  sich  auch  in  den  dänischen  Folke- 
vi$tz:  besonderes  Interesse  erregt  der  Name  ßnatü//  (»cn  koning-dathcr 
wen»)  für  Witeges  Mutter  {DgF.  Nr.  7  B,  15;  s.  I,  7a  IV,  592),  der.  wenn 
er  auf  jüngerem  niederdeutschen  Sagenimport  berulit,  den  Namen  der  Königs- 
tochter *naihihild  auch  für  die  siichsische  S;jge  sichert. 

In  die  Erzählung  der  l's.  von  Velenl  ist  vom  Sagaschreiber  die  Sage  \*on 
dessen  jungein  Bnuler  F.giH  cingefltichtcn  (c.  75 — 78),  offenbar  durch  eine 
blosse  Notix  der  alten  V(9undarkvi]ia  veranlasst.  Heisst  nOmlich  der  Meister- 
schfltzc  c.  75  ()lrthitir-KgiJl,  so  zeigt  sich  deutlich  die  Anlehnung  an  das  alt- 
norwegische Lied,  in  welchem  Olrvin  Egils  Walküre  ist  (s.  §  63).  Er  kommt  an 
Nidungs  Hof  und  muts  auf  Hefehl  des  Ki'migs  als  Probe  seiner  Kunst  einen 
Apfel  vom  Haupte  seines  dreijährigen  Sohnes  schiessen.  Egil  nimmt  drei 
Pfeile  aus  dem  Köcher  und  erR-idert.  nachdem  der  gefährliche  Schuss  glän- 
zend gelungen  ist,  auf  des  Königs  Frage  nach  dem  Zwecke  der  zwei  anderen 
Pfeile,  sie  seien,  falls  er  sein  Kind  getroffen  hatte,  für  den  König  bestimmt 
gewesen.  Der  sagenborflhmie  Apfelschu.ss  ist  in  der  f's.  gflnzlirh  unmnm-iert 
und  gSnzIich  ohne  Kulgcn;  den  nntQrliclieii  und  den  sonstigen  CberUefc- 
rungen  gemeinsamen  Schluss  der  Geschichte,  die  Bestrafung  des  kQhnen 
SrhOlzen  durch  den  erzürnten  Tyrannen,  musste  der  Sagaschreiber,  welcher 
Egil  noch  weiter  (xur  Erm"-glichung  von  Wiciands  Flucht)  brauchte,  weg- 
lassen. So  liegt  die  Annalime  auf  der  Hand,  dass  die  Apfelschuss^age  erst 
vom  Sagaschreiber  auf  Egil  übertragen  worden  ist,  der  zwar  seit  alter  Zeit 
als  Wielands  Bnirier  galt,  dessen  Einmischung  in  den  Bericht  der  f*s.  aber 
niu"  auf  willkürlicher  Ausnutzung  einer  Situation  der  Viilundarkvi|ia  beruht. 
Bestätigt  wird  diese  Annahme  dnri'h  d:is  Ergebnis  von  O.  Klockhoffs  Unter- 
suchungen Ober  die  Geschiclile  der  Entwicklung  der  nordischen  Apfel- 
schusssage.- Diese  ist  in  Skandinavien  ursprünglich  an  einen  König  Ha- 
rald und  dessen  Gefolgsmann  Heming  geknüpft  gewesen,  dann  in  einer  is- 
landischen Versiun  historisiert  und  mit  Haraldr  hardrädi  verbunden  wi^>rden. 


•  Xicdncr  {Zfd^V.  33,  36;  ^ur  LifdrrrdJa  S.  21)  hllh  die  Vcrhannimj;  ftir  fiiifTi  ur- 
alten Sditcnnig,  den  er  aticli  in  -DMr»  KlmjCf  und  sognr  in  der  VItv,  /u  üadcn  glanbL 
Idi  halte  dien«  Anitcbt  mit  Jiri««k  \DiiS.  1,  47  f.  Anm.)  nkht  für  ridiüs. 


Wielakusage:  Episoden.    Apfelschusssage.  —  AxhAnge.       73t 


Von  den  drei  KQnsten,  die  der  Kunij*  vlhi  Heming  verfangt,  Apfelschuss, 
Wettschwimmen  und  Stiintcscliuliluufen.  sind  die  bcidt-n  letzten  iiorweifisclicn 
Urs|inmgs  \v.1hrend  der  Apfel !t<-huss  aus  KnglanrI  nach  Norwegen  eingcw-an- 
deil  zu  sein  scheint.  Die  norwegische  Heniingsage  Acrbreilele  bich  in  den 
skandiniiW^tchen  I^ndeni.  Auf  Island  nahm  sie  verschiedene  Formen  an;  im 
£inän'ftn  pdltr  Übreitii  (Fiat.  I,  456  ff.)  erscheint  sie  d^irt  an  König  Olaf  Tiyggva- 
aon  geknüpft.  In  Dänemark  wurde  sie  Saxos  Quelle  (h'b.  X,  p.  48öff.  ed. 
Älflllcr-Velschow,  p.  ,^ii»f.  ed.  Holder);  bei  ihm  ist  die  Sage  auf  Toko  Über- 
tragen, den  lribtrjrLs<'lien  Palna-Tüki  der  Ji'imsvil.ingasngn,  der  den  Apfelw.huss 
auf  Befehl  des  dänischen  Königs  Harald  Blaataiid  verrichtet  und  spater  noch 
einmal  eine  gefahrliehe  Probe  bestehen  muss  im  Herabgleiten  auf  Sciinee- 
schuhen  win  einem  steilen  Fcls<;n;  zuletzt  ftltlt  der  KL.nig  durch  Tokos  Pfeil. 
Ebenso  Ist  die  Egil-Episnde  der  l's.  nichts  weiter  als  eine  norwegische  Um- 
bildung der  Hcmingsagc.  Auch  in  England,  sowie  bei  antlercn  verwandten 
und  nicht  verwandten  Völkern,  findet  sich  der  Kern  fler  Sage.  -Mlein  ihre 
bekannteste  ErscliLinungsf<)rm,  die  seit  dein  letzten  Viertel  des  15.  Jahrhs.  in 
Chroniken  auftauchende  schweizerisrhe  Teilsage,  ist  nur  eine  auf  gelehrtem 
Wege  entstandene  Umbildung  der  skandinavUchen  Sage,  die  mit  dreister 
Tendenz  in  den  Bericht  über  die  Befreiung  der  Walrisüdte  verflochten  worden 
ist'  Dass  der  Sage  waw  Apfelschuss  mythische  Vorstellungen  zu  Gnmde 
liegen,  ist  schwerlich  anzunehmen;  jcdesfalis  Usst  sie  in  ihren  flbcrlicferten 
Gestalten  eine  mythische  Deutung  nicht  mehr  zu. 

[1  Jiricxek,  DHS,  I,  34-54].  -  ^  Klockhoff,  A'onumjf  Hantki  txh 
Hemini^:  Uppsalasoulkr  lillegn,  S.  Buggc  (Up».  1893)  S.  114(1'.;  Df  ncrtii^kft 
framitsiltninf^rmt  af  TelUttgan:  Ark.  f.  nord.  Fil.  13,  171  tT.  —  •  Aus  dn  auft- 
(jcdcbmcn  Littcrattir  (Ibcr  die  Telbage  lirti  ausscblicsslich  hingewiesen  auf:  Roch« 
hoUj    'I'eU  urut  Ofts/tr  i'n  S^^f  und  Oesehuhtir,  Heilbr.    1877. 


Y 


H.  AxhAnci. 

g  (»6.  Orendelsage.  Das  wahrscheinlich  kurz  nach  1 100  in  der  Gegend 
von  Trier  entstandene,  aber  nur  in  jüngerer  Gestalt  auf  uns  gekommene, 
rohe  und  willkürlich  zusammengesetzte  Spielmannsgedicht  vom  Kfmig  Ortndel 
(§  i")  enthalt  Spuren  einer  sehr  alten  sagenhaften  Überlieferung  in  wirrem, 
fast  zertrOmtticrtcni  Zustande,  zu  deren  Ergänzung  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  eine  F.rzfliilung  tlcr  .HkAUlskaparmfil  c  17  (SnF.  I,  ij'if.  II,  2t)<j)  ver- 
wendbar Ist.  in  dem  mhd.  GediL'hte  ist  der  HeUl  zu  einem  K<inigc  von 
Trier  geworden,  dem  Sohne  Ongeh  (Eygels).  Er  entschliesst  sich  um  die 
Hand  der  Krinigstochter  Uride  zu  werben,  der  Erbin  des  KAnigrei^hes  von 
Jerusalem,  und  röstet  sich  zur  Mcerfahrt.  Seine  Flotte  wird  v(_»n  einem  Sturme 
in  das  ■»Kleberraeer"  verschlagen,  und  nach  an<ieren  F.rlebnissen  erleiden  die 
Seefahrer  Schiffbruch  im  Angesicht  des  heiligen  Limdes,  wobei  alle  bis  auf 
Orendel  zu  Gnmde  gehen.  Der  Held  selber  rettet  sich  nackt  an  den  Strand 
und  wird  von  einem  Fischer  Isf  aufgenommen,  in  dessen  Dienst  er  einen 
Wallfisch  fflngt,  der  beim  Aufschneidern  den  blulljcflecktcn  grauen  Rock 
Christi  in  seinem  Magen  zeigt,  t  Irendel  kauft  den  Rix'k  um  30  Goldpfennige, 
die  ihm  die  heil.  Jungfrau  durch  den  Engel  Gabriel  sendet.  Mit  ihm  be- 
kleidet, als  >GrauriK'k"  zieht  er  nun  nach  Jerusalem,  wo  er  nach  gcfahr\*nllen 
Abenteuern  anlangt.  Kampfe  mit  Heiden,  tlie  sehr  breit  ausgesponnen  sind, 
l>ahnen  dem  Fremdling  den  Weg  zu  Brides  Hand  und  Reich,  doch  er  gicbt 
sich  nicht  zu  erkennen  und  übt  auf  Befehl  eines  Engels  neun  Jahre  Enthalt- 
samkeit Eine  neue  Reihe  von  Abenteuern  steht  ürendel  aber  nocli  bevor : 
abermalige  HcidcnkAmpfe,   Gefiingens<:haft    und  Befreiung.     Endlich  zieht  er 


73^ 


XIV.  Heldensage.    Die  bwzelkek  Sagekkrsise. 


mit  Meiner  Krau  narh  si'iTier  Vaterstadt  Trier,  die  von  Heiden  belagert  wird; 
Ise.  der  von  Orendel  zum  Scliülzer  des  heilige»  Gralies  eingesetzt  wurden 
■«•ar.  befj;Ieitet  sie  als  scekundificr  Mann.  Bei  seiner  Ankunft  vor  Trier  gehen 
die  Heiden  dem  Orendel  entgegen  und  lassen  sich  taufen.  Es  folgt  dann 
noch  eine  zweite  BefreiuiiK  des  heil.  Grabes,  das,  wie  Bride  in  einem  Tniuni- 
gesicht  erfalirt,  wic;ck-rum  tiiirrh  Verrat  in  die  HSntle  der  Heiden  gefallen  ist. 
Der  graue  Rock  wird  in  Trier,  in  einen  steinenien  Sarg  eingeschlo<i*.en.  zu- 
rückgelassen. Auf  dem  Zuge  ins  heilige  Land  wird  Bride  entführt  al>er  durch 
Orendel  und  Ise  wieder  befreit.  Das  heilige  Grab  wird  durch  List  wieiler- 
gcwunucu,  luid  zuletict  gehen  Orendel,  Bride  und  Ise  in  ein  KJoster. 

In  dieser  Cberliefening  sind  sehr  verschiff  Jene  F.lemente  in  plumper  Weüic 
verschmolitcii.  Zur  Verben  lii  huug  des  grauen  Rueks  Christi  zu  Trier  ist  das 
Gedicht  verfasst.  uml  durch  diesen  legendarisclien  Untergrund  sind  mehr 
geistliche  lilcmente  liineingekomnien,  aiä  sonst  in  der  Spiel  man  n${K>esie  üblich 
sind.  Daneben  sind  historisdie  Beziehungen  unverkennbar.  Retninisccuzen 
an  die  letzten  Zeitpn  des  Königreiches  Jerusutem  und  den  diiiten  Kreuzztig.' 
Kndlich  hat  auf  die  Zusammensetzung  der  Orendelfabel  der  hellenistische 
Roman  einen  enlseliiedencn  Einfluss  ausgeübt;  insbesondere  verwendet  der 
Dichter  Motive  des  Apollonimromans,  die  ihm  vermutlich  aus  einer  nicht  er- 
haltenen Version  des  altfi  anzusischen  Gedichtes  von  jourduin  de  BUiivies  bc 
kannC  »"urden*.  Allein  neben  der  Ixgende  vom  heiligen  Rock,  neben  Kreuz- 
zugs:tnekdi>icn  und  neben  Motiven  der  Apolloniusfabel  sind  im  Orendel  Spuren 
eines  zur  Braut werbnngssage  uingesl;tlleten  allgennanischen  Heruenmvthii!*  er- 
kennbar, die  freilich  wuhl  geringer  und  weniger  bedeuiiingsvoll  sind,  nk  man 
früher*  im  Anschluss  an  Mttllenhoffs  Deutung  und  Rckunstruklion  der  Sage 
anzunehmen  pflegte. 

Mnllenlinff  erblickte  in  der  Oendelsape  den  Rest  eines  alten  Schiffer- 
und Heimkelnniythas  der  in  den  Hauptpunkten  der  griechischen  Ody^seus- 
sage  entsprach,  ohne  jedoch  aus  dieser  entstanden  oder  mit  üjr  urverwandt 
zu  sein.  Der  Seehcld  (Jrcndel  —  so  glaubte  Mttllenhoff  aus  der  wüsten 
Cberlieferuug  die  Sage  rekonstruieren  zu  können  —  geriet,  von  herbstlichen 
Stürmen  versrblagen,  ui  die  winierUdie  Gewalt  eines  Eisriesen  (Ise);  im  FrüJi- 
jahr  aber  kehrte  er  /.u  seinei  von  unholden  Freiem  umbuhlttm  Frau  in  die 
Heimat  zurück,  in  Belllettrachl  und  unerkannl.  Hin  Stern,  Ann-ant/i/s  lä 
(SnE.  I,  2;Bi,  kündigte  seine  Rückkehr  an.  Der  Held  crsclilägt  die  Kreier, 
verehiigt  sicli  wieder  mit  der  harrenden  Gattin  und  tritt  vun  neuem  seine 
Herrschaft  an.  bis  aufs  neue  die  wildcu  Wetter  ihn  der  Kuechtschaft  des 
Eisriesen  überliefern.  Ein  Teil  dieser  urgermanisdien  mvthist^hen  Sage,  die 
dem  fränkischen  Spieluianii  nur  mnii  entstellt  vorlag,  ei"sdüene,  lückenhaft 
und  verkümmert,  im  m  »rwegischen  Gfittennythus  an  Thor  angeknüpft-  ?tc> 
geistvoll  diese,  in  ihrem  Kerne  auch  %on  Beer  und  Beiger  vcrttctcne.  Deutimg 
ist,  so  geht  sie  doch  unleugbar,  wie  uamentlich  Vogt  gezeigt  hat,  weil  über 
das  erhaltene  Sagenmaterial  hinaus  und  bemht  auf  Voraussetzungen,  zu  denen 
der  Inhalt  dts  mlid.  Gedidiles  bei  unbefangener  Inteqjretaliun  nicht  be- 
rechtigt. Sodann  aber  sind  mehrere  Züge,  die  Mrtllcnholf  zu  sinncr  Tbectrie 
vei'wandi  hat,  durch  litterarische  Entlehnung  aus  dem  hellenistis«  heu  Roman 
zu  erklären:  so  bestimmt  der  Schiffbruch  des  Helden  und  seine  Aufnahme  beim 
alten  Fischer,  vennutlirh  auch  flie  Trennung  von  der  Gemahlin  und  die  Wieder- 
vereinigung mit  ihr.     Nach  Abzug  alles  dessen,  was  mit  Sicherheit  odci  Walu- 

•  Auch  Verf.  in  dtr  trsicn  Aullage  des  •Grundrmesi.  Aa(  die  GiiiKhr&akung  w» 
Mtillrnhoffs  j^tifTassung  ist  namt'ntlicb  Vogta  Ri'z«it«!on  von  B«recn  OrvndcUwigBbe 
{ZfdTh.  31,  469  fr.)  von  Eiiifltu»  gfWMcn. 


Anhange:  Orendelsage. 


733 


sdieinlichkcit  als  fremde  Bpstaudteile  bctnirhtct  werden  darf,  bleibe«  aber 
doch  einige  Gnindisüge  übrig,  die  fttr  die  utsprüiigliche  myihischc  Orendel- 
sage in  Anspruch  genommen  werde»  dürfen. 

Gemeingermanis*~}i  ist  zunächst  der  Name  des  Helden  OrrmM.  Er  ist 
in  fränkischen  und  baitischen  Urkunden  vum  ö.  bis  ins  12.  Jahrh.  naclizu- 
wcJscn  und  crsihciiit  in  ursprünglichster  Form  auf  italienischem  Boden  in 
lang« I bardischen  Urktinil(*n  als  * Anritiunndtilns  {Aurimtuihtiu,  AuriunamMo; 
Brückner,  QF.  75.  ^30)  =  an.  Aurt'amiiU.  ags.  Earmdrl,  ahd.  Örrrr/i7  [nus  'Ör~ 
wintif).  Eei  den  Angelsachsen  findet  sich  e'anndtl  als  .\p|irl)ativum  zur  Be- 
zeichnung des  Morgensterns  (in  Cynewulfs  C'rist  104  wird  Christus  viim  Diditer 
S(>  angeredet,  \*gl.  auch  in  den  F.pinalcr  Glossen  e'arrmiii  »jubar«).  Wenn 
nun  auih  nych  der  Erzühking  der  Snorra  Edda  ein  Stern  Aun-ani/t/s  tä  heisst, 
so  Iclirt  dieses  Zusanjuu-n treffen,  dass  schon  in  alter  Zeit  bei  germanischen 
Staromen  ein  glänzender  Steni  mit  dem  Namen  des  Helden  bi?Tiannl  war. 
ElvTnologisch  scheint  das  erste  Glied  des  Namens  mit  altjnd.  larä  «Morgen- 
röte«, t4srä-  »hel]<  und  ihrer  Sippe  zusammenhangen;  sowohl  die  Bedeutung 
des  Namens  (»Glanzwandler*^)  wie  seine  Verwendung  zur  Bezeichnung  des 
Morgensterns  deuten  auf  einen  Tages-  uder  Jahreszeilenniylhus.  In  der  epi- 
schen Form  dieser  alten  mythischen  .Sage  scheint  der  Held  ( )rendcl  auf  einer 
Falirt  ins  Riesenland  in  Knechtschaft  geraten  zu  sein,  dort  eine  Jungfrau  er- 
obert zu  haben  und  mit  ihr  heimgekehrt  zu  sein.  Dass  eine  Seefahrt,  eine 
Gefangenschaft  im  Riesenlande  und  die  Erwerbung  einer  Jungfrau  die  H^iupt- 
bcstandteilc  der  Orendelsage  gewesen  sind,  ergiebi,  gcmde  ttei  ihren  sonstigen 
Abweichungen,  die  Übereinstimmung  der  C herlief enmgen  in  diesen  Punkten. 
Auch  nach  dem  Mythus  der  Snorra  Edda  trügt  Thor  den  Aur\andül  in  einem 
Korbe  auf  seinem  Rücken  über  die  Elivägar  (die  ni^rdltchen  Eisströme)  aus 
dem  Riesenlande  daher^  In  der  dänischen  Sage,  welche  Saxn  von  Ifonvmiii, 
dem  Snhne  des  Ger\^endil,  erzfthlt  (p.  135  ff.  etl.  MOller-Velschow,  p.  85  ff. 
ed.  Holder),  sind  zwar  die  Einzelheilen  völlig  abweichend,  aber  aucli  in  üir 
spielen  Seekampfe  und  die  Vermahlung  mit  einer  Königstochter  eine  Rolle. 
Das  deutsche  Spiel  man  nsgedi  cht  endlich  muss  eine  Tnidition  gekannt  haben, 
welche  durch  Ähnlichkeiten  in  den  Situationen  und  Motiven  die  Um- 
wandlung der  alten  Heldensage  von  (Jrendel  in  die  belieble  lirautfahrt  in 
den  Orient,  sowie  ihre  Verquirkung  mit  Elementen  des  spatgriechtschen  Aben- 
teuerromans und  zeitgenössischen  KreuzzugsrerainistTCnzen  ermöglichte.  Der 
Trierer  Spielmann  scheint  die  alte  Orendelsage  für  seine  Zwecke  in  gan» 
ähnlicher  Weise  benutzt  zu  haben,  wie  sein  jüngerer  tirolischcr  Zunf^eoosse 
die  ebenso  dflrftig  gewordene  alle  Hartungensage  tm  Ortnit  zum  Rahmen 
seiner  Erfindungen  machte  (§  37).  Nur  die  le^cndarischen  Zus3tze  sind  jenem 
eigentOmlirh.  Wenn  im  .Anhang  zum  HB  Krjnig  Orendel  (tnithtUcf  von  Trier 
der  »aller  erste  hcld  der  ye  gcbom  ward«  heisst,  so  deutet  diese  Angabe 
immerhin  auf  alte  Sagenflberiieferung:  dem  Verfasser  des  Anhangs  jedesfalls 
galt  Orendel  für  alter  als  die  spater  von  ihm  genannten  historischen  Helden, 
wie  Dietrich  und  Etzel  (vgl.   Heinzel  S.  4<>ff.). 

LiUcr.atur:  Mlillcntiofr,  LVuis^-he  AUfrUnmt.  I,  53  fl.;  \V.  Mfillcr,  .t/WA. 
ä.  ä.  H^U^Hs.  S.  2440".  i£ur  Mrth.  S.  147  (f.  (hi5l(irisch-ull(V"n»chi-  IJeumng  der 
Sage);  L.  Beer,  PBB.  13,  [  ff.  (vj;!.  ebda  14,  550  f.  ZfOi-h.  Ji,  4')3fr.);  Berber, 
Etnlcituii^  xwt  Aiupiln-  de«  OremUt,  Bonn  1888,  ^.  LXXVIII  ff.  (iIjuii  die  wirhUf;«^ 
fiwpr«bunt  wn  V<ij;i,  ZfJl'Ii,  32,  468  ff.,  vgl.  >.^lMfa  23,  496  ff.);  Heinxtl,  Über 
,tas  OVJüfif  vom  Küniff  Or<-ntUI,  Wien  1892  (aus  Avn  Wicnw  SB.  CXXVl, 
no.  t.  H.  weist  itiythischr  Bezifhiinyen  ab  ufKl  filhtt  ilm  Inhalt  ilcs  GnUchtos 
wtsentUdi  aiif  liUi^nuiachtf  Ic^emlarisclic  Tratliiinn  /.urück;  tr^l,  VcKt,  ZXdPh.  36, 
406f11};  E.  H.  Mcypf,  ZfdA.  37,  jai  iT.;  Laitiintr,  elitia  38,  II3ff.  (wn  Be- 
deutsoj;  iltuch  ilcn  HinwcU  juf  eine  Gtuppi'  v(;rA'andti:r  volkauimlithrr  Trailiii<>ncn, 


die  t.  B.  iliirch  «U«  Man-Iicn  .EUonbans:  [fCHM.  Nr.  136]  \trtrcteii  vrinl); 
Taiüel,  Vn/mtuhting^t  sur  rnhd.  Spielmannspomi;  1 894  (Rost.  DLm.)  S.  3 — 
\t\  E.  B«nezO,  Ortndel.  Withtlm  von  Orame  und  Hoheit  der  Teufel,  IlaUe 
1897.  —  t  E.  H.  Meyer.  ZfdA,  I2,  387  ff,  37,  34t  fl".  —  ^  Dies  bat  rot  allein 
£.  I-I.  Mcvcr  tu  dem  ob^n  zitierten  Aufiutz  darjjettun;  vgl.  lucb  Bericer, 
Onndfl,  EinL  S.  XCff.;  Heinzcl  a.  a.  O.  S.  18.  19;  Tardcl  a.  a.  O.  — 
'  Über  den  Donlücben  Mvtbu»  von  AurvAodill  s.  tiAtncntlidi  Uhland,  Sehr.  VI, 
29  ff.;  MtllLciihorf,  DA.  I,  34  f.;  Beer,  PBB.  13,    116  ff. 

§  67.  Irunsage.  Eine  sclir  aiisfiihrliclic  Eizalilung  der  I*idrckssaga  (c 
245 — 275)  überliefert  die  Sage  von  dem  leidenschaftlichen  Jflger,  dem  Jarl 
Iron  von  Brandenburg,  den  sie  zu  einem  Sohne  des  Artus  macht,  in  wirrer 
Kontamt nation  mit  einer  der  beliebten  Entführungssagcn,  der  Sage  von  Apol- 
lonius  und  Ilerborg,  Saloniuns  Tochter,  welche  sich  unschwer  als  .Schr>s?iling 
der  allen  Hildesage  herausstellt  und  den  Namen  der  Jungfrau  vielleicht  erst 
aus  der  H erb nrt-Ruod liebsage  erhalten  hat.  Dem  Sagasrhreiber  war  emc 
lucderdcutsche  Irundiclilung  bekannt;  er  beruft  sich  auf  deutsche  Lieder  (c. 
258),  denen  die  Namen  von  Irons  Jagdhunden  entnommen  seien  —  eine  An- 
gabe, die  in  den  Namen  selber  ihre  Bestätigung  findet  — ,  und  dass  die  Sage 
auch  in  Deutschland  gelaufig  war,  bezeugt  eine  Stelle  im  iWeüischwelg« 
ijids.  Nr.  58):  der  herzöge  trän  der  ivas  gar  ätu  whheit,  daz  er  einem  wisitU 
nSchtil,  er  tint  sin  jrger  NortHän.  si  solJen  den  tvin  gejaget  hiin,  sS  zvam  st 
wise  a/s  ich  bin;  mir  ist  x-it  samfter  deniie  in  (\-g].  dazu  ts.  c.  2(33).  Auch 
vremi  um  dieselbe  Zeit  Enenkel  den  Herzug  Iran  mit  Dietridt  von  Hern  zu- 
saimncn  erwülmt  {Hdi.  Nr.  59,  1.  2),  so  winl  schwerlich  mit  F.  Nciunaim 
(Germ.  27,  21  f.)  an  einen  sonst  gänzlich  unbekannten  »kriegerischen  Iron«, 
sondern  an  lion  den  Jäger  zu  denken  sein,  ^*on  seinem  Jagermeister  Nordian 
muss  in  Baiern  bereits  im  letzten  Viertel  des  12.  Jahrhs.  gesungen  worden 
sein  (Mone,  Hetäens.  S.  y6.  ZE  Nr.  23,  4).  Als  den  Kern  der  ursprünglich 
selbstilndigen  Ironsage  glaubt  man  zu  erkennen,  dass  Iron  und  sein  gewaltiger 
Jageniicister  Nordian  auf  der  Wisentjagd  von  der  Hand  eines  Königs,  dessen 
Wisent  Inm  früher  erlegt  hatte,  den  Tod  fanden:  auch  die  Stelle  des  »Wan- 
schwelgt  deutet  auf  einen  unsanften  Tod  der  beiden  Jäger.  Indem  der  Saga- 
schreiber Iron  und  ApoUonius  zu  Brüdern  machte,  die  Jagdzüge  jenes  mit 
den  Kriegsfahrten  um  die  entführte  Herboi^  verband,  der  Ironsage  einen 
ungehörigen  Schluss  anheftele  in  der  verbotenen  Liebe  Iruiis  zu  Bolfriana, 
der  Gemahlin  des  aus  der  Harlungensage  bekannten  Aki  Orlungatrausli  ^mhd. 
Häehe,  Eckeharts  Vater),  endlich  den  koutaininietteu  SagenküU)ple.x  ausser- 
lieh  an  Dietrich  und  Attila  anlehnte,  liat  derselbe  fän  schwer  zu  entwirrendes 
Knüuel  von  Motiven  ziLsaromengebidlt  und  der  Kritik  der  Saga  eine  noch 
nicht  genügend  gelöste  Aufgabe  gestellt.  Das  in  der  Apolloniussage  der  t*s. 
{c.  251)  -sich  findende  Motiv,  dass  der  Freier  sich  als  fahrendes  Weib  ver- 
mummt der  Geliebten  nähert,  die  ihm  ein  Liebes/eichen  giebt  und  in  der 
Nacht  sich  zu  ilim  stiehlt,  hat  K.  Wolfskchl  in  einem  niedcrlAmlischen  Volks- 
liedc  »van  't  Wereltsche  Wijf«  (Hoffmaun  von  Fallersleben.  Niederl.  Voihlitder* 
[1856],  Nr.  14)  nachgewiesen.  An  uralten  Zusammenhang  ist  aber  .sicherlich 
nicht  zu  denken:  wie  für  andere  Partien  der  Iron-Apolloniuskontaminatioa 
vird  auch  für  diesen  Teil  seines  Berichtes  ein  niederdeutsches  Lied,  das  sich 
auch  nach  den  Niederlanden  verbreitet  hat,  die  (^ellc  des  Sagaschrcibeis 
gewesen  sein. 

F.  Kcumaoii,  Germ,  a?,  I — ZJ;    K.  Wolfskehl,    Germaniiche    tt'trbu/igt- 
sagen  I  (Darmst.   1893),  S.  25—33  (ji^^  A|X)llo[iiiu). 


I 
I 


I 


XV.  ABSCHNITT. 

ETHNOGRAPHIE  DER  GERMANISCHEN  STÄMME 

TOM 

OTTO  BREMER. 


INHALT. 

I.     EiNIJCtTCNO. 

A.  Begriff  und  Name  Germaoiscb.  g  1^5. 

B.  Quellen,  g  6. 

I)  ZeugaUse  der  Kfi^^'o^'i^i  ^^^  lümischeo  G«ogra]t]»n  nnd  GcccbichUscbreiber. 
S)  Die  E^baise  der  Sprachforscfaung.  3)  Die  Kr]gcbnis&p  <)cr  Amfampotogic.  4)  Die 
^igebnisae  der  pr&bbtomch<ro  ArchiUjlo^^e.       5)  Gmtige  Individiutlitm. 

n,   UxspBUHo,  Cbarakt£kistik  Ulm  Ausbreitung  df.k  Gckvaken. 

A.  Ecboographic  Europas  im   i.  Jahrlausrnd  v.  Cbr«  Geb.  §  7 — 19. 

Ij  Die  europäi&cbcn  Vßlkcr.  §  7 —  lo.  3}  Das  iiidi^ermaniücbe  Ur^olk.  §  1 1.  3)  Die 
Rebitat  der  ItukgcfmancD.  §  13  —  16.  4)  Die  nähere  Verwonduchafl  der  Gennanen  mit 
aaderen  indogemuiiuiclien  Vüilkeni.  §  17 — iq. 

B.  Die  AusbildiiDg  einer  bciunderen  gerninnischcD  NatioD^litill.  §  3d — 19. 
I)  Die  Ahsnmicning  der  Gcrmaocn  vod  den  Iiuli)^enn»ni-ti.    g  20—31.       2)  KCrpcr« 

liebe  und  geistige  CharaktcrisLik  der  Gentuinca.  g  32 — 29. 

C.  Die  ältesten  Wohnsitze  der  Germanea.  §  30 — 70. 

1)  Stand  der  Frage.  %  30—31.  2)  Ketten  iit  SUildcuWcblaml.  §  32—35.  3)  Kelten 
in  NordwwldeutschliUMl.  §  36 — 38.  4)  Kdlcr  an  der  W«rr  und  Elbe  und  in  Tharingen. 
S  39 — 41*  S)  Kelten  in  OstdculvchUnd.  §  43 — 44.  6)  Kelli-n  an  der  oberen  AVeiebsel 
und  östlither.  §  45 — 48.  7)  Die  iUtwteu  ßcrmaiiiBdwn  Wohniitüi-.  %  49—53.  8)  Kelteii- 
berwJiaft  in  DcutAjibnd.  §  53.  9)  I>lo  Ausbreitung  dur  (iermanen  in  vorcbrisdidiet 
Zät.  %  54 — 70;  3)  Nordgermanen  §  55—57.  b)  Oaigcrmancn  %  58,  c)  Westgermaoen 
S  59 — 65,     d)  Miacbuitig  der  Germanen  mit  Keltco  g  66 — 69,     e)  Scblun  §  70. 

Ul.   Die  ukkuamücukn  StAuue. 

A.  Gruppierung  der  gcruiani»chen  Stämme:  Sioiwl  der  Frage,  g  71—83. 

1)  Die  Koiifttiuiiierung  der  Stfimmc.  §  71 — 76.  2)  Die  Gcsanitgnippictung  der  ger- 
manuKbcn  Slliiinie,  77 — ^^> 

B.  Oll*  und  Nordgermanen.  %  8j  — 120. 

l)  Ostgemuuien.  $  87  —  101:  a)  Basiemcn  §  93,  b)  Lugii  >  Vandali  g  93—94,  e)  Bur- 
gunden  %  95,  d)  Goten  §  96  —  98,  c)  Rugii  ^  99,  f)  Turciliiig»  %  loo,  k)  ^tiri  8  lOI. 
2)  Nordgermanen.  §  I03 — 120:  a)  Schweden  §  ID5 — 108,  b)  (bauten  jj  109,  c)  Ereli 
g   Ito,   d)  I^nen  g   II  t  — 115,    c)   Norwq>cr  und  IsUndcr  g   116— l3o, 

C.  AngloTriesen.  g  121  —  141. 

I)  Friesen,  g  133— 128.  2)  Angelsacbsen.  §  129— 141 :  a)  Varini  g  130,  h)  Angeln 
S  131  —  134.  c)  Eulen  g    135,   dj  Chauci  und  .Sachsen  g   136—141, 

D.  Die  deutscben  Sachsen,  g  142—156. 

E.  Franken.  §  157—212. 

1)  Roinanisitttc  fränkiacbe  Stämme,  g  165  —  170:  a)  BaU<ri  g  lb6— 1G7,  b)  Sugarabrl 
>Cogerni  g  168,  c)  übü  g  169.  d^  Maitiad  g  170.  2)  Niedcrfraoken.  g  171  — 191: 
a)  S«Ui  g  171  —  174,  b)  Cbanuvt  g  >7S  — i;;.  ^)  MaiMci  und  Sluiii  g  178,  d)  CanucQe- 
btcs  g  179.  e]  Falciiovarii  g  lüo,  1)  Cbaituarii  g  iHi  — 184.  }•)  Nicderlindiudic  Koloni- 
sation von  NordosldeutsdiL-inU  §  185 — 191.  3)  Ripwariiche  Fmnki-n.  g  192 — 199: 
a)  Bnicleri  g  194— 195,  b)  Tt;nttcri  g  196.  c)  Aiiiwvarii  g  197— 198,  d)  Marii  g  199. 
4]  Moaelfranken.  g  200— 204:  a)  Chasuarü  g  20l,  b)  Tubanies  g  201,  c)  Uilpi  g  203, 
d)  Die  Siefaenbflrger  Sachsen  g  204.  5)  Cbatteu.  g  305-209.  6.  Rbcinfnuiken  und 
Oatfranken.  g  Jio— 31a. 


^ 


736  XV.  Ethnographie  der  nirRMANiscHEN  StÄmme. 


F.  SweliisL-be  Stamme,  §  213 — 243. 

I)  SemneD  )>  Alaminncn.  §  21S — 213:  a)  SemniCO  §  318 — 330,  b)  AUnuuiiieti  §  33i 
— 233.  2)  Sweben.  §  324 — 337.  3I  Hertnundiiri > TbÜrinEcr.  §328—237:  a)  Her- 
mimdiiri  §  328 — 231,  b)  Tbürinncr  §  233  —  333,  c)  Ostmiltcldcuuche  §  334—237. 
4)  Markomannen  ^  Baiern.  <)  338—340:  a)  Markomannen  §  338,  b]  Bäiern  {|  139, 
c)  OsiCTTCicbcr  §  340.       5)  <^iudi.  §  341.       6)  Latif^bardco.  §  242 — 243. 

diesem  Abschni»  sali  ober  die  alteren  ethnographischen  Verhältnisse! 
der  Germanen  gebandelt  werden,  über  die  Ausbildung  des  urgerraanischcn^ 
Volkes,  Ober  die  ältesten  Wohnsitze,  über  die  Uildung  der  einzelnen  Stimme 
und  Uire  Entwicklung  zu  poUtiscli  selbsUlndigcn  Völkern.  Unser  Thema  ist 
also  ein  geschichtliches.  Das  Hauptwerk  über  unsem  Gegenstand;  Kaspar 
Zcuss,  Die  Dtufsc/ien  und  die  Nachbarstämme,  Münclien  1837. 

I.     EINLEITUNG. 
A.     BEGRIFF  UND  XAME  GERMANISCH. 

§  I.  Es  giebt  gegenwärtig  folgende  gennanische  Sprachen:  i)  Schwedisch, 
Dänisch,  Norn'cgisch  und  Isländisch;  2)  Englisch;  3)  Nordfriesisch,  West- 
untl  Ostfriesisch;  4)  Nicdedaivdisch,  Platt-  ;md  Hochdeutsch.  Ausgestorben 
ist  .seit  mehr  als  1000  Jahren  die  Sprache  der  Goten,  GepiUen.  Rugier,  Wan- 
dalen, Burgimden,  Eruier  und  Langobarden.  Wir  verstehen  unter  dem 
Namen  Gennanen  diejenigen  Volksstanime,  welche  eine  germaiusche  Sprache 
sprechen.  Wir  nennen  daher  auch  die  Stamme  anderer  Herkunft,  welche 
eine  germanische  Sprache  angenommen  haben,  üermancn,  ebenso  wie  wir  die- 
jenigen nicht  niclir  zu  den  Germanen  zählen,  welche  eine  andere  Sprache 
angcnommcQ  liabcn.  So  gelten  uns  die  gcnnanisicrteii  Slawen  ftsllich  der  KU« 
von  dem  Zeitpimkt  an  als  Deutsche,  wo  sie  die  Herschaft  der  deutschen 
Sprache  bei  sich  anerkannt  haben.  Wir  bezeichnen  die  Guten  und  Lango- 
banlen  nicht  mehr  als  Germanen,  seit  sie  romanisch  sprechen.  Die  Zuge- 
hviigkeil  zum  genniinischen  Sprachzweige  bcwt-ist  also  lüclils  für  die  ur- 
sprüngliche Abstammung.  Wir  haben  keinen  Grund  anzunehmen,  dass  in 
vorgeschichtlicher  Zeit  die  politischen  Verhaltnisse  nach  dieser  Riclitung  hin 
andere  gewesen  seien  als  in  der  geschichtlichen  Zeit  Dem  Zeugnis  des  Ta- 
citus  [Germ.  2).  »Germanos  minime  aiianmi  gentium  advendbus  et  hospitüs 
niixtos«  und  vGermaniae  pupulus  nullis  aliarum  natiunuui  canubüs  infectus 
propriam  et  sinceram  et  tantum  sui  similcm  gentem  extitissc«  steht  sowohl 
Caesars  Zeugnis  von  in  Deutschland  zurückgcblicbencu  WaJsdien  gegen- 
über (/?.  G.  VI  24)  >ea*quac  fcrtilissima  Gennaniae  sunt  loca  circuni  Hcr- 
cyiiiain  silvain,  Vulcac  Tectosages  occupaverunl  attjue  ibi  consedcrunt;  quae 
geiw  ad  hoc  tempus  his  setlihu.s  sesc  coniinet«,  als  auch  des  Tacitus  eigene 
Zei^'nisse  von  der  Romanisierung  der  linksriieinischcu  Ubii  (Genn.  28)  und 
von  den  >OsU,  Germanorum  natione»,  daas  diese  »Pannonica  lingita  coargtiit 
non  esse  Germanos«  (Germ.  28  und  43). 

Die  politische  Zugehörigkeit  zu  einem  germanischen  Staat  gilt  uns  nicht  als 
Kennzeichen  des  Genuanentums.  Die  Talen  in  Oberschlesien,  Posen  und  Wcsl- 
preusscn,  die  Dflncn  in  Nord  sei  ilt^wig  zalilcn  wir  ethnographisch  nicht  zu  den 
Dt'nts<rhcn,  ebensow<:-nig  wie  die  Iren  zu  den  Engländern,  die  Lap[>cu  zu  den 
Schweden.  Andrerseits  gelten  uils  die  Deutsch-Amerikaner  so  lange  noch  als 
Deutsche,  wie  sie  sich  zur  deutschen  Sprache  bekennen.  Die  politische  Zu- 
gehörigkeil zu  einem  geniianischen  Staat  ist  indessen  insofern  von  Bedeutung 
als  das  politische  Bewussisein  zu  jeder  Zeit  vielfach  die  Nationalität  hiernach 
bestimmt  hat.     Wollen  einerseits  die  katholischen  Polen  oder  die  D^uen  und 


Franzosen  innerhalb  der  Rcichs^rcnze  nicht  Deutsche  sein,  s*»  fühlen  ach 
andrerseits  doch  die  Latisitzer  Wenden,  die  protestantischen  Masuren  (pc-lni- 
scher  Nationalitflt)  in  Ostpreussen,  die  Litauer,  die  Nordlricscn,  die  ostfrietü- 
schen  Saterlämler  als  gute  Deutsche,  wiewohl  sie  ethnographisch  den  Deut- 
schen nicht  zugezahlt  werden  kOnnen,  so  lange  sie  noch  an  ihrer  eigenen 
Sprache  festhahen.  Der  Übergang  zur  deutschen  Sprache,  der  nur  eine  Frage 
der  Zeil  ist,  sobald  die  Leute  sich  als  Deutsche  fühlen,  erfolgt  natflrlich  sehr 
allmaJitJch,  und  so  giebt  es  denn  eine  Zeit,  für  welche  man  sie  mit  gleichem 
Recht  als  Nicht- Deutsche  wie  als  Deutsche  bezeichnen  kann.  Entscheidend 
ist  der  Zeitpunkt,  wo  sie  sich  neben  ihrer  Muttersprache  im  Verkehr  der 
deutschen  Spruche  hc<lienen.  Politische  Sympathie  <-ider  Antipathie  ist  der 
wirks;inv^tc  Antrieb  zum  Aiischluss  an  eine  fremde  oder  zur  Abkehr  von  der 
eigenen  Nationalität.  —  Ausserhalb  der  politischen  Grenzen  gilt  das  gleiche. 
Die  deutsch  sprechenden  Elsass-Lolliringer  haben  sich  vor  lüji  überwiegend 
als  Franzosen  gefühlt  und  sie  thun  es  zum  Teil  noch  heute.  Die  Deutschen 
im  Auslande  sind  sich  erst  seit  187  r  ihres  Deutschtimis  liewusst.  Die  nieder- 
landisch  sprechenden  Belgier  fühlen  sich  zum  Teil  mehr  als  Franzosen 
denn  als  Niederländer,  und  die  Gebildeten  neigen  daher  der  französi- 
schen Spraclie  zu.  —  Wir  müssen  die  Begriffe  genuamsch,  englisch,  deutsdi 
vielfach  anders  fassen,  als  sie  vom  Volk  selbst  empfunden  werden.  Wir 
zaiilen  diu  deutsch  sprechenden  Elsass-Loth ringe r  auch  vor  1871  zu  den 
Deutschen;  die  ihrer  Muttersprache  treu  gebliebenen  Nordfriesen,  die  sich 
als  gute  Preussen  fühlenden  Litauer  und  Masuren  kfvnnen  wir  höchstens  als 
angehende  Deutsche  lH:zeichncn;  die  Afrikaander  rechnen  wir  zu  den  Nieder- 
ländern, Viiewohl  jene  ein  eigenes  Nationalbewusstsein  ausgebildet  haben;  die 
Nordamerikaner  gehen  uns  als  Engländer.  Ebenso  für  die  Vei"gangenhcit.  Die 
Niederländer  haben  sidi  schon  im  Mitielallcr  nicht  als  Deutsche  gcfülilt;  die 
Franzosen  sind  ihrem  jKiIitischen  Bewusstsein  nach  seit  der  Merowingerzeit 
Franken  gewesen,  deren  Namen  sie  noch  heute  tragen;  die  Germauen  sbid 
sich,  seit  sie  in  der  Geschichte  auftreten,  ihrer  nationalen  Zusammengehörig- 
keit nicht  be'wusst  gewesen:  und  duch  sind  für  unsere  Betrachtung  die  Nieder- 
länder deutsche  Franken,  die  Franzosen  romani!>icrte  Kelten,  die  Germanen 
um  Chr.  Geburt  eine  Nation. 

Das  ererbte  Volkstum  wird  nicht  mit  einmal  aufgegeben.  Fremde  Volks- 
Ktamme  haben  schon,  bevor  sie  in  einen  gennanisclien  aufgegangen  sind, 
vieles  von  diesem  angenommen.  Entnationalisierte  Germanen  haben  durch 
Jalirhuntlcrtc  hindurch  noch  vieles  vun  ihrer  ethnographischen  Eigenart  be- 
'Vb'ahrt.  Diesen  Dingen  im  einzelnen  nadizugehen,  verbietet  der  Umfang  dieses 
Abrisses.  Es  sei  bemerkt,  class  hierher  auch  die  Veränderung  unserer  natio- 
nalen Eigenart  durch  den  rr.mischcn  und  römisch-duistUchcn  Einfluss  in  der 
Vergangenheit,  durch  die  zunehmende  Intcmationalitlt  —  ich  denke  dabei 
besonders  an  die  naturwissenschaftlichen  Furtschrilte  und  deren  geistige  Be- 
einflussung —  in  fler  Gegenwart  gehi'in.  Sind  wir  durch  Rum  und  das 
Cliristentum  bis  zu  einem  gewissen  Grade  geistig  entnationalisierl  worden,  so 
dass  die  mittelalterlichen  germanischen  Völker  fast  andere  National iüilen  ge- 
nannt werden  können  als  ihre  beiilnischen  Vorfahren,  so  ist  nach  anderer 
Seite  hin  der  Ursprung]  iclic  Volkscharaktcr  in  vielen  Erschetnnmigen  bis  auf 
den  heutigen  Tag  bewahrt  gehlieben,  ja  er  kummt,  nachdem  er  Jahrhunderte 
lang  für  unsere  geschichtliche  Kenntnis  latent  geblieben,  oftmals  in  über- 
raschender Weise  uieder  zum  Durchbruch  und  bethätigt  sich  in  Form  einer 
Reaktion  gegen  die  ihm  auf-  und  eingep/rojjflc  fremde  Eigenart.  So  leben 
in  den  Franzosen  der  Gegenwart  mehr  als  im  Mittelalter  die  Kelten  Caesars 

Gemuoischc  PbUoIoffk  III.    S.  Aufl.  47 


wieder  auf.  So  erkennen  wir  im  nordfrauzösischen  Volkscharaktcr  noch  heute 
die  germani^rhe  Beimischung  heraus.  So  bedeutet  die  Reformation  eine 
Reaktion  germanisch l'ii  Geistes  gegen  das  römische  Christentum,  und  ihre 
geogr.iphisi:hc  Ausbreitung  tässt  n<'ic\\  (He  seit  rtndtTihaIl>  Jahnausejiden  zer- 
ris^ene  nationale  Zu^im  menge  hü  rigkeit  der  Germanen  erkennen.  So  Lst  noch 
heutigentags  der  niedersachiische  und  friesische  Volkscharabler  dem  englischen 
ähnlicher  als  dem  söddeutschen,  trotzdem  die  Niedersaehscn  und  Friesen  seit 
14  Jalirhundertcn  von  den  Englandern  gcigrapliiscti  getrennt  und  mit  den 
Hochdeutschen  politisch  und  geistig  verbunden  sind.  Si>  ist  noch  heute  in 
Württemberg  die  Stammesgrenze  der  Franken  und  Schwaben  lebendig.  Es 
gehört  demnach  mit  in  den  Bereich  unserer  Aufgabe,  das  Germanentum  und 
die  Eigenart  der  einzelnen  germanischen  Stämme  weit  über  die  Zeit  binaas 
zu  %-erfülgcn,  wo  diese  politisch  aufgehört  haben  als  solche  zu  existieren,  und 
wir  können  vielfach  aus  der  Gegenwart  noch  die  ursprünglichen  Stammcs- 
grupijen  erkennen;  die  Gegenwart  darf  uns  mit  als  Quelle  für  die  Erkenntnis 
der  zweitausendjährigcn  Vergangcnlicit  dienen. 

§  2.  Die  Abgrenzung  der  Begriffe  Germanisch  und  Deutsch 
gegen  einander.  Welche  Sprachen  germaniach  sind,  ist  zu  Anfang  des 
vorigen  Paragraphen  gesagt  worden.  Deutsche  nennen  wir  diejenigen  Ger- 
manen, welche  sicli  gegenwartig  der  neuhochdeutschen  oder  der  niederländi- 
schen (incl.  der  flamiscben)  Schriftsprache  becüenen,  und  deren  Vorfahreu. 
Nichtdeutsclie  Germanen  sind  also  die  Skadinaft-ier,  Engländer  und  Friesen 
und  waren  in  der  VOlkcrwanderungszeit  die  Goten,  Gepiden,  Rugier,  Wan- 
dalen, Burgunden  und  Heruler. 

Man  hat  seit  der  Zeit  der  Romaulik  die  Ausdrücke  GenuauiMrh  und 
Dcubch  vielfach  als  gleichbedeutend  gebraucht,  und  wie  J.  Grimms  Gram- 
matik der  germanisclien  Sprachen  den  Titel  »Deutsche  Grammatik«  tragt,  so 
schreibt  man  noch  heute  eine  »Deutsche  Altertumskunde«,  eine  »Deutsche 
Mythologie*  und  meint  doch  eiue  »Gcnnanische« ;  ebenso  wird  in  nicht-wissen- 
schafdidien  Kreisen  vielfach  »urgerraanischt  statt  *urdetitsch«  gesagt,  und 
wir  personifizieren  das  Deutschtum  in  einer  »Gcnnania».  Wenn  die  Deut- 
schen sich  Germanen  ncmieu',  so  ist  dies  allein  in  der  Weise  berechtigt, 
wie  wenn  man  sie  als  Indogermanen  oder  Europaer  bezeicluiet  Wemi  man 
den  Naineu  »Deutsche«  in  der  ersten  Hälfte  unseres  Jahrhunderts  unberech- 
tigter^veise  auch  auf  die  Englander  und  Skadinawier  übertragen  l>at,  so  be- 
ruht das  auf  einer  politisch  verschwommenen,  pangennanistTien  Auffassung. 
Wenn  der  Panslawismus  praktisch  nur  einen  Panrussismus  bedeuten  kann, 
so  lag  jenem  Gro&'<deutschium  ptilitjscher  Schwärmer  die  phantastische  Idee 
eines  Paiigeimanisraus  unter  Deutschlands  Vurhenichaft  zu  Gnmde. 

'  Englisch  Grrman,  Germany,  itnlicni!4:fa  Germania  sind  moderne  politiacbe 
B^iißc,  di«  Tür  uns  trbenstjvrerig  in  Betracht  kommca  kf-iiiiea  wie  das  fniuf'üacbe 
AÜematid,  AXUmagne  oder  Pnusien. 


Der  Naiuc  Gennancn. 

K.  ZeufS,  Du  Detttschen  und  die  ^Caihbarifämma,  München  1837,  S,  59— 61, 
igof.,  112 — 214,  760,  —  H.  Middcndorf,  Üb<r  l'npnmg  unJ  Alur  dfr 
bilden  Nationalnamen  Detitichf  und  üfrmanen,  Coesfeld  1847.  —  H.  Küns«- 
berg,  tl'artim  teurden  die  Oeitt^chfn  Germani  gtnannif^  Vtö^.,  Anstucb  1S5J. 
—  Cb,  Braniles,  Das  ethmr^raphiKhe  Vtrhättniis  der  Kelten  und  OtrtnaMnt, 
Leipzig  1857,  S.  74— *3.  93—103,  129  f^  140—145.  153  —  157,  168—173, 
t8[  — 197.  —  I^  Crmlcco,  Die  Handemngrn  der  Kellen  ^  Lcip()|{  1861,  S.  II 
— 14,  —  H.  KUussbcrg,  il'iinJifrung  m  dm  gerntannche  Allerthum,  Berlin 
1861,  S,  375 — 398,  —  Bornhak,  Ursprung  und  Bedeutung  des  AbxM'jsj  Gcr^ 
man^H,    Xordbausen    1864.  —  K.  A.   F.  Mahn,    Über  den    Vrsfrumg  und  dit 


I.  Einleitung:  A.  Begriff  und  Naue  Gerhakisch. 


739 


/käi-Hluni;  des  Namens  Germancfi.  Berlin  1864.  —  J.  Wormstall,  Vebrr  die 
linJtsrheiniichea  Germanen,  Progr.,  llünsicr  1866.  —  J,  Wormstnll,  Ceber  die 
Tungern  und  Basfarnen,  Münster  1868.  —  Watlcrich,  Der  deutsehe  AameH 
Germanen  und  die  ethnographiiehe  Frage  vom  linken  Rheinu/er,   Pailcrbofn  l8*0, 

—  K.  MüMenhorr.  Deutsche  AUeriumikiinde,  U,  Berlin  1887.  S.  189— 206.  — 
L,  Laistncr,  ZfdA.  XXXII  (1888)  JJ»  ff.  —  G.  Kws'fiinna.  Af.)A.  XVI 
(I890)  38—33.  —   ^   Hachtmüiin,   FlixkeisriM  Jbb,  CXI.in  {1891)  209—214. 

—  J.  Huliili,  Der  i^'aitr  Grrmani  in  Titeittn'  Germania,  Freiwalilau  I892.  — 
L.  L.tistni-r,  Wiirtlfinht:.  Vier idj ahnhefte,  X.  F.  l8^2,  47  —  57.  —  R.  Much, 
PBB.  XVri(t893)(=s  Deutsche  Stamtiuilie.  Hall«  1892),  159— 177,  —  H.  J.iekel, 
ZfilPh.  XX\T  (1894)  309—342.  —  Ct.  Zippel.  Deutsche  l'^lkerhrseegungen  in 
der  Riitnrrieit,  Progr.,  Köniß-ibcrR  189S1  S.  3 — lo.  —  G.  KoBsinoa,  PBB.  XX 
(1895)  258 — 299.  —  Vgl.  auch  die  Tadtui-Kommenuire  zu  Gi-nn.  3  (unien  S.  744). 

§  3.  Der  Name  Germanen  ist  kellischen  Ursprungs.  Die  frohere  Her- 
leitung aus  dorn  DcuLsthcu  aU  "Ger-Mflnaer«  Ist  spradilich  unmöglich;  denn 
wir  wissen,  rt.xss  in  diesem  Falle  die  Rümer  ihn  uns  als  Gaisomati{n)i  Über- 
liefert haben  würden.  GUnzlich  verfehlt  ist  Jaekcis  Deutung  'Getm-nm 
=  Abkömmtinge  des  Glühenden,  Feurigen.  Die  Uerleituug  auü  dem  Kelti- 
schen ist  aus  sachlichen  Griinden  gebciten. 

Der  Naine  ist  uns  in  doppelter  Funn  überliefert,  ab  Oermam'  uiid  Gamtani. 
Erstere  Fonn  ist  die  gew;>hn liehe.  Belege  für  CJarmani  bei  A.  Holder,  Ali- 
cellisdicr  Sprachschatz  \,  Leipzig  1896,  S.  1983  f.,  für  frerinnui vhö.  20i\  f.  Wir 
kenneu  den  Naraen  Germanen  in  zweifaLhcr  Anwendung;  i)  die  belgischen 
(keltischen)  Germanen  an  der  mittleren  Maas:  »Condnisos,  Eburones,  Cacroses, 
Paeinanos,  qui  uno  nomine  Genaani  appellanlur«  (Caesar,  ÄC  H  4),  »Segni 
Condnisique  ex  gente  et  numero  Germanomm«  (ebd.  VI  32,  vgl.  auch  II  3. 
VI  2.  3J  über  diese  Germam  Cisrhenani),  dazu  uocli  die  TungH  {Tac-, 
G*rm.  3,  Gesamtmime?),  Sunud  (PHn.,  Tac},  Betasii  (Tac.)  und  Talliatcs 
{inschriftl.),  vielleicht  auch  die  Nervii  und  Treviri  {Tac,  Gtrm.  28,  StrabÖn 
IV  194)  —  vgl.  die  Karte  zu  S.  706;  2)  die  rechtsrheinischen  Germanen,  auf 
denen  allein  der  Name  haften  geblieben  ist.  Die  Kelten  und  Römer  bezeich- 
neten so  ainachsi  nur  die  gennanischen  Siänmie  ain  Rhein.  Bei  erweiterter 
geograp]  lisch  er  Kenulnis  wurde  der  Name  zu  dem  ethnugraphlschen  Gesamt- 
namen, wie  wir  ihn  gegenwartig  anwenden. 

Aqid.  Die  nUbponUchcD  •Oreuci,  qui  et  Gerinani  cognominnnLur«  (PlinJus,  Ä'at.hisl. 
3  §  25)  mit  ihrer  sCldJich  vom  üuadiana  grlc^ncn  Gemeinde  'Ootjtoy  H^ßatHäv  (Ptole» 
maios  II  6,  59)  Weihen  mit  Brnndrs  168  — 173  besser  nus  dem  Spiel,  weil  ibt  cognciraen 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach   rAmUchen  Ursprungs  iat. 

Von  den  belgischen  Germanen,  die  vermutlich  im  2.  Jahrh.  v.  Chr.  aus 
Westfalen  und  der  rechtsrheinischen  RheinpruvLiu  eingewandert  sind,  ist  der 
Name  auf  die  sie  verdrflngt^nden  rechtsrheini-schen,  jenen  nicht  stammver- 
wandten Germanen  übertragen  worden.  \'gl.  Tacitus,  Gttyn.  3:  «cetenim 
Gcnnaniac  vucubulum  reccns  et  nuper  addituiii,  quouiain  qui  primi  Rhenum 
transgrcssti  Gallos  cxpulerint  ac  nunc  Tungri,  lunc  Gertnani  vncaii  sint.  Ita 
uatiouLs  nomen.  non  gcntis.  evaluisse  paulatini.  ut  omnes  primuin  a  victore 
ob  raelum,  mox  et  a  se  ipsis  invento  numine  Germani  vt:»careniur.«  Man 
liat  früher  angent-immen,  dass  die  Belgier  zum  Teil  germanischer  Herkunft 
.seien,  so  dass  wir  es  nur  mit  einem  Volksnamen  zu  thun  hatten.  Diese  An- 
sicht ist,  obwohl  sie  neuerdings  von  Much  und  Kossinna  und  besonders 
von  Zippel  abermals  vertreten  wird,  meines  Erachtetis  durch  Zcuss',  Con- 
tzens  imd  Müllenhoffs  Darlegungen  endgültig  abgcthan.  Die  verschie- 
denen Angaben,  da.ss  belgisdie  Volkssiamme  germanischer  {d.  i.  rechtsriieini- 
s<*her)  Herkunft  seien  (besonders  Caesar,  B.G.  11  4;  -plerosque  Beigag  esse 
firti>s  ab  Germanis«),  bedeuten  nur.  dass  sie  aus  dem  nachmals  Germania 
genannten  Lande  rechts  des  Rheins  ausgewandert  sind.     Die  Ketten  haben 

4S» 


eben  das  rechtsrheinische  Gebiet  zunächst  noch  weiter  als  Gürmanenland  be- 
zeichnet, nachdem  es  die  kcitisch-gcnnanische  Bevülkerung  mit  der  dculsch- 
germani-schen  vertauscht  hatte  —  ein  sehr  gewöhnlicher  Vorgang,  vgl.  de-n 
ursprün Jülich  das  keltische  B"jerland  bezeichnenden  Namen  Böhmen  (Baiem), 
die  germanische  Benennung'  der  Romanen  (ursprgl.  Kelten)  als  Walsche.  die 
Übertragung  des  Namens  Schlesier  von  den  gemianisrhen  SiUngen  auf  die 
nachrückenden  Slawen  und  vun  diesen  auf  die  Deutschen,  die  des  Namens 
iler  finnischen  Bulgaren  auf  deren  slawische  Nachfolger,  die  Namen  Lombar- 
dei, Frankreich  (Franzosen),  Nonnandic,  Pommern,  Preussen  usw. 

Mit  vi'iUiger  Sicherheit  ist  der  Name  n»x:h  nidil  gedeutet  worden.  Pott 
{£ffm.  Forschutif^tfi  "  11  873)  deutele  ihn  als  »Ostleute«  =  Präposition  ^e  -f  oir 
aOsten-  +  man  .Feld,  Ort,  Volk-.  Leo  (ZfdA.  V  514),  J.  Grimm  {Gt- 
schickte  der  deuisehen  Sprache  11  "8")  imd  Ebel  {Beitr.  zur  vgl.  Sprachfor- 
schung III  230)  deuteten  ihn  als  »gute  Schrcier<,  zu  garm,  gairm  'Geschrci< 
(Zeuss  59).  Zeuss'  {Grammaiüa  Ckitiai*,  Berolini  1871,  S.  773  Anm.  5) 
Übersetzung  mit  »ncini«  {gcr  »Nachbar',  -man  Suffix)  verdient  den  Vorzug. 
Ähnlich  (clwaa  anders  abgeleitet)  Mohne  und  Mahn.  Much  (PBR  XVII 
164)  Qbtfsetzt  »Stammechte«,  )'V})OiOi  (Strabön)  =  lat.  ,^ww/i«^  Zeuss  {Die 
Detüichen,  S.  59  Anm.)  und  Kugel  (AfdA.  XIX  10)  »Bergbewohner«  (lu 
aind.  ^iri,  slaw.  ^ra)  —  beides  wenig  glaubhaft 

§  4.  Zwischen  »»o  und  73  v.  Chr.  wurde  der  Genuanenname  den  Römern 
bekaimt*.  Sic  griffen  ihn  auf  zur  Bezeichnung  des  grossen  Volksstammes, 
den  wir  noch  heule  Germanen  nennen.  Als  ^Germania  magna«  galt  der 
r'imischen  Geographie  des  Kaiserreichs  das  Land  zwischen  Rhein  und  Weichsel 
mit  Einschluss  von  Skadinawien.  Von  den  linksrheinischen  Provinzen  'Ger- 
mania supcrior-  (Hauptstadt  Mainz)  und  sGermania  inferior«  (Hauptstadt 
K(iln)  knüpft  die  letztere  an  den  belgischen  Gcmia  nenn  amen  an.  Der  grie- 
chischen Gecigniphie  waren  die  Germanen  als  besonderer  Vulksstamm  noch 
unbekannt  geblieben :  man  wusste  sie  von  den  Kellen  nicht  zu  scheiden  oder 
bezeichnete  sie  als  Skythen,  Puseidönios  als  Keltoskythen.  Ersl  Caesar  hat 
mit  Sirherheil  den  s]^>rach liehen  und  ethnographischen  Gegensatz  der  Kelten 
und  Gennanen  crkaniii,  wenn  auch  uf-pch  spatere  Geographen  und  Geschichts- 
schreiber (wie  einige  Gelehrte  der  Neuzeit)  der  griechischen  Tradition  gema.s.s 
beide  Volksstamme  nicht  streng  aus  einander  gehalten  haben. 

I  Die  als  BiuidetgcDOAScn  der  ^aitl»cb«n  Inxubr»  geiutimtcn  ficrnunt  ilcr  cspito- 
Uniscb^D  Trimnphallaiteii  vom  Jahre  322  v.  Chr.  itommcD  in  Wirklichkeit  wahr- 
ichdnlich  aus  dem  JjJitc  iz  v.  Chr.  her,  O,  Ilirscht'cld,  llertni.-»  IX  98  und  XJ 
j6l.     MUMcnhoff,  D,A.  II  194  f.     H.  Kosainna.   PBB.  XX   289—294. 

§  5.  Die  .\nwcndung  des  Njunens  Germanen  auf  die  Vorfahren  der 
Dentschon,  Friesen,  EngtJlnder  und  Skadinawier  ist  gelehrten  Ursprungs.  Die 
Germanen  haben  sich  selbst  weder  mit  dem  Namen  Germanen  (soweit  nicht 
spater  nach  römischem  Vorbilde)  noch  sonst  mit  einem  nationalen  Gesami- 
iiamen  bezeichnet.  Denn  die  Z«ten,  wo  sie  etwa  eine  politische  Einheit 
bildeten,  Ut^ii  weit  hinter  ihrem  Auftreten  in  der  Geschichte  zurQck.  Vid- 
mehr  erscheinen  sie  von  Anbeginn  als  unterschiedene  politische  Körper- 
schaften, als  Goten,  Sachsen,  Sweben  asw.,  und  jeder  Stamm  war  politiüch 
durchaus  selbständig  im  Sinne  eines  Staates,  verband  sich  je  nach  den  politi- 
schen Zeitverhältnissen  unter  Umstanden  ebenso  leicht  mit  einem  nicht-ger- 
mani.schen  Volk  wie  mit  seinem  gennanisclien  Nachbarstamme,  gerade  so  *-ic 
heute  un.serp  Stammverwandtschaft  mit  den  Dänen  oder  Engländern  für  uni 
auf  eine  praktische  Süssere  Politik  ohne  Elnfluss  bleibt 


I.  EnaEiTUKG:  A.  NutE  Geruakek.    B.  Ql'eu.e>*. 


741 


B.     QUELLEN. 

§  6.     Als  Quellen  für  die  Erkenuüiis   der  cthnograpliischen  Vechallnisse 
der  Germanen  dienen  uns: 

2)  Die  Zeugnisse  der  griechischen  und  römischen  Geographen 
und  Geschichtsschreiber. 

Germania  anti^ua  frd,  K.  Muel lenhofrius,   Bcrolloi   1873.  (Die  3,  Aufl.  1863 

üc  ein  unvcräiuicrtcr  Abdruck.)  —  A  Riese,   Das  rhtiniK/u   Gtrmanün    in    dtr 

antiktn  LitUrainr,  Leipzig   189a,  —  DU  Getcküfitischrtibcr  ä€f  deuticlun  Urwt 

I,  ütKTS.  voll  J.   Horltcl,    Berlin  1849.  —  Ch.  Brandts,    Das   rUntografhischt 

Verhältnhs  der  füüen  umt  Gtrmanen.   Leipzig   t8s7.  —  F.  Babftch,   Die  a/lrn 

Germarun   in  der   Universalgeschkhtt  und  lAn  Eigen»rl,  Wien  1880,  S.  23 — 4t. 

—   H.  Bcrgcr,   Gttchühtt  der  ■wiiSfnichaftlichen  Erdkundt  der  Grieehen,  4  Bde., 

Leipzig   T887— 93.  —   L.   Hoff,  Die  KenntHis  Gcrmauiens   im  Altertum  bis  tum 

tTiyeiten  Jahrhundert  muh   Chr.,  Programm,  Ci>csfcld   1890. 

Es  seien  hier  die  wichtigsten  Jlltcrcn  Namen  genannt. 

Pytheas  von  MassiEia  hatte  um  520  v.  Chr.  —  eher  spater  als  früher  — 

zu  Schiff    eine  FurM:hungsreisc    untcmünuncn,    die    ihn    bis    in    die  Nordsee 

führte.     Ihm    verdanken    wir    die    ältesten  Nachrirhten    Ober   die   Germanen 

und  flirc  Grenze  gegen  die  Kelten.    Die  wissenschaftlichen  Ei^ebnisse  sein« 

Reise  hat  Pytheas  niedergelegt  in  seinem  leider  nicht  erhaltenen  Werk  »HsqI 

tov  wxtavov  :f€JTQayfmTf:vft^vat   —  wir  haben   nur  eine   Anzahl   Zeugnisse 

über  einzelne  Angaben  aus  diesem  Werk,  besonders  bei  Diodöros,  Strabön 

Geminos,  Pomponius  Mela  und  Piinius. 

A.  Scbmekei,  Pylfiear  Afassiliensis  ifuae  mpersuat  fragmtnta,  Mersebitrg 
1848.  —  Einzelne  Fragmente  auch  bei  11.  Berger,  Die  geographisthtu  Fragmente 
des  Eratotlhenes,  Leipiig  lfl8o.  S.  143 — 144.  —  M.  Fuhr,  De  Pj/lhea  Afasii- 
Uensi,  Darmstadii  1835.  —  J.  Lclcwcl,  /yihras  und  die  Geographie  seiner  Zeit. 
Leipzig  1838.  —  M.  Fuhr,  Prlheas  aus  A/assi/ia.  Dnrm^Uclt  1842.  —  W.  Bcs- 
seil,  Ufhrr  Pythnhi  von  .i/assiltrn.  G^'tltinccn  (858.  —  W.  Pitrrson,  Elektron, 
Berlin  I869.  —  K.  Mullenliurf,  DrtUtehr  AltrrluntikumU  l,  Berlin  1870,  S. 
234 — 236,  307 — 426,  469 — 497;  vgl,  daju  A.  v.  GuUchmids  Klrine  Schriften, 
Btä.  4,  Kapitel  V,  —  A.  Schniill,  Zu  Pytheas  von  Afassilia  I„  Piogr«  Landau 
1876.  —  F.  W'aldmann,  Der  Bernstein  im  Altertum,  Progr.,  Fellin  1885.  — 
f».  Mair,  Jenseits  der  Rkipäe».  A.  Die  Fahrten  des  Pytheas  in  der  Ostsee,  Progr., 
Viliach   1893.  —  G.  Hcrgl.   Die  NorJlanä/aMrl  des  Pytheas.   Diss.,   Halle   1893. 

Grösstenteils  auf  den  Angal>cn  des  Pytheas  l>enihcn  die  des  Timaios 
(552 — 256  V.  Chr.)  über  den  Norden. 

M.    Dunckcr,    Ongines    Germanicae    I,     Hatac   Saxonum    1839,    S.    5 — 7.  — 

Müllenhoff,  Deutsche  Alterlumikunde  l,  %  ^2$^^^l.  —  Chr.  Clason,  Unl<r- 
lUfhungen  über  Timaios  von  Tuuromenion.  Kiel  1883.  —  H.  Beckma&fi,  Ti~ 
marus  von  Taurnmettium,  Pr"gr.,  W.iiMlxbeck  1884.  —  J.  Geffcken,  Timaios' 
Gecgrafrhie  des    It'eslens.   Drrliii   1S92. 

Gleichfalls  dem    Pytheas   folgte    Eratosthenös  (275 — 194  v.  Chr.)   in 
seinen  nur  in  Fragmenten  crhalleneu  *rto)yQntfi3f6<. 

Eratoithcftis   retiqviae,    cd.  Hillcr,    Liptnac    1872.  —   H.  Bcrgcr,    Die  geo- 
graphischen Fragmente  des  Eratfisthenis,   Leipzig   l88u.  —  MQUenhoff.  D.A.    I 
»59-335.  35or.;  UX  pf..  65—73- 
Folybios  {204 — 122  V.  Chr.)  danken  wir  Xachricliten  Ober  die  Bastemeu. 
cd.  L.  Dindurf.  4  Bande,  Lip»iac  1866—6$.  —  Mülleahoff,  D,A.  1    349— 
355,  "  104—112. 
Eingehendere  Nachnclitea  Ober  die  Germanen  verdanken  wir  Poseidöaios 
von  Aparaeia  (um   125 — 40  v.  Chr.),  der  eine  die  Jahre  145 — */)  umfassende 
Fortsetzung  des  P  o  1  y  b  i  0  s  schrieb,   die  Hauptquellc  f Qr  die  Kimbern-  und 
Teutonen-Kriegc.     Sein  Werk  ist  nicht  auf  uns  gekommen.     Doch  kennen  nir 
manches   daraus    aas    Plutarchos,  Strabdn,  Diod^ros,  Athenaios  und 
Caesar.     Ausser  Über  die  Kimbern  und  Teutonen  war  PoseidCnius  auch  Über 


742 


XV,  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 


die  Ausbrdlung  der  kellischen  Helvelicr  und  Bojer  in  SüdUeutschland  wohl 
unterrirlitet.  Er  ist  der  erste  gewesen,  der  die  Germanen  als  dn  besonderes, 
von  den  Kelten  unterschiedenes  Volk  erkannt  hat,  der  erste,  der  sie  vou  dcu 
Skythen  gcscliieden  hat.  wie  seine  der  traditionellen  Geographie  angepasate 
Bezeichnung  der  Germanen  als  ÄVirrwxr*?«!  beweist.  Er  sclieint  auch  schon 
n^liere  Kenntnisse  Ober  die  germanischen  Stämme  zwischen  Rhein  und  Weser 
gehaht  zu  haben. 

K.  Müller,  Fragtnenta  histori<9rum   Grancrum  lU,    PatU   1849,  S.   ZStff. 

—  Schcppig,  Df  Poiidonia  Apamensi,  rrrttm  gimttum  t^rrartim  icnptorr.  5od* 
dcrshns.  1869.  —  MflllcDholT,  D.A.  I  357 — JS9t  I*  136—1:8').  283  f.,  290— 
331,  —  Zimnurrmann,  Hermra  XXIII  (1880)  103  — 130.  —  K,  Lainprecbt, 
Z%.  An  Berpsdirn  Gt-schichtsrercina  XVI  1880  (1881)  181  — 190.  —  l>.  Koi- 
sinna,   PBB.   XX   384  —  189. 

Unsere  genaueren  Kenntnisse  über  die  Germanen  datieren  seit  den  Römer- 
kriegen und  zwar  seit  Gaius  lulius  Caesar  (100 — 44  v.  Chr.),  der  58  v- 
Chr.  Ario\TSi  im  südlichen  Elsass  besiegte  und  55  und  53  den  Rhein  über- 
sdiritt.  Scijie  scharfen  Bcübachtungen  hat  er  niedergelegt  in  seinen  52  v,  Chr. 
verfaiisien  tCnminrutm-ii  ile  hf/la  Gaüko*,  darin  über  (Üe  Germanen  besonders 
I  I.  31-54,  11  4,  IV  i<^,  VI  g-28. 

cd.  C.  Nippcrdcy.  Lipsiac  184?.  —  cd,  K.    OQbncr,   2  Bde.,  Paris    1867. 

—  «l.  A.  Hnidcr,  Frcibiirg  i.  B.  und  Tilbioj^n  1882.  —  cd.  B.  Kubier, 
«litiy  ntuior,  LHpiii;  1893.  —  "■"*'■  H.  McuscI.  Brrolint  1894.  —  H.  Köcbty 
atwi  W.  RDsIow,  fiinlrilun^  zu  C-  Julius  Ctnnr'i  Cvtnmuytiarirn  über  dtn 
^alJn^ium  A'ric/r,  (hilha  1857.  —  Xopol^on  Hiiloire  de  Jtües  C/uir,  2  Bde^ 
Paris  1865—66;  deutsch  u.  il.  Titel  Geuhükte  Julha.  CAsars,  2  Bde.,  Wien  l86> 
— 66.  —  A.  V.  (Wilcr,  Cafsun  gaUt'siher  A'riri'\  2  Bde.,  Tflbittgen  1880.  —  D. 
Bühm,  Beilrtiffr,  uvkAe  C. /.  Caesar  tn  sfin^n  ComtHetttarien  •  De  Btllo  GallkO'*- 
xur  Elhttolc^e  ih-r  Gtrmanen  liefert,  Frogr.,  lIcrmoDOsuiJc  1881.  —  H.  Rauchen- 
8tc[ii.    Der  FfUiUf;  Caesars  ge^en  die    ffelv^tier.  Jenaer  Bist.,   ZaHch    l982. 

Unter  Augustus'  Regierung  erfolgten  die  Feldzüge  des  Dnisus  und  Tiberius 
13  V.  Chr.  bis  g  n.  Chr.,  durch  welche  <!as  römische  llcor  Norddeulschland 
bis  zur  Elbe,  die  römische  Flotte  die  Nordseeküste  bis  Jütland  kennen  lernte, 
und  welche  einen  lebhaften  Handelsverkehi  bis  nach  Ostpreussen  hin  zur 
Folge  hatten. 

M.  Vipsanius  Agrippa  hat  diese  erweiterten  geographischen  Kenntnisse  in 
seiner  Biographie,  in  seinen  statistischen  ■^Commaitani'  sowe  in  seiner  auf 
den  letzteren  beruhenden,  :?; — 20  v.  Chr.  vollendeten  Weltkarte  niedergcl^;! 
Wir  sind  hierüber  durch  die  geographi.schen  Schriften  des  Straböu  und  Plinius 
s<Jttie  durch  die  Feutingersche  Tafel  unterrichtet.  Nach  dieser  Karte  hat 
Augustus  7  V.  Chr.  eine  grusse  Wclttafel  (Landkarte)  in  Rom  aufstellen  und 
vervielfältigen  lassen.  Die  sogenannte  »ChvrographU*  des  Augustus  beruht 
gleichfalls  auf  Agrippas  Vorarbeiten. 

Geografihi  lalmt  minom,  rd.  A.  Riese,  Heilbmniue  1878,  S,  9 — ao.  —  A. 
WeithcTl.  Commentalie  /.  de  imfifratorii  Catsaris  Auguttf  scriplis  ettrumqut 
reh^uiii,  Prugr.,  OriiiKe  1835.  —  ^-  Mül tcnhoff,  D.A.  III  53 — 84,  212 — 295. 
298—325;  vgl.  du£u  A.  V.  G 11  tsi'htiiidü  Ki^'te  Siftri/Ien  V,  Leipzig  '894. 
Kapitel  5 — ".  —  J.  PurCscb,  Die  Darstellung  Rtiropa's  in  dein  gtegr«' 
phisihen  Werke  des  Agrippa,  Ilabililalioasscbril't,  Breslau  1875.  —  E.  Scbweder. 
Beiträgt  »ur  Kritik  der  Chorogrupkie  det  Augustus.  3  Teile,  Kiel  1876,  r876, 
1883;  Phi]oIoKusXLVICT88(.)  276  IT.;  FEeckeiseng  Jbb.  CXLV  (1892»  113— 133; 
Philologn*  LIV  528  ff.  —  F.  Pbillppi,  Zur  Re^<>nstrti£tion  der  WtItkurU  JfS 
Agrippa,  Mftrbuiv  1880.  —  D.  Detlcfaei).  Unlersvi-httttgen  tu  den gmgrttphitckm 
Jüicfiern  des  VlimMi.  s.  Die  Weltkarte  des  M.  Agrippa,  I'ropt.,  (;iück«iädt  1884.— 
O.  Cuntz,  De  Anguslo,  PUhU  Gecgraphitorum  otuttre,  Uiss.,  Bonn  18S8.  — 
O.  Cuntz,  Agrippa  und  Augustus  als  Quellensi-hri/t steiler  des  PHnifis  im  4tm 
geogmphischen  Büfhern  der  J^aturalis  kistoria,  Leipzig  1890  (=  Jbb.  f.  cbML 
Pbikil.,    17,  SuppU-menttwiod,  475— SJ6). 

Titus  Livius'  rOmisdie  Geschidite  »Ab  urhe  conJitat  reichte  bis  zum  Tode 


L   ElXLSltUNG:   B.  OTTtttrTV 


743 


des  Dnisus.     Leider   sind   die   über  Gennimeii  handelnden  BOcher  104,   136 

und  140  verloren  gegangen,  und  wir  sind  auf  die  Kapitel  V  34,  IX  30,  XXI 
38,  XL  5.  S7  !■.  XLI  19.  23  und  XLIV  26  f.  angewiesen. 

wi.  M.  Hrrl«,  4  (5)  Bdr.,  Upsiar  1837 — 64.  —  CiL  W.  WeifSeobofO,  19 
(91  Bile-,  »CTlin   1856—76.  3  Btlc-  Li|H.ine   1865—74. 

Strabön  hat  in  seinen  */«myßa»pxii«,  deren  erste  7  Bücher  er  i.  J.  18 
n.  Chr.  abgefasst  zu  haben  scheint,  im  7.  Buch  Ober  die  Germanen  berichtet 
Kt-in  selbständiger  Forscher,  hat  er  jedoch  alle  seine  Vorgänger  benutzt,  und 
ist  für  nna  chirch  die  Ausführlichkeit  seiner  Mitteilungen  so  wertvoll. 

ed.  G.  Kramer.  3  Bde.,  Bcrolint  1844— 52.  —  ed.  A-  Mciackc,  3  Bde., 
Lipsliie  1852 — 53,  iKru*r  Al»druck  1877.  —  ed.  C.  Müller  et  Fr,  Dtibner,  1 
Bile..  Parl>lis  1853—80,  —  A.  Dommerich,  />/f  .VatirüAtrn  StrtUm's  übfr  dte 
mm  ßlii^en  deutschctt  Bunde  /^hiSn-nden  Üindir,  Diss..  MÄrbnri;  1848.  —  A. 
Miller,  Strahe's  Qu<IUm  libfr^}.  ^  Galttert  und  Brilannien,  Rcgeiwbur^r  Progr., 
Siadmnhof  1868.  —  Müllcnhoff,/>.W.  1  313—360,  I(  177—189,  HI  34—41, 
67 — "0,  114.  —  E.  Schweder.  Beiirdgr  %ur  Kntik  dtr  Vkortgraphie  des  Au' 
guiliij  in,  Kiel  1883,  —  H.  Wilken«,  Quaesftpnrs  de  SlraboHis  alhrumque 
rerutn  Gaihcarum  nuclnrum  («tttihui,  !>!&«■.  Marljurg  1886.  —  Sutter,  übtr 
StraAos  Gfcgraphitn.  Pnjjr.,  Kr:ink(urt  a-  M.  I887.  —  M.  Pabois,  £xameH  de 
ia  gt'agraphu  de  Sirahoit,  Pari»  I891.  —  Vgl,  aud»  die  oben  mUer  «Poscidd- 
nio^i    angegebene  LiltersUir.    ■ 

Aufiditis  Bas&us  hui  ein  Buch  fiber  die  germanischen  Kriege  geschrieben, 
d^s  leider  nicht  auf  un»  gclinmmen  ist 

M.  Vellcius  Paterculus,  der  als  praefcctus  equitum  und  Legat  den 
gennacischtrn  Feldzug  des  Tiberius  milmachte,  hat  2Q  n.  Chr.  seine  >Historia 
Romana^  vollendet    Wir  schätzen  in  seinem  Bericht  den  Augenzeugen. 

ed.  F.  KrJtziu»  ^  Lipwte  1S48.  —  ed.  C.  Halm,  Lipme  1876.  —  P. 
Kaiser,  De  j'ontibHi  VilUi  Paurmlf.  Dias.,  Berolini  1884,  —  F.  Helbiog, 
VrlUius  PaUrculus.  Diss.,  Rostock  1888.  —  F.  Fau»l,  Dr  VflU!  FatermU 
rerum  uriptoni  fidr.  Di».,  Gleshcn  189I,  —  F.  Burmeister.  De  /oHlihus 
l'eUei  Pittenuli^  Rerdlini    1894, 

C.  Plinius  Secundiis,  der  Ältere  (23 — 79  n.  Chr.)  konnte  aus  eigener 
Erfahning  über  die  Germanen  berichtai.  denn  er  ist  nicht  nur  am  Rhein, 
»indem  auch  an  der  unteren  Elbe  gewesen.  Zudem  ein  Mann  von  um- 
fassender Belesenheit,  itat  er  die  alteren  Schriftsteller  eingeliend  studiert 
Er  ist  zweifellos  besser  über  Germanen  unterrichtet  gewe.*en  als  irgend  ein 
anderer  Schriftsteller  des  AUertums,  auch  Tacitus  nicht  ausf;enummen.  Um 
so  mehr  müssen  wir  bedauern,  da.'*  seine  2u  Bücher  Über  tUe  germanischen 
Kriege  verloren  gegangen  sind.  Erhalten  ist  uns  seine  77  n.  Chr.  veröffent- 
lichte -oNaiHraUi  hisioria*,  in  der  er  besonden»  die  Weltkarte  des  Agrippa 
benutzt  hat;  über  Germanien  passim,  besonders  IV  94 — 104. 

ed.   D.  Delle  r«en,   6  Bde.,  Berolini  1866-82.   —   ed.  L.  J&nus  et  C.  May- 

hoff,   5  Bde..  I-ip^^ae  1870—97.  —  D.  Dctlef»cr,  Die  Moue  der  Erdteile  nath 

Ph'niui,  Progr.,  (tlUclcstadl  1883.  —  F.  Aly,  Zur  QuelUnkntik  dei  älUren  Plinim, 

Prop,,  MaßdcbiUß  1885.  —  F.  Münzcr.  Beiträge  zur  Qtullenknttk  der  A'atur- 

gtjthii-hu  des  Pltnitii.  1697.  —  Vf;l.  auch  die  oben  unter  >A{;rippa<  anf^rohrte 

iiiieratur. 

C.  Cornelius  Tacitus,  dn  Schriftsteller  allerersten  Ranges,  bietet  uns  in 

seinen  um  115  n.  Chr.  herausgegebenen  ^Annaks«  imd  in  seinen  iJIhioria(*, 

welche  tlie  Jahre   14 — <x)  und  69— <)7  umfassen,  einen  Ersatz  für  die  verloren 

gegangene   Schrift   des   Plinius   (s.  o.).   obgleich  von  den  16   Bftchem    der 

Aniudeii  mehr  als  5,    von  den   14  BOchem  der  Historien  mdu:  als  Q  fehlen. 

Noch  reichhaltiger  für  die  Erkenntnis  der  Ethnographie  Germaniens  ist  seine 

98  n.  Clir.  al>ge/asste   ■Germania',    ein   kleiner  feuillet(>nisti>cher  Essay  eines 

gnstrcichen  Gelehrten,  wie  alle  Schriften  des  Tacitus  einen  stark  rhetorischen 

Charakter  tragend.    Die  künslierische  Wirkung  seines  .Stiles  steht  ihm  höher 

Js  die  Objeklivitüi,   was   das  Verslllndnis  erschwert.    Seine   Darstellung   ist 


744 


XV,  Ethnographie  der  geruaxischen  StÄmue. 


durchaus  subjektiv  gefärbt;  aber  voi\  einer  tendenziösen  Darstellung  auf 
Kosten  der  Wahrheit  darf  keine  Rede  sein.  Für  uns  zwar  die  Hauptquelle 
für  die  Ethnographie  Gemianicns,  sind  des  Tacitus  Schriften  au  sich  eine 
Quelle  zweiten  Grades;  denn  das  von  ihm  verarbeitete  Material  hat  er  be- 
reits bei  deren  Vorgängern  vorgefunden,  besonders  be  Caesar,  Livius, 
Aufidius  Bassus  und  namcutUch  bei  Plinius.  Er  selber  ist  nicht  in 
Deutsdiland  gewesen,  kannte  aber  den  Niederrhein  aus  eigener  Anschauung. 

Opera:  cd.  J.  G.  Bailcr  t-t  J.  G.  Or<-lIi  *,  2  Bde.,  Turici  «  BcnlicilSsg  und 
1879—86.  —  «!.  C.  Niiiperiley,  4  Bile^  Rtn^Iin  l«?!- 76,  9.  Aafl.  von  G.  An- 
drcsen,  Berlin  tSgj.  —  ni,  C.  Halm*,  a  B>le.,  Li[i5iac  r  883.  —  «d.i.  Müller. 
3  B4c.,  Upsittc  1884—87.  —  A.  Gerber  et  A.  Greef,  Lexkon  Ttuitcnm,  Lipsiae, 
»ei[  1877  erscheinend,  lib  st  [897.  —  I-.  v.  Ranke,  IVirUffTsckichte  111  280 — 
318.   —    I.    Getickc,   De  obundanti  äkenäi genert  Tacilino,   Diu.,    Bcrolini  l88Z. 

—  Wallichs,  Die  Gesehkhtnthreibung  dn  Tatt'tus,  Progr,,  RendsbuiK  1888. — 
A,  AnioD,  Nun)  ad  vmUilcii)  Tadtus  in  Aun.  [.  d  IT.  nuravii  de  cipcilitiooibu» 
Germania,  Rossleber  Ftof^.,  Holle  1850.  —  Ph.  Fabia,  Lts  itnirtrj  de  Tacite 
dans  ifi  biitoirti  tl  iei  oHnales,   Paris   1893. 

Germania-.  Au-if^abcn  :  cd.  J.  GrintTd,  O^tlinuen  1835  (dnrin  alles,  was  soost 
bei  Tacitus  auf  Germanien  Beziiß  hat).  —  cd.  H.  F.  Muüsninnn,  Ö"^*">°biug 
u.  Leipzig  1847  (händscbriftlicber  Appamt).  —  en  HauptÜ  rec.  tecujjn,  K.  K  ri  liiui^ 
Bemlini  1860.  —  K.  Muclleiiholfiufi,  Gcmuinia  iintiqua,  Bemlini  1873  (neuer 
Abdruck  1883).  —  ed.  F.  Krii/ius«,  W.  Hirschfelder,  BenJini  1878.  —  «d. 
A.  Holder,  Lipsue  1878.  —  ed,  H.  Schweizer- Sidler^,  Halle  1890. 

Überlieferung:  R.  Ta^niann,  Df  Tuciii  Germanior  apparaiu  m/ico, 
Vraü*laviae  ^847.  —  C.  Halm,  Siuui^bcrichtc  der  k,  bajxr.  Ak.  il.  Wiss.,  phücw.- 
philol.  Cl.  1864.   1—41.  —  Bahren«,   Flwk^'Uen*  Jhb.  CXXI  (1880)  365—188. 

—  H.   Schcfczik,   De  Cornetii   T<%citi  apparatu  crilko,    Prop.,    TroppAU    1 886. 

—  R.  Wucnsch,  De  Taciti  Cerwaniae  codkibMS  GfmiamiU,  Dias.,  Marpiuip 
1893   (vorlÜuJig  abäcfalicssmd).  —  K.  Müllcnhofr,    ZIdA.  IX  (1853)    323—261. 

Beurteilung:  J,  v.  Gruber,  v.  d.  Hagcns  Gcrm-iniii  III  (1839}  74  —  91.  — 
Hoff,  Vfber  die  Glaubwiirdi^ktit  unt/  dm  KunsUharokter  der  Gertnania  des 
Tacitits,  Progr.,  E^srii  1868,  —  L.  Schumacher, /V  7(w//o  <?crwn7Mrä<'jwi/-*'(f/*#, 
Progr,,  Berlin  1886.  —  Tli.  Muinnisen,  SiLiun;pberichte  d.  k.  prcuss.  Ak,  d.  WttL 
1880,39—46.  —  KKttiier.  ZrdPii.  XTX  (1887)  357—274.-1.  Weinbcr|Eer, 
Die  Fra^e  nach  F.ntitthnug  und  TmiiKns  der  'Faciieii-chen  iGcrmnniai,  2  Teilc^ 
Proßr.,  ülniiiu   189Q,    1891. 

Quellen:  Th.  Wiedcmann,  For^cbungeii  zur  deuudicn  Gescbichlc  IV'  (1864) 
171  — 194.  ^  Manitius,  ebd.  XXII  {1883)  41;— 422.  —  Schlcussncr,  Qmar 
ralio  infer  Taciii  Germaniam  et  ceteros  pnrni  saecnU  libroi  Lalinos,  »o  qutbta 
Germam' tnngantur,  intercedrre  rideafur,  Piojjr.,  Banaen  188(1.  —  A,  Lückcn- 
bacb.   De   Germanine  qune  vcvafiir   Taei/me  /'on/tbui,  Dis«.,  Maqturgi   1891. 

Rommentarc:  H.  Sch«-eizer,  ßemrrkungeTi  zu  Tacitui'  Germania,  Progr. 
Zürich  1860.  • —  F.  Miinschncr,  ßeilnige  sur  Erttl/trung  der  Germania  vifn  Tacitus^ 
1  Teile,  Projjr.,  Marburg  1863.  1864.  —  L.  Curtze,  Die  Geraianra  det  Tafttus 
auiführikh  erkiärl.  Oip.  I— X,  Leijwi;;  1868.  —  A.  Holtzmann,  Germaniu-ht 
AUerthÜHwr  Mit  Text,  Ghersettung  und  Erilürnng  fon  Tatitus  GermuHin, 
Leipzig  1873.  —  A,  Baumilark,  Vrdeutsehe  StaalsaUerlkümer  tnr  si'hütt^nJrm 
Krläiiterung  der  Germania  des  Tiuitus,  Berlin  1873;  Ausführlkkt  Ertäuterjtmg 
des  nUgemeiiien  'FheiUs  der  Germania  des  Taiitm,  Leipzig  '^75t  Ausfiihrtürht 
ErSiiuterting  des  beionderin  vöikenchafitiLhnt  Theiles  der  Germania  des  Ta^i/ms, 
Leipjiii;  t88o.  —  K.  MlUleiihorr,  DeuUche  AlterlumsJiHnde  II,  Berlin  1887,  S. 
I  — 13.  57—53.  77.  »=3.  »91  f.,  198— loi,  283,  3871'..  337.  333  f"  354;  B««* 
IV  (T898?)  wird  einen  du»nihrlichen  Kommeaur  der  GemuniA  tningen. 

Der  Gec>grapli  Marinos  bat  zu  Beginn  des  2.  Jahrhs.  il  Chr.  seine 
»zov  yeojygatftxov  myaxoi  dtög&wOiS'  niit  emsigem  Fleis3  au^earbeitet. 
Er  hat  alle  geographischen  Einzclangabcn  der  Vergangenheit  wie  der  Gegen- 
wart gesammelt  und  sein  Werk  wiederholt  erweitert  und  verbessert.  Aboy 
bei  dieser  Sammlung  verfuhr  er  unkritisch,  seine  Angaben  sind  zerrissen, 
'\\'^idersprüche  zwischen  Text  und    Karte  sind  nicht  atisgeg^ichen.     Zu  der 


l.  Eixleitusg:  R  Quellen. 


745 


letzten  Ausgabe  (jedenfalls  nach  115  w.  Chr.)  w-urde  die  Karte  nicht  fertig. 
Er  mu-sste  die  Arbeit  abbrechen,  ohne  sie  vollendet  zu  haben.  »Nur  die 
Grundlagen  für  diese  letzte  Karte,  die  wahrschcmllch  wie  der  vurausgchcude 
Text  wieder  neue  und  «irhtige  Änderungen  bringi^n  sollte,  konnte  er  nr»cli 
vollenden.  Die  Vollendung,  den  Ausbau  der  Karte,  die  Verteilung  des 
Kartcnbildes  mit  allen  sdnen  Bestandteilen  in  die  durch  das  Netz  und  die 
Cardinalpunktc  festgesetzten  räumlichen  Abschnitte,  musste  er.  wie  es  scheint, 
jüngeren  Hunden  überlassen.« 

KEaudiiis  Ptolemaios  hat  sich  uro  die  Mitte  des  2.  Jahrlis.  n.  Chr.  der 
Aufgabe  unterzogen,  den  Marinos  zu  berichtigen.  Trotz  mancher  Besserun- 
gen hat  sich  Ptolemaios  aber  auch  neue  Irrtümer  und  manclie  Willkürlich- 
keiten zu  Schulden  kommen  lassen.  Im  ganzen  aber  kann  man  sagen,  dass  er 
seinem  Vorgänger  blind  gefolgt  ist,  mit  all  seinen  Fehlern.  Statt  L-iue  neue 
Karte  herauszugeben,  hat  Ptolemaios  in  seiner  •  rrxoyiiafjixi}  vtyt)yt^ati<  auf 
Orund  seüjcs  Entwurfes  eine  Anleitmig  zum  Zeichnen  einer  solchen  gegeben. 
Z*TSchen  die  geographisch  nach  iJlnge  und  Breite  fixierten  Gebirge,  Flüsse 
und  Ortschaften  hat  er  die  Vülkeraaraen  reihenweise  eingetragen.  Für  unsere 
Kenntnis  von  Germanien  ist  das  Werk  dt-s  Ptoltmaios  dushalb  so  wichtig, 
einmal  weil  er  als  letzter  uns  die  Verhältnisse  von  Nordeuropa  vor  den 
grossen  Vülkervcrschiebungcn  ziLsammenfa-ssend  dargestellt  hat,  und  zwar  zum 
Teil  nach  neueren  Nachrichten  als  Tacitus ;  dann  durch  die  erstaunliche 
Fülle  der  Namen.  Er  zahlt  diese  ohnehin  stark  verderbten  Namen  freilich 
nur  trocken  auf.  Immerhin  aber  bietet  Ptolemaios  infolge  der  durch  die 
Hanrtelsljcziehungen  dt-r  Kaiser/eil  erweiterten  geographischen  Kenntnisse  \iel 
mehr  Namen,  als  wir  sonst  für  jene  Zeit  kennen,  wie  z.  B.  die  holsteinischen 
Sachsen  bei  ihm  zuerst  genannt  werden.  Die  starken  Abweichungen  von 
unscm  übrigen  Nachrichten  Ober  die  Wohnsitze  der  einzelnen  Stämme  sowie 
die  Widersprüche  des  Ptolemaios  selbst  erklaren  sich  daraus,  dass  Marinos 
unkritischer  Weise  seine  um  mehr  aU  anderthalb  Jahrhunderte  unterschiedenen 
Quellen  gewissermassen  auf  eine  Kbene  projizierte,  si>  dass  er  unter  Um- 
standen denselben  Namen  zwei  mal  in  seine  Karte  eintrug,  an  zwei  ver- 
schiedenen Orten,  wo  das  Volk  je  nach  dem  Alter  der  Quelle  seiner  Zeit 
gewohnt  hat.     Für  uns  in  Betracht  kommt  hauptsächlich  Buch  II,  Kapitel  11. 

Ptf>l«m.iioii  ed.  C.  MHller  I,  Paria  1883.  —  W.  E.  üicferi.  ,Ä«/«f^  tnr 
Geifhichtt  und  Gtogretphit  dei  fifttn  Gfrtnnitütti,  Münster  und  Ptdcrlwni  1851. 
—  Wieleriheim,  Beiichic  der  a&cb§.  Ocs.  d.  \Viss,  1857,  S.  ilJff.  —  P. 
Wisliccnus,    Diif   ÜesehUhte    dirr    Eibgermatun,    Halle    1868.   —   K.    Müllcr- 

horr,  zfdA.  IX   331—234;  D.A.  I  561—364,   n  ifi— 26.  79—88,  325-333 

(3j6_345);  ni  84—100.  —  W.  Set-lmanii,  N^J.  Jb.  XU  (1887)  JS— 52.  — 
G.  Holz.  Brilriigr  zur  dniSuchfn  AUertttmikundt  /.  Üter  die  gtrtitaniS€h* 
VBlkrrtafel  ifrs   P^toUmaaii,  Halle   1894. 

Was  die  S4hriftstcller  des  i.  und  2.  Jahrhs.  n.  Chr.  über  Germanien 
melden,  heniht  im  wesentlichen  auf  den  Kenntnissen,  welche  die  Kricgszflge 
<]er  Jahre  13  v.  Chr.  bis  Cj  n.  Chr.  den  Rümern  brachten.  Die  spateren 
Schriftsteller  zehren  von  der  alten  Tradition.  Mit  dem  Niedergang  des 
römischen  Kaiserreichs  geht  der  Niedergang  der  römischen  Wissenschaft 
Hand  in  Hand.  Sei  sind  wir  denn  Qber  die  Übergangszeit  von  den  alten 
Verhältnissen  zu  den  durch  die  grussen  germanischen  Vi'lkerx'erschiebungen 
geschaffenen  gar  nicht  unterrichtet.  Die  wichtigsten  Zeugen  sind  uns  für 
•das  ausgehende  4.  jahrh.  die  scriptore.«  historiae  Augustae  (ed.  Peter) 
und  besonders  Amroianus  Marcellinus  (ed.  Gatdthausen).  Die  tabula 
Peutingeriana  ist  nur  eine  Modernisierung  der  römischen  Weltkarte,  Von 
den  späteren  christlichen  Geschichtsschreibern  sei  hier  noch  Eugippius  ge» 


746 


XV.  Ethn'ographis  der  OERMAyiscHEK  Stamme. 


nannt:  » f'i/n  S.  Ärrm«/*  um  511  (ed.  Halm).  Dem  5.  Jahrh.  gehört 
Priskos:  ^'larvoia  Bt\aYmxy.t'}t  (ed.  L.  DiadoiC),  dem  O.Jahrh.  Agaihias: 
>7rtTooini-<  (ed.  L.  Dindorf),  Prokopios  (ed.  \V.  Dindorf),  Cassiödorus: 
^Chronicoti'  und  »t-ariaf.  (cd.  Mommscii)  und  Jordaiics:  ■/?<■  summa 
tfmponim  t-v/  origine  actihusqtte  gentis  Romanorum<  und  ^Dt  origine  actihusque 
Gelarum^  (ed.  Mommsen).  Im  6.  Jalirh.  lebte  der  fränkische  Geschichts- 
Bfhreiber  Gregorius  Turonensis:  »Historia  Francornm  tcclesiasiica^  (cd. 
Arndt  und  Krusch):  im  8.  Jahrh.  schrieb  Baeda  seine  'lits/orta  uilesiastica 
gcntis  Atighrum^  (ed.  Holder);  im  8.  Jahrh.  Paulus  Diacynus;  »Ilisforia 
Lnngobnrdorumt  (ed.  Wailz);  im  10.  Jahrh.  Widukindus  Corbeicnsis: 
*Ris  gesiat  Saxonicaet:  (ed.  Waitz);  im  12.  Jahrh.  Saxo  Grammaticus: 
»GesJa  Dannrum-i.  (ed.  Holder). 

Als  ergänzende  Quellen  für  die  ältesten  germanischen  Völkerverhäluiisse 
kommen  femer  die  alienglischcn  Dichtungen  Beowulf  und  Widsid  in  Be- 
tracht,  insofern   die  Ssrc   die  Erinnerung   an  die  Zeit   vor  der  Besiedlung 

Britanniens  bewahrt  hat. 

K.  MülUnhoff,  NordAlbinßiÄche  Snulitn  l  (1844)111  —  174;  ZfdA.  XI  (1859) 
275—294.  -^H.  Dcdcrlch,  Historhche  unti gtcf^raphisihe  Studien  zum  angeUäch' 
siscfien  ß'-'n'Ul/iicdt,  Koeln  1877.  —  H.  Alöllcr,  l>as  altenghsche  Vottifpöi,  z 
Teile.  Kiel  1883. —  B.  icn  Brink,  iftvifw//;  Str.-usburg  1888;  \-gl.  rf«u  H.  Mftllcr. 
Erglinchc  Studien  XIII  247—315.  —  K.  Müllcnhoff,  Beovul/,  Berlin    1889. 

2)  Die  Ergebnisse  der  Sprachforschung. 

J.  Schmidt,  Dir  Vrrv-antichn/tsferhültniise  der  inäogermamsehen  Sprachen, 
Weimar  1672.  —  A.  Leskien,  Die  DnlintiUo»  im  Slaviük'JJIauistfuH  uuU 
Ger»utnisihett,  Leipzig  1876,  Einleilung.  —  K.  Brugmaoo,  Internal.  Za.  f.  illf. 
Sprw.  I  t  (1884).  216  —  256.  —  H.  Paul,  FrincipK»  der  Sj>rafhgetihi<rhlf  *. 
Hjilie  1S9S.  —  P.  V.  Bratikc,  Bn'trä'ge  xur  Kfnntnii  ätr  ■perhtstcrischm  Eni' 
■wkktluHg  umrrei  Sfiraihstammes,  Univ.-Fc^Wchr.,  Gifssen  1888.  —  O.  Scbradcfr 
Sfiroihvergieit^hunff  titut  Urgeifhufilr*,  Jena  x8qo.  —  B.  Delbrück,  Einitttung 
m  das  Sprai-hitudiiim  ',  I^ipzi^;  1894.  —  P.  Krclschtjier,  Junleitung  in  die 
Ces(hkhtt  der  Griethisehen  Spracht,  niltliilKCn  189C1.  —  R.  Dfickh,  Die  tiatixti' 
i<hc  Bfdmtung  der  Volktprache  als  KenHu-ifkrit  der  NationalitSt,  Berlin  1 86fr 
(=  Zs.  f.  VClkcqxncholoRic  u.  Siirat-hwäisenBchaft  IV  259—402.  —  }I.  Halm, 
Siissert  atu  dem  /■'ramt^n/and,  llall   1884   (=i   Vorn  Untcrlanil,  Schwr.  H^I  o.  J.). 

Bis  211  welchem  Grade  die  S]irache  als  Kennzeichen  der  XatiunaJität  gelten 
darf,  ist  nben  in  Jj  1  gesagt.  Der  vergleichenden  Sprach wis&cnM-haft  danken 
wir  die  Erschliessung  einer  Indugermanischcn  Sraclifamilic.  Wenn  uir  wissen, 
dass  »Mutter*  an  Altindischen  wM/d,  im  Armenischen  mair,  im  Gricch.  /i^Ti^p, 
im  LaL  \Mäter,  im  Altirischen  mtttfiir,  im  Ahd.  muoter,  im  Litauischen  möÜ* 
im  Slawischen  Mäf\  lautet,  und  wenn  wir  hunderte  ähnlicher  Gleichungen  auf- 
t>lellen  krttmen,  sf»  » hliessen  wir  auf  eine  gemeinsame  idg.  l'rsprarhe.  aus 
der  sich  durch  dialektische  Differenzierung  die  einzelnen  idg.  Sprachen  ent- 
wickelt haben,  und  wenn  es  einmal  eine  gemeinidg.  Sprache  gegeben  hat, 
dann,  ao  folgern  wr  weiter,  muss  es  auch  einmal  ein  Volk  gegeben  haben, 
welches  diese  Sprache  ge>prochen  hat.  Auf  diese  Weise  bewci-scn  »-ir  die 
ethnographische  Zusammengehörigkeit  2.  B.  der  Kelten,  Germanen,  Slawen  usw. 
gegenüber  den  7u  andern  Sprach familien  gehörigen  Iberern  oder  Firuiea  Die 
Vergleichung  der  germanischen  Sprachen  luiter  einander  gegenüber  anderen 
Sprachen  lehrt,  dass  die  Cknnanen  eine  ethnographische  Gruppe  für  sich  bildetv 
also  auch  einmal  ein  besonderer  VnlksUmim  gewesen  sind.  Die  vcigicichende 
Sprachwisicnscliafi  gicbi:  uns  feiner  ein  Mittel  in  die  Hand,  um  xu  besümmen, 
ob  die  Germanen   zu  ihren   keltischen  oder  slawischen  Nachbarn  in  einem 


1.   EiNLEITUNCi;   B.   QUELLEX. 


747 


näheren  Verwand  tschaftsverhälmis  stehen  als  z.  B.  zu  dcii  Rümcni  udcr 
GncthfiL  Ebctisu  ist  die  Sprache  das  entscheidentk*  Aigiiraent  für  <Jie  Frage, 
welche  grösseren  ünippeii.  wddic  kleineren  Unterabteilungen  jeder  dieser 
Gruppen  innerhalb  des  gerinauisthcn  Vulksstaininfs  iuuunehmcn  sind.  Alte 
Stanuuesgrenzen  sind  vielfach  big  auf  die  Gegenwart  als  Mundartengrenzen 
bewahrt. 

Schwierig  ist  die  n&here  Bestimmung  de»  Verwandtichaftsgrades.  Dass 
Skadinawier,  Friesen.  Engländer  und  Deutsche  eine  Sprachfamilie  hildt-n.  lehrt 
bereits  eine  oberflächliche  Beirachlunj;  ihrer  gcgcnwürtii^cii  Spradicn.  Stehen 
aber  die  Engländer  den  Skadinawiem  oder  den  Deutschen  sprachlich  naher, 
und  fiiebt  es  sprachliclie  Kriterien  von  durchschlagender  BeweLskr-ift  für  die 
Annalime  einer  geraeinsamen  skadinawisch-englischen  oder  englL*ich -deutschen 
Ursprache  und  damit  einer  entsprechenden  ursprunijlicheii  Stajnmt-seinhcit? 
Derartige  Fragen  hat  man  bisher  selbst  dann  nicht  mit  Sicherheit  beantworten 
kilnnen,  wenn  eine  grosse  2ahl  v<.»n  durchgreifenden  Übereinstimmungen 
zwischen  zwei  Sjirachen  vorliegt.  S»j  x.  B.  stinuncn  die  hoch-  und  nieder- 
deutschen Mimdarten,  das  Friesische  und  das  Englische  in  so  vielen  Punkten 
überein,  abweichend  vom  Skadinawischen  und  Gotisdien  —  und  diirunler  be- 
finden sich,  worauf  besonderes  Gewicht  zu  legen,  eine  Reihe  vun  gemeinsamen 
Neuerungen  gegenüber  dem  ira  Skadinawischen  und  Gutischen  bewahrten  ur- 
geimanischen  Bestände  — ,  dass  eine  wcstgcnnanische  Spracheinheit  als  sicher 
bewiesen  gelten  darf.  Und  dennoch  ist  damit  nicht  gesagt,  dass  die  west- 
gennanischen  Stämme  in  vorgesdiichtlicher  Zeit  einmal  ein  Volk  gebildet 
haben.  Denn  es  wJlre  an  sich  ebenscm-ohl  mi-glich,  dass  jene  Cberemstim- 
mungcn  in!>gcsamt  ans  einer  <^eit  herrührten,  in  der  die  Skadinawier  und  god- 
sclien  Stämme  räumlich  vun  den  westgermanischen  Stämmen  getrennt  waren, 
so  dass  Neucrui^fen,  die  bei  einem  von  diesen  aufkamen,  wohl  innerhalb 
des  zusammenhangenden  Sprachgebietes  durchdringen,  nicht  aber  darüber  hin- 
aus von  den  Goten  angenommen  werden  koimlcn,  weil  diese  zur  Üeit  schon 
nach  Süden  abgcrt^ckt  waren,  oder  von  den  Skadinawiem,  weil  die  See  eine 
spradiliclie  Vennittiung  hemmte.  Es  kommt  in  suEclicn  Fällen  alles  darauf 
an,  das  Alter  der  gemeinsamen  Neuerungen  zu  bestimmen.  iJtsst  sich  be- 
weisen, dass  solche  Übereinstimmungen  in  grösserer  Anzahl  aus  einer  Zeit 
herrühren,  in  iler  die  Goten  und  Skadinawier  mit  den  Westgermanen  ein 
ziisammenhiltvgendes  Sprachgebiet  bildeten,  so  müssen  wir  folgern,  aber  auch 
nur  dann  dürfen  wir  es.  dass  die  WcÄtgcrmancn  damals  eine  besondere  po- 
litische Gruppe  für  sich  bildeten.  Deim  sprachliche  Neuerungen  dringen 
leicht  iimerhalb  einer  Vcrkchrscinheit  durch ;  aber  man  sieht  nicht  ein,  v.ie 
Nachbarn,  die  nicht  zu  dieser  Sprachgemeinschaft  gehören,  dazu  kommen 
sollten,  an  solcher  veränderten  Sprechweise  teilzunehmen.  Oder  ein  anderes 
Beispiel;  In  einer  Reihe  von  Punkten  stimmt  die  englische  und  friesisdie 
Sprache  mit  dem  Skadinawischen  ftberein.  in  andern  Erscheinungen  wieder- 
um mit  dem  Deutschen.  Ein  ethnographischer  RUckschluss  ist  nicht  möglich, 
solange  wir  nicht  das  Zeitalter  dieser  wie  jener  Erscheinungen  wenigstens  an- 
nähernd beistimmen  können.  Denn  an  sich  kann  die  einfache  Erkl;inmg  die 
sein:  Die  .\nglrifriesen  haben  als  Nachbarn  sfjwoht  mit  den  Deutschen  wie 
mit  den  Skadinu*iem  in  sprachlichem  Austaiwch  gestanden,  so  dass  sie  von 
beiden  Sdtcn  her  spracliliclien  Neuerungen  zugänglich  waren,  ixler  dass  ihre 
eigene  veränderte  Sprechweise  innerhalb  des  gesamten,  gemeinsamen  Sprach- 
gebietes zum  Teil  in  Deutschland,  zum  Teil  in  Skadinawien  Eingang  fand; 
oder  aber  es  liegen  die  beiden  Schichten  zeillich  nicht  neben,  sondern  nach 
einander.     Noch  misslicher  ist  es  bestellt,  wenn  wir  nur  einzelne  wenige  Über- 


einslimmungeu  zwischen  zwei  Sprachen  oder  Mundarten  nachweisen  können. 
Weist  eine  grosse  Masse  von  Übereinstimmungen  auf  eine  längere  Zeil 
sprachlichen  Austausdics  zurück,  su  kann  eine  geringere  Zahl  der  Nieder- 
schlag einer  kürzeren  Zeit  gemeinsamer  Entwicklung  sein;  es  kann  aber  auch 
—  und  je  weniger  Obereinstimmungen.  um  so  wahrscheinlicher  ist  diese  Er- 
klärung —  die  ühcreinstiinmung  \iclleichl  eine  zufällige  sein.  Oftmals  ist  es 
entscheidend,  welcher  Art  die  gemeinsamen  Ncuenmgrn  sind.  Wenn  in  zwei 
Muidartcn  a  zu  ö  gewcrdcn  ist,  in  einer  dritten  aber  zu  w,  so  liegt  es  pho- 
netisch auf  der  Hand,  dass  sich  dieses  ü  durch  die  Mittelstufe  Ö  aus  d  cot* 
wickelt  hat,  und  aus  der  gemeinsamen  Erhaltung  des  ö  gegenüber  dem  andern 
a  lasst  sich  gar  nicht  fotgcni.  Oder  in  zwei  Mundarten  ial  ä  zu  fi  geworden, 
in  einer  dritten  zu  e;  da  müssen  wir  sagen,  dass  die  Verdumpfung  eines  ä 
zu  ö  ein  so  alltäglicher  Vorgang  ist.  dass  er  in  jeder  der  beiden  Mundaiten 
sehr  wohl  selbständig  vor  sich  gegangen  sein  kann.  Anders  liegt  der  Fall 
2.  B.,  wenn  die  westgermaiiischeu  Dialekte  die  2.  Sg  Ind.  Praet  durch  die 
Optalivfonn  ersetzt  haben.  Je  singularcr  eine  Neuerung  ist,  um  so  melir  Ge- 
wicht Ist  auf  die  Übereinstimmung  zweier  Mundarten  zu  legen.  Aber  wir 
haben  keinen  sicheren  Mass.stab.  Denn  möglich  ist  in  jedem  einzelnen 
Falle,  dass  die  Übereinstimmung  eine  zufällige,  nicht  eine  von  alters  her  ge- 
meinsame ist.     Nur  die  Masse  kann  beweisen. 

Die  Frage  ist,  wie  weit  sprachliche  Übereinstimmungen  frühere  politische 
Einheiten  beweLsen.  Man  hat  sich  früher  allgemein  die  Sprachdifferenxierung 
unter  dem  Bilde  eines  Stammbaums  vurgestellL  Das  bedeutet,  von  der  Sprache 
auf  die  Mcnsclicn  übertragen:  ein  Urvolk  hat  sich  raumlich  getrennt,  also 
die  einzelnen  Gruppen  sind  ausgewandert.  J.  Schmidt  hat  die  Welleniheorie 
an  die  Stelle  der  Spaltungstheoric  gesetzt  Nach  seiner  Auffassung  luibeu 
tue  benachbarten  Sprachen  gewisse  Züge  mit  einander  gemeinsam,  so  dass 
nur  von  einer  kontinuierlichen  Vermittlung  imd  nicht  von  einer  Spaltung  die 
Rede  sein  könne.  Hiemach  würden  wir  uns  vt^rzustellen  haben,  dass  vwci 
benachbarte  vcru-andte  Stämme  aus  einem  Ursiamm  hervorgegangen  sind, 
ohne  dass  je  eine  raumliche  Trennung  stattgefunden  hatte.  In  Wahrheit 
kommen  beide  Fälle  vor.  Die  Englander  sind  zu  einem  besonderen  ^'oIk 
mit  besonderer  Sprache  erwachseu  durch  die  Ails Wanderung,  welche  sie  von 
ihren  näclisten  Verwandten,  den  Friesen,  getrennt  hat  Die  Friesen  selbst 
sind  seit  zwei  Jahrtausenden  Nachbarn  der  holländischen  Franken  gewesen, 
und  die  alte  Stammesgrenzc  besteht  gSeichwohl  bis  auf  den  heut^jen  Tag. 
Also  aus  der  sprachlichen  Verschiedenheit  zweier  historisch  benachbarter 
Stämme  darf  nicht  ohne  weiteres  auf  raumlich  getrennte  Sitze  in  vorhistori- 
scher Zeit  gcsihlosscu  werden.  Wohl  aber  beweist  natüriich  die  sprachliche 
Übereinstimmung  zweier  in  historischer  Zeit  getrennter  Stämme  die  Nachbar- 
schaft der  vorhistorischen  Sitze.  Aber  zunadist  auch  nur  die  Nachbarsdiaft, 
nicht  ohne  weiteres  eine  ursprüngliche  StammeseinheiL  Eine  ursprüngliche 
politische  Einheit  lässt  sich  Übeihaupt  aus  der  Sprache  altein  nidit  beweisen, 
wenn  nicht  geschichtliche  Argumente  dazu  treten.  Es  können  <lic  Goten 
mit  den  Skadinawiem  in  vorgeschichtlicher  Zeit  einmal  ein  Volk  gebildet 
haben:  aber  dieses  Valk  kann  einen  kurzen  Bestand  gehabt  haben,  oder  zur 
Zeit  der  Stammeseinheit  kann  sich  zufällig  gerade  die  Sprache  wenig  ver- 
ändert haben,  oder  die  spätere  getrennte  Entwicklung  der  Sprachen  kann  die 
alten  gemcin-samen  Züge  verwischt  haben,  oder  \ielleicht  kennen  wir  nur 
diese  gemeinsamen  Züge  nicht:  kurz  zwei  Völker  kt^innen  eine  ethni-tgrapliischc 
Einheit  bilden,  ohne  dass  wir  es  aus  der  Sprache  beweisen  kOuncn.  Auf 
eitle  ursprünglidie  politische  Einheit  gegenüber  einem  dritten  Stamme  kennen 


wir  bei  zwei  nahe  verwandten  Sprachen  oder  Mundarten  nur  in  dem  Falle 
schlicsscD,  wenn  wir  wissen,  dass  alle  drei  vun  jeher  neben  einander  gewohnt 
haben,  ohne  das^s  etwa  ein  nalßrliches  Verkelirshindcmis  wie  ein  unzugäng- 
liches Gebirge,  et»  Sumpf,  ein  grosser  Wald  den  diiiten  Stamm  vun  den 
beiden  andern  getrennt  hflttc.  Man  nimmt  an,  da»s  die  Poljcsje-Süropfe  am 
oberen  Dnjepr  seit  der  Urzeit,  bis  in  welche  unsere  sprachlichen  Rekon- 
litruktiunen  hinauf  führen,  Gt'nuanen  und  Slawen  gelrennt  habeu;  es  ist 
wahrscheinlich,  dass  die  Germanen  in  ihren  früheren  Sitzen  durch  das  Riesen- 
gebirge und  die  Sudeten  vön  den  Kelten  geschieden  waren:  gesetzt  es  liesse 
sicli  beweisen,  dass  Slawen,  Germanen  und  Kelten  seit  der  indogermanischen 
Urzeit  neben  einander  gesessen  hätten,  uhne  durch  ein  natürliches  Verkehrs* 
hindemis  getrennt  zu  sein,  dann  mAsstcn  wir  folgern,  inncrhaJb  dieser 
indogennanisclien  Vi>lksnKisÄe  haben  die  Vorfaliren  der  Grnnanen  sich  zu 
einem  besonderen  Volk  zusanunengesdilussen.  Denn  auf  welche  Weise  sollte 
sonst  eine  scharfe  Sprachgrenze  nach  beiden  Seiten  hin  zu  Stande  gekommen 
sein?  Wir  mllssten  ja  andernfalls  erwarten,  dass  ein  kontinuierlicher  Über- 
gang vom  Slawischen  Über  das  Germanische  zum  Keltischen  slattfande,  der- 
art dass  die  Slawen  sich  mit  den  Ostlichen  Germanen,  die  westliclien  Ger- 
manen sich  mit  den  OstJichcti  Ketten  hfitten  ven»t2iKUgen  können.  Da  wir 
aber  mit  jenen  natürlichen  Grenzen  zu  rechnen  haben,  wäre  es  auch  denk- 
bar, Jass  die  Germanen  zu  keiner  Zeit  einen  politischen  Verband  gebildet 
haben,  snndem  dass  es  von  jeher  verscliiedene  Stamme  gegeben  hat,  die  nur 
deshalb  eine  andere  Sprache  reden  als  ihre  Nachbarn,  weil  der  sprachliche 
Austausch  von  Dorf  zu  Dt^rf  an  jenen  natürlichen  Grenzen  stöckle.  Eine 
solche  Annahme  verbietet  sich  allein  deshalb,  weil  die  Indogermanen,  so 
lange  sie  noch  ein  Volk  mit  einer  Sprache  waren,  nicht  von  Hause  aus  in 
einem  Gebiet  gewohnt  haben  können,  hxncrhalb  dessen  es  den  Verkehr  und 
damit  dem  sprachlichen  Auslausch  hindernde  Grenzen  gab.  Jene  erschliess- 
barcn  vorliistnrischen  Sitze  können  daher  nicht  die  indogennanischeu  gewesen 
sein,  sie  mflssen  vielmehr  durch  Auswandertmgen  eingenommen  sein,  imd 
erst  diese  Erwägung  führt  darauf,  dass  die  Vorfahren  der  Germanen  als  eine 
politisch  verbundene  Gruppe  eingewandert  sind. 

Zu  allen  Zeiten  sind  die  Sprachen  in  die  politbichen  Grenzen  hinein- 
gewachsen. Wie  heutzutage  z.  B.  das  sächsische  Vogtland  der  Gefahr  aus- 
gesetzt ist,  dass  die  fr^nkisiche  Mundart  durch  die  obersüchsische  verdrängt 
wird,  txler  wie  ilic  schwäbische  Mundart  innerhalb  der  württembergi-ichcn 
Landesgrenze  an  Boden  gewinnt,  oder  wie  die  hochdeutsche  Spraclic  inner- 
halb der  Reichspfahle  die  niederdeutsche  zurQckdrangt,  nicht  aber  jenseits 
derselben  etwa  die  niederländische,  so  sind  auch  früher  die  alten  Stanmies- 
grenzen,  soweit  sie  von  IfLugerer  Dauer  waren,  zugleich  Sprachgrenzen  ge- 
wesen oder  geworden,  derart  dass  wir,  wo  unsere  historische  Kenntnis  nicht 
ausreicht,  jene  oftmals  auf  Grund  dieser  feststellen  können.  Die  ganze  Provinz 
Sachsen  gehörte  um  jai  zum  Thüringerreiche.  Wir  haben  keinen  Grund 
anzunehmen,  dass  lüei  etwa  eine  nicht-tliüringijichc  Bevölkerung  gesessen 
habe.  Die  Thüringer  sind  schwerlich  ausgewandert,  afs  da-i  Land  nördlich  der 
Unstrut  politisch  sadisisch  wurde.  Wir  müssen  annehmen,  dass  um  600 
neben  den  sächsischen  Einwanderern  die  thüringischen  Elemente  nodi  ihre 
thüringische  Mundart  bewahrt  haben.  Die  hochdeutsche  Lautverschiebung, 
welche  die  Thüringer  südlich  der  Unstrut  mittnachten,  ist  aber  über  die 
politische  Grenze  nicht  hinübergedrungen,  welche  nunmehr  zur  hoch-nieder- 
deutschen Sprachgrenze  tt*urde  und  damit  die  zu  Sachsen  gehörenden  Thü- 
liogcr  sprachlich  mit  den  Sachsen  verband.     Thüringer  haben  auch  am  mitt- 


leren  Main  gewohnt.  Als  diese  Landschaft  politisch  frflnktsch  wurde,  hat 
auch  die  fränkische  Mundart  dort  das  Übergewicht  bekonuiicn  (wenn  auch 
noch  heute  thöringische  HigcntömiithkeitCTi  in  der  Sprache  zu  erkennen  sind). 

Er^l  die  Koinbinicrung  der  geschichtlichen  Zeugnisse  mit  den 
Ergebnissen  der  Sprachforschung  ergiebt  eine  sicher«  Grundlage 
für  die  Bestimmung  der  alten  Stammesverhaltnisse. 

Nur  in  ciiJL-m  Falle,  glaube  ich,  ist  aus  der  Sprache  allein  ein  sicherer 
Schluss  auf  die  alten  SiammesverhKUnisse  nn"igiirh.  Wenn  eine  scharf  ausge- 
prägte Sprachgrenze  konstutiert  werden  kann,  die  durch  keinerlei  geogra- 
phische Bedingungen  gegeben  ist,  so  inOssen  wir  auf  einen  politischen  Gegen- 
satz der  Bevölkerung  zu  beiden  Seiten  einet  solchen  Grenze  schliesseti.  Wenn 
diese  Grenze  für  die  geschichtliche  Zeit  als  eine  politische  nicht  nachweisbar 
ist,  so  halte  idi  den  Si'hhiss  fflr  zwingend,  dass  hier  in  \'orgeschichtlichcr 
Zeit  ZM'ei  versdiiedene  Suinirae  auf  einander  gestossen  sind,  sei  es,  dass 
diese  Grenze  vcn  Alters  her  die  politische  Grenze  war  (wobei  es  nichts  zur 
Sache  ihut,  wenn  früher  vielleicht  ein  ausgedehnter  WM  die  Grenze  bildete 
und  die  von  Dorf  zu  Dorf  nachweisbare  Grenzlinie  erst  durch  AusrL>dung 
des  Waldes  und  ein  entsprechendes  Vi^irdringen  von  beiden  Seiten  zu  Stande 
gckommeu  ist),  sei  es  dass  wir  es  mit  der  Grenze  zweier  ausgewanderter 
Stamme  zu  thun  haben,  die  sich  in  der  neuen  Heimat  in  anderer  Wewe 
|K>litisch  gruppierten  (wobei  es  wiederum  nichts  zur  Sache  thut,  wenn  die 
Grenze  sich  im  Laufe  der  Zelt  verschoben  hat);  ein  Beispiel  für  letzteren 
Fall  würde  die  hochdeutsch-niederdeutsche  Sprachgrenze  östlich  der  Elbe 
bieten. 

Anm.  £9  gchOrt  zu  den  Anlgabcn  der  Mundartcnforschung,  die  %'orhandcncn  Sprachgren» 
zen  zu  konstatieren,  deren  Bmleuhing  ftlr  die  Stamm eskumlc  in  §  75  dargelegt  i»t.  Die 
von  Job.  Schmidt  bcgrOndete  Auffnaning  geht  dahin.  <.!«»  es  überhaupt  keine  beftimmt 
jibgeKllIoMeticD  Sjimchgreiizcn  ^brr,  somlcm  onr  gnnit  nllmÄhlicbe  Ober^iogc.  I>iese 
Theorie,  ^'clcbc  einerseits  durch  viele  TKataachcn  gcstQu:!  wird,  andrersciu  abez  durdi 
andere  Thatsoj^hcn  (vgl.  t.  B.  §  75]  wUlcrlcgt  wtnl,  aUo  keiDcsfälls  uncingCKbiSAkt  ange- 
WAodt  werden  ilarf,  ist  neuerdings  durch  G.  Wenkers  und  H.  Fischer»  Spra^hattat 
noch  mehr  in  den  Vordergrund  getreten.  Aber  auch  für  den  17x11,  ibss  sämtliche  Linien 
dieser  beiden  Kartenwerke  genau  den  Thatsacben  enuprechen,  würde  du  Ergebnb  »ein, 
»las»  wir  nelien  /nhllown  allmfililichen  Obergfii^n  deutlu;}]  eine  grosse  Anznhl  von  Hmipt- 
liuien  hcraius  crkccinen.  die  jene  grassen  Dt&lcktfiruppen  begrenzen,  welche  die  alten 
Stanune«gebicte  rcdekticrca.  Diese  Haupllinien  fällen  Trcilich  nicht  immer  gnns  genau. 
Dorf  Air  Dorf,  xuvunnien.  Da  lÜuTt  die  eine  Linie  um  ein  paar  Dörfer  nflnllich  von 
der  andern,  um  diese  Linie  d^nn  zu  durcbkreuien,  dann  fällt  lie  nach  einer  kleinen  Auv 
biej^g  vielleicht  auf  eine  kur«  Strecke  mit  ihr  zuaammea,  geht  dann  vielleicht  in  einer 
Entfernung  von  riuer  Meile  parallel  mit  jener  u.  s.  w.  Aber  eine  rcebl  statüiche  Zahl  %-oq 
Ltnien  gehen  so  un^eTihr  dcnnelben  Vve^,  und  d.is  kann  kein  Zuf^Jl  i«in.  Die  kleinen 
Abweichungen  in  dem  Verlauf  der  einzcinen,  dii;  Sprachgrenze  bildenden  Lioiea  webto 
auf  eine  Sprach nii'^-li  11  rj;  hin,  -wekrhe  die  lu^prilnglich  schärferen  Sprachgrenzen  im  einzel- 
oea  verwischt  hat.  Abn*  auch,  wenn  nian  dies  hestreitet.  die  Hauptsadie  bleibt,  dass 
soldie  Spncbgrcn/en,  wenn  sie  auch  sutt  von  einer  Linie  von  einer  Liniensone  ^b'üdet 
wer<len,  nnch  kiiDstaücrbar  sind,  und  da^s  die  wichdgstcti  den  alten  Siamraeagreiuen  eot- 
kprechcn.  Da  diese  &elb:^l  von  den  Historikern  diirvluiu«  nicht  llbemil  mit  Sicherbeit 
festgestellt  werden  kann,  ta  hat  die  MumUrtenforschung  hier  einzugreifen. 


3)  Die  Ergebnisse  der  Anthropologie 

sind  nur  mit  Vorbehalt  za.  \-erwertcn.  Es  ist  möglich,  dass  man  künftig 
einmnl  mit  grösserer  Sicherheit  anthroiwlogische  Merkmale  für  die  Bestimmung 
der  Stammeszugehörigkeit  verwerten  kann.  Bisher  fehlt  es  n^ch  an  einer 
gesicherten  Methode,   weil  wir  über  die  Veränderlichkeit   der  Rassen   nichts 


Sicheres  wissen.  Wohl  hat  sich  z.  H.  der  semitisciie  Typus  im  grossen 
und  gauzcn  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhallen,  wie  die  ältesten  &^-ptischen 
und  babylonisrhen  Abbildungen  Ichren.  Wühl  Iflsst  sich  der  germanische 
Typus  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  noch  heute  erkennen.  Aber  die 
Sicherheit  unseres  Urteik  wirtl  erschüttert,  wenn  wir  z.  B.  lioicn,  dass  die 
Schrirtsteller  des  Altertums  uns  die  Kellen  flbcrdn stimmend  nis  blond  schil- 
dern, und  heutzutage  die  Franzosen  und  Irlander  überwiegend  dunkcUiaarig 
«ind.  Dass  die  vorkritische  Urbevölkerung  dunkel  geu-esen,  und  dass  deren 
Typus  infolge  der  Bluts niisthunir  gesiegt  habe,  ist  eine  gewagte  Annaliroc. 
Denn  zweifellos  sin<i  <lie  Kehon  in  einer  solchen  Überzahl  gewesen,  dass 
die  Urbcvrsikcrung  dafiegen  nicht  in  Betracht  kommen  kann,  und  zudem 
haben  die  E^rnnzosen  ja  noch  eine  starke  Mischung  mit  blondhaarigen  Ger- 
manen erfahren.  Es  bleibt  nur  übrig  anzunehmen,  dass  die  Kasse  sich 
anthropologisch  verändern  kann,  ohne  dass  wir  die  Ursachen  zu  crkcimen 
vermögen.  Man  darf  daher  nur  mit  Vorbehalt  in  der  dunkelhaarigen  Bevöl- 
kerung, wie  sie  strichweise  z.  B.  in  Westfalen,  in  Hessen,  im  Schwarzwald, 
in  Uberbaiem  vorkommt,  gfrinanisierte  Kelten  sehen.  Kein  phvsisches  Merk- 
mai, weder  die  Haarfarbe  noch  die  Farbe  der  Augen  noch  die  Schadelfonn 
oder  Körpergrösse  hat  sich  bisher  aU  stichhaltig  erwiesen.  Cbrigais  ist  es 
fraglich,  ob  je  einmal  —  wenigstens  für  die  uns  historisch  erreichbare  Zeit  — 
eine  politisch  und  sprachlich  durch  Jahrhunderte  hindurch  einlicitlidi  er- 
scheinende Gruppe  aucli  anthropologisch  Cinc  einheitliche  Rasse  gen*e9en 
ist.  Es  ist  kein  Gnmd  abzusehen,  weshalb  nicht  schon  in  vorgeschichtlicher 
Zeit  innerhalb  cijics  jeden  ptJitischen  Gebildes  so  zahlreiche  Volke nnischun- 
gen  stattgefunden  haben  sollen,  wie  wir  sie  in  der  geschichüichen  Zeit  bis 
auf  die  Gegenwaii  beobachten  können.  VoHtg  sich  gegen  seine  Naclibam 
abzuschliesscn  hat  auf  die  Dauer  kein  Volk  vermocht.  Ich  schliesse  mit  den 
Worten  R.  Virclinws:  »R«  liegt  auf  der  Hand,  da-is  bei  dem  Mangel  einer 
erkennbaren  Übereinstimmung  in  den  physischen  Merkmalen  die  Entschei- 
dtmg  über  die  etlmologische  Stellung  eines  Volkes  widerstandslos  den  Sprach- 
forschem in  die  Hand  gegeben  wird.« 

P.    Krctscbmcr,    EinUiiHug   in   die  G^ichkhU   dtr  Grkchfuhen   SfinxJtt; 

GOuinuni  1896,  S.  39 — 47. 


4)  Aus  der  prähistorischen  Archriologie  ist  für  die  Bestimmung 
der  Nationalität  gar  nichts  Sicheres  zu  gewinnen-  Wohl  können  wir  eine 
bestimmte  Art  von  Schlflfenringen  als  slawLs<-h  bezeichnen,  wohl  ein  germa- 
nisches Schwert  von  einem  römischen  unterscheiden.  Aber  wenn  wir  so 
bestimnilc  Funde  einer  Nationalität  zuweisen,  so  sind  sie  damit  immer  nur 
«inem  mit  den  nationalen  Grenzen  keineswegs  zusammenfallenden  Typus 
zugewiesen,  ohne  dass  man  zu  sagen  berechtigt  wäre,  dass  das  Grab,  in 
welchem  man  ein  germanisches  Schwert  gefunden,  wirklich  das  Grab  eines 
Germanen  gewesen  sei.  Es  Lst  nicht  entfernt  daran  zu  denken,  dass  sich  auf 
Grund  der  geographischen  Verbreitung  der  gefundenen  Sachen  auf  der  Karte 
ethnographische  Linien  ziehen  Hessen  (vgl.  §  50  Anm.).  Die  Waffen  und  Geräte 
sind  im  Altertum  wie  heutzutage  überall  hin  eingeführt  worden.  Die  Art 
der  Bestattung  ist  zwar  zeitweise  bei  diesem  Volk  eine  andere  gewesen 
wie  bei  jenem;  daim  aber  lial  das  eine  die  Eestattungsform  des  Nachbarn 
angenommen.  Wir  wissen  z.  B.  dass  die  heidnischen  Germanen  ihre  Toten 
verbrannt  haben,  ebenso  wie  die  Kelten,  die  Römer,  die  Griechen.  Nim 
Idiren  uns  die  Ausgrabungen,  dass  man  in  Deutschland  in  noch  früherer 
Zeit  die  Toten  begraben  hat    Daraus  auf  eine  vorgermanische  Urbevölkerung 


752 


XV.  Ethnographie  der  germaklscubn  Stämme. 


zu  schliessen  wSre  durchaus  verfelilL  Denn  so  gut  wie  unsere  Vorfahren 
mit  dem  Christentum  <iuch  zu  der  Beerdigungsform  übergegangen  sind,  so 
gut  können  sie  in  vorchristlicher  Zeil  die  Verbrennungsfnrm  aus  irgend  einem 
uns  unbekannten  reiigi^)scn  Grunde  angenommen  haben.  Wir  können  es 
historisch  belegen,  wie  die  Germanen  ilie  Sleinwaffcn  mit  den  bronzenen  und 
eisernen  vertauscht  haben.  Ethnographisch  verwertliar  sind  die  archäolo- 
gischen Funde  allein,  wenn  sie  mit  historischen  oder  linguisliscliea  Zcugm:»scn 
übereinstimmen,  imd  in  dem  $  50  f.  und  ,^6  Anm.  besprochenen  Falle  Im 
übrigen  sind  ethnographisch  vcni-ertbar  nur  gewsse  Geschmacksrichtungen, 
die  sich  in  der  Ausführung  det  Arbeit  zeigen.  Aber,  wie  die  Gegenwart 
lehrt,  ist  dies  ein  unsicheres  Moment,  wobei  der  Forscher  nur  nach  subjektivem 
Ennesscn  cnt^heiden  kann.     Und  duiuit  kuimnen  wir  zu 


5)  Dem  wichtigsten,  leider  aber  bisher  nicht  recht  fassbaren  etlmographi- 
schen  Merkmal:  der  geistigen  Individualität  eines  Volkes.  Es  ist  oben 
S.  737  f.  bereits  tbrauf  hingewiesen  worden,  wie  sich  z.  B.  die  Kelten  Krankreichs 
trotz  ihrer  sprachlichen  und  kulturellen  Ronumisierungj  trotz  iluci  Mischung 
mit  Rrimem  und  besonders  mit  Germanen  ihren  Volkscharakier  bis  auf  die 
Gegenwart  bewahrt  haben.  Ich  glaube,  dass  die  keltische  Individualität  auch 
am  Rhein  noch  konstatiert  werden  kann.  Noch  heute  ist  seinem  Wesen,  seinem 
Temperament,  seiner  Geschmacksrichtimg  nach  der  Friese  und  der  Niedersaclisc 
dem  Englander  ungleich  aiuilicher  als  dem  Schwaben.  Noch  heute  deckt  sich 
im  nordfistUchen  Württemberg  die  fränkisch/schwabische,  im  Westen  von  West- 
falen die  fränkisch/silchsische  Sprach-  und  Stammesgrenze  mit  einer  Grenze 
der  Volksart.  An  dem  Auftreten  der  friesischen  Abgeordneten  im  rAmtschen 
Theater  (Tacitus,  Amt.  XIII  54)  erkennen  wir  sofort  den  Friesen  der  Gegen- 
wart wieder.  So  haften,  wie  es  scheint,  gewisse  individuelle  Eigentümlich- 
keiten an  den  Völkern  zäher  als  Sprache,  Religion,  Kultur  und  Staat  Man 
darf  darum  auch  aus  der  Gegenwart  Schlüsse  auf  die  Vei^angenheit  ziehen. 
Leider  hat  sicli  aber  bisher  die  Fonichung  ausser  auf  Ultcrargcschichtlichem 
Gebiet  diesem  so  interessante-n  Faktor  fast  gar  nicht  zugewandt,  so  dass  es 
uns  sowohl  an  genügendem  Material  als  an  einer  erprobten  Methode  für 
die  Verarbeitung  eines  sDichen  fehlt  Und  doch  sollte  gerade  die  Erkenntnis 
der  geistigen  Eigenart  eines  Volkes  in  seiner  geschichtliclien  Entwicklung  das 
Endziel  philologischen  Studiums  sein! 


n.     URSPRUNG,  CHARAKTERISTIK  UND  AUSBREITUNG  DER 

GERMANEN. 

A.     ETHNt)GK;\PHlE  EUROPAS 
IM  ERSTEN  JAHRTAUSEND  VOR  CHRISTI  GEBURT. 
P,  V,  Brftdicc.  Bfitrtifit  sur  Ktnntniss  äer  v6rhistoriukm  EntvicMung  Mfi> 
i^r*i  SproL-hsifjmmes,  Univ.-Ecstschr.,  (ii€»«n  1888.  —  P.  Krelscbmer,  Einleittatg 
in  die  GesekiehU  der  GricehiichtH  Spracht,  G&ttingea   1896. 

I.  Die  europäischen  Völker. 
R.  Virchovr,  Di*  UrbfvSIkcrung  Europa't.  Berlin  1874,  —  G,  L.  Kricgk, 
Dit  Völktrstämme  und  ihre  Zweige,  5.  Aufl.  von  Fr.  v,  Hellwaiil',  Basd  188*. 
—  H.  d'Arbois  de  Jubainvillc,  Xfj  Premiers  ha&ilanU  Je  l'Europe  d'apris 
les  e'crrvains  de  Vantiqnite  r/  Us  (nzvaux  des  tmguistes.  %**  W.,  3  Bde„  Paris 
18S9.    1894, 


§  7-  I^ic  etiinopTiphischen  Verliältnisse  Europas  haben  sicli  in  den 
letzten  drei  Jatirt:iu9cnden  sehr  beträchtlich  verschoben  durch  die  allmllhliche 
Ausbreitung  der  Volker  indogennanischer  SprarhfamiUe.  Zwar  haben  von 
nicht- inclogermanisclicn  Völkern  die  Hunnen  in  Ungarn,  die  Türken  im 
Südosten  Europas  Boden  gewonnen,  zeilwejlig  aurh  die  Araber  in  Spanien 
wie  die  fiTmisciien  Bulg-areii  in  Bul>:arien.  Aber  wie  die  Türken  und  Araber 
sich  auf  die  Dauer  nicht  haben  halten  kfinnen,  so  wenig  hat  die  nningolische 
Invasiim  und  vordem  die  hunnische  dauernde  Zust.'lnde  geschaffen.  Im  Alter- 
tum sind  ernsthafte  Kankurrentcn  indogermanischer  StiUmnc  in  Eun>p3  allein 
die  rh'jinikier- Karlhager  (in  Griechenland,  Sirilien  und  Spanien)  und  die 
Etruskcr  gewesen. 

Das  Überwiegen  des  idg.  Elementes  gilt  indessen  nur  für  den  äusseren 
Mensclicn.  Unsere  europäische  Kultur  beruht  auf  der  des  römischen 
Kaiserreiches,  die  rftmische  Kultur  beruht  auf  der  griechischen,  und  die 
Griechen  sind  bereits  vor  dem  ersten  Jahrtausend  v.  Chr.  durch  die  Ägypter, 
Phoinikier  und  Babvlonier  befruchtet  worden,  wie  die  Semiten  (besonders 
Babylun)  auch  in  der  Diadochenzeit  und  noch  in  der  römischen  Kaiserzeit 
einen  tiefgehenden  Einfluss  auf  das  Abendland  ausgeübt  haben.  Unsere 
iCcitbcrcchnung  stammt  aus  Habylon,  unsere  Zahlen  sind  die  arabischen, 
unsere  cliristliche  Religion  haben  wir  von  den  Juden  bekommen. 

§  8.  Ihrer  Sprache  nach  nicht  indogermanische  Völker  giebt  es 
heute  in  Eurojia  folgende:  i)  die  finnische  Sprach familie,  zu  der  die  Lappen 
im  nördlichen  Schweden^  die  finnischen  Stamme  im  nördlichen  Russland 
und  an  der  Wolga,  die  Magyaren  in  Ungarn  gehören,  2)  die  Türken,  3)  die 
Basken  am  Westraiide  der  Pyrenäen.  Alle  diese  Völker  sind  mit  Ausnahme 
der  Magyaren  nicht  mehr  lebensfähig,  so  <lass  es  nur  eine  Frage  der  Zeit 
ist,  waim  ihre  Sprachen  durch  die  benachbarten  indogermanischen  verdrängt 
sein  werden. 

FQr  das  Altertum  sind  die  Türken  zu  streichen,  die  Magyaren  sassen 
noch  am  Ural,  im  übrigen  aber  war  das  Gebiet  der  nicht  indogermanischen 
Stämme  erheblich  grösser,  i)  Die  ganze  nördliche  und  r»stliche  Hälfte 
von  Kussland  war  finnisch,  und  an  der  L>stswküstc  reichten  die  finni- 
sehen  Esten  südwärts  bis  uiicli  Ost|)reussen.  Dazu  haben  wir  für  die  süd- 
nissiüchc  Steppe  mit  der  Möglichkeit  fremder  Elemente  zu  rechnen,  wenn 
nämlich  -  es  ist  die  Meinung  Leskiens  —  die  iranischen  Namen,  die 
wir  bei  deu  Skythen  finden,  nur  von  den  Eroberem,  nicht  von  der  ein- 
heimischen Bevhlkennig  herrühre-n  (vgl.  jedoch  S.  757  Anm.).  2)  Die  Bas- 
ken sind  ein  kleiner  Rest  des  grossen  iberischen  Stammes,  der  in  Spanien 
der  herrschende,  vor  500  v.  Chr.  der  alleinh ersehende  war  —  abgesehen 
von  den  plioinikischen  Haodelskolonieen  — ,  iler  mit  Aquitanien  noch  zu 
Caesars  Zeit  nach  Frankreich  hin  überreichte  und  in  der  ersten  Hälfte  des 
ersten  Jahrtausends  v.  Chr.  wahrscheinlich  das  ganze  südwestliche  Frankreich 
btsass.  j)  Wahrscheinlich  nicht  Indogcrraanen  waren  auch  die  Ligurer, 
welche  in  der  rumischen  Zeit  zwar  auf  die  Wcstalpcn  beschränkt,  um  die 
Mitte  des  ersten  Jabriauscnds  v.  Chr.  über  sowohl  nadi  Osten  als  besonders 
nadi  Westen  zu  ein  grösseres  Gebiet  inne  hatten  und  sich  vordem  mit  den 
Ibereni  in  die  Herschaft  im  südlichen  Frankreich  teilten;  vielleicht  waren 
sie  den  Ibercni  stammverwandt.  4)  Wahrscheinlich  nicht  Indogermanen 
waren  endliih  die  Etrusker,  um  die  Mitte  des  1.  Jahrtausends  v.  Chr.  das 
hcrschcnde  Volk  im  westUchen  Itiilien,  bis  400  noch  im  Besitz  der  Lombardei. 
'  Also  der  Nordosten  und  der  Südwesten  von  Europa  war  im  Altertimi 
VDD  nicht  indogermanischen  Stämmen  bewolmt. 

Gemianlsehe  PbiloloElc.  III.    ?.  Aud.  m 


§  9-  Dass  die  übrigen  eurupHisclien  Volker  stamm veru'andt  sind,  hat  die 
vergleichende  SprachwLssensdiaft  bewiesen.  Indogermanische  Sprachen 
giebtes  gegenwärtig  in  Europa  folgende:  i)  keltische:  in  der  Bretagne,  in  Ir- 
land, Wales  und  im  nordwestlichen  Schottland;  2)  rumänische:  in  Portugal, 
Spanien,  Krankreich,  dem  südlichen  Belgien,  der  westlichen  und  südlichen 
Schweiz.  Italien,  RumS.uier]  und  im  Osttichcn  Ungani;  3)  germanische:  in 
Englland,  dem  iiordüchen  Belgien,  den  Niederlanden,  in  Oeuter-hland,  der 
mittleren  östlichen  Schweiz  und  den  deutschen  Teilen  von  Österreich,  in 
Danemark,  Norwegen  und  Schweden;  4)  litauisch-lettische:  in  der  Küsten- 
landschaft  von  Tilsit  bis  Dorpat;  5)  slawische;  in  Russland  ausser  der 
OstseekUste,  im  Süden  von  Ost-  und  Wcstpreusscn,  in  Posen  und  Obcr- 
schlesien,  in  Galizien,  Nordungarn,  Mähren  imd  Bfiliraen,  von  dem  Süd- 
raude  der  Ostalpen  Über  Bosnien  und  Serbien  bis  Salonicki  und  ans  Schwarze 
Meer;  6)  albanesisch:  in  Albanien;  7)  griechisch:  in  Griechenland. 

§  10.  Im  Altertum  gab  es  ausserdem  noch  eine  dakisch-getisch- 
thrakische  Gruppe  auf  dem  heutigen  rumänischen  und  bulgarischen  Sprach- 
boden, eine  Gruppe,  zu  der  auch  die  kicinasiatischen  Phryger  und  Armenier 
geborte».  Dem  Älbanesisdien  entspricht  im  Altertiun  das  Illyrische,  dem 
Romanischen  das  Italisrhe. 

Die  gr<>sste  Ausbreitung  haben  in  Europa  die  romanischen  und  slanisclien 
Sprachen  erfahren.  Die  grösste  Einbu.sae  haben  —  von  den  ausgestorbenen 
Sprachen  abgesehen  —  die  keltischen  Sprachen  erfahren. 

Die  Kelten  haben  in  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrtausends  v.  Chr. 
Grossbrilannienund  Iriand,  Frankreich  und  die  Rheinlandschaflen,  die  Schweia, 
Süddeutschland  bis  nach  Bosnien  und  Nordungarn  lünein,  Oberitalien  und 
einen  Teil  von  Spanien  besessen.  Ihr  Gebiet  ist  teils  romanisiert,  teils  ger- 
manisiert worden,  und  dieses  Schicksal  steht  auch  dem  Rest  bevor.  Näheres 
Aber  ihre  Sitze  in  Deutschland  und  Österreich  s.  unten  S.  771  ff.  Die  Italiker 
waren  um  500  v.  Chr.  auf  das  mittlere  Italien  beschränkt.  Die  illyrischen 
Stamme  wohnten  von  Eptms  bis  zur  Pomündimg.  Zu  ihnen  gehörten  auch 
die  Japygcr  im  südöstlichen  Italien.  Die  Germanen  sassen  zu  Beginn 
unserer  Zeitrechnung  zwischen  Rhein,  Donau  und  Weichsel  sowie  in  Galizien. 
dazu  noch  in  Dänemark  und  im  südlichen  Norwegen  und  Schweden.  Ober  ihre 
früheren  Sitze  .s,  unten  S.  782  ff.  Die  litauisch- lettischen  Stämme  haben 
um  Qir.  Geburt  weiter  landeinwärts,  nach  Südosten  zu,  bis  zu  den  Poljcsjc- 
Sümpfen  gewohnt,  so  dass  sie  die  Küste  nicht  berührt  haben;  die  altpreus- 
sische  Sprache  in  Ostpreussen  ist  ausgestorben.  Die  Sitze  der  Slawen  darf 
man  für  jene  Zeit  am  mitlicrcn  Dojepr  und  bis  zur  Wdcliscl  ansetzen.  Hue 
Heimat  haben  wir  wohl  am  mittleren  Dnjepr  zu  suchen. 

2.    Das  indogeTmauischc  Urvolk. 

K.  V.  Jhcring,    Vorgeschichtt  der  IttdceHrofäfr,  LcJpjtig   18^.  ' —  Kretscll> 

mer,  Eint.,   S.   7 — 92. 

§  II.  Die  Verwandtschaft  der  indogermanUchen  Sprachen  beweist,  dass 
äe  einer  gemeinsamen  Ursprache  entsprossen  sind,  einer  Spraclie,  die  wir  in 
den  wesentlichsten  Zügen  zu  rekonstruieren  vermögen,  wenn  auch  eine  Reihe 
von  dialektischen  Differenzen  übrig  bleibt.  Von  der  Sprache  schliessen  wir 
auf  ein  indogennaiiischcs  Urvolk.  Wie  haben  wir  uns  dieses  Urvolk  \-or- 
zustelleit  ? 

Zunächst  kann  kein  Zweifel  darüber  sein,  dass  diejenigen  Menschen,  wddia 
gegenwartig  oder  welche  im  Altertum  eine  der  idg.  Sprachen  sprechen  oder 


gesprochen  haben,  nur  zum  Teil  die  leibliclien  Nachkommen  jenes  Ur\*oIkes 
sind.  Von  Indien  bia  nadi  Spanien  hin  wissen  wir  von  einer  nicht-idg. 
Urbevölkerung,  welche  die  idg.  Einwanderer  nicht  axisgernttet,  sondern  sich 
politisch  und  sprachlich  assimiliert  liaben.  Es  kann  sein,  dass  schon  in  den 
Adern  der  Urindogermanen  fremdes  Rlut  floss.  Wenn  heute  keiner  von  den 
idg.  Sprachstammen  anthropolc^sch  eine  einheitUche  Rasse  bildet,  so  muss 
es  auch  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Urindogermanen  nicht  bereits  fremde 
Stamme  bcherscht  und  sich  sprachlich  assimiliert  hal>en.  Die  Identität  von 
Spraduitumm  und  Rasse  muss  allerdings  in  der  Vorzeit  einmal  bestanden 
haben.  Aber  wir  hat>en  kein  Mittel  zu  bestimmen,  ob  dax  vor  5  oder  vor  50 
Jahrtausenden  der  Fall  gewesen  ist.  Es  bleibt  eine  unerweisbare  Hyiwtliese,  dass 
es  je  eine  indogcmmnische  Rasse  gegeben  habe,  etwa  mit  so  ausgeprägten 
Zogen,  wie  wir  i>ie  bei  der  seimtischen  Rasse  ßnden.  £s  fehlt  uns  zur  Zeit 
auch  noch  an  jeglichem  sicheren  Anhaltspunkte,  wie  v,it  uns  die  Entstehung 
des  indogermanischen  Urvolkes  zu  denken  haben.  Es  ist  nicht  glaublich,  dass 
die  idg.  Ui^tprachc  sich  sdbstSndig  aus  den  Anfängen  meusirlilicher  Sprache 
entwickelt  hat,  dass  die  Indogermancn.  die  Hamito-Semiten,  die  Mongolen, 
die  Kaffeni  u.  s.  w.  als  besondere  Sprachstanmie  bis  auf  den  Pithekanthropos 
zurückgehen.  Die  atigemeine  Wahrscheinlichkeit  spricht  vielmehr  dafür,  dass 
vor  ungezählten  Jalirtausenden  die  Indogertnanen  mit  den  Hamito-Semiten 
oder  mit  den  finnisch-ugrischen  oder  turko- tatarischen  Stanuucn  eine  Sprach- 
lamilie  gebildet  haben.  Wenn  sich  bis  jetzt  eine  solche  Verwandtschaft 
der  Sprachen  nicht  hat  nachwdsen  lassen  ^  und  sich  vielleicht  nie  nacliweisen 
lassen  wird,  so  müssen  wir  bedenken,  dass  uir  die  Verwandtschaft  des  heute 
gesprochenen  Deutschen  mit  den  indischen  Sprachen  auch  nicht  erkennen 
würden,  wenn  uns  nicht  die  alteren  Sprachstufen  überliefert  wären.  Unsere 
Betrachtung  beschrankt  sich  alldn  auf  die  letzte  Periode  der  idg.  Vorzeit, 
auf  die  freilich  nicht  genauer  bestimmbare  Zeit,  bis  in  wdche  unsere  sprach- 
lichen Rekonstruktionen  lünaufführcn.  Damals  muss  die  idg.  Sprache  von 
einem  Volk  gcspnKhen  worden  sein.  Cl>er  die  anthropologischen  Merk- 
male desselben  wbsen  wir,  abgesehen  von  der  weissen  Hautfarbe,  nichts 
weiter,  als  dass  es  blonde  Indogermanen  von  der  Art  des  germanischen 
Typus  (§  22  ff.)  gegeben  hat,  ohne  dass  wir  zu  sagen  berechtigt  waren,  dass 
dieser  Typus  der  indogermanische  gewesen  sei  —  er  kann  freilich  dem 
anthropologischen  Urvolk  der  Indogermancn  eigen  gewesen  sein,  er  kann, 
aber  auch  finnischen  Ursprungs  sein.  Das  Volk  war  mit  einer  schöpferischen 
Phantasie  begabt  und  hatte  einen  stark  individualistischen  Trieb.  Die  Kultur- 
stufe war  eine  niedrigere  als  die  gleichzeitige  der  Semiten.  Metalle  kannte 
man  bereits,  wenn  man  sich  auch  noch  steinerner  Waffen  und  Gerate  be- 
diente. Das  Volk  trieb  Viehzucht;  die  Anfange  eines  primitiven  Ackerbaus 
sdieinen  indess  schon  bekannt  ge^«'csen  zu  sein*. 

*  Fr,  WUMner,  Über  die  VerwandUehaft  des  Indogermamschm,  SemitiuMfU 
und  ThlietanisfAifn,  MUnsICT  T838.  —  Fr.  Delitiscb,  Sttdten  über  tdg.'Semitttche 
Hurteh-er^tHmi/Uifut/t,  Leipzig  187J  (iS^).  —  A«colt,  Kritiiche  Studien  tur 
SpraehxniisemL-ha/l,  Weimar  1878,  S.  21— Jo.  —  C.  Abe],  Einleitung  in  ein 
ägypt.  iemit.  indoeurop.  Hursehfärterbucfi,  Leipzig  1S86.  —  C,  Abel,  Über 
H-WAie/bciirAungen  der  ägyfl,,  indteuropäitchen  und  ietnil.  Etynutlogie  L  Leip/ig 
1S89,  —  C.  Abel,  Agyptiiih  und  indagrr  manisch^,  Frankfurt  1896.  —  R,  de 
Is  GrasRcrie.  Dt  la  parent/  tnlrt  la  langete  igyptiennt,  ies  langtiei  sJwitiqtus 
tt  les  languei  indo^uropicnntt  d'aprfs  les  travaux  de  Af.  Carl  Atfl.  t.«tpzig 
1896.  —  J.  G.  CUDO,  Forschungen  im  Gtbtett  der  alten  ^"Slkeriundt  I,  Berlin 
1871,  S.  48 — 74.  —  N,  Aaderson,  Studien  aur  l'trgleichung  der  idg.  und 
ugrofinnischen  Sprachen   L    Dorpal    1879    (1891).   —   Tb.    KOppcD,   Beiträgt 

48* 


756 


XV.  Ethnographie  der  geruakischek  Stämue. 


sur   frtt^f  Hiu-h  Jtrr   Urhfimol    u.   •.  w.  (niubcli),  St.  Pelcmlnirg   1886;  vgl,  M. 
Slieda. "Archiv   für  Anthropologie  XX  (l8gi)  262  ff. 

•  Näheres  übrr  Kukur  und  gcistijfc  Eigenart  der  Indogennanm  b.  E.  Mcyeri 
G<s<hithU  des  Alterthiims  II,  Stuttgart   1895,  S.   43—51. 


3.     Die   Heimat  der   Indogermanen. 

VollsiÄndigc  Littctmuningnbcn  fiad«t  man  in  den  untfn  angdtUirtcn  Wcikco 
von  Schiadrr  und  Sirbinidl  und  Ijci  S.  Reinnch,  V'yrigine  dn  Aryens,  ~ 
1891.  —  Die  withllK*Ltii  .\rT«;Heti  sind  die  folgrnden:  A.  Pictet,  La  on'f^n 
indo-enrcpiennfi  ott  In  Aryai  prtmitifi,  2.  Aufl.,  3  Bde.,  Pari»  1877.  —  O. 
Schi.ader,  Sprachvtrgletchung  und  Urgtuhkhte,  2.  Aufl.,  Jena,  1890,  S.  4 — 15, 
111 — 148  (Kritik  der  bisherigen  An^ikhtcn),  399,  407 — \\fi  und  616 — 640.  — 
J,  Schmidt,  Die  Urheimat  der  Indogrrmutten  und  das  eutopiUichf  ZaÄliyitrm, 
Berlin  1890  (S.  I— 33  Kritik  der  bisherigen  Ansichten).  —  II.  Hin,  IF.  l 
{1893)  464 — 485.  —  E.  Meyer,  Gefi-ftü/iti-  des  AUrrthums,  Bd.  II,  Stutt|*uc 
1893,  S.  33—43.  —  Fr.  Seiler,  Die Hfimath  der  fftdogtrmanen,  Hamburg  189^ 
—  Kretschmer,  Eittl.  S.  32  und  56 — 68, 

§  IJ.  Die  Frage  ivA.ch  licr  Urliciinat  lier  Indugcniiaiicn  kommt  für  uns 
nur  soweit  in  Betracht,  als  es  von  Interesse  ist  zu  wissen,  von  woher  die 
Ccnnanen  in  ihre  ältest  besliiiimbaien  Sitze  an  der  Oder  und  Welclisel 
eingewandert  sind. 

Wenn  wir  bisher  nocli  weit  davon  entlemt  sind  etwas  nui  irgend  sicheres 
über  die  idg.  Urheimat  aussagen  zu  können,  su  \ic^  das  zumeist  an  der 
Fragestellung.  I  listorisdie,  sprarhlirhe,  ethnographische  Argumente  dürfen 
nicht  ohne  weiteres  kombiniert  werden,  sie  füliren  alle  auf  sehr  verschiedene, 
vielleicht  um  viele  Jahrtausende  getrennte  Zeitraimic  zurück,  Zeiträume,  inner- 
halb deren  die  Indogermanen  ihre  Wohnsitze  wiederholt  gewechselt  haben 
köimen.  Zu  einem  Ergebnis  kann  man  nur  dann  gelangen,  wenn  mau  eUiea 
bestimmten  Zeilraum,  etwa  von  einem  Jahrtausend,  ins  Auge  fasst 

§  13.  Was  zunächst  die  Sprache  anbetrifft,  so  bietet  uns  tue  historische 
Entwicklung  der  einzelnen  idg.  Sprachen  ein  ungefähres,  wenn  auch  durchaus- 
nicht  sicheres  Zcitmass.  Gesetzt,  die  Sprachen  hatten  sich  in  vorhistorischer 
Zeil  ungefähr  in  demselben  Tempo  verändert,  so  darf  man  behaupten,  dass 
sich  diese  Sprachen  in  der  zweiten  Htllfte  des  dritten  Jalirlauäends,  ja  noch 
um  2000  V.  Chr.  so  nahe  standen,  dass  man  Eür  diese  Zeit  nur  von  Dialekten 
einer  einzigen  Sprache  reden  dürfte,  derart  dass  sich  die  benachbarten 
5t<imme  mit  einander  verständigen  konnten.  Die  Völker  verändern  ihre 
Sprachen  am  sthnellsten,  sobald  sie  fremde  Etemente  in  sich  aufgenommen 
haben.  Diese  Veränderung  der  Sprache  greift  erst  um  Generationen  spatär 
durch,  nachdem  die  Mischung  vollzogen.  Von  allen  idg.  Stammen  wisse 
wir,  dass  .sie  eine  andcrsspiecheude  Urbevölkerung  sidi  assimiliert  haben. 
Spielt  sich  dieser  Vorgang  auch  zum  Teil  noch  in  historischer  Zeil  ab,  in 
der  Hauptsache  war  er  zur  Zeil  der  ältesten  Spiachdenkjnaler  langst  voll- 
endet. Wir  dürfen  demnach  für  eine  Periode  der  vorlitterarischcn  Zeit  eher 
ein  schnelleres  Tempo  der  Sprarhvernndenmg  annehmen.  Das  dritte 
Jahrtausend  v.  Qir.  <lari  man  olme  Kühnheit  als  die  gemeinindogermanische 
Sprachperiode  ansehen,  d.  h-  als  die  Zeit,  in  welcher  noch  ein  sprachlicher 
Austausdi  zwischen  den  einzelnen  idg.  Mundarten  stattfinden  konnte.  Es 
thut  dabei  nichts  zur  Sache,  dass  einzelne  von  uns  rekonstruierte  Formen  der 
idg.  Ursprache  jünger,  andere  alter  sein  können.  Früher  als  in  das  dritte 
Jahrtausend  dürfen  wir  daher  die  Trennung  der  Edg.  Stämme  nicht  vcrlt^-n. 

§  14.  Die  ältesten  durch  historische  Kombination  erschli essbaren  Wohn- 
sitze führen  nur  bei  den  Ariern  und  den  Griechen  in  das  zweite  und  dritte 
Jahrtausend  v.  Chr.  hinauf. 


11,  A.  Ethnographie  Europas  ih  ersteh  Jahrtausend  v.  Chr.  757 


Das  nordöslliche  Iran  sclieint  die  Heimat  der  Arier,  d  h.  der  indiscbea 
und  iranischen  Indogermanen,  gewesen  zu  sein.  Es  ist  anziinehmen,  dass 
sie  vordem  aus  der  kirgisiscti-iurkinciiisdien  Steppe  gekommen  sind;  denn 
hier  wohnten  noch  in  historischer  Zeit  nomadische  Tränier,  die  sich  seit  deni 
8.  Jahrh.  v.  Chr.  tlber  die  stldrussbche  Steppe  hin  ausgebreitet  haben  {Sky- 
4hen).  Falls  auch  ihre  damals  verdrängten  westlichen  (?)  Nachbarn,  die 
Kimmerier,  Iranier  gewesen  sind,  so  würde  sowohl  der  europaische  als  der 
asiatische  Teil  der  Steppe  für  die  Urheimat  der  Iranier  und  damit  auch  der  Arier 
etwas  in  Anspruch  genommen  werden  drtrfcn.  Der  Kigve<ia  der  Inder  fflhrt 
mindestens  bis  in  die  Mille  des  zweiten  Jahrtausends  v.  Chr.  hinauf.  Noch 
früher  also  müssen  sich  die  indi^ichen  Arier  von  den  iranischen  Stämmen 
getrennt  haben.  Mag  es  nun  auch  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Arier  um 
2000  V.  Chr.  noch  in  'Dstiran  ansässig  «-aren,  in  der  Steppe  hat  wenigstens 
ein  Teil  derselben  damals  jedenfalls  gewohnt,  und  da  wir  einen  Übergang 
von  sessha/ter  zu  nomadischer  Lebensweise  geschichtlich  nirgends  nachweisen 
kftnnen,  so  werden  die  nord iranischen  Steppenvölker  mit  ihrem  nomadischen 
Charakter  auch  die  Heimat  der  Arier  in  der  gcmcinidg.  Zeit  des  dritten 
Jahrtausends  v.  Chr.  festgehalten  haben.  Die  ost-  oder  westkaspische  Steppe 
ist  also  die  Heimat  der  nicht-ackerbauenden  Indogcrmauen  gewesen  und 
bevor  die  Europäer  zum  Ackerbau  übergingen  (§  1 5),  die  Heimat  der  ludo- 
gcrmanen  Oberhaupt. 

Anm,  Dip  Aniubmc,  doss  die  stulnissiscb-tuikmctiische  Steppe  odcrdn  Teil  deiMlben 
die  Heimat  dtr  Atici  unil  wegi-n  ik-*  XnmailciitumH  ilir«r  Bewohner  ailch  dte  oder  eta 
Teil  der  Heimnt  der  Indogermuifii  (^euescn,  beruht  Aur  der  Ann^me,  dAsa  die  Skjrthcti 
Ood  deren  stwnm verwandte  Nichbarstiimiac  Ituiicr  gewc^ca  sied.  Mag  auch  das  inniscbe 
G«pr!tse  der  skytbischcn  Kamen  dit;  Mfiglichkeit  offen  luden,  ibss  die  Skythen  im  Grunde 
ein  nicht  idg-,  etwa  ein  linniscfaes  Volk  gewesen  sind,  die  von  inmischca  Eroberera  be* 
betscbl  «nmlen,  so  scheinen  mir  doch  K.  Zh^uss,  Drr  Drulschrn  urut  die  Naihharttämmt, 
MOncbeD  1837,  S.  284— J99,  E.  Meyer,  Gesckkku  des  AUerthunu.  Bd.  I.  Stultgait 
1884,  S.  514 — 517,  520  und  555  —  559.  W.  Tomascbck,  Kritik  drr  äiUiUn  Xack- 
richten  über  Jen  skythiickmi  Xordrrt,  "Wien  1888,  den  Njuhiveln  crbracbc  Ml  haben,  dass 
die  Sk^'tbcn  wirklich  Iranier  (gewesen  sind.  Ja,  die  MOf^üüccit  ist  nicht  einiiial  abm- 
vretsen,  da«  Penieii  seine  Bevölkerung  ersl  im  7.  Jahrb.  v.  Cbr,  durch  die  »üdru»»i«Jie» 
KimmcricT  und  Skythen  ciballcn  hat,  wie  ;iieni1ich  sicher  Armenieo  und  Kleiuoitieti  (E. 
Meyer  I,  8.396—299.  513,  316.  544  — 55o.  553— 559  ""'' 58" :  II.  S.  41  und  455— 459). 
Nadl  Tomascbek  wäre  die  Hetnwl  dt-r  iranischen  Wandentänitnc  SiidruNsUnds  das  unten 
Dooaiif^biet  gewesen,  die  Heimat  der  InUogcrmanen  die  mittleren  und  unteren  Donaubnd- 
BcbeUcn,  eine  Atirubme,  die  zwar  lucbi  beweisbar,  aber  durchaus  wabrscheinlich  sein 
wurde,  wenn  nicht  vrsitenii  die  Stq>|>e  mehr  Aussicht  halle  als  die  Heimat  vuu  Xomadeo* 
itiinnKD  zu  celteu.  und  vrcnn  nicht  zweitens  die  Heimat  der  lUlo-KcItcn  wahnchein- 
ticfaer  Östlich  von  den  Korpathrn  aU  an  dtr  miulercn  Donaa  zu  suchen  wÄfc  (S,  759  und 
S.7&of.],  Zu  dcnSkytbeii  und  Kininiericm  vgl.  nochj.  G.  CunO|  FaruhungtH  im  Gebiete 
der  allen  l'ölterktinde  ],  Berlin  lB;i  und  K.  MalleDhoff,  Deutsehe  AJtertumikunät 
UI,  Berlin   1893,  S.   1  —  125. 

X.ich  Krcischmer,  EinL,  S.  180 — 182,  191  und  414  waren  die  llinkiscb-phrygt- 
■chcn  Stumme  wahrscbeinlich  schon  zu  Beginn  des  3.  Jahrtauseiuls,  jedenCdls  at>er  im  3, 
Jafartaasend  von  der  Türkei  nacfa  Kleinasicn  hinübergezogen.  Ich  balite  das  nicht  tlit 
sidier. 

Die  Griechen  sind  aus  Epirus  gekommen'.  Im  15.  Jahrh.  v.  Chr.  ßnden 
wir  sie  bereits  am  agaischen  Meer';  spätestens  im  ii.  Jahrh,,  wahrecheinlich 
noch  früher  haben  sie  sicli  auf  Ky]>eni  angesiedelt,  müssen  damals  also 
schon  längere  Zeit  an  den  Küsten  des  Pelopnnnes  heimi.sch  gewesen  sein. 
Ihre  Ursttze  um  Dodona  dürfen  dalter  schwerlich  \\t\  spater  als  um  2000  v. 
Chr.  angesetzt  werden,  vielleicht  erheblich  früher'.     Damals  wird  auch  Make- 


rionien  schon  seine  griechisdie  Bevölkerung  gehabt  haben '.  Die  cplrotisch- 
makcdomsclie  Heimat  der  Griedien  reicht  also  bis  an  eine  gemeinindogcr- 
manisdie  ^rachperiode  hinan.  Und  hierzu  stimmt  es,  dass  wir  sie  uns 
damals  noch  wesentlich  als  Nomaden  zu  denken  haben  *.  Wenn  wir  nun 
•weiter  ervtSgen,  dass  die  zalilreichen  griechischen  Ortsnamen  in  Epirus  *  und 
ihre  dem  spateren  Delphi  vcrgleiclibare  Kuhusstätte  in  Dodona  darauf  hin- 
weisen, dass  die  Griechen  längere  Zeit,  doch  wohl  allermindestens  ein  Jahr- 
hundert lang  im  Epirus  ansässig  gewesen  sind,  und  wenn  «-ir  annelimen 
dürfen,  dass  ihre  Sprache  zur  Zeit  der  Einwandemng,  also  spätestens  gegen 
Ausgang  des  dritten  Jahrtausends  v.  Chr.,  wahrsclieiulJch  aber  früher,  noch 
nicht  gegen  die  idg.  Nachbarsprachen  fest  abgegrenzt  war  (§  13),  so  würde 
sich  Epirus  und  Makedonien  ab  ein  Teil  der  Heimat  der  Indogermanea  in 
dem  in  §  13  dargelegten  Sinne  ergeben.  Nun  ist  zfrar  zu  bedenken,  dass 
die  Entfernung  von  Epims  bis  zur  sOdmssischen  Steppe  zu  gross  ist,  als 
dass  die  Ausbildung  einer  in  den  Gruiidzügen  cinhdüichcn  idg.  Sprache 
innerhalb  diese-s  durch  nattlrlicbe  geographische  Grenzen  gesonderten  Gebietes 
denkbar  wäre.  Aber  um  diese  Vorzeit  handelt  es  sich  zunadist  nidil.  Es  wSre 
sehr  wohl  möglich,  dass  im  dritten  Jahrtausend  v.  Chr.  die  Griechen  aus 
Südrussland  oder  die  Iranier  von  der  unteren  Donau  gekommen  sind.  Die 
allgemeine  Wahrscheinlichkeit  spricht  für  die  erste  Möglichkeit,  weil  die 
Indogermanen  vor  dem  5.  Jahrtausend  sicherlich  alle  noch  Nomaden  ge- 
wesen sind  und  wir  uns  solche  eher  in  der  Steppe  als  in  dem  Wald-  und 
Berglandc  der  Balkanhalb  in  sc!  heimisch  denken  dürfen.  Es  ist  daher  anzu- 
nehmen, dass  die  Griechen,  erst  nachdem  sie  die  Steppe  verlassen  haben, 
Ackerbauer  geworden  sind.  Die  historisdien  Reminiszenzen  des  Epos  lassen 
sie  noch  als  Hirten  erscheinen.  Sie  sind  also  erst  in  Epirus  Ackerbauer 
geworden,  mfigcn  sie  auch  die  Anfange  des  Ackerbaues  bereits  mitgebracht 
haben. 

t  E.  Mcycr,  Grsfhühte  lA-i  Altn-titums.  Bd.  II,  S.  64—65.     Über  die  nahe 
Vcrwamlcsthafl  der  Gm-chcn  mil  der   Makcdonicm    vgl,   Krctschmcr,   Etnt.,    Su 
383— a88.  —  »  E.    Mcycr.    B<1.   I.    S.  313,  318  und   235;    Bd.   II,  S.    129  uod  , 
111.  —  '  Krctschmrr,   S.  181   sfiit  dio  Gricchcr  schon   für  das   J.  JahrtauKDll . 
in  GtrinrlietdAntl  an,   was  ich  iiichl   ICir  sicher  hallf.  —  ■*  E.  Mcyvr,    Bd.  II.  S.   79. 

§  15.  Die  lautlichen  und  formalen  Übereinstimmungen  der  curo]>äischen 
Sprachen  gegenüber  den  arischen  sind  nicht  derart,  dass  sich  eine  besondere 
europäische  Dialektgnippe  innerhalb  des  Indogermanischen  erweisen  Hesse. 
Wohl  aber  beweist  uin  kulturhistorisches  Moment  des  Wortscliatzcs,  dass  die 
Europäer  lK.ngerc  Zeit  hindurch  in  sprachlichem  Austausch  gestanden,  also 
bei  einander  gesessen  haben.  Die  auf  den  Ackerbau  bezüglichen  Worte 
nämlich,  wie  AcJter  (im  Indischen  »Trift«  bedeutend),  Pflug,  Egge,  Ähre, 
mähen,  mahlen  u.  a.  m.,  sind  den  europitischen  Sprachen  genieiosam,  n-altrend 
die  Arier  —  ungeachtet  vereinzelter  Gleichungen  wie  tOmov,  Smv  =  aind. 
i/irshü,  i'difu  —  andere  Worte  dafflr  haben  ^.  Daraus  folgt,  dass  in  der 
gerocmidg.  Sprachperiode  dis  dritten  Jahrtausends  entweder  die  Europaer 
erst  nach  ihrer  Trennung  von  den  Ariern  zum  .^cterUiu  Ubeig^angen  sind, 
oder  dass  au&ser  der  Steppe  auch  noch  Ackerland  zur  idg.  Heimat  gehörte, 
so  dass  die  Arier  einfach  wegen  ihrer  nomadi.schen  l.ebfnsweise  nicht  in  die 
Lage  kamen,  die  Worte  für  den  Ackerbau  mit  ihren  Nachbarn  zu  teilen.  In 
letzterem  Falle  würden  wir  uns  die  Indogermanen  ausser  in  der  südrussisch- 
kaspischen  Steppe  noch  in  dem  nördlich  anschliessenden  Gebiet  des  Zxv&ai 
door^pcc  und  yiatQyoi  am  oberen  Bug  und  Dnjepr  zu  denken  haben  oder 
etwa  an  der  unteren  Donau;   im  ersteren  Falle  konnten  die  aus  der  Steppe 


II,  A.  Ethnographie  Europas  lat  ersten  Jahrtausend  v.  Chr.  759 


aosgewanderten  Europaer  in  jeder  beliebigen  Gegend  Europas  zum  Ackerbau 
abergi^angcn  sein.  Die  crstcrc  Annalimc  empfiehlt  sich  im  Hinblick  auf 
cJie  Wohnsitze  der  baltisch -slawischen  Stämme  in  Ritssland.  Sind  die  Euro- 
päer ausjjewand^.  um  —  in  gemcinidg.  Zeil  —  in  einer  wustlicheren  Gegend 
xum  Ackerbau  übergegangen  zu  sein,  so  konnte  dies  we^ea  der  Griechen 
(§  14)  nur  auf  der  Balkanhalbinsel  und  etwa  in  den  nördlich  sich  anschlies- 
senden I,andschaften  geschehen  sein.  In  diesem  Falle  dürften  die  Vorfahren 
der  Slawen  und  IJtam-r  in  jener  gcmeinidg.  Zeit  nicht  östlicher  als  etwa  an 
der  Don;mmundung  angesetzt  werden.  Eine  einigermassen  sichere  Entschei- 
dung würde  nur  dann  möglich  sein,  wenn  sich  von  den  Italikem  oder  Kelten 
nachweisen  liesse>  ob  sie  aus  den  Gegenden  nördlich  der  Karpathen  oder 
von  der  mittleren  Donau  gekommen  sind.  Wenn  die  Germanen  von  jeher 
nördlich  der  Karpathen  gesessen  haben,  so  beweist  das  nichts:  denn  sie 
könnten,  wie  die  Slawen,  von  der  Dunaumündung  gekommen  sein,  lAsst 
sich  aber  auch  von  den  aus  sprachlichen  Gründen  nflher  zu  einander  ge- 
hörenden Kelten  und  Italikem  nachweisen,  dass  sie  einst  nördlich  von  den 
Karpathen  gesessen  haben,  so  dürfen  wir  uns  den  Übergang  der  Europaer 
zum  Ackerbau  —  in  gemeinidg.  Zeit  —  sicherlich  nicht  auf  der  Balkan- 
halbinscl,  sondern  östlich  von  den  Karpathen  vorstellen.  Ich  glaube  imtcn 
S.  77(1  ff.  zeigen  zu  können,  dass  die  historischen  Wohnsitze  der  Kelten 
nicht  auf  Österreich- Ungarn  als  Urheimat  hinweisen,  sondern  auf  das  öst- 
liche Mitteldeutschland,  Galizicn  und  Podolien,  und  daher  glaube  ich,  dass 
die  Indi-»germanen  im  dritten  Jahrtausend  v.  Chr.  in  der  sOdrussi.sch-trans~ 
kaspischeu  Steppe  gesessen  haben,  und  die  Europaer  in  dem  auslosseuden 
Gebiet  ftsüich  von  den  Karpathen  angefangen  haben,  zum  Ackerbau  über- 
zugehen. Für  die  Griechen  wie  für  die  illyrischea  Stamme  müssen  wir  dann 
eine  emmalige  Auswanderung  annehmen  (von  der  DonaumQndung  her  oder 
aus  Gatizien  durch  Mahren-Ungani  hindurch),  die  erst  in  der  westlichen 
Balkanhalbinsel  zum  Stillsland  gekommen  ist;  die  übrigen  Europaer  kf'nntea 
sich  vom  südwestlichen  Russland  aus  auch  allmählich  ausgebreitet  haben. 
Eine  genauere  Bestimmung  der  ältesten  Wohnsitze  ist  nicht  möghch.  So 
wie  wir  aus  der  Steppe  von  Südrussland  bis  Ostiran  kein  kleineres  Stück 
herausschneiden  können,  so  müssen  wir  auch  für  das  angrenzende  Wald- 
und  Ackerland  mit  einem  weiten  Landstriche,  von  den  Karpathen  bis  über 
den  Don  hinaus  recäinen.  Für  die  Germanen  aber  ergiebt  sich  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit,  dass  sie  aus  dem  südwestlichen  Russland,  und  nicht  et*"a 
aus  Ungarn,  Mahren  oder  Böhmen  gekommen  sind. 

1  Fr.  Kluge,  ünmdr, '  I,  S.  323.  Der  > Wortschau  der  westcuropäiachen 
Spnchelnhcil  (der  <jriccht.-a.  luUkcr.  Kcitco,  Germanen)-  ut  zuuinnii;Dec«tellt  von 
A.  Fick,  i'er^Meßifntict  H'örtrrbuth  der  inäegtrmanischen  Spracfum,  4.  AuA„ 
GOubigen  i8go,   S.  343 — 58a. 

^  iti.  Andere  als  die  beigebrachten  Argumente  kenne  ich  nicht,  die 
weiter  führen  ki^nntcn,  soweit  wir  uns  auf  diejenige  letzte  idg.  Zeit  beschranken, 
innerhalb  deren  noch  ein  sprachlicher  Austausch  von  Stamm  zu  Stamm 
mOgUch  war.  Wo  das  idg.  Urvolk  im  Jahre  5000  oder  loooo  v.  Oir.  ge- 
sessen hat,  ist  eine  Frage,  die  nicht  hierher  gehön.  Es  ist  wenig  glaubhaft, 
dass  die  Indogermanen  schon  seit  den  Zeilen  des  Pithekanthropos  am  kaspi- 
sdren  ^[ccr  gewolmt  haben. 

Anm.     Über  die  ingcblicb  skadt&awisclic  Urhcinul  der  IndogermancD  %,  S.  784  fT. 


76o 


XV.  Etukografhis  der  CERMAKtscHEy  StAmue. 


4.    Die  nähere  Verwandtschaft  der  Germanen  mit  anderen 
indogermanischen  Volkern. 

C.  Lottncr,  Zs.  f.  vgL  Spr.  VII  (1858)  18— 49  und  161  — 193.  — J.  Scbmtdt, 
Die  VtncandtichafisvfrhälfHisse  A-r  i/iJofffrmanr'sch^n  SprufhrM,  Weimar  1871. 
^  A.  Fiele,  Üif  ehfmaiifff  Spracheinhril  d^r  /näagfi-manen  Europas,  GSttiiij*en 
1873.  —  A.  Lcttkicn,  £>ie  Dfilination  im  Slavtsch'Lilatiisihrn  unJ  Cmnani^\ 
icÄ^,  Lcipsig  1876.  —  R.  HaBScncamp,  i7iVr  i/i-n  Zusammenkang  des  Utlif 
siai-isihen  und  germaninhen  Spracfistammei.  Leipzig  1876.  —  K.  Brugmann, 
IntL-rnat.  2s.  I.  allg.  Sptnchwissenschafl  I  {18S4),  226—256.  —  C.  C.  Uhirnbcck, 
De  verwaiili.rkapsh'rirrktingrn  imrArrt  de  Germ,  m  /iaittultn:  talm.  I-wdffn  1888. 
—  C.  C.  Uhlcnbcck,  Die  Uxiialiuhe  Urvera.'<tndtwkaft  dei  BnUoilavurktn 
und  Germaniic/ien,  Leiden  1890.  —  O.  Sclirader,  Sprarhverglei(hung  und  Ur- 
geschichte, 2.  Aufl.,  Jetui  1890,  S.  68 — 101,  172  — 187,  409 — 413  und  passiro. — 
KrelHchmer,  £/»/..  S.  93—152.  —  H.  Hirt,  ZfdPh.  XXIX,  289—305.  — 
Kluge,  Cmir.*  I,  S.  323—327  und  360—365. 

§  17.  Aus  dem  g  15  gewonnenen  Ergebnis  würde  folgern,  dass  —  sehen 
wir  von  den  Illyriem  ab  —  die  Griechen  zuerst  sich  von  der  europäischen 
Gruppe  der  Indogermancn  im  südwestliclicn  Kussland  getrennt  hätten,  um  in 
die  Balkanhalbinsel  auszuwandtm.  Sonach  bliebe  —  abermals  von  den 
Illyriem  abgesehen  —  eine  italisch  -keltisch  -j^enuanisch  •  ballisch  -  slauisdie 
Gruppe  Übr^,  innerlialb  deren  z.  B.  das  idg.  Verbum  *sisimi,  das  im  griech. 
r»;/«  noch  die  Bedeutung  »werfen*  bewahrt  bat,  den  engeren  Sinn  von  >saea« 
angenommen  hatte.  Die  Existenz  einer  solchen  Gruppe  lässt  sich  zwar 
sprachgeschiclitlii'h  nicht  beweisen.  Denn  selbst  gesetzt,  es  würden  zu-ischen 
diesen  eurupäischen  S])radicft  so  nele  Cbercinsümmungen  nachgewiesen  wie 
z.  B.  zwischen  den  westgermanischen  oder  den  deutschen  Dialekten,  so  lehren 
diese  letzteren  Beispiele,  dass  ein  Si:hluss  auf  eine  ehemalige  Stamme&eiuheit 
daraus  noch  nicht  gezogen  werden  dürfte.  Andrerseits  könnte  eine  solche 
Stammeseinheit  aber  gleichwohl  einmal  bestanden  haben  (etwa  in  der  Form 
eines  politischen  Reiches),  ohne  dass  es  dazu  gekommen  wSre,  dass  die 
dialektischen  Versclucdenheiten  ausgeglidicn  wflrcn,  olmc  dass  also  dieser 
Stammesi'inheit  eine  Spracheinheit  enisprüche.  Unter  diesen  Umständen 
liegt  innerhalb  der  Grenzen  unserer  Erkennttüs  allein  die  Beantwortung  der 
Frage,  ob  sich  überhaupt  eine  den  Zufall  ausschliessende  grüssere  Zahl  von 
sprachlichen  Übereinstimmungen  zwischen  dem  Germanischen  imd  andern 
idg.  Sprachen  nachweisen  lässt.  wobei  aut  Qbereiiistimmciide  Bcdeutungs- 
katcgoriecn  ein  besonderes  Gewicht  zu  legen  wäre  Solche  übereinstim- 
luungen  würden  zunächst  nichts  weiter  beweisen,  als  dass  Ober  die  nach- 
maJigen  Sprachgrenzen  hinüber  ein  sprachlicher  Austausch  stattgefunden  hat, 
dass  also  ~  vorausgesetzt,  dass  keine  Mittelglieder  vedoren  gegangen  sihd  — 
die  betreffenden  Stämme  benachbart  gewesen  sind.  Eine  Grenze  lässt  sich 
ebens<i  wetng  ziehen  wie  etwa  bei  unseren  heutigen  Mundarten.  Wenn  die 
Zurückziehung  des  Haupttons  auf  die  erste  Silbe  dem  Italischen,  Keltischen, 
Germanischen,  Leitischen  und  Sorbisch -Cerhlschen  gemeinsam  ist,  so  wird  für 
letztere  beiden  Sprachzweige  eine  (auch  durch  andere  Ei-scheiuungen  gestützte) 
Enüchnung  aus  dem  benachbarten  Deutschland  anzunehmen  sein,  infolge 
der  Zweisprachigkeit  eines  Teiles  der  Bevölkerung;  die  Germanen  waren  von 
den  KeUen  und  ItaUkera  zur  Zeit  der  Äccenlzurückzichung  durch  die  Wir- 
kungen des  Vemerschcn  Gesetzes  und  der  vorausgegangenen  Lautverschie- 
bung schon  so  stark  dialektisch  differenziert,  dass  wir  es  für  diese  Zeit 
.nidU  mehr  mit  idg.  Dialekten,  sondern  schmi  mit  Sprachen  zu  thun  habeiij 
die  eine  gegenseitige  Verständigung  aiisschliessen.  LJnter  diesen  Umständen 
bleibt  keine  andere  Walil,  als  dass  entweder  die  Übereinstimmung  des  Ger- 


H,    A.    ExtlKOGRAPHtE   EUROFAS   IM    ERSTEN  JAHRTAUSEND   V.  Chr.    /Ol 


manischen  mit  dem  Kellischen  und  Italischen  eine  zufallige  ist,  also  nichl 
auf  benachbarte  W'ohusiize  schUcsscn  Illsst,  oder  dass  einer  der  drei  Sprach- 
stSrnme  eine  längere  Zeit  hindurch  tUe  beiden  andern  dcrmassen  bchcrscht 
hat,  dass  ein  Teil  der  Bevfilkening  des  Reiches  jtweisprachig  wurde,  und  in 
diesem  Falle  könnte  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  die  Germanen  nicht  die 
Herscher  gcwpsen  sind.  Der  Annahme  einer  derartigen  Sprachgemeinschaft 
würde  durchaus  nichl  eine  andere,  etwa  eine  germanisch-slawische,  widcr- 
q>rcchen,  sowenig  wie  die  westgermanische  Spracheinheit  zu  der  englisch- 
skadina wischen  im  Widerspruch  steht.  Es  kommt  alles  auf  die  Zeitbestim- 
mung an.  Es  steht  hier  ein  Zeitraum  vou  zwei  Jahrtausenden  in  Frage, 
innerhalb  dessen  sich  die  politischen  Verhältnisse  der  nachmaligen  germani- 
schen Stämme  wiederhult  verschoben  haben  künncn  und  wahrscheinUch  auch 
verschoben  haben. 

Anm.  II.  Zimmer,  Znr  anf^lichen  t/fenuinvestfurofiäistk^n  Afcentfrgrtung*  in: 
GunipüJBkaumudT,  Festgabe  fOr  \.  Weber,  l^ipzig  1IJ96,  beotreitet  die  Gemeinsamkeit 
der  ilftl.,  kell,   unii  gtrm.  Acci-ntven«c]jii*Uirn;.     Vgl.  unU-n  S.  788. 

5  18.  Die  Untersuchungen  Ober  das  Verwand tschafts Verhältnis  des  Ger- 
nanifchcn  zu  dem  benachbarten  Keltischen  (bezw.  Keltisch-Italischen)  und 
BahiBch-SlawiscIien  haben  bisher  zu  keinem  grcifharen  Ergebnis  geführt  und 
TiedQrfen  dringend  der  Erneuerung.  Vor  der  Hand  Iflsst  sich  nur  so  viel 
sagen,  dass  nühcre  vorhistorische  Beziehungen  vielleicht  zum  Balliscli-Slawi- 
schen,  bestimmt  aber  zum  Keltisch- Italischen  vorliegen.  Zu  diesen  alteren 
Beziehungen  darf  uum  vor  allem  eine  Anzahl  von  Übereinstimmungen  im 
germ.  und  kelt-btein.  Wortschatz  zahlen  1,  die  wie  »Ulme*.  »Hasel-,  »Eiche«, 
»Weide«,  »BlOtc«,  »See»,  »Gewässer«,  -Fisch«,  »Mastbaura»,  •zalmi=,  .wüsi«, 
>Furche*,  »Beet-»,  >Sieb«,  »Hom*,  »Volk«,  »Dorfschaft»,  »Kind-,  *Seher< 
auf  geraeins;uue  Wuhnsitze  und  I.*bensbedingungen  3chlies.sen  !a.*!sen.  Soweit 
hier  etwa  Entlehnungen  vüdiegen,  müssten  diese  zu  einer  so  frühen  Zeit 
geschehen  sein,  in  di:r  eine  besondere  germanische  Sprache  uocli  nicht  exi- 
stierte, sagen  wir  etwa  im  dritten  Jahrtausend  v.  Chr.  wenn  niriit  früher.  — 
Diesen  Übereinstimmungen  stehen  andere,  weniger  greifbare,  zwischen  dem 
Germ,  und  BaltLsch-Slauischen  zur  Seite  *. 

'  Lottoet,  /fvglSpr.  VII  IÖ3,  Schrader  S.  180,  Krctschmcr  S.  144  f.. 
Hirt  a,  a.  O.  und  Kluge  S.  JJ4— J26.  —  *  J.  Schmidt  S.  36 — 45,  Krctsch- 
S.  108,  Kluge  S.  3601".  —  N.'vcb  Krctscbracr,  S.  108 — lio  sind  die  gcrm.- 
litoslawiKben  Bczicbungcn  äliei  als  die  gemi.-krltischf'n. 

§  19.  Als  sicheres  Ergebnis  darf  man  zur  Zeit  allein  betrachten,  dass 
die  Germanen  schon  vor  der  Zeit  der  Lautverschiebung  —  und  das  bedeutet 
so  viel  wie  zu  einer  Zeit,  in  der  das  Germanische  noch  einen  fast  idg.  zu  nen- 
nenden Diak-kt  bildete  —  nachbarliche  Beziehungen  zu  den  Kclto-Italikeni, 
wahre^einlich  auch  zu  den  Lettoslawcn  unterhielten.  In  einem  so  ualica 
Verwand tschaftsverhaltois  wie  das  Litauisch-Lettische  zum  Slan-ischen  steht,  hat 
das  Germanische  keinesfalls  zu  einer  der  benaclibarten  Sprachen  gestanden, 
und  reichen  schon  die  Differenzen  zwischen  Slawisch  und  Litauisch-Lettisch 
in  eine  gemeiiiidg.  Zeit  hinauf,  so  dürfeu  wir  die  Sonderexistenz  einer  ger- 
manischen Mundart  sicherlich  bereits  für  eine  gemcinidg.  Zeit  annehmen. 
Um  2000  V.  Chr.  (§  13)  hat  es  also  schon  eine  Gruppe  von  idg.  Stämmen 
gegeben,  deren  Sprache  der  Vorfahr  des  nachmaligai  Gerraamschea  ge- 
wesen ist, 


762 


XV.  Ethnographie  der  germaxisciien  StXume. 


B.     DIE  AUSBILDUNG  EINER  BESONDEREN  GERMANISCHEN 
NATtONALITÄT. 


I.    Die  Absonderung  der  Germanen  von  den  Indogcrmanen. 

5  2a  Ober  den  Zeitpunkt,  von  welchem  ab  die  germanischen  Stamme 
eine  von  den  Nachbarstämracn  politisch  gesonderte  Gruppe  bilden,  \asst  sich 
nichts  weiter  ermitteln,  al.s  dass  ein  solcher  Verband  jedenfalls  schon  um 
2000  V.  Chr.  bestanden  hat  (S.  Jör  unten  und  §  2"  Schluss). 

Anm.  Zur  Zeit  als  die  gcmi,  Lautvencbiebung  durdidruig,  inuu  eine  solche  cthoogrs- 
phUchc  Grupp«  noiwendigerwel«  berdts  be«un<l«n  babcn.  Aber  die  Laucvcrschicbung  üc 
bishtT  zeitlich  nicht  sichw  bcstirainl  worden  —  tiotx  R.  Much.  PBB.  XVII  62  f,  und 
G.  KoBsinna  ebd.  XX  297.  Got,.  paida  ^  thrukiM.-h  ßaini  nnd  ae.  kanep  =  gr.  itMy)aß*v 
(ent  zu  Hfirodou  Zeit  von  den  Thrakein  endehat)  mit  aus  b  verKfaobenem  p,  uu  /  vencbo» 
benem  P'^ä und  aus  k  verscbobenetn  h  sind  nicht  daiicrbar.  ChrDnologiKfae  Asbalcsptmkte 
gewahren  allein  einige  entlehnte  k(;lmcl]c  Namen,  Die  gin*»e  Masse  dieser  Namen  lehrt,  da» 
zur  Zeit  der  Entlehnung;  di<r  I^utvcrscbicbung  vollzogen  gc-wesen  ist.  Älteren  Datunu  ist  — 
die  GleLchung  ah.  Harfada  :=  Carpalhi  ist  unsicher  ^  —  die  EntlchauntE  des  Volksoainctis 
der  (-^Ära^r^  gcrm.  Hathijs  und  die  des  tbüringiscben  Höhenzuges  lier  Aiff«r  =  kdt. 
ptnna.  Walhü-  ist  die  genieingerm.  Bezeichnung  Tür  die  Kelten,  wie  nachmals  fiit  dio 
Ronaancn;  die  Volcae  sind  alio  Trüber  Nachbara  der  Germanen  gewesen  &Ls  andere  keltische 
StAmme,  Intbcsunderc  als  die  Bcigie.  Ztsr  Zeit  des  Pylbcas  waren  die  uorddcutscbcn 
Stämme  bereite  Nachbarn  der  Belgae.  Nirgend»  alier  ßnden  sich  etwa  in  Ortsbezeidi- 
ctingen  Spuren  des  Be];;ienumens  (vgl.  vielmehr  Namen  wie  'Walahdorf  bei  Münster, 
"Wiilnnhiirsl  bei  Osnabrfick,  Walcsrothc  bei  Hannover^  WaUhesleba  unweit  der  Harcl- 
niündun^  und  zjihh-eiche  andere  mit  "Wnlh-  xuMininengesetzle  Ortsnamen  in  Niedersachsen. 
Wir  düTl'en  foigern,  daas  die  gerro.  Nardsecanwohnei  des  Pytbess  ihre  bd^ischeo  Nach- 
biun  bereits  Wälschc  genannt  haben.  Aber  undenkbar  wirc  es  nicht,  dass  ue  sie  damals 
ood)  *  ff  W>r>j  genannt  hätten,  die  Laun-erschiebung  demnach  später  dorcbgcdninecn  wAze. 
Da  outi  auch  die  gerni.  Bcsetztuig  von  ThUrini^a  {Finnt)  nldil  nfiher  datiert  werden  kann 
als  Bpäteaten.s  gegen  Aufgang  di-s  4.  Jahrhs.  und  frühestens  lun  500  x.  Chr.  ($  4I).  so 
erhalten  wir  filr  die  Konsiaticrung  eiccr  bcsi^ndcren  gcrm.  Sprache  ein  so  spätes  Datum, 
wie  es  auf  Gnind  gc*chichtlid]cr  Kombinationen  keinesfalls  angcnomtnen  werden  darf. 
Dass  die  Germanen  weit  frfiher  ah  um  5,00  v.  Chr,  zu  ei»er  >tantuni  sui  siraili»  gcnss 
erwachsen  waren,  kann  ja  keinem  Zweifel  untcrlicgcD.  —  Dass  kell.  Ptrtitnio  {/ifnjfnia) 
von  den  Germanen  entlehnt  (G.  Kosslnna,  Zs,  d.  Vcr.  f.  Volksk,  1896,  S.  7),  ist  nicht 
sicher^  weil  Fergunia  auch  eine  gcnn.  Übersetzung  »ein  könnte.     Vgl.  umen  S.  783  Anm.  l. 

'  Har-.'aita  JjöU  nicht  ^  Karpalhen,  sondern  =  Berge  der  Cborvaien  nadi  R. 
Heinsei,  Übirr  die  Ifrn'arnrsnga,  Wien  1887,  S.  85  (S.  499  der  Wiener 
Sitzgsber.  d.  pliil..hi»t.  Cl.  d.  Wiss.  CXTV  2), 

§  21.  Über  die  Gesichtspunkte,  welche  zur  Entscheidung  der  Frage  in 
Betracht  kommen,  ob  die  Germanen  in  grauer  Vorxeit  je  einmal  eine  poli- 
tische Gruppe  gebildet  haben,  ist  oben  S-  747  ff-  gehandelt  worden.  Die  scharfe, 
lieincii  sprachlichen  Aastausch  ermöglichende  historische  Sprachgrenze  gegen 
die  Kelten  und  gegen  die  Slawen  und  Litauer  lasst  sich  nur  erklaren,  wenn 
natürliche  Grenzen  dem  Verkehr  ein  Hindernis  geboten  haben,  oder  wenn 
die  Gernnanen  sich  einmal  viele  Jahrhimderte  hindurch  zu  einem  politischen 
Bimd  zusaiumengescliloüsen  haben,  dessen  äussere  Grenzen  infolge  der  .^b- 
sonderung  gegen  die  Nachbarn  drOben  im  Laufe  der  Zeit  zu  Sprachgrenzen 
geworden  wflren.  In  letzterem  Falle  ist  anzunehmen,  dass  bevor  eine  relativ 
einheitliche  germanische  Gemeinsprache,  wie  es  das  von  uns  rekonstruiert« 
Urgermanisch  ist,  zustande  kam,  in  einer  Zeit,  die  bis  zu  einem  gcwi>.-rcu 
Grade  nodi  als  gcmcinindogcrmanisch  zu  bezeichnen  wäre,  ein  aflmfthhcher 
Übergang  von  den  nachmals   germanischen    zu  den   keltischen   und   ebenso 


vielleicht  auch  stu  den  benachbarten  slawischen  und  litauischen  Mundarten 
stattgefunden  hatte;  durch  den  politischen  Zusamnicnschluss  wäre  das  Auf- 
geben solcher  Übergangsmundarten  in  dem  Gemeinge [manischen  zu  erklaren. 
Es  läge  als  ein  Fall  vor,  wie  wir  ihn  in  geschichtlicher  2eit  \'ielfach  verfolgen 
können:  ich  erinnere  l.  B.  daran,  dass  die  zwischen  Hochdeutsch  und  Anglo- 
friesisch  vermittelnde  niedersachsische  Mundart,  welche  einst  dem  letzten 
Dialekt  noch  um  eine  Stufe  näher  stand,  heutzxitage  durch  das  Hochdeutsche, 
die  Gemeinsprache  Deutschlands,  allmählich  absorbiert  wird,  so  dass  jenes 
Bindeglied  mit  der  Zeit  in  Fortfall  kommen  wird;  oder  von  der  mittleren 
Elbe  südwärts  bis  nach  Nordböhmen  findet  bei  den  Bauern  ein  allmälüicher 
Übergang  der  Mundarten  statt;  jetzt  aber  gemnnt  bei  der  mittleren  Bevöl- 
kcrungssdiicht  die  nördliche  Mimdart  das  Meissnische  inncrh^b  der  politischen 
Grenzen  Deutschlands  immer  mehr  die  Oberhand,  so  dass  es  nur  eine  Frage 
der  Zeit  ist,  dass  durch  das  Aufgehen  der  der  nordböhmisclien  eng  ver- 
wandten erzgebirgischen  Mundart  in  der  meissnischen  Umgangssprache  eine 
mit  der  politischen  zusammenfallende,  scharfe  Dialektgrenze  zwischen  dem 
heutigen  Erzgebirgischen  und  Nordböhmischen  errichtet  %ird  —  dies  um  so 
mehr,  als  in  Österreich,  wo  oberdeutsche  Sprechweise  die  herschende  ist, 
die  im  westlichen  Böhmen  gesprochene  (>ä>eri) falzische  Mundart  die  mittel- 
deutsch-nordböhmische  Mundart  zu  verdrängen  droht 

O.   Bremer,    Beiträge   sur   Geographü   der  ätuiiciun   Mundarten,   Leipzig 
1895.  S.   12—17. 

Die  beiden  Möglichkeiten,  aus  denen  heraus  aHein  die  Tliatsache  einer 
von  den  Nachbarsprachen  scharf  getrennten  germanischen  Sprache  erklärt 
werden  kann,  natürliche  Grenzen  oder  ein  politischer  Bund,  schliessen  ein- 
ander nicht  aus.  Zunächst  aber  haben  wir  zu  untersuchen,  ob  die  Germanen 
In  vorgeschichtlicher  Zeit  —  soweit  unsere  gcschichdiche  Kunde  reicht,  ist 
dies  nicht  der  Fall  —  durch  natOriiche  Grenzen,  welche  einen  sprachlichen 
Austausch  verhinderten,  von  ihren  Nachbarn  im  Westen  und  Osten  getrennt 
waren.  Diese  Frage  kommt  der  Frage  über  die  älteste  erschliessbare  Heimat 
der  Germanen,  Kelten  und  Lettoslawen  gleich.  Idi  nehme  an  dieser  Stelle  das 
unten  §  40  f.,  49  und  51  f.  gewonnene  Resultat  vorweg:  Die  Heimat  der  Ger- 
manen ist  ilstlich  der  unteren  und  mittleren  Elbe  etwa  bis  zur  Oder  zu  suchen, 
in  Schleswig-Holstein,  an  der  Ostsecküste  und  in  der  Mark  Brandenburg.  Im 
Westen  und  Süden  grenzten  sie  an  die  Kelten,  im  Osten  schwerlich  schon 
an  die  Slawen.  Diese  Wohnsitze  gelten  für  die  Mitte  des  ersten  Jahrtausends 
V.  Chr.;  wahrscheinlich  haben  sie  Jahrhunderte  früher  in  gleidier  Weise  be- 
standen. Sind  aber  ihre  früheren  Sitze  noch  weiter  östlich,  bis  zur  Weichsel 
hin  zu  suchen,  so  hatte  auch  dieses  gcrmanisdie  Heimatland  natürliche 
Grenzen  nur  im  Osten  in  den  Poljcsjc-Sümpfen,  falls  die  Germanen  soweit 
gereicht  haben;  dazu  im  Süden,  zur  Zeit  als  die  Kelten  aus  diesen  Gegenden 
zurückgewichen  waren,  in  dem  damals  v*,jn  dem  herkynischen  Urwalde  be- 
deckten Gebirgszuge  des  Erzgebirges  der  Sudeten  und  weiterhin  der  Kar- 
pathen.  Die  W'estgrenze  gegen  die  Kelten  war  eine  offene,  ebenso  ursprüng- 
lich die  Sodgrenze  an  der  mittleren  Elbe  und  Cider  und  eventuell  der 
Weichsel  und  die  Grenze  gegen  die  Slawen  und  Litauer.  Mögen  nun  auch 
hier  und  da  undurchdringlidic  Wälder  den  Verkehr  an  der  Grenze  gehemmt 
haben  —  leiiler  fehlt  noch  eine  historische  Waldkarte  — ,  so  kftnnen  m-ir 
doch  so  viel  sagen,  dass  natürliche  Verkehrshindernisse  die  Germanen  nicht 
i-xier  nur  zum  Teil  von  ihren  Nachbarn  getrennt  haben,  Wir  müssen  also 
notwendig  ein  poWiisch  zusammengeschlossenes  germanisches  Ur- 
Tolk  annehmen.     Dass  von  diesem  Urvolk  leiblich  die  historischen  Germanen 


abstammen,  wird  aller  Wahrscheinlichkeit  nur  so  bedingt  zutreffen,  wie  etwa 
die  lieutjgen,  Kit  stark  mit  germanisierten  Slawen^  Litaueni,  Danen,  Friesen, 
Romanen  vermischten  Deutschen  die  leiblichen  Nachkommen  der  alten 
Sachsen,  Franken,  Thüringer,  Baiem  und  Alemannen  smd.  Nicht  germa- 
nische Elemente  mögen  in  vurgeschichtlicher  Zeit  in  den  Germanen  aufge- 
gangen sein,  und  so  wie  das  DcuUschtum  durch  die  Auswanderung  von 
Millionen  und  durch  die  Absondcning  der  Niederländer  ptihtisch  eine  Ein- 
busse  erlitten  Iial,  so  miigen  auch  in  der  Urzeit  manche  einst  germanische 
Stamme  der  germanischen  Nationalität  verloren  gegangen  scm. 

Die  Entfernung  der  germanischen  Ursitze  an  der  Oder  bczw.  WeicJisel 
von  der  oben  §  15  erschlossenen  Heimat  der  europaischen  Indogermanen 
im  südwestlichen  Russland  ist  zu  gering,  als  dass  man  niciit  an  eine  allmäh- 
liche Ausbreitung  der  ütjnnanen  nach  Nordwesten  denken  solhe,  wie  wir  sie 
Z.  B.  bei  den  Russen  und  den  polnischen  Stammen  nachweisen  kOaueo. 
Für  die  Annahme  einer  einnTtaligen  Auswanderung  liegt  kein  Grund  vor. 

2.    K{!rperliche  und  geistige  Charakteristik  der  Germanen. 

Körperliche  Charakteristik. 

P.    Kretscbmcr.    EinUihtng  in   die   Geichichtt  dtr  Gricchitchm    S^raeJke, 

Göttitigcti  itiij6,  S.  sy — 4~. 

§  22.  Tacilus  war  der  Meinung,  dass  die  Germanen  «nulhs  aliis  ab'orum 
»ationum  conubüs  infectos  propriam  et  sinceram  et  tanlum  sui  similem  gcntcm 
extiiisse«  iüerm.  4).  Diese  Meinung  wurde  nicht  von  allen  antiken  Schrift- 
stellern geteilt  Wir  wissen,  dass  kein  Volk  sich  auf  die  Dauer  völlig  rein  x\x 
erhalten  imstande  ist,  dass  ein  jedes  Volk  mehr  oder  minder  stark  mit  hete- 
rogenen Elementen  gemischt  ist.  Mussten  wir  oben  (§  11)  es  dahingestellt 
sein  lassen,  \A>  es  je  eine  als  indogermanisch  zu  bezeichnende  Rasse  ge- 
geben habe,  so  liegt  der  Fall  bei  den  Germanen  allcniings  insofern  günstiger, 
als  sich  wenigstens  ein  bestimmter  Typus  erkennen  ISssU  den  wir  noch  heute 
bei  allen  Völkern  mit  germanischer  Sprache  (am  wenigsten  natürlich  bei  den 
Nordamerikanem)  vn'ed erfinden.  Wenn  wir  diesen  T\pus  den  gennanischen 
nennen,  so  haben  wir  dazu  ein  gleiches  Recht,  wie  wenn  wir  die  aus  der 
gotischen.  norrli.<s(hen,  englischen,  friesischen  und  dcutsi'hen  Sprache  rekon- 
struierte Ursprache,  oder  wie  wenn  wir  diese  jüaigeren  Sprachen  selbst  ger- 
manisch nennen.  In  beiden  Fflllen  ist  damit  nicht  gesagt,  dass  alle  die- 
jenigen, welche  den  germ.  T^-jins  aufweisen  oder  welche  eine  germanische 
Sprache  sprechen,  die  direkten  Nachkommen  des  zu  erschliessendea  germ. 
Urvolks  sind,  oder  dass  solche,  welche  germanisch  sprechen,  ohne  diesen 
Tj-pus  aufzuweisen,  oder  dass  diejenigen,  die  zwar  den  germ.  Tj-pus  tragen, 
aber  eine  nichUgermanische  Sprache  sprechen,  nicht  von  jenem  Ur\"oIk  ab- 
stammen. Bis  zu  welchem  Grade  genn.  Typus  tmd  germ.  Sprache  sich 
decken,  darüber  wird  sich  schwcriich  etwas  Sicheres  ermittelo  lassen.  Immer- 
hin sind  wir  bei  den  Germanen  günstiger  daran  wie  etw-a  bei  den  Polen, 
wo  wir  schlechterdings  nicht  sagen  kennen,  ob  die  dunkeUiaaiigc  oder  die 
blonde  Rasse  dem  polnischen  Urtvpus  entspricht. 

§  2^.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  das  germanische  Ur\'olk 
im  wesentlichen  blond  und  blauäugig  gewesen  ist,  mag  es  daneben  auch 
schon  in  grauster  Vorzeil  eine  dunkelhaarige,  braunäugige  Bevölkerung  ge- 
geben haben.  Denn  trotz  der  seit  mehr  als  tausend  Jahren  bestehenden 
Trennung  der  Englander  \'on    den  Deutschen   und   der  zweitausendjahrigen 


n,  B.  Die  Ausbildung  eikss  besonderem  germ.  Nationalität.  765 


Trennung  der  Stcadinawier  von    Her    in  Deutschland   wolincndcn   StSminenf 

finden  wir  nr»ch  heule  denselben  Grundupus  hüben  wie  drüben  wieder,  und 
wenn  sith  in  dieser  Zeit  keine  so  starken  Varietäten  herausgebildet  haben, 
dass  ^»'i^  von  einem  skadin zwischen,  einem  englischen,  einem  deutschen 
Typus  in  der  Weise  reden  kannten  wie  von  einem  germanisehcn,  so  dürfen 
wir  folgern,  dass  die  Ausbildung  des  germanischen  Typus  eine  ungleich 
tätigere  Zeit  als  zwei  Jahrtausende  erfordert  hat,  dürfen  also  den  geriuanischcn 
Typus  bereits  in  eine  geineinindogemianisctic  Sprach periudc  zurückverlegen. 
Schon  dieser  Umstand  legt  es  nahe,  dass  man  nicht  berechtigt  ist,  alle 
diejenigen  Romanen  und  besonders  Slawen,  welche  den  germ.  Typus  tragen, 
für  Nachkommen  von  sprachlich  und  jjolitisch  en^erraanisierten  Urgemianen 
zu  halten.  Existierte  der  genn.  Typus  bereits  in  idg.  Urzeit  —  auch  ein 
germ.  Dialekt  existierte  bereits  in  itlg.  Urzeit  — ,  sü  ist  es  durchaus  nicht 
einzusehen,  daüs  gerade  alle  Leute  dieses  Typus  sich  politisch  zu  derjenigen 
Gruppe  zusainmengethan  haben  sollten,  welche  der  TrSger  germanischer 
Sprachen  geworden  ist.  Ja  es  bleibt  die  Möglichkeit  offen,  dass  dieser  germ. 
Typus  richtiger  als  der  nordindogermanische  oder  urindogermaniscbe  (w-ena 
nicht  gwr  finnische)  Typus  anzusprechen  wöre,  den  nur  die  Gcnnanen  reiner 
als  ein  anderes  idg.  Volk  bewalirt  hstten  (^  it).  —  Zur  Vergleichung  der 
Germanen  und  Kellen  ist  lehrreich  Strabön  VII  2go;  >/^rg/(a^'^>(  ^hxqov 
l^aXXazToviES  lov  Kekitxov  (fvluv,  rtji  te  7iXi:ovaofU^  lijs  dyQtOTtjTos '  r&lXa 
dk  :iaga:xXijoti>i  xal  fioQtpms  xai  ijdroif   xal  ßÜMi  örtt^   ohvs   dQt)i(afttv 

§  24.  Wenn  die  antiken  Srhriftsteller  die  Germanen  (und  ftbrigens 
alle  nurdischen  Barbaren  *)  ziemlich  übereinstimmend  schildern,  so  dürfen  wir 
nicht  vergessen,  dass  sie  —  migeachlet  der  Worte  des  Tacitus  >habitus 
corporum,  quamquam  in  tanto  numero,  idem  omnibus«  {G^rrm.  4)  —  ebenso 
einen  besonders  charakteristischen  Typus  im  Auge  gehabt  haben  werden, 
wie  man  etwa  heute  die  Engländer  als  blond  und  hochgewaclisai  sclüldeiL 
Üass  dieser  Typus  sich  mit  germanischer  Nationalität  decke,  ist  damit 
keineswegs  ausgesagt.  Indem  ich  den  Namen  genn.  Typus  acteplicre.  bin 
icli  mir  bewusst,  in  der  folgenden  Schilderung  dieses  Typus  nur  einen  Teil 
der  Germanen  zu  schildern;  denn  diese  sind  schon  in  der  ältesten  histori- 
schea  Zeil  keine  reine  Rasse  mehr  gewesen. 

Der  germanische  'J'ypiis  der  Gegenwart  entspricht  nur  in  der  Hauptsache 
dem  Typus,  den  uns  die  antiken  Schriftsteller  schildern  ^  ist  jedoch  mit 
diesem  nicht  identisch,  hat  sich  also  geändert,  ebenso  wie  die  heutigen 
genu.  Sprai  hcn  gegenüber  den  Nachbarsprachen  zwar  germ.  Sprachen  blei- 
ben, aber  ein  anderes  Germanisch  reprüscntiercn,  als  es  die  von  uns  re)«.Hi- 
struierte  germ.  Ursprache   ist. 

Den  autikcu  Schilderungen  von  der  Körpergrösse  der  Germanen ^  kön- 
nen wir  nur  entnehmen,  dass  die  ROmer  verhältnismässig  kleiner  gewesen 
sind,  Hie  nocli  lieute  die  SOdlandci  kleiner  sind.  Die  deutschen  Ritterrtlstuugea 
aus  dem  Mittelalter  lehren  uns,  dass  der  Menschenschlag  in  dem  letzten 
halben  Jahrtausend  grOsser  geworden  ist,  und  wenn  ein  Kücksdiluss  erlaubt 
wäre,  so  raüssien  wir  uns  die  alten  Germanen  als  erhcblicli  kleiner  vorstellen, 
wie  es  ihre  gegeuwürtigen  Nachkommen  sind.  Auch  die  GaUi  werden  >cel- 
siores  statunn  genannt,  uttd  ihre  »tnagniludo  corporum«,  »procera  corpora« 
hervorgehoben.  Doch  scheinen  nach  Caesar,  fi.G.  I  39  die  Germanen 
noch  grosser  gewesen  zu  sein. 

Die  antiken  Schriftsteller  helfen  auch  die  weisae  Hautfarbe  und  das 
rosige  Gesicht  der  Germanen  her>'or:   Die  gotischen  Volker  Ȁtvxol  yixQ 


&TavTf?  rci  OMfuiTa  Tf  ehU  (Prokopios,  ßf//.  Vand.  I  2);  »rutiü  sunt 
Gerraanorum  \-uttus  et  flava  proccriias«  (Calpurnius  Flaccus,  Dtel.  z). 

Die  Haarfarbe  der  Germanen,  in  der  Gegenwart  \iDrlierschend  blond, 
ist  nach  den  flbereinsiimnienden  Zeugnissen  der  antiken  Schriftsteller  rötlich 
blond  gewesen:  Tutilac  ■comae*^  (Tat.,  Gemi,  4),  ^rufus  crinis«  (Seneca, 
De  ira  III  26),  «ovx  Svrag  ^av^ov;,  Idv  äxQiß(7>g  n^  h^iioi  xaXetv  dXXd 
nv^Qovi«.  (Galcnos,  Kommentar  zu  J{i/i/>o(rn{es  V  31)'.  Auch  die  Galli 
werden  uns  als  *ruti!i«  und  «flavU  peschildert;  aber  ira  Vergleich  zu  den 
Germanen  als  »minus  jnfecti  rub<ire«- 

Mh  blondem  Haar  ist  noch  heute  meist  Blauaugigkeit  verbunden : 
»truces  et  caeruli  ocuH«  werden  den  Germanen  von  Tacitus  {Ginn.  4)» 
j(aQon6xt}^  ttüv  Öftfuhtüv  den  Cimbri  von  Piutarchos  {Afar.  ii)  zugeschrie- 
ben* Ich  halte  es  indessen  nicht  for  sicher,  ob  das  blaue  Auge  ein 
charakteristisches  Merkmal  gewesen  ist,  ob  nicht  vielmehr  auch  die  ver- 
schieden grauen  Schattierungen  den  gleichen  Anspmch  haben. 

*  Belc^;«  bei  Zeus&  50 — $2,  A.  IloUzmanii,  Germanis^/u  AUrrthümtr^ 
Leipzig  '873,  S.  131  — 133  und  A.  Baumstark,  Amführliche  ErtäuUrung  Ja 
ailffemeiiuH  TheiUs  der  Germania  des  Tacitutt  L^px^g  1875.  S.  2x4 — IIB.  -^ 
'  Moltzmann  a.  a.  O. 

Anm.  Wie  wenig  heute  der  Durchschnitt  der  deuuchen  Stutungcböngen  dem  gemu 
Typus  entspricht,  dos  h&bco  die  vor  Jo  Jahren  aogwlcEltca  Erhebunuco  gezeigt.  Diese 
haben  sich  in  Preuuen  und  Bayern  auf  über  4  Millioni^ii  Schulkinder  bcklerlci  Geschlechts 
«rstredcc.  In  Preussen  hatten  nur  3S>47  Prozent  weüse  Haut,  blonde  Haaxe  und  bUue 
AngcD,  iu  Bayern  gar  nur  10,3(1  ^^rozent,  so  dus  man  sa^cn  kann,  nur  etwa  dct 
dritte  Teil  der  Bevrilkcrung  DeuuchluniU  hat  den  germ.  Typus  gewahrt.  Weisse  Haut, 
bruine  oder  schwarze  Haaic  und  braune  Augen,  also  den  brtLnetten  Typus  fand  nun  in 
Preiusen  litfl  11, (ij,  tn  Bayern  hei  31,09  Pmzent  der  Schulkinder.  Die  Qlirigeo,  also 
mehr  alt  zwei  Fünftel  ailcr  Schulkinder,  ^-hörten  dem  (j^miscbtcn  Typus  an.  Die  Ver- 
teilung ist  landschATtlicb  sehr  verschieden;  in  den  nordlriL-ascIica  UÜandcn  verhalten  sich 
die  Blonden  und  Blauäugi^n  zu  den  Brünetten  und  BraunAugigeu  wie  53,81  :  4,77  (Bkiade 
32,40 :  Braunhaarißc  15,53),  im  Kreise  Aurich  wie  46,37  :  5,&o,  hu  Laudltreia  Münster 
wie  4>.39:(),30.  in  der  Pfalc  wie  30,08:30,95.  ^'■'^  Rothaarigen  (:Tt'^o/)  bleiben  aber 
■«Ibst  in  den  gemtuiLtcbsteii  Distrikten  unter  l  Prozent.  —  Der  Prozentsatz  der  Ger* 
manen  würde  überall  ein  bedeutend  f^asserer  sein,  sobald  wir  neben  den  Blanäuj^i^a  auch 
die  GTauAu^cn  zulassen    wUrdcn. 

§  i5-  Weitere,  genauere  anthropologische  Merkmale  sind  uns  für  die 
Germanen  aus  dera  Altertum  nicht  überliefert  Aber  die  neueren  Messimgen 
haben  das  bcmerkctiawerte  Resultat  ergeben,  dass  es  eine  gemeingennanische 
Schädclform  (angehüch  die  dolichokephale)  nicht  gegeben  hat:  sie  ist  in 
den  fränki:jchen  und  aleinaruiischen  Reihengrabem  aus  der  VAlkerwanderunga- 
zeit  1  eine  sehr  ba*(tandige,  njlmliih  die  langköpfige  (dolichokephale)  und 
geradkiefrige  (orthognathe)  —  diese  Fomi  findet  man  auch  bei  andern  idg. 
und  bei  nlcht-Idg.  Välkem  — ,  «'oneben  man  auch  (wahrscheinlich  altere) 
Kurzköpfe  ( Brach vkephale)  gefunden  hat:  der  »durchgreifende  Charakter« 
der  friesischen  Schädel  ist  seit  1000  Jahren  (nach  Ausweis  der  Grabfunde) 
—  nach  Virchow  —  »eine  stark  zur  Brachykephalie  neigende  Mesokephalie«, 
zusammentreffend  mit  Chamaekcphalie  (niedrigem  Schädel),  ausgeprägter 
Leptorrhinie  {schmaler  Nase)  und  häufiger  Progenie.  Dieser  Charakter  gilt, 
weniger  ausgeprägt,  auch  für  den  niedersächsisclien  Schädel,  findet  sich  aber 
in  Mittel-  und  SüddeuLschland  nur  vereinzelt.  Von  den  heutigen  Friesen 
und  Danen,  die  sich  seit  zwei  Jahrtausenden  von  allen  germ.  Stammen  ver- 
hältnismässig am  reinstim  erhalten  haben,  kommen  bei  diesen  auf  too 
^hadet  57  X^ng-,  37  Mittel-  und  6  KurzkOpfe,   auf  joo  friesische  Sdildel 


k 


II,  B.  Die  Ausbildukg  einer  besokderen  oerm.  Nationalität.  7Ü7 


jjar  nur  12  LangVöpfe,  aber  51  Miltel-  und  31  Kurzküpfe,  waLreiid  bei  den 
Mittüldeutscheti  sich  die  Langküpfc  zu  den  Kurzköpfen  wie  12:66  verhalten, 
bei  den  Altbayem  wie  1:83,  bei  den  Tirolern  [bei  Bozen)  *ie  0:90.  Es 
ist  aisu  bewiesen,  düss  wii  kein  Recht  Imbcn,  eine  anchrupologisch  einheit- 
liche ^rmanische  Rasse  anzunelimen.  Wenn  es  aber  in  \'oi;geschirhtl  icher 
2eit  eine  urgermanische  Rasse  gegeben  haben  sollte,  so  ist  diese  scliwerlich 
dolichokcphal  gewesen;  denn  uuch  der  schwedische  Schädel  hat  eine  mesa- 
kephale  und  an  Chamaekt-ithalie  grfnzt'»dc  Fomi,  und  Vtrrhow  hat  ge- 
iunden,  dass  in  den  altdiLnisrlien  Gra.beni  »niedrij^e  und  lange  Schädel  formen 
erst  im  sogenannten  Bronze-  und  nicht  mehr  im  Eiüenzeitalter  auftreten, 
während  die  Grüben>chädeli  der  Steinzeit  überwiegend  kurz  und  hoch  sind«. 

R.  Vircbow,  Bfiträgn  nur  phyiisehen  Anlkrofologit  ärr  Drtilu-A^n  mit  fur* 
sonäfrer  BtriukikkUgittig  der  Frirstn  (Aus  den  Abb.  d.  Berliner  Ak,  d,  Wiss. 
1876),  Zweiter  AWr.,  Bertin  1877.  —  J.  Hanke,  Somatüch-anthropotogücke 
ßeobaihtungCH  (in  A.  KirL'hbofrs  Anh-ilung  tur  lUutschtM  Laitdtt-  und  VolkS' 
kunde,   Snitlgart   1889,  S.  329 — 380). 

I  Noch  im  Augusc  189&  h^it  Virchow  erklärt,  daus  lemcr  Meinun(;  luich  die 

SdiSdcI  der  KclbcngrSbcr  nicht  dem  Tj'pun  des  germaniscben  ScbILdeU  enuprecben; 

die  glcicbcQ  Schädel  bat  er  auch  in  Ungarn  getuaden. 

Arno.     Lcbrreicb  ist  dos  Beispiel  der,    soweit  unsere  Kenntnis  reictt,    uDTemiiscblen 

fnnischen  Stimme:  Di«  im  allgemeinen  brünetten  Lappen  lind  ausgeprägte  Bracbykephalen, 

wie  uiK'h  ditr  dttrcbwei;  blondc^n  Finnen,   nilhreDd  die  gleichfalls  blonden  K»tcn  drr  Dolicbo- 

Jtephalie  zundcea  und  die  UralÜDnen  rein  mesokepbal  oder  fast  doUchokephal  sind. 

Geistige  Charakteristik. 

E.  M.  Arndt,  \'i-rsuch  in  vtrgUichtndfr  Völttrgruhiihtf.  Leipclg  1843.  — 
E.  du  Bois-Rcymond.  Öb*r  finf  AkademU  dtr  dfulschen  Sprache,  Berlin  1874, 
S.   II  — 13.  —   K.  M.  Meyer,  DeHXiche  CharakUre,  Berlin   1S97.   S.   1—42. 

S  26.  Die  folgenden  Bemerkungen  machen  nur  den  Anspruch  ein  Versuch 
zu  sein. 

\\'enn  wir  die  Nachrichten  der  antiken  Schriftsteller,  die  Handlungsweise 
der  gcnnanischen  Stamme  in  der  Geschichte,  die  Litteratur  und  die 
Eigenart  der  gegenwürtigen  Skadinawier,  Engländer,  Fliesen  imd  Deut* 
sehen  vergleichen,  so  finden  sich  so  viele  gemeinsame  Züge,  dass  der  Ver- 
such inner  geistigen  Charakteristik  gewagt  werden  darf.  Ich  sehe  hierbei 
■davon  ab,  dass  die  Gennanen  in  der  ersten  Hälfte  des  ersten  Jahrtausends 
unserer  Zeitreclinung  als  ein  durchaus  kriegerisches  Volk  erscheinen,  und 
dass  persönliche  Tapferkeit  das  Ideal  der  Nation  gewesen  ist,  wie  bei  andern 
Völkern  derselben  Kulturstufe.  Auch  auf  religiösem  Gebiet  scheinen  sich  die 
■Germanen  der  geschichtlichen  Urzeit  nicht  wesentlich  von  den  andern  idg. 
Völkern  unterschieden  zu  haben  '.  Überhaupt  steht  die  geistige  Eigenart  der 
Germanen  zu  der  gcmcinindogermanischen  in  dem  Verhältnis  eines  Dialektes 
zu  der  Gesarat-  bezw.  Ursprache.  Es  sollen  hier  nur  solche  Punkte  zur 
Sprache  kommen,  bei  denen  die  geistige  Eigenart  nicht  von  der  Ktilturstufe 
abhängig  ist.  Es  kann  sich  hierbei  nur  um  Kcnnzcichnimg  eines  bestimmten, 
charakteristischen  Tj-ptis  handeln.  Die  Fragt-,  wie  weit  dieser  Tj-pus  Ausfiruch 
darauf  hat,  als  Gemeingermanisch  zu  gtilten,  liegt  ebenso,  »le  beider  poli- 
tischen, der  Sprachen-  und  der  Rasseiifnigc. 

iE.  Meyer.  Geickiehie  tUs  Aiterthnrns  II.  Stuttgart  1893,  S.  43 — 51. 

§  27.  Zuvörderst  mag  die  folgende  Betrachtung  für  das  zu  beanspnicliende 
Alter  der  gemiarüschen  Eigenart  lehrreich  sein.  Das  deutsche  Reich  hat 
eine  tausendjährige  Geschiclite,  und  sclion  vor  mehr  als  1000  Jahren  tiaben 
die  nachmal-s  deutschen  Stämme  nahe  Beziehimgen  zu  einander  gehabt.  Diese 
Spanne  Zeit  hat  niclit  ausgereicht,   um  eine  besondere  deutsche  Eigenart  zu 


enlwickeln.  Wenn  wir  von  einer  solchen  sprechen,  zu  der  bisher  nur  Ansjll 
vorhanden  sinü,  so  habcu  wir  dabei  einerseits  gemeingermanis<.he  Züge  u 
Auge,  andrerseits  die  Züge  eines  bestimmten  Stummes.  Thatsärhlich  sind 
noch  heule  die  Unterschiede  zivischen  Nord  und  Süd  so  gross,  dass  man 
ganz  untl  gar  nicht  zu  sagen  berechtigt  ist,  der  Niedersachse  bilde  mit  dem 
Schwaben  eine  geistige  Kinheit  gegenüber  dem  Engländer  oder  Uflnen;  \iel- 
mehr  steht  der  crsterc  dezn  Englajider  in  Bezug  auf  seine  geistige  Vcran^ 
lagung  mintlestens  ebenso  nahe  wie  hinsichüich  der  Sprache  und  ent/emt 
sich  in  gleicher  Weise  von  dem  Oberdeutschen.  Bis  auf  den  heutigen  Tag 
bestehen  die  Individuaü täten  der  eiuzehien  gcnQHniscIicn  Stamme  fort,  viel- 
leicht am  schärfsten  ausgeprägt  heim  Bauern,  doch  auch  bei  den  Gebildeten 
tleuüicli  hervortretend.  Wir  dürfen  daraus  den  Schluss  ziehen,  dass  —  we- 
nigstens bei  analoger  politischer  Entwicklung  —  ein  Jahrtausend  nicht  genügt, 
um  der  Eigenart  der  innerhalb  eines  politischen  Verbandes  lebenden  Stämme 
einen  einheitlichen  Stempel  aufzudrücken.  Da  nun  die  Germanen  bereits 
seit  mehr  als  zwei  Jahrtausenden  nicht  mehr  als  ein  Volk,  söndem  als  ver- 
schiedene politische  Verbände  erscheinen,  ein  jeilcr  mit  einer  besonderen 
Individualiiat,  s..-!  kann  auch  das  erste  Jahrtausend  unserer  Zeitrechnung  nicht 
für  die  Ausbitduiig  einer  spezifisch  gennanischen  Eigenart  in  Betraclit  kom- 
men. In  vorchristlicher  Zeit  werden  wir  aber,  wie  das  Beispiel  der  Deut- 
schen lehrt,  mit  einem  erheblich  längeren  Zeitraum  als  einem  Jalirtausend 
zu  rechnen  haben,  so  dass  sich  die  Ansätze  zu  einer  germanisclien  Indivi- 
duallKlt  spätestens  in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Jahrtausends,  wahrschein- 
licher im  dritten  Jahrt:iusciid  v.  Chr.  gebildet  liStten.  Bis  in  die^e  Zeit  muss 
die  Sonderbildung  einer  germ.  Nationalität  hinaufreichen  (vgl  §  19). 

§  28.  Um  die  gemeingermanischen  Charakterzt^e  zu  geu-innen,  hat  man 
in  derselbe!)  Weise  vorzugehen  wie  auf  sprachlichem  Gebiete.  Einerseits 
müssen  wir  zwar  die  (jemeinidg.  Züge  im  Auge  behalten  —  freilich  ist  Ober 
diese  bisher  nur  wenig  ermittelt  ■ — ,  auszugehen  haben  wir  aber  von  den 
Individualitäten  der  einzelnen  gemi.  Stämme,  um  durch  Vergicichuug  die  seit 
Alters  gemeinsamen  Züge  zu  ermitteln.  Leider  liegt  noch  nicht  genügen- 
des Material  vor,  so  dass  die  folgende  Skizze  durchaus  unzureichend  und 
wohl  auch  einseitig  sein  dürfte.  Eine  lebendige  und  anschauliche  Schildenji 
der  Eigenart  dürfte  eher  dem  Dichter  als  dem  Geschichtsforscher  und  Philo 
lügen  gelingen.  Ich  beschranke  mich  auf  die  Skizzicrung  derjenigen  Eigen- 
schaften, in  Bezug  auf  welche  die  Germanen,  die  Mflnncr  wie  die  Frauen, 
sich  von  ihren  keltischen  und  romanischen  sowie  sla>hischen  Nachbarn  im 
Westen,  im  Süden  und  im  Osten  unterscheiden.  Nach  diesem  Maassiat 
haben  alle  im  folgenden  §  den  Germanen  zu-  oder  abgesprochenen  Eigen- 
schaften nur  relative  Geltung. 

§  2(),  Der  Gemiane  hat,  im  Vergleich  zu  den  Nachbaretämmen,  ausser^"' 
lieh  etwas  Ernstes,  Ruhiges,  Stilles,  Festes  und  in  sich  Abgeschlossenes.  Er 
geht  nicht  so  leicht  aus  sich  heraus,  ist  wenig  mitteilsam  und  schliesst  sich 
dem  Fremden  nicht  leicht  auf,  Es  fehlt  ihm  das  Ungestüm,  die  Lebendig- 
ki^it,  Beweglichkeit,  Gewandheit,  <lie  Idchte  Gefälligkeit  und  Liebenswürdig- 
keit, auch  die  Höflichkeit,  es  fehlt  ihm  die  glückliche  I-eidiiigkeit  des  hei- 
teren und  sorglosen  Lebensgenusses,  die  ungez(^elte  Lebenslust  und  Lebens- 
freudigkeit, überhaupt  die  muntere  Fröhlichkeit  und  Lustigkeit  des  Iren, 
Franzosen,  Italieners  und  Slawen.  Im  Vei^Ieich  zu  dem  el^amen  Romanen 
und  Pulea  erscheint  er  iasl  plump  und  ungcw-andt.  und  mit  dieser  Unlrt- 
holt'enhcit  ist  eine  gewisse  äussere  Unscheinbarkeit  verbunden.  Er  sieht  nicht 
aaf  äusseren  Glanz,  macht  nicht  viele  schOae  Worte,   und  wie  er  sidi  nicht 


II,  B.  Die  Ausbildung  einer  besonderen  oer».  NationautAt.  769 


vom  Schein  blenden  und  bet»"ren  lasst.  so  will  er  auch  nicht  mehr  scheinen, 
als  er  ist  Kitelkeii  und  Prahlerei  ist  seinem  ernsten  und  geschlossenen  We- 
sen fremd. 

Der  Gerraane  liat  weniger  Temperament,  weniger  heissea  Blut,  weniger 
heftige  Leidenschaften  und  ist  weniger  reizbar.  Wie  er  weniger  sinnlich  ist, 
so  crrt-ichl  auch  seine  Liebe  und  sein  Hass  nicht  die  Kraft  des  Romanen 
und  Polen.  Er  ist  nicht  so  unruhig,  iinsuit  und  ahentcuerlirh  wc  der  Kelte. 
Er  ISsst  sich  nicht  leicht  von  anderen  mit  furtrcisscu,  ist  nitlu  su  Idcht  durch 
äussere  Eindrücke  entflammbar,  folgt  nicht  augenbhcldichen  Impulsen,  Extase 
ist  ihm  fremd.  Er  bleibt  fest,  ruhig  und  besonnen,  langsam  und  bedächtig^ 
vor^üchtig  und  geduldig  und  erscheint  seinen  Nachbarn  leicht  phlegmatisch 
und  pedanii$ch,  Sein  Langmut  muss  schon  auf  eine  harte  Probe  gestellt 
werden,  che  bei  ihm  der  Jahzum  (furor  teutonicusj  ausbricht  Den  Germa- 
nen kennzeichnet  eine  ruhige  EntschEossenheit,  ja  eine  bis  zum  Eigensinn 
äch  steigernde  Hartnückigkeit,  mit  der  er  unbeirrt  sein  Ziel  beharrlich  ver- 
folgt Mit  seiner  zielbewusstcn  Energie  ist  sowohl  Bescheidenheit  wie  Be- 
ständigkeit und  Ausdauer  vereint,  dazu  Unersch rocken heit  und  nOchtemer 
Verstand,  ein  scharfer  Blick  und  ein  klares  Urteil  Er  liandell  mit  Obcr- 
legung  und  bleibt  standhaft.  I«t  er  gleich  nicht  so  rege  und  rührig  wie  sein 
westlicher  und  südlicher  Naclibar,  su  ist  er  doch  widerstandsfüluger ',  tQclitLger 
und  hat  mehr  Arbeitskraft  als  der  Kclte,  Rotnanc  und  Slawe. 
1  wenn  auch  nicht  gm^a  Hiuc  und  Durst  (Tac,  Germ.  4). 

Unter  der  rauhen  Schale  steckt  ein  echter  Kern.  Seine  äussere  Schwer- 
fälligkeit ist  gepaart  mit  einer  ehrenfesten  Biederkeit;  nut  Sinn  für  Recht  und 
Ordnung,  Gesetzlichkeil  und  Ceieditigkeit,  mit  persönlicher  Treue,  persön- 
licher Zuverlässigkeit  und  sittlichem  Ernst;  mit  einer  gewissen  Langsamkeit, 
Ungeschicklichkeit  und  Schwere  ist  eiu  schlichte«  und  gerades,  ein  ehrlicJies 
und  charakterfestes  imd  durch  und  durch  wahrhaftiges  Wesen  verbimden. 
Schlaue  Verschlagenheit  ist  ihm  weniger  eigen.  Lüge  ist  seinem  redlichen 
Sinne  stets  vcrhasst  gewesen.  Leichtfertigkeit  und  Frivolität  ist  ihm  fremd. 
Sittlichkeit  gehört  zu  den  germanischen  Tugenden. 

Was  ihm  an  Gewalt  der  Leidenschaft  abgeht,  ersetzt  der  Germane  durch 
grössere  Tiefe  der  Empfindung,  durch  grCissere  Innigkeit  des  Gemüts.  Er 
freut  sich  an  der  Natur  und  lebt  mit  ihr,  wie  es  der  Südländer  nicht  kennt 
Mit  seinem  allzeit  bewiesenen  starken  Wandertriebe  vereint  sich  eine  rüh- 
rende Heimatsliebe.  Im  eigenen  Heim  fühlt  er  sich  am  wohlsten.  Er  hat 
einen  ausgeprägten  Familiensinn.  Die  moderne  Stellung  der  Frau  beruht 
auf  germanisclier  Anschauung. 

Was  ihm  an  leichter  Regsamkeit  und  Bewegliclikcit  des  Geistes  abgeht, 
ersetzt  der  Germane  gleichfalls  durch  grössere  Tiefe.  Er  ist  ein  Idealist 
Hat  es  gleich  zu  allen  Zeiten  unter  den  Germanen  (besonders  der  Deutschen) 
Träumer  und  Schwärmer  gegeben,  die  für  das  praktische  Leben  keinen  Simi 
haben,  der  in  sich  gekehrte  grüblerische  germanische  Geist  hat  seit  andert- 
halb Jahrtausenden  die  abendländische  Welt  befruchtet.  Neben  der  Gcttissen- 
haftigkeit  und  Gründlichkeit,  neben  dem  Trieb  nach  Bildung  kennzeichnet 
den  Germanen  iiisbusundere  die  seiner  persönlichen  Selbstrindigkeil  entspre- 
che-nde  SeJbst^lndigkeit  seines  Denkens,  die  sich  eintir  andern  Denkungsart 
auf  die  Dauer  nicht  unterordnet  sondern  sich  gegen  sie  auflehnt.  Die  Ger- 
manen sind  das  Volk  des  Indi%idualLsmus,  wie  es  im  Altertum  die  Griechen 
g«wesen  sind.  Dem  Wesen  beider  Völker  widerspricht  straffe  staaüichc  Zen- 
tralisation. Politisch  zeigt  sich  der  Germaue  daher  ungeachtet  seines  zälien 
konservativen  Fcslhaltens  an  den  überkommenen  Einrichtungen  —  denn  Neue- 

Gcnnamscbc  Philolosie.  Ilt    2.  And.  49 


mngssucht  ist  ihm  frtrmd  —  durchaus  als  Denjukrat,  und  sein  Unabt 
keitssinn  und  seine  Frdheitslicbe  drängen  zur  Dezentralisierung.  Auf  religif 
Bern  Gebiete  sind  es  die  gerwiauischen  Vi^Iker  gewesen,  die  die  geistige  Des- 
potie Roms  abgeschüttelt  haben.  Freiheil  des  Glaubens,  Frdhcit  der  indi- 
viduellen Überzeugung,  Geistc^frciheit  verlangt  der  Gcrmanc.  Die  Richtung 
des  gennaniachen  Geistes  ist  im  allj,'em einen  eine  mehr  verstandesmässige. 
Ks  fehlt  dem  Germanen  an  Schünheitssinn,  an  Sinn  für  Arunut,  Fumien  und 
hannurxisches  Ebenmasa.  Aber  an  [iildungstrieb,  an  Trieb  nach  Erkenntnis 
kommt  dcju  Volk  der  Denker  kein  anderes  gleich,  und  in  den  Wissenschaften. 
haben  sich  die  modernen  Germanen  als  das  erste  Volk  der  Welt  bewahrt 

Anm.  Über  die  Griinde,  vt-icso  die  Germanen  xu  diefler  Eigenori  gekommen  siod, 
wissen  wir  gar  nichts.  Wenn  an  der  SdiwernUligkcit  und  dem  Hmsi  der  graue  Himmel 
sdiuld  wän-,  wnhnlb  dann  nadi  nicht  juilIi  liei  den  Iren  iiml  Slawt-n?  EIkt  könnte  mim 
an  dt'n  Bc-rxif  des  Seemanns  denkt-n.  Feuchte  Luft  und  erhöhirr  Luftdruck  bewirken  eine 
Henbülimmung  der  Funktionell  des  NcrvMayiteni».  also  ein  ruhigeres  Tcmpcrwnenl. 

c.   DIE  Altesten  Wohnsitze  der  germanex. 


r.    Stand  der  Frage. 

§  50.  Die  ältesten  Wohnsitze  der  Germanen  ta&sen  sich  allein  mittels 
historisclier  Kombination  sowie  auf  Grund  von  Gebirgs-,  Fluss-  und  Orts- 
namen bestimmen.  Aufwärts  haben  wir  dabei  im  Auge  zu  behalten,  dass 
die  Germanen  aus  dem  südwestlichen  Teile  Russlands  eingewandert  sind^ 
ihre  Ursitzc  daher  nicht  ostwilrts  über  die  Poljesje-Sümpfe  und  über  Gaü- 
2ien  hinaus  gesuclu  werden  dürfen. 

Anm.  Den  lUähUuirischen  Fundc-n  lassen  sich  keine  cihnot.Taphiwhcn  Argumente 
enlncbmtrn  —  mit  einer  §  5**  ^'  '■"  t*e«|'reth<!i!dei]  AiiMialiine.  Dnii  neuesten  Verbuch  G, 
KoÄStnaas,  Zs.  d.  Vcr.  f.  Volkskunde  1896,  S,  i  — 14  {vgl.  auch  IF.  VII  J"g),  auf  Grund 
der  Funde  die  ältesten  Wohnsitzv  der  G'cnruuien  zu  bestimmen,  stehe  icb  durchius  aUeb- 
nend  (fc^^'nüber,  Diima  eine  Kiillur^rfnxe  nul  einer  etbiiof^tapbiKchcn  znsammeuädleti  kann, 
liegt  tviii  nahe,  Lot  aber  nur  dann  beweisbar,  v-enn  wir  die  ctbnograf'hiscben  Grenzen  keaneam 
Soweit  dies  nicht  der  FiilL  ii^t.  knnn  die  prSbistorischc  Archäologie  nicht  lehren,  ob  und 
weit  die  einzelnen  KulluTnonen  n.iliouaie  sinil.  Mit  einiger  Walmchciulichkcit  darf  aller- 
dings ein  solcher  Schluss  gcw-agt  wcnJen,  wenn  wir  wisstn,  dass  ein  grosser  Abstand  üi 
der  Civilisation  zwischen  zwei  Xadibarvülkcrn  bestanden  hat,  wie  iwtschen  Germaoen 
Slawen,  wii'wold  luich  dann  eine  I-inienfühniiiy  tiii.tidier  bleibt,  wdangc  sie  jeder  nrue  Fn 
Indern  kaniu  Aber  von  dieser  Unsicherheit  ganz  ab}*cschcn,  eine  solche  Linie  kann  ncr 
bedingt  ai»  Nalionnlilälsgreuze  bctra<:lUet  werden,  wenn  wir  nicht  wissen  oder  vennutcil 
kOnncn,  wie  weil  etwa  diis  kulturell  überlegirnc  Viilk  wiiie  Hersthiift  ülwr  dits  Nocbbai 
ausgedehnt  hat  —  ich  erinnere  an  die  Warmer  m  Russland,  Dam  l.omrat  noch  di«  Ud*^ 
Sicherheit  der  Zeitbcstimnuing.  Bei  der  Frage  nach  der  Heinint  der  Germaoen  bandelt  ei 
sich  hauptsJkblich  um  die  Grence  gegen  die  Kelten.  Obwnlil  wir  « isiK-n.  das«  die  Kelten  im 
«llf^neinen  auf  einet  b&bcren  Ktdturstufc  standen  als  die  Germanen,  so  lebr«o  dodi  Cae- 
sars Angaben,  dass,  lüinlldi  wie  bis  auf  die  Gegenwart,  der  Übergang  von  der  westUcben 
KiUcur  zur  J^stlicbcn  Barbarei  ein  allmUblichcr  gewesen  ist,  derart  dass  die  beitadibartcn  kd- 
tiscben  und  germ.nnisj^iien  SlJLmnae  in  dieser  Beziehung  einander  nfibcr  standen  als  ibp-n  weiter 
entfernten  Scammesgenusscn.  Vgl.  Caesar,  £.Cr.  I  l :  »Belgae  . .  a  cullu  et  humanitate  pn>- 
vinciaelongissimeabsunt,  minimequcadcos  tticrtatores  »aepc  commcant  atqae  ea,  quacadcßenii- 
nandvsanimmpertinenl,  iiii|iniliint,  jir(iximi(iuc  sunt  Germaais«.  II  tg  von  den  Ner\-ti:  •nal- 
lum  aditum  esse  od  eos  mercBtoribui> ;  nihil  pati  vini  reltquaromque  rerum  ad  luxuriam  pertinen- 
tium  inferri,  quo<l  iis  rebus  rclangucscerc  animos  et  letniiti  vinutem  cxistinurent ;  esse  bomi- 
tm  fcros« :  V  42  von  denselben:  »nulLa  rtTnitnentonini  oopia«.  VIII  2^  vnn  den  Troxrit 
■quorum  clvitas  propter  Germaolae  vicinitalem  coiidianis  exeiutata  bcUis  cullu  et  frritale 
Bon  multum  a  Gcrmanis  diffcrcbat*.     IV  j  nach  der  Scbildcnuig  der  Wildheit  der  Sweben: 


II.  C.  Die  ältesten  Wohnsitze  der  Germanen.  771 


■Ubii  .  ■  ■  .  .  paitio  qiiam  HiuKlem  generi«  cetm  «unt  hum^ores,  propiem  quod  Rbe* 
ntun  Aiiinguni  mulmniquc  ad  cos  mcicatorea  vcnüunt  et  Ipsl  propter  propinquitatctn 
GftUids  sunc  moribu<i  adsucEacti«.  Vgl,  auch  V  14  und  die  §  43  tilicttc  Stelle  itu  VI  34. 
Es  bt  nicht  wahrKbeinlicli,  äanf,  diese  Vcrblltnigke,  die  in  spülerer  Zerit  ja  fortduierteo, 
in  vorgesclüchüichcr  Zeit  andcic  gewesen  sind,  mit  andern  Worten:  dass  es  je  eine 
»rch3>olOigi.sche  Otcnzc  zwischen  (jcrmanen  und   Kelten  gcgchcn  hat, 

§  31.  Die  ältesten  historischen  Nachrichten  betreffen  allein  die  Weat- 
und  Sodgrenze  der  Germanen,  also  ihre  Grenze  gegen  die  Kelten.  Die  Er- 
mittelung dieser  ältesten  Grenze  kommt  also  der  der  ältesten  Wohnsitze  der 
Kelten  auf  deutschem  Boden  gleich.  Schon  zu  Caesars  Zeit  begannen  die 
Germanen  stellenweise  sowohl  den  Nieder-  wie  den  Oberrhein  zu  Über- 
schreiten. Aber  unsere  Nachrichten  lassen  nocli  erkennen,  dass  sie  nicht 
lange  zuvor  erst  den  Rhein  erreicht  haben.  Alle  diesbezüglichen  Zeugnisse, 
von  Pythcas  und  Timaios  abgesehen,  beruhen  auf  Poseidönius,  Caesar 
oder  TimagenCs. 

2.  Kelten  in  Saddeutscbland. 
R,  Mucb,  PBB.  XVII  i  — lo. 
g  32.  Am  besten  sind  wir  aber  Suddeutschland  unterrichtet  Bevor 
Ariovist  seinen  grofaen  Heerzug  cntemahra,  reichten  nach  I'oseidönios 
die  Wohnsitze  der  Helvetii  vom  Oberrhein  abwärts  bis  iu  die  unteren  Main- 
Gegenden:  Tac,  Gfrm.  28:  >>intfr  Herc}-niam  silvam  Rhenimique  et  Moenum 
auines  Helvetii,  ulleriora  Boji.  Gallica  utraque  gcns,  tenuere.«  Dieses  Gebiet 
hatten  die  Helvetii  aufgegeben:  Ptol.  II  11  §  6  kennt  in  der  Gegend  der 
Donauquellen  ein  menschenleeres  Land:    j-^    rö)v  'EXovtjrUov   iQtjfioi;  fxixQ^ 

Anni.  VkI-  M.  Duncker,  Origimi  Gcrmanüat  1,  Habe  Saxonuni  1839,  S.  39— 
41 ;  R.  Much.  PBB.  XVII  2  — :o.  —  Eine  dvitas  der  Touloni  am  Limes  Ui  inschrifilich 
durch  einen  bei  MÜtenbrrK  am  Mniii  gefundenen  Grcnestriu  em-iescn  (vgl.  Th.  MommseR, 
Korrbl.  d.  dt.  Gesch.-  u.  AUcnhimisvereine  XXVI  (1878),  S.  85  f.).  Teutoni —  so  bei 
StrabOn  1S3.  293  stau  ToikvA'm  eu  lesen  (vgl.  Zeuss  147.225,  Mucb  6  f.)  —  i»t  aber 
der  Name  eines  helveriadien  Gauvolkr^,  Die  verlrKlcende  Gleichsetzung  jener  Toutoni  \\\\K 
diesen  Teutoni  (G.  Kossinns,  Westd.  Zs.  IX  313,  so  auch  Mucb  a.  a.  O.),  wo- 
nach die  Helvetii  Mainaufw&rts  bi»  zum  Spcssarl  geieicbt  b&tten,  dürfte  hiMoriscb  kaum 
hailbAT  sein;  denn  jene  Iniurbrifl  Kinniint  natli  Hübner  uns  di-ni  Ende  di-s  I.  Jahrhs. 
bczw.  der  zweiten  Hilftc  dos  2.  Jahihs.  n.  Chr.,  Dach  McitzcD  aus  dem  Ende  des  I. 
Jahrbn.  n.  Chr.„  und  die  Helvetii  haben  ihre  Sitze  nOrdlich  von  der  Schwcii  schon  iin  l. 
Jnbrh.  r.  Chr.  aufgegeben,  und  die  Lacdschafl  Küdlicb  des  Mains  war  zu  Caesar«  Zeit  ein« 
mcnschtnlcerc  Wüstenei  {ÄC  IV  3,  vgl.  auch  VI  33),  1;  «Si-  'Elovfjtitay  /(Jij/iotf  (Ptol.). 
Da  die  Schreibung  tnil  ou  für  altes  rti  nu(  Kelten  deutet  (§  34  Note  1},  so  wird  die  Niedcr- 
lasstitig  dieser  Toutom  «obl  in  historischen)  Ziis»inniicnh,iiig  mit  der  tjallisdiea  Besiedlung 
des  Dckumalenlandcs  stehen  (Tac-,  6Vr»n.  29),  und  da  könnten  wir  es  freilich  mit  hel- 
vetischen Toulfiiii  aiM  der  Schweiz  zu  thun  haben.  Nlheres  über  die  Toutoni  des  Millco- 
berger  Gieiizstein.*  hci  A.  Mciizen,  SitJelimg  unJ  Ag-rar>resen  der  IVesigermanen  und 
OitgtrmatKft  I,  Berlin  I&95.  S.  392—394.  403.  6aif,  wüiclbsl  auch  weitere  LitttTatur- 
asgabcn;  vgl.  noch  ebd.  in  1895,,  S.  170— 173.  Nach  Mcitzea  Toutom  =  Juihungi. 
—  H,  Möller,  ZfdA.  XXXVIII  32—27  kann  ich  nicht  tÄisiiramen.  Die  Nachricht 
des  Tacitus  bendit  auf  PoseidSnios.  Es  ist  nicht  anzunefamea,  dass  dieser  über  die 
früheren  Wohnsiue  der  HeEvctÜ  mehr  gcwosst  hat,  aJa  dass  sie  oCrdlicb  von  der  Schweiz 
nnd  <i»llich  vom  El^vis  lag--n;  wie  weil  we  nach  Norden  und  lösten  reichten,  hol  er  »chwer- 
Ikb  erfahren.  Aus  Tacitus  darf  man  aii^h  nicht  mehr  herauslesen;  den  M-iin  hat  er  bin- 
ngcAgt.  um  dem  Leser  eine  ungefMue  geographische  Anschauung  zu  cmii'^lichcn.  Dau 
■bcr  die  Boji  ausser  in  Böhmen  noch  am  Main  gewohnt  hüben  sollten,  und  zwar  zu  .Au^»gang 
des  3,  Jahrh«.  v.  Chr.  —  denn  auf  diese  Zeit  weisen  die  Xachnchten  des  Poseidönios 
Un  (S  33  tukd  60)  —  ÜHt  sieb  durch  nichts  bcwcben  noch  wahrscheinlich  oucbcn. 

49» 


S  35-  Östlicher  sassen  die  Boji:  »ulteriora  Boji  tenuere.  Manet  adhuc 
Bojohaemi  nomen  signatquc  loci  vctcrcm  mcmoriara  quamvis  mutatis  cul- 
toribus«  (Tac,  G^mt.  28).  fiojohaemum  ist  die  latini&iertc  Form  für  germ. 
Baihaim  >  deutsch  Beheim  =  Bbhmtn;  die  markomannischen  »cultöres«  Böhmens 
nannten  sich  nach  dem  Lande  Baiwaryvz  (für  * Baihaimwatjüz)  >  Baiem. 
Diese  Sitze  der  Boji  in  Böhmen  kannte  Poseidönios  noch  von  den  Kimbem- 
kriegen  hci,  und  Slrabön  VII  293  erzählt  ihm  nach:  »ßo/ov«  lov  'EqKvviOv 
ÖQVftov  obtftv  TTOüTegov '  loüf  de  KiftßQov^  6Q^i]oavza<;  hil  xov  tonov 
tovtoVy  djTOxponoi^fiTac  vjiö  icD»'  BoUov  iM  zov  "laroov  xai  rovs  ^xoq- 
dioxavi  I^aXfha^   xuTaßrjvaif   eW   ini  Tev(}imag  xai  'lavQtoxovs.*^ 

Das  heulige  Oberfranken  war  grösstenteils  von  Ur*'ald  bedeckt.  Ob  am 
mittkren  Main  die  Boji  und  Hclvcüi  aneinander  geraten,  ob  hier  ein  anderer 
keltischer  Stamm  {TovQfoj'ai  bei  Ptol.*)  gesessen,  iKler  ob  das  Land  unbe- 
wohnt war,  wisseir  wie  nicht.  Südlich  der  oberen  Donau  sassen  die  Vindelici 
und  östlich,  in  den  Ostalpen  die  Taurisd-Norici. 

I  £5  liegt  nahe  TcvTcrvoi  zu  vnbcsscni.  vgl.  §  32  Aam. 

S  34.  Wohl  aber  wissen  wir,  dass  Kelten  noch  weiter  östlich  wohnten, 
und  zwar  —  von  den  Donaulan dachaftcn  können  Äir  hier  absehen  —  in 
Mahren  und  an  den  Karpathcn.  Über  die  Volcae  s,  unten,  S.  778  f.  Dea 
Cotini  im  nordwcstliclien  Ungarn,  an  der  oberen  Gran,  bezeugt  Tac.,  Gtrm. 
43  »Gallica  lingua«.  Noch  weiter  üstlich  waren  sicher  Kehen  dieTeurisci,  die 
nach  Ptol.  III  8  in  Nordungam  wohnten,  und  die  denselben  Namen  tragen 
wie  die  Taurisci  in  Kärnten  und  Steiermark  (kelt.  eu  ist  in  der  Rümerzeit  zu 
ou  geworden,  auch  att  geschrieben*);  vgl.  zu  den  letzteren  noch  Strabön  V"II 
293  >TEVQ(atag  xal  TavQhxov^,  xal  jovrovg  faXärag^f  Unsicherer  ist  es, 
ob  die  nordungarischeii  iincl  galizischen  Anartcs,  Carpi,  Ombrones,  Sabod 
und  Co(i)stoboci  den  Kelten  oder  den  Daken- Thrakern  zuzuteilen  sind'. 

*  Vßl.  Ceunus  >■  Ccunus  Cattnus.  LeucHius  >  Lotuetiut^   Tatiattt  >■  Toutatts, 

Teutonei  >■  Tontones  und  die  Xamcn  mit  7'eutc-  >•  Johtff-,  Alcuttiu  neben  Atau- 

nae.    Boudus  neben  ßaudus.    ßoudia  neben  Baudia.   —  '  Schon  M.    DuDcker, 

Orients  Gtrmankat  I,  Hnlue  Soxonum  1S39.    S.  63  bxt  die  Teurisci,    TcuristAe 

und  Taurisci  idenütiziert.     Vgl.  auch  Zeuss  240  Anm.  —  *  W.    Tonmacbckt 

Sitxg»tKT.  d.  philo».-hi»t.  Cl.  d.  Wiener  Ak.  d.  Wi»».  CXXVUI  (1893)  105—110. 

§  35.     So   viel   steht    durch   obige    Zeugnisse    fest:    im    2.  Jahrb.    v.  Chr. 

waren  die   Germanen   auf  das   Land    nördlich   %-om  Main,   vom  Erzgebirge, 

Riesengebiigc  und   von  den  KarpaÜien   beschränkt.     Alles  südlichere  Land 

war  keltisch. 

3.     Kelten  in  Nordwestdcutschland. 

R.  Usingcr,  Du  Anfänge  d^r  deutschen  GfichUhte,\\xsxa<Ktx\%t%y  5.193 — 341. 

S  36.  Nicht  so  ausgiebig  sind  unsere  Quellen  für  N  orddcutschland. 
Dass  die  Germanen  stellenweise  erst  zu  Caesars  Zeit  den  Niederrhein  crrcicli- 
ten,  erzahlt  Caesar,  B.G.V^  y.  ^quas  regiones  Menapü  incolebant  et  ad 
utramque  ripam  fluminis  agros  aedifida  vitosque  habebant;  scd  lantae  multl- 
tudinis  aditu  |>ertcrriti  ex  his  acdificüs,  quac  trans  flunien  liabuerant,  demigra- 
verunt  et  eis  Rhenmn  dispositis  praesidiis  Germanos  transire  prohibebanL« 

§  37.  Auf  eine  frühere  Zeit  zurück  weist  die  uns  durch  Timagenfis  {2tc 
Hälfte  des  letzten  Jahrhs.  v.  Chr.)  überlieferte  Tradition  der  Druiden:  >fuissc 
populi  parteni  indigenam,  sed  alios  quoque  ab  Insulis  extlniis  confluxLs^c  et 
traclibus  transrhcnanis,  crebrilale  bellorum  cl  aü!uvione  fcrvidi  maris  sedibu» 
suis  expulsos«  (Amm.  Marc.  XV  9,  ^).  Dass  diese  also  von  der  deutschen 
Noidseeküste  kommenden  Kelten  Belgier  waren,  lehrt  Caesar,  B.G,  11  4: 
von  ihnen  selbst  erfuhr  er,    »plerosque  Beigas  esse  ortos  ab  Germanis  Rh< 


U,  C,  3-  Kelten  in  Nordwestdeltschland. 


773 


numque  antiquitus  traductos  proptcr  loci  fertilitatcm  ibi  consedisse  Gallosquc 
qui  ea  loca  incolerent,  cxpulisse.'  Die  zu  Cüesan  Zeilen  erst  südlich  vua 
der  Seine  und  Marne  beginnenden  gallischen  Hauptstflmme  wnhnten  also 
damals  nördlicher,  vielleicht  bU  zum  Niederrhein;  Ostticher,  in  den  Nieder- 
landen und  im  nordwestlichen  Deutschland,  süssen  die  keitischen  Belgier. 
Speziell  von  der  zu  Caesars  Zeit  an  der  unteren  Maas,  vim  den  Ardcnnen  bis 
zur  Scheidemündung  und  zum  Rhein  ansässigen  belgischen  Gruppe  der  Ger- 
manen (oben  S.  759)  berichtet  Tacitus,  Gfrm.  2  t  »qui  primi  Rhenum  trans- 
gressi  GaiEos  expulerini  ac  nunc  Tungri  tunc  Germani  vocati  sint.« 

Wenn  die  Mehrzahl  der  Belgier  rechts  des  Rheins  gcwuhnt  hat,  so  muss 
man  ihnen  hier,  in  Anbetracht  der  ausgedehnten  Moi»re,  ein  grusseres  Gebiet 
zuweisen,  als  sie  zu  Caesars  Zeilen  inne  hatten.  Aber  auch  wenn  der  Wort- 
laut 'plerosque  Beigas«  bei  Caesar  MelleicKt  nicht  so  genau  zu  nehmen, 
sondern  —  was  bei  Caesars  scharfer  Trennung  von  Belgae  und  Germani 
nicht  gerade  wahrscheinlich  —  etwa  nur  die  belgischen  Germanen  des 
Tacitus  gemeint  sein  sollten,  unter  denen  wiederum  bei  Mininialschatzung 
nur  die  Eburones  Caesars  verslanden  werden  könnten,  dann  müssen  wir  sie 
uns,  im  Hinblick  auf  die  Ausdehnung  ihrer  spateren  Sitze  an  der  Maas, 
mindestens  bis  zur  Ems  ausgebreitet  denken.  Doch  diese  letztere  Müglich- 
kcit  kann  nicht  zutreffend  sein.  Denn  nach  Amm.  Marc,  «'ohntcn  diese 
rechtsrheinischen  Belgier  an  der  Nordsee.  Die  belgisch-germanischen  Eburonea 
aber  reichten  zwar  bis  zur  Scheldemünduug  (Caesar,  ß.G.  IV  31.  33);  jedoch 
waren  von  der  westlicheren  Gruppe  der  Belgier  die  Menapü  noch  am  unteren 
Rhein  sitzen  geblieben;  \-gl.  die  Karte  zu  S.  796.  Folglich  müssen  es  diese 
westlicheren  Belgier  gewesen  sein,  die  luich  der  pn'esterlichcn  Tradition  einst 
in  Holtand,  Gelderland  und  etwa  bis  Friesland  gesessen  haben;  die  belgischen 
Germanen  aber  sind  nicht  von  Norden,  sondern  von  Osten  gekommen,  sassen 
also  vordem  etwü  in  Westfalen.  Wir  haben  so  al»  die  ösdichc  belgische 
MiniroaLgrenze  die  Ems  gewonnen,  werden  aber  kaum  fehl  gehen,  wenn  wir, 
ztmial  für  Westfalen,  uns  die  Belgier  bis  zur  Weser  wohnhaft  denken. 

ij  38.  Über  das  Alter  dieser  hbtorischen  Rcminiscenz  lasst  sich  nur  so 
viel  sagen,  dass  wir  vnn  Caesar  ab  aufwärts  schwerlich  mit  \-iclen  Jahrhunderten 
zu  rechnen  haben.  Das  Beispiel  der  MenapÜ  (§  36)  lehrt,  dass  dieses  Zu- 
rückweichen bezw.  Vorwärtsdrängen  der  Belgier  noch  um  die  Mitte  des  i. 
Jhs.  v.  Chr.  nicht  aufgehört  hatte.  Wir  werden  uns  also  die  belgische 
Wanderung  als  eine  allmähliche  vorzustellen  haben.  Immerhin  waren  die 
Siedlungs Verhältnisse  der  Belgier  zu  Caesjits  Zeiten  dermassen  konsolidiert, 
dass  die  Hauptmasse  nicht  spüter  als  im  2.  Jh.  v.  Chr.  ihre  rechtsrheinischen 
Sitze  verlassen  haben  kann;  die  Aduatud  wurden  von  den  Cimbri  schon 
an  der  Maas  angetroffen.  Für  die  Zeit,  als  die  Belgier  die  Weser  den 
nachdrangenden  Germanen  abtraten,  werden  wir  mit  einem  weiteren  Spiclraiun 
von  hf'tchstcns  zwei  Jahrhunderten  rechnen  dürfen.  Unser  Ergebnis  ist  also, 
dass  er*a  im  dritten  oder  vierten  Jahrlu  v.  Chr.  die  Germanen  in  Nord- 
deutschland nicht  weiter  als  bis  zur  Weser  reichten. 

Anm.  ■■  Von  Kclicn  an  der  Nordsee  erzttblt  xhon  im  4.  Jabrii.  v.  Chr.  Aristo* 
tel8«,  'H^.  Ntx.  TU  10:  »rfij  A'  &v  Tif  fiatr^^niK  ^  äva7;^rof  W  ft*ibiv  ipoßolto,  ^»Jn 
atto/iiv,  fi^Te  tÖ  Mv/iaiit,  Ma&dneQ  ffaai  tot*.  AVirtwc«  und  ^HO.  EvA,  VI  t  >oJör  ot 
Kflxoi  ncöi  rä  xvfutia  SxXa  daanöfoi  XaßtivtK.'  Da  die  Quelle  dieiet  Nacbricfai  nicbt 
frsUtehl,  so  IcAnne»  wir  nicht  wissen,  ob  niil  dit^sen  Ktitol  nicht- hellsehe  t»icT  Iwlgiscbe 
Kelten  oiler  ob  GermaneD  gemeint  sind.  Di«  Gcmuinen  dürften  äusgr^cfakisscn  stio.  wenn, 
vraa  ich  nicht  glaube,  die  Kunde  von  den  itjiüachcn  Kelten  hcrnlhrt,  welche  die  Giiecbea 
ah  Mielssoidiitcn  des  Siteren  Dionysios  t.  J,  369  in  Grieclienlaiid  seilist  kenm-n  lernten; 
cie  sind  sichei  aiugeAdüossen,  vreoo  die  Kachricbt  aul  Pylhcas  zurückgebt,  dessen  Zeit 


ich  obcD  (S-  741)1   H,  Berger  folgend,  crams  jünger  angesetzt  habe.     Ähnlich  unsiclier  ist| 
die  NationaJiiac   der    Kellen  des  Ephoros  bei   Suabön  VII  295;    vgl,    Müllenhoff, 
I>.A.  I  231.     G.   Zippcl,  Di't  JJeimat  der  Kimhtrn,  Pmjrr-,  Köoicsbcig   1893,    S.   S  f . 
ftihn    den    Bericht    des    AristotelSt   auf   Ephoros    lurQck.    und    bezieht  iho  nuf   die 
Kimbern. 

Acm.  3.     Ein  sicheres  Zeugnis  von  Kelten  an  der  Nordsee  liefert  das  zweifeUos  kcU, 
tische  "Wort  morimarnsa -^^  motXwan  marc    (FÜnius,  N.H.  IV  94,    vgl.   MUlleoboff»' 
D-A.  I  4I2 — 415):  kelt.  mori  »Meer«,  marusa  wahrscheinlich  Piirt.  Pcrf,  Act.  211  ir.   *na- 
raim  »bleibe,  lebe«,  vgl,  auch  ir.  marb  »tot-.     Anders  R.  Much,  PBB.  XVII  319  — aar. 

Anm.  3.  Eine  genauere  iZeit-  und  Orubcsiimniung  der  kelttsch/gemuiuBcbrn  Grtnxe 
■n  der  Nurdsee  Itsst  sich  aus  dem  ßt-ritht  des  Pytbeas  (S.  741)  für  die  zweite  HUfte  des 
4.  Jitbihs.  V,  Chr.  entnehmen.  Um  dies  au&zufuhren,  u*Ürde  es  einer  eingehenden  Unler- 
cuchung  bcdtirfcD,  die  anzustellen  hier  nicht  der  Ort  ist.  Ich  darf  aber  hier  weni^ieiis 
das  Er^ebni»  meiner  noch  nicht  veiOSentltditcn  Untersuchung  mittdlea:  die  Belgier  reichten 
im  Westen  noch  nicht  bis  zur  RbcinmUndting,  die  nivch  von  dvn  nicht-belgischen  Galliern 
besetzt  war;  sie  wohnten  etwa  zwischen  Zuidei-Scc  uiid  Elbe;  erst  in  Schlesw^;- Holstein 
ketint  Fjrtheas  Gerraancn. 

Anm.  4.  Nach  A,  Meitzen.  Sirdflung  un4  Agrarwcfen  der  Wntgtrmancn  und 
Ostgermaturn  11,  Berlin  1895,  S.  91— 9;  und  653  f.  (vgl,  dazu  III,  Berlin  1895.  S.  2S0 
— 318)  stimmt  das  keltische  Haus  -mit  dem  noch  heut  In  Westfalen  und  FriesUnd  üb- 
lichen Haiise  ftbemiM:heiid  aberein,  wAlirend  es  von  dem  Hause  Miltcldcatscblands,  wel- 
ches in  Grabumcn  nncb^bildet  gefunden  ist,  und  ebenso  von  dem  skandinavischen  Hause 
TOUig  abweicht'.  >I^ie  Sicdelung  der  Einzelhöfe  in  Westfalen,  Belgien  und  Frankreidi 
setzt  aber  nicht  allein  we^-n  der  lliis»eTen  Ocslall  von  Flur  und  Haus  deoseibcn  Ursprung 
wie  in  Irland  voraus,  sie  fordtrrt  auch  eine  der  irischen  entsprechende  politische  Ver- 
fassuog,  und  wUrdc  unter  den  poUtischea  Zustinden  der  Gemianea  nicht  haben  entstehen 
können.'  Cass  die  vonlringenden  Germanni  die  keltischen  Häuser  bewohnt  babco,  lehrt 
Caesar,  B.G.  IV  4,  wo  es  bei&st,  dass  die  Usipeles  und  Tenderi  die  Menapü  niederge- 
worfen »alqnc  omnibas  coram  aediücüs  occupatis  relii^iiam  pactcm  bietnis  se  eottim  coptis 
aluerunti,  Xndi  der  dem  Alias  zu  Bd.  HI  heigegebetien  Übenüchtskarte  —  vgl,  unten 
die  Karte  zu  S,  79b  —  erstrecken  sich  die  keltischen  Einzelhöfe  vom  Niederrhcio  bis 
über  Westfalen  und  lur  unteren  Weser,  fehlen  aber  Östlich  der  ^\"cscr,  in  Mittel-  und 
in  SüddeuLwhland.  Kdr  dieses  nordwesIdeutK'be  KeltenLiud  kr>nnle  »ur  an  Beider 
gedacht  werden.  Ich  verhalte  mich  einer  Idenlifiäerui^  der  gegenwärtigen  Grenzen  der 
Siedelungs-  und  Hausformen  mit  alten  Völker-  und  Stammcsgrenien  gegenüber  allerdiog;i 
skeptisch.  So  wenig  ich  her.wcifle,  das»  die  Germanen  d,is  keltische  Hau»  enüi-hnt  haben. 
Bebe  ich  doch  nicht  ein,  wie  man  aus  der  gegenwärtigen  Verbreitung  einet  entlehnt«^ 
Ktilcurcinrichtung  auf  die  tinpr<kDgUcben  MationalitAtsgrenzea  scblicsien  kann. 


4.    Kelten  an  t]cr  Weser  und  Elbe  und  in  ThOritigen. 

§  39.     Wir  fnigen,   ob  sich  für  eine  frflhere  Zeit  die  Kelten  noch  weiter 
Cstlich  nachweisen  oder  wahrscheinlich  maclicu  lassen.     Es  bleibt  K.  MqI- 
Icrhoffs  Verdien.1t,    keltische  Orts-   und   besonders   Flussnamcn  noch 
bis  über  die  Weser  hinaus  nachgevviesen  zu  haben '  —  die  keltisclien  Ort««^ 
namen  bei  Ptolemaios  sind  anders  zu  beurteilen.     Für  den  Gang  unserer^ 
Untersuchung  können  wir  von  den  westlicheren  und  südlicheren  keltischen 
Namen  wie  Rhein,  Main  u.  s.  w.  al>.4cheu.     Uns  interessiert  hier  niu^  die  Öst- 
liche   Verbreitung    solcher    Namen.      F-s    kommen    für    Nordwcatdeutschland 
hauptsächlich  die  massenhaften  Flussnamen  auf  ndd.  -apn  >■  'tpe  >  -Jtf,  hd. 
•nffa  >  -fß  oder  -//   in  Betracht,    welche   Müllenhoff   auf  kdl.  aba.    Verf. 
und  Kossinna  auf  kelt.  upä  >  idg.  «jrt  (j=  lat.  atjna)   zurückgeführt  hat^j 
Die  östlichsten  dieser  Flussnamen,  nutli  rechts  der  Weser  sind  nach   Mül' 
lenhoff  die    ]^'orpe   {<.  '  Wi'rapd),   \#elche  nordif^stlich  von   Bremen   in 
Wümme  mündet,  die  Wölpe  {<  Wilippa  1151)  und  Atpe  {<cA/apa  um  1050) 
linke  Zuflüsse  der  unteren  Aller,   die  Kasixiii  (?),  ein  Unker,   und  die  Du^ 


11,  C,  4.  Kelten  an  dsr  "Weser  und  Elbe  vxd  ts  Thüringen.  775 


ein  rechter  Zufluss  der  I-cine,  dazu  nördlich  von  Hannover,  Östlich  von  Ha- 
meln, nordwestlich  von  Göttingcn  noch  die  Ortsaamcn  Maspr,  Dörpe  und 
ScAiarpe;  keltisch  sind  in  difsem  Gebiet  nach  Mflllenhoff  femer  noch  die 
Namen  der  Wümme  «.  Wmtfna  II 39),  die  unterhalb  Bremens  in  die  Weser 
mündet,  und  der  l^ine.  Auf  hochdeutschem  Sprachboden  sind  die  ^»stlich- 
sten  Flussnamen  auf  -fe:  WaJ/e  (rechter  Zufluss  der  unteren  Wenra)  —  dazu 
noch  die  l'i/e  (linker  Zufluss  der  unteren  Wem»)  —  xaxA  Her^  {<iHeri[p]fa 
788.  874,  linker  Zufluss  der  Werra  unterhalb  Meiningens).  Demnach  hat, 
wenn  Mftllenhoff  diese  Flussnamen  richtig  gedeutet  hat,  die  Ostgrenze  der 
Kelten  einst  bis  zur  LQncburgcr  Heide  und  weiter  bis  zu  einer  Unie  Hil- 
desheim-Gottingen-Eisenach-Thüringer  Wald  gereicht. 

Müllenhoff  wagte  nicht  weiter  zu  gehen.  Sicherlich  kettiarh  ist  aber 
in  Thüringen  noch  der  Ortsname  Eisenach  (<:  mhd.  limachf  =■  Isinacha  826 
im  Tricrschcn  <  >*  fsertäcum)  und  -höciisl  verdächtig«  Trtbra  «  Tribun)  an 
der  Um  und  Unstrut,  und  wenn  die  Leine  einen  keltischen  Namtin  tragt,  so 
wird  das  Gleiche  auch  für  die  Leimt  bei  Gotha  anzunehmen  sein.  Sicher 
keltischen  Ursprungs  ist  noch  der  Name  der  Finne  «  ke!t.  penna  Kopf), 
des  Höhenzuges  südlich  der  unteren  Unstmt  Hiemach  wäre  auch  Thürin- 
gen westlich  der  Saale  altkeltischer  Boden,  näheres  §  42  imd  43  Anm.  Ich 
bin  geneigt  auch  in  Niederdeubichland  noch  weiter  ostwärts  zu  gehen  als 
Müllenhoff  und  Namen  wie  Wipper  (linker  Zufluss  der  Unstrut  und  der 
unteren  Saale)  und  Ist  (<;  Isuisa  803,  rechter  Zufluss  der  Aller)  als  keltisch 
in  Anspruch  zu  nehmen. 

I  Detuschf  AlUrlNttukumie  II,  BetUn  |8S;,  S.  309—236.  Vgl.  dazu  R. 
Henning.  Wcscd.  Zs.  VIII  1 — 51J  Ausserdem  ßlr  Heuen  W.  Arnold,  An- 
sUdetungtn  und  Wanderun^n  dtutscherStiimmt.  sumetst  nach  kessisrhen  OrU' 
namen,  Marburg  1875,  S.  43 — 60;  im  den  FltiMTiBmpn  Huf-fT/d  auch  S.  93 — 10*; 
J.  Glück.  KlrckeiM-ns  Jbli.  1866.  S.  600  f.;  J.  H.  G«]l<-r  {S'omtna  geogrnphua 
Mttrlandica,  LHileii  1893),  Tijdschr.  van  lirt  k,  XwJirlandki.Ii  aanir.  gi-ii.  1893, 
S,  52I;  H,  Jellingiiaus,  Du  vtni/dlischrn  Ortsnamrn,  Kii;l  um]  I^^iji/.ig  189O, 
S.  146  f.  Der  kelüsche  tTrs|inii»j;  dieser  FluMn.tmen  wlni  gegen  die  herschende 
Meinung  ohne  aiisr(.-icheodcn  Grund  bestritten  vna  Arnold  S.  105,  Gallie  und 
JelHugbaus  a.  a.  O.  Cber  die  Unmi'iglLchkeit  keliüchcr  Herkunft  aus  gcKhicht- 
lichen  GnindtD  a.  unten  g  69, 

§  40.  Ein  Blick  auf  die  Karte  lehrt,  dass  mit  der  der  Forschung  erreich- 
baren Ostgrenze  Lüneburger  Heidc-Harz-Sa;de,  die  sich  fast  mit  der  nach- 
maligen deutsch/slaMischen  Grenze  deckt,  die  ursprüngliche  Ostgrenze  der 
Ketten  nicht  erreicht  ist,  wenn  diese  seit  Alters  in  ßi^hmen  sassen.  Die 
westliche  Ausbreitung  der  Kelten  kann  nur  von  Österreich- Bfthmen  oder  von 
Schlesien  aus  erfolgt  sein.  Im  ersteren  Falle  kftnnen  sie  ihre  Sitze  in  Thü- 
ringen und  überhaupt  «östlich  der  Weser  nur  eingenommen  haben,  indem  sie 
von  Böhmen  aus  clbabwärts  zogen;  in  letzterem  Falle,  indem  sie  über  die 
Lausitz  die  Elbe  erreichten.  In  beiden  Fallen  muss  die  zwischen  Elbe  und 
Saale  gelegene  Landscliaft  einst  keltisches  Gebiet  gewesen  sein.  Die  ältesten 
Sitze  der  Germanen  haben  w-ir  demnach  fistlich  der  Elbe  zu  suchen.  Weiter 
als  über  dieses  Ergebnis  hinaus  kömicn  wir  nicht  mit  Siclierheit  kommen. 
Keltische  Namen,  die  wir  auf  später  slawischem  Boden  finden,  wie  z.  B.  der 
des  Rhins,  eines  Nebenflusse»  der  Havel,  können  zwar  möglicherweise  bis 
in  eine  Keltenzeit  zurückreichen;  mindestens  mit  gleicher  Wahrscheinlichkeit 
aber  können  sie  von  den  deutschen  Kolonisten  aus  ihrer  wesdichen  Heimat 
mitgebracht  wurden  sein.  Wir  sind  also  auf  die  wenigen  aus  dem  Altertum 
Oberlieferten  Namen  angettiesen.  Die  Namen  der  Elbe  {Älbis)  und  Saale 
(Äj/flj)  sind  wahrscheinlich  keltisch;  schon  das  maskuline  Geschlecht  legi  es 
nahe;  vgl.  ferner  die  franzosische  Äub<  <  Albis  (Cosra.  Rav.),  die  Elbe  als 


Zufluss  der  Latin  und  der  Eder  (neben  Ems  und  Rm);  die  fränkische  Saale, 
die  Saale  aU  Zufluss  des  Regens,  der  Salzach  u.  s.  w.  auf  altem  keltischem 
Boden'.  Kür  die  Oder  ist  bei  Ptol.  der  Name  Ot*iaÄf>i>a *  Qberliefert,  der 
mit  dem  irischen  Flusse  Ovidova  "  identisch  zu  sein  scheint.  So  Ücgl  es  nahe 
auch  für  die  Weichsel  {i'istuia),  in  deren  Quellgebict  die  Germanen  jedenfalls 
noch  Kelten  vi.irfaiiden  (S.  780).  keltisclicn  Urspmng  zu  vermuten.  —  Za 
Tß^ova  Hamburg  =  kymr.   Treva  vgl,  zuletzt  R.  Much  ZfdA.  XLI    123. 

1  Maileiiholf,  V.A.  II  213  r.  —  Die  »kadinawisclurn  FlOsse  Namens  El/r 
sind  w.ihrscbciiilicb  nub  dem  Vorbild  di'T  deutschen  £lbc  bcnaant,  ebcnwi  wie  c.  B. 
ilcr  märkische  Khin  von  den  rhrinischcn  Knlonistcn  nach  dem  Strom  drs  Matter- 
land«  benannt  sein  wird,  —  *  MulU-nboff,  D.A.  II  209.  —  ■  Ch.  W,  Glück, 
ZW*  bei  C.J.  Caesar  vorkömmenden  keltisehen  Namen.  München  1857,  S.  1 16  Anm. 

§  41.  Die  Lai^dschaft  zwischen  Weser  und  Elbe  habeu  die  Kelten  jeden- 
falls früher  aufgegeben  als  die  westlicheren  Striche,  als«;»  allerspätestens  um 
300  V.  Clir,,  vielleicht  um  mehrere  Jahrhunderte  früher '.  AHein  für  die 
Werra-Landschaft  wäre  auch  ein  spaterer  Termin  denkbar.  Hingegen  das 
nordöstliche  Thüringen  muss  noch  früher  germanisch  geworden  sein,  als  die 
übrige  Landschaft  östlich  der  Weser.  Denn  während  alle  sonstigen  kel- 
tischen Namen  nach  Vollendung  der  genn.  Lautverschiebung  aurgenotnmea 
wurden,  zeigt  der  Name  der  Fimie  die  Verschiebung  von  p  t\x  f.  Das  Be- 
treten Thüringens  und  damit  die  Lautverschiebung  der  idg.  Tenues  kann 
demnach  nicht  später  als  in  das  4.  Jh.  v.  Chr.  gesetzt  werden,  womit  natflr- 
lich  nur  der  terminus  ad  quem  gegeben  ist  Aber  wir  dQrfen  andrerseits 
annehmen,  da.ss  die  Germanen  schwerlich  um  viele  Jahrhunderte  früher  Über 
die  mittlere  Elbe  vorgedrungen  sind.  Denn  die  vor  der  Vollendung  der 
Lautverschiebung  geschehene  Besetzung  des  nordöstlichen  Thüringens  steht 
offenbar  im  lüsturisthcn  Zusammenhang  mit  der  Bedtzergrcifung  der  west- 
lichen Teile  Thüringens,  welche  nach  Auswei.s  der  Ortsnamen  nad»  Vollen- 
dimg der  Lautverschiebung  geschehen  ist;  keine  natürliche  Grenze  hemmte 
das  Vordringen  der  Germanen  über  die  Unslrut.  Wenn  der  Terminus  ad 
quem  für  das  Betreten  Thüringens  und  somit  für  die  Laut%'erschiebung  das 
4-  Jb.  ist,  so  werden  wir  den  Terminus  a  quo  kaum  über  das  Jahr  500  zurück 
ansetzen  dürfen.  Frühstcns  im  5.  Jh.,  spätestens  im  4.  Jh.  sind  also  die 
Germanen  bis  zur  unteren  Unstrut  vorgedrungen. 

I  nadi  9  38  Anm.  :  und  '}  TrUhstcn«  um  320.  Hiernach  wSrcn  also  die  Ger- 
manen cegen  .«Vusgang  de«  4.  Jakrh.«.  Über  die  untere  Elbe  voii^crllckt.  so  da«s  die 
aSi  beginnenden  (lalater/üge  möglicbcrwrcise  damit  in  hutoritcbem  Zutammealuqg 
stehen  kannten. 


5.    Kelten  in  Ostdeutschland. 

§  42.  Ob  die  Kelten  je  einmal  noch  östlich  der  Elbe  gesessen  haben 
—  auch  weim  sie  über  Schlesien  gekommen  sind,  brauchen  sie  sich  ja  nicht 
in  dem  rechlselbischen  Lande  niedergelassen  zu  haben  —  wird  sich  mit 
Sicherheit  kaum  ft:ststcllen  lassen;  doch  vgl.  zum  Namen  der  Oder  §  4a 
Wohl  aber  lässt  es  sich  wahrscheinlich  machen,  dass  mit  den  Sudeten  (§  34)* 
nicht  die  älteste  germanisch /keltische  Grenze  erreicht  ist.  Ja  es  bedarf  zunächst 
noch  des  Nachweises,  daas  die  Kelten  überhaupt  seit  Alters  bis  nach  Nord- 
ungam  hinein  gesessen  und  nicht  etwa  erst  in  späterer  Zeit  —  vgl.  die  Ga- 
laterzügc  —  von  Westen  aus  lueriicr  vorgedrungen  sind. 

Für  die  Ent-srheidung  dieser  Frage  muss  von  dem  sagenhaften  Sc^vc 
Zuge  ganz  abgesehen  werden.     Die  Tradition   bewahrte  in  Gallien  die 
nerung  an  die  früheren   keltischen  Sitze  in  Deutschland   (vgl.  für  die 


Ilf  C,  5.   KSLTEN   IK  OSTDEUTSCHLA>*D. 


777 


§  37,  Helvetii  §  32,  Boji  §  33,  Volrae  g  43).  Dieser  Thatsache  gegenüber 
ist  es  eine  Hypothese,  wenn  Caesar,  dem  sich  Tacitus  anschliesst  ß.  G. 
VI  24  die  Erkläning  giebt;  >fuil  antea  tcmpus,  cum  Gennanos  Galli  virtme 
superarent,  ultro  bella  inferrent,  propter  horainura  mulütudinem  agrique  ino- 
piaiu  Irans  Rhcnum  culoiiias  mittcrent«  Tacitus  sagt  das  nicht  so  be- 
stimmt; er  sagt  nur  aeoqiie  credibile  est«  {Germ.  28)  und  deckt  sich  durch 
Caesars  Aut'jritat,  den  er  sonst  iiidil  zitiert,  hielt  es  also  gerade  hier  für 
besonders  n»^tig.  Unsere  Sache  ist.  zu  prüfen,  ob  diese  Erklärung  richtig  ist. 
Zunächst  ist  zu  sagen,  dass  es  sich  nicht  um  eine  Vermutung  Caesars  son- 
dern um  eine  keltische  Sage  handelt,  der  Caesar  folgt     Das  beweist  Livius 

V  34:  ■Prisco  Tarquinio  Romae  regnaiite Ambigatus ,  quod  .  .  . 

Gallia  adcn  frugum  hominumque  fertilis  fuit,  ut  abundans  multitudo  vix  re^ 
videretur  posse,  ....  iam  esonerare  praegravante  turba  regnum  cupicns. 
Betlovesum  ac  Segovesum,  sorons  filios,  inpigros  iuvcnc!>,  missurum  sc  esse 
in  quas  dii  dedis&ent  auguriis  sedes  ostendit:  quantum  ipsi  vellent  numerum 
hominum  excirenl,  ne  qua  gens  arcere  advcnlentes  [>i5sset  Tum  Segoveso 
sortibus  dati  Herc_\Tiei  saltus;  Belloveso  haut  pauIo  laetir>rem  in  Italiam  \iam 
dii  dabant.«  Diese  Nachricht  geht  auf  Poseidönios  zurück,  wahrend  die 
abweichende  bei  Plutarchos  von  Tiraaios  herrührt.  Schon  die  Datierung 
des  itatisclicn  Zuges  zur  Zeit  des  Tarquinlus  Priscus  6r6 — 578  lehrt  das 
Sagenhafte  dieser  Überlieferung ' ;  denn  die  Kelten  sind  erst  zu  Anfang  des 
4.  Jhs.  nach  Italien  gekommen*.  Durchaus  sagenhaft  ist  die  Körabinienmg 
dieses  historischen  Zuges  mit  dem  nacli  Süddeulscliland.  Man  wussle  in 
Gallien  von  früheren  Sitzen  in  Deutschland  und  weil  die  italischen  Kelten 
aus  Gallien  gekommen,  so  leitete  man  gleichzeitig  auch  die  süddeutschen 
Kelten  aus  dem  vermeintlichen  Stammsitz  in  Gallien  her.  Ob  mit  dem  Sego- 
vesus-Zuge  übrigens  Süddcutschtand  gemeint  ist,  ist  zweifelhaft;  wahrschein- 
licher ist  neben  Mahren  an  llh-rien  und  Fannonien  zu  denken  (Ju.stinus 
XXIV  4  aus  gallischer  Quelle),  als  den  Ausgangspunkt  der  späteren  Galater- 
züge.  Wir  haben  allen  Grund  die  historische  Glaubwürdigkeit  dieser  Sage 
zu  bezweifeln.  Wir  wissen,  dass  früher  nur  das  nördliche  Frankreich  keltisch 
war.  Weim  wirVolcae  in  Südfrankreirh  und  am  herkvnischen  Walde  finden, 
letztere  seit  der  Zeit  vor  der  germ.  Lautverschiebung  {§20  Anm.)  ein  mäch- 
tiges Volk  in  der  Nachbarschaft  der  Germanen,  su  werden  wir  die  wolkischen 
Stammsitze  nicht  in  Südf rankreich,  sondern  in  Süddeutsch land  suchen,  so  gut 
wie  die  durch  Caesar  im  mittleren  Fniukreich  angesiedelten  Boji  nachweislich 
aus  Süddeutschland  gekommen  sind.  Zudem  be.stand  ja  neben  der  Sego- 
vesus-Sage  noch  die  geschichtliche  Erinnerung,  dass  die  Belgae  aus  Deutschland 
in  ihre  linksrheinischen  Sitze  eingerückt  sind  (§  37).  Kein  Zweifel,  die  rechts- 
rheinischen Wohnsitze  sind  älter  als  die  linksrheinischen,  nicht  umgekehrt 

M.  Diinckvr,  Ori^ines  G^rmuHtcar  f.  Halar  Sasonum  1839.  —  L,  Conizea. 
Dir  IJ'aruUrungrn  >Jer  KeUrn,  Ldpzin  18O1.  S.  63  f..  98 — IO5.  —  Muilenboff. 
D.A.  11  2^0 — alJ9,  ;7(i^a79.  —  O.  Hirscbfeld,  SiUgsbw.  d.  Berl,  Akad.  d. 
Wim-  XIX  (181)4]  331  —  347-  —  A.  BertranJ  et  S.  Rrinacb,  /<y  C^lttt  dam 
Us    vall^i  du   Pt  et  Jti   Danube,    Paris    1894. 

1  Vgl.  auch  Plinius,  ;V.  //.  XIl  5.  —  '  Dipsl- Dutierung  rühn  von  Xiebuhr 
her  imd  wird  seitdem  aJlgnnrin  angvrii^ramcn,  Dk-  Datierung  des  LiviuR  haben 
verteidigt  M.  Dunckcr,  Orignui  Germ,  uod  J.  E.  Woct^l,  Vebtr  d«n  Ztig  dtr 
Keifen  nach  Italien  und  tum  hercy-niKhrn    IValiif,  Prag   18Ö5. 

Nun  wäre  es  gleichwohl  denkbar,  dass  die  süddeutschen  Kelten  sich  wdlet 
nach  Osten  ausgebreitet  hätten  —  historisch  bekannt  ist  ja  ihre  Ausdehnung 
nach  der  Balkan- Halbinsel  — :  die  nordungarisdien  Kelten  haben  zweifellos 
seit  Alters  im  Lande  gesessen.     Die  germanischen   Quadi,   welche   hierher 


vordrangen,  haben  die  Cotini  unteTTvorfen,  die  nach  Tacituf!  {Germ.  43) 
»ferrum  effodiunt«.  Norh  weiter  östlich,  im  nordung arisch eji  Berglande  wohnten 
die  Teunsci.  Es  ist  eine  durch  zahllose  Beispiele  zu  belegende  Thatsachc, 
dass  siegreich  vordringende  Stamme  sich  in  den  fruditbaTsien  Gegenden,  in 
der  Ebene  niederlassen,  und  dass  die  Gebirgsgegenden  erst  besiedelt  worden 
sind,  nachdem  in  der  Ebene  kein  Raum  mehr  war.  In  das  Gebirge  zurück- 
gedrängt finden  wir  daher  überall  Reste  von  Stammen,  welche  einst  die  Ebene 
behcrscht  hatten.  An  rafxieme  Bedingungen  wie  die,  unter  denen  die  deutschen 
Bergleute  in  dieSudeten  und  K;jrpathcn  genifcn  wurden,  kann  ja  ganz  und  gar 
nicht  gediiclil  werden.  Ich  lialle  demnach  diese  nordungarischen  Sitze  für  uralt. 
§  43.  Dasjenige  kellische  V^olk  aber,  welches  hier  im  Osten  einst  das 
herschende  gewesen  ist,  sind  die  Volcae.  Caesar  falut  an  der  oben  an- 
geführten Stelle  B.  O.  VI  24  fort:    »Itaque  ea,   quac  fcrtilissima  Germamae 

sunt  loca  cirmm  Hercvniani  silvani, Volcae  Teclosages  occupavenmt 

atque  Ibi  consederunt;  quae  gens  ad  hoc  tempus  his  sedibus  sese  continct 
summamque  habet  iuütitiae  et  bellirae  laudis  opinionem.  Es  war  aUo  von 
den  Volcae  Tectosages,  die  wir  sonst  in  Languedoc  kenneu,  ein  Rest  in  dem 
mittlerweile  germanisch  gewordenen  Lande  zurückgebheben,  der  zu  Caesars 
Zeit  offenbar  im  Begriff  war  germanisiert  zu  werden;  denn  spater  hören  wir 
von  diesen  Vulcac  nichts  mehr,  wahrend  Tacitus  {Germ,  4.^}  dodi  noch  in 
ihrer  Nachbar5;chaft  die  Cotini  nennt  und  deren  *Gallica  hngua«  bezeug!.  Wo 
wir  ihre  Sitze  zu  suchen  haben,  ist  nicht  sicher.  Denn  der  gewallige  herky- 
nischc  Urwald  erstreckt  sich  nach  Caesar  (B.  G.  VI  25)  vom  Scliwarzwald 
bis  zu  den  Karpathcn  mit  einer  nicht  bestimmbaren  Ausdehnung  nach  Norden 
hin  (nach  Plinius,  X.If.  XVI  6  sogar  bis  an  die  Nordsee).  Hatte  Caesar 
(trotz  ß.  G.  IV  5)  das  bayrische  Franken  gemeint,  so  ^K-ürde  Tacitus  {Germ. 
28)  schwerlich  nach  den  süd westdeutschen  Helveüi  die  Koji  als  das  östlichere 
Volk  genannt  haben  (§  32).  Es  bleibt  sonach  fQr  die  Volcae  nur  entweder 
Thüringen  oder  Mahren  oder  gar  Lausitz- Schlesien-Galizien  übrig  —  Nord- 
ungarn kann  kaum  in  Betracht  kommen,  weil  dies  nicht  als  »fertilissiraa  Ger- 
maniae  loca  drcum  Hercvniani  silvam-  hatte  bezeichnet  werden  können,  und 
weil  Caesar  gleich  cbirauf  sagt,  die  Herci'nia  silva  erstrecke  sich  »ad  fines 
Dacorum  et  Anartiuni«.  Für  Thüringen  würde  zeitlich  sprechen,  dass  i&c 
Germanen  die  Volcae  noch  vor  der  Lautvetschicbiuig  kennen  gelernt  haben, 
also  Wo/k'  '>  Walh  ■:==■  penn->  Finne.  Aber  ich  halte  es  für  wahrscheinlich, 
dass  in  Thüringen  ein  ajidcrer  keliisclier  Stamm  gewohnt  hat:  die  Tcurones- 
Turones,  was  fteilicli  nicht  ausschUessen  würde,  dass  diese  politisch  zu  einem 
wolkischen  Reiche  gehört  hatten. 

Anm.  Der  Name  der  Tliürirgcr,  gmn.  Purinjü^.  »t  iil>geleit«  von  dem  Stamme 
Pur-,  d<n  wir,  mit  grammn tisch cni  Wechsel,  in  dem  NomcD  der  Kcrmua-duri  wieder- 
Anden sowie,  mit  Ablaxil,  in  dem  von  Piol.  Überliefcnen  Namen  der  Jn^Mo/afMai,  der  auf 
den  gcrm.  Landcsnamen  Ik-uriaftnima  zunJckwcbt.  Einer  analogen,  mil  hntm  gebildeten  Namta 
kennen  wir  für  Bflhmen  <^  Paja-kaim:  Brtinhiiemiun  hei  Velleius  und  Tacitus  BatvoiaSuat 
und  linX/iat  b<ri  Piolemairia.  Die  .\naloRie  der  kelttschen  Btiji  (vgl  §  33)  legi  es  nahe,  auf 
ein  kelÜKhcs  Volk  *  Tfurcnes  zti  schliefen  ',  Kin  solches  Volk  krmien  wir  duq  an  der  Loire 
bei  Tours  und  zwar  als  Turones,  deren  u  mit  eu  im  Ahlaul  ^lebl ;  vgl,  auch  Teuriid  in  Nonl- 
ungam  (§  34).  Daüa  die  sUdwentUch  der  Seine  wohnenden  Kelten  früher  bis  nach  Belgien  hinein 
ßrsessen  hitben,  Mf^-n  Caesar  und  Tacitus  [§  37,  nach  §  3a  Anm.  3  bU  über  den  Rhein 
hinaus].  In  Anlielcnchl  deuen,  Anss  die  Heimat  der  Indogernianen  weiter  t>sl]icfa  au  uahen 
ist.  müssen  sie  cinat  aiu  dem  rechtsrheinischen  Lande  gekommen  sein,  Oicm  Turona 
nun  sind  die  SOdnachbarB  der  Cenomani;  ristlicb  %-on  ihnen  wohnten  die  Senonea,  Insubres 
und  LinKon«s  bU  Lothringen.  Von  diesen  vier  Stämmen  —  iowic  von  den  Boji  —  bt  neben 
kleineren  Bruchteilen  der  tumeitt  tddlidieren  Biiuriges,  Arvcmi,  Acdtd,  Arobarri.  Cnnutci. 


Aulcrci  CID  Teil  xu  Anfang  des  4.  jAhrbü.  v.  Chr.  [oben  S.  777)  nach  Italien  gezogen,  wo  wir 
Bcitdem  die^  VoEk»mi[ri:n  antnrffen,  Da  diese  nordiuJischeti  Kellen  iwar  in  de*  Lom- 
h»rdei,  richl  nln-r  in  Picmont  und  V«ieticn  sit/m,  und  da  mich  die  Boji  vnm  XprdwMU-n 
AUS  vorgciIningcQ  sind  {MüUcnboff,  D.A.  H  3^3  f.,  256).  so  kann  die  Richtung,  wober 
äc  gekommen,  kaum  «weirelbafi  sein:  uua  der  Scbwei^',  und  da  bier  ibrc  frOliercn  Woho- 
titze  niUit  ^««ndil  wtrden  k^'^nnen.  ho  liegt  e«  am  n&chAteii,  iin«  jene  vier  SUmme  tun 
400  V.  Chr.  innerhalb  des  Stromgebietes  des  Rheins  ccwa  am  mlitteren  Rhein  ansässig  ru 
denken  und  die  Boji  Ostlich  von  ibnen.  Vgl.  Appiaaos,  Cfit.  a:  t'Avicxaxat  ^otga 
KtXrmv  rtÜv  &fiifi  rar  'Pijvov  ixarfj  statu  C^njof  he^im  y^  . .  Hoi  Ktovoifotf  .  ,  faoitfiavv*» 
Wahncbcinlich  -n-aren  schon  in  diesen  MpotfaetiscfaeD  BUercD  Sitzen  die  Tarones  die  N'adi- 
barn  der  Cenomani  tmd  Scnones,  und  biennit  würde  deren  Ansct/ung  zu  beiden  Seitca 
des  Thoringer-  und  Franken  Wal  des  im  Einklang  sieben.  Wenn  die  Gleich  seuiing  von  kelc. 
Turones  und  gern).  Purm^öt  richtig  ist,  so  müssten  die  Germanen  das  keltische  Volk  vor' 
dem  Eintritt  der  Laurrcr^iebtuig  kennen  gelernt  babcn^  und  demnach  m&ssten  die  Turonetl 
einst  etwa  an  der  Snalc  gosess^n  bähen  (§41),  Auf  einstige  noch  nsllichere  Sltie  scheint 
ihre  Namensidentitilt  mit  lien  tuniiinganscben  Teurltci  (§  34)  hinzuweisen.  —  Die  Thv- 
f^vat  am  Main  bei  Ptolcmatos  mOcfatc  ich  fem  halten,  vgl,  §  33  Xolc. 

»  Zcuss  103  Antn.  —  R.  Much,  PBBeitr.  X\^I  65.  —  H.  Hirt.eb.).  XVTH 
jtS.  —  II.  Möller,  AfdA.  XXn  t43  Anra.  und  153,  —  S  Vgl.  Plinius,  A'.  /f. 
Xn  5 :  ein  helvetischer  Werkmeister  M)1I  sie  veranlasst  haben,  nach  Italien  zu  lücfaen, 

g  44.  Dem  Umstände,  dass  dit  Volcae  Tectosagcs  m\  dem  kleinasiatischen 
Zuge  der  Galater  beteiligt  waren,  lasst  sich  nichts  Näheres  für  ihre  Sitze  um 
300  V.  Chr.  entnehmen,  es  sei  denn,  dass  sie  damals  Nachbarn  der  b-:5hmi- 
schen  Boji  gewesen,  weil  wir  Tolisto-boji  neben  den  Tectosages  in  GalaticQ 
wiederfinden.  Auf  alle  Falle  aber  müssen  die  Volcae  früher  ein  grtwses  Ge- 
biet beherscht  haben,  als  die  Germanen  sie  kennen  lernten.  Denn  nach 
diesen  Volcae  haben  die  Germanen  alle  Kelten  und  nachmals  alle  Romanen 
Walchcn  >  Wälsche  (ae.  Wealas)  genannt.  Die  Volcae  sind  dasjenige  kel- 
tische Volk  gewesen,  welclics  zuerst  in  den  Gesichtskreis  der  Germanen  trat. 
Als  die  letzteren  an  der  unteren  Elbe  auf  die  Belgae  stiesscn,  kannten  sie 
die  Kelten  bereits  unter  dem  Namen  der  Volcae.  Hiemach  ist  Thüringen 
und  weiter  etwa  die  mittlere  Eiblandschaft  schwtrrlich  tue  Heimat  der  Volcae 
gewesen.  Denn  es  ist  wenig  glaubhaft,  zumal  hei  den  archäologisch  belegten 
Handelsbeziehungen  von  Böhmen  nach  dem  Norden,  dass  die  von  der  Weichsel 
und  Oder  kommenden  Elbgcrmanen  nicht  vorher  schon  von  den  Kelten  süd- 
lich der  Sudetcci  gehört  haben  sollten.  Vielmehr  spricht  alle  Wahrschein- 
lichkeit dafür,  dass  die  Volcae  der  östlichste  Hauptstamm  der  Kelten  gewe- 
sen sind.  Es  mag  nun  sehr  wohl  sein,  dass  unr  die  herk}iiischcn  Volcae  Cae- 
sars in  Mähren,  unti  da.ss  wir  einen  weiteren  Rest  In  den  Hemmiates  an  der 
Donau kniebeuge  am  Bakonyer  Wald  zu  suchen  haben:  für  die  Zeil,  als  die 
Germanen  zum  ersten  Mal  Kelten  unter  dem  Namen  Volcae  kennen  lernten, 
muss  entweder  ihr  Gebiet  grösser  als  Mähren  gewesen  sein,  damals  geh^irten 
zu  ihnen  ja  noch  die  nacli  Südfrankreich  ausgewanderten  Volcae,  oder,  was 
für  unsere  Untersuchung  auf  dasselbe  hinauslauft,  sie  müssen  ein  grösseres 
Reich  gegründet  haben.  Es  wäre  nun  zwar  denkbar,  dass  die  Volcae  in  den 
Landen  südlich  der  Sudeten  geherscht  hatten  und  hier  den  Germanen  früher 
bckatmt  geworden  wören  als  die  Elbkelten;  es  wäre  auch  denkbar,  dass  ein 
grosses  wolkischcs  Reich  sich  bis  an  die  mittlere  Elbe  erstreckt  hatte,  so  dass 
die  Germanen  hier  zueist  den  politischen  Namen  der  Volcae  kennen  gelernt 
hatten.  Aber  ungleich  grössere  Wahrscheinlichkeit  darf  die  Hypothese  bean- 
spruchen, dass  die  Germanen  die  Volcae  nördlich  von  den  Sudelen  kennen 
gelernt  haben,  dass  ihre  frühere  Herscliaft  sich  etwa  über  Schlesien-Galizicn 
erstreckt  hat  —  vorausgesetzt,  dass  wir  hier  kellische  Spuren  fintlen. 

Müllenboff,  D.A.  U  276-281.  —  R.  Mnch.  PBB.  XVfl  to-14. 


78o 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  St&mue. 


6.     Kelten  an  der  oberen  Weichsel  und  Östlicher. 

§  45-  Die  Spuren  von  Kelten  nördlich  derSudctcn-Kaqiathen  sind  aimser- 
ordentlich  unsicher.  Es  lasst  sich  schwerlich  erweisen,  ob  in  dem  Namen 
der  Saboci  und  Coistoboci  dasselbe  keltische  -hok-  steckt  wie  angebÜch  in 
dem  Namen  der  Triboci.  ob  der  Name  der  Ombrones,  der  Britolagae,  der 
Carpi  und  der  Kariiatlien  keltisch  ist,  bezw.  wie  weit  die  ganzen  anartischcn 
Stumme  den  Kelten  oder  den  Daken  zuzuteilen  sind '.  Mehr  Licht  gewahren 
die  Verhülüiissc  bei  den  Basternen.  Schun  der  Name  erlaubt  einen  Scliluss. 
Die  Namensformen  liasl^mae  und  liastamae  sind  beide  sicher  überliefert, 
und  zwar  ist  die  mit  a  die  altere.  Einen  Wechsel  von  er  und  ar  finden  wir 
aber  nirgends  im  Germanischen*;  wohl  aber  ist  er  im  Kellischen  ganz  ge- 
wühnhdi:  vgl,  z.  B.  \4gxtV(a  (Aristoteles):  Hercyttia  (Caesar  und  alle 
folgenden),  Garmani :  fV^Twön/' (oben  S.  739),  xaQVov  (Hßsvchios):  Cemuttnos 
(inschriftl,),  maiara  maiaris  (Caesar,  Livius,  Strabön);  maicra  maUris  ^No- 
nius,  Cicero),  Vclaranehae  {in&vVidiXX.):  Vataranehae  {ms*:hr^tX.),  Aravisri  (Ta- 
citus):  Eravisci  (Plinius).  Man  darf  daher  bei  dem  Namen  liaslarnae  an 
keltische  Lautgebung  denken.  Wie  aber  kann  lüer  im  Osten  an  keltische 
Vermittlung  gedacht  werden,  wenn  nicht  tn  bastemischer  Nachbarschaft  kel- 
tisch gesprochen  wurde?  Die  germanische  Nationalität  des  Volkes  darf  — 
trotz  Livius  40,  5;:  sie  konnten  sich  mit  den  keltischen  Scordini  verstän- 
digen, >nec  enim  aut  Üngua  aut  moribus  aequales  abhorrere«  —  als  gesichert 
gelten,  nach  Pltnlus,  NM.  IV  14  und  Tac,  Gtrm.  46  »sermouc,  cultu,  scde 
ac  domiciliis  ut  Germani  agunt».  Wohl  aber  wflre  es  möglich,  dass  unter 
ihnen  noch  Kelten  im  Lande  wohnten.  Die  älteste  griechische  Namensform 
ist  >(cnidc  die  keltische  mit  ar  (für  germ.  er).  Vom  schwarzen  Jlccr  her  ist 
der  Name  den  Griechen  liekannt  geworden.  Sic  werden  geradezu  als  l'aXaiat 
berechnet,  und  Plularchos  nennt  sie  »ralaiatjov  Kilttxov  j'^voi'C  ^xitf«. 
Doch  ist  hierauf  nicht?  zu  geben,  weil  unter  /oÄärat  auch  sonst  Germanen 
mit  verstanden  werden;  Plutarchos  nennt  sie  auch  KeUoskvthen.  Ich 
halte  es  für  wahrsdieinlicli,  dass  die  Basternen  keltische  Reste  in  sich  auf- 
genommen hatten,  als  sie  da.s  Schwarze  Meer  erreichten*. 

'  R.  Mucb,  PBB.  X\T3  14  — 17,  —  '  Ich  sehe  hiwlK-i  von  dem  goi,  -ar 
<^-^r  ab  wie  in  umar,  anpar,  h;apar,  fadar,  vgl,  auch  luJtam  (mit  a  auch  aH 
Kch.)  und  kartara  (im  DnUscbco  -d").  In  ßatiernar  i»t  da»  e  Dfbenbelont 
und  dies  CTScheiot  im  GoL  niclil  als  a,  vgl.  vtdutratrna,  GneUl  aber  ßastanta^ 
witre  wie  untar  zu  erklilrfti,  mi  wilnlr  zu  erwarten  x^r,  du»  diese  Form  jünger 
ist  ala  ßasUmae,  während  fiacb  utut-rrr  Ülvcrlierening  &»&  Umgekehrte  der  FaU 
ist.  Die  ftngeblichcu  AuAarna-i-u/j  (R.  KiTgel,  AMA.  XIX  7)  dürfen  nicht  henuj- 
gczogeii  werden,  da  die  Form  ^^.'ahaMarvah  sicher  bezeugt  ist  und  natüiltch  *^ö*lI 
-narv-nii  Bbgctcill  vrerdea  muss;  acden  (ibcrdieseo  Mamen  Tb,  t.  Grienbercer, 
PBB.  XJX  530  f.  —  •  VrI.  zur  Nationaliiät  der  Basicmcn  Mflllenhoff.  DA.  M 
104  —  113  und  R.  Mych,  PBB.  XVII  34— 40.  P.  Hahncl.  Die  B^xieutting  drr 
Biistanur  Jür  das  gemtanüchf  Allerihum,  Lt-iptid  hihI  Dresden  18Ö5.  S.  33— 
38  hüJl  die  Bnsicmcn  fiir  Keller,  die  spiter  Kernifttii*ieir  ■»■urdeo. 

§  46.  Ein  sicheres  Zeugnis  für  Keltentmn  an  der  oberen  Weichsel  sdieinen 
einige  kelt  Lehnwörter  im  Gotischen  abzulegen.  Sehen  wir  von  dem  nicht 
so  sicher  zu  deutenden  got,  peika-ha^ns'^  ab,  so  bleiben  doch  drei  sicher 
dem  Keltischen  entlehnte  WOrter,  die  in  den  :mdem  germ.  Sprachen  schwer- 
lich nur  zufallig  nicht  belegt  sind:  got.  klHkn  <  kelt.  kiiikmn,  got  sipüneii 
2u  kelt.  xep-  [an.stfftcm  folgen)  und  gitt.  aÄu;  <  kelL  *0luco  {<\st\.  *o/ivom)*- 
Die  Goten  sind  auf  ihren  historischen  Wanderungen  nirgends  durdi  das  Ge- 
biet keltischer  Stimme  gekommen,  oder  wo  dies,  wie  m  Illyrien-Pannonien 
und  Oberitalien  der  Fall  war,  waren  diese  Kelten  zur  Zeil  langst  romanisicrt 


II.  C,  6.  Kelten  an  der  oberen  Weichsel  und  Ostuchek.      781 


Es  scheint  mir  daher  der  Schluss  unabweisbar,  dass  in  vorgescIiichllic!ier 
Zeit,  und  zwar  noch  nach  der  Lautveischicbung.  also  dem  5.  i.wler  4.  Jahrh.* 
(§  41,  nach  §  52  noch  im  2.  Jahrh),  Kdlcn  mit  Ostgermanen  in  BerOhnmg 
gestanden  haben.  Nur  ist  es  nicht  sicher,  ob  diese  Berührung  an  der  oberen 
Weichsel  staltgefunden  hat,  wo  die  Goten  gesessen  haben  (§  94).  Es  wäre 
auch  der  Weg  von  Wahren  üdcr  Böhmen  aus  nach  Schlesien  und  der  Mark 
Brandenburg  möglich. 

^  K.  Mucli.  PBB.  XVII.  33  r.:  vgl.  auch  F.  Solmscn.  I.  K.  V.  3441..  wo- 
nach  gni,  fi/ert'  ^lAlr^lrns  im  ausübenden  j.  Jahrb.,  wahrscheinlicher  im  4.  Jahrb. 
V.  Chr.  entlehnt  wilre. 

S  ^7.  Eine  noch  weiter  nach  Osten  weisende  Spur  bieten  vielleicht  die 
Namen  des  Dan-aster  (Dnjesir)  und  Dan-aper  (Dnjepr),  den  üriechen 
unter  den  skythischcn  Namen  Tyras  und  BitrysthcnCs  bekannt.  Die-  erstem 
Namen  sind  erst  seit  dem  4,  Jahrb.  n.  Chr.,  seit  der  Gotenzeit  belegt  bei 
A  m  nü  a  11  u  s  und  J  u  r  d  a  n  e  s  als  Damislius,  -fer  und  Dniia/fr.  Z  e  u  s  s  (S.  4. 1  o 
Anm.)  vermutet,  dies  seien  diu  gutisclicn  Benennungen.  Allein  die  gotische 
Herschaft  war  dort  nicht  von  der  Arl,  dass  es  wahrscheinlich  würe.  dass 
die  Slawen  die  Namen  von  den  Goten  kennen  gelernt  hatten,  und  dann 
fehlt  auch  eine  Etymologie  aus  dem  Germanischen.  Näher  Iflge  es,  slawischen 
Ursprung  zu  vermuten;  doch  auch  hier  fehlt,  so  y\c\  ich  sehe,  jeder  Aiüialts- 
punkt.  Fßr  keltische  Benennung  spricht  die  Parallele  Dän-uvius,  Rho-dauus, 
dün(u}  =  Stark,  vom  Gefall  des  FIus.ses'.  Die  spaten  Belege  hindern  nicht, 
die  Namen  tu  eine  um  vielleidit  ein  Jalirtausend  frühere  Zeil  zurückzu- 
datieren. Denn  so  wie  die  untere  Donau  von  ihren  thrakischen  Anwohnern 
den  Griechen  als  htros  bekannt  wurde,  und  die  Kelten  denselben  Kluss  in 
seinem  oberen  Laufe  sicherlich  schon  tauüend  Jahre  früher,  ehe  diese  Form 
belegt  ist,  D&nurim  genannt  haben,  so  wäre  es  nicht  zu  verwundem,  wenn 
die  Griechen,  auch  wenn  sie,  wie  wegen  ihrer  nördlichen  Handelsbeziehungen 
kaum  zu  bezweifeln,  später  die  Flüsse  DanoiUr  und  Danaper  nennen  hurten, 
allein  den  ihnen  vom  IJnterlauf  der  Flüsse  seit  Alters  bekannten  skyihischen 
Namen  Ty-Tos  und  ßon-sihenis  gebraucht  hatten.  Jene  ursprünglich  keltischen 
Namen  hatten  dann  die  Slawen  aufgenommen. 

I  Hwrbcr  wohl  auch  der  *Hm-t^tvöi-  Bei  RhcJanus  kiVnnlc  man  iillt-nfalU  an 
ligurüchc  N'.icnciiKcbunt:  dcnkva.  Vgl.  jedoch  iranisch  därtu-  Fliust,  thrüküch 
San-danus  und  in  Tbcsulicn  '/4.T(-Afii*rV. 

§  48.  Es  mag  hier  endlich  nuch  eine  Hypothese  vorgetragen  werden, 
welche  dieses  i'stlichc  Kcltenlum  \ielleicht  stützen  kann.  Hf-rodotos,  der 
durch  seinen  sKtigzia;  jzorafius*  =  Karpathengebirge  die  nC)rdlichste  Givnze 
seines  geographischen  Horizonts  verrät,  uud  der  sich  in  Olbia  lange  geni^ 
aufgehalten  hat,  um  genauere  Erkimdigungcn  über  den  Norden  einzuziehen, 
nennt  nördlich  von  der  skythischcn  Steppe  und  südlich  von  den  Poljesjc- 
Sümpfcn  als  wesllich.stes  Volk  neben  den  Agathyrsen  (in  Siebenbürgen  und 
jenseits  der  Karpathen)  das  nicht-skylhi.sche  Volk  der  Ntvgolj  die  demnach 
ziemlich  sicher  in  Galizien-Wolhynien  lokalisiert  .sind.  Für  die  Bestiramung 
ihrer  Nationalität  bietet  die  Werwolfsage  keinen  .Anhaltspunkt.  Es  küimte 
ein  daktsclier,  ein  germanischer,  ein  slawischer  Stamm  sein.  Gegen  dakische 
Herkunft  spricht,  dass  wir  die  Daken  sonst  nicht  so  weit  nacli  Norden  aus- 
gebreitet kennen.  Gegen  germanische  Herkunft,  dass  sich  von  diesem  Na- 
men 400  Jahre  später  keine  Spur  findet.  Für  slawische  Herkunft  würde  die 
Stadt  Niu-,  selbst  wenn  sie  jenen  Volksnamen  trüge,  noch  nichts  beweisen, 
wie  man  gemeint  hat:  eher  kannte  man  der  Lautgcbung  nach  auf  die 
NavoQot  bei  Ptolemaios  hinweisen.     Vielleicht  darf  man  an  die  kellischen 


78a 


XV.  Ethnographie  der  g&rmanischex  Stäuub. 


JVon'ri  und  ihre  Stadt  Xorej'n  anknüpfen':  tu  ist  im  keltisrhen  Munde  durrh 

ou  hindurch   zu  ö  geworden^.     Wir  hätten  dann  für  das  letite  Viertel  des 

5,  Jahrhs.  v.  Chr.  ein  Zeugnis  für  ein  ktiltischcs  Volk  nürdlirh  der  Karpathen. 

*  R.  Mucb.  Zrd.V.  XXXIX  51.  —  •  Vgl.  Brrucomajui y^  Brocoptagtu, 
C^inus'^  Couftus'^  Conuf,  ifnru"^  i'orv,  Ahunaf'^Alonae,  Boudobriga'^  Bath' 
briga,  Boutius  -a  >  Bcliuj  -a. 

7.  Die  ältesten  (germanischen  Wohnsitze, 

§  49.  So  unsicher  auch  die  in  §  44 — 48  angeführten  Argumente  scheinen 
mögen,  in  Anbetracht  dessen,  dass  uns  eine  Äichere  Kenntnis  der  ältesten 
etimographischen  Verhältnisse  für  diese  Gt^enden  versagt  Ist,  darf  man  es 
als  wa)irscheinlich  bezeichnen,  dass  die  Kelten  einst  von  der  oberen  Oder 
bis  nach  Südrussland  hinein  gereiclil  haben,  als  wahrscheinlich  dann  auch, 
dass  die  keltische  Besetzung  von  Nordwestdeutschland  von  Schlesien  und  der 
Lausitz  her,  nicht  aus  Böhmen  erfi^lgt  ist,  als  walirscheinlich  ferner,  dass  die 
Germanen  zuerst  an  der  oberen  Weichsel  auf  die  Volcae  und  damit  auf  die 
Kelten  überhaupt  geslossen  sind,  oder  dass  sie  sich  hier  seit  ältester  Zeit  be- 
rührt haben.  Als  älteste  Sitze  der  Germanen  w-ürden  sicli  in  Deutschland  hier- 
nach die  Ostsccküste  und  ihr  Hinterland  ergeben,  und  zwar  wegen  der  Be- 
rührung mit  den  Vulcae,  nidit  mit  dun  Bclgae,  das  untere  Oder-  und  Wcich- 
selland.  Gesetzt  die  Ketten  haben  einst  von  dem  Schwarzen  Meer  bis  zur 
Ostsee  gereicht,  und  die  NevQoi  Herodots  sind  Kelten  gewesen*  so  würde 
im  Hinblick  auf  die  gemeinindogcrmanischen  Wohnsitze  der  Europäer  (oben 
S.  /SÖf-,1  für  die  Germanen  kein  anderer  Raum  öbrig  bleiben  als  das  mittlere 
Südnisslajid  oder  etwa  das  untere  Weiclwelgcbiet  und  die  östlicheren  Striche 
nördlich  der  Poljesje-Sümpfe,  also  die  späteren  Wohnsitze  der  Preussen- 
Litauer-Lettcn-Jatwingcn.  Bei  der  geringen  Walirscheinlichkeit  dieser  An- 
nahme —  vor  allem  wären  dann  grfissere  sprachliche  Überemstimraungca 
zwischen  der  Sprache  der  letzteren  bezw.  der  Slawen  und  dem  Germanischen 
zu  erwarten  — ,  würde  es  näher  Hegen,  für  jene  graue  Vorzeit  die  Germanen 
unter  den  Kelten  zu  budien.  Ich  meine,  wenn  Kelteu  einst  vorn  Schwärzen 
Meer  bis  zur  Ostsee  gewohnt  haben  sollten,  so  wären  entweder  die  Germanen 
ihnen  unterthänig  gewesen,  oder  die  Kelten  wären  für  diese  Zeit  noch  nicht  als 
Kelten,  sondern  als  ein  Teil  des  Urvolks  der  nachmaligen  Germanen,  Kelten 
und  Italiker  zu  bexeirhncn,  so  dass  sich  eine  besondere  germanische  Gruppe 
erst  in  den  Ostseetändem  abgetrennt  haue.  Führen  letztere  Erwägungen 
in  eine  Vorzeit  zurück,  für  die  das  zweite  Jahrtausend  v.  Chr.  wohl  noch  zu 
spät  gegriffen  sein  würde,  so  würde  eine  für  die  Mitte  des  ersten  Jalirtauscuds 
V.  Chr.  anzunehmende  keltische  Bevölkerung  iu  Schlesien  und  weiter  ost- 
wärts nicht  in  Widerspruch  stehen  mit  den  nördlicheren  Sitzen  der  genna- 
nischen  Stämme.  Dann  aber  —  und  ich  halle  dies  für  wahrsdicinlidi  — 
hätten  wir  das  bemerkenswerte  Ergebnis  gewonnen,  dass  die  Slawen  erst  in 
verhältnismässig  später  Zeit,  wohl  erst  seit  der  bastemischeu  Bewegung,  Nach- 
barn der  Germanen  geworden  wären,  als  diese  östüclisten  Reste  der  Kelten 
absorbiert  waren,  also  vielleicht  erst  zu  13eginn  des  zweiten  Jaluhunderts  v. 
Chr.  —  es  sei  denn,  was  mclir  als  unwahrscheinlich,  dass  die  Heimat  der 
Slawen,  statt  am  nuttleren  Dnjepr,  innerhalb  des  verhältnismässig  kleinen 
Raumes  zwischen  den  Poljesje-Sümpfen  und  der  mittleren  Wciclisel  zu 
suchen  wäre;  oder,  da  dies  wohl  ausgeschlossen  ist,  dass  die  Slaven  noch 
westlich  der  Weichsel  gesessen  haben,  um  hier  später,  vielleicht  g^;en  Aus- 
gang des  ,v  Jahrhs.  v.  Chr.,  von  den  Ostgermanen  zurückgedrängt  oder  be- 
herscht  zu  werden  (§  51  f.  und  58), 


I 


II,  C,  7.  Die  Altesten  germanischen*  Wohnsitze. 


783 


Anm.  I.  Eine  oihere  Besdmniung  der  Zeit,  wann  die  Germanen  die  obere  Oder 
«rreichl  haben,  würde  sich  ergeben,  wem  sie  den  Nomco  Frrgum'a  für  den  herkyni- 
schen  ficbirgswald  von  den  Kelten  enilehnl  bitten,  was  an  sich  sehr  wohl  möglich, 
weon  atich  deatialb  nicht  beweisbar,  weil  lie  diesen  nabrlicgenden,  ursprürKlich  -Eichen- 
wald' und  dann  wohl  -Wald",  «Gcbitgswald'  übeihnupt  ^vj;!.  j/^ot.  /'air^tni  'Berg') 
bedeutenden  Naraen  luch  der  keltischen  Benennung  nachgebildet  haben  könnten.  Die 
tirteldichc  oder  richliger  vorkeUitctie  NatDensform  von  Erktitva  lautete  ^Ferkutiia^  p 
ist  gcmeinkeltisch  cir<ich wunden.  '.-JoxrVta  i«t  schon  bei  Ari'tloieVii  belegt  und  djinit 
der  Abfall  des  /  [ür  das  vierte  Juhtfa.  v.  Chr.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  dieser 
Abfall  in  Wirklichkeit  bedeutend  älter  iit.  D2  er  allen  keltischen  Sprachen  gemeinsoin 
ist,  und  weil  die  Sprachkotilinuität  der  festTändischen  und  der  britannischen  Kelten 
seit  der  Ct>er.'iedlung  der  letzteren  aufgehoben  war,  so  wird  man  den  Abfall  des  /  in 
eine  Zeit  zurück  verleben  düifen,  als  Kelten  noch  nicht  in  Britannien  wohnten. 

Hierlai  jfiebt  es  einen  'i'ennlnus  ad  qacra.  Britannien  hat  eine  dreifache  kelt]»cbe 
Bevölkerung  erhalten.  Zunächst  der  Kü«le  wuhnlcn  Belgier.  Vgl.  Caesar,  B.  G.  V 
12:  -Briunniae  pars  tnterior  ab  tu  incolitur,  quo»  natoa  in  inkula  jpii  memoria  pro- 
ditum  dicuni,  marituma  pars  ab  iis,  qui  praedae  causa  es  Belgio  (ransieranl  —  qui 
omnes  fere  iis  nomiuibua  civitatum  appellantur,  quibns  orti  ex  civilatibus  eo  pervcne- 
niQt  —  et  hello  inlato  ibi  pcrmanserunt  alque  agros  colere  coepenint.<  Vgl,  aitch 
B.  ü.  U  4:  bei  den  belgischen  Snessiores  •fuissc  regem  nostra  etiam  memona  Di*-i- 
tiacum,  lolius  Galüac  pnte»tis»ii»um,  ijui  cum  magnae  pactis  barum  rcgionuni,  tum  etiam 
Britanniae  imperium  optinucrii^.  Die  Belgier  sind  also  etwa  um  lou  oder  im /.weiten, 
frühitirns  im  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  eingcwanden,  die  übrigen  Bnttcn  so  \-iele 
Jahrhunderte  früher,  da^s  die  Rrinnefung  an  diesen  Zug  xu  Caesars  Zeit  verloren  ge- 
gangen war.  Die  Auswanderung  der  letzteren  wird  daher  spätestens  im  dritten  Jahr- 
hundert  hlaLlgefundcn  haben,  ricllcicht  sehr  viel  frälier.  Da  Pytheas  bereits  den  \anKn 
Britannien  kannte,  darf  die  britli&che  Einwandemng  nicht  später  aU  Mitte  des  4.  Jahrhs. 
angeseilt  werden.  Die  von  Caesar  bezeugte  Gleicbaicigkeit  der  hrittischen  und  gaJli- 
Khen  Kellen  und  Ihre  engen  Beiichongen  zu  einander  lassen  immerhin  den  Schlusc 
vx,  dass  die  Trennutig  nicht  in  unabmessbare  Zeilen  hinaufreicht.  SpSletteni  Mitie 
des  4.  Jahrhs.,  frühstens  um  1000  v.  Chr.  dürfen  wir  diese  Auswanderung  ansetzen, 
wobei  die  Zahl  1000  wohl  crheblich'xu  hoch  gegrlfTen  sein  dürfte. 

Nun  wissen  wir,  dnss  die  briltischen  Sprachen  in  zwei  Gruppen  zerfallen:  auf  der 
«inen  Seite  Irisch,  Schottisch  und  Mnnx,  auf  der  nndi;rn  Seite  Kf  tnrisch  und  Komisch- 
Bretonisch,  eistcre  Gruppe  Gältsch,  letztere  Britannisch  genannt.  Die  britaiQnische  Gnipp« 
steht  dem  Uallischen  nSher  alt  dem  GUiichen,  wenn  auch  jene  Übereinstimmung  nicht 
»o  weit  gehl,  dass  wir  Britannisch  und  Gallisch  zu  einer  Einheit  zusammenfassen 
döifen.  Ehe  die  Galen  von  der  Südk6&te  Englands  aus  Irland  und  Schottland  — 
vgl.  Zeuss  i^j  —  erreicht  haben,  mnss  einige  Zeit  verstrichen  sein.  Wahrsdieinlich 
haben  die  einwandernden  Brilannicr  sie  erst  so  weit  zurückgedrängt.  Wenn  nun  zwi- 
schea  Britannisch  und  Güliscb  ein  so  liefgreifeniler  Unterschied  bestebl,  so  rauss 
auch  ein  längerer  Zeiiranm  verstrichen  sein,  ehe  anf  die  Rüsche  Einwanderung  die 
britannische  fiilgcn  kunnte.  Hat  die  letztere  spSteitens  Mitte  des  vierten  Jahrbs.  v.  Chr. 
Itattgefunden,  so  dürfen  nir  die  erster«  keinesfalls  später  .ils  in  die  ersten  Jahrhunderte 
des  ersten  Jahrtausends  »clxca  —  sicherlich  eine  erheblich  zu  niedrig   gci^riffcBC  Zahl. 

Zu  Anfang  des  ersten  Jahrtausends  v,  Chr.  war  also  jedenfalls  schon  p  im  Keltj- 
schcQ  abgefallen.  Wenn  nun  gerra.  Fergunia  dem  kelt.  Pcrkunia  entlehnt  leia  sollte^ 
so  müsste  dies  in  runder  Zahl  allerspätestens  um  looo  v.  Chr.  geschehen  sein.  Dann 
worden  die  Germanen  damals  auf  jeden  Fall  schon  zum  mindesten  in  Schlesien  ge- 
sessen haben. 

Anm.  3.  Nicht  in  Betracht  gezogen  ist  bei  den  in  diesem  §  angestellten  BrwSguDgen 
die  Möglichkeit,  dass  die  Germanen  ursprünglich  die  westlichsten  idg.  Stämme  gewesen  sein 
und  al«  solche  womöglich  schon  seit  dem  j.  Jahrtausend  in  Nonlosideulschland  gewohnt 
hallen  könnten.  Dann  wäre  anzunehmen,  dass  die  Kelten  sie  über  den  Haufen  gcrannl 
und  beherscht  hätten,  ehe  sie  sich  befreiten  und  nun  erst  za  einer  germanischen  Nation 
erwuchven.  Nur  unter  dieser  Voraussetzung  dürfte  an  eine  nickt  bereits  »vm  den  Kelten 
«baorbierte  voridg.  Crbcrölkerung  gedacht  werden,  welche  die  Germanen  in  Deutsch- 
laod  vorgefunden  hätten.     Za    dem    Xami«a   HUh'   fSr    diese  L'rbevölkernng  vgl.   K. 


MüUenhoff,  ZfdA.  XI  284  und  M.  Rieger,  Arcli.  f.  Hess.  Gesch.  XV  4,  dagegen 
Fr,  Klut;e,  ^l'  Wb.  ^  unter  Hüne.  Die  nScbste  Anknüpfung  an  die  woh)  io  Hesfcn 
zu  lokalisierenden  Hünen  bietet  Itelt.  *i*»o-   -hoch-,   -gross-. 

Anm.  3.  Historisch  nicht  fruktifizteibar  ist  die  Naiaensideniität  der  Bmgunden 
mit  den  Brigante^  am  Bodensee,  in  XoTdengland  und  in  Irland;  die  der  Chaaci  mit 
den  Cauci  in  Irland  (R.  Usinger,  Dte  Anfängt  J(r  dattschrn  Ctiehühte.  HannoTcr 
18751  S.  2O5 — 209),  die  sehr  fragäiche  der  Cliallt  (Chattuarii)  mit  den  Tri-,  Velio-, 
Vidu-  und  Bajo-casses  an  der  Seine  und  in  der  Noimandie  and  den  britanniscbea 
Casii,  ebenso  wie  die  der  Wenden  mit  den  Veneli  in  der  Bretagne,  am  Bodensee 
und  in  Veneticn.  Bd  Niimensglvicldrcit,  die  anscheinend  einen  Zufall  aUAschties^t, 
wie  bei  dem  ersten  Ueispiel,  muss  allerdings  die  MägUchkeil  ins  Aage  gefaist  werden, 
dus  die  keltischen  Briganiet  etwa  Im  3.  Jahrtausend  im  nordöstlichen  Deutschland 
oder  anderwärts  gesessen,  art!  liass  die  unler  ihrer  Herschaft  stehenden  Germanen 
sich  noch  weiter  mit  diesem  ptsIitischcD  Namen  genannt  haben,  so  wie  t.  B.  die  Fran- 
EOten  noch  heute  den  Frankcnn-imen  tragen.     Vgl.  unten  S.  K03  Xote  i. 

Es  sei  bei  der  grossen  Unsicherheit  aller  dieser  vorgeschichtlichen  Verhält- 
nisse nochmals  betont:  das  einzige  s  i  c  h  e  r  c  Ergebnis  ist,  dass  die  Germanen 
s[>atcste]is  im  4.  Jahrh.  Thüringen  belrelcn  hüben  (g  41),  vorher  also,  etwa 
tan  die  Mitte  des  ersten  Jahrtausends  v.  Chr.  (Isthch  der  Elbe  mindestens 
bis  zur  Oder  gesessen  haben,  aller  Wahrscheinliclikelt  damals  nach  mit  Aiis- 
schluss  der  an  das  Gebirge  stossenden  Landachaften,  also  mit  Ausschluss  der 
Lausitz,  Schlesiens  und  des  oberen  Weichsclgcbietes.  Zur  Enlschetduiig  der 
Fnige,,  ob  sie  die  historischen  Sitze  an  der  Weichsel  von  je  her  innc  halten, 
oder  ob  sie  dieselben  erst  durch  eine  Wanderung  von  der  Elbe  oder  von 
Skadinawieu  her  erreicht  haben,  vgl,  §  40  Note  1   und  §  51  f. 

§  50.  Es  bleibt  noch  zu  untersuchen,  w-ie  weit  auch  Skadinawien  An- 
spruch darauf  hat  als  ein  Teil  der  Urheimat  der  Germanen  zu  gelten.  Die 
von  Dilettanten  aufgestellte  Meinung,  dass  Skadinawien  von  idg.  Zeit  her 
der  Stammsitz  der  Germanen  gewesen  ist',  bedarf  keiner  Widerlegung.  Auch 
die  nordischen  ArchJUiLogcn  nehmen  an,  dass  die  Germanen  einmal  von 
Süden  eingewandert  sind.  Wir  wissen,  wenigstens  für  die  für  imsere  Be- 
trachtung in  Frage  kommenden  Zeiträume,  von  keiner  andern  Bevölkcnmg 
in  Skadinawien  als  von  Germanen  und  von  spater  eingewanderten,  nomadischen, 
von  je  her  auf  einer  weit  niedrigeren  Kulturstufe  stehenden  läppen.  Wir  müs- 
sen also  schliessen,  dass  die  Funde  der  sogenannten  jüngeren  Steinzeit  und 
der  Bronze-  lukd  altert-n  Eisenzeit  gcnnaniscber  Herkunft  sind.  Die  Eisenfunde 
reichen  in  Schweden  nicht  über  den  64.  Grad  hinaus,  Bronzefunde  kommen 
nur  südlich  des  62.  Grades  vor;  in  Norft'ogcn  cnlsjjriclit  hier  der  66.,  dort 
der  69,  Grad  (vgl.  die  Karte  zu  S.  8^0).  Aus  dem  Mangel  an  Bronzegeräten 
in  der  nördlichen  Hillfte  Schwedens  müssen  wir  schliessen,  dass  die  Gennanen 
der  Broiizeperiode  nur  im  südlichen  Schweden  gewohnt  }iabcn  tuid  erst  nadi 
Bekanntschaft  mit  dem  Eisen  sich  über  Dalekarlien  und  Haisingland  hinaus 
nordwärts  ausgebreitet  haben,  femer  dass  sie  gleichzeitig  an  der  norwegischen 
Küste  erheblich  weiter  vorgedrungen  waren  wie  am  BottnLschen  Meerbusen. 
Die  ültere,  spezifisch  nordische  Bronzekuliur,  die  sich  in  Deutschland  bis 
über  die  untere  Elbe  hinaus  und  bis  zur  Prigniiz  und  Uckermark  ausge- 
breitet liat,  ist  im  Nurden  auf  das  südliche  Skadinawien  beschrankt  und 
zwar  vornehmlich  auf  die  Küstenlandschaft  Die  Gcrfl tschaften  aiLS  Stein  hat 
man  Oberwiegend  in  Dilnemark  und  G'ilarike,  also  etwa  südlich  von  dem  Ma- 
laren- und  Vcncrn-Sec  gefunden .  nur  vereinzelt  in  Svtrarikc  und  Norrland. 
Die  Westküste  Schwedens  ist  ebenso  reich  an  Gräbern  der  Steinzeit,  wie  die 
Ostküste  arm  an  solchen  ist.  In  Nor^vegen  hat  mau  nur  ein  eitiagcs 
Stcingrab   südostlich  von   Christiania  gefunden.     .»Der  grosse  Spalter«   aus 


n,  C,  7.  Die  Ältesten  oerhanischek  WoHNsir^E. 


785 


der  ältesten  Steinzeit  »ist  in  Noi^egen  nur  in  ganz  vereinzelten  Exemplaren, 
umi  gegen  Osten  zu  nur  an  den  schonischen  Küsten  in  grosserer  Anzahl, 
doch  nicht  in  den  ilbrigcn  Gegenden  Südschu-edcns ,  wo  die  jüngeren 
Sleinsaclven  in  bedeutender  Menge  vorkommen,  gefunden  worden.  Die  nürd- 
ücbslen  und  5stlichsten  Teile  des  Gebietes  der  Steinzeit  in  Skadinavien 
sind  also  im  Vcrglcicli  zu  den  dfmisclien  Inseln  erst  spat  besiedelt  wurden  >*. 
Es  kann  hiemarb  kein  Zweifel  sein,  dass  Schweden  von  Schonen  und 
der  Westküste  aus.  die  schwedische  Westküste  von  Jütland  oder  Schonen 
ai».  Schonen  von  Seeland  aus,  Skadinawien  von  Deutschland  aus  besiedelt 
worden  ist,  wie  auch  die  nordischen  Archäologen  annehmen^. 

^  Vgl.  bcHonlers  K.  Penka,  Die  Heimat  Jer  Germanen,  Wien  und  Leipzig 
1893  (=  Miuhcilungen  der  Amfcmp.  G«.  in  AVien  XXm,  Heft  2).  —  «  Sopbui 
MtlJler,  XoriiiSihe  Atterlumskuntie.  I>ctit*che  Ausgabe  von  O,  L.  Jiricjrek,  I. 
Stras&biirg  1897.  S.  40.  —  '  Freilich  meint-n  diese,  da»  Gn-mantn  schon  vor  3000 
V,  Chr.  in  Skadinawien  gebeten  hnbcu.  dne  AnDAhme,  deren  auf  der  anfechtbaren 
D'itieruiig  der  BroDzexeit  beruhende  Argumente  mir  ntcbt  «tichb.tlcig  scheinru,  und 
deren  Folgeriuißen  mit  allem,  was  wir  auf  hisiorbchcm  und  «priichlichem  Wcije 
ennittcln  kOnnen,  im  Widerspmeh  steht.  Vgl.  Verf..  AfdA.  XVIII  413—418  \mä 
unten  §  56  Anm.  Gq*cn  die  frühe  Daderucg  der  SleingrSber  Chr.  Hostmann, 
Studien  tur  vorges^hh-htlifhrn  .-Irchäplcgie,  Brntunscbweig  1890,  S.'38r.  Es  tet 
noch  darauf  hintjewiL-srn,  dass  die  noidiKben  >gros»en<  SteiogrSbcr  in  Norddeutsch» 
land  von  der  Zuidei-Sec  h'w  rur  \Vt-ithit«*l  vtirknniraen,  nicht  aber  z,  B.  in  Kussiaod 
odiT  Südilrtils^rhlAnd.  »tich  die  franiniiiwhen  Stein^rülier  hidien  andere  Formen, 
Wenn  es  »kli,  wie  wahrscheinlich,  hier  tim  einen  ethnographischen  Unttrsehied  han- 
delt, so  u'ürden  diese  SleingrAbcr  in  DeuCücbbind  nach  §  %&  nfK:h  hi.t  im  xweite 
Jahrh.  v.  Chr.  reichen,  und  früher  diirfle  also  nicht  die  Besiedlung  Norwegen»  uDd 
lies  üstlichen  und  mittleren  Schwedens  an^cieui  werden.  Zum  Alter  der  Stein/eil 
vgl,  noch  die  .lignis  impoidca  sa«a.,  deren  sich  die  Engt^Jer  in  der  Schlacht  von 
HftsttnK«  1066  bedienten. 

§51.  Nach  dem.  was  wir  über  die  ältesten  Sitze  der  Germanen  ermittelt  haben, 
kann  es  nicht  zweifelhaft  »ein,  dass  die  Skadinawicr  von  Deuisi^hland  aus  ein- 
gewandert sind.  In  §50  habe  ich  gezeigt,  dass  auf  Grund  der  vorgeschicht- 
lichen Funde  Schweden  und  Norwegen  von  Dänemark  aus  besiedelt  worden 
sein  mus*:;  Schonen  jedenfalls  von  Seeland  aus.  Bei  der  ßbrigen  schwedischen 
Westküste  konnte  man  entweder  an  Jiitland  als  Ausjiaiigspunkt  denken,  oder 
aber  dieser  Ausgangspunkt  ist  für  ganz  Schweden  und  Nor^vegen  in  Schonen 
zu  suchen.  Letzteres  ist  nach  den  vorgeschichtlichen  Funden  die  nächst- 
liegende Annalimc.  Doch  Übersehe  ich  nicht  genügend,  ob  diese  die  crstere 
Annahme  geradezu  ausschliessen.  Die  Entscheidung  ist  von  grosser  Bedeu- 
timg. Denn  wcim  die  Skadinawier  aus  Seeland  und  Jütland  gekommen  sind, 
f4y  ist  der  Ausgangspunkt  der  Bewegung  zweifellos  Holstein  gewesen.  Wenn 
aber  Jütland  nicht  in  Betracht  kommt,  sondern  nur  die  danischen  Inseln,  so 
konnten  die  ersten  Bewoliner  deraclben  ebensogut  aias  Mecklenburg  und  Vor- 
pommem*RQgen  wie  aus  Holstein  gekommen  sein.  Da  nun  die  Nordgem^a- 
nen  zweifellos  von  den  zu  Tacilus'  Zeit  an  der  Oder  imd  Weichsel  sitzenden 
Üstgermancn  ausgegangen  sind  (S.  815 — 8in)  —  die  umgekehrte  -Annahme 
verbietet  schon  die  in  §  50  (vgl.  ebd.  auch  Note  ^)  erwühnie  Tliatsache,  dass 
das  eigentliche  Gebiet  der  Steinzeit  Südwest-  und  nicht  Südostschweden  ist, 
wahrend  die  gleiche  archäologische  Periode  in  Deutschland  bis  zur  Weichsel 
reicht  — .  so  ergiebt  sich  die  weitere  Ft>lgerung,  dass  die  Oslgermanen,  zur  Zeit 
als  die  Skadinawier  nach  dem  Norden  auswanderten,  in  dem  einen  Falle  et- 
wa in  Holstein  gesessen  liaben,  um  spater  nach  Osten  zu  ziehen,  In  dem  an- 
dern Falle  schon  damals  ihre  tanleisclien  Wohnsitze  gehabt  haben  könnten. 
Da  icli  selbst  über  die  arch.lologis«.hen  Thatsachen  nicht  mit  genügender 
Sicherheit  urteilen  kann,  so  sei  erwalnit,  dass  O.  Monlcliuü.  einer  der  eisten 
Forscher  auf  diesem  Gebiete,  als  Weg  der  Einwanderung  der  Nordgetmanen 

Gcmutnlftche  PhiloIoi;(e.  III.    ^  Auft.  AO 


die  kiinbrlsche  Halbinsel  und  die  danisrhen  Inseln  vermutet  »Von  hier  aus 
siod  sie.  wie  die  Grober  und  die  verschiedenen  Farmen  derselben  lehren, 
zuerst  nach  Schonen  liinübcrgegaugcn  und  die  Westkßslc  entlang  in  West- 
gotland  ringwlningen«  '.  Sprechen  sonach  die  archäologischen  Thatsachcn 
clicr  für  Holstein  als  für  Mecklenburg- VVirpumnicrn-Rügc«  als  Ausgangspunkt, 
BO  darf  als  eine  weitere  Stütze  angeführt  werden,  dass  das  Urbild  des  nor- 
dischen Flussnamens  Elf  (<  germ.  A(hiz)  vermutlich  die  deutsche  Ellu  (lat 
Alhii)  gewesen  ist  (§  40  Note  i).  Die  Sitze  in  Holstein  könnte  man  femer 
noch  durch  die  wahrscheinlirh  fOr  Gutones  verschriebenen  Guiotus  des  Py- 
thcas  (bei  Pliiiius.  N.IL  XXXVII  351  stützen. 
»   Arvh.  f.  Anilin)!..  XVU   (1888)    155—158. 

Es  ist  also  wahrsciu-inlich,  dass  die  historischen  Sitze  der  Oslgemianen 
an  der  Oder  und  Weichsel  nicht  die  ältesten  sind,  dass  die  Ctitai  und  die 
stammverwandten  V'rtlker  vielmehr  ursprünglich  bis  zur  unteren  Elbe  gereicht 
haben  und  hier  erst  spater,  nachdem  sie  nach  dem  Osten  gezogen  waren, 
den  anglof riesischen  und  swcbischen  Stammen  Platz  gemacht  haben. 

%  $2.  Als  die  Hitcsien,  bestimmbaren  Sitze  der  Germanen  haben 
wir  also  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  die  Landschaft  zwischen 
der  unteren  und  mittleren  Elbe  und  Oder:  Schleswig-Holstein, 
Mecklenburg,  Vorpommern  und  die  Mark  Brandenburg  ermittelt. 
Dies  Ergebnis  steht  uicht  im  Widc-rsprui  h  zu  der  Annahme,  dass  sie  in  die^ie 
Sitze  von  der  Weichsel  aus  eingewandert  sind. 

Über  die  Zeil,  wann  sich  die  Germanen  von  diesen  Ursilzen  aus  weiter 
au^ebrcitet  haben,  vermögen  wir  folgendes  zu  sagen:  Wi^eu  der  Lautver- 
schiebung haben  die  Germanen  die  untere  Weser  si>5ter  als  das  nordwestliche 
Thüringen  erreicht,  letzteres  frühslciis  im  5.  Jalirli.,  sjifltcslens  im  4.  Jahrh. 
V.  Chr.  (^§41),  crsterc  vielleicht  gegen  Ausgang  des  4.  Jahrhs.  i§  38  Atun.  3 
und  §41  Note  i).  Über  die  Zeit  ihrer  Ausbreitimg  nach  Norden  und  Osten 
wissen  wir  folgendes :  Im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  sassen  die  Skadinawier  in 
Schweden,  die  Ostgermanen  an  der  Weiclisel.  Die  erslercn  künnten  sich 
nacli  §  5b  frühstens  im  4.  Jahrh.  v.  Chr.  von  den  Oslgemianen  getrennt 
haben.  Für  die  Datierunj^  der  Wamleruug  der  Ostgcrmauen  von  der  Elbe 
nach  der  Weichsel  kommen  zwei  keltische  Lehnworte  in  Betracht:  einmal 
got.  iü/Üfi,  das  nach  Vollzug  der  Lautverschiebung,  die  ins  5.  oder  4.  Jahrh.  /u 
setzen  ist  (§  41),  zum  andern  got.  a/iw,  das  nach  F.  Solmseu  (IF.  V  344  f.) 
späteslerxs  im  ausgehenden  3.  Jahrh.,  wahrscheinlicher  im  4.  Jahrli.  v.  Chr. 
entlehnt  worden  ist.  Also  wahrscheinlich  im  4.  Jahrh.  oder  spatesiens  gegen 
Ausgang  des  3.  Jahrh.  haben  die  Goten  bereits  mit  den  Kelten  in  Böhmen, 
Mähren  oder  an  der  oberen  Weichsel  (.S.  ;8o  f.)  Berührung  gehabt.  Dass  die 
Goten  damals  nc^h  in  dem  Lande  rechts  der  unteren  Ellie  gesessen  halten, 
halte  ich  für  ausgest  blossen,  weil  sie  eben  nur  dem  Gotischen  eigen  sind  und 
nicht  den  Wesigermanen,  durch  deren  Gebiet  hindurch  sonst  die  Wilrter 
importiert  worden  w;iren.  Die  Auswanderung  di-r  Goten  nach  dem  Osten 
dOrftc  aEso  nicht  spütcr  als  iu  das  3.  Jahrh.,  wahrscheinlicher  bereits  iu  das 
4.  Jahrh.  (wenn  nicht  früher)  fallen.  Je  nachdem  man  die  Konjektur  GniO' 
nes  für  Guiotifs  (§  51)  für  wahrscheinlich  halt  —  es  kommen  daneben  n«xh 
die  Konjekturen  Sttiones  (jj  55)  und  Ensuiorus  (§  M2  Atun.)  in  Frage  — , 
wirfl  man  dns  aasgehende  4.  Jahrh.  v.  Chr.  als  Terminus  a  quo  für  die  oist- 
lichc  Avisbreilung  annehmen.  Wir  dürfen  also  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
die  Besiedlung  von  Ostdeutschland  in  runder  Kahl  iu  das  Jahr  300  v.  Cht. 
setzen.  Um  2on  v.  Chr.  ersrhemen  bereits  die  ostgermanischen  Sciri  mit 
den  Basternen  am  Schwarzen  Meer. 


II,  C.  8.    Keltenherschaft  in  DsirrscHLAMu. 


7«7 


8.     Kcltenherschaft  in  Deutschland. 

§  53.  Suchen  wir  uns  die  politischen  Verhaltnisse  der  Germanen  in  der 
iweiten  Hälfte  des  erst*^n  Jahrtausends  v.  Chr.  zu  vergegenwärtigen,  so  Iflsst 
sicli  der  Gedanke  kanm  abweisen,  djiss  die  Germanen  längere  Zeit  von  den 
Kellen  politisch  abhängig  gewesen  sind.  Mindestens  seit  der  Mitte  des  ersten 
Jahrtausends  v.  Chr.  grenzten  die  Germanen  im  Westen  und  im  SOdcn  und 
wahrscheinlich  auch  im  Südosten  an  keltische  Stämme,  eine*  Nachbarschaft, 
die  auch  bei  den  veränderten  Wohnsitzen  am  Rhein  und  an  der  Donau 
Uinger  als  ein  halbes  Jahrtausend  Fortbestand.  Die  Kelten  waren  den  Germanen 
an  Kultur  und  insbesondere  an  Kriegsslilrke  überlegen»,  sowohl  mms  (Ue  Zahl 
als  die  Waffen  anbelangt.  Lassen  diese  Umstünde  schon  auf  ein  politisches 
Übergewiclit  der  Kelten  schUcsseii,  so  sprechen  deutlicher  noch  Thalsachen 
auf  dem  Gebiet  der  Sprachgeschichte  dafür,  dass  die  Germanen  der  Ur- 
zeit, wenigstens  zum  Teil,  von  keltischen  Stammen  längere  Zeit 
hindurch  nicht  nur  kulturell  sondern  auch  politisch  abhängig 
gewesen  sind.  Ich  will  hierher  nicht  eine  Reihe  von  zum  Theil  vor  der 
germ.  Laut  Verschiebung  datierbaren  Kulturentlehnucgen  aus  dem  Gebiete  des 
Kultus,  der  Verfassung«-  und  Kriegsgeschichte  rechnen,  wie  die  germ.  Eni^ 
lehnung  von  kelt.  'Janaros  Donnergott,  ttetttet  Wahlesheiligtum,  r\^  König, 
caht  hart,  fest  =  Held,  ambakios  Diener,  ^ehh-  Geisse!,  «7//o-  Eid,  treb  Dorf 
(nur  im  Fries,  und  Ae.i,  tiünori  befestigte  Stadt,  \samon  Eisen,  ealu  Kampf, 
marko-  Sireitross,  f^ais&n  Ger  (Kluge,  Grdr."  I  S.  324  f.),  obwohl  derartige 
Entlehnungen  den  obigen  Schluss  nahe  l^en  —  vgl.  als  Gegenstück  zur  Zeit 
•der  Germanen  herschaft  die  ins  Romanische  eingedrungenen  germ.  Wörter 
wie  Mundwalt  =  Vonnund,  Treue  =  Waffenstillstand,  Burg,  Band  =  Fahne, 
ßraud  =  Schwert,  Helm,  Sjxtrn,  Brünne.  Spiess;  ebenso  vgl.  die  slaw.-lir. 
Lehnwörter  aus  dem  Germ.,  hei  Kluge.  Grdr.  I*  S,  3'n  unter  a).  Auch 
von  der  Übereinstimmung  keltischer  und  germanischer  Völkcmamen  (§  44 
Anro.  3)  will  ich  hier  absehen.  Keinen  andern  S<hhis.s  aber  lassen  meines 
Erachtens  zu: 

i)  Die  zum  Teil  vor  der  Lautverschiebung  anzusetzende  Entlehnung 
der  keltischen  Personennamen  (vgl.  Kluge,  Grdr.  I*  S.  326)  wie 
*Catetot^gs  >•  Halicfn\ic  >  Hfidmh,  CntumCkros  ">  Hapum^ris  >■  Haditmar^ 
Caturigi  >  llapurMiz  Z>  ffaäurick,  Caha>t>leos  >  iiapmvothoz  >  Uaihiwalh, 
Ciul6f\gi  !>  Hhponkz  >■  Liidrirk,  Cimomörvs  t>  IInrtom<rris  >  Jittnmar, 
Dagomüras  y>  Dagomrfriz  >■  Dagmar,  Segomäms  >•  SegrzmtJfriz  >  Siegmar, 
7aneorigS  >  fiof&ioni:  7>  Dunkrieh.  7eut{i)»f\;^s  >  pfnäofikz  >■  Diefriffi. 
Visiif^gs  >  Wisiinkz  >■  Wisiirich^  Jec/i/n'i/s  >■  alld.  Wfhtiir,  l'ivjlö  >■  nVrr/- 
/ö(«).  und  des  hervorragend  altertümlichen  irischen  Frauennamens  Brigit  "> 
ahd.  PttrguHi.  Muss  auch  bei  einigen  dieser  Namen  —  schon  im  Hinblick 
auf  kelt.  m/iros  =  genn.  mern's  —  die  MAglichkeit  offen  bleiben,  dass  sie 
den  keltischen  Namen  nachgebildet  sind  ohne  in  der  keltischen  Ijiutform 
angenommen  worden  zu  sein,  so  dass  sie,  wie  etwa  die  Namen  mit  fritu'  = 
germ.  Aa/«-  trotz  der  Lautverschiebung  erst  später  als  diese  bei  den  Ger- 
manen aufgekommen  sein  könnten  und  sind  auch  andere  Namen  sicher- 
lich nach  der  Lauivers*chic-bung  entlehnt,  so  ist  dixh  ein  Name  wie  thiu- 
T.^/eos  =  /fttfiuTi-'}/Ao: .  dessen  zweiter  Bestandteil  kehl  germanisches  Wort 
enthalt,  ein  sicherer  Beweis  dafür,  dass  die  Germanen  bereits  vor  der  I^nut- 
vcrschiebung,  also  etwa  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrtausends  v.  Chr., 
wenn  nicht  früher,  keltische  Eigennamen  angenommen  haben,  und  die  Glei- 
chung BrigH  =  Bttr^imp-  weist  elier  in  eine  frühere  als  in  eine  spätere  Zelt 

flO» 


zurüde.  Für  die  geschieht]  iche  Bedeutung,  welche  der  Annahme  fremder 
Eigennamen  beizumessen  ist,  haben  wir  viele  Beispiele.  Wenn  klassische 
oder  biblisclie  Namen  bei  uns  Eingang  gefunden  haben,  so  ist  ein  analoger, 
litterarischer  Einfluss  keltischer  Kultur  für  die  germanische  Urzeit  ausge- 
schlossen. Hingegen  darf  ;in  die  zahlreichen  Namen  erinnert  werden,  welche 
die  Romanen  von  ihren  gciiuanisclK-n  Herren  angenommen  haben,  wie  Hugo> 
Hüdebrand,  Manfred,  Alfons,  Rodcxich,  Ludwig,  Günther,  Walthcr,  Karl. 
Desgleichen  lehrreich  sind  die  bei  den  Slawen  infolge  gennanisclier  Herschaft 
heimisch  gewordenen  Namen  wie  Waldcmar  (Wladjimir),  Roderich  (Rurik), 
Ingwar  (Igor),  Helgi  (Oleg),  Helga  (Olga). 

2)  Die  germanisclic  An  fangsbeto  nung.  Die  bisherige  Betrachtung 
lehrt,  dass  die  Obereinstimmung  der  germanischen  Betonung  mit  der  keltisch- 
italischen'  schwerlich  auf  Zufall  beruhen  wird,  dass  wir  vielmehr  nach  §  17 
anzunehmen  haben,  dass  die  Germanen  ihre  Betonung  den  Kelten  nachge- 
ahmt haben,  ähnlich  wie  spater  die  i>orbcn  und  t'echen  den  Deutschen. 
Wahrend  die  Kelten  nad»  §  4g  Anni.  i  schon  um  1000  v.  Chr.  die  Aiifangs- 
betonung  hatten  ^  kann  diese  nach  §  ^b  bei  den  Germanen  frühestens  im 
4.  Jalirh.  V.  Chr.  Platz  gegriffen  haben.  Im  4.  Jahrh.  oder  spfltcr  liabcn  also 
Germanen  unter  so  andauernder  keltischer  Herschaft  gestanden,  dass  viele 
von  ihnen  (etwa  die  leitenden  Kreise)  zweisprachig  waren  und  daher  gewisse 
Eige:ilDmlichkdteii  der  keliiöcliLTi  Sprache,  darunter  die  Accentzurückziehung 
auf  die  germanische  Muttersprache  übertragen  konnten  Ähnlich  wie  heute 
die  hochdeutsche  Ausspraclie  des  sp~  und  s/-  auf  die  plattdcutsclic  über- 
tragen wird.  —  Im  Anschluss  an  die  Accentverschiebung  ist  wahrscheinlich 
auch  die  Allittemiiou  zu  betrachten*. 

Über  die  Zeit  dieser  Keltcnher*chaft  kOnncn  wir  nur  sagen,  dass  sie  vor 
der  germ.  Lautverschiebung,  also  im  5.  oder  4.  Jahrh.  v.  Chr.  (§  41)  schon 
bestand,  und  dass  sie  im  4.  Jahrh.  noch  bestand.  Unsere  historischen  Nach- 
richten lassen  erkennen,  dass  gegen  Ausgang  des  2.  Jahrlis.  v.  Chr.  von  einer 
solchen  Herschaft  jedenfalls  keine.  Rede  mehr  sein  kann^  Das  Keltenreich, 
dem  germanische  Stamme  unterthan  waren,  ist  wyhl  östlicli  der  Elbe  zu 
suchen.  Es  ist  möglich,  dass  dieses  Reich  das  der  Volcae  geweswn  i.*it  (§  44^. 
Wahrscheinlicher  dünkt  es  mich,  dass  ein  anderer  benachbarter,  grösserer  Stamm 
die  Germanen  unCenA-orfen  hat.  Ich  denke  dabei  an  die  Parallele,  vie  die  den 
Franken  potitisrh  unterworfenen  Franzosen  ihre  deuf^chen  Nachbarn  /!//«•- 
mands  genannt  haben.  Nach  den  späteren  politischen  Veriialtnissen  ist  kaum 
anzunehmen,  dass  die  Germanen  sich  durch  Waffengewalt  von  der  keltischen 
Herschaft  befreit  haben.  Vielmehr  werden  die  Kelten  ausgcwatidert  sein, 
wie  die  Volcae  nach  Sudfrankreich  und  Kleioasien  gezogen  sind,  und  die 
zurückbleibenden  Reste  werden,  wie  die  Volcae  (ij  43),  germanisiert  worden 
sein.  Da  die  Kehenher.sciiaft  im  4.  Jahrh.  nuch  bestand,  darf  wohl  an  deo 
Einbruch  von  transalpinischen  Kelten  nach  Italien  im  Jahre  305  und  vor 
altem  an  die  zu  Anfang  des  3.  Jahrhs.  beginnenden  GalaterzUge  erinnert 
werden,  an  denen  besonders  die  Boji  und  Volcae  beteiligt  waren.  Es  liegt 
daher  nahe,  dass  jenes  postulierte  keltische  Reich  an  der  mittleren  Elbe  ge- 
radezu das  der  Boji  gewesen  sei. 

^  Vgl.  Cnoar,  jS.  G.  VI  24:  .(uit  anten  tempu»,  com  Crrmanos  Galti  virtiue 
:iupen>rvm*.  Ntidi  den  ^wuhigen  Ansturm  der  Cimbri  »nd  TcutoDcs  vcnmichtca 
die  Buji  stcgreidi  abruwclirr^n.  Erst  seit  jtnw  Zeit  tri«  die  kriceerixchc  Ober- 
IcjjcDhcit  der  (rtminnen  hervor.  —  '  Thurneyien,  Rf\'tic  CHtiqur  VI  Jijf. 
unil  Rhein.  Mus.  \.F.  XLIII  349.  Brugmann,  frriiiuirrsi  der  vgl,  (iramm. 
der  iJg.  Sprachen  2  I  g  1068  und  1073.  Kluge,  Gntr.  3  I  ^88  f.  —  *  Nach  H. 
Z t m m  <-■  r ,     Zur    uHgiblicheit    'gemein'^tsteuropääi.hrn    Jurfttrtgeiung*    in :     Gifc- 


t 


II,  C,  9-  Die  Ausbkeitukg  uer  Germ.vsen  in  vorchristlicher  Zeit.    789 

rupfllUkAumiKlI,    Feitgab«  f.  A.  Weber.  Leipzig:  iSg6.  S.  79  ff..  h»t  das  UrkcUücbc 
noch  den  idc.  Accent  bcwftbrt.  —  *  Thuincyscn,    ^'crhftndlullE«Il  der  43.   Vcr«. 
d.  Phil,  zu  Köln  1895,  S,   ; 55  f.  und  lA.  1  S4  f-  —  °  ^Vrio%iii  war  der  Iteltbchcß 
Sprache  erst  -mulu  loEginqaa  cooBuctudinc*  mltinljj  pcw-ordcn  {Ciesüi,  B.G.  I  4;). 
Anm.    I.     H.  d'Arbois  de  Jubainville.    /*"j  crigints  gaulotsrs.    Revue  hMtoritjue 
XXX  [18S6)  1—48  (engliKh:    C^ltic  M»gaxine,  May  1S87,    S.  305  fl*.),  nimmt  an,  da« 
die  tieiondcrec  Bcziehtmgen  rwUcben  kcIiiKherr    titid    e*"™"'*'^*^^^    Woruchai/    inrdge 
der    KeUcnherschart    über    gemumiscfae   StAmme    aus    dvm  4.  Juhrb,  (/eil  de»  S^^^■w^ls- 
zt^o,  oben  S.   777)  Mammen  und  elwa  In«  txki  Mitle  des  3.  Jahrh.4.  v.  Chr.  reichen.     Vgl. 
auch  dcrv.,   Ctttts  and  Gtrmatu   1886  und  Lts  prfmitrs  habilants  dt  l'Hurapf^,   2  Bde.. 
Paris   tJI89.   1894.     Cbcr  Übereinstimmungen  zwischen  kelL  und    grrm.  juru>ti«dien  Aus- 
drucken der»,.  Mein.  wie.  )inj;.  VII  386. 

Anm,  3.  A.  Meilzen  schliessl  aus  den  nordwesuieuiachen  Sl«IIungs«rhiiinissetl  auf 
«ine  den  Kellen  cnik'bnie  politiichc  Verfassung,  vgl.  §  38  Anm  4. 

y.     Die  Ausbreitung  der  Germanen  in  vorrhristlicher  Zeit. 

§  54-  Wenn  wir  die  Ausbreitung  der  Germanen  seil  den  letzten  2*/|JaIir- 
tausenden  verfulgcn,  so  lassen  sich  Wer  verschiedene  Perioden  untereclieiden : 
1)  die  vonömist:he  Zeit  bis  aufAriüvist,  2)  diu  Ausbreitung  Qbcr  das  römlsrhe 
Kaiserreich,  3)  die  Kolonisation  des  deutschen  Ostens,  .])  die  Besiedlung  von 
Nordamerika,  Südafrika  und  Auslralien.  Zwischen  jeder  dieser  Perioden  liegt 
eine  längere  Ruhezeit.  Wenn  w  von  der  allmllhlichcn  Aui^breitung  in  Ska- 
dinawipn  und  Grossbritannien  abschen,  so  bedeutet  die  erste  Periride  ein 
Vordringen  i^^^cn  die  Kvllen,  die  zweite  gegen  die  Romanen,  die  dritte  gegen 
die  Slawen  und  die  \ierte  gegen  nirht-europSische  V'iilkcr  und  besonders 
die  flesiedlung  bisher  unbebauten  Landes.  Dem  Zweck  der  vorliegenden 
Arbeit  entspricht  es,  wenn  auf  die  geschichtlich  bekannten  Ereignisse  nur  in 
aller  Kürze  hingewiesen  wird. 

In  diesem  Abschnitt  soll  nur  die  erste  Periode  behandelt  •werden.  Die 
sp,1teren  Perioden  kuinmeu  zwctkin/Issigcr  bei  der  Gescliichte  der  einzelneu 
germanischen  Stamme  zur  Darstellung. 

a)  Kordgcrmanen. 

§  55.  Ich  beginne  mit  der  Besiedlung  SkadinaiA-iens.  Nach  §  .51  ist 
anzunehmen,  dass  die  Nordj^crmancn  über  Schleswig- Holstein  nach  Däne- 
mark gekommen  sind,  zunächst  .Srlionen  und  die  schwedische  Westküste 
besiedelt  haben  und  sidi  dann  erst  weiter  über  das  südliche  Schweden  und 
Norwegen  ausgebreitet  haben.  Eine  Zeitbestimmung  scheint  mir  auf  Giund 
■der  Ausgrabungen  nicht  möglich  zu  sein'.  Auch  für  das  erste  Uetrcten 
der  dänischen  Inseln  und  Schönens  lüsst  sich  kein  Datum  finden,  es  sei  denn 
dasa  man  Plinius,  A'//.  XXXVII  ,55  Sttiorus  für  fr/y/an«  l.lse  und  demnach 
die  Schweden  für  die  Zeil  des  Pytheas  (.\usgang  des  4.  Jahrhs.  v.  Chr.)  nach 
Schleswig-Hotslein  .tetzen  wntlr.  Wenn  man  Gutomt  liesst  und  also  für  die 
Zeit  des  P\theas  Goten  an  der  Elbmündung  luinimmt  {§  51  f.),  so  konnten  die 
sehwcthschen  Gauten  sich  um  viele  Jahrhunderte  früher  von  jenen  getrennt  haben. 
Andrerseits  darf  man  wenigstens  so  ncl  behaupten,  dass,  wenn  die  Ostger- 
manen etwa  im  dritten  Jahrh.  v.  Chr.  von  der  Etbc  aus  nach  Osten  gezogen 
sind  (ii  52),  die  Skadinawier  damals  mindestens  schon  in  Danemark  gesessen 
haben  werden.  Natürlich  kann  dies  auch  um  Jalirhuiiderte  früher  der  Fall 
gewesen  sein,  aber  viel  früher  ist  niclii  wahrscheinlich,  weil  nach  ihrer  Trennung 
von  den  Cfstgcrmanen  die  Sprachkoniinuitat  aufliörle  und  wir  sonst  grüsscre 
sprachliche  Unlcrschiedt.-  erwarten  raüssten,  als  sie  thatsäclilich  vorhanden  sind. 
'  Doch  v;;!.  §  50,  Xoie  3,  wonach  die  Besiedlung  Norwegen*  und  de»  milderen 
Schwedens  nicht  früher  als  ins  3,  Jahrb.  t,  Chr.  zu.  MDen  wfire. 


790 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  StXuue. 


§  56.  Auf  alle  Falle  bedeutet  die  BesicdluiiR  Skadinawiens  die  erste 
geographische  Trennung  germanisrlitr  Stumme  und  damii  den  ersten  erkenn- 
baren Anlass  zur  Differenzierung  der  germanischen  Dialekte.  Vor  die  Zeit 
der  Trennung  fallen  folglich  diejenigen  sprrfchlirheji  Erscheinungen,  welche 
allen  gcrm.  Sprachirn  vun  Alters  Her  gemeinsam  sind,  bei  denen  also  die 
Mf'iglichkeit  als  aus^e-sriilossen  gt-ken  darf,  dass  sie,  wie  z.  B.  der  Lautwandel 
fl  >  '5,  sich  in  den  Einzekiialekten  selbsUindig  entwickelt  haben  können. 
Zu  den  zweifellos  urgemoiinischcn  SprachcrsL-hcinungcn  gehört  in  erster 
Reihe  die  Lautverschiebung,  das  Vomcrsche  Gesetz  und  die  Betonung  der 
ersten  Silbe  des  Wortes.  Gelingt  es  uns  die  zeillich  letzte  dieser  Erschei- 
nungen zu  datieren,  so  liaben  wir  damit  einen  Terminus  a  quo  für  die  Be- 
siedlung Skadinawiens  gewonnen.  L)ie  germ.  Lautverschiebung  kann  nach 
^  41  nicht  früher  hIs  in  das  ,v  Jülirh.  und  nicht  spater  als  in  das  4.  Jahrh- 
V.  Chr.  fallen.  Das  Vemersche  Gesetz  muss  mindestens  um  eine  Generation 
spater  gewirkt  haben.  Die  wiederum  jüngere  Zurückziehung  des  exspirato- 
rischen  Accentos  auf  die  erste  Silbe  kann  demnach  frühstcns  in  das  4.Jahrh. 
gesetzt  werden.  Frühstens  im  4.  Jalirh.  also  haben  sich  die  nachmaligen 
Skadinawier  von  den  Oslgerraanen  getrennt.  Dass  dies  scliwerÜch  spiller  aU 
um  das  Jahr  300  v.  Chr.  geschehen  sein  kann,  geht  daraus  hcr\*or,  dass  uiu 
jene  Zeit  die  Ostgermanen  Holstein  verliessen  oder  schon  verlassen  hatten 
(§  S5)'  Auf  eine  verhältnismässig  junge  Zeit  der  Besiedlung  weist  auch  die 
altnordische  Sprache  hin,  clcre-n  Runenin-ichrifien  aus  Schleswig,  Dänemark, 
Schweden  und  Kurwcgeu  noch  im  4.,  5,,  6.  und  7.  Jahrh.  n.  Chr.  fast  keine 
dialektischen  Unterschiede  aufweisen,  was  zumal  angesichts  der  geographischen 
Verhaltnisse  ausgeschlossen  sein  würde,  wenn  die  Bevölkerung  seit  länger  als 
eittem  Jahrtau.send  im  Lande  ansässig  gewesen  wäre.  Da  sich  au  der  Be- 
siedlung Skadinawiens  verschiedene  Stämme  beteiligten  (S  85),  su  ist  es 
durchaus  wahrscheinlich,  dass  die  Auswanderung  sich  über  einen  längeren 
Zeitraum  erstreckt  hat.  Begonnen  hat  sie  im  4.  Jahrh.  v.  Chr.  Nach  §  50 
Note  3  dürfte  die  Besiedlung  Norwegens  und  des  östlichen  und  mittleren 
Schwedens  nicht  früher  als  ins  2.  Jahrh,  v.  Chr.  gesetzt  werden. 

Anm.  Nacb  Sophus  Müller,  .VordistA^  All^rtutrukunde,  deutsch  von  O.  L.  Jlri- 
cüvk,  ),  Straasburg  iSrj;,  S.  294  und  374  f.  slml  die  AJtcriÜmET  aus  der  älttTcn  nordi- 
«chi^ii  Broji/czL-it  hnu;it\ik*)ilk)i  auf  Avn  H'irdßilliclirn  Teil  wo  Hannover,  Mccklenbui^ 
Schleswig- Kolstein.  Jütland,  Füncn.  Seeland  und  Bomholm  bcschrSnkt  Piff  jOnficre 
Bronzwcit  reichte  an  der  (isWecküMe  weiter  und  umfiisst  noch  das  südlichere  Schwwk-n, 
Wenn,  wie  k.iiini  lif/wriWi  wcnK-ii  kitnn,  wir  v%  mit  i;rnnnniscliiT  Rfvfilkining  <«  ihiia 
)islK-n.  iK>  wilrden  wir  foli;crn  düricn.  dass  t\x  der  Zeit,  -aus  die  Gcnnanim  oncb  &süich 
der  Weser  und  westlich  der  Oder  siis-scn.  das  südliche  Schweden  nxrh  nicht  l}c^edelt 
war.  Nur  Kclit-inliar  widiTsprichl  dem  die  Thalsache,  ilos»  da«  ».üilhdie  Schweden  eine 
reiche  StiL-inz^-itlttiliur  aufweist.  Der  unverw'lutlidica  steinerceo  Waffen  bat  ntan  sich 
noch  weit  bis  in  die  Hiienzcii  binein,  m>ch  Aber  dos  enlc  nacbchriytlicfae  Jahnaujcnd 
hinJiuii  (S.  785  Xote  j)  hetüeiiL  Da»  Ende  der  ältoTen  Bronzezeit  wäre  demnach  bedeutend 
früher  anziueixen  als  das  Ende  der  Sleinreit,  wÜhrenJ  die  jüngere  Brnnxezeit  ^nach  §  lob 
Note  I  erst  nm  1000  n.  Chr.  abgeschlosstn)  etwa  ebca^io  lange  wie  die  Stelrueit  gedauert  baL 

§  57-  ^'ie  weit  die  Skadinawier  sich  im  i.  Jalirh.  n.  Chr.  ausgebreitet 
hatten,  wi.sscn  wir  nicht  sicher.  Wenn  Tacitus  {(Unti.  44  und  45)  die  »Suio- 
num  civttatea<  und  »Sitonum  gentes«  nennt,  so  werden  die  Skadinawier  da- 
mals jedenfalls  schon  über  Schonen  liinatis  gereicht  haben;  dass  die  Suiunes 
hcrcib  im  heutigen  Svearike  zu  suchen  seien,  ist  damit  nicht  gesagt.  Eher 
lassen  des  Plinius  Warte  (X. //.  IV  f}b)  »Hillevionum  gente  quingentia. 
incoleute  pagis«  im  Vergleich  zu  den  loct  Gauen  der  Scmnen  den  Schhias. 
2u,  das  ein  grosser  Teil  von  Schweden  von  Germanen  bewolmt  wucde.  Pto- 


H,  C,  Q.  Die  Ausbreitung  dek  Gekuaneh  in  vorcuristlicuer  Zeit.   791 

lemaios  (II  11,  35)  kennt  in  ^xavÖia  sieben  Vfilker,  von  denen  die  west- 
lichen Xm^ttvol  mit  den  norwegischen  Heidnir.  die  südlichen  /oi-ro*  mit 
den  südsLlnvcdistrhcii  GauUir  und  die  mittleren  Zvc<bvat  (so  wahrscheinlich 
statt  ÄF.vfhvm  zu  lesen)  mit  den  Svear  zu  identifizieren  sind.  Hiernach  ist 
es  walirsciieinlich,  dass  die  Nordgcrmancn  im  1.  Jalirh.  oder  zu  Bcgiiui  des 

2.  Jahihs.  n.  Chr.  bereits  in  Norwegen  sassen  und  in  Schweden  bis  über  die 
SteinzeiTgrenze  (§  50),  also  bis  über  den  Venem  und  M.'ilaren  vorgedrungen 
waren.     Über  ihr  weiteres  Vordringen  gegen  Xordeu  s.  S.  831. 

b)  Ostgennanen. 

§  58.  Über  die  Ausbreitung  der  Ostgermanen  (Goten)  nad»  der  Weiclisel 
hin  ist  bereits  §  52  gehandelt  wnrden.  Das  Östlichste  germanische  Voll;  sind 
die  Baslernen,  und  dereri  sowie  der  Sciri  Auftreten  ani  Schwarzen  Meer 
um  200  V,  Chr.  bedeutet  nächst  der  Besiedlung  Skadinawiens  die  zweite 
historische  Wanderung  germanischer  Stumme,  mag  diese  Wanderung  nun 
eine  ?Vi|ge  der  (gotischen)  Besetzung  des  wesUichen  Polens  sein  udcr  nicht. 
Keine*)fatls  haben  die  Basternen  und  die  sich  ihnen  anschliessenden  Stamme 
das  ganze  Gebiet  vr^n  den  Sudeten  ab.  wo  Ptolemaios  das  Teilvolk  der 
^iöuivti  (vgl.  Slrabön  306)  nennt,  bis  zum  Schwarzen  Meer  und  zur  Wa- 
lachei inne  gehabt;  sie  waren  in  dieser  Landschaft  vielmehr  nur,  Mmlich  wie 
spater  die  Goten  das  herschende  Volk,  und  ausser  den  kellisdien  Resten 
(oben  S.  "80  f.)  waren  ihnen  Slawen  untcrthan.  Sie  sind  das  erste  germanische 
Volk,  welches  inftjige  seiner  Ausbreitung  über  weite  Gebiete  mit  fremder 
Bevölkerung  enlnationalisiert  worden  ist.  Schon  Tacitus  sagt  [(hrm.  4Ö) 
»conubiis  mixtis  non  nihil  in  Sarmatarum  habitum  focdanturc  Seit  sie  im 
Jahre  279  n.  Chr.  Probus  iiber  die  Donau  verpflanzte,  verschwinden  die 
Basternen  als  selbständiges  Volk  aus  der  Geschichte.  Sie  sind  die  Vorläufer 
der  Goten  gewesen,  an  deren  Seite  sie  in  der  zweiten  Hälfte  des  2.  und  im 

3.  Jahrh.  n.  Chr.  kämpften, 

V.   Hahnel,  Die  BrdfutHng  drr  Siutarnfr  für  das  grrmanisckr  Alterthum^ 
Leipzig  und  Dresden  1865.  —  MOlIciihoff.  D.  A.  II   104  — itz, 

c)  Weslgermanen. 

§  59.  Die  dritte  grosse  Wanderung  gennanischer  Stämme  ist  die  der 
Cimbri.  Innerhalb  des  Zeitraumes  von  200  bis  100  v.  Chr.  und  zum  Teil  noch 
fruticr  hat  aber  noch  eine  andere  Wanderung  stattgefuiideu,  von  der  uns  die 
Geschichte  zwar  nichts  meldet,  die  wir  aber  crschliessen  können:  die  Be- 
setzung von  Nordwcstdeutäcbland  zwischen  Elbe  und  Rhein. 

Wahrend  wir  Ober  <las  Zurückweichen  de-r  Kellen  aus  den  hypothetischen 
Sitzen  östlich  der  Elbe  und  Saale  nichts  Xiihercs  aussagen  kOnnen,  haben 
wir  in  Ji  41  bestimmt,  dass  die  Gennanen  das  nordostliche  Thüringen  im  5. 
oder  4.  Jahrh.  v.  Chr.  erreicht  haben,  noch  bevor  die  gemeingermanische 
Lautverschiebung  vollendet  war,  und  bevor  sich  die  Germanen  an  d<T  schwe- 
disrben  Küste  niedcriiessen.  Nach  Vollzug  der  Laulverscliiebung  haben  sie 
das  übrige  Thüringen  eingcnommt-n  und  s'ch  bis  zur  Weser  ausgebreitet  und 
zwar  spätestens  um  300.  wir  dürfen  wohl  sagen:  noch  im  4,  Jahrh.  (^nadi 
§  41  Note  1  gegen  Ausgang  des  4.  Jahrhs,).  l]ir  weiteres  Vordringen  über 
die  Weser  bis  zum  Rhein  f.'|Jlt  in  das  3.  und  2.  Jahrh.  (S  38),  zum  Teil  noch 
in  die  erste  H^ilfic  des  r.  jährhs.  (ij  02^65).  Die  letzten  rechtsrheinischen 
Kelten,  die  Menapli,  haben  sich  erst  zu  Caesars  Zeit  über  den  Rhein  zurück- 
gczi>gen  (S  30*,  zu  einer  Zeit,  als  die  Gennanen  unter  Ariovist  bereits  deo 
Oberrhein  überschritten  hatten. 


792 


XV.  Ethnohraphie  der  germanischen  StXmue. 


§  (So.  In  SfldtieiUschland  haben  die  Oemianen  erst  kurz  vor  Caesar 
Aiikuuft  dtn  Rhein  erreicht.  Im  2.  jalirh.  v.  Clin  war  Süddeutschland  noch' 
keltisch  (§  35).  Der  2usanimcnbru<  li  dtr  Hersrliaft  der  Helvetii  und  Üojt 
(§  32  f-)  *'urde  eingeSeitet  durch  die  Kriegszüge  der  Cirabri,  besiegelt  durch 
Ariovist. 

Dio  Helvetii  besitzen  die  Schweiz  mit  Sicherheit  erst  seit  den  Krie^zügeii 
der  Cimbri.  Wir  wissen,  dass  die  Cimbri,  nachdem  sie  erst  von  den  Boji, 
dann  i.  J.  114  oder  113  auch  von  den  Scordisci  zurückgeschlagen  waren, 
und  naclidem  sie  die  Römer  bei  Norcja  besiegt  hatten,  sich  nach  Westen 
zur  oberen  Donau  wandten,  und  dass  alsdann  sich  ihnen  ein  Teil  der  Hel- 
vetii, die  Poseidönios  n\a  noÄu/ovoav;  xui  ehnn-atovs  ävAgag  kennt',  ins- 
bcsi^ndcre  die  Tigurini  und  Teutoni  (ii  32  Anm.)  anschlössen.  Die  Aus- 
einandersetzung mit  den  Helvetii  dauerte  von  113  oder  spätestens  U2  bis 
109.  In  diwem  Jahre  st;ind  das  helvetische  Heer  bereits  an  den  Grenzen 
der  römischen  Pronnz  und  schlug  den  SÜanus.  Alsdann  erfolgte  die  Invasion 
Galliens.  Wo  die  Cimbü  i.  J.  1 13  oder  1 12  mit  den  Helvetii  zusammengetroffen 
sind,  wissen  wir  niclit.  Alles  spricht  daftlr,  dass  die.s  nicht  in  der  Schweiz  son- 
dern n.srdlicher,  in  Sfidwe&idcutscliland  geschehen  ist.  Denn  erstens  ist  es  wahr- 
scJieinlich,  dass  Pctseidünios,  auf  den  diese  Naclirichtcn  zurückgehen,  gerade 
anhlsslich  der  von  ihm  dargeslelUcii  kiinbrischen  Kriege  erfahren  hat,  dass  die 
Helvetii  einst  bis  zum  Main  pewohnl  haben  (S  3i).  Zwcileus,  wemi  Poseidönios 
überhaupt  noch  etwas  von  ihren  früheren  Sitzen  in  Erfahrung  bringen  konnte,  Si> 
kann  die  Auswanderung  schwerlich  früher  als  in  der  zweiten  Hülftc  des  2.  Jahrhs. 
cifulgt  seit),  luid  deshalb  liegt  es  am  nächsten,  die  Veranlassung  in  dem  gewal- 
tigen Kriegszuge  der  Cimbri  zu  sehen.  Drittens,  vier  Jahre  sind  darOber  hin- 
gegangen, seit  die  Cimbri  mit  den  Heh'etü  zusammengeslossen.  bis  sie  vereint 
in  Gallien  crsclieincn:  es  ist  ui<ht  walirscheinlich,  dass  die  kleine  Scliweiz  und 
im  Lande  ansässige  Helvetii  so  lange  das  nicht  sesshafte  germanisthc  Kriegs- 
volk beherbergt  haben  sollten.  Viertens  sucht  ein  wanderndes  Volk  nicht  ge- 
rade Gebirgsland  auf;  die  Cimbri  sind  von  den  Scordisci  zu  den  Teurisci  und 
weiter  die  Donaustrassc  aufwärts  gezogen;  von  einem  Zusammenstoss  mit 
den  zwischen  Passau  mid  Bodensee  wijhnenden  Vindelici  ist  nichts  überliefert; 
hatten  sie  aber  m  WOrttemberg  und  Baden  bereits  die  fofjfiOi;  'E),fn*>jitiür 
angefunden,  so  sollten  wir  erwarten,  dass  sie  sich  ohne  weiteren  Zeitverlust 
unmittelbar  vi>m  Oberelsass  aus  südwestwärts  gewandt  hatten,  die  alle  Straa 
entlang,  die  vi)n  Marseille  über  Lyon  an  den  Rhein  führte,  nicht  aber  dass 
sie  in  der  abseits  vom  Wege  liegenden  Schweiz  sich  \ier  Jahre  aufgehallen 
hatten.  Kflnftens  kennen  wir  ein  Volk  namens  Teutotn  oder  Teuioncs  nur 
als  Begleiter  der  Cimbri  und  als  einen  helvetischen  Stamm;  sicherlich  sind 
die  beiden  Teutoni  identisch,  d.  h,  wie  die  helvetischen  Tigurini  und  Am- 
brones,  so  haben  sich  auch  die  Teutoni  den  C'inibri  angeschlossen,  mit  denen 
sie  offenbar  südlich  vnm  Main  zusammengetroffen  waren,  ich  meine  also, 
die  Cimbri  haben  die  Helvetii  nocli  in  Württemberg  und  Badc-n  vorgefunden. 
Es  versteht  sidi  vi.>n  selbst,  dass  der  erste  Zusammenstoss  ein  feindlicher 
gewesen  ist.  Die  kimbrische  Hcrsdiaft  in  Süd  Westdeutschland  dauerte  4 
Jahre.  Als  die  Cimbri  zu  einem  neuen  Kriegsnige  nach  Gallien  aufbradieu, 
Schlüssen  sich  die  ihnen  botmässigcn  Helvetii  zum  Teil  im  —  auch  da$  um- 
gekehrte Verhältnis  ist  möglich  —  und  haben  seitdem  Südwcstdcutscliland 
aufgegeben.  Die  Hauptmasse  der  Helvetii  kennt  Caesar  in  der  .Schwci«. 
Ich  halte  aber  dafür,  dass  ihnen  noch  zu  Caesar>  Zeit  das  südliche  Bade 
gehörte*.  Wohl  der  grössere  Teil  des  Volkes  ist  mit  den  Cimbri  unt< 
gangen;  der  Rest  hat  sich  in  der  Schweiz  behauptet. 


I 


II,  C,  9.  Die  AüsnREnx'NG  der  Germanen  is  vorchristlicher  Zeit.    793 

>  Slrntiün  1\*  toj.  VII  ?<>j.  Atbrnaios  VI  23J.  —  *  M.  DuncWer.  Ort- 
gines  Grrmanunf.  HüIbc  Suxonum  1839.  S.  jg — 41.  Man  muss  in  Hrtracht  ziphcn. 
da&it  Ca  er  Kur  iiuf  nWr  itiv  Or£rndcii  i^uaiivr  iKTicbut,  wo  lt  (>clbta  gcwfncn  isL 
Dit  iinbcJLiirumtereii  AngalK-n,  für  iliv  «.-r  auf  Hrirvnwücn  angrwirsim  war.  sttid 
nicht  so  zuvcrISMJt:.  Am  Obcrrlieiii  wi  Ca<.-«nr  alwr  nie  grwosrn,  weder  in  der 
Schweiz  noch  im  EUau  ndi^r  in  Bail«-n.  Di«  Annahme,  Axks  mit  <Jrm  -Rheno  La- 
ti«»inio  alque  alUssttnii,  qui  agrum  Helvi.>tiuin  n.  Germanis  tlividil'  {fi.  6.  I  3)  <ler 
KJH.'in  zw-t»chcn  Basel  und  Iloderuc«  gemeint  sei,  verträgt  »ich  nicht  wohl  mit  der 
Breite  de»  Strom«;  wir  werden  eher  an  die  obvrtheinische  Tiefebene  denken  müssen 
und  auch  hk-rbcr  die  Grcnzkriqje  verleben  {B.  G.  1  [}.  Dass  die  Gemunen  am 
Südabbang  des  Scliwajzwaldc«  gt-scsscn  haben  sollten,  wldereprkht  allem,  was  wir 
sonat  über  ibrc  damalif^n  WohnsiLte  wlsk'd.  Ausserdein  achdot  nach  B.  G.  I  37 
=s  DiOn  KasHtos  XXXVIU  33  der  Gau  dt-r  belvetiachen  Veri>i(::«ii  in  Baden 
in  germanischer  Xachbar^Khaft  gelegen  zu  haben.  Weniger  Gewicht  inOcht«  ich  auf 
die  340  ^milia  la&suuni«,  welche  sich  dai  Land  der  Ilelvctii  in  Joniptudinem- 
vrsireckc  (jS.  G.  I  3)  legen,  wonKh  «ie  noch  bis  lum  Muin  gt^rcidi;  haben  könnten 
(vgl.  wt-gfii  der  Unsicherheit  dieser  Angaben  §  64  Note  l};  doch  darf  immerhin 
aus  dem  VerhfÜinis  dtT  Ulngc  =  240  *u  der  Breite  =:  itio  (von  Genf  bis  «um 
Borieriwr)  geschloMt-n  werden,  dass  sie  sam  mimU-sten  no«^  das  «üdlidie  Bnden  «U 
ihr  LantI  ansahen,  selbst  dnnn.  wenn  man  die  L£it|;e  nach  Orti-n  un^l  die  Breite  nach 
Xordm  ao  rniv^t,  —  Vgl.  hierzu  die  Karte  xu  S,  796. 

§  61.  Die  Cimbri,  zweifell«"«  i-in  gennanisclK-Ä  Volk,  waren  von  der 
Nordseeküsle,  etwa  atui  Schleswig- Holstein  gckuimnen,  uin  mit  Weib  und 
Kind  neue  Sitze  im  Süden  zu  suchen.  In  Böhmen  von  den  Boji,  an  der 
mittleren  Donau  von  den  SLonlisd  zurückgeschlagen,  vereinten  sie  sich,  nach- 
dem .sie  durch  Noricura  gezogen  waren,  in  SüdwestdeuVschland  mit  den 
Helvetii,  dtirchzrigen  lOQ — 105  pkUifiemd  ganz  Frankreich  tuid  gingen 
104  sogar  uuclt  Spanien.  Nur  die  belgischen  Kelten  veruiochten  ihnen  zu 
witlersiehen.  Das  Volk  fand  in  Oberitalien  seinen  Untergang  durch  die 
Schlacht  bei  VercelU  im  J.  10:  v.  Chr.  Reste  von  ihnen  oder  von  helveti- 
schen Teuloni  sind  unter  den  belgischen  Aduatuci  aufge^-angen  (Caesar,  B.  (r. 
II  2q).  Nilchst  den  Wandeningen  der  Ostgernianen  nach  Skadinawien,  nach 
der  Welclisel  und  bk  zum  sdiwarzen  Meer  und  nüchst  der  wcstgennanischen 
Beseüung  Tliüringens  und  Nord  Westdeutschlands  ist  dies  die  erele  grössere 
Wandcning.  Ihr  folgte  der  Zug  der  Swchen.  der  durch  ArinvIsLs  Niederlage 
auf  Süddeiitschland  beschiSukl  blieb.  Alsdann  geboten  die  W'affen  Roms 
den  Germanen  wahrend  eines  viertel  Jahrtaitsends  Einhall.  Die  Bedeutung 
des  kintbrischen  Zuges  für  die  Folgezeit  beruht  darin,  dass  zum  ersten  Mal 
der  Weg  durch  den  herk>-nisdien  Urwald  gebahnt  und  dadurch  die  Be- 
setzung Silddeutschlands  durch  die  Sweben  vnrljcreitct  wurde. 

Cbcr  die  IdmbiUcben  ICriegszü(;c  vgl.  besonders  R.  Pallniann,    Die  Cimbern 
und  Teiitotien.  Berlin   1870  und  Müllenhoff.   D.  A.   II  lil— ijj  und  28a— 303. 

5  6;.  Um  mehrere  Jahrzehnte  spater  als  die  Helvetii  musslen  die  Boji 
BAhmen  rfiumcn.  Den  Cimbri  hatten  sie  noch  um  oder  kurz  nadi  II5  v. 
Clir.  widenslehen  können  (§  33):  im  Jaltrc  58  war  ihre  Macht  gebmchcn, 
ihr  Reich  gestür/t.  und  diejenigen,  welche  es  verschmähten  als  germanische 
Unlerthanen  im  Lande  zu  bli;iben,  halten  sftdlich  der  Donau  in  Noricum 
T'lalz  gefunden  und  sich  zum  Teil  den  Hehetü  angeschlossen,  als  diese  im 
Bfgriff  standen  aus  der  Schweiz  auszuwandern  (Caesar,  Ä  G.  1  5).  Das 
Reich  der  Boji  in  Böhmen  kann  niemand  anders  gestürzt  haben  als  Ario- 
vist»;  denn  wenn  nach  den  kimbrischen  Kriegen  und  vor  Ario\ist  ein  so 
bc<lcutsanier  germanischer  Vorsloss  erfolgt  würe.  würde  sicher  eine  Nachricht 
darüber  auf  uns  gekommen  sein.  Im  Jahre  "j  Qljcrschritt  Ariovist  den  Rhein. 
Da  er  in  Siiddeutschland  keinen  Widenstand  fand,  mag  er  vielleicht  schon 
73  ans  Böhmen  aufgebrochen  sein.  Mehrere  Jahre  aber  mOssen  zwisclien 
der  Entscheid imgsschta cht  gegen  die  Boji  und  dem  Verlassen  Böhmens  lün- 


gegangen  sein,  weil  eine  entscheidende  Niederlage  die  Buji  ncdi  nicht  aus 
ihrem  Lande  vertrieben  hatte,  stmdern  nur  eine  wirkliche  Eroberung  Böhmens. 
Demnach  haben  die  niarkonmnnischen  Sweben  unter  Ario\'ist,  die  sich  zum 
Teil  dann  der  oberrheinischen  Heerfahrt -anschlössen,  jedenfalls  iunerluüb, 
und  zwar  {schon  mit  Rücksicht  auf  das  Aher  des  ArioviÄt)  gegen  Ende  des 
ersten  Viertels  des  ersten  Jahrhs.  Bühiucn  den  KeJten  abgewonnen,  el*-a 
zwischen  So  und  75  oder  um  Äo  v.  Chr. 
'  troll  Muth,  PBB.  XVII  99  f. 
Antn.  Müllenhoir,  A  W.  II  267  und  Mucli,  i'BB.  XVII  10  tetceo  die  RÜaniung 
Böhmens  um  bo  v.  Chr.  an,  Sic  racineti,  wenn  die  Boji  i.  J.  $8  von  Nnricum  au»  »ich 
(I«n  Helvcrtti  aniichloHiien,  so  würr;n  ttie  dumal^  erst  vaterlitnd^lo^  geworden.  Aus. 
den  Worten  Caesars  '(lul  trans  Rhenum  incoluerant  et  in  agrum  Noricucn  transierant 
Xoreiamque  oppuKcarani-  [Ji.  Ü.  I  ^)  kann  man  das  nicht  schLicssen;  •lanacti  künnicn 
von  Oen^  allerüinfr^  sehr  bald  nach  thrtr  V'erlreiimng  mh  Böhmen  anzu  setzen  den  Be- 
treten Noricums  ebensof^ut  3o  Jahre  wie  Moiule  darüber  hingcganKen  »ein,  ehe  »ich 
ein  Teil  den  Helvcui  anschlosi.  Uie  Nachricht  des  Tacitus,  dass  es  Marcomani  gc- 
wewn,  die  die  Boji  verlricUen  hätten  {O'erm.  42)  fdr  «fAlschf  m  hallen  (Müllen- 
hoff  36^),  Hegt  l(cin  (THind  vor.  Da»  Marcomani  auch  in  <ler  Schlacht  gegen  Caesar 
kämpften,  .lUo  vom  Rhein  gekommen  waren,  widerspricht  dem  ebenso  wenig,  wie  die 
Wdlinsilze  der  an  derselben  Schlacht  beteiligten  Sweben  am  unteren  Main  der 
gleichiEeiligen  Annahme  von  andern  Sweben  an  der  mitLlereii  Klbe  widersprechen.  Dans 
die  mächtigen  Boji,  die  um  115  ihr  Reich  gegen  die  Cimbri  behaupteten,  es  wenige 
Jahrzehnte  später  freiwillig  verlassen  haben  sollten,  ohne  durch  Waffengewalt  da^u 
gezwungen  zu  sein,  zumal  »ie  in  Nuttcuni  feindlich  aufgenonimen  wurden,  der  ocu  £U 
erkämprcnden  Sitie  »Ho  keineswegs  sicher  waren,  darf  als  ausgeschlossen  gelten- 
Auch  wenn  Tacitus  nicht  ausdrücklich  von  BöhmcD  -pulsis  olim  Bojis-  sagt^  und 
die  dorlige  \ietlerlassung  der  Marcomani  alt  viilute  patta'  bexeichnele,  würde  die 
Annahme  nicht  cdauM  »ein,  dass  die  Marcomani  ein  von  seinen  Bewohnern  verlos* 
»eaes  l^nd  vurgelxinden  liütlen  (^[uch  11).  Allcrding«  «agt  V'elleius  II  to8  und 
StrabSn  290,  d;iss  MaroboUuas  seine  älaccomani  nach  Ilubmen  gefühn  habe.  Da 
das  Zeugnis  des  Vellciu)'  ein  durchaus  ttiverJüisiges  ist  so  müssen  wir  schlicssen, 
das*  die  Schiiarcfi  Ari<jvj»tv,  die  Bühmcn  erobert  haben,  e^v  docli  nicht  behauptet  otler 
doch  wenigstens  nicht  dcliniliv  bcMcdcll  haben,  sich  vielmehr  in  ihrer  Hauptmasse 
dem  oberrheinischen  Zuge  Ariovists  angeschlossen  haben.  Freilich  werden  es  nicht 
aussch1ie»<«1ich  die  Marcumant  des  Tncilus  sondern  vielleiihl  »lle  zur  Zeil  unter  Ario- 
vists Führung  stehenden  swebischen  Siämmc  Kcwcsen  sein,  welche  die  Boji  verthebeo. 
Dass  MuTComani  auch  daran  beteiligt  waren  (Much  99),  vielleicht  in  erster  Reibe, 
wird  durch  ihre  einfttniah  Hiihmen  ben.-ichb.-iirlen  .Sitze  nahe  gelegt.  Man  wird  die 
Nachricht  des  Tacitus  mit  der  des  V'elleius  am  besten  in  der  Weise  vereinigen, 
dass  man  sagt,  die  Marcomani  haben  unter  Ariovist  die  Boji  zwar  aus  Böhmen  ver- 
trieben, aber  erst  unter  Maroboduus  delinitir  vivn  Böhmvr  Bcsila  ergriffen.  An  sich 
unmöglich  wäre  es  nicht.  da%s  liereits  die  Marcomani  Ariovists  Böhmen  djoernd  be- 
hauptet hQ,beo,  und  da»h  Maroboduus  diesen  nur  die  ausserhalb  Böhmen  verbliebenen 
Vulksgcnustcn  zugeführt  liätle.  Dagegen  nicht  vereiiibAr  mit  unteren  Zeugnissen  ist 
die  AnDahme,  dass  erst  Maroboduus  die  Boji  aus  Böhmen  vertrieben  habe. 

Ob  die  germanischen  Quadi  damals  schon  Mahren  beseLct  haben,  ist  nicht 
sicher,  aber  nach  Caesar,  li.  G.  VI  24  sehr  wahrsf!heinlich  (vgl.  §  43). 

§  03.  Nach  der  Eroberung  Böhmens  hat  sich  Ario\iät  etwa  /wlsdien  75 
imd  72  V.  Chr.,  lielleirht  in  den  Jahren  73  und  72,  zum  Mcrrn  von  Süd- 
dcutschland  gemaclit.  Als  er  den  Rliein  überschritt,  war  sein  Rücken  ge- 
deckt. Mit  den  südlich  der  Donau  ansässigen  keltischen  Norici  scheint  er 
eine  Art  Bündnis  geschlossen  zu  haben;  wenigstens  dürfen  wir  in  seiner 
zweiten  Ehe  mit  der  Tochter  des  norischen  Königs,  ►quam  in  Gallid  duxerat 
a  UdUfz  inissam-  (Caesar,  B.  G.  I  53),  eine  politische  Heinit  sehen.  Süd- 
deutschland von  Böhmen  bis  zum  Schwarzwald  gehorchte  ihm.     Xur  südtich 


II,  C  Q.    Die  Ausbreitung  der  Gbrxianen  ih  vorchristlicher  Zeit.    795 

der  Donau  blieben  die  norischen  und  vindelikischen  Kellen  in  ihrem  Besitz- 
tum. Von  einer  (lauernden  germanisthen  Besiedlung  des  Landes  kann  aber 
noch  keine  Rede  sein.  Ebenso  w-ie  die  Scharen  Ario\-ists  ihm  aus  Böhmen 
nach  dem  Wcj»ten  fulgtcii,  so  waren  sie  auch  hier  nicbt  ses^bufi  »«.indem 
bereit,  die  eben  erworbene  Heimat  mit  einer  neuen  zu  vertauschen.  Immer- 
hin aber  war  Sucldcut-sclitand  nOrdÜch  der  Donau  bis  Baden  in  germanischem 
Besitz,  und  im  Kriegszustande  befanden  sich  die  Scharen  Ariovisls  erst  seit 
dem  Jahre  72,  seit  der  Überschreitung  des  Rheitis  {/i.  G.  I  36). 

Ob  AriovJst,  gegen  die  Aedui  herbeigerufen  von  den  Arvenii  und  Sequani 
(Ä  G.  I  31),  erst  im  Jahre  72  den  Rhein  überschritt,  wie  unsere  Cberliefe- 
riing  uuSiSasrI,  i^t  nicht  sicher.  Es  kann  sein,  doss  er  daniials  nur  das  Gebiet 
der  Se<in.ini,  das  Elsass,  betrat,  aber  schon  einige  Jahre  früher  den  Rhein 
überschriilen  hat  und  zw;ir  bei  Mainz.  Wenigstens  sitzen  seit  Ariovist  in 
der  bayrischen  Pfalz  die  Vangiunes,  und  dieses  Land  haben  die  Germanen 
den  Medioraatrici,  nicht  den  Sequani  abgewonnen,  wie  zweifellos  aus  der  auf 
Po.seidönios  zurückgehenden  Angabe  bei  Caesar.  B.G.  IV  io  =  Slrabön 
IV  103  f.'  und  Plinius  IV  lo/j  hervorgeht,  wonarh  am  Rhfin  von  Süden 
nach  Norden  die  Helvt-lii  (Schweiz),  Sequani  (Elsass),  Medioniatrid  (l'falr), 
Trcvcri  (von  der  Nahe  bis  zur  Ahr)  wohnten,  bevor  die  germanischen  Triboci, 
Nemetes  und  Vangiones  dag  linke  Rheinufer  in  Besitz  nahmen.  Vgl.  die  Karte 
zu  S.  797.  Von  einer  Verdrängung  der  Mediomatriu  berichtet  aber  Caesar 
nichts,  sei  es  dass  er  politisch  kein  Interesse  daran  hatte  oder  am  Ende  über- 
haupt nichts  davon  erfahren  hatte,  sei  es  dass  dies  vor  der  Besetzung  des  El- 
sass gesclieheii  war.  sei  es  dass  es  erst  nach  dem  Jaiire  58  geschah.  Die  letz- 
tere Möglichkeit  darf  um  der  durrii  f.aesar  geschaffenen  politischen  VerhJiltnisse 
willen  als  ausgeschlossen  gelten.  In  Anbetracht  deisen,  dass  nordöstlich  von 
den  Vangiones  die  Sweben  sitzen  und  audi  diese  in  .■Vriovists  Heer  vertreten 
sind  und  auascrdem  gleichzeitig  von  Nassau  aus  über  den  Rhein  drängten 
(§  O4),  kann  es  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  Ario\ist  vom  Main  hei^ekommen 
ist,  wie  die  Sweben  ($  64),  und  zuerst  die  Pfalz,  dann  erst  das  untere  Elsass 
besetzte,  gleichviel  ob  das  Jahr  72  für  da.s  Überw^hreiten  des  Rheins  bei 
Mainz  —  was  wegen  des  I4jahrigeu  Aufenthaltes  links  vom  Rhein  weitaus 
am  wahrscheuiLichstcn  —  oder  für  das  Betreten  des  Elsass  zutrifft  Er  ist 
al8()  v(»n  Bi"ihmen  M:ün-abwarts  gezogen,  und  seine  iioUtischen  Beziehungen 
zu  den  Norict  rühren  offenbar  von  der  Zeit  der  Besetzung  Böhmens  her. 

'    K.  Lamprecht,    Zs.  d.  Bergischen  üeicbichlsvereins   XVI    1880   (1881) 
182—187. 

Herbeigerufen  von  den  Sequani.  gelang  es  Ariovist  in  den  Jahren  72 — 58, 
sidi  zum  Herrn  des  Elsass  zu  machen;  im  J.  58  brach  er  vun  diesem  seinem 
Lande  auf,  um  Besan<;on  zu  besetzen  {li.  G.  I  38),  un<i  aus  dem  Bericht 
Caesars  geht  tiervor,  dass  aucli  die  westlicheren  keltischen  Slätmuc  dcu 
in  immer  neuen  Schüben  über  den  Rheiii  ^'ordringenden  Germanen  nicht  zu 
widerstehen  vemiocliten.  Der  Sieg  der  Kriegskunst  Caesars  über  Ariovist 
im  J.  5S  V.  Chr.  machte  der  germanischen  Herscliaft  westlich  vom  Rhein  ein 
Ende,  und  diese  Schlacht  ist  eine  der  entscheidendsten  der  Weltgeschichte 
gewesen.  Denn  hatten  nicht  die  römischen  Waffen  den  Germanen  Einhalt 
geboten,  so  würden  sich  damals  die  Gennancn  zweifellos  allmählich  zu  Herren 
von  ganz  Gallien  gemacht  haben  (Caesar.  B.  G.  I  31.  33.  44),  und  die 
Deutschen  würden  heute  in  Frankreich  wohnen.  Den  Besitz  der  Germanen 
hat  Ciesur  nicht  angegrifft^n  {H.  G.  I  35.  43),  und  so  blieb  das  Unlerelsass 
imd  die  Pfalz  in  ihren  Händen:  die  Tribocl  blieben  im  Untcrelsass.  nörd- 
lich von  ihnen  die  Nemetes  (beide  oder  nur  erstere  in  dem  von  den  Sequani 


abgetrelenen  Drittel  ihres  Landes.  li.  G.  I  i.  31)  und  bis  zur  Nahe  die 
Vangiones;  von  den  Harudes,  die  zuletzt  über  den  Rhein  gekommen  waren 
(Ä  G.  I  37),  fehlt  jedfi  Spur,  weil  Oesars  Sieg  ihre  beabsichtigte  Ansicdlutig 
im  Obcrclsass,  südlich  von  dun  Nemotcs  (I  31),  vercitcUc;  ebenso  haben  die 
Marcomani,  Sedusü  und  Sue\i  (I  51)  links  vom  Rhein  keine  Stätte  pefunden. 
Jene  erstgenannten  drei  Sianime.  deren  Wesij^renze  sich  genau  mit  der  der 
spateren  römisclien  Pro\'inz  Germania  auperior  deckt  —  vgl.  die  belgischen 
Germani  innerhalb  der  Pro\inz  Germania  inferior  (oben  §  4)  —  sind  sj^Üter 
romanisicrt  worden.  Die  rechtsrheinischen  »SueW.  qui  ad  ripas  Rheni  vene- 
rant,  dotnurn  reverti  coeperunt*  {I  54),  gaben  aUn  den  Limdstrirh  auf.  den 
sie  zu  Ariüvists  Zeiten  wohl  überflutet  aber  nicht  dauernd  in  Besitz  ge- 
nommen hatten.  —  Vgl.  hierzu  die  nebenstehende  Karte. 

Anm.  Über  die  AV'ohnsitie  der  Triboci,  Nenetes  und  Vangiones  vgl,  besniidcn 
K.  Mnch,  PBR.  XVII  100—107.  Zeus«  aig  meini,  Jass  -die  »üdliche  Laße  der 
Kemcten  über  den  Triboken  nicht  becweifcU  werden  kann,  da  Plintus  und  Tadtus 
darin  zusammen  Sil  mmen,  und  dirKibe  ihn<rn  auch  ("aesar  gibt,  wenn  er  sie  tu  den  Hel- 
veliem  und  Raurakern  slelU^.  Das  Zcu^juis  des  Taciiu«  {Gtrm.  28)  uheidet  aus, 
weit  CT  Caesar  oder  Pltnius  gefolgt  sein  wird.  Dieser  aber  täblt  (A'.  //■  IV  lod)  die 
Völker  überbaupc  nitbl  alle  in  geogcaplaiitcliL-r  Reihenfolge  auf,  vgl.  nach  den  Frisia* 
vone&  die  Leuci,  nach  diesen  die  Treveri  und  Lingone«,  dann  die  Mediomauici  und 
Scquani,  während  die  gcogtaphtsche  Keiheniolgc  sein  würde:  Trcveri,  Mcdiainairici, 
l^uci,  Linguncs,  Seqaani.  Aus  Caesar  )äs»t  »ich  nicht  mehr  entnehmen,  aU  da^is  er 
gewusst  hat,  dass  die  Triboci  und  Kemetcs  io  der  oberrheinischen  Tiefebene  wohaeo. 
Die  PoscidJ^nios  entnommene  Kcihcnfolgc  der  Rhcinvölkcr  Kelvelii,  Scqiiam,  Me> 
dloraatrici,  Triboci,  Ttevcri  iß-  (*.  IV  joj  beweist  nicht  eiwa,  dass  die  Tribort  südlteh 
der  Nah«  sassen,  vielmehr  vertreten  hier  die  Triboci  die  Xemeies  und  Vangione»  mit, 
über  deren  Sitze  er  nidiu  Genaueres  gewusst  hat.  Die  Angabc,  das*  der  herkvoisdie 
Wald  >ab  HcKetionim  et  Neir^etum  et  Rauracorum  finibus->  begiooe  {B.  O,  VI  aj), 
bc&tätigt  das  nur,  d«  ja  die  Nachbarüchafl  der  Hetvelii  und  Kauraci  über  jc«len  Zweifel 
erhaben  in.  Die  Keihcnfolpc  der  Stämme  in  der  Schlachtordnung  Ariovisls  (Ä.  (7.  I 
50  ist  aber  überhaupt  keine  geogra|)hische.  Dic&e  Stelle  acheint  Schuld  daran  xu  sein, 
dass  die  Späteren  dieselbe  Reihenfolge  wiederholen.  Ertscheidcnd  Rir  die  Bestimmung 
der  Wohnsitxe  sind  die  inschrirtlichen  Zeugnisse,  vgl.  Mucli  a.  :i.  O.  —  Bei  Ptole- 
maios  II  9.  9  erscheinen  die  TQlßnxri;  an  der  richligen  Stelle,  wSbrcnd  allerdings  die 
Nifiijm  ond  fK-a-^i-im-ti  ihren  Plan  vertauscht  haben.  Die  Oi'air,*iotfTC  bei  Htole- 
maios  IT  11,  6  idenliüzicre  ich  mit  den  ihnen  gegenüber  am  lir<ken  Rhoinufcr  ge- 
nannten Oiiityyiitrfi  (S.  ^4^  Kote  3).  Nach  Amni.  Marc.  XV  11,  6  ond  XVI  3,  1  wob- 
neti  die  Vangiones  nurdücb  von  den  Ncmeics,  ebenso  nach  der  \alilia  DigtutntMMi  41. 

§  64.  Über  den  Mittelrhein  drSnglen  die  Germanen  gleichzeit^  \ox. 
Nach  Caesar  sitzen  die  Sweben  am  unteren  Main,  wohin  sie  offenUar 
damals  erst  gekommen  waren,  nach  dem  zu  schliessen,  was  Caesar  über 
ihrp  mangelnde  Sesshaftigkeit  aus&apt  (Ä  G.  IV  i.  VI  22.  29),  Ihr  Gebiet 
erstreckte  sich  landeinwärts  nach  Nordosten  zu  bis  zur  silva  Baccnis,  ei- 
nem Urwalde,  der  an  der  Rhön  beginnend,  zwischen  liessen  und  Thüringen 
nordwärts  sich  bis  zu  dc-n  Cherus»i  t-rstreckte.  Die  Sweben  sind  offenbar 
aus  ThQringen  eingewandert,  wo  ihre  Sianinirsgenossen  sitzen,  und  *.ind  ent- 
weder über  den  Frankenwald  oder  Aber  Eisenach  und  das  Werrathal  Maiii- 
abwürts  gezogen.  Diese  .\uswanderuiig  daif  im  Zusammenhang  mit  dem  Zuge 
des  Ariüvist  betrachtet  werden.  Dass  sie  im  Maiullial  noch  eine  keltische 
Bevülkening  angelrofEcn  hatten,  dafür  ffhlt  jede  Spur.  Nach  Südosten,  nach 
der  Donau  zu  war  das  Land  unbewohnt,  nach  f'aesar  [H.  O-  IV  3)  bis  in 
einer  Ausdehnung  von  'x*o  Milien,  also  audi  bei  starker  Reduzierung  dieser 
iiahl^  doch  wohl  bis  xiim  Böhmcrwald.  Ihre  neuen  Wohnsitze  am  Rhein 
haben  nicht  bfe  Baden  gereicht;  denn  nach  der  Besiegutig  Ario\ists.  »Suevi, 


r. 


II,  C  9.   Die  Ausbreitung  der  Germanen  in  vorchristlicher  Zeit.    797 

qui  ad  ripas  Rheni  venerant,  donnim  reverti  coeperunt«  (/?.  G.  I  54).  Ersi 
nördlich  von  Darrastjtdt  grenzten  sie  im  Westen  und  Süden  an  die  Vangioncs 
und  Nemetes  {§  63).  Diejenigen  Germanen,  mit  denen  die  Helvetii  »fere 
cutidiatiis  procHis  .  .  contendnni,  cum  uul  suis  finibus  cus  ptuliibent  aut  ipsi 
in  eoniiii  finibus  bellum  gcrunt-  (I  i),  und  »quibusrum  -saepenumcro  Hflvctii 
congressi  non  sduin  in  suis,  sed  etiani  in  illorum  finibus  plerunu^ue  supe- 
rarint*  (I  4UI.  sind  offenbar  erst  im  Gefnlgc  Ariovists  gekommen,  und  wir 
werden  in  ihnen  die  Triboci  zu  sehen  haben  (^  63  Anm.).  Das  von  den 
Sweben  gewunnene  Gebiet  begann  nach  dem  Rhein  zu  erst  im  Hessischen, 
und  wie  am  Oberrhein  unter  Ariovists  Führung  seit  dem  Jahre  72,  so  warai 
sie  im  J.  58  v.  Clir.  unter  Nasua  und  Cimberius  im  Begriff  den  Mittelrheiii 
in  der  Gegend  zwischen  Mainz  und  Kobk-nz  zu  Übenichreiten  (I  37),  um 
sich  nach  der  Niederlage  Ariovists  anch  vom  rechten  Rheinnfcr  zurückzu- 
ziehen {I  54).  Im  J.  53  st;hickten  sie  den  Treveri  Hülfe  (VI  7.  8.  g)  über 
den  Rhein,  scheinen  aber  nach  Caesar  den  Besitz  des  rechten  Rheinufers 
dauernd  aufgegeben  zu  haben,  wenngleich  wir  in  den  Germanen,  die  im  J.  52 
die  Treveri  bedrängten  (VI!  63.  vgl.  aurh  VIII  23)  und  im  folgenden  Jahre 
denselben  Hülfe  leisteten  (VIJI  38),  eher  Sweben  als  Ubii  oder  Sugambri 
sehen  werden. 

G,  Zippe),  Deuliehe  VSÜterbewegvngen  in  der  Rämerieit,  Pnigr.,  König\1ier{> 
1805,  S.  24—20, 

1  Eine  ReilukttoD  der  wohl  nach  Tajjtreisen  berechncWn  Zahl  muss  —  g*^« 
Much  —  schon  bn  HinMick  aiif  ander«  Läogtinmass«  Caesars  ani;rnommcn  vrer- 
(ttn ;  vgl.  bcsondtrs  die  4  mal  Mi  grosu  LfiDgenbesümmunR  der  Ardeniwn  =;  500 
Milien  (Tl).  B^igk,  Zur  GtichichU  und  TopograpHit  Jtr  RhtinlanJe,  Leipzig 
1883,  S.  31  Arm.). 
S  63.  Auch  am  Niederrhein  machten  die  Germanen  nicht  Halt.  Zum 
Teil  wurden  sie,  wie  Ariovist  von  den  Scquani,  »auxllio  ab  fielgis  accersJti« 
(Caesar.  B.  G.  III  1 1).  In  der  Hauptsache  aber  wurden  sie  <Iurch  die  Sweben 
gedrängt.  Im  Winter  50/53  v.  Chr.  »Usipctcs  Germani  et  item  Tenctcri 
magna  cum  umltitudine  hominum  flumen  Rhenura  transicrunt  non  longe  a  ma- 
ri,  quo  Rhenus  infinit.  Causa  traoseundi  fuit,  quod  ab  Suevis  complures  an- 
nus  cxagitatt  hello  premebantur  et  agricultura  prohibebantur*  {B.C.  IV  i).  Die 
Usijietes  und  Tencteri  hatten  vordem  nicht  am  Rhein,  sondern  im  inneren 
Deutschland  gewohuC,  aber  i.  J.  5g  ihre  "Wohnsitze  verlassen  müssen,  >ad  extre- 
mum  tarnen  agris  cxpulsi  et  muUis  locis  Germaniae  triennium  vagalt  ad  Rhenum 
per\'enerunt"  (IV  4).  Es  war  nicht  ein  Kriegszug  sondern  eine  Auswande- 
rung: »cum  Omnibus  suis  domo  exccsseranl  RhenunK|ue  tninsierant<  (IV  14). 
Caesar  schützte  ihre  Zahl  auf  430000  Köpfe  (IV  15).  Sie  vertrieben  die  kel- 
tischen Menapii,  welche  ^ad  utramque  ripam  fluminis  agrus,  acdifida  Wcos- 
que  habebant,  sed  tantae  mulliiudinis  aditu  perterriti  ex  iis  aedificiis,  quae 
trans  flumen  liabucrant,  dcmigraverunt  et  eis  Rhenum  dispositis  praesidüs 
Germanos  transire  prohibebant«  (ebd.).  Nachdem  die  Germanen  die  Menapii 
am  linken  Rheiaufet  überrumpelt  hatten,  >uniiubus  eorum  aedificiis  occupatis 
reliquani  parteni  hiemis  sc  ennmi  copiis  alucrunt"  (ebd.).  Im  Jahre  55  zogen 
sie  nach  der  unteren  Maas  -in  fines  Eburonum  et  Condrusomm«  [li.  G.  IV 
6.  Q.  12.  15),  bereit  sich  mit  Weib  und  Kind  (IV  14)  im  Lande  anzusiedeln 
(rV  7).  Ihre  und  Ariavists  Niederlage  durch  Caesar  bewirkte,  dass  im  folgen- 
den jähre  die  Germanen,  von  denen  es  hiess  »Rhenum  transisse«  (V  41), 
sich  durch  die  Treveri  nicht  dazu  verlocken  liessen,  den  Rhein  zu  über- 
schreiten, »cum  se  bis  cxpertos  dicerent-  (V  55I.  Dennoch  wagten  es 
'1*  J*  53  -ooo  Sugambri  bis  nacli  Aduatuca  vorzudringen  (VI  33),  musstcn 
sich  aber  über  den  Rhein  zurückziehen  (VI  41). 


k^- 


798" 


XV.  ErnyoGRAPiriE  der  germanischem  Stämme. 


Vgl.  Tli.   Bcrgk,   Zur  Gfifhuhle  inul  Topographie  dfr  Rh^inlandf  in  n^mü 

sthrr  /rit,  LeijM.ig   18S2,  S.    I — 34,  —  Ganz  uobultbar  Mriirinl  mit,  was  R,  Mucb, 

PBB.  XVII    137 — 142   vorbringt;    rgl.  G,  Zlppcl,  £>ruttc/u  Völkerbr«rtgungen  tu 

der  Jftimerifi/,   Propr.  KfiaigslKTt«   ifiQJ,  S.   lof. 

Ausser  den  Sugambri  hntlen  schon  vor  Caesar  die  Ubii  den  Rhein  erreicht 

und  waren  hier  fcsl  ansJlssig  gewurden  (Ä  O.  VI   10).     Im  Httiblitk  auf  die 

rechtsrheinUchcn  Sitze  der  Ätcnapii  hahen  wohl  erst  kurz  vor  Caesar  die  Ba- 

tavi  die  von  Waal  und  Maas  gebildete  Insel  besetzt  (IV  lo).   Ware  es  früher 

als  im   I.  Jahrh.  v.  Chr.,  vor  der  Zeit  der  kiinbrischen  Kriege  geschehen,  so 

würde  Tacitus   schwerlich    gewusst   haben,    dass   sie    >Chattorurn    quondam 

populus  et  seditit'ne  dumcsUca  in  cas  scdes  trausgrcssus«  (Germ.  29)  gewesen 

sind  und  »seditione  (Inmestica  pulst  exlrema  Gallicae  orae  vacua  cultoribus 

....  nccupavere«   \/fis/.  IV   12). 

In  der  ersten  Hälfte  und  der  Mitte  des  i.  Jahrhs.  v.  Chr.  sind  die  Ger- 
manen bis  zum  Rhein  vorgerückt  und  im  Begriff  gewesen  üin  überall  zu 
überschreiten.  Caesars  Kriegskunst  liat  ihrem  weiteren  \*ordringen  Hall  ge- 
boten, indem  er  sie  nördlich  vom  Main  auf  die  Rheingrenze,  südlich  vom 
Main  auf  die  im  Jahre  .58  bestellenden  Sitze  in  der  Pfalz  und  im  Untcrelsass 
beschrünkt  hat.  GberdeutiMrliland  war.  mit  Ausnahme  der  in  der  oberrliei- 
iiischen  Tiefebene  angesiedellen  Schaarcn  ArioN-ists,  südlich  der  Donau  noch 
von  Kehen  bewohnt,  nördlich  dereelben  von  ihnen  verlassen  und  menschen- 
leer, übrigens  grüsstenteils  von  dem  herkvDJscheu  Urwalde  bedeckL  Aus 
Kriegsnot  liaben  die  Scquani  dem  Ariovist  auf  Verlangen  das  Unlerelsass 
abgetreten  (Caesar,  ß.  G.  l,  31,  »sedes  ab  ipsis  concessas»  1  44);  rweifcUos 
siiui  diese  Setjuaui  sowie  die  nördlicheren  Mediomalrici  (§  63)  ztun  grüssten 
Teil  im  Lande  sitzen  geblieben. 


d)  Miscliung  der  Germanen  mit  Kelten. 

§  66.  Kragen  wir  nun,  in  welcher  Weise  wir  uns  die  germanische  Be- 
siedlung %'«:)n  Söd-  und  Westdeutschland  vorzustclleu  haben,  ob  beiw.  wie 
weit  die  Gemianen  die  eingeborene  keltü?che  Bevölkerung  unterworfen  oder 
vertrieben  haben,  oder  ob  sie  ein  von  diei^en  bereits  verlassenes,  also  men- 
schenleeres Lajul  vorfanden,  so  muss  diese  Frage  von  Fall  zu  Fall  beant- 
wortet werden.  Nur  für  einen  verhältnismässig  kleintMi  Teil  des  neuerworbe- 
nen Gebietes  westlich  der  Elbe  liaben  wir  Nachrichten.  Die  Reste  der  Volcac 
in  Mahren  (Caesar,  ß.  G.  VT  24)  sind  jedenfalls  im  Lande  sitzen  gebhebcn 
und  germanisiert  worden  (g  43).  Die  Boji  sind  mit  Waffengewalt  vertrieben 
worden  und  zum  grüsslL-n  Teile  über  die  Donau  ausgewandert  (§  33  und 
62).  In  dem  altc-n  Lande  der  Helvetii  in  Baden  und  Württemberg  fanden 
die  Germanen  als  1)  täk  "* Ekovtjiltxiv  hi>}}io<;  vor  (§  32).  Die  Belgae  sind 
ausNordwcstdeutschiand  ausgewandert  (§37);  ob  der  Not  gehorchend,  ob  dem 
eigenen  Triebe,  wissen  wir  nicht;  ebensowenig  wissen  wir,  ob  namhafte  Reste 
zurückgeblieben  sind,  die  sich  den  nachrückenden  Germanen  assimiliert  haben. 
DieMenapii  am  Xiederrheiii  haben  ihre  rechtsrheinischen  Sitze  >tai)lae  multl- 
tudinis  aditu  perlerrili-  geräumt  (§  ?>^  U"d  38  Anni.  4),  aber  nach  dem  Abzug 
der  Germanen  »trans  Khenum  in  suos  vicos  remigaverant  (Caesar,  B.G.  IV  4)«. 
Die  germanischen  Batavi  .cxtrema  Gallicae  orae  vacua  cultoribus  ....  occu- 
pavere  (Tacllus,  Hiit.  IV  12)«.  Zu  Caesars  Zeit  findet  überall  ein  lang- 
sames, erst  von  Caesar  gehemmtes  Zurückweichen  vor  den  kriegerischen  Ger- 
manen statt;  nur  der  Sturz  des  böhuiLscliea  Reiches  der  Boji  darf  als  cL-t 
besonderes,  grösseres  politisches  Ereignis  angeschen  werden.  Sonst  aber  lian- 
-delt  es  sich  vorwiegend  um  kleinere  Grenzkriege,  ahnlich  wie  sie  später  die 


II,  C,  9.  DrE  AcsBREiTuyo  öer  Germanex  in  vorchristucher  Zeit.    799 

Deutschen  mit  den  Slawen    zu    bestehen    hatten.      Vgl.  Caesar,  li.G.  I   i: 

»Helvctii fere  cotidianis  proeUis  cum  Germanis  contendimt,   cum  aul 

suis  flnibus  cos  prohibent  aul  ipst  in  eorum  finibus  bellum  gerunt*;  \mi  25 
von  drn  Treveri :  »quomm  rivitas  propter  Gcrraaiuaf*  \-icinitstcm  cotidianis 
excrdlata  bellis«;  I  i  von  den  Helgae:  »proximiqur  sunt  Gcrmaiiis,  qui  Irans 
Rhenuin  inroUmt,  t|uibuscun5  contineuter  bellum  gerunL* 

§  67.  Dass  die  Verhrillnisse  in  den  voraufgehenden  Jahrhunderten  ahnlich 
lagen,  wie  in  der  ersten  Hälfte  des  ersten  Jahrh.  v.  Chr.,  ist  nicht  wahrschein- 
lich, in  Anbetracht  der  grösseren  kriegerischen  Macht  der  Kellen,  von  der 
noch  die  ZurÜLkwcisiuig  der  Cimbri  durch  die  Buji  (§33}  ein  letztes  Zeugnis 
ablegt  Vielmelir  ist  anzunehmen,  dass  der  grösste  Teil  der  in  Deutschland 
ansässigen  Kellen  das  Land  freiwillig  gerüunit  hat,  in  das  dann  die  Germa- 
nen friedlich  eingerückt  sind,  ahnlicli  wie  nachmals  die  Slawen  in  das  von 
den  Germanen  vedassene  Land.  Zu  Ausgang  des  2.  Jahrh.  bezw.  zu  Anfang 
des  I.  Jahrhs.  v.  Chr.  haben  wir  solche  Beispiele  an  den  Hclvctii  und  den 
vi>n  den  Batavi  eingenommenen  -extrema  G.illicae  ora  x-acua  cultoribus».  Wie 
wir  uns  eine  solche  plaiimüssige  Auswanderung  vorzustellen  haben,  schildert 
Caesar  anschaulich  bei  dem  spüteren  Auszug  der  Ht-Ivetii  im  Jahre  58  v.  Chr.: 
>cx)nstituerunt,  ea  quae  ad  ])rofici5cendum  pertincient,  compararc,  jumcnto- 
ruin  et  carn)rum  quam  inaximum  numerum  cuL'mcre,  sementes  quam  ma.xi- 
mas  facere,  ut  in  itinere  ropia  frumenii  suppelerei,  cum  proximis  civitaiibus 
pacem  el  aniicitiam  conflrmarc.  Ad  eas  res  conficiendas  biennium  sibi  satis 
esse  duxcrunt:  in  tertium  annum  ]jrofcctioncm  lege  confirmant-  (Caesar,  R.G. 
I  3);  »oppida  sua  omnla,  numero  ad  duodecim.  \'ici"»s  ad  qua  dringen  los,  reli- 
qua  privat»  acdifida  inccudunl.  fruraentum  omnc,  praelerquam  quod  secum 
portaturi  erani.  comburunt,  ut  donium  reditionis  spe  sublata  paratiorcs  ad 
«>mnia  pcricula  s\il>euncla  essent,  triiiin  mensnim  nir)lita,  ciharia  sibi  queinque 
domo   cfferrc  jubecit':  (I  ^\\    nach    ihrer    Niederlage    -tabulac   rcpcrtae   sunt, 

,  quibu-s  in  tabuüs  ni^minatim  ratio  ccmfecta  erat,  qui  numerus  domo 

exisset  eorum,  qui  arma  ferre  possenl,  et  ilem  separatim  pueri,  senes  mulicrcsquc« 
(I  29).  Das  Ziel  ihrer  Auswanderung  war  ein  im  voraus  bestimmtes  I^nd 
(I  10).  Zwei  Jahre  licsscn  üijp  sich  Zeit  dir  Vorherdtungen  zu  ihrem  Auszuge 
zu  treffen.  Der  Grund  für  derartige  Auswandentrigeri  war  Obcrvrilkcning, 
weil  der  Bfidi'n  die  Menschen  nicht  mehr  ernährte;  die  Hcrschsucht  des 
Orgetorix  mag  die  Veranlassung  gewesen  sein  (I  2  f.),  ist  aber  nicht  der 
wahre  Grund  gewesen  (I  5):  ihr  Land  war  ihnen  zu  klein  (I  2).  Wenn  eine 
Landschaft  von  ci<!n  Kflten  gerflumt  war,  so  rQckteii  die  benachbarten  Ger- 
manen '.in.  Caesar  befahl  den  beilegten  Helvctü  -in  fines  suos,  uudc  erant 
profecli,  revcrti*,  versorgte  sie  mit  Getreide  und  ^ipsus  oppida  vicost^ue,  quos 
incenderant.  restituere  jussit  Id  ea  maxime  r;itione  fecil,  quod  noluit.  eum 
l(Xrum,  unde  Hclvctii  discesserant,  vacarc,  nc  propter  bonilalcm  agrorum 
Gcrmani,  qui  trans  Rlicnum  incolunt  c  suis  finibus  in  Helvetiortim  fines 
transirciil-  (I  28).  Also  ciiiesteiLs  fanden  die  Germanen  ein  von  ihren  Bewoh- 
nern verlassenes  l-and  vor.  Andemteils  aber  ist  nicht  der  gesamte  keltische 
Stamm  ausgewandert,  sondern  ein  Teil  behauptete  sich  in  der  Heimat,  wie  das 
Beispiet  dcrVolcae  lehrt,  «quae  gens  ad  hoc  tempus  hie  sedibus  sesc  continet 
suminamque  habet  justitiae  et  bellicae  laudis  opinionem«  (Caesar,  B.G.  VI  24); 
sie  waren  schnn  zu  Caesars  Zeit  im  Begriff  gennanisicrl  zu  werden. 

§  68.  Die  Frage,  wie  weit  die  vorrückenden  Germanen  noch  Kelten  im 
Lande  vorgefuudci\  haben,  ist  deshalb  von  niclit  geringer  Bedeutung,  weil 
wir  hier  zum  ersten  ÄLil  in  historischer  Zeit  den  Fall  vor  uns  haben,  dass 
<lie  Germanen  sich  mit  einem  andern  Volksstamm  gemischt 


haben.  Walirend  die  Slawen,  die  Ostdculsclilaiid  besetzten,  nur  so  gering- 
fögige  Reste  von  Germanen  vorgfifimdcn  haben,  dass  man  sagen  darf,  sie 
haben  ein  menschenleeres  Land  besetzt,  scheinen  stellenweise  bedeutendere 
Reste  von  Kelten  sitzen  geblieben  zu  sein,  um,  zuuadist  als  policLich  Unfreie, 
altmählith  in  den  Germanen  aufzugchen,  «n  Vorgang,  der  zu  Tacitus"  Zeit 
jedenfalls  schon  vollzogen  war;  sonst  Iiüttc  dieser  schwerlich  die  Genuanen  für 
»mimtne  aliantm  gentium  adventibus  et  hospiiiis  mLxl<^«sv  [Germ.  2)  und  >nullis 
aliaruni  nationum  conubÜs  infectos  propriam  et  sinceram  et  tantuni  sui  simi- 
leni  gentem-  {Germ.  4)  halten  kunnen,  zmnal  er  \ot\  frühereu  Kellen  in 
Deutschland  wusstc  {Germ.  28).  In  Anbetracht  der  Unsicherheit  der  anthnv 
pologischen  Mcrkmak-  (oben  S.  750  f.  und  704  ff.),  die  noch  dadurch  erlifihl  wird, 
dass  wir  erstens  das  Material  nur  der  Gegenwart  entnehmen  kennen  und  zwei- 
tens nicht  wissen  künnen,  ob  die  stellenweise  dunkelhaarige  Bevölkerung  nicht 
eine  spatere  Kolonie  ist  oder  gar  aus  einer  viel  früheren,  vorkeltischen  Zeit 
stammt,  so  dass  diese  Leute  als  Germanen  bereits  in  die  keltischen  l^nde 
eingerückt  waren;  in  Anbetracht  dieser  Unsidierheit  also  künnen  wir  die  aufge- 
worfene Frage  nur  auf  Grund  der  keltischen  Fluss-  und  Ortsnamen 
beantw-orleD.  Sollte  sich  dann  herausstellen,  d;iss  eine  Landschaft,  deren 
keltisclie  Be\'ölkcrung  auf  diesem  Wege  nachweisbar  isi,  gerade  dunkelliaarigc 
Bewohner  aufweist,  dann  werden  wir  diese  allerdings  für  germanisierte  Kelten 
hallen  dürfen,  wobei  anthropologisch  noch  wiederum  die  Frage  offen  bleibt« 
ob  diese  rekonstruierten  Kelten  nicht  vordem  einem  andern,  keJtisiertea  Volk 
(etwa  den  Ligurem)  zugehört  haben. 

§  6c(.  Nicht  jeder  keltische  Gebirgs-,  Fluss-  oder  Ortsname  bcw'eist,  dass 
die  Germanen  an  Ort  und  Stelle  noch  eine  keltische  Bevölkerung  vorgefun- 
den hüben.  Es  bmn  z.  B.  nicht  wohl  bezweifelt  werden,  dass  die  rechts- 
rheinischen Germanen  zu  Caesars  Zeit  bereits  die  Ardennen,  die  Maas,  die 
Mosel  und  Städtenamen  wie  Bonn,  Andernach,  Bingen  mit  Namen  gekannt 
haben,  und  sie  würden  diese  Namen  auch  in  dem  Falle  der  Nachwelt  bis 
auf  die  Gegenwart  überliefert  haben,  weiui  die  linksrheinisLhen  Kelten  bis 
auf  den  letzten  Mann  vor  ihnen  das  Land  verLissen  hatten.  Den  Khem 
haben  die  Germanen  dem  Namen  nach  gekannt,  läJigst  bevor  sie  sein  Ufer 
erreichten;  das  lasst  sich  aus  der  Sprache  beweben:  genn.  Rlnaz  <.  *IUino: 
(so  noch  im  i.Jahrh,  v.Chr.),  "Reimes  ist  die  älteste  kellische  Form,  woraus 
schon  im  4.  Jahrb.  v.  Chr.  Rfnos,  wie  mit  Sicherheit  der '/*//i't>ff  bei  Pythcas 
beweist,  folgliih  kenn<-n  die  Germanen  den  Rhein  spätestens  seit  dem  4.Jahrh. 
V.  Chr.  Auf  bedeutendere  Reste  von  Kellen  darf  man  nur  dann  schliesseu, 
werm  timerhalb  einer  Landschaft  auch  die  kleineren  Flüsschen  {und Orte) 
einen  keltischen  Namen  tragen.  Je  dichter  solche  Namen  sich  häufen,  um 
SU  sicherer  der  Seliluss,  dass  die  Einwohner  zum  Teil  germanisierte  Kelten  siu( 

Die  Untersuchungen  über  die  keltischen  Fluss-  und  Ctrtinamcji  in  Deutsch,'^^ 
land  sind  seil  den  letzten  ^ojaliren  eifrig  gefordert  worden,  bedürfen  jedoch 
dringend  der  Erneuerung.  Nach  dem  augenblicklichen  Stande  der  Forschung 
lasst  sich  sagen,  dass  die  Bachnamen  auf  ndd.  -apa,  hd.  'oßa  in  gedrüui;- 
ter  Masse  nur  westlich  einer  Linie  Lippe- Werra-RhAn-Spessart- Schwarzwald 
nachgewie-sen  sind,  also  in  der  Rheinprovinz,  in  WV-stfalcn,  Hessen,  Baden 
und  Elsass-Lothringen;  ausserbab  dieses  Gebietes  mehr  vereinzelt,  was  aber 
\neUeicht  mit  darin  seinen  Grund  hat,  dass  die  Forschung  sich  mit  diesen 
Gebieten  weniger  beschäftigt  hat.  Hiemach  würde  es  scheinen,  dass  —  in 
leidlicher  Übereinstimmung  mit  der  gegenwartigen  Verteilung  der  Blonden  und 
Brünetten  —  von  den  lielgae  in  der  nord westdeutschen  Tiefebene  nur  ge- 
ringe Reste  (besonders  zwischea  Lüneburger  Heide  und  Weser  und  in  Holland) 


k 


n,  C,  c>.  Die  AiiSDREiTüNO  der  Germanen  ik  vorchristucher  Zeit.  8oi 


im  Lande  sitzen  geblieben  sind,  clxTisn  vnn  den  thO ringischen  Kellen  (be- 
sonders im  ausscrstcn  Westen),  dnss  aber  in  Hessen  und  dem  sfldlithcD 
Westfalen,  wo  fast  sSmtlidie  kleineren  Flüsschen  auf  -apa,  'ofia  ausgehen 
<§  39),  übcrdll  KcUen  sitzen  geblieben  sind,  um  zunächst  poliliscli,  dann  schon 
in  \-orchristhclier  Zeit  awth  si)rarhlii:h  Germanen  lu  werden.  Diese  berpsch- 
wcstf;ilischen  Kelten  würden,  wie  ein  Blirk  auf  die  Karte  lehrt,  zu  den  bel- 
gischen Gcnuanen  gehören  und  Hi'irige  der  Sugaoibri  geworden  sein;  die 
hessischen  Kelten,  die  in  den  Dialti.  Ubü  und  Sweben  aufgegangen  wSren, 
würden  auf  die  Treveri,  Mediomatrici,  Leuci,  Lingones  und  Setjuani  zurück- 
weisen, und  mit  den  Lingones  auf  die  vom  Mittelrhein  aus  nach  Oberitalien 
gewanderten  Stämme  (§  43  Anm.). 

Dieses  Ergebnis  rau$s  jedoch  im  höchsten  Grade  stutzig  machen.  Die 
fast  durchweg  keltischen  Flussnamen  innerhalb  jenes  Gebiet«  könnten  keinen 
andern  Schluss  zulassen,  als  dass  ein  ganzer  keltischer  Stamm  oder  vielmehr 
deren  mehrere  zum  Teil  im  Lande  siticcn  geblieben,  also  von  den  Germanen 
unterworfen  tt-iiren.  Einen  solchen  FaH  kC^nnen  wir  für  die  geschichtliche 
Zeit  in  dem  Umfange  nii>;ends  nachweisen;  denn  das  Beispiel  der  Volcae 
(§  45)  und  das  der  Mcdiomatrici  und  Scquani  (ja  63)  betrifft  ungleicli  klei- 
nere Gebiete.  Ist  es  schon  an  sich  unwahrscheinlich,  dass  die  Germanen  in 
früherer  Zeit  ein  so  grt»sses  kellische:s  Gebiet  unterworfen  haben  sollten,  wo 
nodi  gegen  Ausgang  des  2.  Jahrb.  die  Boji  und  die  Belgae  stark  genug  wa- 
ren, um  den  gewaltigen  kimbrisLhen  Ansturm  zurückzuweisen  (§  33  und  öl), 
wo  noch  zu  Caesars  Zeit  die  Hclveüi  den  Germanen  Ariovists  Stand  zu  halten 
vcmioclilen  (§  64),  und  das  um  so  mehr,  als  es  sich  hier  zum  Teil  um  die 
besonders  kri^tüchtigcn  belgisclicn  Germanen  handelte,  und  ist  es  —  im 
Hinblick  auf  das  Boji  (§  62}  —  unwahrscheinlich,  tia&s  diese  liesiegten  Kelten 
nicht  zum  gnjssten  Teil  das  Lanfl  verlassen  haben  sollten,  so  wird  diese  Un- 
wahrjicheinlidikeit  dadurch  zur  historischen  Unmöglichkeit,  dass  wir  an  jener 
Stelle  nicht  eine  gnis,-»'  Siaatengründung  finden,  sondern  eine  Reihe  von 
Stämmen,  die  nicht  einmal  alle  derselben  Gruppe  angehören.  Eine  derartige 
Eroberung  ist  nur  denkbar,  wcmi  die  Sieger  einem  grösseren  Stanmie  ange- 
hören, wie  die  Scharen  Ariovists.  Wir  finden  aber  Sweben  im  Maingebiet 
—  dass  die  Ubü  hier  Ihre  Vorgänger  gewesen,  ist  nach  Cansar.  B.(i.  1\\^ 
ausgeschlossen  — ,  Cbatti,  Ubü.  Sugambri  und  Marsi  in  Niederhessen,  Nassau 
und  Westfalen.  Wir  müssten  also  mindestens  zwei  Eroberungszüge  annehmen, 
und  von  dicten  hatte  der  nördlichere  erheblich  früher  stattgefunden;  denn  die 
Sweben  sind  erst  kurz  vor  Caesar  so  weit  vorgerückt.  Zwei  Eroberungszüge 
zu  vcrscliicdenen  Zeilen,  Iteide  mit  dem  merkwürdigen  Ergebms,  dass  die  be- 
siegten Kellen  zum  grosst-n  Teil  nicht  ausgewanck-rt  wjircn  —  die  von  den 
Sweben  besiegten  Kelten  überhaupt  nicht,  denn  sonst  würde  Caesar  davon 
erfahren  haben  — ,  beide  Eroberungen  eigen tQmlicherwei^e  in  zwei  Gebieten, 
die  sich  geographisch  berühren:  es  bleibt  kein  anderer  Schluss,  als  dass  jene 
Flussnamen  auf  -<if>a,  -affa,  welche  die  einzigen  Trager  des  Kelientums  für 
jene  Gegenden  sind,  nicht  kcltisdien  sondern  germanischen  Ursprungs  sind. 
Wir  werden  das  um  so  leichter  glauben,  als  erstens  jene  Namen  in  den  übri- 
gen einst  von  Kelten  besetzten  Landschaften  nicht  vorkommen ',  zwdlena  ein 
kellisches  Wort  apa  »Flüsschen,  Bach«  nur  aus  lat  aqua  und  got  aha  heraus 
konstruiert,  aber  aus  den  keltischen  Sjirachcn  nicht  nachweisbar  ist,  und 
driitens  die  .\nnahrac  eines  au^estorbenen  gcnuanischea  Wortes  apä  durch 
kelt.  nbu  »Fluss*'  geiilützl  wird. 

1  Sie  sind  beschränkt  auf  dot  Gebiet  n'irdlkh  cirtr    Linie  Odenwald-Speuart- 
HbOn-Mciningcn  und   wcsilkh   einer  Linie  EUenocb-IUldc^etin-Ciubftvto;    in  der 
Gcrmitni^che  Fbilüluslr  llt.    Z.  Aul).  5| 


Rlwinprovii«  und  in  den  N iwlcrUnden  «-erden  sie  selicner.  —  *  Abur  Fltusmunc 
in  Britannien,  Avm  in  Spanien  >  allirisdi  oub.  Gen.  abafr).  Vgl.  auch  die  ketü- 
schen  Flussrinrnt-n  wie  Abr-ava-nmis  O  AHnan.  Britannien),  Amfi/'äva  (>  Am^ 
bi^vt,  Nebrnflüss  der  Ourthe),  Ah-üj^q  O  Antian.  Kran krr ich),  Aus-<tva  (^  CVi. 
RheinpF'ivinil,  Aus-ofti  (IrUnJ),  'ßomrva  {^  lian^ffe,  Bcluien)  u.  s.  w.  Do'U  die 
Abk-iUini*  abvnfnjn  iFhtsiti,  Ahana  FliLviD.-inK-  in  Rritminion  ^  allir.  <t^««.  kjTnr. 
nbot'^a/on.  Vyl.  ferner  Gfld^uba  ~^  Geld-apa '^GflUp  (R}ietTi|in>vinK).  —  Cber 
(las  Verhältnis  von  idfi.  ap-  zw  ab-  vgl,  K.  F.  Jobaiiiison,  IF.  VC  IJ4  —  14b,  — 
Oaüs  M'ie  Müllcnboff  annahm,  f;cmi.  ir/a  aus  kclu  aha  entlehnt  sei,  veibielct 
ilie  Lautverschiebung  in  Anbetracht  des  Vorkonnmcns  dieser  FluMnumen  in  iler 
Rheinprovinz  und  in  den  Niederlanden. 

Soweit  wir  bisher  die  keltischen  Gebirga-,  Fluss-  und  OrtRiiHraen  Oher- 
scliaueii  können,  finden  sicli  solche  in  Deuischland  nur  in  \'erhültnismüssig 
so  geringer  Zahl,  dass  wir  nicht  an  thu-  siarkt-rc  Beimi-^chung  keltischen 
Blutes  glauben  können.  Vielmehr  haben  die  keltischen  Stamme  das  Land 
\*or  den  Germanen  geräumt,  und  es  können  nur  geringfügige  Reste  germa- 
nisiert worden  sein.  Anders  liegen  die  Dinge  in  den  Riiein-  und  Dcmau- 
landen.  Aber  als  diese  Gebiete  germanisch  wurden,  waren  die  Einwohner 
ihrer  Natiunalit^t  nach  keine  Kelten  mehr  sondern  Ronutnen,  mögen  diese 
Romanen  auch  grösstenteils  keltischer  Abkunft  sein. 


c)  Scliluss. 

%  70.  Caesar  hat  die  westwärts  drilngcnden  Germanen  auf  das  Unterelsass 
und  die  Pfalz  und  im  übrigen  auf  die  Rheingrenze  beschrankt  mid  damit  der 
AiLsbreilung  der  Germanen  nnrb  Westen  f(ir  die  folgenden  Jahrhunderte  ein  Ziel 
gesetzt.  Mit  der  Rliein-  und  Dnuiiugrenüe  haben  die  Gennanen  ihre  geschicht- 
lichen Wohnsitze  erreicht.  Nach  Caesar  haben  die  rümischen  Kaiser  diese 
Graize  in  SOddeutschland  weiter  vorgt^mben.  Der  ümes  lief  vom  unteren  Main 
nach  Regensburg,  und  weilerbin  bildete  die  Dunau  die  Gicnzc  Die  röniLichen 
Waffen  haben  die  westgcrmani seilen  Stammt"  zur  inncn^n  Kcilonisation  ge- 
zu-ungen,  zur  Urbarmachimg  des  Bodens,  zur  dauernden  Sesshafligkeit.  S<.'wcil 
cinzelncti  Sianiuien  gestattet  wurde  sich  am  Einken  Rhciuufer  oder  jenseits 
des  Limes  an7.u.»iiedeln,  geschah  dies  auf  Kosten  ihrer  Nationalität  Nur  die 
Ostgermanen  hatten  Raum  zu  einer  weiteren  Ausbreitung  nach  Südosten.  Für 
die  Wcstgerman^cn  beginnt  seit  Caesar  eine  Jahrhunderte   dauernde   Ruhezeit 

Schon  die  bisher  behandelte  Atisbreiiuiig  der  Germanen  in  den  letzten 
Jahrhunderten  v,  Chr.  bp<leutet  in  Wiiklichkcit  eine  Ausbreitung  einze4ner 
germanischer  Suimmc.  Die  spätere  Ausbreitung  wird  bei  der  Geschichte  der 
einzelnen  Shlmme  behandelt  werdcu. 

Was  die  ersten  Jahrhunderte  li.  Chr.  anbetrifft,  so  sei  hier  nur  darauf 
hingewiesen,  dass  neben  der  .\usdehnung  der  Grenzen  der  einzelnen  Stamme 
eine  Überschweimnung  des  römischen  Reiches  mit  gennanischen  S.ttdalcn  neben- 
her ging  ^,  Von  den  kimbrischen  Sklaven  abgesclicn,  bediente  sich  selten 
Caesar  germanischer  Hülfstruppcn  und  liess  solche  anwerben  (Ä  G.  VII  Ö5), 
und  seitdem  hal>en  die  gennanischen  Kemtruppen  im  römischen  Heere  derart 
zugenommen,  da&s  sie  in  der  rfimischen  Militärmonarchie  zeitweise  eine  aus- 
schlaggebende Rolle  siiiellen:  ein  Gote  Maxitainus  hat  2^^5,  ein  Franke  Mag- 
ncntius  350  den  römischen  Kaiserthron  bestiegen.  Alle  diese  Elemente  sind 
dem  gennanischen  Volkstum  verloren  gegangen. 

'  K.  Th.  Wagner,  Dtf  Germanen  im  rSmisehm  Impernim  vor  dfr  f  tWfc'r. 
ivanJrrunff,  PlDgr.,  Leipzig  18Ö7.  —  <  >,  Slückvl,  Die  Germanen  im  r^mtKiKW 
Dienste,  Priigr.,    Rerlin    |8Xo, 


II],  A.  f.  Die  Kokstituieri.'xg  df.r  orkmanischen  StXmme.     ttc)3 


III.    DIE  GERMANISCHEN  STÄMME. 

Jk,    GRUPPIERUNG  DER  GERMANISCHEN  STAMME:  STAND  DER  FRAGE. 

I.     Die  Konstituierung  der  Stamme. 

§  71.  Es  tüsst  sich  weder  nachweisen  noch  auch  nur  wahrscheinlich 
machen,  dass  die  Germanen  je  einmal  in  grauster  Vorzeil  ein  einziger  Stamm 
gewesen  sind-  Eben»)  wie  es  von  je  her  verschiedene  germanisclie  Mund- 
arten gegeben  hat,  aber  nie  eine  durchaus  einheitliche  germanische  Ursprache 
—  auf  die  Rekonstruktion  einer  solchen  kann  die  Forschung  au:>  praktischen 
Gründen  gleichwohl  nicht  verzichten  — ,  ebenso  hat  es  von  je  her  verschie- 
dene germanische  Stämme  j,;et;eben,  und  das  von  uns  rekonstruierte  germa- 
nische Ur\olb  entbehrt  einer  realen  historischen  Existenz,  sobald  wir  uns 
■  daiunler  eine  völlig  einheitliche  Gmppe  vop>teIlen.  In  §  21  ist  gezeigt  wur- 
den, dass  dieses  Ur^'olk  zwar  eine  politisch  einheitliche  Gruppe  gewesen  ist 
in  jener  bis  in  das  Gemein  indogermanische  hinaufreichenden  Zeit,  als  sich 
■eine  von  den  Nach  barsprachen  scharf  abgegretutc  gennanische  Spraclic  aus- 
bildete. Aber  es  ist  durch  nicht»  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  diese  |x>li- 
Usche  Einheit,  wir  dürfen  sagen:  dieses  Reich,  nicht  erst  durch  den  Zusam- 
menscliluss  verschiedener  St^umie  zustande  gekommen  ist.  Selbst  wenn  man 
denjenigen  Suimm.  der  (wohl  durch  Unterwerfung  der  andern)  irmcrlialb 
dieser  Gruppe  der  herscliende  war,  als  das  eigentliche  gennanischc  Unolk 
heaeichnen  will,  so  ist  auch  dieser  Stamm,  wie  e«  bei  einer  jeden  politischen 
•Gruppe  zu  allen  Zeiten  der  Kall  gewesen  ist,  seinerseits  aus  einer  vordem 
nicht  homogenen  WiLSse  hcr^-orgt^angeii.  Immerhin  aber  dürfen  «-ir  anneh- 
men, dass  die  Germanen  in  ihren  verhältnismässig  beschrankten  \\'oIin!jt/en, 
wie  sie  sie  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrtausends  vor  unserer  Zeilrechnung 
imic  hatten,  eine  relativ  einheitliche  Gruppe  gebildet  haben,  und  es  Ist  sehr 
fraglich,  ob  die  späteren  politischen  Gruppierungen  in  ihrem  Kerne  zum  Teil 
auf  jene  postulierten,  sozusagen  vorgermanischen  Slilnime  zurückgehen'.  Wahr- 
scheinlicher sind  das  Neubildungen,  so  gut  wie  die  modenic  Abst»ndenmg 
einer  amerikanischen  Nationalitflt  von  der  englischen  nichts  mit  den  Stammen 
der  Angeln,  Sachsen  und  Euten  zu  tliun  hat,  aus  deuen  das  englische  Volk 
erwachsen  ist,  oder  wie  die  Ausbildung  einer  niederländischen  Nationalität 
keine  allere  ix>litische  Bildung  fortsetzt,  oder  wie  die  modernen  deutschen 
Kinzelslaaten  mit  den  alten  deutscheu  Stimmen  in  keinem  liistorischen  Zu- 
sammenhang stehen. 

>  H.  Hirt  Iwt  PBB.  XYIII  511  —  519  (vgl.  Oiuu  R.  Muth  elxl.  XX  4  —  19) 
und  XXI  125^12^,  151^ — 158  eine  Ruihe  von  gmiiaiiisclinn  VölkLTTuiiiicti  mit 
nidit>genn.uitscben  /tiummengvMclIl,  und  incinl.  dass  wir  (^  mit  Slümtncn  zu  tliuti 
luktiL-D,  lue  bb  in  die  idfl.  Vnrxcit  zurückreichen,  derart,  diu«  ein  Teil  eines  ji^«) 
dicKr  Urstämmc  infolge  vcrsdiicdtncn  poUtisdifn  Anscbltttscs  m  einem  Ki-rmaniscbcn 
Stamm  geworden  aci,  ein  AndL-rer  Ti-il  ätirr  /.u  einem  kvhi»chiii,  iulittchen,  vpv- 
chiscben  u,  s.  w.  Umi.T  diesen  OK-ichungen  tfcllnd«;:  «ich  keine  «iidKe,  welche 
mit  Notwendigkeit  ^xier  auch  nur  mit  Wahrscheinlicbkeit  den  SchluRS  /uliesse,  da*« 
die  t>eu'efrci]den  gcrmaniiichcn  SÜLmme  gleidinjunige  id};.  St&mnic  poUtuch  fortscuten. 
Diejenigen  (zAhlreicfastcn)  gcrm.  VOlkiTtuuncn,  die  sich  bei  den  Kehcn  wiederholen 
(§  49  Aam.  3).  werden  mit  grösserer  Wahrscbeiiiltcbkeit  auf  die  Zeit  der  Kiltcnber- 
schäft  in  Ueuuchland  (oben  S.  787  f.)  iurßckgi.-liitirt  als  anl  eine  idg.  Zeil,  uoj  nucb 
viin  di-.^i-n  CberrinstiiDmiitigrii  sind  einige  siclierlich  nur  zidUlüg,  Bei  «ndera 
<Vlfiehimgi-ii  ist  xu  l>er<i>*k;«ic)itigi.-n,  ■U^'>  nehr  wolil  ein  und  diu^sellie  idg,  Worl  dein  ^ 
>."mnen  /u  Gninilc  liegi^n  kimn,  ohm^  daM  darum  der  Vulkünamc  in  eine  s*i  frilhe 
Zeil  bindufzviceiclien  braudil,  imd  Namen  wie  »Kusttnanwohner«,  »Waldlente»  oirt 
sEillci  ktinnL-n  nanuticb  leicht  zu  allen  Zeiten  an  verschiedenen  Orten  n-iederkcbren, 
ohne  daü«  ein  geschicliclicher  Zusammenhang  besteht;  es  Ist  wenig  wahrscbdnHch,  das« 


8o4 


XV.  Ethnographie  der  geruakiscbek  StAsime. 


ilic  jüüschm  (r)  uml  ntmvir^M-hrn  llantilf«  mit  den  Hanitlt^  Arior»ts  ^i^  Mani 
mit  <lrn  Manigni  cIwab  2u  lliim  hnbrn.  Unlcr  jenen  für  die  rntlogcroiRncii  in  An- 
Bjmich  jinionimcncn  NniiiPii  ftinil  aber  infolge  unserer  unzureichenden  KenntnU  der 
vnrlitlvnuischcit  .S)iTai.'heii  die  meisten  oicbt  deutbar,  uud  wir  wi&seu  nicht,  wir 
weit  in  Milchen  Narac-ii  nicht  ein  altes  ausgestorbcDCS  Wort  für  -Kiute^  oder 
•  Wnld*  »der  ■Adel"  u.  dgl.  steckt.  Die  merkwürdigste  Gldcbuof;  unter  allen  ikt 
die  der  Vencti  in  der  Brcta)::ne.  m  Vcneticn.  in  Xhrakii.'n,  östlich  dci  Weichwl 
und  in  Paphlagonien  (L.  Conizco,  Dk  il'antientng<n  der  Kelten,  Leipzic  l86l, 
S.  67 — 73),  woiu  noch  der  lacua  Venciu»  (BodtniecJ  /u  vergleichen.  Abcx  t%~ 
fehlt  uns  jeglicbor  Anhalupunki,  um  /u  ermitteln,  wie  weit  und  ob  übcrluupt: 
diese  Namenagleichbt-it  :^iif  ursprünglich  bi<itorisch<.-m  Zusammenhang  l>cniht,  und* 
darum  IJlsst  sich  auch  mit  der  Hj^iothcse,  diiss  ein  Teil  de»  idg.  Urvolk»  sich  so- 
genannt habe,  nichts  »nfacgcn. 

§  72.  Gleichviel,  ob  zu  der  einen  oder  andern  spateren  Stammesgmp[jc 
der  Ansatz  bereits  durch  politische  Verhältnisse  der  Vorzeit  gegeben  war 
oder  nicht,  zu  neuen  politischen  Sonderbildungen,  zu  der  gesclüchtUchett' 
Differenzierung  der  Germanen  hat  es  an  AnUlssen  nicht  gcfelilt. 

Ziuiüchst  sind  naturgemäss  alle  diejenigen,  welche  sich  eine  neue  Hoiniatr 
fem  vom  Slaminlande  gegründet  haben,  zu  einem  Volk  erwachsen.  So  btldt-o) 
die  Nnrdgermanen  eine  besondere  Gruppe,  seit  sie  nach  Skadinawien,  die 
Angeln,  Etilen  und  ein  Teil  der  Sachsen,  seit  sie  nach  England  ausgewandert 
sind,  ebenso  wie  in  spfltercr  Zeit  die  Isländer,  die  Siebenbflrgcr  Saclisen^ 
die  Nordainerikaner,  die  Boeren  von  dem  Zeiti^unkt  an  zu  einem  besonderen 
Volk  erwuchsen,  wo  sie  ihr  Heimatland  verlassen  haben.  Ich  rechne  hierher 
auch  die  Auswanderung  der  Oslgennancn  von  der  unteren  Elbe  an  die 
Weichsel  (g  52).  Wenigstens  Iflsst  sirh  aus  sprachlichen  Gründen  bei  dieseoi 
so  wenig  wie  bei  den  Skadinawiem  folgern,  dass  diese  Sonderbildungen  alle- 
ren Datums  seien.  Ich  rechne  femer  liierher  die  Entstehung  kleinerer  Stumme- 
wie  der  Batavi,  welclic  »Chattonnn  quondam  ixipulus<',  >seditioiie  doniestica* 
])ulsi-,  sicli  am  Niederrhein  eine  neue  Heimat  gegründet  haben  (§  65).  Auch  die 
Markomannen  und  ebenso  die  Quadi  scheinen  .sich  als  besondere  civitas  erst 
konstituiert  zu  haben,  seit  sie  sich  von  den   Übrigen  Sweben  getrennt  haben. 

Ein  fernerer  Grund  fiu  politische  Sonderbitdmigen  liegt  in  der  Beschaffen- 
heit des  Landes.  Wo  die  Natur  in  Gestalt  eines  schwer  passierbaren  Ge- 
bitges,  eines  Urwaldes  oder  unzugänglicher  Sümpfe  ein  dauerndes  Vorkchrs- 
hindemis  bot.  musstun  sich  im  Laufe  der  Zeit  die  Bewohner  hüben  und 
drüben  einander  entfrcmdeJi.  So  erklärt  es  sich,  dass  die  Friesen  einen 
Stamm  für  sich  bilden;  denn  bis  auf  die  Gegenwart  trennt  diese  von  ilircn 
südlichen  Naclibaxn  ein  früher  katun  passierbarer  Gürtel  von  Mooren;  dazu, 
musste  die  ganze  Lebensweise  in  dem  von  der  See  bedrohten  Mar^htande 
sich  anders  gestalten  als  auf  der  benachbarten  Geest;  die  Friesen  haben 
dalier  auch,  als  sie  steh  .später  ostwJirts  ausbreiteten,  aussclilicsslich  Marsch- 
land (einschliesslich  der  Voigeest)  besetzt.  Die  Trennung  der  Markumannca- 
und  Quadi  von  dem  Hauplstock  der  Sweben  begründete  zwar  deren  poU«! 
tische  Sonderexistenz,  dieselbe  wurde  aber  konsolidiert  dmcli  die  geo 
phisclic  Abgesclihtöseiiheit  der  neuen  Heimat,  wciclie  anen  Verkehr 
item  Mutterlande  erschwerte. 

Natürlich  k^mneu  auch  irgend  welche  inneren  politischen  VerhUllnisse 
dazu  geführt  haben,  dass  sich  ein  Teil  eines  Stammes  für  j>olitisch  selb- 
ständig erklarte  oder  einem  andern  Stamme  nnschloss,  ebenso  wie  durch  krie- 
gerische Elreignisse  die  politischen  Grenzen  der  Stämme  einem  Wechsel  unter- 
worfen waren.  So  haben  z.  B.  die  Reste  der  Usipeies  und  Tencteri  beiJ 
den  Sugambri  Aufuahme  gefunden  und  haben  sich  seitdem,  unter  Wahrung 
ihrer  Selbständigkeit  als   blonderer  Stamm,   ihnen   politisch    angeschlossen. 


I 
I 


in,   A.    Z.    Dl£    KONSTITUIEKUXG   0£K   GEKUANISCHbN    SrÄ.MME.        805 


-ohne  dass  wir  wflssteii,  tlass  «e  vordem  Glieder  einer  grösseren,  zusammei]- 
gcliörij;en  Gruppe  jrewcsen  wären.  Andrerseits  haben  dieSaclisca  z.B.  einen 
kleinen  Teil  des  Hessenlandes  und  Nordthüringen  erobert  und  dauernd  be- 
liauplet.  so  dnss  diese  Hessen  und  Thüringer  politisch  und  sprachlich  in  den 
Satliscn  aufgegangen  sind.  Doch  derartige  Erscheinungen  betreffen  bereits  die 
■spateren  p«ititLirhcn  Gruppienmgen.  I""Or  die  älteste  Zeit  scheinen  allein  jtme  er><t- 
f^nanaten  beiden  Muincnte  für  die  Ausbildung  neuer  SUinime  in  Betracht  zu 
komroen,  oder  wenigstens  eine  Spaltung  eines  zu  gross  werdenden  politischen 
Verbandes  scheint  immer  mit  der  Auswanderung  eines  Teiles  verbunden  zu  sein. 
§  73.  Sehen  wir  von  den  ixilitischen  Neubildungen  ab,  die  auf  neu  er- 
worbenem Boden  vor  sich  gingen,  und  von  dem  durch  die  Natur  des  Landes 
gegebenen  Gruppierungen,  so  dürfen  wir  annehmen,  dajs  die  Germanen, 
nachdem  das  politische  Band,  welches  die  Urgermanen  vereinte,  zerrissen 
war,  in  eine  gTüs.se  Aiizjihl  kleinerer  Stamme  zerfielen,  die  mit  einander 
Fühlung  hatten.  Die  spätere  Entwicklung  Ist  dann  die,  dass  einzelner  dit^icr 
Stamme  Über  andere  ein  Cberpcwidit  bekamen  und  sich  durch  Aufnahme 
^'üii  Nachbarstammen  in.  ihren  Staatsverband  zu  einem  grösseren  Staats- 
wesen konstruierten.  Dabd  konnten  einzelne  Stamme  ihre  politische  Selb- 
ständigkeit völlig  verlieren,  so  dass  sie  zu  einem  Teile  der  grösseren  Gemein- 
schaft erwuchsen;  andere  konnten  eine  gewisse  Selbständigkeit  behaupten, 
waren  aber  doch  politisch  abhängig;  andere  endlich  fesselte  nur  ein  Schutz- 
und  Trutz bvlndnis,  und  diese  letzteren  waren  natürÜL-h  am  ehesten  in  der 
■Ljige  sich  unter  Unisliinden  einer  anderen  politischen  Gntppe  anzusch Hessen. 
Wir  sehen  diese  Verhaltnisse  bei  allen  Völkern  wiederkehren,  sehr  deutlich 
z.  B.  bei  den  Kelten.  Rs  gab  zu  Caesars  Zeit  noch  eine  Reihe  von  kleinen  selb- 
stiindigen  GauviTiIkchen,  s<.i  z.  B.  im  Wallis  allein  die  drei  Stamme  der  Nan- 
tuates.  Seduni  und  Vcragri,  bei  Base!  die  Raiiraci,  in  den  Talern  der  Wcst- 
alpen  die  Mcmini,  Tricorii,  Tricastini,  Iconii,  Caturigcs,  Medulli,  ("cutrones. 
Daneben  gab  es  aber  auch  schon  grössere  Ci«iates.  die  in  mehrere  Gaue 
zerfielen,  so  schon  lange  vor  Caesar  die  der  Volcae,  Boji  und  Helvetii.  Die 
CiN-itas  der  Hebetü  bestand  aus  den  vier  Gauen  der  TigurinJ,  Ambroncs. 
Teutoucs  und  Vt-rbigcni,  walirscheinlirh  ursprünghch  selbständigen  Stünunen. 
Unter  dem  Imperium  der  Ner\'ii  standen  die  kleinen  GauvJilkchen  der  Ceu- 
<rones,  Grudü,  Lc^aci,  Pleumosü  und  Ceidumni.  Klienten  der  Arvemi  waren 
die  Eleuteti,  Cadurci,  Gabali  und  VcUavi.  Das  Machtbereich  der  Aedui  er- 
streckte sich  von  Lron  bis  über  Paris  hinaus;  die  Ambarri  waren  necessaiü 
<l  Cönsanguinei  Aeduorura,  die  Segusiavi,  Ambivareti,  Aulerci  Brannovtces, 
Eranui'vii  ihre  clientes,  die  Boji  stipendiarii,  die  Bituriges  Cubi  und  Senoncs 
in  fide  Aeduurum,  und  selbst  die  uidit  stammverwandten,  belgischen  Bello- 
vaci  waren  omni  tempire  in  fide  atipe  amicitia  civitatis  Aeduae.  Von  dies-en 
Stammen  waren  die  Bellovaci  durchaus  unabhängig;  sie  nahmen  auch  gegen 
die  Aedui  Partei,  als  die  Politik  es  erforderte,  und  verbündeten  sich  mit 
<!en  belgischen  Stammen.  Die  Aulerci  Brannovici  haben,  wie  ilir  Name 
aussagt,  bevor  sie  von  den  Aedui  abhangig  wurden,  einen  Teil  (Gau.')  der 
Aulerci  gebildet ,  zusammen  mit  den  Aulerci  -Diablinles,  -Cenomani  und 
-Eburovices.  Eine  grössere  iwlitischc  Gruppe  bildeten  die  Bclgac,  deren 
Kern  die  Alrebates  und  Ambiani  nebst  den  Bellovaci  ausmachten ,  xmd 
denen  sich  die  Cateti  und  VeUucasses,  die  Suessiones,  Vironiandui,  Aduaturi, 
Ner\-ii,  die  Morini  und  Mcnapü  anschlössen.  Die  Eburones  waren  der 
■herschende  Stamm  der  Gennani  genannten  Gruppe,  Gerade  zu  Caesars  Zeit 
sehen  wir  sich  grössere  Gruppen  bilden.  Orgctorix,  Casticus  und  Dumnorix 
-beabsichtigten  sogar  die  Staaten  der  Ifeli-etii,  Sequani  und  Aedui  zu  einenf 


8o& 


XV.    ElUNUGRAI-HIE   DEK.   GERMANISCHES    StAUME. 


Bunde  zu  vereinigen.  So  sehen  wir  auch  bei  den  Germanen  aiis  den  kleineren 
Stammen  spater  grössere  Vülkcr  erwachsen.  Die  Friesen  sind  der  einzige 
Staiuin,  von  dem  wir  wissen,  dass  er  sich  seit  Alters  selbätAndig  erhalten, 
und  keine  andern  Stilninie  in  seinen  Verband  aufgenommen  hat,  als  er  sein 
Gebiet  cr^^■eitcrlc.  Unter  den  Franken  finden  wir  als  Gauvölket  die  %ormals 
politisch  sclbslÄndigen  iiatavi,  Chaltuarii,  Clwmavi  usw.  vereinigt;  unter  den 
Angeln  die  N er thus- Völker  des  Taciius.  Die  Angein  und  Sachsen  sind  nach- 
mals zu  dem  einen  Volk  der  Engländer  erwachsen,  wie  die  übrigen  Sachsen^ 
die  Franken,  Thtlringer,  Alemannen  imd  Baiem  zu  dem  deutschen  Volke^ 
Wu  wir  bei  den  Gertnanen  einem  grösseren,  in  mehrere  Cnlerableilungen 
zerfallenden  Volk  liegegneri,  ist  dieses  bereits  das  Ergehnis^  des  Zusararacn- 
sehlusses  kleinerer  Völkchen  gewesen,  sei  es  dass  solclie  sicli  freiwillig  zu 
einem  Bunde  zusammenschlössen,  sei  es  dass  eins  derselben  sich  mit  den. 
Waffen  die  Vorherschaft  errungen  hat.  Letzterer  Fall  ist  allein  historisch 
nadiweisbar.  Wie  es  bei  den  Kelten  gleichzeitig  kleinere  und  giössere  Sl.lin- 
nie  gab,  obgleich  die  letzteren  eine  spHiere  jxilitische  Entwicklungsstufe  reprä- 
sentieren, so  gab  es  auch  bei  den  Germanen  zw  Beginn  unserer  Zeitrechnung 
neben  den  kleineren  Völkchen  schon  grössere  Gruppen,  die  wir  als  Vor- 
laufer der  si>atcren  grossen,  germanischen  VolksstJlmme  betrachten  dürfen. 

Diese,  neuerdings  einseitig  betonte  Entwicklung  von  kleineren  und  gT«5sse- 
ren  Verbünden  hat  jederzeit  eine  Unterbrechung,  eine  Rückbildung  erfalircn 
können,  sobald  der  Verfall  eines  Reidies  eintrat.  Nachdem  die  deutschet* 
Stamme  zu  einem  Reich  geeint  »"arcn,  gingen  seit  der  ausgehenden  Hohen- 
staufenzeit  wieder  neue  kleinere  Grup]iierungen  vor  sich,  und  an  Stelle  des 
einen  Staates  finden  wir  in  den  folgenden  Jalirlmnderten  eine  Masse  von  klei- 
neren, immer  selbständiger  werdenden  Staaten,  bis  bei  aufÄlcigeiidcr  Entwick- 
lung aus  diese»  wiederum  grossere  Verbände  ennichsen.  Die  germanischen 
Stamme,  die  wir  v^r  2000  Jahren  vorfinden,  sind  das  Ergebnis  der  Auflösung 
des  urgermanischen  politisclien  Verbandes.  Da  wir  seit  Alters  neben  klctuc- 
ren  auch  gnjs.-tere  Stamme  kennen,  mtlssen  wir  fragen,  ob  oiler  wie  weit 
nicht  die  kleineren  wiederum  erst  aus  grösseren  Verbanden  hervorgegangen 
sind.  Keinesfalls  ist  die  Entwicklung  xu  den  gro.ssen  Volkssiammen  übcralt 
gleichzeitig  vor  sich  gegangen.  Fortscl»reilende  und  iiicklaufige  Bewegung: 
können  innerhalb  eines  grösseren  Gebietes  gleichzeitig  neben  einai»Uer  statt 
haben. 

§  74.  Jeder  Stamm  im  Sinne  der  römischen  civiias  (also  nicht  jeder  pagus 
eines  Stammes)  fühlte  sich  als  ein  besonderes  Volk  für  such  und  hatte  feste 
geographische  Grenzen.  Diese  bestanden  in  ältester  Zelt,  vor  der  Auwodung 
des  Urwaldes,  gTüsstciitcils  in  einem  ausgedehnten  Gcbirgs-^  Wald-*  oder 
Sumpfgürtel.  So  trennte  die  Sweben  Caesars  win  den  Cherusd  ein  von  der 
Rhiin  durch  Hessen  bis  zum  Harz  reichender  Wald'-  »infinita  magnltudine^ 
(|uac  apjreUalur  Bacenis;  Ivane  longe  introrsus  pertinere  et  pro  nativo  muro 
objectara  Cheniscos  ab  Suevis  Suevosque  ab  Clieruscis  [injurüs  IncursiunibusqueX 
prohibere-t  (Caesar,  /f.O.  VI  lof.  Die  Triboci  im  Unterelsass  schied  \im  den 
nördlich  bis  zur  Neckarmündung  wohnenden  Nemetcs  der  ILigenauer  Forst,, 
diese  von  den  Vangiones  die  Hardt.  Ob  die  Ubii  und  Siigambri  an  der  Sieg 
unmittelbar  an  einander  grenzten,  wis.sen  wir  nicht;  aber  zwischen  Sieg  imd 
1-ahn  liegt  der  Westerwald.  Die  Sweben  scheinen  im  Westen  unmittelbar  ;ui 
die  Vangii>nes  am  unteren  Main  uml  an  die  Ubii  in  Nas>iau  gereicht  zu  haben; 
aber  sie  waren  hier  noch  nicht  fest  ansässig,  sondern  auf  ihren  Kriegszügea 
nur  eben  sü  weit  vorgedrungen.  —  Vgl.  die  Karte  zu  S.  700. 

1  Da.1  Wort  filr  iGrcnsC',  Marit,  h.-ii  di«  UMltTtitunj;  von  •WalJ>  ukgtoaaauaL. 


—  *  Moch    im  Jahrr    1073    n-ichlc    (li«iwr  Walil    ununifibrncli«»    vom   Hun    bis 
nach    Hc»en,  vgl.   W.   Arnold,   AntirJeiungeri  unJ    Wimätrungen,  S.  7I. 

Wo  (Jurch  die-  Boden besr ha ffenheit  keine  natflrlichen  Grenzen  gegeben 
wartm,  pflegten  lUe  Gt;niian<!ri  eint:  Wüstenei  zu  schaffen.  »Publice  maxiniain 
putnnt  esse  laudera,  quam  Intissime  a  suis  finibu-s  vacare  agros.  Itaque  una 
ex  parte  a  Suevis  circiter  riilia  passuuni  sexcenta  agri  vacare  dicuntur»  (Cae- 
sar, B.  O.  IV  X)-  "Civitalibus  ma.^ima  laus  est  quam  latissirac  circum  ae 
vastatis  finibiis  solitudines  habere.  Hör  proprium  virtulis  existimant,  expulsos 
agris  fiaitiiinos  cederi:  ncque  qiieinquam  propc  audcre  cunsistcre;  simul  hoc 
sc  fore  tuiiores  arhitrantur,  rcpenünac  incursiunis  ümore  sublalo«  (ebd.  VI  25). 

Vielfach  berQhnen  sich  die  Stamme  auch  unmittelbar,  und  die  beider- 
seitigen Gebii^tc  waren  scharf  abgegrenzt.  Tacitus,  Ann.  H  19  berichtet, 
dass  die  »Angrivarii  lat«^  aggere  .  .  a  CheruscLs  dirimerentur'.  Ammianus 
MarccMinu.s  urwShnt  XVIII  j,  15  eine  Stelle,  »ubi  tenniiutles  lapidca  Aia- 
mannorum  et  Burgundinnim  confinia  distinguebaiit>. 
H.  F.  Hc-lmolt,  HUt.  Jb.  XVII  235—264. 

§  75*  Jeder  Stamm  war  fest  in  sich  abgeschlossen  und  fühlte  sich  inner- 
halb seiner  Grenzeil  als  eia  Vulk  für  sicli,  so  dass  jeder  Einzelne  sich  seiner 
politischen  Ziigehürigkcit  bcwiwst  war,  im  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  den 
Angehörigen  des  Nachl)arstamnies.  Die  Folge  war,  daü  sich,  je  Ulngcr  diese 
Stammesgrcn/.e  Bestand  hatte,  eine  um  so  sclulrfere  Grenze  hinsichtlirh  der 
Lcbensgcwohnheiien  und  Anschauimgen,  hinsichtlich  der  Sitte  und  des  Ret^'hts, 
der  Sprache  u.  s.  w.,  kurz  eine  um  so  sch.'irfere  nationale  Grenze  herausbil- 
dete. Denn  der  Verkehr  und  somit  der  sprachliche  und  der  geistige  Aus- 
tausch Oberhaupt,  wie  auch  leiblich  die  Verliindung  durch  di*?  Ehe,  dieser 
V^erkchr,  dec  innerhalb  eines  jeden  politischen  Verbandes  L-iu  ungcliitidertcr 
war,  stockte  an  der  Grenze.  Für  diejenigen,  welche  glauben,  dass  in  früherer 
Zeit  trotz  der  gefühlten  Slammesunterschiedc  der  Verkehr  über  die  (jrenze 
ciA  ebenso  lebhafter  war  wie  innerhalb  derselben,  dass  infolge  dieses  un- 
untrrbrorhenen  Verkehrs  sich  früher  auch  keine  Sjjrachcin heilen  der  ein- 
zelnen Stamme  and  keine  Sprachgrenzen  zwischen  ihnen  hatten  heniusbil- 
den  kilnnen,  für  diese  Forscher  betone  ich,  dass  der  Theorie  nicht  Raum 
gegeben  werden  darf,  wo  die  Thatsachen  sprechen.  Ich  will  aus  der  Reilie 
der  Zeugnisse  hier  zwei  besonders  lehrreiche  anführen,  die  eine  für  die  na- 
tionale AbgeschloÄucnheit  der  Friesen,  die  andere  für  die  fränkisch/schwübische 
Stammesgrenze.  In  dem  MemoriaU  liuguiz  Friskir  des  J.  Cado\'ius  Müller 
aus  dem  Ende  des  i7.Jahrhs.  (ed.  L.  Kdkelhan,  Leer  1Ö7.5)  hcisst  es  (S.24): 
die  Üstfriesen  haba»  *vor  frembder  Vülcker  Sprache  einen  Abschew  gehabt 
und  hirgcgen  ihre  alle  Sprache  alsz  einen  Abgott  geehret  und  mündlich  auf 
ihre  Kinder  und  Erben  fort  gcpflantzet,  ja!  sie  sind  hierin  so  hartnackig  ge- 
wesi,  dasz,  wenn  sie  gleich  ihrer  Kinder  Glück  und  Wollfarih  darmii  hetten 
befohdern  können,  sie  in  alten  Zeiten  weder  ihre  Söiiii  noch  T£>chtcr  an 
Frcmbdlingen  oder  TeuLschen  nicht  haben  geben  und  verheurathen  wollen 
wie  ich  offt  ausz  der  alten  Oistfrisen  Munde  selbst  gehörrct.  So  ist  auch 
noch  eine  alle  Oistfrisiscbc  Familie  in  meiner  Gemeine,  die  noch  auf  den 
heutigen  Tag  ihre  Kinder  an  Niehmand  verehligcn,  wan  er  nicht  ein  gebolir- 
ncr  Oistfrisc  und  ihrer  Spra'heii  kundig  Jst,  darumb  auch  die  alten  Oistfrisen 
ni>ch  nicht  gern  mit  einem  Teutschen  Frisisch  reden,  ob  ers  gleich  kan 
verstehen,  sondern  haben  eine  angebohme  Vergnügung,  diese  alte  Sprache 
mit  den  ihrigen  allein  zu  unterhalten.'  —  Das  andere  Zeugnis  ist  aus  der 
Gegenwart;  H,  Halm,  Skizztn  am  dem  Frankfnluml.  Hall  1884  (=  Vom  Unter- 
land^ Schw.  Hall  o.  J.  [i8c>i.  g^  oder  03]).  Na<:hdem  von  der  fränkisch 
schwabischen  Sprachgrenze  gehandelt  Wf»rden  ist,    hcissl  es  S.  38:    >Auch  /in 


aniiem  Beziehungen  tritt  der  Stammesunterschied  hervor,  z.  B.  in  der  Hal- 
tung und  Summe,  im  Blick  und  Charakter.  Der  Kranke  zeigt  sich  entgegen- 
kommend, gefallig.  gewandt  und  beweglich,  das  Auge  ist  meist  dunkel,  uft 
siechend,  das  Gesicht  scharfer  geschnitten;  im  schwäbischen  Tj-jms  tritt  als 
Gegensatz  der  stämmige,  derbere  Körperbau,  der  licllcrc.  offene  Bück,  di« 
breitere  Gesichttform  her^-or;  in  der  Unterhaltung  geht  es  lauter,  lärmender 
zu.  Selbst  in  der  Lebensweise  und  Kost  kann  man  die  Unterschiede  ver- 
folgen.' Es  folgen  dafür  die  Belege  S.  39:  »Dort  wird  die  Grenze  niclil 
bios  durch  die  Mundart  markirt sondern  auch  durch  dnc  merk- 
liche gegenseitige  Abneigung  zwischen  dem  Frauken  und  Schwaben,  sofern 
heute  noch  Heiraten  herüber  und  hinüber  zu  den  Seltenheilen  gehören.  Der 
eine  wie  der  anilrc  füldt  sich  nur  in  dem  HaiLse  beliaglich,  wo  er  s^e 
Mundart,  seine  gewohnte  Lebensweise  und  Sitte  wiederfindet.  Schwaben, 
welche  in  eine  fränkische  Familie  heiraten,  um  »ich  liier  anzukaufen,  werden 
anfangs  immer  mit  einem  gewissen  Misstrauen  aufgcncnunen.*.  S. 39f.:  »Wo 
nur  solche  Unterschiede  und  Gegensätze  in  den  socialen  Anschauungen,  in 
der  Lebensweise  und  im  ganzen  Typus  des  Volksstammcs  mit  dem  Spradi- 
unterschiedc  zusammentreffen,  da  wird  man  wohl  das  Recht,  von  einer  Sprach- 
grenze zu  reden,  nicht  bestreiten  wollen.-  —  Wenn  trotz  der  nivellierenden 
Wirkung  der  Neuzeit  sich  derartige  Gegen.säize  bis  auf  den  heutigen  Tag 
erhalten  haben,  so  ist  es  sicher,  dass  in  früherer  Zeit  das  Stammesbewu.%st- 
tein  und  die  Stammesgcgeiisätze  in  noch  liLiherem  Grade  auj^eprSgl  gewesen 
sind,  und  dass  mit  dem  natianalen  Stnmmesbewussisein  auch  ein  nationales 
Sprach bewussLiein  untrennbar  verbunden  war. 

Anm.  Mit  Aem  letzten  Salxe  Ul  iliircliuu«  niclit  gesagt,  das*  jedet  germanische 
Stamm  etwa  seine  eigeiie  Sprache  ausgebildet  haue  ohne  Berülirang  mit  aeineo 
Kachbärilämmen.  Im  Gegerleil,  wir  können  schon  von  «Itcster  Zeit  an  %'eH'oli;eu, 
vic  eine  auf  irgend  einem  Gebiete  lucrst  außauchcnde  Keueruoi;  sich  io  derselben 
Weise  wie  heute  allmählich,  gleich mäi^sig  rüumUch  wie  leitlicli,  ■weilcr  veibreitele. 
Aber  wir  finiien  dann,  das«  eine  solche  ErichciDUDg  mit  einem  Mal  sleh^n  bleibt  und 
gerade  stehen  bleibl  an  einer  Staniirrsgrence,  oline  über  dieselbe  liinnberzudringrn. 
So  z.  B.  ist  die  bochdculsche  Lautverschiebunj;  .-illmShtich  immer  weiter  von  Südco 
iLich  N'ordeii  vorgc drangen  in  einer  Reihe  von  deutlich  crkennbapen  Schichien.  Aber 
Über  die  sächsische  Grenze  ist  sie  nicht  liinau^gckommen.  Sie  bat  freilich  auch  bei 
den  Fr.inkcn  nicht  die  See  erreicht.  Aber  es  ist  doch  kein  Zufall,  dass  die  Sprachgrenxe 
der  Luutvec^chicbung  gans  genau  mit  der  sächsischen  Slammeigtencc  Eusammcnf&IIt. 

§  76.  Wir  kennen  die  germanischen  Stanune,  welche  zu  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  bestanden,  volLstandie  niu',  soweit  die  Römer  vorgednmgen  sind, 
also  wealHch  der  Elbe.  Für  den  Osten  und  Norden  .sind  unsere  Nachrichten 
nicht  ausreichend,  und  die  Karte  weist  hier  viel  weniger  Volksnamcn  auf. 
Ich  sehe  iu  meiner  Darstellung  von  den  kleineren  Teilstilmmcn  wie  den 
Dulgumnii,  Chasuarü,  Fosi.  Rcudigni,  Aviunes,  Suurincs,  Man>igm.  Buri.  Lc- 
monü  ab,  von  denen  es  nicht  feststeht,  ob  sie  eine  besondere  ci\itas  gebildet 
haben,  oder  ob  sie  nur  Unterabteilungen  grösserer  Stumme  gewesen  sind. 
und  welclie  keinerlei  Bedeutung  für  die  Folgezeit  haben.  Die  grnsseren 
Stämme  kehren  alle  in  den  spateren  Jahrhunderten  wieder,  wenn  auch  vielfach 
unter  veränderten  jjulitischcu  Vcrhältuisscn  und  unter  andcru  Namen.  Es  zeugt 
von  der  grossen  Beständigkeit  der  Stammesbildungen,  wie  sie  zu  Beginn  un- 
serer Zeitrechnung  bestanden,  dass  sie  sich  über  ein  halbes  Jahrtausend,  zum 
Teil  bis  auf  die  Gegenwart  lebensfähig  gezeigt  haben.  Die  kleineren  StAmme 
waren  teilweise  schon  zu  Beginn  unserer  Zeitrechnung  zu  grösseren  politisclieu 
Gemeinscliaflcu  vereinigt.  Wie  weit  jene  selbst  Teile  von  älteren  grOsscTcn 
Crupjicn  darstellen,  gehört  zu  den  schwierigsten  Fragen  unserer  Vorgeschichte. 


2.    Die  Gesamtgruppicrung  der  germanischen  Stamme. 

§  77.  Wir  teilen  die  germanischen  Sprachen  in  drei  Gruppen  ein:  tigt- 
gernianisch,  nordgcnnanisch  und  westgermanisch,  wobei  es  zunächst  dahin* 
gestellt  bleiht,  ob  nicht  die  beiden  ersleren  naher  zusammen  gehören,  so 
dass  man  vielleicht  richtiger  von  einer  Zweiteilung  sprechen  sollte.  Die 
westgermanischen  Sprachen  zerfallen  n-iederum  in  zwei  (jruppen :  angk»- 
frie^iäch  und  deutsch,  wobei  Ich  abi^ichtUch  von  der  cigentümliehen  Mittel- 
stellung des  Niederdeutschen  einstweilen  aixsehe.  Man  stellt  sich  diese  Grup- 
pierung als  eine  Spaltung,  slelll  sie  sich  unter  dem  Bilde  eines  Stammbaums 
vur.  etwa  so:  aus  der  Ursprache  heraus  entwickelten  sich  drei  hezw.  zwei 
Dialekte,  welche  üirerseits  wiederum  die  Ursprachen  der  historischen  genna- 
nischen  Dialekte  darstellen.  Analog  wflre  die  Stammesdifferenzierung  so  zu 
denken:  das  eine  Urvolk  spaltete  sich  (etwa  infolge  Auswandertmg  eines 
Teiles)  in  drei  oder  zwei  selb^tSndige  Vülkcr,  und  diese  sind  die  Stammvater 
der  historischeit  genuanischcn  Stflmnie.  Man  konslniiert  also  eine  Mittel- 
stufe zwischen  dem  historischen  Thatbcstande  und  der  als  Einheit  gedachten 
Urzeit.  Diese  Auffassung  darf  als  unhistorisch  bezeichnet  werden  und  Iflsst 
sich  um  so  leichter  widerlegen,  je  genauer  wir  über  die  geschichtlichen  Ver- 
haluiissc  unterrichtet  sind.  Wenn  es  wirklich  einmal  einen  westgermanischen 
und  einen  ostgermanischen  Volksstamm  gegeben  haben  sollte,  so  ist  dessen 
Nachweis  der  geruanisdicn  SprachwisstrnscUaft  jedenfalls  nicht  erreichbar. 

Diejenigen  dialektisrhi^n  F.igentümlichk(^iten,  welche  wir  si>eziell  als  west- 
germanische erkennen',  sind  nachweislich  erst  in  nachchristlicher  Zeit,  wenn 
niclit  entstanden,  so  doch  innerhalb  dieser  Grupf>c  durchgedrungen.  Die- 
jenige Einheit,  welche  die  Sprachwissenschaft  rekonstruiert,  ist  also  nicht  die 
urstprüngliche,  sondern  umgekehrt  es  bestand  von  Hause  aus  eine  Reihe  von 
Dialekten,  die  erst  spater  zu  einer  gewissen  Einheit  verschmolzen,  indem 
eine  vordem  einzeldialektische  EigentOrnliclikrJt  auch  in  den  andeni  Mund- 
arten, oder  indem  neu  aufkommende  Erscheinungen  alsbald  innerhalb  der 
.ganzen  Gruppe  durchdrangen.  Daas  diese  erat  in  nachchrisUicher  Zeit  wer- 
dende westgermanische  Spraclieinheit  keinerlei  ethnographische  oder  politische 
Einheit  reflektierte,  wissen  wir  zur  Genüge.  Duss  die  in  Rede  stehenden 
Erscheinungen  nur  gerade  denjenigen  Stammen  gemeinsam  sind,  die  wir  eben 
westgermanische  nennen,  erklärt  sich  einfach  daraus,  dass  die  Ostgermanen 
damitls  schon  ausgew-andert  waren,  so  dass  gar  keine  Gelegenheit  gegeben 
■war,  dass  eine  z.  B.  bei  den  Sweben  aufkommende  sprachliche  Neuerung 
auf  ostgeraiiinischcs  Gebiet  hatte  hinüberdringen  können,  und  die  Skadina- 
wier  wanm  von  ihren  M'estgermani-«chen  Nachbarn  durch  die  See  getrennt. 
Die  westgermanische  Sj^rachgcmeinschafl  ist  also  einfach  eine  Folge  des  geo- 
graphischen Zusammenhangs  der  in  Deutscliland  und  Danemark  woluicndcn 
Stamme.  Dass  aber  die  einzelnen  westgermanischen  Dialekte  nicht  erst  aus 
dieser  Spracheinheit  her\'orgeg.ingen  sind,  sondern  schon  vorher  bestanden, 
ja  Sf^hon  zur  Zeit  der  urgennanischen  Spracheinheit,  ISsst  sich  zum  Teil  direkt 
beweisen,  sowohl  durch  die  bei  den  antiken  Schriftstellern  überlieferten  Namen 
als  be.'rfinders  durch  die  innere  Geschichte  der  Einzelsprachen  selbst'.  Nicht 
anders  ist  es  um  die  der  westgenuaniscben  durchaus  nicht  widersprechende 
relative  Spracheinheit  des  Westgermanischen  und  Norchschcn'  und  des  Anglo- 
friesdschen  und  Nordischen  bestellt,  die  sich  gleichfalls  in  der  ersten  Hatfte  und 
um  die  Mitte  des  en*tc-ii  Jahrtausends  unserer  Zeilrcclmung  bildete.  Die 
Anglofricsen.  deren  Wohnsitze  einst  bis  zu  den  dänischen  Inseln  reichten 
(S.  8.j6),  bildeten  das  ethnographisclie  und  geograpliische  Bindeglied  zwischen 


8io 


XV.    £l~HNCX3RAI-HJE  DER    GERUANISCHEN   StXJJME. 


den  Deutschen  und  den  Sfcadinawiem,  und  entsprechend  dieser  Lage  sind 
eben  eiiuchic  sprachliche  Neuerungen  den  Deutschen  und  Anylofriescn  ge- 
meinsam —  westgermaniKche  Sprachfinheit  — ,  amiere  den  Ang^ofriesen  und 
Skadinawtem  —  ungk'fiiesisch-nordiy.he  Spracheiuheit 

*  Kl  jyc,  (irrfr.  *  I  422  — 42S,  —  '  Vgl.  hicritber  meine  AiufäHrui^n  IF.  IV 
8 — 31,     Diir:h  spriithücho   Komliination  läist  sich  /..  ü,  crwcistn,    da«   zwei  dia- 
lektische Diffcrca/cn    /wischen  vVnglorricsisch    und  Dcauch,    Jcr   anKlofrics.    L.-tut- 
wandcl  du  Schwundes  von  »  luid   m  vor  1,  />  and  f  und    clx-nso   der  Lautwandt:! 
vun  lusaltertcm  d  und  ün  zu  (i  und  Qn  bereits  ;U-r  voTchriäütchcn  Zeit  aogehilrten. 
—  ■  Kluge.  Grdr.  '  I   +2i — 423. 
Am».     AIkth  B»:i^liiin);i;ii  wi<-  iHc,    auf  wekhu  ich  in  \  64  htn);cwie««n  habe,  ftind 
cinstwcili-n  nicht  fassliar  (.tnuK,    «ni  hitTaiif  ilie  Hypothae   dner   we8i|>cTruyiiKhen  poli- 
tiscbcn  UcmciBschaft  in  vorchhsUicbcr  Zeit  j:u  gründen. 

§  78.  Es  ergiebt  sich  aus  der  vorstellenden  Betrachtung,  dass  die  von 
uns  rekonstruierte  westfjermanische  Spracheinheit,  historisch  nicht  fmktifizier- 
bar  i-it  oder  nur,  wie  die  anglofricsiscli-noriiisclie,  ins<jEern,  als  sie  ein  Beleg 
fOr  die  lebhaften  JJeziehungen  ist,  <iie  zur  Vfilkerwandenmgszeit  zwischen  den 
einzelnen  benachbarten  Staramen  bestanden.  Es  ist  nun  die  Frage,  ob  nicht 
die  ustgcrmanischc  Spracheinheit  «itteren  Datums  ist.  Wir  kennen  von 
den  ostgermanischen  Mundarten  nur  das  Gfitische  nflher,  und  die  geringen 
i^eugnisse,  die  wir  aus  Eigemiauien  und  vereinzelten  Wörtern  für  das  Burgun- 
dischc  und  Wandalische  haben,  genügen  wohl ,  zu  erkennen ,  dass  diese 
Dialekte  einander  nJlher  stehen  als  irgend  einem  andern,  aber  von  einem 
Natrhweis  einer  grösseren  Anzahl  charakteristischer  sprachlicher  Keueningcn, 
wie  bei  A^w  Wesigennanen,  kann  keine  Rede  sein.  Einem  glücklichen  Zu- 
fall verdanken  wir  einige  Belege  für  das  hohe  Aller  des  ostgcrm.  Lautwandels 
von  aiislatUeudera ''' zurf:  Caluaitia{i),  Bnr^undae.Silitigaf^,  BasUrnaCt  V<nedae, 
während  gleichzeitig  die  entsprechenden  westgermanischen  Namen  auf  -u, 
'vuts »  ausgehen.  Wir  erkennen  daraus,  dass  es  schon  zu  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  eine  ostgermanische  Dialektgnippe  gegeben  hat. 

'  nicht  sicher.  —  ■  Die  RJJmer  galten  die  schwachen  Nomina  «if  -ö  im  Sg., 
•ann  ]>  -anis  im  PI.  durch  -«.  -on^s  wieder,  die  auf  -a  im  Sg.,  -«n/a  im  PI,  ilunji 
•a,  -d/i^j;  Jiiiicbrn  hililrleo  v,\v  aber  zu  dem  Nom.  auf  -a  ntuh  laleiniKhcr  Weise 
auch  den   PI,  auf  -n^  [IF.  IV  22   Anm.  3). 

Ober  die  ostgermauisch-uurdlsche  Sprachciiüicit  s.  unten  S.  8l5ff.,  Über 
eine  gütisch-ostnorf lisch e  S.  ÖiO. 

§  79.  Unsere  ältesten  geschiclitlichen  Nachrichten  lits&en  wohl  einige 
grössere  Gruppen  vnu  SlJUmnen  erkennen,  nicht  aber  reichen  sie  aus,  um  die 
Gesamtheit  ethnographisch  zu  klassifizieren.  Tacitus,  dessen  mangelhafte 
Kritik  in  cthnograplnVhen  Fragen  Bds[>iclc  darthim  wie  die  'GcnuanoLiim 
naiio«  der  Osi  [Gervt.  28),  welche  «Pannonica  lingua  coarguit  non  esse  Ger- 
manos«  {Germ.  43),  oder  das  Urteil  «Peucinorum  Venetoruraque  et  Feonorum 
naCiuncs  Germanis  an  Sarmatis  ascribam  dubito«  {Gcrrtt.  46},  oder  der  gci- 
manische  Ursprung  der  Caledonii,  der  iberische  der  Silurcs  (Agrico/a  \\), 
Tacitus  teilt  die  Gcnnaucn  ein  in  Sweben  und  Nicht-Sweben,  indem  er  ju 
den  Sweben  alle  Völker  an  tmd  i'.Vsitich  der  FJhe  zühlt,  mit  Einschluss  der 
Ost-  und  Nordgennanen.  Dass  er  nicht  etwa  imr  den  Swebcnnamcu  aufs 
ungewisse  hin  nach  Osten  und  Norden  ausgedehnt  hat,  sondern  dass  rr 
wirklich  geglaubt  hat,  dass  diese  Suimme  iUlc  Sweben  waren,  zeigt  er  Agrirota 
.28,  wo  die  Usipi,  die  aus  Britannien  desertierten,  »primum  a  Suexis.  mux  a 
Frisiis  intercepti  sunti  —  mit  diesen  Suevi  künnen  nur  die  Schlcswig-H'l- 
steinschen  Nerthus- Völker  {Gay».  40)  gemeint  sein.  Daneben  kennt  Tacitus 
die  germanische  Trdditi<3n  von  einer  Dreiteilung  oder  Vieneilung  der  Ger- 


manen  in  Ingaevones,  Hemiinones,  Istaevrmcs  oder  in  Marsi,  Gambrivü, 
Suevi.  Vandilii,  die  uns  zwar  beslimnitere  Anlialtspunkle  giebt,  aber  nicht  alle 
Germanen  umfaäst  —  die  Dreiteilung  nicht  die  Ost-  und  XücdgcmicUicn,  die 
Vierteilung  nicht  die  Anglofriesen  und  Nordgemianen. 

Ein  bessert-s  Urteil  luilit;  Plinius.  der  *Gennanumm  geiicra  quinque« 
unterscheidet  {IV  ytj):  Vandili  tOstgcrmaiien),  IngyaoHies  (Anglofriesen), 
Isiraeones  (Franken),  Hermiones  (Hochdeutsche)  und  Üastemae.  Bei  dieser 
Einteilung  fehlen  nur  die  Skadinawiei,  bunst  ist  sie  vullstandlg. 

Im  Hinblick  auf  die  sj>ateren  Verhflltnissc  kann  man  :ius  diesen  Xachrich- 
len  wohl  folgern,  dass  es  ausser  den  Skadinawiem  und  Hastenien  vier  Grup- 
pen von  StJimmen  gegeben  hat,  entsprechend  den  Ostgermanen  (VandilÜ, 
Vandili),  .Vnglofriesen  (Ingaevones.  Ingyaeones),  Franken  (Istacvones,  Marsi, 
Gambrivü,  Istraconcs)  und  Hochdeutschen  (Hermmones,  Suevi,  Henniunes). 
Dass  CS  eine  westgemianische  Gruppe  damals  gegeben  habe,  wie  man  aus  der 
Dreiteilung  bei  Tacitus  gefulgert  h»t,  dienten  Schluss  halle  ich  nicht  für  erlaubt. 

§  80.  Soweit  die  Sprache  Schlüsse  auf  die  vorchristliche  Zeit  erlaubt, 
dürften  wir  die  germanischen  Stämme  in  älterer  Zeil  wie  folgt  gruppieren: 
i)  Ostgermanen,  2)  Nonlgcrmanen,  3)  Anglofriesen,  4)  Deutsche,  wobei  es 
einstweilen  dabingesicllt  bleibt,  ob  nicht  vielmehr  die  Ost-  und  die  Nord- 
germanen als  eine  Gruppe  Jtu  bezeichnen  wHrcn.  Nach  unscm  ältesten 
historischen  Nachrichten  liisst  sich  die  skadinawische  Gru]ipe  nur  als  eine 
gengraphi^che,  nicht  als  eine  historische  konstatieren  —  genauere  Niichrichten 
hatten  die  Römer  nur  über  Deutschland.  Sehen  wir  also  von  den  Skadina- 
wiem  ab,  so  tritt  neben  den  Oslgennanen,  Ober  deren  ethnographische  Einheit 
tinten  In  S  S9~<ji  gehandelt  wird,  hauptsädiUch  der  swebische,  in  melirere 
dvilatcs  zerfallende  Stamm  hervor,  dessen  Gebiet  um  Ghr.  Geburt  von  Süd- 
deutschland (soweit  germanisch)  ftber  ThOringen  imd  Sachsen  bis  zur  Altmark 
und  der  Mark  Brandenburg  bezw.  bis  nach  Osth'jistein  reichte.  Die  nachmals 
unter  dem  Namen  Franken  ers«.'h einenden  rheinischen  Stämme  gehörten 
nicht  zu  den  Sweben  —  sehr  deutlich  tritt  dies  bei  Caesar  fQr  die  Ubii, 
Usipctcs  und  Tencteri  hervor  — ,  ebensowenig  die  angtofriesischen  Sianunc, 
Da$!t  letztere  eine  besondere  Gruppe  für  sich  bilcicn,  geht  aus  unseren  Quellen 
nicht  völlig  deutlich  hervor,  so  dass  wir  dieselbe  mil  Sicherheit  nur  eikeruieii, 
weil  sie  durch  die  Sprache  gestützt  wini.  Nilheres  hierüber  sowie  über  die 
uralle  Zusammengehörigkeit  der  fränkischen  Stamme  s.  unten.  Nach  unsem 
historischen  Nachrichten  hilttcn  wir  also,  von  den  Nordgcrmancn  abgesehen, 
eine  ostge.rm;inische,  eine  an  gl  of  riesische,  eine  frankische  und  eine  swebisch  >■ 
hiichdcutsche  Gruppe.  Dass  einige  Stamme  besonders  hi  Westfalen  und  an 
der  mittleren  Wc-ier  sowie  im  Gebiet  der  mittleren  und  unteren  Oder  sich 
nicht  mit  Sicherheit  einer  dieser  Gruppen  zuteilen  lassen,  daran  ist  die  Mangel- 
haftigkeit unserer  Quellen  schuld  —  die  Gebiete  sind  zu  klein,  als  das»  wir 
neben  jenen  bekannten  Gruppen  noch  mil  anderen  rechnen  dürften.  Die 
Gestiiirlile  führt  also  statt  jener  spr.ichlichen  Vier-  bezw.  Dreiteilung  auf 
eine  Fünf-  bezw.  Vierteilung,  indem  statt  der  Deutschen  die  zwei  selb- 
ständigen Stamme  der  nachmaligen  Franken  und  der  nachmaligen  —  um  es 
kurz  so  auszudrücken  —  Hochdeutschen  (d.  I.  Liuigobarden,  Tliüringer, 
Schwaben  und  Baiem)  erscheinen.  Es  winI  Aufgabe  der  deuLschen  Mund- 
artenfors'-hung  sein,  dem  nachzuforschen,  ob  für  die  älteste  Zeit  wirklich  ein 
so  tiefgreifender  sprachlicher  Unterschied  die  Fraiiken  von  dtii  Hoclideut sehen 
gelreiuit  liat,  c>tlcr  ob  wir  aus  der  Sprache  folgern  dürfen,  dass  zwischen 
diesen  beiden  Gruppen  von  Hause  aus  ein  näherer  Zusimimenhang  bestan- 
den hat.     Von  dieser  Krage,   die  zu  lüsen  vielleicht  un>crc  Mittel  nicht  aus- 


8f2 


XV.   ErMKOdtAPRIB  DER   GERMANISCHES  StAMMB. 


Tcü.'hcnr  abgesehen,  ist  eine  nähere  Beziehung  einer  der  genannleu  Gruppen 
zn  einer  anderen  nur  fflr  die  Nord-  und  Ostgennanen  (S.  Si.sff.),  snnst  aber 
lin  keiner  Weise  nachweisbar.  Die  älteste  der  Forschung  erreichbare  Gruppie- 
rung dei  Germanen  war  also,  um  es  zu  wiederholen:  i)  Osl-  und  NunJgcr- 
manen,  2}  AiiglofrieÄcn,  3)  und  4)  Kranken  und  Hnrlidentechc.  Diese  Gruppen 
sind  duR-haiis  als  einander  koordiniert  zu  betrachten.  Für  die  erste  Hälfte 
des  ersten  Jahrtausends  n.  Chr.  lässt  sich  sprachlich  eine  westgermanische 
Grappe  erkennen,  die  aber  nie  zu  einer  politischen  geworden  ist.  Vielmehr 
■ersclieinen  die  Angelsachsen,  die  Friesen,  die  deutschen  Sacliscn,  die  Frauken, 
<lie  Liingcibarden,  Thüringer,  Baiem  und  Alemannen  durchaus  als  selh.standige 
-Völker,  ebenso  wie  die  Burg\mden.  die  Gate»,  die  Wandalen.  Selbst  von 
zwei  sich  sprachlich  so  nahe  stehenden  Villkem  wie  Friesen  und  Angel- 
saclisen  lasst  sich  ein  strikter  Beweis,  dass  sie  in  \'orhistorischer  Zeit  einmal 
«n  einziges  Volk  gebildet  haben,  nicht  erbringen.  Die  elhnographisclic  Ein- 
heit des  deutscheu  Volkes  aber,  so  weit  man  von  einer  solchen  sprechen 
darf,  ist  erat  ein  Ergebnis  der  iiolittschen  Unterwerfung  der  Alemaimen, 
Thftringer,  Baiem  und  Sachsen  durch  die  Franken. 

Anm.  Für  nicht  ausgeschlosFcn  halte  ich  m,  da»  ci  der  Sprachrotfchang  ge- 
lingen konnte,  eine  wcslgernianiftche  Einheit  (är  eine  vorchritlliche  Zeit  xu  enchliessen, 
so  dass  wir  van  Mause  aus  zwei  |:;eriniini«:he  UrKämme  aDZunehmcn  hätten.  Hingegen 
für  einen  historischen  ursprünglichen  Zusanimcnhani;  der  Wcstgertnanen  darf  man  sich 
nicht  auf  Tacilu»,  Germ.  40  ;mil  auf  ileii  alliUerieTeiideti  Anlaut  der  Xamen  Ingutac- 
vones,  Islracvoncs,  Erminones  berufen.  Sehr  rraglich  ctscheint  es  mir  auch,  ob  eine 
rekonstruierende  Betrachtung  der  Verfaüsung,  des  Hausbaus,  der  Bewaffnung  usw.  einen 
Schhiüs  auf  eine  weslgcrmanitche  rn[er  auch  nur  auf  eine  ursprünglich  dt-utsche  Stam- 
meseinheit  zuläsal.  Die  Frage,  ob  die  Franken  und  Hochdeutschen  urtprünglicb  eine 
'Oruppe  gebildet  halien,  ist  historisch  nicht  lüdur.  Den  rinrigen  AnhaUspunkt 
'bietet  Pliniüs,  .V.  //.  IV  99,  der  die  Chaiii  den  Ernninones  zuzählt  Es  entlieht  sich 
mnsercr  Kcnntni»,  welche  AnhnUipunkte  dieser   Nachricht  zu  tininde  liegen. 

§  Sr.  F'ür  jene  ältesten  Gruppen,  die  wir  uns  in  der  Vor/.eil  als  beson- 
dere Stämme  vorzustellen  liaben,  welche  sich  erat  spfiter,  zum  Teil  (so  die 
Sweben)  erst  in  lustorischer  Zeit  in  mehrere  selbständige  Vülker  ges]\ilteii 
liaben,  sind  uns  die  Namen  noch  überliefert.  Zweifelhaft  ist  dies  von  den 
SkadinawLcrn,  Ober  deren  Namen  Uilteviones  olien  §  57.  Vandili  4  Tfii;- 
*/(/«  Tat  itus)  giebt  Plinius,  A'.  //.  IV  99  als  den  Namen  für  die  osl- 
germanischen  Stamme  an;  näheres  hierüber  unten  §  8<;.  Für  die  Anglo- 
Priesen  ist  der  Name  Ingwiaiwen'  (/««wm/rw««),  for  die  Franken  der 
Name  Istraiwen'  {/sfmej'oncs),  für  die  übrigen  Deulschen  der  Nameu  Er- 
mlnen  '  {Herminoties)  überliefert.  Dass  wir  es  mit  wirklichen  Völkemamen 
zu  thun  liaben  und  lu'cht.  wie  man  aus  Tacitus,  Germ.  2  gefolgert  hat,  mit 
Namen,  die  erst  von  den  Namen  der  hypothetischen  Götter  Tnguin,  IstJo. 
Krminn  abgeleitet  sind,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen.  Dass  ihnen  eine 
reale  Existenz  zukommt,  beweisen  Pomponius  Mela,  De  ehorogj^p^iiti  III 
3.  3*'  »Cimbri  et  Teuloni,  ultra  ultimi  Germaniae  Hermiones«  und  die  bei- 
den Stellen  bei  Pttnius,  ^V.  //.  IV  ij6:  »ab  gente  Inguaconum,  quae  est 
prima  in   Germania«   und  IV  09:    «Germanorum  genera  quinque:   Vandili, 

■  quorum  pars....;    alterum  gcnus  Ingyaefjnes ;   proximi  autem   Rheiio 

Istracuncs ;  mediterranei  Hermiones ;  quinta  pars  IVucini,  Basier- 

nac.«     Auch  Tacitus  darf  nicht  anders  verstanden  werden.     Garn.  2  heilst 

-es:    »Cclebrant   caniiinibus  antiqiiis TiJiütoncin,  deum  terra  cdilum, 

et  niium  Mannum  originem  gentis  condiioresque.  Manno  tres  filios  assignant, 
e  qtiorum  noniinibtis  pro.\imi  Oceano  Ingaevoues,  mcdii  Herminunes.  ceteri 
islaevuiics   vocculur.     Quidain,    ut   in   liccntia   vetustitis,   plures   deo   ortoal 


I 


III,  A,  Z.  DlB  GeSAMTGRUPPTERUNO   der  OERHANISCHESf  StAMUE.    813- 


pluresque  gentis  appellaiiones.  Älarsiis  GambriWi»,  Suevos,  Vandilios,  affir- 
inaiit,  caque  vera  et  antiqua  nomiiia."  Tucitus  stellt  hit:r  die  Namen 
lugaevones,  Herminones.  Istaevoncs  durchaus  auf  eine  Stufe  mit  den  Namen 
Marsi,  Gambrivii,  Sue%-i,  V'andilii.  Dies  scheint  mir  die  einzig  zulässige  Inter- 
pretation zu  sein.  Mit  dem  gleichen  Rei.'lit,  mit  dem  man  aus  dieser  Stelle 
auf  die  Götter  Ingo,  Hermino.  Isto  geschlossen  luit.  muss  man  auch  auf  die 
Gi'Htcr  Marsus,  Ganihnvius,  Suevus  Vandilius  ächllesseii.  Kü  iüt  klar,  dass 
■wir  L-s  mit  Epnnyineii  zu  thun  haben.  Solche  Ahstrahierung  von  (Jötter- 
namen  aus  Vulksnamen  ist  eine  ganz  bekannte  Erscheinung:  Die  Dünen 
führten  ihren  Namen  auf  einen  Stamincsgoit  Dan  zurück,  die  Nor^-eger  auf 
einen  Noregr,  die  Angeln  auf  einen  Angul,  die  Friesen  auf  einen  Fri&o.  die 
Sachsen  auf  einen  Saxo,  die  Güten  auf  einen  Gaul,  die  (Jstgutcn  auf  einen. 
Ostroguiha  u.  s.  w.  Ähnliches  finden  wir  auch  bei  andern  Vülkeni :  die 
Hellenen  schufen  sich  einen  Hellen,  lite  Aiolcr  einen  AioUis,  die  lonier  einen. 
Ion,  die  Leleger  einen  Letex  u.  s.  w.  Ähnlich  die  modernen  Person ifizicrungea 
wie  Germania,  Ilelvetia,  Bavuria,  Borussia,  Berolina,  die  wir,  gleich  den  alten 
Göttern,  auch  bildlich  darsldlen,  cxler  wenn  der  Dichter  unser  Volk  als 
Teut's  Söhne  bezeichnet.  Überall  ist  der  Volksnanie  der  altere,  der  Götter- 
nanic  erst  aus  die:üem  abälrahiert.  Sonach  kann  auch  an  der  von  Tacitus 
bezeugten  Kchtheic  und  Altertümlichkeit  der  Kamen  Ingwiaiwen,  Istraiwea 
und  Enuinen  kein  Zweifel  sein  *. 

Ober  die  Identität  der  Ingxsiaiwen   mit   den  Anglofrieseu,   der  Istiaiwen. 
mit  den  Franken,  der  Erminen  mit  den  Mochdeutschen  wird  spater  gehandelt. 

'  Zm  XamesaJonn  bemerke  idl  folgendes;  Überliefen  U[  beiPliniu^:  Ingyat- 
9Hes  and  Jnguatonts,  Istraeonet,  J/ermwtUi :  bei  Tacilus:  Ingacvonn.  htaevonrs^ 
Jierminonts :  bei  Mela:  Htrmionei;  tUiu  Ingo,  Escto,  ErmfHus  in  tler  -Gene- 
nitio  reguni  et  j[entium*,  l>ic  I£ndun{;  -^recHn  winl  in»i.-hriitlicb  durch  />/• 
tattt&  geituut.  X.xli  tlvm  SLuuU-  unserer  Ubrrlicrcrtuijf  darf  aImi  «chwcrlicli  niit 
eibera  SuRix  -iß-  geicchnet  werden,  würilber  E,  Sievers  in  den  BeriiliU-n  ül), 
d.  Verb.  d.  s&chs.  Ges.  d.  WLu.  1894,  S.  13;  1.  giJuuidcll  hat.  -atvonei  repräsca- 
licrt  oatiirUcb  ein  gcnn.  -ai-wanei  >  -ai\tninii.  Ingyaeonfs  und  Irtguiuofus  dürleu  wir 
in  Ingitiarvontt  rerbcfiscrn,  da  der  Summ  Infficia'  durch  iHguiomerus,  ac.  //ijf- 
vinf.  An,  Vngwi  lieber  gestellt  ist.  Ob  Juritnonts  «xler  htiarvones  oder  Islae~ 
vones  den  Vorzug  verdient,  ist  nicht  aiuzuirachen,  weil  wir  den  Name»  nicht  mil 
bicbcrhvit  dcnten  können  —  alle  tüsht-rigvn  Venuche  sind  nur  Hyputhcnen,  die  zu 
keinem  gesichenea  Ei^elmis  gelührt  haben.  Das  A  vun  Herminonei.  Hermiofus 
ist  ortho^TAphisch  la  beurteilen.  Ein  gcnii.  Wort  ermiff  >  'rmin-  ist  Ixlcp,  m» 
dass  die  AnwUung  von  gcrm.  lirminanit'^  Irmmanis  (gol.  ^Airminans)  Wciocnk 
Zweifel  unlertirgl.  —  ■  Zulcui  hierüber  G.  Kossinnn,  iF.  VII  399— 301, 

§  8a.  Es  ist  die  Frage,  wie  wir  uns  diese  grossen  ethnographischen  Grup- 
I)en  der  Ostgcnnaucn  {VandUil  und  Nordgermanen  (Hillcvioncs),  der  Anglo- 
friesen  (Ing\*-iaiwcn),  der  Franken  (Istniiwtrn)  und  der  naclimaligcn  Hoch- 
deutschen (Einiiueii)  vurzustellcii  haben.  Dass  ihnen  zu  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  keinerlei  jiolitische  Bedeutung  mehr  zukommt,  lehrt  die  Ge- 
schiclitc.  Wir  haben  es  offenbar  mit  ethnographischen  Gruppierungen  zu 
tlmn,  die  aus  einer  v<)rgeschichtlichen  Zeit  stammen  und  zu  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  für  die  Rftmer  noch  eben  erkennbar  waren,  weil  dieselben  in 
dem  Bewusslseiu  der  germanischen  Stilamae  noch  lebendij;  waren.  Ich  stehe 
nicht  an,  in  diesen  Gruppen  die  ältesten  politischen  Bildungen  zu  sehen,, 
meine  also,  es  hat  wirklich  einmal  in  einer  weit  zurückliegenden  Zeit  z.  B. 
etu  Volk,  eiuen  Stamm  gegeben,  der  sich  Ingwiaiwen  nannte,  und  der  durch. 
die  Auswanderung  eines  Teiles  nach  Friesland,  durch  die  Spidtung  des  Haupl- 
stammes  in  kleinere  Stämme  oder  dtuch  Untecweifuug  imd  Assimüieruug  von 
Nachbarstaminen  sich  naclunals  in  die  selbständigen  Stamme  der  Friesen^ 
Chauci,  Angeln,  Varini  u.9.w.  auflöste,  deren  alte  Zusammengehörigkeit  Umeu 


8i4 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stimme. 


im  ersten  Jahrli.  n.  CKr.  nocli  btrwusst  war.  Jede  unücie  Dtrulung.  wie  clwa, 
dass  wir  es  tnit  sekuntLlrcn  Grupppiibildungeii  zu  thun  liAtt**n,  erscheint  mir 
Ungleich  unwahrscheinlicher.  Dass  irgend  ein  für  uns  nur  nicht  mehr  erkenn- 
bares Band  die  zu  einer  Gruppe  geliürigL-nStJlmme,  auch  nachdem  sich  dieae 
selbständig  grmiiclit,  noch  zusaininenhieh,  dieser  Annahme  können  wir  uns 
kaum  cntziclien.  Durchaus  wahrecheinlich  ist.  schon  im  Hinblick  auf  die 
altgricchi sehen  VcrliSltnissc,  MQllcnh<jffs  Hypotliese',  d;iss  die  einstige 
politische  als  eine  Kuhns-Gemcinsrliaft,  eine  Amphikiyonle,  fortbestand. 
Indessen  nachzuweisen  sind  entsprechende  äitkrale  Verbände  nicht  mehr. 
Am  ehesten  noch  könnte  der  >apud  Nahanarvalrts  antiquae  rcligionis  lucus« 
(Tac,  Grrm.  43)  für  die  Ostgermauen  —  wahrscheinUdier  nur  für  deren 
sQdIJche  Gruppe  —  und  der  luciis  der  Semnen  (Tac,  frerm.  39)  für  die  Er- 
minen-Sweben  in  Anspruch  genommen  werden,  so  imsichcr  das  auch  ist. 
Direkt  widerspricht  aber  der  den  Nertlius-Völkern  gemeinsame  Kult  (Tac^ 
G^mi.  40),  der  ersichtlich  nur  diese  einte,  ohne  dass  irgend  welcher  Anhalt 
-ZU  der  Vermutung  vorläge,  dass  auch  die  gleichfalls  zu  den  Tngwiaiwen  ge- 
hörenden Friesen  an  dieser  Kultusgemcinscliaft  teilgehabt  hatten.  Wenn  die 
■den  Römern  am  nächsten  bekannten  rheinis<:hen.  istraiwischen  Stämme  um 
Chr.  Geburt  ein  gemeinsames  Kultus  heilig  tum  einte,  so  dürfen  wir  annehmen, 
dass  Tacitus  darüber  etwas  berichtet  haben  würde.  Dieser  enn-flhnt .-!»».  I 
51  beiden  Marsi  «celeberrimum  iltis  gcntibus  templum,  quodTamfanae  vcx-a- 
bant»;  dass  aber  unter  >Ulis  gentibus  sllnitliclie  naclnnals  frJlnkisrheSWmtnc 
von  den  Chatti  bis  zu  den  Batavi  zu  verstehen  seien,  darf  nach  dem  Zu- 
simmenhaug  für  so  gut  wie  ausgeschlossen  gelten.  Konstalicrbar  sind  also 
an  der  Hand  unserer  Quellen  wohl  griissere  sakrale  Verbände,  wie  vor  allem 
•der  Xertlius- Verband.  Aber  dass  die  Ost-  und  Nordgermanen,  dass  die 
Anglofricscii.  <lie  Franken,  die  Hochdeutschen,  ein  jeder  für  sich  eine  l>esäin- 
■dere,  alle  dazu  gehörigen  Stumme  vereinigende  Amphiktvonie  gebildet  hritte, 
ist  in  keiner  Weise  aus  unseren  Quellen  zu  entnehmen.  Gleidiwuld  ist  eine 
solche  Annalime  an  sich  wahrscheinlich,  wenn  uicht  mehr  für  den  Beginn 
imserer  Zeitrechnung,  dann  für  eine  Frilherc  Zeit,  und  diese  Annahme  wird 
gestützt  durch  die  Etymologie  der  Namen  Iiiguiaevuncs  mid  Istracvoncs.  Beide, 
denen  ■v-iellciibt  der  skadinawische  Name  Hillrviünis  (Plin.)=;  Ililhf^x-oiuj  zu- 
gcsclll  werden  darf,  sind  Composita,  deren  zweiter  Bestimdlcil  nur  ein  germ. 
-ahv-odxx  aih'  sein  kaim.  Letzteres  Wort  hat  W.  Wackernagel  (ZfciA,  VI  jo) 
herbeigezogen:  fiba  I.and,  Anthaib,  liantkaih,  Vurgitndaib  bei  Faul.  Diac. 
I  13,  ahd.  Wciateiha,  Win^rUiba  u.  dgl.  Setzen  wir  ein  germ.  aiiö-  voraus, 
so  konnte  an  ein  ausgestorbenes  Suffix  gedacht  werden  =  gricch.  -nfo;  <; 
■m-i-oz  in  Beispielen  «ie  "'A^jutoi  =  Achivi  (vgl.  auch  Wka^iaimv  neben  dorisch 
'Aixftäy,  attisch  'AXxfUujv  <  *A?Jc/ittiJ-ü>y).  Ungleich  wahrscheinlicher  dAnkt 
es  mich,  an  das  l>e-kanntc  germ.  Wort  ahviz  zu  denken,  das  in  ags.  ^{tv), 
afr3.  &wa,  as,  eo,  ahd.  iwa  vorliegt  und  Gesetz,  gesetzliche  Ordnung,  dann 
auch  Rhe  bedeutet,  im  besonderen  auch  kirchliches,  religiöses  Gesetz,  Schon 
Wackernagel  hat  a.  a.  O.  die  .SV'dr/^^r  des  Sachsenspiegels  herbeigezogen.  Ich 
meine  also,  /fs^vta-aiwn  bedeutet  -Ingwischer  Sakrdbund«,  und  hiervon  ist  in 
persönlicher  Bedeutung  als  Volksname  abgeleitet  laguiuihvani:  d.  i.  die  der 
ing^wischen  Amphiktvonie  zugehörigen '.  Hierbei  würc  es  möglich,  dass  der 
eigentliche  Volksname  /r^^ataniz  gewesen  wäre,  möglich  auch,  dass  man  neben 
£rminanh  und  Wandilöz  auch  von  Erminmwaniz  und  WandiUmvaniz  gesproclic« 
hätte.  Thatsächlich  liegt  neben  dem  einfachen  Namen  Fritti  der  Name  /W- 
Mfi'ones  {Friiiavones,  Ftiiacona)  vor. 

1  Sdimidts  An{:em.  Zs.  f.  Gesell.   VITI  (1847)  209—269,     Vgl.  buch  ZItlA. 


XXni  1—13:  Rieccr.  ZfdA.  XI  176—305;  Hoffory,  Kachr.  d.  G«.  »I. 
Wias.,  (iÖltinRen  1888,  S.  426—44,1.  Cbcr  ßcrmanisdic  KultusvcrUändc  \gt. 
auch  Sohni,  I'r-htM.  Jiticln'  und  Gerühlsref/atsHng,  S.  2  C  —  *  E*  wScc  also 
ein  Nanw  wie   ßatojfatftoi  >  UalfiCM  ]>  ßJAnirn  otler  £n^/if»äT,  //r/gp/iimfir. 


B.     OST-  UKD  NORDOERMANEX. 

G.  KnsBinna,  IF.  VII  2;6— 313. 

S  83.  Die  älteste  Absonderung  eines  Teiles  der  Germanen  vom  Haupt- 
stammc  ist  zweifellos  die  dt-r  Skadinawiur.  welche  frühstcns  im  4.  Jalirii.  uiid 
kaum  spater  als  im  3,  Juhrh.  v.  Chr.  Ober  Schleswig  und  die  dänischen  Inseln 
»ach  Schonen  auswanderten  (oben  S.  789  f.).  Wenn  es  gelingt  einen  n<iheren 
ethnographischen  Zasammenhang  der  Skadinawier  mit  andern  germanischen 
Stammen  nachzuweisen,  so  haln-n  wir  damit  ein  Bild  von  der  iSlttsicn  Stammes- 
gruppicrung  gewonnen. 

Ich  hfginne  mit  der  Sprache.  J.  Grimm  meinte,  das  Gutisrhe  stände 
dem  Hochdeutscheu  naher  als  dem  Nordischen,  dieses  aber  zeige  merkliche 
Berührung  mit  dem  Knglischen  uml  Niederdeutschen,  das  Friesische  vermittle 
zwischen  Dilnisch  und  Niederdeutsch.  Die  Beziehungen  des  Nordischen  zu 
den  nördlichen  Diidckten  des  Westgermanischen  werden  allgemein  zugugel>en; 
aber  von  einer  nilheren  Beziehung  des  Gotischen  zum  Deutschen  als  zum 
Nordischen  kann  keine  Rede  sein,  ebensowenig  wie  um  seiner  Laulversclüe- 
bung  willen  ('on  einer  ethnographischen  Sunderetellung  des  Hochdeutschen 
gegenüber  allen  andern  germanischen  Dialekten.  Die  Ansichten  der  Korscher 
sind  nur  darin  geteilt,  ob  eine  Dreiteilung  der  gemiantschen  Sprachen  anzu- 
nehmen sei  (so  .schon  Schleicher),  oder  ob  das  Ostgermanische,  dessen 
RcpTäsentant  ftlr  uns  das  Gotische  ist,  in  einer  näheren  Beziehung  zum  Nor- 
dischen als  zum  Westgermanischen  stehe.  Die  erslere  Ansicht  kann  maii 
heute  als  die  lierschcnde  bezeichnen.  Die  letztere  Ansidit  haben  MüUcn- 
hoff  und  Scherer,  Holtzmann  und  Zimtner  vertreten.  Zwischen  dieser 
und  der  dritten  Meinung,  dass  das  Nordische  zum  Westgermanischeu  gehöre 
(Fnrsiemann  und  Bezzcnherger).  vermittelte  J.  Schmidt,  nach  welchem 
da.s  Nordische  nach  beiden  Seiten  hin  verwandtschaftliche  Beziehungen  habe 
und  zwischen  Gotisch  und  Wealgermantsch  die  Mitte  hatte. 

Liticraturaagabvn:  ZfdA.  XIX  393 — 397,  Dazu  noch  A.  ficxtcnbcrger, 
GötL  Nachr.  1880.  S.  15s— 155.  J.  Schmidt,  ZfvglSpr.  XXllI  294  f.,  W. 
Braune,  PBB.  IX  545—548  iird  Fr.  Kluge,  Gnlr.«  I  S.  430  ff. 

Über  die  Übcreiiistimmungcn  zwischen  Nordisch  und  \Vestgemiani.srli  ge- 
nügt es  auf  Fr.  Kluge,  Grdr.^  I  421—423  zu  verweisen.  Diese  Beziehungen 
fallen  alle  in  die  ersten  nachchristlichen  Jalirhimdcrtc,  kommen  also  für  die 
älteste  ethnographische  Stellung  der  Skadinawier  nicht  in  Frage.  Etwas  alter 
»ml  die  Beziehungen  zum  jViiglof riesischen  >.  Es  handelt  sich  für  uns  also 
allein  um  die  Frage,  ob  sich  eine  nähere  VerwandLscliafi  zwischen  Nordisch 
und  Gotisch  nachweisen  lässl.  Dass  eine  .solche  allcteei  Datums  sein  müsstc, 
ergiebt  sich  ja  schon  daraus,  dass  die  Ostgermanen,  wenn  überhaupt  so  doch 
sicherlich  nicht  nielir  seit  dem  2.  Jahrh.  n.  Chr.  mit  den  Skadlnawiem  in 
sprachlichem  Austausch  standen  —  ich  sehe  dabei  von  iicn  Heruh  ab.  Über- 
einstimmungen in  sutchcn  Erscheinungen,  weiche  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit jQngercu  Datums  sirul,  Uürfttrn  also  zufallige  sein. 

'  Jrib.  Schmidt,  Zur  Gesrhkhte  d<i  iHdogermanüchen  VocaUsmus  U,  Wei- 
mar 1875,  S.  451 — 453,  führt  «-Umlaut  nnd  Brechung  an.  Es  gehört  ferner 
hierher  der  Schwand  von  n  imd  m  \ax  s  imd  /,  der  Lautwandel  %-oa  i\  und   an 


8t6 


XV.  Ethnogramiie  der  gbrm-«cischex  Stamme. 


^q  oml  o».  briiles  u'iilirM:h«mlii;h  im   i.  Jahrb.  v.  Chr.;  von  unlietontem  ö  und 
au;;:;>a  «.  a.     (Verf..  IF,   IV   15—30.) 

S  84.  Die  Beziehungen  zwist:hen  der  g<itisi:!ien  Sprache  und  den  skadi- 
iiawischen  Dialekten  sind,  wie  ich  von  vom  herein  bemerke,  keinesfalls  so 
durchgreifender  Natur,  dass  vom  Siiindpunkt  der  germ.  Sprach wissciiscliaft 
aus  eine  andere  Kinteilung  der  germanisrhcn  Sprachen  praktisch  empfehlens- 
wert wäre  als  die  in  ustgcrmanisch,  nurdgcmiiuiisdi  uud  die  beiden  westger- 
manischen Gnippen:  anglofriesisdi  und  <lcutsrh.  Sehen  wir  von  den  ursprüng- 
lich gcmc ingermanischen  Cbercinsünunungen  ab,  welche  die  wc-stgennaiiischi:n 
Sprachen  nur  deshalb  nicht  teilen,  weil  üie  den  urgerin.  Sprachbestand  selb- 
ständig verändert  haben,  so  bleiben  doch  einige  Berührungspunkte,  welche 
auf  einen  alten  Zusammenhang  schlieascn  lassen. 

Zwar  in  lautlicher  Hinsicht  scheint  ein  solches  Kriterium  zu  felilen. 
Denn  das  got  und  iiord.  ^o  und  ^/Jj  bezw.  gg;  gcgtnübcr  urgemi.  ätc  und 
y '  kann  sehr  wohl  urgemianisch  sein ;  vgl.  für  den  Ans<)tz  von  germ.  g  den 
von  S.  Bugge  PBB.  XIII  504 — 515  nachgewiesenen  Lautwandel  vou  öw 
zu  gerra.  ^g,  und  ein  entsprechender  urgeim.  Lautwandel  wird  nahe  gekgjt 
durch  got.  bagms  =  an.  iradmr  >•  wgeiTU.  bäum,  goU  fiäxom  =  an.  i_/förrr) 
^^S"''  >  wgcrm.  fittvocr  4,  got.  izicis  izivara  =  an.  \dr  ydvarT  =  wgcrra-  Uno 
*euch«  iuiver  »euer«,  vgl.  auch  as.  i\nön  »lernen«,  was  aus  Usnüti  nur  durch 
die  Mittelstufe  *Iijftön  abgeleitet  werden  kann,  uud  wgerai.  miä<C  got-  miniö. 
Aber  e.i  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  das  Gotische  speziell  mit  d* 
Ostnordischen  Jn  einem  Punkte  übereinstimmt:  Gegenüber  westgerm.  undwest- 
nritd.,  fi  und  l  vor  Vokal  hat  das  Got  au  imd  ai  =  ostnord.  *>  und  f.  \*gl.  g<*L 
trauüH  hauan  ^  altsthwed.  /rö(tf)  hija  :  aisl.  ir/ia  büa  =  dit,  Iniwüiu  hitnn=. 
alid.  irüin  biiin;  got.  *Swaia»s  i,zu  enichtiesscn  aus  Suehatis  bei  Jordaucs) 
=  aschwcd.  Svear  [Sucona  bei  Adam  von  Bremen  und  Saxo)  :  aisl. 
Svinr,  ac.  Swrcn  <i  'Sjrian  <  *Swtan.  Das  hohe  Alter  dieses  I^utwimdel 
lehrt  die  Gegenüberstellung  von  SueJtans  (Jord.)  mit  Suioncs  (Tacilus)** 
Kein  Gewicht  möchte  ich  hingegen  auf  den  got.  und  n<ird.  Lautwandel  von 
//  >■  //  legen,  der  zu  folgern  ist  aus  afrs.  ashtha  (>  attha  >■  aita)  =  ahd. 
atto  (<  *aihdho) '>■  jgjX.  aita  >  Vater«  (vgl.  gr.  Ärra,  air.  ailc  <,  *a/tio-,  abulg. 
oficl),  afrs.  spo//a  {■<  'sfioththa)  =  ah<l.  spottOu  «  ^spolhdhön)  >■  an.  ^tta 
^spoiten^.  Dieser  Lautwandel  Lst  im  Got.  zwar  alt,  da  fiß  <.  Aß  in  otfipau 
>üüer'  LTliultc-u  bleibt,  vgl.  auch  Atlil'a  >  deutsch  El:cl\  aber  er  kann  sich 
im  Nf^rdischen  sflbstiindig  entwickelt  haben,  ebenso  wie  im  Afrs.  thih  zu  // 
geworden  ist  (mit  /  auch  in  den  modernen  Dialekten,  die  germ.  /  und  / 
noch  scheiden},  oder  wie  aus  ahd.  tatia  und  neuengl.  lath  für  ae.  latt  iatt 
»Latte«  eine  ältere  Kenn  *hpp  "Itrpp  erschltissen  werden  darf.  Kör  den  jtto- 
gcrcu  Ursprung  des  an.  //  spricht  molle  >Motte=  <C  ae.  moppe  <  nordhumbc, 
mohpe,  auch  wnhl  kvellu  »rede  du«  <.htä pü^.  —  Über  Übcreinsiimmunj 
der  got  und  nord.  Betonung  s.  A.  Kuck,  PRB.  XXI  42c>— 435. 

*  VeI.  Gitlr,  «  I  }8o  f.  iiTjii  diu-  Gnlt.  *  1  334  /u  Schluss  nm  j  15  ftngvführtfr 
LiUcfiitur.  —  "  Vy!.  über  tlic^cn  Liuiln'.^ntli<l  A.  Knck,  IF.  II  333 — 337  und 
Ark.  f.  Gord.  Fil.  IX  157  —  159,  A.  Norecn,  Ahriu  der  urgfrm.  Lautlehre, 
Suas^biirg  1894.  S.  33  —  37  und  Verf.  bei  F.  Sfilmseii,  Studien  :ur  lat.  l^ut 
grsthiehlf,  Striüt»bur[>  1894,  S.  156  f.  K  ock  nimmt  an,  g«nn.  Ü  «cl  im  OsuionL' 
vor  Vokal  (t>czw.  vor  a)  in  5  libcrgi^iuigcii.  Ich  »ehe  Treilid)  <1as  ü  und  j  ßrut* 
{•cnnaniscb  .in  und  halle  den  wgemi.  und  n<>rd.  Lautwandel  zu  ü  und  I  w^eo  atsl. 
sküar  für  jünger  als  den  Schwund  des  intcirokalisdien  h.  Doch  es  beJarf  oudij 
erneuter  Untersucbung  der  KitucIfSilc:  bei  anord.  büa:  böa  schciat  r.  B.  «c 
Kcbwed.  &ü,  ^/ alter  Ablaut  nn|;enommea  werden  zu  tnOsscn.  —  ■  Olier  an.  tl<Z.Pf 
vgl.  A.  Xorccn,  Aisl.   und  anaru:    Oramm.*.   Halle   l8g3,  §   l8ti  und  S.  si»). 

Aus  der  Wortbildung  gehört  hierher,   dass  die  schwachen  -nö-Verba, 


die  als  besondere  Klassp  im  Wgerm,  ausgrstvirbm  sind,  im  Got.  und  Nord. 
eine  produklive  Kl;isse  bilden,  freüicli  kein  beweiskräftiges  Argument.  Eher 
darf  ilaraii  erinnert  wcrdtrn,  dass  der  got  und  nord.  schwache  Nom.  Sg.  Msc. 
;mf  eine  Grundform  ohne  -«  (bczn*.  mit  einfacher  Lflnge  und  geslossenem 
Ton),  der  wgcnn.  auf  eine  solche  mit  -n  (bczw.  mit  Überlange  und  geschleif- 
lem  Tonj  zurückweist,  eine  dialektische  Differenz,  die  sic!\,  wenigstens  was 
das  Gotische  und  Westgermanische  anbetrifft,  schon  zu  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung belegen  Iflsst  (oben  §  78).  und  die  bis  in  die  idg.  Urzeit  hinauf- 
reicht; freilich  so  lange  die  ninischen  Nominativa  auf  -a  noch  nicht  erklärt 
sind,  muss  man  die  Möglichkeit  im  Auge  behdlten,  dass  die  beiden  Formen 
im  Uniurdischen  noch  neben  einander  bestanden  haben*;  doch  vgl.  in  Cber- 
ein^riramung  mit  dem  Gotischen  den  Namen  Snarfita  bei  den  Eruli.  Die 
bedeutsamste  Übereinstimmung  zwischen  gotisch  und  nordisch  ist  die  l.  Sg. 
OpL  auf  got.  -au  =  nord  -a. 

*Vßl.jeut  W.van  H«)tea,  PBB.  XXI  494— 497;  der  S.  49a  Anra.  3  gegebeDcn 
DnitiinB  Jer  got.  -o  sUmme  ich  mit  Wrcdc,  Sfira/^^  Jtr  Ott^ten,   r8a  f.  oichl  /u. 

,\ber  der  W'irlschalz,  der  einer  erneuten  Ducchforschung  bedarf,  bietet 
eine  Anzahl  wichtiger  Übereinstimmungen  zisischen  Gotisch  und  Nordisdi, 
sowohl  [»usitiv  ;ds  auch  negativ,  indem  eine  Reihe  von  ur^erm.,  im  Wcstgerm. 
noch  erhahenen  Wörtern  im  Gotischen  und  Nordischen  ausgestorben  sind, 
wie  Busen,  Grist,  Jugtnd,  Kraiti,  l^hu,  Ruie,  Zeit,  eilt!,  gesund,  gross,  ächten, 
blühen,  /echten,  fügen,  fühlen,  gehen,  kehlen,  lecken,  machet:,  meiden,  meinen, 
sprechen,  stehen  und  besonders  die  Verba  Ihun  \md  ich  hin.  Mögen  auch 
manche  dieser  Wörter  von  je  her  nur  westgermanisches  Sprachgut  gewesen 
sein,  so  lehrt  doch  die  Art  ihrer  Bildung,  dass  sie  in  vorchristlicher  Zeit 
entstanden  sind,  zu  einer  Zeit,  als  die  skadinawischc  Auswanderung  schwer- 
lich schon  vollendet  war,  si3  dass  die  Nicht-Teilnahme  sowohl  der  Goten 
als  auch  der  Nordgerraanen  an  solchen  jüngeren  Sprachschöpfungen  einen 
relativ  näheren  Zusammenhang  dieser  gegenOber  den  Ostgennanen  ver- 
muten lassL 

H.   Zimmer.   ZWA.  TX  393—4*12, 

Wenn  sich  s«.marh  aus  der  I^ut-  und  Wortbildung» lehre  kein  direkter 
Beweis  einer  ijrspr(\nglicben  Einheit  der  gi^tischen  und  nordischen  Sprache 
ergiebl,  mit  Sicherheit  nur  der  Wortschatz  für  eine  Zusammengehörigkeit 
spricht,  so  dftrfcn  wir  schiiesscn,  dass  einerseits  die  gemeinsamen  Beziehun- 
gen in  eine  sehr  frühe,  wir  dürfen  sagen  vorchristliche  Zeit  zurückreichen, 
und  dass  andrerseits  der  Zeitraum  für  die  gemeinsame  Entwicklung  nicht  gar 
zu  lang  zu  bemessen  sein  wird. 

tt  85.  Dieses  Ergebnis  steht  im  Einklang  mit  dem,  was  ^ch  geschicht- 
lich ermitteln  lässt.  Das«  die  skadinawische  Kolmtsation  von  den  Oslger- 
manen  ausgegangen  ist,  beweisen  die  Stammesnamen. 

Die  Skadinawier  zerfallen  in  Dflncn,  Gäulen,  Schweden  uijd  die  norwe- 
gischen Siamme.  Die  süd schwedischen  Gäulen  tragen  denselben  Namen  wie 
die  ostgennatiischen  Guten.  Ersicrc  sind  schon  bei  Ptniemaios  als 
/otTOi  belegt,  wofür  wohl  laerat  oder  lavToi  zu  lesen  sein  wird,  und  bei 
Prukopios  als  /ai'To/ ;  es  sind  die  ascliwed.  Göthar,  die  aisl.  Gantar,  die 
ae.  G/atas,  die  Bewohner  von  GWaland  (aisl.  Gouilanä).  Ihr  Xame  ist  ur- 
sprünglich ablautend  flektiert  worden;  denn  neben  der  Fonu  mit  au  findet 
sich  nicht  nur  bei  den  ostgernianischcn  Goten  (f7(7///)  eine  Form  mit  w  bezw. 
(',  scindem  auch  in  .Schweden:  die  Einwohner  von  Gütlland  heJssen  im  Aschwed. 
und  Aisid.  Gotar,  und  die  Isländer  unterscheiden  Eygoiar  und  Heidgoiar  {ac. 
Uredgoian).     Es  kann  also  nicht  wohl   bezweifelt   werden,   ii^esA  sowohl   die 

GcrmuUKbc  Phllotoffle  III.    ?.  Aufl.  SS 


ostgermanischen  Goten  als  auch  die  schwedischen  Gauten-Gotcn  von  einem 
Volke  üUägt^aQgen  stcd,  ü.  h.  dass  die  (iu  Hulstcin  und  ustlidicr  wühncndoi) 
Goten  zum  Teil  nach  Schweden  ati.sgewandert  sind,  wJihrend  der  andere  Teil 
an  die  Weichsel  xog.  Ks  kann  sc^ar  sein,  dass  dieses  gotische  Uncilk  schon 
in  Ost-  und  Westgoten  zerfiel;  denn  auch  in  Schweden  ^deii  wir  bei  Jor- 
danes  {Geiifa  l\\  23)  Oumgolhae  und  wahrschcinltrfi  auch  V'isigaulfii  (cbtl. 
22)*  wieder,  imd  im  Alischwed.  werden  (is/f^in/irr  und  IVa-iigüHter  uiuetscliic- 
deii.  Mag  diese  Einteilung  indes  vicltcicht  auf  :^elbstAndiger  Entwicklung  hü- 
ben tmd  drüben  berulien,  so  sind  wir  doch  in  der  glücklichen  Lage  den  gci- 
üschen  Stamm  der  Greuiin^  auch  iiu  Norden  wiederzufinden  iu  den  (7r«»- 
Ottgi  bei  Jordanes  {Oei.  III  23)'.  Has  gotische  lTr\"olk  zerfiel  also  bereits 
in  mehrere  Stamme,  als  die  Übersiedlung  nach  Skaditiawien  begann. 

A.  Krdmann,  Om  folkniimtim  Gölar  itch  GoUr,  SuKkholm  i8gi  {j=.  Anli- 
fivariäk  Tüiskrifl  (6r  fiviTigc  XI  4},  S.  Dugi^e,  Xorges  indsknftrr  mni  i/c  leMrr 
rnner,  Heft  l  untl  3,  ChmlUnia   1893  und   1895.  S.  152— 154. 

Den  Goten  benachbart  und  nahe  verwaudt  waren  die  Rugü.  Auch  iliesc 
•waren  an  der  Besiedlung  Skadinawiens  beteiligt.  Denn  wir  finden  sie  in 
dem  norwegischen  Rogaland  als  Ry^ir  wieder,  schon  Jordanes  \Get.  III 
24)  als  Rugi  bekannt  Auch  die  oslgcrmariischcn  Ulmerugi  des  Jordanes 
(IV  25)  kehren  in  Norwegen  als  Ihtimrygir  wieder. 

Diesen  sidicrcu  Gleichungen,  welche  die  üstgeraianische  HerkuuCl  der 
Skadinawier  verbürgen,  stehen  n<jch  einige  unsichere  zur  Seite.  Fraglich  ist 
es,  ob  wir  die  ostgemianischen  Burgumien  iu  dem  norwegischen  BorgtmJ  unci 
<ler  Insel  Bortthohn  {Borgimdarholmr)  wiederfinden  dürfen  *,  ob  die  ^«tgcr- 
manischen  WnnJaüii  (H'/iuMen)  den  ae.  IfVö(</)/fW,  Wemiiienus  bei  äuxu 
aiäl.  l'c n e/iZ/o/i  iti  der  n« ltdjütischen  Landschaft  Vcm/iise/  {i2^i  VrandUsSiai) 
ob  die  ostgcrnianischen  Ihlvae^nes  (Tac,  Germ.  43,  Plol.  II  21*  9)  den 
nordischen  llilUvioms  (Plin.,  N.  H.  IV  9^1)  gleichzusetzen  sind;  ganz  un» 
sicher,  ob  Sihimi  (Seeland)  auf  die  Silingen  weist*';  unwahrscheinlich,  dass 
die  skadinawischen  Aevibvoi  (Ptol.  II  11,  16)  den  ostgernianis<'hen  Ijcmomi 
(Tac,  Germ.  43)  entsprechen.  Nur  einen  nordisclien  Stamm,  die  norwegi- 
schen Hi^räar  finden  wir  unter  den  Wcstgcrmajicn  wieder  in  den  Charyda 
-Ynpot'iVf,  die  nach  dem  Man.  Anc.  und  nach  I'tol.  (II  11,  7)  in  Jütbod 
gewohnt  haben,  aber  vielleicht  nur  ebenso  /ufalllg  denselben  Namen  tragen 
wie  die  Hanuks  Ario%'ists  und  die  Ilarudi  in  den  I-nhiaer  Aunakn. 

Wie  das  Beispiel  der  Rugü  lehrt,  sind  es  niclit  allein  Goten  gewesen,  die 
Skadinawien  besiedeil  haben,  sondern  versdnedene  Stänune  der  ostgemia- 
nischen Gruppe  haben  sich  beteiligt,  und  wiewohl  die  Sprache  darauf  hin- 
zuweisen st:heint.  ist  es  doch  durch  nichts  wahrscheinlich  zu  machen,  dass 
es  je  einen  skadiuawisclien  Urstamm  gegeben  habe,  der  sich  spater  in  meh- 
rere Stamme  gespaUeji  hätte.  Nur  so  vieJ  darf  man  vielleii'hl  aus  <Ier  relativ 
einheitlichen  Sprache  der  ältesten  nordischen  Runeninschriften  folgern,  dass 
alle  skad inawischen  Stumme  von  Hause  aus  einer,  eben  der  ostgcnnanischcn 
Gruppe  angehört  haben.  Ich  sage'  vielleictit;  vgl.  indessen  die  §  *^4  be- 
sprochene Übereinstimmung  des  Gotischen  mit  dem  Oslnordtscben  l>etr,  ü 
und  i  vor  Vokal  gqjcnüber  westn<»rd.  und  wgerro.  m  und  i.  Es  ergiebt  sii-h 
femer,  dass  zur  Zeh  der  Auswanderung  nach  Skadinawien,  im  4.  oder  ^.Jahrii. 
IS  55  f-)  bereits  ein  grösserer,  sich  aus  mehreren  kleineren  Vi-Ikcrscliaftcn,  wie 
ttie  Greutingl,  zusammensetzender  gotischer  Stamm  bestanden  hat,  und  dasf- 
dieser  ein  Teil  einer  noch  grösseren,  der  ostgcruiauischen  Gruppe  gewesen 
ist,  zu  der  u.  a.  die  Rugü  gehörten. 

*  Die  gewöbniicbc  Anoaliine  ist  die  umgckctirtc;  v^.  hierüber  xulelxt  G.  Ko** 


III.  B.  Ost-  vkd  Nordcermanen. 


819 


•  inna.  IK.  VII  (1897)  J76  ff.  —  *  F.  Dietricb,  Otitr  ,h^  Äwjpraehe  dts  Gothi- 
st'fien,  Marburg  litCiZ,  S.  107  f.  —  •  Vgl.  niicli  Grj^lutttignriSr  {Sktildikaparmöl  17), 
—  *  Zeus»  405  Aiim.  R.  Muth,  PBB.  XVII  (189^)  43.  G.  Kossinna. 
IF.  VII  (1897)  282  f.  hat  als  ilteste  Nameofonn  für  BomMm  Burgund  ermit- 
telt und  ileuiet  lüeMfii  Xanieii  —  den  gleichen  Namen  tragen  nocb  «irr  kinritf 
dlniachc  IniKl  hei  Miien  ui»l  vnfÄ  norucciMÜlic  —  mit  Recht  aSs.  rhiKh^elci-Cfie 
oder  hochraccndc  önlichkcil*.  So  ewcilcUoa  der  Natnc  JiurgunJffi  von  dietem 
Mtbcn  Wort  abgeleitet  ist,  dessen  Hcdemui^  im  ITmordiscbea  offi-nbar  noch  ver- 
■undcti  wurde,  w  unKicher  bleibt  doch  die  biDtoriach-geographischc  Beziehung 
drr  Bur^^tKlen  zu  fiornbolm.  Die  gewf^hnlicfae  Annatanie,  da.«»  ihr  Name  die  l^Icr- 
kiinft  fler  Butguniien  aiu  Bomkolm  veri>ärge,  erKhciot  mir  »cbon  tiesbalb  unm^!^- 
lieb,  weil  itchworlidi  ein  »o  kleines  Kilnnd  die  Hctniat  eines  so  growKn  VoUcs- 
stammc»  gcwc^t-n  st-in  kann.   —   *  Kossinna  a,  a.  O,   281. 

§  86.     Eil    lässt    sich  die  Veru*aDdlächaft  der  Oslgermaneii   und   Skadina- 

■wier  noch  durch  eine  Reihe  anderer  Cbeninstimmuiigcn  stützen,  die  hier  we- 
nigslens  angedeutet  sein  mögen.  Die  gotische  Staminsage  (Jordaiies,  Geti- 
(a  IV  2.5)  ist  der  Aiisdniik  des  vun  der  Triiditiun  fttslgizliallcncn  allen  Zii- 
^;1mm^.'nhynges  mit  den  Skadinawiem.  Skadiiinwier  und  Ostgermant-n  liattea 
eine    monarchLschc  Verfassung   (Tac,   Qerm.  44  und  43)    im  Gegensalz    zu 

-den  W'eslgcrmancn.  Auch  die  beide rscitigai  Rechte  haben  verwandte  Züge  * 
Die  -ibrevts  gladii«  (Tac,  Germ.  43)  der  Ostgermanen  finden  wir  in  den 
skadinawischeiiGtabem  wieder*.  R.  Henning  hat  eine  ntudostgerraanische 
Hausform  rekonstruiert^:  Eingang  mit  Vorliallu  an  der  Breitseite,  Vorraum 
zweifach  gegliedert,  Eingang  in  der  Ecke  der  Vorhalle;   westgemianisth  hiii- 

.gt^en:  Eingang  und  Vurhalle  au  der  Langscitc  unti  zwar  in  der  Mitte  der- 
selben, Vorraum  dreifach  gegliedert  Über  ein  kiinstgeschichtliches  Argumcnl, 

•das  sugenannte  Zangenornament  in  Norwegen  und  Ravenna  vgl.  AfdA.  II 
213  (=  W.  Scherer,  AV.  Schriften  I  471). 

'  J.  Kirkcr,  Mitceil.  d.  Inst.  f.  (l«terr.  Otschichtifarschiuig  II,  Ergäinzungsband 
1887,  S.  455 — 542  und  UnttrfuehurtgfM  aar  Erb/itlgr  der  ostgermantscftr» 
Ruhte  I,  Innsbruck  1891.  11,  l.  Hälfte  1895.  Vgl.  hieran  K.  v.  Amira,  Utbl,  f. 
(>efn).  u.  rmii.  lliil.  1888,  l  — 4  und  Gi'Vll.  |>cL  Anz.  1893,  Xu.  7  und  K,  Maurer, 
Krit.  VJMihr.  XXXI  (1889),  190— 197.  Misstrauiscb  K<^en  FickerK  Bemcis* 
fübninjj  niu.<>s  es  madion,  daM  LangohardeD  und  Friesen  nach  ihrem  Recht  zur 
o5tficmiani«hcD  Gruppe  (^'Wiren  sollen.  —  *  ü.  Kossinna,  IF.  VII  (1896), 
380.  —  '  Das  deitls/he  J/am  in  lernfr  hislon's>:hftt  EntTPtcJtrlHng,  StraKsbuf);  1882. 
Vj-L.  auch  .\.  Mcitzen.  Doi  deiitsfhf  Haus  in  ieineti  vclkithümlichen  J-ormi-n^ 
Berlin  iSSl  und  A.  Meitzen,  üiedelMng  und  Agrar-tivien  der  H'fstgtrmam-H 
und  Ojtgfrmanfn,  3  (l»czw.  4)  Bdc,,  Berlin  189;,  besonders  II  091  f.  imd  III 
464  —  520.  Meitzen  unterscheidet  zwei  Haupilypeii,  einen  itaÜKh-kc! tisch- woit- 
gormaniscIieD  iiud  eitieti  ^cclnsch-s lau- iwh>iiistgerni.-iniM:h-!ik.-ulin.-i wischen. 


I.  Ostgermanen. 

§  87.  Die  ostgermanische  Gruppe,  zu  der  als  altest  belegharer  'genn;ini- 
-■scher  Stamm  die  Guten  gchürtcn,  hat.  bevor  sich  die  Skadinawicr  abtrena- 
•ten,  jedenfalls  nicht  bereits  seit  ungczUliUcn  Jahrhunderten  bestanden;  sonst 
würden  die  sprachlichen  Abweichungen  von  dc-m  Westgermanischen  grosser 
■sein.  Wie  h<ich  man  auch  das  Alter  derselben  anset/en  will,  keinesfalls  darf 
nuin  über  das  erste  Jahrtausend  v.  Chr.  hinaus  greifen.  Eine  politische  Ein- 
heit iiaben  die  0:*lgermanen  in  naclichnÄtücher  Zeit  wenigstens  nicht  gebildet, 
und  es  ist  sehr  fraglich,  ob  die  schon  xur  Zeit  der  Besiedlung  Skadlnawiens 
-bestehenden  Einxelstamme,  wie  die  Rugii  oder  Goten,  letztere  wiederum  in 
mehrere  Abteitimgtai  /.erfallend  {§  '6^  und  t)6),  ursprilnglich  aus  einer  ostger- 
manischen einlas  hervorge^ngen  sind.  Die  Iiistorwchen  Tarallclen  sprechen 
eher  dafür,  dass  umgekehrt  unter  den  als  koordiniert  zu  denkenden  geima- 
uischen  Stiünmen  einige  sicti  infolge   irgend  welcher  [>olitischai,   vor  allem 


830 


XV.  Ethnographie  der  germanisches  StAmub. 


aber  wohl  infolge  geographischer  Verhilltnisse  n3her  ziisammengeschlossCDi 
haben,  wit-  unter  den  Oslgcnnanen  solbät  sich  wiwlcrum  mehrere  grössere 
Gnippcn,  die  skadinawisdie,  die  gotische  und  die  lugischc  gdjildet  haben. 

^  HS,  Die  relative  Einheit  der  ostgermaiiischen  Stamme  ist  sicher  bezeugt. 
PI  in  i  US,  der  unter  den  Germanen  fünf  Hauplstimme  unterscheidet,  nennt 
(iV.//  IV  99)  als  einen  derselben  die  Viindiü,  und  als  Teile  derselben  u.  ;i. 
die  Burgundeii  und  Güti:n.  Er  rechnet  die  Bastemcii  nicht  dazu  und  eben*> 
wenig  die  Stamme  an  der  Nordsee,  am  Rhein  und  im  mittleren  Deutschland. 
Tacitus  nennt  (Oerm.  43)  nördlich  von  den  Sudeten  die  Lygionim  civitatcs, 
die  Gutones,  Rugü  und  Lcmonü  und  fügt  als  ethnographisches  Merkmal  dieser 
Stamme  hinzu:  >oniniumiiue  hanim  gentiunt  insigne  rotunda  scula.  breves 
gladil  et  erga  reges  "bscquiuin,«  Das  letztere  MerUnal  giebt  er  auch  für  die 
skad in a wischen  Suiones  an  {Germ.  44). 

§  Sq.  Ihren  deuttichstcn  Ausdruck  hat  die  Zitsammengehüngkeit  der  ost— 
germanischen  Stamme  darin  gefunden,  dass  diese  Gruppe  einen  Gesarat- 
namcn  trug.  Plinius  nennt  sie  a.  a.  O.  Vatidüi.  Auch  mit  den  Vandilü 
des  Tacitus  {Germ.  z\  ist  nach  dem  Zu.sanunenhaiigc  der  Stelle  tiiclil  eine 
einzelne  civitas  gemeint  sondern  eine  grössere  Stammesgruppe.  U'ir  kennen 
diesen  Namen  (mit  einer  fOr  jene  Vorzeit  durchaus  nonnalen  Suffi.\abstufung) 
als  Vandali —  VandiH —  Vanduh  sonst  für  dnc  einzelne  civitas  (§  t>4).  für 
das  wandalische  Volk,  welches  nachmals  in  Afrika  ein  Reich  gründete.  Da 
diese  letzteren  Vandali  uns  erst  seit  dem  maikomaniiischeu  Kriege  bekannt 
sind,  und  da  sie  weder  Tacitus,  der  sie  {Germ.  43)  unter  den  >valentis>i- 
inas  civitates«  der  Lugü  nicht  nennt,  noch  Ptoleuiaios  kennt,  der  doch 
(11  II,  10)  die  ^iiÄ-f^ax  anführt,  so  schcmt  es,  dass  die  engere  Bedeutung 
des  Namens  erst  im  2.  Jahrh.  n.  Chr.  aufgekommen  ist.  [Wenn  Diän. 
Kassios  (LV  l)  das  Riesengebirge  das  wandalische  nennt,  so  ISsst  sich 
für  die  voriiegende  Frage  daraus  nichts  schlieasen,  da  der  wandalische  Stamm 
in  Schlesien  gewohnt  hat.]  Wenn  ich  es  also  für  wahrscheinlich  halte,  das* 
die  besondere  wandalische  civitas  sich  erst  im  2.  Jahrh.  n.  Chr.  konstituiert 
hat,  offenbar  im  Zusammenhang  mit  der  Wanderung  der  Goten  nach  Süd- 
osten und  den  politischen  Ereignissen,  die  in  dem  inaikomannischen  Krie- 
ge einen  Ausdruck  fanden,  so  halte  ich  die  Annahme  für  ausgeschlossen, 
dass  dieses  Volk  in  früherer  Zeit  etwa  ein  grosses  ostgermanisches  Reich 
begründet  habe,  das  seinen  Namen  getragen  hatte,  Icli  meine  vielmehr, 
dass  Vandali  ursprünglich  ein  Name  für  alle  Ostgermanen  gewesen  ist.  und 
dass  dieser  Name  in  ahnlicher  Weise  auf  einer  einzelnen  Völkerschaft  haf- 
ten blieb  wie  der  Name  Sitebi'>  Skhwalnn.  Rs  mag  sein,  dass  wir  es,  «ie 
bei  den  Schwaben,  mit  dem  Kemvolk  der  grösseren  Gnippe  zu  thmi  haben. 
Jedoch  diese  Parallele  kann  insofern  nicht  ganz  zutreffend  sein,  als  die  swf- 
bischen  Stamme,  welche  spater  die  besonderen  civitates  der  Marcomanni  > 
Baiem  und  Quadi  bilden,  sich  von  dem  swebischen  Kemvolk  geographisch 
abgetrennt  haben;  ein  solcher  Fall  könnte  aber  höchstens  für  die  südliche, 
die  lugische  Gruppe  der  Ostgermaneii  angenommen  werden,  nicht  für  die 
Goten  und  Rugü,  deren  hohes  Alter  als  besondere  StSrnne  durch  ihre  Wie- 
derkehr in  Skadinawien  bezeugt  ist  (§  85),  und  für  die  Sdri,  die  schon  zu 
Beginn  des  2.  Jahrhs.  v,  Chr.  Ix-legt  sind.  Es  ist  nun  sehr  wohl  möglich, 
dass  der  Name  V^nd.^!i  in  seiner  ältesten  Anwendung  allein  die  Lugü  um- 
fasst  und  von  den  swebischcn  Nachbarsiammcn  mit  auf  die  nördlicheren 
Ostgermanen  ausgedehnt  wurde,  in  fllinlicher  Weise,  wie  später  die  Vandali 
mit  zu  den  gotischen  Völkern  gezählt  wurden.  Wie  dem  aber  auch  sein 
mag,  auch  wenn  die  Goten  sich  selbst  niemals  als  Vandali  betrachtet  habe», 


jtomlcnt  Tiur  von  den  Sw«iw^  so  bezeichnet  «"urden,  so  würde  dieser  Gc- 
süiutnamc  doch  ein  Ausdruck  der  den  swebtschen  Nachbarn  bewussten  eth- 
iH>gra]>hischen  Zusammniigehürigkeit  der  ostgermanischen  Stamme  bleiben. 
Wie  die  swebischen  Stamme  aus  einem  einzigen  Stamme  hen-orgcgaiigcn  sind, 
so  lialte  ich  es  auch  tHr  wahrscheinlich,  dass  es  in  der  Vurzeit  einmal  eine 
wandalische  civitas  gegeben  hat.  aus  der  nachmals  die  Vandali,  Silingi.  Bur- 
gimdcn,  möglicherweise  auch  die  Goten,  Gcpidcn,  Rugii  und  Sciri  hcn-'orge- 
^ngen  sind  Auch  wenn  \nr  die  letzteren  vier  Stflmme  nicht  mit  einbe- 
■greifen.  würde  jene  Vurzeil  schon  deshalb  in  die  vorchristlichen  Jnhrhun- 
ilerte  zu  verlegen  sein,  weil  die  Sondernamen  Süingi  und  Burgiuiden  aus 
<ien  germ.  Sprachen  heraus  nicht  deutbar  sind. 

Wie  in  Jlltester  Zeit  unter  dem  Namen  Vandili,  so  wurden  später  die  ost- 
jrermanischon  Stämme  unter  dem  Xanien  des  vorhcrschcndcu  Volkes  der 
■Gnicii  zusitmmpngefasst. 

§  (fi.  (obgleich  die  einzelnen  ostgermanischen  Stänune  wahrend  der  gan- 
zen ersten  Hälfte  ck-s  crrtcn  Jahrtaasends  n,  Chr.  als  besondere,  selbständige 
Völker  auftreten,  die  Sonderexistenz  der  Goten  und  Rugü  seit  300  v.  Chr. 
nachweisbar  ist  (§  52  und  85),  der  Name  Burgunden  in  eine  vorchristliche  Zeit 
hinaufreicht,  und  dm  Sriri  seit  .\nfang,  des  2.  Jahrhs,  v.  Chr.  bezeugt  sind 
<$  101),  ÄO  ist  doch  noch  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrtausends  n.  Chr.  die 
<llinisdii-  Zusammengehörigkeit  der  ostgermanischen  Stämme  für  die  Zeitge- 
nossen unverkennbar  gewesen.  Wir  liaben  dafür  das  wichtige  Zeugnis  des 
Prokopios,  ß.  l'antf.  I  2,  P  178  A.  B:  »foi^utd  flJn;  nolXa  ^kv  xal  fiJUa 
yio6TTo6v  rr  ^v  uni  rnvvv  ^ari,  rn  de  dti  .-irfrrü)»'  ftiytoTti  re  xal  Ä$tolo- 

yföraTU    Föi^ot  ri   cht  xai  fiavt^ikoi  xa\  Ovioiymiioi  xai  Fiinatfitg 

uhm  fbraiTFc  Arofiam  fih  dXb'ßo)v  dtaffigovatv,  .  .,  Äx/oj  dt  rcöv  .-rdr- 
Twy  otfdevi  thfzÄfinnmrm.  Xfvxol  yao  &Ta»T*c  m  awfmxd  ri  eht  Hat  tÖ; 
x6}iai  ^nvöoi,  f/'jtiijxric  tc  xa\  &yadtA  tü?  Stfietg,  xai  vöfiotg  pikv  ToTg 
ni'TOtg  xgöivrat,  fifwloii  di  rd  h  rör  &e6v  alims  ijaxtjrat.  Tfjj  ydo 
^AQfinv  Ai'iS>}i  efoiv  üjrnvrei;,  tpotvi}  le  avroT^  Imt  uia,  Fordix)}  Myo~ 
jiFvtjj  xni  fioi  ^oxovy  l^  Ivb^  ftiv  r\vnt  ilnavtr:^  to  :taXaibv  P&vavi, 
6i't)iiiioi  (V  PtTTFQov  riiit'  Ixnojoi'i  fjytjoniuywv  Äiaxexoiaßai.*  Ausser  den 
Goten  (d.  i.  Oslgoieu),  Vandili,  Wbigoten  (?o  auch  B.  Goith.  IV  5,  P  574  C) 
und  Gepiden  rechnet  Prokopios  zu  diesen  gotischen  Völkern  noch  die 
Kugü  (ebd.  in  2,  V  470  B)  und  die  Sciri  und  Alaaii  (ebd.  1  i,  P  308  A); 
mit  letzteren  (auch  ß.  VanH.  I  3,  P  182  A),  ursprünglich  einem  skythischeji 
Stamme,  ist  jedenfalls  die  Gruppe  gemeint,  die  sich  den  Vandali  angeschlos- 
sen und  damals  wohl  germaniaert  war  (Zeuss  449 — 453  und  704  f.).  Der 
Umstand,  dass  Prokopios  die  Burgunden  nicht  unter  den  gotischen  Völ- 
Icern  nennt,  gestattet  noch  nicht  den  Schluss,  dass  sie  nicht  dazu  gehörten. 
Agathias  I  3  nennt  die    BovQyov^üuvt^   *yivo^  FoTÖix6v'. 

S  0'-  Sprachliili  ISsst  sich  eine  bcstmderc  ostgermanische  Mundart 
2war  nicht  beweisen,  schon  deshalb  nicht,  weil  wir  nur  die  gotische  Sprache 
genauer  kennen;  aber  das  Namenmatcrial  bei  den  andern  ostgermanischen 
Stammen  genügt  doch,  um  eine  Anzahl  wichtiger  Übereinstimmungen  mit 
•dem  Gotischen  zu  konstatieren;  vgl.  §  78.  Hierher  gehört  die  Erhaltung  des 
jjerm.  ff  als  e  >  i '  (wgerm.  und  nord.  d).  die  geschkissene  Aussprache  des  germ. 
*  >  i(',  der  Lautwandel  uu  >  0*.  die  Erhaltung  der  I^utgnippe  auj*,  der 
Ausfall  des  A  zwischen  Vokalen*,  der  des  ^'  nach  Vokal  und  vor  1  oder  ^^ 
der  Lautwandel  von  antevokatischem,  auslautendem  ö  und  rf zu/und  /\  die 
Mouillierung  des  r/ und  t  vor/  und  die  Assibilienmg  zu  r',  das  Nominativ-j  ♦ 
und   die  nach  ^  78   schon  för  das  i.  Jahrh.  n.  Chr.   bezeugten   schwachen 


maskulinen  Nominative  auf  -/i'*.  Die  Namen  der  Wandalen,  die  einer  an- 
dern Gruppe  der  Oslgctmaucn  angehören  als  die  Goten,  zdgen  gar  keine 
Besonderheit,  die  auf  eine  dialektische  Verschiedenheit  schliessen  Hesse.  Star- 
ker weichen  die  burgundischen  Namen  ab.  Aber  hier  miiss  berörksic  hiijtt 
werden,  daits  die  Burguiiden  später  in  enger  Fülilung  mit  den  Franken  uncfc 
Alemannen  standen,  sn  dass  es  nicht  nur  möglich  sondern  a  priori  durcliaus- 
wahrscheinlich  ist,  dass  wcstgcnnanische  Eigcntünilichkclien  in  der  burgun- 
dischen  Sprache  FJngang  fanden;  so  erklären  sich  vielleicht  die  ä  <Z  g:crm. 
r?  in  Vänfjhantis,  Gundomiirus,  LtudomCtna  neben  Vuitiahftrius,  Willimires- 
u. s.w.:  8'^  ist  c«  sicher  zu  erklären,  dass  wir  bei  den  Burgunden  auch  die 
westgerm.  Konsonantengemination  finden,  z.  ß.  in  Villiohgrga,  Vassio.  Sifi^oi 
Ware  d;is  Biirgiindischc  lebendig  gcbhebeu,  su  würden  wir  ca  voraussichtlich 
zu  den  deutschen  Mundarten  rechnen,  trotz  seiner  ostgecmanischen  Herkunft'*.. 
Fr.  Dietricli,  t^r  rf/c  Atusprach^  lÄ-i  Oothinhen,  Miu-hiu);  1863.  F. 
Wred«,  Öher  Jü  Sfira^rhe  der  Ostgoten  in  Italien.  Slrasiburg  1891.  F,  Wrede, 
Über  die  Sproihe  der  H'anda/en,  Slfässburg  1886.  \\'.  Wackcrnagcl,  SprtuA^ 
und  SpraShdenkmäler  der  Burgunden 'v\  BinJiagü  Oeu-h.  det  burgiind.-romam- 
schen  K^ni^reiths.  Lcipnu  1868,  S.  3J9 — 4O4  (=  Kl.  Schriften  Hl,  Leipzig  1874, 
S.  334—416).  R.  KÖKcl.  ZfdA.  XXXVU  J2J-J3t.  Die  Krammatischc  Vcr- 
weitUDg  der  EigcnnanK-n  wird  ilailtin-h  aiu.>enir(lcnilich  i'rschwrrt,  weil  bri  dm 
fUarken  Völkern li-mirlmiii^i-n  kuiim  feslzu-itolli«  ist,  iib  /,  B.  ein  Ix-i  den  Burgiinik-iv 
vorkoniirifiKler  Etgcnimnie  in  dci  ubcclieftrtro  Fi>rm  nirhl  ^utiM'h  <*ier  (niiiki»ch 
tst,  dann  aber  aiidi  doitun^,  dass  r..  B.  der  Gi>1c  Jordancs  aiich  die  Kuinpn  anderer 
Sttimme  in  gotisclicr  Fonn  wiedcrKicbi,  fnrilidi  durch  di*  s])&iLiU'iDiM!he  Ch-tlio- 
(^aphic,  dmn  Schwanken  zwiMihcn  /  und  e,  lurischiMi  u  urd  i>  c«  z.  B.  nicbl  vr- 
iii<'>i;liclit  mit  Sicherhoil  fesixitstellen,  ob  all«  (^aigcmianfn.  wi£  die  Goten,  ausser  vor 
r  und  h  Qh«ndl  i  und  »  ijettprocten  haben. 

'  ^'E'-  M'aadalisch  Guntltimer,  Geitamir;  rugücb  Feva  (deotsdl  /invi);  burgUB- 
rtisch  firammtni.  ÜHtnnharim^  das  Hnnpindischr  schctnT  wegen  des  ifKllemi 
Uli*TK!irijfs  7\\  ü  iKich  die  iirKtrrm.  Aiituptathr  ^  VDrniiviiscl/.cn,  —  '  wnödslisch 
lUumaril,  Frnnimuth.  —  ^  wand.'ilL'u.'Ji  frnja,  Frotiimuth;,  Iniif^iidisch  Ornix-iuxti ; ; 
tuikitingisch    Odoair-r.  —  *  burjiijndLich    Au^efredus.    —     *    »[lülgoltsrh    GundihitJi 

>  Gitndiildi,  Ritnihüdit  |>-  ÜanUda,  !'andalariiu\  wandaliftch  JSuginari,  T/uv- 
dariia;  burKimdisch  Gis/aAariitj  "^  Gii/aurrus  y>  Gisfanus.  Gunäohartut'^  Gun- 
darius.   —  "   s]dtKotüch   Vagi'ia  >  Dada.   Gkndiisirtus:  biireundiadi   Gundiiseltts 

>  Gundisflns,  tiiidicrHUi.  —  '  waDdaliKh  Fnniimuth.  Blumariti  Inuj^imdisch 
l/ithtiluf.  —  *  got.  Sraidxa,  Btirgtindtones,  mafiia,  ßam;  wanditlüch  StutiiJi 
Stafaaj  S/ruafsJ.  —  '  wandjdiscfa  '/'Annatttunifi.  Hilderix.  Da*  Nominativ  -s  i*t 
wie  im  SpnigoT.  so  auch  im  Wand,  uml  Bui^.  abgornllcn.  —  "  wanilidiach  frcj"^ 
Dagifii,  silinj-isch  ^ii.fyym  {Plol..  vielkichi  für  i'i^tj-jHH  vorschrieben);  burgna- 
ilivh  Bov{Q)yo!\yiat  (Ptol.),  Athtilu.  tiibito,  Vulßfa;  ^pidbcb  Gipidae,  Fa'lidOt 
Trafslita;  ru^isch  Fma;  ba4trrni»cb  ßa,\trrH'if.  —  '^  Die  btirgundisch  |*cttannle 
Afundart  der  weltlichen  Schweiz  Ut  alemannisch. 


I 
I 


a)  Bastemen. 

Zcu&s  70  f.  und  137 — 130.  —  I*.  ILihncl,  Die  Bedeutung  der  Baslarmer 
für  das  germaniiche  AlirrthHHt^  Leipzig  U.  Drradt-n  1865.  — MüllenhoCf,  t>.A^ 
II,  104—112.  —  R.  Mucli,  Mitx.  d.  anlhrop.  Gm,  in  Witn  XX,  Sidau^^slKfidK» 
S.  75—80  und  PBB.  XVII  34—40.  46—48  und  134—1.56. 

S  92.  Ob  »-ir  ein  Rwht  haben  von  einer  ostgennanischen  Cniiipe  xu 
sprechen,  ist  mehr  als  fraglich.  JedenfalLs  haben  die  Bastemen  eine  besofii«! 
derc  Gruppe  gebildet  Plinius,  der  einzige  Schriftsteller,  der  etw*as  Qt 
ihr«  ethnographisch f  Stellung  aus.sagt,  teilt  die  Germanen  in  fünf  >genera« 
ein,  in  drei  wesigennanische  Stamme,  in  Vandili  (tJstgermanen)  und  Bastemac 
(JV. //.  IV  <■}(>),  Wir  haben  keinen  Grund  diese  Angabe  zu  bezweifeln.  Immer- 
hin aber  dürfen  uir  nicht  allein  aus  der  geographischen  Nachbarschaft  fol- 
gern,  dass  die  Bastemen  den  Oslgermanen   relativ  näher  gestanden  haben 


in,  B,    t.  OSTCERMAXEN. 


823 


ats  den  wcslgcmianischcn  Släimnen:  vir  wissen,  üass  sie  zu  Anfang  des 
3.  Jahrhs.  v.  Chr.  mit  den  ostgeminnischen  Sein  verbündet  an  das  Schwarze 
Meer  gezogen  sind,  und  vor  allem  haben  die  Bastcnieti  s])rachlich  mil  den 
( tstgermanru  ein  Tlauptrhurakteristikum  gRteill,  den  scliwachen  Nom.  Sg.  auf 
-o,  wie  <ler  Name  flasienta  seihsi  darthut. 

Die  Bastemen,  deren  Gebiet  von  der  Wcichsetquelle  über  Galizien  bis  zur 
DnnaumOndung  reichte,  zerfielen  in  mehrere  Stamme.  >«/?  jr/e/m  q-vka  Atfj" 
gtjftivot*.  Slrabön  (VII  300)  nennt  die  "Artiovotf  ^tdÖYfc:  und  llrvxTvotj 
leixtcre  auf  der  Insel  IJfvxtj  an  der  Donaumündung;,  die  ^töovei  offenl>ar 
identisch  mit  den  ^idtavei,  die  I'tnlemaios  (II  il,  10)  an  der  Weichsel- 
quelle kennt. 

Über  die  Geschichte  der  Bastemen  s.  §  5Ü. 

b)  Li^i  >  Vandali 

Zenss  IJ4 — 12?  und  443 — ^55.  —  E.  Tb.  Gmipp,  Die  Grrmanisfhen 
Ansjtälun^n  und  iLandth^Httn^n  in  den  Provinzm  Jn  Knmiuhrn  IVestrrtrhrs, 
Bri-slnii  lit44,  S.  452—454.  ^  F.  Dahn,  Dir  KCmige  der  Grrmaurn  I.  Mtlm-ben 
1861,  S.  I40 — 260.  —  R.  Paltmann,  tiie  Gekihuhte  der  Väikrrutttutervng, 
2  Bde.,  Gotlia  1863  luwi  Weimar  1^(64.  —  Tb.  Ilodkin,  /tatv  and  her  iniadm 
II,  Oxford  1880,  —  E.  V.  Wictersbrim,  Grsfhkhre  drr  y&lkfruftnJetNnff, 
3.  Aurl.  von  F.  Dabn.  2  Bde.,  Lripriß  18S0.  1881.  —  G.  Kaufmann,  Drtittfhf 
Getthiihtt  bis  auf  Karl  dt  n  Grosun  It,  Ltipiit:  r88l.  S.  g6 — 104.  —  L.  Schmidt, 
AlUsU  Gtichickte  4er  iVandnIrn.  I.ejpxig  1888.  —  S.  Mittutiak,  Auwfw  und 
H'ohRiilic  drr  LugürvJfktr,  öochnia  1889.  —  R.  Much,  PBB.  XVII  25—31 
und  133 — 135.  —  O.  Gutschc  und  W.  Schultzc.  Deuischt  CnchiihU  von  drr 
Uruit  bii  3«  den  Karolins^rn  I,  Stultgart   189*4. 

§  93.  Sehen  wir  vou  den  Bastemen  ab,  so  erkennen  wir  unter  den  Ost- 
gemumen  mit  Sicherheit  zwei  Gruppen:  die  lugische  und  die  gotische.  Die 
erste  Gruppe  sass  im  i.  Jahrh.  n.  Chr.  in  Schlesien;  wie  weit  sie  weiter  nacli 
Norden  und  über  die  Lausitz  hinaus  reichte,  ist  unsicher.  ^Lygioruni  nomen 
in  plures  civitatea  diffusum.  Valentissimas  nominasse  sufficiet:  Harioa,  HeU 
vaconas,  Manimos,  Hetisios,  Nahanarvalos.--  Deudich  fasst  Tacilus  {Grrm. 
43)  diese  dvitaics,  vun  denen  nur  die  Helvaeonae  auch  sonst  genannt  werden, 
unter  dem  Namen  Lygii  zusammen,  sie  den  Goten,  Rugii  und  Ixinonii 
gegenüberstellend.  Die  ellinopraphische  Zusammengehörigkeit  dieser  Li^i 
beweist  der  Umstand,  da.ss  sie  ein  gemeinsames  Kultusheiligtum  hatten,  wo 
ein  göttliches  Brüder[>aar  verehrt  »nirde:  ^apud  Nahanar\-alos  antiquae  religionis 
lucus  'jstenditur'  (Tac.  a.  a.  O.).  Ptalemaics  (IT  11,  10)  nennt  in  Schlcsiea 
die  »vlovyw  q\  ^Oftavoi,  hrp*  »Pf  Aovyoi  ol  -Udorvoi*,  Namen,  mit  denen 
wir  nichts  anzufangen  wissen,  und  weiter  südlich  die  Aovyoi  ol  BovQOi, 
welche  aus  dem  Markomannenkripge  l>ekannt  sind.  Die  Silingen  in  der  Lau- 
sitz scheint  er  eben  so  wenig  zu  den  Lugii  zu  rechnen,  wie  die  nördlich  von 
Schlesien  wohnenden  Burgunden;  wenigstens  bezeichnet  er  sie  nicht  als  Lugü- 
Doch  dürfte  dies  kein  sicheres  Ari-ument  sein:  denn  auch  bei  den  AfÄDiviimvei 
fehlt  dieser  Zusatz,  und  doch  sind  diese  zweifellos  identisch  mit  dem,  wenr» 
Tacitns  recht  berichtet  war,  lugischen  Stamme  der  oben  genannten  Hel- 
vaeonae. In  der  That  kann  an  der  Zugchf^rigkeil  der  Silingen  zu  der  lugiichen 
Gruppe  nicht  gezweifelt  werden  (g  94).  .^ber  ob  auch  die  Bürgenden  hierher 
zu  zählen  sind,  ist  niciit  sicher,  r>bschon  es  Ptolemaios  an  die  Hand  giebl. 
Nach  seinen  .'Kngaben  wohnten  nfimlich  die  Burgunden  südlich  von  den 
an  die  Netze  zu  setzenden  AD.ovaituves  und  nordlich  von  den  nicderwhlesi- 
sclien  Aovyot  ol  ^O^avoi,  so  dass  diese  geographische  Lage  den  Schluss 
nahe  legt,  dass  wenn  die  Ati.ovaUiiviQ  I.ugii  waren,  es  auch  die  Burgunden 
gewesen  sind.     Indes  sind  diese  geograpl tischen  Angaben   nicht  sicher,  und 


8^4 


XV.  Ethnographie  »er  germanischen  Stämiie. 


CS  wUrc  ja  auL-h   mügtich,   dass  die  Bui);undc»  sich   zwischen  jene  bcidcD 
lugischen  Stamme  hin  ein  gesdi  oben  hatten. 

§  94.  Die  Lugü  erscheinen,  und  zuur  an  der  unteren  Donau,  zum  letzten 
Mal  um  280.  Seitdem  ist  ihr  Name  geschwunden.  Die  Lt^,  wckhc  die 
Geschichto  an  der  Donau  kennt,  sind  bereits  ein  kleinerer  Teilstamm  der 
grossen  Gruppe,  welche  einst  diesen  Namen  führte.  Die  Erbschaft  des  lu- 
gischen Namen.s  haben  die  Vandali  angetreten,  welche  im  1.  Jalirh.  n.  Chr* 
noch  nicht  als  eine  einzelne  civitas  bekannt  waren  und  sich  als  solche  wahr- 
scheinlich auch  erst  um  die  Mitte  des  2.  Jahrhs.  konstituierten  (§  ikf).  Von 
Jordancs  {Gf/.  IV'  26)  als  Nachbarn  der  Ulmerugi,  »qwi  lunc  Occani  ripas 
insidebant«,  geiutnnl,  hIso  etwa  an  der  Ncizc,  finden  wir  diese  Vandali  im 
2.  Jabrh.  am  Riesengebirge,  welches  das  waadalische  hiess  (Di«n  Kassios 
LV  Ij.  An  der  Seite  der  Marcomanni  und  Quadi  kämpften  sie  an  der 
mittleren  Donau  gegen  die  Rftmer.  Im  3.  Jahrh.  finden  wir  sie  neben  Goten 
und  Gepiden  in  Dakien.  Z\A  Anfang  des  5,  Jahrhs.  awtgen  sie  vcm  Pannonicn 
aus  mit  deik  Alani  und  Sweben  nach  Frankreich;  dann  nach  Spanien,  um 
endlich  429  ihr  Reich  in  Nordafrika  /u  begründen,  welches  bis  534  be- 
staiid.  Eine  Abteilung  des  Volkes  war  in  Pannonicn  zurilckgeblieben.  Has- 
dingt  ist  der  Gcschlechtsnamc  des  wandalisdicn  Königshauses.  Ein  Volk 
der  Hasdingi  erscheint  1O7  n.  Chr.,  um  im  n<"jrdlichen  Ungarn  Fuss  zu  fassen. 
Ihnen  zur  Seite  werden  die  Lacringi  genannt.  Gleichfalls  zu  den  Vandali 
geh«'lrten  die  Sllingi,  welche  Ptoiemaios  in  der  I^usitz  kennt,  und  welche 
neben  und  unter  den  Vandali  sich  noch  in  Spanien  als  eine  besondere  dvi- 
tas  erhielten,  sWandah  cognömine  SÜingi-«  oder  auch  AVandali  SiUngi'  ge- 
nannt.    Zu  den  Victovali  vgl.  R.  Much,  PBB.  XVII  29—31. 


I 


c)  Burguiiden. 

Zcuss  133  r.  280.  465  "4,70,   695  f.  —  E.  Tb.  Gaupp,   Dir  Germam'scken 

Anii-'d/iingrfT.  Brubiu  1844.  S.  274 — $71-  — J.  Grimin.  Geuhitkir  tlrr  di^fu-krn 
Sprni/if  W  ft'fS^'oS.  —  H.  Dcricbswciler.  Gfschkhtr  lUr  Burgundru  hit  z*i 
ihr^r  Eiii''rrteti>HHg  ins  fränkiichr  Reiih,  Münster  1863.  —  C.  Bimi  inK,  Gesthn-htr 
^iburgHMtinth-ramaHiuhi-n  Koni^rriifu,  Li-ipjuj;  l8ä8.  —  A.Jiiho.  Gtahtthuder 
litirgutuiionfH  und  Iturgiindtem  his  tu  Eiute  drr  rrslm  T^yuaitie,  2  Bde.,  llilte 
1874.  —  K.  V.  'WiuitttfiitMm,  Gnrhichte  ärr  l'sUtervrandtrttng\  2  Bde.,  Lei|Mi|: 
1880.  l88[.  —  R.  Salt^iUes,  De  Cilabhistment  äts  ßurgondes  sur  Us  äomat- 
Hts  des  Gallii' Romatns,  Pari»  189a.  —  W.  Scbultzc,  Drittuhf  Gexhichtf  rrni 
der   l'rtril   brs  tu  dm   Karolingern  II,  Snittgut   1896,  S.  82—97. 

§  Q^.  Es  muss  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Burgundcn  zu  der  lugiscli« 
Gruppe  gehflrt  haben.  Sollte  dies  nicht  der  Fall  sein,  so  mflssten  sie  neben  den 
lugischen  und  gotischen  Stummen  eine  dritte  Gruppe  der  Ostgenuanen  ge- 
bildet haben.  Denn  von  den  Goten  scheidet  sie  Jordanes  ausdrOckticlu 
der  (6V/.  XVIIi  den  Gepiden.  als  Blutsverwandten  der  Goten,  die  Burgutiden 
gegenüber  stellt.  Die  Burgiuiden  kannte  Ptoiemaios  (II  11,  8  und  lo} 
nöallich  von  den  Lugii  als  ein  grosses  Volk  in  der  Provinz  Posen  und, 
wie  es  scheint,  ostwärts  bis  zur  Weichsel.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  sie  auch 
noch  rechts  der  Weichsel  gewohnt  haben,  wenn  nSmlich  die  0^1701 
iAoiVtZj  die  l'tol.  (III  %  8)  hier  kennt,  mit  ümen  identisch  sind'.  Iltre 
«tsten  Wanderungen  zeigen  sie  in  Rertlhrung  mit  tlen  verwandten  ostgerma* 
tiischen  Stummen.  Noch  im  ,^.  Jahrh.  sasiien  sie  neben  Goten  und  Vands 
an  der  Donau.  Dccli  zu  Ende  dic.Hcs  Jahrhs.  sind  sie  westwärts  gezogen^)! 
uin,  zunächst  nordöstliche  Nachbarn  der  Alemannen,  seit  \\\  zwischen 
Franken  und  Alemannen  ihr  sagenberühmtes  Reich  mit  der  Hauptstadt  Wurmi 
zu  gründen.     Nachdem  dieses  Reich  durch  Ailtius  imd  datm  437  durch  die 


ni,   B.    I.   OSTGERUAKEX. 


825 


Hunnen  vcniiditct  wonlcn  war,  siedelte  sie  Aeüus  44,5  in  Savoyen  an,  und 
von  hier  aus  haben  sie  ein  neues  Reich  an  der  Rhunc  aufgerichtet,  das  552 
^534  den  Franken  anheim  fiel.  Die  Burgunden,  denen  ihr  Recht  crlmlten 
blieb,  bind  roinanisicrt  worden.  Ein  romanisches  Reich  war  sowohl  das  880 
bcgrOndete  dsjuninische  oder  arclatischc  Burgimd,  welches  das  ganze  Strom- 
gebiet der  Rhrme  umfassle,  als  auch  das  887  begründete  üansjuraiüschc  oder 
hochburgundischc  Reich  in  der  westlichen  Schweiz  und  Franchc  C!.'omt6.  Die 
deutsche  Mundart  der  Westschweiz,  die  man  mit  einem  poliüschen  Namen 
wohl  die   burgundisclio  nennt,  ist  durchaus  alemannisch. 

*  Ptolcmaids  ncnni  auch  sonst  dasscllic  Volk  an  zwei  vcrwrhicdnieD  Stellen: 
so  die  Any^'o/iäQdo$  und  Aaxxoßcujöot :  links  vora  RbcJa  die  Ot'ayyiovei,  recbu 
<lic  Oi'tia-^'iatvK  (rcctc  Ovo.Yfi<t>vei:);  'wcsüicb  der  ^Vbtmba  die  'Ivxttiom  (rccic 
Nmoloyti),  fistlicli  die  StQ^r^raroi  {zi,xXc  ytierar<troi);  ebenso  ideniiJinen:  ich  die 
XaTfiat  {miv  XafJiiai,  aus  A'o^ai'ot  veixk-rln)  mit  den  Ao/miW,  die  Tnvotitrot  auf 
ittT  einen  iiül  tkn  Tn'gioxaTfiat  auf  d(rr  amlern  Seih'  der  ^ovirjta  So*j  (%  43 
Atim.),  ilif  BairoxttT/tai  in  Bfilimen  m'n  den  BaTuoi  in  Österreich  um!  ^faoKQ^ 
fiavol  in  iltr  fJbi-rpfal/,  die  OvIqovvm  (rttlc  Oväuowot)  mit  den  iVtllieli  angrt-n- 
«-■ndcn  A'-ti^jtoi  (recli-  Otaftvot)  [%  150,  Knte  2),  die  Trvrm-öaoot  (neben  dm 
OvlQox'vot)  mit  den  TnrrorK  (rehen  den  At'tt^Oi)'  Zeus»  280  f.  und  695  ^^^ 
die  ^^tryovy&ioirt^  für  die  nidii  gctnumbchen  H'urugttntii. 


d)  Golen. 

JordftBc».  De  «rigitte  tutHnu^ue  Getamm  ^%\l%1,  (ed.  Tb.  MommscD. 
B«rolini  1883.)  —  Zeuss  134— 136,  401— 441.  —  W.  fi«sgell  in  Ensch  und 
Gnibers  Enc.  I  75,  98 — 342.  —  A.  Rasxnninn,  *lid.  I  90.  364 — 350.  —  G. 
Zippe),  Drtittihr  l'ö/irrbritvfUMffen  in  ätr  RämersgUf  Progr..  Könif;st>erK  1895, 
S.  33 — 35.  —  H.  Eisenschmidt.  Dr  Oitro^cthorum  tt  Vitigöthcrnm  orighu^ 
Jenac  1835.  —  E.  Th,  Gaupp,  Die  Gtrinamschen  Ansiedln ngen,  Breslau  1844, 
S.  372 — 414  nnd  462 — 4^6.  —  J.  (irimm.  Get>hifhU  tirr  lirtUsrhrn  Sfirtiihr, 
S.  455  — 4<^M.  —  R.  Pnllmann,  Die  GfSfhkhIf  d^r  Vülk^rwumlrritttg,  i  Bde., 
Gnthn  iSfJl  iinii  Weimar  1864,  —  K.  Dab  n  ,  D>f  fConij^ tier  Gfrmantn  II,  MUncben 
1H61  lind  in,  Würaburg  |86<J,  S.  I  — JJ  und  254— irj.  —  E.  v.  Wie(er*beim, 
Grit  huhu  drr  J'iÜJtt  rutinctrun^^.  2.  Aufl.  von  F.  Dahn,  2  Bd«.,  Lei|wi|;  1880.  l88t. 

—  0.  Kaiifninirn,  Druisrkr  Gn.hirktr  bis  auf  Karl  den  GroiSfft,  2  Bde.,  Leipzig 
1880.   18S1,   —   F.  Dabn,    Crip-ufir'f/itr  Jrr  grrmaniscAfM  und  romanisirhi'H  Viil- 

kfr  I.  Berlin  1881.  —  Tb,  Kodkin.  /tolv  and  tur  invadcrs  I,  Oxford  1880. 
III  und  IV  ebd.  1885.  —  H,  Bradley,  TV  Gffhs  from  tht  tarU^st  tirntt  tfl 
ihf  fitd  of  thf  Gothic  dommian  of  Spain.  London  1888.  —  (>.  Guische  und  W. 
Scbultie,  iJfUtsche  Grukichte  von  der  Urzeit  bis  tu  den  A'ii-o/inj;^-rn  I.  Swtt- 
gart   1894.  —  J,  Ascbbath.   Gtsehühte  der   IVestffothm .  Kninkfuri  a.   M,    1827. 

—  J,  K.  Fr,  Mans»,  Geschichte  des  »sigvtkfschen  Jfeicht  in  //o/ien.  Breslati   1824, 

—  J,  Aichbacb.   Gnchi{hle  der  tieruter   und  Gepidt-n,  Frankfiyl  a.  M.    1835. 

—  H.    Kriipatstbok,    De    Geptd^rum     rebtii,    I>iss.,    llalAC    1S69. 

§  9<t.  Über  die  nuUmasslic!ien  Ursitze  der  Goten  rechts  der  unteren 
Elbe,  ihre  Beziehungen  zu  den  skadina wischen  Güten  und  itire  Wanderung 
nach  (>stfn  in  vorchristlicher  Zeit  s.  S.  785  f.  und  81(1 — 810.  S.  816  ül>cr  die 
gntlsclien  Teiktämme  der  Ost-  und  Westgoten  und  Greulungi  sowie  über  die 
Riigii.  Der  Gotenn.ime  umfasst  aus.ser  den  C  »st-  unil  Westgoten  sowie  den 
mit  diesen  historisch  zu  idenlifizicreuden  Greutungi  und  Terwirgi  noch  die 
Gepiden  undTaifali.  Die  <.>strogothac  und  Vesegnthac  nennt  Jordanes 
{Get.  XVII  98)  »ulrique  eiusdeni  gentes  papuli«.  Beide  standen  früher  unter 
einem  K^nig  (ebd.).  Erst  zum  Jahre  ,^75  bemerkt  Joidanes,  dass  die  West- 
goten von  der  soriet;!s  der  Ostgoten  >quadam  inter  se  intenrione  sciuncli 
habebaiituT*.  Seitdem  ersihelnen  beide  als  politisch  selbständige  Vutkcr.  Äl- 
teren Datutns  ist  die  Abtrcnnurtg  der  Gepiden  von  den  Güten.  Jurdaucs. 
Gel.  XVII  94  nennt  die  Goten  -parentes«,  d.  I».  Stammverwandte  der  Ge- 
piden, wie   er  XXV  133  die  Oslgoten   und  Gepiden    >^parentes^  der  West- 


goien  nennt;  XVII  95  sagt  er  von  der  Gepiden,  »sine  dubio  ex  Gothonim 
prosapif  et  lii  trdhcut  origincni';  XVII  Q/  spricht  er  von  einem  »coitsangul- 
nitatis  fi>ediis  priiLs«,  und  XXV  133  fasst  er  diese  drt-i  Stämme  als  -omncm 
linguae  huius  nationera*  zusjimmen.  Daraus  geht  zugleich  her\-or,  dass  er  die 
RugÜ  (vgl.  auch  IV  20),  Turciliiigi  und  Sein  niclit  zu  dt-ii  Goten  rechnete. 
Neben  den  ( Istgolcn  stche.n,  mit  ihnirn  meist  identifiziert,  die  Grcutungi;  beide 
Namen  sind  urali,  finden  sie  sich  doch  in  Schweden  wieder  (oben  S.  818).  Neben 
einander  werden  sie  im  J.  268  von  Trebellius  Pollio  {I^a  CtatuHt'ti)  genamit, 
ebenso  bei  Eutropius  {11  155).  Zu  einer  |>olittschen  Körperschaft  vereint, 
erscheinen  beide,  wie  ftülier  unicr  dem  einen  Namen  der  Grcutungi,  so  seil 
der  Mitte  des  5,  Juhrhs.,  unter  dem  der  Ostgoten,  nachdem  sie  sich  373 — 454 
wieder  von  einander  getrennt  hatten.  Die  Grcutungi  sind  das  Kemvolk  der 
Ostgoten  Theodorichs  gewesen.  Ich  lasse  es  dahingestellt,  ob  das  Verhältnis 
der  Tcrwingi  zu  den  Westgoten  ein  ülmliches  gewesen  ist,  oder  ob  wir  es 
hier  lutr  rnit  einem  älteren  Xauien  für  ilasselbe  Vulk  zu  thun  haben.  Ein 
X'ebenvolfc  der  Westgoten  sind  endlirh  noch  die  Taifali  gewesen,  die  seit 
der  Mitte  des  3.  Jahrhs.  an  der  unteren  Donau  bekannt,  zuletzt  von  Gregor 
von  Tours  an  der  Nordgrejizc  des  westgotischcn  Reichs  am  linken  Ufer 
tier  unteren  Loire  genannt  werden. 

§  97.  Die  Güten  wohnten  nach  Tacitus  [Germ,  43)  jenseits  der  sclilesi- 
sehen  Lugii  und  diesseits  der  an  der  (IsLsee  se-sshaften  Rugii  und  I.emonii. 
Wir  würden  als  ihre  ältesten  lüstorischen  Sitze  hiemach  etwa  die  ProWnz 
Posen  bestimmen,  wenn  wir  liier  nicht  mit  den  Bnrgundeii  und  Elvaevmes 
zu  rechnen  hatten  (§  02).  Sie  müssen  also  östlicher,  in  Polen  gewohnt  haben. 
Hierzu  stimmt,  dass  Ptoiemaios  (III  5,  8)  die  Vv^atvE^  an  dasredite  Wcich- 
selufcr  setzt,  sowie  ihre  spätere  östlichste  Stellung  unter  den  <  »stgennanen  an 
der  unteren  Donau.  Dass  ihre  Heimat  an  der  WeichsrlmLlndung  zu  suchen, 
ist  eine  durch  nichts  zu  erweisende  Behauptung.  Wir  raüsseu  uns  die  Wolm- 
sitze  der  Goten  nicht  ander  unteren,  sondern  zu  beiden  Seiten  der  oberen 
Weichsel  denken.  Denn  nur  dann  allein  wird  es  geographisch  verständlich, 
dass  sie,  wie  die  Lugii,  dem  Matob<jduus  gehorchen  konnten  (StrabOn  VII 
ziya,  vgl.  aucli  Tac,  Ann.  II  (»2  f.),  dann  übrigens  auch,  dass  Ptoiemaios 
die  Wenden  jenseits  der  G"ten  ansetzen  konnte.  —  über  die  späteren  Wande- 
rungen der  Goten  s.  Grttr.'  I  407  f.  Niedemuhlagc  der  gotischen  Merschaift 
(Keich  de-s  Ermanarlks  von  der  Ostsee  bis  zum  Schwarzen  Meer)  sind  die  goL 
Lehnwörter  im  Litauisch-Slawischen  wie  altprcuss.  rikis  König  <  got,  ret'Ai, 
attsl.  rÄTrtrf  <;  gilt,  kaisar.  asi.  mXri  Schwert  <  g<.it.  mv-tris,  lit.  sziiniuii  <i  ^\. 
.■uinva,  asI,  ä/?mii  Helm  <;  got.  ^i/ms,  asl.  hori^gy  Fahne  <  goL  hruf>^a,  asI. 
hrünj'a  ■<  goi.  bntnjö,  asl.  üxere^fi  tjhrring  <  got.  'uusaAriggs,  Kt.  ganiai, 
asl.  gräiiü  <c,ffit.  gortis,  asl.  düma  <z  got.  ifOms  (Kluge,  Gidr.  ■  I  361  f.); 
vgl.  auch  finniscli  mickka  Schwert  <  got.  mikeis.  —  Zur  Geschichte  der 
Krimgoten  vgl.  W.  Tomascheb,  Du  Gottn  in  Taurifn,  Wien  18S1,  F.  Braun, 
Die  tetiten  ScAicisa/r  der  Krimgoten,  Progr..  St.  Petersburg  l8i»o  und  R.  Loewe, 
IMe  fitste  drr  Germanen  am  Sehwarzen  Meere,   Halle    lH()(i. 

§  f>8.  Von  den  Goten  haben  sich  sdion  .sehr  früh  die  Gepiden  abgezweigt 
(§  9'>).  Als  ihre  ältesten  Sitze  bezeugt  Jnrdanes  {Get.  XVII  q6)  .insulam 
Visciae  amnis  vadibus  ciraimactam«.  das  Weichscldelta.  WahrTschehiIii.h  dür- 
fen wir  an  diese  Wanderung  Weichscl-abwarts  bei  den  ttVjrttn  drs  Jnrda- 
nes {IV  iii')  denken:  »niox  promoventps  ad  sedes  Ulmerug-irum  [d.  h.  Insel- 
Rugi],  q«i  tunc  Uccani  ripas  insidebant,  caslra  metati  sunt  eosquc  t.-ummts 
proelio  ])mpriis  sedibns  pepulcrunt-.  Seit  der  Mitte  des  3.  Jahrhs.  haben  sich' 
die  Gepiden  südwärts  ausgebreitet,  um  in  Siebenbürgen  ein  grosses  Reich  xu 


t 


in,    B,    Z.    NORDGEKMAXEll. 


szr 


begründi-n,  welclics  aii  der  Müiulung  der  Savi-  an  das  der  Ostgolcn  greiizlc. 
Sic  erlagen  im  J.  507  dem  vereinten  Ansturm  der  I^ngobartlen  und  Awaren. 

e)  Rugü. 

ZcDss    154  f.,  4;"j,   484— »486,  489.    —    R.  Pullinnna,   Dif  Geu-kiikte  drr 
l'SIkcrafanderung.  —  E.  v.  Witftcrshrim,   Geschtchtf  Ar    Väikrr^oandrrung. 

%  99.  Tacitus  {Gtrm.  43)  nennt  vnn  Ostgermanen  ausser  den  I-ygii  die 
Gulones  uad  »prutinus  deinde  ab  Oceano  Rugii  et  Lemonü«,  oline  dass  er- 
kt-nnlwr  w3re,  tljiss  die  Rupi  etwa  mit  den  Goten  eine  der  lugisclien  etitsprc- 
i:liende  Gruppe  gebildet  halten.  Ihre  nähere  Verwandtschaft  mit  den  Goten 
bezeugt  die  Beteiligung  an  der  Besiedlung  Skadinawicns  (S.  818).  Jordanes 
wussle  noch  von  den  früheren  Sitzen  der  Ulraerugi  an  der  Ostsee  {§  98). 
Erst  um  die  Mitte  des  5.  Jahrhs.  treten  sie  in  der  Geschichte  auf.  Nach 
dem  Sturze  des  Hunnenroichs  sasscn  sie  in  Niederösterreich,  d;is  nach  ihnen 
Rugiland  hiess.  Ilir  Reich  wurde  487/88  gestürzt  Die  Reste  folgten  den 
Ostgoten  nach  Italien,  denen  sie  sich  politisch  unterordneten,  und  mit  denen 
sie  unlei)fegangen  sind. 

f)  Turcilingi. 

Zcnss  155  und  489,  —  R.  Piilimiinn>  Dir  GrstM.  tirr  i'iUket-tennJerung. 

E.  V,  Wjcterslicim,  Grsch.  der   l'Jiktru'anderuHg^, 

is  ino.  Die  Turcilingi,  vielleicht  schon  von  Ptoleinait-ts  (II  ii,  7)  ai» 
der  Ostsee  zwisclicn  Oder  und  Weichsel  genannt,  falls  ' PorrixXfiot  aus  Tovtj- 
xiÄttot  verderbt  ist,  erscheinen  und  ven.chwindon  in  der  zweiten  Hülfte  des 
S.  Jahrlis.  Unter  Odwakar  brachen  sie  mit  Scharen  der  Rugii,  Sciri  und 
Eruli  nach  Italien  ein. 


^ 


g)  Sdri. 

Zensi  61.  156  lind  486—489.  —  E.  v.  Wjetcrsbeim,  G^u^hnhle  Oer  llfOer- 
wanä^ruHg. 

*i  loi.  7.\x  den  Ostgermanen  gehören  endlich  noch  die  Sciri,  welche,  im 
Verein  mit  den  ßastemen,  sch<m  um  2cX)  v.  Chr.  am  Schwarzen  Meer  er- 
scheinen. Ihre  Heimal  ist  nach  l'linius  (A'.//.  IV  97)  das  untere  Weichscl- 
gcbict  gewesen.  Sp<Ltcr  gehorchten  sie  Attila  mid  dann  Odwakar  und  sasseii 
neben  den  Rugü  und  (^tgoien  an  der  Donau;  unter  Odwakar  sind  sie  nach 
Italien  gezogen. 

2.   Nordgermanen. 

Saxo  (irammattcus  ».  unten  unttr  »Dftnen«.  —  R.  Kcyacr,  Om  N»rd- 
Hurnilen^i  herkamst  ffff  folksjfa/^skali.  Samlingrr  til  <]«l  ii'>r<ikc  folks  iprog  »g  hiM. 
VI  1839.  —  J.  Grimm,  Gfstkifhtf  der  dfutschm  Spmchr,  S.  ;j6 — 772,  — 
r.  A.  MuDch,  Annal<rr  1848.  —  P.  A.  Munch,  Drt  n^rtAe  J-'alkt  Hiitorir 
[bu  1387).  8  Bde.,  Cbrüiüania  1851—1863.  Daraus:  1".  A.  Muncb,  Dir  nordiich- 
gtrmaniiihtH  Vä!ker,  ihrt  älUiten  H''iwalh'Sil^.  Witndtrzüge  und  Zustände. 
»iKrseUt  von  G.  Vt,  Clausscn.  Lübeck  1853;  Das  hrroische  /.eitnllrr  dfr  ncr- 
dizch-germaniichtn  Vülktr  und  die  Wikingeriäge,  abcr»ctzl  von  <i.  Fr.  ClausKCti, 
Liil)cck  1854.  —  J.  C.  ii.  R.  Stecnstrup.  Xormunnern';  4  Mi-..  KjUirnliavit 
1876—82.  —  P.  B.  du  Chaillu.  The  Viting  Agf.  2  Bde..  Iximion  1889.  —  A. 
Mfll/cn,  St'fdtitiNg  lind  Agrar^'nen  drr  WftfgfrmmifM  und  Oilgermanm  II. 
Rcilin  1895.  S.  4Q4  —  520.  —  ^v.  Lrinlitirg,  Adam  af  Uremen  ori  harn  siH- 
dring  aj  Snrdmropai  (nnJer  cik    fotk.  Uppütil:i    18Q7, 

§  \02.  Über  die  älteste  ethnographisrhe  Gruppierung  der  ge.samten  skadi- 
nawi^Jien  Stamme  besitzen  wir  keine  historischen  Zeugnisse.     Es  treten  zwar 


als  gr^sere  V/'iIker  die  Dfluen,  die  Gauten  und  die  Schweden  hervor,  undj 
Jordancs  {Get.  III  2.V)  bezeichnet  die  Dänen  als  Abkömmlinge  von  den 
Schweden.  Aber  dies  sind  nur  die  ostskadinaui^chen  Hauptstamme.  Ober 
ihr  Verhältnis  zu  den  in  Nr>rwegen  sitzenden  Stammen  nnd  Ober  das  Ver- 
hältnis der  Gauten  zu  den  fichwedcn  und  Dünen  luibcn  wir  keine  historiM.hc 
Nachricht. 

Das  älteste  Zeugnis  für  eine  ethnographische  Gruppierung  gewahrt  die 
Sprache.  Alterdings  geben  die  geringen  chalektiarhen  Varianten  der  Sltc- 
slcn  Runcninschriften  keinerlei  Aufschlösse.  Erkennbare  dialektische  Unier- 
srhie<U;  weisen  die  nnrdisc-hen  Runen inscliriftcn  erat  seit  dem  9.  Jahrli.  auf. 
Seit  dieser  Zeit  Usst  sich  eine  danische,  seit  dem  ii.jahrh.  eine  schwedi^rhe 
Mundart  unterscheiden.  Die  ner  skadinawisrhen  Hauptdialekte  Schwedisch. 
Danisch,  Nor\*egisc]i  und  Islandiscli  treten  eigentlich  erst  seit  dem  ii. Jahrb. 
deutlich  her\or.  Aber  wir  haben  es  mit  Schrift dialektcn  zu  thun.  Aus 
der  spateren  Sprache,  aus  den  madcrnen  Mundarten  entnimmt  die  Sprach- 
(t>rscliung  dialektische  Merkmale  für  eine  viel  frühere  Zeil,  die  bewei-ien, 
<)ass  die  gesprochene  .Sprache  nicht  in  dem  Masse  einheitlich  gewesen  ist 
wie  es  die  Litte ralursprache  erscheinen  lasse.  Immerhin  aber  dürfen  wir. 
entsprechend  der  fast  einheitlichen  Sprache  der  ältesten  Ruueninschriftcn. 
annehmen,  dass  die  Differenzen  der  skadina«is<hen  Mundarten  in  der  ersten 
Hälfte  des  cniten  Jahrtausends  unserer  Zeitrechnung  S"  gering  waien.  dass 
es  wenig  glaublich  ersclicint,  dass  diejenigen  grösseren  Stamme,  welche  wir 
konstatieren  können,  sich  schon  seil  langer  Vorzeit  zu  selbslündigen  politischen 
Körperschaften  konstituiert  haben,  wenigstens  nicht  innerhalb  der  späteren 
historischen  Grenzen.  Denn  wenn  zwei  Stamme  sich  dauernd  g<^en  einan- 
der politisch  abschliessen,  pflegen  sich  erfahrungsmiissig  im  Laufe  der  Zeit 
zwei  entsprechende,  sich  scharf  von  einander  abhcbemle  Mundarten  heraus- 
xubilden.  Wenn  also  bereits  Tacilus  die  Schweden  und  Ptolemaios  die 
Gäulen  in  Schweden  kennt,  lieide  Völker  aber  keine  gcgcnstttzlicheu  Mund- 
arten ausgebildet  haben,  so  dürfen  wir  folgern,  dass  die  politische  Differen- 
zierung, ilus  will  sagen  die  Konstituierung  zu  je  einer  besonderen  rivitas 
verbal lnisma.ssig  jüngeren  Dntums  ist,  was  trefflich  zu  der  §  55  f.  bestimmten 
jicit  der  Einwanderung  der  Skadinawier  passen  würde,  insofern  sich  erst  da- 
mals, bei  der  Ausbreitung  von  dem  sfldlichcn  über  das  mittlere  Schweden  die 
Sc:hwcden  von  den  Gäulen  poüiLsch  abgetrennt  und  zu  einem  besonderen 
Stamme  konstituiert  hatten.  Hierzu  stimmt  ferner,  dass  Pliuius  (AI//. IVgO) 
in  Skadin;iwien  nur  den  einen  Volksnanien  der  Hüleviones  kcnnL  Es  scheint 
dies  ein  Gesamtname  für  alle  Skadinawier  gewesen  zu  sein.  Wen^lens 
lasst  die  Angabe-,  dass  diese  gens  50G  Gaue  bewohne,  im  Hinblick  auf  die 
100  Gaue  der  Semucn  (Tac,  Gernt.  30),  darauf  schliesseti,  da-ts  der  Name 
Hitleviunes  zum  minde-sten  alle  OsLskadinawier  umfassle. 

§  103.  Auf  Grund  der  litterarischen  Dialekte  teilt  man  die  nordischen 
Spraclicn  in  zwei  Dialcktgruppcn:  eine  ostnordische  und  eine  westnor- 
dische. IJnter  Uslnordisch  fasst  man  das  Gutnische  (Sprache  der  Inse! 
Gottland),  Sthwcdische  und  Dänische,  unter  Weslnordisch  das  Norwegische 
und  Islandische  zusammen.  Die  wichtigsten  unterscheidenden  Merkmale  hat 
A.  Norccn  in  seiner  Alit'x/.  «,  altnono.  Gramm.*  (Halle  1892)  §  8  und  im 
■Grdr.  *  I  S.  527  angeführt.  Über  die  Mauptunlcrschiede  des  .Mtnorw.  und 
Allis).  ebd.  §  g  und  Grdr.  S.  527  f.,  über  die  des  Allschwed.  und  Altgutn. 
<;rdr.  S.  545,  über  die  des  Altschweil.  und  Altdan.  cb<i.  535  f.  Hier,  wie 
dort,  sind  die  sprachlichen  Unterschiede  der  .'ihesien  LitterBturdenkmfller 
recht  unbedeutend.     Wichtiger  sind  die  zwischen  Ostnordiscli  und  Westnor» 


III,    B,    3.    NoRIXjF.ru AH  EN. 


829 


(lisch,  unter  denen  bereits  oben  S.  Bifi  auf  die  Differoiu  von  ö  :  n  und  s  :  1- 
hingewicscn  wunle.  Es  wftrde  aber  ein  Irrtum  sein,  wollte  man  folgern,  (Ia$s 
etwa  die  Skadinawicn  besiedelnden  Germanen  zwei  entsprechende  Stamme 
geliildct  hilHen,  oder  Uass  etwa  die  von  Hause  aus  honrngcnc  Masse  der 
Skadinawier  sich  in  zwei  Gruppen  gewindert  hatte.  Das  im  zwar  an  sich 
muglich,  aber  aus  der  Sprache  nicht  zu  beweisen.  Denn  die  Differenzen  sinü 
derartig,  wie  sie  »ich  bei  gr^\sserer  geiigrap bischer  Au.sdehnung  nalurgeinäss 
ergeben  iniisslen.  Zumeist  nicht  anders  Hegt  die  Sache  für  die  weiteren  dia- 
lektischen Differenzierungen,  wie  die  Dreiteilung  des  Düuischen  in  Schoniscli, 
Seeländisch  und  Jfitisch  {Grdr.  ,550 — 552)  oder  die  SchcuUmg  einer  os.t-  und 
einer  westnorwegischen  Mundart  (ebd.  533  f.  und  Xurten.s  Gramm,  tj  14) 
oder  weiter  die  einer  nord-  und  einer  sttd-westnonvegi-schen,  einer  nord-, 
mittel-  un<l  süd-ostnorwegiscbeii  Mundart  (Grunür.  534).  Bei  der  Beurteilung 
der  dialektischen  Differenzen  ist  einmal  zu  beachten,  dass  diese  wesentlich 
erst  seit  dem  letzten  Viertel  des  ersten  Jahrtausends  u.  Chr.  kunstaticrbar 
sind;  vor  allem  aber,  dass  wir  nur  verhältnismässig  wenige  Ortsdialekte  litte- 
rarisch kennen.  Wenn  wir  also  z.  B.  von  einer  ahschwedischen  (ostnordi- 
schen) und  von  einer  allnorwcgischen  (weslnnrdiM:ben)  Mundart  sprechen,  so- 
ist  das  eine  Vcrallgemeinenmg  bestimmter  Ortsdialekte.  PLs  bleibt  eine  offene 
Frage,  ob  nicht  der  XJbergung  ein  allmaliUcher  gewesen  ist,  uns  nur  die  Mil- 
teistufen  fehlen.  Einstweilen  ist  aus  der  älteren  Littcratur  fcslgestclll:  i)  der 
Dialekt  der  schwedischen  Provinz  Vflstcrgölland  »nimmt  gewi-iscnnassen  eine 
Mittflslellung  /.wischen  dem  Allschwedischm  und  dem  AUmirwi-gischcn  ein,, 
wenn  er  auch  jenem  naher  steht.  Fast  alle  Punkte,  wurin  er  von  dem  son- 
stigen Altscliwedisch  abweidit,  sind  nSmlich  ebenso  viele  Übereinstimmungen 
mit  dem  Altnorwegwchen^  (Grdr.  54,>).  2)  »Die  Sprache  der  IVivinz  Hal- 
singland  wich  wenigstens  insofern  vom  sonstigen  Altschw «lisch  ab,  als  der 
Wortschatz  mehrfache  C  berein  Stimmungen  mit  dem  Altnnrwegischen  zeigte« 
(ebd.  54j  f.).  Bestimmtere  Ergebnisse  für  die  vorliegende  Frage  sind  von  der 
jetzt  so  eifrig  betriebenen  Erforschung  der  lebenden  Mundarten  zu  erwarten. 

A.  B.   I.aricn  in:  Sprogtig-htstcrittf  ttudUr  lUtgHrdf  Prof.    Cnger,    KrfstU- 
iiin   iRof».  S.   I  — II. 

Für  die  illtesten  ethnographischen  VerhUltnisse  ergiebt  sich  aus  der  Sprache 
vorläufig  Folgendes;  1)  Zwischen  Schweden  und  Norwegen  hat  ein  alter  Un- 
terscliied  bestanden,  der  aber  nicht  mit  der  politischen  Grenze  zusammcnßlllt.. 
Vielmehr  nimmt  Vastcrg&ttanU  eine  Miltelstelluug  ein,  und  aucli  nordschwedi- 
sche Mundarten  stehen  dem  Korwcgischen  näher  als  die  ^tark  durch  die  Mund- 
art von  OstergOttand  beeinflusste  schwedische  Reichsspniche.  Wir  dürfen  für 
die  Vorzeit  entweder  eine  allmähliche  sprachliche  Differenzierung  von  der 
norwegischen  bis  zur  schwedischen  Küste  vermuten  oder  eine  Gruppierung : 
Norwegen,  Vaslcrgöllaud,  Öslt-rgOtland,  Schweden  (im  engeren  Sinne),  wobei 
allerdings  die  beiden  Götland  nflher  zu  Schweden  als  zu  Norwegen  gehören. 
i)  Der  Umstand,  da:>s  die  Unterschiede  zwischen  Däniscli  und  Schwedisch 
noch  im  ganzen  Mittelalter  nur  geringfügig  sind,  lässt  darauf  schliessen,  dass- 
die  Schweden  einschliesslich  der  Bewohner  von  Götarike  in  einem  naliere» 
Verwand t&cliaf tsver haltiüs  zu  den  Dänen  als  zu  den  Norwegern  gestanden 
haben,  was  Jordanes  bestätigt  (§  104).  3)  Da  die  Sprache  der  Insel  Gott- 
land »von  derjenigen  der  beiden  übrigen  ostnordischen  Spraclicn  weit  mehr 
abweicht,  als  diese  unter  einander  verschieden  sind«  (A.  Noreen,  Grdr."  I 
545),  so  darf  die  Beiicdlung  Gattlands  früher  angesetzt  werden  als  die  von 
dem  südlichen  Schweden  ausgehende  Besetzung  der  dünischen  Inseln,  was 
die  archäologischen  Funde  bestätigen.    4)  Die  scelftndische  Mundart  steht  in 


»30 


XV.  Ethnugraphjk  dbk  germanischen  Stämme. 


■  der  Mitte  zwiscluii  iJcr  Mundart  vuu  S^-huiicn,  Hallaiid,  Blckinge  und  Boni- 
holm  einerseits  und  iW-r  jütischen  Mundart  andrerseits.  Die  Untennhiede 
dieser  drei  diini.st.lion  Mundarten  sind  in  der  alleren  Zeil  grösser  gewesen 
al»  i>^)äter.  Das  ISsst  darauf  schlicsscn,  da-sn  zur  Zeit,  als  die  Düueu  Seeland, 
die  andern  Inseln  und  Jüttand  von  Schonen  aus  besetzten,  die  Juten  eine 
besondere  Mundart  gfsprochen  haben,  die  vom  Dänischen  starker  abwicli  als 
zur  Zeit  das  Schwedi.sdie,  mit  andern  Worten:  das.s  es  einen  bejiondcrcn 
jütischen  Slamni  gegeben  hat.  iler  den  Danen  butmassij;  wuide,  und  der 
cthnograpliiscli  den  Danen  femer  stand  als  die.**e  den  Schwedt*n. 

In   l*unkt  3   (Ijuttland)   sei  noch   eruülmt:   »Das  älteste  und    wichtigste 
-^echtsdenknial  der  Insel,   Gu/a  /agh,    ist  von  wesentlich  anderm  Schlag  als 
die  1-andsih.ifT.sreclile  des  schwedischen   Fesilunde*.     Es  gleitht   mehr   den 
dänischen^.     (K.  v.  Aniira,  Grdr.'  III    li2). 

Diese  Ergebnisse  lassen   sich   sehr  wohl   mit  den   geschichtlichen  Nach- 
richten vereinigen. 

§  104.  Wahrend  wir  in  Norttcgen  seit  Alters  nur  kleinere  Stumme  kennen^ 
zerfallen  die  Ostskadinawier  seit  ältester  Zeil  in  die  drei  grossen  Haupt- 
sianinie  der  Schwellen,  Gäulen  uiul  Danen,  wozu  als  vierler  Stamm  nuch 
die  spater  jiclitiscli  unselbständig  gewordenen  Emli  kommen.  Tacitus 
spricht  [Cierm.  44)  von  »Suionum  civitatcs»,  ein  Ausdruck,  der,  im  HinbUck 
auf  >Lugiürum  nomen  in  plures  civitatcs  diffusum*  (ebd.  43),  darauf  schliessen 
lasst,  da.ss  er  auch  die  südlicheren  Stamme  darunter  mit  einbegreift,  zumal 
er  son&t  in  Skadinawien  niu  noch,  als  Nachl>am  der  Schweden,  die  'Situnum 
gcntes«  {(ierm.  45)  kennt.  I'tolemains  (II  n,  16)  keimt  in  Skadinawien: 
im  Westen  die  XmÖFtvoi,  ct.  i.  die  norwegischen  Heidoir;  im  Süden  die 
J'uvxai  und  AavMWüiy  crstere  mit  den  Gauten,  letztere  wahr^'hcinlich  mit 
den  Dänen  zu  identifizieren;  in  der  Mitte  die  Aevoii-Oi^  wahrsdieintich  aus 
^vewvoi  verderbt  und  den  Suiones  des  Tacitus  gleichzusetzen,  im  Osten  die 
^^v6vai  und  *I*tQmaoi,  hinsichtlich  deren  wir  auf  uasidicre  Vermutungen 
angewiesen  sind.  Die  rntmü  sind  auch  I'rokopios  bckannL  Au-sfCihrlicherc 
Xaclirichten  hatte  dann  Jordaues.  Seine  Ge/.  lll  21—24  genannten  Xamcu 
sind  leider  in  vcrderbler  Gestalt  auf  uns  gekommen.  Mit  Sicherheit  bcätimm- 
bar  sind  die  Sne/Mm  und  Sueiidi  :=  Schweden  (aschwed.  Suf^ir,  Si^rpiup), 
.Ganf/ii  —  Gauten,  Oilrogothac  =■  Ostgauten  (0atg5tar),  Gnatingi  (vgl.  S.  818). 
[iani  =  DilnetK,  fitruh',  Fitmailhaf  =  Finnveden  (aisL  Finntipi),  Thfusufs)  = 
Jiewulmer  vun  Tjiist  luid  die  kleineren  norwegischen  Stamme  der  /fau- 
manetat  =  Bewohner  von  Raumariki,  Ragnaricii  s=  Bewohner  von  Ränriki 
-und  Ru^  bezw.  Elhelrugi.  Unsicherer  ist  die  Gleichsetzung  der  Landschafts- 
uaineii  Ilallin  oder  HaiUtsliotb  =  Halland,  Uothida  =  Lodde  (I-»'Hi<lcköi»inge). 
/•'rnnr  =  Kjare  I  Landschaft  in  Halland)  und  der  Völkemamen  Vtnox'iioth  s= 
l'in}iul-ihth  =  Bewohner  von  Vingulnii^rk  (im  südöstlichen  NorwegcnJ,  Aro/Ai 
=i  liartähi  =  Bewohner  von  ll^rdaland  (in  Norwegen)  und  die  (die  obige 
Gleicirung /«r/x'ir  =  Fjäre  ausschliessende)  von  Virgauthi  =  t7si^va/i  =^  West' 
jjauten  (Vastgötar).  Was  das  Verwandtschaftsverhaltnis  anl)etrifft,  so  ist  es 
bemerkenswert,  dass  Jordaacs  {Ge/.  III  23)  die  Dünen  aus  der  >slirps«  der 
Schweden  »progressiv  nennt,  und  in  demselben  Zusammenhaug  der  EruJi  in 
einer  Weise  Erwalmung  thut,  dass  wir  daraus  cntnehraen  kOnneo,  dass  sie 
jenen  beiden  jedenfalls  femer  standen. 

Zeus:i  57,  j6f.,  ts6~i;9,  502— soft.  —  CImt  die  K*ma)  t>ei  Jordaoes 
vgl.  Zeu»>  502—507;  Fr.  Dietrich,  O&fr  die  AHSipruihe  du  GelhutheH^  S, 
»»5— 112;  K.  Müllcnhoff,  DtuiiL-hi  AlUriHmskuHd^  11  57—67;  1_  Fr, 
Llfflcr,  Om  d<  öitikandmaviska  folknarnntn  hcs  Jordants,  Slockhotm  (894,  (^ 
^j-arc  bidra^' Uli  kAnonloin  om  <Jc  svcnska  LuidsinAlcn  Xlll  9,  b.  51,  1II94,  A.) 


III,    B,    2.   NoRIKiERKANEK. 


831 


a)  Schweden. 

Serffiiortj  rentm  Sttfffranim  mfdii  arvt',  tA.  E.  M.  Ftnt,  E.  G.  Gcij*r  und 
Schröder,  3  Bdp.,  rptailiac  und  Slockholtn  1818.  1828.  1876.  —  Scrtfllo/^s 
Suffüi  medii amt.  ed.  Rielr,  2  Bde.,  Lund  1842 — 44.  —  Zeus»  57.  136 — 159, 
513 — 515,  545 — 566.  —  A.  FrjxcU.  BträUeber  ur  Svenska  hisiorifti  (rori{^ 
M-lcl  von  O.  Sjügrcn,  hi»  1893  49  Bdr.).  B<I.  I»,  Stockholm  1831.  II  ^  ebd. 
1837;  ttim  Ti-il  deutsch  \m\  Hmuln^rK  u.  (1.  Titel  Gewhkhif  Sfhsftimi  bis  tum 
TofU  F.rühi  XI]'.,  2  Tle„  Slorkholm  und  T^ipaig  1843.  —  E.  G.  Gcijrr,  Srfnska 
folktU  htstüria.  3  Bde.,  ("irHiro  1832  —  36;  dculsth  von  Sw.  P,  Leffler  w.  d.  Titel 
ütitkkhtt  Sthivedein.  3  Bde.,  Hamburg  183a — 36,  IV.  vfui  Fr.  F.  Cnrlson; 
deut^h  von  I.  K.  Peit-rscn,  fVotha  1855;  V  1875;  VI  1887.  —  A.  M.  Strion- 
liolm,  Svi-nih?  fo/Jtf'/s  historia  frim  Sldita  tili  närwaranda  tiäer  fbis  1319).  5 
Bde.,  SuKkholm  1834 — 54  (Dd.  I  und  II  auch  u.  d-  Titel  Si-amiinavien  undrr 
Jn-(iMa-fildern);  zum  Teil  dMitsch  von  C.  F.  Frisch  u.  d.  Titel  Dk  Ji'ikingssiigr, 
StatitiVtr/auung  und  Sitfi-n  der  alten  Siaiidinai-i^r,  ihöv.,  Dambiirf;  1839—41. 

—  H.  Hildebrand.  Srmiht  /oUet  undrr  kednatidfii,  Stockholm  1872;  deutsch 
von  J.  Mcstorf  u.  d.  Titel  Das  hfidnisehe  Zeitalter  in  Schvxdrn,  Hamburg  1873. 

—  O.  Monteliua,  Sferij^x  hednatid  samt  medeUid,  Stockholm  1877;  deuttfh 
Ton  C.  Appel  u,  d.  Titel  Die  KuUur  Sehvedetis  itt  vfrchristlkßur  Zeit,  Berlin 
1885;   franxf^Msch  ;i.  d.  Titel  Les  trmps  prehiHari^urs  en  SiiAfe,    Parü  1895.  — 

J.  SteL-Dslrii|i.  Sii.ro  Orammaticui  og  deti  danike  og  svensir  fffdtidsfiisti'rie.  Atit. 
f.  nonl.  fil.  XIII  (1896)  100  — ifii,  —  J,  J.  A.  Worsaue,  /^t  eolanisation  de  la 
Russie  et  du  tierd  Scandinave  et  lenr  plus  aneien  etat  de  cn'ilitation.  Imd.  par 
E,  BeauvtJi*,  Ctjpcnh.  1885.  ■"  V.  I-.  P.  Thomseii,  Tfie  relatioru  bet^ceen  nu- 
eient  Kusun  and  Sea^^d^na^■ia,  and  the  erigin  ff  Ihe  RussinH  State,  Onfitrd  1877; 
deutsch  von  BoTneinann  u.  d,  Titd  Der  Ursprung  des  russischen  Stitrttn,  Gotha 
1879;  /tysin  rikets  grundläggni'ng  genotn  Skandinaverna,  Stoiikholm  1882,  — 
Ober  die  AuHbreitiing  d<^^  Schweden  r^l.  aiich  di«  Lilieramr  bei  A.  N'oreen, 
Ordr.  *  I  519,  Note  1 — 4  und  6. 

§  105.  Der  Name  Schweden  (aschwed.  Svcar)  kommt  eigentlich  nur  dem  mitt- 
leren <:wtUclicn  Teile  des  heutigen  Schwedens,  dein  Svcarike  zu,  also  nordöstlich 
\*om  Vencrn  und  VJUtem,  und  ist  erst  .seit  der  pnlitisrhen  Vereinigung  mit  dem 
südlicheren  Gfttarike  1250  auf  dieses  mit  übertragen  worden.  Tcicitus  j;e- 
braucht  den  Nnmen  Stu'onts,  wie  Plinius  den  Namen  ffiUevt'ones  für  alle  ixler 
doch  forden  i'^stlichen  Zweig  derSkadinawter  (!ä57).  Ptolemaics,  der  genauere 
Nachrichten  hatte,  kennt  die  Schweden  sclion  als  Nordnachbam  der  Gautcu, 
■wenn  — i'ftyroj  bei  ihm  für  Aevmvot  zu  lesen  ist  {§  57).  L'ra  1 20t)  nennt 
Soorri  \lUimskr,  \\  98)  als  'I'cile  von  Svipiöä'.  Stiärmannahndy  Vestmantut' 
Jana  oder  FiaSrymlahnii,  Ttttntiahnei,  Ällattdolantl,  Süiland.  Die  drei  letzten 
I^Andschafien  heissen  snn.st  Uppland  und  ihre  Bewohner  Upp-Sviar  (ehd.  II 
137.  141).  Hier,  iji  Uppsala,  war  in  vorcliristlicher  Zeit  das  berühmte  Kultus- 
hcilij^um,  hier  die  Residenz  der  schwedischen  Könige.  Die  an  fjötarike 
grenzende  Landschaft  Nerike^  nördlich  vom  Vatter-Sce  rechnet  Snorri  noch 
lücht  zu  Sctiwcdcn,  auch  nicht  die  nördlich  an  Uppland  anstossende,  zweifel- 
los von  Schweden  der  Bronzezeit  besiedelte  Ijindschaft  GUstrike. 

'  Zu  Ncrikc  vgl.  die  Njarcn  Volundarkv,  7.  14.  30.  Danach  hatten  die  Xjaren 
im  8.  oder  ").  Jahrh,  einen  cißcncn  König.  In  der  ^äter  hinziiyrftigtcn  pnisabdicn 
Einleittuiß  wird  denellie  Kilnuj  ein  K/inic  in  Schweden  genamil.  In  der  Z<it 
7H'i«hen  der  At>rx'<isiin)[  des  Lie<)<-s  und  der  Ktcdi.-ncbrift  der  Einleituog  acbeiU 
Xerike  al*^>  Scliwnien  gelalleu  /u  »dn. 

§  106.  Die  nördlich  von  Uppland  gelegenen  Küstcnlandschaften  sind  schwe- 
disches Kolonisationsgebiet.  Wahrend  dits  nördliche  Binnenland  erst  si>ä- 
tcr  besiedelt  worden  ist,  die  Handel&kolonien  au  der  Küätc,  sowohl  auf  der 
schwedischen  wie  auf  der  finnischen  Seite  des  Boitnischen  Meerbusens,  des- 
gleichen die  an  der  Südküslc  Finnlands  —  die  ältesten  wolil  iii  N>  land  —  imd 
an  der  Küste  Esüaiids  und  Livlands  sowie  auf  den  vorgelagerten  Inseln  rei- 


832 


XV.  Ethnocraphig  der  cbrma.vischek  Stämme. 


chen  mindestens  bis  in  die  Mitte  des  etslcii  Jahrtausends  n.  Chr.  mrück.  V'gL 
wegen  des  Alters  der  nonliscK^  finnischen  LehnwArter  Kluge,  Grdr.*  I  302  f. 
und  Norcen  ebd.  519  f.  und  522.  Kurland  hatten  die  Sihwcdcii  bereits 
in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhs.  unterwürfen.  Aus  Norrland  kennen  wir 
eine  vereinzelte  Kolonie  an  der  Byske  Elf  {s.  die  Karte)  bereits  aus  der 
Steinzeit,  was  um  so  mehr  besagen  will,  als  die  Funde  aus  der  Steinzeit 
s<insi  im  mittleren  Schweden  nur  spärlich  sind  (Ji  yi),  zur  Zelt  der  An- 
lage dieser  Ko]'>nie  das  ciKenlliche  Scliweden  alsi.»  erst  dtinn  bevölkert,  ver- 
mutlich erst  unlatigHt  in  ücsiU  genommen  sein  dürfte  —  zur  Zeit  der  Be- 
siedlung des  eigentlichen  Schwedens  hersclile  bereits  die  Bronze. 

Derartigen  vereinzelten  Niederlassungen  an  der  Küste  bis  weit  in  den 
Norden  hinauf  futgte  erst  spJller  die  wirkliche  Besitznahme  der  nördlichen 
KOsIenlandsrhaftcn.  In  der  Bninzczeit  haben  sich  die  Schweden  Aber  Gfistrik- 
land,  HlUsingland  und  Dalarne  ausgebreitet,  erst  in  der  Eisenzeit  über  Medel- 
pad,  Jflmtland,  Angcrmanland  und  Västerbutten.  Harjedalen  und  Jamtland 
erhielt  spater  eine  n<irwegisrhT'  Bevölkerung,  war  also  vorher  jedenfalls  nur 
düim  besiedelt.  Aus  jamüand  haben  wir  eine  norwegische  Inschrift  um  10.50. 
Die  Anfilnge  der  Besiedlung  Jflmtlands  durch  Schweden  dürften  also  nicht 
spater  als  in  den  Anfang  des  ir.  Jahrhs,  fallen.  KrheblJch  früher,  ist  des- 
halb nicht  glaublich,  weil  um  1200  Snurrl  die  Lander  nördlich  von  Gastrik- 
land  und  Dalarne  no<-h  nicht  kennt '.  HSrjedalen  und  Jamlland  sind  haupt- 
sachlich iti  ihrem  Vjstlichen  Teile  besiedelt  worden.  Im  Westen,  am  Gcbiqjc, 
einer  damals  unbewohnten  Gegend,  haben  sich  bis  auf  den  heutigen  T^ 
Lappen  gehalten*.  Ebenso  sitzen  noch  Itcute  foppen  bezw.  Finnen  in  der 
ganzen  westlichen  Hälfte  zwischen  dem  Gebirge  und  der  nOrdliclicn  Hälfte 
des  Bottnfei'hen  Meerbusens.  Erst  sehr  allmählich  sind  die  schwe<lischcn 
Ansiedler  hier  im  Nor<lcn  von  der  Küste  aus  weiter  landejnw.'lrts  vorgedrungen. 

'  Hicninih  tlüTfc  ilns  Emir  drr  Brwn/r^tnl  fiir  ila»  nürJüdic  Stfcwcdcn  um 
iQCia  nai-h  Chr.  /.u  ilolirrni  srin.  Vgl.  §  5Ö  jVnm.  ■ — *  Diese  Tj^pi-n  wtrJcn  tmth 
K.  B.  Wikluml,  N.ini,  Tidskr.  1S95,  369—386,  in  JitntlflUfl  erat  Im  16.  Jabrh. 
cPK-ihnt, 

§  J0~.  Wie  fast  alle  germanischen  Stämme,  so  haben  auch  die  Schweden 
nicht  nur  ihre  Grenzen  ausgedehnt  sondern  auch  ausserhalb  ein  Reich  gegrün- 
det. Die  Gründung  des  russischen  Reiches  duruh  schwedische  WarTiger  fällt 
In  das  Jahr  8O2.  Schon  23  Jahre  früher  erscheinen  sie  unter  dem  Namen 
7ttff  am  Schwarzen  Mecra  Ihre  Niederlassung  im  Inneren  Kussinnds  hat 
also  mit  dem  9.  Jahrh.  begonnen.  Von  hier  aus  haben  sie  ihre  bekaitnten 
Raubzüge  bis  nach  Konstantinopel  und  nach  den  Küsten  des  Mitteilandischen 
Meeres  nntemommen,  von  der  Mitte  des  9,  bis  zur  Mitte  des  10.  Jaluhs. 
Von  der  Gnnidung  des  russischen  Reiches  erzählt  uns  Nestors  Allruxsisfhe 
Chronik.  Als  |xriiti.schc  Gründung  besteht  dieses  Rcicl»  bis  auf  den  heutigen 
Tag.  Aber  die  im  Vcrlialtnis  zu  der  slawischen  Bewohnerschaft  an  Zahl 
nur  geringen  schwedischen  Herscher  sind  sehr  bald  entnationalisiert  woalen. 
—  Erst  neuerdings  ist  die  schwedische  Sprache,  welche  infolge  der  politischen 
Herschaft  der  Schweden  bei  den  jetzt  zu  Riwsland  gehörenden  Finnen  Hin- 
gang gefunden  hatte,  hier  zurückgegangen,  so  besonders  auf  der  Insel  (j^\ 
den  benachbarten  Inseln  und  in  F.stland. 

§  i(i8.  Das  Königreich  Schweden  erhielt  1250  einen  bedeutenden  Zuwachs 
durch  die  Etnverleibmig  Götarikes,  nachdem  die  Vorherschaft  Schwedens  schon 
vorher  zur  Geltung  gekommen  war'.  1319  wurde  Schweden  durch  Pei^onat- 
union  mit  Norwegen  verbunden.  Die  kalmarische  Union  1397  vereinigte  Schwe- 
den mit  Danemark  und  Norwegen.    Die   Lostreunung   Schwedens  erfolgte 


k 


JH,  B,   2^  NORDGERUAKSH. 


835 


endgültig  1523.  Im  Frieden  \xin  Brßmsebro  164,5  gewannen  die  SoliMcden 
von  Danemark  die  nunvcpVhcii  Provinzen  JanitJand  und  Harjedalen  und 
die  Inseln  Gottlaml  und  O.wl.  Im  wrstfaiisrbcn  Frieden  1^48  en*arb  Schwe- 
den Biemen,  Verden,  Wisniiir,  Vurponuucn»  uud  Küj^eii  und  cincu  Ttil  von 
Hintcrpnmmcni.  Der  Friede  von  Roe«Jcilde  und  KüiH-nhagcn  i(>.sH  und  i(>6o 
bracliie  ilmen  die  dänischen  Stammlande  Blekingc.  Schonen.  Halland  und 
<las  n<>nAegis<.he  Enhuslau  ein.  Seit  dem  17.  Jahrh.  ging  die  Marlit  Srhwe- 
dens  zuriick:  171t)  musste  es  Bremen  und  Verden  an  Hannover,  1720  einen 
grossen  Teil  von  Punmiern  au  Preussen,  1721  LJvlajid,  Estland  und  Ingeman- 
land  und  iKo(>  Finnland  an  Russland  abtreten.  1814  wurde  Noi^ftegen  von 
Dänemark  an  Si  hwedcn  aljj^etreten.  walirend  Neuvuqjonimern  und  Rügen  an 
i'rcussen  fiel.  Die  Union  mit  Norwegen  hat  sich  neuerdings  stark  geluckert. 
1  Schon  in  der  zwciic-n  HiÜft«  tlnt  11.  Jahrbs.  lAbltc  Ailiun  von  Bremen 
(IV  33)  dtv  Gothi  otcidmiaJen  uml  Orientale«  211  iK-»  i^pulis  Suvdiae, 

bj  Gauten. 

ZeuBfi  158,  S<>Of  SI>~5I3> — ^-  DcdCiich,  IttstartSi-ke  utui  fftvgra^nclit 
Studien  tum  anf^HuSihstichrn  Beovutflieäf.  K«ln  1877,  —  P.  E.  FahlbccL, 
ZVm  s.  k.  Stritirn  »ifilun  Svtar  och  Cätar,  ifnt  vfrklign  karaklär  och  tirsnkfr^ 
Hisl.  Tidokr.  IV  (1885)  105—1^4.-6.  len  ßrtnk,  Broreuff.  Suassliurg  1H88. 
S.  19.  —  K.  MUUenbofr,  BewtUf,  Berlin  1889.  S.  13—33.  —  Vgl  audi 
die  S.  S31  angcfübnc  l.iucratur. 

§  lOQu  Über  das  Verhältnis  der  jetjit  schwedischen  Gauten  zu  den  ost- 
gennanischcn  Goten  ist  §  82  gehandelt  wurden.  Ptolemaios  kennt  ersterc 
bereits  Im  sütUithen  Schweden,  Prokopios  als  T^viK  JTuh'<iv&ot07Jov.  Ihr 
G«bict  war  seil  Alters  das  heutige  Götarike,  vom  Kattegat  bei  G/Steboig 
ostwnrts  bis  Goidand.  In  diesen  Wohnsitzen  kennt  sie  der  ßeowh//.  Sie 
grenzten  im  Norden  an  die  Schweden;  doch  Nerike,  üstliih  vom  Venern  und 
ufirdlich  vom  Vatteni^  scheint  ein  unabhängiges  Gebiet  für  sich  gewesen  zu 
sein  (§  105t.  Smalantl  im  Süden  gehörte  mit  zu  ihrem  Machtbereich,  scheint 
aber  früher  einmal  selbständig  gewesen  zu  sein  (§  110).  Die  Westgrenze  bil- 
dete der  Venem  und  die  Güta  FJf;  die  westlicheren,  an  Norwegen  grenzen- 
den Landschaften  wurden  bald  zu  V.'isteiKi'jtland.  bald  zu  Norwegen  gereclmet 
Schonen  war  danisch,  ebenso  Blekinge  und  Hallaiul,  so  d;iss  die  Gauten  nur 
bei  Göteborg  das  westliche  Meer  berilhnen.  Sie  zerfielen  in  West-  und  Ost- 
gautcn  \§  82),  letztere  sicher,  erslcre  wahrscheinlich  schon  von  Jorüanea 
genannt  {^  lo.^).  Der  Ursitz  der  Gäulen  war  Vüsicrgötland,  das  schon  in 
der  Stdozcii  dicht  bevölkert  war.  Das  nOrdlich  von  Veneni  liegende  Vanu- 
land  ist  KolH">nisatinn,sgebiet,  dessen  südwcsdicber  Teil,  ebenso  wie  das  zu 
Vasterjjölland  gehörende  Dalsland,  gleichfalls  schon  in  der  Steinzeit  dicht 
besiedelt  war  (s.  die  Karte).  Die  Besiedlung  von  Gottland  hat  bereits  in 
grauer  Vorzeit  stattgefunden,  jedenfalls  vor  dem  d.  Jahrh.  n.  Clir.  (§  103, 
S.  829  und  S  II i),  wahrsc!ieiulich  im  Ansdiluss  an  die  Besetzung  vcm  Östcr- 
gülland.  Die  Insel  hat  bis  1301  nur  in  losem  Verbände  mit  Schwc«]en 
gestanden  und  war  in  der  Hauptsache  selbständig.  Bereits  im  ßtown// w'ad 
von  den  Kämpfen  der  Gäulen  mit  den  Schweden  erzahlt.  ii>(>i  begann  ein 
zweihunderljahiiger  Krieg  zwischen  beiden  Vülkeni.  dessen  lirj;ebnis  die  Ver- 
einigung von  Ciiitarikc  mit  Schweden  gewesen  ist,  und  seitdem  haben  die 
Gauten  aufgehört  als  ein  selbständiges  Vuik  zu  existieren. 


c)  EruU. 

Zeus»  47tt^484,  489.  —  J.  Aschbach,   Ccschichtf  tl*r  UernUr  und  Gepi- 
dm,  Fnnkfun  a.  M.  1835.  —  K.  Müllcnholf,  Nonlalb.  Stud.  I  (1Ö44)  122— 
GemuuilMJic  Phllolueic  III.    Z  Autl  ^ 


1X6,  tjotintl  155.  —  K.  Pallmann,  Die  GtschichU der  l'fflkmcaHäfrvng,  1  Bde.* 
Ootbü  r8'i3  ufiil  Wciinar  1S64.  —  K.  v,  Wictcrahcim,  G*ifhithu  li^r  l'ßlker- 
u-am/rriiMi^.  z.  Aufl.  von  K.  Dalin,  2  Bde.,  Lcip/ig  18S0.  ißSi.  —  W.  Scel- 
mann.  NiW.  Jh,  XU  1—33  uml  55  — 57-  —  K.  Nfflllrnhoff.  Bff.utf,  BerBn 
1889.  S,  30 — 32.  —  R.  Liipwc,  Dir  Rfilr  der  Germanen  am  Sfhit^rsrn  Aferre, 
Halle   1896,  S.   5—13,  25—35,    l'l  — llj,    165  —  168  und   310—214. 

§  ito.  Das  Volk  der  Eruli  xätilcn  wir  zu  rien  Skadinawieni,  en*tciis  weil 
Jordancs  {Get.  IIE  23)  berichtet,  das«  clie  Danen  »Herulos  pmpriis  isedibas 
exptilenmt'.  zweitens  weil  wir  aas  der  Thatsarhe.  dass  ein  Teil  des  Volkes 
int  J.  312  v<in  der  mittleren  Donau  aufbrach,  nm  sich  im  südlichfu  Sehwc- 
den  niederaulasscn.  schlicsscn  dürfen,  dass  hier  ihre  Heimat  gewesen  '.  Man 
ninimi  üii,  das-s  die  skadi  na  wischen  Sitze,  aus  denen  sie  von  den  Dünen  \*cr- 
trieben  wurden,  in  Seeland.  Ilalland,  Seliuncn  und  Blckinyc  zu  suchen  seien. 
Hiermit  ward«:-  am-h  die  Angahe  des  Trokopiüs  [Url/.  GaUh.  II  15,  V  4^4  C) 
zu  vereinen  sein,  dass  die  EruU  neben  den  Gäulen  ihre  Sitze  eingenommen 
hätten  (vgl.  die  Karte).  Aber  diese  Sitze  müs.sen  zweifellos  nördlicher,  ausser- 
halb  des  im  J.  512  danischen  Gebietes  gesuihl  werden,  Denn  jene  I^nd- 
srhatten  waren  im  Besitze  der  Dilnen,  und  die  Dünen  würden  ihre  alten 
Feinde  schwerlicl;  friedlich  cUirchgdasseii  haben,  um  ihnen  ihr  jetzt  dänisch 
gewordenes  Stiuninland  wieder  einzuräumen.  sottHc  die  Eruli  schwerlich  die 
weite  Wandemng  in  der  Absirht  unternommen  haben  werden,  danische  Untcr- 
thanen  zu  werden,  nachdem  sie,  um  diesem  Scjhicksal  zu  entgehen,  seiner 
Zeit  ausgewandert  waren.  Die  einzige  Landschaft  in  der  Xachbarschaft  s»i- 
wohl  der  Gauten  als  auch  der  Dänen  ist  Smäland  (s.  die  Karte},  und  da 
diese  Landschafl  zudem  nicht  zum  Stummlande  der  Gauteu  gehört  hat  (^  109), 
so  darf  die  Ansetzung  der  Rruli  in  Smaland  als  gesichert  gelten.  Daneben 
mögen  sie  ursprünglich  auHi  im  Süden  bis  zur  Küste  gereicht,  als<j  in  HaJ- 
land,  Schi'nen  und  Blekinge  gcwolint  haben,  so  dass  die  sie  vertreibenden 
Dünen  allein  diese  fruchtbareren  Provinzen  im  Besitz  Itehalten  liätten.  Über 
die  Zeit,  wann  die  Eruli  vor  den  Dünen  weichen  mussteo,  lasst  sich  nur 
au-ssagen,  dass  dies  nicht  wohl  später  und  schwerlich  erheblich  früher  als  um 
die  Mittr  des  3,  Jahrhs.  geschehen  sein  wird  ^.  Denn  seit  Mitte  der  sechziger 
Jahre  treten  sie  in  der  Geschichte  auf. 

Ihre  Zugehörigkeit  zur  goii.«M;hen  Gruppe  flarf  man  daraus  srhliessen,  das» 
Zösimos,  Zönaras  (oder  vielmehr  der  Bi"grapli  des  GaUiemts)  und  3yn- 
kellüs  (letzterer  walirscheinlith  nach  dem  mit  dem  ersten  Auftreten  der  Enili 
gleichzeiiigai  Dexipjio.i)  die  Raubzflge  gegen  Bvzanz  und  Griechenland, 
welche  die  n'imischen  Schriftsteller  vm  den  (lotcn  erzälilen,  den  Eruli  zn- 
si:hrcihen,  und  der  Biograph  des  (iul/ünux  fZijnaras.XII  2^,  Bd.  II  ^ip) 
spricht  von  den  Eruli  mit  dem  Zusatz  '^xvffixtö  yh'et  xni  f'inittxfft* .  Da 
nun  die  Heimat  der  Eruli  Zweifellos  in  .Skadinawien  an  der  Seite  der  Gauten 
zu  suchen  ist.  ko  dOrfen  wir  sie  im  Hinblick  auf  die  ethnographische  Idcn- 
tiUll  der  Gauten  und  Goten  (S  85)  als  einen  TeiLstamm  der  GautCTi  ansehen, 
so  dass  die  Gatiten,  als  sie  später  ihre  Herschaft  über  Smaland  ausdehnten, 
nur  das  urspiüngliciie  Verhältnis  wiederhergestellt  hatten'. 

In  <ler  Cicscliichle  treten  die  Eruli  zuerst  in  der  zweiten  Hälfte  des  3. 
Jahrlis.  in  zwei  getrennten  Scharen  auf,  aui  Schwarzen  Meer,  wohin  sie  den 
Goten,  und  atn  Niederrhein,  wohin  sie  den  AngfJn  und  Warnen  gefolgt  waren. 

.\n  der  linken  Seite  des  Rheins  nennt  sie  die  Xo/i/ia  Dis^niiatum  neben 
den  salischen  Franken  und  Sachsen.  Im  Verein  mit  den  Chaibones  fallen 
sie  2S9  in  Galliai  ein.  Ammianus  nennt  sie  melirnials  in  Verbindung  mit 
den  Butavi.  Mitte  des  5.  Jahrlis.  unternehmen  sie  mit  den  Sachsi-n  Raub- 
fahrten gegen  die  gallisrheti  Küsten,  ja  bis  nach  Si>anien  und  Italien.  Offenbiii 


in,  B,  3.   KORDGERAIAKBN. 


835 


haben  sie  am  Niederrhein  feste  Sitze  gehabt,  und  diese,  in  iler  Karlibar- 
schaft  dcT  brcib;iiiti-scln.'n  •Angliurum  et  Wcriiiürurn  Ikk  ot  Thijringt'rvim« 
|§  130'),  werden  gcrncint  sein,  als  zu  Anfang  dts  6.  Jahrhs.  der  (!)stgotenki'>n^ 
Theodorich  .»Heruloruni.  Guamonim,  Thorinfinrum  legibus-  mit  der  Bitte 
schrieb  gleich  ihm  und  dem  BurguadenkOnig  ihren  Kinfluss  bei  ChUidwig  zu 
Gunsten  der  Wes^oten  aurzubieten  * 

Kurz  bevor  die  Eruli  am  Nicderrheiti  genannt  werden,  tnudiC  eine  andere 
Schar  am  St;bw,ireen  Meer  auf.  Ihre  Kloltr  suchte  2t.>j  die  KQsteit  des 
agaischeii  Meeres  heim.  Ennaiiarich  unterwarf  dic^e  Östlichen  Eruli.  Sicher- 
lich dies»;,  nicht  eine  neue,  <lritto  Abteilung,  sind  es,  die  nach  Auflösung 
der  Hunnenherschaft  mii  linken  Donauufer  ci-schcincn,  um  zum  Teil  471)  mit 
Odwakar  nach  ItnHen  zu  ziehen,  zum  Teil  in  Ungarn  sitzen  zu  bleiben,  wti 
sie  um  480  gen;uint  werden.  Vuii  ihren  Nachbarn,  den  Langobarden  be- 
siegt, fand  ein  Teil  512  Aufnahme  im  oströmischen  Reich  imd  wurde  am 
rechten  Ufer  der  unteren  D«jnau  und  spStter  in  Pannonien  bei  Belgrad  ati- 
gesiedell;  ein  anderer  Teil  zxjg  die  Freiheit  vor  und  wanderte  iu  die  »kadi- 
nawische  Heimat  zurück.  Politiscli  liahen  sie  daniaLs  ihre  Kxi^lenz  einge- 
btbst.  Vtrti  deu  nimischen  Eruli  «ing  ein  Teil  zu  den  Gepideii  über,  ein 
Teil  ist  in  den  Dienst  des  ostromisclien  Kaisers  getreten;  die  skadinawisvhen 
Reste  sind  unter  den  Gauten  politisch  aufgcigungcn.  Seit  der  Mitte  des  6. 
Jahrhs.  verschwindet  ihr  Name  aus  der  Gcschirhte'. 

'  Seclmann  a.  a.  O.  S.  30.  —  ^  Zeus»  479  (ebenso  Mülleobofl  in 
seinen  Vorlesun|;en)  lettl  die«^  EreignU  erst  kun:  vor  Aas  Jnhr  480,  wei]  sie 
dftmal«,  an  Akt  Donau  erscheinend,  noc-li  Heiden  waren.  —  *  Locwe  hüll  die 
Enili  für  Anglofriesen.  —  ■*  ^eelniann  a.  a,  O.  53  ff.  Diese  Eruli  sind 
jedenfalls  in  der  Xachbarschafl  der  Fiankenzu  suchen;  das  erfordett  dei  Zw 
sammenhang,  Seelmann  kooslruiert  ein  norOdeulschea  Crulcrrekh  an  der  Havel. 
—  i  Loewe  nimmt  an,  da*»  die  Eruli  in  den  Kaukasuigennancii  und  Krim- 
goten bis  anf  die  N'euieii:  fortgelebt  haben. 


d)  Danen. 

SaxoGrammaticus,  //i'stfria  Daffäraoiia  Gfsta DanorMtu  (bb  11 86)  um  12O0, 
(cd.  P.  E.  MuMcr  und  J.  M.  VcUchow.  3  Bde.,  Havm.-c  1839—58;  i-d.  A.  Hol- 
der, SuawljUTj;  1886  IS.  XXV'I — LX  Littcratur  über  Suxo]).  —  The  ßnl  niw 
books  i\f  //"•  Liitniih  hhiory  tif  Saxo  Grnmmnlictti^  ir.tnKUted  by  O.  EltOPf 
Ixindmi  1 894.  —  P.  E.  M  tili  rr,  Krilii-clit  Untersuihungm  drr  Sagrugrifkükte 
Diinrmnrk%  und  .VorTrrgitts,  Kti[K>iihni;en  1S23.  —  dera.,  t'rttük  ÜnderstigrLuc 
af  Sa.\o'i  Hiitorirs  syv  siäitr  Bifffrr.  Kjäbenbavn  1830.  —  A.  Ollik,  KiÜerne 
til  Saksit  OtJkiitarie.  2  Bde.,  Kobenbavn  1892.  94.  —  J.  Steenslrup,  Saxa 
Orammtiticus  og  ihm  dunske  og  sx'emif  ddtids  hisiorif,  Ark.  f.  nord.  fil.  XIll  M896) 
100 — 161.  —  St-riptorti  m-um  DaHkarum  medii  ai'',  «1.  J.  LaQßcbck,  fortgcs. 
von  P.  Tr.  Suhni^  ;  Bde.,  Hafnix  1772  — 1792,  Bd.  8  von  L.  Engelslofi  und 
£.  Chr.  Wcrlaiiff  1834.  Bd.  9  (IndJce«)  1878.  —  iUnnimnla  Nütoriff  Da- 
niar.  Hiitori'sltf  Kildtrskn/tfr  og  Bfarbfjdftsrr  af  damk  Historie  isttr  Jrti  dft 
16.  Aarhundrrdt,  ed.  H.  Rftrdani.  4  Bdv..  Kj"t>cnhavn  1873,  75.  84.  87.  — 
P.  Kr.  Suhni,  Historie  af  Danmarb  (bis  IJI'J).  11  Bde.,  Kiobcnliavn  (zuletjct 
KjwbcnhaTn)  178J — i8l3;  z,  T.  deutsch  von  i-'r.  D.  üriltcr  u,  d.  Titel  Geuhuhfe 
der  D'itien  1,  Ablh.  l  und  2,  Ldpiig  1803.  04.  —  Zcuss  158  f..  499—501. 
508  —  511,  514 — 536.  —  Chr.  Kr.  Dabtmaan,  Geuhkhte  von  Dänftnark  bn 
zur  Rrformation,  3  Bdf.,  Hamburg  1840 — 43,  IV  von  D.  SchÄfer,  Ciutka  189J. 
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(«nhotr,  Bfovutf,  BiTlin  1889.  S.  2J  — S3-  —  ^'  Olrilt,  Dattmarks  bistortf  r 
am  trldrf  Midäi-'lnidtr,  KjulM-Dliavii  1893.  — J.  Sirrnstrup,  Hislodsk  twlskt.  1895 
VI,  R.  VI  114  (T.  —  J.  Strrnst  mp,  Xogle  undrrsagrltrr  ovtr  Dan/narti  leli/ttr 
indA-ling,  O^-erMgl  "v.  ti.  Kgl.  danske  videiwk.  M-lik.'K  fwli,  1896.  S,  375 — 404. 
—  Fr.  Bangen,  Z».  d,  Ges.  f.  Schl.-Holsi.-Ljuienhg.  fiwch,  XXVI  (1896)  257 
— 295,  —  A.  Sacb,  Das  Herzogtum  SchUswfg  in  seiner  tthnngrophii^lun  und 
nationalen  EHlreiiktlung  I,  Ilallc  1896.  —  J.  Stccnstrup,  Kr.  Eislev,  A. 
HeUe,  V.  MoUcrup,  J.  A.  t'ridericia,  E.  Jlolra.  A.  D.  Jorgcnacn, 
Danmarks  Rigrs  Historie,  6  Bde.,  crschdnL  Kobcnhavn  seit  1896.  —  Snphus 
Müller.  Vor  Oldlid,  Kjöbenhavn  1897:  dniuch  von  O.  L.  Jtriczek  u.  d,  Titel 
Xordisifu  AltertNittikunde,  2  Bde.,  Stntssburg  1897.  98.  —  Die  Liturainr  über  die 
dAnischcn  Erobeningca  in  Engivul  und  in  Nordfhmkreicb  a.  $  114  und  115. 

§  in.  Ob  die  Oilnen  schun  I'lolemaios  bekunnt  waren,  ist  unsicher 
(>ä  104).  Sicher  ist,  daüs  sie  ursprünglirli  im  sOdti<:hen  Schwetleii  hfimisrh 
waren  iind  sich  erst  von  hier  aus  über  :lie  (l'lnischeu  Inseln,  Jütland  und 
Schleswig  ausgebreitet  haben.  Es  ist  sehr  wühl  glaublich,  wenn  sie  Jotdanes 
al&  AbkUnunUngc  der  Schweden  bezeichnet  (§  104],  dass  sie  im  Kampfe  mit 
den  in  Smäland  wohnenden  Eruli  sich  von  Norden  her  ihren  Weg  nacli 
Schonen  gebahnt  haben.  Dies  geschah  in  der  eraten  H-Ilfte  oder  Miite  de» 
3.  Jahrhs.  (§  1 U)}.  Neben  Mailand,  Schonen  und  Blekinge  gehörte  auci» 
Bomhohn  zum  dänischen  Siaumilande.  Seeland  mögen  sie  schon  im  j.  Jahrh. 
besetzt  haben.  Diese  Insel  mit  den  im  Süden  vorgelagerten  Inseln  MiVüä, 
Falster  und  Laaland  galt  als  Kern  des  dänischen  Reiches,  welchen  'primo 
ac  prindpatitcr  comprehcmlit  hoc  nomen  Dania«,  als  das  Reich  des  Diui, 
»cujus  rcgnum  diccbalur  Withesleth«.  >Dan  enira,  a  quo  regnmn  nomen 
habuit,  raultis  annis  dorainabatur  istis  insulis,  antcquam  acquisivit  Jutianu '. 

Die  weitere  Ausbreitung  der  Danen  nach  Westen  fallt  in  eine  si»aiere  Zeit, 
ab  man  gewühiilich  aimimuil.  Denn  die  illtcsten,  hier  gefundenen  Runenin- 
echriften,  die  man  allgemein  für  nordi.sc!i  hält,  kt')nnen,  zum  Teil  müssen 
sie  den  Westgermanen,  also  den  Anglofriesen  zugeschrieben  wt:rden.  Irh 
rechne  hierher  die  Inschrift  NitnvUa  des  Braktcaten  von  Niesbjerg  bei  Varde 
im  södwesilicben  Jütland;  die  Verbindung  /««•  ist  unnordisch;  nurdisdi  ist 
itff,  vgl.  JViu/i7  (d.  i.  JViit/i/a)  auf  tlen  Biaktcateii  zu  Datiun.  (Die  InachriCt 
fallt  nach  VVinuncr  in  die  Zeit  von  55t) — 7()0).  Ich  rechne  hierher  ferner 
die  Inschrift  Anttag  asuinas  Auwma  auf  der  Spange  von  Vi  bei  Odeiisc  auf 
Fünen,  die  Winimcr  in  den  Anfang  des  (>.  Jahrlis.,  Undsei  frütkstens  um 
400,  Montelius  in  das  3.  Jahrh.  oder  sjiatesiens  um  joo  und  neuetduig$ 
(1896)  in  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrlis.  setzt:  die  Verbindung  auw  ist  wie- 
derum nicht  nordisch,  hier  wäre  auj  zu  erwarten;  aa  =  ae.  A,  afrs.  ä  <. 
gemi.  an.  Die  andern  ebenso  alten  oder  ülteren  Inschriften  widen-prechcu 
der  Annahme  wcstgenuaiiischen  Ursprungs  nicht;  denn  sie  bieten,  wie  z.  li. 
die  Inschrift  des  goldenen  Homs  nder  die  der  Zwinge  von  Thorsbjerg  (nach 
Montelius  [iSgö]  letztere  aus  der  zweiten  Hiüfte  des  3.  Jahrhs.,  erste re  au» 
«k-m  Beginn  des  .i-  Jahrhs.),  keine  spezifisch  nordischen  Charakteristika  — 
die  Rune,  die  man  ullgemciti  durch  A'  Iransskribiert,  darf  mit  gleichem  Recht 
als  z  gelesen  werden. 

Wimmers  Datierung  kann  ich  deshalb  nicht  für  richtig  halten,  «tdl  es 
undenkbar  ist,  dass  im  0.  Jahrli.  in  Füncn  nodx  angeUdchsisch  ge4pn>- 
clicn  wurde.     Wir  wissen  durch  Prokopios  {B.G,  II  15,  P  42^  D),  dass  die 

Eruli    i.  J.   512    *Aavw%'  rd  e&v^  nagidga^toy irdivde  le  li  fbxeav6v 

ArftxouevaK.  Prokopios  wiisste,  dass  das  heutige  Schweden  durch  den  Ozean 
von  den  DiLnen  getrennt  sei.  Man  muss  liieraus  schliessen,  dass  das  danische 
Reidi  damals  westlich  (wegen  rä  fi!M;)  entweder  bis  Seeland  und  Fdnen 
•der  bis  Filnen  und  Jodand  gereicht  hat.    Die  Besiedlung  von  Faacn.  jQt- 


land  und  Schleswig  folgte  dem  Abzug  der  angfLsadisiscIicn  Eingeborenen 
nach  nritantilcn,  der  erst  im  I^ufe  des  6.  Jahrhs.  zum  Absrhluss  kam,  auf 
dem  Fussc.  Bereits  im  o.  Jalirli.  scheinen  die  Dänen  die  Eider,  ihre  histo- 
rische SOilgri'nz«!,  erreicht  xii  haben.  Um  51,^  beginnen  schon  ihre  kriege- 
rischen Verwicklungen  mit  den  Kranket».  Eine  Erinncning  daran,  dass  das 
dänische  Reich  ztun  Teil  auf  angUsciiem  Boden  gegraudet  worden  war,  hat 
Saxo  bewahrt,  der  sein  enstes  Buch  damit  t>egihni,  dass  die  eponymen Stamm- 
väter der  Dilneii  und  Angchi,  'Dun  igitur  et  Augul.  a  quibus  Dan<->nuu  cepit 
origo.  patre  Humbio  procreali,  non  sohtm  conditnres  gentis  nostre,  venun 
edam  reclures  fuere.« 

'   Belege  bei  Zcuss   509. 

§  112.  Die  danische  Sprache  zerfallt  in  drei  Mundarten:  Schonisch,  Sec- 
ländüich  unri  Jrttiscli.  Die  Dfinen  der  letzleren  Gruppe  aeimt  Ailiicd 
Süddatifu,  die  der  erstereu  beiden  NorddJlncn.  Diese  Dreiteilung  ist  ge- 
schichtlich begründet.  In  $  103,  4  hnb^  ifh  bc-retls  darauf  hingewiesen,  dass 
die  Juten  wahrscheinlich  einmal  einen  besonderen,  cret  vun  den  DUiieu 
unterworfenen  Stamm  gebildet  haben  —  der  alte  Name  für  Jütland  ist  AV/«/- 
gotahiiii  {Forttmanna  St'gt$r  I  116).  ae.  OeollanJ.  Dem  ents])rechend  finden 
wir  im  '1.  j^lirli.  n.  Clir,  noch  zwei  danische  KOnigssitze,  Hleidra  auf  Seeland 
und  Jellingt^  in  JfiTland,  »und  auch  seit  der  im  S.  Jabrlumdr-rt  vullzogenen 
Einigung  des  dünischcn  Vuikfs  zu  einem  Staate  mussie  der  König  seine 
Wahl  durch  die  drei  I^indesthinge  zu  Lund,  Ringsied  und  Vib*>rg  bestätigen 
lassen,  wobei  Fünen  und  Liuigeland  zu  Viborg  (jQÜand)  gehörteo«"^.  Die 
Dänen  haben  auf  dem  von  den  Angelsachsen  vcriasscncn  Boden  zunAciist 
mehrere  kleinere  Reiche  gegründet,  ausser  Withesleth  (§  111)  eins  auf  Fflnen 
und  mehrere  in  Jütland  und  Schieswig.  Die  endgültige  F.inigung  erfolgte  erst 
unter  Gunn  dem  Alten  900 — 935,  welcher  in  JelHnge  (in  Jothuid)  residierte 
und  der  Sage  nach  alle  andern  jfltischcn  K/inigc  .sowie  den  in  Schleswig 
residieremlen  König  von  SinUmÜ  unterwarf  und  sein  Reich  bis  zur  Schlei 
ausdehnte.  Aber  noch  bis  in  das  si>;itere  Mittelalter  hinein  bildete  Scldcswig 
seit  der  Mitte  des  \z.  Jahrhs.  ein  eigenes  Herzogtum,  eine  Sonderherschaft 
des  dänischen  Königshauses. 

'  Kossinna,  IF.  VII  290. 

Die  Mark  Schleswig,  d.  i.  das  Land  nördlich  der  Eider  bis  zur  Treenc 
tmd  Schlei  war  seit  dem  9.  Jahrh.  ein  zu-isrhen  Danen  und  Drutschen  atrit- 
tij5es  Grenzgebiet,  bis  ioj6  die  Eider  als  Grenze  anerkannt  wurde.  Abel"  nur 
<iie  Halbinsel  Schwansen  (zwisciien  Schleswig  und  Eckemförde)  ist  dänisches 
Sprachgebiet  geworden;  die  westlichere  Landschaft  zwischen  Eider  und  Treenc 
blieb  niederdeutsch. 

§  113.  Im  g.  und  10.  Jahrii.  hatten  sich  die  Danen  gegen  schwediw-he 
Hrubcrungsgeiüste  zu  wehren.  Im  J.  1028  eroberten  die  Dünen  Xorwegen. 
Durch  die  kalmarische  Union  1397  wurde  Si  hweden  und  Norwegen  mit 
Danemark  vereinigt.  Wahrend  Schwtrden  sich  schon  seit  1435  und  end- 
gültig 1523  lostrennte,  wurde  Xoru-egen  I53(>  vollends  danisch  und  blieb  es 
bis  1813.  Im  Frieden  von  Roeskilde  und  Kopenhagen  1658  und  1660 
znusste  Dänemark  .sein  Stammland  Blckinge,  Schonen,  Hatluiid  und  das  nor- 
wegische Bohuskln  an  Schweden  abtreten,  1861,  1866  und  definidv  iHbj 
Schleswig  an  Preussen. 

§  1 14.  Die  Danen  haben  ausserhalb  ihres  Staromlandea  seit  dem  9.  Jahrh. 
zwei  Reiche  gegründet,  eins  in  England  und  eins  in  der  Norraandie. 

In  England  treten  die  D.1nen  zuerst  787  auf,  gegen  Atisgang  des  8. 
Jaluhs.  begründeiL  sie   tiier   bereits  ihre  erste  NiedeiiassuDg.    Sie  begaiuicn 


loii  RuubzQgen  UUigs  der  ganzen  englischen  Kfiste,  besetzten  dann  einzelne 
Stützpunkte  in  Nordcngland  und  siedelten  schlicäslich  iu  grossen  Schaaren 
Aber,  um  (t:is  Land  zu  bchcrschen.  Seit  855  in  Xordhumbricn,  besetzten 
sie  800  Ostaiigeln  luid  beraubten  870  und  874  dieses  Land  luid  Mercia  ihrer 
Könige.  Alsdann  bcÄCtzten  sie  Nordhunibrien  und  S77  Menia  und  be- 
herschten  das  ganze  Land  nördlich  der  Themse.  Auch  ihre  Besiegung  durch 
-Elfred  880  und  80,5  vermochte' sie  nicht  aus  dem  Lande  zu  vertreiben.  Neben 
(DstangcJn  hielten  sie  Nonlhumbrien  besetzt,  raussteu  aber  srhÜesslich  die 
englische  Oberhoheit  anctkennen.  Si>c'iter  wieilerholten  die  Danen  ihre  An- 
griffe mit  dauernderem  Erfolge,  und  loih — 1035  bezw.  1042  war  der  dä- 
nische König  auch  König  von  England. 

Über  die.  Danen  in  Irland  um  die  Mitte  des  9.  Jahrhs,  s.  §  1  iq. 
Der  Einfluss  der  Danen  ist  ein  tiefgreif euder  gewe.sen.     Das  Danelag  galt 
in  Nortlluimbricn,    <iem  Östlichen  Merda.    Oslangeln,    Esscx   und    Middlesei, 
und   d;ir»her    lünaus    ist   der  Einfluss   der  dänischen  Sprache    im   Englwthen 
erkennbar;  vgl.  die  Karte   in  Bd.  I   ru  S.   1108.     Über  die  danisclien  Lehn- 
*\)rte  des  Altenglisfhen  s.  ebd.  S.  931 — 042  und  A.  Wall,  Anglia  VIII  45 — 
*35f  v^-  i»iich   H.  JelHiighaus.  Ndd.  Korrbl.  XX  29—3.2.    Grdr.  1  Q^st 
über  das  Absterben  der  danischen  Sprache  auf  englischem  Boden  im  12.  Jahrh- 
H.  Wheatoii,  llistory  of  thf  Ntirthmcfi  from  the  tfirlirst  timts  to  Iht  tonqurit 
0/ Jitif^lami,    I-ondf^o   l8jl. '—   Zeu«»   5^4—528.   —  J.  J.  A.  Worsaac,   Mtnätr 
om   de   JJansif   of   Sordmaitdene   t  EnglnnJ,    Sictlnnä  <>g  Jrland.    Kjobcabavn 
1851 ;  deutsch  vod  X.  N.   W.  Mcisüner  n,  d.  Tilcl  Die  DÖnm  und  NordmämHrr 
in  England,  Schetfiand  und  /rt.jnd.  Lcipiy;   lf53.  —  J.  J-  A.  Woriaac,    Drn 
danskr  tri}bi-ing  af  Engfnnd  ojr  ^,'ormandiet,  Kjubenhsvii  1863.  —  J.  R.  Green, 
Th*  lonqiieit  of  England.   London    1883. 
§   113.     Ungeftihr   zur   gleichen  Zeit,    als   sie   sich  in  England    festsetzten, 
haben  die  Dünen  auch  in  Nordfnnikrcich  Fuss  gcfasst.     Auch  hici  waren  es 
zuuSclLSt  Raubzüge,    die  sie  gegen   die  ungesrhützieii    Küsten   unternahmen. 
Zuerst   setzten    sie   sich  an  den  Mündungen  der  Seine  und  Loire  fest  (843). 
Die  ganze  Küste  von  der  Elbe  bis  zur  Garonne  wurde  von  iluicn   verheert, 
und  auf  ihren  Schiffen  drangen  sie  die  Flüsse  aufwärts  bis  tief  ins  Binnenland 
vor.     Paris  haben  sie  dreimal,  S4.5,  857  und  861   erol>ert     Sogar  die  niittel- 
hindisiiien  Küsten.  Spanien,  Südfrank  reich,  Xordafrika,  Italien,  Griechenland, 
Kletnasien  waren  vor  ihnen  nicht  sicher.     Dauernd  Fuss  gefasst  haben  sie  un- 
ter Ftlhning  des  Norwegers  Rollo  in  der  Xormandie»  die  ihnen  gii   über- 
lassen   »"urde,    und    wo  sie   sich   behaupteten,    ohne  freilich    auf   die    Dauer 
gegenüber  der   romanischen  Majorität   der  Bevölkerung  ihre  Nationalität  be- 
\k"ahrcn    zu    künnen.     In    der    Haupbviche    hielt   sic.h   die    nordische   Sprache 
nicht  über  ein  Jahrliundert  hinaus;  vereinzelt  jedoch  \\\k\\  bis  ins  12.  Jahrh.  ^ 

G.  B.  Di-pjiing,  Hntaire  des  txpidiiimu  maritimes  det  Sarntnndt,  et  de 
Irur  Hablisiemrnt  rn  t'rutur  au  dfxietne  s/'</r*,  Paris  iS^.);  «Jculwh  wn  F.  I*- 
miir  11,  il,  Titel  Dir  Hrerfokrfrn  der  Wirmannrn  bii  tn  thrrr  festen  .Yreder* 
launng  in  /•'rantrei'ih.  1  Bilt*..  Hamliiirg  1  819.  —  J.  J.  A.  WorsMae,  Dm  danste 
ero&ring  itf  England  ag  .Vormandief,  Kjittipnhavn  1863,  —  E.  Dümmlrr,  Gc 
ithiehtt  des  oit/räntii. hm  Jieichn*,  }  IWe.,  Leipzig  1887 — 88.  —  E.  Tei^ner, 
Xormm  elter  DanJfer  i  Xormandief  Slockhulm  lß88.  —  KeAry,  TIv  Vdttmgi 
in  the  Western  christendom,  7Ä9 — IffiH,  I^odnn  189a.  —  A.  Fabricius,  AV»r> 
HMunertogene  lil  den  spamke  kah-v.  Aarb.  l.  i.  XII  (1897)  'S — '^O.  —  der*« 
Dantie  minder  i  Sormandiet.  Kjobenhavn  l8<J7. 
!()6f)  landeten  die  Xrirmannen  der  Normandie,  damals  bereits  franzilsisch 
sprechend,  in  England  und   waren  seit  1071   die  Herren  des  Landes. 

A.  Thieiry^  Histoire  de  In  ^nnquete  de  I' Anglelerre par  les  \orwands  *,  }  Bd^., 
Bruxflies  1841.  35,  4I;  d«-utM-h  Herliii  1832.  —  E.  A.  Fteein«n,  Tke  hnKfry  tf 
Ifie  ycrman  i'cnqueit  0/ England,  Hs  lanses  and  itt  resulti,  6  Bde.,  Otford  I867 
—  *9.  -^  J.   R.  Green,    7'fie  conyuest  af  Eng/and,   l^ondon   1883. 


Schon  itii  0.  Jahrh.  hatten  die  Nonnarincii  die  Kösteu  tlvs  Milti-lmt-cres 
flbersdiwe:nnit.  Atis.1.ssig  Mnd  sie  in  Unleritalien  ge\k'orden.  wo  iltncn  1027 
I>and  verliehen  wurde.  Durch  Zuxug  aus  der  Heimat  verstärkt,  Qberu'anden 
sie  tlie  Sarazenen  und  bemächtigten  sich  1040 — 43  ApuHens.  Unter  Robert 
Guiscard  to5£j — 10H5  vergossenen  sie  ihr  111  iieri talisches  Reich,  embcnen 
auch  Sicilien.  Ihre  Hcr>chaU  dauerte  bis  i  i6g,  wo  sie  an  die  Hohenstaufcn 
überging. 

DcppioK-IsRiar  (i.  oben),  Anhang  m  Bd.  II,  —  O.  Delarc,  I^s  Normandi 
m  haut  (Upuis  Us  premieret  mvaiii>iti  justfH'it  l'av^n^mml  tU  S.  Grt'gaire  Vtl, 
faris  18U3.  —  I'alora«»,  Im  itoria  di  ii  Xurmanui  'n  SütlSii,  4  Bde.,  l'alcrmo 
1883 — 87.  —  Bflriow,  iiistory  0/  Ihf  Xortnans  in  Scuth  Europt,  London  1886. 
—  A.  Fr.  Cirafv.  Scback,  GruhithU  ärr  .\Wma»Hi-n  in  StVHirn.  7  Bde.,  SluH- 
pirt,  Lcipxig.  Berlin,  Wien  1889.  —  I..  v.  Helnemann,  Getthithlf  drr  Air* 
manMfft  in  UnUrttali^n  und  Sicilirm  bis  lu/n  Auatfr^H  det  ttormanm'tffun 
KSmgikauui  I,  L.cipxig  1 894. 

*  Liucmtur  bei  Noreen  Gnir.  ■  I  519,  Note  9. 


e)  Norweger  und  Isländer. 

Snorri  Starluson.  Htimskhngla  (bis  1177).  um  1230  («1.  C.  R,  Ungcr, 
Cbrisliiuak  1868;  rd.  K.J6n»»nn,  3  Bde.,  Ki'lienliavn  1894  —  98).—  Mmumenta 
hinlarica  .Yvrxvgüti;  ed.  G.  SHTm,  rhriMtinnio  [880.  —  M.  .V  Pcilcrsson 
Beyer,  Om  Xargis  /tiffe  J5Ö7  (eii.  G.  Storni,  /{ntorisk-iopcgr.  Skrt/irr  em 
Nergr.  Krislianüi  1895).  —  P.  E.  MOJIer,  Kritisthe  Unlfrs,iii-intng  drr  Sttgm- 
geschiifiif  Dännniirki  und .\'itnivgmi,  Kripniiliii^cn  1823.  —  Zeuss  158  f.,  516— 
534  und  S44  f.  —  P,  A.  Muncb.  f/itiarnk-gi-a^raptiisk  ßeskrh-rhr  en-rr  Ao«. 
gtriget  Sorge  ( Noregnttdi ,  i  ytiddtlaldrri-n.  Mosä  1849.  —  K.  Maiirci,  F)te 
Bekehrung  dts  Sonttfgisthcn  Siammei  mm  Chrulrntkumr.  3  Bde.,  Xdincbcn 
1855 — 56.  —  P.  A.  MuTicb,  S)-tMbo/ae  nd  historiam  unliqitiorrm  JVorz-rgitie, 
Chrmiania  1856,  —  K.  Keyscr,  Dt»  nunir  Kirkn  /Inlorie  imder  Katholi' 
liftitrn.  1  Bde.,  Cfariüliania  1856—58.  —  P.  A.  Munch,  Det  norsti  pflks 
Jfisitarie  (bis  I397).  8  Bilc..  Cbrisüania  185J — 63.  —  de  Landblad,  f/nlotre 
dr  Danf^mark  rt  de  Aorri-gr.  Tours  C863.  —  H.  Kcysrr,  Nvrgn  Stali-  og 
RrisJorJntfÜMg  1  Middelntdfrett  [KfUrladfr  SkriJUr  11),  Cbristiania  1807:  dawu 
K.  Maurer,  Kril.  V'JkIit,  X  360 — 4O4.  ~~  R.  Kcysct,  Xorgn  Histor/r,  fiirl- 
gewut  von  RyK'i  ('»•'^  1387).  3  Bd'-'-.  Krisliania  1866—70.  —  Hj.  Ilj.  Boye»en, 
The  kistorr  nf  Snru-av,  Iximlon  ifiKfi.  -  j,  E,  Sars,  Udtigt  wer  den  norske 
histürie,  4  Bde.,  Neue  Aiisf;..  KrUiianla  1892  — f)},  —  H.  Kupfer,  Xortergen  und 
setne   Jiesiedetung,  Progr.,  Scbne^liefg   189$. 

K.  Maurer,  Island  von  seiner  ersitz  Entdeikung  bis  :um  Untergänge  des 
frriii'talj.  MCInchca  1874,  —  Th.  Tliorodilüen,  Landfradistagtt  Iilandi,  2  Bde« 
Rr)'k;Bvik  1896.  'J7;  deiitw*  von  A,  ücbhardl  u.  d.  Tilcl  (Sisehictite  der  istdn- 
diuben   Geographie,  2   Bdc,  Leipzig    1897.  98. 

Dir  Litleratur  iilier  die  AnMeillungen  in  Irlarvd.   Onlnland,  Vinland  «.  S   Il9f. 

S  1 1  f>.  Die  norwetpsrhen  Stamme  sind  früher  zu  keinem  pciIiiiÄchen 
Band  geeinigt  gewesen.  Wir  kennen  nur  kleinere  Stimme,  wie  Ptolcraaios 
schon  die  Xaiöftvoi,  die  späteren  Heiflnir,  nennt  und  jordanes  eine  Reihe 
anderer  StAninie  (i»  104t.  .Mle  diese  Stumme  waren  ursprilngtich  sclb^ttAndig. 
Dass  iiie  meisten  sich  erst,  seit  sie  ihre  Thiller  in  Besitz  genummen  haben, 
zu  l)Csondercn  civitaics  kufistJluierten,  kann  kaum  einem  Zweifel  miterliegen. 
Immerhin  aber  lehrt  das  Beispiel  der  auf  die  ostgermanlschen  Rugii  zurflck- 
weisenden  Rygir  in  Roguland,  dass  es  verschiedene  Stamme  waren,  die 
»ich  an  der  Besiedlung  des  Landes  bclciligt  haben  '.  Aber  von  einer  näheren 
Zusammengi'hArigkeit  einzelner  Stämme,  die  iiuf  eine  ursprüngliche  Volkü- 
einheit  zurückwiese,  wü«en  wir  nichts '  —  vielleicht  gelitigl  es  der  Mund- 
artenforschung hierüber  IJchi  zu  verbreiten.  Zu  eiiier  politischen  Rinheit 
sind  die  norwegisdien  Stamme  erst  verschmelzen,  seit  Harald  Härfagri  872 
die  einzelnen  Stamme  unterworfen  hatte. 

Die  norwegi«he  Stammesgrenze  des  Mittelalters  deckt  sich  niciil  mit  der 


heuligen  poUtiscIien  Grenze  gegen  Schweden.  Der  Küstenstrich  bis  Gi5tebiirg 
das  dte  Räuriki,  das  heutige  Buhusliln,  geliörte  bis  zur  Mille  des  17.  Jatiriis« 
XU  Norwegen.  Die  Landsdiaft  westlich  des  Venem  war  dn  zwischen  Nor- 
wegern und  Gäulen  strilliges  Grenzgebiet.     Vgl.  femer  §  117. 

>  Ob  die  Ilijtdar  wegen  ihr«r  NimcDsglcichhcit  mit  den  Ilarudcs  Arioräci  und 
den  nordjülifichcn  Charudca  von  Wcstgemun^Mi  hcntammcn,  isi  mehr-  als  pn4>lc- 
malisch.  —  '  Die  zusatnuicnOis^icndcn  Xiuncn  wi«:  Vikv{:rj.-vr  f^  die  Bewohner  der 
Südkilitc,    UppkndLii{!at    dir  dio   Oberlindcr    sind    nur    g<L''>graphL>ch<:   Nameo. 

§  117.  Die  DurvegLscheii  SUimmc  sind  aus  dem  südwestlichen  Schweden, 
vielleicht  aucli  zum  Teil  aus  jQtlanri  gekommen  (g  50  f.).  Froher  als  die  Schwe- 
den haben  sie  sicli  au  der  Kosle  nadi  Norden  ausgebreitet.  Wührend  ia 
Schweden  die  Nordgrenze  für  die  Brnnzefunde  H.'ilsingla:id  ist,  Ist  es  in  Nor- 
wegen das  ungleich  nördlicher  gelegene  Hälogaland  i,s.  die  Karte  zu  S.  t*3i). 
Hälogaland  war,  wie  wir  aus  .'EUrcda  Orositts  wissen,  gegen  Ende  des  g. 
Jahrhs.  zwar  zumeist  noch  von  Finnen  bewohnt,  aber  damals  bereits  hatten 
norwegiüclie  Ansiedler  die  Herschaft  über  das  Land  gewonnen;  nodi  heute 
ist  die  norwegische  Bevülkerung  im  ;iu.»;sersten  N'orden  neben  läppen  und 
Finnen  nur  dünn.  Dann  aber  kolonisierten  Norweger  auch  Ober  das  Ge- 
birge hinüber  di«^  wpstlichen  Landschaften  Schwedens  nfirdlidi  der  Dal  El/ 
bis  zuiu  lappischen  Gebiete.  Ihre  Spuren  (iDden  sich  bis  nach  Hälstiigland 
am  Bottnischen  Meerbusen,  und  die  Sprache  zeigt  hier  noch  norwegische 
Eigentümlichkeiten.  Während  sicli  die  Norweger  hier  aber  gegen  die  Schwe- 
den nichl  hallen  konnten,  haben  sie  JJUntland  (norwcgkche  Inschrift  von 
FrÖsÖ  um  1050)  und  Harjedalen  dauernd  besetzt*.  Diese  beiden  Land- 
schaften sind  erst  1645  an  Schweden  gefallen. 
'  Die  Zeiijeniitsc  hicrfllr  bei  Zcuss  544  f. 

«5  118.  Norwegen  wurde  1028  \<yn  den  Dänen  eroliert  und  bis  1035  be- 
hauptet. 13ICJ  wurde  es  mit  Scliweden  durch  Personalunion  vereinigt.  DurchJ 
die  kalmarisdie  Union  1397  mit  Dänemark  vereint,  wurde  es  1530  unmittel- 
bar danisch,  und  die  dänische  Sprache  isl  seitdem  allmählich  die  herschende 
in  Nürwcgen  geworden.  1645  verlor  Norwegen  (richtiger  Dänemark)  Jami- 
Und  und  H.lrjedalen,  105H  bezw.  lOlxi  BobuslKn  an  Schweden.  1813  trat 
Dänemark  Nurwegen  ab,  das  für  ewige  Zeiten  als  integrierender  Teil  mit 
dem  Ktinigreich  Schweden  vereinigt  wurde,  und  naih  dem  Kieler  Tractat 
1814  bilden  Norwegen  und  Sdiweden  ein  vereinigtes  Ki^nigreich,  Neuerdinga 
erstreben  die  Norweger,  sidi  als  eine  eigene  Nation  fühlend,  dnc  noch  grVte- 
sere  Selbst.'indigkeit,  als  sie  sie  unter  der  Union  besitzen,  wie  sie  auch  iu 
ihrer  Schriftsprache  einen  immer  starker  vom  Duaisdicn  abweichenden  Dialekt 
ausbilden. 

§  119.  Wenn  wir  von  dem  uördlichen  Kotonisationsgebiet  und  dem  in 
Jamtland  und  Harjedalen  abseilen,  so  haben  die  Norweger  sich  Ober  das 
Meer  in  sehr  früher  Zeit  ausgebreitet  Norwegen  zunächst  lagen  die  Shcl- 
land-Iiiscln.  Hier  finden  wir  Norweger  bereits  um  t«ler  bald  uatli  620 
ansässig,  Getreide  bauend,  und  die  norwegische  Sprache  ist  auf  diesen,  jetzl 
EU  Knglaud  gehörenden  Inseln  erst  vor  i(>>  lahren  ausgestort>en.  Eben:«* 
lange  hielt  sich  die  nortlische  Sprache  auf  den  Orkney-Inseln  (an  der 
Nordspiize  ScholUarulä);  hier  sind  uius  noch  30  Runeninsch rillen  crhatirn. 
Weiler  setzten  sich  Norweger  auf  den  Hebriden  (im  Nordwesten  von  Schott- 
land) f(-st.  wo  sie  ilire  Sprache  mindestens  bis  1400  bewahrt  habeiL  Von  der 
Insel    Man    haben    wir    14   Runeninschriften   aus  den  jähren    1050 — li.SO*. 

Bedeutender  aber  war  der  Besitz  der  Nordm.1nner  in  Irland,  wo  wir  sie, 
wie  es  scheint,  bereits  617  finden,  «-cnn  am  h  die  eigaiüidien  Wikingcntügc  erst 


2U  Aus^ng  des  8.  Jahctis.  bcijmiicn  und  zwai  seit  der  Zerstörung  des  Klostere 
der  Iiisel  Lindisfame  (an  (ier  schottischyengljsdieii  Grenzet  i.  J.  793-  807  be- 
traten sie  den  Br>den  Irlands.  Es  waren  zuerst  nur  Soxnnitrfalirtcn,  aber  kuti 
nach  8,56  »beginnt  man  mit  einer  ])lamnassigen  Bezwingung  und  Unterwer- 
fung de*;  Landes«.  »Überall  wurden  fe-ste  SiUt/jumkte  aogelegl,  woliin  man 
sich  nach  riflndfrunRszügen  zurückzog.  An  verschiedenen  Orten  entstanden 
Kolimieen,  die  mit  Dubhn  und  dem  Heimatslande  die  Verbmriung  aufrecht 
erhielten.  Schon  84.1  sassen  die  Nori*-cger  im  Herzten  des  Landes,  am 
Lough  Rce,  Man  drang  \*or  nach  Süden  bis  nach  Limerirk,  bis  ins  Ki'mig- 
rcich  Munster.*  Durch  die  mit  den  aufstaudisclicn  Iren  verbündeten  Danen, 
die  Vi  in  Sflden  gekommen  waren,  bedrangt.  crlucUen  sie  853  neuen  Zuzug 
aus  Kurwcgcn  und  trieben  die  Danen  nach  dem  südlichen  Irland  zurück. 
Sie  w-arcn  die  »Herren  von  ganz  Nord-  und  von  dem  grfl&sten  Teil  Mittel- 
irlands'.  Um  870  war  der  letzte  »irische  Widerstand  gehntchen,  und  nun 
beginnt  eine  neue  Zeit  unter  nurwegiscUcr  Herrschaft  über  das  Land  herauf- 
Äiuiehe».  In  DubUn  war  der  Mittelpunkt  der  norwegischen  Macht  und  der 
5iize  der  Künige  .  Gemeinsam  mit  Iren  nehmen  jetzt  die  Norweger  Irlands 
Anteil  an  der  Besiedelung  der  Inseln  des  Oceans,  der  Faeroer  und  Islands. 
Von  Dublin  aus  suchten  die  n^jrwegischcn  Künigc  aucli  ihre  Macht  über  das 
aahe  Schuttland  auszudehnt-ni..  ■.AI.-*  dann  aber  im  Ausgang  des  <»■  Jahr- 
hunderiij  auch  in  Irland  von  neuem  ilie  PlandcrungszOge  sich  mehren,  da 
ermannen  sidi  die  Iren  t>tii  norhmals  zur  That:  sie  schlagen  die  Vikinger 
und  befreien  Uire  Insel.«  Doch  bereits  'Q14  erscheinen  neue  Flotten  der 
Vikinger  in  Irlimd.  Diesmal  zuerst  im  Süden,  in  Waterford,  und  das  süd- 
liche Königreich  Munster  hat  die  ersten  Leiden  der  neuen  Ära  zu  ertragen. 
Wenige  Jahre  siilUer«  setzen  sich  die  Nimnaniien  »abennals  in  Dublin  fest, 
und  auch  Limerirk  ist  bald  wieder  in  der  Gewalt  der  Norweger.  r>rci  nurd- 
;germanische  Königreiche  in  Waterford,  Dublin,  Limerirk  sind  entstanden. 
Koltmien  werden  in  den  verschiedenen  Gegenden  der  Insel  angelegt.  Ein 
ganzes  Jahrhundert  wird  Irland  vnn  neuem  verbeert  und  verwü-stet,  his  end- 
lich König  Brian  an  der  Sj)itze  der  Leinsterscharen  durch  seinen  Tod  in 
der  Schlacht  bei  Clontarf  (1014)  die  Befreiung  seines  Vaterlandes  erkauft«*. 
Die  Vertreibung  der  Nurweger  war  keine  vollständige.  Norwegische  Hand- 
werker und  Kaufleute  blieben  in  Dublin^  Walcrford,  Wcxford,  Ci'rk  und 
Umerick  '. 

Die  norwegische  Sprache  hat  sich  in  Irland  bis  um  1,^00  gehalten.  Alt- 
nordische Lehnwörter  finden  sich  l>ereits  in  der  irischen  Sprache  des  S.Jahrhs.*. 

Über  die  Beteiligung  von  Norwegern  an  den  Danenzftgen  nach  England 
:B.  Grdr.''  I  Q^i). 

Norweger  haben  sich  auch  an  der  dänischen  Occupatiou  der  Normandic 
l>ctciligt.     KuUu  stanunte  aus  Möre  in  Norwegen. 

ZfUS4  537— 54^.  — J.J.  A.  Wnrsaaf,  Afintlrr  om  lie  Dfititke  of  XorämimJme 
i  EHffiiiiiJ.  SknIlanJ  ,>g  Irland.  Kjitli^nh.ivn  IÄ51  ;  dculÄch  v<ui  N.  X.  W.  M«[ftfllier 
U.  d.  Titel  Die  /XifK'H  H»J  Xorämdn'ier  in  Eti^lunJ,  SiftoltlanJ  und  IrUxnä, 
Lrflpiig  1851.  —  fi.  Stnrm,  Kritiikr  BiJrag  til  ViltmffttüU-ns  Uütorif.  KjUiliÄnu 
1H78.  —  H.  ZimmiT,  XJhtr  du  frühtiUn  fitruhrungm  der  Irfn  mit  den  A'orrf- 
germantn,  Siuung^hmchto  cltr  Btrliner  AkAtl.  d.  WUs.  l8qi.  S.  27») — 517.  — 
E.  Mof;k,  KrJt^n  und  Xordt^rmanftt  im  g.  und  to.  Jahrhumiertt,  lYogr., 
Leipzig   1896.  —  J.Jacobücn,    Dft  »torrone  sfrcg  p«  Shfl{iind.y^vshzxA»>!\k  1S97. 

*  l.itterftlur  bei  \.  Xorcen.  Grdr.  *  I  519  Note  7.  —  '  Mogk  S.  14  f.  — 
'  ebd.  »3.  —  *  LiUcraUir  l)ci  A.  NorecHj  tirdr.  *  I  jij,  Noic  2  untl  Mogk 
a.  ^  O.  S.  33  Anm.  5;  dort  aucb  Über  iriicb-uUndiiKlK  Lcbnw6ncr. 

§  \z<i.    Van  den  Shetlandinseln  aus  hatten  nuiwegischc  Wikinger  schon 


84d 


XV.  Ethnografhiz  der  germanischen  Stamme. 


im  S,  ^ahrh.  die  fernen  Fflr/ier  und  Island  entdeckt  Diese  Inseln  haben 
lücht  das  Schicksal  gehabt  an  England  zu  fallen,  und  daher  werden  noch 
heute  hier  norwegiadie  Mundarten  gesprochen.  Auf  den  FärOem  sind  die 
Norweger  /uenn  um  770  nachweisbar.  Die  Besiedlung  des  eben  bekannt 
gcwurüwu-ii  Island  wurde  durch  ein  poliiibchcs  EreijLfiiis  veranlasst  Der 
Zwangsherschaft  des  ersten  Königs  von  NoniVegen,  des  Harald  Härfagri 
wiillten  sich  viele  nicht  fiigen,  inid  der  Trieb  nach  politischer  Selbständigkeit 
führte  diese  nach  dem  fernen,  —  von  irischen  Anachuretcn  abgesehen  — 
tinbewdhtiten  Island,  das  seit  870/87^  gernianischer  Bodfu  geworden  ist  und 
auch  unter  der  dänischen  Regierung  seine  Selbstverwaltung  bewahrt  liat 
Island  iüt  hau pt'^Ilch lieh  aus  dem  westlichen  Norwegen  lievölkert  worden. 

ZetiSB  54  t  {-  über  tlie  BluLjimi«chune  der  ersten  Uländcr  mit  Iren  durdi  iri- 
Bcbc  Fräuen,  Kreige]iu»ene  und  irische  An^iiMllcr  v(;1.  Mi)Kk,  A'rltfn  Hnii  .Vord' 
/rtttnanert,  S.   17 — 22.     Abtilkb  auf  den  Orknej'*,  Hebridfo  und  Shcüandsiiuctn. 

—  Littenrur  fibcr  Istjind  s.  oben  S.  83>>. 

Von  Island  aus  hat  der  kühne  St^cfahrer  Erich  der  Role  Grünland  ent- 
deckt, und  um  (.nya  beginnt  auf  seine  Veranlassung  die  planmässige  Besiedhing 
der  Süd-  und  Westküste  bis  zum  yz.  Grad  mit  Isländeni  und  die  Begrün- 
dung einer  grönlflndi sehen  Republik.  Man  schützt  die  Einwohnerzahl  für 
die  Bltltezeii  :uif  etwa  loono.  Grönland  kam  in  der  zweiten  Hillfte  des  i,V 
Jalirlis.  unter  iiurwegische  Herxchaft  Seil  der  Mitte  des  14.  Jahrhs.  unter- 
lagen die  N(irdm,lnner  den  Angriffen  der  Eskimos,  »md  im  15.  Jahrh.  waren 
ihre  Ansiedlungen  zu  Grunde  gegangen.  Heute  wird  in  Grönland  etwas 
danisch  gcsjirochcn,  docli  nur  von  einem  sehr  geringen  Teil  der  Bevßlkerung. 

Gtönl'tnäs  historiskf  Mntdrsm^frkrr,  3  Bde..  Kjnt>cnhavn  183H— 45.  — Eiriks- 
saj^a  /itttidn  r»p  /'fafuxbo^^rns  CranUudini^ali'iftr.  cd.  G.  Storrt,  Kj<>l>enhavn    1891. 

—  Zeuss  542  f.  —  K,  Mogk  s.  unter  >Xürdamcrika*.  —  F.  JÖDSSon.  En  kort 
ndsfgt  oi'rr  tifn  islaiul^-f^rütilandike  kiilonn  hislonr,  Nortl.  tidskr.  1 893,  S.  533 — 99, 

Leifr,  der  Sohn  Erichs  des  Roten,  in  Island  geboren  und  iii  Grönland  auf- 
gewachsen, entdeckte  auf  einer  Seereise  im  Jahre  lotw  durch  Zufall  das  Fest- 
land von  Nordamerika,  V'inland  genannt,  wohin  ihn  das  Wetter  ver- 
si  lilug.  Durch  seine  Erzählungen  verlockt,  unlcnialimcu  l6o  Mann  unter 
Führung  von  Thorfinnr  imj.  1003  eine  Fahrt  nach  Vinland.  Hier,  in  Neu- 
schotttand,  waren  sie  im  Begriff  sicli  anzusic-deln.  gaben  diese  Absicht 
jedoch  auf,  weil  sie  simh  gegen  die  Indianer  nirlii  zu  halten  ve-rmochten,  und 
segelten  nach  Grönland  zurück. 

Aittitfuitaits  .4mfn<-H'iaT,  cd.  C.  Chr.  RaTn,  HjLTniac    1837.  —  Zeuts  54 J  C. 

—  fr.  Sriirni,  Slinlirr  m^r  ^'mlamhrrjifrne.  S'infandt  Geogra^  eig  Ethncigrafi 
(Arhdgei  f.  ncml.  ..Ulk.  nj-  liiM.  1887.  S.  293—372).  Kubcnhav'n  188«:  Studus 
OH  the  l'tnr/and  Tfvir^j,  KrUtiAni.-t  iSSi).  —  A,  M.  Rvcves,  /Ac  findmg  ff 
iVinrland  thr  daod,  thr  hixtary  of  t/ir  /rrtandic  disco^Try  of  Aitfrua,  London 
1890.  —  E.  Mogk,  Dir  Kntdeckung  ArnrnkfU  durch  dir  ScrdgermaitfH,  MiUri- 
IiiOKCD  des  Vereins  (itr  Krdktindc  za  Ltipzig  1893,  S.  37  —  89. 

C.     ANGLOFRIESEN. 

K.  imMenlioff,  Die  drulifhea  i'vlkrr  an  XorJ-  und  Oiitff  in  üttfsttr  Ä/>, 
MordiJb.  Slwl.  I  (1844)  111  —  174.  —  ^I-  Ki«ger.  ZfdA.  XT  (1859)  178  I.  und 
186—303. 

§  121.  Oben  S.  800  n.  ist  gexeigt  worden,  dass  der  aiiglofriesische  Sprach- 
stamm eine  selbständige  Gruppe  unter  den  germanischen  Stammen  bildet, 
der  sowohl  zu  den  südlicheren,  deutschen  Stüiumen  als  zu  den  nurdtsdiea 
nahe  Beziehungen  gehabt  hat  so  dass  wir  sowohl  von  einer  w*esigermanisrl)en 
als  auch  von  einer  anglofriesisch -nordischen  Sprachgemeinschaft  sprechen. 
Pass  die  Anglofriesen  etwa  von  Hause  aus  den  Deutschen  so  nalie  gestanden 


haben,  dass  beide  als  Glieder  einer  grösseren  Gruppe  xu  betracht«!  seien, 
ist  bisher  nicht  nachgewiesen. 

Die  anglofricsLschc  Sprach  einheit  wird  erwiesen  durch  die  Vergicichung 
der  friesischen  Mundarten  mit  dcii  alten  gl  ischcii.  Die  Cbercinstimniuugen 
sind  so  zahlreich,  so  in  die  Augen  springend,  dass  sich  der  VersucI»,  sie  im 
einzelnen  aufzuziihlen,  bisher  nicht  gelohm  hai  *  und  sich  aucl»  in  der  That 
nicht  lohnt.  Denn  wenn  auch  tia:*  Friesische  spüter  seine  eigenen  Wege 
gegangen  ist,  das  A 1 1  friesische  steht  dem  A 1 1  engti^chen  noch  so  nahe,  das» 
*.•»  fraglich  erscheint,  üb  man  berechtigt  ist,  für  die  vi.irlitteranV-hc  Zeit  von 
einer  Zweiteilung  <Jes  Anglofricslsclien  in  Englisch  und  Friesisch  xu  sjircchen, 
oder  ob  nicht  viclmelir  eine  Dreiteilung  richtiger  sein  würde  in  SSchsisch 
(Süd englisch),  Anglisch  {Nnrdengllsch)  und  Friesisch.  Das  Friesische  steiit 
zu  deni  Anglischen  in  nächster  Beziehung,  kennt  z.  B.  nicht  die  wcstsSch- 
sischc  Diphthongierung  nach  Palatah'ii.  Die  beiden  etnxigen  lautlichen  Ab- 
weichungen (tcs  Friesischen  vom  Englischen  sind  die  Vertretung  des  germ. 
at  und  au  durch  i  und  d:  ac.  ri  und  äi,  und  selbst  diese  Abweicliungen 
wiegen  nicht  schwer,  weil  afrs.  <i  aus  vorlitterarischem  f'a  entstanden  sein 
kann,  und  weil  das  afrs.  6  ziemlich  jung  ist,  wie  die  VerkOrzung  des  genn. 
(7/  ZU  a  ze%t  —  auch  das  ae.  ti  <.  ai  ist  vcrhriltnismässig  jung  und  vermut- 
lich erst  auf  brittischem  Boden  entstanden ".  Man  kann  den  grössten  Teil 
der  alteiigl.  Grammatik,  zumal  wenn  man  vom  Anglischcn  und  nicht  vom 
Weslsadisischen  ausgeht,  fast  wörtlich  auf  das  Friesische  anwenden,  und 
ähnliche  Übereinstimmung  zeigt,  bei  ZuhQlfenahmc  der  neufriesischen  Mund- 
arten, auch  der  Wortschatz;  vgl.  Ktuge,  Grdr.  *  I  f>43.  Von  besonderer 
Wichtigkeit  ist  es,  dass  wir  einzelne  lauilidie  Charakteristika  der  an glof riesischen 
Sprache  bis  in  den  Bt^nn  unserer  Zeitrechnung,  den  Schwund  des  n  vor  j, 
/  und  p  imter  F.rsatzdchnung  und  cEen  Lautwandel  des  nasalierten  d  zu  ö  so- 
gar bis  in  das  i.  Jahrh.  v.  Chr.  zurOck  zu  datieren  vennögeri",  ein  Beweis, 
dass  dieser  Sprachstamm  :ds  solcher  bereits  um  Chr.  Geburt   bestanden  hat 

Letztere  Annahme  wäre  ohnehin  kaum  zu  umgehen.  Die  Friesen  sassen 
damals  in  der  nicderlfludi^chcn  Provinz  Fricsland,  die  Vorfahren  der  Eng- 
länder an  der  deutschen  Xnrdseekftste,  in  Schleswig  und  Dsncmark.  Sind 
auch  die  von  der  Fnismümlung  bis  zur  Elbe  wohnenden  Chauci  dem  anglo- 
friesischen  Spradistamm  zuzuzählen,  so  bleibt  doch  der  geographische  Abstand 
so  gross,  dass  in  diesen  Wohnsitzen  keine  Mr^lichkcit  zu  gemeinsamer  sprach- 
licher Entwicklung  gegcbtni  war.  Jene  Spracheinheit  muss  entstanden  sein 
zu  einer  Zeit,  als  die  Wohnsitze  einander  näher  gdcgi^i  haben,  und  damit 
werden  wir  in  eine  \'orch ristliche  Zeit  zu rtlckge führt,  die  vor  unserer  ältesten 
geschiditlichen  Überlieferung  weit  zurückliegt.  In  dieser  Zeit  muss  es  einmal 
eine  relativ  einheitliche  ethnographische  Gruppe,  wir  dürfen  wohl  sagen,  ein 
Volk  gegeben  haben,  aus  dem  durch  Spaltung  und  besonders  Auswanderung 
die  geschichtlichen.  cinzeUien  anglofriesischen  Stämme  hervorgegangen  sind. 
In  «liest;  Zeit  zurück  führt,  wie  die  Spraclie,  der  den  anglofricstschen  Stäm- 
men gemeinsame  Vntksname  der  Ingwiaiwcn  i§   12z). 

1  Einiges  i»t  Dcucrdings  ztiuimmcQgcitrIlt  von  L.  Morsbacb,  Ai^in,  Bribbitt 
Vn  (1897)  324—331.  Vgl.  «och  umcn  g  143.  —  "  Verf..  IF.  IV  24  f.  27,31. 
—   "  Verf.,   \V.  IV   14-3' 

§  \22.  YÄi\  näherer  geschichtlicher  Zusammcnh;ing  zwischen  ilcn  Friesen 
und  den  angelsächsischen  SLlmmen  geht  aus  keinem  geschichtlichen  Zeugnis 
hervor.  Der  Name  Ingwiaiweii  *  ist  für  die  Bewohner  von  Jütland,  Schleswig- 
Holstein  und  des  nördlichen  Teiles  der  Provinz  Hannover  bezeugt,  aber 
niclit  speziell  filr  die  Friesen.     Dass  letzlere  uns  nicht  ausdrücklich  genaimt 


werden,  ist  indessen  bei  der  Mangelhaftigkeit  der  Bele>:e  nur  ein  ZtiTall;  auch 
<ijc  Angeln  und  Satliscn  werden  uns  nicht  direkt  genannt  Wenn  die  Sprache 
atif  eine  alte  Zusammengehörigkeit  von  Friesen  und  Angelsachsen  mit  z«'in- 
gender  Xulwendigkeit  hinweist  und  wegen  der  spateren  Wohnsitze  diese  Zu- 
sammenjrehOrigkdt  aus  vorchriätücher  Zeit  stammen  inuss  ($  121),  und  wenn 
wir  andrerseits  zu  Beginn  unserer  Zeitrechnung  einen  ethntigraphischen  Ge- 
sanitiiamcu  für  eiQc  Reihe  vün  nur  mivullsianüig  belegten  Stammen,  zu  denen 
auch  die  spateren  Angelsachsen  gehören,  vorfinden,  so  dßrfcn  wir  ohne 
u-eilercs  die  Friesen  dieser  Gnippe  zuzühlen.  um  su  inelir  als  nach  unseni 
Quellen  nur  die  Wahl  bleibt  sie  etuweder  den  Ingu-iaiwen  zuzuzahlen  oder 
den  fränkischen  Istraiweu,  Jenen  sie  sprachlich  ja  ungleich  ferner  stehen. 
Die  Zeugnisse  für  die  Ingwiaiwcn  sind  die  folgenden: 

1)  Plinius,  A*. //.  IV  99:  »Germanorum  genera  quinque:  Vandili. , 

alteruni   genus   Ingir-aeoncs,   qunruni    |>ars   Cimbri,   Tctitoni   ae   Chaucorum 
gentes.«     Dazu 

2)  Tacitus,   (jrrm.  2:  "proximi  Oceain»  Ingaevunes». 

Tacitus  sagt  nirht  mehr,  als  w;is  wir  l'linius  enlneliraen,  dürfen.  Letz- 
terer zeigt  IV  <^  eine  so  klare  Auffassung  der  germanischen  Slammesvcrliall- 
nissc,  wie  wir  sie  sonst  nirgends  finden,  aucli  bei  Tacitus  nicht  Vgl.  über  seine 
ZuverUlssigkeit  oben  S.  743.  Die  5  Hauptatamme,  welche  l'linius  unter- 
schc-itlcl.  füllen  die  Germania  magna  aus.  Es  fehlen  bei  dieser  Aufz<Uilimg  nur 
die  Skndinawier.  Als  pars  dt-r  Ingyaeones  nennt  Plinius  >Cirabri,  Teutoni  ac 
Chaucorum  gentes«.  Das  wflren  also  die  Nordseevulker  von  der  Eins  bis 
nach  JiUland  hinauf.  Denn  unter  den  ("imbri  und  Teutoni  versteht  Plinius 
die  Bewohner  von  Jülland  und  Sclik-swig- Holstein.  Wie  Müllenhoff  (A  A, 
II  117  1.)  meines  Erachlens  in  überzeugender  Weise  dargethan  hat*,  gab  w  xu 
Plinius'  Zeit  keine  Viilk^r  mehr,  welche  diesen  Namen  wirklich  getragen 
hatten.  Den  Namen  Cimbri,  den  die  römische  Geographie  auf  Juiland  haften 
licss,  behielt  man  aber  ebensn  wie  den  der  Teutoni  oder  Teuloues  bei. 
Diejenigen  Völker,  welche  Plinius  unter  dein  gei."graphischen,  nicht  ethno- 
graphischen Namen  der  Cimbri  und  Teutoni  als  Inin^iaiweii  bezeicimen 
wollte,  sind  also  die  jütischen  und  schleswig-hnisteinschen  Nerthus- Volker ' 
des  Tacitus,  die  nacimialigen  Angelsachsen.  An  diese  sdiliessen  sich  auf 
der  linken  Seite  der  Elbe  unmittelbar  die  als  ingwiaiwisch  namhaft  gemachten 
Chauci  an,  welche  südwärts  bis  nach  Hannnver  hin,  westwärts  bis  zur  Eros 
Wühriteii.  Da  Plinius  bei  den  Ingwiaiweu  .so  wenig  wie  bei  den  andern  vier^ 
»Gennanomm  genera«  a!le  einzelnen  Völker  anführt  welche  jenen  grossen' 
Hauptstammen  zuzuzahlen  Sind,  so  isl  man  berechtigt  zu  fragen,  welche  von 
Plinius  nicht  genannten  Völker  man  aus  andern  Gründen  dem  einen  oder 
dem  andern  dieser  Haupistamme  zuteilen  darf.  Als  ingwiaiwisch  durfte 
man,  selbst  wenn  es  die  Sprache  nicht  bewiese,  a  priori  zunächst  ihe  Friesen 
in  Anspruch  nehmen,  weil  diese  geschichtlich  den  Cliauci  am  nächsten  stehen». 
Der  Xaine  Ingwiaiwcn  deckt  sich  also  mit  dem  sprachlichen  Begriff  Auglo- 
friesen.  Im  J.  T(x>  n.  Chr.  nahmen  diese  ingwiaiwen  das  Gebiet  ein  nörd- 
lich einer  Linie,  die  man  sich  etwa  von  der  Mundung  der  Zutder-Scc  nach 
Münden  und  von  hier  nach  Hamburg  hin  ziehen  mag.  Von  Holstein  war 
■der  westliche  und  mittlere  Teil  ingwiaiwisch.  Schleswig  und  Jütland  ganz  und 
nach  i>  1 11   auch   Fünen.     Vgl.  die  Karte  zu  S.  8ik). 

i)  Plinius.  X.  //.  IV  q6.     Der  Schriftsteller    beschreibt   die    KOste 
Oceanus  septentriunalis.     Nachdem  er,  von.  Osten  kommend,   alleriei  Sagen*' 
kiiftcs  von  den  Scythen  den  griechischen  Geographen  nacherzählt  hat,    fahrt 
er  for:  »Imipit  deinde  darior  aperiri  fama  ab  gcnte  Ingua^-onum,   quae  est 


QJ,  C  AsGEXiFRiesEK.     j.  Friesen. 


845 


prima  in  Gemiania.  Mons  Sae\-o  [das  nonnegiiiche  Gebirge]  ibi  inmetisus 
....  inniancni  ad  Cimbruruni  usquc  promuntorium  [Kap  Skagcn]  cfficit  ai- 
num.  cjui  Co<ianiis  vocatur  [Skagcrak  hf  zw.  Kaitcgal],  refcrtus  insulis,  qiiarum 
clarisäima  est  Scadinavia  in«  ompertae  magniludinis.»  Dass  die  Kjöleii*  dem- 
selben Festland  angehi>ren  wie  Schweden,  war  der  römischen  Geographie 
nicht  bekannt.  Man  glaubte,  zwi.schen  den  Inseln  Norwegen  und  Schweden 
fliesse  das  Meer.  Sdiweden  ist  ihm  Scadlnana.  und  zwar  kennt  er  dies 
Land  als  eine  Insel  des  siniis  C'odanu.s  welcher  auf  iler  einen  Seite  von 
dem  mons  Sacvu  begrenzt  wird.  Der  sinus  Codanus  ist  bicinach  das  Ska- 
gerak  und  Kattegat.  Als  Anwohner  dieses  sinus  Codanus  kennt  Plinina 
die  gens  Inguaeonum.  Da  er  angiebt,  da.ss  der  den  Römern  bekannte  Teil 
Skadinawiens  von  der  gens  Hille\ionum  bewohnt  wird  und  zwar  *quingentw 
inculente  pagis-  (,V.  //.  IV  06.  vgl.  oben  §  loj),  so  miiss  er  sicii  die  Ingwiaiwen 
im  sQdlichen  Norwegen  oder  in  Jutland  ansässig  gedacht  haben,  jcdcnfalb» 
letzteres  wegen  der  Worte  »inripit  deinde  clarior  aperiri  fama  ab  gente 
Inguaconiun*.  denn  Jutland  Ist  das  nördlichste  germanische  Land,  das  den 
R/Jmeni  bekannt  war.  Und  wenn  sich  Pliniu.s  auch  den  mons  Saevo 
innerhalb  chs  ingwiaiwischen  Gebietes  gedacht  haben  sollte,  was  nicht  mit 
Notwendigkeit  aus  der  Stelle  hervorgeht,  so  würde  daraus  nt>eh  nicht  zu 
folgern  seiu,  dass  die  Ingx^Taiwen  auch  in  Norwegen  gesessen  haben.  Denn 
Plinius  dachte  sich  den  mons  Saevu  nicht  in  Skadinawien  sondern  als  eine 
besondere,  westliche  Insel.  Als  »prima  ^n  Germania-«  bezeichnet  er  die  ing- 
wiaiwische  gens  iusofeni,  a!s  er  vorher  von  scyttiischen  Völkern  gcsprocheu 
hat.  Wie  man  sieht,  besteht  also  zwischen  dieser  Stelle  und  der  erstge- 
nannten kein  Widerspnich  *. 

1  Zur  XamciiTorm  v»;!.  g  81  Xole  1.    —    *  Antlers  R.  Miicli.    HBB.    X\1I 
216  f.  und  O.    Zi|»pcl,   l}i>   Heimat  der  Ktmbern.    Hrogr,,    Ktini^sbvi^  1893,   S.  9; 
rgl.  auch   H.  Müller,   AftlA.  XXII   133— Ij6.   ~  '  Vgl.   Zeuss   138  f.,  Her  be- 
sonder? djiniiir  hinwri»!,  de»  die  Chamn,  biKhi:r  ntit  d^n  Rilniem  vcrttfindrt,   dcrvD 
Feinde  wurden,  »cilialtl  nch  die  Frieden  ge^en  die  Rünier  rmpörteii.  —  *  Die  Deutung 
<>■   Kossianas.  IF.  \\i   308— 3T0,  <lnss  nach  der  leUCcn  Stellf  die  Däne»  unter 
den  Ing%b'iaiw(ni  zu  venlcben  »den,  luino  ich  mir  nJchl  zu  eigen  machen. 
Anm.     Der  Xamc  Ingwiaiwcn  l»t  möglicherweise  bcrciw  gegen  Ausgang  de»  4.  Jahrl«. 
V.  Chr.  dem  Pychens  Itekannt  pewcsen  und  «war  in  Schlcswig-Hohiein,  wenn  iiinil  nfim- 
lich  dm  bei  Plintu«  (A*.  H.  XXXVII  35)  tiberiieferten  Namen  Guictwi  wsa  EfrYlONEC 
herleitet;  v^l,  D.    Deilcrsca,  1%.  d.  Ges.  f.  Scblesw.-Hobc^l^nenb.  Ocscb.  XV  (r885> 
325  f.    und    ."V.    Riese,    Das    Rheinis\ke  Orrmnnim  in  */r-r  anlikm   Littfrntur.    Leipzig 
1892,  S.  476  a  und  494.     Ich  hatte  eü  litr  wAhmcheinlicher,  dau  Cutonei  xu  Icmh  (g  51), 
und  oehinc  dcmoacb  an,    da«  die  In^iajwen  erat  nach  deni  Abtugc  ikr  Goten  um  joo 
T.  Chi.  (§  53)  «lon  Osten  oder  Süden  in  SchlesM-ii^-Halsteiu  einrückte»,    um  sich   allmil)- 
llch,    den  SkAdinawiem  fclgcnd,  bis  Aber  die  dänischen  Inaclo  auszubreiten. 


I.   Friesen. 

T,  D.  Wiarda,  Ost/riniuhe  Gnckichte  I— IX,  Auriclt  1791— 98;  X,  l.  uml 
3.  Abtb,,  Leer  1817.  —  Zeuss  136—158,  397—400,  583.  —  W.  Eekhoff,  Brkitopte 
geichieiirnis  van  Friesland,  Leeuworden  1851.  —  II.  F.  W.  Pcrizootus,  Geu:küki* 
Ottfries/aniis,  ^  &le,,Vn'tener  iSbS — 69. — J.  Bolbuis  vab  Zeeburgb,  Kritifi 
der  Frificht  gezchiedtchrijviHg,  's  Gravenha{>e  1873.  —  O.  Lcding,  Die  Freihtit 
der  Friesen  im  Mittelalter,  Kmdcii  1878.  —  K.  v.  Ricblbofen,  Unteniuhungen 
über  Frietiiche  Re^htigtichichie,  3  Bde.  und  Xhcil  lU  Abschnitt  1.  Berlin  1880. 
1883.  1886.  (Daraus  sepamt:  Xwi  Karten  von  Frieihind  im  netinten  und  im  drei- 
lehnten  Jahrhundert .  Berlin  1883.}  —  Hoott  van  Iddekinge,  Frieslandende 
Friesen  in  de  middeUeutivn,  Leiden  1881,  —  J.  Winkicr,  Oitd  A'ederütnd.  's- 
Grvvctüu^je  1888.  —  Tb.  Siebs,  Zur  Geiehiehte  der  englisch-frieiiseheH  Spraehe 
I,  Halle  1889,  S.  5—33.  —  P.  J.  Block.  Frieshutd  im  Mittelalter,  Ülwrseüt 
von  O.  G,  Houlrouw,    Leer  1891.    —    A.   Meitsen,    Siedelung  und  Agrar' 


S46 


XV.  Ethkockaphif.  der  germaxischen  St.Xmme. 


Wi-wüi   n,  Berlin    1895,  S.    T  — 53.   —  G.  Sello,  SaterlanJi  äittrr  ürarAffMte  ttnd 
rer/asiung,  Oldriiliurj;  uinl    Ldpüig    1896, 

§  I2.V  Die  .'Üteslen  hisiorischcn  Sitze  tler  Friesen  (vgl.  oben  S.  804)  sind 
nach  unscra  Quellen  zweiMlos  die  Munjcheii  zwischen  Zuider-Sec  uud  Ems 
^richtiger  Burtanger  Moor)  gewesen  *,  in  welchen  noch  heute  Friesen  wohnen, 
und  in  deren  wesUichcr  Hälfte  Me  noch  heute  ihre  friesische  Sprache  tK'wahit, 
haben.  Die  Frit^sen  sind  also  der  am  weitesten  nach  Westen  vorgeschober 
Stamm  der  Ingwiaiwfii  gewe<ien.  Wir  wissen,  dass  Friestand  einst  keltisch  war 
(§  3'>^3**'-  Die  Friesen  sind  alsü  von  Osten  eingewandert.  Sei  es,  dass 
sie  zur  See,  sei  es,  dass  sie  zu  Lande  gekommen  sind,  die  Ktgentflmh'rhkeit, 
dans  sie  .lich  ausschliesslich  auf  Mari>chboden  nieder^lassen  mit  absichtlirher 
Vermeidung  des  Gepsibndens  (z.  B.  bei  Groningen),  weist  darauf  hin,  das* 
sie  mit  solchem  R.^den  bereits  vertraut  waren,  folglich,  dass  sie  entweder  au» 
Ostfriesland  ofler,  da  auch  dieses  gegen  Ausgang  des  4.  Jahrhs.  v.  Chr.  Ge- 
burt noch  im  Besitze  der  Kelten  war  (§  38),  aus  der  nordfriesisdien  und 
dithmarschen  Marsch  an  der  Westküste  von  Sclilesmg- Holstein  gekommen 
sind.  Mit  diesen  zu  erseht iessenden  IJrsilzen  hätten  wir  auch  den  im  §  \2\ 
vennissten  geographbiclieii  Anscliluss  an  ilire  englischen  Brüder  gewomicn. 

1  Vgl.  bcsondirrs  Plinins,   .V. //.   IV   15;    Tac^  Germ.   34;    DJQa  Kassioj 

UV  J2:  Ptol.  Um.:. 
§  124.  Die  Friesen  wurden  im  J.  i.;  v.  Chr.  von  Drusus  unter^'orfen ', 
befreiteu  sich  aber  im  J.  2S  n.  Chr.  «-ieder*.  Im  J.  47  sich  aufs  neue  im- 
terwerfend ',  haben  sie  seit  60  ihre  ^Selbständigkeit  behauptet  *.  Sie  liaben 
ihr  Gebiet  bereits  im  i.  Jahrb.  n.  Chr.  auszudehnen  gesucht.  Corbulo  wies 
ilmen  icn  J,  47  neue  Sitze  (westlich  der  Zuider  See?)  an".  Aber  aus  dem 
von  ilmen  im  J.  58  besetzten  Strich  zwisclicn  dem  unteren  Rhein  und  dem 
reell t.sr heinischen  limes  wurden  sie  von  den  Römern  wieder  vertrieben  *  Sie 
aerficicn,  wie  andere  Stümiue,  in  majores  und  minores;  Ictzlcrc  waren,  wie 
■es  si'lieint,  über  die  heutige  Zuider-See  nach  dem  nördlichen  Nord-Holland 
hinübergewandert.  Ihre  spatere  Auibreitung  längs  der  niederl.lndisclien  Küste 
bis  zur  Schehle-Mondung  im  7.  Jahrh.  ist  problematisch.  Es  liandelt  .sicli  hier 
nur  um  eine  Aus<)ehnung  ihres  Machlt)erciches  Ober  niederfrlinkische  Stamme. 
Aber  es  ist  uieht  erweisbar,  dass  das  von  Friesen  bewohnte  Gebiet  je  ein- 
mal sQdi*-arts  über  Amsterdam  mxl  Alkmaar  hinaus  gereicht  hatte,  wo  sie  an 
■die  friinkischen  Caniienefates  (§  i/c^'t  grenzten".  Diese  westlich  der  Kuider- 
See  wi>hnenden  Friesen  bicssen  im  Mittelalter  Wcstfriesen;  ihre  Oslnachbam. 
die  wir  heute  Westfriesen  nennen,  hicssen  Mittclfriesen  Die  Abs<inderuni; 
der  Ustfricsen  fand  statt,  als  die  Chaud  das  heutige  Ostfriesland  gerSunit 
liatten.  Das  westliche  Friesland  wurde  689  durch  Pippin  von  llerisiat,  da*^ 
mittlere  754  durch  Karl  Martell,  das  östliche  bis  zur  Wesermündung  775 — 
785  durch  Kad  den  Grossen  mitcrworfen,  und  seit  dies«  Zeit  haben  die 
Friesen,  ungeai  litcl  einer  gewissen  selbständigen  Stellung,  ihre  politische  Utiab- 
häugigkeil  verkiren. 

1  DiCn  UV  31.    —    «  Tac.  Ann.  IV  7J  ff.    —    »  Tac^  Ann.   XI   19.    — 

<  Tac,  JIM.  IV  15  r.  —  &  Ttc.   Ann.  XIII  54.  —  «  üüt.  IV  15  f.  Vgl.  dun 

J.  G.  Oltcnift.   t)c   Vrijc  Frits  IV    105 — 182. 

S  t.'-i.  Nach  Proku])ios  (Ä  G.  IV  20.  Pö^oC)  hatten  sich  Friesen  an  der 
Besiedlung  Englands  beteiligt  —  «-ir  können  ihre  Spuren  hier  nicht  feststellen. 
Ein  FmuncfcUi  nLirdlidi  dtr  unleren  Un.strut  bezeugt  uns  ihre  Beteiligung  an 
<ler  sjlihsischen  Kolonisation  Nordthüringens'.  1143  werden  Friesen  geuanul 
als  Kolonisten  in  dem  osthoUteinischen  Kirchspiel  Süssel,  und  auch  sonst 
haben  sicIi  Friesen  vereinzelt  an  der  Kolonisation  von  Nordostdeutschland 
tcteiligt«;  vgl.  dcu  häufigen  Namen  Frese  m  Norddeutschland. 


HI.  C  I.  Friesbx. 


847 


1  Ltlteraltir  s.  Ndd.  Jb.  XIT  58  Fussnote.  Du«  Friesen  die  Kante  I.ant]- 
■chart  iiorHIich  der  unteren  Uosirut  bis  Wippra  und  Eialeben  bcuedelt  haben, 
nuiM  wegen  der  tltüringitchtn  Onsnamen  itit -stft/t  dcd  'radf  als  aasgcscbloiisen 
gellen,  sowie  deshalb,  weil  wir  keinerlei  Spuren  von  frie>isclicr  Sprache  nach- 
weisen können,  wShrend  »ich  volche  doch  in  dem  Ötilicheren  Hoieg.-iu  ünden. 
Di«  thäcinFn^'che  BevÖlkeruD);  i»t  <i1Tcnbnr  bitten  f;ebliet>cn,  und  das  debiec  ist 
nur  einer  Frie^cnschar  iui;esptf>clien  worden.  Friesen  werden  ü««  Dorf  Fries- 
dnrf  (bei  Wippra)  und  die  l-'rie§.enliurg  (südöstlich  von  Wippra)  Kecrändet  hüben. 
beide  unmiltelliar  an  der  NorilercTuc  des  Fnescnleldcs  |>elct:en.  Vgl.  11  ci> 
unten  §  £44  AniTi.  —  *  Cbcr  weslfritrsische  Kolunicrn  im  Hildtslicimschcn  aus 
dem   12.  Jahrh.  vgl.  Ndd.  Jh.  XII   72   Ftisinittc. 

§  12b.  Wir  teilen  rJie  alt-  und  iieufriesiM-hen  Mundarten  gcwolinticitK- 
massig  iu  /.wei  Gruppen  ein:  west-  und  (istfrifsisrh.  Hierbei  bleibt  das  im 
Mittelalter  Weslfriusland  Kcnannle  Gebiet,  aus  welchem  wir  keine  Spradi- 
denkiiiJiter  h.ilien,  ausser  Bftraebi.  Die  Grenze  zwischen  den  l)cidcn  west- 
friesischen Gauen  We^trrg..  und  <.Mergc.  und  den  ristf riesifw  hen  Gauen  bildet 
die  I^ut'vs;  die  heutige  Provinz  Grniiingeu  gehörte  n"rh  zum  osifricsischen 
Gebiete.  In  Wirklichkeit  sind  die  niundanUrhen  Unlersrhiede  /wiscliea 
West-  und  Ostfriesiscli  zu  Beginn  uiuterer  litte rarischen  überlief erunfj  um 
1300  noch  sehr  gering,  Auch  die  spätere  Kntwicklung  der  Sprache  zeigt 
eine  aUniahliche  Abstufung  nach  Osten  hin.  Stärkere  .\bweichunjjen  zeigt 
vor  allem  die  links  der  Wescmiünduug,  in  Butjadingen  und  im  Wangerlaiide 
jjesprocheiie  Mundart  der  KOsIringer  (gegenwärtig  noch  durch  die  Insel 
Wangeroge  rcp rasen tiert).  Wenn  es  nach  der  Sprache  zweifelhaft  er^heinen 
kann,  ob  die  Friesen  je  in  die  zwei  gesonderten  Gruppen  der  West-  uml 
0>ifiiesen  zerfielen,  so  ist  innerhalb  Westfricslands  ein  grusserer  sprachlicher 
Unterschied  vorhanden,  der  noch  nicht  gcbilhn'nd  gewürdigt  ist!  Heute 
zurürkgedr.ingt  durch  dys  in  der  niederländischen  Pntvinz  Kriesland  hei- 
schende =  Laodfne*iscli-.  wird  im  aussersten  .Sfldwesten  dieser  I'ruvinz,  be- 
sonders in  Hindelopen,  eine  erheblich  vüu  dem  übrigen  Wcstfricsiachen  ab- 
weichende, leider  aus  altfriesifichcr  Zeit  nicht  belegte  Mundart  gesprochen, 
das  sogenannte  »Zuidhoeksch-.  In  Anbetracht  des  bedeutenden  sprach- 
lichen Abstandes  darf  es  als  wahrsrheinlicli  bezeichnet  werden,  dass  wir  in 
dem  Zuidhoekscb  einen  Rest  der  Mundart  vor  uns  haben,  wie  sie  wcstlicli 
der  Zuider-See  gespruclieu  wurde. 

Schon  im  frühen  Mittelalter  waren  die  Friesen  in  verschiedene  Stamme 
gespalten,  und  der  alle  Friesen  umfassende  politische  ßund  gehurt  in  das 
Reich  der  Fabel.  Wie  es  in  dieser  Hinsicht  l)estclU  war,  Schilden  uns  an- 
schaulich J.  CadovJus-Müller  in  seinem  lOfji  vollendeten  Memoriak  Unf>H(e 
Friiüüt^'.  -So  ist  auch  dieses  naclidencklich  v^iu  der  alten  Oistfrisisclien  Sprache 
zu  wissen,  dasz.  weilen  die  altc-n  Oistfrisen  nicht  unter  einem  Haubt  und 
Für^teti  wahren,  sondern  fast  ein  jehdes  Kirchspicll  und  DorfE  (long)  hatte 
seinen  eigenen  Herren  und  Haubtling  (capitaneum),  welche  aljcr  fast  alle 
Zeit  mit  einander  Streitigkeit  hatten,  su  hielt  sich  ein  jegliclies  Theil  in 
Semen  Grentzcn  und  hatte  keine;  grosse  Gerne  inschafft  mit  ihren  Xachhahron; 
daiinenhcro  sind  grosse  und  viele  dialectus  in  der  alten  Oistfrisischen  Spra- 
dien  gewest,  dasz  fast  ein  Nachbalir  den  undeni  kaum  hat  verstehen  können.« 

t  ed.  L.  Kfikclhan,  Leer  1875,  S-  '4< 

§  [27.  Die  friesische  Si>rache  ist  heute  nur  noch  in  der  Provinz  Friesland 
und  in  dem  Saterlande  lebenskräftig-  Das  westlich  der  Zuider-See  gespro- 
chene Friesisch  ist  im  17.  Jahrh.  ausgestuiben.  Ebenso  ist  die  Sprache  in 
Ostfriesland  im  Laufe  des  17.  Jahrhs.  bis  auf  geringe  Rette  ausgestorben  ^ 
Auf  Wangertfge  und  in  der  Kolonie  Neuwangeroge  bei  Varel  ist  die  Sprache 


gegenwartig  im  Aussterben  l>cgriffeii:   iSicjo  zahlte  man  hier  im  ganzen  nur  3? 
Menschen,  welche  der  friesischen  Sprache  noth  mächtig  waren. 

Ein  kräftiges  Stamm  e^bcwusstsein   aber   ist   heute   noch  bd  allen  Fneseti 
lebendig  *. 

1  Einige  Zcu^isse  PBB.  Xllt  550  Anm.  ond  Sello  S.  63  Anni.  —  ^  Be- 
zcEcbßcnd  iftt,  dies  liet  <ler  VolkszShIunf;  1B90  im  RceicnuiKsIxzirk  Aurich  aahfjca 
25000  FrieKn  lätrShlt  wurden,  die  al«  ihic  Mmtcrspracho  Fricsucb  auigcyebi'm 
biibt:n,  wllbT<-ntl  sie  «lax  ostfricsiKbe  hlattdeuiicb  spnxh<;ti. 

Nordfriesen. 

A.  L.  J.  MichclBcn,  J^'orä/r/fs/anä  im  AlilUlalUr,  äcblctwjf;  tSlS.  —  ZcDSS- 
399  f.  —  K,  Miiltcnhoff,  Nordalbingischc  Studien  I  (1844)  itl — 114.  —  C, 
P.  Hadsco,  t'kromk  der  p'rinifcftai  Uthlande*,  Gording  1877.  —  K.  J.  Cle- 
ment, SchUrtcig,  das  urkrintiscHt'  Land  dfr  Angeln  ttnd  Frtsrn.  Mambuis 
1862  (auch  u.  tl,  TilH:  Sf/i/nvig,  das  Vrheim  dfr /tngrln  und  I-'nsrn,  Hambuis 
IÄ67),  —  V.  I.anghuiii),  CArr  di-n  Ursprung  drr  Xttrt/frirsrn,  Wien  1879.  — 
H.  Miillcr,  /im  nltmgiiiitu  fniJksrpos  I,  KiH  1883.  —  O.  Bremer,  Xdit  Jb. 
XIII  1  —  12.  —  B.  lei»  Brink,  BfO'jmt/.  Slras&biirg  1888.  —  K.  M(lllcnht>rf, 
Jitfivutf.  Berlin  1889.  —  Tli,  Sieiis,  Zur  Gruhichte  der  mgliuh'frien'uhm 
Spraihe  ],  Ilalk-  1889,  S,  32—30.  —  I,.  Weiland,  Die  Angel».'  Tülii»gi-n 
1S89.  —  P.  Ljiiiridstii,  Om  Nordfrisfmes  indvandring  i  Sonder jyliand.  Htst. 
lidikr.,  6.  r.  IV  (1893)  318 — 367.  —  A,  D.  Jorcenstrn,  frisernes  indvaudrinff 
i  Souderjylland,   Siiadftjj'dikc  urb^'fi^r  1B93,  S,  117 — 190. 

§  128.  Eine  besondere  Stellung  nehmen  die  Nordfriesen  ein.  Sie  zcc- 
falleii  in  zwei  scharf  getrennte  Grupiien.  Zu  der  einen  gehören  die  Bewohnefj 
von  Sylt,  Jlet^uland,  Fuhr  und  .\mruni,  zu  der  andern  die  Bewohner  der 
Halligen  und  der  Sihlt:swigschcn  Westküste  zwischen  Husum  und  Toiidcni 
und  gehörten  bis  in  das  17.  Jahrh.  hinein  die  Pelwomaer,  Nordstrander  und 
Eidcrstcdtcr,  w^elrhe  seitdem  ihre  Sprache  mit  der  plattdeutschen  vertauscht 
haben.  Innerhalb  jeder  dieser  beiden  Gruppen  sind  die  sprachlichen  Unter- 
schiede SC)  bedeutend,  dass  eine  Versiilndigung  zum  Teil  kaum  n«>fh  mög- 
lich ist;  gänzlidi  ausgeschlossen  ist  eine  solche  zwischen  den  beiden  Grup- 
pen selbst  Die  Unterschiecte  gehen  in  das  frühe  Mittelalter  zurück.  Das 
Festlandsfriesisch  (mit  Einschluss  der  Halligen)  ist  eine  Sprache,  welche  zu 
dem  West-  und  Oslfriesischen  in  so  naher  Bczichiuvg  steht,  dass  kein  Zweifel 
Über  die  Herkunft  dieser  Friesen  walten  kann.  Während  diese  sich  selbst 
Friesen  nennen  und  ebenso  von  ihren  Nachbarn  genannt  werden,  ist  dieser 
Name  bei  den  Bewuhnem  jener  vier  Inseln  nicht  gebrauchlich,  und  deren 
Sprache  weicht  vnn  der  uns  bekannten  friesischen  Sprache  dermassen  ab^ 
eine  Zurückführung  jener  Mundarien  auf  das  Altfriesischc  ist  sti  undurch- 
führbar, dass  es  zweifelhaft  ist,  ob  wir  es  flberluiupt  mit  Friesen  zu  thnn 
haben  «ider  nicht  vielmehr  mit  einem  andern  anglofriesischen  Stamme.  Darf 
man  eine  hervorragend  altertümlidie  Übereinstimmung  mit  dem  WestsJIcli- 
."iisclien,  die  mindestens  bis  in  die  westgermanische  Sprachjwriode  zurückrei- 
chende Diphtliongierung  nach  Palatalen  als  Kriterium  wählen  ^  si)  wünic 
die  Annahme  geboten  sein,  in  jenen  Insel bewohneni  die  kf(niinenl.-den  Reste 
von  de:i  nach  England  atisgewandert cn  Weslsadiscn  zu  sehen.  S«>  lange 
indessen  die  Hindeloper  Mundart  (§  12h)  noch  nicht  nälier  erforscht  ist,  er- 
scheint es  mir  geratener,  einstweiten  die  Frage  nach  der  Herkunft  jener 
Inselbewohner  in  der  Schwebe  zu  lassen.  Gesetzt  aber,  die  Erforschung  der 
Hindeloper  Mundart  ergilbe  ein  negatives  Ergebnis,  so  würden  wir  immcrhitt 
noch  mit  tler  Mügüchkeit  einer  anglofriesischen  Kolonie  aus  detn  GdiictB^ 
der  Rheinmündung  (§  130  und  132)  zu  rechnen  haben. 

Die  historischen  Zeugnisse  über  die  Nordfriesen  lassen  nichts   von  der 


I 


III,  C»  I.  FaiESEM.    2.  Akgelsachsek. 


849 


Spaltung  in  die  zwei  Gruppen  erkennen.  Wenn  als»  ein  Zeugnis  für  die 
Einwanderimg  nus  West friesi and  sprichi,  sn  braucht  dasselbe  nur  auf  die 
Festlandsfricscii  bcz(»(;ren  zu  werden.  Kiii  si<  hcrcs  lusloiiscliis  Zrupiiis  fehlt 
allerdings.  Aber  mit  einiger  WalirscheiiUiciikeit  dQrfcn  wir  Langtians  folgen, 
der  (S.  34 — 38)  die  AnNairs  P'ttlJatses  rxim  Jahre  857  herbeizieht":  »Rorih 
Nordnmriiius,  qiü  pnicerat  Doreslado,  cum  cünsensu  duminl  sui,  HIotharii 
regis  classem  dnxit  in  fincs  Dan-irum  i*i  i'nnsrntirntc  Hnriro  Danumm  rege 
partem  rcgni.  quac  irst  inter  inart-  et  F.j;idt)raTn.  cimj  sin  iis  suis  i>oss;edit.« 
Rorich  war  I.c'hn,sfürst  filier  friesische  Lande,  über  Rftstringen,  dann  über 
die  Insel  Walcheren.  Schon  850  hatte  er  mit  seinen  Friesen  in  tlUnischem 
Gebiete  Fuss ,  zu  f.iSÄcn  gesucht.  Die  socii,  mit  denen  er  857  das  Land 
nördlich  der  Eider  in  Besitx  nahm,  k^inncn  nur  Friesen  gewesen  sein.  Es 
scheint  demnach,  dass  die  Festlatulstfric^-n  damals  eingewandert  sind  ".  Nam- 
haft gemacht  werden  sie  zuerst  in  der  Mitte  des  12.  Jahrhs.  von  Helmold 
und  Saxo.  Letzterer  sagt  von  ihnen <:  »Hos  a  Fcisonum  gente  condttos, 
norainis  et  Hngue  sorietas  testimonif>  est;  quibus  nov.Ts  querentibus  sedes  ea 
forte  tellus  obvcnit;  quam  palustrem  primum  ac  humidam  longo  dutavere 
i'ultu.     Ammtiii>itnido  dciiidc  pruivimie  sub  nostrls  regibus  esse  cepiL* 

I'olitisch  selbstSnd^  sind  die  Nordfriesen  nie  gewesen;  sie  waren  dlintsche 
Unlerthanen,  wie  sehr  sie  auch  iliescs  Verhältnis  zu  ihren  Gunsten  xu  ge- 
stalten verstanden.  Die  Sprache  bezeugt,  dass  die  Ni>rdfri&icn  durch  die 
Danen  stark  lieeinflusst  wr.rden  sind. 

1   Verf.,  Ndit.  Jb.  XEIfg— 11  und  IF.  IV25-3I.  —  «  Mon.  Germ.  Scr.  I  370. 

—  '  Auch  nach  Jitrffcnsen    »tchl    die  Einwanderung    im    Zusammenhang   mit 

den   Raobeä^en   der  Frieden  gegen  die  Dänen   im  9.  Jahrh.     L;itiridsen  nimmt 

die   Einwanderung  um   das  Jahr    1000  an,     H.   H.   von    Schwerin,    liel^otand, 

l.und  1896,  S.  ;i  f.  bäll  es  Für  aus)tcri>rdentlicb  wahrscbeinlicli,  dus  Adam  voa 

Bremen  die  Nordfriesen  nocli  nicht  gekuniu  hat;   sie  wjren  d«o  etst  fröhuens 

im  Ict/lcn  Drillcl  des   n.  Jahiht.   eingewandert.     So   viel   ist  sicher,  du»  Kriei- 

land   bei    Adaiti   NordfriesUnd  nicht  mit  etnbegrcift,   was  tmlessen  nicht  2U  ver- 

wundein  i;t,  da  NurdfricEUod  politisch  xa  ü&nemark  gehörte.  —  *  cd.   Holder. 

S.  465. 

Anm.     Die  Sprache  der  Helgolander  nimmt  eine  Mittelstellung  xwischen   der  am- 

ringiüch-fohnngischen  und  syltringischen  ein.     Nach    der    geographischen    Lage    sollte 

man    hei   einer   Einwanderuni^    aus    dem   Westen  vermuten,    dass    die    Üesiedlung    von 

Ammm-Föhi  nnd  Sylt  von  Ilel^olaml  »us^je^ongen    sei,    «ire    nicht    diese    Annahme 

wegen    des    {auch  im   Mittelalter)    geringen    Umfnnges    von    Helgotiod    ftusge^cMosxn, 

Das  utri;ekehctft  Verhältnis  bcreugl  Petrus    Sax,    BnchrribitHi:  d'-r  intui  Hrli;<dut*d 

1636  (PäniMchc  Bibliothek   VIII,    Copenhagen   1746,    S.  !;u5 — 5^4):    Die    Helgolander 

hSUen  mit  den   Fuhri»gcni    -sonst  gute  corrcspondeDCc  gehalten,    und    skh    mit    ihnen 

beschwäi;ert,    inmas'ieii    ich    solches    auch    einem    alten    Dix-umento,    14II3.    am    Tage 

Diony«ii  datirct,  wahrgenommen  habu^- ;    in    alten  Utcinischen   Testamenten  war    -Ton 

Wischen   uml   Wcyden  auf  Helgoland  gedacht   und  von  Föhr   auf  S.  Johannis   Kirchen 

und   deren  Aitüre  gcUuiel.'      nifj-iiaik    i>t   •ui^tmehnn-n,  ila»«   die    Hrlgolamler   vmi   Ft^hr 

gekommen  sind  und  xwar  schwerlich  früher  als  im  14.  Jobrh. 


2.    Angelsachsen. 

Baeila,  Hutoria  ettUsiaxtüa  gnttü  Augiontm  (bis  731)  ed,  A.  Holder, 
Fre!l)nn:  i.  B.  und  Tübingen  l8Sj).  —  D.  Ilame,  fiislory  0/ Englnnd  fr*m  ihe 
invasion  uf  Jul.  Ctrtitr  to  Ifu  rrvoiutign  tn  röfUi,  6  tiilo.,  L»nduii  '754*— äj* 
new  ed.,  8  Bde.,  Lcmdoo  1773;  deutadi  von  Dusch,  6  Ude.,  Breslau    I7ii3~7l, 

—  O.  Goldsmitb,  Tkr  liisfory  af  England  fram  ike  tarUtit  timn  ta  tfie  drath 
0/  Cforge  11,  4  Bde..   1771;  deutsch  Ton  Scürückh.  2  Bde.,    Leipzig  1874 — 76. 

—  Sh.Turner,  'J'fif  htstory  of  thc  Angh-Saxons  J'rom  earlirst  p<ri»d  to  thf  Kw^ 
man  conqtust.  4  Bde„  London  1799 — 1805:  7.  Aufl.,  3  Bde..  Paris  1S5J.  — 
Fr.  Palgravc,  J/istaty  ef  Jinglütd  I.  jlngto-Saxon  peiicd,  X-ondon  iBjt :  Uhtory 

CermanLtchc  Philolcixic:  111.   '.'.  AuD.  &4 


lif  thr  Anflc-Sa.\oni,  nc-w  «I.,  t^iulon  n.  J.  [1S7O],  —  J.  M.  Lappcnberf;, 
Gtsehühte  von  England  l  (Im«  1066).  1!,  H.amlMirK  1834.  37;  IIT— V  v(in  R.  Pauli. 
Hamtmrt'  1853.  Goiba  1855.  0^  VI— X  (bin  1850)  von  M,  Broich,  ebd.  1890 
— 97.  —  A.  F.  H.  Schaumann,  Zur  GeirhuhU  J^r  Kroherung  Englands  durch 
gvrmnnisikr  .Y/aw^w-' (fjöidtiRcr  Studien  18*5).  Gö[iirE«n  l84>. — J-  M.  KcriMf, 
The  Saxcns  in  England.  3  ßdc,  London  1849,  2.  Aufl..  London  1876;  iicutdch 
von  II.  B.  Chr.  Brandes  a.  d.  Tiwl  £>ie  SacAsrrt  in  England,  t  Bde..  Lciptij; 
1853 — 54.  —  D.  IL  Hatgli,  Thf  tonifufsl  0/  liritain  by  tkf  Saxam,  Londn» 
t86l.  —  Tb.  MilU-r,  Hisiory  0/  Ihr  Angla-Saxons /rom  ihe  tarlirst  prri'od  lo 
thr  Norman  c^nywsf*,  I-ondon  1867.  —  J.  Hcinscb,  Die  Rritkr  drr  Angrl- 
sacAien  sur  Zrit  Karl's  dfj  (irexsen,  l>ts».,  Br^lau  1875.  —  J.  R.  Green,  A 
kislory  "/  (hf  Enghsh  Jtrofii,:  4  Bde..  London  1877—80:  2.  AuR.  l.  IL  1888; 
deuucb  von  i^  KircUiicr  u.  d.  Tilcl  Ißesthichte  d^rs  cngluclien  i'oUri,  l  Bde., 
Berlin  i88g.  —  dcrs,,  Thr  maiing  «f  England.  Ltndon  i88a,  —  der».,  TTu 
conqiieii  of  Eagltnä.  Landon  HiSj.  —  H.  Möller,  Das  altrngO'tche  i'oltj<pos  I, 
Kiel  1883.  —  E-  Winkf-Imann,  Gmhvhlr  d^r  Angeliaehim  bh  nww»  'J'odc 
j-Ulfrfä/.  Btrliti  1S83.  --  J.  Beddfjc,  Thr  reuet  of  Britain,  I.«.ndrin  |88f>.  — 
F.Y.  htiwcll  Biiil  J.  M.  M.iiUuy,  Htatory  0/  England  11,  Ijirwl.m  l88f..  — 
K,  MalUiihoff.  Brin-ulf,  Bt-rlin  1889,  S.  53  —  109.  —  A.  Mcitj:i-ii,  S/edrliing 
und  AgrnruYim  II,   Bcrliu    tSqj,    S.  99—122. 

§  I2q.     Unter  dem  Namen  Anjielsachsen  fassen  nir  eine  Reihe  \'on  nahe 
vtrwandtcn  Stammen  zusammen,  soweit  sie  sidi  an  der  Besiedlung  Englands 
beteiligt  haben.     Wie  der  Name '  besagt,  waren   die   beiden  vorhersehenden 
Stamme  die  Angein  und  die  Saclu.en.     Die  kunlinentaleii   Wolmaitze   beider 
sind    einigermassen    bekannt:    wir    werden    in    erster  Reilie    nach    Srhleswig- 
Holstein  geführt.     Hier,  jenseits  der  Langobardi  in  Lauenburg,  kennt  Taci- 
tus  {Otrm.  40)  sieben  kleinere  Stamme,  die  Reudigni,  Aviones,   Anglii, 
Varini,  Eudoses,  Suarincs  und  Niiithunes,  »nee  quicquam  notabile  in 
aUigulis,   nisi  quod   in   commune   Nertliuin,   id   est  Terram  tuatrcm,  colunt«. 
Also  eine  Amphikiyonie,   welche  die  ethnographische  Zusammengehflrigkeh 
dieser  St;imme   bezeugt.     Unter  den    genannten  Stammen    befinden  sich  di 
An(;ehi.     Die    Sadiseii    kennt    Tacitus    überhaupt   nirht.     Sie   sassen    nach 
Ftolcmaios  südlicher,  im  heutigen  Holstein.     Da  aber  der  Sachsenname  den 
Römern  kaum  zu  einer  andern  Zeil  als  unter  Augustus  (vgl.  oben  S.  743) 
bekannt  geworden  sein  konnte,   so  dürfen  wir  aus  der  Nichterwähnung  der^^ 
selben  bei  Tacitus  schlicsscn.    dass   sie   nicht  zu  jenem  Nerthus-Hunde  ge-^ 
honen,    dass    also    die    Staimncsveradiiedenheit   der    geschichtlichen  Sachsen 
und  Angeln    damals    liert;its    vorhanden    M'ar.     Ihre    politische  Zusammenge- 
hörigkeit und  ihr  Erwachsen  zu  einem  Volke  datiert  erst  seit  ihrem  gemcinT 
Samen  Scliicksal   auf   brittischem  Boden,    insbesondere   .seit   der  Vereinigung 
der    angelsächsischen    Königreiche   im   Jahre    K27.      Wührend   der    englisclie 
Stamm  nach   Britannien  hinüberzog,  haben  die  Sachsen    neben    ihren    neuen 
Sitzen  ihre  ki>ntinentak:n  Ijewalirt,  erscheinen  also  gespalten  in  englische  und 
deutsche  Sachsen.     Die  Auswanderer  haben  ihre  Beziehungen  zum  Slanim- 
lande  nicht  lange  aufrecht  erhalten.     Im  Laufe  der  Zeit  sind  sie  zu  einem 
andern  Volk  geworden.     Mehr  aber  noch  haben  sich  ihnen  die  kontinentalen 
Saclisen  (hirch  Aufnahme  frUnkischcr  und  thüringiwhcr  Elemente  entfremdet, 
und    ihre  zunehmende  Verschmelzung  mit  den  deutschen  Stammen  hat  jeUt 
den  beredätcn  Au:idruck  in  der  .^imahmc  der  hochdeutsi'lien  Sprache   gefun- 
den.    Das  Volk  der  Sachsen  hat  also  seinen  Anteil  gehabt,  activ  und  passiv, 
an  der  Begründung  der  beiden  grossen  Nationen,  zu  welchen  die  westgermani- 
schen Stamme  schliesslich  erwachsen  sind,  der  englischen   und   der  deutschen. 

Nicht  teilgenomnicn  an  der  Besiedlung  Englands,    wenigstens   nicht   poli- 
tisch üelbstandig  aurireten<l.  haben  von  den  Anglofriescn  ausser  den  Friesen 
noch  die  den  Angeln  nahe  verwandten  Varini. 
»  Vgl.  bimib«-  Grdr.  »  I  ^»8. 


III,  Ci  2.  Angelsachsen. 


03" 


a)  Varini. 

Zeus«  \i2l  und  360— 364.  —  K.  Mülknhoff,  Xotdatb.  Studien  I  (1844) 
134—134.   —  W.  Seclmann,  'SM.  Jb.   XII  4  -35,   44—48  und   53 — 57. 

§  130.  Die  V.iriiu  gehörten  nach  Tacitus  (^^/wi.  40)  zu  dem  Verbände 
der  Ncrthus-Vülker  *.  dessen  bedeulendsler  Stamm  sie  n;ichst  den  Angeln 
gewesen  sind.  Ihre  Wohnsitze  mässcn  nach  Tacilus  in  jQÜand  oder 
Sclileswig- Ho  klein  gesucht  werden,  nach  Plolem;iios  {II  11.  9)*  im  östlichen 
Holstein  und  im  Laucnburgisthcn.  Dicüe  Sitze  würden  also  auch  für  Tac. 
angeni  mimen  werden  dürfen,  wenn  sie  1I&  sicher  fesbitflnden.  Das  ist  aber 
nicht  der  Fall.  Sämtliche  Lokali tderungen  bei  Ptöl.  sind  unsicher,  diese  um 
so  mehr,  als  die  Zrf-foyfc  des  Plol.  sie  von  den  in  Schleswig  und  Jütland 
wohnenden  Stilmnicn  trennen,  zu  denen  sie  dodi  nach  Tac.  gehörten. 
Wenn  also  Überliaupt  ein  Wert  auf  die  Bestimmung  ihrer  Wohnsitze  nach 
Ptol.  7.U  legen  ist.  »)  würden  wir  sie  an  die  Ostsee,  nicht  an  die  Nord- 
see verlegen  dürfen  und  zwar  zwischen  die  Angeln  und  Sachsen,  also  von 
Schleswig  ab  südlich  hh  ins  üstliche  Holstein.  Mit  grosserem  Rechte  darf 
man  diese  Lage  aus  der  Angabe  folgern,  die  dem  Plol.  offenbar  vorlag, 
dass  nilmlich  ihre  Nachbarn  auf  der  einen  Seite  die  ^ä^ovf^,  auf  der  andern 
die 'Ay/£tXoi  \k-arcn;  da  Ptol.  die  HyyctXoi  falsclilicb  am  linken  Eibufer  an- 
setzt, wahrend  die  ^ä^oye;  richtig  nach  Holstein  gesetzt  werden,  so  musste 
er  die  Otfägvoi  ins  Lauenburgische  verlegen.  Naclibam  der  Angeln  werden 
die  Varini  aber  jedenfalls  gewesen  sein,  nicht  sowohl  weil  Tac.  beide  neben 
einander  nennt  —  das  kann  Zufall  sein  — ,  sondein  weil  sie  später  an  der 
Seite  der  Angeln  auftreten  '.  Zu  .\nfang  dua  6.  Jahrhs.  kennt  sie  Prokopios 
{B.  O.  II  15,  P  422  D)  als  südliches  Nachbarvolk  der  Danen,  welche  da- 
mals wahrscheinlich  schon  in  Jfllland  sassen  (§  1 1 1).  Sie  scheinen  also  üire 
alten  Sitze  bewahrt  zu  haben,  mag  auch  das  Promontorium  Varinorum  1231 
(Warnas)  darauf  tiinweisen,  dass  sie  sich  nacJ»  dein  .Abzüge  der  .\ngcln  nord- 
wärts ausgebreitet  halben.  Ein  Teil  des  Volkes  hatte  sich  an  der  Auswan- 
derung der  Nachbarslämrae  nach  Westen  beteiligt*.  Prokopios  (Ä  O.  IV  20, 
P  Ö20A.  (y2l.  622)  kennt  im  0.  Jahrh.  Otfiovoi  auch  am  Niederrhein,  »5c 
sieg  «rroiV  «  diogi^ec  k«*  ^gdyyoi'g*.  'Ovugvfji  dh  xüX  0gayyoi  tovtI  ftovov 
xov  Ttjvov  rö  fdojQ  fteia^i'  fyovtiir* '.  .Auf  ihüringiitchem  Uoden  halte  ich 
die  Varini  nicht  für  nachgewiesen  f  Die  I^x  Ang/iorum  et  Werivotutn  hoc  est 
Thorin^orttm '  (wahrsdieinlich  aus  dem  6,  Jalirh.  ?  ")  dürfte,  schon  wegen  ihrer 
nahen  Beziehungen  zum  frankischen  Recht,  eher  auf  die  südlich  der  Waal 
wohnenden  Thüringer  zu  beziehen  sein.  Diese  Thüringer  wurden  in  der 
ersten  Hülfte  des  5.  Jahrhs.  von  den  Franken  unterworfen.  Das  wamische 
K<^nigreich  aber  blieb,  wenn  auch  von  den  Franken  abhängig,  bestehen;  denn 
hier  wertlen  ihre  Wohnsitze  zu  suchen  sein,  als  Theodorich  zu  Anfang  des 
6.  Jahrhs.  »Henitorum.  Guarnorum,  Thoringorum  regibus«  schrieb  (§  iio). 
595  wurden  die  Varini  vernichtet.  —  Spuren  der  Varini  in  England  südlich  der 
Tliemse  scheinen  Ortsnamen  wie   Wenianbroc,   M'tmaa/ord  zu  bewahren. 

^  Ein  späteres  Zeugnis  für  die  nahe  Vem-andtscbafi  der  Varini  mit  dea 
Angela  legt  die  F^x  Angiscrum  et  Wennorurn  hoc  rst  TTtoringorum  »b,  welch« 
Tür  beide  Stämme  du  gleiche  Wer^ield  antetit  und  lach  »ooit  gleichartige 
RecbtsverhSItnisie  bekundec.  —  '  ÜberUefert  ist  bei  Ptolemaios  OUgovtiK 
und  Ava^ot.  statt  Orä^i-m  (Zenas  133).  Die  Oi'iqowoi  letzt  Ptol.  tn  die 
rechte  Seite  der  unteren  Elbe,  unterhalb  der  Xif*vovti  und  oberhalb  der  bol- 
stemischen  ^iiovm;  die  AüaiKtot  sind  ihre  Oslaachbam.  Andere  Beispiele  für 
Doppelsetiung  desselben  Namens  s,  §  95  Note  1,  —  '  Müllenhoff,  Nord- 
alb. Stad,  1  139  setzt  die  Varioi  nördlich  von  dirn  jVngeln  an.  —  '  leb  ver- 
mute,    dass   die  rechts  rheinischen,    zwischca  frSakischeo  Stummen    «Hrgcfahrten 


85» 


XV.  Ethnographie  uer  germanischen*  StAmue. 


Anülevarii  der  yotiiia  di^ilntunt.  deocn  linksrheinjich  u.  a.  die  Herall  geijtn- 
überstchen ,  lu  be*Km  sind  in :  An^li,  Varhi ;  vgl.  $  iio.  —  ^  Zcusi 
jftl  f.  vermutet  eioc  Verwechslung  der  Ot'anrot  mit  den  ^<i|or*,-.  —  *  \V.  Secl  - 
mnnn  a,  a.  O,  erschlicssi  au-,  der  VcrbrcilunB  der  Ortsnamenendung  •/.^•r  die 
Au^brciiunt;  iler  Warnen.  Die  Kndung  -/cAi-h  ist  eine  für  Thüringeti  in  seinem 
alten  Umfaii;;c  chnialtk-risti'^he  Kmlun;;,  und  ebenso  i%\  -//r  bezw.  -//?/"  charsklc- 
rislisch  für  die  Däntn  (bevor  lie  die  LamUcliiin  Angeln  bc^ietlelten).  Aus  dem 
UmUande,  dn«s  iliete  Ortsnatneii  aich  genau  innethalh  der  älteren  hiKloriscIicn 
Stammesgrenzen  hatleii,  vermag  tvh  kleine  andere  SchluKxfolgerung  tu  ziehen, 
als  daiA  e«  etien  hier  Dänea,  dort  Tbürirger  gewesen  sind,  welche  die«en  Ort^ti 
der  Namen  gaben.  Mit  Notwendigkeit  folgert  hieraus  noch  nicht  eine  ethno- 
graphisch« ZuMminftngchörigkeii  der  Thfirirger  und  Dfincn  oder  der  vor  diesen 
hier  wohnhaften  Siämine.  Das  von  Seelmann  herbeigezogene  ae.  /lisiv  ist  ein 
anderes  Wort  •<  ficnn,  /if-:r-  —  germ.  ft  müssie  iie.  durch  /  rettrclen  sein.  — 
^  Zu  Thoringia,  der  römischen  Texuandria,  dem  heutigen  Nord-Brabant.  vgl. 
firegor  v.  Tour«  11  g.  Zu  iler  LaniUchiA  Donirgen  am  Niederrhein  (Ät>M«-r, 
ed.  V.  Bahder,  4835,  vgl,  üerm.  XX  414»  vgl.  J.  Grimm,  G^ufi.  der  d^ut- 
ickfti  Sprache.  601.  H.  Möller,  Äilens;l.  l'oUsepcs  I  16  Anrn.  und  AfdA- 
XXll  152  f.  führt  deo  Xamcn  dieser  Thoringi  auf  die  Turii  (oder  Sturiii  des 
Plinius  (A'.  //.  IV  101)  zurück.  —  "  Nach  R.  Schröder.  Lfhrbuch  der  drut- 
seken  /irfÄtsgesehit-hte^,  Leipzig  i8g8,  S.  244  wahr*chetnlich  erst  802. 


b)  Angeln. 

Zeus»  152  f.  und  494 — 499.  —  V.  C.  Molhiiysen,  De  Anglen  cn  Xfdtr^ 
land,  ßv\At.  voor  Vaderlandsdic  Gcschicdenis  cn  Oudheidkundc  III.  —  AV.  Seel* 
mann,  Ndd.  Jb.  Xll  2— b,  zi — 23,  3t,  34  f..  45 — 49,  89  f.  —  B.  ten  Brlnlc, 
Bfou-ul/,  SlraMburj:  1888,  S,  197 — iqi^  und  lao — 228.  —  L.  Weiland,  I>ie 
.'Inffefn.  Ttlbingi-n  1889.  —  A.  Krdmann,  Cirr  die  Heimat  und  den  AtiMnor 
der  Attgeln.  Ujml.-i  1890.  —  H.  Mßllrr.  AfdA.  XXII  129—131.  '37  —  139. 
143—164.  —  Über  die  N.;rtlni*. Völker:   R.  Miich,  PBB.  XVII    191—314. 

§  131.  Die  kleiiictcii  StüinitiL-,  welche  Tacitus  {Germ.  40)  in  Sflilcswig 
und  Jülland  neben  den  Anpt-In  nennt,  und  lüe  mit  Aiusnahme  dej  Varini 
sonst  nicht  bekannt  sind  ',  scheinen  unter  den  Angeln  piilitisch  aufgegangen 
zu  sttD.  Diese  selbst  sind  Tacitus  offenbar  noch  als  ein  Meines  Völkchen 
bekannt  gewesen.  Ihr  Stammsitz  ist  die  I^ndschaft  Angeln  (zwischen 
S<lilesvvii»  und  Flenslmrg)  j;cw(-sen.  Vgl.  Baeda  1  13:  «de  AhrUs,  hw:  est 
de  illa  palria,  quae  Angiiltis  tlicitur  et  ab  01  tem]Dare  usque  hixüc  manere 
desertus  inter  pronndas  lularum  et  Saxonum  perhibitur« ;  .Klfrcd,  OtV' 
stM  (ed.  H.  Sweet  I  1885,  S.  16):  »Bewestan  Ealdscaxum  is  .-Elfe  müjia. 
[ittre  6a  antj  Fry.sland.  And  fianon  westn<ird  is  J)»!  lond,  \w.  man  Angle 
h;6t,  and  SiUende  and  aiiiniie  diel  LX-na;«  ebd.  (S.  ig):  *itt  H;eiiuni  [d.  i. 
Si'hleswig];  se  .Stent  bctuh  Winedum  and  Seaxum  and  Anplc  and  hyrö  inon 
Dene.-  »T wegen  dagas  a-r  he  lö  H;feJ)uni  cöme,  him  wafs  im  Jnet  stinirtund 
Gntlaikd  and  SUlcndc  and  iglanda  fcla;  un  pa-in  landuin  cardodun  Englc, 
ä*r  hi  hiticr  on  land  cnman*'..  Später  m0.sscn  die  Angeln  ein  |irr»is.*ier,  marh- 
tiger  Stamm  gewesen  sein,  da  sie  ganz  England  nördlich  der  Themse  beselil 
und  behauptet  haben.  Diesen  Zuwarhs  werden  sie  durch  ihre  Obcrhenirhaft 
til>er  die  Nerthus-Völker  des  Tacitus  erhalten  haben.  Entsprecliciid  der 
Ausdehnung  ihrer  Sitze  in  England  müssen  wir  ein  grr»«sercs  Gebiet  für  ihre 
kontinentalen  Sitze  annehmen,  seit  ihr  Name  politisch  auf  )ene  benachbancn 
und  ven^aiidten  Slfluime  Husgcdchnt  war,  was  nach  Ptolemuios  (II  ii,  8)  xu 
schliessen,  der  sie  ^u  den  »/«y/oTa«  ^jfbv  Si  ^itÖc  nnl  ftFOoyeftor  l&rthvt 
rechnet,  schon  im  i.  Jahih.  n.  Chr.  der  Fall  gewesen  zu  sein  scheint.  Nach 
Süden  zu*,  nach  Holstein  kennen  diese  criÄcitcrtcn  Sitze  nicht  gesucht 
werden;  hier  sassen  und  sitzen  bis  auf  den  heutigen  Tag  Sadtsen.  Wir 
können  also  nur  an  Jütland  und  die  danischen  Inseln  denken.    Unct  in  der 


XII,  C,  2.  Angelsachsen. 


853 


Thal  sitid  hier  Westgennanen  —  und  das  können  nach  der  geographischen 
Lage  nur  Angebaclisen  oder  vielmehr  Angeln  in  weiterem  Sinne  des  W'ortes 
gewesen  sein  —  aus  den  alb;sten  Runeninschriflen  nachweisbar;  näheres 
hierüber  oben  S.  8.56.  Mindestens  Füncn  ist  nuch  luiglischer  Bcxlcn  ge- 
wesen". Dass  <he  Angeln  die  Vorläufer  tlcr  Danen  waren,  spricht  sich  noch 
in  der  dänischen  Staiunies!sa>;e  aus  nach  welcher  D;m  und  Angul  die  Stamm- 
väter des  Volkes'  'M"arcn  (Saxo  I  p.  21).  In  diesem  Zusammenliange  ist 
auch  die  Ubertragui^  des  Namens  Ingtvine  oder  Ingtmnos  {Beow,  2092. 
2642]  auf  die  Danen  zu  verstehen  s< »wie  der,  wie  ich  glaube,  von  den  Angeln 
impiirtiertc  nortlischc   KuJt  des  \'ng\-i-l''reyr. 

Die  altengliäche  Heldensage  und  Saxo  haben  n<jcli  die  Erinnerung  an 
die  kontinentalen  Sitze  der  Angeln  festgehalten,  insbesondere  die  an  die 
Begründung  eines  grossen  KOnifrreiclis  durch  üffa  im  4.  Jahrh.  und  dessen 
Festsetzung  der  Grenze  gegen  die  Saclisen  an  der  Eider*. 

1  Cber  die  Gleichuuun^  der  Eudoses  mit  den  Kuiea  vgl.  Daten  %  135. 
Suar/rifs,  vermule  ich,  ist  a\»  Su-varintj  in  fusen  und  identisch  mit  l'anni, 
Yi-jl.  Stt-gaffibri  =^  Camtrhii  (ZrdA.  XXXVII  12  T.).  —  *  Spätcrc  Zeugnisse  für 
•  regio  illa  Anglia  vetu«  äicta,  tinde  AogH  vencrunt  in  BrilanDiam-  bei  Zcuss 
41)6  und  Erdmann  i6f.  —  ^  V^l.  hierüber  MöUcr,  Ae.  l'olisepo}  5J  Aam. 
und  zuletzt  Q.  KoBstnna,  IF.  VII  309.  —  *  Hierüber  «uleut  H.  Möller, 
Afd^V.  XXII  153  —  155. 
Anm.  Die  Ilypolbcie  von  Zeus«  153  und  495,  dass  die  Angela  in  TliiiriD{;en 
geseiKen  bitten,  baut  tidi  aul  einem  Missversläodnis  bei  Ptolcmaios  auf,  der  (U  11, 
8)  '1&V  di  ivTin  itai  utooyittov  r^riTir  /i^iora«  >¥ii  te  t&r  ^v/ßatv  itüi"  Vljy/iÄtv»" 
nennt,  -oi  riair  iratoXixtäitoot  iwv  .iayyofl6ftS(oi'  afaitivoriMt  ;igö{  toi  a^iovi  fii^gi 
ttüy  iiäioty  roß  'AißifK  .TOia/ioP'^,  und  deren  Nadibarn  jcn'»ei(s  der  Elbe  die  Scrnnea 
gewesen  würen.  Nach  Plal.  fcällcn  die  Angeln  in  einer  ILandschaft  gewohnt,  die 
ihatsichlich  schon  durch  andere  Völkernamen  völlig  besetzt  war;  %gl.  besonders  an 
der  Nord^eite  der  Angeln  die  Aarjuni,  die  durch  die  Äugeln  von  den  mit  ihnen  tu  iden- 
tiriziciendcn  Knfuaoi  {\g}.  §  95  Note  i )  getrennt  und  detbalb  zu  vrcit  nach  Süden 
angesetzt  »ind.  Es  erscheint  mir  unabweisbar,  dass  die  benachbarten  Stämme  der 
XaT/trtt  und  Kanot'üoot  sowie  die  'Arj'giafäoioi  und  XatgovoMoi  auf  der  ursprüngli- 
chen Kanenv<jrlaKC  auch  als  Nachbarfttänune  ciogetragen  waren,  und  dass  über  die 
Namen  dieser  hinweg  in  grosserer  Schrift  der  (icsaiRlnamc  £vtißoi  eingetragen  war, 
und  zwar  vom  Khcin  bis  über  die  Elbe  hinaus  —  auch  am  Rhein  werden  die  ^6' 
yafißffot  von  den  T^vxrmi  durch  di«  £i'-tißat  {AayyaßäoAoi)  gtlrciiDt.  Dass  l' toi.  diete 
Sweben  am  Rhein  Aayyoßägäoi,  an  der  KJbe  'AyyriJLoi  nennt,  beruht  auf  Caesar, 
StrabOn  und  Tacilus.  Die  Sw«l>en  raesars  reichen  bis  tum  Rhein  (vgl.  oben  % 
64).  Tacitus  aber  nennt  als  Uauptstämme  der  Sweben  die  Semnones  {Gt'rm.  39), 
Langobardi  (40)  und  die  N'ertbusvöllcGr  (ebd.),  von  denen  (nach  einer  andern,  uns 
unbekannten  Quelle)  die  Angeln  üI»  der  vurhetschcudc  Stamm  l>ckBnnt  gewesen  sein 
werden;  «et  hacc  quidcm  pars  Sueborum  in  lecretiora  Germania«  parrigituci  (41). 
Die  iüdlicheren  Sweben  kennt  Ptol.  nicht  als  solche.  Er  kombinierte  nun  so:  Die 
Sweben  reichen  nach  Caesar  und  Stiubün  bis  zum  Rhein,  nxch  StrabOn  und  Ta. 
citus  bis  über  die  £lbe  hinaus  (vgl.  StrabSn  VII  3«>o:  •/tiyiaiov  fiiv  tnV  in  rAr 
£o!^ßaiv  Kih-Oi'dit'jxri  yaij  cLto  r<tS  't'ijrov  fif/Ü*  "*''  ' AXßtin '  tititoi  6i  n  aviiür  xai 
:tigta'  roEJ  'AlßKK  Afttttw);  es  ^ebt  3  HaupIslSmnie,  die  Scmnoncs,  Langobardl  und 
Anglii.  Diese  verteilte  I'tol.  aU»  iilier  das  vom  Rh«in  bis  äb«r  die  Elbe  reichende 
Swebenland.  Dabei  werden  die  Semnen  Öülich  der  Elbe  angesetzt.  Von  den  Angeln 
wusste  er,  dass  sie  auf  der  einen  Seite  Nachbarn  der  Scmuen,  auf  der  andern  der 
Laui;abartlen  waren.  Su  setzte  er  denn  die  Langobarden  an  den  Kliein  (wwhtend  die 
AaxKoßfujüfn  richtig  an  der  unteren  Elbe  sitzen)  und  die  Angeln  zwischen  die  Lange* 
barden  und  Semnen.  Den  Namen  Sweben  allein  kennt  Ptol.  nicht  all  Völkcrnatnen. 
Dass  die  l.angohacden  und  Semnen  Xachbnrn  dei  Angeln  gewesen  sein  sollen,  erklüit 
sich  unschwer.  Im  östlichen  ilolstcin  grenzten  entere  beide  zwar  nicht  an  die  Angeln, 
wohl  aber  an  die  Varioi  (S  ijo),  welche  von  Ptol.  eincrieiU  {Ähnlich  wie  die  .laxxo- 
fid^Aot)  ungefähr  an  der  richtigen  Stelle  genannt   werden,    iuidr*r5«iu  aber  unter  dem 


854 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  St.Xume. 


grosMn  Volke  der  ^vt/ßat  ot  ^AYfttXol  mit  inbegriffea  wotdea  sind.  Vf;1.  G.  Holx, 
Beiträge  zur  dmitscfifn  AtitrtumskHnde  1.  Ober  di<  g€itn>tni5che  Völkertafel  dri  PtoU- 
maeus,  Halle  1S94,  S.  14  f.  Holz  hiAx  es  füi  möglich,  Jus  die  Angeln  ^einmal  an 
der  Elbe  swiüchen  SemooDcn  und  LAngoboTdcn  susen<.  —  Gcgco  £rd  mannt  Am* 
siebt,  data  die  Heimat  der  Angeln  mit  Ptol.  an  der  mtlllercn  Elbe  aD£ni>eUen  sei, 
spricbc  vor  allem,  dass  der  Ncrthus-Kult  nach  Tac.  auf  einer  tnsula  Oceuii  tokalitiert 
ist;  Erdnianns  KcUUrani^sv ersuch  S,  33  erscheint  mir  unannehmbar.  Hinecgen  ist 
es  möglich,  dass  der  kleine  Gau  Hngilin  an  der  Unntrut  auf  eine  (in  dicsom  Falle 
wohl  mit  der  sichüiscWn  DcsetzuRg  Xordtlitlringeiis  ziiitainraenh^grnde)  anglische  Ko- 
lonie hinweist.  Die  Zurück fahrUDf;  der  anglofricsischcn  Sprache  der  Merseburic^ 
Glossen  auf  AngclD  tPBB.  IX  579  ff.)  halte  ich  nicht  mehr  aufrecht  ($    144  Xoie  1). 

§  152.  Ob  die  Angeln  unniillelbar  von  ihrer  schlcs^^■ig-jütischen  Heimat 
aus  nach  England  hinübergezogen  sind,  dürfte  wenigstens  für  die  ersten  An- 
siedler zweifelhaft  ücin.  GtcidiwJe  die  Saclisen  sich  zimäcltöt  an  der  Nord- 
koste  von  Trankreirh  niipdergelassen  haben,  um  von  hier  aus  die  südenglische 
Küste  zu  besiedeln,  so  finden  wir  auch  Angeln  an  der  England  gegenüber- 
liegenden Küste,  umi  Angeln  mrigen  auch  mit  unter  den  Sachsen  verstanden 
wurden  sein,  vun  deren  Seezögen  an  die  areinftrischen  Küsici»  berichtet  wird  K 
Die  wahischcinlicli  aus  dem  b.  Jahrh.  {}*)  stammende  Lex  AngUomm  et  W'eri- 
norum  hot  eti  Thoriti^rum,  welche  andere  auf  Thüringen  beziehen,  weist  nath 
meinem  Dafürhalten  auf  die  südlich  der  Waal  und  östlich  der  imtcirea 
Scheide  gelegene  Landschaft  Tlu)ringia  (ii  i.^o  Note  7)  und  wßrdc  n'ne  Nieder- 
lassung vdn  Angelr  und  Warnen  südlich  dt^r  RheinmOndung  bezeugen.  Von 
diesen  Sitzen  aiLS.  möchte  ich  glauben,  sind  die  ersten  Landungsvci suche  in 
England  erfolgt.  Die  Hauptmasse  des  Volkes  scheint  dann  allerdings  unmittel- 
bar von  der  lambrischcn  Jlalbinscl  gekommen  zu  sein. 

^  Vgl.  Adam  vün  Bremen  I  3.  —  *  Vgl.  §  130  Note  8. 

§  1^3.  Die  Angeln  haben,  hauijtsachlicli  im  Laufe  des  6.  Jahrhs.,  das 
ganze  nördliche  und  mittlere  England  erobert  Baeda  I  15:  »Advfnerunt 
autem  de  Inbus  Gemianiae  popuhs  fortioribus.  id  est  .Saxonibus.  Anglis.  lulis. 

Porro  de  AngHs Oricntales  Angli,  MediteriBnci  Angli.    Meid, 

tota  Nordanh}Tnbrorum  progcnies,  id  est  illarum  gentium,  quae  ad  Boream 
Humbri  fluininis  inhabilimt,  reterique  Angloruin  jxjpuli  sunt  orli.«  Die 
Angeln  zerfielen  in  mehrere  Stumme,  zu  deren  geographischer  Verbreitung 
die  Karle  in  Ud,  I  ^  zu  S,  looi)  zu  vergleichen  ist.  Nördlich  der  untctea 
Themse  sasscn  die  Oslangeln  (orienlales  Angli,  Laslcngit),  weher  nordwärts 
imd  landeinwärts  die  Mittdangcln  (meflitcrranei  Angli.  .\fitideUngte).  Man 
unterscliied  femnr  Xoräfn^lr  und  .Smtengh:  Ausserdem  gehörten  zu  den  An- 
geln die  IJndistvnre  an  tier  Küste  bis  zur  Humlxrmündung,  die  Merder 
(Merdi,  Mieree),  auch  SQdhumbrer  (Suthumbri.  Sii/tfttn/hrmbrt)  genannt,  in 
der  Mitte  des  Landes  und  die  Nordhumbrer  (Nordhumbri,  Xonf/iin/AmiSn) 
nördlich  des  Huniher  bis  nacli  Schottland  hin.  Unter  den  Ostangclu.  unter 
denen  man  ein  Nördfok  und  ein  Süiffolt:  unterschied,  ist  ims  aussertiein  der 
Name  eines  Tcilstanmies  bekannt,  die  Gyrvii  (Crynvat,  ^'ord^-naas  und 
auslrales  Gyrvii  =  Siii^'nvas)  an  der  Washbay.  Die  Mercicr  zerfielen  in 
die  australes  Mercii  (Stiifmürce)  imd  die  aquilonares  Aferd  (Xar^fmtfrre); 
ausserdem  werden  noch  im  Norden  in  Derbyshire  die  Petsdtan.  im  Südwes- 
ten in  Herefordshirc  die  MagfSttU  und  am  Avon  und  unteren  Sevem  die 
Huiccii  ( Hwicras)  genannt.  Die  Nordhumbrer  zerfielen  in  die  UndL-ifari 
{LinJisfaran),  Dein  {Dert)  und  die  Beniidi  {Beamicc).  Ob  unter  diesen 
Namen  auch  nur  einer  auf  einen  der  TeitsUlmme  aus  der  kontiuaitaltn 
Heimat  herrührt,  ist  sehr  fraglich.  Die  Spaltung  in  einen  Östlichen  und  west- 
lidien,   einen   uOrdlichcn   und   südlichen  imd   einen   mittleren  Stamm   \«-ird 


I 


III,  C,  2.  Anoelsacmsek. 


855 


erst  eine  Fulge  der  Bcsieülimg  des  Landes  sein.  Einen  geographischen  Na- 
men tragen  die  Nordhiimbrer.  Südhumbrer  und  die  Lindisware,  crstere 
beiden  von  dem  Flusse  Humbcr,  letztere  von  XJudsey  (laL  Uudi  colonia). 
Über  die  andern  Namen  wissen  wir  nichts;  keiner  geiA'3hrt  eine  AnknO» 
pfung  an  einen  der  Namen,  die  Tacitus  oder  l'tolemaios  für  Schleswig- 
Holstein  und  Jülland  überUefem.  Es  adicint  demnach,  dass  die  Angeln  als 
«in  einheitlicher  Stamm  den  briliischen  Boden  betreten  haben  und  sich  erst 
hier  bei  ihrer  Ausbreitung  in  mehrere  Teil^tAmme  gespalten  haben.  Die  im 
Ae.  nacliweisbarcn,  nicht  uniH-trftrhihchcn  Unterschiede  zwwchen  den  ein- 
zelnen englisrlit-n  L;inilscliafteii,  sind  einstweilen  für  Sti-miuie-sfrayeti  noch 
nicht  fniktifi/icrbar.  so  langi!-  wir  die  Herkunft  der  einzelnen  Sprachdenkmäler 
nicht  genauer  bestimmen  künncn.  Ob  die  modernen  Mundarten  noch.  Auf- 
BchtOsse  geben  können,  muss  mehr  als  fraglich  erscheinen. 

Die  Acigeln  sind  nach  Brilaimicn  gezogen,  nachdem  die  Sacltsen  und 
Jßten  sich  im  .Süden  der  Insel  bereits  niedergelassen  hatten.  Schon  in  der 
ersten  Hälfte  des  0.  Jalirhs.  sind  sie  durch  Prokopios  auf  englischem  Boden 
bezeugt.  Ihre  ältesten  Ansiedlungen  lagen  im  östlichen  Nordengland.  und 
Vfin  hier  aus  haben  sie  sich  allmählich  weiter  sQd«-flrts  und  von  der  Koste 
weiter  landeinwärts  ausgebreitet  bis  zu  der  Grenze  der  sSrhswchen  Reiche. 
Das  Kr,nigsgeschle<'til  von  Bemitia  (nürdlirhster  Teil  von  Ni>r<lhumberland) 
ist  547  begciijulci  wurden,  <las  sich  von  diesem  abzweigende  von  Deira  (sQd- 
lichcT  Teil  von  Nordhumberland)  550  oder  5(10;  das  Königreich  Ostangeln 
soll  571 — 575  gegründet  wx»rden  sein.  Abgeschlossen  wurde  die  Niederlas- 
sung der  Angeln  erst  im  letzten  Viertel  des  6.  Jahrhs.  durch  die  Begrün- 
dung des  mercisuhen  Ki^uigreichs  (in  der  Mitte  vun  England),  welches  seit 
bzh  (Jas  mächtigste  aller  angelsächsischcti  Reiche  »"urdc.  In  der  ersleii  Hülfte 
des  7.  Jahrhs.  wurde  Bemida  und  Deira  zu  einem  nurdhiuub riechen  Reiche 
vereinigt. 

Waren  die  Angeln  auch  in  der  zweiten  HlÜftc  des  ü.  Jalirhs.  ilie  Herren 
von  Mittet-  un<l  Nnrdcngland  geworden,  so  hatten  sie  doch  noch  in  den 
folgenden  Jahrluinderlci]  gegen  die  eingeborene  keltische  Bevölkerung  fort- 
während zu  kämpfen.  Di(ü>e  Kelten  warer  zum  Teil  zwar  im  Lande  sitzen 
geblieben,  um  Unterthanen  der  germanisi.:hen  Hersdier  zu  werden.  Poütisch 
selbständig  aber  haben  aie  sich  im  Westen  gehalten,  und  vou  liier  aus  unter- 
nahmen sie  wiederholt  Einffdle  in  das  englische  Gebiet.  Immer  weiter  KurOck- 
gcdrängi.  sind  die  Brillen  schliesslich  auf  \Valcs  beschränkt  wurden.  Schon 
60,^  hatten  die  Nordhumbrer  Ober  die  Scoten,  03,5  ober  die  Britteii  gesiegt. 
784  hatte  der  mercisdie  König  Offa  das  Gebiet  von  Pcnywern  (Shrewsburv) 
erobert;  er  baute  von  der  mercischen/cambrisclien  Grenze  vi>n  unterhalb  des 
Wye  (lici  C-ardiff)  bis  zur  Mundung  des  Dee  (bei  ehester)  einen  Wall  imd 
Grabt-n,  der  für  die  Folgezeit  die  Grenze  gc-gen  Wales  geblieben  ist,  und 
sic-dclte  zwischen  den  Seveni  und  den  Wye  Angelsach.sen  an  K  Die 
Kampfe  dauerten  bis  705  fort  £c|;bert  von  Weaacx  hatte  noch  815  gegen 
die  Waliser  zu  kämpfen. 

Über  die  Nunnannen  und  DSncn  s.  S   114^- 

•  In  den  önlkb  an  WaI«  ftn^renjtentkn  OHirftchAften  (^hntn-,  Shmpriiire 
(Siilnp)  und  Kcrerord  Ut  MUcbung  von  Angeluu:}»«'»  mir  Kellen  bczcugr;  vgl.  J, 
Hifinach,  />/i-  Rcüht  ätr  AngtUochsen  sur  Ztit  Karl's  4fS  Gratwtu,  ÖiSL, 
hrcs.l»ii   1875,  S.    16   Note  4, 

§  IJ4.  Sowohl  die  Reiche  der  Euten  und  Sachsen  als  die  der  Angeln 
waren  selbständige  Staate ngrümlungcn  mit  eigenen  Königen.  Erst  allinfihUeh 
gelang  es  einzelnen  kraftvollen  Hcrsdiern  mehrere  dieser  Staaten  zu  einem 


grt^sseren  Ganzen  zu  vcrcinigca.  Wahrend  Mcrcia  655 — 658  von  Nord- 
humberland  abhängig  gewesen  zu  sein  svchcint,  imten*'arf  >Ethetbald,  König  von 
Mcrcia,  731  alles  Land  södlich  vom  Humber',  also  das  ganze  Sachsenland, 
—  Ostangcln  war  schon  langst  unterworfen  —  und  suchte  7,^7  seine  Her- 
schaft auch  Über  Nord  humberland  aviszudehnen.  Wahrend  Ostangeln,  Ks- 
sex  und  Kcnt  von  Mcrtcia  abhängig  blieb,  befreite  sich  Wessex  i.  J.  y^z. 
Aber  die  Vorherschaft  Aber  die  germanischen  Stamme  Englands  blich  im  8. 
Jahrb.  bei  Mcrda  (besonders  raächilg  König  Offa  757 — 70).  779  musstea 
die  WcsLsaclisen  Oxfordshirc  an  Mcrcia  abtreten.  Seine  Vorhersdiaft  musste 
Mercia  im  g.  Jahrh.  an  Wessex  abtreten.  S25  wurden  die  Mercier  von  dem 
wcstsSchsischen  König  Ecgbert  vollstflnd^  besiegt,  und  infolge  dieses  Sieges 
fiel  Kent,  Sussex,  Surrey  und  Essex  an  das  westsachstsche  Reich.  829 
%'urde  Mcrcia  mit  dem  gesamten  Südhumbrien  unterwürfen,  Nurdhumbricn 
tributpflichtig. 

*  Bacda  V  23. 


c)  Euten. 

Zeus»  [46.  152,  499— 50[.  —  B.  tcn  Brink,  Jiecavi/,  SlroKiburK  1888,  S, 
197— 3to.  —  L.  WpiUntl,  /)/(■  ^/i/»-/m,  Tilbingen  1889,  S.  34— 36.  —  R.  Much, 
PBB.  XVTI  (1893)  205—209.  —  Cr.   Kossinn»,   tF.   VII  (1897)   S93  — 194. 

§  i.Vi-  Diejßttm  bilden  heute  einen  Teil  desdaniarhen  Volkes,  und  wie  .stark 
auch  ihre  Sprache  von  dem  Seelündischen  abweicht,  so  bleibt  es  doch  immer- 
hin eine  dänische  und  auf  alle  Falle  eine  skadinawisclie  Mundart  Warn 
wir  also  oben  in  Ja  103,  4  und  1 12  auf  die  einstige  Selbstandi^^keit  eines  jotisrhen 
Stammes  glaubten  scliliessen  zu  dürfen,  so  ist  dies  doch  ein  den  Danen  nahe 
verwandter,  mmlKcrmanischcr  Stamm  j^cwcscn.  Schon  diese  Sacldage  lässi 
es  nicht  glaublich  erscheinen,  diLss  die  Juten  mit  den  bei  Tacitus  iG^rm. 
40)  genannten  und  wohl  in  Jütland  zu  suchenden  Eudoses  identisch  sind,  die 
zu  den  NerlliusvOlkem,  zu  den  Anglofricscn  gehörten.  Zudem  widerspricht 
das  inlautende  '/',  imd  wenn  Möller  Rc<ht  haben  sollte,  aus-ierdem  noch  der 
Anlaut,  insofern  als  dänisch  /vtier  eine  Grundform  *Jruiinnrs  oder  '/ütiona 
zur  Voraussetzung  hatte  '*.  Von  diesen  lautlichen  Schwierigkeiten  würde  die 
lelrtere  bestehen  bleiben,  wenn  der  Name  der  danischen  Juten  mit  dem  der 
englischen  Jütcn  identisch  wäre,  deren  älteste  Namensform  latinisiert  als  Eutii 
anzusehen  wäre,  ein  Xamc,  der  in  den  i/Cuaü^  qui  se  nobis  voUmiate  pro- 
pria  tradiderunt-'  in  einem  Britrfc  Theudeberts  an  Juslianus  wirklich  vorzu- 
liegen scheint,  und  eben.si"*  in  dt^n  Eulhio,  den  Venantius  Fnrtunatus 
unter  den  F'eindeii  der  Franken  aufrälilt.  Ten  BiinV,  dem  ich  beistimme, 
glaubt  trotz  Müller,  dass  der  dänische  Name  mit  dem  englischen  zu  identi- 
fizieren JMN,  und  nimmt  an,  da.ss  die  englischen  Jrtten  auf  dem  KontJn«:nt  den- 
selben Lan<!strith  wie  die  dänischen  Juten  Ijewnhni  und  daher  denseltK-n  Xamcn 
getragen  haben.  In  diesem  Falle  wörde  uns  die  Heimat  der  englischen  Ju- 
ten bekannt  sein.  Andernfalls  wussten  wir  gar  nichts  darüber  zu  sagen,  als 
dasH  ttir  es  mit  einem  kleineren  anglofries Ischen  Stamm  zu   timn  haben. 

Die,  wie  wir  richtiger  sagen  wnllen.  Kuten  waren  vielleicht  der  ersle  Stamm 
der  von  den  Anglofriesen  nach  England  übersetzte  und  .sicli  in  drr  ersten 
Hälfte  des  5.  Jahrhs.  hier  festsetzte.  Auf  sie  bezieht  sich  wohl  die  Nach- 
richt des  Chromroti  inifycrinlr  zum  J.  44 1:  "Britanniac  usque  ad  hoc  tempus 
variis  cladibus  evcntibusquc  laccratac  in  ditionem  Saxonum  rediguntur.r  Das 
Gebiet  der  Euten  war  Keni,  die  Insel  Wight  imd  der  ihr  g^enftberiicgende 
Teil  von  Hampshire,  ßacda  I  15:  »Advcncrant  autcm  de  tribus  Geniuniae 
populi.*?  fortioribus,  id  est  Baxonibus,  Anglus,  lutis.     De  lutarum  origine  sunt 


III,    C,    2.    ANGELSACHSE!:. 


857 


CantuarÜ  et  Viciuarii,  hoc  est  ea  gcns,  quae  Vcciam  tcnet  insulam  et  ca, 
quae  usque  hodie  in  pro\inda  Ocdtlentalium  Saxonum  lutanim  natio  iiorai- 
nalur,  posita  contra  ipsani  insulam  Vectani-i  Sie  liaben  ihre  pdlitische  Selb- 
-standigkeit  nicht  lange  gegen  das  Obemi^chtige  Merria  und  Wes^ex  zu  be- 
haupten \'emiocht. 

1  Amiert  R.  Mucli,  PBB.  XVTI  208.  —  »  Ziilrm  IF-  VH  293.  —  »  Sn- 
vulf  201—206.     Ebenso  R.  Much,  PBB.  X\TI  208  f. 

Aato,  K.  Locwe,  Die  Sfstt  4er  Gfrmanen  am  Schtearteo  Mctre,  Halle  l&Q^. 
S.  29 — 3J  biUc  ilii?  Etidoscs  unJ  tltc  mit  ihnen  zu  idi'ntifizirmulrn  aiiiflofriciiscbco  jQlcn 
Jilr  einen  Teil  der  Enili,  die  nach  ihm  jVnglofri»en  sind,  und  erblickt  eine»  vcnprengtra 
Rest  dine«  Volk««  in  dci  Ev^oi-aiavoi  an  der  NordosiklUte  des  Sch^-arieo  Meer««. 


d)  Chaud  und  Sachsen. 

Zfuss  138  —  141,  ijOf.,  380—388,  490  —  495.  —  M.  RicKP"".  ZfdA.  XI 
186-^192.  —  G.  Bolle,  Die  Sachsi-n  vor  Karl  tifm  Grosifn,  Vxo^.,  Berlin 
1861,  —  L.  Weiland.  Die  AigrU.  Tübingen  1889.  S.  26  —  34.  —  f'-  Zippel, 
Deutiihf  Völterbner^^ungm  in  Jtr  Rontrririt,  Progr,,  Künig^bTr)*  iSOj.  S.  22  f.  — 
A.  Meitxen.  SieJttungftt  utiti  Agraru-rsm  Jer  U'fitgtrinnndt  unä  OstgrrmaHeH 
II.  Berlin  1895,  S,  lo — 30.  —  Fr.  Jacobi,  Qimllm  tur  CtichichU  dtr  Cfiauktn 
und  Friesrn  in  d<tr  /tJmmeti,  Prop-.,  Emden  1895.  —  Vgl.  auch  die  S.  860 
anKcläbrte  Uitcntor. 

§  136.  Die  Sachsen  sind  der  drille  Stamm,  der  an  der  Besiedlung  Eng- 
lands teilgenommen  hat.  und  dessen  sprachliche  Eigenart  im  Altcngüschen 
\md  noch  im  heutigen  Englischen  deutlich  her\ortritt.  Wenn  man  aus  dem 
Räume,  den  sie  in  England  einnehmen,  einen  Schluss  ziehen  darf,  so  vdre 
es  der,  dass  sie  im  Vergleirli  zu  den  Eulen  zwar  einen  sehr  grossen,  im 
Verpleicli  zu  den  Angeln  aber  einen  an  Ausdehnung  nicht  unbetraclillich 
kleineren  Stamm  au.sgemach(  hätten.  Eine  solche  Srhlussfi%erung  ist  deshalb 
nicht  zutreffend,  weil  der  gesamte  Stamm  der  Angeln,  von  den  Saciisen  aber 
nur  ein  Teil  mi  der  Besiedlung  Englands  tcilgenummcn  hat.  Denn  diejenigea 
Sachsen,  <lic  in  Norcldi-nts<.hland  zu  einem  bt -sonderen,  milchtigcn  Stamm  er- 
wachsen sind,  dürfen  von  den  englisclien  Sachsen  nicht  gelrennt  werden. 
Wir  haben  es  mit  ein  und  demselben  Volk  zu  tliun. 

§  137.  Der  Name  Sachsen  begegnet  zum  ersten  Mal  bei  Ptolemaios 
(II  11,  7^  Sie  Sassen  nach  ihm  jenseits  der  unteren  Elbe  ^im  r6v  av^^yo. 
T^i"  KtfißQixf/;  ^Fijnoi'ijnavi.  Na<'li  den  Sarh.sc-n  nenne  er  weiter  eine  Reihe 
von  kleineren  Sianimcn,  mit  denen  wir  nichts  anzufangen  wissen,  und  als 
letzten  von  diesen  im  N«irdcn  der  kimbrisrhen  Halbinsel  die  Ki'/ußooi.  Hier- 
nach sind  die  Sachsen  zweifellos  in  Holstein  zu  suchen,  wenn  auch  ihre 
Ausdehnung  nach  Osten  hin  nicht  klar  ist.  Nach  Plol.  folgten  östlich  »iterä 
Tot'c  ^'('tiovris  Asxo  Toii  XnXovoov  noinftov  iiiyoi  tov  ^vijfiov  nmafiov 
0Q{>oAffVo(-,  dann  bis  zur  iXIer  die  ^itdivoi.  Die  geographische  Deutung 
aller  dieser  Namen  ist  unsifher '.  Ptol.  erw.'ihnt  dann  nitch  (H  11.  15^  als 
laseln  »xard  rdc  tov  "Akßti^^  ixßoXa^  fii  xnkovueyni  ^n^dvuyv  rp««',  unter 
denen  wohl  am  ehesten  die  3  Inseln,  aus  denen  Eiderste<I  im  Mittelalter  be- 
stand, zu  verstehen  sind.  Die  Kenntnis  von  Sachsen  in  Hnlstt-in  Ijezw.  in 
Eidersted  kann  Ptolemaios  oder  vielmehr  sein  VnrgSuger  Mariuos  nicht 
aus  gleichzeitigen  Quellen  gehabt  haben.  Nur  unter  Augustus  war  den  Rö- 
mern Gelegenheit  gegeben,  die  Kcisie  von  Schleswig -Holstein  kennen  zu  ler- 
nen, und  wir  müssen  daher,  unbekümmert  um  ihr  Fehlen  bei  Tacitus,  die 
Sachsen  bereits  um  Chr.  Geburt  in  Holstein  ansetzen.  Von  hier  aus  ist  ihre 
Beteiligung  an  den  Xügen  nach  England  veistlindlich,  wenn  sie  die  SQdnach- 
bam  det  Angeln  waren.     Aber  auch  von  den  deutschen  Sachsen  dürfen  sie 


858 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stamme. 


nicht  getrennt  werden;  denn  in  Hulslciii  hat  (mil  Ausnahme  des  Ostens), 
soweit  unsere  geschichtliche  Kenntnis  reicht,  nie  ein  anderes  Volk  gesessen 
als  die  Sachsen'.  Wir  haben  es  also  init  einer  ahnlichen  Erscheinung  ra 
thun,  wie  wir  es  bei  den  Angeln  gpschen  haben  ('§  i^i  ff.)  und  bei  den  sa- 
lisclien  Franken  sehen  werden  (§  163  und  171  U.):  ein  von  Hause  aus  kleinerer 
Stamm  hat  seine  Herschaft  über  die  NachbaistHmrae  ausgedehnt  und  er- 
scheint nun  als  ein  piilitisch  mächtiges  Volk. 

Diese  Sachsen  sind  es.  welche  im  J.  286  in  die  Geschichte  eintreten,  voa 
den  Römern  an  der  Waal  und  der  Kflste  Nordfrankreichs  bckfimpft  ■,  und 
deren  Anstunn  seit  der  zweiten  Hälflc  des  4.  Jahrhs.  sieb  die  Römer  nicht 
zu  erwehren  vermochten.  Sie  erscheinen  als  Nachfolger  der  Chauci,  gegea 
welche  die  Römer  seit  47  n.  Chr.  zu  kiimpfen  hatten. 

^  Ich  mOcIiie  mit  H.  M  n  1 1  r  r  mich  am  i-bi^tcn  ^OQoAttvot  in  BagAnvoC 
b««i-rn  (*  ftir  B  wie  <l»oof}-ovM<ovt:  (Ol  Bovo^ovrilorr;,  g  95),  so  das»  di» 
Sachsen  dii-  Ljin)i(i1iardeii  i»  l.iiut:nl)ur];  im  Nucliharn  gvli^bi  hAUen.  Fiit  StiitToi 
vermute  ich  yttßivo!  "der  ^tifitvol  sa  Sfmnonrs  (ZftlA.  XXXVII  9 — 12),  — 
*  Über  die  vnrircschichtlicbim  troten  vgl.  oben  S.  786.  —  ■  Eulroplus  IX. 
11;    Orosius  VIl   25.  3. 

§  138.  Die  Chauci  (vgl.  über  deren  Zugehörigkeit  zu  den  Anglofriesen. 
§  122)  sind  nach  Tacilus  einer  der  mächtigsten  Stlünme  unter  den  Genna- 
nen.  Genn.  35  beschreibt  er  ihre  Wohn-iitze  als  Üstnachbam  der  Frie<ien, 
al&u  östlich  der  Hmsmündunjr,  und  als  Nord-  und  Oilnachbani  der  tn  Wcst- 
ialcn  sitzenden  Chamavi  und  Angrivarii  und  der  in  Hessen  sitzenden  Chatli. 
»Tarn  inimensum  terrarum  spalium  non  tenent  tanlum  Chauci,  sed  ci  im» 
ptcnt,  populu»  iiitcr  Gcnnanos  nobüissiniiis  quiquc  magultudinem  suam  malit 
ju-itiiia  tuen,'  Er  schildert  »e  als  ein  fricdfertigt-s  Vnlk.  Über  Ihre  Wohn- 
sitze vtm  der  unteren  Elbe  bis  zur  unteren  Ems  sind  wir  durch  zalilreiche 
Belege  gut  unterriehtct  ^  Sie  zerfielen  in  Cliauci  majores  und  miuiTes.  Die 
grosse  Aiisdehmmg  ihres  Gebietes  bei  Tacilus  haben  sie  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  i.  Jabihs.  n.  Chr.  erlangt  durch  die  Vertreibung  der  Anisi\-arii* 
von  der  unteren  Ems,  durch  die  Ztirückdrangung  hezM-.  Unterwerfung  der 
Chenisci  und  durch  die  Auswanderung  der  Angrivarii  von  der  Weser'.  VgL 
unten  S  149  f.  Mitte  des  i.  Jahrha.  erscheinen  die  Cliauci  bereits  am  Nie- 
derrhein ••.  Sie  nehmen  an  dem  bntawjschen  Kri^e  Teil  und  erscheinen  in 
der  zweiten  Hillftc  des  2.  Jahrhs.  wiederum  am  NiL'derrhein-\ 

Sleit  dem  4.  jahrh.  erscheint  dies  m.lchtige  Volk  in  der  Geschichte  unter 
dem  Naraen  der  Sachsen.  Vorher  also,  so  müi!sen  wir  schhessen,  haben  sich 
Chauci  und  Sachsen  politisch  xu  einem  Volk  verschmolzen,  und  tia  diese» 
den  Xame4i  Sachsen  ir.1gt.  so  müssen  wir  femer  schÜessen,  dass  die  Sachsen, 
von  Holstein  aus  über  die  Elbe  vurdringend,  die  Chauci  xu  ihren  Uniet- 
thanen  gemacht  hab^n  —  es  seJ  denn,  dass  Chaud  und  So-xottcs  Namen  für 
ein  und  dasselbe  Volk  gewesen  sind.  Zu  Anfang  der  hoer  Jahre  des  4.  Jahrhs. 
werden  die  gegen  die  salischcn  Franken  siegreichen  Chauci,  wenn  Zcuss  im 
Rechte  ist ",  von  Zn&imus  jlll  6)  ein  Teil  der  Sachsen  genannt:  »Kofudvvi 
pics:   A«oi'j|;oiv "],  fJoTyay  otf.wy  [seil,    twi-  ^'ttiövwv]    Örrag*. 

»  ZeuB«  130  f„  Zippe-l  J2f.  —  «  Tac.  /tnn.  XIII  55.  —  *  Tnc«  <»<rm. 
33.  —  *  Tac.  ^nn.  XI  t8  und  PJin.,  JV.  H.  IV  lOl.  —  *  Sparttanu««  l'itv 
Didii  Julifini  I  6,  V^l,  auch  Clatidiatiu»,  Df  rcuittlttlu  Sti/tt/törm  l  235  (Sr 
tiss  Jahr  395.  —  "  Zcuss  531  f.  iiml  382  iind  v,  Scbevichavt^ii,  BijJragm  M 
ftnf  Gr&chifJfnif:  drr  Botttt-en,  Lotdcii  lfi7Si  S.  1  19.  .Viiilpr*  M.  Riegcr,  ZlilA. 
XI  189  f.,  dff  ilAfikr  <tic  ChBinnx'i  nns«lzt,  nbcr  S.  191  j^IrithlidU  niriut,  dass  die 
Cbaud  später  unter  dt-m  Xaincn  der  SailiäL-n  imtbeincii.  A'o/ta^anv  woUni  aw.'fa 
ciiuwurn  v.  Sybcl,  Jbb.  d.  Atl(.-cthul1l^l^euDdc:  int  RbciDl.nnJi.-  lft44,  S.  31,  tC 
Schröder,  £>ü  /■'rank^M  und  ihr  Rfflit,  S.  3  und  K.  I.amprrcht,  Z*.  d, 
Aachener  GcschvchtsvcrciiiB  IV  44.   Vgl.  Wcllaßd  ii,  n.  O.  S.  30  Noic   i. 


in,  C,  2.  Angelsachsex. 


B59 


§  139.  Ein  exakter  geschichtlicher  Beweis,  dass  die  Giauci  in  den  Sachsen 
aufgegangen  sind,  lasst  sich  zwar  aus  dem  Grunde  nicht  führen,  weil  wir 
über  die  polilischcii  Vorgänge  innerhalb  Deutsclilands  von  der  ROmer-  bis 
itir  Vfilkertt-anderungszeit  Oberhaupt  nidit  unterrichtet  sind.  Aber  für  das 
5.  Jahrh.  haben  wir  jedenfalls  nicht  nur  mit  den  holsteinischen  Sachsen  son- 
dern auch  auch  mit  denen  in  der  Provinz  Hannover  zu  rechnen,  und  so  dür- 
fen wir  eine  Beteiligung  dieser  chaukisrhen  Sachsen  an  der  Besiedlung 
Sadenglands  voraussetzen,  um  so  mehr,  als  Holstein  ja  gewiss  (wie  die  nörd- 
licheren anglischen  Lande)  entvölkert  worden  wäre,  wenn  wir  die  weite  Land- 
schaft im  Auge  haben,  welche  die  Sachsen  in  England  inne  haben.  Die 
Auswanderung  fand  zur  St;e  statt.  Es  ist  also  zunächst  an  die  Kßstenbe- 
wohner  zu  denken,  und  hier  scheint  insbesondere  das  nachmalige  Ostfries- 
land seine  Bevölkerung  abgegeben  zu  haben,  well  in  diese  Landschaft  dann 
die  Friesen  eingerückt  sind. 

§  140.  Der  Übersiedlung  der  Sachsen  nach  England  gingen  besonders 
seit  der  zwdtcn  Hälfte  des  4.  Jahrhs.  Raubzüge  längs  der  Küsl'i  von  Nord- 
frankrcich  voraus  (Ammianus  Marcellinus  XXVIl  8,  5.  XXVIII  2,  12;  g, 
I  und  4.  XXX  7,  B).  Hier  haben  sie  auch  zuerst,  vor  den  Künnaimcn,  Fuss 
gefasst.  so  dass  diese  Küste  »litus  Saxoniciime  genannt  wurde.  Gleich  den 
Normannen  haben  ihre  Vorgänger  sich  im  5.  Jahrh.  auch  an  der  Loiremün- 
dung festgesetzt.  7,u  dauenidem  Besitz  aber  sind  sie  hier  nur  in  einem 
Teile  der  Nomiandie  gelangt,  wo  sie  bei  Baycux  570  und  590  als  Saxones 
Bajocassini  genaiuit  weiden  (Gregor  von  Tours  V  26  und  X  9). 

('»ffcnbar  von  hier  aus,  von  dem  Ittus  Saxonii-um  ist  der  Hauptstrora  nach 
Britannien  übergesetzt  Denn  sie  haben  die  giuue  Südküste  besetzt  (mit 
Ausnahme  des  wc-stliclisten,  den  Kelten  vcrlildbcndcn  Zipfels  und  des  von. 
den  F-ulea,  wie  es  nach  der  Karte  scheint,  schon  vorher  besiedelten  Kent 
im  Osten  und  Wight  nebst  gegenüber  liegender  Küste).  Auf  eine  andere 
Expedition  ist  vielleicht  ihre  Niederlassung  in  Essex  zurückzuführen.  Vgl. 
hierzu  die  Karte  in  Bd.  I  zu  S.  1 108. 

A.  F.  H,  Schnumann,   Zur  Gfuhickt«  der  Eroöfntng  £Hgittmls  durch  grr- 
mnnürAr  Sliimme,  Griltmi^rri    18^3. 

§  141.  Die  Übersiedlung  nach  England  ist  durch  politische  Ereignisse 
veranlasst  worden.  Zu  Anfang  des  5.  Jahrhs.  (um  oder  nach  4o(>)  wurden 
fast  alle  romischen  Truppen  aus  Britannien  weggezogen.  Deshalb  fanden  die 
Sachsen  (Enten?),  die  um  .)io  an  der  sftdenglischen  Küste  einfielen,  wie  sie 
es  schon  yj5  gethan  hatten  (Ammianus  Marcellinus  XXVI  4,  5),  keinen 
Wideretand  und  vermochten  Btxlen  zu  gewinnen.  Nach  der  briUisclien 
Überlieferung  waren  die  Sachsen  noch  vor  den  Euten  gekommen  und  hätten 
sich  an  der  Ostspitze  von  Kent  festgesetzt.  L"m  428  wurde  Hcngbt  und 
Hors  von  den  Eingeborenen  zur  Landes>'erteidigung  in  Sold  genommen. 
Seit  441  hielten  die  Sachsen  das  ganze  Land  miUtäriscli  besetzt,  so  dass  Wele 
Britlen  vorz*)gen  sich  eine  neue  Heimat  jenseits  des  Kanals  zu  suchen.  Seit 
446  aber  gewannen  nördlich  der  Themse  die  Britteii  wietler  die  Oberliand, 
und  die  Sachsen  mussien  sich  in  den  Süden  und  Südosten  zurückziehen,  von 
wo  sie  sich  nicht  verdrängen  liessen.     Baeda  I  15:   »Advenerant  autem  de 

tribus  Germaniae  po])ulis  furtioribus,    id  est  Saxonibus,    Angli.s,    lulis 

De  Saxonibus,  id  est  ea  regiime,  quae  nunc  Antiquonim  Saxonum  cognomi- 
natur,  veuere  Orientales  Saxones,  Meridiani  Saxones,  Occidut  Saxones.«  Sie 
haben  die  Reiche  Essex,  Middlesex,  Sussex  (mit  Surcey)  und  Wessex  ge- 
gründet: zuerst  Susscx,  nach  der  Sathiencfironik  \.  J.  477  (nächst  Kent  die 
erste  angelsächsische  Slaatcngründung),  dann  um  500  Wessex.     Die  definitive 


Besiedlung  des  Landes  erfolgte  erst  »ach  dem  en Ischeidenden  Siege  über  die 
Britten  i.  J.  5:9.  Die  Nordgrenze  der  Sachsen  blieb  zunücbst  der  Lauf  der 
Themse.  Mach  deren  Überschreitung  gründeten  sie  nordwestlich  und  nord- 
^Üidi  von  London  Middlcsex  und  5^7  Esscx.  Die  Eutcn  in  Kciit  und  bei 
Wight  haben  sie  allmählich  siirai-hlith  aufgesogen.  Im  Westen  haben  sich 
aber  die  Kchcn  zunatlu^t  noch  gchultcu,  zunadist  pulitisch,  dann  sprachlicli. 
Sie  sind  hier  sehr  allmMilid)  zurOckgeUrangt  worden.  Die  kellische  Sprache 
ist  in  Comwall  erst  zu  Beginn  des  17.  Jahrhs.  ausgestorben. 

Ober  die  AbhUtigigkeit  iler  sächsischen  Staaten  von  Mcrda  im  8.  Jahrh. 
und  die  Hegemonie  von  W'essex  üb«;r  alle  Angelsai"hsen  seit  Ö39  s.  §    134. 
J.   M.  Kemble,     C'e^r  Jir  SUimmUiJ'tl  Jrr   H'rsitmhsen,    Mlinäler    1836.   — 
R,  Thurney»en,  Z».  f.  cdt.  Philol,  I  l68  und  Enjfl.  Suidtcn  XXII   163  —  179. 


D.     DIE  DEUTSCHEN  SACHSEN. 

Wi«IukiDduB  Corbci^nftis,  Üt-j  _^eitM  StLroNÜa^,  i)Cj  («tl.  G.  AVait2,  Afff. 
SS.  lU  408  —  467;  in  lu.  schol.  ^  Hani»>v«nie  1882;  d«uisd]  von  K.  Schottin*, 
ßi'e  CfSfhichtttfhrfiltrr  d.  dt.  l'ort..  I^ipzLg  [iSgi));  vgl.  R.  Koepke,  ft'tJnirm/ 
j'ifTt  Kcnti {Otioniiihr  Studim  I),  Berlin  1867;  J.  Kaasc,  Widukind  Vf*n  Aorz-tt, 
I>t»s.,  Koslock  18H0.  — (r.  L,  L.  Kufabi,  De  Saxonum  orijritte  cl  usqu€  ad a», 
CDL  p,  C.  nftus  freiiis  dissfrtalio,  Bcrolini  1830,  —  A.  v.  Werscbc.  Ve^r  Jm 
ytriheilung  Thüringens  cteischm  den  allen  Sai-hien  und  f'rntiken,  2  B<lc„  Kam- 
buig  1834.  3('),  —  Zcuss  380— 397.  —  A.  Fr.  H.  Schatiinann,  GnthüftU  dri 
nüiieriiifhjii(hfn  l'olti  i-tin  dessen  rr%(rm  Ht-ri-crtrelen  iiuj deviu-hm  BfJen  nn  bit 
ium  Jahre  iiifo,  O'ltlingrn  l83'>.  —  J.  (jrimm,  Gesehichte  der  drttUfhen  Sprsehe 
608—038.  —  G.   BoIev,   Die  SiuAsr»  vor  Karl  dem  Groisen,   Vrrtgt^   Berlin  i86l. 

—  J.  S.  Seiberii,  I^ndeS'  und  fiecAlsgeuhühte  des  Heriogthums  WnlfaUnt 
9  Bde.,  Arnslierg  1839 — 64;  I  3.  4  «sie  Häiru-  von  W.  Tobicn,  ctxl.  1875. 
(Bti.  1  I  auch  u.  d,  Tiiel  Diphmutisdte  Familiengeschichle  der  alten  Grafen  rv« 
first/nlen  tu  tt'erl  und  Armberg,  eb«l.  1845:  Bd.  I  2  auch  u.  d.  Tiiel  Dift^ 
mattsehe  t'antiliengetchkhle  der  Dynasten  und  Herren  im  Hertogthum  Weitfalm. 
ebd.  1855;  Bd.  III — IV  auch  U.  d.  Tilel  Vrkundenbunh  tur  Landes-  und  Jirtkti- 
gesihii/ite  des  H,'rsogthumi  H'eitfaSen,  J  Bde.,  Hjd.  1839.  43.  54:  Bd.  I  reicht 
bis  1508,  «las  Vrkundenhtuh  bis  1800.V  —  H,  Hockenbeck,  De  Saxonum  9ri' 
gine  et  rebus  ad  Carvtt  Afagni  us^iie  aelatem  ab  iis  ffrstii,  DtM.,  Münstrr  i8ö8.  — 
W.  Kentzier,  Ziir  l'rr/aiiuni;i^sthüht£  der  allen  SaeA^n,  7a.  d,  bist.  Vcr.  f. 
Ni«demcb»rn  jg,  1870  [1871)  164  — 176.  —  W.  Keulsler,  Karls  des  Grauen 
Sacbsenaüge,  Vondi.  /.  (leutsthcii  Gcsch,  XI  (1871)  r*>— 97  "•»'l  XII  I1S73)  317  — 
410.  —  W.  Toliieti,  JJenkU'ürdiglirilen  aus  der  Vergangrnfu tt  tt'eit/nlrns  I, 
Elberfeld  1869,  II  l,  1873.  —  G.  Dchio,  Gesefiühte  des  Erxbistumt  /fam&urg- 
ßrenun,  2  Bde.,  1877.  —  Aug.  Schmidt,  Du  Sachstnkrtege  unter  Karl  dm 
Grossen.  0isfi.,  Rostodt  1882.  —  A.  Ttbus.  Griindungigeschü-lite  der  Stifter, 
Pfarrkirchen,  Klöster  und  Kapellen  im  Bireiche  des  alten  BistHums  Afümler  I, 
MUnucr  1885.  —  J.  Wormstall.  Ober  die  Chamaver,  Brukterer  und  Angriva- 
rifr,   mit  Riicitsichl  auf  den   Ursprung  der  Franken   und  Sachsen,   M(ln«ter  1888. 

—  O.  V.  Heinemann,  ürsi-hühte  von  Braunsehweig  und  Hannaver,  3  Bde.,  Oodu 
1884.86.92.  —  (Jbr.  Ritler,  Kar/  der  Gmssf  und  die  Sachsen.  3  Teile,  Dcuau 
1894.  95,  —  A.  McitzcD.  Sffleluug  und  Agram-esen  l\.  Berlin  l89<i,  S,  15  — 
39  und   53  —  77.  —  R.   Andrei.-,  ßraunxe/fxreigrr  t'olkstuHile.  Braunschweig  1891), 

—  J.  B.  Nordhoff,  Alttrvslfalen.  Volk,  Land.  Grenzen,  MOiutcr  1898.  — 
Vgl,  auch  ilie  Liut-ratur  tw   §    156. 

§  14J.  An  der  ursprüiigUcheu  Identität  der  englischen  und  der  deutschen 
Sachsen '  kann  kein  Zweifd  spin.  Das  erste  Zeugnis  für  die  Sachsen  xu 
Beginn  unsen-r  Zeiirt-dinung  (oben  §  137)  kennt  sie  in  Holstein,  und  diese 
bobtcinlsrheii  Sadtseii  kommen  als  SOilnachbünk  der  Angeln  in  erster  Reihe 
für  die  Besiedlung  Englands  in  BetrachL  Holstein  ist  aber  auch  von  je  her 
der  Sitz  der  deutschf^n  Sachsen  gewesen,  und  hat  auch  Uer  Saclisemtaue  in 
Deutschland  dnc  ungleich  grössere  Ausdehnung,  so  ist  diese  Ausdehnung  auf 
Westfalen  und  den  nordlJchen  Teil  der  Provinz  Sachsen  durch  die  Geschtdile 


bezeugt,  und  auf  Kombination  sind  w-ir  nur  angewiesen  fflr  die  Übertragung 
des  Sachsennamens  auf  clie  l'ronnz  Hannover,  in  welcher  im  r.  Jalirii.  n. 
Chr.  die  Angrivarü  und  die  ingwiaiwisdien  Cliauci  gewohnt  haben.  Aber 
auch  zugegeben,  die  Arigrivarii  und  Chauci  sind  poüiisch  in  den  holsteini- 
schen Sütliscn  auffjefian^icn.  oder  die  Cliauci  &ind  mit  den  SitrliM.*n  identisch, 
die  Schwierigkeit,  die  englischen  «ntl  tUc  kontinentalen  Sachsen  zu  identifi- 
zieren, besieht  in  dem  grossen  Abstände  der  s'irhsischen  Sprache  in  Eng- 
land von  der  in  Deutschland,  wahrend  doch  die  geistige  Veranlagung  beider 
Stimme  keinen  wjichen  Unterschied  aufweist.  Der  sprachliche  Abstand  ist 
90  gross,  dass'  man  wohl  die  westgermanischen  Mundarten  in  die  zwei 
Gruppen  nnj;lofriP5isch  und  deui'W'h  zerlegt,  und  hierbei  das  englische  Sflch- 
siscli  zur  ersten,  das  dt^utsche  Sächsisch  zur  zweiten  Gruppe  zahlt  —  letzteres 
freilich  anfechtbar:  viinsichtiger  sollte  man  wenigstens  für  das  Altsflchsische 
eine  Mittelstellung  zwischen  Englisch  und  Deutsch  zugeben. 

l   Antiqiii  Saxanrt  (ßaciln   I    I  5.   V  q.    10.    I  l),  af.  En{dsm.-raH. 

§  1^3.  Wir  ketmen  die  alteren  niederdeutschen  Mimdarten  nur  äusserst 
mangelliaft,  und  bei  den  meisten  Denkniälem  ist  rs  bisher  nicht  gelungen 
sie  genauer  zu  lokalisieren.  Das  aber  darf  man  sagen,  es  zeigen  sich  in 
ältester  Zeit  eine  Reihe  von  so  ausgeprügt  anglofriesischen  Zügen,  und  diese 
hat  die  spatere  Sprache  demiassen  venA-ischt,  da*«  man  das  Altsachsische 
nicht  als  die  unmittelbare  Ursprache  des  Mittel-  und  Neimied erdeutschen  an- 
sprechen kann.  Diese  Züge  sind  am  deutlichsten  in  den  urkundlichen  Namen 
ausgeprägt,  am  geringsten  im  Jhlmml.  auf  den  sich  vorzugsweise  unsere  alt- 
sächsiscbc  Grammatik  aufbaut.  Aber  auch  aus  den  altsSchsischen  Sprach- 
denkmalern lassen  sich  die  folgenden  anginfriesischen  Spuren  ermitteln*, 
zu  deren  Erklärung  die  Anna.hmc  altengUscIicr  Sdireiber  nicht  ausreicht: 

In  erster  Reihe: 

1)  Genn.  a  in  geschlossener  Silbe  eracheint  zwar  in  der  Regel  wie  im 
Deutschen  als  a,  vereinzelt  jedoch  als  t  (Belege  bei  \V.  Schlüter  in  der  von 
F.  Dieter  herausgegebenen  Laut-  und  Fonnenithrt  der  ailffemtaniichfn  Dia' 
leklc  1,  Leipzig  iHrt8,  S.  t^,  §  70,  .|  c)  —  mndd.  und  nntld.  stets  ii. 

2)  Genn.  t?  erscheint  zwar  in  der  Regel  wie  im  Dcutbchen  als  <l,  ver- 
einzelt indessen  als  c  (Belege  bei  Schlüter  a.  a.  O.  S.  96.  §  69,  i  Anm.) 
—  mndd.  imd  nnd<l.  stets  nur  rt. 

3)  Germ,  a  vor  Nasal  ist  einmal  als  ä,  2  mal  als  0  belegt  (ScltlQtcr  S. 
107,  §  76)  —  mndd.  und  nndd.  nnr  a. 

4)  Genn.  <?  vor  Nasal  eischeint  zwar  in  der  Regel  wie  im  Deutschen  als 
(i,  vereinzelt  aber  als  ö  (Schlüter  S.   107,  §  7O)  —  mndd.  und  nndd.  stets  ä. 

5)  Bei  der  Ecsatzdehnutig  ftu  das  vor  stimmlosen  Reibelauten  geschuTin- 
denc  «  oder  «  erscheint  dn  vorhergehendes  genn.  «  als  ö  oder  als  ö 
(d.  i.  A)  (Schlflter  S.  97  f.  3  und  S.  282  f.,  §  163.  1)  —  mndd.  und  nndd., 
soweit  die  Ersatzdehnung  vorhanden,  namUcli  vor  gcrm.  A,  j  und/ im  Nord- 
osten ö,  im  Stidwestcn  d*. 

6)  Getni.  0  und  c  erscheinen  vor  cinfaclicm  Nasel  bisweilen  als  w  und  r* 
(Schlüter  S.   107,  §  76)  —  mndd.  nndd.  o  und  a 

7)  Vereinzelt  findet  sich  nach  Palatal  der  l^utwandel  von  germ.  c  zu  i 
imü  von  westgenn.  ü  zu  i  (Schlüter  S.  iü8,  §  78,  i)  —  mndd.  und  nndd. 
ist  mir  keine  Spur  hiervon  bekannt. 

8)  Unbetontes  ö  erscheint  zwar  in  der  R^el  wie  im  Deutschen  als  0, 
des  öftem  aber  als  a  (Schlüter  S.  116  Anra.  2,  S.  117  Anra.  3  und  S.  iiS> 
3  und  Unitrsttfkunf^n  si$r  Gtschichtt  der  aUsd<km(hen  Spracht  I,  GOttingen 
1892,  S.  6 — II,  52f.,  68,  70,  81 — 87,  93  und  95 — 112). 


862 


XV.  Ethnographie  der  oeruaniscuen  StXhsu. 


f))  n  und  m  vor  j,  p  und  /  ist  in  der  Regel  mit  Ersatzdehnung  gfschwun- 
■den  wie  im  Anglf  friesischen,  vor  s  und  besonders  vor  p  aber  auch  Öfter  er- 
hahen,  wie  im  Dcntschcn  '  (SrhlCter  S.  io8,  §  7g,  1  und,  S.  282  f^  §  163, 
l)  —  mudü.  und  nndd.  vor/  und  in  der  Regel  auch  vor  s  geschwunden, 
aber  vor  /  stets  »  erhalten  ^ 

10)  Zuweilen  Mouillierung;  eines  k  vor  palatalcn  Vokalen:  key>-kK,  Jt€> 
iii  (Schlüter  S.  2;j).  fraglich,  wie  weit  vielleicht  aU  Diplilhongicruiig  »ach 
palataleni  k  aufzufassen"  —  nimld.  und  nndd.  kerne  Spur**. 

ti)  Die  schwachen  ö-Verba  haben  «war  in  der  Regel  wie  im  Deutschen 
Überall  o  in  den  Endungen  durchgt>iahrt,  vereinzelt  ist  aber  such  die  anglu- 
frics.  Flexion  des  Ind.  Praes.  auf  -oiu,  -[is(f),  -ait.  -mtf  belegt  (Schlüter, 
Unters.  S.  o'i  — 102). 

In.  zweiter  Reihe; 

12)  Vereinzelt  kommt  vur  r  Brechung  eines  a  zu  c,  eines  r  zu  a  oder  i, 
«Ines  I  zu  e  vor  (Schlflter  S.  106,  §  74)  —  mndd.  und  nndd.  nur  evQ.a.  Es 
handelt  sich  wahrscheinlich  um  zeitUdi  ganzlich  verschiedene  Vorgänge,  so  dass 
-der  Lautwandel  e~^a  vim  der  angloErics.  Brechung  ganz  zu  trennen  ware. 

13)  Vereinzelt  kummt  vor  h  Brechung  eines  i  zu  /»  oder  ta,  eines  t  za 
-0  vor  (Schlüter  S.   108,  g  78,  2)  —  mndd.  und  nndd.  keine  Spur. 

14)  Germ,  ai  erscheint  zwar  in  der  Regel  als  i,  vereinzelt  jedoch  auch  als 
ä  (Schlüter  S.  q6,  §69,  2a  Anm,  i)  —  mndd.  und  nndd.  stets  e  bczw. 
diphthongiert  Dieser  Fall  ist  wahrscheinlich  zu  streichen,  da  die  verein- 
zelten, auf  0  Wörter  im  IleUawi,  eins  in  der  Genen'i  und  2  in  der  AftrenuH' 
iiatio  beschenkten  li  auf  altengtische  Schreiber  zurückzuführen  sein    dürften. 

15)  Metaihesis  (Schlüter  S.  284,  §  u>5,  1  a),  nicht  eigentlich  als  anglo 
Iriesischtd  Charakteristikum  zu  bezeichnen. 

»  Vgl.  L.  Morsbach,  AnRlia,  Beiblatt  VU  (1897)  3»3— 33a.  —  »  Verf. 
BtHrägt  tur  G/^ographif  der  deutsi/un  Mundarfm,  Lcipcig  1895,  S.  69  f,  — 
•  W.  Tan  Jielien  (IF.  V  191  f.)  nimmt  an,  da»s  lauigeseulich  der  Schwand 
nar  eingetreten  sei,  wenn  der  auf  den  Xntal  folgende  Keibelaat  sur  lelben  Sithe 
geborte,  eine  Annahme,  der  ich  schon  wegen  /Xlhen,  üihia  nicht  beitreten 
kann.  —  *  Vyl.  auch  K.  Kögel,  IF.  III  291  f,  Südm  gilt  wegen  des  «  als 
ein  ndld.  Lehnwort,  was  teilweise  jedenfalls  lulrcffend  ist,  wenngleich  der  Laut- 
wandet  ü  >  »  sporadisch  auch  im  Nicdcr^äcbsischcn  sowohl  twischen  Braun* 
schweig  und  Lünebiirerr  Heide  als  auch  in  Holstein  nachweisbar  ist.  —  ^  Moail* 
lieron);  und  weilethin  Assibilicruni;  wird  bewiesen  dnrch  Beispiele  wie  A'trrYr- 
Htonl  {Widukind  II  12.  a8)  =  Chrt-rrmant,  hizt  Bach  (Thietmar),  CflU<i 
Ks^llu.  Vgl.  unten  S.  86§.  —  ^  Mit  alleiniger  AuMnahme  von  sn'rr  Käfer.  Die 
:  im  Dithniarschen  «rkUren  sich  aus  friestacher  Beinriischung,  Tgl.  C.  W«|ther, 
Ndd.  Jb.  II   134—138. 

Anni.  I.  Dasselbe  sporadische  Hervorlr^len  nnglofriesischcr  Eigi^ntumtichkeiten 
ÜDdcn  wir  im  AltniedetftSnktschen,  und  auch  hi<^r  bat  die  sjiAteie  Sprache  die  meisten 
derselben  verwiichl.  Wir  därfen  hier  an  die  Auftdehoung  des  Machtbereichs  der 
Friesen  bis  iK.t  Scheide  in  iindung,  an  die  AVarnrn  und  Angeln  in  dem  niedctriicintschec 
ThiliiDgcn  (§  130  und  13a)  und  an  die  von  Kari  dem  Grossen  impoitiertea  Sachsen 
denken,  vielleicht  auch  an  NiederlastuDgen  der  nordelbineiflchen  und  chaukischen  Pirmien, 

Aam.  3.  £.  Schiuder,  Mitth.  d.  Inst.  f.  oesterr.  Gcschforsch.  XVIII  (1897)  S.  r5 
hlt  ausser  dem  Lnuiuandel  o'^  e  und  dem  ^hwAchen  Nom.  Sg.  Msc.  auf  -a  (Zeuss  392 
Anm.],  der  den  I^utwnndel  des  unbetonten  ä  zu  a  repräseotiert,  als  anglofriesiscbe  Kenn* 
zeichen  noch  angelöbrt:  den  L'mtsut  des  a  zu  t\  germ.  au  ^  &,  ansltd.  g  ala  Heibelant 
und  die  AsMniilalii<n  von  Id^  //,  Diese  Erscheinungen,  denen  noch  germ.  rv"^  i'<i  und 
atütd.  g^^j  bincuzttfQgen  würe,  sind  alleidin]^  der  angia friesischen  Mundart  innerhalb 
des  Allsfichsiscben  eigen;  aber  speiihsch  anglofriesiscb  zu  nennen  wSre  nur  der  Umlant 
dea  a  zu  I  in  der  Beschränkung  auf  die  .Stellung  vor  r  (Brechung).  Das  oebenbetoate 
>  in  •tiidi.  'hiki  darf  bii  zu  einem  gewissen  Grade  als  gemeinsäcbsisch  bezetcbnet 
«erden,     d  (d.  i.  hX.^<ttvci.  oh  ist  orthographisch  cu  bcorteilen.     Ei  wedudc    (wte 


III,  D.  OX£  DEtTTSCBE»  SACBSEK. 


86^ 


im  Ripwnrischen)  mit  ö;  vgl.  >,  B.  die  westßliscben  Ottsiumen  Lahäe  <Z.  Ii68  Loth^, 
Awrt<;i403  Kotiert,  StfifienraJe iC_l\i^  Scpj^Hrothe.  seltener  umgekebn,  t.  B.  Lohe 
■^  looo  Laa.  Genn.  ai*  ist  im  AltsXcli^itchen  überhaupt  tu  i)  gewordcD,  das  von  dem 
germ.  0  );cschicdeo  itbt,  wie  ilic  heutigen  Munilarten  beide  l,»iute  scheiden.  A  (ge- 
scbriebcn  n)  ist  zwar  auch  ostfriesisch,  wcMfricsisch  aber  entspricht  ein  reines  ä  ond 
ftlleoglitch  f'Vi.  Spirantische  Aus^^r^ichc  d^s  auslauienJeii  ^  ist  gleichfall»  nichts  spe* 
Eifisch  AnuUifrlesi-ichcs;  nuch  weniger  HK^lä.  denn  dieM-n  l-itilwandel  kennt  iwju- 
dis  spätere  Rüstrincische,  nicht  ^bcr  das  ilbrige  Ost*,  das  Wesirriesische  und  das 
EngUsche  (westfries.  sogar  idy>-ä). 

§  144.  Die  genannten  anglof riesischen  Ei jrentürol ichkeilen,  von  denen 
eigentlich  nur  die  ersten  13  gejtÄhlt  werden  tlOrfen.  finden  sich  in  unsem 
Dcnktnalern  nur  sporadisch,  fast  konsequent  von  den  lokalisierbaren  Denk- 
mälern allein  in  den  .\fgnehNrger  Glossen^,  in  denen  Punkt  l,  2,  3,  4,  fc,  10. 
II  und  IJ  belegt  ist.  ü,  7,  q,  ro,  12,  15  ist  in  der  Frttkfnhonler  HeberoUe 
belegt:  I,  4,  6,  7,  10  in  den  Slrassbur^r  Isidorghssen',  2,  8,  g.  12,  15  in  den 
Vtfgilfilo!aen',  6,  0,  10,  13,  I3  in  tleii  Düsuidorfer  r*rndfnliiisglossen.  Im  He- 
iiami  findet  sich  Punkt  i,  3,  4,  13  »nd  15  gar  niiJit.  2  jpinz  selten,  5  sottohl 
Ö  wie  fl,  n  in  der  Regel,  7  in  gfr  .Jahr-,  8  zuweilen,  9  meistens,  10  ver- 
einzelt, ti  spiirenweisc,  \2  und  14  vereinzelt. 

Da.>i  geugraphischc  Gebiet  f(lr  die  anglo friesische  Mundüitcnschicht 
lüsst  sich  nach  unsem  Sprachdenkm^Llcm  nicht  ermittoln,  einmal  deshalb 
nicht,  weil  nur  weni^  Denkmäler  bisher  einigennassen  sicher  lokalisiert  wor- 
den sind,  iuu1  zum  andern,  weil  von  den  lokalisierbaren  allein  die  Mentbur^ 
Glosse»  eine  atisgcpraj^t  anglufrie^iMrlie  Mundart  haben,  die  andern  aber  die 
angJof riesischen  Eigen itimlichkeiten  nur  ausnahmsweise  zeigen.  Positiv  würde 
abo  die  anglof riesischc  Mundart  allein  fOr  die  Merseburger  Gegend  konsta- 
tierbar sein.  Negativ  Lisst  sich  nur  8ag;en,  dass  Essen  am  wenigsten  von 
dieser  Mundart  hat;  denn  die  Hssener  IhheroUe  und  Essener  fterichte  wdscn 
keine  solchen  Spuren  auf,  ebenso  die  Essener  Grej^r^losseu ,  welche  indessen 
die  Metatlicsis  kennen  (bemii),  M-ahrend  freilich  in  der  atis  Essen  stammen- 
den flomilie  Hedas  gir  »Jahr«  und  h'^sur  »Kaiser«  (§  143,  7  und  10)  und  die 
Brechung  in  tvarofdi  »Welt*  tmd  kcnka  >Kirche  (§  143,  12)  belegt  ist 

1  Die  Sprache  der  .V^rsrburgrr  Glonm  habe  ich  PBB.  TX  579— jÄi  unreine 
angUsche  Kolonie  eurückgeflihrt.  Von  Angeln  in  der  Gegend  von  Merteburg 
(bczw.  Walbcck)  fehlt  indessen  jede  Spur  —  die  J^ndschafl  Engilin  liegt  süd- 
lich der  Unsirut.  Näher  würde  es  liegen,  jid  Kiieseo  tu  denken  (§  13.1  Anm,), 
da  das  Krlcsenfcld  bi«  in  die  NIhe  von  Merseburg  reichte,  und  die  Fonu  tluuatt 
■thun«  -tum  Friesischen,  nicht  aber  ium  .MtenuHschen  sdmmt.  Friesisch  und 
zwar  westfriesiich  wörde  aocb  itn»  -f^tcben'  sein,  während  diese  Form  andern- 
falls eine  Ausnahme  von  dem  sonstigen  Sprach cbarakter  de»  Denkmals  bilden 
würde,  ücgcn  das  Kriesiicke  würde  allein  der  stete  Inliniliv  auf  -n  sprechen, 
wenngleich  wir  nicht  sagen  l<i.>nTien,  üb  nicht  um  looo  oder  in  der  Zeit,  In 
werkher  Kriegen  sich  dort  niedergelassen  haben  {vermutlich  im  6.  Jahrh.)  das 
;iii»Iaulende  n  in  Westfriesland  noch  bestanden  hat.  Indessen  die  freilich  wenig 
bekannten  geüchichtlicbcn  VcThältnissc  sprechen  nicht  fiir  eine  so  grosse  Aus- 
breitung der  Friesen,  und  wenigstens  bei  Thietmar,  der  VI  19  und  ]X  37 
ditf  Friesen  an  der  Nordsee  nennt,  sollten  wir  eine  Erwähnung  der  Merscbor- 
gischen  Friesen  erwarten,  wenn  solche  existierten.  Ich  halte  es  einstweilen  fbr 
richtiger,  die  Sprache  der  Glossen  aus  dem  Zusammenhang  mit  dem  Altuichsi- 
&chen  nicht  hemusitureisacn, 

§  145.  Ergebnisreicher  dOrfte  sich  eine  uraf:tssende  Untersuchung  der 
urkundlichen  E i  j,-  e n  n a m en  gestalten '.  Einstweilen  weiss  ich  hierQber 
niU'  zu  sagen,  da-ss 

i)  die  anglüfriesische  Mundart  im  rrsien  Vierte!  des  ii.  Jahrhs.  wiederum 
für  Merseburg  bestätigt  wird,  Das  Mertehtirf^r  Totenbuch^  und  die  Eigen- 
namen bei  Thietmar  von  Merseburg'  bestätigen  und  erganzen  das  aus 


864 


XV.   EtHNOORAPHIE  der  GERMAyiSCHEK  StAUUK. 


den  jifenehtr;^  Gfossen  gErw4mncne  Ergebnis*.     Von  den  in  ^  143  gciiirnntcn 

Erscheinungen  ist  5,  (>,  7,  cj,  13,  14  timi  15  in  den  Geissen  nicht  belegt. 
In  dt-n  Eiaennamen  ist  zu  5  Os-  und  -nath  bcIt-Rl'*:  für  0  fehlt  ein  sicherer 
Beleg,  wenn  man  nidil  Sumen'ngr,  Sumcrini^  ini  TaUnbiich  dafür  gelten  lassen 
will";  7  ist  nicht  Iconst.i tierbar;  9  ist  für  s  und  th  \ielfach  belegt^;  13  und 
[4  ist  nicht  belegt;    für  15  habe  ich  einen  Beleg  gleichfalls  nicht   gefunden. 

2]  Eine  anglnfriesi'M'he  Mundart  tritt  nadist  Mctseburg  am  KtArkstcn  in 
Herford^  unt!   Faderbom '^  und  besonders  in  Corvey '"  hervor. 

3)  In  diesen  Orten,  im  Münsterlande,  im  Üsu abrückscheu  und  Minden- 
scheu  ist  bekannt:  #>  für  urgerm.  A  (Namen  mit  m/)  ",  der  Lautwandel  am'> 
hi  und  AI  (Xaiiieu  mit  ba  neben  tti),  a  für  unbct>:mtcs  gcnn.  ö  (Xum.  PI.  auf 
-as),  Schwund  des  a  vor  /  mit  Ersatzdehnimg  (Namen  mit  si€Uh\,  Brechung 
des  a  vor  r  zw  e  (Namen  auf  -herd)  und  Metathesia  {bum  neben  Iminn»). 

'  Vgl.  cto3lwcUt.li  \V*.  Crcccliu».  VoUtcioe  ad  augtndam  namimim  profriü~ 
rum  Siixi}ttkorum  et  /''rts/orum  UKHtiam  sfifitant/s  l.  IIa.  IIb.  llls.  lltb,, 
Ellierlcklae  1864  —  69  Miui  BctoÜni  [i8t>9 — 70]  (bwordcTN  dir  Wcnltm);  M.  Heyne, 
A/inirt/i-rdmtu/ir  Etgrnnanifn  atis  dem  nrunUn  hii  flftm  Jnhrhundert,  HaUe 
1867;  H.  Allbi'lT,  Grammatik  Altniiksiteh^r  Eigrnnam^n  in  IVe^tJtiUsiifrn 
Vrktn%dfn  Jrs  trrtiMim  An  cijien  Jahrhunderts,  Patierbnin  1879;  E.  Schrttilcr 
in  d*ii  Minh.  il.  last.  t.  Owlerr.  iii-schichisforschunj;  VIII  1—52.  —  '  »I.  E, 
DQmmlcr,  X«tjc  Minlidliingt'n  des  'ITiilr.-SÄtlis,  Vereins  XI,  Nonlhauscn  1867. 
S.  J33— 164.  -  ■  »J7S  — 10j8,  ed.  Fr.  Kiir«c,  Hannovcrac  1889.  —  <  V(ä. 
|-[.  Harlmann,  Grafumalik  der  ätttsten  Mundart  Altruturgi  /.  Dri  V<*katiS' 
Mits,  Berliner  Diu*,,  Xotden  1890.  —  ^  Hartniann,  S,  6,  §  8,  —  "  tU).  S.  17, 
g  39.  —  ^  ebil.  S.  6.  $  8.  S.  14.  §  21,  2.  S.  17.  §30.-6  p.,  Wilman», 
/><«■  KaütrituiuiiH  der  Provinz  IVntfaUn  I,  Münster  1867.  —  ■  AnnaUi  fathrr' 
bruHtunst'i,  ed.  I",  Scheffer-Boichorst,  Innsbruck  1870;  \'ila  Mfi'nus-rci.  ed. 
Pcrt«,  MG.  SS.  XI  104 — l6r.  —  •*■  Traditioufs  Cortu-irrnfs,  cd.  F.  Wipjind, 
Leipzig  1845;  A^omirnrnta  CorAfiensta.  vd.  Jaffe,  Berlin  i86.|.dit7ii  Widubindi 
CorbeienKi<;  Äcj  grfitw  Saxettifaf  (oben  S,  860)  —  •'  Ä  in  wwtfäUschpn 
Ort&nameii  9,  H,  JrJlinghau t>,  Die  •::vs!f'litiiihe»  Orlinamr/i,  Kiel  und  Lrip/ii; 
1896,  S.  156;  suitwt  in  Urkunden,  PBB,  Xt  28  f.;  ausser  Merseburg;  bcaooden  in 
Herford  und  Cor^ey.  Wegen  a  <ie  ist  nicht  Erlultuiii;  de»  ßcnn.  J  ■nntncbmen 
sondern   (wie  im  AnglofricKischcn]  Ä^lvrgtnr.  u-CiirKcnn.  £*. 

ii  14IJ.  Fragen  wir  jetzt,  wie  weit  einzelne  der  oben  als  angtufrie^ii^ch 
bezeichneten  Erscheinungen  auf  Grund  der  gegenwärtigen  Mimdart  und  auf 
Grund  der  Ürlsnamen  lukalisierbar  sind,  so  kommt  allein  der  Wechsel  von 
ö  und  d  für  genn.  a  vor  n  —  j  (^  143.  5),  der  Schu-und  dw  n  vor/  (ebd.  9), 
die  Mouillierung  eines  k  (ebd.  :o)  und  die  Metalhesis  (ebd.  15)  in  Frage. 

i)  Der  bert-iis  im  fhliand  belegte  Wechsel  \on  <>  und  d  besteht  in  den 
heutigen  Murulartrn  fort:  ^s  >Gans*  wird  von  den  Küstenmimdarten  und 
vom  Ostfalischen  v.i rausgesetzt,  f^fts  ysyw  den  westfillisiht-n  und  engriüi.licn 
Mundarten,  so  d^iss  eine  ungefflhre  IJnie  von  der  Emsmflndung  bis  rum 
Harz  ein  norcKlsiüches  Gebiet  niil  dem  ausgesprochener  anglof riesischen  i* 
von  dem  südwestlichen  Gebiet  mit  «1  scheidet'.  —  AllmcrseburgLwch  ist  .M'ial 
0  vf>r  J,  einmal  n  vor  /  belegt. 

1)  Der  Schwund  des  n  vor  /  mit  Ersatxdehnung  ist  auf  dem  gaiucn 
niedersächsisrhen  Sprachgebiet  nachzuwei.sen,  be*inders  durch  die  Drtsnamen 
mit  Smi-,  Stukr-  (von  denen  mit  Süd-,  Su'der-  will  idi  der  VorsicUl  halber 
hier  abschen),  wie  im  Regie rtmgsbezirk  Arnsberg  ausser  Saufiintid  <C  Süfr^ 
fand  <.  SüJheriand:  SiiHrop,  Regbz.  Münster;  üuddorf,  Sttt/orf,  Sitdlivff,  Su 
mühkt  Sudenvich,  Sftdcrwitjt,  Regbz.  Minden:  Sudbeim,  Sudbraei,  Regbz.  Osna-^ 
brück:  Siiddorf,  Suttotf.  Suttmp.  Regbz.  Hannover:  Stiltorf,  Sitdwatdi.  ÄW- 
w^yhe,  Regbx.  Lüneburg:  Siiderinng,  Sndcrbruch.  Suder-  Witivi^n.  Regbt 
Hildeslieim:  Sudheim,  Sudenhaitsen,  Regbz.  Magdeburg:  Suderodf,  Sud/ahni-gA 
Vgl.  femer:   Angebmdde  (bei   Münster,  an  der  AlOndimg  der  AngeJ)<l  13. 


m,  D.  Die  DEursarEN  Sachsen. 


865 


Jahrh.  Angtlmude,  Rahm(e)de  (bei  Altena)  <C  11.  Jahrh.  }iammtüht\  liaeke- 
müde  (bei  Meppen).  MiUten  (Lünebui^er  Heide,  an  der  Mündung  der  Wiclze) 
<,  Mulha,  Mii'hn  (au  der  Älündiing  der  Ocker)  <  .l/w/Aa  —  liing^en  Mün- 
den (Fulda  und  Werra,  früher  liochdeutsch)  und  Mündtn  (in  WaJdeck,  frOlier 
hessisch?)  <  1298  MtmJtne. 

3)  Die  Mouillierung  und  Assibilierung  einas  k  vor  palatalen  Vokalen  be- 
steht heute  noch  in  einer  Anzahl  (Irtsrnmen  fort.  Am  eingehendsten  hat 
W.  Seelmann^  soldie  nachgt: wiesen  in  der  Landschuft  zwischen  der  iiberen 
Aller,  Orker  und  Unstrut,  also  in  jenem  Äü(UwtfalLsi:hen  Gebiete,  zu  dem 
auch  Merseburg  gehört  Von  den  hier  nacligewieseneu  25  Ortsnauicn,  denen 
ich  Senirnifisledi  (sücLlstlich  von  Wnlfenbüttel)  •<  Seemautidde  <  Zemmenstide 
hinzufüge,  bestehen  noch  t»,  nflnilich  Eizhrodc  (zwischen  Sangerhausen  und 
Mansfeld),  Aizflmcende  (wesdich  von  Wippra),  />/rt/.'irra//f  (nördlich  von  Mans- 
feld),  ZehUn^  (bei  Ballenstedt),  Stillfnifhm  (bei  Quedlinburg},  /.tringen  (bei 
Halbcrstadt),  Zillv  (nonlwestlieh  von  Halberstadt),  ScmmemUdl  und  Sickte 
(sfldösdich  von  Braunscliweig)  mit  r  oder  s,  eJner,  IIöUnsUheH  (hei  Scliönin- 
gen)  uiit  /  und  einer,  der  freilich  itweifclhaft  ist,  Rnckschebur^  (bei  Maus- 
feld) mit  hch  fort;  2  bestehen  heute  nicht  mehr;  g  weisen  jetzt  k  und  4 
das  hochdeutsche  sh  auf.  Beschranken  wir  uns  wegen  der  Unsicherheit  der 
Bodens tSndigkcit  urkundlicher  Namcnsformen  allein  auf  jene  9  mit  z  oder  s 
und  den  einen  mit  /,  so  entfallen  von  diesen  Namen  einer  auf  das  Friesen- 
feld, 2  auf  den  Schwabengau.  .s  auf  den  Harzgau  und  3  auf  den  Darlinggau. 
Diese  ui  Ortschaften  liegen  ziemlich  in  einer  Linie,  zwischen  Sangerhausen 
und  Brauuschweig,  Genau  in  der  Fortsetzung  dieses  Streifens  liegt  Esienrode 
(an  <ler  Braunschweigischcii  Nordgrenzc)-<  1378  Edzenrodc  und  weiter  nordwcst- 
lidi  CdU  mit  \VesUri:eUe  <i  1013  WesterkitUn,  und  bei  Celle  fliessen  die  Bache 
Sehmarbfck,  WUhletiheck  und  Niebeck  <  1060  (Goslarer  Urkunde)  Smeribeti, 
Wihtinbizi,  Ibtzi.  Nördlich  von  Celle  in  der  Lüneburger  Heide  finde  ich 
I^'tze».  Und  merktt-ürdigerweise  wiederum  genau  in  der  Fortsetzung  der  IJnie 
Sangerhausen— BraunschweJg — Celle  liegen  die  von  H.  Tümpel*  gefundenen 
Orte  Zeirn  (zwischen  Bremen  und  Hambui^)  <  1499»  13Ü3  Tzmata  <  1184 
— 120[  Ztirtna  <i  1158  Ofvena  <.  112g  Kamta,  980  Kivinan  und  Sastenkoh 
(bei  Zcveti)  <  1400  T:ersenholtf  und  Poilzendorf  (bei  Zeven)  <1  1242.  1200 
I'octnthorpe,  Pflkmthsrp.  Die  Lage  aller  dieser  Orte  in  einer  Linie  ist  so 
merkwurtlig,  dass  man  darjufhin  kawn  wagen  darf,  fitr  die  ganzen  Land- 
schaften längs  dieser  Linie  den  Lautwandet  von  >(  zu  ;  in  Ansprudi  zu 
nehmen.  Ausserdem  ist  dieses  ;  noch  ftVr  3  holsteins'he  Orte  nachge- 
wiesen ••:  Möztn  (bei  Segebcrg)  •<  IIJ4  Motkinga,  WasOeci  <  1289  Wersbeke 
<  U'frkebrkr  untl  Sets/rr  (bei  Klmshom)  <  ii-jt  Cifsltrt''.  Sporadisch  femer 
für  Zenen*  (bei  Rinteln)  <  A'crsnc  und  itii  Hildesheimsi  hen "  für  SantedK 
1333  Tsfntede<.l2^b  Chyantidt  und  Bekem  und  Ksbtke  <i.  1022  Beszem  und 
Asbizf.  Hier  dürfen  wir  wohl  friesischen  Ursprung  des  3  vermuten  (\'gl. 
§  125  Note  2).  —  Künftiger  Forschung  niag  es  gelingen,  das  Gebiet  des 
einstigen  Lautwandels  -f^r  genauer  zu  bestimmen. 

4)  Die  Metathesis  ist  fast  allgemein  nic^ersächsisch,  nicht  speziell  anglo- 
friesisch.  Vgl.  die  zahllosen  Ortsn;unen  auf  '(mp,  -tup  von  \Vcstfalen  bis 
Holstein. 

Also  auch  auf  Grund  tlieser  4  Jterkniale  Ia.->st  sidi  die  Heimat  der  anglo- 
friesischen  Charakteristika  nicht  bestimmen.  Wir  dürfen  wohl  sagen,  sie  ist 
überhaupt  nicht  bestimmbar. 

'  Vyl.  §  143,  Nute  2.  —  *  Weiiore  Nameo  bei  H.  Jeltingbauii,  Dw  vtiU 
fäU'tihtn  Ortuiam,».  Kid  und  Lcipjig  1896,  S,  106.  —  *  Ndd.  Jb.  XJI  64—74. 
Ccmuinfsche  Philulosle.  UL    2.  Aufl.  AS 


U 


—  *  PBB.  VII  12.  —  *  SffxUr  wohl  holländischen  Ix-zw.  IrinbicWn  Unprtmgs; 
^.  A.  V.  WcrsL'Ue,  Vebcr  die  N teder h'indisihtn  Colonifn  I,  Hiumovct  I815, 
S.  262— 28S. 

§  147.  Wenn  sonach  eine  wirkliche  anglufricsisdie  Mundart  allein  für  die 
Mersebuiger  Gegend  nachgewesen  ist,  im  Obr^en  sich  aber  die  anglofriesi- 
schcn  Spuren  nichl  genauer  lokalisieren  lassen,  wenigstens  nicht  so,  dass  man 
eine  bestimmte  L.'indKcliaft  da/ür  in  Anspruch  nehmen  kann,  und  wenn 
ferner  diese  im  Allsachsischen  henortret enden  Spuren  natiirhch  nicht  ans 
Mersebui^  hergeleitet  werden  können,  so  mii&s  die  Herkunft  dieser  Elemente 
anders  bestimml  werden  als  getigraphisch.  Diese  \'eränderte  Fiagestellnng 
inusste  ohnehin  bereits  der  Umstand  nahe  legen,  dass  es  eben  nur  Spuren 
sind,  die  sich  in  den  nlLsÜrhsisrhen  Sprachdenkmälern  zeigen,  und  dass  diese 
Spuren  zum  weitaus  gr(">sslen  Teile  spater  gänzlich  veiwisdit  sind.  Dass  die 
anglofriesischen  Erscheinungen  wirklich  einmal  bL«ienstÄndig  gewesen  sind, 
beweisen  die  hn  vorigen  §  besprochenen  Falle.  Wir  haben  den  merkwür- 
digen Fall  vor  uns,  da:is  ganze  Lautgeiüetze  im  Verlauf  der  niederdeutsches 
Sprachgeschichte  einfach  aulgehoben  sind,  und  zwar  M-eil  sie  von  je  her  nur 
eine  eingeschränkte  Geltung  hatten.  Aus  as.  ölfiar  \lIelianJ\  hat  auf  laul- 
licheni  Wege  ndd.  anner  nicht  entstehen  können:  während  ^/Z/ffrausgesturben 
ist,  stammt  nnner  ■<  ander  aus  einer  nicht  anglofriesischen  niederdeulschai 
Mundartenschicht,  die  ebenso  all  ist  wie  jene  unglufriesische:  IhUanJ',  ander 
(C  1203.  1444)  neben  öthar.  Innerhalb  des  AltsTichsischen  liegen  also  zwei 
Schichten  vor,  eine  auglofriesische  und  eine,  um  es  so  zu  bezeidinen,  deutsche. 
Da  diese  Scliichten,  von  Ausnahmen  wie  Merseburg  (vielleicht  aucJi  Corx'cy) 
aljgesehen,  nicht  geographisch  gescbieden  waren,  so  waren  sie  es  sozial.  Da 
im  späteren  Niederdeutschen  v(.»o  der  anglüfriesischcn  Schicht  nur  geringe 
Re^üte  übrig  geblieben  sind,  wälircnd  sie  im  tdlgemcincn  durch  die  deutsche 
Schicht  absorbiert  wordeJi  ist,  so  sind  die  Menschen,  welche  der  letzteren 
zuzuzahlen  sind,  von  je  her  in  der  flberwieiteiulcii  Majorität  gewesen.  Anglo- 
fricsischf:  Mundart  wurde  von  einer  tlber  d^Ls  ganze  .Sachse.nland  verstreuten, 
hier  verhaltmsmüssig  starker,  dort  schwacher  vertretenen  Schaar,  vielleicht 
sagen  wir  besser:  von  einer  Anzahl  Familien  gesprochen.  Diese  Familien 
haben  in  ülte^tcr  Zeh  einen  hcr\-orragenden  Rinfliw-s  gehabt,  sonst  hätten  sie 
nicht  die  übrige  Bevölkerung  sprachlich  beeinflussl  {}>ö$  »Gans*,  süp  »Süden«), 
imd  sonst  hatte  ihre  Mimdart  überhaupt  nicht  so  stark  littciarisch  liervor- 
Ireten  ktmnen.  \\'ir  haben  es  wolil  vorzugsweise  mit  anglofriesischen  Adeb- 
geschlechtem  zu  thun,  welche  über  das  nicht  anglofrieaische  Land  geheischt 
haben. 

§  14Ö.  Kehren  wir  nun  zu  unserem  Ausgangspunkte  {%  142)  zurück^  so 
dürfen  wir  beluiupten,  dass  der  Gnmdstock  der  Brvflikenmg  unseres  nieder^ 
deuisclien  Landes  nichi  der  anglofriesischen  Gruppe  iuigehürt  hat,  zu  der 
doch  die  Chauci  und  die  holsteiniscEien  Sachsen  des  Ptulemaios  zu  zalUen 
sind.  Diese  Sachsen  haben  das  Land  erobert  und  ihm  den  Namen  gegeben 
und  den  Bewnhnem,  vielleicht  mehr  wie  von  ilirer  Sprache,  w«  ihrer  Eigen- 
art aufgrprügt.  Diese  über  das  Land  verstreuten  Sadiscn  sind  allmahlii-h 
von  der  eingcbt>renen  BcviUkerung  absorbiert  wurden,  wie  die  Franken  in 
Frankreich,  tlic  Langobarden  in  Italien.  Die  Hauptmasse  der  Sachsen  wie 
der  in  ihnen  pcilitisch  aufgegangenen  Chauci  hat  sicJi  aber  in  Britannien  eine 
neue  Heimat  gegilludet:  die  holsteinische  Mundart  und  die  liannöversclte  ist 
kaum  anglofriesischcr  als  die  andern  ndd.  Mundarten.  Es  sind  nicht  die  tn 
Deutschland  zurückbleibenden  Reste  gewesen,  welche  Niederdeutschland  unter- 
worfen haben.     Vielmehr  ist  die  Eroberung  Niederdeutschlands  der  ^Y>n  SOd- 


III,  D.  Die  deltschek  Sachsbk. 


867 


c-nju;!aiid  /xitüdi  vurangcgaugtu.  Schuu  um  100  11.  Chr.  warvu  die  ubcren 
WestTUnclst  haften  i-liaukisch  geworden  (§  138);  um  300  reidilc  tlriü  S:ichsen- 
land  westwärts  bis  zur  Zuider-See  (§  172);  iin  ö-  Jalirh.  erfolgte  die  Erobe- 
rung Ostfaleus  uiid  um  7cx)  die  Eroberung  WeÄtfaleiis,  beitle  zum  Teil  histfi- 
risch  bezeugt.  Die  Zahl  des  sächsischen  Kemvolkes  ist  fi»  Niederdeuischland 
auch  nach  dt-r  Auswandtrnnig  nach  Etighiud  zuiiüclist  iiiclit  h**  gering  gewe- 
ser. Ihn^  Zahl,  die  ia  den  Kriegen  gegen  die  Franken  t>ereits  au&serordenl- 
licb  geschwächt  n'urde,  ist  so  gering  geworden  erst  durcli  die  Entltauptung 
von  45OÜ  Sadiscn  zu  Verden  im  j.  782  und  besonders  durch  die  gewaltsame 
Verpflanzung  vieler  TauscJide  durch  Karl  den  Grossen,  der  im  J.  Üo^  loooo 
Sachsen  von  beiden  Seiten  der  Elbe  mit  Weib  ;md  Kind  im  Frankfnlande  an- 
siedelte* und  dadurch  das  nach  der  Übcräledlung  nuch  Britannien  olmeliin  nur 
schwach  bevölkerte  Chaukcnland  und  westUdiu  und  mittlere  Holstein  -—  Oftt- 
holstein  war  slawisch  —  fast  enlvf>lkerte.  Südlichere  Elemente  mOssen  hier 
einfiewaiidert  sein.  Die  uicht-süclLsi>chen  Elenieiile  der  Bevölkerung  lialjcn  eine 
weicntliche  Vcreiarkung  erf;ihren  durch  friinkisclie  Ansied luiigen,  be«inders 
diu'ch  die  Urbarm;ichutig  der  Elb-  und  Wesermarsclien  durth  Niederländer 
{§  1B7),  von  den  uiederlandiüchen  Kolonien  in  der  Altmark,  in  Anhalt  und 
östlich  der  Elbe  (ji  i8tt)  ganz  zu  geschweigen.  Hierdurch  ist  der  heute  nc>ch 
bestehende,  ursprünglich  aber  ganz  scharf  ausgeprägte  Stammesgegensatz 
zwischen  Sachsen  untl  Franken,  der  jtolilisch  in  der  Feindscliaft  zwischen 
Deutschen  und  Franzosen  fordeht,  gemildert  und  der  äächsischc  Stamm  vol- 
lends verdeutscht  worden. 

1  'Einhanl  7   und  Hciniold  1  3.  4. 

§  i4tj.  Fragen  wir  nun.  welche  Völkerschaften  ausser  den  Cbauci  {§  i3Öf.) 
in  den  Sachsen  aufgegiuigen  8in<I,  imd  welcher  Gruppe  die  eingeborene  Be- 
völkerung angelu"irte,  st-  ist  zunächst  tlaran  zu  erinneni,  dass  die  Lango- 
barden ihre  Sitze  im  Lflneburgischen  bereits  im  J.  6  n.  Dir..  im  X^uen- 
hurgischen  in  der  ersten  Hälfte  oder  spätestens  in  der  Mitte  des  2.  Jalirhs. 
aufgq^eben  hatten,  um  nach  Süden  zu  wandern  {§  243).  Ihr  Gebiet  ist  zum 
Teil  von  den  ihnen  befreundeten*  Sachsen  besetzt  worden,  zum  grössten  Teil 
blieb  es  unbewnhni,  um  später  den  Slawen  anheimzufallen. 
^  P.-iulu.s  DiiLciiDii«  II  6. 

1$  150.  \\Mhrend  die  Langobarden  derjenigen  Gruppe  zugehört  luiben, 
aus  denen  nachmab  die  bochdeulsdien  Stämme  her\'orgegangen  sind,  gehören 
<iic  von  den  Sachsen  vertriebenen  oder  unterworfenen  Villkerschaftcn  zu- 
meist der  isiraiM-ischen,  nachmals  frankischen  Gruppe  an.  nur  in  CisUalen  der 
hochdeutsch t-n  Gnippc.  Von  den  CheriLsci  und  Angriv;irii  ist  es  zweifelhaft, 
ob  sie  zu  den  Ii^'iaiwen,  Istraiwen  oder  Erminen  zu  zahlen  sind.  Vgl. 
jedoch  §  216. 

1.  Die  Südnachbara  der  Langobarden  und  Chauci  waren  die  wahrschein- 
lich zur  fränkischen  Grupjjc  gehörenden  (§  2 16),  im  Hanuövcrsclien  und  im 
östlichen  Westfalen  WLihnenden  Cherusci.  Um  Chr.  Cleburt  ein  machtiges 
Volk,  sind  sie  ^q^ii  Ende  des  I.  Jahrhs.  n.  Chr.  von  den  Cliatteu  odei  viel- 
leicht richtiger  von  den  Chaud  pohtwch  vernichtet  worden '  (\^1.  unten  7),  und 
üire  Reste  sind  in  den  benachbarten  Stammen,  vornehmlich  in  den  Chaturi 
und  Thüringern,  \-ielleicht  auch  den  Chatten  und  L:mgobardcn  aufgegangen. 
Die  Annahme,  dass  die  Chenisci  ein  Kemvolk  der  deutschen  Sachsen  gcwe- 
-sen  seien,  entbehrt  jedes  AnhalLs.  Die  cheruskische  Grundbevölkerung  im 
oberen  Wesergebiet  offenbart  sich  noch  heute  in  dem  sich  von  dem  westfäli- 
schen scharf  abhebenden  Volkscharakter  a. 

2.  Die  Amsivarii,  nachmals  als  fränkischer  Stamm  bekannt  (§  198),  liaben 

BS* 


868 


XV.  Ethnographie  der  geruaxischen  Stäuue. 


bis  zum  J.  58  n.  Chr.  im  Gebiet  der  KmsmOndung  gewohnt,  wie  sie  ihr 
Name  als  Anwohner  der  Ems  bezeichnet.  In  diesem  Jalirc  uiirdcn  sie 
»puls!  a  Chauds  et  scdia  inopes  tutum  cxilium  onibant<  (Tac,  Ann.  XITI 
55).  Sie  sind  tlann  in  das  sQdliche  Westfalen  abgezogen  und  spater  an  den 
Rhein  (S  198). 

3.  Die  Cha»uarii  {^  201),  im  1.  Jahrb.  n.  Clir.  an  der  Hase  wohnend, 
wahrscheinlich  eine  Unterabteilung  der  Bructeri,  finden  vnt  zu  Ausgang  des  3. 
Jahrhs.  in  der  Vtronesfr  V&ikertafel  unter  den  rechtsrheinischen  civitatcs,  neben 
den  Usiiii.  Tuhantes;  -islae  oranes  dviiates  trans  Rheniini  in  fomuilam  Bt-I- 
girae  primae  redactae«.  Sie  sind  als<^  ausgewandert,  und  ihr  I-ind.  den 
Hasogau,  haben  die  Sachsen  besetzt. 

\.  Die  Salii  sind  um  300  von  den  Sachsen  aus  ihrer  Heimat  ösdich  der 
Zuidcr  See  verdrani>t  worden  (§  172). 

,5,  Die  Chamavi  hatten  sich  zu  Ausgang  des  i.  Jahrlis.  n.  Chr.  mit  den 
Angrivaini  in  das  brukterische  Gebiet  nürdlich  der  Lippe  geteilt;  ihnen  war 
das  westliclic  Münsterlantl  zugefallen.  Dieses,  das  sogenannte  sächsische 
Hamaland,  nuissten  die  Chamavi  um  300  vor  den  siegreichen  S.'u.hsen  rliumen 

(S  176). 

6.  Die  ursprünghdi  westlich  der  Ijssd  sesshaften  Chatiuarii  sind  <«fldwArt$ 
gewandert  und  liaben  ihren  Namen  in  der  Landschaft  Jlaitcnm  hinterlassen, 
die  in  ihrem  «"Istlidicn  Tdlc,  an  der  Ruhr,  nachmals  sächsisches  Gebiet  ge- 
worden ist  (§   184}. 

7.  Die  Angrivarii,  über  deren  uraprüngUche  Zugehörigkeit  zu  deji  Ingwi- 
aiwen  oder  Lstraiwen  {§  srb)  sich  nichts  aussagen  iH-sst,  hfllt  man  fOr  ein 
Kemvolk  der  Sachsen,  weil  ihr  Name  identisch  i.st  mit  dem  sächsischen 
Stamme  der  Engem  an  der  Wojcr,  mit  deren  Sitzen  sich  die  der  Angrivarii 
im  I.  Jahrh.  n.  Chr.  zum  kleinen  Teil  decken.  Man  nimmt  an,  dass  das  Volk 
in  seiner  allen  Heimat  sitzen  geblieben  sei.  Diese  Meinung  ist  schwerlich  zu- 
treffend. Die  Identität  der  Angrivarü  und  Engem  ist  keine  etluHJgraphisdie 
sondern,  und  auch  dies  nur  bedingt,  eine  territoriale.  Beweisend  ist  das 
Zeugnis  des  Tacitus,  Germ.  35:  »luxta  Ten».:teros  Bructeri  olim  occurebani 
[im  MOnsterlande,  s.  die  Karle];  nunc  Chamavos  et  Augrivarios  immi 
narratur,  pulsis  Bructcris  ac  jienitus  e.\dsis  ndnamm  consensu  nationum.  s< 
superbiae  odio  seu  praedae  dulcedine  seu  favore  quodara  erga  nos  deoriun. 
Nam  ne  si)c<Haculo  quidem  proelii  invidere.  Super  sexaginta  milia  nou  armis 
lelisque  Romanis,  sed,  quod  magnificentius  est.  nbleclationi  oinilisquc  ced- 
denmt.«  Dass  die  Angrivarii  mit  dieser  Besetzung  nicht  etwa  nur  ihr  Gebiet 
nach  Westen  ausdehnten,  snndern  ihre  ahe  Heimat  aufgaben,  lehrt  Germ.  35: 
die  Wohnsitze  der  Chauci  erstrecken  sich  von  der  Nord-iee  südwärts,  >donec 
in  Giattofi  usquc  sinuctur.  Tarn  immensum  terraruin  spatium  nun  tcnent 
tanttiro  Chaud,  sed  et  implent«;  vgl.  auch  Genn.  36:  >in  latere  Chaucnrum 
Chattorumque  Clierusci«  und  Germ.  34:  »Angrivarlos  et  Cliamavos  a  tej^> 
Dulgubnii  et  Chasuarii  cludunt ,  a  fronte  FrisÜ  exdpiimt«  Die  Angri- 
varii, wddie  vordem  au  der  Weser  südlich  von  den  Chauci,  östlich  von  den 
Bructeri,  rnlnllich  von  den  Chalti  und  Cheruad  wohnten.  «*aren  alsci  zu 
Tadtus'  Zeit  nach  Westen  ausgewandert. 

Anm.  Mit  Unrwht  wird  «lies  vierlat'-tie  Z«mgni&  des  Tscitu*  von  den  meisieo  Por« 
adicrn  vt^rworfen.  Zcuxs  95  imd  iot$  verwirft  es  deshalb,  weil  tutcb  dem  jOngerfn  Pltnluij 
{,£pist.  n  7)  und  Ptolcmaios  die  Bructeri  in  ihren  «Iten  Sitzen  v,-r>hn«i.  umJ  wdt 
Aiigriviini  tiei  Ptol.  und  dii^  tw]>StPren  Kngern  an  der  Weser  sitzen.  Das  Zeugnit  <1^ 
Ptol.  kommt  nicht  in  Drirachi,  weil  dieser  oline  Kritik  die  lUtcren  Xacbricbteo  mit  den 
Qcueren  vereini  bjit.  Plinius,  JCpiit.  11  7:  »Spurinna  Bnicicniin  regeni  vi  et  irmi*  if>- 
diixit  in  rr^iiiim  (Mtenlxt'Mju«  be1lo  rerorissimum  gentem   —  lerr«ce   prnlamuit.«     Das  |^ 


MaB»tii1>  1  :  5.000.ÜOO 


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«ItiMk  98  0.  Chr.  Zweifellos  isc  dies  Zeugnis  mit  der  Nachricht  bd  Tac.  zu  verbinden. 
VgJ.  J.  Asbacb.  Jbb.  d.  Vcx.  v.  All.  i.n  Rhein).  LXTX  (1880)  1—6  und  I-XXII  (1S83) 
19  f.  Als  SpuriniM  eingriff,  witren  di«  Bructer]  noch  nicht  vcmi'Cbtct.  Dieac  Katastrophe  mu&s 
unmittelbar.  Doch,  im  J.  9S.  gefolgt  »ciu.  Die  bnto  BcsUlit^iui);  der  NRcbricbt  des  Tacitus  ist 
der  Umstukd,  dass  wir  ohni-hln  aniKhnicn  mfissleii,  du^t  im  I^ufi.-  der  er^leu  3  Jahrhunderte 
n.  Cbr.  d(e  Chamavi  WtfttmUnsterLand  erobert  haben,  da  dickes  den  Xam(^n  Itaxnalaad 
trlf^  und  da  die  Sachsen  um  300  die  Chamavi  bcrciu  verdrUnj^t  halten.  Desgleichen 
weist  der  im  ÖsÜichon  Wesllalea  beirniMrhe  I^mlstlwftsnanie  An^ron  ;iuf  eine  Besetiung 
dieses  Gebieu  durch  Angrirarü  hin. 

Die  von  di-T  Weser  in  das  mittlere  und  östlidiu  Münsterland  eingewan- 
derten Angrivarii  haben  den  Chauci,  die  später  unter  dem  Namen  Sack'ien 
erstJieincu,  Platz  gemacht,  sind  aber  nachmals  sach!>ibch  gewürdcci.  Fehlt  es 
gleich  an  einem  geschichtlichen  Zeugnis  hierfür,  so  wis-sen  wir  dfx:h  andrer- 
seits nichts  von  einer  weiteren  Auswanderung-  dieser  westfälischen  Arigrivam. 
Ä(an  könnte  daran  denken,  dass  sie  als  Bewohner  des  alten  bruktcriachen 
Landes,  unter  den  gleich  zu  nennenden  Bomcfuarii  zu  verstehen  sind,  müsste 
CS  nicht  aU  ausgeacJikisscn  erst^heiiieii,  dass  die  Sach^ien,  welche  tun  ,'^00  be- 
reits am  Niederrhein  standen,  damals  nicht  langst  Herren  des  ganzen  Münster- 
landes wartin.  Die  Unterwerfung  der  Angrivarii  uder  ihr  Anschluss  an  den 
Stamm  der  Sachsen  kann  also  nicht  später  als  in  das  3.  Jahrhundert  gesetzt 
werden. 

K.   Miilicnhoff,  ZfdA.  IX  (1853)  «6—339.   —  J-    Wormalall,     Ober   die 
Charntner,  Brttkurtr  und  Angth-aricr ,  Piogr.,  Münster  18B8. 

8.  Die  Bructeri  selbst,  deren  Reste  sich  nach  der  Kat:istrophe  des 
Jahres  98  südlich  der  Lippe  hielten,  scheinen  hier  dauernd  geblieben  zu  sein 
(§  U^j).  Sie  äirul  unter  den  Boructuarii  zu  verstehen,  die  Baeda  (V  9) 
als  ein  besondere»  Volk  neben  den  Anliqiii  Saxtmes  aufführt,  und  von  denen 
er  (V  11)  berichtet,  dass  sie  im  J.  hg,^  >a  genle  Antiquurum  Sa.icunum«  Ik:- 
zwungen  worden  seien.  Ihren  Namen  hat  der  mittelalterliche  Gau  Jhrahtra 
bewahrt.  Mit  der  Eroberung  des  sQdlitJien  Westfalen;«  haben  die  Sachsen 
ihre  historische  Südgrenze  erreicht. 

Die  südlich  von  den  Resten  der  Bructeri  wuhnenden  Amsivarii  (s.  oben 
unter  1)  waren  damals  bereits  nach  dem  Westen  abgerückt  {%   198). 

9.  Die  letzte  Erv.erbung  fränkischen  Bodens  haben  die  Sachsen  in  einem 
sicgrtüchen  Kriege  gegen  die  Hessen  gemacht,  welche  tien  pagui  /lessi- 
Saxontcus  (an  der  [)icniel)  abtreten  musslen. 

Fassen  wir  zusaumien,  so  sind  von  der  eingeborenen  Bevölkerung  des  west- 
lichen Sachsentandes  die  Amsivarii,  Chasuarii,  Satü  luid  Chamavi  ausgewan- 
dert, und  es  ist  anzunehmen,  dass  von  diesen  Stämmen  nur  die  Unfreien  im 
Lande  geblieben  sind.  Die  westfälischen,  auf  dem  bnikterischen  Boden  an- 
sässigen Angrivarii  und  wahrscheinlich  auch  der  südÜch  der  Lippe,  im  west- 
fälischen Saucrland  verbliebene  Teil  der  Bructeri  sowie  die  /istlichen  Chat- 
tuarii  an  der  Ruhr  und  die  Hessen  des  sächsischen  Hessengaues  sind  im 
Laude  sitzen  geblieben  und  politisch  in  den  Sachsen  aufgegangen.  Ganz  und 
gar  in  den  Sachsen  aufgegangen  ist  zum  mindesten  der  an  der  Weser  woh- 
nende Teil  der  Cherusd.  Das  gesamte  Saclisenland,  mit  Ausnahme  der  un- 
teren Weserlandschaft  imd  Holsteins,  hatte  also  eine  nicht  sachsische  und 
zwar  in  Westfalen  und  Engem  eine  islraiwische  Grundbevölkerung.  Diese 
wurde  zusaami engehalten  und  ventchroolz  mit  den  sächsi.schen  Eroberem  zu 
einer  Nation  infolge  der  geschaffenen  politischen  Organisation  3;  das  säch- 
sische Stanimcsbewusstsein  aber  hat  sich  in  dem  Volke  befestigt  infolge  dea 
zähen  Festhalten»  an  dem  germanis<-hcn  Glauben,  der  eine  Scheidewand 
gegen  die  chrisüichen  Franken  aufrichtete.    Rein  säclisische  Bevölkerung  hat  nur 


870 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 


Holstein  und  nach  der  Zurückdrilngiing  der  Chemsd  und  der  .-Vuswandening 
der  Angtivarii  Engem  gehabt,  und  zwar  mit  Ausschluss  des  südlichsien  Grenz- 
streifens an  der  Dieiuel,  wahrscheinlich  auch  mit  Ausschluss  des  Gr)ttingischen 
zwischen  Weser  und  März. 

'  Tacitas   iitrm,  36.   Di3n   Kassios  LX.VII   5,    i   bcfictatet  von  rrüberen 
kri<^eriacb«n  Verwicklungen  der  Chcnuci  und  Cbatti.     Lcutcrc  bauen  um  80  den. 
chcrasItiKbcn    KöbIü   üfsiünt.     Schon    im   Jahre  47    vrai   die   cbcniskischc     Macht 
gesunken    (Tac,   Ann.    XI    l6f.).    —   «  H,  JcHinnhaus,    NMd.   Korrbl.    XVtU 
2  und  4.  —  8  Vgl.  Wuiiikind  1  14  und  Bneda  V  10. 
§  151.     Historisch  ist  dann  die  Ausbreitung  der  siegreichen  Sachsen  Über 
Ostfalen  auf  Kosten  der  Thüringer,  zu  einer  Zeit,  als  das  südliche  Westfalen 
noch  nicht  von  den  Sachsen  erobert  war.  Nachdem  die  Franken  das  thüringische 
Reich  im  J.   531  gestürzt  hatten,  mussten  die  Thüringer  alles  I-and  von   der 
Unstnit  bis  zur  Ohre  an  die  mit  den  Franken  verbflndetcn  Satljsen  abtreten. 
Die  Landscliaft  westlich  von  Magdeburg  hat  mit  dem  Namen  Norät/ißn'ngf^u 
noch   die   Eriiuierimg  an  die  eing*^bijrene  thüringische   Bevölkerung   festge- 
halten.    Den    sQdlicheren    Teil    des    neugewonnenen  Gebietes    verliessen    im 
J.  568  26  ex»  Sachsen  mit  Weib  und  Kind,    um  Alboin  nach  Italien  zu  fol- 
gen ^     Die  zurückkehrenden  fanden  das  Land  von  den  inziA-ischen   hier  an- 
gesiedelten Nordschwaben  besetzt ',    deren  Namen  der  Gau  Smmn   (sQdItch 
der    Bu4le)    bewahrt    hat.     VcnaoclUen    sich    gleldi    diese  Nordscliwaben    zu 
behaupten^  —  konnte    noch  Widukind    (I   14)    von  ihnen  sagen,  dnss  sie 
i^aliis  legibus  quam  Saxones  utuntur<  *  — ,  so  sind  sie  docli  politisch  und 
sprachlich  zu  Sachsen  geworden.    Zum  J.  748  werden  »Saxones,  qui    Nord- 
squavi  vocantur«    genannt  {Ann.  ^fflUnsts,  MG.  I  330).     Niederdeutsch   ist 
bis  Anfang  des   16.  Jahrhs.  noch   in    Halle  und   in   der  Grafschaft    Mansfeld 
gesprochen  worden  ^ 

Das  alte  Ostfalen  reichte  von  der  Unstrvit  und  Elbe  bis  zur  Löneburger 
Heide,  bis  Hannover  und  bis  über  Hildeiheim  hinaus.  Thüringische  Urbe- 
viVlkenmg  Ulssl  sich  mit  Sicherheit  fttr  die  östliche  Hälfte  Oslfalens  emiittela 
(§  23^).  über  die  Bewohner  der  westlichen  Hälfte  wissen  wir  ^eit  dem  1. 
Jahrh.  n,  Chr.  gar  nichts.  So  muss  es  dahin  gestellt  bleiben,  ob  die  auf  dieses 
Gebiet  eingeschränkten  Cherusci  schon  seil  dem  ausgehenden  i.  Jahrh.  ia 
Abhängigkeit  von  den  Chauci  >  Sachsen  geraten  sind  (§  150,  1),  oder  ob  sie 
sich  den  Thüringern  politisch  angeschlossen  haben.  Der  Gau  Atl/ala  reichte 
üstUch  bis  zur  Ocker.  Von  diesem  sächsischen  Gau  aus  scheint  der  Käme 
531  auf  die  gesamte  ostfaüsche  Landschaft  übertragen  worden  zu  sein. 

Anm.  Die  Südctenze  deji  säch&isch^n  Hamci  iüuri  über  den  ^Itlni;  und  von  Braun- 
schweif  nach  Helmstedt.  Wi«  im  XtwdthQringijau,  so  herscht  thQrint;i»cbc  Bauart  nfinllicb 
d™  Hiinvs  bis  7U  jener  Linie,  wa-i  auf  eine  nicht  sächsische,  der  thänngitclien  nalie- 
stdMnde  Urbevßltccrung  hinzuweisen  ficheinl,  sei  nt  auf  Re«te  der  Cberusd,  sei  es  weil 
die  Greiuen  des  th'flniiK'Khec  Reiches  um  dfts  Jahr  500  so  weit  reicbien.  Vgl.  R.  An- 
drce,  Die  SiidgrcHze  da  sächsitcßun  Haum  tm  Braunsch-oxii^iicHcn.  ZfdEtho.  XX.VU 
(1895)  25-36. 

■  Paulos  Üiaconus  II  6.  —  >  Gregor  t.  Touri  V  15.  Paul.  Diac. 
U  6.  III  7.  Widukind  I  14.  —  »  Gregor  V  15.  Paul.  Diac.  in  7.  — 
*  Hierher  die  Suüviic  des  Sachsenspiegels.  —  ^  R.  Loewe,  BliUcf  für  Hand«!. 
Gewerbe  uiid  5oda]ea  Leben  (UcibUtt  ixa  Magdeburgiscben  Zeitung)   1898,  S.  304. 

§  152.  Es  gehl  aus  dieser  Darlegung  her\'or,  dass  die  Kinteilung  der 
Sachsen  in  Westfalen,  Engern  und  Ostfalen  (oder  Osterleute)  auf  einer 
alten  territorialen  Grundlage  ruht,  wahrend  die  Namen  der  ersten  und  letzten 
gleichwie  der  Nordalbinger  (oder  Nordlcute)  get^raphiscbe  sind. 

Diese  vier  TetlsiSmme  der  Sachsen  sind  erst  seit  der  zweiten  Hälfte  des 
8.  Jahrhs.  bezeugt     Die  West-  und  Ostfalen  {-/aiahi)  haben  ihren  Namen,.; 


von  dem  Fhnlilande  (jfcnn.  yäM)  ^.  Die  En^icru  {Attgrarri)  füliri:ii  denselben 
Namen  wie  die  von  der  Wcaer  in  das  Münstcrland  cingerürjctcn  Angrivarii. 
Das  Gebiet  der  Anj*ri\'arii  an  der  Weser  hatte  sich  im  i.  Jahrh.  n.  Chr.  etwa 
vitn  Minden  (vielleicht  erst  von  Schlüssel  bürg)  ab  nordwärts  erstreckt*;  die 
Wescriandschaft  südlich  von  Minrlen,  welche,  wie  das  Göliingische  Gebiet» 
lutn  sptltercn  Eugenv  }:ehörte,  war  im  I.  Jahrh.  lu  Clir.  chcruskis«-h ;  die 
ferner  zum  s|>;ilcren  Engcni  gehörende  Landschaft  zwischen  der  unteren  Elbe 
und  der  der  unteren  Weser  und  Aller  war  damals  chaukisch.  Hüclislens  ein 
Drittel  des  spfltercn  cngrischcn  Gebietes  hat  alsu  von  Hause  aus  den  engri- 
schen  (anprift'arischcn)  Namen  getragen.  I^ie  Übertragimg  dieses  Namens 
auf  die  im  Süden  und  Noixlen  angrenzenden  I^ndsihaftcn  ist,  da  wir  wissen, 
dass  sie  nicht  durch  pi^litbiclie  Vcrtialtnbiac  veranlasst  worden  ist,  wohl  durch 
geographische  Rücksichten  bestimmt  worden. 

Dass  die  genannten  vier  Teile  des  Saclisenvolkes  Jeder  für  sich  einen  be- 
sonderen Stamm  gebildet  liüitCJi,  etwa  vnc  die  Teilst.*lmmc  der  Franken,  da- 
hlr  fehlt  jeglicher  Anlialt  Wir  haben  uns  vichnchr  jene  Abteilungen  eher 
als  I'rovinzen  vorzustellen,  und  wie  die  Xnrdalbinger  sich  aus  den  gesonder- 
ten Stammen  der  Ditlimarschen,  H<  listen  und  Stormarn  /usanunensetxten,  sc 
haben  die  uns  nicht  mit  Namen  bck:mnten  Einzelstimme  der  >C1»auconm» 
gcntcs'  (l'linius,  .\\//.  IV  t)())  oder  •Chaucnrum  nationes«  (Vcll.  II  lOfj) 
niciiLi  mit  der  Einteilung  in  Westfalen,  Engem  und  Ostfalen  zu  thun,  Im 
Ve-rtaufe  der  Zeit  scheint  allerdings  diese  Dreiteilung  für  die  Gruppierung 
des  Sathsenvolkes  massgebend  geworden  zu  seil»  ■. 

Dass  die  Abgrenzung  eine  schwankende  war,  dafQr  mag  als  das  wichtigste 
Beispiel  angeführt  werden,  dass  die  Landschaft  an  der  oberen  Ruhr  teils  zu 
Westfalen  gerechnet  ^^■u^de  (so  bei  Spruner-Menke),  teiJs  zu  Eiigern,  wie 
ihr  Nanie  Angeron  beweist. 

1  Der  Name  Westfalen  Ut  cHTetibar  von  Jetn  iiÖnIlith<^n,  tbencn  Westfalen  auf 
das  BiicUichc,  KcbÜKiK«  Übcrtraßen  wonlen,  .ik  teuten's  im  J.  693  sichsisdi  wurde, 
—  *  Da«s  lät  bis  nir  KUste  (;eretcht  hinen,  diu-f  man  »im  T&citus  [Atin,  EI  8) 
n^t  folgvrn:  die  R^mcr  ntiie-lccn  die  Schiifbrildij^f n  durch  V«rmii(LuDe  der 
Aiif  Selten  Roms  steticii4en  Angrivarii.  —  '  Vgl.  f^x  Saxanitm,  Art.  VIII  und  IX. 

§  153.  A  priori  lässt  siLh  vermuten,  (äass  die  sliclisisclie  Sprache  der  alten 
Westfalen  von  der  Sprache  der  frankischen  Grundbevölkenmg  beeinflussi 
wurden  ist,  die  der  Ostfalen  durch  die  Spiache  der  thüringischen  Gtundbc- 
völkerung.  Mit  thftringischen  und  hessischen  Elementen  haben  wir  ferner 
fär  das  sudliche  Engem  zu  rechnen. 

Was  die  Gruppierung  der  heutigen  niederdeutschen  Mundarten 
anbetrifft,  s«i  sind  bislicr  die  folgenden  Gruppen  deutlich  erkennbar*: 

i)  Die  norilniedersachsischen  Mundarten  der  deutschen  NonJseckQslc 
und  de:  Osiseeküste  bis  Usedom.  Die  Südgrenze  Iflufl  von  der  EmsmQndung 
bis  nrtrdlich  von  Minden,  von  hier  nordösllieh  bis  zur  Mündung  der  Leine 
in  die  -Mler,  weiterhin  Ober  die  Was.sersc beide  der  Lünebutger  Heide  und 
buigs  der  Mecklenburgischen  Südgrenze.  Das  Gebiet  deckt  sich,  mit  der 
mittelalterlichen  Kirchenprovinz  Bremen. 

a)  Die  westfälischen  Mundarten,  sQdwesttich  von  jenen.  Die  Ostgrenze 
gegen  die  engrischen  Mundarten  zieht  sich  zwischen  Osnabrück  und  Minden, 
Monster  untl  Bielefeld,  Donmund  und  Soest,  Über  IseHohn  bis  zum  Ederkopf. 

3)  Die  westengrischen  Mundarten,  wesdich  der  Weser. 

4)  Das  Calenbcrgische,  bis  eben  östlich  von  Hannover. 

5)  Das  Güttingisch-Grubenhagensche. 

6)  Daa  Ostfalische,  von  der  unteren  Leine  bis  vor  die  Thorc  von 
Magdeburg. 


ä 


Ob  man  die  unter  3 — 5  genannten  Mundarten  zu  einer  cngrischen  Gruppe 
zusammenfassen  darf,  darüber  ISssl  sich  zur  Zeit  noch  kein  abschliessendes 
Urteil  ge\riiinen. 

Immerhin  ist  so  \ie]  erkennbar,  Hass  die  Ostgrenze  der  lieutigen  west- 
fälischen und  die  Westgrenze  der  heutigen  ostfSlischeu  Mundarten  sich  we- 
nigsten» annähernd,  zum  Teil  aber  ganz  genau  mit  den  Grenzen  des  alten 
Westfalens  und  Ostfalens  deckt.  Die  nordniedcRiaclisischcn  Mundarten, 
welche  an  der  Weser  abwärts  bi«  Bremen  Berührungen  mit  dem  Calenber- 
gischen  zeigen  (Bremen  war  im  Mittelalter  noch  engrisch),  beruhen  offenbar 
auf  der  holstcinisdicn  Mundart  —  in  Ostfriesland  und  an  der  Wcsermündung 
hat  man  früher  friesisch  gesprochen  — ,  so  dass  man  die  nordnieder»ach- 
sischen  Mundarten  w(jhl  als  eine  Forlsetzung  der  Sprache  der  Nurdalbingcr 
ansehen  darf. 

Aufgabe  der  Mundartetiforschung  wird  es  sein,  djuauf  zu  acliten,  welche 
Elemente  in  den  westfälischen  Mundarten  etwa  auf  frankische,  welche  in  den 
oatfali-schen  Mundarten  auf  thOringische  Urbevölkerimg  ziullckweisen.  Einst- 
weilen weiss  ich  nur  zwei  Fälle  für  Westfalen  anzufahren: 

a)  Die  Diphthongierung  von  t,  ü  und  a  im  Auslaut  und  vor  Vokal,  welche 
bekanntlich  auch  in  den  monuphthongischeii  frünkiscben  Mundarten  einge- 
treten b*t ',  kennen  sämtliche  westfälische  Mundarten  (mit  Ausnahme  des 
Osnahrückschen), 

b)  iff  für  unbetontes  iv  findet  sich  s(H>radisc]i  In  fränkischen  Mundarten 
(besonders  am  Rhein  zwischen  Coblenz  imd  Linz,  an  der  Fulda  und  im 
Hennebergischen),  ebenso  aber  auch  im  südlichen  Westfalen  *. 

Über  Spuren  der  fränkischen  Urbevöikening  in  den  sOdwestfälUchen  Orts- 
namen vgl.  1'.  Vogt,  Die  Ortsnamen  auf  -schnd  umi  -auet  (ofil).  Progr., 
Neuwied  1895;  über  die  vielleicht  als  istraiwlscl»  anzusprechenden,  ostwaila 
bis  zum  rechtai  Weserufer  reichenden,  besonders  aber  sßdwestfälischen  und 
fränkischen  Bachnamen  auf  ndd.  -ajMi,  hd.  -ttffa  vgl.  oben  S.  Hoo  f. 

In  Ostfalen  sind  thüringischen  Ursprungs  die  besonders  im  NurdtliQring- 
gau  in  kompakter  Masse  vorkommenden  Ortsnamen  auf  -lelnn,  worüber  oböi 
S.  851,  Note  b. 

'  Vgl.  hierzu  iii«ine  Karte  der  (Icuöchcn  Mutickrien  in  Brockhaiu*  Koav.- 
Lot.,  14.  Aufl..  Bd.  V.  —  '  Vgl.  t.  B.  K.  Maiiimann,  Gramm,  äfr  Mundart 
von  Mülhdw  a.  d.  Kuhr,  Leipzig  1898,  %  155  — 158;  A.  JaidoD,  Gramm,  der 
Aachenfr  Mundart.  Aat'bcn  1891,  S.  S  {oben),  10  und  II;  Kfilu  ^Tuwb  Fr. 
Hönigl:  Ar«' Brei,  io«  Sflu,  .ti/wSSiif;  B.  Schinid  t,  IWalismut  drr  Swgrrldmder 
Mundart,  Halle  1894.  S.  65—68,  r**  f«  TQ  ""d  98  f.  —  *  Vgl.  O.  Brc-tncr, 
/ifitnigr  sur   Gragraphte  der  dfiititihcn    Mundarten,    Leijjjdg    1893,   .S.  45—^7. 

§  154.  Die  Kämpfe  der  Sadisen  mit  den  Frauken  sind  sdion  Mitte  des 
1.  Jahrhs.  n.  Chr.  (§  150,  2).  um  300  imd  im  4.  Jahrh.  (_§  150,  4  und  5)  bezeugt,. 
haben  dann  seit  der  Mitte  des  ().  Jahrhs.  aufs  neue  begonnen  und  sind  erst 
durch  Karl  den  Grossen  beendet  worden.  Wahrend  in  den  ersten  Jahr- 
hunderten die  Franken  überall  vor  den  siegreic-hen  Sacliscn  zurückwichen  und 
letztere  sugar  in  den  Niederlanden  Fuss  zu  fassen  versuchten  (§  172),  warea 
sclion  im  6.  JaliHi.  die  Franken  den  Sachsen  überlegen.  In  der  ztveiten 
Hälfte  des  ft.,  im  7.  und  8.  Jahrh.  waren  die  Sachsen  den  Franken  tribut» 
pflichtig*.  Karl  dem  Grossen  gelang  es  nach  mehrjährigen,  mit  äusserster 
Erbitterung  geführten  Kriegen  im  J.  804  Sachsen  dauernd  seinem  Reiche  ein- 
zuverleiben. Das  seit  880  bestehende  Herzi^gttmi  Sachsen  bildete  einen  Be- 
standteil des  Deut.schen  Reidies  und  nun  erst  eine  poUtische  Einheit  die 
vordem  so  wenig  wie  bei  den  Friesen  bestanden  hatte.  Das  Stammesheraog- 
tum  dauerte  bis  Qig,  als  Herzi^g  Heinrich   deutlicher  König  wurde.     iiSo 


m,    D.    DiB  »fiUTSCHEN  SaCHSEK. 


873 


verteilte  Kaiser  Friedrich  I.  Saclisen  au  den  Erzbiscliof  vun  Köln  und  den 
Grafen  von  Anhalt.  Die  Saclisen  sind  zu  Deutschen  geworden,  und  zwar 
en<lgültig^  nnchdem  sie  seit  dem  16.  Jahrh.  die  hi:>chdeutsche  Schriftsprache 
und  seit  dcra  19.  Jahrh.  die  hochdeutsche  Uragaugssprachc  aiigcnuniraen 
habai. 

'  Belege  bei  Zcubs  387  f. 
§  135.  Ihre  bekannten  Grenzen  haben  die  Sachsen  um  700  durch  Unter- 
werfung der  Briructuarii  (ii  150,  9)  x^^wimnen.  Die  Grenzen  bestehen  heute 
noch  in  voller  Scliarfc,  sowohl  in  Bezug  auf  die  Siirachf.  Sitten  und  Gewohn- 
heiten als  auch  in  Bezug  auf  die  geistige  Eigenart.  Nur  hinsiclitUch  der 
Westgrenze  gegen  die  Niederfranken  beistehen  Zweifel:  wahrend  die  östlich 
der  Ijssel  gelegenen  Landschaften  der  heuligen  Niederlande,  nJlnilirh  Salland, 
Twente  und  Drcnte  pulitisch  zu  Franken  (Lotharingia)  gehOrt  haben,  gehören 
sie  der  Sprache  nach  zu  Sachsen.  Diese  StammUinde  der  Niederfranken  sind 
um  das  Jalir  300  (§  172)  von  den  Sachsen  gewonnen  und,  wie  es  scheint, 
nach  Vertreibung  der  Einwohner  neu  besiedelt  worden,  um  bereits  im  5. 
Jahrh.  von  den  Franken  zurück  erobert  zu  werden,  die  aber  die  sächsische 
Be\'ölkerung  im  Lande  bclicsscn. 

Clier  ilie  Otlgiertzc  Ükt  Si)ch»en  in   HnJ^lnit  v^^l.  Kr.  Bangcrli    /Jk  Sachsttf 
grente  im    G^Ute  der    Trenn.   Prugr.,  OUlesk«    1S9}. 

§  1.56.  Ausgebnälet  haben  sich  die  Sachsen,  von  der  Übersiedlung  nach 
England  abgesehen,  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhs.  nach  Osten  hin.  Damals 
waren  <.tie  Slawen  cnilgDltig  niedergeschlagen  worden,  und  es  begann  die 
Besiedlung  des  Ostlandes  durch  Deutsche  (näheres  unten  §  1K5),  nachdem 
die  Eroberungen  Heinrichs  (gi> — 1136)  in  dem  grossen  Slawenaufslaiide 
zwisi:hen  973  und  988  wieder  verloren  gegangen  waren.  Seit  1 140  wurde 
das  östliche  Holstein  kolonisiert.  Zum  Jahre  1156  sagt  Helmold  (I  83) 
von  dieser  Uindschaft:  »recessemnl  Sciavi,  qui  habitabant  in  oppidis  dr- 
cuinjaccnlibus,  et  venerunt  Sax<ines  et  habitaverum  Ülic.  Defeccruntque 
Sciavi  paulatim  in  terra-".  1160  begannen  Sachsen  das  «-estliche  Mecklen- 
burg zu  besiedeln  (Helmuld  I  ui),  und  im  13.  Jahrli.  kuimtc  Helmold 
(II   14)    bereite  von   dem   westlichen    Mecklenburg  sagen:    »omnis  Sctavorum 

regio  incipiens  ab  Egdora et  cxtendilur  inter  uiare  Bahhicum  et  Albiam 

I>er  longissimos  tnictus  iisque  Zverin,  oliro  insidiis  homda  et  pacne  dcserta, 
nunc  dante  Deo  redacta  e,st  veluti  in  unani  Sa-xonum  coloniani-.  Im  13. 
Jalirh.  setzte  die  Einwanderung  aufs  neue  ein  unct  erstreckte  sich  bis  Hiulet- 
iwniinem,  Bromhcrg  und  (')stprcusscn.  Im  14.  Jahrh.  war  auch  Rßgen  deutsch 
geworden.  Für  die  Altinark  haben  wir  noch  aus  dem  15.  Jalirl).  Zeugnisse 
für  wendische  Bevölkerung. 

(_>sth' listein,  Mecklenburg  und  Vorpommern  bis  Usedom  sowie  Rügen  ist 
»j  gut  wie  aiöschlicssUch  %on  Sachsen  kolonisiert  worden  und  zwar,  nach 
Ausweis  der  Spraclic,  voni-iegcnd  von  Holsleincm  und  den  Küsienbew^ihncm 
von  Oldenburg  bis  zur  unteren  Elbe.  In  die  Kolonisation  der  Mark  Branden- 
burg und  der  östlicheren  Ijindschaften  haben  sich  Sachsen  und  Niederfranken 
geteilt,  und  zwar  überwog  das  sflchsische  Element,  aus  üstfaten  und  dur  Alt- 
mark stammend,  in  der  Prignitz  uml  Uckermark.  Aus  Engern  kam  ein  TeÜ 
der  heutigen  Bewohner  von  HinlenK'mmem  und  des  Netze-Distrikts.  Nord- 
niedersachsen  wohnen  südlich  des  Fiisdien  Haffs  und  um  Btscbofstein  in 
O&tpre^^en.     Über  die  Mischung  von  Sachsen  imd  Niederfranken  s.  unten 

Helmohlus,     Ckrirnii-a    Sloj-orum    (bis    1 170)    («1.    I.    M.    Lafipenlterg, 
J/ff«.  Germ.  &  r.  XXI   I  —  99;  in  u».  Khuln   Haniiovcrae    1868;    ilculscb   von  J. 


874 


XV.  Ethxogkaphic  der  oekuanischen  StAjiub. 


C.  M.  Laurent  {DiV  C<uh>chn(kreiber  dtr  dtutichm  Verictl,  XU  Jahrb.,  Bd. 
VII),  neue  Au*B.,  Berlin  1888).  Vgl.  dwu  U.  Voelkcl.  Die  SUn'mchromk 
Helmolds.  (iüttiti|:cr  Diss.,  Dnnxig  187J:  C.  Hirsekorn,  Die  Slmvnfhrcmk  lirs 
Presbyter  HetntoU.  Diss.,  Haili:  lS^4^  C  Schirren,  Beiträgt  ztir  Kritik  öllcrer 
k«hteim^(her  Ge!:ffiit-trlsquei/en,  Leipzig  l87f>;  Wigypr,  Jbb.  d.  Ver.  f.  nwxklbg. 
G«»c.Ii.  XLII  4  (1877)  21  ft'.;  U.  V.  Brcska,  Unter mekungen  über  dte  Nach' 
richten  Helrnahh  inii  ßrgiiitt  seiner  lyettJetu-hronit  bis  3ttin  eiusstrrbe»  det 
lübixchrn  FiirsUnkumri,  DiM.,  firiltinften  1880  und  Z».  cl.  Ver.  f.  l.illi.  Ovscli.  TV 
T — 67;  Vgl.  auch  zur  Abfassmißwcit  ders,,  I'orsrJi.  z.  dt.  Ocsch.  XII  (1883) 
577 — 604;  P.  Regel.  liehnohi  und  seine  QuelteH.  Düss.,  JcnA  1883,  —  A.  Fr. 
Ricd«l,  Di«  Mark  Brandenburg  im  Jahre  S2$o.  1  Bde.,  Berlin  1831.  1833, 
—  L.  Gicscbrccht.  Wendische  Geschichten  ans  den  Jahren  780 — tiSj,  3  Bde., 
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Jihrhunderr,  Jbb.  d.  Ver.  f.  mecklenbj;.  Gesch.  XIII  {184»)  57— It2.  —  E. 
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grenu,  Dia»..  Bcrolini  1863.  —  E.  Winircr,  De  Billungomm  tntra  Stixoniam 
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germamen  und  Oslgermanrn  l\,  Berlin  1^95.  S,  475 — 493.  —  W.  Salovr,  Di€ 
MattrsieJelung  Mechü-nburgt  im  zwirl/ten  und  dreitehnten  Jahrhundert.  Progr., 
Friedland  i.  Meckl.  1896.  —  Heil,  Die  Grändungder  nordcstd tut  sehen  Kolonia!- 
Städte  und  ihre  EntrttcMung  bis  snm  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts. 
Wie«b«dcn  iSyö.  —  W.  v,  Sommerreld.  Geschichte  der  Germnnisierung  des 
Henegtums  Pommern  oder  S/avien  bis  enm  Ablauf  des  13.  Jahrhunderts  (Staats- 
und soziatwisscnscbnftliche  ForKhungcn  XIII,  Hell  5),  Lripiig  1896.  —  H. 
Berger,  Friedrich  der  Graue  als  Kolcnisator,  Gicssen   1896. 


E.  FR^VN'KEN. 

Grcgorios  Turoncnii«,  Uistoria  Francorum  (bU  591),  591—93.  (edd.  "W, 
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W.  Gicacbrecht  (Geschichtschreiber  der  deutschen  t orteil.  VI.  Jahrb.,  Bd.  1\' 
und  V),  2  Bdt-.,  '  Berlin  1878).  Vgl.  J.  W.  Locbell,  Gregor  von  7'ours  und 
seine  Zeit^,  Lnprig  1869.  —  K,  Tilrk,  Forschungen  auf  dem  Grhiete  der  Ge- 
schichte,  Heft  3:  J.  Kritische  Geschichte  der  Franirn.  bis  tu  Chlodtrigs  Tode, 
im  J.  SU.  JJ.  Das  salfränkisehe  Voiktrecht.  Rostuck  und  Schwerin  I830.  — 
Zcuss  83—103,  325—353,  582—584.  —  J.  F.  KMSchberg,  Geschichte  der 
Allemannen  und  Franken  bis  sur  Gründung  der  fninktschrn  M**narchte  durch 
Konig  Chlodwig,  Sulztuch  (840,  —  E.  Tb.  Gaupp,  Die  Germanischen  An- 
Siedlungen  und  Landtheilungen  in  den  Provinaen  des  Römischen  H'estrrichei. 
Breslau  1844,  S,  365 — 274,  4I4 — 4I4,  535  und  564 — 568.  —  J.  Grimtn, 
Geschichte  der  deutschen  Sprache,  S.  513-595.  —  A.  Dederich,  GesrhteiU 
der  Rifmer  und  Deutschen  am  JViederrhem,  Emmerich  1854.  —  J,  Htniler« 
Ober  Ursprung  und  Hrimath  der  Franken,  Progr.,  Braunsbct^  '857.  —  W. 
Junghanfl,  Die  Geschichte  der  fränkischen  Könige  Childerich  und  C%lodA~ 
vech,  Göciingen   1857;  vermehne  framcOsifchc  Aufg.  von  G.  Monod,  Paris  1879. 


—  G.  Bornhak,  GeHifiiihl^  ärr  /•rnnkrn  unUr  am  A/^vo^ingrm  I.  (rf^ifswalil 
l86j.  —  WarnkiTnij;  «ml  G^-ranl.  Hi^taire  ärs  Carottngiftis,  a  Bde.,  Biiiuol 
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xelles,  PaHs  Leipzig  1864.  —  K.  Weitmaiin,  Dr  Fraruffrum  phmoniüi.  Bttii- 
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Dedcrich,  Ursprung  der  Franken,  Enimcricb  1870.  —  Cr,  Monod,  £tudt% 
criliquti  iur  let  sciirces  Je  l'hislaire  Aferoiingienae  (BibJ.  de  l'fetnlc  des  bmulcs 
itudc^  8.  Faacic,  S.  3l  — 146).  Paris  1872.  —  Waitcrich,  Die  Germanen  drt 
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und  Ent-ickkfhtng.  Hannover  1873.  —  A.  Gchrkc,  Dit  Kriege  der  Franken  mit 
den  denUeken  Stimmen  in  der  Zeit  der  späteren  ät/ergvingrr,  Progr.,  RudoUUidt 
1874.  ■"*  ^^-  Arnold,  Ansiedelungen  urut  H'anderiingen  detilseher  Sl<Smmr, 
iumtist  nach  hesiinheH  OrtsnameH,  Marbur]g  1875,  —  K.  Uiinger,  Dit  Aiu 
fängt  der  dtjttschen  UesehichU-,  liannorcr  1875,  S.  45—74.  80—95.  175-18$, 
34] — 344  und  256 — 362.  —  R.  Schröder,  Untersuchungen  tu  den  frnnkiu-hen 
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1879.  —  R.  SchrfltJer,  Die  Herkunft  de-r  Frankrn.  Sybrln  Hi»l.  Zs.  XLV 
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»lifUiiig,  Gemianisl.  Abth.,  IT,  1881,  S.  j— 82),  Weimar  1881,  —  E.  v.  WJeters- 
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lungeti  iiTHehmlith  im  /Shein/and,  Zs.  d.  Aachener  Geschichuvcrein*  IV  (1881) 
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brement  I,  Amien»  1884.  Paris  1888.  —  G.  Monod,  Bibliographie  de  Vhistoirt 
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hage  1888.  —  Th.  Prcuss,  Die  Franken  und  ihr  l'erhältnis  t/«  R<fm  im  letslen 
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1893.  —  H.  MArCin,  Chnrlemagne  et  l'empire  earolingim,  Paris  1893-  —  ^> 
Dahn,  Die  KUnige  der  Oermanrn,  VII  I  iiTid  2,  Letpz^  1894.  —  A,  Schibcr, 
Die  fränkischen  und  alemannischen  Siedlungen  in  Gallien,  besanders  in  ElsofS 
und  Lothringen,    Straasburg   1894.  —   .S.    Müller,   De  Germaansche   l'olkeu  bif 

Julius  Jlonorius  en  Anderen  (Verb.  d.  Kgl.  Ak.  v.  Wet.  te  AmMerdam,  Aid. 
I^ticrk.  I  4),  jVmaterdam  1895.  —  A.  Meilzen,  Siedelung  und  Agrarv*sen  der 
IVestgerwanen    und    Ostgermanen    I,   Berlin    1895,    S.  494 — 535  und   535— 616. 

—  H.  Witte,  Das  deutsche  Sprachgebiet  lj>thringtns  und  seine  Handelungrtl 
vffn  der  Feststellung  der  Sprachgrenze  bis  tum  Ausgang  des  Kf.Jahrhs..  Stuttgart 
1895.  —  G.  Zippel.  Detttteht  l'iStktrbewrgungm  in  der  RSmtrteit.  Progr..  Königv 
berg  1R95.  S.  10—32.  —  G,  Kurth,  Clovis,  Tours  1896.  —  W.  Schult««, 
Deutscht  Gtschichtt   von  der   Vrttit  bis  tu  den  Karclingcrn    U,    Stuttgart    189O. 

—  C.  Voretisch,  Das  Merovingerepos  und  die  fränkische  Heldm.\age,  Philo* 
logische  Studien,  Fc^t^abe  fOr  E.  Sieben,  Halle  1896,  S.  53— Hl.  —  F.  Dahn, 
Die  Könige  der  Germanen,  VU  ff.,  Leipzig:  1894.  VUI  l.  tW.  1897.  —  Fr. 
Stein,  Die  VrgeSthiehle  der  Franken  und  die  Gründung  des  Frnnkrnreiches 
durch  Chlntlrpig  (Arch.  d.  HUt.  Vet,  v.  Unterfnnken  11,  AschafTenbur^  XXXIX 
1  —  220),  Wür/lmrg    1897. 

§  157.  Es  mag  den  Leser  auf  den  ersten  Blick  befremden,  wenn  ich 
neben  den  Ost-  und  Nordgcnnanen  und  neben  ilcn  Angtufriesen  und  deut- 
schen Sachsen  die  Kranken  und  die  ilbn'gen  deiitsrhen  Stämme  als  je  einen 
besonderen  Stamm   darstelle.    Die  BegrQndung  dieser  Anurdnung  ist  oben 


876 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  StAkime. 


S.  öiif.  vereucht  worden.  An  dieser  Stelle  sei  noclimals  darauf  hingewiesen, 
dass  die  gcscluchtUclien  VerhaltiiLsse  zu  dieser  Anonlnung  nötigen.  Was 
die  Sprache  anbetrifft,  sn  llsst  sich  zur  Zeit  iiuch  nichts  darüber  üussa- 
gen,  ob  die  Mundarten  der  niederrhcini-wUen  untl  der  ripwarischen  Franken 
sowie  der  Hessen  —  denn  um  diese  kann  es  sich  atldii  handeln  —  zu  den 
thüringischen  und  «iberdeutschen  Mundarten  in  einer  näheren  verwandt- 
sciiaftlichen  Beziehung  stehen  als  zu  den  übrigen  germanischen  Sprachen, 
insbesondere  zum  Anglofriesischen.  Mau  nimmt  dies  bisher  stiltschwci* 
gend  an,  hauptsächlich  do<-h  wühl,  weil  wir,  von  moderigen  Verhältnissen 
verleitet,  mit  dem  Begriff  "Deutsch*  bereits  für  das  gerraaniscJie  Allcr- 
tun»  zu  operiereiii  pflegen,  wjlhrend  doch  die  deutsche  Nationalität  erst  sehr 
allmählich  geworden  ist,  und  ihre  ersten  AiifSi^e,  wemi  wir  nicht  das  Nie- 
derdeutsche von  dem  Deutschen  trennen  wollen,  erst  durch  die  iK>littschcn 
Aktionen  Karls  des  Grossen  gegeben  sind.  Ks  wird  cmc  Hauptaufgabe  der 
deutschen  Mundartenforschung  sein,  darüber  Klarheil  zu  sdiaffeu,  ob  die 
spnwrhlichcn  Verhältnisse  die  geschichtlichen  bestätigen  oder  nicht  So  lange 
wir  hieruljer  nichts  auszusagen  vermögen,  und  es  ist  fraglich,  ob  diese  Frage 
aber]iau]it  gelöst  werden  kann,  ist  vs  geraten,  sich  an  die  historischen  Ver- 
hältnisse zu  halten. 

§  158.  Die  historischen  Verhältnisse  zeigen  schon  bei  Caesar  cinea 
scharf  ausgeprägten  Gegensatz  der  nachmals  frankischen  Stilmme  zu  den 
swebischen,  ein  Gegensatz,  der  in  der  ganzen  Folgezeit  beobachtet  werden 
kann.  Wir  hören  luchu«  von  dauernder  Fchicisi  haft  der  Chatti,  Ubii,  Sugam- 
bri,  Batavi,  Chania\i;  wohl  aber  von  erbitterter  Feindschaft  zwischen  den 
Ustpetes,  Tencteri  und  Ubii  und  den  Suebi  (Caesar,  B.  G.  IV  x.  4.  3.  I  54. 
IV  19),  von  einem  Vemichtungskampf  zwischen  Chatti  und  Cherusci  (Taci- 
tus,  Germ.  3(>),  von  Kämpfen  zwischen  »len  Chatti  und  Hermunduri  (Tac, 
Ann.  XIII  ^~).  Indessen  auf  so  schwache  Stützen  ist  ilie  Annalune  von 
der  Zusammen  geh  ürigkeit  der  fränkischen  Stämme  für  die  Zeit  um  Chr. 
Geburt  nicht  aufgebnut.  Wir  haben  drei  direkte  imd  unanfechtbare '  Zeug- 
nisse für  die  alte  Stammeseinhcit: 

i)  Tacitus,  /iisi.  IV  2:  ^Batavi,  donec  trans  Rhenum  agebani.  para 
Chattormu,  seditinne  di.'mestica  jjullsi  extrenia  Gallicae  orae  vacua  cultoribus, 
simulque  insulam  juxta  sitam  Gcxupavere.  quam  mare  Üceanus  a  fronte, 
Rhentis  amnis  tergum  ac  latera  circumluit.«  Dazu  Tac,  Germ.  29  von  den 
Batavi:  »Cliattorum  quondam  populus  et  scditione  domestica  in  eaa  sedes 
transgressus.'  Vgl.  oben  §  65.  Dieser  Nachricht  mass  notwendig  eine  be- 
stimmte Kunde  zu  Grunde  gelegen  haben.  Bei  Caesar  sitzen  die  nieder- 
frankischen  Batavi  bereits  in  der  Betuwe.  wo  ihre  Nachkommen  noch  heute 
wohnen.  Vorher  also  —  und  wohl  nicht  zu  lange  vorher'  —  ist  ein  Thcü 
der  Chatten  an  den  Niederrheiu  aiisgewimdett. 

Die  wesiiich  der  Zuider-See  wohnenden  Canninefales  sind  nach  Tac. 
{Hül.  IV   15)   "origine,  lingua,  %irtute  par  Bata^-is«. 

2)  Tacitus,  Gftm.  2f)  sjigt  von  den  Matiiaci,  einem  chattischen  Stamme 
nördlich  der  Maimuündung:  ^cetera  simlles  Batavis,  nisi  quod  ipso  adhnc 
terrae  suae  solo  et  caelo  acrias  animantur*. 

3)  Das  Zeugnis  des  Namens  der  Cliattuarii  beweist,  dass  sie  entweder 
von  den  Chatten  ausgegangen  sind,  oder  dass  sie  sich  als  Bewohner  chat- 
tischen Landes  bezeichneten;  jedenfalls  sind  sie  von  den  Chatti  ausgegat^en, 
als  sie  sich  unter  dem  Namen  Chattuarii  in  der  neuen  Heimat  ktmstitmer- 
tcn'.     Vgl.  liructeri;Boructuarii  (§  150,  S). 

Ein  viertes  Zeugnis  würde  der  Name  der  uedenheiuischen  Marsaci  ab- 


k 


tegen,  wenn  man  ihn,  H.  Malier,  AiUn^i  Volhefnis  I  \h  f.  Anra.  folgend, 
von  den  Mann  herleiten  darf. 

Die  Batavi  sind  Nicderfnuiken,  die  Chattuarii  gehören  jtpater  gletdifalls 
7U  den  Nioflerfrnnken  (^  iSi).  Wenn  beide  viin  den  Chatten  ausgegangen 
sind,  so  kann  auch  an  dem  alten  Verwand Ischa/tsvcrhflltnis  der  Ripuarii  zu 
den  Chatten  nidit  w«  »hl  gezweifelt  werclcr;  denn  spnichlich  nimmt  die  ripwn- 
rische  Mundart  eine  Miliektellung  zwischen  dem  Niederfrankischen  und  dem 
Hessischen  ein,  und  wenn  die  Batnvi  und  Cannincfate>j  von  den  Chatten 
abstammen,  so  mftsscn  auch  die  ihnen  geschichtlich  so  nahe  stehenden 
übrigen  Niederfranken  seit  Allere  zu  den  Giatleu  in  einem  ualien  Ven*andt- 
sch^LftsveThJiltnis  gestinden  hahen  —  natQrüch  ohne  dass  darum  die  Chatten 
der  frUnkische  Urstamm  zu  sein  brauchen, 

1  MtSltcnborr  (ZIdA.  XXm  7)  bc/weifcU  die  Ableitung  des  Xuncns  Chat. 
tuarii  von  Ckalff  wegen  des  in  «e.  Nalicere  vorliegenden  einfachen  /  mit  Un- 
lechl;  die  Geniinaüi  liat  dammls  noch  bestanden;  erst  spSter  ist  Gcminata  vor 
Kanr(>>nan[  (Chxlinarii  s=  gi-rm.  'J/afhr<Trjö:)  vtTcinliacht  wurden,  für  ganz  aii»- 
{jeik'hluKten  halte  icb  die  weilcre  Mc-inung  MilllenliutTs  (cIkI.),  das  enrtc  Zeugni» 
filr  ilie  Batavi  Hfl  nur  eine  Ftdx-I,  wt^t-tt  der  Xamentätinlit-likeil  fler  Chalü  timl 
Chaltuarii  gcimiflil.  —  '  HdI/  S.  13  niniiTii  an.  die  Aitswamlrrung  habe  eret  kiirx 
vf>r  60  V.  Chr.  atatcgelundeii  und  siehe  im  Ziisammeithang  mit  der  der  ITüpi  und 
Tencleri  {§  65)  infolge  des  VnrJrit^;cns  der  Sweben  ncBcn  die  Chatten. 

^  159.  Unter  diesen  Umstanden  ist  es  fast  zu  erwarten,  dass  der  diesen 
Stämmen  früher  einmal  gemeinsame  Name  zu  Beginn  unserer  Zeitrechnung 
noch  nicht  ansgesiorben  ist.  Es  ist  der  Name  Istiaiwen  oder  Istraiwen', 
Die  Zeugnisse  für  diesen  Namen  sind: 

i)  Plinius,  jV. //.  IV90:  tOermanorum  genera  qulnque:  Vandili,  quorum 

pars  .  .  .  .:  alientin   gcnus   Iiig)*acoiics,   qm.inim   pars ;    pnüximi    autem 

Rhcnu  Istracuncs,  quorum  pars«  —  hier  ist  in  den  Haiulschriftcn  leider  eine 
Lücke;  wahrscheinlii-h  hat  u.  a.  »Cambri-  hier  gestanden,  was  auf  die  Sicam- 
bri,  cijjen  alten  frilnkisclien  Stamm,  hinwiese. 

2)  Tacitus,  Gfrrn.  2  nennt  ;i!s  HauptstAnime  der  Germanen  >proximi 
Oceano  Ingaevones,  medii  Hermincnes,  celeri  Istacvones«.  Hieraus  lernen 
wir  nichts,  was  nicht  schon  bei  Plinius  steht.  Aber  Tacitus  fahrt  fort,  als 
den  ersten  gleichwertige  Namen  »Marsos,  Gambrivios,  Suevos,  Vandili^s«  zu 
nennen.  >caqüe  vera  et  antjqua  numina«.  Hieraus  dürfen  wir  wenigstens 
entnehmen,  da-ss  die  Namen  und  mit  ihnen  die  dvitates  der  Marsi  und  Gam- 
brivii,  beides  frankische  Stamme,  zu  den  ältesten  Bildungen  gehören. 

,1)  Kaum  anzuführen  wage  ich  endlich  die  Stelle  aus  der  um  520  in 
Frankreich  niedergeschriebenen  Generado  rtgum  ft  gentium  ( M Ü II en h off. 
Germania  antiijua,  S.  164):  »Istio  .  .  genuil  Romanos,  Briltones,  Francos. 
AlauKmnos.«  Da  von  Erminus  die  Goten,  Wandalen,  Gcpiden  und  Sachsen, 
von  Inguo  die  Burgimden,  Thüringer,  Langobarden  und  Baiem  hergeleitet 
werden,  so  ist  die  Stelle  vielleicht  historisch  gar  nicht  verwendbar.  Unmöglich 
ist  es  jedoch  nicht,  dass  sich  bei  den  Franken  noch  eine  Erinnerung  an  den 
alten  Stamm esnamcn  erhallen  liatte;  wenigstens  könnte  man  herauslesen,  dass 
mit  den  Si'^hnen  des  Istio  die  Franken  gemeint  seien,  welche  damals  R'^mer, 
Britten  und  Alamannen  unterworfen  hatten  und  ihrem  Reich  zuzahlten. 

Wie  man  sieht,  ist  es  sehr  misslich  um  unsere  Überlieferung  bestellt.  Der 
einzige  Anhaltspunkt  für  die  Istraiwcn  bleibt  »pruximi  Rheno«.  Aus  dieser 
^Vngabe  und  der  Zuteilung  anderer  Stamme  zu  nicht-istraiwischen  Gruppen 
können  wir  zwar  entnehmen,  dass  nur  nachmals  frankische  Stamme  fOr  die 
Istraiwen  in  Betracht  kommen.  Aber  der  Schluss,  dass  der  spatere  Franken- 
stamm diesen  Istraiwcn  entspricht,  würde  doch  gewagt  »ein,  um  so  mehr  als 


Plinius  IV'  (jy  fortführt,  die  Clialti  den  Hcrmiiiones  zuzuzalilen.  Also  nur 
dcsliLtlb  dürfen  wir  den  Namen  Istraiwen  für  den  Vorgänger  des  Frankca- 
namcns  halten,  wcü  die  frilakisdic  Stammeseinheil  ohnedies  für  jene  Vorzeit 
gesichert  ist  (§  15S). 

Wir  haben  liier  also  ein  Beispiel  für  den  Fall,  dass  eine  frühere  grossere 
Gemeinschaft  sich  in  verschiedene  clvitatcs  aufgelöst  hat,  die  spater  wiederum 
zu  gleicher  Gemeinschaft  vereint  wurden.  Sonst  haben  wir  gesehen,  dass  die 
alle  aiiglofricsisdie  Gemeinschaft  LKJcr  die  ustgennanische  sich  aufgelöst  hat 
und  aus  ihr  heraus  sich  selbständige  Volker  gebildet  babeu.  Offenbar  haben 
sich  die  fränkischen  Stttmnie  stets  so  nahe  gestanden,  dass  «ch  das  alte  sie 
vordem  einigende  Band  nie  v^ilEig  in  ihrem  Bcwiisstscin  gelöst  liaL  Der 
Hauptgrund  aber  ist  wohl  gewesen,  dass  die  Stamme  immer  m  geographi- 
schem Connex  geblieben  sind. 

'  Über  die  N»iiiensfonn  vgl.  oben  S,  813  Note  l. 
§  i6a  Der  Käme  Istiaiwen  war  zwar  zu  Beginn  unserer  ^Zeitrechnung 
noch  lebendig,  scheint  aber  dann  bald  jede  Bedeutung  verloren  zu  haben, 
indem  die  diesem  Verband  angehorigen  Slilmme  sich  zu  immer  selbsiÄn- 
digere»  Völkern  auswuclisen,  so  dass  das  Bedürfnis  nach  etnein  Gesamtnamen 
nicht  mehr  empfunden  wurde. 

Der  Name  Franken  ist  bekannt  seit  der  Mitte  des  3.  Jahrhs.,  ist  aber 
schon  einmal  bei  Cicero  Überiieferl  {£:/>.  ad  Atlicum  XIV  10):  »rcdco  ad  Te- 
bassos,  Suevüs,  Frangones« '.  Bei  der  Litckenhaftigkeit  unserer  Quellen  dürfen 
wir  keinen  Anstoss  daran  nehmen,  wenn  ein  Völkeniame  um  3  Jahtbundeile 
früher,  als  er  sonst  bekamt  ist,  ein  einziges  Mal  erwähnt  wird.  Ähnlich  heg;t 
der  Fall  bei  den  Sadisen,  die  schon  Ptolemalos  nenutr  und  die  dann 
erst  wieder  zum  J.  ^Sti  genannt  werden,  oder  bei  den  Chaltuani,  die  zum 
J.  4  n.  C'lir.  und  dann  um  300,  oder  bei  den  Amsivarii.  die  zum  J.  58  und 
dann  g^en  Ausgang  des  3.  Jahrlis.  wieder  genannt  werden.  Die  griccldsche 
Naraensform,  in  der  Cicerti  de«  Kran kt'iui amen  anführt,  giebt  an  die  Hand, 
dass  roseidüoios  seine  Quelle  geuesen  ist  Der  Name  Franken  hat  also 
schon  ira  i.  Jahrb.  v.  Chr.  bestanden,  und  es  bleibt  nur  die  Frage,  ob  er 
^eich bedeutend  mit  dem  Namen  Istraiwen  gebraucht  wurde,  oder  ursprüng- 
lich eine  engeie  Bedeutung  gehabt  hat. 

Der  Name  Fnuiken  bedeutet  \ielleicht  mit  J.  Grimm  «die  Freien«',  offen- 
bar im  Gegensatz  zu  den  römisch  gewordenen  istraiwi'K'hen  Stammesgenossen, 
Da  der  Name,  wie  wir  sehen  werden,  am  Niederrhein  aufgckonunen  ist,  die 
niederrheinisi'hcn  Stilmme  aber  zu  Beginn  unserer  Zeitrechnung,  wenn  auch 
nur  auf  kurze  Zeil,  römisch  waren,  und  der  Name  in  viTchrislliche  Zeit  zu- 
rückreicht, so  kann  er  —  die  Richtigkeit  jener  Etymologie  vorausgesetzt  — 
niu:  im  Gegensatz  zu  den  sich  seit  Caesar  an  Rom  anschliessenden  Bataii 
(und  Cannincfatcs)  imd  Ubii  aufgekummeu  sein.  Der  Zeitpunkt  lässt  sich  ge- 
nauer bestimmen.  Im  J.  ^5  waren  die  Ubii  Schützlinge  Roms,  nachdem  sie 
vorher  »uni  e.\,  Transrhenanis  ad  Caesarem  legatos  miserant,  aniicitiam  f«*- 
rant,  ubsides  üederant^,  (Caesar,  H.  (i.  IV  16),  was  fnlhstens  im  J.  58  (\-gl. 
fi.  G.  I  ,«i4)  und  spätestens  5.5  geschehen  sein  kann,  wahrscheinlich  ira  J,  55 
(vgl.  B.  (}.  IV  3).  Die  BalJtvi  haben  sich  ebenfalls  freiwillig  an  R<.»m  ange- 
schlossen, und  wenn  auch  kein  bestimmtes  Zeugnis  für  den  Zeitjiunkt  vcir- 
liegt,  so  waren  sie  doch  zu  DmstLS  Zeit,  der  ihre  Insel  als  Operationsbiui» 
benutzte,  als  rf>misch  er|irubt.  Dass  sie  zu  Caesars  Zeil  rßmische  Btmdca- 
genossen  wurden  ".  ist  an  sich  sclion  wahrscheinlich,  und  ISsst  sich  folgern  aus 
der  Titatsache,  da.^  iiacli  Caesars  erstem  Rlieinübergang  im  J.  55  ^a  couplaribus 
civitatibus  ad  eura  legati  veniunt;  quibus  parem   atque  amtcitiam  petcntibus 


IIU  E.  Franken. 


879 


libeniliter  respondil  obsidosque  ad  se  adducr  jubett  {H.  G.  IV*  iS).  Die  Su- 
gambri  gehörten  zu  diesen  civhales  niclit.  und  es  kommen  von  den  von 
Caesar  namhaft  gemachten  Stimmen  allein  die  Batan  in  Betracht.  An 
diese  müssen  wir  auch  denken,  als  Caesar  im  J.  ^2  tnms  Rhcnum  in  Ger- 
nianiani  mitiit  a<l  ras  dvit;iies.  quas  superioribus  annis  j-wciverat,  equitesque 
ab  bis  arcessit  et  levis  amiaiurae  pediles,  qui  inler  cos  prueliari  coasucrant* 
{B.  G,  \ni  Ö5);  vgl.  auch  "Gcnnanos  equites«  (VII  13).  Denn  die  Balavi 
w;iren  durch  ihro  treffliche  Reiterei  berüJimt  (Zeuss  102}.  Wir  dürfen  also 
wnhl  sagen,  dass  der  Name  Frauken,  wenn  er  die  nicht  mit  Rom  verbön- 
detcn,  freien  istraiwiachen  Stllmmc  bezeichnete,  erst  im  J.  55  v.  Chr.  aufge- 
kommen sein  kann.  Und  wenn  bereits  der  von  Caesar  benutzte  Posei- 
dönitis  diesen  Namen  kannte,  so  muss  er  vor  dem  J.  52  bekannt  gewesen 
sein.    Er  besteht  also  seit  55 — 53  v.  Chr.*. 

'  \V(irni8l.-iIl.  Cb.  ./.  Cfiam..  17  f.  —  *  Anders  Kluge,  Et.  Ul>.  unter 
frank;  rW-h  vgl.  lUfc  Ocschk'hlc  de»  Woncii  blond  ebd.  Vgl.  atidi  Kögcl,  AfdA. 
XIX  (1893)  a  f.  —  *  Auf  ilit  Batavi  bei  LiKanii»,  Phnrsaha  431  will  ich  kein 
rirwifht  i<>gen,  —  *  Folglicli  liälH-  PoHeidSiiios  (^-gl.  obrii  S.  '}\\  unleii)  »ein 
Wtrk  im  f.  54  oder  §j  v,  C'lir.  vt-rfavst-  ^V4^nn  die  Xeiimmg  der  Clu(ii»vi 
bei  StiubOn  VII  I91  inil  L.iiiipreL'b t  nuf  Poseidi>nia.s  jtaruvl^ijt'hi,  sti  uUrtlv 
ilamus  folgen,  da&s  PoscidCuioti  frUbslt^ns  im  J.  55  gcscliriuben  hat;  denn 
Ihihsiers  üi  d[«Mm  Jahre  sind  die  ChHituivi  Nachb.-im  der  Sugiunbri  und  Bnicteri 
i:«word«n  (§  175). 

§  161.  Für  den  Ursprung  der  Franken  bietet  Prokopios  das  merk- 
wttrdig;SlC  Zeugnis:  »of  bt  ^{Aiy/m  ovroi  I'foftaroc  fih'  tA  miXatör  vjra- 
fid^QVTQ*  [De  btUo  Gotthico  1  ii,  P  33g D).  An  der  MOndung  des  Rheins, 
fährt  Prokupios  {ebd.  I  I2,  P  340C)  dann  fürt:  'Xiftvai  re  ivravika,  ov 
Ai}  l^gfiuroi  tö  rtaXaior  tjixTjvrrif  ßuoßnnov  ffh'o^y  oi>  noXXov  /Myov  tA 
xfii'  flgyui   /iitovj  oX  vt*v   0Qityyoi   yMAoT'iTttt.  Ttivrtiiv  f^6tiFVOl  ^AoßdQvytH 

[d.   i.    Aremoiici]   (ßxoi'Vf ftnn  &i   afrot's   Ic  r«  ^Tpöc  Avlay^otTa  {jXioy 

Sofjr/yot  Jiägßa^ot,  dottos  AitynvaTov  nQtlrrov  (iaatXmn;,  lÖQvmt^iw .  Avif 
diese  folgen  dann  «"stlich  die  ßovgyot^^toßpec  und  jenseits  der  fMgt^'yot  die 
£uvä{iot  und  ' AXafiavoL  Sti  wenig  auch  Prokopios  hier  wie  anderwärts 
eine  kJarc  geographische  Anhchauung  hat,  so  geht  doch  so  \iel  aus  dieser  Stelle 
hcr\'(»r,  das?,  unter  den  f*XJü(j'ycM  die  nied(.'rrheiiiis.chcn  Thüringer  zu  ver- 
stehen sind  (5  130  Note  "),  denen  rechts  vum  Kht-in  flassaufwiirbi  die  Scliwal>en 
und  Alainannen,  links  vum  KJiein  an  der  Rhune  die  Burgunden  folgen;  die 
Kranken  sclbsit  ahtr  siml  deutlit:h  lokalisiert  an  der  Rheinmünduug,  reclits 
vun  den  Areniorici^  und  links  von  den  niedenrheinischen  Thfiringem,  also  in 
Flandern  und  Zeeland.  In  diese  Landschaft  versetzt  Prokopios  die  mit  den 
Franken  identifizierten  Genn;mi.  Ks  können  dies  kejne  andern  Germani  sein 
als  die  keltischen  Gcnnani  Cisrhcnani  Caesars  (oben  S.  73"^),  deren  Wohn- 
sitze freilich  nur  cljcn  bis  an  die  Srheldemündung  heranreichten  (vgl.  die  Karte 
zu  S.  796).  Doch  derartige  kleine  geographische  Ungenauigkciten  spielen 
bei  Prokopios  keine  Rolle.  Die  Hauptsache  bleibt  die  lelentifizicrung  der 
keltischen  Germani  mit  den  Franken,  die  offenbar  auf  einer  Tradition  beruht, 
welche  um  so  merkwürdiger  ist,  als  schon  zu  Tacitus'  Zeit  der  Name  Ger- 
mani durch  den  der  Tuugri  verdrangt  wordcu  war  {Germ.  2).  Sei  es  nim, 
dass  wirklich  der  Name  Franken  spflter  für  den  Namen  Germani  gebraucht 
wiirdc,  so  dass  die  nied errheinischen  Germanen  den  Frankennamen  als  einen 
geographischen  Namen  angenommen  litilten,  seit  sie  svidlich  des  Niederrheins 
Fiiss  gefasst  hatten  "^  —  eine  Annahme,  welche  durch  meine  Daistellung  aua- 
geacMosseu  wird  — ,  sei  es  dass  sie  von  Hause  aa^  Franken  biessen,  und 
die  Idcntinzierung  des  Frankeimamens  mit  dem   Namen  Germaiti  erst  vun 


88o 


XV.  Ethnographie  der  germaxischen  StXuue. 


der  Besetzung  des  Gebietes  der  Gerraani  herrülirte:  auf  alle  Falle  darf  ab 
Tnidititm  hcrausge-schfllt  werden,  dass  der  Frankenname  im  Gebiet  der 
Sclicldemflnduiig  seit  Alters  lokalisiert  was,  und  dass  diese  Landschaft  im 
6.  Jahrh.  offenbar  bei  den  Franken  .selbst  als  frankist  hes  Stammland  galt. 

1  Offenbar  Ut,  -vn-:  mit  den  Amorici  der  RMcnAion  C  des  Juüuk  Honoiriu», 

dos  Reich  des  Syofirius  ^TncinC,  wclcbcs  f^st  bis  Uoiilofnic  und  Cunbnty  reichte.  — 

*  R.    SthrÖdtT  iiii'J    G  alliier  nehmen  Kr.inkcn  an  der  ScheldcmÜndunK   schon 

vor  Caeur  ul 

§  162.     In  der  Thai  iät  der  Name  Franken  urRprQnglich  bei  den  snlisrhen 

Franken,   den  Niederfranken   zu  Hause  gewesen.     Denn  hier  ist  der  Name 

lokalisiert  auf  der  rötnisdien  Wdtkatlc,    die   nach   S.  Muller   um    260  ver- 

fasst  ist,    und   zwar  sriwnhl   auf  der  sogenannten  Prutin^eneken  Tafel  als  auf 

der  Karte  des  Julius  Honorius. 

Erstere,  die  nach  K.  Miller  im  J.  3f)5/66  abgefasst  ist,  nennt  am  rechten 
Rheinufer  von  der  Mündung  ab  zunScIist  die  Oiamavt  qm  tt  Franei  (nCird- 
lich  von  diesen  die  Fmii  und  ChattuarUy,  ihnen  gegenüber  am  linken  Ufer 
die  Lands»:bafl  liaiavia;  dann  folgt  flussaufwürts  am  rechten  Ufer  der  Land- 
schaftsnanjc  Fraricia  in  dem  Striche  von  der  Ijssel  bU  zur  Lippe;  dann  folgen 
gegenüber  Bonn  und  Coblenz  die  /ittrtfun.  Der  Frankenname  ist  also  für 
das  f,'anzc  rechte  Rheinufer  von  der  MOndung  bis  zur  Mttndung  der  Lippe 
bezeugt.  Der  Name  kommt  von  Hause  aus  offenbar  den  Chamavi  zu;  denn 
die  Framia  genannte  Landschaft  ist  das  alte  Hamaland,  dessen  nördlicher 
Teil  seit  vorchristlicher  Zeit  und  dessen  südöstlicher  Teil  seit  Ausgang  des 
I.  Jahrhs.  n.  Chr.  im  Besitze  der  Chamavi  war.  Die  Glciciiung  Chamm'i  ^ 
Franei  wird  ergänzt  durch  die  Gleichung  HamahnJ  (Chanuivcrnm  arpa)  ^ 
Framia^.  Wir  dürfen  wolil  unter  den  Fratigams  bei  Cicero  bereits  die 
Chamavi  verstehen. 

Ebenso  halte  die  Karle  des  Julius  Honorius,  welche  nach  MOllea- 
hoff  {D.A.  III  221)  und  A.  Riese  {Geogr.  tat.  min.  XXI)  kurz  vor  376  abge- 
fasst  ist,  den  Namen  /'/-rt«*-/ neben  den  Morini  (bei  Calais)  auf  der  einen  Seite 
und  den  (mit  Rücksicht  auf  die  Rezensionen,  der  Tabuh  Peutitigeriana  [/firr/- 
narii,  bezw.  Vhptnvarii,  bezw.  Varii\  tind  der  Vemtuser  Milkf-rtaf(l\Gallo7>arf^ 
in  Chaütiarif  zu  bessenidcn  Alam'i  und  Amsiiari  auf  der  andern  Seile. 

Aom.  Die  P'eroneser  i'Slterla/rl  ammr.  hvn'üs  p^n  Auspaiig  dr»  3.  Jahrhs".  wenn 
wir  Mullenhoff  [G^rnn,  ant.  15;)  unil  Ric«e  (n.  a.  O.  128)  folj;en  dtlrfcD,  vtui  der 
Nordsc<.^üstc  .-iiugthcnd,  neben  Saxones  die  Franei,  und  Jiuf  diese  folgen  die  ChnttMoHit 
Chamavi,  /■'ti'sitn'i,  Amth^arii.  Nncb  un&crer  Übcrltefcning  frriiirJi  Ml  die  Reihfnifolge : 
Saxanes,  Camart  {üe»  ChamaX't),  Crinsittni  (lies  frisitni  [MüllcDhofr]  oder  />«/, 
Cfiatut'  [S.  Mnller]).  Amsivari,  Ang^rn-ari,  J-'lert  (lies  /•Wii'f),  Bnulerü  t'afi  (He* 
Chalti),  Burgumiones,  Alamanii,  Suri'i,  Franei,  GalUtvari  (Uei  Chattttaru^y,  lalnujpy 
Armilausini,  A/artomaHni,  Quadi,  Taifrvli  (lies  Tat/ali),  Hermundubi  {lies  Jfcrtmii*' 
duri),  denen  dann  die  ofttgemuniscben  l>lilmnic  folgen.  Die  Rcibenfolgf  ist  eweifcllos  in 
Unnrdnuni:  geraten;  sonst  niüssten  die  Franei  uml  GnUovart  cQdlich  des  ^fains  angnetii 
werden. 

Noch  Mitte  des.  4.  Jahrhs.  galten  als  Suimmsitze  der  Franken  die  Ufer- 
Htrichc  retlils  vom  Rhein;  »for*  yevo^  Kehixöv  i'rrfp  'Pijrov  nojaft6v^  &t* 
nvihrv  thxeav^r  xaÖtJxor,  othot^  j??'  STftpaa.yith'ov  ngftg  rä  ttSv  noXiftmv 
(gyn,  wart  .  .  drofiaCot^at  ^pQaxiol,  O't  ^k  vnö  ttöv  noXXtnv  xexhjrjni 
*Pf><iyxoi<  (Libanios,  £,'?t  KoiVüTavin  xni  Kmvajüvztov  HI  31h  R). 

1  Überliefert  ist  Hat^i,  Vufiii  und  darunter  Crhepuim,  l'irrr.  S.  Maller 
iBijdr.  V.  Vad.  Oesch.  en  Oudh.,  3  c  Reek»  VII  85  ond  He  Grrm.  V^^tbfn  bij  J. 
Ihnorius  S,  1+)  bessert  in  Chaud,  Varii  und  Frfiii,  ffalHifrii,  Zwetfrllc«  iii 
Crhcpstinivarii  nicbc  in  C/urttsci  und  varii  (Zcuss)  sondern  in  rrsii {A.  i,  Fmit) 
und  Ckfttn^n'i  (d.  i.  C/iatfuarii)  aufruIOsen,  cl>cn»o  wir  ^t-valrfvij/l  in  Qumii  und 
fulHgi  (d.  i.  Jutungi),     Aber  Jfnci,    Varii  tinleiicet,    wt^n  mdit   Ckatmtru,   vicU 


I 


III,  £.  Franken. 


881 


Icidil  iiiich  mir  Cftatluarii.  —  *  V|{1.  ßftu^rt  ^  Batavia.  —  *  Sti  mil  A.  Kiciv 
tinJ  S.  MulU-r  «e^n  K.  Mällinhoff,  D.  A.  HI  31z. 
§  163.  Der  Name  Franken  kam  also  von  Hause  aus  tien  Chamavi  zu, 
bczw.  denjciiigtii  nicOtTfrÜiikist-licn  Stflinincn,  welclic  am  rechten  Rlieinufcr 
bis  zur  Sclifldcinüiuluiig  sasscn.  Da  die  ßatavi,  naih  Ausweis  der  Tabula 
J^Hlin^riitna.  im  3.  jahrli.  nicht  Franlen  liiesscn  und  dalier  auch  schwt-r- 
lirii  die  Caimencfatcs  (§  1791,  Afarsad  und  Slurii  (li  17S).  s(t  kämen  neben 
den  Chama^'i  \ox\  den  uns  bekannte?!  Stammen  nur  noch  die  Naclibam 
der  Chamavi,  die  in  flltesler  Ifeit  wühl  unter  den  Cliamavi  einbegriffe- 
nen  Salii  und  die  Chattiiarii  als  l'rfrankcn  in  Betracht.  Jedenfalls  scheint 
der  Name  Franken  ursprünglich  nur  für  die  Xiederf ranken  gegolten  zu  haben. 
Noch  Joidanes  {Ott.  3(1)  unterschei^Iet  I'"rann  un<l  Riparii. 

BereiL**  um  die  Mitte  des  3.  Jalirhs.  aber  wurde  der  Namen  Franken  auch 
in  weiterem  .Sinne  gebraucht.  Zwar  sitzen  am  Niederrhein  um  280  die 
»Franci  imits  strati  paUidibus«  (Vopiscus,  Probta  \i).  Aber  scJiwcrlich  an 
Chamavi  werden  wir  dcnkai  bei  den  Franken,  welche  um  260  bt-i  Mainz 
erscheinen  (Vrtp.,  Aurefiamis  7).  Der  Name  Franken  ging  zunächst  auf  alle 
Salier  über.  Diese  Franken  waien  es,  welche  Milte  des  3.  Jahrhs.  ihre  Raub- 
züge zur  See  bis  ins  Mittelländische  Meer  ausdehnten  und  um  30?)  von  den 
Sachsen  gedrangt  (iScuss  332),  die  liatavia  eroberten,  wobei  bereits  von 
»divcrsis  Francorum  gcntibus'  {Panfg.  ConUantino  j^  die  Rede  ifit-  Als  den 
Ilauplstaram  nennt  Juli  an  us  die  Chama\i,  die  er  vertrieb,  wflhrend  er  den 
andern  Teil  der  Salier  im  Lande  duldete:  ^v:jtdf^iifir}v  fiev  /toiQW  rov  ^cdltov 
t&voi'i,  A'a/iti/foi'c  Ak  i$i'iJL»au'  {Ep.  aJ  AlhenunMs,  p.  3/joH).  Amm.  Marc, 
(XVII  y  f.)  nennt  bei  den  Kämpfen  Julians  an  der  unteren  Äluas  im  J.  358 
die  Chamavi  neben  den  SaJü,  und  letztere  als  »primos  onuiium  Francos,  eos 
videJicct  quos  crmsuetudo  Salios  afipellavit:,  wonms  hervorgeht,  dass  der 
Frajikenname  damals  bereits  nicht  mehr  auf  die  salischen  Franken  beschränkt 
war.  Amm.  Marc.  (XX  10)  nennt  zum  J.  3(.>o  'regiunem  Francurum,  quos 
Atthuarirw  vocant».  Knde  des  4.  Jahrhs.  werden  als  frtlnknsche  Stamme  ge- 
nannt die  Brucleri,  Chamavi,  Ampsivurii  und  Chatti  (Zeuss  340 f.). 

Die  Cbertnigimg  des  I-Yanken namens  von  den  Chamavi  und  den  Nieder- 
fraitken  auf  alle  istraiwisclien  Stünmie  hat  schon  in  der  Milte  des  3.  Jahrhs. 
begonnen  und  darf  ak  ein  Zeichai  dafür  angesehen  werden,  dass  die  einstmals 
Istraiwen  genannten  Stämme  sich  ihres  ethnr^aphischen  Zu.sammcnhangcs 
stets  bewusst  gcblicl)en  smd. 

Man  darf  die  Gleichung  aufstellen:  hirativeti  :  Chamai-i  :  Salti  {Ripuarü, 
Hessen) :  Franken  ^  /n^^viaiwen  :  Vhami:  Sachsen  {A/ifiein,  /•'rüsrri) :  Ati^lofrieun 
^  ErmtNcn  :  Snebi  Sannones  :  Alamautteti  {Baient,   Thüringer):  HorkdculSikt. 

§  164.  Die  Cliamavi  sind  in  ^iltester  Zeit  der  führende  Stamm  unter  den 
iiaciimals  Salii  genaimten  Franken  gewesen.  Nachdem  der  engeie  Stamm 
der  S;tlit  die  Führung  Qbemommen  hatte,  und  sich  imter  dem  NamCD  der 
saUschet]  Franken  eine  bewundere  Gruppe  von  frflnkischen  St^nmen  politisch 
ziLsammengeschlos.'icn  hatte,  wie  es  scheint,  erst  infolge  des  Vordringen.s  gegen 
Westen  zu  Ausgang  des  3.  Jahrfis,,  zerfielen  die  Franken  in  Chatti  (Hessen) 
und  Salii  (Niederfranken)  und  die  zwisclicn  beiden  wohuenden  kleineren 
Stamme  von  Hessen  bis  zur  Lippe.  I.etztere  haben  sich  er^t  spater  zu  einem 
grösseren  Stamm  verdnt,  den  Ripuarii,  als  sie  das  linke  Rheinufer  gewonnen 
hatten.  Dieser  histons<:hcn  Dreiteilung  entspricht  aufs  genauste  die  siinich- 
liche  Gruppierung   der  Gegenwart. 


OenoiinJichc  PUlolocfe  ill.   2.  Aufl. 


S6 


882 


XV.  Ethnogr.\i>hie  der  germanischen  StAmue. 


I.  Rumanisierte  frankische  Stämme. 

F.  Hettner,  Zur  Kullvr  von  Grrmanim  und  Gattia  Belgica,  Wcsldc.  Za. 
n  (1883)  1  —  26.  —  Th.  Mommsen,  fi,-!miiirhf  Gesthichtt  V,  BuUn  i88s, 
S.  107  —  HO,  ijof.,  135  und  tSjr.  —  K.  HOboer,  Rßmisihe  l/erruha/l  t'm 
fffstrurßpa,  Berlin   1890,  S.   Il6  — 121   und   128—153. 

§   165.     Die  Romanisiening   der   im   folgenden  zu   nemtcndco  Stamme  b 
zwar  nicht  iiusdrücklich  bezeugt,  ist  aber  zu  folgern  aus  <lcn  gcsciufjillichf 
Verbal tnisseiK  der  dauenidt-ri  ZugcliL'rigkeil  zum  römischen  Reich,  den  römi- 
schen Festungen,    Militürkolnniccn    und  Städten    in    deren   Gebiet  und   dem 
Verschwinden  der  politistheu  Selbständigkeit. 


a]  Batavi. 

Zenas  loa— 102  und  339  f.  —  J.  Grimm,  G^ah.  J.  dt.  Sfir.  5S0— 588.  — 
J.  Wormstall,  Übfr  di't  Wanderung  der  Bataver  nikA  den  Niederlanden,  Müif 
siCT  l8"a.  —  ri.  D.  J.  van  ächcvichavcn,  Bijdraffrn  tot  tene  GejcAtafenü 
der  Batavett,  Leiden  1B75.  —  R.  Schröder,  HUt.  '/.*.  XLV  (1880)  4 — «.  — 
V.  Veith,  Velera  Coitrti,  Berlin  1881.  —  Th.  MomrascD,  Jiämiiche  Oeiehiehtt 
V,  Berlin  1885,  S.  118  —  131.  —  Fr.  Stolle,  H'e  st/ilug  Cdsar  du  L'sfpeter 
und  7'enktererf   IVo  Merbrüeklc  er  den  Hßtet'n  f  Frogr.,  Schlcltstadl  1S97. 

§  166.  Bereits  vor  Caesar  ist  eine  Abteilung  der  Chatten  ausgewandert, 
um  am  Niederrhein  die  von  Kelten  verlassenen  Sitze  cinzunetimcn  (S  158,  i). 
Caesar  {B.  G.  IV  10)  kennt  diese  Batavi  in  ihren  s[>äi;cr  innegehaltenen 
Wohnsitzen  (s.  die  Karte  zu  S.  8'j8),  die  ziemlich  genau  bekannt  sind.  Man 
muss  dabei  berücksichtigen,  dass  der  Lauf  des  Rheins  um  Chr.  Geburt  ein 
anderer  gewesen  ist*.  Die  insula  Balavorvm,  auch  Balavia  genannt,  um- 
fasste  ein  bedeutend  grfisseres  Gebiet  als  die  heutige  Landschaft  Betuwe 
(swischcn  Waal  und  Leck),  welche  den  Namen  der  Batavi  bis  auf  die 
Gegenwart  bewahrt  hat.  Die  alte  Batavia  reichte  von  der  heutigen  deutsch/i 
niederländischen  Grenze  bis  zur  See.  Unwdt  der  Mündtuig  des  altcu  Rheia 
lag  Litgiiunum  Batavorumy  das  heutige  Leiden.  Auf  die  KOstc  weist  die 
Angabe,  =extrcma  Gallicac  urac  vacua  culturibus  siinulque  insulam  juxta  sit 
occupavere,  quam  marc  Occanus  a  fnmte.  RhcJius  arams  tergum  ac  latei 
circumluit=  {Tac,  Jfiit.  IV  u);  auf  die  Küste  dte  Angabe,  »ne  quarui  de* 
curaa  legio  adjuncta  Britannica  classe  adfEirtaret  Batavos,  qua  Oceano  ambiun* 
tur-,  (//(>/.  IV  79);  auf  die  Küste  die  Angabe,  dass  Civilis  das  rOmische 
Wicilertager  am  Ocean  angreift  und  die  Römer  -in  superiorcm  insulae  partem« 
zurücktreibt  {ilist.  IV  15).  Wenn  die  Insel  vom  Rhein  umfltwwen  i.*it  (PluU, 
Otho  \2\  Tac,  Itist.  IV  12),  sü  heisst  das,  dass  der  alte  Rhein  bezw.  die 
VcclU  die  Nordgrenze,  die  Waal  bezw.  Maas  yllist.  V  2j)  die  Südgrenze 
bildet  Sogar  über  den  allen  Rhein  hinaus  bewohnen  die  Cannenefates 
(S  179)  einen  Teil  der  batawischen  Insel  (//«■/.  IV  15),  welche  demnach 
noch  Nordholland  mit  umfasstc;  vgl.  auch  3>nDbi]tsstma  Batav'urum  insula  et 
CannenefatiuiU'  (Pliii..  N.  IL  IV  loi).  Erst  jenseits  der  Cannenefates  gelten 
die  Friesen  als  transrhenana  gens  (/Air/.  IV  15).  Noch  im  dritten  Jahrh. 
reichte  die  Batavia  der  Tabula  Ptniitt^criana  im  Westen  bis  an  die  See.  Die 
Land.<tcliaft  B<'tuwc  scheint  also  nur  das  Keniland  der  Batavi  gewesen  za, 
sein,  und  hier  galt  aussei iliesslich  der  Vulksname  Batavi  (Batavn  im  enger 
Sinne),  wahrend» westlicher  die  Namen  der  einzelnen  kleineren  Abteilungen 
{Cannenefates,  Marsadi,  Sturii)  die  Oberhand  hatten.  »Batavi  non  muUum 
ex  ripa,  scd  insulam  Rheni  amnis  colunt«  (Tacitus,  Germ.  io).  Im  Westen 
haben  die  Batavi  bis  zur  MUnduiig  des  alten  Rhein  gewohnt,  also  zwiai:hca 
den  Marsaci  im  Süden  und  den  Caiuienefates  im  Norden  (vgl.  Pliiu  A'.  //. 


IV  loi).  Selbständige  Unterabteilungen  der  Batan  w-aren  die  Cannenefates 
und,  wenn  OJcsc,  st>  auch,  nach  der  geogrupdtschen  Lage  zu  »rhliessen, 
offenbar  die  Manad  und  Sturii. 

1  Vijl.  V.  Vcith,  l'ftrra  Cmtra  (mil  3  Karten)  un«l  Kr.  litten.  Die  Anti^- 
Jt-iungrn  am  Stedfrrhtitt  i'on  äfr  iJppemiiniUing  bis  zur  hßlttinJisrkrM  Gtftttf, 
DLns-,   Halle   i8q3  (mit  Karte). 

§  IÖ7.  Die  Batavi  sind  wiihl  schon  seil  Caesar  (§  160).  zum  mindesten 
aber  seit  Drusus  (ebd.)  treue  römische  Unterthanen  gewesen;  sie  waren  rnilit,1r- 
pflichtig,  aber  steuerfrei.  Auch  narh  dem  Aufi^tande  des  Civilis  sind  sie 
wieder  in  den  rümischen  Uutertliancn verband  eingetreten,  bildeten  sie  eine 
»pars  Romani  imperii.  Manet  honus  et  antiquae  sotictatis  insigne.  Nam 
nee  tribuüs  conteninuntur  nee  publtcanus  atteriL  Exempti  uneribus  et  coUa- 
tionibus  et  tantum  in  iisum  proelinrum  seposiii  velut  tela  atque  arma  beUis 
rcsen'antur.  Est  in  eodem  ubsequio  et  Malliacorum  gens«  (Tac,  Gtrm.  29). 
Sic  blieben  auch  in  der  Fnlgezeil  *fratrcs  et  amici«  der  Römer  {so  inschrifl- 
lich).  Kine  cohtjrs  Batavorum  wird  nnfh  zum  J.  3OO  genannt  (^ösimos 
IV  t)).  Nath  uiii  400  Jiennt  die  Notiiia  DignUaium  Batavi  unter  den  rönii- 
:4chen  HüLfütruppen.  AU  um  300  »Francorum  mitia  Bataviam  aUasque  ds 
Rhcnum  tcmis  invaserant«  {l^neg.  Ma.vimiano  tt  C-onstantitw  4),  und  Con- 
Mtantius  Chkinj»  ^  Bataviam  a  diversis  Franeuruni  gentibu»  üccupatam  omni 
hoste  purgavit-»  {Pamg.  Coitstnritiiw  ^  und  25),  war  ßatavia  römisches  Land. 
•Avitj  &h  »i  vrimt^-,  sagt  Züsimos  (III  b)  zum  Jahre  358.  'Oroa  7tQ6TtQOV 

Unter  diesen  Umstanden  dürfen  wir  annelinten,  dass  die  Batavi  romani- 
sicrt  worden  sind.  Bei  einem  Volke,  welclies  mehr  als  drei  Jahrhunderte 
unter  römischer  Herschafl  stand  und  welches  mit  römischen  Soldaten  über- 
schwemmt war,  ist  kein  anderes  Ergebnis  ;(u  erwarten.  Die  Ortschaften  im 
batawischen  Lande  tragen  gallo- romanische  Namen:  Lugdunuin  Batavurum, 
Batavodumm,  Noviomagus,  Arctiacuni ;  zweifelhaft  ist  dies  für  Vada  und 
Grinncs.  In  der  That  waren  die  Batavi  bereits  Im  J.  70  n.  Chr.  ihrer  Na- 
tionalität entfremdet.  Zw'ar  feiern  sie  noch  Gelage  in  einem  heiligen  Hain 
(Tac,  ///>/.  IV  14).  sehen  sie  die  Germanen  als  ihre  Blutsverwandten  an 
(ebd.),  ist  von  *barbaro  ritu  et  palrils  exsecrationibus--  die  Rede  (IV  15), 
stellen  sie  ihre  Frauen  imd  Kinder  im  Rücken  der  Schlachthnie  auf  (IV  18J, 
entnehmen  sie  'silvis  lucüque  ferarum  imagines<  als  Feldzeichen,  >ut  cuique 
genti  inire  proelium  mos  estt  (IV  22);  »Civilig  barbaro  voto  |>ost  coepta  ad- 
versus  Rnmani's  arma  propexum  rutilalumque  crineni  palrata  demura  caede 
legionum  deposuil"^  (IV^  61);  Veleda,  eine  Brukterin.  >late  imperitabat,  vetere 
apud  Germanos  more^  (ebd.),  erteilte  ihre  Befehle  jedenfalls  in  germanischer 
Sprache,  die  also  von  den  Batavi  verstanden  wurde;  die  Batavi  kämpfen 
unter  den  Augen  der  Götter  Germaniens  (V  17).  Aber  die  Anzeichen  be- 
ginnender RomanisLcnmg  darf  man  darin  erblicken,  dass  die  Bata«  neb.sl 
den  Cannenefates  den  Germani  von  jenseits  des  Rheins  gegenübergestellt 
werden  (am  deutlichsten  IV  7Ö);  die  Ileerführer  stacheln  zum  Kampfe  an 
»Gallos  pn*  Itbertate,  Batavos  pro  gloria,  Germanos  ad  praedam'  (ebd.);  als 
das  KriegsglOctt  sich  von  Cinlis  wandle,  zeigten  sich  die  Batavi  im  Grunde 
als  gut  romi.Mli  gesinnt,  ■■honestius  principes  Romanonun  quam  Gennanomm 
feminas  [Veleda]  tolerari«  (V  25). 

Die  Bata\i  sind  von  den  sahschen  Franken  abgelöst  worden.  Als  diese 
um  300  die  BataNia  besetzten  und  in  der  Folge  beliaupteten.  hören  wir  nichts 
mehr  von  einem  Volks-ttamme  der  Batavi,   sondern  nur  von  einem  Kampfe 

der  Salii  mit  Römern.     Diese  romanisierten  Batan  sind   von  den   salischen 

B6« 


884  XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 

Franken  unterworfen  und  germanisiert  worden.  Das  gleiche  Schicksal  hatten 
die  Marsaci.  Nur  die  nördlich  des  Rheins  wohnenden  Cannenefates  haben 
wahrscheinlich  ihre  germanische  Nationalitat  bewahrt 

b)  Sugambri  >■  Cugemi. 

Zeuss  83 — 86  und  326  f.  —  M.  F,  Essellen,  Geschichte  der  Sigambern, 
Leipzig  1868.  —  Watterich,  Die  Germanen  des  Rheins  (Die  Sigambern  und 
die  Anfänge  der  Franken),  Leipzig  1872.  —  K.  Müllenhoff,  ZfdA.  XXIII 
{1879)  26 — 43.  —  G.  Zippel,  Deutsche  VSikerbe-a-egttngen  in  der  Römerzeit. 
Progr-,  Königsberg   1895,  S.    13—15- 

§  168.  Die  Sugambri  wohnten  nach  Caesar  »proximi  Rheno«  zwischen 
Lippe  und  Sieg,  s.  die  Karte  zu  S.  796.  Ostwärts  grenzten  sie  an  die  Cherusci 
{Diön  LIV  33,  1).  Im  J.  55  v.  Chr.  hatte  ein  Teil  der  Usipetes  und  Tenc- 
teri  -jse  in  fines  Sugambrorum  receperat  seque  cum  iis  conjunxerat«  (Caesar, 
B.  G.  IV  16;  vgl.  auch  IV  18)  und  teilte  während  der  folgenden  50  Jahre 
das  Schicksal  ihrer  Schutzherren.  Drusus  besiegte  diese  Hauptfeinde  Roms 
im  J.  12  V.  Chr.  (Diön  LIV  32,  i  f.),  und  im  J.  8  v.  Chr.  wurden  die  »Su- 
gambri excisi  aut  in  GalHas  trajecti«  (Tac,  Ann.  XII  39).  Tiberius  »Si- 
gambros  dedentis  se  traduxit  in  Galliam  atque  in  proximis  Rheno  agris 
collocavit«  (Suetonius,  August.  21),  »quadraginta  milia  dediticiorum  trajedt 
in  Galliam  juxtaque  ripam  Rheni  sedibus  adsignatis  conlocavit«  (Suet,  Tiber. 
9;  vgl.  auch  Aurelius  Victor,  Ep.  I  7  und  Eutropius  VII  9  und  für 
die  niederrheinischen  Sitze  neben  den  Menapii  Strabön  IV  194).  Er  hatte 
»plura  consilio  quam  via  ausgerichtet,  als  er  die  »Sugambros  in  deditionemc 
accepit  (Tac,  Ann.  II  26).  Die  Reste  des  Volkes  hatten  also,  gleich  den 
Ubii,  willig  die  ihnen  angewiesenen  linksrheinischen  Sitze  eingenommen  zum 
Schutze  der  n'imischen  Grenzen.  Es  sind  damals  zwar  noch  Reste  der  Su- 
gambri am  rechten  Rheinufer  unter  römischer  Herschaft  sitzen  geblieben 
(Strabön  VII  290),  und  noch  ein  halbes  Jahrhundert  später  konnte  Clau- 
dius aus  diesen  eine  sugambrische  Cohorte  errichten;  aber  die  alte  sugam- 
brische  Civitas  isi  vernichtet,  wenn  auch  die  Franken  nfich  nach  Jahrhun- 
derten in  poetischer  Sprache  Sicarabri  genannt  werden  (Müllenhnff  a.  a.  O. 

Die  Reste  der  am  linken  Rlieinufer  angesiedelten  Sugambri  erscheinen  in 
der  Folge  unter  dem  Namen  Cugerni  (Tac.  und  in.schriftlicli)  oder  Gugemi 
(Tac.)  oder  Cuberni  (PI in.).  Sie  wohnten  zwischen  den  römischen  Ubii 
(Agrippinenscs)  und  Batavi  (Plin.,  N.  H.  IV  100)  und  zwar  südlich  bis  zum 
ubischen  Gelduha  (Tac,  Hi'st.  IV  26).  Da  die  Römer  in  den  folgenden 
J:ihrhunderten  die  Rlieingrenze  behauptet  haben,  kann  an  der  Romanisierung 
der  Cugemi  kaum  gezweifelt  werden. 

Anm.  Mit  iJen  Siigiunbri  dem  Namen  nach  identisch  sind  die  fianibrivii  (Tac, 
G.rm.   2  und  Str.Tbön  VII  291),  vßl.  ZfdA.  XXXVII   I2f. 

c)  Ubii. 

Zciiss  83  f.  und   .H;  f. 

§  i6t).  Die  l.'bii  kennt  Caesar  als  eine  ^-civitas  ampla  atque  florens'  \}i. 
G.  IV  3)  an  der  Lahn  (vgl.  die  Karte  zu  S.  79Ö).  »Hos  cum  Suevi  .... 
pruptcr  iimiilituclinoin  gr;ivitatemque  civitatis  finibus  expellere  non  pntuissent. 
tainen  vectii,'iiles  sibi  fecerunl  ac  multo  humiliores  infirmioresque  redegenml^- 
{li.  <;.  IV  31.  IJber  ihre  verhältnismässig  hohe  Kultur  vgl.  B.  G.  IV  3. 
Schon  ilurrli  Ciicsar  für  Koni  gewonnen  {B.  G.  IV  8.  16.  VI  9),  erhiel- 
ten   .sie    im   J.  38    v.  Clir.'  am  linken  Rheinufer  bei   Köln  von  Agrippa   ihre 


III,   £,    I.   ROHAKISIBRTB  FHAKKISCHE  StÄUUE. 


8B5 


neuen  Sitze  angewiesen  (Strabön  IV  104),  »ut  artcrent,  non  ul  (."usloditen- 
lur^  {Tac,  Gtnn.  28).  Ihr  Gebiet  reichte  nördlirh  bis  einst- hl iessl ich  Gelduha 
(Geldub  bei  Kaiserswerth)  {Tac,  Hist.  IV  26).  westlich  bis  einschliesslich 
Tolbiacum  (Zülpich)  {ebd.  IV  7*/).  Nach  dieser  I^^'e  im  Römerreicli  sowie 
nach  Tac,  Genn.  28  7.\\  schüessen,  sind  sie  romanLsiert  worden.  Bereits  im 
J.  70  n.  Chr.  erscheinen  sie,  wie  die  Trevcri,  ganx  als  rCmiscli  (vgl.  besonders 
ffisi.  IV  28).  Ihre  Hauptstadt  Kftln  war  den  Germanen  vom  rechten  Rhein- 
ufer verliasst;  sie  wullen  die  Stadt  in  germanischem  Besitz  haben  oder,  sie 
zerstörend,  tlie  UbÜ  \eijagen  (ebd.  IV  65).  Die  Ubii  werden  von  den  Tenc- 
teri  aufgefordert,  'tnstituta  cnllumque  patriiim'  wieder  anzunehmen  (IV  64), 
die  sie  also  damals  schon  aufgegeben  hatten.  Gleichwohl  hielten  sich  die 
Ubii  noch  für  Blutsverwandte  der  Germanen  (IV  (15),  uiul  man  unterschied 
damals  noch  gegcnsAtzlidi  Ubii  mui  Römer  im  ubischen  Lande  (IV  64).  Ja 
noch  zu  Ausgang  des  1.  Jahrhs.  n.  Chr.  »ne  Ubii  qiiidem,  qiiamquam  Ro- 
mana cülonia  esse  meruerint  ac  libentius  Aj:rippinenses  cnnditoris  sui  nomine 
vocentur,  uriginc  crubcscunt«  (fVerm.  28).  »Ubius«  erscheint  zum  letzten  Mal 
im  J.  157  {C. /.  L.  V  5050  [Th.  Mommsen,  Hermes  IV  103  ff.  und  H. 
Nissen,  B.  Jb.  XCVIII  150]).  Nachfolger  der  Ubii  wurden  die  ripwarischen 
Franken. 

>  Nsdi  Zippcl,  £>euische  l'Stkerttciiifgungm,  S.  15  vldlcidit  nst  fan  J.  19  v.  Chr. 

U)  Mattiaci. 

Pli.  DicffenbBch,  Zttr  Vrgeschkhtt  der  UleUtrau  (Arcb.  f.  h«*>,  Gvtcfa,  tt, 
Altertbnmskniicle  IV  1),  Dannsiadi  1843.  —  K.  Hinter,  />/>  RSmrr  im  Äfat. 
tiaäertand,  Wiubaden  1884.  —  G.  Wolff,  Die  /tn^öHt^rung  Jtz  mhtsrhei- 
nisehtn   Germaniem   naih  dem    Untergang  der   RJtru-themiha/l,   Dormüladt    t8()5. 

%  170.  Die  Matüaci  verraten  schon  durch  ihren  nach  keltischer  Weise 
abgeleiteten  Namen  0)  ihre  Kntnationalisierung.  Nach  Tacitus  {Ofrm.  29)  so- 
wie nach  der  Lage  ihrer  Wohnsitze  waren  sie,  wie  die  Batavi,  uisprünglidt 
ein  Teilstamm  der  Chatten,  und  wir  dQrfen  ihren  Namen  an  die  chattische 
Hauptstadt  Mattium  (Tac,  Ann.  l  55)  anknOpfen.  Sie  sassen  sßdlich  und 
östlich  des  Taunus  und  waren  von  Drusus  in  dem  von  den  Chatten  abge- 
tretenen Gebiet  innejhalb  des  spateren  limes  zur  Wehr  gegen  ihre  nördlich 
des  Taunus  wohnenden  chaitischeii  Brüder  angesiedelt  worden.  Die  Mattiaci 
waren,  wie  die  Batavi,  militär|)ftichtig,  aber  steuerfrei.  Matüad  erscheinen 
noch  in  der  Noiiiin  Digniiaittm:  Mattiaci  seniores  stehen  im  C*rient  neben 
Batavi  imü  Salii  aU  auxilia  palatina.  Das  Land  der  Mattiaci  ist  romanisiert 
worden.  Berühmt  und  besucht  war  wegen  seiner  fontes  calidi  der  Badeort 
aquae  Malliacae  (Wiesbaden).  Mitte  des  i.  Jahrhs.  wiirden  im  Lande  Silber- 
bergwerke angelq^t.  Das  Land  wurde  nach  römischer  Weise  verwaltet.  Wir 
haben  zahlreidie  Reste  r^'^mischcr  Bauten,  ein  Beweis  für  das  reiche  Leben, 
welches  die  Römer  im  Lande  entfaltet  haben. 


LitlLTmlur  &.  S.  874  f. 


2.  Niederfranken. 


a1  SaliL 


Zcuai  329 — 334.  —  G.  Wait«,  Dai  alle  /ieirkt  di-r  ja/whf»  Franken,  Kiel 
1846.  —  H.  Rein,  J>if  yamcft  Saiier  und  Sal-FranJten,  Cnrf'eld  1847.  —  Lrx 
S<ilKa  cd.  J.  H.  Hesscls  and  H.  Kern,  L"inlwii  1880.  —  Th.  Prca»«.  CWn- 
Namfn  und  Herkunft  der  Satter,  ProgT.,  Tibil  1886.  —  A.  de  Behsnlt  de  Dor- 
Dun  et  de  Lu£,  Z^  Fraaci'Saliens  dam  la  fravinee  de  Brabant,  Bnixriln  |8<)3. 
—  F.  V,  Tbudichuin,  Sata,  Saln-Gau.  Ux  Satua,  lOXtin^vn  1895.  ^  G.  Kurlb, 


La  /ronti^re  linguntique  en  Helgiquf  et  tiatis  U  nord  de  la  France  1,    Brux^les 
1896.  —  Vgl.  aucb  die  S.  8*4  f.  grnaontc  t-illeiatur. 

§  171.  Der  Name  Salii,  als  eines  Teilstatnmes  der  Franken,  ist  seit  der 
zweiten  Haihe  des  4.  Jalirtu».  belegt,  zuerst  bei  Auim.  Marc  (XVII  8,  j^pj 
Ihre  Heimat  steht  frsL  Wie  das  Land  tlcr  Canneuefates  spater  Kinhem,  di 
der  Miu>at."i  Mnntim,  das  der  B;ita%'i  Httuive^  das  der  FalchovarÜ  V'riuwe,  das 
der  C'harna\'i  Hamahnä,  das  der  Arasivarii  Emigau,  das  der  Cliasuarii  Hase- 
gati,  das  der  Angrivarü  Engem,  das  der  Bructeri  liorahtra,  das  der  Chattuahi 
HaUtnm,  das  der  Chatti  Ifcsicn  heisst,  so  ist  in  SailanJ  die  Heiiuat  der 
Salü  zu  suchen.  Salland  hiess  im  Mittelalter  die  I^indscliaft  üstlich  iler  un- 
teren Ijssel,  nördlich  von  Haiualand  und  stVdUch  voa  Friesland  {s.  Karte  VI 
zu  S.  86Ö). 

Die  Salü  nennt  Amin.  Marc.  {XVII  M)  zum  J.  358  »primos  umniuni  Frao- 
CO8«,  Zösiinos  (III  6)  »r<i  XaUwv  l&voi;,  ^ydyytov  dnöfiOtQan,  Sic  waren 
seil  Allers  Nachbarn  der  Chamavi  und  diesen  so  eng  verbündet,  dass  letz- 
tere audi  Salü  gaianut  werden.  Den  ersten  Belenj  hierfür  zum  J.  55H  sehe 
ich  in  der  in  §  H>3  angeführten  Stelle  bei  Julianus.  Die  Salü  sind  erst  .seit 
dem  4.  jahrh.  beliaunt.  Bei  ihren  nahen  Beziehungen  zu  den  Chamavi  darf 
man  annehmen,  ilass  sie  früher  einen  Teil  der  ChamaW  gebildet  haben. 

g  1/2.  Schon  um  die  Mitte  des  3.  Jahrhs,  sind  die  fränkischen  Sceriluber 
in  Gallien  und  Spanien  bekannt ',  Ihr  Heimattand  niussteu  die  S:iUi  den 
siegreich  vordringenden  Sachsen  rilumen;  sie  siedehen  um  jKO  in  die  Batana 
(§  lOö)  über  (Paneg.  VI  Constantino  M.  d.  c.  S.  und  Panqj.  IV  8  und  V  4 
[Kumenius]),  um  hier  abermals  von  den  Sachsen  vertrieben  zu  werden: 
£(iiovei  »t«  XaXiwv  eÖ'i'oc,  ^f'gäyyuyv  ^öftotgaVf  ix  t;)c  oAt«ac  X"'^Q^^ 
^Jiö  tÜiv  Xn^ovmv  elz  TavTr)r  rtjr  vijaav  djieXa&ivraif  ^^ißaXXov.  AfTtj  de 
^  v^ao^f  fjJma  :tQ6if.QOY  rräofi  'Ptofuiiuiv^  röte  vjz6  ^fiXuov  xaiely^not. 
(Zösimos  III  6).     Die  Balavia  hatten  sie,  im  Verein  mit  den  Chamavi, 

setzt:    >terram    Bataviana a   diversis    Franc<)rum  gentihus   iKcupatamc' 

{Panegyricus  CouslatUiuo  4;  \'gl.  auch  Pantg.  Ma.\imiano  tt  Constantüw  4). 
Im  J.  358  halten  sie  sicli  bereits  auf  römischem  Boden,  in  Toxandria  nieder- 
gelassen, wo  Julianus  >dedentes  se  cum  npibus  liherisque  susrepit^  (Amou 
Marc.  XVn  8;  Juliatius,  Ef>.  ad  AlhenUma  p.  3(oH;  Zösiinos  HI  6). 
Die  Salü  besa.tsen  ilamals  also  .sihon  ein  betrachüithes  Gebiet,  ungefähr  den 
südlich  de.s  alten  Rhein  gelegenen  Teil  der  heurigen  Niederlande.  Dieses 
Gebiet  gilt  in  der  Fulge  als  Stammland  der  salisehcn  Franken  (g  161).  Hier- 
her auch  (80  Jahre  spflier)  Gregor  v.  Tours  11  i):   »Tradunt  multi,  eosdera 

primuni  cjuidetn   litora   Rheni  umnes  incolutsse,  dcliinc  transacto  Rhen<». 

Thoringiam  (vgl.  §   130  Note  7)  tran.imeasse,  ibique  juxta  pagus  vel  ct\-itatev' 

regis   crinitos   super   se   creaWsse-^.     »Kerunt    etiam    lunc    Chlogionem 

regem  fuisse  Fmncorum,  qui  apud  Dispargum  (ebd.)  castrum  habitabat,  qund 
est  in  tcrminum  Thoringorum«. 

t  Beleee  l>ei  RicK»,  Dai  RhtinUche  Gfrmamett,  S.  S04 — 306. 
8  J73'  Von  hier  aus  haben  sie  sich  in  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhs. 
weiter  längs  der  Scheide  ausgebreitet,  unter  Chlogio  bereits  von  Tournay  und 
Cambray  Besitz  ergriffen  und  ihr  Gebiet  bis  zur  Suva  Carbonaria  (zw-isdien 
Brüssel  und  Namur)  und  Somme  ausgedehnt  (Greg.  v.  Tours  II  g  und  Gesta 
regum  Franc.  5).  Wahrend  sie  bei  ihrem  weiteren  Vordringen  nach  Süd- 
westen Herren  der  romanischen  Bevölkerung  wurden,  ohne  doch  d;w  Land 
germanisieren  zu  kennen,  haben  die  Salü  in  Belgien  von  Dünkirchen  ost- 
wärts bis  fast  nach  Maastricht  lün  und  gegen  Süden  bis  Lille  und  über  Brüssel 
hinaus  das  Land   dicht  besiedelt,   nach  Ausweis  der  deutschen  Ortsnamen. 


ni,  £,  2.  N1EOXRFRANKE17. 


887 


'besondcrü  der  so  zahlreichen  auf  -Aem.  Zu  beiden  Seilen  der  unteren  Scheide 
smd  diese  Ortsnamen  so  dicht  gesät,  dass  man  annehmen  muss,  diese  Gegend 
ist  damals  fast  entvßlken  gewesen.  Wenn  wir  die  Hfldgrenze  dieser  Orts- 
Tiaraen '  als  die  frühere,  seit  dem  4.  Jahrh.,  gewonnene  Sprachgrenze  anneh- 
men, so  fiel  dieselbe  ungefähr  mit  der  heutigen,  von  St  Omer  in  gerader 
Linie  bis  ctwaa  südlich  von  Brüssel  und  Miiastritht  laufenden  Sprachgrenze 
zusammen;  nur  bei  Boultjgne  wiinlc  noch  im  i".  Jahrh.  niederf ränkisch  ge- 
sproclicn,  und  bei  Lflle  und  södlich  von  Brüssel  ist  ein  Streifen  von  i  bis 
2.  Meilen  jetzt  französisch  geworden.  Wir  liaben  ims  die  Sprachgrenze  in 
alterer  Zeit  aber  nicht  als  eine  so  scharfe  Linie  wie  gegenw.'Srtig  vorzustellen; 
vielmehr  bestanden  zunächst  zu  beiden  Seiten  eine  Reihe  v<m  kleineren 
frankischen  tmd  runiauischen  Sprachinseln,  und  vor  allem  gab  es  hüben  wie 
drüben  bedeutende  Minoritäten  von  anders  sprechenden,  welche  erst  allmäh- 
lich absorbiert  worden  sind.  Nachkommen  der  allen  Salii  sind  die  südlichen 
Niederlander  und  die  heutigen  Vhianjen  in  Flandern  uml  Brabant.  Die 
Ostgrenze  lässt  sich  auf  Grund  der  heutigen  Mundarten  bestimmen.  Eine 
wesentlich  verschiedene,  der  ripwarischen  sich  nähernde  Mundart  wird  im 
CstUchen  Hageland  imd  der  Ptovinz  Limburg  gesprodien,  also  Ortlidi  voo 
Leuven,  und  die  IJnie,  welche  die  Ostgrenze  bildet,  setzt  sich  westlich  von 
Weert  und  nördlich  vnn  Venloo  über  Geldern  bis  Duisburg  fort  (die  iilt'cA- 
Linie);  vgl.  die  Karte  in  Bd.  I'  zu  S.  925. 

Der  Name  Salü  ist  seit  der  Mitte  des  5.  Jahrhs.  nicht  mehr  belegt.  Der 
eigentliche  Volksname»  den  z.  B.  Gregor  von  Tours  .stets  braucht,  ist 
Franken  gewesen,  bezw.  zur  Untersdicidung  vi>n  den  Ripuarii  (Frand  orien- 
tales):  Franci  ("»ccidentales.  Die  /^.v  Stilica  (XIV  2)  unterscheidet  einen 
barbnrus  Salicus  oder  Francus  Salicus  im  Gegensatz  zum  Ramanus. 

*  K.  Lamprecht  iZs,  d.  vVacbctirr  Ocschicblsvcmnii  IV)  nimmi  noch  die  sfld- 
licheren  rranzr»sischcn  Ortsnamvn  auf  -/n.  •oin  bei  Duoniik,  Anas  und  C>n)bny 
ak  frllnkUcb  an,  MroKCgcn  schon  der  Vrr|>lcidi  mit  der  gq|;ciiwirtiKi-ii  Sprncbgn^Dze 
spricbt. 

§  174.  f'hlodwig  (481 — 511)  begründete  die  fränkische  Grossntarht.  Er 
war  von  Hause  aus  nur  einer  von  den  sallsrhen  Gaukiinigen.  Dei5n  nach- 
dem Batavia  -a  diversis  Francurum  gentibus-  {^  1(17)  besetzt  worden  war, 
halten  die  Franken  auf  dem  im  4.  Jahrh.  gewonnenen  südnicderländischen 
Boden  zunächst  eine  Reihe  von  kleinen  Künigreichcn  gegründet  ujuxla  pagus 
vel  dvitates  regis  crinitos  super  se  crea\-is&e«  Gregor  v.  Tours  II  g),  ahn- 
lich wie  es  die  Dünen  (§  tu),  die  Norweger  (§  1 16).  die  Angelsachsen  (§  133 
und  141 1  gclhun  haben.  So  hatte  Chlogio  in  Disparguni  rc^idit-rt  (Greg.  II  q), 
C'hilderich  in  T'iuniai,  wo  sein  Grab  gefunden  wortien  ist.  Nttch  zu  Chlod- 
wigs Zeit  residierten  Ragnachar,  ein  Verwandter  Chlodtt-igs  (ebd.  11  2~ 
und  42)  in  Cambrai  (II  42),  und  wiril  noch  ein  anderer  Künig,  Chararich, 
genannt  (II  41),  gleichfalls,  nach  dem  hcrabwallcnden  Haar  zu  schlics- 
■cn,  aus  merowingLsi'iiem  Hause:  au.sserdem  spricht  Gregor  von  'aliis  multts 
regihus^  (II  42).  f'hlodwig  eroberte  48(1  das  Reich  des  Syagrius  (Nord- 
frankreich) und  verlegte  seine  Residenz  von  Toumai  nach  Soissons.  Das 
frankische  Reich  bestand  seitdem  aus  einer  romanisch  ^  und  einer  germanisch 
sprechenden  Hiltfte.  401  unterwarf  Chlodwig  die  in  Thoringia,  dem  römi- 
schen Tüxandria,  wohnenden  fränkischen  Stämme  (ebd.  11  2-;),  und  damals 
vird  wohl  die  Beseitigung  des  Chararich,  iles  Ragnachar  und  der  übrigen 
satfrankischen  Gauk'jnige  imd  die  Annektierung  ihrer  Reiche  (II  41  f.)  statt- 
gefunden haben.  Schon  vorher  halten  alle  salischcn  Reiche  in  einem  Bundes- 
verhältnLi  mit  einander  gestanden;  so  halte  Chlod«ig  für  seinen  Krieg  gegen 


88S 


XV.  Ethnographie  der  cf.rma!«ischek  StX»u£. 


Sy-agrius  die  Könige  Cliararich  und  Ragnachar  zur  Hülfe  aufgcfurdcrt  (II  27. 
41).  Vielleicht  bedeutet  die  Lt-x  Sa/ioi  die  Schaffung  einer  Rcchtsctnhcät 
für  alle  saliä(.-heii  Franken.  Nachdem  Chlodwig  sich  zum  KCnig  aller  salischea 
Franken  gemacht  hatte,  unterwarf  er  die  Alamanncn,  welche  496  seine  Her- 
schaft anerkennen  und  den  nördlichen,  nachmals  rheinfränkischen  Teil  ihres 
Landes  abtreten  mussten  (§  211).  Alsdann  besitze  er  507 — 509  die  lUcLcht^ca 
Westgoten  imd  crwTirb  das  I-and  zwisi:lien  Loire  und  Garonne.  Endlich 
wurde  er  auch  diirdi  St  hilderhebung  Kunig  der  ripwarischcu  und,  wie  va 
scheint,  auch  der  chattischcn  Franken  (S   192). 

Anm.  Es  LM  möglich,  doss  mit  Huhrich  S.  z— 4  tm  tfanzen  nur  drei  soUachc  Künte* 
räche  annuichmen  Hlnd,  und  da<ifi  alle  flbri^n  KQnii^L-  ativscr  Chlndwig,  Ra^nachar  und 
Chaiarich  nur  nicht  ÄOUVCiSnc  AngchöriKe  des  Könicshaust-s  k-i-wcst-n  sind.  Wir  hallen  diuiB 
int  S.  Jäbrb,  die  drei  Rcsidccucn  Toumai  (die  Rnidciu  Thlodwigs,  seit  486  dAHlr  Sois- 
Bou),  Cambrai  (die  Resident  Kugnürhiirs)  iiiid  Dispurgimi  (die  Knideuz  ChlogiDi)^! 
Htilirich  vcru'eiat  S.  4  auf  die  'tre«  mallon-  dti  Prnlucn  der  Lex  Sa/na,  die  er  >«ls 
drei  aU)<enieitie  Vcrsairmlungcn  der  Freien  dreier  mit  Königen  versehener  uJiscbcr  Völker* 
schancn-   erkllrt. 

Die  Eroberungen  Chlodwigs  wurden  von  seinen  Nachfolgern  festgehaJlen 
und  erweitert.  Sein  Sohn  Theuderich  unterwarf  .531  Thüringen,  nachdem 
vorher  auch  Hessen  ein  Teil  des  gros.sfr;inkisrhen  Reiches  geworden  war. 
.'534  wurde  Burgund  gewonnen.  536  traten  die  Ostgoten  die  Provence  und 
einen  Teil  von  Raetien  ab.  Ende  des  6.  Jahrhs.  fiel  das  Land  zwischeD 
Garonne  und  PyrenSen  den  Franken  zu.  Anfang  des  7.  Jahdis.  wurde  Can- 
tabricn  den  Fmnken  tributpflichtig.  68tj  und  734  wurde  das  westliche  und 
mittlere  Friesland  unterworfen.  Aus  der  Geschichte  bekannt  ist  endlich  die 
Er*'eitcnmg  der  Grenzen  durch  Karl  d.  Gr.,  diu  Begründung  der  sjianischen 
Mark,  die  Einvcricibung  Nun!-  und  Mittclitatiens,  Baienis,  Ostfrieslands  und 
Sachserw,  und  der  stawisdicn  iJinder  bis  zur  unteren  (^>der,  bis  zu  den  Su- 
deten und  bis  nach  Pest  und  Dalmalien.  Der  Geschichte  gehört  ferner  an 
die  Teilung  des  Reiches  in  ein  Westfranken,  Lotharingien  und  Ostfranken 
und  die  schlicssüclie  AiiflfV.suug  in  das  westfrtlnkische  Reich,  Burgund,  Italien 
und  das  ostfrünkische  Reiih,  letzleres  die  Grundlage  des  spateren  deutschen 
Kaiserreiches,  erstes  die  Grundtage  von  Frankreich,  welches  dem  Namen  nach 
die  politische  Fortsetzung  des  alten  Franken  reiches  ist. 

Die  Verschmelzunji;  der  durch  Waffengewalt  in  dem  t>stfranki5chen  Reiche 
veremtcn  germanischen  StS.mme  zu  einem  deutschen  Volke  gcscliah  sehr  all- 
matüich.  Durch  das  ganze  Mittelalter  hindurch  ft-aren  die  Staramesgcgcn- 
sfltze  noch  deutlich  ausgeprägt,  wie  sie  es  zum  Teil  noch  bis  auf  den  heuti- 
gen Tag  sind.  Von  einer  deutschen  Natiimaütat  in  modernem  Sinne  kann 
eigentlicli  erst  gcsppjcheri  werden,  seitdem  durch  Luthers  Wort  die  hochdeutsche 
Schriftsprache  in  Nicderdcutschland  endgOltig  anerkannt  »-urdcn  ist. 

'  Die  Römer  ^■l]^den  nach  römischem  GeaeiJi  bchnndelt.  Trotü  d«  liewuastea 
Gegemiandcs  der  Nalinnftliiätcn,  wie  er  sich  besoruler*  in  dem  »xrechicdtm  bewer» 
leien  Wcrgeld  ausipricht,  t,'»^tcn  R5nicr  und  Franken  al«  gleichberechtigte  Staat»- 
bilrger.  Da»  Heer  und  die  SliwUbcÄmtcn  rekniliencn  »ich  sowohl  au»  ROmeni  wiit 
ms    Ftinken. 


h)  ChamavL 

Zeai»  9>f-,  3S6,  331.  334—336,  581—384.  —  A,  Dederich.  Brilrdge  »mr 
rJtmt'tfk-dnttsehfn  Geichühu,  Progr,,  Emmerich  184^.  —  Der».,  Gfichühfe  4er 
RSmer  und  der  Dcutichen  am  XirJfrrheiN,  insbeiondtre  im  Laniu  der  CA(7mat^r 
adfr  Hamaiindr,  £mmcrich  1854.  -^  f^x  fran>:orum  Chamaxorutrt  oder  dat  frr~ 
meiHttic^f  Xanifrier  GattrftAl,  cd.  E.Tb.UaDpp,  Breslau  1855.  —  R.Scbr6der. 


/>»>  Heimath  der  U.x  Chamai-arttm,  Pick's  Moiutsachr.  f.  il.  Gesch.  WcstdudjMs. 
VI  (18&0)  493 — 503,  —  Lex  /tiönaria  et  L^x  f-'mtKorum  l'/tamai-orum,  cd, 
R.  Sohm,  Hannuvrrar  1883,  —  J.  Wormstall,  Üf^r  die  Cftaniaver,  BrukUrer 
und  AMgrh'ttrirr,  Münslrr  1888.  —  Froid  evntis,  Ktudet  iur  la  l^\  dicta 
Franeoriim   Cfiamai-orum,  Piiri»   1892. 

S  175.  Dfis  ülteste  Zeugnis  für  die  Cliamavi  weist  ;nif  rfas  1.  Jahrii.  v. 
Chr.  jeurdck.  Der  S(.hinale  Slrich  ani  rccliten  Rtieinufer  zwischen  der  Ijssel 
und  der  Lippc^mUnduiig  war  nach  Tac.  [Ann.  XIII  ^^)  ursprünglich  im  Be- 
sitz der  Chaniavt,  später  der  Tubnntes  und  dann  der  Usipi  (gewesen.  Die 
Usii>etcs  sind  im  J.  56  v.  Chr.  an  den  Niederrhein  gezogen  und  haben  aus 
<Iieser  Landschaft  die  keltischen  Menapü  vertrieben  (§  05).  Bereits  im  Winter 
56/55  »cum  4)mnibus  suis  domo  cxcesserant  Rhcnumque  transicrant«  (Cae- 
sar. B.  G.  IV  14).  Einen  Teil  des  Volkes  veniichieie  Caesar.  Ein  anderer 
Teil  >pust  fugam  »iiorum  sc  Irans  Rheninn  üt  fiues  Sugunibruruoi  reteperat 
seqiie  cum  iis  conjunxerat«  (ebd.  16).  Jenen  Uferstrirh  haben  alsii  die  Usi- 
peles  noch  nicht  ein  Jahr  besessen.  Dieser  kurze  Zeitraum  kann  um  so 
■weniger  gemeint  sein,  wenn  {Ana.  XIII  55)  Usijji  als  Besitzer  des  Landes 
genannt  werden  und  als  deren  Vorganger  die  Tubantes,  während  die  Vor- 
gänger der  Usipetes  Caesars  die  Mcnapü  waren.  Im  J.  55  aber  .stand  da» 
Land  leer:  die  Usipeles  zogen  sich  damals  In  das  sngambrisrhe  Gebiet  süd- 
lich der  Lippe  zurü<-k.  wo  sie  wcihl  noch  im  J.  17  v.  Chr.  xu  suchen  sind 
(Diön  Ka^^^io5  LIV  2n,  4).  Aber  im  J.  tz  v.  Chr.  finden  wir  die  Usipi 
als  östliche  Nachbarn  der  Batavi  (Diön  LIV  32,  2)  und  als  nördhche  Nach- 
barn der  Sugambri,  und  in  diesen  Sitzen  haben  sie  sich  gehalten,  bis  Tiberius 
(spätestens  im  J.  10  n.  Clir.)  hier  den  niederrheinischen  limes  anlegte,  west- 
lich dessen  das  Land  geräumt  wunle.  Wenn  vor  den  Usipi  als<j  zunächst 
die  Tubantes  in  jener  Lindstihaft  gewohnt  haben,  so  k;inn  dies  nur  vor  dem 
J.  12  V.  Chr.  gewesen  sein.  Die  Chamavi  können  erst  nach  dem  Abzug  der 
Usipetes  im  J.  55  eingerückt  sein.  Eingecückt  sind  sie  von  Norden  oder 
von  Osten  her.  In  der  Nachbarschaft  jejies  Uferstriches  liaben  sie  wahr- 
scheinlich schon  vorher  gewohnt,  jedenfalls  aber,  nachdem  sie  von  den  Tu- 
bantes  aus  demäelbett  vertrieben  wurden.  In  den  Sitzen  zwisclien  den  Su- 
ganibri  und  Bructcri,  wcsdich  der  letzteren  nennt  sie  Strabön  (VII  291 '), 
einer  alteren  Quelle  folgend.  Es  spricht  nichts  dag^en,  ihren  um  die  Mitte 
des  1.  Jahrhs.  v.  Chr.  um  jenen  Uferstrich  erweiterten  oder  bald  darauf  erat 
eingenommenen  Wuhnsitz  in  der  Landschaft  zu  suchen,  welche  im  Mittelalter 
ihren  Namen  trug:  in  Hamaland.  üstlich  der  Ijssel.  Dafür  spricht,  dass 
dies  die  einzige  an  jenen  Uferstrich  grenzende  Landschaft  ist,  welche  wenig- 
stens von  dem  J.  12  v.  Chr.  ab  in  Betracht  kommen  kann,  weil  *ir  die  Be- 
wolmer  der  andern  angrenzenden  Landschaften  kennen;  femer  dass  die 
Chamavi  gegen  .\usgang  des  i.  Jahrhs.  n.  Chr.  zweifellos  Westnachbam  der 
im  Milnsterlandf  wohnenden  Bructcri  gewesen  sind  (§  150,  7).  Nicht  zu  be- 
fremden braucht  es,  dass  die  Friesen,  welche  im  j.  yy  n.  Chr.  in  jenen  einst 
hamawischen  Uferstrich  einrückteu,  nach  der  Beschreibmig  bei  Tac.  {Ann. 
XIII  54)  auf  dem  Wege  dorthin  keinen  Widerstand  gefunden  zu  haben 
scheinen;  wahrscSieinlich  sind  sie  durch  die  damals  vielleicht  noch  unbe- 
wohnte Veluwe  (doch  vgl.jä  i8j)  oder  am  rechten  Rheinufer  entlang  gezogen. 

*  Xd^aßrn  sUtt  des  Obcrliefcrc«!]  Xnvßot  zu  lesen. 
Das  alte  Hamaland  zerfiel  in  einen  westUchen,  frünkischcn  und  einen  öst- 
lichen, sachsischen  Teil.  Letzteren  habet]  die  Chama\i  erst  im  J,  q8  n.  Chr. 
eingenommen.  Sie  haben  steh  mich  Tac.  {Gtrm.  33)  mit  den  Angrivarü 
in  das  Land  der  Bnicteri  geteilt,  indem  sie  das  westliche  MOnsterland 
besetzten  (§  150,  5  und  7). 


8qo 


XV.  Ethnographie  osa  (snuuidBCSSBH  SftiUoa. 


Aam.  Ptolcmaios  nennt  dit:  Xntftai  (fUr  Xoftavoi)  OslUch  der  Su(^iiilm  uiui  töd- 
lich der  grTiii&eren  Bructcrl,  also  sudlich  der  ob«rcB  Lipf>«,  und  dann  die  Ka/tavot  neben 
d«n  Chcmso  n'JTdiicb  vom  Hart,  aU»  vielleicbl  gldch&ills  im  Osiücfaen  Wesifalcn  gcdacbL 
Jedrnfitlls  wird  man  an  lÜc  zu  Ausgnng  An  I.  Jahrhs.  n.  Chr.  ringenommcocn  Siuc  im 
weltlichen  WesifaleD  denken  mflssen,  so  dass  seine  Quelle  Tac.  Gitrm.  gewesen  i.4t. 
Vgl.  G.  HoU,  Bfiträgr  tur  äeutsihen  AliertumikuHde  I,   Halle   1S94,  S.   lo. 

Wir  können  also  sagen,  im  gunzcn  haben  sich  die  Chamavi  seit  dem  1. 
Jahrh.  v.  Chr.  in  ihren  Wohnsitzen  rechts  der  IjsseJ  gehalten.  Nur  den  SO- 
deii  ihres  Landen  niusslen  sie  zcitwt-ilip  den  Tubanlcs  räumen,  und  dieser 
einst  mfnapische  Uferatrirh  wird  auch  spater  nicht  zu  Hanialand  gerechnet. 
Der  Name  Hamaland  ist  gleichwohl  Welleicht  schon  für  das  i.  Jahrh.  n.  Chr. 
bele^T  In  den    »Chamavorum  ar\*a<  bei  Tac.  i^Ann.  XII  55). 

^  176.  Von  dem  frankischen  Hamaland  haben  sich  die  Chamavi.  wie 
gesagt,  im  J.  1)8  n.  Chr.  über  WestmQnsteriand,  <las  sachsische  Hamaland 
ausgebreitet.  Sie  sitzen  narh  Tac.  {Germ.  33  imd  34)  südlich  von  den 
Friesen,  westlich  ^'on  den  .\njipivarii  und  westlich  oder  nfirdlich  von  den 
Chasuarii,  als«!  von  der  Zujder-See  bis  zur  Lippe,  vgl.  die  Karte  zu  S.  868, 
Das  nüclisle  Zeugnis,  von  Ptolemaios  abgesehen,  ist  die  Tnhula  Peuiin^erianat 
welche  gemäss  ihrer  utn  ibo  anzusetzenden  Quelle  die  »Chamavi  qui  et  Franci« 
nördlich  von  der  Bata\'ia  und  südlich  von  den  Friesen  und  Chattuarü  ansetzt 
(üben  S  162);  sie  hatten  sich  also  über  die  Veluwe  nach  Westen  ausgebreitcL 
Um  300  waren  sie  von  Rom  utilcrworfen  worden  {Paneg.  Comtantio  8).  Um 
diese  Zeit  müssen  sie  von  den  Sachsen  aus  Hamaland  vertrieben  worden 
«em.  Denn  seitdem  finden  wir  sie  weitet  im  Westen,  an  der  Seite  der  Sahir 
deren  Verdrängung  aus  dem  nördlich  von  Hamaland  gelegenen  Salland  aus- 
drücklich bezeugt  ist  (§  i"^).  und  alsbald  drangen  die  Sachsen  weiter  nach. 
Im  J.  3.58  finden  wir  die  Chamavi  bereits  im  Verein  mit  den  Salü  in  Toxan- 
dria,  von  wo  sie  JuUanus  zurückschlug  (Amm.  Marc.  X^^I  8  und  J  ulianus, 
Ep.  ad  Aihfnienses  p.  ^iy:>  H).  Von  Toxandria  aus  haben  sie  sich  an  der 
Maas  ausgebrettet  i§  i~7).  Sie  haben  aber  auch  einen  Teil  ihres  Heimat- 
landes, das  fränkische  Hatnaland  wieder  gewonnen,  das  sie  wohl  nie  völlig 
aufg^eben  hatten.  Als  die  Kömer  im  J.  392  den  Rhein  überschritten, 
verheerten  sie  zunächst  »Bricteros  ripae  proximos*  und  dann  >pagura  etiam 
quam  Chamavi  incolunt«,  »nullo  umquam  occursante*  (Sulpicius  .\Iexandei 
bei  Gregor  v,  Tours  II  9).  Nur  das  süchsischc  Hamaland  haben  ae 
dauernd  verloren.  Um  400  finden  wir  im  Orient  eine  nimischc  cohors 
undecima  Oiamavumm  [Nodim  Dignitalum,  Or.  31).  Seitdem  verechwindet 
der  Name  Chamavi  aus  der  Geschichte. 

Über  eine  hamawische  Kolonie  in  der  Franchc  Comte  neben  einw 
hattuarischcn  vgl.  Zeuss  582— .5S4. 

S  177.  Die  Chamavi  haben  neben  den  flalii  noch  Jalirhunderte  htndurcli 
eine  gewisse  Selbständigkeit  bewahrt.  Die  wahrschelnllcli  802  entstandene  lex 
Franeorum  Ckamavorxtm  ist  nur  eine  Ergänzung  der  Ux  SaUca  und  lasst  er- 
kennen, dass  die  Chama\i  Siiimniverwandtc  der  Salü  waren.  Die  lex  kennt 
Chamavi  in  Hamaland  und  im  Maasgau.  Letzterer  zu  beiden  Seiten  der 
Maas  gelegen ',  von  der  romanischen  Sprachgrenze  bis  zur  Betuwe.  Dieses 
Land  scheint  danach  das  Ausbreitungsgebiet  der  Chamavi  gewesen  zu  sein. 
Doch  die  scharfe  Sprachgrenze,  welche  dieses  Maasland  (mit  Ausnahme  de» 
nördlichen  Teiles)  sowohl  von  dem  salf rankischen  Brabant  als  von  den 
nördlicheren  Rheingegenden,  u.  a.  auch  dem  Hamaland  tremit  i§  173)  und 
die  an  der  Maas  gesprochene  lirnburgische  Mundart  eher  der  ripwarischen 
Mundart  zuweist  als  der  salischen,  lasst  keine  andere  Deutung  zu,  als  dass  si<  b 


I 
I 


an  der  Maas  Chama^i  mit  hattwarischen  und  ripwarischen  Elementen  gemischt 
haben,  wenn  nicht  etwa,  was  mir  ungleich  wahrscheinlicher  vorkommt,  unter 
dem  Maasgau  der  Ux  VJmmavorum  nur  de^en  nrtrdtichster  Teil  (nftrdlich 
von  Venlix))  zu  verstehen  ist.  Etnmerich  war  noch  hamawisch.  Also  er- 
streckte sich  das  hamawisrlie  Gebiet  von  Hamaland  ohne  Unterbre<'hung 
über  den  Rhein  {bei  Emmerich  und  Cleve)  IiIhwq;  bis  an  die  Maas  bei  Cuyk. 
*  So  mit  Lamprcthl  gegfn  Schröder. 

c)  Marsaci  und  Sturii. 

%  178.  Die  Marsad  uncl  Sturii  raQssen  wir  we^en  ihrer  Wohnsitze  zu 
den  Niederfranken  zahlen. 

Die  Marsaci  werden  nur  ,^iti;iJ  genannt.  Tacitus  (//«/.  IV  56)  nennt 
sie  zum  J.  70  n.  Chr.  neben  den  Canninefates,  an  dem  baiawisrhen  Kriege 
des  Civilis  beteiligt.  PÜuius  \N,  H.  IV  101)  nennt  am  Niederrhein  die 
Inael  der  Batavi  »et  Omnenefatium,  et  aUac  Frisiorum,  Chaucorum,  Frisia- 
vonum,  Sturionun,  Marsaciorum,  quae  stemuntur  inicr  Helinium  ac  nevuni«, 
alsrj  zwischen  der  Maa.smündung  und  der  Zuider-See.  Er  nennt  dann  (TV 
106)  von  der  Scheldemündunjj  ah  auf  der  einen  (rerhten)  Seite  die  Texuandri 
auf  der  andern  {linken]  die  Menapi  und  Morini,  letztere  »ora  Marsacis  junct, 
pago  qui  Cheisiacus  vocatur'.  Bl.s  kann  hiernach  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  die  Marsact  nördlich  von  der  Scheidemündung  gesessen  haben,  und  dass 
der  mittelalterliche  Gau  Marsum  (mVdlich  der  Maasmtlndung)  Uircn  Namen 
bewahrt  hat  und  ihre  Heimat  gewesen  ist. 

Die  Sturii  werden  allein  in  der  angeführten  Stelle  bei  Plinius  {N>H,  IV 
101)  genannt.  Sie  haben  in  der  Nachbarschaft  der  Marsaci,  Cannenefates 
und  Batavi  gewohnt,  im  Gebiete  der  Rheinmündung,  ohne  dass  sich  ihre 
Wohnsitze  genauer  bestimmen  liessen^  (doch  vgl.  §  180). 

Beide  Stamme  werden  spiUer  nicht  mehr  genaimL  Wir  haben  keinen 
Grund  anzunehmen,  dass  sie  ausgewandert  seien,  .*ta  wenig  ihre  Nachbarn, 
die  Cannenefates  und  Batavi  ausgewandert  sind. 

'  Ganz  unsicher  i§l  die  von  R.  SchrO  Jcr  (Hisl.  Z««  N.  F.  VII  10)  aufgestellte 
Vermutung,  <la9<i  der  spätere  Gsu  Stria,  diu  heutige  Ijiik)  voii  Str^-en  {südlich  von 
Dordreclit)  mit  dem  967  «TWfihnlen  Orte  •Sturmlien)  in  pogo  Su^a<  die  Heimat 
der  Sttirii  gewesen  s«. 

d)  Cannenefates. 

K.  V.  Rtcfa  thofcn,     UnUrsuchun^at    übfr  F^ttsiKkt  Rttktsgfickichtt  MX  1. 

D^s  Gau  Kinntm  odrr  dm  KfnnrmtrIanJ,   Berlin   1S86. 

§  179.  Die  Cannenefates  sind  eine  Abteilung  der  Batav),  nach  Tacilus 
(//«/.  IV  15}  »origine,  lingua,  virtute  par  ßatavis;  niunero  suiicrantur«.  Sie 
treten  stets  in  Gemeinschaft  mit  den  Batavi  auf,  wenn  sie  atich  einen  eigenen 
politiRrhen  imd  miliiarischen  {vgl.  l>esonders  Tac,  flixt.  IV  16)  Verband 
bildeten.  Gleich  den  Batavi  waren  sie  Ireue  Bün<U*geni>ssen  der  Rr)mer,  und 
wetm  sie  nicht  ronianisicrt  wurden,  su  datilceii  .sie  da.s  üircin  rechtsrheinürchen 
abgelegeneren  Wohnsitz.  Tiberius  unterwarf  im  J.  4  n.  Chr.,  von  Westen 
nach  Osten  vorschreiteud,  -intrata  Gennania"  zunächst  die  Canninefates. 
dann  die  Attuarii,  dann  die  Brurtcri  und  endlich  die  Chcriusci  (Vell.  II  105). 
66  Jahre  spater  sind  ihre  Wohnsitze  auf  einem  Teile  der  hatawischen  In.sel 
{S  xhfi)  in  der  Nachi>arsdiaft  der  Batavi,  Friesen  imd  Marsaci,  und  zwar  an 
der  See  bezeugt  (Tac,  Hin.  IV  15  f..  50  und  74).  Plinius  {N.H.  FV  99) 
nennt  die  sBatavunim  insula  et  Cannenefatium«  neben  andern  Inseln  zwi- 
schen Maas  tmd  Zuider-See.     Folglidi  können  die  Cannenefates  nur  westlich 


U 


der  Zuider-See  zwischen  Friesen  (§  123)  und  Marsad  {§  178)  gesessen  Itaben, 
und  damit  Jat  zugleich  gegeben,  dass  ihre  Heimat  das  Kennemerland 
(westlich  der  Ziiider-See)  growesen  ist,  dessen  Bewohner  im  13.  Jahrb.  Kint' 
marii  oder  Kenetnarii  genannt  werden.  Der  L;indschaftsname,  in  Ältester 
Fomi  Kimithem  liat  dcu  Nanicn  der  Cannencfatcs  l»cwahrl.  Vgl.  die  Karte 
zu  S.  Ö68. 

Anm.  Das  i  voiipricfat  rricsiBcbvr  Lautgcbiing.  Im  Wc^LfrictUcbtii  ui  umgelsuictcs, 
tiicbc  gedehntes  a  vor  gwlcckiptn  N'auil  zu  *  geworden  (PBB.  XVfT  329  f.).  Kmfum, 
Kinnem  ist  die  frie^iiNche,  Kmem.  Krnnein  die  nipd«rlilndi*che  Fomi.  v.  Rtchlhorcn 
hUt  das  Kcaacmerland  fUr  einen  fnesischen  Gau.  Die  Zeuj^issc  fUr  frühere  rne»lsche 
Sprache  in  NordhuUand  (G.  J.  Bockcnoogen,  />r-  Zaanscht  l'albslctal.  Leiden  1897, 
S.  i\\  —  Vit)   liirirefTcn   ihis   Kenneiiierlttiul   iiiilil. 

e)    Kalchovarii. 

G.  Kostlnna,  l'BB.  XX  299—301.  —  K.  Mucli.  ZfdA.  XL  295—301. 

§  lÜo.  Falchuvarii  werden  nur  um  400  in  der  Notiiia  Di^tlatHm  geuaiml, 
neben  den  Tubantes,  Matliaci  und  Biicinobantes,  als  rftmische  Hülfstruppen 
im  Orient.  Über  ihre  Wohnsitze  fehlt  uns  jede  Nachricht,  ausser  dass  uir 
sie  am  Rliein  zu  suchen  Iiabcn,  wie  ausser  den  genannten  s  Stämmen  noch 
Batavi,  Salii,  Raetnbarii.  .^nglex'arü,  Franci,  C-hainavi,  Alamanni  und  Saxonea 
im  Orient  (gedient  haben.  Auf  Gtund  der  Gleichung  Balavi:  ßehttve  ^ 
Fahhoi'arii :  VeUiwe  möchte  ich  die  Fakhovarii  als  Bewohner  der  Veluwe 
(südlich  der  Xuirler-See)  ansprechen,  so  dass  sie  die  nördlichen  Nachbarn 
der  Batavi,  die  weslÜchen  der  Chamavt  und  offenbar  eine  Abteilung  letz- 
terer oder  der  Chattuarii  (g   löi)  gewesen  wären. 

Anm.  Kossiiina  identifiziert  die  Falchovarii  mieden  Wesdalon.  Mueh  mit  den 
Wust-  lind  Ostfalcti.  Das»  lüfsi;  dnri  Namen  von  /»Ih  »Feld«  (^bildet  «nd,  will  Dtdll* 
Ar  ihre  Identität  besap:a. 

Mit  der  Besetzung  der  Veluwe  durch  die  Falcho\'arii  sind  für  sSratUche 
LandsL haften  des  niederländischen  Sprachgebietes  die  entsprechenden  alten 
frankischen  Stammesnamen  nacligewiescn,  mit  alleiniger  Ausnahme  der  ana 
diesem  Grunde  vielleicht  für  die  .Sturii  in  Anspruch  zu  nehmenden  Pro\iii£ 
Utreclil,  die  indessen  auch  für  die  Batavi  in  Betracht  kommt  (vgl  g  löf)  und 
wegen  der  Chattuani  S   182  Anm.   1). 

f)  Chattuarii. 

Zeuss  99  f^  336—338,  341  f.,  582—584.  —  A.  Dcderieh,  IJrr  Gau 
Alttion>r,  Mitlh.  «i.  Ver.  f.  Gesch.  u.  Alt.  «1  Fraiikf.  a.  M™  11  Nr.  3.  —  der».. 
Beiträge  lur  rümhih^deHtinhen  G^t^hUhte,  Pro^.,  EJnmerich  1849,  —  W'orm- 
slall,  Dtf  Wohnsitie  4er  Marsen,  Atuibarier  imä  CkatUtarirr,  PTfigr.,  MQnMiT  iSSo. 

§  181.  Der  Name  der  Chattuarii  1  beweist  ihre  Beziehungen  zu  den  Chatten, 
und  zwar  kennzeichnet  er  sie  entweder  als  Nachfolger  der  Chatten,  d.  h.  ab 
Bewohner  chattischen  und  in  diesem  Falte  früher  chattischen  Gebietes  (^-gl. 
Baivarii :  Biji  Amsivarü  :  Amisia,  Cantuarit :  Kent)  oder  als  Naclikommcn 
derselben  (vgl  Bnructuarü  :  Bructeri  §  150,  8).  Im  ersleren  Falle  kßnnten 
sie  ein  den  Chatten  gar  nicht  stammverwandtes  Volk  gewesen  sein,  und  die 
Heiuuit  der  Chatten  udcr  ein  Teil  dieser  Heimal  wäre  i"<süidi  der  Zuider- 
See  zu  suchen;  im  letzteren  Falle  wäre  ein  Teil  der  Chatten  aus  Hessen 
oder  dem  südlichen  Westfalen  luich  Nordwesten  gewandert,  um  sich  tmtei 
dem  Namen  Chattuarii  auf  dem  neu  gewonnenen  Boden  als  eine  neue 
ci\-iias  zu  konstituieren.  Für  die  Urheimat  der  Chatten  im  niedcrrheinlscheii 
Gebiete  würde  die  Lage  im  Centnim  der  nachmals  fränkischen  Stämme  —  in 


b. 


» 


diesem  Falle  tage  es  nahe  anxunehnieii,  dass  die  Chation  aus  der  niederrhei- 
nischen Heimat  erst  durch  die  Usipeles  und  Tencteri  etwa  im  J.  .y?  v.  Chr. 
vertrieben  worden  wären  —  und  die  Nactibatschaft  der  vun  den  Ciiattea 
ausg:egangencn  Batavi  (fä  15K,  i)  sprechen.  Kflr  die  Herkunft  der  C'haituarii 
wn  den  C'baltcn  würde  sprechen,  dass  die  Nachbarn  der  crstercn,  die  Batavi, 
i-ine  ausgewanderte  Abtdliing  der  Cliatteii  sind,  »1  dass  dann  wohl  eine 
gleichzeitige  Auswanderung  der  beiden  Ahteilungef]  anzunehmen  wäre.  Eine 
Entscheidung  zwischen  diesen  beiden  Möglirhkeiten  wage  ich  nicht  Nur 
so  \nel  ist  sicher,  dass  die  Chattuarii  ein  den  Chatten  stammverwandtes  Volk 
gewesen  sind;  denn,  wie  diese,  gehören  sie  s|)fllcr  zu  den  frankischen  SlAm- 
men:  im  J.  360  en-berte  Julianus  ^reg^onem  .  .  Franconim,  (|uos  Atthuarios 
vocanl*   (Amm.  Marc.  XX  10.  2). 

Anm.  Zcuss  Klculifuicrt  ilir  Chaun.irii  inu  (I<n  Üatuvl,  was  schon  wqjcn  der  ta<- 
kannien  «i^iütei^n  Wnhn^iLtc  der  crscravn   nklil  ncbli){  sein  kxnn. 

I  Zur  N.uiienüform  vgl.  g  T58  Xoie  1   and  §  30(>  Note  2. 

§  182.  Ihre  Wr.hnsitze  um  Chr.  Geburt  sind  nach  der  Angabe,  das« 
Tiberius  ■inlrata  Cermania«  die  Caiminefates,  Attuarii.  Bructeri  tmtcrworfen 
habe  und  dann  zu  dvn  Chcnisn  vorgedrungen  sei  (Veit.  Pat,  U  '05),  sfltj- 
hch  oder  nKilMl»  der  Zuifler-S<x-  in  der  Nahe  des  Rheins  und  westlich  von 
den  im  Münster^an^k•  wohnenden  Bructeri  zu  suchen'.  Inncrlialb  dieses 
Raumes  haben  seit  der  Mitte  des  i.  Jahrh«.  v.  Chr.  die  Clhaman  in  Haraa- 
land  gesessen  (§  175).  Die  Chaltuarü  mUssen  also  entweder  westlicher, 
in  der  Veluwe  und  etwa  bis  Ulrccht,  oder  östlich  von  Hamaland  ge- 
sessen haben;  am  Rliein  nördlich  der  Lippemftndur^  sassen  die  Usipetes 
(§  ^■^3)-  I*'*-*  geographtichc  W*alirsc!ieinli(likcit  spricht  für  die  L,aiid.>i<'l)dft 
südlich  der  Zuider-See.  Gegen  die  tistlicheren  Sitze  spricht  die  En.vflgimg, 
dass  Tiberius  .-«chwcriich  durch  jenes  sumpfige  Terrain  in  das  brukt**rische 
Gebiet  eingebroi^lien  sutu,  sundeni  sich  nicht  weit  vom  Rhein  entfernt  haben 
wrd,  wie  ja  auch  die  etwas  weiter  landeinwiirta  wohnenden  C'hama\'i  an- 
lasslich dieses  Feldzuges  nicht  genannt  werden.  Als  die  Heimat  der 
Chattuarii  scheint  mir  ulsu  die  Landschaft  ostlich  von  Utrecht  bis  zur  Ijascl 
gut  beglaubigt  zu  sein,  um  so  mehr  als  diese  Landsi^haft  die  einzige  inner- 
halb des  niederrheinischen  Gebietes  ist,  för  welche  wir  N'on  keinem  anderen 
Stamme  wissen  (doch  vgl.  }j  iSo}.  Aus  der  Nennung  der  Xarroväotw  bei 
Slrabön  IVII  2qi  un<l  292)  würde  folgern,  dass  sie  im  Binncnlande  gewohnt 
haben,  landeinwärts  von  den  Sugambri  und  Bructeri^  etwa  im  südlichen  West- 
falen. Allein  die  Aufzähtmig  der  Völker  an  der  einen  Stelle  (292}  scheint 
keine  geographische  zu  sein,  und  die  andere  Stelle  (291)  verrat  eine  so 
mangelhafte  geograpltisdic  Kenntiu.s  Uircr  Quelle,  das»  man  darauf  hin  das 
Zeugnis  des  Vcllejus  nicht  beanstanden  darf'. 

Anm.  I.  Für  nicht  aiis^»cl]]o)»(-ii  hiilEe  ich  die  Annafantc,  dass  die  Chattuuü,  wie 
die  Cvinenrratcs,  unprünglich  ein  Teilsuimm  der  BatAvi  gcwcKO  sied  (vgl.  $  181  Anm.], 
und  nOnlltch  vom  sltcn  Kbeia,  Bildlich  von  den  Canncoclatca  gewohnt  hsbcD.  Ihr  Gvbiet 
künntc  sieb  };li.-k-Eiwrihl  hU  in  dir  V^luwi:  erstri.-ckt  bxbeti. 

Aus  der  Veluwc  sind  die  Chattuarii  später,  wahrscheinlich  in  der  ersten 
H&lfte  des  ,v  Jahrlis..  durch  die  zunächst  unter  dem  Namen  Chamavi  her- 
vortretenden salfechen  Franken  verdrangt  worden.  Die  imi  260  verfasste 
römische  Wehkarte  (vgl.  §  1Ö2|  kennt  nOi-dlich  des  alten  Rhein  die  Chamavi 
qui  it  Franci  und  nördlich  von  diesen  die  Fresii  und  Chattuarii,  letztere  dem- 
nach Ostlich  der  Ijssel,  und  da  Hamaland  und  Salland  nicht  in  P'ragc  kommt 
(§  175  tmd   171),  in  Twenthe  oder  in  Drenthc. 

Anin.  3.     Vlcllcicfat  ist  die  Annahme  einer  Auswacdcrung  nach  Twenthe  cidil  oOtie, 
Wenn   nitmikh  die  Chattuarii  r.\\  den   B»Uvi  gcln'rt  vml  nriniUcb  dr»  alten  Rhein  gewohnt 


894 


XV.  Ethkographie  der  obruakischek  StJImue. 


halten  (Anm.  t),  so  kannten  sie  in  dieMn  Siucn  um  360  gemeint  sein.  Freilieb  wire 
ilann,  wenn  die  Cbaniavi  cnra  nur  westlich  bis  Utrecht  gereicht  hAbeu,  die  Aagsbe  der 
Karte,  welche  die  Cbatniahi,  wie  die  Friesen,   oOrdlich  voa  dm  Chsmavi  ansetzt,  ungenau. 

'  anders  Wormstall  S,  9,  der  die  Chittuarü  den  Mani  gleidneut,  weil  entCR 
statt  letzterer  von  Strabijn  \1I  292  beim  Triumphzuge  dei  Gcrmanicus  angefllhn 
werden. 

§  i8,v  Das  Volk  wird  dann  erst  wieder  im  J.  360  genannt  tmd  zwar  tun 
rechten  Rhcimifcr  in  der  Gegend  der  IJppemOndung,  wiederum  in  der  Nach- 
barschaft der  Cliaraavi,  Für  das  Ende  den  3  Jahrhs.  dürfen  »-ir  ihre  Sitze 
am  Niederrhein  in  der  Nachbarschaft  der  Chamavi  erscKUesscn  aus  der  An- 
siedelung eines  Teiles  beider  Stämme  in  der  Franche  Cotnte  durch  Con- 
stantius  Chlorus  (Zcuss  582).  Zu  Anfang  des  6.  Jahrlis.  beginnen  dann 
die  F,inf.ll]e  der  Danen  van  der  See  her  in  das  hattwarisdie  Gebiet;  eine 
Erinnerung  daran  liat  die  allenglische  Heldensage  festgehalten  (vgl.  die  /^rf- 
ware  Beowul/  2^(y:^  und  2917  und  die  Hahvcre  Wtt/siit  $^  Im  J.  715  ver- 
wüsten die  Sachsen  das  Land  der  Cliattunrii. 

Der  Naini;  des  Volkes  ist  in  dem  Namen  des  pajfus  NaüHarienm  bewalirt. 
Hiemach  sind  die  s[i.1teren  Wohnsitze  der  Chattuarii  zu  beiden  Seiten  des 
Rheins  zu  suchen.  Als  Ortschaften  des  Gaus  sind  rechtsrheinisch  bezeugt: 
Mündetheim  (südlirh  der  Ruhrmündung)  und  Stimm  (an  der  unteren  Ruhr): 
linksrheinisch  reichte  der  Gau  bis  zur  Maas.  Die  Landschaft  südlich  von 
Oeve  und  Xanten  und  nürdlich  von  Vcnlu  und  Gellep  war  hattwarisch. 
Vgl.  Karte  VI  zm  S.  868.  Die  Chattuarii  sind  hier  die  Nachfolger  der  Cu- 
gemi  (§  168)  geworden.  Merkwürdig  ist,  dass  auch  das  sachsische  Hcrbede 
an  der  Ruhr  zu  dem  Hatter-Gau  gerechnet  wird.  Es  scheint  demnach  einen 
sach.sisch(rn  und  einen  frfLukiscIien  Hatter-Gau  gegeben  zu  haben,  ähnlich 
wie  es  ein  säclisisches  und  ein  frankisches  Hamaland  gab. 

Über  die  liattwarische  Kolonie  in  der  Franche  Comte,  in  dem  |>agus 
Attoamm  s.  Zeuss  .5Ö2~584. 

g  1S4.  Die  Chattuarii  habt-u  von  HausL-  aus  weder  zu  den  salischeo 
noch  zu  den  ripwarischcn  Kranken  gehört.  Von  letzteren  wurden  sie  bei  der 
Teilung  des  Reichs  im  J.  830  ausdrücklich  unterschieden.  Die  Sprache  der 
hattwariscben  Landschaft  ist  nur  eine  Abart  der  niederländischen,  alsn  der 
saifrÄnkischen  Mundart  und  hebt  sich  scharf  von  den  südlicheren  inpwarisrhen 
Mundarten  ab.     Die  Südgrenze  wird  von  der  iklich-lÄmc  gebildet  (§  173). 


g)  NicderlSndiflche  Kolonisation  von  Nordostdeutschland. 

Hdlmoldus,  Chronica  Silavorum  (bis  1170);  nllhcres  s.  oben  /u  g  156.  — 
J.  Eclking,  Disstrtatio  historico  juridica  de  Bflgis  secuh  XII  in  GermaHiam 
adrenit  rarü'sque  intlttults  atftu  juribus  ex  torum  advrnla  ortis,  Gottilipc  <770. 

—  A.  von  Weracbc,  Urhrr  dit  Xitderländüchen  Cohnim,  wtlcMe  im  nörd- 
lichen Teutschtande  im  sw$lfltn  JahrhuniierU  gftii/fet  tiroriUnt  %  Bde.,  HaniKivfr 
1815.  16,  —  Zeuas  661  f.  —   I.,  Gieaebrecht,  HinJitchr  Cachi/rhun  itui  dtn 

Jahren  7H0 — lifl3,  3  Bde..  Berlin  1843.  —  Das  gcrühniic.  preisgekrönte  Buch  \-on 
Borchgrave  ist  {^lulich  unbrauchbar.  —  Winter,  Die  Ci$tereien%er  des  norJJtt- 
liehet*  Detiisehtanäs,  3  Bde..  1868  —  71.  —  R.  Schröder.  Die  nie<leridn4iieh*M 
Koionien  in  Marddi-ittsi-h/iiird  :tir  Zeil  des  Atiltrlnlfrrs.  Berlin  1880.  —  H.Krnat, 
Die  Ciiiim/sa/ion  von  Otldtitiichland  \,  Protjr..  I-ingenbcri;  1888.  —  (i.  Wendl, 
Die  Gernuiniiiettinff  der  Länder  fiffiüh  der  Elbe,  2  Teile,  Progr.,  Li^nitx  1884.  89. 

—  K.  I-iimiirccht.  Deutuhe  Geu-hiehfe  III,  Berlin  1893,  S.  324 — 329,  357— 
373  und  392 — 420.  —  A.  Meitieen,  SinUinn^  und  Agrarvesen  der  Hett^rT' 
manen  und  OilgermaNen  11,  Berlin  1895,  S.  343 — 367  \äA  475 — 493.  —  V<igel, 
Ländii%:hf  Ansiedelungen  der  Siedertäuder  und  anderer  di-uischer  Sf4im 
A'ord-  und  A/itleldruluhlund  UHihrend  des  13.  und  IJ.  Jahrhs^  PrOßr.,  Dot>cla 
1897.  —  Ffir  einaelne  Lan<lBcharten  vgL  die  vx  den  folgenden  ${  angeftUute  Lit- 
icniwr. 


I 


I 


>en     ^1 


kfc 


III,   £,   2.   NiEDERFKAKKEK. 


895 


§  185.  Die  Kampfe  Karl»  des  Grossen  mit  den  Eibslawen  wurden  von 
seinen  S'athfolgem  aufgenommen,  bis  iti  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhs. 
die  zwischen  Elbe  und  Oder  wohnenden  Stamme  endgültig  niedergeworfen 
waren.  In  die  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhs.  beginnend*-  deutsche  Koloni- 
sation haben  sich  nördlich  einer  Linie  Halle-Torgau- Frankfurt  Sachsen  und 
Niederfranken,  sOdlich  dieser  Linie  bis  Qber  das  Erzgebirge  und  Riesenge- 
birge hitiaus  vornehmlich  Thüringer  und  Ostfranken  geteilt. 

Die  Neubesiedlung  von  Nordostdeutachland  geschah  nicht  aus  politischen 
sondern  aus  wirtschaftlichen  Gründen.  So  sind  die  Sachsen,  die  Franken, 
die  Thüringer  nicht  als  Sachsen,  Franken,  Thüringer  gekommen,  etwa  wie  die 
Baiem  ihr  Gebiet  über  Österreich  erweitert  haben ',  Rondem  sie  sind  als 
Deutsche  in  dem  Slawenlande  heimisch  geworden.  Sind  auch  einzelne 
Landschaften  vorzugsweise  von  Angehörigen  nur  eines  jener  Stamme  besiedelt 
worden,  so  finden  sich  anderwärts  sachsische  Kolonisten  neben  frankischen 
und  südlicher  frünkischc  neben  thüringischen,  so  dass  es  sich  allein  darum 
handeln  kann  die  relative  .Starke  der  Beteiligung  eines  jeden  Stammes  für 
die  einzelnen  Landschaften  festzustellen.  Westholstein  -  Mecklenburg  -  Vor- 
pommern -  Rügen  ist  zwar  fast  ausschliesslicli  von  Sachsen  besiedelt  worden ', 
der  Fläming,  das  Oderiiruch,  die  Weichsdnicderungen  fast  ausschliesslich  von 
Niederlanden!.  Im  griwsen  und  ganzen  aber  ist,  nach  Ausweis  der  Sprache, 
die  Mark  Brandenburg,  Mittel-  und  Hinterpommem,  der  Netzedistriki,  West- 
und  Ostpreussen  anuübemd  gleichniSssig  von  Sachsen  und  Niederfranken 
besiedelt  worden,  und  nicht  der  Stamm  als  solcher  hat  eine  Kolonie  ge- 
gründet, sondern  einzelne  Familien  sind  in  das  Land  gezogen,  etwa  in  der 
Weise  wie  heute  die  Auswanderung  nach  Amerika  stattfindet  Und  wie  hier 
<lic  Auswanderer,  losgelöst  von  dem  alten  politischen  Verbände,  alsbald  zu 
einem  neuen  Verbamle  verschmolzen  sind,  stt  ist  auf  ostdeutschem  Boden 
kein  sächsisches  rxler  fränkisches  K<:itonial reich  entstanden  soodcru  ein  neues, 
ein  deut.sches  Volkstum. 

Das  Bewusstsein  einer  deutschen  Nationalität  bildete  sich  heran  durch 
den  zunächst  schroff  gefühlten  Gegensatz  zu  den  slawischen  Eingeborejien. 
Dieser  Gegen.satx  war  nicht  nur  ein  sprachlicher,  sondern  vor  allem  ein  kul- 
tureller und  dadurch  auch  ein  sozialer.  Die  Deutschen  wurden  ins  Land 
gerufen,  um  dem  Boden  Ertragnisse  abzugewinnen,  welche  die  Slawen  mit 
ihrer  primitiven  Bodenkultur  demselben  nicht  abzugewinnen  vennoclit  liatten. 
Das  I-and  war  ziimeist  nur  dünn  bevölkert  und  gewahrte  den  Aukrtmralingen 
Raum  genug,  und  der  Boden  war  ergiebig  genug,  um  bei  intensiverer  Bewirt- 
schaftung denselben  ein  wirtscliaftüches  Forikoinmen  und  Prosperieren  zu 
sichern.  Der  ärmere  Slawe  wurde  von  dem  wohlhabend  gewordenen  Deut- 
schen wirtschaftlich  und  sozial  abhangig,  und  hierin  erblicke  ich  den  Haupt- 
faktor der  verhaltnismJissig  sdmellen  Gennanisienmg  der  alawLsrhen  Bevöl- 
kerung, ein  Vorgang,  der  für  die  Landschaften  zwischen  Elbe  und  Oder,  die 
Lausitz  ausgcnnmmcn,  mit  dem  ausgehenden  14.  Jahrh.  vollendet  war.  I.,3nger 
hielten  sich  die  Slawen  nur  da,  wo  eine  stärkere  deutsche  Einwanderung 
überhaupt  nicht  staltgefunden  hatte.  So  ist  in  dem  wendm-hen  Teile  der 
Altmark  und  in  der  Wittenberger  Gegend  die  slawische  Sprache  erst  Im 
15.  Jahrh.  ausgestorben,  im  bann  ^«versehen  Wendtand  erst  im  18.  Jalirh., 
und  in  der  L;iusilz  wird  tmc-h  heute  sorbisch  gesprochen. 

'   Die  Billiinj;isv.-he  Mark    lioist'   sicli    iwich    am   ehf^leri    aU   t-iiic    der  bairiscfa^ 
nslcrrrichi«chen  analoge  ELtwciUtur);  ?tSrhü8chen  Suinniei){ehi«tc-«  anffnuen, 

<i  18b.  Die  Ermittlung  des  Anteils  der  Niederfranken  an  der  Kolonisation 
Nordostdcutschlands  iässt  sich  nur  annalienid  bestimmen.     Als  Quellen  stellen 


uns  zu  Gcbole  gcsiliiduÜche  Nachrkhien,  Orts-  und  Personennamen  und 
vor  allem  die  fn^ilioh  fast  gar  nidit  erforschten  Mundarten.  Wir  erkennen, 
dass  Niederlünder  besonders  dortJiin  berufen  werden  sind,  wo  es  galt,  dem 
Wasser  Bcxlen  abzugewinnen  durch  Eindeichen  und  Kanalisieren,  Künste,  in 
den«n  die  Nicderl.'imter  gcflbt  waren,  und  auf  die  man  sirh  sitnst  nirgends 
verstand.  So  finden  wir  Xiedetlander  mk  alloni  in  den  Cbcrsi.hweinniungs- 
gcbieten  der  Flüsse.  Die  Urbarinailiung  jjanzer  Landschaften  wie  der  HrQche 
bei  Bremen,  der  Eibmarschen,  des  Öderbruchs,  der  Weichselniederungen 
danken  wir  ausschliesslich  niederländischer  Wusscrbaukunsl. 

§  187.  Die  ersten  K in w-dU derer  k;unen  im  J.  i  H)(>  aus  dem  Utrerlitschen, 
aus  Brabant  und  Flaiidcni.  um  tlas  »unipflKc  HoUcrhiiä  bei  Bremen  urbar 
zu  machen.  Ihnen  foljjtcn  andere,  welche  die  Weser-  imd  Eibmarschen  ein- 
deichten mid  entwässerten.  Die  loUandiiche  Kül"nisation  an  der  Weset- 
mündung  wurde  izoi  vollendet;  sie  erstreckte  sidi  auf  das  ganze  Unke 
Wescrufer  vun  der  Hunte  aufwärts,  in  der  l^nge  von  5  Meilen.  Bereite 
vor  der  Mitle  des  1  >.  Jahrh-s.  wurde  in  dt:r  Xilhc  van  Stade  eine  holl.'indis<;hc 
Kolonie  gefip-tlndet.  und  von  dieser  aus  wurde  das  ganze  linke  Eibufer  unter- 
halb Hamburg,  das  Alte  Land,  Land  Kchdingen  und  Land  Uadeln  neu 
külunisicrt;  \'gl.  die  dortigen  Ortsiuinien  HoUcrn,  HoHentrassc,  IIoUäHiitr- 
hrtuh,  Hoileviieieh.  Weiter  slromaufwJlrts,  nördlich  von  Lflneburg,  werden 
11O4  holländische  Hufen  erwähnt.  \\\  den  vierz^;er  Jahren  des  12.  Jahrlis. 
wurde  am  holsteinisL-hen  Eibufer  tUe  Kolitnisaiion  der  Hascldorfcr  Marsch  (bei 
Elmshorn,  vgl.  die  lUirtijje  Strasse  /'"iamwe^),  der  Kremper  Marsch  und  der 
Wilater  Marsch  vollentlet,  wu  bi.s  1470  liollnnilis«.hes  Rcdil  galt;  \-gI.  den. 
Namen  des  bei  Glückstadt  mündenden  khi$i.  In  allen  diesen  Marschen 
liaben  sich  die  nicdeilfüidischen  Einwanderer  mit  der  sjlchsischeu  Bevölkerung 
vermischt,  s"?  dass  die  gcgen'i\'ilrtigc  Mundart  einen  wcseutltcli  niedcrsücltst- 
schen  Charakter  tr.'lgt,  und  nur  geringe  Anklinge,  besonders  der  hellere  Ton, 
auf  den  Nietlerrhein  zurückweisen. 

Gering  nur  ist^  nacJi  Ausweis  der  Sprache,  femer  die  niederländische 
Einwanderung  in  die  sachsisclie  Billungische  Mark  (OsthoUtein  bis  Vor- 
pommern) gewesen.  Graf  Adolf  liess  114.S  in  das  menschenleere  Ostholstein 
au.5ser  liolsteincm.  Westfalen  und  Friesen  auch  Hnllnnder  kommen  und 
sictlcltc  letztere  im  Eutincr  Gebiet  an  (Hclmold  I  57).  Vgl.  die  Ortsnamen 
FUmttt  xwLschen  Kuün  und  Lüti;enburg.  FUmhudc  westlich  von  Kiel  (liÖ^ 
bezeugt),  die  plafta  FlemiH^omm  in  Kiel  und  die  fl.imischen  Personennamen 
im  alten  Kieler  Stadibuch.  Die  Dtirfer  Zamekuu  und  Gumale  haben  ilir 
bisheriges  >H" »llensch  Recht»  erst  1 4.J8  mit  j> Hülsten  Recht«  vertau»<-lit. 
nöooi  verlieh  Heinrich  der  I^iwe  Meckleni)urg -Heinnco,  cuidam  nobili  de 
Scathcn,  cgui  etiam  de  Flandria  aiUluxit  muliitudinem  pupulorum  et  coUocn\'it 
eos  Alikilinburg  et  in  omnibus  terminis  eius*  (H  elmold  I  87).  Diese  südlich 
vun  Wismar  angesicdeltett  Fläminger  wurden  I164  vun  dun  Skiwen  bü  auf 
den  letzten  Mann  geti^iet  (ebd.  II  2).  Vereinzelte  niederländische  Ansii-^l- 
lui^en  in  Vorponmieni  bezeugen  <)rtsnamen  wie  Fltmtncmiorf  im  Krei*c 
Demmin.  Flemtiidorf  \m  Kreise  Franzburg,  //o//fflrA>,r/ bei  Wolgast,  (die  »nivJ 
itnme  in  Stralsund,  Ffimkenthul  auf  Rügen). 

Alle  diese  Kolonien  sind  v<jn  keiner  grossen  Bedeutung  gewesen.  Dit 
Küslenlandsr haften  von  Kiet  bis  Usedom  sind  im  übrigen  von  Sai-hfwn  be- 
siedelt worden  (•>  i,s6j.  Wohl  aber  weist  die  für  Ostiücdcrdeutschlund  rli:i- 
rakteristische  Pluralendung  des  Verbums  auf  -»  (gegenüber  üiluUihem  -/), 
die  Krhaltimg  des  «  in  um,  das  sporadische  /-  <ig'  und  der  früher  weher 


lU,  E,   2.   NlEDERFRAXKKX. 


897 


verbreitete  Lautw-.irKld  ilc:»  iiitcivokalischeii  </  zu  y'  auf  jene  spunidischcn 
niederlatHl [.sehen  Eleiiiem^  hin. 

M'ru-r  und  Eltft  im  12.  unJ  tj.  Jahrhunärrl .  Krcslau^rr  Disfl.  1889,  Hmnn'wcr  (S,  l  — 
104  =2».  d,  bist.  V<rr.  f.  Nictlirrsachscn  1889,  S.  1  — 104).  —  O.  Auhagfii.  Dir 
nin/tr/tini/itrAm  jlnsirit/uHi^n  in  drn  U'esrr-  und  Etbmaruhm,   LanilwinlisctuTU. 

jbh.  XXV  {,\Wi)  m-iy>- 

*  Nifdtrdeutichf  SckauzpirU  Slirrtr  Zeit,  «1.  J.  Bolle  und  W.  Seelmann, 
Norden  nnd  Lcipxi);  1895.  S.  töl — 63  und  H,  THmpel,  iiHedfräfultflu  Stutlitn, 
Blclcfr'Id  und   Leipzig   1898,  S.   51   und  35. 

g  188.  Umnlckh  siiVrker  ist  das  iiiederlilndisclie  Klemenl  im  wslÜchen  Tdle 
der  Altmark,  üsüidi  der  unteren  Saale  und  In  der  Mark  Brandenburg 
gewesen.  Die  klassische  Stelle  für  diese  Küloiiicn  ist  das  Zeiigni;«  Helmolds 
I  88.  Um  1157  hatte  Albrcfht  der  Bar  die  slawiathcn  Stämme  zwischen 
Havel  und  Elbe  unterworfen  und,  *ad  ultinuini  .  .  .  misit  Traiectum  (d.  i. 
Utrecht)  el  ad  loca  Reno  conügua,  insuper  ad  eos,  qui  habitant  iuxta  ocea- 
num  et  patiebantur  vin^  niaris,  videlicet  Hollandros.  Selandros,  Flandros  et 
adtluxit  fx  eis  popuhmi  niullum  niims  et  habitare  e-js  fecit  in  urbibns  et 
oppidih  Si  bvrum.  Et  ronfi'rtatiLS  est  vehementer  ad  introitiim  advenarum 
epi-sc' ipatiis  Branden burgensis  net:  non  Havelbetgensis,  eo  qiiod  multipliia- 
renlur  ccc]esie  et  dceiinarum  succrescercl  ingens  )>osscssio.  Sed  et  auslrale 
htU3  Albie  ipso  tempore  ceperunt  incolere  Hollandrenses  advtaie,  ab  urbe 
Sohwcdicle  (il.  i.  Salzwedel)  umnem  tcrram  palustrem  atquc  campeslreni,  ter- 
rain  <]ue  didtui  BaSsanii-rlaudc  el  Marsdnerlamle  (d.  i.  die  östiiche  Altinark 
und  <lie  östlich  angrenzende  WLS4he  zwütctien  Arnehurg  und  Werben);  civitates 
et  oppida  mulla   valde  usque   ad  sallum  Boemicuni   possedenint   Hollandri«. 

»Nunc  vero Sclan  usquequaque  protriti  atquc  propuL^i  sunt,  et  vcncnont 

adducti  de  finibua  oceani  populi  furtes  et  innumerabiics  et  obtinuerunt  ter- 
Diinos  Sclavorum,  et  edificaverunt  civitates  et  ecciesias  et  increvenmt  divitäs 
super  i.'nmem  e»titnatiijiieni.< 

Aoni.  Die  Uericbtc  KnrDers  und  der  Sachstnehromk,  beide  uu  der  er&l«ii  Hälfte 
de»  15.  Jabrbs..  sind  hUtoriKb  wenloa.     Vgl.  Rudolph   13  —  15  und  38 — 50. 

Einzclangaben  vervnllst-'indigen  das  Bild.  So  sind  um  ii^»o  n,1mische  Ih'Zw. 
hoUilndische  Kolonisten  bezeugt  für  Wusterwitz  bei  Geiitliiri,  fftr  Sdiartau  in 
der  altmärkischen  Elbmarsdi,  für  Krak;iu  und  I'echau  südrisUich  von  Magde- 
burg, 1170  Solche  an  deni  Eibufer  der  Altmark.  ^■\^^  wird  in  Burg  ein 
Wilielmits  Ftamigrr  genannt,  1209  in  der  Allnurk  ein  Ileunnis  F/emin^us.  Auf 
Cainhray  oder  auf  Kameiyk  (in  Utnvhi)  weist  da-s  wQste  Dorf  Kanurik  bei 
Arcndsee  und  der  Hof  Krmrrid  bei  Werlien,  auf  Sfhelliiiuen  (bei  Rotterdam) 
weist  Srhainn,  auf  ib»nli:iiatker  (in  IJinburg)  weist  Munfcnncke^  beide  in  der 
nörtlHclien  Allniark.  Der  Familienname  Kemmrrkb  ist  in  llavell>erg,  in  Salz- 
wedel Ist  die  Familie  Genl  heimisch.  Die  flämischt  Seile  hiess  die  rechte 
Elbseite  ge^enillwr  der  Altmark.  Mit  Flämingem  ist  femer  ein  grosser  Tdl 
von  Anhalt  besiedelt  worden,  wie  z.  B.  um  iiOo  für  Kleutsch,  Nauzedele 
und  Nimitz  (jetzt  Naundorf)  bei  Dessau  urkundlich  bezeiigt  ist.  Vgl.  u.  a. 
die  fliimiirheu  Wirifn  und  t\ei\  ßämtschen  Damm  östlich  von  Dessau.  K'fmherf^ 
{Keuunct)  ücgt  südlich  von  Wittenberg.  Bitterfeld  hatte  früliet  flüml^he 
Münze-,  und  wir  kennen  die  Statuten  einer  FUminger-.Si'xrietat  in  Bitlerfeld, 
Und  noch  südhchei'  finden  wir  im  Kreise  Delitzsch  ein  Flemulorf  und  Flem' 
mingsthai.  .\usschlies.'ilich  von  Klilmingem  ist  tier  Fh'imiug  besiedelt  worden,  in 
der  ganzen  Ausdehnung  von  Burg,  (jummem  und  Barbv  im  Westen,  von  Aken 
(1217  t>ezcugt),  Witicnbcrg,  Herzberg,  Luckau  im  Süden  bis  Ziesar,  Beelitz» 
Banith  im  Norden.     In  den  6oer  Jahre»  des   12.  Jahrhs.  siedelte  der  Erz- 

GrnnAniftchc  FhilOlofie  111.    2.  Aufl.  57 


bUcliur  Wirlimaiin  Nicdt-rtändcr  bd  jQtcrbogk  an.  1171  wurde  Zinna  htxf 
JüterlHig  von  dem  Cistercienscrklostcr  AIcenberg  (zwischen  Köln  und  Eiber-" 
feld)  gegründet.  In  Jüterbog  wird  eine  moneta  noi'a  Fiamin^mm  n^itannL 
Pom  Ftammin^rorum  heisst  1174  eine  Brücke  in  der  Nahe  von  Jülerb*)g. 
(Bei  Luckenwalde  liegt  eiti  Fmnkcnftlde  [12^5  bezeugt]  und  ein  Fntuktu- 
ßrtie.)  Über  den  Sftdrand  des  Flamin;;  s.  ji  191.  Spörliclier  .sind  die  Nach- 
weise für  die  nördlichere  Mark  Brandenburg.  1203  wird  VUmindoip  (jetzt 
Fltmsdorf)  zwischen  Angennündc  und  Schwedt  genannt.  Bei  Gransee  H^ 
Kamtrickshof  xyfl'ci  Kcmcrickshof,  (im  östltdicn  Ober- Barnim />wnif«/'/i'/«r  [j.175 
bezeugt],)  in  den  Krei-seji  Nieder-Bamim  und  TenipHn  die  Dorfer  IloUami, 
lici  Ncuruppin  \Frankeniiorf  vliwX)  Rhtmsber}^  ('373  bei:ei4i;t),  ein  recliler  ZudusS' 
der  unteren  Havel  hdsst  der  Rhin,  (und  am  Südrandc  des  niedcnJeutsdt 
Sprachgebietes  liegt  Frankfurt  n.  O.,  1278  gegründet). 

A-  Fr.  Riede],  Die  Mark  Britndmburg  im  Jahre  t2$o,  3  Bde.,  Berlin  1831. 
31.  —  Tb.  Rudolph,  Dif  nitiUrlänäiSxhfn  Kolonien  der  Alt  mar  i  im  ti.  Jaht' 
hundert.  Bertin  ]8S^.  -~-  E.  Bartels,  Der  NiederbarMim  unter  den  Anho^ 
riner»,  Prof^.,  Bltü»  1893.  —  ß.  Outiniiinn.  fXe  Germanuirrt*ng  der  S/aj^m 
in  der  Mark  (F<i>r<Mrh,  i,  tviuid.-pteux«.  0«acli.  IX  395 — S'4}i  Düt''.,  Berlin  1897^ 

Die  geärhichtlichen  Zeugnisse  werden  durch  die  Spraclic  bestätigt.  Sehen 
wir  von  KinzHheiten  ah,  wie  niederfrankischen  Eigentümlichkeiten  der  Mund- 
art im  Nordwestüipfel  dt-r  Altiuark  bei  SüJzwedel  (z.  B.  söt  Salz),  so  sind  die  bcu- 
tig;en  niederdeutschen  Mundarten,  soweit  wir  sie  kennen,  in  denn istelbischen  Teile 
der  Provinz  Sachsen  und  in  der  giinzen  südlichen  Haffte  der  Mark  Branden- 
burg, von  Havelbcrg,  Berlin  und  Schwedt  bis  Magdeburg,  WiitcnlxTg  und 
Frankfurt  a.  O.,  im  besonderen  in  Zaurhe,  auf  dem  Fläming  vmd  im  Oder- 
bruch, wesentlich  niederfrflnkisch.  Niederfrünkiscli  ist  insbesondere  der  Ton- 
fall, die  durcli  die  alleren  Urkunden  bestätigte  Vcrirctiuig  des  gcnn.  0  dun:ii 
NO  (s3ch.s.  ii  bezw.  au),  urngelautrt  if  (sJlrhs.  S  bezw.  rf«,  oi)  und  di*»  germ. 
i  und  io  [auch  in  sehet)  durch  />  [siiclis.  &  bezw.  a/),  die  Vertretung  des 
wgerm.  d,  des  tonlangcn  a  und  des  tonlangen  a  durcli  oa,  die  <)es  lonlat^en 
e  durch  ed,  die  Diphthongierung  des  auslautenden  und  antevokalischen  f  und 
ü  zu  ei  und  eu  oder  ai  und  an.  die  Entlabtalisic-rung  dc:^  /•  und  ri  zu  e  und 
/,  das  anlamcmle  J  <  g.  der  Schwund  di-s  iiitervokali.'ichcn  g  und  ft,  der 
Schwund  des  auslautenden  unbetonten  /;.  die  Erhaltung  des  n  vor  s  und  der 
Lautwandel  des  inlautenden  »/(/>  ng.  Genauere»  über  die  Herktmft  di< 
FUlminger  wird  sich  bei  näherer  Kenntnis  der  niederrl »ein beben  Mundarten 
cnnittehi  lassen.  Einstweilen  beincrkc  ich,  dass  die  Verschiedenheiten  der 
brandenburgistcbcn  Mund;irten  auf  eine  versrJiiedenc  Hirimat  der  F-inwandercf 
hinweisen.  So  ist  z.  Ü.  der  Tonfall  imd  die  gesamte  Aussprache  des  Fla* 
mingcrs  eine  we<?entlich  andere  als  die  des  Berliners.  Der  Berliner  Tonfall 
und  der  Gesamicharakter  der  Aussprache  (bcsi^ndcrs  beim  wciblidicn  Ge- 
schlecht) erinnert  auffallend  an  Crefeld.  Die  Mundart  in  dem  nOrdticlieo 
Teile  der  Mark  Brandenburg,  in  der  l'rignitz  und  Uckennarfc,  trägt  einen 
ungleich  stüiker  niedcrs.'ichsischcn,  <.sif absehen  ixler  nordniederbäcbsischen 
Charakter.  Sie  mag  etwa  als  ein  Kumproinlss  zwischen  ostfaliscTh-nlederaAch« 
sischer  und  niederfrünkischer  Sprechwebte  heüeiclmei  werrtfn.  Der  granunti- 
lische  Bau  isl  mehr  3adisiw.h,  aber  die  Aussprache  ün  ganzen  wie  die 
eines  jeden  Lautes  trSgt  zumeist  einen  mehr  niederf rankischen  C'harakter. 
Es  ist  zuweilen  fast,  als  höre  man  eine  nicdersachsi^che  Mundait  mit 
nicderfranki.'ifher  Zunge  au.sspreehen.  Und  nmli  lieutzuiagc  sind  in  dt 
hochdeutschen  Sprache,  wie  man  sie  von  Berlinern,  Branden buT;gem,  I'mu-' 
lauem  hört,  Spuren   ostfflliacher  und  niederfrUnkischer   Sprechweise  erkenn- 


bar.  wcklie  noch  nichl  völlig  ausKt^lichcn  sind',  der  eine  spricht  in  der 
heiteren  franldsclien  Tunart  und  spriclit  schneller,  der  ändert;  hat  eine 
sonorere  Aussprache,  spricht  insbesondere  die  anlautend«-  Media  nach  (Wt- 
falischcr  Wfisc  mit  vuÜcdi  Stinimlon.  Der  Ausgleich  in  igspruzess  ist  zwar  in 
der  Hauptsache  bereits  vollz«igeji,  alKT  in  gewlisen  phom-tisclien  Kinzelheitcsn 
ringen  heute  noch  die  ul^  ostfalisch  und  die  als  niederfrflnki^  erkennbare 
Aussiiraclie  mit  einander.  Insbesondere  al)er  offenbiirt  sich  das  rheinische 
Blut  in  der  psychischen  Veranlapanj;  des  Markers,  in  seiner  yn  iiiedcr- 
silihsischem  Phlegma  weit  entfernten  Lebhaftigkeit,  Rc-iisamkeit  und  Frwche. 
in  seiner  Schlagferligkeit  und  vielleicht  am  markantesten  in  der  von  der  nie- 
ders^chsischcn  abweichenden  satirisclien  Art  seines  Witzes. 

§  iSo.  Die  Besiei;Ilung  der  (Jderufer  geschah  erst  gegen  Ausgang  des 
13.  Jahrhs,,  und  iiunuhc  v«n  den  Orb«chafleu.  welche  den  Namen  der  Flü- 
minger,  Holländer  (ixler  Franken)  bewalirt  haben,  mugc-n  erst  im  K>.,  17.  oder 
18.  Jahrh.  gegründet  sein.  Das  Land  zwisi  hen  Ckler  und  Weichsel  war  Ende 
des  T3.  Jahrli-s.  noch  slawisch.  Erst  niil  Ablauf  des  1^.  Jahrlis.  waren  die 
polnischen  Stamme  ^'istlich  bis  HinteriHimmem  germanisiert,  mit  Ausnahme 
der  Kas>iul>en,  von  denen  heute  inxh  Restt;  vorhanden  sind.  Alter  an  der 
unteren  Weichsel  und  fl<dicher  tiatte  schon  in  den  drclvsiger  Jahren  des  13. 
Jahrbs.  der  Deuticlic  Orden  deutsche  Kitter,  Kaufleuie,  Handwerker  imd  Bauern 
in  das  eroberte  uml  entvölkerte  Land  genifen,  zuerst  nach  Kulmerland,  Ptw 
mesanien  und  Pogesitnien,  alsn  nach  den  am  rechten  Weicliselufer  und  Ostlich 
von  Elbing  gelegenen  Landsdiaften.  1232  wurde  Kulm  und  Thoru  gcgrQndet, 
1233  Marienwerder,  1237  Elbing,  1^55  Krtnigsber^-.  Über  30  Städte  sind  in 
Preussen  nachweislich  nix;h  im  13.  Jahrb.  gef-rUndet  worden.  Wahrend  die 
Küstenstadte.  nach  der  Verbreitung  des  Ifibisch- westfälischen  Rechts  und  nach 
der  Mundart  zu  schliessen,  vorzugsweise  niedersädwisolie  Bevf»Ikerung  haben, 
sind  die  Bauern  des  Ordenslaiides  zum  weitaus  ^T'^Üssten  Teile  aus  den  Nicder- 
laudcn  gekommen,  aus  Holland.  jQlicIi  und  Geldern  (Lucas  David  IV  135  f.). 
Diu  Städte  Kulm  und  Thom  hatten  flamisches  Kecht.  Von  l^ctasinh-flnlland 
heisst  es  zum  Jaiire  1207,  -quam  sccimilum  prinios  lucatüres,  qiü  de  Hollan- 
dia  venerant^  Holland  appellavimiLS".  Vgl.  femer  (die  Ortsnamen  Franken' 
ftidf  im  Kreise  Preussisch-Slai^ard,  Frankiuhmn  im  Kreise  Graudenz  und  in 
Ostprcusseu  Franktmiu  im  Kreise  Neidenburg,  Frankfnan  und)  Fleming  bei 
Seeburg  im  Kreise  Rössel  (und  östlicher  Frankenort  im  Kreise  Angerburg). 
Die  leider  nwh  fast  gar  nicht  erforschten  IVIundarten  sibeinen  besonders  in 
den  Weicliscluiedenuigcn  und  in  dem  nordöstlichen  Ostpreussen  auf  Nieder- 
franken  hinzudeuten.  Indessen  habL*n  die  west-  und  ostprcussisclien  Mundarten 
auch  eine  starke  niedei^clustsclie  Bcimischimg,  ebenso  wie  die  seit  dem  Anfang 
de»    13.  Jahrhs.    entstandenen   sporadischen  Ansiedluiigen    bis   nach  Livland. 

S.  W.  Wohlhrück,  GcubickU  Jes  chtmuligtn  Jiisthitms  Lebua  und  Jti  Lamiex 
dieses  i\\imfHi  1,  Bt-riin  iSaq,  —  J.  Voigt,  GeuhuAU  Prevaeni  von  Jen  Jl/esfen 
ZxitcM  bn  tum  Untergänge  der  Ilemcha/t  des  Deutuhen  OrdtHS^  g  Ikle,,  KOni]^ 
berg  1827—39.  —  11.  F.  KlTxlcn,  Bet'trtigv  tnr  Genhuhtc  des  Oderhandels  I, 
Progr.,  Berlin  18+5.  —  J.  Voigt,  HandbuLk  der  Giuhichte.  PreuaeNi  6ü  tur 
Zeit  der  Me/armatfen*,  5  Bde.,  KSnlgsberg  1850.  —  K.  von  Schlßzrr,  Unland 
und  die  An/Ünffe  deiitscAen  /-ebens  im  bnltifchen  Xardett,  Berlin  l8jo.  ^  Fr,  A. 
Brandstätcr.  Land  und  Lente  ties  Lanäkretsn  Damig,  Danzi^;  i8;'9.  —  K.  Loh« 
mcycc,  GfxhiihU-  von  Oit-  und  ll'estfireussen  I^.  Uotlu  1881.  —  A.  L.  Ewald, 
Hie  Eroh^ntng  Prrussrns  durch  die  Deutieken.  4  Bdi'.,  Halle  1872.  75.  84.  8ü. 
—  P.  Thomascliky,  Die  Amiedehingm  im  IVeich^l-Xogat-Oelta.  Di«».,  MOnMcr 
1887.  —  I..  Arbusow,  Grvndriss  der  GeseAuAte  /.«'-,  J^it-  und  Kurlandi, 
Mitaii  l8t)0.  —  P.  van  Nieiien,  Dir  Erwerbung  der  /^enmark  durch  die  As- 
konier,   Forsch,  «ur  BiaiMlcnbg,  u.   Preusa,  G«*£h.    IV  (189O  33' — J^"* 

ST» 


§  iQo.  Um  die  Mitte  des  i6.  Jahrhs.  begann  eine  neue  Einw'anclcnmg 
von  niederländischen  Mennonhen  nach  Westpreusseti.  Diese  hessen  sidi 
in  dem  schon  ün  14.  Jahrh.  von  Deutschen  besiedelten  Danziger  Werder 
nieder.  Die  ersten  Ansiedler  besetzten  zwischen  1540  und  155*»  die  Dör- 
fer Schinetbli>ck,  VVcslinke,  Rcichenberg  und  Sdiarfcnberg.  In  da«  nächsten 
Jahrzehnt  nalim  die  Kinwantltjrung  zu.  i58^>  erliess  der  katholliche  KOni{ 
von  Polen  eine  Verurdnun;^  ^egen  die  niederländisclie  Einwandemng.  Nieder- 
länder haben  die  Dürfer  an  der  Weichsel  bei  Thom  gegründet.  Im  Nctzc- 
dislrikt  wurde  151J5  die  Holtflnderkolonie  Gratz  a.  W.  gegründet,  1596 
LangenaUf  uni  1600  Dcutsth-Kruschiii,  1604  Schulilz,  IO15  Salwin.  liyttz 
wurden  vier  I{oll3nderd^»rfer  (Neuhöfen,  Mariendorf,  Follstein,  Khriiardorf) 
bei  Filchne  angelqjL  Im  übrigen  ist  der  Netzetlislrikl  in  der  zweiten 
Hälfte  des  ib.  Jahrhs,  im  17.  und  18.  Jahrh.  hauptsächlich  aus  der  Neu- 
mark, aber  auch  aus  Pommern  und  Preiissen  besiedelt  worden.  Mclir  als 
ein  Viertel  der  Ortschaften  war  bereits  lutlierisch-dcutscli,  als  im  J.  1772  der 
Netzeilistrikt  jireiissisch  wurde.  Schon  der  grosse  Kurfürst  hatte  Niederlaiitler 
in  sein  Land  gerufen.  Wie  stark  der  Auteil  der  XiederUlnder  an  der  Kolo- 
nisation Westpreussens  und  des  Netzedistrikts  durch  Friedrich  den  Giussen 
gewesen  ist,  wissen  wir  lüchL  Es  sei  hier  zum  Schluss  nur  noch  darauf 
hingewiesen,  dass  die  gesamten  Kilstemnundarten  vnni  Stettiner  Haff  bis 
Memel  und  die  Binnenmundarten  von  der  AUmark  bis  Posen  und  Tlioni 
auf  eine  Mischung  särhsischcr  und  frilnlds»Ther  Elemente  hinweisen,  so  selir 
auch  hier  das  eine,  dort  das  andere  F.lement  starker  hervortritt  Auch  die 
verhallnlsmüssig  am  stärksten  sächsischen  Mundarten  Hinlerpomuierns,  Poin- 
mereJIens  und  das  Netzedistrikts  teilen  das  fränkische  Merkmal  aller  ost- 
niedcrdcutschen  Mundarten,  don  Abfall  des  aui^lautenden  unbetonten  n. 

Voigt  und  Lohmeycr  s.  «im  voriy»?n  Jj.  —  H.  Eckcrdt,  GfS(kk:h(e  tin 
Krtisfi  Marifnburg,  Miiri«iiburs  1868,  —  H.  Eckcrdt,  Die  ColeniiatioH  dti 
Weichield^iuu,  7,^.  f.  Pnni«».  iTe&ch.  u.  Lamleskunde  V  {1868)  601—613.  —  M. 
Beheim-.Sch  wurzliacb,  HoktiiiolUrnitJu  CaloHualiQnrr*.  I^i|u!ig  1874.  —  H. 
Berger,  Fritdruh  Jer  Graite  als  Kolonüalor,  OiesAen  1896.  —  E.  Schmidt, 
ßeutu-he  Dcrfansiedlitngen  im  Netttdistrikl  vom  iß.  ftti  xum  iJI.  Jakrkundrrl» 
DI«  Oiitinark'UI  (1898)  136— 158. 

§  191.  Es  sei  endlich  noch  darauf  liingevtiesen,  das«  auch  in  dcu  sOd- 
licheren,  hot:hdeutschen  Litndschaften  sporadische  niederländische  An- 
siedlungen  ziemlich  zahlreich  nachweisbar  sind.  FlSminger  werden  in  der 
goldenen  Aue  genannt  bei  Heringen  in  den  sogenanntei]  Riethdörfem;  sie 
waren  um  i  (45  berufen  wurden,  um  die  sumpfigen  I^lndcrden  in  Kulturb>xlen 
umzuwandeln.  1140  sind  bei  Naumburg  Holländer  bezeugt,  nach  welchen 
das  Dorf  FUmwingen  seinen  Namen  tragt;  diese  Kolonisten  waren  von  deni 
1137  gegründeten  Cistercienserk kister  St.  Marien  zur  Pforte  herbeigerufen 
Worden.  Vgl.  auch  den  OiX.  FUmmt'figen  südöstlich  von  Alleuburg.  1154 
hat  der  Blsi^hof  Gerung  von  Meissen  «strenuos  viri>3  ex  Flandria  advcn- 
lantes  in  tjumidam  loco  incullo  et  ])ene  habitaloribus  vacuo.  quae  Corvn 
dii-itur«,  angesiedelt;  neileicht  wt  Kühren  bei  Würzen  gemeint  Zwischen 
1173  und  1180  werden  *X)  Hufen  flandrischen  Masses  an  der  schwarzen 
Ebiter  getutnnt.  Die  durch  diese  Angabe  angedeutete  flämische  Kolonie  be- 
deutet miiglicht-rweise  den  südlichsten  Punkt  des  Flsming  (§  188).  Eine 
Urkunde  aus  dem  J.  11^9  nennt  in  der  Niederluusitz  octo  mansus  Flan- 
dienses;  es  handelt  sich  um  eine  Cistercienscrkolonie  des  Klosters  Döbri- 
lugk.  Auch  hier  Hegt  e-s  nahe,  dass  der  Südrand  des  Fläming  gemeint  ut. 
Die  niederdeutsche ,  flämingischc  Spracligrenzc  reicht  heute  bis  Herrbcfg 
imd  Scblieben,  kann  also  sehr  wohl  früher  um   10  Kilometer  weiter  «ftdwJlrtt 


gcrcicbi  haben.  Das  1175  von  Pforta  aus  gegrüiidcle  Cistercienserldoster 
Leubus  hat  wohl  gieichfalls  niederländische  Kolonisten  nach  Schlesien  ge- 
zogen, wo  wir  in  Urkunden  baufig  flaml-tchen  Hufen  begegnen  (so  x.  B.  1237 
an  der  Neigte,  1257  l)ei  Stetnau"»  und  auch  ein  jus  ftamingicum  bezeugt  ist 
für  die  Dflrfer  um  Steinau  und  Nenniarkt.  Klandrenses  werden  schliesslich 
in  einer  Urkunde  aus  den  »jOer  Jahren  des  12.  Jahrhs.  die  Öicbenbürger 
Sachsen  genannt,  deren  Heimat  an  der  Mosel  zu  suchen  ist.  Flaminger 
(Flandrenscs)  nannte  man  damals  nicht  nur  die  Bewohner  von  Flandern, 
sondern  alle  Niederländer  und  ripwarisrhen  Franken. 

Über  Flämingcr  in  Sdilcsitn    *-gl.    K.  Wcinhold.    ^/>  Verbm'tHng  und  dit 
Hrrkunfi  der  Üeuftchm  m  Schlfifot,  SnittgATt   1887. 


3.  Ripwarische  Franken. 

Zctiss  343 — 345  urnl  57S.  —  G.  Eclccrrti.  Di>  Anulrknung  dn  fränkischen 
ÜifuorlanJfi  auf  der  fmkrn  Rki-insetfr,  Progr.,  Köln  1854(5*  Ann.  «1.  hiat.  Ver. 
f.  (I.  Ni«(lrrrbrtii  I  1  [1855]).  —  R.  Sohm,  l^x  /tittMarui,  Hanndvtr  1884.  -^ 
J.  Fiekcr,  Die  Heimat  der  Ijes  RibnarM,  Milt,  *\.  Iiist.  f.  OiHcrr.  Oc^chf&nch., 
Kr^iiiunpl«!.   V  (1896)   JS— fti. 

§  102.  Den  niederi.lndischen  Mundarten  stehen  als  eine  wesentlich  ab- 
weichende Gruppe  diejeiiigeii  Mundarten  gctrenttber,  welche  östlich  und  süd- 
Kch  der  /)^//c/;-Linie  (§  173)  bis  zur  Eifel  j^csprculicn  werden,  und  welche, 
je  nachdem  sie  die  hochdeulsthL*  Vcrs-thiebung  drs  anlautenden  /  >  c  und 
des  inlautenden  p,t,k'>ff,^  {>'")i  '"■^  milgeniacht  haben  oticr  nicht,  in 
eine  nordwestliche  und  eine  südöstliche  Gruppe  zerfallen;  die  Grenze  lauft 
von  Eui>en  über  Aachen,  Geilenkirchen.  Odenkirchen  und  Düsseldorf  bis 
Wipperfürth.  Mao  kann  die  nordwestlichen  Mundarten  als  Cbergangsmund- 
arlai  üttTschcn  den  südöstlichen  nnd  dem  Xicderl'indischen  betrachten.  Aber 
abgesehen  von  der  freilich  einschneidenden  Versililedenheit  hinsichtlich  der 
Lautverschiebung  biUlrn  beide  Mundarten  doch  ein  Ganzes  gegenüber  den 
niederlandtsrhen  Mundarten,  und  die  Einschränkung  de--  Namens  ripwarisch 
auf  den  südöstlichen  Teil  scheint  mir  sprachlich  so  wenig  gerechtfertigt  wie 
geschichtlich  ~~  man  sollte  richtiger  v..n  einer  hoch-  und  einer  niederripwa- 
rischen  Mundart  sprechen. 

Der  Name  der  Ripuarii,  welche  in  dieser  Landschaft  heimisch  sind,  ist 
zuerst  für  das  Jahr  431  bei  Jurdaues  {Gti.  36)  bellet.  Mcicher  dieselben 
imtcr  den  gegen  Aitila  aufgebotenen  Völkern  nennt  und  sie  von  den  Kranken, 
d.  i.  den  sali&chen  Franken  uiilericheideL  Sj^ler  winl  ein  pagus,  ein  ducatus 
Ripujiriorurn  genaiml,  und  die  Lc.\  Rihuaria^  bezeugt  die  rechtliche  Sonder- 
stellung dieses  fränkischen  Stammes.  Die  Sfldgrenze  des  ripwarischen  Lan- 
des bekunden  durch  ihren  Xamen:  der  Bergwald  Riiffencheid  am  Südab- 
hang  der  westlichen  Eifel,  imd  die  Ortschaften  Reiffncheid  (■<  1 106  Riftrt' 
schid)  südlich  von  Schieiden,  unweit  der  Ahrnuelle,  Htiferschfid {<,t)'%  Rtifer- 
i(heit)  bei  Adtmau,  nalie  der  Ahr,  Rei/erichgid  \<,  1 37(>  RiphencheiJ)  im 
Westerwald,  bei  Wicd,  Reifersdicid  zwischen  Bröl  und  Wahnbach  und  Rieft- 
rafh  au  der  Sieg,  letztere  drei  auf  der  die  Sfldostgrenze  bildenden  Linie 
Neuwied -Gummersbach.  Ebensti  weit,  bis  zur  Eifel  imd  von  der  Ahrraün- 
clung  nach  0![^,  reicht  haute  ilie  als  ripwaris<.'h  zu  bezeichnende  Mundart 
Die  Ripuarii  waren  ein  selbständiges  Volk.  Ihr  König  war  vielleiclil  aus 
merowingischcm  Geschlecht;  wenigstens  war  er,  wie  die  Merowinger,  ein  rex 
crinitus  (Priskos,  cd.  Dindorf  I  S.  32^),  und  König  Sigibert  M-ar  ein  Ver- 
wandter Chlodwigs  fGregor  V.  Tours  II  40).  Zu  Anfang  des  6.  Jahrhs.  gab 
es  einen  einzigen  König  der  vereinigten  Ripuarii,    und  es  scheint,   dass  die 


go2  XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 

Ripuarii  ihre  Herschaft  auch  über  die  chattischen  Franken  ausgedehnt  haben. 
Denn  der  ripwarische  König  Sigibert  jagte  und  wurde  erschlagen  in  der  Silva 
Buchonia,  also  in  Hessen  (Gregor  H  40).  Über  die  Ausbreitung  der  Ripuarii 
südlich  der  Eifel  s.  §  200.  Die  Ripuarii  wählten  zu  Anfang  des  6.  Jahrhs. 
(jedenfalls  nach  507  und  vor  511)  den  sallschen  König  Chlodwig  zu  ihrem 
König  und  haben  seitdem  ihre  politische  Selbständigkeit  aufgegeben.  An  der 
Stelle  der  Ripuaria  erscheint  seit  dem  ausgehenden  9.  Jahrh.  das  Herzogtum 
Lotharingia  inferior. 

1  nach  Ficker    a.  a.  O.    an    der  Obermosel    in    den  Burgund    nädistgelegeneiY 
ober  lothringischen  Gebietsteilen  entstanden. 

§  193.  Name  und  Staat  der  Ripuarii  sind  verhältnismässig  jung.  Der 
Name  ist  von  ripa  abzuleiten',  bezeichnet  die  Franken  also  als  rheinische 
Uferbewohner.  Eine  ripwarische  civitas  bestand  392  noch  nicht  (§  195  und 
iq8).  Waren  die  Franken  auch  schon  früher  über  den  Rhein  vorgedrungen, 
357  bis  Jülich  (Amm.  XVH  2,  i),  dauernd  in  Besitz  genommen  haben  sie 
das  linke  Rheialand  erst  zu  Anfang  des  5,  Jahrhs.  Die  aus  dieser  Zeit 
stammende  Notilia  dignitatiim  nennt  Andernach  als  nördlichste  Militärstation 
am  Rhein.  Folglich  waren  die  nördlicheren  Städte  damals  in  den  Händen 
der  Franken.  Als  im  J.  406  die  Wandalen  und  Alanen  von  Strassburg  rhein- 
abwärts  vorrückten,  stiessen  sie  auf  Franken  (Greg.  II  9).  Im  J.  412  haben 
die  Franken  Trier  erobert,  für  das  J.  428  ist  bezeugt,  dass  Franken  die  links- 
rheinische Rheinprovinz  »possidendam  occupaverunt«  (Prosper,  Chroii.),  und 
gegen  Ausgang  des  Jahrhs.  reichte  ihr  Gebiet  bis  Bingen  und  Mainz  (§  211). 

Darf  man  sich  auf  die  ausser  nördlich  der  Ahr  besonders  an  der  unteren 
Ruhr  ausdrücklich  als  zum  pagus  Ripuariensis  gehörig  bezeugten  Ortschaften 
berufen,  so  wären  die  Ripuarii  von  der  Ruhr  aus  in  die  Rheinlandschaft 
eingerückt.  Auf  alle  Fälle  sind  sie  vom  rechten  Rheinufer  gekommen,  und 
sie  sind  die  Nachfolger  der  damals  romaTiisierten  Ubii  (§  169)  geworden, 
deren  Gebiet  sie  eingenommen  und  nach  Westen  hin  bis  über  die  Maas 
hinaus  erweitert  haben.  Es  sind  drei  kleinere  Stämme  gewesen,  welche 
nahe  verwandt  und  schon  seit  Jahrhunderten  i)olitisch  verbündet,  sich  auf 
dem  neuen  Boden  zu  einem  grösseren  politischen  Verbände  vereint  haben. 
Vgl.  für  die  Kriegsgenieinschaft  der  Marsi,  Bru<teri,  Tubantes.  Usi])etes  im  J.  14 
n.  Chr.  Tac,  Ann.  I  51;  für  die  der  Anisi\arii,  Bructeri  und  Tcnctcri  und 
»ulteriores  etiam  nationes  socias'-  im  J.  ,58  ,4««.  XIII  55;  für  die  der  Bructeri 
und  Tencteri  im  J.  O9  und  70  Ilist.  IV  i\  und  77.  Besonders  eng  \er- 
bündet  erscheinen  die  Tencteri  und  Bructeri,  und  den  letzteren  haben  sich 
die  Reste  der  bereits  früher  zu  ihrer  Machtsphäre  gehörenden  Amsivarii 
angeschlossen  (§  198),  und  aucli  die  Tencteri,  welche  seit  dem  J.  98  nicht 
melir  genannt  werden,  sclieincn  in  den  Bructeri  aufgegangen  zu  sein,  so  dass 
letztere  als  das  Kcmvolk  der  Ripuarii  aufzufassen  sind.  Die  zu  derselben 
Gruppe  gehörenden  Marsi  sind  untergegangen,  und  die  seit  Caesar  den  Tencteri 
eng  verbündeten  Usipetes  sind  nebst  den  Tubantes  die  Südnachbam  der 
ripwarisclien  Franken  geblieben.  Ortschaften  des  alten  pagus  Ripuariensis^ 
sind  nachgewiesen  rechtsrheinisch  an  der  unteren  Ruhr,  linksrheinisch  an 
der  Erft  und  bei  Jülich  und  endlich  zwisclien  Bonn  und  der  Ahr.  Die  geo- 
graphische Lage  spricht  bei  letzteren  für  ehemalige  Tencteri,  bei  ersteren  für 
Bructeri. 

Ripwarische,  besonders  niederripwarische  Franken  sind   in  starkem  Masse 
an  der  Kolonisation  von  Nordostdeutschland  beteiligt,  vgl.  g  185 — iqi. 
'   Vgl.  ZeuBs  343  Note. 


a)  BruL-teii 

L.  V.  Lcdcbur,  Land  und  Volk  tirr  Bruclfrtr.  Bcriin  182J.  —  Zputs  92 — 
94.  328.  340f.  iimi  550— 3J5.  —  H.  MiHdcmlorf.  Dtr  WohnsHie  drr  Brukterrr. 
Cnimfcld  1837  {=  (^r  a»r  UaAmüsr  lUr /irtttirrer.  Proer.,  CocsWd  185?).  — 
A.  Baumstark,  Ausfükrluhe  Rrlriulrrun^  Urs  br^itttdi-m  ^ilkrrvhn/Huhttf 
Thtilti  lirr  (ifrm'tniiz  Ja  Tncittn,  \.n\>i:\^  tfl8o,  S.  71 — 80.  — ^  _J.  Wiirmslall, 
(^r  die  Chamavrr,  liruklrrer  und  Angriiani-r,  Münster  18R8.  —  G,  Hals, 
Beilrüge  :ur  Jrutsihi-n  AltrriitmAknnd^  I,   Halle   1894.  S.   7 — 10. 

§  U)4.  Die  Bructeri  waren  einer  {U*r  inilchtigsten  norclwesldcntsrhen 
Stamme.  Sie  sind,  wie  die  Cherusri,  stets  Widersacher  Roms  gewesen  und 
wohl  besiegt  alxw  iiidit  auf  längere  Zeil  unterworfen  worden.  Sic  zerfielen, 
wie  dir  Fri«'sen  \xx\i\  CliauH,  in  majores  und  minores;  die  jnajures  in  dem 
alten  Slarnmlantle  "istlich  der  Ems.  Enispret-heiid  ihrer  Machlslellung  ist 
auch  ihr  Gebiet  von  grossem  Umfange  gewesen.  Sie  hewiihnten  das  XjuwA 
nnrdlicli  der  Lippe  bis  zur  heutigen  niedertandisrhen  Grenze  und  dem  Dttni- 
mer  See  und  reichten  nach  Norden  bis  über  Meppen  hinaus.  Es  scheint, 
da&s  die  kleineren  StSmme  der  Chasuarii  (an  der  Hase)  und  .Amsivarii  (an 
der  unteren  Ems)  Unterabteilungen  der  Bructeri  gewesen  sind  uder  doch 
zu  ihrem  Mai  htbcrcich  gehört  haben.  Im  J.  12  v.  Chr.  »A-  Tip  'Afiuoi't^ 
/iQovn<>^  fiQorxTtQorc  xttrn'di'ftfi^riore  (Strabön  VII  ^90;  vgl.  aucJi  ebd. 
»jiQOQ  dk  To3  ibxiiQi'ot  ^uvyafißQtJt  re  xai  Xa[fiaJvßoi  xat  limirxteooi  xiü 
KifißQtJi').  Wahrscheinlich  deutet  der  Karae  der  Insel  ßunatia  litrQ^avti 
(heute  Barkuin)  vor  der  Emsmündun^  auf  die  Bructeri,  denn  diciie  haben 
nach  den  von  Zeuss  92  Anm.  gegebenen  Nachweisen  in  Wirfchchkeit  /turii- 
teruz  (bezw'.  noch  B^fitfrös)  geheissen.  Nach  Südwesten  zu  bis  in>  westliche 
MOnsteriand  haben  sie  sich  erst  seit  dein  Abzug  der  Usipi  ausgebreitet, 
wahrscheinlicli  im  J.  8  v.  Clir.  (iJ  203).  Im  J.  4  n.  f'Iir.  traf  Tibrrius  rwtlich 
vi>n  tien  t'-anninefates  die  Atiuarii  und  f>sdich  von  diesen,  also  östlich  der 
Ijssel  und  n^'Jrdlich  der  Up]ie  die  Bructeri  {VclI.  II  ii>5).  Das  Land  süd- 
lich der  Lippe  liw  zur  Ruhr,  die  miitelalteriiche  Landschaft  Itvtahtra.  «'eiche 
ihren  Namen  bewahrt  hat,  künnen  sie  nicht  vor  dem  J.  8  v.  Chr.  cingc- 
nummen  haben,  da  hier  bis  zu  chcftera  Jahre  die  Sugambri  gewohnt  haben 
(§  168).  Nach  StrabAn  VII  201  floss  die  Lippe  (die  er  freiliih  in  die 
Nordsee  münden  litsstl  durch  das  Land  dt^r  ii^ofxriQOJv  iü)v  IXanüraiv^ 
Wir  werden  an  die  obere  IJppc  denken  müssen  (^gl.  auch  T.t'..  ,4««.  I  60); 
denn  südlich  der  unteren  IJppe  sitzen  wahrscheinlich  seil  8  v.  Clir.  die  Usipi 
'(.^  203),  und  es  ist  wenig  glaublich,  da-M  Tiberius  die  Niederlassung  der 
feindlich  gesinnten,  mächtigen  Bructeri  unmittelbar  jenseits  des  von  ihm  an- 
gelegten limes  gednltlet  hatte.  Im  J.  14  n.  Oir.  sind  die  Brut  Icri  mit  den 
eüdwcstfslischen  Marsi,  Tnbantes  un<l  Usijietes  verbündet  (l"ac.,  An».  I  51). 
Ebenso  zeigt  sie  das  Jahr  5^  im  Bunde  mit  den  im  Bergischen  wohnenden 
Tencteri  {Ahn.  XHI  5h):  sie  wohnten  damals  nördlich  von  den  sftdwestfali- 
scben  Usipii  und  Tubantes  {ebd.).  Auch  im  J.  69  und  70  »junguntur  Bructeri 
Tencterique  [IlisL  IV  21  und  77).  und  tüese  Nachbarschaft  überdauerte  auch 
das  verhängnisvolle  Jahr  qö, 

AniT).  XNcfa  Ptolcmaios  11  11,  6  und  7  folgi«n  «n  d«r  rechten  Rhnii>>citc  nördlich 
Ton  dem  «ugambristhr«  Lamlr,  alsn  iirrnllich  der  Lippe  die  S^vxjtoot  oi  ftiM^I.  Nord- 
Ikh  vf.n  Bruci*ri  sUcn  an  d«  Ser  die  if^nowt.  Nath  II  II,  9  wohnen  sUdlidi  vnn  den 
xwi»cb«n  unterer  Em«  und  Weser  AiuUiui|>»i  Kavxot  ol  fungot  die  BoovKtium  al  fieliovt 
und  mtlich  von  ihnen  an  der  Weser  die  'Ar/Qtov^tat.  DicK  Angaben  entsprechen  den 
wirklieben  VetbaUniucn  bis  jEUin  Jabic  98. 

S  195.     Im  Jahre  98  hatten  sich  die  West-  und  Csmachbam  der  Bructeri» 


904  XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 

die  Chamavi  und  Angrivarii  verbündet,  das  brukterische  Reich  gestürzt  und 
das  Land  in  Besitz  genommen:  »nunc  Chamavos  et  Angrivarios  immigrasse 
narratur,  pulsis  Bmcteris  ac  penitus  excisis  vicinarum  consensu  nationumc. 
»super  sexaginta  milia cecidenmt«  (Tac,  Germ.  33;  vgl.  auch  des  jün- 
geren Plinius  Ep.  H  7)^.  Seit  dem  Sturze  ihrer  Macht  erscheinen  die 
Bructeri  als  ein  kleines  Völkchen  südlich  der  Lippe,  das  erst  allmählicii 
wieder  an  Bedeutung  gewann.  Die  Tabula  Peutmgeriana  verzeichnet  Burcturi 
im  Bergischen,  gegenüber  Köln,  Bonn  und  Koblenz.  Zu  Anfang  imd  zu 
Ende  des  4.  Jahrhs.  werden  die  Bructeri  zu  den  Franken  gerechnet  (Pane- 
gyricus  Constanfino  12  und  Gregor  v.  Tours  II  9).  Als  im  J.  392  Arbo- 
gastis  den  Rhein  bei  Köln  überschritt,  »Bricteros  ripae  proximos«  und  dann 
nördlicher  Hamaland  »depopulatus  est«  {Greg.  a.  a.  O.).  Hingegen  hatte 
Julianus,  der  von  Xanten  aus  nach  der  Ruhr  vordrang,  keine  Bructeri  son- 
dern Attuarii  getroffen  (vgl.  Karte  VI,  S.  868).  Die  Bructeri  sitzen  also 
wenigstens  seit  dem  3.  Jahrh.  südlich  der  Ruhr  auf  dem  Boden  der  Tencteri 
und  haben  diesen  Stamm  offenbar  in  sich  aufgenommen.  Erst  später  schei- 
nen die  Amsivarii  unter  ihnen  aufgegangen  zu  sein,  die  von  den  Bructeri 
noch  in  der  NolUia  Dignitatum  und  in  der  aus  dem  4.  Jahrh.  stammenden 
Veroneser  Völkertafel  unterscliieden  werden. 

Als  die  Bructeri  sich  in  dem  alten  ubischen  Gebiete  am  Unken  Rheinufer 
unter  dem  Namen  Ripuarii  zu  einer  neuen  civitas  konstituierten  (jj  193)  — 
zu  dem  pagus  Rip^jariensis  gehörten  auch  die  rechtsrheinischen  Ortschaften 
an  der  unteren  Ruhr  bei  Werden  —  gaben  sie  das  rechte  Rheinufer  keines- 
wegs auf.  Rechts  vom  Rhein  gesessen,  und  zwar  in  der  Nachbarschaft  der 
Hessen,  haben  die  Borthari,  welche  739  Bonifatius  {Ep.  44)  nennt,  und 
bis  zum  J.  693  hielten  sich  die  Boructuarii  zwischen  der  mittleren  Ruhr  und 
Lippe  in  dem  nach  ihnen  benannten  Gau  Borahtra,  seit  98  ihrem  Stamm- 
lande (s.  Karte  V  und  VI,  S.  868).  Erst  in  diesem  Jahre  liaben  die  Sachsen 
diesen  Gau  zu  einem  sächsischen  gemacht,  und  seitdem  besteht  die  mit  dem 
niederrheinischen  limes  und  mit  der  alten  (Xstgrenze  der  Tencteri  sich  deckende 
historisch  bekannte  Grenze  zwischen  Sachsen  und  ripwarischen  Fnmkcn. 
'   Vr'-  §   150  Anm. 

b)  Tencteri. 

Zcuss  89  f.   —  R.   Mucii,   PBB.  XVII  88—90  und    137  —  146. 

S  196.  Die  Heimat  der  mit  den  Usipetes  vereinten  Tencteri  bis  zum  J. 
59  ist  wahrscheinlich  südlich  von  den  Chatten  und  westlich  von  den  Ubü, 
an  der  oberen  Fulda  und  Werra  und  bis  zum  Main  hin  zu  suchen.  Über 
ihre  Flucht  vor  den  Sweben,  ihre  Wanderung  an  den  Niederrhein,  ihre  Nieder- 
lage und  Aufnahme  bei  den  Sugambri  im  J.  55  v.  Chr.  s.  §  0^5.  An  der  Süd- 
grenze der  Sugambri,  an  der  Sieg,  finden  wir  sie  seit  38  v.  Chr.,  d.  h.  seit  der 
Cbersiedlung  der  Ubü  auf  das  linke  Rheinufer.  Noch  im  J.  17  v.  Chr.  treten  sie 
mit  ilen  Sugambri  zusammen  auf  {Diön  LIV  20,  4).  »Drusus  ])rimos  domuit 
Usipetes,  inde  Tencteros  percurrit  et  Catthos'  (Florus  II  30,  23  und  hiemach 
Orusius  VI  21,  12").  Sie  wohnten  also  zwischen  den  Usipetes  und  Chatten,  also 
zwischen  der  unteren  Lippe  und  dem  früher  ubischen  und  damals  den  Chatten 
eingeräumten  Gebiete  an  der  Lahn  (§  206).  Nachdem  die  sugambrische  ci^itaa 
aufgehniien  und  die  Reste  dieses  Stammes  am  linken  Rheinufer  angesiedelt 
worden  waren,  konnten  die  Tencteri  nach  Norden  bis  zur  Ruhr  oder  Lippe 
Raum  gewinnen.  Wir  finden  sie  im  Bergischen  im  Bunde  mit  den  Bnicteri 
im  Jahre  58  (Tac,    Ann.   XIII  5*1)  und  beim  batawischen  Kriege  (//«/.  IV 


III,  E,  3.  RipwARiscHE  Franken. 


905 


Jl  und  77),  gegenüber  KC-ln  {IV  64  f.)-  Im  J.  gS  uwmt  sie  Tacitus  {Germ. 
ji)  am  rechten  Rheinufer  unterhalb  der  Chatten  und  Usipi  und  (33)  als  ihre 
Nachham  die  Bmcleri.  Ptnlemaios  (11  ii,  6}  nennt  sie  nördlich  vod 
<len  pf-llzisthc]!  Vangiuncs  und  südUcli  von  den  einstigen  Sugambri.  Seitdem 
ist  ihr  Name  aus  der  CieKchlt  lue  verschwunden.  Dass  sie  nicht,  wie  die 
Usipetes,  südlicher  gewandert  sind,  darf  man  daraus  folgern,  dass  sie  in  der 
VcroHtser  l'^lJeerfa/t-i  nicht  unter  den  r<"misctien  j»civitates  trans  Rhenum  flu- 
"vium<  (S  201)  genannt  werden.  Sie  werden  also  im  Lande  sitzen  geblieben 
sein,  und  da  an  ihrer  Stelle  seit  dem  3.  Jalirh.  die  Bructeri  erscheinen,  so 
dürfen  wir  annehmen,  dass  sie  in  diejten  aufgegangen  sind,  um  später  einen 
Teil!  der  ripwarisclien  Franken  /u  bilden. 


c)  Amsivarii. 

2eu»«  9of,  und  3*l— 34$.  —  K,  Mollenhoff,  ZfilA,  IX  (185J)  237— 
340.  —  Wormsinll,  />ir  U'oAnsi'tte  der  Afanrn,  Ansibarier  unJ  t'ftalluaner, 
I'rogt,,  Mltnsti>r  1S80,  —  P.  Vogt,  />«■  Ortsnamen  auf  -seheid  und -auel  (eht), 
r«^.,  Nniwiwl   1895. 

Ji  197.  Die  Amsivarii  sind  im  J.  58  n.  Chr.  von  den  Cliaud  vertrieben 
worden  (Tac,  Ann.  XIII  55),  haben  als«-'  vordem  in  der  Nachbarschaft 
dieser,  also  tnnerhaLb  des  Striches  vun  der  Emsmdndung  bis  Oldenburg  und 
bis  zum  Dtlniiner  .Sei:-  gesessen.  Innerhalb  des  in  Fn<ge  kommenden  Rau- 
mes sitzen  an  der  Hase  die  Chasuarii  {§  201),  Sonach  bleibt  für  tue  Amsi- 
varii nur  das  Gebiet  der  Emsmündung  Übrig  —  die  Lan<lscliaft  westlich  von 
Oldenburg  bis  zum  Suterlami  war  ein  grasser  Sum]if  (vgl.  die  Karte  zu  S.  böS) 
"Unter  dirsen  Cmstaiulen  kann  nicht  wohl  bezweifelt  werden,  dass  der  Käme 
Ainsivarii  diese  als  die  Anwohner  der  Ems  (lat.  Amnia)  hczcidmet',  und 
femer.  da  nur  die  untere  Kms  in  Frage  kommen  kann,  weil  an  iler  mittleren 
die  Bructeri  gesessen  haben  (§  IQ4).  dass  der  miltelaltedtclie  friesische  imd 
itSchsische  F.rasgau  ihr  l-^iid  gewesen  ist,  sie  nicht  sowohl  von  der  Ems  selbst 
als  von  dieser  Ems-Ivandschafi  her  ihren  Namen  tragen  (vgl.  ,^  I7i)-  E^ 
kann  sein,    dass  sie   eine   selbstilndige  Abtciimig  der    Bructeri  gewesen  sind. 

1  rw^trn  K.  Müllcnhoff,  ZfdA.  IX  23^1  f.  vj;1.  R.  Much.  PBB.  X\ni  54 
nml   Verf,  rtwl.  330  Anm. 

S  198,  Sie  w;tren  unier  Tiberius  und  Oermanirus  ri"^misch  {Tac,  -4««. 
XllI  55  und  II  8).  »Pulsi  a  Chaucis',  zogen  sie  im  J.  58  an  den  Nieder- 
rhein »et  sedis  inopes  luttitn  exiliutn  orabanti  (Tac,  Amt.  XIII  55;.  Sie  wull- 
len  die  »agrus  vacuos  el  rnilituin  usui  sepositos*  (ehd.  541  des  rechisrliein Lachen 
Uferstrichs  zwischen  Lippe  und  Ijssel  besetzen  und  auf  diesem  rrtmischen 
Boden  Rom  treu  bleiben  (ebd.  55).  Das  wurde  ihnen  von  dem  römischen 
Befehlshaber  abgeschlagen.  Darauf  •itli  Bructeros,  Tencteros.  ulteriorcs  ctiam 
nationes  hello  vncaltant-;  aber  olme  H.rfolg,  und  -Ampsivariorimi  gens  retro 
ad  Usipiüs  et  Tubatites  cunce^sit.  Quorum  terris  exacii  cum  Chatlos,  dein 
Chemacos  pctissent,  crrore  longii  hospites,  egcni,  hostes,  in  alicno  (juod  juven- 
tutis  erat  laeduntur,  inbellis  aetas  in  pracdam  divisa  est«  (ebd.  50).  Man  sollte 
hiernach  meinen,  dass  das  Volk  in  der  oberen  \\'csergegend  aufgerieben  wor- 
<Ien  ist.  Allein  derartige  Nachrichten  (vgl.  z.  B.  zum  L'ntergang  der  Bructeri 
S  195)  pflegen  Dbertrieben  zu  sein,  und  wenn  die  AnisivarÜ  -»validior  gens  .  . 
sua  copia*  (ebd.  55)  waren,  so  dürfen  wir  erwarten,  dass  sich  ein  Rest  von 
ihnen  demioch  gehalten  hat.  Und  dieser  Rest  wird  entweder  an  der  chattbch/ 
cherusMschen  Grenze  zu  suchen  sein,  also  am  linken  L'fer  der  oberen  Weser, 
oder  wir  werden  annehmen  dürfen,  dass  ein  Teil  jene  Wanderung  nach 
Osten  nit  hl  mitgemacht  hat,  sondern  in  der  Nachbarscliaft  der  Bructeri  ujid 


f)o()  XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 

Tencteri  oder  der  Usipü  und  Tubantes  zurückgeblieben  ist,  also  im  südlichen 
Westfalen. 

Tatsachlich  tauchen  die  Amsivarii  gegen  Ausgang  des  3,  Jahrhs.  am  Rhein 
wieder  auf.  Um  die  Zeit  {§  162  Anm,)  nennt  die  Veroneser  Völkeria/el  Am- 
sivari  neben  Niederfranken  (Chattovari  und  Chamavi),  Friesen,  Bructeri  und 
Chatten.  Ebenso  kannte  die  um  die  Mitte  des  4.  Jahrhs.  bezw.  kurz  vor 
376  abgefasste  Weltkarte  des  Honorius  Amsivari  neben  den  Niederfranken 
auf  der  einen  und  den  Sweben  auf  der  andern  Seite,  also  in  dem  rechts- 
rheinischen Gebiete  zwischen  Lippe  und  Taunus.  Südlich  von  Hamaland, 
also  südlich  der  unteren  Lippe,  finden  wir  die  Amsivarii  dann  im  J.  392, 
Arbogastis  in  diesem  Jahre  in  der  Gegend  von  Köln  »transgressus  Rhenimi, 
Bricteros  ripae  proximos,  pagum  etiam  quem  Chamavi  incolunt.  depopulatus 
est,  nullo  umquam  occursante,  nisi  quod  pauci  ex  Ampsivariis  et  Catthis 
Marcomere  duce  in  ulterioribus  collium  jugis  apparuere«  (Sulpicius  Ale- 
xander bei  Gregor  v,  Tours  11  g).  Da  Marcomeres  als  fränkischer  Heer- 
führer schon  für  das  Jahr  388  bezeugt  ist,  so  sind  es  auch  die  Amsivarii 
bereits  für  dieses  Jahr.  Ihre  Wohnsitze  sind  im  Bergischen  zu  suchen,  an 
der  Seite  der  ihnen  schon  im  J.  58  befreundeten  Bructeri,  und  die  Vermu- 
tung liegt  nahe,  dass,  während  ein  Teil  der  Amsivarii  im  J.  58  an  der  obe- 
ren Weser  zu  Grunde  ging,  ein  anderer  Teil  schon  damals  bei  den  stamm- 
venivandten  Bructeri  südlich  der  Lippe  Aufnahme  gefunden  hat.  Im  römi- 
schen Heere  kennt  die  Notitta  Dignitatum  Ampsivarii  neben  Bata\i,  Mattiaci, 
Tubantes,  Salii,  Bructeri,  alles  fränkische  Stämme. 

Schon  Tacitus  Worte  {Ann.  XIII  55)  von  den  Ampsivarii  nalidior  gens 
nun  modo  sua  copia,  sed  adjacentium  populorum  miseratione«  legen  es  nahe, 
dass  das  Volk  der  nachmals  fränkisclien  Völkergruppe  zugehört  hat;  als  ad- 
jacentes  populos  nennt  Tacitus  (ebd.  56)  aBructeros,  Tencteros,  ulteriores- 
etiam  nationes  socias'.  Bei  Sulpicius  Alexander  stehen  die  Ampsivarii 
und  Catthi  unter  »Marcomere  duce*,  und  »RIarcomere  et  Sunnone  ducibus 
Franci  in  Germauiani  prorumpere-,  und  der  Schriftsteller  nennt  beide  MJinner 
>sul)regul(is  FrancoruiJK.  Diese  fränkisclien  Amsivarii  sind,  nach  ihren  Wuhn- 
sitzt-n  zu  scliliessen,  nächst  den  Bructeri  uffenbar  das  Kernvolk  der  ein 
halbes  Jahrhundert  später  bezeugten  Ripuarii.  Schon  im  J.  388  hatten  sie 
versuclU  in  der  linksrheinisclien  Rheinprovinz  festen  Fuss  zu  fassen.  Erst 
nacli  dem  J.  392  ist  ihnen  dies  dauernd  gelungen  (ij  i'>3).  Sie  standen,  wie 
die  salischen  Franken,  zunächst  im  Bunde  mit  Rom,  sind  also  fast  ein  halbes 
Jahrtausend  hindurch  Rom  treu  geblieben. 

Anm,  Vüfit  nimmt  als  Wuhnsitzi'  ticr  Amsivarii  nach  58  n.  Chr.  d.-is  wcsilälische 
Saucrland  an  iind  für  die  Zeil  um  400  d.is  Gebiet  tlcr  unteren  Wied  und  Sieg.  In  beiden 
Landschaften  hat  er  eine  kompakte  Masse  von  Ortsnamen  auf  -frlu-iJ  imtl  •niicl  (-ohi) 
nachgewiesen  und  el>cnso  an  der  Schneifei.  Er  nimmt  daher  an,  dass  derjenige  Stamm. 
weither  diese  Orte  gegründet  hat,  nämlich  die  Amsivarii,  im  5,  Jahrh.  seine  linksrheinischen 
.Sitze  unter  den  Rijniarii  an  der  Schneifcl  genommen  hat,  genauer  .an  der  obern  Ruhr, 
Urft,  Olef,  an  der  obern  Ourc  und  Sauer  in  Luxemburg,  an  der  Prüm  und  Kyll,  an 
Lieser,  Salm  und  Alf- ,  alsn  i>die  Gegenden  von  Montjoie,  Schleidcn,  Prüm.  Dasburg, 
Dickirch,  Bittburg  imd  Daun-,  mehr  verstreut  ferner  bei  Oberwesel  und  an  der  Saar. 
Demnach  hätten  die  Amsivarii  die  stidwestlicbe  Gruppe  der  Ripimrii  gebildet.  Ich  glaube 
nicht  an  eine  Zunickführung  des  ripwarischen  -scheid  auf  die  Amsivarii. 

d)  Marsi. 

Zeuss  86  f.  —  V.  Wietersheim,  Über  dir  Afarscn.  Ber.  üb,  d.  Verh.  d, 
fiSchs.  Ges.  d.  Wiss.,  philol.-bist.  Cl.  IV  {1849)  175—185.  —  Fr.  Hülsenbeck, 
Die   Hofinsilze  der  f;er manischen  Marsrn,   Progr.,  Paderborn  1871.   —  J.   Worm- 


stall,  DU  Wohnsits*  der  Afarain,  AnulHirifr  unJ  ChattHarUr,  ProRr-»  MÖMter 
1880.  —  M,  MatiiliuB.  Ce^r  die  WohnUlu  Jrr  gmnantaheti  Ataritr.  Pt«gr., 
Dmdcn  1884.  —  R.  Much.  PBB.  XVII  (1893)  113— ti6. 

§  IQ9.  Tacitiis  nennt  (Oerm.  2)  als  Uniammc  der  Gemuinen  nach  der 
einen  Überlieferung  die  Ingaevoncs.  llcrminanes,  Istaevones,  nach  einer  an- 
dern Überlieferung  Marsos  Gainbrivios.  Sucvvs,  Vaudilii>s»  mil  dem  ZusaU 
»eaque  vcra  et  antiqua  nomina«.  Demnach  dOrfen  uir  die  KonstJiuierung 
der  erst  zum  J.  14  n.  Chr.  belegten  niarsischen  civiias  iu  eine  frühe  Zeit  htnauf- 
rücken.  Vielleichi  dculel  der  Name  der  llur-sad  ^an  der  Maasmündung) 
auf  Herkunft  von  den  Marsi.  wie  der  der  Chattuarii  auf  eine  solche  von  den 
Chatti  i§  156).  Die  Marsi  sind  uns  aus  den  Kriegszügen  des  Gcnnauicus 
bekannt.  Dieser  traf  die  vicos  Marsonim  jenseits  der  silva  Cae^,  südli<h 
der  Diittleren  Ruhr  an  (Tac.,  Ann.  I  .^o)  —  $.  Karte  IV  zu  S.  Ö68  —  und, 
»quinquaginta  inilium  spatium  ferro  flammisque  per\-a5tat'<  {Ann.  1  51),  Ihnen 
befreundet  uaren  ihre  Nachbarn,  die  Bructcri,  Tubantes,  Usipcies  (ebd.). 
Ihre  Naclibam  waren  femer  die  Chatten  {Ann.  I  56  und  il  j.^)  und,  wie 
es  scheint,  auch  die  Cherusci  (I  56).  Früher  waren  sie  an  der  Varusschlacht 
beteiligt  gewesen  (II  25).  Die  >[ar!U  erscheinen  als  die  Naclift-lger  der  Su- 
gambri  (§  iö8)  und  ktJnncn  sich  erst,  nachdem  letztere  im  J.  8  v.  Chr.  auf 
das  linke  Rheiniifer  ilbei^esiedeh  wjiren,  westwärts  bis  zum  limcs  Tibeni  aus- 
gebreitet tiabcii.  V(.irdciu  haben  .sie  entweder  östlicher,  an  der  uberen  Ruhr 
gesessen,  oder  aber  sie  sind,  wenn  Diän  (UV  33,  1)  richtig  die  Sugambri 
an  die  Cherusd  grenzen  lUsst.  ein  Teil  der  sjugambrischen  civitus  gewesen» 
der  sich  nach  dem  Abzug  der  Hauptmasse  zu  einer  eigenen  civitas  konsti- 
tuiert hatte'.  Vgl.  Strab'Vn  VII  ii>o.  wonach  die  Stumme  der  rechtsrhei- 
nischen Rlieinprovinz  zum  Teil  nach  Gallien  hinübergeftliirt  wurden  sind, 
zum  Teil  in  das  Innere  (»r/c  Ttjv  Iv  ßä&ei  yo'iQfiv<),  also  nach  Westfalen 
zurückgewichen  sind,  -xnftäTtfo  Magaol  •  Äm:ioi  d'  fioiv  Allyoi  xat  xti»'  Sov- 
yäftßQfov  fiigoc*.  Im  Lande  der  Marsi  lagen  »pr«)fana  et  sacTu  et  celcber- 
rimura  üIls  gentibus  [d.  i.  den  Bnuteri,  Usiivtes,  ^!a^si  und  Tubantes]  tem- 
pluni,  quiid  Tamfanae  vocabani-.  Demnach  scheinen  die  Marsi  an  der  Spitze 
einer  Aniiihiktyriuic  gestanden  zu  haben,  welche  jene  nachmals  als  ripwarische 
und  als  !Mo.sel franken  erscheinenden  Stämme  umfasste.  Zu  dieser  Stellung 
würde  die  oben  angcfülirtc  Stelle  aus  Tac.  (rerm.  2  Ireffüch  passen.  Seit 
dem  J.  16  n.  Chr.  verschwinden  die  Marsi  aus  der  Geschichte*.  AU  im 
J.  58  die  Amsivarii  sich  in  da>  sOdliche  Westfalen  zurück/':)gen,  werden  hier 
jenseits  der  Bructeri  und  Tcn^teri  wohl  Usipii  und  Tubantes  und  dann 
Chatti,  aber  keine  Marsi  mehr  genannt  (§  i<>8).  Da  die  Marsi  vim  Germa- 
nicus  nicht  völlig  aufgerieben  worden  sind  {Ann.  II  25),  muss  ein  uns  nicht 
bekanntes  politisches  Kreignis  zur  .^nflAsung  der  Reste  der  marsischen  dntas 
geführt  haben.     An  ihre  Stelle  getreten  sind  die  Amsivarii  und  Chasuarii. 

1  ,^f»(jrei-hrinl  vi-rmmi-t  v.  Witrlctslir  im  S.  181,  irlns-*  iHi-  Mariicn  der  T heil 
Her  Sigambern  w»rvn,  welcher,  weil  er  ir«i(-r  «Irm  UntrrwerfiingiivtTirage  ((«  *A»- 
Jit/onrni  atiffiiat  %»g\  Tm'.  II.  26]  Iterinrtr-ii,  iim-li  in  Al>han|>)gkeil  von  Rom  tn 
den  iihen  .Sitzen  bU'iln:>i  wcillli-,  v<>n  »einen  SuRiiii^vmMseit  ^ich  tieonte  und  dabcif 
um  siih  Äus&prIU'h  vnn  denen  /u  Mindern,  wekhe  ihre  Fieib(.'ii  aufgalien,  den  Qocb 
in  der  Erinneniri;  lebenden  Urnamen  Maru»  wieder  annalini-. 

«  Wormstall  S.  q  vemiuiet  bei  SlrabOn  VII  IQI  Marsi  =  Clutnurii.  weil 
letztere  beim  Triumpbiiicr  des  Germonicufi  slatt  der  m  eTWikrt-ndfit  aber  reblenden 
Matsi  geoanni  w^-rden.  S.  8  vermutet  er  beiXzcitus  Gtrm.yii  Mani  sutt  i-'ofei. 
weil  Icuiere  sonst  nirgends  genannt  wenien  und  erstere  urier  den  Einiclitikmmcn 
jo  der  Germania  fehlen.  Die  noch  vnn  Zippcl,  \'5lkerbt-.ifgungrn  %,  I9  wieder 
heibcigeiof;eneii  Maom'aiot-t  (DiBn  LX  S.  7I  mm  J.  4t  hat  v.  Wieiersheiin 
S.  176—180  «li  die  afrikaniidieii  Maunuü  nachgewiesen. 


908 


XV.  Ethnographie  der  oekmamschkn  Stämmti:- 


4.  Moselfranken. 

§  200.  Eine  besondere  Gruppe  Mosclfranken  hat  es  politisch  nicht  ge- 
geben. Es  ist  indessen  geboten  unter  Oipsem  Namen  diejenigen  fränkischen 
Starnnie  xu^ainnieiizurüsscn.  welche  —  al^cseheii  von  den  sächsisch  gevr«- 
denen  Resten  der  Bructeri  sftdiich  der  Lippe  —  zwar  mit  den  ripwarischen 
Franken  von  Ahers  her  ;iufs  engste  7.iis;immeiigeh«^ren  und  zum  Teil  wn 
ihnen  ausgcgangcii  sind  (Ji  ic>_^  und  i'jcj).  jiber  deiuujcli  nicht  an  der  Konstitu- 
ierung der  ripwiirischMi  dvilas  bctcihgt  waren.  Eine  besrindere  Gruppe  bilden 
diese  Moselfrauken  in  sprachlicher  Hinsicht:  ihre  vom  Siegeriande  bis  Luxem- 
burg reichenden  Mundarten  nehmen  eine  Mittelstellung  ein  und  vermitteln 
zwischen  der  ripwarischen  nnd  der  rhein fränkischen  Mundart  Der  Cber- 
gang  ist  gen  N"rdeii,  an  tk-i  Wasserscheide  dei'  F.ifcl  ein  verhältnismässig 
schroffer,  vergiirhen  mit  den  mannigfachen  Ahstnfungen  nach  dem  SOd&i 
und  Osten  hin.  ÄhnUch  wie  sich  von  der  ripwarischen  Mundart  im  engeren 
Sinne  durch  den  starker  niederdeutschen  Kons<.inantismus  das  Xiedcrriptra- 
Tische  abhebt  fji  ii|2),  so  uiuerscheldet  sich  das  Mriself linkische  vom  Ripwa- 
rischen durch  seinen  vollends  hochdeutschen  Charaktei.  insbesondere  Üuich 
seine  siimmlosen  Mediae  un<i  aspirierten  Tcnucs,  Der  vi.im  pagiis  Ripuarienst« 
unterschiedene  pagus  Moslinsis  reichte  v<in  Coblenz  bis  (Ukti  Metz  hinaus. 
Die  Sfldgrenzc  der  Mctäclfrankcn  wird  durch  eine  fortlaufende  Reihe  von  Orts- 
namen auf  -siliriit  gekennzeichnet,  dir  eine  IJnie  bilden  \'<>\\  I-ingensrhwal- 
bach  über  Oberweset — Sinmiern — Idar-Wald — Hoch-Wald  bis  nahe  der  unte^ 
ren  Saai  und  von  hier,  nach  Südosten  biegend,  bis  Saarbrflcken. 

Anm.  I.  Wie  es.  ^i^rkomnicn  liU  ilass  tlio  liiichilruiÄchp,  «I.  h.  dit  den  im  Alurtum 
Swe'hrfi  ßptiiinni.-n  Siilmmen  ('ij;<'no  ijiuivortchiphnn;;  Iwi  rit'ii  Hissfti  iiml  Mr^rlfrutken  ia 
der  HaiipU-ichc  dimrhJrin):^»  uud  auch  bei  den  ripwaiUchcn  Franken  EincitOß  findett 
koontc,  diirtlber  fehlt  es  an  oiner  irgi-nd  bcKrtlndljaren  VtTmumnR.  Ich  erwähn«  die»  d«« 
haJl),  weil  die  AnniihnK-  einrr  MiscSmnK  mit  Alamannen  in  (^rösserein  Umfunge  weder  für 
NictlcrhcasiMi  noch  filr  Kipwarit-n  j:cr«htfcrliKt  wcrdeti  3(Ann, 

Die  llc-imat  der  MoseJfninken  ist  cinerweits  in  Ripwarien,  andrerseits  am 
rechten  Kheiuufer  /u  suchen  und  zwar,  da  das  Siegerland,  wie  es  scheint, 
erst  spIUcr  besiedelt  worden  ist.  im  Westerwahl  und  an  der  Lahn.  Hier 
haben  zu  Beginn  des  2.  Jahrhs.  n.  <"hr.  die  kleinen  ciniates  der  Chasuarü. 
Tubautes  und  Usipi  gesessen,  deren  Heimat  im  i.Jalirh.  n.  Oir.  teils  an  der 
Hase,  teils  an  der  Lippe  zu  suchen  ist.  Von  den  nachmals  ripwarischen 
Stammen  waren  sie  dadurch  geschieden,  dass  sie  vom  Anfang  des  2.  bis  zur 
Mitte  des  .^.  Jalirhs.  römisch  waren.  Ihre  Namen  verschwinden  seitdem.  In 
den  st-rhziger  Jahren  wurde  ihr  I^nd  von  den  Chatten  oder  Alamannen  be- 
setzt (§  208).  Sie  selbst  sind  damals,  soweit  sie  nicht  etwa  Ober  den  Klicin 
gedrängt  wurden,  von  den  Enibcrem  unterworfen  worden  und  in  ihnen  auf- 
gegangen. Die  Sprache  vom  Westerwald  bis  zum  unteren  Main  ist  ein  Mittel- 
ding zwischen  ripwariscbcr  und  hessischer  Mundart  Besonders  der  wesier- 
wlüdtschen  ähnlich  ist  auch  dit  Sprache  Ulngs  der  Mosel.  Ein  bestimmter 
fränkischer  Stamm  wird  hier  nicht  genannt.  Seil  der  definitiven  Einnahme  Triers 
im  J.  41Ö  l)lieb  die  Moseilandschaft  im  Besitz  der  Franken.  Wie  weit  sich  hio" 
ripwarische,  wie  weit  chattische  Franken  angesiedelt  haben,  lasst  sich  oichl 
ausmachen.  Nach  der  SpracHic  zu  urteilen,  hal>en  sich  ripwarische  Franken  mit 
chattischen  aus  dem  Wester*'ald  und  aus  NA<*iau  gemischt.  L'm  472  hersclile 
an  der  Mosel  bereits  die  deutsche  Sprache  (Sidonius  Apollinaris,  Ep.W 
ly).  Mir  .scheint  die  Annahme  unumgänglich  zu  sein,  dass  nicht  vereinzelte, 
keiner  grosseren   iwütLschen  Gemeinschaft  angehörende  fränkische  Schaorcn 


I 

■ 

1 
i 


III,  E,  4.  Moselkranken'. 


909 


sich  an  der  Mosel  iucdcrgelas.sen  haben,  haiuielle  es  sich  dnch  um  die  inili- 
Urisclie  Besetzung  einer  wenn  auch  damals  verödeten,  so  doch  vurdcm  lUdit 
bewohnten  röuii&chen  Landschaft,  M>ndem  dai»  ein  grosserer,  |K>)itisch  urgani- 
uerter  St;inim  von  dem  Moselthal  Besitz  cipnffen  hat.  Wir  hatten  dann  nur 
die  Walil  zwischen  chattischen  und  ripwarischcn  Franken.  Gc};c"n  die  ersteren 
und  für  die  ktzteren  spriclit  der  Umstand,  dass  die  Mundart  an  der  Mfwel  der 
hessischen  ungleicli  femer  steht  aU  der  ripwarischen.  zumal  in  der  C'bcten 
Mosellandschaft  ^von  Trier  bis  Luxemburg),  und  die  Thatsache,  dass  die 
412  und  41S  eroberte  Stadt  Trier  der  ripwans<'hcn  SOrlgrcnze  ungleich  naher 
hegt  als  der  chaltäschen  Wesigrenze;  vor  allern  aber  fallt  für  die  ripwarischen 
Franken  in  die  Wagsdiale,  dass  um  ,stx>  das  ripwnrische  Reich  Hessen  mit 
urafasste  (ij  iQ2}.  Wenn  ich  also  annehme,  daas  es  Ripuarii  gewesen  sind, 
die  Trier  und  das  Mosclthal  crubert  haben,  so  steht  das  niclit  im  Wider- 
spruch zu  der  Annahme,  dass  sich  an  der  Besiedlung  des  Landes  auch  die 
im  Westcrtt'ald  umi  an  der  Lahn  wohnendai,  unter  chattischcr  Hersrh.nft 
stehenden  Stamme  beteiligt  haben. 

Aitin.  3,  W.  Arnniri,  Mnsihi^/uttgrn  und  Wandemngttt  Jeulst'k^r  Stiimmr,  Mar- 
burK  187s,  tut  S.  188  — 209  die  B««i«lluD^  <Ler  LAndubAf^  «wÜH.tiT'ti  EiTd  und  Ilundsrück 
bis  iMcii  LotfarinK^n  diircb  Chaiu-n  aus  den  <r>rt5DanKn  Dacb/uwcim-n  vcrsudit.  Ich  halte 
den  Nai.hw(!L<i  tikhi  filr  geglückt. 

Neben  den  Kipuarii  sind  mit  einiger  Walirs*heinlichkeit  die  civitates  der 
Cliastiarii,  Tubantcs  und  Usijji  zu  den  Moselfranken  zu  recluien. 


a)  Chasuarii. 
Z«11Bi  113  L 

1^  201.  D;is  kleine  Völkchen  der  Chasuarii  wird  erst  im  J.  98  n.  Chr. 
(ieiiannt,  als  durch  den  Sturz  der  Reiche  der  Cherusci  und  der  Bructcri  die 
politische  Ge<jgraphic  Nord  Westdeutschlands  eine  L^mwUlzuiig  zu  Gunsten  der 
Chauci  erfahren  halte.  Dass  die  den  Angrivarii  benachbarten  Chasuarii 
von  den  politischen  Neugestaltungen  unberührt  geblieben  sein  sollten,  ist 
nicht  anzunehmen.  Die  Walirscheinlicbkcit  spricht  \*ielmehr  dafür,  dass  die 
Chasuarii  die  Wohnsitze,  die  sie  im  J.  98  innc  hal>en,  erst  damaU  oder 
einige  jalirzchntc  zuvor  enigenomnien  haben,  dass  ihre  Heimat  innerhalb 
desjenigen  Gebietes  zu  suchen  ist,  welches  die  Chauci  in  der  zweiten  Hnlfte 
des  I.  Jahrhs.  n.  Chr.  gewonnen  haben.  Hierfür  in  Betracht  konmien  würde 
der  Strich  \on  der  Emsmünduiig  bis  /um  Dümmer  See,  also  der  spütcrc 
Em^au  und  Hasegau.  Unter  diesen  t-'m-itaniien  ilarf  es  als  zweifellos  gelten, 
dass  diu  Chasuarii  nach  dem  Ilase^an  ihren  Namen  tragen,  wie  die  Amsi- 
varii  nach  dem  Rnisguu  (ii  197),  und  ein  Blick  auf  die  Karte  macht  es  walir- 
scheinlid),  dass  die  Cliauci  den  Hasegau  nicht  erst  im  J.  9b  besetzt  haben. 
in  welchem  Jahre  sie  von  der  oberen  Weserlandschaft  Besitz  ergriffai,  sunderu 
bereits  um  das  Jahr  58,   als  sie  die  Amsivarii  aus  dem  Emsgau  vertrieben. 

Unmöglich  wllrc  es  zwar  nicht,  dass  sie  sich  Tacitus  im  J.  98  noch  an 
der  Hase  gedacht  hatte,  wenn  er  [(r«fn«.  34)  sagt:  »Angrivarios  et  Chamavos 
[Osnabrück  und  MUnsterland]  a  tergo  Dulgibini  et  Cliasuurü  cludunt  aliaequc 
gcnies  haud  perinde  memoratae,  a  fronte  Frisü  excipiunt«.  Des  Tacitus 
Arphen  sind  nicht  s«j  genau,  als  dass  diese  Annahme  ausgeschlossen  w^re. 
Aber  das  gegebene  ist,  die  Sitze  der  Chasuarii  nacii  Tacitus  östlich  oder 
südlich  von  den  Chamavi  und  Angrivarii  anzusetzen,  und  da  Osdich  wegen 
der  Besetzung  der  Weseriandschaft  durch  ilie  Qiauci  ausgeschlossen  ist,  also 
sQdlich,  d.  h.  in  Westfalen  südlich  der  Lippe.  Wenn  der  Atisdruck  »Cliau- 
conun  gens onmium  quas  exposui  geniitmj  lateribus  oblendilUT':  {fienn. 


<jio  XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 

35)  wörtlich  zu  nehmen  wäre,  so  müssten  die  Chasuarii  Nachbarn  der  Chauci 
gewesen  sein,  also  zwischen  der  oberen  Rulir  und  Lippe  gewohnt  haben. 

Anm.  Hierher  gehören  sie  auch  nach  Ptolemaios  n  11,  11.  Die  KaacvdQOt 
wohneü  östlich  von  den  Tsvxtgoi  und,  wenn  man  die  Zvtjßoi  ol 'Ay^eiiol  sträciit  (§131 
Anm.)  südlich  von  den  mit  den  Chamavi  zu  identifizierenden  Xalftat  (§  175  Anm.).  Ich  \egt 
auf  das  Zeugnis  des  Ptol.  deshalb  kein  Gewicht,  weil  Ptol.  die  Wohnsitze  der  KeufoväQoi 
ersichtlich  (nach  Tac.  angesetzt  hat);  vgl.  G.  Holz,  Bcitr.  z.  dt.  ÄUertumskunde  I,  S.  10. 

Dann  werden  Casuarii  erst  wieder  Ausgang  des  3.  Jahrhs.  in  der  Veroneser 
Volkertafel  genannt  Sie  befinden  sich  in  der  Gesellschaft  der  Usipi  und 
Tubantes  und  gehören  zu  den  »civitates  trans  Rhenum«,  welche  »in  formu- 
lam  Belgicae  primae  redactaet  waren  imd  »sub  Gallieno  imperatore«,  also 
260 — 268,  »a  barbaris  occupatae  sunt«.  Die  Casuarii  haben  demnach  nicht 
nur  im  3.  Jahrh.  sondern  bereits  zu  Anfang  des  2.  Jahrhs.  —  wei!  damals 
Trajanus  die  civitates  »trans  Rhenum  in  Germania  restituit«  {Eutr.  VIII  2) 
—  an  der  Lahn  gesessen,  und  sind,  wie  die  Usipi  und  Tubantes  die  Vor- 
fahren der  Nassauer  und  Moselfranken,  Sie  sind  vielleicht,  wie  die  Amsi- 
varü,  von  je  her  nur  eine  Abteilung  der  Bructeri  gewesen. 

b)  Tubantes. 
Zeuss  89  f.  und  305, 

§  202.  Die  Tubantes  haben  nach  dem  Jahre  55  v.  Chr.  das  rechtsrhei- 
nische Ufer  nördlich  der  Lippe  besetzt  und  es  vor  dem  J.  12  v.  Chr.  an 
die  Usipi  abgetreten  (§  175).  Im  J.  14  n.  Chr.  finden  wir  sie  in  der  Nach- 
barschaft der  ihnen  befreundeten  Bructeri,  Usipi  und  Marsi  {Tac,  Ann.  I  51), 
im  J,  58  zwischen  den  Bructeri  und  Tencteri  einerseits  und  den  Chatten 
andrerseits  {Ann.  XIII  56),  also  im  westfälischen  Sauerlande.  Zusammen 
mit  den  Cliatten  nennt  sie  auch  Ptol.  (II  11,  11).  Endlich  werden  sie  in 
der  Veroneser  Volkerta/el  unter  den  rechtsrheinischen  civitates  genannt,  die 
seit  Trajanus  und  bis  auf  Gallienus  »in  fonnulam  Belgicae  primae  redactae« 
waren.  Man  darf  daher  annehmen,  dass  die  Reste  dieses  Völkchens  unter 
den  Nassauern  oder  Muselfranken  aufgegangen  sind.  321  werden  sie  noch 
■einmal  genannt  (Nazarius,  Paiug.   Comlatifhio   lö). 

c)   Usipi. 

Zcuss  88—90.  —  R.  Much,  PBB.  XVII  (1893)  80— 90,  137— 142  und  146. 
—  G.  Holz,  Ii,-Ur<ig<'  zur  J,iits,-/ir>i  All<-rlu»tskiniii,-  I,  Halle  1894,  S.  8  f.,  l- l., 
68  und  71  f.  —  G.  Zippel,  Drutsche  l'ölkerbcvegungen  in  der  Römerzeit,  ProgT-, 
Küiiitjsberg  1895,  S.   10—13. 

i;  203.  Aus  dem  Innern  Deutschlands,  wohl  aus  der  Landschaft  nördlich 
■des  Main  (5J  19(1)  \'on  den  Sweben  vertrieben,  sassen  die  Usipetes  seit  5O  v.  Chr. 
am  Rhein  nördlich  der  Lippe  und  wurden  an  der  Absicht,  sich  links  vom 
Rhein  niederzulassen,  durch  Caesars  entscheidenden  Sieg  verhindert  (^  65). 
Ein  Teil  ihres  Stammes  liatte  bei  den  Sugambri  südlich  tler  Lippe  Aufnahme 
gefunden  (Caesar,  B.  G.  IV  lö),  und  hier  finden  wir  sie  im  J.  17  v.  Chr. 
{Diön  LIV  20,  4).  Drusus,  der  sie  unterttarf,  traf  sie  im  J.  12  und  11  v. 
Chr.  nördlich  der  Lip)iemündung  (clid.  ^2,  2  und  33.  i),  wo  sie  das  Gebiet 
der  Tubantes  einnahmen  (Tat.,  Ann.  XIII  55).  Den  rerhtsrheinischen  L'fer- 
strich  mussten  sie  rilumen,  als  Tibcrius  denselben  als  militärische  Grenzmark 
einrichtete.  Es  ist  fraglich,  ob  sie  im  W'estmünsterlande  sitzen  geblieben  sind 
oder  damals  bereits  nach  Süden  zogen.  Schon  im  J.  8  v.  Chr.  hatten  die 
Sugambri  ihr  Land  rilumen  müssen  ($  168),  und  es  ist  anzunehmen,  dass  die 
zu  Rom  haltenden  Usipi  bei  der  Neubesetzung  der  benachbarten  Landschaft 
südlich  der  Lippe  nicht  leer  ausgegangen  sind,  sondern  damals  ilire  Sitze  nach 


Soden  crM'fiten  haben.  Im  J.  4  n.  Chr.,  sclieint  es.  halten  sie  Weslniünster- 
land  aufgegeben;  ticnn  Tiberius.  der  von  der  Zuidei-Sce  nördlich  der  Lippe 
bis  zur  Weser  vorrt^ckte,  unterwarf  nach  den  Canninefales  und  Aituarii  die 
Bructeri  und  dann  die  Chcrusd  (Vcll,  II  ic\^),  scheint  also  nOrdlich  der  Li])|ic 
keine  L'.<*ipi  v.irgefiinden  zu  haben.  Wahrscheinlich  sind  sie  bereits  nach  dem 
J.  10  V.  Ciir.  in  ihre  späteren  Witlinsitze  na«;h  X.'issau  gez-icen.  und  zwar  auf 
Anwei-suDg  Roma.  Denn  in  diesem  Jahre  hatten  die  Chatten  Nassau  aufge- 
geben (§  ioti),  und  ein  anderer  Stamm  kommt  fOr  die  Neubesetzung  nicht 
in  Frage.  Im  J.  14  n.  Chr.  wuhncn  sie  iu  der  NfUic  der  südwestfälischcu 
Marai,  denen  sie,  wie  Bnicteri  und  Tubanies,  Hülfe  bringen  (Tac,  Ana. 
I  51).  Im  J.  5B  sassen  sie  zwischen  den  Bructeri,  Tencteri  uud  Chaiteii 
{An».  XlII  56).  Westraün.sleriand  haben  sie  also  wahrscheinlich  im  J.  8 
V.  Chr.  oder  doch  vor  4  n.  Chr.,  spätestens  aber  5t>  n.  Chr.  gerüumt  Dann 
zogen  sie  südlicher  in  das  Land  zwischen  Sieg  und  Lahn  und  treltn  im 
J.  69  neben  den  Chatti  und  Mattiaci  bei  Mainz  auf  (//*>/.  IV  37),  walir- 
schcinlidi  vun  den  Römern  in  dieses  Greiizland  gerufen  —  sie  waren  im 
J.  Ö3  romisch  {Agr.  2i>)  — ,  und  hier,  in  Nassau,  neben  den  Chatten  und 
sftdoslhch  von  den  Tencteri  sitzen  sie,  ftieder\im  frei  geworden,  noch  im 
J.  98  {Germ.  3i)  und  gehören  von  Bcgimi  des  2.  Jalirlis.  bis  Mitte  des 
3.  Jahrhs.  zur  Pro\*inz  Belgica  prima  {Vemtmer  l'olktrtaftl).  Si>3ter  hören 
wir  uichLs  mehr  von  ilmen.  Sie  müssen  sich  also  als  selbständiger  poliliscber 
Verband  aufgelöst  haben,  iiidtim  sie  sieh  den  Chatten  angeschlossen  haben. 
Spraclitid)  scheinen  sie  mit  den  Nassauern  Identisch  zu  sein. 


d)  Die  Siebenbüiger  Saelisen. 

ti.    D.    Tcuiscb.    Gatlikkit  dtr  SübtHhürgrr   Sarhitti^,  Leipzig  1874.  — 

Schwicker,    />*>   Drulichm  in   Vngarn  und  Sifbtnbürgrn    \I)ie   l'iilkfr    Oetter» 

rrick-Ungnrn.\,  elhno^ttphiuhr  und  tu/Jur-fiisliirisirhf   .Sfhildrrtingni   III).    Wieo 

und    TeAihen     1H81.   —    tTh.     F.     Mniirt-r,    Dir     BexHu-r^^ri-i/uttf;     SiritrnbürgrHr 

Junh  di^  Jas  Lattd  jcttt  br-.f  ahnenden  Xalionru^,  Berlin    l8»2.  —  O.   Kcintzcl, 

Ober    die    lUrhnnft    der    Sirbenbiirger     .'Sachsen,     (Prtigr.)    BiitriU    IÄ87.    —  A. 

Scbtvl,    Die  Siebeniürgi-r  S<uhM!ti,    Prag  o.  J.  (1887].    —    R.    Bcrguer,    Dk 

Ffa^  dtr  SieheHbitr^r  Saihien,  'Wcim«    i8qo.  —   Fr.  TcutBcb,  Die  Art  der 

AtiSiedeUing  dfr  Siebrrnbßrger  Sai-fuen,  in:    Beitnige  titr  Siedeliings-  und    l'olkt- 

künde  dtr   SifbmbGrger   Sachitfi.    brag.   v.    A.    Kirchboff,    Stuttj^rt    (895,    S. 

I— ZO.   —  G.  D.   T«ulsch,    GfKhieki€  dtr  Stebettbürgrr  Stichse»  /är   das  tdck' 

stftrhr  loit\  2  £dc.    Lcipci^  1899. 

(^  204.     All  dLT  Kolonisation  des  Gclürgsrandes  vun  den  Sudeten  bis  zu 

<len  Kaqxiten    haben   sich    auch    Moselfranken    beteiligt.     Wie   weit    kleinere 

BruchleDe  unter   den    nordungarisihen  Kulunisten  (Jj  230)  vurlianden  wäre», 

bleibt   einstweilen    dahingestellt '.     Fast  aus&chlicssUcIi   aber    moselfränki.4rher 

Herkunft*  sind  die  Siebenborger  Sachsen  ^  welche  1141^1211  eingewandert 

sind.     Eine  Linie  von  Schlssburg  westwärts,    nürdlich   von  Elisabeilistadt   bis 

Blasuniluff,    von  hier  südwärts  bis  westlich   und  südlich  von  Hennannsuidl, 

dann  Ober  Fügarasdi  unil   üstlich   und  nördlidi   von  Reps   nach   Schassburg 

zurück,    umschliesst    die   gr<lasie    deutsche    Sprachin.sel.     Im  Burzenlande    ist 

Kronstadt  und  Umgegend  und  der  Stti(.h  von  Törzburg  über  Zeideu   nord* 

wflrLs   an   der  Aluta   bis   über  Marienburg    hinaus   deutsch;    im  NOsncrtande 

Bistritz  und  Umgegend  südwestlich  bis  Sl.  Georgen  und  südlich    bis  Teken- 

dorf.     Die  Einwanderer  tiaben  si<:h  in  einem  UrviaUl  nieilergciassen,  den  .sie 

ausgerodet  haben.     Sie    hatten   eine   eigene  Verwaltung.     Wir   unicrecheiden 

drei  GrupiKtn:  die  Nösaer  (Blstritzer),   die  Herraannstadter  und  die  Burzen- 

lander  (Kronstädter)  Gruppe.     Die  Xüaner  scheint  die  älteste  zu  sein  (erste 

Hälfte  des  12.  Juhrlis.).     Die  Bunsenlünder  ist  die  jüngste  (iJill — I22,s).  emc 


Ansiedlung  des  Deutschen  Ritterordens,  ^lan  uiilersvhied  gegeu  Ende  des 
12.  Jahrhs.  jüngere  F.inwanilcrcr  vc^ii  alteren.  Die  Ansiedlung  erfolgte  dorf- 
weise und  gruppenweise.  Die  einzelnen  Gnipjien  bildeten  Markgenossen- 
schaften. Ihre  Vcrschmelzunfj  zu  einer  eigenen  Naliun  beginnt  seil  1224. 
Neue  Einwanderungen  folgten  1734 — (>2  ans  Sal/hurg  und  Österreich,  1749 
—72  aus  Baden- Dvirbch  und  1845 — 46  aus  Schwaben*. 

'  Kt'inl/rl  iiiimtit  aii,  iIiijm  niw  ersten  deuUcbcn  KolunUlea  üvt  Zip«  .  » 
vrohrKcheinlich  gl»ch/.ciiig  mit  dem  Siebenbürgcr  Sachsen  >uni  die  MitU  des  12. 
Jabibft.  ehenrall«  vom  mittclfränkisclicn  Gebiete  ,-iijsg(yu-andcrt<  sind  (S.  52),  imd 
dau  spiteT  eine  thüringiach-schlcsischc  Einwanderung  hiimifrckointnei]  iaL  —  ■  Über 
OrtBnamen,  die  auf  das  oldcnbur^iscbc  Maosterland  zurQckwdsen,  vgl.  Jb.  f.  d. 
Gescb.  des  MeT/o^^ums  Üldmburg  IV  (1895)  tJ9 — 141,  —  '  Auch  fianärfntrs 
getunnl  (§   19t).   —  *  Kr.  T[eut8ch],  Im  HttuH  Riith  1872,  S.  855 — 868. 


5.  Chatten. 

H.  B.  Wenck,  ffeuische  laftdagfsihichu  I.  n  I,  Damtsudt  und  Gieswo  1783^ 
89.  If  2  Frankfurt  und  I-eipzij;  1797.  —  Zeil««  04—99,  37  f.  und  345 — 348.  —  J. 
Grimm.  OVaA.  J.  dt.  Sprache  %ft^ — 395.  —  Ph.  A.  K.  Walthct,  LittrarücKis 
lianiihHck  für  CtahUhie  und  Landeskundt  von  Hesun  im  Altgtmeitwn  und  dftm 
iiroiihtrzoglhum  Hrsan  huWsonderf,  Donnttatit  1841;  dazu  3  St^>})]aneau  bU 
IÖ69.  —  G.  Landau,  Beahreibung  dei  Gauts  Wfltcreibv,  Ka»scl  1855.  —  ü, 
Landau,  Beschrribting  drt  firss^ngaues,  Kaascl  1857;  jrwetlc  Ausgabe,  Halle 
1866.  —  H.  Pfistcr,  Über  dm  .hnlltschen  und  tiettruhr»  \nmen  und  dir 
älteste  tjew.hirhir  dti  i-hatlitchen  Stammes^  Ka^^H  ]868.  —  W.  KellneT.  CMnilrti 
und  Hnien,  Zs.  f.  PreusA,  {ji^mJi.  u.  T^n<le>kuni)e  VII  (1870)  4^5 — .142  und 
Aivb,  r".  neuere  Spiathen  XLVIII  (1871)  85 — 174.  —  H.  Pfisier.  Ürher  die 
sprairhlühe  tirrnte  der  Ckallm,  Zs,  d.  Ver.  f.  hess.  Gi-sch.  N.  F.  IV  (1873)  II7 
— 141,  —  W.  Arnold,  AmteilelMugt-n  und  IVamierungrn  detttaher  Sttfmme, 
ZtiHuüt  Htuh  AetsuiAen  OrtiHomen,  Marburg  1875.  —  K.  v.  Pfinter,  Chatrtaßtc 
Stammeskutide.  Kassel  188a.  —  Chr.  Roth,  Öeifhühle  von  ßfntm,  a.  AuB, 
von  C.  V,  Staraford,  Kassel  1886.  —  A,  Dunckvr,  Geu-huhie  der  Chatten  (2«> 
d.  Ver.  f.  bw»,  Gwcfc.  u.  f-andrak.  N.  F.  XIII  235— 597),  Kawl  1888.  —  H.  v, 
Pfister,  Anhang  tue  Cftaltiichru  Stnmmei-Kunde,  Ka^kcl  1888,  —  Fr.  Scclig, 
Der  jVame  iHearn-  und  ȟls  Challenlnnd  (Hi^ssenland  m  Xr.  23  und  23I,  Kawel 
1889.  —  H.  V.  Pfiater,  Über  Veru hiebung  .hiitlisiher  Sitir.  Darmatadl  o.  J.  [1890]. 
—  Fr.  MUnscher,  f^j,hrthte  van  //ei.\en,  Maitiitru  1^94,  —  (t,  Zip]>el,  DrHtstrie 
VUlterbrwegungtn  in  der   JSihnrrteil,    Pmgr.,    Kruiigsbcrg    1895,  S.    12 — 19. 

§  205.  Die  Zugehörigkeit  der  Chatten  zu  der  fränkischen  Stanimeügnippc 
ist  sicher  bezeugt  f!»  158).  Von  den  Chatten  liaben  sich  die  nicderrheinischeu 
Bata^-i  und  Chattuarü  abgezweigt,  al*j  Niederfranken.  Die  Chatten  creclictnen 
femer  im  J.  70  n.  Chr.  im  Bunde  mit  den  fränkischen  Usipi  (Tac,  //isf.  IV 
37)^  im  J.  jijj  als  Kranken  an  der  Seite  der  Am[)sivarii  (Gregor  v.  Tour» 
H  9),  und  zu  Anfang  des  '1,  Jahrhs.  gehörten  sie  zum  ripwarischen  Reiche 
(§  192).  Die  Hessen  werden  aucli  s^iüter  Franken  genannt;  ihr  Stammland  wd 
im  8.  JahHi.  »FranoDrum  pagtLs,  qui  didtiir  Hassi«  oder  »pagus  Hcssi  Fran- 
conicusc  genannt,  und  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  werden  die  Hessen  und 
Sachsen  aU  »Frand  et  .Saxont-j»-  imterschieden  (Zeuss  547).  Von  den  svre- 
bischen  Stammen  werden  die  Chatten  sowohl  von  Strab^n  (VII  29«)  aU 
VMi  Tacitus  {Gtnit.  58)  unterscliiedeo  (vgl.  auch  Diön  LV  r,  2),  und  ihre 
Feinde  waren  die  swclrischen  Hermurduri  {A»u.  XIII  57).  Über  Pltnins,  der 
sie  (IV  09)  zu  den   F-nnincn  nrlmet,  s.  oben  S.  K12  Anm.  und  unten  S  5l6. 

Anm.  Die  noch  bruic  \<m  nKinclien  (^«teilte  MtimiDK  von  Zeus»  94  untl  J.  Giiniiu 
569,  dass  unter  den  Swcbt-ti  Caesars  Chatten  lu  verstehen  seien,  entbehrt  jede«  jVnbalts. 
Vgl.  Wmicriih,  S.  35—37;  A,  Riese,  Rlidn.  Mu*.  N.  F.  XLIV  335;  R.  Mach, 
PBB.  XVH   isr.  lind  24;  G.  HoU,  S.  12  f.;  G.  /Ippcl,  S.  17  und  26  f. 

§  20O.  Die  Chatten,  ein  mächt^:«  Volk,  das  Stammvolk  der  nieder- 
rheinischen Batavi,  Canncnefates  und  Chattuarü,  Verden  zuerst  zum  J.  11  v. 


rn,  E,  5.  Chatten. 


913 


Ciir.  als  Scidnarhham  der  Si^mbri  am  Rhein  genannt,  also  in  Nassau 
(Diün  LIV  33,  2  unJ  4).  Sie  erscheinen  hier  als  die  Nachfolger  der  UbÜ 
Caesars  und  können  erst  im  J.  38'  eingerückt  sein;  denn  in  diesem 
Jahre  wurde  das  Land  frei  durch  die  ÜIjerfQhmng  der  Ubii  auf  das  linke 
Rheinufer  (§  i(X)).  Sic  liaiten  das  uhische  Land  nach  dem  Willen  der  Rö- 
mer in  Besitjc  genitmmeD,  »fj»'  oiicetf  jzayi'i  'Vojftaitav  eü,i)ff£aQV-  (Diön 
LIV  3(1.  3),  und  diese  rhcinisclien  Cliatli  begaben  »ich  offenbar  in  ein  Ab- 
hängigkeitsverhältnis zu  Rom,  wJlhrend  die  übrigen  Chatten  frei  blieben. 
Erstere  blieben  in  Nassau  bis  zum  J.  1 1  v.  Chr.  Im  folgenden  Jahre  hatten 
sie  den  Landsiricli  zunächst  <les  Rheins  verkissen  (ebd.),  ersiihtlicli,  \m\  sich 
der  römischen  Herschaft  zu  eimielieti,  und  wühl  durcli  den  Hinfall  der  Su- 
gambri  (LIV  3,1,  j)  veranlasst.     Nassau  wurde  usipisch  (§  203). 

Das  Stammland  der  Chatten  niuss  in  der  Nachbarstliaft  von  Nassau  ge- 
sucht werden.  Da  zur  Zeit  Caesars  östlich  von  den  Ubii  das  Land  swebuch 
war  (3.  die  Karte  zu  S.  7<y')'  *"  '"üsisen  die  Chatten  vor  dem  J.  38  ^  uOrd- 
Ucher  gewohnt  haben  und  zwar,  da  Westfalen  (im  J.  ij  v.  Chr.  bis  zur 
dieniskisdien  Grenze)  sugambrisch  war  (s.  die  genannte  Karte  und  Karle  III 
XU  S.  808),  Hütwcndig  In  dem  Gebiete  zwischen  der  oberen  Lahn  und  der 
Diemel,  insbesimdere  an  der  Eder,  wo  Tacitus  {Ann.  I  ^(j)  zum  J.  15  n. 
Chr.  ihren  Hauptoit  Mattium  nennt.  Man  «iarf  demnach  Niederhe-ssen  be- 
reits für  die  zweite  Hälfte  des  1.  Jahrhs.  v.  Chr.  als  das  Stamraland  der 
Chatten  aJisehen.  Auf  eine  frühere  nördliche  I  Idmai  bi  Westfalen  weist 
vielleicht  die  Abzweigung  der  Batavi  und  der  Name  der  Chattuarii  hin  (Ü  181). 
1  bc«w.  ig  (§  Hiq  Noip), 

Anm,  Im  J.  9  v.  Chr.  unttTwiirl'  Drusus  die  Chnllen  unil  nUilann  das  t>enw:hl>artc- 
LxxtA  Siiebia,  '»«nff/Äev  .^(«Ic  tt  f^  Xt^oftutida  fitiiart}  tcai  lör  Ovieoeg;'Of  Siaßac 
^iaae  itiXQ^  *<"*  'AKßtov^  (UiBn  LV  i,  2).  Dilrlte  ninn  iliciw;  Anifübeii  wörllkli  ver- 
sieben, so  wüntc  NivtlerheMtMi  iiu-ebihdi  gewesen  »ein;  d^^oa  die  Kcihcnfulgc  ist  Ctutten, 
Swelwii,  ClieniHci  und  diinn  erW  die  Übcrscbreitung  der  Wncr.  Dnuus  wird  al«r  viel- 
mebr  DAcb  der  Bcsici^uag  der  nn  der  Fulda  zu  siictio&di.-ii  Swi;l>en  um  liiikra  FuldjuiTer 
abwärts  mtUK^hiert  und  liier  winler  durch  diattiMiies  Gebiet  >;ekonuncn  &eiu,  bt.'voi  er 
nJlrillicb  der  Uicmel   >,i(^i>c  lijr  XiottvaxiAu  fintattj-, 

§  J07.  Die  Grenzen  der  Cljaiien  haben  sich  f^eit  dem  J.  lü  v.  Chr.  bis  in 
die  (xwr  Jaltre  des  3.  Jahrlis.  n.  Chr.  nur  gegen  Osten  und  Süden  wesent- 
lich verschoben.  Die  Ostgrenze  ihres  Hügellandes  bildete  der  saltus  Her- 
cynius  (Tac,  (7emr.  30),  Caesars  (Ä  G.  VI  10)  silva  Bacenis.  Hier  muss 
der  Salzfluss  gesucht  werden,  der  die  Grenze  gegen  die  Ilenimnduri  bildete, 
und  um  desseik  Besitz  willen  im  Sununer  .5Ö  ein  Krieg  ausbrach  (Tac,  An». 
XIIl  57).  Diester  Flus.v  ist  die  Werra  (Zcuss  97  f.).  D;i  die  Chatten  eine  ver- 
nichtende Niederlage  erlitten,  so  war  die  Grenze  seitdem  westlich  der  Wcrra 
und  deckte  sich  offenbar  mit  der  histcriscben  hessisch/ thüringischen  Grenze 
(Kaufunger  Wald  und  ScuHngs  Wald),  welche  n(x:h  heute  die  Sprachgrenze 
bildet.  Vorher  müssen  sich  die  Chatten  den  nördlichen  Teil  des  von  den 
Sweben  im  letzten  Jaluzehni  v.  Chr.  verla-vsencn  (Ji  22(j),  v«»m  Urwald  bedeck- 
ten Landes  bis  zur  Werra  angeeignet  haben.  Ihre  Ausdehnung  nach  Süden 
bis  zum  Main  dürfte  man  aus  der  Thatsache  folgern,  dass  im  J.  6  n.  Chr.  die 
L^ionen  »per  Cattus  ejtcisis  continentJbus  Hercyniae  silvis*  nach  Bfihmen 
geführt  wurden  (Vell.  II  log),  wenn  es  sicher  wäre,  dass  die  Rrtuier  von 
Mainz  aus  den  Main  entlang  marsihiert  wiiren  und  nicht  etwa  von  der  Edcr 
die  Werra  aufwfirls.  Ob  die  Chatten  audi  im  Norden  gegen  die  Chcrusci 
an  Boden  geu-<mnen  tiabcn,  ist  mehr  als  zweifelhaft.  Ihr  Sieg  iui  J.  84 
(DiOn  LXVII  5,  l)  braucht  keine  Grenz  Verschiebung  zur  Folge  gehabt  zu 

Gennanucbe  Pttltologtc  111.  3.  AuO.  £0 


914 


XV.  Etbkocraphie  der  germanischen  Stamme. 


haben.  Nach  Tacitus  {Germ.  35  f.)  zwar  sollte  es  scheinen,  als  ob  das  che- 
mskischc  Gebiet  zum  gnjsscn  Teil  an  die  Chatten  gefallen  wäre.  Indessen 
selbst  wenn  nicht  ■■Chaucis  virtoribus«  für  •Chattis  victoribas«  (Gfrm.  36)  zu 
lesen  sein  sollte,  das  cheruskischc  Land  an  der  oberen  Weser  ist  jedenfalls 
an  che  Chauri  gefallen  (§  150,  i  und  7),  und  diese  Veränderung  der  Land- 
karte hat  auch  Tacitus  {Gtrfn.  35)  gemeint,  wenn  nach  ihm  »Chaucorum 
gen:»«  sich  von  der  Ems  bis  zur  oberen  Weser,  zur  Seite  der  Angrivarü, 
Dulgubnii  und  Chasuarii  ausbreitet  (s.  Karte  V  zu  S.  8(!i8),  Klonec  in  Cliattt« 
usquc  sinuctur*.  Sollte  den  Chatten  ein  Teil  des  cheniskischcn  Landes  zu- 
gefallen sein,  so  könnte  es  sich  h'irhstens  um  den  Streifen  an  der  Diemel, 
den  pagas  Hessi-Saxonicus,  handeln,  von  dem  es  nicht  auszumachen  ist,  ob 
er  nicht  etwa  frülier  cheruskisch  gewesen  ist  Sonst  aber  deckt  sich  die 
chattisch/cheniskische  und  dann  chaltisch/chaukische  Grenze  genau  mit  der 
s[j3teren  hcssisch/sachsischen  Grenze,  abgesehen  davon,  dass  das  Gebiet  der 
Diemei,  der  pagus  Hessi-Saxonicus.  später  an  Sachsen  abgetreten  wurde. 

S  20b.  Die  Chatten  haben  zu  den  gefürchteten  Feinden  Roms  gehürL 
Dnisus  gelang  es,  sie  in  den  J.  lO  und  f;  zu  unterwerfen  (Diön  LTV  36,  3 
und  LV  I,  2].  Dauernd  r^imisch  geblieben  ist  indessen  nur  dei  Teitstamm 
der  Mattiad  südlich  und  östlich  des  Taunus  innerlialb  des  Umes  (§  170). 
Die  übrigen  Chatten  waren  noch  im  J.  b  n.  Chr.  römisch  (Vell.  PaL  II 
icxj).  im  J.  15  nicht  mehr  (Tac,  Ann.  l  55  f.).  Sie  hatten  die  Varus-Sclilacht 
mit  geschlagen  (ebd.  XII  27)  und  waren  seitdem  frei.  Germanicus  besiegte 
sie  im  J.  15,  ohne  sie  zu  unterwerfen  (vgl.  ebd.  11  7  und  25).  Besiegt 
wurden  sie  später  noch  öfter,  so  im  J.  41  (Diön  LX  B,  7)  imd  im  J.  51 
(Tac,  Ann.  XII  28).  In  diesem  Jahre  ist  ihr  erstes  Vordringen  gegen  den 
Rhein  bezeugt:  ain  superiore  Germania  irepidntum  adventu  Cliaitoruin  lairo- 
cinia  agitantium«  (Tac,  Ann.  XII  27):  gegen  sie  boten  die  Römer  die 
>auxüiarcs  Vangionas  ac  Nemetas*  (ebd.)  auf;  alsi>  der  Schaujdatz  Ut  bei 
Mainz  zu  suchen  (vgl.  auch  ebd.  28).  Im  J.  70  belagerten  sie  mit  den 
Mattiaci  und  Usipi  Mainz,  wenn  auch  ohne  Erfolg  (Hisf.  IV  37).  Numnehr 
hören  wir  —  von  dem  Kri^e  im  J.  S3/84  imd  von  ihren  Verwicklungen 
mit  den  Chemsd  abgesehen  —  ein  volles  Jahrhundert  nichts  von  ihnen. 
Welche  Fortschritlc  sie  aber  inzwischen  gemacht  haben,  lehrt  das  Jahr 
172,  in  welchem  >Catthi  in  Gejmaniam  ac  Raetiam  inruperantt  (Capito- 
linus,  K/Va  M.  Anhmni  phUos.  VlII  7).  Sie  waren  also  weil  südlich  über 
den  Main  vorgedrungen.  Das  Lalintlial  und  die  Wetterau,  seit  Trajan  n^misch, 
gewannen  entweder  die  Chatten  oder  die  Alamannen  (§  222)  —  gegen  beide 
halten  die  ROmcr  schon  im  J.  213  zu  kllmpfcn  (Riese  S.  185)  —  in  den 
sechziger  Jahren  des  3.  Jahrhs.,  damals  auch  das  Gebiet  der  innerhalb  des 
limes  wohnenden  und  romanisierten  Mattiaci  im  Rheingau  und  Ostlicher. 
Denn  nur  einer  von  diesen  beiden  Stämmen  kann  unter  den  barbaris  ver- 
standen werden,  vun  welchen  die  dvitate.'i  -Usiporuin.  Tubantmn,  Nirtren- 
sium,  Novariesii,  Casuariorumc,  die  vin  formulara  Belgicae  primae  redactae« 
waren,  «-sub  Gallieiio  iniperatore  .  .  occupaiae  sunt«  {l'etvneser  tV'/Jtrr' 
tnfel).  Von  diesen  Stammen  haben  u-ir  die  Usipi,  Tubantea  und  Chasuarii 
am  Westerwald,  in  Nassau  und  in  OI>erhessen  zu  suchen.  Die  Novariesü 
shid  ujibekaunt,  auch  die  Lesart  ist  tücht  gesichert  Die  Nictrcnses  sind 
entweder  mit  den  westerwäldischen  Xistre^i  des  8.  Jahrhs.  (an  der  Nistra, 
einem  linken  Zufluss  der  Sieg;  Bonifatius,  Ep.  44)  identisch  oder  mit  den 
von  Zangemeister  (N.  Hcidelb.  Jbb.  III  [1893]  l — 16)  nachgewiesenen 
Suebi  Nicretes  am  unteren  Neckar.  Die  bei  Mainz  um  die  Mitte  des 
3.  Jahrhs.  erscheinenden  und  über  den  Rhein  vordringenden,    aber  von  den 


III,  E,  5.  Chatten. 


015 


Römern  besiegten  Franken  fV'opisrus,  J'i/a  AioY/iani  j^  i)  werden  wohl  am 
ehesten  Chatten  gewesen  sein.  Zweifelhaft  ist  dies  aber  für  Kiwoi,  die  zu 
Beginn  des  zweiten  Jahrzehnts  des  ,v  Jalirhs.  mit  Alamanncn  von  Rom  be- 
siegt ^*-urden  (Diön  LXX  14,  i).  Die  letzte'  historische  £ni'aluiung  der 
Chatten  findet  sich  zum  J.  y^z.  In  diesem  Jahre  zog  Arbogast  von  Deutz 
nach  Norden,  nach  Hamaland,  verwüstete  das  Gebiet  der  Bricteri  am  rechten 
Kheinufer  und  traf  im  Bergischen  »pauci  ex  Ampsivariis  et  Catthis '«  —  vor- 
her werden  sie  Franken  genannt  —  »Marcomere  duce  in  uSleriuribus  colUum 
jugis«  (Gregor  v.  Tours  II  9).  Wir  ersehen  daraus,  dass  das  von  den 
Chatten  eroberte  Lahngebict  politisch  als  chaltischus  Land  galt.  Die  Chatten 
beherschten  also  um  das  Jahr  400  die  g-.inzc  liciitige  I'rovinz  Hessen- Nassau, 
ob  auch  das  Land  südUcli  des  unteren  Main,  ist  zweifelliafL  Unvennischt 
chatlisch  blieb  d:is  Stammland  Niederheasen.  Im  Westen,  an  der  Lahn,  hatten 
sich  die  Kruberer  mit  der  den  ripwarischen  Franken  nahe  stehenden  unter- 
worfenen Bevölkerung  der  Chasuarii,  Tubantcs  und  Usipi  gcraisclit  (§  200), 
und  dem  entsprechend  ist  auch  die  Sprache  an  der  Lahn  eine  andere  als  in 
Niederhessen  {§  2<y}). 

Die  folgenden  Jahrhunderte  kennen  den  Namen  Chaiti  nicht  mehr.  Fran- 
ken haben  seit  dem  5.  Jahrh.  das  linke  Rheinufer  in  Besitz  genommen.  Wie 
weit  etwa  Chatten  an  der  Besiedlung  des  Mosdthaics  beteiligt  waren,  wissen 
wir  nicht  Die  allgemeine,  schon  von  Zeuss  vertretene  Annahme,  dass  die 
Mosclfranken  Chatten  seien,  entbehrt  jedweder  liisturüchen  Unterlage.  Vgl. 
auch  üben  S  200.  Ripwarigchc  Franken  sind  es  gewesen,  die  seit  dem  5. 
Jahrh.  ihre  Herschaft  nicht  nur  Ober  das  Moselthal  sondern  über  Hessen 
selbst  ausgedehnt  Iiaben;  um  500  bildete  Hessen,  wie  es  scheint,  einen  Teil 
des  ripwarischen  Reiches  und  wurde  mit  diesem  zu  Anfang  des  6.  Jahrhs. 
von  Chlodwig  dem  grossfriLnklirhen  Reiche  einverleibt  (§   192). 

1  \'<tm  Ende  ile«  4,  Jiihrhs.  bis  Itflllc  <le«  5.  Jnhrhs.  wenlen  ClintU  noch  rou 
Claudiänus,  Dir  d.  Gotk.  419,  Ornsiu«  VI  l\  und  SidonJu«  Apolltnarls 
VII  388  genannt,  dcxJi  nur  n.-icl)  den  früheren  SchrifUtclIem.  —  >  Wormatall 
\q{,  vermutet  wqi;cn  dci  nürdlicIicQ  Laf;c  Cbattuarii. 

Anm.  All^meto  setzt  m&n  nm  bcidcs  Namens  willen  c]en  thüringiscb-slchabcbeti 
Hessegau  (belq;i  seil  Hem  8.  Jahrh.)  su  den  Heuen  in  Vcrhinduiig  und  denkt  d»bd 
an  die  >Sue\'os  et  nlüw  grnlrs«  (Gregor  v.  Tour»  V  15),  wrltW  568  nördlich  der 
unteren  Unitinil  anRcmcdclt  wurden.  Die  Älteren  Bcl(^  (10.  Jahih.)  für  den  Ha«eg»ti 
(^gl.  H.  Grösslcr,  Zs.  d.  JHarzver.  VI  [187^]  267ff.)  schwanken  zwischen  Hattest  -»"•,  •«-, 
•in-  untl  Jfoi',  Ifo.%jir-.  Ich  hnlti;  lUrur,  iUlm^  das  Schwanken  der  Schreibung  zwüxJien  a  und 
o  auf  jjcnn,  au  hinweist  (vgl.  g  143  Anm,  3)  und  st  aus  hi  enutandca  tu.  und  nehme 
an,  dius  der  Name  >Hcx:h-Sce-Gau'  bedeut^M  und  «m  dem  hoch  (jelej^ucn  Süssen  See 
(Hoch-See)  oder  beüxer  von  dem  an  diesem  See  ^legencn  HoisHcjburg  {Ann.  MtH.  748, 
heute  Se^bitrg)  hertulclien  bt.  Vgl.  W.  Seeimnnn.  Ndd.  Jbb.  1886  XU  (i88r)  58—64. 
§  209.  An  Stelle  des  Namens  Chalii  tritt  nach  einer  Pause  von  mehr 
als  drei  Jahrhunderten  der  seit  720  orter  738  (739?)  regelmilssig  belegtei  Name 
J/assi{t),  Ilesiifi)  oder  lUuonts.  Diese  Hessen  sind  historisch  »■ollliomraen 
identisch  mit  jenen  Chatten,  und  deshalb  ist  es  a  priori  glaublich,  dass  Htssj 
nur  die  jüngere  Sprachfonn  für  älteres  Chaiti  Ist".  »Die  Hessen  sind,  ausser 
de«  Friesen,  der  einzige  dcutsdie  Volksschlag,  der  mit  behauptetem  altem 
Namen  bfe  auf  heute  unverrflckt  an  derselben  Stelle  haftet,  wo  seiner  in  der 
Geschichte  zuerst  erwjilml  wardc:  >.  Die  Grenzen  des  hessischen  Laiules  decken 
sich  genau  mit  denen  des  allen  Chattenlandes  seil  den  60er  Jahren  des  3. 
Jahrhs.,  und  wiederum  erscheint  als  das  he.wisrhe  Kcmland  Niederhessen. 
Der  pagus  Hess!  [TraäJ.  Cork),  der  Franconun  pagus,  qui  dicitur  Hassi 
(PoCta  Saxo  zum  J.  774)  imifasste  das   auf   Karte   VI    (zu   S.   8()8)   abge- 


9t6 


XV.  Ethnographie  der  geruanischen  Stauue. 


grenzte  Gebiet.  I)ie  nieclerh essische  Mumhrt  hebt  sich  von  den  na.säauL<tch- 
wetterauisch-oberhessischen  Mundarten  scharf  ab,  besemders  durch  die  muno- 
tone  Ausspradic,  die  Xicht-Diptitliongtcrung  des  alten  I,  ü  und  /?,  die  Be- 
wahrung des  alten  fi  (bezw.  >  ij",  i)  und  ou  (bezw.  >■  ö)  gegenüber  süd- 
lichem ü  in  beiden  Fällen,  die  Erhaltung  (bezw.  >  w^')  des  auslautenden  be-' 
tonten  u  und  den   Abfall  des  auslautenden  unbetonten  n. 

>  Iklcgc  bU  mm  J.    1263  bei  Kellner  432 — 434.     Urknndlidi  aä  Chassnx 
in  LotbrinRcn  Khon  im  J.  699  (Arnold  203). 

*  Die  spiachlifhc  Gltichst-izuni;  di-r  Chatti  mit  den  dessen,  welche  scfaoor'j 
Zeus»  (96  Fusünnte  nnd  347)  bestriUen  hat  uati  n<;ucrdin^  besonder»  W.  Braune' 
(IF.  IV  341  —  351),  Iflssl  »icJi  wnbl  aufrecht  erhnIteD.  Zum  Umlaut  vgl.  den  st^rr--) 
Üadiscben   Keim 

'linnt  der  Hlss 
mcr  cm  lange  älSM«. 
Ich  leizc  einen  Itonsonaatischen  Stuntn  an  mit  dem  PI.  anf  gcrm.  -li.  LaU  /  giebt 
bclcanntlicti  sowohl  (•rrrti.  /  rIs  /  wieder,  in  diesem  Falle  nm  «•  mehr  /,  ab  die 
Schreibiirij;  (WA»  «luK'h  Suctoiiiiis  {DcmUianus  6  und  VitfUiui  14).  Capito- 
linux  {Vifa  At.  Anlonini  Jthiloi.  8,  7),  Gregor  v.  Tour>  {Hut.  Frum:.  Hg) 
»nd  die  scholta  zu  Juvi^iiaUs  (IV  144)  ln-zcugt  i«.  Mit  Rtclit  vergleicht  K. 
Millleiihoff  (ZrdA.  XXIII  7)  kell,  -foss,  =  -iappi  uiid  sel/l  H.  Nffiller  (PBH. 
VII  460)  pp  als  Vorstufe  von  gcnn,  si  an.  Dies»  jj  kann  sehr  wobl  schon  t.w 
einer  Zeit  cmuctrclcti  sein,  als  man  noch  nach  di-r  alten  Trailitinn  fortfobr  CkaUi 
fix  schreiben ;  vgl.  ilie  sich  lanue  haltende  Schreibung  Surbi,  als  man  schon 
ä  fUr  £  sprach.  Mit  Sicherheil  ist  also  die  Aiisspi.ichc  //  nur  für  da«  aiiseebeode 
I.  Jahrb.  V.  Cbr,  voraus/usotzcn.  Dm  m  uwlorn  Wörtern  thataScblldi  vcrlie^i-ndc 
ßemeingerin.  //  ist  jüngeren  Untpniniis,  Es  steht  zxini  Teil  wentgiiens  ücha  für 
Ä/;  die  andern  FÄälc  sind  nicht  .-lufgekUrt  (vgl.  oben  S.  J*i6).  JedeofoUi 
sich  nicht  bL-\i-eiscii.  doss  Uns  historisch  vorliegende  ffi  schon  um  Chr.  Geburl  be-' 
iiandcn  hat  und  Vertreter  eintT  idg.  Vcrtnndung  /  -^  /  ist.  Andrerseits  ULsai  sich 
die  durch  den  Namen  Chtttti  gcforücrtc  Annahme,  das<s  dns  gcrra.  xi.  der  Vertreter 
von  idg,  f  -^  t,  um  Chr.  Geburt  hU  f>p  gespnxrtieti  wurde,  nirht  wiederlegen,  weno 
•te  sich  begreiflicherweise  auch  sprachgcscbichtlicb  nicht  bevreiitec  lls&t.  Vgl.  in* 
dessen  JÜr  den  gelbrdcrtcn  Lautwandel  // >  jj  L.  van  Hcltcn,  Tijdscbr,  t,| 
Nedld.  loal-  tn  lettcrk.  1896,  S.  79  T.  \asem  <:itussem<^'nppam  neben  tultm' 
<;  *Aäam).  Die  einzige  Schwierigkeit  bietet  der  von  Chatti  abgeleitete  Name 
Cßtatluftrii,  dessen  Geminaia  im  Silbciuiu»laui  beew.  vor  dem  w  {Chatl'Van'i  in 
te.  HeUeare  zw  t  vereinfacht  ist,  wie  auch  hd.  Hazsoani  ein  /  vonuueixi;  vgl. 
auch  den  ndd.  LamlMbalciinanien  Halttrtm  =  pagtts  Nalttianettsts.  Wiederum 
muss  aber  betont  werden,  dass  lür  ein  urgcrm.  //.  alsn  auch  für  die  Vcreinfincfaun^ 
von  fp  kein  sicheres  Beispiel  vorliegt,  und  wenn  aoch  eher  P  zu  erwarten 
so  kann  nmu  doch  »ndn-rsrits  diiK  [MwUilierte  f.  lrul2  des  jüngeren  LanlwandeU 
von  pP'^fi,  auch  nicht  für  urmii'i^lii.h  irklitren,  niiil  vielleicht  liegt  in  dem  qiAtetm 
t  danselbe  t  <^  p  \yix  wie  im  Atdaui  in  ßoi%pieleii  wie  genu,  p^cmgjin  neben 
ttüingan  >  nhd.  twi'ngen  oder  gut.  pwairfis  >  nhd.  swrrch-  oder  grrt.  pvtiAu»  > 
nhd.  itn-AU.  J/atzaarii  <CChal(uarü  v'ic  alkA.  gaun  K^fofi.  galu-ö.  Ndd.  Ifat- 
ttrun  <  'Ilatitcrun. 

6.   Rhcinfranlcen   und  Ostfranken. 

Kbcinriankeu:  Zenas  333  f.,  338,  346  f.  und  349  f.  —  W.  Arnold,  Ai»- 
iieJ*lungtn  uitj  Hamterungen  dtutnAcr  Sltirnme.  Marburg  l8*;.  ^  H.  v.  Schu- 
bert, Du  Unter-Kfr/Mtig  dtr  Alamannfn  utitfr  dit  Franitn,  Di^t.,  StruKbur]g  18S4. 
—  Fr.  Vogel,  Cklc-dteig't  Sirg  über  Jü  Alairtannrn  nnJ  aint  Tauft,  Hiit,  Ta.  LVI 
(18Ü6)  385 — 403.  —  Br.  Krusch,  Chlodoi-n-hi  Sirg  fthrr  du  AitmaHnm,  Neues 
jVrch.  d.  lies.  f.  filtere  deutsche  Geschieh cskundc  XU  {18S;)  289 — 301.  —  H.  N. 
Witte.  Dftilifke  und  KclIarQmanen  in  Lothringen  nach  der  V'öittrvandrrHng. 
Sirassburg  1891.  —  H.  Wiiic.  Das  drutsfhf  Sprachgebiet  tj>thringms  und 
ittne  Wandelungrn  von  dtr  Frstsfeilung  der  Sprnehgrente  bis  r«<w  Ausgang 
des  16.  Jakrkunderti  (For«h.  /.  dt.  Lawle^.  u.  Volkskunde  \^^  <>),  Stuttgart^ 
18O4.  —  ^'  Rusch,  Chlfidwigt  Aiamannen-ieMtfht.  2  Teile,  l'mgr.,  M.-Glad<vJ 
hoch    1894.   95.   —    W,  Schullzc,   Dfe  /rtinki^-hrn  (imte  Badens.  Sluttgnil  |89C>.T 

Oslfrankcn:  Zeuss  346  f.  und  349.  ■ —  Stein,  liemerkungen  üher  Benenn- 
nung,     Umfang,    Marken   und   Naihhargotn   dei   Grttbfrhie*    nneM    dm    fCUal 


III,  E,  6.  Rheinpkankeh  und  Ostfranken. 


W 


F^idiscfien  Tradüionsurhtnden ^  WürtbuTE  187a.  —  Stein,  Der  frSnkheke 
Saalgau  nach  d<n  Kloster  Fuldisrhen  TradÜiOPU-UrkUHiien,  Aith.  d.  bist.  Ver.  i, 
Untcrfninkcn  u,  iVschaffcnburg  XXI.  —  Fr.  Stein,  OstfranJten  im  uknten  Jahr^ 
hittuhri.  Forsch,  t.  dt.  Gesch.  XXIV  (18S4)  123—152.  —  der»«  Die  oU/rdN- 
kisehen  Gaue.  Arch.  d.  hist,  Vcr.  f.  Untcrfrankcn  und  Asch&ffcnhiirg  XXVIII 
(1885)  317— 3;6,  —  iUts.,  Geu-hithte  Frankem.  2  Bde..  Schwcinfuri  1885.  86. 
—  K.  Wcllcr,  Dir  An.fiedliingfg'-ichi4-/ite  dn  zpiirttemhrrgischen  Frankem  reekis 
vom  AWkar,  "U'ilrtteiiilij;-   Virrrclj.-iliriihrftif.  N.  F.  III    i8q^,  S.   1  —  93  und   455. 

§  Jio.  Ntcdcrh essen  s*.iwit;  Obt-rhcsseii  tuid  Nassau  tcclmet  mau  nach  der 
Sprache  allgemein  zum  Rheinf rankisch eii,  indem  man  den  Stand  der  hoch- 
deutschen Laulverschiebunj;  zu  Grunde  legt.  Im  übrigen  aber  uiLterseheidel 
sich  die  Sprache  in  Niederliesscn  ganz  wesentlich  von  den  süddeutschen 
Mundarten  (§  zoi)).  Das  Oberhessischc  und  Wetterauischc  nOliert  sich  bereits 
stark  dem  Pfillzischcn,  und  letzteres  verlilugnet  nicht  eine  Beimischung  ala- 
mannischer  Mimdart.  Die  Mundarten  am  Main  und  südlich  bis  zur  elsflssi- 
schen  Grenze,  bis  mOtxIUcIi  vun  Stuttgart,  Us  Xnmberg  und  bis  zum  Fichtel- 
gebirge gehören  nucb  zu  den  mitteldeutschen  Mundarten,  die  siili  wcsendich 
von  den  i)eiden  HaupUwcigen  des  Oberdeutschen,  dem  Schwabisch-AIaman- 
nischen  und  dem  Baiilsi'hen  unterscheiden  und  initz  ihres  im  allgemeinen 
ausgesprochen  süddeutschen  Charakters  doch  geu'isse  Etgenttlmlichkeiten  mit 
den  rheinabwärls  gesprochenen  fränkischen  Mundarten  teilen.  Wir  unter- 
scheiden  neben  den  westlicheren,  rhein/ranklschen  MujiduUen  die  Östlich  des 
unteren  Neckar,  des  Odenwaldes  und  der  Khön  gesprochenen,  sehr  ver- 
schieden gearteten  ostfriinki sehen  Mundarten.  Diese  beiden  Gruppen  ent- 
sprechen tier  jjolilischen  Einteilung  in  die  beiden  Francis  genannten  Hcrzog- 
innier  Francia  occidentalis  und  Francia  orientaJis.  An  dem  zimi  Krmigreich 
Bayern  gehörenden  Teile  des  letzteren  hartel  noch  heule  der  Namen  Fran- 
ken.   Wir  haben  es  mit  jüngeren  |x>littschen  Gebilden  zu  iliun. 

Sä  211.  Die  Grenze  des  Frankcnreichcs  gegen  die  »patria  Suavnmm,  quae 
et  Alamanorum  patria»  vor  dem  J.  496  kennen  wir  aus  gotischer  Quelle  durch 
die  genauen  Angaben  des  Geographen  von  Ravenna  (IV  24.  26).  Hier- 
nach gehörte  Aschaffenburg  und  Wörzburg  und  ebenso  die  Pfalz  mit  Worms 
und  Speier  zu  Alamaimien,  zu  Francia  Rinensis  aber  der  Rhein  von  der  Main- 
niiln<lung  bis  zur  Mündung  mit  den  StAdten  Mainz,  Bingen,  Coblenz,  Ander- 
nach, Bonn,  Köhij  Neuss^  Xanten,  und  wir  niClssen  annehmen,  dass  sicli  die 
Franken  und  zn'ar  die  ripwarischen  Franken  wirkUch  hLs  nach  Mainz  aus- 
gebreitet haben,  die  romanische  Grund bevulkerung  germanisierend.  Eu  Aus- 
gang des  5.  Jahrhs.  kam  es  zu  einem  Enlacheldungskiunpfe  der  Alamannen 
mit  den  salischen  und  mit  den  ripwarischen  Franken.  491!)  siegte  Chlodwig 
in  einer  Schlacht,  die  zwischen  Wunns  imd  Strassburg  stattfand,  der  ripwa- 
rische  König  Sigif>ert  siegte  he-i  Xnlpich.  Nach  einem  zweiten  Siege  Chlodwigs 
im  J.  506  mussten  die  Alamamien  die  nOrdliclie  Hälfte  ihres  Landes,  %'ora 
Main  bis  zu  jener  oben  genannten  Grenze  an  die  Franken  abtreten,  und  es 
begaim  nun  eine  Neubesiedliing  dieses  Gebietes  duich  Franken.  Die  ala- 
manniädie  Urbevölkerung  blieb  gn'isatcntcils  im  Lande  sitzen  und  ebenso  die 
in  dem  nachmaligen  C*stfranken  gemischte  alamanniscbe  und  diüringische  Be- 
völkerung —  zum  Teil  nix:h  heule  an  der  Mundart  erkennbar.  Zu  diesen 
kamen  als  die  neuen  Herren  des  Landes  fränkische  Kolonisten,  welche  beson- 
ders den  noch  vom  Urwald  bedeckten  Teil  des  Landes  im  nordc>stlichen 
Württemberg,  am  Odenwald,  ati  der  oberen  Fulda  und  später  am  oberen 
Main  urbar  gemacht  haben. 

Anm.  Die  Oruniiiiiea  flehen  kein  sicfacm  Mittel  ziir  SchelduRg  der  frlnkUch6a  An- 
stedlunt^en  an  die  Hand.     Die  Zurück fubiung  der  Oit^iuimcn  auf  -Mm  auf  Franken,  der 


91 8 


XV.  Ethnographie  der  geruanjsckkk  Stämme. 


auf  -ingeH  «uf  AIunanncD  muss  auf  Gnind  d«  gcof^pbiscbcn  Vencilung  dicMt.Or 
xmttdcsewiesco  wertleo.  •heim  ist  t.  B.  die  im  rein  olamaiuiischcn  EteaDs  vorbcnchen 
Ortsname ncntluDg,  die  aucb  in  Schwaben  kaurn  wrniger  liäutig  u-iederkehn  aU  in  Rf|; 
«arien.  Wenn  die  Pfüj;  ebenso  dicht  mit  Namen  auf  -heim  besetzt  ist  wie  du  Ebui,' 
BO  werden  wir,  rumal  diese  Orte  in  der  am  frühsten  angebauten  Ebme  Uc^rn,  eher  Ala- 
maDDen  als  Franken  für  die  Grilndrr  dieser  Ansitz' llungen  ansehen.  Die  in  Schwaben  und 
Baiem  vorbcrscbcodc  OTt«naraencadun(;  -ingen  kcbn  ia  Ibnlichn'  Jliuftgkeit  an  der  von 
Fnokcn  besiedelten  Mu»el  wtedi;r,  ist  ober  auch  am  Niederrhcin,  in  Niedcrsachsen  and 
TbQringen  gar  nicht  »elten. 

§  212.  Die  slawiwThen  Sorben  waren  seit  dem  6.  Jahrh.  Aber  den  Franken- 
wald in  die  damals  unbewohnte  obere  Mainlandschaft  vorgedrunjjen.  Die 
Moinwinidi  sassen  im  Vog:tland,  an  der  Regnllz  und  Rednitz  und  in  der 
Bamberger  Gegend.  Die  Germanisiermig  dieser  durch  deutsche  Kolonisten 
hat  im  la  Jahrh.  bcguiuicii,  im  Vogtland  Ende  des  ii.  Jabrbs.,  um  liier  erst 
zu  Anfang  des  15.  Jahrbs.  ihren  Abschluss  zu  finden.  Die  deutsrhen  An- 
siedler, welche  den  Urwald  ausrodeten,  —  vgl.  die  zahlreichen  Ortsnamen 
auf  -reni  —  sind  nach  Ausweis  der  Mundart  und  der  Ortsnamen  zumeist 
aus  den  benachbarten  ostfrankischen  Strichen  von  Ansbach  bis  Bamberg  ge- 
kommen. Die  Kolonisation  des  Egerlandes  durch  oberpfälzisclie  Baiem  ia 
der  ersten  Hälfte  des  12.  Jabrbs.  erstrei:kie  sich  in  der  Folge  auch  auf  den 
Südrand  des  Vogtlandes,  und  sjutradische  oberpfalzische  EJeiuente  verrat  so- 
gar noch  die  Mundart  am   Franken wald. 

Für  die  Beteiligung  der  Osifrankcn  an  der  Kolonisation   des  Königreichs 

Sachsen,  N<>rdböhmens,  Schlesiens  und  der  Karpaten  vgl.  §  234 — 237. 

Vijl.   dii-  a.   a.  0.  angefiihrie  I.itteratur  und  atissertlem :  O.  B/ihme.   Dir  Hn 
kunft  der    Vosiliindfr,   Witu.   B^il.  >l.   Leipziger   Zeitung  1891  (No.  5t}  aoi — SO3J 

—  A.    Meit/.en,     SUdelung    und    Agrurireun    11,    Berlin    1895«    S.    4OI. — 418. 

—  E.  Gerbet,  Dk  Mundart  Jts  VogtlanJts.  Dts&..  Leipzig  1896.  —  M. 
Schmidt,  Zitr  Cetchichtt  der  Besiedtlung  des  läehsischen  Vogtlandei,  l'rogr., 
Dresden  1897  {=  Feitsehr.  d.  44.  Ven.  dattsefier  Philct.  u.  Sekutm..  Dmden 
1897.  S.  187-248). 


F.     SWEBISCHE  STAMME. 


Zeuia  55—57,  80.  94  f..  1 14-121.  303—335,  33?,  35J— 380,  449,  455— 
458  und  464.  —  J.  Grimm,  Ges4-A.  d.  dt,  Sfir.  482— 511.  — P.  AViilicenat» 
Geichtchle  der  Slbgermanen  vor  der  yvUttrtmndentHg,  Halle  iBöS.  ^  R. 
Usingcr,  Die  Anfänge  der  deutichen  Cetchichte,  Haannvcr  1875,  S.  97—104 
und  341 — a66.  —  Fr.  L.  Baumann,  Sdramben  und  Atamannen,  ihre  Herkun/t 
und  IdentUfH.  Forsch,  j-,.  dt.  Gesch.  XVI  (l8;6)  215  —  277.  —  A.  Baumstark^ 
Ausführliche  Erläuterung  dfi  bebendem  x'Stkenehafttifhen  Theiles  der  Germania 
des  Tacitus,  I^ipaig  1880,  S,  ij; — 169  und  189— 326.  —  B,  Lebmann,  Das 
Volk  der  Sufben  von  Caesar  bis  Taeitus,  Progr«  Dcntsch-Krune  188}.  —  W, 
SGelmann,  Ndd.  Jb.  1886  XII  (1887)  1  —  74.  —  A.  Riese.  Die  Suebem, 
Rhein.  Mus.  N.  F.  XLIV  (1889]  331—340  und  488.  —  G.  Kntsinna,  Die 
Svt^H  im  Zuitmmtuhavg  der  lilleslen  demttehen  J'äUerbruvgungen,  AVestdt. 
Zs.  IX  {1890)  190 — 316.  —  A.  Riese,  Die  Sueben,  ebd.  339—344.  —  G. 
Kosilnoi,  Xoikmais  dir  Sutben,  ebd.  X  (1891)  104 — HO.  — A.  Riese,  Dir 
Sueben,  ebd.  393  f.  —  R.  Muth,  PBB.  XVII  (1893)  18— 35,  48- »<i.  95— 
HO,  126 — 136  und  XX  (1895)  30—34. — J-  Fr.  Marck«,  Kleine  Studien  i»r 
Taciteischen  Germania,  K«st*cbr.  t.  d.  Phtlologen«Vei».,  Köln  1895.  S.  177 — tSl. 
—  G.  Zippcl,  Deuiiche  VStkerbeweguHgen  in  der  RSmerteiU  Progr.,  Königsberg 
1895,  S.  34-33. 

§  213.  Der  Name  Sweben  wurde  zu  Beginn  unserer  Zeitre<.*hnung  ia 
zwiefachem  Sinne  gebraucht.  Wir  haben  zu  unterscheiden  zwischen  Sweben 
im  engeren  Sinne  und  Sweben  im  weiteren  Sinne  des  Wortes. 


III,  F.  SwEBiscuE  StAuhe. 


919 


Sweben  im  engeren  Sinne  des  Wortes  und  zwar  n u r  solche  nennen 
seit  Caesar,  der  (Ä  G.  I  51)  Sweben  und  Markomannen  unterscheidet, 
samüt<he  Schriftsteller  bis  zum  f>.  Jahrh.,  ausgenommen  Strabön,  Tacitus 
und  Ptolemaios.  Diese  swcbische  civitas  hat  von  der  Mille  bis  j^egen  Aus- 
gang des  I.  Jahrhs.  v.  Chr.  von  der  Wcmi  bis  zum  unteren  Main  geseasen 
(§  22i^),  dann  in  Brihmcn  und  am  linken  Ufer  der  mittleren  Donau,  dann 
in  ?ann<j>nicn  (ebd.)  und  seit  der  Mitte  des  4.  jahrhs.  wiederum  südlich  vom 
Main  (%  227);  ein  Teil  ist  zu  Anfang  des  5,  Jahrhs.  mit  den  Wandalen  nach 
S|)anien  gezogen  (ebd.);  die  Hauplmas(>e  fand  südlicher,  innerhalb  des  limes 
eine  daue-rnde  Wohnstatte  und  lebt  in  den  späteren  Schwaben  fort  (§  223). 

Die  Sweben  im  weiteren  Sinne  des  Wortes  sind  von  jenen  scharf 
KU  trennen.  Neben  demjenigen  Stamme,  welcher  den  Swcbenuainen  als  cin- 
2if;en  Namen  trug,  gab  es  noch  andere  Siflmme,  mit  besonderen  Namen, 
■weJche  im  i.  Jahrh,  n.  Chr.  als  swebijK-he  Suitiuue  —  wir  würden  müdem 
sagen:  Stämme  swebischer  Nationalitat  —  bezeichnet  wurden,  und  zu-ar  wird 
in  sämtlichen  Belegen  unzweideutig  gesagt,  dass  es  sich  um  swebisdie  Stamme 
(»rd  T*Üv  2^orißuiv  Ifhrj«,  »Sueba  gentesO  handle,  dass  diese  aber  nicht 
schlechthin  als  Sweben  aiuusprechen  sind'. 

^  Ein  Mi&NVcrsländnis,  ob  Sweben  im  engeren  Sinne  oder  iin  weiteren  Sinne 
li^meitit  *ei,  iai  —  etwa  mit  Aiunahnie  der  beiden  von  Sweben  ui  der  See  bän- 
delnden Stellen  i'lin.,  JV. //.  li  170  (vgL  l'omp.  Mola  Ul  5.  4J)  iinel  Tac. 
W^r.  38  (§  334  Anm.  1)  —  nirgends  möglich.  Wenn  gleichwohl  verschied mc  Auf- 
fauungen  geünsscrt  worden  sind,  so  liegt  die  unbewiesene  und  unlK-wrisl>are  Vor- 
aussetzung m  Grunde,  das»  die  Semnen.  weit  sie  das  Kemvolk  der  Sweben  ge- 
wesen siml.  dmm  auch  insbesondere  den  Namen  Sweben  getrngcn  bätltn,  m>  i\xa 
alco  entweder  die  Srmtien  mit  den  Swebvn  im  engeren  ^nne  /u  identil'i^jerea 
waren,  oder  neben  leUteren  nocb  rine  iweile,  nlmlidi  die  lemnische  dvitas  als 
swcbiMrhe  im  engeren  Sinne  um.  geltea  Idtte.  Wir  aprechen  von  SlAmmen  roma- 
ntidier  oder  slawischer  Nationaiitit :  aber  die  Rumänen  und  Slowenen  sind  um 
ihres  Namens  wük-n  nicht  das  Urvolk  der  Romanen  und  Slawen.  Wir  kennen 
verschiedene  fränkische  Stämme:  aber  weder  di«  t'raoxoKn  noch  die  bayriK'hen 
Franken  sind  dji*  Irakische  Kernvolk.     Vgl.  de»  weiteren  unten  §  224. 

§  214,  Swehische  Stamme  im  weiteren  Sinne  des  Wortes  kennen 
Strabön.  Taiitus  und  Ptolemaios;  letzterer  ausschliesslich,  wahrend  Stra- 
bön und  Tacitus  einen  einzelnen,  Sweben  genannten  Stamm  neben  einer 
Gruppe  von  Stammen  swebischer  Nationalität  kennen.  Die  letzteren  sollen 
uns  zunächst  beschäftigen.  Ich  behandle  jeden  der  drei  genannten  Stlirift- 
steller  für  sich. 

1)  Strabön  (IV  194)  kennt  ein  Sweben  schlechthin  genanntes  Volk  am 
rechten  Rheinufer:  »IIüarjQ  d'  t'rteQxetvrw  r^c  ncnu^i'uc  t«i'ti/c  oi  2^6r)ßot 
jtQOGayoofvöfifvoi  Viofmvoi,  xnt  Avvriftfi  xfil  jrhjiifi  difiiff(}ovrt'i  T<Tir  ^OJ.<oVj 
Vif'  luv  Ol  i^t/iavvijftci'ut  xujiffH'yov  c/s  Ttjv  evtög  tqv  'Pt'/fov  vfvl'.  Es 
sind  die  SwcIk-u  Caesars  gemeint;  die  von  ihnen  vertriebenen  und  über 
den  Rhein  geflüchteten  sind  die  UbÜ  (§  169).  Dieselben  Sweben  kennt  er 
(IV  207)  in  Württemberg,  »Änoi'  al  tov  'Jotqov  ntjyai  rtitjaiov  Xotjßwv 
Hai  TOV  'Eqkvviov  dgvfwv.  Ebenso  spricht  Strabön  (VII  294f.)  von  Swe- 
ben schlechthin  an  der  Donau,  in  der  Nachbarschaft  der  Gctcn.  Td  dk 
rvtiov  ftigoi;  rjj^  Fe^finviai  tä  ni^nv  zoi>  "AXßioq  —  mit  Rücksicht  auf 
VII  J94  ist  an  tlie  obere  Elbe  in  Böhmen  zu  denken  —  tö  /«■>•  owt^k^: 
AxftijV  (>:zd  Twv  ^oijßtoy  xarixttm'  eh'  rl'&i<i  ^  iÖ>v  rerdiv  avvtinTn  jtJ, 
xot'  ägxäi  fth'  OTfMj,  TKtfyaierafUvi)  jw  "laiQtt}  xaid  ri»  v&iiov  ftiQos, 
XfiTÜ  dt  Tolviltjv  ifi  Jiagioyfi'ff  tov  'Koxx^viuv  ^QVftov,  ^(•QOi;  rt  rä»i'  dgäfv 
X«*  aviij  xnT^;(OVon,  (ha  :T).arvvct(u  Jtj>ic  rd^  Sgxtovi  /'fjt?'  TrQFyrtötv' 
TOi'C  &i  äxgtßili  Ößor^  oht  £);o/fer  tf^gäCetr.*     Dieselben  Sweben  nennt  er 


k. 


Q20 


XV.  Ethnographie  der  germanischen*  Stamme. 


(VII  2*}2)   östüuli  des  Bohmerwaldes:     foTt    *^f   xftt   nXhj    vXtj  fteynhj   Pa- 
ßQrpa   htiju?ir  Tmv  ^orjßaif,    IjtexFtva    fV   6  'KoxvrtfK    dgvfiö^'    ^ytttu  Ak 

An  den  flhrigcn  Stellen  ist  nicht  dieses  eine  swcbischc  Volk  gemeint  son- 
dern die  grtisse  Gruppe  swebisclier  Stamme.  So  heisst  es  (VII  zcjo):  *Ev- 
rarOn  *5'  iariv  ')  'Kqxvvtoi;  finv^o^  Hat  tu  rmv  ^ot'ifiinv  lOvi},  rd  ßiky 
oixovvra  hTo;  toD  dni'/ior  [xm^hreo  ra  rötv  Kfii^ovfov],  fr  oU  ffTrt  xn\ 
r6  Bovtaiß.wi'  rö  ror  Maoofiovdov  Pnaflciov,  t/s  or  ixflvog  tü.toi*  ^XXovq 
TF  firtnv^rmjnF  nlftofg  xai  <ii)  lovg  AftoF&VFji;  i?«(Tfp  MaQxo/uiyor;.*  Er 
bczcicluict  im  besonderen  die  Semnen  als  eine  swcbisclic  Vnlkerscliaft  lebd.): 
'•■ft'n' ^oi'jßotv  aiVf'w  /i/j'H  Ffh'oi,  iVwwwac*,  sagt  dann  weiter  (ebd.):  -rd 
ye  TÖjy  ^ot'j^Ofy,  a>^  ifft/y,  ti}rij  ta  uh-  ivroc  oixii,  rä  de  ^xröc  lov 
A(if\nor,  Utirum  roii  I'haigf.  —  die  letaleren  sind  die  oben  angeführten  Do- 
nau-Swelien,  d.  h.  dif  Sweben  im  engeren  Sinne  —  und  fährt  dann  fort 
(VII  31K1  f.):  ^Miytajov  /ihv  oh>  t&  twi'  ^otjßov  h'hn^'  Att)xu  yä(i  AstA 
Tov  'Pffvor  i^iixQt  tov  "Ai-ßto; '  ftigoc:  di  t(  ftvnoy  xai  nioav  ro?  'AlßttK 
refiFi'u,  xttt'ffLTfo  'lUjitdrAotjoi  xiü  Anyx6(i<iQf»o< '  ri'»*!  Af  xai  TFJJoti  fIs 
Ttjr  7it-ijaiav  ovioi  ye  /xnesntiixnm  f/'fvyotTt^.  xoii'öv  Af  ioTtr  finnat  tote 
raiTTj  TU  -Tfyi  T«>  [uiavaoräoH':  rlfiutAi  Öiä  ri/v  xüöti/t«  rar  ßiov  xai 
«5ifi  t6  fii}  yFoiQyelv  iiijAe  {^r^navQt^Ftv,  AiX'  iv  xnXvfiloic  oIxfXy  iq»jU£/>or 
£j[ovoi  7taiKHixFvt]v '  iQOfpij  Ä'  djTÖ  TÖJv  öoFfi/iäiwv  -fj  nXr-imt}  xa&aJWQ-' 
TOif  i'öfifwiy,  (5(jt'  fxFivovg  fufiovfirvoi  in  oixFia  laX^  aofta/tü^ati 
QmTFs  tistfj  Av  />öSf]  rQFjimTnt  iinit  uT/i'  fiocxtifi^xiov."  Es  ist  deutlich. 
dass  eine  grosse  ethnogTa,pbi.sche  (ini]>pe  von  swebisclien  Stimmen  gemeint 
ist,  wobei  es  nichts  zur  Sache  thul,  üass  die  Sclülderung  ihrer  Lebensweise 
und  üirc  Ausdehnung  bis  zum  Rhein  auf  Caesar  bemlit:  in  diesem  Üu- 
sammenliang  kanti  der  Singular  >tÜ  rwy  ^or/ßatv  ^fho^i  gegenüber  sonsti« 
gern    .Trt  fi9vji;»  gar  nicht  miss verstanden  werden. 

Wir  gewinnen  ans  Strabö"  das  Ergebnis,  dass  neben  den  Khein-  bezw. 
Doiutu-Swebeu  die  Markuinanneti,  Semuen,  Hennunduri  und  Langobatden 
Stämme  swebisfher  Xatiiinalität  gewesen  sind.  Das  Gebiet  dieser  swrbtschen 
Stammesgruppe  ei.streckle  sich,  wenn  wir  Slrabün  folgen,  der  keinen  zdl- 
lichen  Unterschied  zwischen  den  frtlhcren  Rhein-  und  den  spateren  Donau- 
Sweben  macht,  vom  mittleren  Rhein  nnd  vom  SchMarzwalii  östlich  bis  über 
die  untere,  mittlere  und  obere  Elbe  liinaus  und  umfasstc  noch  BOlmicn  und 
Östcrrcicii  nördlich  der  Don;iu. 

2)  Tacitus  kennt  A«-ie  Strabön  und  zwar  unabhängig  von  ihm  gleich- 
falls ein  Einzclvolk  der  Sweben  und  eine  groS-Hc  Gruppe  swebisclier  Stämme. 
Er  erzählt  [Ann.  II  2(3),  dass  durch  Tiberius  »Suebos  regcmque  Marobo- 
duum  pace  obstriclum,*  Er  nennt  (ebd.  I  44)  zum  J.  14  n.  Chr.  Sweben, 
die  Ractien  brdrohen.  Zum  J.  \y  nennt  er  (11  44)  wieder  die  Sweben  des 
Marobuduus,  cbensu  zum  J.  19  (II  dz),  und  weiter  in  den  Jahren  51,  69 
und  70  sind  ihm  Sweben  schlechthin  die  Donau-Sweben  (.Jon.  XII  29,  Hisf, 
I  2  und  III  5  und  21). 

Hingegen  bezeichnet  Tacilus  (.-1«».  II  45)  die  Semnen  und  Langobar- 
den als  »Suebae  gen t es*  und  spricht  {Germ.  38)  besonders  deutlich  nie 
Sucbis  .  .,  quorum  non  uoa,  ut  Challoriim  Tcncteronun\'c  gcns:  majorent 
enim  Gerraaniae  partem  ojitinent,  propriis  adhur  nationibus  norai* 
nibusque  discrctif  (juamquam  in  cuminune  Suebi  vocentut.  la- 
signe  gentis  obliquare  crineni  nodoque  substringere.  Sic  Suebi  a  ccteris  Ger^ 
manis,  sie  Sueborum  Jngeuui  a  ser^-is  separantur.<  Es  folgt  näheres  über 
die  Haartracht.     Als  Sweben  bezeichnet  er  dann  (3g)  die  Semnen,   (40)  die 


III,  F.  SwfiBiscHE  StXmme. 


921 


Langubardcn  und  die  anglofriesischcu  N er thus- Völker,  (41)  die  Hcrmunduri, 
(42)  dteNaristi,  Markomannen  untl  Quadi,  (43)  die  kleineren  Stamme  der  Mar- 
signi  und  Buri  und  jenseits  des  Riesengebirges  die  ostgcrmanisclien  Stamme 
und  (44)  endlich  die  Schweden. 

Es  untcriiegt  keinem  Xweifi?[,  dass  Tacilus  Aber  die  östliche  tind  nörd- 
liche Ausdehnung  des  Sweben njinicns  nluht  ausreichend  unterrichtet  gewesen 
ist  (vgl.  oben  S  7'0;  fl'c  Ost-  und  Nordgcrmanen  sowie  die  Nerthus- Völker 
sind  von  den  Sweben  durcliaiLs  zu  trennen.  So  bleiben  als  swebische  Völker 
übrig  die  auch  von  Strabön  als  Swehc:n  bezeichnt^ten  Sf-innen,  Ijingohar- 
den,  Hennunduri  und  Marknmaniien  snwie  die  den  letzteren  nahe  stehenden 
Narisli  vmd  Quadi  und  wohl  aurh  die  südlich  vom  Riesengehirge  wohnenden 
Marsigni  und  Buri.  Besonders  wertvoll  aber  ist  für  ufis  der  Bericht  des 
Tacitus  durch  die  unten  zu  besprechende  Angabe  Über  die  Stellung  der 
Seninen  zu  den  Gesanitswehen. 

Anm.  t.  BcmcrkcDswtfrt  ist  der  Ocbraudi  des  Swcbennfunnu  Agrkola  38:  Im  J.  83 
■wurden  die  von  ItriiannEen  v^rscbln^ncn  U«ip!  •mmiitsi.t  \ivt  mwiriam  rcgendi  navibns  pro 
jiritrdonibnft  haliili  primtim  n  SucbU,  mox  k  t'risib  intvrccpti«-  Kalb  der  Nnrnv  Sweben 
hin  zu  Ri-chc  tiberlidert  ist,  an  künnte  nur  an  An}:lofTirson  »a  der  scfalr&wig-bolatciDachen 
AVcsckiUii:  ^ci^Acbt  wcrtlcn,  die  ja  Tac.  »].■(  Swcl>eii  gelten;  T.ic.  bilac  daaii  hier  den 
Swel>cnn<imL'ii  in  WL-itcn-in  Sinne  jri^bniucht.  —  E-s  sei  liier  ungesch Ionen,  daH  eine  alte. 
etwas  wunderlui  kliii|;ende  Nachricht  im  J.  62  r.  Cbi.  «cheinboi  Sweben  an  der  See, 
etwa  an  der  OstacckOstc  gekannt  bat:    nach  Cornelius  Ncpos  seien   .001010  Metcllo 

Celeri, liini  Galline  procona^iü  Indos  a  rege  Stiebrinini   dono   datm,    (jui   ex   Tnilia 

conimetci  cniisa  iinviganies  tcm]ies4,itibiis  e&kcni  in  Gcrmaniani  alitcpd-  (Plin.,  vV.  H.  TX 
170)  Pomp,  Mcia  bericbcet  dftiuclbe  mit  den  Worten:  ab  Quintus  Mcidlus  Ccler 
»GsUiae  pro  consule  praet-wiei,  Imlns  tjunwjnm  a  rrpr  Kotontm  ilnni  «H  iLili».«.  Ka  lilcibt 
nngewi'»,  ob  Swelicn  otler  Goten  oder  Boji  (icmeini  sind.  In  traii-rem  Falle  würde  es 
^tfartgens  nicht  norwcndig  «ein.  Sweben  an  der  Küste  ntunnehtiien.  Die  Inder  liöiinten 
von  einem  andern,  an  der  Ktblc  wohnenden  gcnnaju.«chca  .SiAinrac  au^ron^n  und 
durch  Vermiulun^  der  Sweben  Caegara  d<.-ni  rüiuUcben  Prokoosul  ge»cbcnki  worden  sein, 
WahrMheinlich  \f\  der  damals  Rom  iHrfreimdrle  Anovist  ^ctneinl,  der  ;u>uiihl  ab  >n.*a 
Sucborum«  wie  audi  im  Hinblick  au  T  die  Krobting  von  Böhmen  [BojobaemunO  [^  61) 
als  >rc5  IfcijoruiTi'  bezeichnet  sein  kflnnlc.  VgL  A.  Ricic,  Ricln.  Mus.  XI.IV  345  f. 
und  R.  Mucb.  PBB.  XVIT  19  f. 

^)  Ptulemaius  nennt  als  swebische  Völker  II  11.  (>  die  ^vijßot  ol 
AayyofläQdoi  am  Rhein  sQdlirh  von  den  Suganibri,  H  die  ^vtjßoi  ni  ^AyyaXol 
östlich  von  dL-ii  Langobarden  und  südiiih  der  initderen  F.Ibc,  ebd.  die  ^i'i;- 
ßai  f>l  Sfftroveg  weiter  östlich,  9  kennt  er  Sweben  südlich  der  ("hauci  mi- 
nores und  majores  und  Sachsen  und  östUchi;r,  also  zu  beiden  Seiten  der 
mittlercti  Weser  bis  über  die  untere  Elbe  hinaus,  1 1  als  Nachbarn  der  Cha- 
suarii.  .Seine  Sweben  wohnen  alsn,  und  hierin  folgt  er  Strabön.  vom  Rhein 
bis  über  die  Elbe  hinaus.  F.'ilschlich  aber  setzt  er  sie  von  der  Rheini>ro\inz 
Aber  WV-stfalen  und  Hannover  bis  zur  Mark  Brandenburg  an.  llierül<cr  so- 
wie über  die  swebischen  Angeln  s.  üben  S.  85.^  f.  Anm.  Ais  GcM-iun  bleibt 
nur  flbrig,  dass  Ptol.  der  Swebennarae  nur  als  Gesamtname,  und  dass  ihm 
das  Swcbeatuin  der  Lannt)barden  luid  Semueu  bekannt  war. 

Anm.  2.  Aus  dem  Klussnomen  ^ovf^ßoi  ISsst  sich  ktin  Sthlus»  Jtli-hen.  Da  die  Ety- 
mologie de*  Namens  niLlil  bekannt  ist,  können  vrir  nicbl  wissen,  ob  nicht  dem  Vftlker- 
und  dem  Flussn^men  dasxelbe  Wort  m  Gninde  Hegt,  ohne  dam  an  einen  iinSchlicben  Zu- 
sammenbau;; gedacht  zu  werden  brawhtc. 

4)  Endlich  mag  hier  noch  Diön  Kassios  LI  22,  6  angeführt  werden, 
der  zum  J.  29  v.  Chr.  die  Sweben  jenseits  des  Rhcirui  {die  Sweben  Cae- 
sars) nennt,  mit  dem  bemerkenswerten  Za^^iz:  'noXXrA  ynQ  xal  &XXoi  tov 
r&v  ^ovfjßon'  dvöfMXOi  ävrtnfMOvvtat.* 


922 


XV.  Ethsographie  der  germanischen  StXkue. 


Sämtliche  Nachrichten  über  die  swebische  Gruppe  gehen  auf  die  Zeit  um 
Chr.  Geburt  zurück.  Die  späteren  Zeugnisse  kennen  nur  Sweben  im  engeren 
Sinne  des  Wortes. 

§  215.  Der  swebiscbe  Gesamüiame  für  die  sieben  gesonderten  SUlmme, 
weldie  Semnen,  Lanjjobarden,  Hennunduri,  Varisti,  Marfcomaunen,  Quadi  und 
Sweben  heisscn,  beweist  im  Verein  mit  der  Darstellung  des  S  t  r  a  b  ö  n  und 
Taciius,  dass  die  sieben  Völker  in  einer  alten  cthnographiwrhen  Beziehung 
zu  einander  stehen^.  Der  Umstand,  dass  der  swcbisdie  GcsanUname  im 
I.  Jahrh.  n.  Chr.  ausser  Anwendung  kam,  bcweLst.  dass  jener  Zusammenhang 
damals  bereits  gelockert  war;  die  einzelnen  Teilstamme  waren  zu  selbstän- 
digen Völkern  erwachsen.  Die  Frage  ist,  wie  wir  uns  jene  altere,  in  die  vor- 
christliche Zeit  zurückweisende  Volksgemeinschaft  und  die  Bildung  der  spä- 
teren Sonderstamme  vorzustellen  haben.  Historisch  klar  vor  Augen  liegt  die 
geographische  und  spater  politische  Absonderung  der  Sweben  in»  engeren 
Sinne  von  den  Hcrmunduri  kunc  vor  Chr.  Geb.  (§  224 — 226).  Mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  darf  auch  angenommen  werden,  dass  um  otler  kurs  nach 
80  V.  Chr.  die  Sweben,  welthe  unter  Ariovist  B&hmen  den  Kelten  abgewonnen 
haben  (^  62),  »ich  erst  damals  in  der  neuen  Heimal  zu  einer  besonderen 
markomannischen  civitas  konstituiert  haben.  Die  Varisti  und  Quadi  sind 
wahrscheinlich  gleichfalls  jüngere  Bildungen  im  Gefolge  der  Begründung  des 
markomannischen  Stammes.  Der  Name  Hermunduri  als  Volbsnamc  ist  za 
Caesars  Zeit,  wie  es  scheint,  noch  nicht  im  Gebrauch  gewesen;  dieses  Volk 
nannte  sich  damals  noch  oder  vorzugsweise  Sweben  (S  2^8),  woraus  mit  eini- 
ger Wahrscheinlichkeit  geschlossen  werden  darf,  dass  die  Konstituiemng  der 
bcsimdcrcu  cnnundurisdicn  civila.s  erst  nacli  Caesar  (vielleicht  nach  dem  Ab- 
züge der  Main-Sweben  erfolgt  ist.  So  blieben  für  die  Zeit  um  100  v.  Chr. 
als  selbständige  Stamme  nur  die  Semnen,  Sweben  und  vielleicht  die  Ijingo- 
bardeu  (zuerst  zum  J.  .s  n.  Chr.  crwalmt)  Übrig,  und  die  Analogie  der  übri- 
gen Stamme  spricht  dafür,  dass  auch  diese  von  einem  Sweben  genannten 
Urvolk  infolge  Ausbreitung  der  Wohnsitze  herzuleiten  sind. 

Dieses  swebtsche  Kemvolk  sind  die  Semnen  gewesen.  Nach  Tacitus 
{Germ.  30)  »vetuslisstinos  se  nobilksimosque  Sueborum  Semnones  memo- 
rant.  Fides  antiquitalis  religione  fimiatur.  Stalo  temiwire  in  silvam  augurüs 
patrura  et  prisca  fomiicline  sacram  omnes  ejusdem  sanguinis  populi 
legaüonibus  cocunt«.  Es  folgt  eine  Schilderung  des  Kultus.  >Eoquc  omnis 
superstitio  rcspicit,  tamquam  inde  initia  gentis,  ibi  regnator  omnium  deus, 
cetera  subjecta  atque  parenlia.  Adjicil  auctorltatem  fortuna  Semnonum;  cen- 
tum  pagis  [d.  h.  nach  Hundertschaften  «organisiert]  habitant,  magnoque  cor- 
pore efficitur,  ut  se  Sueborum  capul  credant«.  Von  den  Zeilen  der  po- 
litischen Identität  aller  Swebenstümme  her  war  also  noch  diis  religiöse  Band 
bc-stchcn  geblieben:  die  Kultusstatte  im  Lande  der  Semnen  war  das  gcsamt- 
swebische  Nationaiheiligtum. 

Die  Ausbreitung  des  swebischen  Urvolkes  und  die  Einzelbildung  der  swe- 
bischen  Stämme  denke  ich  mir  in  der  Weise ;  Der  Ursitz  des  Swebcnvolk» 
war  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrtausends  v.  Chr.  die  mittlere  Elbjandschaft. 
Um  400  besetzten  diese  Sweben  das  Ostlicbc  Thüringen  (§^i).  Ein  Teil  brei- 
tete sich  Elb-abwarls  aus  imd  erwuchs  zu  dem  langobardischen  Volke.  Im  Ge- 
folge des  kimbrischen  Vorsto&ses  erfolgte  die  weitere  Ausbreitxmg  der  Sweben. 
Ein  Teil  bescuic  gegen  Ausgang  des  2.  Jahdi.  v.  Clu-.  Thilriitgcn  bis  xur 
Werra  (§  224).  Um  oder  kurz  nach  80  v.  Chr.  eroberten  die  »Grcnzmanner« 
Böhmen  und  begründeten  den  markomaimischen  Staat.  Bald  darauf  drangen 
die   thüringischen  Sweben   bis   zum   unteren  Main  vor.     Die  Main  -  Sweben 


111,    F.   SWEBISCHE   STÄMUB. 


9n 


trennten  sich  um  Chr.  Geburt  von  den  in  Thüringen  verbleibenden,  um  an 
die  Donau  zu  ziehen.  Letztere  bekunden  durch  die  Führung  des  Sonder- 
naniens  Hermunduri  ihre  politische  Loslüsung  von  den  Sweben  dw  Urheimat, 
welche  sich  nunmehr  Semncn  nannten.  Der  Namen  Swebai  verbheb  den 
jünpten  Sprossen,  welrhe  an  der  Donau  zu  einem  neuen  Stamme  erwuchsen. 
Ihr  ethnographischer  Zusätnnicnliang,  die  Abzweigung  von  einem  swebüwhen 
Muttervolk,  den  Semncn,  war  allen  swebischen  Stimmen  noch  im  i.  Jahrh. 
n.  Chr.  bcwusst,  den  Quadi,  wie  es  scheint,  nwh  im  J.  174/75  (§  24')-  Halle 
auch  die  p<>lLli.sche  Gemeinschaft  aufgehört,  so  l>cstand  (Joch  noch  eine  swe- 
bische  Amphiktyi'-nie,  und  diese  wird  vemiuilich  erst  aufgelöst  worden  sein, 
als  die  Semnen  im  2.  bezw.  3.  Jahrh.  ihre  Heimat  verlicssen. 

l  Die  Annahme  A.  Kieses,  das*  die  vrcitcre  Bedeutung  «le»  Sw«lientuimen« 
mf  du  Kekli  dm  Marotioduus  zuritckvcue,  verbietet  sich  durch  die  TboUache, 
das*  auiser  den  su'cbi&cbcn  ätämmcn  zu  diesem  Reiche  u.  n.  auch  die  oicbt  twc* 
bischen  Lugil  und  Goten  gcbOri  hnbca  (ScrabOn  VU  290),  und  verbietet  sich  fUr 
Tacitus  durch  die  ThAtuche,  da«  lUescr  auch  dir  Ncrthus-VölltCT  und  die  Schwe- 
den ZLi  den  Swclw-n  rcthnei. 

Anm.  Zu  beachten  ist.  diiss  die  swebischen  StSmrac  zumeist  gröiserc  Völker  ge- 
wesen sind,  nicht  dcrartiKC  kleine  Gauv^llket  wie  die  Ncrthns-Vßlkcr  oder  wie  unter  den 
frlnkischen  TeiUiämmen  die  Cannenefatca,  Marsaci.  Sturü.  Chanuahi,  Cbjimivl,  Amsivarii, 
Chnsuarü,  Tubanlc»,  Tencieri,  Usipi  (»der  wie  die  obcrrhcinischt-n  Vatigioncs,  Ncmetci 
itmL  Tribod.  Dw  erlaulil  einen  RückM'h]u!i.s  auf  den  veihÜtni&jniUhig  jun^t-n  Urtjming 
der  politischen  Körperach^ifien.  Breitet  <:^^  Volk  sich  weiter  aus,  um  ein  neues  Land  xu 
besetzen,  so  bcteiligca  sich  gri>sscrc  Scharen  an  der  üccupacion.  So  sind  die  grossen 
Stiiiiiiie  der  BnÄlcrnen,  der  Gt)ien,  Biirj^unden  und  I.iigii,  lUr  Ganten  tind  Schweden,  die 
glcichTalU  grosseren  Stämme  der  Cbauci^  Sachsen  und  friescn,  der  Chi^rusd,  der  Brucleri, 
Sugambri,  Ubü,  Cbatli  und  Bstavi  ru  bcurleil<:D.  und  von  spStercn  politischen  Bildiuigen 
die  Sachsen,  die  ialisdien  Franlitn.  die  ripwaiischco  Franken,  die  Alamanne«.  Bei  ISn* 
gerer  Ansiwsigkcii  im  Lundc  [»liefen  SpAltiingen  einzutreten.  So  b;ihen  sich  die  (loten  in 
0»t-  und  We*lgoten  K^d|*°dten  und  von  ihnen  die  Gejiiden  nbKezwcigt  (§  96  tmd  g8),  so  trv 
fielen  die  Luifii  in  vcrschiL-denc  Teilsiimme  ($  93  f.].  so  die  Gnatcn  (§  I09)  und  Srhwoden 
(§  10S)>  *o  haben  die  Angeln  und  Sachsen  nach  länfcercr  Anwcsenbt-ic  auf  brittiKhem 
Boden  eine  t^rosae  Aiiixnhl  vun  kleineren  Reichen  gegründet  ($  133  und  l-\i),  nu  zerTielen 
die  Cbaud  und  die  FrictcD  in  majores  und  minores,  ebenso  die  Biuctcrl.  so  haben  sich 
von  den  Chiilli  die  Maniaci  abgezweigt,  von  den  Balavi  die  Cannenefaics  Marsaci  und 
Sturü,  \-tjn  den  Chainavi  die  SalÜ;  so  zerfielen  von  den  späteren  grossen  Sl^mnien  die 
Sachsen  in  Kordalbinger,  Westfalen.  En^m  und  Ostfalen.  die  mitteldeutschen  Franken  in 
Lothringer,  Wcstfrankm  und  Ostfrankeri.  E«  ist  ik-mnoch  anzunebmi-n,  dsss  die  kleinere 
civitas  der  Lungobttrden  sich  am  Irilbatcn  von  dem  swebiscben  Urvolk  abKctfisl  hAt,  die 
grossen  Staaten  der  Sweben  ^  Hermunduri  und  Marconunnco  aber  nicht  vor  dem  i.  Jahrh. 
v.  Chr.  gegründet  worden  sind. 

§  Jiö.  Wenn  der  Name  Sweben  im  Laufe  der  Zeit  eine  eingeschränktere 
Eedeutiuig  crliielt,  so  muss  es  fraglicli  erstheiucn,  ob  sich  die  swebischen 
Stämme  damals  ohne  weiteres  als  Sweben  bezeichnet  haben.  Und  doch 
mu&s  es  seit  der  Abtrennung  der  Langobarden  und  der  Sweben  im  engeren 
Sinne  von  den  Semnen  und  muss  es  mindestens  bis  ins  i.  Jahrh.  n.  Chr. 
hinein  neben  den  Sondeniamcn  der  einzelnen  Stimme  irgend  eine  Bezeich- 
nung gegeben  haben,  welche  das  gemeinsame  Swebentum  ausdrückte.  Es  liegt 
nahe  nach  einem  Worte  zu  suchen,  welches  so  viel  wie  »Sweben  im  weiteren 
Sinne  des  Wortes*  (xler  »Gesamt -Sweben,«  »Gross -Sweben«  besagt.  Für 
einen  derartigen  Kollektiv  begriff  hatte  der  altgermanische  Wonschatz  diis 
Adjektivuui  ennin-,  Su  meine  ich,  dass  die  Sweben  im  weiteren  Sinne  des 
Wortes  sich  etwa  ' £rmitH'Suv?böx  genannt  liaben  oder  schIcchtJiin  'Ermi' 
naniz  (scil.  Sicittiöz).  Der  Name  Enninen  ist  uns  thatsachlich  als  ein  alter 
ethnographischer  Gesamtname  für  die  binuenlaiidisdicn  Stämme  überliefert. 


Die  Belege  für  eine  Erminen  genannte  etluiograplüsche  Gruppe  sind  die 
folgenden: 

i)  Pompontus  Mela,  De  ehorof^raphia  III  ^z.  Nachdem  er  von  dei 
Elbe  aus  öslHclier  die  Cimbri  und  Teulnnes  genannt  hat.  die  narh  ihm  am 
Kattegal  gewolmt  liaben.  fahrt  er  f^rt:  -ultra  uitiini  Gcraianiac  Hcrmiunes.« 

2)  Plinius,    Nnt.   hisi.    IV"  (^u:    'Gcrm;ini>nim    gcnera    quinque:    Vandili, 

quorum  pars  .  .  .  .,  iilturum  genus  In^yae<jnes,  qur>riiiu  |wrs ,  proKirai 

aiitem  Kheno  Istraeones.  c[uarum  pars  .  . .,  mediterranei  Hermiones,  quorum 
Suebi,  Hermunduri,  Chaltt,  Chemsci« 

3)  Taritus.  Germ,  i:  Bei  den  Gerraanen  gebe  es  eine  TraditJun,  nadi 
welcher  die  grösseren  Siamnies'^TUjjpen  iltrcii  Namen  auf  einen  G«»tt  als  Be- 
gründer des  Volkes  zurütkfflJjrlcn;  su  vereine  ni;in  drei  Götter,  >e  qiiütum 
noniinibus  proxiini  (>"eano  Ingaevones,  medii  Herminones.  ceteri  Isiaevones 
vctcentur*  —  nach  einer  andern  Tradition  mindestens  vier  Götter  'piuresqiie 
gentis  appellatiimes,  Mars(.s,  Gambrivios,  Suevus.  V'andi!ios.<    Vgl.  §  81. 

Zunächst  geht  aus  diesen  Stellen  henor.  class  wir  es  mit  einem  w^rkli- 
chen  eihnographischeu  Nainui  zu  thun  haben,  gleichberethtigl  den  Namen 
der  Ingwiaiwen  und  Istraiwen  (vgl.  g  122  und  151;).  Über  den  Geltui^- 
bcreich  de*  crraiiiischun  Namens  aber  sclieineii  die  Rümer  nicht  mehr  ge- 
wiisst  zu  haben,  aU  dass  er  den  binnenlflndisL-hcn  Stammen  zukam  und  zwar 
<naih  Plinius)  mit  Ausschluss  der  oslgernianischen  Stammr»,  Dürften  wir 
Meia  trauen,  so  würden  thc  Emtinen  etwa  in  Mefklenburii  die  KClste  erreicht 
haben.  Aber  da  die  Römer  Ober  das  Land  östlich  der  Elbe  s*i  gut  wie  gar 
nicht  «mentiert  waren,  so  wird  man  wohl  nidit  mehr  herauslesen  dürfeni 
als  dass  Mela  der  Volksname  der  Erminen  an  oder  östlich  der  unteren  Elbe 
bcltannt  gewesen  ist.  so  dass  wir  etwa  an  die  I.anguharden  und  Semuen 
denken  könnten.  Aus  Plinius  und  Tacitus  dürfen  wir  folgern,  und  das 
bleibt  die  Hauptsache,  dass  die  genannten  Maupbiiamme  samtliche  Ger- 
manen nmfassien,  dass  deimiach  das  Gebiet  der  Erminen  diejenigen  Einzel- 
stämme einschUesst,  welche  westlich  von  <len  i'Jstgermjuicn,  südlich  von  den 
Ingwiaiwen  und  westlich  von  den  Istraiwen  gesessen  haben.  Ilicmarh  wür- 
den zu  den  Eiiuineri  mit  Sicherheit  die  swcbischen  Sia.innie  ZU  rechnen  sein. 
Ein  Zweifel,  welcher  Omppe  sie  zuzuzahlen  sind,  kann  nur  für  die  an  der 
Weser  wulmendeu  Angrivarii  und  Clierusci  bestehen,  und  ich  sehe  keine 
Möglichkeit,  diese  Frage  an  der  Hatiiü  unserer  Quellen  mit  Sicliertieit  zu  ent- 
scheiden. Plinius  nennt  zwar  unter  den  beispielsweise  angeführten  VOlkem 
neben  den  Suebi  (d.  i.  den  Main-  >  Dunau-Swebent  und  Hcnnunduri  auch  die 
("henisci.  Aber  gegen  die  Richtigkeit  der  Rinzelangahen  erhebt  sich  das 
Bedenken,  dass  er  auch  die  zweifellos  zur  istraiwis»  h  >  fränkischen  Grupi>e 
gehörenden  Chatten  anführt.  Wie  die  Chatten  (§  205)  so  stehen  auch  die 
Cherusci  in  einem  ausgesprochenen  politLschen  Gegensatz  m  den  Sweben, 
ini  J,  ,>,5  v.  Ciir.  zu  den  Swclfcn  Caesars  (A  G.  VI  10),  im  J.  17  n.  Chr. 
zu  den  Sweben  des  Marobijduus  {Tat.,  Ann.  II  :^\),  und  sowohl  Sirab^Vn 
(VII  2QI  )  wie  Tacitus  [Germ,  j50.  3b  und  ,^8)  unterscheiden  die  Chatten 
und  die  f'hemsci  ausdrilrklich  von  den  swebischen  Stammen.  Sollte  also  die 
Angabe  des  Plinius  auf  einer  sicheren  Oberlieferung  beruhen,  so  wflre  an- 
zunehmen, dass  die  Chatten  uihI  Cherusci  sich  in  einer  sehr  frtthen  Vorzeit 
von  den  Erminen-Sweben  getrennt  hatten,  su  dass  sie  an  der  s^ȟtercn  swebischen 
Stammesgemeinscliaft  keinen  Anteil  mehr  i^ehabt  liÄttcn.  Ungleich  wahrschein- 
licher aber  dünkt  mich,  dass  Plinius.  entsprechend  der  geringeren  Kennuiis 
der  Römer  von  dem  mittleren  Deutschland,  den  wirklichen  Umfang  des  Ermincii- 
namens  nicht  gekannt,  sondern  nur  gcwusst  hat.  dass  darunter  die  binnenliindi» 


IL 


III,    F.   SWKBISCHE  StAxIME. 


9^5 


sehen  Stilmme  r.u  verstehen  seien,  und  nach  Gutdüiikct)  einige  Stämme  des 
inneren  Dtutschlamls  angeführt  hat  Sii  wSren  wir  darauf  angewiesen,  die 
erminischen  Einzclstamnic  ledij^lich  nach  dem  Gesichtspunkte  zu  I>estimmen, 
jtu  nehmen,  was  übrig  bleibt,  wenn  wir  im  Nortiun,  \VL-stcn  und  Ojrten  die 
uns  bekannten  ingwiaiwisrhen,  istraiwischen  ui\d  ostjjcrnjanisrhen  Stämme  in 
Abzug  bringen.  Und  das  sind,  von  den  zweifelhaften  Angrivarii  untl  Cheriisci 
abgesehen,  die  Stilmmc  der  I-angobardcn,  Semncn,  Hcnminduri,  Varisti.  Mar- 
komaiincn,  Quadi  und  Sweben,  also  dieselben  Stamme,  deren  eihmjgraphische 
Einlieit  uns  als  die  swebische  bekannt  Ist.  Der  Name  Erminen  ist  also  der 
Gesamtname  für  alle  swebischen  Stamme  gewesen:  Tac.  Genn.  2  deckt  sich 
Hermiones  und  SueW.  Deshalb  dCirfen  die  Angrivarii  und  Cherusci  nicht 
zu  den  Enninen  gerechnet  werden;  die  Cherusci  müssen  folglich,  da  e«  zwei- 
fellos keine  Ingwi!U\veii  gewesen  sind  (vgl.  %  151,  i  und  7),  Istraiwen  ge- 
wesen sein. 

^  217.  Die  ethnographisclie  Einheit  der  Ermineu  ergiebt  sidi  also  im 
einzelnen  weniger  aus  den  Belegen  für  diesen  Namen:  eine  entsprechende 
Einheit  ist  vielmehr  unabhängig  von  dem  cnuinischcn  Namen  bestimmbar, 
ebenso  wie  es  für  die  Ingwiaiwen  (§  121  f.)  und  Istraiwen  (S  I50f.)  der  Fall 
war.  Für  die  Bestimmung  der  Ingwiaiwen  war  uns,  neben  den  zum  Bex^eisc 
nidit  ausreichenden  historischen  Zeugnissen  insbeännderc  die  Sprache  mass- 
gebend gewesen.  So  mössen  wir  fragen,  ob  ilie  Mundarten  der  den  genannten 
alleren  swebischen  Stammen  entsprechenden  Schwaben  -  .\laniannen,  Lango- 
barden, Baiern  und  Thüringer  eine  engere  Einheit  bilden  gi-gcnOber  der 
Sprache  der  andern  germanischen  St.1nime,  insbesondere  gegenüber  den  frän- 
kischen Mundarteu.  Die  historischen  VerhäLtuisse  liegen  in  unserem  Falle 
klar  gwug  vor  Augen,  als  dass  es  zur  Stützung  der  erminisch -swebischen 
StammesgemeinHchaft  des  sprach! it-hen  Heweises  bedürfte.  Und  wir  dürfen 
nicht  einmal  ohne  weiteres  erwarten,  dass  sich  eine  swebische  S])racligcmein- 
Schaft  aus  den  s]>ateren  Mundarten  ermitteln  Iflsst.  Wenn  es  in  der  zweiten 
Hälfte  des  ersten  Jahrtausends  v.  Chr.  eine  *iweliisclie  Mundart  gegeben  hat, 
so  ist  es  fraglich,  ob  die  Sijuren  einer  solehcu  der  Forachung  noch  erreich- 
bar sind.  Seit  Chr.  Geburt  hat  die  Gemeinschaft  aufgehi5rt,  und  somit  war 
der  Ansatz  zur  Bildung  einer  neuen  langubardischen.  marki  >maiinischcn  usw. 
Mundart  g^eben,  und  diese  Mundancn  kdnnten  die  vielleicht  geringfügigen 
Eigenheiten  der  urswebischen  Mundart  fast  ganzlich  verwischen.  Bei  den 
Franken  haben  wir  (Ü  157)  gesehen,  dass  eine  frankische  Spracheiiiheil  einst- 
weilen noch  nicht  ermittelt  worden  ist.  Bei  den  Anginfriesen,  deren  .Stammes- 
einheit wegen  der  geographisclien  Entfernung  der  Friesen  von  den  Sachsen 
und  Angeln  in  die  vorchristliche  Zeit  zurückreicht,  lasst  sicii  die  Sprachein- 
heit gleichwohl  mit  Sicherfieit  erweisen  (§  121).  Man  vergleidte  auch  da& 
üben  S.  816  f.  Über  die  oätgermanisch-sVadinawische  Spracheinheit  Gesagte. 
Die  Frage,  ob  eine  crminisch* swebische  Sprachcinheit  ermittelt  werden  kann,, 
hat  für  die  Geschichte  lediglich  da.s  Interesse,  dass  im  Bejahungsfälle  das. 
Alter  des  urswebischen  Stammes  sehr  hoch  hinaufgesetzt  werden  muss;  denn 
bei  einem  langereu  Fortbcstehen  desselben  hatten  sich  nicht  »o  eigenartige, 
die  spateren  mundartlichen  Sonderbildungen  überdauernde  sprachliche  Eigen- 
tümlichkeiten herausbilden  kOnnen. 

Ich  halte  die  Frage,  so  wenig  wie  für  die  Franken,  von  vom  herein  fOr 
unli^sbar.  Aber  einstweilen,  wo  uns  die  sogenannten  konstitutiven  Faktoren 
der  deutschen  Mundarten  noch  nicht  ausreichend  bekannt  sind,  sind  wir 
von  einer  Ij-isiing  der  Krage  noch  weit  entfernt.  Auch  der  Wortschatz  der 
Mvuidarlen  ist  noch  nicht  dermasscn  erforscht,    das«   man   von   dieser  Seite 


926 


XV.  Ethkographie  der  germanischen  Stämme. 


an  eine  L/Jsung  der  Frage  herangehen  könnte.  Aber  einen  Punkt  aus  der 
Lautgeschichte  glaube  ich  doch  bezeichnen  zu  können,  in  Bezug  auf  den  die 
swcbischen  StAmrae  Wcllcicht  schon  im  ersten  Jalirh.  v.  Chr.  Geburt  —  viel 
früher,  dnrf  wegen  der  erst  im  5.  oder  4.  Jalirh.  v.  Chr.  vollzogenen  genna- 
nisclien  Lautverschiebung  (§41)  als  ausgeschlossen  gelten  —  von  den  Nach- 
baist.'irainen  ahwiclien:  irh  meine  die  hochdeutsclie  Lautverschiebung.  Die 
bisher  übliche,  auf  dem  Geographen  von  Ravenna  beruhende  Datierung 
ist  durchaus  unzurcicliend.  Schon  bei  Ammianus  ist  der  alaraanuisdic  Name 
Ilortarius  mit  /<»/  überliefert  Wührcnd  die  römischen  Lehnwurtc  und  die 
Ortsnamen  wie  ZaUrn  <  Tabcma  lehren,  dass  die  hoclideutsche  Lautver- 
schiebung nicht  vor  dem  5.  Jahrh.  n.  Chr.  vollendet  worden  ist  —  voll- 
endet worden  sind  auch  die  meisten  anglofriesischeu  Eigentümlichkeiten 
erst  in  nachchristlicher  Zeit  — ,  so  fet  der  physiologische  Ansatz  zu  der  Ver- 
schiebung jedenfalls  betrachtlich  früher  zurückzudatieren.  Einen  Anhaltspunkt 
gewährt  die  Ttiatsachc,  dass  auch  die  Laiigabardische  Sprache  ilie  Lautver- 
schiebung durchgeffibrt  hat^.  An  eine  Übenragimg  dieser  Erscheinung  v< 
den  seil wäbisc heil  und  batriüchcii  Nachbars tamiucn  nach  Italien  kaim  nidit^ 
wohl  gedacht  werden,  ebensowenig  daran,  dass  etwa  die  Lautverschiebung 
bei  den  Langobarden  in  keinem  ursächlichen  Zusammenhang  mit  der  bei  den 
andern  hochdeutschen  Stämmen  stehe.  Es  bleibt  nur  Übrig,  den  Ansatz,  das 
erste  physiologische  Stadium  der  Lautverschiebung  in  eine  Zeit  hinaufzu- 
rücken,  in  welcher  die  Langobarden  noch  lebhafte  Beziehimgen  zu  den  an- 
dern hochdeutschen  Stammen  unterhielten.  Das  wSre  spätestens  im  5.  Jahrh. 
n.  Chi.  gewesen.  Damals  sassen  sie  noch  in  Österreich.  Aber  es  ist  niclit 
glaublich,  dass  damals  bei  der  politischen  Sonderstellung  der  einzelnen 
Stamme  noch  eine  so  durchgreifende  spracliliche  Neuerung  wie  die  Lautver- 
schiebung über  die  Stammesgrenzen  hinüber  vordringen  konnte,  und  zudem 
läge  ja  der  Fall  ebenso  bei  den  Wandalen  und  besonders  bei  den  Bur- 
gimdcn.  So  liegt  es  denn  näher  an  die  Zeit  zu  denken,  als  die  I.angobardeD 
noch  an  der  Niederelbe  wohnten,  an  das  i.  Jahrb. n.Chr.  Geburt  oder  wel- 
leicht  ein  Jahrhundert  früher.  Nahe  gcle^  wird  cjne  so  frühe  Datic 
durch  einen  andern,  bisher  niclil  beachteten  Umstand:  Behalten  wir  bei  d< 
Lautverschiebung  nur  die  Vcrsclucbung  der  Tenues  zu  den  Affricatcu  bezw,^ 
Spiranten  im  Auge,  so  ist  das  erste  Stadium  die  Aspirierung  der  Tenues 
gewesen.  Diese  Aspirierung  finden  wir  gegenwärtig  scm-ohl  im  Englischen 
und  Friesischen  als  auch  in  den  nordniedersadisischcn  und  westfälischen 
Mundarten;  nur  die  engrischen  und  ostfälischen  Mundarten  (von  IscHoha 
bis  Magdeburg)  kc-nncn,  wie  die  ripwarischcn,  reine,  nicht  aspirierte  Teiiut 
Da  die  Aspiricnmg  der  Tenues  im  Sprarhenleben  durchaus  keine  alltaglicl 
Erscheinung  ist  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  liochdeuische  Verschiebui 
mit  der  niederdeutsdien  im  Zasammcnhaiig  steht.  Ein  solcher  Zusammen-' 
hang  ist  aber  nur  denkbar,  wenn  sich  die  nachmals  hochdeutschen  Stamme 
mit  denjenigen  niederdeutschen,  welche  aspirierte  Tenues  sprechen,  geogra- 
phisch berührten.  Diese  Berühmng  wurde  aufgehnben.  als  die  I.angobarden 
und  Semiien  die  untere  oder  mittlere  Elbe  verltessen,  und  das  war  um  die 
Mitte  des  2.  Jahrhs.  n.  Chr.  h^reits  geschehen,  vielleicht  sogar  früher.  Da 
sich  nun  die  aspirierende  Sprechweise  schwerlich  gerade  unmittelbar  vor  dem 
Abzug  der  Langobarden  und  Semnen  verbreitet  haben  wird,  st»  dürfen  wir 
in  runder  Zahl  wohl  die  Zeit  um  Chr.  Geburl  als  spatesten  Termin  für  das 
Aufkommen  dieser  Sprechweise  ansetzen.  Da  femer  die  hochdeutschen 
Stamme  die  Verschiebung  weher  fortgebildet  haben,  so  dürfen  wir  nach  alltn 
Aualogieeti  siiiHessen.   dasiS  bei  diesen  die  aspirierende  Sprechweise   aufge- 


I 


in,   F.  SWEBISCHE  Sx.'iWME. 


927 


Ivunimcn  ist,  luid  wenn  diese  auch  bei  den  nQrdlicheren  Stilmmen  s[>atestens 
im  :.  Jahrh.  n.  Chr.  Eingang  gefunden  hat.  so  werden  wir  sie  den  hochdeut- 
schen Stüininen  bereits  för  das  erste  Jahrh.  v.  Clir.  zuschreiben  dürfen.  Aber 
ein  Beweis,  dass  etwa  um  Chr.  Geburt  oder  im  r.  Jahrh.  v.  Chr.  alle  swe- 
bischeu  Stamme,  und  nur  diese,  aspirierte  Tenues  gesprochen,  ist  damit  natür- 
licli  nicht  erbracht.  Doch  so  viel  sclieint  mir  sicher,  dass  die  t^ngobarden 
vor  ihrer  Allswanderung  an  die  Donau  nicht  nur  aspirierte  Tenues  gesprochen 
haben,  wie  ihre  sachsischen  Nachbarn,  sondern  dass  ilirc  Aussprache  bereits 
den  Keim  zu  der  hochdeutst-hen  Versrliiehung  der  Tenues  wie  der  Medtae 
in  sich  trug,  und  dass  dieser  Keim  den  swebwchen  Stammen  schon  im  i. 
Jahrh.  n.  Chr.  gemeinsam  war.  Aber  auch  dies  will  deshalb  niclit  viel  besa- 
gen^ weil  aucli  die  Chatten  die  hochdeutsche  Lautverschiebmig  durchgemacht 
iiaben  und  mit  einigen  Einschränkungen  auch  die  ripwarischen  Franken,  ahne 
dass  hier  an  eine  nennenswerte  Mischung  mit  Thtlringem  und  Alamannen 
gedacht  werden  k<"mntc.  —  Über  den  Lautwandel  germ.  *  >  d  vgl.  PBB. 
XI  17— 1<)  und  IF.  IV   [9—23. 

'  !ch  halte  die  Durchflibnin);  dtr  hocbätuixüicn  l^mvtnchirhxmg  bei  den 
Lnn^ohanli-n  fiir  eine  nf&lÜtiKuiif;  ihm'  Zuf;chnrl|;keit  zu  den  &webtiK:hi>n  Stämmen, 
Anden,  eber  mit  utuurdchenden  Gründen,  W,  Brückner,  Die  Sprache  der 
Langobcrdf»!,  Stxusburg  1S95,  S.  34—33. 


I.  Semnen  >^  Alamannen. 
a)  Semnen, 

Zeus»  130—131  lind  457,  —  MüUenhdff,  Sernnrincx.  ZfilA.  VII  {1849) 
jSjf,  —  AV,  Seelmann,  Ndd,  Jb.  1886  XU  (1887)  a  f.  Nnte  und  39—52,  — 
K.  Möller,  AfdA.  XXtl  (18916)  137  —  142  und  145  Fuaniote. 

§  218.  Oben  5.  i.)22  ist  auf  die  zentrale  Stellung  der  Semnen  im  Swcben- 
bundc  hingewiesen  worden.  Den  Römern  müssen  sie  durch  die  Feldzüge  des 
Drusus  Ijckannt  geworden  sein.  Als  Druaus  im  J.  9  v.  Chr.  die  Elbe  *he- 
X^lQtjoe  fiev  :ieQru(o&rjyai,  ovx  ijAvvtjdtj  dk',  AX/.it  TQostatu  at^aai  ävi-^oi- 
QtpE"  (Diön  LX  I,  3).  Er  hat  vielleicht  die  Semnen  über  die  Elbe  zurückge- 
worfen. Bezeugt  sind  sie  erst  zum  j.  5  n.  Chr.,  als  Tibcrius  nach  der  Einver- 
leibung der  Chauci  die  Langobarden  im  Lüneburgischen  niedergc würfen  liatte. 
Vellejus,  der  als  pracfectus  equitum  den  Fcldxug  mitgemacht  hat,  also  der 
denkbar  authentischste  Zeuge  ist,  beriühtet  hierüber  II  106  imd  sagt,  vom 
Langobardcnlande  aus  orientierend,  vtfn  der  Elbe,  da.is  sie  »Semnonum  Hcr- 
mundurorumque  fines  praeterfluit«.  Demnach  scheinen  die  Semnen  am  Un- 
ken Elbufcr,  südlich  von  den  Langobarden  und  nördlich  van  den  gleichfalls 
linkscEbischen  Hcrmunduri  gewohnt  zu  haben,  also  in  der  Alimark  und  viel- 
Iciclil  noch  weiter  >iüdwflrt'i.  Dass  ihr  Gebiet  auch  die  Landschaften  rechts 
der  Elbe,  ztmi  mindesten  die  Prignitz,  Uckermark  und  die  Havel landschaft  um- 
fasstc,  darf  man  im  Hinbiidt  auf  die  Grösse  des  Volkes  (Sirabön  VII  290; 
Tac,  Gtrm.  y):  P toi.  II  11,  8)  schliessen.  Nach  Vullc jus  hatten  die  Sem- 
nen —  denn  nur  diese  können  II  107  gemeint  sein  —  die  Alimark  preisge- 
geben, und  üir  kampfbereites  Heer  harrte  am  rechten  Elbufcr  und  flüihtetc 
beim  Herannahm  der  römischen  Flotte  l.indeinwKrts.  Zum  fiilgonden  Jahre 
berichtet  Auguslus  in  dem  Monumentum  AmyranNtn  c.  26,  nach  der  römi- 
schen Flottenfahrt  bis  Jüüand:  *Cimbri  et  C'harudes  et  Semnones  et  ejusdem 
tractus  alü  Germanurum  populi  per  Icgatos  amicitiam  meam  et  popuü  Romani 
pcticrmU.'    Ihre  Wohnsitze  sind  nach  Augustus  im  Gebiet  der  unteren  Elbe 


zu  suchen.  Sic  wurden  ukht  uniei^-orfen;  ilenn  das  hervorzuheben  hätte 
sich  weder  Veliejus,  der  Ruhmredner  des  Tiberius,  noch  Augustus  ent- 
getien  lassen,  zumal  die  Semnen  ein  so  bedeutendes  und  angesehenes  Volk 
ns-aren.  Iin  J.  5  hellst  es,  dass  das  Volk  lieber  der  Roincr  •amui  metuit  quam 
sequilur  fidemi  (Vell.  11  107):  im  folgemlcn  Jahre,  in  welchem  Tiberius  bis 
zur  Elbe  tcine  Kric>;sarbeil  mehr  vnrfand  —  *ov  filvrot  xnt  d^itmnjuo- 
veirzöv  Ti  lotf.  ye  fytitd)r&t}^  (Diün  LV  28,  5),  und  »nihil  erat  in  Gcrmani;* 
[d.  h.  dem  Hnksel bischen  Germanien],  qiiod  v-inci  possei,  praeter  {jenteni 
Marcomanorum«  (Vell.  II  ii^)  —  »amidtiam  populi  Romani  petierunt«. 
Es  hatte  also  die  Partei  der  Alten,  deren  rrjmcrfrcundliclic  Stimmung  VelL 
II  107  schildert,  die  Olx-rh;uid  (j;ewuimen.  Wir  müssen  ferner  s^chliesscn, 
dasÄ  die  Semnen  im  J.  6  das  linke  Elhufer  endgültig  aufgegeben  hauen.  Denn 
sonst  hatte  Rom  sich  mit  der  >amidtiai  nicht  begnügt,  sondern  eine  'deUitio* 
verlangt.  Beabsichtigte  Augustus  doch  die  Elbe  zur  militflrisdiwi  Grenze  de» 
Reiches  zu  madien,  wie  es  vordem  der  Rhdn  ge«-cscn  war.  Dies  Zid  lialte 
Tiberius  im  J.  6  für  Norddeutschland  erreicht,  als  er  auch  Böhmen  erübeni 
wollte  (Vell.  H  loK).  Wir  rnttssen  annehmen,  das.s  damals  die  untere  und 
mittlere  Elbe  die  Rcidisgrenze  bildete.  Vgl.  auch  Strabön  VH  291:  die 
l'olitik  des  Augustus  wollte,  dasa  er  *züiv  f$iü  ror  'AJ^kk  y.aii  i/ovj^t'av 
ÄiTwi"  inf'/iuto  H<xl  fif)  JzaQo$t'voi  rtoö?  TtjV  xiHvtoviar  rr};  ^jrt^QiKi-.  Vorher 
hatte  Strabön  a.  lu  O.  gesagt,  dass  die  VnlktT  /wischen  Rhein  und  Elbe 
Hch  entweder  nntemorfen  hatten  -^  xnt  xnrnhinorrti  zä^  xarinxta;-; .  und 
dass  Augustu-s  seinen  Feldherrn  untersagt  hätte  ^diufiaü'iiv  rov  KAlfitr,  ue- 
rtovoi  TOiV  Ixetof  «biawfrrfiiimnv.  Die  Preisgabe  der  Albnarfc  seitens  der 
Semnen  im  J.  5  war  also  im  J.  o  definitiv  geworden.  Semnen  und  L^ldj 
barden  —  andere  Stamme  kommen  nicht  in  Frage  —  sind  diejenigen  Ger-"' 
manea  gewesen,  welche  Augustus  >ultra  (trans)  Albim  fluviuni  snbmovit« 
(Suetonius.  Artg.  21  und  Eutrnpius  VI  9).  Strabön  hatte  dieSemnc 
noch  westlich  der  Elbe  gekannt.  Deim  er  sagt  VII  200  ausdrücklich,  dass' 
die  Semnen  zu  den  swebisclien  Stämmen  gehören,  diese  aber  »drö  lov  Pi'/rov 
fi^XQ^  ^'**'  *'''i^fi*o^'  wohnen,  zrnu  Teil  sogar,  wie  z.  B.  die  Hermunduri  und 
Langobarden,  über  die  Elbe  hinQberreicheu.  Dass  dies  auch  bei  den  Semnen 
der  Fall  gewe.sen,  ist  entweder  Strabön  nicht  bekannt  gewesen,  vielleicht 
hat  er  versehentlich  die  Hermunduri  statt  der  Semnen  genannt,  oder  es  ist 
ein  Zufall,  tlass  er  als  Beispiele  nur  die  Hermunduri  und  Langobarden  an- 
führt ^  andere  als  die  genannten  drei  Völker  kommen  überhaupt  nicht  in 
Betracht  Dass  die  Semnen  bis  zum  J.  5  n.  Chr.  auch  links  der  Elbe  ge- 
wohnt haben,  mibw  Strabön  in  emem  ihm  vorliegenden  ausführlithcn  Bericht 
über  die  Feldzflge  des  Drusus  und  Tiberius  gelesen  haben.  Die  Ahmark 
würden  wir  ohnehin  als  einstmaligen  seiunisihen  Besitz  entchlicsscn  dürfen; 
denn  langobardisch  kann  dieses  anbaufähige  Land  w^en  der  Kleinheit  ties 
Volkes  nicht  gewesen  sein;  aucli  nicht  cheruskisch,  wenn  Veliejus  von  cioem 
Punkte  sOdlirh  des  Ltngobardenlandes  aus  sagt,  dass  die  FJbe  »Semnonum 
Heimunduroruim^ue  fines  piiielerfluil';  endlich  auch  nicht  ermimdurisch, 
da  dieses  Volk,  dessen  Westgrenze  die  Werra  war,  sich  schwcriicli  so  wdl 
Tiach  Norden  erstreikt  hat;  ausserdem  spricht  s«:iwohl  gegen  die  Chenisd  wie 
gegen  die  Hermunduri  der  breite  Wald-  und  Sumjifgürtel  (Letzlinger  Hnide 
und  DrCSmling),    der   die  Altmark   vom    Süden    trennte;    \^l.    die    Kane    zu 

§  2I(J.  In  der  Folge  finden  wir  die  Semnui  auf  tier  rechten  Seite  der 
Elbe.  Dass  sie  etwa  nach  der  Niederlage  des  Varus  die  Allmark  wiciicr  be- 
setzt hatten,  ist  nicht  glaublich.    Waren  doch  die  Germanen  kdncswegs  sicher 


III.  F.  I.  Semkem. 


929 


ob  die  nJmischc  Politik,  die  Elbe  zur  Rcithsgrenze  zu  machen,  endgültig  aufge- 
geben worden  sei.  Noch  im  J.  16  planten  die  Chcrusci  Ober  die  Elbe  aus- 
zuwandern  (Tac,  Ann.  II  ig),  um  der  rümlschen  Herschaft  zu  entgehen. 
Dieser  FUäs  gah  also  noch  als  Ostgrenze  der  römischen  Interessensiiharc- 
Ini  J.  if)  werden  keine  Semnen  unter  den  besiegten  V'filkem,  die  -usqne  ad 
Albim  colunt'  genannt  (ebd.  II  22  und  41).  Wenn  die  Semnen  aber  von 
()  V.  Chr.  bis  i(>  n.  Chr.  auf  Wcstelbicn  verzichtet  hatten,  so  ist  es  wenig 
wahrscheinlich,  dass  sie  s]>ater  dies  Land  aufs  neue  besiedelt  haben,  zumal 
die  politische  Grui>pierung  der  Stflmnip,  römisch  ixler  antir5mi.sch,  wie  sie 
zur  Zeil  dei  Varusschlacht  bestand,  in  den  folgenden  Jahrzehnten  bestehen 
blieb.  Die  vordem  romwchen  Stamme  hipitpn  zu  Rom,  nachdem  sie  Rom 
langst  aulgegcben  hatte.  Die  Chauci,  in  deren  Lande  noch  im  J.  14  eine 
römiadie  Besitzung  lag  (Tac.,  Ann,  I  38),  die  in  den  beiden  folgenden  Jahren 
auf  Seiten  Roms  kämpften  (ebd.  I  öo  und  II  17),  empürten  sich  erst  41 
und  47  11,  Chr.  {SucL,  Ciaud.  24:  Dior  LX  8,  7;  Tac,  Ann.  XI  i8f.; 
Diön  LX  3«).  Bis  üstlich  der  unteren  Weser  war  also  die  politische  Kon- 
stellation die  alte  geblieben,  und  wenn  die  römische  Sphäre  im  J.  40  noch 
bis  zur  Lüneburgcr  Heide  reichte,  kann  vorher  an  eine  Rückkehr  der  Semnen 
nicht  wohl  gedacht  werden.  Waren  aber  erst  50  Jahre  seit  dem  Verfassen 
der  Alliuark  <lah ingegangen..  s<.]  ist  eine  Rückkehr  redit  uiiwahrscheinlicli,  und 
das  um  .»«1  mehr  als  im  J.  98  Taritus,  Germ.  39,  die  Semnen  offenbar  als 
ein  rcchtselbischcs  Volk  keunL  Es  folgt  das  aus  dem  geograpliLscben  Zu- 
»mmcnhang.  Kap.  28 — 37  werden  die  linksel bischen  Völker  genannt,  Kap. 
38  folgen  die  rechtselbischen.  Jenseits  der  Chcrusci,  Chauci  und  der  links 
von  der  ElbmlUidung  gedachten  Cinibri,  in  der  Nadibarecliaft  der  rechtsclbi- 
ächen  Langobarden  und  Nerthusvölker  und  nOrdlicli  von  den  Hemiundiiri  haben 
die  Scnmcn  nach  Tacitus  gewohnt  Da  die  Nerlhus-Völker  an  der  See 
wohnen,  au  der  Elbe  ihnen  zunächst  die  Langt>barden,  so  wird  sich  Tacitus 
die  Semnen  oberhalb  der  Langobarden  und  unterhalb  der  Hcmiunduri  ge- 
dacht haben,  also  etwa  in  der  Mark  Brandenburg,  zum  mindesten  in  der 
Prignilz  und  dem  luiteren  Havel-Gebiet.  Wenn  Tacitus  die  Langobarden 
mit  Recht  als  einen  ostelbischen  Stamm  behandelt,  so  wird  ein  gleiches  auch 
für  die  Senmeii  anzunehmen  sein.  Das  st>ate  Zeugnis  des  Vibius  Sequester, 
De  fluminibm:  »Albls  Gcrmanüie,  Sucvos  a  Cherusds  dividit«  kann  nichts  da- 
g^en  besagen.  Das  Zeugnis  des  Tacitus  gilt  aller  Wahrscheinlichkeit  für 
den  Ausgang  des  i.  Jhs.  War  doch  Tacitus  crsichUich  bemüht  in  sdner 
Germania  die  neue-^^ien  Nachrichten  geogra])hisch  zu  vcrarlwiten,  vgl.  seine 
Angaben  über  die  Bructcri.  Chamavi,  Angrivarti  und  Chauci  (^  130.7),  und 
Nachrichten  Ober  die  enlfenilcrcn  Stamme  flössen  den  Römern  bei  den  fried- 
lichen Verlialtnissen  jener  Zeit  gev^'iss  reichlich  zu.  Die  swebisdie  Kultus- 
statte, welche  »omnes  ciusdera  sanguinis  populi  legationibus  cocunt«,  haben 
wir  uns   im  rcchtsd bischen  Lande  zu  denken, 

Was  Ptolematus  (II  11,  8  und  10)  über  die  Wohnsitze  der  Senmen  aus- 
sagt, ist  ohne  Wert.  Seine  Angabe,  da.*;s  dieses  grosse  Volk  r»stiich  der  im- 
teren  Elbe  wohne,  bietet  nichts  neues,  und  die  fernere  Angabe,  dass  es 
nördlich  bczw,  nordwestlich  von  den  Silingen  wohne,  beruht  in  Anbetracht 
der  völligen  Unbekanntschafi  «ler  Kümer  mit  der  Landschaft  zwischen  F-lbe 
und  Oder  auf  einer  wcrdose])  Kombination. 

Ü  2JO.  Über  die  Cieschichtc  der  Semnen  in  den  rcchtsclbLschen  Sitzen 
ist  nur  wenig  bekannt.  Aus  Strabön  (VII  290)  und  Tac.  (Ann.  II  45)  wissen 
wir,  dass  die  Semnen,  wie  die  stamm vcrwajidtcn  Langobarden,  Sweben  und 
Atarkomanncn  und  wie  die  os^jermanischcn  Li^i  und  Goten  bis  zum  J.  17 

GcnnuilKh«  Pbilotogk  III.    iL  .\\i\\.  £0 


930 


XV.  Rtunocikaphie  ukr  germanischen  Staume. 


n.  Chr.  zum  Reich  des  Maroboduiis  gehört  haben.  Im  J.  84,  berichtet  Diön 
(LXVII  .5,  3),  kam  iici  König  der  SemiK-n  nach  Rom.  Wir  lernen  aus  dicscc 
Tliatsachc,  <ia&s  das  Volk  seit  dein  J.  6  römerfreundlich  geblieben  war.  Sie 
sind  dann  völlig  dem  römischen  Gesichtskreise  entrückt,  und  erst  gelegent- 
lich des  Markomannen kricgcs  wird  llir  Name  nuch  einmal  gcnaimt.  174/75 
wollten  die  Quadi  von  ihren  Sitzen  an  der  mittleren  Donau  zu  den  Senrncn 
auswandern  (Diün  LXXI  20).  Wir  dürfen  vermuten,  dass  die  Heimat  der 
Scmncn  zur  Zeit  herrenloses  Land  war.  Die  Semnen,  wddie  im  J.  6  die 
AUniark  preisgebenen  hatten,  liaben  iro  folgenden  Jalirhundert  auch  das 
rechtsei  bische  Stammlaiid  verlassen,  ebenso  wie  ihre  nördlichen  Nachbarn, 
die  Langobarden  (ij  243),  wenn  auch  Reste  von  ihnen  sich  noch  bis  in  das 
3.  Jahrli.  hinein  in  der  Heimat  gchallen  haben  (§  221). 

In  der  Folge  kennt  die  Ge*chiclite  keine  Semnen  mehr.  Was  ist  aus  dem 
mäditigen  Volke  geworden?  Vasa  es  durch  ein  anderes  Volk  veiiüdilcl 
worden  wäre,  ist  au^csc blossen,  weil  als  Nachbarn  im  Norden  nur  die  klei- 
neren Langobarden,  im  Südwesten  die  Hermiinduri.  beides  stammverwandte 
Volker,  in  Betracht  kommen,  und  die  oütgcnnanischcn  Burgundcn  und  Wan* 
dalen  nach  Ungarn  abgezogen  waren.  Die  Semnen  sind  also  ausgewandert 
imd  mü-ssen  in  der  neuen  Heimat  einen  andern  Namen  angenommen  haben. 
Wohin  sie  gezogen  sind,  lasst  .sich  ungefähr  erraten.  Ihre  Nachbarn,  die 
Langobarden  und  Henuunduri  enjcheinen  im  Morkomannenkricge,  als  die 
Semnen  vermutlich  ihre  Heimat  bereits  verlassen  hatten,  an  der  mittleren 
Donau,  ebenso  wie  ihre  Ostnachbam,  die  Burgunden  und  Wandalen.  Ent- 
weder sind  sie  also  diesem  V&lkersliome  gefolgt,  und  in  diesem  Falle  müssten 
sie  unter  dem  Namen  eines  Donau -Volkes  erscheinen  —  es  kamen  hier 
allein  die  numerisch  viel  zu  unliedeutcnden  lutungi  in  Frage  —  ixlcr  sie 
haben  ein  von  seinen  Bewolmem  verlassenes  Land  besetzt  —  hier  käme 
allein  die  Main- Landschaft  in  Betracht. 


I 


I 


b)  Alamanueit 

Zeus»  303 — 355. — J.  F.  HuschbcTK-  Gtichkhtt  4er  AlUmanntn  und  Fra»- 
ken  bis  lur  Grüm/unj^  dfr  fränkiiiJun  Monarcfiir  liurch  Könif[  CftloJwif^.  Snl»- 
bacb  1840. —  H.  H»»i,  Urtustäntif  Aii-mannh-ns,  Sch-caberu  Hnä  ihrer  \(u:k&ar~ 
ttÜHärr,  ErUngcn  1865.  —  Chr.  Kr.  v.  Stalin,  H'irlfmbdrg^sch^  Gtiehi^hte^  4 
bnw.  5  Brie,  Tübingen  und  Stuttgart  1841 — 73.  —  A.  Hollacndcr,  J>if  Krtfgr 
eUr  Aiamannen  mii  </«-«  Rfintfrti  'ff*  ,\Uh  Jahrhundert  n.  Chr.  (Zb.  f.  d.  Gtscll. 
(L  Ol'<-rrhruis  XXVI  [tSy^]  272—318).  Karisruht  18^4.  —  W.  Arnold,  Atuif 
lietungrn  uwl  IVamU-rungrn  deut-uher  Sliitttme,  Mitrburg  1875.  —  Ft.  L.  Baa- 
tnann,  Dir  alnmannüc-hr.  yifdrrla.itung  in  Rharlia  smtni/a,  Zs.  d.  llist.  Vtr.  f. 
Schwallen  iiinl  Npiiliiiri;  It  (I875)  t^l  — 187.  —  Fr,  L,  Baunimin,  ScM^ttirm 
und  Alawnnnen,  ihre  Herkunft  unit  Urntitiil,  Fiwisdl,  ^.  ilcul»chen  Ge*».*!).  XVT 
(187^)  21; — 277  (wieder  ahgcdr.  in  Uaumann,  Farsfhungnt  mr  uhv^htichrm 
Gesihiihte.  Kempten  1898,  S.  500—585).  —  Ft.  L.  Baumann  Die  tlaugraf- 
ichaften  im  Wirlrmbergisthm  Schrtvhefi,  Stuttgart  1879.  —  A.  Scbricker. 
AlUite  Grenzen  und  Gaue  im  Ehass,  Strasslij;.  Sluiltcn  II  (1884}  jog — 402.  — 
H.  V.  Schubert,  Die.  VtiirriferfttHi^  der  Alamannen  unter  die  Franken,  Diss^ 
Stnuuburt;  1884.  —  V.  Fr.  Scalin,  Geschuhte  H'ürltembergs  I  l  und  l  (bis  1496)» 
Uoüu  1882.  87.  —  A.  Birlingcr,  Htthtirhtinis<hei  Alamnunien  (Fondi.  «,  dt. 
Landes-  u.  Volkskunde  IV  4),  Stutlgatn  1890.  —  Fr.  KanfriD«an,  Gtschickte 
der  jchtedbiicAen  Mundart,  Stnssburg  1890,  S.  35—32.  —  J.  Harimion,  Über 
die  Besiedlung  des  \fiirttembergischeH  Schwarvaaldi,  insbesondere  des  oberen  Mneg^ 
Ihais.  Wflrttrmbif.  Jbb.  f.  Statistik  u.  Landeskunde  1893,  S.  l  tf.  —  J.  Hitt- 
nriann,  Dte  BesifdlM'tg  H'iirttrmbergi  vati  der  Urteit  bis  auf  die  Gegvnwort, 
Wilrtlciubg.  Neujalir»l)iäU«  XI  i8ft4.  Stuttfntft  1894.—  A.  Scbiber,  Die  frdn- 
Jtisi-hen  und  aleituinniithen  SiedUtngen  in  Gallien,  besonders  in  Elsass  und  La- 
thringen,    Slnssbutg   1894.  —  W.   Busch,  Chlodwigs  AbimattnenschtaeHt.  Pxrsff^ 


ni,  F,  I.  Alamannen. 


931 


a  Teile,  M.-rilaill»iu:li  lSg4.  95.  —  A.  Meitaien,  Sudrlung  inui  f1^rarafft:eN  I, 
Berlin  1895,  S.  388 — 49J.  —  K.  K.  W,  Strootman,  /V/-  Äfi-^  über  dt'e 
AlamaMom  im  Jährt  368,  H«nn«s  XXX  (1895)  355 — 360.  —  H.  Witlr,  Zwf 
GeschichU  iUs  Dtutschtumi  im  Etsats  nnd  im  Vogtsengebiet,  Su)t[gart  1897.  — 
K.  Weiler,  Die  Besiedlttug  da  ÄlamannentaHdes  (Württcmbg.  V'iciteljahrsbcft« 
t.  Landcsgcach.  N.  F.  VII  [1898]  JOI— 350),  Smttjpin  1898. 

§  221.     Die  Atamannen  sind  seitdem  J.  213'  in  der  Geschichte  beltannL 

Damals  Uiuchen  sie  als  eine  >gens  populosa*  am  raetischcu  Um(.-s  auf,  neben 
den  Chatten  und  *prope  Moennni  amnem«*.  Rbendort  finden  \Wr  sie  auch 
50  Jatire  spiUer,  ihre  KriegszOge  bis  nach  Gallien  und  Italien  aiudchncnd*, 
sowie  in  dt-T  Folgezeit  Woher  sie  gekaramcn  sind,  darf  man  Diön  Kassioa 
LXXVII  14,  3  entnehmen.  Dort  heisst  es,  dass  nach  der  erkauften  Besiegxing 
der  Alamanncn  durch  Caracalla  im  j.  JI3  *i%o)Xi>i  xat  idv  Jiao'  aittp  t^ 
ätxFav(t)  rreot  ras*  toi*  "Ai-ßi^o^  Ixßolai  nixovjTim'  iTtQFoßrvonvTO  Jrpö? 
ninov  tfuinv  fiiTOvyTei".  Isl  auch  diese  Narhriihl  scliwedich  (je^jgraphisch 
genau,  denn  an  der  Eibmündung  haben  Anglofriesen  gesessen,  so  darf  man 
doch  schliessen,  dass  die  Stammverwandten  der  Alaniannen  im  Gebiete 
der  unteren  Elbe  gewohnt  Imbtn.  v:n  im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  neben  den  Lan- 
gobarden die  Semnen  genannt  werden.  Wenn  die  Alamannen  im  J.  213  zu- 
erst bekannt  geworden  sind,  su  ^^ind  sie  jedenfalls  nicht  früher  als  in  diesem 
Jahre  bis  zum  limes  vorgerückt,  haben  also  vordem  im  inneren  Dcutscli- 
land,  etwa  am  oberen  Main  oder  in  Thüringen  'jdcr  an  der  Eibe  geses- 
sen. In  Bewegung  gekommen  sind  sie  offenbar  früher.  Der  Markomannen- 
krieg zeigt  uns  sämtliche  swcbische  Stämme,  die  Langobarden,  die  Sweben 
im  engeren  Sinne,  die  Hennunduri,  Markomannen,  Varisü  und  Quadi  in 
Bewegung;  nur  die  Semnen  werden  nicht  oder  dc>ch  nur  indirekt  genannt 
(§  220).  Damals  an  der  Donau  zum  Stillstand  gebracht,  haben  die  swebi- 
scheu  Stämme  sich  nach  dtin  oberen  Main  ausgebreitet,  uiid  hier  dürfen 
wir  fQr  das  atisgehende  zweite  und  das  beg^inende  dritte  Jahrh.  den  /iusam- 
menschluss  einer  Gruppe  von  kleineren  swebischen  Stammen  zu  dem  grossen 
alamannischen  Verbände  ansetzen.  ^^vy/jXvdii  (bezw.  Sir/xlvÖis)  etotv 
äv(^QO)7iot  xai  fuyddFC,  xat  roDro  dvvtiTnt  ahnt?  ij  htwwfiia*  {Asinius 
Quadratus  [3.  Jahrh.]  bei  Agathias  I  b  [27,  i]).  Der  Name  (vgl.  got. 
alamaiis)  ist  ein  zusammenfassender,  wie  die  älteren  Namen  Hemiunduri 
imd  Herminones.  Er  umfasst  die  swebischen  Stämme  mit  Ausnahme  der 
Langobarden,  Thüringer  und  Markomannen  >  Baierri,  und  erst  später  mit 
EinschJuss  der  Sweben  im  engeren  Sinne.  Wir  haben  also  in  erster  Reihe 
an  die  Scnineu  *  zu  denken,  neben  diesen  an  kleinere  swebische  Stämme,  die 
früher  etwa  /östlich  der  Elbe  gesessen  haben  und  deren  Namen  uns  nicht 
überliefert  sind,  weil  den  Römern  die  Landschaft  zwischen  Oder  und  Elbe 
unbekannt  gehlieben  i.st.  Vielleicht  reicht  der  Name  der  lutuugi  bis  in  jene 
Zeit  zurück.  Die  Alamannen  sind  jedoch,  das  beweist  ihr  Name,  politisch 
nicht  identisch  mit  den  Semnen.  Vielmehr  haben  wir  uns  tlie  Entvölkerung 
des  semnischen  Landes  als  eine  allmähliche  vorzustellen.  Einzelne  seranische 
Scharen,  denen  immer  neue  nachfolgten,  sind  infolge  ihrer  Auswanderung  aus 
dem  alten  pr.liti.schen  Verbände  ausgetreten,  um  sich  auf  dem  neu  erworbenen 
Bodeu  zu  einem  neuen  Verbände  zusaiumenzuthun,  wührend  den  semnischen 
Staat,  der  noch  im  J.  213,  wie  es  scheint,  bestanden  Iial  (s.  oben),  die  all- 
niählichc  EnlvöEkcrung  aufgelöst  hat. 

1  Ein  J*hrliundcrt  früher,  darf  man  nicht  »u»  Amm.  Mure.  XVII  1,11  folgern. 
—  ■  Die  Bcl(^  bti  A.  Kiese,  Dai  rhttnncht  Germanien,  S.  i8^  — [87.  — 
*  Erlege  Riese  S.  204 — 2o6.  —  *  Ober  einen  raäglidi«Dfalls  berbeizmtehenderi 
Beleg  vgl,  R.  Mucb,  PBB.  XVII  %\. 


§  222.  Das  ganze  dritte  unti  vierte  Jahriiimdert  hindurch  halten  die  Römer 
die  Angriffe  der  AUmiannen  zurQckzu weisen,  deren  Ziel  die  Ansiedlung  iancr- 
halb  des  oberrheinischen  Limes  war.  In  dai  6oer  Jalircn  des  3.  Jahrhs.  ge- 
lang es  ihnen,  vorübergehend  die  nlmische  l'mvinz  Raetia  zu  gewinnen 
[Panef^.  Consfavtia  10),  und  in  derselben  Zeit  v^iarden  die  rcchtsrheinisthen 
bis  dahin  romischen  rivitatcs  der  Usipi,  Tubantes,  Nictrenses  und  Casuarii 
im  Gebiete  des  unteren  Main  »a  barbaris  uccupatae«  {l'^rvtteser  Fö'/itffa/e/), 
ob  von  Alamannej* '  oder  Chatten  (§  208),  ist  zweifelhaft  In  der  ersten  Hälfte 
der  70er  Jahre  kJimpften  die  Alaniannen  =iv  tüI^  jzfqi  t6v  "laxQOv  toyn- 
Tiait*  (Zösimos  I  41^).  Aber  sie  wurden  bald  wieder  zurückgedrängt,  Probus 
»cum  Jam  in  nostra  ripa,  immu  per  omnes  Gallias,  securi  vagarentur.  cnesis 
prope  quadringentts  inUtbus,  qui  Rnuianutn  occupavcranl  sulum,  reliqiüas 
ultra  Nignim  fluvium  (Neckar)  et  Albam  (Alp)  (also  über  den  oberrheinischen 
Limes)  reuiovil«  (Vopiscus,  l^la  Probi  XIII  7),  und  in  demselben  Jahre 
282  »urhes  Romanas  rastra  in  solo  barbarico  posuit  atque  ülic  mililcs  collo- 
cavit«  (ebd.).  Um  290  'Burgundiones  Alamaimorum  agros  occupavere,  scd 
8ua  quoque  dade  quaesitos.  Alanianni  tcrras  amiserc,  scd  repctunt«  (Mamer- 
tinus,  öenelhl.  Maxim.  17).  296  laichte  das  alamannischc  Gebiet  vom  Rhein 
bis  Ganzburg  (unterhalb  Ulm) :  >a  ponte  Rheni  usque  ad  Danuvii  transitum 
Gunticnsem  deusta  atque  exhausta  penitus  Ataniannia^  {Patteg.  Constantio  2)- 
die  Römer  konnten  den  germanischen  und  raetischen  Limes  wieder  »usque 
ad  Danu%-ii  caput«  vorschieben  (ebd.  3).  Um  die  Mitte  des  4.  Jahrhs.  abet 
hatten  sich  die  Alamannen  sogar  am  linken  Rheinufer  von  Stiassburg  bis 
Mainz  niedergelassen :  »Argentoratum,  Brotomagum,  Tabema«,  Salisoncm, 
Nemeuts  et  Vangionas  et  Mogontiarum  civitates  barbaros  possidentes  tcni- 
tyria  carimi  liabtlaic«  (Amin.  Marc.  XVI  2.  \i)  und  »domidlia  fixere  ds 
Rhenuui'  (l-U.1.  11,  8).  Aber  357  durch  die  Schlacht  bei  Strassbui^  »rcddi- 
tus  limes  Romanac  ptasessioni-  (Aur.  Vict.,  Caes.  XLII  17).  365  »Alamiumi 
pcrTutx.TC  Gennaniae  limiles«  (A  m  m.  XXVI  4,  7),  »Gallias  Raetiasque  simul 
Alamanni  ])opulabantur«  (ebd.  4,  5) ;  377  fallen  sie  in  das  Elsass  ein.  357, 
3.59-  3&8,  371,  374  sind  ihre  Sitze  nördlich  bis  Mainz  und  Wiesbaden  bezeugt 
(vgl.  bes.  Amm.  XVU  i,  2  und  6  und  XXIX  4,  2  f.  und  7).  Erst  seit  dem 
grossen  Völkereinbruch  des  Jahres  409  sind  die  Alaniannen  dauernd  am 
Oberrhein  ansllssig  geworden;  »Neraelac,  Argcntoratus  transLitae  in  Germa- 
niam' (H  ieron.,  Ep.  1 2^  ad  AgerucMam).  Ihre  Sitze  in  der  Pfalz  mussten  sie 
zwar  den  Burgunden  rüumen.  Als  aber  letztere  443  nach  Savoyen  auswan> 
dcrtcn,  wurde  das  Land  bis  Mainz  ^»'ieder  alamannisch  und  ersirct^'kte  sich 
am  Main  aufwärts  bis  über  Aschaffenbnrg  und  Wflrzburg  hinaus  (Gcogr. 
Ravennas  IV  26,  vgl.  §  211).  Ihre  Ostgreuzc  bildete  zimflclist  der  liier: 
Kempten  untl  Günzlmrg  waren  nach  der  Notifiti  dignitainm  römisch.  Erst 
im  Laufe  des  5.  Jahrhs.  haben  sie  ihre  geschichtliche  Ostgrenze  am  Lech  er- 
reicht und  sich  über  die  Schweiz  au.sgebreitet;  die  Besiedlung  des  Elsass  fallt 
in  die  Jahre  409 — 53Ö.  Die  »patria  Suavorum,  quae  et  Alamaunorura 
patria«  (Geugr,  Rav.  IV  26)  war  bis  zum  J.  496  das  Land  südlich  des  Main 
mit  den  Städten  —  Mainz  w.-ir  frlinkisi'h  —  Worms,  Speicr,  Strassburg,  Brci- 
sach,  Basel,  Zuricli,  Constauz,  Bregenz  und  im  Norden  Asdiaffenburg  und 
Würzburg.  Die  Namen  Schwaben  und  Alamannen  umfassten  danials  ein 
und  dasselbe  Reich. 

Ende  des  5.  Jahrlui,  stiessen  sie  mit  den  Franken  zusanomen.  Nach  ihrer 
Nietlerlage  im  J.  506  mussten  sie  die  Pfalz,  das  tmlere  Ncckai^ebiet  und 
die  Mainlandschaft,  d.  L  die  Landacliafi  Svcvia  der  Tahnia  Ptutingmamt 
(§  227),  an  lue  Franken  abtreten  (§  211)  und  blieben  auf  das  .spatere  Her- 


I 


III,  F.  I.  Alaaiankeh. 


933 


zogtum  Alamannia,  beschränkt.  In  der  Folge  verioren  sie  überhaupt  ihre 
poülischc  ScIbsUladigkciL  Seit  536,  als  die  Ostgolea  die  Oberhoheit  übet 
den  noch  sclbsUlndig  gt:bHebenen  Teil  <[er  Alamannen  an  die  Franken  ab- 
traten, haben  sie  aufgehört  als  ein  besonderes  Volk  zu  existieren  und  bilden 
nunmehr  einen  Teil  des  grossf rankischen  Reiches,  wenn  ihnen  auch  noch 
ihr  einheimisches  Herzogtum  bis  zum  J.  7^0  verblieb.  —  Über  die  im  J.  567 
von  den  Fianken  in  NorUthÜringen  angcaicdcUcu  Suavi  (Paulus  Diaconus 
11  6),  welche  ich  fflr  Alamannen  halte,  vgl.  oben  §  151. 

1  So  MoTninsen,  Räm.   Geiih.  V   150. 

§  223.  Die  Alamannen  setzten  sich  zusammen  aus  einer  griVsseren  An- 
zaiil  von  kleinen  Gaustämmen,  welche  den  alten  Hundertschaften  entsprechen, 
und  welche  noch  im  4.  Jahrh.  politiacli  selbständig  auftreten  und  unter  eige- 
nen reges  oder  reguli  standen.  Einzelne  dieser  kleinen  Gauvölkchen  werden 
uns  von  Ammtanus  namhaft  gemacht,  so  im  Norden  die  Bucinubantes  bei 
Mainz  (XXIX  4,  7),  im  Süden  die  Lentienses  im  Linzgim  (XV  .4,  1.  XXXI 
10)  und  cHe  luthuiigi  an  der  Donau  (XVII  0,  i).  Er^l  in  der  zweiten  Hälfte 
des  5.  Jahrhs-  ist  der  enge  Zusammcnschliiss  aller  Teilstiimme  zu  einem  grossen 
politischen  Ganzen  unter  einem  König  erfolgL 

Den  kleinen  Teilstämmen  der  Alamannen  haben  sich  von  Anfang  an 
(§  221)  einzelne  Scharen  von  anderen  swebischen  Stammen  angeschlossen. 
Voa  den  eben  genannten  luthungi'  wissen  wir,  dass  sie  uniprünglich  ein 
selbständiges  Volk  gewesen  sind.  Die  römische  Weltkarte  aus  der  Mitte  des 
3.  Jahrhs.  (Jj  162}  unterschied  (in  den  uns  vorliegenden  3  Rezensionen:  der 
Tabula  Peutitigeriana,  der  Veronatr  VSlkertafti  und  den  F.xcerpten  des  Hono- 
rius)  die  lutungi  ab  selbständiges  Volk  von  den  Sweben,  Armalausi,  Mar- 
komannen und  Quadi,  und  zwar  wohnen,  die  lutugi  der  Tabula  PetiHn^riana 
am  linken  Donauufer  in  (Jber-  und  Niederöstcrrcich  an  tler  Seite  der  Quadi, 
während  die  Alamannen  und  Sweben  vom  Budensce  bis  Mainz  wohnen.  In 
der  ersten  Hälfte  der  /Oer  Jahre  des  3.  Jahrhs.  besiegte  sie  Aurelianus  an 
der  Donau  (Dexippos  22  =  Uist.  Gr.  min.  I  190 — 192.  iQSf.  198)«.  Nach- 
dem sie  nach  Westen  gezogen  waren,  erscheinen  sie  als  vAiamannormn  pars«. 
So  im  J.  358:  »lutliungi,  Alamannumm  pars,  Italicis  conterminans  tractibus, 
obliti  pacis  et  foederum,  quae  adcpti  sunt  ubsecrando,  Raetias  turbulente 
vastabant,  adeout  ctiam  oppidurmn  tcraptarent  nhsidia  praeter  solitumvr  (Amm. 
XVII  6,  i).  Im  J.  383  »lathungi  populabantur  Raelias«  (Ambrosius,  Ep. 
24).  Sie  blieben  bis  430  den  Römern  gefahrlich.  Seitdem  verschwindet  ihr 
Name  unter  dem  der  Schwaben- Alamannen. 

Einen  ungleich  bedeutenderen  Zuwachs  haben  die  Alamannen  durch  die 
Sweben  erhalten,  welche  gleichfalls  aus  dem  Osten  gekommen  sind  und  erst 
*™  J-  357  '^•c  untere  Neckarlandschaft  bU  zum  Main  in  Besitz  genommen 
haben  (§  2^7).  Sie  haben  sich  gleichzeitig  mit  ihrer  Niederlassung  im  Westen 
ptilitisch  eng  an  die  Alamannen  angeschlossen,  so  dass  beide  zusammen  fort- 
an als  ein  Volk  erscheinen.  Bereits  für  diese  Zeit  ist  von  den  Alamannen 
bei  Mainz  die  Rede  (§  222),  bereits  damals  werden  also  die  Sweben  auch 
als  Alamannen  bezeichnet,  wie  die  .5.  Jahrh.  die  »patria  Suavonim«  »et  Ala- 
mannorum  patria«  genannt  wurde  (Geogr.  Rav.  IV  2b),  wie  im  6.  Jahrh. 
Gregor  v,  Tours  (11  2)  von  den  nach  Spanien  ziehenden  Sweben  sagt 
»Suebi,  id  est  Alaraanni',  und  wie  umgekehrt  bereits  um  370  Ausonius  die 
Alamannen  an  der  oberen  Donau  nnter  dem  Namen  Sweben  kennt  (§  227). 
In  der  Folge  werden  die  Namen  Alamannen  und  Schwaben  promiscue  ge- 
braudit".  Am  deutlichsten  sagt  im  q.  Jahrh.  Walafrid  Strabo  {MO.  SS. 
n  2 f.):   »quia   mixti  Alamannis  Suevi  pariem  Germaniae   ultra   Danubium 


934 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 


obscdeninl,  antiquonim  vocabulorum  vcritatc  scrvata  ab  incolis  nomca 

patriae  derivemus  et  Alamanniam  vel  Sueviam  noininemus.  Nam  oun  duo 
vücabula,  unani  gentem  significantia,  priori  nomine  nos  api>ellant«  die  roma- 
nischen Völker,  ssequenti  u^us  nos  nuncupat  barbaromm«.  Der  Name  Sch^-a- 
ben  ist  seit  357  der  volkstümliche  Name  für  den  neuen  Gesamtslamm  ge- 
worden. 

1  Zn  den  iiucbrifüicb«a  >maixibiu  Sacbis  EDÜiuiipibaB<  in  Köln  v([l.  M.  Ihm, 
Rhein,  Miu.  N.  f.  XLV  639.  —  '  Nadi  Zftiis  313  f.  warcc  sie  <UinAla  Nacb- 
bam  dcT  Alimuincn  an  der  oberen  Donau.  —  ^  ».  die  Belege  bis  zum  13.  Jahrb. 
bei  Baumnnn,  ScAzc'adfn  u,  Alat».,  2^2 — 254.  Die  letzten  Belege  fCLr  eine 
Scbcidvuig  von  vVJoniatuieii  ucd  Schwaltcn  ütamincn  aiu  dem  ö.  Jahrb.  (Caisiodor, 
Var.  Xn  7;  Joid.,  Get.  IM  aSoJ.^  Prok.,  ß,  G.  1  iz)  luid  sind  wohl  nur  ein 
Ausdruck  der  Verltrsenbdl.  sieb  mit  der  Idcnüült  der  beiden  Namen  alizotiDdm. 


2.   Sweben. 


Zeusn  94— 9S.  M^i".  und  +63—465.  —  R.  Much,  PBB.  XVTl  (1893)  18 
—24,  99  —  105  und  XX  (189s)  »0—34,  —  G.  Holz,  Beitr.  tur  dfulich^n  Alf.  I, 
H.-UIe  1S94,  S.  [2 — 14.  —  G.  Ztppel,  DmtsclK  V3tAtrbewfguHgtm,  fVogr.,  KAnigt- 
berg  1895,  S.  24—30. 

§  22^.  Eine  gcschtdilÜdie  Betrachtung  der  Sweben  hat  von  Caesar 
auszugehen.  In  der  Schlacht  gegen  Caesar  bildete  jeder  von  der»  imter 
Ariovists  Ffthnmg  vereinigten  Stämme  eine  besondere  Heeresabteiluog:  die 
Harudes,  Marcomani,  Tribori,  Vangiones,  Nemeies,  Sedusü.  Suevi  {B.  G.  I 
51).  Da  von  diesen  die  Marcomani  und  Suevi  grössere,  die  andern  aber 
kleinere  Stämme  gewesen  sind,  ist  nur  je  eine  Abteilung  der  beiden  erstcrcn 
Ariovist  gefolgt.  Die  Hauptmasse  der  Sweben  war  im  unteren  Maingebiet 
sitzen  geblieben  (vgl.  oben  ^  64).  Diese  Sweben  ei^heinen  als  ein  einheit- 
liches Volk,  mit  besonderer  Verfassung  {B.  G.  IV  i,  2.  ig,  2),  eingeteilt  in 
Hundertschaften  (I  ^~,  3  und  IV  1,  4).  Ihre  Ausdehnung  nach  Westen  und 
Norden  ist  völlig  deutlich.  Sie  wohnten  am  unteren  Main,  ohne  den  Rhein 
ganz  zu  erreichen.  Südlidi  vom  Main  :*circiter  milia  [ras>tuum  sexcenta  agri 
vacare  dicuniur«  (vgl.  oben  §  64),  Erst  im  südlichen  Baden  und  im  süd- 
lichen Württemberg  folgte  der  keltische  Stamm  der  Hclvetii.  In  Nassat 
grenzten  sie  an  die  Ubii,  nördlicher  an  die  Chatti,  welche  westlich,  wie  die' 
Sweben  östlich  der  unteren  Fulda  gesessen  haben  (|i  207).  östlicli  der 
oberen  Weser  waren  sie  durch  die  silva  Bacenis  (Buchonia),  einen  vx>m 
Vc^elsgebirge  und  der  Rhön  bis  zum  Harz  reichenden  Waldgürtel  von  den 
Chcrusci  geschieden;  dieser  Urwald  >pro  nativo  muro  ubjectam  Cheruscos 
ab  Suevis  Suevos<iue  ab  Cheiusris  injuriis  incursionibusque  proliibere*  (Ä  Cr, 
VI  10).  Ihr  Gebiet  lunfasste  also  zum  mindesten  noch  das  westliche  Thü- 
ringen. ThQringcn  muss  als  ihr  Stammlaiid  angesehen  werden.  Denn  am 
unteren  Main  schildert  sie  Caesar  als  neue  Ankömmlinge.  Daten  fOr  ihr 
westliches  Vordringen  sind  einmal  das  Jahr  72  (näheres  oben  S.  705),  zum 
andern  das  Jahr  5g,  in  welchem  die  Ustiietes  und  Tencieri,  nachdem  sie 
»complures  amius  exagilati  hello  i^remebauiur'  »ad  extrenmm  tamen  agris 
expulsi«  wurden  (oben  S.  797).  Während  die  westhchen  Sweben  um  Clir. 
Geburt  abgezogen  sind,  fehlt  jeglicher  Grtmd  zu  der  Annitlime,  dass  damals 
auch  die  in  der  thüringischen  Heimat  verbliebenen  Sweben  ausgewandert 
sein  sollten.  Demnach  bleibt  kein  anderer  Schluss  übrig,  als  dass  tut 
Sweben  identisch  sind  mit  den  später  bekannten,  westlich  bis  zur  Werra 
reichenden  Hermunduri.  Nur  die  Rücksicht  auf  Tac.  Gemt.  35  und  auf 
die  beiden  (wie  wohl  allen  swebischcn  Stanimen)  gemeinsame  Einriditung  der 


III.  F,  2.  S^^'£B£N. 


935 


Hundertschaften  h:it  diese  Sweben  zu  Semncn  stpirpeln  können,  obwohl  doch 
die  utizwcidciiügc  Angabt!  Caesars,  dass  der  Haiz  die  Grenze  zwischen  Swe- 
ben und  Cherusd  bilde,  die  Serancn  geradezu  ausschliesst. 

Die  Brücke  zu  Tac.  Ofrm.  35  mu&s  mit  andern  Mitteln  geschlagen  werden 
(§213  Note).  So  wenig  wir  auch  bczwdfchi  dürfen,  dass  die  Serancn  das 
s»'cbische  Kemv<^lk  gewe-sen  sind,  von  dem  «ch  die  .indem  swebischcn  Stflmtnc 
abgezweigt  oder  au  das  sie  sich  anjjegliedert  haben,  su  wt  ducli  die  Voraus- 
setzung, dass  der  Viilksnantc  Swi^hen  seit  Altere  an  den  Semnen  besonders 
Zoll  gehaftet  habe,  nicht  zutreffend.  Das  Kernvolk  der  Sachsen  hat  in 
Holstein  geacs.scn;  der  Name  Sachsen  aber  haftete  deshalb  nicht  an  dieser 
J-andschaft  Zttlier  als  an  den  übrigen  .sachslsclkeii  Gebieten  und  ist  an  dem 
sächsischen  Kuli>nialgcbjet  an  der  miltlert-n  Elbe  haften  geblieben.  Das 
Kemvolk  der  Franken  scheinen  die  Cliamavi  gewesen  zu  sein:  der 
Frankenname  aber  verblieb  den  eroberten  Gebieten  im  Westen  (Frank- 
reich) wie  im  Osten  (Bayrisch  Franken),  wahrend  die  Kernfranken  nach- 
mals Lothringer  genannt  wurden.  Die  Hennunduri  mr^en  sidi  vou  den 
Semnen  abgezweigt  haben,  und  der  Name  Sweben  kann  denn(H:h  bei 
den  ersteren  in  ältester  Zeit  vorzugsweise  im  Gebrauch  gewesen  sein,  wah- 
rend die  letzteren  zwar  auch  Sweben  aber  für  gewöhnlich  mit  dem  Sonder- 
namen Semnen  genannt  wurden.  Mir  scheint  die  Annahme  unabwcisliar, 
da.ss  zu  Caesars  Zeit  unter  den  swebischcn  Stämmen  die  .spateren  Hennun- 
duri im  besonderen  den  Namen  Sweben  trugen.  Und  diese  .Annalmie  wird 
dadurch  gestützt,  dass  in  der  Folgezeil  der  Sweberiname  wiederum  an  den- 
jenigen Sweben  haftete,  welche  sich  von  dem  nunmehr  Hennunduri  genannten 
Kcmstamme  der  Sweben  Caesars  abgezweigt  haben.  Die  Sondemamen 
kamen  in  Geltung,  nachdem  der  ausgewanderte  Teil  des  Volkes  feste 
.'W<)hnsitzc  gewonnen  halle,  und  wir  dürfen  wolil  schties.sen,  dass  die  Her- 
munduri,  welche  Caesar  nur  unter  dem  Namen  Sweben  kennt,  nicht  gar 
zu  lange  vor  Caesar  —  vielleidit  zur  Zeit  und  im  Zusammcidiaug  mit  der 
kimbrischen  Wanderung  —  Thüringen  bis  zur  Wena  besetzt  haben '. 

1  Dine  AnniihTne  »lebt  nkht  in  WiderspnKb  £U   der   in    g    41    angDtiomnicnen 
Dalicning  des  Bclrvlens  TbUringcjis,     Das  svrcbiücbc  Urvolk    nia^   um   400  v.  Chr. 
das  /■>st3icln:  Thüriiiycn  besetzt  haben,  uibrcnd  tUmals  wtsilichcr  noch  Kclltn,  ver- 
mutlich   Turon«    (§  43  Anm.).    wohnten,     Die  RcsCC  der  letzUrtn  irögtn  vor  dem 
kimbriiidicn  Aiutunu  f;cwichc[i  sein. 
§  225.     Die  Sweben   Caesars    werden   auch    von    den    spateren   Schrift- 
steilem   genannt.    Diön   Kassios   berichtet  (LI  21,  b)   zimi  J.  29  v.  Chr., 
dass  sie   über  den  Rhein   votgedrungen  waren,    und  er  kennt  sie  (LI  22,  6) 
jen.seitÄ  des  Fibeins.     Drusus  besiegle  im  J.  9  v,  Chr.  erst  die  Chatten,  riaim 
die  Sweben,  dann  die  Cherus^-i  (ebd.  LV   i,  2);   die  Sweben  «issen  zwl'it.hen 
Werra    und    Fulda   und    bis   gegen   den  unteren    Main.     Auch    bei   Florus 
(II  30,  24  f.)  treten  im  selben  Jahre  neben  einander  die  Cherusci.   Sweben 
und  Sic:imbri  auf,  und  ebenso  sind  die  Sweben  Caesars  gemeint  bei  Stra- 
bön,    wo    dieser  (IV   104}  von  den  rechtsrheinischen  Sweben  spricht  (§  214, 
1).     Diese    Sweben   wohnten    aber   nicht    nur    Östlich    von    den    Chatien    an 
der  Fulda  und  Werra,    sondern    ihr  (Jebiei   erstreckte  sich    südhch  von  den 
Cherusd,  also  südlich  vom  Harz  ostwärts  bis  zur  Elbe  oder  doch  mindestens 
bis  zur  Saale.     Das   müssen    wir   aus   dem  Umstände    folgern,    dass  in   dem 
von  Drusus  unterM-urfencn  Thüringen  kein  anderer  Volksname  genannt  wird- 
Druaus  hatte  zwar  im  J.  9  v.  Chr.  nur  die  westUchcn  Sweben  au  der  Fulda 
besiegt  (§206  Arm.),  dann  aber  auch  die  südlicheren  Markomannen  (Florus 
II  30,  23,  Orosius  VI  21),  imd  seine  Kriegsführung  erstreckte  sich  bis  zur 
Saale  (Strabön  VII  291).     Es  bleibt  also  nur  übrig,  Thüringen  für  die  Swc- 


936 


XV.  Ethnographie  der  germanisches  Stämme. 


ben  in  Anspruch  zu  nuhnicn  —  die  Markomannen  wohnten  in  Böhmen. 
Seit  Tiberius  kennt  man  in  Thüringen  ilcnnundiiri.  Wahrend  unter  dieser 
neuen  Benennung  das  Slammvolk  der  Sweben  sitzen  pebliel>en  ist,  sind  die 
westlichen  Sweben,  die  erst  seit  Caesar  Qber  die  Werra  voigedrungcn  sind, 
spater  auägcu'andert. 

§  226.  Diön,  der  die  Sweben  vor  Chr.  Geb.  am  Mittelrhein  und  als  Nach- 
barn der  Chatten  nennt,  erw.1hnt  sie  (LXVII  5,2)  zum J.  94  n.Chr.  in  Mocaien, 
dem  heutigen  Serbien  und  Banat  {*^r  t/7  Mvoi'f.  Avytot  2ovrißo{<;  na\  JioXe- 
ftMOhrt^-i),  an  der  Donau,  verbündet  mit  denjazygcn  der  Thcisscbcne  (»ol 
J^ovrjßoi  TiQooTtfiQiknßoy  'InCi'ya^  xai  jiQonao^oxtväCotto  o)»  xai  ftei'  a^- 
t<7n'  tÖv  "ffTTQov  Äinlir}n6ftfi'oi»).  Es  sind  die-selben  Sweben,  welche  früher 
ain  Main  gewulint  haben.  Hier  sind  sie  seit  dem  J.  q  v.  Chr.  nicht  mehr 
bekannt.  Es  kennt  sie  weder  Veliejus,  der  doch  (11  105!.  und  iim))  Chatti. 
Cheruäci,  Hcrmunduii,  Maicomuni,  Semuoneü  und  Langokardi  anführt,  bctu 
Kriege  des  Tiberius  4 — 6  n.  Chr.,  noch  Taritus  bei  dem  Feldnig  des  Gcr- 
manicus  gegen  die  Marsi  (Ann,  I  50  f.  und  II  25)  und  Chatten  (ebd.  I  .55  f, 
II  7,  II  2,5  und  11  41)  in  den  Jahren  14 — 16  n.  Clir.,  noch  Strabön  (VII 
292)  bei  'der  Auf/ahlung  der  besiegten  Stamme  geleg'-'ntlich  des  Triumph- 
zuges  de»  Gcrmanicus.  Ebensu  fehlen  die  Sweben  bei  dem  Chattenkriege 
im  J.  41  (Diön  LX  8,  7)  und  50  (Tac,  Ann.  XII  27),  bei  der  Wanderung 
der  Ainsivarii  im  J.  5Ö  (ebd.  XIII  5Ö),  bei  dem  Gienzkriege  der  Cliatten 
und  Hcrmunduri  im  J.,5S(cbd.  XIII  57)  und  Ijei  dem  Kriege  des  Ci\'ilis,  an 
dem  doch  die  Chatti,  Usipi  und  Matiiaci  beteiligt  waren  {//tsf.  IV  37)  süwie 
Südlich  vum  Main  die  Tribod  und  Vangioiies  (ebd.  IV  70).  Die  Sweben 
haben  also  nach  dem  J.  9  v.  Chr.  und  vor  dem  J.  4  n.  Chr.  das  vor  50 
Jahren  neu  gewunnene  Land  zwi^clien  Werra  und  Main  wieder  verlassen, 
wahrscheinlicli  um  sich  der  römischen  Herschaft  zu  entziehen.  Ein  bestimm- 
tes Datiun  bietet  Diön  (I.V  loa,  2):  Im  J.  2  v.  Chr.  hatte  DfimitiiL-i  Ahcno- 
barbus,  weicher  »twv  jtqo^  rrj»  ^laroot  ^aoton'  ^QX^}  ^otV  rf  'Eofiovvdov- 
Qovi  la  tfji  olxEin^  ovx  old'  orrtu-p  iiavaoz'ivzus  xat  xaxä  Z^)Tt)oty  hi' 
QO*  T^?  nXnvmfih'ovq  {'irolaßan'  h  pl^ei  rfji  MnQXOftnyviAo^*  angesiedelt ', 
alsu  wohl  am  Buhmerwald,  Diese  Stelle  darf  vielleicht  als  ein  Beleg  dafür 
gelten,  dass  die  Main-Swebcji  zu  den  Hcmiunduri  g<Thi1rten;  denn  es  ist 
fraglich,  nb  diese  Hermunduri  mit  den  im  J.  nt  n.  Chr.  in  Bühmen  sieg- 
reichen (Tac,  Ann.  II  65)  und  im  J.  51  bis  nach  Ungarn  vordringenden 
llcrraumluri  (ebtl.  XII  2fj)  sowie  mit  den  zu  Ausgang  des  Jahrh.  an  der 
Donau  Handel  treibenden  Hermunduri  (Tac,  Germ.  41)  identisch  sind,  oder 
ob  nicht  die  Sitze  <ier  Sweben  zu  beiden  Seiten  des  Kühmerwaldcs  nach 
Strabön  (VII  292)  zu  vergleichen  sind.  Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  das- 
jenige Markomamienland,  in  welchem  Domitius  den  Hcrmunduri  Sitze  an- 
wies, war  <lamals  vcriassen,  und  siimit  werden  wir  die  Besetzung  Böhmens 
durch  Maniljriduus.  die  zur  Zeit  des  Drusus  im  J.  9  v.  Clir.  noch  nicht  go*\ 
schehen  war  und  die  nach  VeMeju.s  (II  loH)  vor  dem  J.  5  n.  Chr.  stattg^ 
funden  jiat.  spütestens  in  das  Jahr  2  v.  Chr.  setzend  Dem  Marnbodutu 
folgten  ausser  den  Markomannen  auch  andere  swebische  Stamme  (Strabön 
VII  2(p),  und  dies  sind  die  Sweben,  welche  bei  Tacitus  (Ann.  II  26,  44 
imd  b2,  vgl.  auch  Strabön  VII  290)  im  J.  16,  17  und  iq  als  das  Haupt- 
volk de-s  böhmischen  Reiche.3  erscheinen.  Schon  im  J.  14  n.  Chr.  hatten 
Swfben  Kaetien  bedroht  (Tac.  /iw«.  I  44),  w...hl  von  Passau  her.  Nach 
dem  Sturze  des  Maroboduus.  der  ein  grosses  swcbisches  Reich  bis  zur  un- 
teren Elbe  und  bis  nach  .Srhle,sien  hin  aufgerichtet  hatte,  wurden  die  Sweben 
^oder  ein  Teil  derselben)  im  J.  ig  von  Rom  am  linken  Donauufer  xwischeo 


III,    F,    2.   SWEBEK. 


937 


Marus  (Mardi)  und  Cusus,  in  Niederfislerrelch  angesiedelt,  unter  dem  quadi- 
schcn  König  Vannius  (Tac,  Ann.  11  6^^,  vgl.  auch  Plin.,  A'  Jf.  IV  8i),  walireiid 
die  Markomannen  in  Böhmen  sitr^n  blieben.  Diese  österreichischen  Sweben 
StndwaJirscheinlich  nidiL  zu  trciuicn  von  denen,  welche  nach  SlrabAn  (VII  2C)0 
und  294  f.)  bereits  seit  Beginti  unserer  Zeitrechnung  nördlirh  der  Dtmau,  in 
der  Nachbarschaft  der  Geten  (in  Rumänien)  wohnten  (»10  AI  vdxtot-  fiigo^ 
T»;<r  FEgiiavias  rö  neoav  rov  "AXßto^:  rö  fthv  ovvej^kg  dx  ft  ifv  Ino  twv 
Soi'ißtiiv  xtix^yerni  •  sFr'  ?^&h^  rj  tSiV  Fftö}v  rtvvÄ:TTft  y>}*).  Zwar  weist 
•die  Nachbarsciiaft  der  Geten  zunflclust  auf  das  Ranat  hin,  und  diese  W»»hn- 
sitze  werden  scheinbar  gestützt  durch  Diön  LXVII  /j,  2.  Aber  bei  der  man- 
gcllutfit-n  Geographie  Straböns,  der  (11  izH)  Iani»s  der  Donau  auf  »n/r  re 
rtQfinviav  *tÖ  VextKÖv^  folgen  lüsst,  werden  wir  um  wj  eher  an  Nieder- 
OsteiTcich  denken,  u-as  auch  mit  »unmittelbar  jenseits  der  Elbe«  eher  ver- 
«inbar  w,lre,  also  *Axfn)vi  auf  ein  gleichzeitiges  Ere^Es  und  damit  wohl 
auf  da.s  Jahr  iq  n.  Chr.  hindeutet*.  Zweifelhaft  ist  es,  iib  wir  an  diese  zu 
denken  haben,  wenn  Pliiiropius  (VH  12)  zum  J.  39  berichtet,  dass  Caligiiia 
>bel]um  contra  Gcrmanos  susccptl  et  ingressus  Suebiam  nüiii  strenue  fecit' 
—  es  kVJnnte  sein,  dass  sich  der  I^ndschaftsname  Schwaben  für  die  untere 
Mainlandschaft  erhalten  hatte.  In  Niederösterreich  blieben  sie  bis  zum  J.  51, 
in  welchem  jähre  sie  in  I'annonien,  also  am  rechten  Donauufer  in  Ungarn 
als  römische  Unterthanen  ang^-sietleät  wurden  {Ann.  XII  2i)  f.).  Diese  Swe- 
ben werden  im  J.  69  neben  den  Sartnalen  der  Theiss-Ebene  geuai^ni  {Htst. 
I  2),  im  J.  70  neben  den  sannatischen  Jazygen  (ebd.  Ilf  5),  ebcns4i  im  j.  84 
(Diön  LXVII  5,  2);  sie  haben  offenbar  bis  in  die  Gegend  von  Belgrad 
gereicht.  Mit  ilircm  Muttervolk,  den  Hennuiiduri,  scheinen  diese  Duiiau- 
Sweben  in  steter  Verbindunp  geblieben  zu  sein  (vgl.  zum  J.  iq  Tac,  Ann. 
II.  63  und  zum  J.  51   ebd.  XII  29  f.). 

'  (i.  HnL£,  Iteilr.  z.  ^mt,  A/lirtufrutumü-  I  S.  14  nimmt  an,  da«s  die  Main- 
Sweben  im  J.  <),'8  V.  Chr.  ausgewandert  sind,  weil  im  J.  8  -.illc  we&Uicbcn  Ger- 
niuicnst^mmc  mit  Ausnahme  der  Suß-imbrcr,  die  dcühitib  aufccISsI  viiirdcn.  ihr* 
UnlcrwcrfiinK  einreichten- .  Wie  das  Beispiel  der  Cbatten  (g  306)  lehrt,  mögen 
auch  <llc  Sweben  sich  sehr  wobl  imterworfeti  b.-iben.  aber  aEs^miIü  der  rOtnJKhen 
Hencbalt  übenlrilioif:  geworden  icin;  e«  zwinf^  nichu  zu  der  Dnüening  9/8  v.  Chr., 
tmd  es  spricht  oic-htt  gCKcn  die  DaUL-nin^  3  od«.'r  2  v.  Chr.  Auf  alle  FUle  sind 
die  Sweben  /.wi+chen  g  und   2  v.  Cbr.  ausgcwarden, 

*  Oben  S.  743,  Z.  6  ist  i.  J,  18  lür  Buch  VII  ru  verbessern  in:  /wischen  17 
mu]  21,  eine  Zvtlbesiimmun);,  die  nuf  Grund  dieser  neuen  Konibinaiion  nJther  als 
19  bis  21   /u  be^tinimL'n  sein  driifte. 

S  227.  Fflr  die  folgenden  J.nhrzchntc  haben  wir  von  den  Sweben  kdne 
Kmidc.  Erst  gcleneiitlich  des  Markoiiiamienkricgcs  werden  sie  wieder  ge- 
nannt und  zwar  in  den  Sitzen  in  Pannonien,  die  sie  im  J.  51  eingenommen 
hatten.  In  den  70er  Jahren  des  2.  Jahrhs.  >genles  omncs  ab  Illyrid  limile 
usque  in  Galliam  ronspiraverunt,  ut  Marrnmanni.  Varistae,  Hermunduri  et 
Qiiadi,  SueN-i,  Sartuatae,  Lacringes  et  Burci^  usw.,  alle  Völker  nördlich  der 
Donau,  vom  Bühmer«-aki  bis  zur  Donaumündung  (Capitolinus,  Vi/a  Af. 
Antom'nt  phil.  22).  Ein  vulles  JahrJiundert  später  »Aureiianus  cunira  Suebos 
et  Samiatas  .  .  vehementissimc  dimicant  ac  flurentissimara  victoriam  rettulit« 
{Flaviüs  Viipiscus.  Viin  Aureliani  18),  alsn  in  Ungarn,  und  Aurclianua 
triumphierte  über  die  freilich  nicht  io  geographischer  Reihenfolge  genannten 
»Gothi,  HaLani,  Rn.\n|ani,  Sannatac,  Franci,  Suevi,  Vanduli,  Gcnnatii-  (ebd.  33). 

I"i  J-  357  "iniperator nuniiis  lerrckttur  et  certis,   inrtirantibus  Sue- 

büs  Raetiaa  incurearc,  Quadosque  Vaieriam  [d.  i.  Niederpannotiien,  südlich 
von  Buda-I'cst],  et  Sarmatas  .  .  .  superiorem  Mnesiam  [d.  l  Serbien  und  ßanat] 
«t   secundam   populari   Pajinoniam«    [westlich   von   Valeria]    (Amm.  ISIarc. 


L 


938 


XV.  Ethntw-.raphie  der  germanischen  StXhue. 


XVI  lo,  2ü).  Die  Sweben  sassen  also  bis  557  immer  nudi  im  westlichen 
Ungarn.  Aber  seit  (üe-scm  Jahre  sind  sie  tlaucnul  im  Westen  ans.'issig  ge- 
worden. Dass  sich  die  Sweben  damals  ain  Neckar  niedergelassen  haben, 
bezeugt  die  (nach  K.  Miller)  im  J.  365/66  abgefasste  Tabiiia  Peutmgeriana, 
welche  rechts  des  Rheins  zwischen  Mainz  und  Strassburg  eine  I^indschaft 
Svevia  verzeichnet,  südlich  deren  dann  Ostlich  vom  Schwarzwild  bis  Brcgeni 
und  Augsburg  Alamannia  folgt.  Im  J.  368  kJlmpfen  die  Sweben  an  der  ol»e- 
ren  Donau  (Ausonius,  Ati  fontrm  Damwü),  und  hier  war  die  von  Auso- 
nius  besungene  HiiL-iula,  die  Sueba  virgundila,  zu  Hanse.  379  singt  Auso- 
nius \Precatio  c<*nsH/rs  20)  von  »Franciu  mixta  Suebis^.  305  kennt  sieCiau- 
dianus  {/Je  consulatu  StiUchonis  I  h.y-\  22z\  am  Rhein.  Alle  diese  Belege 
galten  bereits  für  das  neue  schwabisch-alaiuannisclie  Gesamlvolk  (.^  -^3).  Ein 
Rest  von  Schwaben  aber  hat  sich  im  westlichen  Ungarn  noch  bis  in  die 
erste  Hillfte  des  6.  Jahrhs.  hinein  gehalten,  bis  der  I^ngobardenkönig  »Waccho 
super  Suavos  inruit  eosque  suo  donünio  subjugavit:  (Paulus  Diacouus  I 
21;  vgl.  auch  Prok.,  B.  O.  I  15). 

Zu  Beginn  des  5.  Jahrhs.  überschwemmen  sie  mit  den  Alan!  und  Vandali 
Galhen.  über  Mainz  und  Metz  vordringend  (OrostusVII  38,  3  und  40.  3; 
Fredegarius,  O/»«.  II  öo;  Gregor  v.  Tours,  //ist.  Franc.  II  2\  ZAsi- 
mos  VI  3,  1).  Es  sind  die  Schwaben,  welche  zu  den  Alamannen  geh6ren, 
und  eine  Schaar  dieser  »Suebi,  id  est  Alamanni«-  (Greg.  II  2)  haben  ai< 
im  J.  40g  im  Gefolge  der  Wandalen  im  nordwestlichen  Si>anien  niedergc 
lassen  (ebd.  und  Gros,  VII  40,  3),  wo  sie  ihre  Scllfstandigkcil  behaupteten. 
bis  sie  450  und  dann  470  von  den  Westgoten  unterworfen  wurden.  Näheres 
bei  Zeuss  448—452  und  45Ö  und  F.  üahn,  Ur^tch.  d.  gfrm.  und  rvm.  Viil- 
ii-rlll  und  Kffnige  d.  GfnnnncTiVl  559 — 582.  Bei  ihrer  geringen  Zahl  sind 
sie  bald  romanisiert  worden. 


3.   Hermunduri  >  Thüringer. 

A.  V.  Wemebe,  firsckrtibutig-  drr  Gaur  wvischm  Elhe,  Soalr,  XMstrtttr 
HVsrr,  tferra,  Hannover  iSag,  —  v,  Wer«pl>e,  Übrr  die  Verthetiung  'J'hü- 
ringtns  fleischen  Ji-n  tilUn  Sachten  und  Franken  {Hesse'«  Beitr.  i..  d.  tciilMrbcn, 
bes.  üiürinf;.  Gcscb.  <1»  MittrUliers  I  t  und  3),  3  KUlftcn,  Hamburg  I834.  36,  — 
Zc\xit  97  f.,  102 — los.  553 — 360  und  374.  —  J.  Grimm.  Gesth,  d.  dt.  Sfirofkr, 
596 — 607.  —  L.  V.  Ledcbur.  .VordlAi/riHfprn  und  die  HfrmunJurfr  oder  Thü- 
ringet,  Berlin  185a.  —  P.  CuHsel,  Vebrr  Ihiin'ngisc/te  Ortsnamen.  Wis*.  Bcr.  d. 
Erfumr  Ak.  II.  III  (1854)  86—235,  Erftin  185t):  jweuc  AbhandlutiK.  ebd.  1858. 
—  0.  Bolze,  Unter mchiiftg  über  die  ä!l<iU  Gesehichie  der  Thüringer.  Prt>(tr., 
Magdeburg  1859.  —  Frausiadl.  Die  Suet-enstdinme  des  mitlterrn  DetttschlanJ^ 
Webers  Artb.  f.  A.  sÄrhs,  \\rsf\i,  I  3t  — 57.  —  A.  Glofl,  De  anUquit  Tfiurmj^ 
/.  De  arigine  Thuringonitrt.  Diw.,  Hulis  Snx.  l863.  —  K,  v.  Wietprsbcim, 
Urher  die  Urhr^i'ohner  im  heutigen  Sai-hnent  Wcbrrs  Arcli.  f  A.  ^ch«.  Gcscb^j 
HI,  —  Th,  K  ridchenbiLiier ,  Of.\ehiehle  Thüringens  in  der  karolmgisehm  vi 
sächsischen  Zeit,  Gothii  1S63.  —  A.  GIoSl,  Zur  Getehithle  der  alten  Tkti. 
ringer,  Fonich.  %.  dt.  Gesch.  IV  {1864)  195—240,  —  V.  Wislicenii»,  Die  Gt- 
uhithle  der  Eibgermanen  ii>r  der  Välienvanderung ,  H«lle  i8fa8.  ~~  Th. 
Knochenhatier,  Geschichte  Thüringens  U4r  Zeit  des  ersten  Landgra/enhausn 
Oo3Q — 1347).  hMß.  V.  K.  MfOzel,  Gotb»  1871.  — U  ftoffmann,  Zur  Geschtchtr 
des  alten  Thüringerreichts,  Progr.,  R»tbenow  1873.  —  Vi .  Kti^iAAt  Ansiedeluttgtn 
und  Wanderungen  deuticfier  Stämme,  Marburg  1875.  — A,  Wernebiirg,  Dir  H'oMh- 
sitte  der  Chenttien  und  die  Herkunft  der  Thüringer,  Jbb.  d.  Ak.  gemciiiDüU. 
Wi»».  IM  Erfurt,  N.  F.  X  (:88o)  1  —  133.  —  A.  Kirchboff.  Thüringen  dck 
HermuMdurenland,  Leipzig  1882.  —  A.  Wcrncburg,  Jfei/rdge  tnr  thüringruJkrm 
Gesch'chie,  Mi«,  d,  Ver.  f.  d.  Ge»cb.  11.  Ah.  »nn  Erfurt  X!  (1883»  1  —  56  nttil 
XII  321  ff.  —  W.  Seelmnnii.    Ndd.  J\>.    1880    X!l    (1887)    I— 27.  —  H.  W. 


in,  F.  .V  Hekmuxduri. 


939 


Lipperl,  BtHrägt  zur  äilrstrn  Gf\ihuhtr  ärr  Thiinngt-r  I,  Zs.  d.  Vcr,  f,  thür. 
Geach.  XI  (1883)  239—316;  11  clul.  XIl  (1884)  73  — 105;  III  ebd.  XV  {1890) 
1—38,  —  E.  I.uTtnz,  Dif  TffüriHgiickr  Katastrophe  vom /öftre  $31,  DlM.,  Jena 
1891  (=  Zs.  d,  Ver,  f.  ihür,  Geftcfc.  XV  (1890)  335—406.  —  M.  Kßnnecke, 
Das  alte  thüringisrhe  KSnigreüh  und  sein  Vnt^rgang  S3'  "•  C^''"  Qu«furt  1893, 
—  R.  Mnch.  PBD.  XVU  (1893)  58,  6a,  TS— 7".  95  ^-  and  XX  (1895)  20—28. 
^  P.  Rcicbarül,  f'enucA  einer  Gesefifcftte  der  A/eissHitehen  Ltiiuie  in  dm 
ältesten  Zeiten.  Prt^r.,  Ancabcrg   1895-  —  Fr.  RckcI,   Thüringen  II,  Jena  1895- 


a)  Hemuinduri. 

§  228.  Die  Hermunduri*,  ein  swebisdies  Volk  (§  2i4f.),  werden  nichi  vor 
dem  J.  2  V.  Chr.  genannt.  Das  ist  hfirhst  auffitlüg,  wenn  das  Volk,  wie  man 
allgemein  annimmt,  seit  Alters  in  Thüringen  heimisch  ist.  Wir  sollten  eine  Er- 
wähnimg filr  die  Jahre  12 — cj  v.Chr.  erwarten.  Denn  Drusus  eroberte  West- 
deutschland bis  zur  Klbe,  und  gelegentlich  seiner  KeldzQge  wird  sogar  die 
Saale  geiiaiint  (Strabön  VII  Joi).  Aber  c-s  ist  immer  nur  von  Sweben  und 
IMarknraannen,  nicht  von  Hemiunduri  die  Rede.  Drusus  ^jtQÖg  re  r»/)-  Xe- 
Qovoyidn  t6v  OvhovQyoy  diaßni  ffXnfje  fU^Qi  tov  'AXßto^,  ndrta  noo^cöi'* 
{Difin  LV  55,  I,  2)\  nach  den  Markomannen  »validissimas  naliones  Che- 
mscos  Snebnsque  et  Sicambros  ^-öriter  adgressus  est«;  »in  tutelam  provinciac 
praesidia  atque  custi:idias  ubique  disposuit  per  Amisiam  flumeu,  per  Albin, 
per  Visui^n*  (Florus  II  30,  2^  und  2Vi);  -Marcomannos  paene  ad  inter- 
necionem  cecidit« :  »Cheniscos  Suebos  et  Sygajnbros  pariter  uno  hello  sed 
etiam  suis  aspero  superavit*  (Orosius  VI  ii,  12);  vgl.  auch  Vell.  U  105 f. 
Dass  die  Hermunduri  ohne  Schwertstreich  (wie  die  Ubii  mid  ßatavi)  frei- 
willig zu  Rom  übergetreten  wären,  und  daher  Drusus  keinen  Anlass  gefunden 
hätte,  gegen  sie  vorzugchen,  das  ist  recht  unwahrscheinlich,  wenn  sich  damals 
die  Main-Sweben,  mit  denen  sie  wenige  Jahrzehnit*  zuvi'^r  nuch  eine  Volks- 
gemeinschaft hifdeten,  und  die  Markoinannen  (§  238)  und  noch  im  J.  5  n.  Chr. 
die  Scmiien  (§  218)  und  Langobarden  (Vell.  11  10^)),  also  alte  benachbarten 
swebischen  Stamme  zu  Kom  feindlich  stellten.  Wir  müssen  \'ielmehr  anneh- 
men, dass  der  Name  Sweben  noch  im  J.  y  v.  Chr.  wie  zur  Caesars  Zeit  die 
späteren  HennumUiri  mit  ctnschh'f'sst,  d,iss  also  die  politische  Losiösung  der 
Main-Sweben  von  dein  in  Thüringen  wohnenden  Kernvolk  und  die  Konsti- 
tuierung des  letzteren  miter  dem  Namen  Hennunduri  zur  Zeit  des  Drusua 
noch  niclit  erfolgt  war.  Diese  erfolgte  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  erst,  nach- 
dem die  Main-Swtben  um  Chr.  Geburt  abgezugcji  waren,  jedenfalls  nach  dem 
J.  4  und  vor  dem  J.  2  v.  Chr.  (fi  22(1).  Denn  in  letzterem  Jahre  werden  die 
Hermunduri  7uerst  genannt:  Nach  Diön  (LV  loa,  2)  siedelte  der  an  der  Do- 
nau konimandiereiidc  Domilius  Ahenobarbus  »ror?  ie  ^EgftovvdovQOi'i:  Ix  n)? 
otxeiag  oßx  olA'  Sjtfo^  f-^avanräviftg  xal  xarri  C'^rtjatv  hioag  yV^  nXavfOfU- 
vovs*  '^h'  fitQU  Ttji  MaoxottayyiAo';-^  an.  Da  wir  die  Hennunduri  in  den 
folgenden  Jahren  zwischen  Klbe  und  Werra  kennen,  in  Caesars  Swehenland, 
imd  da  weder  das  frühere  noch  das  spätere  Markomann enland  in  Thiiringen 
zu  suchen  ist,    so  kann  es  sich  nur  um  eine  .\bteilung  des  Volkes  handeln. 

Antn.  Eine  andere  Erklärung,  \r«ituill>  tler  Name  Hermundiiri  an  Stelle  de*  älteren 
Nantens  Siiehi  getreten  ist.  wflnle  »rin;  die  gi.-sami<?n  bwi-bcn  Cacvars,  tiictn  mir  der 
DAch  Wssten  vorE«iningcnc  Flügel,  sondrin  auch  ilie  fiweiicn  in  Ttüringen  aüid  .tuaee- 
■wwidcrt,  und  ein  andere»  Volk,  die  Hermunduri  sind  dafür  in  TfatSringcn  cjngerücki.  So 
Mtieb  a.  a.  O,  2  [  f.  In  diesem  Falle  kr>nnt<.-n  die  Hrnriinduri  mir  von  Oslen  ([ckommeo 
Irin.  Diese  Aonafamc  hai  cioe  reche  schwache  SuiUe  an  d«t  Stelle  bei  Slrabftn  VII 
290,  worüber  §  129.  Ai«  Vell.  darf  man  einen  rechuelbUchcn  Wohimiu  der  Hennun- 
diiri  nidu  fiilgern,  und  s>4b<ii,  wenn  dem  *o  wjjc,  n>  »etil  doch  die  I^ndanweisunj;  de» 
Comitius  7  Jähre  «uvur  (;cograpbtsch  die  BescLtung   ThUtingens   voraus.     Gegen   die   An- 


340 


XV.    ETKXOGRAPinC   OEK   OERUAKISCHEK   StÄMMC 


nfthnie  einer  Xcahcsicdlung  Tharinf^ns  durch  die  ^Icnnuiuluri  spricht  «ntens,  da»  voo 
ctiKin  so  wichtigen  politixben  Ereignis  wie  der  Bi^siunabiTic  einer  großen,  gnatlr  damals 
von  Rom  bcnnspnichtcn  Landsi-hnft  woh!  irgeml  rfne  Notüc  auf  uns  gekommen  wSie,  und 
zweitens  die  Verlegenheit,  ein  Volk  von  einer  von  der  Wctltrau  bii  mr  Elbe  retdu-n* 
4len  Ausdehnung  andcrM-JIns  unterzubringen.  Die  DonAU-Swebcn  und  an  Zahl  wie  an 
Umfang  thn-»  Gebietes  «in  ungleich  kldnra  Volk. 
1  Zur  Namensform  vgl.  $   330  Anni, 

§  22g.  Die  nadistc  Erwaiinuint  der  Hcrmunduri  gesthiclil  zum  J.  5  n. 
Chr.  Vellcjus  berichtet  11  loii,  dass  links  der  unteren  EIhe  die  Lango- 
barden wohnen  und  das  weitcrhiD  die  Elbe  »Scmiiuntmi  Hcnuundorumque 
fines  praeterfluiti,  dass  aJso  links  —  das  ergicht  der  Zusammenhang  —  der 
mittleren  Elbe  Hcnnunduri  gewohnt  hüben.  Offenbar  ein  Bericht  über  die 
Feldzüge  des  Tilieriiis  liegt  Strabön  VII  rtjof.  m  Grunde  (\*gl.  oben  §  218): 
ein  Teil  der  swebischen  Slämtne  *xni  ^igav  tov  ^Akßio^  vifterm,  xa&ÖTKQ 
'EofiörSoQni  xal  AnyxöfiaoAfH'  wvi  d^  xai  reXetoi;  efc  t^v  TteQaiav  o^ot 
ye  hijitTTZihxaot  fffvyoyTe^* .  Dass,  wie  es  der  Worüaut  zunächst  ergiebt. 
die  Hcrrnnndiiri  das  linkselhisrhe  I^nd  aufgegeben  haben,  ist  jedenfalls  un- 
richtig. Denn  wir  kennen  sie  spater  wi-stljdi  bis  zur  Wurra.  Unter  diesen 
Umständen  darf  rruin  auch  die  Richtigkeit  der  Angabe  in  Zweifel  ziehen, 
dass  die  Hermundun  zu  beiden  Seiten  der  Elbe  gewohnt  hatten.  Entweder 
at^t  der  Name  Hcnnunduri  bei  Strabön  zu  Unrecht  an  Stelle  des  Na- 
mens der  Semnen  (§  21H),  oder  es  lag  .SlrabÄn  ein  Bericht  vor,  dass  sich  das 
Heer  der  Ht;nnunduri  wie  der  Langubanleii  (und  Seimicii)  im  J.  5  oder  6 
beim  Herannahen  des  römischen  Heeres  auf  das  rechte  Eibufer  geflüchtet  habe, 
und  Strabön  m<Khle  wühl  M-isseii,  dass  swebiscbe  Stämme,  wie  die  Lango- 
barden, ihren  link  weibischen  Besitz  daueniil  preisgegeben  haben,  aber  er  wussta 
nicht,  dass  die  Hcmiiuiduri  links  der  Elbe  sitzen  geblieben  sind.  JcdeufalU 
haben  die  Hennunduri  im  J.  5  n.  Chr.  östlich  mindestens  bis  zur  mittleren  Elbe 
gesessen,  und  zwar  innerhalb  des  Striches  südlich  von  Magdeburg  —  denn 
die  Altmark  war  semnisch  (§218)  —  und  nrtrdlich  v{>m  Erzgebirge.  Man 
darf  aber  die  Nordgrenze  woht  nicht  m^rdücher  als  bis  zur  Saalemündung 
ansetzen.  Denn  andernfalls  hatte  bei  der  Unterwerfung  des  linksclbischen 
Norddeutschland  Vcllejus  (H  10(1 — ^108)  allen  Anlass  gehabt,  ihrer  in  an- 
derer Weise  Erwähnung  zu  ihun,  als  dass  die  Elbe  »Semncnuni  Hennun- 
dnraruraijue  fines  praeterfluil".  Es  .scheint,  dass  die  Clieru.sci  bczw.  >«I  tcw- 
TD(^  t',-ii;xooi*  (Strabön  Vll  291)  6stLch  bis  zur  Magdeburger  BtVde  ge- 
reicht haben. 

Dnisiis  hatte  die  damals  nocli  Sweben  gciianntcn  Hcrmonduri  unterworfen, 
und  wie  das  Volk  im  J.  2  v.  Chr.  zu  Rum  hielt  (Diün  LV  loa,  2),  so 
aui'h  im  J.  ig  n.  Chr.  (Tac,  Aun.  \\  6^),  und  so  ist  es  auch  in  den  fol- 
genden Jahrzehnten  römisch  geblieben,  weil  wir  von  keinem  Kampfe  Roms 
mit  ilincn  hfNren.  In  den  J.  $  und  t  n.  Chr.  hatten  die  Römer  ihr  Ziel  er- 
reicht, die  Elbe  zur  Grenze  ihres  Reiches  zu  machen.  Aber  mag  selbst 
Strabön  Recht  haben,  wenn  er  die  Kriegsmacht  der  Hcrmunduri  auf  daji 
rechte  Elhufer  flüchten  läs.st:  da  sie  ihren  Wohnsitz  in  Thüringen  nicht  auf- 
gegeben haben,  so  müsste  doch  TIberius,  wenn  er  im  J.  5  nur  die  untere 
Elbe  erreichte,  im  folgenden  Jahre  mit  ihnen  zu  thun  gehabt  haben.  Aber 
Diön  (LV  j8,  5)  sagt  ausdrücklich,  dass  Tiberius  bei  seinem  zweiten,  die 
Unterwerfung  NorddeuWchlunds  bis  zur  Elbe  vollendenden  Zuge  nichts  Be- 
merkenswertes vollführt  habe,  und  ebenso  sagt  Veliejus  {II  108),  ^nihfl  erat 
jam  in  Gernumia,  quod  vinci  posset,  praeter  genlem  Marcomaiiorum«  in 
BtVhmen.    Die  Hermtmduri  sind  also  offenbar  seit  Drusus  rOmisch  gehlieben. 


L 


III,  F,  3.  Hermukduiu. 


941 


wie  ihre  civitas  noch  100  Jahre  später  'fjda  Rumanis*  »*ar,  wean  sie  auch, 
seitdem  Augiistus  nach  der  Vanisarhlarht  die  Einverleibung  des  linksel bischen 
Gemuniens  aufgegeben  halle,    nicht  mehr  •jfndclt  zum  Reich  (gehört  haben. 

§  230.  Im  J.  lg  n.  Chr.  besiegten  ilie  Hennundiiri  den  Catualda,  den 
Nachfolger  ties  iMaroboduus,  in  Böhmen  (Tac,  .-1««.  II  03).  Im  J.  51 
stürzten  sie  das  swebisthc  Reich  au  der  D-mau  und  kämpften  an  der  Seite 
der  Lugii  in  der  Donauebene  (ebd.  XII  29  f.).  Im  J.  58,  erfahren  wir,  kämpf- 
ten sie  mit  ihien  Westnachbam,  den  Chatten,  einen  erbitterten  imd  &ic^- 
rciclien  Kampf.mu  den  Besitz  des  Werrathales  (elnl.  XIII  57),  welches  sie 
damals  gewonnen  haben  (§  207).  EndHch  neimt  Tacitui  {Genn.  41)  die 
Hemiunduri  ira  J.fy^  als  eine  xavitas,  fida  Romanis«  nflrdlicii  der  Donau. 
Sie  treiben  au  der  Donau  und  in  dem  römischen  Raetieu  Handel.  In  ihrem 
Lande  entspringt  die  Elbe, 

Alle  diese  Naotirirhten  lassen  sjrh  nur  vereinigen,  wenn  wir  :Js  das  Stamm- 
land der  Heimuiiduri  die  Landschaft  zwischen  Wcrra  und  Elbe  anneluuen. 
Ihre  Ausbreitung  nach  Süden  ist  zweifelhaft.  Das  Heer,  welches  im  J.  51 
;m  der  mittleren  D<inau  auftritt,  bezeugt  noch  keine  Auswanderung  des  Vol- 
kes; denn  bald  darauf  k^Luipfen  sie  auch  an  der  Wcrra.  Auch  bis  Regens- 
burg hat  ihr  Gebiet  nicht  gereicht,  wie  man  aus  Tac.  herauslesen  kc*»nnte. 
Vielmehr  reichte  nur  ihre  Interessensphäre  so  weit;  denn  in  dem  vom  Ur- 
wald bedeckten  Oberfranken  und  der  Obcqifalz  wolinte  damals  kein  anderes 
Volk,  und  50  stand  der  Weg  vuu  Thüringen  bis  zur  Donau  frei. 

Anm.  Ftolcmaios  (II.  li  11]  nennt  an  Sielle  der  Hcmiumluri  ein  Volk  der  7*»^»- 
Xalfiai  zwiscbcii  ChaUen  imil  den  SoMijxa  S^fi  (TKQringer  Wald)  und  iionlvrestlicli  vt>n 
Böhmen,  al&ü  ofTi-ntur  in  Thürin^n,  Der  Name  ist  in  Wirklichkeit  ein  Lantlsdiafütoanie 
lud  nicht  dn  Volksnanic  (vgl.  das  panllclc  Beispiel  der  ifmro^dtHW  %  ^^Ji  Note).  Das 
Land  der  Ilcrinunduri  hie&s  al»^  Tenno-fuiim  =  ^rm.  *  Peurnt-haima,  ricUcicbl  nach 
einem  vormals  dort  ansäs»geti  kcItUcfaea  Summe  der  Tcurorvs  ($  43).  Der  Name  Ser, 
mun-Ouri  ist  schwerlich  von  pruna-hatma  zu  urcnncn  und  läsat  sich  mit  diesnn  JE|)nK:h* 
geschichtlich  ohne  Scbwicriekcit  unter  der  VnramsKi/un^:  vccelneo,  daui  ein  e^rm.  Stamm 
ßtur'pur  vorLii^tj,  dessen  f  in  der  Kompositbn  nncfa  dem  Vcmersdiea  CJcaetK  zu  d  ^- 
worden  ist. 

§  i^i.  Wenn  wir  erwägen,  dass  Thüringen  einen  nur  an  den  Grenzen 
bewaldeten,  sonst  aber  durchaus  anbauf.lhigen  Boden  besass.  so  müssen  die 
Hcrniunduri  ein  überaus  gri.»sses  Volk  gewesen  sein.  Unter  diesen  Umstünden 
dürfen  wir  aus  der  Anwesenheit  von  Henniinduri  an  der  mittleren  Donau 
im  2.  Jahrh.  nicht  folgern,  das  das  Volk  seine  Heimat  aufgegeben  habe. 
Eine  solche  ;\nnalime  ist  geradezu  ausgeschlossen,  wenn  das  Gebiet  der 
Donau- llemuuu tun  nur  klein  gewesen  ist.  Wir  haben  vielmehr  an  die 
von  Domitius  nOrdlicli  der  oberen  Donau  angesiedelte  ermundiirische  Schaar 
zu  denken.  Im  Marko manaenkriege  werden  die  Marcomanni,  Varistae,  Her- 
mundiui  et  Quadi,  Suevl,  Sarmatae,  Lacringes  u.  s.  w.  genannt  als  Völker, 
welche  >ab  Illyrici  limite  usque  in  G:illiam  conspiraverunt  (Jul  Capitolinus, 
ViUi  M.  Antonim  pkil.  XXU  i).  Die  Hermunduri  haben  sich  also  mit  einer 
grosseren  Zahl  von  Stämmen  in  die  nördlichen  Donaulandschaften  geteilt 
imd  werden  hier  noch  in  der  Vemntser  ff/ifrin/fJ  ^tinünnl,  in  der  Reihenfolge: 
jotungi,  Armibu-sini,  Marcoinaiuii,  Quadi,  Taifali,  Hermunduri,  Vandaü,  Sar- 
matae. Zuletzt  kennt  sie  Jordanes  {Ge/.  XXII  114)  als  die  Nordnachban» 
der  Wandalen  und  Markomannen  für  die  erste  Hälfte  des  4.  Jahrhs.  Seit- 
dem verschwindet  ihr  Name  aus  der  Gesdiichtc. 


94a 


XV.  Ethnographie  der  oermaniscuen  Stämme. 


b)  Thaöügcr. 

§  232.  Ein  Volk  der  Thüringer  ist  seit  dem  5.  Jahrh.  bezeugt  Dir  Name 
ftüirt  au/  den  der  Hermun-Duri  zurikk  {§  a.^o  Aiun.)  und  ist  eine  patrony- 
mische  Ableilung  von  diosem;  zu  vergleichen  wäre  etwa  das  Verhältnis  von 
BmcUri  zu  Bontctuarii  (§  150,  8)  oder  besser  das  von  Flamen  zu  Ftiimingtm. 
Friisen  zu  Frifsische  (d.  i.  Nordfriesen).  Die  etymologische  Gleich-^ietzung  des 
alten  und  des  neuen  Namens  beweist  natürlich  nicht  eine  politische  Identität 
der  Träger  des  Namens.  Selbst  der  Aniialime  einer  bedingten  Identität,  dass 
etwa  die  Thüringer  einen  Teil  der  Ilertnunduri  bilden,  kiinn  man  die  H)po- 
tliese  gt^en überstellen,  das.s  die  Henmmduri  Tliüriiigcn  verlassen  haben  und 
die  neuen  Einwanderer  sich  nach  dem  Lande  Peuna-liaim  Thüringer  genannt 
hatten,  etwa  wie  die  Schlesinger  nacli  SehUsim.  dem  Lande  der  Ziisant. 
Die  pülitische  Glcichsctxung  der  Hormunduri  und  Thüringer  beruht  darati^^ 
dass  von  einer  Auswandenmg  der  ersteren  —  von  der  Donau-Sdiaar  abge^ 
seilen  —  nichts  bekannt  ist,  die  Thüringer  —  von  den  Strichen  an  der  Elbe 
abgesehen  —  genau  innerhalb  der  Grenzen  der  Heraiunduri  wohnen,  und 
dasSj  wie  die  Hemiunduri  zu  den  swebischen  Stammen  gehOren,  so  audi  die 
Thüringer  zu  den  hochdeutschen  Stammen  gehören. 

Immerhin  ist  die  politische  Identität  insofern  vielleicht  eine  bedingte,  ab 
die  Hermunduri  auch  die  Latid.schafl  zwischen  Saale  und  Elbe  inne  gehabt 
hatten,  was  für  die  Thüringer  nicht  feststeht-  Über  die  Schicksale  der  Aus- 
wanderer ist  nichts  bekannt  Möglichenfails  haben  u-ir  an  diese  östlichen 
Hermunduri,  möglichenfalls  auch  an  die  seit  dem  Ende  des  i.  Jhs.  v.  Chn 
nördlich  der  Donau  angesiedelten  Hermimduri  zu  denken,  wenn  uns  im  5. 
Jahrh.  Thüringer  bei  Passau  und  sonst  an  der  Donau  begegnen  (Eugippius, 
Vita  S.  Snvriri/  i'j.  31),  Der  Regen  ist  nach  dem  Geügraphcn  von  Ra- 
venna  {IV  25)  ein  üiüringischer  Flu-ss. 

Ausgebreitet  haben  sich  die  Thüringer  (vielleicht  schon  in  cnuundurischer 
Zeit,  §  150,  i)  nach  Norden,  und  auch  hier  könnte  man  wiederum  an  Aus- 
wanderer östlich  der  Saale  denken.  Die  spätere  Landschaft  Ostfalen  war  im 
I.  Jahrh.  n.  Chr.  cherxiskisLhes  Gebiet  gewesen  (ebd.).  Zu  Anfang  des  b. 
Jahrh.*!.  hat  Osifalen  oder  doch  wenigstens  das  Land  OsUich  der  Ocker  zu 
Thüringen  gehört. 

§  233.  Das  thüringische  Rcicli,  welches  sich  zur  Zeit  von  der  Donau  bis 
Regensburg  bis  zur  Ohre  n^irdlich  von  Magdebui^  erstreckte,  mit  der  Haupt- 
stadt Scheidungen  an  der  untern  Uuslrut,  ist  im  6.  Jahrli.  dem  Scliicksal 
aller  übrigen  deutschen  Stamme  verfallen:  es  wurde  aufgelöst  und  der  franki- 
schen Monarchie  einverieibl.  Ihr  letzter  König  Imünfrid  wurde  531  besiegt, 
und  der  nördliche  Teil  von  Thüringen  zwischen  Unstrul  und  Ohre  fiel  an 
die  Sachsen  (vgl.  g  151),  der  südlichere  Teil  an  die  Franken  (vgl.  g  iii). 
Wami  die  Thüringer  die  Sitze  östlich  der  Saale  gcrSumt  haben,  wissen  wir 
nicht.  Zur  Zeit  Ivarls  des  Grossen  schied  die  Saale  Thüringer  und  Sorben 
(Einhard  15).  Die  Slaveu  sind  jedenfalls  nach  507,  wol»l  erst  im  7.  JalirL 
eingewandert ". 

'  K.  Schotlin,  Die  Slann  :n    Thürin^n,  Progr.,   BauUen   1884. 

c)  Ostmitteldeutsche. 

H.  Knothc,  Zur  O'escfikktt  der  Gcrmaniiation  in  <ter  ObtrlatiiUt  (AnJi.  f. 
«ttdu.  Gcscb.,  N.  F.  U  [1876]  137—379  und  389—^16).  Dresden  1Ä76.  —  P, 
Janaoscbck,  Orip'num  Cirte-racanum  lomus  fin'mus,  Vladobonac  1877.  —  F. 


k 


Ul,  F.  3.  Thüringer.    OsrnnTELDEUtscHK. 


943 


Kroncs,  Zur  Geschickte  dts  äfutschrtt  Voikithums  im  Karpatenlande,  Fcst- 
schr.,    Gra«   1878.   —  Chr.  Mcycr.     G^ithiehie  <Ui   Landes   Foicn.    Posen   1881. 

—  O.  Posso,  Die  Markgrafen  von  Afriurn,  hvipz'%  1881.  —  J.  Bendel,  Äir 
tMutsthrn  in  ßähmen,  Mahren  und  Sc/tle.tien  [Die  i'iifJter  Onterrejch-t'ngarnt  Wft 
Tcwhen  I884.  85-  —  J«  ^'»1  fried,  Die  dmtithe  F.itni-and^rting  unter  den  Prentyi- 
liden  in  die  Gegend  -von  Kaadcn,  Mitlh.  d.  Ver.  X.  (icücb.  d.  DeuiMrhei)  in  ßflbmen 
XXIII  (1885)  J3— 4t.  —  C.  (TtunhÄKen.  Geuhiihle  Schlesiens,  2  Bde.,  OotbA 
1884.  8b,  —  \V.  Schmcisscr,  Ikilnice  lur  Ethnographie  der  SehßnhengslUr^ 
Progr..  Wkncr  Nt-ustadt  1886.  —  K.  Wcinhold.  Di€  Verbreitung  und  dit 
iferkunft  der  deutschen  in  Schlesien,  Stuttgart  1887.  — J.  Lippcrt,  J>ie  dlteste 
Colomiation  im  ßraunauer  Lätidchen,  Milth.  d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in 
Böhmen  XXVI  (1888)  325—358.  —  H  Ü.  Hasse,  GtschteHte  der  sdcHsisehfn 
JCiifster  in  der  Mark  Meisten  uttd  Obertausil:,  Gotha  1888.  —  \\.  v,  Zeschau,  Di€ 
Germanisierung  des  vortnals  tsehechisehen  Glntxer  Landes  im  ij.  uttd  14.  Jh.  und 
die  StammestugehSrigkeit  der  deutschen  Einwanderer,  Viertel] ahrsschr.  I.  Gesch. 
D.  HciroalAk.  d.  GnrKb.  GUu  VlI  (tS88)  1  —  15.  97 — 128.  193—331  und  246 
— 328.  —  E.  Muctschlcc,  Gesehichle  def  Glatter  Landes  vom  Beginne  der  devt' 
sehen  Benedelung  bis  su  den  ffutsifenkriegm  (el>J.  Vlfl  l  — 7z),  Diu.,  Bresliiu 
1888.  —  Chr.  Meyer,  Geschichte  der  Pravms  Posen,  Gutba  189I.  —  .S.  Schwur«, 
An/finge  des  Städtewesens  in  den  Elh-  und  Saale-Gegenden,  Kiel  1892.  —  K. 
Laniprccht,  Deutsche  Geschichte  111,  Berlin  1893,  S.  357—363,  369  f.  und  38I 
— 393,  —  Jechl,  Geschichte  von  G&rlitt  bis  um  die  Mitte  des  Ij.  /ahrhundertj. 
Neues  I-auäitzisdics  MaK;i2in  LXX  (1894].  —  F.  Racbfahi,  Die  Organisation 
der  GfsamMtst<ustsverwaUi4ng  Sthlesieni  vor  dem  dreiss ig/ährige»  A'nege  (Staat»* 
und  locialwUaenndurtllche  Fonichun|>en  Xin  1),  Leipzig  1894.  —  W,  Thoma, 
Die  koli>n/salorische  Jhdtigkeit  des  Klcsters  Leubus  im  M.  und  t3.  Jahrhundert, 
Üiss.,  Leipzig  1894.  —  A.  MeiLz«a,  Siedelung  und Agrar-a.>es€n  U.  Berlin  1895, 
S.  419 — 475.  —  J.  Sluhrtnann,  Das  Mitteldeussche  in  Ostprcussen  I.  Prop., 
Dciitsth-Krone  181)5.  —  -^^  Hauffen,  EiHführung  in  die  devtsch-bShmischr  Votks- 
tnitdr,  Prag  1896.  —  J.  Lippcrt,  Sceialgeschichle  BShmms  in  vrhussilischer 
Zeit  I,   Wii-n  und  Krag,   Leipzig   1896.  — J.  Piirtsch,  Strhiesien   I,  Bre*biu   189(1. 

—  K.  0,  Sctiii]i<:,  Die  A'oionisierung  und  Gertnanisierung  der  Gebiete  ivi' 
sehen  Saale  und  Elbe.  Leipzig  1896.  —  J.  W.  Nagl  und  J,  Zcidter,  Deutsch- 
Oester reich iscfu  Littralurgesi-hichte.  Wien  seit  189*  erscheinend,  S.  30 — 39.  — 
W.  Schulte,  Die  Anfänge  der  deutschen  KohnisaticH  in  Schlesien.  Silcsiaca. 
Fcautcbr.  d.  Ver.  f.  Gesch.  u.  Alu  Schi.  f.  GrünhAgen,  Breslau  1898,  S-  35—82. 

§  234.  Über  die  Untt^rwerfiiiig  der  Slawen  in  Norddeulschland  vgl  J  185. 
Wahrend  die  ptiliiischen  Stamme  ii'flrdlirli  von  Berlin  den  Deutschen  er- 
biUerten  WiderstantI  cniiicgcnseuteii,  waren  die  Sorben,  welche  südlich  von 
Berlin  bia  zur  Sajüc  im  Westen  und  bis  zum  Bober  im  Osten  sasscu,  weni- 
ger zätie.  Seit  Otto  i.  fanden  kaum  noch  Kllmpfe  .statt.  Schon  früh  ent- 
stand im  ganzen  I^nde  eine  Reihe  deutscher  Städte,  und  von  diesen  ist 
die  Germanisierung  au.speg3ngen,  ohne  dass  eine  so  massenliafte  Einwande- 
rung von  Bauern  slattßefmiden  hatte  wie  im  Norden.  Erst  mir  Ablauf  de* 
15.  Jahrhs.  war  daa  Sorbische  zwisciicn  Saale  und  Elbe  güuzlicli  ge- 
«chwimdcn.  Die  deiitschen  Ansietilungen  zwischen  Saale  und  Elbe  reichen  bis 
ins  10.  Jahrh.  zurück,  erlangten  aber  erst  in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahrhs. 
eine  grossere  Ausdehnung.  Die  Kolonisten  waren  nach  Ausweis  der  Mund- 
art, wie  auch  durch  Ortsnamen  bestätigt  wird,  im  Erzgebirge  vorzugsweise 
Ostfranken,  weiter  nördlich  vorzugsweise  Thüringer.  Beide  Stamme  liaben 
sich  derart  gemischt,  dass  man  sagen  darf,  je  weiter  nach  SOden,  lun  so  mehr 
Oberu'iegt  das  fränkische,  je  weiter  nach  Norden,  um  so  mehr  das  thClKngische 
Element. 

S  235  Nicht  so  bald  gelang  es  den  stadtischen  Ansiedlungen  der  Deut- 
«dien  in  der  Lausitz  das  I.and  zu  germanisieren.  Noch  im  16.  Jahrh.  er- 
streckte sich  das  sorbische  Gebiet  wcstliL-h  bis  Storkow — Buchholz — Lnckau — 
Finsterw:ildc — Ortrand — Bischofswcrda,  nördlicli  bis  Storkow — Fürstenberg, 
östlich  bis  Kürsieiiberg — Guben — Triebel — Priebus — Wbau,  südlich,  wie  noch 
heute,  bis  Löbuu — Bisdiofswerda.     Also  die  sächsische  Obcriausilz,  die  ganze 


944 


XV.  Ethnckjraphie  der  germanischen  Stäume. 


Nieclerlausitz,  ostwilrts  bis  über  die  NeUsc  hinaus,  und  das  ganze  GcUet  der 
oberen  und  mittleren  Spree  bis  in  die  Nähe  von  P'rankdirt  a.  O.  war  damals 
nod)  slawisch.  Noch  um  die  Mitte  des  i8.  Jahrhs.  retchle  das  sorbische  ^Fach- 
gebiet nfirdlirh  bis  über  LObben  und  Lieberose  hinaus,  weÄtlicli  bis  Kalati, 
RuWand  und  Kaiuenz,  östlich  bis  zur  mittleren  Neisse,  bis  Miaskau  und  nörd- 
lich von  FoRt  Heute  wird  nur  noch  von  looooo  Menschen  an  der  oberen 
Spree  zwischen  Bischnfswcrda — Kamcnz — Sciifteiibcrg — Kalau — Lübbenau — 
Pciz — Fürst — Muskau— Weisseiiburg—Lubau  sorbisch  j^esprochctL  Aber  die 
überwiegend  von  Thüringen  und  Meissen  aus  bevfilkerteu  Stfldte  bilden 
deutsche  Sprachinseln,  und  das  Land  ist  zweisprachig  und  im  Begriff 
deutsch  zu  werden.  Die  deutsche  Mundart  der  Lausitz  ist  eine  Abart  des 
Seh  lesischen. 

R.  Andree,  Das  Spracfi^biel   Jtr  Lmuitzff   IFifndeTi   mtm   XVt.  Jahrkun- 
äert  bis  zur  Gigenvart,  Prag  (Lcipjtig)   1873. 

§  2.j6.  Östliclj  der  Lausitz,  in  Schlesien,  haben  sich,  nach  Ausweis  der 
Mundarten,  gleicJifalls  ThQringer  und  Ostfranken  derart  in  die  Besiedlung  des 
slawischen  Landes  geteilt,  dass  in  der  Ebene  durchaus  das  thüringische  Ele- 
ment das  herschendc  ist,  wahrcntl  am  Gebirge  das  osifrünkische  Element 
starker  hervortritt  Beide  St^lmtne  haben  seit  dtm  12.  Jahrb.  den  NoiyI-  und 
Südabhang  niclit  nur  de.-»  Erzgebirges  sondern  auch  der  Sudeten  besiedelt, 
die  Sudeten  besonders  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhs.  Die  deutschen 
Bauern  und  Bürj^'cr  folgten  dem  Rufe  der  polnischen  Fürsten  Schlesiens. 
Schon  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhs.  gab  es  in  Schlesien  eine  grössere 
geschlossene  deutsche  Sprachinsel  zwischen  Görlitz  und  Liegnilz  vom  mittle- 
ren Bober  bis  zur  Neisse.  Die  in  Oberschlesieu  recht^i  der  Oder  gegraudeten 
deutschen  Ansiedlungen  sind  beim  MongoJeneinfall  I2.)i  m  Grunde  gegangen. 
Seit  die  Mnngi>ten  aus  <lem  Lande  getrieben  waren,  begann  ein  verstärkter, 
systematisch  geforderter  Zuzug  in  die  verheerten  Landschaften,  besonders  in 
das  Liegiiitzer  Gebiet  und  in  das  Fraustadtcr  Lflndcheu.  Die  Zahl  der  deut- 
schen Dörfer,  die  in  Schlesien  bis  I2(.k>  gegründet  wurden,  hat  man  auf  1500, 
die  Zahl  der  Einwanderer  auf  150000  bis  1 80000  Seelen  berecliuet.  Bis 
1266  sind  etwa  30,  bis  1300  wenigstens  Co  deutsche  Städte  gegründet  wor- 
den. Um  das  Jahr  1300  war  Niederschlesien  links  der  Oder  ein  deutsche» 
Land,  Der  Aiiswandereretrom  erstreckte  sich  bis  nach  Posen.  1^53  wiude 
neben  der  slawischen  Stadt  Posen  eine  deutsche  Stadt  gegründet.  Im  13. 
Jalurh.  wurden  in  Posen  17  deutsche  Städte  gegründet.  In  die  erste  UüUtc 
und  Mitte  des  14.  Jahrhs.  fallt  die  Besiedlung  des  Krmlandcs  durcii  Schle- 
sicr. 

Ostmitteldcutsche  Bergleute  haben  in  der  zweiten  Hüllte  des  12.  und  im 

13.  Jahrb.  den  Bergbau  in  Nordungarn  erschlossen.  Ihre  Ansicdlufigen 
sind  jetzt  zum  grüs.sten  Teil  slowakisiert 

§  237.  In  Böhmen  beginnen  zu  Anfang  des  12.  Jahrhs.  KIc»slergTün- 
dungen  mit  deutschen  Mönchen.  Uin  [200  ist  das  Braunauer  LiLndchcn 
von  Glatz  besiedelt  worden.  Besonders  seit  dem  Mongoleneinfall  1241  wur- 
den deutsche  Anbauer,  wie  in  SdiEesien,  so  auch  in  BOhinen,  Mahren  und 
Ungarn  begehrt  Die  Prcmj-slidenfürstcn  (besonders  Ottokar  II.  1253 — üjS/ 
förderten  systematisch  die  Einwanderung  deutscher  Bürger  und  Bauern.  Da- 
mals wurde  Elbogcn  a.  d.  Eger,  die  Grafschaft  Glatz,  Trautenau.  Iglau  und 
der  Südwesten  deutsch.  Von  hier  aus  wurden  die  Städte  germanisiert  Da& 
ganze  Land  war  im  Begriff    auf    friedlichem  Wi^e    deutsch  zu  werden.     Im 

14.  Jalirh-,  als  Prag  die  deutsche  Kaiaerresitlenz  war,  ist  deutsch  die  her- 
schende  Sprache  in  Brihraen  gewesen.     Beweis  für  die  Zweisprachigkeit  der 


irr,   F,   5.   OSTMTtTKLDEÜTSCHE.      4.   MARKOUA^VrEN,  BäIBRS.  94^ 


Czechen  ist  dass  sie  die  deutsche  Anfaiigsbelonung  wnct  die  nhd.  Diphthnn- 
gicrung  in  ihrer  czechischen  Sprache  angenommen  haben  (vgl.  üben  S.  760}. 
Dfuui  brachte  die  Hussitcnbewcgung  eine  nationale  Reaktion.  Einige  grossen- 
tdls  deutsche  Orte  wurden  wieder  czechisch.  Die  Bewegung  dauerte  bis 
1620.  Etwa  zwei  Drittel  der  Czochen  wurde  im  drdssigjahrigen  Kriege  ver- 
nichtet Es  begann  nun  eine  massenhafte  Neubesiedlung  der  vena-üsteten 
Gegenden.  Viele  deutsche  Orte  sind  es  erst  irn  17,  und  18.  Jalirh.  geworden. 
Die  Zunahme  der  Deutschen  dauerte  bis  Joseph  II.  Seitdem  ist  ein  ROclc- 
schlag  eingetreten. 

An  der  Besiedlung  Böhmens  sind  im  Norden  dieselben  Elemente  beteiligt 
wie  nördlich  des  Gebirges.  Zum  grossen  Teile  sind  die  Einwanderer  aus 
der  nächsten  Nachbarschaft  jenseits  des  Gebirges  gekommen.  Die  obere 
Hälfte  des  Egerthales  sowie  der  West-  und  Siidrand  Böhmens  ist  von  dem 
bairischen  Stamme  kolonisiert  worden,  der  Westen  von  der  Oberpfalz  aus, 
der  Süden  von  Niederbayem  und  Oberösterreich  aus. 


4.  Markomannen  >■  Batern. 

ZcQsa  114 — 120  un<l  364—380.  —  Zeui*,  Dk  Herkunft  der  Barem  vom 
An  Markomcnnen,  München  1839,  neu«  Aii*k.  ct>d.  1857.  —  F,  Wittmaao, 
Dte  Herkunft  äer  Jiayern  von  Jen  Markemannen  cnhfiekeit,  Sulzhacb  1841.  — 
Jftcohi,  über  die  Markomannisckrn  Kriege  unter  Mark  Attrel,  Ptogr.,  Hcnfeld 
1842.  —  A.  Quilzmann,  Abstammung,  L'rsitx  und  SHesle  Oesehichle  iter  Bai- 
warett,  München  1857.  —  dcrs.,  Die  älteste  Rrehlsverfaxsung  dfr  ßarvaren, 
NürabCTTg  1865,  —  Ravaria,  Landes-  und  Volkstunde  des  K^nigreirhi  Bayern, 
rffd.  von  W,  H.  Riehl.  II  Teile  in  5  Bden..  München  1860—67,  —  ^-  ßelt- 
mor,  GeschichU  des  Marromannisehen  Krieges,  Forsch.  1.,  Dl.  Gesell.  XU  (1872) 
167—223.  —  E.  A.  Quitzmiinn,  Die  dileste  Geschichte  der  Baiern  bis  tum 
Jahre  ^st,  Braunschweig  1873.  —  B,  Kneiacl,  Sturz  tles  Baiemhcrtogs  Tassiia, 
Progr.,  Naumburg  1875.  —  S,  Rlczler,  UeAer  die  Ettfslefittngsieil  der  Lex 
ßtiiuieariorum.  Forsch,  x.  Dt.  Gctch.  XVI  (1876)  409—446.  —  A.  H&cliniann, 
Die  Einnranderung  der  Baiern  [Sitzf^bcr.  d,  pbil.-tiUl.  Cl.  d.  Ak.  d.  Wiss..  Wien 
XCI  [1878]  815—892),  Wien  1878.  —  C.  Mchlis,  Mnrliomannen  und  Baju. 
waren  (B«ilr.  «.  Anthrop.  n.  Urgcsch.  Baycrtia  V  1882),  Miinchcn  1881.  —  Prin- 
zinger.  Die  Afartmannen-ßa:rrn- Wanderungen  (Mict.  d.  Rntbrop.  Ges.  in  Wien 
XIV  1884),  Wien  1884.  —  Th.  Mommsen.  Ii<im.  Gesch.  V  209—115.  — 
S.  Riczler.  Geschichte  Baiems,  4  Bde.  (bLi  1597,  Bd.  l  \ns.  llSa),  Gotha 
1878.  80.  89.  99.  —  W.  Schreiber,  Gtschichte  Bayertu,  1  Bde.,  Freiburg 
1889.  gl,  —  A.  V.  Dninasteu'ski,  Die  Chronologie  des  bellum  Germanieum 
et  Sarmatieum  166—17$  "■    t^"***--    N"™«  Hddelb.  Jbb.  V  (1895)  107 — IJO. 


a)  Markomannen. 

§  J38.  Der  Nanie  Markomannen  {==  Grenzleute)  kennzeichnet  das  Volk 
als  eine  Abteilung,  welche  die  ursprünglichen  Grenzen  des  an  der  mittleren 
Elbe  heimischen  swebischen  Keravolkes  überschritten  und  jenseits  dieser 
Grenzen  eine  eigene  ci\itas  begründet  hat  Dieses  politische  Ereignis  hat 
spätestens  uin  80  v.  Chr.  stattgefunden.  Denn  um  diese  Zeit  (§  62)  haben  die 
Markomannen  Büliinen  den  keltischen  Boji  abgewuunei»;  »praecipua  Marco- 
nianorum  gloria  viresque,  atque  ipsa  etiam  sedcji  pulsis  olini  Bojis  virtute 
parta«  (Tac,  Genn.  42);  »manet  adhuc  Boihaemi  nomen  signatque  loci  ve- 
terem  memoriam,  quamvis  mutatis  cultoribus«  {ebd.  28).  Ob  die  Besetzung 
Böhmens  durch  swebische  Schaaren  erst  zu  der  Konstituierung  einer  marko- 
mannischcn  civitas  geführt  hat,  oder  nb  ein  Volk  der  Markomannen  bereits 
vorher  (etwa  im  Königreich  Sachsen)  bestanden  hat,  lasst  sich  nicht  ermitteln. 

Die  Markomannen  oder  ein  Teil  derselben  folgten  dem  Heereszuge  d» 

Gennanische  Ptallolofie  III.    3.  Aufl.  «0 


94& 


XV.  Ethnographie  der  germanischen  Stämme. 


Ario\'istiis  und  bildctt*n  im  J.  58  v.  Clir.  eine  Abteilung  des  nach  Stammen 
(»geuenitini«)  aufmarschierenden  Heeres  in  der  Scliliichl  gegen  Caesar  Im 
oberen  F.Isass  (Caesar,  R.  O.  I  51).  Die  geschlagenen  Reste  dieser  Abtei- 
lung sind  über  den  Rhein  geflüchtet,  aber  nicht  nach  Böhmen.  50  Jahre 
apJltet  hat  sie  Dnisus  bekriegt  und  »puenc  ad  intemecionein  ccddit«  (Flurus 
11  30.  23  "nd  Orosius  VI  21,  15).  Da  Drusu»  »primos  domuit  Usipetes, 
inde  Tencteros  percurrit  et  Catthüs»,  also  von  der  Lippemündung  bis  nach 
Hessen,  vorüniiig,  daim  die  Markomannen  besiegte  imd  zuletzt  die  «vall- 
dissim;is  naiiones  ChcRiscos  Suebosque  et  Sicarabros  panier  adgrcssus  est«, 
d.  h.  die  an  der  Wi.-ser,  Werta  und  Fulda  und  in  Westfalen  wolincndcn 
Stämme,  so  müssen  die  Markomannen  am  Main  oder  sQdlich  des  Main  ge- 
sessen haben.  Im  J.  2  v.  Qjr.  liatten  sie  üire  Wolmsilae  zum  Teil  ver- 
lassen; denn  damals  siedelte  Domitius  die  Hermunduri  »A*  fUQn  tt);  Moqxo' 
fiavvi&o?*  an  (Diön  LV  loa,  2).  Dieser  Teil  ist  an  oder  nicht  weit  von  der 
Donau  zu  suchen,  weil  Domitius  damals  >TÜrr  TtQÖg  x(ö*1oi{mo  ytof^Uoi'  v^Z*' 
(ebd.).  Im  J.  b  v.  Chr.  hatte  sie  Maroboduus  bereits  nach  Böhmen  geführt 
Vell.  II  io8£.). 

Dies  böhmische  Räch  ist  zwischen  9  und  2  v.  Chr.  gegründet  worden 
(§  22Ü}.  Neben  den  Markomannen  waren  besonders  die  Sweben  an  der 
Gründung  ilcs  Reichs  bctciUgt  (ebd.),  wie  beide  Stämme  auch  unter  Ariovistua 
Schulter  an  Schulter  gekflmpft  hatten.  Böhmen  (<  mhd.  ü&hiim  <Z  germ. 
*ßaihaim),  das  Heim  der  Boji,  wird  in  unsem  Quellen  völlig  deutlich  be- 
Keichnet.  Vellejus  (II  108)  nennt  »incincios  HercjTiia  silva  campos«  und 
{II  100)  -Bojuhaeraura  —  id  regioni,  quam  incolebat  Maroboduus,  uoraen 
est«  (vgl.  auch  Strabön  VII  2ifO  und  Tac,  Germ.  28)'.  Tibcrius  wollte 
im  J.  <5  n.  Chr.  Böhmen  angreifen,  wurde  aber  durch  den  pannonischen 
Aufstand  damn  verlundert,  und  so  ist  der  Plan  des  Aaguslus,  die  Elbe  zur 
Grenze  seines  Reiches  zu  machen,  für  B^Mimen  nicht  zur  AusfüluTing  ge- 
kommen. Das  Reich  des  Maroboduus  unifasste  im  Norden  die.  swebwchen 
Semnen  imd  Langobarden,  un  Osten  die  Goten  und  Lugii.  Mit  dem  Sturze 
des  Reiches  im  J.  19  n.  Chr.  »-urde  auch  die  politi.M-Jie  Gemeinschaft  der 
Markomannen  und  Sweben  aufgelöst.  WiUirend  letztere  weiter  Östlich  ange- 
siedelt wurdeu,  verblieb  crsteren  Böhmen.  Hier  kämpfen  sie  im  J.  <^  sieg- 
reich gegen  Rom  (Diön  LXVll  7),  hier  nennt  sie  im  J.  98  Tacitus  {Germ.  42). 
Sie  sind  ein  mächtiges  und  zahlrcicties  Volk  gewesen.  Gelang  es  docli  in 
dem  Markomannen  kriege  i6ö — 172  den  R»imem  kaum  sie  in  Scliach  zu 
hallen.  Rom  flberliess  ihnen  schliesslich  »T(i  ii  tjfuov  t^c  jjowgaf  rij?  fiedo- 
Q(a^,  <fWT«  ainovi;  «5xtw  .tou  xal  rQidxovra  aradlov^  dftd  rov  ^'Iotqov 
änoixdy*  (Diön  LXX  15).  Aber  noch  3.  Jahrh.  machten  sie  den  R/imem 
zu  schaffen  (Diön  LXXVII  20.  Petros  [//isi.  Gr.  min.  1  428];  Lampridius» 
Vi/a  Auf.  Heliogohali  IX  i;  Aurclius  Victor,  Epit.  34). 

^  Ptfilemams  (11  II,  11),  ilcr  die  Magxofiarol  an  der  Paßg^ra  i"Äiy,  il.  h,  am 
Söbiuerwold  nennt,  hat  dani-bcn  nocli  die-  Volksuamcn  Iiaiyoxaif*(u  (lo)  im  oCrd- 
liehen  Böbmen  an  der  Klb«  mul  BaXuoi  (Ii|  in  ö^torrich  link»  der  Donjui.  Lece- 
tere  b«idcD  Kamen,  welche  »11  iilenlitKifrm  sind  (§  95  Note),  sind  in  Wirklichlcdl 
iJLndcrEumen.  Plol.  (and  in  seiiwr  Wirlnge  den  fomt  in  der  Form  BoJohatimHm 
Überlieferteu  Xometi  in  Bübmen  und  bija  nach  Ostenvicb  bineLn  <ror,  «od  bu 
darau,  unbekümniett  uni  die  danebcD  stehenden  Magxoftayoi,  einen  entsprectiei^ 
den  V'ölkcnuuneu  gemacbt. 


UI,  F,  4.  Markomaattkn,  Baiern. 


947 


b)  Baieru. 

§  259.  Bis  auf  die  Zeit  des  Attila  hat  ädi  der  MarkamanncnDaine  ge- 
halten. Seit  dem  b.  Jalirh.  erscheint  das  Volk  unter  dem  Namen  Bmern, 
Dieser  Name  b>ezeichnei  sie  als  die  Bewulmer  Böhmens:  Bat-haim-^i'arn 
ergab  nach  der  Regel,  dass  bei  der  neuen  Komposition  eines  Kompositums 
der  zweite  Wortstamm  weggelassen  w'urde:  Hai'variL  Der  neue  Volksname 
trat  an  die  Stelle  des  alten,  seit  das  Volk  Böhmen  verlassen  und  Ober  den 
BObmerA'ak!  hinüber  die  alte  römische  Provinz  Vindelida  in  Besitz  genom- 
men hatte.  Jordanea  {Gd.  LV  280)  kennt  um  die  Mitte  des  0.  Jalirhs.  die 
Baibarus  bereits  als  die  Osinachbara  der  Schwaben.  Im  Westen  reichten 
sie,  wie  noch  heute  die  Mundart  darthut,  fast  bis  zum  Lech,  im  Osten  zu- 
nächst nur  bis  zur  Enns,  jenseits  welcher  die  Awarcn  wolinten.  Zu  Baiera 
gehörte  auch  <ier  Nurdgau  bis  zum  Ficlilclgubirge,  wahrschdnlich  das  Stumiu- 
land  der  Vnristi  (Zeuss  117  und  584 — 586).  Im  J.  788  fiel  ihr  Reich  an 
die  Franken,  nachdem  es  schon  früher  von  ilmen  abhängig  gcweÄcn  war. 
Nunmehr  wurde  es  aber  nicht  mehr  von  einem  Herzog,  swidern  von  Grafen 
regiert  (Einhard  ll). 


c)  Österreicher. 

F.  X.  PritE,  Gtichkhu  d^i  Landes  ob  der  £hhs,  Leipzig  1846.  47,  —  E, 
DüniTnlpr,  OJrr  drr  südöstlifhcn  Marie»  des  f rank isf heu  Reiches  unter  de»  Karo- 
Ungern,  Wien  1853.  —  M.  BUdinger.  Oest reichisch*  Geschichte  bis  zum  Aus- 
gangn  des  drtiuhnien  Jakrkundtrti,  L,dpzig  1858.  —  J.  Bloctiwiu,  Die  Verhält' 
Hisse  an  der  deutschen  Oslgreate  tteischen  £i&e  und  Oonau  :itr  iUit  der  ersten 
Karötirtger  (Dbs.),  Dresden  rSya.  —  li,  Gradl,  Xur  ältesten  Geschichte  det 
Egerlamlei,  ERcrer  J:ilirl»iich  VUI  (iSjH)  140— 156  und  IX(l879)  134— 150.—  O, 
Kapmmcl,  Dtr  Enistehnng  des  oiierre.ichisckm  Druluhtums^.  Die  Anfänge  deut- 
schrn  l^bens  in  Oeslerretth  bis  tum  Ausgange  der  fCaroUngerseit,  Leipzig  1874.  — ' 
H.  Orjiill,  Die  Herkunp  der  Egertänder.  Miltb.  d.  Ver,  f.  G»>ch.  iW  DcuUcbcn 
in  Böhmen  XVIII  {1880)  26a— s;^.  —  ders.,  Das  alle  Egerleind,  Egererjb.  XI 
(1881)  108 — 123.  —  J.  II.  Schwlckcr,  Die  Deutschtn  in  Ungarn  und  Siebenbürgen 
(Die  Veiker  Oester reich- Vnfiarns.  Ethnographische  und  cuitnr-hätarische  Srhitde- 
ruNgen  III),  Wlca  und  Tnchcn  188t.  — jV  Aclschker,  Geschichte  Kärnthenx, 
KUgffufurt  1884.  —  Fr.  v.  Krones,  Die  deutsche  ßesiedhmg  der  östlichen  Atfien- 
länder,  insbesondere  SIeiermarks,  Kärntens  und  Kmins  (Forsch,  z,  dt.  Landes-  u. 
VoUt-ikundc  III).  StuUjfart  1889.  —  L.  Bai6ti,  Geschichte  der  SUesten  dcutKhen 
jWiederlatsung  im  Banal.  TcmcsviiT  1892.  —  H.  Gradl,  Geschichte  des  Egft- 
iäsndes  bii  I4J1,  Prag  1893,  • —  K.  v.  fl&iiscr.  Dir  alle  Geschichte  Kärntens  mtßt 
der  Urteil  bis  Kaiser  Karl  d.  Gr.,  KJJig^nfurt  1R93.  —  ders.,  Kärntens  Karo* 
tingtrzeit  von  Kart  d.  Gr.  bis  Heinrich  f.  fjftff—giUJ,  KUi|:enfurt  r895.  —  A. 
Meitzen,  Siedelung  und  Agrarseesert  II,  Berlin  1893,  S.  368—401.  —  G.  Stra- 
ko»ch-(Tra«sninnn,  Geschichte  der  Deutschen  in  Oester reich- Ungarn  I  [bis  955], 
"Wien  1895.  —  L.  Werner,  Gründung  und  Venvaltung  lier  Reichsmarien  unter 
Karl  dem  Grossnt  und  Otte  dem  Grossen  I:  Das  Markensystem  Karls  det 
Grossen,  Proßr.,  Brcmcriiaven  1895.  —  A.  HaurrcQ.  Einführung  in  die  deutsch- 
bähmische  faUiskunde,  Prag  1896.  —  P.  Felix,  Ober  das  Vordringen  des  deutschen 
Elementes  bei  Pilsen  im  tj.  Jh..  MttUi,  d.  Ver.  {.  Gesch.  d.  D«uuchen  in  Bfibmcn 
I  24—37.  —  J.  W.  Nagl  und  J,  Zcidler,  Deutsch- ÖsterreiVhische  Literaturge- 
schichte, Wien   1899,  S.   I — 48. 

§  240.  Nach  dem  Sturze  der  Awarenherrschafl  durch  Karl  den  Grossen 
überschritten  die  Baiem  die  Enns  und  kolonisierten  das  Östarnclu,  zunächst 
das  vordem  awarische  Österreich  unter  der  Enns,  in  der  zweiten  Hälfte  des 
9.  Jahrhs.  auch  iiOrdlicti  der  Donau,  um  um  tlic  Mitte  des  11.  jahrhs. 
Steie-nnark  und  Keimten  zu  erreichen.  Seit  dem  12.  Jahrh.  hat  sich  die 
deuLsdie  Sprachgrenze  in  den  Ostalpcu  nicht  mehr  wesentlich  verschoben. 
Zur  Kolonisation  in  Böhmen   vgl.   §  237.     Die  Kolonisation  des  Egerlandes 

fio* 


948 


XV.  Etidtocrapbie  der  GERKAXISCOE!?  STX&niE. 


begann  Ende  des  e  i.  Jahrhs.  und  war  um  die  Mitte  des  12.  Jabrhs.  vollendet 
Zur  Geschichte   der   deutschen  Sprachgrenze   in  den    Ostalpen    vgl.  Grdr.'  [ 

6.13—655. 

Im  Anfang  des  17.  Jahrhs.  begann  dne  neue  Periode  der  deutschen 
Külonisation  in  Ungarn.  Aus  dem  Ende  dieses  Jahrhs.  stammen  die  deutschen 
Kolunien  der  Ofencr  Gegend  und  im  Bakonywald,  aus  dem  Anfang  de» 
iS.  Jabrhs.  die  in  der  Tolna  iind  Haninya,  bei  Arad  und  an  der  Kraszna. 
Die  von  Maria  Theresia  und  Joseph  gefönlerle  Kolonisation  hat  die  Deutschen 
in  das  Banat  und  in  <lic  Bai'ska  geführt 

$.   Quadi. 

Zeuss  117—130,  123.  364  uiml  462—464.  —  A.  Kirchmayr,  A-r  att- 
JtulsiiMe  VolAxitamm  der  Qutuirn.  2  Bilc,  Wi«n  18S8.  93.  —  R.  Mucfa,  üü 
Htrkun/t  d<r  QuaJr»,  PBB.  XX  (1895)  20—34. 

§  241.  Die  Quadi  sind  seit  dem  i.  Jahrh.  n.  Chr.  das  etliche  Nachbar- 
volk der  hnhmischen  Markomannen  gewesen;  ihre  Wohnsitze  sind  in  Mahren 
zu  sm.-lien  (Tac.,  Germ.  42  und  Ptol.  11,  11,  !i).  Sie  sind  wahrscheinlich 
von  den  Markomannen,  denen  sie  eng  verbündet  waren,  ausgegangen,  nach- 
dem diese  ßdhmcn  besetzt  hatten.  Ihre  Heimat  bt  ualirsc heinlich  an  der 
mittleren  Elbe,  an  der  Seite  der  Semnen  zu  suchen,  da  sie  im  J.  174/5  dort- 
hin ziehen  wollten  (Diön  LXXI  20).  Belegt  sind  die  Quadi  zuerst  zum  J. 
19  u.  Qjr.  (Tac,  Ann.  II  63).  Sie  haben  sich  an  dem  Markomaunenkriege 
beteiligt  {lüb  mit  den  Markomannen  Aquileja  belagert)  und  haben  danials 
von  der  March  östlich  in  Überungam  mindestens  bis  zum  Gran  gewohnt 
{Marcus  Antoninus,  Eh  ^i?z6v  I  17).  Seit  dem  3.  Jahrh.  sind  sie  nodi 
weiter  nach  Osten  gerückt  und  behcrschen  mit  den  Sannaten  Ungarn  *.  Von 
den  Römern  gefürchtet  haben  sie  im  4.  Jahrh.  ihre  Macht  eingebüsst:  »Qua- 
durum  natio  .  .  . .,  paruui  nunc  fomiidanda,  sed  inniensum  quantum  antchac 
bcllatrix  et  potens'^  (Amm.  Marc.  XXIX  6,  1).  Im  J.  409  zogen  sie  mit  den 
Wandalen,  Sarraaten,  Alanen.  Gepiden,  Herulen,  Sachsen,  Buigunden,  Ala- 
mannen  nach  Frankreich  (Hieronymus,  ^.  123  ad Agenichiam).  Seitdem 
verschwindet  ihr  Name  aus  der  Geschichte.  Sic  sind  \^rahrschcinlich  in  den 
Schwaben  aufgegangen. 

*  Belege  bei  Zcus<)  463. 


6.  Langobarden. 

Origv  grntis  Langt^ardorum  (wl.  F.  Bluhmc,  .1/tf.  I-^gg-  IV  641 — 647; 
ed.  G.  Waiu,  AfG.  .f.?.  iai»^..  Hanrniverae  i8;8,  1—6);  dazu  E.  Bernbeim, 
N.  Arcb.  d.  Ges.  I.  511.  aeutuclie  Geschk.  XXI  (1896)  373— 399.  —  Paulu«  Dt»- 
conaa,  Historta  I^ngobardorum  (bU  744)  (cd.  G.  Waitx,  .\fG.  SS.  Lang.^ 
Humovente  187S,  In  us.  schol.  es  Mon.  Germ.  bist,  rec.,  Hotinovera«  1878): 
deutsda  voa  O.  Abel,  Paulus  Diaconus  und  die  übrigen  GeschUhtKhre&rr  dur 
Langobarden,  BtTÜn  1849.  Vgl.  daxu  B«thmann,  FiihIus  Düuomui  Leben  umi 
Schri/tm,  Arch.  d.  Ges.  f.  Ml.  deutsche  Gesdik.  X  (1851}  247 — 334;  ders., 
Die  Geichkhfuhreibung  der  Lattgebardm.  ebd.  335 — 414:  F.  Dabo,  Paulus 
Dioiontis,  Leipzig  1876;  R.  Jaccibi,  Vte  LangcbardengetchüMte  des  Paulus  Dim' 
etinus.  Halle  1877;  Th.  Mommsen,  N.  Arch.  d.  Ges.  C  ill.  deuuche  Geichk. 
V  (1880)  51  — 103;  G.  Wftiii,  ebd.  415 — 424;  A.  Vogcler,  Paulus  üiacanus 
unddie  Origo  gentis  Langobardortftn,  Progr.,  Hiidcsheim  1887.  —  Zcusb  94  f..  109 
—  112  iinil  471—476.  —  E.  Th.  Gaupp,  Die  Germanischen  AnsifdluHgrm  urüi 
[.nndlhrilungen  in  den  Provinzen  des  RSmitehen  IVeiireithes,  Brr^u  (844«.. 
S.  496 — 533.  —  J.  Grimm,  Geschichte  der  deuluhen  Sprache  11  682 — 698.— 
A.  Fleglcr,  Dm  Känigreich  d^r  [^ngabardm  in  Italien,  I.eip»ig  185I.  —  S, 
Abe],  Der  Untergang  der.  iMngabard^nrekhts  in  Italien,  Gßttittgen  1859,  — 
H.  Pabst,    Getthickte  des  langobaräisfhen  Hertogthuwu,    Fcmch.  c,   T)t.  Gcxfa. 


III,  F,  5.  QuADi.    6.  Lakgobardek. 


949 


n  (1862)  405 — 518.  —  Fr.  Bluhmc,  Die  Gens  Langobaräorum  anJ  thrt  Her- 
kunft, Bona  1868.  —  W.  C.  C.  Frhr.  v.  Hammcrsicin-Loitcn^  Der  itarden- 
gftu.  ilanoorcr  18&9.  —  R.  Wieic,  Du  ölUstr  Geiihithtr  der  Langobarden 
{bif  zum  Vntfrgangr  da  R^khes  dtr  HeruUr).  DiS'*..  Jena  1877.  —  E.  Koaake, 
Aittuif,  KSnig  der  Langobarden.  Prop-.,  TUsit  1880.  —  C.  Proschko.  ZVn- 
dfritti  ttnd  der  Untergang  det  Ijangobardenrekhei  in  Italien,  Progr.,  Krems- 
manawr  1881.  -—  A.  Ebner,  LHe  Langobarden  unter  den  Königen  Albnin  »nd 
C'ießo,  Prc^r.,  Linz  1883,  —  Galctschky,  Die  Vrgestrhürhie  der  Langobarden, 
Progt,,  Wcisicofds  1885.  —  L.  Sckmiilt,  Zur  Gesehichle  der  Langobarden, 
Leipiijt  1885-  —  A,  Wcslrum,  Die  Langobarden  und  ihre  HertBge,  Ccllr 
1S86.  —  J.  "Weise,  Italien  und  die  tjnngobardenherrsi her  wn  $68  bis  ÖjS, 
Halle  1887.  —  R.  Viicbow.  Verh.  d.  Beri,  G«.  f.  Anihn^i.  1888,  S.  508— 
5Ji.  —  R,  Miich.  ZfdA.  XXXllI  (1889)  9  —  13.  —  K.  Dahn.  Urgetehichle 
der  gemtaniii hen  und  rSmiixhfn  V'Stker  IV,  Berlin  1889,  S.  189 — 295.  —  K. 
Groh,  Die  Kämpfe  mit  drn  Agaren  und  Langobarden  unter  der  Regierung 
Justins  //.  na.h  den  Qtiellen  bearbeitet.  DUs.,  Il.nllc  1889,  —  von  Slolt«en- 
berg-Luttmerscn,  Die  Sfittren  der  Langobarden  vom  \ordmeer  bis  cur  Donatt, 
Hannover  1889.  —  O.  Gutscbe  uiul  W*.  Schultze,  Deutsche  Gewhiihte  von 
tier  Urteit  bis  iu  den  Karolingern  I,  Sluctgart  1894,  S.  461 — 478.  —  C,  Cipolla, 
Per  la  itoria  d'Italia  e  de'  suoi  conquistatort  Hfl  media  ei'a  piü  aatieo,  Bologna 
1895-  —  Th.   HodgltiD,  /talv  and  her  invaderi  V.  VI,  Oxford   1895. 

§  243.  Über  die  Ziigeliörigkeit  der  I^ngobarden  zu  den  swebiadien 
StSrnmen  s.  oben  §  217.  Wahrend  die  Jindera  Stumme,  welche  sicli  von 
dem  swebischen  Urvolk  an  der  milüeren  Elbe  abgezweigt,  ihre  Riditung  nach 
Soden  und  Südwesten  genommen  haben,  haben  sich  die  Langobarden  nach 
Nordwesten  abgezweigt.  Sie  sind  zuerst  zum  J.  5  n.  Chr.  belegt  VcIIejus. 
fler  selbst  den  Feldzug  des  Tiberius  mitgemacht  hat,  berichtet  (II  106),  da«» 
nafh  der  Unterwerfung  der  Cliaud  -fracti  I^angobardi,  gens  ctiam  Germana 
feritatc  ferodor»;  dann  erreichte  Tiberius  die  Elbe  und  das  Gebiet  der  Sanaen, 
die  Altmark  (§  217).  Da  die  Chaud  bis  zur  unteren  Klbe  gewohnt  liaben, 
bleibt  für  die  Langobarden  nur  das  Lüneburgische  Gebiet  (vielleicht  mit  Ein- 
schluss  des  Wendlandes)  übrig.  Es  kann  dcmnadi  nicht  daran  gc-zwcifclt 
werden,  dass  ihr  Stammland  der  mittelaherliclie  lianim^'att  gewesen  ist,  und 
dass  dieser  den  Namen  des  Volkes*  bewahrt  liat.  Ihre  Wohnsitze  haben 
aber  ursprünglich  über  die  Elbe  hinObergereicht.  Strabön  (VII  290  f.)  nennt 
unter  den  swebischen  Völkern,  welche  zu  beiden  Selten  der  Elbe  wolmten, 
die  Langobarden  und  fügt  hinzu:  'wv\  di  xa<  teX^uj^  elf  t»/v  3t£Qa(ar 
cvTol  ye  iK^xt^mhxaoi  qitvyovtt^.^  Diese  Flucht  bezieht  sich  auf  den  Feld- 
zug des  Tiberius;  im  J,  6  hatten  die  Langobarden  ihren  Unkselbischen  Wohn- 
sitz gerflunat,  um  sich  der  römischen  Herschaft  zu  entziehen,  und  es  fehlt 
an  jeglichem  Anhalt  dafür,  dass  sie  ihn  spiLter  etwa  wieder  eingenommen 
hatteti.  Der  Fall  liegt  ebeni«)  w'c  bei  den  Semnen  (§  217  f.)-  Ptolcmaios 
ilX  ti,  9)  setzt  sie  zwar  noch  ins  Lüneburgische,  folgt  damit  aber  lediglich 
einer  älteren  Quelle.  Tacitua  {Germ.  40)  behandelt  sie,  wie  die  Scnmen. 
welche  sich  in  der  gleichen  Lage  befanden,  mit  Recht  als  einen  rechtselbi- 
sdicn  Stamm. 

Die  Langobarden  gehörten  bis  zum  J.  17  n.  Chr.  zu  dem  grossen  Reich 
des  Marobtjduus  und  traten  damals  zu  der  unter  der  Führung  der  Cherusci 
stehenden  Gruppe  über  (Tac,  Ann.  II  45),  der  sie  noch  im  J.  47  zugehört 
zu  haben  scheinen  (ebd.  XI  17).  Ihre  Volkszahl  war,  entsprechend  ihrem 
Wohnsitz,  nur  klein.  Seit  Tacitus  {Genn.  40)  ^-ird  dies  von  allen  Schrift- 
stdlcm  betont. 

^  Langobarden  ^  Lang-Barden  ist  ein  episclies  Ki>iti{mM[ura,  wie  IfermUH- 
Duri,  Ulme-Rugi,  Beorht-Dene  usw.  Das  altenglisch e  Volksepns  kennt  die  Lango- 
barden imter  dem  Xamen  Jcr  Heado-Beardan.  Barden  ist  also  der  eijjcntliche 
Nan>e  des  Volkes  gewciKa,  uad  diesen  kennt  die  einheinuAcbe  Oberlierening  noch 


ab  den  tüten  Nurncn;  vg}.  Bardi  Faul.  Olac.  III  19,  £füapk.  PoMtii  Diac.  and 

Epitaph.  Ansäe. 

S  243.  Ilire  Wohnsitze  im  Lauenburgischen  haben  die  laogobartlcn  in 
der  zweiten  H^fte  des  ].  Jahrhs.  oder  in  der  ersten  des  2.  Jhs.  verlassen, 
spätestens  um  ibo,  iim  an  die  Donau  zu  ziehen.  Denn  zum  J.  107  oder 
168  berichtet  Petros  Pairikios  6  {Jlii/.  Gr.  min.  I  428),  >5ri  AayytfiäuAwr 
xal  X)ßitov  iiaxiaj^tkuov  "Iotqov  nfQatai&Fvrmv ,  totv  nr^l  BfvSixa  ijtztimv 

i$tJLaoavTtov  xnl ,  ek  Ttavrekf}  (pttyi}V  ot  ßd^ßagoi  irßdjjorro.  '£<?)'  o/c, 

OVIVJ  nQu^ddatv  Ir  diEt  xaramäyreg  Ix  ngcuTJ/c  i^tjfFtQtjoewi:  ol  ßägßoQotf 
TZQiaßtt^  nno(i  AXÄiov  Büanov  ti)v  Ilmovtav  dtrjzovra  arlkXovat,  BaXXo- 
fidqidv  IC  tiiv  ßnoiXiii  Mnfjxoftüri'wv  xui  hioovg  Öixii  xni  f&vos  hnXe^A- 
fuvoi  h^a.  Kai  &Qxotq  rijv  ffQijvtjv  ni  nQ^aßfii  :ntöTOM(ifUvoi  oTxade  ya>oovaty.< 
Zur  Zeit  des  Markoinfuineiiknegcs  sUuiden  sie  üIsü  neben  den  Markomannen 
an  der  Grenze  von  Pannonien,  in  Ungarn,  in  derselben  Gegend,  in  der  sie 
spater  wieder  auftauchen.  Dass  diese  L;mgobarden  nicht  bloss  eine  Aben- 
teurcrschaar  gewesen  sind,  sondern  das  ganze  Volk  damals  hereiw,  wenn 
nicht  an  die  Donau  abgcri\ckt,  so  doch  die  niederelbischen  Wohn^tze  ver- 
lassen halte,  dafür  spricht  einmal  die  grosse  Entfernung  und  zum  andern  der 
Umstand,  dass  damals  ihre  ahen  Südnarhbam,  an  die  sie  sich  sicherlich 
auch  politisch  anlehnten,  die  Semnen,  walirschcinlich  ebenfalU  ilir  Heimat- 
land verlassen  hatten  (§  219).  Die  Räumung  von  Ostdeutschland,  welch« 
im  J.  5  n.  Chr.  mit  der  Preisgabe  des  Bardengaues  und  der  Altmark  begon- 
nen halle,  hatte  alw>  s],iatestcns  um  iijo  auch  für  das  cntsjjfcchcnde  ost- 
elbische  Gebiet  ihren  Fortgang  genommen  und  war  im  3.  Jahrh.  wohl  voll- 
endet (§  221),  was  im  Gegensatz  zu  der  herschendeii  Ansicht,  die  Räu- 
mung; sei  erst  im  6.  Jahrh.  erfolgt',  ausdrücklich  zu  betonen  ist  Die  I^n- 
gobarden  waren,  als  sie  nach  Ungarn  zogen,  einer  Bewegung  gefolgt,  wel- 
che alle  östlichen  gemianischen  Stamme  ergriffen  hatte;  auch  die  Burgun- 
dcn,  die  Wandalen  und  Lugü  finden  wir  zu  jener  Zeit  an  der  Donau  wieder. 
>lier  nennt  die  Langobarden,  nach  einer  Jahrhundertc  langen  Pause,  erst 
Prokopios  wieder.  Nachdem  sie  ^87  Rugiland  (an  der  Donau  und  Marcli) 
nach  dem  Abzüge  der  Rugii  besetzt  hatten,  zogen  sie  bald  darauf  in  die 
TheLssebene  (Paulus  Diac.  I  19.20)  und  unter  König  Audwin  «ieder  nach 
Pannonitn  (ebd.  I  22;  Prok,,  jDe  ddlo  Golth.  III  33).  Hier  venüchtcten  sie 
unier  Audwins  Sohn  Albwin  im  J.  567  die  Gcpiden.  568  führte  sie  endlich 
Albwin  nach  Italien,  wo  die  Lombart/ei  noch  heule  ihren  Namen  bewahrt  hat 
Ihre  politische  Selbstilndigkeit  büssten  sie  774  ein,  als  die  Franken  ihr  Reich 
eroberten.  Entsprechend  ihrer  Minderzahl  unter  der  einheimischen  Bevölke- 
rung Italiens  sind  sie  alliurilitich  rumanisicrt  wurdcnf 

»  K.  ÄfilllcnlioJf,  ürutsfhf  AUrrtumskundf  II.  Berlin  1887,  S.  lOJ  f.  — 
•  W.  Brtickner,  Dir  Sfraffu-  itrr  Cangvbnrdm,  Slrassbur|;  1895,  bringt  S.  \t 
—  14  ZeugniiW  «Urilr  bri,  dn»»  itic  lan^banÜKhc  Sprach«  in  SäditaJicn  in  der 
zwcilen  HiLlfte  dn  lo.  jEÜirb«.  ilurrb  die  itAÜeniaiche  vcrdWlngt  wonkf  in  Nord- 
Italien  aber  noch  um  1000  nidil  uuagestorben  war. 


» 


A. 

^  57. 

a  Dord.  Z>  £*>(•  ""  S'*-  <C. 
ndfrk.  mt  898.  —  (icnn.  a 
^  uiglofn.  (as.)  f,  vor  Na- 
mI>o  861—864.  —  Uo- 
bclonlcK  1  ungtofn.  (ns.)  ^ 
£  861.  —  -1  ontgenn.  < 
•ö  810.  —  -rt  ninUch  817. 

d  biir^ml,  822,  wgerm,  822. 
916.  937.  >  AoglnfTS.  (as.) 
«,  vor  Nasal  ö  861  — 8^4. 
>ndlrk.  oa  8()8. 

Aacbtin,  Dax  Münster  von  533. 

Aaäag  asttlaas  AuTotna  836. 

Aagedal.  Der  Bractnt  von  286. 

Aasgaardsiria  355.  360. 

Abälaji].   561. 

Abmularirn  97. 

Abel,  Htttoa  A.  307. 

Abgvben    6.    17.    13&.    137. 

138-  139.  140-  '73.  177- 
Abliacdliuigen  72,  7b,  92,94. 
Absalon    v.    Rocsluldc    103. 

V.  Land   107. 
Abschreiber  70. 
Abicfawßnuipfonnela  335. 
Abriebt  192.  193. 
Abt.  Kranx  597. 
Abt  Vogter  600. 
atm  liclt.  801  f. 
äbjergd   |8a. 
Accenl,    Dcu>Dung  drr  rntcu 

-Silbe  760].  788.  790. 
AocentMcher  Genani;  ^59.  g6o. 
Aoxfllus  (Zugeuing)  SSi*' 
Acht    184.     185.     IQS  — 197- 

ail.    320,    221,    heimliche 

3 10. 
Achtel  n)   I33.  b)  156. 
Achten  15. 

Acker,  EinieiltiDf;  d«s  458  IT. 
Ackerbau   b«l   d.   alt,   Nonll. 

456  ff. 
Ackerbau  755.  7S7— 7S9. 
Achcrflur  13. 
Ackerj.'erfltc  bei  d.  alt.  Nordl. 

459. 


Sachregister. 


■cre»  31. 
netto  125. 
0//U.T    125, 
>  aä  21 4. 
Adalhard  v.  Corbio  72. 
Adan  V.  Bremen  234. 
Adam  von  Fulda  580. 
Adaui  Kralft  544. 
Adam  von  Su  Victor  56 1. 
Adaptiooiutiuii  244. 
Adel  3.   II.   130—133.   141. 

144. 
aäili  302. 
Acltjpiioi)    159.   167, 
advoeatia  rcclesiae   I48. 
athnKOius   150. 
»f  >ofctBciin.  £^1821  f.,> 

bui^uitd.  A  S22,  ^wgerm. 

d  S22.9i6.927,>-aii{;Iofrs. 

(aB.)e,TorNaul>-ö86l  — 

864. 
^detbirhl  69. 
<ritrliHg   130. 
AiAnXt^  75. 
jl^dcbtAn   74. 
Ardui   778.   80s. 
Acpdius  368. 
^jili    aur   dem  Clennooter 

Kästchen  724. 
.^ir   302. 
akUtcap   163. 
.^IfiM  69.  70.  74.  75. 
Älfric  259. 
alfttitu  356. 
alpJodr'gt  137. 
Aepfel,  veijflDgende  375. 
Acmtcr  (ZCnltc)  ijiord^tidteD 

34-  35- 
atiir  313. 

.JEskil  Magnu&son   108. 
ai/9Hg  180. 

AäiiDB  63  t.  705. 

.^tla  (Attila)  700. 
atief  ing  130.    159. 

at  1^6. 

dttarMt   157. 
gitarfvlgja  371. 
ättarfkiimm   1 59. 


^/'v^  ac.  814. 

rf-57. 
rf/fcwf   300. 

■aßn,  hluKtnomeo  774f.>  800C 

ajfratare    1 59, 

afgarpisbyr    I7I, 

o/Ai.i  397. 

afriltr   171. 

a/skakarirt  331. 

«/'  163. 

AAervasalka  B  ff. 

Agalbiaa  335. 

AgDtr  343. 

Af;f>bard  72. 

A|ir«rvcrfBS«an|^  Deutsche^ 
12  ff. 

Agticota,  Alexander  S79< 

— ,  Joh.  Krifdr.   598. 

— ,  Martin  581. 

Arrippa  74a- 

Ahlc.  Joh.  Rud.   58S. 

Abnenknlt  344. 

■iMta   195. 

HhUirt  195. 

«»>-ac.  rf=arn.  i  843,  > 
as,  rt  cxlcr  i  863  i.  —  a/ 
vnr  Vokal,  got.  816. 

Aibünger,  Job.  Kaspar  600. 

Aich.  Artil  v.,  Licderb.   581. 

Aichinger,  Greg.  588. 

aiitn    215. 

aigan    1 69, 

"ofof  8 14. 

atßßan  j^L  B16. 

a//j   214. 

aivuz  cerm.  B13  f. 

Aken  897. 

Aki   OrlungatraiiMi  734, 
Aklivbandd  4I, 
Alai&iaKtc  ^8.   207. 
Alamajinen  880  f.    888.  908. 
917-  933-  930— 934-  948, 
Alanen  83t.  880.  903.   948. 
AUrich   II.  62. 
Albancnci]   754. 
AlbCTimyihuB  657.  670. 
AlbcTi,  Himrkh    588. 
Alboin,  Lieder  über  iho  630l 


952 


Sachregister. 


^Vlbrtxht  Dürft  547. 
Albrcchwbcrgcr,  Job,    Georg 

Albrechl  v.  Keraen&ten  640, 

AlbcHch  681. 

Akis  677, 

Aldafattir  346. 

Aldicn,    Unfreie    bei   Lanj:o- 

lunlen  und  Baiem,  4. 
aidiiu   1 36. 
Alemannen,    ihr    Anteil   an 

der  Heldensage  685.  690. 

6^1.  6g8.  703.  70B. 
attvi  gol.  780  f.   78&. 
al/ablot  26D.    287.  385.   392. 
Alfadir  346.   3''- 
di/ar   200.   28b.   287  ff. 

Alflitritiiar  287.  288.  322.  378. 
älfkonur   2S6. 
Alfrlkr  291. 
Xlfrydull  288. 
athi  gut.  395. 

Ali   337-  365. 

elil'tntt    142. 

Ailitcratioi)   79. 

Allmeodc  3.  5.  10.  II.  15, 
16.  22.  26,  16g  r.  45S. 

AllmFtKleigvntuni  19. 

Allm<!ndgnlnde  19. 

almfnningr   lo.   170. 

alUh^jarpin^^   II3,    139. 

Allu^iilcbeD  in  d.  nord.  Län- 
dern 446  iL 

cM/  i/i. 

olvsknt  288. 

Alp  268  ir.  (AbleitnoB). 

aip  s.  Elf. 

Alp  286  ff. 

All«?  774- 

Alpea   19. 

Alpbart  640.  (>9i.  693.  693. 
694. 

Aipbere  707. 

Alraunen,  Alrunen  393, 

Alsv^dr  380. 

Altcnbcrg.  Mich.   588. 

olieiiKlUch   843. 

AltfräiizÖ».  VoUuepik  614. 

AliFrld  235. 

alirrto^Lscb  s.  KricKn. 

aipin^e   154. 

Alft'fr  391, 

Altgi-Tmaiiiscbi:  Götter  312  ff. 

Aitniaik  873.  895.  897.  937 
—929. 

al tili L-derfrAnlci seh  862, 

^tnnrdijich  s.  Skailiuuvrier. 

alUik-liMKli  861^866. 

Aludrenf^r  304. 

Aivi-^  359.  361- 

Alvilr  722. 
Amati  5S6. 

Aituuroncs.   goiitdie   369. 
(tmbaht   139, 


ambck^s  kell.  >  genn.  787. 

Amborri  778. 

ambdtt   139. 

Ambrica  u.  Fridita  68$, 

Ambmn™   805. 

Ainbrosius  55&. 

Anielj"*rvonTengUngeo  72I. 

Amelung  ligo. 

Amelunge  696. 

Animtlaiid   725. 

Ammiantis    Maic^lioui    334. 

XV  9.  47«.  XX  10  881. 
Ammianus    Marcellinua    über 

Kniinrricb  682, 
Atnmiu«  683. 
Aropbiktyonieen     249.     315. 

319.    321.  814.  833.  831. 

850.    907.    922  f. 

Amnun  848  f. 

jVnuivarü     867  — 869.      880. 

902 — 906. 
Amtmnnn    2t, 
AmlsinslruktioncD  67.   68. 
Anurten   780. 
änaudigr    1 39- 
Ancher  ^3. 
andbahts   139. 
andeü    137- 
atuUr  Ott.  866. 
AndbrimDiT  340. 
Andri,  Job.  599. 
Andreas  Scttlfllcr  549. 
Andren»  Siint-sson   1O2. 
AndvnH   391.   297,   350. 

aneladu.s  224. 
Anerbenrecht   16, 
annanc  a)   iSo.  b]    193, 
anevelte   179. 
Angantyr  360.  266. 
nngnria  36. 
Angelmödde  864  f. 
jVngcIn  830.856,881.931,923. 
vVngcIsacbsen  64.  69.  74 — 77. 

849.  860. 
Angelsnchficn,  älteste  Quellen 

der  Heldciiiagc    bei    ihnen 

637;    eiiihnm.  S^m  629; 

StofT«^  (ISniscben  Ursprung 

639. 
AngcUiLcbiüch  s.  Altengliub. 
AnßtTOn  86q.  871. 
Anßlcvarii  B53. 
Anglii  s,  Angeln. 
Anglndünen  75. 
Anglorriesen  811.  836  f.  842 

—871.  881.  Anglofriesisch- 

nordgcrnun.    Spracbclabeit 

747.     809  f.       Angto&ies. 

Sprncfacinhcit    809  f.    843. 

8f>l.     KciuuccicticD  anglo- 

friestadierSpnchcSlO,  836. 

843.     861  f.        Angiofriei. 

Sprachachicbt  in  Nd.  86 1  — 

866. 


Angrarii  s.  AngrivwiL 
ango  223. 
AngrbodA  304.  3'  >.  347-  375- 
Anhalt.  BibliographicdcrQad- 
len  der  Sitte  a.  des  Brandu 

Animucoii,   Glov,  586. 

anU-ttr  331. 

Annalen,  Quedliaburger  633, 

635.  673.  685.  686,  691, 
anrts   176. 
AsKfi^  71. 
Ansiedlung    JeuUchei   Hud- 

werker    und    Bergleute    in 

Schweden  34. 
Ansicar  235. 
Aiupiacbe  1S4. 
Antbaib  814. 
Antiphonen  557. 
Anthropologie  340.  75o£  755. 
anlrusdo  167. 
Anwcisungssptcme  44. 
anrcortrr  2i  i. 
Anweisung  20, 
-ajM,  Flii«->n»men  774  f.    800 

—802. 
Aprelacbuk^-Sage,    nonl.   7}0. 
Apolhnius-    u.   Herborg-Säge 

722.  734- 
Apollinaris  Sidonlus  623. 
Aptur^ungur  265. 
Aquitaaien  707. 
ar    123. 
■ar  got,  7S0. 
arrf^  kelt.  780. 
nraIrtiM    170. 
Aravlsd    780. 

Arbeiter,    land Wirtschaft].    IQ, 
Arbeilerbewecung,  niitteUltec* 

liehe  30. 
arbinum/a  158. 
arbJQ  I  58. 

ArbogaKtis  906,  915. 
lirbcrrn   135. 
Amdelt  579. 
Archäologie  53.  6a  f. 
—  prähistorische  751  f.  770* 

784—786.  790.  832, 
arr/ist   192. 
Ardascbtr  615. 
Areraorid  77g  f. 

'Agti:  3H- 

Argrivarü    807,    833.    867— 
871,  880.  903,  909.  934  f. 
irhang  387. 
Aribo  ScboUaticu  563. 
Arier  756 — 758. 
Arioviatu»   793—798.   931 1 

934. 
Aristokratie  to.  11. 
Aristoteles  'Hd.  Nile  IH  10. 

773-    'fftf.JFM.IUi.TTJ. 
'Aoxvvia   780.   783. 
immlr.  387. 
Aruieteute-&lalerei   553. 


^^^^^^^^^^^^ 

Sachregister.                                           953         ^^^| 

Annecier  754. 

At((h)iiarü  s.  Chattuarii. 

Bactmis  silva  796.  806.  913.           ^^^^| 

Amenpßege  127.   137. 

Auelnwetide  813$, 

934'                                                ^^^1 

Armtlaiutini  880.  941. 

au  ><  ostgema.  Ö  821  T.,  ae. 

Bad),  Job.  Christian  (der  Hai-            ^^^^^H 

Aiminiua  biS. 

Aisafn.  (I843.  863,  aji. 

linderoder  lenglischeBadii)           ^^^^^| 

jVnnlaitts  u.  Sii.'firidnge  613. 

rip.  ()  862  f.,    au  vor  Vo- 

594.                                               ^^^1 

6t8. 

kal.  ßoL  816.     pot,   -aa> 

Bach,  Christoph  Fri«dr.  $94.           ^^^^1 

Armorici  ».  Arcmorici. 

Qord.  -a  817.    attj  ostgerm. 

—  Fricdmann  $94.                           ^^^^H 

Arne  B.  v.  SkAlholt  ISO. 

821  f.,  he»,  ou,  t'i  oder  d 

—  Johann  Sebastian  592  ff.             ^^^^H 

Aivifai  830. 

916. 

—  Philipp  Emanuel  594.                ^^^^^| 

ars  äictiinJi  64.   "3.  88. 

Aubt-Ton    im  Huon    de  Bor- 

Backemude 865.                                ^^^^H 

■arvabol    157, 

deaux  681. 

Backhaus  14.                                      ^^^^H 

Ar\'akr  380. 

AiiÄr  257  ff.  310. 

b^U                                                     ^^^H 

'                  Arvcrni  778.  795.  805. 

Auttotnla  30t.  376. 

Biulcn.      Bibliofpraphic      der           ^^^^^| 

AsR-Porr  354. 

AcdvAldi  31t. 

(^clIcQ  der  Sitte    und  des           ^^^^^| 

Asrlicnbr'kWlmotiv      in      der 

-auft  i>06. 

Brauchs   gl  5.                                    ^^^^| 

Kudnio  718. 

Auflurftung,  kanntlkbe  30. 

badmr          816.                                    ^^^^^H 

' Anriyyof,  Asdinti  6*8. 

Auflialtvn  231. 

Banluhenna  374.                                    ^^^^^| 

Aiega  205. 

AuOassitng  t86.  187.   190. 

Bodubild                                                 ^^^^1 

Ase^a.  alU'rics.  399. 

AufLnigung  8. 

Baedu  I   15.  S$2.  8s4.8$6f.           ^^^H 

Äsen  313.  346. 

Augcfrwius  832. 

859.     V  9    und    11    869.           ^^^^1 

Aitltttii    57.  75. 

Augoo  766. 

Homilie                                                   ^^^^H 

vVsEiiÄ  345.  378. 

Augsbtiri;,  dt-r  Dom  von  537. 

batkir              113.    114.    115.               ^^^^H 

MV  378- 

Auf^tua,  Chorographie  743. 

B&nkclungerer  366.                           ^^^^H 

Aslufnia  294. 

Politik    742.    928  r.     941' 

Bänna&n,  Hcinr.  Jos.  604.              ^^^^^| 

Askr  Y;;g<inisi]  379. 

946. 

hagms  got.  816.                                   ^^^^^| 

Aslaue  661. 

Anlerct  779.  805. 

Bardo  r,  Mainz,  Urkunde  3.                  ^^H 

A»p(iHiaD  730, 

Aun  V.  Schweden  337. 

fi5S<                                                    ■ 

AspriJin  720. 

Anrboda  303. 

Baicm  773.  881.  947.                             ^H 

Assibilicnuii:  s,  Mouilliening. 

Aurgcbnir  37Ö. 

iaih'f  21.                                                   ^H 

asulniJs  8 3h. 

Auriuuandahu   733. 

Bajocaisea  7fl4.                                          ^H 

atyi'orufprr  216. 

Aurrtindill  36O. 

BfljoGSJsirü  8S9.                                          ^H 

Asyli*cht   131. 

Aurt-aitdill-Mylhna  derSnorra 

BeJfiot  77^-  81$.  835.                             ^H 

dsynjur  313. 

Edda  733.' 

BatvoKalfim  778.  835,                                 ^^M 

at  Uni  13. 

Acrvandits  ti  731.  733. 

ßatitj   thrak.  763.                                          ^H 

at  -inrictu   13. 

attrkoMuttffr  350. 

Bakalar  (Becfacl&ren)  701.                        ^M 

atchramjan    185- 

aarom  375. 

boMarf  t59.                                           ^^^^H 

AtcrgAngarc  265. 

aNttttrtg^  got.  826. 

Bai&mbcr.  hunn.  KOnig  6B3.           ^^^^^| 

alfathumjan   159. 

Ausbau  (kr  DOrfcr  1.  18. 

327.                                      ^^^^1 

atf^r  221.   222. 

mtspkia  400.  403. 

Bal(lr«hmur  335.                                  ^^^^^| 

Atgcir  720. 

Austng  a)  138.     b)  210. 

BaldirrabK'iid   337.                               ^^^^H 

afia-Ihy   I71. 

Auströ  374.                                 ,  KaldrSll.   323~-327-  3S»—           ^^^H 

a^Utonu    I  (9 1 , 

AiiMflgt  73.     97.     108.     III.,       352.379.                                               ^^^H 

apiitng    130. 

11$.                                                  önUiar    101.    109,                                              ^^H 

AÜuU  823. 

Autcbaniis,    Kartmann»    Va-  '  Kiillnde      vnn     der     scbOo«a                    ^^| 

Athalaridi  63. 

iäXl  61  J, 

Meercrin  643.  710.                                  ^^| 

mtkelby    JO. 

Authari,  Kfiaif;  73a. 

Balladen  643.                                                 ^H 

Aththa  a£n,   816. 

Aulhcntjüdie  Tonarten,    Dl« 

K-tlktfa  735.                                               ^H 

A^eh    (Sumacra),    vullumm). 

vier  55g. 

Ballspiel,  bei  d.  alten  Noidl.                   ^H 

KpoR  614. 

Autonomie  11.    3$.    73.   78. 

4S>fl'.                                                     H 

Atlamül  370. 

79.    80.    83.    83.  86—88. 

Baltram  ti,  Sinlnun,    Schw«-                    ^H 

Aüi  3i>9.  357-  (AtdU)  700. 

104.  10&.  112.  ii6r.  134, 

zer  Volkssagr  679.                                ^H 

aimallSn  2 1 1 . 

126,  171.                                ba»  133.  150.  134.                                   ^H 

df/a  gol.,  U//0  abd.  816. 

Auvma  836. 

bantbote  157.                                                  ^H 

AttandAlAnd  83 1. 

•ava  kcit.  802. 

bani  307.                                                         ^H 

AltiU,gcschichiliclH'Sbi9,lo- 

A^MQXOl    S2§.    851. 

Bann    145.    I4'>.    148.    154.                    ^H 

kaliüiert  in  Susat,   in  Eue- 

AvCTtrod  720. 

187.   300.  213.  221.                                ^H 

lenburg  669,  über  den  Na- 

Arianes 850. 

bannan   2I3>                                                   ^^| 

men  700,  A's  Tod,  episch« 

Avtim-vlai   156. 

bant                                                                 ^H 

histoT.  Sage  ^S9r    A.   als 

Awaren   947. 

Bantbaib  814,                                                 ^H 

Bindeglied  zwischen  Nibft- 

BarbariMiSa,   Friedrich  347.                          ^H 

luQgeaaageu.  Dieiricb&ag« 

_                              BarbicT  334.                                                   ^H 
**'                           1  Bordtn  858.  949.                                          ^H 

703,    Verbindung  mit  Ri* 

diger  u.  Dietrich  703.    S. 

A  aiultd.  ^osl4<vrni.  /83I  f.  ,  Bardcagau  949.                                              ^^ 

auch  Eitel,  KiieUage  816. 

interrokalisch     ndfrk,     ge- 

bargiUian   135. 

"Atttorot  813. 

•diwuiidea  S98. 

barut&i  415. 

1 

954 


SAaiREniSTER. 


Bnrock^csrhniiicl;,  ModirmcT  in 

Difulwlil.   54<>. 
Bamckstil,  GotJAcber  543. 
baranrs   13  z. 
barones     mA)ores,     im    alteo 

England  9. 
BuTCDf^cld  45. 
fiErr>-,  Sir  Chatlea  550. 
barschalM  138. 
barjtl  415. 

£ut  der  Nordlander  443, 
BartboIcmKituicl]  L  277. 
BartliolaiRBeus  Zeitbtom  547. 
Bartsch,  ilb,  c.  mccklcoburK. 

VoütMgc  710. 
Buken  753. 
fiulernen  7&0.  791.  Sio.  dao. 

832  f.  923. 
Bastian  240. 
Baiavi  801— Hqj.  ^23, 
BaUviÄ  798  I.  804.  876—884. 
BattericfcbloM  ( 1640  in  Fraolt- 

retcb)  338. 
bcheät    (gepolAiene    Müue) 

124. 
bauan  got.  81 6. 
BaudeniunJUcr,  Golisdic542  ti. 
ßiuenncütrr  146,  171. 
Biiucni    6.    II.    12.    3t.  78. 

101.    134.  )35.  137,   138. 

140.    151.    153.   169,   171. 

'77. 
BaucniKiilcT  S- 
Baaerabore  21. 
Bauernland    21. 
Bauenücricge  7. 
Baucmscluirt,  Die  in  Skandi« 

navicn   1 1 , 
Bauernstand,     bei    dm    alten 

Gmnaneo  6.  7. 
Biiii(;ewi-rbc  30. 

Baue'  344. 

baugpak   30 (. 

Bauband  werker,     Ausbilduag 

der  542. 
Bauhütten  88.   166. 
bat*m,  wgcnn.  8 1 6. 
Biuim,     VcrthniiiE   dcs&dben 

bei     dcQ    GcnnancD    386. 

596  ff. 
Bflumeisler,  der  rie«»cbe,  Dä- 
mon 351. 
Baustil,     Der    romanische   in 

Frankrctcb   541. 
Rauten,     Hcrvomiifcnde    des 

II.,   13..    13.  Jabrh.  536^. 
Bayern,        Rihliiipapbir     der 

Quelltn    der  Sitte  nnd  des 

Brauchs  f)i4. 
Bayrische  Zither  572. 
Bau  833. 

Beadobitd  723.  736. 
Bcunic  3S>    133  —  135.    136. 

127.  130.  131  f.  i33f.  140. 

Hif.   US-   146.  307/. 


Beaibntrr  70  f.   76.  97. 

Beoca  686. 

BccbdArcn  701, 

bccktlhüht  225. 

Becker,  Karl  Ford.  601. 

Beda  s.  Baeda. 

btddrmuHii  140. 

bfdt  17.  36.    135. 

Bctr  L.  718. 

Bectbowo     596,    599.    600. 

602  ff. 

hefdn   :8o. 

Berreiung,  v.  d.  Lasten  der 
UnTrciheit   in   England  Jl. 

B^ar.  Rrinbold   $51. 

Bq^adiping  146.  199. 

B^Tibnisgebränche  des  skan* 
dioav.  Nordens  41t.  426  ff. 

beheftuHgt    189. 

B^beini  1.  Bi'ihnieii. 

Bebeirn,  Mich.  ^80. 

Beichte,  Essener  863. 

Bddcnbander  227. 

Beispnichsrechl  3.    158.    172. 

Bckem    865. 

hetijitrgj^  162.  419. 

Reiiagerungen   335  ff. 

bflaginei   57, 

Bcigae  73<»-  770.  772  f.  783. 
798—801.  805. 

Belgien,  Blbliägraphie  der 
gellen  der  Sitte  und  des 
Bnanitlib   533. 

Bell  331. 

Benda.   Georg  598. 

Benedictus  l.evi|a  71, 

beneßtium    178. 

Bcnefiiicn  4.  5.    17. 

Benevent  (><).    135. 

Beorhldene  949. 

Bcomice  854. 

Beowa-Mylhiiii,  Grundlage  d, 
Beowulfepäü  628,  Inhalt 
64$.  Erweiterungen  646, 
Lokalisicrjni;  in  Wiltshire 
650. 

Bvowan  bani  650. 

Btewiilf  235.  301—303.  B., 
eini.-  historische  Persönlich, 
kdl  647.   746. 

Beou-ulfcpos,  Sinff  638. 

BeMWulAieil,  durch  das  Chri* 
»[«nium  beeinflusst  630, 

Beowul fsagc,  Inhalt  644  ff. 
Kampfmit  Grendel,  Kampf 
mit  (Lern  Urachcn  644, 
Schwimcnwettkampf  mit 
Brcca645,  Rcowa-Mytb\ti 
645,  Scfaif  (145,  Scyld. 
Schling  645,  Mythus  von 
(Sctaf)  -  Scyld  •  Biiaw  ein 
fortschreitender  Ku]  larray- 
thu!.645,Katunnythus646, 
B.*Sage  bei  d.  engt.  StSm- 


men  au<.gebitdet,  otcht 
skandin.TTaditinnentaiat&- 
raend  648.  Hiaior.  Est- 
wickelang  derB.-Sage6$o. 
Anabildung  bei  den  Angeln 
650.  Namen  aus  der  B.- 
Sage im  Libcr  Viu«  r.Dm- 
ham  651. 

htrxfrit  335. 

Berchtutig  von  Meran  673  — 
75,  Berhttr  in  derKother- 
sage  731. 

bercteiding  78. 

Bero  Wisselauwe,  vu  637. 

berginii  308, 

bfrgHanr  308. 

Betigclmtr  577. 

Bergen,  ab  alleiniger  SupeU 
platz   nir   alle    I&landfahrer 

43. 
Bcrger,  Ludw.  604, 
bergjarl  309. 
BergkuJt  387, 
BergmiJinlcin,    Bc^ff  In  Ax 

Mythologie  290. 
Bergrecht  31,  83.   176. 
Bergregal  31. 
Itfrgrisi.  altnord.  30O. 
BeigwtTkc  30  ff. 
bfrieldan    135. 
Rmi-Rnnn  695. 
Bern  irre  696. 
ßcme  =:  Verona  690. 
Bernhard  v.  Clairvaux   $61. 
Bemida,  -/  854  f. 
Bemlef  638, 

Bemo  von   Keichenau  563. 
BeBcTtcrsagen   275, 
bersrrkir  373, 
Bcrtba  380. 
Bescliwnnirigslbrmel  344. 
beseiten   231. 
Betet2ung  d.  at3dt.  Ämter  L 

Engl.  33. 
Bcsicdcluog  des  Landes  2.  7. 
B<.-siu,  bluerüdicr  m  nonnan- 

ntacher  Zeit  21. 
—  175  f-    179  f.    »86.     tS8. 

216. 
Besilieinweisung  128. 
Besömmenui4{  des  Brachfeldes 

18. 
Bcstftrkiing  1S9. 
Bestatuinc   130—132. 
Besteuerung  8. 
Bnthnupl   16.   17. 
beilhpuhet    14O, 
Re&lia  376. 
Brtasii  739. 
Ar/f    153. 

Betonung  s.  Accent. 
Beiriebsgeaossenscbafi  15.  1 6, 

iS. 
Bellen  der  Nordländer  450. 
Betave  881  f.  S93. 


^^^^^^^^ 

Sachregister.                                            q55 

Denndcn   15.   16. 

Bobio,  Jonas  von  334. 

Botelunc  70Q. 

Beute  176. 

börtanä  7.  8.  9. 

Brtih  335. 

BerAlkcTuOKscenireii  34. 

i^  451. 

Uott  921. 

iaouldun^  163.  185. 

Bodennutruog  18. 

Botschaftaxricbea   305. 

Beweis  180.  311. 

Bodenrente  7. 

Bot»  335-  3»7- 

Bewidmung  79.  80. 

Bodenscbatx,  Erb.  $86. 

Biacteat  von  ^Vagcdal  286, 

bfwhffi  317, 

Bodn  344. 

Bncbe  33. 

bttalfr   181. 

Hi^dvair  Bjarkt,  Sage  von 649. 

bragar/ull  394.  452. 

Bezirke  81.    133  — 127.   154. 

Bv^lnldr  723.  726. 

BragnrorduT  %(tb. 

169.  303.  207. 

BOcklin,  Arnold  553. 

Brsgi,  Skiildr  334. 

ingrke  rert    106.    136.    15O. 

Bfigc-n  367. 

Bragi  365.  366.                                                   j 

bixrkßa  ratUr   III.    136, 

B^litnrn,     BiblkigrApbie    der 

Brandenbuii:,  •ei    873,    895« 

Bibei,   Heior.   Fruu  v,  588, 

Quellen   d>rr  Sitte  und  des 

897-899.                                                              ;| 

Bibliugraphie   53  f. 

Bniurlis    510. 

Bninüenbuf]^  Bibliogr,d.Qui^ 

Bicco  681!, 

Böhmen  77:^.  778.  794  f.   920, 

kn  der  Sitte  u.  d,  Brauchs 

Bieneo    176. 

944—947. 

5'9. 

Bicnetuucbt  30. 

b^arr/trnn    1 26, 
berjankipan    tl6, 
ÄflV    136. 

brander fä  I85.                                                         \ 

Bieibrauctei,  Eacwiddung  dei 

Braut.  Jobst.   %%^. 

21. 

Brauhaus  14. 

bürgrItifH    185. 

bofiwan  friei,    291, 

Braunschweiu,     Bibliographie 

bi/ang  ii)    133.      b)   170. 

Bncthiu!,  556. 

der  QufUen  der   Siiic  tmd 

•biki  863. 

Bi'iKcnwoll,    BexeicbnuDg  des 

des  Brauch»  519. 

Bikka,  Bikki   684.  686. 

WcTwoir*   in  WeitfalcQ  o. 

Braut werbuDgssagen  730  fr. 

Bildende    Kunst,    ticscbichtc 

Hc*sen  373. 

Btaval Uschiacht,    Lied    von 

der    dcutsdien    und    enj{U- 

bogatkot  653. 

der  7 10. 

scbeo  551  IT. 

Bogcnschi  essen    bei    d.    alten 

braj^l  335, 

BUderhiiRLl»chxtften  61.  90. 

Nordl.  452. 

Brcca  643. 

lUhlr  336. 

Bo£uphalu$,  Chrnnik  de«  704. 

Brechung,   anglofrs.   (as.)  86l 

biUiiii   57. 

Boji  77  t  (.    778  f.    788.    79a 

—864. 

BLllun^<M-hc  Mark  873.  895  T. 

—794.  798.  805.  921.945- 

brr/abrfit  2O0. 

Bilfikirnir  358. 

BojnbAeniuin    7/3.  77^-  946. 

Urtg&^li'i   145- 

b^Uughtr  57.    195. 

bSkingr    160. 

Breiöahlik  335.  378. 

Hhris.  Ableitung  373  ff. 

btkland  189. 

Brcilhui  333. 

Binx,  G.  635. 

bifhis   189. 

Bremen,      Hibliugnpbir     der               ^^^^_ 

Bii^ir  Jorl   1 1 0. 

bol  iit;.    170. 

Quellen   der  Sittr  und  des             ^^^^H 

Birgbir  MagnusMvn    108. 

boldbreng  J63. 

Brauch»                                             ^^^^| 

Birghir  Ptnson    108.             ' 

bohaflt  382. 

—  Adam  voo  234,                             ^^^^H 

birkething  1 1 , 

Bolvcrkr  344. 

Bremer                                                  ^^^^H 

Bischofssi&dle  34.  25. 

Bomfaate  575. 

Brennalter                                                 ^^^^H 

K«cl*r«uljo(t  373. 

bindf  135. 

BrennwirtxchaA   19.                                ^^^^^| 

Blterolf  639.  703- 

bpHHfrf  213. 

Brennjccitalter  427  ff.                             ^^^^H 

Biturigca  778. 

Bonifatius,  Briefe  des  335, 

Bretupiel  4S3R^'                                  ^^^^| 

bivia  259. 

Bonington.     Kicberd    PÜkcs 

Breviorinm                                            ^^^^^^| 

biii  u.  863. 

5H- 

Bricteri  s.  Bnicteri.                             ^^^^H 

bjarkry   136. 

bAnorä  418. 

Bride                                                    ^^^^| 

bjarkeyjar    rjltr     115,     116, 

boei  (Hufe)  33. 

Brief«  des  Bonifatios  334.                   ^^^^H 

136. 

Bor  346. 

Briegel  589.                                         ^^^^H 

Bjarni^  Mardvioa   114.    117. 

Borabtni  886,   903. 

Brigantes  784.                                     ^^^^| 

BjCTgfolk  390. 

bordartui    134. 

Brigit  787>                                           ^^^H 

Bjerginand  290. 

borgara   rjitr    M7, 

brimwylf                                               ^^^^H 

Bloedcl  700. 

borgarar    151, 

Btisingamen  318.  353.  37>^'            ^^^^| 

BUsinstnimente  574  IT. 

borgen   181. 

685.                                   ^^^H 

Bleda  619.  7*w- 

Borduni,  Faustina  590. 

Britiannten,  Briltcn  783,  855,            ^^^^^H 

Blidt^  325- 

B«rKarl>inK    114. 

8S9                                                         ^^H 

Blocksberg  277. 

B«)ri:ArK|>iiit>!4t>'^k    114,    il6. 

BritoUgac  780.                                    ^^^^H 

BIAmstrvalU&saCa  637. 

ßorguml  8 1 8  f. 

brj4ir  307.                                           ^^^^1 

bUtAus  394. 

borh   182. 

hre<kelibtrg  377,                                ^^^^1 

bUtipon  fiila  alte  400.  401. 

Borkum  903. 

BriK-ksberg  277.                                      ^^^^H 

hühMiila  394- 

Borobolm  StSf. 

Broilcruft  68$.                                     ^^^^H 

BhtmtTit  822. 

Borr  376. 

Broiuex«it  •».  ArcbSoIc^ie.                  ^^^^^H 

Bhnnengrar  368. 

Bortbnh  904. 

Brown,  Lord  Madox  554.                   ^^^^H 

Blutrache.  «Itgcnuanistiie  265. 

Borwtuarii  869.  904.  942. 

browHÜ                                                    ^^^^^1 

BluUbrädersc)«tfi»-n,    bei    den 

Bcrytthtws  78 1. 

Brück.  Arnold  v.  $82.                       ^^^^| 

itkandin»v.  VäJkem  4I7- 

boskifilt    196. 

Bnicteri  868  f.     880.     889  f             ^^^H 

bwiy  tlitrbwcd.  8t6. 

iäta   199. 

903—907.  910.  933-  94'-            ^^^H 

1 

^■^H 

i^^n^^^H 

95Ö 

Sachregister.                                                           | 

btttäg^HMfi    419. 

— 825.    880.    923.    932. 

801. 807. 878.  S84. 4  772-     H 

^^^^H 

bniählaup  419. 

948.  950. 

774. 797  f.  ö  797. 7  797.     ■ 

^^^^H 

hniJkaup  419. 

—  Überlieferung    über    ihre 

P  797-    'o  795  f-  798.    12.        ■ 

^^^^H 

briidr  419. 

Vernichtung  621;  als  Her- 

797-   J-*  797-    'S  797.   'ff         ■ 

^^^^H 

Bnunel,  Actoine  579. 

ren  des  Nibelungenhortes 

878.  t8  878  r.   r  7;  783.      ■ 

^^^^H 

brunayld  427. 

66 1 :  Verbindung  Walthen 

j^  770.  r/.'  73g.  10  79«.      ■ 

^^^^H 

BranhiM  657. 

V.  Aquilanien    mit    ihseo 

806.  934.  2J  796.  JJ77'-        H 

^^^^H 

Bninhildonbctt  655, 

706. 

807.    34  736.  777  r.  788.      ■ 

^^^^H 

brütgti  ^'  8z6. 

fioi^ndcnsage,    hislor.    mit 

794.  798  f.     iS    778-  796.          ■ 

^^^^H 

brinJ6  got*  ^i^- 

derSigfridssagc  vcrschmol- 

29  796-  J^  739-  öJ.  797.         ■ 

^^^^H 

Bninnentiolde  278. 

«cn  659. 

r//6s  879.  r///jr5  770.       ■ 

^^^^H 

brulsl/arn    165. 

Burgundf.ones  832. 

797.  799-  3»  797-                       H 

^^^^H 

Brjnhild  358, 

BurguDp  787. 

Caesar  von  HelslertMch  l}6.        ^^ 

^^^^H 

brysiarf  159, 

Buigunzione«  880. 

Caeroses  739.                                  ^M 

^^^^H 

hü.  irül  scbwed.  816. 

burfi   31. 

Catdara  597-                                        H 

^^^^H 

biia  aisi.,  Mian  m.,  6üin  ahd. 

burh^rmöt    1 26. 

caltt,  kelt  >■  germ.  787.                H 

^^^^1 

816. 

burhgrmot  31, 

Ca]etoiig&,  kell.  ^  germ.  787.        ^| 

^^^^H 

Budilaiul  7.  8. 

burgerifa   1 26, 

Calnsiui.  Setb  583.                       ^M 

^^^^H 

Budnobontcs  93  j. 

burhimiru  3  >• 

Camail  226.                             ^^^H 

^^^^H 

hädinc  211. 

Buri  376.  931.  937' 

Camari  880.                            ^^^H 

^^^^H 

Budii  700. 

Buritbard  v.  Worm*  79.  81. 

cautt                                       ^^^^H 

^^^^H 

BUndtiissc  82—84. 

bürschaft   136. 

CanncncfÄlcf876f.  883 — 884.^^™ 

^^^^H 

Buggc,  S.,  iib,  fremden  Ein. 

bürsprakf  80. 

891—893-                             ^^H 

^^^^H 

(tnsa    auf  die   Heldensage 

BuBcbfraucn  294. 

capilula  65.                               ^^^^H 

^^^^H 

6i2,wea(^e[nian,  Ursprung 

buSf,   scbwcd.  292. 

(apüutare  de  vHtt't    T4.          ^^^^^| 

^^^^H 

der  nard.  NibelDnuiensage 

bHsemand  d&n. 

{'nntara                                      ^^^^H 

^^^^H 

6j2,  über  einzelne  Sagen 

büteman  292. 

CnriKtimi,  Giac   586.             ^^^^H 

^^^^H 

673-  675-  077. 

Bnslubocn  405. 

carmimi  dtabolh'O    334-          ^^^^^| 

^^^^H 

Bugge's   Mtfthodtf  245,.   146. 

Bnsvcn  64.     131.    132.     "36. 

Camules  778-                                ^^^^H 

^^^^^ 

Buksbire-Sa^  von  W^iyUnd* 

138.   157.   15«.  159,  199  f. 

Ciirpi  780.                                   ^^^^H 

^^F 

Smith  715.  727. 

ßussurdnuRgen   23J. 

Carstens,   Jacob  Asmus  55a.        ^| 

^^B 

Bulluter  308. 

ßvgjiavfc  903. 

carta  mercaiorta  (1303.}  4a.         ^| 

^^B 

Bulle,  goldcnv  85. 

b&tg^il   140. 

Carla   1S9.                                            ^| 

^^^ 

Biillerkater  292. 

ButciL  16. 

cartularmi   137.                                 ^M 

^^P 

biimjfdr  14O, 

butil  213. 

•casffs.  -caui  =  -tappi^   lulL          ^| 

^^B 

Buudbi^detschüft  16;  f. 

BuUcmann  29  z. 

784-  9<6.                                     ■ 

^^P 

Bun<1eual/un(;(>n  81.    153. 

Buxtcbudc.  Dietrich  588. 

Casaiudor  63.  64.  623.                 ^H 

^^f 

ButuletistaateD    l  13.   124. 

byaritf   10. 

Casiiu!!,  Dio  369.                      ^^^H 

f 

Buodell  730. 

byg<t  135. 

castfUanus   I26.                       ^^^^H 

1 

buoia   1 99. 
Burcana  903. 

bykjeelUng  308. 
ByU-iplr  311.  348.  382. 

Ciauatü  s.  Chasuarü.             ^^^^| 
CatalaoniKhe  Ebene,  Schladbt'^^^H 

Anreöann   i  26. 

Byleistr  311.  348. 

H 

bun-^rtht   126. 

b^fing  126. 

CAlfJa  222                                                 ^H 

Burdiurl,    von    Worms  253, 

byr    125. 

ra/n,  kdi.  cCgerm.  787.                 ^| 

«59.  272.  275.  284. 

byrig  31. 

Catunldn  8 10.  94 1.                            H 

bitrsr  126. 

Ätr/   173. 

Cntuni&ros,  kell.  >■  germ. 787.          ^| 

burtrfiht   178. 

b^tkeip  270. 

Caturlgs,    kell,  >  germ.   787.          H 

Bualiiri  s.  Bnicteri. 

bything  292. 

Catuvoln».  kelt.  >  getm.  78*.          H 

bnrcuridr    T26. 

cautbr-tMor,     Ableitung     von          ^M 

Bunltng   171. 

■ 

Burg   126. 

c. 

Caud  784.                                       ^H 

Burgen  24. 

Couleliijuriiprudenx  59,  64.          ^H 

1' 

burger    126.    135. 

Cwloviua  MdllfT  807.  847. 

Celle  862.  86$.                     ^^^H 

Bürger   126.   13;  f. 

C-RfMir,  Ä  0.  234.  742.  793. 

Ccnomani  778  f.                    ^^^^H 

Bür^rrecbt  36. 

— /'  770-795-797- 799. 

mtsuaUs   t^O,                          ^^^^^H 

BCli^ertum,  Freies  6, 

2793-  J793.  J793f.  799. 

(nttena    132.                                           ^H 

BurggraEcn  25,  31. 

37  793.    -'-^  799.    ^9  799. 

ifnlfHorms  133.   12$.  205.  ^^^H 

1 

Burggrafschaft  126.  153. 

31    79Sf.    798.     33    795- 

^^^^1 

1 

Bu^k.  Joach.  v.  583. 

3S  795-  JÖ  795-  31  79*  f. 

errtritti                                     ^^^^H 

Bingrtcbt    25.     a)    83.    107. 

40  797.  <i  795-  44  795- 

(^Mfl.  altsl.  836.                     ^^H 

' 

b)  131. 

798.     j/    796.    919-    934- 

Cbaibonn  834.                       ^^^H 

BdrgKbariiSz.  184.185.186. 

946.      53  794-     S4  796  f- 

Xaibuvoi  79 ' .  830.  839.       ^^^B 

' 

Buq^uid  818  r. 

878.  //j   739.  772  f.  783. 

Xalßot   825.   8S3.  890.                   ^1 

', 

Burgunder!,    burgundisch  51. 

/5  770-  ■'.0793-  liliniiy. 

Xiü.ovöOi  noTOfto^  718.                 ^H 

62  f.  784.  810.  818  r.  821 

jy  j  796  r.  j  770  f.  796, 

Cbsmavi    825.     858.     868  C         H 

k 

^^^^^1 

^^^I^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^H 

Sachregister. 

^^1 

880  f.     S8S— S91.     893  f, 

f/ojisnra    1  70. 

^^1 

903  f.  g09  f.  923. 

Clavichord  572. 

^^^1 

champjvfic  217. 

claviger    127, 

Choral   13O. 

Clertnonler     Runenkiistchen 

dvtucj  oftigcnn.  inouilliert  und               ^^^^^| 

Cbanrkh  887  f, 

626.  723.   724.  725. 

^«631.  interrakaÜKb  >-y               ^^^^H 

ClumidM  796.  804.  818.  S30. 

CLutoil^,  kelt.  >  gen».  787. 

897.                                                ^^^^1 

840.  934.                                       cnJorii    igä. 

ä  Busltd.  ^  Mtgerm.  /  821  f.             ^^^^H 

Cbasuahi    S33.    868  1'.     880.  ,  CotUnus  smus  845. 

Dad  754,                                              ^^^^1 

903.  908 — 910,   914.  932.    c^tmist'Aen,  Die  c.  Hufen   13. 

dadsüas  353.  254  ff.                            ^^^^H 

CbaUcD  784.   798.  812.  868    Coistobod  780. 

Daedslus  729.                                      ^^^^1 

—870.       876—878.     881.    L-9lloqNmm    I48. 

Dimoncn    250  ff.   398—308.             ^^^^| 

SBsf.     892  f.     908—916.    comrs  123.    1x4.   1*5.    pala- 

BexeicbnaDg  und  Auftreten              ^^^^^| 

923  f.  926.  932.                           fit    309.     palatiniis    152. 

der                                                    ^^^^1 

Clutnuirii  868  f.  876  f.  880  r.        2Dg. 

DltnoDcng^ube    343.   343  ff.              ^^^^H 

892 — 894.  907.  915  f.            comitatui    123. 

^^H 

Ch&ud  784.    843 — 846.   857    commonfaHd  7.  8. 

Dinioocnkult  242.                                ^^^^^| 

—859.      861.     866—871. 

comri  aciO'vMS  368. 

DSmonculcbrc,      grmtsDische              ^^^^^| 

880  r.  903-  909*  9>4>  9*i. 

campart   1 8. 

^^^1 

9»9. 

rampattlto    1 99, 

Dämon« nniythen  242,                            ^^^^^H 

fhatifrein   227« 

Concentrsi-be  Mdudie  559. 

DäntrLig  838.                                                ^^^^| 

Xaiißoi    889.   903. 

Concentus  556.  557   fi; 

D&nemntk,    Rthliographie  der               ^^^^^| 

Cheirnnoniie  558, 

comtlium  74.    75.   104.   139. 

QucUen   der  Sitte  und  des               ^^^^^| 

CheruscJ    806  f.    853.    867— 

coneiVfS   135* 

Braiichs                                                 ^^^^^| 

—871.  907.  913  r,   923—    Condrusi  739. 

Dänen  74. 103  —  107, 133.123.               ^^^^1 

9S5.  919-  934.  939f  949- 

lottjurationts  79. 

—  828—830.833—841.849.               ^^^H 

Cbildebcrt  I  65. 

Cotu-iiii>  5  z, 

853.    Diniscb«  Mundanen             ^^^^| 

Chi]p«rich  620. 

comacramentaUs  215, 

837-                                   ^^H 

Cblndaninih  62. 

CoD&DLiüo  Cunti  77. 

Däniichc  Lieder  aus  der  Mi-             ^^^^H 

Cblodowecb  630.    623.    672.    Constablc,  John  554. 

belungcDbage  634.  637.                  ^^^^H 

Chtodorcch  I.  65.                      contuks  126.   153,  208. 

dagevxnhte   (-it^rde,   skatkj               ^^^^^| 

Chlodwig  887  f.  917.               [convivium  166. 

^^^^1 

Cbloßio  886  f. 

copyhcids  9. 

Da(j;)ilA  822.                                        ^^^H 

Cblotbar  I.  6;.     II.  67. 

CoreJIi,  Arcuif^lo  586. 

Dagmar  787,                                            ^^^^^| 

ChocbiUicus  =  Hygcbc    630. 

Cornelius,  Peter  von  552. 

Dagobert                                                   ^^^^^| 

647.                                       '  corsnid  219. 

DagomSros  keU.^germ.  787,             ^^^^^| 

Cbormusik,  e\-aii|relUclie6oi  ff. 

Corvc)-  864.  866. 

Daj^  310.                                             ^^^^H 

Chptnviirit  880. 

eoting  399. 

dagvtrdr  447«                                         ^^^^^H 

Chiistcarc^htc  113.  115.  116. 

Cotini  772.  778, 

Datnasiu  361.                                       ^^^^H 

118.  120. 

CdCo,  Johannes  563. 

Danap<r                                              ^^^^^| 

Christeotum,  das,  aotcrbricbt 

cotsflla   134.   ij8.   178. 

dänarfi                                                    ^^^^^H 

d.  Eotwickdung  des  Hei- 

couri  leet    32. 

Danaster  781.                                         ^^^^^H 

dcnsanges  630,    klo  Ein. 

Cowcrzen  4g. 

^^^^H 

BuSB  auf  tjie  Wictieigrbuit 

cra/ts  (Handwcrkcrgiklen)  33. 

Dankrich  787,                                          ^^^^H 

des  Ep'os  638, 

Cramcr,  Joh.   Bapt,   6O4. 

danthtif  104.                                           ^^^^^H 

Christof  Kßn.    loj.  106.  lll. 

CiAne,  Walter  554. 

Dankwart  669,                                        ^^^^^| 

Cbranicun  Xovalk'ieiuie  709. 

CthepslinivATÜ  880. 

dünfu)  kelt,                                             ^^^^| 

Chrotia  570—571. 

Criemhilt  665, 

DatiuviiLs                                                   ^^^^^1 

cbtboms^ic    Goubeiten    260. 

Crinsiani  880. 

DarslelluaKcn,  bildliche  626r.             ^^^^^| 

261.  379. 

Croft,  Will.  593. 

Darum,  lirakteat  von  S36.                 ^^^^^| 

Cbundcti  15. 

cro-wd,  mß!,  (Fiedet)  572. 

Aavxicovf-i  i^o.                                      ^^^^^H 

chunnat  72. 

Ciflger,  Joh.  588. 

David,  Fcrd.  604.                               ^^^H 

Cbumin  71g. 

Cnbemi  s.  CugcroL. 

goC.                                                            ^^^^1 

CikoODne  585, 

Cugerni  884. 

Dea  Garniangablt  374..                        ^^^^^| 

Cicero,  Ep.  ad  Atticum  XIV 

Cuodrun  719. 

Dea  Horiasa  374.                                ^^^^^| 

to  878. 

cuning  144. 

Dea  HjLnmella  374.                             ^^^^H 

Cicsburc  315. 

curia  86.  148, 

Dea  Vagdavcrcuatis  374.                     ^^^^H 

Ciesdoc  339. 

Cunornftroi,  kdt.  >gcrTn.  787. 

decan»!                                                     ^^^^^^k 

Cimberios  797. 

Cur»chmann.  K.arl  Fricdr.  597. 

Dccomtcd  Stile  543.                               ^^^^H 

Cinibri  792  1.  844.  857.  903. 

curtis,  damiittca  salica   14. 

drfu-m  (Abgabe)                                      ^^^^| 

922.  929.  935- 

CuvitUi   549, 

Deich,  und  Sitrlverbafid    127.              ^^^^^| 

Citbara  570. 

cvide  160. 

Dein,        854                                            ^^^^H 

ettres   126. 

cytttng  (cyne}    144. 

Delling                                                        ^^^^H 

eivitoquium  80. 

Cyuuari  314,  515. 

demtine  (SalUnd)  21,                             ^^^^^| 

eivt'tas  125.   136. 

C^erny,  Karl  604. 

Demokratisierung  36.                                   ^^| 

«/aiM  180. 

Dena  Utgu  75,   132.                                      ^f 

1 

958 


Sacureoistek. 


Denare  44  ff.     Dcoanyitcmc 

45  ff. 
ifttanatio    137. 
DenkmlUcr  der  FrUhgotik  in 

England  543. 
Denkmäler  57, 
Diors  Klage  628.  691.  713. 

7=i-  725. 

Dcre  854. 

Dcspc  774  f. 

Des  Pr&t,  J(»qum  579. 

Deus  Rm^ualiv^ihuius  353. 

Deutsch.  BegriR"  736—738- 
gii  r  S76,  KationaliUlt, 
Volkstum  737  f.  764.  767  f. 
803,  S06.  81 1  r.  850.  87z  f. 
875r.  888.895.  R^'»«  766 f- 

Deutsch«   Sl.  55, 

Dmil>dt«ospicgcl  91. 

DeutHcblaml  (Ncird-u.MKtcl-)i 
BibUogniphic  der  ijiiellt^n 
der  Sitte  n.  dwBrauch»  514. 

Diakoniu,  Paulus  334.  269, 

Dialogus  Mimcidonim   »36. 

DiaplKimA   5(12. 

Dttükopf,  Name  für  ZwCTgl^O. 

DtclKerniel  344—345- 

Dichtung,  pcistUclic  \n  Kon- 
kurrent mit  dt-m  HelJen- 
gesane  635- 

Dichtung  V.  Kannpfe  Sigfiids 
Q.  Dietrichs  670. 

Dickprenoitfr,  scblraisdie  45. 

Dicttstc6.  134.  136.  137.  139. 

140.    177.  '"9. 
DieiisUdcl   4. 
DiensiltorkeiteD   177. 
Dienstgut   17.   179. 
Di«nstlehen  17. 
Dienstmanncn    4.    35.     1 35> 

140  f.  isi.  153. 

Dienstpflicht,  Persönliche  8. 

Dicnstrwlit  86. 

Dterik   Byuta  546. 

Dies  V'cncris  369. 

I^cther  693. 

DieÜcib-SBge,  Kern  det  alten 
Sage  nach  Jiriciek  695. 

Dietrich  als  PerBoneoname 
690.  787. 

Dietrich  der  Amelnng  696. 

Dietrich  der  TtäKer  eine» 
Zwergen-  oder  Elbenmlr- 
cbeDS  699. 

IXetrichs  Flucht   640.  691  f. 

Dietrichs  Kampf  m.  d.  Wun- 
derer 640.  697. 

Dietrich  u.  Wflnerlan  640. 
702. 

Dietrich  von  Bern  in  Sage 
u.  Geschichte  615,  in  der 
Nibeluogeasage  665. 

Dietrich  von  Bem-Sage,  bislo- 
riscb  in  ihrem  Kern  6£l. 


ZIteitc  Form  629,  ihre  Be- 
liebtheil 63  s,  Quellen  &39, 
Geschichtliche  Grundlage 
689,  Abweichung  von  der 
Ueschichtc  <>89.  30jahr. 
Daact  der  Landflucht  690. 
Exilsai;«  auf  der  eptscben 
Üherlieferang  von  Theci- 
dorichs  Jugendgeiichichte  1 
aufgebaut 690. fiegncrschaft ' 
zwischen  Dietrich  11.  Odo*  ' 
akei  («90.  Ermanarich-a.  I 
Dictrichsage  bei  den  Ale- 
mannen, verbunden  691, 
Wann  drjr.  Älteste  Ge- 
staltung detSage  69t.  69z. 
D.  von  Bern  im  Norden, 
bei  den  Angelsachsen  £91*. 
Erweiterte  Fassung,  »er- 
schiedene  Etappen:  Vcr- 
treibang  092.  Misslunge- 
ner  Wicdercrobcrungsvcr- 
BTich.  t>92.  Friedliche 
Heimkehr  693.  Episoden 
693.  Tülongeinesjugemll, 
Helden  durch  Wiit-ge  1)93. 
Sage  von  den  Helchcn- 
ftähnen  693.  Fjdl  der  jungen 
Sohne  Ewels,  ein  Nach- 
klang der  hisior.  Sage  von 
den  Käropfeu  der  Gepiden 
u.  Goten  gegen  die  Söhne 
AttUai  693.  Kampf  zwi- 
schen Vater  u.  Sohn  693. 
DiclrichäHelden694.  Hel- 
den ans  der  Wolfdielrich- 
sage  im  Sagenkreis  Diet- 
richs v.Bcm  (195.  Zwölf lahl, 
XwÖlfkÄmpfe  696.  Diet- 
richs Riesen  kämpfe,  alte 
Mytiien  von  Donar?  696, 
LokaUagen  an  Dietrich  an- 
gelehnt 697.  DietrichsGc- 
fangcn5challbctRiesen697. 
Eckensagc  698.  Zwergen- 
sage (>98.  Dietrichs  Ende 
699.  Dietrich  entrückt  699. 
Einllug»  der  Kirche  auf 
die  SAge  O99.  Teuflische 
Abstammung  D's.  (]99. 
Überlicrcmngeo  von  D's. 
Geburt  u.  Ende  699. 

Dietrich  von  Bern  307.  334. 

Dietrichcykliw  682  ff. 

Dietrich  von  Kriechen  70J. 

Dietrich,  Sint  582. 

äiuf    185. 

Ding  303— 20B  s.  auch  Ver- 
Sammlungen. 

ifinghamk   30^. 

Dingfriede    194.   195.  306. 

Dingbegiing  78.  zofi. 

Dingpäicfat  139. 305. 207.33t. 

Dingrodcl  78. 

dingtaUn  89. 


DintJCTOde  865. 

Dio  678. 

Dio  Cässius  369. 

Diön  Kassios  XXXV71T  33 
793.  /./JJ.  Ö931.  LVi.2 
913.  Ll'toa,  2  936.  939- 
946.  AA'/,  jg27.  tXXVIT 

14.  3  93  •■ 
Dioskurenmythus  679, 
Diphtliongierung  von  j^enn.  T. 

ü  und   (7  in  Hessen  916. 

vor  Vokal  872.  898. 
directum   57- 
disapin^  \t^. 
düablai  360.  385.  392. 
DUcant  577. 
Diaenopfer  z6o. 
di'sir,  an.  (Valkjnjcn)  270. 
Ditmarschcn  82.  83.  153.  87t. 
Dittcr,    Karl  wn  Dittendorf 

598. 

diu     139. 

I  Dnjepr  78 1. 

'  Dnje*tr  78 1- 

I  Dfthlor.  Tbeod.  60$. 

I  Dofri  309. 

I  Doggcle  269. 

Dflghng  310. 

dohol-f'dotJrAHO  354. 

dokiät/ar  387. 

i/d«   57.  69.  74. 

Domänen  4.  il.   14.  ij.  20. 

DoniL-sday  book  9.  77. 

döm/fsla   311. 

dominium  terrae   \%%. 

dimr   303.  308. 

dÖmi   gol.    826. 

Donar  ^47.  355.  696, 

Donir-Porr  353  (T. 

Donarcsug  354.  355. 

Donner,  Georg  RapÜael  550. 

Donnerkeile  355, 

Donresdacb  354. 

Dorl   10.  It.  13.  33.77.  7*- 
12^.  169.  170.    171.  X05. 

436. 
Dorfgemrinden  2.  7. 
Dorfsystem    13. 
Dar  (Verfassung  31. 
Domröschen,   Märchen  644, 
DOrpe  775. 
Doniogen  853. 
dortlacht  egtn    I73. 
doUaU   182. 
Dotzaiwr,  Just.  Joh.    FViedr. 

604. 
Drake,  Friedrich   551. 
dramustoU  363, 
Dtangeld   189. 
Draugar  36$. 
draugr,  altO.   263.   265. 
Draupnir  336.  345.  JSI* 
dre^nl  139, 
Drehleier  573. 
DreifelderwinschoA  18.  XS. 


^^^^^^^^^^^^B 

Sachregister.                                           959           ^^^| 

Drt-ilcilung  d.  nlij^irrni.  Jsbrcs 

Ebcnliurt      I35.      138.      140.  |  <'r'^<->i/fn/>'  139.                                         ^^^^| 

39'  ff- 

141,  206,  3i8.                     1  Eigennamen  ans  d.  Sage  in               ^^^^H 

Jrfkka   (i-immning-  45a. 

rbenha-hf    {hnUfmex    BHaj^        wc»lfal.   Urkunden  635.                     ^^^^H 

^r^gk   (M-tlädigcn)  idg,  265. 

nmf>»tuT)n)  32;.                        Kigrntiim,   Könit>1iL-hefi  S.                       ^^^^H 

Dre^'HclKKk,  Alex.  £05. 

Ehiirom-*  739,  773.  805.         ^—   169—173.   175  —  177.                      ^^^H 

Prifa  29S. 

Ei\:iiril,  Jott.  383,                      Eigcnh«^ trieb,     Guuberrlicher              ^^^^H 

Briete]   123.  123. 

^^^^H 

Jn>i  ndd.  300. 

echtrding  203 .                          |  eiginkona   16t.                                      ^^^^H 

dr^sir  341. 

€chul&i    195.                                ;  Eikl>ymir  340.  379.                                ^^^^J 

dröttin   145.  167. 

Eckart,  der  treue  669. 

Eilifr  Gi'idrunarMn  334.361.                      ^^1 

dr&ttinn  finHffO  337. 

Ecke  698. 

Einbeck,  Engelhusius  y.  347.               ^^^^H 

Dnickerlc  (Name  des  Dmdc- 

Eckehard  v.  Aur»  613.  685. 

eitidagi  182.                                              ^^^^^H 

gcistcs  im  KJkiss)  169. 

6Sö.  691. 

Eindrida  \tixvt  tlbreiSt  731.              ^^^^| 

Pruckgciitcr  a66.  267  k. 

Eckebart    Sn  der  Hu-lungcn- 

Einbard                                                 ^^^^H 

Druden  276. 

sage  685. 

Eiobegusgcn  10.  32.  33.                     ^^^^H 

drfifi,  Sanükrit  2(15, 

Etkcl.   Math.   582. 

rin&eri.  Tbor  256,                                  ^^^^H 

Dnu>ti»   KddxDgi;    742.    913. 

Kckcnlicd  640. 

Embirgcr   256.  258.  34O.                       ^^^^| 

917  f.  935-  939.  946. 

EckcDsagc  698. 

^^^^^H 

drjfkt   167, 

Eckerwart  bbg. 

rirttunn    169.                                                ^^^^^^| 

dryfitfn    I45.    167. 

Eckert.   Karl  601. 

Einlager   184.                                            ^^^^^| 

drytkfo  452.  Hc^eicbnung  fOr 

ictta  46. 

ei  nur  de  11 5.                                               ^^^^^H 

Gaaunabl. 

Edüa    245, 

Einiichtung  der  Welt  in  der              ^^^^H 

äutalui    125. 

Edda.   HeldenliMler,    Klleste 

Edda                                                  ^^^H 

Jueati  46. 

dtn.  Quelle    der    Helden- 

ELnsiandsFccbt i§t.                              ^^^^| 

Ducis,  B«ne(lict  579.  5SZ. 

sage  833. 

einvHge^  S7-                                           ^^^| 

Dudclsjck   575. 

Eddalieder  233.  347.  164. 

Einuneen  83.                                        ^^^^H 

^»/^s  181. 

EdJamythcn  145. 

finvigi                                                  ^^^^H 

DuloD.  Fricdr.  Lodw.  604. 

idei  172. 

EinzclhOfe,    S)-siem    der    21.              ^^^^H 

duUep^v  216. 

(dfUng  130. 

774.                          ^^H 

ä^ma  aal.  836. 

Edelmetallbergbane,  deatacbe 

Elr                                                         ^^H 

DiinicvllVIsrn  287. 

3'- 

Eirik  blAdßx  366.                                 ^^^1 

dünon  kclt.  ^  genii.   787. 

Edictum  (cdictus)  62.  by  65.    Eirik^Hmnl  366.                                      ^^^^H 

Diii»*tan  7s- 

68  r.                                           'eitcSn                                                          ^^^^1 

duradimr  210. 

Egerlaiid  918.   947  f. 

Eiaenacb  775.                                       ^^^^H 

J«m  ahd.  300. 

Eggp^r  381. 

Eisenbaubc  226.                                ^^^^| 

Dussck,  Joh.  Lndw.  604. 

Eghiatt  686. 

SKokidieln                                      ^^^^| 

rfN.T    124.     125. 

Egil  343.  734.  729.  730. 

EiscDzdt  s.  Arcbiologic.                     ^^^^H 

dv<rrgehal  290, 

Egil-Episode    der  Ps.    eine 

Eisenxetulter  des  akandiairi*              ^^^^H 

dverg  nnrd.  385, 

norwcß.    Umbildung    d«r- 

sehen  Nordens  410  ff.                       ^^^^H 

Ai^rgasmidt  29  E, 

IIcminBsagc  73'. 

-ij-  Suffix  813.                             ^^^^1 

dvtrgar  3^7. 

EKilssagc  405. 

EVkeliards  Waltbariai  650.                      ^H 

dturgr  altn.  389. 

Egtl«  sagAok  AjinuDdBr649. 

^^H 

dvergatal^  Jer  Edden  a9l  ET, 

Ihaßding  103. 

Elb  <.  Elf.                                            ^^H 

dvarf  2S9. 

fhnß  ieiding  78. 

Elbe  775                                                   ^^^H 

dvxort  389. 

Ehir  109.  129.  131.   139.  I4D. 

Klbenfelseo,  Sage  von  den  356.               ^^^^H 

D)xk,  AntoDy  van  553. 

141.    160.    164.  421  ff. 

Etbmanich   896.                                       ^^^^^| 

^M  ags.  300. 

Ehrlme   141.    167, 

eldglarittgar  2ä6.                                      ^^^^^H 

ti  >■  he«,  rt,    Jc,  e  oder  d 

eldglaringar  266.                                   ^^^^^H 

E. 

916. 

Eldbrimnir  340,                                   ^^^^^| 

eiba  814. 

Eldir                                                           ^^^^1 

^  57. 

Eidihom  53, 

Eldr                                                       ^^^H 

«r  >  Ddfrk.  fj  898. 

Eid     130.     141,     143.     189. 

^^^^H 

4  >>  nd.  e  bczw.  ai,  ndfrk. 

192—193.  206.  214—316. 

Eier,  Frank.  583.                                    ^^^H 

tf  898. 

3t7.    2tfl.   319.    220. 

Elf                                                         ^^H 

EWgir  74. 

ftdhrtfdr   166. 

Elfei)  38s— 2a9ff>                                   ^^^1 

4adigttn   69. 

iidbridr  417. 

Elfpadimblung  286.                                   ^^^H 

Eadraund  74, 

Eidented  848. 

Elfeoopfcr  260.                                     ^^^^H 

Eäd%-ic  69, 

eiOr  314. 

Elfenschius  2S8.                                          ^H 

EÄdw^ard  74,   75. 

EidgenotKnichafteD  82.  83. 

Eltixbe  Geister  285—289  ff.              ^^^H 

taldorman   I24,   [31.  205. 

Eidhclfer  131.   157. 

elft  386.                                              ^^^1 

EaldMuaa  861. 

F.idsira{)int:  1 14. 

Elf  und  Wicht  286  ff.                        ^^^1 

*ath.  agi. 

Eidsifa  |jiiigsb«'«k   114.  116. 

Klüu   llojl.                                               ^^^H 

1              taUistede  395. 

riga   1(19.   181. 

Eligius,  der  hcUige  359,  264.              ^^^^h 

£»rendel  733. 

eigen    169.    I77. 

ElivAgv  376.                                       ^^^^1 

L             Eaiwnglc  854. 

Eigcolcute  6. 

EllRk  b20.  693.                                  ^^^1 

Sachregister. 


961 


#wa  affs.  abd.  814. 

Ewart  395. 

iwe  57.   163. 

£wiggeld   50. 

exercitalis   129. 

exercitus    129. 

Exporthandel  i.  Engl.  33. 

Eygolar  817. 

Eyke  v.  Repechowe  89  f. 

Eyrbygg)asa^a'267.  286.  356,  \fee  simpU   9. 

Eysteinn  Erlendsson   114,        \fee  {enj   tail  9, 

Eyvindr  370. 


faiicre  227. 

Faust,  Joh,  in  der  Zaubersage 

615. 
^v6vm  830, 
Faux  bourdon  577. 
•/€  in  Flussnamen  774  f.  800  f. 
Fechten  452, 
Fechterbrüderschaft   166. 
feefarne  32. 


F. 

fachten   156. 

Factoreien  37,  38,  39, 

faderfio   163. 
fähdbdt   199. 
fahde    195. 
falagh   158. 

Fälschungen  gSf,— II7. 

Fieröer    120.  842. 

Fxnser,  Bibliographie  der 
Quellen  der  Sitte  und  des 
Brauchs  530. 

FSrÖische  Lieder  aus  der  Ni- 

belungensi^e  634.  637. 
fasta   163. 
faitebauern  23. 
yaslabontUr   ll,  23. 
ftesiingafa   162. 

Fahne  126.  144. 

Fahnenlehen   133. 

Fahrende  Spielleute  575. 
580  fr, 

Fahrenden,  Die  564. 

Fahrenstedt,  Stein  von  627. 

Fahmiss  160,  173  f. 
faida   195. 
falrgimi  got.  783. 
fairina   194. 
fal<a)h  870  f.  892. 

Falchovarii  892. 
familia  151. 
familiaris  justitia   I49. 

Familien  2.   10. 


Fehdenrecht   196.   214. 
j  Feldbau   3. 

Feldgeister  295  ff,  s.  Dämonen. 

Feldgemeinsch.ift  15, 

Feldgraswirtschaft   18.  22. 

Feldwirtschaft,  im  a.  Engl.  22. 

Felicitas   374. 

fello',i\goodi.,  Xame  in  Engl, 
lür  Hausgeist  292. 

Femelbetrieb   20. 

Fenja  304. 

Fenrir  301.  310 

Fcnrisulfr  310.  347. 

Fcnsalir  371. 
ffodum  178, 
f^ramanni  burgund.  822, 

Fergimia  762.  783. 

Feuerwaffen  223. 
firandsd&mr   196. 

Fer^-ir  83  O. 
festar  418. 
festargj0  162.  419. 
feslarkona  419. 
festarmadr  419. 
festarql  419. 
fesUng  162. 
festinunga   185, 
fesiuca   r88.  221. 

Feudalismus  6.   124.   147  f. 

Feuer  173.  187. 

Feurige  Drachen  293. 

Feuerwaffen  228. 

Fcva  822. 
'  Fiadr>-ndaland  8ji. 

Fidcin  573. 

fidivör  got.  816. 
^ ßmtardömr   1 54, 


Familienverhältnisse  dcsskan*    Finck,   Heinr.    582. 
dinavischen  Nordens  414^*.  '  Finck,  Hermann    582. 


423  ff. 

Fanggen   294. 

Ö>aooÄfifo('  857  f. 
fara   157. 
fdra   192. 

FArbauti  311.  347. 
Jarmannalifg    1 1 5.    1 1 6. 
fartclljan    196. 


Fingernägel,  weisse  Flecken 
'  auf  d.  F.  Bedeutung  283. 
■  Fink,   Heinr.   581. 

Finna  372. 
'  Finnaithae  830. 

Finne  762.  775  f.  778. 
I  Finnen   1 2. 
Finnen  753.  767,  840. 
Fasch,    Karl   Friedr.  Christ.  1  Finnr  372. 

598.  I  Finnsburg,   Kampf  um  628. 

fastar    189.  Finnur  Milgnusson  238. 

fasti  190.  I  ^tuaXooi  830. 

Fastida  822.  \firi>ia   194. 

fastinSn   185.  \firma  burgi  32. 

/athum  156,  \firmatio   190. 

Gemumlscbe  Philologie  UL    2.  Aufl. 


.firnarverk   194. 

Fiscalbezirk  15. 
.  Fiscalinen   130.   140. 

Fiscal  Verwaltung   15. 
'  Fischerei  der  Nordländer  448. 

459  ff. 
1  Fischercigeräte  bei  den  NordI, 
I      460  ff. 

Fischereirecht  175, 

Fischer,  Mich.  Gottl.  601, 
Fisci,  königliche  Domänen  4. 
\fiscns   14,   15. 
<ßuwer  wgerm,  8 16. 
\fjadrhamr  372. 

Fjalar  290.  344.  381. 
JJalfgantr  309.  33^. 
'  fjallgeigtidr  336. 
Waligyidir  309. 
{fj^g»!"-,  fjörer  an.  816. 
JFjplnis  vif  373. 

FJ9lsvinnsm^l  654,  655. 
'/jt^rbaugsgarär  196. 
\ fjrdjingsdömr   1 54. 

Fj^rgynn  358. 

FJ9rgyns  moer  370. 

Flachspitzbogensül,  s.  Tudor« 
Stil. 

Flamberge,  geflammte  227. 

Flamiger  897. 

Fläming,     Fläminger     895— 
901.  942. 

flämischer    Damm,    flämische 
Seite,  Wiesen  897, 

Flamwege   896. 

Flandrenses  901.  912. 

flandrische  Städte  39. 

Flavius  Vopiscits  269. 

Flaxman  John  551, 

Flecken,  weisse  auf denFinger- 
I       nageln.  Bedeutung  283. 
j  Fleischconsum    19. 
I  Flemen,    Flcmendorf,    Flem- 
I      hude  896.  Fleming  899, 
I  Flemingus  807. 
i  Flemmendorf  896.  Flemmin- 
gen    900.     Flemmingstbal, 
1-lemsdorf  896  f. 
flt-tfiiring   138. 

flilieve   163. 
I  Flinte  228. 

Flötenarten   575. 
\ßokkar  loi, 
ßoreni  46, 
I  Flosi  256.  257  ff. 
■  Flotow,  Friedr.  v,  600, 

Flughemd  in  der  Wielandsage 
724. 
'  Flugring  in   der  Wielandsage 

723-  724- 
Flurcinteilung  21. 
Flurverfassung  22.  23. 
i  Flurzwang,  im  a.  Engl,  22. 
j  Flussopfer  385. 
\ förningar   1 62, 
\foghei  123. 

61 


9Ö2 


Sachregister. 


Föhr  848  f. 

folcfrals   130. 

folcgemöt  134.  303. 

fokrikt  57. 

folgeras  8. 

folgere  215. 

Folgerin  251, 

Folkeviser,  dänisch-schwedisch 
636. 

Folkland  7.  9.  10. 

foütland  122. 

Folkvang  373.  379. 

Folter  218.  230. 

fondaco  dei  Tedeschi  37. 

F91U1   298. 

foramundo   1 57. 

Ford,  Onslow  551. 

Forderung  184. 

foredd  2x6. 

Formeln  59.  60.  63  f.  72  f. 
77.  83.  88  f.  lor.  108.  117. 
119.  120.  187. 

Formen   186.   19O.  212, 

Fomjölr  298.   308. 

forräd  400. 

forsacan  206. 

Forsetelimd  328. 

Forseti  327.  379. 

forspdr  344- 

forspreca   157. 

Forstbcamte    19. 

Forstcultur   19  ff. 

Forster,  Georg  562. 

Forstwirtschaft  20  ff. 

Fortuna  374. 

f^riineyti  271, 

Fosete  386. 

Fosoetelund  328. 

Fossejrrim   297. 

föstbrödralag  416, 

fdstbrädralag  165  f. 

föslrt  415, 

föthvataslr  358. 

frais    129.    132. 

frahi  I  50, 

frtrlsis   iorp    173. 

frahismiTL-n    133. 

frandask^mm    1 59, 

fragifts    161,    162, 

fralits    136. 

Frames  223. 

framf>s   142. 

Franipton,   George  551. 

frana    123. 

Franci.-»  880.   917, 

Francisca  (Wurfaxt)  223. 

Franck,  Melchior  583, 

Franck,  Salomon   592. 

frattts  46. 

Frangnncs  878  —  880. 

fraiii-  878  f. 

Franken  737.  811  f.  814,  851, 
807-919.  923.  935.  Ro- 
manisiLTte  fränkische  Stäm- 
me   882—885.     Sächaiich 


gewordene  Franken  867 — 
869,  Niederfranken  885— 
901.  Niederländische  Ko- 
lonisation von  Nordost- 
deutschland 894 — 901.  Rip- 
warisdie  Fracken  90 1  — 
909.  917.  Moselfnmken 
908—912.  Chatten  912— 
916.  Rheinfranken  und 
Ostfranken  808.  916 — 919. 

Franken  64  f. 

Frankenau  899.  Frankendorf 
898.  Frankcnfelde  898  f. 
Frankenfbrde  898.  Franken- 
hain, Frankenort  899. 
Frankenstrasse,  Franken- 
thal  896    Frankfurt  898. 

Franken,  ihr  Anteil  an  der 
Heldensage  620.  656.  660. 
674. 

Franz,  Robert   597. 

Franzosen  737  f.   768. 

Frauenhäuser,  auf  den  Heiren- 
höfen  30. 

Frauenraubsagen  676, 

FrauhoUenleich  279. 

Frea  345.   369. 

Fredegar,  d.  Scholasticua  234. 

369. 

Fredegar  369. 
freekolds    9. 

Frcen,   Irü  369, 

Freibauern  9.    135. 

Freibriefe  81. 

Freie  Händler  27. 

Freie  Handwerker  27. 

Freie   Herrn    132.    135. 

Freigelassene  4.  64.  130.  135. 
136  f. 

Freigcrithte  209. 

F'reigrafschaft   152, 
freihals   129. 

Freiheit  a)  izgl'.  I34f.  b)l53. 

Freilich  tiiiaicrei    in    Deutsch- 
land  552. 
fresslichrs  gt-richt  205. 

Freisla;it,   Isländischer   11. 

Freizügigkeit    I O. 

Freke,  Frick,  Frie   28 1, 

FrOke  369, 

Frcki  336.  340. 
frelsisgjof  136. 
frclsis^l   137. 

Fremde   137.    I42. 
frevipe    I42. 
friois    129. 
friulsa   70, 
friolsgifan    136. 
frcthu    199. 
fritt  nUnonl.   401. 

PVeudenhof  381. 
freunde   157. 

Frey   372. 

Freyja  319.  361.  37' ff- 379- 

Freyr  312.  317.  378. 


Freyr-NJ9rdr  318—323. 

Freysgodi  322. 

Freys  Friede  332. 

friatac  ahd.  369. 

Fricco  322. 

Fricke  369. 

fridbrot  191. 

FriÖfrMi  718. 

Fridihk  (Harlungenss^)  685. 

Fridt>i6fssi^  276. 

fridJcaup   199. 

fridlaus   I95. 

friduwih  395. 

Friedbriefe  79.  84. 

Friede  57.  145.  162.  191. 194. 

Friedensbruch  I9if.  193.212. 

Friedenseinungen  79. 

Friedensgeld  144.  199.   200. 

Friedlosigkeit  195 — 197.  201, 

Friedrich  I.  85.  90. 

Friedrich  II.  85.   152. 

Friedrich,  Barbarossa  247  C 

Friesdorf  847. 

Friesen    71.    82,     94.     153. 

Friesische  Sprache  843.  847  C 
892. 

Friesen  752.  766.  804.  806  f. 
814.  844—849.  863.  880 
—882.  896.  903.  923.  942. 

Friesenbui^  847. 

Friesenfeld  847  f. 

Friesland,  Bibliogi^hie  der 
Quellen  der  Sitte  und  des 
Brauchs  522. 

Friesland,    epische  Poesie    in 

628.   716. 
frJgcdirg  ags.   369. 

Friggeroken  371. 

Friggetcnen  371. 

Friggjardagr  369. 

Fnggjargras  371. 
frihals    129. 
frVinhi   129. 
frija    129. 

Frija   249.   312. 

Frija-Frigg  369—37»- 

frilaza    136. 
frUing   129. 

Frisacvones  814. 

Frisiavi  814.  880. 

Frisonefeld  s.   Friesenfeld. 
frjädagr    569. 
frjals    129. 
frjdhgafe    136. 
frö   145. 

Froberger,  Joh.  Jak,   588, 

Frudi  304. 
fradi  403. 
froja  wandalisch  822, 

Fronhöfe  10.  15.  16.  21.  25, 
27. 

Fronimuth  822. 

Frosti   299.  308. 

Frostufiing   114,   356. 

Frostu|)ingsb6k   II4.    I16. 


H^H^^^^^^^V 

Sachregister. 

^H 

FrotKile  585. 

gamahalai   166. 

Geilamir                                                    ^^^^H 

^QOvyovvÜuvti  s.  Buigunden, 

Gamlirit-ti  813.  877.   884. 

Gcirhvitntil   380.                                     ^^^^^H 

frvwin  afad.  319. 

gandrtiä  278. 

GWinidr  308,  31t.  353.  }6l.              ^^^^B 

Frui^UiDlMU  35. 

GaocrbachaÄ  15S.  t6o,  \'}iX, 

GeirttadorAirr   287.                                 ^^^^H 

FnldHe  176.  179. 

176. 

Geuel*chan  183  f.   185.                      ^^^H 

Fniote  \-OQ  Tenemarke   7 18, 

Gang  311. 

griiia-  kell.  ^  gmn.  787.                 ^^^^H 

FUMMS    74. 

Gangleri  335. 

Geiiterhannn-  353.                              ^^^^^| 

Fürsten   IJ3.   133. 

Gangridr  335. 

Gctaicrerscheinungen  366  ff.               ^^^^^| 

?'untcakii,  Kaspar  604. 

garaidfim  57. 

Geutcrlockliedcr  2^,4.                         ^^^^| 

Fkkc  578.  585. 

^rdas  lit.  836. 

Gdsilirlun^  Volkaeauuig  582.             ^^^^| 

Füi.  De  369. 

gordr    135.   397. 

Geld,  rümiscbes  44  ff.    173—             ^^^^B 

Fuik.  De  381.  369. 

gards,  got.  826. 

^^^^1 

Fulben  von  Chatrtrcs  561. 

gardsnt   IO7. 

Gclddarteben  50.                                 ^^^^H 

yttli^oran    165. 

gardsratUr   112, 

GeklcDiwenung  7,                                ^^^^| 

fuhfnt  130. 

Uarmam  739,  780. 

Gcldgebraucb  43  d.  48  ff.                    ^^^H 

FuIU  370. 

Gannr  381. 

Geldrcchniuig  46.  48.                          ^^^^H 

F^inafci^  303. 

/dt  Gans  od.  864. 

Getdr«rorm.  kiroliogiscbe  44.             ^^^^H 

Fuoctiooen  der  Zünfte  39  ff. 

gatakja   311. 

G<rlds>'«tem  der  Lex  Salin  44.              ^^^^H 

Funde,  in  Norwegen  25». 

gattnd  167. 

GeldiiUn                                                     ^^^H 

furlvngi  31. 

CiassetiliaweHin  58 1, 

GeklvtrlcihcT  27.                                     ^^^^M 

Fu»i)   =28. 

Gast  141. 

G^blwixliftel   27.  45,  49,                      ^^^^H 

FuK!Un(pi>en  225  IT. 

gatta/d  135. 

Gcldw-irl^biifl  47.  49.                          ^^^^H 

Fu-i5%'ßlk,       Bc^cumng       im 

gfufaidafus   13$. 

Gclimer                                                     ^^^^^^ 

Kampfe  3z8  ff. 

Gasten   265, 

Gcliuek,   .\bb«  604,                                  ^^^H 

Futliark  461  ff. 

Guifrcundfichaft     der    Nord- 

Gelübnb                                                    ^^^H 

Fux,  Job.  Jos.  5B9. 

l&nder  450  ff. 

gtU   199-                                                   ^^^1 

fyigja  351. 

^r>ur/<  143. 

gritart                                                     ^^^^H 

fyljuhina  371. 

GastmtUer      der    NordUnder 

gtlUn                                                       ^^^^H 

Fylgjur  Ableicu&g  271  ff. 

451  ff. 

gfmaca   160.                                           ^^^^H 

fyÜK    133. 

GasCTcchi   173.    176. 

gtmAre   IZ7.                                           ^^^^H 

fyVti  10. 

Gastimg  ]4Ci.   150, 

gtme£htc                                                   ^^^^H 

/IrWö  ";>A*i*f  '**'■ 

Gau  2.  3.   132.  133, 

Gondnfreie  4.  7.  14.                       ^^^^| 

Jyriruuiär  399, 

Gauden,  Frau  38 1, 

Gcnielodegenarkiing  32.                       ^^^^H 

Gang« misse nscbafl   5. 

Genneindeverfusung  6.                           ^^^^H 

Gautcn  789.  79t.  817  f.  SlS. 

Gemeinden  82.    tio.     135 —              ^^^^H 

G. 

830.  833  f.  923. 

127.  153.  169—171.                ^^M 

Gautr  333. 

Gemcinland  7.  8.  9.                                  ^^| 

^spInndicbcAu5sprad)e  863. 

Gautatyr  333.  34I. 

Gcmcnjie                                               ^^^^H 

896.  898.  nach  Vokal  uad 

üatitrekssaga  35S.  304. 

GemenggeUgc  31  f.                                ^^^^H 

vor  /  oder  «■  Dstgcrm.    gc- 

gavadjSn    185. 

grmfrkt    169.                                           ^^^^^H 

schwundec  821  f.    mtervo« 

gftvi   122. 

GcniinKt.-t  >-ereiDfacht877.9l6.             ^^^^H 

kaliKh  «dfrk.  gcachwundcD 

gealdor  agj.  4O4, 

Gvnniiniv   189.                                         ^^^^H 

898 

geanerton    1 58- 

CTcneralptlchter,  in  England  33 .               ^^^^H 

gä  122. 

G^alas  817. 

Gencratio    r^uni    et  gentium              ^^^^^H 

Gallo    110.    136.    137.    161. 

GclKTde   188.   197. 

^^1 

167,    173.    176.  18$.  186. 

Gesten  dra  Reuwulf^GnLiten, 

Geni?9Üfmgincntc,allsfichsbcbe            ^^^^^| 

189. 

nicht  Jäten  648. 

^^^^1 

gabr  l8(j. 

Gdwrde   188,   197. 

gmgtrrfi   146.                                         ^^^H 

Gabticii,  Andrea  585. 

gfbtir    134.    13g.    178. 

Gr^^ngare  365.                                    ^^^^H 

Gabrieli,  üiov.  58$, 

Gebet  350.  383.  384  ff. 

Gean!«en9chafl«n7S.  86—88.             ^^^^| 

gafft  166. 

grfimg  185. 

315.                         ^^^^1 

gn/ol  177. 

gt/dra   21$. 

gmcuillier^s  235.                                   ^^^^H 

ga/otgilda  134. 

GcQon  3(2.  375. 

Geosiniund  694.                                      ^^^^^| 

go^K/ald  163, 

G<;fn  373-  375- 

Gent                                                           ^^^^H 

Ginsborouuh,   Thomac.  553. 

Gdbldcstuben,    königüche    in 

gf^fy                                                 ^^^^^^k 

gairethinx  68.   130.   3o6. 

dtn     Dordifichen     Lüodem 

Geograph    von    Rarenna  TV            ^^^^H 

gaison  k«lt.  >■  genn.  787. 

433  ff- 

24,                                                         ^^^1 

G«Iaiu  73a. 

Geiblgichoft  107.  116  f.  131. 

Georg  Pcnc2.  547.                               ^^^^f 

Gahr  390.  344< 

IJ3.  138.  151.  167  f.  179. 

GeotUod  837.                                      ^^^H 

1               Galittac  780. 

311. 

Gcpiden     S21  f.      824—837.              ^^^H 

'               GnUtcrzüKc  776.  788. 

Gt^Dgabc  137.  178. 

^^H 

1               go^'-  344-  404- 

Gchöfcncbaften  15. 

333.                                           ^^H 

gaiitnr  ahd.  404. 

Grigenartcn  573, 

gmtdntts  57.  74.  75-                        ^^H 

Gallo vari  880. 

Gcigeubaucrlamilico  586, 

g^r  OS.                                                  ^^^H 

Gallus,  J»c.  586. 

Geigudr  335. 

Gerade  159.                                         ^^^^| 
61*                               ^^^H 

964 


Sachregister. 


Gerd  321. 

gerdarmttat  310. 

GSre,  MariEgnf  668. . 

girhabe  157. 

Geri  336.  340. 

G«ridit  122.  123  f.  126.  127. 
13a.  142.  HS-  147.  148. 
149.  151.  15a.  154.  190. 
203 — 211.  217.  220. 

Gericfatsgemdiide  83.  123. 
230. 

Gezkhtibaikeit  8. 

Geichtigewalt  5. 

Gerichtshalter  78.  137.  149. 
154.  204—207.  3t3.-322. 

Getichtavenunmlui^  65.  78. 
123.  134.  189.  203  f. 

Gttichtszeiigiiis  190. 

Gcxle.  Kosrad  580. 

Gtrlint  718. 

Germanen,  germanüch.  Be- 
griff 736—738.  Name  738 
—740.  879.  Reinheit  der 
Rasse  736.  751.  764.767. 
800.  Mischung  mit  Kelten 
736«  751-  798—803.  882 
— 888.  908  f.  932  mit  R^ 
mern  883—888.  908  f. 
933.  Germanische  Spra- 
chen 736.  754.  809  f.  Ab- 
sonderung von  den  Indo- 
germanen  759.  762.  Nl- 
here  Verwandtsdiaft  mit 
andern  idg.  VOlkem  760  f. 
Körperliche  Charakteristik 
764—767.  Geistige  Cha- 
rakteristik 766 — 770.  Ur- 
germanen 746,  749.  751  f. 

759—770.  773  f.  776.  782 
—793-    798—806.    809— 
814.  922  f.  Alteste  Wohn- ' 
sitze  75g,  763  f.  770—789. 
922  f.  Ausbreitung  in  vor- 
duistlicher  Zeit  nach  Nor- 
den 784—786.   789—791, 
nach  Osten  772.  776—782. 
786.    791,     nach    Westen 
771— 776.  778  f.  786.  791  i 
— 802.      Gruppierung    der  . 
germ.   Stämme  747  f.    803  I 
—830.     842—845.     847  f.. 
850.  857.  859—861.    866  ' 
—871.     875—878.     881. 
892  f.    901  f.    908  f.    912. 
917.919  —  927.  Vcrwandt- 
schafisverhSltnis  der  getm. 
Sprachen  747  f.  760  f.  804 
—822.    828—830.    842  f, 
848.  861— 866.  872.  876, 
901.  917.  925-927.  Kel- 
tische (belgische)  Germanen 
739  f.     772  f.     779.     Spa- 
nische Germanen  739.  Ger- 
manen im  römischen  Heere 
802. 


Germania  inferior  and  nqK- 
rior  740.  796. 

Gi«rmaniiche  Emtefeite  345. 

Germaniiche  H.,  ntditdeatadie 
609. 

G£möt  65g. 

Gernmi  372. 

Gerstemnntter  308. 

gtrüfte  205.  313. 

Gerutfa  363. 

Gerraains  v.  TOburjr  236.  263. 
272. 

Gesamte  Hand  164.  169.  171. 
178.  179. 

Geuu^bOcher  582. 

GesBi^,  histor.  n.  Heldensage 
im  5.  u.  6.  Jahrh.  anage- 
bildet 622. 

gescheffede  r6o. 

Geschenkopfer  383. 

Geschlechtsadel  3. 

Geschlechter  I.  7.  36,  32. 

Gescblechtsfy]^  s.  fylgja  271. 

Gesdilechtsverband  3.  7. 

Geschütze  225ff.  227  ff. 

Geschworene  135.  189.  320. 

Gesellenverbftnde  30.  88.  166. 

Gesellenwesen  29. 

Gesellschan,  älteste  stBdtisdie 

24. 

Gesetz  57.  58.  67.  75.  80. 
100.  124.  144.  145.  146. 
153.  154  B.  auch  Denk- 
mäler. 

Gesetzspredier  100.  loi.  108, 
109.    110.    112.  124.  146. 

Gesichtsscbutz  224. 

gfsid  132.   167.   179. 

Gesinde  bei  den  skandinavi- 
schen Völkern  425  ff. 

Gesius,  Barthol.  583. 

Gespenst  251.262.  264. 265  ff. 

Gestaltcnfahrt  262. 

Gestirne,   Schöpfung  der  380. 

getianta   180. 

Geten  754. 

Getreidebau  23. 

Getreidewolf  308. 

Getreidemann  308. 

getwerc,  mhd.  289, 

Gewährenzug   180.  212, 

gnfande   1 27. 

Gewanne   13,   15.   21. 

gntvald  192. 

gcivedde  201. 

Gewerbeämter  29. 

Gewerbebetrieb  30  ff. 

Gewerbliche  Arbeit  27  ff. 

Gewerbsarbeit,  frei  verkäuf- 
liche 28. 

Gewerbsproducte  27, 

Gewerbszweige  30  ff. 
gnperc  179.   187. 

Gewerksdiaft  31. 

Gewerkschaften  87. 


gewi  122. 

Gcwidite  41. 

Gcwidit  175.   182,   bd   den 

alt»  NordllDdem  471  £ 
Gewlnngat  16a  163.  176. 
gewkfn  v^spÜa  271. 
Gewittetgon  349, 
Gewittermythen  in  der  Fona 

von  Rieseoklmpfen  696. 
Gewohnheitsrecht  57.  63.  63, 

64.  66.  6S.  78.  80. 
gi<e/prtet  138. 
Gialla-hom,  Das.  568, 
Gibica  658.  823. 
Gibich,  ZwetfJeÖnig  660. 
Gibson,  John  551. 
gidingi  185. 
gidrSg,  as.  363.  365. 
gifüio  315. 
Gienganger  365. 
gifta   161. 
gigant  300, 
Gilden   28.  31.   32.  34.  75. 

81.    87.    105.    106C  IIS. 

117.    141.  166.  183.  »O. 

215- 
gtldi  166. 
gimahho   160. 
gimahaiö   162. 
Gimli  382. 
Ginnaogagq}  376. 
gipt  161. 
gipting  418. 
giptingarmadr  418, 
girtkti  303. 
Giselher  659. 
Gisla(h)ariu8  823. 
gispenst,   ahd.    364. 
gitroc,   ahd.  263.  265. 
gi'uxrt  a)    179.  b)    186. 
gi'wtso  216. 
giziuc  216. 
gizunft  57. 
ggjt  nord.  816. 
gjaforä   161, 
gjald  199. 
Gjallarhom  318. 
Gjälp  362. 
Gjenganger  265. 
Gjoll  310. 
Glatfheim  340. 
Gladsbeimr  379. 
Gläser,  Franz  60a. 
Gleipnir  310. 

Glaube  b.  Naturvolke   23 1  ff. 
Glaubensquellen,  d.  a.  Germ. 

233  ff. 

Gliederung  (die  ständische  de» 
Volkes  bei  den  alten  Ger- 
mauen) 3. 

Glitnir  327,  379. 

Glommas  713. 

Gloso,  Die  308. 

Glossare  59. 

Glossen  71  f.  97.  104. 


^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ 

^^^^S 

Sacbregistsr. 

^H 

Olossen,     Mcrscburgcr     863.  '  Gottfried  von  MonmoutL  735. 

Grimme,                                                    ^^^^H 

Essener  Grcsoi^Iossm  863.  ,  Gottfried  von  Viterbo  613. 

Grimr,  Urimnir  335.                              ^^^^H 

Gluck.     ChriKtopIi     AVilibald 

GoHland   828—830.    832  f. 

Grimm'sch»-  Methode  339,                           ^^H 

595.  S99ff. 

Gott,    B«devtuii]>  des  Wortes 

Grimwald  68.                                                   ^^| 

Gn.'t  370. 

3"i. 

grindtU  303.                                            ^^^^^1 

gniiUlJ  389. 

GoiMtimH,  Claude  579. 

Gripla                                                         ^^^^^| 

gn.ppr  215. 

gT64&  ul.  826. 

S^'P''   '73-                                                  ^^H 

g6  13:.  153. 

Gr&bcr(\incW252.  353  ff.  533  fr. 

grif  201.                                                               ^H 

gväe  130.   154.   20S. 

Graf  3.  123.  152.   152.  207. 

Grjfitiinagarti,   Zweikampr  zu            ^^^^H 

Gode,  I>cr  3<)5.                         Graf  v.  Rom,  BalUdc  643. 

^^H 

GAde,  Frau  38i.                        liräfc,  Joh.  595, 

Gij6ttuu):ardr  819.                              ^^^^^V 

GodcDamt  400. 

Gräfe iiRewall  35. 

Gr'a  360.                                                   ^^1 

godtndae  335. 

grafia   133. 

Grr^nUind  843.                                     ^^^^k 

Godhrim  337. 

gr&ßo    133. 

Grün,  Jene  334.                                    ^^^^B 

godi  399.                                  1  Grafschiirt  fli.  133.  136.  14g. 

Groühe-n  45.                                       ^^^^^B 

goäorä  4.00.                                        153. 

Groubriiaruücn.  Bibliographie            ^^^^^B 

goerrum  301,                             tirafschafKv^rläasung  5.  9. 

der    Quellen  der  Sitte  u,             ^^^^Hi 

GOlarikc  829.  832  f. 

Grjgila   tt8f. 

de«  Brauchs  534,                        ^^^^H 

GOiknü  829.  &33. 

Gralvcr.    f Jriulfr  =  Gninwolf 

^ossi  45.                                            ^^^H 

GOIUt.    Die    alcgctmiiaiücbeii 

675- 

Grossviehstand  18.                              ^^^^^| 

312  ff. 

Gmngien   16. 

grc%                                                                ^^^^^1 

Gölterbilrltr  398  ff. 

Giaj],  Daniel  552. 

^^^^^1 

Gotterhimnu'I,        Götlerttiut, 

Grani  335. 

Grflnc  Mann,   Der  368.                        ^^^^H 

germ.  232  ff. 

Gra^nnig,  Der   168. 

Grtin  304.                                            ^^^^H 

GOtleilchre,  germaniadie  SJJ. 

Gnusliedlein   jSl. 

Grundbuch   190.                                             ^^^| 

GOltersystnn,  ncrdisch«  239. 

Gtaswoir  308. 

Grundeigentum  8.  133.  134  1             ^^^^H 

GöHenerchning,    Ort  Att  G. 

Graun,  EinÜiLss  auf  das  Or»< 

^^^1 

394- 

torium  601, 

Gnindgöterrocbt  64.  109.                   ^^^^^| 

Gött*rmythus     und    Heroen- 

gr&i'o    133. 

Grundberr>ifhaft  5.  8.  11.                    ^^^^H 

myihui,  3  Aste  VDD  dem- 

Grefinfi^T,  Wolfe.   583. 

^^^H 

ftelben  Summ  616. 

Gregor.    Pap*t    d,    Gr.    557. 

GrundherruliarE  77.  78.  136.                     ^H 

GStÜnn«!).  G?nnitni»che.  All- 

501. 

>37-     >36.     I40-     iSif>                     ^H 

gemeines  366  ff. 

Gregor  von  To«rs  874.  //  p 

171.  184.  305.                                     ^H 

gtgrrvf  205. 

886  f.  890, 

Grundherren    4.    3.    6.  7.  8,               ^^^^^k 

GdiblAt  393. 

Gr^tforj-Iotseii,    Essener  863. 

^^^H 

Geksiein  617. 

Gre{;arianiv:ber  Gesang  560  S. 

Grundherr! icher  Verband  37.              ^^^^H 

GoldbrakteatcD  637. 

Greif I  363. 

Grundherrsch  aftlidie  VerwmU            ^^^^H 

Galdcmar  640.  698. 

Grendel   303.  644.  646, 

lung  37.                                           ^^^H 

Goldmümca  46, 

Giendelt  Mutler  646, 

Grundhnlden,    Die  5.   6.   10.              ^^^^H 

GoldsolLdua  44, 

GrcDdclM  mere  650. 

35.                                  ^^^H 

GoWwahrunR  4+.  47.  475. 

Greiue  ri7  f. 

Grundruhrrecht  176.                           ^^^^^f 

GoUinlumbl  381. 

Greusieine  807. 

Grundt\iK,  Sveod.  über  Hei-            ^^^^H 

GollinUnnr  318. 

Greorwald  S06. 

densa^e                                                 ^^^^H 

Golliopp  318. 

Grenxwall  807. 

Gruppe.  0.   244.                                    ^^^^H 

GoUhCT.  W,    632.  663.  726. 

gr^tman  208. 

GDaroeri  586.                                      ^^^^| 

729. 

GtMtis-Sagc  649, 

Gnarni  s.  Varini.                                ^^^^H 

Gombert,  Nie.  579. 

Grentongi  818.  825  t  830. 

guäi  399.                                            ^^^H 

Gfodull  370.  341. 

Grid.  Rie$in  365. 

giiiija,  got.  399.                                    ^^^H 

G9ii^iiTienn  45  1. 

griäamdl   1  17. 

Guttr^darson,  OUft.  258.                  ^^^^1 

g^giikniiur  451. 

griäajtaiir  395. 

Gudninarsoo,  EilUr.  334.                     ^^^^^B 

Gorm  der  AUe  837. 

gTtdbrycr   igi. 

Gudrun  der    Fdda   vet]glicbeft              ^^^^^| 

g^s  Ganx  nd.  864.  866. 

gridtrtm    135, 

Ildico  615.                                ^^^^1 

Goten,   Stammland  67^, 

Griechen  753  f.  757 — 760. 

Gritergenieiatdiaft,  ehel.  163.             ^^^^H 

Gaten   (jl.   55.  62  f. 

Griechi«:he»  Keucr  335. 

Giietiüieor                                                      ^^^^H 

Goten  7S6.  789.  79[.  817  f. 

Griffbrcli  573. 

Gug<^rni        Cugcmi.                               ^^^^^H 

821.   834—837.   S45.  92E. 

Grim  297. 

Cuidu  von   Areua  $63.  572,             ^^^^^| 

923-  933-    Gotisch  >  üt.- 

Grimhild  657, 

Guiones  786.  789.  84$.                    ^^^^H 

1                    sUw,LehoMv5rter  826.  kett. 

Grimm,  Jak.  53  338  ff.  239. 

guiiarmen                                               ^^^^^| 

>  got.    Lehnwörter  780  f. 

MS- 

Giiitarre  574.                                      ^^^^H 

786. 

—  Jac.,    über  d,  Wesen  des 

GuLi^ing  114.                                     ^^^^^1 

Gotischer  SuL  541  fl*.   543. 

Volluf'pos  610.  616.  Deu- 

Gub(>ing8b<'>k 114.            116.             ^^^^H 

Gotljuid  102.  tl3  f. 

tung  des  Xantens  Widand 

Gulden  (rhciDischv.  Gukleiier,            ^^^^H 

Gotponnr  659.  662. 

726. 

Giildcngroscben)  46.                       ^^^^^| 

Gotlestricdc  193.    194. 

—  Wilh.,   Ü.    d.    Wesen    d. 

Gullfaxi  3ÖI.                                          ^^^^H 

Gottnurteilc  73.  77.  318  f. 

L 

Heldensage  6to.  616. 

Gtuubcit,  Fenl.  597.                            ^^^^^| 

966 


SACHRBOISTBlt. 


Gnmpokbiimai;    Ad«n  sBC 
Gundahari.    KBiiIk  dn  Bnv 

gonden  619.  658. 
Giiiida(Iu)riTu  65B.  Saa. 
Gnndomlni  823. 
Gnndkarins  658. 
Giiiidi(h)QdI  822. 
Gtmdi(Osdiit  833. 
QmdobaA  63. 
Gmidovald,  Sohn  CUotaduun 

L  67s. 
Gnndran  719. 
Gnngntar  336.  351. 
Gmal^  335-  354-^ 
uhqucT)  inytiulüiu'  ooOi 
GoB^iHMr  83a. 
Gnnthcr  ia  der  WalAuisBee 

703.  706. 
Gast  308. 
Gatal^h  113. 
Gntenm  719. 
fuffa  220, 
Gntona  i.  Goten. 
Guprun  657. 
Giif»i&iurkri{M  I.  718. 
Gvtnüch  838—830. 
Gaüherrsduft  8. 
Gntsttba^abe  185. 
Gittbrie,  James  554. 
Güttgen  29a. 
ggw  goL  mno.  816. 
Gwodw  345.  37a 
gj^jur  400. 

w^  300. 

Gylfi^ntiii^  370.  375. 

Gylfi  375. 
<^nair  303. 
Gyrwas,  -ii  854. 
Gyrowetz,  Adelb.  602. 

H. 

A  intervokaliich  geschwunden 

ostgerm.  821  f.  an.  816. 
Haack,  O.  626. 
Haar  129.   139.  167. 
Haar    der    Nordländer    443. 

446. 
Haarfarbe  766. 
haban  169,   179. 
kabüia  179. 
Had  880. 
HadTarü  880. 
Hackelberend  334, 
Hackelberg  307.  334. 
Haddingjar  678, 
Haddingus  337. 
Hadunur  787. 
Hadurich  787. 
Haduwalh  787. 
häilristningar  409  ff. 
Hielsingas  713,  718. 
Händel  590.  592  ff. 
Händler  24.  27. 
hanep  ae,  762. 


Mmrqfth^^Aigi  135.  305. 

EO^fcdskn  833 1  64a. 
kam  anam  133.  I33. 
Mmrrur  13a. 
HiBtwere  877,  894. 
HitiBerlcihe  17.  49. 
H*ey  711.  714. 
HaM>OGk  308. 
Hafionnaas  308. 

^/g^gr  »97- 

^ffrü  397.  395. 

Hafinar  397. 

Haflida^ril  118.  119. 

Hafiide  Minson  118. 

kitfiia  133. 

Hafkör  305. 

Halbxar  30$. 

Haftung  182—185. 

Hagathie  706. 

Hagen  in  der  Nibelongensage 

657.    666,    669,     in     der 

Waltharisage  703.  706. 
Hagenaags,  711.  713.  Hagcne 

mhd.  711.  715. 
Hagenhufen  13, 
Haguno  657. 
Haimo,   tir^iache  Lükaliagen 

von  695. 
Hainal  350. 
haist  193. 
Haistulf  68.  69. 
Haiva  360.  374. 
Hakemann  297. 
HakenbOchseo  228  ff, 
H&kooannil  366. 
Halfenwirtadiaft  18. 
Halle  in  den  nordischen  Ua* 

dem  433. 
Halligen  848. 
Hallin(Iioth)  830. 
HUogaland  840. 
Halsbandmythufl  711.  712. 
Häma  (Heime)  684. 
Hamaland    880.  866.   889— 

891.  894. 
kamarskift   23. 
hamartkipt  17t. 
hamidja  215. 
kamfar  262. 
Hammer,    Thor*»    352.   357. 

364. 
Hammerich,  M,  245. 
hamleyfA  262. 
Hamhleypa  276. 
Hamilton,    James    Wfaitdaw 

554- 
hamingj'a   27 1. 

HanimerKfamidt,Andreas  587. 

hamr  an.  271. 

Hampir  683. 

Hampism^l  687. 

Hand    125.    188.    190.    197. 

215.  218. 
Handbuch  der  deutsch.  Myth, 

339. 


q^bOdün  838  C 

—  bd  den  aken  X4 
461. 

—  anf  bland  463  C 

—  dentidur  35  £ 

—  in  Skandlnarden  4a.  43^ 
Handelaflotte,  cogHicli«  48. 
Handelsgaelbdbaften  38. 
HandeUntuuaua  86. 
Handftli^aniaB,  Anban  dir 

21. 
HandelsprivÜeKieii,  ia  Vtm^ 

maA  43. 
Handelsstidte  37. 
HanddirerbiadaageB   361. 
Haadebvecc,  die  IltoMaa  36. 
Haadfesteo  79.  105.   190. 
handfesti  190, 
Handfeueiwaffeu  228. 
kanägtmga  168. 
Handgekl  l6a. 
HaodhalLe  Tbat  197.  818. 
Handk)hn  177. 
Handotgda  574. 
handsama  180. 
hamdmxaUikr  452, 
Handsdiuh  125.   188. 
hamäMkot  453. 
MamdSft  188. 
Handweric,  das  sttaftig  «aga- 

nisierte  36.    im  -*-—^*-r- 

viachen  Norden  475  C 
Handwerker,  frae  34. 
Handwerkeigilden  33. 
Handweikerlehen  16. 
Handwerkervctblnde,  freie  38. 
Handwerksmeister  39. 
Hanf  762. 
Hangat^r  337. 
HangBgDd  337. 
Hannover,    Biblic^r^ibie  der 

Quellen  der  Sitte  und  das 

Brauchs  522. 
Hans  Baldong  547. 
Hans  Holbein   547. 
Hans  Memling  546. 
Hans  Sebald  Prebam  547. 
Hansa,  die  deutsche  37.  38IC 
Hanse  a)  81.  87.  b)  166. 
Hansische  Flotte  41. 
Hansiadie  Handelsmiprematla 

40. 
Hansisches  ViUenlagtr  43.       ' 
hantaiäd  330. 
hantgrmal  135.   171. 
hantnun/t  189. 
hantrAda  130.  2IJ. 
hanttruw*  i63. 
haPu  787. 
har   123. 
H4r  349. 

Hintldr  HardirUt  362.   376, 
Haraldr  hirfagri  848.  36$. 
Harald  Hildit9nn  339. 


^^^^^^■^^^^^^ 

Sachregister. 

067       ^^H 

karam^sfara   197, 

Hau^kommuniuncn    1  >. 

Hei     284.     325.    347.    35f.           ^^H 

VMahatflt  335.  354, 

Hati^rat  drr  XonllüLndcj  448  fr. 

^^H 

HArliudslietl   339. 

HaiDuklaven   13. 

Helblind!  311.  347.                         ^^^^H 

Hirbarrt>lj/jd  3;4. 

hauibtot  393. 

Kelche,  Aliiliks  er»tt;  OentabHa          ^^^^^| 

I-Isrdiirsaga  270. 

Hautfarbe  761;  f. 

693.  700.   701.                               ^^^1 

Harfada  an.  76z. 

Jlavacnäl  375.   4O4. 

Hclcheaadhae,  Tod  der  693.          ^^^H 

Harfe.  Miuükiiuininicnt  571. 

hutiileseru   199. 

Hcldenbuch,  Anhuif;  zum  642.          ^^^^| 

Harii  833. 

havfrutr  305. 

— ,  DrodcDcr                                   ^^^^| 

hartman    139. 

Havfolk  297. 

HeldenfaOchet  643.                         ^^^H 

Harke,  hn'i.  Herice  281. 

Harrnceod  297.  305. 

Keldendichtung.  Sttctte  Bcrnu                 ^^^k 

Hwliuigeiua^e ,        nltgcnnAu. 

HavJruer  397. 

ist    adelige     Staodcspoesie                  ^^| 

Diosknrcnroythus   68^.    bri 

Haydn.  Joscjib  596.  60a  6o3. 

■ 

den        AIcnianncQ      ausge- 

Kardn,   Michael  600. 

— ,  Komi,  Stil  u.Vartrag624.          ^^^^^k 

biJdct,      in      Brcisach      itn 

Hszdtg(;6s  678. 

Heldenlied  uod  episrh-hiaior.          ^^^^^| 

Brei^^u      lukaltsiri     bBj, 

Haszoarii  916. 

^^^H 

Vcr»climc-I/tinj;  mit   d.  Er- 

H<r»d(>bcArdin  949, 

Keldcntieder,     l«    den    goL           ^^^^| 

1                          mauHTH-hxAgf  6Sj. 

hfalifang  30i. 

Königen                 bei     den          ^^^^H 

Harlun^rD-Mytliiu  631. 

HcberQ!i»ler  59.  77.  ;8. 

Franken  632,  bei  den  [..an*            ^^^^^| 

Hupa   571. 

Heberolle,   Euener  86}. 

gobaidrn  620,  bei  den  Van»            ^^^^^| 

Haxlhiii-Wolfilietricli   679, 

Hcbriden  840. 

dalen  633.     EiDwandentat                  ^^| 

HartiTiiiol  "IS- 

Hedt^niu^ensage  s.  Hilde*  und 

in  den  Xoiden  63 1,    tteu«                  ^^| 

Kanrüt  rOrtnüt)  678. 

K  orini  r  '■w(f . 

Einwaadenini*  633,    drill«                  ^H 

KarUin|>«nMt;o,     Verbindung 

Hcdeaaec  717. 

Einwanderung  636.                             ^^H 

nt.  d.  Wölfdietnchug«  677, 

Hedinn  35$-  "lO-  711-  7I3< 

Heldensage  344.                                  ^^^^^^ 

ah«r     vandil.     DJofikuren* 

7'5- 

—  Begriff  60;.                                ^^^^1 

mythus    677 — 79,    I-okali* 

kf dnalag  108. 

—  u.  histoc.  OcsjiDg  im  S.  0.          ^^^^^| 

sicrung    in    Ruuland   679. 

He^r  303. 

6.  Jahrh.  KtU|;cbildet  633.           ^^^^H 

Niedcrdcrunrhc,     oberdeut- 

Heer   133,    139.    133.    13S' 

—  u.   HeldcndidHung,    theo*           ^^^^H 

sche    Form    678.     Gruod- 

150.  194.  195. 

rct.   Untervchird  608.                      ^^^H 

1                          gvstalt      nac4i      MfilJcnboA 

Heerbann   4. 

—  ein   Geirenvtand          IJlle*            ^^^^H 

j                          67S.    679    s.    auch    Ortnil- 

Hccrdicml  9, 

raluT^t^vcb.,    kein    Frublem            ^^^^^| 

[                          WoifdielrichMge, 

H«Tj;t-rBl    159. 

(1.  VolUkunde  608.                       ^^^H 

1                    llamd«,  •!  s.  Charudcs. 

hf/ä  17g. 

—  franii!>a.                                        ^^^^^| 

Hanilhi  830. 

Hcgclingc  711.  715. 

—  iiiiKbe  663.                                 ^^^^^1 

HawÜTiKi  834. 

Heidelberger.      Die     iliaoe- 

—  »ücbsisichc  636.                           ^^^^^1 

Uategau  886.  909. 

»Inj^Tliandtdirift  S47- 

Heldenuigcn.     nicdcrdrutscbc          ^^^^H 

Haste,  Job,  Adolf  590. 

Heideniee  717. 

^^H 

HasKgau  91  J. 

Hddsir  ».  XaiSttrot. 

—  DordgemiBniscbe  609.                   ^^^^^| 

Hassii  5.  Kcssco. 

Heidrck  342. 

—  anden-r  Vr>lker  verglichen           ^^^^^| 

Hasslrr,  Lto   5»6. 

Heitfnin  340.   379. 

mit  gi^TnianiMrhen  618,                  ^^^^^H 

ka^tmtdd  194. 

■heim   887.   9171". 

Heidricb   787.                                      ^^^H 

HaUljord   304. 

kn'm   13$. 

Hrirericlt  vtjfl  I.üne  675.                 ^^^^H 

Haci  301.   311.   380. 

/teimttit/Ylgjn    IÖ3.  419. 

Hcircrldi  =  Chilperich  620.            ^^^^| 

HAltalykil]  iles  J»rl  Rvgnvald 

Ht-imdallr     Jl?  — 318.     3Sa. 

Helgafell   357.    387.                            ^^^H 

1                       7>o 

579- 

^^^H 

1                     Haucnin  868.  886.   916. 

Keime    A94.    ebtr    mythiich 

Helgi  HJ9r>'arduoo  662.                 ^^^^^| 

UaCiuaricDsis  894.  916. 

als  bUiatiKch  695.  ein  Mo- 

Hcigi      ilundingsbani       260.           ^^^^| 

Maiifniuen  337. 

nioffc  an  ihn  gekniip/t  695. 

662,   I>k:htun);                                  ^^^^H 

hauffsvU  437. 

Hcimfallsrecbl   176. 

HelgUiediT                                         ^^^^| 

Hauptbäcbsc  337. 

htimildarmaJr    180. 

—  eddi»cbe  633.  675.                     ^^^^| 

Hauptbor  14.  34. 

Hcimkchmtytbua  733. 

Helgistadr  395.                                ^^^^H 

HaupimabUcitcn    der    Nord- 

HeimUchkeil  193. 

Helgolander  848                                  ^^^^| 

Ulnder  447. 

HeimikrlnKla  306.  375. 

Helgrtndr  341.  381.                        ^^^^| 

Hauptmann,  Moritz  601. 

Hcira*teucr  163. 

HcliantT  335.  630.  861  f.  864.           ^^^H 

Hauptmusik.  BcgrifT  391. 

htimla    184, 

^^^H 

Hau6  der  norditcbcD    Länder 

HctnerduB  53. 

^^^H 

439  ff. 

Heioricb  der  L6ve,    Gedicht 

HclJcT.  Stephan  605,                        ^^^^| 

Kaiurormen  774.  819.  870. 

von  255. 

hrllirün,  hflhrüna  354.                     ^^^^^H 

1                   Bauafriede  194.   195. 

Heioricb  der  Vogelwre  64O. 

HelljAger  334.   337.                            ^^^| 

KatugeisLer  293.   393  ff. 

Heinzel,  Rieb.  612,  673.  674. 

Helm   334                                              ^^^^H 

HaU5|{eiu)«aen  45.  a.)   141.  b) 

693.  697-  704.  705. 

Helmbarteo  335.                                  ^^^^^| 

1                       I5>- 

HeiiLz«li»änncben  393. 

Hclniold    873  f.     /  8S    897.           ^^^1 

Hausj^-setie  88. 

hetft   193. 

//  u                              ^^H 

HkuaeMtndr  25. 

Heirat  hei  den  ikandinaviKhco 

TlelsiDgelagb   109.                             ^^^^H 

1                  Haiuheir&Lhaft  131,  t6l. 

Völkern  417  ff. 

hthk^r                                                  ^^^H 

^ 


Sachregister. 


Helt,  Heiiu  580. 
HelvaeoDes  818.  823. 
HelvetÜ  771  £.792—799, 805. 
Ji€m  887. 
Memgift  163. 

Hemingitage,  ncnvegiadie  73 1 . 
AmMMM  (Hure)  22. 
Henna  350. 
Hen{>udd  308. 
Henselt,  Adolf  605. 
Henzeu  262.  263. 
Heoden  711.  713. 
Heodening»  scop  713. 
Heomodm  711.  713. 
Hepbaisb»  727. 
Heptarchie,  im  alten  Eof^d  7. 
Juraf  10.  123.  126. 
heraäs  fing  126. 
Herborg  718. 
Herbortsage  710.  720. 
Hert>urts  rimur  720. 
Hercules  barbatus  355. 
-^  magusaniu  355. 

—  Saxanua  355. 

—  Thonar  331. 
Heicynia  silva  736.  762.  771. 

777  f-  780.  783.  793.  796. 

913.  919  f. 
•ho'd  864, 
Herdgeld    (stidt.    Steuer    ia 

Skandinavien)  34. 
Heremöd-Sage  629. 
Herfadir  338. 
Herfj9tr  270. 
Heribrd  864. 
Jurgemate  140. 
Heijan  338. 
Heribert  ;20. 
Heriricus  (Henich)  707, 
Herlija  663.  700. 
Herkomer,  Hubert   553. 
Hermannus    Contractus    56 1 . 

563. 
Hermann  v,  Oesfeld  92. 
Herminones  s.  Erminen. 
HermttÖr  326.  327.  341.  366. 

381. 
Hermunduri  880.   920—925, 

927  f-     930  f.     934—94»- 

946.  949. 
Herodes  307.  334. 
Hgrodotos  781. 
Heroenmythus  u.  histor.  Sage 

verschmolzea  616. 
Herpf  775. 

Herr   132  —  134.   136—145, 
Herrad  v.  Landsberg  539, 
Herrant  711.  714. 
Herrenhor  IG.   14.  21. 
Hcrrcnland  9. 
Herrenmaend   1 1 , 
Herrensitze  24. 
Herrentage   HO.   III. 
hirro   145. 
henchill   133. 


hersemtr  224.  226. 
herur  123. 
Herteitr  338. 
kerth  170. 
Hertnitf  262,  678. 
Heruli  s.  Enili. 
Hemrasaga  360.  266.  381. 

311.  619.  678. 
hervart   168. 
hefvarftt  nutn  132. 
Hervfr  360. 
Hervor  (Alvitr)  722. 
Herwig,    Künic  von  Sfiven, 

von  S£knt  717. 
Herwigsage  716,  ihre  Grund- 

gestalt  716. 
Hers,  Henri  605. 
Herzog  125.  132.  133.  148. 

Herzog  Enut,  Bankelsänger- 
lied  642. 

Herzog  Friedrich  v.  Schwaben, 
Gedichte  642.  722.  727. 

Hessen  s.  Chatten. 

Hessen,  Biblic^^raphie  der 
Quelien  der  Sitte  und  des 
Brauchs  516. 

Hetels  Machtstellung  in  der 
Kudnin  714. 

Hetele  711.  715. 

Hetclingc,  Heteninge  711. 

Hetware  894, 

Hexen  274—278, 

Hexenprozesse  275, 

Hexenscbuss  276. 

Hexcntanzplatz  277. 

Hexenverfolgungen  262. 

Aitt  170, 

Atäa  7. 

Hiddensee  714.  717. 

A/iÄr  (Hufe)  21. 

Hilarius,  Hymnendichter  561. 

Hilde  255.  356. 

Hildtf  711.  715. 

Hilde  in  der  Herbortsage  720, 

Hilde-Sage,  älteste  Form  im 
Norden  erhalten  633,  In 
der  Waltharisage  706,  um- 
gebildet in  der  Rothersage 
721. 

Hilde-  und  Kudrunsage, 
Quellen  641,  nordisdie  u. 
nicht-nordische  Quellen709. 

710,  Secheldensage  von  den 
Hedeningen  oder  von  Hilde 

711,  ihre  ursprüngliche  Ge- 
stalt bei  Snorri  711,  Hildr*s 
Name  u.  Wesen  mythisch 
711,  Lokalisierung  712, 
Entwicklung  der  Sage  im 
Norden  712,  Einfluss  der 
nord.  Hjadningensagc  auf 
die  Dichtung  von  Helgi 
Hundingsbani  7 1 2,  auf 
die      Sage       von       Helgi 


HjfrnurdfeKm  713,  Hefanat 
der  HUdenge  713,  ihr« 
Umbüdnag  bei  einem  der 
meerenwohnenden  Stimme 
7 1 4,  ihre  Tomdunste  Pflege 
in  den  Niederlanden  714* 
ans  der  Hüdenge  entttdit 
durch  Spaltui%  u.  Di^re^ 
riemng  die  Kodnms^e?  1 5, 
Grundgestalt  der  Kodnui- 
Bage  715,  vewchmolaen  nüt 
der  Henripige  716,  auf 
friea.  Sprachgebiet  enutan- 
den  716,  D&nen  und  Nor* 
mannouflge  in  der  Kodnm 
festgehalten  717.  VcxUn» 
düng  »kandin,  u.  frieaiadli- 
frftnk.  Sageimiotive  717, 
neue  Motive:  listige  £nt> 
fühning  der  Hilde,  gewalt- 
same EntfOhning  der  Kv- 
drun,  Kodruna  Sdiidiaale 
und  Leiden  717.  718,  ana 
den  Niederlanden  wurde 
der  Sagenkomplex  nadi 
Oberdeutachland     gelHacfac 

719. 
Hildebtand,     Erzieher    Diet- 
richs 694. 

—  u.  Hadruband  618. 

—  und  Hilde,  dfiniadbe  Vlae 
710.  713- 

Hildebrandslied  629,  VettW' 
düng  Hildebraoda  mit  Diet- 
rich 630,  das  Lied  endete 
tragisch  630,  z.  Erklärung 
der  Dietr^isage  690.  691. 

—  das  jüngere  64O.  693. 
Hildeburg  285.   720. 
Htidegund,  die  Braut  Walthen 

703,  ihre  Heimat  707. 
Hilderix  822. 
Hildico   659. 
Hildiernus  822. 
Hildr  711.  712.  715. 
Hiller,  Job.  Adam  595.  598. 

601. 
Hillevioues    790.    812.    814. 

818.  828.  831. 
kilms  got.  826. 
Hiltburg,    Tochter  Walguhts 

676. 
Hilugc  u.  Hildina,  Sbetlands- 

balladc  710.  716. 
Himinbj^rg  318.  379. 
Himinij6<tr  362. 
Himmd,  Friedr.  Heinr.  596. 

598. 
Himmelsgott,  Der  altgerman. 

250.  251  ff.  313  ff. 
himpigi  167, 
Hincmar  72. 
Hindelopen  847  f. 
Hintersassen,    beie  4.  8.    9. 

10.  151. 


Sachregister. 


969 


hirat   160. 

hird  116  f.   167. 

Hirdir  678. 

biräskrd   117. 

hirdstefna  201. 

Hirschau,  Wilhelm  von  563. 

hirdstofa  433. 

Mun   160. 

htwunga   161. 

HjadDiRgar  711.  715. 

Hjadningavig  711.   712. 

Hjalmgiinnar  34 1. 

Hjälprekr  =  Chilpericb  620. 

Hjalti  Ske^ason  371. 

Hjarrandahljöd  714. 

Hjairandi  711.  713.  715. 

Jtjonalag   i6q. 

Hj^rleifr  297. 

kjüskapr  421. 

Hladgudr  (Svanhvit)  722. 

hläford  r45.    167. 

hlautboUi  394.  398. 

hiautieinn  394,   398. 

hlautr  394.  400. 

Hl*>jöfr  391. 

Hl&r  298. 

Hlidikjalf  321.  345.   370. 

Hlin  371. 

H16dhere  69. 

Hlödyn  358.  370. 

Hlöra  308.  359. 

Hlörridi  357. 

Hludana  358. 

Mluz    170. 

Hniflungr  663, 

Hnikarr  296. 

Hnikiidr  296. 

Jioba^   salica    1 4 , 

—  indominicata    14. 

—  censualis   14. 

—  sen'iVis    14, 
liochdeiitsch,       Hochdeutsche 

763.  811—814,  873.   881. 

925-927. 
Hochgericht  83. 
Hocse(o)biirg  915, 
Hoddmimir  382. 
H9(lr  325.  326.  327.  351. 
Hoenir  306.   346.  349.    350- 
Hörige     5.     136.     137.     138. 

140. 
Hörner  568  ff.   575. 
Mf  12.  395. 
Aof  a)    104.  b)   154. 
Hofansiedlung  2.   13. 

—  alte  keltische  21. 
Hofbeamte  132,   140.  167. 
Ji^dmgi  399. 
Hoffhaimer,   Paul  582. 
Hofgericht  86,  209.  211. 
Ifofgerichtsbarkcit  1 1 . 
Jufgodi  399, 
hofgydjur  400. 
Hofhaltung  24. 
Hofheimer,  Paul  580, 


Hofkapellen,  Ausbildung  der 

59». 
Hofland  22, 

Hofpoesie,  lateinische  630. 
Hofrecht   5.  6.   25.    26.   78. 

IS'.  '77- 
Hofrodel  78. 
Hofstatt  12. 
Hofsystem    13. 
hoftoUr   154.   397. 
hpfudhof  399, 
Höfvarpnir  370. 
ho/vari   168. 
Hogartb,  ^Villiam   553. 
H9gn'    255-    258.    7"-   7'2. 

715- 

Hohenzollern ,  Bibliographie 
der  Quellen  der  Sitte  und 
des  Brauchs   515. 

Holbein,  Hans  der  Jüngerc553. 

Holda,  Holle,  Frau  278.  391. 

Holden   278.   279  ff. 

Holke,  Frau  334. 

h.^Ur    135, 

Holland,  Bibliographie  der 
I  Quellen  der  Sitte  und  des 
:  Brauchs  523. 
\  Holland  898  f.  Holländer- 
.  bruch  896.  HoIIänderdürfer 
I  900.  Hollendorf,  Holler- 
dcich,  HoUcriand,  Hollem, 
!  Hollerstrasse  896. 
'  HoUc,  Frau  247.   279  ff,  280. 

Hollenberge  256. 
,  hoim^anifa    21  J, 

Holmyard  679. 

Holmr^gas  713. 
'  Holmr>gir  818. 
I  Holstein  873.    896. 
!  Holstcn   871, 

holting  78. 
I  Holgcr  Danskc   247. 

Holzarten  20. 
I  Holz  bau  kunst,  altgermanische 

'       533. 

Holzbauer,   Ignaz   599. 
;  Holzbezug  20  ff. 
\  HoUfräulein,  d.  i,  "Waldgeister 
I       294-  Jagd  nach  H.  334. 
'  Holznutzung  20. 
I  Holzschnitzerei  l)ci  den  Skan- 
I      dinaviem  477  ff. 
I  Holzschnitzereien     mit     Dar- 
j      Stellungen   der  Heldensage 
j       626.  627. 
j  Holzskulptur  545, 
'  homagmm   168. 

Homilia  de  sacrilegiis  235. 

Homilie  Bedas  863. 

hommes  fiscalrs  4, 

hämo   167,  201, 

Homonymie  241. 

Honorius  880. 

Hopfenbau  in  Süddeutschland, 
England,  Schweden  20. 


ftorqgy  asl.  826. 

Horaiide   in   Oberbaiem   und 

Österreich  719. 
Hörant  713,  715, 
H9rdar  818.  830.  840, 

^vsr  395- 

Hom,  Goldenes  836, 

hornungr    165. 

hospitalitas  177, 

höva   1 70. 

Hortarius  926. 

Hortus  deliciarum  539. 

Hörn  373. 

Horvcndil,  dänische  Sage  von 

733- 
Hos(se)gau  915. 
Hötensleben  865. 
Hotbcnis   317.  325. 

H^ttr  335. 

Hove,    Stuhllehnen  von  627, 

hovcmark    1  50, 

Hraesvelgr  301.  308, 

hrin-areldr  (Totenfeuer)  266. 

hraunbiii  309. 

hraundrcngr  309. 

Hredgotan  817. 

Hreidmar  3 1 1 , 

Hreirtrek  335. 

hrfppr   127. 

Hrimfani  310.  380. 

Hrimgcrd  304.  309. 

Hrimger|>arm9l,  Zusammen- 
hang mit  einem  Wolfdiet- 
rich sahen  teuer  677. 

hrisiingr    165. 

Hröir  Kraki   273. 

HriiUss;i;;a  (lautrekssonarög?. 
698. 

Hrömundarsaga  326. 

hrotifixas   290. 

Hrötharit  68. 

Hr^dvitnir  3  to. 

hriigga  gol.  826. 

Hrungnir  311.  361,  372. 

Hr)-nir  382. 

Aj>  ndd.  SS  915. 

///>//  got.   816. 

Hubert  van  Eyck  546. 

Hüc  von  Tenemacke  675. 

Hucbald,  Münch  in  St.Amand 

5t>3. 
Hügeialter  252. 
Hügclkult  387. 
Hügel  Zeitalter  427  ff. 
hiine  3  00. 
Hütchen   292. 
Hufe    12.     13.    21.    22.     I3I. 

'33-   >38-   »70- 

Hufendörfer  22. 

Hufensystem  21, 

Hufen  Verfassung  1 6,  Auflö- 
sung der  alten  21. 

Hugdietricb  672.  H's.  Braut- 
fahrt  676. 

Hugi  352.  355.  363. 


970 


Sachregister. 


Huginn  271.  536.  34Q. 

Hngo  vas  der  Goes  547. 

hugr  271. 

Hug-  und  Wolfdietridiasage 
verschmolzen  m.  e,  allea 
vandilischen  DioskureD- 
mythus  621,  677,  678. 

Hugo  Theodoricus  672. 

Hniccü  854. 

Huld  278. 

hulde  14S.    168. 

kulder  152. 

Huldigung  145.  146.  148. 
152.  168.  178. 

Huldigungsopfer,  Blutiges383. 

Huldre-eventyr  278, 

huldu/6lk  278. 

huldumadr  278. 

hulidshjalm  altn.  290, 

Hummel,  Job.  Nepom,  600. 
604. 

Hün  783  f. 

hundafafs   123, 

hundari  lO.    122. 

Hundertschaft  3.  10.  ll.  31. 
108.   122.   123.    126.    127. 

143. 

Hundertschaften  8x8. 922.934, 

Hundcrtschaftsverfassung   15. 

kundr  307. 

hundraäsilfrs   174. 

kundred  122.   124. 

hundredes  ealdor   123. 

Hüneo  truhtSn  =  Attila  629. 
689. 

Hungri  331. 

Hnnmar  787. 

htinno   123. 

Hunt.  William   Holman   554, 

huoba   170. 

Huon  de  Bordeaux  681. 

Huoss  372. 

hthkarl   167. 

kuspukf    292. 

hüssuocha  ZI2. 

Hvcnsche  Chronik  637. 

Hvergclmir  376. 

h-warf    203. 

Hwiccas  854. 

Hymir  363  ff. 

Hygeläc  =  Chochilaicus   620. 

HygflÄcs  histor.  Niederlage 
verschmolacQ  mit  dem  in- 
g\äon.  Heroenmythus  von 
Beowa  621,  628.  Plünde- 
rungszug n.  d.  Niederrhein 
647. 

Hyllefroa  294. 

Hyllemor   294. 

Hyllcstad,  Holzschnitzereien 
627. 

Hymir  303.  316.  363. 

Hymiskviäa  303— 304.    362. 

Hymnen   560. 

Hymnendichter  561  ff. 


Hymoengesang  556. 
Hyndla  301.  373. 
HyiTokio  326. 


I    vor    Vokal,    wgenn.    und 

westnord.  816. 
Ibu  Fadhlau  428. 
Jäger,  der  wilde  307.  334. 
Jämtland  832  f.  840. 
Jaenicke,  O.  676. 
jafnaäareidr  201. 
JfUTuhär  349. 
jafuradi  418. 
Jagd,    bei   den    alten  NordL 

454. 
Jagdrecht   I72.   I75. 
Jahr,    Das    altnordische  446. 

Einteilung    derselben    446. 

447- 
Jahrmärkte  36. 
Jan  Mathijssen   96. 
Jan  van  Eyck  546. 
Japyger  734. 
j&rdinc  78. 
jarl   130.   132. 
Jannericus  688.  Seine  Scbwe- 

stersChne  688. 
jarnburdr  21 9. 
Jarnsida   [19, 
jarngreipr  357. 
Järnsaxa.  Riesenweib  359. 
Iberer  753. 
loa  V9llr  377.  382. 
Itli  311. 
idisi  270, 

Idunn  311.  350.  375. 
ie  ndfrk.  >  genn.   ß  oder  io 

898. 
ield  157, 

Igg  336. 

IggdrasiU  335. 

Jiriczek,  O.  L,  683.  689. 
726.  728. 

ikjick,  Linie  887.  901. 

lUlico  615.  65g.  700. 

Itlyrier  754.  759. 

Ilsan  694. 

Ilgung  694. 

Immunität  5.  6.  68.  77.  149  f. 

Immunitätsbezirk   17. 

ImmunitStsherren  45, 

imlosurts  (Einhegungen)   22, 

indagines  p,   13, 

Individualität,  geistige  738  f. 
752;  derIndogermanen755; 
der  Kelten,  Romanen  und 
Slawen  768— 770;  der  Kel- 
len nnd  Franzosen  737  f, 
752;  der  Germanen  738  f. 
767  —  770;  der  Ostgerma- 
nen 821;  der  Engländer 
738.  768;  der  Friesen  738. 


752 ;  der  Sachsen  738.  75*. 

768,    866;    der   SdtwatMB 

753.  768. 
Indt^ermanen  746. 752 — 764» 

Völkemameo  803  (. 
Ine  69. 
Infant   183, 

log  319. 

Ingelheim,  Palast  zu  534. 
'ingen  gi8. 
IngunarÄreyr  320. 
Ingvaeones  315.  319. 
Ingviz  315. 
Ingvi  320  ff. 
Ingwiaiwen8li'~-8l4.  843— 

84s-  853.  881.    Vgl,  «dA 

Anglofriesen. 
Ingvifreyr  3  20, 
IngtBtne^  -as  853, 
Ingwjne  320. 
Inigo,  Jones  550. 
^Ivx^loveg  825. 
Indiculus     superstitionuin     et 

pagianarum  235,  257. 
Inland  21. 
Innimg  166. 
Innungen  29. 
inquisitio  220. 
Inschriften  52.   58.    107. 
Instttuta  Cnuti  76,  Lundoniae- 

75. 
Instrumentalmusik  601  ff. 
Insubres  778. 
intaka    1 70. 
Interimswirtschafl   178. 
Interpolationen    70.    76.    90» 

92. 
intertiare  180. 
Investitur   186.   187.    I90. 
io  !>■  nd.  K  bezw.  a/",   ndfrk, 

ic  898. 
Joch    14. 

Johann  v.  Buch   92.  97, 
Johannisfeuer  390. 
Johannisnacht  277. 
Johannisopfer  393. 
J9kul   298.  308. 
\jäl  392. 
Ijoiaskrei'l  255. 
Ijoljäger  334. 
Ijolkskreid  392. 
I  Jolsveinar  392, 
Ji'imsvi kinger  276  ft. 
Jon  Einarsson   120. 
Jon  raude    1 16. 
Jonas  von  Bobio  235.   329. 
Jönsbok   120. 
Jvrd  310.  358. 
Jordanes  Get  11/  21—34   818. 

830.  23.  834.  2s  818.  ir 

25   819.      26  826.      XVII 
824.     94     825.      96    826. 
XXV  133.   825. 
Jordanes  234.  622.  659.  677, 
682. 


^^^^^^^^^^^^ 

Sachregister. 

971             ^^1 

jf/rmunganär  304.  37S, 

JurispriMlcnx     63  f.     70 — 74. 

kflstar                                                          ^^^^1 

J^nnuRirksage  686,  aus  Nie- 

88— 98.  loi. 

Kellen,     keltische     Sptsdiea            ^^^^H 

dcrdeutscblnnvl    nacb     drm 

JurispniidcniiA  Frisica  94, 

737.  749-  751-  754-  759—            ^^H 

Norden  ein^ewAnd«it  687, 

Iui(Ii)unKi     880.     93«.     933. 

761.  765.  768—771.  783.         ^^H 

in    die  Xibcluogeiuage  «a> 

941. 

Verwand  tgchafurerfalltniaae            ^^^^H 

piknüpf!  687  r. 

fi(tt>,  ittuvr  w(;emi.  816, 

760  r.    Koiutituicrung  und           ^^^^H 

lolun^  s,  Iul(h)mip, 

lTakIis86hne,  die  Scbwantlfen 

Gnippicning    der    Stämme            ^^^^| 

Jftunhcirn.  Jotuuhcimar  399. 

35». 

783.  S05.    Ausbicitung   In           ^^^^| 

301.    311.  36D.  378.  381. 

itaeis,  iiwara,  got.  816. 

Torcbristlidicr    Zdt    759  L           ^^^^| 

joul^gatu  392. 

Jj-dsk«  lov  104. 

763. 771-789. 792-795.       ^^H 

Iring  668. 

798  —  802.    in  SOddeuiKh-             ^^^H 

IranicT  757. 

Und  771  r.    791—795.    ">            ^^^1 

Iren,  Irland  840—842. 

K. 

Nordwetildcut£chlaad773 —            ^^^^| 

IrinR  317. 

774.  800  i„  an  der  Weser             ^^^^| 

Innincswagcn  316. 

Klllcböcksjvcgfrur  197. 

und  £lbe  and  in  ThUhngco            ^^^^| 

Inninfrid  942. 

K&mten,     bibliof^phi«'   der 

774—776.  778  1.  800  f.,  in            ^^^H 

Iiinittgül  315. 

Quellen  der  Siltc  und  de» 

Ostdeutschland  772.  776 —            ^^^^| 

Irmingtt^ul'i)   3I5. 

Brauchen  5O9. 

779,  an  der  oberen  Weich»             ^^^^H 

Imfrid  61)8. 

kaisar  ffoi.  826. 

»el  uod  Osllicticr  773.780 —            ^^^^| 

Iron  von   Brandenburg  734. 

Kainenhnmik   274. 

781,      Bo^iedliing      Brilan*             ^^^^| 

Ironsagc,    QucU«?.    Kern  ni*- 

KaJM-rtccht   8r,    97;    kleines 

nicna  783,  Oberilaliena  777             ^^^^^| 

dMd.  DkbiuDg  734.             {      92. 

— 779.     788,    Galatenü^i«            ^^^^| 

ImiRn  193. 

Kalurtum  67.   148  f. 

776,     Brilten    8;§.    859  f.             ^^^H 

Imuni  187. 

Kalfalermann  393. 

Kckenhcrschart  in  Deutsch-            ^^^^H 

inttUn    148. 

Kalkbrenner,    Frlcdr.  Wllh. 

Und  787 — 789.    Mischung            ^^^^| 

Isuc,  Heinr.  581. 

604. 

mit    Germanen    751.  788.            ^^^^H 

yamon,  kelt.  ;>  ß«rm.  787.    Ktmrrik  897. 

Ise  731.  733.                           1  Kammcrgerkht  Z09. 

798—803.  85s.  883—888.            ^^^1 

908  r.  933.  Haus-  u.  Kiniel-             ^^^^H 

Ist  775.                                    ^iamp  217. 

bof  774.  Orts-  und  Fluss-            ^^^^H 

Imx  374.                                    1  Kafiavoi  ».  Cbanuvi. 

nanen  762.  774 — 776,  800            ^^^^H 

Isltndcr  839.  843.                       Kapilalaalagc  25. 

— 8o2.Peiii>nennanicn787.            ^^^^H 

Isknd,  BiblLOfCTiptife  d.  Quri-    Kapitularien  65.  66.  67,  69. 

kell.  ^  germ,    l^hnwrirter             ^^^^H 

Icn     der     SiUe     uud     de»        70.   77. 

780,  786  f.  Axccntverscbie-             ^^^^H 

Brauchs    53a                          Käomt  781. 

bung  760  r.  788.  eu  '^ou            ^^^^| 

Island  103.    117 — 110,   tS3r.     Kikri   298.  308. 

(aUfi>o  773.  783.  fr:ar             ^^^^| 

248  ff.                                      Kikn's  Kiadcr  399  ff* 

780.  Abfall  des  /  7B3.                   ^^^H 

I»laDdfabrer  43.                            iar/  130. 

Kclu>4kyihen  740.  743.  780.                     ^H 

l&tiaiwtn  ».   Istraiwc-n.                 üarl  d.  Gr.  65.   71.  go. 

Kcmbcrg  897.                                     ^^^H 

Istraiven    Bn — 814.     877  f.    Karl  der  Grosse  in  dn  fran* 

Kemeridi  897.                                 ^^^H 

881,     Vgl.  auch  t'Taakeo.  \     zOs.  Epik  615. 

Kemmcrick  897.                                 ^^^^| 

Jstmt  JI5.                                    j  Kwiv)aßK  76». 

Kencm,  Kcnemarii.  Kennern,             ^^^^^| 

'ImQoe  781.                                   Kanaunc  227. 

KenncHK-rland  893,                          ^^^^H 

Isunc  362.                                      Kaoovä^o'  s.   Chaüiiuii. 

kenmngar  334.  345.  309.                  ^^^1 

Uungen  67a   679.                        Knspau   774. 

Kcat                                                         ^^^H 

Ilaliktr,      italisuhe     Sprachen    KaoC-^ot  s.  Cliauci. 

ktrika  a».  8fi3-                                       ^^^^H 

754-  759.  76<.                       Kaspn?  v,  d.  Rf-eo  643. 

Karl,  Joh.  Kaap.  v.  588.                  ^^^H 

äfi  177. 

Ka»iiLne  716. 

Khro*                                                      ^^^^H 

^J^rJUI  416. 

htlsf  (Bt-lagening)   315. 

ktttifang  219.                                        ^^^^1 

Joden  49.  Si.   138.  143  r. 

Kauer   §96. 

kttkert                                                     ^^^^1 

Jodmschua  49. 

Kauflcule,   HanscatiKbe  33. 

kttiltak  319.                                            ^^^H 

fuAx     14.     15.     125.     144. 

—  Römische  35. 

Keitncr,  E.  63B.                                 ^^^H 

205.                                             Kaufmann    133.   135.   143. 

Kcnchenthal,  Joh.  583.                      ^^^H 

judicaria   135.                               Kaul'mannsf^ilde  32.   36. 

knirbcfktH                                               ^^^^H 

Judida  civitatis  Lundonlae  71;.  '  KaufmannM-uchi  3t. 

Keuren  79.  83.  83.                            ^^^H 

judkium  dei  2  t  6. 

Kaufmann fichaft  26.  37. 

Keyser  345.                                         ^^^^| 

JOtcn,   jütisch,   Jüttland  830. 

Kaufmann,  Ai^clik»  553. 

Kielkrflpfe  392.                                   ^^^H 

836  f.  856  r. 

Kaufstldic  35. 

kihiur  M.  863.                                 ^^^H 

Juifirnd    bei    den    ikandinavi-    Kauibacfa,   Wilhelm  v.  553. 

Kimmericr  757.                                   ^^^H 

pdioi  Völkern  4 16  IT.            kaup  418. 

Kind  139.  141.  164  f.                       ^^^H 

Julf«t  360.   391  ff.                       katipangr    ia6. 

Kindheit    hei    den   «kandiiM>               ^^^^| 

^         JuJlanus,  Bf.  i«/ ^/A^ntirnj«-;  {  Keil  (GlicdiTuoif  der  Schiacht* 

vtxcben  Völkern   414  iT.                    ^^^^| 

H 

haufi-n)   224. 

KiEKin,   Kinemarü,   Kinhem,              ^^^^| 

^^         JuIniAbt  451. 

Keiner,   Ktinh,   590, 

Kinnebem  892,                                   ^^^^H 

^H         Jungbrunnen  359< 

Hiikn  goc  780.  786. 

Kirche  8.                                                          V 

^H        Jupiur  313.                                 \Hiiinon  kelt.   780. 

Kirchenbann  184.  193.                               ^| 

972 


Sachregister. 


Kizchenbaukimst  536. 
Kirchenrechte  103.  108.  109. 

III. 
Kiidientfine,     Sie     8    alten 

559  ff. 
Kiichipiel  10.  83.  137.  153. 

171. 
Urkiu  s6iH  137, 
Eüxnberger,  Joh.  PhiL  598. 
Kittel,  Joh.  Christ.  601. 
Kjahwrinpunga  397. 
Klabwitennann,        KUbftter- 

mflnochen  393—293. 
Klage  639. 
Klagen  180.  303.  3ll,  3i3. 

318. 
Klan  12. 
Kli^)perD  571. 
Klüsen,  Dienende  lO. 
ilefUn   156. 
Kleidung  der  geim.  Krieger 

233  ff. 

—  Deutsche,  im  I2.  und  13. 
Jahrb.  485  ff. 

—  im  14.,  ij.  n.  16.  Jahrh. 
487-492. 

—  der  Nordl&nder  (Stoff, 
Farbe)  436  ff. 

Die  männliche KJeidung438  ff. 
410. 

Die  weibliche  Kleidung  444  ff. 
410. 

Klein,  Bernhard  600. 

Kleinasiaten  754.  757. 

Kleinbesiu,  landwirtschaft- 
licher 16.  17, 

Kleinvieh  18. 

Klenze,  Leo  von  549. 

Kleriker  25. 

Klerus  151.    133.   134. 

Klockhoff,  O.  730. 

Klosterwirtschaft  (Grangien 
der  Cisterzicnscr]   16. 

Knechte,  Knechtschaft  bei 
den  alten  Germanen  3. 

Knechte,  waffentr^ende  35. 

Knechisstand  t)ei  den  skandi- 
navischen Völkern  425  ff. 

Kneller,  Gottfried  553. 

Kniesetzung  162.  167. 

Kniezählung  136. 

Knud  Mikkelsen   104, 

Knut  d.  Gr.  75 — 107, 

Knut  VI.    104. 

Knut  Magmisson   109. 

Kontore  39.  43. 

Kobold  292. 

Kodran  Eilffsson  387. 

Koiita  ;oo. 

Kölner  Konföderation  38. 

Kölner  Münzen  45, 

König^jUt  4. 

Königsmacht  1 1 . 

Königinnen  3,  auf  Jochgrimm 
in  der  Eckensage  698. 


Königsbrief  189.  331. 
Königs&iede    76.    135.    140. 

145.  »46    147.  194. 
Königsgericht  68.    132,  145. 
'  146.  206.  208  f.  220. 
Königshnfen  13. 
Königstum   63    65.   67.  69. 
84.85.  loi.  104.  110.  134. 

125.  131.139.  143.144— 
149.  160.  170.  189. 

koer  57.  79. 

Körnerbau  18. 

Kömerspende  253. 

KOrpergrösse  765. 

Kohlenbeisser  417. 

iokkenwiMddinger  407.  408fil 

Kolbeinn  258. 

kolbttar  417. 

Kolonen,  bei  den  alten  Ger- 
manen 3.   13. 

Kolonisation  der  Skadinawier 
831—833'  837—842,  der 
Sachsen  873  f.  895.  der 
Franken  894—901.  911  f. 
917  f.  943.  der  Thüringer 
943—945-  der  Baiem947f. 

Kolonisation    b.    7.    16,    81. 

126.  171.  205. 
Kolonisationg  vertrage   17. 
Kommendation  4.  168. 
Kompilationen  64.  67.  70,  71. 

76.  93-94f-  98.115-  118. 
119. 

KonIMeration,  Kölner  36. 

Kong  Vollmer  307,  334. 

Konkubinat   161.   162.   165. 

Konsonantengemination,  west- 
germ.  auch  bur^ndisdi  822. 

Kontrapunkt,  Periode  des- 
selben sröff, 

konungU'f  146. 

konungr   144. 

konungstfkja   1 46. 

Konzilscblüsse  63.  85, 

koor  57. 

korlüde  210. 
I  Korndämonen   242. 

Komakssaga  387. 

Kormakr  325. 

Komer  897. 

Komfrau   308, 

Komkatze  308. 

Kommubme  308. 

Kornmutter  308. 

Kornsticr  308. 

Komwolf  308, 

Korporationen  80. 

Kosmogonic,  Die  eddische 
366  fr. 

K9lr  301, 

Kotzeluch,   Leop.  602,  604. 

Krdka  301. 

Krebs,  August  600. 

Kredit,  r>ffentlicher  49  ff. 

Kreditgebrauch  48.  49  ff. 


Kiedi&uwn  50. 
krefja  184.  2ii. 
Krdse  a)  85.  134.     b)   (der 

Venrandten)  156. 
Kreati  125.  126.  331. 
Kreatier,  Konndin  600. 
Krenxer  45. 
Kreuzwege  359, 
KreuczQge  37. 
krieg  211. 

Krieger,  Joh.  Phil.  592. 
Kriegsfl^  337. 
Kricgiäotte  39.  43. 
Kriegsgefangene  12. 
Kri^ihom,     bei    den     altea 

Ncodländem  453. 
Kriegsknedite  338. 
Kriegssattel  226. 
Kric^verfassung  85. 
Kric^wesen,genn.33I  ff.338. 
KriemhOd  615.  666. 
Krönung  77,  89.    145.  146. 

147.  148.  149. 
Kronvasatien,    im  alten  Eng- 
land 8. 
Kudnin  285. 

Kudrun,  das  Gedidit  als  deut- 
sehe  Quelle  der  Hilde-  u. 
Kudrunsage  64t.  71O. 
Kudrunsage  (s.  andi  Hilde- 
u.  Kudrunsage)  durdi  Spal- 
tung   und    Differauietnng 
aus  der  Hiklesage  entstan- 
den 715.  GruDdges(alt7i5, 
anf  fries,  Spradigebiel  ent* 
standen  716,    Dänen-  nnd 
Normannenzfige  in  der  Ku- 
drun festgehalten  717,  Ver- 
bindung skandin.  u.    fries.- 
fränk.     Sagenmotive      717t 
neue    Motive :    gewaltsame 
Entfuhrung    der    Kudrun, 
Kudruns     Schicksale      und 
Leiden  717.  718,  aus  den 
NiederlaJiden     wurde     der 
Sagenkomplex  nach    Ober- 
deutschland gebracht   719. 
Kücken,  Friedr.  Wilh.    597. 
Künhilt  698. 
kür  57. 
Küren  83  f. 
Kugeln  227. 
ktigildi  173, 
K^lau,  Friedr.  (M34. 
Kuhn,  A.  239.  240  ff.  341. 
Kuhnau,  Joh.  589. 
Kuhn'sches      Periodensystem 

242. 
Kuhn-Müller'sche     Riditung 

242. 
Kult    124.    125.    128.     130. 

144.  '54-  I57.   158.    161. 
165.  171.  192.   197.    203. 
204.  245. 
—  Baum-K.  236. 


Sachregister. 


973 


Kult  Bcrg-K.  256. 

—  Fluss-K.  256. 

—  Qucllen-K.   256. 
Kulturen   18. 
Kultus  231.  233. 

Kultus  der  alten  Germanen, 
Gegenstände  der  Verehrung 
durch  Opfer  383  ff. 

Kultusverbände  s.  Amphik- 
tj'onieen. 

kuni  155. 

kuno-  kelt.   784. 

Kunstfertigkeit,  weibliche  bei 
den  skandin.  Völkern  477  ff. 

Kunst fleiss  bei  den  skandin. 
Völkern  476  ff. 

Kunstgeschichte,  Bildende 
Kunst,  Deutsche  und  eng- 
lische 531  ff.  Musik  555  ff. 

Kunstniythen  247..  244. 

kuntschaft  220. 

kumings  epsöre  iio. 

kur    148. 

Kurfürsten  85.   148. 

Kurmede   17. 

turmitte   14O, 

Kusser,  Job.  Siegm,  590. 

kupi  399. 

Kvasir  344, 

hvdnfang  418. 

kveldriditr  260,    277. 

kvedja   184.  211. 

kveiUt  an.  816. 

kviär  220,  ! 

Kyffhäuser3age   257. 

k^rlag  173.  I 

L.  I 

I 
Lachmann,    K.     244.     610. 

659.  660. 
Lachner,  Franz  600.  604. 
Lacringi,  -es  824.  937.  941. 
lädt   215. 

Lämmerhirt,  H.  702. 
Lander   83.    lOl.    107.    146. 

153.   208. 
Icenland  8.   177. 
Laerädr  379. 
l^t    136. 
lagabrot   1 9 1 . 
lagalqslr  191. 
lagemänntr   3 1 , 
Lagerbücher  59. 

iogh  57-  »95-  215- 
laghbok   108.   109. 
laghmaper   101.  205, 
laghsaga   lOI.   107 — 109. 
laghslit   191. 
lahcdp   199. 
laisijan   184. 
Laistner,  L.  243  ff, 
lakina  20  6. 

Lambert  Patras   von   Dinant 
537. 


Lampen  bei  den  XordlSndem 

450. 
Lamprechts,  Alexander  710, 

7>4-  7"S-  719- 

land  122.   152.   169. 

Land   121  f.  124. 

Land  in  villenage   21. 

Land  zur  Nutzung  8. 

Landarbeiter   10. 

iandb(Fr    1 1 , 

Landbüchcr  83. 
I  Landesalimcnde    10. 
I  Landescullur   12. 
I  Landesgemeinde   11. 

Landesherr  7.    124. 
I  I^ndeshoheit     81.     82.     85. 
152  f.   205. 

Lande smün/.en   45. 

Landesordnung  81. 

Landesrecht  63.  65.  63  f.   s. 
i       auch  Territorial  recht, 
j  Landesverteidigung  6. 
:  Landcsvollmacht  83. 

Landfrieden  37.  65,  79.  82. 
84.    85.     IIO.     124,     138. 

I       193- 

I  Landgebote  82. 
Landgemeinde      126  f.     129. 

'       143  f. 

Landgerichte,  kaiserl.  209. 
Landgrahen   128. 
landkerren   132.   141. 
landhldford  200. 
landkaup    199. 
Landleihe  8.   17, 
landndm    173.    200,  | 

Landnahme   173. 
Landrecht  25,  ' 

Landrecfatliche   Bevölkerung  . 

25.  I 

landrUa    I  50. 
Landschaflsrecht    104.    105. 

107. 
landsdommere    104.  1 

Landseer,  Sir  Erwin   554.      , 
Landsgemeinde  68.  69.  loi. 

109-  110. 124, 129.  143  r. : 

MS-  146.  M7-    153.   154- 

203. 
Landsknechte  228. 
Landslag  iii. 
Landslände  81.  82.    153, 
landsting  104, 
Landverteilungen     bei     den 

Germanen  2.   3. 
Lang,  A.  240. 
Langhans  398  ff.   549. 
Langobarden  64.  68  f,  124  f. 

824.  835.  853.    858.   867. 

920 — 931.  940.  948—950. 
Lantfried  66. 
lantUita   128. 
lantUute   153. 
landschaft   153. 
lantscheide  127. 


\lanisprache   148.   153. 

ianzping  129, 
i  laou<  57. 

I  Laster,  Öffentliche  7. 
I  lat   136.    137.   138. 
,  Larad   340, 
'  lat  ha    124. 

I  latt,    Icctt    ae.,     laita    ahd,, 
I       laik  neuengl.  816. 
Latzmann  368. 
,  Lauhmännchen,   Das   368. 
Laudemium    177. 
1  Laufenberg,     Heinrich      von 

580. 
^  Laufey  311.  347. 
I  laug   107. 
I  laiingednn   165. 
Laurence,   Sir  Thomas    553, 
Laurentius  Ulfsson   109, 
1  Laiirin  639.  698,  699. 
I  Laurinbilder  627. 
I  Lausitz  943  f. 
Laute,  Musikinstrument  574, 
j  Lautverschiebung,     germani- 
sche  762.  776.  790. 
— ,   hochdeutsche  749.    808. 

901,  908.  926  f, 
Lavery,  John   554. 
/rf>//  863. 
leashohis  9, 
'leben   852.    872. 
Lebensweise    in    den   nordi- 
schen Ländern  428  f. 
Leges  65.  70.  77. 
Leges  Eduardi  76, 
Leges  Heinrici  L  76. 
Leggen   29. 
legifcr    lOI.    IO4, 
Legitimation    159. 
Lehen  8.  9.   11, 
Wien   178  f. 
Lehenbiicher  59.  87. 
Lehenrecht  86.   89.  90,  91. 
92.    93.     134.     140.    141. 
147.   150.  152.    153.    160. 
168.   178  f.  210. 
Lehensgüter   im    alten   Eng- 
land 9, 
Lehensheer  6. 
Lehensnexus  6.  9. 
Lehenstreue  8. 
Lehenswesen   II, 
Lehnwörter,    kelt.  >  genn. 
787.  789.  kelt,  >got.  780. 
786.  got.  >  lit,-slaw.  826. 
dän.  >aengl.  838. 
Lehrlingswesen  29. 
Leibeigenschaft  to.  11. 
Leibesübungen  d.  altenNord- 

länder  452  ff, 
Leibrenten   50. 
Leibzeichen  212. 
Leibiucht  177. 
Leich  562. 
LeichenschmSnse  251.  353. 


974 


Sachrboister. 


ItiSa  i  i^g  130. 

Uiga  181. 

Ldghton,  Lord  Frederik  $54. 

Leihe  177.  188. 

Leine  775. 

Leinmerk  44. 

Leiten  (Kyrie  eleison)  56a. 

Leisentrlff  583. 

Leistong^  persönUcbe   18. 

Leiy,  Sir  Peter  553. 

LemUn,  Lenrent  582. 

I.einonii  818.  827. 

Uh  179. 

ütidrma^  13.  133.  133.  134. 

3>ntienset  933. 

Lenx,  Joh.  550. 

Uodräkt  57. 

LeutoD  557. 

Letbing  549. 

Leten  136. 

Letten,   lettisch  754.  760  f. 

782. 
Uto  136. 
LetzeU^pel,  Name  d.  Dtndt- 

getstei  im  EIsms  369. 
Letxel,    Nune    des    Drnck- 

geistes  im  Elsui  369. 
I^nci  796. 
Jeudes  131, 
ieudi  130.  300. 
Leudomfims  833. 
An&woi  791.  818.  830  f. 
-Uv  853. 
Leumund  230. 
/af  134, 

it^  180. 

Lex  Angliorum  et  Werino- 

rum  851.  854. 
Lex  Angliorum  67, 
Lex  Baiuvariorum  66. 
Lex  Burgundionum  63.  659. 
Lex  Chamavonim  66.  888  — 

891. 
Lex  Frisionum  70  f. 
Lex  Ribuaria  66.  901  ff. 
Lex    Romana    Wisigotorom 

63,  Burgundionum  63. 
LexSalica44.65.  7if.  887 ff, 

890. 
Lex  Saxonicam  66. 
Lex  Wisigotorum  62.  63. 
Uysinge   136, 

Ljirskogar,  Tempel  von  397  ff. 
lAerc  (enentes  9. 
Überi  131.   133, 
Liber  legiloqnus  71. 
Ltber  Papiensis  74. 
Liber  Vitae  der  Kirche  von 

Durham  651. 
Libri  sententiarum  97. 
Lichtalfeo  288, 
Lichtelfen  287. 
Lichtenberg      im     Viottgau 

Laurinbilder  637. 
Lichtgottheit   349. 


Liebgut,  Oitnlti  Witwe  677. 
Lied  von  der  BnvallMdilacht 

710. 
— ,  din.  von  Gralver  675. 
— ,  deutsches,  im  18,  n.  19. 

Jahrii.  S95ff. 
— ,  s&chi^het,  Ton  Krietn- 

hilds  Untrene  gegen  ihre 

Brüder  636.  639. 
Lieder,  dSnlKh-flrÖikhe634. 

637. 
Liederbücher,  dentiche  581C 
Uesing  136. 
Lif  383. 
Lift>rasir  383. 
Uf focht  177. 
Ligurer  753. 
Lilie  145. 
Limes  8o3.  885.   889.  904. 

931  f- 
Lindisfaran,  «i  854.- 
Lindisware  854. 
Lindpaitttner,  Peter  Jos.  599. 
Hn/J  163. 
Lingones  778.  796. 
linÖn  as.  816. 
Ijod  344.  404. 
liodgarda   1 36. 
Ij&idlfar  287. 
Liothida  830. 
liPgediHge  177. 
lipinski,  Karl  Joseph  604. 
Lippe,     Bibliographie     der 

Quellen  der  Sitte  und  des 

Brauchs  522. 
Uppert,  Jul.  243. 
Liszt,  Franz  605, 
Litauer,  litauisch  754,  759 — 

761.  763.  782. 
Liten,  Unfreie,  bei  den  nieder- 
deutschen Stämmen  4. 
Literae  initiales  534, 
Liturgieen  73.  77. 
Liturgischer     (xesang     556. 

557-  560. 
liuga   161. 
Liutprand  68. 

Liudegast  t.  Dänemark  670. 
Liud^ger  v.  Sachsen  670. 
LiviuB  742  f.   V34  777.  XL 

57  780. 
Liviandiscbe     Rechtsbücher 

93- 
lobön   185. 

Locheimer  Liederbnch   580. 
lacopositus  125. 
Lodur  346.  348.  349.  378. 

-W  852. 

Löwe,  Karl  596. 

Lofu  371. 

i9g  57- 

^i  VI- 

l^gb^rg  204. 

Iqgfesla   180. 

Logi  298.  308.  347,  363. 


t^gleyM  IIa. 
Ifgmdl  187. 
^gmmudmme  1S4. 
Ifgtmatr  lOI. 
l^ttta  146. 
ifgiaga  toi.  113.  118. 

hg^fr  174. 

hgt^guwtailr  loi. 

JfgtaU  101. 

Ifgfing  113,  134.  146. 

Lobjnngfer  394. 

Lofanbildnng  29. 

Lohnsteigerang  10. 

Lohntaxen  to. 

Lokalrecht  77. 

Loka  brenna  353. 

Loki    304.    312.    346—353. 

382. 
Lokis  VerhSltniss   in    Offin 

348-352- 
Lokkes  havre  353. 
Lombardei  950. 
Lombarden  49. 
Loos  2.  13. 
Lortxing,  Albert  600. 
Loptr  348.  349. 
Los  als  Gottenrteil  401. 
—  bei  RechtsflUlen  401. 
Lose,  Joh.    95. 
Losen    bei     den    GaraUBOi 

400  ff. 
Lossios,  Lucas  583. 
Losstage  360. 
Lotbüchsen  237. 
Lotherui  349. 
Lothringen,      Bibliogr^Ue 

der  Quellen  der  Sitte  nnd 

des  Brauchs  516. 
lotttng  203. 
Louhi  353. 
Lu,     de    lichte,    Name    f&r 

Hexen  in  Friesland   376. 
Loaran  699. 
Lucas  HoreboQt   547. 
Lucifer  347. 
Ludecus,  Mattli&ttS  583. 
Ludewlc  716. 
ludr  alln.   567. 
Ludrich  787. 
Ludwig  d.  Baier  80. 
Ludwig  V.  Eyb  94. 
Ludwig    der    Fromme     67. 

71. 
Lü,  Icpe,  Name  fnr  d.  Hexen 

in  Oldenburg  376. 
Lübeck ,    Bibliogr^ihie    der 

Quellen  der  Sitte  und  des 

Brauchs  521. 
Lugii  820.  823  f.   923.  936, 

950. 
lui/^  419. 
luta   181. 
LuUus,    Bonifatina*   Schai«r 

235. 
Lnlly,  Giov.  BattisU  58$. 


^^^^^^I^H^^^I 

Sachrkuister. 

975          ^^M 

LuatcDschlou,  Erfiadune  dei 

mdl   165. 

Mark                                                     ^^^| 

238. 

mäi,  dverjra  mäi,  altn.  (Echo : 

maria  127.                                          ^^^^H 

Liiten  567. 

die  Sprache  der  Zwer^re) 

Marke   169.                                          ^^^^H 

Lurici,  Sage  von  der  356. 

290. 

Marken                                                 ^^^^H 

mUreigen    173. 

mdlhoNm   1 28. 

MarkgcDosscn    13.                                  ^^^^H 

I^athcr,    Predigten,    Werke 

mdlda^^f   185. 

MarkgenosscDschaften    3.   4.              ^^^^H 

236. 

Malerei,  deutsche:  in  d.  Zeit 

s.                                                 ^^^H 

Lax  era  bürg,      Biblioctaphie 

Karls  des  Grossen  534- 

^^^^1 

der  Quellen  der  Sitte  und 

—  in  der    lomanischcQ    Pe- 

Markgrafschaft   124,    l$i.                   ^^^H 

det  BraDcha  516. 

riode   J29— 540. 

^^^^H 

Lygü  s.  Lugii. 
^ritareiär  31 5. 

—  in  der  Periode  der  Gotik 

merii>'  kell,  ;>germ.  7B7.                 ^^^^H 

545 '^■-55*  ff- 

Markomannen  794.  796.  894.             ^^^^H 

lyritr    57. 

Mulrrachulcn,      westHlliache, 

835,  880.  919—935.  931.             ^^^H 

l^ritti  138. 

kölnische,       schwäbische, 

934—937'  939.  941-  94Sf^             ^^^| 

typrttt^r  57. 

fränkische  546.  547, 

^^^1 

mdit  a)  168.  b)   [85. 

Markt  34.  79-  13$.  136.  153.             ^^^H 

malloberg  71,    3O4. 

— ,  Einrichtung;  in   England            ^^^^| 

M. 

maUmaprr   157. 

^^m 

malttrghandi  302, 

Marktabgaben   41.                              ^^^^H 

m  unter   Ersatzdehnung   ge- 

Man 840 

Marktgebiet  35.                                   ^^^^B 

schwunden  %.  n. 

man   139, 

Matkrecht  31.  4t.  78.                       ^^^H 

Uacborel  681. 

M&nagarmr  301.  311. 

Marktfriede    106.   125.   126.            ^^^H 

maifr  168. 

manahoubit   139. 

194-                                                  ^^^1 

Madrigal    58J.   59I. 

manh&t  20O. 

Marktrtcht  31.  79.  80.   106.             ^^^H 

fiM'ihiitene    I  57, 

Mangcn  235. 

126.  203,                     ^^^^H 

Mähicn,     ßiMineraphie    der 

M.ingonclten  33$. 

Marklverhülttiisse   36.                           ^^^^H 

(jucllcn  der  Sitte  uad  des 

manhalghi  129.    196. 

Marklverkehr  36.  41.                           ^^^^H 

Drauchs  51a. 

Mani   31D. 

^^^^H 

Mlxtite,  jährliche  bei  d.  »Iten 

Manimi  823. 

fnarlidaftdi  3(J7-                                    ^^^^^| 

Nordländern  463. 

manjafuaitt  45z, 

Maimwle  397.                                        ^^^^H 

ui4t^'burff   157. 

mannahugir  27a. 

ntaritttnnitl  397.                                    ^^^^^| 

m^gä  155. 

mattngf^td  300. 

Maroboduus  794.  923.  930.              ^^^H 

nutre   137. 

Mannhardt  293.  341.  242  ff. 

^^^H 

tmrrki  I69. 

munnhf/gi  115. 

mütvi  kelt.  ^getm.  7^7-                 ^^^^| 

»M-/   33  [. 

mannhfigr   1 39. 

Marpalt                                                 ^^^^H 

tnapfyigP   16J. 

Mannus  378, 

Marpurg,  Friedr.  Wilh.  $98,              ^^^H 

tnapgiß    163. 

manSn    184.   3il. 

Mar«  314.                                            ^^^H 

«4¥^  155- 

mannr  8.   21, 

M^iTs  Tiu                                                 ^^^^1 

MaEes:^e  854. 

ruanschaft  68.    I78.    I79. 

Mar»  Thini^us   5"'  ^^I*                     ^^^^^| 

magiilcr  opifiaum  TJ. 

matut  nutgnt    13, 

Marsaci      876   (.      882—884.               ^^^M 

Magna  Charta  41. 

mansyitgvuur  418. 

^^^H 

magitaffs  133. 

manSHs   12.    170,    177. 

Marichhufen  13.                                 ^^^^H 

Magni,  Thors  Sotin  355.  359. 

matisui  Jaminüatus   I4. 

Marschner,    Kari    Heinrich             ^^^^| 

Uagnos  Birghttson  1 10. 

mofuus  seniiiis  14. 

^^^1 

—   Eriksson    109.    III.    113. 

manlcl  (Gätcr  In  Schweden) 

MarsI  S04.  813  r.  877.  894.             ^^^H 

^  Krlinifsson   1 14. 

22. 

902  r.  906  f.                         ^^^^H 

—  der         Gesclzvcr  besser  er 

Mantel   159. 

Mariigni  804.  921.                            ^^^^H 

(H3ikonB[«oii}     115.      116. 

marttts  jMititiMc  145. 

Mars  ThingsuB  ii^.                          ^^^^H 

117.    liq. 

mattvrr^  130. 

Mat-ium  886.  99 1.                                 ^^^^| 

—  der  Gute  113.   118. 

marc   169. 

Maiiin  Schaflner  547,                          ^^^^H 

mtahal  a)    162.  b)  303. 

marhmdiil  297, 

Mars,  Adolf  Bemb.  60t.                 ^^^H 

moAu/lin  311. 

Marcellious  Ammianoa  234. 

Masacdo  546,                                     ^^^^H 

tttahelufials   \  &2  f. 

mar<hgang   128, 

Manovaioi  907.                                   ^^^^H 

Mahre  367  S. 

munhleila    128, 

775.                              ^^^^H 

Mahu,  Stephan  583, 

Marcomaoni  ».Markomannen. 

Mass,    bd    den    allen  Nord>               ^^^^^| 

MaibauHi  368.  387, 

hl arconitres  906.  91 5. 

Unilerii  471  fr.                                        ^H 

Maienioslein,  Du  368. 

Mardvll  317.  373. 

— ,     der      angelsächsischen             ^^^^H 

Maibrvnnenrcst  386, 

Margarete  v,    Ufinem.    106. 

Hufen                                              ^^^^1 

Idajdroming  368. 

"""'Ä'.W'i'"  30»- 

Masa    181                                                  ^^^H 

MaiKiaf  3b8. 

Marienburg,  Scblnss  an  542. 

tHOssariui                                                     ^^^^H 

majores    14. 

Marinas  744  F. 

malara,  "i,  m*trra,  -is  keh.              ^^^^| 

Maikonig  368. 

mart'tagiuM  140. 

^^H 

Maikiitii(;in  36S. 

Mark,  Kolner  (Silber)  45. 

mathan                                                    ^^^^H 

Jklul<arl,   iians  v.   553. 

—  Geldes  48. 

MaieUne                                               ^^^^| 

Makedonien  758. 

—  Goldei  48. 

maßnl  123.  203.                                 ^^^H 

976 


Sachregister. 


Matthison,  Job.  590, 
Mattiaci  876.  885. 
matzi'a  got.  822. 
Manlpertsch,    Anton    Franz 

552. 
Mayer,  Charles  605. 
Maygrefve  368, 
mayor  32. 

Mecklenburg  873,  895, 
Mecklenburg,   Bibliographie 

der  Quellen  der  Sitte  und 

des  Brauchs  521. 
mid  wgerm.  816, 
Medellag  iii. 
mtäiani  131, 
mediocres   1 3 1 . 
Mediomatrici  795  f.  798. 
Meererin,    Ballade   von   der 

schönen  643.  710. 
Meier,  John  626. 
Meier   14.    16, 
Meierhöfe    14. 
Meierrecht  177. 
Metland,  Jac,  586. 
Meili  359. 
meinUU   194. 

Meistersänger  schulen   564. 
Meisterslück  29, 
tneitek   157, 
mtkeis  got.  826. 
Mela  111  3,  32  812.  924. 
M^land   725. 
Mella  301. 
Melodien    der    Minnesänger 

564  ff. 
Menapii  772—774. 797r.  889, 
Mendelssohn  596.  601.603  ff. 
megingjardar  357. 
MengiijÖ  373. 
Mengs,   Ra])liaül    552, 
Menja  304. 
Menschen,     Schöpfung     der 

377-378. 
Menschenopfer  314.315.339- 

345-   355.   383-  388. 
Mensuralmusik   564,   577. 
Mensuralnoten,        Erfindung 

der  577. 
meotod  ags,    282. 
Meran  675. 

mert'hntti  advendirers  42. 
Mercia,  -er  838.  854—856. 
Mercurius  331. 
merrdiof    302. 
mertfixas   296, 
merkjaga  nga    128. 
Merseburg,   Palast  zu   534. 
— ,  Thietraar  von  234. 
Merseburger   Glossen    863  f. 

—  Totenbuch   863. 

—  Sprüche  233. 

—  Mundart     in     ags.     Zeit 
864  f.  866. 

Messe,  Begriff  578, 

ntcstien  33.  j 


'  nieta   161. 

Metall  fabrikate  20. 

Metallgeldrechnung  44. 

Metallgewerbe  30. 

Metallgussarbeit   544, 

Metallkugeln  227. 

metayage   18, 

Metapher  79, 

Metathesis  862-865. 

mi'teban    196.  221. 

Meteorische  Theorie  240, 

tnetod  alts.   282. 

Metrum  79.    lOl.   187. 

meizf  227. 

Meyer,  E.  H.  242.  243  ff. 

— ,  Elard  Hugo   616. 

Meyerbeer,  Giacomo  600. 

meyßskur  297. 

meyjar  34 1. 

meziban    I96. 

mezzadria    I  8. 

Michael  Wolgemut  547. 
j  niicX  asl.  826. 
1  miädangeard  ags,  377. 
j  Middelengle  854. 
!  Midgardr  304.  377. 
j  Midgardsormr  30 1 .  304.  347. 
I       378. 

I  Midgarasschlange362ff.382. 
I  tnidjungards  got.  377. 
I  midvi'trarnött    592. 
'  miekka   linn.   826, 
!  Mierce   854. 
;  Milchslrasse  317. 

Mildesheimisches        Lieder- 
buch   595. 

miUs    133. 

mililrs    I40, 

Miliais,  John   Everett  554. 

Mimameidr  379. 

Mimesii  305. 

Mimessjü  305. 

Miming  305. 

Mimniing  709. 

Mimmingus  326. 

Mimir  305  — 306.   342. 

Mimir  und   Odin  306. 

Mims  viur  (Odin)   306, 

Mindetfreie    136  —  138. 

Minderjährigkeit    186.    193. 

Miniaturmalerei,    angelsäch- 
sische  534. 

— ,      deutsche      unter      den 
Ottonen   539. 

Ministerialen    16.    17. 

niiniili-rialrs    14O. 

Ministerialitat  6,    26. 

Minna    2  I  I, 

minojiidi   131. 

minores   131. 

mirkridur  277. 

misen'i-nrdia.  al.   (Dolchmes- 
ser) 224, 

misgfrning   1 9 1 , 
Missi  67. 


missio  in  bannuin   221. 
missit&t   191. 
mi'ssus   152.  209. 
Mist  (Valkyrjenname)  370. 
Mistelzweig,        Sehntzmittel 
gegen    Verhexung     326 — 

35'. 
Mistilteinn   326. 
mi'thio   1 50, 
Mitothinus  346,  349. 
initta'ufcha  329. 
Mittilgard,     Mittingart    377. 

378. 
Mitwinteropfer  393. 

mizdö  got.  816, 

Mjölner  352. 

MJ9II   298. 

Mj9llnii   357. 

Mj9lnir  351. 

rnj'ftudr  an.  282. 

mj^tvidr  379, 
;  Mödguör  381. 

Modi  359. 

modrahniht  392. 

Möhrin,  die  642. 

Mcierir  398. 

Moser  52. 

Mözen  865. 

mohpe  nordhumbr.  816. 

Moinwinidi  918. 
\  M9kkrkalfi  361. 

Molique,  Wilh.  Bernh.  604. 
I  momber    157. 

Mon.  Germ.  234.  235. 
,  Mondsee-Handschriß.   581. 
I  Mone,  F.  J.  625. 
I  Mones   239. 

Montage  677.  694.  695.  709. 

Monochord   572, 

Monodischer  Stil    in    Italien 
(Sologesang)    585. 

Monopolstellung  der  Hansa 

■       39  ff. 

;  Monteverde,  Qaudio   585. 

Monza,  Palast  zu   534. 

Moosfriiulein,    d.    i.     W'ald- 
geister  294. 

—  Jagd  nach  M,  334. 

Morgengabe    162. 

Morgensprache  28,    166, 

Morgenslern      (Streitkolben) 
227. 
,  morgungj^-f  419. 

tnorimaritsa   'J'J^. 

Morini  880. 

irH'rk   127. 

Mörlant    (Kudrunsage)    717. 

nwrtiiarium    I40, 
,  Moscheier,  Ignaz  605. 
I  Moselfranken   908 — 912. 

tJiotbok    106. 

Motette  577.   578. 

mopfie  ae.  816. 
;  motte  xa.  816, 
I  Mouillierung    und   Assibilie- 


'^^^^^■^^^^^^s 

Sachkegistkr. 

977           ^^H 

ning  eines  1/   nnd  /  vor  / 

tnumiiJtrt    l6t, 

^^1 

oslgerm.     Sil  f.    rines    4 

Muninn   336.  340. 

^^^1 

ani:larrs.  (as.)    S62  f.  865. 

Muniitpa]  leben,      römif-chea 

Mowttovj^of  700, 

33 

n   vor  stimmkncn  Spiranten           ^^^^H 

Mozdft   5()f(.   599  f.  600. 

muH/ät   150. 

an^oTni.  (wi.)  unter  Ersatz*           ^^^^H 

Müden  865. 

MuQtenacice  897. 

debnung  geachwundcn  843.            ^^^^^| 

MüllenhofT,    K.    244.  61 1  f. 

muntman    138. 

861—866.  W>ud[rk.  fl^           ^^^H 

617.  635,  646.  653.  654. 

Mtulk|;c»chichic,     Deutsche, 

898.  -M  rbcinlrlc  abgclaDen           ^^^^^| 

659.  671.  675.  678.    6S4. 

Grundlagen  der  moderacn 

916.    unbetontes  -n  ndfrk.           ^^^^H 

68S-  703.  705,  711.    713. 

Musik  555  ff.  Die  Periode 

abgefallen    898.     tbrinfrk.           ^^^H 

733. 

de«    tjrcgorjani sehen    üe- 

^^^^H 

,                  MÖUer,  Max  240. 

saDKCS    5&0  ff.      iMusikin- 

Nuchbarschaft  166.  169.  170.            ^^^^H 

l               -,  W.  239. 

atruinenCc  des  Mittelalters 

^^^H 

1                — j  Weiuffl  5(j6.  598- 

567  ff.  Periode  des  Kontra- 

—  Entwicklung  derselben  bei           ^^^^H 

f                _,  Wilh.,  &1-.  673.  673. 

punkCts  und  der  Mcnsural- 

den  Gcnnaacn  3,                           ^^^^^| 

Münden  S65. 

mo&ik  57611.  Dcrdeutscbc    Nachmessung  32.                               ^^^^^| 

Münze  149.  s.  auch  Geld. 

Stil    unter   der  Mcrracbaft 

NachrichleiKÜenst  36.                           ^^^^^| 

— ,  Kiilner  45. 

der  ilalienischcn  und  fran- 

Nacbt&iiiien,  Bezeichnung  flk            ^^^^^| 

Münzcinhcil  45. 

zÖsiscbt^n    585  IT.     Häixlel 

^^^^^H 

MÖDzcnrerachl  echtem  D24  6fr. 

und  Kncb  592  IT,   Ktüysikei 

X:u-btjager  334.                                     ^^^H 

Münzerhitiugenotsen  87.  96. 

und  Komaiilikcr;  Das  l.ieil 

Nachlniännle.N.'uiiedesDrudt*             ^^^^^H 

210. 

59j  fr.     Oper-    und    Chor- 

gviüies  im  £Jsass  269.                  <  ^^^^^H 

Mün^erhausgftoosseDäC  haften 

musik    597  IT     tlalieniscbe 

N'acbtmahre,  a,  Mahre,                        ^^^^^| 

28.  49. 

Oper  in  Ueutsi7hland;SiDg- 

Nachtrabe,  der  363.                             ^^^^H 

Mün^fiiss  44.  4$  ff.  47. 

spiele  597  (T.  Grosse  Mei- 

Nachtrcibi-rianea,      Bczeich-           ^^^^^| 

Mönj^gewichl  45. 

ster    df^r    deutschen  Oper 

nung  für  Ilexen  377.                      ^^^^^| 

Müiizprivile^eo  4^. 

S99  ff.    Gcisiliche  Mnsik: 

Ntzfnd                                                    ^^^^^H 

Mün/rcclit  36.  45.  47. 

ChormuMk ;         Oratonuoi 

NXgeli.  Hans  Georg  596.  597.           ^^^^^| 

MünzitAtten  45. 

600  ff.    Instrumentalmusik 

Xaherrecht  151.                                ^^^^H 

Münxsysiem,  denUcbet  45. 

601  ff. 

Nvsbjeig,  Brakleat  von  836.            ^^^^H 

MunzvereiTiiguii};der  3  skan- 

Musikschulen  560, 

Haftiftitr                                               ^^^^^1 

dinavUcben  Reiche   48. 

Musikunterricht,  iltealer  563. 

na/naptila  309,                                    ^^^^^H 

MünitrerruracEcn  47- 

Muskcti^n  228. 

Naglfar                                                     ^^^1 

Mönxvcrtnt^  von   1386  46, 

MAspclI  382. 

Naglinri  310.                                     ^^^^H 

Mün;cwe»en     44.     9$,     153. 

Müspcllsheimr  34O.376.377. 

Nigrind  341.                                         ^^^^H 

I73-'7S. 

Mas])ilU  383. 

NahanarvaU,   Nahanralt,  vao-           ^^^^^| 

^-  im  skandinavischen  Nor- 

Klusieil  93. 

dilische  Völkerschaft  677.           ^^^^| 

'                        den  473  If, 

Mulesheer  333. 

^^^H 

Mullni,  Georg  $88. 

V.  Mnth,  R.  703. 

N'.iiiTungsmittcl     der     Nord-          ^^^^H 

Muncb  345. 

Mother,  Richard   ^54. 

linder  447  fil                                    ^^^^H 

mumf    136.    137.    138.    147. 

mütMhar  179. 

347.                                   ^^^1 

)50f^  157-  159.  ;63.  164. 

Myramcnn  373. 

183.                                       ^^^^H 

168. 

myrkriäur  v.  an.  260. 

Namcngabe  a]   141.  b)   164.              ^^^^H 

Muntiarteo    749  f.    ostgenn. 

M^Tltvidr  725. 

Namengebung,notilivbe4l^.           ^^^^^| 

j                     Szi  r.  skandhiaw.  816.  826 

Mythen,  volkslüno liehe,  hier- 

^^^^^1 

— 830.     840.     an^lofrie«. 

archische  344. 

^^^^1 

843.    niederdeutsche  703. 

Myllicn,     Epnit^icchische    in 

Nariici  ft.  Vamti.                              ^^^^^| 

816  — 866.870— »72.896  f. 

drr  \Vol  (die  trieb  sage  67b, 

aaial--  234,                                            ^^^^^H 

898—900.936.  frank.  X7  2. 

Mytbcnbildiing  24  1. 

\iL<«ul»in<I   334,                                    ^^^^^H 

1                        876.    nicdcrfrk.   862.  887. 
1                        890.   M94.  898 — 901.    rip- 

Mytbisibe     Lieder,     Samm- 

^^^^^H 

lungen   245. 

Sai-uix»                                                 ^^^^^H 

1                        war,  877.  fiqo.  901.   oiosel- 

Mythische  Vuraielluiigeii    u. 

Kvi^uu,      Bibliographie      der           ^^^^^| 

1                      frk.  908  f.    hessische  915 

Oll  etil  eleruiigen  blj. 

^hiellcn  der  Sitte   und  de*            ^^^^^| 

—917.    rheinfrk,  und  ost- 

Mythologie,  genuanischc, Be- 

Brauchs  ylb.                                            ^^H 

1                      frk.     917.     vogtid.     918. 

(>TÜ1'e  und  Aufgabe  330  ff. 

ttditverdr  447.                                      ^^^^B 

nneisiii,  763.  943.  erigebg. 

-231. 

NatuialbetTflge                                    ^^^^H 

763.  943-   nordböhm,  763. 

—  niedere  335.  240. 

Nanirahrericchr  44.                            ^^^^H 

obeiiifilE.  763.    bur^uud.- 

—   bobeie  340. 

Namrahrtrtüduft  37.                      ^^^^H 

alani.  823.  S35.   hochdeut- 

— prJhii-tonsche  240, 

Naonuns,  Job.  Gotü.  597.            ^^^^H 

sche  925. 

Mythologische  Dichtung  bei 

Nangationsakte    K^nig     Ri-           ^^^^^| 

Mund  arte  11  forschuD£7  30.81 1 , 

den  Germanen  331. 

cbordil.  Hcinr.VXI.(i342)           ^^^H 

829.  872.  «76. 

Mythos,  Wurzel  des,  Begriff 

^^^H 

muntilora   145. 

des  331. 

NazarcutT,  Schule  der  SS'»             ^^^^| 

Mundilfari  31t. 

Nebelkappe  390,                               ^^^^^| 

mu»i1r   140.   ibt.  418. 

Nebt^Uugen  306.                                    ^^^^H 

Germaaiacbe  Plülologle  HL    IL  Aufl.                                                                             dS                         ^^^^1 

978 


Sachregister. 


NebenhOfe  14. 

Necken  297. 

MedmMftä  161. 

Neefe,  Chr.  Gottlob  598. 

Ndia^nnift  374. 

Ndiriiig,  W.  704. 

Neiding  166.  191.  217.  218. 

iKtken  296. 

mtmtt  kelL  >  genn.  787. 

Kemetea  795— 797<  806.  934. 

mennir  297.  305. 

Nerike  831.  833. 

NagtaQeinni  825. 

Nerüms  318.  367  ff. 

Nerthuafert  367  ff. 

Nerthtu-KuU,  -Völker  814. 
850.  852.  854.  921.  933- 

Nervi!  739.  770.  805. 

Netsedistrikt  900. 

Neabznch  3.  19. 

Neubrfiche,  Anlegung  Ton  19. 

Neukomm,  S^lismund  von  604. 

Nenmei»ter,  ErdnuuiD  592. 

Keamen  558  S.  564, 

Neun  Welten  378. 

Neveoi  781  i. 

Neustrische  M&rkte  36. 

Nisren  83 1. 

tuxus,  grundheirlicher  17. 

Nibelunge    ^    Nebelkinder , 

I  mythische  Bedeutung  655. 

Nibelungenhort  657,  «u^e- 
fust  als  Rbeii^ld  durch 
die  Rhein&anken  660,  Vor- 
geschichte nord.  Dichtung 
662. 

Nibelungenlied  639,  im  Ver- 
gleich m.  d.  [>idrekssaga 
666,  im  Vergleich  mit  der 
alten  Sigfridsage   667, 

Nibelungensage,  historische 
Burgundcnsage  verschmol- 
zen mit  dem  Sigfridmyihua 
621«  erste  Einwanderung 
in  den  Norden  631,  älteste 
Form  im  Norden  erhalten 
633,  dänische  u.  faröische 
Lieder  634,  norwegisches 
Lied  634. 

—  Quellen  639. 

—  Hauptgestoltungen  651, 
oberdeutsche,  niederdeut- 
sche, rheinisch  -fränkische 
Überlieferung  651,  Gesch. 
V.  Sigfrids  Ahnen    in   der 

Vijlmingimga  652,  Sig- 
mundsage  652,  liänk.  "Wel- 
snngcnsage  653,  Odin  654, 
Sigfridsmythus  634,  Natur- 
mythus 654,  Sigfridsmär- 
eben  654,  Grunt^stalt  der 
Sigfridsage  654,  Sigfrid  u, 
Brunhild  655,  Tagesmythua 
656,  Jahreszeitenmythus 
656,  Entwicklung  des  alten 


Mythus  zur  Heroemige  bei 
den  Kheiofnuken  656,  Ver- 
sduneUung  mit  der  histor. 
Burgundensage  658,  Ein- 
wanderung in  den  skand, 
Norden  661,  iltere  S^;en- 
achicht  661,  Antddas»  aa 
d.  nord.  Mytludogie  662, 
jüngere  Sagensdiicfat  663, 
Etnflnss  auf  die  irische  Hd- 
densage  663,  N.  S.  in  d. 
deutadien  Überlief,  umge- 
staltet 664,  Wendung  da 
Sage  in  Oberdeutacäland 
665,  ZurOdttreten  der  my- 
thiächen  Partien  in  der 
deutschen  Gestalt  666,  alt- 
niederd.  u.  oberd.  Sagea- 
version 667,  An-  und  Aus- 
wüchse der  N.-S.  667,  Reste 
einer  altniederd.  Sagen- 
schidit  667,  neue  Lokali- 
sienu^en  669,  Attila  das 
Bindeglied  zwischen  Nsage 
u.  Dietrichsage  703,  Die- 
trich und  Rudrer  703. 
Dietridis  Eingreifen  in  den 
Nibelungenkampf  703. 

Nibulung  656. 

nicchessa  296. 

Nichelmann,  Christoph  598. 

Nickel  397. 

Nickelmann  397. 

Nicker  397. 

Nicolai,  Otto  600. 

Nicolaus  von  Verdun  540. 

nicor  296. 

Nictrenses  914.   933. 

Nicretes  914. 

niägjulld  157. 

Nidhad  723.  726. 

Nidh^ggr  379.  381. 

Nidpdr,  König  der  Xiaren 
723-  726. 

Nidungr  724. 

Niebeck  865. 

Niederdeutsch  s.  Sachsen  und 
Mundarten. 

Niederdeutsche  StSdtebund 
38  ff. 

Niederfranken  876  f.  885— 
901. 

Niederfränkiscbe  Mundart  887. 
890.  894.  901,  in  Ostel- 
bien  896 — 900. 

Niedericgungen  23. 

Niederrhein,  Pflege  derHelden- 
sage  am  637.  Einflvss  der 
noidfranzösischen  Epik  637. 
Spätere  Anspielungen  auf 
die  Heldensage  638. 

Niedersachsen  s.  Sachsen. 

nifgang  2 18. 

Niflheimr  376.  378.  380. 

Niflhel  335.  378.  380. 


na  297. 
NixQiang  825, 
niwum  lartd  [73. 
Hüpuk  292. 
mste  292. 
Nistreü  914. 

»iß  155. 

nifinger  194. 

mfj6i  156. 

Nmjüfa)  836. 

Nätwila  836. 

Nix,' der  298  ff. 

Njala  256.  271. 

NJ9rdr  311.  320.  323E  379. 

-uff-  Veiba  816  f. 

Näatütt  323. 

n^el  46.  47. 

nobiles  I32. 

NOrgen  294. 

Hikk  296. 

Nomaden  757  f. 

Nomadentum  lO. 

Nonnengeige  573. 

n^Ttnur  341. 

Nordalbinger  870  f. 

Nordamerika,      Bibliographie 

der  Quellen  der  Sitte  und 

des  BraudiB  524. 
Nordaohymbra    {vtests    lagB 

125. 
Nord(an}hymbre  854. 
NordbChmen,  -iscb  763.  V^ 

auch  Böhmen. 
Nordengle  854. 
Nordfolc  854. 
Nordfriesen  848  f. 
Nordgermanen  s.  ^cadinawler. 
Nordian  729.  734, 
Nordisch  s.  Skadinawier. 
Nordhumbrer  854—856. 
Nordschwaben  870.  933, 
Nordstrand   848. 
Nordthüringgau  870. 
Nordungam  944, 
Nflri  310. 
Korici  782,  794. 
Normal  zinsfuss  59. 
Normandie  838.  84I. 
Normannen  827.  837 — 842. 
Nomagest  283, 
nornagreylur  282. 
nomaspi>r  283. 
Nomen  281 
Nomengrütze  283. 
Nomir  282. 
Norr  298. 
Norwegen,   Bibliographie  der 

Quellen  der  Sitte  and  des 

Braudis  529. 

—  Entwicklung     der     Wirt- 
schaftsveriiUtnitse  ii. 

—  56,  100.  loi.  113 — 117. 

122  f. 
Norweger    828—830.    832  t 
837-  859-84»- 


Sachr£oister. 


979 


MotarUt  85.  flS. 
ntttdiiK   205. 
NiHle\»er  389. 
ttatttia    X  B9, 
Xotitia   59.  68. 
Xolkcr  Ua,lbiilus  561.  563. 
Nothcrschc  SequeozcD  36 1. 
Noit  310. 
növa/ia   13. 
Nwaricsii  9(4. 
Nuithon«  8  50. 
Nuodtmc  6i>3. 
IfäitAn  379. 
Nutzung,  Land  Kur  8. 
Nuuuogsrccht  2.  177  ff. 
Nutzunpvn-'halUii*4pdcr  Wil- 
der 19. 
jflyXr  296. 
«y*Kr  197. 
n^Mitr/r   lOO.    I18, 
nymfhae  ulvestret  27O. 

O. 

Ä>osn:cnii.  ti82if.  ^-Dd. 
d  bczw.  an,  ndfrk,  uo  898. 
—  Cnlicüitites  ö  >■  anglo- 
frs.  \M.)  a  861—864.  — 
-6  >  oalgerro.  -a.  wgenn. 
.0  810.  Sir  — 833. 

Obereigentum   IJI. 

Oberiiol  80.  81.  308. 

Ob«rkÖnig<:  II. 

Olwrniärker  6.  16.  19. 

Obciptalz  918.  941. 

'Oßtoi  950. 

Obwn  575- 

Obrccht,  Jacob  579. 

obilagium   184. 

OctBvtrnciitdiDiren  $55. 

Odr  373. 

OdJiiiÄttkr   381. 

idai  [0.    134.    172. 

Odalbonden  li. 

Oden  far  fBrbl  334. 

Oden  jaßcr  334. 

Odciu  JaKl  334. 

Od«  776. 

OdUo  66. 

Odin  245.  258.  318—346. 

OdimHUgr   32g, 

Odins  Teilnahme  am  Schick- 
sal der  Weisungen  634. 662. 

0<lin-Hoenir-L/jki  350. 

Odo  von  CUigny  571. 

OduKcr  822. 

Odmker  619.  689.  690. 

Ödvoeiir  344. 

Odytaeostag«  677.  732. 

cedrecht   177. 

CfVeoUicKkeit   130,   189.  212. 

Ovglin's  Liederbuch  $81. 

Oic  47.  48. 

Orhtg  48. 

OstT,  ^Vtlam  Kritdricb  552. 


Ofterrctch  (Suat-  und  Land- 
■dioft),  BibUoKTapbie  der 
QnclIcD  der  Sitte  und  des 
Brttuchi  507. 

—  Wiedergeburt  de»  dcut* 
•eben  Hpos  in  638. 

Österreicher  947  f. 

ÜMg/Vta  lagh    108. 

oferhYmn   JOü. 

OflÜi  6g. 

offfnunge  78, 

ofßiium   14O. 

ofraUer   138. 

'ohi  906. 

ei(a-  kelt.  >  genii.  787. 

Okke«Mi»  5;  9. 

Okku]<.iltf>n    176. 

QkulM\r  357. 

j"/.  lic/.cichnun^:  lur  Gulnuhl 

41;:. 

01i»fr  IjudrydartDit   258. 

niafii.H.  113. 114  258.361. 

Olal  Iielyi   35»!. 
fSurr  IrttclRJa  338.  389. 
Ulaus  Maf^us  424. 
(Jldenlmru,   BiblJo^phie  der 

^itctlen  der  Sitte  und  des 

Braiichs  523. 
Ollem»  349. 
t^lriin  722. 

Qlrünar-Efjill  734.  730, 
ämage  157. 
ombecht  132. 
Onibtones  780. 

Onarr  31O. 
^nävrgi  398. 
fndWgi'iililnr   398. 

Ottovai-ctu  83a. 

Opdal,   KiixhenlhUr  627. 

fiper,  Enlwicklunji  der>clbcn 
385  ff.  Deutsche  Oper  589. 
Deulscbc  Oper  in  Hamburg 
590.  ItalienJK'be  Oper  iu 
Deutschland  597  fl".  Sing- 
spiele 598.  Gn«üe  Meisler 
der  deutscher  Oper  599  ff. 

— ,  Die  koiuiscbe  600  ff, 

Opfer.  Entstehung  250.  383. 
Altgermanischca  384.  Her- 
gang beim  C^pfcr  393  ff. 

Opfcrfcucr  3S7, 

Opremiahl  383. 

Opferprleater  383. 

Opferschmaiti  388.  399. 

C^enteiiie  253. 

OprenrerbiLsde  388. 

Oprerzeiten  der  albeo  Get- 
tnanrn  390  fr. 

Optimatcn  69.  74.  75.  76. 
131  —  133.   146.   1+7. 

»ptimairt   131, 

Orakel  218. 

Orcbe*(er,Anßnsede>KunMo. 

$r6. 


orddl  218. 

OidincB  judidorwn  Dei  77. 
89. 

Orendel.  Spiclmaiinsgcdiclu 
von  K'inin  O.  633.731.  Zur 
Verbtrrlichung  des  f^rauen 
Rock»  Christi  vcrf.  733, 
histor.  Bezicbun^a  732. 

Orendel  im  Anhang  mm  HB. 

733- 

OrendeUage,  frei  von  hf«tor. 
Kinwirkunsen  722.  ab  £m- 
(Uhningiiage  722.  Cber- 
licferiing  731.  732.  Spur^jn 
eines  zur  Brautwerbung*- 
s^c  Hmge»taltetcn  altgcrm. 
Heroetimythiui  732,  der 
Xame  gemeingermaniKh 
733,  epi&chc  Fonn  der  alten 
mythischen  Sage  733, 

Drcufii  739, 

Organum  574. 

Oxguum  (Mehrstimmigkeil) 
S62. 

Orgel,  &Imikiiucnun«nt  574. 

orieenf   21 6. 

Otkrie}'-lDseIn  840. 

Oriamlus  Lbssub  379. 

Or]ogw.'hUTe  39. 

Omithoparchos.  .Yodrcaa  581. 

arnum    10,   170, 

Orms  Päitr  Stijrölf'asoaar  649. 

Ort  der  G6ttervcrel]ning394ff. 

Ortnlt-WolfdifUichsage : 
yucllcn  640.  tnbah67ifr. 
ObcrdcuUdK!,  niederdeut- 
•ehe  Cberiicrcrui^;  mhd. 
Spidmaimseodichic  671. 
Urspnmg  wesenilicb  histo- 
tiÄ-li  67».  Kern  der  Wolf- 
diciridisoge  die  Gescb.  der 
Memwioger  Tbeodorich  u. 
TLrwdcbeit  673.  Abwei- 
chende Hypothese  Müller» 
u.  Btits»  673.  Lokaliiüe- 
rung  in  Griechenland  673. 
675,  nur  hi-vturiscbe  Ele- 
mente 674.  Auffindut^ 
Woirdietiiciiü  luiter  den 
^\'ölfcn  674,  Zeil  der  Ent- 
stehung der  S.i(;e  674,  Iht^ 
IrAokiscbe  Heimat  675,  Ein- 
wirkung auf  irische  K^eti 
675,    eddischo    HdgitiL-def 

675,  iOngerc     Bestandtaile 

676.  Abenteuer  Wolfdie- 
trichs 676,  fremd«  EinßUasi- 

676,  ,Kampf  mit  den  Gei- 
Mcrn  677.  Verbindung  W.'i 
mit  Orinit  u.  dessen  Wittwe 

677.  Hanungeosagc  alter 
TUidiltachcr  l>io&kuren- 
mylbus  677—679.  Xjjkali- 
sicning  in  Ritssland  679. 
Wanderung  der  Sage  Dach 


98o 


Sachregister. 


ObCFdentschluid  680.  Lo- 
kalisierung in  Rnssland  679. 
Wuidenuif!  der  Sage  oach 
Oberdentsdiluid  680.  Lo- 
kaliäenmg  *m  Garda-See 
680.  WolHietrich  tritt  «n 
die  Stelle  de«  jOogeren  Har- 
,  tung  360,  Verbindung  der 
Ortnit-  XL  "WolfdietrieSsage 
680.  Dichtung  d.  13. Jabrh. 
680.  681.  Berührung  zwi- 
schen der  'Wolfdietrichsage 
und  der  Sage  Dietrichs  v. 
Bern  681.  O.'sage  als  Em- 
fOhnmgssage  722,  Hartun- 
gensage  im  Ortnit  733. 

Ortsgemeinde  16. 

Ortsnamen,  keltische  774  f. 
78a.  800—802.  auf  -o^ 
>  -^,  -/e  774  f.  800  f. 
franzOs.  auf  -in,  -ain  887. 
dänische  auf  -Itv^  -ISf  853. 
niederdeutsche  mit  Sdivuod 
des  »  vor/  oder  mit  j6>j 
O-i)  864  f.  südwestfaiische 
801.  873.  906.  ripwarische 
mit  d  oder  ö  •<  germ.  au 
862  f.  ripwarische  und 
moaelfMLnk.  vai -scheid  x^oi. 
906.  908,  auf  -anel,  -ohl 
906.  moselfrftnk.  und  lo- 
thrii^ische  909.  auf  •keim, 
hem  887.  917  f.  auf  -ingeu 
918.  thüringische  auf -/ed^n 
852.  872»  auf  -steät  und 
-rodt  847. 

Orts-  und  Personennamen  als 
Quellen  f.  die  Heldensage 
635.  636. 

Ortwin,    in    der   Kudrunsagc 

715- 
— ,  in  der  Dietrichsage   675. 

—   V.   Metz   im    Nibelungen- 
lied  669. 
Osantrix  701.  720. 

Öserich  (Osantrix),   Vertreter 
der  Wilzen  u.  "Wenden  70 1 . 
Osi  736.  8 IG. 
Oslander,  Lucas  d.  ä.  583. 

Ospirin  701. 

Östarmänoth  374. 

OstOTnonat  374, 

Ostfalen,  ostmiisch  870—872. 
926.  942. 

Ostfranken  916 — 918. 

Ostgermanen  786.  790  f.  801. 
811 — 827.  Räumung  Ost- 
deutschlands 930,  950.  Ost- 
^^cTiiinnische  Spracheinheit 
tio9  r.  821  f.  Ostgerm.-ska- 
liinnw.  Spracheinheit  809 — 
Si:.  815—818.  -d>-ö 
810. 

05t);oU;n   619,   825.  830. 


Ostmitteldeutsche  942—945. 

ostnordisch  828  f. 

Oswald     von    Nordhumbrien 

Oswaldsage  710.  721,    Züge 

der  Hildcsage  darin  721. 
Otfrid  623.  635. 
dMar  as.  866. 
Otia  Imperalia  236. 
Otr  297.  350. 
Ott,  Joh.  581. 
Ottonisdie  Privilej^en  35. 
Otto  von  Freisii^  613. 
ou  s.  au, 
Ovctoytatree  835. 
Ougel  731. 
Oulers,  Walter  554. 
Overbeck,  Friedrich  552. 
overdracht  185. 
overhore  213, 
Oitaiova  776- 
Ovigotivot  835.  851. 


P. 

p  kelt.  abgefallen  783. 

Pachelbel,  Joh.  589. 

Pacht  6. 

Pachtformen,  Meiere  18. 

Pachtsystem  23. 

Paderborn  864. 

Pächter  II. 

Paemani  739. 

Pagament  46. 

paida  got.  762. 

Palatialstädte  24. 

Palatium   I4.  24.  27. 

Palestrina  579.   586. 

Palcstrinastil   579, 

Paltar  324. 

Palnc  Jopger  307.  334. 

Pansflöten   575. 

pant    183. 

panteidinc  78. 

panz    [22. 

Panzer  226  ff. 

Pan/erkapiizc   224. 

Papianua  63. 

Parcae  s.  Schicksalsgöttinnen. 

Parentelen   156, 

Parise  la  duchcsse  674. 

parlamentum   1 04. 

Partisane  227, 

Passacaglia    585, 

Paterson,  James  554. 

Pafrizier  136.  141. 

Fatrizierfamilien  26.  39. 

Pauken   575. 

Paul  Franke  54S. 

Paumann,  Konrad  580. 

Paulus    Diakonus  334.  269. 

369.  948. 
Paulus      Diakonns      bezeugt 
IJeder  über  Alboin    620, 


Bericht      über      Anthari'» 
Brautwerbung    630.    730. 
731. 
•pe  in  Flust-  und  OrUnamea 

774 f.  Soor. 

Fecs^tan  854. 
Peikabagms  got.  780. 
Pelwonn  848. 

penna  kelt.  762.  775.   778. 
Ferchta  38o  ff.  391. 
Perchteo  280— 381. 
Perchtenlanfen  380. 
Perchtentag  380. 
Peredeo  73 1. 
j  Pen  585. 
Perkünas  358. 
Perkunia  762.  783. 
PercussionsscbloBS  ( 1 820)  328, 
Ferner    und    der  Wondererr 

Fastnachtsspiel  643. 
Perpentikularstil  543. 
Personalitätsprinzip    65.    69, 

77-  137. 
Personennamen,  kelL^^getm. 

787,    germ.  >  slaw.    788. 

sächsische  864, 
Personen-  imd  Ortsnamen  ab 

Quellen  f.  die  Heldensage 

625.  626. 
Pest  von  1349   10. 
Peter  Christus  546. 
Petersen,  N,  M.    245. 
Feter  v.  Aadlo  98. 
Peter  Vischer  545. 
Petrariea  235, 
Petros  Fatrikios  6  950. 
Petrus  Sax  849. 
Feuce,  Peucini  823. 
Peulingersche  Tafel  745.  860. 
Pfannerschaft  31. 
Pfaffe  Konrad  719. 
Pfahlbürger   136. 
Pfalzgraf  152.  209. 
Pfand   182  f.    184.   185.   221. 
Ffandschaft   153.    183. 
Pfannenscbmicd,  Heinr.   245. 
Pfeifen  575. 
Pfeiferbrüderschafe   166, 
Pfennig  45.  48. 

—  Rejjcnsbui^er  45. 

—  Wiener  45. 
Pfcrdehaltung  19. 
Fferdckampf   bei    den    alten 

Nordländern  453. 
Pfintptbaum  387. 
Plingsiklöuel.  Der  368. 
Pfingstkönig  368. 
Pfingstniaie  368. 
Pfinztag  355. 
Pflanzenseele  342. 
Pflaumenwolf  308. 
Pflegeeltern     im     skandinav. 

Norden  416  ff. 
Pfleghafte  Leute  a$. 
PAugland  7. 


^^^^^^^^^^^B 

Sachregister.                                           ^t         ^^^| 

'                   PfluK  Landes  7. 

Popans  292. 

Prudcntiiu  561.                               ^^^^H 

Ffund.  Bcrnrr  45. 

PorUtii^rgcln  574. 

prtitisrrba   161.                                      ^^^^^| 

— .  DeuUcb»  44. 

Portgercfen  31. 

Pnlmeni^Han;;  357.  360.  564.            ^^^^^| 

— ,  RCmiM-facs  44, 

Fowiinen  567  ff.  575. 

Pnlmodie                                           ^^^^^| 

— ,  Sterliog  47. 

PoMidCnii»  741  r.  771.  777. 

Psallerium                                          ^^^^H 

^ahi  57. 

79*-  795  f.  S79. 

Psalterium  aurcuni  534.                      ^^^^^| 

Phöl   324. 

Posen   944. 

PtolemBioa  743,  825.   1/9,9            ^^^^| 

Plmgpr  75^.    757. 

Posen,  BiÜiograpbic  der  Quel- 

796.   U.fi   796.  903.  93>'            ^^^H 

Piet«  de  WitiP  548. 

len  der  Sitte  11.  des  Bnoch« 

//,  7  837.  837.  903-     "'^            ^^^H 

Pilatus   Rie-se  309. 

520. 

832  f.  929.  i>^  9  851.  949-           ^^^H 

Pilgrim   V.   PaL-vJUm  63 1.  702. 

Poynter,  Edward  554. 

ri.jo  919,  941.  946.  tt,n          ^^^^M 

Piloly.  Karl  v.   553. 

Praeceptum  65.  68.  69. 

910. 946.  II,  IS  857.  it,  js       ^^^H 

Pinis,  FriftJr.  Wilh.  6C4. 

Praeraphat^lilen,     Schule    der 

791.    U/s.ft  824.  826.           ^^^H 

placitttm    133. 

554  ff. 

PuMicIftlea  97.                                      ^^^^^B 

Plänttrwirtschalt  lo. 

Prärogative,  kimigl.   1 1 , 

^^^^1 

Plaßale,  die  vier  Toiuirtcn  559, 

Praetorium    336.     355.      202. 

Pureell,  Heoiy  393.                            ^^^^| 

riAiCik  in  DcuUcliJanil  544  AT. 

365.   367. 

PuiKum  787.                                ^^^^1 

550  fr. 

— ,  Jacob  588. 

F>-theaft  741.  763.  773f.  786.           ^^^H 

Plastik    in    EngLind     543  fT. 

— .  Mlcbnel  583. 

789.  80a.  843.                              ^^^^1 

55' ff. 

Pni^r,  die  MjtlendiuLc  546. 

^^^^H 

Plastische  Bildwerke  dM  13. 

precaria  a\   135,  b)   177. 

^^^^1 

Jahrb.  538. 

Prccaricn  17,  27. 

^^1 

PlaUcnrüstuDi^en  225.  Z36. 

Preisbildung  29. 

—   für  PWdc  237. 

Preusscn  899  f. 

Qtiade                                                      ^^^^H 

pUchkaftf    [35. 

— ,    ijst-   lind   WcstpreuMen. 

gua4i  777  r.  794.  804.  858.          ^^^H 

Plci;el,   X'^mu.  (1O4, 

Bibliographie    der    Quellen 

880.  921— 923.  93or.  937.        ^^^H 

PliniiM  dir  älteri^  743,    Nat. 

diT  'rAKKv  und  des  Rmucbs 

^^^H 

hiit.  743.   // i/rt  931,    /// 

520. 

Qu»(lri|>i>rtitua  76,                             ^^^^^1 

JS7i<i-yt''^  7^0.  0Ö790. 

Priester   j8.    I44.   154,   220. 

QiiaiT/  60 1 .                                        ^^^^^^1 

8t3.  638.  S44r.     97  827. 

—  der  Ocrmanea  399  ff. 

Quartan                                                   ^^^^^| 

99  81 1  f.   820.    623.    844. 

Priestetinnen    der   Germanen 

QHedlinbur};cr      Annalcn      s.            ^^^^^| 

871.  877  f.  924.    ioi  891. 

400  fr. 

AtiDaleD.                                         ^^^^1 

106    795  f.    8g  I.     Xy/  6 

Pric«tenum.        Germftiiixhcs 

Quellen  fUr  die  germ.  Etboo*           ^^^^| 

778.      XXXVII  J5    786. 

383.  399. 

graphie  741-753.                           ^^H 

789.  845. 

primatff   132. 

—  fUr  die  ^jittengrsrhichtc  des           ^^^^H 

Plinius,    der  jüii|>cn:,   Eß.  // 

pritni  131. 

9.— 1::.  Jnbrb.  4S1  ff,                     ^^^^| 

7   868. 

pritufpi   123 

QuellonvhatE  d.  gemi.  Volks-            ^^^^^| 

plöstarhüs  ahd.   393. 

Prisai»  6i3.  659. 

«age  lind   Volkssille    34  t,                ^^^^^| 

fitthta   395. 

prtvatn  atiiit'fntia    149. 

Qtiirllen.CbeTsicht  63$  ff.                    ^^^H 

Pluuircb  (viu  MatÖ,  vIta  Cue* 

PrivaLiTl leiten  58  f.  63.  70— 

(Quellen/ et! gnis.ie    d.    altgerm.            ^^^^^H 

£.iris)  334. 

74.   7ti.    113  f.    117.    130. 

Religion  naih  ihrem  Werte          ^^^^^B 

Pluurchos  ;8o. 

PrivaL-irchituknircn  des  12.  u. 

^^^H 

FoclmaJin  95. 

13.  Jahrh.  536  ff. 

Quellcnkiüt  296.                                   ^^^^H 

FocnitentiAlbächcr  76. 

Privatgnmdcicentum  8. 

gucllopfcr  585.  587.                          ^^^H 

Poesie,  epifche,  im  $.  luid  6, 

IMvik-cien,  könicUcbc  25. 

Qiwaldui:ii  880.                                   ^^^^1 

Jahrb.  in  den  Krci^cQ  der 

— ,  ottoniKhc  25. 

QuemknurrcT  297.                            ^^^^H 

Könige    und    Helden    jje- 

Privilegien    68.    6g,    70.  76. 

^^^^H 

pllegt  622,  von  der  Sptcl- 

77.  79.   81.   85.  99.   105. 

^^^^H 

Imitcn    Hurgetiommen    634, 

110.    13a.  133.   134.    140. 

^^^H 

Widrrsland    der    Geistlich- 

142.   152.   153.    173.   209. 

'                        keit  635,  Wtcdct^ebiift  in 

Proch,   Heinr.   597. 

Raben<ichlachl  689  ff.                          ^^^^| 

ötiCTTfich  638. 

Procop  234.  622. 

—  mhd.  Golicbt  640,                      ^^^^H 

Pweta  Sax"  Ö23. 

procurntio  i^b. 

Rache  163.  166.  192.  196,             ^^^^| 

1                   Pohjnia Wirtin  353. 

Proetbnischc  Kullurslufc  24t, 

RodschlocB  229.                                ^^^^1 

Pnilwn  86$, 

—  Periode  24*. 

Riebom.  Sir  Hertcy  533.               ^^^^| 

PoiUeiHlorf  S65. 

Professio  juris  69, 

rttdm   57.                                              ^^^H 

Poijmje-Sclmpfe754,  763.782. 

Prokopios,   ft.    Galih.   /  ///. 

rtrfsta  ping  209.                                     ^^^^^| 

Polizei   6.   82.  84.    125.    127. 

879.  Ji  fi   834.  836.  851. 

ratlSiii                                                         ^^^^^k 

Poliztigcwalt   5.  6, 

lyjo  851.  fi.  rand.  i  3 

Rätsel  der  Sphinx  (Laistoet)           ^^^^| 

Polterseiit  293. 

831. 

^^H 

Polybio»  74  t. 

preprism  170. 

rtrttara  fitmff  209,                               ^^^^H 

1                 Polyonymie  241. 

Pro«eo     (Se<|uenzeamelodien) 

ragtnbHrgja  30fi.                                  ^^^^H 

Pommern  545.  873.   8') 5  f. 

sfii. 

RagiiL-uri  833.                                    ^^^^H 

Pottdirs,  Cbriuopb  552. 

Proxc««  64.  6^,  69.   83.  84. 

Ragnacber                                          ^^^H 

Poock  291. 

89.    176.    iSo.    211  —  222. 

R.ignaTkü  830.                                  ^^^^| 

982 


Sachrbgister. 


Ragnaivlc  383. 
Ragnarekmydna  310. 
R^nir9kkr  383. 
Hjignarelumytlien  344. 
Ri^pandripa  634.  664.  687. 

710.  711, 
Ragvald  logemimdiion  iii. 
IUbin1,e)de  86$. 
ramarkir  128. 
Ranuuodbergitein  627. 
RAn  303. 
RftDdvär  685. 
IUiii(hi)ldA  822. 
ranns^hi  311. 
rape  124.    127, 
RasKliDttnimente  571. 
Rat  (der  Stadt)  80.  126.  136. 

153.  190. 

—  des  ReidiB  iio.  133.  146. 
148. 

—  des  LaDdeshemi  140. 
RaUtoskr  379. 
Ratchis  68, 

rdf  185. 

RatteofUnger,  der  von  HamelD 

356. 
Rauch,  Christiall  55t. 
RauSr  364. 
Raubnficbte  260. 
Raumariciae  830. 
Raiuad  796. 
Raveana  689.  690.  694. 
Reallast  178.  184. 
Realrecht  184. 
KealunioD   122. 
Realverträge  185.  189. 
Receptionen  90.  91,  98.  102. 

III. 
RecbnuDgsgeld  45,  46, 
Rechnungsschilling  43. 
Recht  57  f. 
rechtelts   195. 
Rechtlose   14I.  218. 
Rechtsaufzeichnung     s.    auch 

Denkmäler. 
Rechtsbriefe  79.  82.  99.   105, 

106. 
Rechtsbücher  59,  70.  72.  76. 

89 — 96.  100  f.  102  f. 
Rechtsgenosse   129.  137.  212. 
Rechtsprecher  lOi. 
Rechtsübertragungen  78.  80. 

81.  94,  105. 
Rechtsverbände   lOl. 
RechtsEug  80.  206.  308. 
Recitierender  Gesang  557. 
Rectiludines  76. 
-rerf  864, 
reäa   57. 

ridgevQ   153.    208, 
redja   57. 
reepning  22. 
rceve  22.  32. 
Reformationen  81. 
R^ien  152,  170.  176.  178. 


R^entburger  Pfeno^  45. 
regln  an.  (Äsen  im  Ü.)  282. 
rtginnaglar  398. 
RegiDO  von  Prfim  275.  563. 
rtht  57.  141.  303.  310. 
Reich  123.  124.  145.  146. 
Reidiardt,  Job.  Friedr.   596. 
ReichiKeKtze   65.   85.    105. 

IIO.    III, 

Reich^oldwBhnuig  46. 

Reich^of  86. 

Reicbakanunergeridit  85. 

Reichsrecbt  77. 

Reichschuldenwesen  49. 

Reidistage  104.  132.  145. 
146.  148. 

Reichsunmittelbailceit  6, 

Reichsvogtei  149  f. 

Reichtum  133. 

reiia   l8l. 

Reidanj^r  357. 

Reidgouland  837. 

Reidgotar  817. 

Reiferscheid  901. 

reiks  got.  826. 

Reilmerk  44. 

Reim  79.  94,   187. 
1  Reinfried  T.Braunschweig639. 
'  Reinken,  Joh.  Adam  588. 
;  Reissiger,  Karl  Gottl.  599. 
,  Reiterheere  19. 

Rekkessvinth  62. 

Religion,    Begriff  230,    231. 

232. 

Remedius  68. 

Renaissance,  deutsche  548, 

Renaissancestil,  der  italieni- 
sche in  Deutschland   548. 

Rentenanstalten  50. 

Renlenbriefe  50. 

Renlcnkauf  49,   184. 

Rentner  26. 

Rentwin  679, 

Reperlorien  97, 

Rcsponsorien  557, 

Retraktrecht   151.   172. 

rtfitarbdt  116.   12O. 

r^ltr  57,   141. 

rex   144. 

Reudigni  850. 

•reut  918. 

I  Reuttcrlicdlein  581. 
]  Rej-nold,  Sir  Joshua  553. 

Rhabanus  Maurus  561. 

Rhaw,  Georg  582. 

Rhfitt  800, 

Rheinfranken,  ihr  Anteil  an 
der  Nibelungensage  656. 
658.  660. 

Rheinfranken  916.  918. 

Rheingold  657.  660  f. 

Rheinprovinz,  Bibliographie 
der  Quellen  der  Sitte  und 
des  Brauchs  523. 

Rhebsberg  898, 


Rheiiuime  37, 

Rhenus  800. 

Rhio  896.  898. 

Rhodanoi  781. 

Ribcdd  und  Gofalbots,  Vii» 
710. 

Ricercate  585. 

Richter  tiehe  Gcridttahatter. 

RichtBteige  92. 

Rieferath  90 1. 

Rica,  Ferd.  604. 

Riesen  296.  300. 

Riesen  in  der  Sage  Ton  KOni^ 
Rother  730. 

Riesenland  301. 

Riesenq>idEeug  309. 

Rietachel,  Ernst  551. 

riß   128. 

rigens  ret  og  deU  33 1. 

Rigr  318. 

r\gs  kelt.>-germ.  787. 

riht  57. 

rihter  204. 

rihtunga  203, 

rdi  111,   154. 

rViis  altpreuss.  826. 

rikis  samtala   HO. 

Rimbert  235. 

rinc  206, 

Rinck,  Joh.  Christ,  Heinr.  60 1 . 

Rindr  365, 

Rindviehzucht  19, 

Ring  162. 

Ringbamiscbe  225.  226. 

ringrSr  128. 

Ripuarii  877.  881.  901 — 909. 
917.  923. 

Ritter  6.  25. 

ritter   I33.   I4O 

Ritter   133  f. 

Rittergesellschaften  88.   2IO. 

Rittergut    173. 

Rittergüter  8. 

Ritterlehen  8.  3i. 

Ritterstand  9,  229. 

Ritterzeit,  Deutsdie  im  12, 
u.  13.  Jabrh.  482  ff. 

riiuht  57. 

riuckUr   153.   208. 

rohoratio   190, 

robur  Joris  354.  396, 

Rockenphilosophie ,  die  ge- 
striegelte 236. 

■rode  847.  863, 

Rodensteiner  307. 

Rodingcir  701, 

Rodolfr  ;oi. 

Rodungsverbole  19. 

Roediger,  M.  684. 

Römerstadte,  alte  24. 

RCmerstrassen  36. 

Römisches  Recht  59.  62.  63. 
68.    72.    75.   81.   93.    93. 

94.  97-  '34- 
Rogaland  839. 


^^^^^^^^^^^B 

Sachregister.                                        983       ^^^| 

Roe«rius  conu-ft  701. 

Runen  kttslc^r  n ,      C 1  vrmon  ter 

SagenfnnTchTiiiii,     Kritik     d<r           ^^^^^| 

Rogg«nbund  308. 

626.  723—725.   738. 

Quellen  617.     Verwertung          ^^^^H 

RoggcDsau  308. 

Runke)st«in,      Fretkencyklua 

der  Zeugnik-ie  617.                          ^^^^H 

Roggenwolf  243.  30B. 

617. 

Sagenüioflc,     ihre    Entwicka-           ^^^^H 

Kt^cr  von  der  \Ve)*cleti  546. 

Ruodlieb  6jl.  720. 

lung^escbicbtc  617.                              ^H 

Robdc,  E.  244. 

-ruf  865. 

Saga  in  der  gemi.  Mythologie             ^^^H 

Rohstoff  31. 

Rupredil  v.  Frdainf!  96. 

^^H 

RohrflClcn  573. 

Russm  833  f. 

Ssfiaa  334  ff.  355.  358.                      ^^m 

Roluid    136. 

Rj-dbcrg.  V.  346, 

Sagemammler  239.  344  ff.                ^^^H 

KomsDCD    63.    l>3.    65.    69. 

R)-gir  818.  830.  839. 

lagnaramii  402.                                  ^^^^H 

138. 

Sftbs  233.                                          ^^^H 

RoCTuiiiiKli«r  Siil,    BcgrifF  u. 

Sah^nAt  317.                                  ^^^^1 

EntwickeJung  536  ff. 

S. 

taiifoe  44.                                               ^^^B 

Kombcrg.  Andr.    604. 

Snatcninsirumeatc    (in    vorBe-           ^^^^B 

.                 — ,  Ucnihiird  604, 

S.  Nnminativ  s  831  f. 

l^schichtl.  Zeiten)  569.                 ^^^^H 

Robrc,  Cyprian  de  579. 

SaalbüduT  51]. 

^^^^1 

•/^  832. 

SaaJe  775  f. 

stttan                                                     ^^^^H 

Rownbcrg,  Adolf  554. 

Saliene  674. 

^^^^B 

Rt»i-nE«rt«rr   381. 

Sab<K-i  780.                                    saU    I86.                                               ^^^^| 

— ,   Gfschichlt;  vnni  639. 

nathn    3  11, 

Salade                                                     ^^^^H 

R(K.enig»rlenklimpf(.-,    Ster/iii- 

^ch»,  Hans,  diT  hüracn  Seu- 

lall    180.                                                     ^^^^H 

ger  S|iii?]    643. 

friil  642. 

Salieri                                                     ^^^^| 

RoftcnRarten-.SÖgL-  670. 

Sachsen,   Königreich   feintchl. 

Salii  868  f.  881.  883.  885—          ^^^1 

RoMntiitillcr,  Job.  587. 

Voiglland,  Altecdmri;),   Bi- 

^^^H 

Ronenvinjic   53, 

hlio^mphie  der  (jhielleii  der 

Salinen   30  ff.                                         ^^^^H 

*i'ofti)iit4iii  817. 

Silic  lind  d(^&  Braucbä  517. 

Salincnbeuieb  24.                                ^^^^H 

Rvskv.i  358. 

Sachsen.    Prorin/,    Biblin|;Ta- 

Salinenrecht                                       ^^^^H 

Kosomonorutn  gens  683. 

(>hie  der  Quellen  d«r  Sitte 

talituothiiH                                       ^^^^H 

Koss<:tii.  D&nte  Gabriel  554. 

und  des  Brauchs  5  1 8. 

Salland  9.    15.  16.  3i.  886.            ^^^H 

Kotbari,  KOnig  620.   730. 

SM±wn  768.  80$.  850—853. 

Sallerilcbcn  865.                                  ^^^H 

Rotbc,  Job.  95, 

855—874.  880  f.  88C.  923. 

Salomon     (cngliscbcr    Maler)            ^^^^H 

Rathtr,    Ki^nig,    Sagr    720, 

935-   94^-     Saxon«  Ebi)i> 

^^H 

Br.iut  wer  billig   lit»    Küiiigs 

uiKsini  859. 

saJukds  450.                                              ^^^^^1 

Autbaii  UJii  die  hait.  Piin- 

SaHi^^iiihrnnik  859.  897, 

StlNMI'll                                                                                  ^^^^^^1 

xcfisin  Tbcudelind   hei   de» 

S;iihÄfnspie^l    89  f.    91 — 93, 

Siilfbiirg,     Ribliu£f.tphie    der          ^^^^H 

Langobarden    auf    Rothari 

94.   95.  97.  98. 

Quellet)  der  Sitte    und  dei           ^^^^H 

übcrtraK^D  720,  Motive  am 

Sachsenwaldsagc  725. 

Braiichi                                              ^^^^H 

uidercn  Jleltlcnsa^en   73t, 

sofhualu  311. 

Sammler  70  f.  76.  96  f.  II8.          ^^^^H 

Mlscliung    mit    der    W'oJf- 

Sacriticia  matronarum  385. 

Samney                                                    ^^^^H 

dicirich-,  HiUK'sai'c  ;2i. 

Saailcgium  m1  s<>pukbra  mor- 

Sam«on,  Emf^ningisnee  722.          ^^^^H 

rolia,    Mii»ikin«m]nient    573. 

tunrum  253. 

sampytl    1                                             ^^^^^| 

Rubcbt-        (Bogcniiutrutneiit] 

sadrgaarJ   173. 

Socdrandiga  374.                                 ^^^^H 

575- 

&3cti  760. 

Sncgeskuntt  in  der  Sg^^  713^          ^^^^H 

Rubens,   Pelcr  Paul   5^3. 

Ssellandskc  Ixiv   103. 

Sant                                                   ^^^H 

RubeMilil   399.  307.  334. 

urmta    185. 

Santo,  (jiovanm  Pierlnigi,  am          ^^^^H 

Rüde  fall    194. 

Smnundr  Onnsson    119, 

Palesiritui  579.                                .^^^^^| 

Rockacbriniri:  865. 

Saolfrvacsen  23. 

Mtpifniri    69.                                            ^^^^^^1 

Rflede    ^r    (Rcidiger)    66b. 

Saevb  mon«  845, 

Saralco2  686.                                        ^^^^H 

667.  701  —  703. 

Sage,    deutwhe,     nach    Skan- 

Snrmaten 937.  941.  948.                  ^^^^H 

Rußvrscbcid  901. 

dinavien     eingerühti     (131. 

Sarsmlt  865.                                        ^^^^H 

Rüge  203.  313. 

fjSa.  O36. 

SArrazin,  G.  648,   675,                      ^^^^^| 

RüMung      der      Fii&struppen 

—   Dielrichs  T,  Bern,  a.  Die- 

San»                                                       ^^^^1 

237  ff. 

trich  V,  Bern. 

iartva  ifol.    816.                                   ^^^^H 

ROtielweiher  394. 

—  histor.    11.    Heroi:nm)'iliu& 

mtf                                                         ^^^1 

Kugii  818.  831.    836  f.  83a 

TerschmoUen  616. 

^^^H 

839.  950- 

—  von    den     Tlckbensäbnco 

sätitirtnetiti   3lO.                                       ^^^^^| 

ruJtjirllitig  308. 

693- 

Satzung,  Allere  48.                               ^^^^H 

Rumpcli^iBt  393. 

—  vom     KAmpfe     zwiachcn 

iatiuttge   ^7'                                               ^^^^^H 

riln.  Hcdcutunß  343. 

Vaicr  tind  Sohn  693.  694. 

SAufnU  =  Sigfrid  644.                     ^^^^H 

KAna  404  0'. 

—  V.   d.    KSmpfen   der  Oc« 

S.-IX,  Petrus  849.                               ^^^^H 

Hiint;iifii(biirl<   40 1 . 

pidcn  u.  (iotcn  gq;eti  die 

Sana    god    (Bezeichnung    fllc           ^^^^H 

Riin^rtihatftn   59Ü. 

S/'ibnc  Aitilas  693. 

^^^H 

^^_             Runcni lisch ri fit:  11,  nllniirdiKlic 

—  von  König  Kother  720. 

Saxo  Onunmaticus  234.  270.          ^^^^^m 

^^k              8a6.  832.  840,  idcnonlUchv 

—  vom  Kaubf  der  Schwan- 

634.  636.  688.   710-                    ^^^H 

^^^^^      vielmehr  aheu|[l.  836. 

juiitjfniu  723.  738  f. 

837.                      ^^H 

904 


Sachrsgister. 


Scandellus  583. 
Scandza  823. 
scapin  207. 
scara  36. 
scarjo  330. 
scoMWurf  137. 
sc/af  135. 
Sciaf-Saee  645. 
sctatlas  47. 
teeffino  307. 
««^0  307, 
S^ng  320. 
setzen  306. 
sceptnhare  135.   141. 

«ar^CTK  135- 

Schachspiel  bei  den  alteo 
Nordl&ndeni  453. 

SdiSdelfonnen  766  f. 

Schadow,  Johann  Grottfiied 
5SO. 

— ,  Wiihelra  v.  552, 

Schäffer  u.  Apiarius  581. 

Schäftnng,  Vervollkommnung 
der  228. 

Schafweide  23. 

Schafzucht  19.  32. 

—  auf  Island  455. 

Schahname  618.  676. 

Schaller  (SaUde)  226. 

Sdudmeien  575. 

Schalun  897. 

Schatz  (Bede)  17.  32. 

Sdiatzsagen  365.  26b  ff. 

Sdiatzungen  32. 

Schau  d.  Produkte  29. 

•scheid  901.  906.  908. 

schtideliute  2to. 

Scheidemann,   Heinr.  588. 

Scheid t,  Sam.  588. 

Schein,  Herrn.   583.  587. 

Scbeinbusse  201. 

Scheitholt  572. 

Schctich,  Job.  598. 

Schicht,  Joh.  Goitfr.  601. 

Schiedsgericht   210. 

Schiesapulver,  Umgestaltung 
d.  Krietjswesens  durch  Ein- 
führung desselben  227  ff. 

SchiSlahrt,  dänische  38.  41. 

ScbifTTahrtspolitik  42. 

Schiffe  bei  den  alten  Nord- 
ländern 464  ff.  471  ff. 

Schiffsbau  bei  den  alten  Nord- 
ländern 464  ff. 

Scbiffsljt^/irk   123.   128. 

Schiffsmannschaft,  Die  bei  den 
allen  Nordländern  471  ff. 

Schild   133.   144.   206. 

Schildmädchcn  269. 

Schilling,  Johannes  551. 

Schimmclreiter  307.  333. 

Schinkcl.  K.irl  Kricdricb  549. 

schiHiif/iet-  225. 

Schiarbaus  in  den  nordischen 
Ländern  433  ff. 


SchUfiwirtschaft  30. 
Sdilüge  (GeschÜtzait)  227. 
Schlarpe  775. 
Schlesien  943.  944. 
— ,  Bibliognuphie  der  Qaellen 
der  Sitte  und  des  Btandu 

5ii-  519. 

Schletwig  837.  848  C 

Schleswig-Holstein.  Biblio- 
graphie der  Quelteo  der 
Sitte     und     des     Brauchs 

521. 
Schlidc,  Arnold  580. 
ScblÖssel  97.  164. 
Schlüsselgewalt  161. 
Schlüter,  Andreas  550. 
I  Schmarbeck  86  S- 
Scbmiedegeritschaften  bei  den 

Skandinaviern  478  ff. 
Schmiedehandwerk     bei    den 

skandinav.  Völkeni  476  ff. 
Schmiedesagen       idg.      618. 

727. 

— ,  holsteinische  und  west- 
fälische 735. 

Schmidt,      Martin      Joachim 

552- 
Scbmucksadiea  d,  Nordttnder 

442.  446- 
Schnapphahnschloss  228. 
Schneider,  Friedr.  601. 
Schöffen  25. 
Schöffeukollegium  36. 
Schüffer,  Peter  581. 
Schonung  der  Wälder  soff. 
Schop,  Joh.  588. 
Schnorr   v.  Carolsfeld,   Julius 

552- 
,  Sthöffcn  3 1 .    94  f.    97.    207, 

j       210. 

I  Schiiffenkolk-fiium  26. 

Schöffcnrecbt  94. 

Schoss   158.   159. 

Schosssetzun^   159, 

Schottland  841. 
'  schranneii  206. 

Schrat  294. 

bchrättlein  294. 

Schrcttcle,  Ableitung  368. 
269  ff. 

Schrill  58. 

Schubert,  Franz  596.   599. 
:  Schuck,  H.  587  ff.  729. 
I  Schützenbrüderschaften       88. 
I      166. 

I  Schützenfest  368, 
■  Schuld  181  f. 

Schuldarbeit  221. 

schiiUUnere  181, 

Scbuldhaft  221. 

Schuldknechtschaft  139.  164. 
184.   22t. 

Schultheis)  21.  22.  123.  125. 

153.  I 

Schulz,  Joh.  Abraham  596.    I 


Schumami.  Robert  596.  600. 

603  ff. 
tckup  i8a 
SdrahstnsaQg  I59< 
Scfaub^ewait  136.  137.  138. 

145. 

Schuttleute  5.  7. 

Schwülen  s,  Sweben  un  en- 
geren Sinne  des  Wortes. 

Schwabenqnegel  gif.  94.  96 

Sdiwflgenchaft  163. 

Schwaigen  16.  19. 

Schwanenjungfiauen  384 — 
285  ff. 

Schwanjungfiansage  7>3<  738. 
729. 

Schvartz,  W.  239.  140C 

Schwartz'sche  Sdinle  243. 

Schwarzelfen  391. 

Schweden,  Bibliognphte  der 
Qaellen  der  Sitte  nnd  des 
Brauchs  527. 

Schweden  100.  101.  107 — 
113.  123.  784.  786.  789— 
791.  816.  828—833.  840. 

923- 
— ,  Entwicklung    der    "W^rt- 

schaf^verhältnisse  11. 
Schwedengott  332. 
Schweinezucht  [9.  13.  456. 
Schweiz  82.  83. 
— ,  Bibliographie  der  QoeUeB 

der  Sitte  und  des  Brandts 

5 13  ff- 

Schweizer  (Kriegsknechte) 
338. 

Schweizer,  Anton  599. 

Schwert  144.  145.  149.  161. 
187.  197.  206. 

Schwertmagen  160.  s.  ancfa 
Speerseite. 

Scbwörbricfe  79. 

Schwurgenossenschaften  28. 

scirg€tn6t  134. 

scirgerifa  124.  205. 

Sciri  791.  820  f.  826  f. 

scirman   1 24. 

scop  622. 

Scordisci  780.  792. 

Scott,  George  Gilbert  550. 

scoup   125. 

scramasuciis   223. 

sculdahis   125. 

scn  Idascia  125. 

Scyld  Setfing  320.  645. 

Sc>-then  s.  Skythen. 

Sechseläuten  367. 

Sedusii  796,  934. 

Seeburg  915. 

Seefahrt  bei  den  alten  Nord- 
ländern 461. 

Seefischerei  43, 

Seejuogfer  297. 

Seele  und  Wind,  Zusammen- 
hang 255  ff. 


^^^^^i^^^^^^B 

SACHRSniSTER.                                                                  985             ^^^^| 

Seelenrauna  2^3  (f. 

Sidgrani  335. 

SigurfH-  6S7-                                       ^^H 

Seelengl&ubc,  Sei^IrnkuIt  343. 

Sidhffttr  335. 

Si^yii  348.  3SI.                                 ^^H 

244.  150. 

SCdooea  791.  823. 

SUberdenar  44.                                   ^^^^| 

—  bei   den  altca  Gemuuteo 

Sid^eggr  33$.  366. 

Silberwlhrung  44.  474  ff                   ^^^^M 

349  S.  ISO. 

StcbenbUrgcr    säcbiicn     901. 

Silcbcr,  Friedr.  597.                          ^^^^| 

Seelen waoclcnuig  26  z. 

911  f. 

SUingea  810.  8t8.  8zo.  8za            ^^^H 

Secmen*ch  297. 

Siegel    126.   IJ;.    190. 

^^^1 

Seesicr  865. 

Siegfried,  ErxbiKrliof  «■.  Mainz 

SlUqua  49.                                          ^^^^H 

Secvcrki^hr  4  t  ff. 

.035- 

Silund                                                       ^^^^1 

Scewrg  ^S. 

.Siepnar  787. 

Simnx'k                                                    ^^^^| 

Swwrlir   T13, 

''/  '55- 

Sinn^lli  33S.  337.  34i<                    ^^H 

Seewcibcl   297. 

Sif  349.  35>-  35»-  359- 

Sinlivtli«  Tod  C52.                           ^^^^H 

Segeiujjritche.  nltf'enn.  235. 

Sifeca,  Sifk»  686. 

Sinkender  Zin&fuss  s.  Zinsftlss,             ^^^^^M 

Segni  739. 

Sigarabri  s,   Sugumtiri. 

Sinleiuli  837.                                         ^^^^^H 

Segomirns  keli.^)^rm.  767. 

Sigenot  640.  697. 

Sintarviuilo  653.                                  ^^^^^| 

Sfgtiresiu-Zug  776  f. 

Sigisuip  69;.   696, 

Sinihguol  374.                                       ^^^^H 

^liann   85"  f. 

s/gt-a-i/  au*.  370. 

iipÖMfti            780.                                 ^^^^^1 

SfiOMfa//  403.   405. 

S^BÄlr  339. 

SiM»  3-  57-  I39r.  140.  IS5            ^^^H 

seidkOHti  J76.  405. 

Sigfrid-AmiinEus  613.  6t8. 

—               215.                     ^^^^H 

S4idm<tdr  405. 

—  gehörnter,  Volksbuch  643. 

sifipfa                                                      ^^^^H 

teidr  405. 

Stgfrida  Ahnen    in  der  V9I»- 

Sippen                                                 ^^^^1 

sflamdäir  305. 

unfiaaaga  652. 

Sippzab!rcg<:Lti  93.                                 ^^^^H 

SelbstTcrwaltung,      stAddsdiE 

Sigfrid  nnd  Üninbüd  in  der 

Sistren                                                      ^^^^H 

32. 

llteren     sknnd,     Dichiung 

sisv'ii  253  iV.   234.                                 ^^^^^1 

Seldn«-  177, 

657  r.  662. 

Siebenbargen.     <^*"<^i>      ^^            ^^^^^| 

«■/«■/  hodies  32. 

—  diT    MnhrenkOnig    in   der 

Silit.-  und  des  Brauch»  512.            ^^^^| 

Sdi|;r,  Sauge  Fri^iilein,  d.  i. 

Kiulrun  717. 

Sitte,  Begriff  dersellwn  494  ft'.             ^^^^| 

Walilgi-inler  294. 

SigfriddiH  639.  651.  666. 

— ,  Bililiographüicbe    Zusam*             ^^^^^H 

Seile.  ThoiiinH  588. 

SigfridunarcliL-n  644,  654 

mi^nsleUuog  der  Quellen  von             ^^^^^| 

SelDcckcr.   Nk-oI.   v.   583. 

S^ridsmylhus    mit   der    Bur- 

Sitte  und  Brauch  bei  den            ^^^^| 

Seml^|)atb;i  224. 

Kiinden  sage       verscbmolzcn 

germanischen  VSlkernSOSff.             ^^^^| 

StraUcn  753.  755. 

631. 

Sitteuscscbithic,  germaois^e,           ^^^^| 

Scniinciistcdt  865, 

SiglVidsniyifaiu,    urgermanisch 

skandinavische  Vcrhältniise            ^^^^^| 

Semncn  858.  881.  919—931. 

654,      GnindgMUlt      655, 

^^H 

934  '.  940.  948  -950. 

D(riilun^  als  T-igc*-,  Jahrt-s- 

—  des  cogliscfaen   Volkes.                  ^^^^^| 

semptre    135.    I40. 

seilenmyihus    ^55  f.,    Eni- 

-~  des      deutschen      Volkes,             ^^^^^H 

■Sendbriefe  83. 

uriritvliinf:     z,     HcrnciiMige 

Deut^rh -englische   Verhält-             ^^^^^| 

SeneKbnl  zi. 

6$6,    Ausbildung    b«i   den 

^^^^^1 

Senfl.  l.«dw.   58r.   j8j. 

Kheinfmiikm    656.      Ver- 

—  UbeH>lick    über   die    Bc-             ^^^^H 

senior    I49.    151.   t6S, 

wittietlene     I<'a!Uiingcn     iler 

linndlung    der     natürticbea             ^^^^H 

Seniorat   4. 

Sage  «-on  Sigfrid  und  Bruu- 

Sitte  der  Gci;cnwart  bd  den             ^^^^H 

fteDnerei Wirtschaft,  alpine  33. 

bitd  638.    Zsubcnchlof  u. 

gcnmaciKheD  Völkern.                     ^^^^^H 

ScDonca  7?8  f. 

Flanimi-nritt  ^llcn   gemein- 

— Bibliograph  ische     Zusam-            ^^^^^| 

Senoriai.    Da:«    seit    dem    8. 

sam  658,  lilxt.  Bun^nnden- 

mciutclluiig     der     Quellen            ^^^^^| 

Jahrhundert  4. 

sage    mit    der    mythischen 

der  Sitte  und  de*  Bnucbi            ^^^^^| 

Seqnani  795  T.  798. 

Sigfridssage      kcnumiDicn 

liei  den  gcnnant»chcn  Völ*            ^^^^H 

Seq.actucti  561. 

659. 

kern                                                      ^^^^H 

Sequester  929. 

Siggauir  339. 

v'xhyHfit             134.                              ^^^^H 

rrn^i/run    14O.    146.    15O. 

Siggo  82  z. 

sjMrngii  30^.                                   ^^^^1 

Sesruninir  373. 

Sigi  «nd  Rerir  653. 

^^B 

SfUingf  57. 

Sigibert  901  T. 

sltadi    307.    311.   3x8.    3$l.            ^^^H 

Sfllnrng   57. 

Sigirnd   656. 

^^H 

jiTvr  iid.   Sfi2. 

Sigmiiiidr  34  l,  652. 

skxl   18b.                                                      ^^^H 

Seyfrid,  4W  hürnen  639, 

Signiund-HLge  (>j2. 

Skalden  233,                                       ^^^^| 

Shelland-In^urln  840^ 

Sigidrifa  341.  404.  661. 

Skaldenpoe^ie  634.                               ^^^^^| 

ShutlaiidsbalUd«   von    Hiluge 

Signiii   2)8.   160. 

^^^^1 

tinil   Hilllina  7 10.   71a, 

^iKtün  339- 

Skandinavon          ^3.  ■;;.  100.             ^^^^^| 

SUUml  831. 

Sigurd  404. 

Skandinavien,      Biblii>grapbie             ^^^^^H 

j/fc  155.    157- 

Sigurdr  333. 

der  Quellen  der  Sitte    und            ^^^^| 

SJbiche,  SIbicho,  Stbich  685. 

Sigurd«     Kümpfe     mit      den 

des  Brauchs  525.                           ^^^^^| 

686. 

GAtidalfunhnen  u.  St&rkadr 

—  Kmwtcklung    der    Wirt-           ^^^^H 

rii/ic   156. 

670. 

Khafuvcrhftltnitse  im  skan*           ^^^^^| 

sibja  155. 

—  Tod,  Versionen  über  663. 

dinav.  Norden                                ^^^^^| 

Sicambrl  a,  Sugatnbri. 

Sigurdilicd  258. 

—  iVnsicdcIangen  33  IT.                   ^^^^^| 

Sicktc  865. 

Signrt^aruga  633.  634. 

Skandinancr  entwitkela  eine            ^^^^H 

_■ 

986 


SACäREGlSTER. 


u.  Wcthscireden  gemisdiie 
Fon«  der  episcliea  Über- 
Kefcrun^  624. 

SkadJnawier  784—786.  ■jSg 
—791  Bis— 81g.  827— 
S42,  SkiuLinawisdi-oslgerjn. 
Spruheinheit  8o9~8l3. 
815—818.  SkadiiuTiidi- 
anflofries.  Sprachciiiihfii: 
747.  809  f.  Skadinavische 
Spndien  und  Mundarten 
828—830.  837.  840. 

Sklnelages  102.   104. 

siafian  203.  307. 

sJtata  137. 

staßi  191. 

skeltaia  123. 

Skittbladnir  321.  335.  351. 

shidgarär  397. 

skifting  292. 

ikil  57. 

skila  203. 

siiiadömr  2I0. 

skilnadr  422, 

SkinTaxi  310.  380. 

skip^n  133. 

skipara  ste/na  203. 

skipfylled  123. 

shiplagh   123. 

skipreida  123. 

skiptScn  123. 

skipsysla   123. 

Sturen  s.  Sciri. 

skirgetinn   165. 

Skiniir  321. 

skirskola  2  t  6. 

j*i>j/  218. 

Skjälf  373. 

Skja]dme)'jar  ( Schild  mädchen) 

269. 
Sklaven,    Die   bei   den   skan- 

dinavischen     Völkern     12. 

Verbot  der  Sklaverei  12. 
ikStning  187. 
skxitumi'idir  3O5. 
sktryting  187. 
sköggangr    195. 
SkogsTru  294 
Skogsman  294, 
Skflgul  341. 
Sk^II  301.  311.  380. 
sk^rungr  422. 
Ji(&/   146. 
j*r<ia    103.     105.    107.    It2. 

113. 
skrimsl  305. 
skrichte  212. 
Skrymir,  Riese  363. 
skiiar  an.  816. 
J*M/a   181. 
skulart    1 8 1 . 
Skuld  281. 
j*i</rf  181,   184. 
skuldanautr   l8l. 


Skulptur,  Benulta  538. 
sImUheU  133. 
skuUkeiMto  123. 
skunkufals  nu^ßcr  136. 

skiirdgvd  397. 
Sktitilsleiit    132.   134. 
sliyßitfg  196, 
skyiitir  15S. 

Skyähen    753.    ;57  f. 

SÜgfiOr  722.  726. 

SUwen  736  f.  749.  754.  759  f. 
763.  873.  895.  897.  918. 
94J;  — 945-  Verwandt- 

»:]iiä(c«verbälmi»s&  der  sla- 
wischph  Spniehein  760  f. 
Ziinickdfitnguag  und  Ger- 
nianisiening  der  Slawm  in 
Os;deu;tscb]and  873  f.  894 
—900.  918.  943—945. 
947  f.  got.  >»Uw.  Lehn- 
wörter 826,  germ.  >  slaw. 
Personennamen  788. 

Sleipmr  335.  351. 

ilimü  asl.  726. 

Süd  380, 

slotsriEtter  112. 

slnier   127. 

Smälands  lagh  108. 

Smirke,  Sis  Robert  550. 

sneida   127. 

Snte  298. 

Sncer   299. 

Snorra  Edda  239.  287.  634. 

710.  7ti. 
Snorri  247,  832.  839. 
Snoni»     Bericht    (Hildesagt;) 

710.  711. 
Snotra  371. 
socaffelatid  g. 
socihemani  9. 
sochemaum   138. 
S-jL-brininit  340. 
Sociale  Ordnung  2. 
Sociale    Unterschiede,    inner* 

h.iil>   der   Bevölkerung   der 

englischen  Städte  33. 
soiknarne    IG. 
Södernianna  lagh    109. 
sa'neyt  305. 
saorm   305. 
S9giir  234.  248. 
S{>k   184.  211. 

Sokkvabckk  342.  37I.  379. 
Sokrnan  9, 
soknaßirtg   12", 
Siil  310, 

soinasdrmna    127. 
Solare  Theorie  240. 
Solarjöd  363. 
solsii/t  23. 
soiskifit   171. 
Sommerfrucht   18. 
Sommeropfer  593. 


S6n  344. 

tfyia  199. 

Mnargfldr  333.  390. 

SonaU  586. 

Sonate  der  alten  italieniidic» 

Form  589. 
SAnhLd    &S4.    686    s.    »udi 

SvflQhi]dr,.Sm]i1da,SwAiuJd^ 

Soonenichcn    73* 
Sfrlapittr  710.  713. 
sorx  170. 
sortes  400. 
Sovifßos  93  t. 
tp-  788. 

spanna  bttUt  31 8. 
spdganda  403. 
spdkonur  403. 
ipdMunn  403. 
Spanan,  .-ülgerm.    364. 
Spangcnberg,  Jolu  583. 
SpAthä   222. 

Spekulum  rcgale  I17. 
Speer  144.   18;.  206. 
Speerseite  156.  159. 
^pfli  ähA.  404. 
Sp«zia]  abgaben    17. 
Sp^2ia1kultuien    15.    16.   17. 

20  ff. 
Speiialpäcbter  in  Ed;;!.  33. 

82. 
Spiel    Sterlinger,     von    den 

RosengartenkSmpfen  643. 
Spiele  der  alten  NordlSuder 

452  ff- 

Spielleute,  Fahrende   580  tL 

— ,  "Wiederbelebung  der  Hel- 
denüage  durch  sie  634. 

Spielmann,  Sage  vom  locken- 
den 256. 

Spielmannsgedichte,  K5nig 
Rother.  Oswald,    Grendel 

635- 
Spiesswerfes  452. 
Spindelseite  156.  159. 
Spitzharfe,    Musikinstrument 

34=- 
spjiill  ahn.  404. 
Spohr  599.  601.  604. 
Spoleto   125. 
spotta  an.  afrs.,  spollOn  ahd. 

8[6. 
Sprachatlas  750, 
Sprache  als  Kennzeichen  der 

Nation;:lilSt    736  f.    ~\fiL 

754  f.     807  f.      815—817. 

821  f.  843.  925—927' 
Spracbchtonologic  747.  756^. 
SprüLchrorschung»         verglei- 

cheiide  idg.  ^^ö— 750. 
S  prachyren^eo  "48— 750.752. 

?Cp3.  80-  f.  871-873.887. 

890.  894.  898.  901.    908. 

913.  916.  943  f. 
Sprichwörter  60.  69. 


bACHREGISTTR. 


987 


Spokgdster        Verstorbener 

354  ff. 
Sparfolge  21Z. 
SS  genn.  >■//  gi6. 
st-  788. 
Staaugebiet  8. 
Staatsgewalt  6. 
Staatsland    II. 
Staatsopfer  384. 
Staatsrerträge  67.  69. 
Stab    145.    i$S.    197.    20Ö. 

313.  215. 
Stabträgerinocm  276. 
Stadt  80.    125  f.    133  f.    ui. 

148.    152.   153. 
Sudtböcher  80.   190. 
Stadtfriede  79.  126.  193. 194. 
Stadtgericht  in  England  33. 
Stadtherr  25.  26  ff.  29.  34. 
StadUnosikaaten,      sesshafte 

575- 
Stadtpfeifereien  580. 
Stadtprivilegien  26. 
Stadt  26  ff.  29.  35.  34. 
Sudtrecht   75.    78.   79—81. 

94—96.    101.     102.     105. 

llOf.   III.  1  13  f.   116.  126. 
Stadtrecht  25. 

—  Entwicklnng  in  England 

31- 

—  T.   Wisby  34. 
Stadtrecht^nt,       Erwerbnng 

Ton  28. 
Stadtre«htskrei«   38. 
StadtTerfassung  26. 
Stadtvaldangen  20. 
Stadrwirtschaft  27. 
Städte,     Entwickclung      der 

deatscben   3.   23.  36. 

—  m  den  skandicavischea 
Reichen  33. 

Siädtebnnd,  Rheinischer  37. 

Stidtebände37.  Bildung37ff. 

Städiegründongen  25. 

Städteverfassang   9.   36. 

Städtische  Gefälle  33. 

Städtische  PriTilegien  33. 

Städtisches  Finanzvesen  32. 

Ständische  Interessen  venre- 
tnng  36. 

stttfgardr  395. 

Stafkarlar  451. 

slallbrädr    166. 

Stallahringr   398. 

Stalli  398. 

Staür  398. 

itaünnge  201. 

Stämme  3. 

Stammesbewusstsein  737. 
807  f.  8 1 2  f.  oitgermanisch- 
nordgernianische5  819. 
anglofriesi^ches  812  f.  frie- 
sisches 732.  807.  848. 
sächsisches  869.  fränki- 
sches 808.  812  f.     svebi- 


sches8i3f.  920— 921.931. 
schwäbisches  80S.  deut- 
sches 888.  895. 
Stammesgegensatz  irischen 
Germanen  einerseits  nnd 
Kelten,  Romanen  nnd 
SUwen  andrerseits  768  — 
770.  iwiichen  Scfaveden 
und  Ganten  ^33.  bei  den 
Friesen  847  l.  zwischen 
Fnesen  and  Sachsen  807. 
847.  zwischen  Engern  nnd 
Westfalen  867  zwischen 
Sachsen  and  Franken  752. 
867.  873.  899,  zwischen 
Dentscben  nnd  Franzosen 

737.  867.  zwischen  Fran- 
ken und  Sweben  ]>  Schwa- 
ben 738.  752.  807  C  876. 
913.  zwischen  Chatten  und 
Hermumiuri  S76.  Q13  f. 

Siammes^enzen  748  — 750, 
804  — Soä.  zwischen  Ger- 
manen und  Slawen  749. 
763.  zwi-chen  Germanen 
nnd  Kelten  749.  963. 
zwischen  Friesen  ond 
Sachsen  748.  ^04.  zwischen 
Friesen  und  Franken  748. 
zwischen  Sachsen  und 
Franken  75;.  873.  904. 
zwischen  Sachsen  nnd 
Hessen  914,  zwischen 
An};rivarii  nnd  Chemsci 
807.  zwischen  Sachsen 
nnd  Thüringern  870.  zwi- 
schen salischen  nnd  hama- 
wischen  Franken  890  f. 
hattwarische  S94.  ripweri- 
sche  901.  mo  sei  fränkische 
908.  zwischen  Chatten  nnd 
Hermunduri  913-  zwischen 
Chemsci  nnd  Sweben  806. 
934.  zwischen  Franken 
und  Schwaben -AI  am  an  nen 

738.  753.  307  f.  912.932. 
zwischen  Alaraannen  und 
Bnrgnnden  807. 

Summesrecht  ;5.  62.  63.  65. 

69. 

Stamm;;uter  234.    135.   172. 

Stammtafeln,  a^s.  234. 

Stapel.  Institut  de«,  in  Eng- 
land 41.  42. 

Stapel  Privilegien  33, 

i/.i//ar   110. 

Supler  42. 

StarkaÄr  258.  304.  335.  337. 

'iatha    172 

Statuten  75.  Jo.   IC5.    106  f. 

113.     117. 

slaiia  a'   203.  b     307, 
stir.  tfrit-r  397. 
-st,d!  847. 
Stefan  Lochoer  546. 


str/na   182.  204. 
Steibelt,  Dan.  604. 
Steiermark,  Bibliographie  der 

Quellen  der  Sitte  tmd  des 

Brauchs   ;oq. 
Steigerung  des  Bodenertrages 

Steinbüchsen  227. 
Steinkngeln  237. 
Steinplastik  544. 
Steinwerfen  452. 
Steinzeit  s.  Archäologie. 
Steinzeit  Filter  407  ff. 
Steuern  7.85.  133.134-  »35- 

137.    146-    153-    154.    173- 

174- 
Steuerwesen   26.  33. 
Steward   31. 
'StiJi  862. 
StiernhÖÖk  53. 
Stil,     der     contrapunktisclie 

577- 
Stiilgericht    210. 
Stobäus.  Joh,   ^ii. 
Stofa  432  ff, 
StotT    de~    nationalen    Epos 

das  Individuelle  614. 
Stoffkrets     der    Heldensage 

t>oo. 
Stolzer,  Thom.   582, 
Storm.   G.    702. 
Stormarn  719.   87 1. 
Stotzas  82 2. 
Strabön  743.  93:-  /'' 'W/- 

795-     >94   919-     ^7  919. 

VII  2gii    765.    794-    853- 

903.  907.  9:0.   937-  940. 

949.     .•<>/  S89.   893-  903- 

907.  930.  92S.   940.   949, 

2f,j  893.  919  f.     293  772. 

j<j4/.  919-  937- 
Stradivari  586. 
straff   IQ7. 
Sirafhom.  Das  453. 
Straf  klage  20:. 
Strafrecht  64.  65.  68.  69.  84. 

141.    15g.    191 — 202. 
Slrandrechl    129.     132.    170, 

176. 
slr:J  217. 
strt:   211. 
Strömkai   297. 
Strohbund    123. 
itrud   221.    3  23. 
Strucgk.  Nie.  Adam  590. 
Stuhl   145.   147. 
stttc>z"i--    153, 
Slurii  852.  86z  C  891  £. 
Sturlaoga  370.  271. 
Sturlaton,  Soom  3Jf 
ituf   146. 

Stuiias.  SCbs«'f    fe=. 
Saardcme»  a.  $asi^B&. 
Saarsef  Mc,  1^, 
Ssanci.  It". 


988 


Sachregister. 


tuiregulus  114, 

S&d(Rn)bymbre  85«. 

S&Aengle  854. 

Sditfolk  854. 

Snltnnaiiaaland  831. 

Saebi  s.  Sweben. 

SSden  862.  866.  Sud-,  Süd- 

864. 
Suebans  s.  Schweden. 
SfibnIeistuDgen  199—201. 
Sahoopfer  389. 
Sneo&ei  s.  Scbwedeo. 
Saetidi  s.  Schweden. 
Snetonius,  Aug.  21  884.  928. 

Tibers  9  884. 
Snevi  s.  Sweben. 
Snevon  870. 
Sngtmbri  797.  804.  806.  853. 

877.  884.  889.  903  f.  907. 

910.  923.  939. 
Suionei  s.  Schweden. 
Suite  (Partita),   Begriff  589. 
sulung  170. 
Sunilda  683. 
Snnuci  739. 
suonari  201. 
suonsiuol  201, 
Suiti  382. 

süf  Süden  862.  S64.  866. 
Suttungr  311.  344.  345. 
Snttungsmet  345. 
Svadiliari  335.  351. 
Svalinn  380. 
Svanhildr  683.  686. 
Svanhildsage  684  fl*. 
Svanhvit  722. 
svara  2 l l . 
svarabrödr  417. 
svarabrd'dr   166. 
svSsscara   172. 
Sväsudr  311. 
Svava  258, 
Svftvee  814.  870. 
Svear  ■.  Schweden, 
Svegdir  257.  337. 
sveitardrykkja  40.  90. 
Svema   116.   117. 
svis   169. 

Sviar  s.  Schweden. 
Svi})iöd  s.  Schweden. 
Swalwe,  Harfenart  572. 
Swanilda  688. 
Swavilda  688. 
Swearechte  108  f. 
Sweben  im    weiteren  Sinne 

des  Wortes  810— 8 1 2. 820. 

853.  881.    918—950.     im 

engeren  Sinne  des  Wortes, 

Schwaben  768.  794—797. 

808—813.  820.  880.  884. 

9f3.9"8— 925.  931-939- 

941,  Nordschwaben  870. 
Sweelinck,  Jean  Pieter  588. 
Swion  5.  Schweden. 
swerjan  21 4. 


swetht  127, 

Syfrid,  Herr  und  der  schwarse 

Mann  642. 
Sylt  878  r. 
Symbole  135.  I36.  130.  139. 

144-  US-  M8.   149.   IS9. 
162.  164.  187.   188.    199. 

306.    213.    221. 

Symbolische  Formen  lind 
der  Siteren  Heldendichtang 
fremd  614. 

Syn  371. 

tynodalis  133. 

SJT  373- 

Syringen,      Blasinstrumente 

575- 
sysla  12.   124. 
SysselmSnner  12. 
szarwai  üt.  826. 
Szepter   145.   149. 
Szepterlehen  132. 


T. 

t  vor  j  ostgerm,  mouilliert 
und>r  821  f. 

—  tl<iPP  816. 

Taberna  926. 

Tabula  Peutingeriana  s.  Peu- 
iingersche  Tafel. 

tabulariui   137. 

Tacitus  234.  Zeuge  für  den 
Heroenmythus  616.  Zeuge 
für  german.  Heldenlieder 
618,  über  die  Xahanar- 
vali  677. 

Tacitus  743  f.  —  -Af!''-  " 
Sio,  2S  qzi.  — Ann.  / 51 
814.  im  371.  ig  807.  26 
884.  »J20,   45  920.  AY/jy 

884.  xm.u  905-  55  889. 

905  f.  56  905.  —  Germ. 
743  f.  929.  -'  736-  773. 
800.  810-813.  820.  844. 
877.879.907.924^-^739. 
4  764  f.  800.  .'Ä  736.  772. 
777  f-  796.  800.  810,  885. 

945.  2q  798.  876.  882  Y. 
883.  33  868  f.  885.  33 
868  f.  904.     34   868.  90Q. 

35  858.    868.    909  f.    914. 

36  868.  907.  914.  3a  920. 
39  922.  929.  ^o  810.  812. 
814    850.  852.    856.  949. 

42  794-  945-  43  794-  945- 

43  736-  778.  810.  814. 
819  f.  823.  826  f.  44  790. 
819  f.  830.  45  790.  830. 
46  780.  791.810.  —  J/ist. 
fr 2  876.  /_'  798.   883. 

Tadema,  Alma  553. 
Ingaifinc   185. 
Taglöhner,  Behauste   10. 
Taifali  825  r.  880.  941, 


taifu  got  401. 

tak  183. 

taki  184. 

taU  157. 

Talliates  739. 

Tamfana  814.  907. 

Tammo  t.  Bockidotf  9a. 

tdn  ags.  401. 
I  Tanaros  787. 
I  Tancorlgs  kelt.  >eerm.  787. 

Tanfana  373. 
I  iannfi  415. 
I  Tanngajöstr  357, 
I  Tanngrisnir  357. 
1  Tardei,  H.  733. 
,  Tarnkappe  390. 

Tasjtaert,  Johann  Peter  550. 

Tassilo  66. 

Taube  145. 

Taubert,  Wilh.  597. 

Taurtsci  773. 

Tauschmittel,  bei  den  Kord- 
ISndern  473  ff. 

Taustretcherinnen  276. 

tiam   180. 

Tebassi  878. 
j  Tectosages  s.  Volcae. 
;  teidinc  a)  204.  b)78.  c)  185. 
iTeilban  18.  30. 

Teilnahme  195. 

teinn  altn.  401. 

Teja  619.  708. 

Tellsage  731. 

Telmann,  Georg  Phil.  590. 

Tempel,  Bau  der  397  ff. 

—  der  Germanen  394  ff. 

—  an  den  Königshöfen  396 

—397. 

Tencteri  774.  797.  804.  885. 
893.  902—905.  910.  934. 

tenos  401. 

tenues,  unaspirierte  und  aspi- 
rierte 926  f. 

Teppich,    Der    von    Bayeox 

540- 
Terminologie  59  f.  62.  79. 
Terp^er  368. 
Terras,  Terrasbücbsen  327. 
Territorialität     des      Münz* 

Wesens  45. 
Territorialrecht  69.  77.  81. 
Territorien  124. 
Terwingi  825  f. 
Testament   160. 
testamenium   189. 
Tetrachord   555. 
Trvqtoyaxitax  778.  835.  941. 
Teurisci  772. 
Teurones  778. 
Teutone«,  -i  771.   792.  805. 

825.  844. 
Ttvtovia^<H  835. 
Teut(i)orIgs     kelt.  >■  germ. 

787. 
teutona  223. 


Textilindustrie  2 

P  lat.  duich     wicdergcEebcn 

916.  >rri£S.  /Ö  6. //> 

//  gol.  Dord ,  afrs.  8 1 6,  >■  jj 

ndl.  «116.  <A/  got.  816. 

fP  >■  germ.  w  916.     /-.', 

//ai>germ.  /w  916. 
/(?///>■   10 1. 
pakkrÄdr  726. 
Thalberg,  Sigismund  605. 
pangb.ekka   127, 
fanas  284. 
piaw    57. 
Thegaous  623. 
pegenhorrn    133* 
/<yn   132-   133-   147-    16;. 
Thaler  76. 

Theile,  Johannes  590. 
Theodebert  =  Wolfdietrich 

620,  672.  674. 
Theodemer   619.   689.    690. 

700. 
pioden    144. 
Thcoderich  63.  64. 

1.  (Merowingerküni;;)  = 

Hugdietrich  620.  672. 
— ,  AuabilduDi:  ii--r  S.-n;c  von 

690  (s.  auch  DieUiclisage) 
— ,  König  der  Ostgoten,  der 

Held  der  Dietrichsage  619. 

689  ff. 
Theodorichs     Streitigkeiten 

mit  Theodorich,  dem  Sohne 

des  Triarius   702. 
Theodolfas  v.  Orleans    561. 
Picw  139. 
Ptowas  8. 
I'etleifr  695. 
Theudaria  822. 
Theuste(s)  830. 
pianistn  maper  168. 
Thiazi  330. 

Pidrekr  Valderaargson    702. 
pidrekssaga  261.  636.  639. 

666.  724.  734. 
Thielwar  387. 
Thietmar  v.  Merseburg  234. 

863. 
ping  123.   203. 
pinghd   154. 
pingUp   107. 

ThiEgocilniiifg  iio.   113. 
Pingrof  206. 
pingsökn    154. 
Pingivitni  217. 
ThiDgverbändeiI3.  115.  116. 

124. 
Ptudans   I44. 
pius   139. 

I>jälfi  358.   361.    363. 
Pjazi  311.  375. 
Pjödolfr  234, 
tjödölfr  von  Hvin  687. 


Sachrec.ister. 

t>jödrekr  663. 

t^jödrerir  342. 

t'9kt  327.   351. 

Thomas  v.  Aquino   561. 

I'onar  787. 

*Thonaraz  249. 

Thor,    Porr  243.    245.    247. 

330.352.353— 365.  364ff. 
Thord  Diecn  104. 
Pordis  402. 
ThorKerd  271. 
Porgerd  H9lgabnid  275. 
por^its   saga  258. 
Porgrim  397. 
Thorinpi  s.  Thüringer. 
Tliorin-ii  «33.  85^.  886. 
l'irir  J^LrnskJT^ldr  698' 
p..irlakr  purhallsson   II9. 
Thorngeroft  551. 
Pörölf  257. 

Pörölf  Mostrarskegg  356. 
Porp   125.   171. 
thorp    10. 
Porri    260.    298. 
Thors  Riesenkämpfe   360 — 

Thors  Verehrung  in  Schwe- 
den 356  ff. 

Thors      Verwandtschaften 
258  ff. 

Thorsbjcrg,  Zwinge  836. 

Porsdagr  354. 

Pörsnes  356. 

Thorstein  387. 

Thorsteinssapa  278. 

pra-ll  139. 

Thraker  754.  757. 

Thrasamunds  822. 

Pridi  349. 

Prüdheimr  358.  378. 

Prüdr  359.  361. 

Pniövaldr  358. 

Prungva  373. 

Prüdvangr  358. 

Prymheim  379. 

Prymr  301.  352—361.   372. 

Thrymse  47. 

Thüringen,  Bibliographie  der 
Quellen  der  Sitte  und  des 
Brauchs  518. 

Thüringer  749.  778  f.  851  f. 
870.  879.  881.  886.  942. 

Pukki  200. 

punaraz  354. 

Ihuttc  204. 

Thuner  354. 

thunkin   123. 

Thunor  356. 

Tbunoresdäg  354. 

Punres  möttur  359. 

Thunresdey  354, 

thurp   125. 


purs  altn.  300. 

p'calinn  got.  9 16. 

p'^fatrhs  got.   916. 

p'^vittgatt  916. 

pyboreitn    165. 

tialdra    128. 

Tiberius  Feldtüge  742.  884. 
889.  891.  893.  903.  910  f. 
927  f.  940-  946.  949. 

Ticffenbrücker  586. 

Tiere  183.  193.  200. 

Tierprozesse  251. 
I  Tigurini  792,  805. 

til  OÖini  fara   337. 
,  Tilburg,  Gervasins  236.  263. 

tilget f  162. 
\t,lgj\./  163. 

Tilgner.   Viktor  551. 

Tille,  A.   345. 

TiniagenGs  772. 

Timaios  741.  777. 

■  Tinctoris   57'). 

\  Tirol,      Bibliographie      der 
Quellen  der  Sitte  und  dei 
Brauchs  508. 
Tiwae  244.  24g.  312.  313. 
;  Tiwaz-Mars  317. 
Tiwaz  AVÖdanaz  332. 
I  tj'ostc  225. 

■  Toccate  585. 

I  Tochterdörfer  22, 

— ,  Unfreie  bei  den  Skan- 
I      dinaven  10.  222. 

't  Dilitecrcchte    56. 

Todesstrafe  196.  197  f.  203. 
!      220. 

,  'cA  403. 

Toko   731. 

Tomaschek,  Wenzel  Jos.  604. 
,  tonite   292. 
j  Tongeschlechter  555. 

Toofte  23. 

Topfhelm  224.  226. 

tosse  ncunord.  300. 

Totenberg  258. 

Totenbeschworung  252. 
i  Totenbuch,  Merseburger863. 
1  Totengott  249. 
I  Totenkult  250. 

TulcnQpfcr   253,  257.  385. 

TolKin  regale  plenarie,  in 
I      EdkIsjic!  41. 

tötval  140, 
.  Tours,  Gregor  von  234. 

Toutoni  771. 

Twvyivoi  771. 

Tracht  130.  i33-    »38.    139- 
142.   149.  206. 
I  traditio   186. 
I  Trafstila  82z. 
]  träger   152. 
;  Trana  301. 

Transport  36. 

trauan  got.  816. 

Traum  (als  mytheneneugendo 


990 


Sachregister. 


Kraft)    243.    550.     261. 

a63  ff. 
ireb  kelt  >  anglofriei.  787. 
Trebn  775. 
ir^goit  397. 
Trönpe,    Nunc  dei  Druck- 

geiltet  (firink.)  269. 
Trenbrach  193. 
Treodd  9. 
ireuga  84. 

Tremiisit,  sUberaer  44.  47. 
Trers  776. 
Treveri  739.  770.  795—797- 

799. 
Tribocls  780. 795—797.  806. 

934- 
Tiiboc  325. 
TricisKs  784. 
Tricima,  Liederbach  581. 
Triebelmeister  20. 
trientes  44. 
trrvia   259. 

iröfaj  alUchwed.  816. 
Tcojaiage,  frSnkische  669. 
tröstunge  201. 
Trojamaonuaga  354. 
troll  274.   377. 
Troll,  Becdchnttog  für  Hexe 

im  Norden  263. 
troUe  mbd.  300. 
tfümba  marina  573. 
Trommeln      (tricfaterförmig) 

571.  575. 

Trompeten  575. 

ir^a  aisl.,  trijiin  ahd.,  trü- 
wfan  ae.  816. 

truhi   167. 

truhtin   145.    167. 

Tnmsclieit,  Streichinstni' 
ment  573. 

-trup  865. 

trtisl   131. 

tntstis  regia  4. 

Trat,  Trade.  Bedeutung,  Ab- 
leitung (Dmte)  268  ff. 

trygdamdl  1 17. 

irygdir  189.  201, 

Tryggvasonar,  01afssaga3I9. 

Tnbantes  889.  902  f.  907— 
910.  914.  932. 

Tuben  575, 

Tudorstil  542.  550, 

Tüendaland  831. 

iürse  mhd.  300. 

Tuisto  378. 

tun   125.    126. 

Tungri  739.   773. 

iünriäur  275. 

tuom  57.   203. 

Tuotito  53S. 

Turcilingi  826  f. 

Turii  852. 

Turner,  Joieph  Mallord  Wil- 
liam 554, 

Taniierrästnngen  236. 


Turniersattel  226. 
Tnmosen  45. 

Tumas    der    Dreifelderwirt- 
schaft 18. 
Turones  772, 778f.  835.  935. 
iursas  finn,  300. 
tvimenningr  452, 
tvyhynda   134.    138. 
iwe^ynde  133. 
Iwerg  ahd.  389. 
twinc  unde  ban  150. 
twtngan  916, 
Twingrodel  78. 
tvohandssworäs  337, 
Tyr  310.  316.  317.  363. 
Tylor  240. 
Tyrfing  260. 
Tyras  781. 


U. 

ü  vor  Vokal,  wgeim.  und 
westnord.  816. 

Ubii  736. 77 1. 798. 806. 806, 
878,  884  f.  913.  923. 

ubiüäi  19  t. 

Übeltbaten  161,  183. 

übergenot   I4I. 

Übersetzungen  67.  72.  76. 
98.  104.  105.   106. 

übötamdl  198. 

tiddd  194. 

Uflj6tr  118. 

üfsaz   I 94. 

Ugarthilocus  352. 

UggasoD,  Ulfr.  234. 

Uggerus  vates  344. 

üfieilagr   196. 

Ubland,  Ludw.  243.  247, 
über  d.  Wesen  d.  Helden- 
sage 61 1.6 16,  über  d.Wolf- 
dietricbsageöiS,  Dietrichs 
Riesenkämple,  Mythen  v. 
Donar  696. 

Uithuluf  822. 

ulfahamir  272. 

Ulfe  775. 

Ülfr  Uggassou  234.  326. 372. 

Ullr.  346.  349.  378. 

Ulmerugi  818. 834.  836.  948. 

Ulraeragi  713. 

Umarmen    159. 

Umbreit,  Karl  Teophil.  601. 

umbuzman  123. 

umferp  187. 

Ummauerung  24. 

Umschlagsplätze  24. 

umskiptingar  289.  393. 

Umwandlungen  der  Dienste 
in  Geldleistungen  9, 

unbilde  57, 

Uneheliche  Kinder,  Stellung 
derselben  bei  den  skandi- 
navischen Völkern  433, 


Uneheliche  141. 
undrlicfu  sacke  194. 
un/ihOe  301. 
Unfreie  3.   8.    27.   38.   58. 

64.    130.    137.   «38-141. 

151'  183.   193-   >!>• 
Ungarn,    Bibliographie    der 

Quellen   der  Sitte   n,  des 

Brauchs  512. 
Ungarn  944.  948.  950. 
uHgtnbs  14I. 
ungerihte  191.  301. 
unholde  rohd.  274. 
unschuit  316. 
untöt  194. 
Untergang  der  Welt  ia  der 

Edda  311. 
Unterirdische,  Begriff  In  der 

Mithologie  290. 
Underjordüke  288.  390. 
Unterkönige  il. 
Unterthanen  151. 
Untervasallen  9. 
Unzen  48. 
nodal  173. 

uo  ndfrk.  «Cgerm.  Ö  898. 
UplandsUgh  108. 
Uppland  831. 
Uppsalir  322. 
Uppvakningsr  265. 
Upstallesbom  82. 
uplaten  186. 
Upsala  öfer  146. 
Urbar  59.  78. 
urchundo  3l6. 
UrJtarbruunr,  284. 
urdarkÖttor  384. 
urdarmilni  284, 
UrdÖrfer,    bei    den    Skandi- 

naven,  lO. 
Urdr.  281.  379. 
Urfehde  157.   193.  30i. 
Urgermanen  s.  Germanen. 
urhap   193. 
Urkunden    58.    59.    64.    67. 

70.   167.  189  f. 
Urteil  94.  96  f.  187.  189.305. 
Urteilfinder    72.    129.    135. 

138.    140.    141.    146.    147. 

205—210.   211. 
Urteilschelte  2o6.  208. 
urvihcde  201. 
Üserf^gÜ  asl.  826. 
Usipetes,    Usipi    774.    797. 

804.  889.  893.  902 — 904. 

907—912.  914.  9ai.  932. 

934- 
usrd  345. 

Ütgardaloki  352.  363  ff. 

Ütgardr  352.  378. 
ütlagr   195. 

ütUgd  195.  196. 

utskyld  146. 
Uuönahariai  822. 


Sachregister. 


9QI 


V. 

vadi  182. 

Vadi  718. 

vadium   139.  182.   188.   211. 

Vadmäl  43. 

v:rri'i/tifi      57 

vättlvs,  schwed.  (Geisterlicht) 

266. 
valtr  altn.  289. 
Vafl)rü(lnir  335.  34a. 
Väfüdr  335. 
vagna  verr.   357. 
Valaskjjilf  879. 
■valäi  kjqla  357. 
valdr  galga  337. 
Valfadir  337. 
Valgauir  337. 
Valglaum  340. 
Valgrindr  340.  341.  381. 
Valhall  258. 
valhamr  372. 
Valholl   256.   258.  337.  339 

—341. 
Vdli  325.  327.  348.  365. 
Valkjtjsandi  337. 
Valhyren  341. 
ValkyijeD  269.  270. 271. 285. 
välnad  272. 
vanabriiär  372 
vafiadis  372. 
vdpnatak  187.  206. 
ValJjjol.^suiiT  (Island), 

SctiDiUcrei  627. 
va»age\t  372 
Vftn3.1iaiTius  832. 
Vandalarius   822. 
Vandali  s.  Wandalen. 
Vandili(i)  811— 814.  820. 
Vanen  319. 
Vangiones    795 — 797.    806. 

825-   934. 
Vanhall,  Joh.  Bapt.  604. 
vanir  3 1 3 . 
Vanir  320. 
Vannius  936. 
vard  292. 

•vardtokkur  254,  403. 
v&re  a)   I92,  b)  213. 
vargr  307. 
Varinl   850—853. 
Varistae    921  f.    924  f.    931. 

937-  941-  947- 
VÄrdträd  394, 
Varulf,  Vanilv,  VaeroW  273. 
■Väsolt  698. 
Vassallen  6.  8.  9. 
Vassall  itSt  168. 
vassallus   168. 
Vassio  822. 
VÄta  332.  335. 
Vataranehae  780. 
vatnahestur   296.    297.  305. 
Vattenelfoor  297. 


vatnsskratti  305. 

vdtir  215.  216. 

vatubantLj   196, 

vatuskratti  1^1. 

vaßavfrt    T91. 

Vntnsdoelasaga  271 

Vi  j4fj.  349, 

vi^ldgrnga   195. 

■vebi^nd  206. 

Vecturius  kelt.^germ.  787. 

Vedrf^lnir  379, 

%-edifkt   104. 

vd/ang  208. 

VegetationsdämoDCn  242. 

Vegtamskviäa  325. 

Vegtamr  335. 

Vehe,  Mich.  582. 

veidr  454, 

veihs   125. 

Veit  Stoss   544. 

veiti'C'di  216. 

veizla    132,   179.  451. 

Veleda  284.  400. 

Velent  724. 

Veliocasses  784. 

Velleius  Paterculus. —  II  w^ 
893.  903.  to6  871.  927. 
940.  949.  /07  928.  108 
794.  928.  946.     /09   913- 

Veluwe  886.  892. 

venu'  208. 

Veme  84.  89.  93.  199.  205. 
209. 

VenantiuK  Forlunalus  561. 
()22. 

Vendsysel  8 18. 

Venedae  784.   810. 

Veneii  784, 

Venusberge  256. 

Vtor  364. 

Veratyr  346. 

Verbi'geni  793.  805. 

verbunden   182. 

Verdaudi  281. 

Verehrung  Verstorbener  385. 

Vereinstage  82,  84. 

Verfall  der  Hansa  40  ff. 

Vergleichung  51,   54 — 56. 

Vergodendei  338. 

Vcihafiung  221. 

verheftet    182. 

Verkdir^ab  gaben  41. 

V  erkch  rs  bei  i  eh  ungeii, 
deutsche  35  ff. 

VerkehrsdiPTiäle  3fi. 

Vcrkonitnoissc  83. 

Verkopp^liHie  der  gutsherrl. 
Felder  22,  23. 

rerlaten   186. 

Vcclübnis     63.  220. 

Verprn\'isntierupj;  der  Garni- 
son 24, 

Verlosung,  gesonderte  der 
Anteile  der  Haien  22. 

Vemersches  Gesetz  790, 


Veroneser  Völkertafel    880. 
verruo/en   197. 
Versammlungen  65,  66.  toi. 

103.    104.  113.   122.  123. 

127.    129.  130.   143.   189. 

212. 
Verständnisse  83. 
Verstorbene,  Verehrung  fiir 

385. 
Versuch  192. 
vertrac   185. 
Verträge  67.  75.  83.  84.  88. 

142.   185  f. 
Verwakungsgemeinschaft 

163. 
Verwand tscbafi  3> 
VerwjindUc haftsiecht  64.  69. 

5         hK 
Verwandtschartsverhällnis 

d^rgcnnanisclien  Sprachen 

s.  Germanen. 
verwulfr  272. 
Veriug   178.   181.   184. 
vesUnen    162. 
Testinge    ig6. 
veitilura    179. 
V'estmannaland  831. 

Veiaranehae  780. 

Veirlidi  325. 

Vetus  auctor  de  benettciis  89. 

Vi,  ^|!;vnge  '^Jü- 

Viator  indefessus  335. 

Vibius  Sequester  929. 

vkeeomei   124. 

Vicineneibrecht  3. 

Victoria  374. 

Victovali  824. 

Viflarr  307.  310.  365.  383. 

videri-d  2i6. 

Vidi  365. 

Vidigoia  694, 

Vitfolfr  mittumstangi  720. 

Vidrir  336. 

Viducasses  784. 

Vieh  43. 

Viehgeld  44. 

Viehhaitang  18. 

Viehhöfe  16.  19. 

Viehstand,  bei  d.  alt.  Nordl. 

454- 
Viehzucht  3.  22.  23. 
—  bei  den  Nordl.  454  ff. 
vielle   573. 

Vi^rfelderw  in  Schaft  23, 
viciixhare  lOÖ. 
Viertel  122.  154. 
vierteile  224, 
Vicrlelshufcn   13.   16. 
Vigaglilm'sSÄga  27I. 
Viger  spü   lO"}. 
Vigridr  383. 
vigsbätr   157. 
viliaverk  191. 
Vihansa  374. 


99^ 


Sachregister. 


Vüi  346.  349. 

Vilja  brodir  (Ödinn)  346. 

vilkor  104. 

Villa  137. 

vilUt  forcnsis  126. 

villanage  9, 

villenage^  Lknd  In  .  ,  21. 

Villenvcrfaisong,    karolingl- 

scfae  14.  36. 
viüanus  126.   134. 
ViUenverfasaung  I4.  36. 
villiei  14.  16. 
Villioberga  822. 
Vimnr  362. 
Vindsvalr  31 1. 
vingjaif  161. 
Vinenir  308.  359. 
Vingölf  340. 
Vingnllioth  830. 
Viuheimr  340. 
Vinland  843. 
Vinoviloth  830. 
Vinteler  28a. 
Virdang,  Sebastian  580. 
Virgate  21. 
Virginal  640.  697. 
virgines  silvestrts  27 1, 
virßning  221, 
Vtia  der  Fafnismül  284. 
Visier  326. 
Vistula  776. 

Visuilgs  kelt.>genn.  787. 
Vita  Anskarii  235. 
Vita  Bonifatü  235. 
Vita  Coluinbani  235. 
ViU  St.  Galli  235. 
Vita  Liodgeri  235, 
Vita  Willehadi  235. 
Vitalicien  vertrag  185. 
VitalpacbtuQgen  17. 
viPerlagh    157.    167. 
vitherlagsret  107. 
viprrmund  163. 
vttishorn  452. 
vitni  316. 
vitöß  57. 

Vittenlager,  Hansisches    43. 
vivagod  317. 
Vivilö  kelt,  >-germ.  787. 
Vodskov,  11.  S.  244.  246. 
Volkemamen,  idg.,  keltische 

und  germanische  784. 803  f. 
Völkerschlacht  in   der  cata- 

launischen  Ebene  619. 
Volkertafel  s.  Veroneser. 
Völkerwanderung  619, 
vogel   150. 
vogetman   138. 
Vogt  32. 

Vogt,  Y.  644,  660.  732. 
Vogtbare  Leute  25. 
Vogtei  6. 
Vogteieni37. 140.150 — 152, 

153. 


Vogteigewalt  25. 
Vogtland  918. 
voirzoene  201. 
Vokabularien  73. 
Volcae  Tectosages  736.  762. 

777-779-  782.  788.  799- 
volge  305. 
Volk,  dat  rodi  276. 
Volk,  fahrendef  35. 
Volker  669. 
Volklande    113.    116.    122. 

124. 
Volkscharakter  a.  Individua- 

Ittftt  und  StammesbewDiat- 

sein. 
Volkselemecte,  Finnische  lO. 
Volksepik,  alttranzös,  614. 
Volksglaube,     german,,     in 

mythischen  Vorstellangen, 

Sagen    u.    Märchen    230. 

231.  248.  618. 
Volkskunde,  historische  235. 
Volksland  2.  7.  8.  9. 
Volkslied  d.  15.  o.  16.  Jahrh. 

643. 
Volkslied,  niederländ.  van't 

Wereltsche  Wijf  734. 
Volkslieder,  kürzere,  im  13. 

Jahrh.  64  t. 
Volkslieder,  geistliche   562. 
Volkssage  243. 
Volksüberlieferung,  d.  Mit- 
telalters u,   d,  Gegenwart 

235. 
!  Vollfreie  3. 

V9lvur  403. 
Volksrecht  57  f.  65  f. 
\  Volksüberlieferung  236  ff. 

■  Volkswirtschaft,  deutsche  37. 
i  Voll  326. 

■  VoUa  370. 

''  Vollfrei,  der  Stand  der  VoU- 
I      freien   bei    den  alten  Ger- 
manen 3. 
Vollstreckung  129.  183,  184, 
220  —  222. 
I  Volmer,  Kong.  334. 
!  V9lsungasaga  272 
1  Vfllsunja-Sage  633.  652. 
Vylsunjr  653. 

Vülundarkvi^a,    ihre   Quelle 
im  ndd.  Lied  629,    über- 
liefert    die    Wielandsage 
633.  722  f.  725. 
VfJlundr  291,722.723.  Deu- 
tung  des  Namens    durch 
Herübemahme    des    ndd. 
Wftland  726, 
V9luspil  243,  284, 
Volven  254,  275.  378,  283, 
Vf^lvur  276. 
V^n  310, 

Vopiscus,  Flavius  269, 
Votivsteine,  Römische  316. ; 
V9r  371.  I 


vorcumbtr  180. 

vordem  211. 

Vormann  32. 

Vormandschaft  der  Sippe  3. 

Vormundschaft  1 4 1 . 1 57.  i  to. 

vormteth  138. 

vorsate  194. 

Vorsprecher  213. 

vorstand  182. 

vrdge  78. 

vrevele  192,  aoi. 

vriäebnuk  191. 

vrv  Merren  132. 

Vrijdag  ndl,  369. 

vrinngt  150. 

vrönbote  213.  33a. 

vrbHhof  150.   151.  38X. 

vrönunge  331. 

vulbort  205. 

vürstett   132, 
!  vürvattc  t8o. 
j  Vulcanas  726.  729, 
I  Vullila  833. 

Vurgnndaib  814. 


W. 

w,  nnbetontes  |>  d  872, 
IWÄchilt  719, 
'  Wackemagel,  W.   241. 

Wada  (im  Wida)  713,  718. 
I  Wado,  alter  Meeriese,  See- 
mann, seine  Mark  ze  Stür- 
men 719, 

Währungswechtel  44, 

Wäinämöine  353, 

Wälder,  gesäte  20, 

WSlsche  762,  779. 

—  Maurer  548. 

wu-pengeitpc   122, 

wteterorädl  219, 
,  Waffen   I29,   130,  206. 
I  — ,  des  FussToIkes  227  ff. 

— ,  der  Germanen   233  ff, 

— ,  der  Nordländer  443. 

— ,  ritterliche  227  ff, 

Waffenberühning  122,    197. 
206. 

Waffentechnik  224  ff. 

Waffcoübungen     der     alten 
Nordländer  452  ff. 

Wagenburg  224, 

Wagner,  Richard  600, 

ii>aihis  got  289, 

Waitz  240, 

Wal;      Walah-,      Walh-     in 
Ortsnamen  762. 

walaha   137,   139, 

Walamer  620. 

Waland  726. 

Walander  726. 

Walberan  640. 

Walcserz  wdaty  704. 

Waldeck,  Bibliograplü«  der 


^^^^^■^^^^^H 

Sachrsgistsr. 

993                ^1 

Quellen  d«r  Siuc  nnd  des 

Walther,  Job.  583. 

Wede           44.                                                   ^H 

Brauchs  316. 

—  V,  Aquitanlen.     Spanien, 

Wedekind   247.                                                 ^^| 

Waldemtr  IU4. 

Kerlingen  unter  707. 

■trtkadinc  217.                                                         ^^| 

—   V.   Kuulatid  bj').   702, 

—   V,   Kcilingco  709. 

Wehtnr  787.                                               ^^1 

WaldeTV-FrBKmei]lcb28.647. 

—   V.  Lengers  709. 

Weiber   136.    157.   138.  159.                        ^^| 

698.  703.  708, 

walzende  (Gründe)   13. 

160.    186.   193.                                             ^^1 

Vi'altHaiiken   294. 

Wand  334. 

Wcibergemein'ichafl   156.                             ^^^| 

Wuldfiiulein,  Ju|;d  nach  334- 

W^ndnlen    SxS.    820— 834. 

Weichbild   94.   115,                                ^^^^H 

WaM|;ri»ter  293  —  2958". 

902.  94  t.  948.  950, 

Weichsel                                              ^^^^^| 

WahlkuU   39f.. 

vttndel   199. 

Weidellüchen                                       ^^^^^| 

Waldni^iiinlein   394. 

Wandcrurcatheorie      (Grup- 

Weidegang  22.                                        ^^^^^| 

Waldnulung,    BeKhtünknag 

|ie'*)    244. 

Weidenwirtschaft   18.  23.                            ^^| 

der   fi^ien   19, 

Wandmulerei,    Allere    Eng- 

Weigt,  Jos.   596.                                             ^^H 

Wftldweib   374. 

land^i    %\G  ^. 

-,  Joh.  598-                                              ^H 

Waldweidcn,  Reckt  der  20. 

Wandmalereien  des  11.  und 

Wethgesc henke  :7l.                           ^^^^^^ 

Wales  855. 

12,  Jahrh.  539- 

Weihnacht,    Geichichle   der             ^^^^^H 

Wllf.  775. 

Wanenkrieg  323. 

245.                                ^^^^^1 

Wal^uiid  V.  Sainccke  676. 

Wanila  365. 

^^^^^1 

Walpurgiinacht,    VeriatDin- 

;.  üp*ng'*i&i    134, 

Wein,  Rtschllmdet                             ^^^^H 

langtnftctil  der  Hexen  277. 

vifxnroi    224.  326  if. 

— ,  FrSnki»chcr                                  ^^^^^H 

Wältldeiike   268. 

Wappen  133. 

— ,  Hunnischer  20,                            ^^^^H 

Wa]th.-iii,  Sohn  des  Alphere 

Waräger  832. 

Weinbau   zo  il.                                               ^^^| 

707. 

'.cärcx<tng   142. 

Weingüter  2ü,                                              ^^| 

AValtharisacc    Ünellen  621. 

warent  iSu. 

Weinhandel   20.                                               ^^| 

62».  64f,     lohall:  703  ff., 

ti^rg   195. 

Weinhold,  K.  244.                                     ^^| 

aleroannisrhe  Fat>une  703. 

•a^rgida   195. 

Wcinschwelg  734.                                           ^^| 

Fianliische(?)Fai*»iing703r 

irtgringe    182. 

veir\fiyslir%,  ihrt   284.                              ^^^^^B 

Polninclie  Fii«>uii^:  [.oka- 

Warnen  s,   Varini. 

Weivie     Flecken     auf     den                ^^^^^| 

liiieniiig  1>ei  Krakau,  W'al- 

'.itiroldt  ak.   8O3. 

Fingernägeln,    Beifeutung                ^^^^^| 

llii:r-«nächll.(je&aiig704,üer 

Wasbcck   865. 

^^H 

Anblick  der  HelKunda  krit- 

WaucCinu  tani  707. 

Weisspfenaig   45,                                    ^^^^^| 

tigt  die  iCäin()feT  neu  704. 

Wasge  709. 

Weissagung    bei   den    Ger-              ^^^^H 

705.  Urspiunc  11.  Heimat 

Wasßcnsteia  703.  707. 

manen  4Q0  ff.                                           ^^| 

d.  Sagc7o5fI.,Walihereine 

Wnuerbegiessung  164.  414, 

Weiittinier    11.  65.  &6.  75.                      ^^| 

hi«or.i''er»önlichkeit?70;, 

Wsuerdfimoncn  301  —  306ft. 

77—79-   80.    82.   84.    86.                       ^H 

weienll.  KlemcDle  dcrHil- 

WastereUen  397, 

87.  94.  )ui.  103.  113.                   ^H 

dc^a^^c  in    ihr    wiederkeh- 

WaAMtMule-'n 297. 

Weizenmulter  308.                                          ^^| 

rend   yo(>,    ihr   Kern    eine 

Wasser geistei   295— 308. 

W^'land   723.  726.                                           ^^1 

HrDeueiuni;  dcTmylhi^chvii 

W'asscrjungfraii    197. 

Wdandcpisodc     ags.,     und                         ^^^k 

Mildcsa);r!706,  Vcrbindiiri)' 

^\'asscIli5sc   297. 

eddiachr      V  Alandarkvifn,                         ^^| 

Wallhcrsm.d.  Burgundeii, 

Wassermann   297. 

ihr«  Quelle  ein  ndd.  Lied                         ^^H 

Hatten  mit   dem  Nibelung 

Wasserriesen  301. 

^^1 

Hatten     idrnlili/.icil     706, 

Wasseropfer  388. 

Welisung   653.                                                 ^^^k 

"Wallbrr»  Heimat  707. Wal- 

WanserKtrsKscn,   die    natär- 

Wellentheoiie  748— 75O.                              ^H 

ther  ein  wC5lg(it.  Held 707, 

liehen  36. 

Welsungensage  65:  f.                                     ^^| 

Hilde^^unds    Heimat    707. 

Wal*    294,   713.    715.    718. 

Welt,    Schöpfung   derselben                         ^^^ 

Epische    Ausbildung    der 

729. 

in  der  Edda  37R  fT.  Schö-                       ^H 

Sa^e  bei  dcnOst(:o{en707. 

Watamann,  der  Rieaenkönig 

pfung  der  Mensche»  377               ^^^^^H 

70H.       Walthers     Kin«d- 

:99-  309- 

—  378.     Hinricfatun;:     der             ^^^^^H 

kämpfe    jOÜ,     Anlehnung 

Wayland  smilh  725.  727. 

Welt  378  if.  (icrroanische             ^^^^H 

an  die  BargundenaKe  bei 

Wazierholde  278  ff. 

Q.  speciell  nordische  Vor-             ^^^^^H 

den  Alemannen  errul^t;o8, 

iifaiat    137.    139. 

Meilungen  vom  I.4.-bcD  nach               ^^^^^H 

Ersetzung    der    anii^Tcifen- 

Webe  gerät  schiften    hei  den 

dem  Tode  380  fr.    tiaiet-              ^^^^H 

den     Burgunden  -  Franken 

Skandinaven  478  ff. 

gang  und  Emeuening  der              ^^^^^H 

d  urch     die     verrol).  enden 

Weber  596.  597.  S99^*  ^c* 

381                             ^^^H 

Hunnen  bei  den  Franken 

605. 

Weltbaum                                             ^^^^H 

erfolgt?  ;uit,    Kampf  am 

Weberei  30. 

Welten,  Neun  iu  der  Edda            ^^^^H 

WasgeoslcinWalihcTB  cin- 

Wechiclb&lge,  Bexeichnang 

378                                                ^^H 

^^H            ligc  1  hat  nath  der  älteren 

für  Zwergkinder  292. 

Weltkarle,  romiichc  742.880.             ^^^^H 

^^H           Sa^e  708.     Streben   nuch 

Wechselbänke   >0, 

Wenden                                               ^^^H 

^^H           cyklischer  VerbindiiDi;  der 

Wechsel  gesang,    Choriscber 

Wcn(d}lii«,  Wcndilcnses  81 8.              ^^^H 

^^H            einzcInenSaffcnkrei^e  708. 

556. 

vror^tig                                                          ^^^^^^1 

^^r            U'altlerK  Aller  709.  Wal- 

r.W  a)   182.    183.  b)   185. 

UYOlunia    161.                                                ^^^^^^1 

W                   then  Rilterpferd  709. 

^rrdbrt'nSor   166, 

U<tT                                                                            ^^^^^^1 

^^^         Waltliaiius  630. 

ireJdjan    185, 

vxrageld  I99.                                          ^^^^^^H 

^^m            Germaaiiche  Hhlloloffie  111.    7.  Aufl. 

^^^^1 

994 


Sachrkgiktkr. 


werandstef  157. 

•werescap  182. 

"Wergeld  114,.  117.  130.  131. 

132.  136.  138.    14».    »57- 
159.  [6$.  199,  301. 
WeiTC,  Name  für  Frau  Holle 
im  Voi^ilanilc  aSi. 

Wcrodei  339. 
Wonborochrniii^     bei     dea 

NordJ ändern  47J. 
Weruelation  fwifcheti  Gold 

nod  Silber  44. 
verr>i'nl/  271.  273. 
Wescrmarach  896. 

Wesl,  Benjamin  553. 
Westfalen,  Bibliographie  der 

QoelleD  der  Sitte  and  dei 

Brauchs  523, 
— ,  westfälisch  870  f. 
Westgermanen  32.  55.    791 

—798,  811  f.  842—950. 
'Westgerm.Spracheinheit7  47f. 

809-812.  815— 817. 842f. 

876. 
Westgötalagh  107. 
Westgoten  619.  825.  830. 
Westmacott,  Sir  Richard  551. 
Westmanna  lagh   109. 
westnordisch  828  f. 
•utterkamp  219. 
■eeeti  182, 
■sKtte  132. 
wetten   185.  188. 
/   wk    125, 

vficbeUdc  a)   125.  b)   178. 
•wi'chbilUc  57,  94.    126. 
Wichtenbeck  865. 
WihtrM   69. 
■widarsacho  2 1 1 . 
widemo    161. 
■widerTL-ri/efi  206. 
Widolt  720. 
Widsid  621.  622.627.  672. 

674-  7>3.  7>5.  7'8.  719. 
746. 

Widukind  von  Corvey   860. 

Witj^erefen  31. 

Wicht  :j89  &\ 

WichteliDilnDchen  289.  292. 

Wickersche  ajfj. 

iiiiliTf^on^  404. 

■widtmitUclic  LL'ihe  27. 

Widukind  (NEon.Germ.)  234. 

Wieck,  Clara  603. 

AViedcF^cburl  des  deutschen 
Epoä  in    Osterreich  638. 

WieUnd  291. 

Wii-latidsage.  unhistorisch 
623i  ältCÄle  Form  im 
Norden  entliAlten  633,Vi51- 
unda.rkvij>n  722,  Gedicht 
TOD.  Hcricog  Friedr,  von 
Schwäbet;  ab  Xachktang 
der  W.sage722.  723,  Sage 


T.  Raab«  dtrScbwanjung- 
frau  723,  Sapc  von  Wie- 
lands  Gefangcn^chat^T  und 
Rache  723.  728,  Deors 
Klage  723,  gemeinsame 
yuollc  V.  ViiluntJarkv).  a 
u.DeorsIvla^e  ein  iidd. Lied 
v.Wälands  Gefangen  SL-haTC 
u,  KcLche  723,  Erzählung 
der  Pidreks^aga  v.  Velent 
714,  V'«Jundarkvi|iB  die 
Quelle  der  ältesten  li estalt 
der  Sage  725;  Nieder- 
deutschiland  die  Heimat 
der  Sa^c  725,  oacJi  Eng- 
land verbreitet  725,  nach 
dem  skandln,  Norden  ver- 
breitet 725,  Deutung  des 
I  Namens  V^undr,  Wtland 
726,  altfranz.  Zeugnisse 
726,  die  Sage  in  Ober- 
deutschland 726.  Ursprung 
u.  Bedeutung  der  Wieland- 
sage  737  niedetecMythiis 
aln  ^ille!Lteir  RüstiTid  der 
Sage  727,  Grundlage  727, 
EntwickelungvonaSagen- 
typen  ans  der  ältesten 
Form  727,  rinklcidung 
der  iiiederdiiUlsche»  Fb»- 
sung  728.  Die  W,sage  bei 
den  Rugiem  728  {?).  Ver- 
bindung der  Sage  mit  dem 
Motive  vom  Raube  einer 
Sfh  «.  an  j  u  n  g  fr  au  7  28 ,  Nach- 
bildung antilier  Ühcriicfe- 
rungen  nicht  annehmbar 
729,  cyklische  Verbindung 
der  Sage  729.  Episoden 
und  Slüfl'erwfc-ilerilEj^en  in 
derPs.  Niederschläge  einer 
jüngeren  F.afijung  der  s^ichsi. 
5^5729.  Wielands Jugend 
729.  Ameliasepisodc  730. 
Svielands  VerljatmiiBg73o. 

WielanJ    ahcl.)   726. 

Wiener  Plennige  45. 

Wiesenkultur    18. 

'<ci/a   125. 

'toifarr    180. 

Wiglaf  646. 

ti'ihsi-lin^^n    292, 

7n!it  ags.    289. 

'.•jilil,  ivihti  ahd.   289. 

'.cihtel,   ipthielin   289. 

Wikingerperiode  11. 

Wilda  53.  55. 

Wildbann    151.    170. 

Wilde  GjaJg  335. 

Wilde  Jagd   334. 

Wilde  Leute,  Bezeichnung 
für  Waldgeisier  294. 

Wildmilnnel   294. 

Wildes  Heer  334. 

Wilhelm  v.  Florenz  540. 


Wilhdm  V.  Sens  537. 

—  I.  V.  ^igl  75.  76. 
Willaect,  Adriano  579.  585. 
wiüeiür  57. 

wiUßre  389. 

Willibald»  der  Priester  335. 
Willimfirea  812, 
Wilkie,  Sir  David  554. 
WiUmeri,  Rudolf  605. 
Wllmanüs,  W    716. 
WinLkcImann  549. 
Windbruch  30. 
Winddilmonen      35S-      307. 

308  fr. 
Wiadgott  249. 
Wiiidj^oulieil  261. 
Windsbraut  308.  334. 
Winland  s.  Vialand. 
Winter,  Peter  596.  599. 
Winterfrucht  18. 
Wipper  775. 
•airigild  199, 
WirtschaA,     genossenicliaft- 

liche  19. 

—  bei  den  alten  Nordländern 

454. 

Wirtschafts  betrieb  lO. 

WitLsdwfisbeiirk  15. 

Wirtbichalt*fonncn  iS^ff. 

WittithAftslebcti,  in  den 
d^uUchctL  SiSctien  26. 

WiTi5i:hafis})a1itik.  der  Stadt 
36. 

Wisby,  Stadirecht  von  34. 

— ,  Handel  auf  Gotland  43. 

•wtstuom  78. 

Wisurich  787. 

Wite,  lübische  45. 

Witege  693,  histor.  Anhalts- 
punkte für  seine  Gestalt 
694,  mythisches  Prototyp 
69s,    als  Wielands  Sohn 

729. 

ly'ttetuj  i^i-mSt   147. 

Withesieth  836  f. 

v'iti  197.   199. 

Witigis  694. 

witisfalc  220, 

Wiwilö(n)  787. 

icizfitairi'   220, 

\piszod  57. 

Wochenmarktsvcrtehr  36. 

Wödan  311.32S— 346.  391. 

Wiidan,  Wutitan,  Udin,  Kni- 
wifkiuogsgescfaichtc  der 
WöilatiÄvecehruiTig  318  ff. 

Wiidafi-Merkurius  314. 

WMan-Odino  a9s  Gott  der 
Fruclilbarkeit  338, 

—  als  HimmeU- und  Sonnen- 
gott 345- 

—  als  Totengott  337  — 358- 

S33. 

—  als  Gott  der  Weisheit  u. 
Dichtkunst  241 — 345. 


Sachregister. 


995 


"Wöilan-ÖdinD,  Schöpfer  der 

Welt  and  Menschheit  346. 

— ,     Erfinder     der     Runen 

343  ff 

—  als  KriegsKOtt  338—339- 

Wödan,  als  WindgoU  332 
—337  ff- 

"Wödanaz249.  3 '2.  33  2.333- 

Wode  332.  333.  334.  335. 

Wodelbier  338. 

"WödenesdKg  329. 

Woejäger  334. 

WÖlfl,  Jos.  604. 

Woenswaghen  346. 

"Wohnung     der     nordischen  1 
Länder  428  fl*.  I 

Wolf,  Ernst  Wilh.   599. 

— ,  Job.  Wilh.  239. 

Wolfdietrich  =  Theodebert 
I.  672.  673,  Name  des 
Helden  674,  Stammvater 
der  Amelungen  675. 

Wolfdietrieb,  mhd.  Spiel- 
mannsgedichte  641.  671.     \ 

\V0lfdietrichsAbenteuer676.  , 
Besuch   bei  dem  messer- 
werfenden   Heiden    u,    s.  ' 
Tochter  Marpali  676.  Wie  , 
derHeld  die  Königin  durch  j 
den  Kampf  mit  einem  Un-  ' 
geheuer  gewinnt  676.    Er- 
achlagung   eines    Serpant, 
der     mit     einem     Löwen 
kämpft  676. 

WoU'clietrichsi^;«,       Quellen  , 
640  ff. ,    Elemente  dersel-  ' 
ben  im  S^enkreise  Diet- 
richs V.  Bern  695,  in  der  , 
Rothersage  721.  Inhalt  s. 
Ortnit-Wolfdietrichsage. 

Wolfhart  694, 

Wolfram  v.  Eschenbach  640. 

Wolfrät  721,  I 

Wolfskehl,  K.  676.  734. 

Wollengewerbe  19, 

Wölpe  774.  I 

Wörpe  774. 

■u'Otsi/n^f   197. 

Wor  334.  I 

Worm,  Nie,  93,  95.  ; 

Worms,  Burchard  von  253. 
259. 

Wort  187.    19Ü.   212. 

Wotu  334.  i 

Wren,  Sir  Christofer  550, 

Wudesheer  337.  i 

Wülfinge  694.  ] 

Wulpenwerder714.715.7i6. 

Wümme  775, 

Würfelspiel,    bei    den    alten  ' 
Nordliimlern  453. 


Württemberg,  Bibliographie 
der  Quellen  der  Sitte  und 
des  Brauchs   515, 

Wüstung   196. 

Wütendes    Heer    333,   334. 

335- 
Wuetes  334. 

Wunderer  640.  643.  697. 
Wuotanestac  329. 
Wuotas  333. 
wtir/  283. 
Wutesheer  332. 
Wyatt,  Benjamin  Dean  550. 


X. 


Xanten  670. 


y^eno,  oström.  Kaiser  689. 

Sf«/    122. 

zententreri-    123, 

sentffräve    123. 

Zeringen  865. 

Zersen  865. 

Zeuge    129.    135.  141.    142. 

148  f.  212.  216  f.  220. 
zeiinriten   275. 

2fif  312.  313. 
Zeven  865. 
Zierler,  Stephan    582. 
Zilly  865. 
Zimmer,  H.  663. 
Zimmersche  Chronik  236. 
Tinken,  Blasinstrumente  575. 
zunitTc  224. 


I  A 


Y. 


Vdalir  378.  \ 

ydr,  ydvarr  an.  816.  1 

yfirmaär  399. 
Yljas  von  Riuzen  679.  680. 
ymbganif    128.  ■ 

Ymir  292.  309,  346,  376.      i 
ynglingar  320. 
Ynglingasaga  247.  267,  ! 

yrftland  7.  ■ 

yrfcu-eard  148. 

Z. 

Zabern  926. 

Zargeninstrumente  573. 

Zauber  bei  den  Germanen 
404. 

Zauberlieder  405.  ' 

Zaubersprüche,  ältg.  235. 

Zauberzeichen  344. 

Zaunreiterinnen  375. 

zechf   166. 

Zeeland  (Kudrunsage)  717. 

Zehent,  der  kirchliche  17. 

Zehling  865,  ! 

Zeidehveide  20. 

Zeidler  20.  1 

zein  ahd.  401. 

Zeitpachtungen  6.   17.  21. 

Zeitrenten   50. 

Zeitschrift  für  deutsche  My- 
thologie und  Sittenkunde  . 

239.  505- 

—  für  Volkskunde,   Leipzig 

50s- 

—  des  Vereins  für  Volks- 
kunde, Berlin   505, 

Zeitschriften,  deutsche,    eng-  ' 

lische  505  fV. 
Zelter   596.  ; 


Zins     134.     136.     137.     140. 

'73-  '77-   '78.  181.    183. 

[84. 
Zinsbauer  25. 
ZLnseuhöhe,     für     gewöhnl. 

Gelddarlehen  50, 
Zinsgüter  5. 
Zinshöfe   2i. 
Zinshufe   14.   Ili, 
Zinsland    18. 
Zinspilichtigen  5, 
Zinsverbot  48. 
ZIu-Tyr  3 12. 
Zlesane  942. 
Zoll   125.   133.   148.   152. 
Zösinios  ///  (i  858.  886. 
Zündhütchen  (1818)  228. 
Zünfte    28.    29.    33.   34.   87. 

88.   156.   210. 
Zuidhoeksch  847. 
Zumsteeg,  Joh.  Rud.   596. 
Zunftmeister  29, 
Zunftwesen  28  ff. 
Zunftzwang  28.  29. 
Zuzüge  vom  Lande  nach  der 

Stadt   28. 
Zwanzi^^er,  Tiroler  45. 
z-ii-ehk  ahd.  916. 
Zurückbehaltung  183, 
Zwang  187, 
Zweifeldersystem,    im   alten 

England  22. 
Zweikampf    108.    14I.    206. 

212.   213.  214.  217f.  219, 
z'.iurch-   nhd.  916. 
Zwerge   289—292  ff. 
Zwergensage  698  f. 
Zwingburg  34. 
z-.i-irtgfti  916. 
Zwölfkämpfe  671, 
Zwölllnacht  26a. 
Zwölf  Niicbte   259. 
Zwölfnächte  2G0  ff.  403. 
Zwölfzalil  der  (lolter  313. 


Universiiats-Buchdruckcrcl  von  Carl  Georgi  in  Bonn. 


Neuere  Werke  aus  dem  Verlag 

von  Karl  j.  Trübner  in  Strassburg 

mdcccxcix 


Ihtrrh  liif  fiieisfen  Bttch- 
hfindlitngen  rfcs  In-  und 
Aimhniftfü     ZH     beziehen. 


*lll*l 


Vbklag  vun  Karl  j.  trübner  in  strassbürc 


DEUTSCHE  GRAMMATIK 

(JOTISCH,  ALT-,  MITTKL-  UND  NKimOCHÜKL'TSCH 

VON 

W.  WILMANNS 

ord-  Profttiot  d«i  dcutictK'n  S(>rs'(;hc  und  Liiientwr  an  der  UnlrCtilrill  Bomi 

Erste  Abteilung;   Lautlehre.  Zweite  verbesserte  Auflage.    Gr.  8". 
XX,  425  S.  1897.  M.  «.— »  in  Halbfranz  gebunden  M.  10—. 

Aus  dem  Vorwort  zur  zweiten  Auflage: 
„Diese  zweite  Auflafje  weicht  von  der  ersten  ziemlich  stark 
ab,  kaum  ein  Paragraph  ist  unverändert  geblieben,  manche 
gani!  neu  tjcstaltet.  Bald  (jab  die  Form,  bald  der  Inhnlt  den 
Anlas»,  bald  eigene  Erwägungen  des  Verfassers,  bald  die  Ar- 
beiten anderer.  Auch  der  Umfang  des  Huches  ist  um  einige 
Bogen  [sechs]  gewachsen,  besonders  dadurch,  dass  sehr  viel 
mrhr  neispielc  für  die  einzelnen  Lauterscheinungcn  ange- 
führt sind " 

Zweite   Abteilung:  Wortbildung.     Zweite  Atiflage.    Gr.  8«.  XVI, 
671  S.  1899.  M.  12.50,  in  Halbfranz  gebunden  M.  15. — . 


Die  zweite  Aiitln;^'u  lieider  Abtcilunjirii  i-^I.  wa^  dit-  7abl  der  Exemplare 
betrifft,  L-inc  crhöhti-  um  auf  fint  l;in[;c  R(;Thc  v  m  fahren  h:naus  die  Not- 
wundigkcil  eines  Neudrucks  oder  emtr  nuucn  RLiirhciiun^  nMs?.iisirhlies>t-n  und 
dadurch  die  Kaufer  vor  allzu  schnellem  Veralten  des  WVrkeN  711  srhilt/cn. 

Das  W'L'rk  wird  in  vior  Abteilungen  erscheinen :  Lautlehre, 
Wortbildung,  Klexiun,  Syntax.  Eine  fünfte,  die  Geschichte  der  deutschen 
Sprache,  wird  sich  vielleicht  anschliesscn. 


....  Es  ist  sehr  erfreulich,  dass  wir  nun  ein  Buch  haben  werden, 
welches  wir  mit  guiem  Gewissen  demjenigen  empfehlen  können,  der  sich  in 
das  Studium  der  deutschen  Sprachgeschichte  einarbeiten  will,  ohne  die  Mög- 
lichkeit zu  haben,  eine  gute  Vorlesung  über  deutsche  (irammatik  zu  hören:  in 
Wilmann.s  wird  er  hierzu  einen  zuverlässigen,  auf  der  Hohe  der  jetzigen 
Forschunj;  stehenden  Führer  finden.  Aber  auch  dem  Studierenden,  der  schon 
deutsche  (irammatik  gehört  hat,  wird  das  Buch  guti:  Dienste  leisten  zur  Wieder- 
holung und  zur  Ergänzung  der  etwa  in  der  Vorlesung  zu  kurz  gekommenen 
Partien,  jedoch  auch  der  Eachmaiin  darf  »lie  Grammatik  von  W.  nicht  unbe- 
rücksichtigt lassen.  Denn  alle  in  Uelracht  komini-ndcn  Fragen  sind  hier  mit 
selbständigem  L'rtcit  und  unter  voller  Beherrschung  der  Literatur  erftricrt. 
Und  nicht  selten  werden  Schlüsse  gezogen,  die  von  der  gewöhnlichen  Auffassung 
abweichen  und  zum  Mindesten  zur  eingehenden  Erwilgung  auffordern,  so  dass 
niemand  ohne  vielfache  Anregung  diese  Lautlehre  aus  der  Hand  legen  wird. 
Besonders  reich  an  neuen  Auffassungen  ist  uns  die  Lehre  von  den  Konsonanten 
erschienen.  Aber  auch  die  übrigen  Teile,  unter  denen  die  bisher  weniger  oft 
in  tirammatiken  dargestellte  Lehre  vom  Wortacceni  hervorzuheben  wSre,  ver- 
dienen Hcachtung  .  .  ."  W.  ß.,  LiUranscfigs  CVfitra/A/att /i^i/j  Mr.  ^. 

Protieteiie  *lehe  omiiehrnd. 


Verlag  von  KAtil.  J.  TRÜBNKR  in  STRAss8üA(t. 


Wilmanns.  W..  Deutsche  Grammatik  (Fortsetzung). 
Probeseite  aus  der  2.  Auflage  der  I.  Abteilung. 


g  .W.  Mi.l 


Eol-Ih),  Laitt\Lri'8tfhiel)int':-.   Germ,  y,  t,f:. 


r.j 


Zweites  Kapitel. 
HocMeutsvhe  Lautvert»chiebar.g. 

39.  Die  Consnnnnteu,  wek-lie  im  G^rmaiiiscbeD  ans  den 
idg.  Versübluitölantcn  entstanden  waren,  geraten  im  Hoch 
deutschen  von  neuem  in  Bewegnng.  Diese  lioclidentsehe  Ver 
sehieliun«^  ist  besondei'e  intere^üant  und  lelineiL'h,  weil  sie  sieb 
zum  groi^sen  Teil  vor  unfern  Augen  vollKielit  und  genauere- 
Einsirbt  in  die  stiitig  foi-t&e  breit  ende  Änderung  der  Consonantcit 
und  die  sie  regelnden  Kräfte  gewährt;  zu  so  einfacben  und 
gleichniäsäig-cn  Ergebnisiseu  wie  die  ältere  Veiscliiebung  filbrl 
sie  nicht.  Die  Laute  der  rers eh ie denen  ArticnlationsHtclleii 
nnd  -arten  zeigen  sich  nicht  gleieh  einptliuglicb  ftlr  die  L'm- 
Wandlung;  slilrker  als  in  der  früheren  Verucliiebiuig  macht 
sich  der  Kinllnss  benachbarter  Consonantcu  geltend,  und  vor 
allem  der  Eiuflnss  des  germanischen  Accentes,  insofern  der 
Inlaut  der  Änderung  mehr  ausgesetzt  ist  als  der  Anlaut,  d.  b. 
iler  Anlaut  der  schwach  betonten  Silbe  mehr  als  der  stark 
aL'iienlicrtc  Anlaut  der  Slanim^ilbc. 

Der  Beginn  der  Versoliiobnng  fsllt  in  die  Zeit  Tom  5. 
biK  7.  Jahrb.  unserer  Zeitrechnung  und  detthalh  nind  ihr  auch 
viele  romanische  Lebnwüitcr,  die  bis  zum  8.  .labrh.  ins  DcntAchc 
antgcnommen  sind,  unterlegen.  In  Überdeutsehland  zeigt  sich 
die  Bewegung  zuerst;  die  Sprache  der  Langobarden,  Baicrn, 
Alemannen  und  eines  Teiles  der  Franken  wii'd  von  ihr  ergriffen; 
je  weiter  nach  Norden,  um  so  schwacher  wird  die  Wirkung*). 

Genn.  p,  t,  k. 

40.  Die  eiit»chiedenHle  Umgestaltung  liaben  die  ger- 
raani.whcn  Teuues  durch  die  horbdcut«ehe  Verschiebung  er- 
fahren. 'IViiuit*  —  .\spirata  -  Affricala  —  Spirans  beveicbnen 
die  Bahn,  in  der  sitrb  die  Jjantc  bewegen.    Im  .\nlant  knmtnea 


1)  Braune,  PBIj.  I,  1— 5fi;  Liltoratuniacbwcis  bei  Br.  ahd.  Gr. 
5  Hii  A.  Verxeichnig  sUjrerinanificher  Lehnwfinor,  Klage,  GrUr.  I 
S.  30!>  f.  —  Über  flic  normale  Vevachiebungsimio  '\  §  W  Amn. 


VC1I 


Jfricbricb  1k[udc, 

ftrefcricc  an  bcc  UiilBcrlttSt  gtctfruita  t.  Or. 

Sriht^lc  bcrtitfftrtc  utili  brnnrlbrtr  9luf(anr. 
iltf.  8".  XXVI,  5H)  6,    IHHO.   *4JTei4  broidtico  iDif.  t>.— ,  in  .-öcibfroiij  gcbuiibeii  ilf.  lU.— 

Rlürfcrltudj  I)nt  «  eine  [cxi(ntii(fte  ^Storbcituitfl  bev  Sh)molD<iic  uiijcreä  mDbcmtii 
i5|n'arf;iil)ii^t£>  tiidit  geö'"^'-'"-  2)cv  lirToIg  bi-i  feit  bciii  ^a^i'c  1Ö84  erjd)iciieiicn  fünf 
Sliiflagrn  uiib  bk  ?Itietfcnit]i«ö,  rttelrfic  beut  iöuriie  511  Üeit  getpoibm,  Ijabfn  geseigt, 
icic  rifhtifi  ber  ©cbniifc  rpar.  bitr  ©rgcbitiffe  bt'§  nn^icf^fiibftni  iinb  rocrtDüKjtcii  XfiTci) 
ber  iüifjc»irt)a|ilicl)i*n  SMortfor jc^unfl :  bcn  über  bic  tSiitftctiiing  iciib  ©cjcftirtite  bcr  ciii^Jiclneii 
!fiji>r!ct  unfere^  Sptacftjdiüöeö,  in  Eiiappcr  IfjitöUff^er  t^arftcUuiiß  äUJamiHcn^ufofieii. 

Xcx  i^crfaficr  \)a\  ee  firf)  ^iir  ^Uifgabe  gcmadit,  ,jürm  uiib  öcbcntmiä  jebtfä 
SÖortc?  bi^  8«  }emx  OucIU  311  Dctfolflc»,  bie  S^eiiflniiigcn  511  bni  flaijildicii  3pmd)eit 
in  fllcid]cm  ajinpe  ktonenb  «if  bßä  SJetroanbtjttjaft^tOfr^lhiiS  ju  box  übrigm 
flcrinniiilAen  unb  bcn  roinoitiictjeii  «Sptat^cti;  nurf»  bic  etitfttiiterctt  oriciita(ijrf)cii ,  joioie 
bic  Ecltiicdicn  unb  bic  flnmicticn  3pmriicii  jiiib  in  nllcn  (yt^Ucn  tjt'rnncic.^^Dflcn ,  \m  bic 
^Dtit^ung  eine  ^fcnumibtjcliaft  jtrft-^iiftcllm  Drnnag.  @inc  allgcnictnc  Sinlcitung  befmnbelt 
bic  C5c|(f)icötc  bcr  beutjd;ict!  Sfirnriit-  in  i^vcn  Uinrijicn. 

Tic  Dürlicgeitbc  neue  ^luflnöc  bic  niif  icbcr  3citi'  löoficniiuicn  ober  3"t^1J«  oi'f' 

ineift,   ^ält  mi   bcm  frütjcrcn  '^ruflrnnim  bc^  3Bcrfc3  fcft,  ftrcbt  rtöer  Toiebenim  nac^ 

einer  ^Jcrticfnufi  mib  lirrmcitcnnui  bcr  loürtßcirfjiciitlidKn  H^roblcini;  unb  ift  tind)  bic3= 

uml  bemüht,   bcii   iicucflcii   fVL<rtjd)ritti.'n   bei   cttnnü!o(^ijd)i'i[  '-ZUorlftirfdMiEti}  gebütjrenbe 

9iEcrf)nnnfl  311  trngcn;    \k  luttcriAcibt^t  |irf)  uun  bcn  früljcten  ^luflflflcn    bejonberS  biirrfi 

fprarfinjilJcnidiitfttirtH'  'i)[arf)iiH-iic  unb  CucHennnivikn,   iomtc  bnccö  9(iifimt)tiic   influrfier 

jünqcrcr  Sorte,  beicn  (^c)d)iri)tc  in  bcn  übrigen  i&Jövtabnd>etn  ipciüg  faerüdiiditigl  ift, 

unb    bnrd)    iiinfäiiflUd>crc*  ."^niicbcu  bot  bfntfdtcu  Ifhntbnvtcn.     Vlu^  bcn  crftcn  löudj= 

ftaben  fcicii  nnt  bic  fnlgeiibcji  ÄBöttcr,  ^iint  teil  Üknidiöpfnitgcn  iMtfcrr*5  ^nbrljiinbrrtö, 

nngefttt^rt,  bic  neu  aitfijcnonnncn  lourbc»   finb:    nTlerbing^,   ^(tlmi.^ler,  ^tnfnufiü'flrünbe, 

^tnflctegenfjcit .   ^InfdinuCirfifcit,   onftntt,  niiäüfllirfi,   Jljdji'ubiübcl,  '?lfd)cviniHnjod),   qu§^ 

mergeln,  iHcöcifteiniifl,  beE)eri,tticn,  belüftißcn,  bcuütlciben,  bcjcitigcn,  SJenifggrniib,  bcroctl- 

ftefligen,  bilbjnm,   bt'>i»cikit,  ibinnmgc,  Siittnev,  iShrift,  Gtjnftbanni,  ß^riftfinbcf|en; 

au^    bcm  '-Pncfiftnbcn   .St    nennen   mit:  iSlnbarfie,   Strimpc^    Stfliuincrldjjdteu,   Hnnopcc, 

ÄrtnncriflicBet,  JÄiiufterlein,  Sflnter,  Kuper-,  ftäpfcr,  iUrtätidK,  Mii^cniommcr  u.  f.  id. 

'Um  beftcii  ober  neionfdmnlidifn  einige  ,Sal)lcn  bie  ii'teruollflönbiflnnfl   bsi  Söerfe*  feit 

feinem  erflen  (Sririieinen:  btc  'i^a\)l  bcr  igtidjniorte  lint  fid)  Bon  ber  crftcn  jur  fccft«ten  Ifluflage 

ocrmct)«  im  iÖiuliftoben  ^Jl:  uan  130  onf  280,  5fl:  oou  387  auf  520,  X:  öon  137 

rtuf  200.  (5:  üon  HH»  mif  UHX  J:  von  2'Mi  an\  321),   ®:  oou  2öO  ouf  330,   «: 

0011  30(1  auf  Hif,  ^:  m\  ISO  ßuf  23[>. 

l'ruUcn  siclic  n&chsic  Sciu-, 


VBRLAC    VON   KARL    J.  TROBNER    IS   STKASSSURC. 


ftfuflC,   ^riförirtl,  t5ti)iiio(o9ijd)Cff  äÜiirterliuc^  bct  bcutjrfjcu  Spröde.     (Proben.) 


^auttn  iUiir.  ki  «Dctljc  im)  n<^\)\wvw. 
{■Bitte  LHi;j|>t;  ücr  Siiifll.  iBantc  ryvuifi  H  -i*. 
1 1  If)") ;  bariitwt  &a6  Idjrreidw  i^-uöiii*  t>on  ."C>ei)*< 
roifd)  1791  Sicßicnmn  Haifcr  Waili  Dei  Oroften 
©.  HB  5iii>roic:  „iömiipn  ifl  :,iurtr  cm  ^ro^ 
yinjiölRioil,  atieiMocrfcii'iit  iit  bic  SiItriilU'vndK 
autGcnommcn  ju  luciöcn,  itJO}ii  man  idioii  ju 
©crUii  Im-?  ^wmi>el  öirbi":  ein  iint  bic  *Dlilte 
M  W.  3al)rl)fl-  i"  Öcr  aJIarf  lörauOcnbiirij  mi 
iTclentied  Sort  bcr  ^^tcriualtung^fiiiactic,  ^uicil'l 
oon  iieijiioB  ITTri  .tmnbbud)  £.  2fi7  UTOfj  ?liitt' 
barbaniä  S.  IW>)  wviftd)iift,  aber  bei  ^föcluitö 
unb  (Scimuc  iiodi  feblcnli;  9l&clinifl  untcv  ^^flu 
cnDähm  ISnuicii  al;>  'Jllurül  m  '-Bnii  ifjr  baö 
iiM.  yiorbftiMEiidjiniii).  17S]  luirft  bilwi*'  'önuie'' 
als  iio?nnicr.  lialcftTtort  uvrjcit1)«ci. 

aiiffoinnK^nbc,  luimc^fl  tomifctjc  UimU)fltetti!buiii-| 
imd)  frj.  uge-SoTicii  iniiei-hGlb  bcr  Suibenicri' 
ilirnd>c  (c*  c^\H  (ein  frj.  blamagei;  miljciic  '-öe* 
IcQC  in  ftubeiilifcher  SJittcratur:  |?i|d)er  17H1 
,H&miid)c  S^im'djiobe  5.  0  imb  !t.'ai]n)arh  ]Nii4 
(Julertatipcr  3. 1 1 H ;  uiil.  Sliibciticiiipratiie  3.  *i4 
mit  :)ti'n0]iim(i^u- 

JöoritfcflftfT^Bi.öatüriti  bc«  9ici(bsabidiicbcn 
üDiii  Gtibc  bc*  lü.  ^\ol)rliv.  bie  jum  ?RcflCii«bitrnci- 
von  1B.M 'ÖDtjdiaft  (outKl  ak* 'Wciflnbtjdirtft* ; 
10  aiid)  otl  bei  i'utljct  j.  '^,  2  Mor.  '»,  'JO,  idd  mucrc 
©ibeloHJyiabcii  ^ o t f di  a i  ic v  eiiiflcictil  liabeii- 
2>atm  Tritt  —  jucrii  bei  i^ol).  i'imnöiiÄ  Kiöl 
CapitulatinneB  Imperalorum  ©.  r)77  —  l^ott- 
fcf)nffter*niinciUh*iicbeii'-Pcttid)attl'l^l5'atio' 
auf  ülö  SJcjeiriiminfl  bei>  eitiielncii  9J[ilölicbc* 
einer 'öolfdjnft.  ^Öoifiinftcr  flcbilbci  jcieMiinb 
iiftaftcr  uubWc)el!(diniicrer)dH'inln[cidncitiii 
ucreiii.icll  (V  ®-  Üindantciiljoiwlal  IGOSASt  Hl» 
Cibl  'ruer  mit  einer  'i^piidiaft  beaufttafli  ift'. 
3)od)  imirbe  ba^  jid)  bnmol^  cinbütflentbe  fij. 
ambassadeur  alKjenteinl'iicbroiidil.  ,\tifol(ie  bcr 
gto6en£lreitii^EeiteniibcrbiebiiiIomatiJd}Gn;HrtHö: 
tloffeii  bfim'3(ittnue{icr.Hciuireylfj77H  idjciitl  am 
Sifincr  .'^of  ta^  ?kbiirfniö  flcfiilill  luorbcii  ju  jeiii, 
audi  im  Xculidien  jmijdicn  lißhcren  mib  iiicbemi 
©elcubten  ]n  idiciben :  babci  luiirbe  für  amhassa- 
deui- '-Soifldnittcr,  flu-  envuy«'- Stbflcfartbter 
öCttiöijli  i^icktjc  einjetn  feil  lölKli.  EcraJicnei 
®prad)ße&vaurti  bütöcrl  ixit  fdilicplidi  feil  rtnia 
1711  (oßl.  b«->  im  '3idi  1711  mii  SHeflcn&buvuei: 
Steidr^tu^l  ucrciitbattc  ^^^rpiclt  einer  bcilünbiticn 
SBafiltüpilulaiiDn  3li1.  XXllIj  oudi  im  ;Keidi  all 
tuüljtid)  eilt  fitrbcn  iiiinbcften*  hirfiirftlidten  3^ev= 
freier,  ^(tju  ftimmt  (?.  &.  .v>ev(Su6  ITJl  l^ebidite 
unb  Int.  !,^itjd] ritten  S.  L*7:{,  brr  bai  ülUon  al4  am 


iföienev  vofe  ^icbmudjt  jiiir  iPcfciticiun«?  bti 
bvciretcH  ?lmbüi(abcut  cmi'ficljli.  ?l.  Dow. 

(fi)iu9inidmiid  ^.  imit  cit(iL  rJiauvmisni' 
<ui&  frj.  i:lmu%tiiistrio,  bad  cigt!.  'iit'ilalrie 
pok'oniennc*  bebeulel.  2)ieTi'  *-9cnennun0 
■JlnpokonfHltn^  ioll  nui  einen  4*elerttn  'Kic.  Chau- 
oin  jurftcfdclicn;  imdi  üicfcni 'Jiapolconfdirodrni« 
cmilonb  (cit  *JiflpDlcon^  -"vatt  bie  söenennung  hi. 
'■tuiiivitis.  lucldfc  S^cjcidjmtnii  bef.  butth  büs 
bclicble  iPaubCDiUc  La  r,ijr«rrieTricoUireilS3|i 
bev  örübcr  ßogiiiarb  joroic  burd)  Gftark«  :ici*' 
nunticn  a\xi  bem  fianjftv  Solbotcnlebcn  'tw 
6liänt)tn  a\A  U)oi\d}ev  Üuwk  junger  3o1balen 
aiiftriui  tti  ,"nmitreid)  iiofulät  louibc.  l'«il 
tobkv  A>cvrt^ie  ?lr*iv  S(j,  2!»n.  31)3. 

(SftriftfiirtAtn  Oi.  "Skidnadnfroctdjeiir  iu- 
crfl  in  Hleinö  llUorinMoliob.  1792  fiir  bie  %i\ 
unb  ba$  närbiidw  Filialen  brjcmil 'al»  Cbri 
fiiibel  1776  in  2Baflner*  Hinbcnni>rbcrin 
Taffir  inr  is.  ;)obrh.  ,bct  bciliflc  ß^rift'  \ 
bei  «oelbe  bejeuflII,  idwn  im  17.  ,^abrfi- 
SDcitc  erniarren  :i69.  'M\)  (juen'i  KWil  in  ri 
iürf)f.  5Jo[iieiorbnunfl).  3"  1'ommcrn  ta 
Kindeton-.l(*3.  tn  :5iol(l«n  Kin-J»>s;  in  Sadi* 
«lirilifler  ^Ibenb"  ober  „ein  SJfilmüAwn". 
Siltc  bcr  fficihnorf)t«be(d)ecrunfl  (in  l>cr  '2.  öölm 
be*  IG.  Otiftrt)^.  (Sluiübürbcn  ba4  LM''""' 
biinbel  mit  ber  Sceciie-rulc)  ül  eine  inoii-iian 
tLfd)c  ^Jieucrunß  bev  3dwii(nniicit  on  txn  7aAtn 
bctf  l)lfl.  OTnrtin  nnb  *JIiIplane>  tXii.  *Koübr.  r«v 
5.  Xcibt.i.  ^adb  %  liOc'«  Sdjrift  C^idiidn« 
ber  bcutidien  fflei()nad)t. 

(Khiiö  a«.  ml)b.  i.'9tertih  oljfr.  eslirTb 
dltcjle  ifonii  asIrTli  i[ilu  S?!.  ==  mn6b.  astnk 
i^ütcrrk.  nbl.  eslrik  lalle  Stiege  für  bte  mnM, 
nbl.  SConc  felilen).  au  ^Jliüclbcutfdjlanb  (oaA 
im  3d>iväb.)  felill  bciä  Sort,  bn^.  gutVr  unbrfflitm 
ii'ar.  Sofjrfdieinlid)  il'i  c4  eicitl.  im  SRbcin 
Dciiautiial  bnmifd)  iinb  burd)  räm.  .Koloni 
bort  etugefn^ri.  ^ie  iirbeutfdi.  ^rimbto 
aatrik  -  a^irak  bc<ftn  ild)  mit  mibmlot 
aslracus  '^^^flaflci'  =  maildnb.  »ilregh, 
arilrncu,  ital.  Instrico-.  nadi  (H.  0)lct)er 
(iraec.  3.  3  liegt  U>äildt  aslrarnm  (  — 
äoTpaxov)  J11  Ctnmbc:  über  bai  '^txijU. 
Don  lat.  astracani  —  astricuni  ogL 
mrtnacus  —  monicus  imter  "IRßnd]. 

pruffl  ^-  Q>n  3d>lnü  be4  18.  .^atfrtr. 
Tiil!e(n\iön  für  S^aicrn,   ben  VlitTcIrtKin 
'Jtieberbciilid)!anb  b^ien^t.  aber  ium'ibft  nur 
9Ibb.  beitniidi  (177'.  tiir  "öambnrn  heteitiiit, 
Qitf  nbb.  <9ebiet  jciflt  ba*  fflJon   i. 
allticiiu'inere  ^ebeutnna, inbcm rt  ui  _!.    .     t 


astnc 


Verlag  vo«  KARL  J.TROBNKR  i»  Sihwsblru. 


ENGLISH  ETYMOLOGY. 

A  SELECT  GLOSSARY 

SERVING  AS  AN  INTRODUCTION  TO  THE  HISTORV 

OF  THE  ENGf.ISH  LANGUAGE 

HY 

F.  KLUGE  AND  F.  LUTZ. 
8".  VIII,  234  S.  1898.  Broschirt  M.  4. — ,  in  Leinwand  geb.  M.  4.50. 

PREKACE. 

Our  primer  of  Eni^Ush  EtymoloKy  is  mcant  to  scrvc  as  zn  introduction 
to  thc  ütudy  of  thc  historlcal  (^ranimar  of  Engli.sh.  Kowcvcr  manifold  thc  ad- 
vantagcs  whlch  thc  »itudcnt  may  dtrrivc  from  Professor  Skcat's  Ktyniolo[*ical 
Dictionary,  it  cannot  be  denicd  that  it  does  not  conimcnd  itsclf  as  a  book  for 
beginners.  Thou};h  it  is  a  work  of  deep  research,  brilliant  sagacity,  and  admi- 
rable  ccmpleleness,  the  ünguistic  laws  undertylni^  üie  various  rhanges  of  form 
and  meaning  are  not  broujjht  out  clearly  enougli  to  be  caüily  grasped  by  the 
uninitiated.  Wc  thercfore  propose  to  furnish  thc  :itudent  wiüi  u.  small  and 
concise  book  enabting  him  to  get  an  insight  into  the  inain  linguiüüc  phcnomcna. 
WiC  are  greatly  indebtcd  to  Professor  Skeat.  of  whose  cxccUtnt  work  we  havc 
made  ample  use,  drawing  from  it  a  great  deal  of  malerial.  whtch  wc  hereby 
ihankfully  acknowledge.  As  our  aim  has  of  coursc  not  becn  to  produce  a  book 
in  any  way  comparable  to  oiir  prcdccessor's  work  in  fulness  of  detail  and 
general  completcncss,  we  have  confincd  ourselves  to  niercly  sclecting  all  words 
the  history  of  which  bcars  on  thc  development  of  the  language  at  largc.  We 
have,  therefore,  in  thc  first  place,  traced  back  to  the  older  periods  loanwords 
of  Scandinavian,  French  and  Latin  origin  and  such  genuine  English  uords  as 
may  afford  maller  for  linguistlc  iavei.iigation.  In  this  way  we  hope  to  have 
provided  a  basis  for  every  historical  grammar  of  Englisn,  e.g.  for  SweeCs 
History  of  English  Sounds. 

If  WC  tnay  be  allowed  to  give  a  hint  as  to  the  use  of  our  littlc  book, 
WC  should  advise  thc  tcachcr  to  makc  it  a  point  to  always  dcal  with  a  whole 
group  of  words  at  a  tirac.  Special  Intcrcst  attachcs  for  instancc  lo  words  of 
early  Christian  origin,  to  thc  namcs  of  fcstivals  and  the  days  of  Ihe  wcek; 
besi'dcs  thcsc  thc  names  of  thc  various  parts  of  thc  house  and  of  the  materials 
used  in  buitding,  thc  words  for  cattlc  and  thc  various  kinds  ofmeat,  for  eating 
and  drinking.  etc.  might  bc  madc  thc  subjcct  of  a  suggestive  discussion.  On 
trealing  ctymology  in  this  way.  thc  tcacher  will  have  the  advantage  of  Con- 
verting a  Icsson  un  the  growth  of  the  English  language  into  an  inquirij  into 
thc  history  of  thc  Anglo-Saxon  racc,  thus  lending  to  a  nalurally  dry  subject  a 
frcsh  charm  and  a  deepcr  meanino. 

In  conclusion,  our  best  thanks  are  duc  to  Professor  W.  Franr  of  Tübingen 
Univcrsity,  who  has  ptaced  many  words  and  etymologies  at  our  disposal  and 
assisted  us  in  various  othcr  ways. 

LIST  OF  ABBREVIATIONS. 

acc.  =  accusative  case,  adj.  =  adjcctivc,  adv.  =  advcrb,  BRET.  =  Breton, 
CBLT.  =  Celtic,  conj.  =  conjunction,  Corn.  =  Cornish,  cp.  =  comparc,  Cymr. 
s=  Cymric  (Weish),  Dan.  =  Danish,  dat.  =  dativc  case,  der(iv).  =  dcrived, 
derivative,  dimin.  =  diminutive,  du.  ^^  Dutch,  E.  =^  modern  English,  f.  (fem.)  is 
feminine,  frequcnt.  =  frequcntativc,  kr.  =  French,  Vries.  =  Fricsic,  G.  = 
modern  German,  Gael.  ^  Gaelic,  gen.  =  gcnitivc  case,  goth.  =  Gothic, 
CR.  =;  Greek,  IccI.  =^  Icelandic,  Inf.  =  inünitivc  mood,  infl.  =  inflectcd,  intcrj.  = 
interjcciion,  IR.  --  Irish,  rrAL.  =  Itahan,  lat.  =  Latin,  i-o.  =  Low  German, 
lit  '=i  literally,  i-iTir.  =  Lithuanian,  m.  ^^  masculinc,  ME.  =  Middle  English. 
MHG.  =^  Middle  High  German,  n.  (neutr.)  =  neutcr,  nom.  =  noniinativc,  obl.  ^ 
oblique  case,  ODU.  =  Old  Dutch,  ofr.  =  Old  French,  ohg.  =  Old  High 
German,  nnt.  =  Old  Irish,  on.  =^  Old  Norse.  onfr.  s^  Old  North  Frcndi, 
orig.  =  original,  originally,  osax,  =  Old  Saxon,  osLov.  =  Old  Slovenian, 
pl.  =^   plural,  p.  p.   =   past   parliciplc.   prob.   =  probably.  pron.  =  pronoun, 

Erop.  =   propcrly.  PROV.   =   Provenval.  prt.   —   preterile,  past  tensc,  RUSS.  =-. 
ussian,   sb.    =    Substantive,   SK«.   =>  Sanskrit,    span.  =  Spanish,  superl.    — 
üiiperlaCive,  swkd,  =  Swedish,  teut,  =  Teutotiic,  vb.  t=  vcrb. 

Pfobcn  aua  dam  WBnerhudi  sieh«  aScfcau  Scita, 


Verlag  vun  KARL,  J. 


IN  Stkassuurü. 


Kluge  und  Lut2,  English  Etymology  (Fortsetzung). 

Pro  beseite. 


SOlc'    —    5DURd' 


»93 


gar-LAT.  sola  has  supplanted 
LAT.  SöUa^  whence  gotii.  suija 
*Bole*  is  borrowed. 

SOle^  (a  flat  fish)  ME.  s^U  fr.  fr. 
S9k\  ident.  w.  soU^\  cp.  lat. 
soka  'sole-fisti*. 

some  proii.  me.  $Hm  som  OE.  sunt 
=   GOTH.  mm$,    ON.   JWwr,    OliG. 

mm:  aktan  basc  s/mo'  iii  gr. 
ä^o^f>-,  SKK.  iamx. 

son  sb.  MK.  sone  sune  os.  ivnw 
:=  GOiH.  ntnus,  ON.  jkw,  osax. 
SUHU,  OHG.  xwi  G.  JcAv  DU.  soon: 
Tent  base  surtu-.  An  arvan  base 
jtfjitf*  is  evident  in  skr.  j-üau-, 
OSLOV.  syaü,  uro.  «iwsu  'son'. 
Cog^n.  w.  CR.  ino'c  'son'  fr.  an 
arvan  base  suyu-  and  w.  oir. 
suih  'foetus'.  'Hiere  «ccurs  also 
a  skr.  \^  sü  'lo  bcgct,  bt-ar, 
bring  forih'. 

song  vb.  MB.  0£.  ip/i^:  'l'eut. 
base  sang(w)a'  also  in  goth. 
laggv/s,  OS.  sgngr,  uu.  tang^  c. 
sat^,      Cp.  sing. 

soon  adv.  mf..  s^ne  ob.  söna'y  as 
shown  by  goth.  suns-ahv  'soon', 
OE.  sön-a  is  a  Compound  of  OE.  sqk 
(=  OHG.  osax.  iän)  and  d  (= 

GOTH.  <I/W  OHG.  w);    cp.   OHG.  f«?/" 

iär-io  and  goth,  jwutf  'soon*. 

aOOt     Sb.     ME.    OE.    ipt    =    ODU. 

sott  y  ON.  J(J/;  derived  fr.  tlic 
TEÜT.  \f  üt  'silf  Set';  üogn.  w. 
OlR.  tuidc  (basc  *södiä),  LITH. 
ji?(Ä'j,  OSLOV.  j«;i<Ä7  'sool'. 

SOOth  adj.  true'  NE.  söfh  OE.  Ji?^ 
fr.  a  Teilt,  base  saa/-  =  ün. 
sannr,  oho.  Jirm/,  osax.  si/A; 
cogn.  w.GOTH.st/ft/is  ((or*sunt(/a-). 
TEUT.  saJi/-  answers  to  skr.  sat, 

£MiH.tsM  ErrMOUMiV. 


wliich  is  participlc  of  ibc  aryam 

V""«  'to  bc'    (SKK.    ./■*//,  GR-  fOtl, 

LAT.  «/,  G.  /j/)  «iih  ihe  sufTix 
■anf'  in  CR.  tffpori-  (cp.  teoiH). 
GOTH.  «:(^>*truc'  corresponds  to 
SKR.  /^O'-J    true'. 

sore  adj.  ue.  if^  oe.  sär  fr.  a 
TEirr.  adj.  sai-ra-  in  on.  *i/-r, 
OHG.  jA-,  DO.  s^ö-'sore,  wounded'; 
cp.  com.  sair  sb.  *pain',  ohg. 
ih'  (g.  versthren  vb.  'to  burt^. 
Cogn.  w.  LAT,  sae-vus  'wild'  and 
oik.  fO/'-M  'pain.    Cp.  lorry. 

sorrel  (plantziame)  fr.  Ofr. 
sorfl  (fr.  Turelle),  wbich  is  de- 
rived fr.  FR.  sur  'soar'  =  OHG, 
sür   (see   under  sour). 

sorrow  sb.  mk.  satwe  OE.  sorg 
infl.  sorge:  Teut.  base  sorgS-  in 
GOTH.  saiirga,  OHG.  sorgao.  S0rg(, 
Du.r*wy,  ON.  .ro/y:  arvan  V"**y^ 
in  LITH.  sergHi  'lo  heed'  — 
j^^/i  'to  suffcr 

sorry  adj.  me.  s^jr  OE.  jrfn'j 
earlier  sdrey.  Tcut.  base  sair-dg-t 
dcriv.   fr.  TEUf .  j<»/;a-  ;=  j^rr. 

sot  sb.  MK.  Sit/  lat«  OB.  (c.  rooo) 
sott;  boTTowed  fr.  nt.  sot,  whence 
also  DO.  !fit  and  mhg.  sot;  cogn. 
w.  TR.  suthan  'a  dnnce*. 

soul  sb.  ME.  souU  prop.  spult 
OE.  sdwel  infl,  säwU:  teut.  jd/n^ 
rt/if-  in  GOTH.  sahpaJa,  OHG.  .fAü 
(for  *s^la)  c.  .f^•c/f,  OSAX.  Jrt#/a, 
DU.  s/V/.  Cp.  GR.  ruoA«^-'iiiovable'. 

sound  ^  adj.  'hc-althy'  ue.  jhwu/ 
prop.  isound  OE.  ^csümd  =  OSAX. 
gisund,  OHG.  gisunt  o.  gesumi, 
DU.  gtsottii;  probably  cor,-nBte  w. 
LAT.  ji!//xu  'healthy'. 

13 


Vcrlcjjtr  für  Grossbri  tannicn  uHtl  die  britischen  Culunicii  sind: 
Measrs.  Blackie  &  Son,  Lim.,  Glasgow  and  London; 

für  dif  Vc-rL-initjtcn  SiaitU-ii  von  Nordamerika:  Messrs.  D.  C.  Hcaih 
&  Co.,  Boston,  Mass..  iio  Boylston  Street. 


Verlag  von  KARL  J.  TRÜBNER  in  Strassbitrg. 


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11011 

$i;offf|oc  dn  bti  UniDftfit&t  ffTtibutg  i.  9r. 

e».  XII,  136  ©.  1895.    ®«I)eftft  m.  2.50,  in  Seiitiudub  pcöuntcn  511.  3.50. 

3nl)0lt:  1.  Über  ftif  Stit^fiitriilpraÄic.  ©tubtntcn  «nb  ^^tlipcr.  — 
5:nmfeiiliiflnci.  —  Sliitilc  (rl<iiiciitc.  —  ^urid)i!Df<  3ot>Nic-  —  5BiWifd;=t^coIof»if4e 
91ad^tlttnqt!.  --  5'"  '-Haim  tcö  ^HcitiPcIfdj.  —  Jvti»n,löf>ftüe  ßinfüiffc.  —  Wramma-^ 
lifdie  ^tgniürl.  —  Urfptuittit  iiiib  '^abKituiig.  —  II.  iß?^rlfititi(t|  ttx  £iultcRten= 

^Bcim  Lesen  dieses  Buches  fühlt  man  sich  oft  von  einem  Hauche  rrischen, 
fröhlichen  Studcntenicbciiä  bcrölirl,  und  selbst  das  anscheinend  su  trockene 
Wörterbuch  reizt  durch  seinen  manchmal  recht  humorihliachen  Inhalt  zu  einem 
herzlichen  Lachen.  Es  war  in  der  That  eine  dankbare,  freilich  auch  recht 
achwierige  Auft^abc,  das  für  die  ältere  Zeit  .so  spärliche  und  vielfach  sehr  ver- 
steckte Material  zu  sammeln  und  daraus  in  gros-^en  Zügen  eine  Geschichte  der 
deutschen  Studenlcnsprarhe  zu  entwerfen,  die  um  .so  grösseren  Dank  verdient, 
als  sie  nicht  nur  der  erste  umfassende  und  auf  wirklichem  Queltcnstudium  be- 
ruhende Vcrhurh  der  .^rt  i.st,  sondern  auch  mit  grossem  beschick  sich  auf 
jenem  Grenzgebiet  zwischen  populärer  und  streng  wissenschaftlicher  Dar- 
stellung bewegt,  das  cinauhalten  nicht  jedem  Gelehrten  gegeben  ist.  Gerade 
auf  diesem  Gebiet  hat  !»ich  Kluge  durch  sein  musterhaftes  etymologisches 
Wörterbuch  grosse  Verdienste  erworben;  denselben  Weg  betritt  er  jetzt  mit 
gleichem  Erfolg  auch  in  der  vorliegenden  Schrift,  die  ihre  Entstehung  zumeist 
den  Arbeiten  zu  jenem  anderen  Werke  verdankt.  .  .  .• 

LUcr.  Ceatralhtatt  ISps  Nr.  mS. 

«Prof.  Kluge  hat  mit  xiclem  Fkis.';c,  nie  die  zahlreich  eingestreuten  Be- 
legstellen beweisen,  sowie  gestützt  auf  eine  ausgedehnte  Lektüre  und  auf  eigene 
Heobachtung  die  Sprache  der  Sludentcn  in  alter  und  neuer  Zeit  nach  ihrem 
Ilr.ipning  und  ihrer  Verbreitung  dargestellt  und  seiner  Abhandlung  ein  reich- 
haltiges Wörterbuch  der  Studentensprache  beigegeben.  Ist  das  Buch  als  Bei- 
trag zur  deutschen  Sprachgeschichte  und  Lexikographie  von  grossem  Werte, 
so  ist  CS  auch  fQr  den  Akademiker,  der  die  eigenartige  Sprache  seines  Standes 
nach  ihrer  Entstehung  und  Geschichte  kennen  und  verstehen  lernen  will,  ein 
interessantes  Buch  und  besonders  zu  DedikaCionszwcckcn  geeignet,  wofür  wir 
es  bestens  empfohlen  haben  wollen.»  Akad.  Monatshtfte  iSsfS  p-  26.  Äfai. 

•  Eine  der  liebenswürdigsten  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  deutschen 
Sprachwissenschaft  ist  diese  neueste  Arbeit  des  durch  sein  mustcrgfllligcs 
etymologisches  Wörterbuch  der  deutschen  Sprache  bekannten  Germanisten. 
Streng  wisscnschaltlich  und  dabei  so  gcmeinverstilndlich  geschrieben ,  dass 
jedermann  sie  mit  wahrem  Genüsse  lesen  kann,  wird  sie  in  den  Kreisen  derer 
besondere  Freude  bereiten,  die  selbst  eine  fröhliche  Studentenzeit  verlebt 
haben  und  nun  beim  Lesen  dieses  anziehenden  Büchleins  aus  den  schnurrigen, 
sonderbaren  Ausdrücken  der  studentischen  Kunstsprache  alte,  liebe  Gestalten 
der  goldenen  Jugend  in  der  Erinnerung  wieder  auftauchen  sehen.  Wer  hätte 
sich  nicht  manchmal  schon  gefragt,  woher  diese  närrischen  Wörter  stammen 
mögen?  Eine  fast  erschöpfende  Antwort  giebt  uns  Kluges  Buch,  eine  Antwort, 
die  uns  zugleich  ein  ganzes  Stück  Kulturgeschichte  vor  Augen  führt.  Wir 
sehen,  wie  im  lö.  und  17.  Jahrhundert  die  alte  lateinische  Gelebrtenspraehc, 
im  iS.  Jahrhundert  das  Französische  Einfluss  gewinnen,  wie  die  Sprache  der 
Bibel  und  das  Rotwelsch  oder  die  Gaunersprache  viele  Beisteuern  liefern, 
wie  aber  vieles  auch  frei  erfunden  oder  in  fröhlicher  Keckheit  umgeformt, 
ver&iflmmelt,  in  anderer  Bedeutung  gebraucht  wird.  Mancher  seltsame  Aus- 
druck, der  in  die  Schriftsprache  übergegangen  ist.  erhält  hieraus  seine  Erklärung.» 
Za'tuhfijt  des  ail^tmeintn  dtutsciun  Üfrackvercms  tH^  Nr,  j. 


lo  Verlag  von  KARL  J.  TRCbNER  in  STRAi 

1 

V)on  €utixv  bie  ^cf] 

VWtl  j 

VrofrfioT  an  hti  UntOcirrilät  SrribuT«  1.  0r, 

2)rittc  SlufUge.  ' 

8".  XII,   150  B.  mit  einem  Äärt(^en.  1897.  ^ßrtiä  «Dl.  sj 

IJnfjalt:  flirdieiiltnadie  uiib  '-Polfslpradi«.  —  "BlaiirnUi 
Siit^cr  iinb  bic  beutjdK  3pTiirij«.  —  SdjriftffeUer  mt)  $ 
fprdt^e  imb  "üÄiinbart  in  bcr  t^djiDcij.  —  C6erb«iit|c^cr  itn 
jt^o^.  —  ^Jlic^crccutid^  uub  :iiodjbeutid).  —  Mfltciii  imb  4 
beutfc^hmb  unb  bte  5tatl)oltten. 

„Es  aius»  mit  allem  Nachdrucke  belonl  vtcrden,  d 
sehr  lehrreiche  und  für  den  grösseren  Leserkreis,  für  d 
erwünschte  isr."  Daitsche  Lilleratt^ 

„Das  lebendige  Interesse  der  Gebildeten  für  die 
ihre  Geschichte  ist,  wie  man  mit  Gcnugthuung  wahrnchmi 
lebhafter  denn  je.  Die  Schrift  Kluges,  in  welcher  dv 
Bildung  unserer  neuhochdeutschen  Schriftsprache  massf 
meinverständlich  besprochen  werden,  darf  daher  auf  ein 
buen  Leserkreis  rechnen."  Scheäb.  Merkur  II.  Abt 

„Schon  der  Gegenstand  an  sich,  den  hier  ein  i 
bereits  durch  sein  trclUichcs  „Etymologisches  WörU 
Sprache"  bekannter  Gelehrter  nicht  blos  mit  der  Zuverläsi 
sondern  auch  mit  dem  Geschick  und  Geschmack  eines  gt 
behandelt  hat,  sollte  wohl  darnach  angethan  sein,  dem  B 
gelehrten  Freunden  der  deutschen  Sprache  Liebhaber  und 
Denn  dass  die  Fragen,  deren  Beantwortung  den  Inhalt  i 
in  den  Bereich  des  Interesses  dcf  hoher  Gebildeten  fall 
erst  bewiesen  zu  werden,  der  weiss,  wie  treu  gerade  \ 
Sprache,  mehr  wolil  ab  irgend  etwas  anderes,  den  Kam| 
Volkstums  widerspiegelt.  Diese  Auffassung,  von  der  ded 
und  Darstellung  vielwich  erst  rechtes  Licht  und  volle  w 
worin  diejenigen  Leser  einen  besonderen  Reiü  und  Vorzil 
werden,  welcTie  gewohnt  sind,  die  verschiedenartigen! 
Kulturleben,  wie  sie  sich  in  Litteratur  und  Kunst,  Polj 
geben,  nicht  gesondert  für  sich,  sondern  in  ihrer  Wechsel 
die  einzige  Art,  wie  sich  uns  doch  erst  das  Verstände 
weite  eines  jeden  einzehien  derselben  crschlies&t.  In  w 
fasser  seine  Aufgabe  erfasst  hat,  bezeichnet  er  setberJ 
sagt,  dass  auch  sein  Büchlein  Zeugnis  davon  ablegen  s< 
lung.igang  unserer  Nation  gehemmt,  was  ihn  bcschleunil 
es  will  zrigcn,  warum  Jakob  Grimm  unsere  Schriftsprache 
Dialekt  genannt  h;it,  warum  erst  seit  1580  Luthers  S(l| 
Stellung  erlangen  konnlr,  warum  der  GegcnhaU  von  Schnj 
erst  nach  der  siegreichen  Bekämpfung  des  Lateinischen  at 

„Nicht  mit  dem  Ansprüche,  eine  vollständige  Gö 
Sprache  zu  bieten,  tritt  Kluge  auf,  er  will  in  einer' 
Aufsätze"  nur  „zusammenfassen,  was  Fachleute  vor  und 
ein  paar  sprachwissenschaftliche  Probleme  ermittelt  q 
aber  fügen  sich  von  selbst  zu  einem  innerlich  zusam| 
sodass  wir  hier  in  ticr  That  eine  höchst  anziehende 
geschirhtc  unseres  Neuhochdeutsch  von  srinen  Anfän] 
lünfzehnten  und  sechzehnten  Jahrhunderts  bis  zur  T 
hcrrschaft  um  die  Mitte  des  achtzehnten  jahrhundci 

DU 


Vkrlac  von  KARL  J.  TRÜBNER  ix  Strassbi'Hc. 


II 


NORDISCHE 

ALTERTUMSKUNDE 

NACH  tUNUEN   UND  DENKMÄLERN  AUS  DÄNEMARK  UND  bCHLESWlü 
U£M£I.\PASSLICH   DARGESTELLT         '' 

von 

D«.  SOPHUS  MÜLLER 

Direkiof   »tu    Nition«linu>«utn    in    Kopciiluigvii. 


DEUTSCHE  AUSGABE 

VNTER  Wn  WIHKUNU    HES  VERl  ASSERS   tltSOKC.T 

tun 

DB.  OTTO  LUITPOLD  JIRICZEK 

Prlmidoi etilen  der  s'^'''"'*^''"'   PUtluli'cle  au   der   LnivenilDt   BrciUii< 

I.  Band:  Steinzeit,  Bronzezeit.  Mit  253  Abbildungen  im  Tcx» 
2  TaMn  und  einer  Karte,  S^  XII,  472  S.  1897.  Broschirt  M.  10.  . 
in  Leinwand  ^eb.  M.   11.—. 

II.  Band:  Eisenzeit.  Mit  189  Abbildungen  im  Text  und  2  Tafeln. 
8"  VI,  324  S.  J898.  Broschirt  M.  7.—,  in  Leinwand  yeb.  M.  8. 

Inhalt:  I.  Stfinzcit,  i.  Wohnplätze  der  alleren  Steinzeit. 
2.  Altertümer  aus  der  Zeit  der  Miischelhaufen.  3.  Chronoloj»ie  der  älteren 
Steinzeit.  4.  Die  Periode  zwischen  der  Zeit  der  Muschclhaulen  und  der 

Steinjjräber.  5.  Die  kleineren  Stein- 
i^raber,  Rundgräher  und  Münenbottcn. 
6.  Die  grossen  Stein^rüber  (»der  Riesen- 
stuben. 7.  Das  Innere  der  Steinyräber, 
Begräbnisbräuche  und  Grabbeigaben. 
K.  Die  jüngsten  Gräber  der  Steinzeil: 
Kislen-  und  Einzcigräher.  g.  Das  Stu- 
dium der  Steingräber,  eine  historische 
Übersicht.  10.  Altertümer  aus  der  jün- 
geren Steinzeit.  11.  Kunst  und  Religion 

13.  Das  Studium  der  Sleinaltcrtümer 
eine  histnrische  Cbersicht.  13.  Herstel- 
lungstechnik  der  Geräte  und  Waffen 

14.  Wohnplätze,  Lebensweise  etc. 
II.  Bronzezeit,  i.  Aufkommen  und 

EntwickeIungdesStndi\ims  der  Bronze* 

zeit.  Die     ältere     Bronzezeit: 

3.   Ältere  Formen  aus  Männergräbern, 

Waffen  und  Schmuck.  3.  'J'üilctlegerät- 

[[  Ban'l.  Ah^J.S(^  Aiitcrmaniscliei  sil-    schaften.     4.     Männer-    und    Frauen- 

Utn.er  lUlm  au»  der  V«lkerwiuK3eru»p.-  trachten.  Fcld-  Und  Moorfundc.  5.  Die 

«ic  ,im  K.ckT  Museum.)  ^^^^^^^  Ornamentik  im  Norden  .md  ihr 

Ursprung.  6.  Die  älte.ste  Brf»nzczcil  in  Kuropa.  7.  Beginn  der  nor- 
dischen Bronzezeit  und  Bedeutung  des  Bcrn.steinhandels.  S.  Grab- 
hügel und  Gräber.  9.  Der  spätere  Abschnitt  der  älteren  Bronzezeit. 
10.  Die  Leichenverbrennung,  IVspning,  Verbreitung  und  Bedeutung 
des  Brauches.  —  Die  jüngere   Biffuzezcit;    |].   Einteilung,  Zeitbe- 


V£KLAU  VON  Karl  J    TRÜBNER  IS  STRASSaURt;. 


IS 


■'■-^ 


Sophus  Müller,  Nordische  Altertumskunde  (Fortsetzung). 
Stimmung  und  Funde.  12.  Gräber  und  Grabbeigaben.  13.  Feld-  und  Moor- 
fnndc  ftc.  14    [nnere  Zustände,  Handwerk  und  Ackerbau,  Kunst  und 
Religion. 

in.     DiE    EISENZEIT.     Die 
ältere    Eisenzeit.     1.  Beginn   der 
Eisenzeit  in  Europa.    2.  Die  vorrömi- 
sche Eisenzeit.  Eine  fremde  Gruppe. 
3.   Zwei   nordische  Gruppen.    4.  Die 
römische  Zeit.  Altertümer  und  Indu- 
.siric,  5.  GrSbcr  und  Grabfunde  aus  der 
rnmischen  Zeit,  6.  Die 
Völkerwanderungszeit. 
Fremde  und  nordische 
Elemente.  7.  Die  Grab- 
funde aus  der  Völker- 
wanderungszeit. 8.  Die 
j»rnssen  Monrfundc  aus 
der  Viilkerwanderungs- 
zcit.  9.  Die  Goldhömer  imd  der 
Silbcrkesscl.  Opferfunde  aus  der 
Ei.senzeit.     —    Die    jüngere 
Eisenzeit.    10.  Die  nachrömi- 
schc    Zeil.     II-    Dir    Ticrorna- 
mentik    im    Norden      12.    Die 
\'ikingerzcit.     13.  Gräber,   Bc- 
staitvmgsarten,      Gedenksteine. 
14.  Handwerk.  Kunst  und  Reli- 
gion. Schlusshetrachtimg ;  Mittel. 
Ziel  und  Methode.     Sach-  und 
Autnrcn-Regi.ster.  —  Orts-  und 
Fundstätten-Kegistci . 

.  ,  .  .  S.  Müllers  Aktrthums- 
kundc  ist  ebenso  wissenschaftlich 
wie  leicht  verständlich.  Es  ist 
freudig  zu  bcgrQsscn,  dass  dieses 
Werk  indcutscncrSprachc  erscheint, 
und  O.  Jiriczck  war  eine  vortrefflich 
geeignete  Kraft,  sich  dieser  Aufgabe 
der  UcbcrsctzunR  zu  unterziehen . . . 
Die- verschiedenen  Anschauungen 
der  Gelehrten  über  einzelne  Er- 
scheinungen werden  in  objektiver 
Wci.sc  dargelegt,  wodurch  in  das 
Werk  zugleich  eine  Geschichte  der 
nordischen  Archäologie  verwebt  ist. 
Dabei  hat  M.  jederzeit  seine  Blicke 
»ut  die  Paralfcicrschcinungen  und 
die  Forschung  hei  anderen  Völkern 
jjcrichtct  und  dndurch  den  Werth 
seines  Werkes  ül>cr  die  Grenzen 
der  nordischen  Archäologie  erwei- 
tert. Ilcsondcrc  Anerkennung  ver- 
dient auch  die  klare  und  scharfe  Et- 
khlrung  technischer  Ausdrüc)cc. . .  .* 
Liierar.  CentraiHatt  t^,  Nr.  3. 


> 


Ahb.  107-    Schwi-it  uml   Dolche  aus 
der  alteiteii  BroiucxciL 


u 


Verlac.  von  KARI.  J.  TrOBNER  in  StrassBitrO. 


SrutWjr  Bülhshunör. 

yrBhlVpr  fctr  nrriiiani[<ljp"  JIIItrtao(«hiiiibr  an  hir  UntotcIttNl  Treiburo  i.  Bt. 

"Bit  17  'JlbbilbuHflcn  mit  einer  iüavit. 

8".  VIII,  :162  3.  1><WH.  "^keic  brofdiirt  ^JJi.  i5.     ,  in  i'tinwflnb  flcbuntien  "BI.  fi./iO 

.VtijaU:  I.  Dorf  unb  Alur:  11.  Daa  .^uä;  III.  ftörpaM(t)flfff"l)cit  unt« 
Jradit:  IV.  Eittc  im&  4iraud):  V.  3)ic  Utoltofyradji- unto  Itie  Wimtürtm;  VI.  'S)« 
4<o[I*bid)tun():  VII.  3(icic  mil"  "Kärt^ni. 

Aus  dem  Vorwort: 

.Üicscs  Buch  l)ifitt  sich  «iL-m  wachsL-ndcn  BclricliC  der  deutschen  Volks- 
kunde als  l'ührcr  an.  Nicht  nur  fühlen  die  Germanisten,  dass  dieser  Zweig  ihrer 
Wissenschaft  zu  seinem  Gedeihen  noch  weiterer  besonnener  PRcgc  und  Leitung 
bedarf    sondern  auch  viele  Gebildete,  von  unseren  höchsten  Beamten   bis  tu 


•u 


k-J 


l'n'lic  drt  -M'l Pill!  110 gen. 

iVtfl.  !l.    Xcv  ©ÄBlwi  in  C betrieb  bei  t'^dburfl  i.  ©. 

den  beschcidcnsien  Durfschullehrcrn  herab,   namentlich  alle  die  Männer,    dtc 
berufen  sind,  dem  Volk  zu  rattn  und  ?n   helfen,    und  wiederum  dessen   Hilfe 
in  Anspruch  ni-hmen,  ja  alle  wahren  Volksfrcundr  empfinden  immer  dringlicher 
die  l'flicht  einer  genaueren  Hi-kanntsrhalt  mit  »U-n  Zuständen  und  Anschauungen 
des    gemeinen    Mannes.    Das    hat    .lurh    die    zahlreiche    Zuhörerschaft    meiner 
akademischen    Vorlesungen    über    dtrntschc    Vnlksknndc   in    Freiburg    hcicugt 
aus  denen  das  Buch  hcrvt»rytj;aiigcn  ist.  Denn  unser  .Valki  im  engeren  Sinne 
des  Wortes  ist,  wie  unser  C»e>>amlvt)lk,  am  FndL-  des  neunzehnten  Jahrhunderts 
eine  ganz  andere  Macht  geworden,  als  es  Je  zuvor  war,  und  l*s  ist  in  der   ge- 
waltigsten Umwfllzung  begrilTcn.  l^nd  mitten  hinein  tritt  die  Volkskunde,  indem 
Sic  das  Alte  liebevoll    der  Erinnerung    bewahrt    und    aus    /»Iterem  erklärt    und 
zugleich  aufmcrk.sam  die   Vorbereitung   und    Wendung  zum    Neuen  nach\'.i-t'-t 
Die  Volkskunde  hat  eine  wissenschaftliche  und  zugleich  eine  soitiale  Aui.;.ii'. 
Kuriositälcn,  wie  sie  viele  zusammenhangslos  aiilhäufen,  können  der  Voll:' 
künde  dicnsam  sein,  machen  sie  aber  nicht  aus;  nicht  in  allerhand  Übcrlobsr    i 

Foniciiuiif   i 


Verlac.  VON  Karl  J.  TRObNER  in  Strassburc. 


»5 


'ÖIcDcr,  (?.  ^.,  Tfiititi^C  atoÜfi'fliubc  (Fortsetzung). 

der  Vergangenheit  steckt  ihr  Haupireir.  Ober  die  Hücher  hinweg  crfasst  sie 
zunächst  mit  ihren  eigenen  Augen  und  Ohren  die  lebendige  Gegenwart  und 
alle  deren  VolksÄusRcninycn,  möger  ^le  alt  oder  neu.  Ii5j.slich  oder  schön. 
dumm  oder  sinnig  Rcin.  Im  Wirrsal  der  Erscheinungen  sucht  sie  das  Gesetz 
oder  den  Zu-tammenhnng,  der  denn  doch  zuallertiefst  in  der  Volksseele  ruht  und 
dort  seine  Deutung  findet,  Und  weil  die  Gegenwart  so  viel  Unverstandenes. 
Entstelltes  und  Halhvcrschotlenes  mit  steh  schleppt.  hcmOht  sich  die  Volks- 
kunde nun  auch  in  die  aufklärende  Vergangenheit  einzudringen.  Da  thul  sich 
allmählich  ein  mächtiger  Hintergrund  hinter  unseren  Zustilnden  auf.  wie  iloch 
unser  alter  Wald  hinter  den  modernen  Rübcnfeldern  steht.  Man  wird  begreifen, 
warum  meine  Darstellung  durchweg  die  Zustande  der  letzten  Hälfte  unseres 
Jahrhunderts  wicdcispiegcll.  aber  hier  und  da  bei  längst  vergangenen  Zelten 
ruhig  verweilt 

Amtliche  Empfehlungen: 

Vom  KaiscrI.  Oberschulrat  lür  Klsas^-Luthringen  wurde  das  Werk  gleich 
bei  Erscheinen  (am  6.  Dcremher  18^71  di-n  h'rcisschilinsft^ktcrm  und  tfhrer' 
hilffungsattstafUM  zum  Studium  empfohlen. 

Der  Grossherzogl.  Üadische  Oherschulrat  hat  laut  Schreiben  v.  la.  Januar 
1898  im  Schulverordnungslilalt  auf  das  Werk  cmplehlcnd  aufmerksam  gemacht. 

Das  Königlich  SitchsJM'he  Ministerium  des  Kultus  und  flffrntlJchen  Unter- 
richt .s  hat  laut  Schreiben  v.  32.  l-ehruar  iHqS  du:  Bfztrkxsckulfuspfklortn  auf 
das  Werk  aufmerksam  gemacht, 

Das  Grossherzugl.  Hessische  Ministerium  des  Innern.  Abteilung  fflr  SchdI- 
mgelcgenheiten,  hat  diiirh  l-'rla^s  vnm  jR  Januar  iS*>8  (ins  Werk  den  Gro"K- 
hcritoglichen  Direktionen  ita  OsmnasUJi.  Keal^ymmxsicH.  KcaisckuUn.  köhcrtu 
hfädcheNscImUn,  ÜchiUehrersemiHaneM  u.  Grosikersof^l.  KreiisckulkommisUcnm  zur 
Anschaffung  fOr  ihre  Bibliotheken  empfohlen. 

Urteile  der  Presse. 

•  .  .  ,  Was  \*nlkskundr  ist,  darüluT  fehlte  bisher  jede  umtasscndcre  Aul- 
klärung. Der  Inhalt  und  l'mfangdrs  llrgriffcs  ist  keineswegs  bloss  Laien  fremd. 
Auch  ciicjcniger,  die  den  aiifblührnd<-n  Studien  der  Volkskunde  näher  stehen, 
wiaaen  nicht  immer,  was  dm  Inhalt  derselben  ausmacht  .  .  . 

So  erscheint  nun  zu  guter  Stunde  ein  wirklicher  l'^ührer  auf  dem  neuen 
Boden,  ein  Leitfaden  ttir  jeden,  der  den  Zauber  der  Volkskunde  erfahren  hat 
oder  erfahren  will,  für  den  Lernbegierigen  sowohl  wie  fÖr  jeden  Freund  des 
Volkes.  Bisher  fehlte  jede  Orientierung,  wie  sie  uns  jetzt  Prof.  Elard  Hugo 
Meyer  in  einem  .stattlichen  llandchen  bietet.  Der  Verfasser,  von  mythülogischcn 
Forschungen  her  seit  lange  mit  Volksüberlieferungen  und  Volkssittcn  vertraut 
—  der  angesehenste  unter  un-icern  Mythologcn  -  hat  seit  Jahren  das  Werk 
vorbereitet,  das  er  uns  jctxt  als  reiche  Frucht  langjähriger  Sammelarbeii  vor- 
legt... Es  ist  ein  unermcsslich  grossem  Gebiet,  durch  das  uns  das  Buch  führt, 
Es  ist  frische,  grüne  Weide,  die  seltsamerweise  dem  grossen  Schwärm  der  Ger- 
manisten unbemerkt  geblieben  ist.     Ein  fast  ganz  intaktes  Arbeitsgebiet  .  .  . 

Das  Ruch  ist  nicht  bloss  eine  wissenschaftliche,  es  ist  auch  eine  nationale 
Thatt.  Beilädt  zur  AU^emeim»  ZeiliiNg  iSgj  Nr.  iSö. 

<Wcr  sich  durch  diese  Zeilen  Lust  machen  liessc.  Meyers  Buch  selbst 
in  die  Hand  zu  nehmen,  würde  c»  nicht  bereuen.  Es  ist  natürlich  wissen- 
schaftlich zuvcrlä.*i.sig  gearbeitet,  ausserdem  aber  ungewöhnlich  fliessend  ge- 
schrieben untl,  was  uns  am  meisten  wiegt,  von  einer  ganz  prächtigen  Auf- 
fassung der  Dinge  belebt.  Wie  oft  muss  man  sonst  bei  Arbeiten  aus  diesem 
Gebiete  den  schönen  Stoff  bedauern,  der  in  die  unrechten  Hände  gekommen 
ist.  Hier  ist  er  in  den  richtigen.  .Ms  ein  deutliches  Beispiel  für  die  bcwussl 
geschmackvolle,  im  bebten  Sinne  feine  Behandlung  des  Stoffes  ist  uns  die  Ver- 
wendung und  die  Art  der  Wiedergabe  der  Mundart  erschienen...  Das  Buch 
enthält  auch  eine  Menge  Kragen  und  benutzt  sie,  den  Leser  zum  Millcben  zu 
zwingen,  der  Verfasser  ncnnl  es  selbst  im  Vorwort  einen  in  die  erzählende 
Form  gegossenen  Fragebogen.  ...»  Die  Crettxbotcit  iS^  Nr.  IJ. 


t« 


Verlag  vos  KARL  J.  TRÜBNER  in  StrassbuRc. 


DEUTSCHE 

HELDENSAGEN 

VON 

OTTO  LUITPüLD  JIRICZEK 

Privttdoient  der  (tnnonitrbffi  Phililo^ie  an  d«r  Umv<r>ii>i  RretliiiL 

Erster  Band:  Gr.  8».  XII,  326  Seiten.  1898.  M.  8.—. 

Inhalt:  Die  Wiciandsage:  Sagenelemente,  Heimat,  Wanderun- 
gen und  epische  Entwicklung  der  Sage.  Jüngere  Sagengestalt  (Thidreks- 
saga).  —  Die  Ermanarichsage  :  Ostgcrnianische  Zeugnisse  (Der 
Bericht  des  Jordanes).  Südgermanische  Zeugnisse.  Üienordgermanischen 
SayL-ndenkniäler.  Die  Sage.  —  Dietrich  von  Bern  und  sein 
Sagenkreis:  Die  historischen  Ursprünge  der  Sage.  Die  poetisch- 
historischen Sagcntypcn.  Dietrichs  Kämpfe  mit  mythischen  Weser. 
Helden  des  Dietrichsagenkreises. 

Der  zweite  Band  ist  in  Vorbereitung.  Er  wird  den  Ortnit- 
Wolfdictrichcyclus  und  eine  Reihe  von  deutschen  Heldensagen  aus  der 
Sphäre  des  Brautwerbungsmotives  behandeln  und  in  einem  Schluss- 
ihschnitte  sich  mit  einigen  allgemeinen  Problemen  der  Stoffgcschichie 
beschäftigen.  Ein  aiLsführlichcs  Register  über  das  ganze  Werk  wird 
mit  dem  zweiten  Bande  folgen, 

„Der  bündi(;c  Titel  des  Buches  könnte  die  Vorstellang  wecken,  dass 
Jiriczek  eine  auf  kritischer  und  vergleichender  Vorarbeit  ruhende  NacherzShlung 
deutscher  Sagen  bieten  wolle.  Aber  es  ist  eine  sehr  ins  einzelne  gehende 
Durchforschung  der  Sagen,  wobei  J.  eine  mittlere  Linie  zwischen  monographi- 
schem und  Ichrbuchmässigcm  Verfahren  mit  Glück  innegehalten  hat.  Die  Bcncbte 
der  Quellen  und  was  J.  als  anerkannte  Ergebnisse  der  Forschung  betrachtet, 
werden  kürzer  in  Erinnerung  gebracht,  die  noch  ungelösten  Kragen  mit  weiterem 
Ausgreifen  erörtert.  So  treten  die  behandelten  Sagcn&toffc  volUt.indig  und  al> 
gerundet  entgegen;  und  im  Hinblick  darauf  kann  der  Verf.  mit  Rciht  erwarten, 
dass  sein  Werk  nicht  nur  der  „engsten  Kreisen  spccicller  Fachgenossen  %ut 
dem  Gebiete  »ler  Sagenforschung"  genicssbar  sein  werde,  sondern  „auch  den 
Hedürfniisen  \oii  Beiiut/LMn  entgegenkomme,  denen  an  ernstlicher  und  eingchendn 
Orientierung  über  die  hier  behandelten  Probleme  gelegen  ist."  Die  DArstcHung 
hat  eine  behagliche  Au.sführlichkeit,  die  sich  nicht  schämt,  belehren  zu  uotlen  . . . 

Den  Vrrfa.sscr  haben  seine  Arbeiten  auf  dem  Felde  des  mhd.  Epos,  die 
philologische  Vertrautheil  mit  den  Quellen  in  nordischer  Sprache  und  eine 
grosse  Beicseiiheil  auf  volkskundiichcm  Gebiete  gut  ausgerüstet,  um  ein  Werk 
wie  das  vorlicgt-ndc  anzugreifen.  Von  den  Auswüchsen  der  folklorislischen 
Methode  wini  man  nichts  nri  ihm  finden.     . 

Aber  WA.s  das  Werk  zu  einer  so  erfrculiclicn  Erscheinung  macht,  sind 
Vorzüge,  die  ("ibpr  die  nachahmhare,  erlernbare  Methode  hinaufgehen,  j.  hat 
einen  nellen  Blick,  fein  lehendigr-s  Gefühl  für  die  in  der  S.'iße(igr*fhirhte  wir)«- 
samen  Kaktoren.  Die  Grenzen  xwisrhen  der  subjektiven  ThaT  des  einzelnen 
Erzählern  und  dem  Bestände  breiterer  Überlieferung;  zwischen  dem  gemein* 
menschlichen  Motiv,  das  sich  spontan  ührrati  einstellen  kann,  und  der  individiiclj 
gestalteten  Fahct;  die  vielfachen  Arten,  wie  eine  ,, Entlehnung-  vor  «ich  gehen 
kann;  die  Bedürfnisse,  die  r.u  einer  rmbildnng,  einer  Versrhmctzang  drangen,  — 
diese  und  andere  Dinge  werden  von  J.  sehr  fein  empfunden.  Lfnd  die  Kolgp 
ist,  dass  wir  nicht  mit  ein  paar  einfachen  Schlagwörtern  und  scheinbar  zwingen» 
den  Glcichheitsformcln  bedient  werden.  Das  ganze  Verf»hren  ist  weniger 
mechanisch  geworden;  das  findet  seinen  Ausdruck  auch  in  einer  bereicherten 
Terminologie  .  .  ."  Zsüschri/t  des  Vereins  für  Voikshmdc  iS^  Ht/t  i. 


WÖRTERBUCH 


iir:K 


I'ISASSISCHEN  MUNDARTEN 

UliARaEITET  vos 

E.  MARTIN  und  H.  LIENHART 

m    AUFTRACE    I>EK    LAMiESVEKWALTl  N<i    VON    RLSASS-LOTHRrNGEX. 

Erster  Band.  Lex,-8«    XVI,  800  S.  1899.     Broschirt  M.  20.—, 

in  Halbfranz  gebunden  M.  22.50. 

ncrlt  (Schlass-)Bandistunt(-TdcrPres.sc.  Er  wird  in  etwa  5 — 6 Lieferungen 

ä   M.  4. —   erscheinen. 

Dieses  Wörterbuch  ist  die  Frucht  jahrelangen  Sammeleifers  und 
anj'cstrengtcr  wissenschaftlicher  Thätij;keit.  Es  soll  nach  dem  Vor- 
bild des  schweizerischen  Idiotikons  den  Sprachschatz  der  heutigen 
rlsässischen  Mundarten,  soweit  diese  sich  zurück  verfolgen  lassen, 
zusammenfassen  und  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  der  Sprach- 
wissenschaft erklären.  Dabei  wird  die  Eigentümlichkeit  des  clsää- 
sischcn  Volkes  in  Sitte  imd  Glauben,  wie  sie  sich  in  Redensarten, 
Sprichwort  um.  Volks-  und  Kindcrreiinen  kund  gibt,  so  weit  als 
möglich  zur  Darstellung  gebracht  werden,  Das  sprachliche  Gebiet 
wurde  nach  den  Bezirksgrenzen  von  Ober-  und  Unterelsass  abgesteckt. 

•  IJas  Krossiingelegte  Werk  inachl  cintn  aii.sgezeichnetcn  Kintlruck  und 
i'it  hinter  der  Aufgabe,  die  es  sich  stcÜtc,  und  den  Kruartungcn.  die  man  ihm 
fntgrgcnhrachtc.  nichl  zu  rück  geblieben  ,  .  Kinc  so  ergiebige  grammati-schc 
Kuiidgrubc  wie  das  fchueizertsche  Idiotikon  konnte  es  unter  keinen  Umständen 
werden,  Uci  dieser  Sachlage  ihaten  die  Bearbeiter  wohl  daran,  .die  Eigen- 
tümlichkeit de.s  cLsäs-si sehen  Volkes  in  Sitte  und  Glauben,  wie  .sie  sich  in 
Redensarten.  Sprichwörtern,  Volks-  und  Kinderreimen  kundgibt,  so  weil  als 
miiglich  Eur  Darstellung >  zu  bringen.  In  diesem  littcrariscncn  und  kultur* 
geschichtlichen,  vÖlkerp.sychol»>gi.schcn  Inhalte  liegt  das  Schwergewicht  des 
Werkes.  .  ,  Wir  zweifeln  nicht^  dass  das  clsäs.si.tche  Wörterbuch  Keinen  Platz 
in  der  ersten  Reihe  unserer  Mundartcnwerke  einnehmen  wird.  .  .  .» 

Deutiche  Litteratursetfuns  l<f^  A'r.  >•«. 

«  .  ,  ,  Das  cisässische  Wörterbuch  ist  keine  Aufspeicherung  sprach- 
wisscnschafllicher  Raritäten.  Es  ist  eine  lebensvolle  Darstellung  dessen,  uie 
das  Volk  spricht.  In  schlichten  Sätzen,  in  Fragen  und  Antworten,  in  .Anekduteu 
und  (leitchiiThtchen  kommt  der  natürliche  Gedankenkreis  des  Volkes  zu  unmittel- 
barer Geltung.  Die  Kinderspiele  und  die  Freuden  der  Spinn.stuben  treten  mit 
ihrem  Formelapparat  auf.  Die  Mehrzahl  der  .\rlikel  spiegeln  das  eigentliche 
Volksleben  wieder  und  gewähren  dadurch  einen  wahren  Gcnuss.  Wenn  man 
Artikel  wie  Esel  oder  Fuchs  liest,  wird  man  bald  verstehen  lernen,  da«  in 
ilercn  Schlichtheit  und  Schmucklosigkeit  der  Erforscher  deutschen  Volkstums 
eine  sehr  wertvolle  Quelle  für  das  Elsass  findet  .  .•    Strasrli.  Poyl  j6'^j  Xr.jt44. 

*Cela  dit*.  je  n'ai  plus  quÄ  fc'liciter  Ics  auteurs  de  Icur  intelligente  ini- 
tiative, de  l'exactitudc  et  de  la  richcsse  de  Icur  documentation.  des  ingfnicuscs 
dispo&itions  de  plan  et  de  typographie  qui  Icur  ont  permis  de  faire  tcnir  sous 
un  volumc  rcLitivcmeni  rcstrcint  une  (5norrac  variettj  de  ciiations  et  d'infor- 
mations.  ('c  n'cst  point  ici  sculcment  un  ri^pertoire  de  mots:  c'c£t,  sous  chaquc 
mot,  Ics  principates  Incution.s  öu  il  cntre.  Lcs  usagcs  locaux.  provcrbcs,  fact^tics. 
dcvinctteit,  randonn^es  et  rundes  cnfantines  dont  il  evcillc  l'ächo  lointain  au 
cueur  de  l'homme  mür.-  W  Henry,  Rnnie  critüftie,  .?/  Ja$iv.  /^fjS. 

*  qu«  J'al  rn  pcirivf^iilllc  <inr  cn*nim»ire  vt  un  vi>citliiibirc  •1u  <liatc4;ic  (1<  Calmir. 


i8 


VERLAG  VON  KARI-  J.  TRÜBNKR  IS  STRASSBURC. 


GRUNDRISS 


DER 


GERMANISCHEN  PHILOLOGIE 

l-MKR    Mn  WIRKINI.    VON 

K.  von  AMIKA,  W.  ARNtl T.  O.  tlEllAüHEL.  Li.  BKMRKN5.  A.  BR.\NI)t,  O.  BKEMtiR,  E.  KINENKEL, 
V.  UtJUSIfNhSSON,  H  JKUrJNf.HAlS,  K  TH  von  INAMA-STI:RNK<;<;,  KR.  KAl.tNÜ,  t-Tt- 
KALFF.MANN,  V.  KJ-lJl.t,  k,  KOttiEL,  U.  v.»i  LILIENCRON.  k.  I.LICK.  J.  A,  LLSUEI-L, 
J,  MEIBR,  E.  M0(;K,  A.  NORKES.  J.  SCHll'fER.  H.  Si:hCCK.  A.  SCHULTZ,  TH.  .SIESS, 
E.  SIEVERS.   h.  SYMONS.   F.  VOÜT.  PH.  WEüENER.  J.  TB  WINKEL.  J.  WRIüHT 

IICRAI'SCEtilinEN 


HERMANN    PAUL 


nrH.  I>raretM)f  Art  timurhrii   »([irarhcr 


itct  tJnivcntUi  UAnrbrn. 


ZWEITE  VERBESSERTE  L'ND  VERMEHRTE  AUFLAGE. 


Die&c  neue  Auflage  wird  ebenso  wie  die  erste  in  LicCcrungcn  zu  je 
M.  4.—  erscheinen  und  int  Laufe  des  Jahres  1900  vollständig  werden.  Die 
Käufer  verpflichten  »ich  mindestens  zur  .Vbnahmc  eines  Itandcs;  einzelne 
Lieferungen  werden  nicht  abgegeben. 


I.  Band, 


Inhalt: 


Vm. 


11.  Ab^chn. 
EIL  Abichn. 
JV.  AUchn 


tt.  Band. 


L  Ab«hn.     BEGRIFF    VNI»   AUFGABE    DER    GERMANISCHES    PHn.OLOCIK 

//.  J'^mJ. 

GESCHICHTE  DER  GERMANISCHES  PHaOLOGIE.    V«.  «  /W/ 

MErHOlJtNLtlHKE.    Von  //.  /'«»/. 

S(  ltKH''TKL  NDE  i .  Kiinvn  iinrl  Riinpiiintrhririrn.  Vnn  K,  Str9*rt  (nii  «incr 
T^ifcU.  j.  I>ic  loicltiinchr  SchHft.  Von  tT.  ArnJt.  üV>»f«iT*i*ilci  *«ij  //.  /VtcJi. 
V,  Ah*chii.  SPRAfHt.EWIHlCHTK'  i,  PIkwimIIi.  V..11  /;.  Sirt-rrj.  t.  V»n[r>chichlc 
<lrr  ■ll|(<miHtii*chc>i  liijkki».  Von  f-',  Klngi.  y  Gcuthichic  der  itoiiichm 
Sprariir,  Von  /'.  A7iijr.'.  4.  »lochirhic  Hrr  nririiinrhrn  ^^pmchcn.  Von  j1.  .W'rtf». 
5,  Cc«i;likliu  dct  fli'm'cVri  Sprjichc,  Von  0,  flfia/fk^l  imil  cincT  Kariri 
C.  (ietcliichle  der  iiir.dril.'iDilUrhca  S[irmchc.  Von  y.  tt  n'tm^fl  mii  einci 
Kurte).  3.  0«*chichtc  dvz  «nHlitchcn  Spracbc.  Vou  ^.  A7iii/v  (nk  tatet 
Karie).  Mii  BriiilLgeii  vimi  /}.  B*krfnt  und  K.  Eimtikel.  S.  Guchtclkte  dci 
frie»t»c1>cJt  Sptiich«,  Viwi  Tk.  Sittt. 
An1iui|',  11  ic  Brhandluni  det  Icbrtiden  Miindnitcn:  t.  AllKemeinr«.  Vah 
Pii,  U\jcti,ir.  t.  Skandinaviicbc  Mundarten.  Von  >.  *t-  /.MmJf/i.  j.  I)»imIw 
und  niedcrlHndUchi:  Miindarirn.  Vnn  Ar.  Kamfftitnu,  4.  Eiiiltiche  -Mimil* 
Mdoi,    Von  y.    H'rigkt. 

VL  Ah.rhn,     LITERATURGESCHICHTE;     ..   «ioti.che    Lii.;raiiir.     V««    E.    S,fw.T*.     S«i. 
Iicntlieiici     von      11'.    Sirtttkirg.     j.    Npnliüclic     Liicijitutcn       s>     non*BKi«Ji- 
■«ISndiidic.  Wn  F.  !\fogk.  t>i  ichwtdüch-dlnitche.  Von  H.  S^kfuk    ).  PentM;*r 
Lilcialai:    3,1    althoch-    utid    nicilrrdedtichc.     Von    A'.    K^ttl.     )ii    miuclboch- 
d^ntachc.  Von   (■'.   t'^gt.  ci  tiiiil«lniederd«ufchc.    Voo  W.    J^i/imgkaii      4.   Xic- 
rierlSndiithc    Liicraiur     V'iii     y,    ti     Wimktf.     5.     Ftieüischc     Liicrsluf.     Von 
Tk.  S'üti.    6.  Ensli^ch«  Literaiitr.    Von  A.  SraiuU. 
Anluuif:      lieriicbi  Über  die  bu*  mllndlichcr  Cber licrevoni  ffc*cbap(l<ft 
Sainmluiii;cn    der    Volkipofiic    ni    >kttnd>nAviichc    Val£«poc«ir.      Vaa 
A- Lmmättl.        bideuiichc  und  iiicdfttlindiiche  Valkipoeuc.    Vo«    7-  ytr»rr, 
et  enxlUdir  Vulkipocil«.    Von  A.  Biandl. 
Vit.  Ahiehti      METRIK-    1,  Aliitcnn.   Mfirik.     V«ii    £.  Stfti4r%.     ».   UcuUch*    Mairtk.    Vo« 
//,  /"jjd/,  —   j.  EnK'Hchc  Mtirik:  oi  HcirnUcbe  Metra,  Von  A'  Luitk.  \>\  Fremd« 
Mrir»      Vnn    7  .V.-*i>/jt. 


in.  Band. 

VIII.  Alinchn. 
IX. 
X. 

x:. 

xn. 


WIRT.St  HAl'T.     Von   A'.    Ti.  rcw   !u»maSt4ru*ge- 

RECHT      Vnn   A'  pn»  ylmra. 

KRIK(;S\VESEN.     Vun  ^.  Sckmtl^ 

>rVTHOI,Oi;iE,     Von  F..  hUgk- 

sn  TH     I.  Skiuidiiiniinchc  Verhülintur.  Von   V.  (iudmmitdttom  imd  AV.  Kaiti^. 

».  I)ciit>ch-r;nit1!*chc  V(rMllni»*F.    Von  A.  Stkiittt.   —  Anhang     !■>«   Dehaii4- 

lunii  der   vulk*  lO  ml  ichcn  litlle  drr  Uex<^*l**"-     ^'"^  ^   A/m4. 
Xni.  Abtchn.'   KtrXST.   1.  Rlldcrtilr    Run.i    Vr.n   A.  SekiOti,  —  «.  Mnttli    Vnn  «.  *^  /Wir*»-««». 
XIV.         .  HELUENSAiiE.    Vo4,  A  Srm»n.. 

XV.         .  KTHNOCKAPHIE  DER  t^RMAN.  STÄMME    Von  O  Ä»v«.*t-.  (Mit  6  Kanntt 

NB.  Jedrni  Bunde  wliil  ein    Niainen-,  Sach-  und  Wurlvcricichnt>i  brt|{«|reWn. 

DU  {cui  erMtHvneH :   1.  Bd..  I.  bia  5-  U*L  (j«  M.  4-—' :  HL  Bd.  1  s  olliiUlndt(>  Bl  1^—  :  ucl*.  M.  »I.)0 


. Verlag  von  KASL  J.  TRÜBNER  m  Strassburc. 


19 


GRUNDRISS 


DF.K 


ROMANISCHEN  PHILOLOCxIE 

INTF.R    MITWIRKVNC    VON 

Ci.  BAIMI,   TH.  BKAUA,    H.  BKKSSLAl,   T.  CASINl.  J.  CORNU,  C.  DErt'KTINS,  W.  DE£CKIf, 

TH.  r.AHTNIIR.    M.  CASTER,    £1-  «iERLASD.    F.  KLUC-E,    C.VSt,  MEYER.  \V.  NEVER-LCBKE. 

C..MU  HAKLISnE  VASCO.NCKI.LOS,  AMORKl.  VAI J«,  >K,  IVOVIIHO.  A  SCHULTZ,  W.SCHtM. 

ril    SEVnnT.t»,  K.  STENf.EI.,  A,  STlMMINi;.  H.  SUflllER,  II.  TIKTIN,  A.  TOBI.ER. 

W.  WISIIKLBAND,  E.  WINIM-SrH 

HERALSG8GEBEN 


GUSTAV  GRÖBER 

I  n  h  ii  1 1 : 


I.  Buid. 


I.  EINFÜHRUNG  IN  DIE  ROMANISCHE  PHILOUOOIE. 

(.  i.EStUK  Uli;  I'liK  ROMANISCHEN   l'HILOUOt.lE  voj.  C.  Gr6*tr. 
,.  At'ECiARE    LSn     UI.IKMERINC     I>KR     KtHIANISl^HEN    PHILOLOGIE   yoii 
G-   Grti*r. 

II.  AHLBITUNG  ZUR  PHILOLOGISCHEN  FORSCHUNG. 

,.  IIIE  VI  ELLEN  [»EU  KOMAMStHEN  l'HII.«l.ni;iE  a.  Die  «chrirtlichen Quellen 
mii  4   T.ifclii   ^in    W.  StkHm.     I..   llif   iiiuiiJIkhcn  Qu«ll«ii  von    G.  Grtttr. 

t.  I»1E  ni'.HANDLLNU  liKK  Vl^'i^l-LEN.  ».  M«i1iadik  iiiid  Atifnben  der  cp»ch- 
wi'tciiachardiclicii  ForMchiinti  von  G.  Grihtir,  \>.  Mftlii>dil;  iJcr  pliilc>lntiiict)ei) 
l-'<>riL-liiiii|;   vur    .-f.    Iritir. 

III.  DARSTELLUNO  DER  ROMANISCHEN  PHILOLOGIE. 

1     Ah*rSniii     RC»MAXIS(Hi;  Sl'R ACHWIS'^rNSCHAFT. 

»  iJJc  vurroi>ui»i>-chcii  Vulki^ptAchcn  der  riinianiiL'lien  Lüiitcr,  i.  Keliiichr 
Sprachr  von  K.  U'imiii*,-i.  t,  r>!c  Bstiten  itnil  ilic  Dicrcr  von  G.  GtrimuJ. 
j,  liia  Ll.«IUche>i  S)lra^:h('u  ti'ii  tl*.  littekt.  ^.  Hit'  lMieini*che  Sprachr  in  den 
TniTuiiiUrhrn  I.Mndcni  \<*\  \k'.  .Utycr.  5.  Ruma'ieii  tjiid  Gtimojitn  in  ihieo 
WffhHcUiriH^hiinitrr  >'(io  /".  h'liigi.  1,.  Die  ambiachi-  Sprache  in  Oeri  lofliaiii- 
«Lheii  LiniJci»  ruii  t'h.  StyiaU.  j.  Dir  MJchilatriniscIicii  Elrmrme  im  Rani- 
ni*cheii  M>ii  .V.  (tttlrr. 
Ii.  llic  mniwiitclieti  Sprachr«  i.  ihnr  Einirilung  und  AuK«erc  Ucoebiohtc  von 
O.  GrSifr  imit  einer  Kariei.  >.  Die  rxirnttnitchc  Sprache  von  //.  Tiktim.  3,  Die 
rälur um ati liehen  Miiiid;in*n  vn«i  Tk.  C»rlMtr.  4.  tlte  iialieaiiche  Rpraeh«  von 
/'r.  d'OriJto  und  M',  SUftr,  5,  Die  fraiu.  u.  provencal.  Sprache  und  Ihre 
Mkuidurlun  wm  H.  Sutkier  iinii  %i  Karlen).  6.  Da*  Kalalaniachc  \oa  A.  Morti- 
Falia.  7.  I>ie  ipani>^h<T  Sprache  v.in  C-  lUtist  »  Die  p«rlii«:ie> lache  Sprache 
von    7-  Corwa.    9.  Die   Uieinii.cltru  Elemcnie  iia  .MliuiciiHEhcu  vno  iiiul.  .Stt^tr. 

n.  Bd-,  1.  Abt. 

1.  At>»chiifii     LEHRE   VON    PEK  ROMANISCHEN  SFRACHKUNST.    Rumaniache 

Vefpilehrc  von  R.  Slmgel. 
y  AiMchniil;  ROMANISCHE  LlTTHRATlRGKSCHICHTe. 

Clicr^icht    ill-cr    dir    laicini-chv    I.iileraiur    von    der  Min«    d«»  6.  JthtlMIvdena 


tl.  Rd..  1.  Abi 


his   IJJO  \'ta    0-    Gri-kit. 
h.  Die   Ltlteraiurra  der  rrnnanisch-an  Völker- 
t.  FiaiKiliiichc   LitIcraluT  van  G.   GrSktr, 


n   Bd..  3.  AbL 


»,  PTo<ucDfaliH:h<:  Ltiieratui  vtm  A.  SUmmmt- 
3.  KataUniicbe  Ltitcraiur  vuii  A.  Martl-F^ti*. 
A.  Port unioi* che  LitUraiut  run  C.  Mniimfiu  Je  l'tut*iutllat   und   Ti.  Rrmt* 

%.  Spanische  Litivrimr  vnn  (>.  Bai>* 

A,  Italti-niiicb'    t.iiirratiir  von    T.  Csirtii. 
7.  RltivroiiuiiiicUc  Liitcratui  von  C.  Dt<mrtim». 
a.  RiiiiMAlhcht    l.illciaihr  von  _V.    Gititir. 
IV.  GRENZWISSENSCHAFTEN. 

I-  <,i:Sl  (111  KT E  HER  KOMANISt  HEN  VÖLKF.R  v«n  H.  Brr^timu. 

,.  CILI  t  R«;i:s<  HU  UTE  DER  ROMANLSCHEN  VOLKER  von  A.  StMli. 

y  KLNSIGESlillCMTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER 

Bildende    Kiintte   von   A,  S-rlm/l: 
4.  DIEWISSENSCHAFIEMN  DEN  ROMANISCHEN  LÄNDERN  von  H'.  ITtWf  MaW. 
NAMEN-,  SACII-  LSD  WORTVERZEICHNIS  in  ,^drm  Hand. 

Bia  jeuc  aind  «ncbicnci« 
I.  Brnnd,  Ln^iP.  Xlt,  &si  S.  mit  4  Taf«!»  und  ij  Karten,     i«M, 

.  Sl.  t4-~i  •*>  llalhftan*  neh.  M.   lA.— 

Auch  iftch  in  einfelnen  Licfcriit>||cn  lu  M.  4.   -,  M.  4.—  und  M.  0.-    tn  bnhce, 
II.  Band.  1.  Abtailuac,  L«x.-S*.    VUI,  496  S.     1107.    M.  I.-,  In  Hall>fraii<  Reh    .M.  i».-  . 

Auch  noch  in  4  ].iefcriiD{;en  k  M.   t.—  lu  bähen. 
II.  Band.  I.  Abteflunc,  i.  Lieferung  M.  4.--;  ».  Liefcruoc  M.  j.Un,  3.  Liefcrunc  .U.  4.— v 
a      3-  „  ('  bU  3.  Lieferung  i  M.  j. 


30 


Verlag  von  KARL  J.  TRÜBNER  in  Strassburo. 


GRUNDRISS 


f>KK 


IRANISCHEN  PHILOLOGIE 

UNTER  MTI-WIRKUNG  VON 

F.    K-  ANDREAS.  CHR.    BARTHOLOMAE.   C.  H.  ETIfft,    C.    F.   GBLDNER.    I'.    HÖRN. 

H    HCBSIH^IANN,    A    V,  \V    JACKSON,    ¥.  JISTI.    IH    \Ol.I»KKK.   (  .  SAI.HMANS,  A    Sf>CIIi. 

F.  H.  WEISSBACH  unil  E.  W.  WEST 

HERAUSGEGEBEN 


WILH.  GEIGER  umi  ERNST  KUHN. 


Der  Grundriss   der  iranischen   PhiloIoRic  erscheint  in   l-icfcrunccn   von 

lo  Boßcn  zum  F'rcisc  von  Mk.  8.  -  oder  in  kleineren  Liffcninifi:n  zu  verhall- 
nismässijjcm  Preise  in  möglichsl  kurzen  Zwischenräumen.  l>ic  Käufer  vcr- 
pHichtcn  sich  mindestens  xur  Ahnahme  eines  liandcs.  Kinzclnc  LicfcrunE'cn 
werden  nicht  ab^^cgcbcn.  Mit  der  letzten  Lieferung  wurden  dem  Werke  aus- 
führliche Rcßister  bcigcechcn. 

Inhalt: 
I.  Band.  i.  Abt. 

Einleitung.  GESCHiaiTE  DER  IRANISCHEN  PHILOI-OGIE 

Prcif.  Dr    /::.  A'uJi». 
I.  Abschnitt.  SPRArilGESCHUHTE. 

i)  Vorgeschichtederirani.schenSprachcnProf.  Dr-^.""*/-.  5<?r7Aj/*?*iwit' 
2)  Awestasprachc  und  Altperhisch  Prof.  Dr.  Ckt    ßarthölomae. 
i\  Mitlelpersisch  Akademiker  Dr.  C.  Saitmatm. 
I.  Band.  3.  Abt. 

4)  Kcuf>ersische  Schriftsprache  !'rivatdo?,cni  Dr.  /*.  Hörn. 
51  Die  ührißen  modernen  Sprachen  und  Dialekte. 
A,  Af^ani.sch    {  p^„r.  Or    »".  Ga^rr, 

<".  Kurdisch  Prof.    Dr.    .-I.  So(m. 

D.  Kleinere  Dialekte  und  Dialckt- 
yruppen  ai  Allgemeines.  b|  Painir- 
dialektc,  c)  Ka.spische  Dialekte 
(MäsanUaräni,  vtc.)  d)  Dialekte  in 
Persien.  Prof.  Dr.  H'  Gtiger. 

E.  .Anhang:  Ossetisch  Prof.  Dr    //.  Hübschmoun . 


\.   Band. 


II.  Abschnitt.  LITTERATUR. 

1 1  Awcstalitteratur  Prof.  Dr.  A'.  /'.  Oeidtter. 

31  Die  Altpersischen  Inschriften  Dr.  f.  H.  WrissharU. 

3)  Pahlavilitteratur  Dr.  E.  W.  H'csf. 

Mii  einem  Aiili.iriK  Ulic-i-  dii:  iiciipi;rii>chc  l.itirraiiii  ilct  Pni«i. 
4I  D-'is  ir.inischc  Nalionalcpus  Prof.  Dr.   T/i.   .\'&}iieke. 
5)  Keupersische  Lilteratur  Prof.  Dr.   C   //.  AM/. 

III.  Abschnitt.  GESCHICHTE  UND  KULTUR. 

1)  Geographie  von  Iran  Prof.  Dr.  W.  (ir/gfr. 

2)  Geschichte    Ir.ins   von   den   ältcütcn  Zeiten   bis  xum  Au.s.{;Anf; 
der  Säsünidcn  Prof.  Dr.  /•'.  Jax/f. 

3»  Geschichte  Iran-s  in  islamitischer  Zeil  Privaidoaent  Dr.  /*.  //pnr. 

4)  Die  iranische  Religion  Prüf.  Dr.  A.   fV  II'.  JarkseH. 

5)  Schriftknndc  Dr.  r.  K.  Ani/rtas. 

Bis  jctil  sind  erschienen : 

l.  Band,  i.  Abteil.,  i.  Lieferung  M.  8.—.  ».  Lieferung  M.  4.50.  _ 

I,       ■       2.        •        I.  und  2.  Lieferun«  ä  JM.  8.—,  :in.icfcnmt(  M.  5.5*" 
11.        •        I.,  2.  und  3.  Lieferung  ä  M.  S,  — . 
Nüldcke.  ThcuduT.  Das  iranische  Nationalcpoa  (Scparaiabdruck.) 
8^  82  S.  M.  4.50. 


Vbrlao  von  KARL  j.  TROBNER  in  Stkassbukc:. 


■tt 


GRUNDRISS 


DFR 


INDO-AKISCI  lEN  I'l  llLDLUGIl 


UND 


ALTERTUMSKUNDE 

BcKiUndct  von 

GEORG    BOHLER. 

tfiincMUt   von 

F.   KIELHORN, 

l't»I»»wr  ile«  Saiiskrii   an  ilrr  L'Tiivmii'it  liüiilnEcn. 


In  (liesc^m  Werk  si>ll  zum  crslt-n  Mal  der  Versuch  gemacht  werden,  einen 
(jexatntüli'crlilick  üIht  die  einzelnen  (jebietc  der  indo-arischen  Philutogie  und 
Altertumskunde  in  knapper  und  »y^itemati^cher  DarrAellunj;  zu  geben.  Die 
Mehrzahl  der  Gei^enstSndc  wird  damit  überhaupt  zum  ersten  Mal  eine  zu- 
sammenhän^rende  ab^ierundetc  Behandlung;  erfahren,  deshalb  darf  vun  dem 
Werk  reicher  Gewinn  für  die  Wissenschaft  selbst  erholTt  werden,  trotzdem  es 
in  erster  Linie  für  Lernende  bestimmt  ist. 

Ge^en  dreissi|>  Gelehrte  aus  Deutschland,  Öälerreich.  England,  Hottand. 
Indien  und  Amerika  hal>cn  sich  vereinigt,  um  diese  Aufgabe  zu  lösen,  wobei 
ein  Ttil  der  Mitarbeiter  ihre  Beiträge  deutsch,  die  übrigen  sie  englisch  ab- 
fassen werden.  iSichc  nachfolgenden  rtan.i 

Rc.<«trht  .'ichon  in  der  räumlichen  I^ntl'ernung  vieU.r  Mitarbeiter  eine 
grössere  Schwierigkeit  al*.  bei  anderen  Shnlichcn  I.intcrnehmungcn,  .so  schien  e* 
auch  geboten,  die  l'nziitrÄjjlichkcil  der  mci.st(*n  Sammelwerke,  welche  durch 
den  unhcrechcnh;ircn  .^btielerungKlcrmin  tler  einzelnen  UciCrnge  rntsleht,  da- 
durch zu  vermeiden,  dass  die  einzelnen  Abschnitte  gleich  nach  ihrer  Ab- 
lieferung einzeln  gedruckt  und  ausgcgchrn  werden.  ^  Das  Werk  wird  aus  drei 
Händen  Lex.-8'  im  ungefähren  Umlang  von  je  iioo  Seiten  bestehen.  Der  Sub- 
skriptionspreis des  ganzen  Werkes  beträgt  durchschnittlich  65  Pf.  pro  Druck- 
bogen  von  t6  Seiten;  der  Preis  der  einzelnen  Hefte  durchschnittlich  So  Pf.  pru 
Druckbogen.  Auch  für  die  Tafeln  und  Karten  wird  den  Subskribenten  eine 
durchschnittliche  Krm.'issigung  von  io^/o  auf  den  Einzelpreis  zugesichert.  Ober 
die  KinteiluTig    des  Werkes  gicbl  der  nachfolgende  Plan  Auskunft. 

Band  I.  Allgemeines  und  Sprache. 

i)*a.  Üearg  Bühlcr      1S37— tSgÖ.     Von  yu/.  70IN.   Mit  einem  Bildnis  Bflhlcrs 
in  Heliogravüre.    Subskr.-Freis  M.  2. — .  Einzel-Preis  M.  2.50. 
b.  Geschichte  der  indo-arischcn  Philologie  und  Altertumskunde  von  Ernst 
Kuhn. 
3)  Urgeschichte  der  indo-arischen  Sprachen  von  R.  .\feriH(^er. 
3)  a.  Die  indischen  Sy.stcme  der  Grammatik,  Phonetik  und   Etymologie   von 
B.  Liebkb. 
*|i.  Die   indi.schen  WOrterhficher  (KoÄa)  von    Tk,   Zackarüu.  Subskr.'Prcis 
M.  2.—.  Einzel-Preis  M.  2.50. 
41  Graiiimatik  der  vedischen  Dialekte  von  .-1.  A.  Mtudomll  (cngl.) 
5)  Graiiitnatik  de»  klassischen  Sanskrit  der  Grammatiker,  der  Littcratur  und 
der  Inscliriften  sowie  der  Mischdialekte  (epischer  und  nordbuddhistischcr» 
von  H.  Liidcn. 
•*>  Vedische  und  Sanskrit-Syntax  von  J.  S.  Sfirytr. 

Subskr.-Freis  M,  4.—.  Einzel-Preis  M.  5.— 
71  Paligrammatlkcr,  Paligrammatik  von  O.  FroHkc. 

Fortieuuiig  lichc  nich«ie  Seht. 


-Ca 


Vbrlac  von  KARL  J.  TRÜBN^  rn  Strarsbur«. 


Grundriss  der  indo-arischen  Philologie  iKorlseL/ung). 

8)  Prakritgrammatiker,  Prakritgrammatik  von  /?.  Pischel.  ilinlcr  der  T'rcssci. 
*l  I  Grammatik  und  Littcratur  des  tertiären  Prakrits  von  Indien  von  G.  A.  Gritrson 

(englisch). 

lo)  GramTnatik  und  Littcratur  des  Singhalesischcn  von   Wilk.  Geifer.  

♦ii)  Indische  Paläographie  (mit  17  Tafeln)  von  6'.  Bükler. 

SuKskr.-Prftis  M.   iv— ■  Kinzcl-Prcis  M.   18.50. 

Band  II.     Litteratur  und  Geschichte. 

I)  Vedischc  Litteratur  (Sruti). 

a.  IJie  drei  Vedcn  von  K.  Gddmr. 
•b.  The  Atharva-Veda  and  Ihe  Gopatha-Brahmanaby.V. ///(Wm^rf^ienijlisch). 

(Sut) skr. -Preis  M.  5. — .  Einiel-Preis  M.  6. — .) 
a)  Epische    Litteratur   und    Klassische  Litteratur  (einschliesslich  der  Poetik 
und  der  Metriki  von  //.   "Jacohi. 

3)  {Juell^n  der  indischen  Geschichte. 

a.  Liltcrarische  Werke  und  Inschriften  von  /'".  Kidkont  (engl). 
•b)  Indian  Coins  (with  5  plates)  by  li.  J.  /iapson  i'engl.). 
Suhskr.-Preis  M,  5.—,  Kinxelprcis  M-  6. — . 

4)  Geographie  von  .\f.  A.  S/an 

5)  Ethnographie  von  A.  Haiius  (engl.). 

6)  Staatsaltertümer  (  von  7-  Jf/^v  und 

71  Privataltertümer   (      Sir  /?.   ii^ext  (englischi, 
•8)  Recht  und  Sitte  (einschliessl.  der  einheimischen  Litteratur)   von   J.  yoUy. 
Suhskr.-Preis  M.  6.50,  Einzcl-Preis  M.  8.—. 

9)  Politische  Geschichte  bis  zur  muhammed.  Eroberung  von  J  F.  h'leet  /engl,). 

Band  m.     Religion,  weltl.  Wissenschaften  und  Kunst 

1)  'a.  Vcdic  Mylhology  by  A.  A.  Macdoaell  icngl.l. 

Subskr.-F^cis  M.  7.50.  Einzel-Preis  M.  9.—. 
h.  Kpische  Mythologie  von  M.  W/Hterni/s. 
*3\  Ritual-Liticratur.  Vedischc  Opfer  und  Zauber  von  vi.  HüU^aadt. 
Subskr.-Prcis  M,  8.—,  Einzelpreis  M.  9.50. 
3)  Vedänta  und  Mimämsä  von  G.  Tkibaut. 
*4)  Sämkhya  und  Voga  von  ft.  Garbe. 

Subskr.-Preis  M.  2.50,  Einzelpreis  M.  3.—. 

5)  Nyäya  und  Vaise^ika  von  A.   l'ems  lengl.j, 

6)  Vaisnava.s.  'Saivas^     1  l      , «   u   /  ■    dl     i^^t.^^ 
'Sauris,  Günapatas,       Bhaktimärga        ^^"  \^r,.vJS^ 

7)  Jaina  vnn  F..  Lmmann, 
•8}  Manual  of  Indian  Buddhi,sm  by  H.  Kern  (etiffl.). 

Subskr.-Preis  M.  5.50.  Einzel-Frei»  M.  7. — . 
♦9)  Astroncmie,  Astrologie  und  Mathematik  von  G.  Tkibaut, 

Subskr.-Prcis  M.  3.50,  Einzel-Preis  M,  4. — . 
[0|  Medizin  von  y.  jfdh. 

iij  Bildende  Kunst  (mit  Illustrationen)  von  y.  Hurgtss  (engl.i. 
13)  Musik. 

NB.  Die  mit  *  ieuicknefeu  Hefte  xintt  hereits  ersckifttett. 


<Aii<^h  dlctcm  vlrncn  in  Act  Rcihcnf-jlsv  <lct  Gruni:tri>i<;  inOchlc  iiian,  allcti  jcitt«  ok  JIv 
h«iii||ung,  <Jic  IUI  Zciudlcr  Ocr-icllirn  iltra  philulogiicliir  Uaiilt«liii  lutifeirD,  rUa  Wud  mit  «iil  Ar« 
Wrti  Kchrn-  Wai  du  rrrrhl  von  dcirten  VAlcni  hxnt.  <r*irh  et,  um  ei  >u  KeiilicD'  I>ic*t  GrulxltM*« 
luiben  vilc  die  Junutliildoi  iwci  (icMchtcr,  ilic  dücIi  entKCi:i:n|[ciTUIKii  SFiten  ichaucf  <:i.  !...•■.  nitA 
vorM-Bnv     nnreh  dir  Ailkeiitvn  dijr  vurai>itc|iitn|ien«i>  n«>chlechl«r,  itl«  »ie  iumudokiM  tie 

Zeujini»  ab  vuu  ilci   |tcifti|;cn  Eiift)[ir,   A\c    »Ich    allmühlich    auf    ilcn    venchicdmirii  inn^ 

welche  in  ihrrm  inncr-rn  und  Smtcrtn  ZiitaTnincntchlu»  di«  iirdctnistlftc  Plillolofiir  J,■l^u^.■.■-^■.I,  mrf. 
ücapeichcrt  ha[.  L'nlcr  dinriii  (jcticlttduuiikt  licilciiicn  lii'  n|;lcicli  ilcrcn  Rftfcrktänini:  Kc»iti«r- 
nwuirn  ilurch  den  «i>nniaitrn  Act  de»  tnicrtirhinL'na  »|i  f-lchcn,  tlurcl»  >ia*  1''  Vr.riiri..|chr  •£'!»<) 
iHuchfühcbarlicil    Kapluiite    Werk    Millicr,      \iiv    komiiivtidrn  (•etichlifi.hict    at'<  :  -      Ittu. 

«enleti  in  ihm  eine   Kciii:lirit<'  (irnruIlHKr  Ihrer  ArUriicn  fiiidcii.  >inij  xclm.  ilcaVi .  ■wl 

IQ  PankctschLiid.  lundEni   li>i|!r'i  aiicli  dir  ittiiic   Vctpilichuiriu.  ihtrripit-   i!lr   '~'  ,Br. 

handenen  Eneriic  lu  vermehTcu.  d«t  F<jr>chuntE  Itniu««  neue  Wck«  »u  •  r    i  hu- 

[itinLit   ^11  rmchliciten.     . 
irriflicti   inaii^uiirn.      Wflii 


Mil  dfiii    iT^trn  Hufic    luii    «ith    der  .nr 

c1ii:m  \.ir  •Ic-m  krihiicii  Urilctiiduntr  ducn   ä1'- i  -_jiis» 

Littrmr.  Inttr^Mmit  tS^»  Ar.  Jt^ 


fRRn^tSncARL  J.  TRÜBNER  in  Stkassbur«. 


»3 


GRUNDRISS 

VERGLEICHENDEN  GRAMMATIK 

INDOGERMANISCHEN  SPRACHEN. 

KURZÜEKASSTE  DARSTELLUNG 
ilcr  (ifschichtc  üc:*  Allindischcn,  AlUranischcn  (Avcstischcn  und  AUptrrbischcni 
Altarmcnischcri,   Altgricchischcn,   Alliancsischcn.    Lalcinisthcn.  Uinl)risch-Sain- 
nitJüchcn,  AUirischt-n.  Gotischen,  AllhuchiJcutschcn,  LituuiNchcn  und  Altkirchtn- 

sliivisrlicn. 


von  KARL  BIL161IIAKK 

urd.  FroCciinr  tWr  liir|<ii[rTnianUclicii  Spragli' 
Hioctiichiiii  in  LcipitK. 


Bd. 


und  BERTflOI.D  DELBRtICK 

urif,  rnifi;tti>r  itn  S^iniLrir  und   ilcf  vcrxicicbcn* 
<li-u   Sjifjclik linde   in  Jtiia. 


HINLEITUNG  UND  LAUTLEHRE  von  Karl  Brugmann, 
Zweite  Bearbcitiiny.  i.  Hälfte  (§  1—694».  Gr.  8"*.  XL, 
62«  S.     1S97.  M.  16.—. 

—  —     2.  HälftL-  (^  695  — 10K4.  und  Wortindex  zum  1.  Band).  Gr.  8". 

IX  u.  S.  633—1098.     1897.  M.  12.  —  . 

1!.  Bd.:  WORTBILDL'NGSLKHRE  (Stammhildunys-  und  Flexions- 
iehrel  von  Karl  Brugmann.  r  Hallte.  Vorbcmerkunfjcn, 
NominalciiinpnsitJL  Rfdupliciorte  Ncininalbildun^^en.  Nomina 
mit  stammbildendcn  Suffixen.  VVurzclnomina.  Gr.  8".  XIV. 
462  S.     1888.  M.  12.—. 

—  —     2,  Häiftr,  1.  Lief.  ;  Zahlwortbildun^',  Cnsusbildung  der  Nomina 

<  Nominaldeklination  i.  Pronomina.  Gr.  8'\  384  S.  1891.  M.  10-— . 

—  —     2. Hälfte,  2.  (Schlu-ss-)  Lief.  Gr.  8".  XII,  592  S.  1K9-.  M.  14.—. 

INDICES  (Wort-,  Sach-  und  Auturentndex)  von   Karl  Brugmann. 

Gr.  X».  V,  236  S.     1893  M-  6.—. 

rn.  Bd.:  SYNTAX  von  B.  Delbrück.  1.  Teil.  Gr.  8«    VIII.  774  S. 

1893.  M.  20.—. 

IV.  Bd.: 2.  Teil.  Gr.  8<'.  XVII,  560  S.  1897.  M.  ij.— . 

V.  Bd.:  —  —  3.  iSchluss)  Teil;  Satzlehre.  Mit  Gencralindcx  zur 
Syntax  (Bd.  III,  IV  und  V  des  Gesamtwerkes». 

(Unter  der  Presse.) 

■  „.  .  .  Hriigmann'-s  Wi:rk  gehört  Tartan  zu  dem  uncntbchrlichstr.n  Rüstzeug 
i:inc<i  jeden  Indogermanisten;  möcc  der  zweite  Itnnd  nicht  allzu  lange  aiif  sich 
warten  lassen."  O.  .1/  .  .  ,  /-,    Uttrat .  dniralM.  i.swy  AV.  .v. 

il.  Band) Es  wäre  ein  Ding  der  Unmöglichkeit,  auch  nur  annäliernd 

iiir  das  Neue  zu  verzeichnen,  wa.s  in  dieser  neuen  Auflage  teils  auf  Grund  der 
tigcntn  «citaUBTcichenden  Untersuchungen  des  Vertasscrs,  teils  mit  gcwisscn- 
liuftcr  Benutzung  der  gesamten  Korschungcn  aul  dem  Gcliiete  der  indog.  Sprach- 
wissenschaft geliotcn  ist.  Der  brugmannsche  Grundriss  wird  auch  in  der  zweiten 
Auflage,  die  wir  als  neues  glänzendes  Zeugnis  der  unermüdlichen  Arbeit;»-  und 
Schaffen  skr  ;ifl  seines  Verfasser.«.,  zugleich  aber  auch  sei^e.^  weittragenden  und 
!»charfL:n  Blickes  iti  alle  Weiten  und  Tiefen  unserer  Wissenschaft  und  seines 
sichern  und  unparteiischen  Urteils  in  den  schier  zahllosen  Problemen  und  Streit- 
fragen der  Indogermanistik  begrüssen,  uo  mOglich  in  noch  höherem  Grade,  wie 
in  der  ersten,  em  Markstein  in  der  Geschichte  der  indogermaiiischcn  Sprach- 
wis-senschaft  sein,  als  welchen  ich  ihn  mit  vollem  Fug  und  Recht  in  der  im 
Jahrgang  1S87  Nr.  3  veröffentlichten  Besprechung  bezeichnet  habe. 

fr.  Sioli,  Seuc  phüci\ygische  Rundukau  j6*/j  iVr.  ii. 


VBELAC  VON  KARL  J.  TROBNER  in  Stkasssurc. 


äoeben  erschien: 


DER 


INDOGERMANISCHE  ABLAUT 

VOEMEMLICS  IN  SEINEM  VERHÄLTNIS  ZTO  BETONUNG 
HERMAN  HIRT, 

A.  O.  rSOI'ESSOK  AN  »RR  l  UIVERSrrAT  ijm-iuc., 

GR    K"      VIII.  204  S      1900.     M.  5.50. 


Wer  die  Sprachrorschunj;  in  ihrer  Arbeit  in  den  letzten  Jahren  verrollt 
hal.  derweiss,  dass  die  Ablautsfragt  zn  den  Pnibicmcn  gehört,  die  die  ForschunR 
am  meisten  beschäftigt  haben.  An  Stelle  einer  ycsicherten  Erkenntnis,  die 
man  vor  20  Jahren  lu  naher  schien,  ist  eine  Sturm-  und  Drangperiodc  (getreten. 
in  der  nichts  mehr  haltbar  erscheint.  Itrugmann  forderte  daher  eine  yründ- 
hchc  SammtunR  des  Materials.  Der  Verfasser  hat  es  unternommen,  dies  in 
ausgedehntem  Maasse  zu  bcschafTcn,  und  zunächst  die  Wirkunt*  der  UctonunK 
auf  den  Ablaut  Icstiusicllen,  wobei  sich  xeigtc.  dass  der  iük-  Ablaut  in  der 
That  im  wesentlichen  durch  die  RctonunK  hervorgerufen  ist.  Was  noch  übri|< 
bleibt,  dürfte  sich  auf  einfache  Weise  durch  andere  Ursachen  erklären,  und  so 
hofft  der  Verfasser,  in  diesem  Huche  eine  einwandsfreie  ErkUrun^  des  idjj 
Vokalsystems  und  Ablauts  gehen  und  die  Sturm-  und  Drangpcriodc  der  IcUtcn 
Jahre  abschlicsscn  zu  können. 


Der  indogermanische  Akzent. 


Ein  Handbuch 


Dr.  Herman   Hirt 

FrofnuQf  an  'Irr   tni^rraiiiii   l.ei|iU|[. 

8".  XXIII,     356  S.     1895.     M.  9.- . 

'Keines  jener  Bücher,  die  man  durch  das  l'rädikat  -abschliessend-  tn 
charakterisieren  pflegt  .  .  ,  Kein  Buch,  das  am  Kndc  einer  tntwicklungs reihe 
steht,  dass  sich  damit  begnügen  darf,  die  reiche  trntc  früherer  Korschnng 
unter  Dach  zu  bringen,  Alles  reinlich  zu  sortieren,  zu  klassiücicren  und  <u 
etikettieren.  Vielmehr  ein  Buch,  das  am  Anfang  einer  neu  cr>chIossenen  Bahn 
Sicht,  nicht  selten  unfertig  und  lückenhaft,  aber  genug  des  Schönen  bietend, 
mehr  noch  verhei>send.  Gewiss  hätte  der  Vcrf,  das  unvermeidliche  Nontim 
[irematur  in  annum  strikte  befolgt,  so  wäre  ihm  zweifelsohne  noch  mancher 
ichätzbare  Fund  geglückt,  hatte  manche  klaffende  Lücke  ausgefüllt  werden 
können.  .Aber  wir  haben  alle  Ursache,  dem  Verf.  dankbar  zu  sein,  dass  er  es 
nicht  gethan  hat.  So  wie  das  Uuch  ist,  darf  man  von  ihm  sagen:  es  ist  da» 
rechte  Buch  zur  rechten  Zeit.  Soviel,  so  unendlich  viel  auch  noch  im  Kinxcinen 
zu  erledigen  bleibt,  die  Forschungen  über  die  l_irundfragcn  sind  immerhin  10 
weit  gefördert,  dass  eine  zusammenfassende  und  weiterführende  Darstellung 
dringendes  Bedürfnis  war,  wenn  die  Krörterungen  über  Acccntfragcn  auf  tin 
grösseres  Publikum  rechnen,  wenn  sie  nicht  aus  Mangel  an  Verständnis  und 
an  Teilnahme  wieder  ins  Stocken  geraten  .sollten.  .  .  .  Dem  Stand  der  Forschung 
entspricht  aufs  Beste  die  .Anlage  des  Werkes:  es  ist  halb  Lehrbuch,  halb  ITnter- 
suchuny.  Denn  der  Verf.  wollte  und  durfte  sich  nicht  damit  begnügen,  nur 
auf  breiter  Heerstra-sse  behaglich  zu  spazieren,  sondern  war  auf  Schritt  und 
Tritt  gezwungen,  sich  <lcn  Pfad  durch  unwegsames  Gebiet  selber  zu  bahnen. 
Diese  eigentümliche  Mischung  von  Darstellung  und  Forschung  wird  auf  den 
Leser  ihren  Reiz  nicht  verfehlen Literat .  Ceutralblalt  /.V^y  .Vr   40. 


VCRLAi;   VON  KAKI.   J.  TRPhXER    rN  STRASSBirRQ. 


'5 


von   PLANTA.  R.,  GRAMMATIK  DER  OSKISCH-UMBRI- 

schen   Dialeku*. 

I.  Baml:  Kinlcitiinjj  und  Lauth'hrt'.  S'\  VIII,  600 S.  1892.  M.  15.— 
l[  Hand  Koimonlchic,  Syntax.  Sammlung  der  Inschriften  und 
Glossen,  Anhang.  Glossar.  S",  X\".  765  S.  1S9;.  M.  20.— 
•  Nachdem  üic  SiTiichttissciischafl  ilic  <  isk  i  sc  h-u  ml  irische  11  Dialekte 
längerr  Zeit  liemlich  abseits  hat  liefen  lassen,  herrscht  jctit  auf  dienern 
Korschtinjfsycliict  wieder  ein  erfreulich  rcjjcs  l.clien.  Fast  gU^ichzcitig 
••ind  iirci  yröhstre  Arbeiten  erschienen,  ilii:  ^ich  mit  0er  l.aiiTjjeschichte 
dieser  Mundarien  heschäfliKcn.  Davon  ist  »lie  umfasscndNle  und  hcdou- 
tcndstt-  da^  uns  vorlitnende  Buch  eine?*  jiinyen  Schweixcra.  .  .  .  Wir 
behalten  uns  vur,  auf  das  W'trk  nach  Krscheinen  de»  «weiten  Bandes 
etwas  au.tfiihrlicher  «urückzukoniinen.  Kör  jetzt  sei  nur  noch  bemerkt, 
das-*  wii  CS  mit  einer  uu!  jjriindlich>teni  Studium  licruhenden,  durchaus 
soÜdun  und  in  manchen  BcjtiehiinHcn  j»er,nde/u  muslerhaftcn  Arbeit  xu 
thlin  haben,  ilic  aN  ein  die  ijc-iammle  bisherii^c  Forschnny  «usamrnen- 
fassendes  Handbuch  für  jeden,  der  sich  mit  den  altitali»chL-n  Sprachen 
l>cschäftt|;l.  unentbehrlich  sein  wird.-  LUcrartMchrs  Ctnlralhlatt  1H9H  Kr.  t(f. 

«...  Der  VerfassL-r  hat  sich  wie  kein  zweiter  in  den  vielfach  recht 
spröden  Stuff  versenkt  und.  da  er  auch  mit  miter  Methode  zu  Werke 
geht,  ein  in  jeder  Hinsicht  lüchlijjes  Buch  Keiiefcrt,  an  da»  jeder  an- 
knöijfcn  muss.  der  künftighin  über  Fragen  der  oskisch-umbrischen  Gram- 
matik schreibt  ....        Woche»!tckrifi  für  ktasi.  Pkilal^ü  iS^  Nr.  42. 


THUMB,  Dr.  ALBERT,  HANDBUCH  DER  NEUGRIECHI- 
schen  Volkssprache.  Grammatik,  Texte  und  Glossar.  8".  XXV, 
240  S.  mit  einer  lithogr.  Schrifttatcl.     1H95. 

Broschirt  M.  6.   -,  in  Leinwand  ^'eb.  M.  7. — 

«Endlich  einmal  eine  brauchbare  Grammalik  der  neugriechischen 
Volkssprache,  ein  Buch,  das  nicht  jenes  aus  allen  möglichen  Formen  zu- 
samroengebraute  Kauderwelsch  der  Zcituncen  und  Bücher,  sondern  *lie 
in  gesetimässijjer  Entwicklung  entstandene  lebendige  Sprache  der  Gegen- 
wart lehrt!  Th.  hat  es  verstanden,  den  wichtigsten  SprachstufT  auf  sehr 
knappem  Räume  mitzuteilen,  indem  er  sich  auf  die  Verzeichnung  der 
Thatsachen  mit  den  uncntbehrticJistcn  Erklärungen  beschränkte  .  .  . 
Hundertmal  bin  ich  nach  einem  praktischen  Handbuch  tJer  neugriechischen 
Volk.isprache  gefragt  worden,  und  stets  war  ich  in  Verlegenheil,  was  ich 
den  Leuten  eigentlich  nennen  sollte;  die  gleiche  Verlegenheit  drückte 
mirh  jedc-^mal,  wenn  ich  eine  Vorlesung  über  neugriechische  Grammatik 
hielt  und  den  Zuhörern  zur  Vereinfucbung  und  Erleichterung  des  l'nler- 
richt-s  etwas  Gedrucktes  in  die  Hand  geben  wollte.  Wer  die  Not  so  an 
ctgcn-'(tcr  Haut  gefühlt  hat,  wird  dem  Verfasser  für  seine  schöne  Arbeit 
doppelt  d.inkbar  sein   .      ..  fivzaMfimrche  Xctlsthrifl  t-S</^  S.  3io. 


WIEDEMANN.  OSKAR,  HANDBUCH  DER  LITAUISCHEN 

Sprache    Grammatik.  Texte.  Wnrterhiich.  S".  XVI,  ^i;4S.  1S96. 

M.  9.-- 
iScit  langen  Jahren  »chun  hat  jeder,  der  Vorlesungen  über  litauischu 
Sfirarhe  zu  halten  gezwungen  ist.  den  Mangel  eines  passenden  Hand- 
buches aufs  Schmerzlichste  empfunden.  Srhleicher's  ausgezeichnetem 
Werk  isl  aus  dem  Buchhandel  verschwunden  und  kaum  noch  erreichbar, 
Kurschai's  Grammatik  nicht  für  AnPänger  berechnet.  Daher  braucht 
Wieilemann,  der  verdiente  Verfasser  der  scharfsinnigen  Monographie  über 
das  lilauischi-  PrÄteritum.  nicht  den  Vorwurf  zu  fürchten,  ül>erflüssioü 
.\rbeit  geihan  711  haben.  Mindern  darf  des  Dankes  b(.i  l.phrer  wie  Schüler 
gewiss   sein  .  Hin  ausführliches   WOrterVmch    macht    den  Boschluss. 

so  d-is.-;  der  Band  Alles  umfasst,  was  der  Anfanger  nfllhig  hat.  .  ,  ,■ 

Uterar.   CtNtralfffatt  /.SV7  AV.  6. 


1% 


VSklac  von  KARL  J.  TRI 


IN*  STRAssnr««. 


GESCHICHTE 


PER 

DEUTSCHEN  EITTERATUII 

B(S  ZUM  ArSGANGK  DKS  MJTTEI.AI.TKRS 

VON 

HUnOLF  KOKGKL 

nrd.  PcvfeMat  lUr  dcniiclir   Sprache  mul   l.iuenilut  ■■■  der  Vaivanrl&f  Daarl. 

Erster  Band;  Bis  zur  Mitte  des  elften  Jahrhunderts. 

Erster  Teil:  Die  staljrciniendc  Uichtung  und  die  gotische  Prosa 
S»    XXIII,  343  S.  1.S94.  M.  10.— 

Krgänzun[jshcfl  zu  Band  I:  Die  alt  sächsische  Genesis.  Ein  Bei- 
trag zur  Geschichte  der  altdeutschen  Dichtung  und  Verskunst 
S".     X,  71  S.     r«95.  M.  1.80 

Zweiter   Teil:    Die   undrcinicnde  Dichtung    und    die    Prosa  der  alt- 
hochdeutschen Zeit.     8«.     XX,  652  S.     1897.  M.  16  — 

Urteile  der  Presse. 

-  ,  .  Kocgel  hat  ein«.'  Arlnii  unicrnommen,  die  sclion  wegen  ihre» 
}^rusNcn  Zielts  dankbar  licyrOssi  werden  muss.  Denn  c»  kann  die  'Forschung 
üuf  dem  Gebiete  der  altdi-ulsclu-n  Litteraturijcschiclitc  nur  wirksamst  untcr- 
stätücn,  wfiin  jcmiind  den  ganzen  vorhandenen  Bestand  von  Thatsachen  land 
Ansichten  ^enau  durchi'rufl  und  verzeichnet,  dann  aber  auch  an  allen  sch*ir- 
rijjen  Punkten  mit  eigener  l'ntrrMichun^j  einwtitt.  Beides  hat  K.  in  dem  vor- 
liutjenden  ersten  Bande  tür  tlic  älteste  Zeit  deuts.elH;n  Geisteslebens  ^ettian. 
Kr  beherrscht  das  bekannte  Material  vollytündiK,  er  hat  nichts  aufgenommen 
oder  furtpe lasse n.  ohne  .sich  dariilier  »orjjlliltiy  Rechenschaft  zu  ycben.  Kein 
Stein  auf  dem  We^e  ist  vun  ihm  unum;;e\vendet  verblit:lK:n.  K.  hat  aber  auch 
der  Stoff  vermehrt,  einmal  in<lem  er  sell)siänüij;  alle  Hilfsquellen  iz.  U.  die 
Sammlungen  der  (Japitularien,  L'oncilbcschltlssc  u.  ».  w.i  durchgearbeitet,  iicuc 
Zeugnisse  den  alten  beiKefügl.  die  alten,  berichtigt  hat,  ferner  dadurch,  dass 
er  aus  dem  Bereiche  der  übrigen  germanischen  Lilteraturcn  herangezogen  hat. 
was  irgend  Ausbeute  für  die  Aufhellung  der  ältesten  deutlichen  I'ocsic  ver- 
sprach- In  allen  diesen  Dmgen  schreitet  er  auf  den  Pfaden  Karl  Müllcnhoffsri 
dessen  Grösse  kein  anderes  Buch  als  eben  da^  seine  besser  vürditien  lehrt. . . 
Ah/{W  E.  ^StkifHÖtuh,  Oestemich.  Liitratnrhlatt  l6'ij4  Xr.  /<?. 

•  Kncgel  bietet  Meistern  wie  Jüngern  der  ijermanistik  eine  reiche,  will- 
kiimmenc  (jabe  mit  Keinem  Werke;  vor  allem  aber  .sei  e^  der  Aurmcrksarokcil 
der  I.ehriT  des  I>eutsf.hen  an  hohert-n  Schulen  empfohlen,  fflr  die  cä  ein 
unenthehrlirht-s  Ittlfsmitlel  werden  wird  durch  seinen  eijjcncn  Inhalt,  durch 
die  wohlausgeuählten  bibliographischen  l-ingerzuige  und  nicht  zum  wenigsten 
flureh  die  Art  und  Weise,  wie  es  den  kleinsten  Fragmenten  ein  viel«citiffc^ 
Interesse  abzut^euinnen  und  sie  in  grossem  geschtchllichen  Zusammenhang  xu 
stelk-n  versteht.  Wie  ua  mit  uarmer  Teilnahme  für  den  (it-gcnstand  gearbcilrt 
ist.  wird  es  gewiss  auch,  wie  der  Verfasser  wünscht.  Freude  an  der  nationalen 
WissenschaJl  wecken  und  miitelbar  auch  zur  Ilelebung  des  deui-*chen  Lllcratur-j 
Unterrichts  in  wissenschaftlich-nationalem  Sinne  beitragen.' 

Hcitagi  zur  M/gfm.  ZdtuH^  l,SQf  Xr.  J#*. 

•  -  Wirliegendes   Hueh  ....  nimmt  neben  dem  Werke  MültenhofTs  viel-' 
leicht    den    vornehmsten    Rang    ein.     K>   bietet    den  gesamten  St^tfT  in    feinerj 
philulngihcher    l.äntcnuij}.    dessen    eine    Literaturgeschichte    unseier    ältestrnj 
Zeiten    l>edarr,    um    sich    «um  allseilig    willktHnnienen  Jtuche   absuklären      Die-* 
hohe  Venlienst  darf  man  schon  heule  Rudolf  Koegel  bewundernd  «uerkcnncn, 
Dass  das  f-chw^rwiegende  Werk  seiner  seilen  vergeblich  bubremlrn  Kor>irhunj;' 
und  mühseligen  ("ombinatiunen  und  Schlussfolgerungen  würdig  an         ■         ■   ist. 
bedarf  keiner  \'ersichenmg.  I^nd  so  möge  unsere  Germanistik  de^  >  .cd- 
prciHcs  froh  und  froher  werden. >                BlälUr f.  liter,  i'vitrk.  iS^j  .\/   ^. 


VKRtAfi  VON  KARL  J.  TKChNK«  in  SThASShURC. 


©cntpbiirjer 


(Sott\^cvottt!xQc* 


3iiin  Ufftcii  öi'«i  fiU-  ^'tvrttilmvg  i;)i'plrtnlcu  Oi'iiltmttl&  ^t&  iumjcii  (it»Oftljc. 


Hl.  8".   VIII,  107  S.  IrWJ.  «trafrtiin  9«.  S.-,  in  «rinroatt&  aebim&cii  'Ml.  J.'H). 


^itliflli:    I.  <^Dpttic  iibcr  Sßclilitcratur  imb  lE'takHi'ocMc.    'ifoii  (?.  .'.yiiirliit. 

—  II.  Ter  iiiiiiic  <5*nfHic,    'i^ori  ^l  .löciuiiiiiv  —  IM.  t^ftoeihc  mib  ^.'ili,  ifipii  t?.  ^>piei»li. 

—  IV.  ?liKv  (stnctlK->  '^Ijilofopliic,  'Ihm  i^.  Söiiibclbdiib.  —  V  (^«ibc  uiift  bic  iliititc. 
i^on  'J(.  yjJtdiftelt'ff.  —  VI.  Ukr  ^ortl)e*  JVnrbenlcli«.  'iioit  ,\a(oli  Siillitiö.  — 
VII.  (5octl)Cö  ifauft.    4(on  Ib.  ^ipiilcr. 


«...  Ein  wertvoller  Wi.^scn!)schatz  lic^  darin  aufgespeichert,  und  ex 
h\  buch  LTtrciilirb.  dass  der  durch  diese  Vcröffcnllichiinc  auch  denen  su- 
yanjjlich  yt'tiiaclil  wird,  dii'  den  V'orlräyen  nicht  selbst  bciwohni-n  konnlcn 
und  denen  zur  Auffrischung  geboten  wir«!,  die  seiner  Zeit  sieh  ihrer  erfreuen 
clurflen.'  .Strtushurgrr  Port,  .'>.  Februar  iX*/sf. 

•Im  Dienste  des  im  vergangenen  Sommer  neu  anucrei^en  Untemehmenü, 
dem  jungen  Goethe  in  Strassburj^  ein  Denkmal  zu  errichten,  haben  eine  Kcihe 
fielehrter  vor  einem  gebildeten  ZuhCirerkrei-s  dieser  Stiull  Vorträge  gchnitcn. 
ilie  den  Dichter  vun  verschiedenen  Seiten  bt-leuchlen.  und  leyen  sie  nun  zum 
llesten  de^  Denkmals  als  Sainniflwerk  einer  muyiichsl  yrossen  [.escrschaft  vor. 
Am  Einyany  spricht  Ernst  jVl»rtin  über  (jncthes  Stellung  zur  Welllitteratur  und 
Diaicktpoesie.  für  die  (irtcthe,  wie  seine  Besprechung  der  Hehelschen  Gedichte 
zeigt,  wie  für  alles  Volksittmlichc  einen  fein  entwickelten  Sinn  besass.  An 
zweiter  Stelle  bringt  Rudolf  Henning  ein  warmes  Lehens-  und  Charakterbild  des 
jungen  Goethe,  der  ja  ilcn  -StrasAburgtrn  besonders  nahe  steht  und  allen. 
die  nicht  nur  den  Kciz  seiner  Werke,  sondern  auch  seiner  Persönlichkeit 
empfinden,  der  Inljegriff  herrlicher  Jugend  ist.  Im  folgenden  Aufsalz  beleuchtet 
Kugen  Joseph  das  \erhaUnis  Goethes  zu  Lily  Schnnemann.  der  Krankfcirier 
llankicrstochter.  von  deren  Launen  hinweg  es,  (hn  zum  ersten  Slal  tn  die  Schweiz. 
Jinf  die  Höhe  des  St.  fjntthards  trieb.  Perspektiven  in  die  Philnsophie  des 
Tlichters  eröffnet  Wilhelm  Windelband,  fiher  seine  Stellung  zur  Antike  siirtchl 
Adolf  Michaelis  unti  in  >eine  Farbenlehre  fuhrt  uns  Jakob  Stilling,  während 
eine  markige  .Abhandlurn"  Thcnbald  Zieglers  über  den  Kaust  den  Schluss  der 
Sammlung  bildet  Su  bietet  das  Sanmiemcrk  der  Stras-sliurger  Yorlräge  i.war 
keine  geschlossene  Uarstellung  der  IVrsiinliihkrit  und  der  llichtungcn  Goethes, 
aber  es  erhellt  sie  doch  mit  manchem  Strahl,  es  ruckt  sie  uns  näher,  und  da 
sämtliche  Vortragende  sich  einer  vcdkstfimlirhen  Darstellung  im  besten  Sinn 
des  Wortes  beflissen  haben,  lüc  Srhönbril  tU-r  Korm  mit  der  Klarheit  des 
Stils  vereinigen,  sk  darf  die  Sammlung  ItLsonders  iiueh  in  Ansrhuny  ihres 
idealen  Zweckes  auf  eine  gute  .\ufn.nhmt-  in  i\cn  weitesten  lilleraturu'uund- 
"ichen  Kreisen  rechnen.  .  .Wv/i*  /.ürekfr  Zfitaug,  fa.    Mmz  /.vw. 


aS 


VBRWn  TON  KARL  J.  TRÜBNER  ik  STRARSBVKt;. 


©efc^ic^te 


l>et 


CJuglifdjcii  i'ittcratur 

DDn 

ßrrlIlJflr^  Icii  6 link. 

Grfttv  lönnö:  :Pi5  j^u  ^■t^tcltfd  'iflufirelcn.  Smite  wcrbefKrtt  unb  ücrmclirtc  Jlutlat^c. 
J^erauGciirQebi;)!  mn  Stioie  Sronltl,  ^'rofeffcr  an  tocr  Umpcrfttäl  ^nlin. 
H".  XX,  TiliO  3.  IXW.     tho)ti}\rt  "^l   i.iA),  iu  i'cinRHtiib  flcliunbcn  W.  .^.5^», 
in  .'öalbfraiii  geb.  "Bi.  D.SO.    Soeben  erschienen! 

^iiOdlc :    I.  t^vO).  'Üif  tu  ätatrrund.  U-  fAua.  fit  lie<iAäii(i»irll.   IM.  Vmt.  ¥»1'  vcnjc;  Piv 
llKOi.  IV    Sinti.  «Ifftfp'tl  buT  flrlprnulijjn  iintr  b«  itniolFiiitiEt.    «Inltflitti 

,Swcitcr  Sanb:   ^i^  \uv  tKcformattPii.    \Hrmi^c(^ebcn  uon  91loi?  it^ranbl. 
H».    XV  u.  tu:  Z.     iwi';;.    ^UI.  s.— ,  in  üemiuonti  flcb.  IH.  it.  -, 
in  .Wlbfvßn.Ji  fle*'-  3)^  10.—. 

fidlicafiii  mit  jriciit.    VT   «iiA.  Tic  atnidlffanw  MG  im  sunn't  X»b. 

Xnrflus   cinjcln :  bic  'J.  .'^üEfte.     8".    XV  u.  S.  353— (U7.     IBfl.l.    *Bt.  5.— 

Die  Bearbeitung  der  zwei  weiteren  Bände  hat  Herr  Professor 
Dr.  Alois  Brandt  übernommen, 

Urteile  der  Presse. 

«...  B^i  allen  Kinzclhciton,  die  zur  Sprache  koinmtn.  l>lt-il>i  der  lUifk 
des  VerlasKcr»  stets  aufdas  Allgemeine  jjcrtchtet,  und  seim-  C.röndlichkcit  hindi-ri 
ihn  nicht,  klar,  t^eistvoll  und  fessilnd  zu  sein.  Ült  (Ttfällitif.  leicht  vcrsiänil- 
liche  Ausdruck,  dii:  häulijj  einßt; legten,  auch  formell  ladellosen  UebcrstciiunHen 
alteni;Uschcr  (iedichtc  vcrleihtn  dem  Buche  einen  Schmuck,  der  l>ci  Schriften 
gelehrten  Inhaltes  nur  zu  olt  vcrmi-s.vl  wird.  Kurz,  die  cnf;lischc  Littcratur  bis 
Wiclif  hat  in  diesem  ersten  Bande  eine  reife,  des  ßroasicn  tiefte natandca 
würdige  UarstclIunK  yctundcn,  und  sicher  wird  sich  das  Uuch  in  weitesten 
Kreisen  l-reundc  erwerben  und  der  Literatur  dickes  so  reich  begabten  gcrmi- 
nischcn  Volksstammcs  neue  Verehrer  zuführen..     Li/,  CeHlralNait  iffjj  Xr.  jy 

•  Die  Kort.'-etr.ung  zeigt  alle  die  ylftnzciiden  Eigenschaften  »Ics  ersten 
Dande^  nach  meiner  Ansicht  noch  in  erhöhtem  Masse;  gründliche  l.~Velchfsjim- 
kcit,  weiteil  Blick,  eindringenden  Scharfsinn,  feines  ästhetUcheit  OeHlhl  und 
geschmackvolle  Darstellung.«  Deuticht  Litteraturuiiui^  lUfS^  Sr.  /(». 

•  Bernhard  ten  Brink's  Litteraturgeschichte  ist  ohne  Zweifel  das  gross- 
artigSle  Werk,  das  je  einem  englischen  Philologen  gelungen  ist.  Mehr  noch: 
es  ist  eine  s<i  meisterhafte  Leistung,  dass  e>  jedem  Litteraturhistoriker  «um 
Muster  [lienen  kann.  Und  diesem  Urthcil  hat  seine  volle  Kraft  trota  der 
unvüllendetcn  ijcstalt  des  Werkes.  Wäre  es  dem  Verfasser  vergönnt  gewesen, 
es  in  derselben  Weise  zu  Knde  zu  bringen,  so  würde  es  leicnt  die  hervor« 
ragcndüte  unter  allen  Cjesairnitlittcraturgeschichten  geworden  sein  .  .  .* 

Musfum  /iVi/jj  A>.  j. 

iten  Ilrink  hat  uns  auch  mit  diesem  Buche  durch  die  reA.9elndQ 
Korin  der  Harstellung  und  thirch  iHl  ersiaunlichi-  Fülle  ilcs  Inhalte  in  unaits- 
^c&ctslcr  Spannung  gehalttrn.  Dir  wisstnschatllirhe  Wert  iles  Buche*  ist  flbrr 
jede  Besprechung  erhaben  ;  auch  dieser  Band  wird,  wie  der  erste,  dem  Studenten 
eine  sichere  (irundlage  für  liilerarische  Arbeiten  bitten;  aber  hervorgehoben 
muss  noch  einmal  werden,  tlas^  wir  hiermit  nicht  nur  ein  fachm.'iniiisch  m;* 
tchrtcs,  sondern  auch  ein  glänzend  geschriebcni-s  W>rk  besitzen,  il.i^  5fdrr 
Gebildete  mit  wahrem  Genuss  Kiudieren  wird,>  ilrtHzhoten  tS.s 


Verlag  von  KARL  J.  TRÜBNER  i«  STRASSintHc. 


29 


»Oll 

fiernliart  tcii  Örinh. 

nu  Um  SilMnv  Dh  )l<<ifnl|as.  iQbut  »on  B.  SrauKvvf. 

n.  ft".  166  ©.     1893.    HSi.  2.—,  fltb.  Wf.  3.—. 

3n6aH;  T.  Ter  Ticfttcr  unb  bfr  "^^Imfct).  -  M.  Xxe  ..Sf'tfo'i^e  »on  2bnfip«re« 
^ii'erfi'Ti.  —  111.  cljaffpcrc  «Is  'Xtamatiler.  —  IV.  Sljnfipe«  iila  fomii(^er 
Tidjler.  —  V.  St)n[fvfrc  oU  JroRiIcr. 

• .  .  .  Denn  bcsücrcs  unit  schJmcrc»  ist  5cit  Jahren  nicht  über  den  grossen 
Dramalikcr  Rcsayt  uml  jicschriebcn  worden.  Sowohl  was  tcn  Brink  üT>cr  die 
Familiciivcrhällnissc  Slmkespearcs.  über  tla.s  äussere  und  innen.-  Heranwachsen 
lies  jün^lini^s  /um  Mannt-  Leibriiißt,  als  auch  was  er  Ober  die  Kntslchung  der 
einzelnen  Dramen  und  über  die  Charaktcri»tik  Sliakes|>eari;s  als  Dramatiker, 
als  kuinischen  und  Iraaischen  Dichter  zu  saj^eii  weiss.  \t:^\  naeh  Form  iinJ 
Inhalt  Zcucnis  davon  ab,  was  wir  von  ten  Brink  zu  erwarten  [jehabl  hätten, 
wenn  er  Jas  Wesen  und  Schaffen  seines  Licbliny^dichturs  auf  der  breiten 
rifundlagi'^  seiner  englischen  Litteraturjjcschichte  den  Zwecken  und  Zielen  dei 
Wissenschaft  gemäss  häiie  behandeln  können  Leider  ist  ihm  dies  versagt 
geblieben;  aber  dii-  Shakes|icarerrcunde  «erden  darum  seine  meisterhaften 
Varträgc  in  um  so  höheren  Khrcn  halten.  Wer  freilich  aus  rein  phiKllügi^chem 
Interesse  nach  ihnen  greift,  winl  sie  sehr  enlt.luscht  ans  der  Hand  legen,  denn 
da  ist  nirgends  etwas  von  hündwerksmässigcr  Kleinarbeit,  von  bibliographischen 
Nachwei>en,  von  der  Darlegung  sich  widerstreitender  Gclchrtcnaiisichtcn  zu 
finden;  wem  es  aber  um  ein  licfinni-riichcs  Eindringen  in  die  Eigenart  Shake- 
speares, um  eine  unmittelbare  Bekanntschaft  mit  dem  Dichterheros  crnntlich 
zu  thun  ist.  der  kann  sich  keinem  feinsinnigeren  und  bewrihrleren  Kührcr  an- 
vertrauen als  ten  Brink.  Der  K.rfolg  der  Vorträge  ist  unserer  Kritik  voraus- 
geeilt; denn  schon  hat  sich  eine  zweite  Auflage  davon  nötig  gemacht.  Möchten 
sie  doch  überall  die  gleiche  Begeisterung  und  Liebe  für  Shakespeare  hervor- 
nifen,  tlie  den  für  die  Wissenschaft  viel  zu  fnjh  abgerufenen  Verfa.sser  während 
seines  ganzen  T-cbens  bcseellc!»  Attg/ui.  Rfiblall.  Dez.  lA'OJ. 

„Bedarf  es  eines  Beispiels  für  die  Art  von  Wissenschaft,  wie  wir  sie  uns 
denken,  so  sei  nur  im  Augenblick  auf  das  köslliciie  Buch  Über  „Shakespeare" 
verwiesen,  das  aus  dem  Nachlasse  von  ten  Brink.  eines  der  hervorra?;i:ndstcn 
Gelehrten  unserer  Zeit,  durch  die  Sorgfall  Edward  Schröders  j-uganglich  gc- 
wnrden  ist.  Was  psychologische  Synthese  und  nachfühlende  Ac^thclik  zu 
leisten  vermag,  darüber  belehrt  dicsrs  kleine  Werk  besser,  als  es  der  wcit- 
läafigsten  Theorie  gelänge." 

Anfmt  E.  Sckinha^h.   Vom  Feh  sum  Meer  lS9S^4  fftfl  /. 

„Die  Vorträge  verstehen  die  schwe.c  Kunst,  die  Fülle  der  Probleme  des 
dichterischen  SrhaflTcns  einfach  darzustellen  und  doch  nicht  zu  entleeren. 
.  .  .  vom  Standpunkt  des  .^c&thetikers  möchte  ich  den  Abschnitt  dber  die  Komö- 
dien als  den  reichhaltigsten  und  Dberzeugendstcn  rühmen.  Hier  wird  mit  grossei 
Freiheit  und  gcni-ilcm  Verständnis  die  phantastische  .Sph.'irc,  in  der  sich  Shake- 
speare's  Humor  frei  und  spielend  zu  ergehen  liebt,  geschildert  und  durch  den 
Vergleich  mit  Molitrc's  Dichtart  in  ihrer  ganz  persönlichen  Eij-enart  charaktcri- 
fciert.  Niemals  habe  ich  so  lebhaft  als  nach  der  LektOre  dieses  Vortrags  es 
nachcmptindcn  können,  weshalb  Schiller  den  Lrciuell  der  Poesie  in  den  Spicl- 
tricb  setzte  und  die  Komödie  in  seiner  Schätzung  über  das  Trauerspiel  erhob. 
Doch  .soll  dies  nicht  den  Schein  erregen.  ,ils  wäre  die  Tragödie  bei  tcn  Brink 
nicht  ausreichend  behandelt:  besonders  über  ., Romeo  und  lulia"  und  über 
„König  Lear",  das  ihm  gewiss  mit  Kcclit  als  das  Uefste  Werk  Shakespeare's 

f;dt,  redet  er  in  ergreifenden  Worten,  welche  zeigen,  wie  man  dero  ethischen 
nhall  solcher  Werke  gerecht  werden  kann,  auch  ohne  in  der  Art  eines  beruls- 
mäSJ^igen  Ankliigers  überall  sittliche  Verschuldung  und  sUatVeise  Vergeltung 
zu  cispahcii."  J^roist.  jfahtbui^ker,  Okt^er  iS^j. 


^o 


Verlag  von  KARL  J.  TRÜBNER  m  Stra! 


Soeben  erschien : 


QUELLEN 


DES 


WELTLICHEN  DKAMAS  TN 

VOR  SHAKESPEARE. 

ein  er(iänzungsband  zu  dodsley's  old  e 
hfraus<;k(;ere\ 


ALOIS  BRANDL 


Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach-  und  Cult 
^germanischen  Völker,  Heft  80. 

S".     CXXVI,  66;  S.   189S.     M.  20, 

Inhalt:  Einleitung;.  -■-  I.  Moralitäten:  Pride  of 
—   11.  Zwischenspiele:  John  llcvwooci  i.  L<»ve,  2.  \Vi 
thc  Hushand,  Tyb  his  Wife.  and  Sir  Johan    the  Priest.  — 
der    Reformalionszeit:    Res[>ul)lica,    King  Darius.  — 
zichungsdramcn :  Misogonus.  —  \'.  Trafjödien:  The 
Gismond  of  Salern  in  Loue.  —  VI.  Die  Rnmantische  Vi 
Comedic  caüed  Common  Conditions. 

.  Der  Heraust-el.ir  hat  in  diesem  liand  zwölf  ilr; 
vereinitjt,  .die  für  die  lieschichtr  <kT  Kntwickluni;  des 
von  grossem  Interesse  sin(l.  aber  bisher  thciis  ungcdrut 
in  schwer  zu^'än^lichen  Drucken  vorlaf^en;  was  man  bish 
wusste ,  stamiTil  im  We^enlliehrn  ;ius  den  Inhaltsan^al» 
Collier's  bekannlem  Werke  ,  ,  .  die  .'^ammluiij^  tnthält  kl 
die  Kennliiiss  der  verschiedensten  /wiit^e  des  vorshake; 
liesonders  dankbar  niii>sen  wir  M-in  l'ür  dit:  Mittheilui 
R  e  sp  11  b  1  i  c  a  .  über  das  man  liislur  nnrh  l'a^l  ^ar  n 
es    zu    den    merk\vLirdi;.fslen    Stück  in    <!(.  s    ^aiizt'n    /.eilr;! 

/./fr/-.  Ctiit. 

.  .  .  St.hr  \  t.rdiiiislvi)II  wäre  es  schon  gewesen.  I 
lies  buches  uns  nur  mit  den  texten  bcj^chenkt.  Allein  dii 
einmal  die  haujitsachc  im  werke  zu  seinl  dliosscs  schw; 
mich  nicht  j,'efreiil'  sat^l  Hrandl  in  (.\rr  vorrede.  -Das  mit] 
wenifjstens  auf  einif;e  tra;,'en  hin.  um  die  es  sich  bei  dei 
spearischen  dramenform  handelt,  auch  verari>eitet  \\ei 
scheiden  an^'cdeulet.  i>t  in  nicher  l''ül!e  geschehen.  Kine  '^ 
bei  lietrachtuni^  des  überj^anyes  vom  mittelalterlichen  /.u 
aufthat,  ist  durch  dif  musterhafte  finleilunt;  Brandls  nii 
oder  wenigstens  ülierbrückt.  Hin  ^'anz  be.Mmderes  gewii 
auch  noch  auf  die  entvvicklun^  der  bühne  und  ihrer  ai 
hier  liefen  er  viel  ni'ue.s  mati-rial.  .Aus  dem  angeführt 
dass  wir  es  liier  mit  einem  \\  erlvollen  werke  zu  thu 
ausführuiij,'  und  fcrti^r-tcilimg  allr  fieunde  Shakespeares  i 
müssen.  .  .  .  .-l/zi; 

■  .\  Supplement  lo  llaziitls  Dodslev  has  long  bei 
to  the  credit  of  'iermanv  Ihat  one  of  her  most  (hstingui 
lield  of  English  studies  has  sup]>iied  a  want  which  E 
-scholars  have  nej^iecled  lo  tili.  The  pcriod .  moreover, 
eontained  in  this  voiume  fall,  is  historicallv  the  most  im] 
respecls  ihe  least  understooil  of  all  period.s  preliminary 

T/tc  Nation 


I 


VattiMt  VOir  KARL  J.  TRÜBNEU  IN  Strassburo. 


Geschichte 

der  neuem 

französischen  Litteratur 

(XVI. -XIX.  Jahrhundert). 
Ein  Handbuch 

1  nl  I 

Heinrich  Morf. 

Erstes  Buch:  Das  Zeitalter  der  Renaissance. 
8".    X,  246  S.    1898.    Broschirt  M.  2. 50.  in  Leinwand  gebunden  M.  3. — . 

Inhalt:  tlmleilung;  Mittelalterliche  und  humanistische  Weltan- 
schauung. I.  Kapitel:  Am  Aus«jan<;  des  Mittelalters.  lOic  Zeit  f..ud- 
wigs  XII.,  1498  1515.)  -  n.  Kapitel:  Die  Anfänge  der  Kenaissance- 
lirtcratur.  (Die  Zeit  Franz"  I..  1515  —  154X.1  Einleitunjj  Die  Prosa.  Die 
Dichluny.  i.  Die  Lyrik.  2.  Die  Kpik.  ;,  Die  Dramatik.  lU.  Kapitel : 
Höhezeit  und  Niedergang  der  Renaissancclitteratiir.  (Die  Zeit  der  letzten 
Valois  und  Heinrichs  IV..  1547-1610.)  Einleitung.  Die  Prosa.  Die 
Dichtimg.   1.   Die  Lyrik.  2.  Die  Epik.   3.  Die  Dramatik.  —  Bibliogra- 

[»hische  Anmerkungen. 

Aus  dem  Vorwort:  „Es  soll  hier  die  Ijvschichtc  des  neuem  franzA- 
sischcn  Sciirifttums  in  vit:r  Büchern,  dt-rtn  jeüe»  einen  solchen  Band  füllen  xvirU. 
urzähtt  ucrtk-n  Der  zweite  Band  mag  die  Litteratur  des  KlashiziMnus,  der 
dritte  BantI  diejenige  der  .■\llfkläruny^zt■it.  der  vierte  die  Litteratur  unseres 
Jahrhunderts  schildern.  Die  .Ailieit  ist  von  lan[;er  Hand  vorbereitet  und  lum 
[Trossen  Teil  im  Manuskript  aliyeschloisen. 

Dieses  Handbuch  will  den  Bediirrni»^ien  der  Lehrer  und  Studierenden  des 
Faches  und  den  Wünschen  der  gebildeten  Laien  zuiflcich  dieiien.". . . . 

Die  Heüßi^e  zur  AU^r-m.    Zeitung   urteilt   in  Nr.    10   von    iStjg    Der 

viclvcrxwci^tcn  und  komplizierten  .Aufgabe  der  Litcraturf^eschichte  ibi  Morl 
in  vollem  Masse  gerecht  (jeworden.  Kr  versieht  t>  cbcntiu  bchr,  die  Gc>tchichle 
der  einzcbien  literarischen  (iattunycn  von  ihren  ersten  bescheidenen  Keimen 
bis  zur  Blöthe  und  zum  Verwelken  zu  verfolgen,  als  die  literarischen  PcrsOn- 
lichkeilcn  mit  ihren  LiKtntümlichkeiten  und  Besonderheiten  lebenswahr  zu 
schildern.  Dabei  ver^jissi  lt  auch  nie.  aul  die  kulturhistorischen  Strömun(ten 
hinzuweisen,  welche  die  Literatur  nach  dicker  oder  jener  Richtunij  getrieben 
haben.  Sein  ästhetische.'*  LTteil  ist  nicht  von  irgend  einer  aprioristischen 
Stellunj»nahme  bedingt,  sundern  Iteruht  au(  gründlicher,  verständnissvoltcr  Wür- 
digung aller  massgebenden  Faktoren.  EngÜch  genügt  die  Form .  in  welche 
Morf  seine  Erzählung  kleidet,  allen  ästhetischen  .\nsprüchen.  .  .  . 

Wer  diesen  ersten  Band  geleiten,  wird  da»  Lr.<4cheincn  der  folgenden  mit 
Ungeduld  erwarten.  Die  Krzählung  der  literari.'-chen  Cie.-jchehnissc  schreitet 
rasch  vorwärts  und  ist  tcs.sclnd  ge-schnelien.  Die  literari.schen  i'crsönlichkeitcn 
treten  lebenswahr  und  plasli.-ich  hervor.  Kinigc  Beschreibungen  kann  man 
geradezu  Kabinet.s.stückchcn  nennen.  Morf  besitzt  Qlierhauiit  die  Gabe  der 
prägnanten  t.harakterisirung.  Ein  paar  Worte  genügen  ihm,  uro  ein  lebens- 
volles Bild  hervorzuzaubern.  .  -  . 

Morfn  Literaturgeschichte  ist  eine  ganz  hervorragende  Lei.<itung.  Wenn 
sich  die  folgenden  Bände  —  wie  es  übrigens  zu  erwarten  ist  —  auf  der  Höhe 
de*  ersten  halten,  werden  wir  in  dieser  französischen  Literaturgeschichte  ein 
Werk  beuräsücn  können,  das  sich  der  itabentschen  Literaturgeachichtu  Gasparys 
elicnbürtig  an  die'  Seite  stellen  wird . . ." 


L 


Der  II.  Band  ist  unter  der  Presse. 


12 


Verlag  vok  KARL  J.  TRÜBNER  in  Strassburg. 


Soeben  erttchicn: 

/rnnhifirii  iiiiii  bic  /rniijoffii. 

Bfirl  t^tUfbraiib. 

Biprh  Drrbi'jfcitf  iinb  Pfviiiil)ilf  ^liifla^f. 

Unliiillr  Snirctxn.  —  (£inlrilntt>e4.  —  Vit  Krfrll|i1t«n  nnb  XlUmlnr.  J(a».  I  ^iRllit 
inifi  eutc  -  2.  limcrcicbrffwtfdt.  -  :i  «tputm  ims  V^ti*.  -  4.  yififitnfA  ftNcii.  -  pidtHrrftr«  Xrtm. 
Snp  t.  Safc  ^bnil  unb  itint  VctiuiiTliiliiiiin.  —  'J.  9ia)isli'un  III.  imti  Me  !M«tuMi(i>]trr.  :i  Tir  Äinutlir 
Ztiti'i)  Hob  bol  tfK^inni  -  «{iiluiit'ftvnMiitifl  -  !n^l101I^t.  1  $tmw  al»  VDlttttnr.  —  2.  UMnibtttd 
—  8.  Vatiln  ÄrtrilKAlifiontf    —  *.  Bntl  ^lilktratiö.    i>Ia.^ni|  von  i^-  ^firmlmitt. 

kl.  a».    XXII,    4C2  S.     18»8.    I'reis  broscbirt  M.  4.—,  geb.  M.  5.—. 


B-  ■  -  ■  l->ankr«icb  lial  icit  JcihrliutiilFTtrti  mrtir  als  tr;;cu>l  ein  Land  dai  PrivU?s  fennscea,  dl« 
Augen  der  Welt  iwf  sich  lu  n<ltcii.  HctiU  mrhr  uU  je  xiivor.  Wh*  ein  «o  Icinu  i<icbcr  Ceiii,  ein 
xulcbfr  Kenner  von  Vütlccni.  Zclti-u  unJ  Mi:ii>i;hci)  und  R^ni  tinunilen  iliciei  Landr-<,  ithrr  ditorlbr 
(«dacUt  hjit.  «ie  «ich  di«  ßrlcbniixf  der  Geucnnirart  iw  SpIcK«!  diet«r,  aaderilulb  jalutehiite  riitnck- 
DeKCixli^i  ßcttachtiicp^ii  itiid  Uiiritr  äLuiiictiiiieii,  wn«  nich  ilavun  bcirSlin,  wa*  aidi  aiulorv  ^rxelct 
hat,  da»  KU  «ifahren.  i*t  hctilc  vnn  diircbicblaKCiidcm  Intrmtic.  nillcliraiid  Itl  Tccht  cigCDilirh  ein 
VIltiieiO*yctiuli>Kif,  iiic-ht  nie  Mclhodikvr,  nondcin  ah  Piitktikor.  I>jii  Fatli  liat  iciiir  Klipprn,  mehr 
aU  vklc  and^rc.  Hillcbrand  In  ihnrn  nicht  Immer  «iii4nfi|en,  Aber,  rj)  fr  nun  iibrinll  iichiig,  «- 
tehen  habe  tidor  nicht,  koinpcicot  vur  ci  [n  bohcM  Giadc,  und  eciii  L'ricit  ISlli  int  (jcwicht.  An 
vickn  >Stcllcfl  wird  der  l^tcr  nicht  omhln  kiSnnin,  tlcb  (u  laKcn,  wie  Hchiii  da«  Urteil  wat  urxl  «ic 
viele*  ilfijtTliofrcci  )*t."  D'»  KnHom  Vr.  i),  S3.  Jmii  I9M. 

Bildfft  den  orstpn  Rand  von 

icitrii,  tlölkcr  iinb  illfn|^d)cn 

von 

7  Satibc  n.  HO.    «Preis  pro  äSatib  6röfci)in  3».  4,—,  flctmnbcn  9».  5. 

2tA.  n.  ^äffiftr:»  Uttfi  VtuUi^ti.  2.  Dttltf^ntt  uit»  onrncWc  Kuflfla'-  »'■  XtV,  VM  5.  iWi^ 
3nliiill ;  iii'iiwo'.t  -  I  3uv  ErniillTniirr.  —  iJrti-arto.  —  l^Dinuo  br  SMrliici.  ti|(  9oia<a.  — 
11.  3ritarnüin(dirft  mi«  31tillnt.  -  .'iicijctibiD  utlaitjaiit  Itiit  9lai$i'uf.  —  OturnaMi  '^((^t'.'  Z>^a«fr*. 
Du  nvtrclO'i  —  'Hmuir  ^l»^lL^(l'v  tirurfic  ;»rMiiitr.  ^i  ijtcleuen^cU  tknn  ItoIirniTdKn  .iiaull"  Ilrbrilcbim«  - 
Hl.  3li-«n|üllld|c«.  —  Krtci  cmi^c  r(iDcluucn&c<  WenKinftavc.  —  3uk«  iVtldirt«.  -  '«ii»»i  W-rüsri' 
ime  Bl(  llu.bcltiiiHlc  ii  b'-.HlLvi  —  rifiiriwm  iTvmon*.  —  ^(l«  unh  ^lc^nnfpnlll^>^1  —  IV.  Uli«  fctili 
tbnTll0fn  CdiHrtllium  »rulfdilfln»».  —  *  w.  «otlms,  —  tlfi»in<*  libti  htn  «cifoll  ^ti  wuHoc" 
«liiiidir  UI1&  tri  frciitfrtjni  i*iriiiiiiiinsi  -  UrltfL  luiluit^rtho  Jijifirn  mit)  lujiorifrtK!!  Smn,  IIc^r^  spt«Am 
iiirU|)iititt.  -  Y.  Sil«  »nn  int|iiiini(irn  !?i1)rlfl(t{U]n  txutrdiUnk».  -  Sd^PKtihciiin  iine  bat  frnitar 
ÜllUlltKin    —  ;3iir  nmin  N-iil1riini  a'kini^tmtliUrtaliir  —  2i*t  Vfn«nbm<    ■  Miibrl  V^ori^lrniirti  uiiti  (Irre  flinl- 

9S«.  III,   ^us  Hilft  öBct  ^Rftfanti-  'i  ofvKfrttic  lln^  vnuKSrtc  aufiin'  «■   vnr 

ÜiillnEl:  i|ttfib'niiiT!iiiri|         I.  Vricfr  «n«  CitgUinb.  —  tl.  7ran^^"'l  i    "'  :*-: 
3rilarnvll>ii-  —  ihirifn:  HofiänBc  im  Clifiic  bis  fniiltfifttn  fRotnan».  —  Qi 

tilülihc.^  ,^,tiiiiliriilirUrii.     -  ;\.  jMeilcy';  ÄltiDlrii    ül'ti  bai  XVlil.  Oii<>'(i:   - 
:ittrTahiT-   ml^  Sittfrii(ttT*^l«llIr  >r»  «ililjr'l'''"'   3l«lirljiiii>rr(».    -     üHlMuii':    i; 
ilatvirniv  cicLiEt. 

SM.  IV.  1!fr«flte.   2  ■.'iiiiiott.  «r-.  viii.  :i7«  5,  la». 

Jliil)«lf :  'Sbiii  t'ti  ^-ii-t-irsiie«.  —  tflii  tSort  iu»  m»bmit  ecmmcliltMrätiir  mit  lA»  enfit<li4iiag.— 
I  J.  tPiibaii.  —  'L«  bc  Pnlwc  —  IXkctlfln  b'tlsoult  tZunlel  €-inni  -  8».  Piiloj.  —  W  XXflirt 
It.  C  Mciiaii  ELll  <(itiiMupt  -  t>.  Xdlne  cU  Sii^Dtitu.  Ul  litc  KctuLtldcu  IKv&icA«.  —  Um  |ai-]tll4irt 
JWornirt,  (*tiio  ffavprnl   —  IV.  91,  OTocitiiiisrni.  —  Ji.  MaWaiJ.  -  Z.  Xaf\f>.  —  3cltii  «i««™. 

SM.  V.   Ans  btm  ^aßrBunftrrf  der  3t(tt«Ciili«fi.  2.  «inuabt.  b*.  viit,  :m  9.  tsan 

nnllJlIr  I  l'toKif-.iiiicii  -  M.  (irtiHäiib  Im  Will  ?a)ji6uiibcrt.  -  III  fh,  ai['««oli.  —  IV.  Ifa- 
LbaTinii  II.  IT1I^  tMiiiitiit  -  V.  |TK>  -  VI.  /<fii-.i  uullii  tr  iHriiiirrniitt.  -  VII.  aHaMiM  it  tt^Bufot  uitk 
•Oapoi^cn  ■i'ouoEvific   -  Vlll.  r.Hntcinifli  —  i\   üJjdj  tüicv  ectiuK. 

SM.  VI.   :^ütntttotte«  Uli»  9eil(|/näfßf(^»    a  •iiitsfl!^   >*  vni.  *»»  e.  iwfli 

JnhAll:   1    ;'.iii   linaulirtif-it   :  :  li  ,      ■    .       1         i  i'l   Mli«[«ie 

Zl)<l31c;.   —    IV.  Üillfll  ittlilil.  V.  l»V.r  .1  tllflll«^! 

geuntoKft  -  VIII.'JliitDnio'Vnnijii       i-^.  l'4fDllnl  - 

JU.  Z^Ql  DvlütfOttflptKuiim.  —  Xll.  3>«il1dj«:  S('.Himuii4tu  iii;&  tkiiuuijiiuimoi.  —  XIII.  i-'iilt&ilfrtitm  kbo 
■ippna^inlrffurri. 

$n    VII.    ^unnTflcrtAiditftdtM.  R'.  Ml,  >  «etMtr«  id  ««ultai»  It» 

^nl|Rlh  I    ,;iii  onruirtiiinii^nrfA'fWf  J''  iiuirtio.  —  IL  j||tr*i(tntfliiwt. 

KiAicWc  ^«  ii&iiiciiii!initl)i:i.  "i<Jvliidjatl.  -  lU.  .       ,  ■    !■■      L  \>-2K    iKi'bie  lasüi-  -  IV.  oir 

S9<t:(|cT-Br<iiiflirlt  in  Öiiroi^a.  — V   Vtbn  ^tc  JI(»iiL>tiiii«ii  nt   Exi   iiduji'i'i.i  VI.  Bmh  ein« 

■ntinnitn  Moukiii.—  V^.llr^cr  bit  orfnit-rifltnlH  IntttiflKiiiB.—  Vm.  Itrbrt :  -MiTiltttiii|laiik.- 

IX   t>n  ftntiiabtv  auf  hrin  Ifcitlnioti. 

3u>ölf  ßrirfr  rinrs  äftliclirdiru  ^rttrrs.    (^{on  Marl  .^iurbcanb.) 


■iNt  nun 
III.  Sur 


If.     IV,  11."  2  ,  atl).  3K.  -i    -.  ijrt.  W.  3.—. 


VeitLAG  VON  Karl  J.  trübner  m  Strassburg. 


^^ 


(Scfd^id^te 


*fr 


3talicnifd]cn  Citcratur 

von 

a^oIf  (Baepar^. 

(SrftCT  $nnb:  'Sfic  italicnifdtr  Silcratur  im  ^JJfittcUItfr. 

8".  .*).■/>  3.     1885.     ^.  £).— ,  in  .iSalbfrnn?  r^c&l1H^cn  -fli.  U.— 

3n(ra[t:  ßinlritinit».  —  I>ic  Stcilinniicbc  Xidilerfrfjuti:.  —  h-cnfc^imfl  bft 
hjrifdien  Xiditimpi  in  *WiticIiinlii'n.  Wiiioo  (^ininiccIK  wrn  Solonna.  - 
^ie  ftnii^üi.  iKmaöidituitii  in  Cbcvitalicn.  —  31clipiöfc  imti  iiuunliidjc 
^tn\\t  i«  Dfceritatieii.  —  iTir  Tctiflipie  £'itril  in  Umbvicii.  —  ©ic  ^irofa 
im  1:5.  virthrt).  -  Xic  rtlli'qovifdt  tli^lt[Iiic^K  Xiclitimfl  imb  bic  pfeilofopl). 
i!t)tif  bei:  iiiriii'ii  flc*vfntiiii)d)iii  3dni[c.  ^-  ^rtiuc.  —  I5ic  tiöiiiöbie.  — 
1)a^  M.  ^'\alirl)initieTt.  'itctrnvcn.  —  ^^^etrarm'ö  (5ii»,tt>niere.  —  9Int)nii<j 
biWitfgmvIiitclKr  u.  rvit.  "J^cjucrtungm.  —  ;Hc((iftcr. 


^roeitCT  iBflnb:  ITic  itoliettifdic  Uttcrntitr  *ct  SIciintfiAnccjcH. 

8<>.    704  <B.    1888.    2R.  12.—,  in  ^albfvain  ftcbimbcu  m.  U.— . 

5ii[)oU:  ^pccoccio.  —  T'it  Gplflonm  bct  c^rc^in  ^ylDrcntiucr.  —  X'w  A>umauiftcn 
öcä  15.  ;"^rt(irl)uitbfrt*i.  —  ^ie  'i(«l(iärfpriicftc  im  I-'i.  'MiitU-  imb  itne 
iiteiotnr.  —  l^oli^iono  iinb  Socnnc  'oh  "iOirtici.  -  ^ic  IJHiticrbirfjtiiim. 
%i\lci  U]ib  Sojaibt).  ^CcApcl.  ^!}Jonlano  unb  'Haiitm.^tuc.  —  '"JUIiicdiiaiKlti 
u.  (Miiiccittrbini,  —  Scmbo.  —  Slriofto. . —  ßaftinlictue.  —  ^^ictro  l^lrctino. 
—  3)ic  i.'i)nl  im  18.  ;Vt»il)imbcrt.  —  ^nfl  .vtelbcnnebit^il  im  Iß.  ^alfi> 
[iimbcrt.  -  Xk  %xa^öi>it.  —  Xic  iloinöbic.  —  üln^ana,  biMioflrQ|)^.  U: 
IriHff^er  Scmcrtimgen. 

„Jeder  dci  sicli  fortan  mit  der  hier  behandelten  Periode  der  italienischen 
Litteratur  beschäftigen  xvUI,  wird  Gaspary's  Arbeit  2U  seinem  AusjtanK''punktc 
zu  machen  haben.  Das  Werk  ist  aber  nicht  nur  ein  3trcnK  wissenschaftliches 
för  Kachleute  bestimmtes,  sondern  gewährt  nebenbei  durch  seine  anziehende 
Darslellungsweise  auch  einen  ästhetischen  Geiiuss;  es  wird  daher  auch  in 
weiteren  Kreisen  Verbreitung  finden."  Deuticke.  LrUfruiurz^itun^. 

„Eine  sehr  tüchtige  wissenschaftliche  Arbeit.  Empfiehlt  »ich  da»  Buch 
einem  grösseren  PubHkum  durch  seinen  leicht  verständlichen  geschmackvollen 
Ausdruck,  so  findet  auch  der  Gelehrte  in  den  im  Anhange  neiiebcnen  reichen 
Anmerkungen  die  bibliographischen  Nachweise  und  die  kritische  Het;rfindun]{ 
bei  scliwievij>en  zweifelhaften  Punkten."  Literarischrs  CnitraMatt. 

„Üic  Üarstcllunp  von  dem  in  die  Anmcrkuntjen  verwiesenen  Ballast  be- 
freit, schreitet  festen  aber  elastischen  Schrittes  vorwärts;  sie  führt  in  die  Mitlc 
der  Thatsachcn  und  der  an  diese  »ich  knüpfenden  hragcn.  aber  ohne  gelehrte 
oder  schulmeisterliche  Pedanterie,  sodass  der  (ienuss  des  Lesens  sich  mit  dem 
Nutzen  dqs  Lernens  zugleich  und  von  selber  darbietet.      Ällgemtine  Ztitumg. 

„KW  oper.i  dcl  Gaspury.  che  raccojjlic  abbastanza  bcnc  i  risultaii  degli 
sludi  pid  recrnli,  augurjamo,  perche  ci  parehhc  utile  ä  dotti  e  agli  indotti,  una 
ediKinnc  italiana."  Rivtnia  crittia  ikUn  Uiteratura  ttaUana, 

„Prof.  Gaspary's  history  of  Italian  literaturc  promises  to  be  the  ideal  ol 
a  thoroughly  usefui  introduction,  occupying  a  iniddlc  position  betwceii  an  cx- 
haustivL-  work  on  Ihc  subjecl  and  a  sludcnts  manual.  The  accounts  of  Petrarca 
and  Dante  are  very  clear  and  instructive,  but  perhaps  the  most  intercsting 
part  of  the  book  is  Ihe  picture  of  the  early  struBBtc*  of  Italy  to  acqmre  a 
Dational  tanguage  and  literaturc."  Tfu  Saturday  Ratiem. 

Sic  ^Tlfc^inif^  J'iiii':'  jy-tifeg  Ijfit  .'^crt  Dr.  .'Wicharb  'JV'enbnncr  (39reSfaul 

fi&cmommcn:  ii|in~ft»t>  tun  oci  (^üttin  bt's  pcrftoTbcntin  'j!crfajicrg  bic  '.Vorarbeiten' 

joiDctt  fic^  jutdji'  im  IJiariilnffc  üorfanBen,  auöflchö"^^^  tuoibeii. 


u 


Verlag  von  KARL  ).  TftOBNER  in  StrassbuKg. 


GRIECHISCHE 

GESCHICHTE 

VON 

JUMUS   BELOCH. 

Erster  Band:  Bis  auf  die  sophistische  Bewegung  und  den 
peloponnesischen  Krieg. 

Gr.  8°.  XU,  637  S.  1893.  BroschirtM.  7.50,  in  Halbfranz  geb.  M.  9.50 

Zweiter  Band:  Bis  auf  Aristoteles  und  die  Eroberung  Asiens 
Mit  Ccsanitrt'jjistt-T  und  einer  Karte. 

Gr.  8".  XIII,  720  S.  1897,  Brosch.  M.  9.—,  in  Halbfranz  «•=''-  M-  '»• — • 

I.  u.  II.  Band  complet  in  2  Halbfranzbände  gebunden  M.  20. — . 


«...  Wir  haben  hier  ein  Buch  vor  ttn.s,  das  unhcdin};!  zu  den  bcdeut- 
SU&sten  Erschoinungen  der  geschichtlichen  Litttiralur  der  letzten  Zeit  zu  rechnen 
ist.  Bcloch  betont  -seihst,  dasK  er  das  (iebiiiide  fast  überall  von  den  Grund- 
lagen neu  auftjtführt  habe  und  manche  Gebiete,  wie  die  Wirtschaftsgeschichte, 
bei  ihm  zum  ijstcnmal  zu  ihrem  Recht  kommen;  ebenso,  dass  er  kein  Neben- 
einander von  Sondrrncschichtcn  (athenische,  spartanische  u,  s.  w.)  biete, 
sondern  die  Entwickclung  der  |;anEcn  hellenischen  Nation  von  einheitlichen 
Gesichtspunkten  zu  crfaF^scn  suche.  Dabei  hutc  er  üich,  ein  Phantasicgcmälüc 
der  ältesten  Zeit  zu  entwerfen,  und  richte  seine  Absicht  vielmehr  darauf,  nur 
du  mitzuteilen,  was  wir  auf  Grund  des  arcbäoloj^ischcn  Befundes,  des  homcr. 
Epos,  der  sprach  geschichtlichen  Fcrschunjj  mit  Sicherheit  zu  erkennen  ver- 
mögen. Man  wird  nicht  bestreiten  können,  dass  alle  diese  Züge,  in  denen 
Bcloch  selbst  die  charakteristischen  Merkmale  seiner  Art  zu  furschen  und  m 
arbeiten  erblickt,  wirkUrh  in  dem  Buche  hervortreten. 

....  Wir  liofTcn,  dass  d;ts  gediegene  Werk  den  Absatz  findet,  den  es  ver- 
dient, und  wössten  deneji.  weicht  kich  in  verhältnismässiger  Kfirze  über  den 
jetzigen  ungefähren  Stand  unseres  Wissens  von  griechi-^cher  Geschichte  unter- 
richten wollen,  nichts  Bes.'^eres  als  Beloch  zu  empfehlen.  In  a  Bänden  uird 
der  ganze  Stoff  völlig  bewältigt  werden  und  »war  so,  dass  neben  einem  an- 
ziehend, manchmal  glänzend  geschriebenen  Text,  zahlreiche  Anmerkungen 
hergehen,  die  alle  wcsrntlichen  Quellen- und  Litteraturnachweise  darbieten  ... 
Die  Ausstattung  des  Werkes  ist  vorzüglich;  der  Prei^  von  7  M.  50  Pfg.  fflr 
40  Bogen  ein  überaus  massiger.. 
/V^.  G.  Egf/ica/.  It'ürtt.  KorrapoitdtHzhhU f.  Gtlthrtm-  u.  RratukuUn,  rffQ4  Heft  c 

•Der  eigentliche  Vorzug  des  Werkes  liegt  auf  dem  Gebiete  der  Dar- 
stellung der  wirtschaftlichen  und  socialen  Grundlagen  de'  Lebens. 
in  denen  B.  die  mattriellen  Grundlagen  erkennt,  auf  denen  sich  '^e  gross- 
artigen Umwälzungen,  auch  der  geistigen  und  politischen  Entwickelung  voll- 
zogen. Da  B.  gerade  in  dieser  Beziehung  das  Material  beherrscht,  wie  nicht 
leicht  ein  anderer  Korsrher,  so  durfte  man  hierin  von  seiner  Darstellung  Au.». 
fflhrliches  und  Vorzügliches  erwarten  ....  Glanzpunkte  sind  der  VII.  Abschnitt: 
Die  Umwälzung  im  Wirtschaftsleben  (vom  7.  zum  6.  Jahrh.)  und  der  XII.  - 
Der  wirtschaftliche  Aufschwung  nach  den  Pcrscrkricgcn  ....  Uebcr  die  Be- 
%'ölkcrungsvcrhäItniRsc,  über  die  Getreideeinfuhr,  über  das  Aufhören  dej 
Natural-  und  den  Beginn  der  Gcldwlrtschnft,  die  Krträgnissc  der  Indu.«trie  und 
des  Handels,  über  Zinsen,  Arbeitslöhne  etc.  erhalten  wir  die  eingehendsten 
Aufschlü.sse  und  wundern  uns,  wie  diese  wichtigen  Dinge  bei  der  Dar- 
stellung der  griechischen  Geschichte  bisher  unberücksichtigt 
bleiben  konnten.  .  .  .  Die  Form  der  Darstellung  ist  eine  ausserordcntltai 
gewandte  und  flicsscndc.«     Bi.  f.  d.  Gymnasialsckulutjrti,  XXX.  jakrg.S.Gjj. 


WCTi,AC  vott  KAHL  J.  TRtlBNhR  is  Strassbiru. 


GESCHICHTE 

GRIECllISCIli'N  PLASTIK 

VON 

MAXIME  COLLIGNON 

JUt«Ua»    ex*    IHtllTUT«,     rHOrK*IDK    «K    PIK    UKIVCRaitll    IM     MMI& 


Erster  Band:  Anfänge.  — FrüharchaischeKunst.  —  Reifer  Archaismus. 
—  Die  grossen  Aleisler  des  V.  Jahrhunderts.  Ins  Deutsche  über- 
tragen und  mit  Anmerlaingcn  begleitet  von  Eduard  Thraemer, 
a.  o.  Professor  an  der  Universität  Sirassburg.  Mit  12  Tafeln  in 
Chromolithographie  oder  Heliogravüre  und  281  Abbildungen  im 
Text.  Lex.  8".  X\',  592  S.  1897.  Broschirt  M.  30.—,  m  elcg. 
Halbfranzhrind   M.    25. — .  , 

Zweiter  Band :  Der  ICinfluss  der  grossen  Meister  des  V.  Jahrhunderts.  *— 
Das  !V.  Jahrhundert.  —  Die  hellenistische  Zeit.  —  Die  griechische 
Kunst  unter  römischer  I  lerrschaft.  Ins  Deutsche  übertragen  von 
Fritz  Baumgarten,  Professor  am  Gymnasium  zu  Freiburg  i.  B. 
Mit  12  Tafeln  in  Chromolithographie  oder  Heliogravüre  und  3;"7 
Abbildungen  im  Text.  Lex.  8".  XII,  763  S.  1898.  Brosciiirt 
M.  24. — ,  in  eleg.  Halbfranzband  M.  30. — . 

Urteile  der  Presse. 

„ColliijTion's  Hixtoire  de  la  sculpturc  ^rcagiic  .  .  .  hat  mit  Recht  Oberal) 
eine  sehr  günstige  Aufnahme  (jtlundtii.  Der  Verf.  steht  von  vorn  herein  aul 
dem  Ho(]«n,  der  durch  die  utnwäUcndcn  Entdeckungen  der  letzten  Jahrzehnte 
geschaffen  ist,  und  betrachtet  von  diesem  neu  jjcwonnenen  Standpunkte  aus 
auch  die  älteren  Thalsachcn  und  Forschungseij^ebiiissc.  Er  beherrscht  die 
einschlägige  Literatur,  in  der  die  deutsche  Forschung  einen  bedeutenden  Platz 
einnimmt,  und  weises  die  Streitfragen  oder  die  Tb;ttsachcn  in  geschmackvoller 
Form  und  ohne  ermüdende  Breite  darzustellen.  l'Jiie  grosse  Anzahl  gut  aus- 
geführter TcxlilluslriHiuncn,  nach  tum  griWstun  Teil  neu  angefertigten  Zeich- 
nangcn.  dient  dem  Texte  zu  anschaulicher  Belebung  und  bietet  eine  vornclmic 
Zierde  des  Buches,  sehr  verschieden  von  jenen  oft  nichtss:^(cnden  Umri&scn, 
welchen  wir  in  ähnlichen  Büchern  bO  oft  begegnen.  So  war  es  ein  glücklicher 
Gedanke,  Collig^on'^  Werk  dem  deutschen  Pubtikuni,  nicht  blos  dem  gelehr- 
ten, durch  eine  deutsche  Ucberselzung  näher  zu  bringen.  Der  Ueberselzer, 
Dr.  Ed.  Thraemer,  hat  seine  nicht  ganz  einfache  Aufgabe  voilrefflich  gelöst: 
die  Darstellung  liest  sich  sehr  gut  und  man  wird  nicht  leicht  ilnran  erinnert, 
dass  man  eine  irebersetzung  vor  sich  hat.  Hier  und  da  i»>t  ein  leichtes  that- 
sächliches  Versehen  stillschweigend  berichtigt,  anderswo  durch  einen  (.ils  solcher 
bezeichneten)  Zusatz  ein  Hinweis  auf  cntgegen.stehende  Auffassungen,  auf 
neuerdings  bekannt  gewordene  Thatsachcn.  auf  neu  crhchicnene  Literatur  ge- 
geben ...  Im  Ganzen  jedoch  handelt  es  sich  um  eine  Uebcrsetzung.  nicht  um 
eine  durchgehende  Bearbeitung  des  Originalwerkes,  so  dass  der  Leser  überall 
Collignon's  Auffassungen  ohne  fremde  Aendcrungen  kennen  lernt  .... 

/s.  Uler.  CeniralMatt  IS<J4.  Nr.  S3- 

„  ...  Es  mag  ja  bcli  übend  sein,  dass  gegenüber  tlcr  Fülle  von  Einzel- 
furschungen  die  deutsche  Archäologie  die  Aufgabe  ungelöst  lässt,  einmal  das 
Fatit  aus  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Forschung  zu  ziehen  {Overbeck's  viel 
verbreitetes  Bucn  hätte  dazu  einer  weit  durchgreifenderen  Umaibeitung  bedurft^; 
man  wird  auch  vielen  Ansichten  und  Aufstellungen  C.'s  niclit  beipflichten  (wie 
könnte  das  in  dem  I'"luss  der  Foriichungen  und  Meinungen  anders  sein?);  das 
alx^i    vird  »ich  nicht  ableugnen  lassen,  dass  C.'s  Buch  von  allen  vorhandcncu 

Fonsettun{  (iFbe  nlirliite  Seite. 


SS 


VERLAG  VON  KARL  J.  TRÜBNER  IN  STRASSBURG. 


X-- 


?v\ 


•s. 


IC 


Collignon,  Geschichte  der  griechischen  Plastik  (Fortsetzung). 

Dar  Sic  U  Uli;;  in  der  griechischen  Plastik  .im  meisten  den  Anforderungen  der 
Gegenwart  entspricnt,  am  besten  ilhcr  den  Stand  der  F(»rschung  urientirt  und 
iich  am  besten  ticst.  Wenn  C  von  der  deutschen  Kcrschuny  einen  sehr 
ausgiebigen  Gcbraucli  macht  und  ganz  vorzugsweise  aul"  deutsche  Arbeiten  ver- 
welst.  so  kann  uns  dan  ja  nur  freuen;  es  ist  ein  Beweis  mehr  dafür,  dasi 
wenigstens  auf  diesem  (ichiete  keine  nationalen  ^^chranken  bestehen,  sondern 
üb'crall  gemeinsame  Arlieit  herrscht  .  .  .  Die  Ausstattung  des  Buches  ist  der 
der  Originalausgabe  durchaus  ebenbürtig,  und  trotzdem  ist,  ein  seltener  Fali. 
der  Preis  nicht  unerhet)lich  geringer.  .  .  "         Littrar.  CattraMait  iS^y  Nr.  44. 

„Das  vorliegende 
WVrk  bedarf  nach  den 
in  dirsen  lllättern  xu- 
Icizl  Hand  5.1  {1897) 
S.  4<^8  f.  gegebenen 
Aw-führmigen  für  die 
Hibliüthckcn  der  Gym- 
nasien und  Gymna- 
siallehrer keiner  Em- 
pfehlung mehr,  doch  i--t 
es  erfreulich,  die  Ver- 
breitung desselben  an 
baycrischenGymnasicn 
bereits  feststtllen  zu 
köimcn.  und  erwünscht. 
iiüchmuU  der  Hoffnung 
Aubdiuck  zu  verleihen. 
da^s  durch  die  Anschaf- 
fung desselben  diei)u<d- 
voIlcLeclörevunOver- 

beck''<  bekanntem 
Buche  immer  seltener 
wird.  Denn  e>  bleibt  für 
jeden  billig  und  unab- 
hängig urtheilcnden  Ar- 
chäologen die  That- 
sache  bestehen,  daxa^ 
die  deutsche  archüol<»-j 
gi.'ichc  Literatur  eine  so  ^ 
hachgcmair-s  klar  und 
anregend  geschriebene 
Darstellung  der  gricchi- 
^chen  Scul[ilur  nicht 
uul>u weihen  hat  und 
de-shalbgerncdasdurch 
dit  Freigebigkeit  des 
Verleger*  und  die  gc- 
wiitscnhaftc  Mühewal- 
tung des  llcbcrselters 
in  ^rincm  Werte  er- 
höhte Kuch  des  franiü- 

sischcn  Girlehrlen 
Collignon  in  deutscher 
Uebcrtragung      entge- 
geanimmt  .  . 
Jleint-if.h  fAtifwig  Crlirhs,  Mütuhc*/. 
BWter  für  das  bayr.  Gymttaiialvejett  r8i>j  He/t  tfjt^. 
Schon  die  vier  bisher  erschienenen  Lieferungen  lassen  die  Wahr- 
heit des  [in  der  Ankündigung!  Gesagten  deutlich  erkennen;  der  Herr  Verfasser 
zeigt  sich  über  das  grosse  Gebiet,  das  von  der  Kunblgcschichtc  cmgcnoromcn 
wird,  wohl  unterrichtet,   er  weiss  einen  testen  Slaiiüpunkl  innerhalb  der  noch 
auf-  und  abwogenden  Meinungen  2U  gewinnen  und,  was  er  biclrt,  mit  M)lcher 
LicbenKwürdigkcit   vorzutragen,  dass  der  Leser  sich   von  ihm  gern  durch  das 
Labyrinth  der  verschiedenen  Ansichten  hindurchgcl eilen  Usst . .  .  Dem  Buche  ist 
weite  Verbreitung  zu  wünschen."      Zatschri/t j.  d.  Gymnasialwum  iH^t  Sr,  to. 

PoiUtua«!  liab«  aAclmt«  Seit«. 


V. 


y 


Pnilie  der  AtilitlHiiiiKTii, 

U.  Band,  Fig.  3J15.  Dianysos.  KfarnKirknjjf  aus  den 
Caracallathermen.  (Britisches  Museum.) 


dürrniKs  nach  einem 
handiicht^n,  frisch 
und  aus  einem  Guss 
entworfenen  Werke 
dcssclhcnStoffcsz«. 
(»estandrn  werden, 
(-ollifjnon's  Arbeit 
hält  zweifellos  die 
rechte  Mitic,  ist  ge- 
Kchmnckvall  und 
fleisMig  durchge- 
führt und  mit  Be- 
schick ler  Auswahl 
reich  illiistrirl,  nhnc 
dadurch  besonders 
kostspielig  zu  wer- 
den. Thraemcr'ji 
Uebersctiung  ist 
eine  wirkliche  Ver- 
deutschung, wäh- 
rend seine  Anmer- 
kungen nicht  nur 
die  seither  hinruge- 
wachscne  Literatur 
nachtragen. Knndern 
auch  den  Stand  der 
Fragen,  wo  er  sich 
etwa  verschoben 
hatte,  sorgsam  zu- 
recht rücken  und 
gelegentlich  zu  för- 
dern suchen  . . 

Die  inzwischen 
erschienenen  Liefe- 
rungen 3  und  }  be- 
handeln denauf  dem 
Humus  der  alten 
Culturcn  iricbkräf- 
tig  emporwachsen- 
den ..Archaismus"' 
der  griechischen 
Plastik.  Die  Vor- 
zöge, denen  diese 
Kpoche  selber  ihren 
Reiz  verdanke,  das 
Organische.  Durch- 
sichligc.  Strebsame 
Uur  Entwtckelung, 
den  Einsatz  besten 
KÖnnen.s,  fri*<che 
und  liebevoSie  Be- 
handlung de^  Ein- 
selncn.  müchte  man 
uuch  vorliegender 
Darstellung  der- 
selben nachrühmen. 
Auf  aussergtwöhn- 
tich  guter  Höhe 
halten  sich  auch 
die  Abbildungen. 


Pfotic  4<x  At>hildiinccn. 

Uand,  Kig.  17.;.  Statue  des  Maussolus  vom  Mausoleum 
(Britisches  Museum). 


Dattschi  Ruadschau  t^'ijy}ij6  }\r,  ij, 


Soeben  erschien: 


(Setranlren  unti  Sljatfaclji^n. 


%*^tltifDVl)ifdic  *}lbf)aiitiluii{itii,  ?liit)prUiiicii  itiiH  Studien 

t>ült 

i^ffu  licbmamt. 

(5tfter  »oiib: 

(£vft«d  ^tfl:  Tnt  ilruii  bei  tfioibiuciiMgteil.  Xü  iiiedioiuidie  ^JaiurcitloniitA 
,Ucc  imb  eiiteled?K.    8".    XI,    121  ©.    Ihttß.  9«.  2JiU 

^Irorilf^  .^cft:  (Si^^fl^^Il  über  "Hahix  imli  *J!atuvcrf*iinlni(;.  t.  9Iolur  iut 
ftUrtcmcmcti,  'J.  Öckiw  imh  Hrdilc,  :J-  Xic  3tiomiiiil,  4.  CnwuÜi^c  'Wotur  imb  Icleo= 
loflie,    5.  2)ie  ^Jiaiurbffcelunfl  »nb  Der  Ocifl.  Sdjlirr;.   K».   IV  imb  ©.  128 -;Wt.  180» 

^iilt«d  .<£tcft  (Sdilii^  bed  I-  :9äiibed>:  ti«  tBilbcr  ber  ^ijanlane-  ^d 
Jiettbciuutofein.  "Die  £inacf)ffll)iflteit.  5*iit<^(iIcfliirfK  ^Ii'boTtiSme».  s".  'V  mib  S.  3()1 
btä  17»».     IxiK^  ÜJI.  :^— 

Das  Werk,  dcxitcn  erster  Uan<l  hiermit  aUgcüchtuKüen  vurlJcgt,  enthält 
eine  |il:LTimä!Rti)i  und  methudisch  anjjeurdnetc  Sammlung  philosu|>hi^chc^ 
Schriften,  die  sich  auf  dem  Kadcn  einer  rharaktcristisch-hcstimmtcn  Wclt- 
ituffassunj;  aneinanderreihen,  und  zwar  tlerjcniyeii  [jhilosuphischcn  WeU- 
auffassung,  die  in  des  Verfassers  früherem  Werke  .Analysis  der  Wirklichkeit* 
ihre  wisse^^chaftliche  Bejjründunn  erhaUen  hat.  Nach  Vollendung  dc.s  zweiten 
Bandetf,  der  wie  der  erttte  in  einzelnen  Herten  erscheinen  soll,  wird  sich  die 
Sammlung  über  sämtliche  Gebiete  der  Phikwüphic  hinerstrecken. 

II.  lieft. 1  „Drei  mit  Umsicht  und  Vorsicht  in  wirklich  philusut>hischcm 
Geiste  und  mit  vorzüglicher  KUirheit  ycschri^hene  Abhandlungen,  die  sich  dem 
bckannlen  und  mit  Recht  »ehr  j;cschätzten  grösseren  Werke  des  Vcrfs.  ..Zur 
Analysis  der  Wirklichkeit"  wurdijf  an  die  Seite  stellen.  . . .  Wir  haben  mit  (grosser 
Genucthuuiig  aus  den  Abhandlungen  ersehi-n,  dass  l.iehmann  nicht  nur  genaue 
Kcnniniss  der  rhilosophie  des  Allcrthums  besitzt,  sondern  die  alte  Philo- 
sophie auch  zu  würdiijen  versteht  im  Gegensatz  zu  Manchen,  welche  dieselbe 
mit  Missachtunij  behandeln  zu  «lürfen  glauben.  Wir  wollen  lum  Beleg  hicrför 
nur  noch  erwähnen,  da.«  er  die  Dynamis  des  Aristoteles  zu  vollem  Rechte 
anerkennt,  ja  dass  nach  ihm  „die  ganze  moderne  NaturaufTassuny  ohne  Rest 
und  Abzug,  ohne  gewaltsame  Interpretation  oder  gekünstelte  rmdculunj»  in 
den  begrifflichen  Rahmen  iler  aristotelischen  Metaphysik  aulnchnibar  ist.- 
Möchten  diesem  ersten  Hefte  bald  weitere  folgen!" 

IMtrar.  Centratblatl  tSUj  Xr.  Ju. 


Verlag  von  KaRL  J.  TRÜBNER  w  Strassburc. 


S9 


JAHRBUCH  DER  GELEHRTEN  WELT. 

HERAUSGECEflEN 

vn« 

Dr.  K.  TRÜBNER  und  Dr.  F.  MENTZ. 

NFUNTER  JAHROANO. 

1899— 1900. 

Jkxt  BK>  BiLKais  ran   CnaoLta  Vf.   ^Liot,    PkZb:»»!   ctit  ^«hvak»  pmiEKaitt,    pnBaniDiii.    M«*», 

nanistit  vo»  J«m.    {.inontR   ik  ^Ohchen, 

t<K  XXIV  u,  eu-  iitfit  Seilen,  Prci»  in  Halbporgüineni  itebunden  ML.  lu— . 


DiCkt*  Juhrtiitch  «teilt  lieh  die  Aiifgiabr,  tniihetuWchc  AuTicIitnise  tu  gebirn  Olier  dfe  Orfani- 
latiari  und  iIbii  vrlitciitcluirtlichc  Pcr>onal  all«l  Uiiiver*it&icn  d«r  Welt,  *o«ic  aller  lechniichea  und 
Undwiittchdfllichi'n  Hnchnchulcn,  frmrr  über  lonittKc  »iiiirii schuft ücIib  tnslUnTc-  BiMtothcken, 
Archiv«,  archttulocioch«  und  iia(urwi>*i:n<chaftlkh«  Mutcer;.  Stcrowaricii,  geltlirtc  GctelUchaficn  eic. 
Ein  vctl»IindiKc»  Rciii»tfr  »her  ca.  aSnoo  Nainrn  rrmaglicht  fj,  lilc  Aglr«vvF  uad  li.ii  Ami  jcdr* 
cinielncn  (iclelutcu  fesliuBlollcn.  Die  itilcnciven  üil«malioiial«n  Dciiehiingen  auf  «imennctiafilichem 
Ucbict  haben  da»  Jahi^uch  hcrvorfemfen  und  ihm  bereit»  eine  weite  Vertircininit  t'»ieherr.  Die 
Heratu£eheT  stod  IhrenFii«  Winllhi,  r«  mit  jeden»  Jahr  votlatindiger  in  gtataliea. 


Pasteur's,   radiert    von 
geb.  M.  7. — . 


Mit  dem  Bildnis  Lord  Kclvin's,    radiert  von 
16«   XVI,  930  S.  geb.  M.  «.— . 


(I.— V.  Jakrf.   beratiifcit.  von  Dr.  R.  Kahula  «nd  K.  TrEklmcr.  VI.  and  Vif.  van  K.  Trahnor.) 

I.  Jahrfjang.  1891 — 92.  16".  VI,  359  S.  geb.  M.  4. — . 

lle»cliritt<Lt  lieh  ^iiifcinc  Ziit«mmciit|<llnn|[dri  Irhrmden  Pcnnnat«  dri  Haiiplunivcnttllei) 
der  Weh. 

II.  Jahrgang  1892^93.  Mit  dem  Bildni:>  Theodor  Mommsen's,  radiert 

von  \V.  Kranskopf.  16".  VI.  827  S.  geb.  M.  7.—. 

tni  II.  J^iii^im  wurde  die  Aufuabc  de«  Bucht*  dahin  erweilcn,  dai*  die  leclmUcb«), 
tiPrSri fliehen  und  l-inHuirnehalilichrn  Hocliichiilen,  die  Kontakadeniien  und  «nntiiic  iclchfic 
lii'hefT  Aiitlalten,  ferner  dirjcnifrn  «(.'lhtlilndi(;rn  Hihlin  ihr  lern,  dl«  Tili  di«  Kflchnt  Weh  von  Interei«« 
«Ind,  cuil  aufnnvuiiuen  »urdeu  tnii  kuiii-ii  Noiirci)  Ci)>cr  (■e*chic1ile,  Vcrfaiiuag,  Organ i«at Ion, 
financicile  Vrrhlhiiinir.  .Siiidienj(an|;  etc.  Illc  mcl^ilen  AriKahen,  die  einer  jiihrlichcn  VerÜndcning 
nicht  tili  Irr  worrcii  «irid.  naiiiciiilii:h  dii-  hiiloritchcfi.  «inil  inner  VeiweiiuiiK  auf  Band  11  in  den 
iioStcren  J*hrt[!inKen  H^KK•-'U«^c^,  chpntit  wtirrlr  in  den  kpBiereii  Jahr^tniteu  verfahren;  ilitkmtk  itmJ 
Jit  fiSndt  //-  J  7//  a^h   für  an  BtHülitr  4it   IX.  Bmndti   van    Wirl. 

III.  Jahrgang  1893 — 94.    Mit  dem    Bildnis   L. 

H.  Manesse.  16".   XVI,  861  S. 

Neu  aiifKenommcn  :  die  deuischcii  und  öaierreicUicIlM  Archiv«  und  die  rraiKfift«clMn 
PttninitalliibiiotheWeii. 

IV.  Jahrgang  1894—95. 

Hubert  Herkomcr. 

Neil  hintuKekommen  .  die  ilnlieniKchcn  Staat larchtv«,  ErgXntuniC  der  Archivs  von  Itauticb- 
Innd,  OeiterrpicIi-l'iiK'rn  und  <lrr  Schweii,  VrrvfillstSndii^i  »in<l  die  fllMiotheken  V{)n  Kuitland  tin<t 
Nord-Atncrika. 

V.  Jahrgang  1895  —96.  Mit  dem  Bildnis  G.  V.  Schiaparelli's,  radiert 

von  Orcstc  Silvcstri.  16".  XIX,  989  S.  geb.  M.  8.—. 

Neu  Mntnitek'tininrn  :  dir  franii^ilfchen  und  hoIlSodltehen  Archive  uivd  die  pSptinchcn 
Anttalten  in  Rom. 

V!.  Jahrgang  1896—97.    Mit  dem   Bildnis  M.  J.   de  Goejc's,   radiert 
von  Therese  Schwartze.  16**.  XXIV,  to82  S.  geb.  M.  9. — . 

Neu  hini<i|{«k>^n:in)cn  Hie  n^tiirwiaaenicliafilkheri  und  aTcha(itPit>*chen  Mincen  inil  Aiw- 
aclllu»  der  ilalien.ticheii,  die  im  VII.  Jafarfans  hrhandrh  Mrrdrn,  und  dir  urlchrirn  'nr«rll*f haTtr» 
von  tnternaiionAlrr  DcdcuiunK. 

Vn.  Jahrgang  1897—98.  Mit  dem   Bitdni:^  Fridtjof  Nanscn's,    radiert 
von  Joh.  Nordhagen,   rö".  XXIV,  1130  S.  geb.  M.  10. — . 

Seu  Biifirnnnimrn :  dir  liBlirniirhrn  ,irrhlinli)|;l4<:hen  Mii««cn,  die  iodiichcn  höheren 
Lcliran« lallen  und  eine  Aiuahl   |[riecht*chci   lnt(iiiite,  HitdinihvWen  und  {■etchricr  CieielUc hallen. 

VIII.  Jahrgang  1898     1899.  Mit  dem  Bildnis  vnn  F.  F.  Martens,  radiert 
von  Jnh.  Lindner.  16*.  XXIV.  1155  S.  geb.  M.  10. — . 

Prda  dar  lahrginga  l-VIII  [ataH  ■.  ftS^    ]  nnr  IL  «S.    . 

DI«    In    den   JahrEängen    II-  -IX    Fnihalicnea    Bitdniiic    iKiipfcr.Radlertinrrn'i   kAnnen    anch 
•Inicin  im  Papicrformat  i/X]}  cm  bcaogen  werden.  I'reiii  pro  Blaii  Bd.  j.— . 


VEBI.AO  VO!>r  KARL  J.  TROBNKR   tS  STRASSBÜRfl, 


Soeben  ci-schicncn; 

KAUFFMANN.  Dr.  FRIEDRICH,  TEXTE  UND  UNTER- 
SUCHUNGEN ZUR  ALTGERMANISCHEN  RELI- 
GIONSGESCHICHTE. Erster  Band:  Aus  der  Schule 
des  Wultila  Avxemi  Dorustoicnsis  c-pistvla  de  fide  vita 
et  obitv  Wulfilac  im  Znsammenhang  der  Disscrtatto  Maximini 
contra  Ambro!*ivm.  Mit  einer  Schrifttafel  in  Heliogravüre. 
4".     r.XV.  135  S.   JS99.     Preis  M.   16.— 

Anküntligung:  Ücr  Verfasser  hat  sich  das  Ziel  jjesteUl,  die 
Probleme  der  deiitscnen  Altertumskunde  in  anderer  Weist,  ah  es  bisher 
geschehen  ist,  anzufassen  und  hejjt  die  Hoffnung,  dass  sich  von  der 
RcligionsßeRChichlc  her  manche  Züge  des  allnermanischcn  Wesens  und 
I-cItens.  die  bisher  aucli  nicht  einmal  geahnt  werden  konnten,  aufhellen 
werden.  Er  .sucht  die  .strenge  historische  Methode,  über  welche  dir 
Gegenwart  verfügt,  auf  dat,  wns  man  seither  ^!ythr)logic  genannt  hat. 
nnunwcndcn  und  so  ein  Korschungsgehiet  zu  Khren  z\i  bringen,  da»  seit 
den  Tagen  eines  Jacol>  Grimm  fast  brach  gelegen  lint,  Kr  will  eine 
ganz  neue  DisKiplin  der  Germanistik  crschüessen.  die  sich  am  engsten 
mit  der  Geschichte  allgcrmanischer  Sitte  und  ahgermanischen  Rechts 
berühr:.  In  dem  ersten  Band  wird  ein  uralter  lateinischer  Textaus  dem 
5.  Jahrhundert  itum  erstenmal  vollständig  herausgegeben.  Derselbe  hat 
d)<;  wichtigste  Urkunde  übei'  das  Leben  unr]  Wirken  des  Gotenbischiifs 
Wulfila  «um  Gegenstand. 


ifinbiiifur,  Dr.  S^mil» ,    ^cv  liiinirrfiaii  in  luflicra,  dnfcvß  unÖ 
(EAs  Öbcifcftuuit  bi*ö  „Heuen  (Icltameulce".    ISin  iöcitrög 

5iir  (Mcfthiditr  bcr  nr»liiirt)hriitfrf>ru  5rfiri»tiprarf)c.     Sil.  H".  IV.  lOfi  3. 


BETZ,  LOUIS-P-,  LA  LITTfiRATURE  COMPAREE.  Kssai 
bibliugraphiquc.  Introdiiction  par  Joseph  Texte,  Prnfesseur 
de  ütteraturc  comparee  h  l'Universiti*  de  l-yon.  Gr.  R**.  XXIV, 
123  S.   igoo.  Preis  M.  4.     . 

Table  des  malifrcs;  Prcfacc.  —  Introdiiction  par 
Joseph    Texte.  I     Ktudes    thi^oriqucs.     -    11.    Los    rapports 

littcraircs  jijent'raiix  de  la  France,  de  rAlIemagne,  de  l'Angletcrrc, 
de  ritalie  el  de  I'Espagne.  -  III.  La  France  ul  lAIIemagnc.  — 
IV.  La  France  et  lAngleterre.  —  V  L'Anglcterre  et  l'AIIe- 
magne.  -  VI.  L  Italic.  —  VII.  L'Espayne  let  le  Portugal).  — 
Vlli,  Les  litteraturos  dn  Nord.  IX.  Lcs  litteratures  slavcs.  — 
X.  La  France,  I'Allemagne  et  l'Angletcrrc  dans  leur.s  rapport.s 
littcraircs  avec  quelques  aiures  pays.  —  XI,  Etudes  sur  llnfluencc 
de  la  Poesie  Prnvcnc,"ale.  XII.  LAntiquilf^  grecquc  et  romainc 
let  l'Orient»  dans  les  littcratures  modernes.  —  .\III.  Appcndice: 
L'Hi-stoirc  dans  la  Litt^-ratiire.  Index  (liste  alphabiHique  des 
atitetirs). 

Diese  Bibltt>grai)hic  der  vergleichenden  Litte ralurgcschichte 
darf  wohl  als  ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  für  sämtliche 
Bibliothekare  bezeichnet  werden.