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GRUNDRISS
DKK
GERMANISCHEN PHILOLOGIE.
III. Band.
GRUNDRISS
DER
GERMANISCHEN PHILOLOGIE
UNTKR MITWIRKUNG VON
K. VON AaiRA, W. Arndt, Ü. Behaghel, D. Behrens, A. Brandl, O. Bremer,
E. EiNKNKEL, V. GUDUUNDSSON, H. J EI.UNGHAUS, K. Th. VoN InAMA-STERN-
BOG, Kr. Käluxd, Fr. Kauffmann, F. Kluge, R. Koegel, R. von Liuencron,
K. LuicK, J. A. LuNDELL, J. Meier, E. Mogk, A. Noreen, J. Schipper, H,
-Schuck, A. Schultz, Th. Siebs, E. Sievers, B. Symons, F. Vogt. Ph. Wegener,
J. TE Winkel, J. Wright
HERAUSGEGE3L-N
VON
HERMANN PAUL
OKU. pRuii.ssiiK hkk ni;rrM.iii;N piiiK<ii.o(;iii an ui^k imveksitat mCn\ih£N.
ZWEITE VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE.
DRITTER BAND:
WlKTSCHAt'T. — KKlIIT. — KIllFli>WE-h.\. M VTIIOLOUIF..
SITTE. — KLNüT. — HhI.I)R.V-..V<;i:, KTHXOr.UAl'HlK. —
>ai:hkf.cistkh.
MIT SECHS KARTEN.
STi<.\S.^lU'R<;.
KARL J. TKCHNKR.
1900.
[AUo Kfthli.', iH-s.tuli.-rs J,)- Jl-i CbLTT-i-tiuni; vurbchitltcn ]
430
?3a4
N.3
Votum oFim
IfliMD STAKFORD J,l UHIVEKUn.
MAR 5 J900
INHALT.
Seite
Ikhältsverzeichms V— xvn
"vni. abschnitt: WIRTSCHAFT von K. Tu. von Isama-Stersegg 1—50
/. Ausbau des Landes. Soziale Ordnung 2
{Deutsche VerhlUnisse 2. — Englische Verhältnisie 7. — Skan-
dinavische Verbältnitse 10.)
2. Agrarverfassung und Landeskultur 12
(Dorf- und Hofsystem 12. — Domanium uad Grundherrschaft
14. — Veränderangen wthrend des späteren Mittelalters 16. —
Formen der Bewirtschaftung 18. — Spezialk ulturen 20. — Eng-
lische Agrarverfassung 21. — Skandinavische Agrarverfassung 23.)
3. Stadtverfassung und Oewerbe 23
(Die Bevölkerung der St&dte 24. ~~ Wirtschaftsleben in den
deutschen Städten 26. — Zunftwesen 28. — Bergwerk« und
Salinen 30. — Englisches Stfidtewesen 31. — Skandinavisches
StAdtewesen 33.)
4. Handel und Verkehr 35
(Alteste Handelsbeziehungen 35. — Städtebündnisse 37. — Die
Hansa 38. — Englands Handel 4I. — Skandinavischer Handel
42. — Geldgcbrauch 43. — Deutsches Mnnzwesen 44. — Eng-
lisches Münzwesen 47. — Skandinavisches Münzwesen 48. —
Der geschäftliche und der öffentliche Kredit 48.)
DE. ABSCHNITT: RECHT von Karl von Amira 51—222
»INLEITUXG 51
§ I. Germanische Rechte und germanisches Urrecht 51.
% 2, Zeit der Überlieferungen 52. — Literatur 52 — 54.
§ 3. Vergleichende Forschung 54—56. — Zweck des Grund-
risses 56.
A. Rechtsdenkmäler.
/. Allgemeines 57
§ 4. Das Recht 57. — Arien seiner Denkmäler 58—61.
3, Südgermanische Schri/l'werke 61
§ 5. Die ältesten Rechtsaufzeichnungen überhaupt 61. — Die
gotischen und burgundischen 63 — 64.
§ 6. Gesetze und Weisthämer im fränkischen Reich 64^>6S.
— Langobardische und angelsächsische Gesetze 68 — 70.
§ 7. Die älteste juristische Literatur 70—74.
§ 8. Räumliche Begrenzung des Denkmälerkreises im Mittelatter
74. — Angelsächsische Denkmäler im MA. 74—77.
S 9. Das kontinental-deutsche Recht im MA, 77. — Bauern-
und Stadtrechte 78 — 81,
§ 10. Deutsche Territorial rechte 81—85.
I II. Deutsches Reichsrecht 85.
VI Inhalt: ix. Recht.
Seite
§ 12. Gesetze und Weisthümer der persönliehen Verbände in
Deutschland 86-88.
§ 13. Die Formolarliteratur Deutschlands im MA. 88.
§ 14. Die Rechtsbücher Deutschlands im MA. 89—94.
§ 15. Fortsetzung 94—96.
§ 16. Die übrige juristische Literatur im mittelalterlichen Deutsch-
land 96—98.
§17. Rezeptionen und Fälschungen 98.
3, jVorJgtrmtiiiischi- Stfiriftwrke 9^
§ 18. Die skandinavischen R echtsau fzeichnungen im Allgemeinen
100 — 102.
§ 19. Dänische Rechtsbücher und Weisthümer 102.
§ 20. Dänische lindes- und Reichsgesetze 103 — 105, Stadt- r.nd
Marktrechte 105, Gilden- und Gefolgscbaftsstatuten 106.
§ 21. Kontinentalschwedische Landschaftsrechte 107 — 110.
§ 32, Reichsgesetze und Statuten in Schweden iio — 112.
§ 33. Die RechUdenkmäler in Gotland 112.
g 24. Norwegische Landschafts- und Marktrechte 113 — 115,
% 25. Spätere norwegische Gesetxe und Privatarbeiten 115^117.
§ a6. Isländische und ftcröisch« RechtsaufzeichnODgen 117 — izo.
B. Rei'ht.s.«.tf-ktCmer I20-
/. Land 121
§ 27. StaatsgebT^ie 121.
^ 28. Hundert<ichaft und Schiffsbezirk 122.
$ 39. Mittel bezirke, landesherrliche Verwaltungssprengel, Thing-
verbändr 1 23.
^ 30. Langobardische Bezirksverfassung insbesondere 124.
§ 31. Politische Gemeinden 125 — 127.
S 32. Grenzen 127.
2. Lftih- I3Ä
§ 33. Die Freien überhaupt 129.
§ 34. Geburtsadel 130.
S 35. Oiuimatt-n 131— 133.
§ 36. Ritter 133.
S 37- Klerus 134.
§ 38. Klassen der Gemeinfreien 134 — 136.
§ 39. Minderfreie 136.
S 40. Forlsetzung 137.
g 41. Unfreie 138— 141.
§ 42, Ebenburt 141.
g 43. Recht- und Ehrlose 141.
§ 44. Gäste und Juden 143.
3. Herrscher 14J.
§ 45. Königthum überhaupt 143 — 146,
g 46. Ausbildung des Königthums in einzelnen Staaten 146.
§ 47. Verfall des Königthums 147.
§ 48. Kaiserthum 148.
§ 49. Immunität 149.
§ 50. Munt 150.
§ 51. Grundberrschaft und Landeshoheit 151 — 153.
§ 52, Die isländische Godengewalt 153.
4. Vfrwandtschafi liehe Verhältnisse 15^
§ 53. Die Blutsverwandten 155.
§ 54. Sippe 156—159.
f 55. Fortsetzung 159.
§ 56. Ehe 160 — 163.
Inhalt; ix. Recht; x. Kriegswesen; xi. Mythologie. VII
SdM
§ 57. ForttetzQDg (eheliches GStenrecht) 163.
§ 58. Eltern und Kinder 164.
§ 59. Boodbrüdenchaft und Gilde 165 — 167.
g 60, Annahme an SohnessUtt und Gefolgschaft 167.
5. VtrmügeH 168
§ 61. Eigenthum, Gesammteigenthum an Grund und Boden
169—171.
§ 62. Indtvidualeigenthum an Grund und Boden 171 — 173.
$ 63, Bewegliches Gut 173—175'
tl 64. Mobiliareigentham 175 — 177.
<^ 65. Rechte an fremdem 'iut 177 — 179.
({ 66. Besitz 179.
S 67. Schulden 180—183.
§ 68. Haftungen 182 — 185.
S 69. Gescbsrie 185.
§ 70. Fortsetzuog(FormenundBe9tärkungderGeschäfte}i86 — 189.
§ 71. Forueuung (Urkunden) 189.
6. Verbrrcfutt und Strafen 19I
$ 73. Der Friedensbrnch überhaupt 191.
§ 73. Die unabsichtliche Obelthat 192.
9 74. Übelriiaten von Thieren und Unfreien 193.
§ 75. Schwere der Friedensbrüche 193,
% 76. Fortsetzung. Theilnalime 194,
§ 77. Friedlosigkeit 193 — 197.
§ 78. Die öfTentliche Strafe im Heidentbum 197.
$ 79. Die ößcntliche Strafe in christlicher Zeit 198.
S 80. Die Sühne 199— 30I.
§ 81. FonseUung 201.
§ 83. Das Recht zur Verfolgung eines MissethZUers 202,
7. Gfricht und Rrchlsgang 20>
% 83. Das ahgermaniscbe Staatsgericht 203 — 207.
§ 84. Jüngere Verfassungen der ordentlichen Gerichte 207,
ji 83. Das Königsgericht 208— 2 to.
$ 86. Privalgerichte 210.
$ 87, Allgemeine Grundsätze des Rechtsganges in der Sitesten Zeit
21 1 — 213.
% 88. Allgemeine Grundsätze des Kechtsganges in jüngerer Zeit
213.
§ 89. Das älteste Beweis verfahren 214— 317.
§ 90. Der Zweikampf 217.
% 9t. Verminderungen des Beweisverfahrens 218 — 230.
S 92. Die Vollstreckung 220 — 222.
X. abschnitt: KRIEGSWESEN von Alwin Schultz . . . 223—329
Ältere Zeit 223. — Blutezeit des Rittertums 225. — Spätmittel-
alter 237.
XI. ABSCHNITT: MYTHOL<X5IE von EufiKN Mogk 330—406
/. Volksgtaubtn und Rvh'i^ion, Mythos und Kult; die Aufgaben der
Mythenforschung 230
IJ. Die Quellen des Glaubens der alten Germanen 233
III, Geschichte der germanischen Mythologie 238
JV. Das Verhältnis der nordischen zur deutschen Mythologie . . . 347
V. Der Seelenglaube der alten Germanen 249
Die verschiedenen Schichten übersinnlicher Vorstellung 249.
Sorge für die den Leib verlassenden Seelen 251. Gestalt der-
VIII Inhalt: xi. Mythologie; xu. Sitte.
Seite
selben 254. Ihre Wobnsiue 256. Orte und Zeiten ihres Er-
scheinens 259. Träume 261. Verschiedene Gestalten des altea
Seelenglaubens 263. Gespenster 264. Dmckgeister 266, Alp,
Trude, Schrat 268. Valkyrjen 269, Die nordischen Fylgjur 271.
Werwolf 272. Berserkr 273. Bilwis 273. Hexen 274. Die
Holden und Perchten 278. Xomen 2S1. Schwanenjungfrauea
284.
VI. Die elßsikcn Geister 285
Allgemeines 285. Elf und Wicht 286. Zwer^^ 289. Hausgeister
392. Wald- und Feldgeister 393. Wassergeister 295.
Vif. Die Dämonen 298
Allgemeines 298. Bezeichnungen und Auftreten der Dämonen
300, Wasserdämonen 301. Winddämonen 307. Bergriesen 30S.
Die übrigen Riesengestalten und -mythen 309.
VIII. Die altgermaniiihen (iö'tttr 312
IX, Der altgermanische HimmehgoH 313
Ziu 313. Heimdallr 317, Freyr-Nj^rdr 318, Baldr-Forseli 323.
X. Wödan-Ödinn 328
Entwicklungsgeschichte der Wödansverehrung 328. Wödan als
Gott des Windes 333, Wödan als Totengott 337. \V6dan als
Kriegsgott 338. ValhpU 339. Odinn als Gott der Weisheit und
Dichtkunst 341. Wödan als Himmels- und Sonnengott 345.
XI. Loki. — UUr. — Hirnir 346
Lokis Name und Verwandtschaft 346. Lokis Verhältnis zu Odinn
und Th6r, seine Thatcn 348.
XII. Donar-TImrr 353
Allgemeines 353. Äussere Erscheinung Thors 356. Thors Ver-
wandtschaften 358. Thors Riesenkämpfe 360. Thor als höchste
norwegische Gottheit 364.
XIII. Isldndisch^not-cegische Götter 365
Vidarr 365. Bragi 365.
XIV. Die Göttinnen 366
Allgemeines 366. Xertbus 367. Frija — Frigg 369. Freyja
371. Tanfana 373, Isis 374. Sinthgunt 374. Auströ 374.
Itfunn 375. Gefjon 375.
XV. Die eddische Kosnu}gonie nnd Eschatologie 37^
Die Schöpfung der Welt 376. Die Schöpfung der Menschen 377.
Die Einrichtung der Welt 378. Die germanischen und speziell
nordischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode 380. Unter-
gang und Erneuerung der Welt 381.
XVI. Kultus der alten Germanen 3^3
Allgemeines 383. Das altgermanische Gebet und Opfer 384.
Opferzeiten 390. Hergang beim Opfer 393. Ort der Götterver-
ebrung 394. Priester 399. Weissagung 400. Zauber 404,
XII. ABSCHNITT; SITTE.
I. Skandinavische Verhältnisse von Valtyr GunsiUNDS-
soN und Kr. KÄlund 407—479
Die voRHisTORisrHE Zkit 407
(Steinzeitalter 407. — Bronzezeitalter 408. — Eisen-
zeitalter 410.)
Die H!>TORi.siHK Zkit 4*'
Allgemeines 4**
/. Familienverhältnisse 414
(Kindheit 414. — Jugend 416. — Heirat 417. —
Inhalt: xii. Sitte; xrii. Kunst. IX
Seite
Ehe 421. — Familie 423. — Gesinde 425. — Be-
gräbnis 426.)
2. Lebetts-wehf 428
(Wohnung 428. — Kleidung 436. — Alltagsleben
446. — Gastfreundschaft 450. — Gastmähler 451.
— Leibesübungen 452. — Spiele 453.)
3. Wirtschaft 454
(Viehzucht 454. — Ackerbau 457, — Fischerei 459,
— Handel und Seefahrt 461. — Schiffe 464. — Ge-
wicht und Mass 471. — Tauschmittel und Werlberech-
nung 473. — Handwerk und Kunstßeiss 475.)
1. Deutsch-englische Verhältnisse von Alwix Schultz 480—492
(Quellen für Sittengeschichte bis zum 12. Jahrh. 480. — Ritter-
leit 483. — Späteres Mittelalter 485. — 16. Jahrhundert 488. —
Neuere Zeit 491.)
-VNHang; Die Bcliiindlung der volkstümlichen Sitte
der Gegenwart vi.n Eugen Mogk 493—530
I. ÜBERULICK TllEK DIE BeHANULL'NC. DEK VOLKSTCMMCHES
SiTTp; DEK Gec.ewvakt 493
(Allgemeines 493. — Brüder Grimm 495. — Die
Sammlungen in Deutschland 496. — England 499.
— Schweden 500. — Norwegen, Dänemark 501. —
Island, Niederlande, Deutschland 502. — Osterreich
504-)
JI. BlBMUtiKAI-HISCHE ZUSAMMEXSTKI.LUNG UEK QUELLEN 5O5
/. Dfitlsc/iland, Deutsch- Österreich, die Schweiz , . . 5^5
A. Das Gesamtgebiet 505
B. Die einzelnen deutschen Liindcr . . . . 507
(i, ( isterreicb (Ucsamtreich) 507. — 2. Tirol mit
Vorarlberg 508. — 3. Salzburg, 4, Kärnten und
Krain, 5. Steiermark 509. — 6, Ober- und Nieder-
österreich, 7. Böhmen 510. — 8. Mähren und Schle-
sien, 9. Ungarn und Siebenbürgen 512. — 10. Die
Schweiz 513. — [|. Bayern 514. — 12. Baden,
Württemberg, Hohenzollern 515. — 13. Elsass-Lo-
thringen, Luxemburg, 14. Nassau und Hessen, Wald-
eck 516. — 15, Nord- und Mitleldeutschland, 16.
Königreich Sachsen (einschl. Voigtland, Altenburg)
517. — 17. Thüringen, Provinz Sachsen 518. —
18. Braunschweig, Anhalt, l9.Brandenbui^, 20.Schle-
sien 519. — 21, Posen, 22. Ott- und Westpreusses,
23. Pommern 520, — 24. Mecklenburg, 25. Lübeck,
Schleswig- Holstein 521, — 26. Lippe, Hannover,
Bremen, 27, Friesland und Oldenburg 322. — 28.
Kfaeinprovins, Westfalen 523.)
2. Die aiisscräetttscheM Länder 523
(29. Belgien und Holland 523. — 30, Grossbriiannieu
und Nordamerika 524. -^ 31, Skandinavien im
Allgemeinen 525. — 32. Dänemark 526. — 33. Schwe-
den 527. — 34. Xorwegen 529, — 33. Island und
die Fa?n»;er 530.)
XIII. abschnitt: KUNST.
I. Bildende Kunst von Alwin Schultz S}'~554
X Inhalt: xiii. Kunst; xiv. Heldensage.
Seite
(Altgermanische Kunst 532. — Einführung der römischen 533.
— Frühmittelalter 535. — Romanischer Stil 536, — Romani-
sche Periode: Skulptur und Malerei 538. — Gotischer Stil 541.
— Periode der Gotik; Skulptur und Malerei 544. — Renais-
sance, Barock-, Rokokostil und Klassicismus 548.)
2. Musik von Rociius von Liliencron 555—605
/. Einiiitung. Die Grundlagi-n der modernen J/tis/'Jt 555
2. Die Periode des gregorianischen Gesanges 5^
Die Musikinstrumente des Altertums und Mittelalters in germa-
nischen Ländern. Von Prof, Dr. Oskar Fleischer .... 567 — 576
3. Die Periode des Kontra pttnhtes und der Alensuralmusik . . 576
4. Der deutsche Sfi/ unter der Jhrrschafl des italienischen und
französischen 585
5. Hämiel und Bach 592
6. Klassiker und Romantiker 59J
(Das I.ied 595. — Oper und Chormuiik 597. — Die Instrumental-
musik 601.)
XIV. abschnitt: HELDENSAGE von B. Symons 606—734
Einleitung 606
§ I — 6: Allgemeine Litteratur 607. Bet^iiTsbestimmung 607.
Abgrenzung des Gebietet 609. Geschichte der Forschung 610,
Methode der Forschung 613.
GRDNDLA<JE und ÄI.TE.STE VERBREITfNG 6l&
§ 7 — 10: Geschichtliche Elemente in der Heldensage 618. My-
thische Elemente 621. Älteste Verbreitung der germ. Helden-
dtchtung 622. Älteste Formen der Überlieferung 624, Typische
Formen der Aus- und Umbildung 624.
ÜBEJISICHT ChER DIE QUELLEN 625
§ II — 22: Personen- und Ortsnamen 625. Bildliche Darstellun-
gen C26. Ags. Quellen 627. Hildebrandslied 629. Lateinische
Dichtung 630. Einwanderung deutscher Sage in den Norden 631.
Eddalieder und altn. Prosoquelten 633. Spielmannspoesie 634.
Heldensage in Niederdeutschland 635 (f>idrekssaga 636. Folke-
viser 636}. Heldensage am Niederrhein 637. Mhd. Volksepos
638. Quellen des ausgehenden Mittelalters 642. Volkslitteratur
643.
Die EiNZEr.sEN Sagenkreise 644
A. BioiEulfsage 644
§ »3 — 25: Msrthos von B«)wa-'644. Historische Sage von Bio-
wulf 647, Heimat der Sage 648. Entwicklung der Sage 650.
B. Nihelungensage 651
§ 26— 32:'Ges(aUunt!en 651. Welsungensage 652. Sigfridsmy-
thus 654. Seine Entwicklung 656. Burgundensage 658. Ver-
schmelzung der Sigfridssage und der Burgundensage 659. Ein-
wanderung der Nibelungensage in den skand. Norden 661. Um-
gestaltung der Sage in Deutschland 664. An- und Auswüchse
667 (Irnfrid und Iring 668, G£re und Eckewart 668. Dankwart,
Volkir, Ortwin 669. Neue Lokalisierungen 669. Sachsenkrieg
670. Sage vom Rosengarten 670),
C. OrtniUWolf dietrichsage oder Hartttngensage 67I
% 33—38: Überlieferung 671. Historische Grundlage der Wolf-
dietrichsage 672. Ausbildung der Wolfdietrichsage 674. Loka-
lisierung in Griechenland 675. Jüngere Bestandteile 676. H«r-
Inhalt: xiv. Heldensage; xv. Ethnographie. XI
SdM
tangernnythui 677. Ausbildung der Ortnitsage 679. BerÜhruDgen
mit der Dietrichsage 681.
D. Sagenkreis von Ermanarick, Dietrich van Bern und Etzel . . 681
§ 39 — 5': /■ Ermanarichsage § 40—43: Bei den Oatgoten 682.
In Oberdeutschland 684. Verbindung mit der Harlungensage
685. J9rn)tmreksage im Norden 686. Die Sage bei Saxo 688.
— //. Sage Dietrichs von Bern § 44 — 49: Historische Grundlage
689. Verbindung der Ermanarich- und Dietricbsage 691. Epische
Ausbildung der Dietrichsage 69 1 , Episoden 693 . Dietrichs
Helden 694 (Hildebrand und die Wiillinge 694. Witege .und
Heime 694. Dietleib 695). Kämpfe mit mythischen Wesen 696
(Gefangenschaft bei Riesen 697. Eckens^e 698. Zwergensage
698). Dietrichs Ende 699. — ///. Etsehage g 50: Attila 700.
Rüdiger 701. Slavische Kriegszüge 702. — IV, Rückblick % 51 ;
703.
E. U'altharisage 70J
§ 52 — 55: Verschiedene Fassungen 703. Ursprung 705. Hei-
mat 707. Epische Ausbildung 707. Cyklische Verbindung 708.
Gberliefemng der Novaleser Chronik 709.
E, Hilde- und Kudrunsagc 709
§ 56—60: Quellen 709. Mythus vou Hilde 711. Entstehung
und Ausbildung der epischen Hildesage 713. Entwicklung der
Kudrunsage aus der Hildesage 7 1 5. Verschmelzung mit der
Herwigsage 716. Jüngere Ausbildung der Sagen von Hilde und
Kudnin 717 (Fruote 718. Wate 718). Cbertragung nach Ober-
deotschland 719. — Anhang: Entfühmngssagen g 61: Herbort-
sage 720. Rothersage 720. Oswaldsage 721,
G, Wielandsage 72*
§ 62 — 65: Sagenform der Vdlundarkvida 722. Sagenforro der
f>i{ltrekBsaga 724. Heimat und Wanderungen 725. Ursprung
und Bedeutung 727, Cyklische Verbindung 729. Jüngere Sagen-
gestalt 729. ApfeUchusssagc 730.
H. Anhänge 731
§ 66 — 67; Orendelsage 731. Ironsage 734.
XV. ABSCHNITT: ETHNOGRAPHIE der germanischen Stamme
von Otto Bremer. Mit 6 Karten 735— 9SO
1. EiNLEiTu.NG 736—752
A, B*-griff und Xante (iermanisch.
Begriff Germanisch, Sprache und Xationalit&t, Volltscharakter. § i 73fr
Die Abgrenzung der BegrifTe Germanisch und Deutsch gegen
einander. § 2 73*
Der Nam^ Germanen (belgische Germanen), seine Etymologie
und seine Anwendung, g 3 — 5 73S
B. Quellen, § 6.
1. Die Zeugnisse der griechischen und römischen
Geographen und Geschichtsschreiber. (E>ytheas, Ttmaiog,
Eratosthen£g, PoseidSnios 74t, Caesar, Agrippa, Augustos, Livius
743. StnibSn, Velleius, Plinins, Tacitus 743, Marinos 744, Ptole-
naios und die spfileren 745.) 74 >
2. Die Ergebnisse der Sprachforschung. (Sprachver-
wandtschaft weist auf ethnographische Verwandtschaft zurück 746.
Verwandtschaftsgrad der germ. Sprachen und Völker 747. Wie
weit beweisen sprachliche Obereisslimmungen politische Ein-
betten? 748. Hineinwachsen der Sprachen in die polttischen
XII Inhalt: xv. Ethnographie.
Seite
Grenzen 749. Scharfe Sprachj^renzen beweisen iiolitische Gren-
zen 750. Linien des Sprachatlas 750,) 746
3,DieErgebnissederAnthropologie 750
4. Die Ergebnisse der prähistorischen Archäo-
logie 751
5. Geistige Individualität 752
U, Ursprung, Charakteristik und Ausbreitung der Gekmanf.x . 752 — 802
A. Ethnographie Europas im ersten Jahrtausend vor Christi Geburt.
1. Pie europäischen Völker, § 7 — 10. (Nichl-Indoger-
manen in der Gegenuart und im Aliertum 753. iDdogennanische
Sprachen und Völker in der Gegenwart und im Altertum 754.) 752
2. Das indogermanische Urvolk (Kasse). § ll . . . 754
3. Die Heimal der Indogermanen, § 12—16. (Frage-
stellung 756. Schnelleres Tempo der Sprachverändeiung bei
VÖlkermischung, Trennung der idg. Stämme nicht früher als im
dritten Jahrlausend 7^6. Heimat der Arier: das nordöstliche
Iran 757. Skythen 757, Heimnt der Griechen: Epirus 757.
Heimat der Europäer: östlich der Karpaten 758.) 756
4. Die nähere Verwandtschaft der Germanen mit
anderen indogermanischen Völkern, § 17 — 19. (Italisch-
keltisch-germanisch-baltisch-slawische Gruppe 760. Vorhistorische
sprachliche Beziehungen zu den Kelten und Balto-Slawea 761.) 760
B. Die Ausbitdung einer besonderen germantsehen Nationalität.
1. Die Absonderung der Germanen von den Indo- ^
germauen. § 20 — 21, (Zeitpimkt, germanische Lautverschiebung,
Wälscbe 762. Urgerm. Gemeinsprache und politische Einheit
762, Urheimat und Grenzen, politisch zusammengeschlossenes
germ. Urvolk 763,) 762
2. Körperliche und geistige Charakteristik der
Germanen.
Körperliche Charakteristik. § 32 - 25. (Reinheit der Rasse,
germ. Typus 764. KÖrpergrösse, Hautfarbe, Teint 765, Haarfarbe,
Blauäugigkeit, Schädelform 766.) 764
Geistige Charakteristik. § 26 —29. (Typus 767, Alter des Typus
767, Individualitäten der einzelnen germ. Stämme 768, Geistige
Charakteristik 768.) 767
C. Die ältesten Wohnsitte der Germanen.
1. Stand der Frage (Älteste Wohnsitze auf Grund histori-
scher Kombination; die prähistorischen Funde lassen keine ethno-
graphischen Schlüsse 2u). § 30—31 770
2. Kelten in Süddeutschland. § 32—35. (Helvetü in
Südwestdeutschland 771. Boji in Böhmen 772. Volcae, Cotini
Teurisci in Mähren und an den Karpaten 772.) 771
3. Kelten in Nord wesld eutschland. § 36—38. (Me-
napii am Xiederrhcin 772. Belgae an der Nordsee 772. Im 3.
oder 4. Jahrh. v. Chr. die Kelten bis zur Weser 773. Pytheas
773. Keltische Einzelhöfe und Häuser 774.) 772
4. Kelten an der Weser und Elbe und in Thürin-
gen, § 39—41. (Keltische Orts- und Fiussnamen 774. Germ.
Lautverschiebung und Betreten Thüringens durch die Germauen
frühstens im 5, Jh,, spätestens im 4. Jh. 776.) 774
5. Kelten in Ostdeutschland. § 42—44. (Scgovesus-
Zug 776. Kellen in Nordungarn 777. Volcae 778. Keltische
Teurones — Turones in Thüringen 778. Die norditalischen
Kelten 778. Volcae [Wälsche] von Mähren bis nördlich der
Sudeten 779.) 776
Ikralt: XV. Ethnographie.
XIIS
6. Kelten an der oberen Weichtet anJ ostlicher.
§ 45 — 4S. [Raslcrnen, Uelt. Wechsel von fr unil «r 780. KcIl
> got. I^hnwÖrter 780. Die Flus&namen üati-iiUi. Don-«per,
Vrnt^n-mt 781. \evQo* 781.)
7. Dir üllettrii K'^'^^i^ni^ehen W'ohnsitjce. $ 4«)— 53.
(Wohoftitie um die Mitte des ersten Jabrtaaseails v. Chr. das
unlere Oder- und Wcichsdgcbict, die Kelten damals bis Schle-
sien, die Slawen entnciler ertt »eit Beginn de« 7. J^hrh«. v.Chr.
Xachbam der Germanen oder früher westlich der Weichiel und
gegen Ausgang de* 3. Jahths. ». Chr. von den Osigermanen
xuräckge(lr3ni>t 782. Frrg-Htna, Ahrall de« / int Kell, und kel-
tische Besicdlunc Biitanniens apäieslens um 1000 v. Chr. 783.
VoiiJg. UrheTölkerunc DeutsehUnd« 783. N'amcnsidentttit germ.
und kell. Stimime 78). Die aTctiiiiiiogitche Frn}>t.- der «kandina-
wischen Urheimat der Gemiancn 7S4. Ileei4.-dlun); Skiidin^wiens
von JütUnd aus 785. Chronologie der Stcinieit 785. Alteate
bcslimmbarc Sitze der Geriiuncn in Schleswi;;-Hnlitlcin, Mecklen*
huT^, Vorpommern und der Mark Brandenburg 786. Chronologie
der ältesten Ausbreitung von diefer Urheimat aus 78b.) . . .
8. Kellenhertcharc in Deutschland. % 53. <l.ehnwürtrr
787. Kntlehnun^ von Tertonennanicn 787, Entlehnung der
Anfanfisbeionung 78S.)
9. Di c Ausbreilune der Germanen in v urchrist-
licher Zeit. S S4-7Ö
s) Xordgermaoen, § 5^—57. (pytbeas 789. <(enu. Anrangs-
bctonung und Besiedlung Skadinaviens frühstens im 4. Jahrh.,
tpSteslens um 300 v. Chr. 790. Chronologie der Bron^e^eit 790,
Die Skadinavrier im 1. Jahrh. n, Chr. 790.)
h> Ostgeniianen (Hnsternen). % ^%
c) WeHteermanen. §59 — 65. (Beieiinng von Nordwesldeulsch-
land 791. Cimbri und Hetveiii [Teutone»], letztere zu Ausgang
des 2. Jahrh«. v. Chr. noch in Wüiliemberg und Raden 792.
Coeurs Kenntnis der helvetischen Wohnsitic 793. Cimbri 793.
Das böhmische Reich der Boji um 80 v. Chr. durch .Vnovisl
g«sltirit 793. Besetzung Böhmens duruh die Markomannen 794,
Ariovist übertcbceilet den Rhein 794.. Die kelt. und gemi.
Stimme am Oberrhein 793- t'olgcn der Niederlage Ariovists
795- Wohnsitze der Trihoci, Neraeics nnd Viingiune« 796.
Thnringiachc Sweben bis mm MiUelrhein 796. ITüpetes imd
Tenclcri am Niederrhein, von Caesar luräck gedrängt 797. Ubü
und Balavi 798. Kel lisch /germanische Grense um die Mitte des
I. Jahrhs. v. Chr. 798.)
d) Mischung der Cerinanen mit Kelten. 9 66—69. I^'»' se-
ringe KeMe uiTÜck|;cblie)>eneT Kellen, grusslentciU haben die
Kelten das nachmals gcrm. Land freiwillig gerlumt 79S. Be-
achieibung der Aoswandcrung der Ilelvetii 799. Kelt. Fluia*
nnd Ortsnamen, die auf -^/ji nicht kell, sondern germ. lk»o.)
e) Schluss (Caesar, Limes, germ. Soldaten im rümiichen Heer).
8 70
m. Die GirRU.\vi.si-HEN Sr.vMME
A. GrttpptrrNttg der grrmitms'hett SliTmmr-' Stimt Jrr Fragt.
I. Die Konstttnierung der Stimme. S 71—76. (Re>
lati» einheitliche <lru|}]>e der Urgermanen 803. Hirt» H>-pothe9e
von den bi« in die idg. Uiteit hinauTreichenden Völkemnmen
803. Bildung von KiniehiXmmcn infolge .\u* Wanderung oder
schwer passierbarer NAiurgren/en oder politiKhcr Verjünge 804.
Seile
780
782
■91
XIV Inhalt: xv, Ethn'ographik.
Seite
Kleinere Släinnie zu (;rÖsseren Gruppen (usammcDije sc blossen,
bei den Kelten 8os, bei den Germanen 806. RnckbiMung bei
Verfall eines Reiches 806. Stammesgrenzen 806. Stammes-
gegensütze und Stamm esbcu-ussts ein 807. Sprachgrenzen 808.) 803
2. Die Gesamtgruppierung der germanischen. Stäm-
™c- § 77 — 82, (Oslgemi,, nordgeim. und westgerm. Sprach-
gruppe, nordgerm. -*- weslgerm., nordgerm, -f- anglofries. Sprach-
gruppe 8oq. Ostgetm. Spracheinheil 810. Gesamlgruppienmg
der germ. StSmme nach Tacitus und Plinius 810. Vereinigung
der sprachlichen Gruppierung mit der historischen 81 [. West-
germ. Gruppe 812. Namen der ältesten Haupigruppen und Ta-
citus Germ. 2 812. Diese (truppen die ältesten politischen
Sonderbildungen S13. Amphiktyonieen 814.) 809
S, Ost' und A'oriiffi'fttmn'U.
Ost- und Xordgermanen, §83—86. [Verwandtschaft
der nordgerm. Sprache mit der ostgerm. und weslgerm. 8 15.
Übereinstimmungen der ostgerm. und nordgerm. Lautentwicklung,
Wortbildung und des Wortschatzes 816. Ostgerm. und nord-
germ, Stammesnameu 817. Fragliche Einheitlichkeil der nord-
germ. Gruppe 818. Got, Stammsage, Verfassung, Recht, Haus-
bau 819.) 813
1. Ostgermanen. § 87 — 101. (Fragl iche Einheitlichkeit
der ostgerm, Gruppe 819. Zeugnisse für die ostgerm. Giuppe
820. Gesamtname Vandili für diese Gruppe 820. Gotische^
Völker bis zur Mitte, des l. Jahrtausends n. Chr. 821. Sprach-
liche Übereinstimmungen der ostgerm. Mundarten 821.I , . . 819
a) Basternen. § 92 823
b) Lugii >• Vandali, § 93—94 823
c) Burgunden. § 95 824
d) Goten. § g6 — qS, (Greulungi, Taifali, Gcpiden 826.) . , 825
e) Rugii, § 99 827
f) Turcilingi. § 100 827
g) Sein. 6} 101 827
2. Xordgermanen. § 102 — 120, (Sprachliche Gruppierung
828. Hilleviones 828, Ost- und wcstnordische Dialektgruppe
S28. Schlüsse von der Sprache auf die ältesten cthnt^raphischen
Verhältnisse 829. TeiUiämme nach Tac, Ptol. und Jordanes 830.) 827
al Schweden, § 105—108. (Stammland 831. Xördliches und
östliches Kolonisalionsgebiet 831. Waräjier 832. Spätere poli-
tische Gescliichie 832.) . . . . : 83:
b) Gauten. § 109 833
c) ICruli. {) 1:0 833
d) D;inen. Jj iii — 115, (Siammland Withesleih 836. Die 51-
test<.ii Runen in Schriften ;ius Schleswig, Jütland und Künen nicht
nordisch sondern anglofriesisch 836. Jütland 836,^ Schleswig
837. .SpHiere polili^che Geschichte 837. Danen in England 837,
Dänen in der Normandie 838, Normannen in Unterilalien 839,) f<35
e) Norwe4;er und Isländer. § 1 16 — 1 20. ^Stammland 839.
Xördliches und ustlichcs Kolonisalionsgebiet 840. Spätere poli-
tische Geschichte S40. Shelland-Inseln, Orkney-Inseln, Hebriden
840, Irland 840, Fiiröer und Island 84 1 . Grönland 842.
Vinland 842.) -^^t^
C, Anglofrit'Sfii.
A nglofriesen. S 121 — 122. (Anglofriesische .Spracheinheit
843. Die Spracheinheit führt auf vorchrisllichc Zeit zurück 843.
Ingwiaiwcn 843.) 842
Inhalt: xv. Ethnographie. XV
Seite
I. Friesen. § 133— 138. (Friesuche Mundarten 847.) . . 845
Noidfrieseo (Sprache und hiitorische Zeugnisse), g 128 . . 848
3, ADgelsachsen, § 129 — 14t.
Angelsachsen (Xerthus-Völker). § 129 850
a) Varini. § 130 851
b) Angeln. § 131 — 134- (Angela in Schleswig und bis Fttoen
852, Die Ayyeiloi bei Ptolemaios 853. Angeln am Niederrhein
854. Angeln in England, Teilstämme 834. Besiedlung von
England 855. Vereinigung der engtischen Staaten 855.) . , . 852
c) Euten. § 135 856
d) Chauci und Sachsen. % 136 — 141. (Sachsen in Holstein um
Chr. Geb. 857. Chauci S58. Die Chauci in den Sachsen auf-
gegangen 859. Lilus Saxonicum, Übersiedlang nach England 859.) 857
Z>. Dil- deutschen Sathsen,
IdentitSt der englischen und deutschen Sachsen und sprach-
licher Abstand. §142 860
Anglofrs. Elemente in der niederdeutschen Sprache. § 143 — 147.
(in den altsichs. Sprachdenkmälern 861. Geographische Ver-
teilung 863. Merseburger Glossen 863. Urkundliche Eigen-
namen 863. Lokalisiciung des o vor Nasal |> o, des Schwundes
von H vor/ mit Hrsatzdehnung ^64i der Mouillierung; unil Assi-
bilierung eines k und der Meiathesis 865. Die Herkunft der
anglofrs. Elemente ist nicht geographisch /u bestimmen sondern
sozial, anglofrs. Adelsgeschlechter 866.) 861
Die eingeborene Bevölkerung des Sachsenlandes. § 148 — 151.
(Die SachsL-n als Eroberer, die finj^cborene Bevölkeiung nicht
sächiiischcr Herkunft 866. Laiigubarden, Cherusci, Amsivarii 867,
Chasuarii, Salii, Chamavii, Chattuarii, Angrivarü 868, Bnideri,
Boructuarii, Amsivnrii, Hessen 869. Zusammenfassi.ng 869.
Thüringer, Nordlhüringgau, Nordschwaben. O-tfalen 870.1 . . 866
Teilstämme und Mundarten. § 152 — 153, (Westfalen, Engern
Ostfalen und Nonlalbinger 870. Gruppierung der heutigen ndd.
Mundarien 87 t. Fränkische Spuren in westfälischen Mund
arien 872.) 870
Das Herzogtum Sachsen, § '54—155. l Unterwerfung durch
die Franken und Aufgehen in dem deutschen Volke 872.
Grenien 873.) 872
Kolonisation von Xoniosideutschland. § 15') 873
E. Franken.
Franken, t; 157 — 164. ( Verwundtschaftsverhältnis der fran-
kischen Mundanen zu den thüringischen und oberdeutschen 876.
Zeugnisse für die Zusammengehörigkeit der fiänkischen Stimme
für die Z it um ('hr. Geb. [Uatiivi, Canninefateü, M.iiti.ici, Chat-
tuarii, Marsacij 876. Istraiwen 877. Der Xanie Pranken bei
PoseidQnius > Cicero, Erklajung seines Aufkommens 55 — 33
V. Chr. 878. Ursprung der Franken nach t'rokopios und frän-
kisches Stammland 879. Franken auf der romischen Weltkarte
880. Übertragung des Frankennamens auf alle istraiwischen
Siämme 881.I 874
1, Romanisierte fränkische Stämme. 5 165 — 170.
a) Balavi. § 166 — 167. (Baiavi 882. Romanisierung 883.) . . S82
b) Sugambri > ("ugcrni. S 168 884
c) Ubii. § 169 884
d) Mattiaci. § 170 885
2. Niederfranken, tj 171-191.
a) Salii, § 171 — 174. iSalhind 881j. Besetzung der B.itavia
XVI Inhalt: xv. Ethxographie.
Seite
und Toxandria 886. Ausbreitung bis zur heutigen flämisch/
franzüsischen Sprachgrenze 886, Die kleinen fränkischen König-
reiche und Chlodwig 887. Das grossfränkische Reich 888.) . 88^
b) Cham;ivi. § 175 — 177. (Alteste Wohnsitze, Hamaland 889.
Ausbreitung über die Veluwe, Vertreibung aus dem sächs.
HaniaUnd und aus Toxandria 890. Ausbreitung an der Maas und
die dortige Mundart 890.) 88ft
c) Mnrsaci und Sturii. § 178 89I
d) Cannenefates. § 179 89I
! e) Falchovarii. § 180 89»
f) Chattuarü. § 181— 184. (Beziehungen zu den Chatten 892.
I Stammland die Velmve 893, pagus Hattuariensis 894. Mundart 894,) 892
I g) Niederländische Kolonisation von Nordostdeutscbland, § 185
1 — 191. (Begründung eines deutschen Volkstums im Osten 895.
'■ Kolonisation der Weser- und Elbmarschon 896. Kolonisation der
I Billungischen Mark 896. Niederfränkische Elemente in den Küsten-
I mundarten von Kiel bis Usedom 896. Kolonisation der Altmark,
östlich der unteren Saale und der Mark Brandcnbuig 897, Orts-
namen 897, niederfränkische Mundart in der Mark Brandenburg
und an der mittleren Elbe 898. Kolonisation der Oderufer 899.
Kolonisation an der unteren Weichsel und Östlicher 899. Kolo-
f nisation Wcsiprcusscns vmd des Netzedistrikts 900. Sporadische
! niederländische Ansiedhmgen in der goldenen Aue, bei Naumburg,
J bis Altenburg, in Meissen, südlich dos Fläming 900 und in Schlc-
I sien 901.) 894,
3. Ripwarische Franken. § 192 — 199.
Ripuarii. § 192 — 193. (Sprachliches 901, Ripwarisches König-
reich, Rfifetscheid 901. Ausbreitung des Reiches 902. Besetzung
, der Hnksrhcinischen Rheinprovinz und Vereinigxmg der kleineren
j Stämme zu der ripwarischen civitas 902.) 90I
i a) Bructeri. § 194 — 195 (um Chr. Geb. 903. Sturz des Reiches
, im J. 98 n. Chr. 903. Bructeri am Rhein im 4. Jahrh. Borahtra.
I Boructiiarü 904.) 90J
I b) Tencteri. {» 196 9O4
J cj Amsivarii. § 197 — 198. (Stammland Emsgau 905. Wanderung
an den Rhein 905. Spätere Geschichte 906,) 905
d) Marsi. § 199 906
4. Moselfrankcn. IJ 200 — 204.
Moselfranken (Sprachliches, Herkunft, Besetzung der Moselland-
schaft durch die Ripuarii). § 200 908
a) Cbasuarii. § 200 909
b) Tubantes. § 202 910
c) Usipi. § 203 910
d) Die Siebcubürger Sachsen. § 204 9ll
5. Chatten. § 205 — 209, (Zugehörigkeit zu den Franken 912.
Älteste Wohnsitze 913, Kämpfe gqjcn Rom bis um 400 914.
Spätere Schicksale 9 1 5. Hassegau 915. Hessen 915, Mundart
916. Sprachliche Gleichsetzung von Chaiii und Hessen 916.) . 916
6. Khcinfranken und Ostfranken. § 210 — 212. (Mund-
arten 917. Francia Rinensis beim Geographen von Ravenna 917.
Chlodwig imd die fränkische Besiedlung der Mainlandschaft 917.
Ortsnamen auf -ingen und -hrim 918. Moinwinidi, Kolonisation
Oberfrankens und des Vogtlands 918,) 916
F. Sivfbisdie SU'imme.
Swebische Stämme. (§ 213 — 217. (Sweben im engeren und
im weiteren Sinne des Wortes 919, StrabOn 919, Tacilus 920,
/
Inhalt: xv. Ethnographie. XVII
Seilt
Ptolemaios 921, DiOn Knssios 921. Absonderung der swcbischcn
Einzclstümmo von dem Kernvolk der Semnen 922, Grössfre und
kleinere Süimme 923. Erminen 923. Sprachcinhoit der swebischen
Siäniine: 925, hochdcMlsche Laulvcrschicbnnn 926.) 918
1. Semnen >. Alamannen, § 218 — 223,
a) Semnen. § 218 — 220. (Atteste Wohnsitze, Preisgabe der Alt-
mark im J. 5 n. Chr. 927, seitdem Östlich der Elbe 928. Aiis-
wandenmg 930,) 917
b) Alamannen. § 221 — 223. (Herkunft von den Semnen, Aus-
hreituDg nach dem Main um 200 93 t. Eroberung von Südwcst-
deutschland 932. Unterwerfung durch die Fnnken 932. Alaman-
nische Gaustämme, luthungi und Sweben 933 ) 930
2. Sweben, § 224 — 227. [Die Sweben Caesars 934. Ihre
Auswanderung nach Böhmen unter Maroboduus 936. Die Sweben
des Vannius 936. Ansiedlung in Pannonien 937. Auswanderung
an den Neckar und Verscbmelzung mit den Alamannen 938.
Sweben in Spanien 938.) 934
3. Hermunduri ;> Thüringer. § 228 — 237.
a) Hermunduri. § 228—231. (Konstituierung nach dem Abzug
der Main-Sweben 939, \Vohnsitzc 940. Spätcrc Schicksale in
der Heimat imd an der Donau 941.) 938
bi Thüringer (Identität mit den Hermunduri, Ausbreitung, Sturz
des thüringischen Reichs). § 232—233 942
c) Osiniilteideutsche. § 234 — 237. (zwischen Saale und Elbe 943.
LaiL<iitz 943. Schlesien, Posen, Ermland, N'ordungarn 944. lliib-
men 944.) 942
4. Markomannen^ Baiern. § 238 — 740.
a) Markomannen. § 238 945
b) Baiem. § 239 947
c) Österreicher, g 240 947
5. Quadi. § 24[ 948
6. Langobarden, g 242 — 243. (Banlcngau, Preisgabe des-
selben im J. 5 n. Chr. 949. Auswanderung aus dem Laiienlmrgi-
sehen nnth Vngarn im 2. Jahrh, und spätere Geschichte 950.). . 948
SACHREGISTER 951-995
VERZEICHNIS DER KARTEN.
Karlo 1. Galli und Gcrm.ini im J. 58 v, Chr. niiih Cacs-ir /wischi-n den Siitrn 706 und 797
Kam- II. Skadinawien im II. bis 13. Jahrhundfri . . - • 830 > 831
Karte III. Xordwcst-DfuLschland i. J. 13 v. Chr.
Karle IV. Nnnlwesl-Deutsthland il — lO n. Chr.. .
Karte V, Nordwest- Deutschland am Ausgang des I . Jahr- * ■- 868 » 869
hunderts n. Chr. (Tatitns Ctennania) ....
Karle VI. Die fränkisch (-11 Gaue
VIIT. ABSCHNITT.
WIRTSCHAFT
VON
KARL THEODOR VON INAMA-STERNEGG.
AUecmcine Utcntur: a) deutsche: F. C. Fischer, GtieAüMte des dtuUcMm
Handfh, dfr Schiffahrt, Erfindungfn, KSnsU und Cfo-rrbr. 4 Tic. 1785 — 9a.
t, Aufl. 1 793 — 97- V, G (I I icb , tJttchühtlichr thtntrllwtg des HanJfls. dfr
(!*trerf>f mW d^i Actrrbaurs. l8jo. K. TL. von Ii)am»>Slvrnt-g|;, tifutscke
M'irtuhafligrichiihU. I 1879. II l8qi. K. I.nmprcfht, lieulirhrs Wtrlschofts-
Ubfn im AtitUhilUr. } Bde. iSSfi. F.. <'nilht>in, H\rtithafligri<hifhlc dri
ScMirarzwa/i/i und dfr aitgrfttutndfn Lntidichafien. I. 1*^92. W. Iloschcr«
AnsUhtm der Volksretrhchafl '.-om ^schkkUichfn Stindpunkif. 1861. K. Bücher.
Entstehung drr l'olkm-irtstha/t. 1895. R. HilUcbrniKl, /frvkl und Sitte auf
den x^eriehiedenen xcirfw^e/tliehen NuUurshtfen. 1. 1896. E. G^'tzingcr, Heal'
iexthon der detflsfhcH Altertümer, 1881. Müllcnhofr, Deutsche Alterlumiltunde.
l— IV. 1870—1891. G. L. V. Maurer, Binieitung *. Ueuh. J. Mnrle-. Ho/-. Dorf-
und Sitidi- Verfassung. 1854. Ders., Gesch. d. htarki-erfassung. 1857. Gesch.
d. fronhSfe. 4 B<1«. 1863 T. Gesch. d. /}or/7rer/(UsuHg. 2 Bde. 1865 f. Gesch.
d. Stadtferfnssun^. 4 Bile. iHt^-~7i. t.ion Vaoderlcindcrc, Le siicie det
ArtrrfUe. 1879. AusMrdcra die Schriften über Verfossungigtschichte y<ax G, Waitz,
H. V. Sybel, R. Sobm. v. Daniels. W. Sickel, A. Kluit (ItoUand); Ober
Rechtsgtschiihtt von Kichhorti. Zöpfl. Walter, Scobb?, Siej;el. Bruniier.
Schröder. Oierkc, ücn|;ler. ficuftler, («. F. v. Buni;<- (Kttlilund. Livlacd u.
Kurland), Warnkönig (Fbndcni), Schuler %'. I,i)ili>y (Sk'benbür^n). TliiMlichuni
(Weitcrau). Scibcrt^ (Westfalen). Gtnglc [ (Bakm(, Chabcrt. A. Hiiber. v. l.ti-
fcbiD. Bncbntann, Weriinski (Östcrrcith i. Bliinicr jSchwri/), BlunUcbli
(2öricb), Sattler (Bvm). Scjjesscr (Lti^crn); und iiljcr nllgemnne Geichichte von
Arnold, Nitxsch, Otcsebrecht, Dahn, Kaufmann. Lamprccht. Gerde»,
Jansseo.
b) ESGLISCHI".! J. Th. R«i(;er*, A htslory of ogrüuiture anJ früet tn Ettg^
fand. 1— VI. I8(»6— 1888. Drri., Si.v Cenluries 0/ -a-ttrk nnd xt-aget. 1884.
Deutsche Üliertetzut^ 189C Der»., Thf /ndustrial arid tommercial liistory ef
Engiand 1893. W. CuDningham, The Gnui-th nf EngUsh Industty and i'cm-
mercr in Ihr Enrly and A/iddle Ages. 1890, Deta. und Mi&s McArtbur E. A.
Ouilinn fif Engli.ih indu.\liiol hCitoiy. 1895. W. J. Asbicy, On introJitituin
ta Engtüh Etonnmic Jliitory. I. 11. 1893. Dcuuwhe Üliericl/ung von Oppt-n-
beini. 1896. It. de B. (1 ihbins, /ndtutry in England, /fttlorü-al ouliines. 189&.
OchcDkow&ki. EngUinds wirliihofttithe Entvickeluag im Ausgang des MitieU
alUn. 1879. Auücrdcnnlic Schrillen über yer/assungsgcwkichle vaa W. Stubbs,
Cncfiit, 'ratwcli-Laafrmcad; {ibct KechtsgL-sthichtf yon Phillips. K. Scbmid.
Lodgc. Reev«s. Crabb. Mathcw Haie und über ailgemeiue Oesckichtr von
J, M. Lappcnberjt und K. I*n«li. J. P. Vcatman, Green. Kri'iidr, Airy,
Pcarion. ttallnm.
Gcrnuinhcht IHitloluielr III. '.'.Aufl.
I
2 VIII. Wirtschaft, i. Ausbau des Landes. Soziale Ordnukg.
c) SKANDINAVISCHE: P. A. Munch, Det Norskt Falks Historie. 6 Bde. 1851
— 1859- Die ersten Abschnitte ii, d. T. Die nordisch-germanischen Völker, ihre
ältesten Heimat-Sitte, H'anderzüge und Zustände^ übcrs. von Claussen. 1853.
Teilweise Obcrsetzunn des 3. u. 4. Absch. u, d. T. Das heroische Zeitalter der
nordisch -germanischen Völker und die Wikingerzüge. 1854. Weinhold, Ältnor-
dis.-ftrs l^brn. 1856. Ausserdem die Schriften über dänische Rechtsgeschichte von
Stemaii, Kolderup- Rosenvinge, Larscn, über schwedische -und norwe-
gische Rechtsgeschichte von J. J. Nordstrom, Chr. Naumann, R. Kcyser,
Fr. Brandt, L. M. B. Aubert, K. Maurer, K. Lehmann, K, v. Amira
und über allgemeine dänische Geschichte von Suhm, C. F. Allen, C. F. Dafal-
mann, über schwedische Geschichte von Swen-Lagerbring, E. G. Gcijer und
F. F. Carlson, Sirinnholm, Reuterdahl, über norwegische Geschichte von
Dahlmann, Munch, Sars, K. Maurer (Island).
I. AUSBAU DES LANDES, SOZIALE ORDNUNG.
August Meltzen, Siedelung und Agrancesen der \V'estgerm.anen und Ost-
germanen, der Kelten, Römer, Finnen und Slaven. 3 Bde. mit Atlas. 1895.
Arnold, Ansiedelungen und Wanderungen. 1876. Kämmel, Die Anfänge
deutschen Lebens in Österreich. 1879. E. Th. Gaupp, Die germanischen An-
siedelungen und Landteilungen. 1844. K. D. Hüllmann, Geschichte des Ur-
sprungs der Stände in Deutschland. 2. Aufl. 1830. P, Roth, Geschichte des
Heneficialviesens. 1850. Feudalität und Unierihancnverband. 1863. G. Landau,
Die Territorien. 1854. Dcnman Ross, The early history of land holding among
thc Gcrmans. 1883.
:ie die Germanen in der Zeit, in welcher sie zuerst mit den Römern
in Berührung kamen, nach Stämmen und Geschleciitem im Heere
geordnet waren, so vollzog sich auch die Besiedelung des Landes zu-
nächst in diesen auf Verwandtschaft beruhenden Abteilungen.
Die Geschlechter besiedelten die Gaue, innerhalb derselben bildeten die
Sippen die einzelnen Marken, die Familien die Anfänge der Dorfgemeinden,
bald in zerstreuten Hofansiedelungen, bald in geschlossenerem Zusammen-
hang ihrer Wohnsitze, wie es ihre Volkszahl und die Natur des Landes,
W(jhl auch der Grad der Sicherheit und nationale Gewöhnung verschieden
erheischte. Städte aber hassten die Deutschen als das Grab der Freiheit;
selbst wohlgebaute Römerstädte, welche in ihre Hände fielen, zerstörten sie
und siedelten sich ausserhalb ihrer Mauern an.
Der erste Ausbau des Landes war unter solchen Umständen weiUäufig
genug. Zwischen den Ländereien, welche die einzelnen Familien eines
Geschlechtes unter sich aufteilten, blieb reichlich gemeines Land übrig, als
unverteilter Besitz der Sippen und Geschlechter ihre gemeine Mark bildend»
an der jedem Genossen gleiches Nutzungsrecht zustand; die weiten Wald-
gebiete, welche nicht als Allmende der Gaue und Markgenossenschaften
dienten, galten als Volksland, später als Künigsgut, ebenso sehr von Bedeu-
timg als schützendes Grenzgebiet gegen benachbarte Völker wie als breites
Hinterland für eine heranwachsende Volksmenge und für die Ökonomische
Stärkung der königlichen Gewalt.
Die Landverteilungen leiteten die Obrigkeiten des Stammes und Ge-
schlechtes kraft ihrer Autorität und ihres militärischen Befehls, wohl aber
immer unter Beratung und Zustimmung der Volks- und Waffengenossen.
Allgemeine Grundsätze haben sich wenigstens im Verlaufe der Zeit darüber
ausgebildet; die Stammesrechte jener Völker, welche sich im Bereiche der
römischen Provinzen festsetzten, enthalten feste Nonnen für die Auseinander-
setzung der gennanischcn Einwanderer mit den unterworfenen Provinzialen,
wobei natürlich die ersteren weitaus bevorzugt wurden. Innerhalb des Ge-
schlechts ist die Zuteilung eines Looses an jeden eigenberechtigten freien
Deltschk Verhältnisse.
Mann das ordnende Prinzip; doch bewirkt der bereits im Heere bestellende
A<)/ialc Unterschied auch eine vprsrhicdene Behnndlung bd der Landteilung.
Nicht absolute Gleichheit des Ackerloses, sondern verlallnismüssige Gleich-
heil nach Massgabc der gesellschaftlichen Geltung der Genossen ist für die
L.indm Weisung ma.sjigchend.
Mit der /.unehmeiiden Festigkeit der Aosicdeluagen brachte es die natür-
liche Vermehrung der Rrvölkt-ning wie die Zuwandening ortsfremder Elemente
mit sich, dass die Markj;i-nos^ci»i>t haften immer mehr ihren familiciihafton
Charakter verloren. Ebcn.s<i entstand dun-h Neubruch in der gemeinen Mark
imd durch Ausweitung der ursprünglicJien Loosc ein nicht durdi das Familien-
erbrecht gebundener Grundbesitz. Dadurch erhielten die Thatsachen des
nachbarlichen Zusammen wohnen s imd der gemeinsamen Nuiziuig der Mark
ein Übergewicht über die Thatsachc des verwandisi hafüichen Zusammen-
hang«; der Markgenossen: die Nachbarschaft tritt an die Stelle der Verwandt-
scliaft Damit aber verflüchtigten sich auch immer mehr die sozialen Funk-
tionen, welche der Geschlechtsverband ausüben konnte, so lange er das
Leben der Markgenossen allein beherrschte: Vicineneri>recht. Beisprurhsrecht
(Marktosung), Vormundschaft der Sippe, Aufnahme von Genossen u. a.
Die Narhbarr^chaft beschrSnku- ihre Wirksamkeit immer aussrhlitssl icher
auf Pflege der Örtlichen wirtscliafüichen Interessen, besonders der geraein-
samen Nutzung der Mark. Die öffentlich-rechtlichen Funktionen der Rechts-
pflege, des Fleerbann« und der Abgaben werden zunächst von der Mundert-
schaft und dem Gau, mit Au>bildung der königlichen Gewalt, welche schon
in der Zeit des salischcn Volk-srechts die Exekutive an sich gezogen hatte,
immer ausschliesslicher von den Grafen als den Beamten des Künig* unter
Mitwirkung des Volkes ausgeübt.
Die ständische Gliederung des Volkes ist bei den alten Germanen noch
«elir einf.ich. Die auf der Gemeinschaft des Blutes und der Abstammung
berulK-nile Sip[:>e war nicht nur chic Grundform des gesellschaftlichen Lcbats,
sondern aucJ» die Vorausscixung fOr gescü-Hchaftlichc Geltung im \'olkc.
VoHfrei war nur der Freigeborenc; er allein war Volksgenosse wie nur er
Sij^pengenoss war. Der Stand der Vollfreien war der Kern des Vtilkes,
rechtlich und wirtschaftlich: ihm allein kamen öffentliche Rechte in der
Volksversammlung, im Volksgerichtc und im Heere zu, wie er allein Ober
das verteilte Laml unti die Knechte zu eignem Recht verfügte. Die Sippe
schützte jeden einzehien Genf>wen in seinem Re^lii«*. seiner Freiheil und
in seinem Okononüschen Interesse gegenObcr jedem Feind und vertrat als
Rcthtsgemcinschaft im Ganzen den Stand der Volksfreiheit und seine Rechte
gegcndber der öffentlichen Gewalt Iimerhalb des Standes der Voltfrcicn
war der wenig zahlreiche Adel eine mehr durch Ehrcnvorzßge als durcli
besondere Re« hic ausgcKcichnete Klasse; aber als Gcschlechtsadcl mit gn.u>scm
Besiu und herrschaftlichen Lebensgewohnheiten war er d«xh von der Masse
der Freien sozial scharf uuler^iicdcn. Die Unfreien hatten keinen Teil an
der Volksgcnosscnschaft, daher auch keine Sippe im Rechtssinn ; der Herr
vtriü^ ttber sie in jeder Hinweht, (ibcr Leben und Ted, Aufenlhah und
Best-hafligung. Ehe und Kinder, Die Unfreiheit ist also vielmehr ein Zustand
als em Stand; es gibt kein Standesre«'hi und keine soziale (ieinmg der
Unfreien. Doch shid schon m tacitetscher Zeit zwei Klassen ^im Unfreien
zu unterscheiden: Knechte im Hanse des Herrn nach Sklavenart gehalten
und solche, die vric Kolonen auf Landgüter gesetzt. Feldbau und Viehzucht
für den Herrn trcfl>en; «lii-se letzteren sind von Anfang an in besserer
Lebenslage. Als eine Zwischenstufe zwi.st:hcn Freiheit und Knechtschaft,
4 VIII. Wirtschaft, i. Ausbau des Landes. So/.iAi.r c tRnNiNt;.
über doch im Wesentlichen als Unfreie erschdnen bei den niederdeutschen
Stamnirn T-iteii, bei l^ngolwrcleji und Baieni Aldicn, denen in der Hiiupt-
sa< he tue Kreipelassenen gleich gehidten werden. Audi sie sind, wie die
Ünfreirn, auf unterw-t.'rfcne Bcvt'lkcrungcn icurüL-kzufrthren: sie sind zumeist
im gesicherten IJcsitz von ZinsgiUeni, geniessen V'ennügens- und P'aniilien-
reelitc, aber sie sind an die Schullc gebunden und stehen unter dem Schutze
und der VRrtretung ilirc.»i Herni. Der Zahl nach Oberwiegen in rein deulsirlicn
Gebieten zweifellus l.nnge Zeit die Freien: «■" sicli ilie neiusrhen mit einer
unterworfenen Bevölkerung auseinandersetzten, ist diese in ein V'crhahnis
minderer Freiheit gesetzt, dem sich auch die Unfreien alsbald näherten, sn
dass dadurch eine vielfach abgeätuftc soziale Gliederung in Uten, Frcigelassnc
und Unfreie sich ergab; in solchen Gegenden tri« dann wi-hl mich i>;ilil (-in
numerisches Ül>ergewic]il der nicht vullfrcien Klassen auf.
Eine Verschiebung dieser ständischen Ordnung trat schnn in iler vor-
karolingischen Zeit durch die Verandenmg der öffentlichen GewaU wie durcli
die Ausbildung der Grundbesilz Verhältnisse ein. In dem Masse, in wehhera
sich die küniglichc Gewalt an die Stelle der Vnlksgewalt in Geriebt und
Polizei, insbesundere aber auch in den Angelegenheiten des Heeres und der
Finanzen setzte und dazu eigne zentrale Vera-Jiltnngsnrgane ausbihletc, ent-
staitd aucl) ein neuer I^ienstadel, teils durch Eintritt des allen Gcschlechts-
adets in ilic tmstis regia, teils durch Besetzung der kr-niglichen Bfanitcii-
Stellen mit Dienstmannen des Königs. Und daneben bildete sich unter dem
unmittelbaren Schutz der küniglidieu Gewalt auch eine neue bevorzugte
Klasse unfreier Leute in den homines fiscala, den auf kAniglichen D<im.1nen
(fisci) angesiedelten Uten und Knechten, aus.
Ancle^seit^; gelangten die Bistümer und Stifter durch reiche Schenkungen
und Vermachtnisse :lu.s dem Künigsgute sowie aus dem Vermögen wohl-
habender Familien und selbst einfacher Leute frühzeitig zu grossem Gnmd-
besilzc und damit zugleich zur Herrschaft über zahlreiche Unfreie und Halb-
freie; nntl eben.*i erhoben si<-h liie Manner «ie« königlichen Gef'ilgcs, insbe-
sondere aber die Würdenträger und b'''>heren Beamten durch k<""iniglic!ie
Beneflzien. durch Erbgang, Rodung luid Kauf zu grossen Grundherrn und
damit auf eine hfVhere soziale Stufe und bildeten .illmühlich einen neuen
Add, wflhrend der alle Gcschlechtsadel teils .lusstarb, teils in diesen Dienst-
adel überging- Diese geistliithen und weltlichen Grumlht'iTn ziehen alsbal<l
die mit kleinem Besitze ausgestatteten Gemeinfreien in den Bannkreis ihrer
Macht. Mit iiirer wirtschaftlichen und sozialen Überlegenheit üben sie vor
allem innerhalb der Markgenossenschaft einen bestimmenden Kinflu!« auf die
übrigen Genossen aus und gelangen nu zu einer führenden Rolle in der
Markgenossenschaft, übernehmen die Funktionen derselben, wie den st>zialen
und wirtschaftlichen Schutz der Markgenossen. Spätestens seit dem ö. Jahr-
hundert gewinnt das .Seniomt eine rasche und allgemeine Verbreitung; die
kleinen Freien wenlen diulurch zunächst in bezug aiif den lleerdienst, bald
auch in bezug auf RechLssehutz. Fried cnsbcwahning und wirt.scha Etliche Inter-
essen den grassen tirundherm ihres Gaues untergevirtlnet; diese ftl>eniehmen
die den kleinen Freie« immer schwerer fallenden leisten des Heerbannes
und der Gerichtsfolgc, .sie bieten deren Wii-tschaftsfübrung die fchlL*n<ic irntcr-
stülznng, indem sie die freien Hufen dci"selben dem Verband ihrer eignen
grossen Domanial Wirtschaft angliedern — alles um den Preis der Ei-gebung
der Freien in ihren Dienst (Kommendation) und der Auftragung ihres Eigen-
tums, das sie als Nutzbesitz wieder zurückerlialten , (freie Hi]itersa.ssen}.
Landk&cn Freien, wie sie mit zunehmendem Ausbau des Stamralandes immer
DEUTSCHI- VERHXtT>1.<y;E.
häufiger weitlen. gclMin sie in almltdier Wusc* Biriitfiziulj^üter und Zinsi^ülot
und bilden sich so einen stetig wai'hsenden Krpiü vku abhlingigvn Leuten.
Ebenso werden diese gmsscn Gruiidhcrm aber auch thaiig itn Dienste der
X^ideslcultur; von ihnen vonirhnili< li c<?ht die kdlonisatumrhe TliJUiiikeil im
Lniide aus; den Kreis ihrer HOrij-en und Unfreien vermehren sie ebens«'»
wie ilen Kreis ihrer Schutzleute und Ziii-spflichtigen.
Der auf sxkhe Weise best.1ndig steigenden likfmomischen und suzi.-den
Madit der Grtmdhemi stand eine stetig abnehmende Widerstandskraft Uui
kleinen Freien gegennl>cr: die alhnllhhrhe Aufsaugung der letztereji war das
notwendige Ergebnis. D'Kh war dieser Verlust der ahgemianisrhen Freiheil
bei den verflnderien ]i^)litisilien \Vrh;iltnis»en und bei den Ansprüchen einer
gesteigerten wirtschafiüihen Kultur unvemieidlieh. Die grosse Grundherr-
S(*liuft biUlete eine absolut bessere «'irt^ehaftliche Organisation und eine
wesentlich leistungsfAhigere Uniert;ige fOr die DurrbfOhning der ftffentlirhen
Vcrw'.dtung aus. Au«h tlie Mafst* der Bevölkerung fimd sich schlies,sti<li bei
dieser V'rrflnderung ihrer wirtschjiftlichen Lage nicht benachteiligt; in dem
Verbände der GrumHierrschuft v^iirdc der ehemalige KnHe von den Lasten
des Heerbanns und des Gerichts* lim stes befreit, welche für ihn uner>M-liwing-
Hch geworden waren; die winschaftlirhen Opfer und persr.nhchen Dienste,
welche ei auf ^ich nehmen mussle. wurden reiclitich dadurch aufgew(<gcn,
dass er nun in der (innulherrsrhaft einem .grösseren Änrts*-liaftlichen Or*;a-
nlxmus eingegliedert vnirde, der ihm mannigfachen Gewinn und stete SicJier-
hcit seiner Existcnx verbürgte.
Duwh die beiden Hauptfaktnrrn der grundherrlichen Entwickehmg, die
Auvst^iltung der Grund he rrsrhaft mit wichtigen Funktionen der nffentliclien
Grwult und die F,inori.liuinK der kleingnm(il)csitzen<k-n Freien in <leii On^a-
nininus der GrumllierrscJiaft ist auch die alte Institution der Markgeiiossen-
sehaft v>iii Gnnid aus geändert worden. OViereigentum an den Bauenigilteni
tmd Vertretung der Schutzleute tuid Grundholdcn vor Gericht hal«tn den
Grundherrn KunScIist /um meistberecbtigten. bald auch Kum dominierenden
Markcr in <ler Genossenschaft geniatht: Eigentum an der Allmende und
lmmunh.1i. welche er sich \*iclfarh daxu erwarb, haben die Möglichkeit ge-
geben, die Markgen« issensi'huft als eigentlichen Herrschaftsbereich des Grund-
herrn einer neuen wirtschaftlichen Ordnung zu unterwerfen; volle Ausschei-
dung aus dem Grafsc'haftssprengel (emunitas integra) schuf die Grimdlage
für die Ausbildung selbständiger rechtlicher Ordnung der Verhältnisse. Die
Gerichts- wie dip l'nlizt'igewah, welche ehe<lein autonom von der (iauge-
no->sensi.haft gcvibl war, wurde damit dem grund herrschaftlichen Svslcm
übenuiiworiet; ebenso aber war nun eine neue Ordnung der privatwirtschaft-
Uchen Angelegenheiten der Markgeni»ssen durch den Grundherrn möglich;
der Grundherr zeigte seinen Bimeni eine eigne gemeine Mark aus. und
bestimmte in derselben das .Mass ihrer Nutzungen wie ihrer autonomen
Befugnisse.
Gmsse Unterschiede reigl allerrlings diese F.ntwickelung des grundherr-
Ifcben System»; es ist weniger im Norden und l>*tcn, mehr im Süden und
Wcsteti Deuischkmds ausgebildet; aber die Elemente desselben finden sich
doch allenthalben.
Mit tlieser schrittweisen KnAvittTung dtrs Besitzes der Grundherrn entstand
das Heflürfnis nach C,)rganisatii.n und Gliiilenmg eines so au-sgedelmten
Wirtschaftsbetriebcs; durch die Vereinigung von i'iffentl icher Gewalt in den
Händen <Ier Gnmdhemi und die ItiMung grundhcrrlicher Markgenossen-
schaften, schlie-sslii h dunh die .^tlsbildung des Hofrechts war die Organisa-
6 VIII- Wirtschaft, i. Ausbau des Landes. Soziale Ordnung.
li'>n tler Offeiitlkhcri Verwaltung iniicrhiilb Ocr GnmdliL-rrscluift Bedürfnis
gewcmlL'n. Da.s niarbtc eine Beanitenorganisatioii iiolwendip, stiwoh] für den
öffenilit hen Dienst, wie für die WiitschaftsfOhmng und die Pflege der grund-
hcrrlichen Finanzen. Aus den vcrsciiicdcncn Klassen der Unfreien, Grurid-
Ii«:>tden und S<hutzhörigcn ;irbeiti>icn sich die Bi^amtcn und Funktionäre der
gruiidhcrrliclien Gewalt empor. Die Heeresfnige und der üffentüthe Dienst^
welchen die Grundherren dem Rciehe gegenüber übeniommen hatten, l'ülirte
ebenso zur Ausbildung einer eigenen Klasse von reisigen Bediensteten (Ritter);
diese beiden Kategorien von Dicnstmünncm schlössen sich allmJlhiich zu fincm
Stande (MinisierialitÄt) zusammen, dem vermuge seiner besonderen Leistungen
eine suzial und wirLschafÜich he-sscre Stelhing und vermöge des cigcnctt
Dienstrechtes nucb eine rechtliche Hevurzugung einjjcrilumt wurde. Ein
eigener Beiiiuten- und Ritleradel hat Mch düraus entwickelt Die übrige der
GrundherrscUaft unlervu'orfeiie Bevölkerung, die Grundhulden und Eigcnlcute
wurden im Htifrechte zusaminengefiisst, in dem suwohl die autcnn mische
Weiterbildung des GcwohnhciUrechts, als auch die Rcchtssprediung und die
Regelung der grundherrlichen Lasten sich vollzog.
Damit sind zugleich die wirtscliaftüchen Gruiullageri tle» |Hjliti«;hen
Systems des Feudalismus gekennzeichnet Der lirundherr wurde das Zwischen-
glied zwischen Fürst und Volk; er empfing seine Güter zu Lehen und ver-
gab sie weiter an seine Vassalleu und Ministerialen; kIIc offen tiiclien Rechte
und Pflichieii gingen durch dieses Medium; die Staatsgewall war stückweise
mit ihren wichtigslen Funkti<inrn an die Feutlatherren übergcgiuigen: Die
Liindcs Verteidigung iVbencdhm düs Lelienslieer, das aus den Vassallen und
ihrem reisigen Gefolge sich bildete; Abgaben und Dienste, stjwohl die aus
der Grundhi'^rigkcit und der persönlichen Unfreiheit .stammenden, wie die
geriiht-iherrlichen ( V'jgleiabgaben I und andere tler *»ffentlicheii Obrigkeit zu
leistenden, fielen den Territorialherren und im Wege winiercr Bclelmmig
ihren Va.ssallcn zu, die Ke<hts]iflege wir die I'i>lizei übten sie teils aus eigenem
Rechte kraft des <L)hereigentunis und der perMHiltchen Herrschaft, teils kraft
Cbenragtmg durcli die InuiiuniUlt. Vogtei und vermöge ihrer SteUung als Öber-
marker der Markgeniysscnsch.iften. So wirkt schliesslich die Stiiatsgewalt nur mehr
mittelbar auf die Unterthanen: <lie vorschicdneti Kreise der lehenrech ttichen
Gesellschaft absorbieren den gr-JKsten Teil tlcr wirtsuhaftlichen Kraft de»
Volkes für ihre Kwecke und die einheitliche Slaalsgewalt verliert damit ihren
Nährboden und die Gnmdbedingungen ihrer Erhaltung.
In dieses Feudalsystem ist noch während des Mittelalters von zwei Seiten
her Bresche gelegt: die städtische Entwickelmig seit dem 12. Jahrlumdert
erzeugt ein freiem Hfl^ertum, das dann entweder die ReichsunmiiteUiarkcit
erringt fider doch in den landesfürsllii hen btiidten sich frei vuni Lebensnexus,
hält; vmd in den grossen iiicderiündischcii und fränkischen KolonisatiL'nen
im deutschen Nrjrden imd Osten entsteht seit dem 12. Jahrhunderle ein
selbst^digcr Bauernstand mit freier Gemeindeverfassung. Auch auf die alt-
besiedelten deutschen (Gebiete üben diese VerhilUnisse eine Rückwirkung aus;
eine teilweise Emanzipation der Bauern auf der wirtschaftlichen Giundlage
von Erbpacht und Zeitpachi tritt ein; die Markgenossenschaft erringt .sich
auf dieser Basis eines freien Besitzstandes wieder Autonomie in wirtschaft-
lichen und Iukal(K>!izeilicheii Angelegenheilen, um so mehr, je mehr die
Feudalherren umi Vassallen sich der eignen W"irtschaf[sfühnmg entfremden
und sich auf die Zins- imd Dienstpflicht ihrer Bauern beschranken. Innerhalb-
der grossen Territorien sind die Grundholden iladurch allmühhch wieder zu
Unierlhanen, mit politischer Abhängigkeit, aber persönlicher Freiheit, geworden;
^
Enguscue Verhältnisse.
die Schutzleutt^ vcnichmdzi'n vnllst.'Jiulig mit ihnen ; die ganze Ii.'tuerliche
BexOlkeruiij; wird diiniii au einer dnlieitliclicii Masse und tritt damit ah
wichtiger politischer Faktor an die Seite des LandcHhcrm und iii Gegensatz
XU den kleinen politischen Gewalten der Gnindherren im Staate, freilich
haben damit diese kleinen Griindbesit:i:cr auch wieder iii steigendem Masse
die üffentlirhen Ijiüten und Steuern auf sich nelimen mtK-icn; die F.rlcichte-
rung, welf-he ihnen an den jj^wohnhcitÄreclUlit h fixierten grundherrlidum
Abgaben durch Steigerung der Bodenertrüge und dur<'h die Geldentwertung
zu teil geworden ist, wurde damit zum Teile wenigsten!; kompensiert. Die
Giundherren ihrenvcit;» büssen durch die Fixicmug der Zinsen und Dienste
bei sleige-nder Bodenrente immer mehr an wirtschaftlicher Starke ein. und
durdi die SteucntnspKlche der Landesherm an ilire Untcrthanen vermindert
sich für sie immer melir die Milglichkeit, ihre I^ute mit gnmd- und vogiei-
hcrrlichen Lasten /u beschweren, i^udem fcliU ihnen nunmehr nach Voll-
endung des Ausbaues ihres L;indcs das Mittel wirtschaftlicher Kräftigung
auf dem Wt^e der Kolonisation; der (>konomLschc Verfall der Gnmdherr-
sdiaft ist in der zweiten Hillftc de.s Mittelalters ein uiiaufliallsamer; um so
mehr besteht bei ihnen Geneigtheit, die Bauern zu bedrfkcken und sie an
ihre eigene Intcrcsseusphüre zu zwingen. Der bfluerlichen Be\'ülkerung andcr-
adts erwachsen durch eine relative Über^-Ülkcrung, welche sehr viele besitz-
lose Elemente schafft, sowie durch eine relative Überproduktion, welche die
Preise drückt, neue Gefahren Ihrer Selbständigkeit; eine neue Leibeigenschaft
drückt groi'ie Massen der I-indbev/'-lkcrung; so verschärft sich schlieÄslich
der Gegensatz der Grundherren imd Bauern, bis er in den Bauernkriegen zu
gewaltsamem Ausbruche kommt und in seinen Konsequenzen für die folgende
Staaten bildung von prinzipielk-r Bedeutung wird-
Auch die Besiedeluiig Knglands* ist v.in der angcUSchsisrhen Erohenmg
an in allen wesentlichen Stücken auf rein gerniannisclicr Grundlage erfolgt,
d<^>rh Lst dcT alte Ge.sc"hle»"hts\'crband iltT Heimal hier noch frühzeitiger als
in Deuturhland zersetzt und die öffentliche Gewalt (Heptarchie) wird für die
Ordnimg der Besitzvcrliültnissc massgebend. Im allgemeinen erhalt der
Grmcinfn-ic einen l'flug Landes ylliiia, mnnsus'), die Ilecrführcr und ange-
scJieneren Fanülienhaupter grössere Besitzungen. Zu dem Ifluglande werden
regeimas-sig Nutzungsanteile an Weide und Wald gegeben. Die Könige und
Territorial fürst en verleihen sulche an dem Vulkstande \Jolkhnfi), den bei der
Niederlassung unverteilt gebliebenen Gebieten, welche als Eigentum des
ganzen Volks bzw. des Staatsoberhauptes galten. Die Dorfgcnossenschaften
teilten ihren Mitgliedern Nutzungsrechte an ihrem Gemeinlande Uommotiland)
zu, das schon bei der Nietlcrlassung der Stfimme v(.>]n folkland ausgeschieden
wurde. Das privaU? (irundcigentum ist teils Erbland ( vr/eland), das entweder
schon bei der Niederlassung den vollberechtigten Volksgenossen zugeteilt
worden war, oder spater durch den Fünilcn aun dem folkland oder durch
die Genossenschaft aus di-m (ommonland vergeben wurde, teils ist es Buch-
land {Itoflattd}, das mit Urkunde aiLs ilem folkland, selten auch aus dem son-
* J. M. Kemble. Saxom in England. Deutsch von Brindei. j Bde. 1653 f.
K. A. Fretman, HitHry «f Ike ^-orman Conquat, itj causrs and t'U rrsuln. 6 v,
■874— 1879. E. Na**«, Clxr di< müulaltfrtiikf FeldgemfiMSihaft und die Einhri^ngtn
äti 16, Jahr h. in England, liltxj. F, Pollock. /irtftt da OrundOfSitz^i in England.
Oben. T. E. Sehnst« 1889, /Jowrfrfi/v Äiw* (oft'wicllc Au«jj«Ik'( 178J- Additamfnta. i8ib.
H. EIIiB. A grnfral Infrodurticn fö D. B. 2 Btlr. lUjJ. Eatlc, Handboek ttf Ihr Land
Ckartert and olkrr Stixonic dvcummtj. 1888. Davenjiort, Ctainfird litt flf firtntrd
trigmal malfrials for English manorial and agrarian kislory. 1S94.
stigcn Gcmeinland oder aus dem Erbland ausfftsthicdene frei verfügbare
Priv:itgrundeigenluni, was erst in der späteren angrlxarbsisclicn Zeit, zuerst
zu Gunsten der Verleihungen an die Kirche, aufkuin.
Den freien Grundbesitzern stehen die Unfreien {fit^tcas) und die Hinter-
sassen {/oigtras) im Wesentlichen in gleichen Verh.lltnissen gegenüber wie
bei den übrigen deutschen ötüinincu. Die Unfreien sind entweder auf dem
Gute ihres Herrn zu den vcTÄchiedcnen Arbeiten des Hau-sbalLs und der
Wirtschaft verwendet uder sie bebauen ein Gut ihres Hern» auf ei^Tie Rech-
nung gegen Dienst und Abgaben in widerruflicher Weise. Die Hintersassen
erhielten von den Grundherrn gleichfalls Land zur Nutzung {Irrtihaif) gegen
Dienste und Abgaben, aber gewühnhch schon mit besserem Rechte, zum
Teil sogar als Buchland. Auf diosom Wege waren insbesondere aurli kleine
freie Gruiidbesitzer zahlreich in die Abliangigkdt vnn Grtjiidherni gekommen,
da die Landleihe in der Regel auch persönhche Dienstpflicht und I^liens-
treue mit sich brachte und der Grundsatz, dass kein ehrlicher Mann ohne
Herrn sein konnte, wenn er nicht selbst Herr war, schon in der angelsäch-
sischen Zeit zur Anerkennung gelangt war.
Die fortschreitende Oücupatinn, Rodung und Organisation des Besitzes
kani auch in England vorwiegend nur den grösseren Besitzern zu gute,
welche ihre Grundherrscliaft weiterlun durch Auftragung von freiem Gmnd-
Ijesitz und Landleilie erweiterten und so auch eine immer grössere Anzahl
von Personen in ihre \\iru;chafi]iche Botmassigkeit brachten. Insbesondere
ist der Grossgrundbesilz aber durch die Verfügung gewaclisen, welche er
über Gcmeinland errang. Der Kßnig und einige Grosse hatten schon früh-
zeitig bevorzugte Nutzungsret htc am Volkslande, welche sich im Verlaufe zu
EigentuuLsvecliten enlwickclleu und in ahnlicher Weise wurden spIUer die
Gutsherrn in den Markgenossenschaften mflchtig, traten iminei mehr in die
Befugnls.He der Gesamtheil ein, verfügten über <li(^ Nutzung am commonland
wie Über die Abgaben und Dienste, welche das Krbland an die Gemeinde
schuldete, bis schliesslich das Geaneinland mit den aus demselben ausge-
schiedncn Krbgfltcm zum Eigentum der GuLsherni, die Bauern zu Hinter-
sassen und da» ganze Geineindegcbict zur Gutsherrschaft imaftor) geworden
war. Der König vcrHeh dazu noch hüufig den Grundherrn das Recht der
Gerichtsbarkeit und der üesteuemng, womit der (imncIhBrr zugleich die Orts-
obrigkeil wurde und die Autnnniuie und die alten Vulksgcrichte der Ge-
nossenschaften verschwanden. Die Periode der dänisclien Raubzüge hat
noch mehr den Wohlsland der kleineren Freien zerstilrt und das Überge-
wicht des Grossbesilzcs entschieden.
Dir. Neubildung der GrundbesilzverhältnRse infolge der normanniRcheji
Erobemng bat auf dieser (^rundlage weiter gebaut. Das ganze .Staatsgebiet
Ist zwar als erobertes Land königLiches Eigentum geworden ; es erfolgt aber
eine massenhafte Verteilung zu Lehen, teils an die bisherigen freien Be.silzer,
teils an die cingewandeiten nonnitnnischen Krieger, so dass dadurch das
Lehenswesen zur ausschliesslichen Grundlage der BesitzverliHltnisse gemacht
ist. Die Aufteilung des GaindlK-sItzcs erfolgte zunAchsi in eine An/.;ihl von
JRjtierlehen, vt>n denen sith der KOnig einen kleinen Teil zu eignet Verfü-
gung zuri^ckbehielt, während die Übrigen in annühcmd gleichem VerhiUtnLsse
an die Kirche und an diu weltlichen Herren fielen. Unter ihnen waren die
weltlichen und geistlichen Kronvassalleu mit grosseren, aus einer Anzahl %'on
Rinerlelien gebildeten, GuUkomplexen belehnt, kleinere Anteile wiirden dem
kriegirriscben Gefolge des Königs zugeteilt. Zahlreiche After vassallen, mit
einzelnen Rittergütern v<m jenen belehnt, atan<len, abgesehen von dem all-
Enolischr VerhAltxisse.
genwincn dem K«"migo seil 1086 geleisteten Treueid, in IcliciibiecliUichcn
Verpflithtuiim-n nur gt^iiübcr ihrem uniniUel baren Lehensherm, bis i2go
(1.5. Edw. h diese Art von AftenasKillit,'» iturgelioben und jeder von einem
Va>ÄaIIen weiter belelinte damit direkt Lelierisuiann des Herrn seines Rechts-
vorcangcra wurde. Glcirlizcitig wurde jiIkt fflr die uIa /cc simple liczeichne-
ten Lehcngfller die freie Verfögnng des Belehnlcii, unter Vnrbehult des
Lclicnsncxus, für die iils fer tail {eninif) bczetclincten durch bestimmte Erb-
folgenidnung unteTwhiedenen, die Unverllu.H$erlirhkcit und Untcilharkeit aus-
gesprcx-hen (1285), die jednrh von der Praxis nur bcsrlirTinkic Anerkennung
landen. Das Grits der bäuerlichen Bevölkerung st;md in vemtchicdenen Ora-
<Ien der Abhltnj^^keit von den Grundherren und war entweder mit freiem
Grun<lbe^l/ Uora^lami, darnach auch sokman, socchemaiti) oder mit einem
mit Abgaben und Diensten teilweise sehwer beJasleten Gmndbesitco aiL>ige-
stallct (i-i/lnitt-y) , wrüirend mit Rücksidit auf die kürzere oder längere
Verieihungsdauer und lias llcsitzrecbt des grliehenen Rcsitzes leashohh, free-
holtii, tiipyhoUi uiiter>i-bie(lrn wurden. Die Hcsiizvi-rhiiltnisse der ersten Zeit
nach der nnrmannlsthen F,r<'beruiijj sind aus dem noeh unter Wilhehn dem
Eroberer angelegten Domesdaytmok mit groRser Vollständigkeit und Deut-
lichkeit zu ersehen. Mit dieser Ordnung der Dinge war weder düs alte
folkiand noch das aus tlemscllK-n ausgeschiedene bokianif vertraglich. Das
erstere wurde K^nigskind inid slürkweise /u l.ehen gfu^icht, cl;i.s letztere
wurde entweder k'mfisziert, weil die EigeniOmer dem Eroberer Widerstand
geleistet hatten, oder in Lehen umgewandelt; neues ßurhhind ist nach der
nonnanniM:hen Eroberung nicht mehr enist;mden. Aus den alten Erl*gütem
wurden Lchcti ixler Erbzinsgüter {rofivAnMs), je na*'h der I-age des Eigcn-
tunu, die GemcindeLindereien der Dorfscliaften sind zumeUt /u Gutsberr-
schaften gezogen, in ihren wirtschaftlichen riinklitmcn aber lange Zeit erhalten
^■blieben.
Auch in der weiteren Eiitttickelung der englisebcn Be-silz Verhältnisse
ei^ben .vidi gewisse Pardllelen zu den deutschen Zustünden, neben sehr
bemerkenswert«! Besonderheilen. Die grossen Vassallcti ihnrvncs Majores)
entwickeln sich zu einer eigentlichen erlilichen hohen Aristokraiir*, aber der
starke Drm k der öffentlichen Gewalt, der auch auf ihnen lastet, verbötet
ebcniüJ jede Aufsaugimg staallirh<T Hoheitsrechtc durch den grossen Grund-
beshz, wie er anderseits zum Schutz der kleineren Gnmdbesitzcr gegen die
Ausbeulung durch die grossen Landlurds wirksam ist. Die kleinen freien
Vassallen versclinicliten immrr mehr mit den ^^nte^^■a-•walle!l der GrfKWCii zu
einer Klasse srundbesit/entler Freien; die freien und balbfreien Hintersassen
{Hif^re tcntHtfs. tnehoiäs. iitc(hemam\ weritcn durch die Ausbildung des Heer-
dien9.te^, xu welchem sie neben den ritterlichen V'as.sallen immer aufgelniten
werden, durch die GnifscIiafLs Verfassung und ilie StiUlieverfassung. in welcher
ihnen ein gewi'wrs Mass selb^iändiger Mitwirkung an ilen Aufgaben der
^ffendiclien Gewalt /usteht, tliescni kleinen grundliestl/-cndeii Ritteislande
'immer naher geliracht. Seit der Mille des u. Jahrhumlerts begiiuit in Eng-
land, memt auf den königlichen GOteni, dann fin weltliihen, zuictast im
gcütllicTien Grossgmn<lbeMt7. die l'mwandlung der Dienste in Gchllclstungen;
nngefnltr seit derwlbon Zeit beginnen die Gnnidherm (^lemeinland einzuhegen
oud dasselbe, sowie Teile des Herrc-idandcN {StiUand) selbst zu vcr^tachten.
Auch auf diese Weis«! vermehrte si< h die Klasse der Krcil)auem um! *'er-
sehuiolz. schliesslich mit den übrigen Klassen kleiner <jrundbesitzer zu der
ctnhfitlichen Gentr)'. der breiten Gnmdlage für tlas mit der erigli.s«-Iien Ver-
ftks^ung grv»>.-h;d'ene Haus der Gemeinen. Auch der arbeitenden Bevölkenmg
lo VIII. Wirtschaft i. Ausbau des Landes. Soziale Ordkung.
ist diese Enlwickolun^ zugute gck'')niincn ; die I.<^ibeigenschaft ist ge^jeii Ende
des Mittelalters schon fast verschwunden; die Hintersassen, Handwerker und
die dienenden Klassen sind, wenn auch noch oline Tcilnalinic an den poU-
tis<:hen Rerhtcn, dorh srhcm pcrsünüch frei geworden. Freies GcKindc und
behauste Taglühiicr übenichinen die Arbcllslebitungeii am Herrenli(.»fc, welclie
früher durcJi die. Gnindhoklen verriditct worrlcn wnren. Die im Gefolge
der j:;Tossen Pest vnn 134Q einliergehendc lAihnsteigemng, mit welrher die
landwirtschaftlichen Arbeiter pntktischcn Gcbraudi von ihrer freiereu Stellung
inachte:i>> zwang die Grandherm zw wcsenllirhcn Anflerungen ilircs Wirt-
sch;d"tsbetricbes. wobei ErsparunR an BclnebskrJlftcn das leitende Prinzip
wurde, .^ber auch die Gesetzgebung wur nun Iiestrcht, <ien Gmndlierren
eine erleichterte VcrfClgutin über I^undarbeiter durch ßeschrilnkun^ ihrer
Freizügigkeit und durch Lnhntaxen zu verschaffen. In diesem Kampf der
Landarbeiter mit der Gnindljcnschaft gab schliesslich die Aussclicidung der
Fronhöfe und die Einhegiuig des Gcmeinlandes für dieselben den Aassthlüg
zu Ungunsten der kleinen biliierliciien Stellenbesitzer und Arbeiter, weichen
bei dem Fehlen der Genieindeweide die E.xi}.ten/.basis so sehr geschmälert
war, d.iss sie auf Li)hnarbeit am Herrenhofe angewiesen waren.
Die skandinavischen Lande* sind schon am Beginne ihrer histo-
rischen Zeil ganz überwiegend v<in ostgcrmanisdien Völkern besiedelt, neben
welchen, im hohen Nnrtlen, auch finnische Volkselementc sich lange Zeit
in ihrer Eigenart behaupteten. Bei ihrem Übergange aus dem Numadcn-
Imn hal>cn die einzelnen Scharen (/y/ii), welche das Land gcschlechter-
weise in Uesiiz nahmen, dasselbe zunadiät nach Hundertsciiafteii yhuniiari,
heraä) geteilt und innerhalb denselben wiesen sie den ciiuelnen Familien
Grundbesitz {Mat) an. \Va.s nicht verteilt wurde, Wald, Weide und Seen^
blieb :ils Allmende {ahiwuningt) in der Gemeinschaft der I,andschaften, der
einzelnen HundiTten unti ihrer Unterteilungen, der Kirchspiele {sofhiamey
imd Dorfschaften ybyame) tnler des ganzen Volkes {/oiklatiä). Die Allmende
trennte ebensrt die einzelnen Ansiedelungen von einander, wie sie als Grenz-
mark zwischen den einzelnen StUmmcn Be<lcutung halle. Die Erwcitenmg
der Aiisi<*dehingpn erfnlgte duirb allm-lligo l.'rbamiachung der Alhncnde,
welche dnriu entweder kraft dc,^ jeden] Gennssen zustehenden Rt-rlite'i zu
dauerndem Besitz erwnrbeii und dejn öäal zugeschlagen oder von dein Ver-
bandp selbst an abhangige und unfreie Leute zu erblicher Nutzung gegen
Zins ilhcriasscn wurde (dAn. orniim). Auf diesem letzteren Wege eittstund
von <len l'rdörfem {alhf/lfv) aus eine Reihe von luifrcien Tivchlerdrirfem
(i/iorp), welche zimfLchsl iin Markenverbantle mit dem Urdorfe verblieben
luid erst später eigene Allmenden ausgeschieden erhielten.
Mit der zunehmenden Stärkung cicr ki'iniglichen Gewalt ist sjvator sowohl
in DSnemiirk wie in Schweden ein .Anspruch des Königs auf tlic alten
l^ndesalhnendcn geltend gemacht und damit auch die Errichtung von unfreien
Durfem auf des K'^nigs AlUneude in grösserem Masse möglich geworden.
Aber auch die grosse (irundiicrrschaft <lrang in die Rechte der Allmende c^n
und grflndete in ;1linlii her Weise 'l'uchterdörfcr, die <lann in V'L-rbtndung mit
den Haupthofen im athclhv die widitigsteii Grundlagen der .>ti>ainiittclaller-
lichen Aristokratie wurden. In Norw^en haben die Könige schon früh be-
* Oluffsen, Bidrag tfl Ofilviii^ om DoMutarks m<ix<orUs Forfatnmg m äe atidrt
Tidfr. 1827. R. Castriin, DU .■Ulmacnningar in /•'innfand und Standinat-im (10
LÄVcteye-Budicr das Urcigcntum. iS'g. S. 2iOlf.). Hjclmcrus Jo.hÄnn, fiidnii^ tili
nrmjta jordrf^ndfrSHms fiiitoria. 1. 1884. Dazu M. Pn[i|HTh rim in Srlmi'dler»
Jabrbiich. N. V. 9. B.I, 1*185. *>■ i>' ff-
Skaxdikavische Verhältnisse
II
gimnen, die ^Ulnieiulrii der Baucmgctncmdcn als Staat&Iand zu behandeln
und dasselbe den angrenzenden ÖrtM-haftcn zur Nutzung zu übniUisscn.
Ihren von Anf.ing an nicht zahlreichen Adel haben die skandinavischen
Volker früh/A-itis ab^t,-stossvn ; zum Teil vcrschu-indet er in den vielen Er-
ol«:rung>izng*^n, welche namentlich von ihm geführt sind (Wikingprperiodc)
und welche in der Gründung des iülündtschcn FretsUuitcs ihren Absihluss
fanden; zum Teil ist es die wachsende Ki^nig^macht, welche üin ab-surbicrte.
Der Stand der freien Bauern erhalt sich auf diese Weise unter seinen Ober-
und UnlcrkOnigcn lünjic Zeit hindurch bei ungcbr'>chcner Kraft; er hat das
ebenso dem maclitvidlen Königtum wie seiner eigenen Kmft zu danken, die
CT in der Doppelbeschafli({uug mit dem Fekibau und der Seefahrt sich be-
wahrte. Noch im 12. Jahriiundcrtc bildet in Skandinavien der Bauer den
Hauptbestandteil der Nation. Von seinen Höfen leistet er in Dänemark
Heer- und Floitendiensi mid stellt als freier Macin und UrteÜsfiiidcr im
Gerichte. In der I^ndesgeraeintle und der Hundertschaft «"ird zum gröbsten
Teile die Öffentliche Gewalt gehandhabt; :>elbst die Ki'mige sind liier der
Bauenichafl untcru-orfeii und behaupten nur für den Krieg, in der Rl-cIiIS-
sprecliung und in der Verfügung über unbebautes l^ind geniftse Vorrechte.
Doch beginnt In Danemark schon im f>. Jahrhunderte mit der Notwendigkeit
besserer Kriegs;» asnlstung eine Begünstigimg der wohlhabenden und gutbe-
ritl«ncit l.;m<lleute \ilencninarnii) durch Verleihiing von königlichen Gfttem
und Ämtern; seil dem lo. Jalirhundcrle breitet siuh auch ein geistlicher Gn>ss-
grundbesitz aits und beide machten sich allmalig zu Grundherrn der CMal-
bonden, indem sie ihnen die Last des Heer- und FIiHiendiensies gegen Zins-
zahlungen abnahmen. Doch enft seil es den Grundherni gelang, ihre Huf-
gerichtsbarkeit \hirk<thiii^\ auf alle Bauern auszudehnen, sich der Allmenden
zu vendchem und die Dörfer mit unfreien Bauoni Uamihorr) otier iMchiem
{Jaaial/onder) zu bcselzen. war die alle Freiheil der Bauern daliin; die er-
weiterte Anwendung de-s LehcnAwesens, das bis in das 15. Jahrhundert nur
in schu-achcn jVnsützen vc>rhanderi war, führte ein weiteres F.lement für die
Begründung der .\dclslicrnichaft herbei, daj« nur vurObcrgehend zu grösserem
Anwhen des Reiches nachhaltig al«'r zur Schwüchung der königlichen Gewalt
führte. Im 13. Jahrhunderte ist mit der .Au&;irtung des I,ehenswesens das
bis daliiu UfKh immer leidliche Vcrhältnia der Bauerngüter zu den Herr-
schaf t-ih.ifen gründlich gelindert und im Wcsendichcn in eine T>rimancnvcr-
waltuiig mit Leibeigenschaft umgewandelt wurden.
In .Siiiweden erhoben sich in der Zeit der Folkunger (1250^1574) geist-
liche und weldiche Herrn durch Unterdrückung der Bauern und begünstigt
Ton den Königen, welche sich mit ihrer Hilfe aus ihrer alten Abhängigkeit
von der bäuerlichen Landesgemeinde befreien wollen. In der Folge macht
dieser neue gnindherrliche .Adel aber, insbesondere durch Anwendung des
Lt-henswc-sens, tUe königlichen Prärogative sich selbst zu nutze und bringt
den König in Abhängigkeit, wie er den freien Bauemst.'xnd sir!i unierwirft.
So wird die Aristokratie in der Utiionszeit zur FQhrerin des Volkes; abei in-
dem sie im Kampfe um die nationale Selbständigkeit die streitbare Bauer-
ftchafl für die Landesverteidigung nicht entbehren kann, lernt diese sicK
wieder fühlen und bringt es bis zum Ende des Mittelalters wieder zu einer
wesentlichen Einschränkung der Aiielsniacbt, womit auch die königliche Ge-
walt wieder eine Stärkung erfahrt und die Autonomie der Bauerngemeinde
wenigstens einen Teil ihrer alten Stellung zurückgewinnt.
In Nurwegen i.*t schon seil dem 10. Jidirhundcrie Land in grösseren Bc-
jürken von den Königen an hcrxorragendc Vertrauensmänner als Lehen \at
12 VIII. Wirtschaft. 2. AtiKARVEHFASsuNC und Lasdeskultuk.
ic'ni) fxicr GcscUcnk [at veiziu) gL-^ebeii, womit aucli Anilsj;i:«;ih vcrbuiulfii
war {H-sla). Neben rticsem GrussgruncI besitze der L;uullicmi {Undnnadt )
finden sich später auch kleine mit Grundbesitz aiisjjeslaUeic Ämter in den
Händen von Sysselmanncm, whnc dass jedoch dadurch ein eigentlicher Erb-
adel und eine aristt^kratische Ocsctkcliaftsvcrfa-ssiing gesrhaffrn würc. Viel-
mehr sind hier die Baueriif-emetnden. ülmlitli wie in Sdiwwlen, die haupt-
sachlifhsien TrSger der lokalen 5ffentlii:hen Gewalt gebliclien.
EJgentlUnlich war bei allen drei skandinavischen Völkern die strenge Be-
handlung ihrer Sklaven, welche nicht wie die unfreien der Westgermanen
als Kolonen angesi-tzt, sondern lanpi- Zeit als rt^inc Ilaussklaven gehalten
waren. Ursprünglirli wolil nur aus den Restt-n einer uiitt-rwiirfeiien Urbc-
vfjlk^'rung (Kinni*n) lind den Krieg^gefangeTien bestehend, niflmen -iich in der
Periode der Eroberuufiszflgc die Sklaven fortwahrend durch die Einsehleppung
erbeuteter Leute. Aiieh das ChristcDtum wirkte hier nur sehr langsam auf
eine Besserung ihres Loses hin, erzeugte jctli^ch nicht die im Siiden atif-
iretenden Misrliformi^n zwischen Kneebbahafl und Freiheit. Nachdein sfhon
Knut der Heilige ( lofti) — io8(i) den Entsehluss gefassl balle, in Dänemark
die Skhivcrei aufKuheben. erlowh tliese hier und in Norwegen albiiälich in
den beiden folgenden Jahrhunderten ; in Srhwwlen wird sie i.i.VS von Kt^nig
Magnus Erikson ausdrilrkliih verboten.
». AGKiVRVKBJ-ASSUNG UND LANDESKULTUR.
K. G. Anton, Geschichte Jrr deitluhen l^ttJmrtschn/t. 3 Tle. 1799. lS03.
Ch. E. Langethal. Gruhichtc der te»ts,:hfn LanihcirUchaft. 3 Tic. 1847—56.
Hennings, Cher die agmrisiheVfrf^siHng det^ alUn D<uts(kea. itl6i}. J. Meyet,
J)it diti /stiren, i8Sa. Brüocck, /.nr (Jcschichic dfs Ürundeigeitlumi in Oti-
und H'ntpriuifii-n. I. 1S91. H. i^Qj. fi. IlaiiHSirn, .■tgtarhisloriithr AbfianJ-
lungnt. 2 Tlr. 1880. 1884. A. v. ITitXthau-itii. ütft dif Agriif%irftusun^ in
dem Füritentum Paderb»rn und Con'rv. lß2">. <r. "Waila, Cbt-r dif altdeuluht-
lluff. 1854. V. Jactibi, EffarKkun^^n über das .Aaruruvsen des a/tenhir^r*
u/ien Oiterlandri. 1S45. A. McitSCQ. Der Boden und dir lattdvirlicfia/tlithrn
Ver/iültnüse des firrttsiiteftrti Staates- I — V. i8(j8 — 18^5. G. V. Knapp. />/>
ftatternbefriiun^ und der Ursprung drr l.antittri>ritrr in den ntteren Teilen
Preitssens. 1887. W. Winlch, Dit tirundlierrsehafi in Ncrd^eitdevdehUmd.
l8»)6, A. Bcrnbardl, iieiehiehte dm W'aideijfetxtiims. 1872. K. Knih. UeKhiehte
des i'orst- Mhd Jagdwsens in Deudthlanä. 1871J. y\. Seil« ;i['|inc}i, /•'orsr-
und Jagdgrsehichte üeutschUmds. l88s— 1888.
Schon die erste feste Ordnung der Agrar\'erhaltnisse zeigt bei den Ger-
manen im Gegensätze zu den Klaus l Gesamt l>esitz des Geselilechtes^ der
Kelten und zu den niius4iiminuiiionfn »U-r Shivi;n einen iricJividualtsicrteii
Grundbesitz der Familien. Derselbe tierubt durehweg auf einer Aufteilung
der gejM'hlechter- und sijjpenweise besiedelten Marken mit Ausnahme des
ru gemeinschaftlicher Nutzung vurliebaltenrn Wald- und Wridelantles. Jeder
Familie wurde zunadiüt innerhalb des zum gemeinsamen W- ihnen bestimmten
Ortsgcbieli*s (Dorf, Kiter) die Hofstatt angewesen, auf welcher die Wnhn-
und Wirtschaftspebaude errichtet wurden; flarten und Anger umgaben das
Gehöft (Hof. mansus). Für die Grösse des den einzelnen H^'ifen zuzuteilen-
den .Ackerlandes war ihr Bedarf massgebend. Ein solches At kergui ist schim
früh/eilig als Hufe bejteiehnet. womit .sieh also tUrr Begriff eines im wesent-
lichen jjleichwerligen Hesitztunis verband, das natilrlii'h je nach 1-ige tind
Bodenheschaffciiheit von veiscluedener .\usdehnung sein bmnle. ElK'ns*>
verband sich sclmn frühzeitig mit der Hufe die urs]irflnglich pei-si"m]iche Be-
rechtigung der Markgenossen an dem Nutze» des Geineinlandes; daa Recht
an drr gemeinen IVtark wurtle eine Pertinenz iler Hufe. Die flus-scre An((ni-
Dorf- vsa Htn-svart^M.
ly
wmg der Hufen hAngt ;iuf< Inni^sir xiL-«.imni«i mit (Irr DuniifOhnmit drr
AMicddtmfcen seihst Den zu pinrr m-MhUtsw-nrn AnftüilHuii;* cclH^Kfim
adbtttnUigT'n Haush;iliungen <M.iTliCg*-n<>x>oni wtinlr i1:k tu Aitlvit) j^v-iti <nmu'^o
Lmd !eurreÄq\ mit der fnrt>*Iin-itcml<'ti rrWnii;)! l)Uh>> h.nli Maj-^RalH- üitt*»
Gcaxüseti rechts in der W'cisr «ugrtrilt. il.iss j«lrr in jc^lrin U'^liinml l>e-
ITcnxtcn FckUtftfke iGr%t';ini»l rincn cnisj>rt-ihm»ifTi AiitHI in <^incm iJInjn-
«treifcn rrliieli: die Verteilung dicM^r Streifrn ^rxlinh n.H-h üeni Lose.
Infolge dieses Aiiftcitunjcsnimlus war der A<-Iccrh<^iu jeder Hufr iunrrhnlh
flcr ganxcn Gemarkung der Ansicilrlung auf v* vielen l\inku>n ren>iT*Mii, nU
0 Gmnuinc fsab. Alle zu cineiii < »cliAftc iit der <.iciuarkun)t K<*'>"^^t*l^ii
ABlril*" an der Ackerdur bilileten die Hufe; es im klar, daüs der Wirts« Imn-
ficbe Inhalt dieses Begriffs als ein Bcsiutuni v<iii bisitimtiUrr (Jn'iKse ewt
dna sich cr^b. wenn im WesentUiheit die Aufteilung ilex jiniixeit verftig«
bwn Kulturlandes erfolgt war.
Diese Art der Hufenbiklung wat bc»<'hrAnkt nuf jene GegrnUen. in WTlrhen
die Besiedelung iles I-mdes nadi nurfTsvsteui erfolgte, d. h, wn dir < tit^'lmft
sich AUS sehr nahe beMachbarien und in uitrcgclniAsstger Haufenforui ge-
bauten Gehi^ften bildete.
In den Gegenden dafHireii, welrhc vnrwiegenrl nach Ilnf-ivstrii» ange-
baut wurilrn (Westfalen, Niederrhein, ilie drulvrhcti Alpen und \'i)rat|>ei),
aber auch Teile von England [KentI], Norwegen, Nnrtjsrbwetlen, die OüIm"***
Provinzen) umgeben in der Regel die GrundsiUcko im >:uKiuinuenluuig dn»
in ihrer Mitte liegende Gchfifte; hier ist auch eine nyKtenuiÜM-lie IJrliar»
machung und geordnete Aufteilung der gcrtideton Ackerfliir au dir Mark*
gen(.»Mieii nicht an/unehnieii: vielmehr wini Itier von Anfang an die Hiklung
dtr Ackerflur des Gela^iftes auf dir M'llwllfllige Rodung der eiiurhifti Wirl»
Schaft mrttctzufuhren sein. Hier ist denn aurh winler von /utcilung der
Grundstüeke durch das Lus, noch aberhaupl von Hufen im Sinuc fralcr
BcsitzgTüÄsen die Rede. Wohl aber wird der Begriff der Hufr aurh bd der
Ansiedelung im Hnfsysiem sp;iter angewemlei . als die nffenlltehe Gewalt
XU »iyslcniatiM:her Kolonisation in den ihr zur Verfügung sLelicnd<'n Wahl-
gebieten sehrili. S«>k'hor An siml die König<thufi>n {mumi ma^ni, tmingtMt)
im Cklenwald, den Vogeseu. Ardennen und im .^üdharz. dann in den ge-
birg^en Teileii vnn B/lhmcn und M.1hrrn, und in dein g:uixeti Gebiete der
ORCmark. welche sich durch besondere Grik^e. durch den vnllen Xiutmiiinm-
hang aller zu einem GchOftc gch<">rigen GfinulHtüike und durch dir dadurch
bedingte Form auszeichnen, welche entwe<ler in einem «ehr langen, iicliniairn,
in der Regel bergig ansteigenden Streifen, oder in »nn-gehuntiHigm, al>cr ku»
meist wohl arrondierten Blöcken auftritt. Ähnlich mit den K<"inigi)hufcn Kind
dann auch die frankischen Hagcidiufcn und dir heflonderx durch n;imliu'hc
Kolonisation in den Weser- und Rlbniarwlieri angeli-gtrn Mitnchluifen, «iwle
die in der norddeutschen Ebene verbreiteten ciilmi»chrn Hufen; auch «ie bilden,
wenigjstcns ihrer un*prünglichen Anlage nach, je ein geschloMenenfjut für sicli,
Sowcilü die Hufen des I>.irf!i)-»tcnM alx <lie geschloiiHcnen Güter der Hof-
onfliedelung haben dann im Verlauf der Zeil eine Veränderung ihrer Ackerflur
cflihrcn: teils durdi hinzukommende Rodc»tQcke, welche nach altem Mark-
gakonen rechte der cirtzeinc (jcno^sc sidi (hinh r'linfrie<lnng gewinnen konnte,
HJN durch Teilung unter den Kiitdeni. durch Kauf und Tauii h. 1'^ «tnd
auf diese Weise cbauMi schtm früludtig halbe und VierteKliufeii enlHtmiden
neben ganz kleinen Ackergüteni ohne die regdmAa«igen Majwc der Huf«
ttberhaupt, wie anderseits m einem Hufengute ein Grundbeulz kam. der
wirt«-haftlich ebenvi r-m dicwm tmicrwhicilcn wnir<lc (novalia, walzende
14 VIII. WlRTSCH.Vn. 2. AtiRAKVEKJ-ASSUNG CNU LANDESKULTUR.
Gründe) wie er sich rechtlich vnn tlcmselben durch grfisserr Verfügungs-
frcibcit seines Besiu<.*rs auszeichnete. Der Hufe als Erbgut trat das Rodland
als freihJlndipes Gut zur Seite.
Ebenso ergab sich im Verlauf der Zeit eine verschiedene QualitJli der
Hufe, je nach'lL'in sie Vüin Ei^eniOniL-r SL-Ibst l>cbaul wurde '"ler als Zins^ut
an Unfreie ixlcr Ilalbfrcie au-sgi-tbar» war \martsta äominicaitts — sfn?:hs).
Insoferiic dieser Unterschied mit dL-m Gegensatz de.<i ererbten und des spJlter
dazu erworbenen Landes zusammentraf, deckt sich dann auch der Bt^riff
der Herrenhufe mit d(?m des Krhgiits yhohij salicn, itiiiominicata. — f€tisuatii,
servilh). Nur für ilie unfreie und Zinseshuf»; i.'rhielt sich in der Folge die
Hufe aU eine feste Gutsgrösse in ihrer Rt^latiun zu dem Bedarf der Wirt-
s<.'h.ifl; fUr da^t Herreugut war dieser Gesidiispimkl nicht massgebend, daher
auch in seinen Grös.sen Verhältnissen viele Unterschie<ic bestehen, und das
um si-' mehr, .ils akes Herrentfut vielfach vrm Anfang an gar nirlii in Hufen
lag, Sündern nur nach seirjen Gicnzen Uezcii:hnel inler in Jochen aufiiemeisen
wurde.
Die Hufen der einzelnen freien GrundbesiUeer standen anfänglich unter-
einander in keinem andern wirtvhafilicljen Zasammenhang als er durch die
gemeinschaftliche Nutzung der Mark um] durch die Gemengelage ihrer Fel-
duiigen von selbst gegeben war. DagL-gen bildete <Itr Hcrr<.:nliof {furlis
dominka, saiica\ immer zugleicli ria.s wirisctiaftlirhe Maupi der von ihm ab-
hängigen Zinshufen. Mit der Entwiikehmg tlcr Grossgi-undbesilz Verhältnisse
ist diese Beziclmng weiter ausgebildet und zuerst auf den königlichen Guls-
höfen tlurcli Karls d. Gr. Capitulare de villis in ein gewisses System (Villen-
vcrfa-tsung) gebracht worden. Der kötiigliLheGrundbesitx gliederte sich diunach
in Haupt- und Nebenhöfe, xu denen eine Anzahl dienender Hufen jfchr>rtc.
Die gi'jiamte WirLschaftÄfdhrung auf allen dic-srn (jütem erfolgte ptan-
nifi«>ig unter einheitlicher Leitung von den HaupthOfcn aus; die Verwalter
derselben (jut/ejc) erhielten selbst wieder ihre Instruktionen von dem könig-
lichen Palatium aus. Jeder llaupthof {/hmti'n^. ßarus, niHa) hatte einige
Nebenhofe, auf welchen dun.li die Meier {»itijort-s. viliici) die Wirtschaft ge-
führl wunle. Die dienenden Hufen musstcTi ihre I'rndukLr. s<"iweit sie nicht
für den Kigenberl.irf ihrer Wirtschaft angewiesen waren, an die Meierhofe
des königlichen Domaniunis abliefern und ihre pcrstinlirhen Dienste dort zur
ücsicllung der Wirtschaft derselben ableislen, Die Meiejln'ife lieferten ihrer-
seits die verfügbaren Überschasse der Eigen produktiun wie der dienenden
Hufen an die Haupthofe, diese an die königlichen Pfalzen; wa.s hier nicht
benötigt war, wurde. na<'li erlangicr Anweisung auf den Markt gt^worfen.
Eine genaue Verr«;chnung der Natural- und Geldetlragc, sowie eine ein-
gehende Kontrole ihrer Verwaltung brac-hte die nötige Ordnung in die Dinge.
Den Meierhöfen, wohl auch den Zinfthufen wurden über die Art ihrer Wirt-
schaftsführung, über die lieschaffenhcit des lebenden und loten Inventars,
über die Verwendung ihrer Arbeitskräfte eingehende Vorschriften gegeben.
Anderseils waren die Haupt- und Meierhufe angewiesen, den dienenden Hufen
manche Beihilfe in üirer Wirtschaft zuteil werden und sie an den gewerb-
lichen Anlagen des Herrenhofe« (Backhaus, Brauhaus u. s, w.) Anteil nehmen
zu lassen.
In dieser karoHngisclien Villenverfassung ist der erste svstematischc Ver-
such der Organisation eines landwirtschafiliclien Gnjssbetriebes gemacht Alle
W^trlschaftsfülirung der hcrrsclienden wie der dienenden Güter sollte in ein-
heitlichem Geiste erfolgen; alle Knifte dieser Wirtschaften einem grossen
Plane dienstbar gciuachl werden: die Steigerung ilcr Produktivität der Win-
DOHANIUH UKD GRUNDHERRSCHAFT.
»5
Schäften, die Vrriicsspnmg der Lebensbedingtingen für alle in diesem Wirt-
schaftviirifitni^miis beschli>sscncn Eirizclwirlscliiiflcii war das bcabsiclitiglc und
wenigstens zum guten Teile aucli wirklich errcjclite Zii-I.
Diese auf dem kr.nif;lichen Drimanium zueivl ((i-s^iiaffene Or^uiisiilton
eines weitläufigen und viel verzweigten WiiLschafLslietriebes fand dann bei
den weltlii.:Iien wie geistlichen Gruml herrsch ah en Nachahmung. Scliun in
der Karsli ingerzeil findet sidi hvi dt*iiscllv,*n itleithfalls eine GlietU;rung in
Haupt- und Nebenhfife und dem entsprechend eint; Kinteilimg der ganzen
Herrschaft in eine Reihe von (julsverwaltungert. Der Unlerscliieil von der
königlit-hen Fiskalverwaltung ist nur auf einem Punkte bedeutend; der könig-
lifhe Fi.skalt>e7.irk war von der Hundertschafts Verfassung cximiert und bildete
daher für sich wie einen eigenen WirtsfhHfl>- so auch einen ligencn Gcrichl»-
sincngul, wahrend die grundherrschaftlichen Fnmhofe nur Wirtschaf tshötirke
(Gut-,btzirke) darstellten; demenlsprethend waren auch die Mcicr der grund-
hcrrsdiaftlichen Ver>valtung idcr l'nmhnff} nur für (hc Leitung der Wirt-
schaTlsfQlirung bestellt, wiihrend der Judex des krmiglichen Fiskus zugleich
die Redilspflege und die Polizei des Wirlsehaflsbezirkes in seiner Hand ver-
einigte.
Auf die gesainle .\grar\'erf;issuiig ging von dieser Organlsalii^n der grossen
Grundherrschaften ein mannigfacher F.influss aiw. Zun.lclist in Bezug auf
die Herrenhtife selbst: als Sitze der Wirtschaft liehen Verwaltung wie auch
einer eigenen meist grossem I^nd Wirtschaft im Eigenbetriebe zeigen sie die
Tendenz der Vnrgn"»ssenmg durch Kinverleibung von dienenden Höfen öder
AufMtigimg benachbarter Freihüfe, sowie durch Aufl»rechen neuen Kultur-
landes aus der gem'-inrn Mark. Mehr noch ist die Tendenz der Arron-
dicrung der Salgt^ler erkennbar, welche in lehhaflein Güleriausclic her\'t;irtritt
und luwfilen zur aus^ch liessenden Bewirtschaftung ganzer Gewanne der mark-
genossenschaftlichen Flur führt. Auf den Haupthöfen der Grundherrschaft
BUnmelt sich mn den Gnmdherm seihst ein ;msehnliches Personal von Ver-
waltungsbcamien, Dienstmannen und Hausdienern, sowie von Handwerkern
und bringt eine Vermehrung fler Wf .hnstättcn und einen Markt hi-n'or. Die
dem Htrmhüf verfügbaren Dienstleistxmgen der Pflichtigen GuLsbcvölkcnmg
lohnen txu ptanmAssigen R<.>dungcn und Einfriedungen \BeHntien. Äfhten,
Chumiett\ auf dem Bodeji der Allmende oder auch in den Gewannen: das
grundhrrrlichc Heundeland, welches daraus erwuchst, ist zunHchst als eine
Vermehrung des Sallandes wenn auch mit iKrsorulerer Bewirtscliaftung auf-
zufassen. Die^e Beundcn wxirtlen von den tninpOichtigen Bauern vielfach in
Betriebsgemeinschaft bestellt. Aus ihnen sind dann spater mit der .\unösung
oder Beschränkung der Fronliofs Wirtschaft Gchofersc haften mit Feldgemein-
schaft und (wenigstens anfänglich beibehaltenera) Gesamtbetricb der Fn.m-
bauem an der zu Erbzins ausgellianefi Beujide gew'.trden.
Ist die alte markgrnosscnsthaftlii he llnfenverfassung schon durch diese
Ausbildung des SalL'indes und d(^s in die Mark eingeschobenen ß<.-undelandes
«•csentlich zurückgedrängt worden, so hat sie anderseits auch tturch den be-
stinmienden Eiofluss, der von der Fronhofswirtschafl auf die dienenden Güter
ausging, eine erhebliche Erichüttcrung erfahren. Verandcnmgcn im alten
Bestände der dienenden Hufen erfolgen sowohl im Interesse der Regelung
vim Zinsen und Diensten, als auch aus Rücksichten einer anderweitigen Ver-
u-endung der I'nxluktions- und Arbeibikrafie. Die Einbürgerung V4)n SpcziaU
kulturell zur Gewinnung des Rohstoffs für den gewerblichen Hausflciss iLcin,
Krapp) '«ler für industrielle Aidaiien der Gnindlierm ^Hopfen), die Ver-
breitung der W'eirikultur und der IlandeUpflanzen maclilcn eine Teilung der
auf extensive B(xK'nl>(;nut/.iiti||; hercctmeten Hufen nolwcndip; nicht minder
führte die Vemiehning gewerblirher Frondienste sowie die Einbürgerung von
Hand wer kcrlfhcn zur Bildung eines landM'irtschaftiiclien Klcitibesit/cü, »*ie
Überhaupt die Zunahme d*"?; Arkerhauex und dninit sich ergebende Almahme
der Weidewirts<:'li;ifi eine durc'hsLhnittlii:lie \'erlileinemnjj der Hufen pc-
stattete. Anderaeits veranUusstc die Einrichtung l>esimdcrcr Viehhtie und
Schwaigen eine Zusammenlegung von Hufen, so dass <lic alte feste Onhiung
der Huf eil Verfassung auf vielen Punkten zugleich durchbnuhen vi-urde. Seil
dem Ende des i,v Jahrhunderts ist der Verfall der Hufenverfassunfj allgemt^in.
Gegen Ende des Mittel.ilters ist die Viertelhufe das hauerliche X^nnalput.
Endlich ist auch die Allmendcwirtschaft unter dem ICiaflussc der grossen
Gnntdlierr^rliaft von Grand aus veriljiderl worden. An der alten mark-
geno.sscnschaftlichen Atlaieiide hatten die Grundherren steigende Auteile er-
worben, nicht sehen sind sie alleinige Eigentümer, in der Regel jedoch
Obcnn.'lrker mit [Ihedegenem Einflüsse in der Mark gewurden. Iiinerliaib
des Gebietes ihrer GruiKllierrschafl regelten sie den Allmentieimlzen iler
tlRnuihnlden nach Ermessen, fw-hufen einer hörigen Uauersch;iit wolil auch
ganz neue Alhnenden, teils aus ihren hcrrsLhaftJichen Waldgcbietcn, in denen
sie neue dflrflicbe Ansiedelungen anlegten, idls au.s herrscliafllicli gewurdcner
altmarkgennssenschnftlicher Allmende. Dip Wrfindenmgen der Hufenvorfassung
und der WirtschafLsfüliruug auf dem FrDiihufe wie auf den Ziiishufeii gaben
d;izu mannigfache Veranlassung. Insbcsimdere aber führte die aIlm.'Uiche
Erschiipfung der Wald- und Weidenutzung eine plainnüssig winschaftende
Gutsvcrwaltung darauf, audi in der gemeinen Nutzung der Mark ein haus*
hslteristhes Gebaren einzuführen und zu diesem Ende eine Regelung der-
selben \t)rzunebmen.
In der Zeil der sllchsisclicn und fränkischen Kaiser nimmt die Neigung
der Gnindherren zum Eigenbetrie&e ab; die SalJJlnder wenlen teils an
Ministerialen, besonders an die Meier {villin') verliehen, teils zu festem Zins
besonders zu Spczi;ükuUurcn (Wiese, Weinbau etc.) ausgctban; die Beuiiden
gehen an die lietrieKsgemcinschaft der Fronpflrchtigen ülter. Die Kronlicifs-
vcr^-idturig bcschriliikt .sii h in der Hauptsache auf Einhebung vi»n Zinsen
und Giebigkeiten, wfUircnd die Eigenwirtschaft mehr auf den Bedarf des
Eronhofs berechnet *ird.
Obgleicli die Zahl der gutshcrrlkhen Eigenbetriebe noch eine Zeitlang
wach.«, vermindert sich doch ilire Flüche; \-«irü hergehend hat die Klnster-
wirtsclnifl (Grangicn der Cislerzienser) einen erwcilcrlen Eigenbelrieb ver-
.suchl, ohne jedoch damit einen nachhaltigen Einfluss auf die Gestaltung der
Landwirtschaft zu gewinnen.
Die bauerlichen Zinsgftter werden gegen Beslliaupt (Buteil) und festen
Zins erblich, aber :iuch in der Rc-gel kraft des Anerbenreclits unteilbar; eine
unverkennbare StabiUUU in dem biluerliciien Besitz und eine durch steigende
Grundrente wie grfls.<iere .Selbständigkeit erzeugte Wohlhabenheit der bflner-
liclicn Be\'ü!kerung charakterisiert die zweite Hrilfle des deutschen Mittel-
aliers. Unterstützend traten hinzu einerseits die gnisscn deutschen Kolo-
nisationen im Osten, welche eine im Wesenilirlien freie Hauembevtllkening
erzeugttMi, utid die Überlassung der Regelung der kikaleu WirLscbafisinler essen
und der poHzeilichen Ordnung an die Bauersrhaften zur Selbstverwaltung.
Die Reste der alten markgenossetischaftlichcn Verbände wie die neugcbildeten
hofliörigen Genossenschaften oder auch die Orlsgcmcinden iler aus grund-
börigcn und freien Ecutcn zusammengesetzten Bevölkerung sind die Gnmd-
tagen für tue Neubildung der bilucrüchcu MarkgcniLssenschaften mit ihren
Veräkderungek wAhre!7d des späteren Mittelalters.
»7
autonomen Beliebungen (Weisiumcr) über dieOrduuog derWirtsdiofUiführung
tuid der OrtspolüeL
Überhaupt sind die Formen des landwirtschafüiclien Kleinbcsitzcs und
Betriebes vuu den Vcrandemiigen im Bestand der grossen Grund herrsc haften
vielfadt berührt wurden. In der mcrowingwrhen und karolingischen Zeit sind
die LandgQter entweder als Prekarien {phlala und nmunemtoria) auagcthan
odcx ab Bencfizien verliehen. Spater entwickelt sich auch das' Dienstlehcn,
wodurch Insbesondere die Ministerialen mit Landbesitz ausgestattet wurden.
Während nun die Prccarien in der Folge zur Einbeziehung der Beliehenen
in den grundhcn liehen Ncxuji führten und daher die Hauptform der imfreien
WirtsdiaftäfQtirung gewurden sind, wurden die Benefizicn den Belicliencn zu
freier Wirtschaft überlassen und, ihnen analog, auch die DietLstgüter nur
ab Unterlage für die stand esgcniRssc Lebensführung der Dieiistinanuen, nicht
ab Fonnea der unter grundhcrdichciu EinHusse zu führenden Bodennutzung
aufgefasst.
Älil der fortsdireitenden Vcrdinglichung aller prccarischen und benefiziari-
ftchen LciheverhAltnisse ist aber in den Formen des Zinsgutes und de^ i^ins*
lehcii:» eine die perbOnticheii Veiballni^se des Beliehenen nicht weiter beein-
flus^mde Landleihe Üblich geworden; das früher unfreie bäuerliche Zinsgut
ist dadurch auch Freien, das Zinstebcn auch den nicht lehen rechtlichen
Klassen ^dea Bauern) ;cugänglich geworden. Das Prinzip der £rblii.hkclt,
welches mit dieser Verdinglichung aller Zins- und Üicn»tvcri>nichtun};en des
Gutes sich immer mehr einbürgerte, emanzipierte weiterhin die Inhaber
solcher Güter vun persiinlichen AbhflngigkdLsvcrhaltnissen. ä.i bürgerten
sich in der Kaiserzeit (seit tiem \i. Jahrhunderte schon ziemlich allj^emein)
die freieren Funnen der Erbleilie niul F.rbpadit ein und Uessen eine viel
freiere Bewegung der Wirtschaftsführung auf Baucrt^gütem zu. Die Koloni-
utionsvertrilge auf dem durch die Einwandenuig Deutscher In die ösüicbcn
Gebiete besiedelten Boden waren von .Anfang an auf der Basis der Krbleihe
eingerichtet und wirkten auch ilirenieits auf die <;l>en geschilderte Ausbildung
der landlichen Besiizfomien vielfacli bestimmend ein. D:ineben bilden sich
nun spätestens seit dem 12. Jahrhunderte auch die freien Vital- und Zeit-
pachtungcn aus, teils begünstigt von den beweglicheren Formen der Häuser-
leihe in den .Städten, teils zunach.iit wenigstens auf Spczialkulturen (Wein-
berge, H'tpfengürten) oder in der Anwendvmg auf grrwsere Besitzungen. In
der zweiten HJllfte des Mittelalters ist die Zeitpachtung s4hon weit verbreitet.
Wozu voniehmlith der aus den Fesseln der alten Grundlierrschaft Uisgelöstc
kleinere Landbesitz vielfadi Anlass gehabt luit.
Auch die Ordnung der Abgaben und Leistungen de^ Leihebcsitzes hat
analugc charakteristische Wandlungen durchgemacht. Ursprünglich aus-
»chlicsslich in gewissen Natural betragen vmu Boden fruchten, Haiidwcrkspro-
dukten und Uienstlei>luiigcn bestehend, neben welchen die Geldzahlung L-inc
iugfügige Rolle spielt, bürgern sich im Uiufe der Zeil auf den grundliOri-
r^pii Gütern allerhand Spezialabgaben daneben ein, welche zwar eine absolute
Vermehrung der Lasten bildeten, im Vergleich zu einem steigenden Boden-
ertrag aber dcnrh nicht als eine Steigerung des Druckes dieser Lasten gelten
können. Hierher gehören insbcs<jmlere die aus »lern L'nfreiheiLs Verhältnisse
enbipnmgenen Abgaben bei dem Wechsel des Hemi tuler des Besitzers
(Besthaupt, Kurmede); aber auch der kirchliiJie Zchent und der »Schatz*
(Bede), welchen die öffentliche Gewalt der Landes- und Grundherren seit
dein \z. Juhrh. von allen mit Grund- und Hausbesitz in der Grafschaft
oder dem Immunitats bezirk angesessenen Leuten einzuhcben sich gewohnt hatte.
CfTBianlKhc PhtlolorK HI. :.'. Awn. '1
Für bestimmte Artei» vwn Kulturen, welche ciii besonders grcwses Mass
von pcraön] icher Lei-stunjr crheL<«-hcn, wc ?.. B. der Weinbau, hftrgerte sich
seit dem lo, Jahrh. auch in Deutschland der Teilbau (Halfen« irischafl, in
Fruiikrcirh com/ntn. melaniiie. in Italien mczzadriä) ein, der dann in der
Folgt; aui:b auf andf-rc. Kuhurcn vielfiich Anwendung fand und, indem er
die Baucni in ihrer W'irlschaftsführung selbständiger machte, auch zur Ent-
wirkelunR piner b^urrlichr'-n Hctrir*t>sgenosRensch;ift und zur EinhOrgenmg der
freieren I'iiclufnniieii beigetragen hat. Mit der Verallgemeinerung derselben
sind dann auch die spezifisch gruiidlierrlichen Abgaben verdrängt worden;
schon der freie Erbzinsmami hatte neben dem Grundzinse nur wenige, fixierte
Abgaben zu leisten: bei dem Erbpilchtcr beschränkte »ich die Abgabe auf
die 1-eistung des Erbbestand.sgeldes mit Beginn der Pachtung und auf die
regi-hu^sslge Leistung des Erbkaiion.
iJie Wirts rhaftsfnnnen haben wa.hrend des Mittelalters im allgemcincu
nur eine, aber sehr durchgreifende Veränderung erfahren. In der flltesten
Zeit deutscher LandwirtsiTliaJl wheint eine rühc Fcldgraswirtscliaft vorge-
herr-wht zu haben, welche in jährlichem Wechsel immer nur einzelne Stücke
des Gutes unter den Pflug nahm, wahrend das übrige Kulturland /.ur Weide
liegen blieb. Mit dem Ausbau der Dörfer, aber auch unter dem hcstiniimcn-
den Einfluss der grossen Gnmdherrscbaft, welche feste Regel in die Wirt-
schaftsführung auf dem Salland wie auf dem Zinsiand einzubürgern bestrebt
war, wird die einfache Dreifelderwirtschaft Kegel; wir kGnnen ihre Anfange
in die Zeit Karls des Grössen sety.en. Damit war ein reichlicherer Kömer-
bau inüglich, wie i!m eine vermehrte Bevölkerung bedurfte; aber aucb eine
rationelle Wiesen kultur iiDtwendig. die man frtllicr gar nicht kanntr, weil cEer
GrusÄvielistand nur dadurch in genügcndetn Masse sicher mit Futter versorgt
werden konnte. Diese Wirtschaftsform erhielt sich im Wcsentlirhen wahrend
des ganzen Mittelalters; nur bürgert sich seit dem 12. Jahrh. mit den freieren
l'achtfnrnien auch eine grüsscre Intensität des BctrieUrs ein, welche insbe-
sondere in der Besiinimenmg des Brachfeldes d. h. dem Anbau von Fultcr-
gewfichsen auf dem im Turnus der Dreifelderwirtschaft jedes dritte Jalir
ruhenden I-V-lde zum Au.sdruck kam.
Roggen und Hafer, der erste als Winter-, der zweite als Sonmicrfrucht,
sind walircnd des ganzen Mittelalters und so ziemlich in allen deutschen
Gauen die wichtigsten Kümerfröchte; Weizen verbreitet sich seil dem 8. Jalulu
von Gallien aus und bildet mit Spelz (Dinkel) die Brutnahnnig der Reichen.
Gerste wird gleiLlifalls als Brotkoni, abt;r doch überwiegend schon neben
Hafer und Weizcu, zur Bierbrauerei vci-wendet- Hills er flüchte werden, we-
nigstens seit dem y. Jaiirh., bereita in den regelmüssigen Turnus der Felder-
wirtschafl (auf dem Sommerfeldc) eingeschoben.
Die Viehhaltung ging mit diesen Veränderungen der Bodenkultur gleichen
Schritt. Zeichneten sich schon die ältesten Zeiten des deut-schen Wirtschafts-
lebens durch eine reiche Viehhaltung aus, so blieb dieselbe auch noch längs
Zeil hindurch ein Hauptbestandteil des Volksreichtums, Aber mit dem
Übergiuig aus der Weidewirtschaft (wilde FeUdgrasÄiitschaft) zur Dreifelder-
wirtschaft ist eine doppelte Verändcnmg eingetreten; die Bedeutung der
Viehhaltung tritt im allgemeinen zurück gegenüber der Bodennutzung und.
wird zu ihr in ein besseres Vcrhültiiis gesetzt, teils wegen des Düngerbedarf 3,
teils wegen der notwendigen Einengung des Weidegangs; und in der Vieh-
haltung selbst wird ein besseres Ebcnmass zwischen Grossvieh und Kleinvieh
angttsirebl, was wieder durch den vermehrten Könicrbau nubA'cndig war und
auch im allgemeinen einen grtisseren Wohlsuind der landbautreibenden Be-
m
Fol
B EWIRTSCHArrUKO.
'9
völkcning arudgL GanK Obcn-icgend wai es ullcrüiugü die wochscude Be-
deutung der gT(*sjten Grunclhcrrschaft, welche diese VcrtinUtmngcn bcftirkte.
Die P£erdehaltuiig wuide durdi die zunefimende Ven*endun^ vuii Rcilcr-
beeren gesteigert, welche doch nur au^ gi^iJäi^cicn Grundbesitzern und ihrem
Gefi-tigc b<,-slanden, wahrend der freie Bauer in der alleren Zeit zu Fuss
diente. Für die Hebung der Rindviehzucht boten die Alhnfiidgründf. iibcr
welciie den Grundherrn eine immer weitergehende Verfügung zustand, die
beste Gelegenheit; eigne Viehiiufe {Sr/mai)^fi), welche zugleich der Aufzuclil
und dem Molkcrt-ilwtriebe dienten, .sind von ihnen angelegt, luil dem Ver-
fall di% gruiidherrUchen KigenbL*tricb:> allerdings zum grossen Teile ab Zius-
gütcr ausgethan tider, wie tler alpwirtscliafüidie Betrieb, der gen« issenw. Iiafi-
üelien WirUchaft überlassen. Die Schweinezucht verliert mit ziuiehmcnder
Intensität! tler La ndwi risthaft ilire in der alteren Zeit Übcnagendc Bedeutung
für die Vnlkseniahning: dagegen beginnt schon im 12. Jahrhunderte, insbe-
besondere unter dem Einflüsse des stadtischen Wollenge wer bcs, die Si-liaf-
zueht einen besonderen Aufschvi'ung zu ncbmai, der wahrend der zweiten
Hälfte des Mitlelaltcri andauert; ebenso von den grossen Grundliemi ab
Eigen bei rieb, wie von den Bauern auf eigne Rechnung wird sie in grossem
Umfange iHrtricben. wodurch nicht selten Konflikte um die notigen W'eide-
grUndc entstehen. Dem mit der Bevülkerungsvcriueliruiig im 1.5. Jalirh. stark
angewucKsenen Fleischbedarf e konnte trcitzdem die Viehzucht in weiten
Gttienden des deutsclien Reiches nicht mehr genügen und auch die viel-
latij \ersuchtci» M;issregdn zur weiteren Steigerung der Viehhaltung und zur
Bekämpfung ilcr Fltischicucning erwiesen sich in der HaupLsaL-lic als wir-
kungsl'.rt; eine betleutendc und dauernde Abnahme des Fleischkonsums,
welche der Bev<%tkcrung durch die Nut der Verhältnisse aufgedrungen wurde,
bat endlich wieder das Ebenmass zwi-irbcn I'nKluklion und Bedarf lieigc-
stellt
Euic Forstkultur ist in den Anfanpcu des deutschen Wirtschaftslebens
bei dem übergrosseii Reichtum an Waldern nichl zu vermuten. Ausser zum
Scliulze der Grenzen der einzeineu Gaue und Marken diente der Wald mit
Betitem natürlichen Baumwachstum für die Deckung des Holzbcdarfcs der
einzelnen Markgaiossen, für Bienenzucht, Jagd und Viehweide (Sclmeinc-
ma.st!): daneben schliesst er auch vr>rflbcrgch enden Anbau in der rohen
Form der Brcnnwirlschafi ein, welche auf dem abgesengten WaldlMvden ein
Paar Jahre hindurch Ki^mcrfrüchle baute, um dann wieder dem natürlichen
Baumwuchsc freien Lauf zu hissen.
In (h^r KarolingcTzeit ist auch die Forstkultur zum erstcnmalc einer ge-
wissen Ordnung unterworfen worden. Die Könige und die grossen Grund-
berm fingen an, grössere Waldkomplexe cinzuforsten, d. h. der gemeinen
Allmendnutzung inid fteien Okkupation r.u entziehen, und die Benutzimg
dieser Walder zum Eigcnbetriebe »Kier für die Wirisihaftsführung ihrer Hinter-
sassen und Zinsleule zu regeln. Die Bcwirtschafiung und Beaufsichtigung
der herrschafdichen Walder wird cigntni F^^^:itbca«llell übertn^gen und ebenso
regeln sich allmählich, gleicIifalLs unter dem Kinfluss der fJrundherm, die
Nutzungsvcriialtnissc derjenigen Walder, welche Allmendei^eutum geblieben
waren. Den Anfang hierzu machten seit dem ti. Jahrhunderte Hr.^tiiran-
kungen der freien Waldrodung, welche im früheren Mittelalter jedem Mark-
gettossen zugestanden war. Anfänglich bezogen sich diese Rudungsverbote
nur auf die eingeforsteten Walder, allmahlifh wurden sie auch auf die in
der Gemeinnutzung verbliebenen Wälder aie-gedehnt, die Anlegung vi»n Neu-
brüchen im Walde an die Genehm igmig des Obcrmärkers geknüpft oder im
2»
Intetesse Uer Erhaltung des Waldbestanües ganzlicli untersagt. Auch der
Berug %*on Bau-, Nutz- und Brennholz für den Eigenbedarf der Markge-
nossen wurde, besonders seit dem i,^. Jalirh. immer mehr btrengeiideii \'ot-
schriftrn durch die Grundherrn und durch die Genttssenschaft selbst unter-
worfen, teils wurden bestimmte Holziirten (Eiche, Buche, LSrche, Zirbel) von
der gemeinen Nutzung ausgenommen, teils wurde das Bedürfnis durch die
Markbeamten im einzelnen Falle untersucht (Anweisung), teils der ni>lzbexug
auf ein iK'sümmtes Mass bcsclirflnkt, und nur minderwertige)» Holz (Wind-
bruch) unbeschränkt gelassen. Ziemlich allgemein war das Verbot, Holz aus
dem Markwalde zu veriiussem, was den allgemeinen Grundsätzen der Mark
als einer geschlossenen Wirtschaftsgemeinschaft entsprjL'h. Auch da.s alte
Recht der Waldwciden wurde immer mehr einer festen Ordnung unter-
worfen, je wichtiger diese Nutzung für die zunehmende Viehhaltung aber
auch für die .Schonung der Wälder wurde; frühzeitig wurde .schon die Schaf-
und Ziegenweide im Walde bekämpft, die Schweinemast auf die sclbstgezu-
gcncn Tiere oder auf eine bestimmte Anzahl derselben eingeschr-lukt und
fll>erdies einer .\bgabe {dfhan) unterworfen. Die Ä-ichtige wilde Bienenzucht
im Walde (Zeidelweide) wurde besonders im Interesse der Grundhcmi in
eine feste Orrlnung gebracht und durch eigne Zeidler ausgeübt und überwacht
{Triebe) meist er).
Als Betriebswei.se der Forstwirlscliaft blieb das ganze Mittelalter hindurch
die PlanterwJrtsrhaft (Femclbctrieb) vorherrschend, wie das der hauptsäch-
lichen Holznutzung für den Eigenbedarf allein entsprach. Doch beginnt in
der zweiten Hälfte des Mittelalters, insbesondere in Stadt Waldungen, deren
Wirtschaft auf griisswrren Absatz berechnet werden konnte, sicii eine Schlag-
wirischaft mit nachfolgender künstürher Auffinrstung (gesüte Walder) zu zeigen,
welche dann unter dem Einflüsse der rationellen Domlinen Verwaltung der
Landesherm seit dem id. Jahrb. sich immer mehr verallgenieincrlc.
Von den Spezi alku huren ist zunächst der Weinbau bedeutend, welchen
diu Deutschen vun den Rnrncm übemonunen haben. Bereits die Volks^
rechte enthalten eine Reihe v«m Bestimmungen über denselben; am Rhein
und an der Donau sowie in Tirol hatte der Weinbau schon vor der Karn-
lingcrzeit beträchtliche Ausdeluiung.
Karl der Grosse wirkie auf die Verbreitung und auf bessere Woirbereitung
hin; insbesondere auch die geistlichen Grundherrschaften legten auf Erwer-
bung und Kultur von Weinbergen gro.sses Gewicht und nalimen zu diesem
Zwecke zahlreiche Rodungen vor. Der Weinbau verbreitete sich auf diese
Weise nicht bloss im Elschiand, in den Rhein- und Donaugegenden, sondern
auch im Norden bis tief nach Thüringen luncin. .Seit der Karolinger zeit ist
der Besitz von gutgelegcnen Weingütern besimders am Rhein, in der Ost-
mark und in Tirol unausgesetzt von geistlicJien und weltlichen Grundherrn
aller deutschen Lande angestrebt. Der Betrieb dieser Weingüter ist zum Teil
in Eigen Verwaltung der Eigentümer verblieben; besonders seit dem u. Jahr-
hundert wird aber die Verleihung zu Erbzins oder die Verpachtung mit und
ohne Teilbau vorwiegend. Die für denWeiniiandel wichtigsten Sorten deutschen
Ursprungs waren der frankische (Rhein- und Moselgegend) und der Etsch-
lander Wein, neben welchen insbeKondere auch der hunnische Wein (aus
Ungani) eine giosäe Bedeutung hatte.
Ähnhche Entwickelung zeigt der Hopfenbau, weJrher jedoch auf deutschem
Boden erst seit dem 9, Jahrhundert auftritt und seine grosse Verbreitung über
Süddeutschland und den deutschen Norden vornehmlich in den folgenden
Jahrhunderten findet, wJlhrend er nach England imd Schweden erst gegen
Spezi ALKULTUREX. — Englische Agrar Verfassung.
21
Ende des Mitldattcn) v*ttUri«gt. Der Anstoss zur Ausbreitung des Ho|)fcn-
baucs gehl ganx vorwiegend von den Grundherren aus; im späteren Miuel-
alter herrechl jeduch die Zeil- und Erbpacht vor, welche durcli ähnÜLhe
nati(jnu)öktmomi.sche Voniuaselzuugen wie bd in Weinbau (Betrieb im Kleinen,
Vorwiege« der Arbeitsleistung} begOnstigl waren. Es hOngt mit der bes^u-
dcrvn Entwickclung der Bierbrauerei in den StAdlcn zusammen, dass der
Hopfenbau no h;iu% sit'h auf dem Territorium der Stftdtc einbürgert (Nüm-
beq», Lübeck). Auch der .\nbau vtin Handelspflanzen (Gespiiiit-, Öl- und
Farbcpflanzcn) ist anfänglich fast niu^ auf den im Eigenbetriebe der gri>Hsen
Gninrihcrrsrhaftcn gehaltenen L-Indereien zu finden, vnn wo aus der Roh-
stoff ilen Zinshr>ft:n zur \'erarbelhiiig gelii.-fcrt wurde. Eine Verbreitung der-
selben auf das abhängige I^nd ist erst mit der XcrspHttcrung de^ Sallands
und der Auflösung der a]lcn Hii/cnverfa.'wiing ciiigelrctcn. Die rcii:hc Ent-
faltung, welche in der zweiten H.11fte des Mittelalters besonders die Textil-
indasirie in den deutschen Städten fand, hat die Zunahme des Anbaues von
Handelspflanzen ganz wesentlich bcgütistigl; er findet sich vonu-hmUch in
der Umgebung der Städte und in <Ien Händen der noch immer auch land-
bautreibcnden Stadtbevölkemng.
In England* beruht, soweit angelsächsischer Einfluss reichte, die Agrar-
verfiLvsung im Wesentlichen auf der Durfverfassung mit Gemengelage der sehr
kleinen Feklfluren bei ausgebreiteten Weideflflchen. welche vou den Dorf-
genossen gemeinsam genutzt wurden. Doch sind nur schwache Spuren eines
geraeinschaft liehen Eigentunis an diesen Weideflilchen erkennbar; in der Haupt-
sache waren die Gruiidhcrni zugleich EigentOmer der Weideflachen kraft
ihrer Belehnung, und nherliessen nur die Nutzung derselben den in den
Dörfern angesiedelten Hintersassen. Die Flurein leüuiig beruhte auf dem
Hufensyslcm; jede Hufe [h'iie) galt als ein gleichwertiger Grundbesitz . dessen
Tcilsiücke in den einzelnen Gewannen {/«r/rt«^) innerhalb der ganzeit dem
Ackerbau gewidmeten FeUlHur zerstreut lagen. Daneben waren Wie>en zur
Nutzung unter die Gclu'ifer verteilt, nach der Heuernte aber als Weideiilatze
für da."t Vieh fre^egcben und überdies ständige Gemeinweiden und Wuldcr,
an denen die Gehnfcr ihre Anteile halten. Auch das Salland der Herren-
hOfc 1;^ zmn gm.t.<tcn Teile im Gemenge mit den Bauern hüfcn innerhalb der
Gewanne. Im Westen und Norden, w«» die alte keltisclie Hofansiedehmg
festere Wurzeln gcfasst halte, richteleti sich auch die iVngclsacliscii nach dem
Sj-stcm der FJnzeihöfc ein. Das am häufigsten vurkommcndc Ma.*« der
angelitaehsischen Hufe war 4 Virgatcn zu je 30 acres. In normannischer Zeit
ist der bauerliche Besitz in der Regel auf i — 2 vi^tae reduciert, also Vi bis
Vt Hide; 4 Hidcn bildrien schon ein Ritterlehcn. Dementsprechend waren
auch die Heirenhüfe i. n. grr.s>ei als die Bauernhöfe luid hatten die Hälfte
oder mehr des ganzen Fronhofs \manar} als Salland {demtsne oder itthnd)
XU eigner NutJcung. wahrend das ftbrige als Bauemland {Land in x'tlUnagt)
auagrthan war. Bei grosseren Gnmdherrschaften ist die Verwaltiuig geglie-
dert; zur Oberaufsicht über eine grossere Zahl von Fronhrifen und zur Aus-
Obung der Geriditsbarkcil auf denselben ist der Steward «ider Seneschai
bcsteUt; der standige Vertreter des Gnmdherm auf dem Fronhofe ist der
Amtmann ibaiHff'\. welcher auch die Leitung des Sallandsbciriebes föhrt Der
• Kr. üeebohm. 7V ÜMgUsh l'Utagt ffimmitnity. 2. ed. 1S83. Deutsch vr>n
Bansen 1885. E, Nasse (<»bcn S. 7. Anm). f. Viiioßrudoff. ftf/atmagr m /ingland.
tH'^a. Hrndrick, Etgln/t L^md nnd £ni;lish tandtords. 1881. Ch. McLeon Aa-
drew«, TV (M/ Eft^iiih Mnnor |K<)3. W. Hnobuch, Die rngtitthfn Lanäarbeiter
Mwd dir Etnkrgvmgm 1894.
22 VIII. Wirtschaft. 2. Arrarverpasschg und Landeskultur.
Srliullheiss (rrn-r) ist fb|;ejren eine Art Vnmiann unter den Hiniersawen, der
für die ordniiiigsmassigcn Lcistunßcn der Pfliehtigcn veraiitwurllieh. aber zu-
gleich ilir Vertreter bei dem Herrn war. Die Feldwirtschaft war lange Zeit
liiiuiunMi teils im Zwei-, teil*; im Dreifeldersvstem, immer al)er sehr extensiv
betrieben; hei vorherrsfbenclemWeidejrang auf den Feldern und Wiesen riiach
der Ernte war der Flurzw.mg unentbehrliches Erfordernis zur Aufrecbterh.'ihiing
der Ordnung des Betriebes. Diesem Flurzwang suchen sieb die Grundlierrcn
zu cni/.irhcn , inshr>inndere seit von der Nfitte de-s 14. Jahrlmndcrs an die
Arbeitslifiifte zur Bestellung der Felder selten und theuer wurden und die
lifiuerliclien, FJcincnte immer mehr in Opp« isition zu den grundherrlirhen
Intcreswn traten. Die ganze Flur^-erfassung erfuhr alhnahliLli eine Umwandlung
durch VerkojDpi'lung und Einhegung der gulsherrlirhen Felder und der bisher
der gemeinen Weide nffen gehahenen Teile des Frnniiofs. Bauemsiellen,
i'it ganze Dörfer, wurden niedergelegt, ihre Felder zum Hoflande eingezngen
imd dieses ganz aus der Gcmeindegemarlung ausgeschieden. Auf diesen
Einhcginigen {t'nf/mnrrs) wurde in viel gnisserem Massslabe als bisher Vieh-
zucht, bcscindrrs Schafweicle eingerichtet, welche viel geringeren Betricbshedarf
erheischte; damit war alsit ein (Jbergang aws der .^iten Felderwirtschaft zur
Feklgraswirtschaft verbunden.
In den skandinavischen Lflndern* sind schon für die aheste Zeit fester
Ansic<lclungen zwei vcpichiedene Systeme der Flur^crfassung zu erkennen.
Soweit siV'h die von alters her inTiijjierten Vulksjiehiete erstn-eken (D^iricmark.
Srtd.S( liweden, die ni>rwegischen K Osten lan dschaften ) findet sich die BevAlke-
rting durchweg in D^irfeni angesiedelt, deren Fluren in Gcwaimen an die
einzelnen Hiife aufgeteilt und daher ganz nach .'Vrt der deutschen Hufen-
dflrfer im Gemenge lagen, wahrend Wald und Weide als unverteilte Mark der
Dnrfgennssen bestand. Im Nunlen von Sch«'eden imd Norwegen dagegen
sind die Ansiedelungen durch Oi lupation Einzelner im inibegrenzlen Walde
entstanden nnd daher auch in Kinzelhnfpn und Wpiieni erfolgt, deren Grund-
stücke aur'li nicht in Ihtfen aufgemessen und nicht in (gewannen aufgeteilt
sind. Wahrend im (jel)iele der vnlksmassigen GewanudOrfer die Hufe (ä«?/)
eine feste Bc-sitzeiJilieit von im wesenilichen überall gleicher wirtsrliaftl icher
Grüs.se b;t, die nn<'l) im Krdbuche K«"inig Waldemar IL (1231) mit dem
Werte von i Mark Goldes Hbcrall gleichmüssig iti Ansatz gebracht ist. sind
in Schweden dif maiitiil »ifler hemnian, welche der Hufe entsjiraclien, Güter
von sehr verschiedener Ausdehnung, die erst durch die Heeres- und Steuer-
verCa-tsung zu festen Besitzgr^issen wurden. Es kommt daher auch nur in
Dänemark und Schweden das als rftpnht^ bekannte Verfahren zur .^nwen-
<Iung. wonach ein sich in seinem Anteile an einem Gewyiui vedetzt >;laul>en-
<ler Höfner die Nachmessung des betreffenden Feldstückes bezieh migs weise
der einzelnen Anteile an dem Gewann beliufs Wiederher^itellung der ursprüng-
lichen Gleichheit derselben verlangen konnte. Die alte Ordiutng der volks-
tümlichen Gewanndörfer erfuhr im Verlaufe der Zeit erhebliche .Änderungen
durcli den Aasbau von ToditerdArfem, an dem hieb insbesondere auch die
grossen Gmndherrscliafirn beteiligten, sowie durch die Verfügungen der
ki'mighVhen Gewalt unti derOnrndlierni über die Allmende; avich die Ersetzung
<ler alten hamankift, d. h. gehinderte Verlosung der Anteile der Hufen in
* Sclilegelt Obtr den Zuitand dn Aekerbttuti und dtr I^ndwirlithaft in Däitt'
mnrk vor und uHtrr dfn rrstrn Waldtmarrn. (Falrk« neu««) fttft«ubtir[;erl. Muf^azJn. IT.
735.) Falck, ftfilräfff atr tcAifjnfiff-Aaüfn'MisiArn Lattd-Jrirtifhitft. 1847. Her riß,
Dt rrhui agraria iurtiai rl danicis,. Di». 1868. P. v. Milllor, StrXäda Vtkait rS*
randt Svertika Jordtrukfts histcriti. 1881.
jedem eiii7.i;Ineii Gewann durch tlie solskift, d.h. OrdnuiiR dieser Anliüc nach
der Kethenfiilge der Tonflt* im Dorfe fftr alle Gewanne gledthniassig, wird auf
Itrxindhcrrlichc KlnflQssc zurückzuführen sein. Ebenwi kommen schon im
mittelaher EinlK-gungcn und Xiedericffungen von alten Baucndiüfcn, ja von
ganzen Dörfern vor, wozu die Ausbreitung des Pachisystenis \/nfs/ehaMnt)
GeJegenheit b(»t. Dagegen sind Verkojjpclungen, wie sie spater (18. Jahr-
hundert) zur völligen Umgr.st;iliung der Flurverfassung speziell In DJlnemark
gefUlin haben, iui Mittelalter nmli nicht vorgekommen.
Der Getreidebau ist selbst iin hohen Nurdcn Norwegens si-bon im 10. Jahr-
hunden verhältnismässig weit verbreitet; spater werden aurh Flachs und
Hanf, £rbsen , R< >]uK-n und Rüben ullgemein , Garlenliau und Obstzucht
wcsendich unter dem Kinflus-se geixilichen Betriebes. Dabei war eine Art
von VierfclderwirLsrliafi sehr verbreitet, welche auf 3 Jahre Fruchtanbau ein
Jalir reiner Brache fijigen IJess. Die Viclizucht beruhte v«jniehmlich auf einer
ausgebildeten Weidewirtschaft, welche in den Saelen'naen schon frtlhzeiiig
einen der alpinen Sennen*iwirt.sch:tft ahnlichen Betrieb zeigt. Daneben «-urde
in den rcichtragenden I.aubwiildem ausgiebige Schweinezucht betrieben.
j. stadia'erfassuntt und GKWERBE.
K.D. Höllmann. SiSdieipetfn dfs AUlittaHers. 4 Bde. 1816— 29. W.ArDolü.
yrr/ttssungigr.wfin-htr di-r itnitickm p'rfitlädlf. i Bde. 1854. Der«^ Das A*tf-
kommrn drs Htimixi-erkcntaHtifs im M.A. 1861. Xilzsch, AliniilfriaWt^t unJ
Bürgtrtum. 1859. A. Hi-imlcr, /A-r Ursprung äfr dettlickm Stodtvcrfauung.
187». If. 0. Gt-nj;li:r, n<i*tiche Stttdtrrt fitiftttfrtümrr. i88j. <i. v. Below,
Zur EntitehuHg Jrr Rtndhrrfnisung. (Sjrbrb Zeit sehr. 1887 f.) Dcrs., J>»e Eni-
tUhung drr df^niiihrn Stadtgrmfiadr: 1889. Ders., Der Crsprung der drttlsckm
Stadtverfassnng. 1S93. R- Solim. Die Enlilehung des drutichen Städtewetefts.
l8'>o. C. KAbnc, Der Ursprung der Slndt^-ee/ntsung in Worms. Speirr und
Maim. l8i>0. J. K. KiintKC, Die deulschnt StitdtegrünJungen im M.A. l8<(l.
G. KAufmann, /.ur Entitehung des Städirtfeiens. lifyi. C. Hcgi-1. Si^dte und
CildfH d*r grrmaniieken Völker im At.A. 3 B<U'. 189t. K. Tll. v. Inania-
Slerneg^, Cftrr die Anfänge des deuUiken S/iidtntnens. iln Zt-iLschr. f, VoUl*-
virlscfa. u. S*«talp()lilik. 1.) 189a. W. F.. Wilda, Das tiiidev^sm im Afitlel.
after. l8jl. O. Hxrlui);, Unlrnuthungen über die ersten Anfängt des liilde-
■tteteni, {Korschungen /.d. Gescb. I. i86a,) V, Bßbmcri, /teiträge uir GtsehiekU
des ZunftWiens. rSfta. G. ScbAnberf;. Zur wirtsi/iit/ttithe» HrdtuSung des
Jenfsfhrn Zun/tv^srns im M.A. 186B. Wackt-rnajjel. (irti'erbe. /fandet und
S<Mißi>/trt der Germanen in «. kl. Sehr. J. 187J. L. Brentano. Die ArMUT'
giiden der (iegm'u^ri, I. 1871 . W. Stlvdn. Zur Entsuhungsgeschichir des
dtuls.-hen Zun/ttrew^s. i8-*t. G. Schanat, Zur O'esthiehte der drtil-tchen Gctel/m-
verAände. 1877. G. Schnmller. Die Straisfmrger Tucker- und Weber:tin/t
nnd das drutuhe Zunfluvsen t-nw l^.—iy. Jaftrti. t88i, V. W. Stahl, ßas
drutufir ffamiTeerJe. l." |J(;4, Ch. Gross, The O'ild .IfrnAan/. 2 Bde. 189O.
K. W. Nit/)t{-|i, Die nirtlrrdeulsehr Knufgilde (m Zt-ilsHir. d. Snfii^y-SlifttlDg-
XIII. Germ. .\bt.)- i8q2. K. Zeuinrr, Die iieut\ekrn S/ädirstrwm (iii Schniollcr«
Fonchun^n I. 2). 187Q. ßuu tÜe .Sfie/inbiheiU'n Clhrr ftii/Hnf SUhltr mii
ScbfnoUer imd Meyer (Stniaburg). Kriegk und BiUlK-r «Friitikfurt) Sihün-
bcrü uod Gelirin^ (Basel) Werner (f^Ltu) Wubrmxnn iLdlnt-k) Hin>ch iDnnxig)
Enacn |K6ln) Roinbold (WcsH). Hegel (Siädttvhiomkrn) u. A.
Die Entstehung der deutschen Städte ist auf eine mehrfache Wurzel
ntrückzultihren.
An eine ununterbrochene Fortsetzung stadtischen Leben«, wie es sich auf
vi^n Punkten des dcutMhcn Bodens wrihrend der Rriinedierrschaft einfallet
hat, Lsi in keiner Weise m dt-nken. Schon du.s letzte Jalidiundcrt des rr.mi-
•chen Munizipallebeiis in den deutschen Gegenden zeigt uns diese Städte im
nnauflialL«amen Verfall; die hereinbrechenden Schaaren der Germanen zcr-
stOnen nicht nur die letzten Keste städtischer Ordnung, sttndem die Städte
J4
VIII. Wirtschaft. 3. Stadtverfassung und Geu'erbe.
selbst. Dem stildrisrhen Zusammenwohnen abhold, sit'dcllen sich die Deut-
SL"heü ausscrliiilb der in Trümmern liegenden SlJidtc an ; hi'Jchslens versuchten
nie emc vorhandene Zwingburg zu ihrer cipncn Verteidigung zu benutzen,
indem sie eine stündige Besatzung in dieselbe verlegten.
Dagegen sind die Palatieti und HaupOiüfc der küniglidien und btsdiöf-
ürhen Verwaltimg schon frühzeitig ?.u Mittelpunkten des Verkehr» sowie zu
Jiauptsiicli liehen Standorten gewerblichen Lebens geworden und haben durch
the Konzentration der Hoflialtung und VcrwaUmig eine zahlreiche Beviilkc-
ning und einen besonders kaufkräftigen Markt crh;iltcn. Kiriigc von diesen
Fronhöfen, in Trier, Köln, Mainz, die auf den Fundamenten romischer Ansiede-
lungen erbaut worden sind, h:iben allerdings auch den ganzen noch bauhaften
Teil der Röniersladt mit ihrer Bevölkerung in ihre üi^anisation einbezogen.
In geringerem Masse haben auch die Fronhofe der übrigen weltlichen und
geisttichen ürundherrschaflen solche Bevrilkemngszentren für ein weiteres
umliegendes Gebiet gebildet; auch sind unter besonderen wirtschaftlichen
VerhllUnissen, wie sie teils der Verkehr als Umschlagsplätze, teils die Pm-
lUiktion [z. B. im Salinen betriebe) erzeugte, andere Orte mit einem lebhaf-
teren Verkehr und grosserer Menschenmenge zu gewissen Bedingungen für
eine städtische Kntwickeiung gelangt, welche dann Onind- und I^mdesherm
durch Verleihung besonderer Privilegien begiin st igten.
.Auch in den zu Zwecken der Landesvcrteitligung errichteten Burgen cnt-
u-irkelte sich, insbesondere seit den organisatorischen Verfügungen König
Heinrich I. ein eigentümlich geartetes Leben, dessen wirtschaftlicher Grund-
rharaktcr, die Verproviantierung der Garnison durch die umliegenden Güter
der kriegerischen Dienstmannen, Elemente städtischer Wirtschaft in sich barg.
In der Folge hat die mit der Uimuauerung volkreiclicrer Orte geschaffene
erhöhte Sicherheil in ähnlicher Weise gewirkt
Dieser verschiedenartigen F.nLstehungsweisc städtischer Wohnplaize ent-
sprechend ist auch die älteste stadtische Gesellschaft vcjn sehr vei-schiedener
Struktur.
Ein Stand von Gcmeinfrcien als direkte Nachkommeii einer n'-mischen
Stadtbevölkerung Ist in den auf den Trümmern r5mi&cher Städte später auf-
gebauten deutschen Stildtcn nicht anzunehmen. Vercinzetl mrigen sich Nach-
kommen nimischer Stadtbflrger auf ihrem Erbe trotz aJler Zerstörungen be-
hauptet, auch freie Deulsdie, welclie bereits zur Rönierzcil in den St.ldtcn
waren, ihre Freiheit gerettet haben; im grossen und ganzen haben suh auch
die allen Römers cidte, soweit sie in den Stürmen der Völkerwanderung bau-
hafl ertiallen geblieben, dem Einflüsse der gmssen Gruridhcrrschaft nicht
entziehen können ; Könige, Bischöfe und Greifen haben ihre Herrensitze in
oder bei solchen Studien aufgeschlagen imd haben dereii Bewfdiner teils in
ihre Beamtenschaft aufgcnotmncn, teüs als Gewerbe- untl Handeltreibende
oder auch als Landwirte ihrer Gmudherrschidt auf all den Wcgtni einzuver-
leiben gewasst, auf welchen überhaupt die Hauptmasse der Gemeinfrcieii in
den Verband des grossen Gnuidbcsitzcs gekommen ist
Abgesehen von diesem allstsd tischen Bevfilkerungselement. das aber d-^ch
nur in wenigen Siadtcu in Frage stellt finden sich in deu Palaüal- und
Bisch nfsst;idten schon frtlhzeitig freie Grundbesitzer, welche, angezogen von
der fürstlichen oder bischöflichen Hoflialtung, oder von den Aunehmlidi-
kcilen des Stadttcbcns Oberhaupt, Grundbesitz in der Stadt eruarbcn, Häuser
bauten und sich nun dauernd oder zeitweilig in der Stadt aufliielten. Auch
freie Handwerker und Händler erscheinen schon in den Anfangen des städti-
schen Lebens innerhalb der Bevölkerung; die reidierc Arbeitsgelegcnlictt, die
Die Bevölkeruwg der StXdtb.
■25
■
viciseiligcrcn pcsellschiiftJichcn Beziehungen und besondere k'önigäichc Privile-
gien crlei« htcrten ihnen «He Behauptung ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit,
u-ahrend der Handwerker auf dem Lande mit Xc»t«*endigkeit auf den Dienst
am Heirenhnfe, der Händler auf das Herurawandcn» angewiesen war.
Dot'h ist immerhin bei dem festen Gefüge, welches die grund herrschaft-
liche OrgsuiLsation in der Zeit der Sladtanfangc bereits gehabt lial, anzu<
nehmen, ilaw <iie Mehrzahl dieser Gewerbe- uml I landehreibcnden ebenso
WC die kleineren Grund- und Hausbesitzer auf grund herrlichem Boden sasscn
und auch in einem persönlichen AhhangigkeitsverhSltnisse zu eintnn Gnmd-
hcrm standen.
Ausser freien und vogtbaren (pfleghaftenl Leuten befanden sich dann
herrschaftliche Üicnsimannen aller Art in diesen alten Städten: die Beamten
der königlichen und der bischöflichen D« iniania! Verwaltung, die Kleriker, die
unfreien Ritter mit ihren waffentragenden Knechten, die Fron hnfshand werker,
Zinsbauern, das ganze grasse Hausgesinde und viel fahrendes Volk der ver-
schiedensten Bt>zialen Lage- Innerhalb einer Stadt sind wohl auch von An-
fang an mehrere Gnmdhernichaften iic-hen einander eingerichtet; die günsti-
gen Bediiigxmgen, welche sich in Bezug auf gewerbliche Arbdl, Handel imd
Kapitalanlage in den StJldten fanden, haben eben Gninden»'erb in ihrem
Weichbild schon bald als besonders begehrenswert erscheinen lassen. Jede
dieser Grundhcrrschaftcn fasst ihre grundhOrigc Bev4^1kcrung im Hofrechte
zusammen; so zerfallt diese städtische ßevi':.lkcrurig in eine Mehrheit von
einander abgeschlossener RechbikreJüe. Neben den durch das Hofrecht ge-
bildeten Bevölkerungskreisen steht aber auch oft eine nicht hofrechtliche
BevJ^lkerung unter dem Umdrecht und seiner Grafen- und VogtrigewalL
MH der Übertragung der gräflichen Gewalt an die Bischöft* (ottonischc Privi-
legien! ist in den Bischofslädten zwar eine gewisse Einheit des RecliLsgebicts
l^eschaffcn worden, aber immerhin stehen noih die gnmdherrliche (hnfrccht-
Uche) und (he sonstige städtische (landrechtlicbe) Bevölkerung einander
gegenüber.
Mit dem 12. Jahrhundert beginnt eine neue Periode der deutschen Stadle-
geschichte. L;iiui- und Burglicrrcii wetteiferten in der Gründung und Aus-
gestaltung von Städten; bis gegen Ende dej* Mittelalters sind gegen lono
Stadt egrilndun gen im deutschen Reiche bezeugt. Die Siadtherm widmen
hiczu gCW'''hn!ich eiii bestimmtes Marktgebiet, crleichtcni die Erwerbung von
GnmdstücJcen in dem-selben. errichten Wohnhäuser, Niederiagen und Buden,
die sie der anziehenden Bevidkcnuig gegen Krbzins flbertassen und gestatten
die ErlKiuung von H.'luscm auf hemschafttichem Boden (Burgrechl), Kauf-
Icute werden durch Gewahnmg mannigfacher Vorrwhte, analog den alten
Königsprivilegien, angelockt, den Marktbewuhnern und den Marklbesuchcm
Freiiieit des Handels und Verkehrs, be8<jndera auch Abgabenfreiheit ein-
geräumt, persönliche Freiheit allen Zuziehenden in Aussicht gestellt, der
Ma rittverkehr unter besonderen Re<liLsschulz gestellt und zur Wahrung dcs-
«elhen den Kaufleuien eigne GericliLsharkHt in ihren geschiiftli« lien Ange-
legenheiten gewahrt, Kröniem und Handwerkern eine feste Ordnung ihrer
Verhältnisse geschaffen, schliesslich <las ganze Stadtgebiet von der Grafen-
jfewah eximicrl imd ein cigneÄ Stadtrechl unter dem herrschaftlichen Burg-
grafen und den stadlm:hen Schöffen verliehen.
Diese neuen Städte sind in der Regel nicht innerhalb des Fronhof« der
Stadthemi, alnr in dt-ssen unmittelbarer N.ihe aegrilntlel und mit ihm immer
in den engsten wirtschaftlichen Beziehungen gcjilanden. Der Stadlherr nigell
im Anfange durrliaus autonom die Rechtsverhältnisse der Stadt, aber nicht
26 Vm. Wirtschaft. 3. Staotvirfassung üxd Gewerbe.
r
vne in seinem Fnmbnfo nach Hnfrerht, sondern als TrSger der riffentlichea
Ge^*alt nach den (iriindsilizen des Laiidrechts das freitich dur*h die beson-
clem Stadtprivilenicn sehr erhebliche Modifikati'_>ncii erfahren musble. Auf
dieser Thatsache bcniht auch in erster I-inic die br^ondere Ausbildung der
Stadtverfassung. Während die grundlierrliche Stadt bevOlkenmj! infolge de»
Hofrechts unbedingt unter dem Grundherrn steht, ist derselbe, auch wo er
in den liesitz der (Jntfenrerlue gelartgt w:ir, den nicht Kofrcrlit liehen lievOl-
kerungselenicnien gegenüber nur üffcnllictic Obrigkeit und Gericfitsberr ; in
dem SchüffcnkoIIegium, das .sich aus den Angesehensten der freien Stadt-
be\ölkerunj( zusammensetzte, stand ihm hier schon von Anfang an eine
eigen berechtigte Organisation zur Seite. An dieses Schöffcnlcnllcgium gehen.
frülizeitig gewisse Aiulsfunktionen der gräflichen Gewalt innerhalb des-
Stathbcrdchs über; vnr allem der zum-hmendu Reiclituni der Patrizier-
familien brachte es mit sicti, dass dieses Schiiffenkullegiuni zu einer Art von
stflndisclier Interessenvertretung gegenüber dem Stadtherm werden konnte.
Das volle Btti^erreelit, d. i. der Vollgeniiss der Rechte, welche die Stadt-
pn'vilegien der Bürgerschaft verleihen, steht im Anfange in der Kegel nur
den freien Grund- und Hausbi-sitzeni in dem Stadlrci;lilsgebiete zu. Diese
sintE tri]^ Rentner, wrlehe auf eigenem Gruml und Boden in der Stadt von
den Krirügiiissen ihres Verniügeiis, besonders auch um Lande belegener Uütcr^
leben, teils Kauflcnte; ihnen gesellt sich aber schon frühzeitig die hrihere
Ministerialitat, vorab die ritteriicheii Diensimanncn, die sirJi immer mehr au»
der unfreien Stellung emanzipieren, aiw der sie hervorgegangen. Gestützt auf
den politischen und st)zialen Kinfhuss, welcher Üincn in der bisch i'iftichen iwler
gnmd herrlichen Verwaltung zukam, sowie auf den Lehcnshesiiz, den sie sich
im Laufe tler Zeit trvi-orhcn, sind sie nicht nur wirtscbafllicli mid sozial den
angesclicnen freien Stadtbürgem naher gekommen, sondern auch im Stadt-
gerichte tmicr den Schöffen vertreten. Sie wohnen zum Teil srhim von An-
fang an in der Stadt, zum Teil sind sie tler städtischen Bevülkening zuge-
wachsen, seit die Stidle mit den Frunhöfen der Stadtherm auch administrativ
unil re»'htlirh vcrsrlimolzen wurden.
Aus diesen Elemenlen bildete sich im Laufe des 12. Jahrhunderts der
Stadtrat, die erste eigentlich .»<ta<lii.s*"he Obrigkeit, allerdings im Anfange noch
unbedingt unter dem St;tdtherrn, aber bald in unverkennbarem Gegensatz
zu ihm, wenigstens in seiner Eigenschaft als Grundherrn stJldtis4hen Gebietes.
Nel)en der Judikatur im Stadtgericht und der ilarnit in naher Beziehung
stehenden Ortspolizei bek"'tiinit der Stadtrat insbes^^nderc die Verwaltung der
gewerblichen, zum Teil auch der Handelsintere.ssen in seine Hantl, M-ie er
anderseits die Vcrfüg\tng über die nicht gnmdberrlirh gewordenen Allmend-
pilter erhrdt. welche im Bereiche der Stadt oüer ;iJs Perliiienzen freier stadti-
scher Hufen vorhanden waren. Mwh die besiuiderc F.ntwickelung. welche das
KtadtÜM-he Struerwesen dadurch genommen hat, da&s die krmiglirfie nder
laiide.^herrli['!ie Bt-di- als Gcsamtsieuer auf die Stadt gelegt wurde, gab der
Stadt die Mfiglichkeit ein System <terSleuer\*erteilung selbständig auszubilden
und auf die Steuerfnrderung des Stadtherrn einen best inn neu den FinfliLss zu
nehmen. Dieser patrizischen Vertretung uml Verwaltung der Siadtinteressen
durch die „(lesrhlechter" ist erst im Laufe der Zeil die übrige Stadibevöl-
kcrxmg, insbe&ojidere das zünftig organisierte Handwerk entgegengetreten und
hat im 14. imd 15. Jahrhunderte eine gcwi-se Demokratisienmg der Stadt-
verfafisung herbeigeführt, (S. unten S. 20.)
Das Wirtschaftsleben in den deutschen Städten ist schon von ihren
Anfangen an durch ein stärkeres Henortreten der gewerblichen Arbeit
nnd (itmh eine grxnsse Knnipntration von Angebot und Nadifrage niif dem
Markte ihantklcrisicrt
In ilrn königlichen Palaricn wie in den Fronhüfcn der welllirlien und
geistlichen Grundherren wurden bereits bn (>. Jahrhunderte, nach dem Vor-
bilde Karts d. Gr. neben der Bcwirtsciiaftung dej Honandereien auch die
verschi^-ilensien Handwerke gepflegt, Waren dnch auch dip Anfnnfie der
Stadt wirIS4.liiirt dunhaus im Banne der NaluralwirtschaCl, welche immer
darauf angewiesen ist, die BedOrfnisse eines Witisrhaftskreises thirrh die
Produktinn desselben Wirt-srhaftskreises zu decken. Auf dop|>elteni Wcf^e
ist dies erreicht wurden; die Handwerker sind teils unfreie Haasdiencr des
Friinh^ifes, welcher ihnen die Arbeitsstätte, das Material und die Werkzeuge
b(it und srlilii-sslich da** ("rewerbserzcugnis als ihm gehörig in seiner eignen
Winsrhaft verwendete; teils wird das alte Institiil <li*r widerniflirhen Ijdht
(prrrrjn'um) auch zur Gewinnung der Handwerbileute verwendet: die Grund-
hcTTsrhaft vergiebt kleine Güter, halbe oder VierteLshufen, (»der einzelne
Grundsiftcke gegen Zins, welcher in bestimmten (Jewerbspniduklen abge-
stattet wurde. In beiden Fallen sind die Handwerker vorwiegeiul unfreie
l.eute. Gmndholden der Herrschafi, und flemenwprei hend auch dem ilof-
reolite unterworfen; nur vereinr-cll knuunen auch an den FruulifVfen freie
Handwerker vor. Dagegen sind spätestens seit dem 12. Jahrhunderte die
freieren F<tnnen der Erbleihe, dun'b welche Zlnspfliclit <»hne persiinltche
Unfreüieit brgrtlntlct wurde, auch auf Handwerker vielfach angewendet.
Auch die llandels(-haft lit-gt vim Anfang an, wenigstens zimi grossen
Teil, in den Händen der grundlierrschaftlichai Verwaltung. Ihre Beamten
disponieren die Cbentehüssc , welche die Fronhofswirtsehaft selbst ergab oder
die zinsenden GrundsiQcVc ablieferten; soweit diese IVixlukte nicht im Be-
reiche der grossen Gmndhen-schaft selbst eine Verwendung fanden, wurden
sie marktgängig verwendet. Und der A'ortcii des kauft rliftijien Marktes,
welchen volknichr Fmnhfife boten, lockte auch ferne Gnimlhi-rren an, selb-
«tandige Verkaufss unten für ihre Pri»dukte an si>]chen Mittelpunkten des
wirtschaftlichen I^bens einzurichten, denen sie wieder grund herrliche Bc^imte
vorletzten. Neben diesen unfreien Klemcnten im llanilelsgesch.lfte war aber
frtth7.eit^; schon eine Klasse freier Händler in den Frnnhofni vorhanden,
welche aLs IJeferanten aller Art von GcwerbserzeugnLsscn. und als Kliufcr
jeglichen Oberschusses der P'rnnhnfsverwaUung, als (jefdweiiisler und Geld-
verleiher hier den geeignetsten Ik)den fanden, auch wohl von der Fn.mhufs-
veru-altung selbst gerne gesehen waren.
A^>er auch ausserhalb des gnmdhcrrlichen Verbandes sind, wenigstens in
den wichtigeren der heranbiöhen<len Städte, Handwerker und Händler an-
^Kietlell, auf freiem Grumi und Boden, oder auf geliehenem. Gehören diese
Leute auch nicht in das Hofretht eines Grundherrn, so sind *.ie dot-h an-
Anglieh in der Regel zu deu)sell>en in nahen wirtschaftlichen Beziehungen;
der Fninbof ist der beste Kunde der Handwerker wie der wichtigste Markt
der Kaufleute. Uiul ilie fe.sie Ordrmng, welche das frtlherc Mittelalter allen
wirtschaftlichen Beziehungen zu geben liebte, bnichte es mit sich, dass auch
die nicht hofliörigen Handwerker und ILlndler zu l>estimmten I^istungen
gegenflber dem Froidiofshcm» sidi verstehen und seinem Beamten {magisler
cfii/irum) sich unterordnen mussteti, wenn sie der Kundschaft und dfs Schutzes
der Herrechaft sicher sein wollten. So ist in den Anfängen de^ Stadtlebens
amh «las freie Handwerk unter dem bestimmenden Einfluss der gnmdherr-
siluiftlit hen SLidtver\«-alnmg, während allerding.s <tie Kaufmannschaft, schon
2B
VIII. Wirtschaft, ^v Stadt Verfassung ükd Gewerde.
venmlge der griissercn Beweglichkeit ihre« Erweriis, sich von diesem Einflus;«:
mehr frei zu erhiLheii vernuxliie.
Ini Verlaufe der Zeit ist dimii lUIciiIijigs frei vcrkJluflidie Gewcrbsarbcil
in den Städten immer h.lufiger gewurtlen. Und zwar wieder auf dnppehe
Weise: die unfreien Handwerker, welche auf grundhcrrlii-hen Gütern in der
Stadt (xtcr in einem bcnHchljarti-n Fronhnf angp-scssen waren, hatten ihn*ni
Herrn in der Regel nur festbesummte Gewerbsprodukte oder festbestimmtr
Arbeitszeil zu leisten; mit der reicheren Gelegenheit zu anderweit^em Absatz
ihrer Gewerbsprodukte in der Stadt, vielleicht auch mit der grösseren Leirh-
tigkeil für den Gnindlierni. sich Gewcrbsprc«Jukte zu verschaffen, crgicbt sieb
fflr die unfreien Handwerker aiuh die reihtlirhe Möglichkeit für den Markt
2u arbeiten häufiger; damit wird ihnen eine neue Quelle von WcdilsUind er-
öffnet, durch welche sie sich aus ihren unfreien Verhältnissen leichter lüsen
können. Die Vermehrung der nicht hofliürigen Handwerkerbevülkerung der
Städte anderseits ergiebt sich durch die furtwahrenden Zuzüge vom Lande
nach der Stadt, wo sie, sofern sie ursi>rünglich frei waren, sich leichter als
im Landbau in ihrer Freiheit behaupten, sofern sie aber hririg waren, durch
Erwerbung vnn Stadirechtsgut, spilter überhaupt sch*m durch Eintritt in den
Stadtrechtskreis frei werden koimtcn. (Stadtluil macht frei).
So verschiebt sich in den Stildtcn immer mehr das numerische Verhältnis
der unfreien zu den freien Handwerkern zu Gunsten der letzteren. bi»i sie
als Faktor von selbslUndiger Bedeutung in Uei Statitentwifkelung auftreten.
Hand in Hand mit dieser Vermehrung der niclit hrpfh^rigen Handwerker
geht nJlmlich die Bildung freier Hancilwcrker\erb!\nde, welche wir seit dem
12. Jahrhundertc als Zünfte kennen. Der altgrnnanischc Zug des standes-
mSssigen Gena-wenschaftswesens hat in dem Zunftwesen eine neue eigen-
artige Frucht gezeitigt. Gegenseitigen Schulz, gemeinsame l^flcgc der glpicb-
ariigen geistigen luid miiteriellen Interessen hatten schon in lIct Kardingerzeit
die Seh wurgtmosscnsr haften sich als Ziel genetzt. Aus <ler ho frech tlirhen
Ordnung des Handwerks nehmen die freien wie die freigewnrdenen Hand-
werker den Gedanken herüber, dass die Genossen eines Handwerks Glieder
eines im Dienste des gemeiner Wesens der Stadt stehenden Amtes seien.
Aus dein in der Rechtspflege lierrscJi enden Gnintls;itze des Genossen gericliLs
leiten sie die Forderungen einer korporativen Gerichtsbarkeit (Morgensprache)
ab. In den bevorzugtesten der Hnndwerksfimter. den Münzerhaiisgenosscn-
schaften war der Gedanke des Zunftzwangs, der aus.schliesscnden Berechti-
gung der Genossen auf den Betrieb eines bestimmtiMi (jewerbes, frtlhzeitig
zur Ausbildung gelangt, .^us diesen Elementen bildete sich im X'erlauf des
12. — 14. Jahrhs. in allen deutschen Städten der kor]]orative Abschluss der
Gewerbe aiLs und trrrang sich in ilcr Zunfl bald die rechtliche Anerkennung
und einen Anteil an dem Stadt reginieni.
Die Anfänge des gewerblichen Zunftwesens in den deutschen St.ldien
liegen vollständig im Dunkeln. Es ist nur zu vermuten, dass die au.s.ser-
halb der Gruiidhcrrschaft stehenden Handwerker. %vo sie einmal in irgend
einem Gewerbszweige eine gcmsse Zahl erreichten, sich in (^»ilden (Schwur-
gcnossenscharicn) zusammcnlhaien, teils um sich gegen die zunehmende
Macht des stfldtisch-[>atrizi.sclien Kapitals und gegen die von diesem vor-
rehmlich repräsentierten Handelsinteressen zu wehren, teils um in dem
stadtisihcn Gerichte und dem Stadtrat eher sich eine Gellung zu verschaffen
und um sich die Aulointinie in ihren inneren Angelegenheiten zu siclicrn. F-s
setzt bereits eine gewisse Kräftigung dieser Gfinossenschafteii voraus, wenn
seit dem 12. Jahrli. derartige Einungen vom Stodtherm ausdrücklich ancr-
ZvKFrVfESKS.
2(f
kannt und ihnen zugleich als wichtigste Rechte der Zunftzwang, d. h. die
ausschlief ichc Betreibung des Gewerbes durch die Mitglieder der Zunft, die
Aufrichtung eigner Statuten und tlie selhstfliidigt- GewerbciMilixci unter <lcni
Burggrafen bezw. dessen Beamten, dein Handwerksmeister, eingeräumt werden.
In der suctessiven Erringung dieser FundamciitalrcLhte der Zünfte ist auch
im 13. und 14. Jahrh. das Wesen der Zunftcntwirkehing zu sehen. An die
Zünfte gellt damit ein Teil der gewerblichen Verwaltung und des Stadt-
rcgiments Über, trotz, des Widerstandes <Icr Stadtrate (Patrizier), welche d^rin
eine Bewhrankung ihrer Auluiioniie uni.1 eine BeeintrJlchllgung ihrer wirt-
M'lialllit'h bevorzugten Ijige erbHiken, uml trotz der Al>nngung der Reichs-
.■ah, welche von dem Zunftrechte eine weitere Zersplitterung der öffenl-
hen Gewalt und cincVcrkflmmening, ja Gefährdung der Stellung des Sladt-
hemi, als des Tragers der allgemeinen städtischen Interessen, bcs<.>rgte.
Ins<ifeni aber der Stadtnit selbst seine Autonomie der öffentlithen Ge\*'alt
abgerungen, ui vielfach ein Interessen-Gegensatz zwischen Stadlhemi und
Stadtrat vorhanden, von welchem die Iimungeii Vorteil für sich zitften; in
vieirachcm Wecliscl der Auffassung sind die Zünfte bald vom Stadtherm zur
Beschränkung der städtischen Autunumie begünstigt, bald unter dem Kinflitsäe
eben der stadliM-h-palrizlsclien Elemente wieder unterdrückt imJl-i d<»(h niiss-
gOnstig behandelt worden. Erst mit dem 14. Jahrh. haben die Zünfte .sich
eine unbestrittene fVisiliun in der Sladivcrw-altung emrngen: sie sind geradezu
GcwerbciUntcr geworden, weidie für das Wohl der Stadt Wirtschaft ebenso
wie für üaa Gedeihen ihrer Genossen einzutreten hatten.
Strenge Beaufsichtigung des gewerblichen Betriebs und Absatzes, aber
;iuch gegenseitige Unterstützung der Zunftgenosscn in den besonderen Inter-
essen des (jewei'bebetriebs wie in dcji allgemeinen Interessen des snziiUen
und Rechtslebens bezeichnen die Funktionen der Zünfte in ihrer besten Zeil.
Es handelte sich dabei eben su sehr um die Ehre des Handwerks wie um
die Sicherung einer guten Versorgung dex städtischen Marktes, wenn die
Zunft die Tüchtigkeit der Handwerkei pi-üfte (Meistenilück), bcv^r sie in die
Zunft aufgenommen bezw. zum Betriebe de,s Handwerks zugelassen wurden,
die Heranbildung des Handwerkerstiinds (im Lehrlings- und Gesellenwesen)
überwachte, wenn sie die Produkte in Bezug auf Qualität und Mass unter*
Kuchie (Schau, I-eggenj. Anderseits lag die Pflege der wirtschaftlichen Sic-he-
rung der Zunftgenossen in der Besclirankung der Konkurrenz und der Ver-
hinderung des Grossbetriebs: im Interesse einer glcichm£lssigenWuhlhabcnhcit
ihrer Mitglieder wirkte die Zunft insbesondere auf Gleichhcii <ler PrtKluktions-
kocten und Pnjduktionsmittcl , auf EinluUtung eines bestimmten M.%sses der
gewerblichen Hilfskräfte (Gesellen , Lehrlinge), auf die Preis- und Lohn-
bUdung ein.
In dieser \ielscitigcn und gc^Icihlichcn Wirksoinkcit der Zünfte lag auch
die Kraft, die sie befähigte, in der städtischen Verwaltung jene einflussreiche.
ja massgebende Stellung zu bchau]>tcn, welche sie sich während des 14. Jahrlis.
in langen Kämpfen gegen die Patrizier errungen hatten. Während des
15. Jahrhs. wurde die Institution des Zunftwesens noch weiter ausgebaut,
nach innen und aussen gefestigt und »] zur allgemeinen Form für die Ord-
Bm^ des gewerblichen Lebens- .\ber doch zeigten sich auch schnn Spuren
einer Verknöcherung der Institutiuii und einer zunehmenden Ausbeutung
durch die machtigeren Zunftmeister. Dagegen rcagiejen zunächst weder die
Obrigen Elemente der stadtischen Ge!>cllschart; gegen Ende des Mittelalter»
Uitl allenthall>cn das Bestreben hervor, die Öffentliche Gewalt der Zünfte
einzudilraroen und sie der Aufsicht und Kontrole der Stadt zu unterwerfen.
3»
VIII. WlRTSCHAKT. 5. STADTVKRKASSrSG UNIl Ge%VERBE.
Andcrscils crzeujji die wacliseudc Gewinnsucht uikI E!iglicr/.igkeit der Meister
den Gegendruck der Gesellen, welche sich gleiclifjiUs zu Verbanden zusum*
mentun, einen unmittellMirpn Kinfluss auf die Verwaltung der Zunft bean-
spruclien, die Ürgauisaliun tlcr Arbeits%'ennitiluiig. des HiK-swesens und der
L<>hnr<^gflun};; in eigne Hiiiid iichnini und, wi» sie mit iliren Fc)rde!'U]igen
nicht durclidringcn, ArbeiLseinstelluiig oder Auswandenrng organisieren. Ducli
bleibt diese miltelaltcrUche Arbeiterbewegung irn wcscnüidien uhiic Erfolg.
Die Wirksamkeit der Zftnfte und ihre Kcirmcn erfahren eT>it in der Folge
durchgreifende Vcräiideruiigen, bis weh ihe Institutinn endlich ganz tiberlebte
und einer neuen Ordnung der ge\»-erbhchen VcrhalUiisse weichen musste.
Von den Gewerbszweigen, deren Au^bildung wülueud dcü MittelaSters für
die deutsehe Volkswirtseliaft bi-sonilers wiclitig wurden, sind schon in der
KanjÜnger/eit die Melallgewerbe, die Weberei und das Baugewerbe zu einer
gewis.sen Bhlle gebracht worden. Metall f ab rikate sind für die Krit^aus-
rüstung, für <]en t;iglichen Bedarf des Ilaus«^ und des landwirdwchafthchen
Betriebes (Gerate und Gescliirrc), aber auch in kunstvoller Furm für kirch-
liche Zwecke und als Hausrat (Schmiedeeisen, Kupfer, Bronze) vun deutsclicu
Händen gearbeitet. Die Pflege der Weberei, besonders in Wolle und Leinen,
ist mit der Arbeiusorganisation der gr(is.*ien Grundhemicliafleu, aber auch mit
der zunehmenden Mannigfaltigkeit der (iewander allgemein geworden; die
Kraueidiüuser auf den Hcrrenlv'ifcn waren die eigentlichen Produktiunsstatien
tlieses naütwuilcn Gewt-rbszweiges; in Friesland, dessen Gewänder schon in
der Karitlingerzeit ein al!gen\einer Handelsartikel waren, ist die Weberei ganz
allgemein von der Bevölkerung betrieben. Da-s Baugewerbe in allen »einen
Zweigen, von der Fabrikation di-s ordinären Kohmateriuls bis zu der küu^l-
ierischen Ausbildung iui ürzgu^s, der (ilaMiialcrd und Bildhauerei hat in dem
ausserurdenlliclien Bitubcd Orfnisse, aber auch Baulu.\us sclmn in der kar<.ilin-
gischen Zeit reiche Nahrung gefunden.
Mit dem Aufblühen des stiicltischen Wesens ist zunächst eine Differen-
zierung der gewerblichen Produktion eingetreten. Der Gewerbebetrieb in
allen niarktfahigeji Wiuuen wird immer mehr zur spezifisch städtischen Be-
schäftigung, wahrend der K.iiLsfleiss der Liuidbevölkenuig in der Hauptsache
sich auf die Deckung des Eigen betlarfs bcschriUikt luid nur im engeren üm-
kreia der Stadt oder einzelner Gegenden für spezieile Artikel (bes. Gespinste
und Gewebe) auch Gewerbswaare fUr weiteren Markt erzeugt. Der städtische
Gewerbebetrieb ist sodann während des Mittelalters zu aus.serurd entlich er
Mannigf:iltigkc;it und herviirragcnileT Tüchtigkeit gebracht worden ; kein Gewerbs-
iweig vnh vulkswirtschaflliclier Bedeutung fehlt schliesslich in der Reihe der
deutschen GewcrbserjMJUgniase. Ganz besondcrM aber ragten vor allen andern
die Leinen-, Baumwoll- und Wollweberei nebst der Färberei, die Lederindustrie,
<lic Metallverarbeitung besonders in kunstgewerblicher Richtung {Goldschmiede
und Kaimengiesser) und die Bierbrauerei als nationale Gewerbe hen-or. In
den dem liansLsehcn FJnflusse unterliegenden Stadien sind ausserdem uisbe-
sondere die Böttcherei und die Seilerei zu grosser Blüte gekununen.
Eine hervorragende Stellung im deutschen Erwerbsleben nehmen wlllircnd
des Mittelalters die Bergwerke untl Salinen ein. Schon in der Römerzeit
waren die Guld- und Eisenbergbaue des Nurikum sowie die Salinen des
Salzkanitnerguts und des sOdlichcn Deut'^chland in schwunghaftem Betriebe.
In der Merowinger- und Karolingerzeit ist insbesondere der Salinenbetrieb
fast uniuitcrb rochen fortgesetzt. Der Edcimctallbcrgbau ist in Sachsen und
am Harz seit dem 10., in den Alpen seil dem n. Jahrii. in Aufnahme ge-
bracht wc>rden. Die Salinen haben gleichfalls seit dem 10. Jahrh, eine
I
Berowkrke uxd Salikek. — EyciLiscnis StXdteweses.
3t
ausserordentliche Vennehning und Erwciteriuig ihres Bciriebcs erfahren.
URprüiinUch aU Pcrtinenzen dcx Gnitullicsitze» hfhandclt, haben siih Borg-
werkr und Salinen in der Folge teils durch die (Icschirklichkeit ihrer Arheiler,
teils dun-li ihre früh crrunm-tif rf-hllii-hc (.»rünunp und ihren hohen sclbsl-
stflndigcn Wert zu eignen VemiiVgciiHulyokien cntwttkell, wcldie eine vom
Grundbesitz unabhängige Regelung ihrer VerlUillimse erfuhren.
Die Lwifisung des Bcrp- und Saline nrcdib aus deni allgemeinen Grund-
cigcntunisrertit erfolgte teils durch die (jeltendmiiihung eines kAniglit hen
Höheib. reit lies (Bergregal) itnf Gmiul rönnVh-reehtlirher Anschauungen, teils
duTi'h die Bildung eigner Gcno-wenM'haften <Ut ;ini Bcrgl>au und Sjdinen-
betrieb beschäftigten eigen berechtigten Arbeiter (GewerLschaft. Pfannerscliaft),
leüs dunHi die Ausbildung eigner bcrgreehtlicher Gewohnheiten. Das deutsche
BergTfteüen ist dadurch vurliildlich auch fur andere Ulndcr geworden, wie
anderseits dcuisclic Bergleute durch ihr Geschick und ihren Unteniclirnungs-
geist i-iel zum Aufblühen des Bergbaues auch aiwserhalb der deutschen
Grenzen be^etragen haben.
Seit dem ij. Jahrh. sind die deutschen EdelnietallbcrgUiue, aber auch
die Eisenstein baue und die Salinen zu grosser BiQie gebracht und gegen
Sdilusü des Mitlelallen* auf die H'i]n; Üirer Leistung eni|Mirgelioben.
Die EntWickel ungsgeschichte der englischen StTidie Ist in \ielen Stücken
von der deutschen venichieden ". Das britUi he Stadtewesen, wie es sich in
tlcr RMinerzeit entwickelt hatte, war zwar im allgemeinen eben wi verfallen,
wie da.s deutsche; doch hatten sich in der angelsachsischen Zeit einige
dichter bewohnte Orie mit vorherrM'liendem Gewerbe- und Handelsbetrieb
erhalten, wt^tchc allerdings auch im gnindherrschafllichen Verbände standen,
<xler, wii sie im HuniIerls.rluifLsvi»rbaride waren, wenigstem eine teilweise
grundherrliche Bevölkerung bargen. Von einer eignen btadt Verfassung \>t
jcdfjdi in der imgelsäcbstschen Periode keine Rede. Die grilsscren Städte
(burh, hyrig) \»-urden gleich eignen Hundertschaften behandelt und .itanden
imter eignen Burggrafen fWir- oder Poiigerrfrn}\ die Btirgerschaft ^AM^///(v?r«/
als die GesamÜieit der angoes.-^nen Bevölkerung i-st in der Bürgcrversamui-
lung (iiurhgemot) als ^'^(adtgeiiclil vertreten, aber im Wesentlichen luir mit den
Redilen det Hundert-schaflsversammlung. Schöffen (la^männfr. fiiffitesj und
Gfldcn knmmt-ji wohl in manchen iliescr Stüdh^ bcrcik vor, ohne dass sie
als eigentliche Verwaltungsorgane gelten ki.iimten. Auch ein eignes Markt-
üdirr Kaufmanns recht Lst nmh nicht entwickelt.
In der nomiannischcn Zeil ist vr>r allem durch das besondere Marktrecht,
welches der Konig vttteiht und atif die gi-sclifltzten Stiidtc beschrankt, ein
Ansatz zur EntwitJccIung eines eignen Stadtrechts gcschaffai. Auch die
Befreiung der Jahr und Tag unangefochten in den St/ldten wolmenden I,cutc
von den Lasten der Unfreiheit hat die rasdic Entwickelung der städtischen
* R. Bra'ly. An kiUoricat Treaiiic oj Ctties and Burghi or Itoroughi. 2. eJ.
1704. Th. Madox, Firma Bvrgi or an HtstariiiU Raay <0)w. ihe Cities, Towitt and
Dcroughs 0/ England. 1736. Meicwether and StcpItCDs, Tkf JUstory 0/ ihi- Ao-
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Ch. r>roftft, 7Äi- gild Mtnhanti and contribution /o Munkifi^/ Atst^ry. 1889. Spezial-
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ifU>7. MailUnd 1S71 ^London). Tbompion 1849 (Lct^^i^r), Dotison und Harland
18O2 tPftiton). Scott 1889 (Bcrwick). Ashley. Th* Enrly f/islory 0/ th*- Engtak
U'c<>ll^n Indiiitry. 1887. Jiimc*. HitUyrv 0/ the H'orili^-Afanu/tieture in England.
1857. Barnlcy. liul. ff t1\w/ and fft^Uumbiag.
ja VIII Wirtschaft. 3. Stadtverfassung usd Gewerbe.
Gomeinwcsen j^efnrdert. Die freie Wahl ilirer Obrij;keiten, Befreiunj« von
auswärtigen Gerichten, von vei-scliicdcucn Steuern, Bussen und VcrUehrsiib-
gaben bilden des weiteren die Ii:iuplbestandieile der stÄdlisrhcn l^rivilegien»
wcldic vun den ntinnauntschen Königen verlieh«,-» wurden. Doch blieb die
königliche und grundhcrrlit'he Gewalt Über die Städte bievun zunJlrhst unbe-
rührt, ja sie wurde mit der neuen t,)rdnun); der Gnindbesil/verh;iltnisse,
welche die angesehensten Stildlc dein Könige zusprach, die kleineren dem
Lehensbesitz der Grossen zuschlug, noch versLlrkt
Zur weiteren Ausbildung der städtischen Selbslvei-waliung trug dann auch
das stfldtj.sdu; Sleuerwe-sen wesendich bei. Die StUdter waren als Hiutersa.sscn
des K"'nigs iider der Lehenslierni schat/utig>pnichtig; die Ürhelniiig der
.Schalzuiigeii aber wurde in England regelmässig verpachtet :iii einen vom
Schatzamte bestellten (»enemlpüchicr für die ganze Grafschaft oder Spezial-
püehler für die einzelnen Grle. Aufblühende StfLdte nun, insbesondere solche,
in welchen organisierte Verbände von Stadtbürgem {Gilden) bestanden,
Ühemaliinen die ['athtuiig der sUidUschen Gcfülle (ßrrna burgt, fef-fann) und
stellten liiefür mit Zustimmung des Schat/aintes einen Vogt (ncvc, mayor) auf,
wt»mit die Anfänge eines städtischen Finanzwesens geschaffen wurden.
Anderseits sind die Städte aihnühlkh auch zur vollen Selbständigkeit ihrer
Gerichtspflege geki^nnnen teils durch Befreiung von Bi.schofssitzcn und Abteien
von der (joricUtsfnlge in der Grafsibaft, teils durch ausdrückliche Verleihung
von Seiten des Königs als Grucidlierru (conti iret).
Zu diesen beiden hauptsilchlichen Befugnissen, welche die finanzielle und
die rechtliche Selbständigkeit der Städte bewirkten, kamen im Laufe der Zeit
noc^ andere, mehr nebensächlicher Natur: die Verleihung markt- und gewerbc-
polizeiliilier Befugnisse, die freie Vcrfttgung der Stadt über das nie ht in
SonilcTeigcntum sti'hende LantI als O'mcinhnd u. a.
Die sozialen Unterschiede waren innerhalb der Bevölkerung der englischem
Städte gewiss eben so gross wie in den deutschen Städten. Aber zu ao
-•(chroffen Gcgensfltzen, wie sie dort zwschen den Gejtchlechteni und der
übrigen BC^rgersehaft bestanden und /.um Ausgiingspunktc der ein sc! 1 neiden •
sten Verfassungsflnticrungejj gcw«jrden sind, ist es in England nicht gcknmnicn.
Die öffendiche Gewalt behielt immer so viel Einflass auf die städtische
Selbstverwaltung, um einer Ausbeutung der stadtischen Ämter eutgcgenzu-
wirkcn. Auch haben die Könige schon seit Eduard I. die Handwerker-
gilden besondere begünstigt, um in ihnen ein Gegengewicht gegen die aus-
scblicsscnden Tendenzen der Magistrate und Kauf man nsgilden zu schaffen.
Krst mit dem 15. Jidirhunderte beginnt der Schwerpunkt der stadiischen
Verwaltung in pennanente Ausschüsse [seiecl hoi/ies) verlegt zu werden, welche
mit dem unbesrhrflnkten Recht der Selbstcrgünzung zu einer ETstarnmg des
stadtischen Gemeinwesens führten.
Die Gilden haben auch in England einen tut verkennbaren, wain gleich,
Ruweilen überschätzten Einfluss auf die Entwickelung des SiJidiewesens ge-
äussert Als altere Form tritt, verehizelt sclion im u. Juäirli., häufig im 12.
und 13. Jahrhundertc die Kauf mann sgilde hervor, welche vielleicht aus ülteren
Schul;^lden hervorgegangen ist. Mit Heinrich L beginnt eine lauge Reihe
von siaütischen Privilegien, in welchen fast immer auch die Anerkennung
der Kauf man rtsgilden ausgesprochen ist. Autonomie in ihren inneren Ange-
legenheiten, Gericlitsbarkeil in Handelssachen und das ausschliessendc Recht
auf Hamlclschaft waren die wesentlichsten Vorrechte, welche ihnen der König
veriieh. Indem die Gilden die grosse Mehrzahl fler wohlhabenderen und
angeseheneren Bürger in sidi vereinigte, erreichte sie naturgcmUss auch einen
Engi-ischks ukd skandinavisches StAdtewesen'.
33
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bedeutenden Einfluss auf die Besetzung der stfldtisclicn j^iter, im Stadtrat,
und Siadig«richL Aurh haben sie als Spezialpärhtcr der königlu hen Gefalle
sowie als Trager von Slapelprivilegicn für den F.xp<^)riliandel zur Blülc der
SLIdte und ihrer Selbstandipkeit nit:iit Unwesen tli*'h l)eigetrag*;n. Ungefähr
hundert Jahre später ersi sftxt die Entwirkehing der Handwerkergilden
(spüter cra/ts, mcsfien geniintit) ein. welche die Genossen der gleichen oder
verwandten Handwerke vereinigle zum Schutze ihrer gewe-rhiichen und soxialen
Interessen und um ausschliessende GewerbsbefugnUse zu erlangen. Auch
diese Handwcr};ergil(]en bedurften der küniglichen Bestätigung und unter-
lagen abenhc-s der Aufsicht dtr st.'lddsrhon Magistrate, welche sich ihrer
Entwickelung nicht selten entgegenstellten. Seit aber insbewmdere mit der
den fremden Kaufleuten zugeneigten HundelspoHtik der KOnige die Handels-
monopole der Kaufmannsgilden entweTtet wurden und diese selbst ihrem
Verfalle entgegengingen, bediente sich die küntgliclie Gewalt der Handwerkcr-
gildcD, um neue korporative Grundlagen der Stadt Verfassung und gleichzeitig
Otgaiic der Gewer bepulizei in den Stadien zu haben. Docli errangen sich
die Zünfte in England keine so grosse Selbständigkeit, «ie in den deutschen
Städten; insbesondere haben sie auch nur vereinzelt, unter besonders günsti-
gen Umstanden, eigne GcrirhtsbiLrkeit erlangt; ilagcgen sind seit Eduard III.,
der Oberhaupt dem Zunftwesen geneigt war, die Handwerker zur Rechts-
f.lhigkeit und damit zu Einfluss auf die Stadtverwaltung gekommen» und es
wurde damit der alte Gegensatz zwischen der privilegierten Bürgerschaft und
den Handwexkcrgilden beseitigt
In den skandinavischen Reichen* hat sich städtisches Leben viel
spater als in Deutschland und England entwirkrit und ist aurh wahrend des
ganzen Millelahers bei weitem nicht zu solcher Bedeutung gelangt. Einige
von den nordischen StSdIen, wie Schleswig, Kopenhagen [hjsbtNhai'n), Wisby,
Riga. Bergen sind zwar aus alten Handelsniederlassungen her\x»rgrgangen,
welche s<'h»n früh auch ein gewisses Mass städlLsdien Lebens erzeugt haben;
die MeJirxahl der nordischen Städte aber ist spaterer, vorzugsweise ktinig-
Uclier Gründung. In den eigentlichen Kaufstfldlen {Kjoin(aeder) war spätestens
vom Anfang tlcs 13. Jahrhs. an das deuts<:hc Element ein wesentlicher Faktor
für die Entwickelung stadtischen Wesens. Die hanseatischen Kaufleute ver-
sorgten die Bevülkcrung des Landes mit allem, was über die gewöhnlichsten
Bedtirfnisse des taglichen l^bcns lünaus benötigt war und übernahmen
anderseits einen stets bereiten, günstigen Vertrieb der I-indesprodukie nach
anderen Handels- imd Absatzgebieten auf ihren eigenen Schiffen. Nicht
einmal die dänische Schiffahrt spielte bei diesem Handelsverkehr eine Rolle;
mit ihren kleinen Bauem.s<iuffen beschrankten sich die Danen auf Küsten-
fahrt und besuchten höchstens die benadibarten Nordsee- und Ostseehafen,
am deutsche Gewerbsproduktc gegen ihre Bodenerzeugnisse einzutauschen.
• Rrichp LitmUnrangnlM-n tihrr nf>rii(Itrtit«lie« nnd rlüitiM-hes St."w1t»-weiwn bei I>.
Scbifpr. litt IfaHsntädle und Kimig H'tttd^mar tvm Danrmitrk. \^'<^. Steenstrupi
Siudtrr over K. l 'aUrmari Jordrhog 1 8 ' 3 • H ä j> e I , Staate uttJ (itldm. I. 1 8 9 1 .
Duui <lie SpeiUlortrtiten Über unEclne SUdtcr von 1*. Maasc, Forchhiimmcr, pAuIsen
(Scfalf«« ic). H»ase, Ficnsdorf. Kinch (Ripcn), S c j H e I i n (Fkn.-tburg), N i e U« n
(Knr««Ju|^). Schlytcr VI (Stodtbolm), VIII (Wisby). KIcmming (SötlcrköpinR),
Yaevar Niclicn (Bci^n). Kofod Anchct. Om df gamU Dattskt ^'Idtr (Samlcde
iorktiake Skriftcr 111) Itiil. M. Psppvnhcini. Die aUdtinistfu-H Si-/tn/:gi'fden. 1885.
Ut-rs-, £»1» aHnc-twgyn-hej SfhHltgUriesialut. ]S88. Kinn Mn^nusen. Om de oid-
Hordiiit GtJdfn- iSaq. (Zcitachr. f, nord. Alten.) Dazu die Spf«ial.irl>cilpti über diuclnc
GUdcD ron Wedel ( l-1ciubarg), Biscberod 1 (Od«is«e} . . W. Flensburg [Bdalm«)),
l.jBngKrcn (Luod).
Gcrmaniich« Philolocic VSX. 2. Aufl. 3
34 VIII. Wirtsc:haft. 3. Stadtverfassusg und Gk^vkkhb.
■Der finlifimisclie Gcwerbeflciss uitwiL-ktiltc sich zumeist tin fiij;t.'ii Anschlüsse
an den Handel; in vcniciüedem'.n Gesetzen sind die Krtufsifidte dem Ge-
wcrbchetricb uU ausscliHessliiLhe Suindürte angewiesen. Aber doih hat sich,
WPnigstenK bis zum 14, Jahrhunderte, ein nationaler Gewerbebetrieb nur für
den tUglirhen und ganz lokalen Uedarf enlunckelt. D«x:li kennt tlas Stadt-
rechl v(ni WUby (v. i^i,2) iinniL-rhiii sdioTi 24 ven»t.-hitnlt*ne Handwerker-
amter und im 15. Jahrh. siml in Dänemark, Schweden und Norwegtni die
Goldschmiede. Messerschmiede und Schwertfejuer, Glaser, Maler und Bilder-
SLlinitzcr neben den alltaglichtin Handwerkern wenigstens in den bedculendslen
Sta<Uen vorhanden. F.ine licsonderc Stelhing hai)en liic deut-tchen Sd^uh-
niacher in Bergen luid anderen n.jrwrgi.'-rhou Stadtuii schun fiühzeitig ciu-
genommen, indem sie unter dem Schutze des Landesherm angesiedelt und
mit besonderen Privilegien (Monopol des Gewerbebetriebs in der Stadt u. a.)
ausgestattet waren. Auch im Bergbau (auf Kupfer in Schwcdtm) haben sich
die Deutsolien selbstflntlig bethiitigt; schwedisches Eisen wurde vim F.in-
lieiniisclicn gewonnen und vcrliflttel, von den Deutschen ausgeführt. Die
skandinavischen Städte, welcher Art auch immer ihre Entstehung war, sind
doch der Verfassung nach als königliche zu bezeichnen; nur in einigen
wenigen (Flensburg, Haderelcbcn, Apcnrade; — Rocskild, Knpcnliagai) be-
steht :mf<1nglich eine herzogliche oder bischöfliche G<^"a!t als StadtobrigkeiL
Der Sladlherr, in der Regel aLso der Krmig, regiert thaLiachÜch in der Stadt;
er erteilt oder bestätigt das Stadtrecht, setzt den Vogt eiuj der zugleich der
Vorsitzende im Stadtgericlile ist. bezieht die iriffent liehen Busst-n entweder
allein ixler uiit der Stadt zusaiimien, criiebt eine städtische Steuer (Herd-
geld), Zolle, Stadlahgaben u. Ü. und behfllt sich gewohnlich auch ein gewisses
Vorkaufsrecht an den eingeführten Kaufmnnnswaren vor. Die Bürger ge-
niessen das Ret'hl persönlicher Freiheit, Zoll- und Gewerbefreiheil; nur die
Fremden müssen jJs Nachklang illtercr Rech Isan schauung, um den Hcimfall
ihrer Geiler an den Ktinig beim Todesfall zu lösen, den -Erbkauf' bezahlen.
Aus der Mitte der Bürgerschaft wrd in der Regel der Rat gewählt, der mit
dem Vogte zugleic-li Gerichts- und VenA-aliungsbeliörde ist» vmn K»inige Vie-
siatigt, anfönglicli oft auch eingesetzt. In den schwedischen St.'idten und in
Wisbv ist der Stadtrat aixs .schwedischen und deutschen Elementen gebildet,
da hier die Deutschen zu StadtbOrgcrn wurden, wahrend sie in Dänemark
und Norwegei» in der Regel ab Fremde (Ausländer) ihren Gcscliüften nach-
gingen.
Die Anfange des Stadtrats f(\hren, wenigstens in Dänemark, vielfach auf
Itltere gwiosscuschaftlichc Institutionen (Gilden) zurück, in dcucii die von
atlerwärts eingewanderte, städtische Bevölkenmg einen sozialen Halt und
einen Ei"sat/. für den ihr verloren gegangenen Geschfeclitcrverband suchte.
Die Gilden konnten für diu Öffentliche Ordnung in der Stack sehr wertvoll
werden, weil sie al« religiöse, gesellige und Schutzgemeinschaften gewisser Bürger-
kreisü Sell)stdi.sziplin und Pflege lies Genieinsinns übernahmen. Ste sind
daher auch zuweilen mit fc«"inigiichen Privilegien (erhcihtesWVhrgeld, erhöhte
Eidesfahigkeil der «höchsten Gilden«) ausgestaltet und zu Einfluss auf die
Besetzung des Stadtrates gekommen, ohne dass doch die Gilden selbst als
Anfange des Raic-s bezeichnet werden können. Die spateren, zuweilen auch
»Gilden«, in der Rege! aber •.'^mter* genannten HandwerkervcrbJlnde (Zflnflel
sind in den nordischen St.'idten nie zu solcher Bedeutung wie in den
deutschen Städten gekommen ; der Zutritt zu]n Kate ist ihnen Überall ^ erwehrt
gcblietK-n; iltre innere Autonoitüe ist eine sdir beschränkte; die Stadtubrig-
keit führt strenge Aufsicht über die Th.'lligkeit der HandwerksSrnter, ohne
:h verhiiKlcni zu kunn«.*!«, ilass xicli, fihnlk-h wie bei den deutschen ZQitften,
Ende des Mittelalters bereits Eiiglierzigkeit des Interessensiandpunktes
und arge MtssbrauL-he einstellten. Infolge dieser konsequenten poUlischen
Niederhaltung des Hnndwerkerslandes, der allerdings aurh t"ikt)noinisi'h viel
weniger als jinderwarts bedeutete , sind in den iK>rdi.Mhen Städten weder
srhrc»ffe Pairizici^ruinK-n n«.>ch Zunfikamjife auf>;ctretcn. Die einKtmniielic
KauTuannschiiTt füliri in der Hauptsache im Namen des Königs das stadliM:he
Regiment, aber die k<jaiglie}ien Gesetze und die königlichen Beamten sind
massgebend fOr ibre Verwaltung; die sUkltUihc Autonrimic hat nur einen
engen Spielraum. *ie siili M-him daraus ergibt, dass sowohl in D.'hiemark
ak aurh in Schwellen und X<jrwegen im l^iufe der Zeit allgemeine Reichs-
gesetze erlassen werden, welche auch städtisches Kechi enthalten. Deutsches,
insbesondere lüblschcs Reclit hat übrigens auf die Ausgestaltung der Stadt-
verfassuni; und Verwaltung in den skandin.i\'ischen iJlndem grosÄcn Ein-
fluss :iu.sgeübt. übrigens war auch die Adelsherrscliaft dem städtischen Leben
nicht minder ungünstig; der Verlust der Unabhängigkeit der stÄdlürtheu
Verwaltung, welcher durch sie herbeigeführt wurde, hat sicherlic h ebenso zur
Schwaehung ihrer ganzen Stellung im Reiche beigetragen.
4- JIAXDEL VisD VERKEHR.
J. Falk«, Oej^hühtf äfs dmtuk^n Hiindfh, % B«le. 1859. Sartoriut r.
WnllerthaDsen, Urkuniii. irrtchü-hle Jrs t'rxpruHgs </, dt^/srhrn ffarua, hgg.
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E. «, Bruysscl, J/tstairr du romm^ne et lin Ui murine tu Btlgiijut, I. 1861.
de Reiffembcrg, \femoire sur le commene des Pays-fiat au 1$"" et /ö ""
siftif. Simonsfeld, T^r Fondmo Jei TnU-u-fti i» t'rfwd/f. 2 Bde. 1887. D.
Sebiir«r. Die /f/tma und ihre Hondehpolitik. 1885. Dera., Aw Rueh det
iMectiKhra l-'ogts auf Sth<n%en, 18H7, Gasner, Xum denfsrhm SfranrnUTsrn
von der ältnlrn Zeit bis tur Mitte des l?. Jahrh. 1889. RolbgCD, Die Ent'
ttfhuftg der Af'irkle in Deutu^hland. t88i. K. HJihll>Buni, Zur GeuH. d. d.
Hanta in England (Hnn«. TiCTch. Bl. 1875}. Koppmnon, ifamareresse. \. 1870,
Hcyd, Getfhit-ktr drt I.n'anlehandeU im M.,-1. a Bflt. 1870. Der«-, t>ie groiie
Raxtmbvrgtr Gesrlluhafl. 1S90. J. H. Muller, DniUeMe AfÜHigritltiihie \.
1860. A. Soctbeer, Beitrdge tnr (reifhitfUe deiOtld^ und MünfUfeititi in Deutsch-
iand im Fr>r»chui^;cii r., D. G. I. II. IV. VI). IL Danncobcrt;. Die detttsehrn
JlfiSntrH der säehsischen und fränkischen Kaiieneit. 1876. K. Th. EhebcrK,
Cbfr das Ö/terr drutiche Miint;eesen und die Itatisx^noisrnschaften. 1879. M.
Xeatnann. itesthichte dei li'tuhert in DeutKhland. 1865. EodcmBnii, Studien
in der rcman/sch-canifnist. H'ir/uitaftt' und /iivhult-hre. 2 Bde. 1874. 1883.
Kabn, (Jeieh. d. Zinsftini-s in Detilsehlond. 1884, S. ferner die IJIcrolurnngJjcn
bei Goldschmidt, Handehrecht I. (1891).
Von alten Verkehrslieziehungen , welche zwischen Germanen und den
Völkern des Ostens bestamlen haben im'igen, ist in der geschichtlichen Zeit
der deutschen Vulkswirtsduift nichts mehr wahrnehmbar. Dagegen Iniben die
Gennanen mit den Riimem wahrend der Jahrhunderte ihrer Weltherrschaft
mancherlei Verkehr und HandeLschafl mitcrhulten. Doch blieb dieselbe in
der Hauptsache Grenz\erkehr. wenigstens so weit die Deutschen selbst aktiv
daran beteiligt waren. Komische KauHeute wagten sich dagegen wohl auch
in das iruiere Deutst:htand . als fahrende Hantller sowohl wie zu bleibender
Niederlassung. Die Gegenst.'imle dieses Handelsverkehrs waren auf deutscher
Seite in der Hauptsache Skla\en. Pferde und Riiuler, VX'iiffcn und sonstige
Kriegsbeute, aber auch insbcsiindere Fisihe und Bodenprodukte^ Federn und
Seife, wogegen sie von den Rümem Wein, Klei<ler tmd mancherlei Luxus-
ware, zu Letten auch Eisen zu Geritten und Waffen empfingen.
Diese regclm.tssigcn Hand eis beziehungen verlielen mit der Volkerwande-
36 Vin. WiRtscHArr. 4. Hasdbl ukd Verkehr.
runy; das f^anze (iebiet, welches die Detitsclien re*Iibi des Rheins in der
Mcr*iwinj;erzcit bt-wnluitcii, war wirtsdiaflHdi mehr als je is<-)lien; die nationale
Pnidiiktion ganz überwiegend auf den Rtgenbwlarf beschrankt. Nur in ganx
wenigen .\rlikcln bewc);! sirh auch in dieser Zeit ein bcsebräinktcr innerer
Handel; alamannische Rinder, sarhsiwlie und thürinpsche Pferde, friesi-sche
Gewrinder und baieiisrhes Cietreide und Salz sind seine Waarcn ; einipe alte
Eisehofssitze wie Strassburg, Worms , Main/ , K(»in , Rqjensburg, Salzburg,
L«rch, einige bevorzugte Kreuxungspunkte aller Stras.wnzOge sind auf deut-
sebein Boden die einzigen nachweisbaren HandelsplJltze, neben welchen
ausserhalb des deutschen fiebietes bestmilers die neustrisrhen Markte in
Paris und St. Denys. dann L«indnn und Schleswig aucli vm Deutschen be-
sucht wurden. Die ältesten HandfLswegc sind teils die natürlichen Wa.sser-
ätrassen des Rheins und der Mosel, der Weser und Elbe, aber auch be-
sonders der Donau ; von Landstrassen werden nix'li lange Zeit hindurch
vomemlirh die gutgebauten R">merHtr;issen benutzt.
Erst mit der karolingis<.hen Wirtschaftspolitik kam ttieder Leben in den
deutschen Handel. Insbesondere die VillenvcrfH.'vsung Karls d. Gr. und ilire
Nachalmumg in den grossen (»rundhenschaften schuf mit ihrer Konrentration
der Produkte auf den Herrenhöfen, mit ihrer Organisation der Verkehrs-
dienste {scarn und atif^iin'a, crstere insbewmderc für den Nachrichtendienst,
letztere für den Trarisponl un<i mit der (;>rpanL<;ati(in des Marktes die Grund-
bedingungen eines lebliafteren GiUerausiausclies; weiterhin wunle dann durch
die Sf)rge der karolingischen Verwaltung um Verbesserung tmd Sicherheit
der Stntxsen, Einbürgerung und Ordnung des Getdverkehrs, aber auch durch
weit aussehende Handelsverbindungen mit fernen Lfindem (England, Italien,
Orient) machtige Anregung und Forderung gegeben.
Die Abhaltimg von Jahrmärkten war in der Karnlingerzeil nur mit könig-
licher Eriaubnis möglich. Frühzeitig schloss sich daraii schon das Recht
auf die Zollaligaben, die Aufsicht Über Mass und Gewicht, sowie die Aus-
übimg des küniglichen Münzrechles, wodurch der Markt bei dem lokal be-
schrankten Münzumlauf erst recht belebt werden konnte.
Nach der Kan ilingerzcit hört die Pflege des Marktverkehrs durch die
Reichsgewalt auf; mit dem Marktreclite geht die Marktpolizei und dai^ Markt-
gericht (der Rann) an die Territori;ilherm über, welche dasselbe immer
mehr in rein fiskalischem Geiste ausüben, bis die autonome Stadt\'erwaltung
auch hier mflchtig winl. und die Ordnung der Marktverhaltnis,se in ihre- Hand
bekommt. Und liier differenziert sich dann erst vollständig der lokale Markt
der Lebensmittel und tfiglichen BedOrfnisse. wii* ihn der Wochenmarktsver-
kehr daretellt, von dem früher vorherrschenden, weil allein notwendigen Jahr-
markt, auf welchem fremde Hiindler mit fremden i*rodukten sich zusammen-
fanden und einen nicht auss< hliei-slich für den K>kalcn Konsum berechneten
Umsatz pflegten. Die in den prri.»iseren Studien angesessenen Kaufleute, wie
sie schon in den Anfängen des slildüschen Lebens als ma.ssgL'bender Faktor
der si;idtisrhen Selbständigkeit auftraten, haben auch in der Folge die Ord-
nung des Marktverkehrs insbesondere als ihre Angelegenheit betrachtet und
durch ihre Vereinigung zu Kaufnumnsgilden alsbald auch den massgebenden
Einfluss auf die Marktpreise und die Marktpolizei wie fttierhaupt auf das.
Stadtre^menl gewomicn. Mit dieser wirtschaftlich imd rechtlich überlegenen
Stellung im wirtschaftlichen Leben der Stadt und mit ihren weiten kauf-
männischen Verbinfhmgen in frem<lcn Lflndcm haben die Kaufleute lange
Zeit der Wirt.s<.'liafLspoiitik der Stadt ihr Gejjrflgc gegeben; eine stattliche
Reihe deutscher Si-ldte hat durch sie bereits im \2. und 13. Jahrh. den
StAutebCsiinissk.
37
Charakter eigentlicher Handelsstädte erhalten; auch die ersten StadtebOnde
<der rheinische, der schwäbische und der niederdeutsche) sind vomchinJich
durrh die handeUpohtb;che Riclitung bestimmt; am stärksten ;ibcr ist die
Bcdcutunc: dieses spenfischcii Hündclsstandes für die deutsche VL>Ili^»^rl-
jMhaft in dem grossen Stadlebund der dcutsrhen Hans:* zum Auwlrucke
gekommen, der vom l^. — 16. Juhrh. eine deutsche Haiidelsherrschart Ober
einen gntssen Teil von Europa ausgeülrt hat.
Die nächste Veranlussuny zur Bildutig solcher Stildtebünde ist in dem
Gegenfiatz zu .•iuehcn, wclclier zi*'ii<-hen den spccifisrhcii Interessen der
handeltreibenden Stadtbevölkerung und <len wirt^jchaftüchen wie p'ilitischen
Interes!*en der Gnmd- und Tcnilorialhcrrcn bestand; wie dieser Gegensatz
sich »chon im Kam|)fc um die Stadt Verfassung gexeigt hat, so machte er
sieb aucli geltend, wo immer vclkswlrtsthaftliche IiitercHseii auf dem grosseren
Gebiete der lÄndsrhaften und des Reiches im ganxen in Frage waren.
Insbes<.>ndre fand das Streben der Kaufleute nach freiem Verkehre in der
fiskalischen Ausnutzung aller Vcrkehrseinric luungen durch die Grundherrn,
da» Streben nach einem weiten einheitlichen Handelsgebiete in der Ten-
denz nach Lokalisierung des Verkehrs fortgesetzte Hindemisse; dazu kam
die geringe Sicherheit des Verkehrs, welche insbesondere seit den Zeiten
der spateren Kreuzzüge durch die kleinen und die gp-tssen Grundherrn vim
ihren Burgen aus immer mehr bedroht war und von der schwachen Reidis-
gewalt keinerlei Schutz mehr zu er^*arlcn hatte.
Zuerst zettigte das reich entwickelte sti'ldtlsche Leben am Rliein einen
solchen Sl.'ldtebund , dessen tJrganisation 1 2^5 fertig dasteht. Die dun.h
die Kreu/züge neu belebten Verbindungen mit der Levante, die regel-
mflsB^ien Verbindungen mit den oberitalienischen StJidien einerseits, mit
Niederlanden, FraiUcreJch und Kngland anderseits, die vcrhältnisrnfissig reich
entwickelte Kultur des Rlielnhuides ÜberhaujA mit seinei ^-orzOglichen
Wasserstrasse hatte hier vor allem Reichtum und Untemehniung^eist ent-
wickelt, zu welchem auch die zahlreichen blühenden Sitze der weltlichen
wie geistlichen Tcrritorialherrn wesentlich beigetragen hatten. <.>o Städte
am Rhein und im Hinlerlande waren in cücsem Stadtebmid vereinigt, an
dein Qbngens auch geistliche und wettliche Herren sich beteiligten. Die
Erhaltung des Landfriedens, mo nötig mit bewaffneter Hand, die Bcsci-
tigimg aller willkürlichen Rheinzölie waren die ausgi-sprochenen Zwecke
des Bundf?: eigentliche liandels|Kililische Ziele hat derselbe als»i nicht ver-
folgt und daher auch keinerlei einheitli<"he Wirksamkeit zur Forderung und
Ausbrdtung des nationalen Handels entfaltet. Dagegen kam der Bund all-
mlhlich immer mehr hi eine |}<)titisclic Rolle hinein, durch den Gegensatz,
in welchen er sich zur Reichs]wilitik und zu den Interessen der Kurfürsten
lellte und wurde im 14. Jahrb. teils von der Hansa absi^rbiert. teils in den
hwabischen St'ldtebund aufgenommen. Dieser ist im Anfange des 14. Jahrb.
vornehmlich von den oberdeutschen Handelsstädten unter Führung von
Augkburg, Ulm und Nüri\berg gebildet, zunächst gleidifalLs zur Abwehr
von Gewaltth;ttigkeiten der Territorial he rm und zur Bewahrung des Land-
friedens; daneben spielt aber di-ch auch das Verhältnis OberdeuLschlands
zu Obrritalicn, insbesondere zu lien immer mehr den Handel mit der Le-
vante doroiniercntlen Handelsre|iubliken Genua und Venedig [foudaco lin
Tttüi^ki, die griHäe oberdeutsche Faktorei in Venedig seit der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts organisiert) eine bestimmende Rolle. Den Verfall des
Donauhandels infolge der über die Alpen greifenden Macht denselben em-
pfanden eben die (.'bcrdeutschen Städte um meisten und suchten nun durch
36 Vlli. Wirtschaft. 4. Hakdei. und Vkrkehr.
ihre Vereinigung wenigslens eine Stärkung ihrer Stellung in dem Konkurrenz-
kämpfe um den italicnischcu und Icvantinischen Markt. Aber autli hier trat
diese handdspoHtisrhf Tendenz allmählich zurOrk, je wenig;er sie Erfolg
hnite; eine <lein rheinisilien Bunde Iltinlitlie p<»litische Rioliiung machte das
Reich dem Birndc feindlidi. Mit Verallgemeinerung des Seeweges verfiel mit
der Blüte des oberdeutschen H-indels auch der schwabische Stadtehund, ohne
einen bleibenden volkswirtschaftlichen Erfolg hinterlusäen zu haben.
Der niefäcrdeutsehc Stadtehund zwischen Hamburg und Lübeck 1241
zur gemeinsamen Abwehr von luind- und Seerilubem, wie ahnliche andere
kleinere Btlnilnisse zwischen einzelnen niederdeutschen Städten tragen im
allgemeinen ein anderes GeprÜge, wie das in der Verschiedenheit des poli-
tischen Zustandes begründet ist. Die oberdeutschen Städte waren zu grtwsem
Teile reichsnnmittelbar; die grün d herrliche Gewalt hier viel mehr zer^iplittert,
aber auch viel mehr in direktem Gegensatz zu den spezifischen Stadtinter-
rssen. In Niederdeutschland, wi> die Reichsgewalt seit den Hohcnslaufen so
gut wie verfallen war, hallen die Landcsherm grosse Terriinnen unter ihrer
unbi-strittenen Hemichaft; sie selbst sorgten viehnehr für Sicherheit und Frei-
heit des Verkehrs im I^nde und saiien in dem Aufblühen der Städte vid-
mehr eine Mehrung als eine Schwächung ihrer eigenen Macht. Daher sind
denn auch die kh-inen niederdeutschen StSthebOnde von Anfang an mehr
auf l'flege gemeinsamer Ilandelsaufgabcn iin Auslande als nur auf Abwehr
gegen Gewall und Erringung von Freiheiten im Innern bedaclit; auch halten
sie -sich von jeder politischen Tendenz fem. Mit den oberdeutschen Städte-
bünden haben sie von Anfang an nur wenige Beziehungen ; vielmehr ist ihre
Hiuidelstbaügkeit schon vor der BiUhmg cle-sHansabuncles voniehinlidi nach
dem Norden. Nordwesten und Nordosten von Europa gerichtet.
Die Gründung solcher Städte bündnisse gab aber auch die Vcraniassung,
dass sicli nun ein Netz von Handelsgesellschaften der in- und auslandischen
Kaufleute über das ganze Handel.sgebiet verbreitete, welche in den ver-
.srhiedencn verbündeten Städten Genossen , Lager, Kontore unterhielten und
so den Waarcn- wie den Wecbsclhandel hoben. Auch die Stadtcvcrwal-
tungen seihst srhlie.ssen sich direkt solchen Handcisgesellschafien an und
beteiligen sich insbesondere in der Form der Accomenda finanziell an deren
Geschäfte; anderseits bilden sich direkte geschäftliche Verbindungen der
Städte unter einander aus, wozu insbesondere die bank.lhnlichen Einrich-
tungen städtischer Dqxpsitfn- und Wcchselkasscn mit ihren fortwälirenden
Creditgeschaftcn Veranlassung boten.
Um die Mitte des 13. Jahrhs. tritt zum erstenmale die Wirksamkeit eines
weiteren Stadtebundcs, der nachmaligen deutsehen Hansa, auf. Den Kern
des Bundes biUten die Ostsecst'ldtc, Lübeck an der Spitze; bald folgten die
Städte in Holstein, Hamburg und Bremen; auch Binnenstüdte, Dortmund,
Münster, Soest, Braunschweig, Magdeburg und, für die folgende EnlwirJcelung
enischeidend, auch K''iln Schlüssen sich an, Mit Beginn des 14. Jahrhs. sind
sclion über 70 Städte im Hansabuntle vcreriiigt; der deutsche Ürdensstaat,
wdcher seihst die Kanfmann&cliaft in grossem Stile betrieb, schloss sich als
solcher gleichfalls dem Hansabunde an. In der Kölner Konföderation von
13(17 erhielt die Organisatiim der Hansa für die Folgezeit ihren fe.*itesien
Zusammenhalt. Von den Siildten, welche sich in der Hansa verbanden,
hatten manche .schon früher ausgedehnte Handelsverbindungen mit dem Aus-
lande; Wisby, da.s der Centralpimkt des deutsrh-ms.si sehen Handels war,
besass in Nowgorod, Lübeck in Schonen, Köln in I^;ndon eine Faktorei-
Diesc Handelsniederlassungen gewannen mit der Ausbildung der Hansa
Die Hansa.
39
natüriich ein«? ungleirh grüsscre Bedeutung. Die Ifan^stadtc errichteten in
allen widiligen Handelsplätzen ihre eignen Konture und nuichtcn sie du-
durch zu CentnUpunkten ihres Handelsverkehrs mit dem Lande, in welchem
sie lagen. Die Faktoreien waren ebenso zahlreich besetzte Handelsagen-
turen, welche die Verbindungen mit der einhcimischeu Pruduklixn des
Landes aufsuchten, wie reich au.sgestaitete Xiedfrlagi;ii fftr ;ille Impnrt-
waare. welcJie die Hansa aus aUer Herren Lünder herbds* liaffte. Die
Sicherheit die-icr HandeUniederlassung^m suchte die Hansa auf jede Weise
zu erhöhen; Handels- und Zollprivilegien. eximierter Gerichtsstand wurde
von den Landeshcrm den hansiischcn Niederlassungen gewährt; wu dic!»e
Gunst verweigert oder eiiigeschriinkt werden wollte, trat die Hansa mit
drx ganzen Kraft ihrer Institution auf, um sie zu er^^wiugerj, entweder mit
de« friedlichen Mitteln des Rcichstums, über tlen sie verfügte, oder mit
£nt£ieliimg der Vorteile, welche das fremde Land aas der Handelsver-
bindung mit der Hansa zag, oder schliesslich durch Krieg und l)rut;de
lewall; denn die Hansa verfügte über eine stattliche Kriegsflutle (Uriog-
Pvchiffc) und ein ganzes Heer vun Marinesuldaten.
Aufiserdem war die Hansa soipiam danmf bedacht, das Gebaren der
Faktoreien diuch strenge Normen und eine furtwahrende Beaufsicliliguug
xnöglichitt zweckentsprechend und planmJlssig zu erhalten und auch dadurch
zur Sicherheit der Kaktt.reieu beizutragen. Ks wurde ein eigenes Kctht der
Faklureien ausgebildet und zwar ein Dienstrecht (OrganLsaiiun unter einem
Aldemiann, Gehorsam aller Kontnristen, Ehelosigkeit derselben etc.i und ein
Haiidelsrechi, dem sich auch die Einhcimisclien Ln ihren Ucziehimgcn zur
Hansa unterwerfen muHstcn. Su bildete jede Fakturei eine eigne freie Ge-
tneinde im fremden I-^nde; der Svhutz der Landesherm, die Ex territorial i 1.1t
und die Macht der Hansa, welche imsiandc war, jede Knukurrcn/, zu brecht-n,
gaben den Faktoreien ein aussei ili esslich es Monopol des Handels, auf wel-
chem zumeist die grossen Erfolge des hansischen Handels benilitcn.
Die Voraussetzung dafür, das^ die Hansa eine solche Monopolstellung in
fremden Ländern erringen konnte, war aber doch, dass in diesen Ländern
ein selbst^indiger ^[atldel überhaupt nicht entwickelt war. [n RusslamJ, im
skandinavischen Nurden und in England lagen die Verhältnisse wenigstens
im 13. und 14. jalirh. der hansischen HandeIs[M>Iitik günstig.
Die Produktion war hier fast aatschliesslich auf Naturerzeugnissc gerichtet;
gewerbliches und merkantiles Leben wenig enlwii kell ; die Sihiffalirt über
Küstenfahrt und Fischfang nicht hiiuiu<i^ekommen. Hier waren die hansi-
ttrhen Faktoreien die grossen .Saugapparate, welche diese inneriialb der
■dvilisicrtcn Well stark begehrten Ruhprndukle des Nordens (Holz, Felle,
Pelze, aber auch Getreide, Fische, Flachs, Honig und Wachs) zu miiumaleji
Preisen, meist im Xaturalaustausche gegen Gewerbserzeugnisse, Salz und
Mctfülc massenhaft an sich zogen, um damit die deutschen, englischen, fran-
zösischen MUrkte zu versorgen.
Dagegen girlang es der Hansa keineswegs, »ich eine eben solche Mono-
polsleÜung auf den wichtigen Handelsplätzen des europaischen Westens und
Sildens zu erringen. In den flandrischen Städten, welche eine Zeitlang sogar
Mitglieder der Hansa waren, blühten zwar im 13. mid 14. Jahrli. hansische
Kontiire; duch mussien sie sich hier immer die Kimkurrenz andrer Natinnen
(»der wenigstens der nichthai isischen eiiiheimJMrhcn Kaufleute gefallen lassen;
in den franzosischen Hände Ispla^tzen, wie in Venedig, war die Stellung der
Hansa immer eine verbflltnlsmassig unbedeutende, weil diese LJInder einen
E^cnhaitdcl entwickelt liatteii und daher nicht so aiLssililiessltch auf die
40
VIII. WiRTSCRAFT. 4. HANDEL 1;n1> Vf.RKF.HR.
Hiiiuk'Nvfrmilllung. den ZwischeiihancW. ansL-wk-scii waren, wurin tlic Hau[)t-
Icistuiig der Hansa be>lantl. Auk dem gleichen Gnindt^ und weil die Haiiiia
überall als ItandelspolitiM he Macht auftreten wollte, gingen aber auch die
festen Positionen der Hansa succcssive alle verloren, sobald die natintialc
Wirtschaft erstarkte, zu !üj;enhnndel und selbständiger Schifffjilirt gekommen
und damit zu einem nati> malen Abscbluss ihrer eigenen Politik gedrängt war.
So emnncipiertc sich im VerlaLiFc de» 15. und 1(1. Jahrh. England, Dänemark
und Norwegen, Sciwcden, schliesslich selbst Russlund von der hansischen
Handeksuprematie.
Damit aber waren die Absatzgebiete der Hansa verloren und dieselbe
auch nicht mehr im Stande, ihren Handel im Norden auf einer neuen, freien
Grundlage zu organisieren. Denn mit dem deutschen Süden hatte die Hansa
voll jeher nur geringe Beziehungen; %'ie]mclir lehaten sich die süddeutschen
Siadie an V'enetlig und Genua, an die franzi^sischen und niederländischen
Markte an und pflegten (rühzeitig den KrJonialhandel sowie die Beziehung
zur Levante. Gegen Knde de*; Mittelalters sind die süJdeuis<'hen Studie,
Augsburg, Nüniberg, Frankfurt, aber auch Regeiisburg und Wien an kom-
merzieller Bedeutung den meisten Hansastädten mindestens gleich, durch die
selbständige Pflege einheimischer Industrie aber, welche die Hansa immer
vemai hlHssigt hatte, denselben entschieden überlegen. Aber auch in Deutsch-
];md selbst gingen der Reihe nach die Voraussetzungen verloren, unter denen
die Hansa seinerzeit gross gewonlcn war. Die wachsende Macht der Landes-
herm führte einen Interessengegensatz zu den Städten herbei, der früher,
unter einfacheren Verhallnissen, nicht bestanden hatte; 14,4^ verfügte Kur-
fürst Friedrich H. den Austritt der mflrkLs^■^R^] Städte aus dem Bunde; sie
sollten fortjin dte Vertretung ihrer Jnteressen beim Landcsherm suchen,
aber auch ihre Steuerkr.tfl in erster Linie der Kegiennig verfftgb:ir halten.
Allmalüich bn'iekeltcu auch andere Landst^ldte ab; mit dem Sinken der
Macht des deutschen Ordens im Osten und dem n(K:h im i^. Jahrh. erfolgten
Austritte desselben ging auch der Hansa ein grosses Stttck Einfluss verloren,
dem ein zweites, nicht minder beticutendes im Westen mit der Emanzipatiim
der bollandisrhen StJldte folgte. Si'hliesslich wurde fflr d<'n Verfall der Hansa
die Thatsache von enbii heidender Bedeutung, dyss die Wichtigkeit des inird-
deutschen Aussenhandel» in den niirdlichen Meeren immer mehr almahm,
je mehr die anderen Nationen ai« Konkurrenten auftraten; der hansüsche
Zwischenhandel verlor seine Monupolstellung und damit die wiLhtigslc Vor-
aussetzimg seiner Macht und Blüte. Die Nie<3erländcr irateti die Erbschaft
der Hansa an, noch bevor «lie Entdeckung der neuen Seewege ihre volle
Wirksamkeit auf den europaischen Handel ausübte.
Die Bedeutung der Hansa war für die Gesamtentwickelung der deutschen
Volkswirts* -liaft wllhratd der zweiten H:i!fte des Mittelalters nichts dcslo-
wenigcr eine ganz ;LUs>crordentliche. In der ersten Zeit ihrer Wirksamkeit
hat nie durch den Schutz der Kauflcute, die Frieücnspflegc unter den ver-
bündeten Städten, tlie Ordnimg de« Mass-, Münz- und Zollwesen.«, .sowie
<lurcli die Enlffnung weiterer Verbindungen und grösserer Gesichtspunkte
d.Ts Leben der Strtdte systematisch gehoben.. In der Folge aber ist sie fOr
die industrielle Blüte der St-Idte dun-h die masseji haften Zufuhren von Roh-
und Hilf. -^Stoffen der Industrie sowie von Lebensmitteln mittelbar ebensa be-
deutsam geworden, wie durch die Ordnung der gewerblichen Verhaltnisse,
soweit diese mit dem Handel, als der eigentlichen Domäne der Hansa, in
direkter Beziehung standen.
Insbesondere iit der Bau und die Ausrüstung vtm Schiffen durch die
j
DiK Schiffahrt «br Haksa. — England's Hakdel.
4«
Hansa diücIiI^ gefördert, ja erat zu einem imtioualcn Gewerbe gewi>rden.
Die Haiitten bcfuliren mit eigenen Schiffen nitiit hUks t)ic Meere, sie pflegten
auch die Srhiffahrt auf den Binnen j;e\»'as>.ern, weluhe «iie Zufalirt«Mra:t!>en zu
den Suif K-li »rtcii der ljan>ii.s< Iicn \Vjmrcn bildeten. Sie hiiben damil den
deutsi-hrn Seeverkehr erst wietler scllistflndig gemarbt, nachdem seine seli»-a-
chen Ansalze iius der Kamlingcrzeil auf Jahrhunderte hinau*> durch die Nor-
mannen und Danen in der Entu-irkclung uufgehatlen waren und dniiiit :iurh
der deutsche Seehandel, den frieMschen etwa aa-^genonimen. zu keiner natii»-
nalokonuni lachen Bedeutung hatte gelungen kOnnen.
Die^e Sellwiandigkcii der Hansa in der Scliiffahri war auch ein Haujrt-
laktut Ihrer merkantilen, ja selb.st politisehen Überlegenheit über die Nord-
see- und 0<Lseestaaten wahrend des ganzen .Mitielalter<L Sie war die Grund-
lage des Zwischenhandels, auf dem zun<ichst die ttkonuuiische Macht der
Hansa basiert vat; aber auch der Aktivhandel der Hansa in den fremden
Landern entwickelte sich im engsten Zusammenhange mit der hunsLM.'hen
Flutte und fUr die Pflege des Seereiht>. die Ordnung und Sicherheit des
Seeverbehni, souie fflr die Geltendmachung ihres Kinflusses in fremden Staaten
war das impuuierende Auftreten der bausischcn Seemacht oft voit ent^hci-
dcndcr Bctlcutung.
In England* hat die königliche Gewalt auf dem Gebiete des Handels
Itnd Verkehr» scli"n zur Xormaiuicnzeit weitergelicnde Rwhte geUenil ge-
macht, als sie in irgend einem StaaLswe-sen des germanischen Mittelalters
ttUSgeObt wiuxlcn. Das Recht an irgend einem bestimmte Orte einen regel-
mfljiBig wiederkehrenden Markt einzurichten konnte ursprünglich nur vom
Kto^ verliehen werden; in der Fulge wurde diese Verleihung vorzugsweUe
aU Quelle von EinküTiftcn für tlcn Fiskus benutzt und Marktredit s»i ziemlich
an jeden grcisseren Gnuidherni verliehen; die spätere Zeit suchte dassdbe
als Attribut des Gutes zu behandeln uml ilamit der Verfügungsgewalt der
Krrme vollständig zu entziehen. An die Verleihung des Marklrwhtes schlosu
sicii im Laufe der Zeit auch die Veipflichlung der beliehenen Kürpcracliafl
«der Grundherrschaft, für reclitc-s Mass uml Gewicht zu sorgen und die
Marktpt^tlizei zu handhal>en; auf gr'»SM; Grundherrn (z. B. Bischof v. W'in-
cfattter 1,102) gingen w^Ihn^Jitl der Dauer des Jahnnarkies alle königliclieu
Rechte \fotunt rrj^air pUnarie) in tlei Stadt Ober. — Ausser den eigentlichen
Marktitbguben belasteten mjch verschiedene andere Abgaben den Verkehr;
Freibriefe, sowohl an einzelne Gnmdhcrm als auch an die Städte verliehen,
laichten dieselben für den Verkehr unst hJidlii h zu machen: auch sorgte die
künigtichc Gewalt dafür, diu^s die Verkehrsabgiiben nicht über die alten Ge-
wohnheiten des Landes hinaus ausgedehnt oder erhöht wurden. — Die Ein-
heit der Masse und Gewichte ist seit der Ma^iut Vhartn (1215) grunri-
satxUch für das gaiue Reich aiL^esprochcn, auch iu der Folge immer als
eine wiclitige Angelegenheit der öffentlichen Gewalt angesehen; ebenso nahm
sie immer Bedacht, dass *\*:\\ Bürgern der Markt nicht durch den Vorkauf
der H:indler verlegt werde, und überwachte Überliaupt den Marktverkclir
lum St^ltutze des Gemeinwolüs gegen Ausbeutung.
Der auswilrt^c Handel Englands entwickelte sich seit dem 13. Jahrh.
Tomigsweise durch das Institut des Stapels, durch welches die königliche
Gcwah die Kaufleule xwaug, die englischen Ausfuhrartikel an bestimmten
* Lladaajr. llUtory of nurchanl skipfiing and aitdtnt commerce. lB'4. Craik,
HUtory »f Brithh tvmmcrce. j Bde. 1B44. O. Scbanz, Englüek^ Handthfalitik gegen
SüJt'dei M.A. 2 B<I«. i88t.
42 VIH. Wirtschaft. 4. Handel uwd Verkehr.
auswärtigen Platzen nach festen Nonnen und unter bchördlichtT Aufsicht
zum Verkaufe zu bringen und clurrh ciic AfrnrAnn/ adv/ntturrs, (Ue Gesell-
sfh;iftcn der wagenden Kiiufleule; wahrend der Stapfl das handelspolitische
und fiskalisdie Himptmitiel der Regierung war, und ahwerhsehid in flandri-
when, hraban tischen, selbst englischen Städten sielt bcfnnd, hnben sicli die
Mtnhanh advrnlurtn als selbständige l-iandelsgem-ssenschiifteii für den Ex-
port gebiictet, uline Bindung an bestimmte Orte oder Handelsricbtungcn, ob-
wolil die niederländische firuppe derselben die wichtigste war. und wie die
Stapler, zahheichc Privilegien sich zu erwirken verstand. In dein jahrhun-
dertelangen Streit dieser beiden grossen Gruppen von Kaufleulen unterlagen
gegen Ende des Mittelalters die Stapler infolgt der viel freieren Bewegvmg
und grrjsseren Rührigkeit ihrer (iegner. — H»ichst un voll kommen aber war
und blieb bis gegen Ende des Mittelalters der Zustand di?r englischen Han-
delsflotte, nbsclion bereits unter Äthelstan (*)25), Heinrich H. (1181} und
rinrcli die Navig;ilions.'ikte Kfotig kirh;irds U. (13^2) der einheimischen Rhe-
dcrci fiirderHi he Gesetze erla>>en waren. Die Hauplbestiininung der lel/.teren,
dass englische UntertJiancn nur auf englisclicn Schiffen Waaren ein- und aus-
führen dürfen, musste zwar sdion im folgenden Jahre (13Ö3) und spater (J391)
eriicblicli eingeschränkt werden, da bei tlem unentwickelter) Zustande der ein-
heimischen HitnileUnian'ne der Hnndel f£lr seine Waarensendungen uml seine
Waarenbezftge einbeimlsche Schiffe weder der Zahl nodi der Beschaffenheit
nach in ausreicliendcm Masse zur Verfügung hatte und die Schiffseigner das
ihnen durch die Navigationsakte zugedachte Vorzugsrecht zur Ausbeutung der
Kaufleulc durch ungebiihrlicli hohe Frachtsätze missbrauchten. Aber doch
verharrte die englische Scliifffaliiis|n»]itik auch in der Folge auf ihrem proiek-
lionistisihen Slaiidpunkle. Unter Eduanl IV. 114*1.^) wunk-n die Jllteren Be-
>linnnungen enicuert und Heinricli VH. ging niKh weiter, indem er 148,5
anordnete, dais auch die Bemannung auf den englischen Schiffen, welche allein
Wein lind Waid importieren durfte, der Mehrzahl mich englische Unterthanen
sein sollten, eine Bestimmung, welche erst unter Eduard VI. (15.S3) aufge-
hoben wurde. Zugleich aber begünstigte Mcinrich VII, die <-inheimbu-he
Manilels-Tnarine dadurih. dass er den Grund zu einer stehenden Kriegsflr>tte
legte und damit die Handelsflotte entlastete, welclie bis dabin im Kriege
dem Könige mit Schiffen und Matrosen gegen sehr ungenügende Vergütung
liatte dienen müssen. Die Stellung der fremden Kauflcute in England,
welche schrm in der angelsachsi-vchen und normannischen Zeit Schutz und
mannigfache IFnterstOtzung fanden, ist insbesondere im 13. und 14. Jahr-
hundert, sogar auf Kosten der einheimischen Kaufleutc und städtischen
Freiheiten au.ss(cr(tnientlich gefe.stigt worden; die carta met-catoria von 1303
schuf ihnen eine altgemeine Überlegenlieit über die einheimischen Kauf-
leutc im intcmatiunalcn Handel. Im 15. Jahrhunderte wird die privi3egierle
Stellung tier fremden kaufmännischen Kolonien immer mehr eingeschränkt
und mit der .\ufliebung der hansischen Freiheiten unter tlcn Tudors gänzlich
beseitigt.
Vor dem 13. Jahrh. bat ein lebhafter Verkehr der skandinavischen
Reiche* mit den übrigen Ländeni von Europa nicht bestanden. Wahrend
der dflnischen Herrschaft in England und auch noch in der Norroannenzeit
haben zuischen Skandinavien und England noch die meisten Beziehungen
bestanden; aber bei dem doch noch geringen Bedarfs an Handeiswaarcn in
• J. Harttang, Altrtwy-« u»td dir deuischfn SetsUldte bis tum SiMuttt da 13.
Jahrh. 18:7.
beiden Ländern crreirhte auch der Verkeltr keinen grossen Umfang. Immer-
hin haben sich die Englander bereits im 12. Jahrtiinuit-rtc in BcrRcn rcstgc-
M.-i/,i und unter diUiiüchem Schulze Handels fahrten nath Riissland tnitfr-
nommen. Seil dem 13. J.nlirhnn<tene nickten allniidiliih die Deutschen in
die Position der Engländer auf der skandinavi^hen Halbinsel ein, verdrängten
den cnglisrhen Kn\irmann aus der Ostsee, bald auch aiLs den nordü-chen
Siadlen und flbcmahmcn den Zwisdicnhandel zwischen Norwegen und F.ng-
Lnnd. Ja auch tlen ganzen nurdlirhen Handel von Bergen aus wavste die
Hansa lange Zeil hindurdi xu bchernichcn; die Bestrebungen der nnrwegi-
whcn K<"mge Bergen zum alleinigen Sta]iclplaize für alle Islandfahrer zu
machen und den Handel tlurthin in ilircr eignen Hand zu momipolLsicrcn,
fArderten indirekt nur das Interesse der Hansa. In Dänemark haben die
deutsdien Kaufleule msljesondere unter Kf'uig Wahleniar II. und seinen
Nachffilgem weitreichende Handdsprivilegien und eignen Geri<'iit-istand in
Handelssachen unter selbstge wühlten Richtern erlangt; damit und mit ihrer
guten OrgaiiLsation ist es ihnen gelungen, <Iie dänischen Markte mit ihren
Waarcn zu beherrschen und zugleich den Export dänischer Landesprodukle
fast ausschliesslich in ihre Hand zu tieknmmen, oligicich sie iro Lande
immer als Fremde behandelt wurden. SpSter erst, seit der Mitte iles 13.
Jahrliunderts, eni%*'ickeU sich auch in Schweden eine lebhaftere Handelslbaiig-
keil, welche auch in erster Linie von den deutschen Kaufleuten ausgeht; in
den schwedischen Städten sind die Deutschen aber einheimisch gewortlen,
haben an der Verwaltung den rt^lcn Anteil genommen und dauut ihre
Stellung wesentlirh befestigt. Der Handel auf Gothland (Wisbv) beruht ganz
auf der Wirksamkeit des grossen deuLschen KiniiiTs. Auch die für die Er-
n-lhnmg der deutschen BevOlkening wJibrend des >riUe!alten; sn hrirhwirhtige
nordische Seefischerei kam %mn i,v Jahrhundert an vornehmlidi in die Hände
der hansischen Kaufleute. Die wichrigstc Faktorei hierfür entwickelte sich
auf der Insel Schonen (hansisches Vittenlageri von wu aus iiisbes<indere der
Hcringsfang bis an N*(ir\%-egens Küste hinauf verfolgt wurde. Itn 1.5. Jahr-
hundert war auch der Walfi*« hfang in den nördlichen Meeren bis nach Island
Vorzulegend in den Händen der haiisisiiieii Kaufleule; in Hamburg und
Lflbrck bestanden eigne tiesellschaften vcm IslaTidfahrem, wel<-lie deutsche
Handelswaaren. Bier und Geld nach Island brachten und vorwiegend Fische
als Röckfracht naiimen. Der St<jckfisthfang dagegen scheint im Mittelalter
ntK'h fast auswhliessli{ h in den nördlichen Meen-n von N«irwegeni ttetriclM^n
Hfjrdeu zu sein; ihre Aiusbeulen dienten ilmen aU Zahlungsmittel für
I,«ter, Tücher, Eisen und andere Handelswaaren, die säe in Beiden dafür
eintauMrhtcn.
Auch der Geldgebrauch tJer Deutschen weist in seinen Anflügen auf
die Zeit ihres Verkehrs mit Hern Rr<merreiche zurück. Sowohl <lie Nach-
richten besonders des Tacilus wie aucii die Funde Uissen darüber keinen.
Zweifel bestehen, dass die Deutschen vor der Völkerwanderung sich des
geprägten Geldes nur in den Formen einzelner RömermOnzen, besonders der
Goldsaiidi des konstantinischen MünzfiLssrs und der älteren schweren Sitbcr-
dcnare bedient haben. Aber auch dieser beschrankte Geldhesitz war ihnen
mc\\x Mittel zur Ansammlung von S<."hatzen, als Tauschmiltel oder Wert-
messer. Nur in den Grenzbezirken ergab sich wirklich eine Geldzirkulation;
iro Innern wurde Tausch und Kauf fortwährend in Natura vollzogen oder
durch Vieh und Wollzcug { Vaäm4/, HWr) vennittelt und bewertet
Atich nach der rOiöischen Zeil hielten die Deutschen am rtlmisclien
Cddc (est; die Salfranken gingen bald nach der Erobenmg Galliens an eine
44
Vlll. Wirtschaft. 4. Handel unö Verkehr.
Neuordnung des Müiizwescns auf der Ba.sis des römis<'hen Gr^widits- und
MOnzsysiems; der GoldsoJidus n.idi dem konstanlinis4-iien Münzfuss, 72 Stücke
auf das rumischc Goldpfund. biidcte die HauptinünzsoFle, welche Obrigcns
hü iifigf r in Teilstfirken {fhnUa) ausgeprägt scheint. Die Siliqua, bei den
KOmcrn anfiiiijjtiih der 24. Teil eines Sulidas, wurde üireni wahren Werte
nafli aJ.s dirr 40. Teil des Solidus unter dem Namen Denar die Silbennünze
(Geklsystcm der Lc.\ Salica). Die oberdeutschen Stämme djigegen hielten,
da sie selbst keine Münzen prägten, an den altrüniisdicn Silberdciiarcn fest,
von wdc-hen, unter dein Namen sai^ie, 12 einem Ciuldsuhdus gleidigestellt
waren. D'hJi war tler letztere bei ihnen immer nur Ke< hnunfj;>|ield.
Nach einer bereits in der zweiten Hälfte des (t. J;üirhs, vorgenommenen
Erloidttening cle> frürikisdien Münzfu-Hses {vun 7^ auf tS4 Soiidi aus dem
Gl »Id] 3 fluide 1. weldie liaupt^adiUih durdi die veriüidcrte Wcrtrelation zwischen
Gohl und Silber (von 1 : 10 in der spateren Kaiserzeit auf i : 14.2! erklart
wird, ist das friüikiidie Münzwesen zuerst miter Karhiiann (74.VI von der
Goldwahrung zur Silber^-:ihrung übergegangen, anf!liiglit-h noch auf derOrund-
lagf des n'imisrhen rfitiide> \\nn ^^27 Gramm), wonach 20—22 Stjlidi zu 12
Denaren auf ein Pfund gerechnet wurden, später unter Karl d. Gr. (7Ö0)
auf der Grundlage eine* we:<enthch sdiwereren (deuiM'hen) Pfundes (vermut-
lich von 408 Gramm), wi idurch unter Aufreditcrbalimig des Münzfusses von
20 Soiidi ä 12 Denaren eine beträchtliche Kr]ir>hung des Metaltgehalts der
einzig kurrenten Münze, des Silberdenars, bewirkt wurde.
Die UrNaiiien dieses Wührungswcchsels sind einesteils in dem Seltencr-
werden des Goldes, andemteils in dein Streben der Pijipiniden zu suchen,
den Geldgebriiuch zu verallgcmeinen» und insbesondere die austraaUcheu
Lamier dadurch dem frjinkisdicn Westen naher zu bringen. Die Verände-
rung des Münzfu.sses und des Gewichtes aber, weldie eine Erlu'ilmng im
.SilhergtOialtc der Denare von ca. 1.3.5 Gramm auf 1.70 Gramm im Gefolge
hatten, sind vermutlich mit besonderer Kücksidit auf attuustrasischc Gewöhn-
lieiten vorgenommen worden.
Als Besonderheiten blieben bei den Alanunuicn bis in die Zeit Karls des
Grossen, bei den Bajuvaxen mich im i). Jahrb. die alten schweren Denare
(nucli dein (jul(hmlnzfusse) in Übung und wurden zumeist gleich 3 neuen
Silberdenuren (bei den iJaiern im t>. Jahrli. gleich j^/j) gerechnet. Die Sachsen
hielten nudi unter Karl d. Gr. an der ßaüiK des Viehgeldes fejit und .stellten
darnach zweierlei S«'lidi auf, den ehieu gicicli einem jährigen, den andern
gleich einem anderthalbjährigen Odisen. In Frieslarid hat sich die Wcde
Keiltncrk |^ .] \\'eden| und Leinmerk {^^ 12 Weden) bis zum ri. Jahrb.
als Werleiiilieil und Zalihnitlei erhallen. Auch die Metallgeldrcdumng zeigt
daselbst länge Zeit eine Eigeniflmlirhkcit; vor dem Durchdringen der Icaro-
lingischen Cjeldreform rechneten die Friesen nach G«^ldsolidi zu \2 {}) De-
naren. Später setzten sie den silbernen Tremissis (Vb Solidus, in einzdnen
Teilen v<:in Friestand sogar die Hälfte des neuen Snlidus) ihrem alten Denar
j^cicli. Bei der Ungcwisshtnt über die friesischen (irundgewichtc ist in diese
Verhaltnis.ie noch keine rechte Klarheit gebracht.
Trotz filier Bcmülmngen Pipins und Karls d. Gr. mn AusbiLduiig eines
nitionellen und auch für den Verkehr besser geeigneten Münzwesens ist doch
der Geldgebrauch dieser Zeit in Deutschland noch sehr besdiritnkt. Geld
wunle immer nmh hSufig gewogen sbilt ge7.ählt. und im Innern war der Na-
tunilverkehr noch weitaas vorherrscliend, was sich aus der ganz überlegenden
BtHlenprnduktion für Eigenbedarf wie aus dem Mangel an Edelmetall sdioii
hinlänglich erkhlrt.
Dbutschcr MOnzwesen.
45
Das Recht auf die- Mün7.]}r{lgung war (nuch römischctn VurbilUc) unter
iltn Mcniwmgrm uic unter den Karolingt^m ilurrhaus nh Kcpil brhandeH.
Die AusObur^E des Monzreclits blieb zwar nirhi. wie es Karis d. Gr. Absicht
war, auf die königlichen Palaticn beschränkt; doch konnte es nur vom Kcmige
als Pri\ilegium e^^^'o^ben und nur nach den Niirmen des künijjlichen Mttn/-
fufses und mit königlichem Stempel geprOgt werden. Die BcaufMchtigung
aller MOnzstütten war den Grafen Übertragfu. Zur Besorgung der Gc*'Ji3ftc
einer Münzstatte waren elpie MinLsterialen bestellt, welche auch den Geld-
wechsel bewjrgten und si>.1ter eigne GcnusseiLschaften (Hau.'fjienctsseTi) biklelen.
Nach der Kamlingci-zeit üsi mit der alhnahUchen ZerbrfVckelung der ein-
heitltrlien Staat'^ruwalt auch das Mftnzwescn iniiner mehr zersplittert worden.
Die Münzprivilegien der »ipflteren Zeit gewähren den gmKsrn (Irund- und
Immunita biherren (Bislttmem, Abteien und Grafen) zuerst das Recht auf den
ganzen Münzgewinn, in der Ft>lgc jseit tlem 12. Jahrb.) auch da^ Recht auf
selb^itandige Bestimmung des Mnnzfiisses und damit die v<illc MOnzliohcit.
Im Gegensätze zu der alteren Reichswahrang gelangte «> das Prinzip der
Tcmtiirialitat des MOnzwesens zur Hernichaft, d. h. jetlc Mftn?.e tiatlc Wah-
rung^cigenächaft (ab gesetzliches Zahlmittel) nur an dem Orte, wo sie ge-
srhl:igen war.
Damit beginnt auch alsbald die dem späteren Mittelaller so charakteri-
stische Vielheit des Münzfusscs, wie nicht minder eine rapide Verethlech-
temng desselben. Schon unter den sp^lteren s.1chsjschen und den salisrhen
Katsem ist eine successive Erleichtemng der Denare zu beobachten; spUte-
iitens in der Zeit K. Kunrads II. ist der kan)lingischc Münzfuss definitiv als
beseitigt anzusehen; die Denare Heinrich V. sind nur mehr halb mt schwer,
als die schweren kar<ilingischen Denare, Auch die I^ndesmünzen des 12.
und 1 3, Jahrhs. zeigen dieselbe Tendenz, mit Ausnahme der Kölnischen,
welche sich insbesondere unter dem Einfluss der lebendigen Verkehrs bexie-
hungeii zwischen Köln und England bis in die Mitte des 13. Jahrhs. konstant
auf 1.4 — t.s Gramm und feinem Kr>m erhalten. Dadurch gewann auch die
Ki'iiner Münze eine wachsende Überlegenheit als Handels- und als Courant-
münze. Damit wurde auch tue Kölner Ä(ark Silber (234 Gramm) als
Münzgewii^ht weithin eingebürgert und erwarb sich bis in unsre Zeit herein
die unbetlingte Anerkennung als Grundlage des deutschen M(lnz.sysleins.
Ebenso behaupteten sich eine Zeitlang die Rcgeiisbui^er und die Wiener
Pfennige eine weit über den Bereich ihres Ursprungs hinaus reirhenric Wirk-
&;ünkcit ab her\'nrrrfgeiide Handcismünzen uikI als Grundtage kaufmännischer
Geldrechnung.
Auf die Dauer konnte aber keines dieser Denai'systeme dem wachsenden
Bedürfnisse des Verkehrs und der gesteigerten Gcldzirkulation genügen, da
die einzige geprägte Münze, der Denar (Pfennig) zu klein und in seinem
Gehalte zu vrrNchiL-den und urusicher war. Der grosse, besonders der kauf-
männische, Gelriverkehr schuf sich (L'iher einesteils ein Barrengeld (Edelmetall
in Gewichtsstücken I und strebte anderseits nach einer grös.scren Münzeinheit,
vnfQr sich Kuersi in Italien und Frankreich in den grossi Beispiele fanden,
die bald auch im deutschen Geldwesen Aufnahme und Nachahmung fanden.
Äilcher Art Vr~arcn die tinjlis^'hcn Zwanziger (=s jo kleinen Venmser Denaren),
naih dem Münzbildc auch zuerst Kreuzer genannt, von denen dann 12 auf
das Pfund Hemer gingen; die Tum(.>scn (grvs ioumois), die schlesischcn Dick-
pfeimige und die böhmischen Groschen, die tCibischen Witc iL a., welche alle
ursprünglich dem Rc( hnungsschilling (^12 Denaren) gleich sein sollten, auch
\ielfach Weisspfennige, wegen ihres guten Silbei]gehaltes im Gcgen.i;iiz zu der
40 Vni. Wirtschaft. 4. Hanoel vstt Vkbkekr.
stark lepicTtcn srhwarzfii Münze, {•cnaiiiit wurik*n. Alier ;mr!i diese neueren
Silbemiünzen luitcrbgcn tlcm allgwm*inrn Scliirksale jener Zeil, der bcstünüi-
gen Vcreclilechlerung in Gewicht und Femgehalt und enkprachen weder dem
gesteigerten Verkehr nndi dem pr'^sscrcn Gcldbcdarfc, da autti ««ie unter dein
Biiiine territorial engbegrenzter Münzhoheit standen und nur ein Vielfadiea
des allen Denan*, nicht aber ein wesentlich verschiedenes Geld wie etwa
CriurantgcUi gt'^enOljcr der Scheidemünze, darslcUten.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind auch in den tlcuLsclien
Verkehr allmählich «lie ncucii Goldmünzen eingedrungen, welche Italien
(ßortni, iiueali), Frankreich {f'ais, francs) und England \nohel) zu prägen be-
gimneu tialten, Duch blieb bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts die Gold-
zirkukitirm in Oeutschlantl sehr gering, «ibwohl seit i^i^ auch der Künig
v(in Böhmen GuldmCinzen iiriigte. Krst die ;iuf Vertrage gestützte Ausmün-
zung der rheinischen KurfüRteii, welche am vollkonmienslen durch den Münz-
vertrug von 138h geregelt wurde, ve-rmochte das flold im Inneren des Reiches
einzubürgern. Zwar kum es, trutz der d;irauf abzielenden Bemühungen der
Könige Ruiirccht und Sigisinund, nie zu einer Keiclisgoldw.'llirung, aber doch
ertiielt tlcr rheinische Gulden in vielen Territorien W.'ihrnngseigenschaft und
wurzle im i,=). Jahrhundert ziL-mlich allgeinciu uli ubcrste Münzeinheit in der
Geldrei hnnng ai^ewendet 20 Weisspfennige oder Groschen (ä iz nlteii
Pfennigen) sullton demnach einen Gulden gelten, der also bestimmt war, das
alte Pl'unil Pfennige zu repräsentieren; dm'h wurde dieses W-rliHltnis in der
I-'olge nirht eingehalten- Der wirkliche Goldumhuf blieb wt^en der (_;erirg-
fUgigkeit der verfügbaren Edelmetiül mengen inmicr in engen Grenzen und
verlor sich schim in der zweiten Haifle des 1.5. Jahrhundertji wieder mehr
untl mehr; in der ReirhstnOnzftrchiung von Esslingen (15^4) ist wieder die
auNSchhessliche Silberwillirung eingeführt, den Goldmünzen nur mehr der
Charakter von HandeUmüiizen l^eigelegt. An tHe Stelle der Guldmünzcn als
obentte Münzeinlieit traten grosse Silbennünzen, einen Gulden wert (1479 die
.Guldener« in Tirnl, s[inter die Gulden groschen und die verschiednen Thaler,
zuerst naeh den »Joachimslhidenift so gcnaimt).
Nur die Geldrechnung des karolingischcn Kusses (i Pfund == .20 Schil-
ling ä 12 Denare) erhiL-It >ich gewnhiiln.'itsniiliisig fast in allen Teilen des Reiches
bis tief in das Mittelalter hinein, aber der innere Wert dieser Geldbenennun-
gen war überall ein .nnderer; ja e* ergaben sich selbst zwischen den legalen
Werten des jeweiligen Mönzfusses und den faktis<:h kursierenden Münzen
bestündig Untcrsrhiede, welfhc zur Gegenüberstellung eines Rechnungsgcldes
(nach dem gesetzlichen Münz^u^s^ und eitles Zaiilgeldes (Pagamenl) führte.
Der MünzumlauE ist auch nach der Karolingerzeit noch lange unbe-
deutend geblieben. Zwar bürgerte siih seit dem lo. Jahrh. für die Zinsen
mid Gicbigkcilen eine altcrnalive Geldzahlung ein, und seit dem 1 2. Jahrb.
wird mit der Verallgemeinerung der Schätzung (einer direkten Abgabe von
den nicht hcifliürigeri Leuten der Territurialherren) ein gewisser Geldumlauf
allgemeiner bezeugt; aber düch blieb der Verkehr auf dem fluchen Lajide
noch inuner in der HaiipL-^ichc ein Nuturalveckehr; selbsi in der königlichen
Hoflialtung ist der Bezug von Produkten der Eigenwirtschaft und der dienen-
den Hufen noch lange den Geldeinkünften überlegen.
Grossere Verbreitung fand der Münzverkehr erst mit dem Aufblühen
der Stfldtc und ihrer MJlrkte; doeh ist lange Zeil die Übung beslt-hen
geblieben, rtuf jedem Markte nur die eigne A[ünze ijn Verkehre zuzuUissen,
so dB.ss fremde Kauflcutc sicli für den Marktverkehr erat mit der Münze
des Marktortes vereehcn musslen. Und da überdies die MCLiuhcrren aus
fl^kalischeni Intcrrssc hflufi^ Müiizvcraiidcrunscn luul Münzvcrrufuiigen
vnniahmen, so war damit tlorh der Mün/.iimlüuf immer noch in enge
Grtnzcn gebannt. Erst seit der GrcKtöliiuidd mehr Bedeutung gewann,
bürgerte siih auch ein MOnxumlauf auf breiterer Basis ein. wcKber jedi>ch
nur wenige dunh innere Güte und .'tussere Anerkennung; bestmders be-
liebte Typen übernahm, bald zu ck'n international bev^^^zugten Guldniünzcn
Überging und damit sirh von der Misere der lokalen Xerüplitten-ing des
deutschen Münzwesens emanzipierte. Seit tier Mitle des 13. Jahrhs. ist der
stadiivhe (jtrldvimUuf vollkommen gesichert; seit tIer Mitte ilvs 14. Jahrlut.
macht sieh die Geld Wirtschaft auch in den Vcrkehrsverhiiltnbiscn des flachen
I^antles immer mehr gelteiul. I)i«"h liaben erst <he nach der Entdeckung
der neuen Welt auch nach DeulMhlaiid gekommenen EdclmcUill mengen den
Umsrhuiing zur Geldwirtschaft endgültig vollzogen.
In England* hat ^ich schon m der angeUflchlschen Zeit ein nicht
ganz unbedeutender Gcldgehrauch eingebürgert, welcher mit der Handcls-
Ihatigkcit des Volkes in Zu.sauinienhang stand. Die Müiizsysteme und
Münzt^'pen sind aber, der Zersplitterung der Siaat^ewalt entsprechend, in
den einzelnen Königreichen selir verschieden; doch scheint, at>gesehen ^on
den Alteren sccattas (scot = ii/^ den?), im allgemeinen der snchsi.schc
*/§ Schilling vtm 4 Pfennigen (in Mercien Thrvmu ~ tiemissü genannt) %or-
geherrscht. ai>er nur in P/eTUiigstürken gejirägt worden zu sein, welche dem
karolingischen Denar gleich waren. Doch kommt in Statuten des ii. Jahrhs.
auch eine Rechnung in Halbmark =■ 12 Schilling und Orc (danisches Geld)
^ z Si.'lulLing vor. In der Normannciizcit beginnt die Rechnung nacli Pfund
(oder Mark) Sterling sich einzubürgern; sie erscheint mit 20 Schilling
12 Pfennigen auf das Pfund als Nachklang des karolingischen Münz-
tcms und. nach dem Namen SterHng (Estedingi, durch freunde Kaufleute
dort eingeführt. Seit Kunig Heinrich It. wird an dem 22Va gran schweren
Sterling penny festgehalten. Doch bleibt die Unsicherheit des Münzfusses
bei der Vielheit der PrSgestÜtten und bei dem Mangel einer genügenden
Kontrolc rier ftlünzen lange Zeit hindurch noch eine stehende Klage. Erst
im 14. Jahrhunderte kam es zu einer besseren Ordnung des Münzwesens,
zugleich aber auch zu einer Verminderung des Werte.s, indem seit 1331 aus
dem Pfund Silber ^5 Schillinge oder 300 Pfeimige geprilgt wurden. Die
Goldprägung nahm unter Ki'lnig Heinrich TII. 1337 ihren Anfang; doch erst
.•«il König Eduard III. bürgerte sich die GuldniOnze (besonders der Nobel)
im Verkehre ein. Das Recht auf die MünzprJlgung «m-dc auch in England
von Anfang an als königtichc-s Hohril-srccht angesehen und gehandhabL Die
MOnzmeister wurden durch den König (teilweise unter Mitwirkung der
Biitchi^fc) bestellt und ümen der Standort ihrer Münze sonie die Einhaltung
des MonzfuKscs vorgeschrieben. Die Versuche der GrtÄscn des Reiches,
audi da.s Münzrecht in ihre Hand zu bekommen, hat das engtische König-
tum cnuchieden und zugleich erfi^Igreicher als das dculsthe Königtum zurück-
gewiesen. Auch in der Einhaltung tles hergebrachten Münzfu.s.ses war die
englische Münzpolitik erfolgreicher und gewissenhafter; die weitverbreitete An-
erkennung, welcher sich der Sterling Jahrhunderte lang auch in Frankreich
und im deutschen Reiche zu erfreuen hatte, ist ein Erfolg dieser klugen Münz-
praxis. Auch gegen das Beschneiden der Münzen sowie gegen die Einfuhr
minderwertigen fremden Geldes hat si<.'li die englische Münzgesctzgebung
• Rnding, Annats 0/ Ihf Coina^ a/ Gr<at-Britain. }. Axifl. 1R40. Kcary, fnlrflj.
ta CaiatogHf of Sn^hsd Ciuns. lÄft?, W. A- Shaw, TAf Aijtttrr of atrrrttey. 1805.
48 VIII. Wirtschaft. 4. Hakdei, und Verkehr.
fortwührt-rul und energisch gewahrt Erst mit tlcr Rq^cning Heinrich VIII.
ist die Münz Verschlechterung auch in F.ngbn<l als ein Mittel zur liebung
der kilniglirhen Einkünfte angewendet worrlcn.
Im skandinavischen Nurden* beginnt der Gtldgcbrauch sich erst im
10. Jahrhundert ein?,ul>Orgeni, Die ersten in D;inem;irk geprägten Mftnzen
gehören dem Ende des 10. jahrh. nn. In Sihwetien ist eine Ceklprägung
erst im ij. Jahrh. mit Sicherheit na<:h7.uweisen.
Nach der ältesten danischen Geldrechnung galt 1 Mark Goldes = 8 Mark
Silber; doch ist weder von einer Guldprilgung n<Kh vim einem Umlauf fremder
GitidniOn/en dir RikU'; die Mark Goldes war nur eine Kwhnungseinheit; die
hauptsächlich zur Bewertung von I.ii.-gi.-nschaftcn Anwendung fand. 3 Mark
(i«(ltles^24 Mark Silber Mellte den Wert eines Hauemgutrs dar. Ursprüng-
lich entsprach die Mark Geldes einer Gewichlsmark Silbera. Aber baki nach
der Einbtlrgerung eigner PrJlgiing entstand ein Unterschied. Im Anfange des
13. Jahrh. galt eine Mark Geldes nuch den dritten Teil einer Mark Silbers
(234 Gramml, ein Verh.lhnis zu welchem in Lflbcck nttcli im 14. Jahrh. das
Silber au.>igeprAgt wunle, wahrend der danische Pfennig nur mehr die ll.'tlfte
eini-s lühischen wert war. Die Mark war wälirend des Mittelalters in 8 örc
(Unzen) zu 3 Urtug, diese in Danemark in 10, in .Schweden in 8, in G«ith-
Innd in 16 Pfennige untergeteilt; gitprflgt wurden aber nur ganze und halbe
Ömige und l'fennige, wahrend die tlbrigen Glieder des MHnzsvstems nur
Rechnungseinhciien waren. Die Münzvci^ihlediterungen des t4, und 15. Jahr-
hunderts betrafen Schn.t und Kom; wahrend das MOnzsiJber notrh im An-
fange des 14. Jahrhunderts I4lntig war, wurde es int i,v Jahrh. nur mehr
1 1 lutig verwendet, ja K. Eriih machte die SilbcnnOnzen sii schlecht, dasa sie
fast für Kupfermünzen galten. Um den MünzverAimingcn z\i steuern, 'A-urde
1424 eine Münz Vereinigung der drei skandinanscheu Reiclie mit Hamburg,
Lübeck. Lüneburg und Wismar abgesch!<»!vsen, die aber den weiteren Verfall
des Münzwesens nicht aufliahen konnte, da überdies das ursprünglich nur
dem Könige zustehende Mönzrecht auch an Bischöfe tmd St.'ldte verlieheji
war. FuF den Handel mit dem Auslande, insbesondere mit der Hansa kam
immer mehr fremdes (deul.schej*, engli.-tches uml tranzrVsiscUes) Geld in Ver-
wendung und dasselbe bürgerte sich auch im inländischen stadiischen Ver-
kehr ein, bis endlich gegen Ende des MA. durch Prägung vuii Gold- und
grossen Silhermünzen {Thalem) t^rthmng in das Mün/.wpse.n gcbrnHit -wnirde.
Einen Kreditgebrauch für gescliafUEche Zwecke kennt die frühere Zeit
des deutschen Mittelalters nicht; nur in Notfällen wurden Darlclien aufge-
nommen gegen Hingabe vnn Mobiliariifand oder iiesitzübertragiing von
GnindslüLken {altere Satzung). Der kaiiLHitsche Grundsalz der Znislnsigkeit
des Darleheas ist in Deut-srhland in der Kanitingerzeit gleichfalls anerkannt,
aber keineswegs durchgedamgen. Insbesondere durch Ver|ifandung de« Gutes
mit den Früchten, sowie thircli verscliictlnc Bewertung des Pfandes beim
DarleJien und beim Verkauf wusste man das Zinsverbut zu umgehen. .Seit
dem 10, Jahrhuudcrle beginnen insbesiHuiere die geistlichen Stifter, weUhe
grössere Geldschatze gesammelt haben, auch als Geldverieiher eine Rolle zu
spielen; Könige und Grussgrundbesitzer, aber auch Mim'sterialen werden Uire
Schuldner; neben dem baren Gelde h-ilu-n sie auch Gold- und Sil berge rfitt:,
da deren Metallwert weit mehr als ihr Kunst- rvder Fonnwert in IJetracJit
kam.
• Grautafr. Getikühte dfi läbisehen .\ft1n»/ussej. (Historiwlie Schriften III.) 1836.
NordatrOm, IliJratr Uli itett svemta SamhiUis-fürJattningmi Aitlortn. 1853-
L
Der gcsdia/üiche Kredit hegiimt teils im Anscliliiss an den Waarenhandel,
teUs mit dem Geldwechsel sich auszubilden. In erater RtLULung sind ins-
besondere die Juden, lAimbarden und Coweraen (Kaufleute aus Cahor),
b^Onstigt durch ihre StcUung als Händler in den kOiiijiÜrhen Palatien und
bischonicben Residenzen, seit dem i,v Jahrh. tliätig; die ;ui den Geklwerlisel
sich anschliesÄmdcn KreditgeschJlfte liegen zuerat in den HflndeJi der Münzer-
gesdbchaflen, wahrend In der F«.i%c die L<.imbardcn und butd auch hier die
Juden wichtig werden; an der Hand itahcnischer EinriHitungen (Giro und
Wedisel) bünjert sich audi in Deuisdiland der Anfang eines bankmftssigen
Kredi Geschäftes ein, bei welchem Geldsumtiien. übergeben werden, uin an
anderen Orten und zu spaterer Zeit wieder bezahlt zu werden. Die ober-
deutsrbttn Städte insbesondere sind in der zweiten Hälfte des Mittelalters zu
Bankplatzen fflr den <leutsclien Verkehr geworden. Das Anwachsen des
KapitaU in den Städten andcrseils bewirkte die Hauserleihc und den Renten-
kauf, durch welchen die Möglichkeit ges*'haffen wurde, ohne die Form eines
Darlehenigeschafies sich zeitliche oder ewige Renten durch die Cbetgabe
einer Geldsumme an den Renten.schuldncr zu sichern.
Die Ausbildung des «"iffentlicben Kredits hat erst mit fester Begründung
der Landeshoheit und mit der Entwicklung des StJldtewesens grüs-sere
Dimensionen angcjiommcn. Ein Reirhssclmldenwesen im eigentlichen Simie
hat es wahrend des ganzen Mittclalteis ebenso wenig gegeben, als fibcrhaupt
einen eigentlichen Reidishaushalt. W'uhl aber hat^das Reidisuberliaupt xicl-
tach als SfJches, nicht nur als Tandes- oder Grundherr, VorschOsse genommen,
für weldie dann bald in der alteren Weise der Satzung einzelne Reichsgüter
und Gefalle veri>fü]idet wurden, bald nach dem bereits im 12. Jahrb. ange-
wandten Anweisungssystenie einzelne RcirhseinküJifte zur Tilgung Überwie*eii
u-urden. In alterer Zeit waren zweifellos die reichen geistlichen Stifter» denen
sidi bald auch cinzehic gvldkr^Ttige Grundlierm beigesellten, die liauptsflcli-
iadilii-hen Gläubiger des kaiserlichen Kiskas gewesen; seit dem 13. Jahrh.
treten deutlich die Slüdte in den Vordergrund; hier vor allem bildeten sich
mit der Henscbaft der Geldwirtschaft grosse mobile Reichtümer, mit deren
Darleihung HobeiLsr>-chte, wie Zoll, Münze und Steuern, Gericht und Juden-
sehul/, vom Reiche zu erwerben waren. Seit aber das Finanzwesen der Städte
mit der Erwejbmig der wichtigsten nutzliaren Hoheitsrechte sich konsolidiert
halte, hörte ihre Bereitwilligkeit auf, dem Kaiser Darlehen zu geben. Ein-
zelne reiche Kaufleute traten allerdings schon im 13. Jahrh. auch direkt mit
dem Reichss<'hatzamte in Kreditges^rhäfte ein; aber dt>cli i.st diese Art der
Darletieiisaufnuiime wahrend des MA. nur selten und erst im 16. Jahrh. für
das Rddisfinatuwcscn bedeutsam geworden (Fugger, Weber u. a.). — Fast
dieselbe Entwickclung zeigt der öffentliche Kredit in den einzelnen Territorien
des deutschen Reiches. Die St^ldtc sind auch für das Kreditbedürfitis der
I<ande$herren die wichtigsten Geldgeber geworden und haben dafür die Ho-
heitsrechte an sidi zu bringen gctradUei. Daneben traten die Vasallen der
l^andeslierm, später auch die Beamten, die gegen Veri>fändmig von Gütern,
Rechten und Amtsgeftlllcn Geld vorstreckten; ferner Kaufleute, Wech^er imd
Münzer, Juden und Lombarden, wddie den Landesfürslen in.sbcsondere in
den täglichen (jeldangeJegenheiien aiLshalfen, aber auch schon als ihre eigent-
lidien Banquieis fungierten. — In der Stadtverwallung spich der öffentliche
Kredit cme wesentlich andere Rolle. Die Städte ueluucn ihren Kredit nur
nun Teil in Anspruch, \an grossere Ausgaben für öffentliche Bauten (Be-
festigung, Rathaus- und Kirchenbauten), für Kriege imd Fehden, für Reprfl-
fientation u. a. zu bestreiten; sie benutzen ütrcn Kredit aber auch um ge-
CtcBunUche Pbilolock IIL 2. Aufl. 4
50 VIII. Wirtschaft. 4. Handel und Verkehr.
wiimbringende öffentliche Unternehmungen einzurichten, wie Wechselbänke
und Rentenanstalten. Seit dem 14. Jahrh. wurde es immer mehr Üblich,
dass die Städte durch ihre eignen Kreditkassen Rentenbriefe ausgaben (Ewig-
geld, Leib- und Zeitrenten); am Ende des MA. ist das städtische Schulden-
wesen schon so weit entwickelt, dass kaum eine grössere Stadt ohne Schulden-
kasse, ohne städtische Rentenbriefe und olme verpfändeten Besitz war. —
Die Zinsenhöhe für gewöhnliche Gelddarlehen ist im frtiheren MA. weit ver-
schiedener als in den letzten Jahrhunderten desselben, wo der Geldüberfluss
und der Kreditgebrauch eben schon viel r^elmässiger geworden waren. Da-
mit in Zusammenhang steht aber auch die schon im MA. deutlich hervor-
tretende Tendenz des sinkenden Zinsfusses; während noch im 13. Jahrh. der
von Landesherm gewährte Zinsfuss unter gewöhnlichen Umständen 10 — 12
Prozent betrug, auch die Rentenkäuie dieser Zeit am häufigsten mit einem
loprozentigen Zinsfusse berechnet wurden, ist gegen Ende des MA. sowohl
in Nord- als in Süddeutschland ein Normalzinsfuss von 5 Prozent erreicht
IX. ABSCHNITT.
RECHT
KARL VON AMIRA.
EINLEITUNG. »
gfrmaiüsche Recht erscheint von seinem ersten gcstiiichtHdieii Auf-
trclim an in Gestalt der Rechte einzelner germamscher Stamme, Völker,
Länder, Orte. Diese Rechte haben schon zu der Zeit, da sie zum ersten
Mal unserer Kenntnis zugänglich werden, einen Jahrtausende alten Ent-
wicklungsgang hinter sich, der bei einem jctien eigenartig dun'h {iie licsonde-ren
Leb«nsbedingimgen und Schicksale der Recht^eiiossen hcstinunt gewesen war.
Von hier aus erklärt sich, dass vom Beginn des historischen Zeil an die gcrmani-
irhcn Rechte in wescnllichrn Beziehungen von einander abweichen, ja scharfe
Gegensillze aufweisen, und dass in keinem der Repräsentant eines gennani-
scben Urrechts erblickt werden darf. Andererseits setzt sich in der hislori-
•chcn Zfit, cTit.s])rechend der VerSndenmg der Kultur überiiaupl, die Ver-
audertmg der Sonderrechte fort, wobei sich dieselben bald von einander
noch weiter entfernen, bald aber auch einander nähern. Letzteres geschieht
zum Teil dadurch, dass ein Recht auf ein anderes einwirkt. Dnch greift
dieser Einfluss nie »j tief, diuis auch nur der Hauptsache nach das bcoin>
fltuste Recht \'om ejnflirÄJCiidrn verdrangt worden wSre. Aus allen diesen
Tbatsadien ergelten sich zwei nielhixlo!" >gische Sätze: i) die Erkenntnis des
genoanischen Rechts in der historischen Zeit ist nur aus der Geschichte aller
germanischen Sonderrechte zu gewinnen; 2) die vor aller Geschichte liegenden
Ausgangspunkte der Sondcrciituickluiig, das germanische »Urrecht«, von
dessen Verständnis das der Sondcrentwicklung selbst greisen Teils abhangt,
kennen wir nur auf dem Weg vergleichender Dunrliforschung aller Sonder-
rechte rekonstruieren.
§ 2. Die Rechte, deren Geschichte sich quellenmassig darstellen lasst»
sind die samtlichen wcstgcrmaiusdien oder deutschen, welche die Vülkejr-
wanderung überdauert haben, und von den ostgerraimisdien die der drei
akandinavisclien HauptatSrnme, daiui die der Goten und der Buigundcn.
1 V, Amira, ÜÄf Zwrt u. MitUi drr grrman, Jtm/itjgruMieAir, :8;6. Vgl. «udi
K. MaarCft tMtigt ttver de nantgrrm. RefsJtilJfrs HiHertt. 1878, S. I — \t.
52 IX. Recht. Eisleitüvg.
Chronologisch genommen liegen die ersten Nachrichten über diese Rechte
vor in den Werken von Geschiclitschreibem und den Schilderungen, welche
Geographen, BriefsteJler, Rhetoren und Diditer vom öffentlichen und Pri\*at-
Icbcn ihres Zeitalters entwerfen. Das Bild aber, welches aus solchen Quellen
gewonnen wird, bleibt ihrer beträrhiÜrhen Zahl ungeachtet Jahrliundertc hin-
durch ein äusscnit lückenhaftes und unsicheres. Denn es sind, von denen
des Tacitas abgesehen, nur gelegentliche Aufschlüsse, die uns zu Teil werden,
und es Lst insgemein eine unnationale Literatur, welche uns die Aufsdilüsse
zukommen Iflsst. Seltene Streiflichter fallen auf die Rechtszustande dieser
frühesten histonschen Zeil von der Archlolf)gic oder von den Inschriften aus.
Bestimmtheit aber erlangirn unsere Voratellungen von den germanischen
Recliten erst von jenen Zeiten an, aus welchen dieselben Denkmäler (§§ 4 — 36)
hinterlassen haben. Docli sind die Denkmäler niemals so vollständig, dass
sie den Forscher der Aufgabe entheben, die übrigen geschieht! ich fn Erkenntnis-
quellen anszubeuten. Unter den letzteren bchanptr-n nunmehr die Werke der
nationalen und der kinOihchcn Literatur den ersten Rang. Sieht man auf
die chronologische Verteilung des QucllenmatcriaJs unter die einzehien Rechte,
so fallt der älteste Vorrat denjenigen zu, welche zuerst mit der antiken Kultur
in Berührung gekomincji sind, also den südgermamsdien, d. h. den deut-
schen und dem südlichen Zweig der ostgermanischen. Im Ganzen um mehr
als ein Jahrtausend spater erst binnen die schriftlichen Überliefenmgen der
skandinavischen Rechte. Es wflre aber ein gefährlicher Irrtum, wenn aus
diesem Umstand gcstiilossen werden sollte, die skandinavische Rechtage-
schichte hebe auf einer auch nur dem Durchschnitt nadi jungem Entwick-
lungsstufe an als die sOdgermanische. Erwilgt man die geschieh tUchui Bc-
<linguDgcn, utiter denen die Rechte sich zu entwickeln hatten, so wird man
eher erwarten — und der Quellenbcfund bestätigt es — , dass Verandenmgen
in den südgcrmanischen Rechten früher ab in den nordischen, und insbe-
sondere, dass hei jenen eine wenigstens teilweise Entnatii^naltsierung zu einer
Zeit eingetreten sein werde, als die nordischen Rechte noch auf \-iele Jahr-
hunderte gjuiz und gar sich selbst überlassen blieben. Überdies verschwhidct
der chronologische Vorzug der südgermanischen Quellen, sobald es auf Form
(insbesondere Sprache) uud Vollständigkeit der Cbeiliefemng und auf die
Herkunft ihres Stoffes (vgl. § 85 f.) ankommt. — Die ersten wissenschaft-
lichen Bearbeitungen grösseren Massstabs \ welche die Rechtsgeschichte ger-
manischer Vülket gefunden hat, gehören dem i/. fahrh. au mid knüpfen
«ich an die Namen Hugo Grotius {1631), Hermann C'onring (itH^ vgL
Bd. I, S. 18) und Jfdi, O. StiernhöOk (167^). Doch bleibt bis m die
zweite Hälfte des i8. Jalirhs. die Richtung der Forscher, selbst bei so
hervorragemlen wie dem Deutschen Joh. Gottl. Heincccius und dem
Danen Feder Kofod Ancher eine überwiegend antiquarische oder aber
praktische. Es feldt noch der historische Sinn, welcher darauf ausübt, den
Kausalzusammen liang der RechtsiiistJlute unter einander und mit den Kultur-
verhaltiiissen bloss zu legni. Einer tiefem hi.storischen Auffassung zunächst
der deutschen Rech isvergangen heil Bahn gebrochen hat Justus Moser (17C8).
Er vermittelt den Übergang zu dem neben Savigny einflussrciciisten Vertreter
<ler sogen, historischen Juristen schule, Karl Friedrich Eichhorn, der
in seiner vierbündigen •'daUuhat Sfaals- und Üechtsgeschir/ite* (seit i8o8, —
5. Aufl. 1&43 und 1844) das erste Gesamtbild der vejschiedenen Zeit-
> Zum Fo^endeii vgl. H. Brunner, ZV»*/. Rtchtsgfichichte 1 1 5. Stemtnn, Dtn
Zeit per Obgrmeferuxgen. Literatur.
53
^ter des wichtigsten Rechts in Deutschland auf Grund seiner eigenen
Forschungsergebnisse und jener seiner VorgSr^etr entworfen liaL Dieses
Werk ii*t nicht nur in seiner Heimat, trou der Fülle von sehr wesentlichen
Berirhtigungen, die ihm die nachfolgende Literatur hat angedcilicu lassen,
Ims in die letzten Jahre der Mittelpunkt alles dessen geblieben, was über
Gesirhichte des deutschen Rcclits geschrieben worden ist. Es hat auch den
Bearbeitern anderer germanischer Rechte, insbesondere dem Verfasser des
laiigc Zeit hcrrsciicndeii LcJirhuchs der dänischen Rechtsgeschiclile, Kolderup
Rosenvinge (für dessen erste Aufl. 1822 und 1823) zum Vorbild gedient.
Die Verbindung der Rechlsgeschichte mit der neueren germanistischen I'hilo-
iogte herzustellen war jedoch Jakob Grimm vorbclialtcn, der in seinen
»Jiechlmlltrihämem* (1828) und in kleineren Schriften für die Mehrzahl unserer
Juristen nicht so wohl ein nacliahmcnswertes Bewpicl gegeben, als die Arbeit
schim erledigt zu haben sfhien, die sie hatten fortsetzen sollen. Ihre Zwecke
blieben eben in erster Linie praktisclic (vgl. Bd. I, S. 155), Damit Ist auf
eine Arbeitsteilung gefahrlichster Art hingedeutet, weldie von der Mehrzahl
der Fachgcnosscn bis zmii beuligen Tag befolgt worden ist: die Juristen
wollten nicht Philologen, die Philologen nicht Juristen sein, jene vor allem
nichts von Grammatik, diese vor allem nichts von Konstruktion wissen.
Geradezu eine methotiokfgische Vfn»*irrung aber mussic cinreissen, als seit
den 40er Jahren unter Veraicht sowohl auf juristische als auf grammatische
Schului^ eine Gruppe von >HistoriktTn« den Wettbewerb ums rcchLsgc-
schirhüiche Gebiet der Germanistik iuitrat. » Beim Anblick der geradezu
widcrgeschichtlichen Darslellungswcise allerdings, welche bis in die letzten
Jahre unter dem Namen der jsysteniatisrhen« den Rückfall der von Juristen
verfassten Lehr- un<l Handbücher in die vor-F,ichhomsche Manier be-
leichncte, wird jener Verzicht begreiflich. Die Erkenntnis, dass nicht die
Methode, sondern nur das Objc-kt der Forschung spezialisiert werden dürfe,
beihätigten nur wen^e. Her\'orzulieben sind unter ihnen die Deutschen
Kari GusL Homcyer, W. E. Wilda, Karl Freiherr v. Richihofen, Reinh.
$chmid, Jul. Fickcr, W. Arnold, Konr. Maurer, Heinr. Brunner, der
Englander John Mitchell Kemble, die Schweden Karl Joh. Schlytcr und
Knut Olivecrona, die Norwqter Peter Andr. Munch und Rud. Keyscr,
der Dane J. E. Larsen, der Islander Vilhjälmur Finsen. Indem so der
Gegensalz der wissenschaftlichen Richtungen gekennzeichnet wird, soll doch
niclit das Verdienst bestritten werden, welches sich die ob ihrer Einseitigkeit
anfechtbaren durch Vermehnuig des Forschungsmaterials und Emiittelung
einer ungezählten Mei^ von rc«. htsgeschichtlichen Kinzeldaten erworben
haben. Um s<» dringender macht sicii das Bedürfnis einer streng wissen-
schaftlichen Bibliographie der germanischen Rechi-sgesdiichte geitcnd. E. H.
Costas Bibliographie der iffutsfh. firthtx^stfiifhte reicht nur bis 1857, die
OtfmicAi van Ouä-NcderUindscke rtchtsbrüaaen von S. J. Fockema Andreae
(HaarL 1881) bringt zwar zalilreiche, aber ihrem Zweck gcmüss nur beiläufige
LitcTaturang;ibcn Über altniederl. R. .^uch A. Aagesens Forttgneise otvr
RtiuamUngtr, RefsHtfratur m. m. i Danmark, Norge, Si-erig og til Dels Finland
(Kjobcnh. 1876) berücksichtigt die liisl()rLst:he Literatur nicht planniiKsig und
wird nur teilweise durch V. A. Sechers Fortegn. over den Damke Rets Lit
' Als Eioeil, der &kli iliircli diesen Salc gctrufTen ntblle, hat »ich in Hist. Zschr. 1893
LXX 443 K. Hegel gemeldet. Ich bt^nUge midi daiittl, auf setaen AiuUall eu erwidern,
das» ich unter * mctbodologischcr Verwimingi uUerdin^ Verwirnicg der Metbodenlehre
vcntebe, uod dAU die Hegclsche Chaamklffistik der juhstisdkeD RccbtegeMJuchtc ein Zerr-
bUd üi.
54
IX. Recht. Einlbttuwg.
t8j6 — 1883 {Ugeskrift for Rctsvaescn Kjobenh. 1884) nebst Nachtragen 1884 — 88)
(ebendort 1889) und 1889 — 93 (ebendort 189.^) ergänzt Endlich das - F^r-
zeichnis der Liierafur der nord^rman. Reehtsgesehichfe* welch« K. Lehrhana
in der Zschr. f. Rechtsgesch. Bd. XX {VII, 1887) mit Nachtrag in Bd. XXI
(VIII, 188B) vcröffaillicht hat. ist nicht nur äusserst iQckeiüiaft und unzuver-
lässig, sondern aucli tcndcnziüs angelegt. * Dagegen fehk es nicht an Werben,
welche die Ergebnisse der Spezialuntersuchungen für die «ichtigstcn Gruppen
von ReiThten sowie für einzelne Re<:htsgebiete zusammenfassen. Hier sollen
nur diejenigen genannt werden, welche sich durch Selbständigkeit in der Ver-
arbeitung des Stoffes oder durcli Fülle der Litcraturangaben dazu eignen, iii
die Disziplin einzuführen:
H. Bninner. Deuttche Rtchtsgfsckkhte (in Binding"« Händboch Abt. II)
1. Bd. 1887 {dwülwr t. Amira in den Götting. gel, A. 188«. S. 41—60), n. Bd.
1893 (darüber v. Amira a.a.O. i8'j6 S- i«8— an), if, Brunaer, G<i<hiihU
und Ö'ffliiti des dfnUchen Hechts (in v. HolUrndorfTs liDc)'iclopädtc der Kcchta*
wisücusduft. 5. Aufl. 1889. S, 215 — 302, — eine mcUlwIiaÜ [»fscUricbcnc übci-sicht!).
R. Schröder, Lehrbvch der Jrut. RrthlsgrSfhiehte. 2. Aufl. 1854. H. Siegel,
Deuhehf MecMsgtsrhiehte, irin Ltkrbuck. 3. Aufl. 1S95 (snii im.iriscli)- — E. Glas-
»on, Hiiiotrf dti droit rt drs inslituttOHS de la Fraiux, Bd. II l8S8, III 1889.
AS^nrnk-önig, /•'landrii^fie S/oa/s- und Jinftt^geschühle bis tum Jahre 130S,
3 Rde, 1835 — 39. Schuler v. Libloy, Siebenbärgisihe Rechlsgesfhirhle. z. Aufl.
3 Bde, 1867. 68. Thudichum. ReehtsgrsihichU der U'etterau. iSf»;. Seibertj;,
Landei' und RethlAgfschithte des ITtrtogt. IVtitfaleii. 4 Teile. 1860 — 75. Cba-
hert, ßriichdtiUk einer Staats- und Hechtsgtsch. der deutseh-esterreieh. Länder.
1848 (in den Denk«chriflen der Wiener Akod.. pliüos. bistor. Cl. Bd. III u. IV).
Bluntüchli, Staats- u. Reirhttgejch. der Stadt 11. Landschaft Zürich. 2 Bde.
2. Aufl. 1856. Stcttlcr. Staats- u. Kechtsgesch. des Kantons Bern. 1845.
Blumer, Staats- w. Kechtsgesch. der iMnv/s. Demokratien oder der Kantone
Uri, Schwyi, Ünterwalden, O'lants, Zug u. AppcnseU. 2 Bde. 1850 — 1859.
V. Segesser, Rn^htsgesch. der Stitdt und Republik I.tuerii. 4 Bde. 1850 — 54,
O. Scbttiidl, Rithtsgesch. 1,17-, Est- «. Curl<tnds. 1895 (in den Dorpater juiüt.
Studien III), Phillips, l'ersuch einer Darstellung der Gesch. des Angetsäehs.
Rechts. 1825. — KoIderup-RoscnTinge, Grundrids af den danste Reu-
hiilorie (1. Aufl. Grundr. af d. d. Lovkistorie in 2 Teilen 1822, 33. übersetzt u.
mit AntnerkuHgen begleitet von Horaeycr 1825') 2. Aufl. (sj'äiemaüsdi angeordnet)
in 2 Teilen 1832, ditfu Larsen. Fore/actNinger over den danske Retshist<»rie,
shtttettde sig tit K. Rosenvinges danske Rrfshistorie . . . holdle i Anrene iSSJ — SS-
1861 (auch in Lanena Samlede Strißer Bd. I S. 237, 550). Stcmann, TÄr«
danske Rttshistorie indlii Christian i'.'s L<rt^. 1871. Derselbe, Geschickte dei
Sßenit. u. Privatreehls det //rrzugtums Sch/esTt'tg. i Bde. I8ilj6. MatzcHi
Roretttsninger tn-er den dtinsie RetsAistorie, Offentlig Ret I 1893, II 1894, ^
1895, Privniret T 1895, 11 1896. — Brandt, Forel^sninger aver den Norske
/ü-Uhistarie. 2 Bde. 1880, 83.
§ 3. Die vergleichende Erforschung des altgenuanischcu Rechts (Vcr-
gleichung genommen in dem Bd. 1, S. 170 erwähnten zweiten Sinne) reicht
bis hl die Zeiten Ccnrings und Stiernhöüks bin.iuf, von denen der erstere
schon auf den Werl der skand. Rechte für die Erkenntnis der alldeutschen
liingewie.sen hat. Dennoch Uessen durchschlagende Ergebmsäe noch über
anderthalb Jahrhunderte auf sich warten, weil es den RechLsantiquaren und
-hi&lorikem, insbescmderc in Deutschland, ebensosehr an tinguislischen Kennt-
' Dii-so Ucfcil hiilio ich l>egrUndt?l im Lit. Bl. f. gcrmao. u. Tom. Philnl. 1887 Sp.
249 — 255, und untiT Vcnidsung hirrauf gibt ein ähniinhcs ab Hj. Haniinarskjold in
Tidskr. f. Kttsvidcnsluib 188S S. l^S. Von drm mciiii|<en ^luch nur ein Wi>rt zurUck-
■unebmen, kann mich der Lehninnii'stihc tAbwehTcVerfudi um so weniger besdnuiien,
als derseliie sichtlich auf Leser beredinet ist, die skh ein selbständiges Uneil in dieser
Sache nicht bilden kOnnen.
* Diese Atwgabe wird wegen ihre« Weriea und ihrer Verbreitung in Deutschland in
gegenwüttigetii Grundriu dticrt.
Vkrgleichende FoRäcntJNO»
55
^
niasen wie an krilisch gesichtetem Material gebrach. Erst Jakob Grimm
A-ereinigte in sich die philologische Ausrüstung mit der juristischen Vorbildung,
die Belesenhcit mit der Kombinationskrart, «m in seinen ^Deutschen Hfchls-
aüerfümrm* (1828, unverändert abj^ednickl 1854 und 1881) ein Gesamtbild des
geimani-wlieji Rechts aus der Vogcls('hau (unter vorwiegender BcrQrksirhtigUDg
des »sinnlirlien Elements») entwerfen zu können. Nicht nur die Menge des
darin aufgespcichcrtai Materials, sondern |auch die Behutsamkeit womit es
1-erwertet war un<i die Fülle feiner Beobachtungen, woxu es dem Verfasser
Anlaas geboten hat, sicherten dem Buche eine Dauerhafti^^keit wie keinem
andern germanistischen Werk. Es ist aber bis heute auch das ciniigc in
seiner Art geblieben. Je mehr an neuen Quellen erschlossen, je besser der
ahe Vorrat zugänglich gemacht, je dcutliiher die Abhängigkeit der kompara-
tiven Forschung von der spezialgeschichl liehen empfunden wurde, desto ent-
schiedener sah sich auch die erslcre auf den Weg der Spezialarbeit gewiesen.
Ntir F.in (ieldirter nach J. Grimm, With. Ed. Wilda in seinem -Siro/rechl
der Gtnnanen {_» Gnfhi'rhlf tiis fttulschen ^ra/refhls* 1. Bd. 1842), hat wenig-
stens noch von einem Hauptteil aller germanischen Rechte eine vergicichuide
Gesamtflaistellung versucht. Die von Grimm und Wilda ausgehende An-
regung bewirkte aber, dass nun hfiufiger als vonnals diejenigen Rechte,
weiche durch die Art ihrer Überlieferung für eine knmiiarative Germanistik
erst den festen Bixien bereiten, nSmlich die skandinavischen, sowie das
angekachsUche und das friesische, zum Gegenstand eindringender Unter-
suchungen gemacht wurden. Die Mehrzahl der sogen. »Germanisten« unter
den deutschen Rcchlshistorikeni freilich hatte geraume Zeit hindurch ihre
Gründe, um eine derartige Weite des Gesichtskreises zu verschmähen und
sogar den Begriff des b Deutschen' — ihrer Domäne — auf den Kreis jener
Quellen dnxaschranken, zu deren Lektüre die Gymnasialbildung notdürftig
ausreicht Erst seit wenigen Jahren scheinen diese Gegensat7,e- im Grossen imd
Ganzen Qbciwmidcn, zum Vorteil der vergleichenden Forschung auf breitester
Grundlage, nicht ohne da-ss als Preis des Kampfes eine k«^>mi>arative Methode
XU verzeichnen ist, welche sich über den altere» naiven Subjektivismus crheijt. *
Den Gegenstand des Vergleicheas bilden zunächst die Re^htsQberiieferungen
germatiischer Nationalist. Zuvor muss an ihnen die rein historisch-kri tische
Ar)>eit vollzogen sein und insbesondere festgestellt sein, inwieweit bei vor-
handener Inhaltsahnlichkeit unter verschiedenen Rechten Entlehnimg oder
analoge EntwU-klung (s. Bd. I. S. 171 f.) anzunehmen Ist. fostgeslelU ferner,
inwie^'eit die zu vergleichenden Institute mit andern des nämlichen Recht»
und mit der Kultur des nSmlichen Rechtsgebiets in Zu^immenhang stehen.
Xun handelt es sich danrni den Staimnbaura der Übcrlicfermigen aufzufinden.
Die Nahe otter Entfernung im Vcrwamlschaftwerhaltnis unter den ver-
glichenen Stammesre»:hleii j^bt dabei den Ausgangspunkt ab. Sic kann aber
nicht wie früher fast allgemein geschah, nach der einen oder andern Inhalts-
.Ihnlichkeit der Rechte bemessen werden. Vielmehr ist der einzige, wenn auch
nur relativ vcrlSssige Massstab in dem Satze gegeben, dass die Rechtsfamilien der
alteren Zeit sich mit den Sprach famitien {ost- und westgermanisch, gotisdi i. w. S.
und skandinavMch, usl- und westnordisch, olter-, mittel- und niederdeutsch u. s. f.)
decken, liivi Sprachfamilien sind der Aasdruck dergesrhichtliclien \'ci'wandiscliafl
unter den Völkern, welche nicht mit der phystsclicn vcr»'ccltsclt werden darf.
> Id teilvebetn Widcnpnidi zu dmi im Text Folgenden venudit eine auirübrlichr
'Methodologie J. Ficker, VttUrsiuhungrn wr ReehngeMhithte I 1891 S. lO — 277.
Ptqgcn b]it»e ich BKine HAUpteiiiwäode oieditcclcgt in G6tL gel. A. 1893 S. 259, z(>9 — 280,
56 IX. Recht. Einkeitunq.
Handelt es sich um ursprüngliche Gcmeinsrhaft von Gedanken, so mflssen
*-ir sie dort suchen, wo das Mittel des Gedankenamtausches, die Sprache,
gettiHnsara Lst. Nun ist aber das Recht ciii Werk der Gedanken von Men-
schen, die mit einander in Verkehr, in Kuliui^emeinschaft stehen. Es müssen
also, günstige geographische Bedingungen vorausgesetzt, die Rechte der sprach-
lich am wenigsten gelrennten Völker smi längsten mit einander in Verbindung
geblieben sein. Daher ist im Zweifel Terminologien und Besliramungen,
welelie zwei Stammesrechten geineinsiun sind, ein diesto höheres Alter zuzu-
schreiben, je weiter die .Stamme seliwt sich sprachlich wm einander entfernt
haben, oder m. a. W. je weniger sie im Gedankenaustausch mit einander
geblieben sind, je weniger also die Rechtsgleichheit unter ihnen vermutcl
werden dürfte. Liegen Rechtsgleichheiten unter Ästen eines und desselben
SpmchsLimmes vor, so werden jene Über den Zeitpimkt der Trennimg um so
walirscheinlicher zurückreichen, je scharfer diese in geograplüsclier Beziehung
eingetreten ist. Es ist daher von besonderer Wichtigkeit, wenn die Trennung
des Sprachstammes sich datieren lilsst, wie z. B. die des norwegisclien um
870 — Q30, die des anglischen und sachsischen im 5. Jahrh. Freilich tlürfeii
Rückschlüsse wie die angegebenen nicht ins Mechanische verfallen. Sie haben
mit der Möglidikeit zu rechnen, dass schon in vorgeschichtlicher Zeit Ent-
lehnungen und Entwickkmgsanakigieia stattgefunden uml dass die verschiedenen
germ. Rechte überhaupt nicht von einem einheitlichen Urrecht ihren Ausgang
genommen, ebenso aber auch, dass die Verbände, die wir als Sprachgemein-
schaften kennen, einen Wandel in ihrer Zusammensetzimg erlitten haben.
Ergänzende Vergleich ungsubjekte sind die enlnalionali-sierten Tochterrechte
germanischer Rechte, so da.ss auch das altfranzösLsche^ anglonormannisclic
und englische, das altspanische, portugiesische und iuiüenische für die Erkenntnis
des gerroaiiL'^chen Rechu belangreich werden. * Ferner können auch unger-
manischen Rechteu Vergleichungsobjekte entnommen werden, nidit bloss, wenn
jene, wie z. B. keltische, finnische, slavische, ja auch orientalische mit germanischen
sich berührt liabcn oder wenn sie, wie überhaupt die andcrcii arischen mit
den germanischen in engerem vorgeschichtlichem Zusammenhang gestanden,
sind (vgl. Bd. I, S. 7), sondern auch, wenn das Verständnis derjenigen
Rückstände ersdilosscn werden soll, welche das frtlheste Recht der Älensch-
heit im historischen der germanischen Völker hinterlassen hat (Hauptbeispiele
im VcrwandtscbafLsrecht).
Was im weiteren Verlauf dieses Grtmdris.ses über germanisches Recht
gesagt wird, will, dem Plane des Werkes gemäss, in das er sich einordnen
muss, auch nicht von Weitem wie eine Rechtsges<-hichte und ebensowenig
wie ein vergleichendes System aussehen. Die .Absicht geht lediglich danuf,
die wichtigsten Pbanuniene zu skizzieren, welche fürs germanische Recht
c-harakteris lisch sinti. Mur^ dabei der Nachdruck aufs Typische fallen, da.*
massenhaft Individuelle zurückgedrängt werden, so wird das entworfene Bild
nur auf die Bedeutung eines Schemas Anspnich machen kftnnen. Die Sus-
serste Zeitgrenze, bis zu welcher hcnibgegangeti werden sull, ist durch den
* Eioniiircnde Liltemiur bei ßrunner, Übtröliii nlrrr die Oru-hühle ä^r franiäsistfuti,
normnnmicfitn uitä engtiichen RffhuquelUn (iii v. JlollzendoHTs Encj klopödic 5. Aufl.
1889 S. 305—347) and R. Schröder, Lrkrb. li. Jntt, RG. S. 4—;, Dazu; F. Pollock,
and F. W. Mailiand, The history 0/ Engliih Law bf/ore fhe timt of Edward I,
z Vols. 1895. S. ferner J. Fickcr. Über nähfre Vtm-andUckaft iimcktn gotisch-
spanischem und nomfgisrh-itläHäischfm Ret-fit (in den MIÖG, IT. Ergäotb. 1887 S. 4JS
— 54Z, dazu V. AmirA im Liltraturbl. f. gnm. u. rom. Philol. 1888 Sp. i — 4. K.
Idatirrr, Kj. V;scbr. XXXT 1889 S. 190—197}.
A. DenkmAler. Allgemeines.
57
Schluss des Mittelalters gcgt-bcn {vgl. Bd. I, S. 8). Auf Auscinaiidcntctzung
seiner Ansichten mit fremden rau&s der Verfisser grundsätzlich verzichten.
Den Utcratuningaben ist durch die Gcsaoitanlagc des Grundrisses flire Grenze
gezogen. Dem entspricht es auch, da<» clie Nachweise von Qucltenpublika-
tionen weh auf diejenigen Stücke beschranken müssen, nach denen beim Be-
ginn voa Quellenstudien zucn>t zu greifen isL
A. RECHTSDENKM.U£R.
§ 4- Unter Rechisdenkmfllem veretebcn wir diejenigen Quellen redils-
gesclüchtlicher Erkenntnis, die zugleich Objekte der letzteren sind. Indem
sie dem rechtlichen Di'nkcn ihrer Zeil zum .\usdruck dienen, verschaffen sie uns
eine Vorstellung von demselben. Zum ^^e^slandnis üircr Art und ihres "tt'crtcs
sei über das Wesen des allen Rechts Folgendes bemerkt
»Recht'« — im Deut substantiviertes Vorbaladjektiv (alid. mhd. as.
afräiik. ni/, ags. niA/, fries. Huehi) — ist zunächst »das Gerichtete*, in ge-
höriger Richtung Befindliche, Gerade (rectum, daher mlat. dtredum. Jn'rtum),
nämlich das geordnete Lebensverhältnis, wovon das sog. subjektive Recht
(^die Befugnis) ein Hauptbeispiel. Anderenieits Ist R. die gerade »Richtung«
eines solchen Verliflltnisscs (skand. re'ttr, wozu vgl. Kluge Stamrabild. § 133),
weiterhin aber auch ilcr Inbegriff aller s<:> ge<.)n.ineten und »abgegrenzten«
Verhältnisse (skand. sül n. pl.) c»der der richtigen »Lngen« {wn. i^g, on. lagk
n. pL, ag*. as. [afränk.?] la^u, fries. log, laow. vielleicht auch die behgines
des Jordanes) und in so fem der Inb^riff aller Regel, die juch in diesem
Anschaulichen äussert, oder das Recht im objektiven Sinn, wofür das Alt-
deutsche die Feminina retija {rräa — Rechnung »Mass-Regel«, ratio vgl.
Frcnsdorff: Hut. Au/s. s. And. v. Watt: 1886 S. 433 — 490 mit Leist
Gnifco-ital. Hethtsgtseh. 1884 § 32) und *hiUda (in mhd. unbUde, wükhiide,
vgl. auch asw. biUugher unten § 77), fcmcr das Ahd. das Fem. gizutift (=sdas
Ziemende), das Ags. das diesem brgriffsvero-andte grnsne gebraucht, daher
endlich .das zu Beobachtende« (gt>L viiäp, afränk. witut, ahd. xvizzvd. mhd.
wizzät). Dic:se Richtschnur aber sucht die Gesellschaft zu ziehen nach gleich-
massig austeilender Billigkeit, und dämm \\t\ssi den Deutschen das Recht
selbst »Billigkeit« — ahd. M^, mhd. ftit, e, fries. ^va, ä, e, ags. dvü, et,
as. maskul. A» {= lat. aequum). Wird die Richtschnur eingehalten, so besteht
der »Friede«, i i. die gegenseitige «Schonung« der Menschen. Daher auch
»Friede« zu einem Namen des Rediles wird. Noch in der alleren histurisclicn
Zeit erschien das Recht fast nur in der Anwendung^ so wne e.s allereist
unter Blutsverwandten ist, wesswegen es auch mit der Sippe den Namen
teilte (§ 54). •Gemachtes« Recht (ags. fries. döm. ah<l. iuom) oder »gesetztesi
{d^ ätet/tess, — mntl. sa/e und uilinge, alid. salsunge, wn. se/lning), beschlossenes
(ags. rdden, gmfdness), verordnetes (got. garaideim), gekorenes (fries. kesl, mnL
ioor, ioer, mlid. Jhtr, iviUekür), vereinbartes (mhd. einuttge. phaht) in erliebücher
Menge wurde erst durch wirtschaftliche, politische, religiöse Um^'üJzungeii
veranlasst. Und noch spJUcr blieb das R. wenigstens zum grösseren Teil
Gcwuhnheitsrecht, »Landlauf«, Brauch, Sitte. Ferner aber war in der Früh-
zeit alles und spater noch das meiste R. Volksrechl (on. lypreittr, wn.
fyrrtler, lyritr. ags. Uodriht oder foUriht). Vom gemeinen Marm ging es aus
in seinrtn Bcu-usstscin und mehr noch in seinem Gefühl lebte es. Da.sa es
1 A|^ //ffw (» Sttte).
^S IX. Rbcht. A. DsmcuALER.
P
iiiclit Menschen werk, soiuiem von gOttliclier Herkunft, Est <*ine Vorvtellunf;,
die der gennanisdien Welt eret durch die christliche Theologie zugebracht
vk-urde, und — den Mars Tlüngsiis (§ 83 a. E.) samt den rätselhaften Alai-
siagac, den saccrdos civitatis und lioffentlich auch das sacrale Strdfretlit in
Ehren 7 — nirbts kann doch verkehrter »ein, als jene Vorstellung in die Hwden-
zcit zurück icu datieren, wie es mittelst eines Gewebes von willküdichen Vor-
aussetzungen neuerdings versucht worden ist, nichts vcrkelirter denn auch,
als die Hj-pothese «ner spezifis*:h priesterlichen Überlieferung des allgerman.
Rechts. * Überhaupt gab es in der Jugendzeit di-s german. Rechts Nie-
mand, der aus seiner Kunde einen Beruf machte. Es fehlte das Bedflrfnis
dazu.
Aus diesen UmatÄndcn nun erklärt sich vorab der andere, dass schrift-
liche Denkmäler des german. Rechts erst seinen jtingeren Gesdiichts-
Perioden entstammen. Alle gehören erst der christlichen Zeit an. Das west-
römische Reich und die römische Kirche leihen ihre Schrift. Denn sieht
nuin von solchen .spatmittelalterlichcn Schreiber- (.kUt Bestellerlauncn wie dem
Kopenbagcner Cod. mnit.-us des Sihoncnrcchts ab, s«5 sind die Unterschriften
in ein paar oslgt»t Verkaufsbriefen und die Inschrift auf dem Forsaring
(unten § 21) die einzigen nicht in latein. Alphabet geschriebe-nen Rechls-
tienkmaler. Und wie mit der Schrift, so verhielt es sich in Süd- und Mitlel-
enrnpa Jahrhunderte hindurch mit der Sprache. Ks crkl-lrt sich aber femer
aus dem oben Gesagten, dass kein schrifiliclies Denkmal germanischen Rechts
<ianuii ausgeht, seinen Stoff zu erschöpfen. Auch ilen einlsssliclwüten Schrift-
werken sieht man an, dass sie noch weit mehr, als sie selber bieten, und oft
sogar die Hauptsache als bekannt voraussetzen.
Die .schriftlichen Denkmiller .sind teils Rechts auf Zeichnungen, teils Ur-
kimden, Formulare und Auszflge von Urkunden. Die ersteren zeigen das
Recht ;i]s dn theuretisclies, die andern als ein angewandtes. Jene wüUea
<Ien Rechtssatz unmittelbar vor Augen bringen, diese lassen ihn nur er-
schliessen, — ein Gegensatz, der nicht dadurch verwischt wird, dass ge-
legentlich eine Urkunde einen Rechtssatz als solchen anführt oder den
Äusseren Rahmen fi\r eine Rechtsaufzeichnung hergiebt, eine K echtsauf Zeich-
nung einen Fall aus der Praxis erzUhU. Die Rechtsauf Zeichnungen
sind teils ;ils Gesetze, teils als Privatarbeiter) entstanden, wobei das Wort
»privat« jede Thaiigkeil, gleichviel ob amtliche tder ausseramtliche, bezeichnet,
die keine gesetzgeberische ist. Aber manches Gesetz ist einer Privatauf-
zc-ichnung cinvprlciht imd nur s o zu unserer Kenntnis gelangt, und manche
Privataufzeichnung ist nachträglich. — auch werjii sie nicht Entwurf eines
Gesetzes war, zur Geltung eines Gesetzes gekommen, sei es, dass der Gesetz-
geber sie sich angeeignet und als sein Gesetz bekannt gemacht hat, sei es^
dass sie vum Gewohnheitsrecht wie ein Gesetz beliandelt wurde. Sclion
hiernach \k"ir es, wie in der Regel ni*-lil die Absicht der Pri^-atarlieit, so oft-
niitls auch nicht die des Gesetzes, das überkommene Recht zu andern. Über-
haupt aber bezweckte der Gesetzgeber in vielen Fflllen, wo er sich der Schrift
bediente, nichts weiter als das bestehende Recht zu sichern. Formuliert ist
der geschriebene Rechtssatz nicht immer vom Urheber des Schriftwerks.
Bisweilen schreibt dieser nur nieder, was schon vorher mündlich »gpsagt«
war oder docli niQndlich »gewiesen« \^'urde, so dass es für uns darauf an-
kommt, das Alter und die Schicksale dieser voraufgegangencn Tradition zu
1 Gegen die Richlhofen'tche Beffrandung der Hfpoihcsc s. GSci. Gel. A. 1883
S. 1066— 1068. ferner Heck (u. Sieb«) Attfrüs. (JfrüMtncr/asiHtig 1894, S 47 — 55. 61 f.
I.
AlAGBUSINES.
59
bMlimmca. Namentlich gilt dies von vielen Sllem schwcdlsdirn unti *Tst-
noitlischcn Keclitsaiifzeichnungen und von den »Weistüraem« in Deutsrhland.
Ist eine Formulierung einnuil aufgestellt, s'j pflegt sie »ich durch ^-ide Rechts-
auf Zeichnungen liindurrh fortj-upflanzen. Daher sind oftmals jOngere aus dem
Material iilteter angefertigt. Denn das Formulieren eines Reclitssatzes machte
immer fk'hwierigkeiten. da das rechtliche Denken ein Oherwiegend ansrhaii-
liches war. Hierin liegt auch der Gnmd, wesswegen selbst die vollkommensten
Rechtsäufzeichnungen zur Kasuistik neigen und einer ;tusgebi kielen Systematik
rnlbehren, der Grund femer. wessweg<:n das rein germanische Rcchtsleben e«
nur 7M den Anfangen einer wissenschafdichen Liieratur gebracht hat. Unter
tlicscn stehen an Originalitfll die naiv lehrhaften l*ri\"atarbciten über umfang-
reiche Stoffe voran, dcuen man in unserer Zeit den Namen der i. Rechts-
bücher« beigelegt luit, einen Namen freilich, der von den Quellen auch für
Gesftzbficher ven%endet wird. Unter dem GesirhLspnnkt der Anfange einer
Cauielar-Jurispmdcnz vennitteln die Urkundcnfonnulare und FonnelsiuumlLm-
gen den Übergang zwischen den I^Jcnkmiilenj der Rechtskunde und jenen
der Rechtspiaxts. Die Urkunde als Kcchlsdenkmal ist entweder Stück
einer Reclilslumdlung (sog. dls}KT«ilive <xler Geschaftsurkwide) oder — sei es
als Offentik-he, sei es als Privaturkuntlc — blosse Denkschrift ) «Notiz, schlichte
Beweisurkunde« i, w. S.) über einen sokrhen Hergang oder, wie bei de«
Hebcregistcm. l'rbarien, Saal-, Iwigcr- und LchenbtVchem, Aber ein Rerhls-
verhalmis. V'gL unten §71. In der einen wie in der andern Bedeutung ist
sie eftv^s von Haus aus Ungennani*i<*hcs. Sic ist dem sp&trAmischen Recht
entlehnt und bildet einen der Hauptkanflie, wodurch fremde Elemente in's
gemtan. R. eingeleitet wenlüti ',
Den schriftlichen DenkTnJileni nächst verwandt sind diejenigen, welche
wir mündliche nennen kennen, weil sie zwar sprachlich, jedtwh nicht
tt-esendich in Schriftform das Recht ÜberHcfem. Schon die technischen
Ausdrücke* gehören hicriier. von denen der Wortschatz jeder gcrmiui.
> Litcntor aber dt« R«bt9gc«chtdile der Urkunde bei Brunnrr. RO. T $ 57.
Schiädrr, f^hrb. $§ 33, ^9. S. ferner A. Cliroust, VnUn. ü. ä. langob. KSnii^-
M. lltrtagiMrk. 1888, II. Henning«, Studitn ä. ä. älter* JiSnLu:he K^niffsurk. bis zur
Mille tUs XllL Jahrh. 1886.
* Braucbharc Ililfamittcl ausser den illgcmcinen Wßrtefbücbcm U<^cii nur für die Tcr-
mlBDloeien ci[urlii«r Rechte und Rcchi^ruppm vor. Von den Sltcrcn sind noch jeut ndtzlich
Pill Vidslin It 1727) Skyringar yfir fvrnyrai ISgb^kar pfirrar er J^mh6k kailast,
Re}-kj. 1854 und Ch. G. Haltaus, Clonarium Cermanicum mcäii aevi 175b. Neuere
Arbeiten er»ccn Ranges .sind C. J. Schlüter'» GkKsare in den ij Binden des Corpus
juris Suro'Gotorum antiqui \%^^ — iS"" und K. v, Riehthofens -^///r/rj-. l^l^rterbMch
1840 (wo/u njcbrfaclii.' bcricktigungrn und ErgÄnmugiii von Bremer in PBB. XVII
1893 S. 30J — 346)- DiTiinJU-hst ist r\\ ni-mirn E. Hcrl2l>crg'<i Glostwir lu den alt-
onrweg. RethtHlcnktnAlerQ !□ NGI» V 1R95- Bi.-9chräiiklrre Aul'^nlien ^rtzm sich Land
Dtl mldslf datukr skriflsprogj ard/orrSd 1877 ^wiirai»>T K. Maurrr in Kril. Vjucbr.
f. Ge»rt7(j* "■ RwlUs*'- XXI 1879 S. 94—96), Stallnert {ilimarinm t-an frrnadrrde
rnihixtertn^H («nl 1886 elf Lieferungen), dann die Glossare Ittntcr den Aus|riiben der ag«.
Gesetze «m Schmld 1858, sdchsLschcr RecfaüibUiher *on Homeyer, d« München«-
StAdtr. ». Aaer 1840, des Ofener Suwltr. v. Michnay und Lichner 1843, der BrUnner
StadtJT. V. ROssler 1853, der altboier. Freibriefe [v. Rockinger] tS^j, der XCogde-
bvstr Fngen v. Bebrcnd 18&5, der Salzburger Taidinge v. Tttmaschek 1870, de«
AoedmrgerSudibucbif.Mcvtr 1872, des Wiener Sudtrb. v. Scbusler 1873, der Leidener
Kenrboeken v. HaniAfcer 1873, des StetemUrk. I.andr. v. Bischof 1875, der stcier. u.
Umth. Taidingc v. Schi'lnbach 1881. der Utrecbter gellen r. Müller 1885. des l-'rei-
t>erger Sudtr. t. Ermisch l88y, der GrAgdui v. V. Kinsen 1883, Auch der Worl-
rrgitter lu den Lcges in dm Monum. Germnniae, zur Ausgabe der Vxx SaUca v. Behrend
11874) und xa den Grimmsdicn Weistümvrn (Bd. VII 1878 v. R. ScbrOdcr). sowie de*
6o
IX. Rbcht. A. DekkmXler.
Sprache bis heute vnll Ut und deren Etymologie und Gebrauch — von den
Rechtshistorikem meist vemachL'issigt oder nur dilettantisch studiert — um so
reichere Aufsclilüsse über die alten Reiiitsbcgriffe zu geben vermag, je volks-
tümlicher und je weniger Gedankenarbeit eines Benifsstandes das Recht war.
Sodann aber haben in jüngeren wie in uialtcri Zelten die gennan. Volker ihre
Renhachtungcn und ihre Betrachlungen über das eigrne Rechtslcben in Sprich-
wörtern bewülirt. Viele vgn diesen sind erst durch moderne Sammler
;iufgesch rieben worden, die andern nur gelegentlich in der aJtcn Literatur
tingeführt *. Eine besr>nden> reiche Ausbeute würde die altnordische dem-
jenigen gewähren, der sie nach Rechlssprichwurtem durtiisuchcn m<>chtc.
Im Gegensatz zu den Sprich wi'^rtem gab es aber bei den Skandinaviern über
einzelne Teile des Rcchus noch ausfohrlidie Vortrage, die in der einniaä fest-
gestellten Redef<.irm nicht nur von ihren Verfassern, sondern auch von Anderen
wiederholt und zu diesem Zweck dem Gedilditnis eingeprägt wurden. Da
sie jedm'h nur als Bestandteile von Rechtsauf Zeichnungen erhalten sind, ist
genauer von ihnen unter § i8 zu handeln. Hier dagegen ist rocli auf die
mandierlei mündlichen Formeln hinzuweisen, die mit andc^m ehemal^;en.
Rechtsgebrauchen sich in die Sitte des Volks zurück gezogen haben. Manches
daran ist freilich modern übermalt. Dennoch darf auch der Rechtshistoriker
des MA. an Prachtstütken wie dein Dürrt-nberger Brautbegehren bei Aug.
Hartmann Volh-SthatispifU (1880) No. iH nicht vorübergehen. Be.sonders
reich an solchen Überlebsehi alten Rechts ist Siebenbürgen (^Vieles bei
FroniuH Bilder aus d. iächs. BanernUbt» in Siebenb., 2. Aufl. 1883, Mätz
im Schässburger GvmnasialprogT. 1859/60).
Noch einer dritten Klas-se von Denkmälern muss hier gedacht werden, die
zwar neben den schriftlichen und mflndh'chcn nur eine Nebenrolle, immerhin
aber, bei der Neigung des germ. R. zur Sinnenfillligkcit, eine sehr charakte-
ristische Rolle spielen: das sind die Gebrauchs-Gegenstände, deren man
sich im Rechislebcn bediente, wie z. B. Münzen, Si^el. Wappen, Abzeichen,
Syrobüle, Straf- und Fotlcrwerkzeuge, Ding- und Richtstatten, üffcntliche
Gebäude. Bilden die drei erstgenannten Kategorien srfinn die Objekte für
die huttorischen Hilfswissenschaften der Numismatik, Sphragistik und Heraldik,
so würde sich mit den andern mid jenen zu ilmen überleitenden Erzci^iisscn
der Kunst und der Handfertigkeit, welche die sichtbare Erscheinung von
Reclitsilingcn luid Rechtshandlungen darstellen, die Rechtsarchaologie i, e. S.
zu befasseji haben. Ehedejn mit unzulänglicher Methode als »jurisprudentia
picturata« oder »illustrata'« gepflegt,« hat sie in der Neuzeil ungebühriiche
Zurücksetzung erfahren, obgleich es ihr weder an massenhaftem Stoff noch
an kriiis(hen und kommen tatorisrhen Aufgaben fehlen wTlrde. Fortgesetzte
• LatiBobardiKbcQ WSrtcrhucb»« v. W. Bruckni^r {Du Sfiroifie Jtr Latif^aharden 1895
S. 199 ff.) isc biet lu urtlenktn. — Die neben iltr nütionalcn in Bctradil kommctidc latdo.
Ten»ino]og!e &t% MA. vA in den Ctlossarcn vud Du CanKe*KenKcbcl uwl Diefen-
bacb bearbdlst.
* AA'isscnxcbikflliche Sammlungen von R«chUj.prtchwÖJtefTi sind verrciclujct bd Siegel
RG. § 3, RoseiiTingc 2. AuH. § 12 (wozu Larien. Forel. § 12). Stcmann S. 5.
Vgl. »weh Costa BibiiogT. Nr. :576 — 1588.
* Jn»l)««in<)cTc diircfa Chr. U. Grupen, Ttvisthe Alterthümtr T746 (and in zahl*
rekhcn Abhandlungcii), K. F. HommeI.yMn>//-wrf. . , . ititisirata I76j,j. G. H. Dreyer,
Juriipruii. (7erm. fütttrala hcntusg. v. Spangcnbcrg in Hcitr. 9, Knnde ti. äevl.
Jitchts-Aitert. [824. X. Sthlich tegroll Tath^fer 1817. J- G. BOscbing u. a. in Jessen
wAA. Xoihr. rV iBlQ S. I— 10, L*. F. Kopp. BiUrr nnd Sikn/leu drr Vürteit I
1819 S. 45—164 11 i83T S. 1^34, Ball, V. Babo, Eitenbenz, Mone und Weber
Trutuk* DfnJtmäUr 1830.
SOdgeruasische.
6i
Publikation^ und kritisdi beschreibende Katalogisiciouig * der Monumente
«flren zunächst 2U wQnsdien. — Im Folgenden lutll nur nm-h von den
»diriftlichen Rech (sdenkmn lern mit Ausnahme der Urkunden gehandelt werden.
Da die gotisch-wandaüsrhcu nicht init den andern ostgcrmanisclicn, wohl aber
mit den westgermanischen in gesrhichtlichem Zusammenhang stehen, so sind
die Sdiri/lwerkc in üOd- und uordgermanischc änzuteüen.
7. SÜDOERUAK ISCHE SCHRIFTWERKE.
Literatur bei Brunner RG. 1 §§ JJ, 34. 36—56, 58 und in v. HolUendorflf»
Kneyklopadie («. oben $. 54) §§ 9, 15, .Siegel, RG. §§ S--4S' Schröder
Lebrb. §§ 30—34, 52—58, 60, Oengler Oerman. ÜnkUde-nlnnäier 1875 Kinteilg.
§§ ai— 31. 35— S^l». 38' 4'— 43. 45. S9— 72. ?4. 75- I^" Luschin v. Eben-
grcuth Öslerreuk. Reic/isgesehKhte g^ 6, 7, 30 — 23, Rockingcr Denkmäier
dts baür. Landfirabti vom /j. bis i. d. 16. Jahr h, 1891, Lcuenbcrger Stud, ü,
&r««.-A^ Ji^hlsgrschichu 1873 §§ 5 — 9- JJ— ^3. Schnell u. v. Stürler Über-
tt'cA/ der ättfren RQuetten des Ktxnt. Ar« 1871, BruDner in v, HolUCTidoriTs
£iic)-klopidie Nr. 4 § 10 (>d. angeUädis. RQucUen«). PolJock und Maitlind
(oben S. 56 Nr. 1) I S- 66—83, *"'■ Liebermann Cb<r Piettda-Cuuts CcnsUtu-
ttones d* /oreila, 1894, Dcrs. Cber die I^ges lidvfardi Confrsioris, 1896 und
desselben Erßrterui^-n vor den unten S. 76 f. gcDanoten Ausgaben.
§ 5. Die südgerman. Rechtsdeukraiiler beginnen um die Zeil, da die sog,
Völker**a.THleruiig zum Süllstand gelangt. Die Uisacht: Hegt in dem durch-
greifenden Wände! der Rwhbizu^Uincte, welchen in jenen Jahrhunderten die
Verlegung der Stamnies-siize, die Vereinigung sehr verschiedener alter \'ölker
* Von »llen Hob-schniltwprkfn tmJ riai^-Iblitterc, die sclbsl schon Denkmüler sind,
«bgaeben, möKcn «1» die grösseren unter den früheren Publikationen genannt werilen : die
vollstindiec Wtcdef;gBbc der MiiÜAturen in der Wicntr lIs. dct Gold. Bulle bei Thüle*
marius Tra^rt. de ßnlia ib<>7 und der Bilder im Hcidclb. Cod. Pal. Ocrm. 164 des
!>scbtmspirgcls in den 'J'etit. Df-nkmSUrn (s. vor. Note, dif anderen Bildcrfass. de» Ssp.
stikd nur teUwei^' verOfTentlicht. Nachweis« bei Homeyer Sachs. I^Andr. 1861 S. ll3fT.
Siebs. Lcfanr. I S. 81; elf wrilerv Tafeln in der Au^g. des Otdenh. Cod. pJct- v. Lflbben),
The Mtniafiiren iti dem Hnmbttrg. Sladtr. v. J. 14^7 ertaut, v. J. M. Lappenberg
1845, Die Ruhindi-Suule v. H. Zoepfl (in dwwen Altert. Bd. III 1861), Die Roiande
Detttstblandi v. R. B^ringuier l8qo. Die KUitt&dien dei hl. r^m. Rfiehi v. Fr, Bock
1864. Die Siegel der tjtndeierhSmter . . . unter der Enns v. K. v. Sawa (in den Bericht,
d. Wiener Allerts. V*f. V), Die Ramfahrt Kaiser Heinrichs t'If. im ßilderryklus da
Cod. Bald. Trtv. henusg. v. der Direktion der preiias. Staatsarcbive (Text v, G. Irni«r)
18S1, Talhoffers Fcehlbuih aus d. J. 1467 böausg. v. ü- lIcrKSclI 1887, Dasa. (Go-
thaer Cod.) aas d. J. I443, h<.-rausg. r. flcrgaell 1889. Dam. (Ambraaer Cod.) ans d.
J. 1459 berui^. V. Hergseli 1889, Die HeiUgenherger Hj. über die Egg [6 T&feln
in Lidtdr. v. Gr. GeneraUandesarcfa. in Knr]«ruhe] 1887. Der Hauphluhl des •xvit/äl,
femgerichli auf dem Känigjhofe vor Dortmund v. B. Thiersch 1838. Die Gerichts-
linde von Hasdorf v. E. Schröder (in Zscbr. des Vcr. f. Volkskunde VI 1896 5. 347
— 354), /Aw Rathaus in Xürnberg v. E. Mutnmenhoff 189I. Auch die Facsimd«*
Aiug. d<T Fedrrxei4:hnungrn im Cod. Pal. Genn. 112 diirth W. Grimm {Rttotandes /Jet
1838) der König»- u. Hi-rwi(rtl>ildi-r im C<jd. CÄveam ITT 1876, der Aolcndorfer Hs. von
Kidicntlul't Chronik dunh H. Sevin 1880, sowie die Woirschen Photwgr^thicn der
CoQSlanxer Hs. noch derüclbcn Chronik l8t)9, endlich die Au9g. der Manesfte'K'btn Hs.
durch F. X. Kraus 1887 verdienen Her%'nrhebun^. Viele inlercsMante Niid]liildiiUf;t.-n
«tnd zerstreut in den kunst- unJ kulturgeschichtlichen Illusirationswcikcn von de Bastnrd,
HefDcr, Aui'm Werth, Bock, Hottenroth, Essenwein, Hirlb, Luchs,
Cameiina, v. WoIfskroD. Lacroix imd seinen Njurluihmern, in den der Inventari*
S«tk>D der Altcrtunudcnkmller Dcutschbnds gewidmeten .Sammelwerken sowie in der
periodiscbcn Literatur der Kumtwissenschaft u. Akertumikunde.
' Zabireicbc Nachwcüc von Werken der graphi.Khen Kun.1t tindcn sieb in W. Orugulins
J/iitor. Bildernflas I 1863, II 1867, J. Maillingcr's Ih'tdenhroniJt v. Mürnken 1 1876,
Heberle's Antiquaria ts-Kalidog Nr. LXXIV Köln 1879. Üb«r die FoIteT- u. SttäT«
inslnuneoti? dn bAicr. Xattunalmuseums iit ein Katalog bnaing. v. K. A. Bicrdtmpfl
1882. Ein kritiKbes Verzeichnis germaniscfaer Mooumenle von rvditsaicb&Jogiidicr Bc-
dcotung befindet mb in Arbeit.
62 IX. Recht. A. Denkmäler.
zu iieuoii »Slüintnen», die Netigründung und der Untergang \-on Staaten, die
Annahme des Christentuitia, die F«irlsdirittu der Wirtschaft hervorritJcn. Jetzt
hatte die Oesetzgebung eine Fülle von Aufgaben zu lösen. Je mehr aber
Zahl und Umfang: üirer ScliOpfungen /muibmen, de^to notu-endiger war es,
tiem Gedächtnis des Volkes duicb die Sclirift zu Hilfe zu kuuinieu. Da
ferner die reichere Gliedenmg der Gcscilstliaft niul die. Versdiarfung der
^uziaJen Gegensätze die Gleichartigkeit der hergebra<_Iitcii Rechtsanscliauungen
im Vi>lke störten, so verlangte auch da« Gewi>hnhei Utrecht \iclfadi nadi
schriftlicher Feststellung. Das zum Formulieren der RechtssJtze nötige Ab-
straktiuiu vermögen wird giz^clmU an der unüken und an der kirchlichen Lite-
ratur. Daher f;illt das Furmuliercn untl Aufschreiben tlenjeiiigen zu, die
soldjcr Sdiulung leiliiaftig gewunJen sind, Rlictoren, Klerikern und den von
ihnen gebildeten Laien. Ihrer Literatursprache, der lateinischen, bedienen sie
sid», indem sie sicli zunüchst an ilire eigene GeseUschaftskiasse als die vor
andern die Rechtspflege und Rechtsbüdung beeinflussende wenden. Dies
Latein jedocli erweist sich schon den Verfassern als imzurcichcnd zum Aus-
druck der german. Rcvhtsbcgriffc. Sie versetzen es daher mit germanischer
Terminologie, indem sie diese laiiri-sieren oder mittels glossenartiger Einfüh-
nmgswörter in den Text aufnehmen, oder sie verilndem den Sinn latcinisdier
Ausdrücke, indem .sie germanische buchstäblich übersetzen. Ganze Rechts-
schriften dagegen in gcrm,-inischcr Sprache kennt nur die angelsÄdisische
Quellengeschichte diese» ZciljJters,
Die ältesten Denkmaler gehören ostgermanischen Rechten an, namlidi
gotischen und burgundischen. Unter diesen steht der Zeit nach das
wcstgoüsdie voran. Nadi einer durdiaus uuverdäditigen Angabe Isidor'ä
V. Sevilla stammten die ersten geschriebenen Gesetze der Westgoten von
Kniiig Eurich (46(5 — 485) und Fnigmenle eines Gesetzbuclis {Ediclum) dieses
König« liegen vur im Pariser Cod. rescriptus S. Genn. 1278. Sie beginnen
beim cap. 276 und schliessen bd cap. 324 oder 325. Mit Sicherheit ergäuzt
werctcn können sie durch diejenigen Bestandteile der alsliald zu erwähnenden
Leges antiquac, welche in bui^rid., filink., liuigob. und baier. Gesetzen wieder-
kehren. Das Gesetzbu<'h Eurich's Lst wahr.schcinlich lun 470 — 475 erlassen.
Herau.sgegeben sind die Pariser Bruchstücke am besten von K. Zcuraer
Le^s V'isigvfkorum antiifttiorcs 1894. Das erste vollständig erhaltene Gesetz-
buch des wcstgi.it Rcirhe-S ist der Gxiex de ITieodasiam Itgibta atque senten-
liis juris vtt dhrrsis //6ns ehelns oder die sog. Lex Romaritt Wisi^otorum
(herausg. vua G. Haenel 184g} von König Alarich II. aus dem J. 506
(daher im M.\. fireiiarium /l/n;7>/ genannt). Von Romanen für die Rumänen
a»is siJlllrömischen Materialien exceqjiert und kompiliert (zur Literatur hierüber
jetzt Lecrivain in den Annjilcs du Midi 1889 S. 145 — 182), erhidt es sich
auch nach seiner Aufhebung durch Rekkessnnth als die schrifllidte QueUe
des röni. Redils nicht nur für den Gcbraudi der Romanen in Gallien, son-
dern auch für den der Kirche bis ins 12. Jahrh. Fflr sämtliche Unterthanen
des westgüt. KOuyjs olme Unler.sehied der Nalionalitllt bestimmt Ist die Lex
Wisigolomm. Sic ist in einer Reihe von sehr verschiedenen Redaktionen er-
halten. Die Jllteste, der Liber jnäieierum. ist begonnen von Kün. Chindasvinth
(641 — 652) i.J. 642 u. vollendet von Kön. Rekkcssvinth {649 — 672)etwa umö6o.
Diese Ltx^ Wisigotomm 'Reccessinndana'^ stellt sich dar als eine systematische,
in{i2) Bücher, Titel und Kapitel gegliederte Kompilation au.s Rckkessnntli's und
Chindasvinth's Gesetzen und aus iiUercn, die meist unter dem Namen (ier Antiquae
aufgenommen sind (Ausgabe v. Zcunier a. a. O.). Die nächste Redaktion ist
ein Werk des K. Erwig aus d. J. 682. Hierauf folgen die aus PriN-atliJlndeii
Gotische und durcundische.
6i
hen'orgegangenen Überarbeitungen des 8. Jahrhs., atlesaint vcpn Neueren als
Vvigata bezeichnet. (Angabe Uer Drucke bei Brunncr § 43). Eine kritische
Ausgabe der »Ervigiana- und der -Vu]gata< fehlt. Ergänzt werden die west-
L Gesetze durch die spanisrhen Konzilsschiüssc. Die wichtigsten Fragen
Reichs Verfassung nanicnilich finden sich dort beantwurtet. Di« üheüit'-ii
ostgotiM-hen (Jesetze stammen aas der italischen Zeit The»:Klcriclis d. Gr.
Eihallen sind ein pratctptum contra sacttdotes subsiantiae e£€iesiarum olienaforct
V. J. 508 und (nur im Text der auf 2 Hss. beruhenden ed. princ. v. 1579)
das \ielleirht zwischen 511 und 5151 feiende Ediftutn Theoderiti. welches in
134 mciiit aus römischen Quellen geschöpften Kapitehi verscliiwlene Gegen-
dc des Privat-, Prozess- und insbesondere Sirafreclits ordnet. Edikte
thalaridis {520^534) änd in den Varien des Cassiodor erhallen. Die bur-
^ntlischen Gcäetze folgen den ini benachbarten Westgolenreicli gegebenen
Musteni. Einen Ub<r eonsfitutiorium aus seinen und seiner Vütgangcr Gesetzen
stellte zwischen 4Ö0 und 5«» Kiinig Gundutiad zusammen, l^übei zeigt sich
das wesigol. Edikt Euricli:^ benützt. Unter Einschiebung und AnfOgung spa-
terer Novellen (bis um 517 ctwaj Überarbeitet liegt der über constituüonuin
io zwei Hauptredaktionen als itx BnrguHdionum (im MA. Ux Gundobada,
GomSa/a, /oy Gombeife\ vor (neueste kritische Ausgabe vun v. Salis in Mon.
Germ. I-L. sect. I com. II 1892). Auch eine ä-.v Romana iturgundionum
hat Gundol>ad (\ur ^fJb wahrscheinlicln erlassen. Meist rüm. Gesetze und
Juristenschrifu-n excerpieremi und Im IMnzip [uinilicl dem über constitutii-iiuun
gietn sie in 47 Titeln die schon dort angekündigte «.xpogilio legum fOr die
romanisclien Stilal:^HIlge]l^lrigeIl. Durch ein Schreibversehcn ist der Name des
»Pafiiaatts* (Papinianiu) auf die Lex Komana Bui^. Übertragen worden (Aiug.
vtjn V. Salis a. a. 0.|. Zum Alter der hislier genannten Gesetze steht ihr
gennanifitisclter Wert in umgekehrtem Verhliltnis. Von den leges Rumanue und
den ostgcit. Edikten ist v<^in \''imherein abzusehen. Die anderen, wie jene
Werke der gewaltig gesteigerten Königsgewalt und des Einflusses von geist-
lichen und weltlichen Optimatai, zeigen das gcrman. R., soweit sie es nicht
romanisicren, im Zustand der Entartung. Am welligsten ist dies noch bei
der lex Burg, und beim Gesetzbuch de> Eurich der Fall. Die Le.\ Wis^;i>-
lorum dagegen lA-itst an GescJirauhtheit der Sprache tt-ie an KünsOichkeil und
Armseligkeit des Inhalts alles hinter sich, was jemals ihre Vorbilder, die Kaiscr-
knnstilutionen des verfallenden Rümerrcidis, geleistet haben. LcdigUdi der
Laune und dem Zufall mag es das VolkstOmlic he, das Individuelle, das Gc-
wolmlicitlidte im Recht verdanken, wenn es einmal vor dem .\uge de«
>aitifex legum« Gnade findet. Geht er d""K"h darauf aus, den Unterecliied
'hen dem rOm. Landrecht und dem got. Stamniesrecht sclilechterdings
!^zulieben, den die altere westgol. Gesetzgebung ebenso wie die oslgotische,
dessen Analere auch die burgimdische hatte fortdauern lassen. Zu seinem
Wollen freilich steht sein Köimen in einem si^ schreienden MisverhEÜtuis,
üjus es sich genugsam erklart, wenn der I-ex Wisig. zum Trotz ein got.
Vulgarrecht in den Fueros spanischer und portugiesischer Gemeinden zimi
VuTschein kommt. ZustAiitle, unter denen eine si^ilche Gesetzmacherci mOglich
war, lieKseJi keine rechtswissenschaftliche Literatur aufkommen. Alles, was an
juristischen Arbeiten aus wesigot. Bereich bis jetzt bekamit geworden^
besteht in einer wahrsdieinhch zwischen 6tb und dio (zu Cordnva?) ange-
legten Sammlung von 46 Urkundenformularen (neueste und beste Ausg. v, K.
* Nach Patelt« SuW tinim d^Ua promufgtuwne deü' £diUo äi Tt<xUrico (1893)
cm 524. Bedonken eegen «rinc Gnlndc läbrt A. Scbmidt u, Zschr. f. RG. NF. XVI
<J4
IX. Recht. A. DenkuAlkr.
Zeurner m Mon. Genn. LL. Sect. V. 1886 pp. 572 — 595), sodann dem
Brudistück einer aus Eurichs und Theoderidis Gesetzen, dein Breviar und der
Lex Burg, exzerpierten Kompiäation (vor 550, Provence, neuester Druck bei
Zcumer a. a. O.), ^ cudlidi finc-m aus Toledaner Konzilsst-lilüssen ausge-
Z{>geTien Aufsatz de eUctiotse prinapum (8. Jalirh.? — Ausg. in Port. Mon. hist.
LL. I p. I — 7). Das belangreichste Stück ist die Fonnelsamnilung, denn
nidit nur zeigt sie die tlispositive Urkunde teils römisclien, teils gotischen
Rechts bei den verM^-hiedcnartigsteJi Privat- und Proressgesr haften angrwandt,
sie kann auch als Typus aller ahnlichen alteren Arbeiten gelten, indem sie
mit Vorliebe den Redeschmurk der Urkunden pflegt und so deutlich die
Verbindung der Cautelarjuri.>ipnKlenz als einer an dütandi mit der Rhetorik
erkennen I.'isst Hat es dorh der Verfasser zu einem vollständig vendfiricrten
Morgengabsbricf — einem Stück einzig in seiner Art — gebracht! Älter aU
diese Formelsammlung ist nur eine dem oslgot Quelleiikreis angehörige: das
wtedenim raelir rheirirische als juristische Musterbuch fflr eine Fdrslcnkanzlei
in Cassiodur's Var. VI, VII. Über ein burgundisclies Forraelbuch aus über-
wiegend frankischen Materialien s. imten S. 73).
S 6. Ein erfreulicheres Bild als die eben aufgezahlten gewahren die
deutschen Rechtsdenk mal er der gleichen Übergangs-E]j< K'lie. Zwur stehen
auch hier die der Form narh gesetzgeberischen F-rzeugnisse in vor-
derster Reihe und unter diesen wiederum die Schöpfungen des Herrschers
und der Arislokratic. Aber sie halten sieh meist fem von unfruchtbaren
Experimenten, beschranken sich auf die nScIistliegenden Aufgaheji, schaffen
auch bei einschneidenden Neuerungen im Geist des Bestehenden fürt und lassen
es eben so oft beim Formulieren des Herkommens oder beim Erneuern älterer
Gesetze bewendim. Am seltensten und gewöhnlich nur nebenher beziehen
sie sich auf denjenigen Rechisteil, der die alleiji; rundlichsten Umwälzungen
erfahren hat: die Verfassung. Hier erledigte die Praxis die greisen Prinzipien-
fragen. Auch von privatrw-hilichen Gegenstanden werden nur jene öfter be-
rührt, welche durch die Kulturveranderungcn am tiefsten erschüttert worden
sind: das Verwandtschafts-, das Gntndgütcrrecht, die Stellung der Unfreien
und Freigelassenen. Ergiebiger sind die prozessualen Satzungen, am ergie-
bigsten die strafrechtlichen. Ln Prozess- und ganz besonder» im Strafrechl
mussten eben die durchgreifenden Veränderungen svstematiseJier und mecha-
nischer vollzogen werden. Um nur die beiden vornehmsten Ursachen zu
nennen: die Einführung des Christcntmns brachte Ausmerzung alles Heid-
nischen aus Recht und Sitte, die Einführung des gemünzten Geldes brachte
Neuregelung aller Bu.s.'isäi/.e mit sicli. Ordnen sich so durch ihren Inhalt
die Gesetze dem sonst geltenden Recht ein, so schliessen sich auch in der
Sprechweise jene diesem an. Selbst die lateinische Rede wird schlicht und
oft wortkarg, vulgarisiert und barbarisiert « Sie wimmelt von Germanismen,
<lie freilich nur der würdigt, der an die rein gerraan. Kechtstcxtc gewöhnt
LSL Die Gesetze zerfallen in 3 Gruppen; die des MerowingischeJi bezw.
Amulfingischen, die des langohardusrhen Reichs und die der angelsächsischen
Staaten.
Die grflsste und geschichtlich wichtigste Gruppe ist die enitgenamite.
F
1 Zur m-urstcn Literatur: Patctta Im Arcb. giiiridioo LIII lS94. Gegen ihn A.
Schmidt a. a. O. 237—243.
* Spt-iialarbcitcn: Fr. Polt i. Zsdir. f. Wissinscb. der Sjimcbc III 1851 S. 113—165
und i. Zichr. f. vergl. SpracUfoRdag. XII 1863 S. 161 — 206, SlII 1864 S. 24—105, 321
— 364, L, StAnkel .ßtu Verhältn. der Sprothe der I^ex Rom. Vtin- zur ichulgerechten
Latimtät 1876, Jen. j. Zschr. f. loni. Philul. V S. ill ß'.
Gesetze u. Weistümer im fr-Inkischen Reich.
65
Lägti und Capititia sind die beiden Kategorien, unter welclie fast alle ge-
meinen Gesetze im Frankenreich eingeteilt werden müssen. Dieser Gegen-
satz läuft dem von Stairmesrtxht und Landesrecht paralld. Schon die go-
tiscbe und burguiidischc Staatäbildung liattc zu einem solchen Gegensatz
gefOhrt (s. üben S. 6j f.|. Die fränkische erweiterte ihn durcli da.s Perscmaliiats-
prüuip (System der pcrsönl. Rechte), demzufolge jeder germanische Untenhau
des KOn^ im ganzen Reich des letzteren nach dem Redit seines Stammes
zu beurteilen war ', soweit nicht der König Territorialrc<."ht geschaffen hatte,
— ein IVinzip, welches, wie neu auch immer, duch ganz und gar aus der
ahgermaniitchen Auffa.SvSung des Rechts (oben S. 57 f.) abgeleitet war, daher
auch mit dieser Idee selbst zunicktreten musste. Übr%ens krankte das
PcisoiL'ilitatspriiizip' von vomherem an den Schwierigkeiten seiner Durch-
führung, die nicht nur eines ausgebildeten intemalionaJcn Privat-, Straf- und
Prozessrechts, sondern auch eines geleluien Standes voti UrteÜfindern in den
Gerichten bedurfte. Am wenigsten konnte dem letzteren Erfordernis (iejiüge
geleistet werden. Schon hieduRli bt eine territ'-^riale Fortbildung des deut-
schen RechU mehr und mehr zur Notwendigkeil geworden. Das Stammes-
recht nun aufzunehmen war die I^x bestimmt, und in diesem Sinne kilnnen
die Lcges aVulksrechte« genannt werden. Die Capitula dagegen eniliielten Land-
recht, s^jfcm sie sich nicht selbst als blasse Zuihaten zur I^x (Capp. Itgi addeitda,
in legt addenda, miUetnin, pt-o U^e uncnrh} güben. War das erstcre der Fall,
ikO hatten die Kapitel audi Iiandsdnifllicii eine von den Lt^-s gesonderte
Masse zu bilden (Otpp. per se scrifxnda). Technisch ist übrigens diese Ein-
ridilung wie der Ausdruck tapittila für Gesetze imd die Beuenoung einer
Gesamthffit .solcher capp. als {.aptlulare erst seit Karl d. Gr. Daneben und
namentlich früher wurden die Au«idrtirkc Edktum, I*rafteptttm, Decretum.
Consiitulio und ähnliche gebraucht. Die üUcsIc Lex und da^ Urbild einer
solchen i.st tlas Ge-setzbuch des west- oder salfrankischen Stammes, die Ltx
üaÜM. Ein ProKig derselben erzählt in der Hauptsache glaubwürdig, noch
in der Zeit der Kleink-'-iüge seien von diesen vier MSiuier eniarmt wurden,
wrlche in drei Gerichlsversammhingcn nach sl^rgf^»Uigt-nl nurchspn-(^lK*n aller
Streitfälle das Recht sü »gesagt« hiUteii, wie es in der L. Sal. stehe. Diese
Weistümer sind in der ursprünglichen Gestalt nicht erhalten, und es muss
überhaupt bezweifelt werden. i:>b letztere eine schriftliche war. Weiterhin aber
l)erirhten die EpiU»ge und (nadi ihnen?) ein Zusau zum Prolog: in cluist-
licher Zeit sei die Lex durch die KOnigc CbliKlowech (L), Childebert (L) und
Oilothar (L* verbessert und vennehrt worden. Die Zuihaten der Iieiden
letztgenannten liegen vereinigt vor als Padits pro lenon pacis domnomm Childe-
htrti et C4AN'*(7nV (zwischen 511 und 558). Dagegen ist die l^x des Chlo-
dfiwcrh (Paetiu ixler Tractaim Ugü SaUtae) nicht lu unveränderter Fassung
btwidirt, sondern nur der ICJrundtext von fünf Hauptn*daktioncn , weiche
unter dem gewöhnlichen Namen der L. S. aus den H.ss. bekannt sind, von
dmcn jedoch keine mit Grund als ofriziell bezeii^hnet werden kann. Der
Grundtext ist wahrschdnlidi ei^t nach 507 aifgefasst und hat das westgoL
Edikt des Rurich benutzt Ihren Stoff verteilen die beiden alteren Redak-
tionen auf i}^ Titel; die jimgeren, weldie teilweise nebeneinander hergehen,
z<lhlen imd ortlnen die Titel anders. Eine Kürzung des Textes nimmt die
dritte, eine Verbesserimg der Sprache die vierte {L. SaL imendaia aus Karls
Zeit) %'or. Von den Kapitularien sind nicht die obengenannten Landfriedens-
I Vüa eile Rom>iiifn unJ die Einrichuinittn dt-r Kinri»; <liuin-tc Aa* Recht de» rflmiKbca
Kricbn fort, damit aber mtch der Kinflucs dn rOm. RccbU suf da> deutscbr.
GcnoMiKlic Philologie IIL 1 AaO. S
Ordnungen, wohl aber einige (6?) andere speziell xur L. Sal. ergangen. Das
letzte, ursprQnftlirh ein Weistum, gehört dem J. 819, die früheren dem ö.
Jahrh. an. Dit: grundJcgcndc Ausgabe der Lex ist Pardessus Ijti Saliifut
1843. Sie wird teils iHTichiigt, teils ergünzt durch die genauen Drucke
cijizdncr Hss.-Tuxtc in R. Hube La loi Sa/i'/ue 1867 und A. Hrdder /..
Sa/. 1879 u. 80, Z. Sa/, emend. 1879 u. r88o. Eine kritische I^l.indaus^be
der Lex und der Kapitularien haben 1B74 Behrend und Borctlus veran-
staltet. Über die Glossen s, S. 71 f. Der Zeit, wie dem Geltungsgebiet nach
der L. Sal, zunächst und textgcschichtlich mit ihr in Zasammenhang steht das
Volksrei.lil der üstlithen Franken <ider der Ribwarcti, die Lex Ribuaria (Pacttu
/egis Rihuiiriitei. Sie scheint sttlckweise ini r». Jahrh. entstanden, wobei die
L. Sal. zum Vorbild diente, dann durch Dagobert I. (628 — 6,^i)) erweitert.
Erhalten wt jedoch nur eine jüngere Überarbeitung (Vulgata) aus der Karo-
lingLschen Zeit vor 803 (neueste, aber nicht sehr zuverlässige Ausg. v. Solim
in Mon. Germ, LL. V. 1883, über die Heimat der Lex J. Ficker in MIÖG.
ErgJlnzb. V S. 52 — 61). Aus den» letzteren Jahr liegt eintr Legh ronsti/utio in
itge Rib. miitenda vit. Ein v^mi kftniglichcn Missas crfn4j;te.s WeLstum über
das im ribwarisclien Hamaland geltende Recht in 48 kurzen Kapiteln aus tlcm
Anfang des (,). Jalirhs, haben wir in der Noiitia r^l Kfmmemoraiio dt i/la aoa,
tjuae se ad Amorfm habet (sng. Lex. Chamai'ontm, Ausg. v. Sohni a. a. O.)-
Mit der L. Rib. ungcfülir gleichzeitig ist ein vom Triinkischen König oder
doch unter frfUik. Einfluss crla.ssciies und in 5 Bruchstücken erhaltenes Ge.<tctz-
hurli* für den Alaraannensianim, der Pnctus Alamannoram. Eine zweite
Kodifikation alaiiianuischen Rechts verzeichnen wii- in der Lex Ahmannorum.
Sie ist von Herzi>g Lantfrid auf einer Stamm csversa mm lung, vielleicht um
717 — 7 Kl erlassen, reichhaltiger als der Pactus, auf dem >ie nur tejlwei.se be-
ruht, benutzt kiichlidie Quellen und ordnet ihren Stoff in 3 MasseJi: Kircheu-
sai-lien, Herzi^gssathen, Volkssachen. Zwd Textrezensioneii, wovon die jüngere
seit dem 9. Jalirh. noch fortgebildet wurde, .sind in den Hss. vertreten (neueste
krit. Ausg. V. K. Lehmann in Mim. Genn. LL. in 4" tum. V i888). Die
L. Akim. sowohl wie das noch bei den gallischen Westg<^ten geltende Edikt
des Eurich gaben die Vorbilder ab, denen die Redaktoren des Pactus oder
der Le.\ Baiuivariantm folgten. Da.t Gtsetzburh Ist vom Baicmhcrzog Odüo
unter Mitwirkung der frflnU. Herrscher um 744 — 748 erlassen. Sein ursprüng-
licher Text ist in der Rezension der Hss. nur wenig vcrilndert, wohl aber
mit einem Anhang unter dem Titel Deerrtum (Dtnria} Tasst't'oiiis versehen,
welchen zwei Gesetze des letzten Baiemherzi>gs aus den Jahren 772 und 774
oder 775 bilden. Zum baier, Volksrecbt gehftrt aber autJi noch ein kurzes,
zum grossten Teil stnifrechlüclies Kapitular aas der Zeit zwüwhen 801 und
814. Die einzige kritische Ausg;ibe der L. Baiuw, (von J. Merkel in den
Mon. Germ. LL. IUI ist in der Gesamtanlage verfehlt. Auf das s3chs. Vnlks-
recht und zwar unter Benutzung tlcr L. Rib., aber auch unter Berücksichti-
gung der westfalisihen, engerisrhen und ostf:iIisrhen Hriluche, hezJeht sich der
au.s (M) kurzen Kapiteln bestehende LUier ief^is Sa.xomim (die .sog. Lex Saxo-
num), ein Gesetz, welches v<m Karl d. Gr. zwischen 777 und 7(17, wahr-
scheinlich um 785 ausgegangen ist, nachdem der König durch ein Landes-
gesetz (777?), die (ji/a'/n/a/io de partibm Saxotnae (34 capp.), den Grund zu
einem neuen Rechlszuslande in dem eroberten Gebiet gelegt hatte (^-gl. Gott gel.
* ]>(li){lidi mittelst einer diircbaus unschlflssigen Argum^nintinn e sllenclo hUll K. Leb*
Tn»nn aurli rrnh in seini-r Aiiigribc dw Pactiis an seiner schon von R. Schröder (Zscfar.
r. RG. XX l8ä? S. 17) widerlegten Behauptung fest, dass der facnu cLne Pnviilarb«it sei.
Gesetze iu FitAKKiscHEir Reich.
07
A. 188a S. 56 r. und Hislor. Zschr. NF. IV SS. 306—310). Unu-r Zuziehung
VLtn Sachsen aus den drt-i Hauplabtcüungt-n des Stamnifs erliess Karl am 28.
Oktubvr 797 das Ciii>ituhtrt Sn.xonüum. Die drei Gesetze zusammen sind
am liesten von K. vun Richthofen in Mon. Germ. LL. V (1875) publiziert,
Kamlingischcr Zeit angehörig und in ahnlicher Wei-'W wie die L. Inix. ge-
niat'ht ist die f^v Angfiorum et Weiiftorum kot est Thnringomm, nicht etwa
rin Vdksrwht der Thüringer, sundcm ( — vgl. Hiittuc. Zsclir. NF. IV 313 — )
<lcr niederdeutschen .Engeln und Wamcn, die innerhalb der Grenzen des
alten Thuringcnrcifhcs {in den Landschaften Englehem und Wcrinufdd) wohnten
4Au»gat>c V. K. Krh. v. Ricluhufen a. a. O.)- Verschiedene Gesetze, welche
^73^ — 751) dm Friesen gilben wurden, sind nicht im Gnmdtextc, sondern
nur als Kern der unt<^*n S. 70 zu erwähnenden Kompilation auf uns gekom-
men. Von den Kapitularien ( neueste krit. Ausg. der Kapp, nebst
\ielcn andern Aktcnaliicken — 827 v. Borctius in Mor. Germ. LL. 40 Sect
II lom. I i8b3, und 828—898 v. Krause ib. tom. II 1890—1893) sind
einige zu sämtlichen Lcges erlassen. Andere, ku einzelnen Lcges gehörig,
wunlen schon «»ben genannt. Dir meisten aber sind capp. per se srribenda.
Wenige reichen in 's b. und 7. Jahrh. zurück, keines in die Zeit zwischen dem
Merowinger Chjothar II. und dem Aniulfingcn Karimann. Von 742 ab er-
sclieinen sie häufiger, zuerst nur in Kircheiisuchen, unter der zweiten D>'na:)lie
auch wieder in weUlichcn, wie die alten mcniwingischen Verordnungen. Am
stattlichsten wird die Zahl der Kapitularien unter Karl d. Gr. und Ludwig d.
Fr. bis etwa %<c%^Xi 830 bin, was nicht sowohl mit der liingen Dauw von Kiirls
rÄ<>.'ienmg und mit der Ausdehnung seines HerrschafL*^ebietes, als mit der Auf-
Lstiurig zusammenhangt, die man jetzt vom Beruf de» K<3nig- imd Kaisertuios
in Sachen der Rcthlsbildung hatte: «/ . . . si t^nid taie essel, i/uoti . . . sramdum
gmiitium consmtHtiinem eruäelita snnciitim esset, tjuam ehnstianilatis reclüitdo vtl
tatiita auctoritm merito non fonsentifrt, hof mt rr^is modcmtiomm periimtretur,
til ipie (Hm bis, (fiii uiramqiie U^em nossenl cl Dei tmif^is quam bitmanarum
Jrgnm staMa metufient. decernftet (ilincmarV Eben deswegen war auch die
Rechtskraft des Kapitularrt unter keinen Umstünden von der Zustimmung des
Volkes oder am'h nur einer Klasse dc-welben abhüngig, wenn auch aus rechls-
p(]|iti!i<.'hen Gründen und auf sehr verschiedenen Wegen der Gesetzgeber einen
»liehen Konsens zu erlangen nicht verschmähte (vgl. Gott. gt;!. A. 18HS S.
,57—00, 1896 S. 193 — 195). Nicht alles jedoch, was in den handMhriftlichen
und gedruckten S;unmlungcn von Kapitularien steht, war Gesetz. Vorweg
müssen. 50 lehrreich sie auch für die Erkenntnis der Praxis sdn m("igen, die
Capitula missomm ausgeschi>eden werden, da sie lediglich vorübergehende In-
struktionen fflr Beamte geben, weiterhin aber auch die Urteile, die Reskripte,
<lie Briefe, die IViklamationcn, die Suiats- und Ilaiisvcrtrage. Zuweilen sind
Kapitularien aus derartigen und gesetzm.'bcritichen Bestai Kiteilen zus^immen-
jjesetzt, wenn es sich gleirhmrtssig um Willertsakte des Königs handelte.
Aiidcrer^tü ist die Fassung üelbüt der Gesetze oftmals eine nach mL>demen
Begriffen imgenOgende, wenn n-lralich ilas Kapittilar nicht die befehlende,
sondern die erzJlhlendc Ausdruckbforai wählt und sich als blosses Beratimgs-
<KleT Bcschlus-sprotokoll gibt. Es kam eben, so hoher Wert auch auf genaue
Ausfertigung und archivalischc Verwahrung des Aktenstückes gelegt wurde,
<lot fa w*eit weniger auf die schriftliche Gestalt des Gesetzes an, als auf dessen
tnOndliche Bekanntmachung, die durch Vorlesen und Übersetzen erfolgte
^lofrauk. Übersetzimg des Kap. v. 818/19 aus dem 9. Jaluh. bei Borctius
No. 18», MS!) No. n(>, Braune Ahd. Useb. No. 15). Seit K30 ungefähr
fkütmit im lotharischen und ostfr.lnk. Kelch die Menge der Kapitularien be-
68 IX. Recht. A. Denkmäler.
trtrhtlirh ab, und es überwiegt nun auch wieder der kjrcliliche Intialt.
Wahrend in der bcsthriebcnen Weise die Reich.sgesetzgc^ung im V«trder-
gmnd !rteh(, regen sich auch whon <Jie Anfange einer territorialen !*;irtikular-
gesetzgebnng in den (i;) sng. Cafiitula Remtiht, einem Slnifsiauu der ruma-
nisrlien und deutschen Immunilfltsleute von Chur aus der Zeit des Bischof»
Remedius (800 — 820I, welelies zweimal in jedem Mnnat von den Pfarrern den
versammelten Gemeinden vorzulesen wir (beste Ausgabe von Haenel in Mon.
(jerm, LL. V 1H75). Den gemeinen Gesetzen stehen im frflnk. Keich die
Privilegien gegenüber, welche die Herrseher krdft llirer Geselzgebuiig^gewalt
erteilten. Die Fr>nn des Privilegs (pmeceptumi ist die der Königsurkunde (earia
rt^nlis^. Die, selbst nach .\bzug der gefälschten, zahlreichsten und staat>.rechtlicK
wichtigsten Privilegien sind die k<"jniglirhen Immunitatspr-Iccpte (vgl. unten § 49)
für Bistömcr und .\bteien (wnniber Tb. Sickel Wien. .Sitzgsb. Bd. 47, 49».
HeraU-sgegtrhcn sind die Privilegien in den Urkundeiisammluiigcn.
An VAlIst^indigkeit, Zusammenhaiig, Klarheit, t irdnung und guter Erhaitimg
wie an chnmülogischer Bestimmtheil werden die fränkischen Gesetze von den
iangobardisrhen (Ausg. v. Bluhmc in Mon. Germ. LL. IV 1868) weit
übertroffen. Den Mittelpunkt und die Hauptmasse der letztem bildet der
Edietm L^n^bnrdontm. Er bestellt aus den Gesetzen, welche von verschie-
denen Königen vorgeschlagen worden sind und die förmliche Zustimmung der
langobard. Heerversammlung (durch sm'rethitLv vgl. unten § 83) erlangt haben.
Den Anfang macht das Etlikt des Kon, Hroibarit vom 22. Nov. 643. Seine
388 Kapitel machen in der Hauptsache ein Straf- und Civilge.setzbuch aus.
BenOtxi sind Justinianische Gesetze und anscheinend auch das Edikt des
Eurirh. GIrichwohl ist das Werk eine durchweg sclbsülndige Aufzeichnung
teils attlangitbard- Gewolmheitsrechtes, teils planmassiger Neuertii\gcn. Bei
allem Archaismus der Fassung verrüt sich doch sowohl in, der Ausfühdichkeit
wie in der systematischen Anlage und Jn der Deutlichkeit des Ausdrucks,
auch schon in einem gewissen Rationalismus der Rechtsbesserungen der Ein-
fluss der italischen Kultur. Das Gesetzbuch scheint den beigegebenen Mo-
tiven nach imveründert so publiziert, wHc es vom König vor die Landsgemeinde
gebracht worden war. Für Reinhaltung des Textes, an dessen Buchslaben
der Urteilfinder im Gericht gebunden war, trug eine Sdilussvorschrift Über
amtliche Aiisferligimg und Beglaubigung der Exemplare Sorge. Den erstell
Zuwachs eriiielt Hrutharits Edikt durch p Kapitel von Kün. Griinwald -aus
dem Juli böS. Eine ausgiebigere Vermehrung aber trat erst im tS. Jahrh. ein:
Tj atv^amiNft' {im Ganzen 156 capp.) aus eben so vielen Regierungsjaliren
des K. Liutprand zwisdien 713 und 735, dann 8 capp. des K. Ratchis
V. 746, endlich 13 von Haistnif aus d. J. 755. Von die.sen Zuthaten sind
nun die meisten durch Streitfragen der Gerichtspraxis veranlasst, und manches
Kapitel pbt sich geradezu als Erkenntnis des Königsgerichts samt Geschichus-
erzahlung und Entscheid ungsgründen, So bleiben denn auch die jüngeren Bestand-
teile des »corpus etiitli« an Anschaulichkeit nicht hiiiter dem Ed. Hrotli. zurück.
Aber es ist doch ein neuer Geist in diesen Gesetzen des 8. Jahrhs. Längst
verschwunden ist der Arianismus: für eine. co/ÄoZ/fa j^m verfasst der cafhoUcta
prinupt seine Satzungen, und zwar Dii inspitalhnf. Römische und mehr
ntK'h kirchliehe Normen werden in's Langobarden-Recht eingeführt; tÜe Fa.s-
sung wird breiter und wortreicher, die MotiWenmg beliebt und ausführlich,
\ielfach mit eingestreuten Sentenzen verziert. Kurzum, es beginnt der roma-
nische Stil. Ausser den zum Edikt geJiörigen Gesetzen sind noch von den
drei zuletzt genannten Kfinigen ^'erordnungen (notitiae. brrvia) vorhanden,
welche als biusse Amtsinstruktionen und PulizeivonjchrKten nicht zur Kraft des
Lanuobaruische und angelsächsisch k Gesetze.
Ö9
Edikts gelangen sollten, von liuislutf endlich l-üi mit Zusümmuiig der Luads-
goneinde, aber nur für ein jalir erlassenes Kapitulnr v. 750. Dagegen ist im
Herzogtum Benevenl durih itic Herzi.»ge Arwliis (774— 7^7) und Adclctiis
{ÜibO) das Edikt fortgesetzt worden. Ihre Edikte wurden durcli Satzungeci
crgAnzt, welche die Form von Siaatsvertragen der Beneventaner Fürsten aus
den Jahren 774 — 787, 836, Ö51, qii, 933 tra};eii. Da» Edikt war ini Langu-
banlcnreich von Haus aus Tenitorialgesetz. Nur die R(jmanen wurden nicht
nach ihm, sondern nach römischem Rechte als ihrem Stammesrecht heurteilt.
So war dem PerM>nalitaupnuzip vijr)(carbt:itet, wekiics luilcr früiikischcr Herr-
schaft in Italien eindrang uihI hier l>ei Re<'ht4handlui){;eii /.u den pm/essiones
juris, d. h. zur jedesmaligen Feststellung des Geburtsredit^ der fietciligten
fohlte. Die zahlreichen Kapitularien freilich, welche vim den Karlingen
fOr Italien bis gegen den Ausgang des 9. Jahrhs. erlassen sind, vcrfulgen eine
Oberwiegend territoriale Tendenz, blieben dalier auch vom Caimii des Edikts
aosgeschloescn. Privilegien, welche das gemeine üffentlii'lie Ketiit iles
Reichs durchbrachen, sind niclii nur von den Karlingcn, sondern auth schi'ii
von den langubardischcn KQnigen und den Beneventaner Hcr/ogcn uwige^Atellt
worden. Sie tragen die Forai der PrScepte und flnden sich mit diesen in
den Urkundensanimlungen <^.
Wegen ihres Reizes ungetrübter Uraprünglichkeit xu den allerkostbar^ten
Stücken der deutM'hcn Ge^izinkunabeln gebore» die angelsächsischen.
Scium glcicti die frühesten sind in dcuts<.'lier Spraclie vcrfassU Sic stammen
aus dein zuery^t christianisierten und bei .seinem Übergattg zum neuen Glauben
mächtigsten Staat Englands, Kent, und bestehen aus QO flömas vuu straf-
und verwand Ischaftsrechtiichem Inlialt und noch sehr trockenem unbeholfenem
Vortrag, welche zwischen 590 und O14 dunh Kon. /Edelbirht »comiHo
tafiientium* t'nach Bcda) erlassen sind. Es folgte zwis<.-heii O40 und t)04 eine
kirdienrechtltchc Satzung vtm K. Erccnbryht, welche im Original verloren,
dagegen in den alsbald zu erwähnenden Gesetzen des Wililrcd teilweise be-
wahrt ist. Durch 16 straf- und prozessrl. dömas -vennehrte die Rechte seiner
Vorgänger* K. Hlodhere <.i73 — (>85. Sie liegen in der Fassung vor, worin
MC die Bestätigung des folgenden Königs, Eadric, um Oi8() erhalten habciL
Auf dem gleichen Gebiet wie die Gesetze .seiner Vorgänger bewegen sid»
Wibire'des tiämai, i8 Kapp., welche i. J. üyb die keiilLsihen Optiiuatcn feadi^an).
voran die geisUichen, unter Zustiiimiung des Königs bcsclitasscn liaben. Bei
Hlödhcre und Wihtred macht sich bereits eine gesteigerte Gewaiidtlieit der
Satzbildung bemerkt>at. Eben sie ist es, die dem ersten Gesetzbuch von
Wessex, Ines eyttingts äsetnvsse (7(> Knpp.) nun cinULsslichere Bcliandlung
des zwar noch vorwiegend kia'hen-, straf- und prozessrechtlichen, daneben
aber auch verwaiidtscliafts- und güterrecbdichen Stuffes ern)f>gticht Die
Sprache ist weniger nüchtern als in den kentischen Gesetzen. Mitiuitt-r uird
einer Bestinunung ihr Motiv bcig^ebcn, was in dun'haus Volkstum lichcr
Weise durch Citat eines Sprichwortes geschieht. Djis Denkniiil f;illi in die
Jahre (.188 — 1>94. Ein Vorwort des im Text »gebietenden: Königs gibt Aiw-
fciinft über seine Entstehung. Seitdem — z. B. scl»on bei WihtrÄd — gehört
ein solcher Prolog zu den regelniässigen Bestandteilen angelsächsischer Ge-
setze. Ines asetnvssc sind nur in einer Rezension eriialtcn. welclie K. j^fred
«etoem eigenen Goseizbuch beigegeben hat (s. unten ^ 8). Nur aas einer
cinugcn Hs., dem Cod. Roffensis \ii. Jalirh.) shid bis jetzt die kent. Quellen
t Zur ErUSnuifc der dcutscfaen WOrlcr in den langobard. QOcHpo %. W. Brückner
J>ie Straffte der LangoiMrdtn 1895.
70 IX. Recht. A. Denkm.^lkr.
lK;kannt. Verloren scheinen Oic* dtm dritten deutschen Stamm in England.
dem anglischcn, vcm di-AScn König Offa (788 — 796) gegebenen und auch von
K. JE]iikd bcsiaiigten Gesetze. Dagegen sind melirere Künigsprivilegien
(ifonatiotus tihertalum, Jrtblsa) für kirchUrhe Anstalten (liauptsflcliUcl» vom 8.
Jalirh. jui) erlialten, zahlreichere allerdings gefälscht. Sie sind am besten bei
Bir(-h Cariularium Sn.xorikum I 1885. II 1887 gedruckt, wilhrend von den
allgemeinen Gesetzen noch immL-r die zwar sorgf.'lltige, aber nur auf dem
früher vcröffcntliciilen (keineswegs vollständigen) Material beruhende Ausgabe
von R. Schmid [d. Gesetze der Angelstichsen 2. Aufl. 1858) genügen inu.ss.
§ 7. Die Erze14fnis.se der beginnenden Jurislenlileratur bei den Deut-
schen geh<5ren dem Kontinent an und zerfallen in zwei Klassen: die eine
ileht mit den im vorigen g besprochenen Ge&eizcn in geschichtlichem Zu-
sammenhang, die andere schliefst s^ich an das Urkuiulenwcsen an. Beide
treten vnrlSufig in qu;ililativer Hinsicht noch unansehnlich genug auf.
Zuerst zeigt sich bei den Abschreibern und Sammlern der Gesetxe
der alhnahtiche Übergang zu einer Art JurLspnicicTTZ. Offizielle Sanunlungen
((■er nebeneinander in einem l>esiimmten Gebiet giltigen (.iesetze gab es ausser
dem UingLibard. Lvqms edlcli nicht. Es war also der Privalüiätigkeit über-
b.'isen, das Material in handlicher Form zusammen zu stellen. Solche Samm-
lungen waren ganz besi:inders in denjenigen Gerichten notwendig, wo dem
Personalitätsprinzip gemü-ss eine Mehrzahl geschriebener Stammesrec:hte ange-
wandt werden musste. Diesem Bedl^rfni*; zu genügen waren die Sammel-
bande bestimmt, welche verschiedene Lcges und Kapitularien vereinigen, und
von denen etliche noch in's 8. Jahrh. zurückreichen, wie z. B. die Hs. ilcs
Wandalgar v. 793 (S. Gall. n. 731), der Cod. Mon. Clm. 41 15 (vgl. Stobtie
H^ti. I S. 2.5I. AlxT folgenreicher waren die Sammlungen von Gesetzen eines
und des nämlichen Stanmicsrechtcs die man schon seit dem 6. Jahrh. anzu-
legen pflegte. Denn an sie knüjitt die rrricrc Th.lligkeil des Ah-icJireibers
und Sammlers an, welche ihn zum Bearbeiter macht. Sein erster Schritt
besteht im Hinzuschreiben des jungem Gesetzes hinter dem unveränderten
Gesamtbesland des altem, wobei jedorh durch fortlaufende'; Zahlen der ein-
zelnen Abschnitte eine engere Verbindung unter den zeitlich verschiedenen
Afassen hergestellt mrd. Der zweite Sihritt führt zur Veränderung der Texte:
dem Kfirper eines alteren Gesetzes werden Bestandteile eines jungem einver-
leibt; das mit dem leizlcm unverträgliche Veraltete wird bei umsichtiger Re-
daktion getilgt, oder es wird unter Benützung de^ altem Textes ein neuer
hergestellt, welcher dem Inhalt der Novelle cnlsprclien soll. In ähnlicher
Weuse wird auf jüngeres Ge wo hnheit'^ recht Rücksicht genommen. Daneben
gestaltet sich der Bearbeiter Kürzungen des Textes, Paraphrasen. Umstellungen.
Auf derartigen Wegen sind z. B. die erhaltenen Redaktionen der L. Sal. und
Rib. untl die jüngere der L. Atam. enist;inden, deren Eigetutimlichkeiten man
ebenso verkennt, wenn man .sie für blosse Kiipistenfebler als wenn man sie
für aniiliche Textändenuigcn von Gesetzgebern halt Nichts vielmehr kann
über die Auffassung besser belehren, die jene Jahrhunderte von den gc-
»chriebenen Gesetzen hatten: diese geilten als Gesetzes-, abej nicht alb ge-
setzliche Texte. Noch stand man eben mit einem Fuss im Zeitalter der
rein mündlichen Gesetzgchung. Im grossen Massstab betriehen lieferte mm
die geschilderte Krimpilatorcn- und Inierpolatorenarbett gegen den
Ausgang der Periode hin Werke, die sich als selbständige geben und als die
ersten »RechL^bÜcher- betrachtet werden können. Als das Merkwürdigste
hat sich der inncm Kritik die Le.v Irishnum herausgestellt. Unter iz zum
Ten umfangrckJie Titel, «-ovuo einige sich der altdcut. Terminologie bedienen»
AlTGSTK JURIST. LiTKRATVR.
71
sind hier mindestens drei ^■rrs<■h^edcnc frflnk. Strafgesetze des 8. Jalirlw. für
Ffiesland verteilu Daztt'ischen sind zwei Stücke eine« Traktats über Tödtung
eingcüchaltet, der seiner Diktion nach der katlischen Literaturcpi^che angehArt
fiiL II und XIV [mit XV?]), Auch noch 2 andere Stücke (tit. XI und add.
tiL uIl) bind Priva tauf Zeichnungen. Eine dritte Schicht des Materials besteht
aus Wcistümem eines Wlemar und eines Saxmuiid (t). Jahrli.l, wovon dn*
«rsle zwischen tit. II und III der F-ex eir^esrhohen ist, die übrigen eine
additio sapitntam zu derselben ausmachen. Die rohe Kompilation dürfte eher
vor als nach 850 gemacht sein. Ihre Heimat ist Mittelfriesland. Noch im
0. Jahrh. > hat ein weslfricsischcr Glossator die Rcchtsvcrschietlenheitcn der
drei Hauptieile Frieslands ;ingemerkt. Die L. Fris. samt Glosse Lst nur aus
der Editiu priiiceps von Herold (1557) bekannt (letzte doch nicht einwand-
freie Ausg. V. Richthofen in Mon. Germ. LL. HI). Ein Werk von ganz
anderm Schlag ist der Ubtr legitoquus des Abtes Ansegis von S. Wandrille,
vollendet 827, mit seiner »ymn)ctris*:heu Einteilung in vier Bücher, mit .strincn
einleitenden Oistii'hen und pnwaischen Vorreilen, seiner Politur der Texte ein
ecliter Reprilsentiinl der »karoliiipischen Renaissance«. Kreiliih hat es Ansegis
:h nur mit gleichartigen Materialien zu thun, Kapitularien und MnuiUiUrn
Karl d. Gr., Ludwig d. Kr. und Lothar, w(»bei er unter m«iglichstera
Anschluss an die chn moltigtschc Reihcnft 'Ige der .Aktenstücke deren Bestand-
teile in eine kirchliche und eine weltliche Schicht zeriegt. Drei Appendicca,
die noch von .\n»egis selbst herrühren, enthalten Nachtrage zu d«i vier
Büchern (beste Ausg. v. Boretius in Mon. Germ. LL. sect. II tom. I in 4*
18831 Vorgeblich den Ansegis, dessen Werk schon 820 offiziell rezipiert war,
durch drei weitere Bücher erganzen will die weitschichtige Sammlung von
wirklichen und mehr noch von I'sevidokapitularien, deren Verfertiger sich in
der versifizierten Vorrede Benrdkim Uvila nennt (Ausg, v. rcrtz in Mon.
Genn. LL. 11 1837). Mit ihm hebt um 847 — 857 jene im weslfrank. Reich
beheimatete Schule von Rcchtsschriftstellem an. welche auf Fälschung des
Qberiiefertcn Rechts in grossarligcm Massstab und im Dienst kirchlidier Ten-
denzen autgeht. Auch die Sammlung des Benedikt Ist rezipiert und durch
additiones vennehrt worden. Gedenken wir nocli einer systematisierenden
OnifordiiJ des tangobard. Ediktstoffes, welche zwischen 8ji) und 832 auf
Veranlassung des Markgrafen Eberhard von Friaul zusammengescli rieben
wurde ^herausg. v. Btuhmc in Mon. Gcmi. LL. IV i86d), so ist die Zahl
der Kompikitinnen erschöpft. Neben die-wn gibt es nun aber nr^-h Arbeiten,
die ruar gleichfalls durch die Gesetze ihren Anstoss empfangen haben, doch
ihrer Natur nach freie Erzeugnisse der Rechtskunde sind. Mit der Erläute-
rung der Texte befassen sich die Glossen. Die aheste und wichtigste Glosse
ist die Malbergische iu der Lex Salica, zugleich das Ultestc Schriftwerk in
deutscher Spnichc. -Sie besteht aus zahlreichen salfr^nk. Wertem und
SälzcD, welche mittelst der Sigk- mall, oder malb. in die Texte der Hss. ein-
ge«rhoben .sind und die vor ;dlfm im Geriibt (am »Mallobcrg«) üblichen
KuustatLsdrOcke und Fomielii angel>cn. Die Malb. Glosse ist zwar in einigen
jOugem Texten fortgelassen, in andern dagegen vermehrt, beschrankt sich
ituch keineswegs ;iuf das Gesetzbudi . sondern erstreckt sich noch auf
die alteren Kapitularien. Hiernach ist klar, dass wir in ihr weder die
Übertileibse! eines sulfränk. Urtextes der L. Sal., noch auch einen wesent-
I Dir GloSK vor »dd. tit. XJ de bon. Icmpl. wUt voraus, Ams» in OslfripslnDd nocb
bridoiscbcr Kult gepflegt werde. Da die Gk>wc Kiib aiMrli iltier ilie add. uip. cntrcrkt, mi
ergibt «cb daniiu ein termintis m\ qu«n fllr die AhrossunEucil der L. Fris. (gcseo De
Geer io Zwfar. i. RO. VItl 1869 $. 151).
liehen Bestandteil von ClilciJcwccirs» Paktxis zu sehen haben, wie Neuere
meinen, snmlem den Niedcr«J»lag der PrivatintcqjTetati^m des 6. Jahrhunderts.
Vnn ihren Abschreibern ist die Malb. (ilnsse meist bis xur Unkenntlichkeit
verdorben. Methodische Herstellungs- und Erklärungsversuche sind jjemacht
von J. Grimm in Gesch. der deul. Spr. S. 584 ff. und Vomde zu Merkels
Ausg. der L. Sal. 1850, dann von H. Kern D. Ghssf» in der L. Sil 1809
und /i/o/n on the frank, words itt ihe L. Sai in der Aufgabe v. Hcsscls 1880.
Viel jflnger und kOmmerlirber als die Malb. sind die tcJls lalein. teils ahdeutscti.
Glüsscn zur L. Sal. (Merkel S. 10 1 — 103) und zur L. Rib. (0. Jahrb.? heraaig.
m Mon. Germ. LI-. V S. 277) zum Paktus und zur L. Alam. zur L. Baiuw.
(in der Ausg. der LL.). Über die Glossen zur L. Fris. s, oben S. 71. Die
wortinterpreticrendcn Gl<wscii führten zur Anlage von Vokabularien. Ein
henevenu-mistbes zum lanpfih, Edikt (g. Jabrh.) legt mit seinen ungesrhirkten
Versuclicn. die deut-iclicii Wörter des Textes zu erklären, Zeugnis ab für die
bereits eingetretene Italianisierung des langnb. Rechts. Einen weiteren Schritt
von den Glussen aus bezeichnen die Übersetzungen. Von einer oslfrank.
Übertragung der I- .Sa!, rmend. aus dem y. Jahrb. sind Bruchstücke des
Index und der beiden ersten Titel gcre«L-i (bei Merkel S. 109— iti, MSD
187,^ Nr. 05, Braune Ähd. Lach. 1&88 Nr. 14}. Von einem Kapitular
kennen wir eine mfrSnk. Übenfeizung (vgl. nben S. 67). Vom Gesetzestext
I6st »ich die Privatarbeit ab, wenn sie jenen exzerpiert, und gar. wenn sie die
Exzerpte nacli neuen Gesichtspunkten ordnet. Bekannt sind Auszüge von
dieser Art aus der L. Sal., der L. Alam. (zum Vergleich mit der L. Baiuw.);
dem Ed. Lang, (unterilal. in griwhischer Spraclic). sodann aus den Kapilularien-
sammlungen des .^nsegis und des Benedikt, endlich aus der L. Rom. Wisig.
(Frankr. 8. u. cj. Jahrb.). Das eigenartigste Werk dieser Gruppe aber ist die
Lex Rnmana Cioiensis (früher auch Utineusis genannt), welche die Inteqjre-
latio des Brenars nicht nur cxzerjviert, sondern auch unter Berücksichtigung
des Örtlichen nim. Vulgarreihts und des deutschen verändert. Ihre Heimat
ist Churratien. ihre Entsteh ungszeit noch vor 76(> (vgl. Zeumcr in Zschr. f.
RG. XXII 1888 S. 1—52; Ausgabe v. dems. in Mon. Germ. LL V iBtjo).
Die vorher- genannten epilomac leiten uns über zu den Traktaten. Der
älteste besteht noch aus 1 1 kurzen Nr>tizen, welche die solidi der L. Sai. in
Pfenn^e umrechnen und deren Summen in salfriink. Sprache angeben. Unter
dem Titel Chimnas findet sich das ehrwürdige Denkmal in den Ausg. der
L. Sal. Ausführlicher ergehen sich die naiven Schilderungen geltenden Rechts
aus der KarliiigLschen Zeit Einer friesischen, die nur stückweise in der L.
Fris. erhalten, wurde S. 71 gedacht. Vielleicht noch in 's 9. Jahrb. fallt eine
italische Über frilnk. Recht, wovon der Cod. 33 Epored. Braclistücke enthalt
{Merkel L. Sal. S. 99 — im, Behrend I.. Sal. S. 120 — 1^3). In formeller
Hinsicht weit Itberragt werden aber diese Schriften von den Abhandlungen,
die aus den Kreisen des hohen Klerus Jener Zeit hervor gegangen sind, da-
für auch freilich den kirchlichen Geist atmen und ebenso der kin-hlichen Li-
tenilur- wie der deutscheu Rechl.sge.schichtc angehören, wie des Kincmar
V. R heims Episto/a de ordine palaüi (auf Grundlage eines iibeüm de ordim
palatii v. AtUiNiard v, Corbie [f 82f)] verfasst und das Gutachten desselben
Bischofs De dhvrtio Jjotharii et Tetber^e [um 860), dann die theologisch-
polemischen Schriften des B. Agnbard v. Lyon (t 841): Epistola ad lutdo-
vicum juniorem advemis legem Gundobadam et impia certamina und Liber de
divinü seniendis.
Die zweite Klasse von Privatarbeiten über das Recht, ihrer Herkunft
nach undeutsch, besteht aus Formularen und Formclbüchcrn von der
AlTSSTE JURIST. LtTKRATL'K.
7J
Art des S. 63 f. besprochenen westgotischen. Anch in Gsllien machte die
Notariatskunst . die an dklandi, vun den ROmcm flbcrkummeu . einen Be-
standteil der Rheti^rik aus. Dort sind denn auch die grundlegenden Fonnel-
sammlungen des deuis» hrechtüchen Quellen krelsCÄ zu Haase. Unnultelbar
«-ollen die Formeln Muster für Urkunden und Kürrcsiwmdcnzen aufstellen.
Zu diesem Zweck dienen in der Regel wirkliche Urkunden und wirkliche
Briefe, welche die Sfimailer bald j^nz unver.lndert la>.sen, Imld in den sche-
inatischen Bestandteilen exzer|jieren. allenfalls auch mit the< »retischen Noten
versehen. Xur die %'omehmstpn Sammlungen sollen hier genannt werden.
Den Reigen erüffnen die <>o Dictati \o\\ Angers (sng. Fonnulaf Andtgaitnses,
y.Jahrii.). Sie sind dem westgnt Formel-Buch nächst veru'anrii, zu welchem
sie auch dturh ihre Mischung von rüm. und frSnk. R. ein Seiteu»tück bilden.
Im wcsentHchen rein fränkisch dagegen sind die 92 Farmtdae Marculfi (Ende
des 7. J.ihrh.). so nach ihrem klösterlichen Sitmmler und Bearbeiter genannt.
In einem entten Buch brinyi: er die cmiue reelles d. h. Master für die nfgotia
JB paiatia, in einem zweiten die catitu pagensa für die negotia in pa^, jene
»le diese weniger zu praktLsihen als zu Lelirzwecken. Bezeichnend für die
Riclit\ing dieser Literatur ist die bei ihm her\'i irtrctende Verbindung von
Diplomatik und Briefstellerci. Die Markuirsrhe Sammlung ist zum meist-
^brauthten Fonnelbuch des frank. Rcii'hs gewurden, daher auch durch An-
hinge erweitert, durch Überarbeitungen forijjebildet, in späteren Kompilatii>uen
auigeschriel»en. Weniger nalinnal als die Form. Äfarc. sind die überwit^cnd
privatrechtlichen Form. Tumnenses (früher nach ihrem Finder Sirwondicae ge-
nannt. — 4,5 tapilula, 8. Jahrli.). Mehr als bei Markulf wagt .sich hier
adion das the< »retische Element hervor. Dagegen wird dieses unierdrQckt
in den viel reichhaltigeren (\niat SenonUae (c. a. 7O8 — 775), jciner Samm-
lung \xin 51 Musleni, die übrigens nicht blus Cartae, sutidcrn auch Nutitien
und Briefe enthalt und liesonders pnizcssgeschichtlich wertvoll ist. |Eine
kleinere, ebenfalls zu Sens entstandene Saumihmg von 18 Stücken gehört
der Zeit Ludwig's d. Fr. an {Form. Sen. rtctnltons). NiederfraukLsch sind
die 21 iwch dem ersten Herausgeber benannten Farm. IJndenhrogiauat
(2. Hälfte des 8. Jahrh.). Sie vermitteln mit Markulf den Übergang zu den
oberdeutschen Fnrmclbüchen] , die gegen Ende des 8. uid zu ße^nn
des 9. Jahrh. einsetzen. Die alamanntschen und baierischen Bi!M.-ho{ssitze
und Abteien sind es, deren Verbindungen mit Westfranken der dortigen
Funnctlitcratur Eingang in 01>erdeutscht:md verschafft und aus dem*n nun
neue Hilfsmittel der ars dictandl herw'rgchen. .\m ])ri»dukii\stcis ist die
DiOcese Constanz, wo /.. B. Reichenau 5 FonnelbOcher {Form. An^ifruet),
danmier 2 aus dem S. Jahrb.. dann St. Gallen ausser verschiedenen Einzel-
fonndn und kleineren Kullckli< >ncn zn^ischen 7.S0 und 8i>o {Form. Stiriffzllensa
misecüaneat\ eine grös-serc Mu.siersammtung für Urkunden und BrieJe {GiUeetio
Sangallensis\ aus der 2. Hälfte des «t. Jahrb. (von N.'tker Balbulu.s) auf-
zuweisen hat. Hier gewinnen denn auch tiie eingestreuten theoretischen
Anweisungen an Raum. Fast ganz von den westfrank. Formularen abliaugig
ic^ idch Burgund mit der Coliettio Flttriuia^etuü 8. Jahrh., die in der
Hauptsache auf den Forni. Marc, und Tur. beruht. Für die kaiserliche
Kanzlei, wo früher Markulf gebraucht worden war, wurde 8iB — 840 aus
55 Urkunden I.uduig's d. Fr. ein Formel- Buch angelegt {Form. imfteriaUs).
Wie die Formelbüchcr die Lücken ausfüllen, welche den geretteten Vorrat
wirklicher Urkunden unterbrechen, .so werden sie selbst ei^nzt durch die
allerdings zunüclist dem kirchlichen Quellenkreis angehörigen und auch nicht
auf schriftliche Gescliafte bezüglichen Liturgieen für G<utesurtcile, wo-
74
IX. Recht. A. Denkhälbil
vcm einige ins q. Jahrhundert zurückreichen. Die sannüchen Fonnulare aus
dem frank. Reich sind kiilisch licrauägt^cbcn von K. Zcumer in Mun. Genii.
LL. sect. V, i88(].
§ 8. Die Werke des g. Jalirli., welche um des ^usammcnlumgcs willen
schua in §§ 6 und y genannt werden massten. fültren un« ins Mittel-
alter. Da ist nun zunächst fe-stxusiellen, dass von vnm herein der süd-
und westkunttncntalc Dciikmalcrkrcis aufliört, Gcgcnsland unserer Betrach-
tung zu sein, «elhst wo er aur germanischen Fundamenlen der vor^^i
Periode weiterhaut. Ein spanischer Fucru »«Icr ein portupiesischer Foral,
eine fninzüsische oder nrtrmannische Connime ist weder ein germanische!»
Denkmal des Rechts noch ein Denkmal des germanischen Rechts. Und
genau so steht es mit dem Lr/vr Pnpmists und seiner Familie. Kalli jener
der Geschtclile der simnLschcn Gesetzgebung anlieim, so die spatloinbar-
dischen Quellen der Geschichte der italienischen Jurisprudenz. Ein wei-
terer Abbruch f-eschieht dem sOdgerm. Quellenkieis nnch im Frilhmiuclalter
in F.ngtand. Madien sich noch vor der normannischen Eroberung dänische
Einflüsse im ags. R. bemerkbar (J. Steenstrup A'ormtirinfme IV, i8Ö2), so
unterliegt dasselbe im nflchsten Jahrhundert den durch die Eroberer \"er-
mittelten fnmzösLschen , und unter Heinrich K. (115^— riK9) wird das Er-
löschen des rein ags. Recht.slebens als entschieden anzusehen sein. Schon
aus diesen Gründen, aber auch wegen der s*.-h rillweisen Entwicklung, welche
die angelsächsische Dcnkmaler-Geschiditc im Gegensat/ zur kontinentalen
dieser Periixle mit der früheren verbindet^ empfiehlt es sich, die eratcre jetzt
vorweg zu erledigen, die zweite auf §S 0^ — 18 zu versparen.
Das Q. Jahrh. legt den_ Grund zur Vereinigimg der ags. Reiche, welche
mit der Th^lnlle^tcigung Kadgärs (0,^0) zum AbschluhS gelangt Dem ent-
spricht das Aufkummeri und zunehmende Wachstum einer Gesetzgebung
mit gemeinrechtlicher Tendenz und clas allmähliche Zurücktreten der Parti-
kulargeseizc. Der erste Gesetzgeber dieses Zeitalters ist .lilfred (871 — QOi).
Ein Gesetzbuch (nach Edw. I pr. dömböc, in den Ausgj;. JlÜfre'dts Mmas),
welches er mit Zustimmung fler (optimalen in der letzten Periode seiner
Regierung erlassen hat, führt unter mögliclistcni Ansdiluss an das Bestehende
einheitliches Recht für die drei deutschen Stammesgebicie des Rei<-hes ein.
Die Umrahmung bilden eine für ■.*Elfr6ds Richtung bezeichnende ausführliche
Einleitung in 49 capp-. wcirin er halb erzahlend, halb parainetlsch auf das
gijttlirhe Recht verweist, und eine besondere Beilage für jedes Stamm esgebiel,
die aus den filteren Gesetzen ilessetben besteht (vollständig bei Turk Tlte
Ifgal (oäf oj ^^frfd ihe ^rrni 1H93). Zwei kürzere allgemeine Gesetze im
Kapitularicnton folgen unter K. Eadweard (901 — 924): Eadwfnrdcs ^en^dnesse
und das sog. Voncilium Exoniftise. Gleichartig sind unter /E^IeSstÄn (924
bis 040) ein königlicher Erlass an die Gcrefen über die kirchlichen Abgaben
fCoustttuiio dt defitnis), tlas ConfÜinm Oreatanla^mf ( .^äflstdnrs gertrdnessr,
2t) capp. venuisctiteii Inhalts) und das ConcHmm Thunrcsfeldeme (ein Friedens-
gesetz in 7 capp.), wozu als vorbereitende Stücke eine Bittschrift der Nota-
beln von Kent (Com, Fefreshamane) und eine königliclie Kundmachung über
die Beschlüsse eines Hermtigs zu Exeter (Conc. Exoniense} gehören, —
weiterbin unter Kadmund (040 — 940) ein Kirchengesetz (Lff^es nrlex-itistirae),
auf einer Reichssynode zu Londfui gi-gcben ('1 capp.), ein walirs<-heinlich
ebenda beschlossenes Strafgesetz (i-eges suv/datrs, 7 capp.) und ein Comilitim
Culitdoneme (7 capp,), ein cliaraklcristisches Beispiel für die Art, wie altere
Gesetze wiederh'ilt «nirden, — unter Kadgi'ir (959 — 975) eine Genrdnyss.
hü man piff hmidrfd healdati steal (sog. Consiiitttio de hundredii) und zwei
Angelsächsische im Mittelalter.
75
N
umfiLSsendere Reirhsgesptze, Cohc. Ändffrmntnse und WthiboniesttiHrnst, das
leliterc c. 062, beide in zwei Abteilungen, Legfs eeclniastuae und saccuiam,
Unicr yF.flelr^d, dem letzten Gesetzgeber aus deuLtchcm Stamme, tritt ein
vollständiger Verfall in der Technik der Geseugebung ein. Die formelle
Trennung %i»n weltlichen und kirchlidicn Gesetzen wird aufgegeben. Ein
unaufltfiriicher Riillentntisrh zwisrhcn Gesetzgeber und I'rediger verrat die
Schwache des Herrschers. Steht darum die Menge des Rechtsinhalts in einem
Mtss^'erhaltnisse zum Umfang der cinzchien Gesetze, so s<-heint auch die
Zahl derselben der langen Kegienmgtzeii des Königs (978 — 1016) weniger
zn entsprechen, als gcwrijnilitli behauptet wird. Denn nur 4 allgemeine Ge-
setze /Krtelr^ds sind bekannt: .^Edelrt'des cvutnges genffiiiissf (das C^itu. IlWr-
sloekirme (Ijh sodann die stig. ConstUulio v.J. 1008 (wahrscheiulich ein Cone.
Wuätstockicnse II.), wozu das Conc, Aenfiamense lediglich die Vnrakten ent-
halt, ein CoNC. apmi Badnm r. /. /009 (?) imd eine Comt. v. /. wi^. Ausser
den allgemeinen (ieseizen der Periode vor Knut kommen noch die: schrift-
liihen Friedensverträge {fruif^xcriui) in Betracht, welche die Verhältnisse in
(1cm don Angludanen eingeräumten Gebiet (Data iagiij orünai. Wir liaben
sulche aus der Zeit .■'Elfri-ds ztt-ischen B80 und 8()o, Eadweards (vielleicht
uro 006) und .'KitelrtMs (bei Sihmid .\eihelr. U. c. i — 7 § i, a. fKji. vgl.
Steenstrup a. a. (). S. 54 — 581. Weiterhin sind 5 Partikulargesetzc zu
nennen, von denen jedes in seiner Art einzig da.-*teht. Die Jttdicta nviiaiis
Ijmdoniae aus i^delstän's Zeit nadi dem Conc. Thunre^f., dos älteste genn.
Gfldcstatut imd zugleich das Älteste Denkmal aiigotsfichsischcr Autonomie,
sodann ein Weistnm Dt imiitutä LttndoHiat, das gleichfalls unter ^-^'^delstÄn
und nach dem Conc. Gralanl. aiizitsel/en ist, ein Cont. Watutungrnse , ent-
haltend ein KOnigsgcsetz v. cmj; für das angbdän. Gebiet der »fünf Städte«,
die Genidn£S bttwto.v Düttie'tan, ein gemeinsame-s Statut anglUciier Optimalen
und walscher »Ratgeben« über den Grenzverkehr am linken Sevcmufer in
Worrestershire (Steenstrup a. a. 0. S. 61 — h^) waJirscheinlich aus der
ersten Hälfte des 10. Jahrb., A\^ Nordliymhm pre'mia Uii^u. im Ganzen 67 capp.,
doch ursprünglich zwei getrennte Gesetze über (he Einführung von Christen-
tum und Kirchenverfa-tsung bei den Danen um York (10. Jahrh.). .\us dem
nächsten Abschnitt der ags. Rechtsgesdiichtc bringt nur die Knul'sche
Periode (1016 — loj,"^) allgemeine Gesetze, zuerst {'t\ einen Erla-ss des Königs
aus dem J. 1020, worin er die Grundlinien des Rechtszustandes unter der
neuen Dj-na-stie zieht, sodann nacli 1028 das Conc. Winionirnsf , eine K<kü-
fication (84 cnpp.), welche nicht nur auf die altere Einteilung solcher Werke
io LiC;ges ecciesiasticae und sacoilarcs zurückgreift, sondern auch den Stoff
grOestaiteils aus alteren Quellen kompiliert. Seit dem 11. Jahrh. mehren sich
die Gildenstatute. Drei hochinteressante Beispiele aus Abbotsbun,-, Exeter
und Cambridge sind erhalten. Aus der Zeit der normann. Herrschaft werden
mit gutem (jrmid die Gesetze Wilhelm's 1. (1066 — 1087I noch den angel-
iflduiachen zugerechnet: eine kurze Oirta für i/mdon um io(>7, wnrin das
»Recht Edwards« bestätigt wird, eine Carta de ytaOusdcm sfaUUis, welche u. a.
die Zusicherung der vorigen verallgemeinert und wahrscheinlich um 1068 be-
schlossen wurde (die längeren Te.\le nach Stubbs CAroti. /{oj(. Ilor. p. XXH
— XLIII interpoliert), die eine Bestimmung dieser Carta ülier «las Straf-
verfahren zwiw;hen Engländern und Franzosen ausführenden WiiMmes cvningts
äiefftvJU (j capp.), stniimn die I^ges et consuctndiues v. 1070, in ihrer ersten
Hälfte (capp. I — 3b) hauptsachlich aus Weisiümem, in ihrer zweiten (c. 37
— 5^1 — charakteristisirlt für Lanfranc's Zeil! — aus n^misthrechtlichen
nod KnutVhen B«itiiumungen gebildet, endlich die staatükirchcnrechtlidiui
FundamentalartikeJ in der Girfa Wiliclmi um 1085. Ausser den bisher ge-
nannten Gesetzen und der belradilUchen Menge von Privilegien, welche in
diesem Zeitalter eben so sehr Wirkung wie Un>ai.lie des Machtzuwaclises der
ags. Grtwsen, namenthch der geistlichen waren, finden sich no<:h in den Hss.
drei allgeinL'ini; Gesetze, deren Zeit sit:li nur als nacli-zEIfredLscli angeben
lAKKt, nämlich die Stftrke lie hläierum nud be. morästihUtm , lie /or/ange und
ßSm Itf hiittin Isene. and jvwtre, wcj^egen ich die Satze von der Toten-
beraubuiig und vom Künigsfricden ( — aherlüml. Massbcstimniung! — ) eher
für Wei.stümer hahen nnx-hic. Die Sprache, worin die Gtwet/e verfasst sind,
ist regelmässig' und selbst noch unter WiUielm I. die angelsächsische. Docli
liegen einige nicht mehr im Urtext, sondern nur in den unten zu erwähnen-
den lalciii. Versionen, die Leges et cousuct. Wilhchns und suitie Carta de
quibiLsd. slat. auch in einer fntnzösischen vor. — Die ags. Privatarbeiten
über das Recht hallen sich im vorausgelienden ZeiUiltcr ausschliesslich auf
kirchlichem Gebiet bewegt (Ptenitcntialbücher). Jetzt ziehen sie aucl» das
wellliche in iliren Kreis. Den Übergang kuiine" einigemiassen die 31 capp.
£e griic ami he mutiJt vt;ranschau]iclien, die wohl im 1 1. Jahih. verfasst sind.
Vielleicht alter und jedenfalls durdi Form wie Inhalt unvergleichlich wert-
voller sind \X\& Recfittiäincs shignlarttm penonantm. ein Traktat in j 1 ca|)p. über
Lasten und R«:hte verschiedener weltlicher Volkaklassen vom königlichen
Gefolgen bis zum untcisien Gutshürigen, und kleinere Aufsätze aus voniomiann.
Zeit über Verlöbnis, Wergcld und Stände, darunter einer metrisch erzlihlcnd,
aridere, wie ja auch sonst die ags. Liieraiiir, zu Betracliiung und Gnomtk
neigend, sämtliche in ags. Spracite verfasst. Sciiupfen dic^e Privataufzeich-
nuiigen fa.st ganz luid gitr aus der Praxi-s so schlagen die der normann. Zeit
eine entgegengesetzte Kichtiuig ein. Gemeinsam ist diesen die Absicht, das
vom Eroberer bestätigte »Recht Edwards«- darzustellen, gemeinsam auch das
kompilatorische Verfaliren zu diesem Zweck, gemeinsam die latein. Abfassung.
Sammlungen, latein. Überlragungen, paraphraiierende und inter(>Dliercndc Be-
arbeitujigcn von Rechtsschriften aus Wessex und aus aiiglischcn Gegendea
sind die Vorläufer. Diesen zunächst .steht in Heinricb's I. Zeit (noo — iiJ5)
ein aus Knut's Conc, Wint. und manc)ierlei andern Materialien um 11 10 zu-
samrueiigcsteältes Rechtsbuch in 3 Abteilungen, dem man neuerdings den
Titel Insiiuüa Cnuii aIiorn$nijue re^mn Aiighnim gegeben hat (herauag. von
Liebcrmann in Transactions of Royal Hislorical So».iety 1893). Viel weit-
läufiger und s)'steniati«cher angelegt, ebenso theologisch wie juristisch imd
schon stark romanistisch ist eine bis jetzt nur teilweise veröffentlichte Kom-
pilation, die den Titel Quadripariitta trflgt (iiiu — 1114). Sic war in 4 Teilen
gf-plant. Aber nur zwei davon sind ausgeführt worden (Über^iciit und Aus-
züge bei Lieberinaun Quadripariitia iöy.2). Mit ihr in genetischem Zu-
sammenhang wie in Ideengem ei nschaft steht ein gnisses Rechtsbucli in (;4 capp.,
dem der Inhalt seiner beiden ersten ca[>p. den Namen der Lej*ei Jlanrict I.
verschafft hat. Um 1118 verfas.st, gewahrt es mit seinen scholastischen Ein-
teilungen und seinem kritiklosen Aufreihen der verschiedensten einheimischen
und fremden RechLssätze ein Bild vom flusscrsten Verfall des ags. Rccbtit.
Doch ist es durch mancherlei Angaben, die sich in keiner alteren Quelle
finden, wertvoll. Letzteres gilt auch von dem beliebtesten Rechtsbuch der
normannisclien Zeit vor Glanvilla, dem TractatHs de Legibus, dem Neuere
den Namen Le^fs Edwanii Con/cssorij gegeben haben. Er ist um 11 36 ver-
fasst und beschränkt sich mehr aufs einheimische Material. Noch vor 1160
wurde er einer Überarbeitung miterzogen. Wahrscheinlich noch der ersten
HUlftc des 12. Jalirhunderts gehört eine lateinische Bearbeitung von Gesetzen
LLDEtrrscHE tu MA.
77
Knut's und einten andern Stücken an, welche unter dem Namen Omsi/iafü»
Cnuti herausgegeben M ivun Lifbermann 1893). Wenn aiuTli ftie die
Traktate und Rctlitsbflchcr theoretische, so dtA'h viel si-hlichtere und zm-
?irh unmitten>artTe Äusseningen des Rerhtsbewusstscins sind die Weistümcr,
ilich die mtlndlichen Aussagen Über hergebraclites Recht , wie sie meist
auf amtliche Anfrage durch vereidigte Leute aus dem Vulk ergangen und
durch den Frager aufgeschrieben worden sind. Schon einige kleinere ags.
Aufzeiclmungcn scheinen von dieser Art, ttic z. B. Kemhle Cod. dipl. No. 977,
1077. Vgl. ferner oben S. 75. In normann. Zeit enthalten die latein. Grund-
bficher und Heberollen, wie z. B. das Domaday hook l toSj — 108Ö), der Lt6er
migrr von Peterboroi^h {11:35), ^^^ Boldon book (1183) mancherlei Protokolle
über mQndliche Weisungen von Rechtssiltzcn . die nicht nur in die ags. Zeit
zurückreichen, sondern auch unter rein ags. Bevölkerung in Kraft geblieben
waren. Den TraktJiten , Kei;ht«:bftchcm und Wristömem gegenülx-r steht
eine kleine, aln-r withtigc Grup[>c von ags. Formeln für Eide und andere
mftndliche Rechtshandlungen. Ihnen reihen sich nun (seit dem 10. Jahrh.)
auch in England einige Ortiitifs judidomm Dei an, wie man sie früher schon
im frflnk. Reich vcrfasst hatte (vgl, oben S. 24), sowie das Ritual der KOnigs-
krnnung (vgl. Kreeman ///V. 0/ Ihe 0>iiqu. III p. (120 — O29 und Waitz />/>
FonHfln der deutsch. Kön.-Kroti. in den Abb. der Gött Ges. XVIII 1873
S. 19 — 2^). Die I\ibli katinnen der ags. Rerhtsdenkmaler dieses Zeitraums «dnd
Wi jetzt noch selir un/ulanglich. Der Grundstock der Gesetze, die Privi-
legien awigenommen , und der Privataufzeichnungen findet sich hei Schmid
(oben S. 70), dessen Ausgabe ergänzt wird durch Stubbs Sekt t (harten 7. ed.
i8qo, Pauli in den Forsch, zur deiiL Gesch. XIV ('187418. .^t»— .j^o'i. Lieber-
mann in Zschr. f. RG. XVI (1882) S. 127—136, XVIII (1S84) S. iq8—
2r6 imd dessen sowie Turk's sch^-m angefflhrte Ausgaben, Höhl bäum
Hans, l'rkh. IIL S. 382 — 384 und durch die Diplomatarien von Kcmble,
Thorpe und v.in Hirch (III [ — f>75] 1893).
5 9. Wiihrend die ags. Recht-ibildung cinheitliclic Formen annimmt,
M-ir^l die kontinentaldeutsche durch den Wandel der staatlichen Ver-
lulltnUse in die umgekehrte Richtung gedr,'[ngt Dem entspricht es, wenn im
mittclalterliclicn Deutschland nicht die Denkmiller lies ReJchsrcchte, sondern
die des Partikularrechts den Blick des Beschauern; zuerst auf sich ziehen.
Wahrend des 10. und ii. jahrhs. zehrt die Anwendung des geschriebenen
Stammes- und Reichsrechts nahezu auschlicsshch von den Errungen-scha/ten
der Karlingerzeit. Das .sind <!enn auch die Jahriiunderte, aus denen «ir <lie
meisten Hs«. der Leges und Kapitularien haben. Cldclizeilig hat aber auch
schon die Aufsaugung des Stammesrechts durch das Lokal- und Terri-
lorialrcrht begonnen. Diesem fallt fortan bei der gesamten Rechtsbildung
die führende R(»|]c zu. In jedem Immunitatsgebict, in jeder Grundherrschaft,
jeder Stadt, jedem Dorf finden Sondergcwnhnheiten und Stindergesetze den
freiesten Spielraum. Und selbst der Inhalt des gr-raeinen Rechts pflegt sich
in das Gewand tles Sonderrechts zu kleiden. Die letzten Nachklange des
PersonahtatAiVstems vernehmen wir im 13. Jalirh. Aber im ganzen war
tlaraals d;w Stamme.'^recht. formell genommen, dunh's partikulare Territorial-
recht flben*undcn. Hiemit im Zusammenhang steht, dass die Menge der
lokalen RechtsdenkmJiler wahrend des M.\.. bis zur Zahlloüigkeit an-
schwillt. Die einzelnen zu nennen, wäre aber nicht nur undurchführbar,
sondern auch tiberflOssig, weil manches als Beispiel fflr Hunderte gelten kann.
E> handelt steh ako nur darum, sie zu klassifizieren uml zu exemplifizieren.
Wir «chddcu xunSchst diejenigen Privatarbeiien aus, welche einen imoffi-
78
IX. Recht. A. Denkmäler.
L
zicllcn Charakter tragen (§ 13 ff.), itKlem wir Ijci de» Gesetxcn und Weis-
tümem stehen bleiben. Zwei Ursprung!*- und Geltungsgebiete sind es v()r-
nchmllcli, deren volksuirtschafiliche und politische Eigenart jene der Quellen
bestimmt: das Baucmdurf und die Kiiufstadt.
In täen hflucrliclien RerliLvqu eilen äussert Rieh das Recht der Grund-
herrsdiafl ( * H< «frechl« ) und der Markjjennssensdiaft oder Naclibarschaft.
Reiihl diese in die frühesten Zeiten der Ansiedlungeu zurüe-k, so jene
wenigstens in die Iet«cii Jahrhunderte der vorigen F^criiidc (vgl. ^§ 61, 51).
Das MA. ist für die Grundherrschaft nur die Zeit der Ausbreitunir, Befestigung
und Ver\-«>llkommnung. Bei der Fortdauer der Alteren einfaclien L.eben.s-
verhülliusse stellen Huf- und Murkreclit nur seltene und geringe Aufgnben
an eine bewusst sdiaffende Tliätigkeit. MeUt sind es leise Übergilngc in
denen das biluerlirhe Recht von seinem ursprÜngUchen Standpunkt sirh ent-
fernt Daher bestehen seine Denkmäler weit weniger aus Gesetzen der
Gnindherrcn und aus Beliebungen tler Markgenossen als aus Auf/.eithnungen
über dos hergebrachte Recht. Die regelmässige Form fttr diese ist das
»Wcistum« (mhd. ivisltiom oder offennti^e). Was »gewiesen': oder 'ertSffnelc
wurde, war das schon zur Zeit der Aussage geltende Recht, Dieses konnte
ältere Satzung sein. Gemeiniglich aber war es Übung luid Brauch. Den
Anlas!« zum Weislum konnte diu Aufnahme <les Gflterhesilzcs und der Ein-
künfte des Gnmdherni bieten, so dass wie in F-ngland (<jben .S. 77) Zins-
rcgisler (Urbar) und Weistum im nämlichen Sclniftsiüik vereinigt sind (Betsj».
No. 32 a. 1204 — i^OS bei Kindlingcr Ilörif^l; %-ielleicht auch No. 20 lit a,
c. 1224). Noch öfter jedix-h nOtigicn Streitigkeiten über ilas alle Recht dazu,
dieses durch die Rcctitsgenossen selbiit feststellen zu lassen. Je uHch den
Anlassen mochten die Arten der Erhebung wechseln. Die Regel aber war,
dass in der Gericlits Versammlung »ler Bauern der Gerichbihaher «hIct Gerichts-
herr die Urteilfinder um das Recht fragte (daher das Wcistum mhil. auch
vtäge genannt). Die gewöhnUche Form der Dinghegung durch Fragen und
Finden von Urteilen Ober Gerichtszeit und -BcÄetzung, Friedeiwgebot u. s. w.
diente ungesuchl als Rahmen fürs Fragen nach dem Weistum. Von hier
aus ergab sich leicht dir; iicriodLsche Wiederkehr di-sselben. Daher finden
wir so oft, dass das Weislum selbst nach dem Gericht benannt wurde: in
Österreich z. B. panUidinc (in Weingegenden bercteidim), in Bayern ihnft
teiäiiu, Steidinf, in der Schweiz järdim-, in Näederdcutschland ItoUing, Die
Wiederholung befestigte Inhalt und Wortfassung des WeistumSj so dass auch
in spai aufgcscbrielx^nen Quellen dieser .\rt sefir alte Zeugni.>wc des Rechts
vorliegen kOnnen. In der That empfand man das Bedürfnis des Aufsdirei-
bcns selten vor dem 14. Jalwh. Die meisten erhaltenen Texte, gewöhnlich
zum periodischen Vorlesen bestimmt (Ding-, Twing- oder Hofrodel im Alam.)
und in deutscher Sprache, gehören sogar erst dem ausgehenden MA. oder
der Neuzelt an, was in .Anbetracht der Stabilität des Baucmrechts ihre vor-
sichtige Benützung beim Ennitteln tk-r lUteren ZustHiule nicht verhindern darf.
Freilich enthalten mamhe jüngere Weistümer gesetzgeherisrlie Zuthaten, und,
nachdem einmal die Be:milen und die Gesetzgebung sich eingemischt, haben
auch Wanderungen der geschriebenen Texte stattgefunden, so dass Weistümer-
famllicn unlenicbiedcn werden können. Aber ihj^en steht eine beträchtliche
Menge anderer Stücke gegenüber, selbst noch aus dem lä.Jahrh., wfE<-he ihre
ursprüngliche imd mittelalterliche Fassung in Fragen und Antworten twiwahrt
haben. Nach all dem crkkirt es sich, wenn man seit J.Grimm ü;ls Baucm-
weistuin im allgemeinen als die Hinterlage der urwücltsigercn und volkstüm-
licheren Schicht imseres deutschen Rechts anzusehen pflegt. Au AlienOm-
Kokt. dkit. Baukkv u. Stadtrecht im MA.
79
k
lirhkcit und VolkstnmlUhkeit des Stils je^de[lfalK wie sie sich Süssem in »n-
ichaulicher Tenniiinlogie, In AUitenitiun. Rmlrfim. Mftrum, in Metaphern und
Taui'iltigien, in sprit hwörtlitlicn und huniorislisthcn Wendungen, im epUrlien
Schildern vnn Mcns^licn mwt Dingen, an allen diest^i lltrntrisrlien Reizen
thut es dem Laucrliclicn Wtisiuni keine andere thet>re tische Aufzeichnung
gleich (Angaben der Hauptsamm langen und Verzeidinisse Imu Schröder
Lchrb. §.s«; s. femer Stobbe Äy«. I S. 580. Siegel KG. S. 76, Fockema
Andreae oben S. $y, dazu AOf Öffnungen . . . aus der Oüschweiz ges. v.
N- Senn 1S73; Verzeichnisse und AlvInirkeschwciz-Wci-itümer und Herrscluii'ts-
rcdite in der I^chr, für sclncfh. R. seit 185^.
Wallet auf dem Gebiet des bauerlichen Rechts das Weisium vor, so auf
dem Gebiet des Stadtrcohts oder Weichbildes (vgl. oben S. 57) das Ge-
setz. Und das nämlifhe gih von der Vorstufe des Stadtrechts, dem Markt-
recht Im Wesen von Markt und Stadt (^ 31) liej(t schon etwas künstlicbes,
und kanstlich «ie ihre ersten Einriihtungen pflegen auch ihre spateren zu-
fitande zu kommen. Denn im Gegensatz zu den bäuerlichen Rechbikreisen
eignet der Stidt diic sthnelle, «.jfl sprungweise Entwicklung ihrra Rechts, wel-
<jieä mannigfaltigen ttirtschaftlichen und jif^ditisrhen \'erhaltnUsen angepiisst
und so Gegaistaiid der Überlegung werden muss, Dalier überwiegt in den
stadtischen Quellen das Verstandesmassige und eine gewisse Trockenheit des
Tuns*, wogegen sie sieb vor den Bauemweistümem durch Vielseitigkeit, Klar-
heit und Genauigkeit auszeichnen. Die Denkmäler des Sladtrci-hts beginnen
mit den königlichen Privilegien fOr den Stadtherm (tyj)isch die l*Ti\ilegien der
sachs. Kaiser). E.s folgen königliche Privilegien und Rethlsbc-itatigungen fflr
<hti Rewfihner der Stallt selbst (zuerst im 11. Jahrb.) und Gesetze des Stadt-
herm. Die wichtigste Gruppe der letzteren bilden die »Rechtsbriefe« oder
• Handfesten« (flam. koaen), d. s. diejenigen Aktenstücke, worin der Stadtlierr
die Grumlzüge des Hechts .seiner Stadt feststellt Sieht man vom sogenannten
Hofnrcht des Bisch'.ifs Burkhard von \\'urms {Ltgrs ti statuta familiae s Pelri
um 1023), welches nur teilweise hier einschlagt, sowie von den ältesten Markt-
rechtsbriefen (für Allensbadi 1075 und für Radoifzell iioo in ZORh. NF. V
108, 141) ab, so gehören die ältesten Rechubriefe ftlrStÄdte erst dem zwölften
Jahrhundert an (frOheste Beispiele: Staveren tioH, Vpem 1116, Fretburg i. Br.
tut oder 1122, worül>er K. Hegel in ZORIl XI 277—28(1. St. Omer 1127
und 1128}. Die Rfrlilsbriefe mehren sieh rasch von der Zeit an. wo das
Gründen vim Städten ein we,senüiches Glied im Finanzsystem der Territorial-
lierm und des Grundadels aasmachte, Der Stiftungsbrief ist Bewidmungsbrief,
wenn er fflr die neu gegründete Stadt das Recht einer alteren als Muster auf-
stellt. Bisweilen ist aber die Bewidmuiig erst lange auf tlen Stiftimgsbrief
gefolgt Seit ungefähr 1150 treten die ersten Erzeugnisse stadiischer Autt>-
nomie auf. teils den Landfrieden (unten S. 84) analog in Gestalt beschworener
»Friedenseinungen* der Bürger {conjutationes, »SchwOr- oder Friedbriefe«),
die periiMhsth erneuert wurden, teils als Weistümer aus der Mitte der BOr-
gcrgeniciiule (/„ B. Stnuwbuig c. 1150, Augsburg I152 — 115b, worüber Ber-
ncr Z. l'a/iSfftrb. v. Augib. SS. "2 — 79), teils als kodifika lorische Küren der
Bürger (wie z. B. die onti<jua et tltttn jusficia von Soest nach II 50), teils in
GcMtalt von Vertrügen unter mehreren Städten über die gtgcnseitigt Behand-
lung Üjrcr Bürger (we zwischen Köln und den Klanclrem 11 97 — 1215). Zu
WciitOmcm gaben bald Sudtigkeiten der Bürger mit dem Stadtherm den An-
* W(« »ehr dlcam d«h nur im Vergleich mit den bAurrlichcD Quelkn der Knil, ergeben
die 2uHOinunitdluogeo von 'Konncln' in den RQuetkn von Ba*el 11 S. 510—611.
8o
IX. Recht. A. Denkmäler.
lass, wie bei den oben iinpcfüiirtcn Aufzeichnungen, bald aber aurli die .««rhon
era-ahnlcn Rcchtsflbertragiingen, indem die Muster- (oder »Mutter-«) Staut
der bewidmctcT) (oder »Tnuhter-«') Stadt nidil nur ihre eigenen Rechtsbriefe
Übersandte, sondern audi Ober ihr Gewohnheibirerht .srhrifdiehc Belehrungen
erteilte (Belspp. Magdeburn von t2i i an, Halle 1235, Lübeck bald nach 1227,
Durtmund uni i-$$ und I2;,5. Uhn 1296). Scliöffen und Rat sind die Iw-
rufenen Wewcr des Stadtrerhts. Ans Abgeben von Weislfiniem aber knüpft
niiturgeniJiss das ^pezifi^ch stüdlischc, vom gemeindlichen verschiedene Kür-
recht an, auch wo rs der Starit nicht fOnniich verliehen wurde, wie schon
I163 ;m Lübeck, 1^18 an Bern und später vielen anderen Stüdten. Sowenig
sich da-s Kflrrecht von seihst verstand und so oft es auch, namenüjch im 13.
Jatidi., vum Sladtberm anjjefi« luen wurde, es griff doi-h unter der Gunst der
allgemeinen jioliuiirhen und n-irthschaftlichen Verbtlltnisse immer weiter um
sich. Vom Rat allein oder unter Zustimmung der Bürger, d. h. regelmüssig
der stadtischen Korporationen ausgeübt, zieht die autoiit.nie Gesetzgebung das
gesamte stüdtische Rechlslebcn In ihren Kreis. Seit (Jem 15. Jahrh. kommt
es denn auch zu umfassenden Rechtsaufzeichnungen durch den Rat in fOnn>
liehen StadtbClchem (nl. keurlofkeit), wobei die kiteinische Sprache ihre Herr-
.schafl an die deutsche abtreten niuss (selbst in Trientl!) In einij-en Städten
werden Rechtsmitteilungcn, die nach auswärts ergangen waren, in Gestalt eines
Stadibuchs aufbewaJirt und weiteiTiebiädet. (so in Lübek); in anderen wird das
Stadlbucb, vergleichbar dem langobard. corpus edicü, als ein corpus slalulu-
rum durch einen frirralirhen Gesetzgebungsakt gestiftet, indem vorerst das über-
kommene Recht kodif/iert, für die künftigen AVillküren aber in dem sorg-
faltig gehüteten Pergamentband Raum freigelassen wird (so in Hamburg 1270
und \2f)2, Trienl \ot 1270 [?], Augsburg I27f>, Goslar 1290—1310, Zürich
c. 1290 und 1304, Bamberg 130Ö). Dabei wird eine primitive Systematik
beubachtet, die an einigen Stadtrcchlcn auch ausscrlich durch Gliederung des
Stoffes in Bücher .»dch zu erkennen gibL Häufig Lst das Slatutenbuch mit
dem Protokoll- (auch »Sladl---) Buch ausserlich verbunden, welches über
Rechts- und Verwahungsgeschäfte geführt wird. Aber planuiössig angelegte
und umfangreiche Statut enbö eher wurden gesondert geführt, nicht selten unter
individuellen Namen: es gab »wdsse, schw;u"2e, rote Bücher, in Wien ein
»elseme.s-, «i Kampen ein -goldenes^, in Utrecht ein 'rauhes* und eine
»Rose*, in Lüneburg einen »Donal-. In niedcrsJlchs. und niederifmd. Städten
erscheinen, werm das Stadtbuch nicht otter nur für bestimmte Gegenstände
geschlossenes corpus sein sollte. Verordnungen des Rats, insbesondere die po-
lizeilichen, als gesonderte zum Verlesen vor versanmielter Bürgerschaft abge-
fasste Schriftstücke {btinprakcn. civiioqma ; Hauptbeispiel t/t kundige ndi von
Bremen). Immeibin aber bleibt das Stadtbuch derGnmdstock alles geschrie-
benen Sladtrechts. Die alteren Qucllengattungen bebailen im allgemeinen nur
noch für Städte jüngerer Griindungszelt ihre ursprüngliche Bedeutung. Eine
.sehe bemerkenswerte Ausnahme macht das oberbiürische Stadt- imd Markt-
recht, welches noch um 1334 wesentlich in der Form des Rechlsbricfes in dem
"Versiegellen Buch* K. Ludwigs des Baicm kodifiziert wurde. Familien von
Sladtrechten lassen sich unter zwei Gesiclit.>ipuuklen miteischeiden, einem
quellengesrhichtlichen und einem rechtsgcschichtiichcn. Einmal nfimlich folgte
aus dem Bewidmungsweseu, dass die Quellen der Tuchlerrechte mit jenen des
Mutterrcchts und auch unter sich in engem derivativem Zusaniincuhang standen.
Scdaim aber sorgte der damit Hand in Hand gehende Zug vom Gericht der
Tochterstadt an's Ceridit der Mutterstadt als üiren Oberhof, wie er in Nord-
deutschkmd, im Rheingebict imd in den .sluvisehen Landern bestand, für die
KoNT. DEUT, Stadt- d. Territor].\xrr. im MA.
8x
Forldauer der prinzipiellen RerhLsgemeinsrhaft wnter den SlSdten der näm-
lichen Gmppe. Auf solche Weise hat sich cinereeits niedersachs. R. weit in
sUvischc linder verbreitet und sind andererseits Beziehungen znischen flan-
drisdiem und franzt^iischcm R. hergestellt »-orden. Eine innergeschichüiche
Gruppierung der Stadtrechte ei)?:ibt sich aber auch aus dem Fortleben der
allen Slarumcsrethte in den ersteren, wobei freilich Kreuzungen stattzufinden
pflpgpn. Das Stammesrecht ist mit Kolonien und Kaufraaixnsgitdeii tHanscn)
nach weit entlegenen Städten gcw'andert, wofür das sich nacli Sachsen und
Östeneirh, nach Böhmen, Mahren und Ungarn verzweigende flämische Recht
das Idassisclie Beispiel bietet. In Kolonisationsländem w-irktc das Suidtrecht
auch aufs Ktnerliche Recht ein, so vornehmlich in Preussen und in Maliren,
wo die System;! tische Anlage von Kolonistendnrfem den Städten die Stethmg
von Oberhöfen gegenüher jenen verschaffte. Gegen den Ausgang des MA.
bcrück-sichtigen die Stadtrechtsaiifzeichnungen das römische Recht Ältere
Stadibflcher -wurden unter dem Einfluss der romanisti.schen Zeitstrrtmung mo-
dernisiert oder »reformiert' (Köln 1437. Nürnberg 147Q — 1484 [gedriK'kt
1484!}, Hamburg 1497), oder es wird dem iKalserrecht« ausflrflrklirh suh-
sidtSre Anwemlbarkcit beigelegt (z. B. Lüneburg 1401). Verzeichnisse \*<mj
Stadlieclitsdenkmalem sind WarnkOnig FiandT. RG. I S. ^^94 — 406, Geng-
ier Deuttthe SladtreehU des MA. 1852, Bischoff Oesiemieh. Stadtrerbtf und
Prifilfgirn 1857 (zur Ergün/ung Luscliin Öslerr. Reiehs^sch. S. 138, 142),
R. Schröder m ZORh. NE-*. X S. 113— 129 (^eine Übersicht 11. d. Matenol
fflr die Herausgabe der Sladtr. des nOrdl. Badeiw u. der lienachbarten Ge-
bietet und Forkenia Andreae oben S. 53. Au.^ben sind femer genannt
bei Costa Bi'bfioxr. Nr. 547— ^?5I und Gengier Deut. Stadfrfffitsa/lerthümti^
idßa S. 478 — 505, Orcllj Gnmdr, d, schvas, RG. §§3, 2y (hinzurufftgen der
'difi/oma/. Anhang" bei Warnkönig a.a.O. Bd. I — HI, Rtcueil des anc. coui.
de la Belgiqve t8ö7 — 94, Oi^rijssfUthe sfad-, dijk-tn mnrktre^len her. v, Nan-
ninga Uilterdijk I 1875, Werken der Vereemf^'ng tot uilgavt der bronnen van
ket oude imderiandifke recht, eente reeis II — XV, XVHl l88t^ — '895, Ältbayer,
Stadtrerhit her. v. Haeutle im Oberbayer. Archiv XXV 1889 SS. 163—261,
Oheirhein. Stadtrtchte, her. v. d. bad. histnr. KommL-winTi, \. Frä$tk. RR. T — 3 H.
l)carb. V. R. Schröder, 1895 — 97; viele Drucke nennt auch Schröder,
Lchrb. § 56.
g 10. Über die RechLsbildung in Dörfern imd StJldten erhebt sich zunächst
die der Bezirke, der Grafschaften, der landesherrlichen Territorien.
(besetze für die letzteren sind allerdings in der frOhenm Entwicklungszeit der
Landeshoheit selten. Zwar haben wir Beschlßssc einer baier. Synode zu Din-
gtilfing V. 932 uiul eine consiitutio {von Ransliofeji) des Herzogs Heinrich 11.
und der baier. Gr(.<ssen aus dem Ende des 10. Jahrhs. Und auch in dem
S. 79 genannten Hofrecht tle.*! B. Burkhard von Worms und in einer Verord-
nung wahrscheinlich desselben Bischofs Über die Pflicht zum Worraser Mauer-
bau (FDG. XIV 398) kündigt sich schon die landesherrliche Territo-
rialgesetzgebung an. Aber in Fluss kommt diese eigentlich erst im 13.
Jahrh. Zwei Formen sind es, worin sie vor sich geht: Spczia^esetz und
Lottdesordnung. Die beliebtere Form ist im 13. Jahrh. noch das Siiezialge-
setr. E.S ist der Alteren Gattung forstlicher Legislation, dem Privik-g und dem
Stadtrechtsbrief nächst verwandt und schlies-st sich flus^erlich an «ae an. Der
Inlialt der Spezialgesetze bezieht sich vorzugsweise auf die Reclilsstellung bc-
Btinunter Volksklawen, »ie die Privilegien für Gilden, für Kolonisten, dann
die sr>gen. Judenprivilegien, femer seit dem 13. und 14. Jaltrh. die fitrs Ver-
fassungsn-cht iler Territ*)rien so wichtigen -»Freibriefe« der l.andstaiide (vgL
Cernuiiiivclte PbUoIocie ilL 2. Aafl. 6
§ 5i). besondcis zahlreich seit 131 1 in Baicm (Ausg. v. [Rockingcr und]
V. LerchcnfeUi <fie althnin: landsloHd. Freibriffe 1853). Aber auch, was
schon ahherkümmiicbcr Weise als objektives Sonderrecht betrachtet war, wie
das Bergrecht, blieb im fürsüiclien Territiirium dem Spczialgeset/ vorbclialtcri
(Beispiele u. Nennxing vr.n Ausgaben bei Stnbbe Rqu. I. S. 574 — 7(1, H S.
269, Klostcrmann, d. gemeine tieut. ßerfpvcht I J871 ^g 11, 12, dazu Er-
ganzui^en in Cod. dipi S.i.v. II. Hauptteii Bd. XIII i8Öf>). Im Spätmiitel-
alter gesellen sich noch in:mchcrl« »Landgcbj>tc« in Sachen des Prozesses,
der Polizei, des Tjindfrictien.s hinTii. Auch die Ordrung des altgerndnen
LantlesrechUs knüpft in den ersten Zeiten mehrmals an den Rechtsbrief an,
indem sie sein Anwcndung^;gebiet erweitert {Kulmer Handfeste v. 1233 u.
1250 [Ausgg. vcrzeichn. bei Gcngler deut. Stadtr. S, 22H], die Trienter
Statuten 1.^7 — 1347 li*g. v. Tomaschck im Arch. f. Oslcrr. Gewhqu. XXVI).
An selbständigeren Kodifikationen des Tenitorialrechts sind im I^uf des 13.
Jahrhs. zustand gekommen kleine Liuidrechtc in Kcureuform für die flandri-
schen Bezirke Furnes ( 1 240}, Wae« ( 1 24 1 ) und Vier Ämter ( 1 242) bei
Warnliünig IL NN. ifx), 220, 222 und eine Landesordniing für Österreich
{die wig. vjüngerc Fas.sung des r>sterr. Landrcchls« v. K. Ottakiir (I2(j6?
(Dnirk hei HasenAhrl (hferr. i^adeir. 18*17 8.2(13 — 278). In der letzteren
ist ein Entwurf von 1237 (die sog. -JÜtere Fassung des ö. LR.«, a. a. O. S.
236 — 273) benutzt Entttnirf gebliel>en Ut ein böhmisches Gesetzbutii von
Wenzel IT. (12Q4). Dagegen im 14. und 15. Jalirh. konuni-'n selbst grijssere
Werke dieser Art zu stände (an der Spitze das oberbaier » Rc<.:hlbuclK v.
133(1 in 158, und v. 1346 in 350 Artikeln). Nach einem Welstum des Reicha-
hofes V. 1231 sollten >neue< Rechte durch den Landeäherm nur unter Zu-
stimmung der mtUores et mapra terrae gesetzt werden ktinnen. Dieser Norm
lebte man in der Folge wenn auch nicht überall, so doch in den meisten
Territorien nach. E,s findet sich sogar, dass die Landesordnung die Form
eines Vertrags des Hemi mit seinen Stilnden erhült (Würzbu^ M.VS) wit-T
dass der Kürst den StJüidcn das lirlassen Her Landesordnuiig delegiert (Breslau
1346). Die Quellen, woraus die Tcrrilorialgcsetzc schOpfefi, sind meist ein-
heimische, danmter auch die RechLsbücher (§ 14). Das Breslauer (sog.
»!Mhlesi-sche< ) Landreclu ist sctgar im wesentlichen nur Bexirbeitung des
Sachsenspiegels. Dem rära, R. werden betrüchtlichc Zugeständnisse nur in
Böhmen gemacht (jtis rfgaU montmiomm um ijooy. Hier bleibt denn auch
die Gcselzessprache die lateinische, wahrend sonst die deutsche zur Henschafl
gelangt ist
Wo sich die Landeshoheit nur unvollkommen entwickelte oder wo sie
gestürzt wurde, sehen wir die alten Gcriclitsgemeinden für sich iillcin oder
im Bumle zu Mehreren autcmcwn vorgehen. Manptsilchlirh drei Rechtsgebiete
haben es zu einer elxjnso eigenartig volkitüniliihen als uiiunlerbnxhcnen
Sclbstgesetzgebung gebmcht; Fricsland, Ditmarschen, die Schweiz. Zwi-
schen Zuidersee (Fli) und Weser hatte sclum im 12. Jalirh. eine Friedens-
cinung unti-r mehreren Gauen und Gauteilen zu Vcreinstageu vereidigter
Gewaltboten der Bunde-sgenosscn bei ÜpstallcÄbum [in der N.llie von Aurich)
geführt. Hier kamen gleich in der eraten Zeil der Eidgen os-sciiscliaft (vgl.
Gütt gel. A. 1881, S. 1357 f.) verachiedene Burdesktiren zu stände, denen
zu Anfang des 13, Jahrhs. und wiederum 1323 (diesmal mit Riclitung gegen
die Landesholieit) Nachtragsgesetze folgten. Die Urtexte aller dieser Satzun-
gen sind latoinisib spater aber ins Friesische, Niedersacbsische und Nieder-
landisdie übertragen. Ein Gesetz liegt überhaupt nur in solchen Bearbei-
tungen vor. Ausser ihren Bundessatzungen luiben nber noch die einzelnen
KONT. DEUT. LANOKRAVTONOMIR. ßUNDF-SCiCSETZE.
«3
friesischen 'iJlndcr- und Gemeinden zwischen Zuidereee und Wesw seil
»eit dem 13. Jahrh. eine stattliche Menge von Küren aufzuweisen, damnter
vide in (riesischer Sprache, vaü von gereimten und metrischen Formeln
(SamnUg. der letzteren: M. Heyne, Formuhe aUilteranUi, Halae i8t>4 und
in Germ. IX 1BO4, S. 4.^7 — 44Q). Die meisten sind SpeziaJgeiietxe und be-
liehen sich vorzugsweise auf Wergeid, Busstaxen, Erbrecht. Deich- und Siel-
recht. Die umfangreicliste Zusammcnstdlung von KUreti (Gesctzbucli?) ist
der »Brokmer Brief* (liitera Brocmannorum) in friesischer Sprache und c 200
Kapp. (Ende des l.v Jahrb.). Eine besondere Gruppe friesischer Gesetze
bilden die Sendbriefe, welche zwischen den Lindem und den Kirrhen-
gewalten i-ercinbart sind. Nurdfriesische Behebungen (niedcreachsisch) hat
das 15. Jahrh. hinterlassen ( — Sammlung: Friemche RfchtsqiuUen v. K. v.
Richthofen 1840; mancheriei NaclitrSge in desselben Verf. Untmuc hungert ü.
frits. RG. 1880, 1882, ferner bei M. Hcttcina, Hei Firtlingper en Oldampster
Ijttndre^t 1841 und Ouäe Fritsche Weilen 1845 — .51, A. Wetzel, Dos I^nd'
nehl u. d. Beliehtingen des rolhen Ihirhes in Tönninfi 1888, S. Gratama,
DreHttehe Refhisbwnnen 1804)*- Im Lande Ditmarschcn beginnen die Dcnk-
Tualei der Autonomie mit Vertragen des lindes und der Kirchspiele aus
dem 14. Jahrh. Zur ersten Kodifikation kam es nadi Errichtung der wöchent-
lichen »Landeavolhnacht* zu Heide. Es wurde 1447 in der Art der Stadl-
bOcfaer ein Landrecht beschlossen, in welches bis 1467 die Novellen einge^
tr^en wurden, im Ganzen 257 usSchs. Artikel (Sammlung ahdiihmarscher
RethhtjuelUn v. Michelsen 1842, zur Ergänzung U r künde »h. z. Gesch. d. lindes
thihm. hsg. \\ Michelsen 1834). In der Scliwciz tieffen wir seit dem 13.
Jahrh. .Ihnliche Verhältnisse wie in Friesland. Sie werden aber fester be-
grOndct, wirken nachhaltiger. 7'eils sind es die einzelnen Gerichtsgeroeinden
<io Currhatien »Hix'hgerichte«), Thalschaften und ■Lander', deren »Land-
leute« mit Zuatimmimg von Herrüchaften oder ganz unabhängig von solchen
geschw^>rene »Einungcn« und -Aufs-Itze« machen (alt. Beisp. Schwyz 1294,
sdxm in deutsch. Sprache) und im Spatnüttclaltcr sogar umfassende Statuten-
oder ■ Landbflchcr* anlegen (Appenzell 14«^, Zug 1432, Glarus 1448). TciU
fahr«! die in der West- und Alitielschweiz bis 1243 und 1244 zurückreichen-
den Bündnisse (Eidgenossenschaften, Burg- und Landrechte und Verständ-
nts!>e). in Curraticn der Graue Bund vim \}f<}^ wnd der Zehngerichten bund
voa 1436 zu Bunde^esetzen. Eine Mittelstellung zwischen Bundesgcsetzcn
und df-n ganz selbständigen Gesetzen der Einzeltlüider nehmen die gcmlb^s
vorher abgeschlossenen »V'crkommnissen« gleichlautenden Gesetze der kon-
kordicrcnden Lander ein (Nachweise und Abdrucke der Gesetze in den ein-
zelnen Kantonen in der Zschr. f. Schweiz. Recht seit 1852; Sammlungen: Ämt-
iieke Sammlung der ilUeren eidgen&st. Ahsihiede [1245 — 1499] v. Scgesscr I
2. AufL 1874, 11 1843, III 1858, ZrrÄr. für noch tingedmckte Schweiz, ftqii.
V- Schauberg, 2 Bde. 1844, Rechlsi/uelien r. ß,ise/ Sladl u. Land I 185(1,
II 1865). — Ausserhalb dieser drei grossen autonomen Gebiete kommen
vereinzelt bndrechtliche Selhstgesetzgebungsakte auch in fürstlichen Terri-
torien vor, wie z. B. der vom Landesherrn nur mündlich b(.-sUltigtc Kcurbricf
des Landes der Freien v. Brügge 1190 (Warnk*inig Hand. RG. II Nr. 45)
undahnlich in Siebenbürgen und in der Graftschaft Zip« (Ungarn) im 14. Jahrh.
Der Bundesgedanke hat sich nicht bloss und auch keineswegs zu-
eist in der Rechttbildung der von I..andeshoheit freien oder die Freiheil
» S. auch Th. Sieb» in GnindrU* der germ. Philol. WSl Nr. 5 § 3 und Wettfries,
StuJien (in Abbandl. der Berl. Akad. 1895).
84 IX. Recht. A. DshkmXler.
anstrebenden Lander triebbraftig erwiesen. Schon im ii. Jahrh. Äussert er
sich in den jiemcinsamcn «Landfrieden* (mlal. ireuf^af) d. \. den straf-
rechtlichen, pnlizcilicben und prozessualen Bestimmungen, welche die Fürsten
im gesamten Reicli oder in den Stamm esge bieten oder in grosseren geogra-
phischen Lclnder);nj{^n vereinbaren und denen sie üdbst und ihre Unter-
gebenen eidlich Gehorsam versprechen, sn dass BrurJi des Friedens aU
Missethat mit Ersrliwemngsgründen beurteilt werden muss (§ 751. Seil dem
i,3j. Jahrh. trctai auch Städte den Lmidfricdenseinungen bei oder scldicsscii
srilthc unter sich allein ab. Auch wenn, wie bei den Reichs frieden regel-
mässig, formell der KOnig als Veranlasser der Satitung erscheint, ist diese
doch nicht wesentlich kraft der königlichen Gewalt geschaffen. Der Land-
friede ist und bleibt zumeist Gesetz in Vertnigsform, — ein Rückfall in*
Urrecht, der ebenso die zeiilrifug;dc Entwicklung des Reichs kennzeichnet,
wie er die bla*;s zeitweilige Geltung des E-'nedensgesetzes erklart (die altern
»Friedebriefe« von 1094 — xztm'xn ComtUiUioms el acta publica *^.\., Weiland
I 1893, II 1896 [Mon. Germ. LI,, sect IV Bd. I, II]; spätere nennen Wyneken
D. Landfrieden in Dttilschl. v. Rudolf I. bis Htinrtch V'II. 1887, Schwalm ÄZ««//-
frieden in Detiischl. unUr Ludwig d. Baiem 1889, E. Fischer Dif Landfriedens-
verfassg. unter Karl J i\ 18B3, Luschin v, Ebengreutli Öst/rr. Heichsgesch. I
S. 137, 144, Texte bei ScliwalraS. 137 — 70 und FischetS. 105—134, die Land-
frieden zwischen 1376 und 1431 in den Deut. Reiclistagsakteri s. unten S. 8b).
Weiter ftlhrten BCüidnisse, welche vom 13. Jahrh. an deutsche Städte unter
sich und mit benachbarten Territorien eingingen- In Gestalt von Vercins-
tagen werden gemeinschaftliche Gesetzgebungsorganc der Verbündeten ge-
schaffen. Dienen die alleren und kleineren Organisationen dieser Art, wie
2. B. die seit 1220 von Bremen mit den benachbarten Landdistrikten ver-
eänbarten, im wesentlichen nur dem Landfrieden (vgl, v. Richthofcn Unters,
1 S. 554—573), so greift schon die kurze Wirksamkeit der Tagsatzungen des
rheinischen Bundes von 1254 — 3257 über dieses Ziel liinaus. Weit umfas-
sender ist aber die der hansischen Beschlüsse (arhitria. sluftda, später
reeesstis). Sic sind unter den übrigen Akten der Hansetage herausgegeben '\i\
folgenden Sammlungen: Hansereccsse (1256 — 1430) her. v. d. hist. Kommiss.
bei d. bair. Akad. i^durch Koppmann) I — VII (^1425) 1870 — 1893, Harne-
messe, zweite Abt. (I431 — M/bl her. v. Verein f. hans. Gesch. (durch v. d.
Kopp) l — VII 1876 — 1892, Uatistrtcesse, dritte Abt (1477 — 1530) her. v.
Verein, f. hans. Gesch. (durch D. Schafer.) I— V 1^—1510) 1S81— IÖ94 (zu
den altest. Recessen vgl. Frensdorff in Hans. Geschblatt XII S. 155 — 161).
Die Gese4ze auf dem Gebiet des partikularen Territorialrechts waren
weniger durch politische Veränderungen veranlasst als durch das Verschwin-
den des Rechts aus dem Gedachtiiis der breiten Vtilksschiclitcn, wovon
wiederum in der fortschreitenden Arbeitsteilung die Hauptursache lag. Hie-
durch erklärt sich, dass so viele Gesetze dieser Periode lediglich den Zweck
verfolgen, das überlieferte Recht zu kodifizieren. Nühem sich schon diese
Gesetze materiell den Weistümcrn, so gehen neben ihnen noch andere Auf-
zeichnungen her, die formell wie materiell weiter nichts als Weistümer
sein wollen, sich aber in Hss. und Ausgaben unter die Gesetze zu verlieren
pflt^en, weil; sie gewöhnlich wie Gesetze rezipiert worden sind. Unter ihnen
vielleicht das allerfrilheste Stück sind die auf königlichen Befclil i. J. 906
erhobenen Leges portorii \'on Raffelstütlen. Andererseits setzen sicli diese
Landrech tswei-stllmer nicht nur das ganze Mittelalter hindurch fort (eine
besonders reichhaltige Gruppe die Vemweistümer, 15. Jahrh., jetzt bei Lind-
ncr Die Veme 1888, 2. Buch), sie finden vielmehr aucli noch in der Neuzeit»
DEtrrscHES Reichsrecrt. Sjj
insbesondere ajiiassUcli der Vorarbeiten (Ox Gesetze, ihre NacMolgcr, deren
Zeugtiis für das raittelaltcrliclie Recht nicht verschmäht werden darf.
$ 1 1. Allgemeine Reichsgeset/e kommen vor der Stauftschen Periode
selten vur. Nur eines aus dieser frühereu Zeit muss liier wegen seiner fürs
Staatskirchen recht grundlegenden Bedeutung genannt werden, das Wormser
KjotÜEordat von 1122. Das Meiste, was man von sonstigen Reichsgcselüen
bis zum eben erwähnten angefülirt liest, «itetlt »Ich bei näherem Besicht, Roveit
überhaupt für Deutschland erlaswn, entweder als kirchlicher KonzUsschluss
oder als Land friede tisc in ung (oben S. 84) dar. Die Inneren und Auiuercu
Kämpfe des Reichs unter den sachsischen und frankischen Kaisem ticssen
es zu keiner weltlichen Zentralgesetzgcbung kommen. Dies Ändert sidi
unter Friedrich 1. Von 1156 an wird der I_.;mdfriede durch k^^uigUche Kon-
i^tttutionen geboten, wiewohl als ein zuniUhst von Füralen und Herrn zu
beschwilrender und obgleich daneben die 1-andfrieden in Vertragsform ihren
Fortgang nehmen. Durch die Comtilufio Mogunttna Friedrichs II. von 1235
erhalt der Landfriede eine ern'cilerte Fassung, in der er den Landfriedens-
gesetzen späterer Könige bis auf Atbrecht [. (1298) zu Grunde liegt. Diese
Konstitution Lst zugleich die erste, von der eine aintHche Übertragung des
lateinischen l'rtextes ins Deutsche vorliegt. Ausser dem I^indfricden bildeten
bis zum 15. Jahrh. fast ausschliesslich Verfossungs fragen den Gegenstand der
Rcichsgeselze. Eine erste Gruppe von VcrfassungsgcsoUen, zwischen 1220
luid 1232 teils von Friedrich II., teils vom rfim. Krmig Heinrich erlassen,
beschäftigt sich mit der Ausbildutig der Landcshuheit, eine zweite die Can^.
^ jun imptrii von 1338 und die .goldene Bultc«. von Nürnberg und Metz
von 1350 (ra Jan. u. 23. Dez.) hauptsachlich mit der Thron besctzuug und
<Jer Rechtsstellung der Kurfürsten. Zahlreicher werden die Gegenstände der
Rcichsgesetze im 15. Jahrh., indem niclit nur Im Zusammenhang mit dem
Landfrieden das schon von der Konstitution von 1235 berührte Gerichts-
wesen, sondern auch die Kriegsverfassung, die Reiclissteuer (der »gemeine
Pfennig.) und das Munzwesen geordnet werden, — mit einem praktischen
Erfolg freilich, der bei den Mangeln in der Organisation der gesetzgebenden
und der ausführenden Gewalt im günstigsten Fall nur ein teilweiser und zeit-
weiliger sein konnte. Die Zeit Maximilians \. bringt, wie auf so manchen
anderen Gebieten des Kulturlebens, su auch in der Reichsgcsctzgebung den
Absc^thas des Mittelalters (rwiger Landfriede, Reichs kam mergeridit unter
rdchsgcsctzlicher Feststellung des Vcrliöttnisses zwischen römischem und
nadorutlem Recht, Polizeigejteize, Kreisverfa.s.tung, Xotariatsordnung). Waltrend
die aJlgeraeinen Reichsgesel/e bis zum Ausgang des Mittelalters an Trag-
weite und Zahl hinter den Partikulargeselzen zurückbleiben, gilt das Gegen-
teil Von den königlichen Privilegien, und zwar im hrMiusten Masse gerade
zu der Zeit, wo die allgemeine Reichsgesetzgebung nahezu völlig still steht,
im Frithminclalter. Da.s Privileg war recht eigentlich die Gesetzesform, in
der sich die Neuschöpfungen des Königtums und die Zerstückelung der
KOiugB{^*walt vollzogen haben (vgl. B c s c 1 e r in Zschr. f. RG. 1 1 1 863,
S. 373 — 390). Aa^igaben der Reichsgesetze s. bei Stobbe Rqu. I S. 459 —
461, H S. 183 — 205 (dazu die oben S. 84 angeführten Constttutiones tl acta
puktita tmperatüntm et ttg}tm c*^.\i ti'\\7%nt\, ferner Döbcrl Monmn. Gtrmamat
teiceta a6 a. 768 aä. n. tiso Bd. III — V 1889 — 94, d, gold. BuUe am besten
t Cbcr die Eduhrit da h|;. Con/ofJrraii^ tum firmcip. *ceK v. tzzo ». WlokeU
maoo in Ciöu. gf\. A. 1883 S. 795 ff. uad Weiland in Histor, Au/iätse 1. And. an
H'tntM 1SS6 S. 149— 3;0.
86
IX. REt-HT. A. DenkmAlek.
bd Altmaiin und Bernheim Atisgrtt^äAllf Urkunärn 2. Aufl. 1H95, ferner
/)euf. Reichstaffsakten v. 1376 — 1437 (Mii) her. v. d. btstur. Kumiciss. d. bair.
Akad. [durrh Weizsäcker und Kerler] I— IX 1867— 1888). Die alten^n
Privilegien bis nuf Heinrich II. sind jetzt in den Mon. Gerra. kritisch herausge-
geben von Th. Sirkel D. Urkunden der deui. Könige 11. Kaiser I, II 1879— 93, 4*
(betni Aufsuchen der Obrigen nOtzIirh die Kegesten werke von Bi^ihmer und
seinen Nachfuljtcnt und von Chmel), — An Mannij^faltigkeil des Inhalt übc-r-
trnffen werden die Reichsgcsetxe durch die Weistümer oder »geraeinen
Urteile* des Reichshofs (curia regis), d. h, der Ratgeber des KiMiigs und der
Urteilfinder in scinoni udcr seines H<>frichters Gericht. Das Rcehl, welches
sie wiesen, hiess zwar wegen seiner Erscheinungsform ein jus oder eine /cv
atriae. konnte aber um so eher abi gemeines Reiclisretiit gelten, je öfter die
Zusammensetzung des Keichshofs wechselte und je verschiedener die in ihm
vertretenen Gesellschaftsklassen waren. Die erfragten RechtssSlze werden
bald theoretisch, bald in Anwentlung auf vorgelegte Falle ausgesprochen.
Die grftsste Zahl der -Sentenzen des Reichshofs fallt zwischen 1 150 und 1350.
VieJe sind in Urkunden der Könige oder der Hc»frichter erhalten. Andere
kennen wir aus andern Quellen. Auszugsweise und unter Angabe der Fund-
orte sind die Rechtssprüche {einschliesslich der IVozess- Entscheidungen) ge-
Kaintnek von O. Franklin Senlenliac eun'tu regiae 1870.
§ 12. Die rein territoriale Rechts bildung, deren offizielle Denkmaler in
^q — II besprochen sind, hat zwar das alte Stammesrechl als solches ver-
drängt, aber neben ihr hat sich eine neue persönliche vollzogen. Das Mittel-
alter Lst die Zeit, in der sich die Arten des Bemfs nnd der Lebensführung
scharf von einander trennen. Dies wirkte auf die EtiLstehung gescllschatl-
licher Gruppen inindtÄtens ebenso stark ein, wie die räumliche Abgrenzung
der poliliscliien HerrÄchaftsgebiete, und es wuchs eine bunte Menge rein
persönlicher Verbände empor, deren innere Zustilndc nach rechtlicher
Ordnung verlangten. Letztere zu si-ha/fen würde das MA. Huch dann nicht
zu deti Aufgaben der gesetzgeberischen Zentralgewalt gerechnet haben, wenn
diese starker gewese-n wäre als in Dcutschhuid. DemgeniSss schlössen sich
die persi'in liehen Verbünde eben so wie die «irtlichen als Rechisgenosscn-
schaften ab: luitcrstützt von ihrer genossenschaflUchen Rechtspflege bildeten
sie ihr eigenes GewohnheiLsrecht aus, gaben sie sich ihre eigenen Gesetze.
Zwei Klassen solclicr im w, S. autonomer Verbände haben wir auseinander
zu halten: die durch einen Herrn gebildeten und die freien. In den erstem,
den Lehens- und Dienst\'erbflnden, ist es der Herr, der ursprünglich iülein,
spater irn EinvemcLmcn mit den ihm untergebenen Mitgliedern des Verban-
de-S, den Vassallen bzw. Dienstmannen, Satzungen erlasst. Dies ist öfters in
Verbindung mit einer landrechtlichen I^egislalion geschehen. Hier jedoch
handelt es sich nur um diejenigen Gesetze, die weiter nichts als Lehen-
oder Dienslrecht eiilhalten. Solche sind nur in spärlicher Zahl vorhan-
den \ was sich daraus erkbii, dus.s in den partikularen Leheurechtskrelsen das
Reichslehen recht nachgeahmt und dem Bedürfnis seiner schriftlichen Dar-
stellung durdi die Rechtsbücher § 13 genügt wurde, das Dienstrecht aber in
der ersten Hälfte des MA. fast ganz gewohnheitlifh sich entwickelte und in
der zweiten in die Bahnen des Lebenrechts einmündete. Weniger fehlt es
an Weistömem, zumal dienst rechtlich er; Inhalts (Ulteste lat. 11. und 12. Jahrb.,
die jungem teils lat.. leüs deutsch, in Flandern auch französisch. — Beispp.
bei V. Fürth d. MiniHfriaten S. .^09— 539, "Warnkünig Fiand. RG. III
' Die meisten voo Stobbe Rqu. l § SS angefllbncMi (^cUcd und keine Getetie.
2. Abth. Nr. lo^), icx), iii, 113,115,117). Manche cicrartigf Aufzcidmungen
stehen in den .Lehenbüclieni», d. i. den Registern, wekhe die gn'jssem Leheit-
hcrm über die an Va.ssallen und Dienslmannen geliehenen Güter anlegen
liessen. Weit reicher ist nun aber die Menge der aus den freien Gcnossen-
schallco hervorgegangenen Rcehtsaufzcitluxun|j;cii. Hier treffen wir von An-
fang an innerhalb eines vom territorialen Recht sehr weit gezogenen Rah-
mens auf eine ülatutarische Gesetzgebung, wuvon die Mitglieder in Folge der
Vielgcstiiltigkeit ihrer Interr.ssen einen äusserst lebhaften Gebrauch machen.
Sollte:, wie z.B. bei den Zünften, diis Recht derGeniwsenschafI seinen Zwang
Ituch gegen Ungenosscn kclucn, s» war freilich die GiUtgkcit des Statuts %-uu
der Mitm-irkung der ."jffenüiclicn Gesetzgebungsgcwalt abhängig. Sonst ab«
war die letztere höchstens nur mit ilircin Veto beteiligt Neben den Statuten
gehören dann auch Weistümer zum gewöhnlichen Quellenin\entar fast aller
Genossenschaften. Die frühesten und meist verbreiteten unter diesen sind
die veiMhiedcnen Ableger der uralten Schutzgiide |§ 51^). wie sie sich
in den StiUlten, seltener auf dem Liinde seit dem 11. Jahrh. entwickelt haben.
Vlhi den nnibsenhaften und oft genetisch unter einander zusaiiuneiiliaugendea
schriftlichen Erzet^issen der Autonomie in den altem Brüderschaften, den
Gilden der Kaufleute und der Handwerker, mOgen die frühesten zumeist
durdi jüngere übeihult ^ictn. Doch hebt die lange Reihe der Zunfb^alzungen
mit einem Kölner Statut v. 114g an (einige Drucke von Zunftartikeln weist
Stobbe Äy». 1 S. 4(A)flg- und Ilamlb. I § 57 nach; dazu D. all. hamburg.
Zufi/trolirn u. BrüHenchaJIssiatuUn her. v. Rüdiger 1874, D. ahm Zunftord-
mungen Jer St. Freiburg i. Br. her. v. Hartfelder Th. I 1870 [Progr.], A
ä. Zunftttrkttnden der Sl. Lüneburg her. v. Bodemanu 18S3 [in Quellen u.
Darstcll. z. Gesch. v. Niedersachs. Bd. I], Leipziger InuungiQrdnuHgfn a. ä.
JS- Jahrk. her. v. Bcriitt i88<j [Progr.], D. alten Zunft- und Verkfhnord-
nuHgen der Sf. Krakou her. v. Br. Buch er i88q, Kreibei^er Innungsartikel
bei Ermisch D. Freiberg. S/adlr. 1889 SS. J76— ig^, D. äUalen Osnabrück.
Gitdfurkunden v. Fr. Philippi 1890, D. Straaburger Zunft- mtd PoHmordnungen
dts /Y «. 1$. Jahrh. V. Brucker i8t)o, RQuellen einzelner Zünfte bei Böh-
men Beitr. s. (ieseh. d. Zuttflicenens 18*12, Schmoller D. Slnissb. Tttcher-
u. Webrtzunft i87»>, H. Mever D. Straub. Go/dscAmiede:»uft 1881 />. BueA
tUr Makr:tthe in Prag her. v. Paiigerl [in Quellenschr. z. Kunstgesch. XIII]
X878, sowie in den Urkundenbttcliem der Städte). Nur wenig spater be-
ginnen die Rechtsaufzeichnungen für Münzcrhausgeno.'tsen {Cilate und Drucke
bei Eheberg Cber d. ä. deut, Miinzwesen Kap. s ""^ Anh. II, Statuten der
Mainzer llau.ig. in Zschr. f. Gesch. i:les Oberrheins 1^80 S. -((»^478), femer
ifn 15. Jahrh. Statuten und Weislünici der Gewerkschaften (Nachweise bei
Klostermann D. gem. dtut. Bergrecht I §$7,9) und der Hansekontore oder
des »gemeinen deutschen Kaufmanns« im Auslande (bei Lappenberg-Sar»
totius (jtkundl. Gesck. des L'rspr. der deut. Hansa II 183t), femer bei La{»-
penberg Vrkuudl. Gesfh, des Attus. S/a/i//iofes :n London 1851; s. auch Frens-
dorff /?. sfalut. B. der deutsch. Kaufletitc in Naivgoivd in Abh. d. Gfltt. Ges.
XXXIII. XXXIV, wozu K. Maurer Kr. Vjschr. 1880 S. 26— 33, und über
die Ortiinancien des Kontore von Brügge Hohlbaum im Hans. Urkb. III
S. 344flg., Wagner flandb. d, Srerwehts I S. 68 — 71). Dagegen reichen kaum
Aber ijtxi hinauf die ältesten und sichilich nach dänischem Muster gebilde-
ten Bestandteile des einzigen kontinental -deutschen Schutzgildestatuts, näm-
lich der 'Srhra* der Knutsgilde zu Reval (in Bunge's IJii. Urkb. IV
S. 287 — 300). Mit seinen Fortsetzungen aber ragt dieses Denkmal des frtl-
hcfltcn Gitdetypus lUucin in die eigentliche Blütezeit der jungem autonomen
88 IX. Recht. A. DekkuAler.
KorporaÜ'jneii, die walirfiitl der beideu letzlcu J^ilirhutidcrtc des MA. cm-
IritL Zünfte verbünden sich jeUt zu gemeinschaftlichen Satzungen. Unter
den Bauhütten wiederholt sich der gleiche Vorgang seit 1459 rait dauerhaf-
teren Ergebnissen (Steimiictzardiiungen bei Heidelaff D. BauhiilU des MA.
in Deutschi. 1B44, J. Npuwirlh D. Satzungen des Regeiuh. Stfinmetzentags i.
J. i^sg, 1888). Von de]i Ziiiifteii machen sich die Vereine der Handwerks-
gesellen unahhüjigig (Statuten teiU gedrut'kt, teils dtiert beiSchanz Z. (7^jf/i.
der GueUemvrhämU 1877) und lüsen sich die Seh ützenbrüderscb alten ab
(RQuellen bei Gcngler Stadtr. Alterth. S. 471 ff. dazu Riclithofen Frm.
JRfju. S. 557 — 559). Gildcn;irtig ot^anisieren sich Schöffenkollegicn in den
Städten mit eigenen Statuleji {Beispiele: Danzig in Script, rer, Pntu. IV
S- 343 — 34h, Frankfurt n. M. bei Thomas Oherhäj S. 255 — 257). Der Koa-
lilion^etst hat die Kreis« des niedein Adels ergriffen. Wahrend die alten
geistlichen Ritterorden in eine Verfallzeit treten, kommen neue Adels verbände
im Dienste rejn wcUlicher Interessen auf, Vnn kleineren Kittergescll-
schaften, wie der .Gclübd* im Ingclhetmer Grund haben wir Aufzeicli-
nungen ihre-»! althcrgeltraditen l<ccht.s noch aus dem 14. Jalirli. (Lürscli D.
Jugcih. Oberhof S. ^O^ — SU)- ^^ '5- kommen die Urkunden der grossen
rcichsritterschaftlichen Verbände in Süddeutscbland und am Rhein hinzu (Bür-
germeister Reichsrittenrkaftl. t^iptts juris I 707 und Cod. di'pf. a/Neslrü 1121).
Eine dritte Klasse autonomer Gejiossenschafteii war in den liolien Adcls-
faniilien geget)cn. Ansiiize zu einem gewohnheiüiclien Sonderrecht in Für-
steng eschlech lern fuiden sich schon im i2.Jalirli. Im 14. und i5.JaJirli. aber
stellte sich für sie bei dem Entwicklungsgang, den das gemeine Erbrecht ge-
nommen hatte, das Bcdfirfnis heraus, die errungene puHtische Macht durch
planmä-ssige Satzungen iiuf dein Gebiet des Privairechls zu befestigen, was in
Form von Vertragen unter mehreren regierenden Herrn desselben Geschle<'li-
tes oder von Verfügungen auf Todesfall zu geschehen pflegte (die wichtigsten
Hausgesetzc bei H. Schulze D. Hnusgesetse der rrgier. deut. Fünienhämer
I— ni i8f>2— 1883). Citate älterer Fundorte bei Stobbe Rqn. II 897.
§ 13. Die nicht offiziellen Rechtsaufzeichnungen des MA. setzen
ziuiächst die Formular - Literatur der vorausgehenden Periode (oben
S. 72f.) fort. Quriiitttativ übertticgcn imter den Pormelwcrken nach wie vor
die Mustersammlungen für Urkunden und Briefe. Dabei wird nun aber eine
strengere Scheidung der verschiedenen Gcschaftsarten durchgeführt, auc!i wohl
Formelbücher für den Gebrauch bestimmter Kanzleien angelegt. Es werden
ferner die theoretischen Zuthaten weiter ausgesponnen, so dass einleitende
und Incidcni-Abhandlungen entstehen und das Formelbuch die Eigenschaft
eines Lehrbuchs (ors. sitmmit dittamittis} annimmt. Zuletzt weichst aus dem
Formelbuch das Lehrbudi der Kotariatskunst \Traetains dt arte naiariatits oder
puhlici nolarii) heraus. BctrJlchdtch wird die Memgc derartiger Quellen vom
13. Jahrb. an. Seit dieser Zeit macht sich auch der Einfla^s italienischer
Formelbflcher sliirk bemerkbar. Veröffentlicht ist von diesen Schriften bis
jetzt nur ein geringer Teil (ausser den bei Stobbe Rqu. I S. 451 flg. II
S. i,i8 ff. und Schröder Lehrb. fj 'jo angegebenen: Theodericb v. Backsdor^'s
Gtriehts/ürme/n mitget. v. Rfthlau in Zschr. f. RG. I 1861 S. 414 — 458,
ein Cursits üterantm seahinontm Nm-iomagettsium bei Krom Stadreehten
van Nijmwegen [^H'rrken oben S. 81] 1894 S. 4.^4 ff., ijjdbritf nnd ander
hrief »ach der irhrann Inuj ze Greez bei Bischoff Steiermark, f^ndr. 1875
Anh. I; ein Verzeichnis bei Rockinger Über Formelbüther 1855 im An-
hang, dazu Steffenhagen in Zschr. f. RG. IV 1S64 S. lyoflg., Krctz-
schmar D. Formuiarliikher aus der Kanzlei Rudolfs v. Habsh. 1889).
Neben den Mustern für Urkunden stehen die Formeln für mündliche Rechts-
handlungen, im Frühmittelalter nicht mehr bloss ordines judirioruni Dei (Mon.
Genn. LL. sclI. V i88ti), sondern auch Krünunpsformchi {bei Waitz DU
Fonnein dtr dtnl. Konifrs- u. der röm. Kaistrkröng. in tl. Abh. d. Gott. Ges.
XVIII 1Ö73), später Fonncln für gerichtliche Geschäfte aller An, wie die
%-on Homeyer hinter dem >Richtsteig Landrechts« S. 327 — 338 veröffent-
lichten GerichLsformeln (rhein. 14. Jahrb.), ferner die von ZOpfl D(u alU
Bamberg. Recht S. I2Q — 13b gedruckten Prozcssfunnebi (15. Jahrb.), die nieder-
Undiscben dingtaltn (in Werken [oben S. 81] IV, VK, XI), die Veingerichts-
formeln (bei Wigand femger. S. 229—244, ferner bei Lindner Die \'eme)y
der Ines. yfciA/ bei Richthofcn Fries. Rqu, S. 243flg.. die KlageforraeJ ebenda
S. 341, aber auch Furmeln für aussergerichtliche Handlungen (Trauformeln
bei Sohm D. R. der Ehesckliessg. S. 31g — 321 manchcrtei Eidformeln tticz. B.
bei Richthofen 8.488—491).
§ 14. Wälirend diese Arbeiten fortgeführt wurden, tral mil-'dem I3.jaluh.
eine neue juristische Literatur in's Leben. Ihr Vater und ihr berühm-
tester Vertreter ist der ostfäüsche Ritter Kyke (Eico. Ecco) von Repe-
cbowe (im Aiihaltisclien), der 1209 — 1233 bei veischicdenen gerichtlichen
Geschäften, u. A. auch als SchAffe in der Grafschaft zura Billingslioch nach-
gewiesen ist. Seine schriftsieUerische Thüligkeit war eine für jene Zeil aus-
gebreitete, vielleicht selbst über das juristische Gebiet hinaus greifende, jeden-
TaQa aber eine andauernde. Sein erstes Werk war eine umfassende Darstel-
lung des Land- und Leheniechts in latetnüicher Reiinprosa. Hiervon ist nur
der lehenrechdiche Teil und auch dieser nicht rein in der ursprünglichen
Gestalt durch altere Drucke gerettet und unter dem Titel Veinsouior de be-
Mt/iais (c. 22s §§ in 3 capp.) bekannt. Auf Andringen seines »Herrn* des
Grafen Hnyer von Falkenslein, in dessen Dienst Eyke zwischen J 1 j 1 5 und
Mit) getreten zu sein scheint, unternahm er (1224^1230?) idas damals un-
erhörte Wagnis einer prosaischen Übertragung seiner Arbeit in die Mutter-
sprache (nsachs.). In der metrischen und gereimten Vorrede will er das
Buch »tpigel drrSn.ven'- genannt wissen. Deim nicht ein vun ihm ersonnenes
Recht will er vortragen, sondern abspiegeln will er das Recht, »welches von
Aller an uns gebracht unsere guten Vorfahren«, und zwar* — vom Reichs-
staatsrecht abgesehen — das g:cincLne Recht in allen Landen sactisischcr
Zunge. Eike hat sein Werk noch einmal überarbeitet und der zweiten Auf-
lage eine eigene Vorrede in Strophen vorausgeschickt, woraus wir ersehen,
dass es ihm nicht an Gegnern fehlte. Möglich, dass .^chon damals kirchhche
Tadler aufgetreten sind, müglich aber auch, dass man die Treue in der Über-
lieferung verdachtigte. Solche Stimmen haben sich auch in viel spateren
Jahrhunderten und wic<ier in unseni Tagen vernehmen lassen (wuchtigster
Angriff: v. Zallinger Dir Sthfiffmbnrfräen des Sachseasp. 1887; ein Ret-
ttmgsvencuch : E. Mayer in Kr. Vjschr. XXXI [889 S. 14g — 190). Was
jedoch die Ausstellungen der zweiten Art betrifft, so sclieint mir immer uoch
XU wenig beherzigt, was Eyke selbst klagt: »mich Iziet manich man ... worte,
der ick nie tte getvuch. Die vermeintlichen Widersprüche seiner Darstellimg
mit sidier beglaubigten Tlmtsachen dürften sich verflüchtigen, wenn die gleiche
Sorgfalt auf die Interpretation seines Textes ver^vandt wird, die man sich
beim Fesisiellcn dieser Thalsachen h;ii kosten lassen. Zur Vursicht mahnen
sollte schun der gewaltige Erfolg, den der Sacliseuspiegel bei der Mit- wie
bei der Nachweit und insbesondere in seiner Heimat gehabt hat, und der
nur halbwegs erklart wird, wenn man an das Bedürfnis der Zeit nach Reciits-
aufzeichnimgen mid an die formellen Vorzüge des Buches erinnert. Die Ein-
90
IX. RfscHT. A. Denkuälbr,
farhheil, Anschaiiliclikeit und Klaiheil der zwar unsystemalischen. aber iiidit
zusammen hangluscii St:liildcrung können nur der Ausdruck jener Sachkunde
und jener Redlichkeit sein, weiche schon die flbcrwiegende Mehrheit der Zeit-
genossen dem Verfasser zugetraul hat und wekhc er selbst ausdrOcklicli fflr
sich in Anspruch nimmt. Siciierlicli können an der Hand der Urkunden
Herrn Eybe mancherlei Irrtümer nachgewiesen werden: er mag dem einen
oder andern Rechlssalz eine zu weite Verbreitung zugeschrieben, niLinchcs
Veraltete für noch lebenskräftig gehalten, auch der »Zahlenmystik« des Mittel-
alters seinen Tribut gezollt haben; die Rechtsanschauungen Ostfalens zu An-
fang des i,^.Jahrhs. finden dennoch in ihm Ihren verlQssigen Vertreter, Dog-
matisch-juristische Konstruktionen wandein ihn nur selten an; lieber ftHrft er
phiiosopliisclie Fragen auf: er kümmert sicli um den Ursjiruiig des Rechts
und leitet es ab von Gott und »seinen Weissagen und geistlichen guten
Leuten und christlichen Königen- wie Konstantin und Karl. Er sucht nach
dem Grund der Unfreiheit und vermag ihn nur in widerrechtlicher Gewalt
zu finden. Als echtes I-'-nd des MA. gibt er zuweilen der Spekulation nacli.
Aber er denkt nicht tlieologisch genug, um das von ihm vcrelirtc nationale
Recht durch Satzungen des f'a]istfs «firgem« zu lassen. Von kirchlicher Seite
sind denn auch die spatem Ajifeindungen des Sacliscnspiegels ausgegangen,
und 14 Artikel wurden 1. J. 1374 durch die Bulle Suh-a/or httmani atitfris
von P. Gregor XI. verdammt. Indess unaufhaltsam breitete sich da:* An-
sehen lies Rechlsbuclics aus. Wie ein Gesetzbuch wurde es in den Gerichten
angewandt, wozu freilich im r.j. Jahrh. aucli Irrtümer Ober seine Herkunft
beitrugen: für die Übersetzung eines Privilegs, das Karl d. Gr. den Sachsen
gegeben, hielt man das Lantlrecht, für ein Gesetz von >Kaiser Friedrich»
das Lehenrecht. Bald redete der Ssp. in allen deutschen Zungen. In vielen
jungem Rech tsaufzeichnun gen wurde er benutzt. Ihm selbst aber widmete
sich fortan eine eigene Literatur. Diese vermehrte den Text des Rechts-
buches, teilte ihn in Radier und weiterhin die Artikel oder Kapitel in Para-
graphen ein, systemati.sterte ihn, versah ihn mit Rubriken und Registern,
stellte (in der 1. Hälfte des 14. Jahrh».) eine Vulgata fest (krit. Ausgabe des
ganzen Evke'schen Werks, und zwar des I-;indr. auf Grund von i H(> Texten,
des Lehenr. auf Grund von g6 Texten, sowie des nur aus kilem Dmcken
bekanntCJi vetus auctor van Httmeyer: Des .Sarhscnspiegfls enttr Thal oder
das Stichs. Landr. _^. Aufl. l8f>i. Des Saelisempugeh zweiter Theil tubsl den vtr-
wamilen Rerhlsbüchern I 1842, 11 1844; Ausgg. einzelner Hss. nennt Ho-
meyer Landr, S. 73, dazu LObben D. Sni!:sensf>. Ijtndr. «. Lehnt: narh dem
Oidcubitrg. Cod. f>iff. v. i3j6, 1879, selbständige Tcxtzuthaten ausser der Vul-
gata: Homeyer D. Kxtravaf^nUn des Ssfi. in den Berlin. Akad. Abb. i8üt;
die nl. F'assxmgen des Ssp. hsg. v. De Geer in 11'e.rien der Vereeniging etc.
/. E. Nr. 10 Si. 1 M. 4 1888). Der Ssp. wurde ferner in's Latein, übersetzt,
das Landr. in W72 — 1282 sogar dreimal (Dnicke nennt Homeyer). Schon
bevor eine CUvsse (§ i6) den Text tics S.sjx interpretierte, und spater noch
suchte die zeichnende Kunst deri Inhalt des Rechtsbuchs durch Bilder zu
veranschaulichen (3. oben S. hi Note i), nicht etwa bloss hin und wieder
nach Art d*r auch sonst in Rechtshanrischriften viirfcommenden und haupt-
sachlich zum Bücherschmuck dienenden Miniaturen, sondern durch fortlau-
fende Illustration, welche in eigentümlich naiver Weise das Darstellen wirk-
licher Vorgänge mit einer symbolisierenden Bilderschrift verbindet.
Der Sachsen-spiegel ist in einer Reihe von ähnlichen Reclilsbüchetn, und
zwar zuerst in Süddeutschland, nachgeahmt worden. Dabei geht aber die
Absicht nicht mehr auf Schilderung eines Partikularrech Is, sundeni auf die
KecHTSBCcHER D kutsch LANDS IM MA,
91
des gemeinen Landrechts. Dieses musste nun freilich bd dem engen Ge-
,sichtskreis der Verfasser eine lokale Fflrbung »nnehmen. Ausserdem aber
xdgt CS sich gelrflbt durch rnm anistische und kanoni<i tische Einflassc, über-
haupt durch eine in der Auiwalil ihrer Quellen wenig kritische Buchgelehr-
samkcit, wodurch sich die SchriftstelU-r von ihrem grossen s.lch&ischen Vor-
gSnger ebenso scharf unterscheiden wie durch ihre Ziele. Das sciiKchlc >spe-
culom« eines erlebten Rechts weicht mehr und mehr einer gektVnsteltcn Spe-
kulation. Das IcgendarUche und paraineli<che Element nimmt einen breiten
Raum ein. Eine ausführliche Geschichte vun Gesetzgebern und RechUpfle-
gcni, »der Könige Buch', wird dem eigentlichen Rcchtsbuch vorangestellt,
um dieses mir der alten e und mit Jer nimcen e ZM bewähnii. In den Rechta-
test selbst mischen sich Erzählungen, darunter poetische des Strickers, ein,
aus denen dann die ermahnende Nutzanwendung j:ezr)gen wird. Der erste
literarische Versuch dii-scr Art ist der spiegfl alltr teutzher Uute ( • Deutschen-
sj)iegeK i=Dsp.}, entstanden um 1260 und wahrscheinlich in Augsburg. Vom
bevurwortenden Gedicht bis Art. log des Landrechts ist der Ssp. frei bear-
beitet, im weiteren Verlauf nur noch flüchtig in's Oberdeutsche übersetzt
(Te.xiabdruck der einzigen Hs. v. Ficker D. Sfiiegrl lUut. Leute 1859). Das ira
Dsp. Begonnene wurde ausgeführt \m lantreefitbuch (seit Goldast i6oq »Kai-
serliches I^nd- und Lelienrechi- r-dcr »Schwabenspiegel« [=;Swsp.] genannt).
Der geistliche Verfasser, weither den Dsp. als Vorarbeit benutzt, :Hrhcinl dem
Horhstift Bamberg angehört, aber wie sein Vorgänger in Augsburg geschrie-
ben xu haben. Über die Vollendungszcit stehen sich gegenwartig die An-
sichten von Ficker und Rockingcr gegenüber. Erslercr setzt den Swsp.
ins J. 1.275, letzterer »kurz nach dem Anfang von 1250**. Bei der .\bfas-
sungsgescliichle des Swsp. sind mindestens zwei Entwicklungsstufen zu unter-
scheiden, ein Ejitwurf, der sich noch abhängiger vum Ssp. zeigt und der
Hauptsache nacHi durch die Hs. des Freiburg. Stadtarchivs vertreten ist. imd
das vollendete Rechtsbuch. Letzteres hat selbst wieder zahlreiche und »ehr
verschiedenartige Umgestaltungen erfahren, wobei im allgemeinen der ur-
s]jnlng[irhe Stoff verkürzt wurde, aber auch wieder mancherlei fremdartige
Zutliaten erfuhr. Die Verbreitung, welche der Swsp. im MA. erlangt hat,
kommt der des Ssp. mindestens gleich. Nicht nur in ganz Süddeutschland
»■urde er rezipiert. Sein Ansehen erstreckte sich auch nach Norddeutsch-
iand, ja nacli Böhmen und Mahren und nach Burgund. In c. ^5 Hss. liegen
tschechische Bearbeitungen {i.^. Jahrh.) vor; eine mahrische (iS-jahrh.» vmd
eine altfrauzOsischc (14. Jahrb.?) sind wenigstens durch je eine Hs. vertreten.
Fa.»rt 350 Hss. aber bewaliren den deutschen Text in seinen verschiedcnpji
Formen. Eine kritische Au^abe fehlt bis jetxt. Die beiden jetzt gewöhn-
lich ziticrtai Hauptdrucke sind: L.-= Der Schwabcnspiegel . , . nach einer Hs.
t W«a Rockingci bis jetzt iLinibcr vorgcbrauht bat, Khcint mir keioMwogs bewet«-
kräflif;. Vor allem durften »iith tlie wucsl«! Erftrtemngen R.'* i'ibt^r tlic vod ihm sog,
Bc Rüdes^^n de« Marit.-s»rn (rcrBchollen M-il 1&09) kuun auiii«icben. um tla& VorluJDclcnseiit
fdiver \\a. voi 1368 tlar/ulhun. Dftin R. \km\ gende den Ilau[Mwidcn]>ruch unbcrilck-
■iclltiet, wrlch« iwÜM-hen dn iin^eblicben EÜueicbnung Heiarich» di-s PreckcndorfTere Ja
der Hs. um] den Antraben «eine« >Kcisbuctis< (betr. den nm Zilrich an Rudolf v. Hxbsborg
zu HilFe (ie*cbidttcn) besteht und wegen dcs»cti jene Einxcichnung jus gefXliicbt gellen muM.
Wm sodAOn die ErwAhnunf; Kotbcnburgs im KüQi);ebucb bcthfh, «> Bcbcint mir gende aie
auf VollcndoDfC der VuJgata nicht — %trie R, (/>. KSn. Jineh ia den Mttncb. Akad. Abb.
1883) will — vor. somlcro tuidi dem i^. Mai 1274 xu deuten, Fär cniscbeidcnd halte ich
•her immer noch mit Ficker Art, 13711 dn I^ndr, -oxiA 41b de> l..eb(.iir. Dir hierauf
.be<i]|r|icheii BemcTkiingcn Fickrr'» \Vit-firr Sitigsb, R«), 77 S. 817 Jf. und 840. 841
[acheiaen mir bis jetzt durcb keine (jr^eiignitide ciitkräAet.
Q2 tX. Recht. A. DewkmAi.kr.
v.J. jiSj hsg. V. F. L. A. Freih. v. Lassberg 1840 uutl W=^äer Schtoa-
htnsp. in der alt. Gestah hsg. v. W. Watrkernagel I. Landrccbt 1840. Von
diesen kommt aber nicht der letztere, sondern der erel^re der ältesten Ge-
stalt des Rcclitsbuches am nai:hsten (andere Ausgg. bei Stobbc Rqu. §34;
ausserdem Der Codex .Altenbirger [v. 1481, Landrecht] hsg. v. G. Lindner
1B85 S. I— X»; Texlpruben aus einzelnen Hss. in verschiedenen Publika-
tionen Rockinger's verzeichnet von demselben in den Wiener Sitzungsber.
Bd. C\'1I 1884 S. 4ff.; der franz. Text: Matile Z/ mttoir tfe Souahe 1843J.
Audi mit dein Swsp. beschaftigle sich die Jurisprudenz des MA., wenn auch
nicht so tTaditinnell wie mit dem Ssp. Fehlt e.s aurh an einer Glosse, so
di>ch nicht an systematisierenden Umgestaltunj^cn, aij Registern, an Bearbei-
tungen den Buches für den Gebrauch bestimmter Gerichte, an einem latein.
Auszug (v. 1350). Üen bisher genannten Recbisbüchcm gegeuOber selb-
ständig ist des kevsers recht {lex. Über imperaloris, »das kleine Kaiseneclil'^,
Ausg. V. Endemnnn iH^ö). Verfa&sC Ist dieses Rechtshurh vielleicht noch
im 13. Jabrh., jedenfalls vor 1320 und wahrscheinlich im fränkischen Hessen.
Der Verf. lässt sich in 4 BQdieni über Gericiltiwcscn, materielles Landrecht,
Recht der Reii'hsrtienstmannen und der Reichsstädte aus und stellt seinen
Stoff als Kaisergcsctz hin, welches für die ganze Welt erlassen sei. Doch
hat dicae phantastische .Anlage cles Werks eine weite Verbreitung de-sselben
niclit gehindert. In mehr oder weniger nahem Zusauimenliang mit dem Ssp.
stehen einige Rcchlsbüchcr und kleinere laiidretrlitliche Aufzcicluiungcn <ies
14. Jahrh. aus Norddeutsch [and. Spätestens in den Anfang dieper Zeit fällt
das sog. Görlitzer Rechtsbuch (4b Kapp.}, dessen Hauptbestandteile auf
dem Vctus Auetor und dem interpolierten Laiidr. des Ssp. beruhen {letzte
Auüg. V, Homeyer Des Ssp. sweiler 'feit 11). Um 1335 vcrfiLSste der erste
Glossator des Ssp., der um 1305 zu Bologna gebildete Hofrichter der Mark
Brandenburg Johann vuu Buch in ilusserlichcm luid innerlichem Anschluss
an den Ssp. dn niedersachs. Rechtsgangbuch, den ricJifsHeh, auch scbe^ucht
d. i. Schöffenstütze, jetzt -Richtsteig Landre^hts^ genannt: krit. Ausg. v.
Homeyer 1857), die bedeutendste Rechlsschrift des 14. Jahrh. in Deutsch-
land. Durch eine Schildemng der Kornien^ worin das Sachsenspiegel recht
vor Gericht geltend gemacht wird, will er das alte Laiidreclu ergänzen, dne
Absicht, die er in streng systematischer Anordnung seines Stoffes durchführt.
»Seine Arbeit fand eine Zustimmung und Verbreitung, welche nur der der Spie-
gel weicht' : Zeugnis davon geben die obersadisischcn, schicsischen, rheini-
schen, süddeutschen Ct>rrtragungcn und Umbildungen des Richtstcigs. Das
schoTi vun J. V. Bucii geplante Seitenstück /.um Richlsteig Landrechts, den
richtstieb des Unrechtes (iisächs.), \'erfassle ein Unbekannter, walirschemlich
noch im 14. Jahrh. (Ausg. v. Homeyer in D. Ssp. zw. Th. I). Um diese
Rcchtsgaiigbüchcr sowohl wie um den Ssp. selbst gruppieren sich kleinere
Schriften: die beiden jirozessualen Aufsatze des Hermann von OesfeUl
Cmiteh und Premis (= Breni.se) um IJ59, der iHileniische ;\ufsatz i-vm leheu-
gude ttnde dnt lo enf/angende (jetzt her. v. Frensdorff in den Nachrichten
V. d. Gott. Gesdisch. 1894 S. 423^434), die rechte zveyse des Lcheiuechts mid
der Aufsalz von bdvysinge umme kn unde li/ftuhf, beide Traktate aus der
!. Hälfte des 15. Jahrh., dann das erbrechiliche Stück vom Mustheil,
die Sippzahlregeln und die Arbeiten des Merseburger Domherrn Dr.
Tammo v. Bocksdnrf (über die Ausgg. s. Stobbc Rqu. I S. 398, 38yf.,
II S. 149, vgl. auch Steffenhagen in Zschr. f. RG. IV 18Ü4 S. 194 — 199}.
Mit dem Ssp. in so fem in Zusanuuenhang. als sie üdn Recht mit dem rö-
mischen und dem kanonischen (^nach Art der Glosse) zu »konkordieren«
RscHi^BücuER Deittschlands DI MA.
93
siu-ht. steht die TliHtigkeit des geschraarklosoi VielsrhreilMTS Nirolaus
Worm z\i Ue|»Tiil7.- Er ist der HauptreprRscntant der scholaslist lieii Juris-
prudenz im mittelalterlichen Deutschland. Schüler des Joh. v. Liginano in
Bologna (wahrscheinlich schon vor 1377) hat er ausser verschiedenen Glossen-
werken, ausser Bearbeitungen des Rtchtstcigs Landr. und der für ein Gesetz
von K. Albreclit ausgegebenen Cormt. M-igurii. (ohen S. 85) — alles dies bis
1386, und ausser einem Stadtrc<:htsbucli (vj;l. unten S. 95) zwei weitschwei-
fige Werke über die Praxis des sächsischen und des fremden Rechts ver-
fasst: tfi hiumt von Magdeburg (um 1390, Ausg. v. H<^hlau 186H}, worin er
seine Lehren als Schöffenurteile hinstellt, und dt blume ubir der Sachsen sfiigef
und uhir ueichhiUih recht {\y:f}), einen Richtsteig, /u weichem sich die »Blume
von Älagdeburg« teilweise als Vorarbeit verhall (Pwben aus diesem iu der
GArlitzer Hs. 1280 Kolumnen gr. Fol. fassenden Buch bei Hr>meyer Richist.).
Die Tendenz der beiden Werke spricht sich in dem Satz des Verf. aus: der
hlumen stam ht her Ecke von Repkoic, die wuirtii aber sini Ugei da: st'nt kfi'
stmcht und eanones. Dem 15. Juhrh. gehört eine längere gegen die Ab-
irrungcu der Gerichtspraxis v<:»m Ssp. eifernde Sdirift an, die sog. Informath
tx spceuh Saxonum (Ausg. bei Homeyer DU in/, e. sp. S. in Berl. Akad.
Abh. 185O). In Livland wurde noch im 14. Jahrh. 03^5 — *374'^) ein Aus-
zug aus dem Ssp. mit Bestimmungen einheimischer Quellen kompiliert (sog.
livlAnd. Rechtsspiegel, nur liut'hdeutsch erhalten, AiLSg. von v. Bunge in
Aitiii'hnds Rethtsbücher 1879). Eine ähnliche Kompilation ist der sog. hol-
land. Ssp. (15, Jahrb., zuerst gedruckt 1472).
Gegenober diesem ganzen unter der Nachwirkung des Ssp. stehenden
Uteraturkrds sind es im sächsischen Slammland nur wenige und minder-
wertige, weil kompilatorische I-andrechtsbOcher, die in der Hauptsache ihre
licsonderen Wege gehen, obschon sie gelegentlich den Ssp. oder den Kichtsi.
Laiidr. benutzen, wie z. B. die für »Wissende« bestimmten Vcra-Rcchls-
bOeher (worüber Stobbc Rqtt. 1 S. 399 f., Lindner D. Veme S. 264 — 278),
samtliche erst na<^ 1437 verfasst Dagegen hat Esth- und Uviand einige
LchenrcchtsbOchcr aufzuweisen, welche in ihrer Grundlage ganz und gar
selbständig sind. Diese Gnuullage bildet eine Besthrcibung des angeblich
vom Danenkönig Waldemar II. um 121Q mit seinen deutschen Vassalleii iti
E$thland vereinbarten und 13 15 vnn Kßnig Erich VI. bestätigten Lehen-
rechts, das niederd. »Waldemar-Erich'sche Lehenrecht«, 1315 — ^1322
ist auf Gnmdlage des vorigen ein Reditsbuch für das Stift Oescl in 10 Kapp.
ausgearbeitet und von Bischof Hcrting bestiltigt, da.s nur hochdeutsch er-
haltene *ältC3tc livland. Ritter-Kecht'. Eine zweite hd. Redaktion des-
selben in 67 Artikeln und unter land rechtlichen Zuthaten Lst noch im 14.
Jahrh. verfasst (Ausgg. der genannten Rbb. bei v. Bunge a. a. O.). Aus
dem livlflnd. RSpiegel, dem »ältesten Ritterrecht' und dem Stück vom Musteil
(vgl. S. Q2) für das Err^tift Riga zusammengesetzt, ist das nd. ^mittlere
livland. Ritterrecht« (vor 1424), eine Überarbeitung des letztem das hd.
»systematische livlSnd. Ritterrecht^ (vor 1450.^ vgl. v. Bunge EinUi"
tutg I. d. iiv.-, tsth.- u. cHrl'ind. RGub. 184Q §§ 50, 51). Teilweise auf ver-
wandten Gebieten bewegte sich die originale Rechtsliteratur des mittel- und
rüederfrttnk. Gebiets. Einer ihrer frühesten Vertreter ist das bergische
Rechtsbuch (schlechte Ausg. v. Lacornblel Arch. f. d. Gesell, des Nieder-
rheins I 1832 S. 79 ff.) in 62 Artikehi aus der Zeit von 1355 — 97 (vgl. v.
Bclnw D. hndständ. Verfang, in jUlich «. Berg II 1886 S. I— 48). Von
einem viamischen Lchcnrcchtsbuch {14- Jahrh.?) gibt Homeyer DfS
Sq». ttv. 7%. I S. 104 f. Nachricht. Umfassender dem Inhalt nach ist ein
94 I^ Recht. A. DexkmAler.
Laudrccht der Freien von Brügge in Reimen {5.5 Kapp. 15, Jahrb.; — her.
V. Gilliodts v;in Sevcren Cout. ttu f'mnc de Brngex \ iH^g S. 455 — 502).
Aus Silddcutjchland ist miiidc^stcns ein durch Selbständigkeit und Eigenart höchst
wertvolles Ijindrechtsburh des .Spat-MA. zu nennen, der vor 1425 zu Graz
verfassle -Landlauf von Steier* (fünf verschiedene Formen, in der vollsten
Zr\2 Art. Ausj^. v. BIsrhoff Stdtrmärk. Lamir. des MA. 1875, vgl, darüber
Kr. Vjßchr, Will S. 140 — 14b). Vielleicht ist aber auch da.s Saarbrückcr
Landrcchl {angcbi. 1321) den Rbb. bcizuzShleu (vgl. Stobbe Rijm. 1 554).
An kleineren und zugleieh seJbstflndigeti Schriftpn land rechtlichen Inhalts ist
aus Süddeutschland nur die Aufzcicluiung des Ritters Ludwig v. Eyb d. Ä.
über das kaLserl. I-andgfrifht zu Nürnbet^ 14^x1 — 14{)0 (herausg. v. Vogel
1867) zu nennen, Reich dagegen an solchen kurzen und meist auf einen
speziellen Gegenstand bezüglichen Darstellungen in der Volk-smundart ist
Frieslaiid, wo einige noch in's 13. Jahrb. hinauf reichen mrigcn (Drucke
zerstreut in v. Richtliofens Sammlung; s. oben S. 83), wahrend nur eine
einzige umfängliche .Arbeit über fries. Rerht, die zwar friesisch geschriebene,
aber ganz und gar konipilalorische und stark romanislische Jun'spnulentia
Friska (so von ihrem Herausgeber M. Hettema l&J4r. genannt) aus dem
15. Jahrh. zu verzeichnen ist.
§ 15. Seit der 2. Hälfte des 13. Jahrlis. fand das Rechtsbücher-
wesen auch in den Städten Aufnahme. Diese literarische Bewegung
zeigt sich am lebhaftesten in dea Städten Magdeburgisrhen Rechts
(vgl. oben S. 80 f.), w<j sie mittelbar insofern an den Ssp. anknüpft, als dieser
in Magdeburg zur Herrschaft gelaugt war. Unter vorzugsweiser Benützung
Magdeburgischer Quellen, aber auch des Ssp. selbst gehen die Schriftsteller
dieses Gebietes darauf aus, über ein gemeines oder doch weit verbreitetes
Stadirecht zu belehren. Den .Anfang der so entstehenden Magdcburgischen
Familie von Stadtrcchtsbilcheni macht noch vor mk-*) eine Abhan<Jlung
über die Gerichte zu Magdeburg und die Ausbreitung des Magdeb.
Rechts (jetzt sog. »Rcchtsb. v. d. Gerirhtsverfa.ssung*), Es folgt das vcjmehmlich
auf Rechtsmitteilungen von Magdeburg nach Breslau (dem sog. *Magdehurg-
Brcslauer R.e) beruhende und in mehreren selbstJLudigen Rezensiunen über-
arbeitete »Magdeburger Schi'iffenrechtn. Jüngere Formen jener Abhand-
lung und dieses Schiiffenrechis wurden »ucli zu .Anfang des 14. jahrlis.
au.s3erlicli mit einander verbunden. An dieser Kompilation haftete der Name
»Weichbild«^ oder »Weichbildrechtr, der vorher auch dem Schöffenrecht
beigelegt worden war. Wahrend des 14. Jahrhs. wurde das Wcichbildrccht
fiberarbeitet und durch ZusAtzc en\'eiiiTt, in's Latein, und in slawische
Sprachen übersetzt. {Ausgg. ties Weiclib. R. und seiner Vorlaufer verzeichnet
bei Stobbc Rqit. I § 38, dazu Ma^hburger Ri-thfsqueUen lisg. v. La band
1869 imd D. säcftx. Wfiehhildr. »ach der Ht. v. t38i hsg. v. Q. Walther
1871). Um eine neue Gencrali{m kom])ilat<m.schcr Stadtrechtsbücher wurde
die sächsisch -magdeburgische Familie in der 2. Hälfte des 14. Jahrlis. ver-
mehrt Aus dem Magd eb.-B res 1. R. und jüngeren SchOffenb riefen sind die
Rechtssätze ausgezogen oder abgeleitet, welche den Inliatt der 5 Bücher des
zu Breslau zwlsdien 1350 und 1386 verfasslen >a\slcmalischen Schöffen-
rechts« (her. V. Laband 1863) bilden. Noch vor 1394 wurde das Bresl.
Syst Schöffenr. zu Kulm unter Benützung von Magdeburg- Kulm er Schöffen-
sprüchen und vom Schwabcnspicgel zum >Altcn Kulm* Oberarbeitet (Vul-
gata: /J. n/te kulm R. bsg. v. Leman 1838). Grösstenteils aus Magdeburger
Urteilen und Weislümera abgeleitet ist auch das »Glogauer Rcchtsbuchc
{13B6, in 643 Kapp. h.sg. v. Wasserachleben Samntlg. äeut. Rechüqu. 1860).
Da^^en trennt sich duRh plantu5ssiges Heranziehen des Ssp. und des Gos-
larer StadtrochtH von der Magdcb. Familie das in Meissrn vor 1587 verfasste
»Rechtsbueh nach Dtstinklioncn« (s" wegen der Einteilung der Kapitel
genannt!, welches nicht nur in Nord- und Mitteldeu Ischland, »indem auch
in Böhmen (czech. Oben*.) viel jjebraurhl wurde. Durch Kompilation dieses
umfangreichen Werkes mit anderen Materialien fertigte der Eisenachcr Sladl-
schreiber Job. Rothe (t M34) ^i^ ersten drei BOchcr zu einrro unvollen-
deten »Eisenachcr Reihlsbuch« (mil dem vorigen her. von Ortloff .S//«/m-
limg detäxch. RqN. I 1836). Das Re<-hLshurh nach Distinktioncu gelangte
frühzeitig In l'reussen zu Ansehen. Noch vor 1400 wurde es dort durch ein
vornehmlich aus dem glossierten Ssp. und dem Magdeb. Dicnstrcchl gi--
schOpftes »Lehenrecht in Distinktionen« ergänzt. (Aiisz. bei Homeyer/Arj
S^. tw. T. \ S. 367.) Die beiden Rechtstjücher wurden sudann mit dem
glossieTten Ssp., Magdeburger und Kulmisrhen Srln'ffensprüchen, dem alten
RuliQ und verschiedenen anderen Quellen und unter Opposition gegen die
-Ri^merci* 1400— 1402 von dem Thnmer Stadtschreiber Walthcr Eck-
hardi aus Bunztau zu den »IX Büchern Magdeburger Rechts« ver-
arbeitet. Eine durchgreifende Umarbeitung erfuhr dieüCä Werk gegen 1408
(die nach ihrem ersten Herausgeber benannten •Poelmann'srhen Distink-
tioncnv^ und eine zweite, .speziell für Preu-Vien berci^hnete und ronianLsierende
um 1444 durch Job. Lose wahrscheinlich zu K/'hnigsl>erg (Beschreibungen
dieser KompUatiunen bei Steffenhagen Deiii. R^ti. in Prcusscn 1875 S. 138
— 200). Überhaupt sind es recht eigentlich die preussischen Städte, welche
die magdcburgisch-sachsische Rechlsbftcherliteratur gegen Ende des 14. und
wahrend des i,^. Jalirhs. fortsclzen. Allerdings nur als einen vorübergehen-
den Versuch müssen wir da.s in einer einzigen Hs. erhaltene .Elbinger
Rcchtsbuchi betrachten, welches z»-ischen 1338 und 1470 (vor 1402?) auf
Gnindlagc des Swsp. mid unter ausgiebiger Benützung des Rcclilsb. nach
Dist und von Magdeburger QuHlen in (>" Kajip. kompiliert wurde (Steffen-
hagen a. a. O. 118 — 137). Dagegen in- und ausserhalb Preu-ssens gebraucht
sehen wir die >Magdeburger Fragen- (hsg. von Behrend iB6.t). ein
mit dem Material preussischer Quellensammlungen 1386 — 1402 ausgearbeitetes
»■stematisches Werk, welches in drei Büchern mit Einlcüimg der Kapitel in
Disttinktionen den gesamten Stoff in der Form von wirklichen oder fingierten
Antworten der Majjdeburger Schöffen auf vorausgeschickte Anfragen darstellt
Endlich aber sammelte sich während dtis i_^. Jahrhs. um den immer mehr
rar Herrschaft gelangenden »alten Kulm« eine erläuternde und ergänzende
Literatur, darmiter ein zu Danzig (1436 — 14.^4) verfasstes Rechtsbuch in 117
Kapp., die »landläufigen Kulmischen Rechte« (beschr. v. Steffen-
hagen a. a. O. 211 — 226, ein Text im s<»g. Dantig. Scktfffenburb hsg. v.
Ta;ppen 18788. lyff.). Nur durch seine gemeinrechdiche Tendenz uad
durch die sächsische Herkunft seiner deutsch -rechtlichen Bestandteile schliesst
sich den bisher besprochenen Stadtrechtsbflchem das I3t>«) beg(jnncne sog.
Lieenitzer Scadtrechtsbuch des S. 93 genannten Nie. Worm an, ein
im Übrigen ganz eigentümliches Werk, eine >junsprudentia Romano-Genuaiiica«
mit besonderer Berücksichligung des Suidtrechts in Form von Fragen und
Ant«-<)Ttcn zwis<:hcn Schüler und Lehrer {Auszüge bei Bochlau AVraf Qtmt.
S. h4— <)6, XLI).
Eine zweite Reihe von Stadtrech tsbüchem setzt sich aus solchen Werken
zu-sammen, die sich auf die Darstellung des in bestimmten einzelnen Stfldten
gellenden Rechts beschranken. Einq;c davon stehen der vorigen Klasse
nüch in»«»rcmc nahe, als unter ihren Materialien der Ssp. und andere sdch-
96 IX. Recht. A. DenkuAler.
sische Qurllen sich befinden. Am raewten ist das beim Berliner Schöffen-
buch (13g;, hsg. V. Fidicin in Hisl. dtpl. Beilr. I 1837) der Fall, sowie
bei dem von Herford aus dem 14. Jalirh. (hsg. in Wigands Arch. II 1827).
Aber auch das Prager Stadtrcchtsbwch (bei Rösslcr Detä. Rärnkm. I
1845) aus demselben Jahrh. (nach 1,^41), wclclies das sätlis. mit dem Iglauer
H. zu verschmelzen sucht, gehört hieher, und das grosse rechtpueth nach
Ofntr sia! reckten (441 Kapp.) in Kwei Teilen von zwei Verfassern (1405^13
und 1421) insofern, als es Magdeburger R. benutzt (Ausg. v. Michnay und
Lichner Oftt. Stadtrfxht 1H45). Eine kleine Gruppe von StadtrcchtsbQchem
Schöpft aus dem Swsp. Hicriu am weitesten geht die harhreihuttg der gt'
wonkeilcn der stat I''rankaiherg (bei Schminke Mott. Ilass. II 1748), welche
gegen 1493 der rechlsgtlthrte Strhüffe Juh. Emmerich zusammen gesleUt hat.
Neben lokalen Quellen, insbesondere dem stadtischen Gewohnheitsrecht den
Swsp. wenigstens benfltzt hat der Vursprecher Ruprecht für sein Frei-
singer Stadlrb. i,sj8 {der ursprüngl. Text iicrausgcg. V.L. Weslenrieder
Reehibjuk bäurisches des Ruprecht 7)an Freysing 1802, eine \'erkürzende Bear-
beitung aus dem 15. Jahrli. verbunden mit dem Landrecht der Swsp. lisg.
V. G. L. V. Maurer D. Siadi- u. Landrb. Rupr. i8jO). Dagegen erst nach-
träglich aus dem Swsp. interpoliert ist das Wiener Stadtrb. (her. v. H. M.
Scliustur 1873), vcrfasst 1278 — 1296 in systematischer Anlage, öfter über-
arbeitet, und wie eines der filteMcn so auch eines der wichtigsten Stadt-
rechtsbücher. Letzteres gilt auch von dem Sladlrb. v. Mühlhausen in
Thüringen (bei Sieffan Neue Stofiief. I 1846), das jedenf;dls noch in's 13.
Jahrh. leu setzen ist (angeblich 1251^—34). Übrigens bleiben solche ganz und
gar selbständige Stadtrechtsaufzeichnungen Seltenheiten. Unter den späteren
ragt durch Originalität wie durch Umfang das unvollendete Rb. der hollän-
dischen Stadt Briel hervor (fünf »Traktate« in ausführliche Kapi>. einge-
teilt), welches um 1404 der Stadtkli;rk Meister Jan Malhijssen (t vor 1423)
vcrfa.*ist hat (Ausg. Fruin und Pols Jlel rffhish{K-i van den Briel in Werken
[oben S. 81] I R. Nr. i, 1880, vgl. Verslngen en mededeelingen 1885 S. 419
—427). Auch der Frankfurter Raculus jndiäi (bei Thomas /3, Oberhof zu
Frankf. 1841 S. 222— 2,54) aus dem 15. Jahrh. darf hier nicht übergangen werden.
Noch seltener und erklärlicher Welse viel später als die letztgcdacliten
Stadtrechtsschriften sind PrivTi tauf Zeichnungen des Rechts von persönlichen
Verbanden (§ 12). Die lehrreichsten fallen ganz an 's Ende unserer Pe-
riode: das kleine Rechtsbuch der Wiener M flnzerhausgenosscn
c. 1450 (in Gesrhichtsqii, der St. Wien Abt. 1 Nr. 148) und der von seinem
Herausgeber (Koppmann 1875) sog. -Leitfaden für die Älterlcute
des rleut, Kaufmanns zu Brügge», von einem Klerk des Kontors i.
J, 1500 geschrieben.
§ lO. Bei der gewaltig anwachsenden Menge des geschriel>enen Rechts
stellte sich im SpStMA. das Bedürfnis nach geordneten Sammlungen der
für die Praxis verwertbaren Schriftwerke heraus. Und nun wiederholt sich
der Vorgang, der sich schon in der Frühzeit der Denkmaler ereignet halte
(vgl. oben S. 70): die Sammler nehmen mehr ixler weniger eingreifende LTm-
gestaltungen mit den gesammelten Texten vor, sodass die Sammlung sich der
Kompilation naliert, zwischen Sammlung und Rechtsbuch Übergitnge statt-
finden. Zuweilen treten dann auch Sf>lche Sammlungen unter individuellen
Titeln auf, welche sie sich selbst oder welche ihnen die Benutzer gegeben
haben, wie z. B. das Vefm Jus Frisicum gegen Schluss des 13. Jahrhs. (gröss-
tenteils gedr. bei Richthofcn Uniers. I S. 33 — 63, vgl. cl>enda S. 26flg.
Ö3 — 74). Gesammelt wurden auch Gerichtsurteile und zwar nicht nur von
Sammlitngek. Andere Pkivatarbeitex in Deutschu
97
W
den urtfitentJen Gerirhtfin, sondern auch (als Präjudizien) von den das Recht
bei einem Oberhof holenden. Diese Sammlungen {/t6n seHUa/iarum) wurden
dann bearbeitet, teils dadureh, dass man sie sysiematisrli unter bestimmter
Rubriken ordnete, teils, indem man sie exzerpierte, der urkundlichen Form
entkleidete. Sammlungen dieses Inhaltes waren namentlich in den Torhtcr-
stfldten des Magdeb. R. beliebt, wo sie SladtrechtÄbOrher wie das system.
Schöffenr. und die Magdeb. Fragen {oben S. 04) ^-orbercitctcn. Als da."*
ahcste Prajudicienbuchf welches unter Verweisung auf die Originalbriefe Mag-
dcburger Sehöffensprtlche ni>ch in chronologischer Reihenfolge, jedoch zu
Anfang schon al«gckürzt vereinigt, mag das 1334 angefangene zu Stendal
hen-orgehoben werden (mit Kommentar hsg. v. Behrend 1868). Aus.serhalb
des I^Iagdeburgiächen Rechtskreises bietet die ahc^tc Sammlung von Iglauer
SchöffensprOchen (vor 1360) ein Beispiel dar für die Bearbeitung des Urteils-
buches eines Uberhofs (bei Toniascliek D. Obtrh. Ighn iSWiS Nr. 1 — 21g),
in anderer Weise tlas unter dem Einfluss der kanonis tischen Summen literatur
Seine Rubriken alphabetisch ordnende und dem einheimischen Material eine
Menge von fremdrechtlichem beimischende Schöffenbuch {MuniptUus vtl dirrc"
torinm JNrü cirt/ir) von Brunn aus d. J. i}$i (bei ROssler Diuf. Rdettkm.
II i8<i2). Mehrfache Umgestaltungen hat das letztere noch im 14, und 15.
Jalirh. erfahren.
Weniger fürs Erkunden des deuisclien Rechts, als fQr die Rezeptionsge-
schichtc des fremden belangreich sind die Glossen, welche seit dem 14.
Jahrh. hauptsächlich in NorddeuLschland zu viel benutzten Rechtsbüchem
und Sammlungen geschrieben worden sind. Ihre Vorbilder sahen die Ver-
fasser in den Glossenwerken der italienischen Jurisprudenz, und das römische
«xler Kaiscrrerht und das papstliche Recht vor anderen verwerten die meisten
zur F.rlautcnmg der deutscht'n Texte. Dabei aber geht ihre Absicht Anfangs
nicht nur auf ErkUirung des einheimischen Rechts, sondern auch auf Siche-
rung desselben durch den Nachweis seiner Übereinstimmung mit den leges
und canones. später auf Verschmelzung des einheimischen mit dem fremden
Recht Die Sprache der alteren Glossen ist die ilcutsclie; lateinische Glossen
treten erst im 15. Jahrb. auf. Die Hauptgnippc unter allen Glossen ist die-
jenige, welche sich seit Job. v. Buch (oben S. i)2) um den Ssp. gebildet hat
Eine zweite bezieht sich auf das Weichbild, danmter eine Glosse, welche das
fremde Recht unberOrksi^^hiigt lä.sst. Andere Quellen, denen nctch im Mittel-
alter eine Glosse zu Teil wurde, ^nd die Consl. M'<guiit. von \~},% eine
frie-t Rcchbyiammlung unter dem Xamen des westerlauwerschen I^ndnKJibi,
da.« Hamburger Stadtrechl von 1407.
Mehr noch als die Glossen verharren in dienender Rolle gegenüber den
Rechisschriftcn. worauf sie sich bejtiehen, die Repertorien (Schlüssel, Rc-
miMOrieu. Register, Abccedarien), welche die systematisch zusammengehcirigen
SftUe bald einer bakl mehrerer Quellen (Rechtsbßcher und Gli^ssenl unter
:tIphabeti.S4.:h angeordneten Rubriken vereinigeiL
In geradem Gegensatz zu den Sammlungen, Glossen und Repertorien niclit
nor, scmdem auch zu den Rechtsbüchem entwickelte sich in den beiden
letzten Jahrhunderten des Mittelalters aus Anlass der staaLskirchenrechtlichcn
Kampfe eine Literatur, die ihre Ausgangspunkte nicht sowohl im gegebenen
Rwhte als in thcolivgischeu und pliilosnphischen Lehren suchte, mittelst einer
Oberwiegend spekulativen Methode ein staatskirchcnrechdiches System zu poh-
tisrhen Zwecken zu konstruieren strebte, sicli zunächst an gelehrte Leser-
kreise wandte, daher auch der tatetnisehen Sprache sich bediente. Der Cha-
rakter «iieser publizistischen Literatur bringt es mit sich, dass selbst die
Gcnnanlsclie Pbtlolo^r 111. 2. Aufl. 7
IX. Recht. A. DenkmXlrr.
von Deutschen oder in Deutschland verfassten Schriften ihrer Richtung —
angefangen bei Jordanus v. Osnabrück (c. 1280) bis hin zu Peter v. Audio
(t nach i.;75) ;tU Denkmnicr deutschen Rechts nur ein untergeordncte-s
Interesse beansprudien können, wie huch man aucli ihr Eingreifen in die
wissenscliaftürhe. politLsrhe und kirchliche Bewegung jenes Zeilalters veran-
schlagen mag.
§ ly. Die Achtbarkeit, ja Bewundeningswürdigkeit mancher literarischen
Leistungen der RpchlsbOcherpcrinde darf uns nicht über die Wahrheit hin-
wegtäuschen, das», soweit es auf die Kraft des iialiunalen Reclitslubens an-
kommt, wir es mit einer Periode des Verfalles zu thun hat>cn. Das Be-
dürfnis nach einer so betleulenden Literatur isi ein verlä-ssiges Zeichen dafür,
dass das Recht im Begriff war, dem Ged.1chtnis der Massen zu entschwinden.
Die Arbeitsteilung war eben so weit gediehen, dass die Kunde des Rechts
sich in engere Kreise zuriickzichcn musste, die zu seiner Anwendung Beru-
fenen eines popuUlren Unterriclits bedurften. Eben darum tritt auch die
Idee des VolksrechLs zui-ück: das Recht wird (selbst schon bei Eyke, vgl
oben S. 90) als Erfindung und Lehre bestimmter Individuen aufgefasst. Die
letzte Folge des so gekennzeichneten Zustandes war der Ersatz des Volks-
gerichts durch das gclelirte Gericht und unter der Gunst der |KiUlischen Ver-
hältnisse und der gelehrten Legende jene F.ntnaiionnlisierung des Rechts in
Deutschland, die in der »Rezeption» des -Kaiserrechls« oder der »Leges-^,
d. h. des römischen Corpus juris als eines Gesetzbuchs gipfelte. Nur frühere
Stufen dieses Herabsteigens imsers Rechts aber sind bezeichnet durch die
voraufgehenden partikularen Rczc]>tionen deutscher Rechtsbücher
und Sammlungen. Erfreute sich einmal ein derartiges Werk in seiner Hei-
mat eines gcwi.«isen Ansehens, so griff m-tn nach ilmi auch in Landern, auf
deren Bedürfnisse es gar nicht berethnel war. NicJit um das in §;S 14^16
erwähnte F'irtwiiken ültercr Werke durch Vermittlung jüngerer handelt es
sich hier, sondern um den unmittelbaren Gebrauch der ernteren in der Praxis.
Zeugnisse dafür sind die Übersetzungen, welche von den vornehmsten
Rechtsbüchcm in al!c Hauptmundarten Deutschlands, ja sogar in fremde
Sprachen (für Deutsche in ausserdeutschen Landern) veranstaltet wurden.
Vgl. oben S. QO. qi, c^.v Nicht minder charakteristisch für die Unsicherheit
des Rechtsgcfühls im SpStmittetalter sind diejenigen Arbeiten, welche den
Ssp. und den Swsp, nicht snwnhl kompilieren als parallelisieren (Lüne-
burg. Hs.). Von hier aus begreift sich aber, wie jene durch und durch sub-
jektive, in Kompilationen der verschiwlen artigsten Quellen experimentierende
Schrifistetlerei auf Beifall redmen durfte, von der uns in §§ 14 — lö so manche
Probe begegnet ist.
Dass die ganze hier gekennzeichnete literarische Richtung auf ein unbe-
V.-USSICS VerfaJsclien des Oberkumineuen Reclits hinauslaufen nmssle, braucht
hier nur angedeutet zu werden. Bei der Schonungslosigkeit des Mittelalters
gegen 5>chrifltextc und bei seiner Armut an Hilfsmitteln der Kritik erneuerte
Rieh aber immer wieder auch die Versuchung zum bewussten Fälschen,
und zwar zunächst der Überlieferung«: form. .Spatere Beispiele dafür sind uns
schon S, 03, 95 in der »Blume von Magdeburg« und den »Magdeburger
Fragen« begegnet. Ein Tiltcres und berühmteres ist die Cüns/i/u/w de e.xpe-
ditionc Romaiiay [n ihrem Kern ein Auf.saEz über die Reidisheerfahrt aiLs der
1. Hälfte des 11. Jahrb., dem in der Zeit Konig Friedriciis l. ein Überarbeitet
die Form eines Gesetzes Karls des Grossen gegeben hat [vgl. Fickcr in den
Wiener Sitzungsber. LXXIH S. 173— J20, Scheffer-Botrhorst in ZORh.
188Ö S. 173 — 191). Indesa schon langst waren und fortwahrend wmden diese
Rezeptioxek. Fälschungen.
99
formellen Fälschungen ilberbnten an Massenhaftij^keit wie an Dreisti};kett
durch jene andern, welche den Inhalt zugleich und die Furm betrafen. Sind
sie auch niclit Deiiknialcr gewonlcnen RetHits, üo siiul sie doch als Denk-
mäler des werdenden so wicbtijf, dass seihst ein Grundriss der mittelalter-
lichen Qucllcngcschichtc sie nidit übergehen darf. GefäL'whte Privilegien zwar
mfbism sich si hon die voraiifgehcnden Jahrhunderte inrwerfcn lassen, und zu
<ler ungezählten Menge ilirer Nachfnlger während des Mittelalters steuert
nicht nur Deutschland, sondern auch England ein gut Teil bei. Was aber
im Gegensatz zur angelsilchsisrhpn der kuntinenlal-deutechen Denkm.1leTge-
ac'hichte eigentümlich, (.las sind die Fiktionen von Grundgesetzen ganzer Terri-
torien und die gefälschten Hof- und Stidt rechte. AU Vertreter der ersten
Gru|Jt>e ni^igeii die atigebliclicn Privilegien KarU des Grcwsen, \ViUiehu.s von
Holland und Rudolfe von Habsburg für Friesland angeführt werden (vgl.
V. Richthofen Vnien. IIS. 145—5^8), wndunh die Landeshoheit verdrangt.
lind die um i.w» von Herzug Rudolf IV. gefälschten <)sterreichiwhen Frei-
heitsbriefe» tibenan da.s .sogwi. priv. majus, wodurch die Landeshoheit vollcn-
<Jct werden »ullte, — als Vertreter der zweiten Gruppe das unechte Gitrzer
Hofrechl von 7*15 (ij. JaUrli.? vgl. Saucrland D. Immun, r. Mftz S.80flg..
105 flg. mit BeiL X) und die gefälschten Keclilsbriefe v.>n Wiener Neustadt
(Ausg. und Krit. v. Winter itn Anh. f. östeiT. Gesch. LX S. 73 — ^9^)» Iglau
und Prag (Ober beide Lorenz Deuis£b. Gesrh. I S. 355—357).
3. NOlUKiERMAZfUiCHE »CHKIFTWEXKE.
LttTDitur: K. Maurer, Vdii^t nti-r- Jr mni/g^t m. RflsiilJ^rs Ifiiturii- 18^8
(wo auch Aiigaltp ilcr V'orarlmten ; da/u icui:) K. Maurer, üfi^rblkk ri. d.
(kjch. d*r nordgfrm. RQudUn (in v. Hollrcndorifs Encj-klopädic I 5. Aufl. 188^),
E. HcrtxberR. /V nontnk^ R^iikiifU*- (in N'crJ. Rcuencjidop»dic I i8go) §§ 5
— 44, 4») — 59: — C Roscnhcrg, Xcräbn^rnfs Aanitstn- II 1880 S. &"— 94.
155 — 174; ^- y. Hftsse. D. Sihlfs^iger Sfniilr. t88o {mii den Kritiken von
Secber in HUt. Tidsskr. Kjobcnh, 1881 S. 190 — »I9 und Jürj;<^nscn in Aar*
b0g<T f. nnrd. Oldk. 1880 S. 1—40), Ha»««, D. Qur//^n Jfs fitfirnrr Sladtr.
(mit itrn Kritiken v, Srclirr in Hi<t. Tiikskr. 1883 S. 480 — 496 udiI M. PappcD-
heim in Kr. Vj*dir. XXVI 1884 S. 578 — 585, vgl. nucJi Frensibirff in d.
Hah*. (Jtwchlil. tSSj .S. 8q — IIO); Pappenllpiiii. A nthlnn. S,h%iU^iUrn 1885
S. 141 — 188; K. Maurer in MUiicb, Sit/gslier. 1887 S. jOj^ — jgq; L. Holl>er(;.
f.*gei Waldtimtri re^is 188(1; Den., IkiHsi Rigilm'gh'ning 1889 (dazu Pappen-
beim in Krit. Vjacht, XXXII S. 33 — 8l): Ders., Dantk og frrmmrd Ret 1891
<da2U E, Hcr/berj; in TRv. 1893 S. 495 — 504): KJer, t'ald^mars sjatlandsk»-
Lav 1890 (dazu Stöchcl in U{;cskrift Tor R<.'HV3£»cn [892 S, 48t — 93, Sccber
in TRr. 1892 S. 38')~9t>): Kjcr in Aartitiger for nonl. üldkyadigh. 1891
S. 124 — 46 (daiu Sccher a. il O. 397 f.): Matzen, Damkf kangrri HaijHdfa\i'
ningfr i88g: — V. J.ai:h\yt ct. /und. .4/^^jnd/in^r l 18368.55 — 113,11 i87<i
S. 122 — 191. Lcfflcrin ViUcrhels . . . Akad, MAnadfibL 1879 S. lOO — 140. der*.
Oh* 1607 äri npplaga af Uplanttslngcn (in U(». Univ. Ar»»kr.) 1880, Schlytcr.
O"* en fSrfgifint . . .redttklian af SädfrmitNiMlafrrn \\n .\cta l'niv. Lund. XVII
1880 — 81). Lind, 0>n rtm dA T^rs/rrnnjugirr 1 nrmka tandskafslagarnf (in
Ups. Cniv. Arwkr.) 1881 ; H, Hjürne, Om farhullamiel melliin /ands/agms
bada rrdakltattfr (Upit. Un. Ats-skr. 1884); K. H. KarUsttn, A'.ldre l'ntm/in-
naiag tller DnlaUtg in Hinl. Tidskr. (Stickh.) 1889 S. 45—48; H. Schuck,
Hutrag tili ^riigan om DulfUigen in Ups. L'niv. Arukr. 189I: Bcaucbel in
Non*. Revue bbt. de droit 1890 S. 730 — 86, 189I S. 315 — ;;; — Vii;fu5SDD.
Prolegomeita § JJ (vw s, Ausg. dvr StuMunga Saga 1878): — Fr. Brandt.
ßorrittJMingrr I §§ 1 — 12 (tluclbst Lit. der nopK'. Quell eti-Geach. bb 18S0), E.
Stevcrs TOT »einer Ausg. der • TÜd. ßnuhitüitr' 1886: v. Amlra i. d. ijftll.
gtX. A. 1886 S. 541 — 555 und in (ierm. XXXII S. 130—164; K. Maurer t.
Münch. Sil/u. Ber. I88ö S. 317—358 u. i. Hisi, Tidsskr. (Krüt.) 1887 S. 3—55;
Pappenhein), Ein athu^rvfg. Schultgtldfiialul 1888: ü. Storni in TRv. 1890
S. 415 — 45: — finsen vor seinen A[]s^t>en der Ürdgds: 1879 (wnjni K.
Maurer in Genn. XXV S. 23^ — 240) und 1885; K. Maurtr in Fratg. d.
Mttnch. Jur. Fak. 188; S, 119— I4q; Finscn, Om ärn nprinäeligr OrJning af
nogU af den isl. Frütati. Inslitutionrr (in Vidensk. Sdiik. 5tkr. Kji>henli. 1888, dazu
V. Am{r& in Gfltt. gel. A. 1889 S. J49— 159 u. K. Mauri?r in Kr. Vjschr.
1890 S. 332—356), K. Maurer i. Arkiv f. nard, til. V S. 98 — 108.
S 18. Nicht vor dem ü. Jahrh., alsn nur um ein Weniges vor der vom
Ssp. eingeleiteten deutschen Kerhtsbücheqieriode, beginnen die Rechtsdenk-
infller ült Nordgennaiicn oder SkandinHvcn. Sic beginnen, was Beach-
tung verdient, erst nH<*h KinfOhrung des Christentums im Nnrtlen, obgleich
das skand. S<.:hriftwe<ien in Gestalt der Runenschrift st"hon um viele Jahr-
hunderte früher in verhSltnlsmilssig lebhaftem CM^brauch stand. So langsam
war die skand. Rechtsentwicklung verlaufen. Ercigniskelten von so grund-
stürzenden Folgen wie die südgemi. »Völkerwanderung« kennt die skand.
Gcschifhte nicht, und nachhaltig ersrhöttert wurden staatliche und religiöse
Verhaltnisse in den nordischen Stitinmlandcm er^l seit dem l>. Jalirh. und
aurh dann hauptsSchHrh nur in Norwegen. Fremde Ci^ilisationen hatten
skand. Leute zwar viel frflher, doch immer nur im Auslände kennen gelernt
Auch von den seit dem q, Jalirh. gegründeten skand. Ansiedlungcn in der
Fremde, soweit sie im gegen wilrtigen Zusammen Iiang in neirachi kommen,
sind nur die danischen auf eine fertige und zum Teil übermächtige Kultur
gestos.sen, wahrend die nonn-egischen einen jungfrflulichen Boden vorfanden.
Unter der Gunst dieser Umstünde kimnten um's J. 1000 die nordgerman.
Rechte von ihren ursprüngliithen Zustanden n;elir bcwaiircn als die meisten.
(und uns bestbekannien) südgernianischen um ,5cxi. Die Veränderungen aber,
welche im öffentlichen I-eben des Nordens wahrend des FrQhMA. eiiilraten,
Hessen doch die entscheidende Teilnahme des Volkes, insbesondere der Bauer-
schaft an der Rechts>)ildung im wesentlichen unan gegriffen. Daher gingen
auch jetzt noch die Rechtsverrindemngen bei den Skandinaven durchaus volks-
tümlich und sacht vor sich. Immer noch herrschte ein Widerwille gegen
gesetzgeberische Neuerungen, der nirgends zu schlagenderem Ausdruck kommt
als gerade In dem klassischen Land nortlischer Gesclzgebunjiskuns.t, auf Is-
land, wo man bis ins 13. Jahrii. daran festhielt, ein »Neugesetz- [nym^ele)
mOsse jeden dritten Sommer \nm Gesetxsprerher (vgl. unten) vorgetragen
werden, um seine Kraft zu behalteiu Jenen altgemeinen Charakterzügen der
skand. Recbt-sbildung nun entsjiricht nach Form wHe nach Inhalt der Cha-
rakter der skand. Rechtsaufzeichnungen. Von Anfang an herrscht
in iluien nicht die lateinische, sondern die Volkssprache vor, und zwar nicht
nur hinsichtlich der Mundart, sondern auch in Bezug auf den .Stil, der dem
des deutschen Baucniwcistuuis in den S. 78 f. hcrvurgehobeneii Eigenschafte»
gleichkommt, wahrend er ihn an Deutlichkeit des .\usdrurkB weit hinter sich
lasst und so zugleich von der langen Übung des Volkes in Recbisdingen
Zeugnis ablegt Ferner: unter den skand. Rcchtsdenkmalem des FrühMA-
überwiegt nicht, wie bei den Südgermanen noch in dieser Zeit, das Gesetz,
sondern die Privatarbeit. Und unter den Gesetzen nehmen wiederum diejeni-
gen den breiteren Raum ein, welche sich mit der t.'irdnung der neuhegrUndeten
kirchlichen Verhältnisse beschäftigen. Die wichtigsten Privatarbeiten mrtgai
wir im Anschluss an ihren eigenen Sprachgebrauch * Rechtsbücher« nennen.
Aber mit den deutschen Werken gleirben Namens — und nur die besseren
unter diesen eignen sich zum Vergleich — zeigen doch nur die dänischen
eine gewisse Ähnlichkeit. Die schwedischen und westnordischen dagegen
unterscheiden sich von jenen ganz wesentlich in Bezug sowohl auf die Her-
kunft ihres Stoffes wie auf Zweck und Anlage. In ihnen nämlich erkennen
wir den sclmfdic-hen NicdewchUg einer uralten imd amtlich gepflegten und
grliüteten mündlichen Cberliefemng, jenes grosaen Weistunis über das ge-
samte Landrecht, welches in periodiscKcin Vortrag {sw. laghsaga^ wn. i^igsa^
oder l^giiiia) vor der Land es Versammlung der einzelnen schwctlischen und
westnurd. Rechts vcrba ade (»Länder' ) erteilt wurde. Dus Abhalten cJlescü
Voftragcs war neben ju dinierenden oder doch konsultativen und bestimmten
adniinistratlN'en Funktionen Aufgabe des eigens dazu angestellten >RechtA-
mannes* (sw. laghmaptr. non*'. i^gmaär) oder »Rechtsprc*.'herb« (isl. l^f^^gumaär,
lat. Iff^ifer). Wird herkömmlicher Weise der Amistiiel durch »Geselzsprcfher«
verdeutscht, m> kann dies damit gerecht fertigt werden, dass dem Vortrag durch
wklerspruch loses Anhören die gesetzgehende Versammlung gese.tzliche Kraft
verlieh (i^L /yih nfifisp^u). Zur Zeit der .llteren RechtsbücUer wurde der
Gesetzsprecher auch von der gesetzgebenden Versammlung gewählt, nur dass
diese in Norwcycn und auf Island nicht mehr wie in Sehweiten eine Lands-
gemeindc aller Bauern, sondeni eine unter sehr wcsenüicher Tcilnaiime des
K/^nigtums berufene Volksvertretung be/.w. eine Versammlung der Häuptlinge
war (vgl. §§46. 52). Ursprünglich apliori.'^tisch gehalten und aus kurzen me-
trit«clien Stücken (sw, flokkar\ bestehend wurde der Vortnig mittelst prosai-
scher Erweiterung und planmas.siger Anordnung der letzteren ausgebildet und
derart ausges[M>nnen, dass er auf eine Mehrzahl von Tagen, ja Vcrsamm-
Umgsperioden abschnittweise verteilt werden musste. Je umfüngliriiere Auf-
gaben aber die gesteigerte Technik sich steUtc, dcstu näher lag es, ihre
RrrungerLschafien schrifdicli festzuhatten, sei es um die Vorbereitung des
freien Vortrags zu erleiclilem, sei es um diesen durch das Vorlesen zu er-
setzen. Äijche Nieiterscbriften nun bilden den Kern, ja die Hauptbestflnde
d« ÄchwcilLschen und westnordütdien Rei-htsbücher. Darum dürfen diese
auch nicht «ie die deutschen (vgl. S, q8) als Symptome eines Niederganges
im Rerhlslcbcu aufgcfasst werden. Sie bezeichnen \ielmehr den Höhepunkt
'•tncr Entwicklung, auf dem ein sit vollständiges Ebenmass des gegenseitigen
Eitiflusses zwischen Jurisjjrudenz und Vulksbcwusstsuin, eine so vuUsiaiidigü
Cbcreinstimmung beider erreicht Ist, wie sie ihres Gleichen in der Weltrechts-
geschichte nicht finden. Vermittelnd zwischen einer ungeschriebenen und der
geschriebenen Literatur und hiedurch ebenso wie chronologisch sich in die
vfirdemte Reihe der liierargcschichtlichen Denkmaler steJIcnd teilen diese
Re< htsbü<-hcr alle stilrslisclien Eigen sei laften der lagbsagit: die Genauigkeit
und Ausführlichkeit der Stoffbehandlung, die Gliederung des Stoffes in »Hau-
fen« {btelkir, balkar) oder in »Schnüre [ptitttr) und die&er, nun mit eigenen
Cbcrschriften vcrschcncu, Abteilungen in >Schwannc« {ßokJear), von späteren
Abschreiben! «Kapitel' genannt, t-mtlich das Ap<istrr)phieren von ZuhÖreni,
insbesonilere die feierliihen Eingange unil Schlussformeln der Hauptabschnitte.
Der Vortrag der Gcsetz-sprccher lebte aber nicht bli»ss in den Rct:btsbücheni,
«oodem auch in den Kodifikationen des Landrechts fürt, welche in Schweden,
Norwegen und auf Island von den gcset^cbenden Gewalten ausgegangen
sind, indem man entweder ein bereits abgeschlossenes Rechtsbuch oder meh-
rere der K'Hlifikaüou zu Grund legte oder aber unmittelbar den RechLsvor-
trag gesetzlich redigierte. Dergestalt bleibt der Zusammenhang selbst des
spatniittela her liehen Reciits mit dem der frühesten geschieh tue heu Zeiten auch
fonnell aufs beste erhalten. Bewahrheitet sich dies vor Allem auf dem Ge-
biet des Landrechtes, so tritt doch in Schweden und Norwegen auch das
Sladtrecht trotz seiner zahlreichen NeuschOpfungcn und trotz seiner häufigen
ileihen in Deutschland imd England nicht völlig aus de*m Verband jener
Ubcrlideningen heraus. Eiiifaclie und grosse Zt^;e sind es dcimiach.
I02
IX. Rbcrt. A. DenkuAi^k.
welche die schwccl. und westnord. Quellcngeschichte in ihrer zeitlichen
Gliederung vor der südgcrnianiscben voraus hat. Die j?leiihe En>c-lieiriung
nehmen wir wahr, wenn wir auf die rJlumlic-he Gliederung jiehen. Wülircnd
die deutsche Qiiellengesrhiclile des MA. im Vemelfaliigen statt im Vervoll-
ständigen der Denkmülcr sich erschöpft, schlagt die schwedische und west-
nordische die vimgekehrte KichtLing ein. Die anfangliih hier bestehende
Fartikularisicrung des Rechts und seiner schriftlichen Quellen macht im 13.
und i-|. Jalirli. einer Konzentration Platz, deren vornehmster Au-idruck die
iüjg. ^gemeinen' Land- und Stadtrerhte sind. Die nämlifhe pnlitische Ent-
wicklung, welfhc diesen Wandel mit sich bringt, weist dabei die Haupt-
Ihatigkeit der StüütsgeÄetzgehung zu, wahrend die RechKbÜcherperiode langst
abgeschlossen isU Dänemark, das wie geographisdi und durch seine in-
neren Zustünde zwischen den andern skand. L^lndcm und Deutschland ver-
niiliell. nimmt eine anak>gr Miiifkti^lUing ein, wenn es sich um Klassinkation
der RcchlsaufzeicbnungeJi handelt. Wülirend unter den iüteslen däu. Quellen
im Gegensalz zu den deutschen nicht bloss der Frühzeit, sondern sogar des
nämHcbcn Jahrhunderts die Reclitsbüiher das Übergewicht behaupten, fehlt
diesen Rechtsböchem doch wieder ira Gegensalz zu den sdiwed. und wnord.
der Zusammenhang mit einer organisierten mündlichen Üherliefenmg. Femer
hat Dilneinark seilte ReLbtsqueüen nicht mir viel mehr parlikularisiert als
die andern skand. iJlnder die ihrigen, surideni es hat diese Parti kularisierung
walircnd des MA. auch nicht durch eine gemeinrechtliche Kodifikation za
Überwinden vermocht, ein Umstand, welc]ier die Forldauer \'ieler altertüm-
licher Zage im Recht spater Quellenperioden begönstigte, aber auch die
partikularen Rechisgebiete (Liindschaften, Stildie) zu gegenseitigen Rezeptionen
ihrer Recbtsaufzeichnuiigcn wie in Di-ul-schland vcraiihisstc. — In ^^ ig — 26
folgt nun eine Übersicht der einzchieii DcnkuiJller und Denkmalergnjpp<!n
in den skand. Ländern, Spezifisch skand. Quellen Hegen nur aus Danemark,
Schweden mit Gotland, aus Norwegen und Island vor. Wir ordnen dieselben
nach -Stammesgebieten, <lentni im Ganzen auch die pf»liti.schcn Hauptgebiele
ents]>re«.lien, und stellen die nstnord, Gruppe voran.
Jj H). Während in Deutschland der Saclisenspiegel noch das einzige
Kechtsbiich ist, hat es Dänemark gleich zu vier Rechtsböchern ge-
braclil, die jenern weder unter dem quantitativen noch unter dem qualitativen
Gesichtspunkt nachstehen. IMe fliesten Rei'htshücher steJIen das Recht der
Landsihaft Schonen i. w. S., einschliesslich Hailands, dar. welche nicht nur
kirchlich und bis ins 14. Jalirh. auch im unterbrochen staatlich zu Dfincmark
gehiirtc, sondern axich eine rein d;inisrhe Bev<'Jlkerung hatte. Ein dän. Text^
iSttfflr/ffpr« in der Schi vtcr'sclien, Siih/site Lov \i\ der Tht)rsen 'sehen Ausg.
betitelt und in der Haupths. 225 Kapitel umfassend', ist zwischen 1205 und
\i\2 auf Grundlage eines alleren, jetzt vedoreiien Rechlsbuches aus der 2.
Hälfte des 1 2. Jahrhs. und unter Benützung anderer ebenfalls verlorener
Quellen hergestellt. Die nlmliclien Vorlagen nebst andern Matc-riaUen ver-
arbeitet paraphrasierend, kommentierend, motlncrend ein latein. Text —
Uhr Ifjiis Scnniat (von den neueren Herausgebern Juris Scanin t.xposiliv
oder Le.v Scam'ae fttar-indalis genannt) in i^ cupp., welchen zwischen laoö-
und 1215 der gelehrte und wellerfahrene Erzbischnf .Andreas Suncsson
von Lund verfasst hat (eine Lebensbeschreibung dieses merkwürdigen Manues
V. V. E. Müller [1830] in Kold. Roscnvinge's SamUng a/ gamle damke
* Zm linunnuiiik; Machnli*: Dir lautluht-n Vtrhältninf «. d. verbale FUxhn des
tchott. Lanä' u. Kir.Ht^nrtihti 1885,
L/nn I 1846). Die beiden Rcchtsbüdicr Hegen in verschiedenen Redaktionen
viir, von denen die jftng<Ten tl<*ii Stfiff in Bürlicr dnicilen. L'biTdics grhcn die
dan. Texte in Bt'zu^ auf Vi>Usiandigkeit auseinander. Rezipiert wurde Skänel.
auf Bomholm und in Bleking, obgleich die Bewohner der letzteren Landschaft
Mnälandischen Stammes waren. Die .illein veriassige krit Ausgabe der schon.
Rectitsbüchcr verdanken wir C. J. S c h I y t c r im CJSG. IX 1 8y>. Wie
Schonen, so ist auch Seeland durch zwei Rethisbücher vertreten. Beide
sind jcUuch in däii. Sprache geschrieben tind in der überlieferten Gestalt
jünger als Skänel., aber vor 1241 vcrfas.st. Das altere, hsrl. uii<] vielleicht
ursprünglich SiataHifarie logh^ in der Literatur aber nacli Angaben jün^rcr
Hs*. fälschlich Valdftnars ndhndskt Ijiv geheissen, schV>pft einen Teil seines
Stoffes aus Skänel. (Ausg. einer alteren Redaktion uluie BSchereinteilung
von Thorsen 185J, einer jOngeren Rc«iaktion mit Einteilung in drei Bücher
X. Ancher Lovkist. I i;6o S. 5^7 — 5C>t*). Ein Auszug des Rechtsbuches,
für den Gebrauch in Schunen zugerichtet, Ist in .s[tatcn Hss. Überliefert und
unter dem Namen Änfhog (og OrhodtiHiit) geilnickl (:eu!etzt bei Thorsen
Skänske Lov 1853 S. .207 — 257)- Unabhängig vom vorigen und beinahe
doppelt so umfänglich ist das zweite Seeland. Rechtsbuch, in alteren Hss.
einfach Sia-ltmzk logh, in jüngeren Le.\ Eriri rrgis Überschrieben und darnach
in der Literatur faLschlich Eriks urUandske Lov genannt (hsg. in einer Red.
V. 147 Kapp, durch Thorsen 1K52, in einer Red. mit Einteilung in drei
Bücher durch Rosenvjnge a. a. O. II 1821). Eine Aiisgal>e der sedftnd.
Rechtsbücher, welche das gesamte hsrl. Material berücksichtigt, fehlt bis
heute. Was ausser den vier genannten noch sonst an Denkmälern a)tdani>
scher Rcchtsschriftstellerei vorhanden, steht in so engen Beziehungen zn
psetzgel)erist"hen Erzeugnissen, dass es im Anschluss an die letzteren ver-
^»eichnet werden nniss. Dagegen ist hier einer anderen Klasse von Privat-
aufzeichnungen in dem S. 5Ö angegebenen Sinne zu gedenken, die freilich
auch ganz im Gegensatz zu den Rechtsbüchem erst im SpStMA. als ciniger-
noassen ergiebige Quelle in Betracht kommt und dafür über das MA. hinaus
«eh fortsetzt, nämlich der WeistOmcr. Sie tragen meist die Form von
Gerichtsbriefen über Rechisbclehrungen, welche in knapper und nüchterner
Ausdrucks weise durch die Urteilfinder auf Anfragen aus der Gerichtsver-
sammlung erteJh sind (Beispiele aus dem 15. jalirh. in Rosenvinge's L'dvaig
af Gamle DattsJ^ Dommr I 1842, eines von 1384 in Äkistykker fii Opiysn. af
Daum, indrt Forhotä, Odense 1841 S. 08 flg.).
$ 20. Neben den Pnvalaufzeichnungen stehen in Dttnemark gleich von
Anfang an tief eingreifende, geschriebene Gesetze. Vor dem 13. Jahrh.
ist freilich ihre Zahl noch eine geringe, und über das 12. Jahrh. zurück cr-
falireii wir von dan. Gesetzen überhaupt nur aus den zum Teil mythischen
Erzählungen der Ge8chichtschre.il>cr. Die ältesten {besetze, tleren Texte uns
erhalten sind, gehören dem Partikularreiht an. Eine geschlos-sene Gruppe
imter ihnen bilden die Kirchenrerh te von Schonen und Seeland. Da«
schonisrhc, im 13. Jahrh. =dic skrna* genannt, ist von Erzbischof .-^skil
von Lund (1137 — 1178) mit seinen Diözcsanen (l J. 1162?) vereinbart und
im dan. Original, sowie in einer lat. Übersetzung bewahrt (krit. Ausg. v.
Schlyter a. a. O.). Das seeUlnd. Kirchengesetz wurtle nach dem Mu.ster
vorigen \*om Bisi-hi»f .\bsalon v. Roeskilde und den Bauern auf dem
thing zu Ringsted am 21. Juli 1171 beschlossen (Drucke des dan-
Textes bei Gr. J. Thnrkelin Sämling af Oauskt Kirkrloiv 1781 und hei
Thorsen Valdem. Sa-U, /-öp 1852). Die Weiterbildung des gesetzlichen
Farlikulaikirchcnrechts in Dänemark vollzog sich, wenn man von Kompru-
104 I^ Rbcrt. A. DenkmAlek.
missen zwischen Rischof und DiftzesHJipn. vAc. dem von K, Waldeiiiar II.
122S auf Fünen vermittelten, übsiehl, in spezifisch kirchlichen Formen (Quellen
und deren Aui^g. nennt Rasenvinge Gruuär. §^ 37, 87). Die Reihe der
weltlichen GeÄCize wird auf dem Gebiet des Landschaftsrechls dutch
einen latcin. Erlass von K. Knut VI. über verschiedene Strafsachen v. 28.
Dez. 1200 ft)r Schonen eröffnet Bis gegen die Mitte des 13. JalirLs. I>e-
schafügt sich dann die allgemeine Königsgesetügebunj; ausschliesslich mit
Schonen. Und auch spatt.T bleibt ein sehr betrüchtücher Teil dcräclbcn den
einzelnen Landschaften gewiilmet Oabei blieb da.s im landsUttg (comntutit,
ffentrak placitumi zu gesetzlicher Zeit oder auf Ruf des Königs oder seines
Landrichters (Uindsdommat, Ugifer, rtciar phuiti gfneraiii) versammelte Volk
aller freien Manner im Prinzip wesentlicher Faktor der Gesetzgebung. Und
nur insofern wurde davon abgewichen, als man in dem v{)m Krmig an seinen
Hof be^^lfenel^ Reichstag f/'f/, Dauehof, — (oneilium, fHirlamaitum generaU
Diinontml ein Surrogat des Landsting erblickte. Anderer»eiU kommt es noch
im 15. Jahrh. »"ifter vor, dass ein Landsting ohne den Kfmig eine » Willkür«
(vtJlekt. vi/kor) beschliesst, höchstens nachher die königliche Bestätigung ein-
holt (z. B. Dipl. Vibcrg. Nu. 70 mit 73 a. 1471 flg.). Das weitaus bedeu-
tendste und berühmteste Werk der Landschaftsgeselzgcbung. zugleich die
älteste Kodifikation, welche m der germau. Well bis heule in Geltung ge-
blieben, ist das Gesetzbuch für Jütland (und Fünen und die NebenUnder)
— Jydske Lov — in d.'ln. Sprache' von K. Waldcmar II. auf einem Reichs-
tag zu Wordingburg im März IJ41 erlassen und nicht ohne Reuiiniszeiuen
aus dem Decretum Gratiani bevorworiet. Kinen grussen Teil seines Stoffes
enLnhumt Jydske L. aus alleren, jetzt verlorenen Texten darunter einem, der
(mittelbar?) auch in Skänel. benützt ist. also jedenfalls ziemlich tief in's i^.
Jahrb. zurückgelit. Die Überarbeitung dieser vcrscUicxIcnartigen Materialien
war nicht gründlich genug, um alle Widersprüche zu tilgen. Zwei Redak-
tionen liegen vor, eine in ] B7 ursprünglich nicht nummerierten Kapiteln (lisg.
V. Thorsen Valdem. d. Atid. Jydske /.. efler Heu FietishQrgxke Cod. 1853) und
eine Vulgata mit Einteilung in drei Bücher (hsg. v. Rosenvinge Samhfifi
[s. S. 102] III i8j7 mid in konstruiertem Text v. N. M. Petersen KoRf^
Vald. d. And. /. /„ 1H50), Das Jydske L. hat noch widirend des M.\, eine
Literatur hervorgerufen, eine fehlerhafte plattdeutsclie übersetitung für Süd-
jQtland (14. Jahrh.) und eine nrich schlechtere lateinische (um 1350? Ausg.
beider v. Rosenvinge a. a. O.), die Vurlflufer von anderen Übersetzungen,
die im :6. Jahrh. nachfolgten. — femer gegen 1488 eine von Bischof Knud
Mikkelscn verfajiste Glcsse vi>n jener konkorrticremlen Tcndtmz zwar, wie
sie in den analogen deutschen Aibeiten des SpÜlMA. herrscht (vgl. oben
S. ()7), aber durdi ihre Mitteilungen aus der Praxis nii'ht ohne Wert. Zur
Erläuterung imd Ergänzung de» Gesetzbuches dienten seit der Mitte de-s 14.
Jahrlis. Privatsaminlungeii von Sätzen jütlandisch-füiiischcu Gewohnheitsrechts,
die alle unter dem Titel 77torä Dfgm Artikler zitiert, auch schon in den Hss.
dem jütland. 'Landrichter^ Thurd ^Iverson?) Diecn (uikuudlich 1.^42
— I.V>~ genannt) zugeschrieben werden, sicherlich aber nur in ihren ältesten
Bestandteilen von ihm herrühren. i},^\ soll eine solche Sammlung von K.
Waldemar IV. best^ltigl worden sein (Drucke einer kürzeren und einer laii-
geren dan. und einer latein. Rezension hei Rose-nvinge a. a. O. und bei
Thorsen Sliidsrrtlcr 1855}. — Die Sonder rechtsbil (Jung für die I^ndschaflen
^ Zttc Grunmacik: K, J. Lyngby, VJiagnrordtnti Höjnin^^ i. J. £. 1863. Da/u
Konrftd Gitlason X. AotuLcr iot Nord. Oldkynd. I86z S, 35t) — 369.
^alt in Dancuiuik so sclir als sclbstvcnitanttlich, dass die Forni von I^aiid-
HcliaftxgeHctzci) zuweilen auch gcwähli untrde, wenn der Gt-.setzt^inhalt aufü
ganze Reirli iH-rechnet war. Erfjclien in snldien Falten für die drei Haupi-
lanüer Si-honeii, Seeland und JüUand geaundertc Ausfertigunj^en, wj pflegen
darin die partikularen AusfUhrungsgeseizc für das lii-itinimungsland gleich
mit erledigt zu werden. Unter den auch der Form nach allen Reiclisieileu
{^meinsamea Gesetzen (Reichsge.sctzen) bilden eine genetisch zusauinieii-
j^ehörige Gruppe die »Handfesten« (im enjjem S.). d. h. die vnm Reichs-
tage besdilossenea Wahikapitulaliunen der Könige (seit 1320). Die Ursprache
d<ä" Rdrhsgeseizc ist rcgeima.wig die lateinische. — Eine 1'rivai.sHrmnlung vtm
Gesetzen in 25 Artl. ütt unter dein Natnen einer Veiordnuxig von *Köm;j
Chrisiftf« bekannt und w-ahrscheitihch noch im 13. Jahrh. angeiertigt. Die
neuesten Drucke von Elnxclge&etzen für Reich und Landschaften findet man
in Aanbtrttninger fra dd kong. Gtheimtnrkiv W l8,s<J — 60, V 1871 und soweit
Verordnungen und TrivUegien für die hansische Geschichte wichtig sind, in
Höhlbaum's Hans UrhtmUnb. I^III 1876— 1886.
Fruchtbarer noch als auf dem Gebiet des Landrechts bethatigte sidi die
dan. Gesetzgebung auf dem des Stadtrechts. Schon unter den frühesten
dan. Kechtsaufzeichnurigeii treffen wir Stadtgesetze an, was sich aus der
hingen F-ntwicklung erklärt, die schon damals die ültem d^n. Städte hinter
sich hatten. Dagegen weniger hieraus, als aiis dem unmittelbaren genetischen
Zusammenhang der adiln. Sta<ltvcrfassung mit der Schutzgilde {% 5(>» dürfte
»ich erklaren, das.s die danischen Stadt rech tsdenkmäler im G^ensatz zu den
alleren deutschen Erzeugnisse der Autonomie sind. Erst wahrend des 1.1.
jahrh. fangen etliche dän. Städte an, ihre Statuten vom K6nig oder Stadt-
herm bfÄt;Higeu zu I.LS.sen. Diese Bötaiigungcn vcrrailteln den Übergang zu
den eigeiulichen Privilegien und Rerhtsbriefen, deren Blütezeit in die beiden
letzten Jahrhunderte des MA. fallt und von denen die alteren sich noch eben
so sehr als Konfirmatitinejj alten Stadtrechts wie als Satzimgen von neuem
geben. Die Gruppierung der dan. Stadtrechte stimmt im wesentlichen mit
jener der Landrechte Qbcrein. Der Zeit nach steht die jütland. Gruppe,
welche eine Schleswig' sehe unter sich befasst, voran. In der erhaltenen Ge-
stalt 1200 — \102 anzusetzen sind -die laiein. Statuten von Schleswig, einer
der allcrallesten dan. Städte. Von Schleswig wurden sie an Horsnes (Hor-
»ens) und von hier in der Überkommenen Fassung an /Ebeltufl mitgeteilt
In der bei der letztem Übertragung au3geatellten Urkunde sind die Statuten
(r>l §§) auf uns gek'imnien. Auch auf andere Städte Jtltlands gingen sie,
wenigstens in umgearbeiteter Gestalt über, so auf Flensburg wiederum zu-
nächst in latein. Fassung (1284/J, die um I2<>.5(?) zu einem dan. Text mn-
redigiert wurde. Auf letzterem benitit eine plattdeutsche Redaktion aus dem
I.V Jahrh. und auf dieser eine latein. Rückübersetzung. In Schleswig wurde
c. I4(w auf Grundlage der latein. .Statuten eine deuts«.he Redaktion des Stadt-
rechts veranstaltet. F,inc von andern Ijjkal rechten unabhängige *skraat gab
es schon vor 1241 zu Apenrade ^(Ipneraa). Wir haben sie in einer latein.
Fassung (53 Art.), welche 1335 bestätigt und nadimals (vor 1474) ins Deut-
»che übertragen «"urdc. Wegen seiner Selbständigkeit ist noch unter den
Altem jütland. Siadtrechten das vtm Haderslcben zu nennen, welches 12^2
bestätigt wurde, jedoch nur in einer ncudaii. Rezension (vor i03i:>?) vorlit^
Andere Städte in Jüdand sind im 13. Jahrh. unter den Kinfluits dc-A lübischen
Rechts geraten. Eine Mitteilung des letztem nach Tandem crf<ilgtc 1243.
Der hier rezipierte lüb. Kodex wurde in Ribe bei Anfertigung eines talein.
Stadtrcchts (59 Art-J benützt, das von K. Erich Glipping im Jalitc 1269 bc-
zeren ('I«) aus demAnfaiiff und eint^r ausführlichtire« ("II'), welche die seit
der vorigen eingetreteiieu Neuerungen berticksichtigt, aus dem SchJuss des
13. Jahrh. (doch ^-or I2y6). Die altere, schou iii 13 oder 14 balkar einge-
teilt, Jiber vielfarh noch aphoristisch unti wortkarg, ist wahrscheinlich von
dem J7. Ge-scUspredicr, dem bcrühintcii .-Eskil Magnussoii verfasst. von
dem durchaus verlfLssig bcrii'litet wird, er habe sich um die F.rlialiung der
echten, zum Teil auf seinen frühcslen Vorgänger Lumbcr (10. oder g. Jahrh.)
zurOrkgcführten laghsaga die alIergr«Visten Verdienste erworben. Noch hinter
dem erhaltenen Text von I wOrde das west;eL"it- Rechtsbuch liegen, dem nncU
einer neueren Hypothese das unter dem Namen Hednaiagh bekannte Bruch-
stOck vnm Zweikampf und ein paar kleinere Kxzerpte in der Clironik des
Claus Petri angehörten. Zwischen 12S1 und \}i^f\ ungefälir suchte man
durch NachlrSge der Red. I ihre Brauchiiarkeil zu sichern. Vier verschie-
dene Hände waren daran thfllig. Die Materialien. woraiLs sie .sdifjpften, be-
standen teiU in der Red. II. teils in jungem (^setzen, teils in dem Rechts-
buch von Ösignialatid. teils endlich aus Quellen, die jetzt nicht mehr nach-
gewiesen werden können, darunter sehr wertvollen gcschiclitlichen au.i der
Zeit um 1230. Wie der Text des Re<btsburhs selbst, so sind auch die Nach-
trüge ausser dem letzten, einer latem. Bearbeitung de^i Kirt:henrechts in II,
in asw. Sprache verfasst. Durch i.^ mehr mler weiiiger umfangreiche Nach-
trage (»add.") wurde femer \t\x Anfang des 14, Jahrh.) die Red. II erweitert.
Auch sie sind nur teilweise aus anderweitig bekannten Quellen genommen.
DerGeltungsbereicli von Wgl. umfasste ausser dem eigentlichen We^tgöialand
n'X'li DaUand und den nord westlichen Teil so\\ Smäland (Muhajra|>), Ua
diese Nebcnlflndcr unter der westgftt. Laghsaga standen. Das zweite gotische
Rechtsbuch, die (hisota ia^hbok (.sog. Öst^iHa la^ft) k;uin seine jetzige (iestaU
erst nach 1285 erhalten haben. Wahrscheinlich aber ist es sehr buld nach
dem genannten Jalir verfasst. Urkundlich nachzuweisen ist es 1^103. Es wt
das gri">sste und raei.st dun'hgebiklet<! alSer schwedischen Rechtsbücher, berück-
sichtigt sn-irgfüllig die Gesetzgebung unter Nennung ihrer Urheber, Iflsst sich
auf Motivierungen ein, nennt aber in der an eine zuliörendc Menge gerich-
teten Schlu;s*fonnel den Inhalt seiner 10 balkar ausdrücklich eine laghsaga.
Sein Geltungsgebiet erstreckte sich denn auch auf die NebenlSnder der rtst-
gOt. laghsaga, n;imlich die nördlichen und östlichen Hundeit-schaften von
Smaland ujid die Unlerlaghsaga von Öland. Nur deia tmter dem Namen
der »zehn Hundertschaften« ^Tinhairaf») bekannten smaland. (ie-setzsprecher-
bczirk gehörte das um 1300 mach i2o^l verfasste Rechtsbuch an, wovon
allein der kirchenrechtliciie Abschnitt vollstllndig erhalten Ut {* Smäimu/s
iiifrfi'Y- ^'^ gehrirt der Gruppe schwedischer Rechtsbücher an, welche die
Aufzeichnungen fremder Landscliaft^rechte benutzen. Im gegenwärtigen Fall
dienten ristg^htal. und das (jcsetzburh von Upland als Vorlagen. Letzteres
unter dem Namen von Uplantislagh bekannt, steht eben.so quelleugeschicht-
Uch wie nach der Bedeutung .'leiner Heimat, des Mutterlandes der *sQd-
lichen: und der -westlichen Münner« wie der schwedischen Bewuhuer von
Helsingeland, an der Spitze der -Swea-Rechte«. Über die Entstehung des
Gesetzbuches sind wir verhältnismässig genau unterrirhlet Namens der drei
oberschwedisclien Volklande Tiundaland, .Attundaland und Fia-{)ru]ulalaiid
hatte der Geji^tzsprecher des erstgenannten, der Ritter Birghir I'erÄSon
bei Kfinig Birghir Maguubson eine Kodifikation des oberschwed, Rechts, be-
antragt Mit der Abfassung desselben wurde Birghir Persson und eine von
1 Zur Grammaük: Bjflr)ira&D, Snuilandilagfns I/Hdlära 1896.
SCHWED. RfCHTSbCCHER tJ. GXSETZE.
lOO
iliesoni aus den drei Vr>lklanclen berufene Kommission lMir;iiiI. Dir Kom-
mission entledigte sich ihres Auftrags, indem ^ie auf Grundlage Älterer Auf-
zcirlmungen eine zeitgemOss verbesserte ilaghaaga* in 6 balkar herstellte.
Dabei ging sie, wi*' einst der wesTgöiisrhe .^iskil Magnussen von den »Lumbs
lagh*. so ihrLTSfils vnn den ungefillir t-bi-nsu ahen l'igent flaikar -am^ d. li.
VOM den Stücken des Rcihtsvortrags, die dem aUen »RechLswirker- Viger
spa mgesciirielKTi wurden. Die jüngere Gesetzgebung wurde wie in Ögl.
bcTQckfiirhtigt. Nachdem der Entwoirf auf der Liuidsgcmcinde einstimmig
angenommen ftiir, erhielt er am 2. Januar 1206 die kAniglithe Bcstatigimg.
Bei Gek-genlirit s^>atcrer Abschriflcn hat der Text stjwohl Abänderungen als
Zuthaten erfahren, so dass er in mehrfacher Re^zension v*»rliegt. Im Ganzen
nach dem Vorbild und ufl unter wtirilicher Anlehnung an L'plantlsl. siud die
Rwhts- und (Gesetzbücher der anderen Swealandsc haften vcrfasst, wofür die
Erklärung bei der inneren Vcrttandis« haft der I^^ndrechie nahe genug liegt.
Ein Rechtsbudi von solcher Art stand i. J. 132,5 schon lUngere Zeil in S«V
dermannaland in Gebrauch. Aus einer Umarl»eitung desselben tlurch eine
Kommisbii'u unter Leitung des süderm. Geselz>prei.hers Laurentius Ulfs-
son und Teilnahmt: de» wtstyüt. Gesctzsprechers Knut Maguu.ssdii scheint
*Sns, Gesetzbuch her\*orgegangen, welches wir unter dem Namen SödermaHnn-
üj^^h^ kennen. Nachdem es Gegenstand wiederholter Verhandlungen in der
Landsgemetnde geworden, »"urdt-' es am 10. Aug. 1,^27 von K.Magnus Eriks-
siin (mit Vorbehalten) bestätigt. Wir besitzen zwei Kczcnsi(.incn, wovon die
jüngere Privaiarbeit und bald nach 1335 entstanden ist. Ein Rechtsbuch in
Äwei sehr verschiedenartigen Redaktionen, man könnte ebenso gut sagen zwei
RechtsbQcher »ind aus Westinannaland erhalten {■» Walmannalagb* I und II).
Der Text 1, früher und von Einigen auch neuerdings wieder Da/aiagh ge-
nannt'. ist der kOrzt-re und kaum vor 1318 anzusetzen. Verrflt sich scli(m
in ihm das Muster von Tplatidsl. und Siidemiannal.. so nimmt Text II
{WiPit/ntiNna lft^kboi\\ indem es 1 vullsISnüig tunarbeitet, gk-icli den ganzen
Text des obcrschwed. Ge^setzburhes zur Grundlage. In ahnlicher Weise ver-
fuhr man beim Abfassen des »LAndbuches« oder »Reiht-sbuches« für Hel-
singeland (sog. Helsitif^ia^, hschrl. Hehin^e iandtt iagiibok, lanäsens bok\ zwi-
schen 1310 und 1347. Was nun schon bei Chberfliichlicher Ounhsichi aller
dieser Schriftwerke auffflllt, das ist die im ganzen gleichmässig wiederkehrende
Methode der St<>ff Verteilung. Sie ist namentlich auch solchen Rechts- oder
Gesetzbüchern gemeinsam, die in keinem FiUationsverhältnis zu einander
«tehen. Systematisch in unserm Sinn kann sie ni<ht genannt werden. Sie
folgt mit Vorhelw praktis'.heii Gesichtspunkten, indem sie die einzelnen Ma-
terien gruppiert und die so entstehenden baikar aufreiht Ein kirchenrechi-
licher Abschrutt yÜrJem- oder knUnu Mker) macht in jedem Land.vhafts-
leihi den Anfang. Die Abschnitte von Tütung und Körper Verletzung uml
vom Diebstahl (samt Verfolgung von Fahrhabet k-'mnen aucti dort deuüii.*li
von einander unterschieden werden, wo sie unter einem gemeinsamen Titel
betsammen stehen. Das rt^mliche gilt vnm Khe- und Erbrecht, von denen
jenes (ausser in Wesigülal.) diesem voran zu gehtai pflegt, weil •si<h auf
Bettes Zeugung alles Erbrecht gründet«. Ein Grundgüterrecht (iftrptr balktr
oder tghaa salur) fehlt fa->t nirgends. Aus ihm wiiciist wahrend des 15. Jahrh.
' Zur Gnunmaiik: L«rsioa, S^dtrmannalagfHi Ij'uttlära (in Aotiquar TiiUtr. XII
1891).
■ Zu inner Grarammüt: E. Brate. Aldre l'gstmafttMla/^m IptälOra (Cpi. Univ.
Amkr.) i88; iu«l Oatalnfrnt hi'jHin^ltirn (Slocbh. |8<^).
> Zur finimnwU'k: Siljcstrand: OrJtxTjnt'ttf^n i Vtstmaunnla^n 1 (LinkAp. i8qo).
HO IX. Recht. A. DexkmXlbr.
ein bt'S'jiuiLTor Abschinli vntn Gcmcimlercclit (hvgi/a- oder byf^ningd-, oder
vipet-ho baiktr) heraa<, flcr auch das L;in<lwirtschaft.s recht erledigt Häufig
findet sich femer ein Abschnitt über die Thingortlnung einschliesslich der
aJIgcmciucn prozessualen Grundsalze. Die Landfricdcniigfselitgebung von
t285 {vgl. unten ^ ^A nift einen bcsondem balker Über kummgs epsört nebst
verwandten strafretlitliiilien Gt^t-nstanden her\'or. welcher in den Swearechten
durch allerhand verfassungsrechtliche Zuthaten zu einem kununffsbaiker aus-
gebildet wird. Dies die Grundlinien, bei deren Ausführung Hie Individualität
der Verfasser, der Bedürfnisse und der TraditiL>nLMi zur Gehung k'.numt.
Samtliche bisher beapMchcne Land.ichafl.src<;bte sind in kaum übcrtreffliclier
\Vci.se kritlsdi herausgegeben von C. J. Schlyter in dessen Gtrpns Juris Siteo-
(Safonwi anliqui I \V>l'^—\\ 1H34 (dazu buchst.'lbl. Abdruck von drei gtU.
Rechtshss. bei C. Klemming Snuhtyckcn pä Forttsi>rnska Stockh. i8(JÖ — Br.
ein Bruchstück von SMermannalagh herau-sg. v. K. Maurer in Müncliner
Sitzgsbcr. 1894 S. 433 — 37; die S. loS erwähnten Fragmente s. hei Leffler
Om den fomsrtnska hedtialagen in Manadsbl. a. a. O.).
§ 22. Die schwedisclien Landschaft-; rechte bilden bis gegen 1350 den
Grundstuck, aii welchen sich alles weitere schriftliche Quellenmaterial ansetzt.
Zunächst das der Einzctgesetze (slapgnr, slaluin), deren Aufzeichnungen
mit dem 13, Jahrh. beginnen. Ge»V'ihulich gehen «e vom Kftnig aai. So-
weit CS sich aber nicht um bhwse Verwilligungen («GabcJi") des Kt'^nigtiuus
handelte — wie bei den nieisten Privilegien für kirchliche Anstalten oder
hohe Kleriker' —, hing bis auf K. Magnus {Birghisson) Ladul4s(ii75
— i2t|o)t die Giltigkeit des Königsgesetzes von der Zustimmung der Lands-
gemeinden ab. Von Magnus Ladulas ab. in dessen Person das altschwed.
Königtum den Gipfel seiner Machtcntwicklung ersteigt, erscheint als Surrogat
der Landsgemeinden des Königs erweiterter Rat,, das ■Reichsge:>prach« frikä
samttiiai oder der 'Herrentjige, eine Veränderung, welche durch den Eintritt
der Gesetzsprecher in des Königs Dienst und Rat vemnttelt war und die
allmähliche Schöpfung eines gemeinen Gesetzesrechts für's ganze Reich er-
mnglichte. Die allgemeinen Gesetze und Privilegien vor 1250 be-schüftigcn
sich vorzugsweise mit kirchlichen Verhältnissen. Ihre Sprache ist daher die
lateinische und erst spater wurden sie in's Schwedische übertragen. Seit den
Ä'Jhnen des Jarles Birghir, Waldemar und Magnus, mehren sich die welt-
lichen Gesetze. UntI in der Zeit des letztgenannten Königs beginnen die
schwed. Originaltexte der Einzclgesetzc Als das älteste und quell engeschicht-
lich folgenreichste unter ihnen ist das 1285 zu AlsnO ausgefertigte und über-
wiegend straf rech Üi die Gesetz zu nennen, dessen Durchfüliruug schon vor
1281 vtm Magi:us und 22 geistlichen und weltlichen Herrn — analog den
deutschen Landfrieden -~ beschworen war. Die strafrechtliche Abteilung
dcssetbcn gebt auf Bestimmungen des jarles Birghir von 1202 (oder gar
1251?) zurück und wurde unter dem Namen ties jKunigseidsch\\-urs» (kumm^
cpiöiv} in den Rechts- und Gesetzbüchern fortgebildet (vgl. oben). Die Ge-
setzestexte bringen Si'fnskl Diphm<iiariiim (Dipl. Sitfaitiuin} I — \'I, 1829 —
1878 luid Stetiskl Diphmataiium frän och med ar 1401 (her. v. Süverstolpe),
bis jetzt 3 Bde. seit 1875, die Privilegien für lians. Kaufleute auch Hfthl-
baum (0ben S. 105). Nur teilweise veraltet ist die Sammlung von Hadorph
hinter dessen Biä'rk,1a Hätten 1687.
Wie in Danemark, so lasst-n auch in Schweden Landschaftsrechte und
Einzelgesetze der Sonderentwicklung eines Stadt- (riditiger Markt-)Recht3
^ Das älteste Frit-ilvg Dipl Sv«c No 115 Ut in einen Scbeiikuiii<Bbrier einfiekleUUt
Riium. Im Vergleich freilich zum dan. oder fi;nr zum deutschen Stadtrecht
ist das schwedische arm an DcnL-malum. Auch l>egtnnen sie wie Oberhaupt
die Ausbildung;; des schwed. Stadtewesens viel spater. Um i ,)00 sdieint eine
sich selbst als bUrrköir nftttr einführende und ziemlich planlose Sammlunt;
von Stadtrerhtssiltzcn entst;tnrten, die ursprftnglich fOr Stockholm bestimmt
war, aber spater auch in andern schwed. Städten rezipiert worden ist, und
das Stadtrechl schon unter deutschem Einfluss zeigt. (Ausg. bei Schlytcr im
CJSG. VI 1H44, hier vom Herausaeber in Kapp, geteilt). \'on einem andern
fQr Söderkuping unter starker Benützung von Östgülal. ausgearbeiteten Stadt-
recht sind nur Splitter in J. Bure's Glfwtsaren übrig geblieben (7,usammenge-
stelJt und rekonstruiert van G. Klemming Vpplysnin^nr . . om . . . SöderiäpiHf^
RSttm in Kong. Vitt. Akad. Hand). XXV' 18*17). Über Wisbv s. unten $ ^v
Auf Grundlage der bis gegen 1340 angewacliscnen Materialien .m Rechts-
bflchcni und Gesel7.cn schritt man um jene Zeit zu einer gemeinrecht-
lichen Kr>dinkalion für das schwed. Hauptland. Und zwar scheint man
sich damaLs zum Beispiel genommen zu haben, was 70 Jahre früher in Nor-
wegen (§ 25) geschehen war. Wahrscheinlich schon r347 war von einer aus
3 Geselzsprechem bcslehen<len Kommission ein Landretht auspearbeitei.
welches unter zeitgeinA^scn Verbesserungen die bestehenden Landschafts-
rechte konkordieren sollte. Als Hauptquellen hatten dabei Uplands- und
östgötalag gedienL Dem Herrentag zu (°)rcbro im März genannten Jahres
schlug K. Magnus Eriksson den Entm-urf des Gesetzbuchs zur Annahme
vor. Da aber die Geistlichkeit gegen die mit dem kanon. Recht unverein-
baren Bestimmungen des Entwurfs protestierte, scheint eine förmliche Besta-
tigung des letztem durch den KAnig nicht ergangen zu sein. Dagegen wurde
das Gesetzbuch mit Ausnahme des Kirkiubalker in den einzelnen Landschaften
im Laufe des 14. Jahrh^. mehr oder weniger vollständig rezipiert, so dass
daneben nicht nur die Kir<'hen rechts-. \l)schnitie, .sondern auch noch mancherlei
andere Stücke der altem Landschaftsrechte ihre Geltung behalten konnten.
Es ist daher die liandschriftliche Überlieferung des Gesetzbuchs eine sehr
ungleich mä.vsigc (erste und zugleich abschlics-scndc krit. Ausg. unter dem
Titel Kon. Afasimts En'hsom hindslag v. Schlvter im CJSG. X l8ö2). Eine
Revision dieses »RechLsbuchs v(tn Schweden« (U^leniim Swtdcl in Gestalt
eines Reich-sgesetzbuchs kam mit Bestätigung durch K. Christof v. 2. Mai
144^ zu Stande (krit. Ausg. unter dem Titel Kon. Cbmloffcn Lauds/oi; v.
Schlyter a, a. O. XII iWHji. Die beiden Landre<'hte waren einander zu
Ähnlich, als dass das altere sofort durch das neuere hatte vollständig ver-
drangt werden können. Vielmehr wurde sein Text auch während des 14.
Jalirhs. nrwh fortgebildet. Dies gab Anlass zu der seit dem i(>. Jahrb. sich
ausbreitenden Fabel, dass zwischen dem Landr. Magnus Erikssons und dorn
von K. Christof ein vermittelndes crla.ssen wurden sei (sog. MedeUag'). Im
Glauben, da.H neuere Landrecht vor sich zu haben, hat gegen den Ausgang
des 15. Jahrhs. der Archidiakon von UiJsala und Doctor decretorum Ragvald
Ingemundsson das Landr. Magnus Erikss<jns in's L;iieinisclie übersetzt
(Ausg. V. Joh. Messcnius tjrgts Svtcfirtim Gaihortinuptf etc, SUK'kli. 1614).
Früher als auf dem Gebiete des I^^mdrechts gelang auf dem des StadtrechLs
die Herstellung der Rechtseinlieit Indem er den Text seines Landrechts
cur Gmndlage gab, liess Magnus Eriksson ein gemeines Stadtrecht aus-
arbeiten (1,^50 — I35"?)i wobei die Thingordnimg durch einei\ miizituffi-u balker
ersetzt und unter Benützung allerer Stadtrechtsqucllen ein Abschnitt vom
Seeiccht ^siipmaia b.} eingefügt wurde. Vor ij'^sj scheint das Stadtgesetz-
buch aUgemein elDgelülirt worden ku sein (krit. Ausg. unter dem Titel Kott,
112 IX. Rbcbt. A. DknkkXlxk.
Ma^n. Er, ütadsla^ v. Schlyter im CJSG. XI 1865). Einzclpcst-tzc, welche
von der Krmigsgewalt erlassen werden, bauen währenddes .Sj>JitMA. auf den
gemeinreclit liehen Kodifikationen weiter (wegen der Ausg. s. oben S. 1 10).
Audi in Schweden schücssen sich zunächst an das Stadtrecht Statuten
der autnnnmen Kr)rpersrhaften. Von SlJitmen eigentlicher Schutzgilden
sind nur wenijje Reste in einer dem Anschein narli sputen Fassunji vur-
lianden. Durch ihre Komi merkwürdig Ist die »skra- einer ubersrhwed, St.
Kriksgilde, indem sie. die Kintcihing der Landrechte in balkar nachahmt.
Zahlreicher sind die Skraen von Handwerker- und von geistlichen Gilden.
Doch scheint keiner der erhaltenen Texte Übcj 1350 zurück zu reichen.
(Drucke: SkrAordnin^ar sami, 0/ G. E. Klemminj* 1850, er^nzt durch
Snuisfvckftt stimf. 0/ G. E. Klcmming t868 — 81 und Fornst'. Dipi. af
Silverstolpe Nr. 602). Das Hi»fdienst- oder »Schlosse-Kechi {^ardsr^Hrr.
siotsrirfier) wurde in Schweden dem Anschein nach zuerst unter K. Magnus
l^dutäK zum Gegenstand einer kurzen Privataufzeiriinung gemacht, welche
von K. Magnus Eriksson und spjlter auch noch von andern Königen be-
stätigt und den Höfen lier RciclisralsniiLglieder verliehen wurde. E.s sind
übrigens nur zwei jüngere von einander unabhängige Redaktionen dieses
Gantsrd;ller erhalten, welche beide mit dem dün. Gardsrel vun derselben
Vorlage abstammen (Drucke: Magnus ErihsoNs (iärdsräit und Eriks af Pot»'
Uterus GärdArätS bei Klcmming Smästycke» S. 53 — 68).
Weniger produktiv an Recht-ss<-liriften als die rein persCmlidien Redits-
verbünde scheinen wahrend des SpfltMA. die lokalen. Interessante Beispiele
in arkgencissensc haftlicher Statuten^ sind drc » Wuldordnungen«
für den Hamniars- und den Mef)alj)ri{>iungcr in der oberschwcd. Hundert-
sihnft Trögd c. 1320 (Drucke: hinter Madorph's liiärkCa Rätttn S. 23 ff.
und bei Klemming Sm(istvckfn S. 71 ff.).
§ 23. Ganz eigentümlich hat sich die Denknialcrgescliit lile der Insel
Gotland gestaltet, die ja auch ]n>litisch eine Simderstellung unter den osi-
nord. Landschaften einnahm, bis 1301 nur Schutz- und Srhatzland des
schwed. Königs, im Übrigen Freistaat, nachher bald dänisch, bald si.'hwedisch,
bald Deutsch Ordensgebiet «.-ar. Im Gegensatz zu Si'hwt'den entliehrte Got-
hmd eines Gesetzspret heramts. Daher ist auch das älteste und wichtigste
Rechts den km al der Insel, Guin lafih. von wesentlich andenn Schlag als die
Limdschaftsrechte des schwedischen Kesdandes. Es gleicht mehr den däni-
schen, ermangelt insbesondere der Einteilung in balkar, kennt nur Kapitel.
Der Vortrag i.st tnicken, unliehilflich, oft dunkel und zuweilen nicht frei von
Widers] >ruchcn. Merkwürdig ist die Benützung norwegischer Quellen. In
der überlieferten Gestalt ist Gutal. Gesetzbuch, "vereinbart* vou der gut-
nischen Landsgemeinde am Scblus.s des 13. Jahrhs. Als Geseizbuch ist es
auch fortgebildet worden. Wir haben zwei Rezensionen in guliiii<clier Sprache
{in je einer Hs.), wt>von die Eine dem Rerhtstext die berühmte *Guta saga*
«rticr -iHhloritt Golinndtae* anhilngt. Dazu kommen eine in der Deuts«. h-
tirdenszeit |l3t)H — J40S) gefertigte deutsche und eine um 15.=iO entstandene
thlnisrhe Übersetzung nach verlorenen giitnischen Texten (.^u<;g. v. Schlvter
unter dem Titel Gollands ia^n im CJSG. VII ]8.S2». Der halb deut.s4-hfn,
halb gntnischen Stadt Wisby beatatigle gegen 1350 K. Magnus Eriksson
eine Kodifikation in 4 BOchcm, deren plattdeutsches Original erhallen ist
(Amg. v. Sciilyler im CJSG. VHI iS.li). Das Stadtrecht entlehikt eine
' Nicht von •GildrslBt«li-in. uiiilt ilit K. Ldimami V'iTffittiii, in Zschr. f. RG. XX
S. 212 dtcsc Qwtl.lrn cinn-ihi.
Gon-AND. NoRWBG. RecmtsbCchkr und Gesetze.
"3
I
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bettflchtlirhe Menge seiner Beslimmunpcn mphr cxler weniger wrtrtlich nieder-
deutschen, insbeÄ<:indere lüblschen und haiuhur[ipS4.-lien Stadtrech tsqucHcn, was
durch die Stellung Wisby 's in der Hansa gcnug»ant erklärt wird. Im 15. Jahrh.
entstand tm Wisbv noth «n kleines Kcrhtsburh in 35 Artikeln Ober die
Privil^ien der Stadt. Its ist in da». Spradie vcrfasst und amh in's Fkitt-
tleutsche übersetzt (Drucke bei Sclilyter a.a.O. hinter dem Stadtr.). Ausser
diesen Hauptdenkm.'ilem des Reriiis auf Gi'tland belehren über jenes auch
noch die von den GotlJlndcni bczw. Wisbyem geschlossenen StaatsvertrSge
und ein paar fOr die Insel erlassenen Einzelgcsetze (aus den schwed. Diplo-
mataren. aus Schlyter VII S. 21g ff. und au-s dem //atts. Urkb. zusammen
zu swhenf, siiwie die Skra der Si. Katharinengilde im Kirclu^iel Björke v.
14-13 ^gul"- l>t-'i Klt-Miiming Smästycken S. 14g — 151).
!S 24. Wir wenden tms dem Gebiet des westnord. Rechtes und zwar zu-
nAclist seinem Mutterland Norwegen zu. Hier nun Slossen wir almlich wie
in Dünemark auf Erzählungen des i^IA.. welche bestimmten Königen schon
seit dem 9. Jahrh. eine mehr «ler weniger tief greifende geseT?^eberischc
Tliatigkcit nadiruhnien. Verdienen diese Benchte bis zu einem gettisseii Grad
onsem Glauben, so gilt nicht das gleiche von jenen andern, wonach die alie-
slen Aufzeichnungen westnordi.s4.hen Hechts vom hl. Olaf etwa um 1020 — 1025
and von seinem Sohne Magnu-s dem Guten 1040 veranstaltet sein stillen. Es
sind <Ias Fabeln, denen auch nicht dadurch aufgeholfen wird, dass sie noch
jelil von R«lil-shi»torikem nicht nur wiederholt, »»ndem zu dem Mythus von
geschriebenen Gesetzbfichem verschiedener Könige aus dem O- luid 10. Jahrh.
auigesprjnnen werden. Wer die Entstehung der wnord. Literatur kennt, wird
sich »cliwerlich zu der Annahme enls<.-hlicssen, dass es einen derartigen Rechts-
lext handschrifUich vnr dem 12. lahrh. gegeben habe (vgl die treifenden Be-
merkningen v. K. Maurer in Ersch. u. Gnibcr EncvkI. ä. v. Gula|»ing
S. .ib<i — .^01). Vnn dem, was an altU'irweg. Rechtsschriften erhalten ist, kann
auch das älteste nicht mit Sicherheit über iioo liiiiauf gesetzt werden. Auch
haben wir es in den ältesten Denkmälern keineswegs mit GesetzbDchem zu
ihun, die etwa ein Künig hat schreiben lass<-n, sondern mit Privatauf-
xeichnungen. Die.se sind, — von einem Weistum über norwt^sch-islän-
dischc Beziehungen (erteilt 1083. zwei Kedaktionen, am besten bei Einsen
Gräg. Ib U;5 folg. III 4<)3 — bü) abgesehen, — des nämlichen Schlags, wie
wir ihn an den flltem schwed. Rechtsbüchem kennen gelernt haben. Zwar
liegen über die altnorweg. l^gsaga keine so zahlreichen und unzweideutigen
Zeugnüse vi>r, wie über die altschwedische. Dafür aber spricht sie sich in
den ältesten Rechtslexlen kaum weniger unmittelbar aus. Sn hal)cn denn
auch die altnorweg. Rechts- und Gesetzbücher in der Hauptsache die näm-
liiAe äussere .\nlage wie die schwtiiischen. Die Gejtichtspunkte, welche Über
die Bildung der turikir entscheiden, sind beinalte die gleichen. H<'k:hstens,
was ihre Reihenfolge betrifft, scheint es eine wnord. Eigenheit, dass die Tlüng-
ordnung (df:\ pinf^nrabnlkt) den Anfang zu machen pflegt. V'ier «l'rovin-
zialo oder richtiger »I^andschaftsrcchle« sind es zunächst, deren Denkmäler
Icik v"jllstani.üg, teils wenigstens stückweise jene Gestalt zeigen. Es sind die
Rechte der vier gnisscn Thing\erbande oder Bunde.>tütaaten, zu denen bis
zum Eleginn der Rechtsbücherzeit die meisten mimi'eg. >Viilklande« zusammen
getreten waren. Die Rechtsaufzeichmmgcn oder -Bücher« selbst sind nach
den Hauptversammlungen [ip^pi'ig. nihhcrjurftin^) benannt, auf denen alljälu*-
lich das Recht jener Verbände vorgetragen wurde. Dem schwedischen (gö-
lüchcn) Rethtsgebiet naclist gclq^n ist das der beiden Reclilsbücher, von
denen fast nur die »Christenrerhte« Übrig geblieben sind. Das eine gehörte
Germanuche Pbiloloffkc 111. 1. Aufl. 8
114 ^^- Recht. A. DenkmAlgr.
dem Bor^ai-pins; d, i. dem um den Christianiafjord gelegenen ThingircrbanH,
das andere dein uürdlkh an den vorigen grenzenden binnen- uder liueliEiln-
dischen t>der dem Eiäsi/apiag an. Der khstius döms bqlkr des enitem, jetzt
gewöhnlich als das «altere Christenr. des Borgth.« I>ezeichnet, Hegt in 3 Re-
zeiLsinnen vor, wovon nur die älteste (in 18 verhaltnistaassig ausführlichen
Kapiteln) vollständig erhalten ist. Sie scheint in die Jahre 1140—11,^2 zu
fallen. In den beiden jungem Rezen^iunen sind verschiedene dem welüicheu
Teil des Rec-hLsbuchs entnommene Btöitimmungen über Khe und \V«l>er ein-
gcscliallet. Vom kmiin b^ikr des Hfx:hlandsrechts oder dem srjg. »altem Chr.
des Eidsifathings« haben wir 2 Rezensionen. Die ältere und vollere (in 53
Kapp.) scheint bald nach 1152. die jüngere und verkürzte (44 Kapp.) ihrer ge-
schicljllichcn Einleitung zufolge erst nach 1184 {vor 1215?) vcrfasst. Ein
Bruchsti'uk ans dem strafrechtlichen Teil des Refhisbuchs isi alles, was von
dicsein ausser liem Christen recht bis jetzt bekannt wurde. Viel besser ist es
mit der Erhaltung der (-Altern«) Gulapin^bök bestellt, d.i. des Rerhtsbuchs
des südwestlichen Thingverbancles, der im Gtihph*^ seinen Mittelpunkt hatte.
Die älteste Redaktion der GiUb. besitzen wir nur in einer grOsscm Zahl von
Bnichsiücken einer Ils. aus dem 12. jahrh. und von .Auszügen, welche im
17. Jalirli. aus eben jener Hs, genommen wmden. Biese Redaktion scheint
in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhs. verfasst nnd wäre somit eines der
alleraltesten skandinavischen Rechts- und Literaturdenkmäler. Durch ilire
Umarbeitung in tler Zeit (und auf Veranla-ssung?) von K. Magnus ErÜngsson,
etwa zwn'schen 11M4 und 1184 entstand eine zweite Redaktion, von der nur
wenige Bmchstücke vorliegen. Um 1200 wurde die Red, II, welche mau
dem K. Magnus , und die Red. I , welclie man jetzt einem ■ Olaf < ,
d. h. dem hl, Olaf, beilegte, kompiliert. Von dieser Red. III haben wir
Bruchstücke einer lilteru und einen nahezu vollständigen Kodex einer
jungem Fassung {Cod. Ranlzovimms), welciie dem Rechtsbuch miter andern
Zuthaten die im ersten Viertel des 13. Jahrhs. vom DrontheJmi.scIicn (je-
set2sprecher Bjarne Mardarson verfasste W'ergeldtaf el anhangt. Eine
ahnUche Ge.schirhte wie die Gulh. hat das Rechtsbuch der zum Frastufiing
verbundenen Volklande um den Droniheimsfjord erlebt, die (altere) Frostu-
pingsbök. Um \ib^ gab es im I'rostu{>ing bereits niebrerc unter sich abwei-
chende ReciiLsaufzeichnungen, worin man das -Recht des hl. Olaf-^ zu finden
meinte. Von diesem »Recht des hl. Olaf« ebens«i wie von einer Revision
desselben, welche zwischen 1164 und 1174 unter dem cutscheidenden Ein-
fluss desDroniheimer Krzbischofs Evsteinn Rrlendsson veranstaltet wurde
{Gnl/ßgdr}), sind Bestandteile nur durch Vennittlurg .spaterer Redaktionen
erhalten. Die erste unter diesen scheint ungefähr zwischen lii.S und 1220
entsl.inden und wird durch die »Tfibiiigcr BrurhstOcke« vertreten. Kigen-
lünilich ist ihr die Einteilung des Stoffes in "Büchern- {bä-kr), der Büclier in
»Teile« {lutir oder bce/i/r), der »Teile* endlich in Kapitel mit gebrochener
Zahlung. Diese Einteilung hat der nächstfolgende Überarbeiter ( 1220 — 1225?)
durch eine einfachere ersetzt: lö (?) /w//> mit Kapitel ein teiiuug und voran-
gestellten InhaltsverzeirhnisSf'ti. Von seiner Redaktion besitzen wir ein Frag-
ment des 2. und des to. lutr. Eine Rekonstruktion des letzteren, dessen wich-
tiger Inhalt [saital oder Wergcld<irdnung) iin Wesentlichen aus der Zeit vor
liti4 stammt, habe ich in Genn. XXXII versucht. Die letzte Redaktion
endlich (»Vutgala« in 16 hlir) dürfte 1225 — 1250 anzusetzen sein. Sie lilsst
die Anordnung der vorigen unberührt, zeigt aber im b. lutr ein wesentlich
verändertes suktaL Ihre Erhaltung ist eine nahezu vollständige. Von einem
nach 1247 vcrfasstcn, aber jetzt verlorenen Text des Christenrechts der Frb.
NoRWBO. RbchtsbCcher uxo Gesetze.
«15
to
mit tlerThrunfolgcordimn^ vuii 1164 an dcrSpitzc haben wir aus einer dSn.
Cbenicizung Kunde. Abdrucke der einzelnen Tcxic der >Laiid.schafbirechte«
geben R. Keyser und P. A. Munch in Norjprs gamlf Loit Bd. 1 1840,
Nachtrage dazu dieselben in Bd. II 1848 8.41/) ff. und G.Storni in Bd. IV
1885, V, I 1890. — Niclit nur dem Zeitalter dieser (gellen angehi'irig. son-
dern auch init einer derselben in genetischem Zusainmeiiliaiig äind die älteren
Denkmäler des Marktrerht.s oder Weichbildes ßjarkevjar rettr). Es han-
delt sich um die Überreste eines nach 1164 verfassten Rechtsbuchs, welches
den bjarkcyjar rettr in seiner Anwendung auf die Stadt Niäaros und imAn-
schltiss an die Fmstb. darstellte. Gleicht in so fern das Werk ganz dem
Sladtrcclit vun Sriderküpinff (oben S. in), sn zeigt es doch aucli wieder eine
gewisM Verwandtet' hafi zu <len dän. Marktrerhien, indem es dem bjarkr.
ebenso die imunterbrochene Giltigkeit wie die Bindung an einen bestimmten
Ort abspricht. Wie keine andere Quelle veranschaulicht es daher den Über-
gang des Marktrecht.^ zumStadtrccla und die Kntsiehung des letzteren. Drei
Hss.- Fragmente und zwei Sammlungen vun Aavzügen liegen vur. Jene sind
in der Ausg. vt)n Keyser und Munch mit I, II, IV, diese mit III beziffert
Fragment IV Usst auf die letzten Kapp, des Christenrechts die ersten des
Scerechts (farmannal^g) folgen und repräsentiert dem Anschein nach die älteste,
aber jedenfalls nach 1174 verfasste Redaktion. Vielleicht dazu gehört Frag-
ment II, welches die ersten 4.^ Kapp, des strafrechüidien Absclmitts \mann-
Juigi) enthalt Dagegen sind die ersten 9 Ka^ip. des Christenrerhts, woraus
I besteht, in dieser Fassung jünger als IV, zwar vor 1247, aber nach der
vorict2ten Überarbeitung der Frostb. (s. oben) redigiert Jftnger noch war
der Text, woraus die Exceqile unter 111 genommen sind. Genaue Drucke
wn I und II brachten Keyser und Munch in NGL. I S. 303 — 315, von
IV und III erst Slurm a. a. O. IV S. 71—97.
i 25. Die Revi-sionsarbeit. welche sich in der Geschichte der Frostb. bis
tief in die Regierungszeil Häkoiis des Alten hinein fortgesetzt zeigt, erstreckte
sein Sohn, der »Gesetz verbesserer« Magnus (1263— 1280) auch auf die an-
dern Rechtsbacher. Und von jetzt an maclit das Rechtsbuch dem Geselz-
bu< li Platz. Im Jahre 1267 brachte der König eine neue Gulapingsbvk, im
Jahre I2<>8 eine ipf^bök für das KidsifH|)ing und da.s Borgar|)iiig mr Annahme,
wogegen er i2fK) am Frostujiing nur zur Revision der weltlichen Teile des
Rc<.'htsbuclis ermächtigt wurde. Von den 1267 und 12O8 eingeführten Gesetz-
bflchem sind die Christenrechtsabschniite erhalten (das »neuere.* Chrr.
des Gula(>ing und des Bgrgar{)ing in JVGL. II 1848), die übrigen Be-
standteile verloren. Das eine wie das andere erklärt sich aus dem weiteren
Verlauf, den die Gesetzgebung unter Kt'inig Magnus und seinen Nachfolgern
müira. In Folge der Vorgänge in Drontheim i 2(k> und des daran ^<ich un-
scldiesscndcn kirchen|H)Utii:H:hen KnnflikLs, der erst durch das Konkordat von
Ttinsberg 1277 einen vorläufigen Absdiluss ertiielt, beschränkte sich der KOuig
darauf. <ier Kodifikatitm für das I'Vostuliing einen rein nominellen kmtim
dömu b^ir einzufügen, im übrigefi aber einen Inhalt zu geben, der das Recht
des Thing^'crb:uidei dein aiutercr Thingvcrbändc, vor allen dem des Gubi-
|>ing mogürh.-»! näherte. Xu diesem Zweck wurden nicht nur die neueren
fürs ganze Reich erlas.senen Einzclgeaetze ( — 1273) verwertet, .sondern auch
die Haupt bejfiände des Geseubuchs aus der älteren Frostb. und der älteren
Gulb. unter beiläuf^er Rücksichtnahme auf die andern Landschuftsrechtc
kompiliert. Im Gegensatz zu den letzten Redaktionen der alten Frostb.
kehrt die neue zur Einteilung in {10) (ittlkir zurück. Am 24. Juni 1274
wmde das Gesetzbuch vom FrostujMng angeuümnien. Bald nachher ( — 127Ü?)
it6
IX. RüicHT. A. DekkuAler.
scheint es auch in den andern, nunmehr beir;ithilich en^'ei^e^en ThinR\'er-
bändcn und in den noch selbständigen VolkLmden eingeführt worrlcn zu
sein, wobei nur die wenigen rcdaktionclleu Änderungen im Text stattfanden,
die durcli die Verfassungsveriitlltnisse gefordert waren. Damit war wenigstens
in der södlirheii Hälfte von Norwegen die malericHe Kinhcit des kodifizierten
weltHchen Kethls lier;<cstellt. und unter dicjicm Gusichtspunkt fü,!i>en wir die
nahezu gleichlautenden Texte der >neueren« FivstuphigS', GnJnpings-, Bor-
}^nrf»ingS' \md Eiäsifapingsh^k unter dem Namen des »neueren« oder »ge-
meinen Landrecbts von K. Magnus dem Geaetzverbesserer« zii-
saromen {sehr anfechtbare Aiugabe in NGL. II mit Nachtragen in TV).
Eine Bearbeitung dieses >gemeinen Laiidrcchts für che StSdte nu't eigenem
l\'^"t^ w^Irde in Bergen, Nidan'is, Oslo und Tunsberg eingefülirt, in der
erstem Stadt schon aiu 12. Januar iz'jit. Das Stadtgesetz budi (»neuerer
bjarityjar re'Ur, neueres oder gemeines Stadtrecht«, gedr. in NGL. II)
folgt, abgeselien von dem Scereclil (/armanu/ji^^j , in der Haupisaclie dem
Laiidrecht wörüicrh bis auf den pin^kapanar b\i{kr, den es umrechgiert, lanäa-
bri^iti und lamhUi^u b^)lkr, welche beiden Absrlmitle es durch eine Stadt-
ordnung — birjankipaN — ersetzt. Wahrend die unifizierende Bewegimg auf
dem Gebiet dc^ weltlichen Rechts im Gange war, zeigten sicli analoge Be-
strebimgcn auf dem Gebiet des kirchlichen, welche teJls vom Ki">nig, teil*
vom Episkopat au^ngcn. Als die nächsten Früchte der einschlagigen Ar-
beiten haben wir drei Entwürfe zu Christenrechten anzusehen, wovon
einer, das sogen. Cliristcnrecht des Königs Sverrir {NGL. I) sehr roh ans
den Christen rechten der älteren Frostut)b. (Red. nach 1215) und der alteren
Gulh. (Red. III |, ein zweiter (in NGL. IV S. 50—65) aus der alteren
Frittjtujjb.. den alteren Christen rechten des Borgarping und des Eidsifa[jing
unti jüngeren Materialien, der dritte endlich {NGL. IV S. 160 — 1Ö2) aus den
vier altcre-n Land seh aftsrerhti^n Li»m[)iliürt ist. Im Gegensatz zu diesen bloss,
textgeschichtlich wichtigen Quellen ist das (1273?) ebens<T ungeschickt kom-
pilierte »Christenr. des Erzb. Jon« (raude, NGL. II) wirklich unter Zu-
stimmung des Königs 1277 im ganzen Lande als Gesetz zur Geltung gelangt,
nachdem es eine nur uberflachliclie Revision erfahren hatte.
Von den Einzelgesetzcn (rt'liarihtir) der nonn-. Könige beginnen die
Texte in der 2. Hälfte des \z. Jahrhs. Aber erst um ein Jahdiundert spater
treten sie in etwas rascherer Folge auf, und seit dem gemeinen Land- und
Stadtrecht beruht die Fortbildung des geschriebenen Rechts fast au.-üMJilitws-
lich auf diesen Verordnungen, welche jetzt dem Epilog der Kodifikationen
gemäss der Konig einseitig erlassen konnte. Die meisten von ihnen bcziehcu
sich auf die staatsrechtlichen Verhältnisse. In der Unionszeit kommen zu
den eigentlichen rettarbcetr allen Stils noch die Unionsurkunden und WahU
kapitulationen (Handfesten) als wichtige Quellen des Staatsrechts. Die Einzel-
gesetze bis zunt Tod des Königs Olaf Häkonarson (1.^87) findet man grössten-
teils in NGL. I— IV, einer Sammlung, welche nicht nur ergänzt, sondern
auch fortgesetzt wird durch das Diplomataritim Nvrt'r^icum [I — XIV 1S4B —
189,)}. Die Fundorte der bclangreiclisten Gcsctzcü texte aus der Uniotiüzdt
gibt Fr. Brandt Forel. I § 1.3 an.
Seit dem Konkordat von 1277 tlbte, wiewohl dasselbe naclunals von der
Staatsgewalt rückgangig gemacht wurde, der Episkopal die autonome
Gesetzgebung der norw. Kirche aus (Provinzialslututcn v. 12Ö0— 1351,
meist in an<ird. Fa.ssung, in NGL. IIIi. Unter den rcinpersönlichen Ver-
bänden mit weliliclier KechLsbildung steht das königliche Dienstgefnlge (hirä)
voran. Von Königsgesetzen fUt die hird seit dem hl. Olaf ist in den Ge-
NoRWEG. GesCTZE V. Privatarbbitek. ist.Axu.
117
srhifhtsqudkn die Rede. Auch über eine »alte kiräiini', d.h. ein Rechts-
buch für die hird aus der Zeit des K. Sverrir et\fa, fallen mehrf:i<'Iic An-
<1eutungi'n. Sie ist wie alle JlUeren Gesetze in ursprünglicher Gesialt ver-
liirt-n. weil verdrünirt durch die jüngere At'räiJtni, eine ausführliche K'<difi-
k;iti(in tlvr hiräl^f^ in 54 Kapiteln, welctie. in 1274 — 1277 K. Magnus
Häkonarson erlassen hat \N(iL. [I|. Die Weiterbildung der hirtllvg gelangt
dann in etlichen königlichen Verordnungen zum Ausdruck, die man unter
deti rrttarboetr zu suchen hat. An Gildestatuten des MA. wt Koruegen
noch armer als Schweden. Der spezifisch ncirwcgischen Statuten sind bislang
Oberhaupt nur drei bekannt, die sfimtlich dan Westen des Laniles entstam-
men (zwei, aus dem 13. imd 14. Jahrh., Sorgfalt^ her. v. Pappcnhuim
Aitnonv. Schulzgiifiesl. S. 145 — 167, dann von G. Siorm in Ndf^ V 1 1Ö90,
ein dritteft. aus der Stadi Drontheim c. 1200 herausg. von G. Storm in
^rog/tff-hü/ot. Stiiiiier tUegn. Prof. Unger iStj" S, 21S — 220).
Die juristische I'rivatschriftstellerei zeigt sich m Norwegen ahnlich
wie in Schweden erlahmt, seitdem der freie Vortrag des Gcsctzs|)rcchers »x-r-
stummt und das Rechtsbuch dem Gesetzbuch gewichen ist. Immerhm fehlt
CS auch jetzt wenigstens nicht an mancherlei Formularien für mündliche
Geschäfte, noch auch an kleineren Rech tsauf Zeichnungen. Zu den Slieslcn
Stücken der ersteren Gattung gchriren je<lenfalls die so oft als Praclitmuster
poeli-scher Rechbwprache zitierten Frieden sfunnulare (griäamdl und Irygitamäi},
welche sich vollst.1ndig nur in Island. Knmpilatinnen erhallen haben {Gräg,
Cod. R. 114, 115, Cott A. 383, 388 vgl. mit Gu!b. 320). Jüngere Formulare,
darunter sehr beachtenswerte prozessuale, teilt die Hss.-Beschreibung in NGL.
IV mit. Unter den theoretischen Rechtsschilderungen (wmon die meisten
ebenda^ mag ausser der schon S. 114 rrwahntrn VVcrgi-hllafcl des Bjarne
Mardarson eine auf den BurgiHcnst bezügliche Bearbeitung des schwed.
gardsrstter (ol>eji S. Ii2) genannt werden, welche, vor 1320 verfasst, ihren
Inhalt unter dem Namen borgara re'ttr einem Kt^nig Hiknn zuschreibt {NGL.
III S. I44ng.i, ferner der in späten Hss. vorkommende erbrechtlichc Aufsatz
eines geistlichen Verfassers (NGL. [V S. 431 flg.). In einem gewissen Sinn
lassl sich auch der zweite und grössere Teil des unter dem Titel Sftcetihtm
n^U bekannten und aus der ersten H;Uftc des 13. ]ahrhs. stammenden
annr»-eg. Dialogs (Kapp. 24—70) der Rechtsliteratur einreiben, indem er näm-
lich auf eine anschauliebe Schildcrimg der kilniglichcn hird {vgl. oben), der
königlichen Gewalt und ihres Verh.11tnisses zur kirchlichen ausgeht (Ausgg.
V. Keyscr, Munch und Ungcr Christ 1Ö48 und vcm Brenner, Münch.
188!.) Viel weiter ah steht schon um seiner leidenschaftÜcha» Einseitigkeit
willen das sog. Antfdolon Svtrreri (her. v. Werlauff 1815), eine um 1200
wahrscheinlich von König Sverrir selbst verfas.ste und in den willkürlichsten
Paraphrasen und Interpretationen kirchlicher Quellen sich ergebende anor<l.
Streitschrift zu Gunsten der könlgli<-licn .\llgewalt gegenüber dem Episkopat.
Ein anderes nicht minder oft besprochenes, diesmal aber von kirchlicher
Seite hinterlassen es Erinnerungszeichen der staatskirchenrcchllichen Streitig-
keiten in Norwegen gehßrt in die Reihe der gefälschten Rechtsquellen,
namtich die 127b verfertigte latein. Urkunde mit der Reichsschenkung von
König Magnus Erlingsst^n an den hl. Olaf und den I^vitegicn dcrsselbcn
Königs an den Drcmtheimer Mciropolilanstuhl \NOi^ 1 442 — 444, Ihftl. hl.
Nr. 39).
% 26. Aus norwegischer Wurzel erwachsen und nach eberwo eigenartiger
ab selbständiger Entuickelung wieder neuen Einflüssen aus Norw^eii ver-
Cdlen ist das Recht auf Island. Um 930 s)) erhielt der Freistaat sein
ii8
IX. Recht. A. DekkmXler.
erstes forniuiicrtea Landrci-ht durch den eingewanderten Xui^cgcr Ulftjütr
vun Lön, welcher dabei hau ptsärh lieh dem Vorbilde der Gula|>ingsl9g folgte.
Von diesen •Ui/jöis l^g*, worunter man sich nur die älteste Lsland. I^gtaga
(vgl. S, ioi> vorstellen kann, sind spärliche Exzerpte Iicidnisch -sakra] recht-
lichen Inhalts durch Vermittlung des Vaters der isiKnd. Geschichtsschreibung,
Are frude, in verschiedenen jilngern Geschichtsquellen erhaäten. Durch die
gesetzliche Einführung dps Christeiitumit i. J. idcxj, wie durch eine Reihe
anderer Gesetze wurde jener Grundstock der t^gsaga teils abgeändert, teils
erweitert, bis i. J. 1117 ein Alllhingsbeachluss den gode Haflide Mürsson
mit der Aufgabe betntute-, das Landrerht mit geeigneten Verbesserungen *7.\i
Buch schreiben^ zu lassen. Im Winter 11 17 auf 18 wurtäe dies Werk nach
den Angaben des Gesetzsprechers Berg|iörr Hrafnsson und »anderer
kundiger Männer* vallbracht und das nächste Allthing erhob es zum Gesetz.
Diese •flti/hdaskrä' schloss sich in der Einteilung wesentlich der lygsaga an,
und als einer ihrer Abschnitte wird uns namentlich t^i^siöite (•■die Folgen der
Schlägerei') bezeichnet. Der »Abschnitt vom Christen recht <> — Krislitina laga
iSrtV//- — jedoch wurde erst in 1 122 — 113- -gesetzt und geschrirbein. In ihrer
ursprünglichen Gestalt sind diese Gesetze niclit auf unsere Tage gekonunen.
Wohl aber machen sie mit einem Zehntgesetz von icjg<> den Kern jener
kompUatoristhen Kccbisiiuf Zeichnungen aus den letzten Zeiten des Frei-
Btaates und den cniten Jahren der Königs he rrschaft aus, denen die gelehrte
Geschichtskonstruktion um i(k» den Kamen des hiillimythischen Gesetz-
buches von K. Magnus dem Guten (üben S. 113}. der Gr<if(<is, beigelegt hat.
Behalten wir diesen nun einmal Üblichen Namen in Ermangelung eines
quellenmassigcn bei, so dürfen «ir doch darüber nicht vergessen, dass wir es
keineswegs etwa bloss mit Rezensionen eines und des nämlichen Werkes,
sondern mit verschiedenen, von einander unabhängigen Samuiclarbcitcn zu
thun haben, drreJt gegenseitige Beziehungen nur auf der GemeJnschaft ihrer
Materialien berulien. Es bestanden aber diese Materialien, vor Allem aus
den Reihts vortragen, welche über den schon genannten Texten und den
spater hinzngckr>mrtienc'n Novellen (nynuHr) erwachsen waren, weiterhin aus
Einzelcnlschcidungen (Guiachten) vi*n Gesetzsprecheni, partikularen Behebun-
gen, Formukiren. Auch norwegische Quellen haben sich die Sammler zu
Nutze gemacht, so z. B. die S. 11? crwalmten Fricdcnsfunnclu und das
Kftere saktal der Frostb. (vgl. S. 114), das Weistum von 10B3 (oben S. 113).
2wei Kompibllonen sind es, welclie diese aus sehr vcrschicilcncn Zeiten
stammenden Aufzeichnungen verhültnismassig am vf>llstiindigsten vereinigen:
die in der -ikonun^bökt. (K.) oder dem *fW. regius-^ (zu Knpenhagen) aus den
Jaliren 1258 — 12Ö0 und die in der AmamagncanUihen SlattarhiHsbök (St.) aus
1262 — 1271. Beide folgen in ihrer Anlage dem Grundpian der Iggsaga. ohne
doch ganz gleichm.lssig deren sämtliche Abschnitte zu enthalten, wie z. B. die
St. ausser der Wergeid ordnung auch die zu ihrer Zeit obsoleten staatsrecht-
lichen Abschnilte fiirllassl. Hi'ichst ungleich aber ist die Reihenfolge, in tler
K. und St. ihre gemeinsamen Maten;ilien vorbringen. Die K. ist mehr Ent-
wurf und führt uns als solcher immittelbar in die Werkst^tte des Kompikitors,
dem wir zusehen, wie er beim Abschreiben seiner Haupttexte die Bestand-
teile aus Nebentexten vorläufig notiert, welche die beabsichtigte Überarbeitimg
in extenso aufnehmen soll. Die St. dagegen ist mehr ausgeführte und syste-
malis*her angeordnete Kompilation. Sorgfältiger gibt sie auch durch ihre
Alarginal zeichen die Stellen an, wo ein ^mtiuHr" beginnt. Bei aller Ver-
schiedt-nheit jedoch stimmen K. und St, in Bezug auf AtLsführlichkeit, insbe-
sondere eine auf die Spitze getriebene Kasuistik, uberein. Ijlsst sicli nun
ISL.XNDtSCnE.
IIQ
nkJu bcztt-cifcln, tlass diese Eigenschaften schon die Vorlagen der Koinpila-
torcn charakterisierten, so kann doch andererseits nicht angenommen werden,
daas jemals in dieser ganzen Weitläufigkat der Inhalt der Gragäs mündlich
sei votTgctragcn wnnlen, am wenigsten, dass er in der Hauptsache schon in
der Haflidiiskrd wj vurliandcn gewtscn. Zu deutlich vielmehr verrat sich die
langsam fortlwucnflc Arbeit cicr Jahrhunderte uml der IJtenitur. Die Kom-
pilationen v»jn K. und Sl waren denn auch weder die ersten Werke in ihrer
Art, noch sind sie die letzten geblieben. Von Sitercn Sammlungen bis Ober
I2O0 zurück besitzen wir Bruchstücke. Von einer anderen liegt das Strand-
recht (nkapättri vollständig vor (in der pingeymbok). Und dieser SamtrUung
nahe scheint <iie gestanden zu sein, woraus die Jünsbök geschöpft hat (s.
unten). Ganz be^mdcrs oft wurden aber das Christenrcclit und das Zehnt-
redit in jener kompiIatori.srhen Weise fortgebildet, wozu dann noch mitunter
Anhange aus weltlichen Bestandteilen der »Griigäs^ traten, die sich doch
wctlcr in K. noch in St. finden iHauptbcisp. die ß^lgstiaisbök). Auch die
l^nigäsexzerpte von c. ifxx) in AM. 125 A 4° stammen aus einer von K,
und Sl verschietlenen Vnrlage. Buchstüblic]» genaue Drucke aller eiiizelnea
Texte gicbt V. F i n s e n : i > Gr/j^tis . . . tiä^. efter det kong. RibiiotheJci Haanä-
sirift . . , Jor tief mrd. Lir Sam/anit lorsie De/ {Tcxi) 2 Bde. 1852; 2) Grägiis,
tfitr dtt Amam. Haandskr. . . . Siodarkölshök 1870, 3) Grdgäs, S/ykktr clc.
1883 (Cirierart die-ser drei Editionen : *GrÄg. I a, b, U, III'}, — die Texie des
ZehnlgeseUes Jon Sigurds.son im Diphmaiarium Isiandüum I Nr. 22. An
Rechtslextcn, die nicht in die Gräg/is flbergegai^en, i.st der Quellennachlas*
der freistaatlichen Zeit begreiflicherweise arm. Es sind nur kleinere Stücke
wie das Fasieugcbot imd das POnitentialbQchIcin des Bischofs tor*
lakr t*örhallsson c. 1178 {Di/tl. hi. I Nr. 42, 43) und die Strandord-
nung des Siemundr Ormsson fOr den HomafjiprVJr c. 1245 (a. a. O. Nr.
137). Formulare für mündliche Geschäfte haben sich ausserhalb der Gn'tgüs
ni^ch in verscJiitxlencn S^gur, wie z, B. der Njäla, der Heiilar\'ig:a s. erhalten.
Der Beginn der norwegischen Herrschaft über Island wurde zu gesetzHch-
fonoeUcm Ausdruck gebracht durch die Urkundcii, worin sich i, J. 1262 die
Nord- imd SüdLlnrler dem König Häkon Häkfinarson und seinem Sohn
Magnas unterwarfen {Dipl. hl. I Nr. 152). 1271 — 1273 geljuigte siüLkwelse
da» erste norwegische Gesetzbuch für Island am Allthing zur Annahmt;, die
Inach ihrem Eiiiband>) sog. Jarmida. In 141 Kapp, oder Absätzen folgt sie
matcndl dem Grundplan, den wir auch sonst in den Gesetzbüchern des K.
Magnus Häkonarson eingehalten sehen. Wie nachher im -gemeinen» I^ndr.
ist auch hier schon das Christenrecht nur noniiiicll vertreten. Die Arbeit ist
auch ganz die kompilatorische, wie in den andern Gesetzgebungswerken mit
gemeinrechtlicher Tendenz aus der Regierungszeit jenes Königs. Hauptsachlich
itind norwcg. Quellen, nebenher auch islandische, ausgeschrieben. Die Redak-
tion ist eine sehr eilfertige un<l unlianm mische, was mehrfach auf Reclmur^
der we<:hsc1nden Teilnahme von Norwegern uml Tsläiulcni an der Abfa.ssung
fällt ^bester Druck nach der einzigen lückenhaften Hs., doch unter dem fal-
schen, erst seit dem 17. Jalirhundert aufgekotmnenen Titel Hiikonarinik in
NGl^ I S. 259 — 300). NiTch K. Magnus selbst nahm den Ersatz der Jam-
ada durch ein umsichtiger gearbeitetes und umfassenderes Ge-setzbuch in die
Hand. Auch dieses ist Kompilation, nur dass jetzt das 'gemeine* Landr. als
Mutier diente. Als Quellen wurden ausser die.scm selbst benötzt das gern.
Siadtrecht, insbesondere dessen Seerecht, dann die Janisida, die allere Gulb.,
endlich aber auch ziemlich ausgiebig eine >Griigäs<, die weder in K. noch in
St. vorKegt (vgl oben S. 1 1 8 f.). Erst unter dem Sohn und Nachfolger v. K.
Magnus, K. Erik, wiirde das ^neue Gesetz liuch-^ am AUthiiig 1281 aiigc-
noraincn, iiiuh schwiL-rigt.'n Verhandlungen, die uns die Ama biskiips saga
anschauliirh beschreibt. Der IpgmaÖr Jon Einarsson, der w-ahrschtiinlich auch
an der Herstellung des Textes Teil genommen, halte denselben nach Island
gebracht. Noch im MA. wunle nach ihm das Gesetzbuch die Jönshök ge-
nannt (Ausg. einer Rezension auf Grund der vier ältesten Hss. in X(iL. IV;
die Vulgvita in den früheren Ausgg., worüber Möbius Calai. und Verzeir.bn,
s. V.). Die Ji'msb. hat in cumplexu bis heute ihre Gihigkeit bchaken. Doch
trat -schon mit ilirer Einfülirung kein Stillstand in der gesctzlidien Weiter-
bildung des weltliclien Rei'hts auf Island ein. Die Haupiform dafür war
jetzt die der ki'inigl. r/tliviiU. welche unter vorgängiger oder nachtraglicher
Zustimmung des Allthings in Kraft trat (die illlern r^ttarbwtr 1294^1314 in
AY;i. IV S. 341—349, andere im Dipl. hl. II, III i&BHff.). Z«Ls.:hen die
Jamsida und die Jönsh. fallt die Au.sarbßitung eines neuen -Christenrerhtst
dun:h Bischrjf Arne von Skälholt, wobei das norw. Christenrecht vini Erzb,
Jon (oben S. iib) zum Muster diente, doch auch das hergebrachte isländische
berücksichtigt wurde. Im J. IJ75 vom Alltliing provisorisch angenommen,
nachher aber von der Staatsgewalt angefociitcn, scheint der kristinr/Hr Ama
biskups nur durch die l'ra.xis in Geltung gekommen zu sein (Ausg. v. Storm
in NGL. Vi 189»-), spätere bischOfl. Statuten im Dipi. hl. II. IH. Ebenda
findet man auch eine Reihe von Formularen für die verschiedenartigsten
mündlichen Geschäfte, das Einzige was an juristischen Privatarbeiten die is-
ländische Literatur des Spatmittel alters darbietet.
Ausser Island sind es unter den wnord. Kolonien nur noch die Fseröer,
von deren Recht wir schriftliche Denkmiller aus dem MA. haben: freilich
erst königliche Verordnungen aus der Zeit nach der Einfahnnig des non*-.
»geraeinen- Landrechts {NGL. IV S. 353 flg., III S. 33 — 40), wovon aber
doch wenigstens eine, das sog. sauäatrr// von 1298, auf den Fa;röcni selbst
verfasst ist.
B. RECHTSALTERTÜMER.
Bcacl>ci[ungen vor J. Grimra sind genannt bcE Gcnglcr, GntHJr. S. 10 — 13,
Brunncr, RG. I S. I" flg.. Dreyer. Btiträ^e i. LH. dtr norJ. Kechtsgt'lahr-
samt. i;94 S. 155 — 213. IlinnizutuKcn: J. Ö. StiffrnllSVik, Dt jure Svrorum
et Gcthorum vetusto 167*. — Seit J. Grimm (oben S. 53): Palgravc, Thi- rw
tm4 profrrtss 0/ thr £nff- i«mmottv<foltk I, LI 1831/33. O. GOschen faintvr
deucD AiUK. tlcr üosUr. Statuten 1^408. ]37 — 521, K. Fr. Rösslcr. l>nt.
RDrttkmäUr ans BShwen u. AJ,ihrrn Bd. I l»45 S. XIII— XXI. XLV— CD.
Bd. H 185z S. I-XXXI. LVI — XCIX. Tomaschck. Dmi. ^.hl in Ösl^r-
rrkh im 13. Jahrh. 185«) S. iWi — 1O9, \', HasenOhrl. öttrrreieh. [^nd^smht
im i,i. und ! 4. Jahr h. 186" S. 3'— 235i Noordi-'wipr, Nrdrrdtiilichr Rr-^^l-
stiuJhriit^n 1853, H. Zncjifl. .4Uertümrr rf« dfu!. Ri-tfhs u. Rrfkts I u. II i8üo,
in [8lJ[ (ül)M I K. Maurer in Kril. Vjschr. C Ge*g. u. Rw. II S. 369 — 2^3),
0!ieiibrü(;(jcn, Sltni. s. drul. u. hAtiv«. RGi-trhichlf 1 80S, ders. ft.-llUrt. uits
äsirrr. PantniJingrn (in Wietii-r Silzghrr. XI.I S. 166 — 222), v. H .immerstei n-
JLo X t e n , D. Baräfngim 1 86q, B a u m « t .1 r k , UrtUui. Staatanltertümrr X 873,
Ders. Aus/iiMrl. Erltiut. der Hrrmania dfs Tacilus 1876, GcD|>ter, Dtttt. Stadt-
reckUallerl. 1882. E. Rdscnibal, ßeifr. t. driit. StaJtmhl-ii;ruh. H. I u. II
1883, S. Müller. /> middel^eifa-iche Reffitsbronnen drr SfaJ Ufrfihl, InMding
1885 S. 9—331, Fei. Dahn. Druf. Grwh. I S. 162 — 268. U S. 418—749. J.
Kohler, BHtr. z. gfrman. Privatrgtiik. I— III 1ÄS5— 88. M. S. Pools, Weit-
frieahe Stadtrechtcn I |888 S. XIU— CCXXXiV (in Wtrk^n oben S. 81).
Gicrkc, Der Humor im detit. Keuht 2. Aufl. i88(>. Licbrcchl. JCur Votiikunde
1879 S. I — 16, 296 — 305,414 — 436. V'andcrkindcrc, Inlrryductttin ä t'kiitoirr
dfs ittstitutioits de Iq Bel^^ique ai* moyen a^e fjuiq'au Iraile de lrrJ»n) 1890
5. i57ff., — Kcmblc, Tke Saxara m England t Bde. 1849 (deutsch v. BratuUft
1. Liun): STAAi'soeBiET.
I2t
'*53/4)' K. Maurer in Krit. Cbcrschau d. deut. Gcsr. u. Rw. I— III 1853—56
[lus Anl«s» dci »'orK(!nanmcn Werks). R. Schmid, Antiquar. C'/cisar (hinict «.
Au9^. der >Ge99. der AngeUachMii« 3. Auß. 1S5S), Adams, Lodgc, Youne u.
I.«UKbltn, Estayi m Angto-Sax^n La-r 1876 (worObcr K. Mnurcr in KriL
V)schr. XrX S. '581 — 3«*>); — Fl-I. Dnhn. IVfstjrot. Stuäim 1*174: — C. Mol-
bech, IndUdHiHg <tg Vdttiit fit m Skiidrtng itf dfn j/rrm. }htrn/. inifrurtri
For/afnmg clc. (in Hisl. Tidsskr. IV S. 369—523). F. C. Dahlmano. Gfsrh.
f. tkiirmark \ 184O S, 12; — 174, 11 184! S. 180 — 263, 394 — 370. III 1843
S. 3 — 86, J, Stern"ttru[), lianrlng {Xormannrruf lA") 1883, Roscnhcrg,
JiJontbofrnet Aandilrf \\ 1880 S. 95 — 155: — Strinrhnim, Svenskn Foltfts
Jiistoria 1 1834 S. 4<)0 — f>iq, J. J. Nardslröm. Bidrag ttlt dm n-rmlea sam-
hdlU'fiSrfattningens Aiil. I l8jg. 11 1840 (daxu ßcrt;ra1k in der Z.sct«-. Frey
Up*. 184I S. 158 — 220>. G. O. H)-ll6R.Cav.illius, U'dremi och U'irdarw \l
1868 S. 356 — 412; — J. F. G. Schlegel, Committt. kisl. vorder Gr^gäs-Ausg.
von 1839 p. LXX— CXrV. P. A. Munch, Det nonke FoÜa t/istorü I 1853
(deuuch: D. nerdgrrm. J'üiifr . , . üb«». ». CUumcii 185^}, R, Kcyser, Aorget
Statt- og Rth/ar/atning i yHddt!alderrH {E/lerladlt SJtrißfr II) iS^i; (daxu K.
Maurer in Kr. Vj*chr. X S. 360—404), K. Maurer, Island 1874. V. Finsen,
OrdrrgistfT hinter seiner Ausg. der GrigÄs 1883 (». oben S. 1:9). — Ausser den
hier rin fUr oltemal genannten Arbeiten in nuT die in § 3 aogcfUbnen rechuge«
ichichüidica Werke ta verweisen.
], LAKD.
Liieratur bei Rronner RG. I §§ 8 — 11, 16, II §§ 78—81, Siegel RG.
§§ tg. 68. 88. (>o, .auch 96. Schröder Lehrb. §§ 4, 6. 18, 19. 39. ji. Brsndl
Ford. II §§ 61. 62. Dajni: J. Grimm. Dettt.Cremaltertümer i»43 (Kl. Sehr. 11).
Spruncr, Jfoverns (Jaur 1831. v. Pcucker, D. acut. JCn'egrtrfien der Uruitm
II S- 346 — 463, H. Br>tlgcr, Diikcsan- u. 0'au;^renu-n Xirddrutscilands I — IV
"875 — 76. V. Hascnr.hrl im Archiv f. ßsterr. Gesch. LXXXII 1895 S. 421 —
502, X.uftchin V. Ehcnprcutli. ÖUrrr. Kcü-hsgeich. I 1895 §§ 9. IJ, v. Ricbt-
iiQrca. C'ntcrs. $i. /rü-s. A'<r. T. II S. 1 — 145. 511—939. 1138 — 1193, 1201 —
1310, III S. I — 4'j. Heck, /}. aitfriei. iierkhlsverfatsung 1894 S. 30 — 34
123 — 137, 428—431. V. Bethraann-Hollwcg. Ürspr. drr lombard. Städte-
freiheit 1846 S. 59 — 73, R. Schröder bei Bciinguier (»ben S. 61 n. r) S. i — 36,
Den. In Fesucfar. für Weinhold 1896 S. 118—133. t'hlirz in den MIÖG. XV
<|894) 5. 676^684, Kcuigen. Cnttrs, w. d. L'rsprtmg dtr deitt. Stadivtr-
fassung 1895. Philippj. Üiir Vtrfixssgtgfuh, drr wrtt/äl. Biicho/ssttSHtf 1894,
Pappenheim in Krit. Vjschr. 1892 S. 172 — 218, v. Bclow in Deut. Zschr. f.
Geschieht«-. 1890 S, 112 — 120. K. Schulte in Gfllt. gel. A. 1891 S. 520—31,
Fr. V. Wyss in Z«chr. f. ichweix. R. I S. 32 — 118 (auch in Alihondlgg. z. Gfsch.
des schweif. Off. R. 1892 S. 3 fr.), Heuxlcr ebenda X .S. 5 — 35: — Slubbx,
CaMjtttuf. Hiitarr I S. 19. 82— llfl, Gnei»t, Engl. Vrr/Gtsih. §§ 3, 5, E.
}Ii)debrand, Engrhka StamhälhförhallaHden Jöre dm mtrm. rräfringrn 1875
S. 51 T-I — ^- Nielsen, /lidrag ti'l Oplt-tning om Sysselinddeling i Danmark
1867, Stemann, />. damte Retihisl. ^ 16, 17, 46. 47, J. Stceosirup, Studier
tnvr A'. laldewart /ordticg I S. 1 — 35, 115 — 148. 188 — 193, Dcts. i. Ilist.
Tid&^r. (Kjiibenh.) 1883 S. 519—531, Ders. in Dansltc Vidcnik. Sclsk. Forhandl.
1896 S. 375—404. MatEcn, EorrL Off. ^. I § 3; — Scblyier. Jnrid. Af-
handlift^r II S. 38 — 126, 161 — 170. 202. Tengberg, Om dm dldsta territ.
Jndfln. oih Eön-alln. i Svfrigr I 1875. H. Klldebrand. Sxfrigft Afrdrlttd I
243 — 360. 365 f.; — Munch, Jiut. geogr. BakriveUe tn-rr Kong. Sorge l
MtdäeUild^rtH 1849. K. Maurer. öHtathing in ErKh u. Gruber lincykl., Ders.
i. ^l-fslgabe- fiir .\mdw Münch, 1875 S. boff. Fr. Brandt, Fortl. U §$ 64,
65, A, Taranger in Hist. Tidssk. (Krist.) 1887 S. 337— 40I (da/u K. Maurer
in Kr. Vj«.'hr. XXXI S. 223—2371, SiyTfe, Skandinavien under Vnionstidm
1867, C. ( t. Miiiilnii, .Vä^tt blad ur de jlnnd. Kvntmunalinit. Mitvrk/ingiAist.
1883.
S 2y. Die (jermaiien der ^cscliichilichen Zeit sirnl sesshalt, ihre Reclits-
verbonde bedürfen eines Landes innerhalb bfcständiger (jrcnzen. Auch wenn
sidi die Rechugenoäscnschafl auf die Wanderung begibt, gesciücht es nur
um dnoi neuen Boilcn dieser Art auf/usuchcn. Es hfln^ mit ^nz aus-
iuhnuwei3cn Verhaltnissen zus.immen, wenn das älteste Gemeinwesen auf
122 IX. Recht. B. Altertümer.
Island seiner Natux imcli untcrritLirial ist (§ 52). AnfajiglK-li sind die Gfr-
manen flher eine -sehr beträchtliche Zahl von Staaten vcrieilt, welche meist
so klein sind, dass ihre Bewohner nur Teile von Staramen ausranchen. Oft
uinfasst das Gebiet eines si>Icheu Staat"» nur das Thal eines einzigen kurzen
Flusses. Erat im weiteren V'erlauf der Geschichte wird eine Mehr^thl von
Kleinstaa.ti.Ti zu grösseren Gemeinwesen vereinigt, wozu den Übcrgau;^ Slaa-
tejihündnissc, und n<M-h öfter Realunionen unter erobernden Herrschen! bil-
den. Auch in den Kolonisationsgebieten wiederholen sich dieie HergJlnge.
Verliert ein Staat .seine Unabhängigkeit, so wird er dtx:h nicht sogleich zum
blossen Bezirk dcsje-nigen .Staates, in welchen er eintritt. Vielmehr gibt er
2unn>chst nur bestiiumlc Funktionen an denselben ab, behalt daher auch
seine ursprüngliclie Jius-sere Gestalt bei. Und das so begründete Verhältnis
pflegt mehrere Jahrhunderte fortzudauern. Der germanische Grossstaat ist
gewöhnlich ein zusammengesetzter Staat Das germanische Staatsgebiet heii^t
/(?«(/, und wenn es unter einem Herrsclier steht, nii [got. reiiii, ags. rUt
u. s. w.) ^ Machigebict, •Reicli', gegenteils — wenigstens im skandinav.
Sprachkreis — ein fo^kland oder fylke = Volk-sgcbieU Über »Mark* S 33.
Von den andern Landern seines Gleichen wird das Land und zwar auch
das »Reich« untersiliicdcn durch Nennung seiner Bewohner, seltener durdi
Angabe geographischer Merkmale, und erst im M.\, zuweilen durch Angabe
des Ortes, von wo aus es beherrscht wird.
§ 28. Erfn^rdeni es Raum und VerkehrsverhJlltni.sse des >Landcsc, so wird
CS in Bezirke geteilt zu Zwecken der ordentlichen Rechtspflege, der Heeres-
und Polizei-, in jüngeren Zeiten auch der Finanz- und kirchlichen Verwal-
tung. Der german. Kleinstaat kennt in der Regel nur Eine tiattung von
Bezirken. Diese erscheint bei Deutschen und Sknndinaven in der Zeit der
Rechtsdenkmaler als »Hundertschaft- — himdim {-jX-axw. kunlari . asw./iw«-
dariy lat. von den Franken durch fcnlena übersetzt, daher mhd. z€nl\ ursprClng-
lich wiihl für eine nicht als Zahl von icx) oder 130, sondern als »Menge«
zu denkende V« »Iksabtcilung, die einen rein persönlichen Verband, ein Hee-
re-« kontin gtmt und eine Gerich tsvcpjam ml ung ausmachte, nachher erst — als
Wohnplatz dieses Verbandes — räumlicher Begriff. Dasselbe gilt von dem
in den drei .skandinavi.*M'hen Hauptlandem der Hundertschaft entspreche ndca
herap, wogegen das erst seit /Elfred d. Gr. als Bezirk vorkommende ags.
hundnd den Quellen nach ursprünglich luid teilweise bis in die noriuanni^
s<"he Zeit eine Rmlenrtüchc von c. 120 Hufen be<ieutetc. Im danischen Ge-
biet Kordenglands entspricht deni liundrett das n-ir/icugtttre (witpentae) =
>Bczirk der W'jd'fenbcrülirung*, (so wegen der Fonn der DingbeschltLsse ge-
nannt). Sjieziftsch deutsch scheint die Benennung hani {ahd. fianz) fflr die
Hundertschaft, nur friesisch in der glcielien Bctleutung bifang (später auch
ban oder omhethlX unskandinavisch wenigstens die in Deutschland eine so
grosse Rolle spielende Benennung '(iau" {%<A. fiawi, ahd. ;^f7c/. africs. ^ti, ^,
as. g6 u. s. w. von bis jetzt nicht emiitteltcr (irumlbedeutung). So oft aber
die letzlere aucii vorkoniint. sie ist doch — ausser in Sachsen — nie ein
fesler Rechtstenuiiius geworden, bezieht sich vielmehr stets und v<ir allem auf
einen geographischen Begriff, kann daher nicht nur die Hundertschaft, son-
dern auch den aus mehreren Hundeilscliaften zusammengesetzten Mittelbe-
zirk (s. § 20) und eben .sowohl eint: Gegend beileuten. die g;Hr kein Bezirk
ist. Andererseils wird in Norwegen die Hundertschaft zuweiten als ein Bruch-
teil (Drittel, Viertel, Seclislel, Achtel) des Volklandes bcuajint Dass eine
Hundertschaft als s<i|che in kleinere Distrikte zerlegt wird, findet sich bei
Südgermanen selten, häufiger hei den Skandinaven, insbesondere in Schwe-
1. Land: Bezirke.
"3
<len, wo dann der Distrikt als Bruchteil der Hundertschaft bezeichnet vrird.
Künstlicher üIü die Einteilung des Landes in Hundertschaften und nur ku
/Iwrcken <Icr Scf-wchr wie nur an KOstrnstrirhcn dunhgcffthrt i^t die Kin-
teilunjr in Schiffsbezirke, welche in den drei skantiina\isthcn Hauplreichen
und seit der J.Hälfte des Eo.Jahrlis. auch in England vorkonunt Das Aus-
rüsten, Erhalten und Bemannen der Kriegsschiffe ist auf diese Bezirke um-
gelegt. Der Name für einen solchen ist in Schweden skipla^ (_»dcr skifti<rghi
(s= Schiffsgenossenschafi). in Dänemark xJct/>trn (= Anordnung. Küslung>, in
Norwegen skipreida (= Schiffsrhedcj oder ski/tsysia (s* Schiffsdienst), in Eng-
land sitpxörn oder skip/vfifd (= Schiffsmannschaft). Der Schiffsbezirk fallt in
Norwegen und in S<:hwc<len regelma.s.-ig mit der HunderlÄ-haft räumlich zu-
«ammm, so dass dlei^e vrm jenem geradezu den Namen annimmt. In Däne-
maik dagegen kann er ebensowohl einen Teil der Hundertschaft oder einen
Verein von Hundertschaften nie eine einzige Hundertschaft ausmachen. In
England endlich scheint er der Reget nach drei Hundertschaften nmfasst zu
haben. Rflumüclie Untoralrtcilungen des Schiffsbezirks entstehen in den
tnordischen Staaten dadtirrh, dass die Stellung der Ruderer und Seekrieger
den Grundbesitz umgelegt wird. Ar (m. = Ruder) oder har (= Ruder-
"l heisst ein solcher Distrikt in Schweden. Art/«« (= Manntplal/.) im ganzen
i»slnord. Gebiet. Die bisher genannten Bezirke dienen in der alteren Zeit
der vom Volke selbst ausgehenden und von ihm in seinen Versammln ngen
— ping oder *mapui — oder dwli von seinen Beamten — dem taciteisdicn
priHfeps, dem ifürapa Beda'ä, dem salfrank. 'thuakin^, dem ags. himdndts
foMor. dem norwcg. htrser, dcjn .schwcd. baraps hefpingi, dem goL bunda'
fiips (?) — ausgeübten Verwaltung. SpJlter geht diese in der Hauptsache auf
den Herrscher Ober, so dass der Volksbeainle im Bezirke durch einen könig-
lichen Diener, wie z. B. der tliunkin durch den hnnno ivgl. Bd. I 47.1, 381,
tenttnarim^ wovon mhd. uniemtre, zeatgreiTv) oder »Schuhhcissen» {ahd. skult-
heizo, mnd. skttithele. fries. skrltatn, auch fnimt = Hcrrciidiencrl. der Iierser
in Nor«'egen duri'h den Itiidrtnaär, in Dänemark durch den umbuzman oder
fogbfi ersetzt wird.
^ 2g. Zu gemeinsamer Ausübung ihrer Funktionen können mehrere Htm-
dertschaften in einen Verein treten. Von einem solchen Verein muss unter-
schictlen werden der Mittclbczirk, welcher sich zwischen Land und Hun-
dertschaft einsi-hiebt, wenn auch seine Grenzen allenhngs mit Ihmdertschafts-
grenzen zusammenfallen. Nur In wL-nigen Landern dient er der Selbstver-
waltung, so 2. B. der gritUlnd. pripiu»ger. Regelmässig ist vielmehr der
Miltelbczirk Amtssprengel für einen Diener des Herrschers und s^lion dess-
halb jungem Ursprungs als die Hurdertichaft Die-ses ist am deutlichsten
erkennbar bei der Grafschaft (graßa. tomiiaim) der fränkischen Reichsver-
fassung. Sic ist .sog:u- nach dem königlichen Statthalter, dem 'Grafcm (frank.
gräfio, woraus mnd, grrvf, fries. gravi, danelien ahd. grÖTo woraus mhd. griive),
iL L dem -BefehLshalwr-, benannt, auf den die Kanzleisprache den Titel des
rfimisrhcn Bezirkskommandanien (comfn) übertragen hat Sein Amtsbezirk
ist eben die Grafschaft. Erst im MA. wird sie als >Gau< (s. S. 122) bezeich-
net En*t jetzt hr»rt (z.B. in Sachsen) die Hundertschaft auf. der urdentlichc
Gerifhtssprengel des Grafen zu sein, und wird die Grafschaft einheitlicher
' Hvl. bftkl ihMMgtma bald thutninus, was auf lkun*-mHS ftlbn. Vor andern Er*
Ulnmgm onpAcbit lidi ol« die wenigst gcwalu&me. *tAuni-tna von 'ihuHiJQn febxuleitcm:
'tkumima wir« dann = Abhalter des 'thunc (mbd. Juni\. was in den latciniKhco Quellen
doieh thun>hinrunt latiniiirt und durch placitum buchstäblicb Ubenctct iat. Vgl. § 83.
Aadcre? Meinung K4j[cl in HbB. XVI 513.
124 ^- Recht. K Ali'EktCmer.
Bezirk des Grafengerirhts nder echten Dings. Aber auch die ags. sfir (fomi'
talas, provimia) mit eigener Gem-htsvcrsaniralung (folfgemöf, scirgrmil) ist Amts-
bezirk des königlirhen Statthatw^rs {(aUonnaii , — dttx, mhn^tts, comes\ und
Seines GfhiUeii, ilrs ^Div-irkssciianiifislers« {sdrfi(re/a. uinnnn, — vic^romcs),
und wiederum whnn diinli ihren Namen aU Amtwprengel kennzeichnet sich
die norwegisclie und westdSnische sys/a fsyisei). HJemit gar wähl vereinbar
ist. dass raumlich manche scir und manche sv^tu sich mit einem chemala
selbstiliidigen J^ind': deckte. Vereinigimgcn von Miticlbezirken der hier l>c-
schriebenen Art uiiler einem und dem nSmHchen Beamten und unter dein
Namen »Markgraföchaften- ^Militilrgrenzen) spielen in der deutschen V'crf;issung
seit Karl d. Gr. eine wichtig*,- Rolle. Andererseits hat die englische Bezirks-
verfassung in cinigvn Gegenden zwisclicn das hunJrdi und die scir \\kk\\ einen
Bezirk eingeschoben, \iie die (hriding in Ynrkshire und Lincolnshtre, den Ud
(taih^i in Ken», den rd/«- in Sussex, von denen aber nur die beiden erstoren
der RcchLspficge dienten.
In dem Mass, als die in §§ 47, 49, 51 zu schildernde Feudalisieiung des
Staat:i ciTireisst, verlieren Mittelbe^irke wie Hundertschaften ihre Gcschlusscn-
heit, ja überhaupt ihre Bedeutung als Bezirke. Sie werden zuerst von ejd-
mierten Gebieten durchbrochen; was daim von ihnen übrigbleibt, wird selbst
zu neuen Hcrrscliaften, auf welche die aUen von örtlichen Merkmalen ent-
lehnten N;mien nicht inelir passen, wesswpgeii sie nun nach ihren Inhabern
cxitT nach den Stammsitzen tlcrsclbcii benannt wertien. In Deutschland, wu
dieser Prozess am frühesten eingetreten und am weite^iten gediehen ist, kann
man daher von einer vi'5lligen AufliJsung der Bezirke in feudale Herrscliaften
sjircchen. In diesen erst, namentlich in den landesherrlichen Terri-
torien, i.st i^ wieder zu einer neuen und jr nach (jrtiÄse des Gebietes, recht-
licliem diarakter seiner Bestandteile, Gewalten seines Beherrschers, eigen-
artigen Eintcihmg in Verwjiltuiigssprengel (Landgerichte, Vugteien, Ämter)
gekommen. Zusammengesetzt aus fertigen JIerrs«;haftsgebicten, daher geo-
graphischer KtidicLt principiell unbedOrftig sind in Deutschland die ^Kreisei,
deren Kinführung im SpHtmittelailer mi-hnnals versucht, aber erst am Beginn
der Neuheit gelungen ist, und die in den voraufgehenden Landfriedens-
bündni-ssen von Studien und Fürsten Dir Vorbild hatten.
Andererseits beginnt im Frühmittelalter die dauernde Vereinigimg der skan-
dinavischen »Ländern zu grösseren, zusammengesetzten Staaten (Reichen vgl.
oben §27). Eine Z wisch enbildung liegt in den norwcgi.-ichcn Thingver-
bSnden vor, welclic in der schwedischen Landschaft Upland und wühl atich
im d;in.jütiand ihr Seitenstiick haben: Eine Anzahl uml zwar zuerst nur eine
kleine Grupjie von \*ulklaiiden tritt, dem Anschein nach unter wesentlicher
Einwirkung des Königtums, zu einer Art Dundcsst.iat mit einer g:esetzgebenden
und richtenden Zentnilirewalt zusanuneii, welche von einer zu gesetzlicher
Zeit und :mi gesetzlichen r)rt stattfindemlen Thingversammlung (in Norwegen
fyf^ing) ausgeübt wird, ohne doch die ältere Landsgeraeinde aJs Gerichts-
iind Kultversammlurg überfltlssig zu machen. Im Grossreichc erhält dann
der Thingvcrbiind (oben S. 113) die Stellung einer autonomen Provinz. Seit
dem Ausgang des i.V Jalirhs. verue! faltigen sich die ülteni (4) Thing\*erbände
Nor\^egen<; durch Teilung, da nun das ganze Keicb in Gesetzsprt^-her-Bezirke
(l^fTiniinsdirmef eingeteilt ist, von denen jeder sein eigenes li,igl>ing erhalt.
§ 30. Van den andern germanischen Bezirksverfassungen prinzipiell ver-
schieden war, wenn wir von den romanischen der goüscli-wandilischen Reiche
absehen, die langobardische in Italien und die isländische. Über die letz-
tere .s. §§ 5J, ,ji a. E. Die langobardische Bezirksverfassung, lediglich auf
1. Land: Bezirke. Foutzsche Gemeindek.
1^5
*
tjie Hierarchie der k^nigliihen Amler berechncl, geht aus vom rümischen ter-
ritfjrium Livitatis, iiitieni sie dieses zum Amiskreis des königlichen Statthalters
(</«:v, futiex i. c. S.) macht Daher heisst nun das tcrriturium ducaius oder
Jttdifaria. Von einander werden die Dukaie xmtcrschicden durrh Angabe der
itfldte, wcklic ihre Mittelpunklc und die Amtssitze der duces bilden. Regel-
jKig gitMindcrt von der Staithiilterei ixt die Krongut>nrerwaltung im Dukat.
wird von einem ^astald (auch comts) geleitet Duch kommt aucti Ver-
waltung des Dukales durch den Gastaldcn vor, und im B. Jahrb. werden die
Funktionen des du.x im Bereifh des Krcmguts auf die Gastalden Übertragen.
Im einen wie im andern Falle wird der Gastald zum judex. Unterbezirk
des Dukates ist das »SchultheissenamU [skuldmcia. nämlich der Sprengel der
richterlichen, HnanzicUen. militärischen und polizeilichen Unterinstanz unter
dem (lux, des scultihms (im ö. Jahrh. auch centenarius genannt). Unierete,
d<K-h bloss p*)Iizeitii.he und militärische Instanz mit tUumlich abge^n'enztcm
Distrikt, sei es Stadtbejurk (avitiU), sei es landlichem Ortsbezirk nüfania), ist
der loiopoiiUis bezw. detantis. Im königlichen Forst Uaitiis) entspricht dem
dccanus der laitaritis. Xiclit mit den vorhin cru'Shntcn duces im langobard.
Reich von Pana dürfen verwechselt werden die liuns von Beneven i und
Spolet'i, welche die Stellung von UnlerkOnigen einnehmen wie der alaman-
ntsclte, baicrische, thüringische dux unter den fränkischen Obcrkünigcn. Ihre
Reiche (i/urttfHS) sind in Siiidtbezirkc {tirtiones. ar/tis) oder in Verwahungen
igastatdatus) eingeteilt, deren vom Herwig; ernannte Vorsteher die Funktionen
des Schulihd.*«en nnt denen des Ga.sialden vereinigen.
S 31. Die An Siedlung «xlcr der Wtjlmort (got haims, zx\. hrimr. ahd.
heim u. 8. f. — skand. öfter hy^d\ als solcher hat in der Jlltem Zeit der ger-
nuuüschen Rechte keinerlei politische Bedeutung, gleich\iel ob F.inzelhof (nord.
M oder ^rdr, — mhd. einöle, tinade, — ahd. sedalf) oder Dorf (an. ags. as.
porp, äfr3nk. ihurp, ahd. darf, dafür auch aschw, hvr, adan. in', wn. bdr und
ags, /«'«. nd. xvie, got reihs). Einen slaalsredillich administrativen Ortsbezirk
hat die langob. Verfassung in Italien in der decama bezw. eivifas (s. § 30)
geschaffen. Aber erst im MA. kommt die politische Gemeinde zur Aus-
bildung, und zwar hauplsadilich in Fonn der Stadt Die GrundzQgc ilvrer
£nL<itchungsgesrhichte sind in der ganzen germanischen Welt die nämlichen.
Daher konnte auch in seiner Fortenlwickelung das uordisclie Stadtewesen
durch dus in Deutschland un<l F.ngland gegebene Mu.ster bestimmt werden.
Überall geht die Stadt aus dem Markt her\'or. Unwesentürh dagegen, wenn
aueli, immenilich in DeutscliLund, sehr häufig i.sl, dass der Markt den Wohn-
platz einer Landgemeinde bildet. Handelsplätze wurdeji sicher schon in alte-
■n Zeiten unter einen erhuliien strafrechtlichen Schutz, den Marktfrieden,
teilt, der, von Haus aus erweiterter Kultfricdc wie z. B. beim asw. dtsa-
'JdMg, s-jiSter ein .\usnuss des den Kultfrieden surrogierenden KOnigsfriedens,
s>igar Ober dem Fremden waltete. Dem Friedensbe wahrer, d. 1. in jüngerer
Zeit dem Herrscher, konnte ein Zoll gebühren. So wurde der Markt zur
Zolbttatte, seine Anlage und sein Schulz eine Finanzquelle und Vorrecht des
Herrschers. Uraltes Bcfriwlungszeichcn, daher auch Wahrzeichen der befrie-
deten Ilanricisst.'ltte ist der aufgesteckte .Strohbund (ahd. ivi/n, mnd. jvip —
oder stoup. ags. sce'a/), wie ja angeheftete Strohwische auch die zu Markt ge-
führten Waarcn von jeher und marktfeile Pferde (Berth. II S. 187) noch heute
kennzeichnen. In christlicher Zeit tritt un die Stelle des Siri'ihbundc*s oftmals
das Rretiz (Marktkreuz, 9^ ^ Anas = Friedenskreuz), an Jessen Ann mit-
tmtcr noch das Symbol der herrschaftlichen Verleihung des Marktrechts, der
Handschuh oder eine hOlzeme Hand hangt Genauer nocli als das Markt-
126 IX. Recht. B. Altertümer.
kreuz bringt die Miirktfaline den künigUcheii Frieden zum Ausdruck, wcss-
wegen sie oft neben dem Kreuz, freilich nur temjiorär, vorkommt. Im Nor-
den pflegte man in frühester Zeit zu Handelsplatzen Inseln auszusuchen:
bjarkey war ursprünglich der Narae für jeden derdrtigcn Ort ; aber auch auf die
auf festem LandL' gelegene Handpls-tt;!!!? {kaupatigr) konnte dersellw Übertragen
wertlen. Sn tiaben die Angelsachsen den Namen pvrs auf jeden Handels^
platz angewandt. Bjarkcvjar re'iir wn., bürrkiki rttler asw., bitfrktnel adSn.,
(oben S. 106, 111,1 15) und ivkbelrde nd., xvkhbüde obd. (vgl. oben S. 57, 79, 94)
heisst das Sonderrecht, welches im Handclsort gilt. Wirtscliaftliche BcdOrf-
nJsse rufpn es hervor. Befünk*rt aber wird es dumh die Erhebung des
Handelsortes zum staatüdifti GeridiL'ibczLrk. Auf solche Weise wird das
Marktgebiet zu einem Ausschnitt aus der Hundertsrhafi oder Grafschaft, —
daher jetzt im Norden Gegensatz zwischen hiir oder knufningr einer- und
hrraä andererseits, zwischen bypiug und herads ping. Nun wird die AnsicdJung
mit eigenen Verteidigungsanlagen bewehrt, an die Stelle des Dorfzaunes {tun
ags.) treten Pfahlwerk oder Mauer, Wall und Graben. D. h. der Markt wird
zum geschlossenen Militär- und folgeweise auch Polizei bezirk, wie er ge-
schlossener ücrichlsbezirk ist. Damit ist der Begriff der Stadt gegeben, der
auch bei künstlicher Gründung einer »Stadt« festgehalten wird. In der tech-
nischen Benennung der Stadt und ilirer Einrichtungen ist dieses klar au^e-
sprochen: eine -Buig heisst sie bei allen Germanen, buirgrthr mhd., honh-
gritft mnd. UasUUanm insbes. in Flandern) der Stadtgnif in Deutschland,
burkger/fa der Vorsieher der städtischen Hundertschaft in England, hmhgemöt
ihr Ding ebenda, burebann ihr Gcrichlsbezirk in Deutschland, wo auch der alte
Marklfriede als bura'riiie fortlebte. Durch das Zusammenwirken der Bewohner
zu öffentlichen Zwecken, insonderheit im Dienst der Finanz- und MilJtiirver-
waltung. etitstcht die, seil dem \2. Jahrh. unter einem -Rat'; (ronsnU%} sich
or^iLsierende, politische Stadlgeraeinde, besonders leicht natürlich, wenn zu-
vor schnn eine Landgemeinde da war. In letzlerem Falle hal die Stadtver-
fassung oftmals auch Organe der Landgemeinde, wie z. B. in Deutschfaud
den >B.'iuermeister', übemtimmen. Als civisa.% wird fortan diese Gemeinde von
der riUa fotrmis d. i. vom Markt unterschieden und diesem Gegensatz ent-
spricht der andere von civa (= burger, Owjartnetm) und vulatii. Das be-
festigte Thor in der Stadimauer auf dem Siegel der Stadt ist das Zeichen
der Bürger als Körperschaft, Auch jetzt noch ist der Marktplatz der recht-
liche wie der wirtschaftliche Mittelpunkt der Ansiedlung. Aber das Markt-
kreuz genügt nicht mehr als erschöpfendes Sinnbild der Sonderstellung der
Stadt und ihres Rechts; es wird {in Nieder- und Millcldeutscliland) ergänzt
oder ersetzt durch den »Roland'., d. h. das Standbild des gekrönten oder
ungekrönten Inliaber^ der Huheitsrechte im Gemeiiiweseu, um deren Besitz
sich alle weitere städtische Vcrfassungsentwickelung dreht.
Die Landgemeinde (mhd. /jK/j-cÄt//?. Jorfscha)!, fries. Awmr pl., liodgarda,
ttmetha, thnentt: m.) ist auf kontinental deutschem Boden insgemein erat tiurch
die Grundherrschaft (§ 51) zum pdlitischcn Bezirk geinaclii wurden, zunadist
zum Bezirk für die Ausübung der grundherrüchen Obrigkeit, dann aber auch
mitunter zum Sclbstveru-altungsl>ezirk, sofern der Gemeinde die Wahl des
Dorf vorstand es und allenfalls gar ein Recht der »Einung« d. h. die Autonomie
zugestanden wurde. In norddeutschen und rheinischen Landgemeinden treten
schon im KrühMA. * Bauermeister; mit sia;Hlsrechtlicliem Geschaft>kreis auf.
Kol Ollis teudiirfem wurde oftmals schi>n dutcli Vertrag zM-iscbcn den Ansiedlern
und dem Gnmdherm ein weitgeh«ides Mass politischer Selbstverwaltung zu-
teil, «ie z. B. den flämischen in Saclisen und in Siebenbürgen. \\\ der
^^
1. Land: Politisckk Gemeinden. Grenzen. 127
Schweiz ist infolge der Auflrwung der Hundertschaften in kleine Niedcrgc-
richtsbczirkc (»niedere Vogteien*) oftmals der Gwndndebezirk mit dein Öffent-
lichen Gcrichtsbezirk zusammengefallen. In England ist es das polizeiliche
fittrgschAflssvstem der spfliags. Gesetzgebung, welches die grundherrlirhc I<and-
gemctnde (T'/y/(/, norm. x'iUata\ zum Polizei bezirk niacliL In der Eigenschaft
als Kirchspiel wurde tlie nstnordi^M-tie Landgemeinde zur Erfüllung Staat-
lichcr Aufg;il»en herangezogen, indem der peri<Kliscli zu Verwaltungszft'ecken
der Pfarrei \kirkin sokn, soku), und zwar gewöhnlich auf dem Kirchhof statt-
findenden Versammlung der voI]herei:htigten Kirchspielgenoivsen KioknastamNa.
MfkrMpiMj;. kirkiust.fmriti] Funktionen der freiwilligen üerichtsbarkeit, derWohl-
fjihnsjiflepe und der Polizei Qbenragen wurden. In Deutschland sind es
nachweiblich nicdcrs.lchsischc Gaue, wo das Kirchspiel von den nämlichen
Ausgangspunkten aus wie in Skandinavien zur pohtJschcn Einheit emporge-
stiegen und nun aber auch mit sehr viel metir enLsrheiilenden Funktionen
ausgestattet worden ist. Deutlich venai <ttch der Entwickelungsgaug darin,
da<is der Sic^gelbe wahrer, Gerichtshaltcr, Exekutivbeamte und Polizeiherr des
Kircltspiels in Dilmar^ichen und auf Fehnu'ni der sluUr yeltttii^er) uder Kirchen-
kümmerer ist. Durt^*!! Vermittelung des KirchspicLs ist dann in Ditmarst^iten
die Bimersehaft, welche hier einen Teil desselben ausmachte, Niedergerichbt-
bezirk geworden. Jenen nieden^ScIistschcn Kirchspielen durch ihre slaats-
rechtlichrn Funktionen verwandt sind <lic in einigen friesischen Gauen und
in einzelnen schweizer .'Mpenl.lndeni, wie z. H. die -Kirchganget in Obw.i!den.
Eine rUmhche Entwicklung der Paroclüe zu einer polilLschen Sondergemeinde
hat sieh in grösseren deutschen insbesondere rheinischen Stildten schon im
FrfihMA. vollzogen. Als pcilitische Gemeinden, insofern eine Soudervcrwaltung
von Polizei und Rechtspflege in ihrer Hauptaufgabe hegt, haben sich während
des MA. aui'h die deutschen, namentlii'b friesischen und nicdersachsischen
Deich- und SielverbJinde ausgebildet.
Eine politische Gemeinde eigener Art ist der isISjid. hnppr, ein geogra-
phisch abgegrenzter Bezirk, nach Bedarf in Unterbezirke zerlegt, mit der
Aufgabe der Annenpflege und Versicherung der Insassen auf Gegenseitigkeit
nach dem Prinzip der Selbstverwaltung. Dass diese Eiiuichtung in Norwegen
ihr Vorbild gehabt habe, ist wahr<;«'heinlich, wührend zweifelhaft bleibt, ob
sie mit dem olK-n S. 1^4 ermähnten rape in Susse.\ parallelisicrt werden darf.
Andererseits teilt tias isländische mit den andern wnord. Kolonialrechten
die EtgentOmliclikeit. dass es im MA. keine politische Ortsj^emeitide ent-
vickdt hat.
% 5?. Die Grenze (skand. mitrt, ags. ^miht) rjder der =Rand(, {markii
^ laL margö!) oder das «Gewende* (ahd. ^'«ww/, itiin\. ^wanär, {.) <jderdas
■Ende« (got attäeü, ahd. ettti u. s. w.), des lindes uml seiner Teile ist in
alteren Zeiten, wenn auch eine Scheide (afries. skat't. mhd. Innlseheitie, ostn.
skal) verschiedener Gebiete, so doch weder kflnstlich vermessen, noch allemal
eine blrisse Trenmmgslinie. Staaten, ja auch Bezirke innerhalb derselben
waren dunh natürliche Verkehrshindernisse, die meist neutrale Zonen bildeten,
von einander entfernt gehalteji: durch Wildnis (asw. poßt ptiHghreika), insbe-
sondere Wald, weswegen das W^ort für Grenze {marka, im «ii. mfrk) zur
Bedeutung von Wald gelangte. Bei fortschreitender AiLsJedcIung erat ver-
•chwindet dieser neutrale Streifen, so dass die Grenze den Nachbargehieten
gemeinschaftlich — wn. ein möt, ad. eine »Schneide^ (ahd. sneifia, ags. stiäJ.
mnd. it/Mf) oder eine «Nahe* (afries. sivethe) »ird. Aber auch jetit noch
kann der Grenzlauf der Festigkeit entbehren. Vielfach nämlich wird nicht
bloss bei seiner eratmaligeu, soiuiera bei seiner jedtxmaligen Ermittelung auf
138 IX. Recht. B. Altertümer.
den Ausgang von £reijt;nJssen abj^estdlt, die man iikht vOUig in seiner Ge-
walt liat. Die nor*-eg. ScliilTsrlieden z. B. erstrecken sich anfangs soweit
landeinwärts, »als der Lachs geht«. In deutschen Rechten spielt eine analoge
RoUc, wie dort der Laclisgang, der Fall eines S*:hatiens, das Rinnen v*jn
Wassern ntlcr ein eigens veransial teter Lauf vnn JM.1unem oder auch von
Thieren, das Fliegen von VO^eln, das Walzen einer Kugel, eines Eis, eines
SL-hlegels, Das Werfen eines Hammers, einer Axl, eine* Speers, eines Pflug-
«sens war allgemein verbreitetes Mittel der Grenzbestimniung. An solchen,
Rcchtsbriluchen wurde noch spat im MA. festgehalten, nachdem man langst
gelernt hatte, die *S«hneide- durch bleibende Zeichen keimtlirh zn machen.
Das Grenzzeichen (wn. emiimmk. ix3.\,\ nuerki, riß. ramarkar) befindet sich
meist nur an einem bestimmten Punkt des Grenzlaufs, so dass nun dieser
selbst durch eine Luftlinie zwischen den bezeichneten Pimkten gegeben ist.
Dazu kann dienen ein Fels, ein Berggipfel, ein TiKltenlitigel, ein Baum (mhd.
mäiboHm, iäihboiim, mnd. auiilbaum) mit eingeschnittener Kerbe (langob. snuida,
mhd. ///(//(■. liuhme. wie z. B. die dt-mria) oder mit eingeschlagenen Nflgeln,
ein Pfahl, eine von Wissenden gesetzte Steingruppc [3 verschiedene asw,
Arten: nngrilr, prtnifne, litrMm, eine wn. das iyrifti), in chrisü. Zeit ein
Holz- oder Steinkreuz, der Mittelpunkt eines Wohnhauses (in Niederdeuisch-
land oft der »Kesselhaken«, in Österreich der Ofen), so dass die Grenze das
Haus durchschneidet, — wogegen Inschriften (in Deutschland seit röm. Zeit)
als Grenzzcichen immer selten bleiben. Der Grenzlauf kann aber auch.
St reck<-n weise wenigstens, ununterbrochen bezeichnet sein, was durch Rinn-
sale und Grüben^ Gebirgsgrate, getreteiie Pfade, gepflügte Furchen, aufge-
worfene Raine und Walte geschieht. Der >I^ndgraben- spielt als Landmark
wahrend des MA. m ganz Deutschland eine wichtige Rolle. In Verbindung
mit dem Wall glebl er zugleich eine »Uandwehr* ab. Aber auch unter dem
Schutz von Gottheiten stamlcn in heidnischer Zeit die Grenzen. Manches
Grenzzeichen war gemeinsame Kultstfttte der NacJibarschaften oder doch
einem göttlichen Wesen geweiht. Daher musslc absichtliches Verletzen des
Grenzzeichens nach sakralem Sirafrerht ge-sOhnt werden (Jj ^-B) und diente
Kulaiszwecken wie dem Feststellen imd Überliefern der Grenzen der Mark-
begang (an. tnfrkja<(aii_i:a, ahd. man/i^ari}^, marchiciUi. InnlkiUt. ags. pa ge-
tturrtt /ffdan, vmhgaHg) oder Grenzumritt, der nicht bloss aiLs Anlass von
Besitzeinweisungen und Grenzuntersuchungen, sondern auch periodisch und
dann feierlich, tmter Beobachtung eines Ritu:ds vorgenommen wurde und
selbst in christlicher Zeit zuweilen noch einen sakralen Charakter bewahrt hat.
2. rjttiTE.
Uicniiur bei Sil-rcI RG. %% 17—19. XL 72. 93—9''. if">. I25~'33. '3*».
Rrunncr KG. I §§ 14. 19—32. 34. 35 und bei HolUenei. %% 8, 14, 19, ScbrOdcr
Lchrb. §§ y, :b. 25 (S. 179 Nod; 99). 29. 3S l^- 2f"0— 2(^5*- A^> 45- 4*'. 5»
(S. 595 N'otc 101), Rosenvinjj« %% 14 — 16, 38, 40—42, 91 — 94, Brandt Fnrel.
1 Ig 17 — 19. S. ferner: Wilcla, SIrfi/r. d. (J^rm. S. 398-438, 652—684,
V, S)l»t], £Mtit. d. dtrul. Kvntgt. 2. Aufl. %^ 3 — 5, lO, II, v. Richtbofco,
Zur J>T Sa-%. S. 223-229, 274 — 278, ?h. Hetk, D. Altfrifs. Gtruhtn^tr-
/atsg. 1894 S. 223—508. M. Pappenheim i. hiai. Zschr. NF. XVIII S. 341 —
345, O. Slobbf, Ilandh. d- deut. Prtvr. l §§ 42. 46, 47, Proil in Mim. de
1a soc. dM anttqii. <Ie FraUf« 1S73 p. I — 173, Sauerland, ß. Immunität w.
J/c/a 1877 S. 9a ff., Kbcberg, Oh. d. ä. datt. Münztcrsen u. d. Jiausgenosicnsck.
1879 S. 118— 17&. V. B*irch. Heitr. z. ÄO". d. MA. 1884, Lorsch. /). Ingftk.
OUrhof 1885 S. UX— LXX. Bücher. D. Jifz-^tkerg. v. Frankfurt a. J/. I
1886. Luftchin V. Ebcngrcutb, Öslerr. üewhsgesfh. I 1895 §§ iz, 35-37,
Oechsli, D. Att/dngf der schvrfiz. Eidgmossensefui/t 1891 S. 153 — 201, Lindner
k
2. Leute: Die Freien.
129
D. r^me 1888 Abschn. 81, 81. Wiltich, ß. Grundhtmchafi m Sordrpfit-
drtitwhi. S. 371 — J7() utiil Anlagen S. 104 — 155, D^n. in Zurbr. f. Suzialgrsdi.
U (l8q4) S. 1—64, Hinschiuii, Kirchenr. FV 1888 § 160; — S. Hcywond. A
t>uirrlation upon ihr Dtsthuttons in Soeiefjf . . . nndtw thr Anghtsaxon Ga\<rm'
mrnli 1818. Slubbn, f7o«.i/. //itt. f S. 4J— 4;, 78— 81, I49— 161, E. Hilde«
liFAnd loben S. 121) ^- 75 ^^ Oneisl, Engl. V'r/G. S. 3%. u. 10. 64—68,
;i — 84. F. Scebohm. D. engt. Dorfgtmeinde 1885, Litlle in Enftl. hial. Re-
vici*- 1889 S. 733 ff. (dazu Liebcrraann in Dctit. Zschr. f. Gcschw. VI S. (69 f.);
— F. Dabo. D. AV/jf^ </<■/■ 6Vr/i. I S. 41— 46. 50— 64. 133 — 360. VI (2. Aufl.)
S. 33—36, 88 — 306, 410—431. VlI I S. 103—309; — Moibccb i. Hist. Tidulcr.
<Kjt»bcnh.) U S. 393— S 14. N. M. Pcterien i. vUuulcr f. Nord. Oldkynd. 1847
5.328—337. La rsen, Adri-A §§77 — 81, 53 — 55.57— 65. J- Kinch i.Aarbogerf.noni.
Oldk. 1875 S. 347 — 350. Stemann, Retih. §§ 31 — 34, 48. 56-59. J. Stccoslrup,
Sind, (oben S. r3l) I S. 67—148. Den. i. Hiäi. Tidsakr. 5 R. VI S. 393-463,
X>ty%. Den damke bondr »g früwUn 1888. Matzen. Fortl. Off. R. 1 %% 3—7,
Pri\>atr. I §§ 2 — 6; — E. S. Bring, Om StaisJSrfatlHingfH 6<k Krigsx'äsfHdtt hoi
d. /ordna Svear <h-H G^tfur 1832 S. 18— 56. Schly tcr, /wr. Afhandl. I S. 43
— 50. Strinnholm, Svanka fnUerti hi$t. IV S. 560 — 596, Odhner, Bidr. UU
Svfnskn Slädrmaj och /iargamUittdrU Hutoria 1860, H. Hildebr«iul, Svmgei
^Mfltid \\ S. 143—333; — E. Hertzberg, £« fremsttüing af det nenke
ariitakralis hisl. |)4ü9, Sxrs, Udtigt ovftr li. norjke hist. 1 S. 106— 144, II S.
t — 33, K. Maurer in Manch. Sitzgh. 1889 11 S. 169—207 (nach der 1. Aufl.
diese« Grunilfiiuefi crsctiienen^ und im Arkiv f. noid. fil. VI I189QI1 S. 273 — 80.
§ 33. Zwei Hauptlclassen sind von Beginn der geschichtlichen Zeit an
bis tief in's MA. hinein in der Bevölkerung aller german. Lander zu unter-
scheiden: die Freien und die Unfreien. Der Freie [*/rija eig. =^ geschont,
unverletzlich, davun abgel. <i&. /n/inf;) oder *Freihalsi (ahcl. mhd. /rfAali, wn.
fr)db, <in. fraU) Iiei.s.st $x>, weil er unter Rechtsschutz steht und daher auch
nicht gehalten «t, seinen Nacken einem Eigentümer zu beugen. Desswegen
ist die Freiheit jFrdhaLsigkeit- {%\ii. fteihah, wtx./TJälse, /relie, ä^./rcb/s, fries.
frihtUt. aH\tl./nAa/ii} oder — bei den Skandinaven — >Mannheiltgkeit* (wn.
mannheigr. aaw. munhitlf^hi, manhdlf^^ adiln. manlutl^h). Aber nicht bloss
anter Rechtsschutz stehen die Freien, von ihnen geht auch Recht, und zwar
in ältester Zeit alles Rcclit (vgl. S. 57) aus, üb sie es nun flnden im Gericht,
oder ob sie es Ix-stiminen in der gesetzgebenden Versammlung. Ebenso sind
arBprünglich die Freien auch zum Regieren des Staats berufen, welche Funk-
tion sie wie die gesetzgeberische in der (von Neueren sog.) Landsgemeinde
(dem concüium des Tacitus — on. lansping, charakteristlichcr aber noch wie
konkreier aUim Göla, alJra Sita pittg. Gtilmilpifi^) erfüllen. Korrelat dieser
Rechte ist die Pflicht der Unterthanen, jedem Rechtsgenossen zu seinem
Recht zu helfen, z. ü. alü Zeuge, als Urteiler, dann bei der Vollstreckung,
Mjwie für den Staat die Waffen zu tragen, wumit sie sich auf eigene Küsten
auszurüsten haben. Dies<; Pflidit ist mit der j^liysütcbcn Waffen tQchtigkcit
gegeben. Von der Erfüllung jener ist die Ausübung der wichtigsten Redite
bedingt. Der freie Mann ist und hdsst demnach ^Heer-Mann- {hariman,
e.verrüa/ij), die Vfr>>;tminlung der freien Mllnner in friedlicher wie in kriege-
risiliei Thatigkeit -Heer oder •Heer^'craamnilungi {wn. allr hnr, aih herjar
pifg, lang, frankotat. t-\et<:ifus). Abzeichen des freien Germanen ist in Altern
Zeilen herabhängendes Haar, bei Männern das Tragen der gewOhnlicheu
Waffen (*Volkwaffen<)- — Die Freiheit erlangt man nach ältestem Recht
durch Geburt von freier Mutter, wogegen spilicr, soweit Ehen zwischen Freien
und Unfreien anerkannt werden, die deutschen Rechte das Kind nicr argem
Hand', LvstnurdisLhe Rechte das Kind vder bessern Hälfte- folgen lassei;.
Einem Unfreien kann die Freiheil zu teil werden durch Rechtsgeschäft
Solange das Gemeinwesen auf einem Bündnis von Geschlechtern beruhte,
tX. \- in vorgeschichüicher Zeit gehörte dazu feierliche Einführung des Un-
CemanlKh« PhU«lo([k la S. AuA. «
130
!X. Recht. B. AltektOmer.
freien in ein freies Geschleclit. Als wesentlirlier BestantUdl der Freihtssung
dauert dieser Akt noch in einigen liistorischen Rechten bis in's MA. fort
(eidliche »Gcsclilcthtsleile-^ — irtlepin^ — im ostnord. R., der eidlichen An-
brüdemng in JJ 5g verg!eirl»h;ir, mauumissto per han(riniatti in der Lex Clia-
mavoruin [?]). Anderwürbi erinnern danm wenigs-iens nix'h die familien-
rcthüichen Beziehungen, die zwischen dem Freigel iisscnen und dem Frci-
lasscr anerkannt bleiben. In der alten» geschichtlichen Zeil ist ausser oder
Statt der Gcschlechtbleite ein Staatsakt erforderlich, der in der Volksversamm-
lung von einem Beamten und zwar durch Wehriiaftmachung mittelst synilio-
lischen Oberreichens von Waffen vollzogen wird. Verhältnismässig am reinsteii
zeigt sicli die Gcstiill dieses GcscUüfts im englischen Recht iWilh. III. 13).
Rudimente davon .tind einerseits die Umgohard. Freilassung per guirflhitix
(S 83) und per iagifiam, andereiseits die FreÜassung dun:h Herrschera Hand
in verschiedenen deutschen Rechten, das leiäa i l^g (= FJnfühmng in den
RechtsverbüJid) durch den <^ite auf Island und die fast übeiall foildauenidc
ÖffcniEichkeit der Freilassung. Arten des Freiheitserwerbs für einen Knecht
sind nach einigen jungem, miter WJmischer und kirchlicher Ktnuirkung ste-
henden Rechten; Ersitzung der Freiheit, Ehitrill u» den geistlichen Stand,
Strafe des Herrn für bestimmte Vei^hen, Belohnung des Knechts für ht-
stimmte Verdienste. — An Recht wie an Ehre sind die Freien fast Ubendl
und fast zu jeder Zeit nicht samtlich in der gleichen I-age. Kla.ssen unter
ihnen sind schon anfanglich zu unterscheiden auf Grund von Geburt. Beziehung
des Einzelnen zu andern, spater ausserdem noch auf Grund von Dieii-st, Besitz,
politischer Macht, I^bensweise, Religion. Hierüber §§ 34 — 4a Hauptsäch-
lich ist es die gesetzliche Taxe seines Mannwcrtes (ags. m^movrit) in Gestalt
des >Werj;cldeS'- oder »Leutgcldes' (§ Üo) und der von Ihm zu cmfangcnden,
mitunter auch der zu gebenden Busse, w. iran man den Stand des Freien
kennt, dann aber auch die Kraft seines Eides, seine politisichen und prozes-
sualen Rechte, gewisse Privalrechle, Art der Tracht, der Wohnung, ja sogar
der Rest:atung. Dabei nennen wir im Sinne des ältesten Rechts diejenige
Klasse, deren Rechtslage zum Normal- oder doch Durchschnitlsmasssiab für
die aller andern Klassen dient, die ' Gemeinfreien;. Auf sie beschrankt sich
zuweilen der Begriff der >Leute'. (afrSnk. bürg. Ifinii, ags. lemiA, und nur
wenig allgemeiner ist der des »Volkfrcicu* (langub. fukfrec. ags. fokfre'o, asw.
folkfnfis).
§34. Der hr.here Stand über der Gemein frciheit ist der Ad et [apa! =
Beschaffenheit, Abkunft, Geschlecht). In ältester Zeit l«t er nur durcli an-
geborene Art gegeben. Darum aber hatten auch Weiber wie M.'lnner daran
Teil. Wer selche Art an sich trügt, heisst adelich: *apHing (ags. teäiUng,
afriefl. eiieling, ahd. edeling und aänlitig). Das altgermanische Edelgeflchlechc
ist Icgcndarisdu's Geschlecht Als Heide« besungen zu werden, geziemt
seinen mannlichen Mitgliedern, weswegen auch die Rechtssprache ilem Maim
von Adelsatt den Heldennaraen (an. piri. ags. eoil, ahd. tri in Eigennamen)
gibt, im Gegensatz zum geringeren Freien, dem ■gemeinen Manu' (ags. ceoH,
ecQrlisc man, ahd. e/iaraf. an. karl). Dem Edelgeschlecht wird göttliche Ab-
kunft beigelf^. M. a. W. sein Urahn fordert und gcniesst d;iuemden Kult
Daher schreibt der Volksglaube der edlen Art auch Kräfte zu, die über die
gewöhnlichtTTi der Men.sclien hlnaasgehen (z. B. in der Rigsfiuia Str. j,$. 47
das Verständnis der Vogelspracbe, vgl, Asbjomsen u. Mue No. 145 g. E.).
Daher femer glaubt man im Edelgesclilechl Land und Leute von der Gott-
heit geschirmt. Daher nun auch der höhere Wert, den das Rei:lit wie die
Gesellschaft auf den Menschen von edler Art legt. Das Volk nimmt mit
2. Leitte: Freie. Adel.
131
VorKebc seine Beamten, insbesondere seinen K«')nig aus dem Adel, und die
Vertrainstrcue des Votkcs gegen andere Völker gilt dunii als die festeste,
wenn o* Edle als Geiseln gestellt hat Das Recht aber zeidinet, wenigstens
bei den SOdgermanen und hier von frQh auf den Adel durrh gesteigenes
Wergeid und gesteigerte Bussen vor allen andern Freien aus. Baieni, Ala-
mannen und ßurgunden marhen in dieser Hinsicht unter den Addsgeschlcrh-
tem selbst wietler Untersdu'ede, so dass die geringeren als mediani {mefiit.
medioerti) zwisc-hen dem hohen Adel {pn'mi, meltorissimi. opiirmttes) und tlen
Genieinfreien [mitiores, minoflüH, üt/fnores, /rwfes, liheri) stehen. Bei Friesen
und .Sachsen eiitspritht (im 8. Jahrh.) der höheren Wcrttaxe des AUclicheu
eine erhiihte Glaubwördigkeit, wesswegon derselbe einer geringem Zald von
Eidhctfcni bedarf als der Gfnicinfrcie, sodann bei den Saclisen audi eine
schwerere strafrechtliche Veraniwnrtlirlikeit. Das sürhsisrhe Recht .*inrht ferner
■das Herab:>tnken des Adeüchen zur Genieinfreihcil dadurdi zu verhindeni,
dass e» dem freien Mann geringerer Herkunft die Heirat mit der adelidien
Frau verbielei. Im Wesen des alt^crmanischen Geburlsadels hegt seine Be-
schränkung auf dnc geschlussenc Zahl von Geschlechtcni. die uur vermin-
dert, nicht vermehrt werden kann. Daher verschwindet dieser Adel bei eini-
gen südgemi anisdien Stammen wie Fnuikcn, Goten, Burgundcn. Alamannen
»chon wllhrciul oder doch bald nach der VYiIkerwandcmng, und bei andern
immerhin noch vor dem Friihniittelalter, wie bei den Baiem, wogegen er
bd den Angelsachsen und den Xordgcrmanen sich auf die licrrschenden
Familien beschrankt und nur bei den Friesen bis in 's ih. Jahrh. als ein nun-
mehr auch p»ilitisch privilegierter Stand vun »Herren« oder >II;Uiptlingcn'
vcmnige einer eigentümlichen Verbindung mit privilegierten jErbgütcni \ethfl\
oder ••iddichen VolUmfen« {edtlen heerdtn) oder »gerichlführenden Haus-
statten« \riHfbffcraude iiaihii\ fortdauert
§ 35. Die Stdle des ausgehenden attgerraanischcn Gebujtsadels nimmt
zunächst ein und seine Reste nimmt in sich auf ein Dienst- oder (den lat
Qudleii nach) •Optimalen'-Adel, der sich nach der Völkerwanderung bd
den Südgermanen, unter dem Einfluss der letzteren im Mittdalter auch in
den nuHiardiisch verfa&sten skandinavischen Staaten ausbildet. Durcti Ein-
tritt in den Dienst des KOnigs gelangt man in seinen besonderen Sdiutz
oder »Trnsii {frünk. /r«.r/) und leicht zu Macht »ie zu Ansehen. Miedurch
CTh/*.ht man in der südgemianischcn Wdl seinen Mannwert, ausserdem in
Keni noch seine prDxcssiL'ile Glaubwürdigkeit, gewinnt man ferner in Wcssex
das Burgrcclit (nach Ine 45 vgl. mit /Elfr. 40) und spater iu ganz England
das Asyiredit sowie Freiung gegen jede Privatgerichts barkeit, bei den West-
goten straf- und staatsrechtliche Privilegien verschiedener Art. Da aber der
König fast überall Herr des gesamten Öffentlichen Dienstes wird, so gehören
zu diesem neuen Dienstadel nicht blnss die Hofleute und die kriegerischen
Gefolgsmannen (§ Oo) des Königs, stjudeni auch die Staatsbeamten, wenig-
stens auf den höheren Stufen. Da nun aber hinter dem Königsdienst Gottes
Dienst nicht zurückstehen kaim, wird audi der Klertis dem Dienstadel ein-
geordnet, teilweise sogar mit grösseren Vc)rzügcn ausgestattet als der wdl-
liche. Nur im I^ingoharden reich, wn übrigens vor dem 8. Jahrh. auch der
wrltiichc Dienstadel nicht licr\-ortrilt, Ist dem Klerus eine solche Stellung
nicht rir^gerflumt worden. Sonst unterscheidet im Anschluss an's kirchliche
das weltliche Recht auch noch die Rangstufen des Klerus. In .Ihnlicher
Weise macht da« ags. und (las langob. Reiht Unterschiede unter den welt-
lichen Optimaten. Das erstere z. B. schlagt an Wergeid und Busse den
'Mvwnnv (oben S. 124) mindestens drdmal so hoch an, ^^ie des Königs
I.i-?
IX. KhCHI. 1{. ALItKlOMtR.
Hofdiener (evm'n^s pf^), der ein »Zwötfliunderter« {fw^^yndc) ist, d. h. ein
Wcrgeld von 1200 scfll. liat und an s«"hs Gemeinfreien gerflclit vinrd, ■vm-
gegen des Königs kriegerischer Gefolgsmann (in Wessex). der ^fsiä ixler
^sidcmidmaN), der allerdings sirit .-Elfred zurücklritt. nur ein >Serhshunderler«
{si.divniie) ist. Der Optiinatennde] wird bei den Angelsachsen im FrUKMA.
zusanunen mit den Aettiellngen unter dem Narncn der forias (s. S. 130) be-
griffen, bis diesr unter dänischem Einfluss ein Amtstltel wird. Hauptsürhhch
ftirtentwickelt hat sich die Amts- und DiensLirwlokratie wahrend des MA. in
Deutschland. Aus ihr ist unter Ausscheidung der untergcfjrdncten Bestand-
teile auf Grund seiner politischen Macht der Kcichsfürstenstand hervorge-
gangen. Reichs f Ars tcn (^nihd. vürsUn, md. rforsini, principes [regnij, anfanglich
auch noch fimnales, piimores] sind bis c. 1180 die Könige und die Mitglieder
der königlichen Fumilie, die Bi&chüfe, die Reichsäbte, der Probst von Aachen,
der Reiciiskanzler, die Herzoge, Markgrafen , Landgrafen und {persijnüch
freien) Grafen, die Laien mit dem Titel Ulmtrix. die Geistlichen mit dem
Titel Ltrurabilis, — später imr noch die, welche Scejrter- bezw. Fahnenlehen
Vom Ki'inig haben und nicht Mannen eines anderen Fürsten, oder welche
vom König zu ReidisfQrslen erhoben sii^d. Hir Wergeid mul ihre Bussen
sind jetzt zwar nicht mehr nach aläen Quellen lu'ihcr ali« Wergeid und Bussen
der Gemeinfreien, wenn auch Khrenhalbcr jene Zahlungen in Gold gemacht
werden müssen. Dagegen haben die Fürsten vnn Standes wegen das aus-
Si-hliessliche Recht der Teilnahme am Reiclistag, über ihren Leib und ihr
Leben kann nur vor dem König, und über Fürsten kann in bestimmten
Sachen nur von Fürsten Urteil gefunden werden. Andererseits sind die
Bussen iive/ieri), welche Fürsten an den Kö^nig zahlen, hi'iher als die jetie»
andern Freien. Die im Besitz von Gerichten belimllichcn, aber nicht zum
Fflrstenstand gehörigen Gmssen, die Trien herren {magnates^ harones, nobiUs,
auch liberi. in den Österreich. Landern iam1herren\ übertreffen die höhere
Klasse der Gemeinfreien fS jl^) "w ^t^i Wcrgeld und Bussen.
Den nnr*'egischen Dienstadel bilden auf dem Höhepunkte seiner Ent-
wicklung, d. i. in der zweiten HJllfte des ij. und im l,V Jaliriumdert, von
Laien Aer Jari (Statthalter des Ki'migs. der Herzog {lieriog£), <X\.ii knder mettn,
d. 8. die in des Königs Dienstmannschaft eingetretenen imd vim ihm mit
einer iieixla (S 6.^ a. E.} beJiehenen uiul so -mit I^ud ausgest^itteten^ Nach-
folger der alten Hundertschaftshauptlinge, der königliche Marschall {slaäarr)
und Fahnenträger ymfrl-isinaih-), die -^Tischdieiier^ [skuithvciitar), aber aucli
die Goldschmiede des K5nigs und im Dienst die sonstigen Konigsdiener und
die Führer der königlichen Kaufschiffe» von Gcisdicheu die Bischöfe, die
Priester, die Äbte und Äbtissinnen. Sie verteilen sich auf verschiedene Rang-
stufen, denen besondere (bis 1274 gesetzlich fixierte) Wergelder und Buss-
sätze entsijrechcn, und zwar so, dass die unterste Rangstufe der obersten
vim den übrigen Freien gleich steht. Ausser den Wcrtlaxen zeichnen den
norwegischen Dienstadel ni>cii ein jirivüegiortes Straudrecht und gegenden-
weise liesondere BegrabnlspUitze, femer, da die Frau am Stand ihres Mannes
Teil hat, eint.* gesteigerte Selbständigkeit der Ehefrauen vor den mitercu
Klassen der unadclicheii Freien aas. Die dänischen Optimalai. unter der
Benennung der »ehrenwerten Leute^^ — hepvarpte m<eti {ttobiles) — raithegriffen,
bestehen aus den i^Herrcn» {hrrrrnr), d. h., vom König abgesehen, dessen
Blutsfrcunden, den 'Hcrztigcn« und »Grafen«, sodann aiiä den freien zu
Russ dienenden Mannen dieser »Herren« {harra mirn, fufrnnrn, homines lio^
mimrwn), Sie geniesseii erliöhter Rech tifaliigk eil. be.stiunnter Privilegien
verfassimgs-, straf- und prozes.srcchttirher Art, insbesondere der Freiheit von
2. Leute: Adei-
»33
At»caben und Steuern, weswegen die Benennung fri oi frtfh nur noch dem
Edelmann zukummt. >HcrTenf wie den König, den »Herzog", den Buclinf,
den ^ki^nigiichrn) »Rathmann-, den >Rittcr' mit Dienstgefolgc :fcichnet da«
schwedische Recht dun h erhöhte Beleidij^unfp^bussen fOr vijle Kür])en'er-
letxtingen ihrer Dienatmannen aus, wiigegen um 1285 nicht nur sie, wndem
auch ihre Dienstmanncn und jeder, der rlcn Rnssdienst im Keirhsheer über-
nimmt, durvh Abgaben- und Stcuerfrdheil zu /nc/shm<rn werden. Immerhin
bleiben die •Herren« eine besonders privilegierte Klasse, die regierende Ariatn-
kralie, in.s«^fem die "jruten« nder 'edlen« Männer, denen gegenüber die an-
dern frEelsusmain *■ mindere« Mflnncr sind.
Ubpleich Vcrerbliclikeit nitht im Wesen des Dienst- und Amtsadels an
sirh liegt, findet sich doch, dass die Rhre des Cl]>timatcn auf stine Nach-
kommen teilweise Qbergeht In Deutschland sind ebenbürtige Xacliknmmen
der Fürsten freie Herren (s.i S.32) und vFürstenpcn'Äsen«. Sie führen scjgar
Amtstitel und Abzeichen des Forsten. Das ags. R. legt beim Zumessen des
Wergeldes u. a. Gewicht darauf, ob einer pf^nhomi sei. In Nnrwegcn und
später in Schweden konuiu v(ir, dass bis zu einem be^tinmiten Lebensalter
der S'»hn eines l>|>timaten der väterlirhen Standesrechte genie.<tst.
WeslgiJlen und Burgunder, nachdem >ie das spairttmlsche Pttssessoren-
vcäcu mit seinem patrnciniura Ober Hintcr*a.ssen Übernommen, stellten tÜe
Grossgrundbesilzcr dem Dienstadel als Ojitimaten gleich. Bei den Angel-
sachsen tritt im MA. die Lehre auf, tlem freien Grundeigentümer im Besitz
viin mindestens fünf Hufen knnime das Siandesrecht der b^mtglichen Dienst-
mannen {pfgenribt\ zu. Ja, Reichtum überhaupt kann seinem Inhaber
diese Auszeichnung verschaffen: denn auch der Kaufmann, der aus eigenen
Mitteln »dreimal über die weite See gefahren», \sX »Thegenreclites« würdig.
Und das jüngere schwed. R. stellt neben den Herzug und Bischof unier die
»Herren« (oljcn} einen, der auf eigene Kosten einen Stall- und Küchen-
meister und einen Vierrigniderer halt.
% 36. Höfische, vor allem ritterliche Lebensweise ist im MA. und zwar
2un3chst unter franzüsditchcm F.infliis.s seit dem ii.Jahrh. in Deuttchland
Orimd einer neuen .-Krt von Adel geworden, des Ritterslandes. Nur wer
zu dem von der Sitte gebildeten onio miliiarii (o. eijuestm) gehiVrt, der «Ritter-
(mhd. riitcr, nUr, lat. milei) oder rittermassige ihomo synoJalts. scmpirrr, weil
lumittdar dem bischöflichen Gericht in der DiOzesansynode und dem welt-
lichen Gericht des Lande.sherm imterstellt), ist lehenfahig un<i Hhig zum
ritterlichen Zweikampf, wie zum beständigen Führen rilterlithcr Waffen. Daher
wird seil dem letzten Viertel des 12. Jahrlts. sein Zeichen lias w^fieti. d. i.
der farbige Schild, um ein Jahrhundert spater mit dem Helm darüber (ki/w*»-,
auch insignüt)^. An diesem Zeichen hat er ein übertragbares Recht Der
Ritter ist ferner wie <ier »Pfaffe» mit seinem Gesinde zollfrei. Er kann grils-
scre Morgengabc schenken uts der Un ritte riiclii-, Ut nach Lchcnrccht Ȇber-
gcnn*sc> (§ 42) des letzteren, von dem er sich auch durch seine Tracht, ins-
besondere das bei erreicliter Waffeiitüchligkeit feierlich angelegte Wehrgehange
{fingiUum mtlilart), unterscheidet Doch i-hal Rittersfrau Ritters Recht«.
Den Dienst- mid Amtsadel (den hohen Klerus als »gekorene Kittenwliaftc)
nimmt der Ritlerst:md in sic}i auf. Andererseits er^lretJct er sich bis in die
Unfreiheit hinab (^ 41). Das Standesrecht <Ier Ritlermüssigen \\.f\?s.\. hencbiU.
* Zur fipscb- d« Wjij>]»«irccl)ts 8. O. T. v. Hefner im Ol>erhaicr. Archiv XXIX
S. ilKi— i8tr, F. Hauptmann, D. IVapp^nrecht 18^7. Die withtigcren Schriften,
vtlcbc in die HerAldik d. i. In die Wa(>f>enl«bte und *iVa])puikunHi einfobren, vcr-
.ttUuet Olle KniuiardiSokigie S- AuJl. I S. 458.
>.u
IX. Recht. B. Aliertümer.
Gemäss detn Gnmdsiilz, dass, wer eines anderen Mann (Vasall) wird, dessen
Genüsse lui lit sein kann, also seinen lehenrechtliclien Rang niedert, werden
im Sinne von [ehenrcchüichcn Raugklassen «nlcr Standen sieben »Heer-
srhilde« vim den mittdalleriidien ThcMretikcm atifgczahit, unter welche sich
die Rittenileute verteilen. Dabei bleibt freilich die landrcchtliche Stellung
der Hrerschildgeni'ssen nidii unberücksichlipt. Auch der Ritte.rstan(l wird
vererblich. Der RiiterbOrtigc <>ticr der Jlcnscli :'Von Ritlers Art* hat die
ffiek seiner Eltern und den Heerscliild seines Vaters und ist tväpen^noz der
Ritter, d. h. zur Wappenführung befugt. Vier riltermüs.'iigc Ahnen gehören
iur Rillcrbürligkeit und ?,wei Generationen hindurch wirkt auf die Nadikom-
nien Niederung des Heerschildcs fort. Im 14. Jahrh. kommt ,\ufnahmc in
den Rittersland durch königlichen Adelsbrief auf. Seil dem dreizehnten
wird das mitteleuropäische Ritttrwcsen im skandinav. Niirden «usserlich nach-
(;eahmt 'Qi:^ Rittertitd erhalten die ciän. hivrra" m^en (S. 132) i. J. 1277
audi die nor»'eg. ^ikutilsvcinar, walirend den lender mcnn der Titel hanai,
den einen wie den anderen der Herrentitel beigelegt wird. Eigentümlich i.st
aber dem Norden die Verbindung des Ritte rstand es mit dem nationalen
Dienslailel und andereraeits das Fehlen einer unfreien Ritterschaft.
§ 37. Ftlr den Klerus ohne Rilcksidit auf seine dien.silithe Stellung liat
die Kirche Standesprinlegien beansprucht, tue ohne Mitwirkung des ft-eltlichen
Rechtes nicht durdigefftlm werden konnten. Snweit gennan. R. die kanoni-
schen Standesprivilegien anerkannte, kommt hier der Klerus als eine vtm den
Laien getrennte Klasse in Betradii, so dass .sich dieser Gegensatz mit den
Hndi:rfn Unlerüchieden unter den Freien kreuzt. In Deutsclaland fanden,
nachdem schon seit dem 6. Jahrh. fränkische Praxis und Gesetzgebung unter
Weiterbildung der römischen den Klerus einem Spezialgericht für bestimmte
Sachen unterstellt hatte, die jirivilegia fori {ausser in Lehenss-adien) und im-
munit;itis im i.v Jalirh. die prinzipielle Anerkennung wenigstens des gemeinen
Rechtes, wogegen aber alsbald eine pHrtikularrechtÜche Reaktion eintrat. Das
ags. R. scheint derartige Privilegien überhaupt nirht gt-kaiint zu haben. In
Danemark hatte der Klerus seit Knut d. H. (107') — 10S6) pri\-i legierten
Gerich Isslatid, seit dem 13. J;Uirh. auch das Privilegium immun itatis. lu
Schweden ist nur tter erstere, und zwar i. J. 12O0 eingeführt wonlen, nidit
ohne noch in den nächsten Jahrzehnten auf Widcnitand in einzelnen I-andsc. haften
zu stos-sen, wogegen die sog. ^gcistlidie Schalzfreiheil-, die wenig später auf-
tritt, nicht ein SlimdesprivÜeg der Geistlichkeit, s(m<lem ein Privileg des
Kirchenguts ist In Norwegen ist der Klerits erst gegen den Ausgang des
WA. in den unbestrittenen Besitz seiner Stand es privUegien gelangt
§ ,^8. Eine Spaltung der Gemeinfreiheit haben in den meLsten ger-
nian, Staaten Art und Weise des Besitzes herbeigeführt Zuerst zeigt sich
dies besonders deutlich bei den Angelsachsen. In Wcs.sc.\ erhebt sich der
deutsche Grundeigentümer als ein »Sechshunderter« {sixhyndt), d. h. mit
einem Wergeid von üoo Schillingen über den -Zinszahler« {^jfaf^/ita) oder
den ^Bauern« [f^btir i. w. S., nonnaiin. viUunus) als den »Zweihundertert
{hryfn'iiiia vgl. S. 132), der nicht ohne weiteres deswegen, weil er mßgiicher-
wei-sc zu Wcithcnarbeit vcri>niclitei i^t für hörig gellen darf. Dem f^ebtir näm-
llih steht in der SpAtzcit des ags. R. nocti der >Kottcr« {eofse/in, norm, dor^
t/tjnrts) wenigstens in der Busse nach; auch er aber wird noch in den Rectitudines
ausdrücklich den Freien beigezühlt, wiewohl gerade die Wi_vdieiiarbeil auf
seines Gutsherrn Land charakteristLvih für ihn zu sein pflegt. Wiederum
unlersdieidet das norw. R,, und zwar da.s wesmorw. schon im ErIIiMA. den-
jenigen, der ein Slainmgut ißäal % 62) ererbt oder Anwurtsdiaft darauf liat.
2. Leute: Ki.tRus. Ki„\s';en- der (Jemeinfreien
135
als Ai>/i/r (= ^lU'kl-) i. e. S. vom bömü {lirborrH maär), d. h. vom (tewiihn-
lidien Alt- uder Gemein freien. Jener stand init der unteren Klasse des
DieiiKtadelü auf der iiamlirlM'n Stufe. Cileich <ktand ihm aber der Suidtbewolmer
mit Ausnahme des FreiBeI;u>sciicn unterster Ordnung (§ 34), also \'orab der
besitzende -Kaufmann- im weitesten Sinne des Wortes, was an die S. 133
«nvshnte Stellung des Kaufmanns im a^. R. erinnert Audi bei den Anglu-
dancn des 10. Julirlis bestand ein Gegensatz zwischen hold untl hondt, der
jedenfalls auf den Besititverliallnissen benilite. Überhaupt aber legten mehr
oder weniger alle skandinav. RR. Gewicht auf Selb^tfludigkeit des Grundbc-
ut2cs, das islandisdie und däni.M-he sngar ;iuf einen Censas, wa es sith darum
handelte, die Verlassigkeil des \V'i»rtcs zu benie.sse", was ^ic in den Erforder-
nissen der Legitimation zum Zeugnis und zum Gesehworenendienst, sowie
auch zur Eide^liilfe ausdrückten.
Die deutschen Rechte des FeslJandcs gehen beim Beginn das FrühMA.
teilweise von .Ihnliclien Gedanken aus. Daneben wird die Art der öffent-
Ui.iien Letstun^'en entsclicidend. Nüch dem tistfalu*chen Retlit des Saciisen-
si>ifgels sind zum Urteilfintlen unter Konigsbann d. h. im Grafengerirht allein
ri'-« h fSh^ imd in sofern scepetiban lüde {sftpenharr vrit, stepenen), dalier allein
n^ch den Fürsten imd freien Herrn ebenbürtig (j^ ^2) die rittcnnilssigen und also
Heerdienst verrichtenden Altfreien, in deren Geschlecht als zinsfreies Eigen
eine Stammburg, das hani^^mdi, sich vererbt, ausnahmsweise die aus der
Reichsdienstjnann Schaft (§ 41) Freigelassenen, wenn sie ein Si-höffenamt e-r-
haiten und mit den» gehörigen Grundbesitz ;iusgesiattet werden. Anderenieiis
kann man, solange jene Bedingungen der Schtiffenbarfreilieit erfüllt bleiben,
sicii unter Vorbehalt der letzteren in Dienstmannschaft ergeben. Dem Schiiffen-
barfreien «ird ein Wergeid von iS Pfund Pfennige und eine »Busse« von
30 Schillingen l>eigclegt. Hingegen kommt ein Wergeid vnn 10 Pfund und
eine ■Busse- von 15 Scliillingen den pUrhhafUn oder biergtUtti zu. d. h. den
freien b-luerltchen Grundeigentümern, rlie anstatt Reichsheerdienstes eine
Hccrstcuer Kptfgt) leisten, ferner den lattdulen, die freizügig (gas/rs wüe) als
Pachtbauem oder Oienstleule ;ni( fremdem Bmlen wnhnen. Ge-meinfrei sind
yie, da tie ausschliesslich unter Landrecht stehen und iliren Gerirhtssland vor
dem staatlichen Gericht haben. Im Wesendichen entsprechen den « Pfleg-
hofien« in Niederdeulsc bland die den «Heerschillingt L»der »Grafenschatz«
oder iSclioss«, in Oberdeutsdiland die eine Steuer [slitrre, btdt, pnean'a) oder
ein >Vogtrcchi» zahlenden, aber nicht unter Privatherrschafl stehenden
Freibauern (»Freien- 1, den ostfülischen biergeldcn ursprünglich die frünkisthen
bnrgildtH imd die friesi.-w'hen b<rifldtjn, während die ritterlichen Freien unter-
lialb der Fürsten gnjssenteils in den Stand der »freien Herrn« {Magnaten
i'ben S. 13J) aufgestiegen sind. In den Stitdten haben die verschiedenen
zur Geinein<tc gcliürigen Kinw. ihnerklassen sich allmählich assimiliert imd,
seitdem in der Sudt »die Luft frei machte« (nicht vor dem i». Jalirh.), die
Zahl der Gemeinfreien vermehrt. Aber auch hier ist auf Gmnd der Besitz^
und Erwerbsxediältmsse walireiid der ersten Periode der städtischen Ver-
fassungsgeschichte eine Spaltung der Gemeinfreiheil eingetreten. Xur die im
Eigentum vim Hausem befindlichen, die -erbgesessenen-' Freien, meist Kaufleute
und in vielen Städten ursprünglich Bnider der SchuLzgilde (§ ^(f) i>der gar nur
die Reichen, the im Stande waren, die mit den Ratsstellen verbundenen öko-
nomischen Lasten zu tragen, erlangten (uut den Ministerifden des Stadtherm)
Anteil imi Regiment Insofern standen .sie als die Vollborger — hurgrtises,
tftts — den S^hutzbürgem — tonriivs — gegenüber, die wie die Hand-
werker, nur auf geliehenem und daher zinsbarem Boden der Stadt oder aber.
IX. Recht. B. Ai.TKKiUMi;K.
wie die »Aus-' «icler »PfalilhÜrger- Oberhaupt nicht in der Stadt «■olinton.
Audi als die ZunftkJüupfe des 14. Jalirlis. den in der Sladt ansässigen H;ind-
werkem Anteil an der Stadtrcgicrung ventchaffi und dieselben zu rive» ge-
inadil liallcn. lebte d«Hh der Gegensatz fort, indem als nwLst riMemiaÄsige
und maniiigfaiii privilegirrte -Herren' (iin Rat »RaLs-Herren*) «»der -Ge-
sdilerhterff (Pairizier) die Akbttrger von den NeubQrgem (im Ral »des Rats«)
sich unterschieden.
§ 39. Waiirend der Adel sich über den Normal- oder Durchschnittswert
der Freiheit erhub, gab es Freie, weldic diesen Wert nicht erreichten:
Mindcrfrelc. Xu dieser Klasse gehörten jedenfalls schon in der ältesten
Zeit wie n<K.-li in spateren Jahrhunderten regelmässig die Freigelassenen.
In der Freilassung tag eine »Gabe* des Herrn an seinen Knecht, ein Si-hcn-
ken der Freiheit (an. ge/a /reise) oder freischenken ia^. fr/ofsgifan), daher die
Freilassung an. /reU^sgj^f ( ^ Freihcitsdicnkungt hiess. Wie jede Gabe \'crpf1ich-
tete audidie-se wertvollste <\fv\ Hesrhenkien zum Hethfitigen seiner Dankbarkeit.
Der mit der Frciliell Bew^benkte (an. /rjähga/e), selbst wenn ein »Gelöster« (an.
/tri-sit/i,v, ags. Uesing), ein (-Freigelassener« (baier. Jrilnzn) oder »F.ntlassener«
(got. frnlels) bleibt ditlier noch in einer gewissen Abliangigkeit vom Freitas.*ier
(ags. fr/oligi/ii). Dieser Grundgedanke zeigt »ich in den Alteren RechLwlenk-
millern in der Weise ausgeführt, dass der Freigelassene bald einer Beschran-
kmig seiner FreizQgigkcit und iiisnfern einer wahren Hiirigkeit, bald einer
Schutzgewalt (alt**, langob. mnnd) des Freilassers. bald einer Schmfllerung
seiner Handlungsfähigkeit und seiner erbrechtlii-hen Stellung mid einer be-
sonderen Abgaben-, Dienst- und Trcuepfltclit gegen den I'atron untcPA'orfcn
wird. In einigen Rechten giebt es .sitgar mehrere Stufen dieser Abhängigkeit,
die nacheinander in absteigender Ordnung vom Freigelassenen besdiritten
werden kunnen und durdi den Formalismus der F'reilassung versinnbildet
werden. Besonders lehrreich in dieser Hijisicbt wie in Bezug auf konsequente
Verfiilgnng des vorhin angedeutelen Grundgedankens überhaupt sind die lan-
gobardischen Quellen einer-, die norwegischen an<lerer.seiLs. Mit jener privat-
rechtlichen Abhängigkeit des Freigelas'senen nun im Zusammenhang steht,
dass seine Elue in Weigcld- und Buistaxen wie im Mass der anderen
Stand CS rechte und Standesfahigkeiten niedriger veranschlagt wird, als die di^
Gemeinfreien. Nattiriich wirkt auch die Erinnerung an seine Vergangenheit,
seine Herkunft auf seine WertüdiStzung mit ein. •Daebtraufenniensch*
{shinkufdh umprr') heissi er in Westg^italand. Doch bat skandina\isches
Recht in hisltirisdicr Zeit nur hier, in Schonen, auf Island und insbesondere
in Norwegen diese Minderschfitzung der Freigelassenen bis zum Verschwinden
der Unfreiheit festgeliallen. — Die Abhängigkeit des Freigelassenen vererbt
sich in seiner Nachkommenschaft oder dfK-h in einigen Generationen denselben
gegenflber dem l'atmn und des.sen Erben, so dass auch ein Wertunters^-bie*!,
nur allenfalls mit veiniinderter Sdiärfe, fotl<laueTt zuischen ticn Nachkonmien
des Freigelassenen und den Gemeinfreien. Hei k\vx\ niederdeutsrhen Völkern
lind den Alaniunnen erscheint der hrtrige Freigelassene be/w. sein Abkömm-
ling als *Lel< (afr^nk. Ulo, frics. let ttder AYm^ = Letmensch, kenl. btt, a«.
lai. alam. verschoben und latinisiert Itsm? Vgl. \vi\.. /assra =^ Iwt-tta, got. /«r/i,
deul. insx und letzt). D<H-b konnte auch ein Freigclxinier einem andern sich
als Ixnen ergeben. Besiegte, die sich mit ihrem (rrund und B«>den den
Siegern unterwarfen, konnten daher als Leten ihre Freiheit auch im Staat
der Sicher bebalten. Dem nicdenleut.'*cheii und alamannischen Letcn ent-
spricht in der Hauptsache der langnb. (und baier. ?l •W«/ (lat. atJius, aUio,=
Mensch?). Fassen wir aber auch den >Let< bezw. «Alden* der engten 500
k
2. Leute: Ki.assfn der Gemeikfreirk. Min-dkrireie.
n?
Jahre narh der Viiiken*'aiitii.*ning als einen Freien unterster Ordnung auf, so
leugnt-n wir duinil nie hu cIhss er im MA. zu <ipn Unfreien gerechnet werden
knnnle (»-ie z. ü. in dem (iriitesfrieden c iioo CmusI. 1 K<». 42(>). Es nr-
srhah dic> zu einer Zeil, als die Unfreien selbst in wHrhligen Beziehungen
langet Tur Rechisfahigkeit .lufgejstiegen waren (<» 411. — Die staatsrl. S<*ite
der Freilassung ist S. i,^o be^pRuhen. Zu den imvatrerhtliilien Bestand-
teilen des GesrhJifts pelinrt bei <icn SOdgermanen. wenn Freizügigkeit dem
Freigelassenen zu Teil werden S'>II. eine fömiliche und sinncnfalliy hierauf
gerichlele Erklärung des Freilassers: das »Weisen der vier Wege- lauf dem
Kreuzwtfji bei den I,;ingobarden, der »freien Wege und ThOren< (nach ri'lni,
Mu-sUt?) bei ticn Franken. Aus der Schutzgewatt {mumi) seines Herrn jedoch
kommt der ?"reige lassen e na<h langab. R. nur, wenn jener die Wcgewdsung
nie hl selbst vumiinmt, si tndein dureh einen TreuhJlndcr v« >mehmfn läAsl,
nachdem der Freizulassende durch die Hand von zwei andern hindureh ge-
gangen. Denn dli- Freigabe muss zu einer h\\y^ formellen Gabe henilige-
drUckt werden, wenn »iv keine: neue Abhängigkeit des Begabten bewirken
snll. Anderwürts bedarf es zu gleichem Zwcik einer Gegengabe, wie z. B.
in Burgund, aber auch in NurMegcn, wo sie \om Freigelassenen bei emem
tmter gesetzlichem Ceremoniell abgehaltenen Biergelage [/rrlsis^tl) anzubieten
Ist Nach frank. R. bleibt ein Zinsrecht des Freila>sers gegen den Freige-
la*-seiien, wenn jener nicht durch <lic denmialio (alid. srazwurf), d. \. Aus-
schlagen eines dargelxiienen Denars, symbnUsch darauf verzichtet und sti tien
Freigelassenen zum liennrialts {Jenan'ntus. scusivttrfun) macht. Zu den natiimalen
Arien der ?>eilassung werden von vielen Rechten die rr^mischen rezipiert und
den eigenen Betivirfnissen assimiliert. Letzteres geschieht nicht blow in Be-
ztig auf Äu.s>erlit_likcilcn. si'iideni auch hinsichtlich dt-r Wirkimgeii. Sclirift-
akt tuid Verlegung des Geschäfts in die Kirche s])ielen dabei im Fonnalisinus
«lie Hauptn^le-, und hiemit im Zusammenhang steht es. wenn die so Frei-
gelassenen in lat. Text«! als farlHlnni bezw. lahnhrii bezeichnet werden,
i»i"gegen cfrarita (cemcmsuaUx) der Freigelassene heisst, welcher zu einem
Warti-ijjin.s an tlie Kirche ver^sflichtt-t bleibt.
Xichl we>eiitlich roebr Freigeias.sene niM'h auch Abkönimlingc von M)lchcn
sind die »Laien* wahrend des MA. in Nfirdrieutsrhiand. Sie sind freien
Standes, al>er durch Geburt («Icr Ergebung zugehörig zu einem Herrenhof
und inw^emc unfreizflgig, aus.serdeni veri>flichtet zu Kopfzins und Heiral.'i-
abgabe an ihre Herrwhaft, die auch ihren Mobiliamachlass i«ler statt dessen
eine ErbgebOhr nimmt (\-gl. unten S. 140). Entweder hat der I^te ein,
nicLst erbliches Hewizrecht an einem Bauerngut unter Grundherrschaft oder
er is-t ungesesseii, daiui aber du<^h der Herrschaft zu Gesindediensten ver-
pflichtet. Die rechdiche Ijige dieser Hörigen erkiflrt sicji *um Teil damus,
ila.>ts .nie der von xmfrcien Bauern (S. 140^ aKsimiliert wurden ist.
!( 40. Mintlerfrcie von Geburt sind in ticutschen Staateii seit der
Vülkerwandening unterworfene l^ule undeutscher Abkunft als > Volks -
fremde« (ags. tflptodi^ mteu), soweit ihnen rtiierhaupt Rechtsfähigkeit zuge-
stamlm wird. Minderfrei sind daher im Franken- und im Langobardenreich
die Romanen, in F.ngland die Briten, jene wie diese unter dem Namen der
«Walschcn« d. t. der Fr emtNp rachigen (aps. wralas. afrfliik. waiaba) begriffen.
Haben .sie Wergeid. so ist es geringer als das des gemeinfn-irn Deutschen.
Sie entbehren femer A*:x politischen Siande-srecbte des Deutschen, während
«c heerj)fli<hlig simi wie dieser, und au.s.serdem andere als er mit Steuern
riastet. Gemäfw dem IVrsonaliiatÄprinzip (i>l>en S. 651, bilden sie im Gcgcn-
lt2 ZU dem Deutschen eine engere Recht^eniitis*'nsclmfi. Eine ähnliche
i^Ji IX. Recht. B. Altertümer.
Rolle spit-len nmli im Ss]). die Wciidfii und hatten um 7 Jahrliundertc früher
die Kiiinanen unter gotischer und biir>;undischer Herrschafl gespielt. Den
Juden wies nadi südgennan. RR. wen^er die Rai-e als die Religion eine
S- Inderstellung an. Die wrstgot. Gesetze verfolgten seit dem 7. Jahrh. da»
Judentum mit dem Endziel, es ausxurutlen. In den deulsthcn Staaten wur-
den die Juden als Reidisfremdc (J} 44) behandelt. — Mindcrfreihril konnte
femer durch Schut/.un terthJlnigkeit (g 50) begründet sein. Das Schutz-
recht Oller die ^Hand* {mioit) gab dem Sdmtzherrn eine Vertrclungs- und
Befehlj^ewalt, leicht auch eine Obrigkeit Ober den Schfltzling, so da.Hs die-ser
der öffentlichen Gewall gegenilber tnediatisiert wurde. Hauptsächlich war
dies in den südgerronn. Staaten der Fall. Die alte,sten frank. Gesetze geben
daJicr dem trihttionm, d. h. dem unter »patrücimum« eines «possessort stchen-
tlcn romanisdicn Koloiien geringere-s Wergeid als dem Roinanus [HJüsessor.
Wahrend des M.\. ist in Deutschland niinderfrei der unter lokal höchst verschie-
denen Namen erwilhnte, aber stets unter den Begriff des muntman (nd. auch
mun(iliti»\ \A^.x vo^tman \homo advacntifhts) fallende bäuerliche GnmdeigentÜracr
oder Handwerker, der sich in widerruflicher oder uiiwiderrufliclier W"eise dem
Schutz eines Cirundhemi oder eines reichen Stiidtbürgers unterworfen li:it und da-
für eine ."Vbg-abc {muii{sfha2) in Geld o<ler Wachs (r^Ms/ts) oder in NaiiiraHen
(it. B. Fastnachlhühncr) etitriclitel, allenfalls auch Fr^ihnden lastet. Städtische
Muntverhahnisse cheser Art werden seit dem 1.5. Jahrh. verboten. — Zu dea
Winderfreten ist endlich im MA. auch zu reebnen fler seiner Herrschaft zu
Al:>gaben, meist auch zu Fmhnden verbundene Grundliorige (Grundholde,
Coli in), welcher der Freizügigkeit darbt und mit dem Bauerngut, worauf ers itzt,
veraussert werden kann, der /aU des Ssp. {vgl. S. 137), der /ae/ des vläm,, der
hanehaik {barma») des baier. Rechts, zuletzt auch der Fiscalinc (unten S. 140).
Im Werp'Iri steht der .sJUlisiMhe late den anderen Minderfreien nur wenig
nach. Ebenbürtig (§42) sind sie alle unter einander, dagegen nicht den
Gemeinfreien, hinter denen sie an Wergeid und Busse wie an Fähigkeit zum
Urteilfinden im staatlichen Gericht und durch ihre Unterordnung unter grund-
herrlichc Gericlite zurückstehen. Landfrieden des i,v Jülirlis. legen ihnen
schlichte Haar- und Kleidertrachl auf. — Auch das ags. R. auf seiner spä-
teren Entwicklungsstufe kennt mediati^ierte Freie, che an Wergeid besh-nfalls
i^Zwcihunderter» sein können (vgl, oben S. 134), bei mangelnder Freizügigkeil
aller niedriger gewhützi .sind. Zu ihnen, auf die jetzt der .\iisdruck «or/ be-
schrankt wird, gehören nicht nur der gebür und colsetla (oben S. 13,4), wenn
sie Hintersas.*iPn eines Lamllierm (Ü 49) sind, sondeni auch die Grundeigcn-
tünier, die nicht 5 Hufen I^md haben, nmh auch Gefolgs mannen des Königs
sind (darunter die soihemanni des Doinesdb.?). — Eine der deutsc^ien Hörig-
keit verwandte Minderfreiheil hat endlich seit dem 14. jahrh. das dan. R. in
sehicm seelandischen Gebiet zur Ausbildung kommen lassen; der in einer
G rundherrsch afi ansässige Haucmsohn ist gehalten, dort einen Hof zu ül»er-
nchmen, tiarbt in soweit des freien Zuges und ist dem Schutz {vomtrth) des
Gnmdherm untenhan. In alterer Zeit dagegen scheint nach den an. RR.
laimlcrfrei der Aastrfigler, der auf's »Fiel" seines Alimeiitators -^efQhrti ist
\flttßn»g) und sich in dessen Hausherrschaft >ergeben« mler »verkjiuftc liat.
Seine s<hwed. Benennung ^Uffprie} musste er sogar halbwegs mit dem Un-
freien teilen.
§ 41. Die Haupimenge der Unfreien (im. nfnelser tmni\, d. i. der
Rechtsunfalngen, bildeten die Leute im Eigentmu vcm Freien, die von den
Rechtshtsturikcm sog. i-Knechte«. Nach ältestem R. war der Knecht Fahr-
habe wie Vieh und Hausrat. Daher sagt die Terminologie von ilmi zunächst
2. Lei-te: Minderkkeie. Unfreie.
139
I
nur aus. diis» er !jii:h von üiidcni Sachen als >ML>n»L')i> uiilcnichcitict. Der
Knecht hie&ü, wie dem Ijiteincr /lomo, so <lem Gemumen man (im Anord.
gen. neulr.). Der Eigentümer zählte seine Knechte als >Menschcnh.lupter<
lahd monahoubtt), wie er seine »Viehhaupter» zahlte. Weilerhin w-urde aber
der Kneirht als 'Diener )got. pius, ags. p^ow, frilnk. ffieo. ahd. Jiii, dam an.
/i' = unfreie Dienerin, und as. thioma. ulul. dhrna »Dimei = SUavenit>cliter)
bcÄeiclinct, udir als ^Ergebener- (got. andbahls, alid. amdaht, dazu an. ambdtt
^|jy, afrank, amhotanra, gutn. ambatn). Deutsche und Goien nannten den
Knecht audi ^Schalki iffyi. skaiis. ap>. fränk. fries. ahil. siti/i\. was ihn wieder-
um in seiner Unterwürfigkeit keiinzeidinet. Bei Skandinaven und C>herdeuLs<:'hen
hiesi er daneben finr// bezw. tinnil, Dlufer- (vgl. Bd. I 37.2). bei den ersteren
änauitigr, (on. anuiipfl^hfr), was den unter Zwang {änanit) Befindlichen be-
deutet Die gewöhnliche deutsche Benennung der Unfreien im MA. ist
>Eigcnleutc< (mhd. ei^mUtiU\. die der Unfreiheit ^Eigenschaft '. Abzeichen
der Knechisduft. wen^tetis bei Deutschen, Goten und Burguntlen, ist ge-
schorenes Haaj. Das Schecren eines Freien konnte daher in alte-sler Zeil
itls Verkneilitung geileutet und sp^iter sthirapfliche Strafe werden. Im MA.
finden »ich Spureit gesetzlicher Tracht für den KncchU Thalsachhth in
strengerer Knechtschaft befindet sich der Haassklave, in milderer der Knecht,
dem als Pe«'ulium ein Grundstück mit Zubehör zu selbständiger Bewirt-ScKaf-
tung auf eigene Rechnung vnni Herni überia.s.'vcn Ist. Im letztem Fall luit
tier Herr sich bitxs Dienste und Aligaben viirhehalten, deren .\rt und Mass
wie das Pecutium selbst nach ursprünglichem Recht ganz vun der Gnade des
Herrn abhangen. RechtsgrQnde der Knechtsctiaft sind Kriegsgefangenschaft
(daher VöIkeriKmien wie ags. Wealh, ahd. Waiah, dann Seinvits Benennungen
der Unfreien), Geburt von unfreier Muller und, j^iwcit ein freies Weib Ehe-
frau eines unfreien Mannes .sein kann, Erzeugung vun unfreiem Vater, dann
vertiagsmas-sige (und symbolbedürfiigc) Ergebung eines Freien in Knecht-
schaft «xler Hingebung desselben durch seinen Gewalthaber, — in jungem
Rechten Strafe wegen gewisser Verbrechen, Verheiratung eines freien Men-
schen mit einem unfreien, Widerruf der Freilassung wegen Undanktwirkeit
des Freigelassenen, Ersitzung eines Freien durch einen andern, Aufenthalt in
der Grundherrschaft, w«t .<lic I-ufi eigen macht', endlich in selir weiter Ver-
breitung Exekution in bestinunlen Sclmldsachen (gesclzlichc Schuldknecht-
sduift). Die Ver>ichuldkneehtung bringt auf einer z«'eiien Stufe ihrer Ent-
wicklung den Schuldner nur in die Lage eines ausUisbaren Pfandes {»/o«
icatitt- ), wijdurch Leib und Leben des Schuldknechts gegen die Willkür des
.Schuldherm gesi<-hert werden. — Übrigens bestand die Vi )rsiellung, Unfreie
seien eine Race für »ich, kennlhcli an ihrer Leibesbescliaffenheit. Die meisten
Unfreien waren eben als solche geboren.
In verhältnismässig reiner Gestalt hat sich die Knechtschaft bis ins MA.
Iiinein nur im skandina\Tschen Norden erhalten. Dafür ist sie hier am
frühesten untergegangen. Von selbst verschwindet hie im westnord. R. schon
gegen AtLS^ng des 1::. Jahrh., im danischen ungefähr luü Jalirc sjiatcr; ge-
setzlich ahgeschaft wurde sie 1335 in Schweden. Bei den Südgermanen ist
»eil der Völkerwandermig die rechtliche Lage der L'nfreien. unbeschadet des
I*rinzi|M ihrer Rcchtsunfahigkeit, in fortschreitender Be.sserung begriffen. Sie
kommen in bestimmten Beziehungen unter Rechtsschutz und werden mehr
und mehr recht-sfaliig. Dabei ist die Eijtwirkung von Kirdie und Königtum
unverkennbar. Strafrechtlich geschützt wird der Knecht zuerst gegen will-
kürlichen Verkauf in's Ausland ixler doch in heidnische Lander, ferner gegen
Zwang zur Feiertagsarbdt, dann auch (zuerst bei den Westguten xwischea
(141 iinfi (»52) gt'g^n willkör!ir[ie Tötung durch seinen Eigen tOm er. pri^^it-
rcchüich im Besitz stiiies Peculium. Das Recht erkennt seine Eliefriliigkeil
und .seine Sippe an, seine Pntze.s»>, »eine Eides- und Zcu^isÜilügkeiL Der
unfreie Bauer [sennts ras/itus, rnntisitumriivi) kann endlich nur noch mii dem
Gut vcrauswrt werden; nach Ait und Maw besltninil werden seine Fruhnden
und Abgaben. Allerdinj;« sind diese ForLschriiti^ \\m den verschiedenen
Rediten sehr ungleifhni.'is-.ij' gellum wurden. Am Iresten gestellt waren zu-
erst die Eigenlcutc des Ki'imgs {scn^i fistaies. fiscalini, serri äominici) und die
Gotteshnns-Leutc {setri crtUstae), Hen ersteren wurden schon frühzeitig gar
öffentliche Ainler übertragen, wiiduri'h sie unter den besonderen Königs-
frieden gelangten, bei den L;ing<ibardfn .selltst hu.ssberethtigi wunlen. Ku
Anfajig de» (>. Jalirh. haben die fr^lnk. FLskiilinen sclion das Konnubium mit
Freien. Je weniger Hindemisse der Bewaffnung der Knechte durch ihre
Eigentfimer entgegenstanden, desto nülier rikkten sie denjenigen Minderfreien,
welche nur noch mittelbare und imfrcizügige Staatsuntcrtliancn waren. Set
sind ntich in karohngisclier Zeit die FiskaUnen in die Minderfrdhctt sellwt
emporgestiegen, /u blossen Hürigen geworden.
Im mitlelaltediihen Deutschland mit Ausnahme von Friesland waren die
Eigenleute teils zu Knpfzins {temus capitis, c. rtipila/ii), teils bloss zu Diensten
{senitiit, officio) verschiedenster Art vcn^)flichtet Die luifreien 2inser, mit
freien unter dem Nanu-n remitnU^ begriffen, hatten ein meist erbliches Keclit
an einem Bauerngut, wufür sie dem Herrn no*b Frohnden leisten muüstcn.
Die unfreien Diener yministerinj/rs i. w. S., sen-ienus, sen^ilores) teilten sich in eine
niedere und eine höhere Klasse. Die niedere wird von den zu uiigemessenen
wirtschaftlichen oder handwerklichen Arlieiten, zu Tnins]K.rtdienstcn, xu
Luxusfrohnden ^Jagd- und Tanzfrohndcn) gegen Verköstigung, zuweilen auf b
Lohn i>dcr Kleidung verplfhc bieten tia-iriK^n-hifH des Ssp., den fiageakiilkfii
oder tht^rn'iwicti im FrJinkischcn gebildet, die huhcrc vi.»n den nur zu l>e-
ütiminten höfischen und ritterlichen Diensten gehaUcmen, daher zum Ritter-
itUind gehiirigen dinieshmmuen {erst vom 12. Jahrh. an regelmJtssig minisUrialts
\. engern S.i. Alle Unfreien werden jetzt in Sachen, die an Leib und Leben
gehen, dem öffentlichen Gericht unterstellt. Dia-h bleiben sie den Freien
uneberibürtig. Im \'ergleii h zum fri'ien Ritter hat der unfreie kürzere Anl-
worlfrist auf k.'itnpftichen Gnis.s. Er führt seinta Herrn Wappen. Zu ihren
Heiraten bedürfen die Eigenen des Herren konsenses, den sie durch eine
besondere Abgabe {niarilagium, sflclis. u. frilnk. heddemiimi [vgl, den wn.
mmuir unten Jj 5h], sTtchs. bänirdeS erlangen. Andererseits hört das Reibt
des Herrn zum (-leirafizwang auf. Gegen eine Erbgebühr (entweder biitn'i
mit hcri^ewteU oder aber tätval, nwrtmmum, Iteslhouhd, kunnicle) sichert sich
der Unfreie das Erbrecht an Fahrhabe. — Seit dem 12. und 13. Jahrh. setzt
sich die standische Scheidung unter den ritterlichen Mini-wterialen scll>st
wiedennn fort, und zwar in die nicht bloss ritterlichen, sondcni aitch mit
Hnfaniteni (iasgeniein des Marschalls, Kammerers. Truchsessen, Si-henken)
des Reichs und der Fürsten ausgestatteten imnisUriaifs oder diaiestman i. eng-
sten S. (in Südnstdeutschland auch tiifftesthenvn) und die bloss ritterlirht'ii
mililes oder ritftr {scmpemt UuU des Swsp.). Die erstem werden aktiv lehcii-
fahig und filhig zu Grundherrschafl und Vngtei. Sie ki^nnen eigene Rittej
haben, führen ihr eigen Banner und sind sogar (von gewissen Ausuahme-
falleii abgesehen) fJitng, über Freie Urteil zu finden und gegen sie Zeugnis
zu gehen, nehmen .im Rat des L.andesherrn Teil und simi pmzessualisch
und strafrechtlich privilegiert Die »Rittet' sind ihnen unebenbürtig. Schritt-
weise lülhert sich aber ihre Rei-htsstcllung wieder mehr derjenigen der Dienst-
2, Lecte: Unfkkik. Kbenbühi. R»mT- ü. Ehrlose. (Jaste. 141
mannen i. e. S. Dit- elu-iiialijjc Unfreiheit der einen wie der ande-m geriet
allmahUch in Vergessenheit, als (seit dem 12. Jahrh.) Gemeinfreie unter Vor-
beliult ihrer landrethtlichen Schöffen barkeit in die Ministcrialiiat eingetreten,
die Fähigkeit der unfreien Ministerialen zu >rechtpm« Lelicn und zu freiem
Eigen anerkannt, ciem ^rc* hten.. Lehen das dienstmlinnisttie Hoflehen gieich-
gcstellt, die Dienslmsuinen nebe» den freien Rittern zum Urteilfinden in <len
Lchengerirhten zugelassen, die Kriegspflichten der Dienstmannen bedingt und
gemessen waren. Die gesamte Mini^terialitat i. w. S. stellte sich um Ausgang
des MA. als ein niederer Adel dar. In Osterreiih ÄHrdcn <lie Dienstmannen
i e. S. wahrend des i,s. Jahrh. w»gar den /nat/Aem-n {oben S. 1.12) beigexahlt.
— Neben dieser Befreiung der ritterli<'he-n MinisterialitiU her ging eine nna-
Uige bei einer Klasse der gewerblidien Ministerialen in den Stildten: den
»Hausgenossen», d. h. den Gem)ssen des Münzhauses. Ihr Gewerbe, untcr-
stfltzt durch das MnnuiMil des Geldwechsels, warf su erheblichen Gewinn ab,
dass der Eintritt in ihn.- Gilde selb>.i von den erl»gcsessencn Freien gesuclit
war, imd unter Teilnatune am Stadtregiment erhoben sich die Hausgenossen
in den Patrüiut.
§ 42. Soweit man von dncm peringcr Gewerteten das Geltcndmaclicn der
Elirenrechte *eine.s Standes geg<'n sich, wie z. B. kfimpflichen Gnms, IJrteil-
findung, Zeugnis und Eid, Bevonnundung, Beerbung, nicht zu leiden brau<'ht,
i:tt man nach <ier .Auffassung des alt<lcuLsi-hen Rechts dessen überffemz. Der
Geringere lieisst des Cbeigenossou un^fHÖc. Dieselbe Auffassung ist der
Sarhe nach auch in andern sfldgcrm. Rc< htcn, insbcstmderc im wcstgolischcn,
.vertreten. Da die Slandesehre mit dem Blut übertragen v.ini, so ei^bt sich
dem Gesagten die B^ileutung der gleichen Geburt (innd. nrniiorf), Ik-zw.
der »besseren* und der ■geringeren' Geburt. Das Kind aus der Ehe eines
Obergenossen mit einem Ungennssen jfolgt der ili^em Hand-, d. h. es ge-
hört dem Stand des geringer geborenen EltemteiU an, — ein Grundsat/, der
deutlich sclMm in der Le.x Ribuaria auftritt Stimdcserhöhung durch den
KOnig jethxh konnte (seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrh.) den Makel der
UnebenbÜrtigkeit tilgen. Nicht allemal ist der niedrigerv Stand Ungenossc
de* höheren. Vgl. das Verhältnis der Schüffenbarfreten zu den Fftrstcn und
freien Herren nach dem Recht des Sachsenspiegels oben S. 135. Daher könnte
man im Sinne obiger Tenninologie die Bewohner Deutschbmds im MA. ein-
teilen in »Genossenschaften«, die Genossenschaften in Stilndc, wobei sich —
IrOher Bemerktem nach — eine andere Klassillxicning nach Lehenrecht als
nach Limdrevht crgehe?i wflrdc.
§ 45. Den skamlinavischcn wie den deutsi lien Rechten sind die Klassen
der »rechlJt)sen< und der «ehrlosen* Leute bekannt. Die Rechtlosigkeit
ist völliger «.>der leilweiser Ausschluss von den Ehrenrechten des Standes, ob
nun diese in ihrer Gesamtheit, i>der ob ilir vornehmster ReprSsenlani, das
Reclit auf Wergeid und Busse, unter dem alwrkannten »Recht* (in deutschen
Quellen rrcA/. in den aiiord. rf//r) verstanden wird. In alteren Zeiten erwies
sich die Rechüixslgkeit insbes<mdere gegenüber Wortbeieid Igui igen wirksam.
Dies trat schon bei der Klage aus einem Red ittusigketts-G rund in der pro*
ilen »Namengabe* hervor, ()l>eratl femer, wf> ein CbelthJlter mit dera
»Neidingsnament belegt wurde. Zu den Rechilusen gehören sicis die, welche
whimpfl icher Verbrechen überfohrl sind, dann Leute vun verathtcter Lebens-
weise, wie z. B. Spielleute, gewerbsmässige Kämpen, Bettler, Landstreicher,
in Deutschland auch die unehelich Geborenen und im Spatmittcia) ter die
Henker. Die Rechtlosigkeit der Kamixrn ist .sogar auf deren Kinder vererb-
lich. Die Ehrlosigkeit ist Verbreihens- oder Straffolge: wer sich einer treu-
1^2 IX. KF.tllT. B. ALTERTt'MF.K.
losen HandJunjrsweisc srhuldig madit, verliert seine Glaubwardigkeil und
ursprünglich ;i]lgemein aurh den Zutritt 7u den Versammlungen und Ver-
ViElndcn vt>n Biederlculfii, später noch zuweilen die Befugnis zum Führen
der Stand('s;iliZ('irlicti (rr wird ;i!nm. .^von Ehr iin(j Wehr g*-setzt«). In den
lel/ten Jahrhunilerlt-n des deul».]ien MA. hahen *ii<li RccIU- und Ehrlose zu
Genossenschaften verfinigt, innrriialb deren cli» Recht den Mangel der per-
äönlichen Elire übers.-ih.
I 44. Der Landfremde (gol. /ramps. Hgs. /rtmße, iihd. framadi voM
/*Y7in =^ fort, <>dcr :ih(). titihtnli, mhd. flUnde) oder Gast (genii. *gtuliz v^I.
lal. hostis) ist nath .lllesleni Recht für sich allein recht>unfrtlilg. Ähnlich wie
der dem gastiz entsprechendr hnstis den I^ieinem zum -Feinde-, uurde, so
ist bei den Deutst-hen der Begriff des :tElendeiis in den des Unglücklichen
übergegangen. Aber die rechtliche Schutzlosigkeit des Gastes fQhrtc zur
Gastfreundschaft. Dem freiwillig in den Schutz emes RechLsgenoiwen sich
begebenden Fremden (langnl). *n'tin0inff, afriluk. *wiirgen^i, ags. nnfrgfHgu,
femer an. fvMni^/, woniber Thomsen /Jrs/>r. li. r/iss. SiaaUs 187(1 S. 125^
\2~) wurde duiL-Vi dessen Vertretung der Scliutz des Rechtes \-ermitte)t
Die Wirkungen dieses Prinzips sind wahr>*chcinlich zuerst auf Handclsplülzen
und hei Kultgt-nicinscliaft verschiedener Völker von Ausnahmen zu Gunsten
des Fremden durchbrochen wonlen. Bei den Deutschen steht nach der
Völkerwanderung, wo mehrere Staaten zusammen das Reich eines Könige)
bilden, der Landes- aber niclu Reicbsfremde in\miitelbar unter Rechtsschutz
(vgl. oben S. 65), der Reiclisfremdc zunächst noch verfa.ssungsmJlssig unter
Königsschutz. An den Krmig gebt daher der Narhlass des Fremden und
ganz iKicr teilweise auch sein Wergeid. Im MA. wird der unmittelbare
Reclaschutz prinzipiell auf nJle Ausländer erstreckt^ dt»cli rieht, ohne dass
.sie den InUindem vielfacli nachgesetzt, insbcsiindere auch von iKilitlscben
Rechten ausgeschlossen bleiben. Um so mehr blüht nun. in Deutschland
namentlich, das Bevorzugen der Unterthanen der einzelnen Herrschaften vor
den übrigen ReidisangchOrigcji. Zuweilen haben aber Gesetze und vOtker'
rechtliche Vertrflge den Au.ilrtnder auch vor dem Inlander privilegiert. Beide
Wirkungen hatten die Gesetze, welche ausserordentliche, insliesnndere ISglicli
zu haltende Gerichte für Gflste (Gastgerichte) einfülirten. In anderem Sinne
waren besondere Fremden gcrichte durch die westgot. Gesetzgebung einge-
führt worden. Prinzipiell unterstellte sie die Fremden dem Landrecht: aber
in Civilstreitigkciten unter sich sollten sie nach ihrem Nationalrecht und >'t»n
ihren tdoivarü beurteilt werden. Die skandinavischen Rechte der historischen
Zeit nehmen den Standjmnkt dej* mittelalterlichen deuL-ichen Rcrlitts* ein.
Doch unterscheiden sie zwischen luindes- und Reichsfremden, einige auch
zwischen Rciehsfremden mit skandln anscher und Reirhsfremdeu mit anderer
Muttersprache.. Dem politisch <>der national ferner stehendtm wird n.lndtch
im idigemeinen ein geringerer Werl, eine weniger vorteilhafte Reclits.stellung
cingLT.1umt. als dem naherstehenden. Vcitrilge und Privilegien haben auch
dieses Prinzip durchbrochen. In Norwegen z. B. Itaben seil c. 1022 die
Islander das 'Recht* des hflidr (oben S. 135). wtigegen sie xur Erfüllung be-
stimmter Unterthanenpflirhten herangezogen werden. Autonome Korpora-
tionen konnten in deii drei letzten Jahihunderten des MA. die reielisfremden
Kaufleute aus Deutschland in London iStahlhof) uiid in verschiedenen Städten
Skandinaviens (z. B. in Wisby schote c. 1229, — Kuntnr der r-Hansebrflderi
in Bergen etwa seit der Mitte des Jahrhs.) bilden.
Eine Sonderstellung haben in den deutschen Staaten die Juden etnge-
nuinmcn. Seihst die im Lande ansässigen galten als Reichsfremde und waren
2. Lel'ie: Gäste. 3. Hckkschkk: KöNuauu.
»4J
st«ls auf den K«1ntgsiMliutz angewiesen. Derselbe niatstc im mittelalterlichen
Deutschland durch Abgiilx-n an die köni^khe Kammer eru-orben werden
(daher die Juden -Keirlisk^mmerkneihte«) und gelangte wie »ndere Regalien
an Fürsten und SlAdte. Snwfit die Juden nicht besonderen Grundsätzen des
Tenitorialreehts (z. B. in Sachen des Wuchers und Eigentumserwerbs, des
Eid<fs uml Zeugnisses) unterstelH uaren, galt für sie da-t mos;iisrhe Kecht
und luittcn sie einen eigenen Geriditsstand IgewOhnlich vur dem Rabbiner
oder .Ju*lenbis*hof<). VerkehwltesrlirSlnkungen, Zwangswohn- und BegrSbn»-
pl«lt2e, geseuliche Tnuht ( Judcnliut, -Ring. -Mantel ) trennten die Juden
auch auüserlich von den diiisUichcn Einwohnern.
3. HERRSCHER.
LUenitur bei Sicfiel RG. §§ I3. 17, 1«^ 23 — 26, 60—72, 74 — 9z, 94, 95,
97 — 107. na t ci. Mb — izo. Brunner RG. I %% 17. 34, 26, 36, 54, U M ^
— 85. 8;— 95 u. in Holweml, §§ 4. 7, 8. 10. 13, 16, Schröder Lchrb. gS 5,
17—28 (S. 205), 32. 44—48, 50. 5[, KoscDvingc g$ ij. 58, 39. 48. 8y, go,
99, 117, 118. St«mann KcWh. §§ 17 — 20. 43—47. Brandt Focvl- l Sg 2, 3,
6. II, II i% (16, 88. Awftwrdnn : W. Sigk*rl in W«t<iMU. /.»ehr. XV l8g6 S.
III — 171, %■. Artlira in Oim. j^l. A. 1888 S. 49—52, 57—60, 189O S, 192 —
199. Th. Liri.iiier in Mlt^G. XVII (189«») S. 537—583, Dicmand, A tWv^
mrtnxell der Kanerkriinungen von Olla l. bis Frtedrük II. 1894, K. Lehmann,
AbhanJhtngrn 1888 Nr, 1 11. UI (ilazii K. Maurer in Lil. Ccntralbl. 1888 Sp.
1269 — 1272. Kr. Vjschr. XXXI S. 197 — 206, 208. 212. v. Amir« in Götu gel.
A. 1889 S. 266 — 271). "W. Michael, DU Formtn des unmilt. J'erkrkn tw. J.
tütU. Kaisern n. som-er. Fürtten 1S88, Dopsch in MIOG. XVII 1896 S. 396
— 310, Luschia, österr. fteü/ugesch. §§ 8. 9, 14 — 19. 25 — 28, 30, Sauertanil
(üben S. 128), Oechsll, I>if Anfänge der Si-Aa.<fiter. Eidgenouensthn/t 1891.
Pfafr. D. Sfaatsr. der ii/ten EidgrNOssensfi. 6fs i. t6. Jahrh. 1870. v. Juvali,
Funeh. ü. d. Frudalseit i-* cur. Ratien I. U 1871, v. Planta, Die rnrrJitft.
If,rri<ha/trn i. d. FruAtheit 1881, WiUtch, Die Grundherruhaft in Aord-
■ofestdeulsthiand 1896; — Sluhbs, Cansl. tfnt. \ S. 66—68. 85—21 1'. E. Htlile-
brand (oben S. I2i) S. 29—75, f»n«itl. Engl. Ver/G. S. 10—57, 79, 84: —
Jessen, f.'nJrritigeher tH nord. öldhüt. 1862, J. Steenstr tip, Sludü-r (rtbm
S. ist) I S. 26—46. 149 — 270, 11 S. 325 S.. L. Kotbere, /-rges H'a/drmari
regii 1886, DcTKlbc. Konge og Danrho/ i de: 13. og 14. AarAiindrede I 1895,
A. Kode, Dnnehoß'et . . . 1893. MatJten, Dantke tongvrs /{aand/aHninger 1889,
DerKJbe. Foreia-ittinger, Ofenti. Ä I §§ 8— 14; — E. S, Biinf;. Dt 7-et. Sue-
cerum et C^lhcrum firae^ip., qNac rempttbl. sfiectant. institutis 1826 S. 133 —
172. Schlytcr, /«r. Afhandl. 1 S. 1—54, II S. 93 — aoo. 276—281. Strinii'
holm, Svenska jolk. bist, (an den ebenda V S, 119 — 124 cit. -Stellen), v. d.
Lunckcn, Om läns/örfaUn. i Sverge 1864. O. Alin. fiidr. tiH nensta rJde/s
Aiit. 1 1872, DiTS. Om tn-nsiM nideh sammansällning nnder medeiliden 1877.
L. Mecbelin. Oß-rrt. a/ n-ensta rftintdeti stalsrl. sUUi. 1873 S. 1-26, Fr.
Odberg, Om den tvenske konungens damsrätt [875, Naumann, Sver. Stall'
förf. I i«7q S. I — 141. T. Fahlbeck in Hisi. Twlskr. (Stockh.) 1884 S. l— $0,
H. Hildebnind, Si-er. Afedelt. IIS. I — 142, 18.331-283, 725 f.. 911I.,
Key-Äberg, Om Konunga tnh Tronföljarevat 1888, Kjcll^n, Om F.rikigtttan
1889; — AÄchehoug, kargem ofenti. Ket I 18X6, Sar», Vdiigl inslteai. I S.
145 — 163, 197—225. 11 S. 1—32. 72 — 241, K. Maurer, üettr. t. RG. des
grrm. Xord^ns I 1852 (i-J. unter dum Titel Vppkaf alhkerfnrrikis d hiandi 1882),
Dos. Sorteegens Sihmkung an d. Itl, Olaf [in den Miinch. akad. Abb. 1877),
Den. i. Gerrn. XIV S. 27—40, Zschr. f. deut. I*hil. IV S. 125— 130, Jen. Ul-
xlg, 1875 An. 74, »Festgabet f. Arndts 1875 S. 47—67, G. Storm, .Vagnns
£rUngii»ns Lav om Kongevalg 1880, Y. Nielsen, Del norske rigsraad 1880,
V, Finscn. Om den ofrind. ordning (oben S. 100).
§ 45. Die gcrman. Ur\erfassimg Hess für eine Herrschergewall Einzelner
keinen Spielniuiu. Da-s Staatshaupt war die Landsgcraeinde (oben S. 129),
Ausser ihr und der Hundenscliafisversaminlung [""»ben S. 122, 123) gab es keine
andern ätaaLsorganc als Bc:untc, ja dem Anscheine nach nur solche Bc^imte,
UA
IX. Recht. B. Denkmäler.
flie von der Landsgemeinde gcwfihlt w;iren. Dennarh knflpfl das Aufkommen
der Herrsrhergewalt nn jenes Üeamientum an. Die Landsgemeinde stellt
einen sUlndigen, wenn auch absclzbarcn Beamten an die Spitze des Staates
und ni:nmt ihn aus dem adeHchsten Gesclilechl. Sie ist dabei von dem nüm-
lidien Beweggrund geleitet, aus welchem das Recht den alten Gcburtsadel
auszeichnete (nhen S. 130). Denn die Brziehungen jenes Würdenträgers
/.ur Gottheit sind es, vnn denen Wnh] und Wehe des Volkes abhilngi. und
das Volk madit ihn deim auch dafür veranlwtwtlidi. >K5nig* (alid. as.
tunin},', ags- cvm'ag, an. kanimgr, aber aurh ags. nnt) heisst ein solcher
Häuptling, sei es aU Vorsteher des sippcuhaftcii Gemeinwesens, sei es als
Abkömmling des vornehmen Gfsrhiei'htes (etwa i-vornehmer Herr»), — da-
neben aiM'h 'Volksführer- (gut. //«f/c/wj, v.x\. pjdittnn, a^, p^o/ün, -d». ihioäan),
weil er der Centralbeanite ist Die Griechen übertragen diese Benennungen
gewöhnlich durch ßaadevi, die Licteiner durck re.v und der letJttere Tcnuinus
int dann allgirmcin, der crstere sporadisch von den Gennanen in ihren lat.
Quellen angeni»mmen worden. Nicht alle Germanen haben bei ihrem Eiii-
Iritt in die Geschii'htt; Könige. Vorzugsweise bei den fistlichen scheint das
Königtum zuer>il verbreitet. Bei einigen deutschen Viilkcm, wie z. B. den
Markoiiianneii, den Franken, den Langobarden, den Angel:>achsen entsle-ht
das Kflnigtum erst im Lauf, obschon nicht im hellsten IJrht der Gesrhichte.
Gewisse Grundüfige kehren im Oiarukter des germanischen Königtums aller-
ding» gleiclimflssig wieder, vor allem die pers<!inliche Verantwortlichkeit des
Königs für seine Funktionen, wcirauf immer diese gerichtet sein mögen.
Dass der Triiger dieses persönlichen Regiments schon in frühester T.ch der
geborejie Heerführer des Volkes war, kann als sicher gelten. Die Schilder-
iiebung bei gotischen imd deutschen Königswalilen, der Speer als fränkisches,
der Helm als angelsächsisches, Schwert und Schild als langubardische Königs-
abzeichen und in der giiniien gemian. Welt die vorgetragene Heerfahne
(altdeutsch gmipfauo, an. makt) symbiiilisieren den knegerischen Bestandteil
im Königsaint, Spater, nachdem die Königswürdc bei Kindeni möglieh ge-
worden, ereignet es sich, das.-i sie in der Schlacht dem Heer vorangetragen
werden. Aber auch die Sorge für Ordnung und Rechtspflege oder mit
einem Wort die Fried ensbeM'ahrung oblag dun allgerman. König. Schim
1k.'I Tacitus nimmt er das Friedensgeld (^ Bo) ein und judex heisst er bei
alten Autoren oftmals. Andererseits fehlt dem altgerm. König alle und jede
selbsumdige Gesetzgebungsgewalt, Fr hat in der Landsgemeinde kein he-ssercs
Stimmrecht als der nächstbeste freie Bauer. Was sonst noch den Inliall des
Ältesten Königtums angehl, so darf derselbe nicht als Überall gleichartig ge-
dacht werden, denn so wenig wie die Entstehungszeit waren die Entstehungs-
uTsachen des Königtums überall die gleichen. PriL-sterüchc Funktionen sind
dalier bei skandinavischen Königen wahrscheinlich, wahrend sie den bur^m-
dlschen und deutschen uachweislich fehlten'. Dagegen deuten Rudimente
im sj^iltpren Recht darauf zurück, dass sücigcrman. Könige selbst zum Gegen-
stand des Kultus geworden sind (Umfahrt des Königs nach Uestininitem
Ritual, Glaube an seine Heilkraft, Fahnenwagen, Verteilung der Köriigsiciche).
Vergötterung von Königen nach ihrem Tod findet sich bei skandin. Völkern
(besonders lehrreich die Geschichte des Olafr GeiistadaMfr und des Hälfdan
* 5. Gölt. gel. A, ll!f*8 S. t;i. Wenn lit. kuningas wie einen anilem anecschencn
Herrn, so auch den gci&Uidicn bezeichnen kann, »o ist (Inmii natürlich nichl der Si-hlu»
gcfordoi, das Won »ci scbon in <Jer BedeutuRi; 'Pric&te[< einer i^tnii. S]mchc enlU-bnt
worden.
Svarlc). Das Sakrale, das Legcndarischc, das PentOnüchc im lütgt^miHn.
K'lniptum rflumen der Individu.iIitSt seines jeweiligen Trägers die gTr»sstc
Bedeutung für dzc Fortentwicklung der Insülutirm ein. Dasselbe Volk,
vcirhfs nach einem nn glück liehen Krieg oder hei Misswarhs seinen Knnijj
vcijagt oder den Goilcrii upkrt, duldet, dnss er in Glück und Thalkra/l die
ohnehin schon seinem Amt inncu-ohnetide Befehlshaberschaft (den »Bann«)
erweitert. In dem gUicklidien Fürsten erblickt es seinen iBmtwarl und
Sdiulztrüpcri (ags. hla/ord (tml muttdhom). Ihm sichert es durch Srimiir
eines Treueides (Huldigung) die Unabsetzbarkoit. Ihm ftberiasst es die Rc-
prascntatinn des Staates, sowie alle entst:hciiiende Verwaltung. inslK\si>ndere
das Ernennen, Bcau/sichl^en und Abberufen der übrigen Beamten, das Ein-
richten der Ämter, das Abgrenzen ihrer Sprengel, ja auch, da er prinzipiell
ans eigener Tasche für den Staatsbedarf aufzukommen hat, alle Staatsein-
nalimen, weiterhin das Finden von Urteilen in einem eigenen Gericht, das
Aberkennen imd Wiedei^e wahren des Friedens, zuletzt gar die Ge^setzgebung,
so (Liss höchstens mxh gewisse Können derselben an die ehemalige Souv^
rAneUit der Landsgemeindc erinnern, sdweit tliesc nicht völlig verschviindet.
Äussere Momente, welche vor anderen diese Weiterbildung befurderien,
«■arcn die Gründung vim Grossrcichcn und die damit geforderte Arbeits-
teilung auch auf dem Gebiet des Kechislebens, — die Entstehung zusammen-
gesetzter Staaten, deren Verband Icdighch durch das (raelsi erol»emdc)
Ki^nigtum hergesielli wurde, — bei südgermanisrhcn Völkern insbesondere
auch die Verlegung des Staates in ein Gebiet, dessen Hewohner der Cber-
rahl nach an's römische imiwrium gewohnt waren und denen gegenüber der
K^inig mit der MachtfQlle wie unter dem Namen und mit den Ge^iliäfts-
formen des rümiMhen princcTW auftreten durfte. Unter derartigen Verhfllt-
nisscii konnte sich das germanische Königsamt nicht bloss zu einer unum-
schränkten Gewalt. sowJcm auch zu einer wahren Herrschaft Ober Land
Wid Leute {— 'Reich-: — ) ausbilden, die nicht mehr vom Volke abgeleitet
oder irgendwie abhängig, vielmehr wie ein angestammtes und nutzbares Privat-
recht ihres Trägers behandelt wurde. Ein solches Kf'Vnigtiim ist vererblich
wie ein Landgut und untersteht selbst der Verfügung seines Inliabers, der es
teilen oder durch Annahme eines Mitkönigs oder eines Unterkrmigs vcniel-
fillt^;en kann. Der Übergang zum Cliristentura ist für die Königsherre^-haft,
sofern ihr die si>ezifisch heidnische Herkunft unvergessen, nicht ohne Gefahr,
verschafft ihr aber, wenn einmal überwunden, leicht eine neue religiöse
Grundlage. Ein von der Kirche gesalbter (■"konsckrierter«) und gekrönter
KAnig kann den Thronerben, dem solche Weihe abgeht, verdrängen, eine
neue Dynastie grflndcn. Und nun ist das Konigtimi nicht mehr mensch-
lichen Rechtens, sondern gfitUiclicn, der König »von Gottes Gnaden-^ und
ein Vertreter Gottes oder eines heiligen Voi^angers, au«gest:ittet nicht bloss
nüt einem Kirchenhoheits-, sondern auch mit einem Kirchen regiermigsrediL
Der Wert der krinigtichcn Person kommt in deren besonderem strafrecht-
lichen Schutz und in ihrer unbedingten Glaubwürdigkeit zum Ausdruck,
weiterhin aber auch in dem Königsfrieden, der des Königs Umgebung und
Diener s<-hützt (oben S. 131). die Königsgett*alt selbst in dem "Herren* -Titel
(ahd. truhtin, ags. HmhUn, an. drvUin, — ferner ahd. as. hent* ixler fr») und
in der teilweise nach spatröm. Vorbild bereicherten Symbolik; dem Hoclisitz
(KOnigsstuld, ags. bre^stöi), dem Mantel und Schwert, dem Ilauptrcif und
Szepter, — diese beiden zuerst im Frankenreich mit der (Friedena-?) Lilie,
welche auf dem Szepter wohl .luch durch die Taube vertreten wird, —
dem Gerichlsstab (auf dem Knauf des frank, die manus justiiiae), dem
Ctfnanuche PUIoIdkI« IIL 2. Xuti. 10
1^6 IX. Recht. B. AltertOmer.
Bnistkreuz. Das Salben und Krönen der Königin en«lainint der Idee des
Erbrdclis.
§ 46. Das hier skizzierte Entwicklungsscliema ist nicht in allen Verfas-
sungen j»! eich massig durchgemacht wortJen, vollsülndig überhaupt nur in der
des frünkischfn Gm-v-irdchs. In den anderen ist der Höhqmiikt der Ent-
wicklung duri'h f-ine Vorstufe der absohiii'n Erhmonarrhic bezeichnet. Unter
den dcuili'li crkennb;iren Typen der Institution ist am weitesten zurückge-
blieben, weil durch die Laiidsgenieindt, im S|)iltMA. durcli den Reichstag
bezw. Keirhsrat tler Optitnuten aufgehalten, das ostnordischc Königtum. Das
Höchste, was vuii diesem über das Mass das uinurdischen hinaus eireicht
wurde, war die ('nicht einmal schrankenlose) Kepr;isentati\'gewalt, ein gemes-
sener Anteil an der Gesetzgebung (oben S. 104, 1 10, 115, 116) und an der
Aiiitsh«»hcit, das Recht der persönlichen Urtcilsfindung itn »Königsgericht«,
ein besclirilnktrs Hirgniidigungxrecbt und ein besonderer Königsfriede, das
lebcnsl;ingliche Xutzutijp^rcchl ain Krungul ( Upiaia oper bezw. ktmun^Uf)
\ind das Reclit auf (iastung (asw. gen^(Trp, in Dilnemark pmcuratio, servitium
nocliittu), allenfalls noch auf die ordentlichen (hergebrachten), teilweise an die
Stelle der Gastung getretenen Steuern (a^w. utsiyldfr, dSn. skol und slt^).
Dagegen blieb der König auch nach der Vereinigung- der Kleinstaaten zum
»Reich« ein Wahlkönig, der in Schweden, weil nur auf dem Mufathing der
Upsvcar und bis Mcp nur von diesen, seit ijiy nur \t>n den Repräsenta-
tionen der Landsdiaftcn zu wählen, die Kn'is^ta reiten niussie, um in den
übrigen alten >LAndem< fC^ruiHche Anerkenniuig, Nuturali.s:itiuu und Huldigung
2u erlangen, und der auf ähnliche Art in Danemark, wiewohl auf einer Reichs-
vcrsamnilang gewählt, doch auf den Hauptversammlungen der alten I-uJid-
scliaflen sich die Uuldigiing der Völker zu erholen d. b. mit diesen sc-incn
Ansiellungs vertrag zu schliessen hatte. Ein solches Königtum muss sich zu
WahlkajTiituLitiünen bequemen und bleibt in seiner I Icergcwalt auf deren
Verwendung zum Verteidigungskrieg bcscliriLiikt. Eine höhere Stufe schua
hat ilas norwegisi lie Königtum beschritten. Wiewohl noch als kleinstaat-
liclies Ann, tritt es mit dem Charakter der Erblichkeit in die Geschichte ein.
Diesen bcliilll es, nachdem es (im tj. J;dirh.) St^mmikOnigtum geworden, mit
einer vorübergebenden Mofiifikation im Jahre 1 164, bis in die Unionszeil bei,
und zwar von jenem Jahre an mit den» Priuzi]) der Individualsucccssion,
wahrend es an einer festen Thronfolgcordnmig bis c. 1260 gebricht. Das
Volk wirkte bei der Thron besetzung nur in so fem mit, als die Huldigung
desselben und die .Ausübung der kOniglithen Gewalt bedingt war durch die
ko'itiusrstfkja, d- h. durch ein Urteil der EandschafUversammlimg (seit 1260
nur noch der drontheimischen) über des Thronfolgers Erbrecht Hinsichtlich
des Inhalts seiner Gewalt unterschied sich der norwegische Groiskünig vom
schwedischen und dänischen zumal dadurch, dass er erst in der gemtinrccht-
lichen Zeil und auch jetzt nur kraft seines Aufsich tsrechts über den Gesetz-
aprecher (s. oben S. loi) zum Urteilfinden legitimiert wurde, dafür aber von
Anfang an wesentlicher Faktor der Gesetzgebung war, gebunden zwar au die
Annahme seiner Gesetze durch die Provinziatvertrelungen ii^ffPi»g) aber aus-
gestattet mit dem Recht, das ii>spi"g teilweise und dessen beratenden und
bescli Messenden Ausschuss, die /(J^rrf/a ganz durch seine Beamten emeimen
zu lassen, ferner dadurch, dass seit dem Ausgang des 12. Jahrlis. die ge-
samte Ämierhiiheit Restandieil der KOuigsgewalt und nach einem weiteren
Jahrhundert deren exekutiv ische Befelilshalicrschaft nach Art des frtinkiachen
Königshannes (S 80) unter besondcm strafrechtlichen Schulz gestellt und das
königliche Begnadigungsrecht von allen Schranken befreit wurde. Der nor-
3- Herrscher: Kökigtitm.
»47
wegtöchc König ersclicict schon in den alteren Quellen uls Laudcsherr, das
Rdch ist sein landeign, der Untt-rtlian sein Ptgit, d. h. «pin Diener. Die
naLlistliOliere Entwicklungsstufe sielil sich im Lingpiburd. Kunigtuiii in so fem
dar. aUt dieses, von Anfsuig an Stamm kunigtuni und von Hmtharit (+ 652)
ab erblich, seit i9.ya aiich teilbar, die unbeschrajikte Heei^ewalt, die Aufsicht
über den Urtcilfinder im Unlergcriciit und die peiüönUche Urtcilfindung im
höchsten Gericht erhngt hat. Beim Erlas:« von Gesetzen freilich bedarf der
langobardisi'he Koni;^ der Zustimmung der Landsj^-nieinde. Diese fallt bei
den Angclsaclisen liinweg, ohne in dem vom Belieben des Künigs zusammen-
gesetzten Notabeintag, dem xvilena gemöt ein zuLlngliches Surrijgal zu finden.
Daher ist die ags. Gesetzgebung und zwar schon in kteinstaatlJcher Zeit for-
mell ausschliesslich Sache des Königs', dem auch eine unbeschrankte Disiwn-
satiouäbefugnis (lidg. III 2) zusteht, daher auch der I^ndfriede nicht mehr
VcJks- Mindern KOnigsfriedc oder Kuiiigsschutz: fvnin^es nwntf (bestmders
deuUich bc werg. c. I § 4). Ferner ist das königliche Kirchcnrcgiment in
der angelsachsischen hfiher als in den bisher erM-.'lhnten Verfassungen aus-
bildet. Dass es hier bei einem rein tlieoreiischen Absi>lutisnius dc4> ^Baiileus*,
ja 'impfrntor<i bewendet, liegt daran, dass der ags. Kitnig Wahlkrtnig und
absetzbar ist, wnbei die entscheidenden Funktionen der fehlenden Landsge-
meinde vom witeiia gmn<>t versehen werden. Zwischen diesem Kr.nigtum uikJ
dem fränkischen steht das der gotisch -wandilisrhen Grossreichc in der Mitte.
Der westgotische K/>nig gelangt durch Optiiiiatenwahl und gegen Wahlkapitu-
latinn zur Herrschaft, ist aber nicht abseizbar. Die andern Reiche sind erb-
lich, das wandalische seit 477 mit Individualsuccessiun nach dem Grund.satz
des Seniurats, das burgimdist hc mit Simultan^ucccssiMn und Teilbarkeit.
S 47. Nach seiner völligen Aiwhildung -^ehcn wir in fa.« allen Staaten,
wo das nationale Königtum nicht durch einen Eroberer vernichtet wird, das-
selbe einem Niedergang verfallen, wovon die Ursache teils in dem Aufkommen
einer einlieimi.<<ht'n mächtigen Aristokratie, teils in der Krttarkung der Kirchcn-
gewalt gegeiiülter der Staatsgewalt, insL>esundere in dem materiell siegh.iften
Hcr\-orgehcn der erstem aus den Invcstituratreitigkeiten liegt. Und zwar hat
sich die Kön^gewalt selbst, je mehr sie llerrschergewalt war, genötigt ge-
sehen, zu diesem ihrem Niedergang durch Exemtionen von Unterthanen aus
dem Berejch der öffentlichen G<^*ali und durtii Ueberlragung der wichtigsten
Hoheiisrechte auf jene {§ 49, 51) milzu^^^rken, Am weitesten ist in dieser
Hinsieht das Königtiun im Frankenreich, bezw. das von ihm ausgehende, der
Fiktiun nach trankische« Königtum in Deutschland gegangen. An Gerichts-,
Heer- und Finanzge wallen, entstehen wegen ihrer Nutzbarkeit erbliche Rechte
des geistlichen und weltlichen Adels. Hiedurch werden die seiner Hertschaft
uiiten»'orfeneii Leute der unmittelbaren Reichsimtertlulnigkeit entzogen { -me-
diatisiert* ), wülirend der staatsrechtliche Verband zwischen dem -König und
dem herrschenden Adel seinen praktischen Wert cinbüsst und durch den
priratrechtlichen der VassalhtAt (§ 60) ersetzt «-ird. Damit ist das Staats-
wesen "feudalisierl,« was dun-h den Grundsatz gesichert wird, dass er-
ledigte FQrstenlehen bimien Jahr und Tag wieder verliehen werden müssen.
Die Kronvassallcn aber, einmal im festen Besitz ihrer Herrschaften, beschränken
I DftM die GcRcuo dt« ags. Königs nur tilr (leit:)«n Ueb«D*j[cit gegolten bluefi, ist «ia*
Behanpfune £. Hildebrftod'i, wrkfae Auf durchaus willkarlictKi ^elicniotcTpreuiioa
l>enjbt.
* Der deut. Könif; wird rcfEclm&uig auJ* frftnkiscber Erde grwthlt. £r wird In der
Gnbkircfac Karls d. Gr. gclcr<^nt und auf dcs«cs Stuhl inthronisiert. Er gilt, welcher Ab-
ig Midi immer, ab Mnkiscbcr Madii,
10*
148 IX. Recht. B. AitertOmkr.
nun den KOnig auch in der Ausübung dt-r Uun noch vcrblicbtiicn Funktionen,
wie sie das Künigtmn seiner Erbliihkeit und UnpntziciibarkcJt entkleiden.
Seil Ö87 wird regelmassiger Praxis nach, seit 1077 auch der Theorie nach
der Tlimn tlurch Wahl besetzt, welche bis 1257 allen Fürsten deutscher
Nationalität, van 1^57 an nur no<:h sieben bcstimmien Fürsten {»Kurfürstem,
primipes eleclorcs) zusteht und bis auf Rudolf von Habsburg Stimmeiicinhcllig-
keit, von dieser Zeit ah .Stimmenmehrheit der VVMhler erfordert. Die Üe-
schriinkung des aktiven Wahlrechts auf die 7 Kurfürsten war seit dem ersten
Viertel des 13. Jahrhundert'!, insbcsonde.re nach einer Theorie des SarLsen-
spiegels, dadurch vorbereitet worden, das* bei der auf die Walil (das tnt'den)
folgenden Ausrufung des Gewiüilten unter dem Königsnamen {kur, eietUo,
dem bi nometi kiesen ') einer Gruppe bestimmter Funiten der Vorrang vor
den übrigen zugeschrieben wurde. Durch Wahl eines -römischen« KOn%s,
d. h. des Nachfolgers bei besetztem Thron, kann ein Interregnum vermieden
werden. An die Stelle der Vererbung der Krune aber tritt ein svmbulisch-
mysiischer Akt (14. Jahrh.): die silberne Krone, wnrait der K5nig investirt
tt-ird, geht vom Schädeldach Karl's tl. Gr. in dessen Hernie zu Aachen auf's.
Haupt des neuen KOnigs über. Der (seit 1077 auch absetzbare] deutsche
Kilnig hat vor seiner Krönung dem Reich »Hulde zu thun« d. h. einen Eid
zu schwören, wodurch er sich unter das Land- und Li^enrecht stellt, und ist
beim Erlass allgemeiner Ge.setze an die Zustimmung der aus dem königlichen
Lehenhof (atn'a) hervorgegangenen Versammhuig der Fürsten, Magnaten tmd
Reidisdieiistmamten (des ^Reichstags*, mhd. ianupräcbe, coiht/uiitm), wozu
seit Wilhelm v. Holland auch die »freien« und die » Reichs* -StÄdtc Zutritt
erhalten, — beim Erteilen von wichtigen rrivileg:ien und bei Verrogungen
Ober Rciclisgiit an die Zustiinnumg (»Willehricfc«) der Kurfüi>ten gebunden.
Vollständig durchgeführt ist das Feudalsystem allerdings nicht: nicht nur übt
der König die oberste Reich sgerichlsbarkeii persönlich aus (\^l. § 85), sondern
es sind ihm auch, wotiin er kommt, Gericht, Münze und Zoll ledig, und der
belehnte Richter hat (in NurddeuLichland) zur Aasübung der hohen Gerichts-
barkeit sich den Bann vom KOnig unmittelbar übertragen zu lassen (sog.
Baiinlcilie). Indcsa auch diese Prinzipien werden wieder durdi feudale Aus-
nahmen zu Gunsten von I,andesherm (§ 51) durchbmchen. Das Kirchen-
regiment des Königs ist seit dem \i. Jahrhundert durch eine blosse Schulz-
gewalt {ady>ocaim eedesiae) ereetzt worden.
Im skandinav. Norden hat die Union auch den Übergang Norwegens zum
WalilkOnigtum bewirkt. In allen drei Reichen femer bildete sicli seit dem.
13. Jahrh. ein mitregierender Reichs- »Kati aus. dessen spezifisch aristokratische
Zusanunensetzung im wesentlichen vom königlichen Willen unabhä.ugig wurde
Lehen an Hoheitsrechteji sind zuerst in Dänemark (im 12. Tf*hrh.} aufge-
kommen und liier allein (In Gestall des Herzogtums und der Grafschaft, zum
Teil sogar aU erbUrhe 'Fahnenlehen«) zu lileihender Bedeutung gelangt.
Cber andere feudale Elemente in Skandinavien und im angelsflchs. ReicJi
s- S§ 49. 50. ^.5 g. E-
§ ^8. Die ki^iisequenle Formel für die nach Erlangung des römischen
■ Patriziates* auf dem Gipfel ihrer Entwickelung angelangte Herrschergt^wall
(ies fränkischen Königs über die meisten chrislliclu-n Staalen des Abendlandes
ist the römische Kaiserwürde. GeiiiJlss der karoliugisrhen Idee um öoo
sollte dem Kaiser zukommen das auf Erden imvcrantworüiche imperiiim jaundi
und zwar sowohl in kirchlicher wie in weltlicher Hinsicht, insbesondere al
^ Ein Scicensitick dAza das norwegische gefa konungs na/n ('den KünigKnamca gtbeo«).
»
die allseitige Durchffllirung des jm divinum (oben S. 67). Daher tsl der
^ivino ftHtu gekrönte und ähma inspiraitone handelnde Kaiser ebenso sehr
dne cicricalis wie eine rriiiilis prnona, deren Gewalt ihren RwhLsgrund *-e<ier
in Krhgang, niwh in Wahl, noch in Kmenniing. noch in Union mit einem
Königtum haben kunn. Diese Gewalt dient nicht mehr wie das altfränkische
Gn»sskönigtum dem Interesse ihres Inlwhers, sondern dem der Gcscllsrhuft
unlcotehl daher auch nicht mehr der Verfü^ng ihres Tragers. Zwar ein
Mitkaiserturo. aber keine Atifteitung des Kaiserreiches unter die Mitkaiser
galt als zuLlfsig. Die Geschichte des Kaisertums ist jedoch schon seit dem
xwcilcti Jalirzchnt seines Bestandes die Geschichte seines Verfalles. Das
fiAnkische bczw. deutsche Königtum zieht hei seinem Nicdci^aiig die Kaiser-
gewalt in MitlddeiischafL An die Stelle der Scibstkrünung oder der Krönung
des Kawci^ durch seinen Vorgfingcr treten Salbung und Krönung durch den
Papst, die schcm im O- Ji^hrh. als Verleihung dfr K.iiserwflrde durch den
lelztmii gedeutet und daher auch Fürhlen zu Teil werden, welche nichts
weniger als das fr.'iiikische Königtum fortsetzen. Von gö» an ist es zwar
Vorrecht des lieutschen als des ostfrünkischen Königs die Kaiserkrone zu
ngen, aber diese selbst wird mehr und mehr Symbol einer bloiwen Würde
tl einer ihatsüchUchen Herrschaft und Gegenstaml der Doktrin. Auf die
Abzeichen des Kaisertums wird nun die grösste Sorgfalt verwendet: zur
gi')ldenrn Krone, zu Szepter. Srhwprt und Thron kommt der Globus («Reiclis-
apfel<j und die Fontifikalkleidung. Als praktische Bedeutung des Kaisertums
bleibt nur übrig, dass es als Bindejnittcl unter den ahcn Slammcsgcbicten
des deutschen Reichs und zwia'hen diesem selbst und seinen Nebenlandem
liienL Rhen darum wird von Hcrrsdieni, die vom Kaiser unabhängig sind,
die vtirhin erwähnte Synibi^lik nachnciihmt.
j( ^c>. l'rivatrechte an itbrigkeit liehen Gewalten haben auf verschiedenen
Wegen, luid zwar vorzugsweise und am frühesten in den südgermunisclieii
Staaten, Untertliancn gelstlJLhen und weltli4:hen Standes erlangt. Fränkische
Iinfnunitatsprinlegien für Grossgrundbesitzer {s/niorts) gewflliren schon im
6^ Jalirh. dem Begnadeten nicht nur Frciung aller Bewolmer seines Landes
gegen das Eintreil>cn öffentlicher Schulden durch die königlichen Beamten
^(üe sogen, emunitas ab exactionibus) und gegen das Ausüben der Offenilicheti
Gerichtsgewalt {sogen, emun. a districtione) und nicht nur Freiung des ge-
samten Besitztums gegen den Eintritt der öffenUichen Gerichtsbe;imlen (sogen,
«miui. ab introitu judicum publicorum), sondern audi die Bcfugiüs, die ödent-
Kchen Schulden von den Einwohnern des immunen Gebiets für sich selbst
einzutreiben, eine Gerichtsbarkeit {/»tifuta nndienliti, auch familian's jiatilia)
in Gvilsachen der Einwohner unter .sich, eine Repräscntationsgcwalt Ober die-
selben in allen andern Sachen und die Justizpolizei auf dem gefreiten Boden.
Vom 7. Jiihrti. bis tief ins Mittelalter liinein habeJi Gesetze und Pri\-ilegien
die TramunitaLsverhllUnL'isc weiter ausgebildet. Der Immunitütsherr wurde
Sülininstanz in Kriuiiiial.s;)chen seiner I^ute, seine Gerichtsbarkeit wurde auf
Falle erstreckt, wo Auswärtige gegen Immunitatsinsasscn klagten), ihm wurde
der VoHmg des kön^lichen Heeresaufgebotes im gefreiten Gebiete übertragen,
mitunter erlangte er sogar das Hals- und Blutgericht über seine I.#üte und
EiBtieckung .seiner ImmunitSt-iherrschafi auf fremden Grundbesitz. Das Vor-
bOd der Immunität de» Unterthanui aber war die königliche Immunität, die
selbst wieder die spatrömische Domani;tlimmunitJlt fortgesetzt und weiter ent-
wickeJt hat. Diese haftete am Künigsgut und ging mit demselben, wenn es
verw^licnkt oder zu Lehen ausgethan wurde, in die Hand seines Empfängers
tUicr. Das unverliehene immiuie Reichsgut erscheint im mittelalterlichen
Dentsrhland unter dem Namen der >Reidtsvogtei> oder kürzer drs »Reiches«,
— dagegen die Imniuiiilät des Uiitertliaoen und sein Immuiiitaisbczirk unter
dem Namen muniät (mhd.) rider rrtunge {vrfAfit), der Bezirk audi, der, mit
einem ?//^r uniziiunt nder aucli dun:h die bunmiU bestimmt, seinen MiUe]-
punkt im Herrenlifif {vrthihof, salhof) hat, als hovtmark. Die ohrigkcitüchen
Rechte des JmmuniWtsheiTen werden nun prtlgnant bezeichnet als iwinc und«
ban (— gcrichtshcrrlichcr. militarisclicr und polizeilicher Befehl, aber aucli
Busse für dessen Verletzung), glocieniianc und geschrti (= Recht des Aufgebots
zur LiKid folge), herhrr^r, auch nnhtielde (= Anspruch auf gastliche Aufnahme
bei Ausübung d(-'r Hiibeatsrettitc) und atzun^ isemitinm, procuratio = An-
sprucli auf Veq)f]egurig dabei), sfintch (sa Gebot der Urteüfindung), vra-'el
(^ Strafgelder), diup (= Verwahrung und Einzug gestohlener Sachen), stoc
(=s Gefängnis) unde — nSmlicb bei Halsgerichlsbarkeil — stein {= lapis
sanguinis, Richlstättc) oder galge. Hiezu kommen dann noch ilie Rechte aus
dem Meerbniui auf Transporileistungen {parn/eredi und hosldieia), bezw. die
au deren Stelle getreleueii Zinsc, und das aus dem persr>iilicheu Aufgebot
entwickelte Besteuenmgsrecht, wobei die Steuern, als Herd- cKler Rauchsteuem
erhoben, den Charakter von Grundlasten annehmen. In der Hauptsache der
deutschen Immunitat analog, wenn auch spater, langsamer und zum Teil
von andern Ausgangspunkten her, hat sich nach ags. R. die Ubrtgkeit des
»Landlicrru» {lantihlii/ord, landrka) über ein der orderitlirhen Bezirks Verfassung
entzogenes (»gefreites«) Gebiet ausgehiliiet. In der zweiten Hälfte des Mittel-
alters wird der geistliche und wellliche Adel von Dänemark und Schweden
mit einer immuniias {fnrht) ah exactionibiLs und mit tlem Itczug der öffent-
lichen Abgaben und Strafgelder seiner Hinteisassen au^estattct. In Dänemark
gesellt sich hiezu seil dem i3.Jahrh. das burrkeml, d.h. eine Gerichtsbarkeit
des adeligen GrundeigeJithümers Ül>i:r sein stadtartig exemles Gcbiel. Dagegen
ist der ImniunitiU, und zwar der geistlichen. Im Krankenreich und in Deutscli-
land eigentümlich, dass an deji in ihr enthaltenen H<>hcitsrcchten neue Privat-
rechte für andere I^ute als den ImmunJtJltsherm unter dem Namen der
Xirclicnvoplci aufgckoniincii sind. Seine Gerichlsholieit nebst den damit
verbimdetien finanziellen Rechten sollte der gei.«4tliche Immun itätsherr nicht
persönlich ausüben, mjiii auch dur>;h bloss von ihm abhängige Beamte aus-
üben lassen, sondern dies sollte durch einen vom König oder Namens des-
selben, wenn auch im Einvernehmen mit dem Immunit3t.she.rm ernannten
Laien (votnfus, advoraltis aucli camidum, de/ensor, ro^el, rwf. toui\ geschehen.
Als eine nutzbare, well dem Vogt rt^elmilssig ein Drittel der Einkünfte ab-
werfende und Einquanienmgsrechte gewalirende. Gewalt ist nun aber die
InmiunilÜts- (oder geistliclic} Vfjgtei erblich und Ichenbar geworden. Fort-
gesetzte Usurpationen haben dann den Vi'.gten noch weitergehende Gewalten,
wie z. B. Besleuerungsrtxhlc, über die Uiitertbancn der immunen Stifter, ja
Olier die letzteren selbst ver-w-hafft. Unter Benutzung faktischer Um.stilnde
gelingt es aber \üm ii.Jahrh, an den Stiftern die Rechte ihrer Vogte, haupt-
s;ichlich im Vertragsweg, einzuscbrtlnken, mituntcT stigar zurfli-kzuerwerben.
§ 50. Wcsigotis^hes und frtlnkiscbes Recht haben an die \-ulgarrftmische
und im Gegensatz zu Kfiniglum und Immunität unterriloriaJe und durch
reinen Privaivertrag begrtlndete Schuizherrscliaft und Vcrantwortungsgewalt
{pati-ocinium. miihioS, die von den Deutschen als »Munt' (vgl. S. 13H) auf-
gefasst wurde, obrigkeitliche Gew-altcn angcknü]ift. Dem Immunitütsgerichl
ihres geistlichen Munihenm sind schon (he tahularii (oben S. 137) der lex
Rib. untcratelll. Die Lelicngerichtsbarkeit des Mittelalters scheint in der Munt
des I-ehenherm über seine Vassallen ihren Ausgangspunkt zu haben. Ins-
3> Hxrrscmer: Iumunit.Xt. Mu»rT. Leih- u. Grundherrschaft. 131
besondere aber wurde seit Icarlisrher Zeit der Heerbann nebst der Militilr-
stnifgcvi'aJl über den MunUnaiin auf den Herrn Qbortragcn. Iiti MiUclaltcr
kommt hei d«r Munt üb«r ganze Markgenossenschaften (Markviigtei) die Re-
jtierurif; der Mark für den Muntherm (Vogt) hinzu. Als nutzbares Recht
wird auch diese Vogtci vererblich und übertragbar. — Verwandte VorstcllunRen
irie jene altfrflnkis<"h<m infVgen im Norden dahin geführt haben, dem GeffdgN-
herrn eine Privatgcrirhtsbarkeit, und zwar seihst kriniiiieller Art, Über seine
Gefolgsleute i«i 60), dem Burgherrn eine analoge über seine gemieteten
Bui^mannen {iorga/vr) einzuräumen. In konstruktivem Sinn leitet die-s ül>er
XU der wahren Hausgeriflitsbarkeit (regelmassig in geringeren Busssachen),
welche auf Onrnti des Hausfriedens ('§ jtt) deutsche Privilegien des Miiiel-
alters dem Hausherrn >untei dem Dachtro])fen'' oder »binnen Zaunes^ zu-
gestehen. — Verschieden von dieser obrigkeiiJichen Gewalt des HaiLsherm
sowi-ihl in Bezug auf Inhalt wie auf Fundament ist die des l^eibherm Über
seine Eigenleutc im initteluHcrlichcn Deutschland. Naclidem diese dai Hohe-
punkt ihrer Rechisffihigkeii erstiegen, sind .^e doch nur in gewissen Bezie-
hungen der uffciitlirlien Gewalt unlerstelh. In allen Clbrigcn bleiben sie unter
der Privalhoheit (hof rechtlichen Obrigkeit) ihres liigentümcrs. Über bJiueriichc
Eigcnleule (oben S. 140) erscheint diese als Bestandteil der ürundhcrr-
schaft, Ober ritterliche Eigenleutc (Dien.slinamicn oben S. 140 f.) als Dienst-
herrschaft.
^51. Aus höchst versdiiederuirtigen und nidit minder der Herkunft nach
verschietlenen Befugnissen zusammengesetzt sind die GmndherrM^haft und die
lAndcshuheit. Grundherrschaft (Hof-, Gutsherrschafl, HcrrlJLhkeil, t/omi-
nium, in frank. Zeit seaioraim, senioria, daher afranz. seignturie) ist der In-
begriff aller Gewalten und Rechte, die mit dem Besitz eines Frohnhofes
(oben S. 150) über I^nd und Leute gegeben .sein ki^nnen. Diese Befugnisse
sind teils obrigkeitliche, teils privatreclitliche. Die ersteren können ilut:ii Grund
in iler Immunität haben ridrr in der Muni ^«Icr in der I-eihherrschaft, also
teils durch's Laiidrocht, teils duah's Hofrecht bestimmt sein. Sic brauchen
also nicht allen Ilintcrsa.ssen gegenüber von gleichem Inhalt zu sein und
kennen nicht alle durch die n.'lmllchen Beamten, noch auch in den nnmlichen
Formen ausgeübt werden. Daher masa z. B. in der geistlichen Grund-
hens<'haft ein ordentliches (Jerirht fiir die freien Imm»mit.1lsl<*ute vom Kirchen-
vogt (üben S. 150), ein anderes für die Unfreien vom Leibherni selbst oder
vom Idbherriirhen Maier abg^-halten wenh^, und diese Gerichte gehen dann
auch in ihrer Fortentwicklung ihre sellwtandigen Wege. Die privatrechtlichen
HcrrschaflsbefugnUse sind AusflOs.se teils des vollständigen Eigentums an den
mm Fntlinhof gehfirigen Liegenschaften (Wald, Weide- und < >dl.lndereic-Ti,
Gc*-a.^sem), teils des sr.>g. (Jbcretgcntunis an den Bauernhöfen nebst ZuhehOr,
nAmlich als vorbchaltene Rechte, \iie z. B. auf »Fund und Pfrundl*, auf
>Fliig und Zug«, Vorrechte am Markboden, WÜdbann. Gewerbsmonopole,
das Veto bei Dispositionen des Hinters;isscn Über seinen Hof. Dass die
Hintersassen (UnterM.ssen, hominn. subjircli, Untenhanen) verschiedenen
Standeskla>scii angeliüren umi insofern unter verscliiedene Genossenschaften
(Achten. Hagen, Sfjcietates etc.) verteilt .sein krjrmen, ergibt sidi aus dem oben
Gesagten. Da sie aber samt und sonders unter Verantwortung, Befehl und
Fricdeusbfr\«'ahrung ihres Grundherrn, gleichsam wie d(ÄScn Hausangrhririge,
stellen, bilden sie zusammen eine »Hausgenossenschaft' {familia, alid. as.
hiwUki). Dieses bewirkt iiitjit nur tili Einstands- imd Retraktrct-hl <ier
Hiiitersas.scn bei VerSussenmg von Hoflandereien an Fremde, tiicht nur eine
Annülierung der verschiedenartigen Bestandteile der gnmdherrllchen Gewalt
152 IX. RfiCUT. B. AltertDmer.
an dnander, und nicht nur eine gegenseitige AnnÄhprung der verschiedenen
Stiaidcsklassen in derselben Grundhenrschaft hinsii-iitlicli ihrer rcchUichon Lage,
sondern auth die P/licbt des Grundherrn, seine Hintersassen in ihrt:n Rechien
zu schützen, für ihre Kirhcrheit zu sor^gcn, und die Verarmiea zu ualerstützen,
welclic Pflidit (grundhcrrl. »Vogtct'^) allerdings seil karolinglscher Zeit durch
den Treueid (die sogen. Vogtei- oder Erbhiiidigung) des Hintersassen bedingt
ist Letzterer erkennt durdi den Treueid, sei es bei seinem Aufzug auf den
Hof, sei es beim feierlichen »Einritt« der Hcrwcrh^ft, seine Ziigeh(irigkeit zur
grundherrlichen Hausgenossenschaft förmlich an. Wer oline in dieselbe ein-
zutreten die Vorteile des Besitzes eines honiorigcn Gutes geniessen will, muss
einen Stellvertreter {träger, sluolgenös. hulder) darauf setzen. Die Hausgenussen-
schaft ist wesentlich ein persönlicher Verband. Oft sind mehrere solcher
Verbände, sogar mit ebensavielen Gerichten in einer und derselben Gemeinde
cntslaiiden, wenn niLmllch die zu der letzteren gehörigen HOfe verNcliicdcaen
Gninrllierm unterstanden. Andererseits konnte eine Teilung und Beschr.liikur^
der grundherr liehen Gewalt über eine und dieselbe Hausgenosseuschaft ein-
treten, ohne dass der Frohnhof geteilt win^de, wenn der Grundherr sich einem
Munthenn unterstellte (.sog. Frühnhofsvogtei, zum Unterschied sowohl von
der Immuiiitats vogtei wie v<.>n der grundherrlidieu Vogtd).
Landeshoheit (dümhüum terrae seit dem 13. Jahrh.) ist der Inbegriff
aller obrigkeitlichen Redile über einen Teil des Reichs (/an/, Unitonum),
wenn dieselben in der Hand eines Fürsten {S. 132) vereinigt sind. Ihren
Grund haben sie teils in erblichen Besitzrechtea an Reichsämtem, teils in
erblichen Besitzrechten an Bestandteilen der kütiiglichcn Finanzh'jheit {Rega-
lien!, teils in di-r Immunität, teils in der Orunfl- und Dieiistherrscliafi, leils
in der Vcjgtci des Fürsten, wclclic wiederum, Iimnunitat.'i- oder Mark- oder
Frohnhofvogtei (s.obenS. 148, 151. 1^2) sein kaim, teils endlich in Pfandrechten
an Reichsstädten und Reichwogtcien (Reichspfandschaften). Die Amtsgewalten
welche, sei es zu Eigen, sei es xu Lehen, .A.u?>ga!igs- und Mittelpunkt dei
Landeshoheit bilden, knnncii zu.sammen gesetzt sein aus denen des Grafen
(d. h. des ordentlichen Bezirksstatthalters nach der karoling. Verfassung) bezw.
Markgrafen, des Heizogs (d. h. des Grafen oder Markgrafen mit der Macht-
vollkommenheit eines königlichen Gcwaltbotcn = missus regü) endlich des
Pfalzgrafen (Jung. Ordg. = cowirx fiahfirms^, d.h. des uttontschen Spezial-«/«!«
für Ausübung der königlichen Finanzgcwalt im Herz<Ji3;tuini- Mit der Amts-
gewalt sind aber dem Fürsten auch die samtlichen Gefiille überwiesen, welche
in Ausübung jener Namens de.s Königs zu erheben waren. Seit Kaiser
Friedrich II. wird diese Landesherrschaft durch Reichsgesetzc und Privilegien
wie durch die Praxis vervoll komm nel. Gericht, Münze, Z'jU huren auf, im
fürstlichen Territorium dem Knnig hui dessen Anwesenheit ledig zu werden.
Regalien werden mit bestinirnlen Liuidesherrschaften für immer verbunden.
Das Befcstiguugs- und .somit das Rcclit der Stadtaulage, sowie das Gesetz-
gebungsrecht wird als wesentliclicr Bestandteil der Landeshoheit anerkannt
Durch priviUgia de non evoe^ando und de noa afipelhndo werden Terrilorial-
herrschaften gegenüber dem Kr'mig, durch den, — wenn man von den west-
fälischen ■Freigrafschiifteji» [eomtliae h'berae\ oder »Freigerichtcu* absieht, —
fast allgemeinen Wegfall der k/iniglichen Bannlcihc (S. i^8|. deren Stelle jetzt
eine besondere landesherdiche einnimmt, und fler After^-erieihung der Graf-
schaft wertien .sie den Landesangehörigen (»Laudsassen«) ge$;eutiber konsoli-
1 Nicht mit den karoling. comet patatii, noch ftiich dem spiiuniKdalterlkliea
pfol/^rafen« («VMCf falatinus) m vcrwediselnl V^. § 85.
3- Herrscher: Lanoeshuheit. RAtil Goi>nN.
153
<iiert. In der Markgrafschaft w^ivn königliche Baiinldhc imrl Aftcr\-cricihung, in den
Hcr/<>giuinLTn wenigstens die erslere von Anfang an nicht erforderlit.h gewesen.
Munmchr ist es dem Landcshcrm cnuiigUdit, »eine Hnheitsrcchtc unmittelbar
den l^ndsassen gegenüber durch von ihm ganz und gar abhangige Beamte
xüt Gcltui^ ru bringen und seine Herrschaft mctir und mehr cinlicillich ru
gestahen. In seineji Verfügungen übcr's Tcrtiiorinm ist er zunächst nur
duntu) Rciclislehenrcdit beschrankt. Dagegt-n erwachsen ihm lucrin nicht
nur, Mmdfm auch in der Ausübung seiner Herrschergewalt neue und selir
tief eingreifende Schranken durch das Aufkommen der Landstande (obd.
iantUute). J^u diesen gehörten vun Aitfung an alle diejenigen Landsassen,
denen I'rivatrechte an obrigkeitlichen Gewalten zustanden (die mtlions et
majores Urme oben S. 82). Ohne ihre Zu^timmung kann der Lamicshcrr
kein Gesetz machen. Zu ihnen kommen alsbald die Vassallen und Dicnst-
aumnen des Laudcsherm. dann seine Strtdte und Markte, iu einigen Terri-
torien auch die freien iJauemgemeinden. Das Bedürfnis, in seinem oder in
des Landes Interesse in die Rechte solcher Volksgruppen einzugreifen, ins-
besundcre Sleuerfurtlerungitn \bcieti) bei ihnen durilizuselzcn . ausserdem
Wethsel der Dynastien und Tlirnnsireiügkpitrn nniigcn die [..andesherm zur
Geu-ahrung staiitsrediilidier Zugesiandiiis>e, die meist in der Form von Privi-
legien (»Freiheiten- ) erfolgt (in Steiermark -schtm seil dem Ausgang des iz.
Jahrb.). So erlangen die Landstande das Recht, Bündnisse unter einander
abzuscIiUebsen, wr>dun.'h .sie die errungenen Freiheiten (ni^igcnfalLs sogar mit
Waffengewalt) verteidigen, neue erzwingen ki'innen. Sie orgjtni^ieren sich als
Kurporatiuu {Janhcha/t) mit dem Reclil niuht nur der Steuer Ix: willigung und
lies Velo bei der Landesgeselzgebung, sondern auch der Mitregierung in
Sachen der Rechtspflege, der Administration und der Disposition über das
Tcnitorium. Übrigens hat wie der Erwerb dieser Rechte so die '.»rganisatiun
der LandsLlndc meist lange Zeit in Anspruch gem-mmen. Nanicnüifli der
sjchttwre Au^truck der p.>litisclien Standekorporation, der. wenn auch in teil-
«eifieni Anschlüsse an den alten landcsfurslficben Hoftag (die !anfspmeh<)
aatgebildete, so dnch auf anderm Rechtsgrund beruhende "I^ndiag" und der
standische Ausscbass sind nicht vor dem 15. Jabrh. dauernde Einrichtungen
nirdrn. Noch viir der Ausbildung der Landst.lnde, seit dem 12. Jahrb.,
.'\uss< huilte aus der Iviindesherrschaft auf die K.'Ue icortW«) in Städten
(•freien Städten« und • Rcicb!»stadten ) übergegangen, teil> indem ein selbstän-
diges Ücsieuenmgsrecht, dann andcTC Bestandteile der Fuianzlioheil, .»«»»ie
dt^ Bcfestigmigsrecht in ihrer Hand anerkannt oder durdi Privilegien ihnen
verliehen wurden, teils in<]em sie die Grafsi~liaft oder Iande.s herrliche oder
reich -ivogleilidie Äniter (Burggrafschaft, Schul theissenamt) oder die Ira-
munitatsA-ogtei rm Vertragsweg erwarben. F-ine ahnliche Stellung haben in
friesi-srhen Distrikten (^Goen, Landern») die im 13. Jahrh. aufkommenden
»Ratgeben« {ridgn'an, riurhiera, comuies) und teils inti diese Zeit, teil" JK»ch.
im Sp.liniiitelalier im Land Ditmarwlien die Kirchspiele, in den >Landcm<
der Mittel- und Ost-Schweiz die -I-juidtagC' oder •Limdsgemeinden* erlangt
In der Regel ist das Ergebnis eine Teilung der Herrschergewalten zwischen
König oder L;mde»lierr oder auch einejn eigenen Schutzvogt einer- und Stadt
oder Land andererseits. Bündnisse unter soldien Stallten, Kirdisfuelcn,
I.,andem (vgl. tiben S. H3 f.) fuhren dieselben zu gemeinsrhaftUcher Ausübung
gewisser Herrsclwfl>reehte (Friedvnsbewahrung. Gesetzgebung, Rechtspflege),
wozu Vcrein-sl;tgc und Hundesgerichte als t )rg:me dienen.
§ 52, GaiiÄ und gar ihren eigenen Weg ist die Entwicklung der Herradier-
gewalt uuf Island gegangen, womit wiederum zu einem guten Teil die
154 IX. RscKT. B. AltertOxzr.
Eigenheiten der isIflTicJisrhpn StaatsetnrirhtungcTJ Ohrrliaupt ziis"arirnrjiliflr^n.
Herrschaft und Staat knüpfen sich auf Js!and an das Eim-ntuni an der unter
Dach und Fach anKclc^lcn hfidnisthcn Kultusstiltlc ihof). Der Eigentümer
ist der allein hereihtigte Pricsic-r {gode, ho/goäe) und in st» ferne der natür-
liche Vorstand der Kultfiemeinde, der er den Zutritt zum Heiligtum gegen
eine Abgabe [hofloUr) gestattet. Die sakralen, atLs Norwegen stammenden
Insliuite des Strafrechts und Prozesses bringen aber auch die Gerichtsherr-
schaft nebst der Exekutionsgcwalt in die Hand des Coden. Die Mitglieder
des so pnlstehende*n Gerichts- und RechtsvcrbaTides yjtinghä, pingmnmnis-mi)
unterstellen sich dein Schutze \lraust\ des Coden. Hiedurth wird dieser
ebensosehr zum Frieden sbewahrer im Rerhlsverhande, wie zum Vertreter
seiner Angehitrigcn {j-iti^memt) nach aussen beiufen. Eine nur teilweise von
der Zustimmung der Thingleule abhJlngigr GesctÄgcbungsgcwait uml eine
Befehi^haberschi^ri {hauv\, ehist hlii's>lirli des Aufgt-lKits Ober seine Tliingleute
und dt's Rechts, ihnen ihren Auft-nlhult anzuweisen, steht ihm behufs Erfül-
lung seiner Aufgaben zur Verfttgung. Damit ist das Godenttmi ijyiäorä) zu
einem »Reiche yrikf)y zu einer »Gewalt« \vfldf) und zu einer Rt^'ening
{matjtta /orrdit), der Thingmann zu seint-iti Cnlerth^nfn inm/cnnaffr), der
Gdde zur OUrigkeit irjnmatfr) seiner Dinglfule genincht. Und diese Herr-
sdiafl überwiegt der Art ihre priesterliche Grmidlage, dass sie auch nach
dem Übergang zum Christentum nicht zerfallt TerritnriaUtat ist dem goöorJl
nicht wesentlich. Denn das Verhältnis zwischen dem Gilden und .seinem
Thingmann beruht lediglich auf der vom Guden angenommenen Unterwerfung
{stje/fisi i fiing ;■/(/ oder med gndn) des Thingiuanncs uml ist beiilerscits künd-
bar. Ol»chon nun aber die Pfliditseite im goäord keineswegs verkaunl wird,
bringt doch sein Ursprung aus dem Tempeleigentiim seine Vererblichkeit
nicht TU r, sondern auch seine Verflusserlidikeit und Tcitliarkcit mit sich.
Die.se Eigenschaften des godorct ermöglichen im \2. imd i.^. jalirh. einzelnen
Häuptlingen, eine grossere Zalil solcher Herrschaften in ihrem Besitz zu ver-
einigen, zuletzt aber den nnrweg. Knnig mittelst Erwerbs der go^tord den
Freistaat sJLh zu untci'werfen. Der Freistaat selbst war kunstruktiv wie geue-
tisch aus den gridord zu.'^mniengc.seizi. Dies zeigt sich einmal in der Form
seiner Zentralgewall, niimlich des gesetzgebenden und adntin Ist rieten den Aus-
schusses U^firflta) der um t>.^0 (?) eingeführten Eand^gemcindc [alpinfie). Die
l^grt'tta besteht, abgesehen \ow dcni durch sie gewählten Gesetzsprcchcr
(oben S. loi) und in chrisll. Zeit d<rn Bischöfen, aus Coden und von ihnen
ernannten Beisitzern, welche seit 1004 nur noch beratende Stimme hatten.
Das Landesgericht (der a//>in^s(itimr) ferner ist zwar nicht aus Goden, la-ohl
aber durch die Coden zusammengesetzt. Sodann aber geht auch die QO5
eingeflihrle Bezirksi-erfassiing v<:ini gndorö aus, indem snwf^ihl die Tlüng^cr-
Ijände [pirifistiitier) iniierlialb des Landes viert eis \Jpjrdungr) unter die gemein-
same Gericlitshcrrs(haft von je drei Coden {satttphigis^odor), als auch die
Viertelslhinge (//orifungsping) unter die der vereinigten Coden des Viertels
gestcllE werden. ParÄllel damit geht eine Vervielfältigung des Landesgericlits
in .j JjorihiHgiii6mar, deren (ierirhisherren die Coden bleiben. Auch das
1004 gegründete 'Fünft"- oder Oberland esgeriiht { fimtardomr) ist durch Coden
besetzt. Auth in dem von Island aus besiedelten Grrmland findet sich das.
godord. Duell lilsst sii-h seine Stellung in der dortigen Verfassung nicht
genau erkennen.
4. Verwakrtschaft: Blutsverwakdte.
»55
4. VERWANnTSrHAm-tCHE VKRHÄITNCSAE.
Uientur bei Schröder Lehrb. S. 58, 62—70, 291—330. 691, 699- 7 20^
26 — 33, 154 — 162, 386, 617. Siegel Rü. §§ IJ4 — 141, i6o — 172, Branoer
KG. I §§ 12. 13, !(}. 2i. II § 9z und in HolUcnd. §§ 2Z, 23, (jengler Gnicd-
rin §5 'S« 5* — 60. 48. S. fctncf: Fickcr, UnUrnnk. «. Rechttgftch, I t89t
(dturu Amir» in OAti. |;rl. A. 1892 S. 249'-269) 11 1893 — 95. III 1896. Gans,
Doi Erbrefkt 1. wfltgrsih. Entitifklg. 1835 IV, Lamprrcltt, ^ur Satiat^irh. rf.
d.-Hl. Vrzrit 1889, Sl. Papppubcini in FDG. XXIU S. 616—6^1 u. Kr, Vjsdjr.
XXXrV 172—218, W. Moii, Pns httestatfrhr, der nrgitu. RQuflUn iSgi.Win-
rolb, Om arfvingatnfi attn-arigket f^r arttiitrrens JSrbtndelifr 1879 S. 28 — 36, 84
— 135, Grupen, /V uxore ihmtnka 1748, Leutnlierger, Stud. ti. bftti. tin-hls-
iWfA§§34— 38, M.WolffinMIÜC.XVlIjGS— 38S,O.Slcrn. D.grseh. Vrsfmng
d. lA'As. I-eibxitiki 1696, R. I.agus, Om oäkta barns rätlsförhallandr iSc^S, II.
Bninnvr in Z»chr. f. RG. X\n S. 63—108. XVn 1—32, Ruscb in s. Au«g. d«s
Appenzell. Laodsbuchs 1869 S. ri^bo. Olivecrona. Om makan giftorAtl i bo {%.
Aufl.) 1882 S. 3S— ICE, 119 flg. 128 — 130.142—230, K. ?tt.^m\d.\. Jus primae ttoctis
1881, Den. in Zxhr. f, Ethnologie 1884 S. 18— 59. Ficker in der oben S. jfr
«ogcf. Abbwidlg.. Gicrkc, D. dntt. (ieMosutu^-ha/tsr. I §§ 3. II, 26, 27. 35 — 43,
L. Brentano, D. AriefUrgildm I S. 1—88. ü. Schan«, X. G<rsch. d. dfut.
UtselUnrerbände 1877. G. B. Salvioni, Le Uildf ingUsi 1885 (dutu Pappen-
heim in Rivjau crit- drllc Kieczc giur. I p. 2J2 — 235). ü. Gross, Oilda mter~
tatorta 1883 (dwii pApjirnhrini in Zvchr, f. Hnndvlsr. XXX S. 276 — 288),
Dirr»:H)c, The Gitd mer.hnnt 1890 (tlazii I.irlirrni.Tri u i«) Zsrlir, f. Gnuliichlsw.
1891 .S. ii5~r3T, Pappi-nhoini in /wVir. t. Hiifxlehr. XXXIX S. 642— 645),
*. Bclow in Jalirltb- f. N«t.-Öknii. 1892 .S. 56—118, A. Wicssner in ZMJir. f.
G«cbidiiswi&.<i<?nhcb. XII 1894/95 S. 312 — 339; Kiinik in M^m. de l'Acad. d«
F'elcrsb. Sir. ; XXXIII 187s S. 247-253, 372— 3*5; — Thorlaciuß. Borf-
alium v^Urnm matrimonia 1784, Engelstoft, Forsßg til tn Skildring 0/ Quind-
if'öHMfti kfiar 1799. r. Amlra in hiütnr Zsdir. 1877 S. 248—258, Derselbe,
Kordgrrman. Ohfigat.-K. I §$ 26, 5}. 58, 61. 74. 77, 94. 96. II SS. 97—107,
•93 — 197. 202 — 206. 214— 218. 22[. 645— 657. 659— 675. 812—815,873—893,
407 — 929: — Rosrnviijyc §§ 17. 20. 22, 43. 46. 50. 54. 58, 59, 95—97,
103, 106, Larsen, Forri. S. 1.15—169, 2o6 — 222, Strnijuin §§ 60—83. M^Ixen,
Forrl. Prh-atr. I J!§ lO— 33, Pappenheim, D. alldän. SfhultgiUen I885, V.
Bang in Hij»li*r. Arttir 1887 S. 401 fT.; — Scblyler. /und. Afhandlingar 1
S. 146—175. Nordling, Antekn. tfter fSrtl. ö/vtr är/da balJfrn{2. JSxi&.) l878.
S. 39 — 45. 185 — 189, 298 — 300, 331 —333, Dcrs. Om Inxsii/iiad (2. Aufl.) 1883
S. 66—73. Olivccrona. TeitamiHUrätten tnl. ^fttsk lagiiiftning 1880 S. 5S^
90, Kreäjjer. Det aryska elementtt i drtt /^rHsvrntkc famihent tvh ihigUtu
organttütioM 1881 ^ H. Hildebrand tn Vitterb. Akad. M{inad»bla<l 1883 S. 73
— 80. 124—129. Winrolh. AktnttJtftpt itigafnde 1892 S. 13 — 24, 68—99,
Tbyr*D, MaJ^s Oald 1893 {dn/u Olivccrona in TRv. 1894 S. 100%.). —
Brandt Forel. §§ 20 — 28. K. Hertlberg, Pf gamU Jinfs mynding (Christ.
1889), Papppnhrim, Ein alftwrvrg. Sc&ulsgildeitattil 1888 (daxn K, M.iurcr
in Kr. Vjschr. XXXI S. 214 — 222. v. Amira in GÖU. p-l. A. 1889 S. 259—
266). MicheUe-n in Eranicn z. dcut. R. UH". 11 S. 116—183. IIT 68-99. V.
Finnen in Arnalcr ftv nord. Oldkyml. 1849 S. »50—331, 1S50 .S, 121 — 272,
K. Maurer in Kr, Vjmhr. 11 S. 75^122, IV S. 4T2— 424, IX S. 550 — 564,
X S. 3H2— 404, XI S. 413—416 und in Müncb, SMUgs.-Bcr. 1877 S. 235— 253,
1895 S. 65 — 124, BeauchctS in Kouv. Revue bist, de droil rraiK-at« et ^Iraoger
IX (1885) S. 6$ — 106.
§ 53. Die Blutsverwandten {\n^\ den Westgerm. *mfg6s, woraus as.
mägfis, ahtl. tn^gä etc., in ihrer Gesamtheit ags. tm^iiif, sonst *knNJa. nämlich
grtt. hini, skand. kvn, ngs. n-n, ahd (Mini, ilnfflr on. audi uif) galten iK^ch in
der alteren histur. Zeil als die einander »Angehörigen* und die Genossen-
schaft xar' i^ojrtfv, die »Sippe« ((^>t sib/a, an. st/ und n/f, ags. siS, ahd.
1 IMe von K. Lehmann (s. oben S. $4 f.) vrnreichnete Schrift von t.andtnianton
Studier /i/vrr arfsräHem hisioria 1869 hat keinen gtnnanistiichen Inhalt.
* Nicht *Glas«nn'. wie K, Lehmann Verzeichn. S, 331 angibt.
156 nc Recht. B. Altekto^ek.
sippm, m ST£- »suus*, vgl. fries. xia\. Aber vom Heginn der hi'stor. Zeit ati
standen im Blutsverband sclicrti nicht mehr bloss diejenigen, deren Vcrwajidt-
schaft allein durch die Muttei vermittelt war: es ^t im Recht Verwandt-
schaft mit dem Vater und durch denselben, ^itt ist der von den Skandinaven
bevorzugte Name für den Inbegriff der Blutsveru'andten; er bedeutet die
»Achtzahl«, d. h. die 4 urgrossvaterlichen und diu 4 urgrossraütterlidien
Gruppen von Verwandten der Au-sgangsperson (vgl die holUlnd. achtentiettt). Ein
Stammvater war Eponymiis des Geschlechts, und die Vaterscite { •Speerhalfte*,
»Schwertseite») unter den Ver»"amheji genoss im allgemeinen sr^r den Vor-
rang vor der Mutlersette (»SpindelhfUfte*). Andererseils ragten Überbteibsd
des gegenteiiigeu Systems aus der vorgeschichtlichen in <lie geschichtliche
Zeit, m. a. W, aus der Zeit der Weibergemeinschafi in die Zeit der Ehe
herein, wie z. B. der alsbald zu erwähnende .\vunculat und die westgerm.
Benennung des Schwiege rsuhucs nach der Schwiegermutter (alid. ddum v. eidi).
Die Gliederung der Sippe beruhte ursprünglich auf dt-m Gegensatz zwder
Haupignippen oder Kreise. Der engere Kreis (zifrank. */afhum) war gebildet
von Sühn, Tochter, Vater, Mutler, Bruder, Schwe.sic:. — tlen -gesiiipieslen
serlw Hilnden- (fries.), — der weitere vor den übrigen Verwandten ( "Neffene
und aNichten« im weitesten Siiui, wozu auch skand. nipjar, got. tu'pjös), deren
Nahe nach »Knien« oder »Gliedern« berechnet wurde. Daher ags. cneoris
^ Geschlecht. Und zwar wurde in der absteigenden Linie bei den Knkeln
(ags. »zweiten S«)hnen« ), in der aufsteigenden bei den Gruss-Elteni (ags.
>zweilen Vütom«) das erste Knie gez;U:lt. Die Nahe zwischen .Seiten-
verwandten wurde durcli Abzählen der Knie in den beiden von ihrem ge-
meinsamen Stammvater absteigenden Linien ermittelt, so das» hier die Kinder
der Geschwister mid die Geschwister der Eltern tn's erste Knie zu stehen
kamen. Eine uralte und ehedem allgemein L>stger manische Ausdrucksforro
für die-^e Berechnung der SeJtcnvcrwandts4:hafl bewalirt da» i&lOnd. Recht, in-
dem es die Kinder der Geschwister als »nächste Brüder« , deren Kinder als
»andere«, deren Kinder als »dritte Brüder« bezeichucL Diesem ktassifikato-
lischcn System entspricht ein ähnliches wcstgermani.sche.s, weiches nach con-
sobrini (nl. cwrers, franz. cousins, ilal. cngini) zahlt. Ausnahmsweise erhielten
in bestimmten Fällen die Mutter- Ge-scliwister die RechUsiellung von Mit-
gliedern des engem Kreises (sog. Avuncuiat). Im letzleren aber standen
jedenfalls dem nämlichen Mitglied dessen Kiniler und EHeni, nacli einigen
RR. aber auch dessen Geschwister gleich n;ihe ivgl. Gr.tting. gel. A. 1883
S, 41 ff.) Und dies war der Grund, weswegen die Kniezühhmg erst ausser-
halb des engeren Kreises begann. Sollte in diesem eine Rang^trdnung durch-
geführt werden, so konnte es nur durch namentliche Angabe der einzelnen
Vcrwiuidten in iiircr Reihenfolge geschehen. Während diese Gliederung der
Sippe in einigen, und zwar sowohl deutschen als skandina\')schen, KR. .sich
bis tief in's MiticUUler hinein erhidt, geriet sie in den meisten miler dem
Einfluss verm<>gens- un<l kirchen rechtlicher wie gesellschaftlicher Verhältnisse
in Verfall, Das mehr und mehr um sich greifende Re])rüsentationsrecht, der
Grundsatz vom -Brusterbe' (uiiteji S. 15^^), das Berechnen der kirchlich
^verbotenen Verwandtschaftsgrade« vermischre den Gegensatz der beiden
Haup^ruppen, wie z. B. in der jüngeren ags. Rechnung nach ^Sippf^chem«
{sib/Ue) und konnte, auch wo keine lehenrechtlichen Analogien mit hercinspiciten,
^ne neue Struktur lier Sippe nach Linien (fries, fiuhifts, kUffeu, von Neuem
missbrauch lieh sog. »ParcnLelcn* ) bewirken.
§ 54. Die Sijipegenossen waren im Altertum vcqiflichtet, einander ia
allen Nöten des Lebens zu helfen, um so mdir alles Feindliche gegen ein-
4. Verwandtschaft: Sippe.
'57
ander zu unterlassen: sie hiessen dalier »Freunde* (= Liebende. r.\x fri, wie
oben S. 1^9 *Mi*f) und ihr Verband an;s. eine tmi-gbNrg. Es ist wie der
ftiteste Stamm und <lie rkiteste Kuttgenassenschaft t, so der Jitieste Friedens-
verband, und dauert üts s<.>Icher üuch noch innerhalb des Volks Verbandes
fori, ersrheint ziiwcilr-n sr^gar gegen diesen privilegiert, steht jedenfalls unter
erhOhler sira/reihtlirher Gewahr. Eben darum kann ags. $iO (wozu fjaiiiumnes)
den aFrieden«, got. s:6/is 'friedlich, rechtlich' bedeuten. Als Schutzvcrhand
ist aber die Sippe vor allem ein kriegerischer Verband. Gemeinsam tragen
die Gesip|)en die Fehde. Darum war die Sippe Abteilung llangub. u. nfr.lnk.
/ara = GcsdilecJit, eig. «Fahrtgejiossenwhaft' |3 «it^ altgermani sehen Heeres.
Überhaupt aber oblaj;, sobald einer aus ihr ermhlagcn wurde, dem nJlchsteu
mannlichen Verwandten die Verfolgung des Todt-schlagers, und die andern
schuldeten ihm hiezu ihren Beistand. Daher auch wurde nach dem Vieren
Sirairecht das Wergeid (§ 8o) vom ganzL-ii Geschlwht, soweit Verwandtschaft
gal*. geßcbcn und genommen, wobei die Beitngs- und Empfangsquoten der
einzelnen Gesip(>en nach deren Verwand Lschaflsnahe al^estuft waren, ins-
besondere aber vom ^testen Rechte die :ui den Blutklflger zu gebende Sühne
(oo. afvaboi, »n. vi^shittr, nfries. banebote, mfries. thet riuchif ifUt, nl. rrfsoene)
\xxx der an die übrigen Verwandla» gehenden fon. trtlarbot. wn. niitfQ^ii,
nfries. taU, mfries. meiteU, nl. maefhzocui\ unterschieden wurde. »Mit ge-
meinen Händen- gelobten dann die beiden durch die ÜbeUhal verfeindeten
Geschlechter einander die Urfehde. Prirnür auf der Ven\'andtsrliaft femer
ruhte die .\rmenpflege, und /war in der Art, dass der Hilfsbedßrft%e [an.
9mQf^\ dem nilclisten leistungsfähigen Blulsfreund zur Last fiel, worüber ins-
besondere die skand. RR. ausführliche Bestimmungen treffen. Aus der Amien-
pflc^ eigab sich aber nach einigen RR. auch noch eine subsidiäre Pflicht
der Verwandtschaft, zu Bussen beizusteuern. Wiederum verftandtsdiafUich
war Recht und Pflicht der Vormundschaft. Über den unscltwtAmligen,
d, h. nach der Anschauung des Altertums über den unwehrhaften Gesippen,
folglich ober den unwehrhaften Äfann und über das Weib sein Leben lang
hatten die si'lbstandigcn BUitsfrcundc mit einander ihre srhOtzeiulc und im
Familien in teressc ihre gewaltige »Hand- (and. mtimi, ahd. munt) zu hallen,
sei es dass sie in den vermAgcnsrechtlichen und perstniüchen Angelegenheiten
des Mündels selbst die nadist entscheidenden Handlungen vornahmen, sei es,
dass sie — wie in der Regel — dieselben einem Verwandten (ad. mundivaldr
mundhoro, md. mnmbtr, — ahd. foramumin und g/rfuihe), dem nflchsten eben-
bürtigen "S^hwerlinagcn« des Mündels, d. h. dessen nächstem Blutsfreund
im Manmtstamm, als seinem pnizcssualen Verteidiger (on. maismapcr, — ags.
/onpreta — fries. wfmvihlef, i»n. -.feriaudi, virrie) Oberliessen oder unter
melirere verteilten imd Bi<;h auf's Führen der Aufsicht beschrüuktcn. Den
Vermögens vorm und traf nach ältestem Recht Wachstum wie Schwimd des
Mündclgutes; dafür aber hatte er den I^Iündel zu erhalten, im Notfall aus
cigenrn Mitteln, und für dessen Übclthaten zu bfissen. wie er andererseits
audi die Bussen für Vcrietzungen des Mündels bezog. Endlich Äusserte sich
die Schutzpflicht der Bhttsfreunde in den Grundsfltzen über die Eides-Htlfe
(§ bol. Wo das Recht Blulsviir^andtschaft zwischen dem Hauptsch«r)rer
und dem Eidhelfer verlangte, durften die Gesippen ihre Eidesliilfe nicht
veiuT^em, wenn sie sich lücltt von ilirem Genossen lossagen wollten. Aber
I D«r asw. «ttak3gker ('Hfig«! Jor Kppc>) Kbeint cUrao zu erinnen].
* Cb«/«Ao s. KAgcl und HcDDing in Zfichr. 1. d«at. Allcrt. XXXVI 316— 326,
XXXVn ii;-ZJJ. 304— ii;.
j^ä IX. Recht. B. AltertOuer.
nicht bliiss als Schutz- und Tnitzvcrban«! von »Verpflichteten«: (skand. skyifiir)
stellte sidi ilas GtÄchlei^ht dar, es bestand in dtnisflbcn aui:li eint- Gemein-
schaft der Habe {on. /rr/tt/^A), deren Teilhaber [aM. gen/irmon] freilich, so-
weit das verwandtai-haftUche aus dem gemeindlichen Ei^eiilum abgeleitet war,
lange auf den engeren Kreis der Sippe bcsclirjiiikt blieben. D<K'h ist dabei
im Auge zu behalten, dass aueh die Gemeintlc bei n lassen weistT Ansiedluiig
gcu-iihnlicli nur eine erweiterte Sipi>e war. Stmdercigcn war hfVchstens an
deujeuigen Faliniisscn anerkannt, die dem Todten in's Grab folgten. Aus
jenem Gesamteigentum der Veri*"andtsc!iaft aber, das sich im slavbchen Zweig
der Indngemianen bis heute erhalteji hat, ist das Erbrecht entstanden, wcl-
<;lics darum auch immer prinzipiell ein blulsvcrwandlschaftliches und ein der
Willkür d(^ Krlilassfrs entzogenes geblieben ist, andererseits erst sclirittweise
ausserhalb des engeren Sippenkreises um sich gegriffen und auch nachher
noch aus den verschiedenartigsten Gründen und VonÄ-ünden Eintrag zu
Gunsten der üffenthcheu Gewalt (namentlich in Deutschland) erlitten lial.
Der Erbnehracr (got. arbinumja, ags. yrß'enuma) cxler »Erbe- (goL arija, an.
arfi, erfina^, alid. arbco) d. h. der Nelimer der Habe, in vorgeschichtlicher Zeil
des -Virhstantles* (got. arbi, an. arf'r, ags. vrfe, ahU. arbi, erhi) ' wurde nach
Ältestem R. durch den Tod des Erblassers nur von einer Schranke seiner
Befugnisse befreit, indem er in die Vei walterschaft des Nachlasses eintrat,
dessen Bestandteile ihm schon bei Lebzeiten des Erblassers gehörten. Als
j»Erbwart« (ags. yr/nv^ard, as. erbkizvard, an. erfiv^rdr) aber hatte er, wenn
der Erblasser seine Habe verilussem wollte, gemeinschaftlich mit demselben
zu handeln oder doch xuziKtimmon (sog. Beispruchsrecht). Nur unter Mit-
wirkung der Verwandten kuiuitc deiui auch ein Nichlerbe zum Erben ge-
m-icht werden, und nur in der Form, dass er in das Geschlecht aufgenommen
wurde. Aus dem Wesen des Erbrechts folgte fenier, dass der Erbe keines
Erbscliafl-saji tri lies l)edurftc: »der Todte erbte den Lebendigen*. Ntu" hatte
er mit Rücksidit auf den Kult des Erblassere bis zum Todtenopfcr (skand.
4rß und eptirgerp, in christl, Zeit mitunter als Erbst baflscrwerb statt als Besitz-
ei;greifung hingestellt) die Nachlassmhe zu beobachten, wie sie andererseits
auch ihm zugut kam, ein Grumlsat/., der noch in sjwiter christlicher Zeit in der
rechtlichen Bedeutung des 'Siebeuten« und des 'Drcissigsteu» nachklingt.
Aber nicht bloss Todte, auch Lebende konnten von ihren Verwandten beerbt
werden, nHmlich wenn sie vemiOgensun fähig wurden, wie z. B. die Sonder-
sifcben nach langob., die Blinden und Wahnsinnigen nach fries. R. und Im
Mittelalter die Mönche. Um Erbe nehmen zu ki'>nnen. musste man nicht
nur ciie erforderliche Vi-nnogensfä]iij;keil besitzen, stmdcm auch nacli cinigeu
RR. von normaler LeibesbesL-haffenheit und tiem Erblasser cbtmbflrtig sein.
Auch »blutige Hand nimmt kein Erbe«. Die Erbfolgeordnung war zunächst
■durch die Nahe iler Verwandtschaft bestimmt, so ditss ursprünglidi dem
engeren Verwwndl.schaft.'i- ein engerer Erbenkreis entsprach, innerhalb dessen
ülsdann die Kinder (der *Busen'| den Elti-ni (dem -Schosä' ), die Elteni den
(Jcschwlstem vorzugehen pflegten. In die Stelle vor\ersiorbeiier und abge-
schichleter Erbwarle deren Naclikonimen eintreten zu la.s!M.'n (sog. ReprJlsen-
tatiuns-Recht), war tlem altgerman. Erbrecht ebenso fremd, wie die allemige
ijuccession eines unter meiircren gleich n;üie Berufenen i Individualsuccession).
DageHen hatten Weiber tlem ursprünglichen Prinzip nach kein Erbrecht und
auch> nachdem sich ihre Stellung gebessert hatte (ältester nurd. Beleg die
Inschr. v. Tune c. 550), standen sie noch gemeiniglich den Münneni im Erb-
« Vgl. Slever« PBB. XII 1887 S. 174-177.
4. VERWAXDTscHArr: Sippe.
'59
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I
I
redit nach, sei es. <Jass sie selbst vuii ^tfernter verwandten Mannern, uder
sei CS, (lass sie wenigatenK von gleich nahen auagesditossen wurden oder dH-ss
sie neben ««wichen geringere Anteile erliielten, sei es femer, dass sie s«? in
Anscliung des Nachlasses überhaupt behandelt wurden, oder dass sie nur
noch in Bezug auf bestimmte Guter zurückgesetzt blieben '. Dieser Be-
"vorzugung der Männer vor den Weibern entsprach regelm^sig eine Bevor-
zugung der Speerseile vor der Spindelseile. Nach dein Tode einer Frau
jedoch fiel die »Gerade«, d. s. bewegliche Güter des spezifisch wcibHchen
Gebrauchs imter Ausschluss von M.lnnem an die Wcibcrseitc, wie das »Hccr-
gcrAt' oder »Hecrgcwate- luitcr Aa-ischluss vonWcibeni nach der Mannenicileficl.
Durcligreifemle Veränderungen des Erbfolge -Systems sind im Laufe der Zeit
eingetreten teils durch Ausdeluiung des »BusenoBegriffes und einseiliges Ver-
folgen des Grundsatzes, dass -niederwärts«, nicht »aufwärts« geerbt werde,
>Buseu-* oder »Bnist-Erbe» (asw. hrysiarf) dem -Rücken-Rrbe« (asw, tiakai/)
vorgehe, teils aber auch durch aus-vchliesslichcs Bevorzugen des Ascendcntcn
als dtrs »Schosses» vor den Seiten venvandten. Gemeinsam wie die Habe
war den Sippt^enossen die Ehre. Schändung der letzteren (an. frtrndask^mm,
^tlankymm) konnte durch verflchtiiches Verhalten eines Gesippen oder durch
Verletzung üircr Munt von Seiten der Mündel bewirkt luid dann von der
Sippe am Th.lter gerecht werden. Dies hat zur Ausbildung eines verwandt-
M:hiiftliclien Stnif-Rechts geführt. Soweit ein solches nicht Platz griff, konnte
sich jeder Gcsipiic durch form bedürftiges imd Öffentliches Geschäft von seinem
Geschlecht lossagen (ags. ^mtrgä^ fonacan, in der L. Sal. st de pttrentilia
ioiierr. in salfrünk. Tociiterrcdilci» j'orii/umre), mit der Wirkung wenigstens,
<la.ss er sich seiner Pftichlen gegen die Blutsfreimde entledigte. Andererseits
kotmte das Geschlecht durrh »Einleitung^ eines Fremden in das.selbe (wn.
littUiäin^ on. ailtping, jene ursprünglich unter dem Symbol der SchulLSteigimg,
diese eidlich, bei L^timation unter Schosssetzung des zu legitimicrcndea
Kindes) erweitert werden. Vgl. oben S. 130. Ein analoges Geschäft unter
dem Symbol des Umannecs (spater des Umschlieseiis mit dem Mantcll V>e-
hufs Aufnahme in den engeren Ver»-andtschafts kreis war das * atfalhumjatt des
afiAnL R. in seiner urspnlngUdicn' Bedeutung. Bei den Langobarden gab
es eine Anbrflderung (lat. affratare), in welche das Eingehen eines GeseUschafta-
vettragcs eingekleidet werden konnte.
§ 55. Erstarkung d(y» Staats und Vermehrung seiner Aufgaben, der Ein-
flu&s der Kirche, wirts« haftliche Ursachen, darunter zunächst schon die Art
der fortMhrcitrnden Boden besiedlung wirkten zusanunen, um eine ebenso
rechtliche wie thatsachliche Lockerung der Sippe anzuhalinen. Ilire fll>erall,
wenn audi ungleichmassig luid nichts weniger als gleichzeitig hervortretenden
Symptome zeigen sirh sowohl in der AhschwSchung des vcrwandtscliaftlichai
Schutz Verbandes, wie in den Veränderungen des Güterrechts der Sippe. Die
l*flirht zum WVrgcld beizusteuern wird eine subsidiäre, etwa gar an die Be-
dingung geknüpft, dass der Wergeldzaliler die Erbschaft des Todischlageis
cmpfangL Oder sie verschwindet gegenüber den Wc;re;eklnchmem, imi nur
' Zu guiz andern Er)^boisaca ^Ungt Opel, Du rrbrechil. SUHung «Ar Weiber i. d.
Zttt der Vclksmhte 1888. eine Utitertuchung, die ich «hon in der Methode für mlUtaadig
verfcbll balten mus». cl« sie ä*% wcsIkttiti. R. unter Heraiitiehuiig der guüsriien unit
^»teinalüdbn- Cltciyrhunt: der skaodinavischeti Rechte zu tekonslruierea sudit. V^l. auch
Licbcrtnann in Dcul. Z«rhr. f. Geschw, II 1889 S. 514.
* Die I. SmJ. srllnt l>rschreibt unlrr dem Titel de ndfathnmire «in Gcschlft. w«ldl«S
xwar nuch /uwemluni;: An, N'oiiilAsse» alier keine rieocblKbCflleiie lOQhr iM, vidmehr durch
eilte mich« Ülmtluui^ wurdt. A'jjl. die aocrw. gjaferfd.
i6o IX. Recht. B. Altcrtüusil
gegenüber dem TochschlSgcr (als UntcrslOtzungspflirlit) flbrig zu bleiben.
Audi das RcL-ht zum Empfimg des Wcrgi-ltlcs wirtl auf den Erben des Er-
schlagenen Ui-srhrSnkt, so ?.. B. srlion im rihwarisrhen Gesctzburh, welches
auth die Pflicht Wergeid zu zahlen nur dem Tndlschlager bezw. dessen
Erlien auferlegt. Die Gesamtvormundschaft der Sippe wird von der Indivi-
dualvogtei des nSchsten »Schwertmagen- nder des nächsten seIhsUtndigen
Blutsfreundes oder von den vcnicluedcncii aus der einheitlichen Vormund-
schaft abgespalteten und unter mehrere Verwandte verteilten Gewalten wenn
nicht verdrängt, so doch zurückgedriingt. Kdunte sie ihrer vemiügensrecht-
Ürhen Bestan<lteile wegen als nutzbares Recht aufgefasst werden, so führte
einseiliges Ver\i-erten dieses Gedankens deutsche Rechte schon ziemlich frtili
dam, sie als vererblich zu behandeln, wie z. B. die Vormundschaft über eine
V\'^it«c nicht sowohl ihren Blutsfrcunden als den Krben ihres Ehemannes zu
übertragen. Mit der Entwicklung einer starken Herrscherge wall bei südgenu.
Vulkem in Zus;immenhang stand es, dass nicht nur der Sippe, sondern auch
dem Herrscher der Beruf zugeschrieben wurde, Unmündige zu bevoimunden.
Neben den gesetzlichen (>gcborenen*) kommen ferner im Mittehilter durch
Vertrag berufene (ügekorene«) VormOnder auf, in Rnnangelung beider aber
von der Obrigkeit bestellte und beaufsichtigte, neben der landrechtlicheti
femer eine lehenrechtüche, die dem Lehenhemi des unmündigen Vassallen
ziistehenile ^^Lehensvi^rmundschafl"-. A\uch der Inhalt der Vormundschaft
iiiiderie sich, indem tias Mündelgut aiifli'^rte, eiserner Bestand zu sein, und
der Vormumi verpflichtet wurde, den Ertrag des Mündetguts zu venref-hnen.
Wie zum blossen Verwalter wurde der Vonnund andererseits zum gerichtlichen
und aiissergerichtlidien Stellvertreter des Äfündels. Die Unselbständigkeit
cndlirli. wegen deren man eines Vunnundcs bedurfte, wunh: nicht mehr iii
der Unwebrbaftigkeit, s>jndeni in der Verstandes unreife oder Gesciulflsunkimde
erblickt. Die Fulge <Iavan war, da-ss die Altej^vomiuntlsehaft zum Mittel-
punkt des gesamten Vorm undschafts rechts vsiirde, wahrend die Vormundschaft
über Weiber (sog. Geschleclitsvormundschafl) in den Hmtcrgrund trat, oft
nur als gerichtliche fortdauerte oder zu einer blossen Bcistamlschaft herab-
sank, über Witwen und Kauffrauen allenfalls gar aufliorlc. D;is Umsichgreifen
des Erbrechts Aber den Kreis der Gemeinder- oder Ganerbschaft hinaus
(oben S. 158) llml zunlldist der letzleren Eintrag, so dass sie bei den Süd-
germanen nach der Vnlkcn.vandcnmg meist nur fakultativ neben dem Indt-
\iduulvennogcn fortdauerte, st-hwädite aber weiterhiti das blutsfreundschafi-
liche Erbrecht überhaupt, zumal wenn die alte Strenge der VcrwandLschafts-
pflichtcn nachHess. Nun konnten Indi\'idunlsucccssionen (Minorate und
Majorale) Eingang in die Erbfolgeordnung Tuideti, das Gancrbcnrcchl In den
in §i5 ^2 ""d 64 zu beschreil)enden Verfall geraten, ein Erbrecht des Ehe-
gatten, des Brodherm, des Gastgebers, des (iefiihrien anerkannt werden, die
Gesi])]jenrerhte »Seelgaben-, dann aber auch Vcrllusserungcn v<in Fahrnissen
otler von .wohlgewinmencm* Gut gegenüber verschwinden, Vennachtnitse
(oft unter »Testamunts"-Namen, dot.:!! mhd. ^ifheffcde, gemecftfe, ags. nfiJe,
fries. bökinge) und KrbvertrJlge 1 in Aufnahme kommen.
§ 56. Die altgerman. Ehe (alid. hin}/, skand. /i/ortafat;) war ein Aggregat
verschiedener Rcchtsverhaimissc, g^enscitiges Recht der Ehegatten als
»Hauslcute- (alid. Atnn, on. //ioft, wn. A/ün) und «Genossen« (ahd. gimahho
bczw, gimahha, ags. gemaeca, — ahd. gimahftidi, mhd. ^mtchedr) auf Lcbens-
1 Di« let/lpreii srhnn vor 643 bei den Ijitigrihnr«Ien, (leren Formel (tir die HrbetR»
KUiui^ in Roth, ]~j crliaUcn ul: liä in /i'^^sg^he ein in den NachUas.
gemcinschaft fahd. hhvtoii^a), Haushcrrschuft des Mruines, weicht die Vor-
mundschaft ftber das Weih absi:irhi«?rt, Hausfrausrhaft des \Veil»es. Durch
ihr Rcchl auf Lebcii»gt:incinst.hart wie durch ihru Zugehörigkeit aii den Maua
UDtersciütHl sich die Ehcfniu (skaiid. apalkoiia utiil wn. figintona) nicht nur
von der »Friedet, s<"indem auch mn der im Hause gehaltenen -Kcbst*«.
Aber dirscs Recht war beiraduli^h schwacher als da-s gegen OlKTstehende
des M.innes. Letzteres war ausschliesslich, in der Art das* nadi osigenu.
RR. s<*gar Wilwcnlödlung (= CJpft-rung) bestand, das Redit der Frau nur
gegen willkürliches Verstifsscn gekehrt. Kincn Ehebmch konnte die Krau
gegen den Mann, nicht aber der Mann gegen die Frau begehen. I>er Mann
konnte s«jgar mehrere Ehefrauen gleichzciiig haben. Die eheherrüche Gt^'alt
äusserte :üch nicht nur in der häuslichen Befchlshabcrnichafi do Mannes und
in einem Züchtigungsreclii desselben, sondern auch in seinem Recht die
Frau wegen Ehebruchs oder in echter Not zu verkaufen, ja im crsteren
Falk sogar t\x tödtcn. Daixer ist das Eheschwert S\Tnbol der eheherrltchen
G«walt. Andererseits legte diese dem Manne die Haftung aus Übelthaten
seiner Frau auf. Soweit aber die ehehcrrliche Gewalt äptelraum gewährte,
hatte auch die Frau (als »Wirtin«) im Hause zu befehlen. Daher konzen-
trierte sidi in Abwesenheit des Mannes oder bei vorübeqjeliender Behinde-
rung desselben die ganze Hausherrsch aft in der Hand der Frau. Durch
diese ihre »Schlüsselgewall* unterschied sich die Ehefrau von der freien
Dienerin. Die W-schricbcncn Eigenheiten der altgerman. Ehe erklären sich
aus dejren Entstehung ebenso wie ihre F.ingehungsforinen. Die praehistfiru^che
Weibergemeinschaft nämüch hat nur durch die Raubehe überwunden werden
kennen. Der Mann, der in den ausschliesslichen Besitz eines Weibes ge-
langen wollte, musste es sich ausserhalb der Rechtsgenossenschafl erbeuten.
Neben der exogamischen wurde in der Folge (zuerst im Geschlechterstaat?)
auch eine cndoganüiMhc RaulK'he (frics. nuimumix anerkannt unter der Be-
dingung, daas der Entfttlirer sich mit den Venvandten der Entführten friwl-
Uch abfand, insbesondere dass er nachträglich von jenen die Vormundschaft
erwarb, was er nach altdeul. RR. durch Erlag eines gesetzlichen Entgeltes
(bics. mundskrt = Muntscliatz, langob.-laU mundius) olme weiteres konnte.
Die Raubche hat die VölkcnA'andening und nach einigen Rechten (in Schwe-
den als exec^tivische Eheschliessung) sc^ar das Frül» mittel alter überdauert.
Andcretseits ist schon in vorgeschichtlicher Zeit zu ihrem Ei^atx die Vcrtrags-
^c eingeführt worden. Diese Ist in der heidnischen Zeit stets nur ein
Gcsdiaft z«'ischai den Verwandten der Braut und dem Bräutigam, nilnilich
eine >Vergabung« (ags. pl. gt/ia imd v. g}'//tgfan, for^fan, ahd. prätigef>a,
wn. xtft. gifiir, gifling }xt\A gjaforä^ üw. giftt. gipta. gipning)^ d. h. eine Schen-
kung der BrauL Der Vormund der lelzteren schenkte sie dem Bräutigam
zur Elie. was keine Zustimmung der Braut, wohl aber — «ic jede »Gabe*
— zu seiner Beständigkeit eine Gf^cngalx: des Bräutigams erforderte. Diese
Gegengabe liegt im mumir der skaiKÜn. KK. vor, der seinem Namen nach
eine Gabe ist luid von den gotischen RR. auch als »Freundesgabe« it'ingjief)
umschrieben wird. Sie liegt femer vor in der .lUesten langob. meto, im ags.
U49tMmay fries. iveima, alam. wniemo uisprüngiicher Gestalt, und im burgund.
wittmo (s= Söra). Wegen dieses Entgeltes fiel das Hdrathen unter den
Begriff des »Kaufes« im alten, nicht aber— wenn andere nicht mit dem Worte
gesipidt weiden si^U — im modernen Sinn dieses Ausdrucks. Und so erklärt
' Die gpl. TiTiiuiioIope /.ie-ht //«j» (^ Vtriiüllung?, s, aber Bd. I 325) vor, wahrend
• dem ülicrlid'aleD Sptachgtbrauch natlj = Vcrl<ibni& Ut.
.VBBkchc Philolocic III. 'i. Ault. )l
l62 IX. RiX:KT. R ALTKitTÜUER.
sich zur <jenüj*e. wnnmi die Quellen denselben auf die Eheschliessung an-
wenden. Xiir iliis kt;ntische R. ist wirklich dazu übergegangen, das Gcscliäft
in bestimmten Ufxichung<^n als einen Kauf in unserem Sinn und in soweit
auch die Braut als Ware :£u bchandclu, während anderwärts die Leistung
dea BrUuti^^ains für die ßraut zuwejl<;n aU Preis für die Munt (MunU^chatx
oben S. 157) umgedeutet oder aber, was in vielen Rechtsgebieten eintrat,
der Braut selbst überlassen wurde (nach lateinischen Texten deutscher Rechte
als »«/öj«}. Zahlreich \md umständlich waren die Formen bei liingchung der
Vertrapielie. Die meist charakteristischen unter ihnen waren das Antrauen
der Braut dureh deren Vormund an ■ilcn BrJlutigam im Brauthaus, dann der
»Brautluul«, d. h. das noch lange den Frauenraub nachahmende und so die
Vcitrajselic an jenen anknüpfende Heimführen der Braut durch den Bräu-
tigam und sein Gefolge. d;is gemeinsame Trinken der beiderseitigen Ver-
wandtschaft zum Zeichen des rricdcns, endlich das vor Zeugen slattfindeade
Beil;iger. Fflr da» letztere schuldete am darauf folgenden Morgen der Mann
seiner Frau ein Gesclienk, die 'Mcrgcng-abe«, welche in wn. RR. zum
»Haubengut* iiin/e') für Jungfrauen und zur »Hankgabe« {bekkjtir^^f) für
Witwen abgewandelt wurde. Alle jene Formen genügten nicht einmal zum
Abschluss einer rechten Ehe. Ks musste vielmehr noch ein Vorvertrag vur-
aufgchcn zwischen dem Bräutigam und dem Vormund der Braut, n'orin
unter Beobachtung von Öffentlichkeit oder gar GericlilUchkeit und strenger
Wortform der letztere seine Mündel dem Br;iutig:mi «festigte* d. h. zur Ehe
zu geben versprach, der Brautigann die Braut (unter Kniesetzung nach nurd.
und ags. RR.) zur Ehe zu nehmen angelobte, — im Grunde aber doch nur ein
Verirag über den HrautEauf d. li- Über das gewaltsame Heimführen der Braut
Dieser Vertrag war das Verlöbnis {on. fmia, fttilnin^. "«n. festing. mhd. v.
vesUtt, vesiauN. mit der Braut als Objekt, — ags. (laoedfiim);, — ahd, mahal,
wesswcgen ahd. gimnhata »s|Hinsus«, ^imabalä »spfjnsai, — goL /m^ißs).
Abgesehen von seinem strafrechtlichen Schutz wirkte es nur obligatorisch imd
machte ursprünglich nur den Verlober der Braut, später auch den Bräu-
tigam haftbar, wahrend es demselben überlassen blieb, die Treue der Braut
durch besondere Geschenke (asw. ßtrningar, wn. f(^ltir^(\>f, festarfc, — mhd.
makelschal:, mnd, hntittrmoe) sich zu »festigen*-. Andererseits konnte der
Verlober schon zum Abschluss des Verlöbnisses verpflichtet sein, auf Grund
eines vorausgehenden Vertrags, worin er ein Handgeld (asw. iilgrr/, /trstninga/te)
empfangen hatte. Dieses Handgeld ist nach sfltlgenn, RR. Hc-standteil des
Veriobni-sses geworden, ahnlich wie im Mittelalter Formen des Verlöbnisses
unter die der Ehesrhli essung gemengt wurden, Zui*rst hei Südgermancn
(Westgoten, [..angMbarden) hat auch der römische Annulus pronubiis als
Malschat/. des Bräutigams Eingang gefunden. Ausser Raub- und Vertrags-
che kannten < istgermauische Rechte noch eine dritte Art von Ehe, indem sie
clieiihnlichen Konkubinat nach bestimmter Dauer als Ehe behandehen, —
also ein Seilenstück zur römischen Usus-Ehe. — Vorzugsweise unter dem
Einfluss des Clirislentums, teils aber auch unter dem der allgemeinen Besser-
steltmig der Weiber traten an Wesen, Inhalt und Eingehung der gcrra.
Ehe Änderungen ein. Beseitigt wurde die Polygamie, gemildert die ehe-
herrliche Gewalt. Auf dem Prinzip der Lebensgemeinschaft wurde das clic-
liche Verhältnis einheitlich konstruiert. Die Scheidungsgründc wurden be-
schrilnkt, zuletzt die Ehe prinzipiell unauflöslich. Die wigen. Ehehindernisse
wurden vennehrt, Zustimmung rles Weihes wurde Erfordernis einer rechLs-
giltigen Heirat Dies führte zur VcrdtiUigui^ der Raubehe, und weiterhin
zu Sei bat Verlöbnis und Selbsttrauung der Btaut die nun (im mittelalterlichen
4. Verwandtschaft: Ehe.
«63
:
Dcutscliland) einen ma/irhchnz {mafuintic) nirlii nur empfflngt, «iiMidem mucIi
gibl. Die Vcrtraj»iche wurde fast Oberall zur einzigen »inrsetzliclicii* Ver-
bindung v<.tn ÄlMnu und Frau (ralid. «tv, i, ags. <}-we. fries. aß. nin«l. rrfit.
wov-m on. tfttfxkt:/f) erhoben. Immer ;ibcr blieb tue Khesrbliessunjj ein wfll-
Kclics Gcstlilft. und selbst wo die Sitte Segnung der gesclili-»sscnen Eh*'
dunli den F'ricÄtcr fnnlerte, oder wtj ihm das Antnnten der Umut Übertragen
wurde, pflegte doch der Akt niiht in, snndem vor der Kirt:he zu gcsilielicn.
— Die durch Ehcschluss vcrscrb wilderten Sippen standen zu einander in einem
Treuverhaltnis. Gerade sie sind nach ligemi. RR. »Magen«, und nach langub.
»leben sie >untcr uintm Schild*.
S 57- Vermögens vcrii. lim isse zwischen den Ehegatten waren in der
frllhe^ftei) Zeil durch cl:is Prinzip bestimmt, dass alles von ihnen eingebrachte
und w.'lhrend der Khe (*rwörbinr (jnt in 's Kigenthum des Mannes fiel. Dies
galt insbesondere vnm Brnutstliatz otler der Heinisteuer der Frau fwn.
ktimanfylfija, htimanfent, hriman^rtt, nn. hemfyl}^ia, hemfylsiP. mirpfyl^ji, hem^tfi,
mirp^i/l, — fries. fteticit, hvlithren^, bohhket, — langob. faderfio, — m!id.
hisiiurt), wodurch in der altem Zeit die Braut für ihren Mitgenuss des Haus-
guies bezw. für ihr Erbrecht van ihrer Sippe abgefunden wurde und vnu der
Widerlagc (on. ripermunä, wn. fcgftgjntii, tilgi^f), wi>durch der Mann die
Vers«irgung seiner Witwe sicher stellte. Nach den meisten 3ltem Rechten
bf>iand diese Widcriage in bcsiininiten Guiem. nach einigen jedocli in einer
Qui'tr des Mannesvcrm''igen.s so dass um dieselbe oder uro eine Quote seines
eigenen Wertes der Drautschatz sich »N-ermehrtei. Nach vielen Rechten ab-
s«irbiiTtc sie auch die GegcnKal>e für die Braut, nachdem es üblich gewortlen
war. jene der letzteren zu überlassen, so dass nunmehr aiLs dem »Wittum»
ein iWiiwengnl*- uiirde. Die ältesten Ret hbiaufzeit hiuingen mit .■\usiiahnie
der burgtmd. und norweg., zeigen ntm aber nur nmli Überbleiljsei jenes
irültcsten ehelichen Güterrechts, indem sie dasselbe durch ver>«dn'edene neue
Systeme ersetzen. Von da an schreitet die Panikularisierung des ehelichen
Güterrechts fast tiberall l>is zum Ausgang des M.-\. fort So weit aber die
einzelnen RR. sich auch von einander entfernen, alle gehen d«Kh von dem
Gedanken aus, dass die Frau am Eliegut irgendwie bcrecliügt sein müsse.
Im Übrigen sind zwei Haupirichtungen der F.ntwcJilung zu unierw:heiden,
Die eine litssl in der Zügel njrigkeit der Habe jedes Ehegatten eine Verände-
rung durch die Ehe nicht eintreten, beschrankt sich \ielmehr darauf, die
beiderseitigen Güter der einheiilirhen Verwaltnng durch den Eheherm zu
unterstellen, in dessen Vermtigen nach V(tmmnds4:haftlirhen Grund.satzen die
Emmgenschaft fsllt, wi>gcgen da.s Frauengut weder wach« noch schwindet
(in Deutschland Svstcin der Gütereinlit-it ixicr der Verwallungsgemeinschaft
oder ilej" Güler\*erbindung, im Xorden wohl auch S\'stem rler formellen Güter-
leinsthaft genannlt. Die andere ISsst nicht bloss tlic Verwaltung der
füter, sondern auch die Güter selbst insgesamt oder doch teilweise den Ehe-
gatten gemeinschaftlich werden (System der Gütergemeinschaft, im Norden
der materiellen Gütergemeinschaft gemmnt). Wo die Rechte der Gesippen
am St;immvennr.gen der Khegaiten zurücktnilen. wie so oft in den St:idlen.
konnte die GOtergemcinsc hilft als »allgemeine- !*i)gar die von jctlcm Ehe-
ganen eingebrachten iider walirend der Ehe envorbenen Grundgflter ergreifen.
Sonst blieb die Gütergemeinschaft als iparllelle« auf die Fabdiabe oder auf die
Errungenschaft oder doch aufs wohlgewnnnene (im Gegensatz zum ererbten) Gut
beschrankt, und anderereeits ziig sie im osldan. Recht den einen Ehegatten in die
GOtcrgunicin.sclmft mit den n.1rli.stcn Gesippen des andern hinein, wenn
dieser zugleich in Hausgemeins«, hafi mit ihjien lebte. Soweit die Gemein-
I64
IX. Recht. B. Altertümer.
s< hafi der Elifgattcii reichte, bestund sie auf Gedeih und Verderb. Mindestens
in !«m-eil haflcte daher die Frau aucU für (Hr Srhuldcn (les Mannes. [-I;iii%
nber halte sie auch nodi als Witwe mit ihrom nachehelichen V'ennOgen diifür
auf zukommen, wovon sie nadi dcutscli. RR. durch f'-inn!ichen Ver/icht auf
iiiles gemeine (»ut unter dem Syml)ul des Srhlfl^selauflej;ens rtur-; (^»ntb oder
auf die Bahre ties Mannes sich befreien knunte. Die GiUerfienieinsciirift be-
ru}ite auf dem Prinzip der Oesamtliand, was vieh? RR. im MA. dahin ge-
führt hat, Aber die gemeinsamen Liegenschaften die F.hegalien auch nur
gemeinsam (niil 'gesamter Hand») verfügen zu lassen, und was ferner bei
.\L:nr.Miiig iler Khe durch Tod enntiglichte, dass das Gemeingut hier nach
Quoten, dort nach bestimmten (iüterarten geteilt wurde, wieder andcrwiirts
aber <lcm Überlebenden Eliegiittcn ganz verblich. Die lieiden Haupt-; vsteme
des ehelichen Gilterstimdes treten oftmals im namliclieii Kechis^ebieie neben
einander auf, so insbesondere im wnord. R., — wenn nfinilich der Eintritt
der Gütergemeinschaft von der Geburt eines Kindes nder vom Vorhand«:m-
sein eine-'i Kindes bei Auflösung der Ehe (»der von bestimmter Dauei der
letzteren oder von bestimmte! Vermögenslage der Eheleute (xler endlich von
einer besondeni Beliebung «Icrselhen nbh.lngig sjemaiht wird. Überhaupt
aber liat die gesetzliche Güterordnung in vielen Elierechleii einen subsidiären
Charakter angenommen, da ihrer vertragsmilssigen AbJlndening ein mehr oder
weniger breiter Spielnium gew.1hrt wurde.
S 58. Das ReriilsverhHltnis zwischen Vater und Kind — jQnger
ji,-denfails als das rwisrhen Mutter und Kind — war in der heidnischen Zeil
nicht sowohl von der Geburt des teUiertn in der Ehe. als vim der Aner-
kennung des Kinder durch den Vater bedingt. Diese fand sichtlKir dadurch
statt, dass der Vater das auf dem Roden liegende Xeugclxirenc auftiub cnler
das dargereichte an sich nahm. Docli konnten Xnniengabe und die ersten
A'errichlungen der Kindespflege (im Vaterhause?!, nJlinlich Begiessen des
Kindes mit Wasser (von Neueren fälschlich 'WiLsser^veihe- genannt) oder
Enifllirung desselben für die förmliche Anerkennung wciugstcos in soweit
eintreten, als von da ab der Vater das Kind nicht mehr aussetzen durfte.
Das derart hesclirilnkte Recht lier Kindes; lussel/ung ist erst durch das
Christentum unterdruckt worden. Aber auch nachher dauerten noch Remi-
niscenzen an den heidnischen Zustand fort, *-ie z. B. die Taufe als Bediiigxmg
(1er Erbfähigkeit im westgot. mid in ustnord. RR, Das spczifisdi väterliche
Recht war die Vaiergewalt, nach deutit^-her Auffassung eine -Munt* (vgt.
oben S. 157) die sich aber von der des Vormundes wesentlich tladurcii
unterschied, dass sie dem einseit^cn Interesse des Gewaldiabei-s »iicnte.
Nicht bloss um das Kind zu erziehen, seinen Lebensbenif zu besümnicn, es
zu verheiraten, sondern auch um des.sen Arbeit in seinem Dienst joi ver-
werten, verfugte der Vater Ober «Ins Kiml. Ja in echter Not mochte er es
verkaufen ixicr in Schuldknechlscliaft geben. Wietleruui folgte aus lier Ge-
walt des Valeni. dass er die Habe des Kitnlts zu eigenem Vorteil vcr^vahele
uu<l nützte und (von gewissen .Ausnahiusfallen abgesehen) Recht-sgesciiilfte
des Kindes zu seinem Nachteil nicht anzuerkennen brauchte, ebenso aber
auch, dass er Cbelthateti des Kindes zu verantworten Ijjlle. Diese weit-
Tcichentic Vaiergewalt hintlertc jedoch die S. 158 erwfthnte VcmulgcTts-
gemeirsi haft zwischen Vaier mid Kind so wenig, .i1s die ehrherrliihe Gewalt
der ehelichen Gütergeiueinschidt entgegen stand. Beendigt wunk* die väter-
liche Gewalt, sobald tias Kind wirtschaftlich unabhängig vom Vater wurde.
Zu diesem Zweck konnte der grossjährige Haussohn Ausweisung seiner Habe
oder, wenn Vemiögensgenieinscliaft zwischen ihm und dem Vater bestand.
4- VERWAiJDTsaiAJrr: Elterk u. Kinder.
IÖ5
Abteilung verlangen. — Uneheliche Kinder hatten nach ältestem Recht
nur mütterliche Vcn*andlschaft. Dies Prinzip ist jedoch von vielen, ins-
besondere den ustgenn. RR. frülizcilig aufgegeben worden, und zwar zu-
nächst zu Gunsten des -Winkelkindes^ (wt», honiunt^, alani. fiarnuttf^, fries.
Monting, a^s. hot-nungssunu) d. li. desjcnigeu Kindes, welches der Vater in
offenem K«mkubinai mit einejn freien Weibe erzeugt (vgl. über che.1hnhchen
Konkubinat aucli nben S. 1Ö2). Wurde d;is Winkelkind auch nicht dem ehe-
lieben rxler »echten« Kind (wn. skirgttinn, ikilgttinn, \}äx\%o\>. fulboran. ags. /h/-
horrn) gleichgestellt, so wiirde ihm doch eine Stelle im vaterürhen Gcschlechts-
vciband iusufcm eingeräumt, alj. ]nan es hier zum Geben und Nehmen von
Wcrgeld. sowie zu vonnimdschaftlirhen Funktionen berief und mit AUmentations-
ausprQdien. ja wijrar mit einem Erbrecht gegenOber dem Vater oder doch
mit einer Abfindung für ein suIlIics ausstattete. Nachmals wurde der recht-
-Jiche Unicrsrhied zwischen dem aus offenem Konkubinat und dem aus
^lidmlichcr unehelicher Verbindung von freiem Weibe geborenen (wn. hisungr.
iaitHgftina), ja sogar dem vun unfreier Mutler stammenden Kinde eines
freien Mannes (wn. pyiwrtnn. un. Pybani) abgeschwilcht oder ganz ven*ischt,
«*as zur .-Vusbltdung eines prozcssuatcn Patcniitfltsbcweiseä fQhrtc. Wo jedoch
die Kirche ihre Lehre von der Verwerflicbkeii jeder aussereheli<-Iien Ge-
schlechts verbiniiung zur Herr>icbaft bradile, ist Besserstellung der unehelichen
Gebun gegenüber der Vaterseite \ielfarh aufgehalten, ja es ist s*.)gar ihre
Stellung zur Mutlerseite in luanclicn Rechten verschlechterl worden. Da-
gegen hat die Kirche die Aufnahme fremd rerhillrher Formen der L^tiraa-
lion befördert, wahrend nuch rein german. R. Legitimation nur in Gestalt
der «Einleitung* in die SipiK; (oben S. 150) möglich war. Andererseits \f\
es eine Reminis(em ;in die Raubehe, wenn nach on. RR. Kinder aus raub-
Jichcr Gc8»-hlechtsvcrbindung {hrmsharn) als eheliche bchandch werden. —
Eine luQtlerliclte Gewalt fürs älteste Recht zu leugnen, gtbt die strenge
Mundächaft über Weiber keinen triftigen Grund ab. In den Reclitsaufzeich-
nungen tritt die Mullergewalt zuerst als Erzieh ungsgewalt auf. welche sich
nach dem Tode des Vaters in der Hand der Mutter konzentriert. Dieser
Rest des prachislorischcn Matriarchats kommt dann bei gesteigerter Selb-
Ständ^kdt der Witwen zu neuen Kräften: es tritt hinzu eine VeHobuugsgewalt
oder ein Vet»i gcgmi das Heiraten, sowie ein Recht der Mutter, das ihr mit
den Kindern gemeinsame Gut zu verwallen.
^ 5^. Ausser der Ehe, ja wahrscheinlich sogar noch vor ihrem Aufkommen
gab es noch andere Vertrage, wodurch verwandtschaftliche Beziehungen
zwisdicn den Koiilraticnten begründet wurden, ohne dass doch der eine in
den GescJiIcchLsverbiuid des andern eintrat. Zunächst war es dabei bloss
auf Treue- und Schutzverhallnis.se abgeschcii. Solchem Zweck diente, wetin
K'wnlination der Vertrags jKirteicu bestehen sollte, die ßundbrüderschafl
(wnfird. ßslbnräralag) ^ Der Verl tag, im Heidentum nur Manueni zugäng-
lich, stellte unter tlen Kontrahenten einen ähnlichen Schulz- und Trulzverband
auf Lebenszeit her, wie er s<jnst nur unter leiblichen Brüdern begründet war.
Insbesondere aber ülienialini jeder Kontrahent die Pflicht, den Todtschlag
des andern zu radicn, bczw, dem Todtschlagsklager beizastehen, weswegen
denn auch dem Kundbruder neben den Gesippen ein Anspruch atif Wer-
geid für tien geVVltcten Genossen eingeräumt wurde, femer die Pflicht. d< n
Kuli des Todien zu besorgen. Unwesentlich dagegen, wctm auch ofiniaU
1 Ober SdKiiüttkJte bei uncemuu). Völkern t. J. Grimm RA. 193 flg. J. Lippen,
KtiUur^tiihithte II S. 3J3 Ü'.. BÖtticher in AJIg. Zig. BeiU t&84 S. 1417. Po>t,
lirumdr, d, r^fhnoL Jnrisfr. U S. 95 — 96.
i66 IX. Recht. B. Ai.tertCuer.
zur Befestigung des Bftndnisses verabredet, w;ir (Jutsgenieiiischaft unter eleu
Konlmhentcu. > Vertrags brüder« — wedbröäor — - liiessen die letztens l»ei
den Angelsachsen, »Vertragsgenossen« — gamnhalos [tonjabv/ati) — bei den,
l^ng'jbardcn, im Norden aber, dessen Geschichtsqudlcn das VerhSUnis am,
deutlichsten erkennen lassen, ßsdntttr = »Pflegebrüdcro. was an ein ilUeres
Recht cnnnert, W'inadi wie bei den Slawen Milcligcschwislerscliaft der Bluts-
verwandtschaft gleich gestanden war, — staUbnkär = »TischbrQder«, was mit
got. und umord. guhiatlm begriffsverwandt, — eidbrttär = »Eidbrüder« und
svarahniät- = ;tScliwurbrudcr<, denn eidlich sicherton sie die Bundcslrcuc
rinantärr zu, wie es ja auch eine eidliche Aufnahme in die Sippe gab (vgL
i»ben S. \^o, 159!. Dass aber Bruderpfliclilen und -Rechte unter ibnea
enUtehen sollten, symbolüierte da.s heidnisch-nordische Ritual des Vertrags-
sclilus^es zuvor durch die Blutmischung der unter einen aufgestochenen
Rasenstreifen tretenden Schvi-urbrüdcr. Mehrte sieh die Zahl der Teilnehmer
eines s-ilchcn Bundes, so diente leicht das schon durch den Todtenkull ge-
f'irdertc Upfergelage (skand. f^iM, as. ge!d, ags. gild) zum wiederkehrenden
und sichtbaren Aa-uirurk der Genossenschaft Vun hier aus ergibt sich der
genetische Zusamnietib:uig zwischen der altgcrni. Blulsbrüdersdiafl und tler
miHclaltcrlichen ,*Gildet {tonvivium), welche zunächst nichts anderes als eine
lokalisierte und auf viele Genossen, dalier auch auf unbegrenzte Dauer be-
rechnete SchwurbrüdcTUihaft^ mit rcgclmüssig wiederkehrendem Gelage war
(sog. Schut/gilde). Ihren naiüriicben Sundort hat die Gilde da, wo die Be-
iciehungen de* Einzelnen zu seiner Sipjie gelix'kert werden, vornehmlich also
ii den Stildten. Chris lianisiert, lA-urde das Gelage zum kirchlich gefeierten
lahrtag der Genossen seh afl, die nunmehr regelraasstg sieb einem Sclmtzheiligen
unicrstellte und nach ihm benannte. Der heidnische Todtcnkult wurde durch
den Gottesdienst fürs Seelenheil des jjest<irbcnen Gildebnulers ersetzt. Unter
dem Einfluss des Cfiristentums musste femer die Rachepflicht der Geni)ssen
hinter der allgemeinen Unterstützungspflicht zurück treten. Damit wurde die
CJilde auch Weihern (als »Gildeschwc-stem«) zuganglich. Streitigkeiten unter
Gen'i&scn waren tlurcli th-ii Sprmli der GiUle zum Austrag zu bringen. Dies
führte zu einer Gerichtsbarkeit der Gilde, Im letzten Gnind Strafgcrichtü-
barkcil stand sie selbst unter dem Schulz des ilu.ssersten Strafmitlels der
Gilde, der Ausstossmip (im Norden mit "Netdingsnamen« vgl. S. 141). Die
Gilde ward also Kcchtsgenos-scnscliaft. In ihrem Bestände unabhilngig vom
Leben des einzelnen Mitgliedes wurde sie aber auch zur Kor])Oiali"n, die
ihre eigenen Beamten und ihr eigenes Vennfigen (mit dem Gildehaus aU
werlvuUstcni Stück) hatte, ihr eigenes Siegel fahrte; ihre Anl-rnnmieund Gerichts-
barkeit auf der vom Gelage abgezweigten Versammlung der vuilbereditiglen.
Brüder (an. gUdastefna, adJln. gildslefna, — syitodta gttieralis. in Deutsehland
-Miirgensprache«) ausübte. Durch Spezialisierung des Verbandzweckes leble
im MA, die Gilde als Handwerker- und K.iiifmannsgilde (Innung, Amt, Gaffel,
Zeche, Zunft, Hanse), als Gesellen verband, als B;mhütie, als Nachbarschaft,
Ilnider- imd Schwesterschaft (in Siebenbürgen bis auf die Gegenwart}, als
Stuben- (Geschlechter-) Gesellschaft, als Schützen-, Pfeifer- und Fechter-
Brüderschaft, endlich als geistliche Fraternität fort, auch nach dem sie als
Schutzgiide veraltet war (vgl. oben S. ö" f.). Und wie diese auf die Ent-
stehung, 90 liaben jene jüngcrejrt Gilden auf die Weiterbildung der Stadtvcr-
fa.ssung oftmals entscheidend eingewirkt. Viele von ihnen sind in der zweiten
1 Das von K. Maurer Kr. Vjschr. XXXI S. 3l8 dag^en luigcltthne Capituluv tagt
nidit, dass es u n ^[irsdiworcnc Gilden gab, sondern eher das GcKttitril,
4- VERWAXDfreCHAFT: AFFIUATtOV. GErOLGSClLAPT.
167
Hälfte dt-s MA. wcscnüidiii Bo«liuidtcilc der pnlüeilichcn, militärischen,
finanxi^llcn, geridiUi<:hcn iintl xulctzt am li dor regimcntlirbcn Stadtverfassung
selbst f^worden.
§ iio. Der Bundbrüderschaft uiid ihren Ablegern Rcgcnnhcr stehen jene
Vcrbamle, weli-hc dm einen K^mtrnhcntcn dem andern ober-, hezw. unter-
ordnen. Dahin gehört zunächst der Vertrag, wudurrh ein Freier einen andern
»an Sohnes Statt« annimmt. Es handelte sidt dabei niiht etwa, wie die
herrschende, aber schnn von Ilcinecdus widerlegte Meinung will, um eine
Adoption. Niclit nur fehlte die Einleitung in den Geschkvlilsvcrb:uu], son-
dem es wurden auch keinerlei verwandisrliaftsrechtliche Be^tichungen intter
den Kuntruhenien gcstjflel, aiLsgenommcn das Treuevcrhrtlliüs, wie es zwischen
Pflegevater und Sohn bestand. Daher konnte der Vertrag ebensowohl zur
Bofe.'itigung eines vi^lkerrwrhllirhen Bündnisses zweier Herrscher wie zur Ein -
kleidimg eines Alimentenverirags benützt werden. Als Können des haupt-
sächlirii der Frühzeit angehr.rigen Geschäfts erscheinen Kniesetzung, Haar-
echur, Bcschenkung. Urkunde. Eine weit grössere Rolle spielte die Gefolg-
schaft. Eidlich verspricht ein Freier einem andeni Treue und Gehorsam,
T» Weiten, was dieser liebt, zu meiden, was dieser meidet, insbesondere aber
treues Begleiten iu den Kampf. Er macht sich dadurch zum Gefolgen oder
»Gefährten* (ags. gfsiit, as. /jisitf, langob. ^aiind) oder >Mann<i (mlal. ßiamo),
aber auch zum »Verwandten^ (mhd. tmk) eines Herrn tags, dryiiten. as.
droh/iti. ahth iruhiin, an. litollinn, got, dntuhiins). Treubruch zieht Ehrlosig-
keit, und Verrat am Herrn schwere Strafe nach sich. Dem treuen Gefolgen
aber sichert der Herr seinen Schutz oder »Trost« zu, oder, frünk. ausgedrückt,
er nimmt ihn als anlntstio an. Aber auch als Tisrhgenosse hat er ihn in .sein
Haus aufzunehmen. Daher ist der ags. Gefolgshcrr der »Brniwartt — hläfotä
— seiner Mannen, der skancl. Gefolge > Hausmann« — liiistnrl (dafür in
adfin. Inschr. fiimpixi) — seines Herrn, die ags. Gefolgschaft -Hausgenniae-n-
schaft» — fiMi (tlaraus wn. hirit) — ihres Führers. Was der Gefolge im
Hemidienst cinbüsst, soll ihm der Herr ersetzen. Dure-h Gaben (wn. heiäf/)
Überdies und vor Allem durch .\usrtLstung mit Waffen hatte der Herr die
Ergebenheit seines Gefolgen zu lohnen. Nach dem Tode des letzteren fielen
dann solche Geschenke regelmässig an den Geber zurück. Im Hau-te de.<t
Herrn konnte der Gefolge noch einen bcsondem Dienst, ein »Hofamt*;,
flbeniehmen, wozu die Organisation einer zahlreichen Gefolgschaft (ags.
dryht, ahd. truht) von selbst .\idas» gab. Ein solches Hofamt brac-hte seinen
Inhaber in noch engere I3oziehungcn zum Herrn ;i]s die übrigen Gefolgs-
manncn, so dass sich leicht eine Rangordnung in der Gefolgschaft ausbilden
konnte. Hierauf beruhte die Sltcrc Einteilung der ags. Gefolgsrhaft in /fi'Biw
und geiiitas l e. S. (vgl. oben S. 132), und auch die Rangordnung in der
skand. http entsprach ähnlichen VcrhüUnisseu. Stets war übrigens die Or-
ganisation der Gefoigsrhafi Sache de-; Herrn, wobei auch das Gefahrlenver-
haltnis tler Gcr"|;r<mannen in gegenseitigen Recliten und Pflichten unter
diesen zum .Ausdruck gebraclil wenlen konnte. Und in.s.jfem durfte, wie bei
der adan. Gefolgschaft nachweislich, die (jesamiheit der Mannen eine »Ge-
nossenschafti oder iGesellsrhaft* {viptrla^hS heissen (vgl. oben S. 107). Als
dos Wesen der Gefolgschaft vcrblasste, konnte man in eine solche eintreten,
>hne standiger Hausgent^se des Herrn zu werden, und wurde es andcrer-
ats üblich, dass der Herr die einflussreicheren seiner Mannen, die sich
nicht beständig bei ihm aufhielten, mit Grundgflteni oder ihnen gleichgeach-
telen Rechten ausstattete. Im frSnk. R. zuerst erscheint diese Au.s.s(attung
als Lehen (§ 65). Der »kand. Gefolgschaft dagegen ist eigentümlich, dass
i6S
IX. Rkcut. B. AltektOukk.
fQr die nicht mit I-ehen ausgestatteten Mannen eine feste Löhnung (md/i)
aufkam. Das Halten eines Gefolges war von i^echts wegen jedem Freien
gestattet. Eine Neuerung skainJinavischcr RR. im MA. war es, wenn diese
Befugnis fflr Unterthanen des Königs beschränkt wunie. Durchgreifende
Veränderungen sind seit dem 8. Jahrli. an der friiiik. und nach deren Vor-
bild an der mitteleuro]>.lLschen Gefolgscliaft dadur<r]i pingetrelen, dass sich
dieselbe mit der galloroman. V'.issalliiat verbunden hat. Als t'ossm oder
vassaihis (= Diener) » kommen dicrtc« sich der Gcfulgsinann seinem Hcrni
(senior), indem er steh unter nienstftbcmahmi^ in tlcsscn Srhntx- und Ver-
iUilwoitungsgewah oder Munt (vgl. § 50) erjjai). Auch einer Frau konnte
man sich so kommendieren. Die Form für die K<^immenda,tinn war das
Einlegen der gefalteten Hände des Vassallen in die offenen des Herrn.
Eine Gegengabe hatte bliese Selbst (l hergäbe zu lohnen. Durch Kuss nahm
der Herr den Gefolgen in seine Mimt auf. Im deut. R, df?s MA. erscheint
die Kommendalitm {manstha/t, Aorruiavim) vor dem Treuschwur als regel-
mässiger Bestandteil der »AuMe», wodurch das persönliche Rand zwischen
dem Herrn und dem Manne begründet wird, — bi-steht ferner der Vassallen-
dicnst regelmässig in herrarl (mindestens Reichsdienst und niemals gegen das
Reich d. h. den Krtnig) und ho/t'art (Hermdienst am Hoflager de* Herrn)
und hat der Vassall seinen Hemi zu «ehren«, insbesondere durdi's Stegreif-
halten, — ist endlich die der M.innschaft folgende Gegengabe bis um I200
regelmilssig, nachher immer ein Leben, so dass Lehen und Vassallititt ein-
ander bedingen. Aber je wichtiger nmi die Lchenscjbjekte als Grundlagea
der Vasallen macht und je feister die Rechte des Vasji.illen am I^Mien inirden
(§ 65}, desto schwficher wurde das Band der Treue, destu sor^f-llti^er ver-
klausuliert und nach Art wie nach Zeil umschrieben die Dienstpflicht des
V;L<isallen, ja die Heerfahrt sogar ersetz- und l("sl>ar tlurch eine henthire,
welche in einer Quote der Lehenseinktbifte bestand, die Vassallitat selbst
willkürlich kandbar. Über die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vassallitat
§ 47. über die Lehensgerichtsbarkeit tmd die Gerichtsbarkeit des skanclinav.
Gef<.>igsherni § 50, 8fj. Dass im MA. das skandinav. Gef(>ljriy;hafts«esen,
wenn aucli nicht gerade in Bezug auf bliese Gericbtsbarkeil, vom Süden aus
beeinflussl war, lässt sich erwarten und kaum bestreiten. Der Ritiis, wonach
der u-n. Gefolge sich zum Mann« imadr) maclit, die hamifianga, ist jener der
KommendatJon; dem osinordischen (schwcdische-n) aber wird der Name
pianislu »tnper beigelegt. Über Lehen au die skand. Gefolgsmannen S. 178.
5. VERMÖGEN.
Literatur bei Schröder Lchrb. S. JI — &I, 154 f.. 198—210, 2$'. 258, »66
— igo, 365 f« 371. 386, 411 r„ 672. 679 f.. 682—699. Siegel RG. §§ 142— 1 50.
186, 73, Brtinner RG. I §§ 10, 11, 25—27. 57, il g§ Ol, 110, 118, 1 i<>. 123.
und in Hollzend, §§ 2. 14, 20, 21, Genglcr (irundris* S. 335 — 358, Rusen.
vingc §§ 3l'-23. 47 — 50, 55 — 64, 98 — 103, 107 — lll, Stemann §§ 84 — loo,
Brande J-'arel. 1 ^ 28 — 45. — S. ferner: Mcitz«n. Itantürtin^cn, AhIhiu u.
^Igrarrtcht 4er Vlilker Europas Abt. 1 Bd. I — HI (mit Atlas) 1895, Derselbe,
If'ftUjhufe u. K?nix^hu/e tSSg. Blumirnstwck, En(sti-k^. ä. d/mt. fmfttrrbiltar'
eigrntums I 1894, Leuerd>crBtfr (»bco S. 61) §§ 30—53, Moosberger, D.
ßünJHeriKh<f ÄUmeniü i%^\, Willich (nhen S. 143), K. Rnifa, Gttsch. d. Fortt-
u. Jagdufsem in Deutsrhl. 1879, J. Grimm. Kl. S^kr. I S. 133 — 144, II .S.
30—74, 173—210, V. Ricbthofen, UnUrs. ü. frUs. RG. T. II S. 1041 — llSS.
Aubfrl, Grundbui^ritrs Ihitorie 1893, D«r&*lbe, Drn .Vnr/fc Obli^tionirgU
ipe^ulü dti X\\ I (893 S. 1—73. P. PunischÄrt, Schuiävertrai^ u. TrcHgciäbnit
dts iachi. R. im AfA. 189C1, Slobbe, Z. G*hh. dts lUl, deut. K'^nkttrspro^sstt
1888. H. Horten, D. PcrtoniU.Mkhtion I (1893. 181J5). Rieh. Behrcnd, X.
(SeseH. der Quilhmff S. 20 — 36, — Guaderinatin in Zschr. f. deul. R. XVTI
S. 161 — 217, — Herrig, /V rebus agrariis Stiecifif et Danirit. 1868, — t.»f-
5- Vermöoen: Grundbigevtuic.
169
seB. ffrtltrjnriffer S. 175 — 205. «J — 264, 3datz«ii. Forel. Prtratr, IV 1896,
J. Siccnstrup. StHdirr I S. 47 — 91. 11 325— 3&S. C. Chri»tcn»cti, Agrar-
hiitor. Sludirr I KJnhcnfa. |88<>. K. Anclicr, SnmUiU jtirt<t. skrifUr III S.
260 — 404, Kjcr, Öm IX-erdragrlie nf Eirndomirft over faite Eifndnmt . . ,
ttuU. Chr. y.t Lav. iSSq (ila/u St*»chrl in L'gcskrift lor Kctsvwo i8f)o Kr.
44), — K. E. FInrin et E. V. BlAficld, Jh- Jure aedißta»di nw/'^W(> cfetuum
rfititärum in Snetia, HcIxiiiKf, ifi^Ä, Litjcnslrand, Om skiftf af jord, Hd-
»int;f. 1857 S. I — 6a. K. F. Ln^us, Chn Jnrdaskiftin etc. Helsingf. 18578. I —
51, Wahtbcrg, Om Ir^a n/ jord etc. Slotkh. 1870, Monlgnmery. Om botagS'
ktinfrrtkut, lleUingf. 1870 S. 1 — 11, Winroih, Om ijmstthjPtisfürhäUandft t:\s.
L*I>4. 1878 uod in der S. 155 »ngcf. Schrift, Krcügrr, SluJtrr rörandf de agrar.
f^rhallandenas utve^kUng etc. I,und 1883. Hjclm^rui, Pidrng tili Sfensta
JürdrgatiiifritUftu ktit. I.und 1884 S. 41 — (jj (tWu Piippenlieim in SclitnoUcr's
Jährt). XF. IX S. 31 1—314). Slyffc in K. Vltlrrht'U Hiil. rch Aniiquil. Akad.
Afbaitall. XXIV S. 231—331. Sfrlacliiu», Om KUtndtr ,1 /nrd i-tc. Htliingf.
1864, BjAiling, Den S7>ensJta rättrns extlinkih-a /aga /'tng /i7 /Jsären de iS^G
S. 5t) — 105. Lant^tmADSOD, Svenjt rfiltiküloria i ullandel, Ups. 1883, Dt^rs.
TidMkr. f. Kcisv. 1889 S. 328—367. Drini in Gfiit. irel. A. 1885 S. SI3— S84>
Falkmin. Om matt <vA vigt f STerig<f I ]884. H. Hüdehrand, Sveriget
Mfdetlid I S. 740 — 7bt(. K. Lehmann, .löfi-rnd/. 1888 Nr. 11 (dazu v. Amtra,
Gfllt. ([cl. A. iH8t> S. 271 — 274. auch K. Maurer, Lit. Onirt)!. 1888 Sp. 1270
aail Kr Vj*d>r. XXXJ S. 30^—308), J. Fcirsman, Jiidrag liV Idran om
ikadesUtnd i braltmäl 18(13 §§ % — 22. Sjögren, Bidrag iitl en underiSkning af
kontrahtsbrottm enligt Svertges mrdeltidftn^ar i8<)6, — v. Amirii, jVordgrrmitn.
Obtigattotienreikt II 18115, K. Mjiiirtrr in Kr. Vjschr, XIII S. ^itO — 375 und
Beiträge I S. 21— 81 {rfipka/ ü. ij — 70), E. HerlJtberg in Tienn. Al.h. f.
Maunr 1893 S. 28§ fl*.
§ 61. Das Eigcnititn Lst urgcraianiw.hu [nslttution, wie das adiekti\-ische
Partizip »figen«, seilen substantiviert, ein gemcingennan. Wort i.ft, dessen
Onindhwlcutiing in dei Tt-niiinnlMgii; aller RR. f'Ttlebte. Nur Wulfila ge-
braui'hl statt di-sscu jtw {=a/x««c). Aber dus v. aii^n 4i;il auch bei ihm
mehr eine innere, haban eine Süssere Gewalt Ober den Gegenstand zu l)e-
zeithnen« (J. Grimm). »Eigen-: war, was einem d. h. nu einem gehörte, also
nicht schon und nicht bh>ss, w;is sich in Jemandes Besitz befand, — ursprüng-
lich auch nicht imnuT eine Sache. Oas ngcrm. K. z. B. bedient sich dc.s v,
aigan (an. fi}if\ um das Recht der Ehc>!atten un ciiumdcr, der Eltern am
Kinde zu bezeichnen. Aber ira engfircn und zugleich allg:i'mein angenom-
menen Sinn »eigen« waren nur Sachgüler. Das Zeichen üircr Zugehörigkeit
zum Eigner war es, wenn sie dessen Marke («m. mirrki, ahd. mhd. man.
gernttte, — isLind. einkunn) trugen. Die Gesamtheit seiner »eigenen- Güter
nannte er goL aihts. ags. trht. uhd. fht (f. abg. vmi aif^n).
Es bi!di*n aber unter den .SachgOteni vom Beginn der histor. Zeit an
Liegenschaften tlie vorneliinslcn ("icgcnst.'inde des Eigentums, wesswegen in
abgeleiteter Bedeutung 'Eigen- nach dcuL wie skand. RR. = Grundeigentum,
ja = f jfundsttlck i.sL Das Eigentum an Grund und Boden (//j«rf, skand.
auch fnr^) enichcint zuerst kollektiv. Es stand in der ältesten Zeit den
Gesippen "iler den Genossen eines grösseren Verbandes («ie Nachbar- -Kier
Baucrst^iaft, Dorf, Bezirk, Staat) mit ein;incler ('zu gCÄimter Hand) zu. in der
Art, dass nur mit aller Genossen Willen darüber verfugt wenien kfmnte. Es
war, wie man in Deutschland sagte, -geuieine Mark" und, wenn ein Volk die
Genossenschaft tlcr Eigner (si"»g. Markgenossenschaft! bildete, i-VoIklanih.
Aber nicht alles L:md im Gebiet der altgemi. Staaten war eigen. Was an
Grund un<l Boden um! Gewässern nicht von Privatgrenzen umgeben war —
und über sie gilt in der Haujitsache das in § 32 Bemerkte — , unter^itand
<lcni Gebraudi Jedermanns und der gemeinscliaftlichen und ungeregelten
Nutzung iiiiiuleslens der Markgenossen {Mitmarker, Bauern), in deren Macht-
bereich es htg. Dies ist der ur.<iprüngtii iie ncrgriff sowohl der deut. -.\ll-
I70 IX. Recht. B. AltertOmer.
mende» (Allmeinde n;tch Staub und Tnbler) als ups wn. almtnningr, on.
atnutumtiger (dan. auch alminnin^]. Allmende und Eigen sind quellen massig
Gegensätze. Beim Reuteji erst, das jedem Markgcnossen freistand, kuimte
die Allmende zu 'Elften- gemacht werden. Dies geschah durch Einfrie-dung
rider Einfang (asw. inta^a. iilid. hifiwc), wesswej^en das wi okkupierte Alhneiid-
land (ad;in. omum? — ags. ictonfig) in latein. Texten wie piaprisus oder
afipnsio, su auch rfausimt, taptuni, septiim und deutsch ht/nnc heissl. Um
eigen zu bleiben, musste aber ein solcher Einfang gegen Verwilderung ge-
schützt werden. In der Folge ist freilidi die Allmende unter daü Gcssimt-
eigentum der Markgenossen einbezogen iider aber Regal des Hcrrechcr»
(=:nnirweg. koniin<;s ahrifttniiigr, diln. kon. alntinnin^) geworden, so das*
Eiiifange nur noch mit Gcnelunigung der ersteren bczw. des letzteren ange-
legt werden konnten. Besondere Erscheinungsfnmjcn tlcs A!ltne4Hlrf!;als waren
das Strassen-, Fluss- und Hafenregiü, der königliche Forst- und WiJdlxinn»
das Strand- und Sa!zrej;al. Das Gemeinland wurde anfänglich von den
Mnrkgenossen g;inz und gar gemeinsam bew-irtscliaftei. Dabei mussiten, so
oft man zwischen Wildland unil Bauland wechseile, die Wohnstflllen vi-rlcgt
werden. Doch ist dieser Zustand bei den meisten Vr.lkem zur Zeit ihres
Eintritts in die Geschichte überwunden. Sie sind dazu Übergegangen, die
Feldmark d. h. das gemeine Bauland (welches übrigens in der siUlgcrm.
Frühzeil nur Acker war) den einzelnen Sippen zur Sondemutzung zu üikr-
wcisen, wogegen die Weide- und Waldmark unter genuiiischHfOi^-luT N'utzung^
verblieb. Bestimmt vi-urden bei häufen förmiger Dorfanlage, der ftliesten ger-
manischen .\nsiedlungsfunn. die Sondemutzungcn durch Zerlegen jedes Ge-
wannes (ahd. tzzisk, mhd. ezzheh. esch, ahd. zel/pt. dän. tfang) in vermessene
Beete (mbd. ^xvamien f.), welche dann für die jeweilige Anbauperii»de unter
die Sippen verloosi «luxlen. Die M.is.'ieinbeit des Be-^ilzes ist die Hufe
(nur kouttnetitaldcutsch. \v>. hma. alid. huoha ^ Ertragsanteil?) tnler djis I..001S
{"sorst, abd. hluz) udcr d;is Wohnland (ags. Itiit, ofries. hertb. nn. /W, miat
mansui. mansa, casa/iu) »der das FflüKkuul (ags. siäung, auf dem Ki^ntineut
wenigstens aralrum, arealis, artoh). Überall vcrstami injin unter dieser Ein-
heit zunächst das Bauland, welches (hirrhsrhniulich zum Unteihalt einer
Familie nijtwcndig war und ebL-ndaruin nicht überall (he gleiche Flächcn-
grösse, aSsri auch nur gegendenweise ein Flachenniass werden konnte. Nach
ihr richteten sich gewöhnlich auch die Anteile an der gemeinsamen Kutzung-
der nicht dem Anbau unterstellten Mark. Als nicht meiir zwischen Wild-
und Bauland, sundem nur noch zwischen Iflugland und Brache gewechselt
wurde, kam das ]ieriodiscUe Verlegen der Wohiistaiten in \Vej;fall. Die
Wohnplfltze wurden nun für «üc Dauer unter die Sipj^en vcrteüt. Die so
beg*)iincne Aufteilung der gemeinen Mark setzte sich fori, indem bei zuneli-
mender Intensität der Bodenkultur auch das periodische Verloosen der
Nulzungsanieile am Bauland aufhörte. Doch blieben dieselben wegen der
gemeinsamen Stoppel- und Brachweide noch dem Fhirzwang unterworfen.
Oberhaupt aber dauerte das Gesainieigentum der Markgenossen an den auf-
geteilten Landereien in s<j fem fort, ;üs unter Umstanden die Hufen samt
den Wohnsiaiten zu einer einheitlichen Masse zusammen geworfen und neu
verteilt werden mussten, oder es wirkte docii in so fem nach, als die Vcr-
fiusscrung der Hufe durchs Nälicrretht »1er Markgt:nos.sen (die s*3g. Mark-
lofiung) beschrankt und allenfalls vom Erbgang in die Hufe der entfejntere
Verwandten kr eis unter Heimfall jener an die Genossenschaft ausjjesclikissen
blieb oder wenigstens beim Felden gemeiner Erben die Nachbarschaft (nach
spilt-alamann. R. »der Nachbar«) succedierte. Noi:h im Mittelalter ist jene
Neuverteüun}^ von den on. RR. fflr den Kall vorgesehen, wo es sidi dämm
handelt, GrcnzvcrvirrunRcu unter den Hufcu zu beseitigen oder die natür-
liche Eintelhing (die Aatttaniip/) des vermessenen lindes diirrh eine kflnst-
lidic \*alskif>t) mit Neuanlage des ^nzen Dorfes (in Hälften, mpuskipii. oder
Vierteln, ßt-rfunkipti) zu ersetzen {vgl. Obl. R. I SS. boji — ^iio. 7.57 flg.)«
Wurde in der Allmend ein Tochterdorf (adan. /»/;», asw. Q/gtrrphbvr\ nait
eigciier Mark gegründet, wj pflegte es fürs erste vom Urdurf (adän. afnelby,
asn-. ofioiByr) abliüngig zu bleiben. Vielmnts ist erst im Sp.1tmittelalter der
Marltvcrband zwisclien Ur- und Tochterdorf aufgelöst worden. — Von der
sociten geschilderten wich die Geschichte des Grundeigentums bei <h'.n jüii-
gtrren Anbiedlunfrsfunnen, der reihenweisen Dorfaidage (wie ■/.. B. in Mai^cli-
mid MMjrl:1ndcrcien) und den KinzclgchOftcn \wie z. B. in Westfalen, in
Alpengegenden, bei den nördlichen Skandinaven, auf Island) insofern ab,
als iüer das Bauland von Anfang an nicht unter das Gesamtdgciitum der
Markgenossen und darum auch unter keine Gewann- und Hufcncinteilung fiel.
Die Eigentumsverhältnisse in den Marken brachten niclit nur den Gegen-
satz von iTjil berechtigten Bewohnern (Baueni) und Miiiderbereditiglen (Kot-
sftien. Sehlnem, Häuslern), sondern auch eine Organisation der Genossen
mit sich. Gemeiniglich hatte ein Vorsteher ( BauermeLster, Markmeister, Ober-
mflrker, Holzgraf) die Beschlftsse auszuführen, welche die vollberechtigten
Genossen auf dein Marker- oder liurding fassten. Dieses aber war das
natürliche Organ wie für die Selb.'-lgesetzgebung so auch für die Recht-
sprechung der Marker, soweit liiese, wie gewi'ihnlich in I>eutschland, eine
Rechtsgen« isseiisihaft bildeten. War .so die Markgemeinde zur Koqvtrattou
ausgebildet, so verkehrte sich teiclit ihr Dienstverhältnis zum Gesamteigentum
ins Gegenteil. Das Gesamteigentum wurde Korporationseigen tum, eine Ver-
andening, die oftmals dadurch unterstützt wurde, dass die Markgemeinde
p^jliüsche Kör|ierschufl «KJer Kirchs])ic! war. Kam eine Mark unter Grund-
herrschafi iKler wurde bei Kolonisation grund herrlichen litKlcns eine Mark
auf demselben eingerichtet, so (raten an die Stelle des Eigentums der Gc-
nrissen Rechte an fremdem Boden und oftmals an Stelle der geno^venschaft-
tichen Selbstverwaltung die gnind herrliche I-eitung. Den Übergang zu eineia
solchen Vcrhällnis konnte die Markvogtei (3. i.sju vcnnittcln.
S 62. Individualcigcntum an Grund und linden i.si teils durch
die Art der \'un den gennan. Stammsitzen ausgehenden Kolonisation, teils
in Folge von Wanderimgen ganzer Volker, teils durch Kulteinrichtungen,
teils durrh die Lockerung de-t Sippe Verbandes aufgckummen. Auf Island z.
B. war die Boden« ikkupatinn das Werk nicht gcschh-is^ener Verbfinde, sipndcm
von Einzelansicdl(-ni'. In Mittel- und Südeuro|>a entstanden durcli die Er-
oberungen ausgedelmlc Krongüter, wovon ein grttsser Teil durch Schenkungen
der Herrscher ins Individualeigenluni von Unterthanen gelangte. Als Indi-
vidualeigenlum der (jottheit ferner halten schon in heidnischer Zeit die
Tem|»e]güter, wenigstens die Weihgcschenke g«-golten. Die christliche Zeit
knüpfit; liier an. Das einer Kirche geschenkte Gut wurde znnjichst aU
Eigentum Christi «Hier des SchuLzlieüi;;en der Kirche angesehen, wesswegen
die Invcstirar bei Liegenschaftsvergabung an eine Kirche so oft über den
rtler an die Reliquien des Heiligen erfolgte*. Aus dem Gcsamteigeutum
des nächsten VerK'andtschaftskreise» (oben S. 15B) endlich schied das Indi-
t Die i&I&nd. aiiumninj^i/r sind aWt nrsprünglicb bcrreiüoii«!) Gut. die islliftd. fttileigen-
tutniftcble wi Ilochwcidcn {ii/'r/ftir) durch VertrÄge l)fgi^liidci.
« Dani-ltcn konni*. w.w ilurch unjOhügc BeiliMele l>clpgt ist. es vorkommen, da» eine
Kitibc umi ibfcr Dotation ihrem (irUDder und seioen Kcditsnacbrolgcm eigen war.
172
IX. Recht. B. Altertümer,
viduuleigenlum der ciiizclncii Gaiicrbeii üm», indem bestimmten oder giir
allen Gemeindeni gestattet wurde, unter Abschichlung der übrigen Sondergut
(ahd. sjj/Siscant) für sich aiis der (iemejnschaft herauszuziehen, femer indem
gewisse Erwerbsarten von vornherein IntUvidualeigcntum für den erwerbenden
Ganerben l>cgrOndcn s<^IUcn iz. H. Roth. 107). Die gesetTiUihc (lanerhschafi
selber fiel nicht nur unter der Übermacht des miissenhaftcn Individiudeisens.
sondern auch unter dem EinOuss der Kirche, welche in ihrem Interesse die
Schranken des ganerbliclien Verfttgungs rechts hinweg zu räumen traditete.
Das frühzeitige Aufteilen der Gemeinlandereien in den grrtsäercn Markgc-
nnssenschaften begünstigte diese Veranderunj*, die fast überall ausser dem
frics. und tlctn rjnord. Rechisgebiete im Frühmittelalter volli-ogcn isL Aber
nicht alle Spuren des ehemaligen Gesamte igen timis waren damit ausgelöscht.
Es wirkte nach ini Wartrecht der Erben. Dieses war zunächst Beispruchs-
recht, in so ferne der Erbe des Gninflcigeniünicn! die nhne seinen Konsens
geschehene Verüusserung oder Bclahtun^ di-s Gutes wideirufen und letzteres
vojn Erwerber zurückfordeni konnte. Nachmals schrumpfte das Bcispruchs-
rerht zu einem Vorkaiifsrt-cbt mit gesetzlichem Preis oder (bei Vcrausscruiig
in ecliter Not und noch spater überhaupt) gar zu einem blossen EinsUinds-
und Rctraktrccht zusammen. Auch dieses aber wurde in \'iplen Städten auf
besiinmiic Falle beschrankt, in einigen deutschen aufgehoben. Neben diesem
inlialtlii.lien Zurücktreten der Gancrbcn rechte ging vielfach rine Schmalerung
dersell»en in Rezug auf das F.igeniums-Objekt her, indem ihnen das wohl-
gewonnene Gut entzogen wurde, sodass nun dein Iclzlerea als besondere
Art von Grundcigcn das Erb- oder Slamnigut gegenüber .stand. Solclte
Stammgüter waren das altnorweg. c'cft;/ (sonst im Norden = echtes Eigen
Oberhaupt), this ags, rife/ (bis etwa um (looi. das an, i'^hii und ahd. rW«/
und wahrscheinlich das fries. elhel in seiner frülimitltjaltcriichen Gestalt
(wfries. aiicli staiha genannt), endlich auch die awhw. hyrp (oder der bvr^m-
iulfr). Bei einigen derselben war nicht nur die Disposititmsbefugnts des
Eigentümers beschrankt, sondern auch dem Mannsstamme die Vorhand auf
das Gut eingerflumt, so beim norweg. üdal und beim ags. edel. Unteüharkeil
und Vererbung des Stammguts auf den Sltesten Schwertmagen zeichneten
übrrdie?» diejenige Erscheinungsform des Erbgutes aus, welche während des
Frühtnittclalteis in Obcrtleutschland als kantgcmafielc und im Ssp. als //*//;/'
gemäl (oben S. 135) vollfreier und in th'r Regel Htterhürtiger Leute auftritt.
Der Untergang der gesetzlichen Ganerbschaft verliindei"te nicht deren (teil-
weise) vcrtragsmässige Nachbildung, wie sie in den rittcriichun Kreisen
Deutschlands seit dem 13, Jahrh. stattfand. Nil<-hKt venvandt ist die von
fürstlichen Familien zu erbrechOichcn Zwecken eingegangene Erb Verbrüderung
in Deutschland, während die spezifisch nordische ErbverbrÜdenmg an die
Bund brüd ersehn ft (g 59) anknüpft. — Abgesehen von den aus Erbwart-
rechlen utkI dem alten Markverband ents]) ringen den gab es mxii andere
Disposilionsbesi.hr3nkungen des Grundeigentümers. Durch Rüiksichten aufs
NiM:h bar Verhältnis war seiti Gebrauchs-, durch sie wie durchs Gaslrecht und,
soweit CS nicht dem (Irundeigner als siilchem zustand, durchs Jagdrcc ht war
sein Verb ietnngsr echt beschränkt. Geschenktes L;ind durfte nach älterem K,
nicht ohne Konsenü des Gebers veräiLssert werden und fiel nach dem Tode
des Hescbenkteii iider doch des kinderlosen Beschenkten an den Geber
zmück. Wiederum beschrankten in weiten Verbreitungsgebieten Einstands-
und Rctrakt- (Liwungs-, Zug- 1, ja auch Expropriationsrechtc Dritter die Vcr-
aussemngsbefugnis des Grundeigentümers, wie (ausser den schon genannten)
das der Nachbarn und des Getcilen. Dagegen wurde Belastung des Grund-
eignen» als solchen mit ciiit-r Abgabe 'xlcr uincui Zins, sei es an die öffent-
liche Gtrwalt (kUt an i'infn F'rivatrn, lange aU i'twns <lcm Gninclejgen wider-
streitendes anj;trsehcn, daher Auflaj^e einer Grundsteuer in den alleren Zettea
al» Konfiskatiun des Grundeigentums empfunden. Aber auch spUter noch^
als Reallaslen alter Art. insbesondere in Deutschland, gang und gJIbe gewor-
den waten, wurde dem belaäteleii Eigen al» dein ab)iUrifOgen das >lcdtße«
<AivT •frcif« als das vollknninirne (innd. tioislacht t^n, auch iiföä) oder reine
Eigen (mhd. infem'grn, auch liifei^n) gegenüber gestellt. Dahin gclu'rten
insbesondere die deiit Rittergüter (Edelliüfet. deren Besitzer statt bauerlicher
LLSten den Kiiterdicnst zu tragen halten und manche von den im vollen
Eigcnluni liej-enden, aber den bfluerlicheii Eignem verlorenen Rechten be-
w;üirten, überdies auch mit sta;its rechtlichen Privilegien ausgestattet waren.
Inagenieiu konnten suklie Guter nur von Rittermiliäigen erwürben werden.
Ein analoges Im^titut keiuit im Spätmtltelalter das dänische R. im Siedf^anrä^
»■ahrcnd das schwed. R. über die Ansitze dazu in der fnrlsis iorp bis zum
S""hlus% des Mittelalters nicht hinausgekumnien \t\. — Die wichtigsten .\rtea
des Eigen tumserwcrbs an I^iiid waren Okkupation und Vertrag. Über letz-
teren ^s. §S r»^— 71). Zur Okkupation iider .Umdnahnie- (an. ntma lami^
laudndm, ags. niman iatul ) an herrenlosem Buden gehörte in ältester Zeit
nicht nur Feststellung seiner Grenzen, «mdeni auch (Wortforrael und!*) An-
süiiden von Feuer auf dem Grundstück, eine Besitzhandlung, die abge-
schwächt im isländ. ßam eUdi um iantlit erscheint und vielleicht auch im deut.
»Scinnenlehen*' eine letzte Spur hinterlassen hat.
S 63. Bewegliches oder »fahrendes*, im Norden >luses« Gut (»ucK
►gteifbafes«, gripr). was eigen sein konnte, war beim Beginn der gesehicht-
lichen Zeit Waffe, Gewand, Schnnick, GerÄt, erjagtes Wild und Vieh, dem
iler unfreie Mensch damals noch vom Recht gtcicligeslellt war, aber auch
ilas gezimmerte Haus, wogegen im Mittelalter nidit nur da.s stellende-, sondern
auch das schwimmende Haus. insbes*>ndere das See*»cliiff aU Liegenschaft
galt, fenier auch Rechte als unbewegliche Sachen behaudelt wurden. Auf
V'iehbesitz aber kam es im Altertum au Ixnm Reichtum an Kahrliabe. Daher
cinei^ts >Vieh« (analog dem lat. pei-unia mid peciilium) ;dles bewegliche
Eigen unil zuletzt Gehl und (»ul übcrluiupt bezeichnete, andererseits unter
»Scloaiz« bei nierlerdeut. Völkern nicht nur leblose-s Gut, sondern auch Vieli
verstanden wurde. Vieli witr in der Fruhzelt der geruian. RR. tlas allge-
ranne Tausehmittcl und eine bestimmte Vichgattung, im Korden die Milch-
kuh (als «Kuhwert« = an. kiigHili, kvriag\ allgemeiner Wertmesser und in
•titfcni unvollkommenes Geld. Daneben dienten 7.\x gleichem Zwt.-ck in skandinav.
L-Indem Ixinwand {Ur^pA oder der flbliche Wollenfrie-s.s {fO'tm'U], in Nor-
wt.-gen auch die *Muuutskusl' (an Butter, mätmitonnalr). Edelmetallcu nadi
icwit'ht (al.s Bam-n zuerst in Ringgesialt, an. haiigr, ags. Ite'ng, alul. poue,
ler in Form von Stab cider Platte) konnte Geldfunktion erst beigelegt wenicn,
■t sie in grösseren Mengen vom Süden unil Südosten aiLs zu den gennan.
Völkern gelangten. Nachmals erscheinen sie in Fomi einheimischer Mitnzen,
d. h. .ttaallicli beglaubigter Barren mit Zwangskurs, :t]s vullkummenes Geld,
— bei den Südgermanen zuerst nach ihrer Besitznahme vom rOmischen
Rctclt und tmter deutlichem Einfluss des rr>mi.schen MOnzwcsens, bei den
Nordgermanen nicht vor dem 10. und 11. Jahrb. und nicht ohne Nach-
ahmung der in Deutschland und England gepr^igtcu Muster. Das wgoL,
borgund., frftnk. imd uberdeut Münzsyslem ging v-om rf^m. ( Konstantin Lsrhen)
''gl. rail J. Grimm RA. 179 ilm uUüuI. Okkupationsritus in HsnMi[>'«U Ma^ 9.
174 I^- Reckt. B. Altertümer.
Gold-W/(/w {— Vis röm. rfvini! ( Jr.Id). genannt ^. Schi Hin e;* (goT. skUli^, ahd.
iciliinc u. s. w.), als dem »kliiijjXiideii» Geld aus, der gtmciiiighcli iii }, Gold-
iremisses {IricnUs) und 24 Silbcr-«7/i;»/(7^ (ahd. sUitka) ze.ricgi, in C>lM!rdcutsrh-
lantl aber 1 2 alten rrvm. Süberdenaren (alid. sfas, haier. alam. auch saina)
gleich gesetzt wurde. Bei den Fnuikcn wurde «.lies Geld.system durch
Chlodowcch niodifizicrT, iiulcni er auf den Goldschilling 40 Silberetücke
— itaiarit (auch arxen/ei) — ausprägen ücss. Von c. 560 an wurde aber
<!er Goidsdiitüng selbst auf Vm Pfund herabgesetzt. An die Stelle der Gold-
währung trat gegen 750 die Silber\*-rilirung mit einer einzigen geprägten
MüJize, dein SUberdenar txier Pfennig (ahcl. pfantim, pfaminc, nach Sirbs
= Teilmünzo?. Zahlnnlnxe?) wovon 12 auf die Rcchnungstnünze, den Silber-
sehilling (zuerst '/« des röm., .seit ungefnhr 780 V» <les vergr^^isserten, Kar-
llschen, Silberpfundes) gingen. Bei den Angelsachsen und vor Einftlhrung
des frank. Münz-syslejns auch bei den Friesen bestand eine eigentümliche
Geldrechnung nach Schillingen und geprägten IVilinflnzen, Pfennigen {= V»w
ags. Pfund Silber, ags. pem/iiif^as, prtiingas, autii sctaf, frics. panuitiga, pennhgar),
in Kcnt seiet, indem 5 oder 4 Pfennige tiezw. 20 scKt auf den Schilling
jjingen. Kigenlümlich ist den Angelsachsen als Reclmungsmllnze der byzantin.
Sulidus unter dem Namen mamusits oder manctisa (zu 3^) Pfennigen) den
Merkiern drr/rj''»-« (zu 3 Pfen.). Im Norden und SOdwt-sten DeulÄ'hlands
herrschte das frankische iKarlbnlie) Münzsystem bis um 10,50 aussei iliesslich,
wahrend in Baiem ein vom alten Gokischilling aLs Rechrumgs-Münze aus-
gehendes, mit dem karuling. Pfeimig = ','30 sulidus als geprflgter TeihnClnze
(an Stelle eines älteren mit dem merowing. Pfennig = ^Itn solidus) fortbestand.
Seit etwa 1050 atier behielt das karoüng. Münzsystem überall nur ntHrh
gemein reclitliirhe Bedeutung, da nunmehr königliche Privilegien den mit dem
Münzregal Beliehcnen partikulare Münzfüsac gestatteten. Die Münze, als
Pfennig, H;ilbpfonnig (=. aholm^ Af/Miue) und Vierte Ispfcnn ig (= ferlo),
Zwölfpfcimigstück oder Schilling oder »grtwscr* Pfennig (= fries. ^rata, lat.
groisus, »Groschen« ) ausgeprägt, wurde mit Ausnahme der kflniglichcn terri-
torial, eine Tliatsachc, deren schädliche Wirkungeti seit dem 15. Jahrh, Münz-
konventinnen zu verhindern strebten. In d<'n skandin. I,an<U-m ret:hncte man
Anfangs nur nach Gewichten (sj (17), ebenso bei den Anglodünen, wahrend
<Üe geprägte Hauptmünze der Pfennig (au. pemu'ngr) war. Aber der Mllnz-
fuss war nach Münzgebieten verschieden. Die iütercn norwcg. Quellen gehen
von der Silberunze zu ,^0 Pfennig aus. Um \2~o dagegen tritt ein neues
norwegisches Münzsyslem auf: 20 Öchwarzpfennige auf die (bis dahin erheb-
lich venwlilechlerte) Milnzmark oder 240 auf das englische Pfund. Auf
Island wurde nicht gemünzt. Wohl aber liefen dort seit dem 1 1. Jatirh.
fremdliind(.«iche Pfennige um, die Alteren {englische?) unter dem Namen des
»gesetzlichen Silbers* {h'XsUfr), bo auf die Unze fein, 40 auf die Pfennig-
unze. Man nahm sie sowohl gezfihlt als gewogen, rechnete aber (bis um
1200) grosse Geldsummen nacli Üelmem und Grtis.-^huiulerten Silbers (z. B.
hundrad sU/rs) d. h. von Pfennigunzen, ein Brauch, der etwa seit 1000 auch
bei den Anglodincn bestand und waiirsch ein lieh aus Ergland rwch Island
sich verpflanzt hat. In Schweden reclmete man 24 ( »weisse« ) Pfeimige auf
die Unze «xler ii)2 auf die Silbermark, wiihrend dieselbe nach einem jüngeren
göl. Münzfus> 384 (.kleine«) und nach dem dan. 28Ö Pfennige begriff, Seit
dem 12. Jahrh. kommen auch im Norden Teilmünzcn zum Pfennig vor. Zu
ihnen scheint das wn. /f«Vr zu gehören, dessen Name in ndl. dtoi wieder-
kehrt. In der Verfatizeit des kamlingiscben Münz.sy.sieins dringt die Mark-
rechnung auch in Deutschland ein, zuerst (11. jalxrh.) in Köln (ein Münzfuss
$. VekuOoek: (Jelo. MnBTLtARp.tGEirruu.
»75
^
van I Mark = ibo luid eine Rccbnunjrsnmrk := 144 l'fpnnifieni. Die
schlechte, sich sogar verschlechten »de Pragelechnik, das oftmalige Verrufen
(»Verbieten«) und Erneuem der lunlaufenden Mflnze im finonKiellcn Interesse
des MOnzhcrm, die systematischen und illegitimen Herabsetzungen des Münz-
fusses, enilliih die massenhaften MftnzMUchungi.-n bewirkten, dass fast flbcrall
der Zwanifskurs nur ein subsidiärer Mieb, nebt'U dem jiezalillen das gewi.*gene
Metall fortfuhr als Geld zu fungieren. Hierauf beruhte im Norden der
Gegensatz zwischen »gewogener« und »gezilliJler* Mark oder zvnstiitu Ver-
Icehrsmark (a^tw. mar/k käpfrild) und vulksrcchllicher Mark (asw, m. karlgilJ),
in Frirsland der Gegcns;itJt zwischen 'Gewandmark- \hmlmerk ^ 4 n^dnt ^ '/j
Itinmerk «xler ieldmerk d. i. 'Gcldmark« /.u \l Ä'liillin^} oticr *Volksmark«
ijiüdmerk) und 'Viiller« oder •■grosser Mark« i/tilU. grait merk)^ in England
der Gegensatz \'on libm pensaia und lifmi ad niimemm. Die friesische wed-
murk hat ihr we-ätnordtschcji Seiteiu^tüci; iu der Frie^Biellenmark {m^ri vaämä/a)
iodeni die i'fcnnigimze in einer bestimmten Zahl (gemeiniglich 6k von Ellen
das lattmiil (üben S. 173) entrichtet werden konnte. Trotz dieser UnvoII-
kommenheit und der glciclizcitigcn Seltenheit des Geldes wurde doch der
Name des Geldgcwichls ^ wn. «i*#w. on. örir (meist im l'lur. ) — bei dea
Skandinaven Benennung der Habe Überhaupt {= fe), so duss zwischen /aiir
anr als liegendem imd lams cenr {iSsSre) oder flytjaHdi cerer als dem losen
oder fahrenden Gut miterschieden wurde.'
§ 64. Das altgcrm. ÄKdiiliarcigcntum mit etlichen Neueren zu einem,
blossc-n Besitz cniiedrigcn kann nur, wer ausser Acht las«, dass schon in
der Urzeit Eigcntum.'K.-rwerb an Fahrnis ohne Besitzerwerb mOgliiii und mit
Besitzverlust Eigenttunsverlust keineswegs gegeben war. Letzteres ist aus
der Bicnenfolge des Zcidleis zu ersehen. Die älteste Art des Elgentums-
crwcrbs aber ist das Wtridwerk (au. fehfr), d. h. das Si>eisesuchen. Das Er-
wcidclc nun aber »geliörte-', soweit die Pürsch ttder der Fütchfang frei, dem
Weidmann ;ils stilchem und sonst dem Grundeigentümer, auf dessen B(xlen
das Wild erjagt, in dessen Teich der Fisch gefangen war, — also mr^glicher-
1 Zar Recbtsgeschiclile des Geldes s, ausser den bei R. Schröder Lehrb. S.
IS4, 510 silierten: v. Kiss, f>. Znht- u. SchmucItrmggrkUr 1859, v. Rtchlbofen,
Zur Z. SiLton. S. 358 — J^i, Wilda, Sira/r. S. 323~33<). — »'. I tiams-Sternegg
JA Zachr. f. SofLal- n. Wirt.-(diarLst;ewhk.hle iKq^ S. I (f., Herk (u. Siebs), D. ati/rits.
GtrUhtsv<rf<tiig. i8<>4 -S. 458—487. Jackcl in Z,v.hr. f. Xumunialik XI (1883) S. 189
— 30I. XJI tl885) S- 144 — 200, II. DanncoberK. D. Jeul. J/üni^n der t&As. u.
fränk. Kais€ruit\ 1876 (ei>cnda S. XVIII flg., Spcziallitcrauu-). II 1894. v. Ricbthofcn,
AJi/rui. iVörUrb. {unter den tinü. Schbfivr(*ncm). Itcbrcßd. D. Afoffjfb. /''ragtn%.\.
^Üümvaret^n', [Kockinger bei] Lcrchenfcld, D. allbaier. landständ. Frtibriefe 343,
356—5'». Kricdcnsburg. S^hUsifm Mtimg,ifh. i. AtA. (In Cod. dipl. Sil. XU. XIII
1887. 88), V. Joseph, O'oldmün%en d^s 14. «. {$ Jahrh. 1882: — C. F. Keary in
Ntunbmatic cfartinide XV'III, XIX (aucb in scbwcd. Auung in Vitlcrbet»-Hui. odil Antl*
«|oii. \V»A. MAiiadsblid. St<»tlshuliii 1882 .S. 46—59. Di.Ts.. A calnl. of Kngl. coins in t/u
firtt. Miutum. Angiaaxon Stria I 188;. Ruding. AnntiU 0/ tke coinagt <>f great Jirüain
1819, Linds«)-, A vinif 0/ Ihe toinagr ttf the JJrpttirchy t84a. B. E. Hildebrind,
Amgiottuksiscka mynl 2- AuH. i88t, R. Schinid, /), 6>Wr. Ätr Angtls. 1858 GIois. s.
«, aCriämhnung*, LiebettHADn in Deut. Zschr. f. Geachwisscnscb. VI 189t S. 148 f^
— S. Möller Ringguhi (in AMbuger f. nord. OldW. 1886 S. 300—308). H- Hilde-
btAnd in Minadsblail, Slockh. 1883 S. 132 — 134, Sieeniilnip, StuJier 1 325 — 65,
llnubcrg, Danmarks yfvnt-mtsen i. t^-jj — t^Ht (in Axrhugcr 1886, S. 133 — 189, Kord*
Sllöm, Diärag Uli prnningniiiitndeti ktst. i St>ertge 1850, H. Hildebrand, Svertges
MtiUltiät I S. 770 — 945, Holmbue, De priica re ntomrtaria JVorvrgtae 3, AuA. (854,
äcfajve [8t Holmboef Xorgr-f mvnler i rnüidrialdtren 1858— 1865, Derselbe; Om For-
hotdet i AtidditaldertH mtlUm drn norskr Mark .'ürh- og drn . . . gangbart Afvnlmark
elc (Christ. Vidctuk. SeUk. Forbjuidl. 1876). — v. Amira, Aardgerman. Obligationen'
Jiuht I § h,. i: § 54.
176 IX. RBcjrr. B. Altertümer.
weis« einem, der Besitz ergreifen weder wollte noch konnte. Das Rcclit der
Wildf"lge stand damit in unmittelbarem Zusimmenhnng. Auth der Rigcn-
tumserwxrb kraft des am weitesten im Nurclen entwickelten Strandreelits und
des in Deutschland ilnn nachgebildeten Cinindrulirre<;hti. sodann der in den
deut Quellen des MA. eine so grosse Rolle spielende Erwerb des anrts.
d. i. an den vom Nachbarbaum überfüllenden Früchten, endlich der vun er-
erbter Fahrhabe waren nirtit dun:h Besitzergreifung bedingt. Von den anth^rn
Arten des Eigeiitumscrwcrbs sind, da der Vertrag in § (<) — yi besprochen
wird, hier hervor/uheben die Beute im rechten Kampf und die tJkkuj>ation.
Aneignung von Bienen konnte geschehen, indem der Okkupant den Bienen-
haiim mit einem Zeichen versah oder indem er ein Zeichen beim Schwärm
y-urückliess. Cbrigens wurde die Bcsil7.nahnie vm Bienen auf fremdem
Boden in m:mchen KR. als Fund behandelt. Erwcrbsm« m* .(«ile waren mit
den S. 170 genannten und hauptsilrhlich in Deutschland ausgebildeten Re-
galien gi'geben. Dazu kommt das spccifisch deutsclie Bergregal und das so
ziemlich überall zu den Merrscherr echten gezahlte sog. Heim fallsrecht des
erblosen Gutes (skand. dünar~ oder Jana arfr^ <L ff). Was sonst noch als
besondere Art des Eigen tumserA-erbs aufgefuiirt zu werden pflegt, der Frucht-
erw'erb durch »Verdienen«, beruht auf der german. Vorstellung, dass schon
die fruchttragenden Gewächse sdbRt, ebenso wie z. B. der Wald oder die
Wiest*, einem andern gehören kiinnen als der Boden, wuriu sie wurzeln*. —
Individualeigen tum an Falimis ist den Germanen bfi üireiii Eintritt in
die (»eschichte geläufig. Dorli war es Chereihmf;, wenn Heutige hieraus
gesi-hliiösen haben, das Mubiliarcrb recht in unserem Sinne sei aller als das
GninderbrtH^ht. Denn da.s bewegliche Indi\-idual eigen, welches fllter ist als
das unbewegliche, wurde nicht vererbt, sondeni seinem Herrn in 's Grab mit-
gegeben, Was er dagegen zurückliess. war Gesamteij;en der V'ei-wandten.
Aus diesem erst liat wich dits vererbliche Individualeigcntuni an Fahrhabe
analog dem .-m Land und kaum ohne Mitvvirkung christlicher Cjcclanken ab-
gd<.'«t. Aber das ehcmaUge Kollektiveigentum hat auf dem Gebiet de»
Jl'ibiÜarrechts schwürher nachgewirkt als auf dem des Gmntlgüt errech U.
Immerhin erhieU sich in skand. wie deuL RR. der Salz, dass man nicht bei
ven^icchender Leibesknift se-ine Fahrbabe und sein wohlgcwonnen Gut i:>luic
Erlienknnscns vergeben L<"inne. daher nicht auf dem Kranken- oder gar
Sterbebett, nicht bei Uinemv'igen zu bestimmten Krafl|)R»ben. Dem Anschein
nach in diesen Zusammenhang gehiirt aui-h der [leni.s<lirl. Satz, wonach man
Fahrbabe nicht verschenken kaiui, oluie sie aus seinem Besitz zu lassen.
Andere gesetzliche Disjifwtitiunsbe-schrflnkungen brachte auch beim Mobiliar-
eigen das Ga.strecht, insbes'indere im Norden, mit sich. — Auffällig s«hwach
ist in den meisten german. RR.,* sogar dem sonst so romanislerteii wcst-
gotisclien, der prozessuale .Schutz des Mobiliarcigcntums, Der Eigen-
tümer ist prinzipiell auf die B^^itzklage (§ ft6) verwiesen. Denn »Hand soll
Hand schützen« oder ihr -Gewähr' ]ei.sten (fries, hoiid sffl hotid ivfra, mnd.
haut seimi hanl Tvamt), und andererseits *muss man seinen Glauben da
suchen, wo mau ihn gelassen-, cl. h. wer freiwillig sich des Besitze» von
Fahrnis entiiussert, kann ihn nur von seinem Kontrahenten zurück gewimien.
1 Vt:l. r.. B. Ö)i. Bli. 33, Jy. t-. 1 $3, Gr. Ib i l£s iii, 94. 95, 96, 104 mitStobbe
HuTKll.. SS 7fl Nr- 3.
■ Ittig hüll Branill Korel. I S. 105, 182 f. Jas altnnrw. R. fDr aus^jcnominen. Unter
ilcn vi.d Unii /iiiprliH Slcllwi beli^l gcrajc Gu, 254 (= Ju, 1^5. 1-1. IX. ^. IUI. VIII 7)
9chli^JcnlJ. dnss »luh >la-'< otirwf^. R. von dem ubm l)o«|>rncbcfi(?n Piinzip atue^hc. Denn
der Kliti;«t imistt iK-wciscn, er habe aich 4es BmiUm nkht fTt'iwillJtl eniÜUKftert.
5- Vermögen-: Mobiuareigextum. Rschte ax preuoem Gtrr. 177
In soweit fehlt die Eigentumsklage. Dies, verbunden mit dem Sprachgebrauch
i>E^en = Gnindcigen, Grundstück» (oben S. i6g), wozu »Habe« = Mobi-
Uareigentiim den Gegensatz bilden kann, führt zu der Vennulung. wahres
Eigen (Gehören) an Faliniis sei viel spater anerkannt worden als der blosse
g t>5. Zeitliche Gebrauchs- und Nutzungsrechte an fremden Sachen
konnten erst mit dem Zurficktrclcn des KoIIcktivdgentunut Spirlnium finden.
Als Kestc desselben <laucrten nach Aufteilung der Feld-Marken zu S"nder-
eigen Grunddicnbl barkeiten fnri. Aber auch durch die romano-german.
Ao^i/alüas untl überall durrh Vcrtrjig konnten snlche »Eingriffsrechle- {islrind.
i/fuf) und andere i)crsnnliche Dienstbarkeiten begründet werden. Von den
letztem war bei den Südgermanen die gebrüurhlirhste das in Deutschland
unter den Namen iifto<bl und Hpj^Jsn^ auftretende lebenslängliche und meist
übertragbare Gebrauchs- und Nutzungsrecht. Eine besondere und oft gesetz-
lich bestimmte Erscheinungsfmm derselben ist der Altenteil. Charakteristischer
noch sind aber für die südgennnn. RR. die mancherlei dauernden Besitz-,
Venrainmgs- und Nutzungsrechte an agelichenejn« liegendem Gut, zu
deren Ausbildung und Ausbreitung der Grossgrundbesitz und die slaatsrecht-
Uchen Verhältnisse die Ursachen abgegeben haben. Nicht nur wurde nach
der Vi'ilkerwanderang in Süd- und Mitteleuropa die pncana. d. i. der auf
schriftliche Bitte gewährte Nie;ssbrauch des n'im. Vulgarrechts aufgenommen
mid zu einer I-indleilie umgestaltet, die regelmassig anf Lebenszeit des Be-
Kehcnen {nicht immer eines Bauern) oder auf eine bestimmte Zalil von
»Leibern* begründet, durch einen Zins zu vergelten, bei Zins Versäumnis dem
Htimfall aasgcsctzt. endlich zum Schutz des Eigentümers fiinljahriger Er-
neuerung untcrwnrfcn war. Man hat vielmehr auch, was man l.'ingst vor
aller Bekanntschaft mit rrtm. K. unfreien Leuten aus Gnaden itberiitss (oben
S. 139), nunmehr freien Baiieni — behufs mittel- oder unmittelbarer Ge-
winntmg ilirer ArbeitskrJLfte — im Vertragsweg eingcrüumt. Der massarius
z. B. auf der langob. rnso mnssarina konnte ebensowohl ein Freier wie ein
Unfreier sein. Das» rüiiiische Lcihevcrhältnisse vorbildlich für gewisse deutsche
Leihearten gewesen, soll darum nirJit geleugnet werden. Den Gegenstand
(ags. lifnUtnd) der bauerlichen Leihe bildete ein Wirtschaftsanwesen, sei
es Ht>f oder Kote, nebst Zubehör. Dieses sollte unmittelbar der vi »llen
Nutzung der belichenen Bauern unterstehen. Zwt^k der Leihe war aber,
der Wirtschaft des Grundherrn zu dienen. Daher war der hauerlichen Leihe
wesentlich, dass der Beliclienc |ieriodlsche Nutzungsaquivalentc an den
Grundherrn zu geben hatte, falls nicht der Brwlen erst urbar zu machen und
der Bauer hiczu verpflichtet war, wie beim baier. Otfircchi. Die Nutzungs-
Aquivalentc bestanden bald in gemessenen Natural- otler Geldaligaben, Zinsen
(ags. }(afel, ahd. kelsiar. — miat. Iribuia. cemus). bald in Ertragsquellen, wie
z. B. allgemein beim langobard. hmpitatiftun nach 574. Neben den Abgaben,
bei Lcüie kleiner Güter statt ihrer, halte der Bauer, wenn ihm das Gut nicht
■zu Mcicrrecht«, d. h. wie einem sein Amt pachtenden Gutsverwaltcr, ge-
liehen war, noch Frohndienste (ags. wton\ allenfalls gegen Verköstigung zu
verridilen. Doch kommen Frv)luulen, insbesondere in der Form der Wochen-
arlx'ii, in DeuL-sciibnd weniger hei den zur Beleihung voll- und mindcrfreicr
Leute bestimmten Gütern {mansi in^mmUs und lidiles. in Italien casat coh-
nidae und aläiarUiae) als bei den an Unfreie nach »Hofrecht« vergebenen
{tmansi servÜts) vor. Unwese-ntüch ferner, aber hliurig, war die Verpflichtung
dci Bauern zu einer HandaiidcrungsgeboJir (•Ehrschalz, Handlohn, Gewinn-
gdd. Anleite, laudcmitun« ), rcgelmAssig auch seine Pflicht das Gut zu bc-
GcnnanlKhc Phltol^srie IIL 2. .^uA. \2
178
IX. Reckt. B. AltertCmer.
wirtscliaflL-n und zu bessern. Nicht nur diese Punkte, sondern auch Kttn-
digiiiigsrccht des Grundherrn, Abmeieninj wegen GuLweriM:hlechtening und
Zinsversau ninis, Zinsbusse im letztem Fall (sog. Rutschensins), Nutzungs-
vorbchaltc für den Gruiidiiemi. andt-rcrscils Ausstattung des Bauerngutes mit
Inventur diin-ti denselben. V'tT('rl>lichkfJt, Bela.-ttbarkcit des Gutes und seine
VcrJlusserlidikeil unter «Hausgenossen« ^s. oben S. 151), Bedingungen der
GutHübergalie an den Erben und Interims- (»Satz*-) Wirtschaft standen im
MA. meist für ganze Gmp|i<Ti von Gfltem die zum nämlichen Saibof ge-
hörten, gcwolinlicitsrechtlicli fest, was sicli auch vtelfadi in der tecluiischcn
Benennung tlcr Gßtcr (/. B. in den ol>en angeführten Namen) und ihrer
Inhaber (z. B. agN. ^ene'al, — ^rln'tr i. e. S, — cotselia) ausdrückte. Seit dem
II. Jahrb. das juristische w-ic ükonomischc Sciteiistück der bäuerlichen war
die stadtische Leihe, namUch die Hingabe einer Hofstatt oder eines
Hauses <Kler eines Verkauf splalzes gegen Zias (als Reallast), daneben etwa
noch Dienste, zti erblichem Gebrauchsret'ht {»Erbrecht, Erbzins recht«, nd.
auch ifkbtltic, mbd. hntrnht). Hingegen seinem Zweck und folgeweise seiner
Struktur nach von der bäuerlichen und städtischen Leihe, welche es auch an
politischer Bed<nitung weit hinter sich liess, verschieden war das (»rechte«)
Lehen (mlat heneficium, c Q30 zuerst in Südfrankreich ßeum, fnmm. dann
ftoilsim [= /rr>-utn.^ nach Kern v. /M»«]), wie es sich seit dem 8. Jahrb. im
fränkischen Reich entwickelt und dann über die meisten christlichen Länder
verbreitet hat. Als benefinum i. e. S. tritt es zuerst an die Stelle des wider-
ruflichen Landeigenlunis, womit liis dahin fUe Hulde des Vassalien (S. lt)8)
gelohnt zu wenlen pflegte. Fortan bleibt die Beziehung zur Vassalität charak-
Icristisch fürs echte Lehen im Gegensatz zum Bauern- mler Zinslehen, wie
zum Hoflehen des Dienslmaiinen, und zu jedem Lehen ohne »Mannschaft»
und in SU fem ist das Leiien >Ritiers<)ld'' [siipirndianttm bonNm], Unwesent-
lich dagegen bt dem echten Lehen Zinspflicht des Beliehencn. Das geliehene
Gut war iinfangs Gmnd und Boden. Alsbald aber finden sich auch dauernde
Rechte auf Einkünfte und Rechte, mit denen solche verbunden sind, ins-
liesundere Regalien und Ämter als Lehensobjekte ^vgl. oben S. 147, 152).
Das Recht des Belieheneti am Gut dauerte nur so lange, als sein Vassallen-
verhaltnis zum Verleiher. Es hfirte dalier mit dem Herni- oder Thronfall
wie mit dein Mannfall auf. Ausserdeni konnte der Herr das benefirium ein-
ziehen, wenn der Manu dasselbe verschlechterte oder seine Vassallenpflichten
verletzte. Schon im 0. Jahrh. wird durch Vertnig die Leihe Aber den Herm-
und Mannfall hinaus verlängert und bei gewissen Lelien Wiederverleibung .an
den Sohn des verstorbenen Vaswdlen gegen Mulde gebraurJiiich. Am Anfang
des II. Jahrhs. ist etbeUhcn bereits technischer Ausdruck, und im 12. g;ibt
jedes Lehen, bestimmte Arten \'on Lehen ausgenommen, im Zweifel ein
bleibendes und auf die mannlichen, partilcularrcrhtlich auch die weiblichen
Naclikommen des Mannes vererbliches Recht. Der Maim hat nun die »Fo^e
an den andern Herrn«, d. h. er behalt das Lehen, wenn er es rechtzeitig mit
Mannschaft »sinnet« oder »mutet* d. h. um Belehnung (sog. Lehensemeuerung)
bittet, und analog Ut die Stellung seiner tehcnfälügen Erben Udm Mannfalle.
Die Lehensemeuerung braucht nur von einem unter mehreren Rechtsnach-
folgern des Herrn und noch im 15. Jahrh. nur an einen unter mehreren
Vassallenerben zu ergehen. Später freilich kennen die letztem Belohnung
XU gesamter Hand verlangen. Persi>nen, über deren I^henunfahigkeit als
blosse Unfähigkeit zur Mannsctutft der Herr hinwegsehen durfte, konnten
ein Lehen mit der Massgabe erlangen, dass ihnen ein >Lel)cntr3ger<, d. h.
ein Lehenfahigcr als Vassall an ihrer Statt, dasselbe ^-erdienie. Das Recht
S. VeruOobk: Lbkxh. Bbsits.
«79
W
des Mannes am Lcheu ging in der Kegel so weit, dass er nn demselben
dingliche Rechte für andere, unl>esrhadet der Rechte des Herrn ii»d der
l*henerben am Gut bestellen, insbesondere os (als aflerifhen\ an seinen
Vassjillcn weiter Icilicn. ja sogar, dass er mit ihrer ErSauljnis das Gut für
die Dauer belasten und verSussem konnte. Zu gesamter Hand Bcluluite
•chuldcten dem Herrn nur eines Vassallen (Lehen trflgcrs) Mannschaft und
Itonnten die Nutzungen des Lehens unter Aufhebung der gemeinsamen Wirt-
srhafi teilen \miiiuhnr. Tjrterung). Das I^hcii selbst teilen konnten sie unter
Auflicbung des gcmeinsthaftlichen Vassallpnvrrhaltnisses partikularrccbtlich
enra seit 1^50 auch unter Fortbestand desselben. Ist der Vassall minder-
jährig, SU zieht der Herr die Nutxungcn des Lehens (das anntlle) imd hat
er die l^ensvormundschaft. Er kann aber auch beide zu Lehen auslhun.
»Ledig« uird das Lehen dem Herrn unmittelbar diirrh T»xi, Ächtung und
freiwilligen .\bg:ing des Vassallen uhne I^henfolger, sonst mittels lehcn-
gerichtiither Aberkennung (»Verteilung«) des Lehens g^enüber dem Vaj»sallen
wegen Treubruchs oder eines andern schweren Verschuldens, Unabhängig
vnm frtink. l»enefiriiim, ja sogar früher als dieses ist ein demselben ähn-
liches Institut im ags. Dienstgut entstanden, welthes ein gesiäcundman (S. 367)
vtjn seinem Herrn erhielt und bis zur KOndigung seinerseits oder bis zur
Versauiimia seiner Heerfahrt zu nützen und in Stand zu halten hatte ijne
51, 65 — 66, 68). Dagegen drang im 11. Jahrh. von Deutschland aus das
Lchenwesen in <len skandinav. Norden vor. Freilich ist es dann hier, und
zwar selbst in Danemark, im Grossen und Ganzen auf der untersten Stufe
seiner Entwicklung stehen geblieben. Zwar gab es Lehen an Hoheitsrcchien
(fQniÜiche oder Fahiicnlchen) wie an Diensigütem und k/iniglichen Ein-
künften für Beamte und Gefnlgsmannen. Aber der Regel nach blieben sie
tinerblich, ja .sogar widerruflich, gewahrten sie ferner nur bestimmte, aufge-
zahlte Nutzungen. Überdies entbehrten sie der begrifflichen Verbindung mit
der Mann- odv-x Gefolgschaft Ein dem bcneficium entsprechendes nationales
norweg. Institut war die i*ei:ia (v, vn'in ^ verleihen), (Gegenstand derselben ein
Knmgut (viishij^rJi, wogegen das (en im Norden regelmilssigauf Hi'heit-sreclite
»ch bezog und dem Empfanger Abgaben und militÄrischc I^nsiungcn auferlegta
§ 66. Der Besitz nach gcrman. Anschauung ist stets tliatsüchUdies tmd
Ol 'fglich erweise ttidemiriiches »Haben« (got. Imhan oben S. 169, an. hafäS
oder Verfügen üt>cr eine Sache: ahd. fiabi'ih, skand. fir/d. In der deut,
Terminologie des MA. erscheint er als ffnivrr «idcr gncer (ahd. gjweri), was
wetler mit einer »Gewahr« noch mit einer »Wehr« irgend etwas zu schaffen
hat, vielmehr 'Bekleidung« bedeutet und durch veslilura übersetzt wird. Im
letzten Jahrh. des MA. entli-hnt vier Norden diese Metapher der deut
RSprache. W.lhrend der Besitz an Falirnis durch deren Gewahrsam gegeben
bt, wird er an Liegenschaften hei liemjenigen angenommen, der mittel- oder
unmittelbar den Nutzen derselben zieht Die ^cere an Liegenschaften ist
eine ntizüehe, und iaut< ilogLsch sagte man nu: und g^tfef\ um den Immobiliar-
besitz zu bezeichnen. Daher hatte den Uesitz von I..tnd, wer als Pachter
oder Zinsbauer dessen Früchte erntete, ebenso aber auch, wer den Zins da-
von bez*)g, ferner der Vassiill. wenn er das Lehen nützte, der Lehenlierr,
wenn er den Dien.st des Vassallen gauxis. Damit war mehrfache Gewere
verschiedener Leute am namÜchen Gut ermöglicht Die in unmittelbarer
Nutzung bestehende liicss die UikclUhf. Andererseits fehlt die Gcwcre dem,
der nur für einen andern l>esitzt wie z. B. dt-m Guts Verwalter. Gewere, die
sich als .^u-sübung eines Rechts gibt, wurde mnd. nach diesem benannt
(z. D. eigtnliehe, Unts gru'err), Gewere dagegen ohne Rücksicht auf wirklichen
12»
i8o IX. Recht. B. AltertOmbr.
oder vorgesthüUtcii Besjtztitel gtmcne oder i>lo/e (auch hrhbcnde] grtvcrt.
Widerrechtliche Angriffe auf seinon Besitz konnte <Ier Besitzer mit Gewalt
abwehren. Weiterhin aber galt im Prozess um Gut das Prinzip, dass
»Eignung naher ist dem, der hat, als dem, der anspricht-, d. h. dass {soweit
das Beweismittel einseitig) als Angegriffener der Ucsiizer zum Beweis seines
ßcsitztitcis komtiit, wenn sein Angreifer keine Behaupluiig aufstellt, bei deren
Wahrheil jener hinfilllig wäre. Aber auch eine »■>lche Behauptung fand im
Prozess um Liegenschaften keine Berücksichtigung, wenn der Besitz des An-
gegriffenen als Rcuhlsausübung und un;nigef<x'hlen eine bestimmte Frist hin-
durch gedauert liatte, hezw. wenn der durch die Behauptung zu stützende
Anspruch nicht rechtzeitig erhoben war (mnd. retkte gewert, t»n. laghahtrß»).
Missbrauch mit diesen Grundsätzen war durch das andere Prinzip ausgc-
fichl<Jt»en, dass »man sich zum Beweisrecht nicht rauben, noch stehlen kr«nne»,
vielmehr der raublich urlangleii Gcwere (on. ramhtcfp') gegeuüber th:r Ent-
wene die heweisrechdiche Stellung des Besitzers behalte. Waren beide Par-
teieu im Besilz, so kam diejenige zum Beweis, welche ihren Besitztitel von
der suidcrn ableitete. War diu^ch den Satz von der raublichen Gewere ein
prozessualer Besitzesschutz vermittelt, so war ein solcher unmittelbar gegeben
in dem Klagcredit desjenigen, dem Fahrnis wider seinen Willen abhanden
gekommen war. Will er den Besitzer nicht unmittelbar des DiebstatUs oder
Kaubt-'s besi: huldigen, so erscheint seine Klage im dcut. R, der Funn nach
als sog. Ane fang!. klage. Der Kläger, der die Sache beim Besitzer antraf,
leitete seine Verfolgung damit ein, dass er, gleichsam Besitz ergreifend, an
die Sache als eine ihm entwendete seine Hand legte (mhd. auerane, vimuinc,
ags. lei/ong, forefong, ttlfön und öfter noch befön, abaicr. hnntaiöd ). Diesem
Verfahren entspricht das on. Itantisama. Der Besitzer hatte bieniuf cniA-eder
die klägerische Behauptung unfreiwilligen Besitzverlustes zu widerlegen (— ein
Fall der ags. ägriting — ) oder aber die Sache seinem Besitzvorgängcr ( •Ge-
währen-) »zuzufüJiren« oder »zuzuschieben*, auf da-ss dieser die Widerlegimg
des Klägers übernehme. ^ Letzteren Falls trat der Gewahre in die Rolle
des beklagten Besilzcis. Der Zug (ags. team, mlid. schup, on. Ups») an den
GewlUiren (ags. gettfama. ns. gewere, ivareul, fries. weranri, «Ti. heimildannadr^
on. hemiikman oder iali) war ursprünglich nur dreimal gcstiiltct, dalicr die
Antwort des ersten Beklagten on. ein lepti til pHpia saia und miat. die Klage
selbst ein inlertiare oder in lertiam matium miiure, so dass der dritte Besilz-
vorgängcr des ttslcn Beklagten obigen Widerlegimgs beweis zu führen hatte.
Blieb der Kläger imwiderlegt und bescheinigte er den unfreiwilligen Besitz-
verlust eidlich, so musste ihm die Sache ausgeliefert werden. Ausserdem
aber hatte nach dem altem R. der Beklagte von dem nun auf ihn fallenden
Verdacht des dieblichen Emi'erbs sich zn reinigen. Denn »wo der Gewahre
fehlt, fehlt nicht der Strick«^ (dan. Sprw.). Endlich war nach älterm deut. R.
der F.niwertp innerhalb iler nächsten drei Nächte nach dem Besitzverlust
befugt, die Sache eigenmächtig an sich fw nehmen. Ein dem Ancfangs-
prozcss um Fahrnis analoges Verfahren um Liegenschaften ist in verschiedenen
Rechten seit den frühesten Zeilen nachweisbar, so das langob. *wiffan*
(Strohwisch aufslcdcen), die wnord. l^gfesia (durch Aufstecken eines Kicuxes
oder Hinwerfen eines Stabes, der nfrSnk. voreiimber oder claite.
§ 67. Dem Be^tz wie den Rechten an Sachen gegenüber stand die
t Tlass dem Beklagten nur motivieric Verneinung gestattet wird, dflrfte sich aus den
pKuesmalen CtniadsllUcn tib« die Bewebmittel erkläre». Di^n l.nnduntflien Erklänings-
Tsnucb (Unredlichkeit des Beklagten prSsumiorl) halte ieh für eine |X'iilin principü.
5. Vermögen: Schulokk.
i8i
W
W
»Schuld* (Verbalabsir. vom PrIlteritnpriLs. sitt/an),^ als das blosse Sollen
nämlich ein Bekoiumensollen des Einen und Leistensollen {skttUtn L e. S.
mil dem Dat. pcrs.) des Andern. In diesem Doppelsinn war »Schuld« ein
Zustand zweier Parteien, nicht allein dessen, der goi. als skula, ahd. als skulo
und heute als Schuldner cnicheint, sondern auch des GISubigcrs, weswegen
dieser so yut wie jener wn. skuidanaulr (=Schuldgenos,sr) oder skuUartnaär^
on. tkvitiughtr, mhd. iehnläman, ichultirturre, srhuiiii^ere. Ja sogar grllure, bt'
zakr heissen konnte. Vom Stimdpunkt des GISubigers aus war die Schuld
aber auch ein ^Haben- — an. c/fn — , insofern, als ihm «beim« Schuldner
oder >untcr' demselben das geschuldete Gut gehörte. Daher waren Schul-
den, deren Erfüllung den ülSubiger bereicherte. Bestandteile seiner Habe
und mit ilir vererblich, wenn schon nicht für sich allein übertragbar, Schulden
femer, deren Erfüllung den Schuldner «irmer machte, Passiva im Schuldner-
vcrmijgen. Nicht bloss Geld (ol^en S. i/.^f.) oder Sai:hen von Geldeswert,
auch andere Güter, insbesondere erlaubte Handlungen aller Art konnten
geschuldet werden. Wie die Art und oft auch das Mass des Scliuldobjekts,
entsprechend den Entsteh ungsgründen der Schuld (den verschiedenen Ge-
schaTtst>'pen, Übelthaten. verwandtschaftlichen, nachbarlichen, Gemdnschafts-
verhaltnifisen) vom Recht geordnet war, würde ein spezieller, von diesem
Gnmdriss jedoch ausgeschlossener, Teil des Schuldrechts zu zeigen haben.
Die rechlhche Bedeutung der Schuld !:ig zunflchst uml mindestens darin,
dass, was riunh ihre Erfflllung seitens des SduUdners oder eines Dritten an
den Glaubiger kam, rechtmässig bei diesem blieb, und dass anderenwits das
•Versitzen« der Schuld «xier das »Vorenthahen« des Geschuldeten als ein
Unrecht galt, welches — ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt — nach alterer
Auffassung Sühne dun h Busse, nicht etwa Begleichung durch Zins (an. kiga\
oder Interessenvergütung fonlerte. Mit der Dauer des Verzugs wuchs das
Unrecht, so dass sich die Verzugsbusse steigern konnte. Im deut. R. des
MA. treten die Verzugsbassen zurück. Aber nur wenige und hauptsächlich
nur stAdiische KR. füllen die Lücke durch einen Ersatzanspruch für den
Vcrzugs->Schaden< aus, während in bestimmten Mietfällen eine fixierte In-
tcrcsscnvcrgütung die Stelle der Verzugsbusse einnahm, sonst aber es darauf
ankam, ob der Gläubiger sich von seinem Schuldner den 'Schaden« hatte
»geloben* lassen. Unter den I^»ndrcc:hten ist es luiuptsachlich das jüngere
wnordische, insonderheit islandische, welches den Begriff des Verzugszinses
{Ifgiaga) ausbildet. Erfüllen oder »schUessen (skand. luJka) konnte man eine
Schuld nicht durch Zahlung d. h. durch blosses HinzUhlen, wenn auch etw-a
durch Aufreihen oder >Brt:iten< (wn. niäa, on. rapa, mhd. rciie»), so lange
«9 kein Geld mit Zwangskurs (oben § 63) gab. Aber auch nachher verur-
sachte die Ammt ganzer Lander an gemünztem Geld, dass der Glaubiger
Tcchtlich genötigt blieb, bestimmte »Wertsachen* an Geldes Stall anzuneh-
men, sei es zu einer gesetzlichen Ta.\e, sei es nach Abschätzung im einzeJnen
Fall. Musste man beim Leisten oder »Gelten* von Sachen dieselben ab-
meraen oder abbiegen, so kam, wie auch in den andern Fällen des Messens,
gewöhnlich ein natürliches Mass zur Anwendung. Leibesglieder und Leibes-
kraft, HOr- und 5>cheweite, Augcnmass, übliche Kleidungsstücke und Gerate.
Ennigs- und Aufnahmefähigkeit des Bodens, Zeitaufwand seiner Bearbeitung
spielten unter den natürlichen Massstaben die Hauptrolle. Oftmals war ein
solcher nur auf einen einzigen Fall berechnet. Aber so mannigfaltig die
Jklastsstabe hiernach w"aren, so gleichmUssig zeigen sie sich, weil aus den aller-
> DaAr {DL aucb das, viclktcbt d«m Slav. emlehnie, m. dulgs: Tgl. Bd. I S. 324.
i8j IX. Recut. B. AltsrtOuer.
frilhesicn Zeiten stammend, bei den german. Vr>Ikem verbreitet. Natirmale
kürvstlk'lic Masse sind g<;gciidcnwcise durch Fixierung natürlicher cntstandirn,
insbesondere für iJlngen und Flachen, Solche jüngere Masse geben, sfjwdt
nicht durch ihre Ver^■iel^l^ligung ein neues Hauptniass eingeführt wm, ihre
Herkunft daduruh zu erkennen, dass sie die Namen ihrer Vc)rlaufer (Elle,
Spanne, Handbreite, Fuss u. s. w.) fortführen. Aus der Fremde sind zum
Teil vor ihnen künstliche Masse aufgenommen wurden. Und wahrscheinlich
auü dein Südosten bejMigen ist die kOnsÜichc Gewichtseinheit, tUe sich heim
Beginn der hiMorisclien Zeit beinalie über die yanze gennaiiisclie Weh ver-
breitet zeigt, tiamUch die c. ^97* Gr. haltende Unze oder der skand. mTer
(on, örir), d. i. der achte Teil der »Mark«, der sechzclinte des altem süd-
gcrm. (ags. Iries.) ^Pfundes», das Dreifache der skaudin. *ejigugh (wn. ttrfog
etc.). Das deulsclie Lc»l (ags. f/ad. fries. lad) d. h. das "Ulcigewichtt ist
viclleichl durch Teilung aus der Unze abgeleitet. Im MA, bkibeu diese
Namen, wahrend die dadur<:h ausgedrürkten Gewichte durch die lokale
Rechisent Wicklung in verscliiedener Weise verändert werden. Wie die Grösse
der zu 'geltenden' Sachen, .so wurde auch die Erfüllungszeit mittelst natür-
licher Weiser gcineÄseri. Naturerscheinungen, Gepflugeidi eilen des Wirtschafts-
Jcbens, Feste liefcrleu die Massstilbe, wonach ein Tenniu i>der »Tagf (skand.
eiudagit sie/na) oder eine Frist abgegrenzt wurde. Fristen berechnete man in
der üUeni Zeit nadi Nüchteai. Im skand. R. besonders behebt war die fünf-
nüchtigc Frist {wn. ßmf, on. fcfmt), vielleicht die allgennan. Woche. Wahr-
scheinlich liegt sie anrli der deutschen Frist van 6 christlichen Wochen und
3 Tagen als Einheit zu Grunde.
§ 68. Für die Erfüllung einer Schuld trat regelm,lssig eine Garantie (mnd.
warin^, Ji'ftrf, wttrscap) oder » Einstünderschaft« (mnd. vorslunä. vgl. an. stauda
firi und das lat. pttititare) ein — "Bürgschafts im ursprimglichen w, S. (an.
borgan, ältvr^rt, ags, borh)^ oder »Warte« (on. mit Vorliebe jHirfttaper) genannt.
Dies geschah dadurch, dass für den Fall der Nichterfüllung ein freier Mensch
oder eine Sache einem Zugriff (skand. toi) ausgesetzt und in sofenie zum
Unterpfand (gerni. radi, w»izu lat. \-as, vadimonium z. vgl.) gemacht und
»gebunden* (mhd. xfihnud<u, ver~ oder hehe/M. venimkl) wurde. Aus dieser
der n^ra. Obligaiiun entsprechenden Gebundenheil tnler Haftung komitc
das Satisfaktionsobjekt nur durch Schuldtilgung oder Erlass (Entlassung) imd,
was dein gleich stand, »erlöst^^ oder »geledigt« werden. Die Geschichte des
gerni. Obligationenre<:hLs zeigt schon bei ihrem Beginn ilic beiden Haupt-
arten aller Haftung, welche den beiden Hauptfomien des Kredits entsprechen,
Sach- und Personenhaftung neben einander.
Die stark.«*te Realsicherheit wurde durch einen eigens hierauf gerichteten
Vertrag begründet. Eine Sache wurde als Pfand (gol. vadi, ags. wed, ahd.
7t'eii, mnd. xvcddc, skand. veä, nilal. fadiutn) j»ausgesetztE oder »versetzt* d. h.
dem Glaubiger preis- und in seinen Besitz und, wenn sie einen Ertrag ab-
warf, seine Nutzung gegeben, auf dass sie diesem eigen (•verwettet*) werde,
falls gehörige Erfüllung der Schuld unterbleiben sollte (sog. altere Satzung).
Da er sie wie einen Wc-licinsatz. an Erfüll ungsstati gewann, so schluss diese
An des Pfandes jede Peraonenhaflung für dieselbe Schuld aus. Erat als man
den Wert des Pfandes auf die Schuld aurechnete oder gar das Pfand zu
einem blossen Exekutionsobjekt machte und aus dessen Verkaufserlös den
1 »Bürge« im cnj-^m und nahMu isolierten Sinn ist allcnliiiK» der tldejuMor, aber gerade
desliiüb, weil vnn ihm nicht gesagt werden kjinn, da^ or uliiildct, scmdem nur dus er
Kaiantiett,
5- VermOgex: Haftungen.
1B3
Glflubi^er sk-h-befriediiifn licss, wurde ein Ncbeacinander von Pfand- und
Persi.^nciihaftiing müglich. Im MA. findet ^id^, dass tler Pfandglaubigcr für
den Fruchijtcnuss am versclzten Gul einen Zins zahlt. Dieser gepachteten
Satzting trat daiui eine geliehene, d. h. das uucb im Ssp. aus fnmidlea
Gründen verworfene Pfandlehen an die Seite. Unter dem Kinfluss des
kirddichen Wui^hervcrbutcü wurde verabredet, niitunter sugar ge>elzlich vur-
geschrielien, dasA dun'li den Fruchtgenuss des Gläubigere die &dmld aniurti-
siert werden sollte (mnd. doisate]. Wie Land ^nirden im MA. auch Rechte,
inübcsunderc — wie z. B. bei den Rcichspfandscbaflen — Hühcitsredite
versetzt Eiiie*jflngere Form des Immobiliar^'ersatzes ISssl den Verpffliuler
in Besitz und Kut/gt-i)u>s deti Pfaiidnbjekt:>, Wrlhreud das Satisfaktionsvet-
fahren die nanilichc F.ntwicklungsgeschichte durchmacht wie bei der altem
Fonn. Ucn Cberganj; zu dieser sog. neuem Satzung, die zwar fortgeschrit-
tenen Krcditverhaknisäen, doch kdneswegs, wie rtft lK:hauptel, überall spezi-
fisch stadtischen Wesens, ihren Urspnmg verdankt, vermittelte in einigen
RediLsge bieten die BelcUiung des Versetzers mit dem Pfandobjekt seitens
des VcrMtznehmcrs bei der ,'iltcm Satzung. Gencndliypo thekartige Verhalt-
niue sind germanisrhen Kecliten erst in ihren jungem Kntwtcklungsperioden
bekannt. Dagegen gewahrte das älteste Hecht neben dem ^goetzten« Pfand
auch norh dem •genommenen» (j>aat in der lex Fries., injant in einer
Glosse zur lex Aiani,, nach Siebs zunächst — »eingeschlossenes Vieh«, —
oo. Harn, ags. uiim, dazu mhd. mime, — endlich ags. auch uft/ und 6di/)
einen weiten Spielrrnim. Kigenmächtig durfte der Gläubiger Fahrhabe des
Schuldners in Be^itz nehmen, mn sie bis zur Auslosung zutückzubehalten,
nach einigen RR. auch um sich aus ihr zu befriedigen. Die pfandbaren
Sachen und der Ort der I'fandnahme. ebenso diu Einleitung derselben
durch förmliche Alahnung pflegten genau bestimmt zu sein. Nur eine kurze
Frist -stand der Gläubiger für das genommene Pfand ein, wenn er sich bereit
gezeigt hatte, dasselbe ausJöst-n zu lassen. Diese Pfanduahnu- stand prinzi-
piell wegen jeder unicii genbaren (ursprünglich audi wegen jeder nicht gehörig
geleugneten yj SihuLd dem Glaubiger frei. Femer durfte der Grundliesitzer
wegen handhafter Besitzstömng zur Pfandnahme ohne Vorverfahren schreiten.
Sadgerman. RR. haben sdum sehr früh, die nordischen erst im MA. die
Pfandnahme um gemeine Srhulden, soweit sie nicht <lurdi Vertrage gestattet
wurde, an die Mitwirkung der Obrigkeit gebunden nxler aber im Exekutions-
verfahren gegen den »arhfalligen Schuldner aufgehen lassen. Nur um be-
stimmte Geldschulden, insbesrmdere aus Störungen des Grundbesitzes, Zins-,
Zech- (nach dcut. RR. auch Spiel- )Schulden, dann Schulden an die eigene
Gilde imd an die Obrigkeit dauerte die ausserprozes.suale Pfandnahme fort.
Unter gewissen Voraussetzungen durfte der Gläubiger Sachen des Si huldnens
mitcr Erhebung eines Gegen-, (z. B. Loha-)Anspmchs zurückbehalten, ja
sogar gebrauchen, nützen und zu seiner Befriedigung verwenden, die weder
durdi Versatz noch durch Pfandualimc in .^^onen Besitz gelangt waren. Um
Sachhafiungen endlich aus Ȇbelthaten- von Unfreien oder Haus-
tieren handelte es sidi, weiui nach altgemi. R. der Verletzte Preisgabe des
>Thaten>> verlangen, der Eigentümer den-selben diuch Sühnleistiing ■ lösen« durfte.
Die älteste Art, Ä-ie freie Leute haftbar geniiKht wurden, scheint bei
Schulden aus reinen Kreditgesdiäfien eine pfandartige, nämlich die — v<m
Tac. (Germ, zo) mit ;,Beziehung auf den Avimculat erwähnte — Gelsel-
schdft, wobei an die Zeit zu erinnern ist, da der Verraögensverkehr nicht
aoM'ohl imtcr Individuen als unter Sippen sich abspielte. Das Rechtswort
■*Xxiäte&*i welches auf der letzten Stufe seiner Bedeutungscntw-icklung =
18^.
IX. Recht. 5. Altertümer.
Schuld crftlÜen, bedeutele ursprünglich (vgl. got. laütjan) das Eintreten in die
Spur des Gläubigers, wie es demjenigen oblag, der sicli als Geisel in Gefangen-
schaft »setzen« liess, und zwischen diesen beiden Bedeutungen liegt die des
Zahlen» für einen :indem. Die Geiselschaft ist auf dem Gebiet des Pcr-
sonalkrcdits das Aualugoii zur Sltcm Satzung. Analug dem verwcttetcu Pfand
verfiel denn auch der GeLscl bei Schuldvcrzug dem Gläubiger zu eigen.
Die Analogie zur neueren Satzung ergab sich, wenn man seine eigene
Freiheit oder seine LcibesgHcder oder seine Ehre nicht bloss als
Wett- oder Spieleinsatz preisgeben, sondern auch verpfänden konnte
Eine Pcrsoualsatzung in diesem Sinn ist die Bürgschaft (— fidejussiu oben
S- 182 n, i). Der Bürge Ist • Zugriffsmann« (skand. taki) wie der Geisel, nur
dass er sich nidit in Gefangenschaft beim Gläubiger befindet. Wie der Getsd
steht daher der Bürge primSr und (nach altcrm R.) in unvererblicher Weise
ein. War nun aber dem r*ers<inaJkredit nicht durch Vertrag in der beschrie-
benen Weise ein ZugTiffs«^jbjekt gewalirt, so verschaffte ihm das Gesetz seine
Genugthuung dadurch, class es die Pfandnahme und die Ächtung (ij 77)
des Haftenden zur Wahl des Gläubigers stellte. Nur k<jniite die Adit erst
eintreten, nachdem Verzugsbussen verfallen waren. Das im Verzug liegende
Unrecht (oben S. 181) musste ungesühnt geblieben sein. In ahnlicher Ver-
wendung wie die Acht erscheint dimn im MA. der Kin:henbann. Abwenden
konnte man die Acht, indem man sich vertragsm-Tssig in .SchuUlknecht-
schaft ergab (an, ^on^a i siu/«/), welche zuerst eine defhiiiive, später eine
durch Schuldtilgung lösliche Unfreiheit war. Wie durch Milderungen des
Achtverfahrens neue Satisfaktionsmiitc! entstanden sind, zeigt § <;2. Ein
nicht durch's Gesetz vorgesehenes, s<jndcrTi durch Vertrag zugesagtes ist die
Selbstintemierung oder das *Einlager« {»Einreiten«) des S^Jmldners oder
eines Dritten im Verzugsfall, welches seit dem 13. Jahrh. in Deutschland,
viel spater erst im Norden auftritt und von der im Privatrecht halbverschol-
lenen (echten) Geiselschaft den Namen (lat. ohsiagium) entlehnt Für jede
Personenhaftung charakteristisch war, dass ihr auf der Seite des Gläubigers
ein Vcrfolgungsrecht \y.i\. s^k, on. sni) entsprach, weiches als Recht zum
Ansprechen (anorw. h'eäja) oder Mahnen d, i. F.rinnem (ahd. manoH, on.
matia und minna), beg;inn und wenn nicht sogleich, so doch im nächsten
Verlauf als Recht zum /Vufordcrn (skaiid. kre^a, got. hattan'f) un<l zum Ein-
treiben (wn. heimtä) in prozessualem MahnvcTfahrcn mit Terminen, Fristen,
Formeln, Zeugen ausgeübt wurde und als Recht ziuu Gewaltverfahren ab-
»chtoss, soweit nirJit etwa die Form der Exekution die entscheidemle ThÄ-
tigkett in die Hand des öffentlichen Beamten legte. Dies Recht war bus ins
M.\. so wenig wie die Schuld unter Lebenden übertragbar. Wohl aber
konnte sein Tr.lger, wenn <iie Schuld auf wic< 1er kehrende Leistungen lautete,
durcl) den Besitz eines Grundstücks gegeben sein und mit demselben wech-
seln. Wie die Forderung hiedurch zum Reairecht wurde, so konnte die
persönliche Haftung zur Grund- 'xler Reallast'werden, indem sie als eine
r^elmassig nicht durch Kapital zalilung ablösbare dem jeweiligen Besitzer
eines Grundstücks auferlegt ward. Beide I'handnicne gehören freilich erst
dem Recht des MA. an und sind teils Ausflüsse oder Reste von grundlierr-
lichen bezw. Lei he Verhältnissen, teils unter Anlehnung an letztere vom Be-
dürfnis der Kapitalanlage hervorgerufen, wie das vornehmlich bei den *ge-
kauften« (Jülten, aber auch bei vielen »vorbehaltencn' Bodenzinsen der Fall
ist. teils endlich durch Privatisierung von Hoheitsrechten (z. B. auf Grutid-
stcuern, Zehnten) entstanden. Wie bei den Grundlasten des MA-, so kommt
schon nach altgcrm. K. ein Wechsel der obligierten Person im Zus
p
menhang mit dem Besitzwechsel an einer Sache in soichen F^Den vor. wo
die Schuld auf Überlassung der Sache selbst gerichtet war. Aber der rcgcl-
mfiss^ Weg, auf welchem die penönliche Obligation auf einen neuen Träger
flber);eht, ist Vererbung von Todes wegen oder unter Lebenden (vgl. oben
S. 158). Der Vererbung eines Nachlasses gleich stand in jener Beziehung
da» Verteilen von Arhtcrgut l§ 77) und die Übergal>e eines gsnren Ver-
mögens, wie bei der biluerliclien Gutsübergabe in Deutschland und beim
Viialicicn vertrag, wofür die noch heidnische brandetfä in Norwegen ak älte-
ster Tv-pus gehen kann. Prin?npiell haftete aber der Erbe nur bi» zu dem
Betrag der Schulden, der durch den Naclilass gedeckt war, sofern er denselben
rechtzeitig liquidirrte, — ein Gnindsatz, der zuerst zur Ausbildung eines
Konkumrwlibi geführt IwU Eine ahulichL- Beschrankung der Haftbar-
keit kann sich auch aas dem Grund der ObÜgatinn ergehen, so z. B. wenn
das Gesetz den Gültschuldixer nur mit dem belasteten Grundstück und der
darauf befindlichen Fahrnis liaften Hess.
§ 69. Das Vermögens rechtJichc Gescliftft, von den Fallen originJlren
EigCDttunscrwerbs mid vom blossen Erlauben oder Zustiiiunen (skand. räp,
auch mhd. ml, mnd. räH) zu Geschäften anderer abgesehen, war in der
altem Zeit prinzipiell mindestens zweiseitige Abrede (skand. mal, möH, »ti.
mdlHa^, — ags. grpitig. ahtl. giiiingi, iagadine, mhd. gedingt, teidinc, seltener
Jine) imd in sofern Übereinkunft (mnd. eininge, endmeht, ovrrdratht, — on.
samia^ wn. sampykf) tuler Vertrag (mhd. rtrirac und Tcrtraht, — wn. sätl).
Erschcinimgsformen desselben sind die Abreden, wodurch ein Satisfaktions-
objekt haftbar gemacht oder wodurch eine Schuld igefesligi« wird (skand. /!t/<j,
im. auch fastna, alid. fastinöa, wozu das m. /tutinöd und das f. Jestinunga,
mhd. j<es/enert, — afrank, 'a/e/iram/an, mnd. ramfit, 7vrmmen), indem der eine
»gelobt«, d. h. eine Schuld 'lobti:* i:»der averheisst. zusagt, verspricht», der
andere das Gelöbnis »annimmt', d. h. sich aneignet. Da duR-h diese An-
eignung das Gelöbnis aus tlcr Gewalt seines Abgebers kommt, kann dieser
daran fcs^eJialten werden, gleichviel ob er eine Leistimg an den Annehmer
oder an einen Dritten zugesagt hat So fo^e aus dem Wesen des obligato-
rischen Vertrags die allgemeine ZulSssigkeit des sog. Vertrags zu Gunsten
eines Dritten, und nur einer unter Welcn An wendungs fallen naiti deut. R. war
es, wenn ein salmnti oder Treuhänder sich ein Verfdgtmgsrerht über eine
Sache bestellen liess, um sie auf einen Dritten zu Obertragen. Erscheinen
ftine Kreditx-crtrflgc in got. und deut. RR. unter dem Namen von »Wetten^
{got. gofadfött = verloben, ags. [Ar-] weddjan = spondere, desponsare., wed=
Versprechen, b<u-tddting — desponsatio, ferner mhd. tvetlert, ertvttltn, mnd.
;iri/[/rA = zusichern, dann auch .Strdfe zahlen}, so sind sie «ider waren sie
doch einst, wie es dem ältesten Obligatinnenrcchl {§ 68t entsprach, kautlons-
bedQiftig, sei es, dass die Kaution mittelst Pfandsatzung oder dass sie mittelst
Oeiscl- berw. BOrgeastellung bewirkt wurde, Thenretisch vom obligatorischen
au unterechcidcn, wiewohl bei Xatural- und bei Realkontrakten (z. B. Tausch
Zug um Zug, Gabe mit .\uflage) mit ihm zu einem Geschäft verbunden.
war der dingliche Vertrag. In ihm konnte der Wille gerichtet sein auf
Rei-hisObertragimg ctder auf Besitz- (streng genommen Sarh-)Übcrtragmig
oder auf Löschung eines Rechtsverhältnisses, in der adeut. Terminologie: auif
' Es hd5t sowohl den UiKcrwhicd von ahtJ. lab und /uw*. hbi^n und loult^n nU auch
dm vun triuv^n nnd triu/'ifM verkeimen, wenn Hruslsr ln>tii, I S. I17 iUa Gfiftben,
Erianbcn am) die Treue mit iLaubi uinl >kril(ligt;in Wiicbatuni der PAaiucn* id Zu-
lenbuiic bringt.
sah oder salitftga (mhd. salr, m/, sahmg, 7.XiX Zeit der Ret:htsbürlicr auch
gäbe genannt, nilHl. traditio) udcr uuf ^eiveri Imhfl. gfjoer, rnlal. [ifi\i'€Stitiira',
vgl. oben S. 179) oder auf ein ufrlaltn (nmü., t-eriazen ralid., mUt. raignatio).
Der Salung, wovon Paradigmen die Übereignung und die Belehnung, uar der
Rechtsgrund, woraus sie zu erfolgen hatte, (Tausch, Verkaxif, Leistung an
ZahluDgsstatt, Gabe = Schenkung und Gegengabe) ucscniJich. Dass sie in
iigend einem altem Ke<.'h( für <!iLli allein kiüfü^ g*^iug geu'Cäcn, den Ober-
gang ein« Besitzrechts zu bewirken, wie oft behauptet M-ird, muss bezweifelt
weiden. Das islanclisclie Retht (der Grägds), wie auch sonst «elfach modern^
hat dem dinglichen Vertrag diese Wirkui^ zugestanden. Die Obereignuug
des üllesten Rethls kommt getrennt von der küri>erlidien Besitxüljcrtntgung
d. h. Einh.lndigmig (unten S. 187» mVht vnr. Wird üpälcr von der letzteren
die Immobiliariale dispensiert, so bleibt d»«h ein Surr«jgat der BcsItzQber-
tragung crfurderltch, welches durch Verbürgung oder doch durch einen Ver-
trag beschafft werden kann, worin der V'erUusserer deni Rechlserwerber cr-
Uiubi, selbst Besitz zu ergreifen (ÜesitzrSumungsverinig). Ein solcher musste
auch in der Belcluiung litten, weil diese sugur den Nansen der ^Investitur«
erhalten hat, und lag immer in der s<^>g. symtMilischen Investitur. Salung und
Besiuubeitrugung wirken konsliiutiv, die Aufla^isung dagegen wirkt (für sich
allein) nur exstinktiv. Sie ist wesentlich Verzicht auf Ausübung eines Hcrr-
schaftsrechts an liegendem Gut, dalier notwendig und ausreichend, soweit es
bloss darauf ankommt, ditss der Vcrausscrer eine rechüiche Schranke lunw<^-
r^ume, welche auf seiner Seite der Herrs«."haft eines andern im Wege steht
Über sog. gericliüidie Aufla.*«ung s. unten S. 187. — Vertragsf.lhig war
nach alterm Recht nicht nur der VoiljJihrige, sondern auch der Minderjährige,
dieser nw in unvollkommenerer Weise als jener, da er Geschäfte, welche ihm
nachteilig waren, nach erreichter Mündigkeil wideniifcn konnte. Aber nur
auf Münner fand ursprünglich der Gegensatz von Voll- und Minüerj<lhrigen
Anwendung und zwar scheint zuerst die VidljJllirigkcit mit dem Eintritt der
Welirfühigkeit gej-eben. In der Zeil der Rechtsdenkmüler jedix'h ist sie an
einen bestimmten Altcrslcmiin geknüpft, mit dem man >zu seinen Jahreii'; kam.
Der frülicste, welcher vorkommt, ist der zurückgelegte zehnte Winter nach
kentischein R. Und auch das dilmaiM:he R. des 15. Jahrh. gehl von dem
nämlichen Tennin aus, indem es ihn um Jahr und Tag verlängert Viel
verbreiteter war aber schon in der Frülizeit das zurückgelegte 12. Jahr als
Mündigkeitstennin. Jüngere RR. sdiiebcn ihn bald mit Bezug auf alle, bald
nur mit Bezug auf bestimmte Geschäfte bis zu einem spatem Lebensjahr
liinaus. Und von vornherein wurile ein solches angesetzt, wenn man eine
Volljährigkeit von Weibern anerkannte.
§ 70. Charakteristi.-« Ii für den vermögensrechtlichen wie für jeden andern
germanischen Vertrag war seine Form (on. skui). Nur in ihr, die eine ge-
setzlich bestimmte, vermochte er die beabsichtigte, dann aber sogar mehr
als die beabsichtigte Wirktmg zu erzielen. Wie bei den formslrengen Prozess-
handlungcn (^ 87) sollten audi beim Vertrag durch die Form die Erkenn-
barkeit und Kundlichkeit des Hergangs gesichert werden und dem Bedürfnis
der Redilsgleithheil, aber auch dem ästhetischen Sinne des Volkes Genüge
geschehen. In jüngerer Zeit mischcji sich auch polizeiliche und finanzpolitische
Gesichtspunkte ein und erhalten <\Atx erneuern das Formenwesen, wo es bereits
\'om eiligeren Gesdi&itsleben als bescliwerlidi empfunden oder gar aufgegeben ist.
Vor allem mussten nach dem bis in's 13. Jahrh. herrschenden Prinzip die
Kontrahenten das ganze Geschäft in eigener Person absdilicssen. Femer
musstc nacli rein german. R. der Vertrag hOrbar und sichtbar sein. FQih
N
erste bedurfte er aLsn der mündlichen Rede. Diese hatte sich oftmals in
gesetziicher W'ortfomicl (wn. i^gmül) zu bewegen, die durch Keim und
metrisLhc Fassung so cindTinglicti für den Hörer als widerstandsfähig gegen
Eiiuiellung gemacht war, dur<-h Häufung der Ausdrücke, insbesondere durch
Tamoli")gie und negativen SchUis^satz dem Inh.-ilt des Geschäfts von allen
Seiten beizukommen und sducr Wichtigkeit die Feierlichkeil anzupassen
strebte. Und buchstäblich wurde das Wort ausgelegt, soweit nicht ein für alle
Male sein Sinn rechtlich feststand; »man nimmt den Mann bei seinem Wort«.
Darum spielt die Irrtunulchre [anders als die vom Zwang) eine geringe Rullc
im german. Recht. Zu sehen aber ist das Geschäft unmittelbar, wenn
Saclibc^l2 Qbertra^n werdeii soll und dies durch köqiedidie Cberji^ilK: der
Sadie geschiehL Das Ve^rfahren dabei ist reclitlich festge-stellt, wenn die
Besitzübertragung Zwecks Rechtsilbertnigmig erfujgt: Fahrhdbe muss stets
eingehändigt werden und zwar Schcnkungshalbcr in bestimmter Weise (z. B.
ein Ring mit Schwertes oder Speeres Spitze dargeboten und empfangen unter
M^menil. und ebenso in der Frtlhzeil ein Grundstück aUemal, indem der
Obergeber Teile aus demselben aushebt und dem Erwerber in die Hand
oder in den hingeiutltetien Rückschuss legt (on. sköintnf;. wn. skun/iNi;. mlaL
icotalio). Ausserdem mu&ste der Cbcrgeber den Erwerber um die Grenzen
des Grundstacks füllten (skand. {uHi/etf), auf dass dessen Grösse und Lage
genau bestimmt sei, und dami selber feierlich herausgehen (älteste Auf-
lassung), etwa auch noch sein Feuer auf dem Herde li'ischen. Hinige Rechte
verlangen überdies, dass der Krwerber bestimmte Besitzhand lungcn auf dem
Grundstück vornehme, z. B. Feuer anzünde. Gaste bewirte oder doch wenig-
stens auf »dreibeinigem' Stuhl sitze. Jüngeres Recht zerbröckelt dieses um-
slilndliche Verfaliren und gestattet Abbcevialuren. su dass z. 6. der blosse
Grcnzbegiutg die Eiidiäiidigung des Grundstücks oder imigekehrt diese jenen
mit vertreten, die köqierliclie .■\un;).ssung durch eine blosse .\uflas.sungs-
crklSrung {st exiium, sr abunilum lUtcre nach Vorbild der roin. missin in
vacuam possessionem) ersetzt werden kann. Zu einem scidien Verwittern
der Formen kommt c5 namentlich leicht, wenn die Sahmg nicht mehr auf
dem Grundstück selbst vor sich geht und ein Bcsitzraumungsvcrtrag (oben
S. i8(>) die Bcsitzübertragimg erseixt Ferner bildet sich in deuL RR. nach
dem Vorgang des frilnkischen und im norweg. R. der Grundsau aus, dass
die zur Rcditsübcrtragimg gehörige Besitzübertragung durch ein exekutivisches
Verfahren ersetzt wer<len kann oder gar muss. Es besteht entweder tiarin, daxs
auf Grund von Salung imd Auflassungserklämng der Richter das Gut ein-
zieht und dem Erwerber ausantwortet, oder darin, dass auf Grund der Salung
durch ein Gerichtsurteil die einseitige Besitzergreifung des Erwerbers 1^-
timicrl wird. Das crstere ist der wesentliche Vorgang bei der von Neueren
ab gerichtliche .\unassung oder Fertigung bezeichneten gerichtlichen Inve-
stitur des fränk.-deut. R., die in ihrer ursprünglichen Gcstah der ricliteriicheii
>StAtigung> mittels Kfinigsbannes oder des -Friedewirkeiw« über das Gut,
d. h. der obrigkeidichen Beschlagnahme bedarf und vorgenommen wird, teils
mn dem Erwerber nach Jalir unil Tag die rechte Gewcre |«»ben S. 180)
gegen Einsprurhsbefugie zu verschaffen, teils um die unter Umständen er-
/urdcrtc obrigkeilhche Zustimmung zur Rechtsübertragung zum Ausdruck zu
bringen. Das zweite ist der wesentliche Vorgang ' der norweg, siayting durch
Waffenrühren {fäfinaiakj der Thiiigleute, nachdem der Erwerber von den
Hauptteüen des Grundstücks >£rde genommen« Itat. Handelt es sich nun.
1 Thm K, I.<>hm3[in in Z^br. f. RG. 1884 S. 946*. teilwebe falsdi sdiilden und
omsventcbt, iBileai et von «sjmnboUfldia InvesUiurt redet.
i88
IX. Recht. B. Altertümer.
aber nicht um Besitzübertnigung oder um Auflassung an kftrperliclien Sachen,
kann also das Geschäft nicht unmittelbar gesehen werden, so wird es dem
Auge wahrnehmbar mitteb des Symbols. Die Sprache verlangt nach Unter-
stützung thirch die Geberde, uud zwar um so dringender, je wen^er sie
selbst im Stande ist, abstndcte Dinge, wie z. B. ein Recht, eine Obligation,
genau auszudrQcken. Unter den Üegfriff der Geberde fallt das Symbol und
als blosses Zeiclicn für diis Abstrakte ist es der Metapher analog, auf welche
die Sprache ange«'iesen xu sein pflegt. Die einfachsten Symb<ile sind die,
welche der Mensch an seinem Leibe trügt. Das Recht verwendete von den
Lcibcsgliedcni hauptsadiüch das urganmn urganorum die (rechte) Hand zum
Symbol, wc ja auch die Wortfonnel su oft von der Hand redole, wo sie
ein Recht meinte. Mittels der Handreichung (likand. /cj^i? i hand manni, wn.
hands^l) wurde in allen L.1ndem germanischer Zunge die »Treue gegeben<
imd »genommen«, und darum insonderheit ist die Handreichung der s>Tiibo-
lische Akt, wodurch Personen sich haftbar machen, indem sie die nicht mehr
reell vollzogene Vergeiselung, die Selb-siveri">f3nduug verslnnltrht. Wohl nur
eine Abbreviatur dieser Handreichung liegt vi.>r, wenn nacli eiiugen deutschen
Rechten mittels einer streckenden Fingerbewegung Gcwiihr angelobt wird.
Dagegen ist nicht von der Handreichung ableitbar die schnellende Kingcrbcwe-
gung, wodurch man nach sadisischem Rei.'hl einen Verzicht ablegte. Aber
nicht immer reicht die Hand allein aus. Sie muss dann ein Gerat zum Wahr-
zeichen halten, darbieten, aufnehmen. Das meist verbreitete ist der kurze
Holzstab (on. tm, \n\n\. fesiuca) , oder die Rutt-, die später wohl auch durch einen
HaJm vertreten werden kann und, wenn blass vom Sprecher einer Formel
gehalten, deren Emstlichkeit uud Stätigkeit, — wenn überreicht, wieder die
ScIbstverpfAndung (lat. vaäia^ T>adium, vgl. oben S. 182 das Wetten^ symb<^-
lisiert. In hddnisclier Zeit bezaubert, in frühchristlicher bc-iegnet und einem
Bolen mitgegeben dient der Stab zu dessen Legitimation, gleiclniel ob der
Bote mit oder ohne Gewalt ausgestattet i^it, \md auf diesen Botenstab gehen
alle Amtsstabe zurflck, vom Wcibcl-stab bis zum Herrscherstab. In den bci()en
letzten Funktionen erscheint anstatt des Stabes oder neben demscll>eri nach
deut-schen Rechten der Handschuh. Ursprünglich scheint dieser die Hand
selbst zu vertreten. Uccasionell aber wird, und zwar in deut. RR. schon
bald nach der Völkerwanderung, der Handschuh zum Wahrzeichen des Be-
sitxeSr der »manus vestita«, wie ja auch als Metapher des Br«tzes ein Wort
dient, welches Bekleidung bedeutet (S. 179). Man kaim also den Besitz
einem Andern einrJlumen oder auf den Besitz verzichten durch Überreichen
bezw. durch Wegwerfen eines Handschuhs. Vg], auch oben S. 125. Hoheits-
rechte als Lehen Subjekte werden durch Abzeiclien des Gewalttrügcre symbo-
lisiert und ganz besonders erfinderisch zeigt sich hierin das deuL MA. Lber-
haupt aber ist die Symbolik des südgerman. Vermögensrechts, selbst abge-
sehen vtm ihrer Partikularisienmg, eine viel reichere als die des nordLschert.
Nicht nur macht jenes den H au ptsym boten noch eine betrachtliche Zahl vr.n
Ncbaisyuil-Kilen (/.. B. dem zu zeichnenden Stilbehen das Messer) dienstbar,
sondern es verbraucht auch die Symbole rascher, so dass es die hen*nr-
gcbrachten oft durch neue zu ersetzen strebt — Dass das Geschäft bloss
hörbar und siclitbar, genügte dem ältesten Recht anscheinend nur in Aus-
nahmsfallen, wenn es ihm einmal auf die Form ankam. Vielmehr musste
das Geschäft wirklich gehört und gesehen werden. Diesem Zweck diente
das Zuziehen von Zeugen ^ die zum Sehen und Hören aufgefordert sein
mussten {^ S9), derer Zald mit der Wichtigkeit des Geschäfts w.-irhsen
konnte. In kontinental deutschen Städten wurden solche Urkundsmflnncr
unter dem Namen vnn »tjenanntcn« oder »Gesrliworenen« stdnüi^ aufgestellt.
Eine analugc Einrichtung v/ai in Euglaiid schon unter K. Eudgär (um 962)
al^emein. Zeigte skh die Rwhtsgejiosscnsrhaft scilwt an dem riescliSft in-
teressiert, so muüste dieses in der GerJchtsversanimlung udcr einer gleich-
wertigen Vcrsanunlung %> »rRt-ni >mmen oder wcnipstens verkündigt werden.
Du asm*. R. verlangte bei einer Gruppe wichtigerer (Jesrhafte die 'Festi-
gung* {ßest), d. L ein Festätellung:iurtei), wctdics von einer Anzahl von
Festigem tfaslar) imter Vorsprurh (forsiiai) eines derselben Über den Vertrag
abzugeben war.
Von den Finnen der GesehUfte zu unterscheiden smd die Mittel zu ihrer
Besl.irkunfi. Hiezu dienen feicrliihes Treuegelobnis, wie die wn. //r^vÄr,
ftry^Tar), dann jjnimissuriM;hcr Eid und Evsekration, j^eineinsunies Essen
und Trinken der Kontrahenten, wudurrh iliose ihre Einiratht an den Tag
legen und wovon im spiltmitteUiltcrlicheii Deut5ehhnnl der jtHnrin em Cbcr-
rest ist, nach Au.sbildung koni^ticher Herrsche cgewalt aucli der K6nigsbrief,
der eine Stnife auf Venragsbnirh setzt. An sich vnn der Fonn entbunden
scheinen die RealvertrUge. Sie fallen .sflmtlich unter den Begriff der Gabe
mit Auflage. Die Vorleistung wird nicht gemacht, um zw crfflltcn sondern
um den Nehnicr zu veqiflichten. Oftmals geradezu eine ^Gabe^ geheissen
unterscheidet sie sldi von der gewöhnlichen gennan. Gabe (^ Schen-
kung) nur dadiircli, da-^ä ihr Lohn schon vom Geber bestimmt ist. In ge-
wiisen Vertrügen ist sie selbst vom Gesetz bestimmt iu»d pflegt dann einen
veHi3ltnb<mas5ig geringen Wert zu repräsentieren, kann z. B. in einem blossen
»Fesligungspfcnnig< bestehen. Als der Nehmer aus dem Vertrag unmittel-
bar fOr Eifollung der Auflage haftete, nalun dieses Drangeid (mhd. behf/luttgr^
kantnunjt), allerdings da.^ .-ViLtsehen einer Formalitlt an und wurde dann
(hauptsächlich in DcuLicliland) von ^V':^ Kttntrahenten und den etwa zuge-
xogencn Zeugen als 'Wein«- oder »Leitkauf« vertrtinken oder als »Gottes-
gdd* oder »Heiliggcistpfenuig« dtni jVrincn gegeben.
§ 71. Ein tiefer Einbruch in 's altgerman. System der Geschäfte wurde
gemacht, als noch vor Sdiluss der Völkerwanderung die Südgermancn aus
dem römischen Verkclirsrcrhi, im MA. die Skandinaven aus dem deutschen
das Schriftwesen übeniahinen. Die Willcnserklilrimg des einen Kontra-
henten wird geschrieben mid das Schriftstück <jder doch sein Material von
ihm dem andern Kontrahenten gegeben. Auf diese Weise wird die Willens-
erkl^lning selbst abgegeben tmd angenuiruucn, d:is Schriftstück \(arta i. w. S.,
goi. bükÖs, ags. fries. hök, ahd. bunh) oder der »Brief-« (erst im i> Jahrb.
urkuttri) zur disptisitiven oder Ges< liJiftsurkunde {i-aritt i. e. S., Ustnmtntum.
epmoia) im Gegensatz zur einfachen Beweisurkunde [ftofitin, memomlonum,
brtrt). Land, dessen Übereignung im Weg der Bricfbi'gebung erfolgt ist,
hicss ags. und fries. bökland. Die Begebung der Urkunde gehl nach afrilnk.
R. vor sich, bevor das Pergament beschrieben ist» bei den I^ngobardcn,
nadidcm der Text wenigstens teilweise geschrieben und bevor die Urkunde
vtjllziigen ist, ebenso bei den AngeUachsen, wenn der Urkundengeber der
Aussteller ist. Es konnte jedoch die ogs. Urkunden begebung \bik syfian)
beim Übereignen von Liind auch rnit der carta pnmiiii<a (libcr antiquusf tl. h.
mit der Urkunde gesi'heher, welche beim ersten schriftlichen Cbereignimgs-
ct ausgestellt worden war. Im Folgenden will nur von den Füllen die Rede
1, wo der Urkundengeber der Aussteller wt, da er die Urkunde schreiben
Ia»t {fifri rogai, j'ubelj. Die Begebung konnte nach franlc-deuL R. der Früh-
xdt nur in einer Form geschehen: der Urkundengeber legte das Schreib-
material auf den Bodon und hob es von hier auf icarlatn lavtrr), xxm es dem
Schreiber hinzureichen; narhHcm dieser das AktenstdcL geschrieben, fllK'rjab
CS der Urkundt'j lieber dem Nduner zu eigen. Die Notweiidigkeil jener
levatio wird daraus erklärt, dnss ursprünglii-h das levare nur bei Ül>ereignuiig
vcrn GrundslüiScen sUittf.'ind und dass bei diesem Geschäft das Schreibmaterial
mit dt!n Symbolen von Grund und B(Klen verbunden war. In Rhilüeu
wurde die carta vom Geber dem Nehmer zugeworfen, weil sie den Stab
vertrat. Auf dieses Aushändigen der Urkunde durch den Gelwr oder aber
auf ihre Aushamiigimg durch den Schreiber an den Destinatar bezieht »ich
das 'i/a/ttm' der »Daücrimgszeile« k'intineiit;iler Urkunden, im Gegensatz
zum xictum-, worunter das beurkundete Gescliilfi, und ^scriptum», worunter
die Herstellung des ScliriflstÜcks zu verstehen ist. Von Angabe des Kanzlei-
personals ist die dispositivc Kraft der Urkunde nicht bedingt. Nennen
iangobanl oder atlfrflnk. Urkunden den notarius oder cancellarius, jene auch
noch den dictator, diese den Rewignuscentcn, .»h) gcsduchl es nur, um eine
Bflrgschaft für die F-chtheit der Urkunde zu beschaffen. Dagegen miissie
die disposiüve Urkunde vom Geber »gefestigt! werden (finnafio^ rof'omtio,
stipulatia, ahd. f<isti. faslinSd), was durch Unterzeichnen oder durch Hand-
auflage (ahd. handfesti) geschah. Die Fassung des Textes ist meist subjektiv
und bedient sich dann regelmässig in ihrer dispositio des Prtlscns, in Eng-
land des Tutur. Oljjektive Fassung pflegt das Präteritum anzuwenden.
Zeugen sind b« der fllicni Gcsthaftsurkunile notwendig. Dass sie die Be-
gebung ge-Sehen, beurkunden sie. indem auch sie die Urkimde ^festigen«.
Die dispositive Urkunde hat bei den Südgermanen die altnationale Form der
Geschäfte erschüttert, insbesondere die der Salimg und der Investitur, indtm
sie teils <lic gcrman. Formen verdrängte, teils sich mit ihnen verband und sie
dadurch schwächte. Zuerst mtisstc der dispusilio in der Urkunde noch die
möndlichc Rede des Gebers entsprechen. Bei den Angelsacliscn wurde sie
schon durch's Vorleben des Textes ersetzt. In Deutschland und in Skandi-
navien fallt wahrend des MA. die Mündlichkeit ganz fort. Die Handfestigung
geschieht jetzt durch AidiSngung cle.s Siegels. Das Zeugnis wird unwesent-
lich. Diese \'e Minderungen wirken zurück auf den gesamten Charakter des
Geschäfts. Wird nämlich in der Urkmide dem Inhaber ^Is wilclu-m ver-
spr<Jihen, so wird das Geschäft seinem Wesen nach ein einseitiges des Aus-
Stellers; nicht mehr auf einen Begebungsakt. sondern nur noch darauf kann
CS ankommen, dass der Aussteiler die Urkunde irgendwie aus seiner Gcw-alt
verloren hat (vgl, oben S. 185). Im MA. erhalt sich die dispositive Urkunde
vorzugsweise nur als Schuld- und als Stiftungsbnef. Dagegen wird nunmehr,
und zwar zuerst vom dcut Stadtrecht (12. Jahrb., KTiln), die öffenüiche Be-
weisurkunde in den Geschaftsforraaüsmus aufgenommen. Diese Urkunde
vfiid vom Gericht (oder von dem an Gerichtes Statt auftretenden Rat) über
das vor ihm oder unter .^leincr Mitwirkung abgesiblossenc Geschäft ausgestellt
und verwahrt. Sic ist Gerich tszeugiiis (vgl. § 8q a. E.) und genügt in der
Form eines Protokolls, welches zuerst auf Rollen oder einzelnen Blfltteni
(Haviptbeisp. die 'Kölner SrhreimurkundeH <üs tj. Jahrin. <> her. v. Hocniger
in den Publ. der Ges. f. Rhein. Gesch. 1, 11 1884 — 95), sj>aier im Gerichls-
(Siadi-, Gedenk") Buch geführt u-ird. Das Gerichtsbuch ist Grundbuch,
wenn es nur dem Iinmubiliar\-erkehr dient und nach den Liegenschaften des
Bucbbezirks eingeteilt ist. Bei Geschäften über Liegenschaften wurde der
Hui'heinlrag zur Form erliohen. Die Folge davon war, dass die •gerichdiche
Auflassung« (tiben S. 187I ihren selbständigen Wert einbüsste, der Rethts-
■Übeigaiig mittels des Bucbeintrags allein l>ewirkt wurde.
I
5- VermOcbk: GbschAktsformev. — 6. Verbrechen.
191
6. VERBRECHEN USI> üTRAFEK.
Litcnlni bei Schrödi-r I^hrb. %% i2, 36. 62, Siegel RG. S. 484—518.
Brunncr RG. t §$ 31, 23, II $g 64. 65, 114. 124—146 tuu) in Ht>lt/cn(t«rfT
W S' "• T' Genglcr Gruniln» S. 359—3^8. I>iu;ti: Teil inj;, Otvnfr i^r^n
va» »ni/^rmttnnsth ilrufrrgt in lU Oermania sau Taritus, v. Amira in GAtI,
ßca. A. 18H8S. 33— 54umä im Olierhaicr. Aruh. XXXII S. 263 — 383, A, Lfifflcr,
D. SthuldforatcH des StrafrrchtsX {1895) S. 32— 44. 113—136, — K.Maurer
in Kl. Vjschr. V {1863) S. 301—311, Franklin, /). Reüksho/gfrüht im AfA.
U S. 330—384. V. Richihorcn. Unters, ü. frin. RG, I T. 3 S. 453%.. 498
— 51 I.V. Planck, ^VryrA/jirr/VfArcn Ilf^ 143. 139, Frcnsdorfrinhufir. Auftaue
». And. an Wuu S. 4i)0 — 490, Seh teuer, />. A-Ar/nd'^. <ürr i'frbrechfruktiHkurrfni
t'H »Uh mtsrtihtfti 1896, II. Knapp, />. aUf Xürnbrrfftr KritHiHnlretht 1S96,
Luppe. Jititr. t. Toätu hlaxfftfit Lübnki im MA. l8g6, SlObcr, I'er Klapper*
stein Hebst •ViHlithett Strafarten etc. (2. Aufl.) 1876, Stephen, A hiü. af the
crimitt. iaw of Engtanä I p. 5t — S'>> Cannaert. Bydragen tot de kenitn van
tut oude Stra/reihl in Viaenderfn 1835. — Roicnvingc §§ 24, 25, 65 — 70,
113 — iij, Larscn, /•'oretasnntger S. 205 — 285. Slcmann XJJ. §§ 101 — J 13,
MaUen, foret. Offenti. R. W\, V. Hasse. D. Quellen des Bipenrr Stadt reckti
1883 S. t3— 36 {dazu aber auch Sccbcr In Hist. liJaskrtfl Kjitbi-nh. ifiSj S.
480 ff.), M. Papprnlieini. D. attdän. Sehntzgildea 1885 S. 82— io2, 322—407,
— Schrevelius, Ife prtmipiii Ugislationii porneiin »*ojorutn I — V'III 1833 — 3^
(Lund), Brinjj, t)t judina homitidii ur. jura Suignthiae vettala (IauuI) 181O,
Schlyier, Jur. Aßiandl. 1 S, 55 — 113, H S. 284 — 393, Olivecrona, Om
dadsifroffrt 1801 S. V— XIV, 1 — 9, J. Tdrsnian. Grumirrna fOr laran om
detaktighet i brott, Hflsingf. 1879 S. 34—34, Dcrscil« an dem S. l6g angef. O.,
BjOrlin)*, OtH bölesstraffrt i den iirnsin inedetudsrätten 1893, v. Anttra, Xord-
gtrmejn. Oblig. R. I §§ 18, 54—58. 91, 93. II §§ II, 13, 43—47. »^ I>crselbe
in Genn. XXXII S. 139-^164, M. Pjppenhcini. Ein aititaneeg. SihNligiUte-
Statut S. 80—98, — K. Maurer, D. ällettt Ihfreeht des Nordens S. 31—29,
S'> — "3. 118— 131. K. Lehmann, Ü. KSntgtfriede %% 4—6, 14, 16. 20—2}
und AntulI^>.
§ 72. Das Verbrechen ist und hcisst ein »Bruch des Friedens« (wn.
/ri/JbTvt, on. fripbrui, da:;u hr\la frifi = den Fric<lcn brechen, africs. ihine
fretko hreka. mhd. vndehmth. aj«;. ^t^ryce) und, da der Friede durchs Recht
her^^lcllt ist, ein 'Rcchtsbruc:h* (an. la^abrol, Iq^rot, asw. laghabnil, ags.
lahhryct) oder » F.inbrt-rhen ins Recht« (asw. hrvta i lagh\ ein »Bruch« (nn.
hrvt) oder ein Brechen« (fries. hreka] vun Rechtsgebuten oder Verboten, ein
»Schlitz ins Recht« (on. laghslit), ein i'Unrec.ht* (fries. tinriuchl, mhd. nuid.
ungmAte, w-n. üsh/), eine vVerfehhing gegen das Recht« (an. lagalfstr). Auch
die Grundbedeulun); von hÜbel« (= Übertretung) stbeint hierauf zurück zu
gehen. Angerichtet wird der Friedrnshmch durch eine »Schädigung von
GOtem« (un. sjtaßi), welche nicht bloss körperliche noch auch bloss Rechte
von Leuten, s<.>ntlcrn auch sittliche NurmalgeseUe sein können, wiewuhl nicht
jede Cbertretung eines solchen ein Verbrerlicn i.si. AltemHl aber ist dieses
eine »That* und daher eine Misse- oder Ühelthat (ahd. /uissität, ags. misditd,
got- miimdediy wn. misgerninfi, misf^erit, on. schlechtweg f^irniing, g'ftf>, — got.
frm'üurhts.'AWX. fratät, mhd. nntSl, — ahd. ttbiität) und genauer nach dem Hitem
Recht ein »Wehthun« (got. vatdeds), was nicht ausschliefst, dass ein Unteriassen
Verbrechen sein kann. Kommt es ursprflnglich beim Friedeasbruch einerseits aufs
Vollenden eines Schadens an, so dass auch der böswilligste Versuch als solcher kein
Verbrechen ist, so wird anilerorscits auf die Bc.st'h äffen heil des Willens Gewicht
jdegl, mit dem jener schädliche Krfulg in Kau.salzus;innnenhang stehen inuss.
Es ist in Bezug auf die reuhdichen Folgen ein scharfer Gegensatz zwischen
absichtKchcn und unabsichtlichen Ohcithaten, — skand. viiiaverk (ifaldn^rij
und va^veri, — fries. n-eldirb drde und unurUirft d/de (entspr. ags. n'iilrs
im<l umvilfes, gnctatda und uttgtweaides, paucn und unpaners, nihd. mnd.
J92
IX. Reckt. B. Ai.tertOmhr.
dankts imd Undankes). Bei den ersleren ist die Absicht (skand. viU, tva/d^
frics. willc, ags. gnrea/d, ahd. uind. danc) des Thatcts auf den schädlichen
Erfolg gerichtet, daher selbst schon »Gcfähnle« (ahd. /ärti, mhd. r-rf/r), »üble
Klugheit« (mhd. arc/is/, mnd. ar/>r/ts/) und »Vennesscnhcit' (ahd. fravUi, mhd.
mnd. vrtvcie, tat. Übers. temaiUis), welche sich bei Angriffen auf I-cib und
Habe zur ^Feindseligkeit'- (an. keipt, alam. *hoist, vgl. «-n. hfiplui^n hrndi,
alam. haistera handi, nilal. astd) spezifiziert. Bei den andern ist der üble
Au-sgang nur Folge eine.s gefährlichen Verhaltens (skand. vnpi), aber nicht
selbst beabsichtigt. Daher trügt zwar den Scliaden der unabs ich dich en Übel-
thut dem Prinzip nach stets, wer die Gefahr des schädlichen Ausgangs ver-
ursacht hat, .sei es dass er für Ersatz oder Vergütung, sei es dass er für
Genugthuung einsteht; aber den Frieden z« brediai ist wiederum dem
Prinzip nach eine solche Tkat ungeeignet, wenn auch dadurch in heidnischer
Zeit eine ernstliche Anerkennung der Blutrache als einer Kultpfücbt und in-
soweit allerdings eine Friedlosigkeit des ThStcrs bei unabsichtlichem Todt-
Rchlag nicht ausgeschlossen Ut. Anders die absichtliche Missethat: sie i.st
FrJedensbruch, sie krankt die Rechlsgenossenschafl im Ganzen und fordert
deren Gegcn.sth]ag heraus. Auf ihren jungem Entwicklungsstufen erst nehmen
die gerraan. Rechte von einer ausnahmslosen Durchfühnmg dieses G^en-
satzes Abstand, indem sie einerseits die Icicliteslen Fälle der absicliütchcn
Cbcithat aus der Reihe der Fried ensbrürhe streichen, andererseits Falle der
zwar nicJit absichtlichen, doch fahrlässigen Übellhat den letzteren zugesellen.
Auf jungem Stufen fangen sie auch ^n, bestimmte cinzchie Tliatbestandc
unter dem Gesichtspunkt de.*; Versuchs zu bestrafen. Unter den deutschen
Rechten hat zuerst das salfr;inkische, unter den skandinavischen das islän-
dische dic.se Richtung eingeschlagen.
§ 7J. Was nun die Merkmale der absiehüichen und der unabsichtlichen
Übelthal betrifft, so haben wir natürlich von denjenigen Frieden shrüchen ab-
zusehen, bei denen schon iler Begriff der That selbst die Unabsiclitlichkeit
ausschliesst, wie z. H. bei Murcl, Diebst;ihl, Raub, Notnumft. Bei den andern
Thatbestlüidcn geht das Recht, indem es der leidciischafilichen Enegung dea
Verletzten und Gekrankten ein Zugesiüminis macbl, von dem Prinzip aus.
Absichtlichkeit anzunehmen. Diese Präsumtion muss erst durch bestimmte
Thatsachcn widerlegt werden, soll die Tlutt als uuabsiclitlichc gelten. Diese
Thatsac)icn sint! cntw<'der gewisse ünistantEe der That selb.st, von denen
schon das Gesetz feststellt, dass sie die Absicht au*iscliUessen, oder aber be-
sondere nachträgliche Handlungen des Tl:iäters, mitmitcr auch des Verletzten.
Je nach Lagerung des Falles kann ein imd dasselbe Recht Iw-Id jenen, bald
diesen Weg vorziehen. Nach keinem der beiden Systeme kommt es aber
zu einer Analyse des individuellen Falles, .so da.ss möglicher Weise eine That
als unabsichtliche behandelt wird, die doch auf den schädlichen Ausgang an-
gelegt war. Nach dem ersten System muss der ThalbcstauU unter einen
vun nur wenigen, aufzahlbaren Typen, wie z. B. Schädigung eines Menschen
durch eine Tierralle odcc bei gdahrlichen Arbeitsleislungen, gebracht werden
können, wofür die Beweislast den Thater trifft, der es nun alier zur Klage
darf kommen lassen. Das zweite System findet sich wiedemm in zweifacher
Weise verwirklicht; entweder nämlich — imd dieser Richtung folgt insbe-
sondere das altsrhwed. R. — hat der Thater, bevor es noch zum Prnzess
kommt, ja überhaupt biiuien sehr kurz bemessener Frist und zuweilen in
demütiger Form, sich zu eidlicher Enb*chuUligung uml zur Gcimgthuung
bereit zu zeigen, allenfalls 'auch der Geschüdigie zu erklären, dass er die
That als unabsichtliche gelten lasse, oder aber — luiü dieser Richtung folgen
&. Verbrechen: ThAtek. Willk.
«93
k
insbcj«ondcTc die dculsrhen Rechte — der Thater hat auf voiga^ngige Klage
hin sdnc Absicht eidlich zu leugnen, ao dabs die Kutsch uldigung lu den
Prozess hinein verlegt ist Die letztere Richtung ist wie die müdere, so ver-
mullicJi auch die jOngere. Die eine wie die andere aber setzt voraus, dass
der sichtb^ire Tliatbestand unter einen Typus fültt, weldicr den Mangel der
bOscn Absicht wahrscheinlicli macht, vne ?.. B. bei Tmitung «Kler Leibes-
verlei2ung durch Fehlschiessen ^ misslungenen Kuren, Schaden, die man nach
EflckwÜrts, uline umzuschauen, anrichtet. Eine im Lauf der Zeiten an Reich-
tum 2U-, an Obersichtlit hkeit abnehmende Kasuistik, mit eigener Termino-
logie, üudu diesem Gesichtspunkt gerecht zu werden.
§ 74. Es sind nicht immer nur Menschen, denen absichtliches Ülielthun
zugeschrieben wird. Im AIA. wenigstens findet sich fast in allen gemian.
Landern der Gebrauch, Haustiere wie Menschen zwar nicht prozessual
verantwortlich zu machen, wohl aber hinzurichten, wenn sie Menschen ge-
tötet i.Klcr schwer verletzt hatten. Dieses Verfaliren ist, vcTmittell dmch die
zuerst wohl in Frankreich und England ausgebildete Knnfiskaiinn srliaden-
sti/lendcr Haustiere und unter Anlehnung an unverstimdene Kultvorscluiflen
des Musaiseben Rechts, an die Stelle einer bloss pn%'atrechtJichen Rache
{vgl. oben S. 183) getreten. Noch weniger mit gemiaruschem Strafrecht zu
thuii liatten die bald welUiclien bald kirchlichen Prozesse und Malcdictionen
(s<»g. Exkommunikation) gegen Ungeziefer, wclclics dadurch von Grundstücken
vertrieben wcr^len .suUte. Sie sind wahrscheinlich aU Umbildungen eines aus
dem Heidentum stammenden Zauberbanncs gegen Wiedergliiger und Dämonen
aufzufassen. — Bleiben vdi nun beim verbrecherischen Willen des Menschen
stellen, so setzt Jener Reclitsfahigkeii des Thatcrs ursprünglidi nicht prin-
zipiell voraus. Auch Unfreie alsi.» können den Frieden brechen, ftiewohl
nicht friedlos werden (Ü 77). Erst jüngere Rechte sprechen dem l'nfreien
die Fälligkeit zum Friedensbruch ab. weil sie die Krietllosigkeit als notwendige
Folge jedes Friedensbruchs auffassen. Nach frics. R. im MA. z. B. gilt
Knechtesthat als imabsichtlich, Andcrerseibt wird aut:h nicht allen freien
Leuten die Absicht zugereclmeL Unzugcrechnet bleibt sie im allgemeinen
Mindeijührigen, Irrsinnigen, soweit ihre Kninkheit an gesetzlichen Merkmalen
eriuumt werden kann, zuweilen auch, soweit dieselbe bekannt ist, ferner nach
aherem frics. R. Wdbem (worül>er krit Vjsdir. XVII S. 435 flg.). Hat der
Thfltet einem Befehl zu gehorchen gehabt, so gilt die That nicht als die
seine, sondern als die des BcfclJers. Wie der Befehl wird in jungem dcut.
RR. auch der Strcitaniang (ttr/ta/>, anevattf^ bcliandell.
S 75. In der Böswilligkeit werden Stärkeunterschiede gemacht nach
ffilgendcn Gesichtspunkten. Es wird VL»r allem darauf gesehen, ob die That
einer sittlich verwerflichen Gesinnung entstammt. Denn nicht jede rechts-
widrige Absicht galt auch als sittlich verwerflich. Hierauf beruht der Gegen-
iiatz von elulichen wul unehrlichen Misscthalen. Die Unehrlichkeit des
Tl».1ters kann liegen in dem Motiv seiner That, bezw. in der Unterdrückung
von Gegenmotiven, wie 2. B. bei Totschlag oder Leibesverletzung unter
Bruch einer besonderen TreuepfUcht, itdcr eines angeIol>ten Friedens (z. B.
einer Urfehde oder eines beschworenen Land- oder Stadtfriedemt, i-gl. oben
S> ß.> 79. i™ II. Jahrb. auch nodi des beschworenen »Gottesfriedens«), oder
bei Heerflucht oder bei Angriffen auf Wehrlose, — ferner in der Art, »ic
die That vollführt wird, wol>ei insbesondere Heimlichkeit einen Erschwerungs-
gnmd bildet, so bd dem geradezu nach der Heimlichkeit benannten Vcr-
1 Oodi TCTtlient bCTn(.Tlit zu wrnlcn, «Irb» gcnxic Fchtachifsscn lucb drr Aufiassong
Aa Bcow. 2435 — 2441 nu-iit i-nl»chiildigt.
Gcnnwtlscb« Philologe IIL 2. AuA. U
194
IX. Recht. B. AltertCmbr.
brci:hi:ii, dem Diebstuhl, bui Mord, bei nScIiÜicb oder mit Zaubermitteln ver-
übter Tha», — entillch aUrr aurb in der Art, wie der Friedensbrecher nach
vüllbrat-htciiiVVerksidi beniniinl, z. B. indem er dasselbe leugnet, dessen Spuren,
bei .Seite; wrhafft. Als etwas 'Ausserordentliches, Unerhörtes* wurden solche
Vcrbreclieii überall angL*seheii und benannt: f-ol. /nirina. skand. _/»«. ahd. a*.
firittti^ ags. firtit, fries. firiiif, — dazu skand. firnan^erk, ags. prenwc&rc, as.
firimmrk, firindäd, abd, firintäi. Das Ausserordenüirhe lag eben in dem.
sillüch »Falschen- der Handlunxsw^isc (ahd. mhd. nuini&i, mhd. untät i. e. S.
an. lidAit, miiidaiytrk — dein laiitclsrhcii sfclus und flagitium), wesswegca
Nordleuten urid AnjreUachsen der unehrlitlie Misset!i5ter ein ^hassenswcrter
Mensch* (nipit$f^i\ mäin^ und die That nach einem solchen benannt wt
(nipin^ verk, ttittiu^s <hhi<). h\ uberdeut. Quellen des MA. i« der .\asdruck
unirlUht saehe neben untät technisch. Weiterhin hängt die Bösartigkeit des
verbrecherischen Willens von der Gcmritsverf;issung ab, in welcher der ThSter
handelt Leicliter penommcn wird eine itissethat, die im Eifer (fries. hi im
mcde = in abirrendem Mut, /a/i //tust, fan haester hnnd, mnd. mid hastmude,
langob. luulo), im Leid (un. m^rd harms htendi, m. k. vilin), im '1.<.m\\ (on.
map vTtFps httndi, m. v. vilia\ jflhlings (asw. map brapuin g<rrrtingum\ als
eine, die mit kaltem Blut und Überlegung (mnd. vorsaift mhd. i'ifiaz, — on.
mifp Iczagre /orakt), z. B, aus Habsucht, begangen ist. Doch zur Qualifi-
kation von VerbrciliL'n übL*Hiaupi wird tlicser Gesichtspunkt er>*t vom spatem
Rechte verwertet. Die Frühzcil folgt ihm nur bei bestinnnten Verbrechea
imd nur unter Fie^ibachtung gesetzlicher Merkmale. Jüngere Rechte sind es
endlich auch, die im Rackfall einen Ecschwcrungsgrund der That erblicken.
S 76. Ausser der Besi-haffenhcit des verbreche dsrhen Willens war für die
Schwere der That der Wert des Gutes massgebend, welriuTS gcschiidigt
wurde. üemgem.1ss wurden z. B. die Angriffe auf Leib uud Leben, dann
die auf fremde Habe sorgfaltig abgestuft, Untcrscliiede zwischen grossen und
kleinen Dielwtalilen geniadit. Ks begreift sich aber auch, dass die .Schwere
der nämlichen That zu verschiedenen Zeiten oder auch in verschiedenen
KuUurgcbicten verschieden angeschlagen werden musstc, je nach der
Scbiltzung des Angriffsobjektes. Hievon abgesehen konnte die Scbfltzung
des nilinlichcn Angriffsobjektes im namliclien RediLsgebiel zur nämlichen
Zeit unter bestimmten Süsseren Umstanden eine Steigerung erfahren, sodass
durch eben diese Umstände auch das Verbrechen ein schwereres wurde. Es
ist den Quellen gcmflss, in diesen Fällen von Bnich eines besondem, näm-
lich verstärkten »Friedens* zu sprechen, der das geschadigte Gut schirmt
Ein solcher Friede kann an bestimmten Orten alle oder d>"ch bestimmte
Güter schützen, und zwar entweder dauernd, wie der Tcmpelfriede in heid-
nischer, und sein Nachbild, der Kircheufriedc in christlicher Zeil, wie femer
der Haus- oder Heimfriede, der Miiffsfriede, der Mühlenfriede, der Deich-
friede, der Stadtfriede, oder nur zu gewissen Zeilen, wie der Dingfriede^ der
Ackerfriede (als Saat- oder Pflugfriede und Herbst- oder Emtefricde), der
ältere Marktfriede (oben .S. 125), der Königsfriede als Befriedung des könig-
lithen Aufenthaltsortes, der Friede wahrend des Heercsaufgebols. Andere
Frieden schützen dagegen nur bestimmte Personen und zwar wiederum ent-
weder dauernd, wie der Königsfriede als Befriedung des Königs selbst und
seiner Diener und Schutzleute (oben S. iji, 1^5)^ dder vorfthergehend wie
der Heerfriede. F.ine dritte Gattung von hohen Frieden endlich bilden die
eben so sehr heidnischen als christlichen Gottes- und Festfrieden, welche
sich auf bestimmte Zeiten (»gebundene Tage'), nicht aber auf be-sdmmte
Orte und Leute beschränken. Sicht mau auf das gcuctisclie VcrhaJtnii unter
6. Verbrechen: Ihre Aqsti'fung. — Str-vfek: Friedlosigkeit. rgj
den hiilien Frieden, so gruppieren sie sich andcni: alsdann gehOrt z. B. der
Marfcifriede zutn Tempel- und Kirr hen frieden, ebenso viel!H<hi der Din;;-
fricdf. zum Iflztcm der Hcfrfriedc. zum Hausfrieden der Schiffs- und Arkcr-
frieilc. Riiumlirhe und zcidirhe Grenzen der hohen Frieden pflegten durch
bcwjndcrc iZeichen in die Sinne zu fallen, die crstcrcn durch Grenzmarken,
liic iwciten durch feierliche Verkündigungen (Heile, aber auch GkK'kcnklang,
Hömerschall, Errichtung und Wegnahme sichtbarer Friedenszeichen).
Bei Beteiligung Mehrerer an einem Verbrechen hangt der altern Aul-
fasstmg nach <lie Schwere des VerscliuUlens jedes Teilnehmers noch von
dem Mass seiner Mitwirkung zum schfidlichcn Erfolg und von ihrer Susaer-
lichen WahmehmSwrkeit ab. Daher wurden die mannigfaltigen Formen der
Beihilfe, der psychischen Teilnahme und der Begünstigung nicht nur von der
ThaietBchaft, sondern auch von einander scharf unterschieden, teilweise sogar
mittelst feststehender Kunitausdrücke. Die Zahl der als TliJlter ^*eI■fM!gb3^en
war t»ftnials gesetzlich bcschrilnbl, z. B. bei Leib es Verletzungen oder Tr-tungcn
durch die Z^il der Wunden oder Schlagspuren. Ursprünglich hatte nur die
Tedlnahmc an bestimmten Verbrechen und hatten nur bestimmte TlmtbestHnde
der Teilnahme Rechtsfulgen. Letztere waren in der ;ilte*ten Zeit keine siniF-
rcchtlichen, 3<jndeni nur Obligation enre<'hiüche. Auch >|dler wurde im all-
gemeinen der Teiinrhiner milder behandelt als der Thater. Doch konnte
der Gegensau zwischen Thaterschafl und Teilnahme dadurch aufgehoben
wertlen, dass die Genossen eines Friedensbruches im Prozcss zusammen-
standen. Im MA. ferner verwischt ihn das deutsche Recht dadurch, dass
es prinzipiell die gleiche Stnife auf die Teilnahme setzt wie auf die Thater-
schaft
§ 77. »Unrecht schlägt seinen eigenen Herrn.- Denn; rwcr nicht andern
das Recht will görmcn, der soll nicht Reclites geniessen.' Den Friedens-
brether muss daher die Friedlosigkeit (asw, /ri/t/önt, mfries. ferdloihed)
treffen. Diese Folgerung zieht das altere gennanische Strafrechl in aller
Strenge. Der Friefllose (wn. gutn. fiidlaus, a.^-. friplös, ags. fridleas, africis
fnthofaty mhd. vn'fefös) ist aus dem Rechtsverband (fa^i) ausgcstussen : wn.
Mitagr, on. Nilteger, ultagpfr, ags. liilah, rand. tiutlagfi (dalier die Friedlosigkeit
»TL üiUgtl). Gleichbedeutend mit utl.-pger sind asw. hiitugber (doch wohl zu
hU üben S. ^"j vgl. E. Brate Vcslmanmihgctis IpiJlära SS. 5^ — jO) und ags.
iondrihtn iiiet, hd. von dem landnhte getan, mhd. e/os, ethulus, rtchlelös. Weil
ond soweit er des Rechtsschutzes darbt, ist sein L-oos das eines Flüchtigen
(ags. flyma\. Er ist gehetzt wie der Wolf und heisst dalicr wie dieser — an.
vurgr, ahcl afrtlnk. as. ivnrg, ags. itarh — und tragt "wulfts h/a/bJ< (ags.),
weswegen die Friedlosigkeit ein "Wolfslebenr (as. wargitia). Seine Zuflucht
soU sein der wilde Wald; daher Lst ilie Friedlosigkeit ein 'Waldgang« (wn.
skifggiiagr, wnfttr asw. prägnant siogber), der Friedlose ein 'Waldg.'inger'. iwn,
sköggaiigsmaitr, ags. i^taliigenga^ vgl. den homo qui per silvas vaäii im Ed. Chilp.)
oder 'Waldnicnsch« (wn. shögarmadr). wie andererseits auch der Wolf ein
WaWganger heisst' Sjieziflsch deutsch scheint die Benennung ähta alid.
{äkte^ ttbte rohd.) für die Fried l-isigkeit, womit aber aiirh nur wieder der Zu-
stand des Verfolgten (ahd. ähtäte. inlid. ithurre) ausgedrückt we^d^.^l will.
Ähnlicii verhalt es sich mit dem Ausdruck ^Fehde« (and. langob. /aiJa, von
/^d« «hassen«, — ahd. /Mi'iAi, ags./f/Arf!r, von ahd. /«i, ags. /M >^feindlich, ver-
folgt«), welcher 2tmaclist nur den Zustand eines der TotfeindschaTt Ausgc-
ftctiten bezeichnet. Doch steht Vald. Siell. L c. 87 fegh ok frithirs. Spezi-
1 Htiltgttngrl in tlv Gottscfacv, Kat, f. K. d. dem. Von. 1854 S. 31.
13*
196 IX. Recht. B. AltcktCuer.
fisch nnnlisch anck-rcrscits isi ilcr mit jenem fäh bcgriffsvern-andU' Aiwdrurk
ülmlngr (= unlitrilig, schuUlMS), Nur ein Reflex dieser ScliutzUisiykeit des
Afhters, kein subjektives Recht, ist das von Neueren !if>gcn. Fehderecht, wo
dasselbe als Folge eires Verbrechens eintreten soll, und gcnnu das Nilmliche
ist v<ni dem sogen. Rathcretlu zu sajj^en, welches »dter nichts ais eine Er-
sthdnungsf(»rm jenes Fehdere<-hLs ist. Der Frictll«ise ist öberbaujit dem,
Gmndj;edanken der Acht nach nicht bU»ss dem Verletzten preisgegeben,
fiondem jedermann darf, ja soll ihn als Feind bcliandch. Man wird bestraft,
wenn man ihn bcfönicrt. haust, hdft. ja auch nur .sjieist. Daher liegt in der
Acht ein ■Speisungsverbot'- (adan. tnnt&an, alid, mezUmn, mnd. meUlmn, mile-
hau). In England und auf Island wird s«)gar ein Preis auf des Ächters Kopf
gesetzt. Selbst Asyle schützen den Friedlosen nicht immer. Und im MA.
wird ihm nach einigen Rechten sogar das christliche Begräbnis versagt. Alier
nicht bloss der Leib des Friedicrsen, auch seine Habe wird von der Acht
bcirijffen (und nach nard. Vorstellung sugar ^friedlos-). Reclitsgcnosscnschaft,
Herrs*^her, Kl.lger können sich ihrer bem;ichtigen und sie unter sich verteilen,
was nach skand, KR. im Weg eines umständlicli geordueicn Verfahrens
{islanti. Je'rdtisdömr, asw. hoskipti, sh'ßi/ig) geschieht Aufs Ächlcrgut bei ge-
meiner Friedlosigkeil haben noch in vorchristlicher Zeit sächsische, sp.1ter
auch die andern deutschen Rechte nach Analogie des Rituals der Affeut-
lirhcn Strdfe die ^Wüstungr (S. 197) angewandt.
Die Fried losigkeit wird nun aber nicht immer in ihrer vollen Strenge vef-
hilngt Überall koiumcii Abstufungen und Spiekitlcn derselben vor, mdcm
ilire Wirkungen bald zeitlich, bald räumlich, bald inhaltlich böchränkt werden.
Zeitlich beschrankt sind sie, wenn sie durch Sühne (i? So) abgewendet werden
kCinncn. Dies ist der Fall bei der an, ti/Zegif t. c- $., bei der deutschen Vcr-
festung (luiid. itstiiigf) des MA. Auch der i.s], Jj^rbtjitgsgariir gehört hierher,
indem bei ihm <lcr sköggangr durch SOhne in eine blr>ss dreijährige Acht
verwandelt ist. Räumlich beschrankt ist die Acht, wenn sie den Gclchtcten
nur ausserhalb bestimmter Orte, wie z. B. der islflnd. ß'pr/mugs^'arctr, die gol-
Iflnd. vaitihtfnJo, oder nur innerhalb eines Bezirkes «»der Landes schutzlos
macht. Oft und insbesondere im dem. R. findet sich der Satz, dass die
Acht nicht über das Banngebiet des Ächtenden Richten* hinaus wirkt. Hier-
auf beruht in Deutschland der Gi^ensatz zwischen Verfcstung und Reichs-
acht Inhaltlich beschränkt ist die Acht, wenn sie nur den Leib des Aclitcrs
treffen will, ms i. B. die adan. Entziehung der timn/uf/gh, das schonische
malban, f>dcr wenn sie von der Habe tmr die fahrende preis gibt wie im
norwc^schen und dcut-^chen R. des JM.\. regelmässig, mier wenn sie die
Rechte des Betroffenen nur suspendiert, wie die deut Verfestung und Reiclis-
acht im Gegensatz zur Ober- oder Aberacht, oder wenn .sie seinen »Leib
nur dem Verletzten erteilte, wie (auf Grund knrolingischer Gesetze?) nach
deutschen RR. des MA. Im letztem Fall wird am Icjchteslcu der Schein
eint'S Fehde-sRei litst erweckt, Kür sich allein V'crhreilifnsfolgt- scheint im
Altertum nur die mildere, die zeitli*'h beschriliikle i>der bediuKie Acht ge-
wesen zu sein. Jn ihrer strengsten Form stand sie ursprünglich in Verbin-
dung mit der Todesstrafe 0 78), zu deren Ersatz sie spater dieule.
Eines geriirhtüchen .'Xpparates, Überhaupt st:iailichcr Einrichtungen, um
den Missethater zu treffen, bedurfte ilie Friedlosigkeil in ;iltestcr Zeit nicht.
Das lag in ihrem Wesen, da sie ja irj einem rein jiassiven Verhallen der
Rechtsordnung besteht Später aber ilrang überall das Prinzip durcl», der
Friedbrecher müsse durch geriditlichcs Verfaltrcn »friedlos gelegt« oder ge-
macht« werden. Dies geschah in feierlicher Rede {<eA. /atieil/aii^ alid. /rr<//.7/i.
mhd. vmilUn, auch Terruofen, Ühfntigrn) des Richters und der Dingh-ute,
nach ostiiordd. RR. si^ir durch förmliches iHinausschwören« {utsvif-na),
unter Geberden und Wahrzeichen, wie z. B. Fingeraufstrecken, Waffensrhiag,
SchwertzOcken. Kackelschwingen. Stabbreclien. Mitunter findet sich, daiis
dem Ächter noch eine Fluclilfrist vom Verruf an gegt^nnt wird. Aber auch
nachdem die Wirksamkeit der Acht von der Kriedlnslegimg im allgeiueiueii
abh3n;;ig geworden, lebte die Erinnerung an das entgegengesetzte Prinzip in
einKelnen Konsequenzen desselben f4)rt. 7.\i diesen gehOrt ramcntlirh, wenn
wir von den (''allen absehen, wo noch sehr S]i3te Gesetze wehren eines Kried-
bfuche* die Acht ipso jure in ihrem vnllen Umfang eintreten lassen, die Er-
laubtheit des Töiens oder riix'h des Bindens des I-'riedbrechers auf band*
hafter That, eine Befugnis die erst im Si>ätmittclaltcr zu jener der erlaubten
Notwehr zusammenschrumpft, femer die gesetzliche Anweisung an den Obel-
tliatCT, srlion vTjr allem Prozess dem Verletzten aus dem Weg zu gehen, und
andererseiti da.s meist gleichzeitige Hegimgs- und Spcwungsvcrbot an die
Rerhtsgennssen (s. oben S. 19h), endlich auch die prozessuale Behandlung '
der -frischen* (» nicht übernächtigen) That.
S 78. In bestimmten Verbrechensfallen bleibt das Recht nicht dabei
stehen, seinen Schutz dem Missethllter zu entziehen. Es duldet nicht, dass
er cnlkymme. Es will ihm eine beneimbare und genau umschriebene I'ein
vom Gemeinwesen ziigofügt wissen, d. i. was die Jurisprudenz als -/iffeni-
Hche- Strafe zu bezeii lineii pflegt. Hiczu sind staatliche Einrichtungen,
insbesondere Staats-'lmier. nfttig. Die öffentliche Strafe (erst mhd. Urä/e, und
zwar zunächst nur = Tadel, dagegen askand. ags. r'/Zr, as. wlti. ahd. wizi =*
aniraadvcrsio, suppliciuni. — gcnieinaltdeutsch karamscara = w:is zur Pein auf-
erlegt wirdi ist in heidnischer Zeil stets Todesstmfc. Der zu IjCÄlrafendc
Verbrecher wird nilmlich — ,'ihnlich wie bei den Kelten (Caes. b. G. VI 16)
und gleich dem röm. homo saccr — der Gottheit als Opfer «gegeben«, auf
dass die Rache dejselben wegen der verflbtcn Mis.sethat von der Rechts-
Ifenossenschaft abgewandt werde. Nebenher geht nach deutschen Rccliten
die »Wüstung« (nl. wofs/i/iffe), d. b. da.s Niederbrennen oder Niederbrechen
des Wohnhauses des Missethaters, auf dass sein Andenken ausgetilgt wende.
Weil nun aber in vorchristlicher Zeit die öffentliche Strafe ein Kultakt war,
danun stand sie damals auch nur auf solchen Friedens brflchen. welche die
Gottheil zur Rache reizen können. Das sind die Neidingswcrke (oben S.
194) und die Verietzung der Heiligtümer. Hienius ergiebt sich eine Dupli-
zitftt des aligcrraanischcn Strafrecht.*;: ge-meine Kriedenshrürhe mit Friedlr»sig-
keit und unsühnliare Verbrechen mit Opferlod, — ein sakntles neben einem
weltlichen S_\-stem'. Weil die heidnUche Todesstrafe ein Kultakt (»suppli-
cium« bei Tacitus), hat sie ein umständliches Ritual. Hierauf beruht es,
wenn das Gesetz fiberall ffir bestimmte Falle eigene Tudcsurten bestimmt,
hiemuf ferner die Formen, die bei jeder hesondeni Art von Exekution be-
obachtet werden mussicn, z. B. beim Hangen der Weidetustrang anstatt des
Strickes, der Iaubl..se Baum anst;itt des Galgens, oder das Aufrichten des
ihn vertretenden Galgens am Meeresufer, das Kehren des Gehrmgten nach
Norden, ilas Mith;ingcn d. li. Mitopfem von Hunden (legendarisch: »W6lfcn«),
die wir als Leibs|K-ise gewi.sser Grtttheiten kennen, — femer beim Radem
1 Tch vemiag dinen Ge^nsau im altficrm. Sunrrecbl nicht »cb&rfer KU bctoBca, aJs idi
et «chon 1876 in 'Zweck u. MiuH- S. 57—59 gethon bal>c. Um ao crUKunlichcr findtt
R'h <I>^ B4-liauptunK voa Bar Hamlh. I Xotc 241. dass idi •dem gcnn. Suafr. ur«)>rtni>.
lieb «inen n-cttr&tlich itAkralcn Charakter vindkicrc- .
die Zahl der Radspeichen, das Aufrichten des Leichnams mit eingefltiditencn
Annen und Beinen auf dem Rad — bei beiden Strafen das H^ingcn lassen
I.rzw. [jcgeti lassen der laiche, ihr * Ertauben an die Vögel in der Luft«.
\\'iederuiM gehört tucher beim Enlhaupten der Gebrauch von Bktck, Barte
und S>:hle^i, das Aufstecken des abgcsclilagenen Hauptes, lK:im Ertranken
die Wahl der Flutgrenze als Hinrichtungsort. Von einigen Todesstrafen
wird uns ausUrücklicIi gesagt, dass sie Kultalite waren, wie vum Hangen,
Ertränken, Rürken brechen . vom Blutadk-r&chneiden und LungcJiausreissen.
Von andern [üsäl sicli das Nämliche wahrsclieinlich machen, su vuui Zer-
malmen. Auch die Vorliereitungen der Todesstrafe gehörten zum Ritual, wie
z. B. das Schleifen auf der Kulihaul, die Kastration. Weil nun die Todesi-
strafc ein unter so strengen Regeln stehender Kultakt, bedurfte ihre Voll-
slreckimg des Piieslers. Was die Wahl der Todesact betrifft, so ist es richtig,
doch nicht erschöpfend, wenn Tacitu-s auf den sym Krischen Zweck verweist
Dieser trifft zweifellos xu beim Bedecken des Vergrabenen mit Donigeflechl,
bcitu Schlagen des spitzen Pfahles durch's Herz der KitidesuK'Jrderin. I>eim
Abpflügen des Maupie^i eines Grenz verrücke rs. Aber aucli die Rücksicht auf's
(jcschlecbt des Opfers war massgebend. Das Hilngcn z. B. war im Altertum
keine Strafe für Weiber. Weiterhin mag es auch darauf angekommen sein,
welcher G«jtibeit gerade das Opfer galt. Kin ]x»lizeilicher Gesichtspunkt end-
li» h war beim Verbrennen (von besonders gcfähriichen Misscthäteni, wie
Hexen) im Spiel.
§ 7Q. Kach dem Übergang der german. Völker zum Christciitum musslc
der Gegensatz der beiden Straf rei-hLssysteme in seiner ursprünglichen Bedeu-
tung aufgehubeii worden. Die Todesstrafe wurde entweder wegen ihres lieid-
nischen Cliaraktcrs beseitigt und durcl» die scliwereren Formen der Aclit tKler
ilurch I^ibct-stnifen ersetzt ».kIct doch wenigstens ihres sakralen Zweckes ent-
kleidet. Im erstell Fall wurden die clu-mals lodeswilrdigen Verbiechen, wenn
ilie Acht eine de[iiiili\'e war, zu unsühnbareii (wn. tUniftimäl, on. urbotamal).
Im zweiten Fall bleiben noch leicht Reste des ehemaligen KuItritu;Hls im
Gebrauch. Ein Kachklang des sakralai Stnifrechts ist es auch, wenn im MA.
nach deui. RR. die Strafen^ die a?) Hals otier ilaiid gehen > Rechtlosigkeit«
(iibeii § 43) mit .sich bringen und die von ihnen getroffenen Verbrechen ohne
weiteres zu »unehrlichen* machen. Nirgends liat das Christentum die Todes-
strafe ganz und gar abgeschafft. Da die.-ieltKr als eine öffentliche Strafe rein
weltlicher An fortdauert, so entstehen nun, begünstigt von einer neuen Auf-
fa.ssung des Striifrechts nicht nur, sondern auch der Aufgaben des Herrschers,
neue öffentliche Strafen und zwar eben sowohl für Verbrechen, welche ehe-
dem die Acht nach sich gezogen Imtteii, wie Cur solche, die ehedem t'Kles-
wttrdig gewesen waren: Leibes-, Freiheits-, Ehren-, Vennögensstrafcn. zuletzt
sporadisch auch Arbeilsslrafen. Oftmals werde:» deren mehrere zu einer
Gesamtstrafe für die nfimliche Missethat verbunden, wie sie auch zur Vcr-
whürfuiig der Todesstrafe ver\i'eiidet werden. I'-Ür die wollüstige Grausamkeit
des MA. ist hier ein eben so breiter Tummelplatz gegeben wie ftlr seme un-
erschöpfliche KrfLndmigskrafl. Die Gesiclitspunkte, von denen die letztere
sich ajifangs noch leiiai lässt, sind teils symbolischer, teils polizeilicher, teils
slJiJidearechtlirher Art, teils aber auch die rein äu-ssertiche Wiedcn-ergeltung
{Talionl. Symbolisch als abgcschwUchte Todes-sirafe gibt sich z. B. das
Brandmarken mit dem Bild des Galgens oder Rades, das F.inmauenk, djis
Hunde- oder Sattel- oder Strang- oder Hlugtragen, das Schwemmen. Rin
symbotisi:hes ■osteiidere scrina dtim pumunUm ist es, wenn der Münzfälscher
gesotten, die meineidige oder fälschende Hand abgclutuen, die schwert-
6. Strafe»: ÖFTBK-n-iciiB. SOhxe.
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i
zflckende durclwt<kssc-n, wenn dem Späher die Zunge nusgeriR<;en und die
Augen ausgestochen wurden. Mehr an die Ehre als an den Leib gehen und
daher symbolisch zu nehmen sind die Pranger- oder Kakstrafe, das Ksel-
reitcn, die Haanw-hur, das Tragen des Strohzopfes, des Strohltragem, der
Schandlarve, der Geige, des Strarmanlels u. dgl. m. Nur das deuLvrhc Vem-
lerht des Spatniitteiallers kennt eine einzige Stnifari, den Strang. — Eine
weiiere Verwischung der ursprünglichen Duplizität «les Strafrethls iritl schun
zicmliih frOlizcitig ein, indem nach Analt^ie der mildem Friedlosigkeit auch
die r.ffenilithcn Strafen mittelst Sühnleistung ablösbar werden, indem fenier
die Strafe zuweilen als Genugtliung Tür den KIflgcc aufgefasst, daher durch
ihn vollstreckt wird, weilerinn durch das Aufktimmen einer arbiträren Siraf-
gewalt luid eines Begnadigungsrechls, das im MA. keineswegs bli«ü Herr-
schern, sondern auch (unter Bedingungen) Untcrthanen, vne t. B. Fniuen
oder dem Henker (als ■iienkerzehntt) oder dem Klager zustand. Decken
mit dem l^Iantel ist ein Sytnbül des Begnadigens, weim es von Frauen tKJCT
Hochstehenden ausgeübt wird (vgl. »Mariae Mantelschaft* in der bildenden
Kunst.
Ji 80. tj\W impiaeaftiiei durant-^, wird uns schon am Anlang der bist
Zeh von den gemi. inimüi/tae berichtet, unter dem Beifügen, dass selbst
Friedcnsbiüche wie Todschlage durch Leistungen von Geldwert ausgeg^clicii
werden können. Damit ist die Söhne l)eze)chneL Alle FriedensbrUche.
die ic/deswürdigen ausgenommen, waren damals sühnbar. Die »Sühne» {ahd.
sSna, suona cigtutl. = Reini^ungsoi»fer, an. sön, dann Vcr*söhnungs*mittcl, in
lat. Texten tompoutio) ist ein Entrichten (wn. f^ald, on. gtrid, ahd. geü etc.,
auch ursprOnglich ^^ 'Opfer' r*^ zum Zweck des lAiLsbes^ems« des angerichte-
ten Schadens (>Euäsc-!, skand. ags. hei, as. höia, ahd. buosa)^ Oberliaupt der
Vergütung, daher mlid. uandef. Diese Leistung geht teils an dm Verletzten,
teils an die Öffentliche Gewalt. Allemal aber ist die Lei.slung gesetzlich s<:>-
wohl üirer Art als Üircr Grösse nach bestimmt. Sic stellt den gesetzlichen
Preis dar, um welchen der Friede für seinen Brecher kauflich ist. Dieser
ikauft sich aus dtm Wald« und >jn den Fritdeu" oder >ias Land«. Die
Sohne ist eine iHauptlftRe« (fnes. havdUsae, an. h^uätattsn). Die TrSger der
Öffentlichen Gewalt, deiitn gtsühnt wird, sind in der illteslcn Zeit die Rechts-
gennss«n seilst (I^nd, Hurdeiischafl), allenfalLn in 1 h der amtlithe Friedcns-
bewahrer (König). Spater ist nach den meisten Rcclilcn der Herischer allein
Einnehmer dieses öffentlichen Teiles der Sühne. Nur in etlichen skandinav.
Landern dauert der allere Zustand fort. Doch klingt letzterer auch in
Deutschland noch nach, wenn im MA. gewisse Strafgelder von den Ding-
Icuien vertrunken »erden. LVd wo sich ein freistaatliches oder ein prirat-
gen<*sensrha(tlichc& Strafrcchi ausbildet, wird der ursprüngliche Zustand wieder
erneuert. Der hier bcsprorhenc Teil der Sühne wird das ^ Friedensgeld«
genannt, in den Quellen afiank. Jretha. fnts,. /re/Ao, fnlhopatminn, adiUi. /ripk&pt
wn. Jnäkayp. Die letztere Benennung wie das gleichbedeutende wn. tandkaup
ndgtn zugleich deutlich, daiis nicht etwa für eilt blosses Veituitteln zwischen
dem Thater und dtm KlSger, soncleni für's Gewahren des Frieden.s das
Fiicdtnsgeld entrichtet wurde. In den ags. Gesetzen erscheint das Friedens-
peld schon mehr als Strafgeld — wUe, wahrend aiiglodan. laksHt begrifflich
anali g dem frani. freihu ist und anglndSn. Iahc6p obigem fri{)köp entspricht
Die Sohne an den Verletzltn [(ompoiiiio, jBussc im engeren Sinne, ags.
ftikäh^t) biess, wenn sie die Tßdtung eines Freien verebnete, »Mann- oder
Mer.schenxergellerR« — Irrg. xt:ih^ifd (dceh auch allgemeiner u-idtigifd)
alam. vin^ild, ahd. nerofe/d, mhcL xiergett, ags. wergild, gutn. vtrtldi, auch
200 DC. Recht. 6. Ai.tertüuer.
prägnant ags. wer (m.), gidchbedeutcnd afrank. feudi, ags. iSd oder It^dgtld,
wo. manti^^d, on. mangald oder manbot, wälirend ags. manb/ii zum unter-
schied \-on dem an die Verwandten des Etschlafienen zu zahlenden Wei^ajeld
{mdgböt?) dasjenige bezeichnet, welches an seinen Gefolgs- tnier Muntherm
geht Über die Beteiligung der Vera-andtschaft am Wcrgcld oben S. 157.
Im MA. wird der Name -Wergeid« aucli auf die Ersatzleistung [ür Unfrde,
ja fdr Tiere angewaadt Im Gegensatz zum Wergeid hit^sen die andern
Sühnleii-tungen an den Verletzten »Bussen« im engsten Sinne des Wortes.
Nach Emtührung des Geldes (§ Ö3) sind Wergelder, Bussen- und Friedens-
gelder in der R^el gesetzlich benannte Geldsummen, und die ältesten ge-
schriebenen Gesetze der Deutschen scheinui sugar hauptsächlich zu dem
Zweck gemacht, diese Summen festzulegen. Dal>ci erscheinen Frieden^eld
und FrivalsQlme nach einigen Rechten als Quoten eines Gesamtbetrags, nach
andern ab je für sich besonders bestimmte Beträge. Aber noch bis tief in*s
MA. hinein kommt neben der Geldleistung das Slihncn mit andern Sachen,
wie z. B. Butter, Wachs, Vieh vor. Und dies entspricht dem ältesten Recht
Dabei war vom Gesetz entweder ein fester Betrag von Naturalien (z. B.
»certus armentorum ac ]ica}rum numerus'^ gt-nannt L>der nur ein Massstab
bestimmt, wonach von Fall zu Fall die Menge des zu entrichtenden Gutes
ermittelt werden sollte (z. B. Aufwiegen des Getöteten in Gold, Bedecken
desselben mit Gold, das Balgfüllen oder •Hüllen mit Getreide nie beim
»Katzen- und Hunderecht< ul dgl. m.). Die Grösse der Sühne pflegt zu-
nächst von der GrOssc des angerichteten Übels abzuhängen. S<jrgfAltig wax
unter diesem Gesichtspunkt jedes einzelne Verbrechen, z. B. jeder Todscblag
nad) dem Stand des Getöteten, allenfalls audi nucli nach seinem Geschlecht,
jede Leibcs^-erietzimg nach der Brauchbarkeit des geschädigten Ghedes und
der Art des S^'hadcnn taxiert. Daneben kommen dann nr>ch die andern
Umstände in Betracht, durch welche eine Missethat qualifiziert werden kannte.
Oft war dann Vervielfadmng der Grundtaxe das Ergebnis, so insbesondere
in der frSnk. und langob. Gcsetz^bung, wenn die TiideÄStrafe durch schwere
Süluie ei^ictzt werden sollte. Der feste Bussbetrag diente Icdiglicli der Gei»ug-
tliuung, wenn neben ihm — wie oft bei Vermogensbeschädigungen — Eisatz
des Schadens zu geben war. Die festen Bussbeträge pfl^^ten technisch nach
den zu sühnenden Verbrechen benannt und so von einander unterschieden
zu wenicn. Mit Vorliebe drückte man sich hiebei ebejiso wie beim Benen-
nen des Fricdensgeldes prägnant aus: hadnäm 2. B. heisst »n. nicht nur das
Beeinträchtigen frem<len Grundeigentums, sondern auch das Busageld dafür,
dfinig nicht nur »iederrechlliches Angreifen fremder Sachen, sondern auch
flas Bus^eld dafür. So heisst auch on. pukki eine Geldbusse für Beleidigung.
Das wichtigste deutsche Beispiel ist der »Königsbann« yhanmts ngitu), der,
von Haus aus eine Beieidigungs-Busse an den König für Cbertreiung seines
Verbotes oder Gebotes und in sofern in der spAtags. oferhymn, auch dem
nach Muster des engl, contemptus bnrvium aitwickelteu nor^e;;. bre/abwl ein
ScitenstOck fand, doch bald das Friedensgeid absorbierte. War durch die
ÜbeltUat ein Sdiaden an Gut gestiftet, so musste dieser ersetzt (>gettessert^
»geheut*), das Gut uieder *vull gcmachts (Hier »entgolten* weiden. Bald
geschah dies nach einer geseulichcn Taxe, so da.«B der Ersatz in der Busse
enthalten sein konnte, bald durch individuelle Ve^ütui^ neben der Buss-
leistung. Letztem Falls pflegte dem altem Recht nicht ein blosses Wert-
ftquivalenl wie z. R Geld, sondern nur ein Ersatz vun Gleichem mit Gleichem
SU genügen. Nicht immer reichten Gdd und Gut zur Sühne hin. Zum Beilegen
emer Ehrenkränkung getiört insgemein ein fderiidier Widerruf, für T<.)dschläge
wprdcn nicht bloss Wergeldcr gegeben, sondern auch AVallfahrten unter-
nommen, Sülmkreiize errichtet, das Ausweichen gegenüber der geschädigten
Freundschaft versprochen. Andererseits u-ar in leichtesten Fallen, d. h. in
solchen, die in einer allem Zeit überhaupt keine Missethjt enthielten, die
Busse sy gering, dass sie nur formdlc Bedeutung; hatte (eigentliche, weil aus-
fßhrbare fÄ'hcJniMase.l, sr» t. W. we-nn nach dem Ssp. die ünsse des Tage-
werchten in einem Paar wuDencr Handschuhe und einer Mistgabel, die des
RechUosen in zwei Besen wid einer Scbeere besteht Materiell lief solche
Busse wie die uneigentliche (unausführbare) Scheinbusse («. B. mit dem
Schatten) auf ein sarkiistisihes Herabwürdigen des Bussempfängeir« oder der
zu stihnenden Tliat binauä.
S 8i. Ursprünglich folgte auf gemeine Friedertsbrüche als das Primäre
die Frieditwigkeit, die Söhne als das Sekundare. Der Friedbrecher durfte
sOtmen, sullie aber nicht, wenn er es auf die Wirkungen der Acht ankommen
lassen Wi>Ilte. Andererseits massie er, sobald er gehörig sühnte, in den
Frieden wieder eingesetzt wurden. Dieses durfte aber erst gescheheo« wenn
dem Verletzten die Privatsühnc geliurig geleistet oder doch gesetzmSssig ver-
bürgt war. lÜezu gehr-rte aber Angebot der Sühne in gesetzlicher Frist, in
bescheidener Form dcT« Bcncluncns, nach .skand. RR. und jüngeren ags. auch
<las Angebot des sog. Gleichheitseides (an. jafnnilareiitr), d. h. der eidlichen
Erklärung, duss der Missethater an Stelle des Sühne mpfüngers mit der
nämlichen Sühne vorlieb nehmen würde. War diei alles bei->harhtet, so
durfte der V'eHetzie nicht durch Anoahmovcrzug die Friedensgewührung ver-
hindcni. Freilich mochte er oftmals glauben, dass ihm die Sitte das An-
nehmen der gesetzlichen Sühne verbiete, weil er sich veqiflichtei fühlte, das
Unrecht zu verf'ilg;cn. Dagegen sucht dann die Gesetzgebung vorzukehren,
in Dänenuirk und im wwtnord. Gebiet u. A. dadurch, dass bei der Tod-
schlagssühnc dem Wergcld noch eine Überlmsse {ganum = Kostbarkeil,
haugpak ^ Kingdach) hinzugefügt wird, im niederdeutschen Gebiet dadurch,
dass der BtutklAger einen Voraus (ags. heahfang, das "praemium" der L.
Sax., holl, xmrzoent) aus tiem Wergelde erhüll. Allemal aber hatte nach
Empfang der Sühne der Verletzte in feierlicher Form Urfehde (ags. unfiih'ii,
mhd. ufTfhet/e, un'/hc) anzugeloben {wii. fn'gffi'r, on. /n-gi/, berühmt die Island.
Formulare), nach nipdcrd. RR. unter Gcwfihrung des Friedenskusses (nl.
mttmhotfu), desse Stelle anderwärts, insbesondere in der Schweiz vom »Ab-
trinken des Friedens* vertreten wunlc. Aber auch der Friedbrecher hatte,
wenn er verfolgt gewesen, Urfehde zu geloben. Vorbereitet u-urde dieser
definitive Fricdcnsschluss durch einen WaffcnstillslaTul (skand. gn'p, mhd.
tröslunge, slallungt). — Wahrend sich im skand. K. da.<i ursprüngliche Ver-
hAluiis zwischen Friedlosigkeit und Sühne bis lief ins MA. forterhiell, kehrte
es sich bei <lcn Südgermanen frühzdüg um, so dass nicht mehr ohne wci-
leres auf Ächtung, sondern zunächst nur auf die gesetzliche Sühne gekl^
uod erkannt werden, iler Urtcilcr clalicr ahd. suenan, das Gericht suonsluoi
heiasen konnte. Die gewühnlirhe Sühne wurde damit zur Geldstrafe^ mithin
das Fritjdensgeld (innd. gewedHe, uilid. icctte, unrehl, rrereh) zur öffentlichen
Strafe, dir Friedlosigkeit in ihren raildera Formen und Ausläufern zu einem
Exekulionsmittcl, wahrend sie im Konlumazia [verfahren den Charakter der
Strafe behielt (vgl § 87). Der so nahezu herge-stcllten Einheitlichkeit des
Slrafrixrhtssystems entspricht es, wenn nunmehr die Verbrechen auf Grund
der Art. und Schwere ihrer Bestrafung in ungerihte und vrn-eir eingeteilt wer-
den. Unter Ungcricht pflc^^e man, in.sbesndere im Uilrdlichen Deutschland,
203 IX. Recht. B. Altertümer.
die Übflthat zu verstehen, wciclic an tlcn Leib (Hals, Hand, Haut, Haar),
unter Frevel diejenigen. wi*U-iie an die Habe gingen.
§ 8j. Über die prozessuale Verfolgung eines MissethSters zu
verfOgcn, war in der ültcru Heil ausschliesslich Sache des Verletzten.
Dieser ist di-r »KJ^gsinhahe-r« (asw. niahieghaudi) oder rH;mplin;mn der
Klage- (islilnd. sntar aiii/i). Es wird siiignr di'e Reihenftilgc der hienach
Klag berechtigten surgfültig goirdneL Die Sitte freilirh, in gewissen FilElen
auch der Kuli. forderten, cüiss der Klag berechtigte die That weh nicht ge-
fallen lasse. Aber eine rechtliche Pflicht zum Klagen Ijcsland nach rein
gcnnan. R. nicht. Viehiiehr war die öffentliche Gewalt, wiweil sie nicht
si;lbst verletzt oder Vertreterin des Verletzten war. in der ]iriizessualen Ver-
folgung vom Verletzten abhilngig. Daher konnte, siAald zur Acht f<"imdirhe
Friedlu:*legung erfnrderlich geworden (oben S. If}f>f.), durch einen Privjtver-
g5dch zwisdien den» Verletzten und dem Friedbrecher die Sache aus der
Weh geschafft und die fiffendiche Gewalt um ihr Friedensgeld gebracht
werden. Um letzteres zu verliindern, mussten erat besondere Ge.veize das
Eingehen von solchen Vergleichen verbieten. Sodann wurde für die schwe-
reren FjUIc, wo der Verletzte nirht kl.igftn konnte, nrier wollte, ein subsidiäres
Klagcrecht der öffentlichen Gewall zugestanden. lu Deutschland diente dem-
selben die von Karl d. Gr, eingeführte Rflgeiiflicht der Din^eute bezw. ihrer
Vertreter, die jedoch in den St;ldten jilsbidd verschwand und in Oberbayem
1546, in Xicderbayeni i.V'.i lU'* [wjlizeilichen Gründen abgeschafft wurde,
während sie in den Venigerichten zur eidlich übemommenen Anklagepflicht
des "Freischoffen-- sich steigerte. — Eine Anzeigepflicht kannte übrigens auch
schon das westgot. R., weiches andererseits für gew'isse Falle die suhsidLlre
Popularklage einführte. Teils die letztere, teils die primäre Popularklage
kommt auih In einzelnen schweizerischen Gesetzen des SpaiMA. vor. Den
ausgibipstt-n Gebrauch hat aber von der einen wie von der andcni nodi im.
Frühll.\. das isllind. Recht gemacht^.
7. ciEHtcHT i;ni> KKCHTSOASü.
I.itCRilnr bei SchrTitter Lthrb, %% 8, IJ. 25, 37, 4(). 50 (S, 584 — 5QI), 63,
Siegel RG. §§ 185—198. Brunacr K«"r. I gg ao, 25, 11 §{( 77. 79," 81—85.
97 — 123 lind in Holt/cnriorffSS 6, 33, iS, Gcnpler Gnimir. -S. 3S8 — 405, 520—
523, Si«niftDTi Rctshist. §§ 26—55. Brandt Forc-1. II S. 157. S. itunct : K.
van Alkcmadc. Bfhan<iflmg van't kamfirf^t 1702. J, Grimm Vor\*'. u. J, G.
Thonia« Eiiilcitt;. vor de« letricren (.'>bfrh'}f z. Frcinkf%ti( a. .1/., De Geer i
Xieuwc Bijdr.-iKcri vo<ir Rcgcsgclcertlhgid VII S. 141 — 177. Sv. Grundlvijj, Cht
ä< got. Joiks T/ilvneif 1871, Bactiitiild in Roman. FfprM:hungi,-n Y 221 — 233.
Opci in MIOG. XV S. 479—482, V. Am im in Gr.ti. ^,^1. A, i8y6 S. Joo —
209, A. Schullzc in Zschr. f. d. Prival- u. f^ffrntl. R. XXII (18^4) S. 9<3 — 117,
G. I" ▼. Maurer, Grseh. der Franhojr I S. 311 — 335, IV S. 84 — 274. 440 —
458, l.iKrcbici, Öifrrr. Reirks^rsth. ^ 31, Wt-hnt-r, D. Gmehti-yerfaisg. d^r
St. .\fmuken 1876. ScIIn i. d\ Mark, Knrsth. XVI S, I — I3i, Pyl,* Ä-rfr. j,
pommfr. Rn-hhgfSik. II flS<>l), C. Neiiliiiry, C- d. Ausdrknung der ^unfi-
frerKhtibart. 1S78 S. 66 ff„ Ders. Zunßgi'riihlihark. u. Zun/t\'er/atsg. 1880,
*•. Richthofen, UnUn. ü. fnes. A'tf. T. I S. 112— iqj, 297—610 T. II S.
1060 ff.. V. Planck i. d. Münch. SiizB<l>er. hisl. Kl. iSSEi S. i;^ — iSo, I.rtnch,
D. fngelh. Oberhof 1885 S. XC— CCXII. Horten [oben S. 168). RosL-nthal,
Beilr. G, dtttt. StadtRG §§ l — 12. Brandileone In Studi e dooim. d. »inr. X
(l88g) 5. 3—35. H. Knapp in Zscbr. I. die gesamte StntfrecbtHwisseiuch. Xn
* Nach Opel D. Popularkhgt d<r Berntr Uandffstf 1894 hUtte die Popularklage
dn nocb viel auRecbreitetcm Gebiet gehübt. Die« Anuahmr beruht auf irrif>er Atislcj^ung
der Quellen.
j. Gesucht: Vsrpassuhg der staatlichen Gerichte. 203
189a S. 300— 2;6, 473— 5SZ. — Slubb». Consf. Hut. IS. ID3 flg. Il4f]. IJJ,
llncisi. £fi^t. l'er/a. S. l8— II. 45—57 »"ch 134 fr.: — Wild« i. d. Ver-
band), rfcr Gtrrm. t. Lilbcck 1847 S. 249 — 260, Th. Wolff in Zschr. 1*. vergleich,
Rtdblsw. VIS. I ff.: — Stein. D. (iesfhichtr d. dän. Ctvilpmtestri %. \ — •;*), I, ar-
*VD, Snmirdr SJkri/trr I I S. 70 — 105, Stecnsliu|> in Datiskr ^Mimlitigpr Z K. II
S. J29 — 341, Sylow, Dm matfrwlU Ürvislttiris Vdiiitlinffiftht. 1 dnmk Ret
1878. .Sechpr, (hn vtlUrlighrä og tiäme&ei'iS t. it. a. Jiin\te procfs I8S5 (ilji/.u
K. Maurer in Kr. V)«cbr. (886 8,90 — ^), pAppenhcint, D. nJän. ^chuif
gildxH S. 277 — 322, 33—37. Holberß, Legti Watäemari 1886 S. 156—173,
318—330. 233 — 352, Den. Dnntk Rigilovgivnmg 188g. inshm. %% 4 — 11, 13,
20. S2 (dajtu I'appcnhcim in Kr. Vjschr. XXXIl S. 44— 79). Matxcn. /-ortUt».
Offrmtl. R. II (1894): — Schlyur, /Mr. Afhnndt. 11 S. iio— 341. lIjArne.
Om d. fornei'^tuka nämd^n (U]M. Univ. Ar$«kr. 1872, daru Schlytcr. Gleis.
S. 801 — 80;). ödberß (oben S. I43), Uppsiröm. Ö/vers. af d. nenska proc.
hiit. 1884 (duu V. Amira In G^n. gel. A. 1885 S. 161 — 171), Scrlacblus
(oben S. 169), [jubcs, S, 1 — XV 1; — K, Maurer in Müncb. Sltzgübcr. phil. Kl.
t883 S. 548 — 592, 1896 S. 3 — 48, — Pappcnheim, Hin iill»cr-,i: ÜiAuUgi/de-
Statut S. 63 — f>8. — J.Arncscn, HiitcHsk Indh-dn. til den , ..hlandskf I^tfr-
gamg 1762. A. Kcmpe. Studier Sfver d. hl. Jnrvn 1885 (iliuu K. Maurer in
Kl. VJKbr. 1886 S. 80—88), V. Finten, Öm drn'oprmd. Ordmag (t>bca S. lOO).
83. »Das giikrünimtcr Rcchisvcrhülmis wieder in dit- Richte zu l>ringt.Ti*
— ahd. die rihtimgn — ist Beruf des 'Gerichts« (ahd. ghihii n., mnd.
ickte, liehu, m!id. auch reht), ein Bcmf, der erfOllt wird duaii Rcchl-
^sreciiung oder Urteil (ersi .ihd. nrteiÜ, as. urd^li, afrifs. uniei). Das Urteil aber
war lind hiess »Salzuiij;' (skand. tiömr, ^aX.ilStns, itnd. dorn, ahd.nihd. tuom\ in dem
Sinn, dasi«, auf einen Streitfall angewandt, Recht »gewiese:!* und -gefunden*-,
die Sache selbst dadurch »geordnet t, der Streit zum »Stillstand- gebracht
wurde (daher goL timia f. = Urteil). Denn als ein »Formen* und 'Schaffen«
(skand. skapa, afriink. *sfapan), wie als ein >Trennen« und .Abgrenzen«
(skand. skila) wunle das GcscLiflft des Urteilent aufgefasst. Gcmä.ss dem
Wesen des Volksrechts konnte aber diese Rechtsanwendung nur von der
Rechtsgenusscmchaft selbst ausgeheu. Dalier war. solange dieser Grund-
gedanke lobendig blieb, das gcrman. Staatsgcricht, wiewuhl keineswegs bloss
rum Entst^haden von Streitigkeiten dn, eine Versammlung aller selbständigen
RecJitsgeiwisscn (:^. /oiegemöt, — dafür aucli as. hwatf, frics. warf) im Ge-
richtwprengel, eine Versammlung zum Verhandeln an bcstimmiem vTermin«
— /'"i?t (ahd. ding, lang*_»b. thmx, aus vorgenn. ^trnlos. ^■gl. lat. irmfiiis, got.
Pakt), 'mapul (g<iL mapl, abd. madai, as. mahal, frank* ilat. mallm). Die
srichtsversamndung der altem Zeit ist entweder Landes- oder Bezirksver-
Jung. Und zwar konkurrierten Landes- und Bezirksversaiumlung liin-
rhtlirh ^^x Gerichtsbarkeit, ausgenommen die todeswflrdigen Strafsachen, in
»•ehhen die Landpsversamnihmg (I-andsgemeinde) aussei ilies>Iich zust-lndig
»■ar. Letzteres erklart sich daraus, dass die Todesstrafe Staab-opfcr w;ir (iilicn
S. 197», die Staatsopfer aber auf der 1-mdsgcmeinde dargebracht wurden.
Der Benrksvcrsiunmlung stellt das an. Marktrecht das Schiffsdtng (skipam
tif/n<i) gleich. Im Zusammenhang mit der Auflösung der Bf-7.irksverf.-u«ung
(oben S. 124) erhallen die neugegiündeten Herrsihaftsgebicte und fast inuuer
auch die ptditischen Gemeinden ihre eigenen GericbLsversammlungen. Die
Gericlitiversaninilung findet, soweit sie staaüichen Ursprungs ist, periodisch
(im Ssp. al.s echudtng. inhd. efia/tding. fries. und nsadis. lolting d. i. logfing)
and in diesem Sinn zu gesetziidier Zeit, statt; ausserdem kann sie, wann man
iluer bedarf, duch unter Be^jbachtung der gesetzlichen Fristen, aufgeboten
1 Dir viitt K, LclirasDii (s. ahen 5«, 54) S. 33' angcgdMtne Sdirift van i.agus
ao4
IX. Rkciit. B. AltertOmkr.
oder -»ausgdcgl' werden (sog. gebotenes Ding). Nur dem iaL'lud- R. ist diis
gebotene Ding unbekannt, und andererseits ist cla.s ^.n. Sehiffsding seiner
Natur wie seinem Namen nach ein gebotenes. Zu gewissen Zeiten («gebuii-
deiien Tagen*) soll regelmässig kein Ding gehalten werden, kein Ding femer
bei Xacht, so dass die Gerich tsversammhing buchstäblich ein ittf^idiur (ahd.
— mhd. auch feidinc) ist, — ausgenuininen auf Island, wu es zur Sommer-
zeit nachtliche Gericlitc gibt Gesetzlich ist beim echten Ding auch die Dauer,
gesetzlich der Ort {echte oder refbte liittgstaf nach deut. Quellen). Der Ort
(alid. mahalstai, fries. loch, ns. //V) ist regelmässig eine herkiimmlidie Statte
im Gerirhtssprengel, in Deutschland seit frTinkischer Zeit wenigstens für's
cclite Ding. Ursprünglich immer und im MA. n<>ch gewöhnlich lag die
Dingstatte unter freiem Himmel.^ Mit Vorliebe wlhhe man dazu Anhöhen,
bei den Salfranken so regelmässig, da^s sie jede GerichtsstUtie malloherg
nannten. Niclit ganz und g;ir diesem maltobcrg entsprechend, deich zum
Behut von Verkündigungen tmembt-hrlich ist im isl/lndischen Untergericht
der "Dingbrink- fpingbrekia). \i\ der isirindischen Landsgemeiude wie in der
werra landischen der -Gesetzesfelsen«- i/^'g^i-Tf,'. /a^'inr^/i). In wirtlicheren Ge-
genden verlangte das Schattenbedürfnis der Versammlung Befriedigung, wess-
wegen die Dingstfltten insgemein mit Bflumen bestanden sein mussten. .\ber
auch KuUusüwecke konnten in heidnischer Zeit dabei in Betracht knmmeu.
Viele Dlngst;itten waren damahi OpferetiUten, und eben hiemit mag es zu-
sammenhangen, wenn es noch in christUrher Zeit üblich bleibt, hei grossen
Steinen, bei Gewässern, auf Kirchhöfen zu dingen. Doch finden sieh in
Deutschland seil Karl d. Gr. Verbote gegen das Abhalten von Gerichten an
geweiljter Statte. Seil derselben Zeit werden Gerichtsraume auch bedeckt,
aber so, dass die Wunde nffen bleiben (■GcricJitslaiibcn«), Erst im MA,
kommt es, und zwar meist im Zusanmicnhang mit einer prinzipiellen .Ände-
rung der Gerich L<vcrfa SS ung, auf, in gesciilosscncni Raum, zuerst noch in
Cildehäuscm, Rathauscni. dann in eigenen DiJig- oder RlchthSuseni Gencht
zu halten. Aber auch nachdem das Gericht ein »Slubengerichl-. geworden,
erinnert das Offenhalten von Thüren oder Fenstern der GericliLsstube an
das einstige Tagen der Versanmilung in freier Luft. Gewöhnlich wurde auf
Grund von Banngewalt das I^ing berufen (d.nher -ipfiuiiutn" d. i. *lhum nben
S. 1^3, skaud. str/na) und geleitet vom Gericlitshalter (alid. rihtari, toltd.
nuid, rihUr). Dies pflegte die Hauptfunktiim des Bezirks Vorstehers xu sein
und eine wichtige des Herrschers zu bleiben, welchen Namen dieser auch
führen mochte. In der Zuständigkeit des Gerichtshalters kennt das flltestc
Kccht nur Unterschiede nach Gegenstauden dtrr R<-(ht.'«h finde! unti n:ich
Sprcngeh). Der erstere Unterschied, der auch im MA. nnch fortdauert, lie-
grOndet den Gegensatz von Hoch- und Niedergericht. Jünger ist der Unter-
schied von Instanzen (Ober und Untergerirht, unten S. 208) und erst wah-
rend des MA. bildet sich In Dculschiand im Zusammenhang mit der Über-
«nd Untergenössigkeit (g 4^) ein Unterschied der Zuständigkeit nach den
der Geric]il!^ewalt utiterworfciieri Personenklassen aus (StandesgiL-richte). Wahl
des GerichLshalters durch die regierende Versammlung der Rechtsgenossen
1 Anscbatilicbc Beispiele liefern viclo crfanltcnc Dingitatten wie die zti Dortmund uiui
zu Bo&dori' (oben X, 1 S. 61), die hessischen Gerich (slindcn cu Kaiehen {Kumtänttm,
im Gritssh. HfSien Kreis Fritdhrrg S. IJ"). b<-"i B^jrfeldt-n (u. a. O. Kr. Ertnich S. 12),
l>riMS!tt(-iii1i«'iiii (k. a. O. AV, Offmbach S. (Jj), l>ei KtIkicIi, Juycnheim, Rrcitentinuin,
Hingt-iilieim, Gfltentliiu-h iird niif tk-iii I^iriillier^ bei Hp|>|>enhfini, die iScliraiinet *h Oberalm
(Sabibur^), der fileiiuicktT xu Mnllu ((ilnni^). dii^ i.sl3ndLsche Alllhini^stilup an der Qiuri
(Vtigt Xorii/ahrf S. 336) tind andwe fit-rithlspUui' auf Island, u. a. m.
7* Gericht: VERKASsuNa der staatlichev Gerichte.
205
!
bildete in der Frt^hzeit die Regel. Im MA. wurde er unter den inannig-
falügslca Amlstitcin meist vom Herrscher (Gerirhtsherml, »iweit dieser nicht
selUst tlas Gericht abhielt, ernannt tider mit seinem Amt bezw. dessen Ein-
künften belehnt. rtisbes'.iridere war dies in den Grund he m*Lhaften und in
den bind e»herr lieh eu Territorien der Fall, wo der Gerichtshalter sogar oftmals
sein Amt pachtweise inne hatte. .\ber auch erbliche Gerich ish alterschaften
gab es damals In cini^jcn deutschen Gegenden, wie z. B. die Dorfscliulzen-
Amter in den dcubu-hen Kolonien SchtcKirns nml der Mark Umndenbur^g,
wahrend anderwJirts — und zwar auch abj{eüelien von Freistaaten — ciuc
Mitwirkung der Dinglcute beim Bestellen des GerichLsvorstchem sich fort-
erhielt oder unter der Gunst lokaler politischer VeriiältnLsse wieder auflebte.
So ist z. B, der auf die Dauer bestellte gogrei-t des Ssp. wie schon itein
Vorläufer, der tailtnarim^ dem Grafen von den Dingleuten durch Wahl
präsentiert, wird andererseits den nieder frankischen Kolonisten in Sieben-
bürgen freie Richtertt-ahl durch ?ri\ileg zugestanden. Das«; ein Ding nicht
vom GericIiLshalter, sondern von demjenigen Dingmann berufen wird. >der
des Dinges bedarf', findet sich als Regel im nurwt^. R., als Au^inahme für
den Fall einer Klage um >jahe That< im altem deuL R. (notdmc). Auf
solchem Notding wurde bei .Abwesenheit des ständigen Richters einer zum
Richten über den vorliegenden Fall gewählt. Im Richten der VemschOffen
auf handhafter 1"hai lebte dies Ni.itding noch wahrend des SpätMA. fort.
Du Berufen geschah auf dem Lande meist durch Herxunsenden eines Bul-
schaJtsjKeichens, welches die einzelnen IJinglcine unter einander selbst weiter-
zubcfördeni hatten, aber auch durch Geschrei (^rikJiie, serüflt, so insbe-
sondere beim Notding), in Ansietllungen mit Kirchen gewöhnlich durch
Glockcngeläute, in Städten, iasbesiindere nordischen, audi durch Hiimcr-
schalL War für den Zusammentritt einer Gerirhtsversamnilung ein Tag
durdi's Gesetz bestimmt, so bedurfte es keiner bcsondeni Ansage. Das Er-
flcheinen tmd Fungieren im Ding ist für die durcli Gesetz oder gesetzinassige
BotMhaft Berufenen insgemein nicht bloss Recht, sondern Pflicht (»Ding-
pflicht* >Gerichlsfolge-), und zwar eine Genossenpficht (oben S. 129), deren
VeßSumnis bestraft wird.
Die Urteilfindung ging ursprünglich wohl nur von einem Dingmann
aus, indem dieser auf Befragen durch die Partei einen Urteilsvurschtag
machte, sei e» diu« wir uns in jenem nach Art des schwedisch -gotischen
laghmaptr und hinapshößtin^i. des ags. ealäorman und scir^n'fa. ' des alam.
j'atiex den Gerichishalicr selbst, oder sei es, dass wir uns in ihm nach Art
des friesischen äsr^a und des baierischcn jiuie.v {äago, t'sa^ati.-J wnen vom
Gerichts halter vergeh iixlenen und eigens zum RechtweLten angc-stellteji Be-
juiiten zu denken haben, jüngere Rechte, wie z. B. schon das altfränkische,
übertragen die Urtcilsfindung einem (vom Geriditshalter ernannten?) Aus-
schtiss der Dingvcrsammlung. Der Gerit htshaltcr ist an derfwlben rechtlich
unbeteiligt, erhält aber tue neuu' Anfgiibe, durch sein RecliLsgeU»! (ju.ssio>
ilas Urteil rechiskr^ittig zu machen, ohne freilich das Recht.sgebi>t nach seinem
Ermessen verneigem zu dürfen. Allemal jedoch bedurfte der Urteils vorsclilag,
um rechtskräftiges Urteil werden zu können, der /ustiminung (mhd.
To/ge. mnd. vttibort} aller Itingleutc, und ursprünglich war e-s die Felge allein,
vodureh tbis Urteil RechLskraft erlangte. Nach ilcm altern RccJit wurde sie
1 Entscbcükoil liadw. I pr., fculu. ni 3, \, Cnul tl 13 § t. 18 u. Canc. A&undun.
In FiitKchK. XIV S. 395. Duti stimmt auch cli<^ Be&direilMinfi des iingtrcchtco d/ma io
dem /achr, L Kit. XVUI S. 208— 312 dl)£«lrucktL>n 04^. .\iir«:iu (c. .t. looo).
durch Zunif und Waffenrülircn (skantl. väpnatai, langob. gairtthinx = Spcer-
geding, *-omit z. vgl. an. geira|>in}r = Kampf), nach jQngerem durch Still-
schweigen erteilt. EigetitUdi sclieint \\\yci jenes Waffenrühren noch mclir
als blosses Zustimmen bedeutet zu haben, n.'lmlicb das GclQbde oder den
Schrnir, das» man das Urtfil für Recht halten wullc (vgl. einerseits den
provisorischen Waffeneid, anden^rscits das Hlnaiisschwriren des Friedlosen
oben S. 197). Daher wohl heisst afrank, nicht bl<>ss das Mitglied des urteil-
findenden Ausschusses, sondern auch jeder andere Dinginaun ein >Bürge«
d. i. Bewahrer des »RatscVihisses= ~ 'ra^inbuif^'o. Aus dem Gesagten er-
gibt sich, da.ss jedes rechtskräftige Urteil Einstini nugkeit der Dirglcule er-
fordert. Nach jüngerem Kcclit muss sich diese wenigstens formell in der
Weise ergeben, dass nicht noch nacii der Abstimmung und nach der »Folge:
der Mehrheit ein Widerspruch gegen das Urteil der letztem geltend gemacht
■«•ird. Hiemit in Zusammenhang steht das Wesen der Urlcilsschclte
(salfrank. !akhm, fries. lakittgc, ags. forsaean, innd. dat ordel sceldcn, mhd. Jaz
urteil ivüitnvfrfttt, loidernbUn). Die Urteilsschelte ist ein Anschuldigen wegen
Rechtsbeugung. Von jedem detn Urteiler ebenbürtigen und am etgenei^
Recht vollkommenen Dingmann und insofern allerdings auch \-on der be-
schwerten Partei kann sie amsgehen. Dabei muss der Scheiter iunver«'andten
Fusses" und f<'!inulich das Urteil finden, welches er für das richtige erkJSrL
Demnach führt die Urtetlischelte zur Zwiespältigkeit der Dingicute (an.
pin^rof) und verhindert so das Zusiandckonunen eines rechtskrtlltigen Urteils.
Da iuidcrcrseits die Nütur des Volksurteils jede residierende Instanz aus-
schüesst (vgl. § 84), so kann <Jer Streit nach altgennan. R. nur durch Zwei-
kampf (§ 00) zwischen dem Scheiter xmd dem Gescholtenen ausgetragen
werden, falls Ictzlercr bei seinem Urteil bcliarrt, was er nach Illtcrcm R. s-j-
gar muss. Nach Abschaffung des Zweikampfes freilich ergriff man ein ana-
loges Auskunftsmittel wie zur Entscheidnng Über ein gescholtenes Beamten-
urteil (unten S. 208), so z. B. in Norwegen, wo man den Rechtszug {skjöta
dorne) :ui eine höhere und grossere Dingversammhing gesttttete, soweit man
noch am Prinzip der Einstimmigkeit festhielt. Im fränkischen Reich ist
schon um 755 neben dem alten Schcltungs verfahren ein neues in Form
einer Klage wegen Kechtsheugimg vor dem Königsgericht zugelassen.
Die Uerichtsverhandlung beginnt mit einem Gebot des Schweigens und
Zuhörcns, welches der Gerich Lshalter, in der heidnischen Landsgeraeinde auf
dettCschem Hoden der Priester, an die Dingleute erlasst und wodurch er das
Ding »befriedet" oder 'bannt' oder im w. S. '■hegt', In ültcrcr Zeit sclieincn
alle Dingleute b(!^^•affnet im Kreise (•Ring-) zu sitzen. War zur UrtcÜ-
findung ein Ausschuss berufen, so sass rmr dieser nebst dein Gerichtshaller
imd zwar innerhalb eines kreisfflrmigcn oder viereckigen und insgemein ein-
gehegten Raumes (mhd. nm), die Urteilender auf Steinen oder Banken
(batr, srhmtmen, eil. dingbnncktn^ vienehart), der Gericlilshaltcr nach deutL
RR. auf einer besonderen Bank mit gekreuzten Beinen, das Antlitz nacli
Osten gekehrt, den "gewailigen- Stab (doch im Hochgericht wohl auch statt
dessen das St:hwcrt) in der Hand, den Ricbterhut auf dem Haupt. Auch
die Uneilfinder tragen im MA. besonderes Gewund. Am Ende des Ver-
iumdehis oder der Dingxeit erfnlglc meist eine f("'rmtiche Auflösung des
Dings (an. pinffhiun) in Deutschland z. B. unter Umstürzen der Schrannen.
Wahrend der Dingzeit kündete ein Schild, aufgehängt an Speer oder Baura,
oder ein Schwert, eine Fahne, aufgesteckt, den Dingfrieden (S. 194) an.
Überdies aber stand im Heidentum das Ding, wenigstens die Landsgemeinde,
UJiter gölüichcm Schutz. ■■Weiliebandec (an. vS^nd), an Haselslangen um-
7. Gskicut: Verfassung der staatlichen Gerichte.
207
heisc»jgen. 'hcgtciii den Platz der Urtoilfindcr ein: das Ding wurde »ge-
S{)aimt-=. Auch die Dingltcjiung s<lidm ein sakrales Element enthalten zu
haben. Dass mit Vorliebe der Dienstag oder Donnerstag ziun Gericlitslag
fahU wurde, * deutet nach derselben Richtung.*
§ 84. Die ira Vorstebcudcn geschilderte \'crfaKiung des altgerman. Slaats-
gcrichts hat sich nur in wenigen Ijndeni rein bis ins MA. erlialten. lu
ihr Gegenteil verkehrt erscheint sie da, wo Befehlsgewalt und Urteil ver-
bunden, das Schöpfen des rechtskraftigen Urteils dem Gerichts-
halter (nunmehr got. staua m.) ausschliesslith Übertragen wiirde. Dies
ist nicht nur wahrend cnier alsbald nach der Vülker^^anderung bei denjenisen
Südgcrmanen ((inten, Bnrgxinden, Langobarden) geschehen, welche unmittel-
bar dem n'^iniscben Einflüsse ausgesctit waren, simdeni In der zweiten Plälfte
des MA. auch bei skandinanschcn \'i^Ikem, insbesondere in Schweden (die
Städte ausgenommen). Mngmatis<h und teilweise auch genetisch ein Mittel-
glied zwischen den beiden gcgensütaliclien Systemen der GericliLsverfassung
bildet dasjenige, welrhes zum Urleilen ein Srhöffenkotleg einsetzt. Mit
dem Gcrichlüh alter gemein bat dann der Schüffe, dass er — wiewohl unge-
lehrt — Beamter ist. gteich\*iel ob auf Lebenszeit oder bloss fflr die Dauer
der Gerichtssitzung angestellt, gleichviel femer ob durch Ernennung oder
durch Erbgang xu seinem Amt berufen. Vom Gcricht'ihalter unterscheidet
er sich dadurch, dass er lediglich an der UrteiUfindimg beteiligt, wahrend
der Gerich tshalier regelmässig davon ausgeschlossen ist, sie Welmehr von den
Schaffen zu erfragen hat. Der Gerichtshalter kommt in's Gericht, »nicht mn
das Recht zu bringen, sondern um es bei den Scht^ffen zu finden«, imd das
gefundene allenfalls fOniilich kuud zu machen (»auszugeben«). Das Prototyp
einer Sihöffcu Verfassung gewahrt das frankische Bezirk'igericht seit der Zeit
Jtftitchcn 709 und 803. Der Sdioffe (afrftnk 'satpin, ciamach and. scff>eim,
fties. treppetiOt ahd. srf/ßno, — femer ahd. scephfo, sieffo. alles zu skaptiu [oben
S. 203]! ist der Xachfolgcr des sitzenden Raginburgeti, aber nicht wie dieser
blo» für die Gerichtsdauer, stindem für Lebenszeit vom Gerichtsherm unter
Zustimmimg der Dingleute ernannt und vereidigt. Das Urteil hat er, soweit
das Gesetz geschrieben, dem geschriebenen Te.xt gt^mflss zu finden. Sieben
Schöffen müssen ira Gericht sitzen; ausser ihnen ist ein Uinstand der Ding-
|)flichtigcn nur noch in dem vom Grafen abzuhaltenden echten Ding nul-
•wcndig, und auch hier fallt die förmliche Vollbort des Umstandes weg, sodass
an dessen ehemalige Bedeutung nur noch die UrtcÜsschcIte erinnert. Den
Übergang hiczu halte ein Gesetz Karls d. <ir. vermittelt, wonach zum ge-
botenen Ding nur Xotable aus den Dingpflichiigen zu beschicken waren.
Die Verschiedenheit in der Zusammensetzung des echten und des gebotenen
Dings fahrte xu einer Verschiedenheit in der Kompetenz dieser Gerichte,
über Leben, Freiheil und Eigentum sollte fürdcrliiu nur noch im echten
Ding erkannt werden. Damit war dieses zum Iloch- ((xJer »freislichenA
das {gebotene zum Xtedergericht gemacht Die karoling. Scliöffenverfassung
ist rmr in einigen Teilen Deutschlands durchgefühn worden (von Anfang an
nicht in Eriesland, auch nicht im sachsischen Gogericht), in noch wenigeren
über*« 12. Jahrb. hinaus erlialten geblieben. Audi wo sie aber sich fort-
erhielt, sind erhebliche Modifikationen an ilir eingetreten. Die wichtigsten
der&clben bestanden darin, dass der >Umittand< als solcher nicht mehr im
1 Cbcr (Iva Donnerstag vgl. H. Pftcrsen XortBt. Gttd*dyrbftsc S. 6' — 69,
' Daw kbcr wedn der Mim Thitigstu nncl> die Aluisiu^ae Gnldiagottbcitt-n «aren,
Mifil S!" - *-7br. f. deuL Philol. XXIV S. 433 — 4S(i.
2o8 IX. Recht. B. Altertümer.
echten Diug beim Zustandekommen des Urteils mitwirkte, das Schöffenamt
erblich oder chircli Ki"topt.'iiioTi oder (wie in den Freigerichten) durch Auf-
nahme in einen Bund linnd. iicme) vuu Wissenden besetzt, die K(.>mpctcnz
des gebotenen Dings des des editeji angenähert v^iirdr. Unabhängig vom
karolingischen Schüffenwesen sind verwandle Einrichiungen wiilircnd des MA.
in verechiedenen Rechb^ebieten innerhalb und ausserhalb Deutschlands in'»
Leben getreten. Dnhin gehören z. B. tiic seit dem 13. Jahrb. in den friesi-
schen »Landern« und Landdistrikten ai:iftrctcudcn rfägefan (consuUs) txlcr
/htra (»Rcchlsherm-^) «Hier riufhtem (oben S. 15,5 o(\ct Jurafi, d.s. F.thclinge
(üben S. 130 f.), welche nach j;ilir«eisfni »Umgang', unter der Leitung eines
von ihnen [kithtre, edielor, enunciaior, omior, — gritman) das Gericht bildeten,
— ferner die in Baiem bis zum Landrecht Kaiser Ludwij-s mid in Oestcr-
reich, aber auch in D.lnemark vom Richter aus den erschit-nenen Dingleuten
ernannten Beisitzer, ^ niclit minder die s<-hwe<lischen .Stadtgerichte seit dem
\\. Jaiirh. in ihrer zwiefachen Form als Marktplatz- und als RaLsstuben-
gcrichte, endlich die s.'imt]ii.-hen (»erichte (domnr) im Verfassungssj-stcm des
islünd. Freistiiats, deren Urteiler in beschrünkler Zahl von den Guden (oben
§ 52) und zwar för die Dinggerichtc aus den Dingleutcn, ematmt wurden,
wahrend die G«Klen selbst sich ledig^h mit der Justixvcrwakung zu befassen
hatten.
Mit tliesen Ver;inderungen im Wesen des german. ncrifhts ging eine Ver-
änderung der ürtheilsschehe und der Urüieilsspaltung (islünd, vr/an}( ^ Mis-
lingen) Hand in Hand. Im Gegensatz zum Volksurteil ist das BeamtcnurlcU
verbesserlich, weil es kein unmittelbarer Aiwdnick des Rechts ist. Nunmehr
kunnte der urteilende Richter bei dem ihn beaufsichtigenden Vorgesetzten
bis liiriiuif zum Herrscher wegen Rcchtsbcugting verklagt ilanjsdb., ajpi.,
schwcd., nonvcg. R.), es konnte femer der Streit um's bessere Urteil von
Schöffen zur Entsrheidung durch vorzt^lichere Urteiler des nJlmlichen Rcehts-
gebietes gebracht werden, sei es als Streit zwischen dem Sclielter und dem
UrteiJfinder (älteres deut. R. unti island. R.), sei es aU Streit zwischen dem
Schelter und seinem Pn izessgegner (jüngeres deut. R.), sei es femer in Form
von Holen des Rechts (>zu Haupt Gehen-^) im rOberhof': und Wicdercin-
bringen des gehulten im Untergerichi {Deutschland, vgl. oben S. 80), oder
sei CS unter Erledigung des Prozesses im tlHiergcrichl (Island). So vcrechieden
aber auch das Verfahren sein mm'Jite, insgemein erinnerte ein Strafgeld des
unterliegenden ScheUers bezw. Urteilers an die ehemalige Entscheidung des
Streitfs durch Kam|3f. Musste das Strafgeld beim Beginn des Verfahrens
deponiert werden, so wurde ^'s zimi -Weiteinsiita«. — Mit dem UrteJIfinden
als einer Amtslhatigkeit unvcririlglich scheinen konnle es, wenn ein Nicht-
beamter tlas Urteil sdialt. Wo dieser Gesichtspunkt raassgab (Ssj).), mtutstc
dem Schelter er^t auf seine Bitten die Bank gerflumt und er so zum ami-
lidien Urteiler genuiclit werden, ehe er sein Gegenurteil finden koinUe.
§ 85. Wahrend das ordentliche Staatsgerirht .stets n.ich dem Recht, und
iusofera nach der •Wahrheit'^, niemals «-nach Wahn- zu urteilen iiattc, kunmU
im Zusammenhang mit der Entwickelung der Königsgewalt ein Gericht auf,
welches ebensosehr nach subjektivem Ermessen (»Billigkeit-"} entscheiden
durfte luul sr>lltc, wie nach dem Recht. Das ist das =K5nigsgcricht', wie
es sich schon zwisi'hen Vulkerwandening und Friilimiuelriltor in den süd-
gennanischen Gro.>iSstaaten zeigt. Niciit bliw« um diu vo[i seinen Beamten
gesprochenen Urteile auf deren Rechtmässigkeit zu prüfen, sondern mit der
Befugnis, den Rcchts-streit unter bewussier Abweichung vom bestehenden
Volks- oder Lnidredi! zu Si^hlichlcii, sitzt der Herrsclier (KfWiig, Unlcrkönig)
Ik
7- Gericht: KOnigsgericht.
209
SU Gericht, mitliiD audi kclneswtrgs bloss um einen Streit zwischen UrteQ-
findem des UmergerichLs sonüem auch um den Streit zwisdien den Prozess-
gegnem des Unlergerichls zu entscheiden, sei es, dass schon dort ein Urteil
gefaJU war, sei es, daas das Urteil des Untci^enchts umgangen wurde. Daher
ist jiuistisch genommen im Künigsgericht uie der Gerichtshalter so auch der
Urteilcr der Herrscher allein, auch wenn er, was in seinem Beuchen steht
und allerdings die Regel bildet, Ueisitzcr zu seiner Beratung ernennt. Inso-
weit bedarf das Königsgericlil auch keiner Ding- Versammlung. Jene Funk-
tionen kaim der KOnig auch dann ausüben, wenn er selbst Partei ist Über-
haupt aber ist er von der landreclillichen Dingordnung entbunden, da Ober
diese, wie über seine Urleilsnomi der Herrscher kraft seiner Dispensalions-
gewalt bestimmt. Der Gerichtsort ist, wean der König persönlich richtet,
aetD Huf, daher das Gericht sein »Hof- oder Pfalzgerichl« und mit des
Kifaiiga Hof auf der Wanderschaft Der König könnt? aber an seiner Statt
auch einen Bevullmnchtigten {missus) richten lassen. Das frdnk. (karolin-
gische) KOnigsgcricht crhidt in seinem Urkundsbeamten, dein ^Pfalzgrafcn«
{coma pnUttii, vgl. S. 152), einen standigen Vertreter des Königs. Wahrend
das Pfakgiafenamt in Deutschland um die Wende des g. luid lo. Jaiirh.
voschwindct, dauert es in Italien fort wo als sein AuslJlufcr das Amt des
mit einer Reihe von inissalisdien Gewalten au^estatteten Hofpfalzgrafen
(comcs palatinui) erscheint welches im SpAtMA. in Deutsdiland rezipiert
worden ist — Das Königsgericht war ausserordentliches Gericht sei es als
^KziaJgericht in bestiumiten Rechtssuchen, sei es als obere Instanz für be-
stimmte Personen, die solchergestalt (im Frankenreich mit der reclamatio aä
rtgü dtfiniiivam senttHtiam) privilegiert waren. Am vollkommensten au^e-
bildet war das fränkische Königsgericht. Das laiigubardisdic hat nidit die
Reiche Madithöhe erstiegen, da hier der König aufs Interpretieren imd
Ergänzen des gt'S<'ltri ebenen Rechts beschrankt blieb. Dagegen nähert sich
mehr -dem frünk. KüiiigS4»ericht das aus ganz selbständigen Wurzeln seitdem
13. Jahrh. in Dänemark und in Schweden cnvachsende, zw-ar regelmässig
nidii in Gestalt der von ihm abgezweigten Gerichte (rafila ping, ntltara
pingj, wohl aber in dem vom König persönlich oder durdi seine Spczial-
bcvolUnüditigtcn abgehaltene Geridit weil es des Königs Aufgabe ist nicht
nur wie der Gesetzspredier das Recht zu weisen, sondern auch »alle über-
strcDgeii Urteile zu brechen*. Andererseits konnte sich in Deutschland bei
der zimchmcnden Feudalisierung des Staats das Königsgericht nicht auf der
im FrühMA. erreichten Höhe eines Billigkeitsgerichts erhalten. Das Finden
der Urteile durdi ernannte Beisitzer wurde seiner Verfassung wesentlich.
Nur ist es nicht zu ständigen Pfalzschöffen gekommen, da dem Gericht
nadi wie vor die feste Statte maiigdic. Seit 1235 erscheint es in zwei
Formen: als Fürstengericht unter persönlicliem V^orsitz des Königs oder
seines Stellvertreters und als allgemdnes, doch in seiner Zuständigkeit viel-
fach durch prinlegia de non cv^icando und de nun appcllando beschränktes
■Reichshofgcricht* unter dem Vorsitz eines vom König ernannten >Hof-
riditcrs*, ausnalun.swcise (in Reichsach Isadieu) de:* Königs sdUst Seit 1442
neben dem »Keichshofgericht'^ uml bald luichlier ( — 1495) statt desselben
richtet der König |jersönlich oder durch seine Räte im «Kammergericht«. —
Nachdem in Deutschland das Königsgericht aufgehört hatte, Büligkeitsgcricht
vn sein, legten sich mit Krfulg diejenigen Gnüscliaftsgerichte , worin die
kfioigUcbe Bannleihe fortdauerte, lutmlich die >kai$crlichcn Land«- (auch
»Hof«-) Gerichtc< und die scjg. ^westfälischen* oder »Frei«- (auch »Vera-)
''hte« eine Gerich tsl>arkcit bei, wdche mit der des Reichsgerichts kon-
KOiMbc Philulo^fie lU. 1'. .\uri. 14
210
IX. Recht. B. Altertümer.
kunrirrtc. und zwar die letzteren sr>gar Aber Rrichsförstcn, c-bgleich ihre Ur-
tcilcr ('FrcisoJiOiTciu) al)cn Standen von freier Art cHUjummen waren, und
unter Aufgabe des Prin3!i[M d^r Öffentlichkeit im aSiiUgericht« {Judicium seert»
tum, oieuitum rtder der »heimiichen Arht<).
§ 86. Vom Staatsgericht unterscheidet sich durch seine Herkunft und
durch seine Verfassung das Privatgericht. Seine älteste und niHst ver-
brcitclu Funu ist das Stliicdsgcrichl. 2war wird, da die Tliaiigkcit der
Schiedsleute (mhd. Scheidelinie, innd. korinde, an. siiitarmetm, gcntartttemi) ihre
Kraft dem Vertnig der Parteien verd;mki, das Schiedsgericht oftmals dem
Staalsgerirht als dem Gericht, das Schiedaverfall ren. als ein Verfahren mit
mintun dem mit rtchte entgegengesetzt. Aber dem Schiedsspruch Uanimt, da
sich ilie Parteien vcrtragswcisc ihm unterwarfen haben, nach älterem Rc^-lit
stets und im MA. noch fast allgemein die Kraft eines staat*.gerirhilirhen
Urteils zu, wie er auch den nümlichcu Inhalt haben, z. B. auf Acht erkennen
^uin, daher auch das Schiedsgericht selbst im Norden ein sdUardömr oder
iafnadanUmr und in Deutschland ein leidirir (mnd. ffe^rffitig) h^S:;!. Wjihrend
nun aber da.s gewölniliche Schiedsgericht seinem Enncssen nach urleilte,
entschieden besondere Abarten des Schiedsgerichts nach strengem Recht.
Solche sind in Deutschland seit dem 13. Jalirh. die vertragsmassigen Land-
fried cnsgerichte und die Austrage, wovon die crstcren anstatt des Reichs-
gerichts, die anderen als Instanz unter demselben urteilen. Aber auch der
ski!ad6mr des üllern weslnurd. R. ist nichts anderes als ein gescizIicJi geord-
netes und nach strengem Recht urteilendes Schiedsgericlii. Aus 12, seltener
6 oder 24 prinzipiell von den Parteien tiUlftig zu ernennenden Urtcilem be-
stehend, entsi:heidet er als ordentliciics Gericht regelmässig in illiquiden
Civilsachen, imd zwar in frühester Zeit gewöhnlich als >Thürengericht« —
eiitrtiitömr — d. h. vor der Haiisthür des Beklagten, ausnahmsweise des
Klägers, in Grundstticksachen auf dum streitigen Boden oder doch in dessen
Nähe, nach jüngemi Recht auf der ordentlichen Dingstatte. In den QuelleJi
des ostnord. K. finden sich nur sehr unsichere direkte Spuren eines skiLjdSntr
(nach Secher Er. Sl. III a6; ^~ viclleidit auch aus dem anglodan. R. LL.
Henr. I'c. 31 § 8, ^delr. III 13. Duns. 3?). Wicflcrum aber biüpften an's
vertragsinassige Schiedsgericht an die Gerichte der meisten autL>n<:)mcn Ge-
nossenschaften wie z. B. der Markgenossenschaften, der Gilden (if>6)
der Zünfte, der Schiffe rschaften. Gewerkschaften, Ritter- und S^jldnergeseU-
scliaftcn. In ihrer reinen Gestalt, üb nun als echte «der gelxitene Dinge
aller vollherccht^en Genossen oder als Amssrhiiss (Rat, .Schöffenkolleg)
derselben, urteilen sie unter dem Vorsitz des Vorstehers der Genossenschaft
nur in Angelegenheiten der letzteren und der Genossen unter sich imd ver-
fügen, um sich die Genossen zu unterwerfen, über kein andejcs Zwangs-
mittel, als die .^usstossmig aus dem Verbände. Öfter jedoch liabeu Privile-
gien den Mitgliedern, wie z. B. den Mflnxerhausgcnosaen in deut. Städten,
einen ausseid icsslidien Geriditsstand vor ihrem Genossengerichl auch gegen-
über Ungcnnsaen verliehen. — Der bisherigen Gruppe von Privatgerichten
gegenüber steht eiue andere, bei welcher die Rechtspflege sich wcjii-ntlich aus
einer privaten Hcrrengewalt ableitet {§ bo). Diese selbst kann freilich durirh
Vcnrag zwLscben den Parteien und Urteilem eincrseitB und dem Geridits-
herrn andererseits begrttndet sein. Dieses ist bei den deutschen Lehen-
gerichten der Fall, gebotenen Genchteii am Hof ilcs Lchcnherm, worin
dieser selbai oder sein Vt-rtreier in I^hen-isachen zwischen ihtri und seinem
Mann oder zwwchcn seinen Mannen Urteil durch VassiJlen nach Lehen-
recht Finden lässL Seitenstücke dazu, doch mit teilweise grösserer Kompetenz,
&
7- Gericht: Privatrer. — RECHTscANn; Allgem. Grun-dsätze. ztt
stcürn sirh dar im iiurA-egisrhen und im dünUchen Gefolgnidins (;ui.
hitditefna. adaii. huikarta sie/na). DjiKCgeii ist jcdf, audi nur mittelbare.
Zumckfütirung auf einen Vertrag .msgest-hlnSÄcn heim deuutclicn Ht)fgcricht
dei Herrn über scint- EiiienU-utt-. Je nach dem Stande der letzteren
ersclieint es alh büäinc {büleidinc) d. h. als Grriclit Ql>t?r unfruit: ßaucrn, und
als Ministcrialengtricht. Wm Haas aus gebotenes Gericht ist seine Zustiin-
digLeit und Verfassung durth den Herrn be^ünunt. Doch hat sic)i die
letztere nach Analogie der Gerichte nach I^ndrecht l>t:zw. Lclicnrecht
entuickelt.
% 87. Der altgermanische Rechtsgang (Piozess) beruhte auf fbl-
gcmlrn Prinzipien. Der Prozess ist ein Kampf {ahd. strli, inhd. kricfi [rehlens]),
wi'rin ein Gegner den andern zu überwinden hat Darum iät er, auch si>-
weit er nur in Worten geführt wird, eine Verhandlung der Parteien nicht
mit dem Richter, .sondern unter einander; sie haben über die einzelnen
Frozcssschrittc zu verfügen. FulgÜdi braucht der Prozess keineswegs ganz
und gar ein Verfahren vnr Gerithl zu sein. Zu einem scilfhen kommt es
nur, wenn die Parteien eines Urlcil-s bedürfen. Des Klagers Thatigkeil ist
Aiigiifi (Haupttemiinus: got. a». saian, ;did. sacluin, — as. sSkiat], nn. sttk^a]
<üe des UeUagien Abwehr (gut. ivir/ttn? an. rtr/a, ahd. tottjaii), daher der
Prozess Mdbst eine Verfolgung (wn. sgk, un. sai, ahd. sacha) und jede Partei,
als zu ihr in Beziehung stehend, Widersacher (;ihd. ividanacho, as. triihir-
saka, — as. iigb. umis^ro^ — ags. j^saut, ufrAnk. giisükjo. — mhd. saclnraltc).
Die Verfolgung beginnt in der Regel mit einem Ans^prciilien (ahd. mahalön.
afKtnk. ^atmallon, — ags. onxprecan, fries. onsprekn, nfr. aensprekeity — ühd.
tisein, luhd. aischtn, mnd. eschen, — mhtl. mnd. vordtm, — an. kreffa bezw.
kvedfn vgl. S. 184) des Beklagten durch den KUger regidinAssig am Wohn-
plaiz des ersteren. Verweigert der Angeforderte die Erfüllung, so hat er
sich zu verantworten iskund. stvira). Der Kläger mag nun den »Anl-
wortcr« vor Gericht »mahnen« (ags. nfränk. *maH/an, ahd. muNön) (»der »be-
rufen« (an. sUfmi) oder .sicli von ihm, w<i dies kein Gerichtsurteil vorau&ieizt,
den Unsthuldseid versprechen lassen. Letztem Falls unterbleibt das gerichl-
Uche Verfahren, wenn der Eid gehörig geleistet wird. Wo die SacJie vor
einen skiladömr (oben S. 210) zu bringen Ist, nimmt tlie Stelle jenes Eid«
Versprechens das Venipnxhen der Mitwirkung beim Besetzen des Gerichts
(an. ddm/esta) ein. Dej Ansprache um Gut gegenüber konnte der Beklagte
durch (Jew^renzu^ (oben S. 180) einen andern Antwurter stellen. Stellen
die Parteien vor (genauer i m) Gericht, so bewegt sich die Vcrhaudlung zu-
chst in Rede und Gcgenrrtle unmittelbar zwischen ihnen. Erst wenn sie
einen Punkt gelangt, w». eine Rechtsfrage ^weifelliaft oder unter den
Parteien streitig Ist, wenden sie sich au die ürtcilfinder mit dem Begehren,
daM die Streittrage durch ein Urteil entschieden werde. Da sich chie s«.ilche
aber jeden einzelnen Pruzeässchrill eben so wohl, wie über den Klaganspruch,
ergeben kann, so kommt es mrtglicherweüte zu einer Reihe von Uneilen,
bevor das Geridilsverfiihren ^cinen Abschluss findet. Da ferner durch diese
Urteile der einen <rtlcr anderen Partei eine Auflage geinadit werden kann
(/. B. zum Erbringen eines Ilewei-smiiteh), die nur aus-sergerifhilich zu er-
füllen ist. SU wird möglicheru'eise das gerichUiche Verfuliren durcli ein
ausäcigcrichtlicheH mehrmals unterbrochen. Ein Urteil, welchem einer Partei
eine Beweisaiiflage macht, kann unter Umstflndcn das gerichtliche Verfahren
beendigen. W*i freilich die Klage ;iuf Achtung oder auf Todesstrafe geht.
muss ein Endurteil entweder gegen den Bekl;igten die Ahndung erkennen
oder ihn freisprechen. Wird durch ein Urteil der einen Partei eine Auflage
F
212 IX. Recht. B. AltertCmer.
gemacht, sc hat jene dem Gegner auf dessen Verlangen dip Erföllung der
Auflage unter Tenninselzuii^ und Kaution zu vcrhpruihen. gleichviel ob in
der Erfüllung Befrie(iig;ung des Klageanspruchs liegt (Hier ob sie lediglicli iii
einer prozessualen Handlung besteht. Denn auch im letztem Fall ist sie
eine Leistung nidit an's Gericht, sundcm an den Gegner, der eben des-
wegen sie auch erlassen kann. Da ein Rcrhtsgenosse dem andern zu seinem
Recht helfen muss, si) muss der Beklagte entweder sich auf den Prozess
einlassen oder den Kläger befriedigen. Thut er weder das Eine nodi das
Andere oder verweigert er in ii^end einem Abschnitt des Prozesses, an
dessen Weiterführung mitzuwirken (z. B. durch Ausbleiben In einer Tagfahrt,
rechtswidriges Unterlassen der Antwuri'i, su macht er sich des Verbrechens
der Rechtsvenü'eigerung (wn. i^gleysa, an. ralläsä) schuldig, .sei es s<;tfurt, sei
CS durch fortgesetzten Ungehorsam, und verfallt, da das Recht nicht geniessen
soll, wer es andern nicht gönnt, der Acht. Gewaltsam den Beklagten vor
Gericht zu schleppen ist der Kläger nur befugt, wenn er ihn auf handhafter
Misseihat verfolgt. In diesem Falle aber kann ihn der Klager auch er-
schlagen. Nur hat er dann, wo er die Tiidsirhlagsklage uicht abwarten darf,
mit dem Leichnam vor Gericht die Klage wegen des Friedensbruclis gegen
den Todten oachzuliolen (mnd. op den doäen klagen, an. gefa daudum jpi).
es mCsste denn der Frie<lcnsbruch im Angesicht der Dingv'ersammlung oder
einer gleichwertigen Menschenmenge verübt sein. Nicht nur gemein-, son-
dern indugermanisch ist das Institut der Spurfolge (ags. irod bedrifan, franko-
lat. vestigium minatr) und Haussuchung (nn. mnsai, wn. miimdhi, alid. hiis-
suecha, saiisHorkan) nach gestohlenem Gut, mit der Wirkung, dass als hand-
hafter Dieb derjenige gilt, in dessen Gewahrsam die Sadic gefunden wird
und der den Besitz geleugnet hat. — Alle Geschäfte, aus denen sich der
Prozess zusammensetzt. sintI an strenge Formen gebunden (vgl. oben S. i86).
Sie niilsscn von den Parteien persönlich vorgenommen werden, wobei be-
dingungslos die Grund-satze der Mündlichkeit und Öffentlichkeit zu beob-
achten sind. Zur Mündlichkeit gehört nicht etwa bloss, dass überhaupt ge-
redel, sondern auch dass in gesetzlichen Worten geredet werde. Jede Rede
hat ihr unvirrHuderlifhei Formular, welches überdies buch.stäblich interpretiert
wird. Daher inuss auch jeder Angriff Wort für Wort erwidert werden. Die
öffentÜchkciC wrd durch Zuziehen von SolfimnitüLizeugen erzielt, was wieder-
um nur in gesetzlichen Formen geschehen kann. Jedes Geschäft hat seine
gesetzliche Zeit, zu der oder binnen wcldier es vorgenommen werden muss.
Und wie die Zeit ist auch der Ort gesetzlich. In bestimmten Fallen ver-
langt der Formalismus noch den Gebrauch von Symbolai und andern Feier-
lichkeiten, so namentlich nach deutschen RR., wenn der Beklagte auf hand-
haflcr That verfolgt wird, das »Gerüfie« (mnd. gtrürhle, fries. skrichu) des
Klagers, das Vorbringen des Erschlageneu oder doch seines >■ Leibzeiche ds«
bei der Tod schlags klage, das Anpacken ties Beklagten an dessen Rockkragen
beim kümpflichen Gruss, beim Fordern gestolileuer oder geraubter Falimis
das Anfassen derselben (oben S. i8o), dann beim Gewälirenzug (a. a. O.)
ihr kör|)erliches oder symbolisches Zufuhren an den Gewahren und allgemein
das Aufbinden des gestohlenen Gutes auf dem Rücken des handhaften
Diebes bei dessen Knebelung, femer das Darreichen oder Hinwerfen eines
Stabes beim Sprechen gewisser Foimeln. Da jeder Prozessschrill unwider-
ruflich und unabänderlich geschieht, bringt der geringste Verstoss gegen die
Form der schuldigen Partei Nachteil, sei es, dass sie bei unbedadit gespro-
dienern Wort genommen wird, sei es, dass ihr der fehlerhafte Proressschritt
verloren geht. Ausserdem kann sie auch noch in eine Busse verftdlen.
7- Rechtsgang: Ai.ix;emeine Gruküsätze.
-:U
■
I
Hierin liegt die »Gefahr« (mhd. mnd. väre) des Prozeswfortnalismus. Er birgt
aber auch noch die andere Gefahr, dass er den Kniffen des Gewissenlosen
nun Si(^ verhilft Dem gegenüber gab es kein anderes Auskunft:^ mittel, als
Stibstitution de«* Zweikampfs für den Rechtsgang, worüber unten § 90.
$ 88. Im weiteren Verlauf der german. Wozessgeschichte sind an den
vorstehenden Grundsätzen crheblidie Verlüiderungcn eingetreten. Wo sich
ein Kfinigsgerirht als Büligkeitshnf entwifkeile, iniwstep nie s'jgar — wenig-
stens zum Teil — durch die gegenteiligen Prinzipien ersetzt werden. Hier
znuxstc die Prozessleitung aus der Hand der Parteien in die des Richters
flbergehen, folglich der Recht^ang wesentlich Gerichtsverfahren, die Partei-
handlung eine Thatigkcit gegenüber dem Richter werden. Je entsciuedcner
die Aufgabe des BilSigkeitsrirhters betont wurde, desto weniger konnte ej an
der Strenge des Formalismus festhallen. So entspricht dem neuen, ausser-
ordentlichen Gericht ein neuer ausserordentlicher Recht'igang. Teils seine
Analogie, teils aber und noch mehr der Marhtzii wachs der Herrscher- und
Beaintengewalt zieht auch in den ordentlidien Prozess die Thatigkcit des
Richters hineirL An die Stelle des Mahnens durch den Kläger tritt in den
sOdgenn. RR. schon sehr frühzeitig das »Bannen« (ahd. banaau, afrank.
*haNaJan) d. h. Vorgebicten durch den Richter oder dessen »Bieter« (ags.
Ai*d!r/, ahd. HiUU) oder »Biinner« (fries. honnere) oder rSprecher« (got sajo)
oder »Boten (inhd. vronbole) oder »Laufer« (ahd. inlid. ufüel) der ursprüng-
lich im PriN-atdienst des Richters, später als dessen Gehilfe öffentlich ange-
stellt »t Vor Gericht hör! nach denselben RR. der unmittelbare Verkehr
der Parteien unter sicli und mit den Urtcilem auf. Wiederum ist es der
Richter, dem die VenniiteUmg durch seinen Bann zufallt, wie ja nun auch
ih'm izekiagt* wird. Sogar ein Fnigerecht gegenüber den Parteien wird ihm
mitunter eingeräumt. In gewissen Strafsachen haben schon bald nach der
Vv^lkerwandcrung sadgermanischc Ge-setze auch ein richterliches Verfahren
von Amtswegen ausgebildet. Unter den verschiedenen Formeji desselben
ist der karolingiäche Rügeprozess her\orzu heben. Wahrend die nordgerm.
RR. bis tief ins SpittMA. che ursprünglirhe Stellung der l'arteiini umgeändert
lieasen, rief überall das Verkehrsbedürfnis Milderungen der Formenslrenge
hcn-or. Freilich blieben dieselben, wenn wir von den roroanisierten Rechten
absehen, nur Ausnahmen. Die belangreichsten sind; Zul.1vsigkeit des Ladens
mittels Offenüichen Verrufs, Zulflssigkeit eines Stellvertreters (in Deutschland
Vormund) für die Partei, einer Verbristanchmg derselben durch »Vorsprec her«,
»Warner- und »Rauner«, des Aushcdingens von »Gesprüchen« (Beraltmgcn)
vor und von '■Erholung« und -Wandel- nach gespnx'henem Wort. Süri-
gennanische RR. gestalteten auch Schriftfnrm für gewisse prozessuale Ge-
sciiSfle. insbesondere für richterliche Befehle, Ladungen. Eine prinzipielle
Mildcnmg erlitt im MA. das Konlumazialverfahren auf Gr^ind des neuen
GedankeiLS, das.s Ungehorsam (mnd, ovfrAorr) des Beklagten nicht sowohl
Verbrechen gegen den Kläger als Geständnis oder doch Veraicht auf die
Verteidigung sei. Sachfalligkeit des BekJagten war von nun an die Folge
teiues Ungehorsams, nach einigen RR. unmittelbar, nach anderen, wenn der
Klager die ihm gegen den Gehors;imen obliegenden I^rozessscbritte vullzog.
Eine abermalige Milderung begab sich, indem die ferneren Wirkungen der
vq^en Ungehorsams eintretenden S;ich(alligkeit gemeiniglich erst bei fortge-
setztem Ungcliors;im endgiliig wurden. Die znnehmen^le Feudalisiening der
Gerichtsverfassung in Deutschland braclite eine so tiefgehende Unsicherheit
der Rechtspflege mit sich, dass dem Kläger gest:»ttet werden masste, bei
LjtunAglichkeit des Rechtsganges de« Beklagten luich gehörter ivt'äersage
214 IX. Recht. B. ALiKKTC-iiER.
{(fißiiiah'o) mit Privatkrieg zu Oberziehen. Das ist (las «Fehde»- oder .-FaHSt-
Rerhts welches im SpSlMA. auch in Dänemark zu Gunsten des Adels ein-
dringt Ohne genetisrhen Zusammenhang mit alleren Rerhtsinsti tuten und
iiisbcs'indere oluie jftle Beziduing zum sogen. Kachcreiht (oben S. iq6)
la,»tst rs dorh den ("Inmdgedanken des aU^erman. Zweikampfes {% Qo), freilich,
in der ruhesten Weise, wieder aufleben.
§ 8t>. Das Beweisverfahren des ordentlichen Prozesses war ursprüng-
lich darauf angelegt, nieht sowohl die Wahrheit oder Unwahrheit eines That-
beslandes suis Licht zu bringen, als deavelbeii ausser Streit zu stellen, nicht
sowohl auf das Erkennen als auf den Willen einzuwirken. Bewiesen wird
dem Geirner, nicht einem Unparteiischen. Der Empfünj-er ttes Beweises soll
genötigt werden, das Bewei.stliema gelten zu lassen. Denn das ßeweisver-
fahren musste die Natur des Pano-ikiunpfes teilen, dessen Stück ea war.
GemS.ss diesem Prinzip kaiuileji die Jllicsten Bewebiniiltel nur einseitige
Partei band hingen, nur vom Gesetz narh Tnhali. Form und Verwendunga-
xveise bestimmt, und niemals durch Gegenbeweis widerle^b^r sein. Da jede*
Beweiimittcl ein Kampfmittel, sn kommt die Partei zu seinem Gebniuch nur
wenn sie sich dazu erbietet. Ihr bleibt es überlassen, ihr Recht darauf
geltend zu machen. Nur zwei Beweismittel kannte der altgermanische
Proziss: Kid und Zeugenaussage.
Der Eiil (g«-'t. uips, wni. ciäi-, asw. adün. fper, agy. r/rfl ahd. rni\ ist Gcwflhr-^
leistung für die Vcrlfissigkeit des eigenen Wortes durch F.insatz eines Gutes
für dessen Wahrheit. Diese Gcttabrleistung geschieht durch ff.»rraelhafies,
ursprünglich zauberisches Reden, das »Schwören-« (got sr^ran, skaiid. n'ffja,
ahd. ags. as. sxverjan, afries. stttra eigentl. ^ recitieren). Dass dabei ein Ciutt
angerufen (ibesfhwuren«) werde, ist tiem heidnischen Eid iiiclil wcsenlhch.
Es geschieht nur diinn, weim der VerluM des eingesetzten Gutes bei =Mein-
eid'. gerade durch die Gnttlieit bewirkt werden .toll. Auch in diesem Falle
ist aber dem Heiflentum die Vr.rstellung fremd, das« die Gottheit als Schätzerin
der Wahrheit dm falschen Eid bestrafen werde. Man pflegte ebenso wie
eine Gottheit, unti »"ifter norh, Sachen zu «■beschworen-«, z. B. die eigenen
Waffen, das eigene SchifT. das eigene Ross. Dort wie hier soll das Leben
des Schworenden eingesetzt sein, dort die Gottheit, hier die Waffc^ das
Schiff, <Ias RtM» ilim den Tod bringen, wenn der Eid falsch ist. Zu schwä-
cheren Eiden genügte Veqiftindung van Lciliesgliedern oder der Freiheit oder
der Ehre (an. pe^nskaparlaptiing) oder von \'ermflgensstflcken. Und hieraus
erklürt sich das Schweren beim eigenen Bart oder Haar oder Zahn, oder
bei der eigenen Hund oder Brust oder bei einem Hau.stier. Naiii seiner
Clirislianisierung ki>nnie der Eid, wenn noch wie regelmässig Beschwerung,
nur Gott oder einen Heiligen beschworen. Aber nicht Qberall und allemal
war er eine Beschwörung. Den gleichen Dienst thal rs, zumal nach ags. R.,
wenn der Siiiwörer sich als Stellvertreter Gottes gab, in dessen -Namcnc
oder »Minnen aussagte. Stets suchten Inlialt und Wesen des Eides nach
Ausdruck in der Sj-mholik. In der llriden/eit wird die Gottheit beschworen,
indem der geheiligte, von Opferblul gerfSlelc »Eidring- oder ein Opfertier
bcrtüirt wiid, in der christüclicn Zeit tmter Hand.nuflage auf den Altar oder
dessen .^bbre%iaturen: Reliquienbehülter (*auf die Heiligen- 1, Evangelicnbuch,
Kreuz, unter Niederknieen, Waffen wurden im Hci<lentum beschworen unter
Anrühren oder Emporheben derselben, Srhiffi- unter deren Betreiung. Rosse
unter Einsetzen des Fusses in den Steigbügel. Oder es musste der Gegen-
stimd hingelialteu oder angefasst werden, den der Srhwörer zu Pfand setzte:
die Hand, das Haar, die Brust, das Viehslück. Manche dieser Feierlich-
7- RE( HTSliANG: HKWFnSVERFAHRES. EtH.
215
Ltnicil. wonach die Eülesarten nfnials benannt werden, erhalt sich noch lange
in der christlichen Zeit, indem ihr ursprünglicher Sinn icÜs vergessen, teils
umgedeutet uird. Nicht gicichgiltig war der Ort, w« geschworen wurde, am
wenigsten, wciui der Eid Kulthandlung war. In solchem Falle musste in
allertT Zeit sifis am'h an der Kultataitc geschworen werden l;m. hofstülrV
Erst das chrisüichc R. halt nicht mehr überall danin fest. Doch muss nach
frankindicin die Kullätätte nunmehr wenigstens durch einen geritzten Kreis
vertreten werden \ S« inst hHngl der Ort des Schwurs auch wohl vom Gegenstand
der Eidcsfnrm ab. Der Eid wird stets »geleislet« txler, gleichsam als Rechts*^,
(dahiT nn. der Eid >t;lhst la^) >gegangen'«, einem, der ilin >nimmt< liezw.
»»ie!»t* und "h<>rT*. Iju Pruzess ist dieser nach allerem Rcclit der Gegner
dm Schwflrer», spater wnlil auch der Richter oder der Urteilfinder. Der
Empfänger nimmt den Eid, indem er ihn zugleicti 'gibt^ d. h. »stabt«, was
uTBprQnglich ebenso sichtbar wie hürbar durch Vorsprechen der Worte luitcr
Hinhalten eines Stabes gesciöh (daher die Formel selbst •Eidstab«), Der
Eid im ordentUchen Prozess war ursprünglich stets Eid der Partei und stets
aasertnriiich. I>ie Partei aber schwur entweder allein (-mit alleiniger Hjiub,
— »Eineid') oder mit helfenden AUhmeni (»LeilCi, ags. Uide, fries. iädt, irJt).
Im einen wie im andern Falle schwört die Partei über das Beweisthema.
Der Eidlielfcr {l;mg<-'b. aido, ags. liwiia, d'uniatnan, satfrünk. ^hamrdja wor. 13d. I
3Ä, ahd. ^'/«i//», mhd. gteidt, — conjurafor. coasacramentaiis) n*\t:t »Gefährte« (ags.
f!r//ni, fries. foigcre] »xier »VerkÜnder- (anorweg. ."«V/r) dagegen schwürt über die
Glaubwürdigkeit seiner Partei, des Hauptseh wörers, namÜch dass des letitcrcn
Eid >iein und nicht mein* su, dass -jener recht schwor«, allenfalls auch,
da&s 4ler Mitsehwörer »nichts Wahreres wisse als was jener beschwöre.
Eben hier besteht das 'S<hwörenhelfen«. Da es sich unmittelbar nur
auf die Vcrla^äigkcit des Huuplcides bezieht, ist unter den Eigenschaften
des Eidhelfcrs weit weniger «eine Kenntnis iltrn zu beweisenden Sachverhalts
als sein Verlitlltnis xuui HjuptschwOrcr von Belang. Jene ist unter Umstan-
den ganz und gar ausgeschlossen, wahrend es darauf ankommt, flatus der
iidhelfcr sich über die Vertrauenswürdigkeit des Hauptschwfireis ein Urteil
lüden kaim. Darum müssen so oftmals die Eidlielfcr der Sip|)c, der Nach-
lidrsdiait, der Ciilde «xler Genassaisrhaft des HaupLsthwürers entnommen
und ihm ebenbürtig sein. Der Eidhelfer sind regelmässig mehrere und zwar
ist ihre Zahl ebenso wie iliro Notwendigkeit Überhaupt bedingt durch die
Wichtigkeit, welche das Bewt-isthema für den Hauptschwörer hat, und durch
den Wert, welchen das Rerhi der Perst^n des letzteren beilegt (vgl. oben S.
130. 1^1). Hicmarh gab (^ für die einzelnen Sachen und .Suinde Kidhelfer-
tarife^ imd z^v.ir pflegte bei deren Abstufung ein bestimmtes Zaldensyslem
bcobacrhtct ru sein, wobei j die Grundzahl bildete: der an. /i'rü'iTm^ (== Eid
nach Volksrccht) ist selbdritt geschworener Kid. Zur Erschwerung des Eides
diente es, wenn die Eidhelfer sSmUtcli oder teilweise nicht vom Haupt-
rbwOrer 'genumnien', sondern ihm vom Gegner oder vom Richter »enmnnt«
ier amigclfMisi wurden. D;is Ceicmoniell der Eideslulfe, so lang es sich
ggiilL erhielt, brachte deren rechtliche Natur zum Ausdruck. Zuerst leistete
der Hauptschwüter seinen Eid, nachlier die Helfer den ihrigen, entweder zu
beideii Seiten des Haujitschwörers stehend und ihm bezw. einander die
Handt! reichend (alid. Atinlreü/tt'da, afrflnk. htinträdn) oi\rx hinter ihm stehend
und ihn anfasseitd, alle zugleich sprechend. Durch Wicilcrholung konnte zu-
> Vgl. mU dem diculu* bi Rib. LXVn, % Grimm M ROsdtr RHenJim, I p. VlII.
C
2l6
IX. Recht. B. AltertOwer.
weilen der prozessuale wie der ausseqirozesRuaie Eid verstÄrkt, insofern auch
durch Wiederholung des Eineides die Eideshilfe ersetzt werden. Anderer-
seits brauchten, wo die Standesunterschiede liefer eingriffen, Leute von höch-
stem persönlichem Wert ihre Aussage ÜhcrhaupC nicht eidlich zu hcteuem.
Das Thema des Parteieneides enthielt regelmasslj^' seinem Wesen nach nur
eine Verneinung: die Partei leugnete eine ihr vorgeworfene Handlung oder
Schuld, sie »reinigte« sich von dem Vorwurf {sog. Leugnungs-, Reinigungs-,
Unschuldeid, on. dukeper, an. dularriitr, kent. cann, tnhd. »nsehuli, dazu ags.
/line clänsjart, fries. ori/sTfera. onlrimhla). Nur eine Erscfieinungsform des
Lcugnungseides war ursprönglidi der Wüiderungscid. Auch der sog. Bc-
lialturgseid war nur ein durch Begründung de.s Be\v'eisthemas qualifizierter
I-cugnungseid, so z. B. wenn der Besitzer sicli durch's Beschwören seines
Bcsitztitels >wehrte« {vg], oben S. i8o). Rein affirmativ dagegen, aber nur
in bestimmten Fallen zulassig war der sog. Überfilhrungseid, womit der
Schwörende eine Handlung seines Gegners behauptete. Jüngeres Recht hat
diesen Eid mit dem (!>efalirdeeid {afrank. *viderM\ kombiniert, der ftlr «ich
allein kein Beweismittel, sondern nur ein Mittel dc-s Angreifers war, den An-
gegriffenen zur Antwort zu nötigen. Eine solche Kombination ist beim on.
aisvatu ffer {assöra efter) und wohl auch beim ags. foredä eingetreten. Zum
Lcugnungseid kam stets der (materiell) Angegriffene, wenn nicht der An-
greifer unter Angebot des gesetzlichen Beweismittels (s. unten) seinen Angriff
subslanzierle.
Der Zeuge ist ein »Wis.*iender«, und zwar einer, der sein Wissen durch
Zusehen und Zuhören erlangt hat (got. veitvSds ^ «der gesehen hat*, vgl.
Bd. I S. 441, skand. v//m\ ags. grvita, ahd. giwizo). Das altgemian. Prozess-
recht verlangt Überdies prinzipiell, dass er von der Partei zum Sehen und
Hören förmlich aufgcfordL'rt worden (So lemnitilts zeuge-, a-sw. akaUat ritnt)
sei. M. a. W. nur s<ilchc Thatsachcn konnten durch Zeugnis bewiesen
werden, denen von Anfang an (>ffentlichkeit \'erliebcn war. Jenes Auf-
fordern geschah durch Rede (wn. sktrkota, on. skinitäa, skankuta), nach
adeut. R. ausserdem aber auch noch durch Werk: man machte einen zum
»Zeugen« (africs. tiugat alid. giziuc), indem man ihn izog« (alid. urchundi
siohan), was bei einigen .Stämmen durch Ohrzupfen geschah. Später kommen
andere Mittel vor, um des ZL-ugeu Aufmerksamkeit zu scharfen (Backen-
streich, Trinken, Gesang). Ausnahmsweise geiiflgten zum Zeugnisse I^utc,
die nur aus zufalliger Wahrnehmung aussagen kiinnten (sog. Erfahrungs-
zeugen, a.sw. brießa tiiini). — Das.s er nach seiner eigenen unmittelbaren
sinnlichen Wahrnehmung den Beweisgegenstand selbst kenne, sagt der Zeuge
im Prozess aus. Insofern ist er »Verkünder- (ahd. urchundo, ags. Htrtmdeo,
fric-K. orkunda, arkfne unrl an 7'diir, wf>zu Kluge Slammh. S -29 z- vgl.), selb-
ständiges Beweismittel und scharf vom Eidhelfer unterschieden. Andererseits
XhX. er wie dieser einseitiges Beweismittel: er ist nur daiui tauglich, wenn er
Wort für Wort so aussagt, wie ilin die beweisführen de Partei, der »Zei^en-
filhrcr«, gemäss dem Beweisurteil bezw. Beweis versprechen muss aussagen
lassen. Der Zeugen mu-sstcn fast immer mehrere sein, und einige Stammes^
rechte begnügten sich nicht einmal mit zwei Zeugen. Vereidigt wurden in
ältester Zeit die Zeugen nicht, und dabei blieb es uodi bis tief in die
historische Zeit hinein nach nonn-eg. R. und prinzipiell nach langobardischem.
Die Beweiskraft des Zeugnisses, das •Cbcrzeugen-, lag also lediglich in der
Aussage selbst, welche <lcu Gegner an eine öffentliche Tliatsache >crinnertc«.
Das jüngere Recht allerdings suchte nicht nur durrh Eidauftage, sondern
auch durch Vermehrung der Kckusaiionsgründe die Vcrlassigbeit der Zeugen-
7- Rechts(.asg: Zecgnis. Zweikampf.
217
aussage zu verbürgen. Ihm erst gehört auch die öfter vorkonimcndc Ver-
bindung des Zcugcnbcwcises mit einem Parteieneid (Obcrfflhrungseid) an.
Die Zeugenatwsage ist Ha.s regelmässige Beweismittel fflr Behauptungen rele-
vanter Thatsachen. Daher verk-gte, wer eine suk-he Behauptung aufstellte
und dafür den Zeugenbeweis anbot, dem Gegner den Leugnungseid. Über-
ilQssig wird zunächst der Zeugenbeweis, wenn der Gegenstand der Behaup-
tting im Gericht oder vor einer Gerich tskoramission vorgezeigt wird, und
dies ist die rerhtlirhe Grundbedeutung von beivSsen und htwisungf. Spater
unterschied man es nd. als das »leibliche Beweisen» (miid. lißik hmisrn) von
andcrm Beweisen. War nun aber die leibliche Beweisung emntal gefßhrt, so
konnte sie nachtraglich durch Zeugnisse des Gerichts (mnd. gcrichUi täeh, on.
ßittgm'tm) vergegenwärtigt werden.
§ 90. Das den altgerman. Beweis \n"c Oberhaupt den altgerman. Prozess
schlechterdings beherrschende Prinzip des Formalismus betiurftc gemäss dem
S 87 a. E. angedeuteten Gedanken eines Gegengewichts. Dieses war gegeben
in der Zulüssigkeii, den Rechtsstreit durch Zweikampf auszutragen. Der
Zweikampf war der Kampf der pcrs/5nlichen Tüchtigkeit, welcher der Vor-
rang gebührte vor den Formen des Wortkampfes. Die persönliche Tüchtig-
keit aber war die körperliche Tüdiligkeit des freien Manne.«. Wich er ihrer
Bewahrung aus, so bekannte er sich als den geringem Mann, der die Recht-
losigkeit (§ 4,^) und leicht sogar den »Neidings— Namen verdiente'. Sollte
nun aber einmal die minder tüchtige Partei auch die minder berechtigte
sein, so bedurfte es u-iederum rechtlicher Merkmale, woran sicher und rasch
der Sieg der persönlichen Tüthüßkeil zu erkennen war. Damit wurde der
physische Kampf zum Rechtsinsiiiut. Waren femer die Parteien einmal vora
Weg der Verhandlung auf den des Marlitstreite-s venA'iesen, an war es nur
folgerichtig, wenn dem Sieger gestattet wurde, den Widerstand des Gegners
cndgittig durch dessen Vernichtung zu Bfjden zu schlagen. Unter diesen
Gesichtspunkten erklären sich Formen, Ausgang und .Anwendungsfflile des
Zweitiainpfus noch iin Rerlii des christlichen Mitteliillers. ja noch in der
Sitte der Gegenwart, ergibt sich ferner. da.ss der Zweilc;impf von Haus aus
kein Beweismittel gewesen sein kann, nelmehr seine Stelle ausserhalb des
Beweisverfahrens, ja überhaupt desjenigen Verfahrens hatte, dem wir gewöhn-
lich den Namen des Prozesses beilegen. In dieser Stellung erscheint er
denn auch bei den Deutschen an der röm. Reichsgrcnzc nach der Aussäe
das Veliejus, beim norweg. Stamm nach den \-ielfaliigen Sagaschüdcnmgen,
bei den »Russen« (= Schweden) um 900 nach den Angaben des Ibn Duslah
(«. dje.sc l>ei Thomsen Unpr. d. rttss. SinaUs S. ly). Der altgerm. Zwei-
kampf fand, iamp, ahd. fhampf, champ/wü. fries. strüi} ist ein Alleinkampf
(ahd. mhd. einwü, ags. änvi^, an. einvigi^ worüber unten, — ralat. singulare
€€rtamfn} untrr den Parteien persönlich, von ihnen au.«zuferhten gf^mJlss mit-
gflngigera Kampfvcrtrag (at»air. jrtfiadine), — siinst ursprünglich ohne Jede,
dann in gesetzlicher Kleidung mit gesetzlichen Waffen (Axt cKler Schwert,
Kampfschild). an gesetzlichem Ort (ags. catnpsle<i<. mhd. kamp/sM), bei
Kampf um ein GnmdNtQck uuf dcm.sclben oder doch über eJnem Symbol
desselben, und insbesondere auf abgestecktem oder doch abgemessenem
Raum (mhd. kampfrinc, fries. tnmpxtai), dessen Cber*i hreitung als Kanipf-
fluchi g:dt. nur lici Tage, jeder Kämpfer mit seinem Sekundanten (fries.
gntti^eniere, ahd. griezwarto, mhd. grieztoart). Der Sieger durfte den unter-
liegenden Gegner töten, nicht bloss, um ihn zu überwinden, sondern auch
( Bttcnden belchiTDd hierüber du isw. fu<lnotag (oben S. 108).
2i8 IX. Recht. B. Altertümer.
nach frrungtrneni Sit;;?, sofern der Btsicgtc nicht durch einen im Vorhiuein
festgtrselzien Pr<!i.s sein Leben vUiste«. Nach an. R. »-beerbte« sogar der
Sie||[cr den BcsicKten, m. a. W. er nahm krafl Erubcruiigsrctlitcs dessen
Habe an sich. Ein Opfer für den erlangten Sieg pflegt«- der Sieger dar-
zubringen. Verschiedene Arten des Zweikampfes haben sich noch in heidnischer
Zdl iiusm-'bildct, z. B. drei isl.lndischc: holmfinn^a. keri^nga und einvi/^, alle
verschieden vom srhwcd. spanna liaiii und nnrweg. ni/gatig. Die Hcraus-
furderung zum Zweikampf (an. skora = einem den KaivpfplaU abmarken)
irder die »Mahnung' (sw. maning/ oder der »Kampf esgrus.»« (mnd. to iampe
gwirn) hatte seine cigi-iitlirhe Sti-.lle gegenüber dem Parleieneid. Durch
Kanipfesgruss konnte iiimu tlcii Eid des Gegners schchcn, was nach ileuU
R. nicht bloss in Wiirt-^i, sonflern auch symtxilisch durch Wi^ziehcn der
Schwurhand gesdiali. Aber auch schon im Klagcvori^urf konnte eine Eides-
srhelte h'egen. z. B. wenn er auf ein Neidingswerk oder auf falsches Zeugnis
gcrichtel war. Da allemal der Kampf seinen Grund iu der Eidcssciielte
hatte, so erkUlrl siHl der »Kampfeid* als wesentlicher Bestandteil des Kamjjf-
ceremoniells im MA. Zwei Eide stehen einander gegenilher; Leiigmiiigseid
des Bekhigien und Gegen-(ScheUungs-)Eid des Klägers, wie bei der Urteiis-
schelte (oben S. 206) zwei Urteile, das gescholtene und das Gegenurteil des
Sthelters. Vrm der kanipfl>edürftigen Eidessthelie aus ergab sich aber auch
die Zulflssigkeit einer k;mipfbedürftigcn Zeugiiisscbettc, und im 2u.sanimen-
hang mit tiem Grundsalz fies Kinlassiingszwangs gab die Kidesst^ielte writer-
hin den Rechtsgiuud dafür ab, dass der Prozcss durdi Herausforderung
zum Zweikampf von vornherein abgeschnitten werden konnte, indem man
die Eidcsfichclte siillschwrigen<l antezipii-rte. Der Kumpfesgruss musste bei
Vermeidung der SiichfitlUgkeil und Rechtlosigkeit angem»mmun wenlcn, wenn
er von eiiieni Ebenbürtigen im.>>>!ing. Dann schlössen die beiden Gegner
unter Handschlag den Kampfvertrag, über die spateren Schicksale des
Zweikampfes s. g qi.
§ 91. Die fernere Geschichte des germ. Beweisrechtes besteht in der
VePivittenmg seines Komialprinzips. Es uiinlcn Ueweisniiiiel eingeführt, die
wcseiitlicli auf Hervi.r/ichunj; der W;dirheit im Ein/i*lfall abziehen (sog.
>materie]le^ Beweismittel). Das deutsche Recht hat noch in der heidnischcü
Zeit den ersten Schritt hiczu getlian, indem e.s für bestimmte FiUle die Kr-
mittelimg eines Sachverhaltes durch Orakel gestaltete. Dies geschah, wenn
wcg:en einer heimlich verübten oder verheimlichten Missethat geklagt werden
sollte (nler geklagt war. Das Linisondiel veni'endeten niederdeul. Völker,
um uiuer mehreren Beschuldigten den Thilter ausfindig zu machen. Auch
das Bahrrecht halte keine andere Kunktion. Vgl. ilas Siebdrehen in der
Vulkssittc. Wahrschetidich auch sehun in heidnischer Zeit machte man in
denjenigen Fallen, wo die Übelthat eines Unfreien zum Beweis siand, von
der Peinigung desselben als einem Mittel der VValirheitserftirschung Ge-
brauch. Noch entschiedener wurde der Übergang zu materiellen Beweis-
mitteln in der chrisdichen Zeit bewerkstelligt. Erreicht uurde dies durch
Einführung de,s Gottes-urtcils und durch Fortbildung des ErfahruiigszeuguLsses.
Das Gottesurteil (ju/iid»m det, — ags. ord'U, an. skirsl [= Keinigung])
setzt vorau-s, dass von der Gottlieii die EnÜiüUung des M'aliren sclilcchter-
dings erwartet wirtl. Auf dem ererbten Boden ihrer heidnischen Gottcs-
vi»rstellungen. wonach weder Allwissenheil n'xh Wahrhaftigkeit zum Wesen
der Gotllieit gehörte, konnten die gennan. V'^lkcr diese Voraussetzung nicht
erfüllen. Folgt schon hieraus im Gegensatz zur herrschenden l^hre der
Satz, dass erst durcli Venniltelung des Christentums das Guttesurteil in's
u
7- RtCHlSfiANO: MaIKKIELLE BtWKISMinEL.
219
gennan. R. c;»'knmm*^-n sein fcann, so wird er bostiltigt durch die Wahrnehmung,
dass voll einem na tional-stcandina vischen GottcsurtcU schlcclttcrding^i nichü
irgendwie verlassig überliefert ist, dass insbesondere der gemeiniglich fftr ein
Gottesurteil aibigegt^lx^e Zweikampf in den skand. Quellen zu keiner Zeil als ein
solches hinjjestellt wird. Erst von Deutschland aus hat der Norden daa
Gottesurteil bezogen, was nicht einm:il ohne Mis.werstiindnisse seines Wesens
abgegangen isL Auch bei den Südgermanen aber waren die Gutlesurteile weit
weniiiEcr im Schwang: als gc^^ühnlich geglaubt wird. Das ags. R. z. B. kannte
wahrscheinlich wir dem O- Jahrb. kein Gtillesurteil. das althair. und altlango-
bard. R. keines ausser dem Zweikampf, vun dem wir wissen, dass er ur-
sprünglich weder Gottesurteil mx-h überhaupt Beweismittel war. .^uch die
andern .Stammes- (Xler Landesrechte haben immer nur wenige vun dea
sämtlichen bekannte» GoUcsurteÜeii und zuweilen nur eines für eine bestimmte
PeramcnkUisse rezipiert. Überdies endlich finden sich auch in südgerman.
RR. Spuren einer mehr mechanischen als verständnisvollen Rezeption, wie
z. B. das Veratarken des Ordals, die Zuüwsung eines Gegcnordals. Vermut-
lich ist der Orii*m die Heimat des gennan. Gotiesurteitj, ebcns.! wie so
mancher sdiejubar girnnanisdier Vnlkstiaditionen. Da.s gennan. R. verwendet
das Gottesurteil stets nur als subsidiäres Beweismittel, nämlich zur Besiiltigung
eines geschoUenen oder an sich scheJtbareti Eides, dann aber audi zum
Ersatz cmcr nicht zu erlanprmlen Eideshilfe. Daher dient das GultesurteU
histt irisch zimi Ersatz des Zwi-ikampfes, wofern dieser abgeschafft wird, wie
z. B. in Dänemark (10. Jaliih.). bei den Angelsachsen, bei den Friesen,
denen daher auch da« Gottesurteil ein »Kampf* oder Streit« hei»«L Unter
den samtlichen überlieferten Gottesurteilen haben wir eine altere von einer
jungem Schicht zu unterscheiden, in beiden Schithlen wiederum die echten
Gottesurteile vi.n unechten. Das echte Gottesurteil ist streng einseitig, d.h.
e* wird lediglich durch ein GeschAft dessen erbracht, der »ich reinigt. Es
ist ferner im strengsten Sinne Beweismittel, d. h. immer nur fallig. über
Th.itsachen Auskunft zu erteilen. Es i.*!t endlich stets mit kirrhlichen Kuli-
luindlungen verbunden; es hat seine Liturgie. Die eihten Gollcsurteilc
alterer .Art sind »Elemcntordale*. nSmlich die Probe mit siedendem Wasser
oder der Kesselfang (ags. trirteroniäi, fries. we/ertamft. — ketfi/nu>i, an. ttii'U
fang, itu/fak) und die Feuerproben des HtOleus der Hund im Feuer, des
Tragens von glühendem Eisen {wn. Jamburttr, on. j'iprnhyrp) tmc) des Ganges
auf glühenden Pflugscharen. Unechte Gotte-turteüe entstanden, inüeni der
Zweikampf imd das Loosoraltcl unter die Gottesurteile aufgenoiwiien wurden.
Die Zwitterhaftigkeit des unechten Gottesurteils zeigt sich am schl 'gendsten
im Kampfurteil: einerseits fiel nunmehr das Erfordernis dos pen^'jn liehen
Fechtens fort, \nirdc sogar Stellvertretung der Partei durch einen gedungenen
»Kampen« Rugelassen und ein eigener Zweikampf zwischen Mann und Krau
aut^ehÜdet. ,\ndcreTseits unlerliess man die Ausbildung einer kirchlichen
Liturgie und liielt man im Prin/ip an der Til^tllichkeit des K.impfausgangs
(est, führte sogar die T^idesstrafe für den imterliegtuden K.lmpfer ein, sodass
nach wie \\*r der Zweck des Kampfes Ober den eines btv)ssen Beweismittels
hinaiLsging. Einige Rechte kannten überhaupt keine unechten Gottesurteile,
SO namentlich die .skandinavischen. Die jüngere Schicht der Gotttrsurtelte
besteht aus den Prolien des kalten Wassers, des geweihten Bissens (ags.
t^nnädi. des Abendmahls des Psalters, der He.xenwage, welche insgesiuut
echte Gottesurteile sin<l, und dem unechten, zum Ersatz des Zweikampfes
dienenden, der Kreuzprobe. Mit dem q. Jahrh. I>egann eine kirchliche
on gegen die Gottesurteile. Im Bund mit dem nocli alteren Miss-
trauen gegen die VeriSssigkeit der gebrauchten Mittel gelang es ihr, die
Gottesurteile während des MA. zurückzudrängen, in einigen Rechtsgebieten
sogar vollständig abzusclxaffen. — Wahrend das Guttesurieil von Anfang an
im nrdcntiirhen Prozws seine Stelle fand, hat sich die Fortbildung <Jes Er-
fahrungszeugnisses zu einem materiellen Beweismittel überall ausser auf Island
zunkc-hst im aus-serordenüirhcn Proress vollzogen. Dieses materielle Beweis-
mittel ist das Institut der Jury. Drei Entsteh ungsher de desselben lassen
sich nachweisen: das frilnkische Königsgericlit, das danische KCnigsgcridit,
das isländische Gericht. Von Dänemark aus hat sich die Jun- nach 5krhweden
verbreitet. Die selbständige Enlwickelung des Instituts in seinen drei Haupt-
g;ebieten spricht sich in den Verschiedenheiten der drei entsprechenden
Systeme aus, welche sich hauplsüdilich auf die Zahl, die Art der Beschaffung,
Legitimation und Vereidigung der Geschworenen, auf das Verhältnis derselben
zu Parteien tmd Richter. s*'iwie zu andern Beweismitteln, auf die Dauer
ihrer Thatigkcit, endlich auch auf die ursprünglichen Anwendungsfalle der
Jury beziehen. Nicht minder aber spricht es sich in der selbständigen Ter-
minologie aus: der Beweis mit Geschworenen ist bei den Franken das Ver-
fahren mit inquisitio und im mittelalterlichen Deutschland das Verfaliren mit
kuntschaft, im on. Gebiet das Verfahren mit ntffnd (in JüUand für bestimmte
Falle sanstnd ma-n), auf Island das Verfahren mit h>idr [bezw. mit snnnadar
memt). Die sämtlichen Beweismitteln dieser Art gemeinsamen Grundzüge
aber sind, dass Auskunftsleute. die nicht Augen- und Uhren.!eugcn zu sein
brauchen, auf ihren Eid ihre Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahr-
heit eines Thatbestardes aussprechen. Überall ist demnach fftr das neue
Beweismittel dessen Zweischneidig keit charakteristi-sch. Daher wurde es zum
Ersatz von Gottesurteil und Zweikampf benutzt und von skandinav. RR, zu
solchem Zweck in den ordentlichen Pm/e-ss eingeführt. — Die r< instigen
Neuerungen von Belang, welche im ordentlichen Beweisrecht wahrend des
MA.. bei den südlichen Stammen teilweise noch früher und unter r5mischem
EinHuss eingetreten sind, können hier nur genannt werden: die Legitimation
des Eidlielfers nach Analogie der Zeugen, das Überbieten von Parteieneid
und Krtahrungszeugnis durch Gegeneid und Gegenzeugiii.*!, die Einführung
der Urkunde, d. h. des schriftlichen Zeugnisses als Beweismittel *idcc doch
als Mittel der Bcwciserleichterung, der Tortur gegen Freie und des ausser-
ordentlichen Verfahrens auf Indicien nnil Leumund gegen Gewohnheits-
verbrecher (•schfidliche Leute«), der Beweisführung gegenüber dern Richter
bezw. Urteilen letztere, die wichtigste von allen Neuenuigcn. zuerst im lango-
bardischen IVozess seit dem 8. Jahrh.
Ü Q2. Die Vollstreckung war nach altgcrman. R. prinzipiell Straf-
vollzug, nämlich entweder Vollzug einer öffentlichen (Todejt-) Strafe (vgl.
oben S. 197) oder Achtvollzug, Der Strafvollzug wai" nach heidnischem R.
Sache eines Beamten, des Priesters {*gup}n). Später wird das Vollstrecken
der Strafe in vielen Rechtsgebieten dem siegreichen Kl.lgfr oder der Gerichts-
gemeinde oder einzelnen Leuten aus derselben ütKrrtiagen, wahrend die
Form des Verfahrens vom Gesetze genau geregelt, insbesondere .Strafvollzug
bei Nachtzeit ausgeschlossen bleibt. Ein unitlich angestellter Slrafdiencr
(bürg. U'itiscalc — ahd, wizinari, nihd. wisenatre oder ivhegtrre) oder Scherge
{langoh. und ahd. scar/a d. h. eigenlich «Scharführer'.) oder »Züchtiger' ist
noch im SpatMA. nicht in allen Gerichten vinhanden. über Achtvollzug a.
oben § 7S. Als einzige Ausnahme vom aTigegclicnen Prinzip hat sich in
einigen Rechten aus der urgerman. Raubehe (S. lOi) eine wahre Exekution
auf Griuid des Verlftbiiisverlnigs entwickelt. Im Übrigen hat sich die Exe-
7- Rechtsgang: Vollstreckung.
221
kution zur Befriedigung von Ansprachen (nicht zu verwerhseln mit der binssen
PfaiidnaJiinc &. 183) als scIb^jUlndigcs VcrfaJircn ct!>I nuLh niclircren Jahr-
liunderten der histurisihcn Zeit un<l nidit ohne Kampf mit dem Kolleküv-
eigentum an Grund und Üoden vom allen Achtverfahren wegen *Rcchls-
abscluiciduiig« (asw. ofikaka rcrl) oder »Rechts Weigerung- abgelöst. Teil»
geschah (lies, tiuleni man zum Behuf einer vermi'igensrechtlichen Exekution
vun der Acht eine Konfiskation abzweigte mit der Auflage an die Obrigkeit,
au.s dem eingezogenen Gut den Betreiber zu befriedigen, — eine Entwicke-
lung. die sich am deuüii-hsten bei der d.lnisi'hen Mi.»bilar- (seil 1282 auch
Imin*>biJiur-) Exekuüon mit Königsbriefen, der Vi>rlaufcrin des spater ti^ns
nt og dtle genannten Verfahrens, im 13. Jahrh. beobachten, aber auch bei
der karolingiscben, das KriihiMA. hindurch \\\ Deutschland hen^chenden
Immobiliaresekution niil miish in haumun (vrSnuugt unter dem Symbol der
Aufsteckung des könighchen Fricdenskreuzes) annehmen lasst. Teils wurde
zur Wahl des Verfolgten neben das Achtverfahren eine Auspfändung (Nalime
nicht zu Pfand, sondern zu Eigen) gestelh. wie die tehehaftc Beraubung;
(afiHnk. *strttd, franki.lat. ilrudh Ugiiima, vgl. fries. rdf), d. Ii. die MobiHar-
cxekuliou nach afräid;. R., welcbe bis uui 575 nur Platz griff, wenn der
Verfolgte durch förmliclies Urttilserfüllungsgclübnis (mit festuca, wadium oben
S. 188) das Achtverfahren abwandle, später aber auch gegen den Ungehor-
samen nach vorgängigem Exekutionsurteil zmelasscn wurde. Teils endlich
wnrde das Achtverfahren unmittelbar durrh Realexekution ersetzt, wie im
12. Jahrh. in Norwegen durch die Heimsuchung {ittf^r^ bfiutniä), oder durch
eine unbeschränkte Auspfändung, wie bald nachher in Schweden durch die
»Abschätzung- ymut, virpmng), wobei freilich subsidiär die Friedlosigkeit in
sofern im Hintetgrund stand, als gegen Widenielzliclie Ge^-ult erlaubt blieb.
Obschon nun aber als Gewallvcrfahren schlechterdings iVngriff auf die Person
des Verfolgten, kam die Exekution doch in ihrer ersten Zeit prinzipieJI nach
Losreissuiig seiner Habe zum Stillsland. Die exekutivische Sihuldknecli tschaft
ist im Gegensatz zur freiwillig eingegangenen ein Erzeugnis jQngerer Rechts-
bildung. Anfangs fand äe sogar nur in wenigen bestimmten Füllen An-
wendimg, und im Gebiet des skandinav. Landrechts hat sie diese Entwcklimgs-
stufe auch nicht überschritten. Zuerst erscheint sie, analog <Ut Stnifknecht-
schaft, als definitive, spater als lösbare Knechtschaft, welche weiterhin zur
blossen Schuldarbeit gemildert, zuletzt und zwar vomehmlicli in den Städten,
durch die Schulclhaft ersetzt wird. So wenig wie diese Veränderungen der
Exekution haben andere, spezifisch deutsche, weldie hauptsächlich Form und
Folgen der beiden Hauptarten der Exekution, Auspfändung und Fronung,
dann die Verwischung dieses Unterscliiedes im Institut der anUite betrafen,
den alten Grtmdsau zerst^irt, dass jedes Zwangsverfahren durch Siraffälligkcit
der Verfolgten bedingt sei. Auch dauerten noch neben der Exekution Reste
der satisfaktorischcn Acht fort, wie z. B. im meuban sächsischer Stadtrechte
(vgl, oben S. iq6). Andererseils breitete sich während des MA., begünstigt
von der ausgebildeten Exekution, die Zulässigkeit eines vorsorglichen Zwanges-
aua, der dtu'ch »Aufhalienv, d. b. Festnahme des Verfolgten oder durch
»Besetzen« seiner Habe ausgeübt werden konnte. Die Rollenverteilung bei
allem Zwangsverfahren, soweit es nicht Konfiskation vrar. beruhte nach einem
dem ältesten F'rozess wie Privairecht gamä.^wen System auf dem Prinzip,
da» wie Urheber, so auch Leiter des Angriffs der Kläger zu sein habe,
vrähieod Obrigkeit und Dingpflichtige ihren Beistand schulden. Das gegen-
teilige System, im Zusainmenliang mit einer allgemeinen Erhöhung der obrig-
kcitltcheo Gewalt aufkommend, legt die Leitung dc-s Zwangsverfaluens in die
222 IX. Recht. B. Altertümer.
Hand des Richters, der dann persönlich oder durch den Fronboten oder
durch von Fall zu Fall ernannte »Anleiter« die Zwangsmassregeln durchführt.
Als Typus des ersten Systems kann die altnorweg. Exekution mit atf^^r, als
Typus des zweiten die alte fränk. Exekution mit strud betrachtet werden. — *
* Das Manuskript des vorstehenden Grundrisses des germanischen Rechts wurde fiir
die zweite Auflage mit Dezember 1896 abgeschlossen.
X ABSCHNITT.
KRIEGSWESEN
VON
ALWIN SCHULTZ.
das deutsche Kri^swcs«» wie Ober rtas Englands handeJt ausfalir-
lich (las Werk von Max Jahns, Handhutk der GtschUhi« <in A'rügs-
«HM» VOM dSrr l'rz^ii Ais sur RtHaissaitce (Leipzig rHdo), wo auch die Literatur
Sorgfalt^ verzeichnet zu finden ist
Unter den Waffen der Gcnnancnf die vrir teils durch die Krwälmung
rfioBdier und frOimiitteklteriicher Sclthftsieller kennen lernen, teils in dt^n
zahlreichen Gräberfunden noch erliallen vor uns haben (Lindenschiiiitt
du Altrrlumrr unxnr kaJnücken Vorutt. Mainz 1858^, wird besundrra die
Fraaua hervorgehril>en, die jAhns mit Ä<i^\ hüuftg gefundenen steinernen
oder bronzenen Meissein (den Cdten) für Identisch halt, «ie er auch die
Wuifoxt Francixta für eine Ähnliche Waffe erklärt, nur mit dem Untcr^liicde,
dass bei der Framca der Meissel an einem geraden Stabe, bei der Fiandsca
an einem Winkelholzc befestigt war. Die Streitaxt, das BeQ und der Stieit-
hanuner, die Wurfketile \cattja, teuiofta), der mit Widerhaken versehene Wurf-
speer (ongo\. dann der gewöhtilichc Wurfspless i,ger\ und die Lanze, vor
aDem aber Sdi«-crt un<i Dolcii verA-nlUtAndigen die Rüsttuig der deutschen
Rtie^r in älterer Zeit. Die Schwerter sind entweder zweischneidig oder wie
<lie ^Mtlka nur auf einer Seite geschliffen, letzterer Waffengattung ist auch
das Sahs {scramasaxus\ bcixuzfthlen. AU Kernwaffen werden f^chleudem und
Bogeo gebraucht. Von einer kumpUzlertcn Rüstung ist in der alteren Zeit
nodi nicht die Rede: der Krieger deckte soinen Leib mit dem Schilde und
adiOtzte sein Huupt durcli den ehernen Helm. Die hölzernen Schilde sind
^ifcmalt, mit erzenem Buckel und Rand beschlagen. Mit Ebcrkr^pfcit verzierte
Helme werden im BeowulDiede erwähnt: Schutrringe für die Arme finden
sich in den Gräbern vor. Die Brfinnc, das aus Eiscniingen gefertigte Panzer-
hemd, kommt gleichfalls öfters im Ueowulf vor. Den Kriq^erhaufen dienten
Fahnen als Feldzeichen, Trommeln, Homer und Tiompeien wurden zur
Schlachtmusik oder zu tricgerischen Signalen verwendet
Hufbeschlage der Pferde, ZierslQcke vom Zaumzeug etc. haben sich in
-den Gräbern gefunden; fraglich dugegen ist es, ob die alten Deutschen
eine Art Sattel hattet^ jedcnralls sind sie früher auf den nackten Pferden
224
,\. KKiK(;SWESEN.
f
guritleri. In Karren wurden dem Heere Lebensnullel nachgefQhrt; ein Tross
von Fraueii begleitete die Krieger. Zur Schlucht wurden die Wagen xu
einer Verschanzung - — Wagenburg — zusammengefahren; die Gliederung der
Schlachlhaufcn war in Gestalt ciues ►Keils«. Vgl. v. Peuckcr, äas dtuische
KriegsiveseH der VrseiUn (Lpx, 1860). Spuren von Befestigungen von Stdn-
ringen, Ringwallen, Erdsdianzen, vun Landwehren u. s. w. sind \ieifach nacli-
gewicaen, auch Überreste von Bergversch;uizungen, von Wasser- und Surapf-
burgen vorhanden.
Vcrvollkuniinnct wurde die Waffcntccluiik unter den Merowingem und
Karolingern. Die Framea wird durch den Spiess verdrUngt. an Stelle des
Francisca tritt das Schubert, dagegen bleibt da.s Sciamasax oder die setni-
spatha, das Kurzschwert, im Gebraurhe. Die bronzenen W'affenstückc wer-
den durch eiserne ersetzt. Bemerken will ich aber, dass die von Jälins als
Belege für die Rüstung der Karolingerzeit angeführten Figuren aus dem so-
genannten Schachspiele Karls des Grossen (Paris, Is'at. Bibl.) . nicht dem
neunten, sondern dem zwölften Jahrhundert ihre Entstehung verdanken. Eine
hervorragende Rolle begirmt die Kelterei zu spielen.
Die Bewaflnung der Angelsachsen unterseheidet sich nicht wesentlich von
der der Übrigen Germanen, wie die der Normannen ganz die gleiche ist, die
zu ihrer Zeit die Fninzosen verwenden.
Die Rüstungen und Waffen der nachkarolingischen Zeit erfahren zunächst
nur geringfügige Verbesserungen, Der aus Eiseiuingen zusammengeflochtene
oder mit EiäenslUcken benUlite Rock wurde ergänzt dadurch, dass nun auch
die Beine einen gleichen Schutz erhielten. Der kegelförmige Helm, der den
Kopf nur bis zur Stlm schtltzL, wird mit einem Naseubaiide {nasale) ver-
seilen, welches auch das Gesicht gegen Verletzungen sicher stellt. Wie im
Laufe des zwölften und dreizeluiten JaJirhundcrts sicli nach und nach aus
dem Nasenband ein Gesichtsschutz, dann das sogenannte Barbier, spater der
Tupfliehn ausbildete, luibc ich mit Abbildungen in m. liöf. Lcbcu' II S. 61 ET.
nachzuweisen versucht
Allein man setzt nun auch nidit den Heim mehr ohne weiteres aufs
Haupt: eine Panzerkapuze (das hersenür) schützt den ganzen Kopf und iSsat
nur, wenn sie diuch die vinteUe. den lang vom henenier herabhUngcnden
Zipfel, fcstgescimürt ist, Nase imd Augen frei. Aber unter dem henenift
liegt noch eine gepoLstcrtc Müüre, die balwät, so dass das Haupt dreifach
behiUel ist. Auch unter die Eisciiröcke, die Brilnne wie den Halsberg,
■werden gepolsterte Wämser angelegt, ebenso unter die Hosen aus Ring-
geflecht Hfwen aus Leder oder gestepptem Seidenrcug gezogen. Über den
Hamisdi zieht mau seit dem dreizehnten Jahrhundert den xvüpenrot, auf
dein (las Wappenzeichen t\<A Ritters angclmuht ist; dasselbe ist, als zimiert
plastisch gebildet, auf dem Helme befestigt und wird auf den Schild geraalt,
auf dem Lanzenfllluichcn und auch auf der Decke des Rosscs uocluuals
wiederholt. Der Schild ist dreietkig; lang, spitz und gewölbt im elften und
zwölften Jahrhundert, flach und fast gleichseitig im dreizehnteiu
Die ritterlichen Waffen sind das Schwert und der Speer oder die Lanze.
Neben dem Schwert führt der Ritter etwa noch ein Dolchmesser, das der
oben genannten Semispatha entspricht, jetzt aber als aaeiaciuSt al. miseri-
cordia u. ». w. bezeichnet wird; seltener ist die Streitaxt im Gcbraudi. Der
Wurfspeer, der gcr, wird immer mehr von der Stosslaiize verdräagl.
Beim Kampfe der Ritter gegen Ritter kam es darauf an, den Gegner
durch den Stos:» der Luuzc aus dem Sattel zu heben, üiu dami mit dem
Schwerte kam[tfunfahig zu machen und schlicsslielt dcu Helm abzurcisscn.
ÄI.TFRE ZkIT. LiLÜrr/FlT UES KlTTKIvIfVf-
^25
>
*
das Hersenier vom Hiiupic zu btrcifen uiicl d'.-n Kopf mit müthügcm Sihwert-
hicbc abzuschlagen. Die Kunst dt's Einzdlumipfcüi, der /jos/r, !iaitc der ritler-
bOrtige Knabe von früher Jugend ;in zu erlernen; die Vurbildung zum Ma-
nOvncicu ini Felde, zur Reitcrstlüachl, bildeten die Turniere, welche ureprüng-
lieh uiiseni Wafft-n Übungen ent-sprachen.
Neljcn den Sthiiarcn der Riiter spielten aber nun schon im zwölften
Jalirhundert die Fusstrupucn eine nicht unl>edeutende Rolle. .Sic warpn an
Zaihl den Keilern meist weit überiegen, und bald waren es die B<:"genschftlzi-n
z. B., die in den Schlachten den AusM:hlag gaben. Die Fu^sssoldateji sind
natOrlirh leichter gerüstet als die Ritter, die nach Verlust ihrer Pferde im
HamiM-h kaum gehen können, vor allem sind bei ihnen meist die Beine un-
geschützt.- -Aber auch der ('iherkürper Lit oft nur mit einem gewi^hnlichen
Rock bekleidet, dci hödibtens mit Weij; oder Baumwolle gefüttert wird, wenn
aber der Leibhamisch verwendet wird, ist derselbe leichter und hindert die
Bewegungen des Körpers nicht. Der Helm wrd seh dem dreizelmten Jahr-
hiuidert duicli einen breitkrampigcii Eisenhut, die heciUihüte, ersetzt. Die
Waffen der Fussiruppen sind verschiedenartig; alle haben sie wohl das
Schwert und das Dokhmesser {gnippt), aber die einen hind mit Bogen und
K&cher au-sgerüstet (die Armbrtlste kommen erst seil Ende dos zwölften Jahr-
bundetts vor), andere führen Schleudern, wieder andere sind mit Stusslanzeii
bewaffnet oder haben Keulen oder Stangenwaffen verschiedenster Art (Helm-
bartcn, Godendac, Guisarmen etc.).
Cbcr die Taktik und Strategie des MA. haben wir das treffliche Werk
von G. Köhler, Die Knin<iekehtig tirs Kne^wesens und der Kmg/iihimg
in dtr Riiteneit (Brc:<lau 1885 — 8g). da» zugleich auch die wichtigsten
Schlachten bespricht und.vom milit.*tnM hen Gesichtspunkt aus kritisch beurteilt.
Neben den Feldsrhiachien sind für die d;mialige Kriegführung die Bela-
gerungen der Burgen und Festungen von hcr\'ornigcnder Bedeutimg. Über
die Anlage der Befestigungen vgl. Köhler a. a. O. IIl, i, 341 und höf.
Leben ' I S. 7 ff.
Die Belagenmg einer Feste wird durch die Umschlies-sung derselben ein-
geleitet; dann versucht man die Mauern zu untergraben und zu Falle zu
bringen [oder die Graben zuzuschütten, die kalte didit an die Mauer zu
(reiben und entweder mit dem Mauerbrecher dieselbe zu zerstörtii oder mit
Bceclietsen und Picken eine Bresche in dieselbe zu bredien. Zur Unter-
stützung wird der hölzerne Belagerungslurm, die tbtnhxkt oder der berc/rit.
Ml die Mauer geschoben und von dem fiberen Geschoss suchen mittelst einer
Fallbrücke die Belacerer auf die Maueni zu gelangen. Heftiges Werfen mit
Steinen und st^nstigvn Geschossen untcrst fitzt den Angriff. Mit den Pclrarien,
dem Triboc, der Blide, den Mangen und Mangonellen, und wie die Ge-
achQLze auch hcisscn, werden Steine, Bleikugeln u. s. w. geworfen. Schon
1228 hatten die Bolognesen in einer Schlacht gegen Modcna FeldgeschOtzew
Mangonellen, verweiKlet, und auch spÄtcr wird deren Gebrauch beslStlgt.
Mit diesen Geschützen warf man zugleich das so gefflrchtete griechi.sche .
Feuer, das man Übrigens schon im dreizehnten Jahrhundert vermittelst Ra-
keten zu schleudern verstand. Die F.rfindung des Schiesspulvers ist nur als
ein« Fortbildung dieser Versuche anzusehen.
Im vierzehnten Jahrhundert tritt der Gebrauch der Ringhamischc mehr
zurück gegen den der Plattcnnlstungen. Schon im dreizehnten Jahrhundert
hatte man einzelne Teile des I-liimisctics durch geschmiedete Eiseuplalleo
verstärkt; man hatte BrU'itpIatten verwendet, die Knie mit den sehinnelk*
(gemomüterrs}, die Arme mit den brazel geschützt, ja es scheint schon dpr
CerauuiiKhc Phllolocie tir. 2- Kv.1L 15
226
X. Kriegswesen.
Panzer im eigcntlirhstcn Sinne, d. h. die Plattendeckung des Unterleibes,
verwendet wurden zu sein. Nun werden auch die Achseln und Ellenbogen
durch entsprechend gefcirmtr gesichmiedete ROstungsstttckc bewahrt, bald
auch die Ftt-sse mit eisernen Scliuhen versehen, bis dann gegen Anfang des
fünfzehtitt-n jalirhundcrts (Jahns behauptet nacli 1370) die Eisenschalen den
ganzen L*;ih und dir Ik-Jnc bedrckten. Der Ringhamisch war noch bis
Ende des vierzehnten Jahrhunderts trr)tz der Eisenplatten beibehalten; letz-
tere dienten nur zur Verstärkung des als uiuulänglidi ungesehenen Schutzes.
Die Ringkapuze, das hersmier, wird durch einen Kopfschutz ersetzt, der
kragenartig litTabreicliend zugleich die Brust srliinnie. Und auf dieses aus
Ringen hergestellte Camail setzt man nun den grossen mit Augenifirhem
versehenen Topfhelm, der auf den Schultern nihlc und ntit Schnflren fest-
gebunden war. Hclmdcckcn. die schon im dreizcluilen Jahrhundert vor-
kommen, werden in der Folgezeit allgemein angewendet, teils den Helm vor
der Erhitzung durch die Sonnenstrahlen zu behüten, teils der Zierat wegen,
da die Farben desselben denen des Schildfeldes und des Wappenbildes meist
entsprachen. Die Kehnzierden, Kronen oder figürliche Wappen zeichen,
hielten die Decken fcsL Bezeichnend erscheint ni.>rh, dass seit der Mitte
des vierzehnten Jahrhunderts der WSpenroc sich verkürzte und die Gestalt
eines jackenariigen kaum bis auf die Oberschenkel herabreichenden Wanises
annahm. Der mit Met;illplatten beschlagene Gürtel ruht auf den Hüften
und mnschlicssl nicht wie ehedem die Taille. Eine wesentliche Ven-oU-
kommnuiig der HcImc brachte die Einfühmng des Visiers um die Mitte des
JahrhunderLs; nim konnte das Gesicht, so lange keine unmittelbare Gefahr
vorhanden war, enlblösst werden; dadurch wurde dem Ritter die Möglich-
keit gegeben, frei zu atmen, was unter dem geschlossenen Topfhelme trotz
der angebrachten LuftlCichcr noch immer nirht in ausrcicliendein Ma.sse ge-
schehen konnte. Indessen inuss auf einen Punkt ausdrücklich hingewiesen
werden, dass die Einführung einer neuen RQstungsform keineswegs das Ver-
schwinden äherer Rüstungsstücke zur Folge hatte, dass ^-ielmehr alte und
neue Harnische zu gleicher Zeit gctnigen wurden, da es dem Ritter anheim-
gegeben war, wie er für seine köqierliche Sicherheit Snirge tragen wnllte.
Von Uniform ist also das ganze Mittelalter hindurch nicht die Rede: jeder
Ritter trügt seinen eigenen Harnisch; eine gewisse Gleichfurraigkeit der Aua-
rflBtung finden wir höchstens bei fien Eusstruppen, zumal den geworbenen,
da denen Kriegsklcider und Waffen geliefert wurden, und auch deren äussere
Erscheinung ist, wenn wir den gleichzeitigen Btldcm glaulwn dürfen, ver-
schiedenartig genug.
Seil dem Beginn des Fünfzehnten Jahrhunderts wird wie gesagt der Ge-
brauch tier vollen Platten rOslung allgemeiner gebrauchlirh ; mit mannigf;ichpn
Modifikationen hat sich dieser Brauch bis lief in das secliszehnte Jahrhundert
crhalteiL.
Der Helm erhflll die Form des Schaller (Salade), d. h. der mit Augen-
lödieni versehenen Eisenhaube, die im Falle der Gefahr Über das Gesieht
gezogen wurde, und des Helms mit beweglichem, gewi^hnlich dreigliedrigem
Visier.
Die Turnierrüstungen sind schwerer und massiger gearbeitet; ein Turnier
des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts dauerte nur kurze ZeJt; solche
sdiwere Harnische b.ltte man im Knege niemals tragen können. So ist auch
der Kricgssaticl mit seiner ht-hcn Rücklchnc wohi zu unterscheiden von
dem Tumiersancl, der sich besonders durch den hölzernen .Steg auszeichnete,
welcher Beine, Unterleib und Brust deckte.
SpAnfTTTSLALTER.
227
I
Auch die Pferde wurden mit einer Art von PlattcnrOstung gegen Ver-
wundungen geschützt, hesonch-ns rrhieJt das Haupt «liirch eine eiserne Stim-
platte- ifh/infrein) einen wirksamen Scliulz.
Die ritterlichen Waffen sind immer nfH_h Lanze und fichwert. 5>eit dem
Ende des 13. Jahrlw. hatte man die Hand durch Anbringung der Brech-
adieiben gedeckt. Als die Lanzen an Si.-liwerc immer zunahmen, erleichterte
man dem Ritter die Handhabung, indem rann Haken (faucre) an der Hrust-
platte de« Harnisches anbrachte, in die der LanzensrhafI eingelegt werden
kunntc. Das Pahnclieu an der Lanze fallt im 15. Jahrh. fr)rt, dagegen sehen
wir gegen Ende <lc,ssclben tlic Reiter einen Fuchsschwanz unter der Speer-
spitze befestigt tragen. Auc-h die Schwerter werden langer und wuchtiger,
dorh sind die ZweihUnder nie von Rittern gebraucht worden. Streitaxt,
Kollien und Streithammer werden auch von Rittern nebenher benutzt.
Leichter ist die Rü-stung der Fusstruppen. Man begnügt sich hflufig mit
gCÄtepplen oder gepcilsierteu Wamsen, verstärkt die.se vielleicht durch An-
'^[wng von Brastplatteii, seltener durch einen vullen Brastha misch, und
deckt empfindliche Stellen, die Schultern, Ellenbogen, Knie durch entsprechende
Eisenkacheln. Die Waffen des Fussvulkes sind im grussen Ganzen dieselben,
die s*hon früher erwähnt wurden. Das Schwert, das bis zur Mitte des fünf-
selmten Jahrhunderts ziemtiili kurz gewesen war, nimmt an Lange zu. So
entstehen die Beitlenli ander (twoliands-swords), die nur mit beiden Armen
geschwungen werden können, eine Liehlingswaffe der Schweizertruppen. Die
geflauuuten Flambcrge, deren Hiebe den Rüstungen so verderblich, werden
erfunden; der Streitkolbcn wird zum Morgeiistem au.sgchildet, der ahbckannte
Kri«:^flegel weiter benutzt, eiidtich von den Stangen waffen, Hellebarden,
Hipi>eii IL s. w. Gebrauch gemacJil, die Partkme nach dem Beispiel der
Htusiten eingeführt. Bogen und Armbrust werden zum Fernkampfe ver-
wendet. Abbildungen der verschiedenen Wnffengat langen bietet ausser dem
grossen Werke von Hefner-Alleneck, ilie Tntchten des efthsti. M.\. Mann-
heim 1849—54, August Dcmmin in dem mit Vorsiclit zu benutzc-ndcd
BUclilein *ift* Kritgsrvaffen etc.« Leipzig iHtJty. K. Gimbel, Tajeln zur Ettt"
imckiun^gtxchi<hfe der Schutz- und Trulzwaffen tn Eumpa rsfm 8. — 17. Jahr-
Juatdert. Baden-Baden 1894. Richard Freiherr von Mansbcrg, WA/en
Hnd Wiegtwaeie der deulschen Hitler des Mitltlaiter^. Dresden 1890. Wahrend so im
allgemeinen eine bedeutende Veränderung nicht herl>eigefülirt wurde, begann
der Gebrauch des SchiesspulversaHmrihlich die Umgestaltung des gtinzcn mittel-
aJtcrlichen Kriegswesens vorzubereiten. Als die Zeil der Einführung von
Geschützen, die durch die Kraft des .Sihicsspulvers Geschostsc schleuderteu,
kOiuieii wir das Jahr 1 3^5 annehmen. Jahns und ausführlicher Köhler
(in 1, 225 £f.) haben die Daten, die da ni Betracht kommen, zusaminen-
geslellL Zuerst wenlen .tie in Italien en^-ahnt, 133K in Frankreich, 1346 in
DcuLM:hland. doch soll eine bronzene Büdise. früher im Besitz des Gra/en
Arco, aus Mantua herstammend die Jahreszahl 1322 getragen haben. Die
lltereii LoibOch.sen schössen Metallkugeln, die spateren gri.i!>s<.^ Geschotse,
Seein bürksen, Steinkugeln. KleineTc Steiubücliscn, die weniger nki einen
Zentner schössen, nennt wvaw seit den IIus.'^itenkripgfn Haufnitzeji; die
langen Geschütze erhalten den Namen Tenas uder Tenasbüchsen. Seit der
Milte des filnfzehnten Jahrhunderts helsst eine Büchse, die einen Zentner-
Etein who.««, Hauptbüclise, die einen halben Zentner, mittlere Büchse (metze),
die noch klcine-re ViertclbOchsc iQuartan, spater Karlaune). Aus den Lot-
bOi'h&eu entwickelt steh die Schlange. Die Form aller dieser GeschQlze, die
An ihrer Lafetleu u. s. w. ist aus dem vortrefflichen Werke von August
IS»
228
X. Kriegswesen.
Essenweiri, QutUen zur Geschickte iJ/r Femnoa^en (Leipzig 1877) zu' cr^j
sehen.
Die hier besprorbenen GeschOize wurden teils bei Belagerungen, tei
auch, und zumal die leichteren, in Feldschlachien verwendet: zur Bewaff-
nung des Fussvolkfx sind Feuerwaffi;n erst seit der zweiten HäUle des vier-
zehnten Jiilirliundcrts gebraucht worden. In der Sdiladit von Conimin<
1382 spielen die Handfcuer^*■a[fcn schon eine wichtige Rolle (vgl. Kiihlc
II, 584). Sie haben zunächst die destalt einer kleinen Kanone, die ai
einem tnigbaren Huizs-chafl aufgelegt ist, und die, wie das grosse Gcschötx,"
vermittelst einer 1-unle abgefeuert wird.
Abbildungen vi in Rüstungen und Waffen sind in ni. Deutschen Leben d.
14. und 15. Jahrhs. (Prag, Wien, Leipzig 1892) zu finden.
Diese Handbüchsen hatten am Rohr einen Haken angeschmiedet, welcher
zu der kleinen Art von Liifctte gehörte, mit der in altiMer Zeit selbst diese
Geschütze gerichtet wurden. Sie erhielten davon den Namen Hakenbüchsen
(daraus Arkebusen) und sind unter dieser Bezeichnung schon zu Anfang des
fünfzehnten Jahrhunderts nachzuweisen. Die Erfindung des Lunten sclilosscs
1378 förderte die Präzision des Feuems. Die Hakenbüchsen werden spAter
statt auf ein Gestell auf eine tragbare Gabel aufgelegt, was noch bis hi das
siebzehnte Jahrhundert bei den schweren Büchsen, den Musketen, üblich
blieb; diese Vorrichtung erküditcrte das Zielen, F-iuilit'h wurdt* die Schäf-
tung vervollkommnet, sn dass das Gewehr angelegt werden konnie; 1515
wurde zu Nürnberg da.s Radschloss, bei dem ein rotierendes Stalilrad Funken
vom Schwefelkies sdiLlgt, einige Decennien später das Schnapphahn srhioss
erfunden, das um 1O40 in Frankreich als Batteriesdiloss mit Feuerstein (da-
her Fusil; Flinte vtm Flins) vcrvollkominnet wurde. L'm 1820 wird das
Perkussi<inss<:hloss eingefOhrt, wdches die um j8jB erfundenen Zündhütchen
verwendet.
Schon in dem hundertjährigen cngtisdi-fninzösisdien Kriege halten die
Fusstnippen der Englander oft ausschlaggebend die Schlachten entschieden;
die Schwcizerscb lachten kies vierzelinlen Jalirliundcrts, die Hussitenkriege,
endlich die Rümpfe Karls ile„f Kühnen vun Hurgund gegen tlic Schweizer
Hessen die Bedeutung des Fussvolkes der ritterlichen Reiterei gegenüber
immer deutlicher hen'ortrclen. Die Zeilen, als der Ritter Scharen den Kampf
entschieilen, sind vorüber imd damit auch die Zeit der Blüte des Ritter-
standes. In Zukunft liegt die Entscheidung des Krieges in den Hilnden des
Fu.'>s\'olkcs. Dasselbe rekrutierte .sich zunächst aus angeworbenen Kriegs-
knechten. Ganze Sdiaaren von Schweizern boten sich den kriegführenden
Forsten an. und auch aus anderen iJlndem strCimten abenteucriasügc Mäimer
den Feldherren zu und Hessen sich gegen bedeutende Ltvhnung anwerben.
Aus den eigenen Landesangehörigen rekrutierten sidi die Land.*;knerhte; der
Name k'imnit schon 147^ vor, aber die Organisierung der Trup|>e ist auf
Kaiser Maximilian zurückzuführen. Tnjtzdem war dies nrtch immer eine
sehr unzuverlftssige Schar, aufsässig besonders, wenn der Lohn nicht ausge-
zahlt wurde, aber audi ungehorsam, sobald es ihr zu »sorglich' erschien,
einen Befehl ihre-s Fcldherra auszuführen.
Nicht auf einmal hat sich die Umwandlung des Kriegswesens vollzogen,
sondern langsam nach und nach. Zu Fnindsbcrgs Zeiten braucht man noch
neben den Biimbarden und Kartaunen hin und wieder die alten im drei-
zehnten Jahrhundert bewahrten Blidcn und Mangcn, und die Artillerie hat
in den Schlachten des fünfzehnten Jahrhunderts ebenso wie die Haken-
bi\chsen kaum den Aus-^hlag gegeben, vielmehr war das Gefecht mit der
Spätmittelalter. 229
blanken Waffe noch immer entscheidend. Allein allmählich wird auch da
eine Änderung bemerklich: die Büchsenschützen treten in grösserer Zahl
auf, die Festungswerke der grossem Burgen und Städte, nicht berechnet,
dem schweren Geschütz Widerstand zu leisten, werden umgestaltet nach
neuen Prinzipien aufgebaut Eine kleine Burg, hinter deren Mauern früher
ein Ritter sicher seinen Feinden Trotz bieten konnte, ist verloren, sobald
die Feinde mit Belagerungsgeschütz anrücken; sie nach den modernen An-
forderungen zu fortifizieren lohnte nicht, dazu hatten die Edelleute auch kein
Geld, und so verzichtet man auf diese unbequemen Burgen, die keinen
Schutz mehr gewähren, siedelt in dem Zeitgeschmack entsprechende Schlösser
über und überlässt die alten Burgfesten dem Verfall.
Der Ritterstand aber, dem seine hauptsächliche Wirksamkeit durch die
Entwickelung des Kriegswesens entzogen war, widmet sich, als das Mittel-
alter zu Ende ging, nun nicht mehr ausschliesslich dem Kriegsdienste: auch
die wissenschaftlichen Studien werden von ihm bald mit Eifer betrieben,
und der Amtsdienst an den Höfen der Fürsten muss ihn entschädigen
für die Errungenschaften, die er sonst dem Kriege allein zu verdanken
hatte.
So bereitet sich auch auf diesem Gebiete am Schlüsse des Mittelalters
eine Wandlung vor, die in Deutschland wie in England für die Folgezeit
von höchster Bedeutung sich erweisen sollte.
XI. ABSCHNITT.
MYTHOLOGIE
VON
EUGEN MOGK.
KAPITEL I.
Volksglauben und Religion, mythos und kult; die aufgaben
der mythenforschung.
Ober die Begriffe Religion und Mythos besteht eine fast unübersehbare Lite*
ratur. In jeder selbständigen Mythologie wird auf sie angegangen und ihr Ursprung
zu ergründen gesucht. Gute Oberbllcke über die verschiedenen Au&ssungeo geben:
O. Gruppe, Die griechischen Kulte und Mythen in ihren Betiehungen tu den
orientalischen Religionen. I. Bd. (Leipzig 1887) und Max Müller, Natürlühe
Religion (übers, von E. Schneider, Leipzig 1890). Von den Werken, deren Ver-
fasser von germanischen Verhältnissen ausgehen, seien hervorgehoben : W. Schwartz,
Der Ursprung der Mythologie (Berl. 1860); Ders., Der heutige Volksglaube und
das alte Heidentum {2. Aufl. Berl. 1862); Mannhardt, Antike Wald- und Feld-
kulte (Berlin 1877), Vorwort; MüUenhoff im Vorwort zu Mannhardts Mytiwlo-
gischen Forschungen (Strassb. 1884), S. VIff. ; Ders,, Deutsche AUertumskund«
V. I (Berl. 1883) S. 157; L.Beer, Zur mythologischen Methodik {Gvirn. XXXIH.
I ff.); Laistner, Das Rätsel der Sphinx (Berl. 1889), Vorwort; W. MttUer.
Mythologie der deutschen Heldensage (Heilbr. 1886), Einleitung; Ders., Zur My»
thologie der griech. und deutschen Heldensage (ebd. 1S89), Einleitung; Tobler,
Mythologie und Religion (Ztschr. d. V. f. Volksk. I. 369 ff.); Nicolson, Myth
and Religion (Helsingfors 1892); Noreen, Fornnordsk religion, mytologi och
tm/i'^i' (Svensk. Tidskr. 1892); Vodskov, Sjaledyrkelse og Naturdyrkelse. Bidrag
til Bestemmelsen af den mythol. Metode. (i. Bd. i. Hefl. Kbh. 1890); E. H.
Meyer, Germanische Mythologie (Berl. 1891) S, 9ff. (dazu E. Mogk, Anz. d.
Idg. Forsch. III. S. 22 ff.); A. Lehmann, Overtro og Trolddom fra de aldste
Tider til vore Dage (4 Bde. Kbh. 1893—96).
-as in Folgendem dargestellt werden soll, ist der Glaube der Gennanen
Jf^ an das Übersinnliche. Man pflegt diesen in der Regel Mythologie
zu nennen, allein dies Wort giebt nicht das wieder, wjis man unter ihm
versteht; es ist auf der einen Seite zu eng, auf der andern zu weit
Dieser Glaube ist entweder die Interessengemeinschaft einer Anzahl von
Individuen, die sich unter gemeinsamen Satzungen verbunden haben, oder
er ist Privatsache einzelner Personen, ist also ganz individuell und nicht an
die Vorschrift einer gesellschaftlichen Vereinigung geknüpft. Jenes ist die
Religion, dies der Volksglaube. Beide Arten des Glaubens stehen in
gegenseitigem Wechselverkehre und können deshalb nicht voneinander ge-
trennt werden. Ist doch der V()lksglaul>c meist eine Schicht alterer Religion,
dir. nach dem Aufkeimen einer neuen in einem Teile der Bevölkerung
surQckgcblieben üt. Daher findet sich Volksglaube iteben der Religion bei
allen Völkern und zu allen Zeiten. .\uf der anderen Seite kennen aber
aucli AuÄcrunK*^n des ViL>lk>)^laubeiis in den Bereich der Religion gezugcn
werden, indem miin sie an die Gestalten des Gese lisch aftsglauhcns k'nOj>ft
oder zu diesen in Beziehun(( bringt. Aus dieser Zweiteilung des Glaubens
erklärt es sicli, dass beim Aufkommen einer neuen Religion in der Regel
nur <lic alte Religion, nicht Jibcr auch der Volk.sg)aube in seinem Kerne ge-
troffen wird.
Religion wie Volksglaube Sussem sich entweder durch das Wort i>der
diuch Handlimg. Die Äusserung de^ Glaubens durch das Wort ist Mythos, die
Ixhre davon die Mythologie, die Äusserung durch die Handlung ergiebt den
Kultus. Wir haben es demnach auf der einen S<-ite mit einem volkstümlichen
oder niederen Myllios und mit einem volkstümlichen Kult tKler abergläubischen
Brauch, auf der anderen mit einem religiösen oder höheren Mythos und mit
einem religiösen Kulte zu thun. Da beide in gegenseitiger Beziehung zu
einander stehen, Usst es .sich bei der DOrftigkeil uiLserer Quellen aus alter
Zeil oft schwer ent-schelden, was dem Volksglauben, was der Religion der
Germanen angehört. Beide sind daher unter allen Umst<Inden in gleicher
Weise darzustellen.
§ 2. Der Glaube an das Übersinnliclie knOpft sich bei einem Nalurv(dke
in der Regel an die täglich i.Kler jjetiodLsch wiederkehrenden Erscheinungen
in der Nanir, an die Erlebnisse, kurz an alles an, was die menschliche Brust
be«-egL Man fOhll hinler diesen Erscheinungen und Vorgängen etwas
Höheres, dem gcgcnOber der Mensch schwach und hülflos da&teht. Unwitl-
kürh<:h erhalt dies höhere Wesen Gestalt, und zwar eine Gestalt, wie sie
der Mensch aus seiner Umgebung kennt, die Gestalt des Meiuschen oder
eines Tieres- Natürlich liat das so entstandene Wesen auch Bcddrfnisse und
I^denschaflen *-ie das Geschöpf: durch Speise und Trank wird es besänftigt,
wird es gewijgen gestimmt, diuch Gebet wird seine Hilfe angefleht So ist
der erste Kult, Opfer und Gebet, da. Allein man sprach audi von diesen
höheren Wesen, und die l'hantasic »iisste bald dies bald jenes von ihnen
au erzählen. Hierin liegt die Wurzel des Mythos. Mit der Zeit löste all-
mählich die subjektive l'hanta.>(ie die Gescthupfe der objektiven ganz von
ihrem natürlichen Hintergrunde los, dichtete ihnen neue Eigenschaften, neue
Handlungen an, die teils aus den eigenen Lebenscrfahnmgcn geschöpft, teils
frei erfunden waren. Die Dichtung liat sich des Glaubens bemächtigt, imd
sie schallet und waltet frei mit dem ererbten Kapital. Diese mythologische
Dichtung ist denmai'h nichts anderes, als ein Teil der Poesie eines Volkes,
und die Überlieferung ihrer Niederschlage muss wie die Dichtung behandelt
werden : die Quellen sind kritisch zu sichten, das Junge ist vom Allen zu
trennen, und nur das It-tztrre ist auf seinen Ken» hin zu prtlfen. Hierbei
muss dein Forscher in erster Linie die Natur und Bodenbeschaffenheit des
Landes vor Augen sein, wo der Mythe« seine Wurzel hat, er muss alles das
in Betracht ziehen, imler dessen Einfluss ein natürlicher MeiLsch steht Da-
bei ist zu bertlcksichtigcn, dass die glauben- und mythenzeugende Kraft in der
grossen Menge selbst durch die Einfühniug einer offenbarten Religion durchaus
nicht gebrochen wird. Diese Krafl hat sich in aller Frische auch bei den
Germanen erhalten, als das Christentum dem Heidcniume ein Ende machte:
sc erzeugte noch hi cli ristlicher Zeit neue Myüiui uadi Analogie der alten, wie
diese auch selbst teilweise in unveränderter Frische fort bestanden. Und mit den
232 XL MYTHOLOGIE.
alten verbanden sich, namentlich im Mittelalter, nicht selten auch neue, aus
dem Morgenlande und aus dem Süden eingewanderte Glaubensvorstellungen.
St) hat sich altes Heidentum durch die Jahrhunderte bis zur Gegenwart er-
halten.
§ 3. Bei allen Naturvölkern sind die Satzungen von dem Glauben an das
Übersinnliche ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaftsverfassuog oder
d^s Staates. Selbst wo wir patriarchalische Verhältnisse antreffen, vereinigt
s^_die Familie unter dem Familienoberhaupt zu gemeinsamem Opfer und
Gebet. Sü finden wir bei allen Völkern auch Religion. Auch bei den Ger-
manen ist die Religion ein imlösbarer Bestandteil der Staatsverfassung ge-
wesen. Allein ihre Glaubensäusserung in der Religion Lst durchaus nichts
Abgeschlossenes, nichts stetig Gleiches gewesen, sondern sie hat sich zeithch
und örtlich verschieden entwickelt. Indem sie aber in ihrer Weiterentwicklung
alte Glaubenssatzungen abgestossen hat, sind diese nicht selten bei einem
Teile des Volkes zurückgeblieben und so zum Volksglauben herabgesunken.
Um die Religionsgeschichte unserer Vorfahren zu verfolgen, rauss man daher
ihre geschichtliche, staatliche und kulturgesclücht liehe Entwicklung immer vor
Augen haben. Nur so ist es möglich, zum wahren Verständnis der Religion
und ihrer Geschichte zu gelangen. Wir müssen femer die Quellenzeugnisse
dieser altgermanischen Religion scharf von einander trennen und dürfen sie
nicht bunt untereinander werfen oder unkritisch nebeneinander stellen. »Kein
Zeugnis aitgermanischen Glaubens darf von der Stelle verrückt werden, wo
wir es finden- (MüUenhoff in MannhardLs Mythol. Forschungen S. Xf.).
Vor allem ist es ganz verkehrt, isländische Quellen aus dem 9. und 10. Jahrh.
und aus noch späterer Zeit für altdeutsche Verhältnisse zu verwerten oder
die Volks Überlieferung der Gegenwart schlechthin neben die Berichte der
Alten zu stellen. Es ist namentlich hierin sehr viel gesündigt worden: von
den Anhängern J. ^Grimms, vor allem von J. F. Wolf und Simrock, dadurch
dass sie die gesamraten Quellenzeugnisse in einen Topf warfen und durch kühne
Phantasien und Kombinationen einen altgermanischen Götterhimmel auf-
bauten, den es nie gegeben hat, von W. Schwartz aber und seinen Anhängern,
dadurch dass sie die VolksQberlicferung, namentlich der Gegenwart, zu all-
gemein als die älteste Quelle aitgermanischen Glaubens hinstellten. Gewiss
kann dieselbe unter Umständen alt, sehr alt sein, allein es ist zunächst
die Frage aufzuwerfen, ob sie nicht jung sein muss.
§ 4. Ist dann durch kritische Sichtung des Materials die Verwandtschaft
verschiedener Überlieferungen festgestellt, so hat als weitere Aufgabe der
Mythologen die Gruppierung der Quellen unter allgemeineren Gesichtspunkten
zu erfolgen: (^^st dann kann der Wurzel nacrhgegangen werden, der die
Glaubens Vorstellung entsprossen ist. Nur wenn diese auf solchem Wege, den
man als emen analytischen bezeichnen kann, gefunden ist, darf die Dar-
stellung vom Glauben unseres Volkes beginnen. Dabei wird sich dann heraus-
stellen, d;i.ss die Einheit desselben bei den germanischen Stämmen zum
grossen Teil auf anderem Felde zu suchen ist. als m:m nach J. Grimms
V(jrgHnge gewohnt ist, und diLss dieselbe überhaupt nicht so bedeutend ist,
wie die Kombinationsschwärmer als Anhänger des von Snorri und Wolf ge-
bildeten Götterstaates immer noch nachschwatzen. Viehnehr hat sich ein
gni.sser Teil, namentlich der Mvtlien, ausschliesslich bei einzelnen germanischen
SUimmen entwickelt, und hier sind diese ausgebildeter, je später der Stamm
zum Christentum übergegangen ist, je mehr bi'i ihm die Dichtung geblüht,
je enger er mit anderen Völkern in Verkehr getreten und eine je grössere
weltgeschichtliche Rolle er selbst gespielt hat.
Quellen des altgerm. Glaubens.
2J3
Konservativer süid unsere Vorfahren im Kultus gewesen. Die Rcligiün
hat steh wohl wiederholt verändert, allein der Kult Ist im üllgeiueiiien in
seinem Kerne derselbe geblieben, er ist nur iu mehr oder weniger veränderter
Form auf die Gestalten des neuen Glaubens abcrtrBgcu wurden. Hin darzu*
stellen ist die leichtere AufgalK:, wenn es gUc, die Glaubcnsvorstcliungen der
Germanen zu crfurseheii; die schwierigere liegt in der Daisielluiiii der Mythen,
der ununicrbr.K-hen flü.*sigcii bllemente der Glatil)cn(>;Uisseruiigen. Letztere
ist daher auch im Fulgenden in erste Linie gestellt; im Zusammenhange soll
erst nach ihr die äkix7.e d«is Kultcji folgen. Doch wird diese Darstellung
nur die allgemeinen Kurmen bringen; die spexiclie Verehrung eiiucluer
höherer Wesen muAs bei chesen selbst behandeil werden, da man nur von
dieser Grundlage aus dazu gelangen kann, die MvUten vuii diesen Wesen
zu begreifen.
KAITTEL u.
DIE QUELLEN DES GLAUBENS DER ALTEN (lEKNLVNEN.
§ 5. Nach den im %'<jrigen Kapitel dargelegten Grundsätzen bat die
Fonichung ihre erste Aufgabe in der .Sammhmg und der Kritik der glaubcns-
chichdichen Quellen xu suchen. Von dem Ke^ultate der kritischen Unter-
tihung allein hängt es ab, nb sich und wie weit sich eine germanische
T)am<inen- und Giiiterlehre aufbauen lüsst. Deslialb muss man mit der Ge-
hchichle und dem Werte der Quellen vt-rtraut sein und dies um» »mehr, je
naher die Cberiicferung dem Heideiitmnc liegt, vor allem aber mit den
Werken, die während des Heidentums selbst entstanden sind.
Leider sind die Quellen in alterer Zeit ziemlicli dürftig. Einen Homer
oder Hesi'xl besitzt der Gcrmane, selbst der Nordgenuanc lüclu, denn die
undurchrlringliche Wnlke., die nrx-h immer vor <ier eddisrhen Mythol<igie
lagert, hat noch kein Wnlkensr hieber zu bewegen venmtcht. Im Hiiiblitk
auf die Zeit ihres Ursprungs zerfallen unsere glaubensgeschirJitliclien Quellen
in s<;lche, die au^ der heidnischen Zeit, in solche, die aus der Slte^sten christ-
Uchen Zeit, wo Christentum und Heidentum miteinander nmgen, und end-
lich in solche, die aus dem Mittelalter und <ier \eiizcit st;iinmen.'
S 0. Die Quellen aus der germanisch-lietdnischen Zeit. Diese
jiind tails unmitteU>are, teils mittelbare Zeugnisse: jene.s sind Äusserungen der
Germanen, aus denen ihre religiösen Anschauungen hervorgehen, dieses Be-
richte fremder Männer, namentlich römischer, über dieselben. Zu den un-
mittelbaren gfhörrn zunächst wt-nipe literarw'hc Denkmaler, sd vor allein die
MetMiburger SpnJchr.' femer Inschrifien, die vitu germanischen Soldaten her-
rühren, die in r^tmtsrhejn Sold standen,' darunter die am Hadrianswalt ga>
fundencn', weiter Funde, die auf den Kult unserer Vorfahren schliessen
laswn, von denen der eine, die grossere Nordend4irfcr S[>angc, imn sogar
GMIenumen erhalten hat.* endlich die Wochentags-, J'erwinen- und Orts-
namen.« die zmn Teil im lebi-ndigen Mvthos und Kultus ihre Wurzel liaben.
Etwas reichhaltiger sind die Quellen des Kuhns und der Mythen aus der
Hetdcnzcit hn sknndinaviKchen Norden. Hier sind diese zwar etwas
jünger, aber ergiebiger. Die Funde und Inschriften, die auf G/'itterglauben
Bezug hallen, sind von H. Pelerseu. Wuisaae, Montellus, Kygh und anderen
Arrhaol.igrn trefflich ziLsam mengestellt und verarbeitet.' NelMin dicken bieten
reiches Material die n«-»r(ii*i:hen Dichter, die .Skaldrn. Ihre Gedichte sind
uns liald oimc. bald mit V erfassen iameii überliefert. Jene pflegen wir Edda-
lieder KU nennen; über die Zeit und den Ort ihrer Entstehung herrscht xnx'h
Dunkd (.vgl Norwegisch- isländische Literaturgesch. Absclinilt VI. 2 A).
FestiTcn Grund pcberi uns die Gedichte, deren Verfasser «"ir zeitlich und
örtlich bestimmen können. Von ihnen kommt zweierlei in Betracht : die
Lieder mythologischen Inhalts und die dichterischen Umschreibungen in dea
l,iedem, die kenningar.^ Ixitzterc setzen die Bekanntsrhaft des MvtJios bei
den Zuhörern des Gedichtes voraus. Durch sie lernen «-ir nordische Mythen
kennen vom Anfang des g. jahrhs., zu welcher Zeit der erste geschichtlich nach-
weisbare Skalde gelebt hat, bis zur Kinhlhrung des Christentums.* Mythische
SloEfe in Gedichten behandelten Brai^i. Pjödolfr. Eilifr Güdrunarson,
Ulfr Uggason.* Ausser den pfietischen Quellen haben aber auch die pro-
saischen, die lAlandifichen S9gur, für germanischen Glauben und Kult grosse
Bedeutung, üncl zwar kommen hier fast alle Sagas in Betracht, die im
Norden spielen, sowohl die historischen als auch die mythischen. Wohl
sind dieselben erst vom 13. Jalirh. an auEgezeiduiet, allein sie spielen zum.
grfts.sten Teil noch in der heidnischen Zeit und schildern den alten Gütter-
glauben noch in maimigfahigen I*"arben, da sie auf mündliche Überlieferung
aus der Zeit des Heidentums zurückgehen {Über die Sygur ^-gl. Abschnitt
VI, 2. A.l. — Neben diesen unmittelbaren Quellen kommen für die Älteste
Zeit die mittelbaren in Betracht, das sind die Zeugnisse rümisclier und
griechischer Schriftsteller, die gelegentlich der Gütterverehrung unserer Vor-
fatuen gedenken, ik'i ihnen ist stets ins Auge zu fassen, wann und wo, zu
welchem Zwecke und nach wcldten Quellen der Schriftsteller geschrieben
hat: von der Beantwf>rtung dieser Fragen ist dann auch der Wert dea
Sclirif biteilen» als glaube nsgeschicktllche Quelle abhängig. Hierher gehören
besonders Caesar {hall. Gali. I. c. 50, VI. c. 21), Tacitus {Gtrm. c. 2. 5.
9. la 39. 40. 43. Ann. I. 51. II. 12. XIII. 55. 57. Ifisl. IV. 14. 61. 65.
73. V. 22 ff.^ Plutarch {t'iia Marti und die viia Caesaris), Strabo (nametxt-
Ucli das 7- Buch), Sueton, Aiiimianus Marcellinus, Agathias, Procopius.
§ 7. !_)ie Quellen aus der frühesten Zeit des Christentums. Fast
auf gleicher Stufe wie diese Schriftsteller und die Verfasser der nordischen Saga»
stehen diejenigen Autoren, die als Christen die Vorgeschichte ihres Volkes oder
eines anderen germanischen Stammes aus frilhcr Zeit geschrieben habt*n. Auch in
ihren Werken findet sEcii manches aus dem Heidentum, was der Vulksmuiid Jahr-
hunderte hindurch fortgepflanzt hat Hierher gehören: Jurdanes {GeUca lusg.
vonTh. Mommsen Mon. Germ. Aucl. V. [ 1882), Gregor von Tours {Hisloria
Framorum Mon. Germ. SS. Meroving. I. 1. 1BÖ4) und die FurLsetzung de»
Werkes, die dem Scholasticus Fredegar zugeschrieben wirtl ^lib. i — 4 in
der ed. Basn. H. 154 ff. 5 — 6 in Ruinarts Ausgabe des Gregor von Toure)^
Paulus Diaconus (hrsg. von Waitz> Script, rer. Langobardorum 1877),
Widukind (Mnn. Germ. SS. III. 408 ff.}, Beda [Ilistoria ecdtsuistica gentis
Angiorum hrg. von Alfr. H«.>ldcr. Freiburg 1882 und seine Opmaila Stitnti-
fica hrsg. von J. A, Giles, London 1893), Adam von Bremen {Gata
Jlafnmahiirgemis ec<Us. pontif. Mon. Germ. Script. VII. 267 ff.), Thietmar
von Merseburg (Mon. Germ. Script. III. 723 ff.). Von besonderer Wichtig-
keit für die angelsächsische Glaubenslehre sind femer die ags. Stammtafeln,
die sidi bei den ags. Chronisten von Beda \m hinab Jn.H 13. Jahrh. finden
(vergl. J. Grimm, Myth. *. III. 377 ff.). Diese berühren sich oft mit den
islandischen Quellen, die unter ihrem Einflüsse entstanden zu sein scheinen.
Eine Fülle mythologischen Stoffes der nordischen Völker bieten die ersten
9 Bücher des Saxo grammaticus {Jlisiorin Danka. hrg. v. Müller und \'el-
sehüw, Havniae 1&38 — 58, von A. Holder, Strassb. iSS."!).
§ 8. Ein lebhaftes, bisher zu wenig beachtetes BiUI der heidnischen Zu-
stande kurz vor Einführung des Christentums gewähren weiter die Lebens-
Die Quellen des Glaubens der alten Germanen.
235
beschrcibuiipcn der allen Hcidcnbekchrcr. Sic schildern, mit welchen Schwie-
rigkeiten diese Leute zu kämpfen hatten, und geben dudurrh den Verfassern
oft Gelegenheit, der heiditisi.'tict) GeA^'uhnheitcn zu ge<lenken. Es kommen
besundent in Betnirht: für die Alemannen die viia Coiumbani des Jrmas
von Bobio (Mabillnn .\ci. Sanct. s. U. 5! und die tV/« St. GaUi eines un-
bekannten Alemannen (M<>n. Germ. Script, II. i (T.)- Unzuverlässig sind die
Nachrichten til>er die Heidcnbekehrer imter den Baycni, da sie durchweg
aus »paterer Zeil stammen. Für Mitteldeutschland (Hessen, Ostfranken, auch,
einen Teil Frieslands) \'t)n Bedeutung sind die vita Bonifatii des PHesteiB
Willibald (Mon. Germ. Script. III. 331 ff.), die zum Teil «uf den authen-
tischen Bcrichl des Lullus. Bonifatius' Schüler, zurückgeht, und die Britft
des lionifatius (Jaffe. Üibl. rcnim Germ. IJI. 8 ff.). Das Heidentum unter
den alten Friesen erOrleni am eingehendsten die vi(a IJnd^ri des Allfrid
und die faLsrhlicherwcise dem Anskar zugeschriebene vita Wiliehadi (Mon.
Germ. II. .^78 ff >.'^ Die heidnischen Zustande der nordischen Vülker, der
Dftncn imd Schweden, berührt mehrfach die vila Anskani des Rimbert
(Mon. Genn. II. (183 ff.). — Zu diesen I^bensbeschreibnngen gesellen sich
die Verordnungen der Fürsten und Geistlichen, Gesetze gegen altheidnische
Gebrauche, die Abschwflrurgsformeln, die Bussordnungen, die Homilia d«
sacrilt^üs, der Indiculus superstitionum et paganiarum, d. s. 30 Überschriften
von Kapiteln, die Über das nticli f(»rtletiendc Heidentum in sächsischen
Landen gehandelt haben; dieselben sind aller Wahrscheinlichkeit nach z. Z.
Karls des Gnwscn ecitätandeii und gehörten der Sachsenraissiun an."
Als mj-thologische Quellen aus jener Zeit kommen endlich norh in Be-
tracht die altgermanischen Segen- tmd Zaubersprüche, wenn diese auch
schon christliches Ge^-and angenommen haben, uml Gedichte aus der früh-
christlichen Zeit, aus denen mtch die .\nschauungsweise des alten Heiden-
tums spricht. Hierher gehören namentlich ^tr Heimnd nn6 Bfowui/}* Nicht
als Quelle germanischer Glaubenslehre, soweit es Göltersage und Kult betrifft,
vermag ich die Gedichte der Heldensage anzuerkennen. Xur in Nebenzflgen
gewahren sie hin und wieder einen mythischen Zug. Dass a^^e^ die Haupt-
heldcn in menschliche %)hare gezogene Gi»tter waren, lässt sich weder be-
weisen noch wahrscheinlich machen. Vielmehr .sind die (jestalten der Helden-
sage selbständige dichterische Erzeugnisse, auf die wohl hier und da myüiische
Vorstellungen eingewirkt haben oder übertragen worden smd, die aber oft
eben so alt sind wie die Göttergestalien, aus denen sie hervorgegangen sein
sollen.
§ g. Die dritte Quelle gcrmaniKcher Glaubenslehre Ist emilich die Volks-
Qberliefcrung des Mittelalters und der Gegenwart. Auf ihr haut
namentlich die von Scbwartx so genannte niedere Mythologie auf. .\llein die
FoRchung begeht dabei nicht selten den Fehler, das» sie die VnlksübeHiefenjng
nicht nur für die Mytliologie in weitestem Sinne, sondern auch für die altger-
maniM-he Religion zu sehr ausbeuleL Ist doch ein Teil dieser (,)ueUcii nachweis-
bar weiter nichLs als Übertragung aus anderen, nicht gennanisclien Gegenden,
Man hilft sich dabei mit dem Grundsätze, dass die jüngste Quelle im Hin-
blick auf den mythiMhen Inhalt alt sein kann, meidet dag^era die Beant-
wortung der Frage, ob sie nicht jung sein muss. Der grösste Fehler ist auf
die»em Gebiete dadurch gemacht worden, dass man fast nur die Volksüber-
lieferung der Gegenwart berücksichtigt hat. Allein wir besitzen aus den ver-
schiedenen Jahrhunderten bis ins Mittelalter hinauf Schriftsteller, aus denen
wir Volksglaube und V^olksbrauch kennen lernen. Erst wenn dies Material
durchforscht ist, «ird von einer historischen V< ilkskunde die Rede sein können.
256
XI. Mythologib.
erat dann wird unsere Volbiüberlictcmng aucli für das j^exmanisrhc Hcidcutum
besseren Gewinn bringen. Gleicliwohl darf man das Kind nicht mit dem
Bade ausscliUttcn. Es Ist durchaus verfehlt und zeugt von vulbt^digcr
Sach Unkenntnis, wenn man die VolksülioHiefcrung ignoriert und sie durch
Worte wie »Külilerjtlüubc« in Misskredii /u brinf;en suclii. — Bei der Volks-
fiherlittlerung ist aber wieder stliarf zu scheiden zwischen Völkssittc und
-bruui.h und Volkspoesie. Jenes ist das feslere, das w;ts mit dem ganzen
V'olkschiiraktci gcwiäüermaäscn verwachsen ist, dies daa flüchtigere Element
der Volksüberliek'rung, das ungleich Icirhter vergessen um! verändert wird.
Daher steckt ini Volkslirauch ungleicli melir AhertümUches, ja H<^identum;
die Volkspoesie dagegen, d;i.s Mftrchen, die Sage, das Volkslied ist nur zu
oft erst spiU in diesen uder jcr^en Gau eingewandert. ■ — Uie IJieratur über
Volks|Knaie und V.)lk.sj*illc der Gegenwart fmdet sich in besonderen Ab-
ächniiien. Auf SchrifLsteller der früheren Zeit, die hierin noch der Unter-
suchung bedürfen, verweist schon J. Grimm (Myth. * II. Vorrede IX); es
sei weiter hingewiesen auf Gervasius von Tilburys 0/i</ /Ht/tma/ia (An-
fang des [J. Jahrhs.), auf Caesar von Heisierbachs Ihah^us Miracuhrum
(13. Jalirh.l, auf die Zimmtnuhe Ckfonik (IL». Jahrh.), auf die Werke des
Praetorius (17. Jahrh.) und die gesfrifgeiU RockcttpkUosophu (18. Jahrh.)".
Manches entlmlten die Predigten, manclins die Werke Luthers. Erst wenn
hierin histnriwh aufgearbeitet Ist. wird die VolksübcrUeferung der Gegen-
wart in ihrer Bedeutung für das germanische Heidentimi in das wahre Licht
treten.
t Myth. <II S. X ff. \V. Müller. Ga^kühtf und System dfr nUdrutu-fifH
Ütligian 3 fF. Thorpe, Northern Mythola^y I. 323 fl. E. H. Mcycr. Cerman.
Mvthclo^ie S. 15 ff. {rcicbhalli^tc Übersicht). — ' JM'ZJ * S. y, J. tirimm Kl.
Sdir. \\. I rr. K^Liidmanii. PUB XV. 207 IT. /J.lPh XXVF. 4^4 ff. H. Ge-
ring. ZfdPli XXVI. 145 fr. 462flr. Kilgel, G^ich. dei drMtsihrn Litrrittur. l.
89 ff. — * Biamhach, Corpus Inuriptionum Rhen.. 1867: Hftlnor. Dit r*
mischen SlemdcPtkmäUr Jet ProvmtiaimuuMms tu Trirr [Trier iSyj». Viel«
findvl sich zcrsircul in den Bonner JahrbHChern. dtr W'fstdtHtichtn Zeitschrift für
Gtsfhichte und Kumt und dem Aorn-jfrvtiicHsiüittc <\»z\i. — * Wcstd. Ziicb. für
Gesch. 11. K. HI. ijotr. 293 f. Da^tii Schcror. Siuiingsbcr. der Akad. der
Winwmdi. zu Berhn 1884. 571 ff- Wcinhold, ZftlHh XXI. 1 ff.: Jikcl. ebd.
XXU. 257 ff.; l'Ieyie, Vcrsl^;ca cn Mcdcdeclingt-n der Kgl. Acadctnip vna
Wctenädiapcn. IV, 2. roc) ff.; Hofforv, Editaitudien 148 ff,; tvauirmann,
P8B XVI. aooff.; Siebs, ZlllPh XXiV, 433 ff, Über den Murs Halflnwrtfiis v.
Gricnlicrger, ZfdA XXXV, 388 ff.; den Mrmiriu* leiidiwn v. tj rienberger,
ebd. 391; den M«miriuB Channini Much, e\A. 208; Si(*li^. ZfilPh XXIV, 145 ff.;
den HercuW M^i);uAJtnuii Kuuffmunn, l'ßB XV, f^^^ff.; Jen RequAÜvabjuiiM
Much, ZfdA XXXV. 374 ff. ; IlnUbause», PIUI XVI. 342 ff.: Kauflmann
ebd. XVIL C57ff,; über die nernianiscbc Tri« Mars, Hercules, Mcroir Zangc-
mciBtcr, Neue Ilcidelb. Jahrb. V. 46ff.: iiber die De^ JltmLatu Jükcl. ZrdPh
XXU. 129 ff.: Sieb», «bd. XXIV. 457 ff.: Kauffmann, PBB XVIII, 134».:
über die NehAlcooUJlikel. ZldPh XXIV. zB<) ff.: Siebs, ebd. 4(>off.; Much,
Zrd.\ XXXV. 2tl fi.; Kauffmana. PBB XVI. 211 ff.: die Haiv« Jäkel.
ZrdPh XXIV. J04 ff.: Siebs, ebd. 461 ff.: Much. ZfdA XXXIX. 51 ff.; die
DcÄ Gannangabif v. ( j r i e n b e rgc r . ZfdA XXX VUI. 1 8*) ff. ; Kau f f m n n n ,
PBB XX. 526 fl.: die l>ca Vaplavcrcvisti* %-. GricnberKcr. ZfdA XXXV.
3938.; Kern, VcrsI, cn mwlrd. d. K;;!. .\cnd. van \Velcii»<.-li. lJ*74. 344 ff.;
die Uea Haritnelk Muck, ZfilA- XXXVI. 44 ff. ; di«- De« H.-ir)u.-ia v. (rrien*
bergeri ebd. 308; die Vihan»iL dirr». el>d. 310; die Sitndraudt^u (Il-i-s, ebd. XXXV.
389 f. — 'Henning, Dif drNtfchen Runendtmkmälrr. Sirauburg 1 88^. —
* Knrslemann, Alldtutsehes XatMentttuh. I. B, JWumt'nnamrH. Xnrdhaiisen
1854. a, B. OrlmamiTt. N, Aufl. 1872. F. Stark, Die Kotmarnrn tirr Gtr-
matten. Wien 1868. Eine weitere Quelle sind die Verbrüdening»bucher. Vgl
Ebner. Die kUsterliihen Gebttsx-erhriideruHgen bis tum Attigange des A^trolttt-
X'sehfH Zeitalters. RegennburK l8go. — ' Henry Pelcmcn. Om Xordboernes
GudedyrkeUe og Gudeiro i //edemold. Kjobfa. 1876; Montelius. Die JCuUnr
I
Die Quei-leh des Glaubehs der alten Germanen.
^37
S^/tK^Jrm. in vonfirittlükfr Zeit (übcrs. von Appd, BcrL 18B5); Worsaae,
Dte l'urgtiihichtf Jti Xcrdfnt n<Kh i^leiekztitigfn l>tnktHfiUrn (QbiT«. v, J. Mntoff.
Uamb. 1878); Sw MUll^r. Vt-r' Oidttd (K^h 1894 fT. Nordtscbc Atlmuins«
kuodc Obcnvut von 'i. Jincxoh, Stra-vjlmi^ 1896 ff,); O. Kygh. Aortkr 0!d-
tagrr Kn»l. 1885 ff.; Nicolayscn, J\'nr%tf l-'amirfnrttgrr (Krist. l86j — 66)j
Vc<j«l. HornhaimM Oldtidsmind^ (Kltlt ]8JI6| uiiJ Aart>. 1H90, t (T. — ^ F.
JAnssoD, Mytbol. furt-slillinpir i ilr n-ldiiu.- ^kjiililrkvntl. Ark, \. r>. fil. IX. l ff, —
* All «liosc Diclittr ßwlt-n ^itli im Cnrpuf, prutirum bfrrai^, 2 tUie. hr*^. von 0.
Vigln»oD uud York PonHI. Osf«ii1 18S3. Di« hUloriwhc KxUtcnz Jer beiden
ftluslpt) ist angeiweifclt viin Diicge, fUJra^ tii den utdiU Sknläedigtrungi I/iitorif
(Cbriitt. 1894). — '*• Das gesuiitc ^tate^al. wt-lches jene Zeil »cliildcrt, i« verar-
beiut von Keitb«ig, A'ircMrHjfescAic/itt Driitichlands (bis zum Tode Karls de»
Grcusen). 2 Bde. (tötlinijen l8i)6/B; von Fiiedrich. A'inrAen/^iffiit/itr fJeuttck-
Umds (bis in den Mero\-ii^em). 2 Bd<?. 1867 — 69, von Haiick, Kirthen'
gtuhiiL-hte Dfulichlandi. l. B. (tik Jiuin Tode At* Bonifazius). ]^pxlg 1B87. 2. B.
(Die fräak. Kirche alü Kcichskirchc.) I.pz. i88<)/go. Die Xacbrkhtcn Über doJ
HcideDtum nnicr den t'ricscn sind /usammcngcsicLIi und vcrarbdtel von v,
Ricblhofcn, Untersuchungen Hber fritsisihe KefhtsgeKhuhte. 11. 348 ff., unter
den AngcUaducn von Kcmbie. Die Saehsen in England (äbcrwttlvon Brandes)
I, 2688.: kinter den skandinnviKchi-n Vf^lkem ftyc K. Maurer, Dte Üekehrung dfs
Itfn^g. Stammet tum Chriilentutm- (2 Bde. Btlüochcii 1855 — (1), Jorgen^ten,
Den nordi^kr Kirkes tjrvndlaggifhe (>g fursle Udvikiing (Kl>ti, 1874 — 8), Bang,
t'dsigt over den norike Ktriei f/iili>rie under Kalkaln innen {K.tii>\. 1887). Tarangcr,
Dm nngrUakl. Kirbrs IndHydeUe faa den norske (Krisl. 1890, dazu K. Maurer.
Norsk hbt. Tidsikr. J. R.' III), Miincb, Del norike Folit J/ittone: Sars, üd-
stgl o^fr den nurske Historie. — " Vßl. Ilefele, KoHttltengesehuhte. — Die Ka-
pitularien der fiJnkiitchen Kömt;«, namentlich Karl« d. Or., cnifaUl Mon. Ciemi. Leg. t.
Weitere, namentlich nordische Bcstünmungen ge^n heidnische Gcbräuchir linden «idi
In den Oe«eU-*artimlimgen {Ab»ch. VI. i. A. B. und Absch. XII.) — Massmann.
Die altd. A(mhtL'ämngS', Glaubens-. Beiehi- und SetfarmelH. Leipzig u. yucdlin-
burg iSjy; ilSD No. 51. 52. — Wasscrschlcbcn, Die Busiordnung<-n der
abendländiicken Kirche. lliUle 1851, Schmitz, Die fJustöüiher und die Buss-
duztptin der Kinhie. Mainz 1883. — Regino, De lynodah'bui laitus el Jüti-
ftinis eciUsiaslicis brsj;. von \\'asstr9ch leben, l^tpzig 1 840. Burcbard von
Wornm in seinen Dekreten. M>lh. * l\l. 404 ff. vgl. Friedberg. Ans deutschen
JiusshUcßiern. IEäIIc 1868, Caspari, Kiri-heH/ntloriscke Anecdota. Christiania 18B3;
dcrsL Martin von Bracara» SchrÜt De correcticnt rusticorum. ebd. 1883.
Caspari. Eine Auguitin fdhchlich beigelegte H^mHia de siurilegiit. Christiania
1886 (mit Kommentar): zum i. iiiiO hrsg. in der ZfdA XXITl. 313 ff. Indiculus
supertt. Myth. ' IJL 403 L M'in. (W^rm. lU. 19 ff. Rettbcrg L 328 f. (Übeneuung).
Hauck U. 357 ff. Saupc. /*•*■ Jndic. supersi. (Lpz. 1891). — '» MSU No. IV.
3 ff. Dieac Segen- und Zaubet^prÜclie hoben sieb bis zur (icgcnwarl erhallen, sie
finden sich in jUn^rer Form fat4 in iiliiru Sagensammlun^en v;>l. Meyer, Germ.
Atvth, §27. — Vilmar, Dmtußu Altertümer tm Hrliand. 2. Aufl. Marburg 1862.
Leo, über Beotimlf ^. l8ff. Köhler. Altertümer im lieowulf Germ. XIII.
129ff. K. Mullenborr, ZfdA VIL 4ioff. Reavulf, Untersühuni^en. Berlin
1889, I ff. — *• Oervaaius von Tilbury, Otia Imperialia hrsg. von Licbrccbt,
Hannover 1856. — Caesar von Ileistcrbach, Dialogus .Xfirtuulorum bng.
von Stranf^, K<^cni 1851. Vgl. Kaufmann, Caesar v. li. Ein Beirag zur
A'ulttirjpen-hichte. 2. Ausg. Köln 1862. Meyer, Der Aberglaube im Mittelalter
und der nächstfolgenden Jahrhunderte. Basel 1884. — Zimmrrscht Chronsk.
4 Bde. 2. Autl. Krciburg i/Br. 1881/82. — Erasmns Franciscus, Sitten-
Spiegel. Höllischer Proteus. — Praeioriui. Saturnalia ä. i. il'eihnacAUfralien.
Lxipzli; 1663: Anthropfidemui plulomcus d. r. eine neue lieltbeichreibung von
ailerley vunderbahren ilenschen. Magdeburg 1666: Bhckesberges Verrichtung.
Lpz- 1668; Datmonolegia Rubemnlu Lpz. 1662; Dev abenteuerliche GlUckslop/
I&69; Etn Aushund X'on t-i'iindichet- Ruthen llXiJ. — /Vr alten ti'eiber Bhila^
iophey 1612. — Die gestriegelte /tfii-tmphile<si''fltia »Hier Auffrirhtigr Unler-iurhung
derer von vielen super-klugen Wribem ha, h gehaltenen Aberglauben. 4 Hunderte.
Chcmitiu 1706. — Olai Magni Historia gentmm ieptemtrionalts. Rnm ISSJ.
^3^
XI. MVTROLOOIB.
KAKTKL in.
GESCHICHTE DER GERMANISCHEN MYTHOLOGIE.
Mannhardl, />«■ G^ter tt^ A-uisffiim und nordtschrn l^Slkfr. I. Teil. Berlin
1860 S. 82 ff. Dcra. Anlit^ IVnUi- und hrldkviu. Berlin 1877. S. VU ff. —
E. H. Meyer. AfdA XI. 141 ff. I>crs. V.^impd. Berlin i«8m S. iff. — Mflllcn-
hoff und Schrrrr, Vnrrrdf zu MuiiihnrdlB mytlinlogüchrn ?'orKhun|;cn. Strossl).
1884, — J. Schürrr, Jnioh Grimm. 2. Aufl. Bwlin [S84. — Otio Gruppe,
Dü^ grinhischen Culte und \fvthen tn ihren /inirkuni^n cw drti nrimtalisch^n
Religionen. I, B, J^z, 1887. S, 59 ff. — Nyt-rup, U''>rtrrhuth drr tkanäitta-
viii:keH AfytMologie. Kopeah. 1S16. S, l ff. — Koppen, Ijlrrariscfw EinUilung
in die norj. Mythologie. Bcrl. 1837. S. 157 ff. — E, H, Meyer, Orrm. Afyfh^
logie. Berlin l8qt. S. 1 ff. — Golther, Nandlvrh der grrm. Atvthalogte. I^pa.
1895. S. I ff.
§ 10. Bei wenigen Wissensdiaftcn ütt es so nfitig wie bei der Glaubens-
lehre, die Geschidite ihrer Entwicklung zu kennen: durch ihre Kenntnis
allein werden die Fehler der Vor^anKer vermieden. Von dai gernifuiisdien
Stämmen fiebührt den Deutschen der Li^wenanteil an tler Entwicklung dieser
Wissenschaft; der Nordgerniane hat sich fast ausschliesslich auf dem Boden
der nordischen Mvtholngic bewegt, der Enghlndcr dagegen hat seine Haupt-
stärke darin gesucht, in da.s We-sen des Glaubens aller Volker, namentlich
der NalurvV>lker, einzudrinjE^i.
Der Vater der germanischen Philologie, Jacob Grimm, hat auch die
Lehre vom Glauben unserer \''iirfahrcn zuerst zur Wis-scnschaft erhoben.
Er nannte diese --Mytliulojjiie«. und nach seinem Vorbilde sind wir gewohnt
von einer deutschen oder be.s.ser germanischen ^I}^llologie zu sprechen.
"Was vor ihm auf diesem Gebiete gearbeitet worden ist, hat wissenschaftlich
keinen Wert (^-gl. Abschnitt 11, § 24, sowie die Werke vun Nycrup, Meyer,
Golthcr). Grimm gebührt unstreitig das Verdienst, aus den zerstreuten
Quellen j;ucr.-it den ahgermanisrhen Gi'Hlei^iauhen und Kuli aufgebaut zu
haben. Zwei umfangreichere Werke, die wenige Jahre vor J. Grimm dasselbe
Gebiet behandelten, Miines G^sehichh des Htidenlums im tiHrdHchen Europa
(5. und 6. Teil von Creuzers Symbolik und Mythi^logie. I-eipzig und Dann-
stadt 1822/23) "II J Finnur Magnüssons Lexico» mvlhoh^icmn (Ko[>en-
hagcn 1828} scheiterten an den verfehlten Deutvmgsvrrsuchcn der Mythen;
gleichwohl sind es auxli heute treffliche MaleiialiianHulungen, tlic jedoch intt
Kritik und Vorsicht zu benutzen sind. J. Grimm war der erste, der in den
Sprachgesetzen die einzig sichere Grundlage für das Verständnis der Mythen
cilcannte. Seine Deulnhe Mythoh^ie erschien zuerst 1835.* ^ sollte eine
deutsche Mythol)gic sein, die zunächst die umfangreichere nordische aus-
schlies.se. Gleichwohl wurde auch diese nur zu oft herangezogen, soweit sie
die deutsche zu bestätigen schien oder fühlbare Lftcken ergänzte. Die
wichtigstctt <^)urllen waren für Grimm die Schriftsteller de«! .Mtertum-s, die
nordischen Edden, die alt- und mtttelhiichdeuts<.-he DiclUung, die Volksüber-
lieferung (Märchen. Sagen, GebriLuche), vor allem alier die Sprache nicht
nur der Germanen, »ondeni auch der Nachbarstilmroe, wie er überhaupt
gern Kultus und Mythologie aller Völker gelegentlich heranzog. Die Helden-
sage auf mythischen Ursprung zu rück zufuhren, hat er niiiit versucht. Auf die
Deutung der Mytiien legte Grimm keinen besonderen Werl; er liat in grossen
Umrissen das Gebiet des invthijichen Begriffes gezeigt, er hat Andeutungen
gegeben, wie dieser oder jener Myihoi weiter zu verfolgen sei. Vor allem
hat er durch da.s ihm eigene feine Gefühl für Poesie und Sprache der Kombi-
nation Tli-.r und Riegel gei'iffnet. Aus der Schule der Romandk hervor-
gegangen verband er diese mit der von ihm gegrtlndeten exakten Forschung.
Geschichte der germ. Mythologie,
^39
Allein Griinm schicsst rkht selten über das Ziel liinaus: er sucht nament-
lich in der Poesie der Sprache nur zu oft mythischen Hintergrund, wo er
nicht zu finden ist; er verbindet oft, wo zu trennen ist; er geht von einem
angenommenen fortan Mythus aus und verfolgt üin zu wenig in seiner
historischen Entwicklung; er triigt in den altgcr manischen GöUcrgiauben
einen Monotheismus und ein System, das s' htm die Geschichte der germa-
nischen Stämme zu nichte maihen muKs. Grimms Werk ut nicht für den
Laien; nur mit Hilfe der Kritik wird es die reichste Fimdstatte mythischen
£luffcä. der Belehrung und vielseitiger Anregung.
Auf J. Grimms Schultern stehen mehr oder weniger die meisten Foracher.
die sich seitdem mit mvlliutngischeu Dingen beschäftigt haben. Ein Teil
derselben fand neue Mittel und Wege zum VersulndnLs des Glaubens unserer
Verfahren, ein anderer Teil dagegeu eignete sich namentlicli die Irrtümer
de* Meisten* an und hielt es für seine Pflicht, diese unter die grosse Menge
zu bringen, die sie zur Zeit noch beherrschen. In der Vorrede zur 2. Auf-
l^;e (S, IX) schlicssl J. Grimm seine Betrachtung der nurdisdicn und deut-
schen Quellen mit der Mahnting, man müs.se daran festhalten, pdaas die
nordische Mytliologie echt sei. folglich auch die deutsche, und dasä die
dcutsclie alt sei, folglich auch die nordLsche*. Infolge dieses Trugschlusses
hat man das nordische Gotterej-slem aus christlicher ^eit, wie es namentlich
in der Überarbeiteten Fassung der Snorra Edda >ystetuatisch geordnet vor-
liegt, für ein gemeingermanisches gehalten und hat an der Hand dieser
Oniüdlage Überall in Deutsdiland nach entsprechenden Mvilien gefahndet.
Da aber ältere Quellen fehlten, so mussten Märchen und Volkssagen her-
halten, ein dem nordischen ähnliclies System auch fflr Altdeutschland zu
erweisen. Oft genügte ein ganz nebensächlicher Zug, die Übereinstimmung
aU feste Timtsaclic hinzustellen. So entstanden in allen Gauen Dcutscliland^
und ausscrdeutscher iJlndcr Sammlungen von MilTchcn, Sagen, Sitten und
Gebrauchen, in denen J. Grimm Entartung de* alten Gutlerglaubens und
die letzten Ausläufer des Heidentums gefunden halte. Als Satmniungcn der
Erzeugnisse des Volksgeistes haben diese zweifellos dauernden Wert, als
Beitrage zur deutsrlien Mythologie (d. h. Mylliolugie in der Grimmschen
Auffassung), wie sie sich oft nennen, tind sie mit gTr>sster Vorsicht zu benutzen.
Der gläubigste Anliänger Grimmscher Methode, der ihre Resultate zum
.aussersten ausbeutete und unter die grosse Menge brachte, ist Job. Wilh.
Wolf (1817 — 1^55). Er war ein idealer Schwärmer, der namentlich in
Mitteldeutschland und den NiederLuiden das V'i.ilk besuchte und die Biblio-
theken durdistoberle. Die vcn ihm gcgrtindete Zeilahri/t für deulsthe Mylho'
hgie und SttUnkuHiie [4 üde. 1953 — iSsy) war der Mittelpunkt jener Bestre-
bungen.* In demselben Fahrwasser segelt auch Simrucks Handbuch der
jieutscken Mythologie ((). Aufl. Bonn i88;j.
Eine rülimtiche Ausnahme und zweifellos das Beste, was wir au.s jener
2cit neben J. Grimms Mythologie an Zusammen bringendem über altdcuts4:he
Religi«in besitzen, Ist W. Müllers, Grschuhie und System der filtdeutichen
Jieligioit \Gr.iiingen 1844), ein Werk, das infoige der ungerechten Verurteilung
J. Grimms (Berliner Jalirbücher für wissenschaftliche Kritik IÖ44, no. 91 — 92
-^ KL Sclir. V. 336 ff.) nicht die Ancrkcnnui^ gefunden hat, die ihm gebOtirt
J 11. Zu den eifrigsten Sagensammlem gehün A. Kuhn, der auf diesem
Oebiete geradezu baluibrcxlieiid genannt weiden muss. Ilim stand auf .seinen
Forschungsreisen sein Schwagej- W. Schwär tz treu zur Seite. Beide sind
für die Geschichte unserer Myüiologiu von Bedeutung. Aus der Besdiäftigung
mit viilkstümlichen Sitten und Sagen der Gegenwart liattc Schwartz erkannt.
Zj|0
XI. M^THOLCWIH.
dass hier ein mythischer Grundstock vorlicgo, der unstreitig älter ist als die
Mythen, von dciirn die nonliwlien Lieder singen, da er sich in gleicher
Fonn bei fast allen ViMkem wiederfintlet. Er Icjfte diesen wichtigen und im
Kerne unanfechtbaren Satz in dem Programme »/?^r heutig Volhgiauhe und
das alte {leiiiftitiim' (Berlin 1849) nieder. In einer Menpe grösserer und
kleinerer Abhandlungen vcrfolRle S*:hwartz sp-ller die-si-n Grtiankcn weiter,
indem er sich hauptsächlich an die griechische und deutsche Cberlicferuiig
hieh.* &i wurde Schwartz der Lehrer der »niederen» Mythologie, wie er
den Kern der V<jlksclirhtung im Gegensätze zu den eddisrhen Dichtungen
(ihühere Mythologie} nannte. Diese aber führte ihn weiter zur prühisto-
rischen Mytliologie, ja zu dem Ursprung aller mytliologischen Auffassimg.
Den letzteren fand er in den Erscheinungen in der Luft, namentlich im
Gewitter und Sturin. Diese ürmythen suchte er dann auf rein deduktivem
Wege durch die Quellen zu erharten, wobei er diese freilich olme hisloriitclic
Kritik ganz nach Gutdünken ausbeutele und zu.stutztc. Die jüngste Volks-
sage konnte für ihn nicht nur uralten mi-thischen Gehalt haben, sondern
hatte ihn auch. Auf diese Weise brachte Schwartz eine vollständige Ver-
schiebung der nnihologischen Quellen zu stände: die Voiksttbcrlieferung
sollte den Ken» des Glaube-ns der alten Germanen geben, zu dem nur
kQnstlicJie Erzeugnisse wie die Eddalieder hinzutreten. Die Methode, mit
welcher er dabei arbeitete, war die alte Grimmische Knmbinatinnsmelhode;
der Eortschritt, den durch ihn die Myüiologie gemacht hat, l»e.stt:ht darin,
da.s.s das Suchen nach nordischen Gvuteni in der Volksdichtung endlich
aufliörie. Allein Schwartz' Ansichten sollten noch nach anderer Richtung
hin fnichlbringcnd wirken. Indem er dem Urquell des mythischen Denkens
nachging, wurde er mit Waitz, Hastian und Tvlor der ürfmder der An-
thropiologic. Durcli diese aber bat unsere Glauben sgeschichtc eine bi.sher
nodi lange nicht genügend gewürdigte Hilfswissenschaft erlangt, die mehr
al.s jede andere geeignet ist, der Kuhn'schen «vergleichenden Mythologie«
den B<xicn zu entziehen. Unter den Forsclicni, die die Anthrt)pöIogic im
Dienste der Glaubenslehre benutzt haben, verdient besonders der Englander
A. Lang genannt zu werden.*
Ungleich kritischer als Schwartz ging .'V. Kuhn in seinen mvthologischc-n
Forschungen zu Werke. Das Studium der vergleichenden Sprachwissenschaft
hatte ihn zu dcu Liedern des Vcda geführt. Hier glaubte er eine so reinCr
natürliche Phantasie zu finden, dass die-se geradezit r)ft den von Schwartz
entzifferten Umiythos zeigte. So ging er bei seinen Forschungen vom Vcda
aus. Er griff hier einen M^^thos oder Kult heraus, uritersiichtr ihn snclilich
und spracliltch in seinem ganzen Umfange und verFulgte ihn dann mit
Scharfsinn und feinem Gefühle für Naturpoesie bei den übrigen indogcnna-
nischen Völkern. An der Spitze seiner Arbeiten auf diesem Felde steht
die tUfrübkunß i/t-s Fntm und des Gölieriranks' (1859, 2. Aufl. Gütersloh
1886); das Buch wurde der Kanon der vergleichenden Mythologie. Dabei
wurde vergleichend im Sinne der vergleichenden Sprach wisseusduift aufge-
fasst: man hnfftc durch Vergteichung der Mnhen aller indogennanisrhen
Vfllkcr die indogennanisdien Mvthen, die Urretlgion der urigetremiten Indn-
germanen zu finden. In der Deutung der Mythen ging Kuhn mit Schwartz
Hand in Hand. Beide standen hierin im Gegensatz zu dem anderen Be-
gründer der vergleichenden Mythologie, zu Ma.x Müller,^ der Sonne und
Himmel in den Mittelpunkt aller mythischen Anschauung der Indfigermanen
stellt und seine Theorie selKst ;Js die »solare girgenflber der »melwirisdien«
Kulms und seiner Anhänger bezeichnet (Wissenschaft der Sprache, H, 476)-
GESailCHTE DER GERM. M\THOLOGrE.
241
Auf der anderen Seite n^bert sich dagegen Kuhn mctir Alax Müller. Er
findet nämlich wie dieser auf spraclilidiem Gebiete die Grundlage der Mythen
und l>czcichncl mit Uim Polyonymie und Homonymie als die wescntUclisten
Fairtorcn derselben (Kntwicklungsstufender Mythenbildung S. 123 ff.): das einer
Namrcrschciniin>;, einem Elcinaile, einem verclirten GegensUindc beigelegte
Attribut liat sich vi>n diest^m losgetre-iint und ist als neues SubsUintivum ein
inytlii*.ches Wesen geworden, das je nach der Eigenschaft, die in dem Attri-
bute lag, bald als bflscs, bald als gutes Wesen erscheint. Wflluend aber
Möller die Entstehung der Mythen in Anlehnung an die solaren Ersctieinimgen
in der Natur durch die sprachliche Metapher in eine proethnische Zeit ver-
Icigt, lassl Kuhn die ^[ythenbilUung erst eintreten, als eine spatere Periode
das Verständnis für die Spradie der früheren vcriuren halte. Obgleich Kuhn
und M. Maller unseren Blick für glaube n.sgc:»chichttiche Dinge offenbar er-
weitert haben, so legen sie dixli zu viel Gewiirbi auf die vedischen Mythen,
die im Miltelpuriktc ihrer Forschungen stehen. Sie betrachten diese gewissei-
massen als Wurzeln der Mythen anderer indngerraanlscher Völker imd spähen
von hier aus nach den spradilichen Früchten, wobei freilich der Inhalt des
Mytlios nicht seilen die etymologisclie Deutung des Wurtei) stark beeinilusät
hat. Siilche Methode hat W. Wackemagel in seinem Schriftchen 'Das
HünJfhtn lyin Bnlzwil und von BrtUtn\ (IÖ5O. KJ. Schrift. I. 423 ff.) UeEfUch
gegeissclt. Fa.st alle mythischen Parallelen, die von den vergleichenden Mytho-
logen Kuhn-MiUler'scher Richtung aufgestellt wurden sind, sind mehr oder
weniger Italtlos und setzen eine pructt mische Kultur^stufe der [ndogermancn
voraus, die von V. Hehn als unrichtig erwiesen ist, InlialtUch ahnhche Mythen
aber finden sich auch bei niciit indogermanischen Völkern.
§ \2. Diese That&achc nachdrücklichst in unserer Mythologie hervorge-
hoben zu haben ist das Verdienst W. Mannhardt's, der hierin nffenl>ar unter
dön Einflüsse Tv liprs stand. Mannhardt war von Haus aus Mfirclicn-
mytbolog, ein Schüler J. Grimms und Nachfolger und Naclieifrer Wolfs, nach
dessen Tode er auch die Redaktion der i^eitschrift für deutsche M>'thologie
Obcmaltm. Bald linden wir ihn utä Anhänger von Kuhn und Schwartx. In
teinem ersten grösseren Werke, den Germanischen Mythen (Berlin 1H5H),
verficht er ihre Gedanken, indem er die ParaJlcie zwischen dem vedischen
Indra und dem nordischen Thur zieht und die Holda und die Nomen über-
all im Volkslied und der Sage wiederzufinden glaubt. Er selbst geisselt im
Vorwort zu seinen Antiken Wald- und Feldkulten diese Verirrungen. B;dd geht
Maimhardt seine eigenen W<^e. Benfcys Einleitimg zum Panischatantra mag
Dmi die Augen geöffnet haben, wie wenig auf Sage und Märchen zu geben sei.
In Siite und Urauch erkennt er bald das filtere, das festere Element der Volks-
Obcrlieferung. Fragebogen über agrarische Sitten und Gebrauche werden
nach allen Gegenden gesandt; es soll ein nach den »Mnnumentis Germaniae«
V^dcgler QtuUfmehntz der gfmmnts*hat Voiissn^ und V'olkssUfe geschaffen
«erden. Das ungeheure, in seinem Werte sehr verschiedene Quellenmaterial,
das er gesammelt und das auf der künigl. Hihlii^thek zu Berlin liegt, zeigt
uns die Grossartigkeit des Planes. Wie der GeoU)g unterscheidet Mannliaidt
jetat venichiedcne Schichten der Volksüberiiefcrung, die sich bald ineinander
geschoben haben, bald nebeneinander hergehen. Die mythologische Denk-
fonQ hat für Uut eine fr>rt/eugcude Kraft, daher fasst er unter der Mytho-
logie eines Volkes ^alle in seinem Geiste unter dem Einflüsse mythischer
Denkform 2U stände gekommenen VcrbildHchungen höherer Ideen«. So
spricht er von Mythen, die in christhcher 7,^\i und »war durch Anregung
de» Christentums selbst entstanden sind und giebt dadurch der Volksüber-
Gcrttsnlfche Pliilolofk DL 2. .\nfl. 16
Uefenmg eine neue, \-oti der GrimmVhcn und Schwartx'srhen Auffassung
durcliuuä vcTSLhicdene BcHputung. Mit der vergleichenden MylhoI>>gie der
Kuhn-Müller"s<hpn Riclitung bricht er; er hüh ihre bisherigen Ergebnisse
fflr »verfehlt, verfrüht tider manselhaft-: (iHr*>); '^^^ fehlenden sprachlichen
Übereinstimmuiieen liestimmen ihn dazu. Dagegen buluit er einer neuen
vergleichenden Mythologie den Weg. un<l hierzu hat ihn die Anthropologie
gebracht Auch er zieht die Parallelmythen heniu. al>er nicht, um einen
indogcrmanisrhcn Urmythos zxi crweiacn, s^mdem nur, um die Cbcreinstira-
mung festzustellen und zu zeigen, w-ic sich bei verschiedenen Völkern aus
gleicher Wurzel dir Mythen auf ganz ahiilichv Weise eniwictell haben. Als
Grundlage iler s[)aieren Kunstmythen nimmt Mannhardt einen ausgebreiteten
Dämonenkull an und zwar schon für eine iiroelhnische Periode. Nur aus
dieser Annahme erklären sich ihm tue Übereinstimmungen. Im Roggenwoif
halt er die Elementargeister nudi für Wiiiddamrinen; in seinen Korndi'imomn
treten daneben die seelistlieti Geister in den Vordcrgrurul; erst in seinen
sijatcstcn Werken ist er zu den Vegeiationsdamonen und den Pflanzenseclcn
g?eführt. Aus der üeobachlung des Wachstums der Pflanzen habe der na-
tflriiche Mensch in einer pniethnischcn Zeit die Wesensgleich heit zwischen,
sich und den Pflanzen erschliwscn und letzteren eine Seele zugeschrieben.
I-)iese Iflanzcnscele ist Mannhardt der .-Xiifang aller Mythenbüdung; aus ihr
ist dann der Vegetalionsdäinon hervorgegangen, der mit der Zeil auch mit
meteorischen und solaren Erscheinungen in Verbindung gebracht worden Ut«
Aus dem Dilmonenglauben sollen sich später die einzelnen Stanunesmy-
Üie-n entwickelt haben. — Mannhardt ist zweifellos einer der bedeutendsten
unserer Mytlmlogen; ihm war die Geschichte des Glaubens unseres Volke«
eine natiunalc Sache. Er hat zugleich in seinen spateren Arbeiten strenge
phili'logisclic Kritik an den Quellen geübt. Kr kämpfte ununterbrochen mit
sich und an sich, um zur Wahrheit und Klarheil zu gelangen. Vor allem
war er streng gegen Mch selbst; er verurteilte seine Ansichten, sfihald er sie
als falsch erkannte. Gleichwohl liat sich sein System keine Anerkennung
verschaffen können. Die KulturzustSndc. die dasselbe voraussetzen, stimmen
niclit zu den Resultaten, che wir der ungleich sichereren pnx'thnischeii Alier-
tumslciinde und der Spraclifor?;chung verdanken. Seine Korndämonen z. B.,
an denen er noch in seinen mythologischen Forschungen festhalt, setzen bei
den Indtigcrmancn eine Pflege des .*trkerhaues voraus, die sich durch nidits
stiUzen Ia.>*st (Viel. Helm. Kulturpflanzen und Haustiere," 14 ff. 54 ff., v.
Bradke, Über Methode und Ergebnisse der arischen Altertumswissenschaft,
185 ff.). Weiler erheischt aber auch das Mannhardt'sche System ein viel
zu abstraktes Denken, von dessen Existenz in der Zeit eines niederen Dä-
monenkultcs man sich nicht zu überzeugen vermag."
Eine Verbindung zwischen dem Mannhardt'schen und Kuh n-Schwartz 'sehen
System hat neuerdings E. H. Mever angestrebt, sicher der bedeutendste von
Mannhardt's Schülern auf dem Gebiete der g(*rmanischen Mythologie. Meyer
geht von dem Kuhn'schen Pcri<;jdcu,Hystem aus, bringt dieses aber in un-
gleich festere Form. Nach diesem sieht er den Scciengiauben und -kult,
d. i. einen Glauben an die Seelen der Abgeschiedenen und eine Verehrung
der in der Natur fortlebenden Seelen» als den Anfang alles mylliisrhea
Denkens ;in. Aus dirtem .Seelen glauN-n hat sich in einer spilteren Peri-vle
der Dämonenglaubc entwickell. unter den so entstandenen Dämonen räumt
er den WinddJlmnnen den w*ichtigsten Platz ein. Der Hauptsrhauplatz für
die mythischen Gebilde ist also die Luft. Mit der Zeit enlstanden Wolken-
wintldämonen, W;lsscr^^■inddnmonen und Baumwiiiddilmorien. Am:h die Gc-
Geschichte dkr oerh. Mvtholooie.
2«
stinie, namenüich Sonne und Mond, wirkten s<^oa zu jener Zeil mythcn-
tnldcnd auf die Phantasie, ihre Hau])tbcdeutung haben diese aber erst in
der 3- l'criode erlangt, bei den Vülkem des Ackerljaues und der stiatlichen
Kultur, wo besondere Götter und Güttenivstcrac entstanden (Indogcrm. Myth.
l, 211 ff.). Einen Gftttcrhimmc! leugnet also Meyer fQr die indngcnnanwrhe
Uraeit, uro an dessen Stelle einen um so uiisj<epragteren Dämonenglauben
zu setzen. Als erwiesen halt er vier indo^rmanis« he Dilmoncnraythen: den
Mjihus vom Donner und Blitzwesen, vom Sturmdünuiu, den Rej»enbogen-
mythus und den Dioskurcnmythus lind. Myth. II. (»73). Allein keiner von
diesen Mythen steht (est. ja Meyer hat sie nirht einmal wahrscheinlich zu
madien vcnnocht (vgl. ZftlPh XXI. 33Ö ff. W. Malier, Zur Mythologie der
gricrh. und deulswhen Heldensage). Dazu gtebt Meyer dem Dftmonen-
glauben eine Bedeulunj:, die er wohl schwerlich gehabt hat; fast alle jierma-
nischen G<Mtergfstalten sollen aus ihm her\'i»rgpgangcn sein. Das ist auch
nicht in einem Falle weder erwiesen noch wahracheliilich. Endlich räumt
Mej'er der subjektiven Phantasie der einzelnen Stimme viel zu wenig Recht
ein, so dass sein mythologisches System wohl el>cns«)wenig bestehen wini,
wie das Mannhanltsrhe. Diesem System licÄien sich natürlich sehr viele
Mythen der eddUrhen Dichtung nicht einreihen. Daher liat sich Meyer
in jüngster Zeit ganz auf Bugges Seite geworfen und Iflsit wie dieser einen
grossen Teil der nordiwhen M\-then Nachbildung christlicher Glaubcnsleliren
in heidnischem Gewände sein. So erklärt es sich, dass z. B. die V9luspÄ,
unstreitig eines der pnMvsartigsteu Werke des Nordens, in seiner sonst recht
verdienstlichen gennanisrhcn .Mythologie gar nicht zur Geltung kommt-^
Mehr auf die subjektive Phantasie der einzelnen Völker geht L. La istner
ein. Er beschäftigt sich besonders mit der Volkssagc. Ihre Elemente lässt
auch er in einer Pcri<)<Ie gemeinsamen Zusammenlebens entstanden sein,
namentlich nimmt tr dies von den mythischen Namen an. Allein er sucht
jede Sage in ihrer Heimal auf und erklärt sie mit Hilfe der Naturerschei-
DUiigen, die sich hier zeigen. Der Kern ist nacli ihm alt, — hierher gehört
I. B. die Vorstellung des Nebels als Wolf, des Rosses als Sturm, — die Form
al>cr ist der Gegend angcjKisst. So verhilft Lawtncr mehr der Poesie der ein-
zelnen Stamme zu ihrem Rechte uiul zeigt sich hierin als Anhänger Uhlands,
der in seinem Mythm von Tfiör die mythische Dichtung der Nordgermancn
in Anlehnung an die Natur Ihres Landes bereits ifiy» trefflich entworfen
hat. wenn er auch zuweilen natürlichen Hintergrund finden will, wo keiner
XU wjrhcn Ist.» Hierdurch erweitert zugleich I.aistner unseni Blick: er iSsst die
Mythen nicht »0 einseitig wie die Schwartz'sche Schule :iu« einer eng begrenzten
Zahl von Naturerscheinungen hen-orgchcn. Dabei sieht er streng auf die
Elvmoliigic mythischer Namen, die er freilich nicht immer glücklich behandelt,
und surht so Wort und Sache miteinander in Einklang zu bringeji. In seinem
letzten grrescren Werke, dem RäHel der Spkin.\, rfliunt Laistuer auch dem
Traum als mythencrzeugender Kraft .sein Recht dn; er steht hierin uuwill-
kOriich, wenn er es auch nicht offen bekennt, unter dem Einflüsse des
Seelciiglaubens.* Dass Laisiner bei der Verfechtung seiner Ideen zuweilen
Ober das Ziel liinausschii-sst, Ist nur zu natürlich. — In Deutschland den
Seelengtauben und Seelenkult nachdrücklichst als mythenerzeugendes Element
verteidigt zu haben, ist dos Verdienst Jul. Lipperts, mag dieser unter
TyU>r5 Einftuss gestanden haben oder nicht Dagegen gefil Lippert ent-
schieden darin \iel zu weil: alle Mythen, alle (»otiheiten si>llen aus dem
Scclenglaubcn hcr\'org€gangen .sein. Um dies zu beweisen, bedient sich der
Uriieber dieser Auffassung philologischer Mittel, die tieulzutage kein Pliilologe
16«
244
XI. Mythologie.
mehr anerkennt "* Einem klüSSLsdicn PhÜoIügen gebührt das Verdienst,
Ahnenkult und Seelcnglauben in Deutschland in das richtige Fahrwasser ge-
bracht zu haben. In seiner Psyche (Freiburs i/B. 1800/Q4.) hat E. Rohde
die Bfdculuiiii; desselben für die grieclilsche Rclipidn erwiesen und vms ein
Werk geschenkt, das auch kein Germanist ungelesen lassen wilhe. Bedeu-
tendes in dieser Riditung ist auch vun H. S. Vodskov zu erhoffen; in
seinem Werke Sjitiedyrktlse ofi Nalurdyrketse (i. — 6. Hefte Kbh. 1897) sucht
er Seelen- und Nanir\-erehrung aus der Kulturgeschichte zu erläutern und
ihrem Umfange Em Rlg^eda und der eddisdicn Dichtung nachzugehen.
S 13. S*i ist seit J. Ciriniin bis heute Iiypc>thcse auf Hypothese aufge-
stdll worden, aber mxli keine hat sicli genügcuile Anerkennung zu verschaffen
vermocht. Weder über den Urspnmg des Glaubens, mich über die Deutung
der Mythen und ihr historisches Verhältnis untereinander herrscht Einigkeit.
Der Hauptfehler der Forschung liegt offenbar darin, dass man viel zu wenig
Kritik bei Benutzung der Quellen gcobt hat, ja eine gewisse Kiitikliisigkeit
gewLssennassen sanktinnit-rt wurden ist.
Kür die phüüloglsche Kritik der mythologischen Quellen aufs energischste
cingetrelen zu sein ist das Verdienst Lachmanns und Müllenhoffs.
Lachmann behandelte die Mythologie als Ncbenstudium der Heldensage,
derm in den Gestalten dieser erkannte er — und bierin stand er im Gegen-
satz zu Uhland und Willi. Griium — verblasste Goiter. Mülknhoff hielt an
diesem Gedanken fest und vertiefte um. Ihm waren die Mythen die uralte
Poesie unserer Vorfahren. Deslialb verlangte er strengste Kritik der mythischen
Quellen, die nicht anders als andere littcrarischc Denkmäler zu behandeln
und nicht von ihrem Fundorte zu trennen seien, So ist vor allem durch
ihn die Baicutung des ''Ttwaz als gennauisclieii Cottw und die Revolution,
die mit .sdner Entthronung endigte, aufgehdll und verteidigt wurden. Aber
Müllenhoff behandeh nur die Religion; mit Volk.-iglauben und Vnlkssitte be-
sditlfligt er sich nicht. Auch sind seine Schlüsse, wenn aoch durchweg
geistreich und anregend, doch nicht selten allzukühn. Vor allem findet er
in den Gestallen der Heldensage oft alte Götter, die schwerlich in dai
Helden fordebcn.^
§ 14. Nicht ohne Bedeutung audi für die germanische MytJi<j|i)gie ist das
Werk eines andern klassischen Philologen, ü. Gruppes: Grifchische Cultt
und Mvthen in ihren Beziehungen zu den orienialisrbcn Religionen* (l. B-
Leipzig 1887!. Mit ihm schdnt für die mythologische F<irschung eine neue
Ära LUigub röche 11 zu sein, wenn auch seine Aufstellungen noch vielfach der
Läuterung bedürfen. Man könnte seine Theorie die Waudcrungsthcorie
nennen; er selbst bezeichnet sie als Aiiaptionismm.
Gruppe scheidet zunächst scharf zwischen den volkstümlichen Elementen
der Mythologie (^larchen. Sage) und den hierarchisdien, den Kunstmytiien,
die er nicht als die Quelle des Kultes auffasst, sondern die er aus dem
Kutte hervorgegangen sein litsst. Der Kult Ist ihm also das Altere in der
Religion der Volker. Nur die hierarchischen Mythen hangen mit dem Kulte
zusammen; beides macht die Religion der Volker aus, die hauplsildilich
imter dem Einflüsse der Priester steht. Die Übereinstimmung der hierarchi-
schen Mythen der indogermanischen Völker hebt Gruppe ausdrücklich hervor,
allein keines der bisher angewandten Systeme erklart ihm dieselbe genügend.
So kritisiert er denn alle Systeme und kommt endlich zu dem Resultate, dasa
Kult und hierarchisdie Mydien vou Vorderasien aus sidi über fast alle
Kulturvölker verbreitet haben.
In der Würdigung des Kultes berührt sich O. Gruppe mit K, Weinliold.
Geschichte der germ. Mythologie.
245
Dieser knüpft vim Haus aus, abseits vom Wege der Weiterentwicklung gcr-
maniüL-hcr ^[ytholDgie. uuiruttclbar ün J. Grimm an. Allein er hat jeJerzeit
die Bahnm der phantastisdien Anhanger der Grimm'.schen Richtung; gemie-
den und isl für das Recht liistnrischer Furschung enerj-isch eingetreten, ja
seine jünt^sten Ahhandlungen verfechten im Kerne dicsel^»en Grundsätze und
Re'niltate, zu denen Mflllenhnff gelangt war, nur diiss er mehr als dieser
dein Kultus aL> der NV'urzel des Mythus zu seinem Rei.hte verliilft.!*
Au/ dem Gebiete des Kultc.*^ verdienen schliesslich noch rflhmliclister
Er»almung Heinn Pfannenschmid und A. Tille. Des ersteren Genua'
nüchcH EmUf<sie enthalten das Beste, was wir über altgermanischen Kult
be^itjten. Wahrend Pfannenschmid .iIkt in seinen Anschauungen ganz auf
Grimm'.'ichem Standpunkte steht, verfolgt Tille in seiner GesrhichU der dettt-
scken Weih nnrfii den Kult in seiner geschichtlichen Kntwicklung tmd in seinem
Zu-sammen hange mit den Lebens vcrh£lltniii.sen des V*ijlke>". Fudeni er da-
durch neuen Ans«hauungen zum Rechte verhilft, vemachl.lssigi er etwas die
religiösen Vnraiellungen unserer ^'u^fa]lren."
5 T5. Ungleich aller als in Deuisthland Ut das Studium des Glaubens
der Vorfahren im skandinaWschen Ncrden. Dafür isl es aber auch liier un-
gleich dnseitigcr. da es >icli in der HauiU-sachc auf die Darstellung des my-
thischen Gehaltes der Rdden beschriinkt. Die vergleichende MythoKigie liat
hier wenig Anhang gefunden, weder die Kulm- Müller 'sehe Richtung, ii'ich
die Tyl'r-.Mannhardt'sche. Dagegen hat die historische Richtung einige
nenneiLswene Vertreter gehabt
Der ftiteste nordische Mythuloge ist Smtrri Sturlustin. Seine Edda ist
im T. Teile nichts anderes als eine Mythnlngie, ausgearbeitet ftlr Skalden,
[damit diese Ober den Inhalt mythischer l'niMchreibungen, der kenniitgar,
heid wüÄsien (vgl Altnnr^-egisch-island. Literaturgeschichte). Snonia
mytlio|ngisc-he Be.strebungen lebten in seiner Schule fnrt und haben mög-
licheruxise aucli die Sammlungen von Lie<iem mythisclien Inhalts veran-
lajisL Vim c. 1400 an achtete man wenig auf die alten Lieder; erst im
17. Jahrh. kam man auf sie und die Edda zurück. Allein die Beschäftigung
damit war weiter nichts als ein f*trtgesetzler Streit über den Wert oder
l'nwert rlieser mythischen Quellen, Das :iltesie nerdische Handbuch der Myth<'i-
logie, Grundtvigs JVon/c»s Afr/ho/of;i ( 180H. 2. Aufl. 1832). war ein von vater-
latuilscher Begeisterung getragenes und zugestutztes Werk, weitn auch die erste
Auflage manchen richtigen (bedanken enth.llt der eine historische Betrachtung
der ^I^■then anbahnte. Er^t untiT dem Einflüsse v<m J. Grimro's Mythologie
schienen auch im Xunlcn -systematische Darstellungen ck» alten Götter-
i^aul>cns, ^u von Munch und Keysei, v*>r allem ;d>cr v.m K. RI. Petersen.^
Die hii(toriscl)e Richtung haben namentlich drei Gelehrte vertreten; M.
Hammerich, der den Nachweis fuhrt, dass die RagnarAksmythen nur bei
den NiirdUlndeni und zwar In der Wikingcrzelt entstanden seien, Henry
P*'ier&en. der Thor als deti .nlien natiunalen Oitt der Nc.rdgermanen er-
weL>i und (3din aus dem Süden eingewandert »ein Uisst und endlit^h Stiphus
Bugge, (Irr den grössten Teil der Eddamythen als nordische Darstellung
mittelalterlich-christlicher LA-gendcnzügc und Umwandlungen gricchich-heidni-
»chei Mythen auffa.sst." Wiihrejid die Arlieiten von Hauuiieridi und Petersen
«eh .illü cm einer Anerkennung erfreuen, hat Bugge durch die seinen cnt-
schiei-leuen Widerspruch her\orgerufen. Die Ideen, die Bugge verficht sind
nicht neu, sondern schon Jahrhunderte alt (vgl. E. H. Meyer, Völuspä.
S. I ff.(. allein Bugge verteidigt sie mit den Waffen der neueren Wütsen-
schafi, der historbchen Gtammatik. Nur missbraueht er diese Waffen, indem^
246
XI. Mythologie.
er das mythische Wnrl secicri und in den üinzelnen Teilen dieses fider jenes
griechische oder lateinische nder keltische f>der angelsächsische Wort findet,
das der üJlo Wikinger bald falsch verstanden, biild falsch gedeutet. Iwld
durch ein lautlich ahnlich klingendes nori*egi.sclies wiedergegeben haben
Süll. Wenn demnach weder Bugges Methode noch ein grosser Teil seiner Be-
h<iu]>tungen Anerkcntmiij; finden wird, so hat er durch seim^ mvthdIojrUchen
Studien doch zu einer neuen hislorisrhen Durchforschung der nordischen
Mythen angeregt, und ohne Zweifel wird es sich zeigen, dass wir einen sehr grosaea
Teil von dem, was unr nach Grimm als urgermanische Mythen auffassten,
fatlcn la^en müssen. Denn das Hauptwerk, welches aus der Reaktion gegen
Bugges Studien her\'orgegangen ist, V. Rydbergs ütidfnSkmiiftur i Gtrmanisk
M\thohgi (; del. Siockh. 1886— So), ist nicht geeignet, diese TbaLsacheu zu
erschüttern, da sein Verfasser die Überlieferung ohne jegliche Kritik ver-
arbeitet, Combination auf C'unibination h.lufi und die Sprache seinen Wün-
schen ohne Rücksicht auf die Sptadigcsctze dienstbar macht. Rydbergs
Mythologie ist das ersie und ^ieUeicht das letzte nordische Werk, das auf
dem Boden der vergleichenden Mytiioli^äe in KuUn-Muller'sclieni .Sinne steht;
es ist in einer Zeit entstanden, wo diese in DeuiSH-hland scht>n ziemlich all-
gemein als überwunden galt. — Dagegen hat Bugge durch seine Arbeiten
cnLschieden Schule gemacht In Skandinavien haben sich H. Kalk, Noreen,
Schuck u. a-, in Dcuischlatid der bereits erwähnte R. H. Meyer, GnUher,
Dettcr ihm angtschlos.»ien. Leider hat sich unter einer Anzalil dieser For-
scher eine neue Comhirationsmeihode entwickelt, die nicht weniger ver-
derblich ist hI?. die iJte; nui die Uuklarlieit ihrer Veilreter, giebl uns
einigermassen {iett"fthr, dass die Resultate nicht indiegri.ssc Menge gelangen.
Auf der anderen Seite hat aber Bugge auch auf entschiedenen Widerspruch gc-
stossen. Unter seinen Gegtieni sind die Islander Finnurji'nisson und Eirikr Mag-
nüsKim zu nennen üowie der Däne V'odskov, dessen Bucli über Seelcnver-
chruiig und Xaturverchrung ein hahnbrechendes Werk zu werden versprit hl'«.
> Jk. Gfimit), DmUthe .Xfvtkologi^. 4. Aiisg. mit N'scbuif^o und Anhajig
hntK- von E. H. M(j\r. Bcrl. i'SjS. Kl. Schriü. II. B. — » Von Joh. Wilh.
Wolf eracliicntn; .K'n iterländiiche Saj^f». Lp/.. 1843; DfUttthc Sagrn und Märchm
1845; Deutsche UausmätchfH. Lpit, 1S51: Dir tiruttckf (ivttfrlfhrf. 1852. (Ein
AuMug .lus Grimma Mytboltip«); Heiträff* tiir dmlsth/-» Myth.>logse, i. B. 185a;
2. B. (bcsoFKt von Mamhiirdt) 185;". (Dir« Werk enihSIt die gnn/c druischp My-
tbolnt^c natii Wolfschcr Mcthridt): Hessiu-kf Sngm. 1853. — ' W. Schwnri«'
Werke »iTui : Dfr h^nUge l'dbigtaubf und ans alte lleidentttm. *■ Aiifl, lli6a.
Die Abb und Jim}; steht nuch in (k'ii t'r^hiilcrisi:h'<i»ihropolognihcn Studien (Berlin
18S4), die die kleineren nijlhiil(>j^v;h(Mi Arbeiten SchwMit«' emballen; Der Ur'
tfirung der A/yihnlogte. Brrl. lÄ&o; Die poetisiben Naluranuhaunftg^H der
Griechen. Rthn^r und Drutuhrtt in ihrer Retifhung tur Afythclogif. 1. B. Sonnt,
Afond und Sterne. Berlin 1864,; 2. B, Ifttlirn und H'tnd. Blitt und licnner.
* '879: Inäogertnaniither Volksglituhe. Berl. 1885. — * Waitz. Anthr-^palcgif
der Nalurvvlker. 1859 — 65; Bastian, /Vr Aftnsch in der Geu-hkhte. _j Bde.
LripKJt* l8<KJ; liers.. Das BestSndige in drr Mrmihfnrasxr. B«rl, 1868: Iteitrdgt
sur vrrgytchrndeH Psrfhohgie. Bert. 1868; Ethnolngiiihe Föruhungm. 1 Bde.
Jen» 1871—73; fJü: i'erbUihi-Orle dt-r abgeiLhiedenrn Seelen, ücrl. 1893; Tylcr,
Urgrukühte der .\/iHi,:Mhi'il (Ltiprin 1867): dt'r».. Anfänge der Kultur (Lpt.
'*'3); -A. \.An^, Afylh, HiluaJ artd Religio«. 2 Bde. London 1874; d^rt-, Cuslom
and Afylh., See. cdit. 1885. — * M. Müller, £ssays. Oxford 1856, ilr-iiütbe
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(deutich vor BCttger. Lpz, 1866); Natürliche Religion. L]i/. iSgrt; Fh\\iMhe
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Cermattisikt Uylken. Berlin 1858; Die (jSllerxfeU der deutschen und nordiahen
VSlIter. I. T. Die (inner. Kfrlin iSfiO; Roggm-urotf und Roggenhund, 2. Aufl.
1866: Die fCvrtuithMcneitt Bcrl. 1868; Der Saumkull der Oertnanen und ihrtr
J^'aihbarftämme. Berl. 1875; Antike Ifatd- und Feldkulte aus nordeuropäisthtr
Verhältnis der nord. zur deutschen Mythologie.
247
CbtrhefrrHng trläutfrt. Btrl. l8"7; Jktythclagiitfu Foruhutt^n. Mit VdrTtJ«)
von K. MUltfiihi'fT unl Scberer bis^. \on H. PaLu^. Stra&sburg 1884. (Dam
E- H. Mcycr. AHA XI. I4lff). — ' E. H. Mcycr, titjögt^mamittu Mythen.
1. a^HJkarifn-Ktnlaurrn. Berlin 1883, II. AthitUis. BcrÜn 1887. AfdA XI.
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Th$r, Stuilf. 183*). (Schrill. VI. I ff.); Sthri/I. lur Ceich. der Dichtvng und
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der SfiAfnx, Gnmdxflgi; einer Myihcngescliichte. 2 Bde. Berlin 1889: CSer dm
Jiutientmann. ZWA XXXII. I45 ff. — '"Jul Lippcrt. Der Seelenkull tn ietnen
SesifAungen :«/■ ir/zAetirtTäiAeH Jieltgion, Berlin 188O; Die Jfe/igionen der euro-
Päi%iken KuUiirrolter. Brrlin 188I; thA. Chriflentum, Volktglaube und l'p/it'
brauih. BeiL l88a; Allgem. Ge»-hi<hle des PrieiUrlums, % Bde. BcrI. 1883/84.
— '• K. MüJlenliuff, Tuhro und reine A'arhttimmen \n Sdimidu AUjfrmciner
Z»ch. f* CttTwli, Vlll. 209 ff.; Ute auslrastxrhe Dirtruhnage ZfdA VI, 435 ff.;
S*m/ und tetne SatJiiemmett eli«l, VII. 4(0 ff.; Der AfytAin tiin ßeettruij' ebd.
VII. 419 ff.; Ober deit SiMi-ert/um. In den >Fesigdl)i.'n Im (i. Htmeyer zum it.
Juli 1871-. lOqff.: ?Ai-gniiU' tind Ktiurse ZfdA XII. 4,13 ff.; Ion Sig^fr/di
Aknen ebii. XXIII. 113 ff.; frmm und seine Briidet vUS.'K'S.Wl. I ff.; DetiUehe
Alter tnmikunde V. B. I. T. Berlin 1883. Frija uud der IfaUhandmythus.
Zt'dA XXX. 317 ff.; BeoifUlf. Berlin 1889. Vgl. auch W. Scberer, Vor-
träge und An/S'Uif S. lOl ff. — " Weinhold, Die Sagen von Leki ZidA
Vn 1 ff. ; Lte Riesen des germanischen ,t/vfhos Sitzungsberichte der philol.
faütnr. Kliusc der kaiserl. AJcad. <kr \VtRsen>chaftcn m Wien. XX\1. 335 ff.;
7'ins 1'hmgs Zldl'h XXI. I ff.: Cher den Mythus vom H'aneni-rieg Sitzung«-
bcriditc der k^l. prvuss. AliMl. der WiKscnKhiftcn m Birtin. XXJX. 611 ff,
— •* Hcinn ITanncnschmid, Dus U'fiAzrasser im Aeidninhen und ehrtit-
itikm KuUui unter hescnderer Herüeisuhtigiing des grrman. A/terlumj.
Hinnov, 1869; Germaniithe Erntefeste im keidnitthen und fhristttehm A'nftut,
mtt besonderer fiexiehnng auf I^iedersufksen. Hanmiv. l8;8; A. Tille, Dte fie-
uhuhte der de»t.uhen Heihnaiftl. I,<--i|izig 1893. — ** P. A, äluncb, Xerd-
mirndenes GndtUere i J/edennld. Christjania '847. 2. Aufl. bejirl>. vun Kja:r.
Christ. 1880. — R. Keyier. Scrdwirndenes Religtonsfcrfatning i Htdendommtn
Christ. 1847 (besonders wichtig filr den Kultw>). — N. M. Pclerseu, Kordisk
Mytkatogi Kph, 1842. 2. Autg. 1863. — Vgl. »uch Krik Gustav Geijer.
Snmiade Skrifier, U. 1 70 ff. (besonders wichtig flir die (jc<»chicbte des A«cn-
glaubens). — Konr.Tl Maurer, itekekrung des nnnregiithen Stammes zum
Christentum. 3 Bde. Mimchen 1855.0. (Kn^lhAlt das rricbhaltigste Matcriiil aus der
Sa^Utcratur.) — '* M. Hammerich, Om /fagnamtsmyt/ten og dens /letydning
i den oldnardtskr Reti/^tan. Kbl>. 1836. — Henry Petersen, Om At^riihoernes
Gudrdvrkfhe ng Gudetro t IfrdeHold, Kbh. iSr*». — S, Biigg*, Studien üher
die Entitehung der m'rdiS>heM Gvtter- und I leide nsti gm. (DeuUtfb von O. Brenner),
Mtincben 1889; dcrs. Chee Jen Fr'Vf'itmvtheis im ChrlsiLiii. Murgcnbladcl v*>ni 16,
AuR. 1881; der», fduns jEbler 'Xric.'f n.Fil. V. 1 ff. (vgl, K. MUllenboff,
Deutsche Uteraturzdtung 1881. II. No. 31; Kdeardi. Liicraturbl. ffir germ. and
rmn. Phil. 188: Sp. 1 ff. 1 25 ff.). — '" H. S. Vodskov, Sjaiedyrkche eg Xatur-
dyrkehr. I. Bd. ,\fd. Rigveda og Edda. Kbli. 1890 — 97.
ILAPIIRI. IV.
DAS VERHÄLTNIS DER NORDISCHEN ZUR DEUTSCHEN MYTHOLOGIE.
5 Ib. Obgleich bereits L. Uhlatid 183Ö die Mythen von tör ab Erzeug-
niHte der nnrcijschen Du'hlimg behandelt hatte, iüt man doch seit j. Grimm
in Deutschland grwnhiil, die eddisthen Mythen sclilrihthiii allen germa-
niMhcn Völkern zuzuschreiben. Die lüsturische Betrachlung der Älydieii
Jtwingt uns, mit dieser Auffassung zu brechen. Schon eine Durchforschung
der niylhisclien Quellen der Nordgerroanen lehrt die stetige, z. T. einseit%e
Weiterentwicklung luvtluKtlu-r Begriffe und Gestalten. Dazu kommt, da.ts
man die m>r<li'*rhen Quellen wieder zu einseitig ins Auge gcfasst hat: die
Eddalieder und Snorri.« Hatidbudi der Mytliolugie, das zum grössten Teil auf
jenen aufgebaut ist, galten als Kanon der nordisch-gennanischcn Göllerlehre,
Allein beide Quellen sind spateren isländischen Ursprung:-, viele Mythen und
248
XL MVTHOLOOIK.
MvthenzQEre finden sich nur in ihnen, manche «"idersprechen sogtir dem
gernianisfhen, dem nordischen Volksdiaraklcr. Ein z, T. anderes Bild gewahren
die nordischen Sggur, die Funde, und die In-schriften. Was wir aus diesen
lernen, findet auch meist seine Bestätigung im Kühe und gibt sich schon
dadurch als nationales Eigentum zu erkennen. Von dienten Quellen hat
demnarh die wissenschaftliriie nordische Glaubenslehre auszugeJien. Aus ihnen
erführen wir zuj^Ielch, dass lüer ein grosser Teil niederen Volksglaubens in
ganz almlichen Formen blühte, wie er heutzutage noch bei den südgerma-
nis'hen Völkern sich nachweisen l.1sst. Es ist femer hei den nordischen
Quelleh an der ThaLsache festzuhalten, dass die Isländer eiu diditerisch bejfabtes
Viilk waren, dessen Skalden zweifellos durch die subjektive Phantasie Gestalten
und Zü};e schuffen, die nie tief im Volke gewur/elt haben. Seit Haraldr
harfagri in der z. Hltlftc des y. Jahrhs. die unzufriedenen Grossen des nor-
wc^jischen Staates zwang, ihre Heimat zu verlassen, finden wir sie auf dem
W'fstmecre, auf den britischen Inseln, bald im Kampfe, bald im Bunde
mit Kellen oder Angelsachsen, bald als Gegner, bald als Schirmer der
christlichen Kirche, bis endlich ein Teil von ihnen sich auf den Fa.-ri'^em
und dem fernen Island niederlüsst, wo man rein oder gemisclil mii keltischem
Blute, ja neben Kellen, einen neuen Freistaat gründet. Aber auch von liier
aus unternehmen viele von diesen Nordlündem alljährlich Reisen ins Ausland:
nach Irland, Schottland, England, nach den sk!mdinavis«.:hen Höfen.^ In jener
Zeit blühte ihre Poesie und mit ihr da.s mythische Gedicht, Dass bei diesen
historischen Betrachtungen die WahrÄcheinlichkcit fremden Kinflusses nahe
liegt, muss jedem emleuchten. Und schun tlieser UrasUmd n<i[igi, die islän-
dische Dichtung mit Reser\'e zu benutzen und ihr im Vergleich zur Volks-
Überlieferung erst den zweiten Rang einzuräumen. Auf alle Fälle ist daran
festzuhalten, dass die zusaminenlWingenden Mythen isländischer Skalden
speziell nordische Mythen sind, die -wohl diesen oder jenen volkstümlichen
Zug aufgenommen haben mftgen, die aber im ganzen mehr mler weniger
Eigentum der subjektiven Phantasie ihrer Sauger sind. Wie weit sich nun
in diesen entlehntes o<ler nationales Eigentum erweisen lässt, ist eine der
schwierigsten Fragen, die die Gegenwart bcschüfligt,
leb glaube, wir müssen an dem Grundsatze festhalten, dasjenige als echt
nationale Poesie liinzuslellen. was «ieni Volkscharakier nicht widerspricht und
■was sich als dichterische Fortentwicklung vnlkstüml icher Mytheruüge erklaren
lässt. Dass fremde, nanientlicb chri.stliche Getlanken sich in einzelnen ZQgen
finden, unterliegt m. E. keinem Zweifel. Doch wird die eddische Dichtung
geradezu unverständlich, wenn wir die nationale Basis verlas-sen und die
Grundlage der dichterischen Schöpfungen fremden Eitiflüs.sen zuschreiben,
wie es S. Bugge und E. H. Meyer gethan haben.
% 17. In ihren Grundzügen hat aber der Glaube der nordisriien V^^lker
einen urgermanischen Charakter, wenn sich diese in Übereinstimmung mil
den übeislimlichea V<jrstellungen der Südgermnnen und der Angelsachsen
bringen lassen, falls nicht eine Wanderung cle> Kultes oder Mythos von
diesen Stiluimen zu unseren nordgermanisriien Stammesbrüdern sich wahr-
tfcheinlich machen lässt. Bei jenen sind die glaubcnsgeschichtlicben Quellen
zwar spärlicher, aber aller und wertvoller. Demnach hat von diesen aus die
Analvse der n-irdischen Quellen zu beginnen. Nun lehren aber die süd-
gennanischen Quellen aus frühester Zeit, dass die Einheit des Gi'UtergUiubens bei
den Südgennanen tlurcliau-s nicht so be<leuteud gewesen ist, als dass man imsiande
wäre, einen einheitlichen Gtltterglauben auch nur dieser Stämme konstruieren
XU Icönnen. Die Thatsache ist durch die Inschriften funde von neuem besttlt^
Verhältnis der nord. ztrR neuTSCHEN Mythologie.
249
worden. Vielmehr hat es unier den einzelnen Vi-lkem eine Reihe Amphi-
ktyouicn gegeben, deren Mitglieder in gcmeiiisumein Kukc eine besondere
Gottheit verehrten, geraflc solche liflndc, wie wir sie noc\\ kurz vor EinfQh*
rung des Ctiri^lentums bei den skandiiiavtsehen Stanimcn finden. Demnach
luOsste eine ^deutsche Mytliologic« eigentlich eine Glaubensichre der einzelnen
gennanisrhen Summe sein. Von den Urgermanen Isssi. sieli inii WahrSL-hein-
litlikcit nur behaupten, dass sie drei mächtige Götter und eine G^'ittin ver-
ehrt haben: eine alte I.tc-ht- oder Himmelsgotthcit 'Tiuuis. die \-ieJleirhi schon
2Um Kriegsgotte ge*vrden war. einen Ge» ittergoit * Tkomtras, \-iclleidit
einen Wind- und Totengint Wüt/anai und die Erdg<'Utin Fri/a. Besonders
scheint dem ersteren, dem "Tiwaz. eine Reihe Attribute beigelegt worden
zu sein, die sich bei den einzelnen germani»ichen Stimmen vom Namen des
Gottes loslösten und al** hcsundere gütilirhe Gestalten herausbildeten. Aus dem
Namen lasst sich ibe Thaiigkeit des Gottes erkennen, die zuui Attribut die
Veranlassung gab; sonst entftickeltc aidi die Uwgctrennte Gottheit li>kal, d. L
im Kult verbände, zum höchsten gülllidirn Wesen, bei di-m tiameuUidi die
Seiten der WirLsamkcit au-sgebildd wunleii. deren der Ainphikiyoncnverband
m seiner materiellen Kxistenz besonders beilurfte: die lintwirklung des Kultes
tind Mythus ging jederzeit mit den menschlichen Interessen Hand in Hand.
Werm ich im Voriiegenden gleichwohl nicht eine Glaubenslehre der einzelnen
Stimme zu getten gedenke, so bestimmt mich dazu die Erwägung, dass
durch eine solche einzelne Gottheiten, die sich hei mehreren Stämmen eniftickelt
habt-n oder von einem Stamme zum andern gewandert sind, zerrissen wilrden,
und dass vt allem der Volksglaube, der sich namenUich in Sagen und im
Aberglauben offenhart, in seinen Gmndzflgcn sicher einer proeihnisclien Pe-
ii<«lc angehört luid demnach allen Germanen geroeinsam ist. Dieser alte
Glaube an seelische Geister und Uamimen mag einst ReligiMn gewesen sein, die
durch das Aufkommen einer neuen zurfl( kgedrringt wurde. <iie aber im Vulke in
, Alter Frische fortlebte und sieb teilweise mit der neuen Religion vennischte.
' Üb« den Verkehr der alten XordlÜmler mit dem Westen veigl. WorsaKC,
£Ue Dän^n unii ,\'tfrdmtfmur in Engtand, Sckottiand und Irland. Dt-ut«cb voa
MdMaer. Lcipz. 1852; K. Maurer, Dit A-i-^Amn^f dfs nor-a'rgiichrn Stam-
mes ntm Chriitfnlume. z Bde. Manchen iSjj/jö; der», lüand von tfiner rrsttn
Entdffkttng bis :tiw Cntfrgangf ifr/ Fn-islonli, S. 24 ff,; Sar». Väsigl oi'er
dfH norfir Hi%t*>rie. Der! I. (j. lldg.) Christ. 1877; Strenstrup, ,V<irw<7«-
nftne, 4. Bd. Kbh. I876— 82. (Hnupiw»Tk); Mo^k, Kfiti-n und .Vitrd^ermawn
im y. und m. Jnhrhundf. Lp«. 1896; Jorgeii^vn, /V/i nordute K'rbes Grund*
i^fgrüe og /yriiiT Cdvitiing Klil), TR74 — 78; T;tranger, Hrn angrUaktüibe
Kirkrj Imtßydfltr paa dm nortte. KrisL 189O.
KAPITEL V.
DER SEELENGLAUBE DER ALTE.V GERMANEN.
Tylor, An/'tngf drr Kultur; Gloi^au. Das l'orsladium und dir Anfängt
dt-r Phstaephit. Kivl und Lcip/. 1895; Spencer, Primipia 0/ Sotiotagy. 2 Bde.
London 1876—79; Lang, .l/rfh, Jtitual and Retigiou. z Bil. i^->nA. 1884; Cuitom
und MytA. Lond. 1885; Ro'hdc. P^cfif: M. Müller. Anthrepdi>giictu fifli.
gi^n; Bastinn, Dit l't-rfiletbHngjortf dtr <Ag^$ehifdfHfn Sttlt; CaJind, Olf^r
T9tmv<r<hrung tu-t tinigfn der tndcgi-rm. I'^lttr, .iVmstcrd. 1888; dcrs. AU-
mdiTftu'r Alinentutl. Leiden 1893; H. Hildclirand, J-'-tikt-ni Tro om sitta Dtfda.
Stodth. 1874; O. Slorm, l't^rr Farftrdm Tro paa Sj/rttfandring- Ark.f.a.FiL
IX. 199 fl.; vrir .\inir«, Tterstrafm und Tierprocrtif. IfiiiülinKli 189I; A, Leb-
mitDn, fhfriro at; Troltideru 4 d. Ktih, l8')j — 96,
^ 18. Die verschiedenen Schichten übersinnlicher Vorstellun-
gen. »Die erste und her\'onagendste unter den Ursaclien, welche die Thal-
sachen der alltäglichen Erfahrung zu Mythen tunbtlden, ist der Glaube an
2y>
XI. Mythologie.
das Belebtscin der ganzen Natur, cl«;r in seiner hörhsten Fonn zur Persnm-
fikation ^jeUmfji- (Tvli>r, Anfange der Kultur I. 281). Überall erkennt der
nutUrticlie Menach in den Erecheinungcn der Natur hCiberc Wcseu, denen
gegenüber er selbst machtlos dasteht, oder die wenigstens Gewalt Olwrihn haben
ikIct Eigen sthaftL-n an den Taji legen, die er selbst nii-ht besitzt. Er kann sich
diese Wesen nicht anders vorslellcn als Wesen mit Gestalt, die er selbst kennt, als
Tiere oder als Menschen. So entstanden die mythischen Gebilde der Dämonen
Ob der Ohnmacht, die er diesem Geschöpfe der Phantasie gegenüber einsieht,
fühlt er siLh j^ezwungen, durch Spemle, Speise und Trank, wie er es sellist lieht,
den Dilmon sich geneigt «tu machen oder ihn zu versi""hnen, ihn um seinen
Bei-siand, .sein \V\>hlwiillen zu bitten. So entstehen Opfer und Gebet, der
erste Kult, der ebenso alt ist wie das älteste mythische Gebilde. Xebon der
Natur wirken aber auch die Erfahrungen Jm Leben auf den natürlichen
Menschen und veranlassen ihn zu mythischem Uenken. Es ist eine anerkannte
Thatsache, dass alle Völker in der Kindheit ihrer Entwicklung an ein Fort-
leben der Seele in der Natur glauben. Der Tod mag es in erster Linie g^
wesen .sein, der zu solchem mvtliischen Denken angeregt hat. Der Über-
lebende fühlte, da.ss etwa.s aus dem tuten KOrper gewichen war, was in ihm
noch fortlebte, was er aber auch in der Natur, die ihn umgab, in den Ele-
menten wiederzufinden (ilaubie. Schon frühzeitig muss er die Seele, das Leben.
mit der bewegten Luft, dem Winde, in Zusammenhang gebracht haben:
beides erkannte er, und doch konnte er es nicht sehen. Die Seele konnte
wieder menschliche Gestalt annehmen, eine Gestalt, die dem Lebenden bald
sichtbar, bald unsiclitbar war. So brachte er Seele und Lelien in iler Natur
in engsten Zusammenhang: erstcre schien ilun in den Elementen fortzuleben,
sie hauste in der Erde und der Luft, in den Bergen, in Gewösscm und Wäldern.
Allein nicht nur im Tode vcrliess die Seele den Kr.r|]er, sondern auch im
Schlafe, und ging dann wandelnd bald in dieser, bald in jener Geseilt umher.
Der Traum, in dem der Mitmensch bald als Feind, bald als Freund erschien,
musste den Men.s*:hen in .seiner Auffassung bestJirken. So entstand denn der
Seelenglaube, so entstand der natürliche Drang, den Abgeschiedenen am Essen
und Trinken teilnehmen zu lassen, der Toienkult. Das grosse Kapitel des
Vf >Ik*^']aubens hat zum grossen Teile in diesem VnrsteHungsk reise seine Wurzel.
Man hat Seelenglauben und Diiinfiuenglauben in i;in gewisses zeitliches Vcr-
h.'iltnis zu einander gebracht, indem man jenen für das altere, diesen für das
spätere ;msah (E H. Meyer}. Allein das liLsst sich nicht beweisen; «-ir
babcn nur mit der Thatsachc zu rcdiuen, dass beide Schichten der mythischen
Vorstellungen bei den Germanen vorhandwi waren. Dazu kann man «ift gar
nicht entscheitlen, tib das mythische Gebilde aus lietn Seeleiiglaubeii oder dem
Damunenglauben her\-nrgegangen ist; beide gehen nur zu oft ineinander über.
Nur aus priiktischon Gründr-n wird hier der Seelenglaube zuerst behandelt,
d. h. die mythischen Vorstellungen unserer Vorfahren, bei denen sich noch
ein innerer Zusaninnenhang zuisrhen der Seele des Menschen und dem
mythischen Gebilde erweisen liisst. Pers<.]nifikaü(>neu der Naturgewalten und
Naturerscheinungen gehören zu den Dilmonen.
Neben dem Glauben an Seek-n und Dämonen haben aber auch die Germanen
einen Glauben an höhere Gottheiten besessen, vor allem haben sie einen milch-
tigcn Himmelsgott verehii. Es mögen in einzelnen Gegenden Dflmoner durch
Verehrung und Kult zu höheren persönlichen Golthrilcn gewachsen .sciii,
die dann über ein gr<^sseres Gebiet herrschten, als der Kreis in sich sfhliesst,
aus dem sie hervorgegangen sind, nirgends aber finden sicli DOinunen des
Himmel-s der Sonne, der müttcriiclicn Erde. Die Erliabenheil des Himmels
I
Seelekoladbe ükd Totenkult.
25«
tin<I der S'innc hat den dCTikencIen Meiischeii schon früh an ein mächtiges
Wesen glauLH.-ii lassen, tlas auf seine Ge^hicke einwirkt, das über den Ge-
walten der Natur steht, und das deshalb hestintlere Verrhning vertlient. Es
kann nicht neleugiicl werden, dass tliesc Vorstellung SLlum einen höheren
Grad menst-hli<-her Einsiehl vt-rhngt und deshaUt in der Geschichte des
Ghiubens janj;er als Seelen- und Diimonenglaube ist, allein dies kommt fOr
die deutsche r>Iaul>en^e»chiclitc wcnijicr in Betracht; hier gilt die Thal-
sache, dass die Germanen aus ihrer Heimat die Verehrung eines persön-
lich gedachten G<.)ttcä des Himmels mitbrachten. Als Herr über die ver-
schiedenen Erscheinungen in der Natur führte er verschiedene Beinamen,
aus denen sich besondere Gollheitcii entwickelten, die sich wieder teilweise
mit den Dämonen berühnen. An diese Gottheiten hat sich dann haupt-
SÄchlifh der gemeinsame Kult im Gauverbande geknüpft, sie sind besondere
die Wurzeln der Religion und der rdigiOscn Dichtung.
§ IQ. Nach den Fuinchungen Tylors, Spencers u. a. darf als eniiesen
angesehen werden, dass fast alle Vnlker den Glauben an ein Furtleben der
Seele haben. Auch die alten Germanen haben ihn gehabt, und zwar wurzelt
er bei ihnen so fest, dass er sich trou aller Kulluranstümie bis heute er-
halten hat; in Sitte und Rcciit, in Brauch und Aberglauben finden wir noch.
bei allen gennanischcn Stämmen die Spuren dieses uralten Glaubens.
In jedem Menschen lebte neben tlcm Körper n<A:h ein zweites Ich. das
den Körper verlassen kannte, das sich im Tode von ihm trennte, das per-
sönlich gedacht wurde und infolge dessen auch wieder eine dem Menschen
bekannte Gestalt annehmen konnte. Am klarsten drückt dies Verhältnis
ztftischen Körper und Seele der Noru-^^er durch seine /t'^g/a d. b. Folgerin
aus. Die Seele ist die Begleiterin des Menschen auf seinem Lebenswege.
Nach dem Tode kehrt sie in die ewig belebte Natur zurück. Hier setzt
s.ie ihr irdisches Leben fort oder kommt in die grossen Scharen der Geister,
ja kann sogar wieder geboren werden. Im Winde merkt man ilir Fortleben:
dieser besteht aus dem Scelenhcere, das meist aus Bergen kommt und in die
Berge zurückkehrt. .-Vllein niclil jode Seele wird unmittelbar nach ihrem
Tode in die gros.se Schar der Geisler aufgenf»mnien, manche irrt unstet um-
her und sucht sich immer wieder mit ihrem Ki"'qier in Veriiindung zu setzen.
Sie ers».lieinl u\ ihrer vollen Persönlichkeit den Lebende» als Wiedergünger
(Gespenst) namentlich in der Nahi- des Orte-s wo ilir Körper l>eerdigt liegt, imd
sucht ihnen zu schaden, Daher ist es heilige Pflicht, alles zu ihun. was der Seele
ihre Ruhe geben kann. Oft nimmt sie Tiergestalt an, woraus sich die vielen
Tierprozessc des Mittelalters erklaren, denn Tierprozesse sind Gespejister-
I)n>zesse (v. .\mira, Mitleil. ^les IttstiL f. östr. GeschiclilsfunM.lmng XH. .549).
Als pereönliches Wesen hat atier auch die Stiele nach <lem Tode mensch-
liche Bedürfnisse: sie verlangt Speise und Trank und erhalt beiites von den
Cbcricbcnden, sie nimmt Teil an dem Lcicheuschmause, der ihr zu Ehren
gehalten winl. sie erhalt Opfer auf Bergen, in Flüssen, an Quellen, ini Walde,
kurz ülterall, wo die Geisterscharen zu verweilen scheinen. Das Ist uralte Auf-
faiv.<nmg unserer Vorfahren, die wir in den alten Quellen auf Schritt und
Tritt verfolgen können.
Eine der ältesten Sitten aller germanischen Stämme ist es, dein Toten in
Minen Hl^rt daüjenige mitzugeben, was ihm im I^ben teuer und wert ge-
wesen ist. was er hier zu seinein Leben gebraucht hat. Jahrtausende Ober
die schriftlichen Quelk-n gcnnanischer Sitte hinaus gehen die Funde, die aus
der Erde ausgegnben sind, die Mummen, aber ireucsten i^eugen der Sitte und
dm mit ihr verknüpften Gbubens. Schon aus der Steinzeit findet man
252
XI. M^TMOLoarE.
Wiiffen, Handwerksreuge. Schmvicksachen in den Gräbern (Monlclius, Die
Kultur Schwedens in vorchrisltichcr Zell S. 34, Wursaae, Vorgeschichte des
Nofflens S. 38 ff.; S. MOlltr, Vor Oldtid S. 1.^2 ff.; E. Cartailhac, L'fige de
pierre dans les souvenii's et supemitions pupulaircs); die folgenden Zeitalter
.setzen die alte Sitte fort; Trinkhiimer. Würfel, Glasbechcr 11. s. w, treten zu
den frisieren GegcnstSnricn , und :ils der nurdische Wiking als Scekönig
den Ozean auf seinen Barken durehfurclite, da bedmfte t-r des Sehiffes aucli
■noch nach dem Tode. Die Funde von Tune und Gi-kstatl in Norwegen,
wo sicli in niärhtigcn, über zwanzig Meter langen Schiffen neben dem mit
fOrsiliclier Pracht umgebenen Häuptlinge Sklavcngebcine, Pferde-, Himde-,
Falkenskelette erhallen haben {Munteüas a. a. O, 173 ff.; Worsaae a. a. Ü.
S. 58 ff., 73 ff.; 121 ff.; S. Müller a. a. O. S. 3i3ff.; H. Petersen. Aarb. 1890,
S. 209 ff.; Neergard, ebd. i8q2 S. 321 ff.; H. Hildehrand, Fi.lkenfi Tro om
sina Döda S. 52 ff.. 107 ff.; Moniclias. Sveiuska Fornrainnesfür. Tidskr. VL
S. 149 ff.), sprechen für die F-chtheit der spateren Quellen, die gleiches
berichten (vgl. Knlund, Aarboger für nord. Oldkynd. 1870 S. 3^9 ff.; Friizner,
Nf-rsk hisL Tidskr. IV'. 20(1 ff., Th'imscn, Ursprung des russ. Staates S. 32 ff.).
Und solch alte Sitte hat si* h bis zur G^^nwart erhalten. Nuch in diesem
Jalirhunderle legi miui in Scliwi-<len den Toten Tabak-spfeifen. Handmesser,
ja seilst die gcföllte Branntwein flasche in den Sarg {Weinhnld, Altnnrd. Leben
S. .(03). Wie im skandinavischen Norden, sn hl es auch in Deutschland.
Die Graberfunde bestätigen auch hier die Thalsache, tiass man dem Toten in
das Grab gab. was er wahrend de.*; l^liens gebraucht bntie (I.inden^chmir. H.ind-
buch der deutschen AUerliuuikunde, an \ ielen Slellen ; Weinlmkl, Die heid-
nische Tulcnbeslattung in Deutschland. Sitzungsbcr. der Wiener Akademie
der Wiss. 1858. 117 ff. bcs, 20.1. 1859, 171 ff. bes. 208). Auch hier hat
sich bis heute allüberall noch die Sitte erhalten; sie lüssi sich durch die
Jahrhunderte verfolgen, sie ist gewandelt mit der Kultur des Volkes und bat
deren tiewand angezog<*n, bis man endlich so weil gekomnum i-«, dem Toten
Kegenschinn und Gummischuhe mit ins Grab zu geben (Krvhler, Volksbrauch
u. s. w. im Voigtland, S. ^i). Ein Unterschied zwischen dem Brennaller
•und dem Högelaltcr lüsst sich bei die^ser ,Sitte nirgends wahniehnien (Wein-
hold, Toienbcstallung 1858. 202 ff.). In nichts anderem kann diese fesl-
gew-urzelte Sitte ihren Unspning haben als in ilem Glauhttu, dass nach dera Tode
das zweite Ich des Menschen n<»ch fortlebe und zwar ein Leben, das ähnlich
dem Leben im Kilrper ist: die Seele wird als iiersCinliches Wesen gedactit.
Hieraus erklärt sich weiter die weitverbreitete Sitle, da^s man sofort nat'h
eingetretenem Tode Fenster und Tbüren Tiffnen muss, damit die Seele hinaus-
fliegen könne. Man siQrzt Ti'ipfe. Bänke und Stühle um. das« sie ja nicht
hangen oder sitzen bleibe (Wuttkc, .Mierglaube § 725). Sie kann auch mit-
nelunen, was itir beliebt. Deshalb pflegt man in ganz Mittet- und Nord-
deutschland den Tieren, den Bäumen des Gartens, dem Gelreide in ScJieune
und auf Biiden den Tixl des Hausherrn oft unter feierlichen Ceremoiüen
anzuzeigen und die Gegenstände zu bitten, cbss sie zu dem neuen Hern»
halten möchten (Wutike § 727). Da die SceU- l'rrsönlicbkrii hat, so kann
sie natürlich auch wieder geruft-n werden, .sie kann ers^'b einen. Toten-
beschwfirung ist über ganz Deutschland verbreitet» Geisterbanncr finden sich
übeiall (Wuttke § 773 ff,). In Deutschland können wir den Brauch aus.
alter Zeit nicht l>elcgen, in den altnordL^cben Quellen dagegen findet er sieh
oft: I Jrtirjn beschwön dieV(;>b'«. damit sie ihm die Traume Baldrs deule(Baldrs
Drauuiar 3), Freyja weckt die V^lva Hyndla. um mit ihr nach Valh^H zu reiten
(H^^iidlulj. i] u. a. Der Mangel an alteren deutschen Quellen bcrecht^
SEEt-ENGLAUBE ÜXD ToTENKULT.
^53
^
W
nicht, gleiche Auffassung für eine frühere i^eil auch in Deutschland in Ab-
rede zu .stellen. Der Tote k.inn natOrtich auch dann sprechen und handeln.
So cikJart CS sich, dasü iinn bisweilen sogar ücr Pruzess gcniucht wurde
(v. Amira, Tierstrafen; K. Maurer, SitzutigKbrr. d. MOiicJiener Akad. der
Wiss. iSiy). I ff.). Speise verlangt er. wie jtxler lebende Mensch. Die noch
heute üblichen Lcichenschmausc, an denen uusii hthar auch der Tute Teil
nimmt (Wullke S 740. 747). waren uns unverstandlich, fflhrtcn nicht alte
Quellen zu dem, was heute vergessen ist. Wiederum haben die Graber*
hmde, in Deutarhland wie in Skandinavien, gezeigt, dass man dem Toten
Speise und Trank mit ins Gral» gab, dass man auf seinem Hilgcl Steine mit
Vertiefungen anbrichtc, in die man aller Wahrscheinlidikeit nach Spenden
goss. die für den Tüten bestimmt waren ; es sin<l dies die sogenannten
Opfei^cine ^Ruchholz, Deutscher Glaube und Braucli I, 303 ff.; Munleliu»
a. a. O. S. 35). Nordische Quellen leiten von diesem Brauch zum Ver-
ständnis der neueren Sitte hinilber: sie erzählen uns, uie noch in christ^
lieber Zeit tlie Toten bei ihrem Lcichcrwchmaiise {erfi^i il. i. erbbier) er-
schienen seien und an dir-sem Teil genommen hatten (Gudn'inarhv, ft,
vcrgl. dazu Ed. AM. II, 957***, Evrbygjya S. loo). Auch bei den Sachsen
wurde das Totenopfer, das ^sacriiegium ad stpulchra moriuorum*- (Indic
superst. Nr. i), verhüten, und üurchard von Worms eifert noch um das Jahr
1000 gegen dfc »obiattones, ifiiae in quibiisiinm lixts ad se/michrn moriuomm
iSu/i/- ^^iy^h. lll, 407. vgl. auch Wt-inhold. Totenhe^kittung 1858. S. 204).
Das Mahl wurde von Harn aus der Seele des Verstorbenen gebracliL Je
zahlreicher aber nach altgermanischcr Sitte ein Mahl be.sucht war, umsomehr
Ehre brachte es dem, dem es galt. Islandische Quellen erzilhlen uns von
Leichcnschmüuscn, an denen 1000, ja gegen 1500 Mann Teil ntilmicn
(Laxd. cap. 27), und in der Oberpfalz hcisst es noch heute: »je mehr lieim
Leichenschmaus getrunken wird, desto besser, denn es fci>mmt dem Toten
zu Gute« (Bavaria II, 324). Bringt der Überlebende die Spende dan Tuten
nicht, so rächt sich dieser. Nur von dieser Annahme aus erklart sich die
Bestimmung der ags. Bussordnungen über die Kömerspende »pru saluie
vivtn/ium ei domus* (Wasscrschlcbeti S. 17,1).
Wahrend iler Leib noch im Hause liegt, weilt aucli die Seele in der Nahe
desselben. Man ^icht ^ie nicht, aber man fühlt ilire Nähe; sie offenbart
skji auch tletn Menschen und laüst in allerlei Anzeigen die Zukunft er-
kennen (Wuttke, § liß ff.). Auch gegen solchen Glauben streitet schon
Burchaid von Worms (Myth. III, 408). überhaupt besitzt die vom Körper
getrennte Seele weissagende Kraft, und zwar hat sie diese sowohl nach dem
Tode als auch im Traume (Strackerjan, Aberglaube und Sagen aus Oldenburg
n, I ly, Henzen, Ober die Traume im Altnordischen 5g f., Fritaier, Norsk hisL
Tidsskr. IV, 172 ff.). Die alten Kirchengesel ze eifern dagegen, Geister und
Gespenster zu fragen. Diese Befr^gimg lasst sich bei allen Nalurvütkern beob-
achten (Tylor. Anfange der Kullurl. 43(>. II, 2T, u. "ift., Ri.hde, Psyche 313 f-, 348).
Nicht alle jwlocli »rheiacn die Stinuue der Toten zu vernehmen; Sunntags-
kinder sind es besonders in der Volkssagc. Durch Lieder scheint man die
gefluhene Seele haben zwingen können, die Zukunft zu offenbaren. Wenig-
stens vermag ich il:is dadsisas des Ind. super^t. (»de sacrilegio super deftuiclos
id est datisistis Nr. 2) nicht andere zu erklaren. Offenbar decken .sich diese
Lieder ruit den carmimbta dtabolieis t/tti snpnt moriuum nodumis horis caif
tantur (Burchard von Worms, Myth. III, 405). Das Wort dadsisas oder
mwä (Graff. Alid. Spr. VI, 281) ist noch nicht genügend aufgeklart: waren
ei einfache Totcnklagclieder. Lcichengesangc (Schade, Ahd. Wortb. II, 768.
^54
XI. Mythologie.
Gramm. II, 183), vielleicht ähnlich dem altnord. erfikvaäi oder der erfidrdpa,
so wäre es unverständlich, weshalb die christliche Kirche so gegen diese Lieder
geeifert hailtr. wt-shalb sie farmtmi liiaboiica genannt, weshalb sie zu nächt-
licher Weile gesungen worden wären. Vielmehr scheinen es Liwicr gewesen
zu sein, wie die heUirüna, hcUiritn (Graft. Ahd. Spr. II, 525) oder die dohot-
{dol)ttwa. durch die man die Seele nfttigte, dem Freunde Glück und dem
Feinde Schaden zu bringen, uder Lieder, durch die man die Seele zwang,
die Zukunft zu offenbaren (vgl, dazu Henning, Die deutschen Runcndenk-
maler S. 77. — K«:%e]. Gesch. der deutschen Literatur I. 50 ff., versteht
darunter Zaubcrlicder, durch die man den Geist des Verstorbenen *-c%-
bannte, eine Anschauung, die sicli nicht mit <lem Seclcnghiub«) der Ger-
manen vereinen lässt). In letzterem Falle hatten wir in den varäfaMur der
Nordländer, den Geisterlockliedem, mit deren Mülfe die Volven die seelischen
Geister zur Offenbarung der Zukunft riefen, ein ganz analoges Beispiel
(Maurer, Bekehrung I, .545 ff.).
§ 20. Hat die Seele den Körper verlassen, so wird sie bald körperlos gedacht,
bald aber — und zwar in den meisten Fällen — nimmt sie einen neuen Köqjer
an oder kehn zeitweise in den veriassenen Körper zurück. In jenem Falle gelangt
sie zu den Scharen der Geister, die unsichtbar die Luft durchziehen oder die
als Flammen auf den Gräbern weilen und die Menschen in die Irre führen, in
diesem erscheint sie als Gespenst, als W'iedergänger, als Malire, Trudc, Alp,
Hexe, Bilnis, Walk\Tc und in mancherlei anderen Gestalten, oder auch als Zwerg,
Wicht, Elfe und bildete in diesen Wesen den Übergang zu den Dämonen.
Die Seele verlüsst den Küqjer als Hauch, aU Atemzug. Atem ist sprach-
Kch »Seele, GeLtts. Dann schwebt sie nach dem Tode in der Luflrcgion
umher, behalt jedoth ihre individuelle ExLslenz noch bei. Anfänglich hak sie
sich in der Nahe dt-s toten Kur^iers auf, sie begleitet ihn selbst zu Grabe
(Knopp, Sagen aus Hintcrjiommpm 165). Man verschlicsst deshalb die "thttrcn
und Fenster, dass sie nicht in das Zimmer zurflckkchre. in dem der Tote
liegt. Daher muss man den tuten Körper so schnell als nVVglich unter die
Erde bringen. Nur seilen blieb bei unseren Vorfahren derselbe wahrend der
Nacht im Hause lAVeinhi-ld. Atütord. Leben 476}. Weit verbreitet ist auch
die Sitte, sowohl im Norden als in Deutschland. — und dort sdion aus alter
Zeit belegt — , dass marr bei dem Tode böswilliger oder Obt?l beleumun-
deter Menschen im Hause an der der Hauithüre entgegengesetzten Seite
ein Stück Mauci niwlcrlegt, wo man die Leiche hindurchzieht, und
dann dies schnell wieder zumauert, damit die Seele-, falls sie zurückkehre,
keinen Ei]iguny ins Haus finde. Wird so die Seele als ein den Körper
überlebendes Wesen gedacht, so ist sie doch durchaus nicht ewig. Die
alten Nordlander liaben eine reiche Anzahl Erzählungen von Spukgeistern
Venslorhcner. die den Nachbarn ihrer inÜ.-icben Hcim.'^tatte Unglück zu-
fügten. Dem Geiste wird in fast allen Fallen das Handwerk nur dadurch
gelegt, dass man den Leichnam des Verstorbenen, der sich in der Regel
noch unversehi-t erliaUcn hat, ausgrabt und ihm das Haupt abschlagt und
verbretmt (Maurer. Bekelirung II, 85 ff.). Denn der K<.ipf ist der Sitz der
Seele, woraus sich die Sitte erklart, dass man den Kopf eines Tuten auf-
hob, um von ihm die Zukunft zu erfuhren. Wie tief dieser Glaube an
das Fortleben der Seele Murzeit, zeigen die altschM'odisclien Satzungen,
nach denen die Selbstmörder verbrannt werden masslen. damit sie nicht
nach dem Tode anderes, ehrliches Volk plagten (Hylttn-Cavallius, Warend
och Wirdame I, -l.^O f- 47-)- Und gleiches hat man auch mit den Körpern
der Spukgeistcr in Deutsdilaud gcthaa (Practorius, Weltbeschreibung S. 277 ff,).
Seki^englaubs und Totknkclt.
255
I
Wie hH fast allen VftlVem findet sich auch bei den germanischen der
engste Ztu>ainmcnhang^ zwischen Seele und Wind. Was Ucgl auch näher, als
die als Atem deii Kfiqwr verlassenden Seelen sich als Wind \'orzusteHen ?
Über das gesamte germanische Gebiet sind die Sagen vom watenden Heere
oder der wilden Jagd verbreitet (Myth. 11, 705 ff. ; F. Liebreclit. I-a Chasse
auvagc-, in Gervasius v. Tilburi- 17,^ ff.; Schwanz, Der heutige Vnlksslaube).
Oft tritt ein Führer oder eine Fübrerin der Sdiar auf; dann hat sich der
alte Seclei^laube mit dem Dflmoncn- oder Grttterglaul>en \'crbundcn. Wohl
hat der alte Mythus mit der Zeit andere Gestalt angennmmen, namentlich
hat das Chri^lcntum die Seelen zu Seelen uiigctaufter Kinder gemacht, aber
aus allem bllrkl nocU (]<-r alle Kern durch, lüs ins 12. Jahrb. hinauf lILsal
sidi das wütende Heer zurQck verfolgen (Myth. II, 76b), und wie klar noch
damals die Vorstellung war, dass dieses Heer eben ein Geisterheer sei,
2eigt die Stelle aus dem Gedichte von Heinrich dem Löwen: i/a gi'am
*r under daz tvödtn her, da die bösen ffeii/er ir wottun^ hatt (Massmann,
JJenkm. S. 133». Weiter berichtet Agricila in seinen Sprichwörtern it>67),
wie das wütende Heer durch das M*insfdder l,and gefahren sei und wie
man in ihm erst jüngst verstorbene Merxschen wahrgenommen hatte. Prae-
rius erzahlt uns, «ie sich um das Grab eines Toten tagelang ein Wirbelwind
toben habe (Wchbeschr. ^77). Bekannt ist ja die schöne Sage von dem
[JnH mit dem Thrtlnenk rüglein, das sich nach seinem Tode ebenfalls in der
Schar der durcli die Luft .sausenden Geister befand (Witzel, Sagen aus
Thilriiigen I, 220). tTberall auf Srhritt und Tritt lAsst sich dieser «igste
Zusammen hatig zwischen Wind und Seele verfolgen. Und %ie im Süden, so
auch im germanist^-hen Norden. Beim Sturme z. B. fährt nach non\*cgischem
Volksglauben rnnh heute die Aasf^aardsrem oder Joiaskreid durch die Luft,
«ine Schar gestorbener Mens« ht-n, die w.ihrend des Lebens Trunkenbolde, Rauf-
bolde. Betrüger. Verleumder u. dergl. gewesen sind (Favc. Norske F'.ilkesiign 6^.
Munch, Anruil. f. nurd. Oldk. 184b. S. 312 ff.). Schon zeitig müssen in dem
Vorstellungskreise unserer Vorfahren diese Scharen mit dem Tolengolle oder der
Tolcngöttin, mit einem Winddamon in Verbindung gebracht sein, der dann die
Führung Über diese imsteien Seelen (ibemahm, und unter solcher Führung finden
sie sich in der Volkssage ungleich öfterer. Von Haus aus bt der Führer schwer-
lich da gewesen. Findet sich doch neben dem geführten Heere in allen
gennanischen Landern noch bis heute das ftlhrerl<:ise Heer (E, H. Meyer,
Germ. Mythol. S. 230 ff.). Da ist nicht der alte Führer vergessen, da ist
auch nicht dem Geisterhecre ein Führer aufzuzwingen; wir haben in
diesen MyÜien vielmehr Überreste einer uralten Schicht des Seelcnglaubcns,
die im Vnlke stets neben der Auffa.ssung von dem angeführten Seelen-
heere einhergegangen ist. In diesen Kreis von Mythen gehören auch die Sagen
von den Schlachten, die in der Luft, namentlich über Schlachtfeldern, stattfinden
O^ractorius. >Ä'cItbeschreibung i()D ff,; Schunwert, Sagen aus der Uberpfalz II,
i43ff.; Meier, Sagen aus S^hwabi-n I. 1 2.^ u. 0,). Die Sagen mögen jimg sein, sie
rai"igen an eine hisii irische ThaL-^ache anknüpfen, allein der Vorstcltangskreis, aus
<lem sie hervorgegangen sind, ist ein unilter: es ist die Vorstellung von dem
Fortleben und Forthandeln der dem Kvirper entwichenen Seele. Aber auch
in der Form sind diese Sagen selten alt. In der WUaugerzeit fand einst ein
Kampf zwischen einem in Irland sesshafttn Nonnannenkönige Hygni (Hagen)
und einem anderen Nomiannenbaupiling, Hedin (HclcJ) statt, weil dieser
jenem seine T'>chter Hilde entführt hatte. Auf einer der Orkneye Häcy (vergl.
Munch, Anoal. IÖ52, S. bl) S"ll er nach der Snorra Edda (AM. I, 434),
deren Verfasser der Ragnarsdräpa drs Skaklen Bragi (SnE. I, 436 ff.) folgte,
256
XI. Mythologie.
und na<ii einem shetlflndischen Volksliede (K. Hoffmann, Sitiimgsberichte
der kgl. bavT. Akart. der Wiss. 1867, 11, 208), auf Hithinii an der pommer-
achtn Küste nach Saxu grammaticus (ed. MüDer I, 240 ff.), auf einer Insd
der Nordsee narh der Gudrun (Avent. VUI rvsp. XVHl stattgefunden liaben.
Die norwegische Quelle, die ins q. Jiüirli. liinaufreiclit, liat zweifellus den
richtigen Ort bewahrt. Der Kampf mu-ss einer der bedeutendsten der
Wikingerkampfe gewcsrn sdn. An dic-scn knüpfte sirh der Mythus, dass
Hilde jede Nacht die T-iten erwecke und &,iss diese hier bis zum Untergänge der
Götter fortkJlmpfen müssten. Das ist nichts anderes, als der alte Myüius vom
Kampfe der Seelen Gefallener, wir wir ihn in Deutachland finden», im nor-
dischen Gewände an einer bciwmderen Statte lokalisiert und auf historische
Personen übertragen (vergl. Mül[c-r. MylhoIi.»gie der Heldensage 210 ff.).
Nicht weniger und nicht mehr vennag idi an tliescm Stoffe als Mythus anzu-
erkennen. Auch die euiheijar der nordischen Dichtung, die vorzüglichsten
aller Kampfer, wie audi Thor als «Vi/r» bezeichnet wird (Lokas. bo), die Men-
sclien. die nach dem Tode nach Valhyll kämmen und dort taglich zum Kampfe
ausziehe-n und abends zu h-ohem Gelage zurQrkkehren (Vafpr. 40 ff, (jrinin. 18,
-3- 3^- 5'' SnE. I, 84), sind die fortlebenden Seelen Gefallener; es sind
dichterische Gestalten der nordischen I'oesic, zu denen der Volksglaube die
Veranlassung gegeben hat: sie sind in Verbindung mit Odin gebracht als
dem Wind-, Tuten- und Sdiladitengotte ; die Zeit der Wikingerzüge hat der
achlichten Volksphantasic eine höhere Form gegeben.
% 2\. Lebten Sil die Seelen nach dem Tode im Wind und Sturme fort,
indem sie die Beschäftigung dieses Lebens fortsetzten, so massie auch für sie
ein Ort <ler Ruhe dn sein, an dem sie ausruhten, wift jeder Lebende, an dem
sie airh den Freuden ruliiger Geselligkeit hingaben, an dem sie waren, wenn
in der Natur Windslille herrschte. \\'ir finden sie auch hier wieder Überall
in der Natur. Die in allen germanisclien Landern bis ins Heideniura hinauf
überlieferten Berichte über den Quellen-, Fluss-, Baum-, Bergkult waren uns
uti verstund lieh, wenn wir nicht die mythische Belcbiuig dieser Dinge an-
nahmen. Da.»is aber diese mythischen Geschöpfe die Seelen Verstorbener
sind, künnen wir wiederum auf Schritt und Tritt verfolgen. Aus den Bergen
scheint der Wind zu koimnen, unter dem Wasser scheint er die Wellen
in Bewegung zu setzen, im Walde scheint er durch das Rauschen der
Blatter sein Dasein kund zu geben. Hier weilen daher überall die Seelen,
hier ruhen sie aas, hier bringt rmin ihnen Opfer und Spenden. Ganz be-
-sonders verbreitet ist das Verv-eUen des Wmdes, also auch der Seelen, la
Bergen, und zwar findet sich diese Auffassung Überall, wo wir Berge finden
(Tvior, Anfange d. Kult 11, <>i). In DeuLscliland müssen wir freilich, wenn
wir von dem Kult absehen, den Berichten der VolUs-sage vertrauen, die sich
aber bis ins Mittelalter hinein verfolgen lassen (Mannhardt, Garn. Mythen.
264 f.). Die Venus- und HoHenbcrge sind ca besonders, in <lenen die Seelen.
unter dem Regimente der Tutengöttin hausen. Hierher werden die Mercsclien
gdockt und kehren nicht wieder. So gehßrt hierher die Sage von der Lurlet,
dem Elbenfelsen (Hildebrand, Z. f. d. L'nterr. V, 435; Hertz, Sitzungsber.
der Münchciier Akad. der Wls-scnsch. 1886. I, 217 ff.), femer die weit ver-
breitete Sage vom lockender Spielmann {Henne Am Rhyn, Die d<!Uische
Volkssage S. 91), die auch im Rattenfänger von Hameln zum Ausdruck
kommt (Jostcs, Der Rattenfänger von Hameln, ist der mjthischen Seite
dieser Sage nicht gerecht geworden). Ungleich klarer erzählen nordische
Sagen Mytlien von Geistern, die äidi in Bergen auflialtcn und hierher
Lebende zu sich rufen und holen. Von Flosi erzählt die Njäla (S. 6Q8ff.)»
b
Seelbnolaubb und Totenkult.
«57
er habe getrSumt, wie ein Mann aus einem Berge herausgekommen
wäre «nd all seine Leute Reruftn hatte; dann sei er wieder in den Berg
venscliwunden. Bald darauf starben Flosis [xute. Nach der Eyrbyggja-
Mga ^S. 7) glaubt Ivirulfr, dass er und all seine Nachkumnien in den Berg
Helgafell nat.h dem Tode falircn werden. Auch sonst erfahren wir, dass
ganze Gestlile« htcr in einen Berg eingehen, oder dass sich einzelne schon
zu Lebzeiten den Hügel wfihlen, wo sie cin.st weiter hausen wollen (Maurer,
Bckchnmg II, S9. I, c^|). In einen Ucrg geht z. Ü. nach der Ynglingasaga König
Svegdir ein, um zu Odin zu gelängen (Heiniskr. S. 12 f.). Von besonderer
Bedeutung ist die Er7.Alilung von der .steinreichen Aufl (Landn/ima Isl. S, I,
in), da sie einen Schluss auf alldeuisthen Kult gestattet Hier hcisst es,
däsa die rhrisiliche Autlr auf dem Kreuzesberg (Kruswh/tl.tr) Christum ange-
betet hatte und <iass sie hier begraben liege. Ihre Nathliomnien aber ver-
fielen ins Heidentum zurück. Glcicliwolil haben sie den Berg, in dem die Autfr
ruhte, für heilig gehalten, haben hier eine Upfcrstätte errichtet und sind in
dem Glauben gewesen, dass alle Angehörigen der Aud einst nach dem Tode
in diesen Berg gelangen würden. Der ganze Ziwaramenhang zeigt, dass hier
nur eine (Jpfen>u'Utc pemdnt seiii kann, die füi die DaliingescliJedene er-
richtet war. Mit Hülfe dieser und mancher anderen ühiilichen Stelle (Kevser,
Nonlm. Rel. 108) verstehen wir die Uestimnumg des Indiculus superstilionum
»*Är Am, ^ttdf /fia'urtt sufira pe/ms', d. h. Tntenopfer. die Versttjrbcnen auf
Felsen gebracht werden.
V'un dieser Auffassung unserer V't»rfa]iren aus erklären sich auch am ein-
fachsten die Welenorts bekannten Sagen von bergentrückten Kaisern imd
anderen Ueblingen des Vtdkcs. Am bckaimtesten ist ja die Kjffhauser-
nagc vcm Friedrich II., den si>atcre Berichte zu Friedrich Barbarossa gemacht
haben (vgl G. Voigt, in Syhcls HUt. Zsch, XXVI, j ji ff.; Fulda. Die Ki/f-
hausersage; R. Sihrfjder, Die deutsche Kaisersage; F. Kampers. Die deut-
sche Kaiscridec in Pr^>phctie und Sage), eine Sage, die sich bereits 142O in
der Chronik des Ötadtpfarren; Kngelhiisius \nn Einbeck findet. Wie hier
der Kaiser Friedrich schlafend mit seinen Helden im Berge weilt, su Iiausen
in anderen Gegenden andere: denjelbe Fritdrieh ruht in einer Felsenh'">hlc
bd Kaiserslautem, in Westfalen beim Dorfc Mehnen im Hllgel Bahlionie
WfJtkifid, in Geroldscck Sie^ricd, im Sudcmcrbcige bei Gusslar Ifeinrich
da VogeUttlUr. im Unterherg bei Salzburg Kati V. oder Karl lier Grosse,
m England KOnig Ar/m. in Nordschleswig bei MOigellOnder und bei
Knpenluigen unter dem Fels von Kronborg Hotger Danske (vgl. Myth. II,
7*14 ff.j, in Schweden Obf (Landsmälen Bili. I. 178). In anderen Sagen
jiind es Frauen, die im Berge sich befmden. in noch anderen wird sclilechi-
erz.1hlt, das.« es nur bewaffnete Scharen ft-Jlren, die im Berge weilten,
in CS wird ausdrücklich liinzugefflgt dass es animae 'miiilum infetfcfiorum
(Chnm. Ursberg, a. 1223. Mun. Germ. VIII. 2t>\\ seien. M;in pflegt diese
Sagen von dem brrgenlrücklen Kaiser, namentlich \<^T\ Friedrich, als ver-
bk^sLen Volksglauben ;ilter Wodan smythen aufzufassen (vgl. E. H. Mei.'eT,
Mylhol S. 241 ff.), uaid da alles d(«:h nicht so recht zu dein nordischen
Odin passen will, so giebl man ihm noch Frau Holle und Donar zur Gesell-
•diaft rnit in den Berg. Nichts hat unsere Mythohigie mehr in Misskredit
gebracht, als fK>lchc Kombination. Der schlichte Volksglauben an ein Fnrt-
leb»'H der Se«!e in dem Berge ist auch hier der mythische Kern gewesen,
nnd lUcser Volksglaube ward an diese oder jene historische oder sagenhafte
Gestalt, die der Liebling des Volkes gewesen war, geknüpft Das ist ein
Glaube, den wir fast bei nüen Völkern finden (Oldenbcrg, Die Religion de»
UcrmanlKhe HhilDluglr. III. •£■ AuO, 17
Venia S. 24 J. 2*i^: Rhode. Psydie io4ff.i. und wir dQrfcn bei ihm iiiclu an
keltischen Einfluss denken. Die Seele knniiie iiarh der Cbi-rlieterung der Viltcr
nidit für immer aus dt-r Welt tjfscliwuiidcn sein, und su lies niun sie in einem
Berge fortleben, der sJcli in dirr Näht befand, und den der Vulksglaube als Auf-
cnlhalt!<slfitle der Verstorbenen kannle. Demi alle diese Sagen stammen aus den
Gt^genden, wo sie lokalisiert sind, obgleich die liistori-srhe Gestalt meist gar keine
iiaJiere Bezielumg zu dem Orte gehabt hat. Und wie knnnie sich die Volks-
phantasic eici«,'n Kaist-r. zunial einen kriegerischen, anders denken, als um-
geben aufh nach dem Totii- von den Scharen, die er im Leben zum Siege
gefülirl hatte und die für ihn gefallen waren.^ Aai demselben, echt germa-
nischen Vf>Ik.sgtauben ist aber auch die nordische Vorstellung wm Valh9ll,
dem Aufeiithalisort der Kiirhcrjcr hervorgegangen. Das ganze Kapitel
darüber ist nichts an^lcn-s als ein Stück Dichtung aus der Wikingerzpit. ent-
standen in Anlelinung an diesen alten Volksglauben luid geformt durch das
Leben in der Wikingerzcil. Da aber Udinn der Gott der Toten und der Schlacht
war, so wurde mit ihm Valliyll und ihre Bewohner in engsten Zusammen-
hang gebracht Valhyll selbst war aber von Haus aus nichts anderes, worauf
bei Cläin zurückzukommen ist, als der Totenhc-rg. wie noch büi heute sich
in Scliwedcn llt-rge mit Namen Valhall linden (Kietz, Svciu>kt Dialeküex. ySQ).
§ 22. Aber nicht nur in Bergen, sondern audi In Gewässern, Teichen,
Ramnen, Wolken hausen die Seelen (Mannhardt, Germ. Myth. 95. 271 f.;
Bastian, Die Verbleibungsorie der abgeschiedener Seele). Auch hier sind sie
b.'Jd allein, b;ild in Verbindung mit einem Führer, namentlich mit Frau Holle.
Von Iflztcrein müssen wir sie zunächst wieder lustrennen, da er in d;is Ka-
pitel der chUu>nisclien Gottlieilen gehört. Die Gewässer als Aufenthaltsort
der Sielen spielen namentlich in den Volkssagen und dem Volksglauben,
der sich an die Geburt des Menschen knflpft, eine bedeutende Ri>He. Wie
die Seele als zweites Ich nicht nach lieni T'i.Hie aus der Well schwindet,
sondern in der Natur fortlebt, nft uuiss sie natürlich auch da sein, Iievor sie
zum Mensihen kommt. Die Seelen können also als Kinder »iedergeboren
werdt^n. Wir müssen uns in Deutschlund auch hier M'icdurum ausschliesslich
auf die Volkssage verlassen. Beim Tnde gewahrten uns die Ausgrabungen
Aufschluss, über die Sitte bei der Geburl sind sie stumm, und die Bestimmungen
der Heidenbekchrcr eifern nicht gegen irgend welche heidj»L.«iche Sitte, Auch
hierin lüften die nordischen Quellen wenigstens etwas den .Schleier. Der
Aufzeichner der Helgilieder berichtet uns, tiass Helgi imd Svava wieder-
geboren seien (Eddalieder Bug^ S. 178), imd am Schlüsse des zweiten Liedes
von Helgi dem Hundingstilter erzahlt er dasselbe wn Helgi und Sigrün
(a. a. <,). S. 201) und fügt ausdrüi'klich hinzu, dass d:is Glaube der Menschen
im Altertum gewesen sei. dass es aber jetzt nur n«xh alter Weiber Wahn
wäre. Auch im kurzen Sigurd-sliede ist es Hygriis grüsster Wunsch, dass
Brynhild nicht wiedergeboren werde (V. 43). Die Sagas l>cstatigen diesen
Glauben: Von Olaf dem Heiligen glaubte man. er sei der wtedergeb«»rene
Ölafr Gudrydarsun (Flaib. U, 135. dazu FMS. IV. 27 ff.l; in der (}autreks-
saga erscheint Starkadr als (midumnn jqlttmi (-wicilergeburener Kiese«, Fas.
HI, jb), und noch in christlicher Zeit (1.156) glaubten die Nachbarn des
|>orgils von As, dass er der wiedergeborene Kolbeinn sei (Sturl. H, 234).
Näheres über die Wiedergeburt selbst freilidi erfahren wir aus den Quellen
nicht. Oh nun die über da-s ganze germanische Gebiet verbreitete Ammen-
rede, dass die kleinen Kinder aus Brunnen oder Teichen geholt werden
(Mannhardt, Genn. M^Ui. i^^ ff.), auf altem Glauben beruht oder erst
S[>.'Ueren Ursprungs ist. bleibe dahin gestellt. Auf keinen Fall glaube ich.
b
dass der Vcriüngunghhrunnen ck-s Mittelalters, der sn^eiiannle -Junj;l>runncn»
(M\'tli. I. 488), mit dein Scelcnglaul*eii etwas zu thun hau wie Wolf ^Bei-
ttiffi I. 167) annimmt. Dagegen erhalten andere V'olkssagen und Ausspruche
unter der Voraussetzung der Wiedergeburt der Seele ihre Erklärung. Es wird
sich Jteigen, wie die geschiedene Seele alle mCigliclien (Jestrdteu anzunehmen
vermag, wie sie der Volksglaube alter besonders geni, zumal die des Kindes,
in lief Gestalt eines Vtfgcis «Ur Insektes durch die Luft fliegend denkt.
Kun sagt man in dem Salzburgischen zu Kindern, weiui man ihnen etwas
. crcAhtt, fla^ vor ihrer Geburt geschehen Ltt: >Du hast damals noch nicht
gelebt, du bist noch mit den Miicken bemmgeflogen». l'nd in giin/ NVcst-
u»d Niederdeutsch laml ist der Glaube verbreitet, dass Schmetterlinge die
Kinder brachten ^vgl. Mannhanlt. Germ. Myth. 2^2 ff.).
S 23. Wie die Seelen ihren bestimmten Ruheort haben, so schlagen &le
auH), wenn sie duri'h die Luft fahren, einen bestimmten Weg ein. Auch
in Bezug auf die Zeit sind die Geisler an men.'tclilii.hc Satzungen gebunden.
Sie erscheinen bt-si>nders nur wahrend d^er Nacht, und wenn es in der Natur
am trulMen und rauhsten Lst, im \N''inter. bescmders in den zwölf Kachten,
da ist ihre Festzeit, die Zeit ihrer grössten Macht (Fritzner, Nnrsk Hist.
Tidiskr. IV. jii f.), Wiederum wurzelt in diesen uralten und sicher ur-
gurmanischcn Vorstellungen ein grosser Teil Qnscres Volks- uiut .\bcrglaubcns.
Zu ilen <.>rteii, wo in;in die Scharen der Seelen am sicherstiMi treffen kann,
gehören tlie Kreuzwege. Sic spielen im heutigen VolLsglaulien eine nicht
tmbcdrutendc Rolle. An ihnen treiben die Geister ihr Spiel, über sie vf>r allem
mu»s man zu konmicn suchen, wenn das wütende Heer herannaht, da man
Ät.inat mitgenommen wird, über Kreuzwege lassen sich Geister tragen und
werfen daim ktingendcs Gold als Lohn zu, hier zündet man ihnen zu Ehren
lichter an. An ihnen kann man aucii mit den Geistern verkehren: da waltet
der Zauber, da offenbart der Verstorbene die Zukunft (Wultkc, AbergL
$ loß u. ö.). Schon der heilige Eiigius (Myth. III, 401) und Burchard von
Worms (ebd. 407) eifern gegen die Verehrung an den »bivia» und >lrivia<.
Dasselbe geschieht in ags. Homilie des Älfric »de falsis «libic, wo zugleich
erwähnt wird, dass dem Mercurius die Opfer an den Kreuzwegen gebracht
wurdoi wOrea (Caspari. Marl, von ßraearas, De correct. rusiic. S. CXtX).
Auffallend ist, dass die Gesetze und nordischen Quellen meines Wissens
nichts vün der Verehrung Übcruatürl icher Madac au Kreiuwegen erwähnen.
Andererseits haben Musteqi red igten den Eiferern gegen das Heidentum zu-
gmnde gelegen, die im alten römischen Reiche ihren Ursprung haben, und
im römischen Glauben ist die göttliche Verehrung an Kreuzwegen anerkannte
Thatsache. Auch die nordische V^jlksüberliefeniog weiss nur wenig von der
Heiligkeit der Kreuzwege (isl. Krossgötitr. Äniason, Ul. I'jöds I, 135. 436;
dan. h'onvri Thiele, Den danskc Ahnman overir. Meningcr S. 181). F^s ist
daher die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass .»»ich dieser Aberglauben und
die Verehmni» der Toten an Kreuzwegen in Deutschland, so tief er jetzt
auch im Volksglauben wurzelt, unter römischem Einftius entwickelt habe, wie
ja auch Diana, Venus und andere römische Gestalten in den Volksglauben
eingedrungen sind. Gleichwohl muss hervorgehoben werden, dass die Kreuz-
wege bei den ^erscliiedeiisten Völkern der Erde in ähnlicher Weise wie in
germanischen Ijlndem eine Rolle spielen, dass sie vor allem selu- li5ufig auch
im altiudischen Volksglauben vorkommen (Oldeuberg, Die Religion des Veda
S. 267 U 44-Z« 495 u. äfL), imd dass daher der Aberglaube, der sich an die
W^e knüpft, recht gut urgermanisch sein kann.
Die Zell, wann die seelischen Geister ihr Wesen treiben, ist meist die
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Nacht. Aus Erzütilungen, Spuk- und Gespeiistergeschicliten erfjUircn «ir,
dass ihre Macht zu Ende ist, sobald der Tag graut »xlcr sobald die Kirchen-
glocke ein Uhr schlügt. Daher heisscn sie an. mvrtriättr, kt^JJri^r. Nur
wahrend der Nacht treiben sich die mythischen Gestalten des SeeJcnjrlaubens,
wie Mahri% Alp, Hexe u. dgl., umher und geben sieh srhim iladurrh als
seelisrhe Wesen zu erkennen. V(.n den vielen nitrhtüchen Erscheinungen,
die die nordische Literatur und Volkssage kennt, ^ei nur hingeft-ip-sen auf
das Erscheinen von Helgi dem Hundingslöter (Eddal. Bugge 198 ff.), der
bei iinclitliclier Weile der SijKrün auf seinem Grabhügel erscheint und sie
bittet, nicht mehr um ilm zu klagen, unti auf die Erzählung der Hervarar-
saga, nadi der Her\'(?r wüiirend der Nacht zum Grabhügel ilirer Verwandten
nach Samscy geht. Der Hügel «"ffnetc sich und in Flammen gest alt ruhten
die Seelen der Verstorbenen auf ihm. .\ngantyr spricht mit ihr und spendet
ihr tlas treffliche Schwert Tirrfing, dasü man ilira iiLs Grab mitgegeben hatte
(Hervarars. Aasg. von Bugge 2 1 1 ff.).
Die Jahreszeit, zu der das grosse Eest der seelischen Geister stattfimlel, war
bei unseren Vorfahren die Zeit, wo die Tage am kürzesten, die NSchte am
längsten und die Strtmie am häufigsten %\r\A. Das ist die Zelt der Zwevlf-
nachle, wie wir sie unter kirchlichem Einflu-sse zu nennen pflegen (Tille,
Weilmachten S. 3). Es ist nicht unwesentlich, dass das kirchliche Ämdfxajj/i/ooi'
zur Zwölftnacht geworden ist, denn sclioti hierin scheint ein Hinweis zu
liegen, <lass (his nächtliche Treiben im iMiltelj)unkle jener Zeit steht. In
anderen Gegenden heissen die Tage Rauhnächte, Losstage {Wein-
hold, WeilmacJitsspiele S. 11). Sie falten spater, je weiter wir nach Nor-
den ki-pmmen. Schon in dieser Thatsache liegt, dass dne alte, vom Volke
heilig gehaltene Zeit nur einen fremden Namen erhallen hat: in Bayern
gehen sie vom St. Thomastag bis Neujahr, in Strichen Norddeutschlands
falleji sie erst nach Neujahr, sonst in DcuLschland fa.st durchweg von Weih-
nachten bis zum Dreikönigstage iWuttke, Abei^l. (J 74), in SkandinaWen
feierte mau diese heiligen Tage, das Julfest, erst Mitte Januar, bei Beginn
de,*; Monats I*rirri (M«urer, Bekehr. IL 2,^4)- Wir «etK^n schon aiw den ver-
schiedenen Zeilen, zu denen in den einzelnen germanischen Landern da*i
Fest gefeiert wurde, dass die Natur der Gegend die Zeit der Feier bccinflusst
haben muss. Das ist die Zeit, wo die seelischen Geister ihr grosses Fest
feiern. Da fahrt die wilde Jagd, das wütende Heer besonders durch die
Lüfte, bald allein, bald geführt von chthoni.-wheJi Gottheiten (Mannhardt,
Götterweh der deutschen und nord. Völker S. 140 ff.. Fritzner, Bist. Tidsskr. IV,
211 f.). Wo letztere sich entwickelt hatten, treten die Scharen mein zurück:
die Feste werden zu Ehren der Götter gefeiert Aber gleichwohl kßnnen
wir noch aus unzähligen Spuren erkennen, dass sie ursprünglich den Geistern
galten, und man hat auch diese nicht vcrgcs.sen, als Gfitterkuil im Stelle des
Seelenkultes getreten war. Nordische Quellen erziiWen uns, wie L'nholde
das gTiÄse Julfest feiern (Maurer, Bek. H, ^35}. Andere berichten von disu-
und aifablöl, Disen- und Elfenopfern, die mn dieselbe Zeit stattfanden (\*gl.
namentl. Heimskr. S. 308): zwischen Elfen und Disen einerseits und den Seelen
andererseits besteht aber der engste Zasammenhang; jene sind eben Seelen Ver-
storbener, Noch heute halt in Norwegen die Aa.«gaarilsreia zur Julzeit ihr Trink-
gelage (Faye, Norske Folkes. 63) wie es auf Island die /dfar thun fjön Ama-
son, Isl. tjs. \. 106 — 25). Opfer geben nur unter der V(»raQsseizung Sinn,
dass derjenige der Speisen teilhaft werde, dem das Opfer gilt In imsercm Volks-
glauben sind im allgemeinen die Opfer vergessen; gewisse Gerichte, die man
in jenen Tagen isst, scheinen nur noch schwach daran zu erinnern. Auch
far die Verstorbenen, denen man zuweilen besondere Tische deckte, sollten
<Jie Speisen sein. Ob unsere Christgabcn damit in trgcnduclclicm Zusummca-
hange stehen, ist zum mindciiten fraglich. GleJchwnhl mOsseu einmal auch
m Deuts«:hland Opfer bestünden haben, und ich sehe im Hinblick auf die
nuniisclie Sitte keinen Grund ein. die Bestimmungen gegen Brot- und Speisen-
xpende, die Anfang Januar stattgefunden haben snll, ausschliesslich auf römi-
schem Gebiet zu verweisen, wenn auch der Tag selbst in der römischen Feier
festwurzeln mag (v^. die Pseudoaug. tiorailia de sacrileg. § 17: Quicumqut
in (tiietidiis jiinunritii mtnsas panibm t.l aUis (ybis ornat etc. und dazu die
AnniL-rL von Ca^pari S. 33). Nudi heute ist überall diese Zeit eine heilige.
Die wüde Jagd, das wütende Heer allein ist es. d.is zu jener Zeit die Herr-
schaft hat. Oft tritt der Führer In den Hintergrund, wo er aber Im Volks-
glauben auftritt, da erscheint er nirgends als ein gCttlichus Wesen, das ein
neues Jahr heraufführt, sondeni als chthonische und W'indg« itlheit. Durch
nichts la^t es sich weder aas alten Quellen nuch au^ dem Vulk^laubcn
erweisen, dass diese festliche Zeit der Wjecterkehr derSomie, dem verjüngten
Hinunds- und Sonnenjjutte gegrölten liube. Von unserer Auffassung der zwölf
Nflchtc aus wird uns auch der Zauber und die Weissagung, die in dieser Zeit mehr
<Je»n siiiuit in Blüte steht, versuindlicb. Trflume, in diesen Tagen getrfiumt,
gehen in Erfüllung; au>i allerlei Dingen glaubt man zukünftige Dinge ablesen
zu können : je gewaltiger der Sturm saust, desto fruchtbarer wird das Jahr,
gedeiht in dieser Zeil das Vieh, so gedeiht es auch femer; was in diesen
Tagen gelnircu wird, erhalt die Gabe, die Geister zu sehen und mit ihnen
zu verkehren (Wutike, Abergl. §74 ff.). Sehern hei dem Tode konnte man
die Beobachtimg machen, dass die geschiedene Seele in die Zukunft zu
schauen vermag, und das« sie unter Umständen diese den Menschen mitteilt
Hier, zur Z«ut des grossen Seelenfestcs, sehen wir den Gedanken verallge-
meinert, und aus ihm heraus erklärt sich die Heiligkeit jener Tage. Aber
die seelia<.'hcn Geisler körmen nicht nur Gutes bringen, sie können auch
BAses zufügen, denn es gibt sowohl gute als auch böse GeLster, und deshalb
sucht man vor allem den Gartc*ii und Stall vor ihnen zu sctürmen. An die
Stalltliüren macht man Kreuze, um dadurch die Geister von den Tieren fem
zu halten. Hiemilt mag auch die ü]>er ganz DeuLschland verbreitete Sitte
in Verbindung stehen, die Stämme in jener Zeit mit Stroliseilen zu umbindeti,
damit sie reiche Frucht tragen (Jahn. Die deutschen Opfergebrauche 214 ff.),
und manches andere.
§ 24. Bestand bei unseren Vorfahren der Glaube, dass die Seele ein
zvettes Ich sei, das den Körper mit dem Tode vcrlElsst und als selbständiges
Wesen fortlebt, su war nur ein geringer Schritt zftisdicn dieser Voretellimg
und der Auffassung, dass die Seele auch im Schlafe den Menschen verlassen
könne. Schlaf und Ti>l sind einander so ahultch, dass sich ein natür-
liclies Volk den Zustand des einen nicht anders als den des andern denken
kann. Und im Schlafe erfährt der Mensch mehr denn sonst die £.xistenz
der persönlichen Seele: er sielit im Tmume, wie längst Vcr>chicdene zu ihm
kommen, wie Personen, die weit von seinem Aufentlialtsorte weilen, mit ihm
\-eri(chren, er hört von ilineti Dinge, die erst eintreten sollen. Es kommt
ihm sti natürlich vor, — scheint es uiw doch zuweilen noch unklar zu sein,
ob wir etwas wirklich erlebt oder nur geträumt haben — , er kann es nicht
ftmlrrs fassen, als dass sich etwas Wirkliches zugetnigen habe, und da der
Köq>er der Traumgestall nicht zugegen ist und war, so muss es ihre
Seiele gewesen sein, die mit dem Träumenden verkehrte. Ist aber dies Ober-
xeugung und Glaube, so ist der nächste notwendige Schritt, dass auch der
262
XI. Mythologie.
Körper wflhrend der Nacht, flberliaupt im Schlafe, zuweilen wie tot daliegt:
dann hut ihn seine Scctc vcrlüäscti, sie geht wandelnd unibcr. geht zu Tanz
unil Freuden, <|ua]t ihre Mitmen.srhcn, stiftet Sfhaden an, vermag auch zu-
weilen die Zukunft zu offenbaren. Das Ist ein Glaube, den fast alle Naturv-ülker
hüben (Tvl'ir, Auf. d. CiiU. I, 4j,iff.t. Auch unseren Vorfahren ist er durchaus
eigen gewesen; er haftet uns hi.i zur Gegenwart an. und wie tief er im Volke
wurzelt, das lehrt das grussc Kapitel der HexenvcrfulguLgeii, die uns nur
otiter der Voraussetzung die-tes allen Glaul>ens verständlich werden.
Unser TTrrtum* und ahd. jplroc, as, ^i'itvfj. a!tn. draugr »das Gespenst«
hangen sprachlicli auf das engste zusammen (vgl. Oslhoff PBB VIIT, 276;
Henzen, Cbi-r die Tnlumc i ff.): der Traum scheint die Thaiigkeil des draug
oder die FJihigkeit, mit anderen Seelen im Schlafe zu vcrkeliren, auszudrücken.
Wer diese Fähigkeit nicht besass, hiess nach an. Quellen dmumstoU {nX^x Fä-
higkeit zu träumen beraubt- j, und !M>]ches galt als Krankheit (Fms. VI. 199).
Eine wie bedeutende Rnlle die Traunierscheinung im nordischen Volksglauben,
aus dem sie die literarischen Quellen geschr*pfT haben, gespielt bat, ist von
Henzen gezeigt w.rdeti (a. a. 0.1 Und wie hier, so Ifbst sich auch im
deutschen Vnlksglauben das Wandeln der Seele Dherall verfolgen. Bei den
einzelrten seelit-chen Erscheinungen wird davon zu sprechen sein. Besonders
hSufig wird erzählt, dass es der Geliebte otler die Liebste ist, die zu nacht-
licher Stunde den Ki*jqxT verlflsst und den Geliebten aufsucht (Praetorius,
W"eltbesrh. lo; N'-irdd. S. 420 u. 5ft.V Im Zusammi^dtaiig damit stelu der
weit verbreitete Aberglaube, dass in gewissen Nüchien und bei gewissen
Handlungen die Madrhcn ihren künftigen Liebsten sehen kennen (Wuttke,
Abergl. § ^%i ff.). Wie sinnlich aber im V.ilksglanhen die Auffassung von
der Waiulerung der Seele währentl des Schlafes war, zeigt die Erzählung, die uns
Praetorius in tler W'eltbeschreibung (S. 40) aus der Saalfelder Gegend in
Thüringen bcriditet. Darnach soll sich einst l«'im ÖbstsrhiUen eine Magd
schlafen gelegt haben. Da sahen die anderen MSgde ein rotes Mauslein aus
ihrem Munde kriechen, das zum Fenster hinaus eilte. FJne andere vorwitzige
Magd habe dann <lie .Schlafende genommen und verkehrt gelegt. Nach kurzer
Zeit koninil ilas Müuslein zurück und will wieder in den Mund der Magd
fahren, .\llcin es fintlet die Öffnung nictit, irrt eine Zeit lang umher und
verschwindet dann wieder. Die Magd al^>er ist von dieser Zeil an »mausetot«
gewesen und nie wieder lebendig geworden. Ähnliche Sagen sind über die
ganze germanische Welt verbreitet und lassen sich bis in die frühste Zeit
deutscher Gesi hithte zu rück \' erfolgen. Ausser Mlluscn sind es besonders
.Schlangen und Witytel, die dem Munde des Schlafenden entschlüpfen (s*gt.
E. H. Meyer, (ierm. Mylh. S. 65 f. Grimm DS. Nr. 461).
Aber aucli sonst besitzen gewisse Menschen die Kraft, dass ihre Seele
den Kftrpcr verlassen und andere Gestalt annehmen kann, hamfar »Gestalten-
fahrt« nannten die alten Islander eine solche Aiuifahri der .Seele und kamhln'fm
das mensi-hliche Wesen, das diese ausführen konnte (Eddalieder Ausg. Rugge
S. 172; Hcimskr. Ausg Unger 151, 25 ff. Fas. 1. 102 f. IIL 504 ff. Eyrbyggja
S. 18 f. vgl. Nyrop, Navnels Magt S. 51 ff.; Fritzner, Hist. Tidsskr. (nnrsk) IV.
166. 168). Interessant ist in dieser Beziehung die Erzählung von Kf'nig Hertnids
Gcmaltlin in der Thiitrekssaga, die in Drachengestalt mit ihren» Geislerheere
gegen König Isung kämpft (ca]i. 352 — 55). Der Sagaschreiber erwithiu hier
ausdrücklich, dass er nach deutschen Liedeni dieses erzfihle. Wie fest dieser ,
Glaube im Volke wurzelt, zeigt die ThaUiaihe, dass die Volksgesctze Be-
stimmungen gegen diese Seelenwantlerung haben: sie wird nach diesen streng
bestraft, wenn sie aus eignem Antriebe der betreffenden Person vor sich gc-
gu^n ist, dagegen milder, wenn eine hfiliere Macht es erheischt liat (vgl.
FMizner a. a. O. S. 174; v. Amira. Tierstrafen S. i ff.; K. Afaurer, Sitzung
bcr. d. Motu h. Akademie iBqfi. I. i ff.).
^ 2^. Die verschiedenen Gestalten allen Scelrnglaubens. Wah-
rend ciie vurhetKehenden Ahschnilte den Glauben an ein Fortleben der Seele
im allgemeinen begründen sollten, wird das Fulgende zeigen, wie die furt-
}ende Seele ausser in den Elemenicn den Lebenden erscheinen kfmnte.
itDmlich ist vur allem der aus dem Körper gewit-ht-Ticn Seele die
Prr>teusnaiiir: sie vermag alle mriglidien Gestalten, besonders Tiergc-stalicn, an-
zunehmen. Treten d;ibi-i t-inzelnc Persimen hervor, so hat der Volksglaube
den wesentlirhen Charakterzug der betreffenden Person auf die Gattung des
Tieres einwirken lassen, in dessen Gestalt die Seele erscheint. Die Eigen-
schaften des Mensrhen tMid des Tieres waren das leriiuin comparationis:
Kinderseelen erscheinen bcv.>nck'rs häufig in der Gestalt vi -n Vögeln, Jungfrauen
in der von Schwänen, listige M.'lnner als Füchse, grausame als Wc«lfc u. dgL
Es kann ans dem Volksglauben eine vollständige Seelenfauna zusammengestellt
wenlen, aus dem deutschen sowohl wie aus dem skandinavi.schen: die Seelen
erscheinen als Fliegen. Bienen, als Scliraetterlinge, als Vftgel jeder Art (M^-th.
II, itqoif.). Geizhalse luid Missethfiter erhallen die Gestalt schwarzer oder
feuriger Hunde, schnaubender Pferde, Stiere, Kr«^Ien u. dgl. Untreue Weiber
zeigen sich als Eulen f^vgt. Wiittke § 755). Auch in Gestalt von Kalbern,
Kühen, Schafen, LTimmeni, Hirschen, Hasen, Kaninchen zeigt sich die forl-
lebende Seele (Mannhardt, Germ. Mvth. 490 f.)'. Auf dem Gebiete der all-
.nordischen l*ri>saliicratur hat Henzcn die reiche Fauna seelischer Tiergestallen
^Xiuammengestelll (Die Traume u. s. w. S. 38). Auch hier kam die Seele
Gestalten annehmen vnm Vogel bis zum Löwen. Wolf und EisbSren. Charak-
teristisch ist die schöne Stelle aus den christlichen Solarijöd. wo die Seelen
in der Hölle mit versengten Vögeln verglichen werden (V. 53; sviitnir fuglar
— tr tälir väm fluf^u — svä margir tem wr). Der heutige Volksglaube des
Nordens gleiiht wiederum dem deutschen bis ins kleinste: auth hier h;iben wir
die ganze nordische Fauna (Hytten-CavalÜus, \VHrend I, 4^1 ff. Tliiclc, Daii-
marks Felkes. 11, 294 ff. Faye, Nor^ke Folke-Sagn 72 ff.). Eine liewmdcrc
Ri>lle spielt hier der Nachtrabe, das KSuzchen (schwed. naltramm, Hytten-
Cav. I. 4<)7, d.ln, »atravn. Thiele II. 2<)'ji\ nach sihwedischer Sage die
Seele eines ausgesetzten Kindes. Das ist alter Glaube, der fast allen Völkern
e^en, den wir bei den Wilden ebensti finden, wie bei den allen Griechen
und Römern (vgl. Tylur. Anfange der Kultur 11. 8 ff.; Hildebrand, Folkens
Tto S. I36f.; Koscher, Kynamhmpie des Marcelhis von Side S. laff.t.
Wir sehen hieraus wieder einmal, wie lange sich alter Volksglaube er-
hidten hau Vielltidit gelingt es noch, diesen Vorstellungskreis auih auf
deutschem Gebiete bis ins .Aliemim hinOberzufllhren, Gervasius vmii Tilbury
(lib. HI. S 73} überliefert von den Störchen einen Volksglauben, na<h tk-m
hie Menschen sind, die sich nur bei uns als Vögel zeigen. Dass damii unser
altes Ammenmarrhen, der Ston:h bringe die Kinder, zusammenhangt', ist
itrhwcTli<'h anzunehmen, wenn auch dieses sicher im Seelenglaubcn seine
Wurzel hat Der Storch am Weiher, wie auf Rügen der Schwan an dem See
' Soweit goiQgcnde ZoHitntncnMeliungcn dieiWT nivthiMfafn Vomrlhui£«kreEse vorliandfa
nikL bc|;iifi|[e ich mich, auf dinc zu vcrwriscn. Dir ncuer«n Summlungea lubtn di« Hr-
bbrun^D nur durch neue ik-ispick ^'cstüUU Dieser Abriu der >[>'ibologic würde zu txht
uiacltwrlim. «.ullic k'b Ktcu dir rabJ reichen Bcicgr aut den Sanunlunges scibitt bringen.
Docb b»b«" i(h Ä\f Bcircp i;r[)rfift und krinrn nuf^cncinmen. der nicht aus gcntiktiiscbcm
Hunde htMnmt, k> »chwer r« ntKb luwdlen ist. diei feaunutcilen.
264
XI. MYTHOI.X>aiE.
(Arndt, Schriften III, 547), dem Aufenthaltsrirtc der Seelen, holt die junge
Seele nach dem Volksglauben aus dem Wasser, wena er sich söne Nahrung
holt, und flic:g:t dann mit ihr weil über die Lande.
Ein weiterer Kreis abergläubischer Anschauungen liat im Glauben an das
ForUel>en der Seele in Tiergestalt schic Wurzel. Schon der heilige Eligius ( Myth,
III. 40^), die Vater des Trierscheii Ktmzils im Anfang des 14. Jahrhs. (Friedbeq^.
Aus deutschen Üussböchem 104) und manche andere Kirchen versammjungen
eifern gegen den heidnischen Unfug, auf den Vogelgcäang oder auf die Tiere
zu achten, tlie einem beim Verlassen des Hauses oder bei Beginn eines
Werkes zuerst zu Gesicht udcr Ohren kommen. Alles Eifern hat di&scn
Glauben nicht auszurotten vermocht. Wenn ein Hase, eine Kat/e, ein
Schwein beim Ausgehen Über den Weg Jaufl, .so bedeutet das Unglück; eine
weisse Genue bedeutet fingar den Tod. Der Wolf, Fuchs, Adler dagegea
bringt GlQck. Älmlicher Glaube findet sich bei fast allen Völkern der Eide
(Andree, Ethnograi)hische Parallelen und Vergleiche S. i ff.). Was das oft
Uli sihein bare Tier auf diis Geschick des Menschen für Einfluss haben soll, bl
nicht recht ereichtlich, dagegen wird uns derClaube verstJindlich, wenn wir wissen,
dass es niiht das Tier ist, das dem Menschen liegcgnet, sondern die Sede
eines Verstorbenen, die in Tiergeälalt cinhcrwanddt und die Glück und
Unglück bringen kann. Natürlich ist im lieutigen Abergkmben der Xiisammen-
hang zwischen Tier und Seele vergessen, nur das Resultat di»selbiii hat sich
erhalten und von Geschlecht zu Gcscliiccht fortgepflaJizt. Noch klarer tritt
der alle Se(-!englaube in dem Vulksglauben zu Tage, dass maji aus den
Tonen der Tiere die Zukuidt erkennen könne. Eine fütere Stufe dieses
Glaubens lasst die Tiere, namentlich die Vögel, .sprechen und die Zukimft
offenbaren. Im Müxchen liat sich der Zug noch erhalten. In den nordischen
E^ldaliederii ist er trefflich poetisch verwcrtei wurden: den Atli nimhi ein
Vogel aufmerksam auf die schtinc .Sigrlinn {Helg. Hj. i i'f.), Helj^is tWs Hun-
dingltJlerb Ruhm haben Adler geweissagt (Helg. Hb. 1), Vügel warnen
Sigurd vor den Nachstellungen Regins {Fäfm. ^2 ff.}. Die Seele, die den
K'/irper verlassen hat, vermag in die Zukimft zu schauen. Weissagung und
Zauber an der Leiche, Weissagung und Zauber während der Fest- und
Freudentage der Seele entsprangen aus diesem Glauben. Der nächste Schritt
des Volksglaubens ist dann, dass die Seele auch die Zukunft (offenbaren kann,
wenn .sie andere Gc-stalt angeJKimmcn liaL Die Sprache ist heute im Volksglauben
vergessen, aber das Bellen des Hundes, das Wiehern di-s Ro!wes, der Schrei
der Katze, das Kröchzcn der Eule» das Krllhen des Hahnes, das Zirpen der
Grille und manches andere (Wutike S 26S ff.), das ist die Sprache der Tiere,
durch sie prophezeit die dem Metischen entwichene Seele die Zukunft mich
heute. Diese Tiere zu Tieren dieser oder jener Gottheit zu machen, damit
kommen wir nicht mehr aus, da jene Prophetie, wie die vergleichende My-
diologie lehrt, älter un<l ursprünglicher ist, als die Gottheit, der sie unsere My-
tliologen zuzuschreiben pflegen (Andree, a. a. O. S. II ff.).
§ 2(\ Aus dem alten Seeleiiglauben unserer Vorfahren Ut femer eine
Reihe mytiüscher Gebilde hervorgegangen, die im Volksmunde mannigfachen
Wandel durchgemacht Itaben, im Kenic aber eins sind. Der Verstorbene
konnte nicht nur Tiergestalt annehmen, er konnte auch in Menschengestalt
wietier erscheinen, konnte andere Menschen verlocken, ihnen Gtück oilcr
Ungiüi k bringen. Wir pflegen solche Wiedererscheinungen Verstorbener als
Gespenst zu bczelclmen, ein Wort, das .schon iüid, {frispemt) in der Bedeutung
►Veriockung, Tnigbild«. bekannt ist Es ist gebildet von dem altgerm. sftanan
«locken-. D^ls Wort mit seinem abstrakten Inhalt lOssl vermuten, dass seiu Ur*
Sprung ein relativ junger ist. Ungleich aller, ja urgcrm. scheint da-i altnonl. draugf,
as. ^itir^ii. .i^i'l. giiroc. AllIiocIuleiiLtche Glossen übersetzen damit momirnm
und porienltm (Graff I. ^lo\ das Wurt hat also eine Betleutunp, die dem alt-
nord. fimugr nahe koniniL Auch im Sanskrit ist das vcn^-andle Femininum
drük in der Bedeulunj; -weibhrhes Gesjiensl, Uiiholdin- belegt. Das Wort
ist verwandt mit unserem Traum und ßcht auf eine idg. Wuritcl drettgk'
= »schadigen« zurück (Osthoff, I'BH. VIII. 270). Der DrdUg ist also das
Unheil stiftende Wesen. Bis ins Mittelalter hat sich die Bezeichnung in
Deutschland erhalten, dann wird >\*t durch ^Gc-spcnst. Geist« verdrfingt. Auch im
skandinavischen Norden sind meist andere Bezeichnungen dafür aufgetreten:
in Dänemark hesr.nders (iiett^nger (Thiek III. 17Ö), in Schweden Gasten,
Gfngängart, Aierffit»i>are (Hylten-Cavallius II. 464 ff.), in Norwegen erMrheint
nel>cn Drang: Gj^uganger, (iasten (Fnye 72 ff.), auf Island hat man Draugar,
ApiuTgaungur, V^pi^akuin^nr (Jon Aniason I. 222 ff. V Auch diese jüngeren
Bezeichnungen lassen sich zurück hi.s ins 1,^. Jahrhundert verfolgen. In den
nordischen Worten liegt die Auffassung der Seele als wiederkehrendes Wesen
nuch ganz klar zu Tage. Die Sagen aller germanischen StUmnie entlialtcn dnc
FOlltr vtm Geister-, Gespenster- und Spuksagen, wie mati in der jüngsten Sprach»
pcriüfle die Erzahlui^en von heruiuirrenden Tuten zu nennen pflegt (vf^.
Pabüt, Ober Gespe-nster in Sage u. Dichtung, Bern 18(17; Wuttke $ 771 ff.).
Die altisländische u Lieder und Sa^as kennen sie in gleicher Fülle (vgl. z, R
Foma. S. 144; E\Tbyggja S. t/O). und aucli die ältere deuLs<-hc Dichtung ist
reich an ihnen. In der Rege) sind es Tt>te, die im Grabe keine Ruhe finden
können, weil «ic enlwedvr selbst wahrend des Lehens gefrevelt, oder weil die
Oberiebenden ihnen gegenüber nicht die dem Tuten zukommende Khre erwiesen
halH-n. Die irrenden (idstcr kimncn (kwlialh durch Sühne erli'ist werden und
finden dann Ruhe. So lange sie umherirren, stiften sie meist Schaden an.
Zunächst sind che nordischen Berichte voll von .solchen Spukgeistcrg^
schichten : man findet die Ofifer dieser brisen Geister ; wo sie liaasen. zeigt sich
'grosses Sterben; zuwcUen haben sie die Gestalt der Venttorbencn, zuweilen
die eines Tieres, auch hin und wieder die eines Riesen, fines Tnill (Maurer,
Bekehr. II. 8.s ff., vgl. auch Fas. IL 370. III. 378. Laxd. loo). Auf ähnliche
Weise erzählt Praetorius von Geistern, die wahrend der Nacht herumgegangen
waren und Menschen getutet hatten (WeJtbeschr. 276). Unsere Vnlks.sage
ist ja elwnfalls voll von soldten Geisterge-schichtcn: GreuKsteinverrocker,
Gcizhftlse, Morder. kurz Übelthäter sind es meist, die umherwandeln müssen
(Wttitkc § 753 ff-. Maurer. Isl. S. 70. Faye, Norw. Sag., 74 u. nft.). Allein
auch Verunglückte, wie überhaupt fast alle, die eines uiuiu türlichen T<xles
geslorbcD sind, ftmlen im Grabe nach atigemeinem Glauben keine Ruhe
(Wuttke § 754). Emiorilele erscheinen und klagen, ja deuten sogar auf ihren
Marder hin, werm dieser noch nicht gefunden isl. Es ist nicht umnagUcb,
dass die allgemianisthe Blutrache in diesem mythischen V'orstellungskreise
ihre Wurzel hat Verlangt diich überhaupt der Tote Verehrung in jeder
Weise, weim er Ruhe haben &••!). Selb<it albeuviel Klagen und Weinen lässt
den Tf>tcn nicht ruhen: die ThrSnen des Sigrün fallen eiskalt dem toten
Helgi auf die Brust, dass er nicht Ruhe gewinnt (Hdg. Hb. 11. 45). in der
Sage vom Thranenkrüglcin bittet das Kind die Mutter, das Weinen zu lassen
^Witzschel, Sagen aus Thüringen I. 220).
Mit den Geister- und Gespenstersagen aufs engste zusammen hängen die
Schaintagen. Geister Verstorbener sind es, die zu den Schätzen hinführexi,
die selbst Gold oder Silber den Lebenden spenden {Wuttke § 757). Aus dem
Sdiussc der Erde imd aus Bergen unrd das Silber, das Güld gcwunncn.
266
XI. Mythologie.
Hier hausen, wie sich Z'Pigte, die Geister der Verstorbenen. NatürUdi müssen
sie dann auch wissen, wo sich das Ckild in der Erde, wo sirh der Schatz
befindet. Beaundent Geizhälse finden Ruhe, wenn sie Lebende hierher führen,
zumal wenn sie ihr Gt-ld versteckt oder vergraben haben. Wenn man einen
Schatz graben will, steckt man deshalb den Geistern Brut zu (Chcinii. Rocken-
phil. 3. Hundert S. ik)). Viele von diesen Sa^c-n cmpupperi sich ja bald ab
jiinj^, und ich bin weit davon entfernt, jede aus dem lebendigen Seelen-
glauben entsprungen sein zu lassen. Die Sagen anderer Gegenden sind nur
ÄU oft die einfache Quelle jüngerer Sagen : im Grunde aber hat der ganze
Kreis seinen Urquell in der alten Auffassung, duss die Seele fortlebt, dass
sie sich in der Natur, in Hergen u. s. w. aufliiili.
Eine weitere Vorstellung unserer Verfahren war, dass sidi die Geisler ab
Flammen auf den Grabhügeln oder in ihrer Nahe aufliielten, dass sie sich
aLs Flammen in den Lüften zeigten. In der altnord. Hervarar^aga wird er-
zahlt, dass die Seelen Angantvrs und seiner Brüder allnilchtlich als Flammen
auf ihren Grobem erschienen seien (Ausg. von Bugge 2it). Als Gunniirr
von Hlidarendi gestorben war, kamen sein Sohn Hggni und Skar])ln:dinn zu
seinem Grabhfigel: sie fanden diesen offen und hier .sa>s Gunnarr, umgeben
von ■vier Flammen (Njala Cap. 78). Flammen umgeben die Grabhügel
(Egtks. 228. Guljis. 47). Noch heute zeigen sich auf Island die Gespenster
bin und wieder von Flammen umgeben: diese führen den Namen hnevareldi
(Totenfeuer) oder eldf^Urringar (Feuerhlilze. Maurer, Isl. Volkss. 57). Auch
der deutsche Volksglaube kennt die Seelen in Flammcngestalt (R. Köhler,
ZfdMyth. IV. 185, Müllcnhüff, Sagen aus Schleswig 370), gerade so wie der
skandinavische, wofür Üezeirhnungen wie schwed. väiitys (Geisterlicht) sprechen.
Meist haben Jedoch auch die Geister in dieser Funn neben dem lichtschein
die incrisL"hlichc Gestalt, «ie diese ja immer mid immer wieder diesen seelischen
Wesen aufgwlrOckt wird, [[icrin wurzeln die vielen Krschdnungcn, die die
deutsche Vulkssjige ak Fcuermaiuier. Liclittrögcr, Löchtemannckens, Irrlicliter,
Irrwische, Heerwische. Dickepoten, TOrkbolde, Brünniige (Schweiz*, Hexen-
fackeln. feurige Mannen, Wiesen hüpf er. Keisler, Zündler (Wuttke ^ "bi f.), die
dSni.'^'he als Lvgtcmmid (Lcuchteniaim), Blaasmand (Feucniiann. Molbech,.
Dansk. Dtal. 39), die schwedische als Eldgast (Kfucrgcisi), Lyktegubben
(Leuchtmaun, Hyll.-Cav. I. 466 ff.) kennt. Auch von ihnen weiss bis heute
der Volksmund zu erzählen, dass es Seelen Verstorbener sind, die den Grenz-
slein versetzt, die Geld vergraben haben, die eines gewaltsamen Todes ge-
storben sind. Nach chrisüicher Umbildung sind es besonders die Seelen un-
gctaufter Kinder (Pratorius Weltbcschr. 2fxjl. Sie erscheinen ganz feurig
oder feuerspeiend, hausen besonders in Sümpfen und auf feuchten Wiesen,
führen den Wanderer irre, springen ihm auf den Kücken wie die Mahre oder
der Alp. Mnd aber auch, zumal wenn man ihnen Geld giebl. sehr gefallig
(Wuttke a.a.O.). Bis ins i". Jahrh. hinauf lassen sich diese Cieistererschei-
nungen narliweisen, sind aber sicher alleren Ursprungs {MyUi, 11. ('02). Lichl-
erscheiiiungen über Sümpfen und Wiesen mügrii diese mythLS4-hcn Gebilde
einer natürlichen Phantasie wachgerufen haben.
^ J7. Die Druckgeisler. Im Seelenglauhu-n hat ferner eine Reihe
mythischer Erscheinungen ihren Ursprung, die zwar immer geschieden auf-
treten, in ein- und derselben Gegend nebeneinander, die aber im Kerne auf
gleiche Wurzel zurückgeliL-n. Gemeinsam ist ihnen, dass sie dem Menschen
nieUl als etwas i^stiges erscheinen, dass sie ihn w.ihrwid des .Schlafes auf-
suchen und quälen und drücken. Daher mag Druckgeisler als gemein-
samer Name für sie gerechtfertigt erscheinen. Einige ihrer Namen tauchen
Gbspehstsr. Drockgeister.
207
bei allen germanischen SULmmen auf und ze^;en sich schon dadurch als ur-
alt, als gemeingermiinisch. Praetorius z.1hlt eine ganze Reihe-, teils deut-
adicr. teils auswärtiger Njimcii dieser Druckgeistcr auf (Wellbcschr. 3 f.);
Alp, Mahn- «mUt Malirt, Tni! otlcr Tnide. Schraltele^ Schrtiul, Raizl, I>)ggele,
Walrider^ike. Kork sind die gebräuchlichsten.
Am raeJHien verbreitet und am frflhesten finden wir die Mahre. Im Volks-
munde heissi sie bald Mahtt. bald Mart, Mniit, Xnrhimahre (\^1. Wolf,
NiedcTd. Sagen 68ö ff.). Die Islander nennen sie mani. ebenso die Norweger
(Nirrilaiscn, Fra Nordlands fortiti 5), die Schwetlen (Rietz, Dialekt-Ixx. .130).
Im danischen heisst sie man oder nnttemare ^^Iolhech, Dialekt-Lex. .^54),
im holländischen »ai^meirie, im englischen uigkimare. So zeigt sich Wort
tind Begriff bei allen germanischen Stammen. Allein auch zurück lasst sich
das Wort bis tn die Zeil der ältesten Denkmäler verfolgen: im Althochd. ist
das Wort belegt (Graff II, Sio». und im Alm. findet es sich bei den ältesten
Skalden (Heimskr. 14* Kormakss. 4^*). In Nordfrankrt-ich Ist es durch die
Franken eingewandert und als caucbe-mar (von (akart »treten, pressen«) bis
Iteuie erhallen. Die Ableitung des Wortes ist dunkel. Man hat es bald zur
M^urzet mar >hindcm, hemmen« gestellt (Mhd. Wtb. II. 62), bald mit lat
mori, Ind. maruix zusammengebracht (A. Kuhn, ZfdA. V. 488 f.). Die eine
wie ilie andere Elymnlojnt: bieten .sprachliche Srhtt-icrigkcilcn. Auf alle Fälle
ist bei allen germanischen Völkern die Mahre eine Erscheinung, die einen
Sdila/enden qufllt, ja ihn sogar töten kaim. Den Tod fülirt sie aber dadurch
herbei, dass sie sicli auf den Menschen setzt, wahrend dieser schlaft, und ihn ra
Tode tri tL Die nordische Vnglingasaga {Hcimskt. 13) erzählt uns nach einer
Quelle, die ausdemq. oder 10. jalirh. stammt, dass KAnig Vanlandi von Schweden
wahrend des Schlafes von der Mara t<)i getreten worden sei ; siedrückte ihm, nach-
dem sicihm fattdie Beine zerbrochen, den Sch.1del ein. Schrecklich ist nach der
Eyrbygigja (cap. 16) Gunnluugr von einer Mahre {marUdiantii) zugerichtet
Gegen die Person, von der man die That annahm, wir<l ein langwieriger
Process geführt (Maurer. Zwei Rcliisfalle aus der Eyrbvji^a S. 3 ff.). Im
allgcmeineii erscheint die Mahre jedoch nur als QuJllgeisL Sie ist die Seele
einer noch lebtmden l'ersnn. die wahrend des S* lilafes den Körper veriasst
und weh auf den K<>rper des Mitmenschen setzt und Ihn qufllt In der Regel
ist sie weiblicher Gestalt. Oft ist es die Seele der (belichten, die ihren
liebsten im Schlafe drückt. Sie veriasst in Gestalt eines Tieres den KOrper
und wandelt als Katze, Hund, Maas, .sehr ofi auch als Stmhhabn oder
Flaumfeder wahrend der Nacht umher, Durch Ast- und ScldflsselhVher
Icommt sie in die Stuben. Sic set^t sich auf des Schlafenden Brust und
Kehle, dass er weder atmen nmh schreien kann. Verstopft man SdiKissel-
und Astl'Mii. so kann man die Mahre fange?!. Dann hat man wahrend der
Nacht in der Regel einen Strohlialm in der Hand. Mit MoiTE^en grauen muss
aber die Mahre ihre richtige Gestalt annehmen, und dann ist sie meist ein
nacktes Frauenzimmer. Auch Tiere drückt <lie Mahre; diese schwitzen und
»chnaut>en dann und sind arg zerrauft (Wuttke. § 40Jff.; Thiele. Danm.
Folkcs. IIl. ipoff. Fayc 76f.; F. Magnüsson. F.ddalarc IV, 280—87). Wie
bei anderen seelischen SVesen (Mannhardt. Germ. Mythen 344 ff.) ist ihr
Aufenthalt, ihre Heimat im Volksmunde England (Strackerjan, Sagen aus
Oldenburg I. 375 ff.)- — Der nattlrliche Hintergnmd dieses und der folgenden
mytliischen Gebilde ist einleuchtend. Schon das Mittelalter erklarte das Auf-
treten der Mahre aus den schweren Traumen, die den Mens<*hen oft infnl^
Blutstockung befallen (Gcr%asius von Tilbun,-. 3a 45) Welchen mach-
Eindruck das Alpdrflcken auf den Menschen 2urilcklas.st, weiss jeder
aus Erfahrung. Um wie viel maclitiger musste dieser bei ticm natürlichen
Menschen sein. Zweifellos hat dieser Zustand der menschlichen Seele
Mythen veranlasst. Allein fast alle Mythen hieraus zu erklären, wie es neuer-
dings I^iatner im Rätsel der Sphinx gethan hat, Ist sicher zu weit gegangen.
Die Gemeinsamkeit des nmhlschen Namens und Be)»riffes bei .'illen germa-
oischen Völkern zeigt uns, in wit hohes Alter der Ursprung der Mahre ge-
hört: .sie ist eines der wenigen mythisrhen Gebilde, die in einer urgermani-
schei) Periode sdiun vorlianden gewesen sein müssen.
§ 28. Alp, Trude, Schrat. In Mittel- und einem grossen Teile Ober*
deutschlands, weniger in Niederdeutsch land erscheint der Druckgeist unter
dem Namen Alp. >Mich drückt der Alp« isi ja allgemein bekannt: der Aus-
druck deckt sich mit dem norddeutschen: ^Mich reitet die Mahre.« AUhd.
ist das Wort als Simplex nicht belegt; mhd. a//> in. bedeutet sowohl »Ge-
spensti sclilechthin, al.'* auch den Quälgei.st insbesiindere (Mhd. Wtb. I. 24).
Sprachlich ist das Wort du.s ags. if//, y//, engl, e//, alui. a/fi; mythulogisch
jedoch ist das hd. A//' vnn diesem verschietlen. Die tj//ai; Elfen sind seelLschc
Wesen schlecblhin, besonders in Zwerggestalt. Hier steckt in dem Worte der
allgemeine Begriff, wie ersieh auch bei dem mhd. /)<(» nachweisen iJUst, und wel-
chen ahd. Namen wie Äiphart, Alperieb u. dgl. auch für das Ahd. wahrscheinlich
madieu. Dieser hat sich in einigen Gegenden Deutschlands — und zwar
spittestens im Mittelalter — verengt und den Begriff des Quälgeistes an-
gcnummen. Von den verschiedenen Etymologien, die man dem Worte ge-
geben hat, ist die ansprechendste die von Kuhn (Kuhns Zs. IV. 109) und
Curtiuä (Griech. Et)-n\. * 293; vgl. auch I^iistner, Katsel des Sphinx I. 452 ff.),
die das Wort zur skr. wurzel rabh stellen und es mit rbhü identisch sein
lassen. Der alp — alfr wSre demnach von Haus aus der iTruggcist<. Nicht
überzeugt hat mich die Zergliederung des Woiies. die Wadstctn mit ihm
vorgenommen hat {Uppsalastudier S. 152 ff.).
Besundcn* auf alcraaiuiischcm Gebiete herrscht für das drückende gespenster-
hafte Wesen der Name »Trut«, »Trudes .vOrute«. »Es hat mi die Trud
druckt«, sagt man in Österreich (Vemaleken, 268). In Tirol schritt die
»grosse Trud* im Matscher TTiale. wo sich noch jetzt am Feldenabhang der
»Drudenfass^, — d. i. das l'cntagnimma, das simst Alpfuss hei'ist und das die
Trude oder den Alp nicht ans Betl lässt (Praetorius, Wcllbeschr. 5), — be-
findet, durch die Dörfer und drückte des Nachb: in den Häusern die Leute
und quälte das Vieh im Stalle (Zlngerle, Sagen 42Ü f.). Ebenso erscheint
die Trude in Bayern (Panzer, Sagen und Gebr. I, 88, v. Le<»prechting, Vom
Lechrain 8 ff.). Daneben erscheint die Trude auch mit Kigcnschaften, die
sonst den Hexen beigelegt werden. In diesen zeigt sie höclisl wahrscheinlich
ihr un*prflngliches Wesen, aus dem .sich dann ähnlich wie der Alp in Ober-
deulschland der QuJilgeist entwickelt hat. Über die Bedeutung des Wortes
herrscht n(xh Dunkel; J. Grimm (Myth. I, 350 f. Wtb. Ü. 1453) bringt es
mit ahd. tritt ■=■ dilectLis zLisaiiinu-n, das sich in ahd. Eigennamen auf -Jrüti,
ahn. h'^tir — die Jungfrau erlialten habe. Die Kürze ties « in Trude s|>riclit
gegen diese Ableitung iWeinhold. DeuLsrhe Frauen * I. 79). Verwandt mit
dem \N'orte ist wohl gutländ. ärwh = liederliches Frauenziiiuuer (Kietz,
Svcnsk Dialekticx. y^).
Auf oberdeutschem Gebiete erscheint weiter der druckende Nachtgeist als
Schreltele (Meyer. Deutsche Sagen aus Schwab. I. 171 ff.. SchmcUer. Bayr.
W'tb. II. hio; Schlosser, Z. f. Vulksk. IV. 107 ff„ 218 ff„ 251 ff.). Daneben
kommen vor: Schrat, SdiraU. Schretzlein. Schrahcletu, Rcttcle, Ratzet. Ratzen,
Ratz. Schrat ist sicher die ursprüngliche Fi»rm, zu der Schrettele das Demi-
Alf. Truub. Schrat. Valkvrje.s.
^
L
w
nuHvtim ist. Wir hahen hier wieder ein aligermanisches Wort, das einst
viel verbreiteter war als es heute Ist. In Mitte kl eiits<:lil>uid ist es in den
letzten Jahrhunderten immer mehr zurOrk^ed rangt. — Km findet sich 8ow>hl
in Deutschland, wie in <)en anderen liermanischen I-clndem. Altn. »tim/i*
und nkralti*, was für d >pndil, bedeutet »Geist, Ge.spen.'tt<. Noch heule
hel<»t auf Island der Wassergeist ra/nssirtif/i (Maurer. Isl. Vulkss. y\). Auch
in den anderen nordischen Sprachen erscheint *sira//e*. namendich als
Zauber(;eü»t, noch heute. Wie im Xordwchen ISast sich au<h in Deutschland
das Wrtrt \m in i\iv ülteste Zeit zurilrkv erfolgen. Ahd. Glossen ^eben mit
jfTw/o »pili^sus" ftieder, den iHiliaarien Waldgeist der Vulgata (Jcs. i.^, 21),
»■as Luther mit ►Felds:eist» überseizl. Daneben erscheinen aiui. srrfi: und die
Komposita: wo/tirim/:. uuiftsirazf (Graff VI. .S77). Auch im Mlid. ist das
Wort ziemtich vcrhreilel (Mhd. Wtb. 11. 505). Die Ablcitujig des Wortes
ist rlunkel; Dii<:tners (»der Behaarte-, Nebels. 337) und Wcinholds (»der
Baumsi>aller<. Riesen S. 2'j8) Etymnlo^ien sciu'inen mir unmöglich. Vielleicht
geh/^rt d;is Wort zu non**. skraita = Llrmen, skrai/a = rasseln. Wir hatten
dann Larrageister, Geisler flberhau]Jt. Sicher ist die Be^'Jeutung »Geist, Gespenst«
auch hier die ursprün^tidie, aus der sich >Qualgeisi< bikal entwickelt hat
Im Klsass und einem Teile der Schweiz heisst der Dnickgeist -/te/ftvī,
ciri Deniinutivum zu i&^. das xum Verbum äiuha» ^= drtlcken gehört
(Laütner, Nebek 3^11. Andere Namen sind DrutkerU, Nachttnännle, iMul,
LfiZfiäp/fl, Tirrnff (frflnk.l.
§ 21). Die Valkyrjen. In etnxelneii Gebenden N»irddeulst:l:lands. na-
mentlich in Oldenburg und Friesland, helsst die Mahre »walritlerske* (Nordd.
Sag. 419. Strackerfan i. 37,5 ff., Wcstf. Sag. II. 20 f.). Der erste Teil dieses
Wtirtcs deckt sich mit dem au. tut/r = die Lcicheu, T<»ten, Wir haben
abo in der Walriderskc die Totcnrcitcrin, die Mahne, die den Mens<hen
xu Tode quillt, wie wir sie in der nnrchschen Hichtung und in vielen Volks-
sagen kennen lernen (Laistiicr, Raiscl der S|)hiiix). Sie berülirt sich liicriD
mit der altnord. valkvrja, der ags. w^ikyrie »der Totenwahlerin».
Djs gunzc allgermanische Leben fand im Leben der .abgeschiedenen seinen
Widerhall. Was hier auf Erden vor sich ging, führten die Seelen der Abge-
schiedenen nach dem Tode h>rt- Auch die Vorstellung von den Vnlk\tjen
ist eine Vermischung des allgennanischen Lebens mit dura Seelenglauben.
Weibliche Gestillten lebten nach dem Tode als weibliehe Wesen fort: iwi die
Malirc, die Trude. die Hexen; jenes sind die Seelen der Madchen und
Frauen, diese.s die der alten Frauen. Junge Trtiden werden im Alter Hexen
(Wultke g 40V- N'vm ist ps unumstösslirhe Thatsache, da.ss bei den Ger-
manen nicht selten tlic Krauen ani Kampfe teilnaluiiien. Nach Flavius Vopist.its
(Vit AareL c. 34) fotule Aureban zehn gotisclie Amazones im Triumphe
auf, »quas virili habitu pugnantcs inter Gothos ccpcruntt; Dio Cas.sius (71, 3)
erzahlt, wie man auf dem Schlachtfelde Leichen bewaffneter Frauen gefunden
hatte. Paulus Düiconiis (I, 15) spricht von Amazonen »in intimis Gemumiae
finibusi (Weinhold, Die deutschen Frauen^ L 54 ff.). In den altnordischen
Liedern und S^gur, nainentlicli in den ErzShlungen aus der nordischen
Hddensage, begegnen wir den skjahimeyjart den Schildmailchen, auf Schritt
und Tritt {Fas. IlL 762, Steenstnip, Norm. I. :q. 273. 3.SI ff. 318 f., Wor-
saae. Vorgesch. d. Nordens S. in. 72); in der Bravallasch lacht spielen sie
ane Hauptrolle (A. (Jlrik, Kildeme dl Sakscs Oldhist. I. 52 ff.); selbst
Schiffe nennt man nach ihnen (Fms. VIII, 20g}. Auch diese KiUnpfcrinncn
mtwfftf" im Volksglauben, in der Volksdiclitung unserer Vorfahren fortleben,
madeso wie die anderen Menschen. Ihre Beschäftigung war natürlich auch
■270
XI. MvTHULOniE.
nach dem Tode noch der Krieg: sie haifcn ihren Freunden, entfesselten die Ge-
bundenen, schadeten den Fciiid<:n. Natürlich cn>ehcincii auch diese- Gestalten
von Hau» aus allein; erst s[i3terc Dichtung hat .sie in Abhängigkeitsverhältnis
z« dem jüngeren Schlachten- und Siege.-^otte gebracht, wenn sie auch da-
jicbcn die Dichtung nuch unabhängig von diesem kcuut. Die Erinnerung im
<lcn natflrlichen Hintergrund zeigt sich nc)ch in den späten Atlaniiil, wo
GIauiuv<^[ dem Guniiar zuruft iV. 28):
KoHur hufjpak datier koma l nöit hingaf,
i'itri THiii liünar, suidi pik itösa.
Infolge dieses seelischen Ursprungs berühren sich die furücbeudcu Schladitct.-
Jungfrauen oft mit den Nomen, Hexen und anderen mythischen Wesen, die
im Seelenglauben ihre Wurzel haben. Wie diese reiten sie durch Luft und
Meer (/ojW o/t Jfiff Pixjsa zu Helgakv. Hj. tf; SnE. I. 249), sie exscheinen in
Schwanengestalt, wie häufig die .Mädchenseelcn (Vkv.). Agis. Glossen über-
setzen mit wkyrge, vttieyrre lat btllona, enttnys, fiana, xKtttfica. Ihr mahrcn-
haftes Wesen geht noch aus der altialandisclien Volkssage klar hervor. In der
Hardarsaga (Isl. S. II, 103 ff.) wird emahll. wie über H^rdr die Herfj^tr
d. i. Heerfesscl, ein bekannter Valkvrjcnnamc. gekommen sei; cbensfi keimt
die Sturlunga mehrere Beispiele von I le«^rfe,sseln, die den Tod des davon
Befallenen zur Folge hatten. Siels geschieht dies iin Kampfe oder auf dcx
Flucht (Maurer, ZfdMyth. H, 341 ff.). Diese Berichie zeigen auffallende
Ähnlichkeit mit dem Tode V'atilandis durch diu Mara. Ihren sceli.schcu Ur-
sprung zeigen diese Schlachtenjungfnmen auch darin. da.*is sie als Wolken-
wescn enjcheincn, denn die Wolke ist nach altgerm. Auffassung ebenfalls ein
bekannter .\ufunlhaltsurl der Seelen (Mannhardt, Gt-rm. Mj-th. 255 ff. 726.
Pfimnenschnüd. Weihwasser 99 u. (5ft.). Hieraus erkUlrt sich der Valkyijen-
name MUt d. i. Nebel. Andere Namen uie G^nduti (zu ga»Jf »der Geist«)
erhartcu ebenfalls die Thatsachc, dass sie seelische Wesen sind. In der lu--
sprüngltrhcn .\uffassung des Volksglaubens sind diese fortlebenden Schlachten-
Jungfrauen selir alt: wir finden sie in voller Thätlgkeit in dem Merseburger
Spruche als tdisi, wie auch das an. däir oft die Valkyrjen bezeichnet (Lex.
pc*t. 100). Was dies Wort ursprünglich bedeutet, ist dunkel; weder Kögels
^»fine durch Weisheit ausgezeichnete Frau* PBB. XVI. 502 f.). mx-h Jostes'
('Meerweib* Idg. Forsch. 11, H>7). noch v. Grienbcrgers («die Hin- und Her-
gehende ZfdPliil. XXVII, 441 f.) Erklärung trifft das Richtige. Sic erecheincii
in einem ags. Bicncnst^crv als sifftwi/ (Wülcker, Kl. ags. Dicht. 31 vgl. an.
signntyjar Fms, V, 24C); sigrftj6ä Eyrb. S. 114), eine Bezeichnung für die
Bienen, die uns unversUiiidÜrh wSre, wenn uns niclit gerade in .sÄchsischen
Landen die Heiligkeil der Biene als eines höheren seelischen Wesens mit
weissagender Kraft bezeugt wäre (Kuhn, Westf. S. IL Ö4 ff.). Erklärt sich
<loch hieraus auch, dass Egill die Luft aU Aufemhaitsnrt der Seelen byskeifi
■ Bienenweg« nennt (Sonalor, 18. vgf. Finnur Ji'jtisson, Egilss. Halle 18^4. S. 307).
Ein besonderer Liebling der subjektiven Phantasie sind die Valkvrjur bei den
Norwegern mid Islandern geworden. Sie erscheinen hier als schrei gerüstete
Schlachtcnjungfrauen, die durch Luft und Meer reiten. .\us dem Walde scheinen
sie zu kommen; daher nennt sie Sa.\o gramm. nym/that sihesires. Nach anderen
Quellen steigen sie aus dem Meere {Helg. Hj. 26), bringen Fruchtbarkeit
Über die Gefilde (ebd. 2Ö); Unwetter und Blitz begleiten oft üire Erschei-
nungen (Hutg. Hb. l, 15; Pntsa zu H. Hb. IL i"). Bald kommen sie in
weissen, bald in si'hwarzen Gewändern (Flh. I, 420). Wenn sie durch die
Luft reiten, schütteln sich ihre Rosse: da fallt der Tau von deren Mahnen
Iiemb und der Hagel auf hohe Walder (Helg. Hj. 28).
I
Ife.
Wie hier die Valkyrjen ganz ffir sirh ererheinen. so fast durchweg in der
nordischen PnHiaJiieratur Nach dem herrlichen ValkvrjcnUcdc der Njäla
{la\. S. III, 8qS f(. >-gt. K. Maurer. Bekehr. I, 55,^ ff.) weben sie das GeM'ebe
der Schbchl, die ^in'ofu u^tf^p/i/u (Benw. <v)8i; Blutregen träufelt Iiei ihrem
Ersclicincn aus der Luft herab, wie in der StuHung:i (II, 220), wie in der
Vig»glums<uigH (Isi. Fs. I. ii2), wo GKimr im Traume eine Schar Frauen
sieht, die einen Trug Bhit Qber das Land giesseii. Auch Saxo (I. 112) weiss
nur von den ^vt'tjiinfs siheslres'- xu entSliten, die Ober das Krie^glOik walten
und ihren F'reunden unsichtbar die gewllnschte Hülfe leisten. Nur hier und
da finden wir die Valkvrjen im Dienste Odins, wurüber bei Odin zu sprechen
ist Wo die n<-rdisrhe Dichtung den Valkyrjen Namen beilegt, sind diese
last durcliweg dicliterisclie PcrMmifikatiüuen de» Kampfes und seiner Um-
schreibungen (Golther, Studien 22).
Frauer, Di^ fVaftyrien tt^r ihtrtJ/mrrijr^-frrtaanürArn GStUr- und flrlden-
iOgr. Wdmu 1846. — Gnllber, Sliidim tttr gvrmanücArit Safeni^srhühle.
1, Dct VaJk\Tienmvthus. Abb. ilcr k. Uayr. Akad, der Wi«. i. KI.'XXVHI.
Bd. n. Abi. 401 ff.
5 30. Die nurdischen Fylgjur. Besonders stark ausgebildet ist der
Seelcngtaube in dem nonJ^'t^sch-ialä»dis(.-hen F'ylgjcngiauben. Auch die mar
erscheint als Fylgja *mar er mantis /i*/^j' aw>$crT der Verfasser der Vatns-
dcdasaga in elymulogisclier Spielerei (Fonis. ü8'). Etymologisdi bietet das
Wort keine Schwierigkeit; es geh^n zu /ylgfa »folgen", lieisst alatj küc
Folgeiin», »der Ftilgcgcist-. Das Wort ist auf den norw.-ialündischcn Stamm
beschrankt, *-urzeJi aber liier tief in der V'olksanschauung: die ältcsteu Bc-
hchte wissen von den F>-|giur zu erzählen (Maurer, Bekehr. II. 67 ff.,
Hcnzen, Die Traume ,^4 ff.), und noch heute kennt sie der Isländer (K.
Maurer. Ist. Volkss. Sj ff. Jon Amas(in I'judsrigur I. 354 ff.i und Norweger
<Faye (»8 ff.) in unzahligen Gestalten Wie ihr Name, so ist auch ihr scc-
lisdicr Ursprung klar. Gleich wie nach nordischem Gbuben Odins Seele
den K5q>cr \-erlas.st und als Rabe liitginn über alle Welten fliegt, so ver^
lasst auch der menschliche htigr den Leib und crecheint l>ald in dieser, bald
in jener Gestalt F.in Istündcr (räumte, wie eine Schar W^lfe über ihn und
sein Gefolge herfielen. »Da-s sind mantnihngi» < Mannergeisier)» antwortet
ihm der. dem er den Traum erzklilt iK^rd. s. hred. 37 f.>. Ein anderer
trSiUQt Von 1 8 Wolfen, die ihn überfallen; auch (tiefer deutet sie a\si manna-
Mügir {Hiv- s. 40). Die Seele, der hugr. verlflsst den Menschen und nimmt
verschiedene Gestakoti an: sie ersriieint als Bar. .\dler, Wolf, Fuchs u. dgl.
Indem die Seele aber die Hülle lan. hamt) dieses oder jenes Tieres an-
le^, wird sie zur hamin^a, und so ist fmmin^j-i rnit fylgia identisch. Die
jicciische Ge8tali tritt natürlich erst dann klar zu Tage, wenn sie sich ausser-
halb des menschlichen KOrpets befindet: sie begleitet den Menschen und
wird so sein Folgegeist seine Reisegesellschaft \f^runeyti Fm.«i. X. 2b2*); sie
beängstigt ihn imd andere im Schlafe und wird so ein Plag^eist; sie be-
schinot ihn und wird so zum Schutzgeist. Im Traume offenbart sie ihm die
Zukunft freilich giebt sie ihm zugleich zu erkennen. da.ss das Bev<>rstehende
unabwendbar »et. Die Vorstellung von der Fylgja ist die einer Frau, daher
tue Bezeichmmg fylgjukana. Die Fyl^a erscheint bald allein, bald mit anderen.
Se verlasst den Menschen bei seinem Tode, wtrd von anderen Fylgjur ab-
g«diolt, geht aber auch zuweilen auf die Überlebenden, besontlers auf die
Äihne. über. In diesem Falle erscheint sie als Gesi hlechtsfylgja {ifittirfvlg/a,
Jtyi*f}lgja: vgl. Maurer, Bekehr. IL b7— 72). Wie jHirsöulich man sich über-
bauj>t die Fvlgja dachte, zeigt die Erzählung, wo einer über seine eigene
»*
272
XI. Mytiioi-ogik.
Fylgja strilperi (Fms. III. 113 f.). — In Schweden heissen die den norw.
fyigjen euLsprediundcn sccIUiInrii Wt-scn r^fn/ oder vähtad (Hildebrand,
Folkena Tm S. 130 (f.).
§ 31. Der Werwnif. VerwaiidlscUäfl inii der Fylgja als Hamiugja. d. h.
GestakL-iiwcfhsleri«. hat der Wer^^-olf. Die Bedeutung cJes Wont-g ist klar:
utr = Mann, Wertt*nlf als»j der Mann in Wiilfsi;eslall V Sumit deckt sich
das Wort sprachlich und inhidtJich mit gr. /.vxävd 010:10?. Diese Etvmult^ie
kennt bereits Ger>-asius von Tilburj" (S. 4: l'iiitmus tnim firqnenUr in Atfglia
per hmniitmes fwmints in iitfios mulari, qHod hominum ^rnus »genilfos^ Galli
Hotninant, Angfici vcro ^ivacwolf* dicNtit: »wertt enittt An^iice virum sonat,
uif lupnm). Die Werwolfniythen w\irzeln nicht allein au/ germanisch eni
Bt-Kldi, sondern sind fast über tlie ganze Erde verbreitet (Aiidree, Elhnogr.
ParaUelen i. Sammlung S. 6i ff.). Unter den indogcrmanisr hen VOilkem,
kennen den Werwidf freilicrh nur die westahschai (Griechen, Romcr. Kelten,
Germanen, Slaven), den Ofitarischen (Indem und Iraniem) i.st er unbekannt. Der
Urspi-ung Scheint uns in eine Zeit zu versetzen, wo jene Vtilker nocli als
Hirtenvölker ein gemeinsames Ganze bildeten, denen der Wolf als Riiuber
der Herden ein gefürchtetes Gcschupf war. Auf gennanisthtrrn I)i.>den lasst
sich der WerwMlf überall auffinden. Das iütcste Zeugnis auf deutschem Ge-
biete gibt Burchard von Worms (Myth. III. 409). Im spateren Mittelalter
behandelte man die Leute, denen raaii die Kraft zuschrieb, sich in Wer»
wOlfe verH'andt^hi zu kOnnen. wie die Hexen: man verbrajinte sie (Hertz,
Der Wertt-nlf. S. 70 f.). Heutzutage herrsclii der Werwolfglaube hauptsäch-
lich noch im Norden und Ostat Deutschlands (Wutlke, AbergL 25g ff.).
Man glaubt hier noch rnierschütterlich, dass sich einige Menschen auf Zeiten
in Wnife verwandeln kOnnen. Sie vermögen dies, indem sie einen Gürtel
aus Wolfsfel] um den iiacktcji Leib binden, in welchem nach jungem Aber-
glauben die zwitlf Himinelszeichen eingewirkt sind und dessen SthnaJle sieben
Zungen hat. Wird ein Werwolf getötet, so tötet man einen Mcnwhfn. In
vielen Gegenden kennt man die Sage, man erkenne den Meiisohcii. der
Werwulfsgcstalt annehmen kann, an Fasern zwischen den Zähnen (Firme-
nich, Genn. Volkerst. I. 332). Zuweilen ist das Ungetüm -gefroren«, d. h.
unverwundbar i^Müllcnhoff, .S^cn aus Schlesw. Holst. 23:). Eine Abart des
Werwulfs ist ilet /tn.xrmivi/, den man namentlich in Westfalen und Hessen
oft antrifft. Von ihm wird beaundcrs erzählt, w:ls sonst von Malire und Alp,
dass er »aufhocke«, d. h. den Leuten auf den Rücken springe und si<"h von
ilmen ein Stück tragen lasse. — Bei den Angebüichseu lasst sich der Wer-
wolf ebenfalls bereits im ii.Jahrh. nachweisen; in den Gesetzen Knuts wird
den rriestem zur Aufgabe gemacht, ihre Herden vnr dem ^intinvu//- zu
schirmen {Schmidt, (iesetze der Ang<:ls.* 271). Bis heute hat sich in Eng-
land der Gh übe an ihn in Blüte erhallen ( Brand- Haziitt, Populär Antiquities
of Great BriL III. 331 ff.). Beacmdcrs reich an Werwolfssagen aus alter
Zeit ist wieder der skandinavische Norden. Das Wort ivriiifr freilich ist nur
als Seil wer tkeniiing belegt (StiE. 1. 565): er hcisstschleclitlmifv//yrd. i. Wolf oder
vargul/r. Sch"in erzählt die Vc^lsungasaga, ft-ie Sigmund und Sinfj^tli \Vt>IIsfeüe
{tilfahamit^ verwun.scliener Menschen angelt^ und als Wulfe im Walde ge-
haust hätten (Ausg. Bugge 95 ff.). Der Ahnherr der Myrameun auf Island
besass die Gab«, am .Xbend in Wolfsgc-^talt sein Haus verlassen zu k^innen
(Egilss. cap. i). Eine norwcg. GIijssc zu dem nt>rdfranzüst.schen Bisdarelsljöd
berichtet uns, vt-ie in früherer Zeit manche Menschen Wolff^estalt annehmen
' Kögrl RM^itil. dwM «tiexe AblHtun^ falsch »ci; ahd. *v.vrin'Mlf, aller '^ifir/M'rty gclirtre
Ml got. uHujaH -klcüleii.; W- bnltiUc nlso AVoUskldd«. Vgl. rUgcgi-n HBB. XXI. 375 f.
I
Werwolk. Bkrserkk. B1I.WIS.
273
konnten und dann im Hain und Wald wohnten; hier zerrissen sie Menschen
und Stiftelen allerlei Cbcl .m. so lange sie die WoIfhOlle halten; wvargtJ/r
vor ein kxihtntli, mtänn ha»» byr i vargi hntn* wird wie erklärend hinzu-
gefflgt (Strengl. 30). Noch heute lebt er in gleicher Weise als Vamlf, Var-
ulve, Vgerulv in Schii-eden (Hyltcn-Cavallius I. 348 f.), Norwegen (Faye
78 f.) und Danemark (Thiele 11. iQi f.). Nicht immer sind es Männer, die
in Werwolfsgcslalt erscheinen, mweiicn sind es auih Frauen oder Mädchen,
und ein alter Aberglaube sapt. dass vun hieben aufeinanderfolgenden Mädchen
eins ein Werwolf sej (Myt)i. III. 477).
W. tiertz, Vtr H'rrwol/, Ileitr^ zur Sago^escbichte. Stutig, i8G3. — l-eu-
bUBCbcr, Oberttie M'fhrwSlff und Timerwanälungen im Mittrlaltfr. licH. 1850.
§32. Als Abart der Werwolfsmythen erscheinen die nordischen Berserfcer-
Mgen. Die hftstrkir treten ungemein oft in den allnurd. Sagas auf: es smd
Menschen, stilrkcr und wilder als andere, die in Ecrserkrwut ^bcnerirgangr)
geraten und über die Menschen wie wrtlende Tiere herfallen. Dan« sind sie
unwiderstelUich , sie sdieuen weder Elsen nuch Feuer. In manchen dieser
Erzählungen Iritt das Cbematürliche nicht auf den ersten Blick zu Tage; das
Wundt-rbare ist erblassi, die Gestalten sind in menschliche Sphäre gezogen.
Gleichwohl iSsst sich nnch der alte mythische Gehalt erkennen: der Berserker
erscheint als n);i einkamr »nicht eiDgestallig«, also als einer, der andere Ge-
stalt annehmen kann. Sein Name bedeutet ider in Bärcngcwand Gehüllte«
(Sv. Egitsfton, Lex. poet. s, v.); strir^s Hemd, Gewand, htr — ist ahd. bero,
ags. bfra, unser biir. das neben der gebräuchlichen Furm mil Brechimg
ßf'ffmj in bera = »una* auch im N»>rdisclien mich mit ungebnrchenem f
nachweisbar ist. (Vgl. Valnsd. Fs. 17: /«■»> fienrrtir. rr uifhednar vütu kaUaäir,
Peir hi^äu rarystalika fyrir hrynjur.) In der Saga von Hr<ilf Kraki wird er-
zählt, wie B9dvar als mflchüger Bär unter Hrolfs Feinden wütete (Faü. I. \oz f.).
Nnch heute lebt im Norden der Glaube fort, dass man sich in Hären ver-
wandeln kflmie: in Norwegen scheint diese Verwandlmig das Annehmen
der Wolfsgestah zu überwiegen (Fave 78). Auch tlinisclic Volkslieder er-
zählen, wie man sich durch ein Eiscnhalsband in einen Bären ve^v^-andetn
k^ne (Gundtvig, DgK. I. 184). Die Berscrkereagcn sind demnach von Haus
aus nichts anders als Wcrwolfmythcn. V^on Nurwegen aus nahm man die
Mythen mit nach Island. Hier, wo nur der F-lsbär al.s seltener Gast sidi ein-
finilrt, vfHor der Name seinen alten (Jehah: der Berserker wurde durch die
Dichtung zu einer Obennensch liehen Sagcngeslalt, der nur noch die ge-
n-altigc Kraft seines m^-thisclien Vnri.lufers innewohnte.
S 33. Bilwiä. Ku den seelischen Geisteni gehört weiter der Bilwis. Er
erscheint fast als das männliche GegenstOck.der llcxc und steht dahex auch
in den BeichlbQchern des 14. und 15. Jahrlis. neben der Hexe (Zfdrii. XVI.
190). NtKi-h heute zcig<^ sich beide oft nebeneinander, und in Süd- imd
Älilleldcutschland kennt man seinen Namen als Hexenname. Eibische Züge
(Myth. I. 391) weisen auf seinen secILschen Ursprung liin. Namentlich in
Mittel- und Süddeuischland treibt er sein Wesen: in Bayern, Franken,
Sachsen, S4-ldesien. Zciüich Iflsst sich <Ier Name bis ins \i. Jahrh. zurück-
vrrfolgen. Bei den rahd. Dichtem erscheint er als pihviz piltriht. pelcioys,
bihhveis, buhveths, auf ndd. Gebiete als LeJu-it, belUivitU ; die Gegenwart
nftint ihn Bilmi:, Bilmer, Hihvis, liifmiss-, ßiimi', ßinsen-, Gttntdeschnäder,
auch Pi/mie- oder i*Hmiis.ubHiUfr (Wuttke § 394 ff.)- Diese grosse Ver-
■chicdenhcit des Namens zeigt, da.ss man Ihn im Vt*Ike nie recht ver-
standen hat. r>er Name scheint slavischen Ursprungs, zumal sich sein
Vordriiii.'en von Ost nach West verfolgen Iflsst (Feifalik. Z. f. östr. Gymn.
Ccrauinbchv PhUulusle UL ::. Aufl. lä
274
XL MYTHOLOGIE.
1858. S. 40fe). Doch scheint er auf ein seelisches Wesen germanischen Ur-
sprungs übertrageu zu sein. — Der BÜwis ist der Geist eines bösen Men-
schen ( — und d«nti dieser selbst — }, der seinem Nachbar fu-hatlen will. Er
geht Mitteniatlits piriz nackt, eine Siehe! am Fusse und Zaubti'sprilche hersa-
gend, durrh die reifenden Getreidefelder und vc^niichtel dem Landmann
einen Teil der Ernte. In der Kegel geschieht dies in der Nacht vor Wal-
purgis, in anderen Gegenden am Jubaunisabcnd, aisu zu derselben Zeit, wo
auch die llcxcn ihr Wcson treiben. Dabei reitet er nicht selten auf einem
schwarzen Bocke: fussbreite niedergelegte und verwüstete Streifen in den
Feldern, der sogcnaimtc Biäwissthuitt, Durchschnitt, BuL-kschnitt, zeigen seine
Spuren. Zuweilen erscheint er auch dem Menschen; dann verwirrt er ihm
das Haar und macht c.s slrupptchu Ruft man den Bilwis, so muss der in.
seiner Gestalt wandelnde Mensch sterben. Gegen den Bilwis gibt es auch
Mittel: der Büuerin hilft ihr Brautring; ein Ta.» neu zweig vor der Scheune
verwehrt ihm den Eingang; durch Gctreideapende kann er wie andere see-
lische Wfseii grtnstig gesitnimt werden.
SchflRwert, Ait der Oöerfi/ah I. 428—48,
§ 34. Die Hexen. Es ist bisher noch nicht gelungen, in den mythi-
schen Gehalt dieser Wesen, die in der gcimani^ichcn Kultur- und Sitten-
geschichte eine ebenso wichtige Rolle wie in der Mythologie gespielt haben,
genügend einzudringen. Es steht zunjlchst fest, dass diese dämonischen
Wesen ihren Urspnmg im Heitlentum haben, zumal sie sich bis in die
älteste Zeil zurück verfolgen lassen. Sie scheinen aus dem allgemeinen Be-
griffe der unholde herausgcwacltsen zu sein. Mhd. unhoUe (f.) bedeutet
Hexe (Mhd. Wtb. I, "O.]). Daneben erscheint der unholde als D/imon. Beide
Formen sind .sdion got. {unhidpii, unhidpä) bdc-gt und gtrbfii daif.wjv, dtäfiokog
wieder. Auch ahri. haben wir im/toldo iya) und twhoidä (f.). Glossen über-
setzen damit cunienides, manes (Graff IV, 915). In den Abschwr>rungs-
formcln (MSD. 51. 52.) hat das Wort die Bedeutung »heidnische Geister», das
Feindselige scheint hier mehr in den Hintergrmid zu treten. Das Wort ist
also uralt und gehurt zweifellos dem üeidcntume an. Die älteste Bedeutung
von -Unhold' ist aber 'inimicus' (vgl. hierzu Kauffmnim PBB. XVIII. 151).
Diese zi-igt, iiass sclmn in heidnischer Zeit unter Unholden bi-se Geister
verstanden wurden. Auf der anderen Seite lehrt die Wiedergabe des iat
manes, dass unter den Unholden Geister verstanden worden sind, die im
Seelenglauben Ihre Wurzel iiaben. Im nortlischen, wo dieser Name zu fehlen
scheint, cnts[>richt ihm der allgemeine BegrifT Irall. Zu diesen Unholden ge-
hören die Hexen. Das Wort ist offenbar ein Kompositum. Die älteste
Form gewahrt die Pariser Hs. der V'crgilglossen, wo fttriantm mit hngnzussnn
glossiert wird (ZfdA. XV, 40). Zu dieser Form stellt sidi ags. kagtesse, hag-
tissc, inndd. hagvtissc. Ob davon ahd. hazns, hazis. hazes, haxysa ^ etytiHis,
furtfi, strio (Graff IV, icx^i f.) zu scheiden und mit hittan -anfeinden« zu-
sammenzubringen ist, wie Kauffmann (PBB. XVIII. 155) und Noreen (Idg.
Forsch, IV. 32O) annehmen, lileibe dahingestellt. Ctjer die Etymologie des
Wortes bestehen die verschiedensten Ansichten (Mytli. 11, 8ik). Weigand,
DWtb. I, 804. Heyne, im DWtb. IV, 2. 1299; Laistner. Nebels. 28off.;
Riltsel der Sph. 11, 187 u. oft), Der erste Teil ist aller Wahrscheinlichkeit
nach ahd. Aar = Wald. Hain, und Weigands Deutung als »Waldweib«, »Wald-
gctsl« mag das Richtige treffen (vgl. auch Noreen a. a. 0.). Hierzu passen auch
sachlich mehrere Stellen. In der Kaiserchronik (I2i99ff.) wird die Crcsccntia
als Hexe angeredet und ihr zugerufen: du sollest pUUchfr da ze heize xfonit
danne dt megfde hie liennini. Nach altnordischem Volksglauben hauseu die
Hexen.
275
Vulven, üie nonJiscKcii Hexen, ürdussen im Walde in GeselUchafl der Wolfc,
auf denen sip reiten iHelg. Hj. Bugge S. 176. Vsp. 40), mid der scthwedische
VolLtffIdube Ussl alle Weiber on einsam im Walde wnhneti, wo sie die Wolfe
in ihren Schutz nehmen.
Ebenso schwer wie die Bedeutung des Wortes ISsst sich aucli der Ur-
^>ning der Hexen als mythischer Wesen klar k't;en. Zaut>cr la^ bekannt*
lieh bei den alten Germanen in erster Linie in den Hunden der Frauen. /Vuch
rdicse lebten nach dem Tode fort und trieben ihr Handwerk nach irdischer Weise
weiter. Die Zeugnisse, das-s dit'sell>en im Geisterzugc der Frau Holle, Diana,
HeTtxiia-s oder wie die Führerin der Seclcuschar heissen mag, steh befanden,
lassen sich bis auf Huchard von Wurms und Regino von IVtlm {t c)i5) zurück-
verfidgen (Weinhold, Deui&clic Frauen * I. 741. Auch die Hexen haben ihr Fest
im Mitwinter, wann es die seelischen Geister haben. Jemanden töten hei.S3t
daher bei den nurdischen SkaUlcn *tk'n Hexen übergeben« \imlhim ;fc/rt aus
dem Q. Jalirli. Orkii. s. ca|>. 7). In den altnord. Hävamäl erzahlt der Kuncii-
meistcr. wie er sein Vcrslein habe, mit dem er die Hexen {iHitriäur d. i.
Zaunreiterinnen, vgl. dazu die irumiten der alten tnhd. Bescliwürungsrurmel,
I Silzungsber. der Münch. Akad. 181)7. H. S. 7. ibjff.) verwirre und heim-
treil«', wenn er sie in der Luft reiten sehe (\*. 155). Allein diese mvibi-
scheu Scharen, die aus dem Lfrticn hervorgegangen sind, wirken auch auf
da.s Leben zurück, wie alle seelischen Wesen. Die Seelen der Zauberinnen
kommen nach dem Tode in jene Scliaren; wälirend des Lebens besitzen
gewisse Fniuen die Macht, dass sich ihre Seele vom Köqjer trennt und dass
jene an dem Treiben der Geister mit teil nimmt. \V>n bliesen haben sie ihre
KcUutc, durch die »ic dem Menschen Schaden Tiufügcn, wie aus zaliln-ichen
Beispielen aus der altnurd. Literatur liervorgebt (Maurer, Bekehr. H, 132 ff.).
Sie verstehen die Geister zu mfen mid mit ihnen zu verkehren (Vsp. 22).
Vor alten vcretehen sie sich aufs Wetlennachen (La.\d. S. 142. Fridlij. S.
Fas. II, 72. 7S ff. Lex VLsigol. VT, 2). Noch heute erlernen im Volksglaubett
die jungen Hexen ihre bösen KUnsile von alten Hexen, die sich auf Wcller-
madien u. dgl. verstehen: sie mtLssen dreimal 7 Jahre in die Lelirc gehen
und mit dem Teufel gebuhlt haben, dann erst erhalten sie als Siegel den
schwarzen Bocksfuss aufs Kreuz (von Alpenburg. Mythen Tirols 2.V»f.). So
entst;ind der Gbube an die Zusammenkünfte irdischer Frauen mit den
Geistern, demi fast in allen Hexensagen wird her\'orgehoben, dass die irdische
Hexe an gewissen Tagen, an denen sich besonders die Geister zeigen, die
Macht habe, durch die Luft zu reiten und au den Gcistervcrsammlungcu
Teil zu nehmen. S<'i ist der Glaul>e an die men.schtichen Hexen entstanden,
der durch die unzilhl^;cn Hcxenpru«t»sc und Hexen Verfolgungen seit dem
Ib. und 17. Jahrh. eine kulturhisiMri>iche Bedeutung erlangt hat. wudurch
auch das Wort Hexe verbreiteter und bekannter wurde.
Selten hat sich altes Heidentum so lange und reiu im Volke erhalten, wie
gnade im Hexenglauben. Gemäss ihrem mythischen Charakter zieht die Hexe
mit dem Seelenherr <lurch die Lüfte, bisweilen ihren Kopf uud ihre Gcdanne
nach sich si-hle]ipend. In schwarzen Wolken — und hierin zeigen ;de sich
ebenfalls als selLsrhe Wesen — reichen sie durch die Lüfte, und man kann sie
dunh Zauber zum Herabfallen zwingen [Wuttke § 23). In der Oberpfalz sagt
man. wenn es wittert: -Die Hexen schiessen Purzelbäume«. Allgemein verbreitet
ist der Glaube, dass sie in Hagelwolken cinherreiten und dass man sie daraus
heruntcrschicssen kann iWuttke § 20f)). Zu den Sagen von wcttcrmachendcn
Hexen gehört auch der treffliche nortUst;he Mythus von t'orgerd Hvigabrud und
Vrpat.Fms.XI, i34ff.Ftb. I, loiff.u. oft vgl. Ark. f. n. lU. H. iJ4ff.):JarI Häkon
IS*
von Norwegen befindet sirh im Kampfe mit den Jömsvtkingem. Durch das
Opfer seines siebenj.llirigen Snlines vermag er allein jene beiden Schwestern,
in denen die dämonischen Gewalten unserer Hexen als WL-tterniacherinncn
stecken, fftr sirh ni gewinnen. In der festen Cfherzcugting, nnn wer<)e er
siegen, spornt er die Seinen zum Kampfe an. Der Kampf beginnt. t);i zieht
ein Wetter heran; im Nnulen tünnen sich dunkle Wulken und ziehen das
Meer enüang. Bald folgt ein Hagelwetter» begleitet von furchthirem Winde»
zugleirJi von Blitz und jjewalUjicni Donner. Gegen diesen Hagel hatten die
JÄmsvikinger zu kiimpfen. Dam hatte sirh die Hitze des Tages in eisige Kulte
verwandelt. Da gewahrt HAvardr zuerst die rorgerd in Häkcms Gefolge; bald
sehen sie auch andere. Man sieht, u-ie von jwlem ihrer Finger Pfeile aus-
gehen und wie jeder von ihnen seinen Mann trifft Dies wird dem Fohrer
Sigvald gemeldet, imd er ruft aa*;: »Ich glaube, dass wir heute nicht nur ^egen
Menschen zu kämpfen haben, sondern auch gegen die allerb>".sesten Hexen (/■/</
in ventii tro/I), und Hexen Stand zu hallen, das scheint mir allzu schwierig;
dodi kiinipfcn wir so gut es geht.« Der Hagel litsst etwas nach, .'\liermals fleht
Häkon die Porgcrfl um ihren Beistand an. Sic erscheint «-ieder und diesmal
mit ihrer Schwester Vqia. jetzt beginnt das Weiler heftiger als zuvor zu
werden. Als die JAmsvikinger diese beiden sehen, da beschlicssl Sigvaldr den
Rückzug anzutreten: gegen zi*-ei Unholdinnen {ßi^g'f), meint er, sei seine
Macht zu gering. — Solche Erzählungen hat die nordische Dichtung in
Menge. Bekannt sind die Trolle, die in der Fridfjjüfssaga (Fas. II, 72 ff.^
die lifiden König^^i^hne gegen Fri«1f>ji»f dingen, damit d;is Unwetter diesen
ntt.hl anh Land stgeln lasst-.
Ihren seelischen Ursprung bekunden die Hexen femer in ihrer iVoteus-
natur. HamhUypa »die in anderer Gestalt I^uifcnde« nennt sie der Isländer.
Nach deutsihem Aberglauben erscheinen die Hexen namentlich als Katzen
und Kn"ten (Wuttke § 155. 173), aber auch als Eidechsen, Eulen. Hunde
u. dg[. (Wuttke ^ 217)- Immer stiften sie in TiergeKtalt Sch;idcn an; ckiher
nehmen sie auch nie die Gestalt frommer Tiere an. Gross ist die Macht der
Hexen, und deshalb fOrchlet mar .>ae noch heute; sie können aus allen mög-
lichen Gegenständen Milch melken, ans NJtgeln, Besen, Breitem u. s. w. Gern
entwenden sie den Kühen der Mitmenschen wahrend der Nacht die Milch.
Sie können femer den Menschen auf eine Stelle bannen, dass er sich nicht
rühren kjtnn. Hieraas erklärt sich uiLser Hexfnschttss. Weiter bewirken die
Hexen Viehs t-uchen, behexen die Kinder, riass diese nicht gedeihen, fügen
auch den Menschen Krankheilen zu, bringen Wl-cIiscI balge, wie die elbischcn
Geister, wie die Mahre, bewirken, das» M3u.se, Flrthc, Raui>en und anderes
Ungeziefer ober die Lander kommt, vor allem aber erzeugen sie auch heute
ncK-h Unwetter, Sturm. H.'tgel, Nebel. Dann fliegen sie wührcml des Un-
wetters als Krähen odi-r Raiien in der Luft umher. Ja in <.)ldenhurg behexen
sie sogar den Regen, wenn die Wasche gebleicht wird, %<.\ dass diese scliwarz
wird. So zeigt sich die Hexe überall hftse, scliadigend, nirgends helfend und
gutmütig, eine echte UidioIdJn vtmi Kopf bis zur Zehe.
Ihie Th;u^3;kcit und ihren L'rsprung zeigen auch die Namen, die die Hexen
im V.)lksniui^de liaben. In Süddeutschland heissen sie Dnaien, in Friesland
äe lichtt Lu »die leichlcu, scliwcbcmleii Leute«, thl ro<ie Volk auch Wickersfhe
aZauberin^i, in ( )Idenburg qiaitie oder lefie Lii (schlechte Leute), in der Oberjifalz
T<%ustr{i(hcrinmn, weil sie oft den Tau vi>n den Wiesen nehmen (Wuttke § 209).
Jn Nor^^*egen heissen sie //»//, ftn^ty sknss, skasa, das sind Bezeichnmigen, die
sonst auch für Riesinnen vorkommen, daneben besonders i-^ilrur, d. li. Stib-
trügcrinnen, wodurch wie in stidkona mehr die menschliche Natur jener
mylhiaclicn Gestalten ausgedrückt werden soll. Gegenwärtig Ist der uligemeine
Name imil im Norden der herrsrhemle, der wahrscheinlich mit an. ttväa, ahd.
Jnian -Ircten* zusammenhangt tSiuvcrs, Idg. For:*ch. IV. 33g).
Krauen, die sich in Hexen verwandeln kiinnen, sind iltiüscrlich erkennbar:
nun erkeimt sie an zusamineiigewaLtiscncn Augenbrauen, an roten, triefen-
<leit Augen, an einem wackeligen, cntenartigen Gange, an den FlattftLssen.
Sie vermtjgen ihrem Mitmenschen nicht in«. Gesicht zu schauen, können über
keinen Bcicu gehen. Ihre Gesieh t-sfarbif i.si fahl, ihr Haar verwirrt und strup-
pichi, ihr Leib mager. Naih christlirhr-m Mytluis h;it ilmen an verschiedenen
Teilen deü Kurjicrs. iiajnentlich am Kreuz, der Teufet üeiii Siegel aufgedrückt
Auch manches GeheimmiUel ISsst die He\e erkennen: ein am WeÜmaclils-
abend gepflücklesi vierblaiteriges Kleeblatt, das Ei einer sdiwarzen Heiine
u. dgL iWuttke !^ 375 ff.}.
Die Hauplbclustigung der He.\en ist der Tanz, ihre Hauptspeisc das ?ferde-
fleiscli. i^u fn'ihlichem Tanze und Schmause k<jmmen »ie an bestimmten
Tagen im Jahre an gewissen Urten zusammen, in der Regel auf ilergen, wo
dann der aufgerichtete Pferdeschadel ihre MaktStte keinueichneL Die Berge,
auf denen sie sich treffen, waren einst alle (_>])frrsti»ten unserer Vorfahren,
Opfersiaiien, an denen entw-cder tlen seelischen Geistern sdUccliiliin. uder den
chlhonischen (»«»ttheiten, die diese filhnen, geopfert wurde. Nach aliger-
maniscbem Brauche iil hier auf einer Wiese, unter einer Linde iwier einer Eiche
ihr Versaramliuigsort gedacht, ß/orh^r^ mii^i limcksberg [^bTOchetshcrg ältestes
Zeugnis um 1300: das Wort fiedeuiel nach üofmann >Wolkonberg:. Sitzungs-
ber. der Münch. Akad. 1867. IL S. 7. 167 f.) heissen in Nurtldeutschland
jene Anhöhen, wo diese Versammlungen stattfinden. Am berühmte-sten unter
ihnen ist der Brocken im Harze mit seinem Jlexenttmzplatze (vgl. Jacobs,
Der Brocken und sein Gebiet, W'ernigr. 1871: der Brücken In Geschichte
und Sage. Halle \%'m\. Schon im :> Jahrh. erscheint er als Hexensamnicl-
platz. Andere UInckshcrge sind in Mecklenburg, in Preussen, Holstein; in
<ler Schweiz kommen die Hexen auf dem Pilatus zusammen, in Tirol auf
«lern Schtemkofel, in Elsaw auf dem Hüchelberg, in Schwaiien auf dem
Kandel und Heuberg, in Franken auf dem Petersberg, dem Kreidenberg,
dem SlaffcUtein. in Westfalen auf dem Köterlierg oder dem Weckingsstein
bei Corvey, in Hi-s-sen auf dem Heclielberg. in Thüringen auf dem Hürsel-
berg. dem Inselsberg; dliiüsche Vulkssage versetzt die Hexeninalstatt nach dem
iKekla auf Island, dem Hi-kkelfjeltl. oder nach Tronis d. i. Tnimmenfjeld in
Kurwegen; Mfliwedische nennt den Blakulta in Smaland. Jungfrukulleii, Nasafjlilll.
norwegische den Blaakolle. Dnvrefjdd, Lvdcrhom u. a. als Sammelplutz dieser
Wesen (Myth. JI. 87V), III. 3081, Dorthin reiten die Hexen, nachdem sie
sich mit Hcxensalbe bestrichen, nach moderner Auffassung durch den Schorn-
stein der Hsuner auf Stecken, Utnigabeln iKier anderen Werkzeugen, meist
nackt, oft auch auf Tieren, Bocken. Kjtlzen. Ebem u. dgL S() beschreibt
schon der Greifswalder Arzt Joel ( *fh ludis laminrum in monU BnuUrorum,
4jwm ß/ochberg titfu/i/" Rostock I5<>0) den Hexenritt. In der Dämmerung
gelit der \\'eg dahin. Daher lieissen sie Nachl/rauen, Nacht mUrinnen, an.
i;-€idriä>tr, tN\tkritinr. Unter diesen Namen lassen sich die Hexen schon im
JI. JaJirh. nachweisen. Gc^jen sie cifcn» schon die nordUcheu Volksgesctzc
auK frtihchrisdicher Zeit (Norsk HLst. Tiditskr. IV. 172]. Die Hauptnacht ist
die Walpurgismtcht, die Nacht auf den i. Mai. Auch die Johannis- und die
Barth« -Inm-linacht finden sich als Vcr&ammlungsn ächte. Ausserdem finden
ilire Fahnen durch die Lüfte wahrend der zwölf Nat.hte sta«.
Wahrend aluleutsche Quellen Qber die Versammlungen der Hexeit nicht
278
XI. MYTHOLOGIE.
erhalten sind, fliessen aucli hier wieder die altnordisrhen reicher. Eine
Hexensage aus dem 14- Jahrli. entliult die Thorsteinssaga (Fins. III. I7,sff.):
Thf)rsteinn lag verslcrkt im Ried. Da hörte er einen Knaben in den nahen
Hüfiel rufen: ^Müller, reiche mir meinen Stecken und meine Handschuhe, ich
wii! zum Gci-stcrriu {fiandreiä), denn es ist Festzeit unten in der Welt".. Da w*3rd
ein Feuerhaken und ein Paar Handschuhe aus dem Hügel geworfen; jenen
besteigt dcT Knabe, diese zieht er an und (.Ihrt dann, wie Kinder zu reiten
pflrgen, durch che I^ftr. Thorsteinn ruft fbenf;dls in den Hflge! und erhalt
dieselben GegenstJlnde. Er reitet dein Knaben nach. Es geht durch die
Wolken nach einer Felsenburg, wo eine Menge LtHitc an der Tafel sitzt und
aus silbernen Bcdiem zeclit. Ein König sitzt oben un der Tafel. Thiinstcinn
wird ^^a]d erkannt und muss schleunigst fliehen. — Wir haben hier eine Hexen-
versammlung mit einem Künig als Leiter, wie in der deutschen Volkssage der
Teufel die Versammlung leitet Amlerc Sagen berichten gleiches. »Wo willst
du hin?* ruft Ketill baengr seiner l'flegemuttcr, einer Trollkona, zu. als diese
sich einst wahrend der Nacht erhebt und mit lang ütier die Schultern herab-
hängenden Haaren hinaus in die T.üfte fahrt. »Zum Trollenthing«, gibt diese
zur Antwort; iJurtliiti kommt Skelkingr aus Dunibliaf, der König der Trolle,
und Ofoti und ^o^ge^dr H9i^troll (d. i. H9lgabrüdr) und andere berühmte
Geister aus Norden- (Kas. II. 131).
Die Hcxcns*gcn sind bisher f.ist durchweg nur vom kuImrhUtorischcn Sundpunkc
aus bcbanJcl: worden. Das bedeutendste Werk darüber ist Soldan, Geschieht«
der Jirxfnprosru^. z. Aiifl. von Hcpfif. % B<lc. Stiittg. 1880,
§ "^5, Die Holden und I'erchieri', Deutscher Volksglaube des sputen
Mittelalters und der Gegenwart wei.ss vim einer Frau Holcta oder Holle und
Perdita zu erzilhlcn, die mit ihren Scharen durch die Lüfte faliron, beson-
ders zur Zeit des gros-stn winterlichen Seelenfesles sich den Menschen zeigen
und sie bald belohnen, bald bestrafen. Man hat in dieser Figur und almlichcn
anderen Per><onifikationen alter germanischer Gottheiten finden wollen, allein die
Belege aus alldeutsrher Zeil, die J. Grimm u. a. dafür ins Feld geführt, haben
sich als unzuverlässig unil z. T. fat>K'h crft'iesen (vgl. Maunhardt, Vorn-ort
zu den .\nt. Wald- und Feldkulten S. XHI und besonders Kauffmann PBB.
XVIIL 14,'; ff.). Nun findet sich für die seelischen Wesen neben nnkotd
schon frühzeitig der Name holdtn. Die Wassergeister erscheinen als Wazzei^
hoidt. /iriitirtftifwhie (Myth. I. 403), als HolUn ersrheJnen die Zwerge (Kuhn,
Westf. Sagen I. ii),l f., 200 u. Oft.), Oberhaupt die Seelen Verslürbener (ebd.
H. 124). Auch im Norden finden wir dte„sell>e Bezeichnung fflr die seeli.schen
Wesen: in der Tliorsteins.saga wird ein Unterirdischer kuhiumadr genannt
(Fms. III. 177), in dem heutigen isländischen Viilksglauben Ist huldußlk
gleiclibedeutend mit dljar (Maurer, Isl, Vnlkss. .S. 337), die norwegischen
Geistersagen sind Jluldrc-rt'ctitvr (Asbjonisen, Norske Huldre-Eveiityr). Dasa
der Name verstorbener Vulven und Zauberinnen, die ihre Seele umher-
schweifen lassen konnten, meist HulJ war, ist bekannt (vgl. auch Fritzner,
Norsk Hisi. Tidsskr. IV. 186), Überall sehen wir auf germanischem Gebiete
den engsten Zusammenhang zwischen den Hulden und den Seelen der
Verstorbenen, und wir brauchen deshalb das holdam des Correctors des Bur-
chard von Worms nicht in unhnidnm (PHB. XVIH. 150) zu ändeni, wn e8
von der Schar der nachtfahrenden Dämonen heisst *qnam vtilgark sluliitia
hofdam i-ornnf.* Dies Ao/da gehört aber etymolugisch zu ahd. Ar/an »ver-
bergen« und berührt sich s<i mit an. //r/. unserem //n/U. Demnach sind die
Holden von Haus die Unterirdischen, die nach dem IVpde noch ihr Wesen
treiben. Wie das sprachliche VerhaltnU dieser zu den Vnhoidtn gewesen
Hexen. Holden c. Pbrcmten.
279
ist, dflnkt mich noch nicht genQgrend aufgeklart. Aus dieser Schar der
Hdiden ist mm in spater, vicütricht erst in christlicher Zeit und z. T. unter
dem Einflu&se fremden Volksglaubens eine Führerin enbftanden, der die
Volksphantasie das nomen proprium aus dem Koltektivbegriff geschaffen, die
aber im Laufe der Zeit die von ihr geführten Wesen zurückgedrängt hat
'Das ist die Fran Holte oder Iloltia unserer Milrrhcn und Sagen.
Das Gebiet, wo der Volksglaube von Frau Holle zu erzählen weiss, ist
besondere Mitteldeutschland. Im Norden reiclit es bis zum Harze, im Osten
bis in die Gegend von Halte und Leipzig. Von hier aus geht die Grenze
ihrer Verehrung nach Südwesten bis in das Maingebiel in Unterfranken. Die
Weslgrenze endlich zieht sich nacli Norden längs der Fulda und Weser, bis
^Bich iK'trdlich von Minden die Sagen von ihr verlieren. — Wie alle chthoniichen
^esen lässt man auch sie meist in Bergen weilen, zumal da, wo Teiche oder
Quellen sich in der N.ihe befimlen. denn auch in den GrwiJfisem ist ihr
Aufenthalt. S<] haust sie im H(>rselbergc bei Eiseiiach (M'itzel, Sagen aus
TliOringen I. 129 ff., IL 76), im Kyffhauser, wo sie als Kaioer Friedrichs
Schaffnerin erscheint (Nordd. Sag. 216), im Unterberg bei Hasloch am Main
(ZfdMnh. I. 23K vor allem aber am Meissner, südöstlich von Cassel, wo
noch heute an bestimmtem Tage ihr zu Ehren die Bauern zusammenkommen,
um sich nach alter Sitte an Tanz tmd Musik zu ergötzen (Lyncker, Sagen
imd Sitten aus hessischen Gauen S. t6). Hier li^ das H^>llenthal und in
seiner Nahe ein alter OpfergrabcD, hier liegt der Frauhollenteich, in dem
Frau Holle wohnen sftll. — In ihrer Umgebung befinden sich die Holden,
die fast ilbeiall als Seelen von Verstorbenen erkenntlich sind. Mit ihnen
wohnt yie femer in Teichen und Bninncn (LxTicker S. i"; ZfdMyÜi. L 24;
KHM. No. 24), mit ihnen zieht sie durch die Lüfte (Witzel I. 129; Nordd.
Sag. 222). Wie der Wind- und Totengott reitet sie zuweilen auf prachtigem
Scliimmel (ZfdMylh. L 28) oder fahrt im Wagen durch die Luft (Witzel I.
144; Pr«"'hle, Harzs. 187). Als Herrin des Seelenheeres kommen von ihr
die neugeborenen Kinder (Lyncker 17). Zuweilen hört man in den Bergen
itu- Lied, ttHe das der Elfen (ZfdMyth. I. 28). Die Zeit ihrer Umzüge ist
die Zeil der zwölf Nachte, wo alte seelischen Geister ihr Wesen treiben. In
dieser bringt man ihr Gaben und Spende. Auch im Wetter erkennt der
Volk^laubc ihr Wallen: «w/hneii es, so macht sie nach weitverbreitetem
Glauben ihr Bell, zeigt si* h Nebel am Berge, so macht sie im Gestein Feuer
(Lynckcr S. i8|. Ruht sie in ihrer Behausung, so kann sie natürlich nur
das ihun, was am heimischen Herde die deutsche Hamfrau zu ihun pflegt:
spinnt (Nordd. Sag. 216). So ist sie auch zum Genius des häuslichen
lerdes, des hauslichen Fleisses geworden. Fldssige Spitmerinnen belohnt
faule bestraft sie (KHM. No. 24; Witzel I. 135; Pröhle 1K7: Lyncker
17 u. oft.). Ist der Flaclis vor Beginn der heiligen Zeit, am Freitag vor
den Zwölften, nicht abgesponnen, *«3 besudelt sie diesen (Nordd. Sag. 370.
417; Sommer, Sagen aus Sachs, und ThQr. 10. 162; ZfdMyth. L 24). Audi
l^schadet sie in solchem Haushalte dem Vieh (Nordd. Sag. 371). Femer vei-
« sie Eheglück und macht Frauen gesund und fruchtbar (Lyncker 47),
steht Wöchnerinnen bei mid trocknet ihnen die Whideln (Sagen aus Weslf.
IL 4). — Auch sonst zeigt sie sich freundlich. Marienlegenden s<:he-inen
z, T. auf sie übertragen zu sein. Sie befruchtet die Obstbaimie (Sage» aus
Westf. I. 162, 182), die Saaten (Lyncker S. 18), spendet Gold (Nordd. Sag.
215: Witzel I. 114; KHM. No. 24), tmterslützt alte imd hOlfebedUrftige
Leute (ZfdMyth. L 24). Als schöne weisse Frau mit weissem Gewände oder
28o
XI. M\TH0L001E.
Sclileier sieht man sie zuweilen über die Wiesen fliegen (Lv-ncker 17;
ZfdMyÜi. I. 2y. Prßhle 259).!
Ganz .Ihnlich wie Ursprung und Ausbildung der Holda mag der der
Pcrchta uder Bcrtha gewesen sein. An eine Anlehnung an den Perclilen-
tag, d. t. den (>. Januar, isl bei der Perchta schon deshalb nicht zu denken
(Mannhardt, AniWFK. IL 184 (f.), weil in den allen KalcnÜL-rn dieser Tag
nicht unter jenem Namen erscheint. Vielmehr sind wohl auch hier die
Perchten, d. h. seelische Wesen wie die Holden (Ziugerlc. Sillcn, Brauche
und Meinungen des Timlcr Volkc-ts ' 128 f.). der Antgangspunki gewesen:
dir Pcrrhta isl die Fülirerin der Perchten geworden, das Wort »Perchten«
gehört aber zu ahd. pfvfian in derselben Bedeutung wie kelan. Pcrchta und
Holda sind Gestalten späteren Volksglaubens, die sich volIst5ndig decken:
tiie sind nicht sachlich, sondern nur lokal von einander zu trennen.
Das Gebiet der Perchta reicht in verschiedenen Gegenden, namentlich im
Vmijiland und in dem nürdüchen Bayern in das Gebiet der H"lda hiiunn.
Den Namen Pcrt:hla finden wir über ganz Obcrdeutschlarid verbreitet; fast in
allen österreichischen Landen ist er zu finden, in Kayern, in der Schweiz, in
Schwaben, im Elsass, dazu im Vuigüand, von wo aus er ins südliche Thü-
ringen gedrungen ist Wie die Holda ist die Perchta die .Seelenführerin.
Mit den Seelen versturbener Kinder fahrt sie durch die Lüfte (Bümcr,
Sagen aus dem Odagau 128, 154; von Alpenburg, Sagen aus Tirol S. 6,^).
Im Orlagan erscheint »ic deshalb auch aEs HeinichcnkOntgin ^Monier 114).
Bekannt ist die Sage vom Mädchen mit dem Thränenkruge, das sicli in der
Schar der Berchta befand (Römer 143; Köhler, Volksbrauch im Voigtland
»190). Spatere Dichtung iRsst sie Ackergeräte und Wirtsc haftsgegen stände
tragen (Bßmer i.ui- Wie Hnlda fährt auch sie auf einem Wügcn, den sie
zuweilen von Menschen ausbessern las.st, die dann gut belohnt werden
(IJömcr 173, 183: Köhler 49 2). Nicht selten fahrt sie auch ungestüm durch
die Lüfte, wie das wilde Heer; daher beisst sie die wilde Bertha iWitxel,
Sagen aus Thünngen 11. 134), Wie Holda treibt auch Perchta besonders
in den ZwölfnäLhten ihr Wesen. Vor allem ist ihr der Perchtenabcnd ge-
weilit, an dem diese Xeit der Geister ihren Abschlnss hat. Dann muss man
aller Orten auf sie gefasst sein. In dieser Zeit besucht sie auch die Spinn-
stuben, und wehe den Faulen, die nicht abgesponnen haben (Bömer 15.5;
Kr.hler 488; Zingerle 128). Wl> tnaji sich frCihlirbem Geplauder mit den
Burschen und dem Xirrlitsthun hingicbt, da wirft sie die Spindeln in
die Stube und verlangt, dass sie in einer Stunde abgesponnen seien (Utlmer
1Ö7: Kolller 489). Ihr zu Ehren fand in Tyrol und der Schweiz das
Perrhtenlaufcn statt: im Maskenanzug sprang und lärmte man durch die
Gassen und in den Hauscni; je toller uian das Perchtcnspringen ausführte,
je besser wurde die Ernte. Es ist wieilerum eine Festlichkeil, die sich bei
allen Tutenfesten wiederfindet. Ursprünglich fiel sie auf den Pcrcblenlag
(ZitiRicrle, S- 128 f.), spater verlegte man sie auf den letzten Fasel lingsabcnd
(Mannhardt, BK. 542 f.). In Baycni scheint diese Sitte S4-hon im 17. Jahrh.
ausgestorben zu sein; 161& verbietet der Nürnberger Magistrat, >dass die
jungen I^ute in der Bergnarht lärmend durch die Stadt ziehen und an die
ThUien klupfen» (Panzer. Bayr. Sagen IL iio). Auch ihr Opfer verlangt
die Perchta. In Tyrol lasst man noch heute für sie Essen stehen (Zingerle
127. i8tt). Im Voigtlande und in Thüringen muss man an ihrem Tage
Zemmede, d. i. eine Fastenspeisc aus Mehl, Wasser und Milch, essen
(Bömer 153 f.V Aber aucJi von anderer Seite zeigt sich die Perchta, auch
hierin der Holda gleidi. Sie spendet dem Acker Fruchtbarkeit und lasst
Holden u. Perchtkn. Norn*&h.
281
N
k
«las Vieh geUeüieii (Br-mer 115; v. Alpenburg 64). Wenn Ober die Ocfilde
befruchtender Nebel dahinziehi, dann erblitkt die Volkvphantasic üire hchrc
Gestalt in langem, weissem Sthleier (v. Alpenburg 65; Laiaiiier, Ncbelsagen
98 f.)- Auch sonst xcigt sie sich gnadig; sie beschenkt alle und lülfsbe-
dftrftige Leute (RVinicr 173}, wie sie die Muischen bestraft, wenn eiller
Vorwitz sie oder ihren Zug hemmen. In der Kegel Iflsst sie sie erblinden,
macht sie aber dann nadi Jahresfrist wieder sehend (v. Alpeuburg 63 t;
Bömer l.u f.).*
Wie diese Gestalten hat die Volksphantasie einer spätem Zeit anderen
Orts noch andere Frauen an die Spitze der seelischen Scharen treten lassen,
die man früher auch als Überbleibsel altgennanischer Göttinnen auffasste, die
sich aber im Laufe der Zeil meist als Gestalten des Volkswitzes entpuppt
haben: hierher gehCrcn Frü Harke oder Herke in der Mittel- und Alt-
mark, die ihren N'amen vom liarkenberge bei Cainem erhallen hat (Kiiuop.
Zs. f. Vulksk. IV, 81 ff.}, die Frcke, Frtc, Frick, Fuik in NieiJersachseii
{ebd. H. 449 ^^h '''^ ''ra^ Göde oder Gauden, ein Name, der nichts anderes
als »die gute Krau- bedeutet und wohl auf die Jungfruu Maiia geht (Knuup. Am
UrqueJI V. q ff., 45 ff., 6t; ff.), die Werre (d. i die Ver\t'irTerin) im Voigt-
lande iKisel 103. -331). All diese Gestalten lehren, wie auch noch in spater
Zdt unter dem Einflüsse niytltischer Denkfurm Wesen entstehen konnten, die
ebensogut im Heidenturae ihre Wurzel haben ki'mnien. Heidnisch-germanisch
von all diesen Wesen ist, dass sie selbst tuid die Scharen, die .sie TühreD,
aeelischeu Ursprungs siiid; ilire Ausbildung aber gehV'irt einer späteren Zeit
an. Nicht nur ZQge von der Jungfrau Maria, wie bereits her^'orgehoben.
sondern auch \xta der italischen Diana scheinen auf sie übergegangen zu
sein, nie ja Diana selbst und die Herodias, die an ihre Stelle getreten i^
als FOhrcrinnen des Seelenheercs auch in Deutschland erscheinen (Myth. L
237, vgl. KhcKle, Psyche 375 Anm. 3».
1 Cber Frut IIciUc \gl. rumcntlich Atannbardt, trrrw. .Uv/Arn 2^5 fT. —
* Über die l'crdbu. besonder» in Tyrol, Zinucrlc, ZfJ\{yth. 111. 203 ff.
§ 36. Die Nomen. Vielfach mit seelischen Wesen, namentlich mit Val-
k^iijen tmd Si^hwanenjungfrauen, bertthrcn sicli die altnurdischeji Schicksals*
gOttümen, die Nomen, weim sie auch durch ihre bedeutendste Vertreterin eine
Stelle einnehmen, die sie den Göttern zur Seite, Ja tllier diese stellt. — In der
ahisUndischen Dichtung erscheint L'rdr als die ;i liest e von drei SchueÄiem,
välireud den l>eiden jUngslco ctyniolugischc Spielerei des 1^. Jatirhs. die Namen
Verdandi und Skuld gcgcl>en hat (Interpol, vun V$.p. 20). Man hat infolge
«IcsBcn eine Nome der V'ergangenheit. eine der Gegenwart und eine der
Zukunft geschaffen. Urdr allein bleibt von den drei Schwestern bestehen.
Der Name kann nichts mit der Verg;ingenheii zu thun haben, v/v/rheisst sonst
im an. »das Geschick*. In dieser Bedeutung findet sicli das Wort bei allei:
germaniscticn Stammen ; die I'eniunifikation tritt daiiclten bald mehr bald weniger
havor, geradeso wie in der an- Sprache. Ahd. wuri^ 4atum, eventus, fortuna«
{Graff \. 092), im Ileliand ist ii^urd =^ der Tod, die Schicksalsmacht, die
<kn TikI bringt; im ags. ist uyrti meist -Geschick, \'erhaiignis'. Diese per-
somfizierte S«: hick-sjüsmacht finden wir im Beowulf webend, wie im Nijrdis-.-hen
<lie Nomen, oder Schaden anrichtend, wofür die skandinavisirhe Dii.litung
ebenfalls Beispiele gibt. »Norn erumi ffnmm* klagt Egils Vater Kvedulfi
{£g. S. 46), oder >iär tr dömr nor»a- .\ng;mtyr in der Herx*araisaga. Öfter
iit von nräir grimmar (•icUinenden Nunien«) die Rede, und die Sn£. (I. 74)
nurhi leinen Unterschied zwischen gödar und lUnr »ormr. — ,\us allen Stellen
des germanischen Altertiuus, wo L'rdr auftritt, geht hervor, dass es einst in
2SZ
XI. MVTHOUXilK.
dem Glauben unserer Verfahren eine Marht gegeben haben muss, in deren
Gewalt sirh der Germant: das Geschick der Mcnschi-n daclite. Andere Be-
zeichnung für diese Schirlisalsmacht wt tias ;ilts. i/te/üi^ (Vilmar, Altertßmer
im Hcliand 8 f.), ags. mfotod. an. mj^iiitr. »txlurdi sich jenes Wesen schon seinem
Namen nach als <las messende, ordnende zu erkennen gibt. Neben der Ein-
heit treten die Bezeichnungen fOr die Schicksalsmacht auch im Plural auf.
Nun ist es ein fast bd allen Völkern beobachtetes mythisches Gesetz, dass
sich in solchem Falle die eine Persönlichkeit aus der Menge empf)rgehobcn
hat. Dies zeigt sich bes<'»nderb bei den seelischen Wesen. So scheint auch
hier die Menge der .Srhicksals^cLster das altere zu sein, aus denen sich der
koUektivlsche Singular als Führerin der Scharen oder als einzige Lenkerin
der menschlichen Geschicke herausgebildet hat. Dies muss bereits in ur-
gennanischer Zeit geschehen sein. Gleicltwoh) gehen nr»ch in hUiiirischer
Zeit die Vorstellung von mehreren SchicksaLslenke rinnen und die von einer
nebeneinander her. Jene mAgen im Seelenglauben ihre Wurzel haben.
Hierher zu ziehen sind wahrscheinlich auch die an. rtgin »die Beratenden«,
eine Bezeichnung, die in der isländischen Dichtung auf die Aücn Qbertragea
worden ist, die aber in frilher gejneingernianischer Zeil den das SchiiLsat be-
stimmenden Wesen geg<jlten hat (vgl. Scliade, Altd. Wtb, 11. 698).
Ftlr rtie.se Schicksalswesen hat die nordische Poesie die Bezeichnung
nornir. Sie findet sich nur im Isländisch -Norwegischen und Facröischen. Das
Wort ist noch nicht genügend aufgeklärt; am ansprechendsten ist die Deu-
tung Schades (Altd. Wtb. I. 157). der nom aus *norktii = Ver^chlingung,
Verknüpfung {*itorh zu ^snnhan = binden, knüpfen) entstanden sein iSsst.
In der Hand die-^ier .Hchicksalimflchte lag das Gr-schick der Menschen:
«ifl gaben üinen das Leben, von ihnen gingen b«'>se und gute Tage aus. sie
schnitten den I.ebensfaden ab. Aus dieser dreifaclien Thatigkeit der Nomen
mag sich das Dreigcstim der Schicksals machte eniwii-kelt haben, das sich
schon frOhzeitig auf germanischem Btriden findet. Da ferner die Nomen io
ihrer Thattgkcil als Unheilsciiderinncn und Todbringerinnen für den Men-
schen etuus Grauen er^\-eckend es haben, so erklJlrt es sich, das öfters in den
Quellen die eine Nome als die buse Schwester erscheint, die den anderen
entgegentritt und ihre Bestimmungen zu nichie zu machen sucht Das may
der allgemeine Volksglaube gewesen sein, dem höhere Dichtung, namentlich'
die nordische, so mannigfaltige Fonncn gegeben hat.
Junges, islandist lies Machwerk aus dem ^2. Jahrh. ist die Namengebung
der drei Nomen. Fallit aber die Nome der Gegenwart und Zukunft, so kann
auch die Urdr nichts mit der Vergangenheit zu ihun haben. Vielleicht ge-
hört das Wort zu dem idg. Stamme \!fri ^ drehen, wenden", zu dem auch
alid. iviri, mhd. wiruf = Spindel gehört. Wir hatten dann in dem Worte
dasselbe altgermanische Bild v<jn den Schirksalsmachten, das auch in nomir
liegt; es sind höhere Wesen, die dem Menschen das Schicksal ordnen, wie
die allgermanische Frau die Faden für das Gewebe. »Die Nomen waiUen Ober
das Schicksal der Menschen«, sagt die SnE. (F. 72), »und spenden dem
einen schönes und glfinzendes Leben, dem andern nur wenig Gut und Habe;
dem einen viele Tage, dem andern wenige«. Ihre Thüttgkeit Lst zu schaffen.
Das Schicksal heisst daher ags. wyrJa ^scea/t, alts. ivurdigisfapu, wofür auch
regano giskapu ockr mttode giscnpu sich findet. Daher heisst das von ihnen Be-
stimniie, da.-i Schicksal alis. ghkap, ags, gtseap, ahd. gmcaß; die Nonic selbst
ist >die schaffende- fparea = scephanla). Noch im 15. Jahrh. sagt Vinieler
in seiner Blume der Tugend (7863 ff.): So hahtn rllrich Intl thti w/in, f/tu
si maif/en unser Mm, t/m uns die ^achsckepfen geben, und das st um hk ff-
Nor KEN.
283
gtfrtn. Geradeso auch im nordischen: nomtr haia pars naud tkapa (SnE.
I. 557); den si^tfi nomti kann niemand emgehen. Aber auch das ahe Bild
dfs Webcns hiil sich crhaltcrj. Wie es im ags. lieisst: me p<et Wyrd ^waf,
sf> enahh der nordische Dichter, tlass die Nomen, als sie dem Helgi das
Leben schufen, den Schicksalsfaden mit aller Kraft gewunden liatten |,Hclg.
Hb. I. 3).
Als inlisrhes Zeichen, dass die Schicksals*'esen Ober das Geschick der
MenscJien wallen, gelten die weissen Flecken auf den Fingernägeln, die noch
heute auf den Fsröcm nontaspor (»Nonienspur-, Ant. Tidskr. 1849/50. 305)
heissen, Wir haben hier den Schiassel zu einem alten Aberglauben, der ober
das ganze germanische Gebiet verbreitet ist: hat man weisse Flecken auf den
Nageln, so bekommt man nach norwegischem Vitlksglauhrn etwas Neues
(Liebrccht, Zur Vulksk. .v», nach deutschem bedeutet es Glück und eben-
falls ru erhoffende Geschenke ^Wuttkc § 20,^1-
Als Lebenssfjenderin steht die Nurne den MUttenn bei der Geburl bei
(P4fti. 12. Sgrdr. 9). Nach der Gehurt pflegte man den Nomen Opfer zu
bringen, um dadurch für das Kind Ghick zu erflehen oder wenigstens UnglOck
(cm ru halten. Es sind Speiseopfer, wie man sie sonst den seelischen Wesen
bringt. Burchard von Wi.irms eifert noch dagegen (Mvth. III. 409). Auch
im Nortlen sind lüese Opfer mehrfach belegt. Nach Saxo gr. (I. zyz) bringt
König Frirtlevus nach der Geburt «seines Sohnes Olavus diese Spende, um Glück
Jüt ihn zu erflehen und seine Zukunft zu erfahren: zwei der Parcae ver-
heiMcn dem Kfinigssohn treffliche Eigenschaften, Reiclitum und Glück, die
dritte dagegen giebi ihm Geiz als Angebinde für das Leben mit. Auf den
FitrCkem, wo sich in der Sprache der Bewohner roch viele heidnische Anklänge
finden, pflegt noch heute die Mutter nach der Geburt des Kindes als erstes
Gericht Nomcngrfltze {iwrnagttytiir Ant. Tidskr. 184g. S. 308) zu essen. Was
die Nomen bestimmt hdbcn, steht unwiderruflich fest: Uräar ordi hrär ertf^'
madr {»Der Urrt Sprurh kann niemand entgegentreten- FJ9Ls\'m. ''\ mft
Svipdag der Mcnglyd /n. Es ist die alte Pra des tiiiations lehre unserer Vor-
fahren.
Wie das ganze Leben des Menschen, so liegt auch das Lebensende, der
Tod, in den Händen der Nomen. Als Ti>rf-Einarr den Halfdan hälcgg ge-
lötet hat, schreibt er das Schicksal seines Gegners den Nomen zu (rcifti ptrl
nomir, Orkn. s. cap. 8, HeioLskr. S. 71). Sie künden den Tod an, denn sie
beMtzeii in erster Linie wie alle seetischen Wesen die Gabe der Wei-wagung.
Nach einer der romantischen isländischen Sagjis, die in ihrer Fabelei viel aus
Volk^lauben und Volkssittc geschöpft haben, treffen einst Islander zwei
Geschwister, Brader und Schwester, in einer Höhle. Auf die Fnige, wie sie
heissen und weshalb sie so einsam lebten, antwortet der Bruder, dass seine
Schwester ihn «-hirme und pflege, denn die Nomen hatten geweissagt, dass
sie zugleii'h mit ihm sterben werde (Isl. S. II. 47J). Bei Nomagcst, wo
nach jüngerer Wei.« ob ihrer weissagenden Kraft Vi^Iven und Nnmen ver-
mischt werden, sucht die jüngste der drei Sirhweslem das glückliche Leben
des neugrborentrn Kindes, das ihm eben die älteren Schwestern prophezeit
haben, dadurch ru ni<hte zu marlien, dass sie bestimmt, das Kind solle nicht
langer leben als die Kerze, die an seinem Lager brenne. Da nimmt die
allere Schwester die Kerze, löscht sie aus und giebt sie der Mutter des
Kindes: In seine Gewah kommt hierdurch sein eigener Tod ^Nomagests^).
Ausg. Bugge ii\. Hiemus erklärt siih die Auffassung der Crär nder Xöm als
TmJf-sprittin, wne ja auch ahd. xvuri, ags. wvrd, alts, xvurf oft »Tod« bedeutet.
r eigentümliche Monilericheinung, der grosses Sierbcn folgte, nannten die
384
XI. M^-THot.or,iE.
Islander antarmäni (Eyrb. 98); ein Ungetüm, bei dessen Aiiblick man stirbt,
nennen sie noch heute uräarköllur (»Todeskatze« Isl. tj. I. 61^). Infolge-
dessen fallt die Nome oft mit der eigentlichen Twlesgöttin. iXex Hei, zu-
sammen, und wird alä die dunkle «csfliildcrl, die wie ein schwarzer Vu^jcl
durch die Lüfte dahin fliegt (Sturl. I. 370). Auf der ^mderen Seile berührt
sie sich aber auch als Lebenspenderin und -erhalterin mit der allwaltenden
Erdmuttcr.
Wie die Men»i'l;en, so standen wach jungem nordischen Mythus auch die
anderen, die mythischen Wesen unter dem SchiclciaUspmche der Nomen, so
die iVsen, AUcn, Zwerge, Daher hat die islündiathe Phantasie in einer spät
iiiterpülicrten Visa *lcr Fäfnismal {13) Nomen aus dem Geschlechte der Äsen,
AIfcLi und Zwerge gescliaffeii, In denselben nordischen Quellen, wo diese
mehrfache Abstammimg der Numen gelehrt wird, lesen wir auch von der
wclterhal teil den Thaiigkeil der Nurncn. In den Luftgefildcn hat, wie andere
seelische Wesen, auch die Nome ihren Sitz: nach ihr hat Dichierphantasie
den grossen himmlisclien Üromieu, die Wolken, den Cräarbninur gemuint
(Vsp. k;}: hier wohnen die Nomen, von hier aus bcgicssen sie die Erde mit
dorn erhaltenden Regen. liier ]>f1^en sie auch die Schwane, in deren Ge>
stall sie den Menst:hen ersclieinen (SuE. \. 70).
Diese Schicksalsgtitlinnen erscheinen bald m gr^Ssserer Anzahl, bald er-
scheint eine als Vertreteria der ganzen Klasse, besonders liSufig treten sie zu
dreien auf. Worin diese Dreiteilung ihren Grund hat, war schon angedeutet
Griechi.sch-rrtmisi:hen Einfluss dabei anzunehmen, isl nicht geboten, da sich
die Dreizalil bei versct dedunen germanischen Stummen schon in alter Zeit
findet. Obgleich Burchard von W'orms die drei Schwestern par^as nennt
(Myth. HI. 4CX)), st» Imt ihm doch wohl nur, wie in anderen Sttlcken, deut-
scher Aberglaube vorgeschwebt, g^en den er eilen, denn wo er Iclirte, spielen
bis auf den heutigen Tag die drei Schwestern, die in fast allem den nor-
dischen Nomen oder urdir gleichen, eine grosse Rolle (Panzer, Beitrage z.
deutsch. Myth. I. i— 20y; Mmmhardt, Genn. Myth. 05off.|. Drei Schwestern
bestimmen nach Saxo das Geschiirb des jungen (_tlaf. liire wrinisvitn-s kennt
der englische Volkäglaubc (Myth, 1. .1371. drei Schwestern aus Ricscnhcira,
ebenfalls Nomen, machen dem goldenen Zeitalter der Götter nach der
Vi^luspA ein Ende (Vsp. 81, drei erscheinen an der Wiege des Nomagest,
drei in der interpolierten Stroplie Vyluspä {20\. Au» die.ser Dreiheit sind wohl
auch die <lrei Arten (l'äfn, ij) hervorgegangen. Mögen sie aber in Menge,
mögen sie zu dreien, mag eine allein emcheicieu : immer findeu wir sie als
spinnende und w*ebende (M^th, I. ^44. Helg. HU I. 2), also in einer Thfttig-
keit, die uns schon ihr Name erschloss.
§ .i7. Die Schwanenjungfrauen. Vielfach berühren sich die Valkyrjen
■und Schicksalsmlldchen mit den Schwanenjungfrauen, den Lieblingen gcrraa-
iiiacher Sagen und Märchen. Gemeinsam \>i diesen mit jenen Gebilden, das*
es Frauen sind, die ihre Gestall wechseln können. Auch besitzen sie wie
Valkyrjen und Nomen die Gabe der Weissagung, In diesen Punkten geben
sie sich als Gestalten zu erkamen, die ebenfalls im Seclenglauben ihre Wurzel
haben (Jb nun prophetische Gestalten wie Veleda au^i dem Hnicterer-
slamnie (Tae. Genn. 8. Hisl. IV. Ol. C>.s», die weisen Frauen (Mvth. 1. 3^8 ff.),
den ersten Anstoss zu diesen mythischen Gebilden gegeben haben, bleibe
dahingestellt, Vielleicht haben auch hier Natur und Leben genieinsara auf
die Phantasie eingewirkt: die weissagende Kraft angesehener Jungfrauen und
die Überzeugung, dass deren Seele nach dem Tudc in der Natur fortlebe,
und die Wolke, die sich in der Phantasie so vieler Naturs'Olkcr als Schwan
NoRXEN. SCHWANEXjnCGFKAL'ES.
285
findet *. Infolge des gleichen mythisdien Ursprunp* werden aber Valkvrjen
und Nomen in der nordischen Diiiitunp mit den Schwanenjungfrauen oft
venniscljt. Jede Vallcvrje, jede Nome knnn eine Srhwanenjungfryu sein,
allein eine Schwanenjungfrati in der engeren Bedeutung des mytbiärhcn Be-
griffes kann nie eine \'alkyrje Lwlcr Nome werden. In ihrer menM-liltrh aufge-
fajisien Thatigkeit lag ihr Unterscrlüedr die Valkyrje hl Kampferin. die Nume
Idtcl das Geschick, die Schwanenjungfniu prophezeit die Zukunft.
Wie srhon der Name lehrt, crscheini die Schwanenjungfrau in Schwan engestatt.
Sie legt zuweilen, zumal beim Baden, ihr Schwancnheind ab und ist dann
eine schtinc Jungfrau. Namentlich in der ileul* hrn fJichtung ih-s Mittel-
alters um! im .M.'lrrhcn der Neuzeit spielt die Schwanen Jungfrau eine Hauptmlle.
Bei dem Bailen wird ihr zuweilen das (Jewand genommen; sie muss <lann
eine menschliche Rhe eingehen nder die Zukunft kündt-n. Eine solche
Sdiwanenjungfrau, die diristliche Mythe spater zu einem Engel gemacht hat,
erscheint den wa.schenden Mädchen Kudmn und Hildehurg iKudr. i(i6hff.);
Schwanen Jungfrauen Mnd es, die an der I>:inau Hagen das Geschick der
Burguntien iiu Hunenlandc künden (Nibl. Zamcke j^y. 5 ff.). In allen m'"«g-
lichen Gestalten liat die liichtnng dieseri einfachen und schlichten Gedanken
verarbeitet.
kaptthl vi.
DIE ELFISCHEX ÜEISTER.
§ 38. Neben den .seelischen Geistern, bei denen die irdische Thatigkeit
sich immer und immer «ieder in der Volksdichtung her^'ord rängt, liahen aber
unsere Vorfahren noch eine grosse Klasse Wesen, die ebenfalls im Glauben
an da.<t Fortleben der Seele ihren Urspnmg haben, bei denen ;iher die TlifUig-
keil, das Eingreifen in das Ge.schick des Menschen mehr in den Hintergrund
üilL Oft ist der Zusammenhang zwischen dem mythwehen Gebilde und der
Sleele g:mz vergessen, die schaffende Phantasie hat nicht einzelne Individuen,
wie bei Gespenster-, Alp-, Wcrw<ilfglauben, auch m'cht ganze Gattungen von
Menschen, wie bei dem Hexen-. Valkyrjen-, Nortiengl.mbcn, vnr Augen ge-
habt, sondern die Seelen im allgemeinen. Viele Menschen liaben ihr Leben
vollbracht, ohne dass sie irgend welchen Einflass auf ihre Mitmenschen aus-
geübt haben. Auch diese grosse Menge lebt fort. Die ewig belebte imd
bewegte Natur bezeugt es. Sie haust in Luft und Wasser, in Berg und Thal,
in Haus imd Hof, in Wald und Feld, in Scharen lilsst sie in der Kegel
die Volksphaniosie rusannnen wohnen, in Scliaren, die untereinander verbunden
waren nach der .\uffassung des altgcrmanischen Slaatsbegriffcs. Daher haben
sie »jweilen ihren König. Wir pflegen die Gesamtheil dieser Wesen elfisdu
Oattrr zu ncimen. Einzelne von ihnen erheben sich aus der Menge, erlialten
Namen und werden Lieblinge der Dichtung. Diese Westm sind die Ver-
treter der in der Stille wirkenden clt-nu-ntarcn Kräfte in der Natur. Hier
berühren sie sich, stellen sich aber zugleich im Gegensatz zu den Rie-sen, die
die gewaJt%en Naturerscheintmgcn verköq>ern sollen. Deshalb hat ihnen
die VntksphanL-isic kleine Gestalt gegeben, oft .sind sie nicht hoher alv drei
Finger. Zuweilen sind sie schfin, zuweilen hässlich gestallet, je nachdem ihr
Woluiort in <«lt:r Ober der Erde ist. Je kleiner aber ilir KOqjer, desto
scharfer ist ihr Geist: sie .sind verschmitzt, klug, .schnell, kunstfertig. Den
* So fragt der Estbe, w^nn rine wcfec Wntkt auTstdgc: »Welch« wdsse Schwan (Kcgt
in «lie Mrth-* ({loatr^ Finn. Myth. 71). Vi;l. auch Seh warix, Ursprung ik-r M\-th. H)4 f.
Mensrhcn gegenüber sind die etfischen Geister im »llgemeinen tillfreicli. sie
untei-stuuen sie bei der Arbeit, stehen ihnen oft mit Rat iukI Thal zur Seite,
bringen ihnen wertvolle Geschenke. Der seelische Ursprung dieser Wesen,
der bis in die ur^germanische Zeit hinaufrcir-Iit, ist natilrlirti mit <ler 2eii ver-
gessen, um so mehr tiat sich die subjektive Phantasie dieser Gestalten be-
mächtigt und hat bei alten gemianiitchen Stämmen eine BlQte clfischcr
Dichtung gezeitigt, die noch heute im V*nlke nicht erbschen ist, die dem
Kinde die erste Freude an der Dichtung unseres Volkes bringt, den Mann
an die alle Einfachheit umi Tiefe des germanischen Stamme-S mahnt
§ 39. Elf und Wicht. Zwei Wörter sind es, die schon in urjjenna nischer
Zeit die elfisrhen Geister in ihrer Gesamtheit bezeichnet haben mflgen, da
sie sich bei allen gemianischen Stammen in unzahligen Beispielen aus allen
Zeilen nachweisen lasseri. Und zwar decken sich die Worte nidit nur
sprachlich, sondern :iuch inhaltlich: es sind dies Ä'*/ und Wicht.
Das nhd Elf iw. ist in dieser Form Im lü. Jahrh. aus England nach
Deutschland gekommen und hat die eigentliche hd. Form Eib verdrangt
(D. Wtb. III. 400) ^ Mhd. crschebit das Wort als aip, In welcher Form der
allgemeine Begriff im Laufe der Zeit auf den besonderen eines drückenden
Nachtgeistes eingeschriinki wnrden ist (s. n.). Im got. ist das Wart ebenso-
wenig wie im ahd. als Simplex belegt, allein seine Existenz steht durch die
KomiHMtita mit Alp- (Graff I. 244) fest. Erst in der mittelhochdeutschen
Literatur findet es sich ziemlich oft {atp m. pl. tüte und flher; oder weiblicti
tlbinne}. Der Alp erscheint hier in den meisten Fallen als listiges, kluges
Wesen, das den Menschen gern an der Nase herumführt, zeigt also Eigen-
schaften, die besondei"s den Zweryen, einer Llnterableilung der Elbe, eigen sind
(Mhd. Wtb. L 24). Klarer n"cb tritt tler allgemeinere Charakter des Wortes im
ags. hervor, wo es bald als Maskulinum [alf, pL yifc), bald als Femininum
(ctifen: Komp. \vi»t(r>flfni. imidtelfeii. waUnelfen, s/Mtri/en Leo. Ags. Gloss. 471)
erscheint und die Bedeutung Geist, Genius hat. Eigentümlich ist den Elfen
im ags. Gebiete die glanzende Farbe: irifscine, ogLlnzend wie ein Elf-- ist ein
oft gebrauchtes Beiwort. Eine besonders reichhaltige El feiid ichtun g aus
früherer Zeit liat uns wieder der skandinavische Norden erhalten, wo die
männlichen Elfen öl/ai- (pl. von äffr), die weiblichen meist äifkanur gen;mnt
wcrdea. Daneben zeigt sich hier ein fem. ti/r, das noch siȊter in weiblichen
Eigennamen wie altnorw. pötvifr, aschw. Ame//r, (iunneifr u. ahnl. (Lundgren,
Spar af hednisk Tro S. 50 f.). alldiln. Kdifelv, Tfwraip (Nielsea, Olddanskc
Personnavne s. v.) )%fter vorkommt. Der älteste Hcleg für dies Wort ist der
Bracteat von Aagedal im Museum zu Bergen, der noch dein 7. Jahrh. angehört
(Bugge, Nnrges Indskrifter med de reldre Runcr S. 186 ff., bes. 19S. 201 — 2).
Etymologisch ist das Wort wahrscheinlich = skr. tbhu (vgl. § 28 und Wadstein,
Uppsalastudier S. 152 ff., wo die Elfen als alte Ltchtgeistcr aufgefasst werden
imd tlie ursprflngtiche Bedeutung von skr. rhhu, germ. aibh =^ «glänzend,
strahlend« verteidigt vsird).
Wie in so vielen .Stücken aligennanischen Voltsglaubens infolge der Reich-
haltigkeit und V'olkslümlichkeit der Quellen hat auch auf dem Gebiete der
Elfcnmythen das .\Uisl3ndische mit dem alten Worte noch ani reinsten den
ursprünglichen Inhalt dcsselbeji bewahrt- Wir kennen hier noch cleulüch
den Zusammenliang zwischen seelischen Gcislem und Elfen crkemiui. So
erzählt der Verfasser der Eyrbyggjasaga (c. 4): »Thörolfr nannte das Vor-
* Doch (indvt lich iK-rtils im 17. Jahrb. das Wort mit / (Aifon, die woien Knuei^
Hyri^ihiiL- Diabolicar. Vilmir, Idbu voa Kurb<ssCD * S. 89).
Elf und Wicht.
2B7
P
gcbirgc, wo er auf Island laiidelc, Thursiits. Hitr slclit ein Berg. An die&en
hatte. Thörolfr groiLSfn Glauhcii, m> daxs niemand ungcwasrlicii dahinschaucn
»lihe, und nichts sollte man itiif dem Berge töten, weder Vieh ntxrh Menschen.
Diesen Berg nannte er HelgafcH iHdliBctibcrg) und muinlc, dass er daliin
fohren werde, wenn er «terbc, und ebenso alle seine Verwandten. Hier war
öne grosse Friedstalle, und niemand solUc dahin gehen ti//reif ganga
(d. h. das thun, was die äZ/ar vertreibt, seine Notdurft verrichten).* Die
Stelle bit uns unveretflndlich, wenn wir nicht von der Voraussetzung aus-
gehen, dass unter den di/ar in d//reJt die Seelen der Vcrsturbcuen gemeint
sind. In dem Berge maviten diese liJ/ar hauten. Hier finde» wir sie auch
in mancher anderen Cborlieferung. Vun Olaf Gudrodsson vim Vestfold,
<jem Bruder Halfdans des .Schwarzen, *ird erzählt, da.ss er nach dem Tode
in seinem Hflgcl als tf//r furtgcicbt hatte, weshalb man ihn Geinla^mlfr
nannte. Hier opferten llim seine Gaugenossen, um ein fruchtbares Jalir zu
bekommen {Ftb. II. S. 7). Nach der Konnaks&aga ist Thrm'ardr schwer
verkündet Auf den Rat der zauberkundigen Th<>rdi:t geht er zu einem
nahen Hügel, worin die Alfcn wohnen, mid verlangt hier von diesen Besse-
rung, nachdem er das Blut eines Stieres um den Hügel gestrichen imd aus
dem Fleiselic den .\lfcii ein Oiifcrinahl Wreitut hat (Konn. s. c iX). Opfer
werden also den Elfen gebracht, ganz so wie sunsi den .Seelen der Abgc-
«chiedeneo. Bis ins 9. Jahrli. Iiinuuf kümien uir dies dlfabUl verfolgen (Ftb.
II. 7; aus dem Jahre 1018 Heimskr. S. 308. Fms. IV. 187).
Neben den .'\lfen, die in der Erde wohnen und im späteren isländischen
VolksglaulHUi guiiz ahnlich wie wisere Zwerge auftreten, kennt der ahe Volks-
glaube noch eine zweite .^rt FJfen, die in der Luft wuhnen, in naber Verbindung
mit den Glitten) stehen und mit diesen gemeinsam in der eddisdicn Dichtung
oft genannt wenJen. Sie zeichnen sich besonders durch ihre Schönheit aus.
Fhä iem älfkona «schCm wie eine Elfin« ist im alm. der Ausdruck höclister
weiblicher Schönheit. In einem Bruclistückc rayüiischet Köni>p>sagas heisst
«s, dass die Alfen alle Menschen an Scliönheit übertroffen hätten iFas, I.
387). Das können unmc'igHch die im Berge hausenden Zwerge gewesen sein.
Auf soldic Erwägungen hin hal sich nun der Verfasser des Snorra Edda
sein Hauptkapitet über die ätfar zusammengebaut (SnE. Kap. 17, I. 78 ff.
II. 2Ö4). Hier heLsst es: »Am Urdarbrunnen ist eine Stätte, Aißeimar ge-
nannt, dort wohnen die Ijosäifar (Lichtelfen), ahter die (/(*it-f(7//*7r (Dunkelelfen)
wohnen unter der Erde, um! sie sind einander ungleich an Aussehen und
Doch ungletctier in ihrer \VirksatiLkeit. Die Lichtclfcn sind weisser als
Sonnenschein, al>er die Dunkvidfen scliwarzer als I'e<:h.< Das ist r. T.
subjektive Auffassui^; Snorris im Kerne ist sie aber in dem altgermanisdien
Vulkaglauben begründet. Unter den dukkäl/ar haben Snorri sicher die Zwerge
vttfgeschwebt, die eine l'ntt'rahteihing der äliar sind, wenn auch von diesen
sdiwarze Hautfarbe sich sonst nirgends nachweisen lasst. Hat doch aiidercrseils
auch Ji^r^r die Bedeutung ^seelischer, alfisclier Wesen» (Vsp. 1 1 ff.), Elfen In
der umfas-scndsten Bedeutung des Wortes sind seclisdie Geister, die in der
Natur in der Regel zum Nutzen der Men.*ichheit «-irker. Dieser allgemeine
Begriff hal sich dann verzweij-t nach den verschiedenen ürleu, wu sie wirken:
in Luft und Sonnenschein wirken sie als Elfen in der speziellen Bedeutting
des Wortes, unter der Knie als Zwerge, Unterirdische, im Hause als Kobolde,
im Walde als Wald- und Holzfrflulein, im Wasser als Nijce u. s. w. Es
^ebt ilemnach eine jianze Reihe verschiedener Klfenarten, als da sind:
Liclitelfen, Lufielfcn, Erdelfen, Hauselfen. Flurelfen, Waldelfen, Wasserelfcn.
Die Natur der Gegend, wo dann die einzelnen germanischen Stimme
288
XI. M\THOI,<)GIK.
gcwoluit haben, lial bei ticin einen diese, bei dem anderen jene Art be-
srmclers ausbilden lasse-n. Spflter hat die Phantasie des Volkes die Elfenmy-
then vom religiös-mvihischen Zweige losgerissen und sie in den Boden der
Marchcndithtung veqjflaiut
Die eddisrhe Dichtung versteht unter den Älfar mit brsftnderer Vorliebe
die Lichtaifcn. Diese erscheinen im ßunde mit den Äsen versammelt beim
Gelage de» Meerriesen vEgir (Loican.); weder Äsen noch AJfen billigen Freys
Liebe zur Gerd (Skim. 7); »was ist bei den Äsen? was ist bei den Alfen?«
rtift die Vylva, als sie den Anbruch des Gntietgesehicks sdiitdcrl (Vsp. 48).
Mit der Sonne stehen diese Alfen im engsten Zusammenhang: Äl/f'^H
»Elfenstrahl': hctssl diese wiederholt in der nordischen Dichtung; Freyr, der
junge Sonnengott, erhieh im Anfang der Tage Af/imm als Zahngesrhenk
(Grimn. 5). Besonders anmutig sind die Elfcnsagen im heutigen skandinavi-
schen Volksglauben, vor aälcm im schwedischen, wahrend sie im norw-egi-
schcn ziemlirh zurflckRedrüngt sind.
Die Elfen {elfvar m. und e}fi>ar f.) sind ungemein zart, schlank wie eine
LiKe, tt-eLss jrie Schnee. Ihre Stimme ist lockend und lieblich. Sie baden
sich gern in den Strahlen der Sonne. Will sich ein Elfemnädchen mit einem
Menschen vcrbÜKicn, s<i fliegt es mit dem S<>nnenstni)il durch irgend eine
Öffnung, durch das Schlüsselloch oder eine Ritze des Zimmers, Oft erscheint
die ganze Schar der Elfen fliegend ; sie bibcn daim kleine FlQgel an ihren
schneeweissen Schultern. Wenn sie durch den Wakl in schnellem Winde
d.'iher fahren, rascheln und bewegen sich die Bflume. Nocli heute leben die
Elfen besonders in Hügeln (chcrhöje). Sie bilden in Danemark da.*i elve-
o<ler ellf/oik. In Schweden giebt es an mehreren Orten RlfenalUire, wo für
die Kranken geopfert wird. Ihrem Hügel zu nahen ist gefahrlich; schon
mancher Jüngüng ha» sich schlafend an einen Elfenhügel gelegt und ist nie
wieder zu seinen Mitmenschen gekr.mmen: tue Elfen haben ihn in den Hügel
gelockt. Besonders lieben sie den Tanz, den sie wahrend der Mondschein-
nacht uuf Wiesen ausführen. Der aufsteigende Nebel mag dicw.- Gebilde der
Pluuitasie hervorgerufen haben. Allein sie künnen auch gefährlich werden
imd berühren sich dann auffallend mit unseren niithischen Hexen und an-
deren seelischen Wesen. EinSdilag v<m ihnen lahmt oder bringt Kninkheit.
Aus <icr Luft herab schiessen sie ihre Pfeile: hiervon kommt der nhskof
(Aasen, Norsk Ordb. s. v.), eht- oder eUakmi (Elfenschussl, der den Totl bringt
(vgl. das VoiksiiwI Klveskud, hi^g. vr^ S. GnindtWg. Kbh. r882i. ,\u8
dieser Thntigkcit hat sich der beschrankte Begriff unseres Alp als Druckgeist
entwickelt (s. n.).
Aber man findet die Elfen nicht mnr in Beiden imd auf Wiesen, aiH-h in
Waldeni, Gewässern. Quellen und Flü.sseii w.»hnen sfe. Nach schwedischer
Sage sieht man sie z. B. in Srhwanengestalt durch die Luft fliegen: sie stürzen
steh ins Meer und in Teiche, und alsbald sind sie die schi°>nsten Mfidchen
{vgl. Hylten-Cav:Uliu.s Warend I, 249 ff. Thiele, Daum. Folkes. IL 175 ff.
Faye, Norske Ks. 4*1 f.). Eine etwas andere Schattierung haben die Etfen in
der neui.slandisc]ieii Volkssagt;. (.\here Sagen über sie in den Annalen des
Bischofs ( lisli (jddsson aus dem Jahre ifi^; vgl. Zs. d. Ver. f. Volksk. L
iOq f.). Der Begriff des W<irtes hat sich hier verengert: sie erscheinen
ganz unseren Zwcrge-n, den Undetjordiske der skandinavischen Volks-
sage, ahnlich. Wie diese wohnen sie fast nur in Hügeln, sind men.schen-
ahnlicb, aber ohne Seele. Ihre Lebensweise ist g;m7, der dt» UlandLscben
Volkes angepasst: sie werden geboren, haben langes Leben und sterben,
lieben Musik und Tan«, feiern in den festlich erleuchteten Wohnungen der
Ei-F. Wicht. Zwxrg.
28q
i
li
Berge ihre Feste, namentlich zur Weihnachlsxdt. ja sie haben sogar ihre
Kirchen. Nur haben sie übernatürliche Kräfte, woduicli äic dem Menscheu
nQUen oder scliadcn. Sie veriangen auch menschliche Hülfe, l>esonders ihxe
gebSremlen Frauen, und spenden dafür reichlichen Lohn. Gern vertauschen
sie Üuc hüislidicn Kinder; diese ymskipün^ar eulsprcthai ganz den Wcchücl-
bAlgen unserer Zwerpe. Auch Liebschaften gehen sie mit Menschen ein und
strafen treulose Mädchen oder Mutler, die ihre Kinder veinadilüssigen (K.
Haoier. laL Volks, z ff. Jon Amason. Isl. l'j. I, i ff.}. '— In Deutschland
ist der Name »Elfen« mehr in den Hintergrund getreten: nur vereinzelt tritt
ci im heutigen Voiksj|;lüubcn nutli auf uud zwar bald in seiner allgemeinen
Bedeutung als Geist, bald in einer besonderen und dann hauptsächlich aU
Flurgcist. An Stelle der £Ucn sind unter chiistlicheni Einfluss besonders
häufig die Engel getreten (Laistner, Nebs. 327 K. Wuttke § 5a Gebr. Grinun,
Irische ElfenmSrchen. Lpz. 1Ö2Ö.).
Ein zweites Wort, das \s\ uralter Zeit den ganzen Kreis seelischer, in der
Natur fortwirkendor Wesen umfasst liabcn muss, ist unser \Vii:ht (got -maihlt,
ahd. wiki und wihii, alu>., a^s. wihi, alui. vaUr). Die Grundbedeutung des
Wortes scheint >kleine8, seelisches Wesen« zu sein. In Bezug auf Geschlcclit
erscheint da^ Wort bald als Ntr., bald als Masc, bald al» Fem. Vielleicht
hangt das Wort sprachlich mit > bewegen« zusammen, so dass in den Wichten
vrjo Haus aus die lielebenden Naturgei.ster stecken. Sidicr ist, dass sich das
Wort als Bezeiclmmig übeis-hmlichcr Wesen bei allen germanischen SUimmen
findet und deshalb urgermanisch sein muss: in ahd. sind Jiu wt/i/ fydvT wtA/tt
dAmnnischc Wcs*:n (Graff I, 730), ebenso im mhd., wo sclion daneben äas
wiMtel, icüiitUn, unser Wichtelmännchen, belegt ist (Mhd. Wtb. Itl, O^off.).
Den gan/ftt (kimr>nischen und seelisdieit Charakter zeigt brs«itulers die Stelle
aiis Gl- V\ox, (25): »tvifil^Jtn vel eilt* lemurcs, lares cnm coipimbus mcrantcs
vcl QCNitunii dacmoncs-^. Ebenso sind im Heliand die demtit wthti trügerische,
dAnxjnische Wesen, ist im ags. (viAt ein dUmonisches V\'escn, ein Teufclchcn.
VuDstflndig klar liegt der Begriff seelischer Wcsun im allgejiiciuca uodi im
. ngUr (pl. ufttir\, dan. virlU, schwed. vdtu. Die altnord. Dichttmg kennt
ftff wrtlir oder /föifvuiitr (gütige Geister), meinv<tUir (sdiadende Geister),
Uindvtettir (Landgeislcr). Von Maas au.i haben also die Wichte eine besuu-
3ae FUibung nicht; sie sind im allgemeinen kleine sedische Wesen, älmlich
wie die Elfen, die erst s^iater in einzelnen Gegenden durch die Volksdichttmg
eioe bestimmte Gestalt, die der unserer Zweige ülmlich ist, angenommen
haben.
S 40. Die Zwerge. Unter den eUisdien Geistem halMni dne beamdets
weilr Verbreitung die Zwerge. D;is Wort findet sich ebenfalls bei allen germa-
nisdien Stammen; ahd. twtrg, mlid. gciwerc (miitctd. ifuerrh, zwtrc/i), ags.
JwrorA, engl. tfuHj//, attn. di^crgt, nnrd. ämrg. Dass die Zwerge zur Sippe
der Elfen gelu~>ren, gehl daraus hervor, dass in der mhd. Dichtung Alberich
ab ilir König ersiheint, d;uis Wieland, einer der hauptsachlichsten Vertreter
xwcfgiädiL-t Kunst, äi/a ifvdi. difa visi (Vkv. 10». i.i*) gcuamit wird, dass
im neuisland. die Zwerge ^dfar heUsen. Die Etymologie des Wortes ist
mich nicht genügend aufgekl^irt LaisUier (AfdA. XIII, 44) bringt es mit
mbd. xiLxrgen *comprimcre< zusammen und deutet dcmuacli die Zweige als
maliristihe Wesen, als Druckgeister, s«i dass das Wnrt dem Dnickerli oder
Doggcli der Alcnumncn cnts)>rechen würde. Unhaltbar ist die oft vertddigte
Verbindung des W.-.ncs mit &EovQy6^ -übemaiürliche Dinge verrichtcndt.
Khigc (Etym. Wtb. " 423} stdil es zur germ. Wurzd dru^; >tnlgeo« und deutet
dcai Zwerg als »TrugWkl-.
Gernunisctvc Phtloloffi« III. ^ Aufl. 19
290 XI. Mvthoijooie.
Fast kein mvthischcs Gebilde wurzelt sn fest in der Volksphintasie wie
der Zwerg. An<lcrc tnj-thisrhe Xamtin haben ihren Begriff bald erweitert,
bald verengert, der Zwerg, wo er sich auch findet, lebt wie der Riese noch
heute im Volksglauben in ücrsclben Gestalt fort, in der wir ihn in den ältesten
sdiriftlichen Quellen finden. Klein an Gestalt, oft kaum einen Daumen
gross, erscheint er meist als Ix'jahrter Mann, als GrtMs mit langem, wcisäem
Barte, zuweilen sclimutzig grau, mit übel gebautem Leibe, zuweilen ver-
wachsen, anyelhan mit grauer Sackleinewand, wuhcr er auch den Namen
»graues Mannchen« führt Sein Kopf, den eine Zipfelmütze bedeckt, ist be-
sonders gross und dick; daher hcisst »^r ina B fanden burgischcn oft »Dickkopf«.
Zuweilen haben die Zwerge Gänse- und Ziegenfüsse. in der Obeqifalz Kindcr-
füsse. Stets sind sie sehr schnell; sie sind plötzlich da und ebenso schnell
wieder verschwunden. Durch eine Tarn- oder Nebelkappe, den alln. huUtts-,
kjdlm, dün. limrgfhai^ kennen sie sich unsichtbar machen. Immer wohnen
die Zwerge in [len Berten und in der Erde. Daher heisseu sie auch Btrg'
mämüein (Thür.), lijer^folk, Hjfrspnanti (Danem.). Enimännthen (Thöring.),
lirdleutt (Üldenb.), ErdschmiedUin (Süddeulsdil.). Be*inders liflufig sind in Nord-
deutschland und ganz Skandina\'ien die Bezeichnungen Unterirdische, Uuder-
fordiskt. Oft verlassen sie diese Berge und werden dann von Menschen ge-
sehciL In den Alvissmäl sagt Alviss selbst, dass seine Heimstatte im Stein
sei (Alv. 3). Als Svegdir auszog, tun Godhcimar zu suchen, kam er an eine
Statte, die hiess ä Steint: hier w^ihntc eni Zwerg und hui ihn zu sich in das
Gestein ein. Aus deutschen Sagen ist der Avifenihali der Zwcrgi.* io Bergen
hinlänglich bekannt (Grimm DS. I, iQ2ff.). Hiennit hangt es zusammen, tiass
im altnord. das Echo die jS]irache der Zwerge« {dv€r^a mdl) heiiwit: aas den
Bergen erklingt iti dt-r Ri!gel das Echo, die hier wulmenden Geister geben
die hineingerufenen Warte zurück. Hier iin Berge haben sie ein Reich, das
die Volksphantasie Ähnlich weltiichcn Reichen aiLsgestattet hat: Künige regieren
sie, wie Alberich, Goldeniar r.der Laurin in der nihd. Dichtung, wie noch
heute in der Volkssage Hans Helling in BAlimen. Gibich im Harze. In der
Regel übertreffen diese Könige die anderen Zwerge an Weisheit. Die Auf-
fassiuig dieser Zwergkünige ist ganz ilie germanische Auffassung vom König-
tum zur Zeit der V^ilk erwandern ng, In dieser mögen daher diese dichteri-
schen Gebilde vrjin Zwergstaatt: ihre Wurzel haben, zumal sie sich besondere
bei den südgermanischen Stammen finden*. In den Bergen hilrt man oft
Musik: da sind die Zwerge bei Tanz und frohem Gelage. Verlassen wird
der Berg nur in der Nacht — und hierdurch giebl sich der Zwerg ;ds seeli-
sches Wesen klar zu erkennen — ; das Tagt^slicht .scheut der Zwerg; wird er
von diesem ubcrra.scht, so wird er in Stein verwandelt Su geschieht e« mit
Alvis, den Thor durch sein Fragen solange auf der Oberwelt hält, bis im
Osten die Sonne erscheint (Ah-issm.), Eigen ist den Zwergen grosse Weis-
heil und Gesclucklichkeit. Sogar der Dichteriuet befindet sich nach jimgcin
Mythus urspninglich im Besitz der Zwerge Fjalar und Galar (SnE. I, 216;
JI» 295). Sie sind die besten Sclmiiede und fertigen die trefflich^lcn Waffen
und Kleinode. Das sind sie aber durch ihren Aufenthalt im Berge geworden,
wo sie sich nur mit Scluuiedearbeit beschäftigt haben. Im Gestein rulil Eisen
und Metall, als Herren und Bewohner des Gesteins haben die Zwerge dies
1 Elfenkönige encbrincQ in der späteren nord. Volksdicbnmg rAtx. So weiss Fianur
J&Quon In der HUt. «cd««. (U. 368 f.) \ü\\ zwt:i IClfi:nk>>)ii|>cii Auf \i\anA rM «r^iililcn, von
denen jedes Jabr einer nach Norwcf^n fahren mmstc-. um hier dem Oberkön^e aber den
Zusund »eines Reicbci Bericht lu ersmticn.
Zwerge.
291
I
in ihrer Gewalt. Daher bcsitica sie unsägliche SchüUc, mc die Dichtung
vom Nibelungenhort lehrt und der nordische Mythus vnn Andvari, der in
Hechtgcstalt unsäglichen Reichtums wallet (Rcgm. Pros, und V. i ff.). Daher
sind **ie die ältesten Schmiede, die die Menschen eist die Schmiedekunst ge-
lehrt haben. Aus diesem Grunde sind die Zwergsagen besonders heimisch
und ausgeprägt in Gegenden, wü der Bergbau zu Hause isL Wenn im Nor-
den ein treffliches Schwert erwälmt wird, so wird in der Rt^el hinzugcfngt«
dass CS ein Werk der Zwerge sei (Weinhold, Almord. Leb, 197 ff.); solch
dvcrgasmiiti durclischiieidet Eisen und Stein und kann nicht bezaubert werden.
Sellftl die trefflichsten Gegen st'indf, die nach eddUchem Mvthus im Besitz der
Götter sind, stammen von Zwergen. Eine dichterisch schön ausgeschmückte
M_\lhc der SnE. ^I, 340; II, 35üf.) erzählt uns, wie einst Thorr den Loki,
der seiner Frau Sif die Haare abgeschnitten hatte, gezwungen habe, dase
dieser <lcr Sif neue goldene Haare von den Schwarzelfen, d. i. den Zwergen,
veiscliaffc. Da ging Lxiki zu Ivaldis Sölinen, und diese schmiedeten das
goldene Haar ticr Sif für Thor, das Schiff Ski<lblailnir für Frey und den
Speer Gungnir für ndin. Jetzt brüstet sich Loki mit solchen herrlichen Dingen
ujkI wellet in seinem Cbermute mit einem anderen Zwerge, dass sein Bruder
nicht so vorzQgliclic Dinge zu schmieden verstände. Ya kommt zur Wette:
der Kopf steht auf dem Spiele. Der Bruder des Zwerges schmiedet darauf
tmtz alier Hiiulerungsvtrrsuche Lolus den guldborsligcn Eljcr für den Sonncn-
gK-ilt Frey, <len goldenen Ring Draupnir für Odin und den Blitzhamnier
Hjvlur für Thor. Die Götter sollen die Wette entscheiden: sie hallen den
Hammer für das schönste Kleinod, und der Zwerg hat gewonnen. Nur
durch List rettet der .schlaue Loki sein Haupt. — Der trefflichste dieser Zwerg-
»chtnicfie ist Wielanä, der noriÜM-he Viriundr, den die Dichtung schmi In seiner
Heimat, in Niederdeutscliland, vom mythischen Boden losgerissen und wie
einen Sagenheklcn besungen bat, so dass man nur noch aus seiner Kunst-
fertigkeit und den Beiwörtern, die ihm die Dichtung gegeben, seinen elfischen
Ursprung schlicssen kann (vgl. liicrübcr Symons in seiner Darstellung der
Heldensage). Mit dieser Schmietlekunst stehen Überall die Zwerge den Men-
schen zur Seite. Von der Zeit an aber, s«) erzählt die Sage, wo der Mensch
selbst den Bergbau betreibt, haben .sich die Zwerge zurückgezogen: das
Haniuem imd Fochen in den Bergen können sie nicht vertragen. Dazu
kommt noch, dass die Mcnsclieu ilinen gegenüber immer treuloser werden.
Das dritte cndlicli, was .sie vertrdbt, ist das Gl<x-kcngelaute, und dadurch
seigcn sich die Zwergmythen sj:> rfxht als Sprösslinge aus der Heidenzeit
FOr ihre Hülfe verlangen die Zwerge al)er auch von den Menschen Bei-
stand. Namentlich müssen oft Frauen den Zwerginnen Hebamraendiensle
leisten, wofür ihnen dann reichlicher Lohn zu teil wird. Der Zug ist alt,
und in Deutschland ebenso aus aller und junger Zeit belegt wie im Norden.
Allein der Zwerg ist nicht immer liebreich, er legt dem Menschen gegen-
über auch Eigenschaften an den Tag, die diesem nicht lieb sind. Bis in»
Altertum lassen sich die»e Eigenschaften zurück verfolgen {Mylii. L ^85 ff.
GrimiD, Irische Elfenm^rchen XCIIf.). In dem dvergatal der Edden (PBB
VIL 240 ff. Symons, Eddalieder I. 20 ff.) erscheint ein Alpj^ft (Erzdieb).
Jllepjöfr (Hügeklicbi; in der l*idrs. heUat Alfrikr (Albrich) *hinn mikii stelari'
(»dei grosse Stehler« Ji'"). Auch Menschen entführen sitf, wie Laurin die
schAoe KQnhilt, Goldemar die Königstochter (W. Grimm. HS. 274. 176. DHB.
I. 282). Besonders gefürchtet sind sie, weil sie den Menschen oft ihre Kinder
wegnehmen und dafür die ha.sslicl) gestalteten Zwergkinder in die Wiege legen.
'^as ist ebenfalls ein Zug, der sich bei allen germanischen Stammen aus junger
292
XI. Mythoi-ooie.
uud alter Zeit nachweisen iassL In Deutschland heissen S'tkhe Zwergkinder
Wfckse/6tS/ge, die schon Notker (Ps. 17, 4Ö) ak taihseiinga kennt In Nieder-
deutschiand und in Mitteldeutschland nennt man sie besonders fCielkrüp/e
(Praturius, VVfUbcsclir. 357 ff.), ein Wurt, das wohl mit rad. 7«/= Quelle
zusairuncn hängt (R. Hildchmnd, DWtb. V. 6H1}. da stilrhe Kinder ans Gc-
u-üssem her\or);»ebraclit sind und infolge dessen auch wieder ins Wasser ire-
wurfun werden, wie uns sowohl deutsche (PratoriuB S. 362) als nordUche
Sagen berichten (Rietz, Sv. Dial. 6g unter -ff)'///«^). In Skandinavien heissen
derartige Wesen bytiing (von byila = tauschen), xkifintg, bei den Isländern
nmskiptin^ar (von skipta = wechseln, vertauschen).
Über den Untprung der Zwerge berichltl uns ein junger nordisdu-r Mythu.v,
den in seiner ausfuhrlichen Ge-stalt nur die Snorra Edda kennt {SnE. I. '>2 f.
II. 2öo). Nach ihr sind die Zwerge von Haus aus Maden im Fleiscli des
Riesen Yinir gewesen. Dieses war der Urricsc^ au-s dessen Fleisch die Götter
die Krde schufen. Die Quellen dieser Schöpfungsgeschichte (Grimn. 40 i.
Vufjjr. 11) wissen nichts von der ScliOpfung der Zwerge. Die zweite, aber
altere Quelle (Vsp. ti/i berichtet nur, dass die Gfitter die Zwerge geschaffe4i
haben. Aus beiden Schöpfungsbericliten hat sich Snorri zusaniuiengebaut,
dass die Zwerge, wenn sie aus Yrair her\orgegangcn sind, in dessen Fleisch
Maden gewesen sein müs.sen. VolkstOmlirhen Glauben giebt die Stelle schwerlich.
§ 41. Dif Hausgeister. Viel Verwandtes mit ck-n Zwergen haben die
Hausgeister, unter denen der KoMii den ersten Platz einnimmt. Schon im
ags. sind ro/gndtis »penates« belegt. Der Kobold ist seiner sprachlichen
Ableitung nadi der der Kobe, d. i. der Kammer, des Hauses Waltende, der
Kobvalt (DWtb. V. 1548 ff.), oder der Kobhold d. i. der Hausgeist (Kluge,
Etym. Wtb. S. 21X1). Neben diesem Ximien kennt der Volksmund den Hausgeist
als lieinsthuifinchen, Wichlrimunachefi, PolUrgti'sl, üumpelgeisl, IlüUhen. Güttgfn,
Popans, BuIUrkatcr u. ilgl. (Wultke ij 5I7)- Uiwcnders ^'erbreitcl ist femer der
Butitmanii, fries. boesnuin, büseman, schwed. hust, dän. buscmaud. Das Wort
bedeutet wahrscheinlich von HaiLs aus den Daherfaiirendcn und Schreckencr-
regcnden U-aistncr, ZfdA XXXIl. 145 ffj. Über einen grossen Teil Nieder-
dcutscblauds, Frieslancls und Englands verbreitet ist der poock. engt, puck,
den man ebenfalls in Dänemark al.s kuspuke, in Schleswig-Holstein (Müllen-
ho(f 3181 als nhpuk kennt. In Dänemark und Schweden heisst der Haus-
geist nisu (PI. nisser), in Schweden bohall, lomU. in England brownit, good
feUmv. Diese Mausgeister erscheinen ganz «-ie die Zwerge: klein, grau, mit
feurig glauzenden Augen. Der Kobold ist ans Haus gebunden; er verlSsst
es nicht, und mir (L-mn kann man sich seiiicr entle(hgen, wenn das I laus
verbrannt wird. Hier haust er überall, bald hier, bald dml. mit besonderer
Vorliebe im Gebalk iKuJm, Nordd. S. 17. 18. Mülleidioff, Sdilesw.-
Holst. 433. Rochholz, Aarg. I. 73 ff. Zingerle, Sagen aus Tirv»! 34g ff.). Er
steht dem Bauer heimlich bei seinen Arbeiten bei, füttert ihm das Vieh,
hilft beim Dreschen, bringt Geld und Getreide. V«im Lande i.st er mit nach
der Stadt gezogen. Hier hilft er dem Hiuidwerkcr ebenfalls bei seinen Ar-
beiten und schirmt sein Haus vor Feuersbrand. — Den mythischen Hinler-
gnmd des Koboldes kennt der voigtUlndische Abei^glauhe, wonach dieser der
Geist eines ungelauftcn Kindes ist (Kohler 476).
Wie das Haus seinen Geist hat, so bat es auch das Schiff. In ganz
Norddeutsdiland heisst dieser Schiff^eisl Kladatitermann, KlabaUnttänmhen,
Kalfatermann (vgl. Am Urquell I. 134 f.). Er hilft hier den Matrosen die
Segel hissen, das Schiff reinigen u. s. w. Dafür setzt man ihm Milch imd
Speise vor. Eine Rügener Sage erzflhlt, wie der Geist in das Schiff gckora-
Haus-, Wald- üno Feldgeister.
393
iiicn ist, und lehrt zugleich, wie immer noch im Volke die Vorstellungen vom
seelischen Ursprung dieser geLsterhafien Gestalten fortlebt. Damach ist der
Klabaulermann die Seele eines Kindes, die in einen Batua fährt Wird dieser
Baum zum Schiffsbim VfTwentlct, sn entsteht aus <lem im Holze weilenden
Geiste der Klubaulcnnaiui. Er besteigt das Schiff. s«jUild das letzte Stück
Hob; an diciw^m angebracht ist (ZfilMvtli. II. 141). Ebenso wi-sscn pom-
mersche Sagen zu berichten, class die Seele eines toigebomen Kindes, daa
unter einem Baume begraben Hege, mit dessen Holze ab Klabautermann
aufs Schiff komme (Temmc, Volkss. aus l'ommcm 302).
Als gcldspendeudc und geld vermehrende Hausgeister oder Hausfreunde
srw^heinen in Westdeuisrhland von der Schweiz bis nach Friesland hinab die
t/niuaen oder .Untnen, üsilich davon von Tirol bis nach Osipreusseii die
m Drachen, mythische Gebilde, die nicht vor dem Mittelalter entstanden
'«ein künncn, die aber in ihrer Grundanschaiiung ebenfalls im Seelenglauben
ivurzeln. Utesc Geister, für die im christlichem Mytlius zuweilen der Teufel
erscheint sind nicht ans Haus gebunden, sondern lersrheinen nur von Zeit
zu 7.ä\ und bringen dünn, in der Regel durch den Schomslein, das Geld
<Wuttke § 49. 50J.
^ 42. Wald- und Feldgeister. Es ist Mannhardts Ver<üenst, den Kultus
und die M^-then, <lic mit der v.-achsendcn und grünenden Vegetation im engsten
Zusaninn^ntiange stehen, gesammelt und systemintisch geordnet tu halien ( Baum-
kultas der Germanen u. s. w.). Auch auf diesem Gebiete zeigt sich überall
das mythenschaffende Talent unseres Volkes. Ein Vergleich mit den anderen
seelischen Wesen belehrt uns, dass auch diese Geister im Kerne in dem
Glauben an ein Furtleben der menschlichen Seetc iu Wald und Feldern
wurzeln. Sie hJlngen aufs engste y.iLsammen mit den Windgeistem und -damonen,
werden von diesen oft verfolgt, ja (iccken sich zuweilen mit ilinen. Der
Schluss, den Mannhardt aus diesen zahlreichen .Mythen gezogen hat, dass aus
der Beobaclitung des Wadistumes der Urmensch auf Wcsensgleichheit zwischen
sich und der Pflanze geschlossen und dieser eine seiner eigenen ähnliche Seele
abrieben liabc, trifft dalicr nicht das Rechte. Vielmehr schioss der Mensch
dem Winde, der in den Ästen rauscht und der selbst uns noch bei ein-
samem Gange durch den Wald eigentümlich berührt, aus dem W'inde, der die
Saaten wogen lasst dxss hier in der Natur die Geister ebenfalls ihr Wesen
treiben. Natürlich mussten sie auch hier ihren Wohnort haben, gerade wie
die Scharen der W'indgeister, die aus den Bergen kommen, in diesen wohnen.
Ihn fand man in den einzelnen Biiumen oder in den Gefilden der Saaten,
und So sind die Feldgcister und Baumseelen entstanden, die so tief in un-
serem Volb^laubtn wurzeln (vgl. Kober^tein. Über die Vorstellung von dem
Fortleben menschlicher Seelen in der Pflanzenwelt, Wcim. Jahrb. I. 72 ff.).
Ab seeiisdie Wesen genossen sie Verehrung und Spende, vi-ie unzilhlige
Sitten und Gebrauche bei allen germanischen Stämmen aus alter und neuer
Zeil lehren. Aber auch sie hat die Poesie im Laufe der Zeit vom Boden
alter (jlaubfnsvufsti'llungen auf das Gebiet subjektiver Phantasie verpflanzt
und hat neue Mythen entstehen 1aJ^sen. aus denen der alte Glaube an das
Fortleben der Seele nicht mf*hr zu erkennen ist.
So sind die ihcriomorphischen und anthropümort>hisclieu Gestallen ent-
idcn, an die noch heute unser Volk unbewusst glaubt .\uch bei diesen
Stern hat sich die Menge gewissennassen zu einem einzigen höheren
Teseu verdichtet der kuUekti^ische Singular ericheint als hühcres peraCnlicIies
/^esen, das über die anderen gesetzt ist das dann über die ganze Vegetation
im Walde herrscht. Und liier wird das seelische Wesen in der Volksvw-
stellung zum Darion.
Unler mancherlei Namen erscheinen die Waldgetsler des gcrmanisclten Volks-
glaubens. Überwiegend liaben sie weibliche Gestalt, doch erscheinen sie da-
neben auch in mtlnnlichcr. Überall auf germanischem tloden. woWaldußgen
die Anhoben bedecken, sind sie zu Hause. Nur in der norddeutschen und
dänischen Tiefebene treten sie in dt-n Hintergrund oder haben vielmehr ihr
Mythengebiet den Zwergen und Windgeislern überlassen. Ganz besoDdos
sind die Mythen von ihnen in Oberdeutschland, in den Alpen ausgebildet. Hier
erscheinen sie als IVi/ife l^itie, als Sttigt oder SaHj^r h'riiuiein. als Fanggen, aU
Waldjfinkcn u. dsl. In Mitteldeulschland leben sie in der Vnlkspluintasie als
Holz- oder Momfräulrin, Holz-, MomweihrJ. a!s /iuscfi/rautn, als Ijohjtmgfa
(d. i. GebOschjuiigfer, z. B. bei Halle), iils Ärti'/**/uW**r (Riesengebirge) u. dgL
Aus Sclileswig weiss Trogili Anikiel (1703) von der Frau Elhom (der HoU
lunderfrau) zu berichten, die man in Schonen als Hyile/roa (HoUunderfrau)
oder Askafroa |Esrhcfniu), in Danemark als HyÜemor kennt jMannhaid^
Bauinkult S. 10 f.). Sonst nennt man sie in Schweden Skogs/m (Waldfrau),
Skogssfiua, SJ^ogysnvra <Rietz, Dial. lexic. 594). Daneben crMhcincn mann*
liehe Gejitalten wie die WaidfnA'nniein, Wiliimännel, Nörgeti^ Schrat, SchriSUltix
(s. o.), in Sdiweden der Siogsman. Je höher wir in die Gebirge hinauf
steigen, desto ül>ernienschlicher werden diese Gestalten in der Vollodicfatung.
Wührentl sie in Mitteldeutschland fast durchweg rein menschliche GrOsse
haben, kennt sie der gebirgige SOdcn als Rtcsinnen, die unter <lera Einflüsse
gewaltiger Naturerscheinungen gross gezogen sind, liigentflmlirh hai sie die
Volksphantai>ic ausgestattet: sie haben einen behaarten, meist mit Moos be-
wachsenen Leib, ihr Rücken ist oft hohl wie ein morscher Baumstamm,
weithin flattern ilire Haare, besonders eigen sJTid ihnen die grossen, herab-
hängenden Brüste (Mannhardi, S. 147). Zuweilen knmmen sie in die mensch-
lidien Wohnsliltten ; dann helfen sie den Menschen bei der Arbeit und
bcrülircn sich hierin mit den Hausgeistern, wie sie auch auf den Bergen dem
Sennen die Ik-rden wt-iilcn. Milch und K.lse erhallen sie dafür zum I.,obD.
Eine weiten;; Au-^bÜdung tles Mythus ist die enge Verknüpfung des scelischea
Wesens mit seinem Anfeuthall-sorte, dem Baum: daher bluten die BAume,
daher stirbt nach Tirulcr Volksglauben tue Fanggc, sobald der Baum gefallt
ist Hiermit hangen die über das ganze germanische Gcl)iet und dariüxr
hinaus verbreit et i.-ti Schutzbaunie zusammen, die schwedischen l'aräfräd,
d. s. Baume, in der Nahe des häuslichen Herdes gepflanzt, in denen der
Schutz- u]id ScliJrmgoist einer Person, einer Fainiltc, eines ganzen Dorfs
wohnt (Mannhardt S. 44).
Überall verbreitet ist femer der Mythus, dass der Sturm, der Windmann
oder der wilde Jäger das Waldfraulein verfolge. Dieses berührt sich hier mit
der Windsbraut und schemi demnach eher zu den Dämonen zu gehr>Ten.
Allein andere Vtirstellungen, die wir bei den Waldf:eistern finden, sprechen
für unbewusste Überreste allen Seclenglaubt^ns: der Volksglaube, dass sicii die
Seelen namentlich unschuldig Gctuieier in Baume flüchten, ist \'on Obcrdeutsch-
land bLs nach Island verbreitet (Mannhardt jy ff.). Besitzen doch diese
Geister auch die Gabe der Weissagung, der Heilkraft (Panzer, Beitrage II. Ift8.
258. Pröhle, Deutsche Sagen ,57 f. Venialeken, Alpensagen 2i\). Schon deralte
Wate hat von einem »wiMen tvlbr< seine Hcilkunst gelernt (Kudr. 529!. Des-
halb verwünscht das Volk durch synipaiheiische Kuren unter allerlei Zauber-
formeln die Krankheiten in den Wald, in die Baume, und die Sitte, Kranke
durch einen hohlen Bauin kriechen zu ]:issen oder durchzuzielicn, damit die
Wau>-, Feld- und Wassjehgeister.
295
I
Krankheit gehoben werde und auf den Baum flbergehe, !asst sich bis ins
Heidentum hinauf verfolgen ^Mannliardt 10. 32 f.). Wie andere seelische
Wesen, biingen auch dieWaJdgeister Glück und Unglück, stehen den Menschen
bei üiren Arbeiten bei, weiden namentlich pem die Herden in den Bergen.
Dafür erlutlte» sie von den Mensehen Opfer und Spende (Mannhardt 76. q6)
und werden von. ihnen verehrt. Endlich besitzen sie auch die iVoteusnrtlur:
die Kanggc cistheint als Wildkatze, die Holzweibcr als Eulen, die seligen
Frilulein in Tirol als Geier, die die Gemsen scliiimen u. dgl.
Alinlicb den Waidgelstem sind die Feldgeisier. Allein wie schon b«i
jenen die Volksphantasie zu Gunsten neuer Gebilde die alle Vorstellung
von einem Zusammen han;; zwischen dem geisterhaften Wesen und der
menschlichen Seele aufgegeben hat, su Lst es nuch mehr bei dictien der FalL
Nur in der Sitte und einzelnen Vorstellungen zeigt s\ch roch der alte Gehalt
Dazu kuroml noth. dass, wie bei deu nieisicn mythischen Gebilden des Volks-
glaubens, auch bei jenen beiden Klassen zwei mythenerzeugende Elemente ge-
wirkt liaben, die nicht selten mit einander vermischt sind. Die menschliche
Seele lebte fort, ihr Fortbestehen zeigte vor allem die bewegte Luft, der Wind.
Wo dieser verweilte, wo dieser sich zeigte, da hausten auch Geisler Ver-
storbener. Allein das Element war auch an und für sich, ohne inneren Zu-
sammenhang mit dem Seelenheere, mythenerzeugend: die Volksphantasie
schuf Gebilde, bei denen sie nie an einen seelisdieii Hinlergrund gedacht
hat. Sie gab diesen Wesen alle möglichen GesiaUen, ganz ähnlich wie den
seelisdien Wesen, bald Mensch-, bald Tiergestalt, Und diese Gebilde sind
CS, denen der Name •Dämunen« zukommt. In der weiter schaffenden Volks-
dichtung, die die mythischen Gestalten von ihrer ursprünglichen Qudle los-
getrennt hat, treffen beide Arten, sc-elische Wesen und DHm<>nen zusammen.
Es Iflsst sidi datier oft gar nicht bestimmen, ob wir ein Gebilde des Seclcu-
glaiibcns oder des D.'imiincnglaulicn*' vor uns haben. Das gilt schon von all
den Wesen, die in den vorangehenden Paragraphen besprochen sind, das
gut bcsondcn; auch von den Wal«lgcisiem. Wenn das Waldfraulein gejagt
wird, so erinnert dies unwillkQriich an die Windsbraut, die der wilde Jager
nach norddeutschem Volksglauben vor sich hertreibt. Das aber ainddSmomschc
Wesen. Noch ausgeprägter zeigt sich ein dilnionisi.her Ursprung bei den
Feldgeisteni, weshalb ieh diese in das Kapitel der Dämonen vcrw*eise.
§ 4^ Die Wassergeister. PluUirch erzahlt in der Lebensbesdird-
bung Casars (Kap. ig), Uass unsere Vorfahren aus den Wirbeln der Flüsse
geweissagt hätten. Als die Franken 539 unter Thrudohert in Oberitalien
vonlrangen, nahmen sie die zurückgebliebenen Gotenweiber und Kinder und
warfen, obgleich sie bereits Christen waren, ihre Körper als Opfer in den
Po, und das thaten .sie, um die Zukunft zu erfahren (Procop. De hello Goth.
II. 2$). Ebenso berichtet Agathias von den Alcmaimen, dass sie die
^i&ga jima^iüiv verehrt hatten. Der heilige EEigiu-s, der Indirulu.s super-
stitionum. Bmchard von Worms und andere ehristliehe Eiferer gegen heid-
nis'he Sitte verbieten immer und immer wieder (Quellen- und Gcwüsserkull.
Gleiche Verehrung der Gewässer finden wir in den nordischen Quellen. Der
Schulast Adams von Bremen berichtet uns von Mciischeiiopfeni. die in das
heilige Wasser von Upsala getaucht wurden {lib. IV. c. zb schol. 13.J), die
Kjalnesingasaga erzählt, wie Mens<Jien in heilige Sümpfe ab Opfer geworfen
wonlen seien |Isl. S. II. 404L
Eine l»ftM>ndere Verehrung genussen die Wasserfalle als Sitz geisterhafter
Wesen iu Norwegen untl auf Island. Aufklarend wirft Lidit auf den natür-
lichen Hintergnmd der Verehrung dieser Gewässer die Krzdhltmg von Thor-
39^
XL M>'tholog:e.
slein niiirtnef, der auf Island sein Heim in der Nahe eines Wasserfalles hatte.
Diesem Gewässer opferte er alle Speiseaberreste, durcli ihn erfuhr er sein
5ichicltsaL In derselben Nacht, wo seine Seele sich vom Körper getrennt
hatte, stürzen seine sAraÜichcn Schafe, 20 Grosshundert an Zahl, in den
Wjibscrfall (Isl, S. I. 2qi f.): dieser halle seine SccIl- aufgenommen, hier
sollten ;iu(:h stnne Herden I)rJ ihm nacli dem Tode w*nlcn. — Jahrhunderte
sind seit dem ErlftsiJien des Heidentums vergangen, aber nc»ch heute fordern
überall, wo Germanen wohnen. Flüsse, Teiche, Seen ihre Opfer. An Flüssen
entficht man Lichter, Quellen werden mit Kranxcn geschmückt, Mädchen
geli'jii dahin, um die Zukunft zu erfahren, man \ut\l aus ihnen an gewissen
Tagön geweihtes Wasser, das liegen Übel hilft, stillst-hweigend tr.lgt man vor
Si»nnenaufgaiig Gcgenslüade, namentlich die abgeschniiteucn N^^;el, nach
dem Flusse: der Strom nimmt sie mit, und man bleibt auf Jahresfrist von
Schmerzen verschont (vgl, Lvncker, Brunnen und Seen und Brunnenkult ia
Hessen, Zschr. d. V. f. hesa. Gesch. 1858; Runge, QueÜcnkultus in der
Sfhweiz, Monats<:hr, des wiss. Vereirus in Zürich i8,5*j: Pfannen srhmid. Das
Weihwasser 70 ff.'l. In Brunnen und Teichen wohnen Frau Holle, Wrxlan
und andere chthonischc Golüieiten. Aus ihnen kommen die Kinder, hierher
kclircn ihre Sculcn nacl» dem Tode (Wuitke § 24I. Wo wir auch hinbücken
m'')gen, überall treffen wir an den GewSssern Opfer und Weissagung, ttic wir
sie ähnlich auch bei anderen, nicht germanischen Vülkcm finden (Tvior, An-
fänge der Kultur II. 210 ff.|. Man hat auch hier wiedcriun in der Verehrung
der persönlich gedachten Gottlieit den ursprüngiiclien Kern des Kultus und
Glaubens finden wollen. Allein die Übereinstimmung mit der Verehrung
von Be^ imd Wald ist eine so grosse, dass wir auch den Gcwässerkult mit
in das Kapitel des Seelenkultus ziehen müssen. Und viele, ja fast alte
Beispiele werden uns wohl von dieser Voraussetzung, nicht aber von jener
ans erkl.'lHich. Erst als die chthonischc G-itiheii zur Herrschaft gcl;uigt u-ar,
erst dann wurde sie auch als Herrin der Geister im Wasser verehrL Der
Schlüssel aber, der uns lehrt, wie man dazu kam, da.ss die Seelen der Ver-
scliicde]»cü gerade im WjLsser lebten, liest m. E. im Quellenkult: die Quelle
dringt als lebendes Wesen aus Berg und Erde; sie Ist das Thor, aus dem die
Geister wieder an das Tageslicht kommen. Hierin mag es auch liegen, da39
gerade der QueUcnkull ganz besonders ausgcbiUlet isU
Schon frühzeitig hat die Phanla.sie unserer Vorfahren bestimmte Wesen,
denen sie Namen und Gestall gegeben hat, in Anlehnung an jene allere idl-
gemeine Vorstellung und neben dieser in den GcwAssern wi^hnen lassen. Alten
germanischen Stammen bekannt ist r/trr jVt.v oder /Jie iVCve. Ahd. Glossen
geben mit nihhus -crocoditUw wieder (Graff II. 1018); im Bcowulf ist der
nüor, der hier immer in der Mehrzahl nkeroi erscheint, der l^eprSsentant
der ungeheuren Meergels.ler, die auch hmn- oder menfixas heissen. .■Utnord.
nykr giebt in der Alexandersaga •hipjKjpotainus« wieder; auch noch im
heutigen Volksglauben erscheint der mhir in Rossgestalt und hat daher deii
Namen vatnahesir [Wasscrijfcrd, Maurer, Isl. Volk.s. ^1 f.). Der norwegische
Volksglaube kennt den n^kk (Kave 48 ff.), ebenso der dänische (F. Magnusson,
Eddalxrc IV. j^o), der .schwedische mkken (Hylieu-Cavallius I. 258 f.), der
englische den nik. Neben dem Maskulinum erscheint schon ahd. da.s Fem.
w/i:fÄ«ra ^Ivmpha, ein Wesen, das ganz dem rnhd. mmt'ip. w«-/t««V entspricht
Ob das Wcirt, wie man allgemein anniiumt, zur idgcnn. Wurzel m^ (skr. ni/,
griech. vham) = ^sich wa.schen. baden« gehurt, scheint fraglich. .\nf keinen
Fall wäre dann gestattet, Unikarr ixler Hnikudr, einen Bcituunen Odins, mit
dem Worte zusammenzubringen.
Wassergeister.
297
Neben dem NLx finden sich noch andere Namen fOr den Wassergeist
Von gletcUcni Wortstammc Rcbtldct sind Nicier, Niekci, Nkktlmann; weil
verbreitet ist der Name Wasurmann: in Niedersachsen besonders, aber auch
in Mittel- und Oberdeutscliland. heisst er Hakemann, weil er an (lassen,
Teichen oder Brunnen die Kiudcr mit einem Haken ins Wasser 7Jeht
{Schambach-MüUer, Nieders. Sagen 342); der Oldenburger nennt ihn Ä*-
■nunsth. In weiblicher Gestalt erscheint der Geist ausser als Nixe als Waurr^
jung/mu, WaiserfräuUin, Seejungftr, SeeioäiM, WasseHisse (Wuttke § 54).
An dem Meere wird der Wassergeist zum Meennann oder Sccweib. Zugleich
wäclist mit der Raumgr^isse des Elementes der Geist selKst: er wird zum über-
mächtigen DJüiiuh. /.um Rissen. Nur in seinen GrundzUgen deckt er sich
mit dem uiLichein baren Brunnen- und Qucllungeistc. Hier erscheint er auch
<^ter in TiergestalL Die danische Volkssage weiss ^om llav/olk, von den
Hanmanii und Havfnier zu erzählen (Tlüele II. 255 ff.). In Schweden kciml
man neben dem Netken'Cixt. Vattene{fi>or (Wasseredfen), ß/affruar. den .Sfrönf
Jtti/, die Källebäcksjun^frur (llylten-L'av. I. J44 ff.). Schün crzäiiit hier die
miltdaltcrliche I^-gc«de v(.im Ursprung dieser Wuscn : es sind Geister von Ludfers
Anhang, die in <ias Wasser stürzten, ak sie von Gott aus dem Himmel ge-
bannt wurden. In Norwegen taucht dann, ganz der Natur des Landes an-
gepasst. neben dem Nokken, den Havnwend und Havfnier der Orim oder
/•esafgrim auf, der in den Wasserfallen oder Mühlen (wonach er auch Qtum-
Amurrer heisst) wohnt (Kayc 48 (f.). In Norland und dem nfircilirhen Ber-
gener Bezirke heisst der Wassergeist auch MarmteU. Auf Island ist die
Gcistcrwclt der Wasserwesen niclit weniger ausgebildet: vom marmtnniU, dem
Meermännchen, das der heutige Isländer tnnrbtndiU nennt, wissen schon
die alte« Sagas zu berichten (Isl. S. I. 70; Hälfssaga Ausg. Bugge 11 ff.),
ebenso von der haf^vgr^ der Meerriesin, oder Imffrii (Spec. reg. Christ. Ausg.
S. 39), die auch mevfiikur |Madrhcnfisch^ heissL Daneben ersrhi-inen als
Wassergeister, imd zwar meist in Tiergestalt, der nykur oder vainaheslur. der
va/askratti, der nennir (Maurer. Isl. Volks. .^O iV). Wir finden hier Qbei^
alt den Übergang des seelischen Wesens zum flamonischen, ja nffenbar
liegen hier schon ausgeprägte Dämoncngest alten mit vor, die nichts mit der
tncnschlichcn Seele zu ilmn haben, die die Phantasie des Volkes unter dem
Einflüsse des gewaltigen Elementes geschaffen hat Gleichwohl finden sich
bei dem Nix und einigen Wassergeistern mit anderen Nomen entschieden
dfische Züge. Vor allem hat der Geist die Protcusnatur. er vermag ver-
schiedene Gestalten aiuunchmcn und erscheint in verschiedenen Gestalten
(Wuttke § 54 ff.K Von den nordischen Wassergeistern sei nur auf den Zwerg
Andvaii liingewicscn. der sich in Hechlsgestalt in einem Wasserfalle auflüelt,
und auf Otr, den Sohn Hreidmars, der in Gttergestah im Wasser lebte
{Eddal. Bi^e S. 2li ff.). Dann besitzt der Wassergeist die Gabe der Prt»-
phetie. König HJ9rIeifr hat nach der Hälfssaga (a. a. o.) einen Marmennil
ICefangeii. Er gab keinen Laut von sich, bis der König einmal seinen Hund
schlug. Da lachte das Mccrmän neben. Der KOnig fragte, weshalt> es lache.
»Weil du den schUigsi, der dir einmal das Leben retten srill,< antwonete der
Nix, Jetzt verlangte Hj^rlcifr weitere Auskunft; er erhalt sie erst, als er ver-
spricht, da* Mecrmannlein wieder ins Wasser zu lassen. Da erzählt es denn auf
dem Wege von dem Kriegsunwetter, das dem D.lnenlande drohe, und wie bei
dioitun der Ki'nig nur durch seinen Hund werde gerettet werden. Auch spen-
dend, wie andere seelische Wesen, erschein! der Wassergeist, da er auch ver-
borgene Schatze weiss. So vcrsi>rach ein Was.sermann einem amten Fischer
einen Schatz zu zeigen, wenn er ehrlich mit ihm teile. Aufs redlichste kommt
29ä
XI. Mythologie.
der Fischer dem Verlangen nach; den letzten Heller «erschlagi er mit seiner
Axt. Da versthwindft der Nix und lassl dem armen Manne den ganzen
Schatz (Vemaleken, Sagen aus Östr. 1S5). Eben») lehrt ihr Trachten nach
menschlichem Blut tnicr menschlichen Gliedern den elbisi-hen Urspomg der
Wa.>vst;rgeister (WeiniHild, 2s<!h. d. V. f. Volksk. V. 121 ff.). Besonders mit
dem Zwerge berOltrt sich vielfach der Nbc. In menschlicher Gestalt wird er
meist klein geda<ht, alt, bärtig, mit grünem Hute und gttinen Zahnen. Öfter
taiuht er aus dem Wasser, oft hftrt man seine .Stimme. Die weiblichen
Nixen bezaubern durch ihren Gesang, wie die Elfen. Die Lorlet und andere
altnlichc Sagen ra<")gen im Nüccnglauben ihre Wurzel haben. Oft gehen auch
Nixe Vftbinduuugen mit Menschen ein (Prütorius, Weltbeschr. 498 f.l und ver-
langen bei der Entbindung ihrer Frauen menschliche Hülfe ( Wuttke a. a. O.).
Allein diese Züge treten nur noch vereinzelt im Volksglauben auf: im grossen und
ganzen ist der Wasser)^ist der scliädigende WasserdiUnon. der in den Gewässern
herrscht, der sdn Opfer verfangt und es sich holt, wenn man es ihm nicht giebL
KAPrrzi, vn.
DIE DÄMOXEN.
% 44. Wahrend bei den elfisrhen Wesen sich immer tmd immer ^»-ieder
der seelische Hintergrund ze^^t, treffen wir eine weitere Klasse m^ihischcr
Gestalten unseres Volksglaubens aus alter und neuer Zeit, an denen sich
keine Spur allen Seelenglaubcns wahrnehmen lässt. Sie haben ihre Wurzel
in der den Menschen umgclxrnden Natur, in den FJementeji, denen gegen-
über sich der Mensch ja meist so ohnmächtig fühlt, in denen er ein Wesen,
Ahnlicli seinem, nur ungleich grösser und mächtiger, zu spüren memt. So
entstaüd in der Phanta.-üe imserer Vorfahren die St-har der Dämonen. Auch
sie sind nicht selten von dem Elemente, dem sie ihren Ursprung verdanken»
losgerissen und durch den immer schaffenden Vulksgeist Gestalten der freien
Dichtimg geworden.
Eine in der isländischen Literatur erhaltene Volkssage, die in der Nahe
des Kattegats ihre Heimal haben mag, erzalilt au.s der Vorzeit Xorw*egens,
dass hier ein Mann Namens Fornßtr gelebt habe, aus dessen Geschlechte
Norr, der Norwegen den Namen gegeben habe, hervorgegangen sei (Fas. II.
3 ff., vgl. dazu Noreen, l'ppsalasmd. S. 21Ö). Seine Söhne waren Hier,
Legi, KdH, von denen der erste über das Meer, der «weite über das Fcucr^
der dritte Über den Wind herrschte. KAri war der Vater des /(«J«/, der den
König Sme zeugte, den Vater des Porri. der f^nn, der Drt/a. der M/^/.
Wenn irgend eine, so gewährt uns diese kurze euherairisüsche Erzählimg
einen Einblick in die Werkstatt mytlii.schen Schaffens, sie giebt xms einen
Mythus, der unmittelbar an die Natur und Sprache des Landes anknüpft,
wo er aller Wahrscheinlichkeit nach zuerst enriihlt worden ist. Fomjötr
deutete man als den alten Jotcn (xler den Ahnherrn, je nachdem man Fom-
jötr (Rask. Saml. Afhaiidl. 1. 78 ff.) oder For-nj.'.tr (Uhland, Thor S. 53; PBB.
X!V. <.}) abteilti;, wSlireiid neuerdings Norcen Fom-njütr lesen und das Wort
mit »UpfL-rgcniesser» wiedergeben möchte tUppsalastud. Ö. 2i()). I>ie mehr
konkrete Deutung Rasks mag im Hinblick auf die Heimal des Mj-lhus. die auf
jütischem Gebiete liegt, das Richtige treffen. Unter Fomjöls Söhnen und Nach-
kommen verstehen die »indischen Skalden die Riesen. .Seine Kinder tauchen
auch anderen Orts in der nordischen Dichtung auf: Hier, den Snorri in
richtiger Kombination mit /-Hgir und Gyroir identifiziert |SnE. IL 3101, be-
zeichnet wie diese Dämonen das Meer, besonders das brausende Meer. Die Insel
Die Dämonen.
399
LxaÖ (ahoord. Hl&cy^ im Kattcgal ist nach ihm genannt. Logt ist verwandt mit
unserem •Luhe», er ist das pcrsunifizicrte Feuer. AV/i" cndlidi ist die durch
den Wind bewegte Luft, die der Schwede und Norweger noch heute dialektisch
unter gleichem Numen kennt (Riciz 379. Aasen 348). Käris Kinder und
Kindcskindcr sind ebenfalls Enscheinungc^ in der Natur, nh Appcllativ'a in
aller urvl neuer Zeit oft belegt. Sein Si"»hn ist J^ull, das Eisfeld der nor-
wcgisdicn Berge, uadj midcrem Bcriüitc Frosti, die Kalte (Fas. II. 17)»
dessen Kind Snar, im späteren Fortgar^ der £r7.ählung »hinn gamh* {der
Alle) genannt, der greise, ewige Gebirgssclmce (Uhland, Thor zy). Dieser
Snxr oder Snjör war spüter zur Sagengesialt geworden. Kr herrschte als
KCtnig nach der Vnglingiisuga in Fiunland (Heiioskr. 13), nach Saxu Ober
Dlnemark (I. 415 ff.), nach altdSnischen Chroniken aber war er Hirte des
Riesen Lse auf La>so (Gammetdanske Kreniker I. 10 f.). Snaers Kinder
sind F^gnn, der Schiicchaufe, Drifa, der Schneewirbel, die als S^engestalt
ihren Verlobten Vanlandi durch eine Mahre toten lasst (Heimskr. 13}, ^^j^i,
der Schneestaub. Von Haus aus iu5geii alle diese Gebilde Käris Kinder
sein; der ganxe genealogische Entwurf Lst sicher erst spflteres Machwerk.
Alle ^ind sie in J^tunheim, in Ricsenheiui, zu Hause, im Nordosten der skan-
dinavischen Halbin.sel, woher noch heule ein scharfer Wind die unliebsamen
Kinder des winterlichen Sturmes bringt, So gehl unser Bericht noch ein
Stück weiter. — Niemand wird diese Mythen in ein voniordiscljcs ZL-iialter
verle^'cn. Sie lassen sich nicht vi in dem linden trennen, wo sie sich fmden;
nur in Skandinavien können sie ihre Heimut haben, nur aus den nordischen
Sprachen kftnnen wir sie verstehen : es sind durch die Phantasie der Nord-
lander vermenschlichte Naturerscheinungen ihrer Heimat, die in menschliches
Gewand gehüllt und durch die Dichtung zu Sagcngestaltcji weiter gebildet
worden sind. Und wie es liier im Norden gegangen, si» ist es ülKrall der Fall
gewesen. Die Sagen vom Rie.senkönig Watzmann (Panzer I. 245 ff.) oder von
Rübezahl i'Pratorius, Salyrus elvm<j|ogicus; IJncke, Die neuesten Rübezalilfor-
schungenloder von den oldenbnrger und schleswiger Riesen, die ans l^nd steigen
(MoUcnhoff ^77) und deigl. erklären sich nur aus der Natur des Landes, wo sich
die DÄraoncnmvthcn finden. Fast durchwegsind demnach diese Mythen lokaler
Natur; sie sind überall zu Hau.se, besonders aber ausgel>ildet in Berggegenden
und in Lflndem, wo das weithin sichtbare Meer die Küste bespült. Alle
Naturenw-heinungen und Elemente haben sie in der Phantasie unserer Vor-
fatireu wachgerufen; mit der Zunahme der Heftigkeit der Elemente wachsen
aarh sie. Aus urgermanischer Zeit mögen unsere Vorfahren nur den Typus
mitgebracht haben, das hfihere Wesen, das in d^n Elementen herrscht, das
dem Menschen bald in übermenschlicher, bald in tierischer Gestalt sich zu
ericennen giebt. das höhere Wesen, in dem si<h namentlich die verderbliche
Seite des Elementes «eigt; die Ausbildung der einzelnen Formen und Ge-
stalten dagegen gelulrt einer spätemi, z. T. der dirisüichen Zeit an. Ganz
besonders zjJilreich sind die Mythen von \\'inddamonen. Indem aber zu-
gleich die Seelen im Winde fortlclR'-n, berühren sich diese Dftmonen sehr oft
mit den mythischen Gebiklt-n des Seelenglaubens. Auf der anderen Seite
erhielten die jüngeren Gebilde der perst'mlichen Gottlietten auch Gewalt über
die Elemente, und daher treffen sie oft mit den Damtmen zusammen, wenn
sie auch in diesem Falle fast durcliwi-g die dem Menschen Nutzen bringend«
Seite des Elementes vertreten. Daraus aber hat sich im MyÜius der Kampf
zwisthen Gt^Mtem nnri Dämonen herausgebildet, in dem die Götter als
Schützer der Menschen auftreten. Die Dämonen, die noch heute in reicher
Anzahl in der Volksdichtung forüeben, zu vcrbtassten, durch das Christentum
300
XI. Mythologie.
abgesetzten Gottheiten gemacht zu haben, ist einer der ärgsten Fehler, den
die wissenschaftliche Mythologie begangen liat.
§ 45. Bezeic^hnungen und Auftreten der Dümonen. Der Qber
alle germanischen LSntUir vcrbrpitRle Name für die dämonischen Gesiaken,
dk- wir in ihrer menschlichen Erjjrheinung Riesen nennen. iA ahd. tiims,
mhd. //Jne, ndd. dros, ags. ih-n, altn. pun (naJii<^itli'-'> i'" K<>fni>osituni
hihHpun), neunnrd. lasse. Von Norwegen oder Scliweden aiLs drang das
Wort als tunas ins Finnische, wo es ein Mfcrungcheucr bezeichnet (Thomsen,
Den got. sprrigkl. indflyd. S. 74I. VerwarcU ist etat Wart wahrscheinlich
mit altind. turds, »stark, kräftig« (KOgel, AfdA. XVIII. 49). Mehr die
2ersti''(rende Thatigkeit der Riesen bezeirhnet ags. eiUon, ns. etan, aiitiord,
jQluun, (läpp, fefamis), schw. fniif, em Wort, das zu etan »essen, fiessen-
gehört Dem Worte »DSmon* am n^lchsten steht der mhd. trolle, der uns
namentlich im altnord. traii, wt-wvKivt.-.-A&n. trolfl, in unzähligen Gestalten
enigegentritt. In ihm berühren sich die D-lmonen mit den Druckgcistcm,
wie auch das Wort aller Wahret-heinlithkeit narh zu gttt. truJan, altn. troda^
»treten« gehört (Sievers. Ind. Forsch. IV. 330). In ÜbcrdeutscUand und
einem grossen Teile NietlcrdeuUicIilands ^■e^breitet ist der Name Rttst (ahd.
risi, as. wrüii). Das Wort ist sprachlich veru-andt mit skr. j-rian = astark,
krflfdg, gewaltig*. Im altnord. tritt es besouders im Kompos. berfirisi auf,
als Simplex ist es jung und selten. Ferner erscheint im ags. die Bezeichnung
€n/, zu welchem Worte sich das baierische euzensrh. emionisck »imgdieuer
grosso- geseilt (Sehmeller, Bayr. Wtb. 'I. 117). NamenÜich in Westfalen luid
längs dem Strande der nordischen Meere findet sieh der Name hüne (mhd.
hmne), der wohl im Anschluss an das verheerende Auftreten der Hunnen
entstanden ist, die nach agK. Gedichten in <lcr Rtcscnburg an der Donau
sich sammeln, wohin sie aus Thessaliens zerklüfteten Bergen gekimmien sind
(Elene V. 30 tf,). Andere fa.'isen da.«! Wort als ein urgermanisches auf, das
mit skr. f«m -der Held«, griech. xvoto^ »mächtig- verwandt sei und »der
Starke bedeute (Kfig<^l, AfdA. XVIII. 50). Unter klas.sischem Einflüsse ent-
standen findet sich gigant schon im Beöwulf und <,)tfrid. Unter den vielen
Namen, die .sich in der nordischen Mythologie für weibliche DJImoncn finden,
ist der verhreiieistc g\'gr, ein Wort, das zum trans. sygfifn *en;rhrecken« und
dem intrans. gugna --den Mut verlieren« gehört. Über die Etymoleigie des
Wortes \^\. Jnlian.^son, Ind. Forsch. IL 54, der es zur Würz, ghugh »ver-
bergen, verhehlen« stellt, und Wadstein (ebd. V. 32), der es ga~ygr deutet
■und mit ygr »gritam, wild, sclirccklich« zusainmenbringL
Allen diesen Wesen eigen ist ihre ttbeniattlrlirhe Gri"lsse um! ftbcrmensch-
liche Kraft, die nur selten von einem erwJlgenden Geiste gczügell wird. Bald
haben sie tierische, bald menschliche Gestalt Aber auch in letzterer gleichen
sie — abgesehen von ihrer Grösse — nicht immer dem gewnhnlichen Men-
schen. Oft erscheinen sie melirhauptig: Sklniir erwähnt in Skini. (31) einen
dreihüupiigen Thursen, geradeso wie im Wahtelma-re von einem »drtlioup-
ligen Tursen- (Massmaiin. Dcnkni. loo) die Rede ist Einen seclishtiu|rtigcn
Sohn erzeugte nach nordiscliciii Mythus <lrr Urrieäe Aurgelmir (Vafl»r 33).
— Daneben erscheinen sie mit mehreren Annen. Heime hat nach dem An-
hang zum Heldenbuch und der altiKrhwed. Didrikssaga \ier Ellenbogen (W.
Grimm, DHS. 257), .-Vsprian nach dem Rosengarten M vier Hände (elxl 248),
der nordische Starkadr acht Arme, die ihm Odinn verlielien hatte, nachdem
ihm Thor \ier von seinen ursprünglichen sechs abgeschlagen. Oft erscheint
der Riese als Tülpel, ab grober, ungeschlachter Kerl, zuweilen aber auci»,
namcndich im nordischen Mythus, klug und verst'lndig. Nordische Skalden
I
1
Rl£S£K. WaSSEKUÄMÜNEN.
301
nennen ihn fmdr, hundi'us (weise, sehr weise); <_)dinn geht zum Riesen Vaf-
{vüdnir, uiD sich nül Uim über in>-thisclic Dm^c in einen WetLsUcit einzu-
lassen. Geradeso wie bei den eifisclien Wesen hat die Vtillcsphanuisie den
Riesm ein Reith anj^edichlct: J^lunhetmar, iin iiussersten Nordiwtfn seiner
Halbin«(eJ geleiten, nennt c:s (ti:r Skandinavier. Ebenso Lst in den mhd. (Ge-
dichten von einem Riesenlande die Rede. Hier hausen sie im jiHgemcincn
frei; nur vereinzelt tritt ein Riescidierrsrher wie J*r>Tiir, der »(/«>///«« puna*
(Pritv. II), auf. Soast wirken sie in den Elementen, in und auf Bcr);en. im
Meere, in der Luft — Fast ebenso häufig wie in menscliHchet kennt sie der
Volki^laubc in liervu her (i^'^tatt. I )er Midgard*itrmr ist eine gewaltige
Sclitangc, die um die Erde herumliegt; der ntmlische Schöpfungsmythus weisa
von einer Kuh Audumla zu er;i<'lhlen; in AdiersgestaU »itzt Hra.'svcigr
{Leiehcuschwelg ( im Aus-iersten Norden: von sdncn Schwingen gelten die
Winde aas. Bcsondcni häufig erscheint der Riese in Hunds- oder \VoIf*^estalt,
d. L in Gestalt zweier Wesen, die sich In der mvthisclien Vurstellmiii aller ger-
manischen Stamme vrillsündig detken. Üic n'trdische Dichiung nennt den
Wiftil den Wolf oder den Hund des Waldes; als Hund oder tt'olf falut
auch nach unznJiLigen deutschen Afythen der Wind dmch die Luft. Walfe
jagen im Korne umher, und je gn'isser «e sind, desto reichere Ernte erhofft
der Bauer. Dem Kornwolfe werden Spenden gebradit (Mamdiardt, Roggcn-
wnlf imd Roggenhund). Auch der Nebel erscheint in der Volkssage oft als
riesi&cher Wulf (Laistncr, Nebelsagen). Ganz ühnlicii ei^cheint im Norden
der Ffnrir in Wolfsgeslalt. ferner der Mänafftrtnr, der den Mond verfolgt,
//»/» und i^ifil. die beiden Verfolger der Sonne. Weitere Blicke in die Vor-
stellung dei alten Nordlitniler von theridwoqjhisehen Riesen gewJlhrcn Riesen-
namni wie K\>tr ^dcr Kater«, ilvndla, MtUa i-dic Hündint, Ttami >der
Kranichi. Krdkn »die Krühei. udgl. Hin und wieder besitzt auch der Riese
die Eigenschaft, vordbergeliend tierische Gestalt annehmen zu können. Allein
dieser Zug scheint nicht ursprünglich, \ielmehr scheint er aus dem Seelcn-
glauben entlehnt zu <u.^in*.
* Das btst« Werk (tbtT die Kiesen ist da* Wcinholds *Dü Üitifn drs g/rnux'
nuthtn Afj-iAust in den Sit/bcr. dvr k. Aod. der %VJ3»eiuch. /u Wiva XXVI.
IJJ — jo6. — Vieles ßiebt Uhland im .\fyiAus z-art Thor,
% 46. Die dämonischen Gestalten der einzelnen Elemente. Die
Wasscrd&monen. Schon bei den cIAm-Iicu Wassergeistern zeigte sieh, daas
dasselbe Wesen in verschiedenen Gegenden vere^inctlenc Gestalt erhielt:
wfthrend der Nix in den deutschen Gewässern aU ein zwergartiges Wesen
erscheint, kennt ihn der skandinavische Norden als machtiges Ross, das den
Fluten des angrenzenden Meeres entsteigt, oder als Riesen. Die umgebende
Namr zeigt sich auch hier von umnittelbarem Einflüsse auf die Volks-
phantasie. Wasserdamonen in Riesengestall finden nir demnach fast nur in
meemmspnlten Gebenden. Aber auch aus den Alpeii.seen entsteigt hin und
wiwlcr der Dämon in R«eisgesuitt dem Gewü-sser (^Panzer, II 90 f.). In Mitlel-
uad Norddcutschland weicht et der sdiOncn Wasscrfrau oder dem hab-
gier^en Nixe, bis er wieder da, wo sich unsere Hauptsln">me busenartig er-
vcitem, in Stiergestalt auftritt und sein Wesen treibt (Mallenhoff. Sagen aus
Schicsv. HotsL 127 f.). -So ist der Norden besonders reich an riesischen
WaMerd^lmoneri. Das älteste Epos, das uns in germanischer Sprache er-
halten in, der Benwulf, ist angefOlh mit solchen Mythen von Wasserriesen;
der Kampf g^;en sie ist der Mittelpimkt der grossartigen Dichtung. Ob der
schatzbOtende Drache (Beow. V. 2242 ff.), der dem Helden die Todeswundc
be&nDgt, ein WasscrdUmon oder nicht %ielmehr ein Gebilde der subjektiven
y>2
XI. MyTHOLOGIE.
l'h:inta>ii*^ ist, bleibe dahingeslclU ; Grentiei mit seiner Mutter und seiner Um-
gebung waren aller Wahrechcinlichkcit narli \Vasserungeheuer. Er herrscht im
Sumpfe am Meere, dort. wt> an windigem Vorgebirge sich der Bergstrom ergicsst
(135t) ff.}. Micrhausti.'rmitseincrMuttertnm3rhtii:erHalle(i5i5). diedic Dichtung
nach akgcriiuinlscher Weise ausgesr]imUrkt hat: Waffen hSngen an der Wand
^1558), ein düsteres Feuer brennt auf dem Langiierdc (1518). Er selbst ist
ein ^eolcit" (7t)2), seine Mutter nennt der Dichter eine iirimwylf (1507.
1600), die Secmigcheucr, die men- oder säd/or sind nUrnu (Nixe), der
^ofeaa cvn i.\2J f.). In drr Dämmerstunde bringen sie am Vorgebiige dem
Schiffer oft Unlieil (14^8 ff). Wie Grende! seihst haben sie NSgd wie
Stahl (oSfi) und Krallen statt der Hände ((;8H. I5(j8). Über Grendels
Wulmung steigen die Wellen hfjch einp<ir, bis zu den Wolken gehl ihr Gischt,
der W^ind treibt hier heftige Gewitter duher, die Luft crdrOhnt, die Himmel
weinen: so giebt sich das Wirken des Ungeheuers /u erkennen (1375 ff.).
Bei nächtlicher Weile vcrllb'st der Herr der Dsmonai seine Halle, um am
benachlxirten Gestaile Menschen /u rauben und 7.11 verschlingen. In Nebel
gehüllt (7:1). von Wulken umgeben, üchleiclil er dann umher. Sein Ziel ist
Heorot, des Danenkftnigs Hrodgar treffliche Halle, aus der er allnächtlich
Helden raubt. Hier wird ihm von Beowulf der Arm aufzogen; im
Meeresgrund stirbt er an drr Wmidr. Dann macht sich Beimiilf ai;f, um
die Mutter des l'ngeiflms in ihrf^r Halte aufzusuchen und r.n tnten. — Ein
gewalliges Naturereignis, das Eiiidnngen des Meeres, das in vurlüs torischer
2eit ganze Stücke Landes abrUs, sich über die L.lnder ergoss und so Inseln
schuf und menschliche Ansiedlungon vtniichlelc, mag ini Volke fortgelebt
und den Ansttuss zu dieser grossariigcn Volksdichtung gegeben haben, die die
Angeln aus ihrer Heimat mit nach Britannien nahmen, die in den islän-
<Üschnn Sagen und Liedern von Grettir .\smundarsim (Grettiss. 14S ff.)
B^dvar Bjarki (Fas. L 69 f.), Orm Sti!irölfison (Fnis. III, 204 ff.; Hammera-
haimb, Fa;r. Kva'dcr II. Nr. 11. 12, An*-idsson, Svcn.ska Fomsknger Nr. 8)
niderhallt (Bugge, ?BB. XII. 55 ff.). Von solchen W'asserd.lmonen, die
in der verheerenden Gewall des Wassers ihre Wurzeln haben, und von
Kämpfen gegen sie weiss nf)cli heute tlie nonkleuWrhe und dänische Vnlks-
sage zu erzählen (Zfd.A. VII- 425 ff.). Dass wir es wirklich im Beowulf mit
einem Wasserdarann zu thuii haben und nicht mit einem Ncbelwesen, wie
Laistner (Nebels. 8Ö ff. 264 ff.) annimmt, zeigen Wörter wie mendeor, brim-
tvyl/, viir allem aber auch die nordischen SdiÜdcrungcn, die nocli klar das Mccr-
ungelQm erkennen lassen.
Auch sein Name scheint Grendel als Wasserdnmon zu erweisen. Deiselbo
ist verwandt mit nord, grrnja, das sowohl vom Heulen des Sturmes, weshalb
dieser auch furiiiäiit h«)s.sl (SnE. II. 486), als auch vom Tosen der GewSsser
gebraucht wird (Lex. i>oet. 260). Der gewaltige Gegner aber, der dem Grendel
und seiner Mutter das Handwerk legte, war ein Spntss der Sage, den die
Dichtung niil dem allen Himuielsgutte unserer ^^■rfahren ziLsaui mengebracht
hat, unter dessen Schutze er zum Heile der Menschheit seine Tliatcn voll-
brachte; er gehört der Dichtung, der Heldensage, nicht dem Dämonen- oder
Güttermythus an.
BtS'inflers reich an Wasserdamonenroythcn ist die nordische Dichtung. Zum
teil verknüpft mit (jöttermvlben sind sie der Ausilruck des nurtlischcn Volks-
geisles, der unter dem Kinflusse des gewaltigen Klemenics in seiner furchtbaren
Gewalt steht Obenan stellt -^^V, von Uliland (Thor S. 160) trefflich als
die Personifikation des ruiiigen, für die Schiffahrt geeigneten Meeres gedeutet
Etymok»giscli ist der Name vei-wandt mit pA. a/iwa (Gislason, Aarboger 1876,
i
I
I
WassbrdAmon 8X.
303
3 13 ff-, Norccn, Uq^cnn. Lautlehre S. ^q). das Wesen giebt sich also schon durch
seint^i Namen als WaÄScrd.lmon m erkennen, lo der skaldischcn Sprache be-
zeiclmcl /■/■j^V iiaufig »das Meer«. iJass er die ffir den Menschen vurlcühafle
Seite dci Meena vertritt, zeigt sein enges Verliültnis xu den (jöuem. Kr ladet
die Aaen zum Mahle (ürimn 45. Hym. 1, Ijok. Pros.), wie er selbst bei ihnen
cischcint (SnEL L 20Ö). In machtigem Kessel l>creilet er dann den Göttern
den Trank (Hym.). Festlich bcletn-litct ist die Malle, ^/äi'r {»Feuer*) und
J^tr/etig (-Funkenfang« Weinhold, Riesen 239) helfen aufwarten. In ihren
Namen personfizicrt der nordische Dichter das Über dem Meere lagernde
Nerdiicht. Gleichwohl bleibt ^Kgirein Riese: i^r^Ä«/ nennt ihn die Hymiskvida
{2), er ist bamieitr (»froh wie ein Kind»), wie andere riesische Dämonen. An
Jüllands Nurdspitzc und dein westlichen Norwegen war er als Hier bekannt,
nach dem die InscJ Hlcscy, das heutige Laa«, den Namen führt Seine
Gemahlin ist /iün, *der Raub«, die alles verschlingende Herrin des Meeres,
das Weib ohne Herz im Leibe {siäiaus kona), wie sie Frid|>jöfr in junger
Dichtung einmal nennt (Fas. IL 493). Wen .sie en»*isr_hen kann, filngt sie
mit ihrem Netze, dessen Maschen Niem:md eutschlQpfu Loki leiht es des«
lialb von ihr, als es gilt, den Andvari zu fangen (Eddalicd. Buggc S. 212).
Wer enriiikl, fahrt zur Rän, und wen man ins Meer «-irft, weiht man ihr, So
bertllirt sidi die R;uj mit th-r Tcif3«.-.sgr.ttin, ja sie kann als Toteng'Htin dos
Meeres angesehen werden. Und s«^ haben sich denn die Ni>rdl.'inder auch
bei ihr den Aufcatlialt sdi^n nach ihrer Weise ausgemalt: da gibt es Hummer
und DuHich (Fms. VL 376), da gibt es ein treffliches Gelage (Eyrb. S. 100).
Der Ehe /Kgirs mit der Ran entspri/ssen nenn Töchter, junge, dichterische
Verkörperungen der Wu^ui und einiger Eigenschaften des Meeres (Weinhold
S. 2^2). die nach der Mutter geartet und bei heftigen Secsttlmien den Schiffern
ihre Umarmung anbirum {Fi>stbni:dnis. 13). Als Mütter Ileimrialls sind .sie
in den Hereich der Gotterrnythen gezc^en. — Als dritter Name för ./Egir
erscheint in der SnE. Gymir (L 32()), der ebenfalls unter den J9maheiti
^SnE. L 54fj) aufgezählt ist. Auch ihn gebrauchen die Dichter häufig für das
Merr (Lex. \>oci. 2S2), wie sie dieses auch (h'mis flit (Gyniis Wuluiung Fas-
!• -175) ncnne-ii. Die Glejchhrii mit yKgir zeigt die Kenning Kef.s, drj- die Rän
Gymis jr^h'a (SnE. I 32Ö) nennt. Daneben ersdieint noch in den Skirnisinäl
der Riese Gj-mir aU Vater dex t^icrd und des Bell, die licide im Freysmythus
eine Rolle spielen. Er ist der Gemalil der Aarboän. Ob dieser hier der Meer-
8C ist, wie man meist annimmt, oder ein anderer Riese, wie Bugge will,
)leibe dahingestellt; jedenfalls findet sich in dieser .schönen Dichtung keine
S|nir, voraus wir den uatQrllchcu Hintergrund eines Wasserriesen begrtlnden
kötmten.
Wie dies Lied von der schönen Riesenjtmgfrau Gerd zu erzählen weiss,
finden wir auch in der Hymiskvida beim Riesen Ifymir ein goldenes, weiss-
»rauiges M.ldclu-n. Dieser H>T]iir ist offenbar wieder ein Meeresdamon. allein
« vertritt die winterliche Seite des Meere.s. Der Name fmdet si<Ji aurji in der
Form >'«/> öder /■'vmir, und die Gestall wird in beiden Flülen oft mit dem
Urrieseu Yimr zusaiiuuengeworfen (Gislaaon, »Om navnet Ymir« in Vidensk.
Selsk. Skr. 5. R. 4. Bd. 435 ff.). Hymir ist der Riese des winterlichen
Meeres, auf dem seine asciigraue Gestalt ihärQm »pjalla Umngtm llymk. i6.)
XU lagem scheint, denn humr m. und hum n. bezcLchnet die Dämmerung
und die fahlgraue Luft, die im Winter das Meer umgiebt Die Hymisk\'ida
bat ihn trefflich gesciüldert: er wohnt im Osten an des Himmels Ende, zu-
len mit seiner neunhunderthSuptigen Mutter, in krystallencm Saale am
leere^estade. Jagd ist seine Bcscltaftigung. Die Gletscher dröhnen, wenn
304
XI. MVTHOLOGIR.
er heimkehrt: zu Eis gefroren hiingt ihm der Backenbart herab {v. lo). In
der Xahc »cidcn seine Herden, das Meer gibt ihm Wale zur Nahrxing. Wohl
wider ihren Willen befindet sich bei ihm als Frilla das allgoldene wei*Äbrauige
Weib, da$ C3 mehr mit dem Gegner, der sie befreien soU, als mit dein Buhlen
hUlL In Hvmirs Gewalt befindet sirh der niiU'Iitigc Kessel, den Thor und
Tyr zu .tgirs Gelage holen. Hier hat ein späterer Üherarbeiler des allen
Liedes Rt-stc eines anderen eingesdinben, in dem eine weitere mythische Vor-
stellung der Nordländer vom Weltmeere erscheint: die Vorstellung des Welt-
meeres als einer macliügcn, die Erde umgebenden Sclilaiigv, des Mi^garäs-
orm. Schon ira Namen liegt da.s mythische FiiJd: \fiifyaritr ist die von tlen
Meusdien bewohnte Ertle. Daneben ni^niit sie die Vc^luspä {f,Q) Jgnnuni'itndr
d. h. gewaltiges Ungetüm. Wenn das Meer tost, dann sctiwillt sie in Kiestm-
zom. Thor ist am uortt-egisclien Gestade der Gegner dieses riesischen Dä-
monen. Es tt*ar ein Ucblingathcma nordisclicr Dichter, der Kampf Thors
mit der Midgardsschlangc. Junge FalKrlei. die sich namentlich in der My-
thologie dw Snitrra Edtia findcl und wold auf faLsclicr Ktanbinatioii beruht,
hat sie in die Sippe Loicis gebracht (SnE. U. 271. 312) und ISsst sie ein
Kind Ijnkis und der Angrbi>da, der Schadenbieteriu, sein. In Lokis Gefolge
rieht sie nach der Vsp. einst bei Beginn des Ansturms der bösen Machte
mit heran und k;impft gegen Thor, cier sie wohl tutet, aber selbst von
ihrem giftigen Hauehc geiruffen zu B<xlen fällt Dit: >ridgardsi)chlaiige
ist nicht.s anders, als die alte Fabelei von der Seeschlange, die heute noch
hin und wieder in der Phantasie der Ni>rdlander aus dem Meere empor-
taucht. Durch alle Zeilen hindurch lasst sich das Phantasiegebilde auf Island
und in Norwegen verfolgen (Fayc 50 ff.).
Neben dicst-n Gebilden irelen noch aiulerc vereinzell hervor, meist in <ten
mytliischcn Sagas, nicht mit der G/ittersagc in irgend welchen Zusaimnerdiaug
gebnichi und daher von den M>-thologen meist ausser Acht gelas.sen. Es
sind mehr Rit-sen. wie wir sie aus unseren Märchen und Sagen keimen, die den
Mensclien Unheil bereiten und von Menschen bekiirapft werden, Gebilde
der schlichten Volksdichtung, denen meist die höhere Weihe der religiösen
Poesie fehlt, aber dc^halL nicht weniger mytluschc Gebilde wie jene. Im
mythischen Hatafjord, wo der Kiese Hati mit Frau und Tochter sein Wesen
treibt, zankt sidi einst Hclgis Gefährte AUi mit der Riescnloditer ilrimgerd,
nachdem Helgi ihren Vater getötet, sie aber mit ihrer Mutter den Helden
die Einfahrt in den Busen fast unmugüch gemacht hat (Helgakv. Hj^rv,
12 ff.). Allgewaltige Mecrjimgfrauen sind wohl auch />«/» und Menja (SnF- I.
374 ff,), die dem KMuige Frödi auf der il:indmflhle Groiti (iold mahlen, bis
sie infolge der ullzugrosscn Habsucht des Küiüg^ den Scckr>iiig Mysiiig mit
seinem MeeTe hcranmahlcn, der Prodis Herrschaft ein Ende macht und
sich der Mtlhle und der Madchen bemSchtigt. die ihm nun das Salz, das
dem Meere seinen Geschmack gibt, mahlen (Uhland, Schrift. VIT. (jQff.). —
Hierher gehört weiter der mythische Starkaifr, den sjjüte Kombination mit
dem norwegischen sagenhaften Heklcn gleichen Namens zusammengeworfen
hat (Müllenhoff, DAK. V. 353). Er ist vielleicht der riesische D.'imon der
Alu Wasserfalle in Norwegen. Stör^'erkr war sein Vater. Acht H.lnde hat ihm
der Mythus gegeben (Fas. I. 41,3). In der Gautrekssaga (Fas. 10. 15) wird
er Aludrmsir, Spioss des AJa, genannt, der hundxths j^tunn. Thor füllt ilin,
wie die anderen Riesen (ebd. Vgl. LMiland, Schriften VI. 101 ff.). In »einem
PHegesühn Grim. der ihn nach seinem Tode beerbt, scheint sicli das my-
thische Wesen bis heute im Vi>lkjjmunde erhalten vw haben (Fayc S. 53 ff.).
— Ein Islanrler sieht cinst am Gestade einen kiesen sitzen, der mit den
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^ 135 1
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Beinen bammelt unil dndurch die Brandung hen-orruft Sobald er aber mit
Um Beinen zusanimrrnjichl.'lgt, dann ist hnher Seegang (Isl. S. I. 84). Solcher
Mythen kennt die alle Literatur in Mi-n;j;c. Daneben ersthcinen die f^argy^i,
der mtinnenmli lind andere- mythisrhi* Srewrsen. Und wf im Aherttim,- so
kciuit noch heute die nordische Volkssagc überall die Ungetüme dri Äletres
und der gn.issen Gewässer, nur dass gegenwärtig mehr die theriomorphische
Gestalt her\ortriit. Sn erzählt der Islander vom valnahtstttr [Wasserpferd),
vom sknmil (Ungeheuer), valnsikrutti (Wassersdiralzl. v-jn der stlamodir i^Mir-
hundmul(er), der nkötumtidir (Rochtmmutter) «njer vom ntnnir ijAn Arnason I.
135 ff,), der Bewohner der Farrti-cr vom sjvJreygif, der in Mensthen- oder
Htmdcgestalt dem Fisciicr am Abend ai]ri;]uert« oder von der ha^ oder der
4mm/ (der »Seekuh« Ant. Tidskr. 1849/51. iQSff.l, der Norweger von Aav'
>t/ und bavjrufr ixler vcim sceonn (fler Sepsrhlange; Faye 55 ff.), der Schwede
von der HaffrN, den J/nfoxar, Hafkör {Hylleti-Cavall. I. 245 ff.). Gleiche
mythisrhi? GebiUle ki-nni auch der Dane (Thiele II. 25.5 ff.). Wie die alt-
nordischen Wasserdamoncn verfügen auch diese jüngeren Geschripfe meist über
ganiEc Herden. Nonldeutsthc Sagen und Aipensagen mssen von ahnlichen
mythischen Gebilden zu erzählen, die in Menschen- ixler Tiergcstalt den Fluten
entsteigen (Müllrnhoff 257. 2O4. 127. Kuhn, Sagen aus Westfalen I. ^87 ff.
Lai.'iiner, Nebels. 77 ff.). Ob der Nebel, der (Iber den Gfw.lRsem lagert, «las
nivthintlic Gebilde hervorgerufen liai, wie Laister will, oder nicht, bleibe
diihingestellt; jedenfalls hat man dasselbe schon frillizeitig mit diesem in Zu-
sammenhang gebracht.
Wahrend bei :ill diesen Wesen nur der Typus alt, die Ausbildung abcT
rein ktfcaler Natur ist. scheint ein mythischer \\'assergpist in umlie Zeit zu
iflren: es ist [dies der nord. Afimir. Der <t}*molog]sche Ursprung des
'oites scheint mir ni)ch nicht genügeml aufgeklart; in der Kegel bnngt man
ea zu.iammen mit fUfirtjoxtUf numini und deutet es aU das sinnende, denkende
Wes*-n (Uhland. Shriflen VI. Wvf). Wi> rs etvheint, steht es im engsten
Zusammenhange mit dem nassen Elemente, dem Wasser. In Deutschland
lebt dies myihisi'hp Wesen fort in dem Flflsschen Mimling im Odcnw.-ild,
in Memboni bei Anhauten, in Mejuleben, dem allen Miinileba, an der Uu-
ftnrt u. a. O. (Uhland tl. a. O. 203). Im Biterolf erscheint iler kunstreiche
Minte der Alte neben Wtelant {V. 137 ff.); in der nordischen HdreUssaga ist
der>*eU>f Mime .'^igfri>i1s Lelirmeinler in der Schmiedekunst (Grimm, DHS. 7.5.
148). Nach ihm hat das berilhinle Sollwert Miining seinen Namen. Er
erscheint hier melir als elfi.'ichcs We-sen wie als Riese. Smaalandische Lieder
kennen einen Mimessjö, wo ein gefährlicher Wassergeist sein Wesen treibt tmd
dne Mimes.'i, die sich aus jenem crgics.**! {Arwidssim. Sv. Fnms. II. ,^ll ff.).
In den altislündischrn {Juellrn ist Mimir ein Ri<-se (SnE. 1- 5.^9), die Wogen
dw Meeres nennt der DichtiT der Vyluspä seine SOlmc {Afims synir 46). S<>
erscheint im Norden Mimir als Gegenstück zu ^"Igir; er scheint, wie andere
Wassergebiter, mit der Betleutung imd der Macht de.s Elementes gewadisen
tu sein. Der innerste Kern seines Wesens ist die Weisheit Wie unsere
Vorfahren aus den Wirbeln der Flösse, aus Quellen, au-s Brunnen zu weis-
pflegten, i-st schon mehrfach hcn'cirgehoben wonlcn, Diese Seite des
rii Elementen hat Mimir besonder*; vt-rtreten. Mythen von ihm kennen
wir nur aus »Iflndischwi Quellen: sie wurzeln alle in der nordischen Auffassung
de» Mimir als weisen Gottes des Meere.s und der himmlischen GewiLsser.
Ak solcher ist er Liebling der nordischen Dichtung: Die Vylva ruft dem
< Wlin zu: »Icli weiss, Odin, wo du dein Auge verbargst: in jenem trefflichen
Mimitsbmnnen. Jeden Morgen trinkt Mimir Mrt aus dem Pfände Valvniers«
r. ««uch« Philologe III. a Aoll. »
ysö
XI. Mytholoüie.
(Vsp. 28). Diese Worte aus dem Gedichte Josgeliüst und für sich betrachtet
geben sofort den aatürlicheii Hintergrund: »ir haben das Abbild eines all-
täglich sich wiederholenden V.irgange-s, da-w nämlich die Sonne ;tm Abend
ini Meere zu versinken scheint. Dann kommt der Hiniiiu-Isj^jU Odinn zum
Meeriiamon Mimir und setzt sein Auge, die Simne, zum Pfände ein. Allein^
er erhall dafür Gegengabe: »Die Sonne zieht Wjisser«, sagt man noch heute
allgemein, wenn ihre Strahlen bis tief lüiiab an den Horizont sichtbar änd:
dann holt der Ilimmckgotl seine Gegengabe von Mimir, die dejn Wasser
iimcwohiiL-ride Weisheil iMüilenhoff, DAK V. 99 ff.). So herrscht zwisclien
Odin und Mimir fortwährender Wechsel verkehr und infolgedessen innige
Freimdschaft. Dalier nennen die Skalden jenen wiederholl Mirairs Freund
{Mims vinr). — Einen zweiten Mythus, der freilich etwas cuhemeristisch ange-
haucht ist, weiss die Heimskringla (S. 5) von Mimir zu berichten. Nachdem
Äsen und W;uien mit einander Frie<len geschlossen, sandten jene den Hoenir
als Geisel. Da dieser eine stumpfsinnige Person war, gaben sie ilim den
weisen Mimir mit. der Uira in allem Rat erteilte. Dadurch wurde Hcenir
bald in Vanahetm oberster Ratgeber. Nun kam es aber zuweilen vor, dasa
Mimir beim Dinge nicht zugegen war; dann pflegte Hoenir zu sagen: »es
mögen Andere raten«. Da merkten die Valien, dass sie betrogen worden
waren. Sie nahmen deshalb Mimir, srhUigen ihm das Haupt ab und sandten
es den Aseu zurück. Odinn aber »albie da.sseU>e, sprach tlen Zauber darüber,
da.ss es nicht verwese und seine alw Kraft behalte. Oft sprach er mit ihm,
und es sagte ihm viele geheime Dinge. So jung dieser Mythus an und für
sich klingt, so setzen ihn d<x:h mehrere Stellen der Eddalieder voraus: Mirairs
Haupt lehn Rimenweisheit (Sigrdrifum. \.\), zu Mimirs Haupte geln Odinn
vor dem grossen GiHterge-schick (V's]i. 4h). Was bedeutet dieser Myllius?
Bei Zaul>er und W'ahisiguug tritt oft an Stelle des ganzen Leibes der Kopf
als Sitz der Seele (Liebrecht, 7.\it Volbikimde 280 f.), ja wir bfsiitzen aus alter
und neuer Zeit Sagen, die sich auffallend mit jenem Mytlius decken. Nach
der Eyrbyjj^a findet ein.^t Freystcinn ein Manneshaupt, das unbcerdigt diJiegt
und ihm in einer Hvilbstrophe einen blutigen Kampf weissagt (Eyrb. S. 77).
In d(.-r fabelhaften Er/alilung von ^orsteiIl Büejannagn besitzt König Gcirrwdr
ein Tnnkhorn, an dessen Spitze sich ein MenscIienliHupi mit Fletsch und
Mund befindet, das dem König Kuktlnftige Dinge ] prophezeit {Fms. HL
191 f.). Ebenso besass ferner nach einer idlen Überlieferung eiu IslJlnder
Namens ^orIpifur den Kopf einejiertninkenen Manne-«; (nach anderen den eines
Kindes), den er in einer Kisle aufbewahrte. Dieser offenbarte ihm alles, was er
zu wissen wünschte yhtfdi päd lii xfuhagnar og fjölkynn^i. J/.n Ama-son I. 523).
Ganz Ähnliches berichten auch danische Sagen (Am Urquell IH. 59 f.). Wir
haben also im Norden ein ziemlich verbreitetes Motiv des Vulk^laubens,
das in der eddiachen Diclitung an den Mythus von Mimir geknüpft Ist*.
Verwandt mit den Wasserdamonen sind die Dümouen, die der Nebel in
der Volk.'^phantasic erzeugt hat. Liiistner hat ihnen in den N'cbcisagen ein-
gehende Untersuchungen gewidmet. Die Gestalten erscheinen bald als Wolf
(S. 9), bald als Fuchs (S. 18), bald als Kater (S. 81) udgl. Nur selten
jedoch erzeugt der Nebel in der Volksphantasie ein selbständiges dSmonisches
Gebilde; meist zeigt sich in ihm nur das Leben-szeichen eines Damunen, der
im Berge haast, um den der Nebel lagert, oder im Gewisser, über dem,
er ruht
' ChtTtlcii BwwuLfniylhu» vgl. Leo. ^A-r Ä-Atv*/^ (Halle 1839); — Mälltn-
hofr, Z!iL\ VII. 4l0ff. 41«) IT.— De«. Heawutf (Berlin i88q). — D«u Hcintcl.
AfdA XVI. ;(:^ ff. — 9 über Mimir vyl. UliUnd. Schrincn VI. rg? ff.: Mülkohoff.
DAK V. 9') iT.
I
§ 47- ^'^ Winddämonen. Ungleich verbreiteter als die Dämonen des
Wassere sind die des Windes. Wind weht überall, bald mehr bald »•eniger.
Kein Element ist mehr geeignet, die Phantasie eines Nalunolkes zu mythi-
scher Schöpfung anzuspornen, als gerade er. Man hört sein Heulen, man
sieht die Gipfd der BfLume durch ihn bewegt, man sieht die Felder wogen,
man sieht ihn das Nasts der Knie tKKrknen, die Wolken jagen, ja man sieht
ihn selbst Baume entwurzeln imd in der Natur Schaden anstiften. Hier muss
ein h<)heres Wesen valten, das sich natürlich der Mensch ganz nach seinem
Bilde schuf. Uralt imd in allen germanischen L3ndem verbreitet ist die
Vorticllung. tlass in der bewegten Luft die Seelen der Verstorbenen fortleben.
Allein schon zeitig hat sich daneben die Vorstellung entwickelt, dass ein ge-
waltiges Wesen in dem Winde sicli offenbare, ein Riese, ein Dämon. Der Sturm,
das heftigste Wehen, mag dazu besonder* veranlasst haben. Eine Gestalt hatte
der Damun, ähnlich, wie die Wassergeister sie haben, bald menschliche, bald
tieiischc. In jcm-m Falle wunlu spater die »lytliische Gestalt nicht selten
Sagengeätalt. In dieser Gestalt berührt sie sich aber zugleich auch mit der
G<^theit des Windes. Aus der wulilthatigen Seite des Windes entwickelt sidi
nämlich schon frühzeitig bei unseren Vorfahren ein göttliches Wesen, das, wie
test bei allen heidnischen Völkern, als Wind- und Totengoltheit eine bedeu-
tende Rolle ge?q)ielt hat und in verschiedenen Gegenden in den Arittel|>unkt
des Kultes getreten ist. Dieses brachte der Vnlksgeist bald mit dem .Seelen-
hccrc in Verbindung imd Hess es dasselbe führen. (VII diese Vorstellungen
spielen nicht selten in einanda- über, und es ist oft urunlglich, sie von ein-
ander scharf zu trennen. Falsch zweifellos Ut, wenn man in den vielen
Sagi'n gestalten des wilden Jügers immer und immer wieder durchweg einen
verbUssien Wodim erblicken »ill. Der Glauhc an «.lie heidiiische Gottheit
hat nach lünführtmg <i*^ Christentums aufgehört, die damoncn zeugende
Kraft des Volkes nicht Kur aus dem natürlichen Boden, dein auf der
einen Seile Wodan, auf der anderen der Dämon entsprossen ist, erklilrt sich
<lic Ül»ea'insümmung zwischen beiden.
In allen gemumischen Landern ist wie bei andern Völkern (Tylor. Anf.
d, Kult II- 2()j U.; Kohde, i'sychc 384 f.) die Sage verbreitet, dass bei hef-
tigem Winde ein mythisches Wesen durch die Lüfte reite, bald allein, bald
begleitetvon einer grossen Schar Menschen, bald von Gelieren aller Art Nament-
lich norddeutsche und nordische Sagen wissen von ihm zu erz.1hlen, dass er ein
leidenschaftlicher Jüger gewesen sei, der nach dem T<ide sein Haudwcrk
fortsetze. Hierher gehören die nbcr<icutschen Sagen vom Schimmel rciter,
vom Rodenstein er, die norddeutschen von Hackelberg, von HcfiKies, von
dem mMhiwhen Dietricli von Bern, vom Herzog Abel, Rübezalil, vom wilden
Jager, die danischen von dem fly*ende Jasger, Knng Volmer. Palnejfeger.
Groujelie u. a. Einige dieser Mythen enthalten offenbar unbewusstc Eriime-
rung an alte Wodansmytheu, andere dagegen nicht. Da sich die Grenze
»diwer ziehen lässt, ist bei Wi)dan n<K'hmals auf sie zurückzukommen.
AU dichterische Bezeichnungen des Windes finden sich in der SnE. (I. 330)
Ai^r (Brecher) — , siaäi (Sclmden) — , /»ani (Fäller) — , Au/tJr, — lutrgr (Wolf)
vidar de* Waldes. Alle diese Ausdrücke haben in der persönlichen Auffassung
des Windes, der als Mensch udc-r Tier durch den Wald streicht, ihre Wurzel.
Sic siivd der Anschauung des Volkes entnommen. da.s sie in gleicher Lebendig-
keit nod) bis auf den heutigen Tag erhalten hat In welche Waldgegeiül
genuanisdiec Länder wir aucli kommen mOgen, überall treibt in derselben
nadi dem \"olksglauben ein dämonischer Geist sein Wesen, der bald allein,
boU mit seuicn JagdgefUhrten und seinem Getier, bald als Verfolger des
30-
308
XI. M\THOLOGIt
WaldfrJluicins, des Holzwcibi-s, der Windsbraut, dii.' nach ihm ihreji Naincn
hat, erscheint (Maiinhardt, Am, Wahl- tiiid Fcldkultc; S-hwartz, Dcrdicutigc
Volksglaube). Ganz, aluilirh zeij^t sich dieser riesische Dämon dann weiter
in Felden und Fluren. Die geringe Höhe des Getreides mag hier mit be-
sonderer Vuriiebe theriomorphische Dsmonengesiahen erzeugt haben. Be-
sonders liüufig sind es wieder Hutid und VWilf, die liier ersulieinen: der
Ro^S^mtfol/y der Geireidewolf, der KoniwolJ, iler Koggenßiumi. CJanz Jlhnliih
kennt der Volksglaube GraswoJ/e. Pf^aumeinvÖi/e, Uettpudel und dg[. Daneben
ersclicinen nf>ch anden; Tiei^estahen: die Rog^nsau, tler Hajcrhoci, iler Kort:-
stier, die Komkatsf. der littlikaler u. s. w. In Schweden silxt die Oioso im
Getreide. In menschlicher Gestalt kennt die Volksphanuisie den Winddilnion
im Getreide als Kormnutlcr, WtiitnmutUt-, Gtrslrnnuitttr, k'orn/ian, Kurtimuhmt.
Erhstnmuhmf. in Dänemark als bykjftUing (Gersten alle), rukjaUinf: (Ri^en-
altclf überall mit langen, herabhangenden Brüsten, oder auch als Getreitie-
»tann, Jfa/crmana, ab der Alle, den gamfe rmtwi und dergl. Alle diese Wesen
zeigen sich, wenn der Wind das Getreide bewegt: dann gehl nach dem Volks-
glauben der Wulf durchs Ki-ini. dann jagen sich die Hujide; er heult, er
bellt, frisst das Getreide und winl nimmer wilt. Nebd und Regen zeigen
sich oft in seiner Begleitimg. Wenn das Getreide gesclmitien wird, flieht er
von einer Garbe zur anderen, biü er m der, die zuletzt niK.-li Ktdit, gefangen
wird. Dann wird er feierlichst zum Herrn gebracht, der ihm zu F.liren das
Enitehier geben mu-ss. Die letzten Getreidebuschel, in die er sich zurück-
gezogen hat, werden ein Talismaim für Haus und Scheune (»der bleiben als
solcher auf dem Felde stehen (Mannhardt, Roggenwulf un<l Ki^enhund;
ders. Die Konidamonen). Es ist bemerkenswert, mit welcher Beliarrlichkcit
nicht nur die germanisc)ien, sondern auch die a^nderen indogermanisi hen
Völker diesen mythischen (irundgcdanken erhalten unil teils bewus.-.t, teil*
unbewusst In alle luögllt.'hen Fumien gegossen haben.
BeTüondere Namen für einzelne WinddJimonen sind un.*i aus alter Zdt
wenige erhallen. Ob die Riesen, mit denen Thor 7Ai kam])fen hatte, in
Wirklichkeit fast alle Winddamoncn gewesen sind, wie man nach Uhlands
Vorgange .sehr oft annimmt, i.ft fraglich; sicher gehören sie alle zu dem
Mylheukreis, der sicli um Tlmr gebildet liat, uail siml demnach bei diesem
ZU bespreclien. Eine besondere Rolle spielt der Wimlrie-se Adr/, der Vater
der winterlichen Erscheinungen, des Frostes (Fas. II. 17) und Schnees in
seinem mannich faltigen Auftrelea (^-gl. § 44). In Adlersgestalt sitzt nach
anderem Mythus der Kiese ///■'M/Vijt?- (I>cichcn.>ichwclg) am Fnde des Himmels,
von seinen Fittigen gehen die Winde aus, die über die Erde wehen ^ViJ|jnn.
37). Vhtgnir, der Schüttler, unil Illdrti, die Tosende (Weinhold S. i()8 f.)
erscheinen als Thnrs Pflegeellem; jenen kennt aucli die nafmitmla der Riesen
(SnE. T. 550). Mehr als poetische Bilder einzelner Dichter darf m:u» unter
den letztgenannten Namen scliweriich suchen.
Auch anderen gewaltigen Naturerscheinungen hat die V\»IL:splianlasie riesen-
hafte i\Ieiischengestaltei\ beigelegt. So erscheint im jungen ncnjischen Mythus
die alles verzehrende Flanuue als /-jy^i. Auch £ltlr, das jjenionlfizierlc Feuer,
erscheint unter den Kiesen (SnE. I. 550, vgl, da/u Weinhold 275 ff.). An-
dere sind oben in der Gesdüchte von Fomjöts Cie.schledil erwSlmt fh>$t$
(»Frost*), f^kttl ("Eisbcrgo), Gtist (>Stunn«) finden wir im Gefolge des
K"!Jnigs Geirrod von Riesenheim (Fms. III. i8ö f.).
§ 48. Die Bergriesen. Wiederum kennt die nordische Diditung eine
reiche Anzahl Bezeichnungen von Riesen, in denen sie als verköq^ertc Beige
oder als Herren derselben crsdieinen. Solche Namen sind bergiianr. btr^üiy.
BERGRIESEK. £tNZRI.XB RiBSBK DER KORD. DiCHTUKO.
309
herfrjari, fittllj^itiir. fjnUffdJir, firaunlnit. hraurniren^r u. dgl. (Oa\'is poet. I IQ),
Wo irf^nd ein gewalliger Berg in die Lüfte starrt, da wohal ein raaditiger
Riese. So wohnt im norwegischen Dovrefjeld schon nach alter m\tliischer
der Riese Dofri, der ilem Gebirge den Namen gegeben hat tlsl. S. II.
1^1 ff.). In .'Ihtilicher Weise haust im I'ilanislwrge der Kiese IHlatus (Henne
am Rhyn. Dcuts<he Volkss. 370I, im Walzniaim der alte KOnig Walzmann,
ein gcÄ-alüger Steinriesc, der nach s]>ater Sage hier sein Grab gefunden hat
(Vemaltrkcii. Alpens. loi). Berge sind in Stein verwandelte Riesen. Im
Schehjrespracli zwischen Atli imd der Riesin Hrimgerd hat jener die Hrim-
genl aufgdiaheu, his der T;ig anbriclit. '■Nun ist es Tag,- ruft er ihr dann zu,
mun stehst du da, veruandeU in Stein« (Helg. Hjyn". \i\i.). Wo zwei Berge
«inander gegen üt»eriiegen, da wohnen zwei Kiesengenossen, die sicli öfters
mit Steinen 'xler .\xlcn werfen (Mylli. I. .4.^0 f.). Wo Ideine HOgel oder
Feldsteine sich hefintlen, da hat ein Riese »einen Schuh au^e^chüttet, in
dem ihn ein kleines Steinchen drückte. Die hübsche Sage vom Riesenspiel-
zeug, tlie durch Chatnissus Gedicht allgemein bekannt ist, findet sich in
ähnlicher Fai^sung in fast allen Gebirgsgegenden (Myth. 1. 4.)6 f. III. 157).
Wo machtige Bauwerke die Zeiten ütjcrlebl haben, da sind sie Machwerke
der Riesen, denn wie sie Herren der Bergt: sind, so verstehen sie auch
felsenfeste Geb;iude zu errichten. Schon e<ldtsche Mythen wissen von einem
riesischen Bauinrister zu rrzühlcn. der einst mit den Göttern einen Pakt ge-
schlossen hatte, in einem Winter ohne jemandes HtUfe eine mflchtige Burg
zu bau«i. die kein Riese einuelimen kOnne. Allein wie meist in den
spateren Volkssagen von solchem Baumeister (Mytli. I. 443- 453. III. 156.
158), so ist auch hier nur die Kunst der Riesen zurückgeblieben und dich-
Icrwih be*irbeitct worden, von dein nutürlichcn Ureprung des Riesen ist
nichts xu spüren.
§ 40- Die Übrigen Riesengestalten und -mythen. Wahrend sich
bci'deo eben besprochenen Mythen mehr oder weniger das Element ilires
Uispnu^ wahrscheinlich maclien lüsst, hat der germanische Vnlk.tglaube n(*rh
Gestalten geschaffen, die si< h weder ihrem Namen ntxh ihrem Wesen
aus einer Naturerscheinung oder der Macht eines F.lementes erklären
lassen. Fs sind dies Gestalten der subjektiven Phantasie, der volkstümlichen
Dichtung, die mit der £.xisteiiz riesischer Dämonen rccluicl und sie bald
(ücsc bald ]^:i\c Obennenschliche Handlung vollbringen läs-tt. Sic sind unseren
Vorfahren zugleich ein Geschlecht gewesen, das vor dem meuschtichen auf
der Erde hauste, das die Meiwchcn mit Hflifc der GvHter erst vertreiben
mu.<sten. das in stetem Kampf mit <ien G<'^'llem lag. S<i haben sie auch
tliatig bei der \\'cltsclw'ipfung und beim Ausbau der Welt mit eii»gegriffcn.
Hierher gehnrt vor allem eine Reihe eiidtscher .Mythen, die in der erhaltenen
Form sicher rein noriliM h und jung sind uJid tlie reclit wohl von fremden Elementen,
vonaussergemianiÄchen Mythen tM^einflu-sstsein können. Bjnzelne«>lcher Gebilde
«ind (.ifTenbar allegorische Gestalten, an die niemand im Volke aus.ser dem Dichter
geglaubt hat. Daneben erscheimm aber auch echt volkstümliche Wesen, Wesen,
wie sie namemlich im Märchen bis heute fortleben. Die Mythe vom Urriesen
y*nir, aus dem die Welt gewhaffen wurde, gehört in erster Linie liierher. allein
sie Iflsst sich nicht gut voiv dem Ht-richtc über die Einrichtung der Well trennen,
weshalb dort auf sie eingegangen wird. Zu »ilch ailrgurisc hen Mythen junger
Dichtung gehören ferner die Jlythen von der Nacht und ihrem Gcschlechle, aus
denen die Knrschung noch nichts VemQuftiges hat herausschälen können.
Wir iKTsilzen .sie im Zusammenhang nur in der SnR. deren Verfasser sie aus
den Kenningar der Skalden zusammengestellt hat (PBB VII. J39). Der Riese
jxo XI. MyTHOLOGra.
jVj»rT ist der Vater der Nött (der Nacht; vgl. Vafjir. 25* AIvm. ^p'). N6tt
war zuerst verheiratet mit Nagifari (vgl. dazu Detter, ZfdA. XXXI. 208),
beider Sohn war Auär. Ihr zweiter Gemahl war Onarr, der mit Nött die
J^rä (die Erde) erzeugte. Aus der dritten Ehe endlich mit D^gHng oder
Delling ist der schöne Dngr (der Tag) lier\*orgegangeii. Von diesen Ge-
stalten wissen die Eddalieder nur von N.'nt und D.^ etwas zu berichten:
Nött reitet auf Hnm/axi (Reifmähne) allnächtlich um die Erde: vnn der
Mahne ihres Riwses trSufclt der Tau auf die Huren. Dagr reitet auf Skw/axt
(Lcuchtmälinc) am Tage um die £idc und erleuchtet durch die Alähne seines
Rosses die Welt (Vafjtr, 12. 14).
Zum Riesengeschlechte geh'jrt ferner Fenrir oder der Fcnriitilfr. (Vsp.
47; SnE. I. 555), ein Ungetüm in Wolfsgeslalt (SnE. I. 59). Sein Name ist
dunkel; in der Regel bringt man ihn mit fen — »Rleer^ (Biigge. Stxidien
214) «der = »Sumpf« (Ark. f. nord. fit. VII. 24) zusammen und fasst ihn
als einen dem Meer txler Sumpf entsteigenden Nebel- oder Stunndamon auf
(\Veirihold, Riesen S. 249; Laisüier, Ncbeisagcn S. ,^0). Nach jüngerem Mythus
soll er bei den Äsen gross gezogen worden sein; hier konnte ihn niemand
ausser Tyr speisen (SnE. 11. 271 ff.). Als er aber immer siarker wurde, da
bcschloss man ihn zu fesseln. Nur durch List gelang es den Gt'Vttem, ihn
mit dem Bande GUipnir zu binden, das Schwarzelfen aus seclis unsichtbaren
Dini^en gefertigt hatten. Bei dieser Fesselung verlor Tyr seinen Arm, den
er dem Ungetüm ins Maul gehalten hatte, als dieses der Sache nicht traute
(Lukas, 38—0; SnE. II. .^72). Dann wird der Wulf nacli der unterirdischen
Höhle GJqU geschafft, wo ihn die Götter festbiaiden und ihm ein Schwert in den
Rachen klemmen. Hier liegt er bis zum grossen Göttergeschick. Aus seinem
Munde aber enlslrrimt der Fluss V^n. ~- AU der Ragnarokm\thiK ausge-
bildet war, spielt er auch in diesem eine Rolle: er k<mimt mit deii anderen
Dämonen «u dem grossen Kampfe, kämpft mit Odin, filllt diesen (Vsp.
53—54; Vaft>r. 23; Lokas. 58), wird aber gleich darauf sellwt von \*idar
getötet, indem dieser einen Fuss auf den Unterkiefer setzt und dann
mit der Hand den Oberkiefer in die Hübe zieht (Vsp. a. a. O.. SnE. U.
291). Nach anderem I^Iythus wird nur von ihm erz-'lhlt, wie er einst nach
dem Sitze der GOtter schnappt (Eiriksm. 6; Häkonartn. 20) oder die Sonne
verschlingt (Vafjir. 4O). — Ein Sternbild in der Milch-strasse, das alte
Glossen ul/s ieptr nennen (Aldsta Dcicn af cod. 1812 hrg. von Larsson
S. 43] und das unter gleichem Namen eine islandische Sternkunde aus dem
14. Jahrh. kennt (Gislason, Prover S. 477 •*'i, mag zu diesem nordisch-
mythischen Bilde Veranlassung gegeben haben (Wüken, ZfdPhü. XXVIII.
i8o ff. 297 ff.). S|»?ltere Dichtung brachte den Fenrir in <lie Sippe LoIcls,
üess Loki seinen Vater (l^okas. co\l, die Angtboda seine Mutter (Hyndlul.
42), den Midgardsorm und die Hei (vgl. Corp. poet. bor. II. 7) seine Ge-
schwister sein.
Von Fenrir wiederum stammen nach der Vsp. (40) die Ungetüme, die
Sonne und Mond verfulgcn : im Eisenwalde gebar die Alle diese Brut de*
Fenrir. Auch hier hat spätere Dichtung zwei ganz verschiedene M\thcn
miteinander vcrknllpft. J/rödaitnir, den alles vernichtenden Wolf, nennw an
anderer Stelle die Eddalieder den Vater der SonnenwöUe (Grini, 391: der
Name ist sicher nur eine poetische Bezeichnung des Fenrir.
Wie alle Naturvölker, so trennt auch der Nordgennaae Sonne und Tag und
Mond und Nacht scharf von einander; beide sind vollsUlndig verschiedene Be-
griffe. Zweifellos stammten Söl und Moni nach dem jungen Mythus, der sie als
Peisrjnen auffa.sst, auch aus dem Riesengeschlechte, denn die einzige Quelle,
ElKZ£LNS RiESSK DER NORD. DiCHTDMG.
3"
in der sich der M)-thus findet, Vaffir.. handelt in dem gnnzen Abschnitte
(V. 20 — ,^7) nur vuii riesischen Dämonen. Nacli ihr ist der Vater von Söl
und M;iiii Mundilfari <»der -Ja:ri d. h. der Beschützer (Wislicenus, S^inb.
von Tag und Nacht, S. 70), Ob dem Übemoule seuen die Götter sie an
den Himmel und bestimmen, dass die Söl den Sonnenn'agen, M^ni den
Mnndwagen ziehe. Sie müssen ungemein eilen, denn zwei Wölfe, i^gU
und Ilali, vcrfulgcn die Sunnc, einer, der Mänagarmr, den Mond (SnE. II.
359). Manches in diesem Mythus ist jung, die Wolfe dagegen sind sicher
sehr alt Die SunncnwOlfe kennt auch die KAtseldichtuiig der Hervarartaga
(Ausg. von Petersen, S. 65). Noch heute sagt der Islilnder, wenn sich auf
beiden Seiten der Sonne Nebensonnen zeigen, die Sonne Ut in Wolfsn("iten
{% vl/altrtppu, Ji'm Amasf.n, Is!. Pji'-ds. I. '15IS). In Deutschland war es nicht
anders. Die Geistlichen der ahesten christlichen Zeit eifern unausge-setat
gegen den I-^rm, den man im Vdbe erhub, wenn sich Sonne oder Mond
verfinsterte, um die Ungetüme zu vertreiben (^-gl. Caspari, Homil. de sacril.,
S. y> ff.). Noch heute glaubt man in verschiedenen Gegenden, dxw sich
bei der Soimenfinsicmis ein Wolf oder Drache mit der Sonne raufe (ZfdMvth.
IV. 411).
Spfitäkaldischen Ursprungs and auch der Vater des Sommers, Soästt^ (der
Müde), und des Winters, l'int/sia/r (WinUkalt Vafpr. 27. SnE. I. 532); auch
sie erscheinen unter den Riesennamen (SnE. I. 550). Femer gehflren hierher
färtaufi >dcr gefahrlich scWagl* und seine Frau AW »Nadel am Nadel-
baum« oiirr iMu/n- >LaubinseN (Bugge, Studien I. 80), die Eltern Lokis, der
iriederum mit der Angrboäa »der Schaden bringerin« vermahlt war und als
'Brüder den Byl<%str (BHerplr) und Ihlbtindi hatte.
Mit dem Gfitler- und Hen>enmythus verwachsen sind die Riesensagen \*on
fjati, »dem Fresser«. Er ist der Sohn des Atuhaldi, des Rcichtumwallers,
der in den Härbardsljnd zum Allvaldi gc-wcrden ist, der Bruder des Gang und
JiÄ'. Die SnE. (IL 21^) weiss von dem Reichtunie des Vaters xu erzählen. Als
der Vater starb, teilten die Brüder das Erbe in der Weise, dass jeder der Reihe
nach einen \fund voll von dem Golde nahm. Pjazi entführte spater mit Lokis Hülfe
die Idun, wurde aber bald darauf von den Äsen gelötet. Seine Tochter Ska^
»in den Vater rächen, erliSlt von den Äsen Gusse und wird die Gemahlin
des Nji^ird. Die Augen ihres Vaters versetzen die GWter als Sterne an den
Himmel. Der grossere Teil des Mythus von l*jazi gehfirt der Dichtung von
I<Stm an. — Mit den Odinsmvthen verknüpft sind die Mythen von Stiftung
and Von Hniämar und seinen Söhnen; mit de-n Thorsmytlien die von l*rym,
Gfim^, lirungttir u. a. Xrjch andere Riesen spielen beim Weltuntergange eine
RoUe. — Reich wie der Norden ist auch der germanische Süden an Riesen-
gestalten. In der deutschen Heldensage erscheinen sie oft (W. Grimm. DHS*
397 f.). Allein in dem Umgang mit den Menschen haben sie hier mehr
menachliche Natur erhallen, vor allem fehlt ihnen die Verwandlungsgabe.
Es sind Mensclicn von übernatürlicher Grösse und Starke, denen imr hin
imd wieder mehr Glieder zugeschrieben werden als der Mensch besitzt. Und
in gleicher Gestalt zeigen sie sich dann auch im Märchen, in dem sie be-
sonders oft als Menschenfresser geschildert sind.
Nordische Dichtung hat ihnen si">gar ein Reich gegeben, Ji>iuitheimnr, das
sich der Volksglaube hoch bu Nordosten dachte. Hier herrsclien Könige über
■ic, hier weiden sie ihre grossen Herden, die in der Regel Rinderherden
sind, hier stellen sie ihre Wachler aus, die dem Fremden den Eintritt wehren.
Neben den GestHlteii der nordischen MytlK)logie, die vom Kopf bis zur
Zdie Rieseimatur zeigen, gibt es noch andere, die bald als Riese, bald
3"
XI. Mythologix.
als Gottheit eischcinen. Offenbar haben dann Vermischungen und Über-
tragungen stattgefunden, die nur eine genaue Vcrfolgunjj: der Geschit^htc der
mythischen GestJitt Mufgeklflren kann. Hierher gehören Wesen vrie Ijtkt,
G</}on u. a. Da sie die nordische Dichtung, aus der wir sie ausschliesslich
kennen, unter die Götter reclmet, sollen sie unter diesen bdiandelt werden.
KAPITEL vni.
DTE AI-TGERMAN ISCHEN" GÖTTER.
% 50. Ob die Riesen, wie wir sie namentlich aus der nnrdiMrheTi Diclilung
kennen, in ihrer Wurael die Vertreter einer früheren Religion unserer Vor-
fahren ;jeweseQ siud, Ulsst sich nicht beweisen. Jedenfalls sind sie in der
erhaltenen Gestalt rein nordische Erzeugnisse der scliaffcnden Phantasie, die
an die heimatliche .Schfitle anknüpft. So allgemein der Typus des Riesea
aucli bei allen germanischen Viilkem ist, so versdiieden .sind sie doch in
den einzelnej: Gebenden ausgebildet. Sicher ist, dass schon in den alteätea
Quellen, aus denen wir gennanischen Glauben kennen lernen, Wesen nef>cu ihnen
b^^tehen, vor denen der Mensch mit Elirfurcht aiiflslickt, in deren Gewalt er
sich begibt, die er sich besonders durch Gebet und 0])fer geneigt zu inachea
bemüht. Die MajesUlt des gewaltigen. Himraeäs mit seinem lenchtemlen Tage^
gesiim mag in grauester Vorzeit den ersten iVnstoss zur Bildung eines solchen
göttlichen Wesens gegeben haben. Aus ihrer Urheimat nahmen es die indo-
gemianisciicn Stämme mit in die neue Heimat; hier finden wir es bei fast
allen Stammen wieder, bei den Indem als Dyfuis, bei <lcn Griechen als JZeÜc,
bei den Römern als Jupiter, bei den Germanen als Ziu-Tyr. Mit dem Vor-
rilcken der Stämme hat sich der alte Gehalt seines Wesens zuweilen geAndert.
Thatigkeiten, aus denen besonders .seine Machtfülle sprach, haben Veran-
lassung zur Bildung neuer Gottheiten gegeben. Von Haus aus waren alle Gott-
heiten Naturgottheiteu, nahmen aber mit wacliscnder Bildung und Gesitlui^
einen ethischen Gehalt an und ■wurden die Bringer und Triiger der Kultur.
In ihrer .Vnwcsenhcit wurde das Recht gesprochen, mit ilu'er Hülfe wurden
aJIc Untemi'hmungi-n begonnen, ihnen zu Ehren vereinte sich der Gauverband
zu geraeinsamem Opfer unter Führung eines Priesters i:»der einer Priesterin.
Als einzigen gemeinsamen Namen für die so entstandenen höheren Wesen
haben alle gennanischen Sprachen dis Wort -Gott« (got. gup-, ahd. fp>t, alls.
^d, alto. ji^Wf/, guith Über die Bedeutung lies Wortes ist viel gestritten wor-
den (\^I. Schade .Mtd. Wtli. I. 342); sie i.st noch nicht gfiiügend aufgeklart.
Kluge (Wlb.' 143) bringt es zusammen mit der sk. Wuricl hü •= »Götter
:uinifen< und deutet es, .«das anzurufende Wesens. Brugmann dag^en er-
klart es als »das gefürchtete, gescheute Wesen', und bringt es mit altind.
gbaräs zusammen, zu dem sich auch griech. ^föc, lat. dem geselle l'Ber. der
Kgl- sflch. Gesellsch. der W'issensch. XLl. S. 41 ff.|. — Unter den giittUchen
Wesen, die bei allen gcrmani.schcn Stammen erscheinen, lassen sich drei mann-
iiche und ein weibliches mit Be.stLmmtheit nachweisen. Neben dem leuchtenden
Himmcisgütte * T^waz findet sicii eine Wind- und Totengottheit * Wodauaz und ein
Gott des Gewitters ''Hiouaraz. Von diesen i.st bei allen germanischen Völkern
*Tiwaz zum Kriegsgotlc geworden und nur hier und da erinnern Mythen
an seine alte Maihlfülle. Als er diese einbüsste, scheinen sich Gestalten
wir Freyr und Jialär von ihm abgezweigt zu haben, wahrend anderen Orts
KW<iff an seine Stelle getreten und zum Himmet:^otte geworden ist. —
Aus.ser diesen m.lnnüchcn G<»tiheiten kennen alle germanischen Stamme eine
weibliche: die Frija >die Geliebte, das Weib schlechthin«. Sie mag von
Die altgekm. Gottheitek im Alluemeimex.
313
Anfang an die Gemahlin des Himmcl^tittcs und ein Sinnbild der mütterlichen
Erde gewesen sein: in hisiDriwInrr Xeit ist sie die Gemahlin Wodans, mit dem
sie dann in Verbindung gebracht sein müsiitc, ab dieser Go(l zum Himmets-
goti geu'onlcn war. Nad» ihren vcrsehiedenei» ThStigkeiten und Kigcnschaften
nimmt sie wie Tlwas versdiiedenc Namen an.
Zu {liefen alten Gotüieilen sind im I^ufe der Zeit in einzelnen Gauen neue
hinzugetreten, die bald Abzweigungen vnn den alten. I>nld aber auch durch
Süssere Verhältnisse im Kultvcrband bedingte XeuschöpfunKcn sind. Besonders
zahlreich wurden die G«itter, als sich im Norden im Anfang*? der Wikingerzeit eine
reUgiOse Dichtung entwickelte. Ganz neue Gültlieltcn sind damals hcrvor)^-
«pioasen. NaMUlich kt'innen diese nie einen Kult gehabt haben. Zuweilen haben
sich fremde, namentlich chrislüdie Elemente mit den heimischen vermischt.
Und als sich dann Snurri daran machte, die Mvthen von den Gnttheiten der
Dichlun<^ in ein System zu biingcn, da sprach er, beeinflussl von der klassischen
Mylhulogie, von einer Zwölfzalil der Götter (Sn£. I. 8j), die aber weder er
noch ein anderer Zeitgcnasse herauszubringen vermcjchte. Auch neue ge-
meinsame Xaiiieii für die G<jltheiten traten in jener Zeit religit'iser Dichtung
her\'or. Ausser der alten neutralen Bezeichnunjj; f^ä, neben der die weib-
lichen fft-ifjur erscheinen, finden wir sie besonders aU asii. Äsen. Das Wort
ist walir^chriiilidi mit skr. äiu >I^bcn, Lebensgeist«, zend. anhu ■Herr«
verwandt iFick, Etym. Wtb.s III. iH; Buggc Studien i f.)'. Es Iflsst sich
etienfalls bei den Golen nachweisen, deren Könige ihr Gcschleclit auf simidfos
vi ni tsHiis zurückführten i'ji-rri. 70 '*). Im Ags. werden die rse nelnrn die
yi/t gesiellt; hier ist von einem e'iij ^escot ^Asengeschnss'i die Rede, wie s«>nst
von dem Elfenschuss (M)tlL I. 2\). Die \ielen hd. Namen auf .-l'u-, die
add. auf Os-, ilcncn sich die nordischen auf Ai- zur Seite stdlcn, sprechen
<lafOr, dass diese Bezeichnung für hühere göttliche Wesen gemeingermanisch
ist Dem mannlichen trstr gesellen sich im Norden die weiblichen iLtvttjnr
zu. Als ein zweites Götter;;esc*hlcdit bfzdi.hnen islriiidisch- norwegische Quellen
<Jic rauir. Das Wort ist aller Wahn4i;heinUi'hkeit nach verwandt mit altt.
mrdnam, einem Wirrte, diis die Tugeshelle, den Sonnenglanz bezeidmet (Vil-
mar» Altert im Hei. S. 17 f.). Daneben kennt die Diditung die Jiar, Ovar
<dic glanzenden), ngia, r^gn (die Berater), A(»««/, hapt [A\c Fesseln).
KAprrEL IX.
DER ALTGERMANISCHE HIMMEI-SGOTT.
K. Matlcnhofr, Chi'r Tuiseo unJ seitif XafhkitmBnm in Sditniili^ Allgffin. Ztcb.
für Gwchidile VUL zog— 6q; DeR^ frim'n und ffitu Hriiätr ZfdA. XXin. aj ft
— J. Hoffory, EJdasluMrn 141 — 173. — K. WciDhold, Cfn-r äfH Mythus vom
H'antnkrtfg. Sitzungsbcrkhlc der kgl, preitM. .\kademic der WiMCiuclLaftcn 1890.
611—35.
I 51. Die sicherste Parallde, die wir der vergleichenden Sprachwissen-
schaft und Mvtholiigit- verdanken, erMfnei uns zugleit h dnen weiten Blick
Qbcr die mythischen Vorstellungen der alten Germanen; skr. fhiius, gr. ZeiJc.
laL Ju'piltr, hSngt sprachlich zusammen imt ahd. 7Ju, an. TJV. Wir finden
hier bei den verschietJenen indogermanischen Stammen ein g.rttllich verehrtes
Wesen, dessen Name auf eine Wurzel Jiv »strahlen < zurückgeht und das
«ch durch einen Vergleich mit stammverwandten Wörtern als eine glanzende
1 V, ftricnlwvgpr sirllt trä 411 tikr. ana\ •Hniuht, griecli, arifio^ •Wlndi, fthd, uast
«ppicdla, («fnp«lju.i uoü tieutt^ M itU den 'grusseo G«i4l« (ZfdA. XXXVI. 313). Die
■ItoT Deutui^ ist «ospracheoder.
3J4
XI. Mythologie.
HimmeJs- und Tagcsgotthcit zu citcnncn gibt. Diese Parallele ist jüngst von
Bremer wieder angegriffen wnnien (Idg. l'"orsrh. III. 301 f.), aHein Bremer
hält nur gezeigt, was scli^n vor ihm feststand, tlass wir ein germ. 'llw^: aa-
jEiLsetzi^n haben, ein Wort, dessen Süimm, wii^ Bremer seihst einrflumt, zur Wurzel
ift'v gehurt (vgl. aucl» Kf'igel, Gesch. der deutschen Lit. S. 14). Der helle Tj^es-
himmcl hat zu diesen Mytheiigcbilden Veranlassung gegeben, und da wir das
Wort von gleidicr Wurxel bei cien verschiedenen indogermanischen Stammen als
eine peniönlicli aufgefasste bühere G<:itllicit finden, si.» ist der Schluas berechtigt,
(Inss es eine s^Idie bereits vor der V<itkcrtre-nnuiig war. Wenn sich diese
aber in den ältesten Veden und vor allem bei den Griechen als oberste
Gottheit crhalttn hatte, und wenn sie sich als solche auch bei den Germanen
noch in historischer Zeit zeigt, so folgt daraus, dass sie diese Stelle aller
Wahrscheinlichkeit nach in der indugermani-scheii Perif>de einnahm. Zu Ähn-
lichen festen Schlüssen sind wir bei keiner anderen Gottheit berechtigt, imd
deshalb hat eine GlauVicnsgeschichte germanischer Völker vi>\\ dieser Gottheit
auszugehen; jene Parallele ist in dieser <ler erste historische Anhaltspunkt. Diese
Gottheit finden wir bei fast allen germanischen Stammen, bei dem einen unter
dem alten Namen, bei anderen unter einem aus einem Epiüielcm enKandenen.
Wohl war bei den meisten Stämmen die alte Herrscliaft des Gottes über den
Himmel in den I lintergmnd gedrangt; infolge der Beschäftigung mit dem Krieg war
erzürn Kriegsgoitc geworden, die anderen Beziehungen treten im Hinblick auf
4Jie3e mehr zurück. Sn erklärt es sich, da.ss ihn die lateinisch schreibenden
Scliriflsteiler mit Man. griechisch schreibe-ndc mit 14o»;c, wiedergeben. Dass
dies in Wirklichkeit der alte 'Tiwaz ist, lehrt vor allem der Xame des dritten
Wochentages: alJe Volker am Rheine, in tJbeideutscblaud. in Norddeutsch-
land, Sachsen, dem skanilinavi.sclien Norden geben nach ihm den römi-
schen (/i'cj Mnriis wieder (Alyth. I. 102 f., 111. 45 ff.). Noch im späten
Mittelaller übersetzt ein Islander »in temph Martis*. mit »/ T\s hofi- (Ann.
f. nord. Oldk. 1848. Z2\. Aber auch als Kriegsgotl behalt er noch lange die
oberste Rolle. Im batavisi^hen Aufstande nennt der Abgesandte der Tencterer
den obersten Ciott der (Jermanen (irafäputis deorum Man (Tac. bist. IV. 64,1, tn
der germanischen Trias auf römischen Voti\'steinen steht er fast stets an der
Spitze (Zangemeister, Heidelberger Jahrb. V. 51). Die Goten bringen ihm,
als dem höchsten Gotte, de-in praesn/i Mlorton, Menschenopfer (Jord. Get.
c. 5). Dasselbe thnn die Ht-rmunduren im Kriege mit den Chatten (Ann.
Xin. 57). Friesen in den britiscben Legionen errichten ihm als dem Man
77iifif,'3us Altäre (Hübner, Westd. Z. l Gesch. lU. t20 ff.). Die Schwaben
heissen nach ihm Cvtuujri, Ziuverchrcr (nach einer Wcssobmnncr Glosse vgl.
Auz. f. d. A. XIX. 3 gegen Laistner, Germ. Völkernamen S. 2 ff., wo Cyuuari
als Schreibfehler für Reciuvari = j» Bewohner der Riess« aufgefasst ist). Von
den Skandinaviern weiss Procopius, der im allgemeinen gut unterrichtet war.
zu erzählen, dass sie dem 'A^r^z, der ihr i^ft)? fiiyioxoz gewesen sei, Men-
schenopfer gebracht hatten (bell. Gol. 11. 15).
Diese Gottheit stand in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung
noch bei fast allen germanischen Slömmen im Mittelpunkte des Kultes. Sie
wurde axis diesem erst verdrängt, als W"Ml;ui-Mcrcurius im unteren Rlieingebiete
durch die Berührung der Germanen mit Galliern imrt Ri-tmem der Trager einer
hij'hercn Kultur ^^'urde, mit der er rheinaufwUrts und das Seegestade entlang
seinen Siegeslauf über viele germanische Stämme nahm.
Im 2. Kapitel der Germania berichtet Tacitus, wohl in .Anlehnung an
Plinius (HisL nat. IV. S tjg f.), dass die Germanen nach den Söhnen des
Mannus sich in drei grosse StammverbUnde geteilt hätTen: in die IngvaKmea
i
I
I
Der altgeru an ISCHE Himmei.sgott.
3'5
am Meere, die Hemiinones im mittleren Deutschland, die Istvaeones in dem
Qbrigen Teile Germaniens. Nadi Müllciihoffs Vorgange (Schmidts Zsch. VIII)
igt man gewohnt, in diesen VrilkcrhOndnissen alte Kultverbande, Amphi-
ktyomen, zu finden. Aus dem ganzen Zusammentiangc, in dem sich die
Stelle bei Tudtu.s findet, scheint dies unstreitig hervorzugehen, denn wenn
sich mulircre St-lmmo als Nachtommen ein und desselben Gottes bezeich-
neten, s«j müssen sie diesen gemeinsam verchrl haben. [Vgl. jetzt dagegen
Kossinna. Idg. Forsch. VII, 276 ff., der in jenen drei Bezeichnungen Namen
henorragender germanischer Vülkerschaften findet.] Allein die bei Ta-
utus f()lgenden Worte (quiäam, tti in liceniia vctustatis, pUtris deo ortox plurü'
tjM ^enfr'i appcllationts. Mafios, Gapibm'os, Su(f>of. VandiUos affirmnntj scheinen
zugleich zu zeigen, dass die alten Kultverbande damals bereits gelöst und
neue an ihre Stelle getreten waren. Welche Ausdehnung die cirxzelnen Ver-
bände gehabt und welche Stimme ihnen angeliOrt haben, wird sich ebenso
schwer feststellen lassen, wie der Name oder Beiname des Gottes, der im
Mittelpunkt ihres Kultes stand. Mit grosser Wahrscheinlichkeit nennt Mflllen-
ho/f (ZfdA. XXIII. 12 ff.) die .\hnherm der drei Stilmmc "In^^z, * Erm(r)nas,
*Iifvaz, und deutet Ingvaz als den »Gekommenen', Ermenaz als den »Er-
habenen«, Istvaz als den »VcrchrungSÄÜrdigen*. Nun wissen wir, dass die
Enninones Ziuverchrer waren, wir wissen, dass *Ifi^'az sich mit dem nor-
dischen Frey deckt, dieser aber aller Wahrscheinlichkeit nach weiter nichts
als eine Bezeichnung des alten *77iv<is ist, wir können endlich durch nichts
beweben, dass die Istvaeones besonders den Wödan vereJirt hatten; auch
weiss man seinen Namen /rftwj nicht mit seinem Wesen zu vereinen. \'iel-
mehr scheinen alle Namen Epitheta des alten Himmels- und Sonnengottes
gewesen zu sein, so schwer cj* auch hjllt, diese selbst allsciüg befriedigend
zu deuten. Man liat bei Ingifas an die Wurzel igh .begehen, erflehen«
(ZfdA. XXXIII. 10), bei Istinz an etih »brennen, leuchten« (Scherer, Sybels
HisL Zsch. N. V. I. lüo) oder an den Stamm ist »glänzen, leuchten« (KOgel,
Ans. f. d. A. XIX. 9) gedacht, wahrend andererseiLs I..ai$tner in den Ist-
ttaeonet »die Echten, die Vollblütigen«, in den In^-aeonfs »die Einheimi<ichen«
findet und in dem Schutzverbandc auf dem Buden der Sippe, nicht aber Im
Kullverbande die Quelle der Namen sucht (Genn. Vnlkcmamen S. ^i ff.).
Ein anschauliches Bild von der Verehrung dieses allen Himmels- und
SonncngoUes gibt uns Tacitus (Germ. 39), wo er von den Scmnonen, dem
vornehmsten Stamme der Sueben berichtet, der vor den germanischen
Stammen durch da.H Alter seiner Religion geadelt war. In heiligem Walde,
dessen Hfltcr die Semnoncn sind, vereinen sich zu festgesetzter Zeit die
Amphiktyonen und beginnen die hohe Festlirlikeii mit Mensthenopfcr. Ge-
fesselt nur betreten sie den Hain, und wer in ihm strauclielt, muss sich hin-
auswalzen tind darf nicht in ihm aufstehen. Noch in christlicher Zeit wer-
den die Schwaben Cyuudri genannt, und die Civitas AugustensLs erhielt
nach diesem Gotte den Xanien (!'iesburc (Zfd.^. VIII. 5^7), Nordwestlich
von den Scnniunen sa.ssen die Sachsen als Ziuverehrer. Die IrminsÄulen
mAgen ihm geweiht gewesen sein (Vilmar, Alten, im Hel. 62 ff.). Eine solche
errichlelen die Saclisen bei Scheidungen nach ihrem Siege über die Thüringer
(550): nach Osten gerichtet, dem Mars geweiht, uie Widukind (I. iz) berichtet;
in jenem zeigt sich ein Nachklang an den alten Himmelsgoit, in diesem seine
Verehrung als KriegsgotU Im Gebiete der Sadisen zerstörte Karl der Grosse
unweit der Eresburg eine Irminsilule, ein altes Heiligmm an geweihter Statte.
Auf ein Gemisch heidnischer und christlicher Anschauung mag zurückgehen,
venn im Hildebrandsliede der Vater beim Irmitigoi versichert, daaa er gegen
3i6
XI. M^■THOI^GIE.
scitien Willen in den Kampf iieli*.* (V. ,^i vj^l. Cosijn, Tijd-irhr. v. ml!. Taal- en
Letterk. XI. 2iX) f.). Er, Ear nannten ihn die sächsischen Siamroc, eui Bei-
wort, das wir auch bei den Bayern finden. Es ist wahrsrheinlich ven*-andt
mil ved. aryä ■= ztigcthan, freundlich, einem beliebten Beiworte der GOtler.
Dass in diesem Er der alte Tiw.iz steckt, lehrt die baicrisrhc Itezcichniing des
Dienstai? als Ereslaj;. Die an^elsüdis Esche Rune Y ^''rd ferner siiwnh! mit
«r als auch mit //> glossiert (W. Grjnim, Ober deutsche Kiuien, Taf. III. L).
Vielleicht noch alte Volkserinnerung hat den Cberarbeiter der Coiveier An-
naiea veranlasst, in der Ereshurg in erster Linie ein dem Ares d. i. dem
»dominator dominantium« geweihtes Ileiligtuui zu erblicken, wie solche noch
zu r^ibnitz' Zeiten unbcwusst in der Bezeichnung Ityntitesntif^n für den grossen
Bären fortgelebt liiil'xjn iri;ig (Mvth. I, 2fj5). Später wurde der (.lott hei den
Sachsen durch Wödati verdrängt: in dem sachsLichen Taufgelöbnis nimmt er
ala Saxnöt erst die dritte Stelle ein (MSD y).
Wir finden aber auch weiter ourd- und westwärts Cberresle vun der ein-
stif!;en Bedeutung des T^jcaz. In den Niederlantlen z. B. widmete ein ger-
manischer Onturio tier 20. I-egicm unter Claudius dem .\furs Ilalnmnrdm,
in dt^seii Beiwort von Grienbergei den manru-rfällendea "Dicaz findet (/IfdA.
XXXVIl. 389), einen Stein, der noch heute erhalten ist (Brambach, Corp.
Insrr. Rhen. No. 2028). Auf den römischen Vutivsteinen, die die nieder-
rljL'inischcn Reiter und besondci^ die Bataver ihren heinu'sehei» Göltem
setzten, nimmt er f;i.st durchweg die erste Stelle ein (Zany:emeister, Neue
Heidc-Ibeiger Jahrb. V. 46 ff.). Von besonderer Wichtigkeit für die Ver-
ehrung des altgennanischcti Jhvaz ist jener Altar, der ajn Hadrian-swall ge-
funden worden ist Ihn setzten freie Germanen aus Twenthe, die im cuneus
Frisiorum standen, ihrem heimischen Gotle Marti TTiinf^o und den beiden
AlaisiaK%']i Be^ic und Fimtnilcne. Viel ist über das Beiwort dieses Gottes und
seine liegli'ilcrinnrn ccschricbeii wonlen, i'tiiie dass man jedoch zu einem all-
seitig befriedigenden Resultate gelangt ist. Man lial ihn baUI als Gott der Volks-
versammlung (Scherer, Hoffon"), bald als GerichLsgott iWeinlufld), bald ab
einfachen Schutzgott der Reiterabteilung (Hiischfeld, Kauffmann), bald als
Himmels- und Weltergoll (Siebs) aufgefasst. Schwerlich werden jene Reiter
am Hadrianswaile dem Gotte erst in der Fremde den Beinamen gegeben
haben, vielmehr kannten sie diesen wohl aus ihrer Heimat. Und da wir
wissen, ilass sich die Friesen jederzeit durch ausgcpriigtcM Rechtsinn hervor-
gethan haben, .so mag er in der Heimat die hcK-hste Gottheit gewesen sein,
die in der Thingversamnilang das Recht schirmte und unter deren Schutze
man zu gemeinsamer Beratung zusammentrat. ( Über den Mars Thingsus
vgl. Hühner, Westd. Zsih. HT. 120 ff. 2^7 ff.: Schcrvr, SB. der Beri. Akad. 1884
S. 571 ff.: W. rieyle, Mcde<lee!. d. kon. Akad. vuii Wettcnsch. III. 2, iio ff.:
Möller, Wcstct. Zsrb. \. ^21 ff.. Hoffor\-, Eddastudien 145 ff.; Weinhold,
ZfdPhil. XXI. I ff.; Hirschfeld, Wesid. Zsch. i8Bq, S. iq; Jäkel. ZfdPhil. XXII.
257 ff.; Kauffmami. BBB. XVI. iooff.; Siebs, Zf<äPhil. XXIV. 4jji ff.). — Mehr
als in Deutschland wissen nordische Quellen von der urspriinglicben Bedeu-
tung dieses Gulteji zu erzählen. Nur vollständige Verkemnuig de-s T> nnylhi-s
kann den treuen (Jenossen Thors bei der Kes.sclho!ung vom sj>ateren Kriegs-
gotte iK-nnen und in ihm einen Riesen erblicken wollen. Hier erscheint er, ein
Sohn des Meerriesen Hymir, der im fernen Osten wohnt, jenseits der Eli\'ägar:
ein mytliisches Bild der ain dem Meere em|^irsteiqenden Tageshelle (Hym.).
Femer schildern die nordischen Quellen den Tyi cinhSncUe;, wie CidinUf sein
Nachfolger als Himnielsgott, einüugig ist. Den andern Arm verlor er bei der
F««elung des Fenriswolfes, dem er allein seine Rechte in den Rachen zu legen
Der ALTGER UAKISCRB HlU&IEI-SGOTT. HeiMDALLR.
317
wagte, ab Um die G^xtcr biinden. ÜtKrrhuupt /ci^ c-r sk-h im Mytltus vi>n
der Fesselung des Femiswulfes imch ihinhttfj; ;ils lichter Himmels- oder
TagcspJtl (Wilkciis, ZfdHiil. -KXVril. iq; it., 313 ff.). Mit sviner Frau gcbuhll
zu liab»i rtiliint Mch I^>ki, \vi\s er auch mit i)<titi.>i Gattin ßtMtiati )ia}>rn «nll.
Danel>en aber erechemt aucli im Norden '/'i-r als Kriep^utt. Der dritte Tax
der Woche ist Dbcra.ll hier na*:h ihm bctjannt, auf das •/ Tvs Ao/i* wies ich
schon hin. lir hcjsst weiter der vigogoit 'der Gott der Kampfe«, herrscht
Ober den Sieg, und Skalden schoD der ältesten Zeil nennen angesehene
FOntlcn seine Sprö-ssün^e. Er Lst es ja aller Wahmcheintichkeit nach auch
gewesen, den I'rnnipiuÄ als den i^föi" fitytorov bezeichnete (bell. GoL IT. 15).
Als si>aier Oilinn zur Herrschaft gelangt ist und die Götter mehr rxler weniger
mit ilun in Zusamnu-nhang gebracht werden, erscheint Tir als sein Sohn;
sein alter Glanz ixt verges.scn und auiti ab» Kriegügutt spielt TVr jetzt nur
eine ganz unierge^irdnete Rf»lle. \ur als Freyr lebt er nnrh im alten Glänze
besonders im U]>salaer und Thnjndheiiner Kultverbande fort.
Der Übergang de* alten Himmelsgfittes zum Kriegsgntte mu&s erfolgt sein,
als der Krieg für unsere Vorfahren da» eigenUichc Lebenselemcnt geworden
war. Damals wurde auch das Schwert des Gutie;* Waffe, mit der er seinen
steten Gegner, die Finsternis, besiegte. Finden wir dorh bei fast allen ger-
maitischen Völkern dieses in engster Verbindung mit dem ''Tiwaz-^^ari. Die
Sage von dem Hirten, <ler das Schwert des Man fand und dem Attila über-
brachte I J'trd. Ausg. Muinmstn S. lo.i f.). wuniit dieser dann die Welt eroberte,
kann nur eine gotische sein; die Quaden brachten dem Schwerte göttliche
Verchmng (Amm. Marc. XVH. 121; mit dem Schwerte bahnte sich der
Thüringer Himmelsheme Iring den Weg durch die Feinde und scliuf da-
durdi die Milclistrasäc (Widuk. L 1.5); nach dem sahs ihres Saiisnwi (d. i.
Tiu-Mars MSD 51 1 nannte sich das Vnlk der Sachsen ; das Si'hwert, da.*i von
selbst kümpft luid ihm einst den Untergang bringt, besitzt Freyr iSkini. 8);
dasselbe muss Hutlierus gcnimicn, um den lichten Baldenis xu t>eknmpren
(Sax. Gr. I. S. 114 f.). Und wenn Heimdalls Schwert sein Haupt heisst,
das iluD den T<xl bringt (SnE. I. 2O4), s<j liegt derselbe alte ^f^'thus zu-
gnmde: das S<hwrrt kann iiirhLs anderes als die k-uchtendf S^nne sein; mit
ihm besiegt der Hinunci»g>itt die Mächte der Fiiisteniis aber es bringt üuu
auch selbst den Tod, Hobald es in die Gewall jener Machte gelangt isL Wir
hal>cn also in all diesen Mythen Übeireste eines alten Tagesmythus, zu dem
wir bei Odin weitere Parallelen finden werden.
g 52. Der nordische Heimdallr. Schon durch seinen Namen gibt
sich dci nordische Heimdallr als ein lichter Himmelsgutt zu erkennen,
mag man diesen mit Bugge als >den über die Welt Glänzentlen« erklären
(Eddal. S.68) oder mit Kögel als den .Hellleuchlenden< {Idg. Forsch. V. 313).
Liegt doch auch in dem femininen Mard^;»!!, einer dichterisdicn Bczcicbntmg
der himmlischen Freyja (/.. B. SnR. I. 114 u. oft), derselbe Sinn. Wir kennen
den Nimicn Heimdali nur aus isUindisch-rw iri*egi»Jien Berichten ; niigends
findet sich sonst eine Spur dei«ell>en. Kr ist ein Gebilde der norwegisch-
isländischen Skalden, eine dichterische H^-postasc des alten Himmelsgottes.
Er Bteilt diesen nur von einer Seite dar. Er ist das am Horizonte sielt zei-
geiwle Tageslicht, ider Gott, dem Oberall die Frühe, der Anfang angehört«,
«ie ihn schon Ublaiid (Sehr. VI. 14I trefflich gedeutet hat. Am Horizonte
steigt er aus dem Meere imd Ober die Felsen e.miM>r. Ihn gebaren netm Schwe-
stern tSnE. I. I02|, riesisclie Jungfrauen des Meeres mid der Berge (Hyndl,
35- 37)* ''^ Anfang der Zeiten am Saume der Erde; er ward gross gezogen
durcli die geheimen MJlchle der drei WelMirunnen (HjTidl. 3K. Rydberg, Myth.
UndcraCJk. I. 104). Auf den Gipfeln der Berge, die den Himmel zu bcrtlhren
scheinen, zeigt sich sein goldener Schimmer, daher sind die JItminbj]frg, in
Norwegen die sieil über dem Mccrcsnfcr sich erhebenden Berge, sein Aufent-
hallaort (Grimn. li). Hier hilll er Wacht, der »weiseste der Cuttert (|*rkv. 14),
der Zukunft kundig wie die Vancn (elid.). Seine Zähne sind von Gold, da-
her heisst er GoHintmini; golden sind die Stirnhaare seines Rosses üollfoftp
(SnE. I. 100). AUtaglidi bezieht er diese Wacht (Hnifng. 26), die Wacht
zum Schutze der Götter vor einem Einfall der Riesen {Lok. 48. Giinin. 13.
SuE. I. 100). Diese ist so recht ciordischeni, ja alt}(cnnamschcm VorstcHungs-
kreise entsprossen: er wac-bt wie Haf*en im Hunnitnliindc (NI.. Ausg. Zamcke,
2/9,6), wie der Wart in Hrüdgärs Halle (Beow. iJÖS ff.), wie Hallvardr in der
Frifljijofssaga (Fas. II. 81). Ja wie letzterem u-ird ihm auch das Hörn ge-
reicht (Grimn. 13). Ab solcher Wächter ist nun Heimdallr der vorzügüdiste aller
Wächter: er bedarf weniger Sr:hlaf als ein Vogel, er siclit Tag und Xachl
gleich gut und gleich weit, er hon das Gras wachsen und die Wolle auf den
Schafen (SnE. I. ico). Als solcher besitzt er auch des laut scliallendc Gjallar-
hom, durch das er einst die GCtttcr zum grossen Wellkampfe ruft |Vsp. 46),
sonst geborgen unter dem heiligen Weltenbaume (Vsp. 27). Sein natürlicher
Gegner ist l/jki »der Beschliesscr*, der alles endigende Gott (Uhland Sehr.
VI. [4. MQllenhoff ZfdA. XXX. 22C)). Mit ihm hat einst Heimdallr den letzten
Kampf zu bestehen (SnE. I. IQ2). wie er auch tiiii ilimalUt>etHllichani Singaatcin
in Roht>engesialt um cl;ts köstliche Brisingamen der HimmelsgCittin ringt (SnE.
I. 2ÜÜ. .268). diis er ani Morgen derselben zurückbringt. Wir haben in dieaem
alten Tagesmythus, der im Norden ziemlich verbreitet war imd nf>ch im 9.
Jahrh. Stoff zu künstlerischer Darstellung bot (PBB. VU. 419 ff.), ein Gegen-
stück iÄum Baldi-V'aliinytlius.
In seiner Tbiiügkeit als der alles erweckende und infolgedessen sdiaffende
Gott ist aber auch Heimdallr der Gründer der menschlichen Ordnung und der
verschiedenen Stünde gcwurdtai: >höherc und niedere Süline HeimcUUb' spricht
die Vpiva die Menschen an (\'8p. i), und nach der R^gsfiula zeugte Heimdallr
imter dem Namen R'igr die Stünde der Knechte, freien MSmier, Jade. In diesem
Gedichte haben wir einen der jüngsten Mythen vor uns. der in der Wikinger-
zeit und Wohl erst im spüteren Teile derselben entstanden ist. Denn schon
der Name Jii^r ist nichts anderes, als das irische Wort ;/ -der König« (cas.
obliq. rig). — Unter den mannigfachen Deutungen, die Heimdallr in neuerer
Zeit erfahren hat, ist eine der beliebtesten, ihn als Gott des RegcnUigens
aufzufassen, weil dieSiiE. die Himinbjyrgam Kopfe dieser Hinmiclsbrücke liegeu
U.'vst (.SnK. H. 20^. I. 78». Im Hinl>lick auf dfiwen Bericht ist auch das Wort
thhmiallr ;ils »Himmelsbogeri« gedeutet wurden (Hellijuist, Ark. f. n. fil. VU,
171 f.). Dieser ganz junge, wohl nur durch siiiltere Kombination entstandene
Zug Iftsst sich weder aus den alten Quellen erhflrten noch begründen.
§ 53. Frevr-N'jyrdr. Seinem ganzen Wesen nach als eine Lichlgottheit
erscheint femer der ni>rdi^che I*'reyr. !)ie.ser ist nach den QuelK-n niclit von
Njyrd zu trennen, wie er auch fast durchwc-g als dessen Sohn aufgcfasst
wird. Tacitus Germ. 40 beric_htet. dass sieben Vfilkerechaften, wohl auf der
Insel Seeland, an heiliger Statte (Mucli, PBB. XVII. 195 ff.; A. Kock, Sv.
Hist Tid.'^kr. iSc)^. S. 103) die Xerthus verehrten, tlic er infolge der Ähn-
lichkeit des äusseren Kultu> mit der n'^mischen »Temi mater< wiedergibt. Zu
bestimmter Zeit des Jahres ersclunnt die Gottlicit in ihrem Heiligliune, einem
g:cweihlen Haine ; der Priester empfangt sie und fahrt sie dann in einem umhüllten
Wagen, der von Kühen gezogen wirtl, umher, bi.s sie au dem Umzüge genug
hat, wrirauf er sie ihrem Heiligtume /urßckgibi, nachdem zuvor noch Göttin,
»
Gewand und Wagen in geheimem See gebadet und jener daselVjst die l>ei der
Feicriichkeil beleiliglen Sklaven zum Opfer gebracht worden sind. Wahrend
jener Tage ruhen die Waffen, überall herrscht tiefer Frietle und alles feiert in
froher Festlichkeit. Fast ganz derselbe Vorgang wird uns aus dem lo. jnhrh.
in der grossen Olafs saga Trj'ggvasunar erzählt (Ftb. I. ^.^7 ff.). Xat:h dieser
führt eine junge Pri<5tterin auf einem Wagen das Bild d<a Frey von Altiij>i»sala,
dem gemeinsamen Heiügtume der Schweden, zur Spätu-interzeit durch die
Gaue der *\inphiktyoncn. Übcmll, wohin das Götterbild kommt, wird die Gott-
heit freudig empfangen und Opfcrsch mause geschehen ihr zu Ehren. Menschen-
opfer sind in diesem wie bi jenem Falle mit der Feierlichkeit verbunden.
Hier findet sich also für die Tadteischc Nerthus der nordische Freyr. Eine
Nenhu3 keimt der Norden nicht, wohl aber einen Nj^rd, der sich sprachlich
mit dieser deckt. Doniclbc steht aber nach den isländischen Quellen im
engsten Zusammenhange mit Frey: dieser ist sein Solm, beide sind Vanen,
beide spenden Reichtum und Glück (SnE. I. g2. q6), Friede und Fruchtbar-
keit (Vngl. S. 10. 11). Aus den Vergleichen geht ein enger Zusammenhang
zwisclieo NertIius-NJ9rd-Frey her\'or. Ist dann weiter unter der Nerthusiusel
Seetand zu verstehen, so fallt in die Wagschale, d;iss nach Saxo Hadingtis, der
Künig der Dilnen. in seinem Lande der Sage nach das Freysopfer eingeführt
habe ^Sa}co, cd. Müller I. 50), und dass der Freyskult in Uppsitia cn>t von
hier ans eif^edrtmgen sei (ebd. 1. i2o\. Nun erscheint aber von gleichem Wori-
stammc nebai Frey seine Sdiwesler Freyja. Beide sind Kinder des Njyrd
und seiner Schwester (Loks. 3Ö/37). Obgleicli letztere nirgends genannt wird,
karm es doch nach dem eben ausgeführten keine andei-e gewesen sein als
die Nertlius, die Tacitus erwähnt. Es ist s-ihwicrig, die cinzchiai Gfilterge-
stalien aus diesen Göiiert>aaren klar heiauszuschülen und sie in ihrer Grund-
idee und ihrer historischen Entwicklung zu verstehen. Am klarsten tritt uns
nucfa Frcyr entgegen, der offenbar ein leuchtender Himtnelsgott war, aus
welcher Stellung ihn jüngere Forschung ohne Grund zu verdrängen .sucht.
In allen germanischen Sprachen findet sich das Apjjellativijm, mit dem
sicJi Frevr deckt, in der Bedeutung 'Herr« (got. frauja. ahd. frö, ags. ßred\
Die ältesten christlichen Dichter gebrauchen dies Wi^irt als ständige Anrede
an Gott (Mytli. 1. 173). Ob dasselbe mit unserem froh (ahd. frö, gnädig,
bold) zusammenhangt, lasst si<:h sprachlich nicht unumsli'Jsslich beweisen.
Aber selbät wenn wir in ftv ebi ganz anderes Wort hatten (ZfdjV. XXXII. 272),
lasst sich der nordische Frevr aas gesclüchtlichm Krwagtiiigcn nicht von
got frauja >Hcrr« trennen. Der Name />rKr ist vun Haus aus ein Epithct<jn,
und dies mu.«^. wenn mr es auf lieidnische Zeiten übertragen, dem hi>clisten
Gotte gegolten liaben. Dieser aber war kein anderer als Tiwaz. Ob nun
Timiir unter dem Beinamen Frö oder Freä auc:h von anderen germani-
schen St<lmmeii verehrt worden ist, Llsst sich schwer entscheiden. Der alid.
Name Fröwin, ags. Freäivitt, daii. Froviaus (Saxui. der dem iiunlischcii Freys
r*Är = Sigiu-dr (Sigk. III. 2^) entspricht, scheint dafür zu sprechet».
Sicher wissen wir nur. dass Freyr in tlcn Letzten Jalirlmnderten des
I^eiilentums in den fruchtbaren (bilden von Altupp^ala den Mittelpunkt des
Kultes bildete (Ftb. I. 337 ff., Adam von Brem. IV. zb). Ebenso gab es
com; Amiihikti'onie Throndhcimcr Gaue (Ftb. I. 400 ff.), die ihn verehrte.
Hier wurden ihm heilige Kossc gehalten (S. 40!). Von liier aus nahmen dann
auch Nur^eger, wie der jimge Hrafnkdl, ihre Vorliebe für diesen Gott mit
hinüber nach Island.
Allein wr gewinnen für Frey leicht weiteren Buden. Er steht offenbar
im cngsiai Zusammenhange mit dem Ini^, vun dum sidi die Iiig%-HK>nen, die
Nerthustverphrer, ableiteten, und führt snnach auch (iurrli tüesen wieder auf
Tiwa«. In den nftn^-egisch-isIflncUschen Quellen trefft^n wir ilm wicderliolt als
Ift^'fifreyr (Yngb. K. \z\ Heimskr. S. 157 u. f\ft.). In^mmrftryr (Ijik. ^.v OH.
1853. S. 2). Ingiinar frrvr strhi für !ngfiaa ihyttyr .der Gott der Fnicht-
burkcit bei den Jng^inen» (A. K<'ck. Sv. Hist. Tid>kr. 1805. xiyoii.). Femer
heissen die schwedischen Könige, di«; von Frev ihre Ilorlcunft abieilen (Yngs.
K. 12), }'n}^ingar. Wir sehen hier den engsten Zusammenhang zwischen In^
oder yngT'i und Fr-v, weshalb schnn Öfter die Parallele /flj^= /mr angesetzt
worden ist (z. H. ten Bririk, Grundrisse II. i S. 532 f.). Nun Ist aber nach
dem Berii hie Sjlmws d. (20) der Freyskult erst in UjijiSKld eingeführt (vgl. auch
.A.Olrik, Kild. ul. Sakses Oldtiiit, I. 04) und zwar aller \V;i)irsrheinIirhkeil nach
aus SchL>ueii. wo in alter Zeit die üstdilneii, die E'*>stdf ne dc-s Büowulf. ihren
Sitz hatten. ,\uch diese erscheinen im Bc'jwulf als Itii^viiie (v. 1045. 1320),
als Verehrer di*s Ing, Nach dem ags. Riinenliede (Kluge, Ags. Leseb.
XXXI. t>7 ff.( war dieser Ing zui-nit bei den Ostdänen verelirt worden, ehe
er nach Osten weiter zog. FUr die Verehrung der Ing-Frey in Schonen
spricht weiter die Sage von Styhi i^reßug (Beow. 3 ff.), von jenem Knalien,
der auf einer Garbe (sceäf) zu den Danen kam und daher Scefing (»Sohn
der Si'e'if') hiess (M5lEer, Altengl. Volksep. S. 43 f.), denn nach Kocks schönem
Nachweise (a. a. O.i steht diese 5iage aufs ei^ste im Zu>ainnK-ii hange mit der
Wanderung des Xerthus- und FreykuUes, des Kultes der Goithdteu der
Fruchtbarkeit Mit Schonen aber bcireten wir das Gebiet der DfWien und
damit zugleich auch das der NerlhusvOlker, wenn diese nuf dem fruchtbaren
Set-kuirf den Mittelpunkt ihres Kultes gehabt haben. Freyr ist demnach eine
besondtre Bezeichnung für Ing, in diesem aber haln-n wir das männliche
Gegemttlck zur Nenhus, wir hiibcn in ihm den alten Himmelsgott, desäen
Kult Aber Si-honi^n nac:h Altuppsala gi^konimen \sX.
In den spateren Quellen, namentlich den norwegisclien, trat dann eine
Vermischung des alten Vng\i-FreykuUcs mit dem jüngeren UdhikuUe ein. Da-
zu hatte man vergessen, ifass Yng^'i und Freyr einst identisch gewesen waren.
So erscheint Vng\'i gerade*! wie Freyr ISnE. 1. 554. Fljolsd. h. mein 12q\
als (_>rt3ns Sohn (.SnK. I. 2S). Für die 'Flial-sache, da.«.-! Vng\'ifrcyr von (.Win ver-
drangt wurde, spricht, dass Yng^ifreyr und Odinn fflr ein und dasselbe Ereignis
in <len Quellen auftreten. In der Haustl^ng fj^olfs sind die Götter noch
vom Geschlechte Vngvifreys (SnE. I. 312), sonst erscheinen sie fast immer
als kind oder atl titler mfgir öitim. Neben Odin findet sich Freyr als -Herr
der Äsen* (jmliitr lUa \jö\. 35 >. Ev\nndr Iflsst Häkon den Guten von Vngvis
Gt:schlechte sein (Hmskr. io8); sonst pflegen die norwtyischcn Könige und
Jarle ihre Ahnenreihe auf CWlin zurückzuführeji. Noch der Beart>eiter der
spaten Trojumannasaga gtebt den .Salumus mit Frey wieder (Ann. 1848,
S. 4), wälirend der der Üretasygur ihn mit Udin übersetzt (ebd. 130/2),
Neben liiesem spaten Verli.'lllnijÄe zwischen Ortin und Frev kennen die
islandisch-norwegischen Quellen Frey als Scihn dc-s Njyrd. In vielen Stücken
decken stell Vater und Sohn, im allgemeinen spielt aber Nj9r<1r eine ungleich
geiiDgerc Rolle. Beide sind die Hauptvertreter der Vanir, und ;.tnd sdiou da-
durcJi als Gottheiten de.^ Lichtw gekennzeichnet. Gleichwohl Iflsst sieh bei
Njprtl wenig finden, das ihn als Lärhtgott charakte-n'sierc. Dagegen zeigt
auch er auffallende Übereinstimmungen mit der Tadteischen Nertlias (Kode,
ZfdPlül. XXMII. 289). Es ist noch nicht gelungen, das Verh-Iltnis zwischen
der tacdteischen Nerthus, dem nordischen Nj9r<l imd Frev genügend aufzu-
hellen, nur dass es das engste ist, ist anerkaruitc Thalsaclie. [Cber den
jimgstcn Versuch vgl. A. Knck, a. a. O. Nach Kock smU durch Absterben
der femininen u-St3inmc die weibliche Nerthus geschwunden und an ihre
Stelle ein männlicher Nj^rdr getreten sein]. Auch das Folgende will nicht
mehr als duc HjTxjlhesc sein. — Es ist zunadust klar, das» der Kult der
lerthus, wie ihn uns Tadtus von den sieben Stammen schildert, sicli ganz
'mit dem grusscn Freysfcstc in der Uppsalacr Araphiktyonie deckt. Nerthus,
vr>n Tadtus aU -terra mater« hczcit'hnct, ist die Göttin der mütterlichen
Erde und ab solche die Mutter des Himmelsgottes. Wo dieser verehrt
»imie, wurde auch jene verehrt Tadtus sdiciut also nur ein Fest jener
sieben Stamme geschildert zu haben, das Fest der Xcrthiis, wahrend er Ül>cr
das Fest ihres Sohnes keine Nachrichten hatte. Möglich erweise ist dies, wie
die Nachrichten über das Upi>salaer Freysopfer schliessen lassen, mit dem Feste
der Mutler zugleich gefeiert worden. Nun ist aber die Nerthus als Erdgöttin
mglcich chthonische Gottheit, und als sokhe mag sie in der Meereagegend die
Mutter des S<jnncngottes geworden sein, der sich am Hnriznnte aus ihrem Schosse
erhebt Durch ihren Suhii kam dann ihr Kult und mit ihm zugleich auch
ihr Xame nach Uppsala und von hier oder direkt von Schonen nach Nor-
wegeiL Hier wurde aus der weiblichen Ncrtlius ein männlicher Njyrdr, der
als Vater des Ing-Frey aufgefasst wurde, wie früher Nerthus als Mutter des-
selben. Von Frey zweigte sich dann wieder eine weibliclie Freyja ab. Allein
Njvrdr ist in seiner neuen Heimat in erster Linie Meeresgott geworden, sein
.'xihn Freyr aber hat sich als der alle Gott der Frurhlbarkt-it in den fruchtbaren
Gegenden Skandinaviens gehalten. Dalier ist tr der Vanc xat'iSoxijv und
zeigt sich auch dadurch als der alte Himmelsgott.
Als Himmels- und Soniiengolt ist nun Freyr zunSdist ein liclites Wesen,
das wohlwollend auf die Menschen und die Natur cinuirkt und den Felden»
Fruclilbarkcit, den Menschen G\ürk bringt.
Das Schwert, das wir beim Hininielsgolt in all seinen Erscheinungen fanden,
besitzt audi er; auch er gibt es in die Hände der finsteren rie.sisdien Machte
und verliert tiadurch seine Waffe gegen diese (Lok. 42. Skim. q). Wie er
selbst der Leuchtende genannt wird (Grinm. 4,)), so ist auch der Eber, auf
dem er reitet, goldborstig (SnE. II. 311), und in .seiner Nflhe dunkelt es nie
(SitE. 1. 344}. Skimir >der Hellniaclier« ist sein Diener; mit ihm war er seit
{rflhesten Zeiten vereint (Skim. 5). In setner Gestalt stecken die eraten er-
wärmenden Sonnenstrahlen des Frühlings, mit denen FrevT die Natur aus
der Gewalt der wmterlichen Reifriesen befreit Datier hat man mit gutem
Gnmde ;ingenommen, ilass .Skimir ursprünglich der Gott Freyr sdbst sei
(Nicdticr, ZfdA. XXX. 135 f., Nureen. Uppsalastud. 216). In der Prosa
m einiMn alten Lie<lc (den Skimismal) xiird erzählt, wie der junge Gott einst
auf Hhdskjiilf, dem Sitze Odins, v<jn w<i aus er die gaiue Wdt Oberschaut,
gesessen und die sdirtne Gerd in Riesenheim gesehen und sich in sie ver-
liebt habe. Auf des Gottes Rosse sei Skimir zu ihr geritten und habe sie,
die gefesselte Natur, endlich durch Runenzauber seinem Herrn gefreit Was
sein Diener als Brauipreis bietet, sind wiederum GegensiAnde, die nur
einem Himmelsgott eigen sein kOnncn: die goldenen Äpfel und der Ring^
Draupnir, der von Odin dem toten Raldr mit zur Hei gegeben, aber durch
Herm-'id wieder in Besitz seines allen Eigentümers gekommen war. sind langst
als Symbole der Stmnc erkannt (WLslicenus, Symb. von Sonne und Tag, S. 32).
Mit Gerds Bruder //<•// d. i. >dem HrüUer*. vielleicht einer Personifikation
des winterlichen Stumies, hat er zu kiUupfen.
Auch der alte Mythus vom Schiffe Sk'iÖbladnir zeigt Frey als einen
Himmels- und Sonnengott. Dieses Sdiiff, vnn Zwergen gemacht, besitzt die
Eigenschaft, dass es sich wie ein Tuch zusaimnen legen und einstecken lässl (SnE.
Gcnitknischc Phtloloctc. III. 2. Aall. VI
322
Xr. M\THotj:«iE.
I. 342 f.); es ist die Wolke iMannliardt. Genn. Myth. 57, Anm, 6). die vor den
SlralilcD dff Sonne schwindet. Mit si-üicm Wesen als Uchtgott hängt es
auch zusammpn. d;*ss Krc\T Herr v«in Alfheim ist, wo die lichten Alfen
wuhiK-it, diu'stcieii Boslfiter des heiteren HiiiuiielsitottCN (Grinin. 5), Als Zahn-
iwrhHnk gaben vs ihm ditr Gritter im Anfange der 7.i:iU-n. Seine Heimstätte
U].)i>saUr, das Heim, das fiber allen anderen sii^h befindet (Heimskr. 7).
Ügurdr, die lichte SagL-ngestalt. erscheint als sein Freund (Sigk\'. III. 24);
ai^ dem (jrabe anderer seiner Verehrer bleibt weder Schnee noch Eis
(Gistas. ^2). S*.> erscheint Freyr überall als eine üthle Gotllieit; er ist in-
folge dessen der Hanpivertrcicr di;s GeschlechL*! der Vanen, der alten Licht-
gottheiten ('Vilinar, Alt. im Hcl. 17 f.), tienen S[)fllcr von den eindringenden
.\sen. der Rang streitig geniarhi wurde. Diese hohe Hedeulung des (joties
zeigt sicli mieh klar, wenn er als Goll der Welt (i^eraldar goit Heiniskr. 12)
oder als »Fürst der Gilttcr« (folkvatdi goita Skim. 3) erscheint, oder wenn
ihm die Sdiweden Menschenopfer darbringen iSa-xo I. 12\), die man sonst
nur tlem hüehsen Gott spendet. Wie Zeus und Mars-Thingsus erscheint
er auch als Scliinner des Hechts. Daher schwur man bei ihm (Isl. s. I. 336.
Flb. \. 249) und rief ilm als Radier erlittener Unbill an (Egilss. S. 130.
Brandkrf). 51^. Glüras. 29). Hiermit hängt es vielleicht auch zusammen, dass
sich Güden nach Uim als /''m's^aftar bezeichnen iHrafuks. 4. Isl. s.'I. 321.
Bist a. I. 18. Nj. 491). Wnhl tritt uns Freyr auch als Kriegsgoit en^egcn
(Loks. 37. Heimskr. 60'". Fas. II. 288/9), allein als solcher irill er gegen-
Ober seiner Bedeutung als Friedensgott in den Hintergnmd. Freys Friede ist
in Schweden sprüchwVlrtHch geworden, wie Früdis PViede in Dänemark. Um
diesen Frieden vom Gottc zu erlangen, wird ihm der Becher geweiht I Heimskr.
93 "). Durch dirsrn Krieden aber bringt er den Merischen Glück (SnK, I.
t>6). Als Himmelsgutl ist er auch Herr Ober Regen und Sonnenschein (SnE.
I. 96). und sdbst Schiffer erbitten von ihm günstigen Wiud (Ftb. I. 307).
Er erwciki die Erde aus ihrem Winlersrhtafe und ist infolgedessen Goll der
Fnichlbarkeil (SiiE. I. (/j. 2(>2. Heimskr. ii. 03. Ftb. I. 402 ff. 337 ff.), dem
der Mensch den Flrtrae des Hodens und das Gedeihen des Viehe.<i \'(-rdankt
(Egilss. 204. .SnFZ. I. 2'i2). Hienuit hlingl es zusammen, dass er als iihallisdie
Gotüicit crsdieint, sodass man ihn -cum iiigetiii priafx»" lAdam v. Bremen IV,
K. 2*1) darstellte und ihm bei Hochzeiten IJbatiunen brachte (ebd. K. 27).
Die grOsste Verehrung genoss Freyr vor allem in S4:hweden. Hier, in
der gritssen fruchtbaren Ebene von AUupiwala. stand sein Tempel, in ihm
aus Gold sein Idol neben dem des I'i'ir lutd Odin, wnhl als des htVhslen
von ihnen, wie Adam von Bremen, der ihn Fricco neimt {a. a. 0.>, nadi
den anderen Berichten zu verhe-ssem ist (Saxo I. 50. Ftb. I. 403 f. Heimskr.
II. u. 0.). Von ihm leiteten die schwedische Könige ihre Herkunft ab (Saxo
I. 278. Heimskr. 18**. 28 "). Von Uppsala aus fuhr seiiic Priestenn sein Bild in
den L.inden umher, nachdem zuvor das grosse Winteropfer stattgefunden halle
(FÜJ. I. 337 ff.). So wird er schleclilhiii der Schwedengolt genannt (Svia gf>i
Ftb. Hl. 246), Nach alter Sage kam er von hier in die nopAegische ProWnz
PraiiLÜieini. wo ihni ebenfalls ein Tempel errichtet war^ auf desseji Gefilden ihm
gcwfihte Ki'ssc weideten (Ftb. I. 403 ff.}. Auch auf Island fmden wir ihn ver-
ehrt: im (_)sten der Insel errichtete ihm Hrafnkell einen 'rem])cl (Hrafnks. 4),
im Nordosten brachte üim f^nrkell eliietj Ochseu. damit der Goll Glt'im ebenso
besitzlos von dem l-ande scheiden lasse wie ihn (Glüma 20)-
Neben Rossen und Stieren, die man ihm weihte. giUt besinidci« der
Eber als ein ihm heiliges Tier, Wenn im Spatwinter ihm zu Ehren der
CJpferschmaus suttfand (Ftb. I. 337. G'isins. 27), brachte man den gTv")HSlen
Nj^KOK. Baidk. Foft&XTI.
3^3
und schönsten Eber ihm zum (;)pfcr, «icn sonarg^Ü, li. i. Hcrcleiiebcr (!'BB. XVI.
540 (f.), um den Gott füt das neue Jahr günstig zu stimmen, und Icgie zugleich
vor ihm als wie vor dem Gölte selbst Gelübde für zukünftige Tliaten ab (Herv,
s. Aas^. von Buj^'c 233. Eddal. Ausg. von Bugge S. 176). ~ Welche Be-
deutung Frevr cinal in SkiUidiiia\-icn gehabt haben niuss. icigt auch die gn>sse
Menge der Ortsnamen, tlie ;tus seiner Verehrung hervorgt^angen sind (Lund-
gren, llcdii. Gudatro i Svergc S. 03 ff. Munch, Nunhu. Gudel. li).
Im engsten Zusammenhange mit Frey steht der ebenfalls nur aus nnrrlischen
Quellen bekannte Nj9rdr. Wo er in alterer Volksüberliefening jiuftrill, er-
»rhejut er fast iimner neben Frey: Frcyr <'k NJ9rdr sollen Reii-htum .sjH-nden
(Egilss .'04), Kreyr ok NJ9r<tr, durch prae<lik;aiven Singular gewisse rmassea
als Einheit aufgefasjit, sollen Eirik aus seinem Lande vertreiben {ebd. 130),
bei Frey ok Njprd schwur man (Ftb. I. 249. lal. s. I. 330), Njardarfull ok
Freysfull tiank man des lieben Friedens und der Frudubarkeit der Äcker
w<^n I Heimskr. 93). So isi auch Njyrdr allein Spender des Reichtums
(SnE. 1. i}i), und der Ausdruck »reich wie Njyrdr* iaudi^r stm N. Vatnsd.
So) spridit dafür, dass er selbst als ein reicher Gott gedacht wurde wie Freyr.
Er ist Vane, ist der Vater des Frey und ein.st mit seinen Kindern den
A*en als Geisel gestellt worden (Lok. 34. Vafjir. y^)X Aus diesem eugeD
\'crh;ütnLs der beiden (jr.tter zu einander ging ferner hcr\"or, dass die
Äsen nicht nur Freys Geschledit, sondern aucli Xj^rds Geschlecht genannt
wi'rden ( Hallfredar». Fs. S. v5)- Ob Njyrdr •Spender des Reichtums^ als
üijlt der Fruchtbarkeil war {s, o.) oder i>b er es erst als Gott der
Sdüffahrt geworden ist, bleibe dalüngestdlt. Auf alle Fülle spielt er als
Gott des Meeres und der Schiffahrt in den norwegisch-islandischen
Quellen eine U^ondere Kullc. Kr lu-rrMht nLs solcher über den Wind und
beruhigt ihn und da-; Meer. Deslialb rufen Seefahrer und Fischer ihn
besonders an (SnE, 11. -O7). XSaiün d. b. Schiffsstütte ist sein Aufenthalt
(Grimn. 10). In Nurwegen entstand auch der Mjihus von seiner Verheiratung
mit Skadi, der Tochter des Riesen 1-^jazi, die sich als Sülme für die Eruior\lung
Lihrcs Vaters einen der Ascn zum Gf^nabl wShlie (SnE. I. 214), derm SkaÖi
ibt die mächtige Riesin der Winttrniiüinit Norwegens, die durch ihre Hen-
[scliaft den grftsslen Teil des Jahres auch die Scliiffalirt labin legt. Neun
' Kachte, d. s. die neun winterlichen Monate, — auch Freyr soll eist nach neun
Nächten mit Gerd vereinet werden (.Skim. 39), — will Njvrilr mit Skadi
in I*n'iilheim hausen, wo sie auf Schneeschuhen läuft und jagt. wSlirend sie .»felbst
nur drei Nachte sich mit ihrem Gatten am Gestade der See zu Nt)atün auflialt
(SnE. II. io8. >AXi-> I. 53 ff. vgl. ZfdA. XXXVI. lif.ff., Upi>s;üastud. 2iBf).
Nj^rdr wurde überall da verehrt, wo auch Freyr verehrt wurde. Haine
tind Ortseliaften. die nach ihm den Namen fOliren, finden sich liauptsadilich In
Uppbnd, in S< hweden und den angrenzenden Gauen (I-undgren, Hcdnisk Gu-
datiu i Svergc S. 74) und einem grosst^n Teile Norwegens, namentlich inj Thrond-
> Jieime-r (icltieie ^Munch, Ciudelitre .S. 14). Die Verehrung dieser Götter ist der
alterte Kult, der sich im mittleren Skandinavien klar erkennen lasbl; wie er dorthin
gekommen ist. wurde oben gezeigt Er inuss den alteren Thorskult hier vcrdrfingt
haben. Als dami der Odiriskull ebenfalls hierher drang, der sich höchst wahrschein-
lirh damals schon teilweise mit dem westnorH'cgis».:hcn Thorskult vereint hatte,
kam es zu dem Streite, <ler im Mythus vuin Wanenkrieg seine dichteri-sche
Verherrlichung gefunden hat. zu einem Kultkriege, der mit der Aussölmung beider
Parteien emlete ^vgl. Weinhold. Über den Mythus vom Wanenkrieg Berlin 1890).
§ 54. Baldr- Forseti. Neben Frey erscheint in den nordischen Quellen eine
weitere Gottheit, die mit dieser geradezu auffallende Cbereinstiiinuungen zeigt Es
2t»
ist dies Baldr, der lichte Gott, (fen schon die Etymologie seines Namen als den
helltru, Icuchlfiiden Sonncnpjtt kennzeichnet Das Wurt gehört zum lil. batias
»weiss*, zu einem germanisrhcii Stamme Art/ — >licht, hell, glänzend^ iSchrft-
der, ZfdA. XXXV. 237 ff.). Mythen von dieser Gottheit liaben wir nur Ia-i
dem norwcgiädi- isländischen Stamme. Ob der altengl, Htfldtef^, den iingel-
sSchsische und isl.'lndischc Genealogien zu einem Sohne Wudans machen
(vgl. Hauck, Zeugiiiüse zur altengl. Ileldcnsiigc) und das Appcllativum beaidor
'Herr, Fürst«, sowie der ah<I. Eigenname Paltar Rekann twhaft von Mvthen
bei anderen germanischen Stimmen vi nniussetzen, l.'lssl sich nicht beweisen.
Auch die Sagen von Baltram und Syntnun (ZfdA. VI. 158 ff.) mler von den
Härtungen (vgl. ZfdA. XH. 553 f. 344 ff.) (nlcr von Oi-lnit und Wnlfdictridi zeigen
wohl gewisse Ähnlichkeiten mit dem lialdrmythus, beweisen aber nicht, dass sie
aus diesem hervorgegangen sind, wie Mtilleiihoff annahm. Etwa.s anders liegt es
bei dem 2. Merseburger Zaubers]iruclie (Mdllenhoff-Sclierer, Dciikm. IV. 2:
l*h')l (ikU Vtiädan vuorun zt bolza. du uuart dfino Halderts •.'olon siit vnas bi-
reahi). Allerdings ist lüer weder über BiiUer noch Über Phoi irgendwie Einigkeit
erzielt, fest dürfte nach den neueren Forschungen stehen, das Bnidtres sich
nur auf Phol beziehen kann und dass in Phel eine germarische Gottheil zu
suchen ist. Für letztere Thatsachc sprechen besonders Ortsnamen wie
I'huhouua, ffoliau, Pholspiunt in Osterreich und Bayern, Phaiahrumw in
Thtiringen, Bjlsler. PolaUah, dem sich ßaUrres U^ zur Seite stellt (Kiigel,
Gesch. d. deutschen Lit I. S. yi), in EngL-xnd. Wer jedoch hinter diesem
germanischen Pho! steckt, lasst sich nicht entscheiden. Die Identification mit
Apollo (Gering, ZfdPliil. XXVI. 14.5 ff.) oder mit PauUts (Bugge. Studien
30t f.) st^Jsst auf ebenso grosse Schwierigkeiten wie die Herieitimg von skr.
bala- aKraft« (Ktjgel. Liigesch. ^i, v, Grienberger, P^fdPhil. XXVH. 4fi2)
oder die Annahme^ dass PhoS^^ Vol wwA der Num, zu V'oUa sei (Kauffraann,
PBB. XV. 207 (f.). Ebenso lasst es sich nicht endgültig entscheiden, ob
BaUerts als Name für den Gott Pliol aufzufassen ist (Gritnni, Myth. I. 185,
E. Schriider, ZfdA. XXXV. 243, Martin, Gf.tt. Gel Anz. iSijj, 128; Gering
a. a. C; K("igel a. a. O.) oder nur als Appellativum = Herr (Bugge. Studien,
296 ff.; Kauffmann a. a. O.; v. Grienberger a. a. O.) aufgefasst werden muss.
Bwgge hat den Nachweis zu führen gesucht, dass die nordischen Mythen
von Baldr unter dem Einflüsse irischer Legenden von Christus und antiker
Mythen von Achilles entetanden seien, und da.*« Baldr geni(äezu eine Be^Kcich-
nung für Christus sei. Mag itn Einzelnen die jüngere isländische Dichtung
durch irische I.x;genden von Christus beeinflusst sein, im ganzen stösst Eugges
Auffassung auf zu grosse Schuierigkeiten, die sich offenbar bei der Erklärung
der Baldrmylhcn als nordisch -germanischer nicht finden {vgl. Bugge, Studien
Ober die Entstehung der nord. Gatter- und Heldensage I. 83 ff., dagegen
A. Olrik, Sakses Oklhisturie II. S. 13 ff.).
Die Mythen von Baldr sind offenbar Erzeugnisse der nordischen Dichtung.
Wir kennen sie namentlich aus zwei Berichten; den alleren hat uns in seiner
euhemeristisrhen und combinierenden Weise Saso grammaticus (Üb. HI) über-
liefert, den anderen finden wir zerstreut in der eddischen Dichtung und in zu-
saiumenfasscndei Darstellung in Snorris Gylfaginning. In letzterer finden sich
neben vielen alten offenbar jimgeZüge. Ob Baldr als besondere Gottheil auch Kult-
stfltten gehabt habe, ist nicht crwdslich. Allein Mytlien von ihm müssen in
Skandinavien weiter verbreitet gewese-n sein als nur auf Island und in Danemarir.
In Schweden ist die Erinnerung an den Gott nur gering (Lundgrcn, Hednisk Gu-
datro i Sverge 77); grosser ist sie auf I.sland und in Norwegen (Bugge 265 f.),
ganz besonders gross ist sie aber in Dünemark (ebd. iS8ff. A. Olrik a. a. O.
S. 44). ^Ulen nordischen Vülkem Ix-kannt ist die liaUrshraue {Baldrsfmf),
die Hundskamille, die nadi dei weissen Furbc des Guttcs ihren Namen
haben si>U (SnE. I. 90). So ist die Baldrsbraue wohl nichts andcn als ein
irdisches Bild der leuchtenden Sonne. Dagegen entbehrt j^licher hislurisclicn
Untcrbge, was die Fridpjüfssaga (Fas. II. S^ff.) von Baldrshag und Bald«
Verehrung an dieser Statte crzilhlt.
Gemeinsam den beiden Hauptquellcn des Baldrmythus sind die Thatsachen«
dasB nach ihnen Baldr der Sohn CXtins und der Frigg ist, dass er von H^dr
(Saxo Hotherus) getötet iind darauf vun seinem Bruder gcrflchl wird. Dieser
Bruder hcisst bei Saxo Bous, in aJtdan. Chroniken Both (Garad. Kr. 14), in den
isliLndi.schen Quellen Väli (Ali). Die weitere Ausbildung der Mythen ist vcr-
sdiicdt-n und mag den vcn»chieUenen Stimmen angeh(>rcn. Indem der Baldr-
m>tl)U5 an den üdinsmythus anknüpft, setzt er diesen als ausgebildet voraus.
Da Ödinn aber erat zu Wikingerzeil für den Norden der Mittelpunkt der MytJicn
wurde, so kann der uns erhaltene Baldrmythus nicht vor dieser Zeit ent-
standen sein. An der Grenzscheide di;s i. Jahrtausendb war er dagegen voll-
ständig ausgebildet: die Skalden Kormakr (c. c^xü) und Vetrlidi (c. <^no) ge-
brauchen Umschreibungen, die in dem avLsgebildeten Mythus wurzeln.
Baldr ist zunflclat seinem ganzen Wesen nach ein Lichtgi.>tl, ein Sonnen-
gott, der sich ungefähr ähnlich aus dem 'Ttwaz entwickelt hat, wie bei den
Griechen Apollo aus Zeus. Daher heJssl er der weisseste yhvStastr SnE. II.
20~'| der .\sen, daher ist nach ihm die glänzendwcisse Balilr^brauc genannt
{Halihihrä ebd.», daher gdit von ihm nur Glanz aus. Seine Burg ist fireida-
biik ^Weilglanz' (Grinm. 13), von der aus er die Well übentchaut, wie Qdinn
oder Frcyr als HimmeLsgötter von Hlidskjälf. Er ist kriegerisch (Lok. 27.
Fas. I. yf2) und milde (SnE. U. i^f) zugleich, ein spendender Gtitt wie
Freyr. Als Richter steht er oben an. Auch hierin berührt er sich mit Frey,
den man beim Eide anrief, und vielleicht mit dem Mars Thingsus der Wesl-
friesen, dem Foseti der Nnrdfriescn. Sein Gegner Ist H9dr ixler IJotherus,
wie in Saxü nennt, d. L der Kampf oder der Kampfer. Er ist als des Soimcn-
gottes Gegner ein skaldisches Gcgcn-itOrk zu Luki und wie dieser wohl nur
eine dichterische Gestalt aus der Wikingerzeit. Wahrend Hotherus aber bei
Sa.xo ein streitbarer Held ist, ist er nach der islandischen Übcrticferung ein
blinder Ase, der nur durch Loki den todbringenden Mistelzweig wirft Die
liebe Kor schönen Kanna ist nach Saxo der Gnmd des Kampfes zwischen
Hotherus und Baldr. Auch die wlandischcn Quellen kennen die Nanna als
Baldrs Gemahlin. Was Nanna bedeutet, ist nicht recht klar; schwerlich ist
mit Bugge an die griechische Oencme zu denken. In dieser Liebeserzahlung
scheint sich der Mythus gespalten zu haben, txler eine besondere danische
Sage von Hotherus scheint mit ihm bei Saxo vx-rschmolzen zu sein (A. Olrik):
wahrend llaldr nach Saxo beim "Werben um die Nanna zugrunde geht und
seine Geliebte in den Be^tz des Gegners kommt, — ahnlicli befindet sich die
schöne Gerdr, die Frevs IJebe erworben hat, in den Händen der Reifriesen. —
ist er in den Lslandwcheu Quellen der Gemahl der Nanna. der Tochter Nefo,
die zugleich mit ihm stirbt Die Vorgänge vor Baldrs Tode sind dann in den
iaillndischen Quellen weiter in echt nordischer Weise ausgeschmückt Schwere
Traume Baldra lassen die Götter ein grosses Unglück ahnen. Das ist ein echt
nonlischer Zug, denn wo der Nordlander von grossen Erdgnissen berichtet,
haltn TrSume diese verkündet Auch Saxo erzahlt, wie die Hei {Pnstrpina)
dem Baldcius vor seinem Tode im Traume enicheint (I. \i^). Der DiclUer der
Vegtamskvida, dem wir diesen Mydius verdanken, lUssl Ddin darob zu einer
V^lva gehen und von ihr die Traume deuten. Frigg vereidigt infolge
3^6
XI. M\THoij»r,rs.
tlifser Ahnun^'cii rlic ^imxc Natur. BaWr kein Ll-IcI zuzufügen. Nur der un-
sclieintwre Mistelzweig i.st zu gering, als «ia-ss mai\ auch vun ihm den Eid
verlange: er wird des Crottes Tod, denn ihn giebt Loki. der eigentliche Ur-
heber des Mordes, dem blinden Hyd in die Hand, dass er beim frohea
Spiele der Grtiter damit räch Baliir werfe. — Diese ganze Au.'achmflckung
ist offenbar jünger und hiit die .allere DicIilunR versdiübcn und neue Elemente
in sie gebracht. Zunfichst hat I,öki, der Gegner des alten lichten Himmels-
gottps, den Ilyrt mehr in den Hinter^grund gedrängt. Dann ist aber auch
an Stelle des allen Schwertes, duah das der Gutt uffenbar gefallen ist,
der mtstilleinn getreten und zwar aiw einem Gnmde, der nirlit mehr er-
sichtlirh isl, da der MisleUweig doch snnst im Vntksglaulten nur als Schutz-
mittel gegen W-rhcxung gehntiichl wird (Kuhn, Ilerabk. d. Feuers* 204 ff.,
Wuttke, Abergi. § 128). Nun wissen wir aus anderer gemianisilien Mythen
von HiinwebignLtem, dass diese sich in Besitz eines vurzftglichen Schwertes
befinden, durch welches sie uml-ommen, sobald es in die Hflnde ihrer Gegner
kommt; es ist dies Schwert das Symbol der Sonne: die Madtt des lichten
Tages- und Himmelsgottes hrtrt auf, wenn diese am Horizonte verschwunden
ist, wenn sie sich in der Gewall der finsteren M;ichte heiindet. Durch ein
solches Schwert fallt auch Baldr nach Saxo (1. 114); es befindet sich im
Besitze des Waldgeistes Minimingus imd vermag allein dem Sohne Ües
Oihinus den TL»rl zu bringen. Dieses gewinnt Hother\is und mit ihm zu-
gleich den ewig GtjJd zeugenden Ring, den i-*lilndischen Draupnir, ebenfalls
ein Symbni fler Srnne. Misielteinn ersrlieint aber in den nordischen Quellen
mehrfach als. Schwertname (SnE. r. 5O4. Hervamrs. Ausg. Biigge 2of>). Vor allem
spielt dies Schwert eine Rolle in der Hromundar saga Greifwsonar (F'as. IL
571 ff.), in der ganz vcrblasste Erinnerungen an den Baldnmihus vf>rzulicgen
achcincit. Hier treten zwei Brüder auf, die nach der Ausgabe Bildr und
Voli heissen, unter denen aber wühl Baldr und Väli genieiiii sind. Sie sind
offenbar Gegner lU-s Hr(''mund, in dessen Besitz sich das Schwert Mis/e/tn'nn
befindet. Bildr füllt ein.st im Kampfe gegen die Haddingen; ilas S<-hwert
spielt dabei keine Rolle, aber bald darauf entwindet Vuli dem Hrüraund
durch Zauber die Waffe, und nun isl dieser dem Tode geweiht. So unklar
aui h die ganze Erzflhlung ist, .so treten d«ich in üir die Hauptgeslalten des
Baldrmyihus, die den Tod bringende Waffe und mehrere Züge der Handlimg
auf, die eine Erinnerung an jejien wahrscheinlich machen.
Baldr ist tot. Nach nordi.'*chcT Seemann.sweise wird er bestattet: auf dem
Schiffe wird ihm der Leichenbiand errichtet. Thor entfacht ihn mit seinem
Hammer, nachdem die Riesin Hvrrokin das Schiff flott gemacht. Wiederum in
echt nordischer Weise kommt da.« Weib auf einem Wolfe geritten, Nattern
sind die Zügel ihres Reittiers. In feiedichem Zuge siml die Äsen um den
Leichenbrand vereint: Odinn mit den Walkvren, Frcyi auf goldenem Eber,
Hcimdall auf seinem Rosse. Diesen Zug sah der Skalde ÜUr Uggason unter
den Gemälden der neuen Halle de« Olaf pä (PBB VH. .UÖff.). Auch Saxo
erzählt von einer almlichen Totenfeier, nur hat er «len Schiffsbrand auf den
Sachsenkunig Gclderus übertragen, der am Kampfe teilnahm (F. 119). — Über
das fernere Schick.sal des Nanna gehen wieilerum beide Quellen auseinander.
Nach Saxo kommt sie in den Besitz des Hotherus, den sie selbst Hebt, schon
vor Baldrs Tode (Saxo L iio. 124), nach der .SnK. dagegen (IE. 388) geht sie
mit ihrem Gemahl zu Grunde: sie l>arst v'»r Schmerz und kam mit ihm zur
Hei. Nun folgt in der islandischen Überliefenmg ein Mythus, <ler sonst
nirgends nacliweislMir ist: Herinodr reitet auf Veranlassung der Krigg auf CXtins
Ross Sleipnir zur Hei, um Baldr wieder aus ihrer Gewalt zu Uisen. Neun
Baldr. FoRSBn.
3^7
Nachlc dauert SL-m Ritt, bis er zum Gjallarstrom kommt, an dessen g^den«r
Brü<ke dir M.'nlgiidr sitzt, tlie ihm venu Tntenzug Ualdrs eizAhll. Herm^dr,
den die eddisdie Mytlu'lupe zu ilfii Aseti reihiiel und zu ciiiem Sohne Ödins
macht, ist sonst als Goll unbekannt; er seheint aus der Heldensage (llviidl. 2)
in den jungen M>-thus gekommen xu sein. — Hei verspricht auch, den Gott
«icdcr aus ihrer Gewalt zu lassen, wenn alles, lebendige und lehl(»e Dinge:,
iho l»eu«'inen würde. Da klagt und trauert die ganze Natur, nur die Riesin
Pvlii- 't- i- die Sthweigcrin. hinter der verkappt I-oki sltekcn stJl, weint
nidit. und so bleibt Baltir in llcis Ikhausung. Bevor sich aber Hennndr
von Baldr trennt, giebt dieser üim den Guldriiig Draupnir für Odin, und
Nanna ihren herrhrhen Kopfputz fßr Frigg und einen Gr-Idring für Fulla mit
(SnE. II. J8.JI.
Wiederum stimmen die Quellen, die von der Rache an dem M ürder Batdrs
entrUiIen, liberein. S«->wolii nach dänischem wie nach i.sl;indiscJiem licrichte ist
es ein Sühn Odins und der Rind (Rinda bei Saxu), der als Kind seinen Bruder
rächt. Nur die Namen sind verschiedcri. Nach dem islündisrhcn Uerirht
heisst er Väli oder Ali; er wäscht sich nicht früher noch kflmmt er sein
Haar, bevor er den Rnider gcriichi hat \V'egt. u. H^ndl. JO). Ks ist der-
selbe isländische Ase. der nach anderer Quelle im Vereine mit Vidar, Odins
RAchcr, und Thors .Sühnen Modi und Miigni die veriilngte Welt regiert
(Vaf|>rm. 511. wälirend nach der Vyluspä Baldr wlbst zurückkehrt und fried-
lich neben H^ herrscht (Vsp. h2). Sa.\o nennt dagegen den Racher des
Baldr Bous, d. h. Bebauet oder Nachbar i Bu^-ge Siu<t. I. 1^2), und iHsst ilm
selbst bald darauf, nachdem er den Hothenis geliitei hat, sterben (Saxo I. I^I).
Soweit die Quellen des Baldnnythus. Wenn wir von aller lokalen Weiter-
bildung des Mythus absehen, stellt sich heraus, dass die Ti^tung Baldis durch
cme geweihte Waffe, die Kich sein Gegner H^dr zu verschaffen gewusst hat,
und die Rache seines Bruders an dem Miirder der eigentliche Kern des
Mytlius ist. Und in diesem vermag ieli nichts anders als einen alten Jahres-
mydiUH zu t-rkennen. Kr hat in tler Vorstellung vom Tode des lichten Soimen-
gottes seine Wurzel. War aber tler Gott dunh einen anderen getötet, so be-
durfte er nacJi altgeniiantschem Rechtsbegriffe des R;ichere, und aus diesem
Auffassungskreise ist dt-r Bruder in i.[er Dichtung entsprossen. Ihre Heimat
hat diese Dichtung hncitsi w^hrstiieinli« h bei <lcm gauii.-;! htn i-der dänischen
Stamme. Auf danischem Boden wurzelt sie daher in der VolkMil«-riieferung
am festesten. Auf Seeland kennt man seit alter Zeil ein ßaldenbrönd, dne
Quelle, wo Baldr für seine ersclu>])ften Kri^^er Wasser aus der Erde ge-
sdilagen habe, und verschiedene Orte Buldn höjc, wo Baldr begraben sein
soll. Der Gi-itt war im I-aufe der Zeit zum Kleinkönig geworden, dessen
Gegner Hoder in Horsens seinen Sitz hatte. Auch auf Jütland lebten die
Sagen wm ihm noch bis in unsere Zeit fort (A. Olrik. SaltÄCs OldliLst 11,
S. 38 ff.). Von hier aus mag dann Kult und Mytlius oder vielleicht nur
letzterer nach Nom-egen gekommen sein, wo ebenfalls Ortsnamen an den Gott
Ctfnnem (A. Olrik a. a. (V S. 1.5 ff.). Norweger und Islander haben ihn dann
nach ihrer Weise ausgebildet und vieileirhl auch manchen fremden Zug mit
aufgenommen. Sie mOgen es auch gewesen sein, die den Forseti w(^n seiner
ObereiDstimmung mit B;ddr zu dessen Sohne gemacht haben (SnE. 11. 370).
Forseti, d. h. *der Vorsitzr-r«. war nach der .SnK. der beste aller Richter,
Seine Wohnung war Glu*m d. i. »der glänzende Palast* (Grim. 15), von wo
aus er allen Streit schliditete. Letztere deckt sich mit dem Breidablik Baldr?,
wie «ich ihr Herr selbst mit dem in ReclitS:>achen nie irrenden Gottc deckt.
Aas den wen^n Bemerkungen isländischer Quellen erselien wir, dass Forseti
3^8
XI. Mythologie.
weiter nichts ist wie Baldr als Rechtsgott, denn nur als solcher tritt er uns
in den Quellen entgegen. In diesen finden wir ihn überliaupt nur in den
Grimnismal und der von diesen abhangigen SnE. Freilich scheinen norwe-
gische Ortsuarocn «ie Fondehmd. FostettSund (Bugge, Studien 290 Amn. 2)
für Verehrung des Gottes in Norwegen zu .';i>rechen. Käme faneti im alt-
nordischen Volks- und Rechtslebcn vor, so wäre die nordische Verbindung
mit Baldr leicht erklart. Allein dies ist nicht der Fall. Nun finden wir einen
Fosiie in den friesischen Landen westlich der jotisrhen Halbinsel, nach dem
die Insel Helgwl;ind den Namen FosileSand erhalten hat. Wir wissen femer,
wie ausgrpr;ig:t der Rechtssinn gerade bei den Friesen gewesen ist. Mit
diesen haben aber Norweger seit alter Zeil Handel getrieben (Stccnstrup.
Norman. II. 27 f.)^ und auch in der Wikingerzeit finden wir Friesen zuweilen auf
Seite der Normannen, um ihre Freiheit zu sclürmen (ebd. 150 f.). Es ist
daher recht wohl möglich, d;iss die Norweger von ihnen diese Gottheil
kennen gelernt und von Fricsland mit in ihre Heimat genommen haben.
Auf V( ilkselyuiolugische Weise isl hier tler Name Foscte xu Forseti ge-
worden, und da sich seine Thiltigkeit mit der Batdrs deckte, so verschmolz
er mit diesem und wurde zu seinem Sohne.
Auf der Insel Helgoland war das alle Gauheiligtum der Nnrdfriesen. An
heiliger Quelle war dem Fositc i>der Fosete der Tempel errichtet; hier wur-
den ihm Menschenopfer gebracht (Vita Willibr. c. 10), die nach anderen
Quellen nur dem höchsten Gölte galten; hier war alles dem Gotie geweiht,
nicnuuid dmfle wedet Tier noch sonst etwa:> auf der Insel berühren, und
schweigend nur durite man aus der Quelle schöpfen. Es ist derselbe Foseti,
der die friesischen .\5egen nach alter Sage das Recht lehrte, ein üott, der
vor ihnen erschien und nach ihrer Belehrung wieder verschwand, nachdem
er zuvor noch den alles stillenden Quell hatte herwisprudelu lassen (v. Rieht
hofen, Fries. Rq. 430)- Das war kein untergi5ordnr;ter Gott, sondern eine
Golüicit, die bei den Amphykiinnen ihres Heilij-tiun^ die höch.sle Bedeulimj^
hattfi: wir verstehen .sie allein von friesi-schem Boden aus mit einem Hinblick
auf den Mars Thingsus. nimmermehr vom nordischen, auf den sie zweifelloB
erst in spätui Zeil verpflanzt ist. Die Etymokügic des Namens ist dunkel.
Schwerlich i.st es mit Buitenru.st Hetlema, der in ilira Tlionar zu finden meint, als
»der Frudilbaie- zu erklären (Tijdschr. van Ned. laal- en letterk. 1Ö93, 281 ff.).
KAPITEL X.
WÖDAN — ÖBINN.
§ ^$. Keine gennanische Gottheit hat in der Geschichte unserer Mytho-
logie eine ähnliche R<»!le gespielt wie Wodan. Sie gilt noch heule vielen
als die altgernianische Haupigottheit, als der Mittelpunkt, mit dem die anderen
Gfitter mehr oder weniger im Zusammen! lange stehen. Hiermit hängt die groöC
Reihe der Üeututigs versuche zusammen; dem einen ist er in seiner ursprting-
Itclicn Erscheiumig das allumfassende und alles durclidringende W*esen (Grimm.
Myth. I. 1 10), dem andern nichts weiter als ein Gcsangesgott ^Vigfüsson, Corp.
poet. bor. I. CHI E,; v. Biadke. Djäus Asura X). Und doch ist er beides
erst im Norden geworden: jenes vum christlichen Vurslellungskreise aus,
dieses durch norwegische Dichter. Hier kann wie überall nur eine Geschichte
des MylliUÄ zur reclilen Etymologie des g^Utlichen Namens führen» die sich
seilen bei einer Gottheit klarer verfolgen Iftsst als bei dieser.
Die Entwicklungsgeschichte der Wödansverehrung. Es isl schon
langst erkannt, dass wir keinen feälen Stutzpunkt haben, einen Wuotans-
FoRSETi, Wodan.
329
W
kult bei UcD uberdcutschcn SUlnimeo als 7*hatsuch<: hinzmlcUcn (Leu, Ober
Odins Verehrung in Deutschland); seihst Ortsnamen, (bc ditch in erster IJnic
fOr einen lebendigen Kuh sprechen, fehlen hier {Mjih. I. 131). Auch die
Nordendorfer Spange vermag an dieser Thalsachc nichts zu ündem, da es
sich nicht beweisen lassi. welchem Stamme der Kitzer jener Runeninschrift
angchüitc (Henning. Die deutschen Kuncndenkm. lOi ff.)'. In Ennanglung
tnftiger Beweise tiahen der Eigenname Wuntan (Myth. I. 109. ZfdA. XII.
4O] f.) tind die Glosse wotan- »tyrannus« (Myth. I. 1 10) Beziehungen auf
ciie Verehnmg des aJtcn Gottes bieten sollen. Nut lüsst sich weder erweisen,
dass G{>ttemamen schlechthin als Eigennamen aviftrcicn, ni>ch d:Lss ein altes
allgemein verehrtes Wesen gerade als »Tyrannus- bezeiciinet wurde. Dem
widerspricht nicht, da^ Jonas von Bohbio in der vita Cnlumhani erzählt,
dass (Üe Alemannen ihrem Gotte Vodano Opfer gebracht hatten. Es finden
»ich bei den Alemannen ebensowenig wie bei den Baicm — was Quitzmann,
ReL d. ßaiwaren S. 21 f. vvirbringt, ist nicht beweisend — irgend welche .Spuren
eines hervurtreu-ndcn WuutaiikuUes; kein Ort ISsst sich mit Sicherheit auf
die Gottheit zurückführen, keine Pflanzen, Steme u. dgl., wie vielfarii in
Mitteldeutschland und dem Norden. Noch entscheidender ist der Name des
vierten Tages der Woche. Grimm (Myth. I. 102 ff. III. 46 ff.) zeigt, wie
man in allen germanischen Landen deutsche Gottheiten für die römischen
setzte, als die römische Kultur die Namen der Wiicheutage nach Ger-
nuutien brachte. Nur der >dies AUreurü*. fand bei den Oberdeutschen keine
entsprechende Wiedergabe. Während er sie diKrh bei allen niederdcnwchcn
und nordischen SULmmeii hat und hier l^ödenesdag. Wtmriei. Ö^mäagr
IL s. w. lautet, ersetzt ihn in < >berdeutschland und weit nach Mitteldeutsch-
land liinein das schon bei Nolker belegte miitmvecha. Da nun bair. Eieltig,
alam. Cüsdac zur Genüge zeigen, dass diese Stumme mit vollem Bcwusstsein
die heimischen Gottheiten für die römischen setzten, so kann sich das Feh-
len eines " WHoiaiustat, den wir bei der untergelegten grossen Bedeutung des
Gottes um so mehr vermissen dürften, nur daraus crktürcu, dass die ober-
deutschen Stamme keine Gntlheit verehrten, tlie sie für den rrim. Mernirius
einsetzen kunnien, wie auch bei allen ijennanischen Stämmen keine den Saturaus
«icderzugebeu vermochte. Diesen negativen Zeugnissen gegenüber fallt das
einzige de» Jonas von Bobbio, der, ein Langobarde von Geburt, .leinc vita
Columbani kurz nach 620 schrieb, nicht in die Wagschale: noch im 6. Jahrh.
berichtet der gut unterrichtete Agathias (Hist. I. 7), wie die Franken auf
religiösem Gebiete auf die Alemannen von liinfluss gewesen seien. Die
Franken aber waren zweifellijs Wödausverehrcr, und so hegt nichts naher
als die Annalmie, dass einzelne Teile Atctnanniens von ihnen den Kult
dieses Gottes angenommen haben. Somit bleibt Niederdeutschland bis tief
nach Mitteldeutschland hinein, Dänemark und der skandinavische Norden
als die eigentliche Statte der Wr^lansverehrung. Jn Skandinanen fliessen
nun die Quellen ziemlich rcichtidi, namaitltch in der nurwcg.- isländischen
Skaldendichtung, wie sie die nordischen Könige hebten und pflegten. Und
duch feiert fast nur die Dichtung diesen Gott sowie die Kreise, mit
denen die Di<:htcr in engstem Verkehre stehen, die grosse Masse des Volkes
isi ihm g^enüber kalt. An KünigshOfen bringt man ihm wohl Opfer und
1 E» ist fi^i unvcntlndlkh. •*•« man uus Martin roa Bracan WuoumkuU t>d deo
Suelicn tcfaliesaea kann. Man lese nur da« 7. Kap. Km<r Corrcctio rusticorum. wo der
Jttfi/n'ur. ifHi maj^i fuerat cp«'3hni wird, und jnlctn Voruftcitsftvteii wird es sofort klar
•düi. wai hier Mmln votgcsctiwcU hau
330
XI. MTiTHOLOOIE.
weiht ihm Tempel, alier der norwegische Bauer verehrt nach wie vfir seinen
J'or odtT scint'ii Frey und Njyrd. Es ist Hcnrv Ptrlt-rseiis unbestrittenes
Veniienst, die Thatsathe hemescn zu haben, das.i sich der ganze nordische
Götterßlaube nur unter dur Vuraussclzun^ verstehen lasse, wenn wir den
Ursprung der ("Idinsverehning ausserhalb des NVirtlens, in r)euts<liland oiler
in Enjjland sui'hen, wo diese viel alter sei als im Xorden (Om Nrirdboemes
Gudedyrkclae og Gudetro i Hedenold. Kbäi. 187^). Wohl durchweht die
Kcldalieder wie die Skaidendichtnng durchweg Odinsx-erehrung, aber die volks-
lüniliche Saga stellt dazu in auffallende m Gegensätze: W>rr ist der misf
tignaär >der am meisten Geehrte« , er ist der allmilrhtigc Ase {dss inn
alntiUski), der fivtenlmimus drontm, wie ilm Adam von Bremen nennt, nirgends
OÖinn. Pörs und Frc\B Bild werden oft erwähnt, nur einmal * )dins. Abge-
sehen von den Kunigs<_)pfeni gelten die (_)[)rt,'r nur i'ör und Krev. Personen-
imd Stadtenanieri finden sich erst in spaterer Zeit liaufijrer mit Üttin in Ver-
bindung gebracht und xwar hauptsächlich in Sftdschweden, in alter Zeit
herrschen I*or- und Kreykomposita: h^rr Jillein weihte die Runen, nii^ends
Odinn: alle Thingtage fit-len auf den rörsdag, nie auf (Jflinsdag; l'ors Hammer
findet sirh auf kingen, Uraneaten, Sthmucksachen, (Hlins S]ieer oder seine
Raben lassen sich nirgends nachweisen. Und selbst in der Eidesfurmcl tritt
nie Odinn auf. sondern nur FrejT, Nj^rdr und tnrr. Hierzu kommt, dass
auch in DSinetnark die Odins\ erebning nie besrmders ausgettildet gewesen
ist, da CS Sa-xo Schwierigkeiten matht, die Gestalt des Gottt-s nach seinen
norwegisch -isla ndisehen Quelli-n recht zu erfassen, weil er nach diesen in
gewissem Gegensatz zur danischen Vnlksüberlieferunjf steht (A. Olrik, Sakses
Oldhist. I. 30 ff.).
Diesen negativen Zeugnissen treten aber auch positive zur Seite: Die
Heimskringla (S. 6 f.) kennt eine Sage, nach der ( tdinn aus Saxland. worüber
er König gewesen sei, über Danemark narh dem N4>rden gekommen tst.
Dieselbe Sage weiss anrh die Snorra Kdtla zu berichten (AM. IL 252). und
die Einkleidung der Gylfagicming setzt sie voraus. Xach anderer, wenn auch
junger Aufzeichnung «-ird Odinn geradezu als Saxa goä bezeichnet (Flb. III.
446). Hierin mag auch der Kampf zwischen den Äsen, von denen Odinn
allein uiti Namen genainit wird, und den Vanen seine F.rkklrung finden: es
ist der Kampf des eJUKiehendcn Gottes mit den früheren Güttt-m, der mit
einer Vereinigun;; der beiilen Gntterfaniilien endt-t. wobei jednih Odinn die
Oberhand behalt. Auch der alte Mythus von der Findung der Runen mag
darauf hinrleuten. Es steht fest, dass diese aus dem lateinischen Alphabete
entstanden und über Deutschland nach dem Norden gekommen sind. Odinn
braehte sie mit, der Gott ;dUw Zaubers. Femer unterliegt es keinem Zweifel,
dass der Kern der Sigurdslieder aus Deutschland nach dem Norden ge-
langte; iu diesem scheint aber der Odtnsmythus ein unhisbarcr Bestandteil.
denn nur durch das Eingreifen Odins in ihr Geschlecht erhalten die V9I-
sungen ihre Bedeutung: wo sie zu Hause sintl, da muss man auch den
Odin verehn haben und zwar als den hiVlisten Gott. Und wenn diese
Sagen mit Bestimmtheit nach dem Norden wiuiderien. warum kann es dann
nicht auch mit den Mythen von Odin geschehen sein? Was uns daher die
Edden und Skalden von (.>din erzählen, kam nicht zum geringen Teil au»
der nortideu Ischen Tiefebene, wo wir allein mit Bestimmtheit eine ausge-
bildete Wödansverehrung zur Zeit der Vülkerwjinderung finden, wahrend sie
der nnrdisclien Volksitberlieferiuig in der eddisclien und skaldisclien Auf-
fassung von Haus aus durchaus fremd war: hier spielte (»dinn keine andere
Rolle als der Wode in der deutschen Volkssagc, d. i. als Windwesen. Wo
GESCHicars des Wödanskultss.
53^
k
wir als«» Wrxlarwvert-hrung fiinlen, Ohirall fflhrt sie uns narh NiwiMxif^utwh-
iand. Hier war es, wo die Sachsen rmcli im 8. Jahrh. dickem Gott ab-
»chM-rirvii ^mK^tcn (MSD. LIi, dL-mselben G<At, den bereits ihre Vorfahren als
den hr(clisrrn Gott im 5. Jiilirli. mit hinflber nach England genommen h;itten,
vuu dctn (Üc sapaihaftcii Führer iBcda. Hisl. l-clI. I. 131 und spÄtcr die
angettiachsi^hen K«■^ni(i;e ihre Al)kunft Ijerleiteien (Mydi. III. S/O), den sie
(Or den Krliauer der Tempel, den Kinder der ßuchstaben und nach christ-
licher Auffassung fOr den Gutt des Truges und da Biebcreicn hielten
(Kjemblf-, Die Sachsen I. 276 f.). Hier war es, wi> die de« Sachsen bwiach-
barten Lanjjnbarden sclmn vor ihrem Zuj;e narh dem Süden, aisu ebenfalls
im 5. Jahrli., ihn als Himmels^im um! Siegeshcrm kannten iPaulus Diac,
De gest. Lang. I. ö), und vun hier, wu sie. selbst Wt'idansverchrer, neben
lautet W'Hlansvrrchrem wohnten und mit solchen gemeiiiitain wanderten,
mag die Auffassung stammen, dass er ein von allen Germanen verehrter
Gott gewesen sei. Vun hier nuimien ilui auch die Thüringer mit hinauf
nach sQdlirhercn Gegenden, wo wir ihn vnr Kinföhning des Christentums als
den höchsten uiul zuglr-ich heilenden G"tt finden i,MSD. IV. 2(. Ungewiss
ist es, welcher deutsche Siauim es war, von dessen Einfall in Gallien der
Verfasser der Miracula St. ApnUlnaris berichtet, den er »Hungri« nennt und
die er als Wodansverehrer schildert (ZfdMyth. III. 303)-
Diese E(-tspielc meliren sirh niich dun-li die Fßlle. w<t Mercurias für
Wt'idan steht. Dass aber Mercurius stets W.Vlan ist, lernen wir ans dem
Namen des 4. \Vi>chcntages. von Paulus DJaconus (I. 9 HWaw saue, tfurm
ttdjttia litera Gu-oäau dixentnt, ipst est, i/ui afmU Romanos Mnrttnus didtur),
von Jona.s von Bobbio iaÜi ajunt, dto suo Vodano quem Meratrium rora/U
aÜi/, aus einem alten Bücherverzeiclinis vun Verlamacestre aus dun 10. Jaluh.
(Myth. I- lOO; Menun'nm. l'aden anglue (tp/tcllatumj . aus GeojTroy v. Mon-
mauths Hi.st. Brii. Colimus nia,xime Meirurium, quem Wodan Ungua nostra
appeÜamus) uml ^einenl isL'lndischen Übersetzer (Anii. 1H49 S. b». aus Saxo
Gram. (I. 275) uikI splitcren altengUschen Quellen (Kcmble. Die Sachsen I. 2/8).
Deckte sich doch auch Hennes-Mercuriu.s zum gr(^>sscn Teil mit der ursprflng-
Uchen Gestalt des Wndan t Koscher, Hermes als Windgott. Lp-t. 1878).
Setzen wir nun WiVlan für den Mercurius lateinisch .schreibender Schrift-
steller ein. so finden wir, <i;iss bereit^ zu Tacitiis Zeiten dieser bei den
Voikem der unteren Rlieingegend und von hier ostwärts am meisten ^-ercbrt
miirdc. denn nur auf diese Völker kann das ma.xime coliiui {Germ, tj) gehen,
wie uns nicht nur die Germania (c. 40. 43), sondern auch die anderen
Werke des Tadtus (HisL IV. O4. .\nii. XIII. 571 und anderer Schriflstcller
belehren. HieJ verehrten ihn die Bataver im z. Jahrh. unserer Zeit-
rechnung net»en Man Tiu und IhrcHles Thonar, wie die zu Rum gefuiuleiicn
Votiviafeln der Garde reilcrkaseme Ichren (Zangemeister. Heidelb. Jahrb. V.
46 ff.), hier setzte ihm der Bataver Blesio als dem Merruno regi einen Stein
( Brambach. C«iri>. Insix Rheii. Xu. 70). Auch auf dem linksrheinischen Ufer, im
Kifelgcbicie, finden sich Spuren seiner Verehrung. An der uberen Ahr z. B.
hat man Bruchstücke eines Aluirsteines gefunden, der dem Mcrturio Hannini
geweiht war ^Bonner Jahrb. 1873. 17^ ff.; vgl. dazu Murh, ZfdA. XXXV.
207 f.. Siebs. Zfiiniil. XXIV. 145 ff.). Für die Verehrung des Gottes durch
die Franken geben uns dann auch Gregor von Tours (HLsL Franc. II. 2()\
die C-apitulare und Bussordnnngen iWasserschleben 353 ff.» neue Beweise,
während uiw auch unter dieser Vriraussctzung oberdeutsche Belege durchaus
fehlen. Nun ist aber der rege Verkehr der Rftmcr mit den Germanen am
unteren Rheine und wm da landeinwärts seit Cäsar bekannt, wir wissen, dass
332
XJ. M^•THOL«lGIE.
tliirch diesen Verkclir eine Menge rilmiscber Kultur auf dif Germiincn übcrj^n^
(Mommsen, Köm. Gesch. V. 107 ff,, Hübner, Rom. Herrschaft in Westeuropa
S. 87 u. öfL), wir wissen u. a.. dass wir den Römern die Namen der
WfKhcntage, der Monate, das AlphAbet verdanken (vg^, u. a. Strabo IV, 4:
nanoTieiaffhrcg^ de fil'puiQÖtg h'dtddaot -Tpöf tö yior^mftvtv, oiaxr xal nat-
d€{ac änretj&at xal Xtiyoyv; dsgl. Florus IV. 12). Wt-nn nun als Fiudcr der
Runen nach einem schönen nordischen Mytlius Oöinn genannt wird, was
hindert uns, diesen als den Gott aufzufassen, der in seiner Pereon die neuen
Künste, die neue Kultur vereinte und weitertrug, nachdem er sich bereits,
che er sie aufnahm, lokal d. h. in Xordwestdeutschland aus einem unterEre-
ordneten Gottc zum Hauptgotte entwickelt hatte? Aber auch diese &»t-
M*ickelung ISsst sich verfolgen.
Fast in allen Gauen, wo Germanen wohnen oder einst pewohnt haben,
finden **ir die Vurslcllung vam Wutes- oder Mutes- oder wütenden Heere,
vom Woejager und ähnlichen GeRtalten. Rs ist iMngst erkannt, dass diese
Be/iehun.i;cn spraclilicli mit Wndan aufs cnjj>te zu.sainnienliJlnyt-ji, niu können
sie nicht Reste einer alten Wüdans Verehrung sein, d. h, des Glaubens an
einen Wudan, wie ihn die nordischen Dichter kennen. Es Ist ausgemachte
Thatsache, dass all jene Erscheinunj^n nichts weiter als die Personifikation der
bewegten I.uft. des Windes sind und als solche oft mit Dämonen des Windes
zu-sammenfliessen. Sie wtirdt-n demnach den Wödan nur von einer Seite dar-
stellen, die in den Hauplquellen der Wöilari-smvthen ganz in den Hintergrund
tritt. Hatte Wudan in ganz Deutschland wirklich jene Macht und jenes An-
sehen besessen, das er nach den nordischen Quellen, nach Paulas Diaconus,
nach Tacitua in der unteren Rht-ingcgend hatte, sa w.'(re diese Einschrän-
kung ganz unerkladich. Diesr- mythischen Bilder müssen demnach alteren
Volksglauben vertreten, wie schon richtig von W. Schwurt?, erkannt ist (Der
Volksglauben und das alte Heidentum '. Berl. 18O2V
Es tritt nun die Frage heran: ist das so entstandene Wesen, d:is noch
überall im Volksglauben fortlebt, von Haus aus ein Dflmon, der sich lokal
zur höheren Gottheit entwickelt hat, oder Lsl es nur die eine Seite der Thtltig-
keit des alten Himniel-^ttes und ist aus dieser Tb.Higkeit der alten Gottheit
eine neue ers]3rossen. die in gewissen Gegfiuien der Mitte!]miikt des Kuttver-
bandes und hier zur hOherc-n ethischen GotOieit emporgehoben wurde. Es lassen
sich ftir beide Auffassungen Gründe anführen. Im Hinblick auf den vedi-
schen Vä/a »den Wehenden«, der sprachiii.h mit Wöde zusaiiunen fällt, liat
man das crstere für das wahrscheinlichere gehalten und mit dem Aufsteigen
zur Gottheit zugleich die Wcitexbildung von Wode zu Wodan zu-virnmen-
gebracht (ZfdMvih. H. 320. ZfdA. XIX. 170 ff.). Auf der anderen Seite
lässt sich fcstetelien : Verehrte man den Himmelsgolt als hOchsli» Wesc-n,
so muss man ihn auch mit den verschiedenen Himmels- imd Lufterschei-
nungen in Verbindung gebracht haben. Indem man ihn aber als Gott des
Windes auffasste, nannte man ihn TTriwc Wö(/anti: (Grimm, Gr. II. 157)
oder nur WöJanaz, HW*/«. Auf alle Falle kannten ihn in dic.>*t!r Eigenscliaft,
d. h. als Windgotl, sämtliche germanischen Stamme, doch trat er durchaus
nicht Ijci idien in den Mittelpunkt des Kultus. %ielmehr scheiut er bei den
meisten ziemlich b«i Seile geschoben zu seiiL Er spielte hier nur eine iinler-
geordnete Rolle, dem zu Ehren weder growe Feste stattfanden noch Opfer
galten, wie man .sie in allen Lebenslagen der Stanunguttheit darzubringen
pflegte. Dagegen genoss er besondere Verehrung bei den nord- und west-
deutschen Stammen, wo er bei verschiedenen der Mittelpunkt des KuUver-
bandes gewesen zu sein scheinL Es ist dabei nicht zu vergessen, dass gerade
W'nnAN- AUS WiNDGRTT.
333
diese Völker zuerst dauernd sesshaft wurden, wodurch der Ackerbau in den
Mittelpunkt ihrer Lcbensinleressen trat Bei ackerbautreibenden Vnlkeni Irilt
aber der Windgrut überall mehr oder weniger in den Vordergrund.
Als Gott des Windes war Wödan abc-r zugleich der Führer dos Tulen-
heercs. und su kam es, dass ihn die römischen SchrifLsicller mit ihrem
Meixiirius wiedergaben, der in echt f>"^mischen Inschriften der ersten Jahr-
hunderte unserer Zeitrechnung fast immer als Totengott erscheint iBrambach,
Corp. Inscr. Rhenan. a. v. O.). Ais dann die n'imische Kultur sich bei deji
Germanen imqicr mehr pellend machte, wurde Wüdaii ihr Träger, wie ftber-
haupt der Gott jeder hiiheren geistigen Kntwirkclung. Dieser Entwickelungs-
prozess mag in der Zeit zwischen Cäsar und Tacitus vor sich };egangen sein.
Man vergegenwärtige sich das Zeitalter der ersten rflmischen Kaiser, die
FeJd- und Streifzüge des DruÄua, Tiberius Varus, Germanicus, ihre Gewalt-
hertschaft in den gennanischen Gauen, und man wird den gewaltigen Einfluss
rümischer Sitten und röniiwhen Geistes erkl.'lrlirh finden. Und aU dann die
Flanken als neuer Völkerbund am unteren Rheine auftraten, da waren sie
besondere Wödansverehrer imd wurden 'l'rilger des Wodanskuhus und mit
ihm höherer geistiger Kultur. Nelien ihnen m5gen schon frühzeitig weiter
ostwärts wohnende VMkcr wie Chauken und Langobarden, vielleicht auch
Sachsen Wodansverehrer gewesen sein. Von hier aus drang der Kult rhein-
auf^Hns v«m den Franken zu einem Teile der Alemannen. Die Sachsen
aber ualimeu ihn bei ihrer Wandermig nach Britaimicn mit auf dieses Inscl-
rdcb, imd n-enig spiiter mag er über Dänemark nach dem Norden gekommen
sein, wo er in gcwi^en Kreisen und Gegenden die alle Freys- und Pors-
verchrung verdrängte und unter den nordischen Skalden seine höchste Blüte
erreichte. Auch Ih'I den Gäulen in Schweden scheint er Verehrung genossen
zu haben. Wenigstens dürften seine Beinamen Gan/r «der Gautc« und Gaulalyr
«Gull der Gauten« dafür sprechen (Krdmann, Ant Tidsk. f. Sv. XI. 4. 54).
% 56. Wodan Gott des Windes. Aus der indog. Wz. tfd »wehen«.
auf die auch unser -Wind« zurückgeht, ist auf gleiche Weise, wie das arische
v4ta >die bewegte Luft, der Wind« (Spiegel, die arische Periode S. 157 f.)
ein gemianisdies *v6tha hcr\'ürgeg;uigen, das schon in genieingerm. Zeit nicht
nur die heftige Bewegung <ler Luft, sondern auch des mensciiHchen Geistes
bezeichnete. Dunh die Weiterbildung durch das Suffix -ano entstand daraus
der Wddanaz, den wir ndd. als W&dan, obcrd. als WttotoH, altn. als Oiinii zur
Gottheit erhoben finden. Dieser alte Windgott, der ab* .solcher zugleich Führer
der Totenstliar war, die in der bewegten Luft daherfuhr, war allen germanisdien
Stflmmen gemeiiuiam und hat sich fast überall noch bis heute im Volksglauben
crtialtcn. Allein wir haben weder bei den ing\a»nischen noch bei den
erminonischen Stämmen irgend welchen Anhaltspunkt, dass er besondere
Verehrung genossen h.1tte, ja er scheint in manchen Gegenden schon in
alter Zeit mit den Dämonen des Windes zusammengefallen zu sein. Bald
eischeint er allein, bald mit seinem Gef<ilge, seinem Heere. <Iem Seelenheere
der Toten. Fast in ganz Schwal>en sind die Mythen vom Wutes- oder Mutti-
kter oder schlechthin von 's Wuotas verbreitet. Es .saust in der Luft, macht
tilt wunderbare Musik und wird begleitet von heftigem Sturme. Ein Mann
rettet vorau.s und ruft den Leuten zu >nu.ssem Weg! äussern Weg!« Dieser
Vfirreiter ist derselbe, der anderenorts »Sfhimmelreiter^ oder >Iirtithiti* hel«t,
der auf weissem oder schwarzem Ros-se durch die Luft reitet, oft selbst ohne
Kopf oder mit kopflosem F'ferde. Wo er hinkommt ist Windstoss; die
BSumc krachen und es saust durch die Luft (E. Me\er, Sagen aus Schwaben
L 103 ff. Birlinger, Volk^ttlmliches aus ScliK-abcn i. S. I. .:6 ff. z. S. 80 ff.).
Ganz ahnlkh tritt er in OstoiTeic:h ;nif. Als Hofri jagt er mit Frau /loi^t
durch die Luft, iiuf «■eissei« KofiM,*. in weilen Mantel gehüllt, einen breil-
krSmp^en Hut atif dem Kopfe, ganz wie wir in nordisclien Quellen vod
(>lin erzählen li^^ren (Vemntcken. Mythen imd Brauche in Österreich S. 23 ff.).
Ebenso erst-heint lt als II'hc/cs In Biiiern (Panzci. UHyrUche Saj^en L 07),
dauflM^n findet sirh hier das »wütende Heer« jebemla II. nn-t). IVut/a/t^er hehsi
in der Eifel ein fürchterlicher Sturmwind, der die I3aumc entgipfelt (ZfdMyth. I.
315 ff,); > WüicnAeer* nennt man üui im VuiglJ;uide (Eifcl. Saj^enbueh des VoigtL
114 ff.V Ausser «licsen Namen tritt dieselbe F.rseheinung nur weJiig ab-
weichend auch in diesen Gegenden ;iLs ywiUe Jn^'i*. nder •tcildti Jhrr* f>der
»wiiäe (tjai^ oder 'tcilJt (ijdd* (in K-lmten. ZfdMyth. IV. ^tx)) auf. ihr Führer
ist der =wiMe Jngf-f'-. Gleich verbreitet ist sie unter derselben Bezeichnung
auch in Nurdtleutsciiland. Sie begegnet hier uls Woejägfr, Wotjenjäger, Joc-
)äger, Xnchiji'igei, HeUjägfr, in \\'esif:ilen namentlic-h und weiter ("»stlich davnn
als IfactelUrg oder ursprüniilielier IfacMteretid (MiuiieltrüKer) <>der auch als
Heroda udgl. (Kuhn und Schwanz, Nnrddeiitsrhe Sagen: Kuhn, WestfAllsche
Sagen; — Niedersflchs. Sagen von Schamljach und Müller), in dei Lausitz
als Dietrich von Ihm, in Schleswig als Herzog Abel, im Riesengebirge als
Rithezühi. Sagengestalten sind hier an seine Stelle getreten oder lok:d ent-
wickelte Damunen. Li Mecklenburg sagt man, wenn man das wütende Heer
zu hi'^rcn glaubt, »der Woode thiit-:. (Adelung unter wöten). der Damen, der
namenilicl) in den ZwOlfixUcliten als W'ode, Wand. Wor durch die Lüfte
fshrl {B;irlscli. Mekl. S. I. 3 ff.), unil in Schlcswig-Hnlstcin reitet der Wode
auf grossem weissen Ri)s.se in den zwMf Niichten durch bewaldete Gegenden
(Müllcnhoff, Sagen der Herzogtümer Sciüeswng- Holstein 372 f.). Aber auch
Hber die Grenze Deutschlands hinaus finden sich dieselben Vorstellimgcn
miter ganz gieiihem Namen, fht er den fh'ttnde oder fÜde Jäger, sagt der
dänische Bauer, wenn es hei nadidicher Weile durcli die Lüfle saust, und
nennt ihn bald Kotig l'o/mer, bald (Ini/t Jette, bald Pahe Jtrger (Thiele, Dan-
marks Folkesagn II. 1 13 ff.). Auch in Schweden ist die Sage von ihm weit
verbreitet. In Smäland kennt man Odfm Jagt: wenn es stürmt, sagt man. Odea
far ßrbi oder Odeit /iiger; er f_rsrhfint liier ebenfalls meist rejtend und mit
hreitnmdigem Hute, begleitet von xwei nder mfhrtrren Hundt-n (Lundgren.
Hedn. Gudatro i Sverge 57 ff.; Rielz. Svensk dial. 11. Odeni. Wir sehen als^^.
dass diese persönliche Auffassung des Windes über ilie ganze germanische
Welt verbreitet ist und deshalb uralt sein muss. Zeitlich IJlsst sich diese
Vorstellung vom VVuutcs-Hecr bis ins Miitelaiter zurückverfolgen. In einer
alten Besrhwrirungsfonnel Mitteldeutsi hlands aus dem Anfange des r4,Jahrhs.
wild wutmifs her nade alle sine mau erwJÜuit (SiUungsber. d. bayr. Akad.
i8(»7. 2 S. 7); im Rcinfried von Hntunschweig ^V. 479 um 1300) heisst es
von den Rittern sie ^rusehent sarn das Wuntes bert. Andere mlid. Gedichte
nennen daz uiitrnde für, das wütend her, das woden her, des tüi-cis wütendes
her udgl. In vielen Gegenden hat sich daiu» der Mythus weiter entwickelt:
man glaubte, der Wodc jage einem weiblichen Wesen nach, und .so entstand
der weitverbreitete Mythus vim der Jagd nach .I/^kw-, Waid- oder t/ohjräulein,
an deren Stelle vielleiclil durch Volksetymologie die Windstraul getreten ist.
Zuweilen bringt ruan ihm luid seinem Gefolge, namentlich seinen Hunden und
seinem Pferde, Kuiier. Das sind Cbt-rhleibsel alter Opfer, die man dem ursprüng-
lich Gotle brachte. So füttert man in Nieder osterreieli noch heule den Wind,
damit er in der Heuernte nicht wehe (ZfdMyth. IV. 148). oder gicbt ihm .sein
Teil (in Kamte]), elxl. IV. 300) oder spendet es seinen Hunden (Nordd. S.
& 67) «der seinem Kinde (Mytii. III, 443) u. dgl. Finden wir so die Vor-
I
WÖDAN ALS WiKDGOTT.
33S
Stellung von IVoJrs oder dem miiteitdett lierrt über die ganze gcrmanisclic
Well %'ctbreitct, sieht dann ilir enger ZusammcnlianK mit Wodan ft-^U Llsst
sich diese Gotthtit als Mittelpunkt tirs Kuhcs aber nur in cinzt-hirn Gegenden
OermanictiÄ erweisen, walirfrid dmJerc sie fast jtiinz ven)iii.hUi>si|;fn, »i liegt
hierin der Schlüssel zum Versiändiüs des Wesens und der Gesehielilc
des Gottesv — Wie jene Vurstellung»m vom Wudes oder w-ütpndcn Heere
sich sdion im MittehUler naettweiscn lassen (s. o. und Mytii. U- 7f>'i), so
finden *-ir uueh in allnordisrhen CJuellcn Überreste der Verehrung Wodans
als allen U'ind^niu-s. Sehun Namen lassen ihn a).s S(jKhen erkennen. Er heisst
G<iguäri,A\cT Vü/uJr, beides W<irle, die auch den >Wind' bezeichnen (Kalk, PBB.
XrV. 35, 36). Er reitet durch Luft und Meer (SnE. I. 120). Dann isl seine ganze
Erscheinung dit.-üelbe wie in den deutschen Sagen. Er eilt daher auf seinem
weissen, aehil>einigen Russe Sieipnir, das narh jungem Mythas vom Hengst
Svadilfari mit L<.>ki aU Stute gezeugt Lsl [SiiE. II. 179; \*gl. auch d/*«»; yÄrc/a/
^Mum Sax. I. i"7). F-r ist eine h"he Gestalt mit langem, welsÄem Barte, umhüllt
von einem weilen dunkeln oder gefleckten Maiilel, unter dem er seine Sdiützlinge
durch die Lüfte tragt <Saxo I. 40), auf dem Haupte hat er einen brtilkrampigen
Hui. den er oft lief ins Gesichl hereindrückt, sodass man von diesem nichts
5clicn kajui. Nach anderer Sage reitet vi unter helligem IJirm auf grauem
Rnssedurchdie Lüfte und tr^jit zündende Flammen in der Hand (XjäUiKap. 125;
dazu Nord. Tidskr. f. Hisi. IV. 170). Bald erscheint er blind, bald aber auch
cinAugig, eine Vurütellung, die die durch die Wölken durchbrechende Soime
erzeugt halten mag, denn auf dc^ Wolken fahrt der Sturmgott datier. Eine
Reihe ieiner Namen hat in dieser Süsseren Erschi-inunj; ihre Wurzel: er
heisst lltirbafdr d. i. Grauhart, SiiiU-e^i^r mid Stiff^raiii der Langbart, Gntm
ilcr IJartigr, //{»//* der Hut, SirtA^iflr der Schlapphul, (irimr und (irimnir.
der Verkinie. Auf Slcipnir reitet er nach Niflhel (Vegtkv. 2). Als der blinde
Gast fragt er in seinem Rätsetslreilc König Hreidrck, wer das Paar wflre,
das zum 'Itiing rette, mit drei Augen und zehn Küssen und einem Schwänze
und ober die l^ndc streiche, wurauf Heidrekr antwortet, dass es Odinn auf
SIeipnir sei (Hen'arars. Aiwg. Bugce 2<^2\, dem trefflichsten aller Russe. Einst
^ i39»1 er l>ei einem Scliniiede sein Ross beschlagen ufui sthwingi sich, nach-
■^ifsn er sich als Ödiim zu erkennen gegeben hat, mit ihm über einen sieben
BHpen hoben Xaun und verschMindel in der Luft (Kms. IX. 175 f.). Uas
^^Bi dasselbe Pferd, um welches Starkader im Lübecker Schwcrttanzspicle den
^Gon hillet \HtUifit W'ofit, nii Uit mi iiin peni ZfiiA. XX. 13I. In der cddi-
sciten iJithiuug fuhrt i-s den Namen y^msUl -Rnss des Vgg« und weidet
im Geäst des grossen \\'elt<*nbaurnes (Hirikr Magnüsson, Odin» Horse Vgg-
dfasill, Lond. iH(;5t. Als Windgott ist natüdicli W<"»dan-Odinn weit gewandert,
CT ist der imermüdUche Wanderer, der vialor indefesitts (Saxo I. iz8); er
lieisst d;dier Gangirri -der W,inderer>. G'ittgriiär Kler \Veg\i'alier«, Vfgtamr
•der Weggewfihnte« u. dgl. Zu Frigg sagt er selbst, dass er WcJ umher-
^eführen (N'aft^r. 3), wie er auch dein Vafl>rudnir en^egnet. das.s er lange
uoierwegs gewesen sei. Daher nennt ihn nodi Snorri in der Heimskr. >weit-
gereisu (viiU^tuU 5*), ja schreibt ihm sogar, wie in der Edda dem Frey, das
Schiff iskiffhhiihir zu. die Wulke, die dem SIeipnir entspricht (Heimskr, 8").
W^^xliUi-Odinn gleicht liicrin dem indischen fa/a, dem Immergehcr. Immer-
«anderer i^Srhwartz, Poet. NaL IL 70 f. |. Als Wjndgoit b.«iit/t Wotkin-Gilinn
aucli die Proteusnutur wie kaum ein anderer Gott: alle mttghchen Mensclien-
ond Tiergestalten nimmt er an. Bald erscheint er als Knecht, der sich all
Efntearl>eilcr verdingt, bald als Kahmiann, der den i<iien Sinfjydi über den
Sund sclialft; in Schlang eiigestatl gelangt er zur Gumilyd, als* Adler entführt
336
Xr. Mythologie.
er ihrem Vater den Dichlcrmet. — Neben dieser altgennanischen Gottheit, die
sich im Winde offenbart und im Grunde nur die Personifikation des Windes
ist, cRichfiiit aber der nordische Odinii aucli als Herr des Windes und dt-s
mit diesem im engsten Zusammenhange stelnjulen Wetters. So rufen ihn
die Isländer um ^üiistigtti Fahrwind an {Fnis. II. i'>), denn er j^ebi s<:>Iehen
den Männern (Hyndl. 3). Nach der Hcimskringla beruhigt er die Wellen
und lenkt die Winde, wohin er will (H '■). Ein Beispiel dam findet sich in
den alten Liedern von Sigurd. Als dieser sich mit seinem Heer auf der See
befindet um Vaterrache xu nehmen, hat sieh heftiger Sturm erht>hen. Da
erscheint auf einem Ber^vorsprun^e ( »dinn, und sobald dieser auf einem der
Schiffe Aufnahme gefunden hat, legt sich dx»? Wetter (Rcgm. lOff.). Weil
er über das Wetter Iicrrscht, heisst er ViiMr »der Wctlermacher« (Kms. X,
171), und der Runenmeister dc-s LjiVdatal h:it üim abgclaascht, wie man NVind
und Wellen benihigen kann (HÄv. 152), Und w^'nn der Sturm dahersaust,
da Zierat IJdinn (Fas. I. 5011, da wird er zum i'f^, zum Schrecken der
Menschen.
In seiner Erscheinung als Windgottheil müssen dann auch die Tiere, die
ihn begleiten, die Gegenstände, die ihm eigen sind, ihren Ursprung haben.
Wie dem wilden Jager oder dem Wode eine .Schar Hunde folgt, wie in der
schwedischen Odensjajcd den KAnig ebenfalls zwei Hunde begleiten, so finden
sich in der Umgehung des Gottes di« beiden WiMfe Gen d. h. der Gierige
und Frrki der Gcfrtbsige (Grimn. 19). Ein Sinnbild der bewegten Luft sind
wohl auch die Raben /ftiginn, der Gedanke, und Muninn, das Gedächtnis,
deren Namen schon ganz in die Zeit spfller dichterischer Reflektion fallen
TagtJlglich fliegen sie über die Erde und brin;*en Odin Nachricht aus allen
Gebenden (Grimn. 20). Das ist ein ganz junger nordischer Zug. als schon
aus dem heweglirlion Luftgotte ein allgebietemler Herrscher nach dem Vor-
bilde der norwegischen KOnigc geworden war, dem aber dasselbe Naturbild
zugrunde Hegt, wie in dem neu isländischen VoIksÜede, wo es heisst:
Uml die Kalier jagte der Slurmwind,
Und der Sturmwind rauschte dahin auf den Wolken. (Z, f. vcrpl. \AU, 1878.)
In seiner Hand trflgt ddinn den Speer Oungmr, einst von Zwergen, den
Ivaldissohnm. gemacht und vtm Loki dem Gotte gegeben (SnE. L 34Jl. Es
Ist der Blitz, den der Gott ans dunkler Wolke hervorsclileuderi. In der
Volkssage tritt diese W'affe zurück, da man liier Odinn weniger als einen
Gewitterg<itt kennt. Überhau]>t war dieser Speer schon ziemlich zeitig in
seiner ursprünglichen Bedeutung vergessen: er war xum S>"mbn! des Schlarhten-
gottes geworden, der an der Schlacht selbst Teil nalun und seinen Speer nach
den Gegnern seines Schützlings schleuderte. Sn lehrte er selbst König Eirik
dCT Speer über seine Feinde schwingen und ihnen die Worte zurufen :
»Odinn hole euch alle« (Ems. V. 250). — Der Aufenthaltsort WGdan-Odins
als Windgutt sind die Berge oder die als Berge gedachten Wolken, die ja
mit jenen übcra-ll zusammenfliessen (Rnscher, Hermes 2of.), Aus den Beiden
scheint der Wind zu kommen, nach den Bergen scheint er zu gehen. Er
nennt sieh selbst den »Alten vom Berge« (Regm. iS), Skalden nennen ihn
fjaHgaulr oder ßnUgeigtiär iFelscngoii«. Über ganz Deutschland, England,
Skandinavien sind Wotlansberge weit verbreitet (Myth. L i2Öf., Remble, die
Sachsen I. 280). Odinn gleicht hifirin dem im Berge geborenen Hermes.
Ki->mmc doch auch der ftilde Jäger der deutschen Volkssage meist aus den
Bergen, zumid aus dem Venusberge.
Aus iliescr alten Vorstellung des Windgottes haben sich die anderen gött-
lichen Seiten Wodan-Üdins eiitwickelL Diese Weiterentwicklung ist zum
Wi^DAN-ÖOlSN AI„S \\'lN-[>Gt>TT.
3.17
Teil Inkaler Art;
Hinblick auf iias Z(
des Tat
■■h.
inuss im MinOlick aul ilms Zeugnis des laatus
in der vuitacitcisi-hca Zeit liege». Nur seine Auffassung als Ttitengutt scheint
schon der gemeingennanischen Periude aiizugcIiOreu ; sie ist enlsLindei» aiLS der
Venni-M^hung ;i!ti.ii Sccienglaubcns mit jüngerem Cnitcrglaubcn: da das Heer
der Seelen im Winde daherfuhr, wurde der WinHgi»« der Herr dieses Heeres.
§ 57- WOdan-^Minn als Totengott. Narh der Vorstellung unserer Vor-
falucn lebten die Seelen der Verstorbenen, die dem Lufthaurhe glichen und
sich im Winde uffenbancn, bald in Bergen, bald in Sümpfen und TeicJien,
Da man aber auch von Wodan annahm, daxs er im Berge weile, wenn Luft-
sÖUe war, da man auch seine Exivlenz in den» Heulen des Sturmes wahr-
nahm, iio brachte man die Toten mit ihm in engen Zu.s:immen!iaiig: in
der stünnischen Luft, namentlich während der Zwulfn5chte, glaubte num ihn
mit der Schar der Gestorbenen daherfahrcn zu sehen. Diese Vurslclluiig
von Wfxlan war namenUich in Ni irddeutschland zu Hause, wie schon der
Name Ihlljä^rr ftir den Führer der wilden Jagd lehrt (Nordd. S. 275. Westph.
S. 300 u. oft.). Aus dem Mythus \iim Verweilen des Gottes im Berge ent-
wickelte sich die Vorstellung vioi \'alh9ll imd ihren Bewiihneni, die nichts
acdervs ist aU ein nordisches ticgenstück der vielen S;igcn vtmi bergentrück-
len Kaker. Stj wird in der Vngl. s. erzählt, d;vis Künig .Svegdir sich aufge-
macht habe, Odin in Godlieiin zu besuchen. Da sei er an ein Gehüft ge-
kommen. >al Steini« genannt, weil es neben einem gr«»ssen Felsen lag. Am Ein-
gang dieses Felsens stand ein Zwerg und forderte den KOnig auf einzutreten,
wenn er i>din besuchen wolle. Svegdir thut es, aber alsbald schlies.st sich der
Stein und der Kt^nig wird nimmer gesehen (Heimskr, iJ/t^). Hier zeigt sich noch
klar der natüriiche Hintcigrund der poetisch ausgeschniQcklen Valhvll- Diese ist
ursprünglich nichts andotes als das Totcnreidi, imd im Zusamnieuhangc hier*
mit steht auch Odins N'amc als Valfoiiir i>der l'alguutr, d. i. T(^)tenvatcr,
Tolcngott, oder l'tilitjiUomH »Totenwahler* (Konnakss. Str. 23, vgl. Bugge.
Aarb. 1889. _S. 54). Xoch heute leben Spuren dieser allen Vorstellung vom
Totcngottc *jdin im Norden fort: Der Hatleberg in Vestergfttland in Schweden
heisst auch Valehall, in seiner Nahe hat sich früher eine Odinsquelle bc-
ftmden (Rietz, Sv. Dial.-Lcx. 78«)). Dah(-r entstand der Glaube, dass man bei
Oflin gasten werde, tuid /// Oäins /am »zu Odin fahren« ist eine geläufige
Wendung för »sterben*. Vor allem gehören ihm die Gehängten, weshalb er
die Namen llannagoit t»der I/an^aiyr rwier ämttiun luttifpi führt. So ist er auch
vüMr gal^ d. h. Herr der Galgen, zumal er unter diesen besonders geni ver-
weflt iHeimsfcr. 8). Diesem Mythus entsprechend erz,'ililt die deutsche Volks-
sage. dass Mch einer erhilngt habe, wenn starker Wind weht. Seine vollste Ent-
wicklung erhielt dann dieser Valh<^Ilglauhe in der Wikingerzeit, in der das altere
Totenreich zu einem Kriegerparadiese n-urde (PUB XII. 221 ff.). Als Totengott
ciscfacint ödimi auch als Ferge: s<> nimmt er Sigmund seineu toten Sohn
SnQölli ab und f:ihrt ihn hinaus ins Meer (Krä dauda Sinfj.). Erscheint er
aber als Totengott, so war es nur noch ein Schritt, dass er auch zum Goll
des Todes und Herr ßher das Leben der Menschen wurde. Als Scldachten-
gott en»'ahh er sich seine Opfer, und seine Begleiterinnen, die Valk\Tcn,
haben die Aufgabe, die dazu bestimmten Helder zu füllen. Gegen Opfer
veriangcrt er König Ann von Schweden das Leben und verspricht ihm,
dass er immer leben .stille, solange er ihm den Zehnten gäbe (Hcimskr. Ji).
Starttadr verdankt ihm sein langes Leben, den Harldingus entreisst er dem
Untergange und stärkt ihn mit erfrlscluiidem Na.sse. Ja selbst Tote vermag
er «ieder zum Leben z»t bringen (Heim.>;k. B«). Die letzlere Auffassung
Odins als Herr Qber Leben tmd Tod ISsst sich nur bei den Nordländern
CcTTUial&chc PbiloloEic. III. 'J. AttB. 23
33«
XI. MVTHOI^>GlE.
nachweisen, wahrend er bei den undcrei) gcrmamsdicn SULinmen ausschliess-
lich als Führer oder Herr der Tuten auftriu.
§ 58. Wndan-Udinn nls tiott der Fruchtbarkeit Der Wind gilt
als Briiiger der Fruchlbarkcit. »Viel Wind viel Oltst« sagt eine alte Bauern-
regel, und Äuhnc Wind verscheinet das Kurn-. Mit dieser alten Auffassung
hangt es zusuninicn, dass der Wiudgotl Fruchtbarkeit bringe. Das Vo\k im
Aargaü freut sich, wenn das Guelishccr schon singt, denn dann giebt's ein
fruchtbares Jahr (Rttchhulz 1. 91). Ist aber das Getreide gehauen, darm
will man sich auch dciu Gottc dankbar erweisen. Fast überall in germani-
schen Gauen lasst man auf dem Felde nuch Ährenbüschcl stehen. Diese
mügu« in tiiuijintu Gaut-n dem W'tdan als Wind- und Feldgolte gegolten
haben. Der XorddeutsLhe Isssl die letzten Halme »dem IfWm für sein
Pferd»; ebeusu lüssl der Schwede für üdens Pferde die letzten Halme; in
Mecklenburg rief man tlahcr: •' Woiii, Wofie, hak äinem Rosse im fader*.
Oft wird dieses llaSmbüschcl mit Bhimen geschsnückt. (^anz ähnliche Ge-
brauche finden wir hi DcuLschlajid überall. Mancherlei, wie die Bezeichnung
Vergodtndii für das Erntefest (Kuhn, Milrkische Sagen S. 337 f.) oder das U'odel-
bjcr'xTi manchen Gegenden Norddeutscidands hat man Trüher ebenfalls als Reste
alten Wötlankultcs angeschen, doch lässt neuere Fiirschung diese Zeugnisse mit
vollem Rechte nicht gellen (Ktii-i]!]), Zsch. f. Voifcsk. Hl. 41 Ef.; Am Urcjuell VI.
4yff.). Nach dem farüischen Lokkaliittur besitzt ferner Udinn die Kraft, ein
Getreidefeld hi einer Nacht wachsen zu lassen (Hamraersh. Fser. Kv. 1. S. 140).
Daher baten die Nurdlander Odin im Mitwinteropfer tun guten Jahreiienrag
und uin Gedcüicn der Saal (Hcimskr. i)l- Als einst bei den Schweden Rliäwadis
eingetreten war> verl>rannten sie ihren Künig I.Jlaf treleigja und weihten ihn
Odin (Hciniskr, S. Ji7). So zeigt sich diese Eiilwicklungsstufi- des WT^lau-
kulles bei vielen Genmuicnilänunen als eine in] Volke wohlbekannte, die
vielleicht si> alt ist. i*-ie der Ackerbau bei den Germanen überhaupt.
§59. Wudan-Üdinn als Krjegsgott. Bei den ältesten nordischen
Skalden finden wir das weit verbreitete und in allen Gegenden bekannte Bild,
die Schlacht als ila.s Wtitter, den Hagel, den Regen, den Stunn, das Tliing
Odins zu bezeichnen, wie auch als Sdiwertregen^ S^jeerwetter, Lanzensiunn
udgl. In diesen dicliterischen Bezeichnungen zeigt es sich noch klar, wie
die Auffassung von Odin als Schlachtung» iti aufs engste mit seiner ur>iprtlng-
hchcn Windnatur zusanuneiihüngt: der Sturm in der Luft war den iKTdischcu
Dichtem ein Bild des Kampfes auf der Erde, und wie der Windgutt jenen
leitete, so nahm er natürlich auch an diesem teil. Wodan td est /uior, sagt
Adam von Bremen (Ltb. IV. Ka}]. 26). bcUn gerit komintquc mitmiral viriuUm
conlni inimieos. Auch in dieser Stelle scheint der ganze Mythus in seiner vollen
Entwicklung klar vor Augen zu hegen. Der im Stumie daherbrausende Gutt
muss natürlich in erster Linie selbst Krieger seitL Im Waffensch mucke
prangte er daher im Tempel zu U]jsala. Sadpunt annaltim statt nostri
Marltm, sagt derM:lbe Adam von Bremen; annipotens nennt ihn Sa.\n und
sagt vun ilim, da.ss er •tisu hellorum aiilere*. Auch die nurdischen Lieder
wissen ilm mit trefflichen Waffen au.sgcrüslel (i'ü/w^p/u^t Grim. 19), und Snorri
nennt ihn einen machtigen Heermann, der in jedem Kampfe den Sieg davuQ
trage (Jleimskr. 5). Im Zankgcsprach mit niur (den Härbl.) rül)mt er sich
seiner Kriegslliaten, nennt »Kainpflield« ^<cinen Gesellen, wie er auch dem.]
Sigurfl gegenüber seiner Kampfe gedenkt. Als Führer der Scluiren im Kii^e
heiüst er Hecn-ater oder der Heerfrohe [Uerfaäir, Herjan, Htriciir udgi).
Nach spaterem Mythus geht Überhaupt auf ihn der erste Krieg zurtitk: als
die Riesen die unheilsliflende üullveig zu den Aseji geschickt hatten, da
WÖDAN-OOisx Ali Acker- und Kriegsgott.
339
schteutlerte tjainn den Speer, und hierdurch war der Anfang aller Kampfe
gemacht (Vsp. 21 f.). Und »ie er den Krieg in die Welt gcbnicht hat, so
regt er ihn immer und immer weder an: er erregt Streit unter Vcru-andtcn
(Helg. Hund. II. 33) und verbietet diesen (Fas. I, 145); er spornt Harald
Hildil^nn an zur Schlacht, in der dieser fallt (Saxo I. 363); er nimmt im
Kampfe seihst ("artci wie die homerischen GV^tter (Herv. Bugge 283*. 284*). So
ist er der oberste Leiter aller kriegerischen Unternehmungen. Als der gewal-
tigste aller Krieger mus.s er natnriich auch den Sieg in .seinen HSndcn Imbcn,
wie er auch die Seinen mit siegbringendeu Waffen ausrüstet (Hyndl. 23).
So heisst er Sigfaäir oder Sig^u/r u. ahnl. Kr herracht über den Sieg der
Männer (Ftb. I. 388). leiht dem Dag seinen Speer (Helg. Hund. U. 27 f.), be-
straft Brynliiltl, weil .sie gegen seinen Willen den Sieg verliehen hat (Helr.
8 f.). Vun Loki wird dem Gotte u. a. vorgeworfen, dass er ungerecht den
Sieg gespendet habe (Loks. 22). Sigtün hcisat im Hinblick auf die.se Tha-
dgkeit Odins Burg (SnE. H. 253). Daher opfern ihm die Fürsten und bitten
ihn um Sieg: Haralds Vater Hälfdan opferte ihm, wahrend der S<jlin dem
Thor i.pferte (Ftns. X. 178); Eirikr weiht sich ihm selbst (Fms. V. 250);
Haraldr Hildit^nn verspricht ihm alle Gefallenen, wenn er den Sieg über König
Hring «bvuntrage (Fas. L 380); Einarr Orkneyjajarl lasst HAlfdan hälegg
eduen Adler auf den Rücken einritzen, alle Rippen zerbrechen und die Lungen
herau&zielien und weiht ihn so dem Odin fflr den Sieg (Orkn. S. c, 8).
Hierdurch wird Odinn al>cr namentlich der Gott der Krieger, vor allem der
Fürsten, die von ihm ihre Herkunft ableiten, was er im Harbardslied sdbst von
sich sagt, wie es in der Gautrekssaga von ihm hei.sst, dass er nichts mit Knechten
zu lliun haben wolle (Fas. HI, 8). Es liegt nahe, gerade diese im Norden so
au^cprügte Thattgkeit Odins dem Dichterwirken in der Umgebung Haralds
und seiner Nachfolger zuzuschreiben. Ihre volle Enlfaltung mag sie hier
wohl auch erreicht tmben, allein die Wurzel geh(">rt cntschic-den den südger-
manischen Ländern an. Schon Paulus Diaconus kennt WTtdan als Siegesgott,
wenn er erzählt, dass die Wandalen Wodan um Sieg Über die Winiler ge-
beten liattcn, und dass dieser den Sieg demjenigen Volke versprochen hatte,
welches er nach Sonnenaufgang; am fnigenden IWorgen zueret sflhe (Hist
Lang. I. 8). Ebenso setzen die Stammtafeln der iingelsachsischen Könige,
die fast alle von WrKlan ausgehen, eine Verehrung dieses Gottes als
Kriegs- und Siegesgoltes voraus, wie auch in /Edelveards Chronik geradezu
gesagt wird, dass man Wödan •vic/on'ai eatisa sirt virfu/is* geopfert habe
(Kemble, Die Sachsen I. sjb). Diese W<tdnnsvcrchi'ung mQ.sscn Sachsen und
Langobarden mit aus ihrer niederdeutschen Heimat gebruclit haben, da bei
beiden die Mythen hier einsetzen. Dadurch steht für die Zeit der Völker-
wanderung in diesen Gegenden eine Wotlansverehrung fest, die ganz
der Verehnmg Odins an den nordischen Königshöfen entspricht. Allein
diese Verehrung lassl sich bis zur Tacitetschen Zeit hinauf verfolgen: wenn
nach der Römer Berirht in Niprdwestdeutschland dem Mercurius als dem
höchsten Gotte Menschcncipfer gcbmcht worden sind (Germ. 9), so setzt dies
eine Verehrung desselben als Kriegsgotles vnraus, Seit wann aber dieser Gott
in jenem Teile Gennanicns diese Rolle gespielt tial, lasst sicli nicht ent-
scheiden, dixb mOgen die letzten Jahrhundertc vor oder die ersten i>ßch dem
Beginn unserer Zeitrechnung dem rechten Zeitpunkt nicht fem liegen.
§ 60. Valh^IL Valh^tl ist von Haas aus nichts anderes als das Toten-
reich, sie deckt sich mit dem Reiche der Hd oder dem Nnbishaus altdeut-
M:her Quellen. Dieses Totenreich trat in engste Beziehung zu dem zum
Totcngotte gewordenen Windgotie, dieser wurde Herr von Valh9ll. Als dann
22*
340 ^I- MVTHOLIIGIB.
in der Wikingerzeit der Krieger sein Leben nach dem Tode in {Ihnlicher
WcUc wie auf Erden finUt-Ucii wolUc, da wurde Valh^Il zu einem licrrlkiien
Kricgeqiara(5ie.se, in dem gt-kampft und gezecht wurde, in dem Kanipijung-
frauen den Becher und das Hom reichten. In dem LJdinn das Rexinieni führte,
zu dem allein der in der Schlacht gefallene Kämpe gelangen konnte. Ob wir
ausserhalb des skandinavischen Nonlcns Ähnliche Vorstellungen von einem
WödaiisreicliL- nach dem Tode gehabt haben. lAsst sich nicht erweisen, dtxli
nuichen es die vielen Sagen von den bergentrüekten Kaisern, die im Grunde
auf denselben Vurstellungskreis zurtickgehen. wahrscheinlich. Autli im Norden
ist diese Yurslcllung nur einseitig weitergebildet, wir finden sie nur bei den
Skalden, nicht aber im eigentlichen Volksglauben. Hier scheint Valli9ll
nichts anderes als das Totenreich geblieben zu sein, in das alle gelangen,
ganz .Ihnhch der Behausung der Hei. Neben diesem treffen wir die herrhch
ausg'.-slattetc Valhf,ill, die uns die Grimnismäl vor allem vi,.r Augen fuhren. Ais
herrliche Burg schildert sie der Dichter, in der Odimi mit den im Kampf
gefallenen Recken lebt, die am Tage kämpfen, des Abends aber zechen.
Ein Teil dieser Burg mag Vingölf gewesen sein, das wir nur aus Snorris Edda
kennen (AM. Ausg. II. 2bo, 263). Uiul auch diese Quelle tt-iderspricht sich an
den beiden Stellen, wo wir den Namen finden, indem sie da^ cinemal den Saal
als .Rufend laltsgrt der Guttinuen, das anderemal als Tu«mu;lpLitz tlcr Ein-
lierjer auffasst. So kommt es, dass man Vingolf bald als Weinhalle (PBB.
XIV. 369 ff.), bald als das freundliche, hiihsche Haus ^Ark. f. n. fil. VII. 280 ff.)
oder gar als die »Halle der Liebenden, w<j diu SchlUljungfrau den un.sterb-
lichcn Volkshelden beglückti (ZfdA. XXXVL 32 ff.), gedcuiei hat Trotz der
Einwandt-, die dagegen vorgebracht sind, ist Braunes Deutung als »Weinhalle*
im Hinblick auf Vinheimr des Einar Skälaglaram (Vaün^ll, Heiinskr. Ausg.
K Ji'in.ison S. 250) die einleuchtendste. — Jene Burg hegt in Gladiuim,
»der Welt der Freude« (Grim. 8). Ihr Dach ist mit Gold bedeckt, d;dier
heisst sie die GoldglOnzendc. Ein Wulf hangt am westlichen Thore, darüber
schwebt ein Adler, das Wappcn.scliüd des Herrn, der ja selbst den Namen
(^m d. h. ^Adler' führt. Das Innere ist luicli echter Kriegc-i^weise aus-
geschmückt: Speere und Sdiilde hangen an den Wanden, Brünnen bedecken
die Bänke (Grim. 9. xo). Sie besteht aus vielen Hallen, tmd durch mehrere
hundert Thüren gehen die Einhcrjcr aus und ein. Nach aussen Ist sie diirch
das Thur Vaigrind und cUm Fluss Valgüium alige-schli».sseji. Auf den» Dache
der Burg weidet die Ziege Ihiäni», aus deren Eutern den Einherjcni der
Met zuströmt. Sie frisst vom Baume Larüä, der sich vor der huhen Halle
erhebt. MisverstJindnis hat ihr den Wtilkenhirsch Eikpyrnir zugesellt, dessen
Geweihe der Regen cnlstiümt {Grim. i%ii.). Hier diront Ödinn wie ein
König, ihm zu Füssen seine hciilen Wiilfe Geri und Freki, auf den Schultern
seine Raben Hu^inn und Muninn, die iliin alltäglich schon vor Frülistück
Kunde von dem bringen, was sich auf der Weh zugetragen haL Wir sehen
hierin schon die volle Weiterbildung des Toten- zum Himraelsgutte- Natürlich
ist er in erster Linie von den andern GcJttern und Gotünncn umgeben. Da-
neben aber weilen bei ihm die einherjar, d. s. ausgezeichnete Kampfer, denn
mit der Ausbildung der Valh^ll als Kriegerparadies war zugleich Liie Ausidit
entstanden, dass man nur durch Seh lach tentixl den Hintritt in Valh9ll erwerben
küimc. Unzahlig sind die Schalen derEinhcrjer, die tagtäglich aus den j^oThoreu
auszichcti, um sidi am Kampfe zu erfreuen. Zuiückgekehrt harrt ihrer treff-
liche Kost und guter Trank: Audhrimnir, der Koch, führt der Dichter der
Grimnismäl aus, hat im Kessel Eldhrimutr den allabendUcli sich verjüngenden
Eber SaJirimnir gebraten, dessen Fleisch die Kämpfer genie&sen nie Odins
VALHpt-t.
34«
Wolfe, wahrend C>dmn nur vcm Weine lebt. ValkjTcn kredenzen den Helden
das Hom wie beim krmiglirhen Jiilfcste. Sic sendet auch Ödinn aus. die
Helden, namentlich Könige, in seine Genossenschaft zu entbieten (Häkonann.
I), wahrend alle Sagenhclden wie Sigmundr und Sinfj^tU (Eiriksm.) cxler
Hennödr sie in Einpfanc nehmen. Ihr Weg geht durch die lalgnttd, das
Totenihor, das in AnlelinuHg an die Hei- 'xlcr Ntigrim/. das HellhLT. ent-
standen ist: es sthliesst sicli, sobald der Tote im Bereich der Burg ist
Es ist frülier <laranf hingewiesen worden, »ie die Valkj'ren, von Haus aus
selbstandijte mythische Wesen, durch die Erhebung Wodan-Ödins zum Tolen-
und Sf htachtengott mit diesem in engsten Zusnmmeniiang gekommen sind. Sie
erscheinen als drösir. mcyjar, »{mrnir Odins oder Hexans. Als solclte führen
sie des Gottes Befehle aus. An seiner Stelle stehen sie seinen Schfllzlingen
bei tmd verhelfen Ihnen zum Siege. So entsandte Ödinn einst die .Sigftlrifa,
dass sie dem alten Hjalnigumiar <1cj» Sieg bringe. Allein diese stand seinem
Gegner, dem jungen Agnar, l>ei und fällte jenen. Zur Strafe stach sie Odinn
mit dem Schlafdom und sliess sie aus dem geweihten Verbände der V'al-
.kvren, indem er bestimmte, dass sie sich verheiraten solle (Sigrdr. 3). Sind
'so die Valkyren als Schlachtenjungfrauen in das engste VerliJlltnis zu Odin ge-
treten, so werden sie auch seine steten Begleiterinnen. Als ödinn zum I^ichen-
brande seines Sithnes Baldr ritt, wurde er von seinen Raben und den Val-
kyröi begleitet, wie Ulfr Uggason in Öläfs neuer Halle sah (SnE. I. 238).
Vor altem aber sollen sie die gefallenen Helden nach Valhi^ll führen. »G^n-
dul und Sk^gu! sandle GauUilyr (d. i. Udinn). die K<\nigc 7u kiesen, wer von
Ynp\Ts Gcsclilccht zu fidin k'unmcn und in Valhyll sein solle«, so beginn! das
Loblied Eyvinrts auf den gefallenen lläkon (aus dem ro. Jahrh. vgl. Cami.
oorr. 16). In dieser Thfltigkcit finden wir die Valk}Ten beiden spateren Skalden
ziemtlcli oft. Und haben sie die gefallenen Helden nach Valh^l! gebracht,
dann reichen sie ihnen hier am AlK-nd bei frohem Zechgelage das Mcthom.
So war das nordische Kriegeq^aradies durch Dichterphantasie prächtig
' ttitsgeschroackt und wohl geeignet, die Lust zum Kampfe, aus der es selbst
hervorgegangen war, zu mehren und zu wecken. Und deshalb finden T^ir
diese Dichtung namentlich am Kr)nigshofc, bei den Jarlen und imler den
Kriegern. Hier war es ja auch vor allem, wo man C)din als Kriegs- und
^Sicgesgott verehrte, wo ihm zum Preise die Skalden sangen, wo man sich
Vach seinen Behausungen scliutc. »Ödinn hat die Jarle (d. i. die Fürsten),
Thor die Knechte!« lasst der Dichter der Harbardsljöd Odin se!l>st als ver-
kappten Fergen ausrufen, und Saxo hebt hervor, dass die nordischen Kfinige
vor allen diesen Gott verehrt hätten (L 42). Als Schätzung der Fürsten er-
rKheint er dann auch In den nordischen Sagas ziemlich c>ft .-Vn den Königs-
^köfcn werden ihm Opfer gebracht und Feste gefeiert. Hier gilt ihm der ersle
Trunk aus dem Home als dem. der Sieg und Macht gewahrt Durch seine
Kaben veikQndet dann der Gott, dass er das Opfer gnädig aufgenonunen
ibe (Hdmskr. 145).
Mag mm die Od ins Verehrung nach dieser Seite hin an den nordischen
KOnigshOfen auch ihre lir,chslc Entfaltung erlangt haben, so ist es doch nicht
wahtscheinllch, rlass sie hier ihre Wurzel hat Wenn nach ags. Sage Hengürt
und Horsa unter .seiner Leitung nach der neuen Heimal gefülirt werden,
Wenn angelsächsische wie nordiB<'he Fürsten ihre Abkunft von ihm ableiten,
sn spricht alles dafür, dass auch die Wurzeln dieser Wi>dansmythcn au$
Xordileutschland nach dem skandinavischen Norden gekommen sind.
§ 61. <idinn als Gott der Weisheit und Dichtkunst In den nor-
Qucllen erscheint Ödimi ferner als Vertretet alles höheren geistigen
342
XI. ÄhTHOLOGIE.
Lebens. Eine Ffllle von Wissen stand ihm zu Gebote, das er ziim Nutzen der
Äsen verwandte oder seinen Verehrern spendete oder vielkimdifien Riesen
und Fürsten gegenüber au den Tag legte, wie dem Riesen VafprüAiir (Vafpr.)
oder dem König Hcirtrck (Herv. S. 235 ff.) oder dem jungen Krinigs.'fohne
Agnar, den er alle niüglichcn mythischen Dinge lehrt (Grim.). Nament-
lich zeigt er sich als Herr der übernatürlichen Kräfte; er lehrte Zauber und
Bannkraft und war Finder der Runen, die dieses bergen. Beim Zauber aber
gebrauchte der Gennaue die rhythmisclic Zaubcrfurniul, und so finden wir
(Jdin aucii als Hcrni der Dichtkunst, und die Dichter verehrten iim als den
Hüter des Dichtermets und als ihren Schutzpalron, von dem sie die Kraft
der Dichtung erhalten hatten.
Mehrere nordische Mythen berichten uns, wie der Gott in den Besitz der
Fülle solcher Weisheit gelangt isL Eibischen Wesen vcrtlankt er nach der
einen dieselbe, dem Zwerge pjö^rerir (Hav. i(xi), dem bejahrten Rlilnnlein
im Hügel der Erde (Härb. 44), nach anderer aber dem vielkundigen Jlirair,
dem alten Elbi-n gerraanischcn Volksgeistcs, der im Sleinhügel wohnt wie im
Wolkenberge «der Meere, der die Kunst des Schmiedens lehn und selbst
vürtreffliche Schwerter schmiedet, der am Wellenbaume den Weltgeist be-
wacht und vnn diesem dem zum Himmelsgott gewordenen Odin spendet.
Wie Odinn der Welt das Leben gicbt, so gewährt Miinir durch ihn Geist
und Verstand. Beide sind einen unzertrennlichen Bund eingegangen. Schon
die ältesten Skalden nennen Odin Mimirs Freund. Der Urquell aller Weis-
heit und alles Wissens sind aber den alten Germanen die Gewisser, nament-
lich die himmlischen. Ihrer aller Herr ist Mimir, imd so erklart sich der
schöne Mythus, dass Udiim tagtäglich zu diesem Wesen gehe, um neue
Weisheit vim ihm zu erlangen, wie er aber ilafür sein Auge, d. i. die Sonne,
ziun Pfände einsetze: die im Meer otlcr hinter den Wolken verschwindende
Sonne mag den Mythus haben entstehen lassen. Vgl. § 44 (Uhland, Sehr.
VI. 197 ff. DAK. V. CK) ff.). Ganz ähnlich ist der Mythus, dass ehist die
Äsen den Hoenir zu den Vjuicn als Geisel geschickt, diesem aber den Mimir
beigesellt hatten, damit er ihm in allem mit Kat und That zur Seite stehe
(Hcimskr. 5 f.). Hier wie durl haben wir das schöne Bild, dass alles höhere
Leben erst dann entsteht, wenn sich mit der Sonne als dem Atigc des
Himmelsgottes das Weisheit und Zukunft ber^gcndc Nass verbindet.
In den gleichen Vorstellungskreis gehört auch der Mythus von Odin
und Saga, der allkundigen Seherin. In SfiJh-nJ'eH. d. h. ;«Sinkebach*, wo
kühle Wogeu rauschen, trinken beide Götter tagtäglich (roh aus goldencu
Schalen (Grim. 7). Hier erhielt der Gott Kunde von vergangener Zeit und
von der Zukunft, Kunde, von der er im Riltselslrctt mit dem Riesen Vaf-
t)rüdnir oder dem König Heidrek Gebrauch macht —
Einst kommt der Skalde Egill zu einem Bonden, dessen Tochter schwer krank
damiedcrliegt Er erfährt, dass man Runenzauber angewendet habe, dass das
Madchen aber kranker geword^-n sei. Sofort untersucht er das Lager und
&idet, dass die in einen Fistihkiemen eingegrabenen Runen falsch seien; er
schabt sie ab, grflbt neue ein und nach kurzer Zeit ist ilas Mridchen wieder
hergestellL Dieser Runenzauber zur Beseitigung von Krankheit war im heid-
nischen Norden allgemein; auch ihn schrieb man, wie alle Runen xveiaheit,
üdin zu. In den Hävaniäl Iftsst der Dichter den Gott selbst erzAlilen, wie
er in den Besitz dieser Weisheit gelangt ist:
Ich weiss, dass icli hing an windigcin Baonie,
Neun canec Nilchlc,
Mit il«n Sj»«rTv vctwuntict, dem l'din geweiht.
Ich sclltst nirr ».-llist,
Xicht reichte man nrir Speise nixh Trank,
Forficbftiu] spiihlc kh nii-der,
Ich nahm beritur ilic Runen, laut whreiend,
I>ann fiel ich herab vom Baume.
I>a bcfpuin ich zu ctdcibcn und weis« zu Mtti
Und Ml wachsen und mich wohl rn befinden;
Wort mir vom Worte das Wort sucbic
Werk mli vorn Werke du Werk.
So kam ÖSinn in früher Jxigend zn den Runen. Christlirhen Einfluss,
d. h. den am Kreuze liaagenden Chrihlus, in diesem Mythus zu finden, wie
Bugge will (Stud. I. 317), ist nicht nötig. War Üdinn im Besitze der Runen-
re^eit, so musste die Frage ki>mmcn: wie hat er diese erlangt? Sie ver-
ilasste einen Dil hier zu dem MytliiLs: in früher Jugend hing der Wind-
et im Wcitciihaum. bis er in den Besitz der Runen Weisheit dAnionisrher
Gewalten kam (vgl. Kauffmiinn. PEB, XV. 105 ff., Eirikr Majjnü?..son, Odins
Horsc i/ff.). Durch diese aber wurde er zum Herrn aller geheimen Kräfte,
vor altem zum Antlc, der durch die Beschwörungsformel die Krankheit be-
seitigt So zeigt er sich im Merstburger Sprudie. wo er das gelähmte Rtwa
hcüL Nach Saxn ersrheint er di?m krarken Sivard und verspricht ihn zu
heilen, wenn er ihm alle, die er fallen werde, weilic (I. 44O). Dalier ver-
danken die Menschen Odin die Heilkunst (Fas. HI. 237). J^'ifi heisst »Ge-
heimnis, geheimes Lied, geheimes Zeichen«, imd dieser geheimen Zeichen
bediente man sich, um Unangenehmes zu bannen. Erwünschtes herbeizu-
mfeiL Wahrend thescr Brauch tier Runen nur bei den Nordgermanen be-
legt ist, crfahrt-n wir von fast allen germanis» lien Stammen, dass num sich
bestimmter Zeichen hedienie. um die Zukunft zu erfahren. Hier bedurfte
des VerstiUidnisses der Zeichen, dort der Kenntnis, die glftck- oder un-
Jückwirkenden anzuwenden und zu ordnen, damit durch sie ein Geist oder
HC Gottheit beschworen werde und wirke. Dieser Gebrauch mit Zeichen vcr-
icner Stäbchen bei \Veissagungc*ii muss bei den Germanen umlt sein, denn
lie ältesten Schriftsteller, ihe über germanische Dinge schreiben, erw.ihnen ihn.
Die Zeichen selbst kennen mit denen nicht übercinstimraen. die wir heute unter
dem Namen Runen kernen und in denen wir eine grosse Reihe von In-
schriften besitzen. Diese Sclmftrunen sind erst in den ersten Jahrhunderten
tmserer Zeitrechnung dem spatlateinLsehen Alphabete nachgebildet, %>-flhrcnd
der Losst.lbe schon TaciliLs (Germ. c. to) Erwähnung thut Doch scheinen
diese mit der Zeit von jenen abgcl<"'Sl wtjrdcn txler wcnlitslens mit ilmcn
verschmolzen zu sein. Unsere hauptsJtchlichsten Quellen der Kenntnis des
Runengebrauchs sind ein Teil der Hävamäl (V. 144 ff.), wo ein l^ulr aus-
luamt. was er alles infolge seiner Runcnwcisheit vermag, und die SigrdrifumAI,
wo die von Sigiird eru-eckte Valkyre Sigrdrifa ihren Liebling die rechte Be-
nutzung dieser gelieimen Zeiclien lehrt (Vgl. Ulilantl Sehr. VL 225 ft
V. Tjlienm-m und MOllonhoff, Zur Runenlehre. Hallo 1H52). Allein Ödinn
hat ntctit nur die Runen erfunden, sondern ei lehrt tue auch die Menschen.
Nattirlich hat er sie auih selbst gebraucht wie die Menschen. Er sprach
Ober Mirairs Haupt den Zauber, rlass es nicht in Fäulnis Obergehe (Heimskr.ö),
er sang den Totenzauber, um die Vylva aus dem Grabe hcn*orzubringen
(Vegt 4), er singt den Liebeszauber, um Frauen ihren Männern abspenstig
344
XI. Mytholimiie.
zu rnarhcn (Ilärb. 20}. er schlagt die Rinda nüt der mit Runen versehenen
Zauberrulc, als sie ihm nicht zu Willen sein wül, sodass sie wahnsinnig wird
(Saxo I. 126). Daher führt OdJnn den Namen ^idrsfat^r »Vater des Zaubers«;
er wird »vielkundig« g:enamit iFms. II. i.}8. Hciinskr. 6") und besitzt alle
Künste, die man suiLst bei <len zaubcrk und igen Finnen suchte (Fritzner, Norsk
HisL Tid^kr. IV. 197 f.). Puriebcn erschehii er auch 2\s, forspiir »einer der
die Zukunft voraussieht' iHcimskr. 6). Saxo nennt ihn Uggents vatcs (I.
238), und nach demselben Schriftsteller besass sein Günstling Harald Hilde-
tand Ottlins Pru[)hetcDgiibc |I. ,l6l). Nuch in L. Pelri Sv. Krön, hcisst er nach
der sc}iwedi.sdieu Viilkssage der 'tandskumn^ runokarkn oeh afgudat, Rtke Otltn*.
(Lundgr. jq). Ganz Jihiilich wie die Nttrdlilndcr haben auch die Angctsaelisen.
ihren Wi'idan von dieser Seite gekannt: er galt ihnen als Finder der Buch-
staben und als Gott aller List, oder i*ie der christliche Schriftsteller sich aus-
drückt, aller Diebereien und Bclrtlgereien (Kemble, Die Sachsen I. J78).
Zu der Beschwünni^, zu dem Zauber gehört die BesrhwOningiformel und
das Zauberzeichen. Jene aber war bei den Germanen wie bei fast alleo
Naturvölkern in rhythmisrher Form. Wu Zauber ist, ist auch Poesie. Wer
daher jenen beherrscht, muss auch in der Dichtkunst zu Hause sein.
wer jene spendet, spendet auch diese, wer jene fiuiil, Ul auch der Urquell
dieser. Und <,K^ finden wir Udin als Vater der Dichtkunst, diese als seine
Gabe, den Dichter als SptJider seines Trankes. Der Verfasser der Heims-
kringla (3. 8) geht sogar soweit, dass er von OiCtin sag:t. er habe alles in
htndittgarA, i. in Keimen gesprochen. Mag er von Haus aus auch nur der Gc^lt
der poetischen Zauberfonnel, der Ijöd oder de* gaUr, gewesen sein, so M'iudc
er doch auch mit der Zeil der Herr der hnita, des erz^lhlenden Liedes, da
er als Nornagestr und in anderen Gestalten seine Weisheit aus alten Zeiten
und voll früheren Gt.->chlechteni an den Tag legt — Ein eigcntOmlicher,
zweifellos junger und rein nttrdischer Mythus, dtr in seiner jüngsten Gestalt
nichts besi Inders Anziehendes hat, lüsst erst spater Odin zum Herrn des Dichter-
nietes werden. Von Haus aus ist der Dichtcrmel im Besitze der Riesen. In
der Weisheit des Vaffini'anir zeigt sich .soine Wirkung. In Suttungs Salen
befindet er sich. Hierher ki;inmt einst Üdinn als Bt^herkr -Cbelthater«, ab
des Riesen Tuchtcr Gunul^xt den Trank bewacht. Durch Worte weiss er
ihre Zuneigung zu gewinnen, erhalt von ihr auf goidnem Sessel von dem
herrlichen Tranke und bringt dann diesen, den ÖAvcrir, »dai zur Dichtung
treibenden^, nach den Wohnungen der GVUter, zu dejien die Riesen am
andern Tag koimnen und fragen, ob zu ihnen ein Bt^lverkr gekommen
sei (Häv. 103 ff.). Spätere Dichtung hat diesen Mythus teilweise umgestaltet
und er^veitert. Damach wird die Hntstebung des Metes in die Zeit des
Fricdenssclilusscs zwischai ^Vscn und Vanen gesetzt. Beide Teile spuckten
in ein GefJlss. Alis dem Speichel aber schuf in;iii das wcLseste aller Cesdiüpfc,
den Kviisir. den die Äsen von den Vanen iUs (jeisel erhielten. Dieser wird
von den Zwi-rgen Fjalar und ihihr getötet, sein Blut mit Honig gemischt und
dieser so enlstandene Älel in den Ku&scl Odra-rir und die Krüge Siiti und Boitn
gebracht. Hiemach verdankt alsij der Dichlcnnct den .'Zwergen seine Entstehung,
elbtschen Wesen, die von Haus aus die höheren gei^^igen Güter besitzen.
Von diesen Zwergen kuuiint der Met als Sülme in die Hände Suttungs,
dessrn Vater Gillingr von jenen auf dem Meere ertrankt worden i.st. Sutiinigr
ÜbergieUi den Trank der Hut seiner Tochter Gunnlyd, die ihn in festem Berge
bewacht Eiast kommt Odinn unter dem. Namen B«^Ivcrk zum Riesen Baugi, dessea
Knechte sich gegenseitig erschlugen halx>n. Kr bietet ihm seinen Dienst an,
der der Arbeit von neun M^uieni gleich kommen solle. Als Lohn verlangt
Odixn aus Gnrr dek Wkisheit und Herr hrs Dichtermittes. 545
^
^
er einen Trunk vom Suttungsmete. Baugi f;eht auf diesen Vurschlaf; ein. Nach
vollbraclitcr Arbeit wird der Berg, in dem Gunnlvd Jen Met hütet, durclilnihrt,
0<]inn sihlüpfl inSrhlangengast;ilt diircli das L»K:h und wird vonGvinnl^d gastlich
aufjKetUknimui. Drei NSehte üchlUft er in ihren Armen; in jeder Xacht
selilürft er eincK der Gcfassc aus. Dann fliegt er in Adlcrsgestaät nach As-
gurd zurück, aber Suttungr, ebenfalls in Adlergestalt, ist dicht Iiintcr üim.
AU jenen die Ascn k« »mnicn acheri, setzen Me ein Gcfäss hin. in das Odinn den
Met speit: das ist der Trank, den der Gott den guten Dichtem spendet
Etwas aber fahrt ihm lüjiteu heraus, tmd das erhalten die schlechten Dichter
(SnE. II. 295 "■)■
£a darf wuhl als sicher angenommen werden, da&s diese Mvllien, sowie
die g;inxc Entwicklung Odins als Gottes der Dichtkunst in der GeKtalt, wie
wir sie vun den Skalden vernehmen, aiL««i»liessIich dem Norden angehurt. Es
ist die nalürliclif WciierbilduiiH der Mydien \x>m Guitc des Runenzaubere.
inn war das Ideal der nordischen Dichter gewurden, und diese bildeten und
Qckten ilir Ideal aus, die einen mehr als ein höheres Wesen, das Aben-
er erlebt und Liebcshaiidcl anknüpft, wie der Dichter, der ihn besingt, bei
den andern aber wurde er zum gebietenden Herrn, zum GoUcrfüislen, der
erhaben über den Men:>dien >li:ht und die Gabe der Dichtkunst nach Gut-
dünken spendet, wem er will. Weder das eine ntxrh das andere lüsst sich
bei einem andern germanLscheii Volke nachweisen. Dagegen kannten ihn
die norddeutschen Stämme bereits als heilenden G(»tt tmd Giitt des Zaubers,
und in dieser Auffassung mag er nach dem Norden gekommen sein.
§ bi. \Vüdun-l>dinn als Himmels- und Sonnengott 2ur Zeit,
Wo der Germane im Kriege das Ideal seines Lebens erblickte, war der alte
llimmelsgott zum Kriegsgoltc geworden. In dieser Gest:ill verehrten ihn in
der frühsten historischen Zeit fast alle germanischen Stämme. In Nurd-
deutschiand dagegen hatte mit der Krliebung tlts alten Windguttes dieser
das Gebiet des früheren HauplgtHics übernommen. Sdion in den ereien
Jalirhunderten lutserer Zeitrechnung muss er dies Machtgebiet eingenommen
haben. Nur von dieser Thatsache ans erklürt es sich, wenn er nach Tacitus
(Gerui. Q) bei diesen Vülkeru von allen Gütteni a:n meisten verehrt worden sein
soll, wenn ihm hier Menschenopfer gebracht worden sind. Die alte Sage vom
Ursprünge des Namens der Langobarden (Paulus Diaconus lib. I. et)) stellt diese
Thatsache ebenfalls über allen Zweifel, denn hier erscheint IlWau oder Gwofian
ab Gemahl der Fun, die als die (beliebte schlechthin von Haus aus wohl des
HimmclsgoltesFrau war, wie MüllecihuffwalirschdnliLh gemacht hat (ZfdA. XXX.
217 ff.). Hier wird femer von ihm erzählt da.ts er alle Morgen im (l)sten
durch ein Fenster die Erde überschaue, ein Bild ties im Osten aufsleigtrnden
TageshimraeJs. Das Fenster, durdi <las er blickt gleicht der nordischen
Hhäifyi// i&VXix\. I. Grim. S. 76), von wo aus (idinn — auch einmal Freyt
(Skim. 1) — die ganze Welt überschaut. In der Uingo bardischen Sage er-
wacht er noch alUügUch mit dem Tagesgrauen, ckis er selbst bringt In dem
nordischen Mythus hat er einen festen Sitz, von wo aus er sein gewaltiges Reich
überblickt und beherrscht. I^a er Miuimel*^i">it ist *""' ist die Sonne sein Ai^e
oder sein Goldheim, dun er aufseut wenn er zum giussen Kampfe gegen die
feindlichen Mrichie reitet, die die Well vernichten werden. Die-selbe ist auch der
Kiti^ Dmufimr »der Tropfer«, wie die anderen Symbole der Götter das Werk
kunstreicher Zwerge^ von dem in jeder neunten Nacht acht gleich schwere
Ringe heruntertropfen (Skim. 2\. Wisticenus, Symbtilik von Sonne und Tag
4u|. Wir fitulen ihn bald im Besitze Odins, bald in dem Freys, bald in
drs. In dieser Thatsache zeigt sich wieder, wie alle drei Gottheiten zusammen-
34'J ^iI• MVTHOUJGIE.
treffen. In Niederdeut»«'hlancl führt ferner der Himmelsftagen den Namen
Wocnsu'if^hffi, auf dc-m nach chrislJichcr Umwandluna; und zugleich mit An-
spielung auf drn alten Scclengtauben die Toten in flas Geisteireich geführt
werden.
Als Himmels- und Sonnengott stieg alsdann OiTinn im Norden zum all-
gewaltigen, machtigen Gott empor, zu dem die anderen Gatter mehr oder
weniifur in eniics Verhältnis traten. Einzuinc Züge mögen dabei durch den
Verkrhr mit Christen Aufnahme gefunden hahen. Kr wurde bei den Skalden
zum Al/aitir (Allvater), zum AUtifuäir, zum Vater der Menschen rxlcr Zeiten,
zum Vtralvr, zum Gotte der MSnner. Die Äsen wurden sein Gechlecht. Was
das menschliche Herz ^■erIangt, wird von ihm erbeten. Dem einen giebt er
Sieg, dem anderen j^ten Fahrwind itdcr Reichtum, dem dritten Verstand oder
Redegnbe (Hj-ndl. 3). So weiss er auch, wo Reichtum verborgen ist (Hclmskr. 8).
Aus dieser Gestalt heraus hat Snurri in seiner Edda seine ganze Herrschaft
in ein System gebraihi. In dieser Marhtfülle greift er auch in die Geschicke
der Menschen ein. Offenbar ist hier alter, nationaler Odiiwglaube in seiner
SfiStesten Entwicklung mit jungem Christenglauben zasammengeflnssen, und
CS halt oft schwer, beide Elemente von einamler zu trennen.
Auf dieser hr»chstcn Stufe der Entwicklung wurde CWinn auch zum Schröpfet
der Welt und Menschheit. Jene acliuf er als Bors S*>hn mit seinen Brikiern
Vili und Ve aus dem Urriesen Ymir. Die Spaltun;; des Schöpfers in die
drei BrQder ist offenbar jung, A-ielleicht skaldisches Machwerk. Gleichwohl
gehört sie noch der heidnischen Zeit an. da wir sie in der Lokasenna (v. 26)
sowie in Pj.'jdiMfs Vnf:lingatal finden, wo OJinn Vilja hrö<tir (Hcimskr. 3. 14)
genannt wird. Vielleicht alter ist der Mythus von d<*r Erschaffung der Men-
schen, die Ödinn mil Homir uinl b'rtur aus Bäumen erschaffen hat. Im
Mythus von der Weltsfhöpfnng ist hierauf zurückioikommen. — War nun auf
diese Weisi" Odinii zum m^lchiigen Himmelsgoii geworden, so miisste ersieh
natQrlii h auch auf doppelte Weise zeigen. Die Natur ist nicht immer die
gleiche, aber der Gott war in jener späten Zeit des Heidentums immer da.
Der Himmetsgotl herrschte, allein er zeigte sich in der Nacht anders als
am Tage, im Winter anders als im Sommer. Und so mag denn neben dem
nordischen Odin eine zweite Gestall entstanden sein, der Mitoihinus des
Saxo, IMIr und L<iki der nordischen Quellen. Aber dieser Götter Ursprung
war bald vei^essen, Namentlich wurde L*.iki ein Liebling der Dichtung, die
bald mit ihm frei schaltete und waltete. Sie reisst ihn ob seiner winterlichen
Seite von dem Asengcschlt-chte los und macht ihn zum Riesen, sie verbindet
ihn mit Thor und lilsst ihn sein Gefithrte sein, sie schreibt ihm alles
Schlechte zu und macht ihn so zu einer Colüicit, die alles Böse über Götter
und Menschen bringt.
Ti'i^ reichhaltigste und crcrflichstc Mono^rnphi« Ober Odin v<>Txluikca wir Ubiand
im ft. Bande seiner SchriftMi (129—426).— AVcni« Wrrt hat MenzeK CWin. (Stu«e.
185s). — ^iru:n hübschen Überblick giebt Wisin. Odeu och Loke (Siockh. 1875).
KAPITFX XI.
LÜKI. — ULLR. — HCENIR.
§ dl. Lokis Name und Verwandtschaft. Sowohl durch seinen Namen
ak auch durch die Mythen, die es v.:in ihm giebt, hat Loki ausschliesslich Uftr-
gerrecht in der nordischen Mvthologie. Er ist eines der schwierigsten mytholo-
gischen Probleme, dereinem entschlüpft, wenn man ihn schon fest zu haben meint.
I
I
wie er Bcll>äi i'inst den Göttern enttwlilflpfte, als sie nach Baldrs Tixle dem in
einen Lachs verwandellen nach Lebt;n und Freiheil trachteten. Wie bei allen
Göltem, liat man auch bei ihm einen physischen Hintergrund gesucht und
bat ihn aufs engste mit dem ähnlich klingenden Logi^ d. i. unserem Lohe,
FcucT, zusammengcbiacht, weil ihm wicderliuh eine dem Feuer almüdic ver-
nichtende Gewalt inncwiihnt, und weil L<>gi in junger CU-rtirfening als
Dämon des Feuers erscbcini. Dazu ^'^"1^^ "'^^ öuch die Doppelnalur
Ix>ki5 aus der Dop[icln».iur des Feuers am besten erklären zu können. Von
anderer Seite (Bujrge, Stud. I. S. 73 ff.) ist das Wort Loki als verkürzte Form
für Liui/er aufgefasst worden, und man hat in dem Gottc oder Dflmon das
nordische Bild des christlichen Teufels wiederfinden wollen. — Gehen wir
von der unbestrittenen Thalsaclie seiner nordischen Heimat aus, su lehrt uns
die Sprache, dass Loki nichts anders als der i.Schliessert bedeuten kann; das
Wort gehört zum Verb. Itiia t>der i/iika = "schücssen, beendigen' ebenst) wie
lok >der Schluss'. Das Wort ist gebildet wie kroii von i/ijöia, skoti von sk/6ta
n. digl. In der Zeit der Besiedlung Islands finden wir diesen Namen als
männlichen Beiuiunen (pjorlj^m loki Is. Sog. L 1.^2).
Diese emzig mrigliihe Ktynmlogte rles Wortes lehrt, dass Li^ki «ner jungen
Periode der Jtythenbildung angehört, einer Zeit, als man abstrakte Begriffe
in den Bereich mythischer Dichtung zog und diese hier weiter bildete. Der
Bedeutung des Wortes nach ist er der Gott, der alles endet, wie üin schon
Uliland deutet (Th<ir S. i<>). und hierin liegt seine Doppelnatur: er ist der
Endiger des Angenehmen wie Unangenehmen und dadurcli der Freund und
Feind der Götter und erscheint in Begieiiung letzterer als das verniditcnde
Element. So ist er im Anfang der Zeilen mit (Jdln Bluts bn\derscliaft ein-
g^angen, so ist er Thors Begleiter auf seinen Fahrten. Er führt das Ende
der angenehmen Jahreszeit herbei, indem er mit den winterlichen Dünionen
zum Veniichtunpskiimpfe gegen die Götter heranzieht; er verhilft aber auch
Thor *i«lcr zu seinem Hammer und macht dadurch dem rauhen Winter
cLu Ende. Loki ist vem-andt und verbündet mit den Riesen, er ist aber auch
ein Freund der Götter und Wachler ihrer Beute. Als Endiger des Tages
lagert er in finsterer oder slenienlicHcr Nacht über den Gefilden und zeugt
hier mit der AngrboÖa d. i. der Srha^lenbotin die Dämonen der finstern Ge-
walten, vor allem die Hei, mit der er sich selbst als ftgtiritnloki deckt.
Wie L<jki selbst, so ist auch seine VenvandtscJiaft zum grossen Teile aus dem
Reiche der Abstraktion genommen. Sein Vater ist Färbauti, »der gefahrlich
Schlagende« (d. i. der Sturmwind, Buggc Studien S. 80), seine Mutter Laufey
►die Laubinset^ oiler Nal, ^die NadeU d. i. der Nadelbaum. Es mag bei der
SchöpfungdieserVerwaiultM-JiaftVennischungalter Naturmythen mit dem jüngeren
Lokimythus stattgefunden liaben, deim hier scheint schon Loki als das vernich-
tende Feuer aufgefasst zu sein, das der Sturm auf bewaldeter Insel vom Himmel
herabbra<^te. Das wSredann ein Parallel mvthus zu dem Mvthus von der Entstc-
btmgdes Lichtes und der Warme auf Goiland (Sieve, Gutniska Urkunder S. 31).
Sein Weib ist die Schadenbutin Angrboifla, jung im Mythus wie ihr Gemahl.
Beider Kinder sind der Mi^gardsormr, das riesische Meerungeheuer, das die
Gfltter um die Erde legten, der Fenrisulfr, das finstere Ungetüm, das die Äsen
anfangs gross zogen, und vor allem die dünkte Hei, die Behcrrschenn des unter-
irdischen Reiches: alle sind Machte der Finsternis, wie ihre Ehem. Dec-h
diese sind z. T. älter als der Vater und sind erst mit der Zelt an Loki geknüpft.
Diese Verknüpfung muss vor dem in. Jahrh. erfolgt sein, da sie in den
Kcaningar von \*y' (X'Ah Gedichten als bekannt vorausgesetzt werden (vgl.
Corp. poeL bor. IL 471). In seinen beiden Brüdern Helblindi und
B<'lei]U erscheint Loki nur in anderer Gestillt: sie liaben sidi frflhzeitig von
ihm abgezweigt. In HtlhlinJi berührt er sich offeiihar mit seiner Tochter
Hei, wie er ja andererseits selbst als Herrscher über das Tutenreieh erscheint.
"Was ßvietptr oder livltiptr (xler Bvkistr sein soll, ist dunkel; sicher steckt
im zweiten Teile des Wnrtes der Blitz. \Vad.stein (Ark. f. n. fil. XI. 77 f.)
hat neuerdings das Wort mit bylr ;-der Stunii' zusammengebracht und deutet
es als bylUiptr »der Sturniblitz-,
Als zweite Gcmalilin Lokis ermahnt die Edda die Sigyn, deren Name für
den Mythus eben.so dunkel ist wie ihr Wesen. Wir wbscn nur, djiss sie aurh
uater die Asinnen gezühti wrd und dass sie ihrem gefesselten Gatten das
Gift nicht ins Gesicht träufeln Ifisst (Vsjx 35). Ihr und Lokis Sohn soll
Narfi (Vngl. Ueimsfcr. Ka]5. xo. SnE, I. 104) sein, der mit VAli aufs
tngste in Vcrbimlung gebracht wird. N:ich einem sonst unbekaimten Mythus
verwandeln die Äsen den V;ili in einen Wolf, und als solcher zerreis.«t er
seinen Bruder Narfi (Vsp. 34. SnE. I, 184). — Schon dieses ganze Ver-
■ttTindLschaftsverhflUnis Lokis zeigt das bunteste Gemisch von Gestalten mit
physischen Hintergrund und subjektiven poetischen Geliilden, denen sich
MisvcrstamJnisse des Verfassers der Sncrra-Edda zugesellt haben mOgen
{PER. XVIII. [1)4 ff.).
Halten wir daran fest, dass Loki seiner Etymologie nach eine diclitcrisch
ausgebildete Abstraktion ist, so muss diese im Verhältnis zu jenen alteren
Natui^esialten das jüngere Erzeugnis des mythensrhaff enden Geistes der
nordischen Dichter sein, der sich dann im luuife der Zeit die alteren Natur-
gcbildc anscld'jssen. als Loki in den Mittelpunkt eines ganzen Mvthenkreises
getreten war. Dieser Anscliiuss erklärt sich aber nur daraus, dass sich Loki
von einem anderen höheren Wesen abgejtweigt hat, dass er von Haus aus
nur die eine Siriie dt-ssclbcn vertrat.
Schtm Weinbolcl iZfd.\. W\. 27), Wislicenus {l»ki 24) u. a. haben richtig
die gi'is.<ic Bedeutung des Gottes erkannt und ihn mit ituten Gründen in
engste Verbindung mit dem mächtigen Himmels^ntte gebracht. Nur kann
er nicht mit diesem identisch sein, sondern muss sich als eine Seile desselt>en
von diesem abgezweigt haben. Aus der Kraft jener Gottheit heraus, die
nicht nur alles nusführoji. sondern auch alles abschli<'ssen konnte, die sich
nicht nur von der angenehmen . sondern auch von der unangenehmen
Seite dtra Menschen zeigte, ist er zur Zeit, wo sich der Dichtergeist mit
der poetischen Abstraktton beschäftigte, entstanden. Von hier aus erklärt
sich vor allem sein Name Loptr, der persönlich aufgefasste Luftkreis, und
I.0durr mag demselben Vors teil ungskr eise entsprossen sein.
Hieraus erklart sich auch tUis enge Verhältnis einerseits zwischen C>din
und Loki. andererseits zwischen Thor und Loki. Obgleich nach splitcren Be-
richten als Spro-ss des Rit'-*iengeschlechts aufgefasst, erscheint er diKh stets
als Ase und nimmt au den Beratungen und den Gelugen der Götter teil Bald
aber halicn die Dichter seine Gestalt weiter ausgebildet, ohne Rücksicht auf den
Boden, dem sie erwachsen ist. I^jki wurde zu dejn Schlauen und Listigen
unter den GOtien», der diese immer in \'erlegenlieit setzte, wie er sie auch
aus derselben zu befreien verstand, das echte Bild eines i'ul, der seiner
LTntgebung gern ein Schnippchen schlagt, der sich aber stets aus der SchEnge
2U ziehen weiss, wenn es ihm an den Kragen gehen soll.
§ (33. Lokis Verhältnis zu Odin und ^ö^: seine Thaten. Als das
alte Heidentum seinem Verfalle entgegeneilte, liess ein Dichter beim Gelage
yEgirs den schmahsüchiigen Loki den Göttern, tue hier versammelt waren,
nicht immer angenehme Stückchen aus ihrem Leben vorhalten. Man kannte
J
,iiK[.
den Zank suchenden Gott und halle ihm deshalb von Haus aus den Zutritt
zur Halle .-Egirs vervclirt. Da trinncri Loki C)din darin, wie sie einst unter
grünem Rasen ^- nach altgermanisclier Weise — das Blut gemischt und sich
»geschwuren hatten, iiictil zu ze«.tien, ucnu nJiht aueU dem andern da^ Bicr
munde (L(iks. 9). So erzu'ingi er den Eintritt, und bald ist der Streii ent-
sponnen^ Die:>en engen Bund zwischen L'»ki und t.idin kennt eine Reihe
anderer Quellen, wie auch mich in dcmscllK-n Liede Frigg die beiden Gi'iUer
im Anfang *ler Zeiten gcineins^im handeln l.'lsst (V. z^). Vm dies \'erhaltnis
zu verslehen, inüs!>en wir uns zu Saxu wenden, dessen Mituthin sich uffen-
• bar mit Lnki deckt. Jener ist fcleber praexitgiis (I. 43I, wie Loki ßrumh^di
ßtxntanna (SnE. I. 104I, jener regiert für tjctin wahrend seiner Abwesenheit,
lässl sicil mit der Frigga in Buhlerci ein und raubt ihr das Halsband, timt
ai.so dasselbe, was I>~iki nach islrmdi>tchen Quellen gethan hat.
IMitotliin*Luki tritt hier als winterlicher Gegeusai/ des somnierlii. hen Hiuimels-
guttcs auf. In dieser Thaiigkcit berührt sich Loki mit Ollerus, der
ebenfalls als Stellvertreter Odm^, ja selbst unter dessen Namen auftritt, dem
gleiche Buhlst haftun uie L<»ki nachgesagt werden, der sich ebenfalls duah
allerici Liat und Kunst hervorgcthan hatte, bis (Jdinn seiner Herrschaft ein
Ende machte iSaso I. ijof.;. Diesen kennen als Uli auch die nor*'egisch-
» inländischen Quellen und «"isscn von üun zu erzählen, dass er ein trefflicher
Jager und Schlittschuhläufer sei (SnE. L I02), also Beschilftigungcn triebe
die uocli beute der Nordländer im Winter liebt und pflegt und die man
audi vüo der wimerlichen .Sk:iä erzahli. Wie Loki ist auch UUr scliön von
Gestall. wie L<iki steht er u\ enger Beziehung zum Feuer (Grim. 43). Beide
stehen auch zu Thor im engsten Verhältnis: von Uli nahm man an, dass
^ft er sein Stiefsohn sei und machte ilm infolgedessen zum Sohne der Sif,
^B Sein Name ist ebenso schwer zu deuten, wie der Mythus dunkel ist, nach
^Bdcni UUr seinen Schild als Fahrzeug gebraucht habe. Möglicher Weise liegt
^■hJer eine Verwechslung vnr. indem nian skUt »Schneeschuh« nicht mehr
^H in seiner uisprOnglicIien Bedeutung, sondern als »Brett, Schild« au^asste.
^1 *£» wäre demnach nicht der Schild, sondern der Schneeschuh Ulis Fahrzeug
■ <Much, PBR XX. 35 f.).
^1 Ferner fnulen viir Loki als treuen Genttssen Odins bei einer Reihe Unter*
^■Ttchmungen. F-s Lst wiederholt darauf hingewiesen worden, wie sicli in der
^P germanischen und be-onders in der nordischen Mytholi.igie das Streben zeigt,
(he iinprüngUche Einheit dreifach zu sjialten; die Wurzel der Weltcsche erscheint
spater dreifach, der einfache Brunnen ebensc», an Stelle der einen Nome treten
drei auf, selbst nodi in der Gylfugiiuüng erscheint Odinn als Här, Jafnhär
»imd Priai, wie neben ihm Vili und Ve schon in alten Liedern auf-
treten. Ähnlich ist das Verludtnis bei der Schöpfung der Menschen auf-
xufaascn, wo an Stelle von Odin, Vili und Ve nach der Vsp. (lü) C»dinn,
HoBOir und Lr^durr treten. Dass sich liier L>'>dLirr mit Ix>ki deckt, der »^nst
stets nehen Odin mid Ha:nir ersdicint, ist zweifellos. Wiederholt wird üdinn
von den Skalden vinr Lädtirs genannt (Häleygjat Str. 10; Ul. dräpa
Str. 1), wie er in iüinlicher Bindung auch vhtr Lopu heisst, wo unter Lopt
[Luki zu verstehen ist (L«tkas. 6. ly; Hyndl. 41; SuE. L 2<)0, 310 u. oft.).
|I>agegen ist Saxc« Loihena (I. 23) schwerlich mit dem islandischen L^idur
, jEusammcnzubringfcii (A. Olrik, Sakses Oldliist. IL 140 f.; Sievers, Sitzungsber.
Kgl. Sachs. Gesellsch. der Wi!isens<-haften 1895. S. 176 ff.). — Nach
iem Mythus von der Schöpfung der Menschen verdanken diese dem Loki
rlichkcit, Gebärde und fristbcs, gesundes Aussehen, Eigenschaften, die
Her an dem Loki hervorheben. Zwischen Odin und Lödur steht als
dritter Hcenir, überall die stumme dritte Person, dunkel ihrem Wesen nach
wie ihrem Namen. Am ansprechendsten ist noch die Dontung Wt^inhulds
(ZfdA. VII. 24 f.), der in dem Gotle ein Sunncnwesen fiiidt-n will, das zu
dem nlichtlichen Loki recht gut passte und sirh auch neben Odin gut stellen
würde, da die Nordländer zwischen Tag und Sonne immer scheiden. Auch
nAierdings hat ihn Bloete als einen Gott gedeutet, dessen Wesen den ersten
Übergang vom Winter zur somincrüclien Jahreszeit angab. Kr erklärt dabei
das Wort (lurkommsr, wie Hocnir öfter yenjmnt wird, als »König des Frühlings-
glanzcs< (ZfdA. XXXVIII. 287). Die Deutung Hoffnrys {H<rnir =^ »der Schwa-
nengleiche' Eddastudien loS ff.) ist auf das Resultat zugesclmitten und unhaltbar.
Den Namen aber mit lat canert zusammenzubringen, wie jüngst Y,iedcr gescliehen
ist (PBB. XVlIl. 547), iSsst sich nur dtin h haltlose Combinationen verteidigen.
Oder steht der Gutt vielleidit sprachlieh dem slavischeii Hennii, Hainal
{Myth. II Ö25). dem CJotte der Morgenröte nahe, der früh auf der Wacht
ist und gewissermussen die Mitlelspersunen zwischen Tag und Nacht bildet?
Wie dem auch sei. je<lenfal]s lernen wir aus der Edda Hcenir nur :ils Freund
und Gefährten Odins und Lcikis kennen, gegen die er aber ganz in den Hinter-
grund tritt. Eine illmliche, niclitsKigende Rolle sjsieUe er auch nacli der Heims-
kringla (S. 5 f.) als Ascngeisel. Nach diesem Berichte Lsl er wf)h! ein grosser
und schüner Mann, allein im höclisten Grade beschrankt, sodass er ohne
Mimir selbst das Einfachste nicht zu entscheiden vermag. Eine auffallende
Rolle spielt daneben Hc^nir in der verjüngten Welt, in der er neben Odins
Söhnen als Hüter des Loszweiges ersdieiiit (Vsp, (13). Die Stelle ist leider
unvollständig erlialten, sodass es schwer halt, den rechten Sinn derselben zu
finden. Auf einen natürlichen Hintergrund scheinen aucli die Epitheta zu
deuten, die dem Gotte beigele^ werden; er licissl der sdmelle Ase {«»«
ikjAti Äa), der Langfuss {enn langt fötr SnE. I. 268).
Die Dreilieit Oitin-Hirnir-Ijiki erwähnt die nordische Dichtung öfter. Diese
Götter waren es, die einst Oti, Hreidinars Sohn, den Bruder Fäfnirs und Regins,
töteten und dafür die s<:hwere Otterbusse zahlen mussten, die sie allein aus
Hreiömars Gewalt befreien konnte. Wie Loki es gewesen war, der Olr ge-
tutet hüUcj so scäiaffte er auch Rat: er holte das geforderte Gold vom
Zwerge Andvari und erlangte von *liesem auch den verderbenbringenden
Gütdring. der stets von neuem so viel Gold hervorbrach tc, als sein Besitzer
haben wollte. Über diesen Ring .spradi Andvari einen Fluch, dass er stets
seinem Besitzer den Tod bringen sollte. Und so kam durch jenes Gold
das in die Völsungensagc so tief eingreifende, verderbenbringende Element
^Eddal. 212 ff. SnE. I. 352 ff.). — Ein andermal waren es dieselben Äsen,
die auf Abenteuer ausgingen. Als sie Hunger bckajnen, nahmen sie von
einer Wiese einen Ochsen, um ihn zu verzeliren. Allein das Fleisch wollte
Tiicht gar werden. Ein Adler verspricht ihnen seinen Beistand, wenn er die
besten Teile des Tieres erhalte. Die Götter willigen ein, und der Adler ISsst
sich vom Baume herab und nimmt sich die besten Stücken vom Ochsen weg.
Erzürnt darüber stüsst Loki mit einer Stange nach dem Vogel, durdibohrt thn,
wird aber von dem davonfliegenden Adler mitgenommen und nur unter der
Bedingung frei gelassen, dass er ihm Idan mit ihren Äpfeln verschaffe. Der
Adler aber ist der Riese Thiazi. Im Folgenden zeigt sidi dann klar — wie
überhaupt in allen folgenden Mythen — Lokls Doppelnatur: er veranlasst die
läim mit ihren verjüngenden Äpfeln hinaus in den Wald zu gehen, wo &ie
der Sturmriesc in Adlersgcstalt entführt. Bald werden die Götter alt. Loki
musä wieder Rat schaffen. In Freyjas Falkengewande fliegt er zu Thiazts
WülmuDg, verwanddt Iftun in eine Nuss und tragt sie wieder nadi AsgarA.
I
LOKI.
.^51
Als Thiazi den R:iuh mctkl, flicht er Ltiki nach, allein er kommt dem Feuer zu
nahe, das die Götter nn der Umzaununj; ihrer Feste anj-e/ündel Imtleh, vcr-
• sengt sich die Flügel und wird V4in den Göliem eischtagen. Mit seinci
Tochter Skadi schliessen die Äsen einen Vertrag: Lofci bringt die finstere
Winicrgöttin ^vgl. Mudj, ZfdA. XXXVI. 12(1 ff.) zum Lachen, und ihr Trou
hat ein Ende. So hatte im Frühjahr I^oki wieder gut gemacht, was er im
I Herbste verbrochen (I Iausil9ng SnE. I. 50t» - 14 , vgl. dagegen S. Buggt-, Ark.
X. Durd. Fil. V. 1 ff., der in den Äpfeln der Wuu die Äpfel der Hcsi>eriden
-wricderzufmdcn glaubt}.
Ganz ahnlich zeigt sich Lokis Doppelnatur im Mythus vom ricsischcn
Baumeister, der ebenfalls ein winterlirlier Sturmdännrn wie Thiazi war.
XSicsei hat den Äsen versprochen, in drei Halbjahren eine Burg zum Sdiutze
Jlitgen die Riesen zu errichten, wenn man ihm Freyja, S^nne und Mund zum
Lohn gebe. Auf L^kis Kat hin nehmen die Götter das Anerbieten an. Mit
HUfe seines Russes Svaitil/ari, des Eisschleppers (Uhland Sehr. VI. 63), ist
der Riese nahe daran, den Preis zu erhalten. Abermals muss Luki helfen.
In eine Stute verwandelt, in der Uhland und \Veinh(.>Id dcti Tluiuwind iles
Frühlings vermuten, lockt er Svadilfari mit Erfolg von .seiner Arbeit Er wird
Ivon ihm schwanger und bringt den Sidpnir zur Welt, Odins aditbeiniges
Ras» j-dca raschen lAufcr« (Norecn, Urgcrni, Lautl. S. 67; Magnüsson, (Jflins
Horse S. 58 f.). Nun kann der Baumeister sein Ziel nicht erreichen. Thor
wird gerufen und crachl> ihn mit seinem Hammer (SnE. II. ^/O- Vsp,
Ein andenua) halle Lt'ki in seinem Cberamle der Sif die Haare ahe,^-
schnitten. Da zwingt ihn Thor, seiner Frau goldene zu verschaffen, die so
fest am Haupte bleiben, wie die froheren. I^iki gehl zu den Ivaldissühncn,
den Schwarzelfen, und diese st hniicdcii nicht nur dits guldene H;mr, sundeni
auch das Schilf SkhibiaJmr und den S]>eer Ganf^ir. Stolz auf diese Dinge
wettet der GoU mit zwei anderen Zwergen, unier denen wrthl Lichtalfe ge-
meint simi. ob sie gleich treffliche Dinge zu schmieden verstanden. Trotz
Lokis Heimtücke schmieden sie den Ring Draupttir, Freys goldenen Eber
und den Hammer Mj^lnir. Die Ascn sollen die Wette enlsclieiden; sie
gehen das Urteil ah, diLss Mj9lnir der treffliclistc Gegenstand sei. Loki hat
die Wette verloren und entkommt nur duxch List dem sicheren Tode (SnE.
• L 340 ff.)-
Wahrend in diesen Mythen Loki den Schaden, den er den G6tlcm zu-
£cfQgl hat, wieder gut macht, vermag und will er es bei Baldrs Tode nicht
und erhAlt inh>lgede;(sen die verdiente Strafe. Ct>endl Irilt er hier als das
vernichtende Element auf. das durch List seinen Zweck erreirht: in der Ge-
.stalt eines alten Weibes erfährt er von Frigg, duas ullc-iji der Mistelzweig
nicht vereidigt sei. dem Baldr kein Leid zuzufügen. Er hult ihn und gicbt ihn
^H dem blinden H^ft in tlie Hand, er lenkt ihn nach Baldr und ftüitt dadurdi
^B dessen TkI herbei. Als Hei den Gott zurückgeben will, wenn ihn alles
^^U0veinc, ist Loki allein hi Gestalt des Riesenweibes i>^kt nicht zu bewegen.
^^PSb beschliessen endlidi die Ascn, dem Treiben des B«lsen ein Ende zu
zaacheu. Auf steilem Felsen hat er sich ein Haus mit vier Thtlren er-
xicbtet Von hier aus späht et wahrend der Nacht überall hin, am Tage
aber birgt er sich m Laclisgestalt in FrAnangrsfors, wo die Äsen ihn mit
vieler Mohe fangen. Darauf binden >ie ihn in einer Holde fest. Auf Skadis
Veranlassung speit daselbst eine giftige Schlange auf ihn ihr Gift; seine Gattin
Sig>'n halt dasselbe fern, indem sie es in einer Schale auffängt Nur wenn
sie diese aufesst, kommt ein Tropfen auf Lokis Gesidit; dann zuckt er
zusammen imd die Erde bebt: das nennen die Menschen Erdbeben (SnE. IL
287 ff.).
Auch beim Weltuntergfinge, der mit Baldrs Tod in Zusammenhang ge-
braclit worden ist, finden wir I.oki als Gegner der Äsen. Er ist der Steuer-
mann, der das Schiff der finstem Machte dem grossen Kampfplatze zusteuert
und wird tUidurch der Urheber des Endes alles Bestellenden (Vsp. 51).
Diesen letzten Kampf snll er einst mit Heimdall :iu.sziife«hten haben, mit
dem er auch s«^iisl allnächtlich auf dem fedtliteu Sirj^ai-leine unt das Brisin-
ganien der Frevja-Frigg streitet (SnE. I. 26Si.
Der einzige unter den Äsen, der I.okis List durch seine Kraft bandigen
kann, ist Tlior. Er zwingt ihn, der Sif neue Haare zu besorgen, die Iftun mit
ihren Äpfeln wic^ler herbeizuschaffen, die Verhulnumg der Götter zu beenden
(Lfjks.), er fäniit ihn, als er sich in Fränangrsfurs verlwjrgen hält. Gleichwuhl
erscheint I-oki .luch als Thors Bcgiciter.
Als Tlirt'mr des Gottes Hammer gestohlen und verborgen hatte, briigt
Ixiki Kunde davon, begleitet selbst den Thor nach Riesenheini und Jiilft ihm.
seinen Hammer wieder erwerben (Prkv.l. Ancl» auf der Fahrt zu L'^tgarildoki
begleitet Luki den Th<ir. Ein junger Mythus lasst ihn sogar hier mit dem
Diener Ütgarftalokis, dem personifizierten Wilrifeuer /.o"? um die Wette
essen: Loki verzelut alles Kicisch in kürzester Zeit, Logi verzehrt aber nicht
nur das Fleisch, sondern auch die Knochen und die Schüssel. Audi auf
der Fahrt zu Geim S begleitet Ltiki Thor. In diesem Mythus zeigt sich
wieder Irefflich Lokts Doppelnatur. Er war einsl in Freyjas Falkengewande
nach Riesenheim geflogen und hier von Geirrod gefangen und drei Monate
lang eiugespeiTt worden. Nur unter der Bedingung la^st ihn der Riese frei.
daas er üuu verspriclit, Thor ohne seinen Hammer und Kraftgürtel nach
Geirroüs Wohnung zu bringen. Thor lüsst .sich bereden und macht sich mit
Loki auf den Wei». Nun wird der Gott aber hei seinen Unternehmungen von
Loki unteistützt (Eilifr Gudnjnar:5on in der Porsdraj^a StiE. I. 2t>o ff.). So
zeigt sich Loki aucli im Verh'llinis zu Thor als das alles beendende Wesen:
wie er auf der einen Seite Thors Macht ein Ende bereitet, indem er seinea
Hammer in die Gewalt der Reifricscn bringt, — denn in der !*rymsk\-irta
scheint Loki den Diebstahl des Hammers veranlasst zu haben — , s<i endigt
er auf der andern die Macht der wiiiterliclicn Maclite, indem er dem Gotte
wtetier zn scir^em MjtUncr xerhiift.
Aus diesem Wesen Lokis niusste sich aber auch eine Beziehung zur Beherr-
scherin des Totenreiches, zur Het, entwickeln, und diese zeigt sich darin,
dass er als ihr Vater aufgefasst vdrd. Daneben tritt er aber auch selbst als
Herraclier, wenn auch nicht des Totenreiches, so doch der abgestorbenen
Natur während tlcs Wintere auf. Als solcher heisst er l'/garäiiioki iK\<:z Cgttr-
tkiio<us, wie ihn Saxo nennt. Alter als diese Erziihluiig mag der Mythus sein,
dass er sich acht Winier, d, s. acht Monate, unter der F.rde als milchende
Kidi und aus Weib befunden habe, was ihm üdinn in der Lokasenna (23)
zmn Vorwurfe macht Ausserhalb der Welt, wo die vfinterlichcn Riesen
wohnen, das ist in ÜtgarÜ, wurde Loki nach Baldrs Tode gefesselt; hier lag
er in einer Gegend, wo weder Sonne noch Mond schien, an Händen und
Füssen gefesselt (Saxo L 429 ff.). Abgeschlossen ist sein Besitz und schwer
ist CS, in sein Reich zu gelangen. Erst ganz junger Mythus machte ihn da-
selbst zu einem gewaltigen Herrscher, in dessen Gefolge sich /fngi »der Ge-
danke«, JT/Zf »das Alter* als Amme befindet, zu dessen Haustieren die
Midgardschlange gehi'irl, dessen Hörn ilas tiefe Weltenmcer Ist. Etwa.s
alter als dieser ^lythus ist die Erxahhmg von Thors Besuche bei diesem
LOKI. DONAR-foRR.
353
I
wintcriiclicn Tudcsguttc, bei dem seine Kraft und Macht \'DrÜbcr ist (SnE.
II. 281 ff.).
Von dieser zu*iefachen Natur Lokis ist der bessere Teil mit der Zeit ge-
schwunden, nur als G<iU der Vernichtung ist Liikis Gcstah übrig geblieben
und hni sich bis heute im Norden im Volksmunde erhalten. Es erinnert an
Lokis Verweilcu als Kuh wulirend des Winters unter der Erde, wenn in
Jfltland im Frühjahr von dem Dunst, der über den Feldern lagert, gesagt
wird: »Loki treibt heute seine Geissen aus«. Die brtse Seite des Gottes ze^
sich auch, wenn ebenfalls der Jütländer sagt: »Loki sJlt Hafer«, dem LoUes
kavre üit ein Unkraut, das dejn Tiere schadet (Molbech. Dial. lex. 330 f.).
Beim Knistern des Feuers prügelt Loki nach norwegischem Glauben seine
Kinder (Aasen S. 458). Wenn die Viigel sich mausern, gehen sie unter
Lokis Egge (ebenfalls in jätland). Auf Island heisst der Syrius Loia hremta
»Lokis Brand', der Syria>i. von dem man anmJim, dass er das Ende der
Wdt herbeiführe (Lex. Myth. 504) u. dgl.
Es ntag sein, dass sich mit dem nordischen Loki ein alter Blitz- odtr
Feuerdamon vereinigt hat, der Haupikcm des Gottes ist und bleibt aber die
eine Sdte des alten Himmelsgottes, und hierin bestärkt uns audi ein Blick
in die finnische MyÜiulogie. die bekamitlidi einen grossm Teil der nordischen
Mythen aufgenommen hat. Die machtige I'ohjolawirtin Ijtuln deckt sich in jeder
Weise mit dem nordischen Loki; üv ist die Gegnerin des lichten WaiuflmOincn,
die ihren Feinden Büren in thc Herde sendet, ihnen Sfjnne und Mond
raubt, das Feuer vom Herde stiehlt (Castren. Kinn. Mythol. 281 ff. u. oft).
Nirgends lasst sich dieselbe als Dämon des Feuere oder Blitzes erm-eisen;
auch sie vertritt im Gegensatze zum lichten Himmelsgit'ttc den finstern
und ist daduah die Beendigerin, der finnische Loki, der von Norwegen hicr-
her gekommen ist
H Ob bei den Südgermanen ähnliche Mythen bestanden, wie bei den Nord-
^ lAndem die von Loki, lässt sid» nidit erweisen. Die Macht des nordischen
Winters mag diese Gotüieit zum Teil gross gezogen Iiabcn. Man hat Loki
im Rcineke Fuchs «»der dem Teufel «iederfinden wnllen, allein weder diese
niKh stJ manche Man--h enges tall. in der man Loki auf deutschem Briden hat
»iederfinden wollen, tilsst sich mir Li»ki aU identis<'h erweisen. Loki ist und
bleibt ein speziell nordisches mythisches Gebilde. Die einzige Gestalt aus aller
Zeit, die an diesen nordischen L<fki erinnert, ist der Deus RequnUvahanus
»dem die Finsleniis überlassen ist«, wie ihn Hollhansen gedeutet liat, in dem
das finstere Element iiereonifiziert zu sein scheint. Wenigstens steckt aller
Wahrscheinlichkeit nach in dem ersten Teile des Wurtes »die Finsternis, das
^ Dunkel« (Holthausen, Bonner Jahrb. 1Ö81. 78 ff.. PBB. XVL 342 ff., Mudi,
■ ZfdA. XXXV. 374 ff.. Kauffmann, PBB. XVHI. 157 ff.). Diesem Gotte
brachte nach einer romischen Inschrift aus der Rheingegend ein Q. Aprianus
Opfer und Gelübde dar (Jahrb. des Ver. von Altcrtumsfr. im Rheinlande
B LXXXL 81 r.).
^K Cb« IäU vcrgl W'oitihold, Die Sakcii von lj>ki. ZfilA. VII. 1 — 194. —
^H WUliceous, Loki, (Zürich 1867). — Wiain, Oden och Lökc. (Stockh. J873).
^^^^ — Warnatsch, &ciu%c zur gern). M]!!»!. (Beuthea 1S93).
KAMTEL Xn.
DONAR-}*ÖRR.
§ 65. In einem norwegischen Licde aus der Zeit des Begimies des
sosalen Streites zwischen dem freien Bauerntum tmd den KOnigsteuten, den
Klie PhllötUKt« III. C. Auft 23
k
HArbar(lsIji>fI, Iflsst der Dirhtcr die heicien nurwcgi-ichen Hauptgöttcr des
jQugstcn Heidentums sich in ein Streitgespräch verwickeln: von seinen üst-
fahrten kommt Thor, barbeinig, in Landstrdchcninzug, etwas Bauemkost in
der Tasche, an einen Sund und verlangt vom Fergen Harbartt, d. h. Graubart,
dem verkappten 0<lin, über das Wasser gesetzt zu werden. Letzterer Üiut
CS nicht; es pnbipiiint sich ein Wei'hselgesprädi, in dem beide ihre Thaten
hervorheben und den Gegner zu verkleinem suchen; jener rühmt sich seiner
Kämpfe gegen das Riesengeschiccht, dieser seiner Kriegsthaten und gatanten
Liebesabenteuer. Trotz seinem migestOmen Fordern, trotz seinem Hammer
vermag Thor den Harbard iiidit zu bewegen, ilin überzusetzcu ; unverrichtetcr
Sache muss Asa-I*/)rr abziehen. — Es ist (Sngst erkannt, dass dies Gedicht
einen sozialen Hintergrund haL Ein Vertreter des Jarhum.s will die geistige
Überlegenheit seines Standes ober das urwüchsige, aber etwas ungehobelte
Urbuuemlum triumphieren lassen und führt die in beiden Ständen haupt-
sächlich verehrten Götter streitend vor (von Lilicncrou ZfdA. X. i8o — 9I1).
Aber auch für die Geschichte nordischer Götterverehrung Ist das Lied von
Bedeutung. Im Volke erhalt sich der Kern aller Religion ungleich lüngcr
als in den höheren Kreisen, die schon durcli ihren Verkehr mit anderen
Völkern und Gegenden mehr GeEege-nheit haben, auch fremden Kult und
Glauben kennen zu lernen. Dalier belehrt uns dieses Gedicht, was andere
ThaLsachen stützen, dass in Noni-egen Thor der eigentliche Gott des Volkes
war, an dessen Veiehrung der Bauer lüng wie an seiner Scholle. Und diese
Verehrung muss uralt sein.
Wie die griechische Mythologie lehrt, muss sich einst bei den Indoger-
manen die Thätigkcit, in den Lüften den Donner zu erregen, bei dem hr»clisten
Gfütte, dem alten Himmelsgotte. befunden haben. Von diesem hatte sich
aber bereits in der gemein germani.srh«m Zeit eine hc-sondcre Gottheit ab-
gezweigt, die man nacli dem lauten Tünen des Gewitters ^ Punara^ nannte.
Das \\''ort gehört zur skr. W'z. tan mid Ist mit laL tonart, toni/na, gr. TtJjwff
eng verwandt. Von der Verehrung dieses Gottes haben wir Spuren bei
allen germanischen Stammen. Direkt genannt als Gott mit germanischem
Namen erscheint er nur bei den Nonlgermanen, die ihn pöir (aus *Ponta^)
neiutcci, auf der grösseren Nordcndurfer S])unge {wi'i^i Po/iar, Henning Runen-
denkm. 102) und in dein silclisischen Taufgelr»bnisse, nach dem ihn die
Sachsen Thumt nannten (MSD. No. LI). Ausserdem i$l in fast allen germanischen
Gauen von den Alpen bis nacli Island der fünfte Tag der Woche uüch ihm
benannt: den römischen «dies Jovis« kennt man in ObcrdcutÄchland als
Donaresiag^ in Nurddculschland als Donradach; bei den Friesen findet et
sich im 13. Jahrh. als Thunresdev, hei den Angekaciisen als Thunoresdäg, bei
den Nci'rdlandem als pöndagr. Lateinisch schreibende Schriftsteller setzten
für Donar entweder den römischen Juppiter, der als Gettittergi^ilt ihm allein
gleichen konnte, oder den Herkiiles, wozu Donars gewaltige Stärke und der
Donnerkeil Veranlassung gaben. Noch Sx\o Granimaticiis (L 275) sagt:
*Ea atim, quat uputi nosiros Thnri vtl Othint düs diciiur, n/md i'/fas (Rnmainis)
/ot'i's ve! Meratrii feiüt mtncttpahtrt , und in der Trojumamiasaga ersetzt regel-
massig Torr den Juppiter der lateinischen Vorlage (Ann. 1848, 14. 20. 82.
96). Ebenso sagt Adam von Bremen: Thor atitem tum sccptre Jottm sttnu/are
vidcltir (Üb. IV. c. 26). S(i kann auch das wbur Joris, das Bonifazius bei
Geüvmar in Hessen imi das Jahr 730 füllte^ nichts anderes als eine dem
Donai geweihte Eiche gewesen sein, und die Feste an dem ^dies Jo^a«:,
namentlich im Mai, die der heilige Eligius von Novon um 650 oder der
Indioüus supcrstitiontmi tmi 7Ö0 oder Burchard von Wonns im l. Viertel
I
I
I
des 12. Jahrhs. verbietet, können keine andern als dem Donar bestimmte
FesUirhkeiten sein (Mjth. III. 403), wie auch in Schwaben die Leute wohl
von diesem Gotte abliessen {/oirm U'juunt anitnlrm MSD. No. XJI, 3), als
der heilige St Gülhis hier auftrat und das Christentum lehrte. Nach diesen
Aussagen steht fest, dass Üonar mehr oder weniger von f-nst allen Germanen
als Gutt verehrt wurde; nur für den bayrischen Stamm lassen sich su gut
wie keine Zei^nisse erbringen, denn die oft junge-n Donneraberge kennen die
Verehrung des Gottes ebensowenig erweisen wie die oft ins Feld geführten
Donnerkeile, von denen der Glaube herrscht, dass sie mit dem Blitze nieder-
gefallen seien und infolge dessen als Mittel gegen den blitz gelten, und die
unter dem gleichen Xamcn auf der ganzen Erde bekannt sind, bei uns cbciisusehr
wie bei den Schweden, bei den Südamerikanem wie bei den Japanern (Monteltus,
Kultur Schwedens S. 39). Hervnrgchuben zu werden verdient audi, dass das bay-
rische Volk den 5, Tag der Woche nicht Dunners-, sondern meist Pfinztag nennt
(Schmeller, Buyr. Wib, ' I. 437 ff.)- Wir erfahren weiter vum Currettor Bur-
chardi, aus dem Ind. sup., aus einer atemannischen oder frflnkischen Humilia
de sacrilegiis aus dem Anfange des S. Jalirlis. (ZfdA. XXV. 315) und aus der
Vita des heil. Eligius, dass diesem Gotte der fünfte Tag geheiligt war, dass an
diesem Tage nichts gelhan werden durfte, dass man ihm Opfer brachte und dass
die dazu geeignete Zeit in den Mai fiel. War demnach der Donareslac der
heilige Tag der alten Germanen (vgl. auch Petersen, Nordb. Gudedyrk.
S. b7 ff.), so spridit schon diese Thatsache für die grosse Bedeutung des
Gottes. Daher vermoduen die Geistlichen trotz aElen Ermahnungen altge-
wohnte Sitten, die aus der Verehrung des Gottes hervorgegangen sind, nicht
auszurotten. In vielen Gegenden Deutschlands darf noch heutzutage Donueis-
tags nichts geschehen, kein Holz gehauen, kein Mist gefahren, kein Spinn-
rocken gedreht werden (Wutlke, AbcrgL § 70). hsi die Sacra ferner, die
zu Ehren Duoani dargebracht wurden, mögen die über ganz Deutschland
aus allen Zeiten bezeugten Maifcstc und Maiopfer, vielleicht auch die ct^-as
spater fallende Hagclfeier erinnern, worüber Mannhardt in seinem Baum-
kultus und (.). Jahn in seinen >Dcutschen Opfergebram lien« umfangreiches
Material gesammelt haben, nur müssen wir dasselbe hier wie dort mit grosser
Vorsicht benutzen, denn der Kultus war zweifellos alter als die Verehrung
des persönlichen Gottes, und wenn irgendwo, so hat gerade bei derartigen
Sitten die Analogie eine unberechenbare Rolle gespielt
Ausser Juppitcr wird in den alteren lateinischen Quellen öfters Herkules für
Donar gesetzt Tadtus (Germ, c g) nennt ihn neben Mars und Mercurius
imd berichtet, da-ts man ihm Menschenopfer bringe, Jenseits der Weser, d. i.
aa ihrem östlichen Ufer, befand sich ein dem Herkules geweihter Wald, in
dem Amiinius seine Bundesgenossen gegen Germanicus zusammenscharte
(Ann. II. c. 12), Nie verga.ssen ilui die batavischcn Gardereiter zu Rom,
wenn sie ilu-en heimischen Güttem Voti^ steine errichteten (Zangemeistcr,
Heidelberger Jahrb. V. 4Öff.). Längs des ganzen Rhdngebieles finden wir
den Herkules iu lasdiriften, die zweifellos auf eine germanische GotÜidt
ftchlicsscn lassen: als Hercules badmtm (Branibach, Corp. inscr. Rhen. No. 653),
als Herkules mit langem Barte, mit dem auch nordi.'tche Quellen den TTior
«cbildeni. als lUrcuUs magusanus im batavischen Gebiete (ebd. No. 130 fl.
•v^ Kauffmann, PBB. XV. 553 ff.), ats<.i aU den kndtvollcn, starken Herkules,
den nordLsdic Quellen in Thors Sr»hne Magni erhalten haben, ein Vorbild der
Gennanen auf ihren Kri(^zilgen, daher /«wV/«j'(Brambach a. a. ü. No. 654)
und primta omnium vironim foriium. Der IlercuJes Saxnniis, in dem man
ebenfalls einen germanischen Gott oder Heros hat finden wollen (ZfdA.
23"
XXXV, 39^'^)' '■''^ dagegen aus schlagenden Gründen den Rümeni zuiück-
gcgtben worden (E. H. Meyer, PBB. XViU. lotiff.).
Wie die Sachsen in Deutschland, so verehrten auch die nach Britannien
gewanderten Angelsachsen den Thunor, dnch nitl er bei diesen ini Vergleich
zu Wodan wesentlich zurQck (Kenible, Die Sachsen I. JÖ^ff). Für Däne-
mark bezeugt ihn Saxo Graimnaticus und die Volkssage. Im Tempel von
AJtupsala befand sich auch Thors Bilct. Adam von Bremen sagt von ihm:
Tlior ptaetidtt in aere, qui ionUrm et /Himina, venlos imbresqne, semia ei fruges
gtibermit, nachdem er ihn kurz zuvor als den poltniissimus äeomm bezeichnet
hat (IV. ib), und im folgenden Kapitel lasst er die Schweden ihm opfern »«
pesfis et /ames imminei*. Wie tief aber die Thorsverehrung in Schweden in
Wirklichkeit wurzelte, leim nicht nur die Menge Redensarten, die an seinen
Namen anknüpft, sundcm auch die grosse Zahl von Pcrs<jncn- und Stjldtcnamen,
die seine Verehnmg voraussetzen (Lundgren, Hednisk Gudatn.» S. 41 — Ö-2).
Thor war hier sJciitr neben Frey der höchste und >-idleicht der älteste Gott.
— Mindestens eben so gross war aber auch seine Verehrung in Korwegen;
CT war liier von altersher der Hauptgott und blieb es audi bei dem Volke,
als durcli Fürsten- und Dichtergunst sich L»ainn in höheren Kreisen fast
alleiniger Verehrung zu erfreuen hatte. Überall waren ihm hier Tempel er-
richtet, fast überall Wdrd er als der mal tigtia<tr »der am meisten Verehrte«
bezeichnet. Hieraus erklärt sich, dass \Heie Züge von ihm auf den norwe-
gischen Nationalheiligen, auf Olaf helgi. Übertragen worden sind iNursk Hist.
Tidsskr. IV. 176; Daae, Norgcs Helgener 106 f.). Eine seiner heiligsten
Stilttcn war zu Moeri im Dronüicimschen und dürt, wo sich die Norweger zum
Früstu^ing versammelten. Hier stand in geweihtem Tempel sein Bild aus
Gold und Silber kunstvoll bereitet. Nach anderem Berichte befand sich
dasselbe auf prachtigem Wagen, den zwei liöcke zogen, an deren Hi'>mcm sich
kostbares Silber befand; .'dies wurde von Radern gelragen, die, wie das ganze
Werk, mit grosser Kirnst gearbeitet waren (Ftb. L 320). Weitere Thors-
tempel fanden sich in den Bezirken von Akershus, Hedemarken, Stavanger.
Bergenhiis (Rygh. Minder om Gudeme i norske Stedsna^-ne). — Von Nor-
wegen aus war der Thnrkult auch zu den Finnen gekommen (Norsk Hist.
Tidsskr. IV. 14.51. Ebenso luüinicii ihn die N"or\*-cger mit nach den Kolonien
des Wcsimeercs und nach Island. Auf <ien I'fciltr des Hoclwitzes hatte
man sein Bild eingegraben ; bevor man die Heimat verliess, hatte man ihn
erst um Rat gefragt, und stibald die neue in Sicht kam. wurde der Hoch-
sitzpfeiler au-sgeworfen, um sich dort anzubauen, wo Thor hinweise. Eine
charakteristische Erzählung giebt uns hierüber die Eyrbyggjasaga. Schon in der
Heimat ein treuer Vcrelirer Thors, dem er auch äusserlich glich, segelte der nor-
wegische Häuptling l'i'irolfr Mostrarskegg dem fernen Eiland zu. Wo die Hoch-
sitzsaulcn anscliwimmen, wird die neue Heimstätte gegründet. J'ursnes heisst
von nun an die Landspitze, wo man landete, hjrsd der Kluss, der in ihrer
Nahe uiüridcle. Hier entsteht bald ein grosser Tempel; K'irolfr richtet ihn
ein und pflegt ihn und wird Gilde der Gegend. Die Statte ist so heilig,
dass sie niemand imgewaschen anschauen darf; kein Blut darf liier fliessen,
niemandem ist es gestattet, seine Notdurft hier zu verrichten. — Wo nun in
jenen volkstümlichen Erzahlmigen Thor auftritt, fast überall tritt er als der
hüdiste Gott auf: mau bittet ihn um guten Wind, erfleht von ihm Reiditum
und Glück, fragt ihn in wichtigen Lagen des Lebens, ja bittet ihn selbst um
Sieg im Kampfe. Seiner Gestalt nach erscheint er von grossem Wüchse,
schönem .Antlitz, jung, liier und da barsch, überall aber mit rotem Banc; er
ist derselbe in seinem .\uftrelen, wie er uns in den Eddaliedern und bei den
I
Skalden entgegentritt, und so kennen wir aus VolksübL-rlicfcning und Dich-
tung von ihm ein klares und grosses Bild gc^iinncn, wie es zuerst Uhland
in seinem schönen Buche über den M\thus von Thor entwnrfeii hat.
g 66. D'jnar-{*örr ist, wie schon der Name lehrt, von Haus aus das im
Gewitter daherbrausende guttlirhe Wesen. Den Donner ver^iich man mit
dem heftigen Rollen dnes Wagens; daher fahrt Thor in einem Wagen, w<:nn
er sich im Kampfe gegen die Riesen befindeL Im Stunnc fahrt er daher,
woraus sich sein Beiname Htorriäi (= HU>-hriäi »der brüllende Weiterer«,
Gering. ZfdPhil. XXVI. 25) erklärt. Die Berge scheinen zu brechen, die
Erde scheint zu flammen, wenn er nach Jptunheim geht. Der Glaube, dass
der Donnergott durch die Lüfte fahre, hat sich noch heutzutage bei den
Nordgermanen erhalten. Im Anfang des vorigen Jahrhs. schreibt Rhyzelius,
dass der gemeine Mann sage, wenn es donnere »Thorguhbcn oder Gogubben
AJun d. h. der alte Thor oder Gott fahrt (Lundgren S. 43^, und auf dieselbe
Vorstellung geht das heutige schwed. itska = donnern (dial. aseka) zurück,
d. i. äsaka ^ Asenfahrt, der gebrauchliche Ausdruck, neben dem auch toraka
<»Thorfahrt«) vorkommt. Dieselbe Vorstellung von dem falirenden Gotte
haben aber auch die Angelsachsen gehabt (Kcmblc I. 28^), und bei den
Ditmarichen scheint sie fortzuleben, wenn es hier bei starkem Gewitter beisst:
JX'w faert de Olde all iveäder da haiven unn kaut mit syn E.x anric Räd
(Schksw. Holst Sagen No. 4815). ALs Besitzer dieses Wagens nennen nor-
disdie Dichter den Thor Reidartyr {»Gott des Wagens«) oder faldi kj^
(•Walter der Wagen«) oder vagna jvrr (>Wagcnnia.nn«) vor allem aber Qkupd»
(Fahrthor). Gez<')gcn wird dieser Wagen von zwei Bijcken. die die Dichter
TanagHJöstr (ZahnknLstrer) und Tanngrisnir iZaluikiiirscher) genannt haben,
woni der zackige Sprung des Blitzes Veranlassung gegeben haben ma^.
Er selbst, mehr Mann als JOngling, steht in seinem Wagen, seine Augen
ftinkehi wie Feuer; seinen Bart schüttelt er, wenn er aufgeregt ist; wenn er
in ihn spricht, wirft er alles zurück, was ihm entgegenkommt {Fms. I. 303).
Daher heisst er Atli, d. h. der Ungestüme, Zornige. Mit diesem Bartrxife
bangt wolü der bardiha zusammen, von dem Tacitus (Germ. 3) berichtet;
tarmiva, quorum relaiu, quem h^i-dilum vocan!^ aeeendunt animos: die alten
Deutschen suchten durch das V'irhalten der Schilde den Bartruf des Donner-
gottes nachzualimen oder im Bartgesange sein Lob zu singen. — In seiner
Hand hatte Thor den Hammer Mj^Unh^ den Zermalmer, einst von Zwergen
geschmiedet und von den Gottern alü das beste Werkzeug anerkannt. Er
hat die Eigenschaft, da.« er in die Hand dessen zurückgeht, der ihn geworfen
bat. Das ist Thors Waffe gegen Riesen und Trolle. Diesen Hammer halt er
mit seinen Eiscnhand-ichuhen {Jämpxipr) fest Um seine Lenden hat er den
KraftgArtel, die megin^ardar: durch ihn wachst seine Kraft. Zu jenem Hammer
mOgeo die Domicrkeile Veranlassung gegeben haben. Diese clava, wie um
Saxo nennt, mag auch den Römern Ursache gewesen sein, den alten Donner-
gott mit Herkules zu inteqireticren und ihn in unmittelbaren Zusammenhang
mit dem barditus zu bringen (Germ. c. 3). Schildert ihn doch Saxo als den
mit der Keule (clava) bc^vaffnelcn (I. 118), mit eiiier Waffe, die auch in
Deutschland an Stelle des nordischen Hammers gestanden haben mag. Im
Norden lebt der Hammer noch fort: »Thor mit dem schweren Hammer«
kennt noch heute der Norweger (Fave, Norske Sagn ^\.
Charakteristisch für Thor ist femer seine Ess- und Trinkiust Einen Ochsen
und adu Lach.se ass er, als er sich in brautUchcm Schmucke bei Piym be-
fand, und drei Tonnen Met trank der Gott bei derselben Gelegenheit (I*r>mskv.).
Die Ebbe ist die Spur seiner Trinklust (SnE. II. 286). — Aul seinen FaluteQ
358 XL Mythologie.
erscheint er nicht immer allein. Loki begleitet ihn oft; er ist dabei, wenn
es gilt, der Macht der Riesen ein Ende zu machen. Daneben begleitet den
Gott l^jälft, viellcidit »der Arbeiter« (Uhland, Schriften VI. 33), wohl eine
Persdnifieaiion des Blitzes. Er ist der Bnider der R9skva, d. h. der Raschen,
und musste Tlior folgen, weil er gegen das Verbot des Gottes einen Knochen
seines Btjckes zerbrochen hatte. In seiner Schwester tritt die wichtigste von
{•jalfis Eigenschaften zu Tage: er ist das schnellste aller Wesen, Acz ßthi'ataitr,
der allein den Wettlauf mit Hugi^ d. h. dem Gedanken, unteraimml, der dem
Thor v-imii-slJluft, al-s es gull, den dämonischen Gegner Hmngnir zu besiegen.
Das ist derselbe t*jä]fi. der als Thielvar zuerst das Feuer nach Gutland brachte
imd dadurch bewirkte, dass die bis dahin lichtlose Insel Licht und Festigkeit
erlüelt (Gulniska Urkunder Ausg. Sarve, Stockh. 1859 S. 31). Wir haben hier
eine bei fast allen Germanen verbreitete Mythe, dass "das Feuer durch den
Blitz auf die Erde gekommen sei (Kuhn, Hbk. d. F.* 224). — Überall er-
scheint Thor als der Starke (pnidugr) schlechthin: er ist der pniitt-aUr, der
starke Schirmet der Götter; sein Hammer \\cmX Act pn'idhamarr ; auch seine
Wohnung heisst Prüäheimr oder ^ntih-angr »Welt oder Land der Stärke«.
Hier findet sich der mir für Augenblicke heitere Pala.st des Gottes, BÜskimir,
dem spute Dichtung in Anlelmung an die 540 Thore Valh9lls 540 Gemachei
gegeben hat (Grim. 24),
§ 67. Thors Verwandtschaften. In den Edden sowohl wie in der
Attesten Skalden dich tung, also bereits um 800, erscheint der nordische Tlior
als Sohn Odins. Es muss demnach schon damals in der nordischen Dichtung
die innere Umwälzung vollzogen gewesen sein, die den Windgutt an Stelle des
alten HimmeLsgottes gesetzt, denn nur dieses Sohn kann Thor sein, nirht jenes.
In diesem Verhältnis liegt, dass OÖiim Über Tlicir steht. Dies wider-
spricht jediK.h der VulksQberlicferung, wo Thor als der hOchstc, ja als der
allein verehrte Gntt in Norwegen dasteht In Deutschland la.s.st sich ein
Verwand ischa/tsverhaUnis des Donar zu anderen Göttern überhaupt nicht
erweisen. Die Taciteische Interpretatio »Hercules« zeugt ebenso dafür, dass
er hier nicht eine ahnliche Rolle wie im Norden gespielt habe, wie der Um-
stand, dass nirgends Juppiter als der höchste Gott eines germanischen Stammes
genannt wird; diese Wiedergabe ist nur nach der Seite des Juppiter als Ge-
wittergottes. Als Thors Mutter erscheint vor allem Jflrd, die Göttin Erde.
Neben ihr wird Fjgrgyn genannt, die die Skalden schicchtliin für /frd
setzen. Der Name deckt sich mit got. fairguni idas Gebirge*. Zu diesem
Wort geseilt sieb ein Fjyrgynn, welchen die norU. Quellen den Gatten der
Himmcisgrtttin Frigg nennen (Li>k. 26). Letzterer gchürt ctvmolt igisch zum lit
Ptrkünm, zum ind. Parjnnya und hx demnach ebenfalls ein Gewittergott Wir
haben hier also ein almhches Götterpaar wie m Nj^rä'Nfrihus, Frey-Freyja. Mag
die ursprüngliche Bedeutung von diesem Fj9rgi.-n auch ^die im Eichenwald ver-
ehrte Gottheit« sein (Hirt, Idg. Forsch. I. 480), s<.j lassl sich doch für das
Germanische keine andere Deutimg ermitteln als >die im Waldgebirge verehrte
Gottheit', denn weder die Virgunt noch die Silva Hercj'uia haben sich
jemals durch Eichen bestände her\*orgethan. In Waldgebirgen den Vater oder
die Mutter Thors wohnen zu lassen, giebt aber trefflichen Sinn: noch heute
lassl der schwedische Volksglaube Thor in den Bergen wohnen und aus ihnen
kormuen, und die zahlreichen Dnnnerberge in Süd- und Norddeutschkiod
bezeugen, da.ss hier einst gleiche Vorstellung geherrscht hat — Daneben
erscheint Thor auch noch als Sohn der Hiöflyn. Dieselbe Göttin ist auch
in Nordwestdeutschland auf Steininschrifton als Hhuiana gefunden (Corp. insc.
Rhen. No. 150. löö. Korresp. f. Wcsld. Gesch. VIII. Xo. 1), und wenn
J
einer altengl. Aufzeiclmung T^tiina Jinis matcr mit punrtt modur (Bt^ge
Stud. 24) glossiert wird, so zeugt diese Glosse auch für ihre Bekanntschaft unter
dcu Angelsachsen. Dass diese Hlüd^-n die Mutter Viöars sei, was neuerdings
behauptet (I'BÜ. XVIII. 135 ff.) und unvorsichtig genug bereits in Hand>
bQchcr aufgenommen würden ist, ist eine ganz unbegründete Annahme, die
schon dadurch iiiTifütlig wlhI, dass die Skalden in ihren Kenningar wieder-
holt hlixivn für j^rd «Erde« gebrauchen (SnE. I. 474,; Fms^ 1. 123. Fas. I.
46Q). Was die Deutung und Erklärung des Wortes betrifft, so sind die
mannigfaltigsten und w-underjichsten Hypothesen aufgestellt worden (PBB.
XVIII. 154 ff., ZfdPhil. XXIII. 12Q ff.,'ebd. XXIV. 457 ff- Bugge a.a.O.),
die annelimbarste ist noch immer die alte, schon von J. Grimm vertretene,
den Namen mit isl. hlöi »der Erdhaufen, der Feuerherd« (Haldorson, Lex.
isJ. 308) zusammenzubringen. So wird Thr)r auch durch sie mit dem Erd-
reich, dem fruchtbaren Erdboden aufs engste in Verbindung gebracht
Dasselbe gescliielit auch durch den Namen seiner Gemahlin Sif. Unter
den Nafna[>u1ur befindet sich derselbe ebenfalls als Bezeichnung für »Erde«
wie hlödvn und f}v'*g>'n {SdE. I. 5851. Ihr Name bedeutet wahrscheinlich
>die Erfreuende* d. h. die Gattin (zu goL si/an, Wamatsch. Fcslschr. der
schlos. Ges. für Volkskunde für K. Weinhold S. 24 1 ff.). Sic scheint aufs
engste mit dem sprossenden Erdreich verknüpft zu sein. Ein Mydms erz^It
von ihr, dass Lofci sie ihres Haares beraubt und, nie aus einer Andeutung
der Lükasenna (V. 54) zu schliessen ist, mit ihr gebuhlt habe. Thor zwingt
dantb Loki, seiner Gemahlin von den Elfen neues Haar fertigen zu
lassen, das wie Gold glänze. Ivaldis Söhne schmieden es, und alsbald wachst
es auf der Göttin Haupte fest (SnE. II. 3.58). Sonst erfaliren wir nur wenig
von dieser GȆttin. Dass sie in Gudbrandsdalir eine Kultstatte gcl^iht hStte,
»ie wiederholt behauptet w<jrden ist, beruht auf Missvcrsiandnls (I'IiB. XIV.
91 fl.). — Durch Sif tritt Tlior in Verwandtschaft niil Uli, dem sch<"'nen
Sohn der winlcrlichen Erde, der olien neben Loki gestellt war. Dieser hcisst
»Thors Stiefsohn«; seinen Vater meldet keine Quelle. Mit der Sif erzeugt
Thor die t*rütf. Wir fanden den Stamm dieses Wortes schon als Aus-
druck der Kraft des Donnergottes, I'n'iilr ist die Kraft schlechthin; als
Tfxhter der Sif ist sie vielleicht die treibende Kraft des Erdbodens, die der
Donnergott durch seine Umarmung mit der neuerwachten Erde ins Leben
gerufen hat. Der Sieinriese hat sie gestohlen, denn auf steinichteni iloden
kann sich dieselbe nicht entwickeln; daher hcisst dieser ^Dieb der Prüd«
(SnE. I. 426). Nach anderem Tkh'thus ist sie <'hne Wi.ssen und in Abwesen-
hdt des Vaters dem Zwerge Alvis verUibt worden, dem weisen Hüter unter-
irdisdier Schatze. Als Thor zurückkehrt, verweigert er dem Zwerge die Hand
der Tochter und weiss ihn durch allerhand Fragen auf der ErdoU^rfläche zu
halten, bis die aufgehende Sonne ihn in Gestein verwandelt (Alv.). In den-
selben Kreis skaldischer Reflektion wie l'n'idr gehören auch die Namen
von Thors Söluien Magni und Mndi (»Kraft«: und »heftiger Sinn«). Jener,
erzeugt mit dem Rtesenweibe Järnsaxa, besitzt schon ak dreitilgiges Kind
•olcbe Kraft, dass er allein v^'H allen Gr»tteni seinen Vater von dem Fusse
des Riesen Hrungnir befreien kann (SnE. II. 2t>v)- Beide Söhne sind per-
sonifizierte Eigenschaften des Vaters. Nach dem Weltuntergange werden sie
«ein Erbe, den Besitz des Hammers MjvUnJr. antreten (Val]>r. .^i). Von
Meili, dessen Bruder Thor genannt wird (Härh. g), wissen wir nur. dass er
C>dins &ihn war. Wie aus Thors Eigenschaften seine Söhne, so enlsprossen
aus seiner Thaügkeit »eine Pflegesiiluie: aus dem Schwingen des Hammers
Vingoir, aus der zuckenden Flamme des Blitzes Hlura (SnE. I. 252). —
36o
XI. MYTHOLOGIE.
Von all diesen VerÄ-andtsdiaften lasst sich auf südgennani;ichem Boden
nichts finden, sie sind nordische-S Eigentum und nur in Thors Mutter mag
ßidi alte Ansdmuung erhallen luiben. Man hat bei der Sif an die batavische
Haiva (Corji. Inscr. Rhcn. No. 130) gedacht, der im Verein mit dem Her-
cules Magusanus ein Altar erric hiet worden ist, und diesen Namen »Gclicble, Frau«
gedeutet (Much,EfdA.XXXlX..S)i.\-gl. auch Siel», ZfdPhil. XXIV. 4O1). allein
einen zwingenden Grund für die Cbereinstimmung hat man nicht beigebracht
§ 08. Thors RiesenkfLmpfc. Thor ist der Gott des Gewitters, allein
nicht der verheerenden Seite tlesselhen. sondern der wohhhatigen, die Luft
reinigenden und die Erde befnicbtendon. Daher cnidiciiit er überall als eine
gern gesehene Gottheit, als ein Freund der Mcnsciicn iviar veHtäa Hym. 11)
und Gotter, als der Scliirmer von Miflgard und Äsgiirfl, den Heimstätten der
Menschen und Äsen, vor allem aber als unerschrH>ckener und unerschütter-
licher Kämpfer gegen die Riesen und Trullc. In dieser TlUiligkeit ist er
besonders ein Liebling der norwegischen und isländischen Dichter, die alle
müglichcn Kümpfe mit Riesen und Unholden an seine Person geknüpft
haben. Daher heisst er die -Furcht der Riesen* oder der »Mörder, der
Faller der Riesen oder Riesenweiber», In diesen K^lmpfen isi er so recht
das Vorbild des nurwegischen Bauern geworden, der mit Mühe dem Boden
den Ertrag der Erde abgewinnen mass. Bei dieser sauren Arbeit steht ihm
der Gott zur Seite und hilft ihm, die widerwärtigen Mächte der Natur \>t>
siegen. In der grossen Olafs saga Tn'ggvas<inar (Fms. I. 18,1) erscheint Thor
dem K&nig Olaf und erz.'ihli ihm, wie etnst Riesen Norvi-egen bewolmt und
wie das dort einwiuidcrude Mctisthcngeschledit seinen Beistand gegen diese
angerufen hatte; mit seinem Hammer hatte er den noch übrigen Trollen ein
Ende gemacht. — G^en das Eis des langen Winters, gegen die Stürme des
Frühlings, gegen das andringende Meer, gegen den steinichten Erdboden ist
hier dem Bewnhner der G^tt Bdstand, d;iher haben sich an ihn die mannig-
faltigsten und schünslen Mythen geknüpft. Wenn Thor gegen diese Riesen
auszieht, geht es nach Osten, denn in hohem Nordosten lag nach der Plian-
tasic der Ni>rdlander J9tunhcim. d. h. >Riescnhetm<. Auf .seinem Wege wsi
dort bringt er den Aurvandil mil. den er über die eisigen ElivAgar tragt und
dessen erfrorene Zehe er an den Himmel wirft: das ist der leuchtende
Morgenstern, der nach jenem Wesen AumatuHh tii (Aur.'s Zehe) heisst (SnE.
L 278J. Aurvaudill ist schon seinem Namen ein leuchtendes Stenigcbiid«
(zu skr. usrd »Morgenröte«, lat. aurnnj-, vgl. agis. eärendet «jubar»). Zur Zeit des
Frühlings mag Thor den glänzenden Aurvandil mitgebracht haben. In
sagenhafter Einkleidung lebt dieser bei Sa.xo fort, w.ihrend e5 ganz unsidier
ist, rah ihm den Orendel der deutschen Spielmannsdichtung zusammc-n-
mbringcn. Nach Saxo (I, 135 ff.) hat jener Horvendillus in frühlingsgrüncm
Haine gegen einen norwegischen König Collems, die- pereonifizierte KAltc,
z\x kämpfen und vemiditct diesen. Später fällt er durch die Hand des
eignen Bruders, wird aber von seinem Sohne gerSchL Seine Gemahlin ist
nach der Edda Gröa. die sehnsüchtig des Gatten harrt und aus Freude über
die Nachricht seiner Wiederkunft tlas Zaubcrlied vcrgisst. mit dem sie Thors
Steinsplitter aus dem Kopfe befreien soll. - — Während Thors winterlicher
Abwesenheit liat sich in Äsgard mancherlei zugetragen. Ein Baumeister aus
Riesenheim hatte den Ascn versprochen, bis Sommcrsbcginn dne Burg m
erbauen, wofür er Freyja. Sunne und Mond erhalten sulltr. Schon ist er
mit Hülfe seines Rosses Svadilfari ziemlich zu Ende, da muss Loki Rat
schaffen, dass diese göttlichen Wesen nicht in die Gewalt der Riesen kom-
men. In eine Stute verwandeil lockt er das Ross. Nun wird der Bau-
I
I
jütirter nicht fertig. Da ersrheinl Thor und tötet ihn mit seinem Hammer
($aE. L 134 ff.). In sp;iterer Zeil hat sich dieser Mythus an den heiligen
Olaf geknüpft, dem ein Unhold für Sonne, Mond und Olafs Seele den Dom
von Drontheim erbauen wollte (Daae. Norji. Helg. loö f.). — Wahrend
Thors Abwesenheit ist auch seine Tochter I*ruilr mit dem Zwerpe Alvis ver-
lobt. Da er diesem nichts mit dem Hammer anhaben kann, halt er iltn
solange auf der Oberfläche der Erde, bis die Sonne den Xichtsahn enden in
Stein verwandeil. — Einen weiteren Mvthus vom wiedeiicehrenden Dnnnergotte
enthalt das über den ganzen Norden verbreitete Lied von Thors Fahrt «i
I*rvm )'I*r\'msk\-irta ; DgF. 1.). Mag r'r\-mr, womuf das Wort hinweist (pruma
= domiern), ein dam« mischt-s Gegenbild des Donuergotles sein, der Mvtlius
verscUt UTw in da*i Frühjahr, wo Thor seinen Hammer aus der Gewalt der
Reifriesen u-iederhoU, Thor ep»acht und vermisst seinen Hammer. Loki
muss in Fre>*jas Falkengewanrte auf Kundschaft ausgehen. Der Riese I*r\'mr,
in dessen Gehege goldhömige Kühe und rabenschwarze Ochsen weiden,
birgt ihn acht Rasten unter der Erde und will ihn nur hergeben, wenn er
Frerja r«m Weibe bekomme. In Freyjas Gcwunde fiihrt Thor mit Loki
nacli J^tunheim: die Berge bersten und die Erde brennt, wo er fahrt. Beim
Brautraahle isst der Gott einen Ochsen, acht Ijichse und trinkt drei Tonnen
Bier: seine Augen sclieinen Feuer zu sprühen. »Nichts ass Freyja. keine
Augen schloKs Fre\ja seit acht Nachten, so heiss war ihr Sehnen nach
Riesenheim*, so erklärt Loki alles dem staunenden Riesen. Der Hammer
wird gebracht, damit mit ihm die Ehe geweiht werde. Aber solwild er sirfi
auf Tliors Knie befindet, erfassl dieser ihn, schwingt ihn und vernichtet l'rjin
und sein ganzes Geschlecht.
In ahnlicher Weise wie im Kampfe gegen I'n-m erscheint Thor im
Kampfegegen Hrungnir. Hrungnir, d. h. der Larmer. — -noch heute gebraucht
man im Hallingdaler Dialekte für lärmen riin^ht (Aasen 618), — war auf
Odins Veranlassung, gegen den er mit seinem Rfjsse Gullfaxi, d. h. Gold-
mahne, prahlte, nach A^rÖ gekommen und «•ollte in trunkenem Übermuie
viin hier V'alh^ll nach J9tunhcim überführen und alle Gottcr ausser Freyja
imd Sif tmcn. Da rufen die Äsen Thitr, der sofort erscheint und seinen Hammer
schwingt. Als sich Hrungnir auf das Gastrecht beruft, wird auf neutralem Sleio-
gcbiet zu (7/7oV««vi^r*/ ein Zweikampf bc5irhli»s*en. Die Ricjien bekommen Angst
imd stellen daher einen Lelunriescn, M^krkaifi, d. h. die dicke Wolke, auf,
hinler dem sich Hrungnir birgt, der selbst ein steinernes Herz und Haupt
besitzt. Thor ist von I'jälfi begleitet; dieser eilt voraus und sagt dem Riesen,
Thor habe ihn gesehen und k"nimc von unten. Da stellt sicli Hrungnir
auf seinen Schild und fasst seine Waffe, einen Schleifstein, fest in die Hand.
Bald künden Blitz und Donner des Gottes Erscheinen; der Riese wrft seinen
Stein; dieser stösst auf Thors Hammer, der alsbald dem Riesen in den Kopf
dringt und ihm den Tnd bringt. Beim Falle fallt ein Bein Hrungnirs auf
Thur. der dadurch selbst zu Falle kimimL Thors drei Tage alter Sohn
Magni vermag dies allein zu beseitigen, ,^be^ auch Thor ist verletzt, ein
Stück von des Riesen Schleifstein ist ihm ins Haupt gefahren. Die VöK*e
Gd« soll es ihm herauszaubem. vergisst aber den Spruch, als ihr der GoK
die baldige Ankunft ihres Gatten Aurx'andil erzahlt (SnE. L 278 ff.V —
Zu den danmnisrhen Gegnern oder Nebenbuhlern Thors gehört auch
Gcirrodr, der Sj-H-errütcr. <icr. ein .Schmie<] in Jvlunhcim. seinen Speer mit
goldener Spitze versah, um ihn dann vernichtend nach der Erde zu schleu-
dern. In alten Liedern, von denen wir noch eins vom Skalden Eilif Gu<I-
rünarson aus dem 10. Jahrh. besitzen, ist gesungen wordcu, wie einst Loki
von GciiTOÖ gefangen und nur unter der Bedingung freigelassen worden sei,
dass er Thor veranlasse, unhci**a/fnet nach J^tunheim zu gehen. Loki über-
redet den GoU und nimmt an der Fahrt teil. Unterwegs kehrt Thor bei
Grifl, der Mutter des Äsen Vidar ein, die ihm von Geirro<t erzählt und
ihm aus weiser Vorsicht ihren Kraftgürtel, Eisenhandschnh und Zauberstab
leiht. Mit Hülfe dieser Gegenstande durchwatet Thor den mächtigen Strom
Vimur, den Geirrofls Tochter schwellen macht. Schon scheint seine Kraft,
Ober den Fluss zu gelangen, nicht mehr zu reichen, da erfasst er einen Vogel-
beerstrauch und rettet sich durch diesen aus dem Flusse. In Geirrods Gehöft
soll er von dessen beiden Töchtern G j Ä I p und G r e i p an die Decke
gedrückt werden, aHeia er zerbricht diesen das Genick, als er sich auf den
Stuhl setzt, unter dem .sie sich verborgen hatten. Als Geirroflr in seiner Halle
Thor gegenübersitzt, schleudert er einen glühenden Eisenkeil nach dem
Gotte. Dieser fangt ihn aber mit GriÖs Handschuh auf, wirft ihn nach dem
Riesen zurück und tötet diesen damit trotz der Eiscnsüulc, hinter welche
sich derselbe aus Furcht vor der dr<ihenden Gefahr geflüchtet hatte {Sn£. I.
284 ff.). Denselben Mythus kennt Saxo, da er von König Gorms und Thor-
kils Falirt in die eriüegenen Wm Grruifn erzählt. Hier treffen sie den
Geruth mit zerfleischtem Kfirper und Riesenweiber mit zerbrochenem Rücken.
Auf ihre Frage hin erfahren sie, dass einst Thor den Stahl nach dem über-
mOtigcn Riesen geworfen habe, infolgedessen sei er so zugerichtet (Saxo I.
425 f.). Auch in der spSlcn Sagu von Thorstein Ba'jarmagn (Fm.s. HI.
182 ff. ZfdMytii. I. 410 ff.) findet sicli mmantisch ausgeschmückt derselbe
Stoff, und die Aufforderung des Ki"migs HArald Harönidi, sein Skalde Thjöä'ilf
solle den Streit eines Gerbers mit einem Eisenschmiede besingen nach dem Vor-
bilde von Thors Kampf mit Geirrod (Fms. VI. 361 ), setzt eine weitere Verbreitung
cle.t Mvthus voraus. — Aber nicht nur gegen die schädigenden Elemente der
Luft zieht Thor zu Felde, sondern auch gegen die der Gewässer, namentlich
die des Meeres- Härb. .^7 ff. erzählt Thor, wie er mit Ricscnwcibem gekämpft
habe, die aller Weh geschadet, sein Sthiff zerschelh, den I*jälfi verjagt hatten.
Unter diesen Riesenweibem, die mehr Unholde als Frauen sind, sind die
Wellen des Meeres zu verstehen, die ans Land schlagen und dem Schiffer
auf der See Unglück und Verderben bringen. Die stürmische See hatte
dem Nordländer manchen Schaden gebracht, daher waren Thors Kitmpfc
gegen diese ein beliebtes Thema nordischer Dichter. Vor allem schien ihnen
das Toben des Meeres von der die ganze Erde umgebenden Midgardssch lange
auszugchen. Man glaubte, eine Schlange läge um den aussersien Rand der
Erde, die sich in ihren eignen Schwanz beisse, ein Kind des Loki und der
Angrboda. Wenn sie in Riesenzom gerät, tobt das Meer. Gegen sie zieht
Thfir auf dem Nachen des Riesen Hvinir und von diesem hegleiteu Mit
dem Haupt des Ochsen Himinrjöär, den sich Thor aus Hymirs Herde geholt
hat, angelt er nach ihr und zieht sie an den Bord des Kahnes. Da zer-
schneidet der Riese die Angelschnur, das Ungetüm fallt ins Meer zurück.
Da trifft den Riesen Thors Hammer und schleudert ihn über Bord (SnE.
1. iftftff. Über die Verbreitung des Stoffes im Norden vgl. PBB VIL 2ßi ff.).
— Diesen Vorgang, der die Veranlassung gegeben haben mag. dass Thor
beim g^roascn Weltcnkampfe mit der Mi<lg:irfls3ch lange zu kämpfen habe, bat
eine spatere Dichtung, die Hymiskvirta, in Zusammenhang mit der Heimholung
des KesseKs gebracht. Beides sind jedoch von Haus aus verschiedene M_\*tlica,
da der Schluss jenes Liedes den Tod des Riesen beim Angeln nach der
Midgarässch lange umnöglich macht — Die Aseu sind bei j^gir, dem Gott
I
des gastlichen Meeres, zum Atahlc. Da fehlt der Metlcessel. Auf Tyrs Veranlas-
sung soll Thor einen solchen vom Riesen Hymir holen, der als Tyrs Vater
erscheint. Hymir ist die penwimfizieric Dunkelheil in der Luft, die über dein win-
teriitiien Meere lagert, die noch heute der Norweyer unter gleicher Bezeichnung
kennt und die schwer auf der St-elc der Non*'eger liegt Auf der einen Seite
Steht dieser Dämon in engster Verbindung mit dem Winter, auf der andern mit
dem Meere: sein Bart ist gefroren, als er von der Jagd heimkehrt, Eisschollen
nmgeben sdnen Palast, der sicli an dem Himmeisende befindet. In seiner
Ge^-alt befindet sich die schöne Jungfrau, deren Haar wie Gold glänzt, ein
Ebenbild der Clerd. Diese unterstützt den eingekehrten Gott bei seinem Be-
ginnen. Auf ihren Rat zerbricht dieser den Becher an des Riesen Schade),
wodurch der Gott allein in die Gewalt des Kessels kommen kann. Dieser
Kessel ist das Meer, das der Gott im Frühjalire aus der Gewalt der winter-
lichen Mächte befreit, indem er seine Eisrinde durchbricht und dann dem
Mceresgiitt der schöneren Jahreszeit und den Menschen zuführt.
Mit Thors winterlicher Abwesenheit mag auch seine Reise zu Ütgarilaloki
zusammenhangen, wie sie uns die Edda (I. 142 ff.) und in seiner cuheme-
ristischen Weise Saxo erzählen (I. 429 ff.). U^arÖr steht im Gegensatz zu
Asgard und namentlich Mirtgard: er ist die Welt ausserhalb der Ijcwohnten
Erde, das Heim der dämonischen Mächte. Hier herrscht ein Ltiki. der
winterliche, mehr dämonische Loki. Auf seiner Fahrt nach Utgarfl begleiten
Thor Lrtki und ThjiUfi. Nach der Edda erwirbt er den letzleren erst auf
der Reise dahm. Es geht zu Fusse bis an das tiefe Meer; Ober dies wird
geschwommen. Alsbald kommen Thor und seine Begleiter in einen dichten
Wald. Der Riese Skrymir gesellt sich zu ihnen, gegen den Thor »iederholt
vergeblich seinen Hammer mit .tller Macht schwingt: der G«itl i.-it in Utgard,
ausserhalb des Bereiches seiner Macht Skrymir weist Thor zu Ütgardalokis
Burg, die mit einem Gitter umgeben ist, durch das sich der Asc und seine
Gefährten mit knapper Not durchdrängen. Vor Utgardaloki sollen sie ihre
Kflnste zeigen. Loki rühmt sich, dass ihm niemand im Essen gleich komme;
er wird vom Logi, d. h. dem Feuer, besiegt. PjÄlfi rühmt sich der Sihnellig-
kcit im Laufen; ihn besiegt Hugi, der Gedanke. Thor verspricht im Trinken
et«'as zu lci.stcn; so sehr er auch ansetzt, <ias Rom liegt im Meere und
kaum bemerkbar ist der dreifache Schluck, den er gethan. Alsdann soll er
eine Katze heben; dies ist tue Midgardsschlange, nur einen Fuss hebt erste
von dem Boden Endlich soll er mit Ütgardalokis Amme ////;' kämpfen.
Auch hier vcnnag Thor nicht zu «jbzusicgcn, denn diese ist das Alter, dem
niemand u-iil ersteht. Mftrrisch, weil er so wenig geleistet hat. zieht Thor von
dannen. Da erzählt ihm Ctgardaluki, was er geleistet, wie ihm und den
Seinen bange gewesen wäre. Thor will seinen Hammer schwingen und den
falschen Riesen tr»ten: da ist das Bild enlschw-unden und die Wanderer
finden sich auf freiem Plane. — Die ganze Erzählung trägt unverkennbar
den Stempel junger Mythenbildung, wenn auch bei den poetischen Gestalten
der natürliche Hintergrund durchblickt.
In allen diesen Mythen erscheint Thor als ein Freund des Menschen und
ihr Beschirmer und Helfer gegen die dämoni.schen Machte. Mit seiner Hülfe
werden diese in ihre Schranken gewiesen. Der Gott ist zu einer ethi.schen
Gestalt geworden, die nur liier und da den physischen Hintergrund de» Donner-
gottes durctischdncn lässt. Dies ist um so weniger zu vcrwundeni, als das
Gewitter in den nordischen Reichen fast gar keine Rolle spielL Die Mythen
and, wie schon die Namen der in ihnen auftretenden Personen lehren, nor-
disches Eigentum und lassen sich bei keinem südgermanischen Stamme nach-
weisen. F.s mag hier aiinliche Mythen gegebea haben, wofür man z. B. die
Kämpfe Dietriclis mit Riesen und Drachen (Heldenbuch V. Einleitung S. 44)
hält, allein diese können ebensogut späte dichterische Erfindui^^cn sein; i
Helden werden sich nie und nimmer als Nachkömmlinge des alten Gott^l
Dunar erweisen lassen.
§ iiQ. Thor als hfichste norwegisclie GottlieiL Überall in den
Riesenk.lmpfen tritt Thor als Freund der Menschen, als Beistand und F.'ürderer
ihrer Arbeit auf. Der Gott des Donners ist zu dem Gott des Ackerbaues
geworden, mit dem sich der Nordgcrmane in erster Linie beschäftigta.
Schon in seinen BezicliuTigen zur Erde txilt dieses Verhältnis klar hervor.
Er herrscht infolgedessen über Wind und Regen, bringt heiteres Wetter und
bew-irkl dadurch die Fruchtbarkeit der Felder (Ada]n von Bremen a. a. O.);
er liilft den Bilden urbar machen und wird der Menschen Beistand gegen
Felsen und Klippen |Ftb. I. 3B8). Auf Ackerbau und Grundbcsiu ruhte
aber Wohlstand und Wohlbefinden der Norweger in der Zeit, wo sie
uns in der Gescliirhte entgegentreten, und so wurde der TrSger und För-
derer desselben der Gott der Familie, der Gott des Gaues, der Gott des
Öffcntliclien und privaten Lebens, der höchste Gott schlechthin, der überall
angerufen wurde, wo die menschliche Macht nicht ausreichte. In dieser
Auffassung zeigen una die norwegisdi -isländischen Quellen Thor in den
letzten Jahrhunderten des Heidentums , und ein grosser Teil Schwedens
muss ihn auf ähnliche Weise verehrt haben. So erscheint er als der erste
der Ascn (dsaSra^), Egill nannte ihn schlechthin den lamids: er war nach
altnopÄ-egischer Auffassung der k^fdingi aüra goda, >der Häuptling aller
Gotter« (Ftb. I. 389). So wurde er, wie er sich einst selbst vor König Olaf
rühmte, als Beistand bei allem angerufen, dessen man bedurfte (Ftb. L
397). Sein Bild wurde auf dem Hochs itzp feiler eingeschnitzt (Eyrb. 5 f.
Laml. if)2. 206 u. oft) (Klcr auf der Stuhllehne (Ftb. H. 217) oder auf dem
Steven des Schiffes iFtb. I. 488). Als .\mulet führte man es aus Knochen
bei sich (Fs. 97). Rauftr umging oft mit dem.selben seine Insel, um alle
Widerwärtigkeiten von derselben zu bannen (Ftb. L 291 f.). Bei allen grös-
seren Unlcmelimen wurde der Gott um Rat gefragt (Eyrb. 2. Ftb. L 296)
hier und da versagt er die Antwort (Fms. L 302).
Helgi magri war schon Christ. Gleichwohl glaubte er nach wie vor bd
Sccfalirten und schwierigen Unternehmungen Thor anrufen zu müssen (Frus. L
256). Als Gott de.»; Windes uml Wetters (Ftb. IL 100. Bsk. S. \. 15) M-ar
Thor ziun Gott der Schiffahrt geworden (Fms. IL 15 f.). Audi als Beistand
im Kampfe wurde er angeriifen (Fms. H. 246). Beim Gelage weihte man.
ihm den ersten Becher, indem man das Hammerzeichen über demselben
machte und des Gottes Mimie trank (Ftb, L 283). Bei allen heiligen Hund*
lungcn glaul>te man an seine Gegenwart; mit .seinem Hammer weihte er alle
rechtsgültigen Handlungen. Daher hiess er schlechthin Ve'ttr, d. h. der Weiher.
Durch .seinen Hammer auch, glaubte man, weihe er die Ehe. Ihm brannte auf
dem Herde gewi-ihtes Feuer, das nie verlöschen sollte (Isl. S. 11. -103), das
er wohl selbst nach alter Anschauung vom Himmel hemtjgebracht hatte, wie er
auch durch seinen Hamraerwurf Baldrs Leichenhügel in Brand setzte (SnE. 11.
288]. Mit seinem Hammer weihte er auch alle Rechtsverträge. Daher fallen
fast alle nordischen Gerichtstage auf den Thorsd;ig, wie auch die Thingstätte
sich an einer dem Thor geweihten Statte befand. Wenn in Härb. Härbardr
dem Thor zuruft:
Oäeun (i jaria pä's i tfal ftUa, tu pörr ä prala iyn,
so kann unter dem /nr/a kyn nichts anderes 2U verstehen sein, ab das
1
Geschlecht der norwegischen U.iuotti. und wir sehen hieraus, dass man Thor
auch ab Tutcngoit auffassic. Hiennit ma^ es zusammenhangen, dass man
Thor Runensteine und Graber weihen liess, dass man auf erstc-rcn scia
Hammerzeichen eingnib ^i. Petersen, Gudedirk. 50 ff.). — Die Opfer, die
man ihm darbrachte, waren an keine Zeil gebunden. Haraldr härfajfri opferte
ihm am Julfest (Ftb. I. 507), im Dnuitheimischen bradile man ihm im
Herbste Hornvieh luid R<.isse und besprengte mit ihrem Ulute die SauJen
seines Tempels (Ftb. II. 184!.). — Derart war seine Herrschaft zur Zeit
Haralds; so blieb sie im Volke, bei der grossen Menge, bis zum Ausgange
des Hcidcutiuns, und selbst der Hofmaiut und Skalde stand unter dem Biinne
dieses Glaubens, wenn auch bei ihm sein Glanz durch den neu aufgestie-
geneu Odin verdunkelt war.
I
I
islAxdisch-norwegische Götter.
§ 70. Neben den ntudischen Hau]itgültem treffen wir einige Gestalten, die
meist nur hier und da einmal in der Diclitung auftreten, in dtT Regel zu einem
bestimmten Zwecke, die aber nie irgend welches Ansehen bei der grossen
Menge gehabt haben, die selbst der Skalde bei der Bildung seiner dichterischen
Umschreibungen meist bei Seite lasst. Hierher gehurt zunächst Vi darr, den
wir fast nur aus den EddaUedem kennen. Er ist der Solm Odins l,Vsp. 55) und
der Riesin Grid, die zu den Ascn in frcundschaft]icht;m Verhältnisse steht (SnE.
IL 500). Auf der weiten Ebene Vidi, die mit Buschwerk und huhem Grase
bewachsen ist, tunundl er sein Ri>ss, um von hier aus zur Vaterrache zu
ziehen iGrim. 17. Aarb. i86c». S. 25g). Nur axif diese sinnt er; daher lieisst
er der Schweigsame (SnE. II. 270). Er ist der stärkste der Äsen nach Thor
{ebd.). In seinem Besitz befindet sich der machtige Eiseiischuh (SnE. I. 206),
mit dem er einst beim Weltuntergänge dem Feuriswülf in den Rachen treten
wird, nachdem dieser OiXin getütet hat (Vsp. 55). In diesem Kampfe stOssl er dem
UngetQm das Schwert ins Herz (Vsp. 55} und reisst ihm Ober- und Unterkiefer
auseinaniler. S<* i.<t er auch bestimmt, in der verjvingten Weh mit das Re-
giment zu führen (Vafpr. 5.^). Mit der Ebene \'idi, wo er wuhnt, mag der
Name des Gottes zusamnicnliangen. vüti bezeichnet das nii-^^lrice Gestrüppe
der Heide. Von einem Kulte dieses Gottes im Norden haben wir keine Spur.
Was Kauffraann (PBB. XVI. 157 Amn.) dafür vorgebradit und von Golther
(Myth. 595) ungeprüft hingenommen worden ist, macht ein Blick auf Munch
(Hist-geogr. Beskr. «.'ver Nrirge S. -(5), Aasen (Norske Ordbog 929), Styffe
(Skand. imder Unionstiden 153't zu nidile; Amescn >Vi()arshof< vermag ich
lücht zu koDtrolieren (Cber Vidar vgl. Rüdiger ZfdPhil. XXVII. 5 ff.).
In der veijüngten Welt erschien neben Viöar auch Väli, der Gott, der
bestimmt ist, Baldr zu rftchen, indem er H<pa tutet (Hj-ndl. 2(f). Er voll-
bringt die Tlial kurz nach seiner Geburt i Vsp. >,},). Kühn ist er in der Schlacht
tmd ist ein vortreffticher Schütze (SnE. I. 102). Er ist der Sohu Odins und
der Rind (Vegi. u) und wird, wie Vidarr, iii der verjüngten Welt die Heilig-
tümer der Götter bewohnen (Vaffir. 53). Neben \'k\i nennt ihn die SnE,
(L 102) Ali. Dieser Name ist wohl schwerlidi ursprünglich. Väli geht
wahrscheinlich zurück auf * iVanihf ein Wort, das mit alls. waniim »strahlend,
leuchtend« verwandt ist (Sievers, PBB. XVHI. 582!.), und so stellt sidiVäli
auch durch seinen Namen nelicn seinen Bruder Baldr.
I 71. Bragi. In den Eiriksmäl, die ein begabter Skalde auf Veranlassung
der Gunnhild nach 935 auf Künig Eirik biödox dichtete, treffen wir Bragi
in. Valht^il bei Öilin als dessen Ratgeber neben Sigmund und Sinlj9ili, jenea
Geartalten aus der Heldensage (Cpb. L 260 f.). Ebenso finden wr ihn in den
jenen Eiriksmil nachgedichteten Häkonarmat (g;ed. 951. Cpb. I. 2tt2 ff.) neben
dem später zum Äsen erhobenen Hemiüd, Bragi crschciiil hier als der
HaupLskalde Odins, der die Fremden bewillkommnet und sicher in Valh9ll
ihre Thaten verherrlicht hat Dieser Bragi ist von Haus aus eine geschicht-
liche Gestalt, die im 9. Jahrh. gelebt hat, der erste nachweisbare Skalde, der
von Hof zu Hof gezogen ist, um IJeder zum Preise der Forsten xu dichten
(vgl. Fimiur Juiissün Ark. f. nurd. fil. VI. 141 ff). Uiu diese hat sich spater
der Mythus gerankt. Bragi wurde das Vorbild aller höfischen Skalden; man
vergass sein menschltclies Leben uiid Schaffen, man machte ihn, da er sich
in Valh^ll aufhielt, selbst zum Äsen, Hess ihn einen Sohn U3ins sein und
verehrte ihn bald als Gott der Diclitkunst. Als solchen kennt ihn die sjiate
eddische Dichtung, vor allem aber Snurri in seiner Edda. Dieser lÄsst in
den Bragarcediir bei festlicliem Gelage den Bragi dem Meerriesen ^'Kgir er-
2älilen, wie aus alten Myliicn und Sagen die didilerischen Umschreibtuigcn,
die kenningar, in die Dichtung gekommen seien. Dabei erscheint der Ase
alt {in» ^amii), mit langem,^ websera Barte (inn siikir^i liss SnE. I- 206),
■wie sein Vt»rbild und Vater Oilinn den Beinamen Sidiicggr (Griin, 4S) ffüirt.
Hier und da taucht er als Gemahl der Idun auf, der Göttin mit den ver-
jüngenden Äpfeln (Grettiss. 154. Luk. 16). Feigheit wirft ilmi Luki vor,
nachdem der Gott den Schmäher der Äsen durch Gaben hat versöhnen wollen,
»Bäixkelungcrer« nennt er ihn (Lük. I2 — 15). Nur bei den Skalden steht
Bragi in hohem Ansehen; ihnen ist er der trefflichste der Skalden (Grün. 44)
und von seiner Zunge kommt die ganze Runenweisheit, deren sie zu ihrer
Dichtung bedürfen (Sgrdr. 16). Aber auch hier ist das Gebiet seiner Ver-
ehrung nur beschrjinkt gewesen, erst des Christen Suorri mylliologischen Auf-
fassungen verdanken wir das ausgeführte Bild dieses jungen Gottes*.
1 Uhland Sehr. Vi. 2?7 IT. — PBB, XU. jSj tT. XIII. 187 ff. XIV. 81 ff. —
^■^t^< Bidr. til den rclclstp SkAIdl^t]igUli^g3 HLstDri'r Christ, 1^94 (hier leugnet
B. die gcscbiclilllchc Existenz des Skaldcu Bragi; vgl. tlttgegcn Lit. Ctbl. l895>
No. IS; ZfJPhil. XXATIl, t?i IT.; U1>I. 1895 Sp. 2S9 fl.).
I
KAPITEt KIV.
DIE GÖTTINKEN.
S ji- Ganz ähnlich wie sich der germanische Ilimmcisgott infolge seines
mannigfaltig^cn Auftretens in verschiedene Gotllieiten spaltete, scheint es auch
mit seiner Frau der Fall gewesen zu sein. Diese war die rafltterliehe Erde,
die Geliebte, die Frau sclilechtliin. Als .solche ^^-ar sie aber besondere
chlhonischc Gottheit, die die Toten in ihrem Schosse aufnahm, die mit der
Schar der Toten durch die Lüfte fulir, der die Totenopfer gebracht wurden.
Daneben er^scheint sie als die Göttin, die im Frühjahre wieder in die Lande
zieht und Flur und Hain in neuen Sclimuck kleidet Als Frau ist sie besonders
die Göttin der Frauen, die Sclürmcrin der häuslichen Arbeil, die Göttin der
Familie, des Ehestandes und des Kindersegens. Unter manclierlei Namen
tritt sie in den einzelnen Gegenden auf, immer bit sie dem Leben der Bewohner
angcpasst. In altdeutschen Quellen tritt sie uns selten und nicht immer
durchsichtig entgegen, hSufig finden wir sie in der nurdischen Dichtung,
manches liat von ihr auch der Volksmund und Volksglaube bcwahrl
Bkagi. Nerthus.
367
I
I
§ 73. Nerthus. Von allen allgermanischen Gottheiten, deren die Römer
gedcukcn, wirü uns der Kult keiner klarer gescliildcrt als der der Nerthus im
4a Kap. der Germania. Sieben Vülker Norddeutsch lands halten ein gemein-
sames Heiligtum, das auf einer fruchtbaren Iiist-I lag. Wahrciul man dieses
früher ruch MüUenhoffs Forst--hungen (Nordalbing. Siudit-n I. uBff. Stiimidt
Allgem. Zsch. f. Gesch. V'III. 220} auf einer der friesischen Inseln der Nordsee
suchte, tritt jüngere Fursthuitg aus guten Gründen dafür ein, dass jenes Ei-
land die fruchtbare dJUiLsche In.wl Seeland gcwt-sen sei. auf der noch Jahr-
hunderte spater alt heidnischer Kult und Mythus blülite (Much, PBB. XVII.
195 ff. A. Kock, S%-. Hist. Tidskr. iS<.j,v 161 ff.). Hier verehrten sieben Völker
die Nerthus id est Ttrram matrem, ramtjue intenenire rebiu hominum, invrbi
fiopulis arhüranlur. est in insnh Oceutii caatum nernns, duatumqiu in fo jvhi'
m/um, ivste contectitm ; aUingere wii iacerdoti €Otuessnm. is adesse ptnetraii deam
inttlUgit rcelatnifuc bubns fcmims mulla cum vtntrafione firoierfuitur. laeti lunc
dies, /esla loca, t]uatcumqiu adventn liospttioque dif^atur. non bclla i»eunl, non
arma sumrint : dausum omne ferrum ; pax et qmts tum tanlum nota, tum tan-
tum amaia, donec tdem sacerdos sntialam convenatione motiaÜum deam iempio
rtddat. mox vthicuium et itstis et, si eredere velis, aumen ipsum secrtto iucu ab'
luilur. servi miaistranl, giios statim idem locus hamil. Über die Ableitung des
Namens sind die mannigfachsten Ansichten aufgestellt worden (Schade, Ahd.
Wtb. 1, fi45"i: viele Anhanger hat Lei'S Deutung (ZfdA. III. 22t>\, der das Wurt
mitkelt «^r/A=die Kraft, Macht zusammenbringt. Am meisten für sich liat es, das
Wurt zu griech. vigie^ot -die Götter der Unterwelt«, nord. «o/vA »nurdwarts«
zu stellen (Norecn. Urgerm. Lautlehre S. lOg; Kfigcl, Gesell, der dcutSL-hcn
Lit I. 22). Nerthus wäre dann schon ihrem Namen nach eine chtlionische
GvUh«l, eine Terra Mater, und als sulche erklärt sie sich vurtreffUch ab» Ge-
mahlin des altgcrmimischen Hiramelsguties. Ihre grusse Bedeutung geht
schon daraus hervor, dass ihr Menschenopfer dargebracht wurden. — Die
ProzcssiuQ bei dem grossen Feste war nun ganz ahnlich wie die beim Freys-
feste in Uppsafa, die wir aus einem Berichte kennen lernten, der atts der
Zeit kurz vor 1000 stammt (Fms. II. 73 ff). Der heilige Hain war auf einer
Insel; durt steht der heilige Wagen der Göttin, mit Tüchern behängen, ihu
anzurühren ist nur dem Priester gestattet. Sül)ald dieser an gewissen Zeichen
die Anwesenheit der GottJieil gemerkt hat, wird der Wagen in der Amphyktionie
von Ort zu Ort gefahren; überall sind frohe Feste, bis der Priester den
Wagen dem Heiligtum zurQckgiebt. nachdem er denselben vorher nf>ch an
jcwTilitcr Statte gewuschen und die Knechte, die ihm bei der Prozessiuu
beigeatandeJi, im Wasser ertrankt haL — F-s darf als ausgc-inarht gellen,
dass »ir es in dieser Umfahrt mit einer i'rozession zu thun haben, die der
Deucrvacbten Mutler Erde im Frühjalirc galt'. Gleichwie aber imsere Vor-
fohren dieses Erwachen der Natur feierten, so feiert es noch heute das Volk
in allerlei Formen, die Mannhardt in seinem Baumkultus so schön geschildert
hat (S. i,5'>ff.). Die Aufzüge des Viilkes decken sich Zug für Zug mit dem
allen Nertliusfcste. Man vergleiche z. B. das Stehseläulcii in Zürich (Rei-
mann, Deutsche Volksfeste im ly. Jahrh. 322ff.K wo bei Beginn des Früh-
jahrs die Kinder hinaus ins Freie ziehen, den Beigen, eine l*uppe, auf einem
Wagen hemmfahren und dann mit den Eltern und den übrigen Einwohnern
> Im Winter ßtutcrn ttckannüicb <li« Gcnaaneo keine Krie)[e. tVon beUa t'nmnt dei
Tkcitiu' kaiui am nuf ripe Zeit ift'bt-n, wo mau tuiJcrenurüt biswrilc-n zu den WaiTcn
piff. Da* war aber, wenn i!« Sopimer, uml nitlit, wmn der Winit-r vtir «Ici Tbilre sUuid.
Eft bt unventändlicli, u'ii; ntiin A\fw. Wnrtc für sinnlos ufklüim kann (PBB. XX. 533)1
>~nt) das hier g»chi!iWlc Fest als KrUbjahrsfesI auTgelosst winj,
der Stadt den Tag unter allerlei Lust und Freude ^xrlcben. In den Kreis
dieser FrOhjahrsfeste gehört auch das Herbeiholen und Aufpflanztn des
Maibaumes oder der Pfingstmaie. das aUaberatl in Deutschland sich mxh
bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Bald ist der erste MaJ. bald der
Pfingsttag, bald der 25. Juni der Tag der Freude (Mannhardt BK. ilxiff.).
Auch das Einliulcu des Maigrdfeii '_Hler Maikünigs oder PfiiigstkOnigs (auch
Gras-, Laitiihkönigs) gehört hierher. Wie die Sitte des Maibaume-s lilsst
sich auch diese bis ins 13. jahrh. zurück verfolgen. Oft steht dem Mai-
grafeji oder MaikOnig eine Maikfinigin zur Seite, die auch, namentlich in den
alten (gellen, allein erscheint. Ja, ihr Ein- uml Umzug mag möglicher
Weise das Ältere sein, er las.st sich dem Unizug der Nerthus zur Seite
stellen. Den Srhiftssel zum Verständnis der hit^torischen Enfwickelung dieser
FrUhJingsfestc gicbt eine im 13. Jahrh. verfabste Schrift des Aegidius, die
uns den niedertilndischen Brauch vom Einzug der Pfingstkönigin aus dem
12. Jahrh. schildert iMyth. II. 637). Hier heisst es: sacerdotes celeragtjue
tcciesiasttcae pcnonae cum uniKtzo pa/tuh in solemniUitihus paschae et pfniecoslts
aiiqtMm ex mardoium comubtnn fmrpuratam ac liimitmale nitittnUm in emimn-
tiori solio consliltüam et (ortittis velahim rt^nnm (nabaitt, et eoram ea assislentes
in choreis tympatm et aliis mtmcalibus iiiftmmentis iota die psaUtbanl, et quasi
idohtrae efftctt tpsam Imnquam ido/nm coiebont. Damals also v'crehrte man
noch die heniniziebende Küuiirin wie eine GAttiu. Der natOrÜchc Hinter-
grund dieser Feste zeigt sich namenilicii im germanischen Norden. Terpager,
der Chronist der jiitlündischen Stadt Ripen aus dem Anfange des lö. Jahrh.,
nennt den Maygrefve cf>mis acstivus; er erzählt, dass man diesen schön ge-
ziert und in feierlicher Prozession diuxh die Stadt geführt habe, und das
habe man genannt at fore Sommer i Ih- (>dcn Sommer in die Stadt führen«
Ripae Cimbricae 723 ff.). Der Ausdruck at ride oder /ort Sommer i Bv war
in Dänemark allgemein verbreitet, wenn der Maigraf seinen Einzug hielt
(Mülbech, Dansk Dialektle.xic. S. 333 f.). Selbst bis Fiiuitaiid hinauf ist das
Fest gedrungen. Hier schmückt man bei Beginn des Sommers ein Mflrlchen
mit Blumen, das man Afujdronm'nf: (Maikönigin) nennt (Rietz, Svensk Dialekt
Lesic. 425). Hierher gehört aucJi der Blitme»^r>it\ der Vertreter des Sommers
in den schwedischen iintl sch<mischen Stildten, dessen Olaus Magnus in
seiner Kuliurgcschidite des Nordens aus der Mitte des 16. Jahrhs. gedenkt
(Pabst, Der Maigraf und seine Feste S. 7b ff.).
Ganz ühniich zieht man in Mittel- und Süddeutschland im Mai hinaus,
am den Mai zu suctien (Mannhardt BK. lOii, schmückt Knaben oder
Midchen mit Blumen und führt sie dann umher, indem man an den ThOre»
Gaben sammelt. Diese Gesuilien haben alle möglichen Namen; so heissen
sie in TliQringen der ^üne Mnnn, der Grask(^tüg, dos Laubmätmehen (Witze!,
Sagen, Sitten und Gebrllurhe aus Thüringen II. 203 ff.). in> lilsass der I^ngU-
klotzet uder das Maienröslein (Mannhardt BK. 3IJ). in Schwaben der Latz-
mann (Birlinger, Volkstum lieh es aus Schwaben i. S. I. 120 f.i. Unter den
sieben bürgischen Sacliseii werden SDgar drei Mädclicn feierlich umherge-
führt (Halterich, Zur Volkskmide der Siebenbürger Sachsen * 286). Das
Fest hat sich überall der Bevölkerung angeschmiegt: es ist ein landliches _
unter der Landbevölkerung geblieben, in den StUdten dagegen haben bc- ■
sonders die Giltlen dasselbe ausgestaltet. Unter letzteren ist es zum
SchQtzenfeste geworden, dem fast unkenntlichen Ausläufer des alten Mai-
festes, das sich historisch bis ins 12. Jahrh. verfolgen Ulsst {Pfannenschmid,
Germ. Erntefeste S. 5Ö5 f.). So mannigfach aucli diese Frühlingsfcste auf-
treten, gemeinsam ist ihnen allen der Kern: Schniückung eines Auscrwfthlten,
Nertwüs. FrTjä — FRioa
369
I
I
Umzug und frohes Gelage* (vgl. Mannhardt BK. 311 ff. — Pabst» Der
Maigraf und seine Feste. Reval 18(14).
Zu diesen Volksfesten nun verhalt sich das von Tadtus beschrielwne Fest
der Nerthus nirht etwa so, dass wir in jenen Überreste altgermanischer
Nerlhusfeste hatten, scndeni sie sind mit diesem aus gleicher Wurzel hervor-
gegangen. Zu gcmeinHaraer Lust und Freude Ober <Jle wiciler er*'achte Mutter
Eide verbanden sich mehrere ingvadnisdie Stamme, um die vom Himmel
herabsteigende Göttin fderlichst zu empfangen (Mülleiilioff. Allgcm. Ztsch.
für Gcst'hirhic VIII. ?2()ff.).
§ 73. Frtja-Frigg. Am lUlufigslen und bei den verschiedensten germa-
nischen Stammen erwähnt wird die Frija-Frigg. I^iutgesetzlich decken sich
ahd. Fiija, ags. /Wi.', as. Frt, altn. Frigg (PBB. IX. 544). Dieser Name ent-
spricht skr. ptiya = Gattin (ZfdA. XXX. ZI7) und gehört zu alta. /rf, ags.
/nÄ» »da.s Weib<. Diese :iltgenti;inische Gottheit finden wir bei einem grossen
Teile germanischer Stamme, namcutlicli in Norddcutsclihuid und dem skan-
dina>ischen Norden. Bei den oberdeutschen Stummen ISsst sie sich nirgends,
bei den mit teldcu Ischen nur im zweiten Merseburger Spruche (MSD. N<j. 4,
2) nachweisen. Es ist nicht ohne Bedeutung, dass sich diese Gr>ttin gerade
bei den gerroanischen Vt"ilkem nachweisen lässt, bei denen man eine hfihere
Wodansverehrung findet, und zwar zeigt sie sich überall in engster Ver*
ländung mit Wödan-Odin. Mag sie daher auch von Hausaus die Gemahlin
des altgermanischea Himmelsgotlcs gewesen sein iZfdA. XXX. 2iy), so ist
sie doch schon frühzeitig mit Wodan vereint worden. Indem WCnlan zimi
Himmeli^otte emporstieg, wurde die Gattin des früheren Himmcisgottes
sein Weib. Diese VeteEuigung kann natürlich auch nur da erfolgt sein,
wo Wodan zum höchsten Gotte wurde, d. i, in Niederdeutsch land Hier
finden wir die flUesten ZcugnUse ihrer Verehrung. Es Üegt kein Grund
vor, die alte Sage vom Ursjirunii des Namens der Langobarden, die wir
Paulus Diaconus verdimkcn (L c. 8) imd die auf ähnliche Weise Fredc^ar
scbun ungefähr hundert Jahre früher erzahlt hat. einer Zeit abzusprechen,
wo die Langobarden noch an der unteren Elbe ihre Sitze hatten, wenn sie
auch tiedcutrnd sijJltrr entstanden sein mag, als man die Kampfe der Winiler
mit den Wandalen anzusetzen prir^t (D.-VK. II. 97 f.). Nach dieser Sage
erscheint frut als die Gemahlin \V<'Vtans, dieser alrier ist schon zum Gott
des Sieges und Himmels emporgestiegen, der seine Gemahlin an der Herr-
schaft teilnehmen Issst. Weniger klar geht das Verhältnis Frijas zu L'uodan
sna dem 2. Merseburger Spruche her\'or. in dem jene die Schwe.*iier der
VoUa und eine wundcnhcilcndc Göttin ist. Neben diesen allen Zeugnissen
lebt die Göttin noch heute im 6. Woclientage fort, der germanischen L*ber-
tragung des tf/es VeNeris: ahd. friatar, ags. /rtgedctg, ndl. vrijäag. Aus Nieder-
deutschland kam der Name des Tages nacli Skandinavien, weshalb er hier
frjöHa^, nicht Friggjardagr, wie man erwarten sollte, heisst (vgl. Bugge, Ark. f.
n, fil. IV. 121 ff.). Gestillten des Volksglaubens wie Friekt, dt Fuik, de Füi, ftü
fy/en, Frtkt, in deren Namen man die FrTja hat wiederfinden wollen, sind
* D*n gennanischcn Ursprung dicstr Kcstc zeigt vor allrm da» Gelage. Wie »ehr
bknnf gc>«h<o wurde, icigl a, ■. di<; SkrAordning fOr die St. Knulü^Idc in I.und vom
Jftbre 1^86, wo CT hcissi: 126 Huo tom Mnjf^rfßu ronUr hattti stall med sinr med-
br*drt vJtfggc Jfm tßntler lysl Sil iWvr Maigjaf wird, der «ill mit »einen BrUdem au»-
Irgco fünf Ti>rncn deutscbm Bier) und 12": Jfuilken Slajgrrfue vordrr, hand ma bc-
kvmmf Ikrtt Matgrrffuf SU Citf Fritt paa irtffierts ivywr, om hand dft fr begiertndä
(Wer Mvcnf wird, der noII da» Miiigrarvnbier acciseim bekommeo von Reditswegen,
wenn tr e« l^f^dutl Pabct a, n. (^. S. 6j.
•• Pbnol&clc m. % Aufl. 74
durch Missveretflndnis in die Mvtholi.)gie gekommen (Knapp, Zscli. f. Vcilksk.
n. 44y ff.)-
In den a'tnorwegisK^h-i-slandiHchcn Quellen erscheint Frigg durchweg als
CL-n\;iIilin Otlins, aber als Gt-nmlilin des Oit'm, der dt-m lanj^i ibardisclxen Gwt-idan
gh'ii-hi: als GrftlernmttRr, als Hfirin tles iliiumcls. Sie wird sein WVib gi-naiial
(Lok. Ein!., v. 2b; bei t'jodi'iif SnK. I. 23b; bei Saxo Gramm. I. 107 u. oft.),
die mit ihrem Gcmalil ratsdilagt, ob er die:>eä oder jenes unternelunen snUe
(Vafjjr. i), die nül ihm von Hli(tskj/ilf aus rlie ganze Welt Überschaut (Grim-
Einl.). lu dli-ser Stellung ist sie die ireffliilisle der GMtinnen {SnE. I
1 14). die G«)tiin der I.ielie mid des Kindersegens (Vi^ls. s. Bugge S. 85). die
das Schicksal des Menschen voraus wt-iss (Lok. 29), weshalb ni.»ch spAte
Übersetzer sie mit Minerva identifizieren (,Ann. 1S48 S. 84. 184g S. b); ia
dieser Stellung ist sie die llimmelsgnitin. die mit dem Bruder oder den
Brüdern Uires GemaliU walirtnd seiner wiiitcrlichen Abwesenheit buhlt (Lok.
2(3, Heimskr. 5, &ixo L 42 ff.|. Wie uns die nordischen Skalden die Frigg
darstellen, bertlhrt sie sich einerseits mit der mTdischen Freyja, s«i(iass Snurri
sie wie diese ein Falkengewand besitzen Iflsst, andererseits mit der ingvSo-
Dischen Nerthus. Eine dieser ähnliche Stellung gab Veranlassung, daas sie
bei dem Tode Baldrs, als dessen Mutter sie erscheint, allen Gegenständen
auf der Erde den Eid abnimmt, dass sie dem jngendlii'hen Himmelsgntte
kein Leid zufügen wullen {SnE. I. 172), d;iss gerade ihr Nanna, die mit
Baldr hinab lu die Unterwell gegangen war, ihr Kopftuch sandte (SnE. L lito).
Als chilumisrhe Gi»itheii berührt sie sich auch mit j^rd und l'ji^rgyn. Mieraiw
erklilrt sich vielleicht ihre Benennung hIs Ffifrg^>ns mar {Li)k. ib). Wir Iiaben
in Fj^rgynn-Fjiprgyn ein ganz .^hnlichrs Gfltierjiaar gefunden, wie in Nji^rCtr-
Nertluis udor Freyr-Freyja; I'j9ri;yns marr ist daher nicht als FJ9rgyiis Tochter,
sondern als Fji^r^yns Giiiiin aufzufassen, was ja mirr recht gut in der dichteri-
sclien Spntche bedeuten kann {y^. f/itt mey Vsp. 2^. Lejc, poet 5(13). Als
chthonisclie Gottheit berührt sich die Krigg auch mit der Hli'idyn. die ja auch
füs Thors Mutter erscheint, und zugleich mit der Hludima oder Hludeua nieder-
rheinischer (Brdmbach Corp. Insir. Khen. Na i üo, Bonner Jahrb. 1. 1S4)
und friesischer (Kurresp. f. wt-sld. Gesch. VlIL 2 ff.) Inschriften. Nach
letzteren waren es Fis<:her (candurlorts pisi-tjius), die der Göttin Gclfibde
bnichten. über ihren Niimen ist bei Thur gehandelt i^vgl. S. 358 f.). In dieset
Machtfülle verzweigt sich nun die Frigg namentlich in der Poesie der Nord-
länder in eine ganze Reihe GesU'dten, die weiter nichts sind als poetische
Personifikationen theser oder jener Seile der Frigg luid im Volke nie irgend-
welche grössere Bekanntsdiaft gehabt haben. Alt allein ist das Verhältnis zwi-
schen Frigg unrl Kulla, jener Erscheinung, die auch von allen jenen IIy]X"Stasen
in der nordischen Dichtung Öfter auftritt. Schon im 2. Merseburger Spruche
ersrhelnl Volla als Schwester der Frta. Auch der Norden kennt sie: der
Norweger Ep'indr, der im 10. Jalidi. lebte^ bezeichnet das Gold als das Kopf-
band tlcr Fulla |SnE. l. 34'»); mit flatterndem i laar wird -lie von dem Verfa.sser
der Gylfaginning dargestellt, andei wiirLs als dieGötiin, die die Wunsche der Herrin
den Menschen flbennittell (Grim. Eiiil), die ihre Kleider und Schuhe bewacht,
die seihst zu den Geheimnissen der Herrin herangezogen wird (SnE. L 1 14).
Als leuchtende HinmieUg()tlin oder S^mncngritlin mag man sicli einst die
Fulla .gedacht liaben. Dafür spricht, dass ihr Nann;i den G^ldring aus d<
Untenveh sandte, der offenbar in engsleui Zusainruen hange mit dem Rini
Dnui]>nir slchl (SnE. L 180). — In engem Zusammenhange mit der Fulla
scJieiiit die Gu.'i zu stehen, die auf ihrem Ro^se IJti/i-tirpiuf, «■dem Hufeii-
wcrfer«, durch Luft und Meere reitet, ebcufalis um Friggs Befehle auszu-
riililen. Kcmcr eisrlieint Frigg als Eir, die heilende Göttin, ;ils Sjgfn, die
<lic UtbeiidcD zusammenbringt, als Lofn. die Vermitllcriii zwUchcn Alfadir
und Frigg und den Memichen, als V'9r, die Schirmerin der Verti^lge, als
Syn, die Wachterin des H;iiiK- und I'ingfricdens, als Hlin. die SiljutügöHin
vor Gefahren, ;ils Snutra, die Spenderin vun Weisheit (SnE. I. n^ff.). Kit
h;ilK' diese Hypostasen der Frigg aufgezflJdt, da sie sich dun-l»wcg bei Skalden
finden. Allein hier ersetzen sie weiter nichts ab. das Appellativum t/^a, s<.>-
daas ihr Inlialt aU altlieidiiisdie:« Eigentum zum mindesten sehr fraglich ist
Als ixmnengöttin erscheint die Frigg durch ihre Wohnung, die Fensaür
(Vsp. 54- SnE. I. Ii4\ die wulil niclils andere als die Mccrsäle bedeuten
kfinnen ( Bugge, Studien S. 214). Schon hierin zeigt Mch die nmhiw he
Diehliuig als eine rein ni»rdgemii\nische; im Meere scheint die Sunnc zu ver-
sinken, im Meere beweint die Mutter den Tod ihres gelieblen Baldr. In
dieser Auffassung ist SÄga eine Hypostase von ihr, Säg;t, mit der Ödiim
alltilglicli aus ^uldeueu Gelassen iu Sukkvabekk, d. h. Sinkebach, trinkt
^Grirn. 7. SnK. I. 114. vgl. Müllenhoff, ZfdA. XXX. 218).
Als Göttin der Liebe, der Ehe und des liauslichen Fleisses liat sich die
Frigg im skandinavischen Volksglauben bis heute erhallen. Dürfen «ir den
Zeugnissen Lundgrens (Hednisk Gudatr«.» S, 83) Vertrauen schenken, so lial
die Gflttin besundcrs in Sdiwodcn Vcrelirung genossen, wahrend norwegische
Ürtsnamen. die auf sie hinfuhren, nicht nachweisbar sind. In Blekinge
soll sich der Name der Göttin bis heute erhallen haben. Hier darf am
Thorsiage nicht gesponnen wenlen, weil an ihm A>7gi,' «der Fri^fie spinne,
ujid in \ielen Gegenden Schwedens leuchtet der Gürtel des Urion als Gc-
spinnst der Frigg am Himmel, weshalb dieser im Volksmunde auch /Wg;«-
roktN i Kler Frigf^etenen . Rocken oder Spindel der Frigg« heisst (Hylten-
Cavalliui. Warend f.ch Wirdame l. 23*1 f., Rielz. Sven&k Dial. Lex. 105). An
die Frigg als Göttin der Liebe erinnert das isländische Friggjur^ras. das neben
eUk-ugras die OrcliLs marulala hejteichnet ^Preyer und Zirkel, Reise nach
Island 356).
S 75. Frcyja. Ein Liebling der isländischen Diditung istFreyja. KincSpur
ihrcT Existenz findet sich ausser bei dem norwegi-uhen hei keinem anderen ger-
auuischcn Stannne(Mannhardt. Genn. Myth. 708). Auch Schweden unil Danen
kenocn die Göttin nicht, ja sellwtden Xorwegcni Ut sie nur wenig bekannt. Wir
fmden sie fast nur in der islandischen Dichtung. Hier aber, auf dem fernen
Eiland, ist sie sicher in weiteren Kreisen bekannt gewesen : Thorgerdr, Egiis TiK-h-
ter, &agte einst ihrem Vater, sie werde nicht frflher als bei Freyja ihre Atwnd-
matilzeit einnehmen (Egilss. Khli, iSHä. S. jH.si, und Hjalii Skeggjasfm wurde
auf dem Aldiing gt/t) wepen Gotteslästerung verurteilt, weil er Freyja eine
Beue. Odin einen Hund genannt hatte (Njäla S, 538. Kib. L 42b. W. s. L ii).
Nun liegt es auf der Hand, dajis Frigg und Freyja sich in den nurdiscben
Quellen nur zu oft decken. Afan liai die« daraus zu erklaren versucht, da-w
die Gemahlin iles urgenn. Hiuiinelsgotles .sich in Frigg und Freyja gc^I>allcu
halle (Llh. f. genn. Ph. 1882 Sp. 5). Dies Freyja = ahfl. froiiwa sei tlam»
die Herrin. So erklären sich wohl die Ähnlichkeiten, aber nicht die Ver-
BThicdcnhciten der Gf^tthcitcn. Bei der Frigg ;<eigte es sich, dass sie bei fast
allen germ:amchen Stammen vurkummt. Deshalb hat man sie mit gutem
Rechte als die allere der Iwiden Gottheiten angesehen (MtllUnhorf ZfdA. XXX.
Jl7ff.). Da sich nun Freyja wetler in Danemark nocl\ Schwc<len, ganz
^len nur in Norwegen, stmdem fast nur in isIändiMjhen Quellen uachwei^eu
L^ttt, so ist der SclUasa nahe gelegt, dass sie hauptsächlich erst ein
dichterisches Erzeugnis der Wjkingerzeit ist. Dann kann al«er unmöglich der
24*
Name Freyja auf ein urgenn. Wurt zurüclcgehcn. aus dem auch unser ahd.
frouxL-a her\'OTgegangen ist, sondern wir haben in Freyja weiter nichts als
eine Fem Ininbil düng zu Frey, gerade so wie zu god:gyitja, zu Finnr: Finna
gebildet ist. Hieraas erklärt sirh nun auch die oft geradezu auffallende Cbcr-
einsuinmung der Göttin mit Frey. Diesem dichtete man eine St:hwe<.ter an, die
sich bald mit ihrem Bruder deckte, die aber auch eine Reüic vun Zügen der
nord germanischen Frigg in sich aufnahm. So erklart sich auf der einen
Seite ihre Übereinsiimrniuig mit Frey, auf der andern mit Frigg, die sie auf
Island ganz aus dem Sattel gehoben zu haben scheint. Wie Freyr NJ9rCls
Sohn, ist sie NJ9rrts Trichter (SnE. I. 348. Heimskr. 0), wie er, gehört sie
zu den Vanen, daher lieisst sie 7'auabnidr (SnE. I. 350), vatiadU (ebd. F.
114), vnii/i^ht (ebd. 304). Wie jener a)s Hyfwistase des alten Iliminelsgottes
über Regen und Sonnenschein und die Fniclitbarkeit der Ätkcr herrscht, so
auch Freyja (Uhland, Sehr. VI. 57 f. 154!.). t>b sttlcher Herrschaft streben
wiederholt die Riesen darnach, sie in ihre Gewalt zu bringen. So begehrt sie
der winterliche Sturmriesc Pri'mr (Prkv. 8), der Baumeister aus Riesenheim
(SnE, I. 134 ff), der ji^tunn Ilnmgnir (ebd. jjjo), ailes dämonische Machte
des Wimer>*. Wie Freyr in spaterer Zeit ist auch Freyja hau |3tsäch lieh die
Göttin der im Frühjahre wiedergebi>renen Sonne und der Natur. Ganz wie
ihrem Bruder wird ihr auch der goldene Eber zugeschrieben, das S)Tnbol
der Sonne, den Zwerge gesctimicdel haben sollen, wie alles, was aas Gold ist
(Hyndl. 7). Wie Fre\T auf dem Schiffe Skidbladnir, der Wolke, daherführt,
so wird der Freyja ein Falkengcwand ifjnärhamr, i-olhotiirj zugeschrieben
(Prkv. 3. Hjtidl. <}), das andere Ascn von ihr leihen ^Prkv.i; auch dies kann
nur das Syaibol der Wolke sein. Dieselbe Vorstellung hat auch den Mvthus
eizeagtj dass Freyja auf einem Wageii durch die Luft führe, den Katzen
zOgen (SnE. I. 1 76. 96). Als Gott der Fruchtbarkeit wurde Freyr zur
phallischen Gottheit und zum Gotte der sinnlichen Liebe, weshalb sein Bildnis
in Uppsala cum ingaiti priapo (Adam von Brem. lU. c, 26) dargestellt war.
Auch der Frejja wirft in der Lok. Loki ihre sinnlichen Triebe vor; sie
habe mit aller Welt gebuhlt (Lok. 30. 32). Daher gefallen ihr Liebcslicder,
daher ruft man sie an, wenn man jemandes Liebe gewinnen will (SnE. L
9<>}. Den Drontheimcni hatte ihr Frc\T die Zukunft offenbart (Ftb. L 402),
auch Freyja leiirte den Zauber, wie ihn die die Zukunft weissagenden Vulven
übten (Heimskr. 6). Beide Geschwister waren bei den Äsen Opfei^/jtter
(Heimskr. 6). Wie man dem Frey den Erinnerungstrank weihte, so auch der Frevja
(Fas. lU. i23). Die Anmut ihres Bruders gehl natürlich auch auf sie über:
80 Ist sie trefflichste und schfinste der Asinnen (SnE. F. 9b. Heimskr. 11)
die bei den Guttergelagen die anmutige Schenkin spielt (SnE. L Z']z). In-
folge dieser Schönheit hat ihr die Dichtung zwei Tüchler beigelegt, die Hnoss
ttnd Gersimi. den personifizierten Schmuck und das Kleinod (SnE. L 537.
I. 114. Heimskr. 11). Wenn aber die untergehende oder aufgeherde Sonne auf
dem Meere ruht (Wislicenus, Symh. von T.ng und Nncht 25 ff), dann glänzt ihr
Brisinganien. der treffliche Schmuck, aii ihrer Brust, ein ScJimuck, der fast von
jedem Mythendeuler an<ifrs aufgefasst worden ist, in dem man bald den Mond
(F. Magnüsson, W. Müller), bald den Morgen- und Abendslern (Uhland, Thor
99) oder das Morgenrot (Mannhardl, Göttenivelt 301)1, bald den Regenbogen hat
finden wollen (E. H. Meyer, Idg. Myth. IL 4S5). Xach spatem Mytlms
sollen vier Zwerge, denen sich Freyja hingab, das glänzentlc Kleinod ge-
schaffen haben (Syrlapättr Fas. L 39ff.l. Allabendlich wurde es der Göttin
von Loki geraubt und von Heimdall am Murgcn wieder erworben, wie noch
Ulfr üggasson im Ausgang des 10. Jahrhs. zu erzählen weiss (SnE. L 268}.
I
I
I
Nacli diesem Kleinod hiess die Göttiii MeRgfftt «die mit dem Halsschmuck
Bdadcne< (Idg. Forsrh. V. 1,5), unter welchem Namen sie bewmdcrs in den
Fj^lsvinnsmäl uns erv^egentritt. Und wenn dann die schüne Himmels-
gOttin auf dem Meere zu mhen schien, dann mag ein Dichter sie ab Mar-
d^t, als xlie Aber das Meer Glänzende« (SnE. I. 402). verhenlicht haben^
dann mi^ der j^oldcnc Schimmer auf dem Wasser dai* Bild erzeugt haben,
das» die Himmlwche goldene Zähren »eine, die in der Skaldensprache das
Gold umschreiben (SnE. I. 346 f.). So eignete sich ihre ganze Ersdieinung
allein unter allen Göttinnen dazu, dass sie in chrisiticher Zeit die Venus
glossierte (Pastula Sog. S. 146. Tröjunis. Ann. 1848. 20). — War so bei den
nonregifich-islandischen Skalden die Frcyja der I-iebling unter den Gi'^ttinnen
geworden, so wäre es geradezu auffallend, wenn sie nicht die allere Frigg
zurückgedrängt und Züge von dieser angeniimmen hätte. Wie weit noch in
spätchristlicher Zelt diese Vermischung der beiden Göttinnen ging, zeigt die
Skidarinia recht deutlich. w«i Freyja als Fj^lnis vif. d. h, Odins Weib,
(175) und als sparsame Hausfrau (105) erscheinL Aber auch in alteren
Quellen ist sie zu Odios GemalUin geworden. Offenbar ist dies Verhältnis
Grün. 14 angedeutet, wo es \'on Freyja heisst, daas sie die eine H&lfte
der Gefallenen erhalte, wahrend die andere Öilinn bekommt, und in dem
K\idling des Hjalli (Njäla 5.58) vermag ich das VerliUltnLs zwischen Odin
und Freyja auch nicht anders als das engste, als ein eheliches aufzu-
fassen. Durch diese Annäherung an die Frigg ist aber Freyja auch zur
chthonischen Gottheit geworden, wenigstens kann ich ihre Wohnätze
fhttvan^ (Grim. 14) und Sessnimtitr (SnE. I. 304) nicht anders als Be-
xdchnungcn für die Erde deuten. Als chthunische Gottheit zeigt sie sidi
auch auf ihrctu Totenritte (t valshtni) in den H)-ndluljöd, wo sie die
Vülve H)'ndla weckt, wie der Toiengott Ödimi die VCilva in Baldrs
draumai (vgl. aucli A. Olrik, Norskc Oklkvad og Sagnkonger S. gf.). —
Unerklärt bleibt bei dieser Auffas-sung der Freyja das Verhältnis zu 03, als
dessen Genuahlin .«ie bei den Dichtem wiederholt erscheint (Vsp. 25. SnE. I.
348. 114. 314)- Sie soll diesen in der Welt suchen und goldene Thranen
um ihn weinen. Das klingt nicht nordisch, und ahnliche deutsche Sagen,
die man zur Stütze dieses Mythus hat hcrunzichen wollen (Mauiihardt, Germ.
Mylh. 288*. 295*), sind durchaus nicht der Art, dass sie diesen Zug als
gcmeingermantscJi retten konnten. Es liegt daher die Wahrscheinlichkeit
nahe, dass in diesem Mythus fremder Einfluss vorliegt, wie ihn Bugge zu
erweisen ge-sucht hat, wenn ich auch nicht in Öd den griech. Adonis. son-
dern eine verkürzte Fonn für Ööin suchen mrtchte (Christ. Mürgcnbladcl
vom 16. Aug. 1881. Falk, Aarb. 1891, 275 ff.). Dunkel sind auch die Bei-
namen der Freyja wie Gefn, H^rn. Syr, ^rungva. Skjilf (SnE. I. 557),
deren Erklärung aus dem Nordischen nocJi nicht hefrietligend gefunden ist
Sie werden häufig von Skalden gebraucht, doch sind sie hier vollständig farb-
los: ue bilden nur den Teil einer Kenning für -Weib- (z. B. mett-G^ >die
Kleinodgefn«, die Frau, die sich mit K1ein<xlien schmückt?).
§ 77. Einzelne sttd- und nordgermanischc Gottinnen. Ausser
den G<^ttinnen, die sich mehr oder weniger als H>'poslasen der altgemui'
nischen Erdmutter, der Gemahlin des Himmebgottes, zeigen, giebt es
ncK-h andere Göttinnen, die wir teils dun:h Tacitus in der interpretatio
latina, teils durch die Vüiivsteine germanischer Kriqjer. teils nur aus
isländischen Quellen kennen, von denen uns aber die Quellen kein ge-
nügendes Bild geben. Zu ihnen gehrirt die Tanfana. dereu Heiligtum sich
UQ Gebiet der Marsen befand und das Germ^ticus 14 u. Chr. vermditetc
(Ann. I. 51). Milllenhuff findet in der GOttin eine spendende Eulgöttin,
deren Fest die Marsen im Spätherbste feierten (ZfdA. XXIII. i,^ ff.), eine
üpfergflnin. untl bringt das W^rt mit altn. tafn, ;ihd. sebar ►Opfer» zusammen.
Kögel (Gesch. der dculscheii Dt. I. 19) bringt es mit i$b /j/wA >FüUe« zu-
sammen. Die Etvmulugie und Bedeutung der Göttin bleibt dunkel. —
Ebenso dunkel ist die Isis, die nach Taciius (Germ. 9) ein Teil der Sveben
verehrte mid deren Symbol ein leichtes Sclüff tt*ar. Mandicrlei Hypothesen
sind Ober diese Gr.ttin aufgestellt worden (vgl. Drexler, in Rfischers Lex. d.
gricch. und röm. Mylh. II. 048 ff. Zangeincisler, Hcidelb. Jahrb. V. 47 Anm. 5).
So ist sie u. a. auch mit der Nehaleunia identifiziert worden, von der im
Rhtundelia und auf den vurlageniden Inseln, besonders auf Walcheren, eine
grosse Anzahl Votivsteinc gefunden sind. (Sic finden sich aufgezahlt von
Kauffniann, PBB. XVI. auf.; hier wird auch der Nachweis zu ftthren ge-
sucht, dass die Nchalcnnia und die Isis der Sveben die gleiche genn. Gott-
heit sei). Auf den bildlichen Darstellungen der G»Utin, die die Steine ent-
halten, sehen wir sie in einem römischen Maü-onengewande. bald sitzend,
bald stehend; hier und da befindet sich an ihrer Seite ein Hund, fa^t über-
all ein Fnichtkorb. Auch in ihrem Schosse hat .sie FrOchte. Auf einigen
Steinen befindet sie sich in Begleitung von Neptun und Hercules, auf eintg:en
setzt .sie ihren Fuss auf den Steven eines Schiffes, auf einem stützt .sie sich
auf ein Ruder. Man hat aus dem letzten Umstand gesthlussen, dass man
die Gottin aL>i die •SchifferbescIiQtzende« verehrt habe (Kauffniann a. a. O.),
allein diese Deutung, die die Et_\Tnologie de-s Wortes stützen soll, steht
auf ebenso schwankem Boden wie die Muchs (ZfdA. XXXV. 324 ff. *«
• die Göttin, die hilfreich nahe steht«) ixler Siebs (ZfdPh. XXIV. 4(x> »die
Todbringerin-). — Gar niclil.s Bestimmtes L'ls.st sich ferner sagen Aber die
friesische Badulieiina {Ann. IV. 73. vgl. dazu v Grienbcrgcr PBB. XIX.
.S3I ff.), über die Haiva (CIRli. 130. ZfdPh. XXIV. 304 ff.; ebd. 461 f.; ZfdA.
XXXIX. 51), die Dea Garmangnbis (Corresp. cl. Wcsid. ZfGesch. T893.
184 ff. vgl. ZfdA. XXXVITI. i8qff,: PBB. XX. 52(1 ff.), die Dea Vagda-
vercustis (CIRh. 67. vgl. Verslag. en Medetlel. d. Knng. Akad. van Wetensch.
1874. 344 ff-; ZfdA. XXXV. 393 f.), die Dea Harimella (CIL. VII. 1065;
vgl. ZfdA. XXXVI. 44ff.>, die Dea Hariasa (CIRh. 314: ZfdA. XXXVT.
208). die Vihansa (De Nederlandsihe Spectator 1874; vgl. ZfdA. XXXVI.
3iüff.), tUe Sandraudiga (CIRh. 132: vgl. ZfdA. XXXV. 328 f., 389^).
Wir sehen aus diesen Namen, dass die Zahl der germanischen Göttinnen
ungi;mein zalilreich gewesen ist. Sic werden noch vermehrt durch die For-
tuna, die sidi dcjn Donar-Herkules, tlurch die Victr)ria, die sirb dem
Ziii-Mara. duah die Felicitas, die sich dem Wödan-Mercurius auf den
Votivtafeln der batavischen Reiter zu Rom paarte (Zangwneister, Heidelberger
Jahrb. V. 51). Leider haben wir auch durch diese Namen keine lebensvollen
Gestallen gewonnen: die Combination mit bekannten Gottheiten ist w(>hl ein
leichtes Spiel, aber sie verwirrt, statt zu klaren. Und gerade die Menge der
Namen muss uns vor ilar warnen. — Im 2. Merseburger Spruclie finden wir
femer die Sinthgunt als Schwester der Sonne, eine zauherkimdige Gftttin
(MSD. IV. 1). Ihrem Namen nach ist sie die Genossin und mag daher
Wohl mit gutem Rechte als Montlgi'Jttin aufgcfa.s.st werden. — Eine altger-
nianisfhe Frilhlingsgnitin, deren Existenz vielfach angezweifelt wird (Weinhold,
Die deuUsiiien Monatsnamen 52; Maunhardt, BK. 505), ist aller Wahr>chcin-
lichkeit nach die Austrn gewesen, die wir nur dialektisch als Eoitn aus dem
Angelsächsischen kennen {Beda, De temporum ratione c. XV), und nach der
der Ostcrmonat (ahd. Ostarmänotht ags. Eosturmöttaih) gerannt sein s!»U. Ilir
I
Name cifckt sich mit dein iiid. nsrd »Mnrgfiirölf', dem lat. anwra (Kluge.
Eljin. Wtb. unter Ostern). Sic mftss«; alsn von Haus aus eine Göttin der
MoTgcDtOU- gewesen sein, die auf gcnnaniiH:hem B<:>den zur G/Jttin de» im
Frilhlinge wieder kehrenden Tagrsgcstinis geworden Lst
Unter den iblflndisch-nci'wegisrlien Gt^tiinnen, die »nr aus späterer Zeit
kennen, ist besonders die Iiliinn her^-orzuhcbcn. die ewig junge Götltn, die
Hüterin der goldenen Äpfel, clie den Göttern die Jugend bewahren. Wir
besitzen über sie einen Mythus, den l*ji'idi''lfr in seiner Haustlt^ng (SnE. I.
306 — 14I besungiii hat, woran« ihn dann Snorri scliöpfle (SnE. II. 203).
Ihrem Namen nach ist Idurin die Göiün. clie sirh immer wieder selbst veijOngen
kiinn. Loki entführte sie einst den Gtitteni, indem er sie in eine Nuss ver-
wandelte, imd brachte sie dem Riesen tjazi. Als darauf die Götter zu altem
anßngen, mu¥>ie er sie wieder nach Asgaril zurückbringen. Sjjatcre Mythe
hat Idun zur Gemahlin Bragis gemacht. Wir haben in dem Mythus von
der Idun zweifellos eine abgesclüossene, rein nordische Dichtung. Üass die-
selbe eine einfache Wiedergabe des Mythus von den Äpfeln der Hesptriden
sei, wie Bugge (Ark.f.n.Fil. V. i ff.) zu beweisen sucht, ist wenig wahrschein-
lich, da die verjüngenden Apfel im deutschen und nordischen Mardien zu
Hause sind und d;i sie aurh sonst im nordischen Mythus ohne die Idun
eine Rollt: spielen.
Eine eigentümliche nordische Göttin ist die Gefjon. Der Beiname iler
Frejja, Gcfn, lässt fast vermulfii, dass sie mit dieser in engstem Zusammen-
stehe. Es ist femer mit gijten Gründen die Vermutung ausgesprochen,
i,dass sie mit Nerthiis identisch sei (Much, ZfdA. XXXV. 3.';; PBB. XVII.
Iq6). Wie der Freyja wirft auch ihr Loki ßuhlcrd mit einem blondhaarigen
jDn^nge vor, der ihr dafür herriirSicn Schmuck gegeben habe (Ijok. 20).
I)ic Andetitung erinnert an KrevJ.ts Verhrdmis zu Heinidall und wie dieser
der Göttin den Brlsingenschmuck zuführt. So sagt aucli Odinn lebd. z\)
von ihr, dass sie das Schicksal der Menschen wisse. .Snorri wei.«Ls dann
weiter von ihr zu erzählen, dass sie Jungfrau sei und dass zu ihr alle kommen,
ijie als Jungfrauen sterben (SnK II. 274). Daneben keimen die Heimskringia
(Vngis. c. 5J und die erweiterte Gestalt der Gvlfaginning (c. 1) von ihr noch
*.inen weiteren Mylhu.s, der aller \V;ihrscluiiili<hkcit nach scliwedisthcn Ur-
sjinmgs ist (Mollenhoff, DAK. 11. ^ni f.i. Beide Stellen gehen zurück
auf ein Gedicht Bragis, von dem (a. a. OO eine Visa erhalten ist Nach
diesem Mythus kam einst die (iefjon als fahrendes Weib zu K""tnig Gylfi
von Schweden und erhielt von diesem soviel Land, als sie mit vier Ochsen
wahrend eines Tages und einer Njirht umpfhlgcn kannte. Darauf ging
Gefjon nach Jytunheim und gebar hier einem Riesen vier S^'^hne in Stier-
jtestall. Dort, wo sie das Land ausgepflügt hat, entstand dcx Mälan>ec, das
Land aber scliaffte sie selbst nach Westen; es ist ein Teil der dänischen Lande.
Erwähnung verdient schliesslich noch die nordische Totengöttin, die Hcl.
Im aUgenicinen tritt diese in der männlichen Zeit der Wikinger7üge und ihrer
l.)irlilung in den Hintergrimd. Frigg und Freyja, vor allem aber (Jilinn aU
Totengotl und Herr von Valb^ll spielten damals die Hauptrolle. Die Hei
ist mehr ein dämonisches Wesen als eine Göttin, Wenn sie I'jiMlt'dfr (Hcim-
skr. 15) mtrr Lokü nennt, so fassl t;r sie wolil als Frau Lokis auf, dessen
weibliches Gegenbild sie in manchem ist. Später ist sie seine und der
An};rbo%Ia Titchier (Grim. 31), Sie wuhni im unterin.lis« hcn Reich, und dies
hat von ihr den Namen erliallen. Spätere Vr»lkssagc. die den christlichen
Einflu!» auf der Stirn trflgt, hat ihr eine schreckenerwerkende Gestalt ge-
geben: sie ist halb schwarzblau, halb fleischfarben, von grässlichem Au.sschen.
376
XI. M\THOU>GIE.
MQhe und Plage heisst Ihr Saal, Hun>?er ihr Tiscli, Mangel ihr Messer,
Faullenzec ihr Knecht, Verderben ihr Thor, Geduldermßder ihre Schwelle
(SnE. II. 271).
KAPITEL XV.
DIE EDDISf K£ KOSMOGONIE UND ESCHATOLOGIE.
§ 78. Die Schöpfung der Welt. Einen zusammenhangenden Bericht
Über die ersten Dinge haben wir wiederum nur in isländischen Quellen und
zwar namentlich in der Snorra Eddü, die zuni grussten Teil auch hier aus
den Eddaliedern sch^vpft. Von den Eddaliedern bericlilen darüber die V^hi^
spä, die Vafjirüönismäl, die Grminismäl.
Im .\nfaiig der Zeit, so berichtet die Vsp. (3), gab es weder Erde noch
Himmel, nicht Strand ncx^h See noch sihJiumendc Wogen, Oberall war gähnender
Abgrund. Dieser gähnende Altgrund hicss Ginnungagap. Ei befand sich
nach Anschauung der alten Nttr\*eger nördlich von Norwegen, wahrend die
Islander ihn in die Gebend zwischen Vinland und Grönland versetzten. Dort
kennt ihn Haraldr Hardr^di (t iof>()). der bis an das immatu abvssi barainan
(Adam v. Brenu-n IV. c. 38) vorgedanipen war, hier erwühnt ihn die Gripla
noch im 14. Jahch, (Grünl. Iiisl. Mind, III. 224). Dort hört die Erde, die
man steh als Scheibe dachte, auf (G. Storm, Ark. f. n. Fil. VI, 340 (f.;
Svensen, Svensk Hist.' Tidskr. i88q. 123 ff.). Im Norden dieses Abgrunds
war es eisig kalt, im Süden hciss. Dort befand sich die kalte Ncbelwelt,
Niflheimr, in deren Mitte der Uniniicn }I vcrgelmir, der Rauschekessel,
stand. Diesem eniströintcn zwOlf StnUne, die Elivägar, Strome mit kalten,
feuchten LufLschichten, die nocti heute der Norweger als el kennt (Aasen, Nordt
Ordb. 131), die oft als Hagelschauer zur Erde niedergehen, in» Süden dagegen
war der warme M isp eil z heim r, die Quelle des Feuers und der Warme. Als
nun jene Strftme weiter vun üirein Ursjirungc entfernt waren und dann in Ginnun-
gagap niederfielen wie Sinter, — ein Bild der herabfallenden Hagelkümer, —
da entstanden iüer Eisschichten. Diese wurden von den heissen Funken
und der warmen Luft aus Muspellzheim berührt, und durch das Zusammen-
«i*irken von Warme luid Killte entstand das erste Geschöpf, der uiächlige
Mecrriesc Ymir »der Rausi-her* oiler Aurgelmir »das rauschende NaaSR.
(Vafjjr. 29). Er ist der Slainiuvater der Reifriesen, der dämonischen Gestalten-
des mit Eis bedeckten Meeres. Aus der Vermwchung von Kalte u]id Warme,
von Feuer und Wasser entsteht also das erste Gescliöpf. aus denselben
Elementen, aus denen nacli Ansicht der Chatten und Hermunduren das
heilige Salz entstand (Tacitus, .\nn. XIII. 57), das auch nach nordischer
Auffassiuig der Urquell alles geistigen Lebens war. — Der Bericht in der
SnE, fahrt dann fort fll. 25I'-)), dass von dem Reife, der über Ginnungagap
lag, infolge derselben Warme die Kuh Audumla entstanden sei, aus deren
Eutern dem Riesen Ymir Nahrung zugeflossen wäre. Zweifellos Ut^ dieser
Kuh, wie so oft tm germaniwhen Mythu.s die VorstcUusig von der Nass,
und Fruchtbarkeit spendenden Wolke zu Grunde, die den gewaltigen Meer-'
riesen speist. Sie selbst nährte sich von den salzigen Eisblöcken, inid durch
die Warme, welche sie dadurch diesen mitteilte, entstand ein neues Geschöpf,
Buri, der Vater des Borr, joner der Enteiser, dieser der Erzeugte. LetiF
terer hatte die Riesentochter Bestla zur Frau und zeugte mit ihr Otfin,
Vili und Ve, denn neben diesen Gescht^ipfen hatte Vniir, der gleich dem
Tuisin dey Tacitus v(.iu zwiefachem Geschlecht war, aus sich selbst eine
Naihkominenschaft, die Riesen, gezeugt (Vafpr. 33). — Bors Söhne nun
waren die eigendichen Schöpfer und Ordner der Welt. Sie tüten den Ric
Ymir und ertränken in seinem Blute sein ganzes Geschlecht. Nur Bergel-
tmir entkommt auf semem Nachen und wird der Vater eines zweiten Ricsen-
geschlechts. Ymirs Leib wird dann in die Mitte von Oinnungagap geworfen :
sein Blut gtebt Seen und Gewässer, sein Fleisch das Land, seine Knochen
die Berge, seine Haare die Wfllder, sein Schädel den Himmel, sein Gehirn
die Wolken (Vafl)r. 2t. Grim. 40/1). — Diese ganze Darstellung der Wclt-
schöpfung, wie «-ir sie namenüich aus Grim. und \'uf^r. kennen, hat man
neuerdings ab die letzten Ausläufer der alten babylonischen KDsmogonie
angesehen, die über das Abendland auch zu den Nurdländcm gekommen
sei. Ganz besonders sei es die stoisch<r Ix'hre gewesen, die namemlicti durch
Plutardi Verbreitung in Deutschland uud dem Norden gefunden habe. Nach
dieser ist der Mensch, der Mikrokusmi», fa.«!! aus denselben Dingen ge-
schaffen, aus denen nach der eddischen Dichtung der Makrokosmos, die
Welt, entstanden ist». Diese MenschenschüpEung findet sich bei den verschie-
denen germanischen Stämmen, bei den Friesen, AngeUachsen u. s. w. (Mvth. I.
469; ZfdA. 1. I ff.; XXIII. 350f.). Auch bei den Iren ist sie im 11. jahrh.
nachweisbar (Gaidoz, Rev. celt. \'l. 0 ff.). Nichts destowcniger kann die
nordische Weltschöpfung recht wr>hl nationalen Ursprungs sein, wenn auch
in dem detaillierten Berichte der V'af(>r. und Grim., die von einander
abhangig sind, fremder Eiiifluss eingeuirkt haben mug: die Schöpfung der
W'elt aus einem riesischen \\'csen findet sich bei den verschiedensten Völkern
der Erde (\'gl. Chanlepie de la Saussaye. Gcrmaansche Kosmogonie. Vcrsl.
cn Mededeel. d. Kgl. Akad. van Wetensch. ^. ReeLs Deel VIH. Amstcrd.
1893; R. M. Meyer, ZfdA. XXXVII. i ff.; Anz. f. d. A. XIX. 120). Wie
die Wilden auf solche Gedanken kommen konnten, so konnten es unstreit^
auch die alten Germanen, ohne dass sie dazu von aussenher angereg;l wurden.
Und was von der Erschaffung der Welt gilt, gilt auch von jener grossen
Flut, in der wir durchaus keinen christlichen Eiiifluss zu finden brauchen
(\-gl. R. .\ndrec. Die FluLsagcn. Braunschw. i8c;i). Eine Erweiterung des
SchOpfungsbericIites scheint dagegen durch Snorri erfolgt zu sein. Nacli
ihm war n*Trh Midgardr aus den Augenbrauen des RieaeJi entstanden, wah-
rend die Zwerge aus den Maden hervorgingen, die sich in seinem Fleische
einstellten (SnE II 2.S7- itio; L .50 ff.. 02 ff.).
Nordisch germanisch ist auch der Schöpfungshericht der Vsp. (4 ff.).
Damadi hüben BuisS^thne die Erdscheibe aus dem Meere und schufen dadurcli
.dn iMWhchen Midgarrt, die vrm elen Menschen bewohnte Well, die alle
^nUMUlIschen Stämme kennen (gut. mitlfuit^ardi. ahd. mittilgart. ags. midriangeard,
as. middil^ardi. Noch irrton Sonne, Älund und Sterne, Funken aus Müs|}elb:heiro,
planlos umher, ein echt nordisches Bild, dem die Mitternachtssonne Leben
und Farben gegeben hat iHoffor)-, Eddastudien 73 ff.). Da schaffen die
GiÜtter den Gestirnen ihre Bahn, und nun scheint die Sonne auf den den
Wogen enthobenen Midgard und Iflsst das erste Grün auf ilun wachsen. Dann
veisammetn sich die Äsen auf Mavi^ll. dem Felde der Arbeit, und errichten
hier Tempel und Opfetsteine. Iqren Schmiedcherde an und lehren s<j die
Menschen Werkzeuge und Verehrungsstätten herstellen. In imschuldiger
Freude verbringen sie selbst ihre Tage (Vsp. 7. 8). bis ihre Verbindung mit
den Riesen diese stürt und durch C)din der erste Kampf in die Welt kommt
(Vsp. 8. 21; Caströn. Finn. Myih. 245 ff.). Im Anfang üirer welturdncndcn
Ttiatigkrit schufen auch die Gntter die Zwerge; nach feierlichem Tlünge be-
achliea?it man sie aus Blut und dunklem Gestein ins Leben zu rufen.
S 70. Die Schöpfung der Menschen, fn jene Uranftoge der Welt
fAllt auch die SchiVpfung der Menschen. Drei jener GOtter, CKIinn, ilcDnir
untJ I/iflurr, kamen einst narh Miilgarrt und fanden hier ohne Bestimmung
und unvermögend A s k und Km b I a , zweifellos Baume, vAe die Namen
lehren und die tr/menn (Häv. 4g*) bezeugen. Diesen gab ÖCtino die Seele,
cbs Leben (\mtJty Hoenir den denkenden Geist ^6,ir), Lötfurr Lebens«-ünne
und bhlliL-mlcs Aussehen {l^ ok liiu gei&i Vsp. I" — 18).
Aurh bd Si'höjifung der Menschen glaubt man den Einnuss antiker (Ge-
lehrsamkeit fjefunden zu haben (H. Falk, Martianus Capella og den nnrd.
Mytologi. Aarb. iSyi, 271 H.). Ich vermag diesen ebensowenig anzuerkennen,
wie bei der Schi^pfiing der Welt. Ist er vtirhandcn, so kann er sith auch
nur in der Aussvhiiulckung finden. Sicher ist der Mythus von der Mcn$<.-lien-
s<"hApfiing niirdisrher Mythus. Anders finden wir ihn bei den Südgermanen.
Vun diesen bericlttel Tacitus (Germ. cap. 2), dass sie in Uedem den erd-
ent.sprossenen Tui.sto und seinen Sühn Mannus verherrlicht hatten. Letz-
lerer habe drei Söhne gehabt und diese seien die Stammvater der Ingxaeonen,
Herminonen und lst\'actwicn. Mannus erscheint hier als der Stammvater
aller Germanen, denn ausser jenen VölkerbQnden sollen auch andere Völker
von ihm abstammen '.
§ So. Die Einrichtung der Welt. Von der Kinrirhtung der Welt
können wir nur mit Bestimmilieit in urgennanische Zeit die Vorstellung der
bewohnten Erde als Mittelpunkt des WeltalLs setzen. Bei allen germanischen
Stammen findet sich der gleiche Namen für die Erde: gut, miiijun^anh.
alul. millil- oder miUingmi. alts. midtiilgatd, ags. mtddangeani, ahn. müt-
j^ftfr. Um diesen I^liltelpunkt de.-* Weltalls henmi zog sich dann nach .\n-
schauung der am Meere wohnenden gennanisclicn Stumme, namentlich der
Nordländer, das Meer in Gestalt einer machtigen Schlange, des Mi^garfls-
orra (»der Jt^rmungand. Andere Welten haben sich in der nurdischeo
Dichtung diesem Mensclienheim zugesellt. Wahrend in Deutschland die
Götter in heiligen Hainen, seelische Geisler und Dümoncn in Gewässern,
Bergen, Bäumen wohnten, gab ihmm der Nnrdgermanc ein Reich, schuf
einen Asgarcl für die Äsen, einen Alfbeira für die Alfen (Grim. .5), J9lun-
lieimar für die Riesen, Niflheim otler Niflhel fVegl. f\ Vaf])r. 45) für
die Seek-n der Verstorbenen. Wohl mag die Vorstellung, dass unter der
Erde sicli noch eine VV-lt befinde, dass der gewtStbte Himmel eine dritte sei,
uralt sein, denn nur von dieser Auffassung aus erklart sich dos Wort Mitlingart,
allein es lOsst sich weder beweisen noch u>'ahr^;eheiidlch madicn. dass diese
Wehen bei anderen germanischen Stammen den mirdi.sclien Bezeichnungen
ähnliche Namen gehabt haben. War der Nordgermanc d<Jth nicht einmal
klar über die Lage dieser Welten. Wohl dachte man sich Ji,itunheimar im
Öussersten Nonlen, jenseits der bewohnten Errle, und nannte das Reich des-
halb auch l'tffartt (Ausscnwelt), wohl dachte man sich da« Reich der Hei
unter der Erde (Var|)r. x;^\, allein wohin man Äsgard versetzte, darüber
gi'ben luis die Quellen keinen Aufschluss. — Femer spreclien die Eddalieder
mehrmals von neun Wellen (Vsp. 2. Vaf^r. 43I. Skaldische Gelehrsamkeit
des 12. Jahrlis. bat diese neun Heime aufzuzählen gewussl (SnE. I. ^i}i.
II. 485), allein sie hat hier ebensowenig aus der Volksdichtung geschöpft
wie neuere Mylh<«logcn, die durch gelehrte Kombination die neuen Welten
entdeckt zu haben glauben (Simnuk, Mvth. .^öff.i. Die neun Welten sind
zweifellos erst spüt in die nnrdische Dichtung gekommen, und Namen dafür
liabcn im Volke nie bi-standeu. — Ausschliesslich nordische Dichtung, die wir nur
au.s den firimnism.^d kennen, ist es auch, wenn den einzelnen Gf^tiem einzelne
Welten und Sitze zugeschrieben werden (Grim. 4 — lö). Damach sollen Tlutr
in I^rüdheim, Ullr in Ydalir, Freyr in Alfhetm, Bakir in Breidablik,
I
Hdindallr iii Hiniiiibji^rg, Forcü in Glitnir, Xj^rilr in N/talün, Frcyja
in Folkynng, Skacli in Prymheim wr.hnen; V'alaiifcjälf und Gladsheimr
gehurt Oiiin, in Svikkvabckk sdicnkl ihm S:'iga aus goldener Schale den
Wein.
Ah scheint ferner die VoriteltunK des Weltalls als eines mächtigen Bixuracs,
der sein Gezweig über den Himmel erstreckt (SchM-arix, In<i<>germ. Volks-
glaube, lierl. 1885). allein die Ausschmflckunsi dieses Baumes ist juiip, speciell
isländisch und steht in manchen Stacken vielleicht unter dem Einfluss der
aus dem Süden eingeströmten i'hristlicb-abendUlTuUsclicn Kultur Uhiggc, Stud.
4^tff.)- Wir schöpfen den Bericht Über diesen Weltbaum auM hliesstich aus
der Vs])., den Grim. und den sp<1tcn Kj^lsvm. Von diesen Gedichten giebt
die Vsp. den relativ ursprünglichsten Bericht Dieser Weltbaum führt nach
skaldiächcr Weise den Namen Askr Yggdrasils (»Fjiche des Rosses Odins«
Vsp. 47. Grim. 31. ;^5. 44); es ist das alte, volkstümliche Bild, dass CKlinn als
Windj.n.itl sein Rnss in dem luftigen Gezweig des Baumes weidet, das Veran-
lassung zu dieser Kcnning gegeben liat*. Daneben erscheint für den Baum der
<lunkleNamc Lairädr (Grim. 25. 2b). Die Wurzel der Esche befindet sich am
Brunnen der Urft (Vsp. iq), dena nach al^eitnaniächerVurstclIungerliob sich ein
heiliger Baum neben der geweihten Quelle, iyo trat er in eng*ite Verbindung mit der
Schicksalsmacht und wurde selbst zum Sdiicksalsbaume, zum mj^'iär (Vsp. 2.
Fj^lsvm- 22), zu dem Baume, der dem Menschen das Lr« zumisst. In naher
Beziehung steht er dadurch auch zu Mimir, der nach anderer Auffassung
desselben Brunnens waltet, und so hcisst der Weltbaum auch Mimamet^
iVy}\^\!m. 201. l'nsichtbar sind seine Wurzeln (FJ9lsvm. 20), denn auf die
unklare Viirstellunjj der Grim. f.lil. wonach sich die tine bei der Hcl, die
andere bei den Keifriesen, die dritte bei den Menschen (nach SnK. II 2hi
bei den Äsen) befunden haben soll, ist nichts zu geben. Hier an dieser
geheimen Wurzel liegt Heimdalls Honi verborgen bis zmn Gflltcrgewhick
(Vsp. 27t, hier lÄ-ird der Baum begossen mit dem weissen Nass (Vsp. in),
hier leba» in Schwancngestalt die Jungfrauen, die die Volksdichtung als Schwäne
kennt (SnK. II. 2^41. Aus der Erde erhob sich dann der Stamm hinauf in den
blauen Äther, daher heisst er der äthergewnhnte {untlir heith-^num badmi
Vsp. 27). An ihm Ist die Ri(htstfltte der Gatter (Grim. 29), wiederum ein
Zi^, der aus dem altgermanischen Rechl*:lcbcn geschöpft ist, denn unter
heiligen Bäumen pflegten unstre Vorfahren zu Gericht zu sitzen (Grimm,
RA. 704 ff.). In dem Gezweig der K>iche weidet die Ziege HeiJlrün, aus
<leren Euter der für die Eiuherjcr bestimmte Met konmit (Grim. 25I. Ebenso
befindet sich hier der Hirsch F.ikpvrnir (F.irhdorn, ebd. 2U), aus dessen
Geu-eih di*- Erdgewasser kommen. Hier sowohl wie dort haben wir ein dichte-
risches Bild von der wasserspendenden Wolke. Eine spater inteqxiHcrte
Strophe (ji3) weiss gar von vier Hirschen zu erzählen, die an den frischen
Sprossen der Esche beissen. In einer verloren gegangenen Visa hat femer
der rjjchter der Grim. von dem vielkundigen .^iller erzahlt, der in den
Zweigen der Esche sitzt, und von <h;in Habicht Vcdrfylnir. der zwischen
seinen .\ugc*n weilt (SuK. II. 203). Wie schon in der Strophe von den vier
Hirschen sieh das Streben zeigt, ein Element einzuführen, das die den
Baum xerst'lrenfte Gewall darstellen ^11, so ist dies noch mehr der Fall bei
N'idhi;igg, >dcm schadengierig Haut.-nden-' (Bugge, Siud. I,, 484K dem Drachen,
der an den Wurzeln des Baumes nagt (Grim. 35). woraus wiederum jüngere
Fassung Hne Mf-nge von Schlangen gemacht hat (Grim. 34t. Endlich tritt noch
unter den mvlhischen Tieren des Weltbaums das Eichhiinichen Ralatoskr
auf, das wrtlil Bugge richtig mit *Rattcnzahn> %-iedergicbt (a. a. O. 44)7); es
tauft am Stamme auf und ab und trägt gehässige Worte zwischen Ntdt)9gg
und dem Adler (Gritn. J2) *.
§ 8i. Die Schöpfung der Gestirne. Sonne und Mond. Unstat,
berichtet die Vsp. {5), flogen die Gestirne als Funken aus Müspellzhcim
umher, bevnr ihnen die Götter feste Wohnnilze gabeJi. Als aber diese ge-
schaffen waren, da lenkten sie Tages- und JaJireszeiten. Tag und Nacht ziehen
herauf, gezogen von feurigen Rossen. Hrimfaxi zieht die NacJit Skin-
faxi den Tag. — Nach anderem Mnhus wird die Sonne am Himmel empor-
gezogen, die RcÄse Arvakr ( »Frühwach*) und AUvidr (»Allschnell«) ziehen
sie. Unter iliren Bugen kfllilcn zwti Blaseiiülge die GluL Vnr der Sonne
selbst befindet sidi der schützende Schild Svaüiin, wahrend die beiden
Ungetüme Sk9l] und Hati die leuchtende Braut des Himmels zur Eile
treiben (Grim. 37 — 39).
§ 82. Die germanischen und speciell nordischen Vorslellungen
vom Leben nach dem Tode. Nach altgermanischer Vorstellung lebte die
Seele nach dem Tode als zweite-s Ich des Mcn-schcn in der Well fori. Sie
konnte dann mannigfache Gestalien, namentlich Tiergejitalten, annehmen und
in diesen tlein lebenden Menschen Glück oder Unglück bringen. Das grosse
Heer der Seelen aber lebte in der bewegten Luft weiter, zeigte sich besundent
zu gewi-ssen Zeiten, hatte aber sonst seinen Wohnort in Bergen oder m dem
Inneren der Erde. Über dieses erlaugten nu'i der Zeit die clLthonischcn Gott-
heiten die Herrschaft. So entstand der Glaube an ein Reich der Toten in
der Unterwelt, über das die Gottheit der Unterwelt herrschte. Das Leben
in diesem Reich gestaltete sich ganz nach dem Leben in die.ser Well.
Daher nahm die Vorstellung vom Lel>en nach dem Tode bei den einzelnen
Standen, in den verschiedenen Gegenden und Zeilen verscliiedene Gestalt an.
Auf deutschem Boden müssen wir uns besonders auf die Vulksübcr liefe amg des
Mittelalters und der Gegenwart stützen. Die Vorstellungen unseres Volkes
nach dic'scr Richtung hin sind in dem Kapitel vom Seelenglauben besprochen.
In der nordischen Dichtung hat dieser Glaube konkretere Foruien angenommen,
ja wr finden hier sogar StelEen, \vn von einer Belohnung der Guten und einer
Bestnifung der Busen die Rede ist. Für eine Belohnung der Guten haben wir
in der germanischen Lebensauffassung keinen Hintergrund: wer sein Leben
ohne Schuld und Fehl führt, lebt in den Scharen des seelischen Heeres fort,
ra^ man sich diese bei Wödan im Berge oder bei der Räu im Meer oder
bei Odin in Valln^ll denken. Belohnung der Tugend nach dem T^nde in
christlicher Auffassung kannte der Gemiane nicht. Anders dagegen steht es
mit der Bestrafung der Bösen. Der auf^;epragte Rechts.sinn unserer Vttrfahren
komite recht gut zu der Auffassung kommen, dass Übertreter des Rechts, die
dem weltlichen Gericht entgangen waren, nach dem Tode bestraft wurden.
Wenn demnach die Vsp. von einer Belohnung der Guten spricht, so steht
sie höchst wahrscheinlich unter dem Einflasse der christlichen Sittenlehre;
wo sie dagegen von der Bestrafung der Bösen handelt, scheint sich Christ-
liches mit Germanisch-Heidnischem vermischt zu liaben. — Ein rcissender
Fluss umströmt das Reich der Toteng.^ttin Hei, den Niflheim oder die Nifl-
hel; Süd »die Fttrchterlichee nennt ihn die Vsp. (30); er kommt von Osten
her mid strr>rat über Schneiden und Schwerter. In ihm erkennt man un-
schwer die Geirhvimul der Grim. (28), .die voller Speere Wimmelnde«,
die Gjvll »ch* Dtrmende«, über die Hermödr ritt, d^n ßuvius, der mit /e/is
aller Art angefüllt ist, zu dem nach Saxo Hadüingus auf seinem Ritt in die
UnlerueU konunt (L 51), wieder. Besonders trefflich geschildert ist dieser
Strom, iler vor der Unterwelt fliesst, in der Saga af Thorstcim' Baejarmagoi
(Fmj>. III. 183 ff.), nach der Tlion>tcinn den >*luss durchrcilci. Das Wasser
Iwar hier 50 kalt, da-ss alles sirli sogleich entzündete, und als Thnrstcinii Zehe
von ihm benet2t wurde, da ging sie alslxild in Eiterung über. Von diesem
FhsK wissen auch die Lappen zu erzählen, die die Kunde davun von dea.
Korwegem haben (Norsk Hist. Tidsskr. IV. 215 f.)- Vor dem Flusse zieht
sich eine Wiese hin, mit grünen Krflutcm bewachsen, wc die Untcrwcllswicsc
der deutschen MSrchen (Mannhardt, Germ. Mylh. 444 ff.) oder der Rosengarten,
der Vron- oder Freudenhof in der miltelaJlcrüchen Dichtung <Laistner, Genn.
XXVI. 65 ff.). Schuhe hängen auf ihr nach der Vision des hobtteinischen
Bauern Godcskalk (Mtillenhoff, DAK. V. 113 f.), deren man sich bedient,
wenn man den Flu^is durchschreitet. Hierin hat die Sitte ihren Ursprung,
das.% man Toten neue und besonders feste Schuhe anzuziehen pflegte, die
der Nordländer hehkvr neiutt (Gisia s. 24. Müllenhoff a. a. O.). Eine Brücke
fahrt nach einem Parallelmythus t^ber den Fluss. Über sie musste Hermödr,
als er Baldr aus der Gewalt der Hei befreien wollte. Er begegnete dabei
■ am Brik'kcnkopfe der Jungfrau Möögnü. die die ßrürke liewaclite. Jenseits
derselben erhebt iich der Vai- oder Helgrindr, die Mauer Syxos, die das
eigendiche Totenreich uingiebt liinerlialb dieser leben nun die Toten fort-
■ Hier kämpfen sie, wie Sa.\u erzahlt. Hierher versetzt der Dichter der Grimn-
i&inäl seine Valh^U mit den Einherjem, lüer liegt der Ödainsakr, der in
den romantischen Sag»:« Islands öfter erwillmt wU tFas. I. 411. III.
ö6iff.). Hier ist es aber auch, wo Meineidige und MOrder ihre Strafe ver-
Ibüssen. wo der Draclie Nidh^iggr an ihren Körpern saugt tmd sie zerreist
(Vsp. 39»».
§83. Untergang und Erneuerung der Welt. Eine zusammenhängende
Dar^ellung über den Untergang und die Erneuerung der Welt schöpfen wir
wiederum fast auitsclJicssücIi aus der V9IU-SPH. Ergänzend treten hier in
H einigen l*unktfn die Vaftihidnisraäl hinzu. Die Schilderung in der Vsp. ist
^^^tossaitig, und wenn auch in einzelnen Punkten, »vie namentlich bei der
^HBlffstelitmg deü sittlichen Verfalls der Menschen, >iich chrisilii-her f'ünflus.t zeigen
^^»agi so ist da* ganze doch nordisch-gennanischen Anschauungen enlspnjssen
und atmet nordisches Leben. Von den tiesischcu Ungetümen, den Stinnenwölfen
tuid dem Mundwulfe, wird den Gestirnen arg mitgespielt. Mit Blute röten sie
Idcn Sitz der Götter. Der Sonnenschein sdiwindet, die Wetter toben. Auf
tXvoi Hi^el, auf der Warte von J9tunheim, .sitzt Egg{3är, der Wächter der
Riesen, und schlagt die Harfe, ein nordisches Bild, ahnlich der schönen
Schilderung im Nibelungenliede, nach der Volker mit seiner FiOjL-1 am Huimcn-
bofc Wacht halt. Über ihm kräht der rote Hahn Fjalarr und nift zum
Kampfe. Auf nhnliche Weise weckt Goltinkambi (Goldkainin) die Ascn
zum Kampfe, ein anderer, ein schmutzigroter, die Benvjhner von Hels Reich.
Laut bellt jetzt der H^IIenhund Garrar (der BrÜller. vgl. norw. gartna »laut
schreien«, ein Wort, das bestmders von den Kühen gebniucht wird), der gefej»selte
Fenrir reisst sich lus. Auch unter den Menschen sind alle Hände geli'^i: Brüder
und V*cr«-andte stellen sich gegenseitig nach dem Lebete kern Mensch schont den
andern, QberatI ist Ehebruchs Diir ganze Natur bebt, die Esche Yggdrasils
zittert, auch die Zwerge stöhnen vor ihrer Felswand und wissen nicht, wo aus
and ein. Da machen sich denn die Gütter zum Kampfe auf: ÜQinn spricht
mit Mimirs Haupte ( — in diesem Mythus steckt der alle Volksglaube, dass
das Haupt der Toten guten Rat erteile _ und die Zukunft kOiidc, vgl. GrOnl.
Hi&t Mindesm. I. 080; Fm,s. III. 190; Isl. Pji'rfls. I. 523; Am Urquell III.
[501. 87; Liebreclit, Zur Vulkskunde 280 — ) und holt bei ihm Rat, Heiradallr
kbllit in sein Hom, die Gütter reiten zum grossen Kampfplatz, zur Ebene
382
XI. ^[\■THOLOGIE.
Vigrifl (Vaf|jr. 18). Hierher $ind uuuh die den Güttc-ni feindlichen Machte
gekommen. Von Osten her kommt Hr)'mr, die Midgardsschlange gerät in
Riesenzom und peitscht die Wogen, das Totenschiff Naglfar, das nach der Snorra-
Edda infolge volksetymu logisch er Umdcutung aus den Xälgeln der Verstorbenen
gemacht ist, wird flott. VimSildcn kmtinit Surir, der Herr der Feuerweh MiisiM!llz-
heim, mit ik-ii MüspellzsOhneii ; auf der Spit/e seines Sollwertes trögt er <las Feuer,
das die Wchv(.'niichtet. V^on Norden her kommt Luki mit einer anderen
Riesenüchar, den Genossen der Hei; sein Bruder Byleiptr ist in seinem Gefolge.
Soslnd denn die Ragnar^k, dasGöttetgescliick, wtirausspülercsMissverstandnts
Rajinarnkkr (Gi'tterverfinstenmg) genuicht hat (ZfdA. XVI. I46ff.), herein-
gebrochen. Oilinn kämpft mit dem Fcnriswolfe; der Ase ffllli. wird aber
alsbald von seinem Sohne ViJai" gerächt. Thor kämpft gegen die Midganls-
schiange; er tötet sie, fällt aber seihst durch sie. Die Gölter sind tot Jetzt
erlischt der Sonne Ucht, die Slejne fallen vom Himmel, die Erde versinkt
ins Meer und die züngelnde Flamme spielt bis zum Himmel hinan. Dies
ist der Muspell, das alts. Müspilli. Was dies Wort bedeutet, ist noch nicht
befriedigend aufgeklärt. Vielleicht ist esans Niederdeutschland nach dem Norden
gekommen. Kögels Deutung »Erdzer>)lürer'< (Grundr. IIa. 2:2) ist el>cnsowenig
hallbar, wie die Bugges (Studien 448), der den ersten Teil des Wortes mit
mtitidui, ixier Martins (ZfdA. XXXVIII. iS(^>ff.). der ihn mit moU »brenn-
barer Erdhaufen« zusammenbringt. An eine Zusammenstellung mit mund
und eine freie Wiwiergahe von ftropAelin (TfiB. XXI. 107 ff.) ist natflrlifh
noch viel weniger zu denken.
Die Hauptgöttcr sintl dahin, die Menschen sind vernichtet. Allein nicht
alle sind im grossen Kampfe imd Wcltbriindc zu Grunde gegangen. Im
Holze Hoddraimir, an dem Teile der Weltcsche, wo Mimir seine WohnstSttc
hat, haben sich Lif umi Liffirasir verborgi;n und vom Morgentau genährt
ihr Dasein gefristet (Varf>r. 45). Sie sind die Stamtneltem des neuen Men-
schengesdil echtes, nachdem die Erde von neuem aus den Fluten eiuporge-
taucht ist und in schönerem Grün als früher prangt, und nachdem der alten
Sonne schönere Tochter in herrlicherem Lichte aufgegjuigen ist (Vafl>r. 47).
Da komnuMi auch die Gtiti<;r des Friedens wieder und versammeln sieb
auf Idavvll- Hierher kommt Baldr und sein Gegner H^dr. Hoenir mit
dem Loszweige, Thors wackre S.ihne Magni und Möiti und Odins Kinder
Vdli und Vidarr. Hier plaudern sie von den Ereignissen früherer Zeiten,
hier finden sie das Spiel aus der goldenen Zeit wieder, hier wachsen ungesSl
die Acker. Auch die Mcnsche-n genie.sscn mit ihnen der Freude: in gold-
bcdachtcm Saale, auf Gimlc, der Edelsteinhai de, hausen tlic Scharen der
Treuen mit den Götteni des Frieden-s. Jetzt he-rrsrht übejall feste Onlnung.
Noch einmal fliegt der dttslere Drache Nidhi^ggr daher, allein seine Zeit ist
vorüber: nun wird er für immer versinken (Vsp. 40— W)).
J E. H. Mt-ytr, Dk eitdtsthe Koimo^onit. Frcibiirg i./B. 1891. — * Wtcker-
nagcl. Zi^iLV VI. t^ff.; MüUcnhuff," Schmidt ZlliW, vm. 209 ff. — » l^irikr
MAtjnäBSun, Odins Hone YggdrasiU. Lond. 1895; Ebctid. Vggdrttsiil Cditu
hfitr. Rfvkjavlk 1895. — * Den gr-'ssu-n Ttil dicirr Mytlicn ISsst H. F»lk aus
dem Mardamw r^iptlln j;i,si.-hi"i>rt sein. Anrb, iHqi. jS6 IT. — " V|;!. J.
TwUkr. ((ir VIiümI. I. ^ZU f{.; K. Mülleiih<.ß". r>.\K. V. 113 ff.; V.
l"mier»Ciktiitigar I. 235 ff-
I
ruK aus H
J. Aun. ■
KydlKTS, ■
KAI-ITEL XVI.
KULTUS DER ALTEN GERMANEN.
S 84. Jedes Viiält. auch das. welclies auf der unierelen KuHursiufe steht,
hat das Bcdiirfiiis. mit den pcrsöülicli gedachten Geistom in der Xatur, mit
den hier fortlebenden -Sedtii, mit den DUinonen der Elemente, mit den
Göttern in Vcrbindun)^ zu irelcii. Man hielt dirso Wesen für Wesen, wie
sie der Mensch aus meiner Uni^cliung l::innte, in der Unsichtlxirkeit lag
bcsfinders ihre höhere Macht. Dt-slialb suchte man siih mit ihnen in Ve:-
hinilun^ zu setzen. m;in hoffte v«m ihnen die tiüter des Lehens zu erhalten,
mau fühlte den Draiij;. ihnen für erhaltene Gaben zu danken, sie uin Bet-
etand bei einem Vurliaben zu bitten, ihnen Speise darzubieten, »ie sie der
Mensch sdlwi liebte, ihnen Gescht- nke zu bringen, wie man .*ue I iuhen und
Gebietern zu brinacn [iflcyte. Sn cutstanden Gebet und Opfer. V-m Haus
aus bewirgte dies jeder einzelne für sich oder der Familienvater für sich
und seine Angehörigen. Erst mit dein Heranwachsen einer Gleiche» erstre-
benden Genossenschaft machte sicli das BcdQrfniK geltend, einen Mittler
zwischen dieser und dem höheren Wesen der Gi>Iiheit zu erw'RliIen oder
gewissen Per>onen die ^otteÄdicnstlicUeii Hanttlunnen anzuvertrauen. Sv> ent-
stand «las l'riestertuni. Auch der Ort der Verehnmg war urspntntiürh
überall da, wo man das Walten des buhercn Wesens walirzunehmen glaubte,
wo das Element war, wo man die Naturerscheinung wahmalim. Man betete
tmd opferte an Quellen, an Flüssen, in Wäldern, auf Bergen, g;ub dem Winde
seinen Tribut, spendete der Erde U7id dem Feuer Gaben. Erst naclidcm sich
da.s übernatürliche Wesen zu einer höheren ethisihen Guitheii, die nadi
mehrer«.*n Seiten hin von F-influss auf die Geschicke der Menschen war. heraus-
gebildet liattc. schuf man das anzubetende Götterbild, in das die Seele der
Gottheit zu Zeiten ihren Einzug nahm, nach menschlicher Gestalt und er-
richtete für dietics ein besonderes Gebfiude, in dem es wohnen s*jllte. Der
lUheit zu Ehren fand das ^tro-sse Opfermahl statt, an dem sie Kelbst un-
tbar teilnahm, wie die Seelen fler Verstorbenen am Feste der Geister.
Durch den Quell alles Lebens, das Blut, mit dem man das geweihte Idcjl
besprengte, glaubte man das llcrabkommen <)es (leiste» tn ilen toten Körper
bewirken zu können: su entstand das blutige Opfer, das sehie hücliste Form
im Mensciienopfer erhielt Hier ist aber das Opfer Überhaupt auf seinem
Gi{>felpunki anjielangt; es ist der flussersie Ausl.'lufer des Huldigungsopfers,
das Tylur w» treffhcli als Entsapuiigsopfer bezeichnet hat t.\nE. der Kultur
n. 3c>8|. Hat das Opfer bei einem Volke diesen Gipfelpunkt erreicht, so
gellt CS alsbald zurück. An Stelle <les ganzen Geschöpfes tritt ein Teil, an
Stelle des Wertvollen das Minderwertige, bis sich endlich «las (_)pfer in die
biUUiche Nachahmung des geupfcrten Gegenstandes, in das Symbol rettet.
Siese Entwicklung der Gülter verehnmg, die wir aus der vergleichenden Kult-
l^escbichte kennen lernen (vgl. namentlich Tylor, a. a. O. IL 365 ff.), lasst
si<.'h auch bei unseren Vorfahren verfolgeiu Es gehen hier die verschiedenen
Arten der Ojifer nnch in rler historischen Zeit nel>en einander her: da-s
schlichte Geschenkupfcr, die Spende, die man den Verstorbenen cfder dem
beseelten Elemente brachte, neben dem blutigen lluldigungs- und Enisagungs-
opfer. das die Amphiktyunie zu gemeinsumem Feste zusammenrief. Jenes wurde
bauptsAchlich von einzelnen, dieses vr»n der Gemeinde durch den Priester
besori^l, jenes überall, im Hause, in der Natur, im Walde, auf dem Felde,
dem Ber);e. «.lies an geweihter Suitte im oder in der Nahe des Gaulieilig-
tums, jenes bei maimigfachsler Veranlassung, bei Todesfällen, bei ilissw-achs^
Krankheit, dies vor allem zu besonderen, zu festlichen Zeiten. G^en letztere
Opfer, die allein Staat&opfer genannt werden können, wandte sich in erster
Linie das eindringende Christentum; die einfacheren, aber viel tiefer wurzeln-
den persönlichen (>pfer hint es nicht ansrumtien vermocht, ja hat sogar einen
Teil dciscibcii, wie Bilder- und Heillgcnverelirung lehren, in seinen Kult
he rübergeni mimen. Xoch verbreiteter lebt aber dies alte Opfer fort in einer
fast unzähligen Menge von Sitten tmd Gebrauchen, die wir in allen germa-
nischen Ländern in ähnlicher Form und gleichem Inhalte wiederfinden.
§ 85. Das altgernianische Gebet und Opfer. Gebet und Opfer
.sind fast stets aufs engste miteinander verburulen. Wo sich dies findet, findet
-sich aucli jenes. Nur wenige N'atur\'ölker kennen das Opfer ohne Gebet
(Tj'lor a. a. O. IL 365; Slyth. IIL lo). Das Gebet ist gewtssemias^a die
BegrÜndtmg des Opfers, es sind die Worte, durch die man dem höheren Wesen
mitteilt, weshalb man die Spende bringt und wns m,in dafür zu seinem eigenen
Vorteil erbittet. Einen sitcralen Ausdruck ftlr das Gebet, der sich auf
gemelngemianische Zeit zurückführen hesse, haben wir nicht. Auch haben
wir atif deutschem Bfxlcn kein Beispiel über den Hergang bei einem heid-
nischen Gebete. Dagegen erfaliren wir aus den nürdis<:hcii Quellen wieder-
holt, wie man die Götter angerufen hat bei ungünstigem Winde, vor Schlachten,
bei Misswachs, wie man bei dem Schwur ihren Namen gerufen, wie man sich
oft mit ihnen unterhalten, wie ^ie selbst .\ntwiirt erteilt haben (Fms. I. jOi ff.).
Ja, wir haben hier sogar Berithte über den Hergang beim Gebete selbst:
man warf sich vor dem G^'Jtterbilde zur Erde oder hielt die Hände vor
die Augen. Die Riclilung der Betenden war dann nach Norden (Maurer,
Bekehr. II. 203 f.). Seilen finden wir das Gehet allein, fast immer ist es
an das Opfer geknüpft. Dieses tritt uns in viel klareren Zügen m den
Quellen entgegen.
Das uns gebrfluchliche Wort Opfer, ahd. opfar ist von dem Zeitwort oj>far6n
gebildet, das auf das kirchenlal. ofimiri »Almosen spenden« zurückgeht,
während das aits. ofrdti, ags. offno» aus dem lat. offerre übernommen ist (Kluge,
Etym. Wtb. ^ 2"öi Den Verkehr der Menschen mit den Obematfirlichen
Machten im allgemeinen bezeichnet gi_il. ags. OiSion, ailn. hiöfa, ahd. piuoxan,
und, mit diesem Verbum hMngt das ahn. hi6t »Opfer* zusammen. Unserem
Ücgriff »Opfer^ am nächsten kommt ahd. keU. as. f^id. ags. gield, das noch
in unserem ^Geld« fortlebt. Gewisse Arten der Opfer bezeichnet got. huatl,
ags. hiisei, altn, htisi, ferner got. sau/fx. vielleicht auch altn. /om, dem sich ein
Verb./crwff »opfem« zugesellt. Im Hinblick auf die Bewegung bei dem Opfern
heisst im Ags. das t">]ifer iäc
Von Haus aus brachte jeder selbst der Übernatürlichen Macht, den Seelen der
Verstorbenen, den Dllmoncn, die über die Elemente hcnschteu, vielleicht auch
der Gottheit die Spende. Den Seelen brachte man sie bes<inders an GrilLiera und
da, wo rnait nach dem Volksglauben die Seelen nach dem Tode sich auflialtcn
Hess. TMpste und Concilien eifern gegen diese mtrificia m&rtmrnm Jaffc,
Bibl. rer. Germ. III. 30. 37; 2fdA. XII. 436) oder gegen das sacrilegium aJ
sfpukfjrn mortuontm (Ind. sup, No. i). Diese sarrificia waren Opfer, die dem
Verstorbenen gebraclit wurden und an die sich in der Regel eine Opfemiahkeit
;uischloss, die der Tote verlangte und an der er selbst teilnahm. Im Kapitel
über den Seelenglatiben habe ich gezeigt, wie dieses Opfer in Sitte und Brauch
sich bis zur Gegenwart erhalten hat (vgl. aucli Pfannenschmidt, Weihwasser
50 f. 62 ff.; Laiätner, Germ. XXVI. öo ff.). Bis in die früheste historische
Zeit reichen die Volivsteine, die man im westlichen Deutschland den Matres
1 1
I
oder Matronae setzte und von denen zweifellos ein grwser Teil vun Ger-
manui hcrriilirtf (Coq). Iusct. Rh. a. v. O.). Wie man der Gottheit den
Gedenkstein beim Opicr errichtete, so opferte man sicher auch jenen höheren
weiblichen Wesen. Zu diesen Opft-rn gehi^ren die Disablöt, die die nor-
dLsriten Sagas so oft erwÄhm-n (Heimskr. jS; Kgilss. 84; Vigagl. 6; Kas. 11.
85 ff- ». öft.>. Sie sind ira Gnxnde iiirhts .-mders als jene iacrificia matro'
narum der rheinlündischen Germanen und fanden besonders in derWinlenseit
statt, da zu dieser Zeit die grossen allgemeinen Seclenopfer Oberhaupt gehallen
w-urden. Alit ihnen bcnthrt sich das Alfablüt (Olafs S. h. 1853. S. 8g. Knrm.
S. 48), das den eltwichen Geintem gebrachte Opfer, das zu derselben Zeit
staufand \\-^^. H. Hildebrand, Folkcns Tro om sina Döda 1^8 ff.). Ja wir
habt-n in den ni>rdischen Quellen sogar einige Berichte, wo es ganz offeti
ausgesprochen ist, dass nmn Verstorbene wie Götter vcrehn und ihnen ge-
opfert habe (Vita Ansgarii c. 23. is). S. I. 47. 291), und geradeso wie nach
anderen Berichten Frey .nm Julfeste, .so opferte man auch ihnen /// an, der
Fruchtbarkeit wegen |Fnii. X. 212). Selbst Trollen wurden Getötete gebracht
(Heimskr. r>99).
In der Verehrung Verstorbener hat auch ein gmssor Teil dto Über alle
germanische Lünder verbreiteten Wald-, Berg- und Quellenkultus seine Wurzel.
Allein es Üsst sich hier unmöglich die Grenze zwischen Seelen-, DOmonen-
und G<^ttcr^-crehrung ziehm. Wir haben nur mit der Thabsachc zu rechnen,
dass die F-Ienienie, die BJiume, Haine, Quellen ihr Opfer erhielten, das den
in iluien wohnenden hüheren Wesen galt. Doch will es mir das Walirschcin-
lichere erscheinen, dass auch in diesen C>pfem überwiegend Totenopfer vor-
liegen; ich stütze mich dabei nicht allein auf die Beobachtung, dass nach
gemcingcrmanischcr Vorstellimg die Geisler der Verstorbenen genide hier
iluen Sitz haben, sondern vor allem auf die unanfechtbare Stelle des jüngeren
Chrisienrechts des Gulathinges, nach der es verboten ist ai Iriia A lanihnliir,
at st i lundum <Ai haugum täa fonitm (NgL. II. .io8). als<j an Landgeister
zu ^uben, die in Hainen, HOgein imd Wasserfallen wohnen. Diesen Wesen
cntspriclil ganz das numen, das nach Burchard von Wonns an diesen Orten
ver»'ei!t {reluii idi ^iw/tfam numen sit l. <>4). Auf alle Falle ist e.s vollständig
halllos und unerweisbar. ja im Hinblick iiuf die aUcreii Quellen ganz unwahr-
scheintirli, in diesen Opfern, die noch tjcute so tief im Volke wurzeln, aus-
schliesslich alte Golteropfer zu sehen.
Das Wasser hat in seinen maiuiigfaltigen Erschein uuguii bei fast allen Vülkcni
teutemde und zukunft kündende Kraft tTylor, Anfange der Kultur II. 4.^0 ff.;
Pfaiuieubchmid, WL-ihwa>scT 14 ff.). Hiermit hangt e? zusammen, dass dasselbe
und das in ihm gedathte hrdicre Wesen ganz besonders häufig Gegenstand
giltdichcr Verelirung gewesen ist. Bei sämtlichen gennanisclien Stammen
flndeu wir zahlreiche Beispiele von Quell-, Brunnen-, Fluss-, Teich-, See-
opfem. ja im skandinavischen Norden wurden seihst den Wasserfällen Spenden
gebracht (Mydi. I. 484 f. HI. xö^. Pfannenschimd, Weihw. Soff.). Concilien-
besrhlüsse, die altesien christlichen Gesetze, die Bussordnungen predigten immer
und immer wieder bis tief ins Mittelalter liinein gegen solche Opfer. Gleich-
vohl hat sich bis heute das alte Quell- und Flussupfer überall crlialten. wo
Germanen wohnen ( l*(annenschmid. Weihw. 85 ff.; Runge, Quellkultus in der
iweiz; Jahn, Opfcrgebr. 140 ff.). Kein Opfer wird schon in den ältesten
leiten so häufig erwähnt wie gerade das Wasseropfer. Bei den Alamanncn
er«'£Lhnt es Agathias (^8, 4), bei den Franken Greg<:ir von Tours (H. 10),
Prc^opius (Beil. Got. II. 25), bei den Hessen Rudolf von Fulda (Mon. Germ.
11. 67^^), bei den Langobanlen wird es durch Gesetze verboten (Leg. IJutpr.
-<«niscbc PhUologie. IIJ. 2. AuA. SS
VI. 30), bei den Skandinancm kennl es Prokopius (Bell Got. II. 15), kennen
es die isländisctien Quellen. [I.sl. S. I. 291). Besfmders die Quelle hielt man
für li'pitig. Spendete sie doch das Wasser, das man vor allem zum Leben
Ledurftt:. An Quellen siedcllen sich die Germanen an (Genn. cap. x6).
durch (JpEer mu.*istc man die un.sichtbaren Wesen zu erhalten suchen, die
dies Nass spendeten. Von der einfachsteii Spende bis zum blutigen Upfer,
ja seltisl von Mens<!henoprem lassen sich Keispicie finden. Heute haben sich
diese Opfer /.um gn'lssten Teil indiesymbnlische Handlung geflüihtet. Zu f Istern,
Pfingsten, am i. Mai, an dem man das Maibrumienfest feiert, am Johannistage
pflegen die M;^clrlien an Quellern oder Flüsse zu gehen und diese mit lilumen
(Muntanu.s VoLb-fesle 22 ff., Lyuker, Sagen aus Hessen u. oft.) udcr farbigen
Bändern (Birlingcr, Aus Schwaben 11. 90) zu zieren, wie man auch Kier
oder Brut daselbst niededegi (Monlaiuis 31). Ja das erzgebirgische Madchen
weihte sogar die ersten S])ilz<.'n den WaMsergeistcm und erflehte dadurch
Gedeihen für ihre fernere Arbeit {Clicnmiizer RtK-ken])hil. V. tSi). Mit diesen
Opfern war auch das Erfragen der y^ukunft verbunden. Wie die Sveben zur Zeit
CÄsars, die Franken im 6. Jahrh. aus dem Wasser weissagten, so fragt noch heute
in Bayern das Mädchen den Spiegel des Wassers, wer sein Bräutigam werden,
und in Norddcubichland giebt der Stand des Wassers an, üb (Jas K»jrn gut
oder schlecht geraten wird (Jahn, Öpfergebr. itSff.; 141 ff.). — Besondere
Bedeutung erlangte die Quelle, .sutiald sie das gemeinsame Heiligtum mehrerer
Gauverbilnde, ein Amphiktyonenheüigtum, wurde. Dann wurde sie aufs engste
vcrknü])ft mit der Gottheit, die hier verehrt wurde. Hire Heiligkeit be-
stimmte den Ort, wo die Friesen ihren Gott Ftwetc verehrten (v. Richtliofen,
Unters, über fries. Rechtsgesch. H. 424 ff.), durch sie wurde Altuppsala die
heiligste Statte der Schweden, an der der Landesgottheit die Opfer gebracht
wurden (Adam v. Brem. IV. Schol. 134).
Neben den Quellen- und Flussijpfem spielen namentlich die Windopfer tu
unserem Vfdke eine bedeutende KolJe. Wohl lassen sich keine Beispiele aus
alter Zeit nachweisen, nacli denen inuii dem Winde seiiie S[>e]ide brachte,
wie es heute der österrcii-hi.srhe Bauer thut (ZfdMxlh. TV. 14Ö. 3{X)) oder im
17. Jahrh. das frankische Mütterchen {t'raetnrius, Weltbeschr. 429). Allein
im Walde, in den Bergen wohnen die höheren Machte, die im Winde verehrt
werden. Wald- und Hflgelkult erwithnen aber die ältesten Quellen, die auch
der Heiligkeit des Wassers gedenken (Agalhias a. a. O.; Monuni. Genn. II.
67Ö; Ind. sup. Ni). IV; Mylh. I. 85). In heiligen Hainen wurden ebenso
wie an Quellen mit besi.mderer Vorliebe den Gittern Altare errichtet (Ann.
I. 61). Hier trieben allerlei Dämonen ihr Wesen, die sich die Phantasie
des Menschen unter vielerlei Gestalten dachte (Mannhardt, AWF. 1. 15).
Wenn der Wind die Äste beugte, durchzog die Brust ein eigentümliches
Schauem, das diese Scharen der Geister ahnen liess. In den H.'iumcn, glaubte
man, wulinen diese Geister. Hieraus erklärt sich die Verehrung, die man
Bäumen zu zollen pflegte und noch ztilll (vgl. Feüherg, Die Baumseele bei
den Nurdgerraanen. Am Urquell V. 88 f. 119 f.). Wie der Baum schon im
Heidentum für etwas Heiliges und Verehrungswertes galt (Mannhartit a-a. O.
70!.). so bittet man ilin n^ch heute um Verzeihung, so bestraft man den
Baiimfrevlcr aufs härteste, so hielten viele Menschen, ja g:inze Gemeinden ihr
Leben und Geschick an das des Schicksalsbauines geknüpft (AWF. 1. 10 f.
26 ff.). Die Heiligkeit des Baumes gab dann bei fortschreitender Kultur
Veranlassung, dass man den Baum aus dem Walde berein in die ländlichen
und stadüsL'hen Bezirke bulle; man glaubte mit ihm zugleich den im Biiume
wohnenden Geist oder Gott herbeizuführen, dem das Fest galt. So entstan-
I
den der Mai- und Pfingslbauin, den man aller Orten kennt (ANVF. I. 159 ff.),
der Emtcmai, der geschmückt auf dan Erntewagen uufgcpflatizt wird (ebd.
I. 190 ff.), wohl auch der Chrislbaum (cIkI. I. 224 ff.). Der Maibaum rnag
das Ursprünglichste, Emteniai und Cliristbaum mügeo ihm in späterer Zeit
nachgebildet sein, die vielleicht erst auftauchten, als der lebendige Kult und
Glaube zur toten Sitte geworden war.
Ganz ähnlich wie die Haine gcwjsscn seit der ;Ute!)tcn Zeh die Berge und
Felsen oder netmehr die Geisler, die in ihnen wuhnten, göttliche Verehrung.
Wie der lieÜLge Eligius verbietet tti/ fif/ms l»mifiaria faun oder de: Ind.
supcrsL. äe kis, qtutt /aciitnt super pciras handelt oder Burcliard von Wurms
gegen die vola ad hpiJes eifert, so wird in den nordischen, sowohl den
schwedischen wie den norwegisch- isländischen Rechtsquellen wiederholt die
Verehrung von Hügeln (battgar) untereagt (XgL I. ifct). Auch die Sagas be-
richten mehrfach von Berg- und Hügdkult. Den Berg, den K'irülfr dem
Thor weihte und in den er selbst einst zu fahren hoffte, durfte niemand
uogewasclien anscliauen; an ihm brachte er seine Opfer (E>Tb. ü). Die
m^iiiische Ketilssaga weiss von einem ärhaug (:>Fruchtbarkeitshügel<) zu er-
zählen, dem die Schweden namentlich am julabende opfenen, um dadurcli
Fruchtbarkeit der Äcker zu erlangen (Fas. H. 132 f.). Weitere Belege giebt
K. Maurer, Zsch. d. V. f. Vk. IV. 267 ff, Über den religiösen Hintergnmd
solcher Berichte nehmen wieder die nordischen Quellen jeden Zueifel. In
durclxaus zuverlässiger Erzählung wird von dem I^äuder Koflran EilifssoBr
<ier wenige Jahrzehnte vor Einführung des Christentum.s lebte, lierichtet. dass
«r und seine Verwandten zu Gilji einem FelsbltH-k Opfer gebracht hatten,
weil sie glaubten, claxs in ihm ihr ärmadr, d. h. der Afann, der Fruchtbarkeit
bringt, wohne, ein Geist, der nach den Worten des Kodran selbst zuglelcli
sein Eigentum au Vieh schirme und ihm die Zukunft künde {Foas. I. 261.
Bisk. S. I. j). Im Hinblick auf diese Erzählung venttehen \vir auch die
in alten germanischen Ländern noch heute weil verbreitete Verehrung der
HOgel und Berge (Mj-th. I. 536. Widf, Beiir. IL 6vff.). an deren AblUlngcn
und auf deren Höhen heilige Feuer loderten und Feste gefeiert wurden.
Es ist fraglich, ob auch das Feuer als Sitz von Gdsteni oder Dämonen
Verehrung genfiss, oder ob man sie diesem Elemente nur deshalb zollte,
weil man in ihm das himmlische Feuer, die Sonne, wiederzufinden meinte
(Kulm, Hcrabkxmft des Feuers und Güttertnuikes ' lO ff.), dass man also in
ihm gewisscrraassen einSymh<il des Himtnelsgoties verehrte. letztere .Annahme
scheint die wahrsclielnlichere. Eine Sage von der Insel GtUland berichtet,
dass Thielwar, der in nor^^'egisch-islandischen Quellen als f'jalfi der stete
Begleiter Thors ist, das Feuer den Menschen zur Erde gebracht liabe (Gutn.
UrL ji). Auch die Räder als Sinnbild der Sonne bei fast allen Festfeuem
zetigen dafQr, dass man in diesen Fcueni das Feuer der Sunne hat nach-
ahmen wollen (Schwartz. Poet. Naturansch. I. QU f.; Mannhardt .^WF. I. 1Ö6.
516 f.; Vogt, Zsch. d. V. f. Vk. IH. 549 ff. IV. 195 ff.). Demnach mögen
Äolchc Feuer vor allem dem Himmels- und Sunnengolle gegolten haben.
Allein mit der Zeit hat üffenl>ar <las Feuer eine al Ige ni eitlere Bedeutung be-
kommen. Rs hat reinigende Kraft und wurde ontzUndet, um bOse Geister
tmd DSünoneu fem zu lialteii und dadurch Glück nnd WuhUtand in die
Familie zu bringen. Entzündet wurden dann die Feuer in der Regel, wenn
die Krankheit und Unwetter bringenden Dämonen die meiste Gewalt hatten,
d. L im Hoclisonuncr mid im Winter. Natüriich veränderte sich die Auffassimg
voti aolchen Opferfeuern mit der Veränderung der Lebensbedingungen unserer
Vorfahren, ftfau enlzQndcte das Feuer, um Schutz tmd Vorteil für das Vieh
23*
2U crfichcn, so lange in clitrscjii der Rcicliliun der Germanen bcslaiitl; man
sah diigcgen das Feuer auf den Feldern lodern, wo der Wr.hlstand des Volkes
von der FruclUbiirkeit der Äcker und gtmsl^;er Witterung abhanjrig war. In
diesen Formen hat sich bis heute das Opferfeuer erhalten; als toter Kult,
als Brauch erbt es sich von Geschlecht xu Geschlecht in der alten Fnrm,
mit den alten Form lieh keilen fort (vgl. namentlich Pfanncnsdimid, Germ.
Erntefeste 4<)oIf. Jahn, Opfergebrauche 2,5 ff. u. ^ift.).
Alle diese Opfer werden von Haus aus von den einzelnen Personen oder
für die Familie vom Haupte derselben, von dem Fajnilicnvatcr, vorgenommen.
Man will dabei das h">here oder seelische Wesen entweder teilnehmen lassen
an den Freuden, die man selbst geniesst. oder bringt sie ihm als Dank für
die gelei.«ete Hülfe, oder auch um dadurch persrm liehen Gewinn zu eilangen.
So sind alle allen Opfer entweder einfache Spenden oder Dank- und Bitlopfer.
Erst sp.ller scheint das Sühnopfer, die grosse Spende, durch die man einen
begangenen Frevel oder eine Unterlassung bei der Gottheit wieder gut machen
wollte, entstanden zu sein. Eine höhere Kulturstufe setzt auch das gemein-
same (-Jpfer einer grosseren Anzahl nahe bei einander wohnender Menschen
voraus. Dies kann erst dann entstehen, wenn die ersten Anfange cints Staates
vorhanden sind. Die gemeinsamen Interessen solcher Gemeinschaft er-
strecken sich dann auch anf die Religion, und so entsteht das gemeinsame
Opfer^ aus dem erst wieder das gemeinsame Opferfest, der Opferschmaus,
hervorgehen kann. Wie der einzelne für sich die Spende bringt, um persön-
lichen Voneii dadurch zu eriangen, so thut es hier eine grössere Anzahl
Menschen, die in vielem gleiches Interesse haben imd durch gemeinsame
Sprache und Sitte sich als Ganzes fohlen. F.rst wenn dies der Fall ist, kann
auch Von einem Letter der Opferfeierlichkeiten, einem Priester, kann von
bestimmten Opferzeiten^ an denen man zu gemeinsamem Opfer zusammen-
kam, die Rede sein. Auf dieser Stufe der Kultur finden wir die Germanen
bei ihrem ersten .auftreten in der Geschichte; sie haben alltlberall Opfer-
verbandc, bestimmte Opferzeiten, Opferfeste, Opferlciter oder Priester. Solche
Opfer\'erbände finden wir bei den Sveben zwischen Elbe und Oder (German.
yg), bei den Nerlhus Völkern an der Ostsee (Genn. 40), bei den MiuTicn im
Haine der Tanfana (Annal. I. 51), bei den Friesen auf Helgoland (v. Riciit-
hofen, Untersuchungen II. 434 Ff.), bei den Dilnen in Letbra auf Seeland
(Thietmar v. Merseburg I. cap. g\ bei den Schweden in Uppsala (.\d;im v.
Bremen IV. c;ip. 2^), bei den Drontheimem zu Moerir (Heimskr. S. 183)
XL a. O. Der Mittelpunkt des Kultes waren fast durchweg eine otler mehrere
durchaus persi'Wilich gedachte Gottheiten, die auf die Geschicke der Menschen
einwirkten und sich den Menschen in den vielen Erscheinungen der Natur
und in seinem Geschicke zu erkennen gaben. Da man .sie nicht mit den
Augen sehen konnte, so schuf man ihr Abbild, das Götterbild, errichieic
diesem ein Gebäude und verehrte es hier, als ob es die Gottheit selbst sei.
Neben diesen C>pfem, die ich Styatsopfer genannt habe, gehen jederzeit die
persönlichen Opfer bis in das jüngste Heidentum her, geradeso väe sich
neben den eigentlichen Festzeiten, die sich bes-^nrters zum Opfer eignen
und dafür bestimmt sind, auch Opfer zu allen Jahreszeiten nachweisen lassen,
m<'igen es staatliche, mrigcn es persönliche sein. Die zahlreichen Verbote der
ältesten christlichen Kirche gegen heidnischen Opferdienst (Wasserschicben,
Die Bussordnungen der abendländ. Kirche a. v. O.; Maurer, Bekelir. IL
417 ff.) müssen gegen beide .^nen der Opfer gehen.
Tacitus berichtet, dass unsere Vorfahren iiiren Göttern nach dem
Si^e namentlich Menschenopfer gebracht hatten (Ann. I. 61. XIII. 57).
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Ahnliches überliefern Orosius (VIL 37) und Flonis (FV. 12) von den Sveben,
Sidonius Apollinaris vu» den Sacliseu (VIII. 6). Auf gleiche Weise weihte der
Nordgermane seinen Feind den Göttern oder versprath ihn CMin, falls dieser
ihm den Sieg verleihe (Fxs. I. 454- III. 31. 34). Auch an der Beute halte
der Kriegsgott seinen Anteil (Livl. Reirachron. ibyoU. 339S ff.). Die Frariken
cipfertcn bei dem Poübergjuig (Prokop, BclL gotli. U. 25), die Norweger,
wenn sie neues Land in Besitz nahmen (Hnifnk. S. 4} oder wenn sie sich
längeres Lirben erbaten (Hcimskr. 22 ff.) oder wenn sie güiistigeu Wind für
die 5H:hiffahrt crfleliten (Fs. 9O. Bes<m(lers liHufig cnA-alint werden Opfer,
wenn ein Übel ttber d.-is Land hereingebrochen, vor allem wenn Hungersnot
infolge der Missemte eingetreten war. Sn versprachen die Dünen alle m»ig-
lichen Geschenke, wenn sie von Grendel befreit »-ürden (Beov. 17^ ff.), so
wurde König Obifr trctd(ya von den Seinen verbrannt und Udin ge-
weiht, als grosse Missemte eingetreten war (Hciin^kr. 37 **, vgl. auch Herv.
S. 227), so wiiUten die Reykdojlir auf Ihlaiid den Götiem alles Mei^liche
weihen, um das schlechte Weiter abzuwenden (Rcykd. S. 32). Auf nichu
anderes als auf ein SUhnopfer lauft es auch lünaiis, wenn die Burigiuiden bei
einem L'nglück im Kriege oder Misswachs ihren K5nig zwingen, sein Amt
niederzulegen (Amm. Marc. XXVIII. .5, ^ 14). In einer ganzen Reihe von
Gebrauchen der Gegenwart lebt dies sühnende Opfer noch fürt (Jalm, Opfer-
gebr. 9 ff.). Bei Feuerehamst wirft man Brot oder Eier oder Tiere in die
Flamme, bei Vieliseuchen ver]grabi man ein Tier oder verbreiuit einen Teil
desselben rtder schneidet ihm d;is Haupt ab, das man der erzürnten Gottheit
oder dem Dämon weiht. Um gutes Weiter zu erlangen bringt der l^ind-
mann seine Wettergarben, bringt er dem Winde seine Spende, will er durch
Brot und andere Spelstn Hagel und (iewiiler fem hallen.
In diesem sühnenden Ltpfer hat auch das Nolfeuer seine Wurzel (Myth.
I. 302 ff.; Kulm. Herabk. d. Feuers 42 ff.; Wolf, Breitr. L 116 ff.. 378 fl.;
Maimhardt, AWF. I. 51S ff.; Jahn iO ff.). Es findet sich bei allen ger-
inanisclien Stammen. In Deutschland heisst ein s<.»lches Opfer Nolfeuer, hat
also einen Namen, dessen erster Teil mit tn'uwan, nüan »reiben« (Schade,
Ahd. Wtb. I. 659; 654) verwandt ist. Schon der Ind. superst. eifert gegen
das ignis /rüatus ät ligno >'. e, mdfyr (XV), luid in Norddeutschland hat es
unter gleidiem Namen bis vor kurzem fortgt'.lebt (Bartsch, Gebr. aus Mecklen-
burg il. i4Qf.). In England erscheint es no<.h in diesem Jahrhunderte als
xvülfirt^ d. h. durdi Reibung hervorgebrachtes Feuer (Kemble, Die Sachsen L
295 ff.), in Schweden und Dänemark als ^mäeld (Hylten-Ca^-allius, Warend I.
iSqT. 193}, was dasselbe bedeutet. Den ausführliclisteu BeriLht über dies Feuer
gidit Reiitke aus dem Anfange des vorigen Jahrhs. in seiner ^Untersuchung des
Notfeueni (Myth. I. 502 f.). Damach wurde dasselbe bei bösen Seuchen
entzündet, rauhten diese Über Vieh oder Menschen gekommen sein. An
ihm beteiligte sich die ganze Gemeinde. Alle Feuer wurden zuvor in den
Gehöften gelöscht, und alsdann wurde auf einem freien Platze ein neues
Feuer mittelst Reibung erzeugt. Man steckte ein Holz in die Öffnung ^nes
anderen oder in eiu Wagenrad und drehte d;u>.^elbe solange, bis das Holz
Fcuer fing. Die Nahrung für d;i-> neue Feuer, Holz und Stroh, mussien alle
>tilglit--der der Gemeinde mitbringen. Brannte dann der H(.>lxstos.s, so mu.ssten
das kranke Vieh oder bei Epidemien die Menschen dreimal durch die
Flamme laufen. Alsdann nahm jeder Teilnehmer einen Feuerbrand und
ein verkohltes Stück Holz mit nach Haase; jener entfachte das neue Herd-
feuer und dieses war ein Schutzmittel gegen die Seuche. Aus diesen Not-
fcuem sind in manchen Gegenden j>criodisch wiederkehrende Feuer hervor-
^|D XI. Mythologie.
gegangen, an die sich ein Opferfest anzuschliessen pflegte. So erklärt es sich,
tiass die Johannisfeuer mehrfach als Nntfeuer erscheinen. In Mittsttmmer
traten ganz besonders die Seuchen auf, man hielt infolgedessen die Luft für
vergiftet (Jahn 34) und glaubte, dass Drachen und andere hßse Geister durch
diese flögen (Kemble, Die Sachsen I. 207). Um nun dem Unheil vorzu-
beugen, zündete man in der Zeit um Johannis ein Notfeuer an, da.t sich in
seiner abwehrenden Form zugleich eng mit dem Hagelfeuer berflhne.
Alle diese Opfer sind imgebntcne, sie sind an keine bestimmte Zeit im
Jahre geknüpft und werden angewendet, wenn m;m von dem fllxTirdischen
Wesen etwas verlangt oder ihm danken oder es versöhnen will. Der Gegen-
stand, den man dabei opferte, war geradeso wie bei den Opferfesten ganz
verschiedener Art und richtete sich z. T. nach der Lebenswdse des Stammes.
Die einfachsten Opfer waren Spenden von den Erzeugnissen des Bodens,
Speisen, die man selbst zu geniessen pflegte, die Früchte des Feldes, spJlter
Teile von dem Ertrag der Wein- ,und Obsternte u. dgl. Daneben findet man
die mannigfaltigsten Tiere, die den höheren Wesen, Geistern oder Gflttem, dar-
gebraclit M-erden, vnr allem PfertJe, Rinder, Eber, Widder, aber audi Geflügel,
Hühner, dann Hunde, Katzen und dgl. (Myth. I. 37 ff.). Mit besonderer
Vorliebe opferte man den grOssten Eber der Herde, den Herdeneber
(langob. sonarpair, altn. sotiar^igltr vgl. Sievers, PBB. XVI. 540 ff.). Das
höchste Opfer vi-ar das Menschenopfer, und dies war in der Rege! ein Staats-
«pfcT. Nicht den niederen Geistern, sondern nur der Gottheit und zwar der
höchsten Gottheit scheint es gebracht worden zu sein. Wohl sind die Men-
scheiioiifcr bei den Germanen geleugnet werden (von Löher, Sitzungsbcr. der
Mönch. Akad. der Wissensch. Hist. Kt. 1882. 373 ff), allein die Fülle der
Zeugnisse stellt die Thatsache Ober allen Zweifel. Namentlich wurden Kriegs-
gefangene, Sklaven geopfert. Schon Tacitus gedenkt wiederholt der Menschen-
opfer (Germ. tj. 30. Ann. 1. bi. XIII. 57 u. oft.); die fivebcn, Cherusker,
Sugamber '>j)ferlen 20 römische Centuri^men (Flnms IV. \i), das Opfer der
Franken beim Poübergang ist schon mehrfach angeführt, bei den Sadisen
und Friesen werden sie ebenfalls ernJShnt, und noch Karl der Grosse eifert
in den Capltulis de parlibus Saxoniae (c cj) gegen die Menschenopfer (v.
Richthofen, Zur lex. Sax. 200. J04 ff.). Ungemein zahlreich sind auch die
Beispiele im skandinavischen Norden (Müller. Zu S;l\ü Gramm. III. 114 ff.):
\*on dem Hltesten ZcugnisKc über skandinavische Zustünde, das uns Prokopius
gewahrt {Bell. goth. 11. 1.5), bis zur Einführung des Christentums (Btsk. S.
I. 23) können wir sie auf Schritt und Tritt verfo^en. — Zweifellos ist das
Menschenopfer das höchste und feierlichste aller Opfer. In den nordischen
Quellen können wir die Steigerung des Opfers noch verfolgen. So opfern
einst die Schweden bei Missemte und Hungenmot Im ersten Herbste Ochsen,
im zweiten Menschen, im drillen, da das Übel immer noch nicht gehoben
ist, den König (Heimskr. 14 f.). Auf ähnliche Weise wird in der Gutasaga
erzählt, wie bei den kleineren Thingen nur Vieh, bei dem grossen I^ndthinge
aber Vteh und Menschen ge*ipfert worden seien (Gutn. Urk, ^1).
§ 8b. Opferzeiten. Die grossen Staatsapfer fanden, wenn es nicht galt,
ein plötzliches Unheil abzuwehren oder zu sühnen, zu bestimmten Zeiten
statt Aller Wahrscheinlichkeit nach hangen diese Opferzeiten aufs engste
zusammen mit der Jahreseinteilung der alten Germanen, d. h. sie wurden ge-
feiert, wenn ein neuer Teil des Jahres begann. Leider haben wir über diese,
worüber schon Pfanncnschmid klagt (Genn. Enitefeste S. 326), keine er-
schöpfenilen Untersuchungen. Nach J. Grimms Vorgange war man gewohnt
von einer Dreiteilung des germanischen Jahres zu sprechen. Man stülzt sich
Opfer; Opferzeitex.
391
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dabei auf versdiiedene, z. T. unanfö-litiwre Zeugnisse der nordischen Sagas.
Ä> htds&t es hier in der Ilcimskringla (S. n**}: A' J-fi'/*/' *A>/« / mö/i rv/ri
/// lin, en ut miä/nm vftri hlöia tii ^ödrar, hit priäja at sttmri, pat rtir jyr-
l/öt. Man s^jllte also zu Wintersanfang (d. i. gegen Mitte Oktober) fOr
ein gutes Jahr opfern, — d. I». man bcgrüsstc das neue Jahr, — im Mtttwinter
(Mitte Januar) für das Wachsen und Gedeihen, im Sommtranfang (Mitte
April) für Sieg. Ebenso heisst es von S^urd W)rissnn (Heiiiiskr. 351*'.
Olafs S. helg. 1853. S. 112 5): l/firin vür f>vi vanr, meilan heiäni z'ar, al hafa
Prmn blät htm j'tir, eiti nt vttnwUum. en ntimti at midjum jvfn, prüffa at
sumri. Isländische Berichte treten diesen norwegischen zur Seite (^Gisla
S. 27; vgl. auch K. Maurer, Bekehr. II. 236 ff.). Aber nicht nur die Nord-
germanen, auch die Deutsdien scheinen zu diesen Zeiten ihre grossen Feste
gefeiert zu haben. Wenigstens überrascht Oermanirus die Marser heim Feste
der Tanfana zu Winteranfang (Aniial. I. 51), und das grossL- Ncrthusfest
scheint zu Sommcrsanf:mg stattgefunden zu haben (vgl. Müllenhoff, Schmidts
Zsch. für Gesch. VIII. 2ftö ff.). Dazu kummt noch, dass die alten tjpferfesle mei-st
mit den al^erraanischen ungcbolencn Volk-sversammlungeu zusammenfielen
(RA. 821 ff.; 245; 745), diese fanden aber besrvnders im Sommersanfang und
Spaihetbste statt (RA. a. a. O.). — Diese Dreiteilung des altgermanischen
Jahres ist von Weinhold (Über tlic deutsche Jahrteilung. Kiel 1862) ange-
fochten worden. Weinh«>ld tritt für eine Zwei- und Vierteilung des Jahres
ein, die sich auf die SoLsiitien und AcquincH^tlen stützen soll, und Pfannen-
schmid (Erntefeste 326 ff.) siiwie Grr>tefend (Die Zeitrechnung des Mittel-
alters S. 80 f.) sind ihm hierin gefolgt, wahrend Tille die alte Grimmsche
Auffassung verteidigt (Gesch. d. deutschen Weihnacht S. 6 ff.l. — Bei der
Zwei- und Vierteilung des Jahres spielt eine ganz be»<>ndere Rolte das
alte Julfest, das man als ein Fest der wiederkehrenden S<mnc auffasst
Ich halte diese Auffassung weder für bewiesen noch für wahrscheinlich.
Sonne und Tag waren bei uns<-ren Vorfahren an un<l fQr sich durchaus ver-
schic*lene Din^e. Die Zunahme des Tages kümmerte sie weniger; erst wenn
sie merkten, dass die Tage durch das leuchtende Himmelsgestim warmer
wurden, empfanden sie, dass die Sonne sich ihnen wieder nähere. Es scheint
daher vor allem in nichts be;irimdel. das unstreitig höchste Fest unserer
Vorfahren, das grosse Winterfest, das die Nordlander Julfest nennen, als Fest
der wiederkehrenden S«mne aufzufassen. Zu solchem Ergebnis ist man gelangt,
indem man das altn. yoVmit ags. hvtiU, alln. kitl «das Kad* icusammen brachte
Dnd dies Wort auf die S<.mne deutete. Allein das ist unmöglich. Altn. j6l,
nmord. /«/ liflngi vielmehr sprachlich zusammen mit ags. gehhol. ^eehhol
(Khige, Engi Stud. IX. 311 f.), das auf urg. 'Jefnvtla zurückgeht und dasselbe
wie lat Jorulus »Scherz, Spass^ ist (Bugge, Ark. f. n. Fi). IV. 135). Das Julfest
ist also das fröhliche, lustige Fest, wir haben in dem Wfirle eine Bezeichnung,
die in der Vemiummung ilire Wurzel hat. Femer soll das Fest als Fest der
winteriichen S<»niienwende zu Ehren des iiL'uerwachten Himmels- (oder Sonnen-)
gottes gefeiert worden sein. Allein Wrklan, Holda, Perchta, die iKKrh hci;te an
diesen Tagen im Volksmunde ihrWes^n treiben, sind chthonische Wesen und
Wtndgottheitcn und erscheinen im Volksglauben nur als solche. Mit dem Feste
der wiedererwachten Sonne kommen wir nicht aa"*. Vielmehr scheint dieses
grosse Winterfest, das zu einer Zeit gefeiert wurde, wn die ganze Natur ab-
gestorben zu sein schien, wo die Winde arger heulten als je, wo die Geister
nach dem Volksglauben los waren und allilfiendl ihr Wesen trieben, in erster
Linie ein allgemein gemianisches Totenfest gewesen zu sein. Hierfür spricht
vor allem der Name. Schon dass dem neuerwuchten Himmclsgotte gerade
ciie NSrhte geweiht sein sollten^ ist auffallend, eine so berfeutende Rnlle nucb
die Nadit im allgermanischen Rechlsleben spielt Ferner bezeichnet Beda
im kullcktii.i8':hen Singular das althcidnische Fest als modraniht (i. e. matnira
noctera, De t^mp. rat. c. 15), .'ilso mit einem Worte, das auf die Verehrung der
OTfl/zoff^wTömisdi-yennanisdier Inschriften (vgl. Much, 2fdA. XXXV, Jt23f. ge^en
Kauffniann, Zsfh. d. Ver. f. Vulksk. III. 24 ff., der in dem riieinischen ma-
tronae keltischen Kult Riehen willi, der ahn. r/üar hinweist: es sind die Nachte,
die den weibUchen Schutzgeistem, den Seelen der Verstorbenen, geweiht sind.
Auch die nordischen Namen jdl und mült^tmmStt sprechen für diese Auf-
fassung. Fenier spricht dafür, das* in ganz Deutschland und im Norden
der Glaube und Brauch sicli erhalten hat, der sich fa.st ausschliesslich bei
dem Scek-tiglauben und -kult nachweisen lassU Die Zeit ist die heiligste des
ganzen Jahres, es ist die Hauptzeit für Wewsagung und Zauber, jeder T^
ist vfjrUedeutungsvoU für Wetter und Schicksal, jetler Traum gelit in Erfüllung.
Alle Geister sind an diesem Tagrc los. Hexen. Werwulfe, Allen, Zweite, die see-
lischen Scharen ungeiaufter Kinder treiben ihr Wesen, an der Spitze Frau Holle
oder Per< hta; das ist auch die Zeit des wütenden Heeres tider wilden Jagers,
des Wi »de, I leljagers, Harkelberigs, Schimmel reiters oder wie er im Volksmnnde
heisst. — In den norwegischen \'ulkssagen heissen noch heute die Geister-
scharen, die zur Julzeit die Gehi'Ute aufsuchen» JoUkrtid \idcJ /olsi-einar (Aasen,
Kursk (Jrrlb. 3345), uml die schwedischen Lappen verehren sie unter dem
Namen /om/o-^ö-tjc (Julvulk) durch Opfer iFritzner, Norsk Hisi. Tiiisskr. IV. 156).
Aber auch anderen Orts finden Schmaus und Gelage statt, worrm die Geister
teilnehmen. An cAieseu Tagen wird nameutlicli die Minne zu Ehren Ver-
.storbener getrunken. Und in den vermummten Gestalten, die noch heute
in unserem Nikolaus, Ruprecht und ahnlichen Namen fortleben, werden die
Geister leibhaftig vorgeführt, die unter allerlei Scherz und Spiel ihr Wesen
treiben. Ganz entschieden sprechen endlich auch die nordischen Quellen
für die Auffassung des JulTestes als eines Totenfestes. Die ursprüngliche
Form des nordischen Julfestes haben wir noch ia dem alfublöi uud dhahiol.
Dass unter den alfar und dhar »irklich seelische Wesen zu verstehen sind,
gebt aus verschiedenen Betspielen herv 'n (s. «.i.). Dass das Opfer aber, das ihnen
gebracht wurde, zur Julzeit stattfand, lehrt vnr allem ciie gri»sse Olafs.saga, nach
der der Skalde Sighvatr spat im Winter zu einem Gehöft kommt, in dem
das Alfablot gefeiert wird (Olafs S. helg. 80). Auch wird wiederholt erzählt, dass
an dem Julfeste Riesen und Unholde teilnahmen (Maurer. Bekehr. H. 235).
Dies F'est war also das Haupttest der Gennaneu. — Schon frühzeitig
mH'igen wirtschaftliche liiieressen bei der Feier dieses Festes eine Rulie mit-
gespielt haben, wenn ich in diesen auch nicht mit Tille den Ursprung des
Festes zu erblicken vermag (A. Tille, Die Geschichte der deutschen Weih-
nacht). Goipfert wurde für ein glückliches Jahr; das reue Jahr wurde be-
grOsst [til lin, Bisk. S. I. 5, Fros. I. 261; Fas. II. I3if.)- I"i engen Kreise
der Familie mochte hier utuI da dies Opfer den Geistern gehen. War aber
im Gauverbande eine höhere Gottheit da. der man Fruchtbarkeit der Äcker
zuschrieb, wie dem schwedischen Frey, dem norwegischen Thor, so wurde
die Feierlichkeil im Gauverbande auf diese und die anderen Gottheiten
übertragen. — Gefeiert xiiirdc das alte Fest der Seelen in den einzelnen
Gegenden an verschiedenen Tagen. Wahrend in Südileutschland im allge-
meinen die Tage von Weihnaditen bis zum hohen Keujah: geheiligt waren,
fielen sie in Franken, Norddeutschland und Skandina\ien erst auf Anfang
Januar.
Ausser diesem Hauptfesle unirde ungefähr einen Monat spater, im Februar,
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im Norden das Güiblut gefeiert (Maurer, Bekehr. II. 236). In diese Zeit
fiel auch das Hauptopfer zu üppsala. vro namentlich der Himmelsgott Freyr
verehrt wurde. An diesen Tagen beginnen die Skandinavier eine Rückkehr
der Sonne zu merken. Ich glaube daher, dass vielmehr dieses Fest das Fest
der wiederkehrenden Sonne gewesen ist. An diesen Tagen ist es auch, wo
noch heute das Volk in Deutschland Feste feiert, an ihnen, zu Fastnarhten, werden
draussen im Freien Feuer enizßndet, an diesen Tagen spielt das Wagenrad
•ll Symbol der Sonne eine Rolle, iiiL-hl zur Zeit der Zwfilfnachte. Aus
dem frühen Mittelalter hat F. Vogt wertvolle Zeugnisse für das alte Scheiben-
treiben und Frühlingsfeucr nachgewiesen (Zsch. d. V. f. Volksk. III. 349 ff.;
IV. 195 ff.). Aus den vielen Beispieleji der letzten Jahrhunderte, die sich
ausser bei Vof^ bei Ffannenschmid und Jahn zusammengestellt finden, sei
nur das aus Sebast. Franrks Wahrhaftiger Bcschrelbunge aller Teile der
Welt ds^^y) angeführt: »Zu Mitterfastt-n (rt. h. Fastnacht) flechten sie ein
alt \S'agcnrad voller Stroh, tragens auf einen hohen, jähen Berg, liabcn darauf
den ganzen Tag ein guten Mut, nih vielerley Kurizweil, singen, springen,
dantzen, Gcradtgkcit und anderer Abentheuer, vmb die Vesperzeit 2Qnden
sie das Rad an. und lassens mit vollem Lauff ins Thal lauffcn, das gleich
anzusehen ist, als ob die Sonne vom tlimmel liefe.« Aller Wahrscheinlich-
keit nach ist dies Fest mit dem Fi ühlingsfe&le identisch: man feierte die
ROckkehr der Sonne in d^n einz**Incn Gegenden zu verschiedenen Zeiten.
Ausser diesen Feslzciten erwähnen die nordischen Quellen noch die Opfer
0/ sttinri »zu Sommersanfang* und das hausthl^t 'das Hcrbstopfer-: oder das
Opfer at r>ttrmUitim »zu Wintersanfang«. K.steres fand wohl im April statt,
letzteres im Oktober. Diese beiden Opfer treten im Nordischen offenbar im
Vergleich zu Ucm grossen Mittwinteropfer zurück, obgleich sie mehrfach cr-
«-ahnt werden (Maurer, Bekehr. IL 233. 237). Und weim dazu Snorri in
der Heimskr. (g") bemerkt, dass man beim Somraeropfer des Sieges wegen
geopfrrt habe, so kann das nur auf nordische ^'crhaltnisse gehen, die wohl
in der Wikingerzeit erst ihre Wurzel haben. Aber auch auf deutschem Boden
scheinen wir noch Cberrrste dieser allen Frühsommer- und Herbstopfer zu
haben, jene in der Hagelfeicr, dem Johanntsopfer, an dem es bt^ondcn
galt, Menschen, Vieh und Erzeugnisse des Bodens vor bösen Geistern zu
schützen, diese in den Erntefesten oder den Marlinsschmauscu. Doch sind
die Nachrichten auf diesem Gebiete mit Vorsicht für aligcrmani-schen Kult
2U vcr«ertcn. da sie in Kulturvcrhallnisscn üire Wurzel haben, die wir
hauptsttchtich den Römern verdanken ^.
§ 87. Hergang beim Opfer. Wahrend bei dem einmaligen und per-
sönlichen Opfer ein jeder dem gfitllichen Wesen seine Spende an irgend
einem Orte, an dem er die Gegenwart der Gottheit oder der Geister wühnte,
brachte (vgl. den interessanten Bericht des Arabers Ibn Fadhlan bei Thuniscn,
Urspr. des russ. Staates .S. 30 ff.), kam man bei den grossen i"^ ff entliehen Opfern
in grAs»eren Scharen zusammen. Dass bei denselben an bestimmtem Orte, d h.
im Heiliglmne der Gottheit, sämtliche Mitglieder der Amphiktvonic teilnahmen,
ist nicht erueislich und höchst unwahr-^hetnlich, wenn man auf die räumliche
AttMirhnung di-s Tempels und die Mitgliederzahl des Kultverbandes blickt.
Vielmehr nahm nur ein Ti-i! derselhfüi an dem Mahl im Tempel teil, der
andere feierte das Fest in engerem Kreise, wie aus dem Beridite des Tacitus
^Ann. I. 51) und mehreren nordischen Quellen mit Wahrscheinlichkeit her\'or-
geht DiKrh wurde es hier wie dort auf dieselbe Weise gefeiert Daher
wurde an ihrem Feste die Gottheit vom Priester in der .\mphiktyonic herum-
gefahren, wie U'ir da.s von der secUndischen Nerthus tmd dem Uppsataer
Frej* erfahren. — Eingehemle Berichte Über den Hergang beim Opfer ver-
danken wir aiisschliessSidi nordischen Quellen aus den letzten Jahrhunderten
des Hei<Irntums. Geleilet wurde ii;is Opfer vom Priester otler dem Vor-
steher des Bezirks. Zunächst wurde das Opfertier f'hhiul} (leschlachlet und
das Blut in ein geweilites Gefilsa gelassen (Heimskr. yj. Hervar. S. 297),
Letzleres war der Mauiboüi, der Opferkessel, der auch in deutschen Quellen
Öfter enn-ähnl wird I Jlyth. I. 47V In diesem lag der Opfcrwcdel, der klaui-
ieinn. Diesen tauchte der Priester in das <>pferbhit und besprengte damit
die Götterbilder (Heimskr. 14. gj. .^.^8. fsl. S. I. 2,58. Fas. I. 454. Hervar.
S. 228 u. "jfL) und ebenso die Wände des Tempels innen und aussen
(Heimskr. 92). Alsdann wurde das Fleüich über dem Feuer, das in der
Mitte des Golfes brannte, in grossen Kesseln gekocht und darauf gemeinsam
verspeist. Ks fand der Opferschmaus, die blöffehia. statt, Auf dem Hoch-
aitze sass der Leiter des Opfers, in Norwegen und Schweden meist der
K^nig oder nn seiner Statt der Jari, auf Island der Gode. Das Mahl fand
in einem liesondercn Hause statt, das geschmöckt und dessen Galf bestreut
war (Gisl. S. 27). Genossen wurde das Fleisch der Opfertiere und die BrOhe,
in dem es gekixjit war, sowie das Fett, das darauf schwamm (Heimskr. 95),
Dabei wurde aus HOmem oder Bechern Bier getrunken. Der Häuptling er-
öffnete das Mahl, indem er das Hom zum Preise der Götter leerte (/«// si^na
Heimskr. 92 f., 3,^8). Ausscrdcni trank man zum Gedächtnis Verstorbener
(minrri sig»a Heimskr. 93). Aus dieser HandUnig spricht noch ganz klar der alte
Secletikuit. Zuweilen wurde aucli das brasacfull getnmken (Heimskr. 32.
Hervar. S. 207. Ftb. L 345), an das sich feierliche Gelübde anschlössen, wie
man llbediau]jt beim Opferschmaus öfters Gelübde brachte (Her\'ar. S. a. a.
O. Heimskr. 93). BragarfuU ist aller Wahrscheinlichkeit na<h cIils FOrsten-
gclflbde, das der junge Fürst nach dem Tode seines Vaters bei dem feier-
lichen Opfer ablegte, denn es wurde besonders nach dem Tode des Königs
bei dessen Leichenopfer gebracht (Heimskr. 32). Bei dem Mahle wurden dann,
zu Ehren Toter oder der Götter Lieder gesungen (Fas. IH. 222 f.). Auch
Mimciis]iict war mit dem (Jpfcr verbunden (Saxo L 258}, und Sctiwerttänze
scheinen dabei stattgefunden jeu haben (Friedberg, Aus deutschen BussbQchcm
26), wie es auf Island öfter vom Ballspiele begleitet war (ZfdPliil. XXIL
152 ff)-
§ 88. Der Ort der G/Jtterverehrung; Tempel. Zwiefacher Art ist
der Ort, an dem unsere Vorfahren nach den ältesten Berichten der Römer
die höheren Wesen verehrt haben: bald werden Haine, Berge, Quellen, Flüsse,
bald Tempel erwähnt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass jenes das altere
und vcrbreitetcre gewesen ist. Oiesc Orte sind es auch, die sich im Volk."*-
glauben als heilige Orte ins Christentum geflüchtet und sich hier bis heule
erhalten haben, nachdem die Tempel schon über ein Jahrtausend gebrochen
sind. Wenn der einzelne betete und opferte, so ging er hinaus in die Naltu',
in der er das Wallen eines höheren Wesens zu verspüren glaubte. In
der historischen Zeit finden wir zahlreiche Belege, dass unsere Vorfahren
selbst im Kultverbande noch gemeinsam in der freien Natur opferten und
ihre Götter verehrten (Myth. L 53 ff.). Mit der Zeit erst entstand das
gebaute Haus, der Tempel, sicher ursprünglich das StamnicsheiligUim.
Erst in den sputen nordischen Berichten finden wir auch Privaltempelr
namentlich auf Island (das bliUhih), in Deutschland lassen sie sich nicht nach-
weisen. Enl-standen ist wohl der Tempel aus dem gemeinsamen Dinggebaude,
das sich bei lungeren und grösseren Versammlungen uölig machte. Aus den
nordischen Quellen wenigsten erkennen wir noch klar, dass jeder Thingver-
band sein gemeinsames Heiligtum hatte, dass die grossen Festzeiten ziq^Ieich
ungel>oienc Thing<' wiircn, dnss der Leiter des Thinges auch zugleich
Leiter des gemeinsamen Opfers war (H. Petersen, Om Gudedyrkclso i ff.).
Tempel, d. h. Gebäude, in denen die Gottheit in ihrem Bude verehrt wurde,
gab es demnach von Haus au3 nur an Dingstatten; in ihnen wurde nur ge-
opfert, wenn die Dinggwiussen zu gemeinsamer Beratung vereint waren. Da-
bei leitete das weltliche Oberhaupt oder sein Vertreter, der Code oder Ewart,
das C>pfer, d. h. er erbat für die he vorsieh endrn Verhandlungen den Beistand
und den Schutz der Gottheit, fragte diese, wenn es galt ihren Willen zu er-
forschen, und brachte die gebührenden Dank-, Bitt- und Sühnspenden.
Vielleicht waren infnlgctlessen die ältesten Tempel dem Gotte des Dinges
geweiht. Allein schon frühzeitig entstanden daneben Tempel, die auchi für
andere Gottheilen bestimmt waren, sobald diese der religiöse Mittelpunkt eines
oder mehrerer Gaue geworden waren. Trat dann auch die Verehrung der
Gottheit an und für sich in den Vordergrund, war auch das ihr zu Ehren
gefeierte Fest die Hauptsache, so knüpfte man doch auch bei diesem oft die
Beratung über gemeinsame Angelegenheiten an die gi.ittesdiensiliche Feier,
Diescll>en ht'^rten nur dort ganz auf, wo der Tempel ein einfaches blöthtis
für die Familie war. — Errichtet wurde der Tempel in der Regel an Statten,
die schon an und für steh nach altem Glaubei» für heilig galten, besonders
in Hainen, aber auch an Quellen, an Bergen. Daher bezeichnen die ältesten
Worte, die wir für den Ort gf.ttlicher Verehrung haben, sowohl diese Orte
als auch das der Gottheit einciiiete GebSude. Ahd. hnruc glosiiert bald
»nemus, lucus-, bald i-fanum. delubrum'^, dasselbe thut ags. heaTh (Graff IV.
1015: Wright-Wülcker L 433. 510. 517. 519). Dagegen ist das entsprechende
alln. h^rgr bald »Berg, Felsen« (Fritzner* II. 191, auch noch in den neu-
nordischen Dialekten vgl. Aasen 2Qo; Riotz 244), bald ebenfalls »Tempel- und
dann meist mit »/w/« grstabt. Vielleicht bezeichnet hfr^, wie Finnur Jöns-
son annimmt (Festsch. für K. Wciiitiuld S. 13 ff.), in Skandinavien speziell
einen Tempel für Göttinnen, wii Frauen den Opferfesten vorstanden. .\uch
ahd., ags-, alts. rvih. altn. vf, das Heiligtum, das Geweihte schlechthin be-
zeichnet bald den heiligen Ort im allgemeinen, bald das Gebäude, in dem
die Gottheit verehrt wird (Myth. I. 54). Ein solcher Ort war bei den alten
Germanen eine Frieden sstiiite, wo je«ier den Schutz der G6uer geno.ss, wes-
halb der Dichter des HcUand ]\\n/ndtiwih (513) netmt. ein Wort, das ganz
dem altn. heli^- i»der {^nitaslfti^ ent-^jiricht. Es galt daher nach nr»rdischem,
ja sicher noch gcmcingcrmanischem Rechte als eine der höchsten Strafen, von
dem Tempelfriedcn au.sgcschl«ts.sen m sein. Wer tiies war, hiess vargr i ve'um
»ein den Göttern Geweihler im Heiligtmne' (Wilda, Strafrecht d. Germ. 280 f.;
Kauffmaim, PBB. XVIII. 175 ff.). Neben diesen Worten wird das errichtete
Gebawle noch goi. alhs, a.s. nlnh, ags. e/ilh genannt; ferner heisst es im Nor-
dischen ko/, das von Haus aus den eingehegten Tcmpelbezirk bedeutet; auch
das guilflndisfhe stafyarifr s= Tempel ist »der mit Ruten umzäunte Platz«
(Gutn. L*rk. 4 32). Da.«* ags. ealhslefie bezeichnet die heilige Statte ganz
allgemein, alid. piöslnrhiis, pldzhüs charakterisiert den Tempel als OpfcrgebSude,
wahrend das altn. bhiihih vor allem von Tempeln, die sich Privatpersonen
erriditet haben, gebraucht wird.
Nachweisen lasst sich die G<^tte^^'crehrung sowohl in der freien Natur als
auch in Ijc^wnuh-rs dazu t-rrichleten Gebäuden bei allen germanischen Stammen.
Unter den Bäumen im \\'alde, auf .\uen und Wiesen, an Quellen und Flüssen,
an Bergen und Felden, miler freiem Himmel, auf Feld und Khir, seil«! am
leimischen Herde fand sie statt (Grimm, RA. 793 ff.; Jahn, Opfergcbraudie
a. V. O.)- Gefesselt gehen die Semnonen in ihren heiligen Wald, wodurch
sie sich gcwissermassen selUsl der Goiihcit weihen, in den Hainen hängten
sie den Gi'iitem als Tribut die heiligen Waffen auf (Gerra. 7; Ann. I. 61.
11. 25!- In waldreicher Gegend opferten die Hessen dem -robur Jovis« (Mon,
Germ. IL j4.^t. Wie tief ditscr Bauin- und Waldkult im Volksglauben sich
durch die Jahrhunderte erhalten hat, zeigt Mannhardt in seinem Werke übet
den Bauiiikultuü der Germanen an. Beispielen auä alten Zelten. Und als
man spater nicht mehr hinausging, um im Freien zu opfern, da holte man
den Baum aus dem Walde herein und pflanzte ihn am häuslichen Herde,
vor der Tbür, vor der Scheune, auf dem Hofe auf. So lebte der alle Kult
fort in unseren Mai-, Pfingst-, Ernte-, vielleicht auch in den Weihnachts-
bäumen (Mannhardt a. a. O.). Niedere und hüliere Wesen waren es gewesen,
die man dort verehrt luitte; die letzteren sind iin Volksglauben geschwunden
und selbst der Glaube an die ersteren ist meist ein tüter geworden. Auch
der Kult an anderen (Vtcn, namentlich Bergen und Quellen, lilsst sich von
den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart bei allen germaiiischen Völkern ver-
folgen (s. o.). Während wir aber hier vorzugweise Verehrung seelischer
Wesen zu suchen hatten, haben wir in den Tempeln die Verehrung einer
höheren Güttheit, die man sich in dem von Menschen erbauten Hause xu
Zeiten gegenwärtig dachte, der der Gauverband durch den Priester seine
Opfer brachte, an deren Fest sich der Ampluktvuuenbund zu gemeinsamem
Malile vereinte. In ilim stand das geweihte Götterbild, auf geweihtem Sockel
eine kimstl'jse Figur.
Es ist die Frage aufgeworfen wurden, ob sich bereits zur Zeit des Tacitua
Tempel bei den Germanen nachweisen las-sen. Man hat sie verneint auf Grund
v<_iu Germ. 9 fcelerum ntc cohidne parieiibm flfos mijm in iiUam himani orä
spetum iissimu/are ex ma^ntuJiitc tarlcsliiitn arbitrantur). J;l man hat selbst
den Nordgcrmanen alte Tempel abgesprochen und behauptet, diese hatten
sie erst unter dem Einflüsse der angelsflchs. Kirchen erriclitet (Dietrichsson,
I^^etlerst Tidskr. 1885. S. 8c|Ef.: 197 ff.; vgl, dagegen Nicolavsen, Norsk HisU
Tidsskr, 2. R. VI. 2b^M.\ 402 ff. ; Taranger, Den ags. Kirkes Indflyd. i>aa
den norske 2,50 f.). Allein das Gotteshaus der Marsen (quod Tanfanac vocant},
das Germanicus vernichten lässt (Ann. I, 51). und das Gebäude bei den
Nerlliusvirdkem, das zu festloser Zeit das Bild der Ncrthus barg, lassen
sich nicht anders deuten als gebaute Gotteshäuser. Überwi^cnd nur
scheint daher die Verehnmg der Götter zur Zeit des Tacilus in freiei Natur
gewesen zu sein, wühreiid die Verehrung im Tempel im Vergleich zu dieser
nur selten vorkam. Vom o. Jahrb. an mehren sich die Zeugnisse, in denen
von Gottertempeln die Rede ist. Zahlreich sind sie besonders in der Zeit
kurz vor EinfUlirung des Christen! mu.s, wie ja auch oft Kirchen an Stelle der
alten Tempel traten | Heda, Hist. eccl. I. c. .)0. Bisk. S. I. 20). ^'ir finden
Tempel, worunter nichts anderes als Gebäude zu verstehen sind, bei den
Franken und .\lemannen, bei den Burguiiden und L;mgobarden (Myth. L
65. 67), bei den Sachsen (v. Riehlhofen, Zur le.x Saxoiium 175 ff.) und
Friesen (v. Richthofen. Unters, zur fries. RechLsgcsch. IL 439 ff.), bei den
Angelsachsen ^Kemble, Die Sachsen I. 272 ff.), Skandinaviern (Maurer,
Bekehr. II. iiioff.; H. Petersen. Gm Gudedyrk. 2rff.|. Fine besondere Be-
deutung hatten die Tcmpd an den Königshöfen, wo ihnen meist der K''mig
selbst vonitaiid. Wolil war g-anz Friesland reich an Tempeln, aber keiner
hatte die Bedeutung wie der des Füsete auf He^uland (Mon. Germ. II. 410).
In Dänemark galt als besoiulers heilige .Stätte der Tempel zu Lethra, dem
allen Kunigssitze (Mnu. Germ. UI. 730J, in Schweden der von Uppsala, wo
die KAnige in erster Urne opfrnen (Adam von Bremen IV. c. 26. 2j). In
N".'nvegen s<wohl wie :mf Island Uatlc jeder Thingvcrband st-incn Tempel.
In Norvegcn musstcn der König oder in seiner Vertretung der Jarl, auf Island
der Gode fOr den Tempel sorgen. Die Tempelgemeinde zahlte zur Er-
haltung und für das Opfer eine Abgabe, den koftoÜ (Evrb. S. 6. fsl. S. I. 402).
Ausführliche Beschreibungen vr.n Tempeln haben wir nur in nordischen
Quellen. Ich bin weit davon enlfeml. das Bild, das wir aus ihnen gewin-
nen, als das echte Bild eines gcmeingcrnianischen Tempels hinzustellen. Wie
ii) dem Bau ihrer H^tuser, vj haben die germanischen Stämme z^^-cifcUos
auch im Bau ihrer Tempel verschiedenen Geschmack gehabt. Allein da wir
aus deutschen Quellen Ober die Teni[>el uicliis Besiiiunites schöpfen können^
mfissen wir zu den nordischen Quellen unsere Zuflucht nehmen '.
Die Ausgrabungen, die man in den letzten Jahrzehnten auf Ii^Iimd \'">rgc-
nomnien hat, geben uns einen ziemlich klaren Einblick in die Süssere Ein-
richligung des Gebäudes {.\rl)i'.k hins. isl. furnlcifafjcl. 18H0/ÖI, "gff.; 1882,
3 ff.; i8<j,i, 7 f.; i8q4, ö f. q f.; iSc/.s, ict ff.; vgl. auch Kalund, Aarb. f. nord.
Ohlk. 1882, 83 ff.). Der Tempel war ein länglicher, an dem einen Ende in
de-T Regel abgerundeter Bau. Er bestand aus zwei vullsia.ndig von einander
getrennten Gebäuden, in die je eine ThÖre führte. Das Ltngere Hauptge-
bäude war fQr den Opferschmaus bestimmt, das kleinere, das aptüs (Eyrb. 6)>
war für den Gi>den. Die räumliche Ausdehnung war verschieden. Der
Tempel des G'iden ^l■.rg^^m war n.nch der Kjalne-singasaga \20 Kuss lang
und ()0 breit, der zu Ljarsktigar 88 Fuss lang und 51 breit, der zu Hrüls-
stadir 60 Fuss lang imd 20 breit.
Crunäriu äfs IVtapi-h von Ljdnkogar, noch den Ausgratningett i-un Si^trJur Vig/ünfn.
Wahrend in den andern lindem die Tempel wöhl Oberwiegend aus IIolx,
selten aus Stein waren, war der isländische Tempel aller Walirschcinüclikcit
nach aus Torf. Um da.s Gebäude herum befand sich ein Zaun, der garih
(Lsl. S. n. 409) (Xler skiä^arär (Fas. II. 4(Vo), der verschlossen werden konnte
und ungefähr die Ht^he eines Mannes hatte. Was den Ausbau de-s Tempels
betrifft, so miigcn in dt-r Dach Wölbung der norwegischen Holzkirdien (der
stavh'rker) und in der Knit-verbindung ihres Gebillks Überreste alter Tempcl-
baukunst noch c-dstieren (Diclrichson, De norske Stavkirker S. 163 ff.).
Das wichtigere von den beiden Gebäuden Ist das Afhus. In ihm befanden
sich vor allem die Götterbilder, die früher durchweg aus Holz geschnitzt
waren, weshalb sie irtgod (Fas. II. 288J oder sJturägod {Bisk. S. I. 10*)
> Die Ding« be<lllrrea der Bcncbti|:ung ntchl; ciie nenstcn Ausgrnbungen lubcn ile
Bttr bestiUigt, und KAluniJ hat ia den Aürb. gär nidit di« Absicht gdubt, lic zu wider-
398 XL Mythologie.
hiessen. Doch emälincii die nordischen Qudlen auch Gütterbiider aus Silber
und Gold. Ditselben befamlen sich auf einer Erhöhung, dein slallr oder slalii.
In der Regel waren es mehrere. Vor allem hflufig werden die BÜdcr
Freys und Thors erwähnt, Odins Bild treffen wir sehen. Im Tempel zu
Uppsala befanden sich die Bilder von Thor mit dem BHlzhammer in der
Hand, von Odin, der im Waffenschnmck prangte, und von Frey, den als
Spender der Fruchtburkeit ein grosser Friapus zierte (Adam vuii Bremen
IV. 26). Hier stand trotz Adams Zeugnis, das Thor für den obersten GoU
erklart, sicher Freyr obenan iFras. II. 73 ff.).
Zu Mcerir, tm inneren Dronthcimer Bezirke, befand sich aus Gtild und
Silber das Bild Thois (Heimskr. 184). Ein anderes Thorsbild, ebenfalls aus
Gold und Silber, dem taglich Wer Brote und Fleisch gebracht wurden, stand
in einem Terapel zu Gudbrandsdal (Heimskr. 343^). In demselben Gud-
brandsdal stand ein anderer Tempel, wurin sieh Thor auf einem Wagen
befand; daneben standen die gVUtlich verehrten Wesen Porgerdr h9lgabr\idr
und Irpa; alle drei hatten raflchtige Goldringe an iliren Armen (Njala 420).
Freys Bild treffen wir in einem Tempel in Drontheim (Fms- X. 312), auf
Island (DropL S. 109) u. oft. in Anlehnung an das Bild des Tempels
schnitzte man dasselbe in die HuclisiUpfeiler des häuslichen Herdes, auf die
Steven des Schiffes, oder trug es, wie Hallfredr gethan haben soll, in Miniatur-
gestah in der Tasche. Wo die Nordgermanen hinkamen, überall fiVhrten
sie die Götterbilder mit sich. Der Araber Ibn Fadhlan, der sie 4>2[ an der
unteren Wolga traf, berichtet darüber: «Subald ihre Schiffe an diesen Anker-
platz gelangt sind, gehl jetler von ümeii ans Land, hat Brut, Fleisch, Zwiebeln,
Milch und berauschend Getränk hei .sich, und begiebt sich zu einem aufge-
richteten hohen HoUe, das wie ein men.schliches Gesicht hat und von kleinen
Statuen umgeben ist. hinter welchen sich noch andere hohi.' Hölzer aufge-
richtet finden. Er tritt zu der gri>s,sen hölzernen Figur, wirft sicli vor ihr
zur Erde nieder und spricht; »Mein Herr, ich bin aus fernem Lande ge-
kommen, führe so und soviel Mädchen mit mir und von Zobeln so und so-
wel Felle u. s. w.» (Thomsen, Urspr. des niss. Staate* S. 30 f.).
Der Stallr, auf dem diis Bild im Tempel stand, war eine Art Altar, auf
dem zugleich der staUahiingr lag, bei dem alle Eide geschworen wurden und
den der Priester bei Opferhandlungen am Arm trug. Auf dem Stallr brannte
zugleich das geweihte Feuer (Isl. S. 1. 2.^8. II. 403). Hier stand femer der
Opferkessel (hlauiboHi), in den da.s Blut de* geopferten Tieres gegossen wurde,
von Haus aus nur eine Vertiefung in einem Steine, spater ein metallenes
Gefass. lu diesem lag der Opferzweig fhiautteinn), mit dem der Priester die
Götterbilder und zuweilen die VV finde des Tempels besprengte. Letztere
waren häufig mit Tüchern behangen (Isl. S. 11. 404. Dropl. S. 109 f.).
Das Langhaus war eingerichtet nach Art der nordischen Wohnhäuser.
Es wurde vor allem zum t>pferschmaus benutzt. In der Mitte des Golfes
brannte das Langfeuer. Zu beiden Seiten dc.'ssclben befanden sich die Sitze der
Teilnehmer, in der Mitte fßr den Leiter des Opfers der Hochsitz (^ndvtgi) mit
den Hocbsitzsflulcn (^ndvegissiUnr). In diese war ebenfalls das Götterbild
eing^chnitzL Eine lange Reihe Nagel, die reginnaglar (d. h. Nagelreihe,
Bjüm OEsen, Gm Runeme S. io Aimi.), zierte sie.
Der Tempel galt allen germanischen Stammen als da-S grösste Heiligtum.
Er gab Schutz» aber er galt auch für unverletzlich. Waffenlos betrat man
ilm (Fs. 29. Egils. S. qg). Wer das Heiligtum verletzte, den traf die härteste
Strafe: nach friesischem Rechte wurde er entmannt und den Göttern geoj)fert,
nach nordischem u-urd« er fOr friedlos erklärt und aus dem Tempelbezirke
verbannt (vgl. v. Rfclithufcti, Zur lex Sax. lS6).
§ 69. Die Priester. Einen Priesiersland, der eine aligcschiosscne
Kaste bildete, kannten die Germanen nicht Wie das Opfer des Gau-
vcrbandcs aus dem prakliüchcii Leben hcrvorgegaiigcti und von Haus aus
an die r)ing\-eniammlung geknüpft war, so hat auch das germanisfhe Priester-
tum im praktischen Leben und in der Rci'Iilspflege seine Wurzel. Der
altgermanische Priester ist von Haus aus ein Beamter, der göttliche Waher
des Dinges, und hat als solcher bei Krüffaung des Dinges die Opferhandäung
vofxunchmen, die Dtngvcrhandlung zu leiten (Germ, c la 21. 7) und die
Strafe zu vollziehen. Er steht neben dem Häuptling (dux) oder König und
scheinl gewissernia.ssen dessen gütllidier und geistiger Beistand, ja dessen
Stellvertreter, weshalb er auch wie der König selbst obnaxius dischmmibui
nuUts (Ammian. Marceil. XXVIII. 5. ^ 14) ist. Vcim Verhältnis des Prieslers
zum HHupiting berichtet der Araber Ibn Dustali (um 912), dass mandicr
der Priester dem KUrsten gebiete und das-s letzterer unbedingt Folge leisten
mDsse, wenn der Priester Weiber, Ma.nner udet Pferde für ihren Gott zum Opfer
fordere (Thomsen, Urepr. d. russ. Staates S. 2^). Von der .sa( rifiralcn .Seite seiner
Thätigkeit führt er im guC. dun Namen gudjn, bei den Skandinaviern kufti (auf
Runensteinen), guäi oder ^W/ oder ho/godi. einen Namen, der sprachlidi mit goä
»Gottheit« verwandt ist und der sich in ahd. GIos.^en als coiing iiribunus«
ebenfalls findet Seiner Slellunf,' nach ist er aber aller Wahn>cheiulichkeit
nadi schon hier nicht nur der Leiter des Opfers, scmdcm auch der Hüter
des Gesetzes gewe-seii, wa.-^ der islundisdie gudi unstreitig von Haus aus war,
der mit der gcisilichen Gewalt und geistigen Herrschaft bald auch noch die
vrchlichc Macht vereinte (K. Maurer, ZfdPhil. IV. 1:25 ff.).
In den westgermanischen Bezeichnungen für den IMester tri» denn auch
in erster Linie seine gesetzgebende und gcsctzsdiinnende Tliütigkeit hervor.
Hier heisst er entweder Geseizsdiirmer (ahd. hcart, iwarto) n<ler Gesetz-
Sprecher (ahd. esago. as. eosago, altfries. äsfjpi). Die Thatigkeit des alt-
germanisdien Priesters war also eine doppelte: er musste auf der einen Sdte
opfern und das Orakel befragen, er mauste aber auch des Gesetzes walten
und die Strafen erteilen. Wir können schon bei Tadtus diese zwidache
ThStigkdt klar erkennen. Sobahl die Volksversammlung zu.«unmengctrcten
ist ist publice comulteiur Germ. 10), vollbringt der Priester das C>pfer und
fragt das Los, ob es den Güttcru gefalle, dass über dies oder jenes berat-
schlagt werde (a. a. O.). Ist dassdbe bejahend gefallen, so erheischt er
Sdiweigen {sifeniium impcnittir, ein Ausdruck, der ganz dem nordischen hl/6äs
bidja entspricht!, und die Rechts Verhandlung l>eginnt Kr ist cjs dann auch,
der die Strafen verhängt und zwur straft er nicht auf des H^iuptlings, sondern
auf der Gottheit Befehl (Genn. 7). Neben ihm führte, wenigstens nach norwe-
gischen-islandischen Quellen, der Kt'inig i>der dessen weltlicher Stellvertreter,
der Hcrae oder Jarl, den Vorsitz beim Opfersthmaus. Er musste zugleich
das erste Hom zum Preise der Gottheil leeren (Fms. I. 35. I. 131), ja öfter
ist hier der wdüidie Fürst zugldth Opfcr^wicsler (H. Peterseix, Om Gudedyrk.
1 ff-, Maurer, Bekehr. II, 214)- Als die Norweger aber auf Island einen freien
republikanischen Staat geschaffen hatten, da wuclis der Priester audi zum
wclüichcn Oberhaupte, dem sdnc Thingicutc geft*issennasen untergeben waren;
der Gcjde erscheint als ihr h^fdtngi (Häuptling), fyrirmaär, yfi^tttär. Diese
Gewalt wurde rediüidi sanktioniert, als l'ordr gL-llir den Antrag auf die
Thingeintdlung der Insel .stelltf. Nach dieser zerfiel die ganze Insel in 39
Tliingbezirke, deren jeder ducn Tempel, ein h^nitkof. haben musste. An
der Spiize des Bezirks stand der Gode, sein AnU Iiiess godorit <.>dcr forrait
(MuufLT, Island ^^). Wie schon früher erwähnt, lag iliiu die Pflicht ob, fQr
den Tempel zu a(irg:i'n. Unterslütxt w-urdp er dabei von seinen Thingleuien,
die den Tempelzoll, den ho/toll, zu entrichten liatten. Überhaupt war das
Codenamt erblich, wie jeder andere Besitz, da es meist in der Grösse des Besitzes
seine Wurzel hat, denn nur vermogt-ndc Leute konnten auf ihre K'j>tcii
einen Temiiei erriditen und dadurch Tliinjjleute «ewinnen. In der Regel
ging es v<im Vater auf den ältesten Sohn Über (Drup!. S, f>'* -^ Sturl. I. 4*),
allein es konnten auch zwei Brüder zusammen haben (Hrafnk. S. 7*. 31*),
Ja es war sogar verkauflich (Drapl. S. 6 '). So war aus dem alten Priester-
tum eine rein weltliche Macht, ein weltlicher Besitz geworden.
Neben Priestern fintlen wir in den ältesten Quellen und in den späteren
nordischen Sagas üfter Priesterinnen er\\':ihnt. Sie heissen in letzteren
gyifjuro^fit bofffi'äjur; das Wort ist ein regelrechtes Femininum zu godi (Maurer,
Island 44 Anm. 1). Die Frauen haben stets in germanischer Voiksauffassung
etwas Heiliges gehabt, ihnen war besonders die Gabe der Weissa^xmg eigen.
Dagegen haben sie sich nie ni Rechtsangetegenhcilcn mischen dürfen. Wo
ae auftreten, können sie daher nur f'jpfer- und Wei>sage]i riesterinnen gewesen
sein, nie aber geseusprcchende. Wenn sie dennoch auch auf die welllichen
Angelegen hchen von Einfluss gewesen sind, wie die Veleda aus dem Bruk-
tererstamme, so sind sie es nur in jener Thatigkeit gewesen, indem die Gott-
heit durch sie Vi>rschrieb, was zu thun und was zu lassen sd. — Die bekann-
tste altgemianische Priesterin war Veleda, deren sich der Bataver Civilis bei
seinem Aufst^tnde gegen die Reimer bediente, eine angeschene Jungfrau,
weil sie den Germruien Glück verheissen hatte (Histor. IV. <.>i^, die auf hohem
Turme den Willen der Gottheit offenbarte (ebd. IV. 05), spater aber ge-_
fangen und unter Kaiser Vespasian in feierlichem Triumphe nach Rom
bracht wurde (Germ. 8}. Von weissagenden Frauen, die aus dem Blul im
Opferkessel die Zukunft pniphczeitcn, weiss femer Strabo (VII. z\ z\x be-
richten, und zwar an einer Stelle, wo er von den Cimbem erzahlt. In
Upiwala war Freys Priestei eine Jungfrau, die Dim zu Diensten stand tmd
sein Bild durch die Lande führte (Fnis, II. 75 ff.). Der sich in den Sagas
oft wiederhcilcndc Beiname g>"dja zeigt, wie verbreitet im Xorden die weib-
lichen Priesterinnen gewe-sen sind. Nach dem spaten Berichte der SnE. (IL
260; I. ^2) Mllen die Gt^tter selbst den h^»rg für die Pricsierinnen errichtet
haben: Annan sai geräti pdr, er h\^r}^ var i, er ^■ifjur ältri.
§ 90, Weissagung. In dem Hatiptkapitel über altgermanische Offcn-
bamiig des Götierwilk-ns unterscheidet Tacitus (Germ, c, loi zwei Hauptarten
der Divinatio: scr/cs und mispiria, Los und Weissagung; beide slandcn bei
unseren Vorfahren in hohem Ansehen. Gemeinsam ist ihnen, dass man
durch sie das A^^rbaben und den Willen der Gottheit erfahrt, der Unter-
schied liegt darin, dass man beim Lose die Gottheit nach ihrem "Willen
fragt, wahrend sie ihn durch das .Auspirium selbst offenbart, man erfahrt
ihn durch genaue lle*;ibaohumg gewisser Dinge oder HaiHllungen. Beides»
Los und Weissagung, befand si<i] in den Hacidcn des Priesters oder der Prie-
sterin, wenn es galt, über Angelegenheiten, die den ganzen Gau oder Staat
angingen, den Rat der Gottheil zu erforsdien. Verbunden waren in diesem
Falle wohl immer Los und Weissagimg mit dem Opfer, wofür sclion da»
altn. Wort hlatd •Opfer-' spricht, welches dasselbe Wort ist, wie uns
Los. Auch der Ausdruck btöispän ftUa für »opfern« dürfte diese Annatmie
stützen.
Das Losen ging auf folgende Weise vor sich: Man nahm die Rute eines
Fuism. WEiss&GUNa
401
I
I
^
fruchttragenden Baumes (arloris frugiferae Genn. 10) und schnitt diese in
eine Anzahl Weiner Stücke. Ein soklies hiess jiot. tains, ags. tön. all». Uinn,
ahd. sein. Daneben erscheint dafür im ahn. der Ausdruck blötspätin «Opfer-
span« (Kritzner, Ordb. * I. tto). In diese Siabclien wurden besiimnite Zei-
chen cingcschiiitzL Diese scheinen zicmlicJi einfacher Natur gewesen zu
sein, hatten aber beslimmtf Be<lcutung. Unter dem Gemurmel von Zauber-
liedem pflegt sie der Priester auf^cuheben, wenn es galt in Staatsangelegen-
heiten die Gottheit zu frapen (Genn. c. 10; v^l. Ammianu.^ Marcellinus
XXXI. 2. § 24: futura mim praangiunl modo, nam ttctions virgas vimintas
eoBigrnles, etw/ut imaniametttis tjuthusdam stcrtlis praestiltifo Irmport disctmentes,
aperie quid porlenäatur norutti). Man nimmt an, <la4s dies Zeichen gewesen
seien, die z. T. in das spätere Runenfulhark übcrgegHiigeti seien (R. M.
Meyer, PBB. XXI. 162 ff.). Das ist schon deshalb wenig Ä-ahrscheinüch,
WC0 Mch vor dem 3. Jahrh. n. Chr. kein Fund nachweisen ISsst, der den
Schriftnmen ähnliche Zeichen enthalt, und Wiramers Ansicht (Die Runcn-
scluift S. 176 ff.), dass diese dem lateinischen Alphabete nachgebildet seien,
muss m. E. zu rechte bestehen. Wohl aber mügcn in einer späteren Zeit die von
den Römern herübergenommenen Zeichen bei Los und Weissagung verwendet
worden sein, wofür sowohl die Namen sprechen, die man Urnen gegeben,
als auch che dguntftniüchi; Reüicnfolgt: des dreifach gegliederten Futhark. —
Bei Staatsangcl^pnheiten erfolgte die Aufliebung der Stäbchen unter be-
stimmteu Ccremonien: sie wurden auf ein weisses Tuch geworfen und zuge-
deckt; erst dann nahm der Priester dreimal je ein Stabchen auf (Germ. c.
10. Bell. galL I. c. 53). Die Antwort der Gottheil durch das Los war wohl
nur »ja« oder »ndn« (Germ. 10. Bell. gall. I. c. 53), wofür schon der Um-
stand spricht, dass jeder Familienvater das Losen vornehmen kormie und
dass selbst dem K^mer die Art des Ix>5ens einfach ßimple.v) erschien.
Hatte die Gottheit mit »nein« geantwortet, so sah nian von einem Unter-
nehmen ftlr diesen Tag ah {Bell. gall. I. 50. 53. Ann. Xant. Mon. Gerat.
Script II. 228). Auf ganz ähnliche Weise kennen auch die nordischen
Quellen den Vorgang, wenn es galt, den Willen der Gottheit zu erfaliren.
Hier ist der Ausdnick dafür //v?/ »das Erfragen«, und sich zu dieser Hand-
hmg aufmachen heissl ganga til /r/ltar. Von besonderem Interesse Über
Hergang beim Losen ist ein Bericht ül>er das Losen bei den Finnen, die es
den Nordßerm;incn nachgemacht haben. Diesen verdanken wir Lencquist
(De superstit. vctenim Fcnnorum >. Qt f. 1: Kv asmiis ligneis cullro elaboratis
tonficiebant pinnnlas plura, »juibta insculpfMant stngnlis suum signum vel eha*
racterem pccuHarem ; dtinde muüitabant canrten consiutum ; quo finita ex rigfto
gtiod tum retimpubaluT in manu confcctal/ani, uirum /c/ix futura esset venaiio,
auf piscatura, ubi reprriendum foret mumal deperdilum etc.
Ausser im reUgiüsen Kulte spielt das Los im altgermanischen Rechts-
lebea eine Hauptrolle. Allein beidos greift unmittelbar in einander ein. Hier
wurde das Los gewissemiassen als Gottesurteil benutzt, es sollte über die
SchuJd oder Unschuld eines Angeklagten oder über den rechtlichen Besitz
entscheiden. Ein klares Bild von solcher Art des Losens, wenn auch aus
christlicher Zeit suinmiend, giebt uns die lex Frisinnura (TiL 14). Hier heisst es:
Soll unter sieben Personen, die des Mordes beschuldigt sind, die schuldige
gefimden werden, so werden zimSchst z«ci Lose geworfen, das eine mit einem
Kreuze, das andere ohne Zeichen. Der IViester nimmt alsdann eines der
Lose weg. Ist es das ohne Kreuz, so ist der Schuldige unter den sieben.
Alsdann werden 7 neue Lose (ienot) geschnitten, und jeder Beschuldigte ritzt
in ein solches Stabclien sein Zeichen (suum signumj. Darauf weiden alle verdeckt
CennMnl»clw Phllotocie UL 2. Aufl. 36
r
Ein unschuldiger Knabe nimmt nun 6 Lose iiachcimmdcr weg; dasjenige,
welches daiin noch zurückbleibt, bezeichnet den Schuldigen.
Allein nicht nur ober Schuld und Unschuld, auch aber Mein und Ddn
entschied das Lijs. Es u-urdcn bei solchen Rechtsfüllcn die Lose der bei-
den beteiligten Personen i:idpr Parteien mit dem Zeichen derselben versehen
und verhüllt, und dann wurde ein Los gezogen. Wessen X^os hcrau^cnom-
men ^•ar, dem wninle das Besitztum zuerkannt*.
Wahrend da.s Losen hauptsächlich im RechlS' und Staatsleben eine Rolle
spielt und deshalb vor allem Sache des Priesters oder des Priesters der Familie^
des Haus\'aters, ist, greifen die ■»auspicia< in alle Verhältnisse des Lebens
ein und werden mehr oder weniger von allen Personen geübt. Nur in
öffentlichen .Angelegenheiten erheben auch hier Priester (Germ. lo) oder
Priesterinnen (Bell. gall. I. 50. Strabo. VII. 2) ihre Stimme. Geweissagt
wurde aus mannigfachen Dingen und Erscheinungen: aus der Stimme oder
aus tleni Fluge der Vögd {Germ. 10. Ind. siipcrst. Nr. 13. Fagrsk. 40.
ZfdPhil. XVI. 18Ö. 191), aus dem Sclmaubcn und Wieheni der Rt>s.se (Genn.
a. a. O.), — daher züchteten die Drontheiraer dem Frey heilige Rosse (Ftb.
I. 401), — aus den Winden, den Gestirnen, besonders aber aus den Traumen
(Maurer, Bekehr. IT. 409; Henzen, Über die Träume im Altnord.)'.
Die ßcf.ibachtung eines Dinges oder einer Erscheinung wurde in erstet Linie
vorgi^nonmien, wenn es galt, den Willen der Gottheit zu erfahren, zu erkennen,
ob ein Unternehmen einen glücklichen Ausgimg haben würde, nb man etwas
tbtm oder lassen sollte. Allein wir finden diese Beobachtung auch, weim es
galt, allgemein die Zukunft crder das Schicksal eines einzelnen Menschen
vorauszu bestimmen. In beiden Füllen kann die Offcnbiming entweder eine
erbetene oder ehic zufällige sein, d. h. entweder man beobachtete, nachdem
man das höhere Wesen angerufen oder gerufen hatte, gewisse Gegenst^de
oder Ersclieinungen und las aus ihnen den Willen der Gottheit ab, oder
man achtete auf gewisse Wesen oder Erscheinungen und deutele diese ab
glück- oder unglückbringend. Zu jener Beobachtung eigneten sich nicht alle,
sondern hauptsachlich nur Priester und gewisse Frauen; diese Dinge verstand
jeder Mensch auszulegen, und deshalb ist gerade diese Art der Pruphetie so
verbreitet und hat sich bis heute im Volksglauben erhalten. Dort r^ähert
sich der Mensch dem höheren Wesen und sucht von diesem durcli symbo-
lische Handlungen, den Zauber, die Offenbarung der Zukunft zu erlangen,
hier nähert sich das höhere Wesen freiwillig dem Menschen, warnt ihn,
muntert ilin auf, weist ihn auf das Bevorstehende hin. Wie bei fast allen
Naturvölkern, .so .scheint auch bd den Germanen die Wurzel der Wel'wagung
im Seelenglauben zu liegen (vgl. u. a. Rhode, Psyche S. 383 f.). Wie die
Seele frei im Lufträume oder in Bergen, Gewässern, der Erde als persönliches
Wesen fortlebt, das den Menschen so oft, besonders im Traume erscheint,
das alle möglichen Gestalten anzunehmen vermag, das bald Glück, bald Un-
glück bringt, so schaut sie auch in die Zukunft. »Weit habe Ich die Geister
umhergetrieben «r, ruft die alte tördis, als sie einst aus schwerem Traume
er\^'acht, »und nun habe ich viele Dinge erfahren, die mir bisher unbekannt
waren« (Föstbr. S. S. 06). Noch heute heisst es im islandischen Volks-
glauben, dass man einen Geist (sagnarandij zu gewinnen suchen müsse, wenn
man über verborgene Dinge Aufschluss haben will (Maurer, Isl. Volkss. S. Q4).
Hieraus erklärt sich die alte Pruphetie an den Gräbcni Verstorbener (Ind.
superat. Nr. 2), die sich bis heute erhalten hat (Wuttke § 741. 771 ff.), die
sidi in Deutschland ebenso findet wie im skandinavLsdien Norden (vgL
V<^. 4. Hyndl. i. Grog. i). Hieraus erkliirt es sich, dass namentlich dort
I
Weissagung.
403
gewetssagt wirtJ, »-o die Geister ihren Sitz haben: an Bergen, Quellen, FIftssen,
Kretuwcgcn, Begräbiusorten, am häuslichen Herde UDd an der Sdiwdle
(Wuttkc § i/Of.). Hieraus erklärt sich der weitverbreitete und schon in
Ältester Zeit ganz bekannte Glaube, dass gewisse Menschen die Sprache der
Vögel oder anderer Tiere verstehen, hieraus auch, dass die Weissagung
zu bestimmten Zeiten mehr als zu anderen geübt wurde — und das
waren die Zeiten, wo die grossen Seelenfesle stattzufinden pfl^en, vor ^lem
die Zeit des grossen winterlichen Totenfestes. Keine Zeit ist für die Offen-
barung der Zukunft geeigneter aU die ZwflUnachtc. Erst im Laufe der
Zeil, wenn auch sclion lange vor unseren Itltesten Quellen, war vom Seelen-
glauben auf die Gottheiten die Eigenschaft übertragen worden, dass sie dem
Menschen die Zukunft üffenbarten.
Auf welche Weise die Erforschung der Zukunft auf Befragen hin vor sich
g^angcn ist, darüber erfalucn wir aus deutschen Quellen, die im Hciden-
tame wurzeln, nichts. Dagegen belehren uns wieder nordische Berichte aus
den letzten Jahrhunderten des Heidentum.s eingehend darüber, wenn auch
naclidrückticlist betont werden muss, dass wir es auch hier zunjlctist nur mit
norwegisch -isländischen) Brauche zu thun haben. Damach besassen — und
das ist gemeingennanisch — st'wohl Männer als Frauen die Gabe der Weis-
s:igung, nach der jene spdmenn, diese späionur hiessen. Besonders h<lufig «-arcn
letztere, die mit der Gabe der Weissagung zugleich den Zauber verbanden
oder vielmehr diesen benutzten, um durch ihn die zukunftköndcnden Geister
willf.1hrig zu machen. Durch allerlei symbolische Handlungen verstanden sie sidi
den Sclicin besonders von der GotUicit begnadeter Wesen zu geben. Zu ihren
Zauberu'erkzeugen gehörte vor allem der Stab, wonach sie V^lvur. d. h. Stab-
tragerinnen, hiessen (Fritzner, Norsk Hisl. Tidsskr. IV. 1(19; DAK. V. 42). Diese
Völven zeigen zur Zeit der grü3scnO])tersdnnaiisc, zur Julzcit, von Gehöft zu Ge-
höft und wurden überall feierlichst aufgenommen. In ihrem Gefolge befand sich
eine Anzahl Knaben und Mädchen — je 15 werden einmal erwähnt — , die
die Aufgabe hatten, die Geister { gandir ^ ga-andir vgl. Bu^e, Aarb. 1895,
130 ff.), die die Zukunft übermitteln, durch Lieder herbeizulocken. Die
_Völven waren bekleidet mit einem dunkelblauen, durch Riemen zusammen-
Bbundenen Mantel, der von oben her bis zum Schosse mit Steinen besetzt
ir. Um den HaU trugen sie eine Kette aiLs Glasperlen. In der Hand
hatten sie einen Stab, an dem sich ein Messingknopf befand. Am Gürtet
trugen sie einen Ledcrbeutel mit dem Zauberzeug (t(fr). — Nach ehrfurchts-
voller B^;rflssung von Seiten aller Anwesenden erhielt die V9lva ihr Mahl;
«8 bestand aus dem Herzen der geschlachteten Tiere und aus Grütze, die
mit Gossinilch zubereitet war. Nach Tische begann die Wcissagimg. Die
Vplva setzte sich /urächst auf den Zaubcrsessel, den ieidhjnü. Alsdann musste
ihr Gefolge durch Lieder (fntiti oder rardlokkur) die Geister herbeilocken.
Nur wenn diese erschienen, konnte die Weissagung vor sich gehen. Waren
sie da, so begann die Prophezeiung. Die Geister waren es, die die Zukunft
offenbarten: das war die spä ganda (Vsp. 2g). Die Kun.>tt der V9lva bestand
darin, dass sie die Worte der Geister verstand, die sie dann den Menschen
mitteilte (Anliq. Amcric I. [04f. prv. Odds. 10 ff. Fs. 19. Fas. L 10. Föstbr.
S. 96. vg^. dazu Kritzncr a. a. O. 164 ff.).
Wie sich diese Art der \\'cissagung bis heute in allen möglichen ver-
blasstcn Formen erhalten hat (Wuttke § 260 ff.), so ist dies noch mehr der
Fall bei der Beobachtung eines höheren Willens in dem zufälligen Erscheinen
gewisser Dinge oder Personen oder in dem Eintreten bestimmter Ereignisse.
Seit ältester Zeit achtete man darauf, wer einem beim Beginne eines Unter-
nehmens zuerst begt^ete, wie das Feuer des Herdes brannte, was man
bestimmten Tilgen geträumt hatte, an welchem Tage man ein Werk begann,'
wie der Mond stand u. dergl. Diese Art der Beobachtung eines höheren
Willens, die aJlen Völkern eigen ist, lässt sich auch bei uns von den frühesten
Zeiten bis zur Gegenwart verfolgen. Die ältesten Dekrete und Homilien
eifern dagegen (Homil. de sacril. § iiff.; Ind. sup. Nr. XVII. u. oft). Im
Mittelalter spielt der ane^ng, widergang, d. h. die Beoharhlung des Dinges,
das beim Beginne eines Unternehmens dem Menschen zuerst begegnet»
eine bedeutende Rolle (Mhd. Wtb. I. 475. Myth. II. g.^7). und noch heute
weiss fast jeder aas dem Volke, dass das eine Tier dem Menschen Glück,
das andere Unglück, der eine Mensch Heil, der andere Unheil bringt, wenn
er ihm zuerst bei seinem .\usgange begegnet {Wuttke § 268 ff.), dass ein Ko-
met Krieg oder Krauklieit, eine Sternschnuppe Reichtum verheissl (ebd. Jooff.).
Unzählig fast sind diese Omina, sie alle wurzeln tief im Heidentum und sind
älter als manches andere, was vnx aus den ältesten Quellen erfahren.
§ 91. Zauber. Aufs engste mit der Weiss;^ng ist der Zauber verknüpft
Er ist der formale Weg, auf dem man scheinbar riie Geister zwingt, die Zu-
kunft zu offenbaren und dem Menschen zu Diensten zu sein. Daher sind
vor allem die Personen, die die Macht der Prophetie besitzen, zugleich Zau-
berer. Zauber und Weissagung s'md auch gemeinsam im Besitz fast aller
Völker und stammen aus den ältesten Zeiten der Kulturanfänge der Mensch-
heit. Sie sind entstanden in einer Zeit, wo der Name eines Gegenstandes,
eines höheren Wesens mit diesem selbst gleich gestellt wurde. Durch das
Aussprechen des Naancns, glaubte man, trete man mit dem höheren Wesen
in j>ersönlichen Verkehr und erhalte von ihm die Macht, die dieses selbst
besass. Im Besitze dieser höheren Macht vermochte man aber der Natur,
den Dingen, den Tieren, seinen Mitmenschen, sich selbst entweder Vorteil
oder Nachteil zu bringen (Tylor, Forschungen Über die Urgeschichte der
Menschheit 136 ff.).
Ganz dieselben Grundformen des Zaubers, die Tylor an der Hand der
Religionen wilder Völker aufgestellt hat, lassen sich auch als die Wm-zel des
Zaubers bei unseren Vorfahren wiederfinden. Geknüpft war der Zauber bei
diesen Dingen an das geheime, wimderkraftige Zeichen und an das Zauber-
lied. Jenes magische Zeichen war in spaterer Zeil die Runa (ags. altn. rti«),
die bald Glück, bald Unglück brachte, die gegen alle Widerwilrtigkeiten des
Lebens schirmte und feite. Seine Kraft erhielt aber das an imd für sich
lote Zeichen durch das Zauberlied (altn. ^Idr, ags. gealdor, ahd. gaälar;
andere Bezeichnungen hierfür sind ahd. spgll, altn. spjall, vgl. E. Schröder,
ZfdA. XXXVII. 24iff.j Ijod, wahrscheinlicli von Haus aus auch riitiü ; vgl.
Egilss. Sagabibl. III. S, 125, wo nin und jyJ^jjjÄ' identisch sind; Uliland, Sdiriften
VI. 225 ff. ; Einn. ru«o = »Zauberlied«, Comparetti» Kalewata 240 ff.). Durch-
aus das Richtige trifft daher Snorri, wenn er in der YngCingasaga nach jungem
MnhuÄ berichtet, das Odinn die Zauberkünste gelehrt hätte »meä ninum ek
Ißäum f^im er galdtar heiia" (Heimskr. S "). Trefflich weiss der Runen-
mcifitcr der Hävainäl (V. 146 ff.), wie die geheimen Zeichen geritzt werden
und wie die I-ieder heissen, die Heilung bringen. Feinde fesseln, Waffen un-
schädlich machen, Feuer unterdrücken, W'Ind und Wogen stillen. Tote be-
schwören. Madchen geneigt machen u. dgl. Leider sagt er uns nur, dass
er das alles kaim, aber nicht, ^^le er es bewerkstelligt. Ganz ähnlich lehrt
die Sigrdrifa den Sigurd, der sie erv-'ockt hat, die Runen, die ihm Sic^ bringen,
die ihn gegen Gift feien, die ihn gegen Sturm schirmen, die Wunden heilen,
die '"^xKi Rechtskunde und Klugheit bringen, und andere (Sgrdr. 6 ff.). Treff-
Zauber.
405
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lieh ist die Schilderung von der HeilkraTt der Runen in der Egilssaga (S.
182 f.). Egiil kommt einst in NonÄCgen zu einem Bonden, dessen Tixiitcr
schwer krank ist. Er crfMut, dass man zu ihrer Heilung Runen geritzt habe
und lasst sich diese zeigen. Sofort erkennt er, class sie falsch sind, ver-
nichtet den Fischkienien, in den sie eingeritzt wurden sind, und sdmcidet
neue, die sofort helfen. — Audi Zauberlieder sind uils erhalten. Sie leben
fort in den vielen Segen und Zauberformeln, von denen auf deutschem Bi>den
die ältesten die Merseburger Zaubersprüche sind, wie auch die magischen
Zeichen sich bis heute in allerlei Gestalten erhalten haben (Wuttke § 243 ff.),
Fin treffliches Beispiel eines nordischen Zauberliedes, durch das ein König
gezwungen wird, seinen gefangenen Sohn und dessen Freund aus den Fesseln
zu lassen, giebt uns die Hcrraudäsaga in der Busluboen (Fos. IIL 202 U.;
Börasaga lirg. von Jiriczek S. 100 ff.). Ist die Saga auch chrisütchen Ur-
sprungs und jung, so ist die ganze Episode und &as Lied mit seiner wirken-
den Kraft dodi sicher dem Volks^lauben cntnoimueti.
Geübt wurde der Zauber in erster Linie von Frauen, allein daneben auch
von Männern, «-ic schon das Beispiel von Egil lehrt. Von Harald härfagii
crzälilt die Hcimskringla, dass ci seinen eigenen Sutm und nicht weniger als
80 Zauberer wegen Zauberd habe verbrennen lassen (S. 75). Besonders
galten die Finnen bei den Nordländern als ein des Zaubers kundiges Volk
(Fritzner, Norsk Hist Tidsskr. IV. 135 — 217). Nachweisen lassen sich
ferner bei dem Zauber gewisse Förmlidikeiten, nach denen er «/*fr hiess.
Diese FOnuhchkdten vornehmen hicss stää oder i^a seid, fremja stid. Nadi ihm
hiesä der Zauberer seidmadr, die Zauberin seidkona. Auf welche Weise diese
FOrmhdikeiten vor sidi gingen, lassen die Quellen nicht klar erkennen.
Sicher wissen wir nur, dass der Zauber von einem Zaubersessel aus, auf dem
der Zauberer sass, dem seidhjnU. getrieben wurde*.
Aller Zauber kaiui eutweder zum Nutzen oder zum Schaden der Mensch-
hdt getrieben werden, und hieratL<t erklärt es sicli, dass auf der einen Sdte
— und zwar schon in heidnischer Zeit — die Zauberer in Ansehen standen,
auf der anderen Sdle aber verddiCct wurden, so dass man ihnen sogar nach-
stdlte. In Ansehen standen namcntlidi tlie Zauberer, die den Zauber zur
Weissagxmg und beim Opfer übten. Angewendet wurde der Zauber bei den
mannigfaltigsten Dingen; man fühlte sich durch ilm als Herr über die Elemente
tmd die Naturerscheinungen und machte diese seinem Willen unterthan. Vor
allem wurde der Zauber zum Wohle der Mitmuiädicn angewendet bei der
Weissagung. Hier wurden durch ihn die Geister gelockt, um dem Seher oder
der Seherin die Zukunft zu kunden. Daneben bedienle man sich des Zaubers
zur Hcilimg von Krankheiten, von Wunden, feite durch ihn den KOrpcr gegen
Eisen und Gift, staJid mit ihm den gebärenden Weibern zur Seite, erlangte durch
ihn gut Wetter auf der See, besprach durch ilm das Feuer, stillte den Wind.
brachte das Wasser zum Stauen, die See ruhig, gewann mit sdner Hülfe die
Liebe der Frauen, beschwor Tote und bannte Geister, die dem Zauberer
Rede stehen, die ihm dienstbar sdn raussten (Maurer, Bekehr. IL 138 ff.).
Auf der anderen Sdle beschwoien aber auch die Zauberer Unheil Über ihre
Mhmensdien: sie erregten Sturm, um das Schiff nicht an den Strand gelangen zu
lassen, brachten Krankheit, Wahnsinn und Tod (Hdmskr.8), schadeten dem Vieh,
dem Acker, dem Haus und Hof, ja sie erschienen seUffil als Hexen, Mährten,
Werwölfe, Berserker, In beiden Arten hat sieb bis heute neben dem toten
dauben an den Zauber das alte Syml>ol bei der Handlung erhalten und
Eom Teil chrisüiche Formen angenommen. Die Widerstandsfahigkdt unsere»
Volkes zeigt sidi auch lüerin. In derselben Art und Weise, wie die nordi-
4o6 XI. Mythologie.
sehen Quellen, die im Heidentume wurzeln, uns den al^ermanischen Zauber
vorführen, finden wir ihn auch in Deutschland kurz nach Einführung des
Christentums (Caspari, Homilia de sacril. S. 29. 3g; derselbe, Kirdienge-
schichtliche Anect. 173 f.; Friedberg, Aus deutschen Bussbüchem 26 f.). Er
hat sich die Jahrhunderte hindurch erhalten und steht noch heute in üppig-
ster Blüte (Wuttke § 63 ff.). Nur die alten Blüten dieses germanischen Kultes
sind zerstört, die Wurzeln hat das Christentum wie so vieles andere nidit
auszuziehen vermocht.
^ Vgl. Pfannenscbmid, Germanische Erntefeste: Jahn, OpfergebrSuche t
Mannhardt, Der BaumkuU der Germanen. — * Homeyer, über das germa-
m'sche Losen. Monatsber. der kgl. Akad. der Wissenschaft zu Berlin 1833; K.
Müllenhoff, Z.ur Runenlehre. Halle 1852; Grägäs III. 624 unter hlutfall; E.
Mogk, Über Los, Zauber und Weissagung bei den Germanen. Kl. BeitrSge Eor
Gesch. von Dozenten der Leipziger Hochschule S. 81 ff. — ' Wackernagel,
^ExEa jtzegoivxa Basel 1860. — • Finnur Jönsson, Um galära, seidmertn og
vßlur. Prjdr n'igj'Sräir iileinkaäar Pdli Meisted S. I ff.; dazu K. Maurer,
Z. d. Ver. f. Volksk. IH. 100 ff.
XII. ABSCHNITT.
SITTE.
I. SK-ANDINAVISCHE VERHALTNISSE
VOH
VALTYR GUDMUNDSSON i nu KRISTIAN KALUND.^
DIE VORHISTORISCHE ZEIT.
§ I. Der historischen Zeit, wcldu- im skandinavischen Norden mit der
Einführung des Christentums um das Jahr icxx> ihren Anfang ninimt, gehui
für D-inemark, Non*-<^en und Schweden Jahrtausende voraus, in welchen
diese Lander, besonders Danemark, eine zahlreiche Bevölkerung beherbergten,
wcldie vf>n einer ntcdrigstchcndcn Kulturstufe, uhne Bekanntschaft mit dem
Gebrauch der Metalle, sich stufenweise zu der nicht geringen, barbarischen
VorkuUur erhoben hat, m deren Besitz wir im Bi.-giniic der historischen Zeit
die Nordländer flnden. Diese ganze F.ntwirkluiig kennen wir nur aus den
in der Erde gefundenen Geriltsc haften und festen Denkmälern (besonders
Grflbcm}, welche Geschlecht auf Geschlecht dieser MenscJicn der Vorzeit ims
hinterlassen hat; das so hintcrlasscne Material ist mdessen so gross und von
den Gelehrten unseres Jalirhunderts so gut bearbeitet, dass es schon jetzt
uner^'artet reiche Aufschlüsse gibt. Mit voller wLssenschaftlicher SicheHieit ist
für die nordischen Lander eine Einteilung der vorhistorischen Zeit in ein
Stein-, Bronze- und Eiscnzcitalter festgestellt nach dem Material, aus
dem die Bevölkerung ihre Waffen und Schneide Werkzeuge verfertigte.
§ 2. Im Steinzeitalter, in dem der Gcbrauih der Metalle unbekannt
war, scheint die standige Bebauung sich wesentlich auf Dänemark, das süd-
westliche Schweden und den allersüdli< listen Teil von Norwegen eingeschränkt
zu haben. Die Altenümer aus dieser Zeit finden sich teils in den sog. jhi'
immitr/iiinger (5. Küchcnab falle), Abfallhaufen, bestehend aus Muschelschalen,
Tierknochen und andern Cberreslen von den Mahlzeilen der Urbewohner,
teils in Gräbern oder auf andre Weise in der Erde verborgen. Die meisten
Forscher {nicht so J. Steenstrup: s. dessen Kpkkcn-MöJdingrr. deutscli.
S Von der DacbfolgrDdcQ Dirstclluiif; hat V. O. §§ 20—33, 37 — 74 au^carbdlet;
<lai Qbrigc ist von K. K. mlitticrt. Der Al>scbnttt ist ursprilii)cl>ch in <)Sntscbcr Sprache
nbsefaisl, vnn Hctto Dr. A. Lcitzmann ins Deutsche übcnetxt und vom Verfasser durch-
Kcaebcn, §§ 37—74 jedoch thircli FrAulein M, Lehmana'Filhi» venicutKbl.
4o8
Xn. Sitte, i. Skakdinavische Verhältnisse.
Kopenhagen 1886) beziehen diese Denkmäler der Vorzeit auf z\i'ei vererfiie-
dene Zeiträume (füteres und jüngeres Steiuzcitalter); die Abfallliaufcn. welche
fast ausschliesslich an den Küsten Danemarks gefunden werden, sollen von
einem sehr niedrigstehenden Jäger- und Fischervolk stammen, welclies den
Hund als einziges Haustier hatte; wolil kannten sie das Feuer und verstan-
den irdene T'^jjfe zu verfertigen, aber ihre Feuerstein Werkzeuge sind plump
und grob zugehauen. Von ihrer Begrflbnisart hat man bis vor Kurzem nichts
gewusst. Im jüngeren Sieinzeitalter dagegen baute das Volk ansehnliche Grab-
kammem für die Toten, wckbc darin unverbrannt mit Schmuck und Waffen
nietlc^rgelcgt wunicn. Die .Seh tnurksa eben sind gewöhnlich von Bernstein, die
Waffen sind von trefflidi geschliffenem Stein, Die in den Gräbern und in
den Wohnstätten aus dieser Xeii gefundenen Tierkni'ichen und Knochengerät-
schaften bezeugen, dass die Bevölkerung ujiscre gewöhnliclia» Haustiere ge-
halten hat, und schon Analogieen der Pfahlbauten in der Schweiz machten
es nicht tmwahrscheinlich, dass man auch etwas Ackerbau getrieben hatte.
Ein beginnender Kunstsinn macht sich in Form und Omamentierung der
Gerätschaften geltend, imd sowohl die Begräbnisart als möglicherweise die
Welen in der Erde verburgcnen, mit Flciss niedergelegten Funde bezeugen
religiöse VorsieJlungen. — Uiicr^i-artete Aufschlüsse über das Verhältnis zwischen
<lein älteren und jüngeren Stcinzeitalter s'jwohl iüs über diese ganze Periode
überhaupt geben die kombinierten naiunvissenschaftlich -archäologischen Un-
tersuchungen, weiche das dänische Natiouahnuseum 1893 angefangen haU
und die fortwährend mit Beistand eines Kreises von Fachmännern (urtgesetzt
werden. Zeugnisse von Änderung der Küstenlinie (durch Hebung und Sen-
kung) verlegen die Periodi- in eine ferne Vorzeit. Die vorgefundenen Sdialen
von Mollusken sowohl als die Tier- und Pflanzenweh zeigt, dass das Klima
milder als jetzt gewesen ist, besonders durch höhere Temperatur des Winters,
und bestätigt cnie grössere Salzinengc des Meeres. Die ausgedehnten Walder
Ijestanden hauptsächlich aus Eichen (die Huclie war n«irh nicht eingew;mdert)
und l>i-lKTt»ergten eine relclie Fauna, wesentlich mitteleunipäischen Gepräges.
Von grosser Wichtigkeit ist, dass man, ausser den gewölinlichcn kokkcnnwd'
dingtr aus dem älteren Steinzeitaller, entsprechende Abfallhaufen aus dem
jüngeren Steinzeitaller entdeckt hat. wodurch die Trennung der beiden Ab-
schnitte bestätigt wird. Diese letzteren Küchenabfällc entlialteji — im Gegen-
sätze XU den ersteren — ausser Sihalen und Knochen von «.ilden Tieren
Geräte aus geschliffenem Stein und Knochen von drei zahmen Ticrgcschlcch-
tcm, Ochs, S<-hwein, Schaf, femer unzweifelhafte Zeugnis.^e von Getreidebau,
teils durch Abdruck vereinzelter Könicr tu dew eriiallenen Scherben der ir-
denen Gcfässe, theiLs indem geröstete Körner sich Jetzt noch aus den Haufen
aiuwcheiden lassen. Die gebauten Getreidearteii erwiesen sich als Weizen,
Gerste. Hinie — also niittel europäische Getreidearten. In mehreren Ab-
fallliaufen aus dem alteren Steinzcitalter hat man Skelette unter solchen llm-
sLänden gcfutnlen, welche annehmen lassen, dass man hier Begräbnisse dieser
Zeit vor sich hat
§ 3. Da^ Sleinzeilalter wird abi^eilösl von emem Bronzczeitalter. d. h.
von einer Zeit in der man von den Metallen Bronze und Gold kennen ge-
lernt hatte. Die Bronze (eine Mischung von ungefäJir '/lo Kupfer \ind Vw
Zinn) \erwandte man zu W'affcn, Gerätschaften und Schmuck, Gold selbat-
veretündlich nur zu Schmucksachen imd kostbaren Gegenständen. Die Bronze
und die danut üi Verbindung stehende Kultur muss den nordischen Ländern
von Süden zugeführt sein, oh (und datm in welchem Grade) begleitet von
neuen Einwanderungen, lässt sich nicht ausmachen; dodi scheint Verschie-
I
dencs auf einen stufcnwciseu Obergang vom Stein- zum Rronzezeiultcr zw
deuten. Aurh tla» Bronzczcitalter zcrfllllt in meiirere Perioden, ausgezeiclmct
durch besondre BegrabnUart und cigcntQmtiLhc Oniamcntienmg. Ungeachtet
alles SIctaü eingeführt werden musste (das zur lironze vern'andte Kupfer und
Zinn, wie es scheint immer zusammengeschmelzt) crreichle die Mctallarbcit
im Norden doch einen liuhcn Grad vuti Vullkümmenheit. Dit nordischen
Bronzen sind immer gegossen. Sehr vertiefte IJmamcjite sind durch Giessen
hervorgebracht, weniger vertiefte dat^'gen in der Regel mit der Punze ausge-
führt, nie graviert. Bilder von Menschen und Tieren auf ihnen sind selten,
"^'ogcgcn sie mit einem Reichtum geschmackvoller geometrischer Muster be-
deckt sind (Zickzacklinien, Spiralen. Wellenlinien u. s. w.). Unsere Kenntnis
von dieser Zeit, wie vun der frilhereii, schreibt sich teils von Gräbern, teils
von Funden in der Erde her, aber hiczu kommen jetzt auch bildliche Dar-
stellungen, auf FeLsflüchen eingehauen, bekannt haupts.vh]irh aus .srhwedi-
ÄAen Landschaften und mit einem sthwedisclien Worte /i'////7i/«/w;.'rtr (Felsen-
«eichnungen) genannt. Die Graber beweisen uns, dass, während das Bronze-
zeil.ilicr damit bcg:inn die Leichen unverbrannt zu beerdigen luid auf eine
Art, tlic sich im Ganzen der des Stciiizeitalters nähert, man spfiter dazu
■Oberging, die Leichen zu verbrcimen und die Aschenume im GrabhOgel auf-
zubewahren. Die Funde in der Erde geben uns (ausser zufiillig verlorenen
Sachcni eine Reihe mit Fleiss niedergelegter (ierStschaften und K<isibar-
keiten, deren Xiederlt^ung man religiösen Vorstellungen scheint zuschreibeu
zu müssen. Sowohl diese als die entsprechenden Funde aus dem Slcinzcit-
ahcr fasst man gewiss am richtigsten al> Votivgaben auf. Die Fel.senskulp-
turen, von bedeutender Grüssc und stets vertieft eingehauen, io horizontale
oder schräg! iegende Feisflächen, zeigen uns wechselnde Scenen aus dem Le-
ben des Volkes in Krieg imd Frieden und wahrscheinlich verschiedene my-
thologbche Darstellungen. Die Bevölkerung, deren Nordgrenze beim Beginn
des Bronzczeitalteni ungefähr mit der des Steinzeitalicrs zusammenfällt, breitet
sich allm<lhlich, wenn auch nur schwach, in Schweden und Norwegen nach
Norden aus; Dänemark ist ausserordentlich reich an Überresten aus dem
Brtnuezeitalter. Zwischen der Kultur im Norden und der in den nord-
deutschen Ländern besteht in dieser l'eriode so gut wie im jQngeren Stein-
xdtalter eine grosse Ähnlichkeit. Auf verechiedcnc Weise bezeugen diu
Funde aus dem Bronzezeitalter eine steigende und nicht geringe Kultur.
Unter den Erwerbsquellen kann der Ackerbau nachgewiesen werden; nicht
nur meint man Überreste von Korn aus dem Bronzezeitaltcr gefunden zu
haben, sondern auf einer häiinstnittg sieht man deutlicli eine Ackerscene ab-
gebildet, wo der Pflug von zwei Odisi-u gezogen wird. Dass das I*fcrd zum
Reiten gebraucht wurdt*, sieht mi^n eliejifalls aus den häUrislningar, wo ganze
Reilerk^rapfe abgebildet sind. Kine fler häufigsten Darstellungen auf den
hdürütttingar sind bemannte Schiffe, wie es scheint Ruderfahrzeuge; Vorder-
steven und Hintei^teven sind etwas verschieden, aber beide sehr hoch, vor
dem Vordersteven .sieht man gew^luilicli eine kleinere, etwas nach oben ge-
bogene Spitze. Von Waffen und Kriegsaussteuer kommen aus.ser Spies5;en
und Äxten jetzt namentlich kleine dolcli ähnliche Schwerter mit auffallend
kurzem Griff vor, samt Schilden und Kriegstrompeten; auch Spuren von
Hdinen können nachgewiesen werden, wiigegen l'anzer oder ähnliche Schutz-
waffcn schwerlich angewendet worden sind. Betreffs der Kleidung im Bronze-
zeitalter haben mehrere Gräberfunde unerA-artete AufschJü-sse gegeben, welche
zeigen, das» man es verstanden hat Wolle zu Zeugen zu verarbeiten, wah-
rend sich erst gegen den Schluss des Bronzezcitaltei^ Spuren von Leinwand
4IO
Xn. Sitte. :. Ska^ojivavische VkriiAltthsse.
zeigen. Die inannlirlie Kleidung bestand nach diesen Funden aus einer
wollenen Haube. Mantel, einem um den Leib geschlungenen Stܫk ^ci^
(einer kurzen Scliürzc), einer Fussbekleidung von Wollenzeuj; und Leder,
nebst einem I'laid, dagegen keine Beinkleider. Die weibliche Kleidung wurde
au'^macht vi.in einem Netz für das Haar, einem Mantel, nebst einem
Wamms mit zugchorcndeni Rock. Unter deri SchtnuL-ksdchcn ist Bernstein-
schmuck jetzt ver^chttimden. dagegen fintlrn sich in grosser Auswahl Ringe,
Spangen. Knüpfe, Kflnnne u. s. w., unter den kleinen Geröischafteu kennen
die häufig vorkommenden Pinretten und die breiten dünnen Rasinuesser
hervorpich üben werden, wogegen Scheren noch unbekannt sind. Auch Ta-
towirgrr^te finden sieh. Ein F.influss der Kiiltun-ftlker des klassischen Altcr-
tUDis Ifl-sst sich schwerlich schon spüren,
§. 4. Einige J^hrhumicrte vor dem Beginn unserer Zeitrechnung breitet
sich der Gebrauch des Eisens nach den nordischen Landern aus, und das
BroiizezeitaUer wird hiermit von einem Eisenzeitalter abgelöst, welche Pe-
riode im archHölc^isfhf'n Sinne mit dem Durcldinirh der historischen Zeit
(c. looo) abschliessl. Wenn auch die ältesten Funde des Eisetizcitalters ver-
muten la-icsen, dass die Kenntnis des neuen Metalls zunächst von den Lan-
dern nordlich der Alpen als eine 'vorrömisrhe Eisenkullur« gekommen ist,
erhalt doch das ältere Eisenzcitalter bald von einem auffallend starken römi-
schen Einfluss das Gepräge; da dieser allmählich sich wieder verliert, macht
er für einige Zeit <istr6nüschen Strömungen I'latz, wonach die nationale
Kultur sich durch das Mitteleiscnzeitalter (von ungefähr ^oa) und die Vikinger-
zeit (von ungefähr iitoo» den jüngsten Zeitraum dtrs EisenKeitalters, mehr selb-
ständig entwickelL Eine neue Einwanderung lasst sich, vom archäologisch
Standpunkt ans, im Beginn des Eisen Zeitalters nicht nachweisen, dagegen ist
es w;fhrscheinlich, dass partielle Einwanderungen sputer zu verschied<'ner Zeit
sich können geltencl gemaciit liaben. Die Bevölkerung breitet sich ge
Norden aus, so tiass der ntirdischc Stamm allmählich in Schweden und Nor— '
wegen fjist seine jetzige Nordgrenze erreicht. Das Eisenzeitalter bezeichnet
auf manche Art einen Fortschritt in der Kultur, zu allererst durch den Ge-
brauch des neuen Metalls, des Eisens, welches man bald aus dem einhei-
mischen Sumpfeiseiislciu gewinnen lernte und mit grosser Ges«:hickUchkeit
schmiedete. Mit dem Eisen kam die Kenntnis des Silbers, des Glases und
mehrerer aiiderer Metalle und Stoffe. Den Fortschritt der geistigen Ent-
Wickelung liczeugt die Aneigrnnig tter Schreibekuiist; wir treffen jetzt zum
ersten mal im Nonicn ein Alpliabet: am Ende des alteren Eiscnzeitattcts-
und in der nächstfolgenden Zeit die geineingennanische altere Runenreihe,
später die dem Norden eigentümlichen jüngeren Runen. In den mit Runcti
dargestellten Inschriften werden wir zugleich durch die Sprache über die
Nationalität des Volkes belehrt und können so die Bevölkerung im Eisen-
zcitalter als germanisch (si>ezicll nnrdgermani.sch) bestimmen. Das vollstän-
digste Zeugnis von dem Lrben im Jilteren Eisen Zeitalter geben uns die grossen
M'K^rfundc aus tleii l^ndschaften Scliieswig und Führten. Es ist dort bei
Ausgrabungen die votlsLIndige Ausrüstung eines der damaligen Heere ans-
Licht gezogen worden, die meisten Gegenstände mit Fleiss zerstürl, bevor
sie ins Wasser versenkt wurden. Die mannliche Kleidung bestand, wie sich
aus diesen Fumlen ergieltt, aus Wolle; die Kleichmgssiftcke sind Mantel,
Rmk mit langen Ernieln. Hosen zusaiuniengenähi uiii den kurztm ScKrkcn,
neb.st einer .An Ledersandalen. Unter den zahlreichen Waffen können von
den Schutzwaffen ausser Sc-liildeni her\'urgcliubcn werden Ringi>anzer, beste-
hend aus wirklich zusammengeketteten, in einander geflochtenen Ringen,.
4
k
Vorhistorische Zkit: EisENZErrALTER.
411
nicht auf eine UnlerEane von Zeug oder Leder auf};enAhl, und einzelne Helme.
Die Seetüchtigkeit der damaligen Zeit beacugl das im Nydammoor in Schles-
wig gefundene grosse Ruderboot zu 28 Rudern, k-linkertteise gebaut und spitz
an beiden Enden zulaufend. Aus dem alleren Eisen Zeitalter kennt man fer-
ner Reitzeug (dagegen nicht Hufeisen, auch nicht Stcigliügel, welche letzteren
doch gegen den SchEuss des Eisenzeitallers sich zeigen) und Wagen, ver-
schiedene Mandwcrksgerätschalten, Handspindcb, Bretsptclc, S|>angcn und
andere Schmucksachen u. s. w.; in dieselbe Zeit gehören auch die zwei be-
rOhmten, in Nordschlesuig gefundenen goldenen Homer, von u-cldien jedoch
nur Abbildungen jetzt erhalten sind.
Wahrend Dänemark tn Rütkslcht auf Funde aus dem alteren Eisenzeit-
alter unbedingt am höchsten steht, ist es auffallend arm an Denkmälern und
Gegenstanden aus der späteren Zeit des EisenzeitatterB, wogegen Schweden
und namentlich Norwegen einen grossen Reichtum von Funden aus der
Vikingerzeit aufweisen. Die ßegrabnisarten im EisenzeiUilter sind ziemlich
wechselnd; man findet teils verbrannte, teils unverbrannte Leichen, teils
HOgelbestattung (bisweilen mit gezimmerten Grabkammcm), teils unterirdische
Begräbnisse u. ». w. Aus dem jüngeren EisenzcitaUer ist vcrschietiene male
Bestattung im Schiff gefunden, von welchen Funden der von Gokslad im
südlichen Norwegen der berühmteste ist; hier wurde aus dem Grahhflgrl ein
fast vollständig erhaltenes Segelschiff ungefülu vom Jalire ijoo ausgegraben,
versehen mit einem Mast und ausserdem im Ganzen 32 Ruder führend.
Mit dem Toten waren hier wie in einigen ahnlichen Fallen verschiedene
Haustiere, besonders Pferde und Hunde, begral>cn. LäJigs der Brüstung war
das Schiff mit Schilden behangt. Bei andern Graberfunden, namentlich aus
älterer Zeit, sind die niedergelegten Sachen mit Fleiss zerstört. Gegen den
Schlau des Eisenzeitallers scheint die Leichenverbrennung abzurelimen. Zu
den Begrabnisgebräuchrn gehilrl ferner die Aufrichtung von Runensteinen
wie auch von inschrifllosen ßautasteinen auf oder bei, ja zuweilen auch in
dem Grabe. Während die inschriftloaen Bautasteinc st>gar bis ins Bronze-
ceilalter zurückgehen, scheint der Gebrauch zum Andenken an dit^ Toten
Steine mit Runeninschriften aufzustellen in Norwegen und Schweden erst im
B^jinn des Mitteleiscnzeitalters entstanden zu sein. Allmählich verlor sich
diese Gewohnlieii, besonders in Norwegen, und erst gegen das Ende der
lieidnischen 2fcit kommen wieder Runensteine in bedeutenderer Anzahl vor,
aber dann namentlich in Danemark und Schweden, wo sie nun ausschliess-
lich auf oder bei Grabeni sichtbar aufgestellt werden. Die auf Island ge-
fundenen (übrigen.s wenig zahlreichen) heidruschen Grilber fordern ein be-
sonderes Interesse, weil sie sich bis zu einem gewissen Grade datieren la.ssen;
sie müssen nümlich zwischen die Besiedelung des Landes (c. 870) und die Ein-
führung des Christentums (1000) fallen. Es sind ziemlich unansehnliche
Grabhügel, zu denen vereinzelte unterirdische GrSber hinzukommen, welche
samtlich unverbmnnit Leahcn ciiis<h!iessen; sie kommen teilweise in Grup-
pen vor, indem sie Bcgrabnisplaize bilden. Der Hund und besonders das
Pferd iat häufig seinem Herren ins Grab mitgegeben. Runen- und Bauta-
le sind nicht bekannt. Zahlreiche und höchst interessante Gräberfunde
der Cbeigangszeit vom Heidentum zum Christentum sind bekaiml aus
den Begrabnisplatzt-n auf Björku (bei den laleinisclien Schriftstellern Birca)
in dem schwedis<:hen Landsee Malar, seiner Zeit dem Sitze eines um das
Jahr 1000 zersiarten blühenden Handelsplatzes. Hier sind manche Leichen
in Holzsargen begraben wurden.
Schmucksachen und Kostbarkeiten mangeln im Eiseiueitahcr nicht, sogar
412
XII. Sitte, i. Skandinavische VerhÄltkissk.
auffallend reiche and grosse Schatze sind aus dieser Periudi; bekannt, da die
Sitte Kostbarkeiten in der Erde niederzulegen fortdauert. Aus der alteren
Zeit des Eisenzeitalters ist namentlich der Reichtum an Gold überrascheiul,
später wird Silber vorhcrrscliend. Die Büdkunat zeifit sich sowohl in Abbil-
dungen Huf lösen Offenstanden (den zwei goldenen Mömem, den gewöhn-
lich Brakleatcu genamilen münz unähnlichen Hangcschmucksachcn) als in
RunenstfinsLulpluren, um häufigsten wohl zur Bezeichnung religiöser Vor-
stellungen. EinheimUche Münzen kennt man erst aus der Übergjingszeil zum
Mittelalter; rtmische Münzen dagegen sind zusammen mit Sachen aus dem
Alleren Kisenzcitalter gefunden; später werden sie von ostrflmischen wnd am
Scbluss der Periu<le ndmentlich von kufischen abgt'IilsL Im Hinblick auf
Münzen wie auf Aliencinior flberbaupt gilt vom jüngeren Eisenzeitalter, dass
trotz der innigen Verbindungen der Vikingerzeit mit den westüdien Landern
die Funde nur wenig Erinnerungen damn bewahrt haben.
LiteraturftngJiben. J. J. A. Wors-me, Dit VorgrsthichU da !<(oriUni, Kom*
l)urK 1S78 (Üher»eui von J. McstotC; danltcb Kjribenhavn i88l). C. Kng«lhiirdu
Df.nmark in fhe eariy hon Agf. London 1866 (dilQÜcb KjOhenliavo 1863 — 65
unter dem Titel Thuribjrrg i\fase/und ag /\'ydam Afoiffund. Derselbe, Fyrrukt
Mosefunä 1 — II, Kjfibenha\-n 1867 — 69, AarbBgrr for nordisk Oldkyndighcd og
Jiistorif KjöbrnhavB i8bb if. J. J. A. Worsatc. Nordükt Oidsag,-r 1 dri tgl.
MiiirtiM i Kji'b/'nfiarn, Kjflbcnhavn 1859. S. Müller, Ordning af Danmarkt
Oidsngrr, KjnIwriilMivn 18S8— 96. Dcrsrtbc, /'or 0/<//>i/. Kjübrnhdvn 1897 ( über-
setzt sonO.yxTiczK-V H.U Xordüchf AUertiimskumit). — O. Rygh, Norsif O/dsagtr
l — n. Chri-iimni» 1885 (mil franzriMachem resiimt), N.NieoIaytien, I^ngskibet fra
Gvkstod vfd Sandefjnrd, Cfaristtania 1882. — H. Hildcbranri, Si-^mka folktt
undfr htdnatidfH, StraUholni [873. O, MontcUuä, Die KuUur ^hwed^ms in
rorikriiiliiher i^it. BL-rlin 1885 fubiTsctst von C, Appcl); in französischer Bcar-
bHlung als Zcj trmpi pr/hiitoriques rn Sur'de, Paiis 1895. Anliqx-ariik tidibrift
fSr .Svfrigr, Stockbi>Iiii ( 864 (T. SvfHska f^rnminmsförcnmgfm tidfkrj/t, Stodc*
holni 1871 ff. A'gi. \'ilt^rhrts . . . Akadtmienj Mtinadsbiad, Slockbolm 1 872 ff.
DIE HISTORISCHE ZEIT.
§ 5. Mit der dunh die Einführung des Christentimis eintretenden Ver-
änderung in der Begrübnisart werden wir von dem getrennt, was für die
vorhistorische Zeit die Hauptquclle unserer Kenntnis über Zustand und Sitten
der Bevölkerung ist; Cirabr-rfundc und Ahnliches liefern nicht länger etwas
von Bedeutung und un Stelle derselben haben wir in der niichsl folgend«
Zeit von gleichzeitigen Zeugni.ssi.'n nur vereinzelte magere Berichte von frem-
den Schriftstellern. Die gestrliriebene Literatur im Nurden ist an die 200
Jahre jünger uml. wir liekannt. ist es nur die norw^^ch-islündische Literatur»
welche eine solche Fülle und nationale Eigentümlichkeit hat, dass sie sich
zu einer Schilderung des alten Lebens im Nurdcn verwerulen lüsst Die Be-
denklichkeiten, welche durch den Mangel der Gleichzeitigkeit dieser Werke
mit den geschilderten Bc-gcbenl leiten und den Umstandj geweckt werden, dass
die Erzalllungen von ciriem einzelnen Zweige des norqischen Stammes her-
rühren, können wohl nicht ganz gehoben werden, aber man darf gewiss an-
nehmen, das.s die hierdurch überlieferten Berichte über Sitten imd Cicbrauche
des Altertums in ihren wcsentlidien Zügen richtig und allgemeingültig sind,
da teils dc-r Kulturzustand, der im 12. Jahrh. in Norwegen und auf Island
herrschte, von dem Zustand vor der Einführimg des Christentums nicht sehr
verschieden gewesen ist, teils das Cherlicferte in Folge der Beschaffenheit
der Literatur selbst verhältnismässig unverdorben aus einer Zeit bewahrt ist,
in der alle Nordlander auf wesentlich gleicher Kulturstufe standen. Aus
sämtlichen Quellen geht hen*or, dass die Bevölkerung in den drei nordischen
Historische Zeit: Aixgeueincs.
4»i
I
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I
I
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I
I
Reichen bti Einführung des Cliristentunjs eine Bauern bevßlkemng war, hin-
gewiesen auf tlif für eine solche natüriichen Er^i'erbsquellen: Landuirtschaft
mit Ackerbau und Viehzucht und, wo die Gelegenheit sich bot, Fischerei,
Jagd u. s. w. Obwohl Handelsstädte si<:h fanden, hatte sich ein eigentlirhcr
Bargerstand noch nicht au^ebildei. Die Sagas schildern uns namentlich das
Leben unter den Häuptlingen und den angeschenen Bauern; dass neben
diesen glücklichst geÄtelltcn (wenn nicht ilurch besondere Vorrechte begün-
Itigtcn) Sdüchten der ßevülkerung zahlreiche Individuen und Hausstände in
allen Stadien der Abhängigkeit und Amiui gelebt haben, biü herab xu der
grossen Menge der Knechte, versteht sicli von selbst, aber von diesen hört
man nur bei Gelegenheil. Die Sitten und GehriUirhe des nordUchen Alter-
tums, sowie sie aus der altnordischen Literatur bekaruit sind, werden wohl
am richtigsten unter Familienverhältnisse und Lebensweise behandelt
werden können, welchen hier als dritte Abteilung eine Übersicht Ober die
wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt ist.
§ h. Die ilauptquelle für den Stoff, der hier behandelt w'rd, geben selbst-
verständlich die historischen Sagat ab, besonders die isländischen Familien-
sagas; aber auch die altnordische Dichtung [namentlich die Eddagedichte)
und die sagen historischen oder erdichteten Erzählungen müssen benutzt wer-
den, wenn auch mit erforderlicher Kritik. Hierzu kommen die Gesetze und
Urkunden. Dieses reichhaltige Material ist jedoch noch keineswegs erschö-
pfend behandelt; die zuveri!is.sigste Darstellung gibt R. Keyser, Nordmoen-
denes firivate Liv i OtHtidtn. Christiania 1867 {EßertadU Skrifter H, 2); um-
fassender ist R. Weinhold, Alinordtsthes Ltben, Berlin 1856; zunächst für
die Gesamtheit der Gebildeten bestimmt ist A. E. Holmberg, Nordbon under
htdnaitden, Stoikholm lH«i2, 1871* Kürzere Übfn^ichli-n finden sich in ver-
schiedenen Handbüchern und Darstellungen der nnrdisrhen Geschichte auf-
genommen, so in N. M. Petersen. Danmarks Historie i Hedenotd III. Kji'iben-
ha>'n 1855. — Für vereinzelte Alschniite innerhalb der ersten Abteilung
künncn folgende Spezialabhandlungen hervorgehoben werden: Th. Bartholin^
Antiquifatum Danicarum de causis roattmptae a lianis adhuc gentHihta mortts.
Ubri tres, Havniae l '->89 ; Sk. Thnrlacius, Borfalium ifUrum matrimonia
rum Romanontm instttulis coUata {Antt^uilalum BortaUum observationts misecl-
ianeae spte. IV), Ha\'niac 1785; L, Engclstoft, QvindekjonntU liuusUge og
horgerlige Knar hos Skandinapemr, Kjöbenhavn 1799; H. F. J. Estrup, Om
TttUäom i Norden, Soröe 1823; A. E. F.riksen, Om Tratdam hai Skanditta-
verrn {Nordisk C'nivfrsiuts Tidsskrifi VII, 3—4, KjObenhavn 18hl); A. Gjcs-
sing, Tmldom i Xorgt (Anna/er for nordisk Oldks'ndighed, Kjöbenhavn 1862);
Kr. K«klund, Famiiitlivel pa Island . . . indtii wjo {Aarb. for nord. Oldi. og
ffist. 1870). Von recht&historischer Seite ist der Stoff namentlich behandelt
von R. Keyser, Norges Sfais-og Rets/orfaining i Middelalderrn , Christiania
1867 {Efteriadif Skrifier 11, l) und V. Finscn, Dtn isiandskt Famiiiertt efier
Grdgät {Ann. Jor nord. Oldi. 184g — 50). Vgl. K. v. Maurer, über die Wasser-
weikt des germaaisthen Heidenfxtms, München 1880 (.-IM. der K. Baier. Aka-
demie der Wist. /. a. XV. Bd. ///. Aht); K. Lehmann, Verlobung und Hoeh-
zeit nach den nordgermanischen Rechten, München 1882; A. C. Bang, Vdstgt
artr den nor^he kirkes hatorie under kalhöiieismen, Kristiania 1887. — Inner-
laib der zweiten Abieiiiing ist der Abschnitt von den Baiutrten C-rschüpfend
behandeh von V. Gudmundsson, Prrvatbofigm pä Island i sagatiden samt
dehis i det evrige Norden, Kiibenlia\T 1889, wo zi^eich Aufschlüsse über
die altere, hierher geh/^rige Literatur sich finden; von dieser kann besonders
hervorgelioben werden E. Sundt, Bygningsxkikkene paa Landet i Norge (Sonder-
414 XJI- Sitte, i. Skandinavische Verhältnisse.
druck aus Fofkevennfft), Christiania 1862. — Was Dänemark beirifft, so geben
Saxo und die iniueUillerliL-hcn ProWnziulgeaetzc die älttrstcn Aulschlüsse, aber
diese Quellen sind in Hinsicht auf das PrivatK-bcn noch wenig bearbeitet.
Für eine t-twas spau-rc Zt-il, das jüngere Mitti-laltet, findet sich ein reiches
Material, namemlicli zur Srhilderung des Let>ens der li5heren Stande-, in der
üppigen Vulkshederdichtung; auf ihrer Grundlage \sX dieser Zeitraum beiian-
<lelt von V. Simonsen, Kampn'isentes Skiliiritif^ af Middeiaidcrens RiJder-
i*as4H (Nordisk Tidsskrift for Ilälorie. Uleraiur t)g Kamt III, Kjöbenhavn
1829). Wieder eine etwas jüngere Zeit, wo die schriftlichen Quellen reich-
licher fliessen und noch viel alles bewahrt ist, wird beleuchtet in einem nach
einem sehr umfassenden Plane angelegteji Werke von Troels Lund, Dan-
warki ttg Norgr-i Historie i Slnlnin^en af det iti, Aarhundredf , KjAbenhavii
187g ff., vuii des.seii erster AbtL-ilung [Iiidre Hisiorif) bis jetzt (1897) zwölf
Hücher erschienen sind; hiervon können besonders hervorgehoben werden das
2. und 3. Buch über Wohnungen, welche ins Deutsche tibersetzt sind unter
dem Titel Das tägliche Lehen in Skandinavien während des 16. Jahrhunderts,
Kopenhagen 1882, und das 9. Uurh über Verlobung. — Schwedens Kultur-
verhaltnissc im Mittelalter werden ausführlich unil allseitig geschildert werden,
auf Grund sowolil geschriebener Quellen (be-sonders der Gesetze) als monu-
mentaler Durslellungcti, in dem noch nicht abgeschlossenen, illustrierten
Werke von H. Hildebrand, Sveriges medtltid, Stockholm 1879 ff. — Im
ganzen Norden haben ferner bis hinab in unsere Zeit mannigfaltige Reste
von alten Sitten und Gebrauchen sich im Volke erhalten, worüber nicht wenig
Aufsclilüsse in toi>iig;raphischen Spezialabhandlungen und ähnlichen zu finden
sind. Beispielsweise nenne ich: R. Gjellcböl, BeskriKclse af S^trrsdaien (in
Norwegen) Tof>ßgrapbisk founiai, Christiania i ftoo) ; N. H e r t z b e rg , Oni
JioiidfsinudetL'i I^vemaade .... / vore Bygder (in Norw-egen) {BudsUkken 1821):
Niculovius, Foiklifvet i Skylis härad i Skiim, Lund 1847; H yllün-Ca val-
lius, Wäreiid och Wirdame, I— II, Stockholm 1864 — 68. — Über die eigen-
tümlichen Verhaltnisse auf den Färöer-Inseln, wo vieles altes bewahrt ist,
siehe V. U. Haraniershaimb, Fan'sk authohgi I — II, Kübenhavn 1891,
besondere den Abschnitt iFtdkeüvshiücder-- (teilweise dun-h O. Jiriczck in
ZeitscbrEfi des Vereins für Volkskunde III übecsctzt), — Reich illustriert ist
Paul B. du Cliaiilu, The Viking Age 1 — II, London 1880, die Kultur-
verhaltnisse des 5kandina\Tschen Nordens sowohl in der vorhistorischen Zeil
als in der Sagazeit behandelnd.
I. fahiliesvekkXltmsss.
§ 7. Kindheit Das neugeborene Kind wurde mmiitlelbar nach der
Geburt, welche, Mie man aimehmen darf, auf dem Fussboden vor sich ging.
vor den Vater gebracht, wclclier Herr übet sein Leben und seinen Tod war.
Bewegten UnwiSle, Armut, des Neugeborenen Gebrechlichkeit oder andere
Gründe ilin dazu es abzuweisen, wurde es an einem abgelegenen Orte aus-
gesetzt und so seinem Schicksal ftbcrla.ssen {al bera «/ ham, Imrtia ütburdr\\
in der Kegel wurde jedoch das Kind naturUcherweUe vom Vater ange-
nommen und nun folgte die Wasserbegiessung {ai ausa vatni)^ womit die
Namengebung verbunden war, wie auch die Mutter jetzt das neugeborene
Kind in ihre Ajine nehmen und ihm Nalirung geben ilurftc. Wer das Kind
mit Wasser begt>ss, sclieint auch in der Regel seinen Namen bestimmt zu
haben; gewöhnlich war dies der Vater, doch konnte dies Gescliäft auch
einem oder dem andern Freunde des Hauses zufallen und zwischen diesem
I
I
Literatur Obrr die historische Zeit. KikdHeit.
4J5
und dem betreffcndi^n Kinde knüpfte sich dann ein starkes Band. Dem
Namen folgte eine Gabe als Patengcachenk {nafnfeslr) und , wenn der erste
2ahn sich zeigte, erhielt es wieder ein Geschenk {tarinfe"). Dieselben Namen
kehren häufig in demselben Geschlecht wieder, indura man die Namen nach
bcrülunteu Vorfalu-en wählle: dem Namen, glaubte man, fol^ie das Gliück
de-s früheren Trägers und den Vcr\vandten selbst war es angelegen, daas ihrt;
Namen gewählt wurden, d-imit die-sclbeji nicht ausstfirbcn. Die Namen sind
aus den verschiedensten Gebieten geuominea; Farbe, Aussehen, geistige untl
körperliche Eigenschaften, Arbeit, Geram-liaften . Waffen, Tiere, die leblos*;
Natur u. s. w.; besonders b.lufig sind zusammengesetzte Namen, bei denen
das erste Glied einen Gflttemamen bezeichnet, und Namen, welche mit Zu-
sammensetzungen oder mit Ableitungen von Worten gebildet werden, die
auf Kampf, Sieg, Mut und ahnliclies hindeuten, so dass die nordischen Namen
einer gewissen Einförmigkeit nicht cnlgelirn, Je*le IVrson erhielt nur einen
Namen, aber der Deutlichkeit wegen wuriie man, wenn es erforderlich war,
zugleich als Sohn oder Tochter des Vaters bezeichnet Zuweilen wurde man
Dach der Mutter benannt, besondere wenn der Valer vorher gestorben war.
Ausser der Benennung nach den Vorfahren war es ausserordentlich allgemein
■meines Mannes Ndnien einen lieinamen beizufügen, hindeutend auf eine innere
■oder Süssere Eigentümlichkeit i, selten schmeichelnd), eine oder die andere
Begebenheit oder komische Situation aus des Betreffenden I-eben; in der
Anrede kümiteu solche Benennungen im allgemeinen nur zum Spott ange-
wandt »-erden. Dass die Geburt eines Kindes gewöhnlich die Veranlassung
zu einem Gelage gab. bezeugt das norwegisch-schwedische bamsöl (Kindei-
bicr). im Dänischen erhalten in der Foini band (jetzt mit der Bedeutung
»Niederkunft«). — luteressame Regeln für nordische Namengebung tut. G.
Stoim un Ariw /. noräisi fihhgi IX. (189,5) nachgewiesen. Ursprünglich
war imtcr den gcnnaiiischcn Völkern nicht Betiamuiig nach Vorfahren,
Jem eine Art Namen-Variation im Gebrauch, in der Weise, dass von
zwei Gliedern des neuen Namens (Gunde-rich zum Beispiel) das erste
3n dem Namen eines Anverwandten geliehen, das zweite willkftrlieh gewählt
st, oder beide können von Namen der Anverwandten — z. B. Vater und
Mutter — genommen werden, ein Glied von jenem. Was den Norden be-
trifft, stimmen hiermit Qbcrein Zeugnisse aus dem ßeowulf und den alteren
Runeninschrifien. Von dem 8. Jahrh. an kann man in den skandinavischen
Landern Benamung nach Vorfahren nachweisen, und daran walirwiicinlich
geknüpft den Glauben, dass — durch eine Art Seelen Wanderung — der-
ligc, nach welchem die Benanmng stattfand, in dera benamtcn, wieder-
jrcn werde. Man wählte deshalb nie (oder selten?) den Namttn noch
lebender Leute, sondcni entweder Namen fernerer Vorfahren oder jüngst
veretorbencr Vcrttaiidten ; falls der Vater %'or der Geburt des Sohnes slari),
bekam dieser unbedingt seinen Namen. Wenn der Verstorbene einen Bel-
len trug, wurde gewöhnlich dieser, und nicht der eigentliche Name zur
lenamung benutzt, wodurch viele neue Namen entstanden. Diese Kegebi
:n sich, ganz 'xler teilweise, in den skandinavischen Landern lange hin-
erhalten. — Wenn ilie Erziehung des Kiiuk-s in der Heimat vor sich
wurde in vornehmen Hausen» die besondere Aufsicht über dasselbe
snem der unter;geordnelen Mitglieder des Hausstandes Übertragen; zwischen
Kleinen und seiner Pflegemutter (/ösira) oder seinem Pflegevater {/ösin)
knUpfte sich ein Band fürs ganze Leben. Aber ausserordentlich häufig scheint
es vorgeki>mmen zu sein, dass das Kind in zartem Alter zur Krziehung {/mtr)
aus dem Hause geschickt wurde. Dass auch in solchen Fallen die Erziehung
p«ond(
gcboi
Fiiabei
4i6
Xn. Sitte, i. Skandinavische Verhältnisse.
ursprQnglkh als ein Vertrauen samt betrachtet worden ist, mit dem Unter-
gebene betraut wurden, kann daraus gcsehlosscn werden, dass der allgemeinen]
Anschauunif zufolge der, welcher eines Andern Kind aufzog, sich als dessen-!
Uniergebenen anerkannte. Dodi bat diese Art Erziehung gewöhnlich deaJ
Charakter eines angetragenen Freundschaftsbeweises und wird in vielen Fallen'
von einem Gleichgestellten grw^ihrt, oft jedoch natflrlicherweisc auch von
Leuten, weldie dadurch den Schutz Machtigerer zu erlangen »-ünschen.
Gegenüber solchen Pflegeeltern fühlte sicii nämlich das Geschlecht des Kin-
des sehr verpflichtet und es hegte selbst gewöhnlich grosse Ucbe zu den
Pflegeeltern. Für den Einfluss des Pflegevaters auf das Adoptivkind zeugt
das Sprichwort ßördimgi hrtgitr (il ßsirs (um ein Viertel artet man dem Pflege-
vater nach). Eine besonders fcsüiche Form ein Kind zur Erziehung {oder
möglicherweise eher an Kindes statt) anzunehmen scheint dies gewesen zu
sein, es auf die Kuie zu setzen [knesetja] d. h. auf den Schoss zu nehmen.
Über Legitimation, vgl. § lo. Kinder, welche zusammen erzogen wurden,
vereinigten sich gewöhnlich in lebenslänglicher Freundschaft, so dass das
Wort fSsthrcäralaf>, das ursprünglich die zwischen solchen entstandene Ver-
einigung bczeicluiet, dazu kam, einen zwischen Männern unter besunderer
Feierlichkeit geschlossenen Freundschaftsbund zu bedeuten (vgl. § 8). Selbst
in jener vnn aller Weichlichkeit so entfernten Zeil war doch Rücksicht auf
des Kindes Bequemlichkeit und Vergnügen keineswegs ausgeschlossen: Win-
deln, Wiegen und Spielzeug werden erwähnt. In der Erziehung herrschte
grosse Freiheit: Knaben und Madchen tummelten sich frei untereinander und
mit den gleichaltrigen Kindern der Knechte des Hofes, von welchen zu-
weilen eins bereits bei der Geburt dem jungen HcrrenkJndc geschenkt war.
Bald bcRaiHi man im Spiel die Wirksamkeit der alteren nachzuahmen; es
dauert nicht lange und der Knabe beweist durch sein Auftreten, dass er sich
als Mann fühlt. Vom Leben des Madchens in der Kindheit und ersten
Jugend bis zum Eintntt des Liebesverhältnisses h5ren wir nur wenig. Selbst
vor dem 12. Jalir, welches ursprünglich das Mflndigkeitsalter für Knaben
war, findet man viele Beispiele von grossem Eigensinn, aber zugleich von
Selbstgefühl mid zeitig erwachter Vernunft; sogar ein ntx'h so anmassendes
Auftreten des Jungen (ein von ihm begangener Todschlag z. B.) scheint kaum
gcmissbilligt worden zu sein; die Freude über jedes Zeichen, dass der Knabe
einen kecken und nnhiegsamen Charakter entwickehi würde. Überwand leicht
den Ärger darüber, d^ss es zeitweise beschwerlich fallen konnte, mit ilira zu
thim 711 haben. Das Mündigkcitsalter für Knaben wurde später vom 12. auf
das 15., in Island das 16. Jahr verlegt, und für das allgemene Bewusstsein
hörte wohl auch die Kiudiieit im L;iufe dieser Jahre auf.
% 8. Jugend. Als das eigentliche Jünglingsalter sah man jedoch
das Alter von 18 Jahren an. In diesem Alter hatte der Jüngling eine kraf-
tige körperliche und geistige Entwicklung erlangt. Seine Erziehung hatte
vornehmlich die körperliche Ausbildung im Auge gehabt, ohne doch gelst^
Fertigkeiten ganz bei Seite zu setzen; die auf beiden Wegen erworbene
Fertigkeiten nannte man zusammen ipr^ttir (Sing, tpraif). Ein wohl ai
hildeter Jüngling musstc Meister sein im Gebrauch dt-r Waffen, im Reiten,
Schwimmen u. s. w., tüchtiger JSger und Handwerker, kundig im Würfel-
sjMel und gcsellsch:LflJiLher Unterhaltung; besonderes Ansehen verschaffte
Kenntnis der Runen, Verständnis der Dichtkunst, Kenntnis der Gesetze und
Beredsamkeit; zu allererst verlangte man Kraft imd Starke, Abhärtung und
Todesverachtimg. Man trieb darum mit vielem Eifer melirere Arten ziem-
lich gewaltlhütiger und oft blutiger Spiele, man hllrtete den Leib gegen Kälte
Kindheit. JunEKO. Hrirat.
417
und Hilze, Wunden und Schmerzen, die Seele gegen GemQtsbewcgungcn ab,
«Dan gewöhnte sich uhnc Furcht dem Tcxle ins Angesicht zu «tchen und eine
Ehre darin zu suchen, wenn man dns Leben bei gefahrlichen Untcmelimun-
gen aufs Spiel solzto. Unter solchen Verhältnissen wurde die Heimat für
den JOngting leicht ein hIIzu enger Tummelplatz, Kr brach auf, wurde eines
Häuptlings Üienslmimn und nahm an dessen Heereszügen teil tnlcr ging auf
eigene Hand auf Vikingszüge aus, überwinterte bei seinen Gastfreunden, be-
slaod gefahr\'otle Abenteuer, um diese zu beschützen, und konnte dann nadi
Verlauf einiger Jahre mit Ruhm und ehrenvoll erworbenen Kostbarkeiten in
die Heimat zurückkehren. Zur gegenseitigen Unterstützung in den vielen
■Gefahren, welche ein sotclics Leben mit sich führte, diente der Abschluss
von Blutsbrüderschaften {J6itbrt>äral(tg) zwischen zwei oder mehreren Männern.
Die Belieffenden, wdche mit fdciUcltem Eid gdubten, einander zu rächen,
einander zu unterstützen, ja vielleicht sogar ursprünglich einander nicht zu
Überleben, stellten sich unter einen ausgesdinittenen Rasenstreifen, der an
beiden Enden mit dem B(>dcn zusammenhing, und Hessen ihr Blut zusammen-
laufen, dass es sich mit Erde vcmiischle, alles zum Zeichen, dass sie sich
als Brüder fültltcn, als SOlmc einer gemeinsamen Mutter (der Erde). Sie
wurden jetzt geschworene Brüder {eiäbroär, irfarabrödr); aber da eine solche
Verbindung, wie man annehmen kann, besonders oft von Männern einge*
gangen Ä*urde, die als Kinder zusammen erzogen waren, wurde ßsi'br&itr
(Sing, -bröäir) die allgemeine Bezeichnung für solche Eidesbrüder; vgl. M.
Pappenlieim, DU altäättischen Scbutigiidea, Breslau 1885, § 2, besonders
S. 31 — 33, 3Ö, und V. Gudmundsson, Fdstbraäralag (in prjdr ritgjördir
etc, Kph. 1892). Eine eigentümliche Stellung nalimen einzelne von den
Jünglingen ein, welche in ihrer Jugend trüge und stumpf waren und den Tag
über in der Asche am Feuer lagen, die sogenannten Kulilenbeisser {kolbitar),
bis sie bei bestiuderer Veranlassung erweckt wurden und als Maimer mit
Obennenschlicher Kraft auftraten. Die Erziehung der Mädchen ging
selbstverständlich zunächst darauf aus, sie an die Teilnahme an den häus-
lichen Geschäften zu gewöhnen. Sic setzten eine Ehre darein sich durch
kunstvolle Handarbeiten auszuzeichnen: gewöhnlich witr auch die Heilkunde
den Fntutii vorbehalten. Der Gebrauch der Waffen scheint, jedenfalls in
der historischen Zeit, ausschliesslich den Maimem überlasscu worden zu sein.
Dagegen war es nicht ohne Beispiel, dass Frauen sich in der Dichtkunst
vereuchtcn.
!> 0. Heirat. Aus der Schilderung der Sagas geht hervor, dass die
jwigen Madchen si^^h frei bew^en. an gesellschaftlichen Zusammenkünften
und dergleichen teilnehmen kunnlen. Doch scheint eine so angeknüpfte
Bekanntschaft zwischen den jungen Leuten selten die Einleitung zur Ehe
gewesen zu sein. Die Ehe war ein reines Geschäft, bei dessen Eingehen
die Erotik am liebsten als ein .'Jtr>rendes Moment betrachtet worden zu sein
scheinL Für die Manner war wohl die Zeit sich zu ^'erheirati:;u In der Kegel
auch erst in reiferem Alter, nachdem die unruhigen Jugendjahre zu Ende
waien, wogegen allerdings die Weiber öfter in einem mxh sehr jugendlichen
Alter verheiratet wurden. Der Mann war, wie man annehmen darf, in der
Regel vüilst-tndig frei in seiner Wahl, aber häufig leitete einer oder der an-
dere seiner nächsten und ansehnlichsten Verwandten die Saclie dadurch ein,
dass er ihn aufforderte sich zu verheiraten, ihm eine passende Partie be-
zeichnete und ihm anbot, die Sache in Ordnung zu bringen; hier liess auch
der Jüngling sich gern vom Rate Älterer imd VersLlndigerer leiten, ja licas
sie die Sache ganz abmachen, so dass er nicht einmal mit dem Aussehen
GcnnaolKAc Philologie UI. 'i. AufL 37
4i8 XII. SinE. 1. Skaxdinavische Verhältnisse.
seiner ZukOnftigcn sich vnr der Abmaclmng bekannt machte. In vielen
Fallen waren politische Rücksichten der vomelunste iixier einzige Beweggrund
SU einer Heirat, aber in jedem Falle galt es. eine passende Partie {^/ttr<r/ti)
zu finden, also fClr einen vornehmen jOngling pin Müdchen aus angesehener und
wohlhabender Fatiiilie, selbst liMqjerlich und geistig wohl ausgestattet. Eine
auf nähere Bekanntschaft gcgründi'te gi!^*ui.seitige Zuneigung vor der Al>-
raiuhung gehörte zu den gnissen Ausnahmen. Alles, was dem glich, was mit
einem modcnicn Ausdruck ein UUigcr fr>rtgcsctztca Kourmachen genannt
wercJcn kannte, setzte den Vater oder Vormund des Mädchens in gprosse
Unruhe und brachte ihn si.">gk-ich dazu zu j^laubcii, dass der Betreffende sie
verführen wollte. Kine solche Kiniejiung einer Heirat war so übel ;inge-
selien, dass die V;Uer lünrelchend Veranlass uiija fanden, eine in jeder Hin-
sicht passende Partie auszusclt]:igen, wenn das Vcrhültniss der jungen Leute
auf Gnmd wiederholter IJesuclir des Jünglings in den Muntl der Leute ge-
kommen war. Noch schlimmer als häufige Besuche scheinen LicbesUeder
{mam^ngTvhur) aufgenommen worden zu sein: das Isländische tiesetz be-
stimmt sogar die Acht für die Dichtung eines solchen. Die Stellung des
Weibes im Liebesverhältnis ist in hohem Grade passiv. Von einer Auswahl
von ihrer Seile hi'in man selten, sei die Rede von der Ehe oder von loseren
Verbindungen, wo Wideistandskrafl von ihrer Seite weder erM'arlel zu wer-
den, noch .sich geltend zu machen sclieint; die Strafe des Gesetzes und die
Rache des beleidigten (.ieschlechte-s waren es, welche den Verführer zurück-
haheii miissten. Bei dt!r Walil des Gatten war das Weib aucli rechüich
j ohne allen Einflnss. Ihr Vormund [giptingarmadr) konnte sie zur Ehe zwin-
gen, und wir sehen auch in der Kegel den Vater seine Tochter ungefragt
I verheiraten: wenn er ausnahmsweise die Abmachung auf üirem eigenen
I Willen beruhen Hess, geschah dies in Erkenntnis ihres stolzen und unbi^-
I samen Charakters oder auf <inind besimdcrer Achtung imd Liebe. Können
I wir den Sagas glauben, so waren doch unglückliche Ehen keineswegs allge-
mein. Das Mädchen mussle nach der Anschauung der Zeit diese Art von
I Verheiratung als eine Sache betrachten, die ganz in der t>rdnung war. Die
I lan^ücklichen Ehen rühren namenüich von dem Mlssvcignügen der Frau
' her, keine passende i'artie gemacht zu haben, d. h. keinen Mann zu haben,
der dem Stande wie den kürperlichcn und geistigen Verhältnissen nach in
einer Reihe mit ihr stand; in solchen Fallen war es gewöhnlich das Ver-
mügen de* Bewerbers, das den Vater dazu gebracht halte, den Mangel der
I übrigen Bedingungen zu übersehen; die Tochter ist um des Geldes willen
verheiratet [gep» lil /pit ). Kreier gestellt war doch die Wittwe und die g^
schiedene Krau, obwnhl auch hier die n^lclisten Verwandten einen bedeu-
tenden Einfiuss hatten.
Die Heirat {kvänfattg, gifiii»g) wurde unter Bei lUicluuiig gewisser Formen
eingegangen, welche nicht versäumt werden durften. Wenn der junge Kfami
sich eine Braut ausersehen h^tte, Z(ig er zur Bewerbtmg [bönord) zu ihrem
Vater oder nächsten Verwiiiiiken, um mit ihm den Vertrag {Jeslar) abni-
schiiessen, eine Handlung, welche eine notwendige Voraussetzung für jctie
rechtsgültige Ehe war. Er wurde von seinem Vater oder einem seiner Ver-
wandten oder Freunde, *ift auch zugleich von einem grösseren Gefolge be-
gleitet. Gewähniich führte einer seiner Begleiter das Wort für ihn. Die
Heirat wurde als eine Art Kauf ykaufi) bezeichnet. M-obei der Bräutigam fflr
eine gewisse Summe seine Braut V("in ihrem Voruumd kaufte; bei dem Ver-
trage wurde die naliere Verabredung und die verpflichtende Übereinkunft
betreffs dieses Handels getroffen. Die Grösse der Kauf&umme {mumir).
IIeikat.
419
welche nach dem Eingehen der Ehe der Braut ruficl und ohne deren Ent-
rirhujng kdne Ehe rwhtsgültig war, tlic Mitgift {hciman^l^n\, die der Braut
von ilirtin Vater ndcr Vurmuml bezalilt wurde, und mehiere ähnliche Ab*
gal>rn mussten jetzt vcrahredel werden, wie au<:h der Ehejrattcn gq^nseitige
Vennögensverhaltnisse überhaupt, wenn WrniMgensgemeii^si-haft sein srjlUe,
imd in solchctn Falle von welcher Art. Wenn der Freier nicht hinreichend
gut gestellt war, so mnssten die Verviandtcn ilm aussteuern, so da&s er eine
passende Partie darbielL-n konnte. Gloidizeilig wurde die Zeit für die HcKrh-
leit frstgcsetzt Hatte der Freier eine längere Reifte s:u niarlicn ttder lagen
andere wichtige Gründe vor, so konnic diese auf mehrere Jalire hinausge-
schoben werden; im en^egengesetzten Fall wurde sie im Laufe desselben
Jahres abgehalten, oft mit nur kurzer Fiist. Die j^ewCihnHche Zeit war wolU
der Herbst oder der Anfang tles Winters. Die eigenüichc Verlobung ging
so vor Bich, dass der E'Veier, nmiidcm die Übereinkunft in Gegenwart von
Zeugen verkündigt worden war, zum Vormund tler Frau trat, weldier mit
Handsrhlag ihm die Frau verlobte, wahrend beide Parteien sich Zeugen des
Vertrages wählten. Diese war nun für beide Teile rechdich bindend. Die
Verlobung ist walinvtheinlieh ziirmlich allgemein durch ein Gelage {Jaiar^)
gefeiert und durch eine Gabe \/f)iiorgj\»/) ausgezeichnet worden, welche von
dem Freier, der durch die Verlobung festannaär wurde, »einer Jestarkona Über-
reicht wurde. Am hJlufigsten fand die Hochzeit ibniäMaup, bniäkaup) bei
dem Vater der Braut statt, zuweilen jedoch auch bei dem Vater des Bräuti-
gams und dann hauptsflchlich als ein En^cgenkummen ihm gegenüber: war
der Vertrag abgeschlossen und die Urautkaufsumme Iie/;ihlt, so war sie noch
als dritte Haupibedingung für eine rechtsgültige Elie übrig. Die wichtigste
Cercmonic bei dieser Gelegenheit war unzweifelhaft, dass das Brauti>aar im
Beisein \Y>n Zeugen in dasselbe Hctt geführt wiirtle, wiwlurch sie Ehegatten
{kf^n) wurden. Bei Veranlassung der Hochzeit wurde ein Gelage gehalten,
welches grosse Kosten und lange Vorbereitung erforderte und welches liüufig
mehrere Tage hindurch für die in grosser Menge Eingeladenen dauerte.
Den Haupttdluehmcni am Gastmahl wurden Plätze nach t-iner bestimmten
Regel angewicjten, so da.ss der KT^utigam (hniitgumi) auf <lcm lIcK-lisitz auf
der vornehmsten der zwei langen Bänke sass mit den %*on iliin Eingeladenen
auf l»eidcn Seiten, der nächste Verwandte der Braut auf dem Hochsitz auf
der geringeren Bank mit *ien von ihm Eingeladenen auf Ix'iden Seiten, die
Braut ibniär) miuen avif der Qucrbaiik mit den anwesenden Frauen auf
beiden Seiten; ihr Ha;ir, welches sie bit dahin als UnvcrmSldte offen ge-
tragen hatte, wurde jetzt von einem Tuch (//«) bedeckt. Den Tag nach der
Hochzeit nahm die Frau die sogenannte Morgengabe {ffiorgHffgjff) ihres
IlrAutigams entgegen. Ursprünglich scheint am Morgen nach der Htichzeits-
nacht der jungfräulichen Braut ein Gcsi^henk {linfr) gewährt zu sein, der
sich verheiratenden Wittwe dagegen am Hochzeitsabend ein entsprechendes,
aber anders benamites {i'fthjargj^f).
Nach den Zeugnissen, welche die mitte lalterliclien Quelkm liefern, waren
die Verhallnisse in Schweden in dieser ganzen F^eriode noch wenig ab-
weichend. Auch hier wurde die Ehe nicht wie eine Privaltniclie zwUchen
den Beiden, Sfjndem wie eine Verfnndung zwischen zwei Geschlechtern be-
trachtet, welche mit umständlichen und formellen Verhandlungen eingeleitet
werden musste. Dem Vertrag geht em Besuch des Freien* bei dem Vor-
mund de» Madchens vorher, wobei er seinen Antrag vorbringt; im Falle
ler günstigen Antwort wird eine Zusammenkimft verabredet und erst da
•ht die Verlieiratung vor sich. Hier ireften sich der Freier, der Vormund
ST»
420 XII. Sirre. i. SKAMoufAViSBHB Verhältnisse.
k
des Madchens und die Zeugen, dagegen in allerer Zeit nicht notwendiger-
weise die Braut selbst- Auch nach schwedischem Gesetz u*urde die Haus-
frau ursprünglich mit einer Summe {'mund') erkauft, doch begann diese Aus-
steuer Namen und Bedeutung zu verlieren und hatte in jetlem Falle aus-
schliesslich den Charakter eines Geschenks, welches der Mann der der-
cinstigcn Hausfrau gelobte, welcher dann gleichfalls von Hause eine Mitgift
ungesagt wurde. Ein fester Brauch war es, dass die Verbindung durch einen
Handschlag zwischen Bräutigam und Braut bekräftigt wurde, begleitet von
einigen formellen Worten von Seiten der betreffenden Parteien. Von den
anwesenden Verwandten wurden bereits auf der Versammlung 'Freundes-
gaben' cntrirhiet. Die Hochzeit, welche meist binnen einem Jahre nach der
Verlobung gefeiert wurde, fand un Hause des Mannes statt; sechs Wochen
vorher mussten die Abmachungen mit dem Vormund der Braut getroffen
sdn. Die Braut wurde von einer formellen Gesandtschaft abgeholt, woran
der Bräutigam keineswegs immer teilnahm; bei der AiLkunfl im Hause der
Braut wurde den Fremden Friede zugesichert und die Braut nahm gewisse
Geschenke entgegen. Wahrend des folgenden Gastmahls trug einer der Ver-
wandten des Bräutigams auf die Auslieferung der Braut an und ihr Vonnund
wandte sich dann zu ihr, die besonders vom Gesetz ges4:hützt auf der Braul-
bank Platz genommen halte, mit einem feierlichen Fonnular, wodurch er sie
zu dem vollen Rechte einer Hausfrau vermählte. Nachdem das Trinkgelage
noch eine Zeitlang fortgesetzt war, wurde das Zeichen zum Aufbruch ge-
geben und die Braut mit ihrem Gefolge begab sich jetzt mit den Leuten
des Brauügams fort. Ziemlich früh .scheint kirchliche Trauung durchge-
drungen zu sein: der Zug ging dann vom Hause der Braut zur Kirche und
erst nach beendeter Trauung, wobei sowohl Brautkronc als Brauthng in
Anwendung kamen, von dort zum Hau.se des Mannes, zum Hochzeilshof c.
Noch erhaltene schwedische Gebräuche kOinnen darauf hindeuten, dass der
NeuvcnnÜLhttL-n erster Gang bei der Ankunft in der neuen Heimat zum
Herclfeuer ging, doch wird nichts dergleichen in miitelalterhchen Quellen
erwähnt. Im Hause des Mannes b^ann jetzt das eigentliche Huthzcits-
raahl, das in Schweden wie anderwärts überreichlich und langdauemd war.
Die endliche Vollziehung der Ehe geschah damit, dass die Neuvermählten
am Abend in das gemeinschaftliche Bett gingen. Tags darauf erhielt die
Hausfrau ihre Morgengabe, welche später den Kindern als möttcrliches
Erbe zufiel. — In Betreff Danemarks geht es aus verschiedenen Stellen b«
Saxo hcr\-ur, dass die Braut vor Alters gekauft wurde; in den mittelalterlichen
Gesetzen sind hiervon nur schwache Spuren erhalten und iiestmdere Ge-
bräuche bei der Heirat werden fast nicht erwähiiL Des Mädclicna Vor-
mund hatte über die Verheiratung zu verfügen, welche jedoch nicht g^en
ihren Willen geschehen durfte; kann man in dieser Hinsicht Saxo Glauben
schenken, so nahm man in alter Zeit sogar ausserordenUiche Rücksicht auf
den Willen der Tochter, und die bei ihm auftretenden Fmuen haben durch-
gängig freie Wahl. Auch in den Volksliedern, wo selbstverständlich die
Erotik eine grossere Rolle spielt, wird die Kinwilligung der Verwandten als
der erste und notwendigste Schritt der Ehe vorausgesetzt; darauf gab der
Freier seiner Auserkorenen Brautgeschenke und ein Brauunahi wurde ge-
halten; endlich folgte die kitchliche Trauung mit zugehörigem Hochzeilsmahl,
das Brautpaar wurde zu Bett geleitet und am nächsten Morgen forderte die
Braut ihre Morgengabe. Ausführlich kennen wir die Verhältnisse aus dem
[6. Jahrhundert und sehen da den alten Charakter der Heirat voll bewolirt,
nur von einem religiösen Fimi&s oberzogen. Das Eingehen der Ehe ist wie
J
I
früher ein vorsichtig abgeschlossener Handel mit Misshilligung jeder Lieb-
schaft, ja die Unfreiheit der jungen Leute scheint unter dem Druck der
tonangebenden Gebtiichkeit nun mehr hervorgetreten zu sein als frQher.
Die Werbung erfo^ durch Fürsprecher, im Beisein von Zeugen, ohne dass
der Freier selbst eine hervorragende Rolle spielt; nachdem die notwendigen
Verliandlungen zu Ende gebracht sind, folgt die feierliche Vermählung und
schliesslich die Hochzeit, bei welcher kirchliche Trauung vom Schiusa des
Jahrhunderts an obligatorisch wurde. Ja noch bis in dieses Jahrhundert
findet man im Bauernstände in ihren HauptzQgcn Verheiratung und Hoch-
zeit in der alten Form erhalten. Wahrend ursprünglich dem Gesetz zufolge
eheliches Zusajiimenleben vor der Hochzeit mit Strafe belegt war, betrachtete
man spÄter. !to in Dänemark im ib. Jahrh. und im Volke noch in unsem
Tagen, die Verlobung als Zeilpunkt des beginnenden ehelichen Zusammen-
lebens. Eine weit verbreitete Form heimlicher Zusammenkünfte zwischen
den Jünglingen und Madchen, wodurch Bekanntschaft gestiftet und eine Elie
angeleitet wurde, war die sogenannte Nachtwerbung, bei der das junge
Madchen Sonnabend Abend den Besuch ihres Freiers im Bette empfing; —
unprflnglich riurdUch ist jediK'h der Brauch kaum, jedenfalls kennt man ans
der mittelalterlichen Litteratur kein Zeugnis dafür.
Unter den norwegwchen Bauern scheinen sich bis in unsere Tage ausser
Rcminiscenzen der Hochzeitsgeb rauche aus der Sagazeit (Bmutkauf u. s. w.)
Spuren noch allerer Gewohnheiten gehalten zu haben, so die Einleitung der
Ehe mit scheinbarer Feind.schaft zwischen den betreffenden Parteien, so dass
der Freier sich den Zugang zum Hause der ausersehenen Braut gleichsam
crrwiagen muss, wo die Braut, nachdem die Werbung stat^efuuden hal,
aus ihrem Versteck hervorgeführt und mit Gewalt zum Bräutigam gebracht
wird u. s. w. Als im Laufe des 13. und 14. Jahrhs. in Norwegen die ktrch*
lidi gegründete Ehe das Normale wurde, folgte der Vcriobung das Aufgebot
zur Ehe in der Kirche, darauf Hochzeit mit Segnung des Brautringes und
folgender Trauung des Brautpaares vor der KirchenthOr. sclüiesslich im
Horhzeitshause Segnung des Mahlas und Ehebettes durch den Priester.
§ la Ehe {ijiisiafir). War auch die Hausfrau ungefmgt, durch eine
Art Verkauf in den Besitz des Mamies gekommen und stand sie auch dem
Gesetz zufolge unter seiner Vormundschaft, so nahm doch die verheiratete
Frau, die Hausfrau {hHsfrtyja) eine angesehene und selbständige Stellung an
der Seite des Hausherrn {bSndi, küsböndi) ein. Ihr kam die Leitung des
inneren Hauswesens {räd fyrir innan sioAk) zu; sie sollte <len eigentlichen
HaiLshalt führen, die Nahrungsmittel unter ihrer Aufsicht haben, deren Zu-
bereitung und Austeilung bes<irgen; die Schlüssel zu des Hauses Vorrats-
kammer und Truhe, von ihr au der Seite getragen, waren das Zeichen ihrer
hausmütieriichen Würde. Weiterhin sollte sie die Aufsicht über die weib-
liche Dienerschaft des Hofes, Dienstfrauen -und Knechtsfrauen, haben und
darauf sehen, dass die wcibliclicn Arbeiten im Hause, wie Weben, Woll-
arbeiten und ahnliches, richtig ausgeführt, zugleich dass die Wartung der
Hflnner, welche den Frauen des Hauses oblag, ordentlich besorgt wurde.
Bei der Annahme von Dienstleutcn hatte die Hausfrau eine gewichtige
Stimme, wie sie auch dieselben belohnen und strafen konnte. Die Liebe,
deren Entstehen vor der Hochzeit die VerlUÜtnisse meist aus>chlossen, scheint
doi Sagas zufolge sich bei den Neuvermählten häufig und rasch eingefunden
zu haben; viele Beispiele unverbrüchlicher Treue zwischen Ehegatten sind
uns überiiefcrt und die Tugend der Hausfrau scheint untadelhafl gewesen
zu sein. Nicht selten nimmt bei der Hausfrau das Kräftig -imbiegsame.
422
XII. Sitte, i. Skakdistavische Verhältnisse.
Thatige, OiaraktRrfeste auf Kosten des Weiblichen starker flberhand, als ea
uns jetzt ansprechend erscheint, aber solche Weiber, welche mit dem Namen
tkfnmgr bezeichnet werden, werden stets mit ungeteilter Bewunderung er-
wähnt. Kine solche Krau hatte grossen Einftuss auf ihren Mann: der Mann
liOrt auf den Rat der Hausfrau, oft mit Recht, aber er kann aucli in Fällen
nachgehen, wo er Festigkeit hatte bewei.ten sollte. l!<t der Mann eines ge-
waltsamen Todes gestorben, so ist sie es, die am allen-ifrigsten zur Rache
treibt. Ira ganzen wheint der M:inn im täglidien Zusamrnenlel>en der Ehe-
gatten, weit entfernt auf tjTannische Weise aufzutreten, gerade in hohem
Masse auf den Charakto* der Hausfntu Rücksicht genommen und sicli danach
gefOgt zu haben; körperliche Züchtigung finden wir nur selten angewandt
und dann darauf eingeschränkt, dass der Mnnn sich hinjeissen la-ssi-n kann,
der Frau einen Rackenstreich zu geben ; und immer wurde so etwas von der
Frau als eine gmsse KrJinkung betniclitet, die schwei verziehen werden
konnte. Misshandlung von Frauen, ge.schweigc Toüschlag, sah man als
Bubenstück an, gleichwie es auf der andern Seite filr eine grosse S<-hmach
gehalten wurde. Sehlägc vun Fntuen zu. erbaiien, SchlJlge, welche also nicht
gerecht werden knnntRn, welche man sich aber auch wohl nur durch sehr
verächtliches Benehmen zuzog. Einen zur SelbstÄndigkeil der Hausfrau
nurwirkenden tlnind kannte man versucht sein in der grossen Leichtigkeit
zu suchen, mit welcher sie (jedenfalls nach den Sagas) Scheidung (sh7naä>-)
mit Zurflckerstattung ihres Veniiögens erlangen konnte. Ehescheidung ist
unzweifelhaft, wenn die Gesinnung der Eheleute nicht übereinstimmte oder
eine tnisüicliere Disharmum'e unter ihnen entstand, sehr liaufig gewesen;
welche Grtlnde v..n Scheidung man für jeden der Ehegatten aJs gesetzlich
angesehen hat, ist dagegen schwer mit Ucstiiomtheit zu sagen; in den Be-
richten der Sagas ist es meist unmöglich zwischen dem streng Gesetzlichen,
dem Billigen und dem bloss Willkürlichen zu scheiden. Die Freiheit zur
Scheidung erscheint zur Zeit der Sagas fast uneingesclininkt; die in den
Sagas vorkommetiden Falle haben so verschiedene und zum Teil wenig be-
deutende Ursachen, dass es schwierig ist, gewLsse einschränkende Jiedingungcn
aufzustellen; es scheint sogar, dass ein einfacher Zwist zwischen den Ehe-
gatten oder der Wille des Schwiegervaters ein zureichender Grund gewesen
ist die Ehe zu lüsen. Waren beide Ehegatten einig, so entstanden natür-
licherweise keine Schwierigkeiten, kaum auch, wenn der Mann, im Falle er
seine Frau fortsandte, ihr Vermögen auszahlte; verlangte die Frau die Schei-
dung, so wurde dagegen die Sache schwieriger und in wieweit sie die Aus-
zahlung ihres Vermögens erreichte, hing wohl zunadist \(m dem gegen-
seitigen Macht vcrJialtitis zwisclien den Familien der betreffenden Ehegatten
ab, zwischen denen bei der Sclieidung sehr oft ein mehr oder weniger feind-
liches Verhältnis entstand. Als charakteristisrii für die Auffassung der Zeit
kann hervorgehoben werden, dass es als gesetzlicher Scheidungsgrund be-
trachtet wurde, wenn einer der Khegatlen Kleider getragen hatte, weiche
sich fOr des betreffenden Gesclilecht nicht passten. Isolierte Spuren der
fernen vurhistt irischen Zustande einer roheren Zeit begegnen uns in verein-
zelten Berichten, welche eine weil untergeordnetere Stellung für die Haus-
frau andeuten: mit der Verpflichtung dem verstorbenen Ehegatten in den
Tod zu folgen, rechtlos dem Manne gegenüber, von dem sie willkürlich
vertauscht, verkauft, gelötet werden konnte. Otter begegnete es wohl in
heidnischer Zeil, dass die Hausfrau eine-m Manne unter Drohung des Zwei-
kampfs abgedrungen wurde. Vielweiberei wird in der Sagaliteratur nur aus-
nahmsweise bei einzelnen fürstlichen Personen crwahnl.
EUB. Fakiu£.
4*3
Wahrend von tirr Hnusfraii iinh<iiingtc Trciip verlangt wurde, war es
vollst.'lndig gesetzlich , dass dpr M,inii ausser drr Klic zugldch mit einer
andom Frau zusammenlebte > sich eine Konkubine {Jriila) hielt, und hierin
sah die Zeit gar nichtÄ anstüssiges. I^^ufig war dies eine Knechtsfrau,
entweder eine vom Hofe oder eine, welche gerade in der Absicht gekauft
wurde, als Konkubine xu dittu-n. Wo es sich machMt Hess, hatte der
Hausherr sie auf einem eigenen Hofe wohnen; das Verhältnis zwischen
ihr und der Ehefrau war nJlmUcli alle.s andere eher als Jreundscliaftlich.
Die Dauer der Verbindung hing vom Gutdünken des Mannes ab und die
tSchandlung. welche üic erhielt, war selbstverständlich nadi den Umstanden
höchst verschieden. Des Vaters WrhJiItnis zu den Bastarden {louagrti»
bpm) war zum grussen Teile übliängig v<,*m Charakter iter Hausfrau und
ihrem Kinfluss auf ihn, vom Stand der Konkubine, von der geistigen und
körpcrliclieu Entwickeluug des Kindes u. s. w. Der Unwille der Haui^rau
g^en die Konkubine Obertrug sich nilmlich sehr oft auf deren Abkämm-
lir^e, die Ehefrau knnnte sügar Üiren Maim beu'egen das neugeborene
Kind der Nebenfrau au-weizen zu lassen. Ist das Kind hübsch und ent-
wickelt sich gut. so fasst der Valcr ganz natürlich liebe zu Uim. so dass
er wünscht es zu legitimieren (/r/dti / <rii), wodurch es erbljcrcchtigt wurde;
aber hierzu gehOrte die Zustimmung des nächsten Erben. Hatte man diese
erlangt, so ging die Hiuidluiig mit gtwisseji, in den norwtrgischcii GeseliCU
genau vorgesrhri ebenen Fonnalililten vor sich, wobei unter andenn bei
einem zu dieser Veranlassung veranstalteten Gastmahl die Beireffenden, der
eine nach dem andern in einen Schuh traten, welcher aus der Haut vuu
dem rechten Vorderbein eines frisch geschlachteten dreijähr^en Ochsen ge-
macht war. Dagegen stand es dem Vater frei ein uneheliches Kind als das
seinige anzuerkennen; schon liierdunh wurde dessen Stellung westiitlich ver-
l>essert und er könnt»* ihm bis zu einem gewissen Betrag Geschenke machen.
(Vergl. K. »'. Maurer, Die unmhle Gehurf nach aitnord. Ütthte^ Öitzuugsbc-
rirhte der k. Baier. Akad. der Wiss. 1883.)
§ II, Familie. In der Regel tritt in den Sagas ein schönes Verhältnis
zwischen dem Vater und den erwacliscnen Söhnen hervor; mit grosser Frei-
heit im Auftreten verbinden sie Geliorsam und Ehrerbietung gegen den
Vater. Oft übertrug der Vater n«.K;h bei Lebzelten, namenUich wenn er
etwas bejaiirt geworden war, einem oder mehreren seiner Söhne ganz oder
teilweise die Verwaltimg des Hofes. Zuweilen jedoch werden Fülle erwähnt,
wo das Verhältnis zwischen Valcr und Sohn weniger gut war. entweder atif
Irfund von Charakter\'erschiedcnhe4te-n oder anderen besonderen Ursachen.
Es konnte Mjgar geradezu Feindschaft zwischen Vater und Sohn enlslehen.
was jedoch immer als im hohen Grade ungebührlich und skandalös ange-
sehen wurde. Wie auch cl;i.s Verhältnis zwischen Vater und Söhnen gewesen
war, so blieb doch im Falle eines Morde« Rache ixler Einforderung der
£usse dem (jberlebenden eine heilige F^fUcht. Die Sagas haben viele Bei-
spiele des Eifers bewahrt, mit dem man sich bestrebte diese Pflicht zu er-
fOUen. Oft wird mit starken Farben der vernichtende Kummer gemalt, wel-
chen ein aller Maim beim Morde des Sohnes fühlt, wenn er nicht Hoffnung
hat Ersatz für ihn zu bekommen, und die plötzliche körperliche und geistige
Kraft von der er ^lurchsin'Jmt wird, wenn sich Aussicht au/ Rache zeigt,
und noch mehr, wenn sie \ollzügeii uird. Für die S<!>lme war Radie die
erste unabweisbare Pflicht. Zuweilen bewies sich die Dichtkunst als das
beste Mittel den druckenden Schmerz über den Verlu« eines geliebten Solmcs
Kti erleichtem. Das gegenseitige Verhältnis der Mutter tmd der S^jtine scheint
424 XII. Sitte, i. Skandinavische Verhältnisse.
etwas sehr Zärtliches gehabt zu haben. Als Winwe wohnte die Mutter in
der Rt-gcl mit einem oder mehreren ihrer Söhne zusammen imd leitete die
innere Ilaushaltung, so lange sie unverheiratet waren. Liegt der Vater un-
geracht, so tritt oft die Mutter auf und rei/t zur Rache. — Unter den Kin-
dern konnten ab und zu Idioten {fifl) vorkommen. Sie acheinen fa.st wie
Tiere angesehen worden zu sein ; doch erkannte man die Verpflichtung an^
sie am Leben zu erhalten. — Für besondere Achtung des Greisenalters als
des durch Weisheit und Rrfahrung au.sgezeichncien Alters liegen nicht Wele
Zeugnisse vor. Das am meisten bei ihm in die Augen Fallende, die Ab-
nalime der Seelenstarke und das dazu auftretende Nachgeben den e^neji
Gefflhlen gegenüber, worin etwas Weibisches war. zugleich mit der körper-
lichen und geistigen Schwächung kuimte ein Volk mit der in den Sagas her-
vortretenden Lebensanschauung nicht dazu aufmuntern. Daher findet sich in
der Darstellung der Alten in den Sagas melir eine Art Mitieid oder gut-
mütiger Spott als Ehrfurcht; um so mehr wurde der bewundert, der trot»
höheren Alters seine Kraft ungeschwacht erhalten konnte. Nicht selten war
das GreLsenalter bei den Männern mit Eigensinn tKJer Bosheit verbunden.
Bei den Frauen nahm man an, dass oft eine Gabe der Voraussicht unter
einem scheinbaren Kindisch werden verborgen war. Im Gegeiksalz hierzu
muss doch her\-orgehoben werden, dass der schwedÜMrhe Schriftsteller Olaus
Magnus (t 15,58) von den nordischen Völkern am Schluss des Mittelalters
bemerkt, dass man den Alten d^)rt eine ausserordentliche Ehrerbietung be-
weise. Eine Spur der barbarischen Auffassung einer langst entschwundenen
Zeit über das Verhältnis zu den Alten kann vielleicht in vereinzelten Encäli-
lungen bei Saxo und in den Sagas gesucht werden, Hungersnot habe den
Vorschlag veranlasst die alten abgelebten Leute zu t<'Jtcn. — Das Verhältnis
2wisclien den Geschwistern oder richtiger den ßrOdeni, da namentlich diese
erwähnt werden, scheint in der Regel gut geweseji zu nein. Zuweilen srhiiftsae-n
sich alle Brüder nahe zusammen (.nier ein Bruder nimmt in alten wichtigen
Sachen besondere Rücksicht auf den anderen, den leitenden: selbstverständ-
lich konnte auch Uneinigkeit, z. B. wegen des Erbes, entstehen, besonders
zwischen Halbbrüdern oder wenn der eine etn unehelicher Sohn war; auch
konnte Charakter- oder Marhtverschiedenheit ein dauernd kaltes Verhältnis
herbeiführen. Das Vcrhsltnis zwischen den Brüdern hatte keinen Elnfluss
auf die Verpflichtung einander zu rilchen und, ehe die Rache vollzogen war,
lag ein schwer lastender Dnick auf dem Überlebenden. — Dasselbe Band,
welches Eltern und Kinder und Geschwister imter einander verband, ver-
knüpfte auch das ganze Geschlecht {<rtt'), so weit die Verwamltichaft ge-
rechnet wurde, obwohl natüd icherweise ihre Starke gradweise abnahm. Ver-
wandter {/rtendi) war der gemeinsame Name, womit man ihr gegenseitiges
Verhältnis bezeichnete^ sowohl Vater und Sohn als fernere Verwandte. De«
einen Ehre und Tüchtigkeit war des ganzen Geschlechts Ehre und Vorteilt
so dass man also an einem Manne sich rächen konnte, indem man den
tüchtigsten des Geschlechts tötete. Eine Beleidigung, wekhe einem der
Gheder des Geschlechts zugefügt «-urde, beleidigte das ganze Geschlecht
Die-ves Verhältnis drückt der ganzen Lebensanschauung ein eigenes Gepiflge
auf und bringt zum grossen Teile die Eigentümlichkeit des gesellschaflliclicn
Lebens hervor, wahrend es eine unauflösliche Reihe kleiner Fehden hervor-
ruft mit einem Reichtum vi>n Beispielen das kei kcn Mutes, der Seelenstflrke
und der Unbiegsanikeit in der .\iLsfühmng des einmal gefassten Platts, widcho
die MJliHicr der Zeit auszeichneten und welche noch leuchtender durch den
Hintergrund hervortreten, welchen diese Eigenschaften erhielten. War der
B«schluss auch noch so fest, die Keckheit und der Eifer auch noch so gross,
so wurde doch der bevorstehende Pian immer nur mit wenig Worten erwähnt,
auf eine bes<:heidene und zurückhaltende Weise, wie etwas für das man
\'ielleicht bei Gelegenheit ein weniges werde thun kennen. Und war die
That nun ausgeführt, rausste sie für sich selbst sprechen: Prahlerei war im
höchsten Grade verachtet. Kostete sie das Leben, so war doch in der Todes-
stunde immer Zeit zu einer kurzen treffenden Äusserung, einem Sehens, der
zeigte, dass man die körperlichen Schmerzen zu beherrschen verstand.
§ 12. Gesinde- Wohl wurde in der Regel ein Teil der Arbeiten des
Hauses von der Herrschaft ausgeführt, aber teils konnten die Mitglieder der
Familie nicht alles bewältigen, teils sah man es für diese nicht als passend
an sich mit den gröberen Arbeiten abzugeben. Solche mehr anstrengende
und unehrenhafte Geschäfte wurden teils von Knechten, teils von gedun-
genen Dieustleulen besorgt Die Knechte (Knecht /nr//, Knrchtsfrau am^^//)
waren, abgesehen von vereinzelten besonderen Fallen, entwe<ler geborene
Knechte oder Gefangene, auf Kriegszügen geraubL Der Knecht gehörte
nicht zum Staats verbände, er war seines Herrn Eigentum und konnte also
von ihm nach GutdQnkcn behandelt werden, gleichwie auch die Verantwor-
tung für seine Handlungen auf den Herren zurückfiel. Äu.s,sere Kennzeichen
des Knechtes waren kurzgesrhorenes Haar und ein Rock oder Wamms von
grobem ungefilrbtem Zeug. Für den Knechtsstand hegte der Nordlander
die tiefste Verachtung und die Knechte werden übereinstimmend hiermit als
Icürperlich und geistig vcrkümnicrt geschlEdert. Schon der Mythus (Kigs[>ula)
schildert uns das unbeholfene und unschnmc Aas.sere des Knedits und der
Knechtsfrau; des Sklaven Feigheit. Dummheit und Unzuverlassigkeit, welche
geradezu s|,irichwÖrtIich geworden waren, sind unaufliörüclier Gegenstand für
den S)x)tt dei Freien. Einem Knechte gegenüber hatte man keine m(.)ni-
lischc VerpfHchtung, ohne da-; geringste Bedenken wurde sctin Leben aufge-
opfert, wenn es aus dem einen oder andern Grunde vorteilhaft erschien.
Dagegen war ein geradezu grausames oder tyrannisches Benehmen, das nur
wenig mit dem Charakter des Volkes stimmte, verhältnismässig selten, wie
auch die herrschende Verachtung gegen Knechtsstand und Knechtssinn kaum
hinderte, dass man dem einzelnen Knechte gegenüber sich wohlwollend und
geföUig zeigen konnte. Im Hausstand waren die Knechte kaum von den
Gliedern der Familie abgesondert, aber nahmen im Zusammenleben mit
diesen einen von dem der Dienstboten nicht sehr verschiedenen Platz ein.
Die Wirksamkeit der milnnlichcn Knechte bestand in Arbeiten in Feld und
Stall; Strick. Mistgabel, Sielten waren ihre gewöhnlichen Werkzeuge. Bei
besonderen Gelegenheiten lag es nahe den Knecht zu herabwürdigenden
Verrichtungen zu gebrauchen, welche kein ehrliclier Mann auf sich nehmen
wollte: zum K inderaussetzen, Meuchelmofti und Ähnlichem. War Gefahr
mit einer solchen Handlung verbunden, so konnte ein mutiger Knecht durch
das Versprechen tler Freilassung dazu verlockt werden. Knechte, denen man
mehr vertraute, wurden zur Aufsicht über die andern oder über die Haus-
haltung im Ganzen [i^trksifäri, bntt) gesetzt oder machten des Eigentümers
persönliche Bedienung {pjönn) aus. ja konnten sogar einen Hof auf eigene
Hand zu verwalten bekommen. Die am meisten anstrengende und herab-
würdigende Arbeit der Knechtsfrauen war die Mühle zu drehen, femer fiel
es ihnen zu zu melken, zu backen u. s. w. Auch für die tüchtigeren von
diesen waren ehrenvollere Stellungen als Haashalterin [maticlja, deigja) oder
Kammermädchen {uta) erreichbar. Selbstverständlich waren die mehr vor-
wärts strebenden miter den Knechten mit ihrer Stellung unzufrieden und
n
4^ XII. Sitte, i, SKAirDiyAViscHE Verhältnisse.
besonders galt dies vnn den kricgsgefangenen Knechten. weUhe auch mehr
als andere Gegenstand des Verdachts waren und harter Behandlung ausge-
setzt wurden; und namentlich von Seiten solclicr kennt man Ueispicle für
Überfälle ihrer Herren oder Fluchtversuche. Die Knechte Lm allgeiucincQ
hattCD eine Aussicht auf Eru-crbung der Freiheit namentlich dadurch, da^
ihnen gewühnÜrh Gelegenheit zu freier Arbeit gepeben wurde, deren Ertrag
zusanunengespnrl i%erd«:'n konnte; auch war die i-'rci lassung als Ausdruck des
W«ihlwoUens des Herrn ziemlii-h häufig- F-in solcher Freigelassener {/ausingi,
itysingi) stand jedoch in starkem Abhürj-igkeitsverhaltni-i zu seinem früheren
Herm. Inwieweit die Knechte untprOngUch eine ordcntlidie Ehe haben
eingehen kennen, kann zweifelhafterscheinen; die Verbindung musste jedoch,
müchie man sie als Zusamiucnwohnen c»der als Ehe auffassen, bis zu einem
gewissen Grade respektiert werden. Her Preis der Knechte variierte von i
bis zu 3 Mark; der Wert eines mitüeren Knechtes wurde zu iVt Mark ge-
rechnet Der Verkäufer hatte für verborgene Fehler, worunter man auch
Cfaaraki erfehler rechnete, einzustehen. Das Einzige, was ein Knecht mit
vollem Eigentumsrecht besitzen konnte, war sein Messer. Die Anzahl der
Knechte auf einem Hofe scheint nicht besonders gross gewesen zu sein, am
grOssten wohl in älterer Zeit, wahrend sie nach der Einführung des Christen-
liim stufenweise abralim, bis die Sklaverei ungefähr i3no ganz verschwindet.
Einer fernen Vorzeit gehört der Brauch an Knechte zu löten, um sie Uirem
Jlerm in den TimI folgen zu lassen; wahrscheinUih sind in heidnischer Zeit
auch Knechte aU Opfer für die Götter gct'Jtet worden.
Als die Anzahl der Knechte abnahm, naiim gleich zeitig das freie Gesinde
an Zahl zu und in den Sagas ist es oft .^hwierig zwischen den zwei Arten
KU unterscheiden. Der freie Dienslmann {^riämaär, heimamaär) nahm eine
ehrenvolle und verhältnismässig selbständige Stellung ein; er war nur an die
Arbeit gebimtler, die er ilbernommen hatte; er erhalt Kost und Lohn und
Her Hausherr halt sich für vi:qjni<_lilet ihm in vorkoinmcndcn Fallen Beistand
zu leisten. Nicht selten nahm ein Häuptling einen Mann in seinen Dienst,
weim dieser ihn darum ersuchte, c^hne ihn L-igeutlich als Arbeiter nötig zu
haben; aber i>ft geschah es, dass dieser, wenn er ein unbeliebte-r oder ge-
lichteter Mann war, erst durch das Versprechen die Dienststellung erlangte,
sich als ToLst-hLlgcr oder Mcuchelmfirder gegen einen der Feinde des Häupt-
lings gebrauchen zu lassen,
Jj 13. Begräbnis. Die Bestallung und die damit in Verbindung steheji-
den Gehriluche machten den letzten Dienst aus welchen den Verstorbenen
zu erweisen die Cberlehendcn für ihre Pflicht hielten. Die alte nordische
Literatur liat die Erinnrning an Leichenverbrennung wohl bewahrt, aber in
der von den historischen Sag;is geschilderten Zeit Lst Begräbnis der unver-
hrannten Leichen einzig herrschende Sitte. Die erste Pflicht, welche die
Überlebenden hatten, nachdem der Tod eingetreten war, war dem Toten
I^lchcnhtiire {nähjargir) zu leisten, wozu das Schliesscn der NasenlVVcher ge-
hörte; im F'alle gewaltsamen TLrdcs sclu-ini diese Leistung die Veqjflichtung
zur Rache mit sich gebracht zu haben. Bevor die LeichenhQlfe geleistet
war, wurde es als gefährlich angesehen von vom an den Toten heranzu-
gehen, jedenfalls wenn er gewaltsamen und unheimlichen Oiarakteni gewesen
war, so dass man sich etwas Bfl^ses von ihm versehen konnte; dalicr leistete,
man tlie LeichenluUfe oft. indem man von hinten an den Toten herangingt'
Wenn die Leiche na( h Sitte und Brauch behandelt, d. li. gut gewaschen tmd
bekleidet war. schritt man so schnei! als n^üglich zum Begräbnis, Aus den
Sagas geht hervor, dass man zuweilen, besonders wenn ein Manu einen un-
ll
heimlichen Tod gefunden hatte, üui nid;l durch die gewöhnliche Thür hin-
ausbrachtc. stmdcm die Wand hinter ihm otier ihm g^enOber entzwei brach
und ihn durch das Loch hinauslnig; konnte man es nicht sogleich erreichen,
dass er begraben «-urdc, so schlug man t'in Zelt über ihm an einem Orte
drausscn auf. Dieses Verfahren ist sicher nel weiter ausgebreitet gewesen, als
die Sagaliteratur vennuleu KissL Der Brauch alle Leichen zu einem der Fenster
des Hauses oder einer zu diwejn Zwecke in der Wand angebrachten Öffnung
hinauszubringen hat fiich nämlich an mehreren Stellen im Niirden bis zur
heutigen Zeit erhalten. Auch Wachen bei der Leiche wird erwähnt At>ge-
sehen von einzelnen unbestimmteren Angaben werden ungesehene Manner
und Frauen gewAhnlich so begraben, dass über der Leiche ein Hflgel auf-
geworfen wird; Waffen, gelieble Geraiscluiften und Kostbarkeiten werden in
der Ri^cl dem Veretorbeneii mitgegeben, nach der gewöhnlichen Erklärung,
damit sie in der andern Welt ihm zu Gute kommen sollen ; auch Knecht
und Haustiere können dem Herrn folgen; zuweilen werden mehrere Leichen
gleichzeitig oder nach einander im selben Hügel begraben oder es wurden
die Mitglifi.ler desselben Geschlechts mdie bei einander bestattet. In der
Regel wurde die Leiche ausgestreckt begraben, aber auch sitzende Stellung
wird erwähnt Zuweilen wurde die Leiche in einem in den HtigeJ einge-
setzten Fahrzeuge bestattet. Gewöhnlich scheint man des Toten in einer
Leichenrede gedacht zu haben ; so wies man in heidnischer Zeit den Ge-
fallenen nach Vallial, wahrend man an dem Grabe redete. An besonderen
Gebrauchen wird an einer Stelle der genannt, dem Toten Totenschuhe zu
binden. Ülx^r Rflubem, Geachteten oder ähnlichen ehrlosen Leute begnügte
man sich einen Steinhaufen {f/ji'i aufzuwerfen. Keine Leiche dmfte unbe-
deckt gelassen werden; der Würder wurde geächtet, wenn er nicht die Leiche
des Getöietcn br<lerkte. Bildete sich der Glaube, dass der Verstorbene um-
ging, so wurde die Leiche gewriimlich wieder ausgegraben und verbrannt —
Der Einführung des Oiristentums folgte atlmahltch das Begräbnis in geweihter
Erde auf dem Kirchhof und es wird berichtet, dass man die Gebeine heid-
nischer Vorfahren zu der heiligen Statte gebracht hat tun sie dort wieder
einzugraben. — Nach der Üestaitung wurde zur Ehre für den Vcrst(irl>enen
ein Erbmahl (rr^) gehalten, das zugleich eine rechtliche Bedeutuiij: geliabt
zu haben sclteint, indem lüerbei die Erbschaft angetreten wurde. Das Erb-
mahl konnte mehrere Tage dauern; diese Gastmahler sowie die Moirhzeits-
m&faler scheinen die pradiligsten und weitläufigsten Familienfeste gewesen zu
Min. Bis da-s Erbmahl des 1 lausherm gclialten war, st;ind dessen Hochsitz
leer. Mittelalterlichen schwedischen Quellen zufolge hielt man am Begrabnistage
selbst ein Bt^abnismahl und am Jahrestage darauf im Zusammenhang mit
der Erbteilung ein Erbmahl. la Norwegen unirde die Erbteitung in der
Regel am Bcgrabnistage selbst vorgenommen.
Den zuverlässigsten Nachweis über die Begrllbnisgebrauche des nordi-
schen Altertums geben selbst%*erst.'indlich die archäologischen Untersuchungen;
in betreff ihrer Resultate sehe man das in § 4 angeführte. Zum Vergleich
hiermit und mit dem, was vorher nach den Sagas über die Begrabnis-
gebraurhc in der letzten Zeit des Heidentums raitgeteih ist. kOnnen jedocli
aiK'h die schriftlich überlieferten Berichte über die Verhaltnisse in femer
Vorzeit berücksichtigt wcnicn. So wini in der aUnurdischen Literatur (Vor-
rede zur Heiniskringla) auf Grusid der Bcgrabni^ebrauche der Vorzeit
zwischen zwei Abschnitten, dem Brennzcitalter {bmua^/d} und dem Hügei-
zdtaher (haugs^id), unterschieden. Das erste war das älteste; da werden die
Toten verbrannt imd man feierte sie durch Eirlchtung vt^n Bautasteinen.
428 XII. Sitte, i. Skandinavische Verhältnisse.
Das HOgelzeitaiter .wüte in Danemark enwtanden sein und sich namentlich
dort verbreitet haben, während beide Bräuche neben einander in Srhwcden
und Norwegen bestanden. In das Brennzeitaher gehören viele der be-
rühmtesten Leichenbegängnisse der alten Dichtungen, so Baldni Scheiter-
haufen imd das Leichenbegängnis, das eins der Eddagedichtc die Brynhildr
zur Ehre für sich selbst und Sigurdr anordnen lasst: sie sollen auf einem
praclitvoll ausgcrü-stetcn Scheiterhaufen verbrannt werden, umgeben von
Dienern und ihren Lieblingslieren. Der berühmte Sagenköuig Haraldr hildi-
t^nn wird Saxo zufolge verbrannt, aber altnordische Quellen lassen ihn mit
Pferd^ Wagen und Reitzeug begraben werden, damit er nach BcJiebcn nach
Valhal fahren oder reiten könnte. Sowohl Baldr als Haraldr hildit^nn
werden in ihrem aufs I-and gcxi.>genen Schiffe verbrannt, worauf, wie man
sith denken muss, ein Hügel über den Überresten des Sdieiterhaufens auf-
geworfen wurde. — Den ältesten historischen Bericht Ober ein nordger-
maniscbes Leichenbegängnis haben wir in der Beschreibung des Leichen-
begängnisses eines russischen Häuptlings von dem Araber Ibn Fadhian
(ungefähr von 920), vorausgesetzt, dass dieser Schriftsteller ohne Aus-
schmückung über rein skandiiiavisi'he BL^räbnfsgebräuche berichtet; für den
verstorbenen Häuptling, welcher gleich nach .seinem Tode aus dem Hause
gebracht wird, wird eine neue Tracht genäht, zwei Drittel .seines lünlerT
lasscnen Gutes gehen für Kleider und Trinkgelage darauf. Sein Schiff wird
aufs Land gezogen und mit Brennholz umgeben. Die Leiche wird ge-
schmückt und auf dem Schiff auf ein Lager niedergelegt, umgeben mit
Lebensmitteln und geschlachteten Haustieren; ein Mädchen aus der Diener-
schaft, welches nach einer an sie gerichteten Aufforderung steh freiwillig
erboten hat, dem Herrn in den Tod zu folgen, wird getötet, wahrend die
Krieger auf die .Schilde schlagen. Das .Schiff wird angezündet Ein Hügel
wirtl auf der Brandstelle aufgewi.>rfen und der Name des Verstorbenen auf
einem hier errichteten Denkmal eingcsch neben. — - Nach einem andern
arabischen Schriftsteller begruben die Russen ihre Toten unverbrannt mit
ihren Kostbarkeiten und übrigem Zubehör in gros-sen häuserähnlichen Grä-
bern; vgl. Dr. W. Thomsen, Der Usprung des russvtefun SftMlfs, Gotha 1879,
S. 28. 29 ff.
Sowohl der Zustand der alten Gräber als ältere imd jüngere Oberliefe»
Hingen bezeugen im Übrigen, dass die bei den Toten niedergelegten Schätze
früh die Überlebenden gereizt haben, so dass Hügel pl und enmg und 55chati*
graberei seit alter Zeit in grosser Ausdehnung betrieben worden sind, trota
der Schrecknisse und Gefahren, womit der Volksglaube diese Handlungen
in Verbindung setzte.
II. LE8EMSWE19E,
§ 14. Wohnung. Verschiedene Bde^ älterer Bauart, so wie sie sich
bis hinab auf unsere Tage hier und da in den nordischen I-3ndern, b*»
sonders in den abgelegeneu Gegenden Norwegens, erhallen hat. berech-
tigen uns zu dem Schlüsse, dass das Wohnhaus in alter Zeit ein sogen.
Rauchzimmer gewesen ist, d. h. ein Haus mit Feuerstätte, aber ohne Schorn-
stein. Der Fussboden in einem solchen Hause bestand aus fcstgestiimpfter
Erde oder Lehm, wahrscheinlich längs der Seilcnwiinde etwas erhöht; in
RüdL'iidit auf die Fcueretätte musste der Bau nach dem Dddie zu offen,
d. h. ohne Boden, und im DachrOcken mit einem Rauchloch versehen sein,
wodurch zugleich das Tageslicht hereindrang. In der ältesten Form des
I
Rauchzimmers, dem Herdziramer, ist der Herd ein gepflasterter Flau oder
auch bloss eine Vertiefung mitten auf dem Fussbwicn unlcr dem Rauch-
loch; das hier brcnnaiUe Feuer verbreitet Licht und Wanne, der niMige
Zug, um das Feuer zum Aufflammen zu bringen, mus&te durch Öffnen der
Thür hervorgebracht werden. Will man die Warme festhalten, so wird das
Rauchloch mit einem Holzrahmen bedeckt, Ä'orüber eine durchsichtige Haut
att^gespanni ist und welcher mit einer Stange vorgezogen «»der entfernt wird.
Diese Stange erhielt in Norwegen eine Art s^'mbolischer Bedeutung als des
Hauses heiliger Mittelpunkt, indem die Heiligkeit des Herdes, über welche
mehrere andere Zeugnisse vorltL-gcn, gleichsam auf sie überging. Solange
das Rauchloch geschlossen ist, herrscht Halbdunkel in dem gewöhnlich
fensterlosen Rauchzimmer; aber selbst bei vollem Licht haben die im Zimmer
Anwesenden wegen des Platzes der Lichtoffnung keine Gelegenheit zu sehen,
was drausseii vorgeht. Allmahlich {bereits seit dem ii. Jahrh. den Zeug-
nissen der Sagaliteratur zufolge} wurde das Herdzimmer an Welen Orten zu
einem Ofenzimmer (Rauchofenzimmet) verändert. Aber damit veränderte
das Haus nicht in hohem Grade den Charakter. Mit dem Ofen war nSm-
lich noch kein Schornstein verbunden. Das alte Kauchloch musste also bei-
behalten werden, ilas Feuer flammte noch immer nur bei dem Zug von der
Thor zum Kauchloch auf. Der Hauplvorteil bei diesen gemauerten Öfen
mit offener Vorderseite, welche gCMk-öhnlich in der Ecke links van der Ein-
gangsthür angebracht wurden, war der, dass man sich begnügen konnte ein-
bis zweimal am Tage zu feuern, da der Ofen, nachdem er heiss gemacht
war, die Warme für längere Zeit festhielt Aber er stand hinter dem filteren
Herd zurück, weil er nicht ausser zu wannen, zugleich erlenihten kunnte.
Es hat wahrscheinlich eine Zeil gegeben, in der das Rauchzimmer der
einzige Aufenthaltsort der Familie war, so dass man dort arbeitete und
schlief, das Essen zuriciitete und seine Mahlzeiten genoss, ja sogar häufig
einigen der kleineren Haustiere Raum gab. Doch scheint ziemlich frOli
durch eine Querwand ein Vorzimmer mit daliinterliegender Kammer an
dem einen Ende abgeteilt wniden zu sein. Auch aus der alten Literatur
gcltt hervor, dass das Rauchzicuner die einzige bekannte Form für ein
Haus mit FeuerslÄtte wai. Aber im übrigen führt uns die Sagaliieratur
eine weitere F.ntuicklung, besonders wie dieselbe sich auf Island gestaltete,
sowohl in Hinblick auf die Zahl der Rüume als in Bezug auf ihre Aus-
stattung viir Augen.
VS'iihl hat man lange gemeint, gestützt auf eine unkritische Anwendung
einzelner misslicher oder zweifelhafter Quell ensl el len , dass auch den Zeug-
nissen der Sagaliteratur zufolge auf jedem Hufe nur ein, dem Rauchzimmer
in seinen verschic<lcncn Anwendungen entsprechender Hauptbau sich be-
funden habe, welchem man den Namen sitUi beigelegt hat Dass dieses
Mch nicht St» verhält, haben jedoch die neuesten Untersuchungen gezeigt,
wie dies aus der folgenden Darstellung ersehen werden kann, welche in
allem wescnUirhen auf V. Gudmundssons im Quellcnvcrzcichnis §6 an-
geführter Abhimdlung Priituboligin pä Island i sagatidtn gegründet ist
§ 15. Den Berichten der Sagas zufolge hatte man auf Jedem allgemeinen
Bauernhöfe {her, byr) ausser einigen Nebengebäuden oder Vorratshäusern
und Viehstallcn mindestens 3 bis 4 und oft mehr Wohnlifluser {hui, herixrgt).
Die gewöhnlichen vier waren r) die Stube {stofa), 2) die Schlafkammer
{tvt/nk&s, siä/i), 3) die Küche {eUhus), 4) die Speisekammer {bür). Da man
nicht Äie jetzt grosse Hiluser aufführte, die in mehrere Zimmer eingeteilt
waren, sondern stall dessen mehrere kleinere Hauser baute, von denen jede&
430 XU. Sitte, i. Skantjinavischb Verhältnisse.
einen einzelnen Raum in sich fasste, so sind diese Wohnhauser im Hinblick
auf ihre Anwendung jedes für sich als ein Zimmer in einem grt^sseren Bau
aufzufassen. Auf Island bildeten die Wohnhäuser einen GebSudekomplex,
am liSufigsten so. dass sie in duppeller Reihe aufgestelit wurden, zu beiden
Seiten eines anter eigenem Dache aufgeführten Ganges (rfr/r, t'i'fttrg^^g),
wclclicr quer durch den Gebäude komplex hindurchging und zuweilen nach
hinten mit dem Kuhstall {ßös) in Verbindung stand (vgl, den Grundriss
S. 479)- Doch hat man auch eine Aufstellung der Häuser in einer einzigen
Reihe gekannt, das eine in der Verlängerung des andern, sowie eine Form
der Zusammen sCt'üung, die den Übergang /.wischen diesen zweien bildet, wo
einige von den HSuscni liinter die nndcrn gestellt werden. Das« man auch
im übrigen Xorden die einzelnen Wohnhauser zasammenzuslellen pflegte,
scheint unzweifelhaft, wenn audi möglicherweise diese, wo man Zimmerholz
als Baumateria] benutzte, ebenso oft zerstreut und von einander abgesondert
gestanden, haben.
Was die Stellung der Hauser nach den Himmelsgegenden angeht, so
scheint man in dieser Hinsicht ebenso ^venig wie heutzutage einer be-
stimmten Regel gefolgt zu sein. In den bergigen G<^enden, wo die HOfe
in einem Thal zu liegen kamen, ging der Haupteingang doch gewiss immer
auf die Thalebene und, wenn der Hof nach dem Meere zu lag, in der
Regel auf dieses hinaus. Möglicherweise hat man jedoch, wo die örtlichen
Verhältnisse es zuliesscn , die Richtung nach Osten und Westen vorgezogen
Was das Baumaterial anbetrifft, so führte man in dem waldreichen
Norden gewiss hauptsächlich Zimmerbauten auf; bwonders in Norwegen
hat man seit alter Zeit grosse Fertigkeit in der Holzbaukonstruktion gc-
habt. la Dänemark und Schweden hat man jedoch auch seit alter Zelt
Bauten von Fachwerk gekannt, welche Iclimgeklebtc Wände hatten, die
-durch ein Skelett von Bauholz, Flechtwerk von Zweigen und almliches zu-
sammengehalten wurden. Nur ausualunsweisc und in einer verhalmismAssig
Apflten Zeit werden gemauerte Steinbauten und auch dann nur Kirchen und
ahnliche öffentliche Gcbüude erwilhnU Auf Island dagegen wie auf den
Färöen» und in Gr^inland \vurdcn die Hsuscr allgemein nur von F-rde oder
Rasen oder von unbehauenen Feldsteinen mit Erdlagen dazwischen auf-
geführt Nur inwendig brauchte man hier Bauholz, teils imi das Dach auf-
recht zu erhalten, theils um die Wände damit zu bekleiden oder zur Scheide-
wand und dergl. Die Decke des Daches war uacli den Umstanden Bauholz,
Rasen, Struh \\. s. w.
§ i6. Von ilen vier geradlinigen Wanden {vtggir. Sg. vcggr) des Hauses
hieasen die zwei längsten Lang^^•ände [hn^-i^ir) «xier Seitenwände ihlitt'
veggir), die zwei kürzeren Giebelwande ii,'ii/^-f^r); die Giebel {ffii^. gaflhlaä)
bestanden oft aus Holz, selbst wo das Gebäude im Übrigen vun Rasen oder
Erde und Stein aufgefOhrt war. Wo, wie namentlich in Norwegen, die
Häuser au.s Holz waren, baute ]nan die Wände aus ansehnlichen, auf ein-
ander gelegten und an den Ecken zusammengefügten Baurast.1mraen {limbr-
stokkar, Sg, •stokkr), deren kreuzweise gelegte Enden (ng^ Plur. na/ar) ein
wenig hervnrragten. Wie jetzt in Norwegen hat man wahrscheinlich jeden
Balken von unten aa*tgeböhlt, si> dass er den darunterlit^nden umfassen
konnte; die Zwischenräume wurden mit Moos verstojjft. Die Thüren in einem
sokhen Hause sind sehr niedrig, dieXhÜrschwelle, welche von dem untersten
Wandbalken gebildet wird, sehr hoch. Auswendig wiirde das Haus mit
Theer bestrichen und um einen Teil des Gebäudes, wohl gewöhnlich die
«ine Seitenwand und eine der Giebelwände, erstreckte sich häufig eine Art
I
Anbau oder Schup{?en (sko/), welcher von leichterem Material aufgeführt
war als da^ Hauptgebäude und teils aU Schutz fOr dieses, teils zur Auf-
hen'ahrung verschiedener Ding<? diente. Er hatte auf der Langseitc mit jenem
dasselbe, auf der Giebelseitc dagegen sein eigenes kleines Dach, tiber
wekhem man den Giebel des Hauses sah. Die kleineren Hnlzhauser
(*Är, sirmma) konnten zwei Stockwerke hoch gebaut werden; das obere
Stockwerk war dann hSufig v<»n einem Attan (si'n/ar) umgeben; ein solcher
bedeckter, nach der Auss4-nseitc offener Gang konnte jedoch auch den sJto/
ersetzen und sich also auch bei riiislückigrn Gebäuden finden. Über sJto/
auf Island ^Küiun zwischen Erdwand und GetILfel) siehe § i8.
Das gewöhnliche Dach {^a/t) war ein Sattel- oder Winkeldach; haußg
kam es als gebrochenes Dach (Mansardendach) vor, indem der untere Teil
steilere Hallung hatte als der obere. Auf Island scheinen zugleich Walm-
dädier seit alter Zeit bekannt gewesen zu ücin. Das Dach b<.-stand aus
zwei Teilen, dem Dachwerk (rä/, rcr/r) und der Dachdeckung (fiei/a). In
Hinsicht auf die Konstruktion ruhte das Dachwerk auf horizontalen Dach-
balken {äsar, Sg. äss); an kleineren (^ebauden konnte man sich mit einem
Jss begntlgen; gew*)lmlich hatte man jedoch drei Dachbalken (dsar), bei
grücsercn Gebäuden natürlicli aus verschiedenen Holzstücken zusammen-
gesetzt In einem solchen grosseren Gebäude wurde das Dach von vier
Reihen Trflger {s/n/r, stikf, stölpi), den Süsseren und inneren Pft-ilem, ge-
tragen. Diu äusseren standen längs der Seitenwinde, doch nicht unmittelbar
an der Wand. Oben auf die Köpfe der Tr^r wurden längs der inneren
Wandkante schwere Balken {staflai^'a , syll. sylia) gelegt ; auch Iflngs der
obersten Kante der Gii*l>elwand ürf ein entsprechender Batken {p^-iny-U),
welcher auf den in den Ecken des Hauses angebrachten Trägem, den Eck-
pfeilern (Aoms/fi/r). ruhte. Ein gutes Siück, ungefähr ein Drittel Hauses-
breite, innerhalb der Äusseren Tragerreihe {AMa/r) stand eine zweite I'feiler-
reihe {mnsta/r, sula); diese Pfeiler, welche zuweilen sehr schwer warer, waren
hoher ab die äusseren Pfeiler, da ihre Rrstimmung war die zwei Sciten-
dachbalkcn (A//(Äi.u. lan^äss) oder Kanlbalkeii {biümiss), wie diese zuweilen
genannt wurden, zu tragen; gegenseitig waren die Seitendachbalkcn Über
jedem Pfeilerpaar durch einen Querbalken (f«ig/) verbunden. Auf jeden Quer-
balken war wieder ein kurzer Dadilrflgcr {tiivr^) gestellt; auf diesen thfrgar,
wOrtl. »Zwergen» ruhte der Firstb.Tlkcn ymöniiiss), welcher <ien DacJirÜcken
Uklctc. In weniger breiten Häusern gingen Sirerkbalken {pveritv, biti)
quer über das Haus, mit den Enden unten in die Wandbalken gefügt; mau
hatte dann an Stelle der zwei hohen inneren Pfeilerreihen kürzere Träger,
welche oberhalb der Querbalken vun tieii Dachtragent fortgesetzt wurden.
Das Si>arrendach, welches jetzt auf Island allgemein Ut, scheint ver-
halmixma.<sig junp /u sein; this Wort S|Kirren {sperra) k'*mnit kaum vor
dem Ende des 14. Jahrhs. im Altnordischen vur. Dem Sparrendach fehlen
die Dachbalken, aber das Dach wird von paarweise gegen den First zu-
sammenlaufenden schrägen Balken getragen (vgl. die Abbildung S. 479).
Zwischen den Wandbalken und dem Dachfirst wurden L;»tten {raptar^
Sg- rapfr) ijuer Ober das Dach und zwischen diese wieder kleine und dünne
Latten ISngs des Daches gelegt otler man wandle ein«? Hrelier\'erÄchalung
an. Die äussere Bedeckung des Dat"hes wurde gewöhnlich von Erde oder
Rasen gebildet. Zwischen dieser äusseren Lage und der inneren Bekleidtmg
{triävidt) brachte man eine Lage Birkenrinde {na/r) oder ähnliches zum
Schutz gegen Feuchtigkeit an. Wenn die Wände von Enic uml dann in
der Regel sein dick aufgurtlhit waren, ging die unterste Kante der Dach-
dcckung nur bis zur Mitte ihrer Oberfläche. Waren die Wände dagegen
von HulzsUlrameii aufgeführl, so bildete das vorspringende Dach ein wirk-
liches Vf>rdat:h {ttpi). Wenn die Giebel aus Holz waren, so «iirde der
äusserstc Rand des Dachgiebels mit zwei ausgeschnittenen Brettern {vindsitiä^
von vinda winden) versehen, welche gegen die Giebelspitzc zusammenliefen;
zum weiteren Schmuck <les Gcbaiicies wurde zuweilen ganz oben auf der
Giebclspitze . wo diese Bretter einander kreuzten, eine Wetterfalme (wahr-
«cheinhcli brandr genannt) aufgerichtet
Auf dein Dache befanden sich die Lichtöffnungen und Luftlöcher
{gitiggr, /jdri) des Hauses; die als Rauchloch dienende Öffnung musste
selbstverständlich im Dachrücken selbst angebracht werden, aber daneben
hatte man häufig verschiedene Lichtüffnungcn, die dicht unter den Seitcn-
dachballten angebrarhl waren. Geschlossen wurden die Dachöffnungen
entweder mit einer Holzscheibe (spild), welche vorgedreht werden konnte,
oder mit einer auf einem Rahmen ausgespannten dünnen Haut {skjär),
welche tn dieselben hineingesetzi wurde.
§ 17. Von den Gebäuden des H<jfes war die Stube {sto/a) das an-
sehnlichste. Sie diente als Wuhnzimmtr und Speisezimmer; hier hielt man
sich den Tag Aber auf, sowolil die Frauen mit ihrer Handarbeit (jedoch
konnte es auch eine besondere Frauenstube geben) als die Mdnner und
die Leute des Hofes überhaupt Dagegen wird die Stube fast niemals ab
Schlafzimmer benutzt Die Stube konnte sehr gross sein, so dass Gast-
mähler hier abgehalten wurden, selbst wenn die Zahl der Gäste sich auf
mehrere Hunderte bclief, Die Wände wurden dann mit gewebten Teppidien
behängt; doch waren die Wände der Stube nicht selten inwendig getäielt
und sowohl diese als die Innenseite des Daches mit Holzschnitzerei ge-
schmückt. Durch die zwei Reihen innerer Pfeiler wurde die Stube in einen
Hauptrauin und zwei Seitcnräunie gctpilt; der Mittelraum hatte Lehmboden,
der bei festlichen Gelegenheiten mit Struh oder Ähnlichem bestreut wurde,
und hier befand sich der Herd {arinn) mit einer oder mehreren offcuca
Feuerstellen, von wo der Rauch aufstieg durch das Rauchloch im Dache.
Auf Island kam es jedoch bei fehlendem Brennholz gewiss verhältnismässig
früh ausser Gebrauch, die Stube zu heizen. In den Seitenräumen zwischen
den icineren und äusseren Pfeilerreihen, zuweilen auch längs der einen
Giebelwand, wurde der Platz von einem Bretterhoden ipaUr) eingenommen,
welcher sich stufenweise, gewCihnlich in zwei Stufen, gegen die Wand erhob
und zu Sitzplätzen verMxndet wurde. An den Seitenwätiden hiess diese
Erh^jhung luiig/iailr, an der Querwand ftverfmlir. Zuweilen werden längs der
Seitenwilnde Langbänke {hngbekkr) genannt, welche kaum sehr verschieden
sind von dem Sitz auf dem eben genannten hugpaUr. Von den Erhöhungen
längs der Seitenwände hiess die eine die vornehmere {öäri beiir, 4dii paüt),
die andere die geringere {luidri hekkr, üitdri pailr) \ wahrscheinHcli ist die vor-
nehmere die zur Recliien dt-s Eiiig;uigs gewe.seiL Die in § 16 genannten
Pfcilerreihen (die inneren und äusseren Träger), welche die Stube drei-
schiffig machten, teilten sie zugleich in eine Reihe Querräume {sta/gölf, ffilf).
Der niiiielstc von diesen war der vornehmste und hiess gadvegi; hier be-
fanden sich die Ehrenplätze, ein vornehmerer und ein geringerer (^iV «fta
fndvegi. hii mdra ^ndve^i), welche den Raum zwischen den äusseren und
inneren Pfeilern einnahmen, sowohl auf dem höheren als dem geringeren
paür, und also gross genug, jeder für sich Platz für mehrere Personen ku
geben. Der erste Ehrenplatz «ird stets vom Herren des Hauses einge-
nommen und der zweite, ihm gerade gegenüber, vom Geehrtesten der
§
I
Obrigen Versammelten. Die das ftidvegi begrenzenden inneren Pfeiler waren
die sugcnamitcn ^ndifgiisiilur, weiche prächtig ausgeschnitten und mit GOtier-
bildeni gcsrhmUrkt waren; sie Hiirdcn hoch in Ehren gehalten und als ein
Heiligtum angesehen. Der vornehmste Sitz auf dem pimpaUr war wie auf
deji lan^allar der mittelste. Dieser paUr konulc für die Fnjuen auft>ehallen
seit;, »"ar es jedoch nicht immer; diese hatten sonst ihre Platze auf dem
inneren Teil der zwei lan^pallar. Dass die Tische, welche für die Mahl-
zeiten aufgestellt und, wenn mati gegessen hatte, furtgenommen wurden,
ihren Platz am Runde des crli''.vhteii, pallr genannten Bretterbodens gehabt
haben, scheint aiw verschiedenen Ausdrücken in den Saigas hen-ornigehen.
Ausser den oben erv^'^hnten fe.stcn BfinkcMi hatte man auch lose beM^'cgliche
BSnke oder Stühle, welche bei festlichen (ieiegenheiten reihenweise auf dem
Erdboden der Stube angebracht wurden und so für eine bedeutende Anzahl
von Gästen Platz geben konnten. Der Eingang in die Stube war in der
Regel durch die Giebelwand, aber er kennte auch auf der Scitenwand in der
Nalie der einen Giebel»*and sein; zuweilen war eincTliür an beiden Enden.
In der Stube konnten wie in anderen ILlusem zuweilen abget^fehe Alkoven
{JiUfi) V(.irkommen.
Gr»Vsser und prüchtiger eingerichtet als gewAhnüche HSuscr Ä-arcn die
kAnigtichen Gefolgcstuben (hirdslofa). In der letzten Hälfte des 1!. Jahrhs.
criitten diese Stuben in Norwegen eine grosse Veränderung sowohl in Rück-
sicht auf Einrichtung und Benennung als in ROcksicht auf Grosse. Da das
feste Gefolge drr K-'^nigc um diese Zeil auf das Doppelte vergrOssert wurde,
musate sei bstverst-'lnd lieh die Gefolgestube grösser gemacht werden und hiess
von nun an Halle {h^l). Die Ehrenplätze, welche hier wie gewöhnlich mitten
in der Stube gewesen waren, einer auf jeder Seite, und wo der König seinen
Platz auf der Langbank gehabt hatte, weldie der Sonnenseite zugewendet
war, also auf der nördlichen Seite, wurden jetzt an das eine Ende der Stube
verlegt und die Stube, welche früher an Jedem Ende eine Thftr gehabt hatte,
erhielt jetzt nur eine Thür an dem dem Hoch.*titz entgegengesetzten Ejide.
Der erste Ehrenplatz, des Königs Hochsitz oder Tron {häurii), wurde jetzt
mitten auf einer ansehtiUchcn Erhöhung [hdpal/r) angebracht, welche hings
der inneren Gielxlw.nu! der Stube entlang lief. Gleichzeitig .schaffte man
den offenen Herd mitli-n ;iuf dem FussbtKlen ab und machte Plnlz für einen
Ofen in einer der Ecken der Halle. Mitten auf dem Boden gerade dem
Kön^ gegenüber brachte man jetzt Stßhle quer durch die Halle an, auf wel-
ciien die vornehmsten Gefulgsmflnner sasscn und welche in der Halle dem
geringeren Ehrenplatz in der Alteren Stube entspnirhen.
§ iS. Neben tler Stube war das Schlafliaus {stdii) das wichtigste Wohn-
haus. Es konnte gctflfelt sein und zwischen dem GelAfel und der Erd'wand
(«'O es sich um Rasenhauser handelt) war gewöhnlich ein dimkler Raum
{skot), der zuweilen durch eine Thür mit dem Inneren des Gel»audes in Ver-
bindung stand. An beiden Scilenwanden entlang lief zwischen den äusseren
und inneren Pfeilern ein erhöhter Bretterboden (jc/), der jedoch kaum ganz
bis an die Giebelwande reichte; vom wurde er von horizontal '.-n Planken
{ret'Siokiar, Sing, -ttokkr) begrenzt, die in gleichem Ansehen standen wie die
fmivegiuii/ur in der Stube Auf dem stt ruhte man die Nacht; gewöhnlidi
war der Platz in BetLstelkn abgeteilt, jede für zwei Personen berechnet.
Am einen Ende des Gebäudes fanden sich eine oder mehrere Bcttkammem
{Joi-hvUur^ Sing, -kvila); diese vi-urden für den Hausherrn tmd die Hausfrau
mit den ihnen zunächütstebcndcn aufbehalten. i?uweilen war am einen
Ende des Hauses Ober den Querbalken ein Boden ijopt), wie e« scheint, ge-
GcrauiEMlic Pbtiülorl«. IJI. 2. Auf). 2B
434 ^^I- Sitte, i. Skandinavische VkkiiAltxis&e.
wohnlich an seinem äussersten Ende dicht beim Eingang; dieser Boden ist
in der Regel nach dem liincni d« Hauses zu offen gewesen. Er wurde zu-
weilen als Scliiafkammcr br.niitzi. Im .Schlafzimmer hingen die Waffen über
Naelit; in der Regel hatte jedt-i Mann seine Waffen ühcr seineni Bell hän-
gen. Watirend in Island in der Regel alle Leute des Hauses im sJeäii
Schliefen, scheint ausserhalb Islands die Familie für sich einen eigenen
Schlafraum In einem davuii verschiedenen Gebäude gehabt zu haben. Aiu
Tage stand das Schlafzimmer entweder leer oder diente den Knechten und
dein J4erini;eren Gesinde als Aufenthaltsort,
Au Stube und skäli schlicsscn sich gewöhnlich als das dritte und vierte
Wohnhaus Speisekammer (ä«V) und Küche {trUhth). Der skäÜ hat jedoch
erat allnuihliih sich iw einem aussei ilie-sslichen Sehlafliaase entwickelt. Ur-
sprünglich bezeichnet siäli nur ein Haus im allgemeinen, liesondera ein primi-
tives oder interimistisches Gebäude, wie wenn z. B. die ersten Wohnungen
der isländischen Ansietiler mit diesem Worte bezeichnet werden. Eine
Zwischenstufe in der Kntwicklung liegt in verschiedenen Quellenschriften
vor, welche Hiife mit drei Wuhnlifiusem erwähnen, nämlich ausser sto/a und
imr ein tldhüs oder ddasiäU, welches als Küche und .Schlafhaus benutzt
wurde. Dieses Haus war dann bei weitem ansehnlicher aLü das eidhüs, die
KUche einer spatcrai Zeit, und näherte sich in der Einrichtung dem oben
bcschriebpnen Schlafliaus, dem gewöhnlichen skäli; es war am Tage ein Auf-
entlialtsort für das Gesinde imd sammelte am Abend alle Glieder der Familie
um das Küihenfeucr {mäUldar). Noch eine andere Art eidhüs kommt vor;
mau findet nümlich diese Benennung bei den besonderen Gebäuden, welche
auf grossen Höfen alldu zum Gebrauch bei den jllhrüchen Gastmählern ge-
baut wurden. Solche Geb.'iude, welche auf iilutliche Weise wie die Stube
eingerichtet wurden, konnten sehr prächtig ausgerüstet sein. Zuweilen war
jedoch das Gastmahlsliaus {veizluskäti) eui bloss zu dieser Gcl<^ciilicit ein-
gerichtetes Wirtschafbigebäude.
Als ein fünftes Gebäude kann auf isbndischen Höfen der Gang \fiej<irg^n^
gerechnet werden. Dieser, welcher wie erwähnt gewöhnlich quer durch die
in doppelter Reihe aufgestellten Wohnhfluser führte und ein Gebüude mit
eigenem Dache war, zerfiel in mehrere Abteilungen, jede mit ilircm beson-
deren Namen idyrr^ anddyn, g^ng u. s. w.). Nicht allein die Thüroffnung,
sondern auch die eigentliche Vorstube nllchst dem Eingänge hicss dyrr. Man
konnte jedoch auf einem Hufe auch mehrere Gänge mit zugehörigen Aus-
gängen {fUiäyrr) haben; so scheinen zwei Aussenthüren keineswegs etwas
Seltenes gewesen zu sein. Diese Thüreu, weldic jede itiren besonderen
Namen halte, finden sicJi auf verschiedene Weise be-nannL Unter diesen
Benennungen bt-gegnet karhivrr, welches im Gegensätze zu dem, was mau
frülier angenommen hat, wohl am richtigsten als Gcsindetliür aufgefasst wird,
denn eine der Mannerthür entsprechende Frauenthür ist nicht bekannt. Die
vornehmere Thür ist es wahrscheinlich, die unter andenn unter der Be-
nermung brandadyrr vorkommt. Vor der Thüroffnung war eiim Thür {hurä)
at^gebracht, welche gewöhnlich mit einem Ilolzla^len {ioka) oder einem Sperr-
baum \siagbrandr) geschlossen wurde. Vi.rratsbiiijser und -lluilirhc Behälter
wiirden durch ein Schloss mit zugehörendem Schlüssel geschützt. Müglicbet*
weise Ist die ThÖr zuweilen eine Fallthür gewesen; doch bietet das Ver^
Btändnia der hierher gehörigen Ausdrücke der aUen Schriften verschiedene
Schwierigk c itei i .
§ 19. .ausser den angeführten, in der Regel dicht zusammengerückten
Häusern fanden sich auf jedem Hofe versdiiedene andere Gebäude, wckhe
h
1
I
in kürzerem oilcr längerem Al>stande von den e^entlieheii Wolmliäuscni
zerstreut liegen konnten. Hierzu gehörten die verschiedenen Stalle unü
Scheiuicn, Vorratshäuser mit oder ohne Keller, die Schmiede u. s. w. Die
gcwtihnlichen Bezeichnungen für H.luser zur Aufbewahrung von allerhand
Waaren und GcbrauctisgcgcusUlnden Witren siemma luid bür. welcher letzte
Ausdruck keineswegs auschliesslirli zur Uezcichnuiig der zu den \Vi)hnhau-
scm gcreclmeien Speisekammer verwandt wird. Beide haben indessen eine
weitere Anwendung. So benutzte man die siemma ausserhalb Islands häufig
als Schlafzimmer für die Glieder der Familie und angesehene Ci.iste : sie war
da gewöhnlich zweistöckig und bcscmdcni das obere Stockwerk ijopt) ver-
wandte maai auf diese Weise. Zum o1")ercn Stt.'wkwerk in einer solchen
iofitsiemma (im allgemeinen zu dem dieses umgebenden Allan {svatar)) fOlirte
aussen eine Treppe {riä) und durch eine Luke im Boden stand diese mit
dem uuteni Stockwerk in Verbindung. Btir und skemma werden in der
Dichtung und S;igc als Aufenthaltsort für Ktlrstentikrhter mh ihrer weib-
lichen Bedienimg erwflhnt; selbst verstand lieh sind es dann Prachtgcbaude,
durch eine Einfriedigung (/jfüa^nfr) (»der durcli abenteuerliche Verteidigungs-
mittel geschützt. Häufiger begegnet jedoch dya^'a als Benennung für die
von den übrigen Wohnhausem abgesonderte Frauenstube; der Name deutet
darauf hin, ditss dieser Raum urs]>rünglirh in die Erde eingegraben und
mit Ddi^r bedeckt gewu-scn ist, womit auch das übeteiiustiuuni. was man
von entsprechenden Gebäuden bei den Bewohnern Deuuchlands weiss. —
Zur Bequemlichkeit der Bewohner fand man in der Regel eine Retirade
{kamarr, saicmi). Auf manchen Höfeit fand man auch eine zu Dampf-
bfiderD benutzte ßadestube {haäHo/a)\ sie war mit einem Steinofen versdien,
welcher stark geheizt und dann mit Wasser ttbergussen wurde, wobei der
nAtige Dampf erzeugt wurde. Doch karmte man auch Wannenbader {ker-
iati^ und auf Island Bader in den wannen Quellen {iaug). Zum Schutze
konnte man einen unterirdischen Gang, der von einem der Häuser des
Hofes ausging, oder ein unterirdisches \'' ersteck {jarähüs) haben: auch war
der Hof rucht selten mit einer Art Refestigung {virki) umgeben. Gehörten
Bergweidcn zum Hofe, so war damit gewOludich eine Sennhütte [stl, satr)
verbxmden, welche oft in einem ziemlich bedeutenden Abstände von den
andern Häusern lag.
Durch die jüngsten dänischen Untei^ucltungen (l>csonders die i^^ unter-
nommenen, durch D. Bruun ausgeführten) der Nordlaiidcr-Ruinen in der allen
eyttri bygä in Grönland — im jetzigen Julianehal)s distrikt — , wf), wie be-
kanntf die skandinavische Bevölkerung im Verlauf des 15. Jahrb. ausstarb,
hat man eine überraschende Obereiustimmung zwisclien den dortigen HOfcu
m)d der obent>eschriebenen i-tlandwchen Bauart consiatiert. Die Wohnhäuser,
die wegen der eingestürtzten Rasen-Wände bisher übcreehen wurden, be-
stehen ganz wie in Island aus einem mittels eines Ganges verbundenen Oe-
bäudekomple.\, wo noch in mehreren Zimmern eine ErliGhung an den Wan-
den (Sitz- oder Schlafplatz) erhalten ist. Rings um die zasammengcstcllten
Wohnhauser. innerhalb oder ausserlialb des eingefriedigten Grasfeldes, liegen
die zahlreichen Nebengeliaude und Hürden, die, weil wesentlich aus Steinen
aufgeführt, weniger eingeölten .Mnd und deswegen früher die Aufmerksam-
keit auf sich gezogen liatten uid unrichtig als Hauptgebäude gedeutet u'urden.
Hier sieht man Ställe mit den einzelnen Standen durch aufgerichtete Fliesen
geschieden. Pferche für Melkschafe und Lämmer ganz «ie in Island u. s. w.
Von der Lel)cii3weise <ler Bewohner geben die erhaltenen KOchcnabfalle
AufachlÜase. (Siehe Meddelelserr om Grönland XVI, Kbh. 1895.)
436 XII. Sitte, i. Skandinavische Verhältnisse.
Sehr konst-rvativ Ui Jie Bauart auf den Farüer-Inscln, da liier jcdt-r Huf
ein Raucluimmer enüialt, das, ausser dass es als Küche diente der gewöhnliche
AufcnÜialtÄOrt der Familie ist. {FiFresk Anthologi.)
Über die Isländistlicn wirtschaftliL-licn Verhältnisse der Neuzeil und die
dortige Bauart finden sich interciwante Auf.s<"hltlss(; in dem in Kopcnhagpn
l8c>7 crschinK-nen Buche D. Bruun, Forfiäsmimier o^ NatiJshJfm paa Island,
durch zahirtriche Illustrationen erläutert Ais Resultat ergieht sich eine weit-
gebende ObereinslimmuDg mit den Verhallnissen der SagazeiL
Wie in Island und Grönland ward audi in Norwegen und dem nördliclien
Schweden die liebauung aus zerstn^ut geh^encn liavicnihöfen gehildct, in Dane-
mark und Süd-SchwctJen dagegen aus j^eäammeltt-n DOrfcni, die in Danemark
bis 2ur Aufliehungder Feld-Ciemein.scha/t, Ende des iH. Jahrh., in allem wesent*
liehen ihre Eigen türaüchkeil, wie sie in den mittelalterlichen Provinzial-Ge-
setzen hervortritt, bewahrt hatten. Die DOrfcr waren entweder nmd oder
länglidi. In den Kund-Di^rfem liegen die Hftfc um einen eingeschlossenen
Platz von recht ansrlmlichcr Grösse — in den Gtsetzen forte genannt — ;
hier mündci'.-n die s.'immtlic]»en Wege aus; hier Uig der genieinschafthche
Dorfteich, und unter freiem Himmel wurden lücr die Angelegenheiten des
Dorfes verhandelt. Dagegen haben die I^ng - Dflrfer, die sich meistens in
Jütland mul Schleswig finden, den gemeinschaftlichen Durfplatz ausserhalb
des Dorfes (P. Lauridscn, Äarb&ger for nordisk Ofdk. og //ist. Kbh. 1896).
— Die danischen Dörfemamen, die zum teil ziemlich durchsichtig siml, geben
interessante Winke brzttgäich der Bebauung des Landes. Die ansehnliclisten
Dürfer, uiul darunter die meisten Kirchdörfer, teilen sich m zwei Gruppen,
deren erste, die auf -/ev (s. Besitz) endet, immer mit einem Fersonenuamea
zusammeDgcsetzt ist, die zweite, die auf -h (s. Dorf) oder ein Wort mit der
Bedeutung »Stelle«, »Wiese« u. dgl. endet, als erst<-s Glied ein an natür-
liche oder sonstige Verhaltnisse t>ezügliches Wort enthalt Dic-sen gegen-
über stehen eine tlritte und \ierle Gruppe, weniger ansehnlich .suwohJ
was Areal als Grundzins betrifft und jüngere als oV»en genannte, gebildet
von (5.) Naincu auf -/korp, wodurch spätere, durch Ausraärker-Höfe ent-
standene, Df^rfer bezeichnet wcrdrn, welche immer mit einem I'ersoncn-
Kamcn zu.samnieiigesetzt sind, oder (4.) Namen auf -Ao//, -md u. dgl. die
ausgerodete Waldungen bezeichnen (J<ili..Stepnstrup, //u/. Tidssin/it, Kbh.
1895). — Eigentümlich für einen grossen Teil von Dänemark ist der aus
4 zu.samniengcbautcn Fltligeln bestehende Bauenihof, aber tias Alter dieser
Grundfonn ist unsicher. Ausführitcher über Bau;iit R. Mcjbitrg, Nordiskt
/iimdergnrde, Kbh. 1892 ff. (auch in deutscher Übersetzmig: Die Nordischen
JSaueniJiÖ/f, i6.—i8. Jahrh. /. SfA/esivig).
I 20. Kleidung. Die Kleidung {iunadr, khäabunadr), welche beim Be-
ginn der historischen Zeit über den ganzen Norden dieselbe war wie sie auch
ira wesentlichen zu der der Nachbarvölker gestimmt zu haben scheint, lucll
sich die ganze Sagazeit hindurch ziemlich unverändert, jedoch mit gewissen
durch die Mode iK-wirktcn .Änderungen in St<iff, Farbe und Schnitt, wodurch
teilwei.se neue Benennungen henorgerufen wurden.
Der Stoff {e/nt) konnte höchst verschieden sein, feiner und gröber. Von
Stoffen werden erwähnt Felle, Wollenzeug, Ixinwand, Seide, Baimiwolle. Das
Fell {siinn) benutzte man leils mit den Haaren darauf, teib ohne diese. Von
ilen Fellen rechnete man zu den einfacheren Schafsfell {klippingr, gitra)*
Ziegenfell {gei(arsiina) und Ochsenhflute (u.vahud, ^dungshüä). Weim sie
bestimmt waren al» Handelswaarc ausgeführt zu wertlen, hicssen sie Handels-
fcllc {jwtmrsiinr/, vaniint/) und diese wurden als noch einfacher augesehen.
Hierzu kutnnil Kalbsfell (idi/skinn), Seehundsfell (stMinn) und endlich Hai-
nsclifell {ikrdpr, Uskräpr), wehhes das allereinfachste war und nur )>enutzt
wurde, Schuhe für die Knechte und das geringere Gesinde <JarauH zu machen.
Zu feinerem Pelzwerke bcnuUic man Lammfell {lambxkm», lamboskinn),
Katzenfell {katiaikimi), Kuchsfcll [mflntkkaheigr, töuskinn), Bärenfell {bjamskinn),
Biberfell {b/ör), Zobelfell (sa/a/i) u. s. w. — Wüllenzeuj:, welches oft z>€fnadr
und vefr lieisst und meist in Zuiiammensetzungen als veffar- vorkominl, «"ar
der allgemeinste Kleiderstoff. Hiervon war Friess {itaämäl), den man selbst
verfertigte, das am meisten gebrauchte und zugleich das cinfaclistc. Dieser
konnte wieder feiner und grober sein. Der feinere, welcher bestimmt war,
Klcitter mit der natürEichcn Farbe der Wullc daraus zu verfertigen, hicss
Klciderfriess {httfaariHid. ha/nanmimäl), der einfachere, welcher haupIsAchlicIi
dazu bestimmt war, als Haiidclswaare ausgeführt zu werden, hiess Handels-
Mess {xfJuvJä, v^tiwäd, rara, 7'aran'iiä). Vielleicht bestand der Unterwrhied
nur in der Farbe, so dass Handelsfriess von weisser, Kleiderfness von braun-
roter und schwarzer Wolle verfertigt wurde. Zum altereinfachsten Wollen-
zeug muss auch das sogenannte Filzzeug ijliki. ftöfi) gerechnet werden. Von
feinerem Wollenzcug, das aus dem Ausland eingeführt wurde, war das all-
gemeinste der Scharlach {skarlat). NYi<h feiner war das sogenannte Gattcs-
gcwebe {guäv^r), welches vermutlich nur wenig von jenem vcrscliieden ge-
wesen ist. — Leinwand (//w, l^upi) war sehr allgemein seilet auf Island, wo
sie dücli eingeführt wcnicn mussle und viermal so teuer als Friess war. —
Seide {«/*/) wird ziemlich häufig bei den Vornehmeren erwähnt. Hierzu
scheint auch das sogenannte peil gerechnet werden zu mOssen, welches ausser-
ordentlich selten war und erst in spaterer Zeit erwähnt wird. Man meint,
da&s es eine Art Seidensammet gewtsen isL Auch diis sogenannte baläikin
lind purpuri, raetni man, ist eine Art Seidenzeug, mit fiold durchwirkt, ge-
wesen. — Baumwollenzeug (z. B. fustan) findet man nur selten erwähnt.
§ 21. Die Farbe {Ittr) kormte wie der Stoff sehr verschieden sein. Von
Farben werden folgende in den Sagas erwähnt. Weis» {hvitr) war die all-
gemeine Farbe der Leinwand und man legte grossen Wert darauf .sie so
weiss als möglich {drißn-itr) zu bekommen. Dagegen wurde der weisse Friess
als das allcrcinfachste angesehen und in der Regel nur zu Kleidern für die
Knechte und geringeren Leute benutzt. — Braunrot {.mömuitr) war sehr
allgemein, am häufigsten er^^alint als braunrot-gestreift {mörrndr). wobei man»
um die braunrote Wolle zu sparen, ohne doch in ganz weissen Friesskleidem
gehen zu müssen, das Zeug so webte, dass der eine Streifen braunrot war,
wahrend der andere weiss war. Der Friess dieser Art war also ein wenig
einfacher als ganz braunroter Friess, aber er war bedeutend teurer als ganz
weisser Friess. — Schwarz {svar/r), worunter man die natürliche Wollfarbe
(tattArar/r) verstehen muss, war auch sehr allgemein. — Grau igrär) wini
sehr häufig erwähnt Wenn von KIcideni die Rede ist, welche diese Farbe
haben, so mu.<t$ nrin hierunter teils Kleider \on grauer Wnitt* iciie natürliche
graue Wollfarbe), teils Kleider verstehen, weldie entweder von Garn gewebt
waren, wo der eine Faden schwarz und der andere weiss war, oder bei denen
das Garn aus schwarzer und weisser Wolle zusammen gesponnen war, also
nur eine Mischung zweier natürlicher FarlKm. Eine Variation dieser Farbe
war, wie beim braunroten, das grauge.sirciftft {;,'riiuni/r).
Alle obenerwähnten Farben waren naturliche WoUfarbcn. Im Gegensatz
zu den Kleidern, welche diese Farben hatten, standen kflnsdich gef^bte
Kleider, welche Farbekleidcr (/i/k/träf) hiessen. Jene sah man als einfacher,
diese als stattlicher an tmd nannte sie auch zuweilen Prachtkleidcr iskraui-
438
Xn. Sitte, i. Skandinavische Veruältnisse.
i/a-(ti). Kleider von natQrlicher Farbe wurden vom Volk im nDgemeinexi,
künstlich gefärbte Kleider nur von den Bessergestellten und den Häuptlingen
getragen. Zu den kOnstlidien Farben gehörten also folgende. Gelb (^Wr)
wird zwar scltai als Farbe für Kleider erwähnt, aber, tiass sie gebraucht
worden ist, ist sichrr. — Blau {bldr) war sehr allgemein. Hierunter muss
man eine rabenschwarze {brafnhU'tr) Farbe verstehen, selten c»der niemals die
Farbe, weJrhe man jt-tzt blau nennt. Hflufig werden auch blaugttstreifte
{bldrendr) Kleider erwähnt. — Braun {btHnn) wird nicht sehr oft ertt-.lhnt,
Ist aber gewiss zienilich allgemein gewesen. Als Variatiun dieser Farbe wird
rotbraun [rauiihrunn] und dunkelbraun ymodrt'inn) erwähnt — Grün {grvnny
wird zuweilen erwriliiit: auch davon hatte man Variationen: gelbgrün igu/-
gmiiH) und lauligrfln ylau/gionn). — Kot [rnttt/r) wurde al$ die aller]irachlig;ste
Farbe angesehen, und Kleider von dieser Farbe wurden ausschliesslich voa
Häuptlingen und reichen lauten gebraucht. Sie werden im Gegensatz zu
andern als gute Kleider {jjöä kl<r<ti) bezeichnet. Rute Kleider wurden auch
hei Opfern für die Güttcr gebraucht (blöiklaäi).
Bunte Kleider hii-k man für sehr hübsch und die einzelnen Kleidungs-
stücke waren daher nicht selten aus mehreren verschiedenen Stoffen zu-
sammengesetzt, JRder mit seiner Farbe-
§ 22. Die mannliche Kleidung {karlJtlväi, iari/^t) kann auf fönende
Weise eingeteilt werden;
Knpfbekleiduiig \k<t/uähün<iär). Die verbreitetsle Kopfbedeckung war ein
Hut Un'ifr, hallr), im allgemeinen von zu-iammengewalkter Wolle, und hicss
deshalb teils Wollhut {uUh^ttr\ teils Filzhut {pifah^Ur, p6/ahaltr). Was die
Farbe betrifft, so werden schwarze, blaue, graue und weisse Hüte erwähnt.
Oft war der Hut am Überkleid befestigt und in dieseir Falle heisst er auch
nicht selten Knpuze {hrda] und ist dann ohne Zweifel vom selben Stoffe ge-
wesen wie dieses. Ein Hut dieser Art konnte sehr tief herab reichend sein
uncE ganz über das Gesicht heiuiitergezogen werden, nur mit einer kleinen
Öffnung vom für Augen, Muod und Käse. Er wurde dalier oft als Maske
{ditlhqHi\ grima\ grbnmcht, wenn man sich vor den I.euten verbergen woUla
(_>ft wurde er nach hinten übergcw(>rfen und blieb am Mantel auf den Schul-
teru hangen. Dilnisrhe {äamkr hattr) und rus-sische {gerzkr halir) Hüte scheint
man für feiner als- andre angesehen zu haben. Ausser Hüten werden oft
Hauben {kiifo) erwähnt, teils von Lcinwimd [linhAßi), teils von Fell, sowohl
von Srhafsfell {stinnhi'tfa, hmhskinnshüfa), als von Bärenfell \b}anukhmshüfa\
leib von Seide [xilkihü/a). Die Hauben waren zuweilen mit kostbaren Borten
belegt {hladlfüin). (}ber ihre Fonn und Fart>c geben die Sagaa keine Auf-
schlüsse. Kine besi'iidere Art Haube war der m »genannte ^ly«', der, wie man
annehmen darf, eine hohe, bienenkorbf«'»rmige Haube und zuweilen von zot-
tigem L;immfell {lambskinnske/n) war, nebst dem ki?ei/, welcher im 12. imd
13. Jahrb. von voniehmen geistlichen wie weltlichen Personen gebrauclit
wurde. Von der Form wird nichts gesagt.
Vornehme Leute pflegten auch vielfach ein Band (b^fnähand, hlaä, skarband^
um den Kopf zu knüpfen, um das lange Haar hinten zu halten. Dies Band
war nicht selten von Seide {siitik/ad) und zuweilen mit Gold durchwirkt
{gullband, gitähiiitt\\ vielleicht bestand es auch zuweilen aus zusainmeoge-
hefteteu Goldplatteu.
§ 2},. Unterkleider {undirkiudi, nteriiatii. Hkvaril Unmittelbar am Körper
trug man ein Hemd {skvria\ das gewöhnlich vom ohne Schlitz war und
über den Kopf durch das Halstoch {hp/uäsmdu) heruntergezogen wurde, Das
Hemd war wohl immer von weisser Farbe und im allgemeinen von Wollen-
7#ug: aber bei reicheren Leuten war es von Leinwand. Auch das Manns-
hciud tiiuss zuweilen serkr. welche Benennung jedoch meist vtin Franen-
hemtlen gebraucht wiirdc. Die Untcrheink leider {nitHträkr) waren nicht sehen
Von Leinwand yUnbri'kr), aber oft waren sie ohne Zweifei van Frie&s. Zu-
weilen fielen die Unterbeinkleicler mit den Oberbeinkldtlcm ziisamincn, wenn
man nur ein Paar Beinkleider trug. Wenn Hemd und Unterbeinkicidcr von
Leinwand waren, hicssen sie mit einem Namen Leinenkieider \linkladi\. In
der Regt'l lag man Nachts über in Unterkleidern.
§ 24. Pberkletder {vfirkfatft, holkUriti, ^ttngrari). Das K*-"^'ühnlicliate
Kleidungsstück auf dem Oberkörj>er war ein Roek (kvriiU). Dieser war vom
ganz und mussie wie das Hemd über den Kopf durch ein Hidslodi {h^/uä-
smd/i) heruntergezogen werden. Er war fast immer mit Annehi versehen und
reichte in der Regel etwa bis zu den Knien, konnte jedoch auch kürzer oder
langer üvin. Der Rock wurde durch einen Gürtel (M/i), welcher nicht selten
aus zusammengehefteten Silberplatten [iilfrbeiti) bestand, am I^ihe festgehalten.
Am Gürtel hing gern ein Messer \kni/r) an einem Band oder emem Riemea
{tygüini/r) und in einer Scheide 1/ sieültim), und die eigentliche Tasche
{fiua), welche sowohl zur Aufbewahrung verschiedener Kostbarkeiten igripr)
wie als Geldbeutel {/('^•ntill. sf'ittr) benutzt wurde. Zuweilen zog man die
Beinkleider aussen Über den Rock {g^'r^ir i hwkr) und der Hosenbund trat
dann an die Stelle des Gürtels. Der Rock war oft mit prächtigen Borden
cingcfasst [hhitbüian). Der Stuff kunnie sehr verschieden sein. Der im allge-
meinen vom Volke am meisten gebrauchte war natürlich Kriegs, sowohl der
feinere {Aa/nandit) als auch zuweilen der einfachere {if/uitifturhrfrU). Bei
vomelimcn und reichen Leuten war der Rock von Scharlacli {skarlaiskyritU),
zuweilen auch von Goitesgewebe [fftuti^fßarkYiiiM) und ptil-'laxk^ {ptlhhrüU).,
sowie Baumwollenzeug {Jttsi'mskvriiU). Was die Farbe betrifft, so werden
Tolc, grtinc, laubgrüiie, gelbgn'ine, braune, rotbraune, dunkelbraune, l'lauc,
schwarze, hniunrote, braunrotgest reifte, graue und äusserst selten weisse Röcke
erwaluit.
Die Blousc {atakkr) war von demselben Schnitt wie der Rock, nur etwas
weiter und viel kürzer. Sie reichte teils bis zu den Hüften, teils ein wenig
unter sie hinab. Sie war sehr hilufig von einfachem Friess ^i^aramiilarstakkr^
und nicht selten von Schafsfcl! \ikinmtakkr), al>er als stjldie wurde sie niu:
von einfacheren Leuten und meist von den Knechten gebraucht Sie wird
sowohl htau al.i weiss erwflhtit. Die Blause sah man ab ein sehr zweck-
mässiges Kleidungsstück für den an, der ringen sollte, und sie hicss deshalb
zuweilen Ringblouse [ /angattakir).
Das Hemd {skyria), das auch als Obcrkleid erwähnt wird, war wohl nur
eine andere Benennung für die Blouse; zum mindesten war es von dem-
selben Scluiitt. Es wird weiss erwähnt.
Ein sehr prilchligcs Kleidungsstück, das nur von vornehmen Leuten ge-
tragen wurde, war das sogenannte Schh-ppklcid {sUiAtr). Es w:u' bis zu den
Fassen herabhängend, war vom offen und musste mit Knflpfen zusammen-
gehalten werden. Es war am häufigsten von Seide (si/kisUAir) oder von
anderem kostbarem Zeug {a/ gärfit kladi) und zuweilen goldgestickt {gull^
sattmaäar) und von oben bis unten mit üoldknöpfen besetzt {u/iar guff-
jtagfifium mär i gtgii).
Treyja und hjitpr, welche oft von Seide waren tmd aLs Prachtkteidung ge-
braucht wurden, glichen unzweifelhaft der Blouse sehr Im SchnilL Der letz-
tere heisAt auch zuweilen kurzer Rock {kyrtitl ilultr). Eine andere Bencn-
juing für hjupr ist kfsiingr, besonders wenn er von Fell (skitini/üpf) war.
440 XII. Sitte, i. Ska>-dinavisch2 Verhältnisse.
Sowohl ireyja und hj&pr als skyrla und stakkr konnten auch ak \\'afrenröcke
gebraucht werden. Die beiden erstgenannten wari;ii in diesem Falle zuweilen
ohne Ärmel und wurden aussen über dem Panzer (brvnja) getragen.
Ausaer diesen konnten auch die meisten Überkleider (vgl. g 27) an Stelle
des Rockes und der andern üben erwähnten Kleid ungsstflcke gebraucht
werden. Als sehr seltene KIddungsstOcke können weiterhin genannt werden
pilz. piliuai^r und f/ja/fil oder kjafal).
§ 25. Die Oberbeinkleider (ftrikr) waren zuweilen eins mit der Fussbc-
kleidun^ und hicssen dann feistfiMkr; im entgegengesetzten Falle wurde der
Fuss vun einem Socken (sokkr, Instr) ln*derkt, innnweit er nicht blosÄ mit
Zeugstreifen umwickelt wurde. Doch kannte mau auiJi «Hosen« d. h. Lang-
strümpfe fhosur), welclie, wie man annehmen darf, Fuss und Hein bis hinauf
an den Schenkel bedeckt liaben; diese konnten zuweilen von Fell oder Leder
sein und ersetzten dann zugleich die S<.hube. Da.s Stück zwischen KnrtcheJ
und Knie scheint in älterer Zeit mit B<1ndem oder Riemen umwickelt wor-
den zu sein. Der Bund, mit wekliem die Beinkleider i>bcn um den Leib
gehallen «urden, hiess Hoseiigürtel [brökaheiti, hnikiiiidi, hndi). An rliescm
hing oft eine Tasche (püss, pungr}, besonders bei denen, welche die Hosen
Ober die Rocksrhösse (kyrtihblqä) zogen, ebenso Messer und ähnliches. Die
Beinkleider waren fast immer von Fricss, teils von feinerem ihafnan^oämäi)^
teils Vi>n gr'^bercm fs^hnuidarhn'tkr). Sie werden als schwarz, weiss imd blau-
gestreifi erw^hnL Das IlintersiOck in den Reiukleidem hiess se/ffriri.
§ 2b. Das Schuhwerk (skökifeiti) war in der Regel sehr einfach. Die
Schuhe (skör) waren %on demselben Schnitt wie die, welche noch jetxt auf
Island am meisten gebraucht werden; sie waren aus einem Stück Fell oder
Leder (skotii) verfertigt, welches hinter der Ferse oder oberhalb der Zehen
zusammengenalit wurde und das grf%.s3te StOck des Oberfus.ses blieb so \*ora
Schuh unbedeckt. Sie wurden durch zwei sehr dünne Riemen fsköpiengr)
am FuÄse festgelialtcn. welche unterhalb des Knöchels um den Fuss ge-
wickelt wurden. Die Enden der Schuhriemen waren zuweilen mit TroddeJn
cxier Quasten fskii/r, tkiifa^ir sköpvefigir) versehen. Die Schuhe konnten
von Schafsfell. Qchscnhautcn, SeehuncLsfell, Kalbsfell u. s. w. seiti, zuweittn
mit den Haaren darauf floitnir). Zu den allereinfaclisten Schuhen brauchte
man auch zuweilen Haifiscksfell (skräpr). Das Fell^ woraus die Schuhe ge-
fertigt wurden, war zuweilen schwnrzgefarbt und schwarze Schnhc (svaiiir
sküar) .sah man als sehr stattlich imd fein au [sinirtir skiun sirauiligtr'). Zu-
weilen werden auch hohe .Schuhe (itpfihdßr skünr) erwähnt, welche wohl
den ganzen Fus.-* bedeckt und bis zum Knöchel hin;iufger rieht haben.
Auch wird eine Art Schuhe genannt, die Iföfar (Sing. b(Ui\ hiesscn, welche
vemjutlich den heute gebräuchlichen Stiefeln glichen, Wenn man auf Eis
oder auf glattem Wege gehen sollte, pflegte man zuweilen Schuhstachela
ftiöbroddar. mannbroddar} unten unter die Schuhe zu binden. Wenn man
zu Pferde reiste, l«fesligte mau aucli Sporen fspornr} daran.
§ 27. Überkleider (yjirh^nh Vnn diesen halte man viele und auch im
Schnitt ziemlich verschiedene.
Der Radmantet (ikikkja} war ein Rock ohne .'irmel, der auf den Sdiul-
tem hing. Er war in der Regel mit Fellen gefüttert Er war ziemlich lang,
und sehr weit, so d;iss man Waffen unter ihm verbergen konnte, ^\■enn der
Radmantel nicht mit Fellen gefflitert war, so hiess er oft Mantel (mftfuil),
aber diese Benennung wurde aucli oft vom Oberstoffe im Radmantel im
Gegensatz zur FcUfultening gebraucht. Schi ies-sl ich konnte der Name skj'kk/a
von jedem beliebigen Überkleid (yfirh^n) gebraucht werden, we man auch
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aus dem Austinjck at skiikja sik sehen kann, der so^ai im Sinne von »einen
Pelz (feidr) umtUim« gebraucht werden kann. Doch wird dieser Name wohl
nur von losehWngcnden Überkleidern gebraucht. Der Mantel oder Rad-
mantel wurde auf der Brust tdU durch eine Spange befestigt, teils durrh
Bänder {m^ttuUbqnd, skikkjttbqnd, luglar}. Der Name dieses Bandes, tygil/.
ist gebildet aus tag (Verbum to/^a) wie /••;(/// (Schlüssel) aus hk (Vcrbum loka)
und bezeiciinet so ein Gerät, damit zu ziehen, wie Iviili ein Gerät bezeichnet,
damit zu schliessen. tygt7i war eine Schnur oder ein Riemen, welcher durch
den Besatz des Mantels gezogen war, und, wenn man an dieser Schnur zog,
konnte man es erreichen, dass der Mantel am Halse dicht schloss; aber sehr
häufig liess man die Schnur auch schlaffer, so dass der Mantel auf den
Schultern hing. Diese Sdmüre waren auf der Bnist zusammengeknüpft und
die Enden oft mit prachtigen IVoddcln versehen. Eine andere Bcncnnimg
für fvgiil ist sgil, d. h. eine Schnur. Wenn der Mantel mit dieser Art Sclinur
zusaiumengclialten wurde, hiess er oft SLluiurraantel (Sughm^ituil, seUam^tttäl).
Der Radmantct war oft mit kustbaren B<>rtcn fhiaJbüinn), selbst bis hinab
z\i den Schössen [siaui. skikkjmkaut. m^ttulskaul) verbrämt. Er war sehr oft
VOD Sdiarladi oder Friess, aber zuweilen auch von Gotlesgewebe und /«//-
Zeug. Am haufii;sien wird er rot erwähnt. Er wurde am meisten von den
Reicheren uud Vornehmeren gebraucht.
Der Pfiz (/eldr) war am häufigsten eine viereckige Decke, .sowohl in
liegender als in aufgerichteter Stellung ühL-rzuwerfen. Die vier Ecken hiessen
ikaui und der Pelz selbst liiess, wcim er so 1>esdiaffen war, oft Schosspelz
ßkautfeidr). Die zwei obersten Ecken des Pelzes wurden auf der rechten
Sclmlter mit einer Nadel (dälkr, Jeldardäikr) befestigt, welche seltf oft von
Silber oder Gold war. Aber zuweilen p^hch der Pelz mehr einer »Kappe« (kdpci
und in (lie.^em Falle helsst er zuweilen Pclz-»kappe- (/e/didpa oder loäkdpa).
Möglicherweise ist der Pelz in diesem Falle zuweilen mit Ärmeln versehen gewesen,
jedoch am häufigsten war er ohne diese. Die Halsöffnung liiess, wenn der Peht
eine 9ol«"he hatte-, wie beim Rock h^uJ&mdtt. Dt-r Name feldr bezeichnete ur-
S(»1Uiglich nurein Schafsfcll (vgl. lat.^//üi mit Wolle darauf, kam aber s|)3ler dazu.
einen vm solchem Feile gefertigten IVlz zu bezeichnen. Doch hat man zuweilen
rwiachen diesen uiUen>cliieden und jedem von ihnen seinen besonderen Namen
g^eben, indem man den aus Schafsfcli gefertigten Pelz KIciderpelz (kafttar-
feldr) nannte im Gegensatze zu dem einfachen Schafsfell in seiner natür*
liehen Form (feldr üskiktr), welches als Bezahluiigsinittel und als Haridcls-
waaje gebraucht wurde und daher Handelsiielz (furar/eldr) hicss. Wenn
die Wullzotten oder Locken auf einem solchen Schafsfell lang waren und
sich gleichsam in Rcilien legten, hiessen diese rfggvar mid das Fell selbst
r^goarfeldr (Lm^kenpelz). Je mehr Reihen Wollzotten ein Lockenpelz halte*
desto teuerer war er. Ein gewohnlicher Handclspelz {7U}rar/eldr) stiUte 4 (3
danische) Ellen lang uud 2 (i'/j) Ellen breit sein und 15 Reihen Wollzotten
qucrtiber haben. Ein solches kam auf j nuiot : der KlcideriJeli: [ha/nar/elär)
war dagegen bedeutend teuerer. Der Kleidcrpelz bestand in seiner einfach-
sten Form ausschliesfllicb aus SchaFsfell. Sehr hauf^ scheint er jedoch
dot^lt gewesen zu sein, bestehend aus einem Überzug und einem Futter,
dann immereinem Pelzfutter. Zuweilen war sowohl Überzug als Kuller Pelzwerk
\Jeidr tvihdinn). Selir h;iufig war jedix-h der Überzug von Friess, nur aus-
nalimsweise von Scharlach. Die Farbe koimtc sehr verschieden sein: grau
{gräf$idr\ blau \JildJtldr), rot imudfeidr)^ schwarz und weiss. Zuweilen hatte
das Futter eine von der des Überzugs verschiedene Farbe {fftdr trUUr. tvt-
Mit>tf). z- B. schwarz auf der einen Seite, wei.sä auf der aJideren.
442 xn. Sitte, i. Skandinavische VerhJSltnissb.
Der Pfiz wurde sehr hflulig als DcLkc benutzt, wenn man sich zum
Schlafen nietlerlegtc. sowohl dahrim bei Nacht a(s drausscn auf Reisen.
Als kjsc hangende Überkleider kOnnen noch genannt werden der Reiler-
mantel (iw/. sio^ningr), der von vornehmen Leuten gebraucht wurde, und
der Überwurf {käst ) nebst dem Kapuzenmantel {hftto, fiokahelta, skauttutta,
keüheUa) und dem Scluitzniantd {vtrjn). Die drt-i Iclzlgcnannlen waren sehr
einfache Kleidungsstßike und wurden nur von Jlusscrst einfachen und armen
Leuten gelragen.
Die »Kappe« {käpa\ wurde wie der Überzieher der heutigen Zeit vorn
auf der Brust zugeknöpft; sie war sehr i'jft mit Ärmeln versehen, aber der
Name ermakdpa scheint doch darauf hinzudeuten, dass es auch welche ohne
Ärmel gab. Sie war sehr höufig mit einer Kapuze [kiipuk^tlr) versehen.
Die »KappcK war ziemlich lang und konnte sehr weit sein. Sic wurde sehr
oft als Überkleid gebraucht, konnte aber auch als Rock und Mantel auf
einmal gebraucht werden, so dass man keinen Rock unter ihr trug. Beson-
der? viel brauchte man sie auf Reisen zu Pferde. Sie war am hauf^istea
von Frtess und nur ausnahmsweise von Scharlach, zuweilen auch von Pelz-
werk {loiliäpa, vgl. feldr). Die Farbe war oft blau, zuweilen schwarz und
ausnahmsweise gnln und rot.
Die olpa oder lUpa war \ot\ der >Kappe-< nur durch üire grossere Lange
verschlpclen. Sie war teils von ?"'riess, teils wm Pelzwerk {skinntifpa, inirar-
skinnsöipa, h/nmsitntisölpa. loäoipa).
Da.s Wamnis {ktifl) unterschied sich vom Manie) dadurch, dass er vom
ganz war imd über den Kopf heruntet^ezogen weiden musstc. Es glich
daher mehr dem Rock und, wie dieser um die Mitte mit einem GQrtel fest-
gehalten w\irde, So auch das Wamms durch einen Strick fider Lederriemeti
\reip, reipi, svardrfip\. Das Wamms war wie die ^Kappe» sehr häufig mit
einer Kapuze {knfHn'Hr) versehen. Es wurde meist von Knechten xmd ge-
ringeren lauten gr-tragen untl vtm den Vornehmen nur bei schlechtem
Wetter, meist auf Reisen als eine Art Regenmantel iiMiskt^), um sicli nicht
die Prachtkk'ider isiratt(kl<räi) zu beschmutzen. Es wurde auch nicht selten
von vornehmen Leuten zur Verkleidung {fhlartuf/) j;ebraurht, da Unemge-
weihte die für Leute vcm geringerem Stande ansehen mussten, welche sich
in »liehen Kleidern zeigten. Das Wamms wurde sehr hüiifig als Obcrklcid
gebraucht^ aber von den Geringeren, besonders den Knechten, wurde es als
Rock und Mantel zugleich gehraucht, d. h. kein Rock unter ihm getragen.
Es war teils v. in Fell yskiunktifl). teils vim grobem Fdess Uj'/i/jv/'d'/irjf'/j^/, i-fn*'
vättarkuji) und grau oder schwarz von Farbe.
Die hekla glich wahrscheinlich dem Wamms im Schnitt. Sie war zuweilen
von kostbarem iicuge, wie vm Scharlach und wurde sowohl von Vornehmen
als von geringeren Leuten getragen. Sie wird weiss und rot erwähnt, am
häufigsten aber blau, btaugestreift {blärcnd) und blaugefleckt {biö/itkiott).
§ 28. H an dlx-k leidung {hantiagon-i). An den Händen trug man Hand-
schuhe (Aartzki). Diese waren teils ^/iJ/? (Flur. g/iS/nr), welche am häufigsten
von Fell (zuweilen Hirschfell} oder feinerem Zeug und zuweilen goldbrodiert
\gUfar ^uUfjaUnitir') gewesen zu sein scheinen und den jetzt üblichen Finger-
handscludien glic-hen, teils v^lr {Plur, vettir), welche wohl am hüufigsten von
Winllenzt-ng waren und den jetzt üblichen Fausthandschuhen glichen, g^ö/ar
hieJl man für feiner und sie wurden nur vun vornehmen Leuten getragen,
iW/// dagegen für einfacher, welche auch der gemeine Mann trug.
Schmucksachen {gnpii\ dytgfipir, was übrigens auch von anderen kost-
baren Dingen gebraucht werde*) kann!- Es war ganz allgemein Arrori
{armAnngr, guUhringr) zu tragen, welche von Gold oder Silber waren und
ausserdem Fingerringe {ßngrpu//).
Uni den Hals trug man ruwiilcn ein prärht%es Halsband {mf»), welches
von Gold {gtillmfH) und von Silber (siV/nnrn) sein konnte-. Zuweilen wird
■owolü das Messer ity^ilknifr), da» in der Regel am Gürte] hing, ab« an
einem Halsband hilngcnd erw^ihnt, als auch ein Beutel ij>ungr\ worin man
vcrechiedcnc Kostbarkeiten vemahrte; aber man pflegte auch zuu-cilcn den
GUrtcl setbst mit Zubehör um den Hals zu hangen.
Von anderen Schniui.ksiichfn können verschiedene Spangen \Jö/kr) genannt
werden, welche am hllufigsten auf der rechten Schulter getragen wurden.
Waffen {väpna&ü/taär). Da ein voll itu gekleideter Mann immer eine oder
mclirere Waffen trug, kftnnen diese mit zur Kleidung und am n/lchsten zum
Sclimuck gerechnet werden, da man seinen Stolz darein setzte sie so hübsch
aiugestatlct wie möglich zu haben. Der Helm {hjälmr) war oft vergoldet
(gyiär, gtiUroäht»), der Schild {sk/fldr) mit verschiedenen Figuren bemalt und
zuweilen auch mit Gold belcKi uml Schwert und Spiess sowohl sUber- als
gold beschlagen, besonders Kniiufe und Handgriff, wie auch die Klinge zu-
weilen mit eingelegten Ornamenten {mal) und Runen versehen. Ein vor-
nehmer Mann trug immer, sowohl daheim als drausscn, einen Spicss, Axt,
Keul*^ oder einen Stab in der Hand und war ifft «ugleirh mit einem Schwert
imigürtet. Auf Reisen halle er zugleich einen Helm auf dem Kopfe und
einen Schild an der Seite.
Haar {kdr). Die Nordlander setzten grossen Ruhm in ein schönes Haar.
Besonders war das gelbe Haar (;?«// fidr) sehr beliebt und danacli das
kastanienbraune \jarpl Aür). In der Regel Uess man das Haar sehr lang
wachsen, so dass es sogar bis zum Gürtel hcrabreirhen konnlc Es wird
immer in den Sagas als ein wahnT Schniu<k bezeichnet, langes und di(.'htes
Haar (miht hdr) zu haben, besonders wenn es oben glatt war und in
Locken auf die Schultern niederfiel. Glattes Haar {nitkärr) wurde für weit
Schoner als gekräuselte«. Haar {ikrüßärr, hrokkit hör) und ein Haarscheitel
oder sehr gekräuseltes Haur auf der Stini geradezu als ein Fehler angesehen
{fTtipr, sjreipt här i enni). Zuweilen Hess man da.s Haar über die Stirn her-
abhängen, wo es gleich oberhalb der Augenbrauen [brünaskurrtr li Adn) quer
durciigeschnittcn wurde, aber am häufigsten wurde es hinter die Ohren ge-
kflmmt {grtiit aptr um ry-rutt) und in dieser Stellung durch das Haarband
{tJtar^'tJ) festgehalten. Man pflegte das Haar sehr gut. kflimute und «"u-ich es.
Wenn man einem eine grosse Schande zufügen wollte, so scbor man ihm das
Haar. Ks scheint eine altgemeine Sitie gewesen zu sein, dass die Krauen
das Haar der Männer scheren und wuschen. Am Ende des 12. Jalirhundcrts
»-ar es am Hofe in Norwegen Sitte, d;is Haar ein wenig kflrzer als die Ohr-
Iqppen m scheeren und es mil einem kurzen Schopf auf der Sürn Über den
Jfa^JBMntten zu tragen; darauf kSmmle man es ringsum glatt, so wie jedes
Haar seihst fallen wollte.
Der Bart {skfgg) war am häufigsten sehr lang und dick, aber dt-th .sehr
veisrhieden fOr die verschiedenen Zeiten und die verschiedenen Personen.
So findet irwn er^iflhnt. dass der Bart einem Manne in sitzender Stellung
bis zu den Knieen reichen und sich über die ganze Umst ausbreiten konnte.
Andre werden mit kurzem Bart, aber langen Knebelbarten {tampr\ erwähnt
Am Schluss des 12. Jahrhunderts n-ar es am Hofe in Norwegen Sitte kurzen
Bart und kurze Knebeltorte zu haben und etwas spater pflegte man da.selbst
einen Backcnl>art nach deutscher Sitte zu scheeren. Bartlos zu sein wurde
für einen grossen Kehler angesehen.
444
XII. SiTTB. I. Skakdinavische Verhältnisse.
§ 2Q. Die weibliche Kleidung {kttnttbunadr, ifetini^A', kvennväJlir)
kann ehpnso wie die mannlifh*^ eingeteilt werden:
Kopfl^cdetkung {hffuäb&na^). Das unveiliciralcle Msdclien pflegte mit
offenem Haar isUffit Aar), am häufigsten mit unbcdet-Jctcm Kopfe zu gehen,
nur mit einem Band {//an//, drtgiU, klad) um die Stirn von diesem oder
jenem kostbaren ^cug. oft vuci 5<:Idc {silkihiatt) uud mit GolddriUiten
{gttUofit, guUband, guilhlad) dun-liwcbt /uweiltni bestand das Haarband
vermutlicli aas einer G'ildplalte iß''ffiPf"g) vom auf der Stiin mjd einem
Band, das hinten im Geuiik fe.stgeknQpft wurde. Natürlicherweise Mar das
Haarband auch zuweilen von Silber {stlfrbanJ) und bei den Ärmeren nur
von diesem oder jenem Zeug, aber in der Regel vom besten, das man zu
seiner Verfügung halte. Für die verlit-iraiete Krau war es dagegen schick-
lich diLs Haut zu verliüUen. Daher Irflgl die Braut am Hochzeilstage das
sogenannte Brautleinen ybrüäur/in), welches «"ahrscheinhch mit der gewöhn-
lichen Kopfliedeckung der verheirateten Frau zusammeufällt, deren, wichtigster
Bestaiidtt-il das Kupftuch {h^uddükr) war. Dieses konnte zuweilen allein
angewandt werden dm Kopfputz, den sogenannten faldr, zu bilden; häufig
scheint man jeduch ausser dem Kupfturh noch nit-hrere aadere Tücher
(siaut) gebniucht /u haben. Dem /u/dr glich die noch jetzt auf Island ge-
brauchliclie Kopfbedeckung dieses Namens. Er konnte entweder lotrecht
emporgctmgeji oder eine gekrümmte Form haben und sich fast wie ein Hom
vom Hinterkopf aus nach vorn /u nach der Stirn biegen {krokfaldr^ xvetgr).
Es wurde fUi staltlith gehalten den /aldr hoch zu tragen {fa/da hall, Ivppa)
und als solclier wurde er nur bei festlichen Gelegenheiten angewandt. Der
Kopfputz konnte so angebracht werden, das5 das Gesicht teilweise verdeckt
wurde. Das Kopftuch, das viele Namen hatte (z. B. motr), war in der Regel
von weissem Linnen und nictit selten mit GolddrShten durchwebt \pßt t
gut af guiii, gtiHofinn). Wenn man um einen loten Vcnn-andten oder Freund
trauerte, hat man mögÜLherweise ein blaues [d. h. schwarzes) Kopftucli ge-
tragen {tU falda hld).
Auf Reisen trugen die Frauen wie die Msimer einen Hut {h^lir, ketta).
Ausnahmsweise werden auch hii/a und hofri als von Frauen getragen er-
wähnt.
§ 30. Utilerkleider {undirkltrdi). Die Frauen trugen wie die Mamwr
ein Henul zunächst am Leibe, welchra nur darin von dem der \[Anner
verscliieden war, dass es weit mehr ausgescliweift oder das Hulslüch
{hq/udsmäU) viel gri'isser und die Ärmel bedeutend kürzer waren; sehr oft
hatte es nur Halbärmel {häi/trmadr). Es war so stark nusgeschM'eift , dass
die Baistwarzen eines Maruies davon niclit bedeckt werden konnten. Das
Frauenht.'md lirisst sehr oft stiir, was Wdhl ein Hernit mit HalbAmielu Ije-
zeichnel, aber es heisst auch zuweilen skyria. Femer wird eine Art Hemd
erwähnt, welches smokkr hicss. Es war sehr ausgeschweift tmd ohne Ärmel.
Die Stücken oder Streifen oben auf den Srlmltem, womit es oben gehalten
wurde, hiesseit dvergar. Im Hemd scheinen die Frauen in der Regel des
Nachts gelegen zu haben, woht-r der Name Nachthemd \niiliserir). Der
Stoff war Friess t>der Leinwand uiul zuweilen bei deu Voruehiuen Seide
{siiJtiserir).
Vei^clüedenc Au-sdrücke und F.rzülilungen in den Sagas deuten auch
darauf hin, d-iss die Krauen, wenigstens zuweilen, eine Art Unterhosen ge-
tragen bal>en, aber ohne ein Hinterstück {se/gciri] und von ziemlicher Weite.
Dagegen b(;trachlcte man es als höclist unpassend für eine Frau, sich Bein-
kleider solcher Art anzuziehen, wie sie die Männer trugen.
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§ 31- Oberkleider {yfirkhefti). Von den Oberkleidem der Frauen wird
in den Sagas nur sehr weniges erwähnt. Das wichtigste von diesen war
der tytiili oder kxtnnkyrtiU , dns Kleid in raodemein Sinne, welcher nur
darin vun dem Kork der Männer verst liiedcn war. dass er langer war, teils
bis jcu den Füssen, tdU bis zu den Knfnlie]n hinabreichte, zugleich unter-
halb der Hofften viel weiter und am Halse ausgeschweift war. Zuweilen
reichten die Arroel auch nur bis zu den Ellbi^jgen. Er wurde am Leibe
durch einen Gflrtcl {Undi, hetti), nicht selten einen SilbcrgOrtel {silfrbtlti) fest-
gehalten und an die^em hing eine Tasche ipiUs, sj'öär), ehi Messer, zuweilen
mit Silber oder Gold eingelegt \bumn Aiti/n, einer Scheerc (sMitri) u. s. w.,
bei der Hausfrau auch ein Schlusseltiund. Was Stoff und Farbe betrifft, so
gilt da.sselbe. was üben vim den Röcken der MJlnner gesagt ist. Wie der
männliche kyrtill war auch der weihliche niclit selten mit praditigen Borden
besetzt {hiaähuinn).
Ausser dem gewfOinlichen kyiiüi trugen die Frauen zuweilen eine andre
Art kvrtill, welcher mimiyrtiil hiess und wie der R>»ck eines Kleides war,
zu welchem ein sehr enger Oberteil [upphlutr, helfni) gebraucht wurde,
weldier vermutlich, ira Gegensatz zu dem gewöhnlichen Kleide, vom offen
war und auf der Brust mit einem Riemen zu.sammengthaki oder -geschnart
wurde, da es wegen seiner ?^nge schwerhch über den Kopf herunterge-
zogen werden konnte. Zu diewm Anzüge brauchte man eine Schürze
{jblaja)^ welche zuweilen mit Fransen (/rg/") unten unil mit eiiigttwcbtcn
Figuren (m^rk) von verschiedener Farbe, z. B. blau, versehen war. Der
nämliche Rock, welcher ziemlich weit war, wurde entweder durch einen
Besatz oder durch einen Gürtel obcngchalten.
Das Sihleppklpid iill'ättr) wurde auch von Frauen getragen, aber ob es
in etwas vun dem der Manner verschieden gewesen ist, kann nicht ersehe«
werden.
Strümpfe {sokki) und Schuhe {tkör) waren die Fussbekleidung der
Frauen.
§ 32. Überkleider (vfirhffn). Vnn den Überkleidern der Frauen wird
der Radmaiitel [skUkjn. kr-rnnskikk/tj) am häufigsten in den Sagas erwähnt,
welcher, wejin er nicht mit Fell gL-füllert war, auch Mantel (m('//w//t hiess.
Er war wie der münnlichc ein Kleidungsstück ohne Ännel, welches über
die 5ichultem geworfen und auf der Brust mit einer Spange {m'sfi, sv/^)
oder den nbenerwalmten Schnüren (/u^/ar) zusammengehalten wurde. Er
war sehr weit und lang. fJbwnhl der Name h'^nnskikkja voraus/u setzen
scheint, dass es einen Unterschictl zwischen dem Radmantcl einer Frau und
dem eines Mannes gegeben hat, kann man doch aus den Sagas nicht er-
sehen, worin dieser Unterschied bestanden liaben sollte. Im G^entcil deuten
alle Beschreibungen darauf hin, das.s zwischen ihnen kein andrer Unter-
sdiied gewesen ist als der. dass der Frauenmantel viclleitht etwas l.lnger
war. Fun Mann schenkt oft seinen Radmantcl einer Frau und in den Ge-
setzen finden sich Bestimmungen dariiber, dass ein Sohn den Radmantel
seiner Mutter erben soll. In Rücksicht auf Stoff und Farbe gilt, n-as oben
von dem mannlichen gesagt ist. Natürlicherweise waren die weiblichen
Mlntel wie tlie mannlichen sehr oft mit prachtigen, zuweilen goltklurch-
«irkten Bonlen verbrämt ihladbüinn).
Von andeni Überröcken , welche von Frauen getragen w'urden . »erden
nur genannt kdpa, kufl und hekla. Diese wurden wotil nur auf Reisen ge-
braucht, wcnigstei»s von vornehmeren und reicheren Frauen; von den firmsten
44*
XII. Sitte, i. Skandinavische Verhalts issb.
auch zu Hause, wenn sie übcrliaupi uin Obcrkleid trugen, was jiaiucU ucm-
lich a%emein gewesen zu sein scheint.
§ 3,^. Die HaiidbL-kJcidutig [hamlagorvi) wü.r dieselbe für Frauen wie för
Mflnner.
Schmucksachen (^ripr). Gemeinsam Für Frauen und Männer w;u%n Arm-
und Fingerringe, Spangen und Halssdimuck von Silber und Gold. Aber
ausserdem trugen die Krauen ein Jialsband von I'erUni [saivi, jfanastrrvi)
und mehrere besondere Bruslschinucke [iin^a, syi^'a).
Da» Maar {här) war der gri^sste Schmuck der Frau und man liess es
so lang wie möglich wachsen. Es wird immer in den Sagas als das
höcliste Zeichen einer weiblichen Schönheit horvnrgehoben, dass sie langes
imd schönes Haar {h<ir tmkit ok fagrt) liatle. Man findet erwähnt, dass
es zum Gürtel lilnabrcichtc uiiil Ua.ss es zuweilen su lang und dick war,
dass es den ganzen Leib bedecken konnte. Die lichtgclbe Haarfarbe
var die beliebteste und man sctiätzte das weiche und glatte Haar am
höchsten, wogegen das gekrausehe nicht .so beliebt war. Die Frauen pflegten
Auch ihr Haar sehr gut und sie werden oft erwähnt, wie sie sitzen und
ihr Haar kümmcn und wasclicn, zuweilen an einem Baclic oder einem
Flusse.
Dass offenes Haar das Kennzeichen des jungen unverheirateten Msdclicns
war, ist bereits früher angeführt.
§ 34. AHtagsleben. Der Hof {dar), wie er § 14 — 19 beschrieben
ist, trat mit semen zahlreichen Hauseni, welche einen ansehnlichen Ge-
bäudebümplex ausmachten, und mit seiner nicht geringen Zahl von Be-
wohnern al:3 eine abgcscIUusäcne Gesellscliaft auf, die so weit möglich
sich selbst genug .sein rausstc imd wo ein jeder seine Arbeit zu thun
hatte, wenn auch ai>gepasät nach des betreffenden Stellung imd Geschlecht
und etwas verschieden nach den wechselnden Jahreszeiten. Das Jahr, das
bereits seit alter Zeit in Monate eingeteilt wurde, zerfiel, wahrend man
zugleich auch zwischen den vier gewöhnlichen Jahreszeiten unterschied,
kalendariscli in ein Sonmier- und ein Winterhalbjahr, von welchen jenes
in der letzten Hälfte des April, dieses in der letzten Hälfte des Oktober,
bezw. mit dem ersten Sommertag und dem ersten Wintertag begann. — Die
Grundlage des altuordischcu Jalues. wie es uns im 10. jalirh. in den isliln-
disrbcn Quellen bt^egnct, war die Woche (7.>ii<i), nbschon gewisse Angaben
vermuten lassen, dass man ursprQnghch nicht nach Zeitabschnitten von 7,
sondern V4jn f^ Tagen (yfwi/) gerechnet hat Das Ja!;r bestand aus 52 Wochen,
deren 364 Tage zugleich in 12 Monaten, jeder mit 30 Tagen, verteil! waren,
so dass die Clbrigen 4 Tage besonders hinzugefügt wurden. Femer wurde
das Jahr in zwei Halbjahre {missen) geteilt — Summer und Winter —, die
mehr hervortretend als lins Jahr selbst waren und deshalb auch der Jahres-
berechnung {misserisial) den Namen verliehen. Man zalilte im gewöhnlichen
lieben nach Winter und Nächten (nicht Jahren und TageuJ und bestimmte
eine Begebenheit nach der verflossenen Anzahl von Sommer- oder Winter-
Wochen (nicht nach Monaten). Da die Jahreszeiten wegen der Kürze des
Kalendeijahres sich vcrsdioben, führte Porsteinn surtr imi die Mitte des
10. Jahrh. eine Reform durch, wonach je der siebente Sommer um eine
Woche vergrössert wurde. Als man bald darauf, mit dem Christcntumc,
den Juliaiiischen Kalender kennen lernte, nahm raan auf den Julianischen
Schaltlag Rücksicht , so dass die Schallwoche nun in 28 Jahren fünänal
eingeschoben wurde. Un\*erändcrl aUo blieb eine Eigentümlichkeit dieses
Jahres, nämlich dass jeder beliebige Monatstag an einem bestimmten Wochen-
Weibliche Kleiduko. Alltagsleben.
447
I
I
tag eintrifft; der erate Sommertag ist zum Beispiel immer cii» DünntTslag;
(9. — 15. April a. St.). der erste Wintertjig immer ein !>onnabcnd (11. — 17.
October a. St). Diese Jabrcscinteitimg hat sich noch iu dem bländischcn
Kalender crhaltni; nur wird jetzt die periodische Schaltwoche {sumnratiAi) am
Schlusb des Sommers eingeschoben, wahrend es scheint, als habe maii ursprünj;-
lich sowohl diese als die 4 jährlichen Si:)ialltagc {auiantitr) unter dem Namen
sumaraitii unmittelbar vor der Mitte des Summers, s. am Jnhrcssclihiss einge-
schoben. Siehe Gcelmuydcn, Naturen, April i88.;i, Kristiania. \cx^. Corpus
pottkum bortaU I, 42" ff. Oxford 1H83. — Die iLintetlung des Tages, welche in
Rücksicht auf die taghellen Arbeilen von su grosser Bedeutung ist, wurde durch
den scheinbaren Gang der Himmelskc'^rper bestimmt Man dachte sich,
die Suimc durdilaufe iin Laufe eines Tages und einer Naclit die adit
gleichgrossen Himmdsgegenden {attir, Sg. rt-//| N. NO, O, SO, S, SW, W,
NW. Die Zeit am Tage wurde nacli der Stellung der Sonne über dem
Horizont bestimmt, indem man auf jedem Hofe sidi gewisse hervorragende
Punkte innerhalb des (jesichtskreises zu Tageszeichen iHags-m^rk, Sg. -mark)
auswählte, s'.> dass, wenn die Suune über einem sulclicn Tagcszeiclicn slantl.
ein bestimmter Zeitpunkt ani Tage angegeben wurde. Die nichtigsten
Tageszeiten, welche auf diese Weise bestimmt wurden, waren nsmäl oder
midr morf^inn yp Uhr vonn.), dagmäl {g Uhr vorm.), hädtgi {iz Uhr mitt),
miihnnndi uV» Uhr nachm.), non igewiss ursprünglich undom genannt;
3 Uhr nachm.), miär aptann (0 Uhr lutchm.], naüTaiÜ fq Uhr nadmi.). Die
beigefügten Siundenangaben sind jeduch nur ungefähre, da die Zeit nach
der Lage des betreffendeu Ortes variiert. Der Zeitpunkt 12 Uhr nachts
hiess mtänitUi, der letzte Teil der Nadit rf/to. Bd Nacht leisteten der
Mond und gewisse Sterne, besonders das Siebengestim, eine ahnhche Hülfe.
Im Übrigen teilte man den Tag in eyktir, ^.Sg. «■>/), Abschnitte von drei
Stunden; der Ausdruck fvkt wird indessen auch von einem bestimmten Zdt-
punkt 3'/i Uhr nachiniitagH, gehraucJit
Hauptmahlzeiten waren zwei, eine Tagmahlzeit {dagverär), weldie
imgeJähr q Uhr vomiillags eingenommen wurde, wddicr Zeitpunkt danach
auch äag^^rdantuii genannt werden kunnie. und eine Xachtmahlzeit {mitt-
verär)^ welche eingen^ninien wurde, wenn die Arbdten des Tages vollendet
■waren. Diese wurden im aligejneinen, jedenfalls auf gr^scren H/>fcn, von
dea versammelten Leuten des Hauses eingenommen und besonders wsr
dies mit der .\bendmuhlzcit der Fall, welche als die Hauptmahlzeit an*
gesehen wurde und bei welchi^r es sehr reichlich Speise und Trank gab;
die gemeinsame Spciscstubc war, wie in § 17 angeführt ist, die slo/a des
Hofes. Nicht .illein liatte hier während der -Mahlzeit der i-Iausherr seinen
festen Plalz auf dem H<.>chsitz , sundern auch die übrigen Anwesenden
nahmen auf den I^rngbäitkcn in bestimmter Ordnung Platz; je naher dem
HochsiLz auf bddeu Seiten, um so ehrenvoller war der Platz. Vor der
Mahlzeit wusch man die Hunde, entweder ehe man seinen SitJt dnnalmi
oder nachdem man Platz genommen liatte, in welchem Falle dne der
Frauen Waschbecken \mutniiaug) un<l Handluch t>esonders bei jedem her-
umlnig.
Die Nahrungsmittel waren bcrdts in der Sagenzeit ctnigcrmassen
gleich aus Tier- und Pflanzenrdch genommen und die Zubereitung ging
wie heute mit Hilfe des Feuers durcli Kochen, Braten, Backen vor sich,
wahrend man in BetrcK des Korns sich auf den Gebrauch der Handmühle
stützte. Von cssbaren Kulturpflanzen baute man in den nordüwhen Landern
seit dner grauen Vorzdt die Uerste (ja .selbst luch Island wurde diese
448
XII. Sitte, i. Skakdinaviscbs VERnALimssE.
Komart übergeführt, wenn auch ihre Anpftanzunfi; wegen mangelnder Sommer-
wärmc iihnr Bwlriitung hlic-h und längst aufgehört hat; wiis hier von Knm-
wuaren verbraucht wird, muss wie bekannt eingefillirt werden), auf Wir
blieb der Name Korn besonders haften; aber auch Roggen und Hafer
waren z«Üg in Gebrauch und selbst Weizen war bekannt, wenn auch fttr
manche Gegenden hauptsächlich nur als Gegenstand der Einfuhr. All-
niahSich k,'imen ;iuch Krh-^en . Bohnen und Rüben in Gehrsurh. Ein be-
liebtes, wenn auch einfaches und dörfliges Gericht war Grütze {groHtr),
weiche Jius den grobgcmalilenen Gerstenkorn em gckockl \t"urde. Von
allen Komstirten wurde Brot gebacken, ursprünglich das düiuie ungc-
gohrene Fladenbrol, das auf einem flachen Stein oder auf der Glut .selbst
gebacken werden konnte, spater auch gegubrenes ürot, das im Ofen zu-
bereitet werden inu.sste. Als eine Art Delikatesse genos.s man in Norwegen
und auf Island Wurzel und Stengel der angelica avchangela (Jw^nn) ; auf
Island halte man einen essbaren Tang {s^i) und benutzte vielleicht bereits
damalK gewisse Moüsarten {ßallagr^'s) als Nahrungsmittel, obschon solche
in der alten Literatur nicht ennilhnt werden, — Üie Haustiere lieferten
selbstverständlich s<jw<ilil dur<:h ihr Fleis<.:]i als durch ihre Milch Nahrungs-
mittel. Gebratenes KleLsch kam seltener vor und wurde als Delikatesse
angesehen ; dagegen genoss nmn das Fleisch gewiihnlich entweder frisch
gekocht oder an der Luft getrocknet; in welchem letzten Falle es jedoch
vennutlich auch häufig gekoctit wurde; das Rauchern hat man unzweifel-
haft auch gekamil. Dass da.s frische Fleisch roh gegessen wurde, was
von den Christen verurteilt wurde, kam gewiss selbst in heidnischer Zeit
nur ausnaluiis weise bei Vikingem und JLhnlichen vor. Schaf- und Ochsen-
fleisch *-aren wühl die allgemeinsten animalischen Nahrungsmittel , doch
wurden ausser Wild auch Schweine und Ziegen , sowie das Fleisch der
Hausvögel verzehrt; der Genuss vun Pferdefleisch ist ausser bei Opfcr-
malilzeiten kaum sehr allgemein gewesen. Das Blut wurde zu Würsten
und auf ühnliche Weise benutzt. Die Milch genoss man teils frisch roh
oder frisch gL.-kocht, teils bereitete man Butter und Kasc djiraiis oder
man machte aus der beim Gerinnen verdichteten Milch skyr, der Iflngere
Zeil aufgehoben werden komite. Ein AJltagstrank war saure Molken {t^ra),
gewöhnlich mit Wasser vermischt und dann blandn genannt; ferner wurde
von Gerste Bier ([»/, mungät), aus dein Honig der Bienen Met (*«/(»«*■) ge-
braut und ausserdem Wein eingeführt.
Für manrlie Gegenden war die Fischerei von grosser Bedeutung und,
ausserdem dass man die Fische frisch verzehrte, trocknete man sie in Menge
an der Luft und sie bildeten so eine Art Suirogat ft\r Brot, besonders der
getrocknete Dursch \xinvi<f\. Auch die Saugetiere des Meeres. Seehunde
und besonders Wallfi^clle, mussten, wo man welche erhalten komite, zur
Nahrung dienen. Verschie<lene Arten Flcischwaaren verstand man gewiss
durch Einlegen in saure Mulkt^n für laiigere 2eit aufzubewahren oder mau
licss als Surrogat für das Einsalzen Butter sauer oder ranzig werden. Salz
«■ar nämlich eine verhallnismüssig seltene Waare; es musslc durch Ver-
brennen von .Seetang oder Kochen von Meerwasser gewonnen werden.
Der Hausrat, der beim Servieren dieser Gerichte angewandt wurde, war
in der Regel ilürftig, wemigleich sowohl aus der Literatur als aus den auf-
gefundenen Altertümern kostbare Gebrauchsgegenstande bekannt sind. Zum
Hausrat können auch die Tische {bont) gercclinet werden, da diese für die
Mahlzeit herangezogen und nach deräelbeu fortgebracht wurden (vgl. § 17).
Sie waren wahrscheinlich ziemlich niedrig und schmal, im allgemeinen kleine und
Alltagsleben.
449
viele, ja zuweilen, wie es scheint, einer für jede Persi-m; ein solcher kleinerer
Tisch hicss siufi'J/, ein Wort, das auch ai^ewandt wird, um »Schüssel* zu
bcxeicfanen. Zuweilen wurde die Speise auf die Tische selbsi gelegt, so dass
kein weiteres Tischzeug {bor^ünaär) gebrauihl wurde. In der Rege! ^*-urde
jedoch die Speise auf Schüsseln {skutill) '»der Tellerti (düir) \x)rgesetzi, die
im allgcmeiiicii von Holz »jiren. und die Tische wurden dann in vorneh-
meren Hausem, »xlei bei besonderen Gelegenheiten mit Tüchern von weisser
Leinwand bedeckt. Die Teilnehmer zerlegten bei der Mahlzeit ein jeder
seine Portion mit dem Mt-sser, das er am Gürtel führte; Galicln kannte man
nidit. Grütze wurde in TrOgen (treg, tn-gilf) vorgesetzt und mit 1^'ffeln
\sf>tinn) von H<ilz, Hnm oder Bein gegessen. Milcli und andere flüssige
Speise wxirrle in den sogenannten askar (Sing, askr), einer Art niedriger und
weiter Holzkannen mit Deckeln darauf, tvder in Näpfen {holh') vorgcsctzL
Gewöhnlich asscn mehrere aus derselben Schüssel oder Trog. Zur Erwär-
mung grösserer Mengen Wasser imd Milch benutzte man oft HolzgefOsse
(gegossene Metalltöpfc kuimle man nOmlich niclil) und die Warme wurde
durch glühende Steine erzeugt, welche in das gefüllte Gefass geworfen wur-
den; von. der Anwendung solcher Kochsteine, an welche die Eritmcnmg
teilweise in Norwegen bewahrt ist, geben uns die Sagas ein Par Beispiele.
— Das Bier wurde in grösseren Haushaltungen in einem grossen Gefass
{skaf>ier) hereingebracht, das auf einem besonderen Schenktisch [ttapiza)
nahe dem Eingang AufstelUmg fand untl aus dem der Trank in Trink-
hömcr, Becher imd dergl. gegossen wurde; gewöhnlich tranken auch mehrere
aus einejn TrinkgcfSss. Wo es verschwenderischer herging, trank man jeden-
falls bei der Abendmahlzeil das Bier ungemessen, d. h. jeder konnte uinken,
so viel er wollte. Man pfli-gtc in solchem Falk- das Trinken fortzusetzen,
nachdem die Speisetische fortgenommen waren, und sehen ging man dann
ohne einen Raasch zu Bette. An diesen Trinkgelagen nahm jedoch schwer-
lich das Gesinde teil. Die Bedienung am Tische wurde gcwßhidich von den
Frauen besorgt, welche für gewöhnlich kaum wie die Manner ordentlich am
Tische gesessen liaben.
Da die ArbeiLstcitung in der Gesellschaft jener Zeil, wo es noch kernen
Handwerkerstand gab, s'» wenig fortgeschritten war, muss jeder einzelne Hof
der Schauplatz einer lebendigen und mannigfachen Wirksamkeit gewesen
sein. Ausser den Geschäften, die Bau und Wirtschaft des Feldes mit sich
fahrten, mus&lc in einem jeden griVsseren Heimwesen gemalilen werden, ge-
backen, gebniut. gesponnen {nachdem Wolle und Flachs der mitwendigen
vnrau-sgehenden Behandlung untertt'orfen waren), gegerbt, gefärbt, gewalkt.
Der Hof liatte seine eigene Schmiede, Kunstfertigkeit in Metallarbeitcn und
Holzschnitzerei war sicher auch allgemein vertreten; femer waren gewöhn-
lich einige der dienenden Mönner damit beschäftigt duah Fischerei u. s. w.
zur Wrsoigung *ies Hofes beizutragen. Ja in der Vikingerzeit erhielt die
Haushaltung an nelen Orten eine regelmJlssige Stütze dadurch, dass <lcr
Hausherr mit setnt.ii Mannen im Frühjahr, nachdem er die Äcker besät,
\md im Spatsommer, nachdem er die Ernte abgeschnitten hatte, auf seinen
Schiffen auszog, um Beule zu gewinnen. — Nach votlbraditetn Tagewerke
versammelten sich die Mitglieder des Hausstandes um das Herdfeuer; hier
wurden die Alten an dem icilweise entblössten Körper wann gerieben, lüer
wurden die Feuchten getrocknet und hier wärmte man wieder die erstarrten
Glieder {baiasi lid eld). Das Herdfeuer hat man sicher damals wie auch
später wjrgsara gehütet, so dass es nie ausging, und es des Nachts sorgsam
zugedeckt, nicht allein aus praktischen Rücksichten, sondern eben so wohl
Gcrmulscbc Phitol«rk IIL 2. Aufl. 9
4S0 Xn. SriTB. I. Skakdinavisces Verhältnisse.
in <3em Glauben an seine hrschützendc Macht. T)«>(4i hat tiwn auch and*!re
Beicuchlunj;, nameiiüidi Lam|>eii {imfa) von derselben cinfuchen Kunsinik-
tiou gekannt^ welche in gewissen Gegenden fast bis heute sich in Gebrauch
erli.iUen hat: sie bestehen aus einer offenen ovalflachen Schale mit einer
Art ScluK'ppc. die dem freischwimmenden Duchl zur Unterlage dicnL
Die Frauen naljinen den Heimgekommenen das ArbeilfUüeiig ab, wahrend
jede Pereon des weiblichen Gct-indes einen oder melirere Männer zu be-
dienen {pi'ötta) hatte; sie sorgten dann für ihr Zeug und zogen ihnen un-
zweifelhaft auch wie nnrh jetxt auf Island die Kleider aus, wenn sie zu Beit
sollten. Dass die Frauen die Köpfe der Müimcr wuschen und a-iuigtcn, »-ar
auch atigemein.
Die Betten {nim, hvila, itmg, rekkj'a), wuriii die Mitglieder des Haus-
standes die Nacht über die notwendige Ruhe suchten, licfanden sich in der
Regel in dem skdti benannten GeliJlude (vgl. § ly), wo sie die sogenannten
Sit aufnalinien, welche durdi niedrige Bretterwände iu kleinere Sclihifplatzc
oder Hetistellen abgeteih waren. Diese wari-n mh Stroh oder Heu gefüllt,
und auf diesem Strohlager selbst scheint man ;<uueilen ohne eigentliche
Bettklcider gelegen zu haben, entweder in einer Art Schlafbeutel [hiii/at;
solche wurden jedoch besonders auf Reisen oder zur See gebraucht) oder
mit Tierhäuten oder seinem Mantel über sich. Doch fanden sidi bei allen
besser Gestellten ordentliche Betlkleider: Betten und Kissen mit Heu ge-
stopft, Federn, Daunen, Laken von Friess und Leinwand, Decken, ja sogar
Bettvorhange. Bewegliche Betten waren äusserst selten. Jede Bettstelle war
auf mehrere l'ersonen berechnet und da»welbe Hans oder Zimmer nahm
IVUinner mid Frauen auf. Die im S^hlafliau^ häufig vorkommenden, vom
Hauptniura durch Bretterwände abgetrennten »geschlossenen Betten« (/oMr/'/wr,
lokirikjur) waren m Wirklichkeit khune Kettkammeni, zum Versi hlie.ssen ein-
gerichtet, mit einer Thor und oft mit Platz für mehrere Betten; auch Fenster
werden in ihnen cn^'üluit.
§ 35. Ungeachtet die Lehensanschauung der Nurdlandcr. wie sie sich
in der altnordischen Literatur zeigt, eine an Misstrauen grenzende Vorsicht
als sicherste Grundlage für die Lehensführung einprägt, so dass man zurück-
haltend in seinen Äusserungen war, jeder sicli selbst der nächste, Bclses mit
Bösem wie Gutes mit Gutem vergalt, vcrliindertc dies doch nicht, dass die
Solidarität, welche notwendigerweise die einzelnen Mitglieder einer Gesell-
schaft mit einander verbinden muss. auf viele Arien ihren Ausdruck fand.
Unter einer der ans|jrcchen(lsten Formen tritt diese in der grossarligcn Gast-
freiheit auf, welche den Reisenden erwiesen wurde. Diese war um so mehr
mitig. als Wirtshäuser (ausgenommen die sogeriaimten skylmngsstofur, welche
an KaufpL'ltzcn sich allmilhlich einwickelten, und die unbcwoluUen Berg-
hSusvr {sü/uhis, saluhüs) hier und da auf den Wegen über öde Bei-gstrecken)
nicht bckaimt und gleiv^hwohl Reisen sowohl in Geschäfts- als in Familien-
angelegenheiten teils zur See, teils zu Lande sehr allgemein waren. Reiste
man zur See in grosseren Schiffen, su galt es ja im allgemeinen nur einen
Hafen für die Nacht zu finden; den notwendigen Schulz verschaffte man
sich durch Ausspaimen einer Art Zelt (//c/(/. Sing, tjald) über das Schiff.
Erst wenn es während einer längeren Reise notwendig war, am Schiusa des
Sommers die Mannscliaft an einem fremden Orte einzuquartieren, musste
man auf den Beistand der Umwohnenden rechnen. iVfit Landreisen war es
anders. Üb man zu Pferde fortreiste oder im NVinter zu Fuss oder auf
ScJmeescImhen (Wagen mid Schlitten wurden nur ausnahmsweise als Be-
förderungsmittel für Menschen gebraucht), so mtLsste man in der R^el auf
I
die private Giistfreiheit rechnen, und keiner konnte al)ge*iesen werden, ohne
dass der Üclrcffcnde sich den schmSliticIten Ruf der KiUjtlicil zuzu^. Da-
gegen war CS eine Ehre ita einen Haiuherra, dafür bekannt zu »ein, das»
sein Haus für alle offen strtnd. Der Reisende konnte jeiindi nicht gleich
eintreten, sondern mussle ankl'.jpreii und erst auf eine EinlaJung hin durfte
ci uühei treten. Man lies» jetzt den Fremden sich uni/ielien und führte
ilm zu seinem Sitz, worauf weder Speise nuch Trank j^esiwirl wurde. Ein
bewundere» Zeiclicn von Güte war es, dass Hausherr und Hausfrau dem
Fremden ihr Bett überÜcssen. Kür ttnpassend wurde es angesehen, den
Fremden nach Namen und Gesdiaft aiu>/ufragen, ja selbst Uekaimtc kamen
gewöhnlich erst hei der Abreise mit dem Gt*sch.'lft liervcr. Unpas-Hcnd für
den Reisenden erschien es, mehr als drei Nachlc im demselben Orte zu
verweilen. Bei der Abreise half man tlera Fremden uneigennützig mit
frischen Pferden u. s. w. und begleitete ihn auf dem Wege. Eine beson-
dere Klasse Menschen, die uinherslrcifenden Bettler (s/a/iar/ar. gp/iffumatn.
gfitgiiAonur), lebten jedoch au-sschliessüch, intlrm sie von Hof zu Hof zog«i,
wenn sie aucli redillos und uacli dem Gesetz strengen Strafen verfallen
waren, soweit sie nicht zu der Klasse von Armen gehörten, welche durch
solchen Umgang versiirgt werden sulUen.
FesiUUie Zusanuneiikünftc oder Gastmähler {Öüäj veixia), sei es xu reli-
giösen Zwecken, aU gegenseitige Ehrenbezeugungen oder zur Zcnitreuung,
spielten unter den alten Notdlandera eine bedeutende Rolle. Anktss und
Anordnung kuimten diesen Gastmählern einen mehr oder weniger öffent-
lichen oder einen ganz privaten Charjikler geben; man kannte so neben den
voo eitUEclne» veranstalteten Festen Gelage, zu denen alle zusammen-
schössen und solche, wo nach einem bestimmten Turnus jeder die ganze
GeseJLschafi verkr»stigie; einige wie (\us Julmahl waren an bestimmte Jalires-
zeiten geljunden und kehrten r^elmössig wieder, andere wurden durch ein
zufalliges FamiUcncreignis veranlasst; im allgemeinen sali man wühl das Spfll-
jahr für die bequemste Zeit an. Die gewöhnlichen GaslmAliler wurden nach
\'orausj{cgangener Einladung, oft mit langer Ankündigung, gehalten und
dauerten oft eine «»der mehrere Wochen, in welcher Zeil eine zahlreiche
Menschenmenge auf dem betreffenden Hof vers;mimelt war. Bei ihrer An-
kunft fanden die Gaste grossen Vorrat an Speise und Trank lierbeiKebrachl,
gleichwie auch das Fesitokal, welches entweder des Hofes sio/a oder ein be-
sonders zu diesem Zweck aufgeführtes Gebäude war, auf das liesle ge-
schmückt war: dawaren glühende Langfeuer (/««^^/i/ar), welche den mittclstCD
Teil des Bodens fast seiner ganzen Lange nacl» einnahmen, strtthl>estreuter
Boden, aufgehängte Wandteppiche {t/^iä) und mit PoUtem oder Decken
belegte Sitze. Die Bewohner des Hauses empfingen die Fremden und nah-
men das Reisezeug in Verwahrung. Bereits die Sagas kennen den spÄter
auf Island si.> allgemeinen Brauch sich durch einen Kuss zu begrflssen.
Eine wichtige Sache war es, den GiLslen Platze nach ihrem Stand und An-
sehen aiumweisen, so dass keiner sieh verletzt fühlte. Der Hoclisitz des
Hausherrn wurde jedoch nur ausnahmsweise einem Fremden eingeräumt
Das GasUnatU wurde dadutcli eingeleitet, dass der Hausherr einen Friedens-
sprtich Ober das Mahl sprach, Waschwasser herumgetragen und danach die
Tisdic aufgestellt wurden, so dass die losen Bänke (/orste/t). wn solche be-
nutzt wurden, die äussere Seite der Tisdie einnaluncn und die hier Sitzen-
den den Rücken dem Feuer zuwandten. Schnell wurden jedoch die Tisirhe
und die auf ihnen stehende Speise wieder fortgenommen, und jetzt begann
das Trinli^elage, des Gastmahls wichtigster Teil, woher auch das Gastmahl
29*
452 XII. Sitte, i. SicANDtNAViscuE Vermältkisse.
oft schlechthin ^i (uBier«) oder drykkja (»Trinken«) genannt wird. Man
brachte Gesundheiten, in heidnischer Zeit zu Ehren der Göttcrf aus. Übri-
gens trank m;ii> auf verschiedene Weiso werliselseitig, entweder alle zu-
samiuen {svriiarilrykkja) oder der eine trank dem andern zu und reichte ilim
dann das halhgdehrtc GefSss, oder es thaten sich auch zwei und zwei, ge-
wöhnlich Narhbam oder Nebenmänner, für den ganzen Abend zusammen
und veranstalteten eüi Wetttriiiken [drekka ti'imftjnin^). Zuweilen waren
Maiuier und Frauen paarweise gesetzt utmj tranken da,nn mit einander ft-/-
menningr. Die Gaste wurden auf verschiedene Weise aufj-emunlcrt zu trin-
ken; so konnte es eine Verpflichtung sein, bei jeder Gesundheit, die ausge-
bracht wurde, ein Hom zu leeren, oder es wurden zuweilen Strafen festjre-
seizt für jedes Hom, das nicht geleert wurde. Man konnte auch verurteilt
werden zur Strafe ein Hom zu leeren; si> wurden beim Gefolge der nor-
wegischen Könige zur Julzeit Übertretungen der täglichen Hausordnung gc-
büsst, indem der Schuldige, auf dem Stroh sitzend, das Strafhom {vüishont)
leeren mu.sslc, Wo man mit verschiedenen Getranken bewirtete, begann
man mit dem gewöhnlichsten und Hess dies dann spater von selteneren
und kostbareren Sorten ablösen. Ein Öusserster Rausch mit dem, was dazu
gehörte un;l daraus folgen koiuitc, beschloss gewöhnlich den Abend. Doch
war mit dem Gastmahl auch geistige Zerstreuung verbunden. Beim Ge-
lage wirden Lieder hergesaßl, von eigenen Thaten berichtet «xlcr Sagas
u. dergk erzählt oder man nahm den manju/naitr vor, d. h. man verglich
zwei bekannte Münner mit einander oder sich selbst nut dem einen oder
dem andern der Anwesenden, was jedoch ein gef'ihrlichcr Spass war, der
oft unangenehme Folgen hatte. Bei den grossen Gastmühlcm wurden auch
feierliche Gel[\bde abgelegt, in heidnischer Zeit an die I-rerung de* bragar-
fuH genannten Becliers geknüpft. Beim Schlüsse des Gastmahls erhielt jeder
der angesehenen GlLsle ein Geschenk, das ihm von Wirt überreicht wurde,
wenn derselbe, nachdem er den betreffenden auf den Weg gebracht hatte,
Abschied von ilun nahm.
§ 36. Dass Leibes- und Waffenfllnmgcn bei den allen Nordländern, bei
denen die Kftrperknift und Starke so hoch angesehen waren, eine grosse
Rolle spielen mussten. ist selbatverstandlich; in Wirklichkeit waren Übun-
gen und Spiele auch der wichtigste und heb'^te Zeitvertreib der männ-
lichen Jugend. Unter den Waffen üb unjien kunncn liervurgehoben werden
Bogenschicssen (hognskot). Stein- oder Sjüwwwerfen {hjndskai) und Fechten
{skytmin^). Dagegen bietet die Sagalitenitur kein Zeugnis dafür, dass künst-
liche Reitübungen Eingang gefunden hatten, obgleich Reiten beliebt war.
Den Waffenübungen nahe stand der sogenannte imm/uixaleikr, die Kunst
mit mehreren kleineren Schwertern spielen zu können, so dass ein immer in
der Luft war, was sehr bewundert wurde Ausserdem Übte man sich im
Springen {khujf/), Schnell laufen {ska'ä). Schwimmen [snn<i)\ man lief auf
Schneeschuhen {skia), auch Schlittschuhe von Dein (fs/rgf.-ir) waren bekannL
— Vun den Spielen war wohl das Ringen (Ji'^f(, gUma) das gewöhnlichste
und besonders Hiirde die mehr künstliche ^//wri littrieben, bei der es ebenso
sehr auf Geschmeidigki-ii wie auf Starke ankam. Die Gegner, welche wahr-
schciidich wte die Isländer heute einander mit der einen Hand in den
Husenbund, mit der andern an den Schenkel fassten, suchten teilweise
durch Rucke mit den Armen, aber namentlich durch verschiedene unvcr-
muiete Schhlge mit Füssen und Beinen, die sogenannten Ringk-niffe {br^gd.
Sing. bra^S), einander zur Erde zu werfen. Doch wird fast noch öfter Ball-
spiel {knaUieikr) crwalint. Zu diesem Spiel versammelte man sich oft in
GastmAulcr. LeibesObungek. Spiele.
453
I
grosser Menge and spielte es auf einer weiten Ebene oder auf dem Eise.
Zum Spiel gelierten ßalt {kn^ftr) und ßallholz {inatllre), aber die Spiel-
regeln gehen iiu übrigen niclil mit Klarlieit aus den alten Quellen hervor.
Man suchte su viel als ranglich ebenbürtige Gegner als Spieler einander
gegenüberzustellen; von solchen Hauptspielem sind jcdnrh wahrscheinlich
nur z«-ci auf ciiunal aufgctrelcn, vun denen der eine mit dem Ballhulz den
Ball schhig, wahrend des andf^m Aufgabe vermutlii-h die war, ihn zu f;xssen
und rurÜL-kzuieuden. Die Thaiigkeil der Übrigen Teilnehmer scheint darin
bestanden zu haben, dass sie ventuiiiten sich des Balles zu t)cmachtigen,
wcim er zur Erde fiel oder sonst Gelegenheit dazu gegeben wurde; vgl.
E. Mugk, Der sogenannte zweite grammatiscfu Traktat der Snorra - Bldda,
Haue a. S. 1B89, S. 24 — 26. Oft kam es zwischen den Spielenden zu
ernsten Auftritten und sowohl mit dem liarteu Ball als mit dem Ballholz
brachte man einander häufig Wunden imd Scliljige hei. Eine Belustigimg,
welche wie das Ballspiel viele Zuschauer versammelte, war der Pferdekampf
{hestavig, histaping)\ man Hess hier die Hengste paarweise unter Leitung
der Eigentümer kämpfen, welche die Aufgabe hatten sie zu stützen, wenn
sie sich auf die Hinterbeine stellten. Die Hengste bissen sich heftig und
nicht selten kamen die mil Treibstachel {hestaslafr) versehenen Eigentümer
gegenseitig in Kampf- Weniger angesehene Spiele oder solche, deren Be-
scha(fenh«t nur unvollkommen bekannt Lit, waren u. a. skinnUikr, reipitrAttr,
sk^futeiir. Tanz {dans. dansleikt) hat •*iA\\ erst gleiclizeitig mit der Verbrei-
tung der romantischen Volksliedcrdlrhiung Eingang gefunden. Im 12. Jahr-
hundert war er auf Island ganz verbreitet; es war ein Ringtanz zusammen
für beide Geschlechter, mit Gesang verbunden. Wo S])icie oder Lcibes-
Qbungen nach einem grossartigeren Masstab lietrieben wurden, errichtete
man auf dem Spielplatz (üiktj^/r) Buden {büitir. Sing, hii^) und Teilnehmer
und Zuschauer blieben da mehrere Tage versammelt
Eine Lieblingszerstreuung für die Nnrdl;indcr in freien Stunden war seit
alter Zeit WQrfelspiel und Brellsplcl. Würfel und Bretspielsteine ge-
hören zu den gew/lhnlichcn Gegenstaiulen der an-haologischcn Fimdc aus
dem Eisenzeitalter und in der Sagalileratur finden diese Spiele häufig Er-
walmimg. NamcnUich war das Brettspiel U<^ ausserordenllich beliebt;
die gcwöhnlic-he Art scheint hrif/ntaß gewesen zu sein, das mit Steinen
{t^fitir. Sing, taßa) von zwei Farben und einem K5nigsstem {hnefi) gespielt
wurde. Ziemlich früh scheint auch das Schachspiet liekannt geworden
zu sein. — Für Musik ist dagegen der Sinn vcrlialtnissmilssig wenig enl-
vrickelt gewesen. Wohl wird bereits in alten und echten nordischen Quellen
die Harfe {harpa) genannt, aber in hlstnrischer Zeit scheint sie nicht \'iel
in Gebrauch gewesen zu sein; es muss angenommen werden, dass die
Dichter ihre Lieder ohne Begleitung vorgetragen haben. Ebenso wenig
kaun man annehmen, dass der Gesang besonders ausgebildet gewesen
Sei, und e^cntliches Singen gehört zunächst den Zaubcriiedem {ga/är) tXL
Der Gesang im christlichen Gottesdienst machte deshalb aucli einen ausser-
ordentlichen Eindruck auf die Heiden. Späterhin kannte man an den
Höfen Spielleute {leikarar), welche auf Saiteninstrumenten ißig/'ur, ßdiur^
spielten und auf Flöten {ß>ipur) bliesen, aber sie wurden für ebenso vcr-
aditliche Pcrwmen angesehen wie die Gaukler (titUi^ir), welche einem gleich-
zeitigen Gedicht zufolge bereits am Hofe Haialds ScliOnhaar (ca. 900) Künste
mit ohrcnlosen Hunden und flammendem Feuer machten. In den Heeren
»nirde das KriegHliom [hidr) gebraucht, das bereits unter den Funden des
Brocuczeitalten vurkummt.
454
XU. Sitte, i. SKANniXAVistiHE Verhältnisse.
Eine eigene Stellung zwischen Übung und Zerstreuung nahm die Jagd
(r«d!>-) ein, die besonders für Könige und Häuptlinge eine beliebte Belusti-
gung war. Man jagte teils mit Hunden, teils mit Falken oder Habichten.
Die Hunde, deren Wartung zuweilen Knabtrii aus des Hiluptlings eigenem
Geschlerhte anvertraut wurde, wurden zusamraengekoppcil gehalten bis sie
auf das Wild losgelassen werrlen durften; die Falken und Habichte, welche
zur Vogeljagd gebrauL-ht wurden, trugen die Jagenden auf dem Ann und
diese Vögel waren im Norden Gegenstand einer gidchen Bewunderung wne
anderswo.
tu, wirrscH.\Fi-.
§ 37. Viehzucht. Der wichtigste und neben der Jagd und Fischerei
zugleicli älteste NalirungSÄweig der Bewohner des Nordens war die Viehzucht.
Dies gilt je<ioch in noch höherem Grade fOr Norwegen und Island als für die
anderen nordischen Lander. Aber selbst in Dänemark, das sich am besten für
Feldwirtschaft eignete, sull der Getreidebau nodi zu Beginn des 12. Jahrlis.
ziemlich gering gewesen sein und der Reichtum des Volkes hauptsächlich in
Vielilierden bestanden haben. Unter dem Vieh [kvik//) betrachtete man wieder
das Rindvieh {nantf/) als dasjenige, was die grßsste Bedeutung für den
Bauen» hatte. Dies gilt besonders von rlcr Kuh {Hr)^ die als das wichtigste
Haustier urs]3rünglich die Gnmdlage für alle Wertberechnung bildete, indem
man sie als Weneinheit .setzte {itigi/ifi, Hrla^), nach welcher der Wert an-
derer Haustiere und Waren bestimmt wurde (§ 64}. Die .\nzahl der Kühe
und Ochsen konnte txd einem einzelnen Bauern oft sehr gross sein. So soll
ein norwegischer Uauer um das Jahr cpo 540 Ochsen besessen haben. Selbst
auf Island wurden bei mehreren Bauern (jo bis 120 Kühe erwähnt und her-
vorgehoben, dass eine Anzahl von 7 — 10 Küheii als ziemlich gering ange-
sehen wurde. Da-ss auch hier Kühe und Ochsen für den wichtigsten Be-
standteil des bauerlichen Viehstandes galten, geht u. a. daraus her^'or, dass
nur diese, doch weder Stihafe noch Pferde, bei der, nach den Gesetzen des
Freistaates in jeder Kommune bestehenden, gegenseitigen Vieh- und Feuer-
versicherung versichert waren. Hinsichtlich der BeliandJuug des Rindviehs
kann bemerkt werden, dass das trockene Vieh {gelänevli) und das Jungvieh
{nngtiey'ti) im Sommer in die Berge auf die sogenannten RinderweiJeii {/lau/a-
afre'tir^ getrieben wurde, wo man es sich .selbst übertiess. Nur die Milchkühe
wurden ent^veder zu Hause beim Gehöft oder bei einer zu demselben ge-
hörigen Sennhütte gehütet, wo sie jeden Morgen und Abend auf einem
hierfür eingehegten Platz {sl[>duU, s/^<fii/^erifi ) geinnlkcn unirden. Ja selbst im
Winter scheint man im allgemeinen rmr die Kühe im Stall gehalten zu haben,
wahrend die trockenen Tiere meistenteils für sich selbst sorgen musstcn oder
doch Jedenfalls zum Grasen hinatu auf die Flur gelrieben u'urden. Kam
dann ein sehr strenger Winter, so konnte es den Eigentümern auch schlimm
ergehen, da das Vieh vielleicht vor Hunger starb oder geradezu erfror und
unter dem Schnee begraben wurde. Da so das Vieh einer ganzen Gegend
gemeinsam auf den weit ausgedehnten Triften weidete, musste jeder einzelne
Besitzer, um sein Vieh nieder zu erkennen, eine bestimmte Ohrmaike (ntfivJVs-
mari) haben, mit der es versehen wurde (§ 38).
§ 38. Nächst dem Rindvieh war das Schaf {/irrsattdr, //) dasjenige Haus-
tier, das für einen Bauern die meiste Bedeutung hatte, denn von itim konnte
er eigentiich alles bekommen, was er zum Lebensunterhalt gebrauchte, Wolle
zu Kleidern, Fell zu Schuhen und Fleisch, Fett und Milch, weldie leutere
Viehzucht.
453
wieder zu v-erschiedenen Molkcrcipmcluklcii umgestaltet werden konnle, zur
Nalirung. Für wie wichtig man die Scliafe lür lien isläntiischen Bauern
hielt, geht am deutlichslen danius hen-nr, das» sich an den Besit2 von
Mildiäciiaft-n gewisse staatsbürgerliche Richte knüpften. Vielleitlit Ui aber
die Schafzucht auf Island, im Verhältnis zu anderen Nahrungszweigen, nt>ch
bedeutender gewesen, als s<:)nst irgendwo im Norden, und fast alle Aufschlüsse,
die sich in der allen Ute-ratur darüber finden, gelten Island. Der Bestand
an Schafen war hier oft sehr bedeutend. So ist von 600 bis 2.400 Schafen
bei onero eitueincu Bauern die Rede, welche leutere Zalil indessen als etwas
exc^tionell bezeichnet mrd, was sie sicherlich auch gewesen ist. Dagegen
scheinen bei wohlhabenden Bauern 200 — 4cw .Schafe sehr häufig ge-
wesen zu sein. Die trockerien Schafe {^Id/e) wurrlen im Frühling auf die
Ben?e getrieben {rcka /^ ä ßall) oder auf die entfernter liegenden Geineindo-
weiden {aß^ifr), wahrend die weiblichen Schafe {dsatutr, ,rr) «laheim in der
Nahe des Gehöftes gehütet wurden. Die Zeit des Limmiens begann in der
RcgeJ im Mai und wcim die Lilmmer etwn 14 Tage alt waren, fing man an
sie tu entwtlhnen {sUn), indem man sie von nun an nur am T.ige zu den
Multerscliidcn geben Hess, wulirend sie des Nachts in den sogenannten Ab-
spemingsstall {suAir) gesperrt wurden. Diese Entwöhn ungszcit wurde die
«Zeil des Abspemingsstallcs« {sukktüt) genannt, welches auch der Name für
einen der 12 Monate des Jahres wurde. In dieser Zeit wurden die Lämmer
mit Ohrenmarken {fvrttamari, Fttthmii) versehen, indem jeder Kigentümer
seine besliniinte Marke hatte, die sich vom Vater auf den Sohn vererbte.
Diese Marken besmnden teils in verechiedenen Einschnitten in die Ohren,
teils darin, dass kleine Stücke vun verschiedener Form aus dem einen oder
aas beiden Ohren herausgeschnitten wurden. In der Absperrungszeit werden
auch die Widdedltjumer verschnitten {^eida\. Ein (»aar Tage nachdem dies
geschehen war, begann man die U4mmer auch am Tage am Savigen zu ver-
hindern, was raun dadurch erreichte, dass man sie aknelicUe- \kefln), d. \\. man
band ihnen einen cylinderförmigen PfkM^k {ke/W) in den Mund. Ungefähr
um Mitsommer trat die Zeit der gänzlichen Treimung \Jriifimtr) ein, wu die
Lammer ganz von den Mutterschafen fem gehalten wurden. Danach wurden
die Lammer eine Woche lang auf einem eingehegten Weideplatz {fnmha-
hagi) bewacht, um sie daran zu gewöhnen, selbst das Gras zu suchen und
für ihre Nahrung zu sorgen, worauf sie. ebenso wie das erwachsene GaltWeh,
in die Berge getrieben wurdL-n. In einzelnen Fallen liess man jedoch den
Mutterschafen ihre Lämmer den ganzen Sommer hindurch und dann wurden
sie ebenfalls in die Berge getrieben. Ein solches Schaf hiess »Saugescliaf«
{tiiiJkar) und das Lamm >Saugelamra« {diiir) und dieses wurde ni<:ht mit
Ohrenmarken versehen. Wenn die Lammer von den Mutterschafen getrennt
wurden waren, wurden letztere den g:mzen Sommer entweder in der Nahe
des Hofes oder bei einer Sennhütte gehütet, wo sie jeden Morgen und Abend
in einer dazu bestimmten Sch;dhürdc {ktiar, sing, km) gemolken wurden. Im
Herbst wurde das Galtvieh vi»n den Bergweiden zurückgeholt [heimta // ,jj
fiaüi, ür afriti). Die Schafe wurden da nach einer bestimmten Stelle ge-
trieben, wn für jede einzelne Gegend eine grosse gemeinsame Hürde, eine
»Sortierungshürde' («■?/, Ig^re'it) aufgeführt war; diese bestand aus einer sehr
grosBCD langgestreckten HauplhOrde aimenningr (>Almende*) genannt, um-
geben von einer Menge Einzelhürden, die alle in die Haupthürde mündeten.
Jede der EinzcUiOrden wurde »Saugelamm« {dtlkr) genannt, indem man die
ganze Hürde mit einem Mutterschaf mit mehreren saugenden Lämmern
veq^cb. Die Schafe wurden nun nach und nach, wie der Raum es erlaubte,
456 Xn. Sitte, i. Skandinavische VerhXltnissb.
in die Haupüiflidc gclriclieii, uoi liier sortiert zu wt-rdcii, imlL-m jeder Eigen-
tümer seine Schafe an den Olircnmarken erkannte, und man sammelte nun
die Schafe eines einzelnen oder einiger wenigen Bauern, sobald man sie
fand, in die Einzelhflrdcn {draga saiutt). Im Winter wurden die iJlnimer,
die Widder und zum Teil auch die weiblichen Schafe im Stall gefüttert,
wahrend die Hammel meist drausseii auf der Flur für sich selbst sorgen und
hier die Schneedecke fnrtkratzen mussten iJtrnpx^j), um zum Grase zu ge-
gelangen, und da w;ir es vun grüsser Wichtigkeit, einten gutcu Leithammel
{fotyslusituitr, /oiysiiigtiäingr) zu haben, der starker war als die anderen und
ihnen den Weg bahnte. In der ältesten Zeil Hess mau sogar oft alle Schafe den
ganzen WTntcr draussen laufen und für .sich selbst sorgen {gan^a sjdi/ala),
wobei man höchstens irgendwo draussen auf der Weide einen grossen Stall
für sie aufführte, wo sie im Kall starken Schneesturmes oder Unwetters
hinflilchten und Schutz finden konnten [saudahvrgi). War aber der Winter
streng, so erlitt man natürlich fühlbare Verluste und dies fülirtc dazu, dass
man allmühiich dieses Verfahren aufgab und für alle Schafe ordentliche Ställe
{saudahiis) zu bauen begann, «'o sie nachts untergebracht wurden und nüligen-
faJls etwa.s Heu lickamcn, w.'thrcnd sie am Tage von einem Schafliirtcn
{sauäamadr) riraussen geweidet wurden, der sie zu den Stellen führen *jllte,
wo das Gras am reichlichsten und die Schneedecke am dünnsten war.
§ 5c;. Ausser Rindern und Schafen halte man an \'ielen Orten auch eine
bedeutende Anzahl Ziegen i^itfe. i^n/sitinfr) und Schweine (si-in). Besonders
in Dänemark und Südsi:hwcdcr war die Schweinezucht sehr betleutend;
sie wurden hier im Knilijahr, wie t-s in Mitteleuropa Schick und Brauch war,
in die grossen Buchen- und Eichenwalder getrieben, wo sie vortrefflich ge-
diehen. Ahpr auch in Norwegen und auf Island hatte man eine recht lie-
deutende St hwcinczurht. Ausserdem besass jeder Bauer in der Regel eine
anselmliche Anzahl Pferde (//«//■); dies war ilas Tier, welches die Nordlander
am allerliebsten hatten und als das edelste ansahen. Man teilte seine Pferde
in drei Ilatipiklassen ein: Reitpferde {reidhestr), Arbeitspferde {i-erkhesti)
und Zuchtpferde {sfödfieslr), von denen hauptsächlich nur die Hengste als
Kampfpferde [lü^hesir) bei den häufigen Pfenlekampfen l§ 36) gebraucht
wurden. Da es für eine gmsse Ehre galt, Besitzer eines Herdes zu .tein,
das in vielen Pferdekämpfen oder Wettlaufen gesiegt hatte, verwendete man
viel Mühe darauf, gute Pferde zu züchten, und fast jeder Bauer hatte dazu
ein oder mehrere Geslüle [stöä), welche, wenn der Hengst vc»n besonders
guter Racc war, von anderen Pferden möglichst gelrennt gehalten wiudcn.
Die Behandlutig der Pferde vtat sehr verschieden. Gute RHipfcrdc und
tüditige K;nn[>fpfrrde wurden gc^fCittert und winters im Stall gehalten, während
Arbeitspferde in der Regel draussen auf der Flur gehen und srlbst für ihre
Nahrung sorgen mussten, so dass sie nie unter Dach kamen. Solche Pferde
i*-urden -Eispfcrdei itlaktjhross) genannt, Sehr allgemein hielt man einiges
Federvieh {u/i/i^/), besonders Hüluier (Wnjr) und Gänse {heirngtis, aiigäs).
Von anderen Haustieren kann he rv'orge hohen werden der Hund {hiuidr),
die Kiitze [ti/tlr) und auf Island und in Grönland einige zahme Bären
(aiihj^rnj.
% 40. Bei Leuten, die hauptsächlich von Viehzucht leben, spielen Weiden
und Heugewinnung natürlich eine grosse Rolle. Mit Rücksicht hierauf
wurde aller Boden in Hau^lanri oder Flur yhiiJarxi) und gemeinsame Weiden
{a/minrttngr,) afreltr eingeieili. Die Flur wmde wieder eingeteilt in Heu-
wiese {iiiitta, iUigja) und Weideplätze ibagi), w()zu als drittes das Ackerland
kam iakr, akrlanJ), wo man auch Ackerbau trieb. Die Heuwiese zerfiel ia
I
Viehzucht. Ackerbau.
457
eine Hauswk-sc [fün, tiinv^Ur), die gedüngt {te^a, mvk/a) und mit einem
"U'all {ftingtjrifr) umgeben war, der eine bestimmte Hi>he und Breite haben
mosstc {iffigarär), mid eine Flurv^iese {eng, tngt), die nidil gedüngt ^t-urde,
oft aber eingeliegt war und auf die. um den Grasunachs «i befördern,
Wasser geleitet wurde {irita ihUh ti eng. gera vei/nr). Die Weideplätze wur-
den eingeteilt in Somnierweideplütze itnmcrha^i). die besonders im .S«»mmcr
lOr das Melk\'ieh benutzt \nirden \hiifjärhagi), und Winterueideplatze {\ftr^
Aagi), die im Winter für das Galtvich dienten {getdßdrhagi). Ausserdem
konnten die WeidepUtzc nach ihrer Lage in Hau&wcidepiatze {hcimabagi)
und Hergweldeplütze (JjoUfiagi) oder solche, die weiter entfernt v<.im Gehöft
lagen \tithaffi), eingeteilt werden. Die Heuernte {hevunnit, he\-jrrk) begann
in der Regel mit dem Mähen der Hau^wiese (tiinannir. tp4iij'<rk), worauf
man an die Flurwiese ging {engireHi). Die wichtigsten Geräte bei <ier Heu-
gewinnung waren eine Heusense [ff], die an das Knde eines langen hulzemen
Schaftes {orf) festgeschnürt war. und ein Retrhen {hti/ä). War das Heu ge-
tiüc'knet, so wurde es in eine Heuscheuer (fieyhlaiJa) oder in eine offene
Einfrittligung \hn-gartir, siaikf-nnfr), die dann mit Grastorf bedeckt wurde,
gebracht, entweder auf Pferderücken in zusammengesclmürten Bündeln
{keyk(v/) oder auf einem Sclilitteu {keysleäi), einem N\'ageJi {vagu) oder end-
lich auf einer -Schleifbahre« Ovtgar, vfgur), einem sehr cigentOmUchen Fuhr-
werk von einfacher Kunstruktion, das auf Irland nixh bekannt ist.
§ 41. .\ckerbau wurde in der \'ikiiiger- uml Saga«-it im ganzen Nor-
den gelrieben, doch war die Rolle, die er für jedes einzelne l^ind spielte,
von hOrlist ungleicher Bedeutung. In Dunemurk und Südschweden war die
Ac^eibeslcUuiig weit mehr entwickelt als an anderen Orten. Doch scheint
der dflnis<-he Ackerbau hinter dem deutschen etwas zurückgestanden zu
haben, was aus den Aussprüclien einiger baml »erwischen Geistlichen im An-
fange des 12. Jahrhunderts hervorgeht, die den danischen Getreidebau als
xiemlich gering bezeichnen (vgl. § ^7). Andererseils stand der norwegische
Ackerbau weit hinler dem dänischen zurUck. obgleich der Ackerbau auch
dort ziemlich über das ganze Land verbreitet war und schon weit zurück in
vorgeachichilichcr Zeil Iwtrieben worden sein muss. Mwr der Krirag war
oft ziemlich gering und es wurde an eidigen Orten als eine besonders zu-
XricdenstcUende Ernte ang(;sehen,. wenn man soviel Kom erlüelt, dass die
meisten ausser dem Bedarf für ihre Haushaltung noch hinreichend Getreide
zum Saatkorn i/neiom) für das nächste FrUhjahi liatteu. Dass oft grosser
Mangel an Saatkorn gewe-.sen i^t, geht auch aus einer Bestimmung in den
norwegischen Gesetzen hervor, die darauf hinzielt, den Leuten das.selbc zu
sichern. Oft .schlug die Saat auch ganz fclil, was besonders im nordlichen
Teil des Inindes haufy* geschah, und man musste sich dann au^ihelfen. indem
man entweder Getreide von den Orten, wo die Enitc reichlicher gewesen
■war, einkaufte, oder durch Einfuhr vom Austand, von wo man gewiss sdbst
guten Jahren ein Quantum KiTu hat enlnchmen müssen. In Dänemark
die Getreidecrmte in der Regel so reichlich, dass man von lüer Korn
Dach Norwegen ausführen kuunte. Auch in Island wurde ziejnlich in allen
X-andeaieilen von seiner Besiedelung an bis herab zum Jalire i6oo etwas
Ackerbau getrieben, obgleich er dann in den letzten paar Jahrhunderten
ziemlich unbedeutend gewesen ist. Wie vielfach aber der Ertrag des isländi-
ftcben Getreidebaues gewesen Ist oder ob die Arbeit und die Kosten, die der
U'-kerl>au inil sich fülirte, im Verhältnisse zu anderen Nahningszwdgen It.h-
'nend gewesen sind, darüber hat man keine Aufschlüsse. Dodi kann maii
aehcu, dass die Ernte gewülmlidt sehr unbedeutend gewesen und die Saat
45^
xn, StTTE. I. Skandinavische Verhältnisse,
oft /flil^'fscdlagfu ist, dfnn es wird von einzelnen besonders fruditbaren
Äi kern als etw;is ganx einzig dastebeniles hrrvurge hüben, ciass sie jedes Jahr
reifes Kom gelra^n hiiben.
§ 4J. Die Getreidearten, die man baute, waren: Gerste (h'^), als die
Alteste Getrcideari oft »Kom» [itont) genannt, Weizen {Avetfi), Roggen {nigr}
und Hafer [kafri\. Die zwn zuerst genannten (Gerste und Weizen) wurden
im Norden von <ien nlte-sten Y.oiWw an gfhaut, was snw.iiil aus der alten
Literatur wie aus neueren arrliaolugisrlieii Untersuchungen her\'(.irgcht. Da-
gegen sind die beiden letzten Getreidcarten (Roggen und Hafer) im Nor-
den nicht sehr alt Es iSsst sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob sie
hier schnn in heidnischer Zeit lkUt erst nach Einführung des Cliristentums
angebaut wurden, was aus den Aufschlüssen der aiu-n IJteratur am ehesten
her\'fjrzugchen suJieint, Hirse {hirsi), die in vodiisturischer Zeit angebaut
wurde (vergl. § 2), wird nur einmal in altnordischer Literatur (in einer /u/rz
in Siiorra Edda) genannt. Ausser diesen Getreidearten baute man in der
christlichen Zeit mehrere andere Feldfrüchte, we Erbsen {trtr) und Bohnen
[batmir], auch Rüben [mfput], wogegen tüese in den 'lagen des Heidentums
siclicriii:h niclit gebaut w« mlcii sind. Vun Gespinstpflanzt-n wurden schon in der
heidnisclien Zeit sowohl Flachs (Äj>'r, //«) als auch Hanf (Artm/r) gebaut Eigent-
lichen Gartenbau erhielt man erat einige Zeit nach Einführung des ChristenttmiSr
dttch finden sich schon in der heidnischen Zeit einzclue Spuren einer ge-
wissen Gartenanlage in den sogenannten Krautergarten igmsgarär), wumit in
der illlesten Zeil nur eingelicgte Plätze bezcitJuict wurden, die zum grössten
Teil mit Gras bewachsen waren, wn man aber gleichzeitig gewisse besonders
beliebte Pflanzeu zog, teils essbare, teils einzelne Zier[)flanzen und, wie es
scheint zuweilen einzelne Bllume. In den Krilutcrgärtcn scheint man vor-
nchralirh Angelika {/wfMn) und mehrere Arten I-auch {/auir) gebaut zu
haben, auch werden diese Gärten häufig unter den Namen Angelika-
gUrtcu ihvanngarär) und Lauchgärten {lauktif^arär) erwähnt Sogar auf Island
ist im Anfang des 11. Jahrhunderts von einem Lauchgarten die Rede. In
den KrSutergärtcn baute man auch ziemlich frühzeitig Kühl {käi), weshalb
sie zuweileji Kifhlgflrten {käi^atitr) genannt werden. Eigentliche Ohstgjlrtcn
{itliitii^i^artft) liat man dagegen kaum frtlher als im 13. Jahrhundert gehabt,
und selbst im 14. Jalirhundert fanden sie sich hauptsächheh nur bei den
Klfistem, Äpfel {ep/i) un<l Apfelbaume iapaldr) werden allerdings schon in
heidnisclier Zeit erwähnt hiermit sind aber sicherlich nur die gewöhnlichea
wildwachsenden Holzäpfel gemeint, die man damals im Herbst zu sammeln
und zu essen pflegte, wie es noch jetzt in einzelnen Gegenden Norwegens
geschieht Apfelgärten {.rph^rdr) werden erat uro das Jahr 1300 erwähnt
und der Anbau von Äpfeln kann kaum aus früherer Zeit als etwa der Mitte
des 13. Jalirliunderts datieren.
g 43. Der Acker {akr, eitra) war gewöhnlich in eine gewisse Anzahl
Ackertei]e (/^yr) geteilt die durch einen Ackerrain (oJtrfan) getrennt waren.
Er war in der Regel eingjliegt und hiess als solcher meist >Ackergehege<
{aJtrgfriti, ehusrräi). Man legte viel Gewicht (tarauf, ihn gut zu dUngeD„
und vor der Aussaat wurde er durch Umgniben zubereitet, teils mit Hülfe
eines Spatens und einer Hacke (f^a/a v^ll, brjöia j^rä tU ahm), teils durch
PflQgen {frja, p^öftjaS, und darauf mit der Egge geebnet. Die Säezeit Udit-
iid) begann im günstigsten Fall zu Ende iles Ajiril, im schlimmsten Fall aber
in iler zweiten Hälfte des Mai, indem man sich in dieser Hinsicht nach
der Witterung richten musste. Roggen und teils auch Weizen wurden so-
wohl im Herbst als auch im Frühjahr gesäet denn sowohl Winterroggcn
I
{vttntigr) als Winierwcizen werden erwähnt {letzterer jedoch nur einmal in
einer lateinischen Quelle: tritüum Jivfmn/e). Das Mshen {icrHsturth; kom-
ttätta) oder die Erntezeit fiel in der Regel in die zweite Hälfte dea August
und den Anfang des September. Üas Oetrcide wurde zuerst in kleine Gar-
ben {kombuntiin, mli\ ^esainmelt und darauf geschubcrt \skryfa, skrtvfa kom),
worauf es später heimgefahren und in gnase Schober Kkotnamstr^ kortivirii,
kont^rjr) oder Komhelme \korHhjtUmr) gebracht wurde. Zu Anfang des
Winters wurde es dann gedroschen {pnsk/a\ auf einer Tenne {läfi, tä/agar^),
worauf CS in einer Scheune {komhhäa, komküs) aufbewahrt wiirtle. Wurde
aus dem Kurn Malz bereitet (mel/a), so liatie man dazu ein eigenes Ge-
bäude (meltuhüs), welches jedncli gewis-s meist mit dem Trockenhause oder
der Darre {kvfna) eins war. Saatwechsel sclieint ziemlich frtt}i dbUch ge-
wonlcn zu sein ; die Saatfolge war dann die, daiut man auf den Acker, der
brach gelegen hatte {ir^ä). zuerst Gerste und dann Roggen sücte. Bei den
Äirnercn waren die Ackergerate sehr cinfatti. Statt tieii Boden zu pflügen,
»iirde er bei ihnen nur mit Holfe eines Spatens {rtka) und einer Harke
i^tr/', päU) umgegraben, welches ursprünglich gewiss die einzigen Ackcr^gerüt-
schaftcn waren, die man kannte.
Schon zu Anfang der Sa^azeit hatten jedoch alle besser situierten Leute
ein Pflügewerkzeug, teils einen einfacheren Hackpflug (a/üfrl, ursprünglich
nur mit einem Pfliigeisen yantr/äni). wozu aber sp-lter ein Pflugme*ser
(ruiiU) kam, teiU einen regelrechten Pflug \J>i<>f;r), der nicht nur mit zwd
Pflugeisen {piiigjäm), sondern auch mit einem Streichbrett, einer Pflugsterze
u. s. w, versehen war und in allem Wesentlichen gewiss den jetzt gebmuch-
Udien Pflügen glich. Schon in den .iltesten Quellen wird auch eine Egge
{harfr, htrfi) erwähnt. Als ZugN'ieh vor dem Pflug scheint man meLsl Ochsen
\anirQxi\ seltener Pferde verwendet zu haben.
Der Dünger wurde auf das Feld hinaus teils auf einem Düngcrschlitten
{mvksleiti) gcfahrt^n, teils auf l'fcrderücken transportiert und zwar in DOnger-
kSsten {klä/r), von denen einer auf jeder Seite des Packsattels angebracht
war und deren B<Hlen unten ge^'jffnet werden konnte, so daas der Dünger
auf den Acker hinabfiel, wo er dann mit einer Mistgabel {mvkikfUl. akrh'fs/)
anigebrcitct wurde. Um den auf dem Felde ausgestreuten Dünger noch
beaser zu verkleinern imd auszubreiten, brauchte man ein Büschel zu-
sammengebundener Reiser oder Strflucher {s/mt/, shhiahrü), welches über den
Acker Ixingeschleift wurde {si^ää). Beim Säen brauchte man einen Saat-
knrb {koniki/ifiti. korvskrefipa), der an einem um den Hals gehenden Bande
liüngend getragen wur*.le. indem man mit dem einen Ann den Korb um-
fasste und mit dem andern das Korn ausstreute. Bei der Getreideernte be-
nutzte man entweder ein Kfaheisen {air/dm, komskuntatjäm) oder eine Kom-
sichcl {kornsigär). An vielen Exemplaren derselben, die in Grabhügeln aus
heidnischer Zeit gefunden sind, kann man sehen, dass diese Maheisen ur-
sprünglich nicht vollständig glatl, sundcm {ftie zuweilen bei den alten Grie-
chen) mit kleinen Einschnitten «.der Zahnen nach Art einer Sage versehen
gewesen sind. Bciiu Dre-schen wurtle das Kom mit einem Dresdifl^d
i^üst, hdimpüst) auj^eklopft,
^ ^4. Fischerei. Der dritte Hauplnalirungszweig der Nordlander war
die Fischerei. Be.s'>nders auf Island und in Nnn**egcn wurde viel Seefisch-
fang betrieben, aber auch in Dänemark wird eine ausgezeichnete Fischerei
im Limfjucd und gn^sartiger Häringsfang im Örcsund hervorgch^tbcn. Vom
SQsswasserfischfang galt (ler I^chsfang {lax:-iiär) als der wichtigste, aber
auch der Fang der Forellen {st/nnf;r) und der Lachsiorellen {aurn'äi, äny-ät-)
460 XII. Sitte, i. Skandinavische Vkrhäi-tnisse.
«urde \ift\ getrii:t>en. Tjigeii die KIflsse und Seen, in denen ein guter Fi>-
rellenfang war, in einer unbewolinten Gtrji^cnti injicc im Lande, so wurden
oft FisciicrbuUcn iin iimcn crriditet, in denen man sich aufliielt, wenn man
im Sommer hinzog, um eine Zeit lang der FUclierei ubzaliegen. In wi-
chen Fischerliuden Messen sieh die Friedlosen gern nieder und Ie.bten dort
vom Fischfang in den Seen. Die Sflsswasserfischerci %\-urde von einigen mit
so grossem Eifer getrieben, dnss mau sie s*jgar auf künstlijjhf Wuisc durch
Fisehzutht zu fördern suchte, indem man lelwmdc Fische {aüfiskr) aus einem
Binnensee twhm und sie in einen Bach setzte, in dem sich zuvor kerne
Fmlie fanden, und sie dort laiclicn licss, was so gut gelungen sein soll,
dass in clirsem B;irh sp.Her ein er^cbiger Fang stattfand. In Nor\i'egen,
trieb man auch Aalfang [.iiaiviftr) und gewiss aucli an anderen Orten. Aber
obgleich die Süss was.se rfischcrei eine ganz ^ite Ausheute liefern konnte,
war ihre Bedeutung doi.h gering im Vergleich zum Seefisclifang, der ausser-
dem von viel mehr Menschen betrieben werden konnte. Da man nicht
überall gleirh gut fi-schte, veisanmielte man sich gewi^hnlirli zu gewl<tseii
Zeiten des Jahres an den Orten der Küste, wo der Fang die reichste Aus-
beute ergab, an den s( «genannten Fischerorten (Jish't'rr, fiskist^d). Lag ein
solcher Fischerort fem von l>ewohntcn fjegcndc]! oder auf einer Insel
draussen vor der Küste, so hiess er *Ausscn-Fi.sclicrort> (w/ivr) und noaa
musKte hier Fischerbuden {fiskibnä, fiskisktUt) aufführen, in denen man wohnte,
so lange man dort fischte. M;ui legte grosses Gewicht darauf, dass an jedem
Fischcrort unter allen Fischern \iirmenu\ Einigkeit herrschte, ilenn allgemein
war der GlaulK- verbreitet, dass Uneinigkeit sehr üble F<»lgen habe und den
Fang bedeutend beeinliaditige. Dwh war es nicht immer so leicht, die
Eintracht aufrecht zu erhalten, da hier oft viele hcVhst verschiedene Men-
schen zusammen kamen. Wurde gleich der FUchfang hauptsachlich von
denen betrieben, die an der Küste selbst wohnten, so kamen diKrh zuweilen
auch Leute aus dem Landt: nach den Fischerorten herab, um lüer kürzere
oder lungere Zeit zu fischen. Sogar mehrere Häuptlinge waren sehr eifrige
Fisclier, und obgleich die Seefischerei im allgemeinen nur von Münnern be-
sorg wurde, finden sich doch Beispiele dafür, dass sowohl Sklavinnen als
sogar die Mausfrau selbst auf den Fischfang hinaus ruderten. Der Harings-
fang {siltißski, siUvfr) wird bc-sonders in Dänemark und Norwegen erwähnt,
aber der Dorschfang {slretipiski. skrntfirri besonders in Nnrwcgen und Is-
land. In den beiden letztgenannten Liindem und in Grünland fing man
auch \ie!e Haifische [ßiäkarl, /uixkanfinp), Seehunde («/r) und WjiUische
[hvair).
§ 45. Die Fischereigera tc {i-eiitaifSri, ßski^gn), die beim Dorschfang ver-
wendet u-urden. waren einfach und nicht zahlreich. Man scheint dal>e-i ent-
weder äusserst selten tuler gar nicht Netze gehraucht zu haben, sondern
ausschliesslich eine Handleine oder Angelschnur {fog. vaär, /in, lina, sniri),
weshalb diese Art Fischfajig Angelfischerd {fogfiski] genannt wurde. Ära
Ende der Schnur war ein Angelhaken {fit^uU) befestigt, der mit Kil'Kier [agn,
6dia) versehen wurdi,'. und ein kleines Stück vom untersten Ende der Schnur
entfernt war ein Senklot {sakka) an ihr angebracht, wozu man meist einen
kleinen Stein {vaäsieitm) benutzte. Fing man kleine Fische dicht am Lande,
so bediente man sich auch einer Art von Angelappurat {t/org), der von der
gewöhnlichen Angelschnur etwas verschieden war. Zu den Fischergertten
gehörte ausserdem ein Ködermesser (ngnstiA). um den Kf>der danrit zu
schneiden. Die Fischerbtiote {/iskitäir) scheinen in der Kegel sehr klein ge-
wesen zu sein; ihre Besatzung bestand sehr oft nur aus zwei oder drei
FiscHRRKi. Handel und Seefahrt.
4bt
I
W
Männern, zuweilen sogar nur aus einer einzigen Person, Man gab sich \'iel
Molic. gute Fiscligründf ivaziir, mid) ausfindig zu machen, die man. u-arcn
sie einmal enuleckt, mit Hftlfe verschiedener Merkmale an der KQst«, z. B.
BoTgüpiUcn. GeUludc tMlcr dgl. wiederfinden konnte, indem man beobachtete,
in welcher Rirhiunjt von denwlben die Fiscligrüude waren {miäa). Bei der
Sass Wasserfischerei und dem Hiiringsfang benutzte man verschiedene andere
kOnstiiehcre Fanggetütscbaftcn {ßskiitfu Das gcwAhnlirhste derscibe-n "kkt
das Netz {net), das in griissert-n oder kleineren Maschen {m^h'K ri.xn) aus
Flachsfpini geknüpft war. An die oberste Xetzleine {pimirr. pinttll) waren
Schwimmhülzer {ßär, fijöifndis tKler kurze Holzsiürke {kaflar) befestigt, um
sie oben auf dem Wasser zu halten, wJlhreml die unterste mit einer Reihe
kleiner Scnksteinc {ihr) versehen war, um das Netz auf den Gnmd hinab
zu ziehen. Erwähnt werden ein Lachsnetz ila-yn-arpa), F'trellennetz {aurriäa-
att), Scchundsnctx {selnet, selanöi) und ein Hfiringsnetz. wozu m;m ein sehr
langes Netz \J\'^», strii$uiiuir/ni) benutzte, mit dt-ni man die Hflringe ans Land
z<»g, Worauf man sie mit GefJissen wUt langgcsticllen offenen Karben {hverf,
{k)roitAä/r, \h)n>äausa) aiw dem Xeiz schöpfte. Bei der SOsswasserfis<hcrei
benutzte man auch Lachskisten (fiskiker), ReusenkArbe (/anrtr. stafmart),
Lachsfange {taxagaritr. ta.\avirki\ und Aalfange {iihffarär, älavi/^i) sowie ver-
schiedene an<iere künstliche Vorrichtungen \tjurridav/l u. s. w.). Beim Fang
in den Flussmündungen bnuichte man ausser<ieni eine Fiwhstange ( fiskist^ng),
die mit einer Spitze versehen war, mit der man die Fische sta< h {slanga),
und warf sie dann mit Hülfe der Stange ans Land. Walfische wurden mit
einer Harpune {hvaljdm, Uuiilf) geschossen und auch Seehunde wurden oft
harpuniert {selskultU). Ausserdem wird ein Gerat erwähnt, weldies Haueisen
(V-W"") hi'^** u^*' *^^ diente. Delphine*. Grindwale. Seehunde und andere
Sectiere toi zu schlagen, wenn sie von selbst an das Land kamen imd auf
dem Trocknen gefangen werden konnten.
§ 46. Handel und Seefahrt. Der Kaufmann koimte in der Vikinger-
tmd Sagazeit nicht wie jetzt daheim in seinem Kontor sitzen und Waren und
Briefe nach alten Richtungen senden. Dazu waren die Konmmnikations mittel
viel zu unvoUkummen. Nein, er rausste dazumal selber mit seinen W^ren
von einem Ort zum andern ziehen, um sie abzusetzen und gegen andere zu
vertau.stThej), und auf diesen Reisen war er allerlei GefiUircn. Plünderung und
Mord, ausgesetzt. Eine Handelsreise lief in der Vikingerzeit selten ganz
friedlich ab. Wenn in den Sagas von den Seereisen junger MRimer erzählt
wird, ist es daher oft schwer zu entscheiden, ob ihre Falirl als eine HandeU-
rebe tfdcr als ein Vikingerzug anzuseilen lsl Meist war sie wohl beides zu-
gleich. Die, denen der Handel die Hauptsache war, mussten auch so aus-
gerüstet sein, dass sie im Notfall imstande waren, einen Kampf mit Vikin-
geni, die sie überfielen und iluieu ihre Güter fortnehmen wollten, aufzuneh-
men. Die, denen die .Seenluberei die Hauptsache war, trieben andrerseits
fast immer neben ihren Plüuderungcn einigen Handel Vikiiigs/ug und Han-
del fielen auf diese Weise zu )ener Zelt grossenteiis zusammen, so dass der
Unterschied zwischen einem Kaufmann und einem Vjking oft sehr gering
oder K) gut wie nicht vorhanden war. Derselbe Mann konnte den cinea
Tag als friedlicher Kaufmann und den nächsten als verheerender Feind oder
Vildng auftreten. In den alten Saga.s wiul an mehreren Stellen erzalilt, dass
die Seefahrenden, wenn sie an fremde Kosten kamen, sich mit den Ein-
wohnern darüber einigten, dass sie eine bestimmte Zeit (z. B. zwei Wochen)
Frieden halten wollten, um zu handeln, s<.)bald aber diese Frist abgelaufen
war» betrachteten sie einander als Feinde und das Plündern und Zerstören
462 XII. Sitte, i. Skanowavische Verhältnisse.
b^pnn. Handel und Vikingsfrilirt galtwi im HÜgemeineii als zwei nebenein-
ander besIelienrJe Zwei^-e dt-^selben Gewerbes und galien beide für gleich
ehrenvoll, obgleirh man eher dem ^'iking den VortriU Hess. Ab eine ge-
nieins.'tnie Benennung für die, welche diesen Nahmngszwcig betrieben,
brauchte man die Bezeichnung •Sccfalirendc= {farmaät); nur wenn man her-
vorheben widlte. d.iss sich der Betreffende .-lUSSchlicÄslich (»der doch haupt-
sachlich nur mit dem ehien Zweige bcfassle, wurde er entweder Kaufmann
{kaiipmaitr) «xler Viking [i'Utinf^r) genannt. Nach der Denkweise jener Zeilen
lag eine solche Anschauung auch sehr nah, denn obgleich die Mittel des
Vütings und des Kaufmaims ganz verschiedene waren, hatte» sie doch
hauptsächlich ein und dasselbe Ziel: Geld /u verdienen. Gewiss war das
Ziel desVikiiigs ausser dem Erwerlj von Gutem auch das. Ehre und Rulim
zu gewinnen, aber der junge Kaufmann hatte ebenfalls neben dein Trachten
nach Gelderwerb das Streben, zu Ansehen zu gelangen, nicht wie der Vi-
king lun seiner Stärke und itcincs Mutes, sondern um seiner Klug-
heit und Welterfahrenheit wilk-n, indem er auf seinen Reisen nach verschie-
denen Liludern sich Menscliinkenninis Bildung und feine Lebensart anzu-
eignen suchtt^ wtnlurch er befühigt werden konnte, später, wenn er mit dem
Reisen aufliürte und sich hfiuslich uiederüess. In sebier Helmal als Befelils-
hubcr aufzutreten oder Gefolgsmann bei irgend einem Füreten zu werden.
Es wird im Ki*inigsspif'gel ausdrücklich hervorgehnben, dass Handelsreisen
ab eine vi.rtref fliehe V<irschule für scldte Leute angesehen wurden, die am
Hofe eint'S Fürsten iJiensi zu nehmen gedachter.
§ 47. Her Handel vuUzog sich in älterer Zeit mebt an Opfer- und Thiug-
Stfltten und anderen Orten, wo sich \'iclc Menschen zu bestimmten Zeiten zu
versammeln pflegten. Da die Kaufleute wussten, da.ss sie hier viele Menschen
treffen würden, zogen sie mit ihren Waren dorthin, um sie zu verkaufen und
gegen andere zu verlauschen. Auf diese Art entstanden au solchen Orten
jährliche Märkte {murkadr) oder I landelszusammenkflnfte \kaupstefna), von
denen einige sich an denselben Statteii ujid zu denselben Zeiten bb auf
unsere Tage crlialten liahen (z, B, der Markt, der jährlich in Upsala unter
dem Namen .-ITpsala disting« gehalten wird). Die-s führte dahin, dass sich
mehrere Leute an diesen Orten nicderlies.scii, luid su entstanden im Laufe
der Zeiten an denjenigen unter ihnen, die für den H.'uidel die günstigste
Lage hatten, grC>ssere oder kleinere Handelsorle. Siiwnhl aus den Auf-
schlüssen der alten Literatur als besonders aus einer Menge in der £rde
gefundener Sachen und Münzen (voniehralich aus der Zeit etwa von 700
bb 1000). kann man ersehen, dass die Nordländer sehr ausgedehnte Han-
delsverbindungen geliabt haben, ?iicht nur mit Nachbar^t'ilkem, sondern auch
mit den fernen südeuropaischen und asialbchcn Kultur\'i'>lkem. Hiusichtlich
der Ein- und Ausfuhrartikel sind die Aufschlüsse der allen Schriften ziem-
lich tuivollstandig. Doch sieht man aus ihnen, dass man nach Norwegen
unter anderem aus England Wein. Weizen, Mehl. Honig, Wachs, Leinwand,
Kleider, Eisenwaren u. s. w. einführte, aus Dc»itschhnd Wein, Bier u. s. w.,
aus Dänemark Malz, Weizen und Honig, aus Grönlanil Walrossliflute, W;d-
rosiutähue, Thran (bUweilen Eis-Bären) u. s, w., aus Finmarken und Bjanna-
land Pelzwerk, aus Russland {Gar^riki), ausser versciüedenen ntssischcn
Waren auch kostbare griechische und orientalbche Stoffe u. s, w. Die wich-
tigsten .Ausfuhrartikel aus Norwegen waren Pelzwerk, Kalken, Ebche, Thran,
Wolle und Wullenzeugt:, Federn, Bauhölzer, Theer u. s. w. Ausserdem wur-
den aus Norwegen verschiedene der eingeführten Waren nach Island, den
Färöem imd Grönland wieder ausgeführt.
d
Hano&l und Seefahrt.
4Ö3
§ 48. Auf lidand kannte ein inländischer Handel sich in einem irgend
nennenswerten Grade nicht ent\»ickeln. teils wegen der dorftigen Verkehrs-
mittel, teils auch besonders darum, weil die Naturjirodukte des Landts so
einförmig und fast überall dieselben waren. Dagegen war der Handel mit
dem Auslände recht bedeutend. Er wunie zum Teil von den Isländern
selbst auf ihren cig»;nfn Schiffen Itetrieben, ein weit ül>erwif^enderTfil des-
selben srheini sich .iber in den Hrmden Fremder befunden zu haben, da
sich auf Island nie ein eigentlicher Kaufmannssland heranbildete, d. h. Leute,
die den Handel als llaupteru'erb trichcn wnd als ihre Lcliensaufgal>e betrach-
teten. S<>wcit der Handel v'..n den Islandern selbst getriel>en wurde, salien
ihn die meisten nur als ein einstweiliges Gewerbt' an oder — wie ül»erhaupi
Reisen ins Ausland — als ein atLsgezeicluielus Mittel, uiu sich Weltkenntnis
und Ausbildung und einiges \'ermngeji und Ansehen zu verschaffen, um
sich dann nachher, wenn sie dieses Ziel erreicht liatten . als Landwirt
{böndi] auf tlirem vaterlichen Hofe oder einem für ihre erworbenen Güter
gekauften Besitztum niederzuUissen. Die allermeisten Isländer, welche Han-
delsreisen ins AusUmd uiileniiLlimcn, betrachteten sich selbst kaum uls Kauf-
leutc, selbst wenn die Verhilltnisse es mit sich brachten, dass sie als Han-
deltreibende reisten. Der Kauf mannsst and u*ar für Wele von ihnen fast nur
das Mitltrl, eine Reise ins Ausland machen zu kCmnen, indem sie die Kosten
eines Aufenthaltes in der Fremde auf keine andere Weise als mit inländi-
schen Waren bestreiten konnten, die sie mit sich führten, um sie im Aus-
lande seJbst umzusetzen. Wenn sie sich dann aitf die Heimreise begaben,
nahmen .sie naiUrlich ausländische Waren mit, um sie in ihrer Heimat tax
verkaufen, jud(>cli uhne diesen Handel als eigcntHchcii £rwerb anzusehen,
so d;i.ss sie oft ganz zufrietien warm, wenn sie bei diesem Handel genug
verilienten, um damit ihre Keuseki'slen bestreiten zu können. Im Ausland
gewesen zu sein, galt für fiist jeden jungen Mann aus besserer Familie für
unentbehrlich, wenn er nicht als ein ungebildeter Bauemii'^lpel angesehen
werden wollte. Bat aber ein jungcT Mann seUicu Vater um die Mittel
xum Reisen {/ararevrit), sd best;uiden diese fast immer in einigen isländi-
schen Waren, meist Fries \ra<tmtil) u. dgl., und er musste dann als Han-
delnder reisen, gleichviel oh er nun, wenn er einmal ins Ausland gekommen
war, seine Kaufmannsfahrt fortsetzte oder einen andern Lebensweg einschlug,
X. B. bei einem <tt.ler dem andern Fürsten Dienste natim, Hofdichtcr wurde
IL a. w. Selbst Personen geistlidien Standes ma-vstcn, wenn sie ausländi-
sche Reisen unternahmen, als Handeltreiberide reisen. Aber eine scharfe
Greiuce zwischen diesen tVlegiMihcriLskaufleuten und <iejicn zu ziehen, denen
der Handel als Nahrungserwerb dienle, ist natürlich nicht möglicli. — In
den Sagas findet sich recht vollständige Auskunft über die Art mid Weise,
in welcher der Handel auf Island vnr sich ging. Wenn ein Schiff in den
Hafen gekommen war, so Hess der Sei liffsf uhrer entweder eine Lantlungs-
brücke \iiryggju) aj» das Land werfen und .sem Schiff vertäuen, oder er liess
das Schiff sellist auf das Land ziehen, nachdem die Waren ausgeladen
waren. Dann wurden am Hafcnurt sogleich Buden {biiä) oder Zelte {(/aM)
aufgeschlagen, zu welchen man die Waren brachte, und dann begann die
Handelszusaiamenkunft oder 4.1er Markt. Sogar von weither strömten die
L<eutc zum Markte und führten die erstandenen Waren entweder auf Henfe-
rOcken oder in Booten mit .^tth nacli Hause. Die ersten, die den Markt be-
suchten, waren in der Regel die Goden oder Häuptlinge der G^end, welche
bestimmten, zu welchem Preise die Waren verkauft werden sollten, und für
sich selbst auswählten, was sie davon haben wollten. Da luan in der Regel
jeden Snraiuer nur eine Reise Ober das Meer marhte, sf>dass man tlen
einen Sommer nach Island und den nächsten zurück Tulir, nalimen die
Kjiufleutf, sofern sie Fremde waren, nacli Beendigung des Marktes Winter-
aufenthatt bei einem f>der mehreren Haviem der Gegend, der Schiffsfflhrer
gewölirilitli bei diesem i<der jenem Häuptling und die übrigen bei anderen
Bauern. Im T^ufe des Winters verkauften sie oft den Rest ilirer Waren und
im Frühjahr ritten sie umher, um hei denen, die Waren auf Kredit entnom-
men halten. Uir Guthaben cinzufürdeni. Die vom Auslände nach Island ein-
geführten Waren wan^ haupKlrhlich: Bauhölzer, Mehl, Stoffe und Leinen-
zeugc, verarbeitetes und unverarbeitetes Eisen und Kupfer, Waffen, Thccr,
Wein. Hier, Warhs, Rflurheru-erk, Honig ii. dgl. Die Miichiigsten Ausfuhr-
artikel waren : Wolle und WoUenzeuge [vaämäi), Scliaf- und LamuifeUe,
Fleisch und Ta!g, Hliutc und Pelzwerk (Fuchs- und Katzenfelle), ferner Käse,
Butter, Thran, Fische, Falben und Schwefel.
§ 49. Schiffe. Da Handel und Vikingsfalirt im älteren Teile der
Sagazeit, wie itben ervvJihnt, so eng mit einander verbunden waren, ki>nnten
die allermeisten Schiffe als Handctsschiffe benutzt werden, obgleich nur eine
gettisse Klasse derselbwi besonders für diesen Zweck eingerichlct war. Um
sich ein cinigermassen abgerundetes Bild von den Handelsschiffen der Nord-
länder entwerfen zu können, ist es also nütwend^, eine kurzgcfasstc Schil-
derung aller der verschiedenen Arten von Schiffen, die Oberhaupt in dieser
Periude benutzt wurden , zu geben , nicht nur von den Schiffen , die aus-
schliesslich dem Hanilcl (lieiilcn. sondern auch von Kriegsschiffen und kleinen
Booten. Über die versrhiedrnen Srhiffsartpn und ihre Einrichtung finden
sich in der alten Literatur eine Menge Aufschlüsse, woraus man sehen kann,
dass die Schiffsbaukunst bei den Bewohnern des Nordens schon selir früh
eine vcriialtnismas-sig hohe Entwickelung erreicht hatte. Man ist indessen
in dieser Hinsicht nicht ausschliesslich auf die Auskunft in den alten
Schriften angewiesen, sondern kann mit eigenen Augen sich davon Ober-
zeugen, indem man einige Fahrzeuge betrachtet, die gefunden mid aus der
Erde gegraben sind, sowohl aus vurgcschichtlicher wie aus der Vikingerzeit
selbst. Man fand nflmlirh ausser mehreren kleinen Booten (bestindcrs von
ausgehöhlten Baumsianiincn) drei einigerniassen wohlerhaltenc Schiffe aus
dem Altertum, ■L-ines in Nt»rd.schleswig und zwei in Norwegen. Das eretere
ist das Nydams-Boot (gefunden 18631, f'" ^.ehr grosses Ruderboot mit
14 Rudern auf jeder Seite, von dem man annimmt, dass es aas dem 4. Jahr-
hundert stammt (vergl. § 4). Das zweite ist das Schiff von Tune (gefunden
1867), ein klinkerweise gebautes Segchchiff. das auf jeder Seite 12 Ruder
gehabt haben kann, von denen sich jedoch keine fanden. Man nimmt an,
dass dieses Schiff aus dem 9. |ahrhundert stammt. Das dritte ist das Schiff
von Gukstad (gefunden 1880), ein ziemlich grosses, auch klinkerweise ge-
bautes Schiff mit H> Ktidem auf jeder Seite und ausserdem mit Mast irad
Segel versehen. Die Länge zwischen den Steven betragt au der Recting:
72'/3 Fuss, die Breite an der Reeling ib','4 Fuss und die Hrthe von d«-
Unterseite der Kiciplanke bis zur Reeling in der Mitte 5V3 Fuss, an beiden
Enden aber etwa 8'/« Fuss. Dieses Schiff stammt, wie man vermutet, aus
dem Schluss des Q. Jahrliunderts. Indem man diese Schiffe mit den Kr-
Llutenmgen vergleicht, die sich in der alten Literatur finden, kann man sich
einen zicmhch deutlichen Begriff von den Schiffen der Nordländer in der
Vikinger- und Sagazeit, ihrer Konstruktion und Bauart machen.
§ 50. Der Schiffsbau ging gewühnlicli unter einem Schuppen {hrd/) vor
ndl. Zuerst wurde der Kiel {k/flr) auf einen Stapel {baikasiokiar) gesetzt
und alsilunii ilic Steven und Binnenhölzer iinntlttir) hiiizujiffOgi, wcldic aus
SiKititfii (r^'iig, plur. rai^r) und Knux-n odor Kmmnilir»l/,cni {hit) nelxsi
Bandern udcr Balken [biti) bestunden, die quer über du-s S«liiff gingen.
Von iiiescn ßandfin» hatten wcnigstwis zwei ihre l»cKonderen N:uiicn, nüm-
lieh ein Ilauplband {h^/uitbiii\ glt-uli \-\>x dem Mäst und durum auch Mast-
hand {si^ihltiu) genannt, und ein SfhOpfband itimirbiti) aiiätheinenü bei
*lcin liinlersten Schüjifraum Ig 53). Die Spanten wtirden aussen demnathst
tuit Planken {bord) vcrkleiilel. wekhc -ah gi'Iegt uiirden, da>$ jede hoher
liegende Tlanke ein wenig abtr die Kante der xuniUrhst darunter liegenden
liinaus ging {s^fr). Einzelne PIiLnkenlagen yumfar, svja) hatten bes^jndere
^7alnen. S*i hirss die ersiP Bretterreihe vom Kiel aus Kiriplanke {i/^borä,
fy'f/s\ya), die /.weile SthniulKplanke {aurbonf), die fünfte Rabcuplunkc {itr/ni)
u. s. w. Die ganze Siluffsseite wurde in zwei Hanptleile geteilt: den ge-
wölbten Bug \^tti/r), dessen einzelne Teile wieder besondere Namen liatten
{umiirfiüfr, meginhii/r, yfirhtifr, niärurhü/r), und den mehr senkrecht stehen-
den Teil, weither I'lankenweg {hontttfir) tuWt nur Planke [hor4\ genannt
wurde. DieReelIng selbst Ix-stand aus drei Teilen: der auswv'cndigeii Plankcn-
bekleidung. der Reelings)>laiikL' [bordslokkr, htistokkr\ und einer unten auf
der inwendigen Seite derselben hefestiglen Leiste Krim), die mit einer Reihe
Unglich vieroekigei Lüeher, den Mjgcnanntcn •Klauben* ykhfi, [ilur. klofar)
versehen war, durch welrhe die Zellschnflre yingen, wenn das Schiff ein
Zelt erhielt (§ 3JV Walirend des Seyclns wiude die Reeüng auf grüsseren
Schiffen oft mittelst einiger uIx-ti darauf aufgekanteter Bretter noch hoher
gemacht: man nannte dieselben teils Sonnenbord ysöHiord, uUhyräi), teils
Sch;inxbord ivfgiy, hic dienten wahrscheinlich wesentlich dazu, die in dem
tiffencii Lastraum oft sehr huch aufgestapelte JUtdung gegen die See (vergl.
norwegisch »viirborii<'\ und vielleicht teils dazu, die Mannschaft gegen die
Sonne zu beschützen, was der Name Suiinenb«jrd anzudeuten scheint. Zum
DicJitmachen zwtM-hen tlen cin/.elncn Plankenlagen benutzte man Kuhhaar,
iuifgezupftes Tauwerk oder dgl, {iiä\ zuweilen zu einem Faden {si{d'^räär)
zusanunengcdrcht. Die Planken wurden miteinander mittelst lündurdi-
gclicnder ei-senier N.lgel (skipsaitmr) vcrbuncien, die auswendig einen runden
Kopf und inwendig eine vieret.kige Platte t/tO hatten, die fc.stgenietcl wurde
{huttäMumr). Mit Ausnalmie einzelner kleinerer Boote waren alle Fahr-
zeuge an beiden Kn»Ien mehr oder weniger spitz, sowohl der Vordersteven
{/ntmiUt/ii). v\ie der Hintersleveu {sknlslü/'u. skuir). Der oberste freistehende
Teil der Steven vmr ziemlich h<Kh und endete gleichsam in einer Art von
^il/c, welche Brand {hratidr) genannt wurde, wahrend der unterste TcU,
von aussen ge-sehen, Nacken {svln) hJcss. Den scliarfen hervorstehenden
Rand unlerhidb des Narkens zwischen den Bugen dw; Schiffes {kiunungr,
ki^r) naruitc man Barte ibarä); sie bildete eine Fortsetzung des Kieles und
vereinigte sich mit diesem in einem krummen ZwiM-hen&lück \s(äf). Die
Barte war auf einzelnen Kriegsschiffen mit eisernen Platten ijtinup^u<;) be-
kleidet und nn't eisernen .Siachcln {skrj^) veistheii, die man gehrauclil zu
haben scheint, um andere Schiffe damit in den Grund zu bnhren. Alle
Falirzeuge waren entweder lallsiandig udcr teilweise offen. In den Booten
waren zwischen den Spanten nur Dielen oder lose BretterstOcke {fii/fa) an-
gebracht, um darauf zu gehen, fn grAsscrcn Schiffen hatte man dagegen
eine An Verdeck {pilfai\ pUjur), ein Halbdcck, Hrhöhung {(yptin^) genannt,
im Hinlerslcven und ein anderes, Vorsteveudcck {sia/nlok, pi/jur Jrammi) im
Vordersteven, bei dem an der Recling auf beiden Seiten ein sclmiales Säteu-
deck {sesspHj'ur) entlang lief, auf dem die Ruderbänke standen (§ 51). Der
GeraulnKc^e P)iiIaloK<e III. 2. Aufl. 30
466
XIL Sitte, i. SKANnmAvrscHE VERiiXi-TKrssE.
eigentliche I^Htrauin in dtT Mitte war dagegen uffcn. weslialh die Ijtdung
{btifki, huiiki) wahrend der Knlirt srirgfaltig mit Ilflutcn bedeckt «erden
inussle. die darüUei fcslgcsdinürt wurden Kfunda bülka)-
§ 51. Alle livsen Gegen -tt^inde, die mit zu der Ausrüstung eines Schiffes
gehönirn, führten den Namen sktpteiiti.. der jedoch bew."nders für die Take-
lage gehraurht wurde {rei/tfireiiti). Hierzu gehörten audi die Ruder, das
Sleuemider, der Mast, die Taue 11. s. w. Die Kuder \<ir\ l«ewej;ten sich auf
kleineren FaUrzcupL-n in einem Rudcr^lrick ifinmh, fipfiluband), der an einen
Ruderklotz [Hieifir, hijr) oder ein aufrediLitehendes Knimmholz befestigt war,
das einen Teil eine* nbeihalh der Reeling ansehrachlen PliiTikejistückes oder
Riiderbreites , »Rudcrwagcn- (htirnd) genannt, ausmachte, welcher Name
jedoch besonders fiir den von dein kmmmen Ruderklolz und dem Ruder-
brett gebildeten Winkel gebraucht wurde, in welchem das Ruder sicli w^ihrend
des Rudcms bewegte. Für jedes ['aar Ruder war eine Rudeibank {popta)
Vorhanden, die, faDs sie nicht mit den Qucrbandcm l§ 50) m'^ammenfiel,
aus losen Breitem bestand, die quer Aber das Hiiot gingen. Auf grösseren
Schiffen bewegten sich die Ruder dagegen in Ruderlöclu-ni {hMom) in den
Seiten des Schiffes, durch welche cUis Ruder hinausgesteckt wurde. Auf dem
Schiffe von Gokslad finden sich diese Rudertöchcr in der dritten PUmke
oder Verklcidui^reihe voa oben mitten zwischen jedem Paar Kniee in
gegenseitigen Absirinden von 3 Fuss und i','* Fiiss über dem Deck. Damit
die Rudcrlilatter liinausgesteckt werden kftiuiEcn, ohne dass die Löcher allzu
gross wtirden, war in der hinteren Hälfte der Peripherie jedes Loches in
schräger Richtung von dem tiurizoncalen Durchmesser aus ein kleiner S|>alt
ausgeschnitten, und wenn die Ruder herein genommen waren, wurden die
Lßchev mit Schiebekl.ippen, die innenbords angebracht waren, geschlossen.
Auf solchen Schiffen benutzte man niclit, wie in den Booten, Ruderbünke.
die quer über sie hinweg gingen, sondeni kürzere Rudersitze {s^ss), die auf
den Seitendecken (§ 50) jeder Reeling eniUuig eine Reihe bildeten, so dass
ein Paar von ihnen in jedem Raum oder eines in jedem Halbraum (§ 53)
angebracht war, Das Steuerruder (f/j'-n, st/örri) bestand aus einer Planke in
Gestall eines breiten Ruders mit einem breiten Blatt unten (stfömarbfaä) und
oben mit einem Knopf {tlvnsknnppr) versehen, unter dem Mch eine vier-
eckige Öffnung durch den Ruderhals {hjitimumahrhald) befand, wo liinein
die Ruderpinne [hjalmimv^lr, si/örnj'^ir, srvi/) gesteckt wurde. Mitten am
Steuerruder war ausserdem ein rundes Loch, durch da.i ein Tau {st/iinwiä)
ging, mit dessen Hülfe das Slcucniidci an die Schiffsscite befestigt wurde,
wahrend der Ruderhals vnn einer Schlinge oder einem Kuderband [styri-
/tam/n) umschlossen war. Das Steuer war auf der rechten Seite des Hinter-
stevens angchnicht, weslialh diese Seite Steueri>onl [sfpinihofdi) genannt
wurde, wahrend die vom Steuennann links befindiiclte Seile Backbord {bak-
hordi) genannt wurde. Der Mast [sinfa, siglutr/) wurde In eine Öffnung in
einem schweren Block {stalfi) gcbctzt, der seineu Platz Über den mittelsten
Spanten mitten im Schiffe hatte; diese Offimng erstreckte sich mit der-
selben Breite ein Stück nach hinten, um das Aufrichten und Niederlegen
des Mastes zu erlcichtcni. Wenn der Miist aufgerichtet war. wurde er mit
verschiedenen Tauen gestützt, von denen eines f,stog) nach dem Vordersteven
und mehrere {k^/ndixndhr, Sing, -bcnda) nach jeder Seite gingt;n. Diese Taue
wurden um die Mastspitze {Aürtn] befestigt: dicht unter der Stelle, wo sie
Äusamraen trafen, war im Mast ci:i Loch {fiiinhora), durch welches das His.s-
tau {dragreip) für die Raa ging. Die Raa {rd) wurde durch einen Reif
{niki) am Mast festgehalten, mit dessen Hülfe es auf und nieder geschoben
SCHIS^FS.
P
werden konnte. An jedem Ende der Ksa wur ein Bmsstau {ni/itumr) angebracht,
um ihi eine sotclic Slclluiig zu geben, wit- der Wind sie rrfordcrtc. Wollte
man kreuzen {btiiä), so wurde das Segel mit einem Rundhol/ {/ki/wss) aus-
gespannt. Das Segel [srg/) war meist vi.n Fries (iw'rf). zuweilen aber gewiss
von Segeltuch. Sollte es rcrht fein sein, so war es — niaiirbmal selbst auf
Handelsschiffen — rot, blau cxler grftn gestreift {tlafal venäi). ja, zuweilen
mit schönen Bildem gestickt {seit sJtn'pf). Der Rand des Segels {Ui) vi-urde
durch ein angenähtes Seil (/iisimu) verstärkt. Sowohl an die RJinder des Segels
wie au seine unteren Ecken {skaul, häis\, von denen dies Schultau [skitu/reip)
ausging, waren Ringe {k/ö) befestigt, und ausserdem war die Segelfläche selbst
mit einer grossen Anzahl von Stricken {fiatiki) VL-rsehen. welche quer über
das Segel Reihen bildeten, wodurch die-ses in mehrere Felder {ri/) von einer
bestimmten Breite geteilt wurde. Durch diese Ringe und Stricke gingen ver-
schiedene Taue {si'iptingr, hefilt), mit deren Hülfe das Segel gerefft *-urde
{svifila, hfßa), was teils su geschah, dass man eines oder mehrere der
untersten Felder des Segels loslie^s {si-ip/a of n'/i, hälsan, hälsasliurär), so
da.« die Flache, die dem Winde Widerstand leistete, kleiner Miirde, teils
indem man eines oder mehrere der obersten Felder des Segels oben unter
der Raa zus;imnicnxog {hefian, heftaskurär). Auf diese telztcrc Weise wurde
das Segel gewöhnlich eingenommen, wenn die Fahrt entweder plötJ.licli ge-
hemmt werden sollte oder das Schiff in emen Hafen lief: das Segel legte
sich dann unter der Raa in schwere Falten zusammen, wodurch so grosse
Säcke entstanden, dass ein Mann sich gut darin verbergen konnte. Ausser
den genannten Tauen, die in den meisten Fällen aus starken Lederstricken
(«■pfiÄ; svatäieip) bestanden, musste jed<-s Schiff sowohl mit einem Ankertau
(aiitrjs/fs/r) als mit einem Lundlau {lamifexh) versehen sein. Auf kleineren
Fahrzeugen hatte man, um sie am Cirundc zu befestigen, meist nur einen
Stein {stjön), oft einen auf jeder Seite {Üar), wahrend dagegen grössere
Schiffe einen eisenien Anker (tiHen) hatten, mit welchem, jedenfalls in
späterer Zeit, eine Winde [vindass] in Verbindung stand. Zu allen grösseren
Schiffen gehörten ein oder zwei Boote iskipshätr), ein grösseres Boot und
eine Jolle, die teils hinter dem Schiffe herguscliteppt \tptirhätr\ teils herein-
genommen und auf den Ijidungsstajiel hinter de-m Mast ge-setzt mirdcn.
S 52. Das Ausst:höpfen des eindringenden Wassers geschah auf Booten
mit Hülfe kleiner Schöjifgefasse {amk<r, amtrker\ aus dem sogenannten Sclu'ipf-
raum (§ 53). Auf grösseren Schiffen liatte man zwei Schöpfräume. den
einen nach vorn und den anderen nach hinten hinaus und das Ausschupfen
ging hier ursprünglich mit HCälfe vfm Bütten {bvttnaustr) »xler Kübeln islamp'
ausir) vor sich, wobei ein Mann unten im B'^en des Schiffes stand und
die Bütte füllte, worauf er sie ehiem andern oben au/ dem Scitendeck (§ 50)
stehenden zureichte, der die Bütte in Kmpfang nahm und sie Über die
Reeling hinweg entleerte- Spater geschah das AussiliApfcn mittelst einer
Pumpe (<//rf//<dM//-), doch scheint diese erst um i roo ixler im 12. Jahrlmndert
in Gebrauch gekommen zu sein. Wenn das Schiff im Hafen lag. wurde es
mit Decken oder Zeltvoi hangen itj^ld. Sing. tjtttd\ überdacht, die von einem
Paar Zellstützen {tjaldstudiU , t/aldstod) und einem auf diesen ruhenden hori-
zontalen Balken (l/d/diiss) getr;igen wurden. Der Ranil des Zeltes ging ge-
wiss über die Reeling hinaus auf seiner unteren Seite aber, ein Stück ober-
halb de» Randes, n-aren Schnüre angebracht, deren Enden in den KJaubcn-
Offnungen der an die Reelingsijkmke befestigten I-eiste (§ 50) festgemacht
waren, entweder allein oder mittelst einiger spindclahnlicher Holzslücke, die,
ebenso nie die Offnungen, an dem Schiffe von Gokstad zu sehen sind. War
468
XII. Sitte, i. Skasdixavische Verhältnisse.
es dunkel, s«^i «Tirtie unter tlem Zelte IJcht angezündet Im Herljst ivunlen
die Schiffe auf das LunU gezogen [setja skip »pp, uida siipi iÜ Muitns) uud
«e blieben tlanii den Winter Über in cinera Schiffsschuppen {namt, kräj)
stehen, wo gej^en ihre Seiten eine gewisse .Anreiht Stützen {skoräa) gesetzt
wurden, damit sie gt:radt; standen. Damit das Sehiff leiditer gleiten konnte.
wurden Rollen {hlunni) tnitcr rieii Kiel gi-lcgt, der in der Regel auch mit
einer schützenden Unterlage oder Bekleidung {'fmx) verichen war. Sollte
ein Schiff entweder auf das Land gezugen oder in die See geschoben {sefja
skip fram) werden, sn hatte der Schiffsfl^hrer das Recht, von den nSchst-
wohnenden Bauern zu verlangen, dass sie und Ihre Leute beim Ziehen des
Scliiffes {siijis'lmitr) halfen; sie waren dann veqiflkhtet, si<_h einzufinden,
und verfielen in grössere Geldstrafen, wenn sie e* unlerliuvscn, einer diescr-
ha]b an sie gericliteten Auffordcning natlizukomnien.
S 53- Alle Sehiffe wurden in mehr iKler weniger zahJreifhc Räume (mm)
geteilt, deren Anzahl sich nach der iJlnge des Schiffes richtete. Hoote und
kleinere Fahrzeuge sclieint man nur in 4 Räume eingeleill zu haben. nSnilich
den Vorsteven [sta/n], auch Hals (fiMs, harki) genannt, den Vorraum
{/yn'rnim) zwischen dem Hals und dem Hauptband (§ 50), den Scliupframa
{ftnsinüm) zwischen dem HauptbaJid und dem Scht^pfbimd (S 50) und end-
lich den Hiniersteven ysititr) hinter dem Sciiöpfbande. Gr^isscre Schiffe, die
ein Verdeck und darauf Ruderbänke hatten (§ 50) und wo <lic Rmier sich
in RuderiiVhem durch die Scliiffsseiten bewegten (§ 51), teilte man dagegen
in eine Menj-e R^ume ein. Am weitesten nach vom im Vurdersleven hatte
man einen Scevtnraum {slafnrüm) , demnächst einen Schwertraum (fÄr) imd
den vurdersteii Voirraum K/rrmra fyrirnim\ der zugleich Erhebung (ramn) ge-
nannt wurde, weil sich hier die Recling über ihre HOhe im Miltelschi/f erhob.
Gleich hinter der Erhebung kam der vorderste Scliopfraum (/nrwm ««j/m^w),
von da an scheinen al)cr die RJlume nach ilirer Nunimerordnung ben;innt
worden zu sein bis zum Ha upiband s räum {h^fudhitarüm) dicht vor dein MasL
Gleich liinter dem Mast halte man einen Klaubenraum {klo/artim\ der zu-
sammen mit dem Hauptbandsrnum den sogenannten Mastplatz [iigiMkeiä)
bildete. Hinter dum Klaubenraum sclieiuen die Rüume wieder von ihrer
Nunimerordnung die Namen geführt zu haben bis zum hintersten Schöpf-
raum {eplra tna/mim). Von dt-n Namen der Räume, die nadi ilireu Num-
mern benannt waren, kommt in der Literatur nur einer vor, nämlich ein
dritter Raum K^nit/tiniin). Hinler dem hintersten Schüpfraum kam der hin-
terste Vorraum {,fpira /inn/it/f), dann der Engenrauiu (happ,iriim\ der dem
Schwertraum vom cnt^p^a^h, und endlich im Hintiirstcven selb-st die Decks-
erhöhung {hpltng). Bei dem 'jffeneii Laätmuni in der Mitte {§ .V>) wurde
jeder Raum in zwei Halbräume ihäi/t-iim, hälfrimi) geteilt, einer auf jeder
Seile der zwei Seitendecke [sesspilfiir) und in jedem Halbraum befand sich
eine Ruderbank isfss), von der ein Ruder ausging.
§ 54. Mehrere der grösseren Schiffe, bcsundeni die Kriegsschiffe, waren
oft auf verschiedene .\rten geschmückt. Willirend die meisten Schiffe nur
gethceri waren {tjargat, bratt), waren einige Ober der Wasserlinie mit ver-
schiedenen FarVwn bemalt {sieiNi fyrir o/an s/d). Der Vordersteven war oft
mit einem i^er mehreren geschnitzten Köpfen {h^fHä) geschmückt, entweder
in Gestalt emes Menschenliauptes [karth^di, konungsh^fmi u. s. w,) o<Jer eines
Tier- mler Vi>gelkopfcs, z. B. eines Stlerkopfcs (^»W/g/"«.^), eines Biä4inkopfcs
{visutuiiirh^/uä), eines Geiers (gammr), eines Kranichs (/nana), eines Drachen-
kopfes {t/reia/is/'fi'f) ixler dergleichen, und der Hinlersteven war dann auf
den Drachenschiffen mil einem Sciiwanz {sporär, ftrokr) veniehcn, der den
Schiffe.
469
I
S<^i«'anx des Drwhcrw vtustdlen sollte. S<iwohI die Kßpfe wie die BrÄnde
<5 50) und die Nacken {si-fn'\ waren oft stark vergoldet, uie aiicli der Vor-
steven von aussen oft mit prtlchtig ausgest-hnittciicn. teils bcmaltcu, teils
vergoldeten i'htten {emmpirnir, enuilingl, tht°l\ ait*gelrgi war. Ferner war
am Vorder>loven in der Regel eint- FuliiiCiustaiige {ßaug. inotni) mit zujtc-
hflriger Wetterfahne {ttitn'iit. /huganlegg) angebracht, die nidit selten ver-
goldet war. Der Reeling des Schiffes entlang war oft eine Reilie \'ersrhieden
gefärbter Schikie angcbradit hkarat skj^ldiim).
g .S5- fthgleich da.s WVirl "■Schiff- fftr alle Fahrrcvigr {Jttr, fartostr) ohne
Rodcsiclit auf ilire Furni oder Griüsse gebraucht werden konnte, wurde es
<|och gewöhnlich in engererr Sinne nur für grflsjiere Schiffe angewendet. Im
allgemeinen teilte man dalier alle Schiffe nach ihrer GriWse in drei Klassen ;
nämlich Boote {bätr), kleinere Fahrzeuge {.btitsüp, sm<hkif>) und Schiffe {stip,
stäntip). Die letztere Klasse wurde wieder nach der Seetflchtigkeit der
Schiffe in KlMcnfalirzcuge und Secsi-hiffe \hafskip. kaffnnmda skip) eingeteilt
wid ausserdfm nach ihrer Anwendung in Kriegsschiffe ihenkip) und Handels-
schiffe {katipsiip'). obgleich eine scharfe Trennung zwischen diesen sich nicht
durchführen lüsst, indem alle Handelsschiffe und die meisten Schiffe über-
haupt zugleich als Kriegswlnffe benui/i werden konnten. Jwle dieser KbL»«en
konnte wieilcr in verschiedene l'nU-iaUcrlungen elngrtcilt werden, teils nach
der Gn'fsseund Verwendung tter Schiffe, teils nach ihrer Fi.>m!, Aus*climOckung
und übrigen Bescliaffenheit. Botitc und kleinere Falirzeuge konnten so nach
ihrer Orflsse \*erschiedene Namen ffihrcn, welche die Zahl der Ruder angaben,
z. B. ein Viermderer [htiir /errftifr), ein Sechsruderer {sextriingr). ein Achtruderer
{dUtningr), cm Zchnrudercr [/fit/trrif/gi-). ein Zwr-Krudercr {/ö//tfntigr) u. s. w„
mit beziehungsweise 4, 6, 8. 10 und 12 Rüdem. In Bezug auf grössere
Schiffe wurde die Grösse dadurch bezeichnet, dass die Namen angaben,
wie ^Hcle Ruderbflukc sich auf jeder Seite des Schiffes befanden, z. B, ein
dreizehn bankiges { pr/ftänsesio), ein fOnfzehnbanklges {/im/dnsfssa), ein zwanzig-
bSnkiges (tviiMgsesM) . ein dreissigbänkiges Schiff { finfugsessti) u. s. w,, mit
bczie hu ngs weise ij. 15. 20 und 30 Ruderbänken auf jedem Seitendeck tider
2h, 30, 40 und tio Rudern. Die (Jn'V'i'fe der Schiffe konnte auch nach der
Anzahl vim R;iutnen (ft $^). die sie liattcn, angcgel>en wenien, z. B. mit 25,
30 u. «. w. {hdlfpriiitgr^ prltugr u. s. w. ai nintatn/i), was im Grunde da.'«sclbe
bezeichnete, indem die Zahl der Räume immer dieselbe war wie die der
Ruderbänke einer einzelnen Seite.
§ 50. Die BfHiie (Arf//) konnten nach ihrer Form imd Obrigen Beschaffen-
heil in verschiedene Klassen geteilt werden. Zu den allercinfai hsien gehörte
der Kajak »der das Frlllxvot (hüäktipr, keipuil), da>* jedoch mir in Grönland
und Vinland als Fahrzeug der Urbewohner erwähnt wird, und das Kanoe
{eikjtt), was utsprünglicli einen ausgehfihUen Eichenstamm bezeichnete, der
als Biini beituizl wurde. spJlter aber für jedes einfache Boot ohne Kiel
{tiäjuiarfi) gcbmucht wurde. Von ilhnlirber Beschaffenheit war der Prahm
ipr4mr\, ein Bi>oi mit flachejn Boden und gerade abgi^chniiienem Hinter-
ende. Dagegen scheint die Jolle {kirnn) und das FalirlKxit Kferja, /etjtutüir)
eine gcwöhnli<he Schiffsfonn mit Kiel unti spitzen Steven gehabt ku lial>en.
Diese Botite wurden besonders auf Flössen und Binnenseen gebraucht. Nach
ihrer Anwendung teilte man die Bix>te in Fischcrboctc {JisJtitä/r). Soehuiid»-
boote (selahtUr) u. s. w.
$ 57. Zu den kleineren Fahrzeugen (häffkip) gclif^rle das Fährschiff
{^fttjmkip. ftrja) umi die Schute \imdshila, tiüta). die von brichst ver^chje-
4Scner Grösse sei]» konnten; meist waren es grössere Boote, dixh konnten es
470
XII. SiTT£. 1. Skandinavische VerbAltnissb.
auch Seesdiilfe (§ 55) mit 15 Ruderbänken od^^ jo Riidem und darüber
sein. Wenn diese Namen grössere Buolc bezdthncien, konnten diese Falir-
zeugi" teils aUÄSt^hliesslicli Ruderboote {riärarftrja, röärarsküta), teils auch mit
Mast und Segel versehen sein. Sie w-urden besonders beim Häringsfang
verwendet {siidferjo, hf^ianküfa), aber auch im Kriegsdienst (§ 581 und die
grüsseren wigar al-t H^nciclssrhiffc (iä 59). Diese Fahrzeuge konnten oft von
sclir einfacher K<in>lrukiii>n sein. So werden in Nifi'we3;en im Jahre 115S
einige S«:huten mit 24 Rudcm crwähnl (die allerUings vchi den Lappländern
gebaut waren, doch von vornehmen Noniegem benutzt wurden), welche ganz
ohne Niet [lanmr) und deren Bretter nur mit Ticrschnen zusanuncngcbundcn
waren, wahrend man stall der \\a\mrr\v\\ Kniec Weid<.'nruten (i'/J/ar) ver-
wendet Imtte. Ein <1hnli< lie-s Faiirzcug. mit h<'Jlzomen Stiftni {Ire'sanmr) zu-
sammengenagelt und mit Tiersehnen gebunden, ä.^11 im Jalire ii8<) mit einer
Besatzung von 13 Mann von Gröuland nach Isliuid gekonunen sein. Zu
den kleineren Fahrzeugen muss man auch den Naihen {n^kvi) rechnen,
weltlicr Name in der allen Literatur uusscliIieNsliih für mvtische SLhi/fe,
besonders Riescnsrhiffe vi>ri versdiietk-ner Beschaff et ihdl {sieiiin^ih'i. jäni-
ti^hn) gebraucht wird. Zuweilen findet siih jedorh dieser Name auch für
sehr grnsse Sehifrc angewendet, /.. B. fiVr Baldni Schliff Hriiighonü, da^ als
ein imgeheiier gro.%ses Schiff ge.srliildert wird.
Ji 58. Die Knc;;sschiffe {herskip), die wwohl gross als klein iein konnten»
hatten viele Name» nacli ihrer Fitrm, Ausschmttckung und übrigen Bescliaffen-
hi'it. In d(T iiltc>trn Zeit braiuhie man .nn int-isten die sngenannten tisiar
tSg. asJtr) und die fliiäar (Sg. eiiiiti), aber im lo. Jahrhundett und im »pilteren
Teil der Sagazeit waren die I^ngschiffe [ian^ip) die gewöhnlichsten. Zu
diesai geli/irten s-iwuhl die kleinen, schncllsegelnden Fahrtschiffe {sie/d\ und
die Sclinabel-vthiffc Ixnrkkjn), aU die höheren und scliwercren Drachenschiffc
{lireki) und die Bartenhchiffe \l>orJi). Mehrere der sh igenamilen btiznr (Sg.
hUn § 59) waren auch Langschiffe (hn^kijMfuhn), und das.sell«e war zuweilen
der Fall mit den grösseren Schulen ($ 57), die als Kriegsschiffe verwendet
wurden, von denen j<*<!iH-h flie kleineren im Kriegs<iicnst meist als schnell-
segehide Laufsrhifre {Mev/mtrihi. Iifrrphkip, Wuishita, le'tthkip) für Spione oder
Sendboten gebraucht wurden. Zu den Kriegsschiffen xwusa man auch am
ehesten die knr/fir (Sg. kitiß) zJlhlen, denn sie finden sich manchmal als t^nd-
vcrteidigungsschiffe {iaiKivstninnkip) erwähnt; am häufigsten waren diese Schiffe
jiKloch eine Art 1, 11 stf ahnt enge von hr»ch.st venjchiedeiiei Grüs.se. <he gr.'issten mit
.lO Rutlem oder 15 RmlurbiLnken auf jeder Seite. Von frenKJen Krieg^^icliiffen
werden in tien alten Schriften ferner Galeere {jtfn/eiff) und Dmmund yiirötnttndr)
erwfihnt, d.»ch wurden diese Namen nie von ni>rdischen Schiffen gebraucht.
§ 50. Ais Handels». liiffe {kaitpxl-ip) bramlite inau in der ältesten Zeil die
sogenannten kjäfar (Sg. tpUl), aber im grössten Teil der Sagazdl waren die
kntrrir (Sg. kn^rr) die gewülmüchstcn, von denen die grössten die söge-
nannten Ost fahrtschiffe {aHsIrJaratkn^n; iimfrfararskip\ waren, mit denen ge-
W'ilmlich Hatult'lsreisen nach Russland nnil den (_>stseeproviii/en uiitennmunen
wurden. Neljcii ttiescn Schiffen verwcndelc man zuweilen auch grosse Si'hu-
ten und Fährschiffe (§57) al.s llandekscliiffe. Im s^>.'iteren Teil der Sagazeit
wurden zu längeren Reisen die weit breiteren und Jiöhercn büzur (Sg. hu^t^
htizfiskip) und Koggen {kngßr) gehnnucht. Zu den Handelsschiffen gehörten
auch die Tiansii-n'lschiffe {f>yi(iitif;i), (Wc meist zur Frachthdirl längs der
Küste dienten. Alle Ilandel-vschiffe konnten im N<itfall als Kriegsschiffftj
vt'rw-endet wenlen, die TnmsporLschiffe jedoch niclit al^ Kanipfschiffe, sondern
nur zimi Tnuis]K)rt von Lebensuiilteln u. dgl. {vis/aivnfiagr).
Schiffe. Gewicht und Mass.
47»
§ ta. Die Schiffsmnnnscliaft {.■iii/>s/ip/», süfiarar) bestand, wenn man nur
die e^cntlichc Schiff^bcsuuiuig in Bctnicht zieht, aiu einem Stliiffsführer
{s/yrimatfr, si/fis/jö/riarmnifr] und einer pr<5sscrer» oder kleineren Anzahl \'on
Rüderem \/uise//\ l^'mhiitmifi) und nft zugleich aus einem K'X'h ymahzn'nn,
Hiat^ritarmatfrU der auf HatuielsM'hifleu jed.<K:h erst im 1 1. Jahrhund(!rt in
Aufnahme kam. wiihrend frtüier die Mannschaft abwectiselml die ZutKrreitung
der Speisen bcäur^c, die wegen der damu-U unvollkumnteucn Feuerstätten
selten an Burd vor sich gehen konnte, so duss der Koch immer, wenn etwas
gekocht oder eine wurme Sjjcise bereitet werden sollte, an das Land gehen
mn^Äte, um dort das iissen zu koclicn, das tUmn an Uord gebracht wurde.
Wenn man auf dem Meere .segelte, nm»äie man üich alsi> mit kalter und
trockener K«»st begnügen, die jeder Einzelne mit sich führen mnssie (Jamest).
Das Getränk war dagegen für alle gemein^chaitlicli. Es wurde teils in diiem
mit Deckel versehenen Kübel {ktt\ der beim- Mast stand, teils in kleinen
Tonnen {%-er}tlar\ aufbewiilirt, aus denen man den Trank in der» Kübel füllte,
wenn dieser leer wurde. Die GhJsse iler Besatzung war natürlich buchst
verschieden und richtete sich meist na<"h der (inisse des .SchiffrÄ. Die ge-
wöhnliche ßeiMitzung auf Kriegsschiffen bestand auf den kleineren aus lo — 40
Mann, auf den grosseren aus (kj — ba und darüber bis zu 320. Auf Handels-
schiffen bcslajid die Besatziuig oft nur aus 10—12 Mann, sehr hüufi}{ jedoch
aus 20 — 30 und konnte bis 40 Mann erreichen. Von den Schiffen, die
swischc^ Norwegen und Island gingen, wiid durchschnittlich angegeben, sie
seien mit einer Geschwindigkeit von 3^/3 Seemeilen in der Wache (4 Stunden)
g^ufen, was nicht viel weniger ist, als itas, was man heutzutage im Durch-
schnitt für die Segelfahrt zwischen Kupenbageu unil Jslaiid reclinct. nämlich
3 — 4 Meilen in der Wache. V'^n einem einzelnen Schiff wird s«.igar berichtet,
dasÄ es in» Jahre 10^4 vi»n iMuri in Norwegen nach Eyrar (dem jetzigen
Eyrarbakki) auf Island im Verlauf von 4 Tagen und N.lc!ilen segelte, und
da die Entfernung auf 21» Seemeilen geschätzt werden kaim, s*i liat es in
24 Stunden 50 Seemeilen ««der reichlich 8 Meilen in der Wache zuriltkge-
k^ welche Dur< bs< bmttsgcÄch windig keil jetzt bei der Segelfalirt zwisdiea
Ko|)enliagen und Island zu tien grossen Seltenheiten gehört
§ Ol. Gewicht und Mass. Auf Island waren die GewiclUseinheiteii :
ein »GcMkichi* {vtttt\ das in 8 Viertel [Jjöräungr) geteilt wurde; ein Viertel
KerHel wieder in 20 Halbpfunde oder Mark [m^rk), eine Mark in 6 Unsea
oder Ore {rvrir) und ein t>jc in 3 Ortug {^rtttfi). In alterer Zeit bat man
gewiss auth im übrigen Nortlen, je<lcnfalls an einigen l.trten, dieselben Ge-
wichtseinheiten angewendet wie auf Island, doch sind die GcwicIiLscinhciteD
hier vielleicht in den verschiedenen Gegenden etwas verschieden gewesen.
So scheint es sich i« Norwegen verlialten zu haben, bis in der letzten Hälfte
des 13. Jahrhunderts hier dun h ein Ge^ietz brstinmue Gewichtseinheiten für
das ganze Land festgesetzt wurden. Infolge dieses Ge^etze-S waren die höhe-
ren Gewichtseinheiten: ein Schiffspfnnd [skippumi i, welches in 24 -Gewichte«
{nr//) zerfiel, jedes zu j8 Mark und 20 Ortug. wUltrenü u Schiff>pfunde
eine Last (lest) und I3 La^itcn eine Ladung {dhi^fH) ausmaditcn. Ausser-
ilcm rechnete irum mit vers» hie<lenen anderen Ifimden, wie Butteqifunden
{srnf^rpiimi) oder Bescnier pfänden {hismtirapiiiuf\, die aus J4 Mark hritan-
den; femer Srhnalenpfunden {siähpuNti] von 2 Mark uml spiiier einem
Ucsspfund ylißpitud, lispumi) von 32 Mark. Zum Wiegen brauchte man
verschiedene Wagen {vng, rtida). Handeitc es sich nur um kleinere Ge-
wichtseinheiten, so brauchte n»an Wageschalen {sinlar) mit dazu gehörigen
Gewichten \^met), aber grö.ssere Gewichtseinheiten wurden auf einer einarmi-
472 Xn. StTTK. I. Skahdikavische VerhAltwissb.
gen Stangenwage (^pundari) abgewogen, von der es indessen mehrere gab,
wie Schilfspfundwage {skij*pundan'), mit der man Vg — 'Vt Schiffspfund wie-
gen konnte; fcracr Bcscmcr {bisniari) udcr Butterwage {smjgrpundari). mit
der man bis ru 5 Butterpfiinden (72 Mark) wiegen konnte. Auf Iiiland
wird von Wagen nur eine Stangenwage [pundnri), mit der mau von 1
Viertel his zu 2 »Gewichten« hurU) wiegen konnte (20 — 520 Mark), und
eine Handwage [handpundari) erwähnt, mit der man von '/j Mark bis zo
l'/s Vierldn (^o Mark) wiegen konnte; diese Wage sollte eine >Zui»gen-
wage« {iungtiputidari) sein.
§ 62. Als Hohlmasse brauchte man verschiedene MassgefSsse {mirliker,
tnatilemid), deren GrOsse in der alleren Zeit in den vei"srhiedenen Gegenden
ein wenig variiert zu luiben sdieint. Auf Island brauchte mau ein Tonnen-
mass, welclics »Sieb« isdld) genannt wurde und 3 »Gewicht« {valt, § 6i)
Roggen oder 480 Mark {m^ifk) enthalten zu haben scheint. Kin sdld
wurde wieder in 6 Sihcffel {mirfir), jeder zu Va ^'""f' "^er 80 Mark, ein
Scheffel wieder in 4 ViertelsrlieffeJ if/öritun^) zu 20 Mark und eine Viertel-
scheffel in 4 kvi^ntiaxkr (Suiipt-ngcfilss für Weiber) zu 5 Mark geteilt. Kemer
halle mim hier einen AVirtsdiaftsciiner' {btiskj/iia) von 30 Mark, der in 4
kariaskr (Suppengefäss für MSnner) zu y'r, Mark zerfiel. Aussertlem ist zu-
weilen die Rede von einem Kessehnasseimer {Je/tf/amiihsk/dla), der l/V^Mark
enthalten zu haben scheint. Ähnlich scheint es in der alteren Zeit im übri-
gen Norden j4cw<-sen zu seh^, im 1,^. [alirhundrrt aber sollte ein jr/V»/ in Nor-
wegen Vs S*:liiffspfund (§ f»i) Rnggeii udcr .^46 Mark halten. Das sdid
wurde auch hier in (1 Scheffel [tHtfiir) und ein Scheffel wieder in 2 Halb-
scheffel {häi/r mtrHr^, 4 Viertelscheffel {fßrStmgr) oder '1 SechsteUchcffel
{s/Uiin^r) geteilt. Um flüssig und Fett-Waren zu messen, brauchic man zu
derselben Zeil in N(»rwegen eine T<tnne [fiinna). die in zwölf nsl-r, jeder zu
20 Mark, geteilt worden zu sein scheint. Ein rtskr zerfiel wieder in 2 Halb-
askc [kdi/r tjskr), ein Halbask in 2 Sclialen [boUC}, eine Schale hi 2 Halb-
schalen {hdl/hoili), eine Halbschale in 2 Kannen (iijntta, jüsM, fus(uinnna) und
eine Kanne, wie es scheint, in 2 Halbkannen i/iätfkamta). Ferner wird häufig
ein Kort> [Itiupr] erwühnt. der in 4 Kimer {spaiitt) geteilt wurde, bcsimder»
als Mass für Butter, vcn welcher der Korb .^ Butteipfundc (72 Mark, Jj Ol)
und der Eimrr 18 Mark halten sollte, nligleii-h die Gri*5sj<e dt&ser GefJlsse in
der Praxis etwas variiert zu liaben scheint. — Pelzwerk und Haute über-
haupt wurden nach Zimmer (limbr) zu 40 Hauten berechnet; 5 h'mh mach-
ten einen sfrir aus, der also aus 200 Stück H-InteJ» bestand.
t| 6.V l>'ui das Lilngenmass zu bestimmen, benutzten die Nordländer.
wie andere alte N'r'ilker, ursprünglich den Fuss, den Finger und den Ann.
Die Einheiten waren hier ein Fiiss (/«Vr. /et} und eine Elle d»/«. aiin), die
in Zoll {pHtnlungr) eingeteilt wurden. Femer halte man eine Seemeile {jdka
sjdrar) und eine Landmeile (r(>.r/), die in 2 Halbmeilen [biH/ t\ist) oder 4
Viertelwege {/Jörduttgr ras/nr) zerfiel. XJm Zeuge u. dgt. zu messen, be-
diente man sieb eines Kilenmasses, weichet .Stock (s/iJtn. tTardi) genannt
wurde und i8^/j dänische Zoll (ca. 48.5 ein) m,iM. enisprecheiid der I^-iitge
vom Ellenbogen bis zur Hussersten Spitze de» längsten Fingers. Auf Island
wurde indessen etwa um 1200 durch Gesetz he.<«timmt, dass Fries und alle
Zeuge mil einem Stock {fliia) von 2 Ellen (37*/; danische Zoll) gemessen wer-
den sollten, von denen 10 einen 2o-Ellen-Sto(k {h^ardi h'itogr) ausiuaclien
sollten, deweii I-angc an der Kirchenwand auf der Ahhingsstltte Pingvellir
angegeben war, wonach alle ihr Ellenma.ss kontrollieren konnten. Der is-
ländische Stock wurde so etwa der englischen yard gleich, wahrend die
Gr«'icKT üXD MA5S. Tauschmittel uwd Wertdereciikung. 473
norwcgisrhe sich noch unverändert erhielt und nur eine Elle mass. Um
Grösse oder Enlfemiiiig beim Messen von Boden zu bestimmen, warde oft
eine Messstan^ (mtr/is/ffUff) verwendet, die in der Regel 6 Ellen gemessen
m haben srhcint.
^ O4. Tauschmittel und WL-rtberechiiung*). Das älteste und ge-
wöhnlichste Zahlmittcl war das Vieh (//) und verschiedene Naturalien {r«nf-
aHrrrr\, besonders Fries Um^mril). Um solrhe Dinge als Zalilmiiicl benuizcn
zu können, musste man indessen einen ein für alleraal festgesetzten Wert-
messer haben, im Verhältnis zu welchem der Wert anderer Waren bestimm!
•werden konnte. Als solcher diente in ältester Zeit die Kuh (g .^7) und noch in
viel späterer Zeit pflegte man oft grossere Summen in Kuhwerten {ingildi,
i^riafi) zu berechnen. In der Sagazeit selbst brHUchte man jed(»dv weit
häufiger eine andere WerteJnheit. namlirh eine Klle Fries ([>/«, tilin\ wo-
von iro ein Hundert {huniirait aha) ausraarhten, welches denselben Wen
liattc wie dhc Kuh. S«;hon lange vor dem Beginn der Sagaxeit hatte man
auch edle Metalle als Tauschmittel, S'">wohl Gold (^//) als Silber {lUfr). Diese
wurden in der heidnischen Zeit nur nach Gewicht genommen und die Ein-
heiten waren hinsichtlich ihrer eine Unze oder Öre {evrir), wrt\Y>n 8 eine
Mark {m^rk'\ und 120 ein Hundert (htutdrait, huntiraä (aum) silfn) aus-
machten. Ein Öre zerfiel wieder in 3 Ortug {^riHg) oder lo »kleine Stöcke*
ißptiti, vgl. deutsch Peilt, hnll. tfnit), die jedoch an einzelnen Stellen in der
alten Literatur irrtümlich Pfennige l fifniiin^r) genannt werden. S«.iwohl Gold
als Silber brauchte man in den älteren Zeil und neben Münzen noch weit
später teiU in F^^nn von gr<>ssereii (Kler kleineren Stilcken. teils in Form
serschiedeiior Gegenstände und Schmurksarhen, d(K"h am allerhäufigsien in
Form von Ringen {h/iti^r, An'nffr), die in der Regel ein bestimmtes Gewicht
halten, z. B. ein Ring von 3 Mark {pn'merh'ttgr), ein Ring von 20 Oren tvHogryr-
^fg^i ^ Rmg von 2 Mark Urimerii/tf^\ ein Ring von i.; * )ren Uäi/evringi),
ein Ring von 2 Oren Urievrhr^t) u. s. w. In der Vikingci^eit hatte man
auch eine Menge fremder Münzen, diese wurden alHir niemals nach ihrem
Gepräge, ».»ndeni nur nach ihrem Gewicht und Gehalt ebenso wie unge-
mOiutes Silber un<l Gold genommen.
% t»,"i- Um da.s Jahr rocxi begann man im Norden selbst Geld zu prä-
gen. Die Einheiten waren dafür dieselben wie früher für das ungemtlnzte
Silber, nur mit dem UntennHiiede, dass anstatt 10 kleiner Stücke jetzt ^^o
Pfennige {/>tfiinngr\ auf einen ( Ire gingen, indem avis 1 Mark Silber 240
Pfennigstücke geschlagen wurden. Bald fingen jeduch die Könige an, klei-
nere Münzen zu scltlagen, ^1 dass sie aus einer Mark bis zu der do|ipelten
Anzahl Pfennige und wold nodi darüber prägten. Da der Pfennig so unter
sein ursjjrüngliches Gewicht gesunken war und man beständig fortfuhr, einen
Ore zu 30 Pfennigen zu rechnen, ob nun tlas .Silber gezählt oder gewogen
wurde, musste man jetzt zwischen gew<igcnem Silber {si//r tvi^i/) und
gezähltem Sillwr (si//r talit) unirrsrheiden. Ein gezählter Öre {.ryrir
tniittt) bezeichnete nun 30 MOnzstücke ipfnningr /a/rnn) ohne Rücksicht auf
ihr Gewicht, während ein g»-wocencr Ore {nur reffinii) eine so gnwyjc An-
ssahl Münzen Ijezeichnetc, wie zusanimen einen Öre wogen oder 30 pewogene
Pfennige {pennint^r j^ci^inn) ausmachten. So konnten in Wirklichkeit z. B.
* Da die hier gcgclHMic l>ar*uHunj; ihr WcrtbtTCchnuuj; di-r NonilXnilfr in \icleii
Puaktrn %-oii (rQh<.T«i Auffas^unßcd in hohem GraiJr aliwek-ht, »ml tictiiirrkl. Aus» die-
jetzige Onrstrlloii;; niif itmfanrndcn m-urrcn CTucPHK-htingnt hauertt (leren Rc-snltal^ ui
Stell« Ite^iDncIcl n-rc«lm wUcn.
474
XII. Sitte, i. Skan-dixavische VkrhAltvisse.
r
45 und später 'k.i Miinzi-ii (gezJlliIlL- Pfennige! auf einen gewogenen Urc
pchtM». In erstereni F;i.ll \vur*lf. eine gewogene Mark (mfiiJt ttgin) gleifh mit
iV» j;e/ahUen Mark {tn^rk taiin), wahrend sie in letzterem Fall xwei gezflhltea
Mark pieirh kam. S(jaicr ;ils man das Silber sehr stark zu mischen begann
und dabei einen neuen MftnzfiLns einführte, sti d;iss man aus einer Mark
nur i(>o l*feiinii;>lü« ke ausuillnzte, vdu denen, wie in England, 20 auf einen
Orc gingen, wurde das Verhallnis zwischen gezähltem und gewogenem Silber
wie 3:1; eine gewogene Mark wurde also gleich 3 geziihllen, oder, wie sie
auch genannt wurden, gangbaren Mark i^ttigsm^ri) und ein gewesener
Pfennig gleich 3 gezahlten oder giuigbarcn Pfenningen [gnngspenningr).
% ()(). Man untersehieti zwischen mehreren ventchiedenen Arten von
Silber: l. reines «xler gebranntes .Silber ij>/;/, hnnnt sU/r); 2. .Münzsilber oder
gangbares Silber ^tf^if/r), von dem e.s wieder nach seinem besseren «>der
geringeren Gehaät mehrere Arten gab, z. B.: a. Bleichsilber {bleut sil/r), das
sowohl gewogen als gezfllilt wurde und das sich beim Wiegen zum gebraun-
ten Silber wie 2 : i verhielt; b. Blausilber {bläsii/r), das nur gezählt wurde
und sich zum gewogenen RIfirhsilber wie 3:1 verhieU (% (>3); c. Grau-
silbcr i^nisil/t*!, welches das all ereinfachste gewesen zu sein scheint, wenn
danmter nicht da&sellH: wie unter Blausilbcr zu verstehen ist. Im sp«lteren
Teil der Sagazeit, als man bereits mehrere Arten Silber hatte, die mehr oder
weniger stark mit Kupfer gemischt waien, wahrend volUOligej* reines Silber eine
seltene Wanr geworden war, scheint man das feinste oder am wenigsten ge-
mischte Münzsilber als reines Silber betrachtet oder d' 'ch als si «Iclies angem >mmcn
zu haben. Dieses erlüeit nun den Namen gesetzliches Silber (/(>a'x/j/o. wei-
ther Name anzudeuten scheint, dass durcl» gesetzliche Vorschrift befolden
worden ist, dass es als vollgültige Bezahlung angenommen werden sollte^
selbst Wenn eine Summe in reinem oder gebramitt-m Silber zu erk^en war.
Möglicherweise steht hiennit in Verbindung, dass der Wert des reinen Sil-
bers im Veriialtiiis zu den Waren so |vlOizlich vim einem Verhältnis wie
I : 7'/a auf I : 6 herabsank (§ 68).
§ 67. Nachdem Silber als Zahlungsmitiel allgemein geworden war. wur-
den die Namen seiner flcwicbtscinlieiteu aucli auf die Berechnung von
vaitmäl übertragen, obgleich dieses natürlich nie gewogen %-urde. So mmnie
mjui ') F-Uen weissen yetnliti) oder ,5 Ellen graubraungcstreificii {mörent)
Fries einen Oe {ernr vaämiils, sex ahm eyrir), von i^tenen 8 eine Mark aus-
machten im^rk vaibnäh m. !\i^iimi)\ ein Ore (Fries) wurde wieder in Oo
Pfennige (Frie-s) geteilt, so dass eiiic Elle gleich lü Pfennigen wurde. Da
es am allergebrTiuchlichsten war, Summen in Natunüien /u beret hnen wid
zu bezahlen und es gesetzlich bestimmt war, duss auch Bussen hierin zu
erlegen seien, wurde der <.>re von b Ellen auch gesetzlicher Öre c/[»jV«ri''vr) oder
Bussen • Öre {iak^iidr, sakmetinn eyrir) genannt. Neben dem gesetzlicjien
(>e brauchte man auch einen Ore von 12 Ellen {.töif alna eyrir), auch
silbert;L\iertcr t »re isilfrmelitm rvrir) genannt, weil er dnem gezahlten t)re in
MCinz^ilbcr gleich kam. Na<"bdem man aber begonnen halte, das Silber
stark mit Kupfer zu mi«:lien, sank dieser (l)re nach und nach im Wert, zu-
erst .'luf einen Ore von in Ellen Kliu nlna eyrir) und später auf einen Ore von
0 Ellen (n/rt alna ei'rir). weldier. nachdem das reine Silln-r im Wert gesun-
ken war, so dass ilessen Verhältnis zum Va<lmcl wie I : b war 1§0Ö), gleich
wurde mit einein Ore gezJililten Münzsilbers. Ausserdem brauclile man
einen Öre von 3 Ellen iprinf^Ja alna eyrir), auch Scbaizungsöre (,siattxtirr
eyrir) genannt, weil Steuern in diesen» Ore berechnet mid erlegt wurden; er
bestand aus 30 Pfennieen xaftmiU und war uls solcher gleich mil */| ge-
selzlichcn Öre (einem Dre von 6 Ellen).
§ 68. Der Wert des reinen oder gcbuinntcn Silbere im Verhältnis zu
vadnuil «jdcr NaluruUen war in den verschiedenen Zeiten sehr verschieden.
Bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts vr.rliielt weh auf Island reines {gewoge-
nes) Silber zu vaämäl wie i : 8. <^xler ein Ore reines Silher war gleich 8
gesetzlichen Ören (^ i Markt. In der letzten HaUtc des 11. Jahrhunderts,
im 12. und bis etwas ins 13. Jahrhundert war das Verhältnis wie i : 7V1,
oder J öre reines Silber gleich /Vj gesetzlichen Oren. Aber aui Schlüsse
des 13. Jahrhunderts war der Wen des reinen Silbers so stark gesunken,
dass das Vi-rhallnis Kleich i : 0 geworden war. <>der i Ore reines Silber
gleich 6 gesetzlichen Ören oder 12 Oren von 3 Ellen. Etwas dem ahnlich
ist das Verhältnis gewis.^ in Norwcrgen und im übrigen Norden gewesen, ob-
gleich der Wert des Silbers hier vielleicht ein wenig früher herabgegangen
ist als au/ Island. Übrigens pfli^ie man in Ni)rwegen nicht so häufig wie
in Island, Summen in gebranntem Silber zu licrcchnen, sondern dagegen in
Ml^nzsilber, dessen WertverhSitnis sich jedoch beständig nach dem reinen
Silber und dessen Verhältnis zu Naturalien richtete. Gold sdieint sich um
das Jahr 900 und Jm 10. Jahrhundert zum reinen Silber «-ie i : 7'/8 verhalten
zu haben, doch am Sihlusst* (U-s 11. und bis zu Anfang des 13. Jahrhun-
derts war das VerhaltnU wie 1:8. während am Knde des 13. Jahrhunderts
das Gold in demselben Verhältnis im Werte gestiegen ist, wie das Silber
herabging, so <lass das Vcrh»ttni.s damals wie i : 10 oder i Öre Gold gleich
10 Aren reinen Silbers oder was dazumni als reines Silber betrachtet und
angenommen wurde, geworden war.
S 6q. F.inc Mark reinen oder gebrnnnicn Silbers war ungefähr gleich
mit 36 deutschen .Mark. Kin Öre reines SüIht enthielt namhch ungefähr
dieselbe Silbermenge wie 2 danische Zweikronenstacke (s. 7 Lot Silber). Er
war als«> gleich 4 Kronen dänischer Münze ( 1 Mark = 3J Kronen, i Hun-
dert Silber := 480 Kronen). Da das Verhältnis {wie im 10. Jahrhundert)
zwischen reinem Silber und vadnuil wie i : 8 war, war ein gesetzlicher Öre
oder 1 Öre rv/*/wrf/ gleich '/j Knmc d;inisi-her Münze (i Mark (gesetzlicher
öre) = 4 Kronen, I Hundert [gesetzlicher Ore) = 60 Kronen, i Hundert
EUen oder 1 Kuh (:= 2',, <')re reinen Silbers) = 10 Kronen). Im Vei-
hAlinis hierzu krmnen alle anderen Werteinheiten ausgerechnet werden. Da
indessen in der Sagazeit Silber im Verhältnis zu Waren etwa den zehnfachen
Wert tlessen be^ass, den das Geld jetzt hat, so dass man damals dieselbe
Warenmenge, die nuin jetzt mit 10 Kronen bezahlt, für i Krone hätte kaufen
können, muss man immer, wenn m^n in jetzigem Gelde die Gr/Vsse eines
Betrages ausrechnen will, das Facil mit 10 multiplicieren. Infolge dieser
Regel wird ein Ore reines Silber gleich 40 Kronen (i Mark = 320 Kronen
IL s.w.) und I geNetzlicherOre oder i (Ire vaihuil gleich 5 Kronen (i Mark
■=■ y:> Kntneu u. s. w.l. Diese Art der Berechnung gilt jedoch nur für die
Zeit, als tkis Verhältnis des reinen Silbers zum vaämäl 1:8 M-ar Nach-
dem das Silber im Werte gesunken war, so diiss das Verhältnis i : 7Vj war
(f ^»8). muss eine Mark Silber gleich 30 Kronen danischer Mönze gerechnet
werden, iKler, mit lo inuUipliciert, gleich 3(10 Kronen u. s. w.
1^70. Hatitlwcrk und Kunsifleiss. Irgend welche Industrie als Nah-
Tungszweig »»der als aiisschlie^Nh'i he Beschäftigung für einzelne l'ersimen «xler
gewisse Klassen gab es in heidnischer Zeit nicht Dergleichen kam erst in
christlicher Zeit auf, nachdem griissere und kleinere Städte entstanden waren
uiuJ einige Kniwiikehmg erlangt hatten. Kunstferligkcil jt"dixh {hagUikr,
476 Xn. Sitte, i. SKAyoixAViscHE VKRHALTinsss.
v^lfimi) war clnmals viel gewölmlirlier und heim Volke im allgemeinen inelkr
verbreitet als in spilteren Zeilen. Man konnte dalier in der Regel auf jedem
Gehöft alles verfertigen, dessen man bedurfte {ver^. § .34). Während das ■
Weben und das Nflhen der Kleider und Schuhe von den Frauen des Haukes
bcsurgt wurde, war ;JIc TLscIiler- und Sduniedcarbeit tu der Rege! die Sadic
(ier Manner des Geb5fte-s. Sic hieben gewohnlicl» scU>st ihr Bauholz zurerht
und errii.'htt'len ihn* HUuser, verfertigten itire Acker;:er;ue und ihren Hausrat
und schmiedeten zum Teil selbst ihre eigenen Waffen cwler setzte» sie »enig-
stens in Stand. Viele der Waffen und ebenso ein grosser Teil der feineren
Kleider sind jedoch siclicrlich vom Auslände eingeführt wortleii, teils im
Handel erwürben, teils als lieute auf den h.'Uifigen Vikingcrzügcn, wovon man
in den Sagas auch itahlreiche Beisj^iele hat.
§ 71. Kill Mann, der Kertigkeit in der Uearbeilung sei es nur von Holz,
Metallen tider andea-n Sl'iffen besa>s, hJess ein »kunstfertiger Mann* (Acryr
tnaär, ha^kiksmattr^ frtler nur ein Schmied \smitir\. Da eine solche Fertigkeit
als eine vurzügUclie Auszeicliniuig angesehen wurde, war es sehr gewr.hnliVIi.
dass angesehene Leute sie sich anzueignen strebten. Auch wirtl in den Sagas
von einer Menge v*imehmer und angesehener Manner her\'(trgehoben, da&s
sie ausgezeicliuetc- Schmiede waren, imd in der ältesten Zeit ricJieint es :dl-
geraein Brauch gewesen 7U sein, dass der Hausherr sclUst das mci.ste der
auf seincMii Gehtift vorfallenden Tischler- und Schmiedearbeit besorgte. Hatte
er aber selbst entweder nicht Lust oder nicht Anlage zu dei^leichen Arbei-
ten, .so nahm er gew^lhnlich einen schniiedckuiidigcn Mann in seinen Dienst,
entweder als Werkführer oder als einfachen Dienstboten, crtier, wenn es
grössere Arbeiten wie den Aufbau eines Gebäudes oder dgl. galt, nur ftlt
die Zeit, die eine solche Arbeil erforderte. In der ältesten Zeit scheint es
nicht sehr gcbr-lucldich gewi-sen zu s<nn. d;is.s angeseliene kunstfertige Männer
für andere arbeiteten, in dem alten ihh-iumil wird sngar bestimmt davon
abgeraten, iiulem es dort helsst, mau »'Ue nicht ai.s ScJiuhmacher [skösmiär)
oder Waffenschmied für andere alt für sich selber arbeiten, weil man nur
Undank und Vcrwünsdiungcn ernten werde, wenn an der vollbrachten Ar-
beit ein Makel sei. Aber natürlich ging es in dieser Hinsicht wie es immer
zu gehen pflegt; es «ab gewisse Leute, die sich in Kunstfertigkeit vor den
meisten anderen McnsLlien auszeichneten oder das wurÜL'ii, was man Kunst-
schmiede (r'(i/rt«rfr ai hagleik) oder Volk-sschmiede i^pjoäsmiär, pjodhaf^ fflivd)^
naiuitc-, und sulchcScIimiede förchtelen sich natürlich nicht davor, für andere
zu arbeiten, sei es nun aius Freunilschaft <jder gegen Bezahlung. Soldie
annen Kunstschmiede haben schon sehr früh das Schniietlcliandwerk zu
ilirem Lebensunterhalt uder als Hauplerwerb betrieben. Sie arbeileten gegen
Bezahlung bei ve^rnehinen unci reichen lauten, und von mehreren der nonli-
sehen I-'flrslen wird hervoi^clioben. dass sie vorzügliche Schmiede in ihrem
Dienst zu haben pflegten, wo diese hohes Ansehen genossen. Dicjen^en
Kunstschmiede, die nicht zu einer suUhen Stcllunjj gelangten, suchten da-
gegen Wohl ihre Kiuistfertigkeit dadurch gewinnbringend zu machen, dass
sie in ihrer Heimat verschiedene Gegenstamle [sinitii, smiifis^nfir) anfertigten
und verarbeiteten, die dann zmu Verkauf geslelll wurden. gewrihuÜeh in
der Wei.se, dass ein Mann mit ihnen im Lande von einer Gegend zur au-
ren umherreiste, um sie feilzubieten. Aber wie gesagt, das Schniicdehaud-
werk konnte eigentlich erst, nachdem griissere Städte entstanden waren —
was :iiif Island niemals geschah — als gewöhnlicher Erwerbszweig be-
trieben wcrd{.*ii, alsdann aber hat es sich auch bald i>edcutcnd cnt-
u*iekdt.
Handwerk und Kl'xstfi.eiss.
47?
§ 72. So \Anffi das Schmictlchanilwcrl; nur als nn Nebenerwerb be-
[triebcn wurde, war e* sehr ull^L-inciu, dass derselbe Manu sieb i»it der Ver-
' arbeitung z. U. vjn Holz iinil Mi^tiillcn al>jnilj> Dix'h findet man schun
sehr frähreiüjt Si>uren einet Arbeitsteilung in diesem Handwerk, indem die
flink^-ren Scluiiiede. besonders diejenigen KunslsL-h miede, die gegen Bezalihuig
för andere art»eiteten. bald eins;then, dass sie weil grijjüM're Fertigkeil und
Vollkommenheit errctclicn kunntcii, wenn ^lie ^ich auss>.lilics^Ut'b mit einem
bestimmten Zweige <]es Schmiede Kanduerkcs be.schQftigtcn. Einige gaben
sich nunmehr nur mit der Verarhciiung vnn Metallen ab, entweder als Gold-
schmiede {jf/tZ/smü/ri und Sübersthmiede i,si//rjmiifr\ <xler als Eiscnst huiiede
{/tirvirniäf). Andere li'gten ^ich speziell auf Zitnmerarbeit ytretHitär), entweder
• als B;iutjschler \hüiiismiäi') «.»der .Schiffsl>auer [ski^tumülr, i/uirninmufr). Nuch
andere waren hauptsfichlich eine Art von ^IilbeltJsehlern und fertigten vcr-
wiiiedene Gebmuclisgegcnstünde wie z, B. Kisten {iisfunsmittr), Schreine
{skrinxmiiir), liiilzenic Kannen (as/tas mit/r) u. s. w. Nachdem gr«üsscrc Stddtc
K entslimden waren, findet man in ifmen viel melir Arien von S<h mieden und
Handercii Gewerbetreibenden {iäimnnaär) erwalml — vun denen jedoch eiu-
Huebic sclw)n früher genannt «iirden — , die ihr Hantlwerk als selbstsländigen
^^ Lcbcnbcrwerb betrieben, z. B. verschiedene Waffensclnniede. wie Speer^chaft-
srhmicde {ii/piismütr), Schwerlftrger {sveräskriät, sitrtiiiipari), Schildüchmiedc
[sifaMuri) und ranzermeLsier \hi\iijumeistari , pldtiamistari), Kemer Ke«*el-
•M-hnüede {kaihtsmiitrs, K;uiimma<her [kambari), ver^rlüedene Arie» von BüU-
chem (kopfitiri, /ag}inn, ^antari), Maurer oder Steinmet^te {siansMÜi>\ gijöh
■ smiärS, wie auch Weber {ir/un), Schneider [smäJari, sJtraJJan), Schu!imacher
{ikÖtmiJr, sköffträarmattr, siiiari). Sattler [s^^an), Gärber (skinimh), Maler
{peu/ari), MiUler {mvfnari) u. s. w. — Gesrhirktirlikeit im Schnitzen sowohl
in KnLM;hen wie in Holz i/iti^Uikssiuntt, thkimlr, K^i^plr) war solir verbreitet,
H tmd nicht nur >[iinncr, sondern auch einzelne Frauen werden ai?« vorzüg-
^ liehe Bildschnitzer {näiika^r) erwflhnt. Wie angesehen diese Kunst war. ist
daraus zu ersehen, duss nicht nur viele vornehme Manner, äondera s<jgar
die Könige (wie z. B. Olaf der i^eilige) sich in ihren Mussestunden mit
Holz>«hnitzeiei beschäftigten {ikera, risla sptiu). Diese Schnitzerei wurde auch
fast Qbcrall verwendet, nicht nur auf losen G^enstümlcn, sondern auch in
Gebäuden, an Schiffen u. s. w. Sie beschränkte sich auch durchaus nicht
auf ventchiedene zierende Onianiente, sondern man schnitzte auch richtige
Bilder: Vojictbildcr, Tierbilder, Mensi. henbüder. Götterbilder u. s. w.. sowohl
lijse für sich wie an Stühlen. Säulen, Paneelen u. s. w., entweder einzeln
oder grupjK'nweise. so da.ss sie zuweilen ganze Gescliichten und Myüien
daiMelltcn. Zieht mau in Betracht, was sowohl von verschiedenen dieüer ge-
»dmitxten Bilder wie von \'erschkedencn Melallarbeiten, wie Tier- und Götter-
bildern von Silber, berichtet wird, so kann man in der That von einer
biUlcnden Kunst reden , die sogar eine recht bedeutende Entwickelung er-
reicht haue.
• S 73. Nicht minder entwickelt war die weibliche Kunstfertigkeit {ivtitit-
iütir) oder Fertigkeit in verschiedenen Arten von Handarbeiten (kamtyritiri^
wie Kunstweberei, Kujistslickerei u. s. w. Gemusterte Teppiche (bonii, b6k)
mit eingewebten i«ler eingestickten Figuren {m^irk. Sing, mark) oder Bildern
{iktipt) werden sehr oft in der alten Ulemiur erwähnt, wie au<h vornehme
Frauen gewöhnlich als bei einer solchen Arbeit sitzend er^v-.thnt werden
ißii^ vi'if hördat xkrifa), teils im Begriff> Figuren oder Bilder einzuweben
({■9I&, merk/ij, böka, ktada^ rtkja, sM borita), nicht selten mit Gold- oder Silber-
1 laden {jpälbtika, cf r. gulhfinn, f^ullskotimi, fptlimi'-rkir, sUfrofinn, tiierklr it// sil/r).
478 XII. Sitte, i. Skandikatische Verhältäisse.
1
I
teils sie auf Teppklic zu sticken (sauma J, bynti ä, /esa d. Uggja bordai),
nicht selten mit Seide \stlkhauinai1r), Silber {sil/rhtgiir) oder Gold (JffS^ m
gnlli, cfr. gu/Zsattmaifi-, gufihgJr). Die eingewebten und eingestickten Btldei I
konnten alles uii'Sgtichp vtirstcllen: V'ögül, Tiere, Menschen, Gebande, Schiffe,
Waffen. Spiele, Schlachten u. s. w. Auf einem solchen Teppich konnte auf
diese Art eine ganze Geächichte ixler Mythe dargestellt sein.
§ 74. Von Schmiedegera tschaften {smiäariö/), um Kise.n und andere Metalle
zu bearbeiten, sind ausser der Esse (a/I) mit dazu gehörigen Schmiedebalgen
(stnidbeigr) hervorzuheben: Ambuss {sleäi), Hammer {hamatr), Srhlaghammer
isltj^^, /lims/fji'i^/fi). Zange i/yni,: plur. ien^r), Schiauben/angu {k/^mdr), Feile
(ßf'f), Meissel {m€itiil) und ein N.igeleisen {mt/tt), das auch benutzt «iirde, um
Metalldra,ht daroit zu zielien ((//rt^/ci//«/). Bei der Zimmerarbeit waren die wich-
tigsten Gerate: Zimmcraxl(jwx/(Ä2w.v. /<i/^*\-), Schnitzmesser {fä/grtJtni/r) , Bohrer
(aa/an), Drehrisen (stolpr), Hnbel {tnktin) und Sage (jf>y'i. An lüldsclmitzer-
geraten hatte man au.-iser tlem Messer und dem Dreheiseu auch einen Grab-
stichel {grn/,iil), der gewiss vornehmlich zur Bearbeitung von Metallen wie
von Knochen und Zahn benutzt wurden ist. Wtn den Nahwerkzeugcu war
die Nadel biäi) das wicliligste. Es gab mehrere Arten von Nadeln. Die
^teste derselben, die in der Sagazeit besonders zum Nahen \Tin Fellen imd
sehr schweren Stoffen gebraucht wurde, war die sogenaiutle Ziehnadel
{dra^näl); dies war eine knrVchtrme Nadel, die dazu diente, das Nähgarn
durch ein Loch zu ziehen, welches zuvor mit Hülfe eines Pfriemens (ff/r) gt-
stüchcu war. Beim gewöhnlichen Nahen benutzte man dagegen die eigent-
liche Nahnadel {xaummil) und zum Nahen von Schuhen und Leder eine
Schuhnadel (.sköiuil), die ciiicni kleinen Speerblatt glich, mit einer scharfen
Spitze, aber oben flach mit scharfen schneidenden Kanten, Ausserdem
brauclite man heim Nahen einen Fingerhut {fingrhj^r^) und ein »Fingereisen<
{ßng}f<im\ das wahrscheinlich dazu gedient hat, die Spitze der Zielmadcl ■
und der Schuluiadel zu erfassen, um sie heraus oder durch den zu nahenden '
Stoff zu ziehen. Zum Schneiden brauchte man eine Scheere {s^x, siirn), beim
■ Nahen eine kleinere Nahscheere Ufiumyhrn), aber beim Scheerni der Schaf-
wolle und des Mahiienhaarcs der Pferde eine Mähnen.schcere {mnuxktrri}
Die Scheere wurde in einem F'utteral {ii<erahiisi) am Gürtel hangend ge-
tragen. — An Werkzeugen bei der WoUarbeit {lövinna, T'jitfiv/i) können
folgende erwilhnt werden, Zum Kratzen brauchte man WitUkratzen fW/-
kambar) und einen Wijllkorb {nllhiipr), um die gekratzte Wolle hinein zu
legen. Beira Spinnen liatte man einen Rockenstock {rokii^, um das zu
spinnende Material — Wolle oder Flachs — zu halten, wahrend das Spinneu
selbst mit Hülfe einer Spindel {smrUa) geschah; diese bestand aus einem
<^-linderfönnigen Holzschaft {ittttiduhaii), an einem Ende mit einem Haken ■
und einem an detnselben Ende angebrachten rundlichen steinernen oder
hölzernen Wirte! {siuidr) versehen; der Wirtel hatte in der Mitte ein Loch,
durch welches der Schaft der Spindel ging. Der Wirtel diente dazu, der
Spindel beim Umdrehen Si'liwung zu geben. Beim Weben von Zeugen
grosserer Breite diente_ eine Art von Webstuhl {ve/r, iv/itadr], der doranf
eingeridiiet war, dass man stehend daran webte. Er bestimd aus zwei senk-
recht stehenden Pfosten [hUinar, Sing. hUin), zwischen denen ein Weberbauni
{ri/r^ ging, der auf zwei am oberen Teil der Pfosten angebrachten hölzernen
Haken ruhte. Der Aufzug igom) war oben an den Weberbaum befestige,
unten aber mit einer gewissen Anzahl von üewichteii oder Steinen {kijagrpt,
kljdr. Sing. kU) behängt, die dazu dienten, den Aufzug zu spannen mid ihm
die nötige Stciflieit zu geben. Ungefähr mitten zwischen dem Weberbaum
Haxdwekk VSD KtmSTFtEtSS.
47f'
I
TOid cl«n Gewrhtcn waren zwisi-lK-n den Pf<i»ten quer Über das Gewebe ei»
oder mehrere Webersthafle [skapt) angebracht, an welchen der Aufzug durch
Bander oder Ösen {ha/aJd) festgehalten wurde. Mit Hülfe dieser wurden
■die Faden des Aufzuges abwerliselncl gehoben iider niedergedrückt {hristn
vtf »pf> ok ofan), wenn der Einschlag U-^ptr, rip/a) hindurch (iew."hossen
werden sollte. N'ach der verschiedenen Anzahl ilcr Schafte hie^s das ge-
webte Zeug entweder einschäftig (e/nsitp/t). zwcijuliaftis Ut-Ukeptr), oder drei-
sdtaftig ipmiepir). Den Einschlag durch den Auf;tug hinduicliführen lucs»
»das Gewebe winden« [vint/a i'n/), und hierzu benutzte man entweder nur
eine-u KnSuel {hno/ta) oder ein Geriil. welches Winde {vinJa) hicss und um
«dches der F.insrhlagsfaden wie um eine Weberspule gewunden oder gewickelt
war. Als Schlagbrett isiaä) dieiile ein scliwenfömiiges Werkzeug von Wal-
fischknochcn, w*otnit der EiniM'hbig cnipor getrieben und zwischui den Faden
des Aufzi^cs festgednickt wurde (sin ve/). Um die Fiiden, die heim Weben
entzwei gingen, wiederzufinden, Querstriche tlber den Aufzug zu machen.
um, wenn die Schrdte gerückt wurden, den Zwischenraum (sJii/) l>esaer zu
öffnen, sowie den Einschlag an seine richtige Stelle zu bringen {hnfla),
brauchte man etn spitzes Stöckchen {Anr//) wm KnfKrhen oder zähem Holz.
Wenn das Zeug plnscli.'irtig werden sollte {io^tiiikt\ iocti), wendete man hierzu
ein Gerat an. genannt »Plasohmacher« {yilir, cfr. «//), dessen nähere Be-
schaffenheit man nicht kennt. Zeuge von geringerer Breite, besonders ge-
mustcile oder kutlstVl^lI gewebte Bander, wurden mit Hülfe dümier vier-
eckiger Holzscheiben (spjQid, Sing, spiald, cfr. blada spJQliiiim, s. mit Holzscheiben
weben) gewebt, die wahrscheinlich — wie noch jetzt auf Iskuid — meist
von Buchenholz gewesen sind, weshalb das Weben mit ihnen auch höka und
das ao gewebte Zeug bök genfuint wurde (§ 73}.
TT
sa ^ vtitafir; bb ^ innstafir, stifttr: cccc =
raptar: M = staßagjur, syllr: tx^hliddior,
hrünAsar: f= minidss: g=^dfergr: h =: vagl.
X = sto/a ; b s= sidii; c ^ rläfiüs .
i^^r; K^t/yrr, ttljar^tip.
XII. ABSCHNITT.
SITTE.
DEUTSCH-ENGLISCHE VERHÄLTNISSE
VON*
ALWIN SCHULTZ.
Hier soll nur die Art ins Auge gefasst werden, wie eine zuverlässige
Schilderung der Sitten des deutschen und englischen Volkes aus den Über-
lieferungen der Schriftsteller entnommen werden kann: von dem Versuche
einen Überblick über die Kulturgeschichte dieser Völker zu geben, die
das gesamte geistige und materielle Leben auf allen Gebieten, in denen
sich dasselbe manifestiert, anschaulich machen müsste, wird ganz und gar
abgesehen.
Die ältesten Überlieferungen über das Leben der Deutsclien verdanken
wir Caesar und nach ihm Tacitus; was diese uns schildern, ist in zalillosen
Werken bald mit mehr bald mit weniger Einsicht und Geschick verwertet
worden. Im grossen Ganzen sind es doch recht dürftige Nachrichten und
auch für die nJlchsten Jahrhunderte liegt das geringfügige Material ziemlich
zerstreut (vgl. K. !Müllenhuff, liettlsche AUeiinmsknnde. I. Berlin 1870). Die
Merowingerzeit und das Leben der nach Gallien übersiedelten deutschen
Völkerstämme wird durch die beiUlufigcn Bemerkungen des Gregor von
Tours, des Fredegar, auch niclit zu anschaulich, uns vorgeführt. Von hoher
Bedeutung dagegen für die Sittengescliichte der Angelsachsen ist das Beowulf-
lied. Über die in Deutschland ansässigen Völkerschaften geben die in den
Lebensbeschreibungen der christlichcTi Glaubensboten hie und da vorkom-
menden Äusserungen dürftige Auskunft, auch wird in den Gesetzsammlungen
manche Bemerkung Beachtung verdienen. Reicher i.st das Material, das seit
der Regierung Karls des Grossen uns zur Verfügung sieht. Einhard wird
immer eine wichtige Quelle bleiben, aber man darf nie aus dem Auge ver-
lieren, da.ss sein Stil mit allerlei den römischen Klassikern entlehnten Phrasen
verziert ist, und immer muss man zusehen, ob nicht mit der Phrase auch
der Gedanke entlehnt ist.
Die Dichter des Kreises von AIcuin und seiner Schule tragen nur wenig
zu unserer Kermtnis bei, eher dass aus des Kaisers Kapitularien, aus erhal-
tenen Briefen, Gedichten sich zuweilen eine Bemerkung ver.verten lüsst. Auch
t
■
bildliclic DurstcUungen, die un» eine Vorslulluiig vnn der äusseren ErsclKi-
nung der [JeutHchcn zur /eil Karis des Gnjsst^n oder der frtthcrt'n Eimchcn
vemiitteln kannten, fehlen ^finzlich: die wenigen \'ijrliaJi denen Miniaturen
stellen nur kirchliche Sccneu dar, und aucli wo Profangestalten auftreten, ist
es immer zweifelhaft ob nicht die spatrömische Vorlage auch da kopiert iirt.
So aber, wie unsere beuligen Maler Karl den Grossen darsiellcn. Iiat er
sicher nie ausgeselieu; v-r konnie ja ainh die Kcichsinsignicn nicht angelegt
haben, wie wir sie auf dem Bilde von Albrcclit Dörcr sehen, dessen Poriniit
KarU heute noch immer allen Daratfllungen zu Grunde gelegt wirti, weil
eben diese Gewänder, die Kaiserkrone u. s. w. erst aus der Staufenzeit
herstammen. Die langbärtige Gestalt ist auch eine Schöpfung Albrecht
Dürers. Die Physiognomie, die Karl yuf den authentischen Si(^In zeigt,
ist eine durchaus andere, und da» Mosaikbild in S. Giitvatini in Laterano,
das bald nach dem Tode des Kiiisers entstanden ist (Quicherat, //«/. Ju
ccstHHtr (H France (Paris IÖ75, — loö|, gibt auch eine ganz andere Vor-
ütcllung von seinem Äusseren. Ein Bildnis Kaiser l,otliars ist in einem
Evangeliarum zu Aachen und in einem andren zu Paris ertmlten. Karls
deri Kalilen Erscheinung kennen wir aus dem Tiielbitdc der für ihn ge-
schriebenen jetzt in Rom in der Bibliothek von St Paul vor den Mauern
bewahrten Üibet (Quicherat a. a. O. 113, vgl. Wocrmann und Wohraann,
Gctch. der Malerei I (Lpz. 1879} S. 2o6. 207).
Die Quellen für die Sittengeschichte des i> — 12. Jahrhs. sind schon
reidter und ausgiebiger. Wir haben eine grus.se Anzahl von Amiiilcn und
Chroniken und besitzen dieselben in den trefflichen korrekten Ausgaben der
Monumenta GemKiniae. Auch in England stehen uns eine grosse Zahl von
Chroniken und aiuialisti^clicn AuTzcichnungen zur Verfügung, die z. fi. in
Potlhast's Bibliothecu medii aevi aufgezahlt werden. Die Verfasser, wohl
meist dem gcisüichen Stande angehörig, zum grössere Teile Mrtnche, erzählen
die Ge«.cliichtc. wie sie ilieselbe aus Schriften <;dcr aus mündlichen Mit-
teilungen erfalutn. als Zcitgencfssen sie miterlebt, wie sie zuweilen auch pen^i^inhch
in ihre Entwickelung mit eingegriffen. Es handeil sich also immer um Dar-
stellung historischer Vurgüngc: das Lcbcu des Volkes wird als bekannt vor-
ausgesetzt, und deshalb der Besprechung nicht wert gehalten; nur zuweilen
ist eine Bemerkung für die Sitttngcschichte beachtenswert. AVtnn man aber
alles zu&fimmen nimmt, was aus jenen Geschirhtswerkcn zu ersehen i.st, so
bleibt die.s doch im höchsten Grade dürftig. Gesetzt, die Lebensverhältnisse
der Kulturvölker Europas seien in jener Zeit noch sehr fllmUch gewesen,
so kann m^m ja auch die Geschichtsschreiber der Italicner, Franzosen. Eng-
lander nocli zu Kate ziehen, aber selbst daini wird man eine reiche Aus-
beute nicht erwarten dürfen. Eher werden die Biographien der Metligen.
überhaupt die überliefeilen Lebensbeschreibungen mit Nutzen durchforscht
werden; die Wundergeschich tcu, die an den Wallhüirtsorlcn passiert sind,
— nur leider meist nicht datiert — teilen manchen Zug au» dem Volks-
leben mit, doch wird tä immer am luluiendslen bleiben, der |}octiscliea
Literatur besi^ndere Aufmerksamkeit zu widmen.
Die alleren deutschen oder angelsachsischen, wie die in lateinischer
Sprache abgpfa.<;stcn Gedichte, behandeln zumeist religiöse Stoffe. Die Er-
zählung soll»sl ist gegeben, ist uns aus der Bibel, aus den Legenden etc. wohl-
bekannt; nun muHs mau zusehen wie der Dichter seinen Stoff beluindclt,
deniiellien seinen Zeitgenossen deutlich und intcrcs.-^ant zu machen, wie er
ihn umgeKtahct. furtlasst. zusetzt, sich in selbNtorfundenen Schilderungen er-
geht. Es ist dies eine mühsame Arbeit, aber jedenfalls belohnender als das
i;crmKnf»chc Phlloloi:!« III- J. .^ufl. 31
482
XU. Srrre. 2. Deittsch-knolische VBRnXtTKisss.
Durchlesen der Annalc-n uml Chroniken, das deshalb aber kcinpswegs ausser
Achl zu lassen ist Die Dichtunj^en, welche profane Sloffe bchandclu. wer-
den gegen Ende unserer Periode li^ufiger, das Epos des Waltliarius, die
ErzIlhUingen aus dem Kreise der Tierfabel, wie die Eobasi.s raptivi etc.. \'or
allem der RuudUcb, siud in Betradit zu ziehen. Es wird jedoch jeder der
sich mit der SiUcnge-scliiclitc dir-ior Epoche beschafii^t, j,'nt tbun, sich eine
Kenntnis der gesaniteu erhaltenen Uleralur jenes Zeilraumcs zu verschaffen
und dieselbe .stirgsain durchzuarbeiten, selbst Glossensammlungen u. s. ve^
nicht ausser Acht zu lassen, denn nur auf Grund des vollständigen Malcriah
la^st sich eine leidlich zuverlässige Schilderung entwerfen: dürftig wird die-
selbe aber immer bleilicn, selbst wenn man, wie silmn bemerkt, aucli die
literarischen Erzci^iissc der Deutschland benarhi>arlen Staaten mit in Be-
tracht zieht.
Gründlicli behiuidelt isl die Sittengeschichte Deutschlands in der Zeit \'on
Karl riem Grossen bis zur Regirnuig der Staufen n(x:h nicliL Was Wein-
hold, Du dattsdien Frauen in dem MittehiUr (2. Aufl. (88j, 3. Aufl. 181)7),
ftber diese Periode bietet, ist durrhaiLS nn zureich etKi, so gut dies mit Kecht
gefeierte Werk auch den folgenden Zeilabschnilt, die Blülepenode der deut-
schen Epik und Lyrik, schildert.
Diese Epoche, die etwa die hundert Jahre von 1150 — 12,50 umfasst, hat
schon langst die Aufmerksamkeit der Germanisten in Anspnich genommen;
es existiert eine ziemliche Menge von Monographien und zusammenfassenden
DarstellunReu. Die Quellen sind wieder in erster Linie in <lai historischen
Schilderungen zu sudicn; diese sind schon redseliger abgefasst und bieten
deshalb mehr als die älteren Schriften. Neben den Chroniken, Biographien,
Briefen. Gesetzen u. s. w. liefern nun die reichste Ausbeute die Gedichte
der Zeit, weniger die lyrisdicn, mehr die epischen; auch die didakli-^Mien
Poesien sind immerhin von Hcdculung; es gilt ebenfalls hier alles, was niaD
erreiclicn kann, zu prüfen und wenn es angeht, zu verwerten. Die histori-
schen Quellen .sclüldeni uns die tbatsachlii h vorhandenen I>ebcnsverhältnisse;
was wir erfahren ist. wie dies nicht anders sein kann, sehr mager und voller
Locken. EInigennasscn kann man dieselben ausfüllen, wenn man die Pre-
digten der volkstümlirlicn Kechier, die ja doch auch wirkliches Leben vor
Augen hatten, zu Hilfe nimmt. Die Predigten des Bertliold von Regens-
burg werden immer eine sehr wichtige Quelle für die Sittengeschichte des
13. Jahrlis. bleiben; man darf nur nicht jeder Äusserung ein zu grosses Ge-
wicht beimessen: in der Absiebt auf die Zuhörer zu wirken ist natürlich
manches fibertrieben dargestellt. Vor allem aber hüte man sich, die Auf-
zeichnungen der Geschicliisschreiber falsch zu deuten. Es werden da öfter
5?c band diäten. Unsittlichkeiten iL s. w. erzählt, und viele moderne 5ichrift-
steller, z. B. der verdienstvolle Joli. Scherr, sind sofort bereit, diese Berichte
zusammenzustellen und sie als charakteristische Merkmale denielben Zeit zu
ver^vertcn. Indessen, wenn diese Sünden so allgemein im Schwange gewesen
»ilrcn, hiUte sie der Chronist scliwedich crwrduu; nur weil sie seine Auf-
merksamkeit erregten, hat er dies gethan. Heute würde ja auch kein Chro-
nik enscli reibet jeden Diebstahl, jeden Bankerott buchen, sondern nur Auf-
sehen erregende Falle des Aufzeichnens für wert halten. Es ist also immer
erst recht sorgfältig /u prüfen, ob suSche si>genannle charakterisiische Ge-
schichten wirklich so bezeichnend sind. Ebenso wird man bei Beurteilungen
der Sitten und Lehensformen einer Zeitepoche — und solche Bemerkungen
finden sich hie und da — fragen müssen, von wem sie herrühren. Wir
werden ein solches Zeugnis anders beurteilen, wenn es von einetn eifernden
RtTTKRZETT.
4S3
Sittenprediger herrührt — sein Ideal von Sitten rein hoit Ist nie auf dej- WrU
veiwiiklicht wonlirii — tMler wenn es ein aller Herr ausspricht, dem die
G^enwart »o ßraii crsdicint gegen die güldenen Tage der Jugentl, als auch
er an den sp;iter gescholtenen 'rhorliciten seineu vollen Anteil hatl». Ktwas
kann wohl auch hei diesen Strafpredigten wahr sein, und dies herauszufinden
ist die Aufgahe, der sich jetSer unterziehen muKs, wer an .siiienge>ichirhtli(.-he
Untersuchungen Hand anlegen will. Hat man nun die historisch überlieferten
Thaütaehen grup])iert, so gehl man daran, die Dichtungen zu Rate zu ziehen.
In England sind für jene frOhe Zeit nur wenige nationale anzutreffen, meist
liaben wii es mit Hnglonornianiiischen Dichleni zu thun, die im Geiste der
Kranzcisen dichten, wie sie sieh auch deren Sprache hedienen. Thi)ma»
Wright ia histoty 0/ äomestic wanners anti seniimettls in EnglamI during Ihe
midiflf ages — Lond. 1862) zieht deshalh auch meist franztisische Quellen
heran, englische Zustünde zu scliikleru. Über die lyrischen Gedichte ist
wenig zu sagen. Stofflich eulltalteii sie selten etwas brauchixires, un<l will
man sie als AiL<Mlruck der Gesinnung gewisser GeselUcliaftsk lassen gellen
lussen, so ist d'M'h erst die Grenze: zu beAilmmeu, wo die Phantasie des
Dichters beginnt Ich glaube, daas z. B. zahlreiche Minnesänger Tageliedcr
gedichtet haben, ohne dass sie je in der Lage waren, solche Situalinn [K-r-
sönlii:h zu erfahren. Die didaklisclu-n Poesien werden ebenfalls sorgsanier
Prüfung wert sein; in tien SUndenklagen und .Ihnlichen ascetiMhen Schriften
vird man gut thun, nicht alles für die ganze Zeit und Gesellschaft gelten 2U
la<«en. Was mm die grossen Epen anbetrifft, so beruhen sie, wie bekannt,
meist auf franzrtsisrhen DriginaJen, die zum Teile wenigstens mir in deutsche
Verse ilbertragen sinil. Die Lehensgcwolmheiten waren unter der vomelunen
Gc«.e!Lschafi in Deutsclilaad wie üi Krankreich ziemlich dieselt>en: französische
Sitte galt als die Norm anständigen, höfischen Benehmens, mag auch im
übrigen, was wir nie aus dem Auge verlieren dürfen, eine Maiuiigfalligkeit
-der Sitten und Gebrauche bei den versrhiedenen VAlkem in den iJUidem
und Stfidlon vorhanden gewesen sein, eine Maanigfaltigkeil, die noch bis in
das vorige Jahrhundert sich verfolgen ISs-st. Für diLs Mittelalter sind aller-
dings die-ie Verschiedenheiten nicht nachgewiesen, da nns zu dürftige Ülier-
licferungen zur Verfügung stehen, dass sie aber gerade in jener Zeil sich
brsiinders grJtend machten, ist nicht zu bezweifeln. Wir können also
die Schilderungen der Epiker, die ja alle ihre Erzählungen genau in
das tiewand ihrer Zeit kleiden, im allgemeinen wohl als glaubwilrdig an-
sehen: *ie die Helden der Epen, so handelten die Killer jener Zeit «Mier
hallen wenigstens so handehi sollen: die Gestatten, die der Dichter schuf,
waren hleale für die Hörer seiner Gedichte, in diesem Sinne winl man sie
aufzufassen hal>en. Diese Helden betragen sich also im hrtchsien Grade
korrekt, und was sie tliun und lassen, was sie für erlaubt halten das galt im
allgemeinen der grossen Menge der Riller als zulässig und ansu'lndig- Es
ist nun wohl zu beachten, wie die deutschen Dichter die franz^isLschru Epen
übertragen, umdichten, was sie fortlassen und was sie zaseizen. Die fran-
zOiüschcn Oian*ms de geste erzählen häufig, da.ss ein Held l>ei einer hefti-
gen Gemütsbewegung ohnrnSt htig wird, — das musste doch einem so er-
|>roUen Krieger passieren können, ohne dass es bei den HOrern oder Ixsem
■<lcs Gedichtes Bedenken erregte, — in die dculsclie Poesie Ist dies Motiv
nur höchst sehen (cf. Willehalni öl, 19) aufgenommen worden. Wie die
Dichter nur Helden und Heldinnen scliitdem, so häufen sie in iluren Be-
Kchreibungen auch alle Pracht und HerrUchkeit auf sie. Die Burgen imd
■Sdilüsser siiul nrieh viel herrlicher, als sie in WirkUchkeit den Zeitgenossen
484
XII. Sitte. 2. Deutsch -englische VbrhXltnisse.
vor Allgen standen, aber immer den damaligen Prachtbauten im gmsscn
GaJizcn alinlich. Was der Dichter je von Kostbarkeilen gehört hat. das
bringt er bei seinen Schilderungen sicher an; selbst die wunderbaren Auto-
maten, die golrlnen Baume mit den Vögeln, die durch ein Orgelwerk zum
Singen gebiatht w-urdcn, auch solche Kunstwerke hatten die Kreuzfahrer iu
Knnstantinopel oder im Orient gesehen, und die Dichter erzählen mir aus-
schinOckend wieder, was sie wtrklicli gehört haben. Etwas Wahres ist also
immer in den Scliildcrungen der Dichter vorhanden — dass in der Erfindung
der Erzälilung sie ihrer Phantasie freien Spielraum lassen, das versteht sich
ja \*on selbst — die Gestalten der Erzählungen betragen sich je nadi üucm
Stande so, wie die Zeitgenossen dies in ihrem Kreise gewohnt waren, und
auch die Kleider, Rüstungen, die Burgen, Palllste, die Kriege, Belagerungen^
Toumiere, kurz das ganze ritt(*rliche Leben ist der Wirklichkeit entsprechend,
nur zuweilen etwas übertrieben prächtig dargestellt. Nun redea aber die
l^iihter, eben weil sie an das sie selbst umgebende Leben anknüpfen, oft
nur andeutend tiber Dinge, die den Zettgenossen wohl, aber nicht uns völlig
verstandlich waren; dann niuss man sehen, möglichst viele Stellen zu sammeln,
die, dieselbe Sache besprechend, sich unter einander ergänzen und erklären.
Bei der grossen Menge von Dichtungen kann man sicher darauf rechnen^'
auf diese Weise zum Ziele zu gelangen, zumal wenn man noch die gleich-
zeitigen franztlsischen Poesien mit zu Htllfe nimmt
Die Poesien bringen zwei Momente besonders zur Geltung. Tapferkeit
ist die Haupttugend des Ritters, und -sein Lohn ist die Gunst der Frauen.
Kor die^e beiden Momente hegte die damalige Zeit das höchste Intcre$.se;
einen tüchtigen Kampf sidi schildern zu lassen, wurden die jungen und die
alten Ritter nicht müde, und sicher hellten sie als SachversiJlndige jedes
Versehen des Dichters gerügt, dann aber hörten sie gern von Liebesaben-
teuern erzählen, aucii wenn die romantische Geschichte durcli eine recht
handgrejfliche Derbheit gewürzt wurde. Die Schwanke und andere kleine
Gedichte fanden trotz ihrer oder gerade um ihrer unverblümten Scherze
Beifall, dcim stets gilt die Zu.stiiimiung dem guten Witze, der Schlauheit, mit
der ein Weib ihren M;mn betrog — immer sind die Frauen die Klugen,
ihre Mainzer die Dummen — und dass diese kurzwellige Geschichte in einer
■ fft genug uns recht aiistössigcn Weise erzühlt wurde, darum bekümmerte man
sich nicht, solche Geschichten waren ja nicht für die Kinderstube bestimmt.
.\ber aus dieser unzweifelhaften Vorliebe für erotische Schilderungen auf die
I^benswelse der guten Gesflls« haft jener Zeit zu scliliessen. ist doch wohl
nicht erlaubt. Es kann einer gern, sehr geni, solche Gescluclilcn hören und
sie selbst doch in Wirklichkeit auszuführen nie in Versucliung kommen.
Nicht das Gewöhnte, sondern das Ungewöhnliche pHe^ ja immer die Leser
der Romane zu interessicreu.
Auf diese Erwägungen die Aufmerksam keil zu richten, dQrfte nicht über-
flüssig seiu.
W.'ihrend für die Geschichte des Lebens der obersten Ge&ellsrhaftsk reise
tier Stoff nicht mangelt und fast jede neue Publikation ungedruckter Spradi-
'■der Geschieh tsdcnkmalc neue AufsclUüsse, mag dies auch nur für Kleinig-
Leiten zutreffen, bringt, ist es sdiwicrig, über die Sitten, der Bttiiger, der
IJauer« Aufschluss zu erhalten. Urkunden werden liier am clieslen Material
liefern, aber kaum ein bedculcmlcs und sclir ausgiebiges. Die WVisiümer
sind meist undatiert und deshalb so überaus schwer zu verwenden.
Die ritterliche GcscILschaft Ist bis jetzt ausschlics-stich ins Auge gcfasst
worden; man hat ihre Wohnungen in den Uurgen studiert und versucht die
I
I
Beschreibungen der Sc-hriftstelier durch (Mos .Siiidium der noch vorhandenen
Burgruinen zu ergünzen. Dit.'s würde leicht zu erreichen sein, wenn sich
oner die MOhc nflhrao, die Burgen alle zu zeichnen, ihre Lage, ihre Grund-
risse u. s. w. festzustellen und diese Ergebnisse dem Publiknm zu Übergeben.
Das ist aber schwerer als man denkt; eine Kirche kann im Nntfall ein
MauriT aufiTirs^en, eine topographische Skizze, die brauchbar ist. die jede
Differenz der Höhenlage genügend anschaulich macht, herzustellen, erfordert
einen sehr gcAchickten und geradt^ im Kartenzeichnen geübten Mann. Ist dies
aber auch erreicht, so tritt nun die Schwierigkeit her\or, die Entstehungszeit
•des Baues und seiner Teile zu ermitteln. Damit ist gar nichts gewonnen,
dass wir wissen, die Burg wird in dem und dem Jahre zuerst erwähnt; des-
halb kennen die Biiuten viele Jahrhunderle sfjRter aasgeführt sein. Fehlen
architektonische Schmuckteile, und die sind meist aus den Ruinen langst
«ntfemt, und bleibt nur die aus Bruchsteinen aufgetürmte Mauer, dann ist
es sehr schwer, die Entstehungszeit auch nur annähernd zu bestimmen.
Manche stellen sich diese Art von Untersuchung so überaus leicht vor;
ihnen mOgen die vorstehenden Bemerkxmgcn iK^onders ans Herz gelegt sein.
Durch die Untersuchungen von Näher, die ich hftf. Leben * I. 8 Anm. zu-
sammengestellt habe, und A. v, Essenwein in seiner Arbeit über die Kriegs-
baukundc (Darmst. 1 889) ist auch die Bearbeitung dieser schwierigen Fragen
wesentlich gefordert worden.
Die Kleidung, derer man sich im 12. und 13. Jahrh. bediente, wird zumal
in den Gedichten htlufig und eingehend beschrieben. Es kommt nun daittuf
an, sicher zu datierende Miniaturen und sonstige Abbildungen zur Erläute-
rung jener Beschreibungen heranzuziehen. Und da Lst \'or allem zu bemerken,
dass für die Zeit des Wolfram von Eschenbach u. s. w. die Ire übrigen so
wichtigen Miniaturen der Heidelberger (falschlich: Manessischen) Liederhand-
sclirift durchaus nirlit zu verwenden sind, da sie mehr als hundert Jahre
später gemalt wurden. Für das 12. Jahrh. bleiben immer als Hauptcjuelle
die Miniaturen des 1870 verlorenen //oriies delictarum der Herrad von
Landsberg (hrsg. von Engclhart, Stuttgart u. Tübingen 1818, Nachträge von
Straub Strawb. 1880 ff.). Für den Beginn des 13. Jahrhs. ist die Bilderhand-
schrift der Eneit des Heinrich von Veldecke und die des Marienlebeas von
Wemher von Tcgemsce (beide in der Berliner Bibliothek) zu b&ichten,
und die Handschriften des Konnid von Scheycm (München, Hof- und
Staatsbibt.) geben für die erste Hfllfle des 1 3. Jahrhs. sichere Anhalts-
punkte. Je mehr Bilder noch aufgefunden werden, desto klarer win.1 die so
schwierige Kostttmfrage sich beantworten lassen. (Vgl. v. Hefner- Alteneck,
Trachten des christl. Mittelalters. Mannh. 1840 — 52. — 2. Aufl. Frankf. a. M.
1879 ff. und Herrn, Weiss, KostUmkunde, Stultg. 1856 ff. — 2. Aufl. 1 881 ff.).
Cber die Art der Bewaffnung, der Belagerungen, der Schlachten ist ku
den Berichten der Zeitgenossen M. Jahns' Handb. einer Geschichte des
Kriegswesens (Lpz. 1880) und Köhler, Kriegswesen in der Rilterzeit (Breslau
1886 ff.) zu vergleichen.
Ganz andcn« sind die Quellen beschaffen, denen wird die Materiaüen zu
einer Sittengeschichte «ies ausgehenden 13. Jahrhs. bis zum Tode Maximi-
lians 1. verdanken. Die Chroniken und Geschichtserzahlungen werden wdt-
lüuf^er und ziehen nicht seilen auch Fragen, die uns speziell interessieren,
m Betracht: die Limburger Chronik ihrsg. von A. v. Wyss in den Monu-
mentis Germ. 1883* stliildert nicht nur die merkwürdigen Handlungen, die
Trachten, sondern erwähnt auch die Lieder, die man sang und pfiff, und
manclies Ähnliche. Besonders die Stadlechroniken (hrsg. von C- Hegel, Lpx,
Xn. Sitte. 2. DnirrscH-EXGLrscHK VhrrSltnisse.
l86a ff.) sind zuweilen reich an solchen Schilderungen au>i dL-iii Voifcslebei
An SellM4thl(^rai>hien fehlt es nicht: es sei nur auf die interessanten AufJ
xcichnun(;cn des Bernhard Rorbach (hr^. v. H. Orotefend, Oeschichisqucllcn
von Frankfurt a. M, 1884 I.) in Frankfurt ii. M. hinpcwiL-scn. Dazu kommt
die unabsehbare Menge von crhriltenen t.'rkuTulcn, die zuweilen auch für uns
wichtig sind; sie finden sich in den Codices diplomaiici, Gc^chitlitsqucUen,
Rt^eslen etc. gesammelt, aber das Widitigstc ist nach unediert in den Stailt-
bUchcm und ahnlichen Manu^skripten verborgen, Prediger we Berthold von
Regen sburg fehlen allerdings für das 14. Jahrb.; die Mystiker bitten s<> gut
wie gar nichts, aber im 15. Jahrh. liefert der Augustiner Gottirhalk Hiillen
und vur allem Dr. Geiler von Kaisersberg eine unschätzbare Quelle der
SiltengcM:hichif. Dagegen ist che Ausbeute aua tlcn Dichtungen ziemlich
flnnlich. Im 14. J:ihHi. sind es vor allem die Werke von Suchenwirt und
Heinrich dein Teicbner, die Stoff bieten; viel weniger wird man in Hadamar
von Labers' Jagd (circa 1340) finden, und die Mörin des Hermann von
Sachsenheim (c. 1453) ist für unsere Zwecke fast gar nitht zu brauclien.
F-inzelne Satiren wie des Teufels Netz {c. 1414 — ^18) haben eine grt'issere
RrdfUTiing, doch wirklich rcii-h an Material ist erst wieder Sebastian Brands-
Narrenschiff (1494) und die an <lasselbc anknüpfenden Predigten Geilers voa
Kaiserberg, scjwic die Dichtungen Thomas Mumers, die Narrenbcschwörung
(1512I, die Badenf;ihrt, die MüMr von Sch^s^nde]sheim, die Geurhmat (1519).
Das Bauemieben schildert der Ring des Heinrich von Wilti-nwciler, und
mani-liprlei ist auch aus den dem Ende des 15. Jahrhs. angehftrigen Fasi-
na chtspivlen (hrsg. von A. v. Keller Siulig. 1853. 1858) zu lernen.
Die englische Literatur ist bei weitem nicht so reidi und bietet zu-
nächst haiiptsllchlich Bearbeitungen fremder Stoffe, wie ja auch Chaucer
solche in seinen Canterhury Tales geliefert. Hier ist zu beachten, wie
die Bearbeitung ausgeführt wird, was der Dicliter fortliisst oder zusetzt
um sejnen Hörern verstflndticher oder angenehmer zu erscheinen. Auch
hier wird nur eine Kenntnis tler gesamten vorhandenen Literatur berech-
tigen ein Bild vun dem Geist und den Sitten der Zeit zu entwerfen. Über
englische Burgen ist zu vergleichen I ludson Turner, Sonic accotmt of
d' 'Uieslic iirchitecture in England fruin the Conquesl to thc eud of the
Ihirteenth cenluni', Oxf. 1H51, und Parker, Some accnuni of domcstic
architectnre fruni Edward L to Richard IL 0.xf. 1853. — über Costumc
u. s. w. geben die alteren Werke von J. Strutt Auskunft, dress and habitg.
und spnris and pastimes. (Lnnd. 1801). — Die Sittengeschichte behandelt
Thomas Wnght in seinem uljcn citicrteu Werke und in Womankind in all
ages of western Europe {Ijind. 1869) sowie Edward L Cutts in den Seciicii
and characters of the middle :iges. (Lond. 1872.)
Es ist nicht mehr die adelige Gesellschaft, die die Poesie ausschliess-
licli beherrscht: das hflrgeriiche Element tritt namentlich in den Chronikea
mächtiger in den Vordergrund; der Adel Lsi mehr zurückgedrängt und
selten noch auf der Hr.hc d(*r Bildung, der Kultur. Der Cieschmacfc ist
ein anderer geworden; die lÜKühlungen von den Abenteuern der Ritter
munden der i^eit nur noch in so fem. als den betriebsamen Geschäfts-
leuten em ihnen verschlossenes Gebiet sich eröffnet, und aucli die leicht-
fertigen LJebesgeschichten sind pluro])er geworden; oft (Iberwicgt der Schmutz
in der Erzilhlung weitaus den Wiu, den guten Scherz. Man vergleiche
eine freie Erzählung des Konrad von Wörzburg mit den Spassen, die uns
vom Tyll Eulen-^piegel mitgeteilt werden. Der Witz der Franzosen, den
die alteren SchwSüike nachahmen, beschäftigte sich meist mit geschlecht-
Kchen Verlialtnissen, die drutsthen Wilze des 15. Jahrh. dagegen sind ge-
wVihulirh plall unü übeldudend.
Über die Srhlnsser und Butten finden wir jetzt bei den Diehteni kaum
norh eine Besehreibung, d^tgegen sind uns Uaurerhnungen, Invcntnre
U. drgl. erhallen; es sind vorh:uidcn eine gniSsc Menge von Ruiucn und
manche Schlösser wie Marienbtirg in Treusscn in leidlicher, Meitscn
in vortrefflicliater Kuns^ervicriinji;. Die Slildle dagegen sind weniger gut
uns oberliefert: <lie Grflben und Mauern sind beseitigt, die »Iffentlichcn
Gebäude entweder der Zerstörung anheimgefallen uder modemisiert, von
den BOrgerhauseni ist kaum noch die Aussenseite in dem alten Zustande.
Aber doch Ut nuth immer eine ganze ^fe^ge sulcher Denkmäler vurhaiideii,
deren Aufnalime und Srhilderung den Kunsthistorikern We] mehr am
Herzen liegen müsste. als den lausenden Uingstbekannlen gotischen oder
romanischen Kirchen eine neuentdeckte zu/ufdgen.
Die Trachienwett gestaltet sich im 14. und 1$. Jahrh. höchst mannig-
faltig. Die langen gegürteten Röcke, die im i,v Jahrl». Mflnner wie Frauen
getragei» halten, waren auch in den ersten Decennien des 14. noch ge-
brauchlich, wie die Büder der Heidelberger Liederliandsclirift (in Liihtdruck
publiziert von Fr. X. Kraus. Strassb. 1Ö81 ) zeigen. In den zwanziger
Jaliren verkürzt sich der M;innerr<Kk aufrallcnd, dass er kaum noch die
Oberschenkel halb bedeckt. Audi diese Mode kommt aus Frankreich,
erregt gewaltigen Aufruhr, wird aber allmiihlich überall angen< inimen. Die
Miniaturen do Willchalni in Ka.*.se] (1334), die Wandmalereien in der
Burg Neuhaus in Böhmen 033^) zeigen no4h keine Spur der neuen
Mode. Zu dieser kommt nun eine alle wieder aufgenommene Thorheit
der lang herabhängenden Annel. Erst treten dieselben nur in Form v(m
Streifen auf, die von dem FJIenbogrn bis zur Erde reichen, dann um
1400 werden dieselben zu wirklichen Ärmeln, die aber auch s<-> weit sind,
da-SR sie den Boden berühren. Diese Mode machen auch die Frauen mit.
Es sind genug datierte Miniaturhandschriften In den verschiedenen Biblio-
theken niKrh erhalten, die uns den Verlauf dieser Mode genau zu ver-
folgen gestatten. Dann wird der Kock wieder langer und die Ärmel
kürzer und enger, aber die ausgezackten Kleidcrsüunie. die zu Anfang des
15. Jahrhs. wie wlio» im 1^. Jahrli. und dann wieder im 14. gebraucht
wunlen, bleiben fast bis üt>er die Mitte de<.selben beliebt. Dann kommt ein
Schneider auf den Gedanken, den Bruch, die Unterhose, und die (Strumpf-)
HoHc zu verbinden; der Bruch bekommt vom einen Latz, und die Hose
»ird in der Mitte der Oberschenkel mit Nesteln an den Bruch befestigt;
bald uird Hose und Bruch ai« einem Stück gemacht. |elzt erregt der
Ha'icidatz «ierler den Grimm der Monilprediger. In Folge der Vervoll-
kommnung der Hülse wird der Rock aufs neue kurz, gestaltet .'(ich zur Jacke;
die Ärmel sind eng, und damit dies die Beweglichkeit des Armes nicht
hindert . werden sie an den Eilenbogen aufgeschnitten , dass das weisse
Hemd sichtkir uird. Dies geschieht etwa 148.^ — 90, Die Schuhe sind
spitz, und vyn Zeil zu Zeit knmmt die alte .mIiuu im 12. Jahrh. erwähnte
Narrheit der Stlmabelsclmlie wieder auf. Auch um 14(^1 uird der Schnitt
der Schuhe ein anderer: an Stelle der spitzen Schuhe treten die hrdlen.
die Ochscnm.'iuler. Die Wanwer und Hosen werden zen;ehlitzt , das
taxhige Unterfutter hervorgezogen , die Kleider aus bunten Flecken zu-
sammen gesiOckelt. Dagegen ist die MiKie der Schellen und Glfkkchen,
mit denen man schon im i,\. Jabrli. Gürtel und Kleider besetzt halte, seil
der Mitte des 15. abgekommen; die Schellentracht bleibt niu asur Fast-
4B8
Xn. SnTE. 2. DEUTSai-ENGLISCHE VERHÄLT^rlSS£.
nachtsmaske und zum Aufputz dea Narren üblirh, wie die ehedem moderne
msamnipngeflirkie Kleidung spater dem Hanswurst übcrlasseu wurde. Der
Beginn des i6 Jahrli. bringt tue Puffen- und l>ald auch die Pluderhaw;
die Arniel des Wamses werden g^^pufft , aber der ehrbare Mann irSgt über
dem Wams die pelzverbr,1mte Sclvaubc. Die Wandlungen des Kostümii
sind durch datierte Miniaturen, dunh eine, grosse Anzald gleichfalls d;i-
ticrtcr Tafel- und Wantlmalcrcien , durch gleichzciiigc Kupferstiche und
Holzschnitte ziemlich genau zu verfolgen (vgl. v. Hefner-AUflneck und H. Weiss
a. a. O.).
Die Sittengeschichte des ausgelienden MtttolaUcrs aber hat bisher noch
keine genügende Darstellung gefunden. WeinholdsWerk, für deutsche Frauen,
ist, stibald die Glanzperiode des Mittelalters gi'Sthildcrt worden, wieder
ganz imzureichend ; es hat dem Verfasser augenscheinlich nichts daran
gelegen , auch diesen Abschnitt gründlich zu studieren und dann tüchti^r
darzustellen. Die Schildenuigeii vnn Johmme:s Schcrr beschranken sich auf
allgemeine, wenn auch (jft geistvolle Bemerkungen.
Was an Quellen und vor allen an Abbildungen zur Verfügung stand, hHbc
ich in dem »Deulschcn Leben des 14. und 15. Jahrhunderts« (Prag, Wien,
Leipzig 1892] zufyimnien/ufassen versucht.
Noch mehr fällt es auf, wie wenig raan sich bisher um die Sittenge-
schichte der folgenden y^eit gekümmert hat, denn die Par Seiten, die in
den sogenannten Kultui geschieh ten derselben gewidmet sind , kennen in
keiner Weise als gcnügcnti angesehen werden . ein gi1\ndliche.s Studium
aber Iiat, s*-i viel Viekannt, Niemand bisher dieser Zeil zugewendet. Nur
die Untcrsuchungeu vuu Th. Vatke, Kulturbilder aus All -England (BcrI.
1887) wSren hier zu erwJihnen.
Auch für diese Zeit werden zunächst die historischen Quellen in Betracht
zu ziclien sein. Es ist dies eine dunhaus niclit leichte Arbeit, einmal weil
die Menge des Materials zu bcwHltigt'n eine lange Zeit erfordert, daiMi es
noeti au Repertorien der Literatur fehlt , wie wir sie für das Mittelalter in
Pottliasts Hibliotheka medü aevi, in Wattenbaclis und O. Lorenz' Geachichts-
qucllen glücklicher Weise beiitzen. Man wird also gut ihun , die Arbeit
aucli hier zu teilen und die Zeit des 16. Jalirlis. vom Tode Maximilians
bis zum Heginn de.s <ln-issigjahrigen Krit-ges zunfirhst ins Auge zu fasseji
Stadtechroniken werden auch liier zunllchst zu beachten sein — letdec sind
viele derselben nncli ungedruckt — dann aber sind es Biographien, z. B. die
des GCitz von Bedicliingen n. a., die reichen Stoff bieten. Besonders hervor-
zulicben waren die Zimmemsche Clirunik (hrsg. von Barack, Stuttg. l8öc>;
n. Aufl. r88i), die Denkwünhgkeiten <les Hans von Scliweinichen (hrsg.
von OesteHcy 1878). Die liisturische Literatur Eiigiuiids wird nach den-
selben Grundsätzen zu benutzen sein. Balaeus, scriptorum illustrium majoris
Britanniae . . . catalogus (Basil. 1557 — 59), Jnhn Berkcnhout, bingraphia
litteniria i'Lond. 1777). Tho. Wright's bi;igraplua Britannica littcraria (184-
— 46) weiden ausreichen über die zunJlchst in Betmcht kommenden Schriften
zu orientieren.
Bei Benutzung dieser historischen Schriften wird man gut thun. nicht
die überlieferten Zöge zu generalisieren, jeden Berichtersiaiter vielmehr selbst
ins Auge zu fassen. Der Graf Werner von Zinunem erzählt mit sicht-
lichem Behagen s;iflige Geschichten , während bei Schweinischen manche
Derbheit niilgeteih wird, uhne dass es dem Verfasser der Memoiren eigent-
lich um dieselbe zu thnn Lst. Immer aber muss man klar vor Augen be-
halten, in welchen Gesellschaftskreisen diese Geschichten spielen. Mag
Späteres Mittelalter. i6. Jahrhundert.
489
der Adel, der im lö. Jahrh. wieder eine markantere Sieihmg
lüderlich Ipbte, so ist dies doch für den Bürgerstand etr. erst
nachzuweisen. Kinzelne Falle dürfen tla nicht als Beweise für die Allgemein-
heit verwertet werden.
IVedijjieii , fjcsetze, Polizeiordnungen werden manchen interessanten Zug
beisteuern. Besonders zu beachten ist die Tcufelsliteratur: der Sauftcufel,
<lcr liosenteufet. der Jagdteufel u. s. w.
Nun kummt die Pr<}fanliteratur noch in Betracht, weniger die Cber-
setzung französBcher Werke, wie die von Rabelais ciurch Fischart, t)l>glejch
auch sie zur Kennzeichnung des literarisclien Geschmackes nicht uhne
Bedeutung sind, als die deutschen Untcrhaliungshttrher. die Rrmnaiie Georg
Wickrams, die .\nek<lMten, die deiscibe DIrtiler im RoUwagenbüchlein ru-
■ sainmengcstrllt hat, die in Freys Garlengesellsrhaft, in Kirchhof fs Wcnd-
unniut und andern Sammlungen sich finden. Die Fiistnachtspidc und
andere Dichtungen des Hans Sachs, die Komrtdien und Tragfklien Friseh-
lins und der anderen Dramatiker, uUe werden nicht ohne Nutzen für die
Hrforscliung der Siiicngcschichte sich erweisen.
So wird auch F'hilipp Sidney's Arcardia kaum gnVsere Autibeute ge-
Tifähreti, wohl aber Sackvtlles mirror for magislrates und die Fülle von
Schriftstellern aller Art, die zur Zeit der Königin Elisabeth auftraten.
Norh stehen in Nürnberg, Rulhenburg an der Tauber, LfllxK-fc, die
Stadtebilder fast unverändert, wie sie das 16. Jahrh. geschaut, nuch sind zahl-
■ lose l*rivathauser, Burgen. Schliisser gxit erhalten, die uns über die Fc-rra,
den Styl der damaligen Bauweise Auskunft geben. Die (jeschiclitc der
deutschen Renaissance von Lübke (2. Aufl. rSßi). die groMc Ix-i Seemann
erscheinende Sammlung »deutsche Renaissance*, das Sammelwerk von Georg
Hirth .der Fnrmens«.'hai2 dvr Renaissance« bieten da ein überreiches An-
• schauuiigsmaterial; auch für England bringen 2. B. der Vitruvius Briuni-
nicus und zahlreiche moderne Werke eine Menge von Abbildungen der
heute noch vorhandenen Baudcnkmalc, z. B. Jos. Nash (The Mansions of
■ Engbnd in ihe older time. I — IV. Lond. i8(x)— 72). — In den Kunst-
sammlungen, in den Gewetbcmuseen sind die Hausgerate jener Zeit in
Fülle anzutreffen, von dem mächtigen Schranke an bis zu dem feinsten und
zieriich-sten Schmuckstück. Und was etwa noch fehlt, d:i.s ergJinzen die in
■ so grosser Zahl vuriiandeneti Abbildungen gleichzeitiger Holzschneider und
Kupferstecher. Georg Hinh hat das grt)ssr Verdienst sich erworben, die
wichtigsten dieser oft seltenen und schwer nur zu beschaffenden Bilder in
seinem »Kulturgeschichtlichen Bilderbudi (Münch. iBSz ff.)« zu veröffent-
lichen.
Mit diesem Bilderbuch in der Hand ist es leicht, die Wandlungen der
Moden zu verfolgen, deren Gesriiichte imn auch durch die zahllosen Kleider-
ordnungcn, welche Regierungen und städtische Behörden erlassen, weiter er-
läutert wird.
Für den Beginn des secliszehnlen Jahrhunderts sind besonders die Holz-
schnitte zu beachten, die iia(Ji den Zeichnungen des Augsburger Malers
Hans BuTgkmair ausgeführt wurden, zumal die Illustnitioncn fOr die von
Kaiser Maximilian I. veranlassten Kunstpublicationen . in erster Linie den
Weässkunig und den Triumphzug des Kaisera, .■\tbrecht Dürere Kupferstiche
und Holzschnitte bieten gleichfalls viele Aufschlüsse. Besonders reich sind
die Arl»citen des Hans Schfluffclein an Sitteiischilderungen ; s«'<lche finden
fach schon in den Illustrationen zum Thcuerdanfc, mehr aber noch in den
DaratelluDgen aus dem Alltagsleben seiner Zeit, z. B. den Darstellungen des
I
490 XII. Sitte. 2. Dboisch-esguschb Verhältnisse.
I
I
Hochzeitstanzes. Auch der wpsipliaüsrht* M;iltr Heinrich AI(iegre\'er giebt in
wincn Hüchzcitsianzen» (1538) eüi gutes Bild der höheren bOrgerlidien Ge-
sellschaft. Das Leben, der Bauern sciüldcrl vortrefftich Hans SebaJdus Beham
in seinen Kupferstichen. Kör die zwcitr Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts
bieten die Werke des Just Amman aus Zürich (153Q — Ql), das von Wd>;cl
in NOmberg VTröffcnttichte Trachtenbuch (1577). die Sammlung von Frauen-
trachlen, die i5Hf> bei Siegm. Feyrabend in Frankfurt a, M. erschien (ein
Neudruck ist von Georg HJrlh lieruusgegebcn) und zahlreiche Bilder und
BilderfrOgen. Über iljc Trachten von Stnissburg und B;ise] sind gegen Knde
des scchszehnlcn Jahrhunderts eigene Werke erschienen; die Danziger Frauen-
trarht schildert die Folge von Holzschnitten nach Anton M^iUer (1601. —
Neudrut:k von A. ßt-rtling, Danzig iö8o>. Eine Menge der verschieden-
art^sten C!ostumbildcr bictrt das von Br^un und Hogcnberg herausgegebene
grosse StadtebucU. Doch wird man da vorsichtig sein niOssen, da die Heraus-
geber oft filtere Vorbilder benutzen. Die Costuines civiU et mililaires ^-on
Abrali^fm de Rruyn (1581 — neue Ausgabe: Bruxelles 1872) sind gleichfalls
von hervorragender- Bedeutung; für die Kenntnis dts Studentenlebens zu
Anfang des 17. Jahrhundt-rls ist zu beachten das »Staininbuch der jungen
Gesellen« (1617) und das Speculum Comelianum (i(>i8't, beide vor Kurzem
in Stnissburg wieder neugedruckt. Eine Menge von Einzelblütlem ist nicht
zu Übersehen; ganz besonders aber verdienen die Stammbücher die giösstc
Beachtung, da in ihnen siib lulufig TrarbtejibÜdcr vorfinden und deren ge-
naue Zeitbestimmung leicht festzustellen ist.
Filr England sind von Bedeutung die in den ersten Decennien des
17. Jahrhs. gefertigten Stiebe von Wenzel Hollar, welche MudebUder, Städte- ■
ansirhten, Tagesbegcbenheiteii darstellen. "
Für die Sittengeschichte zur Zeit des dreissigjährigen Kri^es liefern
uns zahlreiche Aufzeichnungen ein Oberreiches Material, aber mit diesen
gcinelnsum sind die Roniiine von Grimmet^hausen zu verwerten, der Sim-
plicissimiLs zum:il und die I^Lndstürzerln Couras<'he und manche KrzUhlungen ■
untergeordneten Kunstwertes. Es kommt eben bei den Geschichten, die uns '
Stoff ftlr die Sittenscliilderungcn liefcni soMen, gar nicht darauf an, ob sie
eine künstlerische Bedeutung haben, wenn sie nur das LeUm ihrer Zeit
recht darstellen. Die überreiche R« imanHieralur des 1 7. und 1 8. Jahrhs.
durchzulesen verursacht allerdings keine kleine Arbeil, — man wird auch die
leichtfertigen Schriften, die H. Haj-n in seiner Bibliotheca germanica ero-
tica zusammengestellt hat, nicht übersehen dürfen — indessen darf uiaa
zuversichtlich hoffen, auf diese Weise am ehesten zu gutem Materiale
für Sltlciischildernngen zu gelangen. Die unter dem Einflüsse des Aus-
landes, besonders Frankreichs, verdorbenen Sitten gcisseil Mnschcrosth in
seinen Gesichten des l'hiiandcr von Sittcwald und vor allem Laurembcrg
in seinen köstlichen Scherzgedichten. Den Roman Anninius von Caspar
T^henstein wird man fOglich übergehen kfmncn und auch auf die l^ktüre
der sonst ganz lesbaren Asiatischen Banise venfithtcn, dagegen die Erzah-
lungen von Christian WeL^e wohl bcaclilcn und auch die verschiedenen
Robinsonarien, die in der ersten H.llfte des vorigen Jalirhumlerts erschienen.
— vor allem die Insel Fclsenburg von Sclmabel — aus Pflichlgefolil, i:u-
weilcn auch mit Interesse durchlesen.
Es wird nicht leicht sein, eine Übersicht über alle erschienenen Erzfllilun-
gen, Satvren, Flugschriften zu gewinnen, noch schwerer ihrer habhaft zu wer-
den, da nur in den grösseren Bibliotheken diese sonsi s..i wertlosen Schriflcn
anzutteffcu sind. Allein nur auf einer umfassenden Kenntnis der gCHuntcii
I
^
Nsvfiss Zeit.
49X
I
Literatur kann eine wirklich zuverlässige SJUengeschichlc gegründet werden.
Dass Predigten, Pr.lizeiordnongrn, Beschreibungen vt.n Festen, Ho(lizeil»i-
gcdicblc uiid iLhnlirlic Zeui^iiihsc nicht übersehen werden dOrfen. liegt nui
der Hnnd. Audi ReLseheschreihungen können manchmal Wertvolle» ent-
halten: den Fremden fallt ftfter eine Eigentümlichkeit auf als den Einheimi-
schen. Die hihturische Literatur hat auch hier wieder den festen Ralmicn
zu gebfit. l)ie wenigen Zeitungen, das Theatnim Europaeum. die Slfldte-
throniken müssen dun hgelesen werden; fühlUii ist in Deiilt-chlaiid der Mangel
an Denkwürüigkeiien, wülirend die frauzöüisrhc Literatur de-s 17. und be-
ginnenden iH. Jahrhs. alierrcich an wichtigen Memoiren ist. In Hng)an<l
sind sie in grosser Zahl vorbanden, von denen an, die Guizot in der Ct>llec-
tion des menmires relatifs ;\ la revolution d'Angleterre (Par. 1823) zusammcn-
geütcllt bis auf die von Bolingbroke, Walpule etc.
Die gTt >*sartigen Mi-numentalUiuten des Üarnekstiles sind auch inDcutsth-
land zahlreich noch erlialien, bis jet/i aber unter der Narbwirkung des seit
Anfang unseres Jahrhunderts zur Nonn gewordenen Geringschätzung meist
unbeachtet geblieben. Die prächtigen Einrichtungsstttike, die zu ihnen ge-
hüien, finden sich ebenfalls an Ort und Stelle oder sind in Museen anzu-
treffen. Die Baudenkinale haben in dem grriss angelegten und auf grOnd-
lichster Sarhkeiintniü benibt-nden Werke von Cornelius Gurlilt »Gescliicbte
der Baroekarchitektur> IlL (^DeutiichlätHl.) Sluttg. i88g Ihre Darstellung ge-^
funden {vgl. auch Gu.'it. Ebe, Gescb. der Spatrenalssance — Berlin 1886)..
Über die engli-sche Barockkun-^t .s. Com. Gurlitt, a. a. O. IL
Wir k<'\nnen noch beute fcsUtelleii, dass <licse luxuririsen Prachtgcbaude
nur für l'flrsicn. für deh hiVlisten uiu\ reichbegüterten Adel errichtet wur-
den, der wohlliabende Kaufmann, der Beamte viel, viel einfacher wülmteiv
der Handwerker wieder •K.hlielUer. und der Bauer damals kaum anders ge-
haust hat als frQhcr oder »pSter. £» fehlt urut in Deut<«cliland für die Zeit
de* 17., ftir die erste Hälfte de.s 18. jabrhs. an instruktiven Bildern. Die
Werke der holl.'indiscbcn Meister können wir kaum für un.sere Zwecke ver-
wenden, allenfalls dass die GemSlde v<in Philipp Wouwennan uns eine Vor-
stellung vom Kriegs- und Lagerteben zur Zeit des dreissigjahrigcn Krieges
gclxm. Deutsehland Ist seit Beginn dieses Krieges nl:>erau» arm an Kün.**!-
lem. zumal soirben, die das Leben ihrer Zeil darstellen. Am wichtigsten ist
immer nocb Mathaeus Meriau (1503 — t(>5u), der die vortrefflichen uislruk-
tivcn Pnispektc zu Zeillers T*jpographie lieferte, Illustrationen fßr das Tbea-
truiu Europaeum stach und sich aucti sunst als fnichtbarer Kupfen-tccher
bewahrte. Weniger Bedeutung hat für Deutschland Wenzel liullar (1607
bis 77). Dann erscheint gegen Ende des 17. jabrhs. in Augiburg die Ka-
mibe <ler Rugendas, die hauptsächlich Schlacbienbilder malt und in .schwarzer
Kunst stiiht, uns Dapitellungen aus den Reichskriegen gegen I-iidwig XIV.,
aus dem nordischen Kriege bietet Georg Pliilipp Rugendas, geboren 1666,
lebic bi.*» 174^ und seine Söhne arbeiteten in derselben Weise weiter. Das
wären die bedeutendsten Namen, aber ihre Werke allein genügen durchaus
niriit F^ gibt jedi»ch nnrh eine Menge von Kupferstichen und Holz-
schnitten, so si'hlecht, dass sie kein Kunstsaninder der Betrachtung wert
halt: Stfidteprospekte. Abbildungen von Einzügen, FcsUichkeiten, Hinrich-
tungen, lUu&tTalionen zu Gescbirhts- und Roman büchern, die dixh für die
Siltcngeschichle von höchstem W^erle sein kOunen. Auf dcu künstlerischen
Wert kommt es hier gar nicht an. Deshalb wird man auch die Stamm-
bücher, die zuweilen neben vielen scblechlen. oft unsauberen Bildern auch
redit vuhlgclungene zeigen, zu studieren nicht uutcrla.ssen dürfen. Für die
492 XII. Sitte. 2. Deutsch-englische Verhältnisse.
Kenntnis des englischen Lebens werden immer die Werke von William Hc^arth
■(1697 — 1764) eine vorzügliche Quelle bleiben.
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts sind mehr solche Abbildungen
vorhanden, und besonders bieten die Zeichnungen und Radierungen von
Daniel Chodowiecky (1726 — 1801) uns volle Möglichkeit das Berliner Leben
aus des Künstlers Zeit kennen zu lernen. Die Arbeiten von Chodowiecky's
jüngerem Genossen, von Daniel Berger {1744 — 1824), reichen schon bis in
unser Jahrhundert hinein, und noch länger war Joh. Heinrich Ramberg
{1763 — 1840) thätig. Nimmt man noch die Stiche des so überaus frucht-
baren Kupferstechers Jurj' hinzu, so liat man ein reiches Material sich eine
Vorstellung von der äusseren Erscheinung des Lebens bis zu den Freiheits-
kriegen und darüber hinaus zu bilden. Freilich ist es nicht so leicht aller
■dieser Bilderchen habhaft zu werden, da sie meist als Illustrationen zu Ro-
manen und andern Dichtungen, in Taschenbüchern, Almanachen u. s. w.
veröffentlicht wurden. Schon Chodowiecky hat Modebilder gestochen; seit
1786 erscheint Bertuchs »Journal des Luxus und der Moden«, welches bis
1827 eine forriaufende Serie von kolorierten Abbildungen modischer Kleider
und Möbel liefert. Ich habe nur die vorzüglichsten Quellen der Anschau-
ung hier hervorgehoben; es gibt aber noch eine grosse Menge künstlerisch
m-ertloser Kupferstiche, die doch nicht übersehen werden dürfen. Wenn man
nun mit den aus den Geschichtsbüchern, Memoiren etc. geschöpften Kennt-
nissen noch das Studium der zeitgenössischen Romane und Dichtungen ver-
bindet, so werden jene Bilder bald zu lebendigen Zeugen der Sittenge-
schichte sich gestalten lassen. Gründliche Belesenheit ist auch hier ein not-
wendiges Erfordernis: wer diese sich zu erwerben nicht die Geduld xmd
Ausdauer hat, soll an solche Studien nicht seine Hand anlegen. Kurz-
weilig ist Hermes »Reise von Memel nach Sachsen« oder der »Sebaldus
Nothankerc von Nicolai, Millers Siegwart nicht zu lesen, aber es gibt
noch geistlosere Werke, die doch das Leben, die Anschauung jener Zeit
kennen lehren, oft besser wie die mit Recht als Meisterwerke gefeierten
Erzälilungeii der Dichterfürsten. Engels Lorenz Stark, die Romane von
August Lafontaine, der Rinaldo Rinaldini des Vulpius, wie die Schauer-
und Rittergcschichtcn von Spiess und Gramer dürfen nicht vernachlässigt
werden,
Die englische Romanliteratur bietet allerdings bessere und interessantere
Lektüre in Fieldings, SmoUets, Sternes, Goldsmiths, Richardsons Werken,
aber neben diesen glänzenden Erscheinungen wird es unzweifelhaft auch
noch viele unbedeutende Schriftsteller geben, deren Werke trotzdem nicht
zu vernachlässigen sind. Wer die scliwere Arbeit eine Sittengeschichte zu
schreiben übernimmt, muss, soweit es ihm möglich ist, das ganze erreich-
bare Material beherrschen; mit hi(;r und da aufgelesenen Anekdoten kann
man wohl ein pikantes und amüsantes Feuilleton schreiben, nimmermehr
aber wird man eine wirklich zuverlässige Darstellung des Lebens und der
;Sitten einer Zeit zu geben imstande sein.
XII. ABSCHNITT.
SITTE.
ANHANG.
DIE BEHANDLUNG DER VOLKSTCXTLICIiEN SITTE DER GEGENWART.
VON
EUGEN MOGK.
I. ÜBERBLICK ÜBER DIE BEHANDLUNG DER VOLKSTÜMLICHEN
SITTE DER GEGENWART.
BcgrifT uml UmfAri); der VotkNkiinde: K. Weiiiliohl, ll'as soll die Volkikunäe
UisUnt Zs. f. Vulkerps, XX. I ff. — K. \Vcinhijld, /.ur Einleitung. Zs.
d. V. f. Volkik. I. I ff. — A. (iktc^e, /.*• folklurt et lon utilitf giniraU. Rev,
(Je Beiß. XVIII. 335 ff. 309 ff. IlnixcllM 1886. — Gommo. The kandb^k of
folklon. Lond. 1891. — E. \l. Mcycr. Dtutufu Vclkskundc. Strassburß 189;.
— Ed. Koffmann-Krttvcr, Zur Einfüht-Hng. Schweiz. Aich. f. Volksk, V. 1 ff.
Zürich 1897. — E. H. Meyer, Jiaduchf i'olkskuudr. iVlcmanniii XXII 97. fT- —
A. Hiiuffcn, Einführung in dff dfutjeh-bShtnisi^he Volktkundt. Frag l8">6. —
A. Gill*e, Vraagbcrk tot Itef Zamtlm van yiaamsihe Folklore of Voünkunde.
Gern 1888. — E. Monscur. ^hteslionnaire de Folklore. Liege 1890. — O.
JiiLCick, Anleitung fur Mitarbeit an iiilkikundlichm SammlungTM. bnttiti ]894.
AuMndnn sind von faxt allen Pmvin/inl. oder I.,<u)(leiivercinen ttir Vnlksktinüc
Fragebogen lietaij*|^geh«i : eine Anuhl in Mei-klent>iit|> von "Wosnidlo. in Bfth-
■nen von Hauffen, iii SächMi-irh-f^elrenhiirgen vnn Schulleruü Miid Wittfituck,
in Elsau-Lothnngcn von Prannenschmid, in Schlesien von Vogt und Kehrijig,
in Baden vcd Klu[:<^t K, II. Meyer und Pf.-iff, in B.-iycm vor Brenner, in Sacbien
ton Mo|;k. — Zur Geschichte volkskuDilHcher BcstTcbun^^n : G. Meyer, Essays und
Studien x%tr Sprac/iffeschü'htr und l'}listunde. I. Berlin 1885. — A, Linckc. Ober
dm fffgmipärligyn Stand der f'olksktinde. DrcMleii 1897. — A. Ltindell, .Xyare
Sidrag tili Kiinnedcm om de nrnita Landsmälen Oik svenskt F\*lklif. I. 459 IT.;
U. I ff.; XXVmff. — Muntbc. rolkhn. Nord. TUUkr. for Vetenik.-ip, Konit
och Indusiri 1888, 555 ff. — Fcilbcrg. Folklore. Tilskuercn X. — Über die
Weitere ntvi-icklunjj der Volksktindc berichten die Berliner Zcitschr. des Vereins für
Volkskunde und last alle l*rD^-iIuixlzctt!idlrift€n. — Ein rcgclm&5si|^ Literatiir&bcr-
blkk enchrtnt von Vogt seit 1893 vca Jahresher, f. nettere Ltteraturgfsch.
Die Erfiirscliung volksl Uml icher Sitte und volkstümlichen Brauches ist
eines ilcr wichtigsten Kapitel auf ticiii Gebiete tler Volkskunik*, die sich in
dem letzten Jahrzehnt mit erstaunlirhi-r Schnelligkeit immer mehr ru einer
.ptulologiw:h-lüätoriM:hcn \Vis:M.-nüdiari entwickelt liaL Daher tut bei diesem
kbachiiitle, der die Utteratur von Sitte und Brauch der Gegenwart bringen
Holl, ein Eingehen uuf die volkskundltclien Bestrebuiis:«! in den gennaui-
schen Ländern geboten.
§ I. Unter volkstümticher Sitte und vülkätümlichem Braudit- verstehen wir
■den Brauch, der aus alter Zeit noch heute im Volke, namcnllidi in den unteren
Schichten, bei dem einfachen Manne, fortlebt. Er Iiat sich von Geschlecht
KU Geidiicchl furt^qjflKUZl und ist mit dem innersten Wesen des Menschen
SCI verbunden, dass er den grös&ten Teil desselben ausmacht. Die Kenntnis der
Sitlc eines Vulkes ist daher von ^■'Vjster Bcdeutuoj;, wenn mau ein Volk kennen
•lernen will Hierin zeigt sich das Volk, wie es wt, was es liebt und was es liasst.
was es glaubt und was es denkt, was es an seine Heimat kettet und was es selbst
diegrftssten Mühs.ile des Lebens in froher Hi)ffnung ertragen liisst. Aus dem Stu-
dium volkstümlicher Sitte lernen wir, wie der schlichte Manti seine Tage ver-
lebt, wie er seine Feste feiert, was ihm die Natur, die Pnauzen- und Tierwelt,
seine Heimat heilig macht. Wir kt'Snnen diese Sitte der Gegenwart durch die
Jalirlmiuierte zurück verfolgen: sie Lsl in ihrem Kerne iiumer die gleiclie ge-
blieben, wenn sie auch hier und da andere Können angenommen hat Ein
grosser Teil hat im Heidentum seine Wurzel; der Brancli ist heidnisch ge-
blieben, wenn er auch christlichen Anstrich bekninnieii hat. Itn Heidcn-
tume wurzelt auch der Aberglaube, der unzertrennliche Begleiter der Sitte.
Etwas Höheres leb! in der ganzen Natur, die den Menschen urogiebt, das
/ühk jeder. Und dies höhere "Wesen offenbart sich dem Menschen. Es entspringt
-aus dieser Überzeugung der Abei^laube an Wahrzeichen imd Zauberei imd die
symbolische Spende, die bei keiner Handlung fühlt, Haus und Hof, Acker und
Feld, Leib und Leben wird in die Hand der w,-ilienden Wacht gelegt. Wohl
ist die Bedeutung der Handlung längst vergessen, so lange sich diese
auch erlmheu gehabt liat, allein die Handlung selbst dauert fort und der
alle Glaube an die Kraft der Natur ist so stark, dass man wohl nidits
mehr davrm wissen will, dass man aber im Grunde genommen sicli doch im
Banne desselben befindet. So darf bei einer Behandlung volkstümlicher
■Sitte nie die Erforschung des Aber^Uubens eines Volkes fehlen. At
schkissen werden dagegen muss alles, was eine hnhere Kultur erst in das
Volk hineingebracht hat. — Am festesten hat an dem alten Brauche der
Ackerbauer gehalten. Daher muss bei der agrarischen Bevölkerung in erster
Linie cingekelirl werden, wenn wir Sitte und Brauch eines Gaues kennen
lernen wollen.
Es liegt nicht in meiner .\bsichi. eine tlbersichtliche Darstellung der
Sitten und Gebrauche zu geben, die wir heute in den verschiedenen Gauen,
die Germani'ii bewohnen, fincicn. Eine solche Arbeit ist imch nicht spru<-h-
reif, soviel aucli in den letzten Jahrcu, namentlich auf Anregung Mannhardts,
iür diese gcihan worden ät. Vielmehr gedenke ich weiter nichts zu geben, aU
■einen Überblick über die Werke und Unternehmen, die seit dem Wirken der
Brüder Grimm sich die Aufgabe gestellt haben, die Sitten der Gegenwart
der Vergessenheit zu entziehen, und deren Urheber der Überzeugimg leben,
■dass in niclit zu langer Zeil auch ilie wenigen Sitten aus der guten, alten
Zeit gesfhwnnden sind. X>enn schon fiingt der Bauer an, sich des ^'on den
Vätern ererbten Braudies zu schämen, schon lächelt der kleine Bürger ül)er
aIt^ aterisrhe Sitte, und an Stelle der einfachen Belustigung im Hause oder
im Freien tritt das wüste Gelage. Und unsere Gesetze sind wahrlich auch
nidtt dazu geschaffen, das Alte zu erhalten und zu begünstigen. Der
Klassenhass trennt die Stande, und schon die.se Kluft macht ein altes fröh-
liches Volksfest fast zur Unmöglichkeit. Daher ist es hohe Zeit, dass ge-
jade auf dem Gebiete der Sitte gearbeitet und gesammelt werde, die es zu
I
ALtGEtonnR Obsrbucr. Brüder Grimm.
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^
spUt ist: sie ist der klunCe Spiegel unserer Volksseele, und mit ihrer Holfe
eine deutsche Kullur^esrhichte zu schreiben, wäre eine mindestens ebenso
dankbare und nüti^^c Ar1;eit als an der I4and der Litoralur- und Kunstdcnk-
mäler, die immer nur den Kulturzustand der riehiltk-teren widers^m-geln.
Leider haben wir Deutsche erst in dem letzten Jahrzehnt die Arbeil auf
diesem Gebiete, zu der j. Grimm und W. Muunhardtdie Wege so klar gezeigt
hatten, wietlerene^isch in Angriff genommen. nachdcmdasGobiet über ein S'iertel-
jahrhundcrt fast ;^an/, brach gelegen hatte. Bis iii die neunziger Jahre lierrechtc
in DeuLti'hlanü Ruhe. Nicht einmal die grosse Zeit von 1S70 hatte uns an-
spornen kV^nnen, eine alte naii<~in,ile Schuld abzutragen. Unsere Stammes-
brQdcr, Englander, Niederländer, SkandinavHer, waren mit einem Eifer und
einer Rttst^kei: an solche Arlxsil gegangen, die alles Lob verdient; sie ernteten
die Frtlchte, wozu in Deutschland der Same ausgestreut war. Die vorzüg-
lichsten Gelehrten hielten es hier schon frtlhzeiiig fi^r ihre Pflicht, roh Hand
ans gemeinsame Werk zu legen, bei ims liegt Mannhardis wertvolles Material
noch heute als toter liallast auf der Berliner Bibliothek. Diese Jahre der
Ruhe sind aber der Wissenschaft ztiiu Vorderb gewesen, denn gerade int
letzten Drittel imseres Jahrhunderts haben neue Auffassungen ^oni Leiten un-
gemein viel .Mtcs weggeräumt, das uns so in manchen Gegenden Deutsch-
lands auf immer verloren gegangen ist. Nirgends nahm sich ein ziclbewusster
Leiter des verwaü*t(:n Kindes, der Volkskunde, an. Da erwachte im Volke
das Bedürfnis, alles Volkstümliche zu sammeln und so der Vergessenheit zu
entreissen. Es entstand die Zeitschrift »Am Urds-Brunnen«, die V'jlksschul-
Ichrcr NnrddcuLschlaibds bemusgabcn, und bald darauf auch eine Zeitschrift
für Volkskunde, allein es fehlte hier wie dort an der richtigen Leitung und
Untcrstüt/urig, und so segelte nainenllii li letztere bitld im F;ilirwasser der
OberflJlclilichkeit und des Dilettantismus, wtjdurch die deutsche Volk.skunde
als Zweig philologisch-historischer Wissenschaft im In- imd Anslande in
Misscrcdit zu geraten drohte. Da nahm sich endlich der Altmeister der
germanischen Philolngie, K. Weinhold in Berlin, der Volkskunde an. Auf
seine Veranlassung wurde ein Verein für Vt,iilkskunde ins I^ben genifcn,
die Zeitschrift für \'t<lkerpsychol(>gie und Sprachwissenschaft^ die in iJiren
letxten JahrgJlngen manchen licilrag zur Volkskunde gebracht halte, hörte
auf und an ihre Stelle trat die Zeitschrift des Vereins für Volkskunde (Berlin
1891). Weinhotd wies gleich im ersten Hefte die Ziele und Aufgal>en der
Volkskunde als Wissenschaft und warf ilen ungefügen Schülken, die Wissen-
schaft von Dilettantismus und Strebertum nicht zu unterscheiden vermögen.
den Fehdehandschuh hin. Seilde-m weht auch in r)eut'i(hland für die Volks-
kunde wieder ein frischer Wind, der die Segel bläht uml Erfolg erhoffen
Iflsst Und nicht zum Xaclitcite für das Ganze sind es jetzt bei uns die
einzelnen Lflniler und Pro\inzen, die sich des S;»mmelns und Bearbeitens alles
VolkstQnilicheu unterziehen, denn nur in <lcr Heimat kann man <las Volk
^Indlich kennen lernen, und desh.ilb vennag man .luchnurvon dem gemeinen
Manne des heimischen Gaues ein wahres Bild zu geben.
% 2. Wie auf manchem anderen Gebiete sind es die Brüder Grimm
auf dem der Erfontchung der Sitte gew-csen, die die erste Anregung zur
nschaftlichcn .'\aslHHttung dieses Feldes gegeben haben. Wühl hatte man
frflher sction aufgezeichnet, ja zu-sanmiengestelli, was im Volke an Sitte und
Aberglauben aus alter Zeit fortlebte, — ich erinnere nur an die flewsigen,
aber kritiklosen Arbeiten des PrSltorius aus der Mitte des 17. Jahrhs. oder
an die Gtstrifgelu Rackenphilosoftbta aus dem Anfange des 18. Jahrhs. — ,
aber die Verfasser all dieser Arbeiten verf<ilgten weder ein bestimmtes Ziel
noch halten sie irgend ein nationales oder wissenschaftliches Interesse im
Auge. r>a lenkten die Brfider Grimm, veranlasst durch den Einfluss.
den die Romantiker auf sie hatten, schon durch die Ausgabe der llaus- und
Kindermärihen und der Denlichitt Sagen das Augenmerk auf die Funken,
die aus alter Zeit in allen Schichten der germanischen Völker foriglimmteo,
und in der Einleitung seiner Mythüloßie wies J. Grimm nachdrücklich auf
die Brauche und Gewohnheiten des Volkes als Quelle altgermanb«:hen Gütter-
kuJtes und deutscher Rechtsverfassung hin (Deutsche Mylh.* I. S. lO). Seit-
dem begann man von einem höheren Gesichtspunkte aus auch die Sitten
und Gebrauche des Volkes aufzuzeichnen. Im ;il]gcmeinen freilich spielen
die Saramhingcn tier Gebriiuclie im Vergleiche zu denen der Sagen. Mär-
chen und Volkslieder eine untergeordnete R(tlle, sie sind meist ein An-
hängsel van diesen, damit die Volksphantasie der Bewohner dieses oder jenes ■
Gaues in möglichster Vollständigkeit dargestellt werde. Daneben erscheinen *
volkstümliche üriLuche in geographischen Werken, denn auch die besseren von
diesen haben !>ii"Ji die Aufgabe gestellt, den Volkscharaktcr der gei^:ni-
phisch besprocUem-n I-fLnder möglichst lebendig zu sclnldem. Si.> liegt das
Material zur KeimlnLs unserer Vulkssitte Überall zerstreut. Versdimahen es
doch selbst Lokalblatter nicht, dann und wann eine Schilderung heimischer
Sitten zu bringen, utid aus den besseren DialeklwOrterbUchem lasst sich
Vielen schöpfen, was hierauf Bezug hat. Welche Fülle von Volksbr'luchen
bieten nicht SchmeHers Bayrisches Wörterbuch, das grosse Schweizerische
Itliotikon, Feilbergs Oidbog over jyskc Ahüucsniäl. So dankens- und wün-
schenswert es auch ist, dies gesamte Material einmal örtlich und inhaltlich
zu gruppieren, so kann doch dies hier nicht meine Aufgabe sein. Wer
der Literatur volkstümlicher Sitte, zumal in den letzten Jahren, auch nur
oberflächlich sein .\ugenmerk zugewendet hat, wird wissen, wie zeretrcut
das Material ist. Es sei nur auf die LiteraturüberMchi der Zeitsuhrift des
Vereins für üstcrreiclüsclie Volkskunde lungewiesen, wo die Literatur aus der
Tagespresse verzeichnet ist. Selbst in den grössten Bibliotheken sind diese
Tageblatter nicht zu haben. Daher ist beute eine vollständige Aufzahlung
aller Beitrage zu volkstümlicher Sitte eine Unmöglichkeit. Es sollen im
folgenden nur die wichtigeren und unifangreis heren Arbeiten nach den
Liludeni und Provinzen geordnet angeführt werden, nachdem icli vorher eine
kurze Skizze Über die Behandlung der volkstümlichen Sitte zu geben ver-
sucht habe.
§ 3. Der erste, der den Plan der Sammlung deutscher Volkssitte in
Grimmschem, d, h, nationalem Sinne auffasste, warFr.A. Reimaon. SdnWerk
Dtuisthe Voiksftste im 79. Jahtfmnderi (Weimar j8j(j) Ist in mancher Beziehung
reclit gut und ist heute noch in i-nelen Stücken eine gute Quelle, da
der Verfasser ein Material benutzt hat, das uns zum Teil uicht mehr «ur
Verfügung steht, ein Material, das gewissenhaft am Schlüsse des Werkes
verzeichnet ist. Allein das Buch scheint nicht die Aufnahme gefunden zu
haben, die der Herausgeber erhoffte, ein zweiler Band wenigstens, der am
Schlüsse der Vorrede angekündigt wird, ist nicht erschienen. — In der zweiten
Hillfle der vierziger Jalire erschien ilann untei der Leitung von J.Scheible
ein eigentümliches Werk, »Das KiosUrt., das alles Mögliche aus allen Blattern
und aus dem Volksmunde kritiklos auf einander häufte. Als Materiab^mm-
lung, aber nur als solche, hat es auch heute noch Interesse. Das Werk er-
schien in \i meist recht dickleibigen Duodezbünden, von denen für uns be-
sonders Ml BetraLht kommen: der scclistc: »Die gute aiie Zal<, aus v. Rein-
ölils handschrift hellen Sammlungen herausgegeben, der siebente: ^Dtr IrU-
^K~^^
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kakniftr< und der zwölfte: >f)ie Sitten und Gfhrättche der Deutschen und ihrer
Sachbnniölker'^ ; die beiden letzleren gab F. Nork heraus. — Ailniahlich
begann man auch in den cinzclneR LAndcm wie die Sagen so die Gebrauche
zu Kimmein. Wohl sind schon jene ein Heitrag zur Siitcnkundc, allein sie l>e-
rOliren nur den Brauch gelegenilicli im Gefolge clei Sage. Wie auf nian-
chera anderen Gcbicle gtihürl auch hier dem genialen A. Kuhn das Ver-
dienst, ztiefÄl ilen Weg zu s<il( hcri Sammimigfii gewiesen zu haben; seinen
Märkischen Sa^en und Märchen (Berlin 1843) fügte er einen Anhang Ge-
bräuche und Aberglauben der Mark Brandenburg bei. Duüselbe tltat er
un Vereine mit seinem Schwager W. Schwanz, als beide nach jahre-
langem Umherstreifen die Frucht ihres Sammclflcisscs in den Xorddeuischen
So^en, Märchen und Gebräuchen ans Mefiitnburg, i*omtnem, der Mark, SachstH,
Tltüringen, Rrannschwetg, Hannover, Oldenburg und Westfalen (Leipzig 1848)
niederlegten. Sihon vorher hatte der leider zu froh verstorbene K. Sommer
eine Sammlung vi_>n -Sageu. Märchen und Gebräuchen am Sarbsrn und Thii'
ringen crschcincT lassen (Halle iS^'i). Diesen Forechcm folgten bald Panzer
mit den liaverisrhm Sagen und Bräuchen (2 fido. München 1848 und 1H53),
Ernst Meier. Prof. der morgen ländlichen Sprachen an der Univeisitat Tü-
bingen, mit Sagten, Sitten und Gebräuchen aus Schitaben {2 Bde. Stut^rt
1852) u. a. Um Sj-stem in derartige Saninilungai zu bringen, hatte bereits
1845 der damals 27 Jalire altt: Mflllenhoff mit seinem Feldhermfinger <Icn
Weg für solclie Sainmelarheiten gezeigt : seinen Sagen, Mänhtn und IJedem
aus Schiesifig-Hobleiu und Lanenburg fügte er einen Wegweiser für die Samm-
lung der Sitten und Gebräuche der Hcrzogitimcr bei, der mich heute für
alle derartige Sammlungen als Richtschnur benutzt werden kann.
Unterdessen sollte ein ^üttclpunkt wie für die gesammle Volksüberüefc-
rung so auch für die volk.stümllclie Sitte geschaffen werden. J. W. Wiilff
(geb. 1817 zu Köln, gest. 1855 zu Darmstadt), einer der begeistertsten An-
hänger der Brütlcr Griuim. halte bereits 1843 mit eiuein Kreise belgischer
Freunde die Zeitschrift Wodana, Museum iroor nederduitsche Oudheitskunde hcr-
ausgegel>en. Sih'»n in ihr liegt eine Menge Material Ober Volkssitte aufgestapelt.
Denereten Band -mwci Beiträge zur deutschen Mythologie (GiMtingcn und Leipzig
1852) lüsst er mit Gebrauchen und Aberglauben (S, 205 ff.) schliessen; in
der Vorrede desselben (XVII ff.) hebt er die Wichtigkeit der noch leben-
den Gebrauche fQr tue Mylholf»gie her\'or. Für sie sollte aucli das Organ
der Mittelpunkt werden, das unter seiner Leitung seit 1853 erschien: die
Zeitsehn/i fär deutsche Mythologie und SiHenkunde, der er jedoch nur zwei
Jahre Leiter sein konnte. Und in di-r Thal. nelK'n manchem Uberfl.'irhlichen
und Unzuverlässigen enthüll diese Zeitschrift für Sitte und Brauch unseres
Volkes manclien schonen Beitrag; aus Tiivl steuerte namentlich Zingcrlc bei
(L 235 ff., IL 357 ff. 420 ff.), aus detn llaisgehiete Pröhle (L ;(> ff. 195 (f.),
aus dem Mtfselgehifle Hocker (L 88 ff. iSt) ff. 24O ff.), aus Kärnten Lexer
(in. 20 ff. IV. 298 ff. 407 ff.), aus dem biiviiselien }lochgeh%rge Massniann
(IL 123 ff.), aus der Rheinprovinz Lünig (HL s.i ff-*, aus dem Oidenbnrgi-
ichen Mannhardt (II. 135 ff.), aus Schaumburg E. Meier (I. 168 ff.); der-
selbe (I. 441 ff.) und Uirlinger (IV. 44 ff.) aus Schwaben, Schrüer aus
Ungarn (IL 187 ff.), Wurth aus Niederösterteich (IV. 24 ff. 140 ff.), Baicr
aus Ragen (II. 139 ff.) u. a. Es ist gewifw Wolf und seiner Zeitwhrift mit
zum Verdienst anzurechnen, dass gerade in den folgenden Jahr^ctrlmlen der
Sammeleifer einen so b«leuiendcn Aufschwung nimmt, der es emKJglichte,
<Jlass im Jahre 181» \. Wuttke sein vtitzüglicho-i Werk /)er deutsche l'olks'
GMmaniiche PhitoluffU.' Uf. 1*. Aull. äJ
güjuig dir Gegentoari (2. völlig neun Bearbeitung, Bcriin 1869) schreiben
konnte.
Wo Wnlf aufliArt, ln'ginnt Mannhardt. Ei ninirat jpnra Plfmc mit dtT
ihm eij?nen WillenssiJlrke iiuf, erweitert >ip und sucht für sie eine Gnuidlage
zu scliaffcn, die einen feslcreu Hatl gewäiirlc. Wir habou ilui liier nicht
als MvihotiTgcn ins Auge zu fassen, sondern als Sammler und Bearbeiter
von Sitte und Brauch. MüIlenKoff mag es gewesen sein, der ihn vür
allem auf die Wichtig kt-it der ^■^>!k3xc■brauchc liiiigcwiescn hat Schon als
junger Student miiss ersieh eingehend mit ilmcn Ix-schaftiTt liabcn, denn 1853
u-andtc er sicli um Auskunft über V'olk-Sgebrauche ans Ausland und regle
dascthst SanimUingen :Ln, nachdem er eingesehen hatte, dass das Studium
sich nicht auf das eines Landes beschranken dürfe (Mylh. Forsch. S. VII).
Gleichwohl i^cheint damals unch da.s Interesse für das \'<)lkslicd und die Sage
übcnA'ogcn zu haben, da die Bedeutung der Sitte für den alti-n Kuh und dieser
seihst bei seinen mythologischen Forechungcn noch im Hintergründe süuiden.
KrsI Anfang der sechziger Jahre sciiuint er sich ganz für jene entschieden zu
haben. Er beschUesst zunächst alle beim Ackerhau gebräuthlicheJi Sitten zu
sammeln und so die iioiwcndige Grundlage zu einem Urkunden buch, einem
»Quellenschatz germanischer Volksüberlieferung«;, zu schnffen. Dem I'laJie
folgte bald die Ausführung, die mit um so grösserer Energie betrieben
wurde, als ihn dabei die Berliner Akademie uiiterstützic. Mit welch heili-
gem Eifer er an die Ausführung seiner Aufgabe ging, zeigt das Vorwort
zur I. Auflage seines Rog^icnwol/es und Rof^enhiwJes (Dan/ig 1865), d;is
ein Muhnwort an alle Nationen ist, nicht eine .schwere Unterlassungs-
sünde auf ihr Gewissen zu laden. In alle Gaue Deutschlands versandte
Maimhardt Fragebogen, in denen er über alle Sitten beim Ackerbau Aus-
kunft erbittet; in ,^t),(xx> Exemplaren werden sie an Seminarien, Gymnasien,
landwirtschaftliche Vereine u. dgl. versandt. Andere lausende werden ins
Ausland geschickt. Maimhardt selbst bereist Schweden, Holland, die
nissisclicn UstseeproWnzen. um hier Auskunft zu holen; er geht in die Ka-
sernen, fragt die gefangenen Franzosen 1Ö70 aus, er scheut keine Mühe, um
das Material möglichst vollständig zu haben (vgl. Antike Wald- und Feld-
kulle IL S. XXXIV ff.). Dies Material liegt auf der Berliner Bibliothek und
harrt bis heute der Verarbeitung und VervolUtändigung nach anderer Rich-
tung. Dass dieses nicht gleichwertig ist, liegt in der Natur der Sache. Es
muss deshalb, wenn es einst benutzt werden sollte, auch nathgeprüft weiden.
Auf Gnmd diesem (Jueilcnschatzcs schrieb Mannhardt seinen Roggenivoif
tinil Ro^^nhitHfl {i.. Aufl. Danzig 1866), die Komdämontn (Berlin iS(j8), die
Wald- und FeldkuUe {2 Bde. Berlin 1H75- 1877), die Mvthologiscfie-n Forx^httu-
geti (Strassburg 1884).
g 4. Fast zu derselben Zeit, wo Mannhardt seine Erstlingsarbeitcn auf
dem Gebiete der .Sitte vernffenTüchte, s<iirieb T\\. W.-iitz die Anthropologie
dfr .WaiNwolier (185p — 65). Auf seinen Schultern standen dann Bastian und
namentlich G, Tylor mit ihren die ethnographisch-anihrnpolMgischen Wer-
ken: sie zeigten an Sitte und Brauch der wilden Vülkei, wie eine Menge
Volksgcbniutdi und Volksan-scliauung fast allf:n V«jlkcm eigen ist, und wie
Selche ]Je<ibachtung zur Kindheit der \'ölker hinaufführe. Namentlich aind
Ci Tylors .\rbeiten [EaHv IJniory 0/ Mankind. Vrgcuhichfe der Mensek-
heit deutsch von H. Müller, I^ipz^ 18Ö7, — Primitir^ Oüturt. Die Ah-
föfigr der CiiUur. deutsch von Spengel und Poske. Leipwg 18731. die
auch in weitere Kreise drangen und von anderem Gesichtspunkte aus auf-
f-^rderten. Sitten und Gebraudic zu sammeln. Sein und Mannltardls Verdienst
Du SAUULDKGEV IX DEL-reCHI-AKD. Makkharpt. £kglakd. 4gij
I
I
ist «s alif r, dasÄ die Volkskunde, die Fo/khrr, wie man dw neue Wissenschaft nach
dem \'organgc der Engländer zu nennen ]>nrg1, eine .sulrhe Hliite errcichi hat,
in der sie jetzt fast bei allen gebildelen Nationen steht. Von England kam
ein neuer Name für die juiij^c Wissenschaft, die nueh etwas planlos betrieben
wurde, die EngUnder brachten sie auch in festere Bahnen und vor allem
in ein neues Entwitkluii^^tadium. Das WeltTcich dieses Volkes veranlasste
die Vertreter dieser Wissenschaft Über die engen Schranken des Heimal-
lande^ hinauszugehen und auch das Vclkalftmliclie der Bewohner ihrer Kü-
lonien mit in das Bereich der Knrschung zu ziehen. Von weitergehender
Bedeutung dabei wurden vor allem die Sammlungen der Sitten und Ge-
bräuche, der religiösen Ansclianungeii und der G'^tterverrhriuig der Natur-
völker. Ks zeigte sith l>ald. dass l>ei diesen in ursprttiigHcher Form nocli
LcsUind. was ;iuch einst bei unseren Vorfahren bestanden haben nui*Ä, was
no<-h jetzt, wenn auch in abgeschwächter, in symbolischer Form im Volke fortlebt
-So wurden die Anschaumigswcise, Sitte, Brauch und Aberglauben der Nalur^'ölker
zurF.rfrirschung der eignenVergangenhcit verwandt, es entstand eine vergleichende
VoIi;>kunde. aber vergleichend fassle man in anderem Sinne, als man das Wort
bei der vergleichenden Sprarh Wissenschaft oder Mythologie zu verstehen
pflegt. Nicht eine indogermanische Urform sollte gefunden werden, sondern
der Ursprung und die Entwicklung heimischer Sitte sollte ihre Erklärung fin-
dcai durch Heranziehung analoger Beispiele, in denen Ursprung nnd Kntwick-
lung no* h klar vrir die Augen tritt. Als der bedeutendste und zielbeu-uss teste
Schftler Mannharrits und Tviors ist hier A. Lang zu nennen, der in seinen
Werken [Mvlb. Ritual am/ Urligion 2 Bde. L/J^ndon 1874 und Cnsin»i mul
Mvth 2. etlit. 1885) der anthroiwlogischen Richtung der modcnien Volks-
kunde feste Rihnen olmele. Durch diese drei Fi>rsrher sind der Volkskunde
neue Wege gewiesen, auf denen sie sich erst als Wissenschaft entwickeln
konnte.
§ 5. Atif germanischem Boden tritt in erster Linie England für die zu
Neuem Iwrufene Wissenschaft in die Schranken. Hier war ja schon lange
-der Boden für die Volkskimde bearbeitet (vgl. A. Brandl, Englische
Volkspotsie Grundriss Bd, II), Schon im vorigen Jahrhunderte hatte H.
Bournc in seinen ».Vntitjuitalcs Vulgarcnscs- (17251 eine treffliche Samm-
lung vcm V'iilkf^ebrüurhen und Aberglaul>en geliefert, die J. Brand
1777 umarbeitete und unter dem Titel */\)pu/iir Anliquiiits 0/ Gnutf
Bnfain< herausgab. Das Buch ist dann wiederholt neu bearbeitet wor-
den (1813 von H. Ellis, 1870 von W. C. Haziiti) und im noch heule,
namentlich in der Ausgabe vt^i Ellis, tlie wichtigste Quelle gross britannischer
Sitten untl GebrUtiche. Weitere Beitrage zur Volkskunde im weitesten und
kosmopolitischen Sinne enthielten daim die Xotes an// Qufrits (1859I. In
England tauchte für die neue Wi.ssenschaft aucli zuerst der Name Folklore
auf, der ja bald intemalional geworden ist W. J. Thoms hatte im Athc*
iiüinn des Jahres 1846 in einem anon^-mcn Artikel zirai erstcnniale diestti
Ausdruck gebtBucht, und jener Artikel wirkte wie ein Zauberstab auf das Volk.
Jetzt bcg:inn man im ganzen Lande Sanuuluiigen volkstümlicher Cbcrliefemngen
anzulegen. Im Jahre 1H78 vereinigten sich dann in England die trefflichsten
Manner der Nation, vom Minister bis zum Kaufmann, und gründeten die FoMore
Society. DicseGeacIlscIinft gab eine Reihe Zeitschriften heraus; 1878 — 82 Folklore
fiecorJ, 1 083^80 The Fnii/oir Jimrmü, l8t)0 ff. Folklore. letztere hat bcson-
<lers rladurih Wert erhalten, dass sie eine IJteraturübersicht des so zer-
streuten Stoffes auf dem Gebiete der Volkskunde bringt. Aus allen Gegcii-
•<len des englischen Reiches ist in diese» Zeitschriften das Material aufgc-
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lifluft ; Abtrjijlaubt*, Sillc, Volksmedizin u. dgl. findet sich in reicher Fülle
{dtj Inhali der allpr<-n Reihen steht in Gommts Ilandbool; S. 1S4 ff.).
Ausserdem hat die Gesellschaft verschiedene Scliriflen herausjccgcben. die
mit der Vulkskundc in Zusamnicnhang stehen. Allein man beschrankt sidi
in der Aus«'ahl nirht auf britische-s Gebiet, sondern bietet Stoff aus allen
Lflnduni der Erde. — In Illinlicliur Welse wie England ist auch das
Ttyhterland, .\merika, thaiig. Hier hat sith ebenfalls eine Folklore-Society
gebildet, die seit 188S 'fhe Journal 0/ Amerüan Folklore heraushiebt. Ur-
sprünglich leiteten Newell, liüas, Crauc und Dorsey gemeinsam die
Zeitschrift, seit 1891 jedoch liat NcwcU die Leitung allein. Dieser Gesell-
schaft für Volkskunde hiit sich spater (löyj) The Chicago Folklore Sodcty
-cugeselli, die unter der Redaktion Fletchers 'T?ie Folklorist' herausgiebL
(Chicago i»92 ff.).
§ 6. Nächst England hat von allen germanischen Landern Schweden
am meisten systematisch für die F.rhaitung des Volkstümlichen gesorgt Wohl
hatten auch liier, wie in den anderen nordisclien Reichen, einzelne Männer
V'nlkstümhches gesammelt, doch der An.stoss, diese Sammelarbeit mit
vereinten Krllftcn in Angriff /u nehmen und den Stoff systematisch zu
bearbeiten, ging erst später von Studcjilen aus. Von Nation algefflhl getrieben,
thaten sich die einzelnen Landsmannschaften an den Universit*1ten zu Up-
sala, Lund und Helsingfors zusammen und bildeten die Lattdsmülsföreniugart
(he neben Dialcktsainmhingcn auch Sammlungen von Sitten und Gcbrüu-
chen auf ihr l'rogramm seizlen. Wohl hatte schon 1861 Prof. liloin-
ätrand in Lund die Anregung zu einer Foremtig för SmAlamh Minnen
gegeben, allein dieser Verein fristete nur ein Sclieindasein. Erst als 1872
von studenlLsclicn Kreisen in Upsala die Auregung zur Bildung von Dialekt-
vereinen ausging, folgten bald auf den ersten, die Vesigola Landsmähförrning,
Vereine in fast allen LancUmannsrliaftcn. 1874 folgten die .Studenten in
Helsingfors unter Freud enthüls Leitung nach, und 1873 sah auch
Btom.strand in Lund sein altes Bestieben endlich von Erfolg gekrönt: die
Förening ßr Smälands Minnen blühte auf, andere Vereinigungen schlössen
sich ihr an. — Verschiedene dieser Vereuie gaben schou jetzt ihre Zeit-
.«ichrift heraus, fn dem Mittelpunkte der Arljeit ilicser Vereinigungen, denen
Studenten aller Fakultiiten aiigeluirlen, stand die Dialektforschung, die von der
neuen Sprachwissenschaft in.s Leben gerulcn worden war und von ihr be-
fruchtet wurde. Das gemeinsame Dialektalphabet brachte auch die verschie-
<]ciicn Vereine einander naher, so dass man eudlich sich über die Herausgabe
einer gemeinsamen Zeitschrift verstSndigen konnte, die seit dem ]ahre 187H
erschien. Diese nun wui"de der Mittelpunkt aller Forschung über sdiwedi-
stiics Volkstum. Es suid dies {\^q Xyare Bidrag lill Känmdom om de si-emia
LandsmäifN ork svetiskt Folkh/. Tidskrifl tUg. pä uppdrag af Landmnhförtnin-
iiamc i Uppsala, Hrlsingfon ock iMtid genom J. A. Lundetl. Stockh. i87qff.
1 )ie Zeitschrift erscheint in zwangtosen Heften und bringt nicht nur Volks-
iJinliches in reich.siei Fülle, sundein auch eine treffliche Literat urübersidil
auf diesem (iebiete. Li-idcr scheint in letzter Zeit der Eifer fUr dies nationale
l'ntemehmen etwas erkalict zu sein. ^ Wesentlich zur Helelrnng des Inier-
cäsrs fQr das Volkstümliche hat aber hier auch das von A. Hazelius in
Stockholm ins Leben genifene Museum Eür schwedische Volkstrachten bei-
getragen, das ein getrcuL-.s Bild von dem Leben und der Kleidung des
>rh\vedLschen Volkes gew.'lhrt. Dies Interesse zeigt sicli auch in der Samm-
lung von Svenska FolklijukUdrin^ar frön olika Ijjndskap, die in Stocklnilin bei
A. Bonnicr erscheint und woran sich vor allem die LundsmalsfOtcningar be~
teiligpn, — Wie in Schweden so zeigte sich frühzeitig aurh bei den Schwe-
den in Finland ein reges Interesse für alles Volkstßmliche. Uen Ausgangs-
punkt bildete hier die vun Freudenthal 1874 ins Leben gerufene Srtntkit
LaHdsmäU-ßrem»^ i Fifdand. <lie sich vielfach mit den Bestrebungen der
Nvläridisclica Landsmannschaft der Helsingfurs<;r Studenten berührte. Letzten-
halle schon seit 1870 ihr Angcnmerk auf alle Vi)lksüberheferung gerichtet
und gab seit 1884 das Sammelwerk NyUmii heraus, von dem der 4. Band
die nylüTidischen Volksgcbrauchc bringt {Kyländtka Folksedcr ocfi Bruk, Vid-
skepeUe m. ra.. framsLIIda af Anders Allardt. Melsf. i88<)). (Über die Th5-
tigkcit der verächiedcncn Gesellschaften vgl. Fin/ändska Bidrag lil Svtmk
Spnik- ock Foiklifsfonkniti^. Helsf. 1894. r — 50. 504 ff,. Auch die Fimka
VeUmkaP'Socielet und Sremhi Litltmiursälhknpct i Finland vcrüffentÜclicn
Beitmge zum schwedischen Volkstum in Finland.)
Die schwedischen Landsinalsföreningar sind es gewesen, welche auch auf
■das Schwesterland Norwegen eingewirkt haben. FOr Sammlungen von Sagen
und Märchen war hier ihirch Faye, Asbjornsen, Jurgcn Mne, die unter
Grimms Einflüsse sumdeii, für die Dialektforschung namentlich dur<-h Aasen
schon manches gethan, Sitte und Brauch dagegen waren noih wenig be-
handelt worden. Da vereinigte sich 1881 eiue Anzahl Manner von
bestem Xanicn (Asbjurnscn, Aasen, Buggc, Fritzner, Moltkc
Mue, Ross. Joh. Storm, Unger) und forderte zu einer Fm-tnin^ A'*
notske Diakkler ok Foikdraditioner auf. Allein Nürwep'll schciiit für wilche
Arbeit nicht der Boden zu sein. 1884 erst erschien das r. Heft der Zeit-
schrift dieser OoscIUchaft, die Notvegia, 'lidukrifl fot dtt ttonkt Fo/ks .\faal og
Minder, udg. af Foreningen f. norske Dial. og Tradit ved Moltke Moc og
Joh. Storm (Kristiania.) Bei diesem ersten Hefte, das nur sprachlichen
Inli^ts ist, ist es bis heute geblieben, und nii^ends sieht man, dass der Ver-
ein irgend wo im Lande Samen gestreut, der zur Frucht gereift wSre.
Und gerade die nnn*'cgisi:hcn Gaue sind so reich an alter Sitte und altem
Brauch, dass es in hohem Grade zu bedauern ist, dass sich hier nicht
Kräfte dazu finden, das Volkstümliche einem weiteren Kreise zugänglich zu
machen.
Zweifellos unter dem Einflüsse Schwetlens steht auch die Entwicklunir
■der Volkskunde innerhalb der letzten Jahre in Dänemark. Hier hatte
schon im .^nfar^ der vierziger Jahre der Bibliothekar Christians VIII., J. M.
Thiele, eine treffliche Sammlung Volkssagcn veröffentlicht, der sich 1860
«ine gleich gute abergläubischer Meinungen des Volkes anschloss. Nach ihm
trat Svend Hersieb Gru ndtvtg (geb. 18^4. gest. 1883) auf, der das
iiammeln alles Volkstümlichen für eiue nationale Pflicht crkiHrtc und sich
dieses selbst zur Lebensaufgabe machte. Er hat auf diesem Gebiete mehr
denn jeder andere geschaffen: er ist einer der bedeutendsten Folklonsteni
die bisher gelebt haben, für sein Vaterland ein J. Grimm. Wohl achtete er
weniger auf Sitte und Brauch, um Volkslied und Miirchen drehten sirii besonders
Beine Arbeiten. Aber in seinen GamU duntke Minder (j dele. Kbh. 1854 — tu)
berOlirt er oft jene, wenn sie auch nicht den Hau plgegen stand der Sammlung
ausmachen. — Einige Jahre vor seinctu Tudc zeigte sich nun in Dänemark
der schwedische Einfluss. 1879 that sich eine giosse .Anzahl Manner aus
allen StAiideii zusammen, die das UnivcrsiUh-fHbihrtis danske SamfHnd grün-
deten. Diese richteten ihr Augenmerk auf die Schriften aus alterer Zeit und
auf die Dialekte der Gegenwart und kömnierten sich anfangs im ganzen
um Sitte und Brauch wenig, weun sie auch einiges davon in ihre Schriften
aufgenommen haben. Erst seit 1890 wurde auch diesem mehr Aufmerksamkeit
y)2 xn. Sitte, Anhang: Behandlung d.volkstüml. Sitte d, Gegenwart^
geschenkt. Von diesen» Jahre an gab die Gesellschaft auch eine besondere
Zeiischrift für dänische Volkskunde heraus, die Dama, Tidsskrifi for Folkemäl
ug Kotkeminder, udg af Jespcrscn og Nyrop. die man seit 1897 in eine
Tidsskrift for danke Sprog og Litteratur sanii TflLeminder umgewandelt hat»
niididem V. Dahlcrup mit in die Redaktion eingetreten ist. — Scii»c
I^ndsleute zum Sammeln vtilkBiflmlirher Sitte zu den Waffen gerufen zu
haben, isi das \'erdicnsl des Wilksschullehrers Evald Tang Kiislcnsen,
der durch seine Sammhuigen jütlsndischer VolksQbcrlieferung sich schon
mehrfach hervnrgethan hatte. Auf seine Veranlassung wurde 1883 das DansA
Samfuud /// Imhamling af Folkeminder ^t.^tX\vyKX, welches von 1883 — 1889 die
Zeitsclirift SkiUtt^memi unter K. T. Kristcnsens Leitung herausgab. Ausser den
bereits geiianiili-n Hcrausgt:bcrii der Dania und des Skattegraver haben sich in
letzter Zeit in Danemark besonders Feilberg und A. Olrik um die
<laniscUe Volkskunde verdient gemacht (vgl. A- Olrik, Folkeminiier in Sal-
monsens Konversationsleksikon ).
Auch auf Ulantl that sich eine Anzahl jüngerer Leute zusammen, um
das \'olkstünilii:he der Vergessenheit zu cntrcissen und aufzuzeidinen. Sic
gaben <he Zeitschrift //«/(/, Safn alj>ydlegra fra?da islenskra, heraus (iHcjoff.),
<lic jedoch i8(>5 wieder eingegangen isU Eine grössere Sammlung islän-
discher Volkssitte gab O. Davidsson iro Auftrag der islflndlschen Literatur-
gesellschaft heraus. Den Volksbrauch auf den FDerÖem endlich zeichnete
liammcrshaimli in seiner Fcrmsk Anthologi -am^ (Kopcrih. lÖt^i).
§ 7. Unter Maiinhardts l'linfluss erwachte in den siebziger Jahren-
aucli in Frankreich das Streiten , das Volkstttmliche zu sammeln. Sch^-m
1877 hatte der Direktor des Luxemburger Gymnasiums, M. N. Gredt,
Fragebogen zur Sammlung des Volkstümlichen ausgesandl, 18B0 folgte ihm
Sebillot in Krankreich. Verschiedene Zeitschriften und Sammelwerke, die
die Volkskunde auf ilir Programm geschrieben hattet;, erschienen. Vnn hier
aus drang die jutigc Wissenschaft nach den Niederlanden, wo sich nament-
lich Aug. Gittee, Professor am Athenaura zu Charleroi, derselben annahm.
Die Volkskunde der vLimischen Provinzen wurde in erster Linie ins. .\nge
gefasst. i8ä8 erschien von Gittee der erste Wegweiser zur Einführung iu
die wLssenschaftlichr Behandlung des Kolklorc, das Vm^ghoei int äet ZameUn
van Vimvmclit Foikhre 0/ Vaikskiinde- In demselben Jahre erschien auch die
IiBuptsachlich durch denselben Verfa.>««;r ins Leben gerufene ZeiLtichriftr
Vo!ksku$tHf. Tijihehrifl i'oor Xtderlauduhe Foikhft onder Redaclie van Pof
de Mont rl Aug. Gittea (Gent). Für Gittee trat spater in die Redak-
tion A. de fock, der mit de Mont noch heute die Zeitschrift herati^ebt.
Aus dem Volke heraus kam diinn schon im folgenden Jahre eine neue Zcil-
sdirift uns TagcsliclTt: Om Voiksirrvn. Antuvrftsch-Brabantsch Ttfdsrhrift voor
Taal ett l'niksdirhti-eerdigiieit. it>ir Onde Gf^nuken, Wan^ho/kundt. Brecht
1889. Femer: Volk en Taal, Maandsschrift over Gebruiken enz. uitgcgev.
df>or de Zanter^gilde van Zuid-Vlaandem. Ronse t88o ff- (JnÜch begrenzte
Zeitschriften, wie De Hanvlandcr. s^rhliessen sich den grü.s,sercn an. In Lim-
burg enschicn seit der Mitte der achtziger Jalire: 7 Daf^hei in d^n Osten,
IJmhurgsolie Tijdssthrift voor alle Liefhabbevs van Taal- en andere Wetcns-
weerdigbeden. So scheinen die Niederlande in der Rührigkeit Schwedens
Erl»e angetreten zu haben, aber die Vertreter der Volkskunde sind sich voll
und ganz bewusst, dass die neue \Vis.scnsch«ift in deutschem Boden ilire
Wurzel hat.
§ S. Wahrend sii ubenill Zeitschriften entstanden sind, die Samm-
lungen volkstümlicher Sitten und Brüuchc aufnehmen, ist Deutsddand
iDgc zurüLkgcblit'ben. Ungemein eifrig sammelte man schon in den
^-einzelnen Gegenden unter dem Eiiiflusso der Brüder Grimra. Fasl aus
allen Gauen Dculschhnds Hegen heute grossere oder kleinere Sammlun-
gen von Volkssüger, Matchen, Sitten und Gebrauchen vnr, die einen mehr.
die Hmtcm weniger zuverlHssig. Wrr nur um des Vrilksiümlitrhcn willt-n an
solche Arbeit gegangen i^t, hat das Beste mit gehefert: andere dagegen, »lie
sich mit lialb verdauten mythologischen Aulfassungeu der AufgalK.- unter-
zogen haben, sind nicht selten selbst zu Mythenmachem geworden. Geo-
graphische Zeilwbriften, wie das Amfond. Europa n, a.. haben ihre Spalten
ctK-nfalts tkin Volkstume geöffnet. Herausgeber grösserer gct^aphischer
Werke veis^unien es nie mehr, die Volkssiiie v.*n kundiger Hiind bear-
beiten zu lassen.
So war hereiu viel Material in den beiden ersten Perioden volkskund-
licher Arbeit gesammelt und dies z. T. schon trefriicli verarbeitet, so von
l'fannenschmid in seinem vorzüglichen Werke »Germanische EmUfufe*^
Von U. Jahn in seiner fleissigen Arbeit >Die deutuhen Opferbmufht htt Arirt'
hau und Viehzufhf' u. a. Die mythi »logischen Forschungen von E. H.
Meyer und L. Laistner hatten el>enfalls gezeigt, welche ergiebige Kund-
grube Sitte und Brauch der Gegenwart für die Kulturgeschichte unseres Volki-s
ist Da brach sich auch in Deutsihland endlich die Überzeugung Bahn,
ilass die Bestrebungen auf dem Gebiete der Volkskunde in wissen schaflliche
H.1mic gem)nimcn, dass für sie ein Mitteljiunkt geschaffen und dass das be-
reits vorliegende Material gesichtet, ver\'ollkommnet und vertieft werden
mQ&se. Die Zeitschrift Am Urdi-Bnamm. Mifteiftaifjrn für Fnnndr 7-olhtüm-
lieh-u'iuenscba/tlirfKr Kunde, die F. Höft in Rendsburg seit 1881 heraus-
gab, vermochte sii h keine rechte Anerkennung zu verschaffen, obgleich sich
z. T. recht brauchbares Material in ihr befand. Sie ist 180J umgewandelt
Worden in eine internationale Zeitschrift für Volkskunde, hat den Titel ^Am
l'tyiuiU angenommen und .steht seitdem unter der Leitung des Slavisten
Fr. Kraus*. Seil 188Ö gab auch E. Veckenstedt eine Ztitschrift /ür
raUikunde heraus. Sic hatte ursprünglich gute Mitarbeiter, wenn auch die
Abhandhmgen, namentlich die des Herausgebers selbst, an Wiissenschaftlich-
kcit viel zu wüiisclien übrig liesseii. Als aber spater der Her.iusgcl)er die
pers.jnliclic Eitelkeit Ohtr die Wissenwliaft stellte, verücssen ihn die besseren
seiner Mitarbeiter, und so stellte denn die Zeilschrift nach dem vierten
Bande ihr Erscheinen ein. Es war dies um an weniger zu bedauern,
als kurz vorher K. Wein hold in Bertin einen Verein ft^i Volkskunde
ins Leben gerufen halte, der der Mittelpunkt wissenschaftlicher Bestre-
bungen auf diesem Gebiete werden stillt*- und auch geworden ist. Die
Zeitschrift, die der Verein unter Wcinlucliis Leitung seit 1891 herau^ebt,
bietet reiches Material und treffliche Untersuch ungi^n, so dass sich auch in
der Volkskunde jetzt Deutschland den anderen Ländern wieder ebenbürtig
ziw Seite stellen darf. Ganz richtig unterscheidet Weinhold zwei Kkissen
Arbeiter auf diesem Gebiete; beide sind unbedingt nOtig und arbtiten ejn-
attder in die Hflnde. Die eine Klasse hat zu sammeln und das Gehörte
oder Gefundene treu aufzuzeichnen ohne irgendwelche wifÄCnsi-ba filichen Ex-
curse. An dieser Arbeit kann jeder im Volke sich beteiligen. Die andere
Klasse dagegen liat die Aufgabe, den angesammelten Stoff zu verarbeiten,
ihn in seiner geschichtlichen Entwicklung zu verfolgen und dann mit seiner
Hülfe die deutsche Volksseele darzustellen, wie sie sirli in der Poesie, dem
Rechte, den Sitten, der Sprache, der Kunst des gemeinen Mannes zeigL Zu
ihr äiiid nur piiilologtscli und hisloriscli geschulte KrSfte heranzuziehen.
504 XIL Sitte, ^nuanc; Behandlung d.volkstüml, Sitte d. Gegenwart.
Nun isl aber DcutschEaiid ein so vielgliederiges Reirh, der Volks* ha ractcr
ist in tien einzelnen (Jegenden so verschieden, dass es schwer hall, alle
StSmme Deutschland» unter einen Hut zu bringen. Von dieser Clrerzeugung
aus ist bei uns in letzter Zeit der Gedanke der Prounnnlvereine auf]^-
taucht und hat in vielen Gebenden AnklatJg gefunden. Mecklenburg liat
n Anfang gemacht. .Schon i8()i erlJess der Verein für mecrklpnburgisclu-
escliichie und Allertumskunde den Aufruf zum Sammeln alles Volks-
tamiichen, und unter Wossidlns trefflicher Leitung sKiirdtet hier di«-
Arbeil rüstig fort. 1893 riefen <lann Kntiop und Maas die BKltter fflr
l'ommcrsche Volkskunde ins Leben: 1804 *urde in Bayern auf Brenners
Veranlassung der Verein für liayrische Volkskunde und Mundartpnforschung.
in Schlesii'u unter Vogts und Nehrings Leitung die Öchlesischc Gesell-
schaft für Volkskunde gcgrClndct. Beide X'creinc geben jicriodisrh erschei-
nende Mitteilungen heraus. In demselben Jahre thaten sich in Baden
V. Kluge» E. H. Meyer und F. Pfaff zusammen, das Voikslümliche
dieses Landes der Vergessenheit zu entreissen. In der Alemannia wird von
Zeit 7M Zeil über den Furtgang ihrt-r Arbeit beriehiet. Fndlich trat iB^"
in Sachsen der Verein für sJtchsische Volkskunde ins Leben, i» dessen Auf-
trag E. Mogk die Mitteilungen herausgiebi.
Ahnlich wie in Deutschland steht es bc) den Deutschen in öäterieich.
Aui Habcrlandts Betrieb ist hier 1 8u5 der Verein für «"istcrrcichi.schc Volks-
kunde gcgrvmdct worden, der alle Volker des ■'JsterrcichEsrhen Kaiserreichs
umfasst und eine Zeilschrift licraLisgicbt, die sich tJer Bcrhuer würdig zur
Seite stellt. In den einzelnen Teilen des Reiches ist man ebenfalls an der
Arbdl. Unter den Sicbenbürgcr Sachsen hat sich der \'erein für sieben-
bürgische I^andeskunde auch der Volkskunde angenommen; in seinem Korre-
spondcnzlilatte erscheinen von Zeit zu Zrit Berichte über die Vorarbeiten.
die von A. Schullerus und Wiltstock ausgehen. In Böhmen gicht
seit 1800 die C.ie^ellwhaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und
Literatur unter Hauffens trefflicher Leitung die Beiträge zur biihmt'sebat
Vnlkshiniif heraus. Im frJlnkisclien Kgerlande luit sich 1897 ein Verein für
EgerlandisL-hc Volkskunde gebildet, in dessen Auftrag A. Jolin Unser Eger-
land redigien.
Am ]i die Schweiz bat sicli in jüngster Zeit den Bestrebungen auf deui
Gebiete der Volkskunde angeschlossen: 1806 trat in Zürich die Schweize-
rische Gesellschaft für Volkskunde ins Leben, und die in ihrem Auftrage
von Hoffmann-Kraycr herausgegebene Zeitschrift Schweizerisches Ar-
cJuK fflr lolkskmde (1897) ist der Sanimelort des an alter Sitte so reichen
Landes.
So ist denn in allen Landern, wo Deutsche wohnen, schon so vor^-
arbcitet worden, dass bereJts ein Ixitfaden der Deutschen Volkskunde ge-
s<hriehen werden konnte; es isl dies E. H. Meyers ebenso klares wie in-
haltsreiches Werk »Deutsche Vollsiiittde<' (1897).
I
I
n. BIBUOGRAPHISCHE ZUSAMMENSTELLUNG DER QUELLEN
VON SITTE UNO BRAUCH BEI DEN GERMANISCHEN VÖLKERN.»)
I. Deutschland, Deutsch-Österreich, die Schweiz.
A. DAS GESAXnGEBIET.
§ 9. Zeitschriften. Ztilsckrift für deuHche MylhohgU und SUlatkunJe.
hrg. von J. W. Wulf, vom 3. Bande ari von W. Mannhardt. 4 Bde. Oit-
tingf^n 1853 — 1850. — Am Unh-ßnmnen. Mitteihmgen für Freunde vollcs-
tQmUdier Kuiulc. hrg. von Höft, 1881 — 1889. Fnrtsetzujig: Am ürqueÜ.
Monatsschrift fßr Volkskunde, hrg. vnn Friedr. Krauss. 6 Bde. 1890 — 1896.
Neue Folge, Leyden 1897 ff. — Zeilicbrift für VoikikunJe, hrg. von E. Vcckcn-
stcdt. 4 Bde. Leipzig 1889 — 1R92. — Zeitschrifl des Vereins für Volhtunde.
Neue Folge der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Spracliwis&ensciiaft. Im
Auftrage des Vereins lirg. van K. Wcinhold. Berlin 189t ff,
§ 10. Allgemeines. F. Nork (Korn), Die Sitfen und G^räufhe der
Deulifheti und ihrer Nachbanölker. (Das Kh»slcr. 12. Bd.) Stuttgart 1849. —
^lunlanus (A. v. Zuccalmaglio), Die denischen VolAs/ale, Volksbräuehe und
detituk<r Vo/ksg/au&e in Sigcn. Mdichen und Volksliedern. Iserlohn o. J. — Roch-
holz, Dtutscher GLiube und Braue h im Spiegel der heidnischen Voneil. 2 Bde.
Berlin 186". — A.Wuttke, Der deutsche Volkmbcri;/auhe der Gegenn^irt. 2. Aufl
Berlin 1869. (Ein rtichhaUiges. treffliches Werk.) — M. Busch, DetUsehtr
Volksf^nuhe. Leipzig 1877 (populär, ohne .Angabe der Quellen). — Lippcrt,
Chrislctitum. Vtiiksglaube und Vo/ks/injuei. Berlin l86a. — Ch. Roggc, A&ef'
^lauhe, Volk^^lauhe und Valkshraueh der Gegenxvari nach ihrer Entstehung aus
altgennanisihem Heidentum. Leipzifj 1890. — A. Schroot, Die SymhoUk im
Volisglauhen. Am Urq. IV. ^41 ff. — Weiss, Volkssitten und re/igiiise Ge-
bräuche. Bannen 1872. — Gruebcr, Deutsches Lehen. Scliildcrung des deut-
sdien Volkes in allen seinen Stämmen. Prag 1871.
§ II. Der Festkalender. E. Dulle r. Dq!( deutsche Volk in seinen
.Mundarien, Sitten. Gehräuchen und Festen. Mit 50 kolor. Bildern (\'ollcs-
irachten). Leipzig 1847. — F. Nork, Der FeUkalendrr. (Das Kloster. 7. Bd.)
Stuttgart 1849. — Gehhart, Das kirchliche Jahr oder die heiligen Gebräiuh«
und Kirchenfeste. Pest 1856. — v. Reinsberg-Dftringsfeld, Das festliche
Jahr in Sitten, Gebräuchen und Festen der germanischen Völker. Leipzig 1863. —
Lippert, Deutsche Festtnäuehe. Prag 1884. — Rolfs, Unsere V(ylksfesie. Ge-
krönte PreisschrifL Leipzig i8q6. — Pfanuenschmid, Das M'eihicauer im
heidniichen und christlichen Cuilus. Plannover i86tj (eine reichhaltige Arbeit,
t] Benutzt sind ftlr dte foIi*cnde l^bJiograpbiscbc Cbcnicbt: v. Babder, Dtf
deyttckf Phil«logü im i7rhiniriss. Paderboni 1883. S. a38fr.; l". Jahns Zusainmrn-
»telluiif; der Literatur de« Volkxtüinlicbcn in der Anthtung zur JeutscArrt Landet- und
Votks/oriihung. Im Auftrage der Central kommisston lür wisücnscfaKTllicbe Ijitiile«ktinde
von Deutschland, hrg. v. A. Kirchhoff. Slulljpirt 1889: die bibtiußnipliischfn DbersuJitea
in der Ofrmaaia, Jrm fnhrffbfrictite über die Ertchrinnn^m auf arm tirbiete der ger-
utant'setten Ptulofafrie, t\t:tn Jahresheriefile für neuere lifHtnrhe /.iteritturgrwhichte, dnn
Art. f. itfrd. /■'ttatofi. in Sii. Lnudsmnlrn, die Litt-mluriitttrücbtcn in den unter % Q
AitgHahrlfn Zcilu:l>rif(FFi. AulHat««- ia der Toguslitenitiir, dir »llcn U'cri luben, «ind
nicht vt^rzeidinrt. Kh«Mo ^ind die kurzen Xultzcn in den Zeiischriltcii nur dann twxück-
aicbtigt worden, wenn sie nach dt-r einen oder andern Riditiin]- bin von Bedeutung »ind. —
Hsl ein und derselbe Artikel mehr als zue! Fontetznosefl, so i^t nur der Band dtiert,
nicht alter ilie Seite, wo die einzelnen Ab«cbniue b«f;llllMMI.
5o6 XII. Sitte. Anhang: Behandlung d. volkstüml. Sitte d. Gegenwart.
in der viele religiöse Gebrauche auf ihren Ursprung hin untersucht werden). —
Pröhle, Kirchliche Sitten. 1858. — Zingerle, Johannissegen und Gertruden-
minne. Sitzungsber. der Wiener Akademie der Wissensch. 1862, 177 ff. —
V. Repta, Religiöse Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten tn ihrer Bedeutung
für die Entivicklu/ig der Kultur. Czemowitz 1887. — Menzel, Die Sonnen-
zveiide im altdeutschen Volksglauben. Germ. 11. 228 ff. — P. Cassel, Weih-
nachten. Ursprung, Brauche und Aberglauben. Berlin i86i. — W. Mann-
hardt, Weihnachtshliiien in Sitte und Sage. Berlin 1864. — K. Weinhold,
Weihnachtsspiele und -lieder aus Siiddeutschlatid und Schlesien. N. Ausg. Graz
1870 (enthält in den einleitenden Kapiteln vielerlei über die Weihnachtsge-
bräuche aller germanischen Völker). — Usener, Wethnachts/est. Religions-
geschichtl. Untersuchungen. Bonn 1889. — P. de la Garde, Altes und Neues
über das Weihnachtsfest. Göttingen 1891. — Ortwein, Deutsche Weihnachten.
Der Weihnachtsfestkreis nach seiner Entstehung, seinen Sitten und Bräuchen
deutscher Völker. Gotha 1892. — Tille, Die Geschichte der deutschen Weih-
nacht. Leijizig 1 89JI (neben Useners Werk die gediegenste Untersuchung über
Weihnachten und Weihnachtsgebräuche, wenn auch das Fest etwas zu ein-
seitig vom wirtschaftlichen Standpunkte aus aufgefasst wird). — J. v. Zin-
gerle. St. Nicolaus. Zs. f. Volksk. II. 329ff.; 409ff. — O. Schade, Klopf
an. Ein Beitrag zur Geschichte der Neujahrsfeier. Hannover 1855. — J.
Wi.snar, Das Neufahr. Eine folkloristische Plauderei. Znaim 1895. — Rack-
witz, Ostcrfeier. Korrespbl. f. Anthropol., Ethnogr. und Urgesch. XXI. —
Pabst, Der Maigraf und seine Feste. Reval 1864. (Die beste Arbeit über
Mai- und Schützenfeste.) — Kluge, Über die ursprüngliche Bcdetttung der
/ohanniifcste und der damit venvandten Feiern. Mühlhausen i. Th. 1873. —
Veckenstedt, Vorabend und Tag St. Johannis des Täufers. Zs. f. Volksk. IV.
— Sl. Andreas als Heiratsstifter. Am Urq. N. F. I. 69 ff.; 191 ff. — K. Wein-
hold, Vom heiligen Ulrich. Zs. d. V. f. Volksk. V. 4 16 ff.
§ 12. Das Leben in der Familie und bei der Arbeit. Ploss,
Das Kind in Sitte und Brauch der Völker. Leipzig 1882. — Haberlandt.
Gcfiräuchc und Ahcrglaulicn beim Essen. Zs. f. Völkerpsycliologie und Sprachw.
XVIII. — J. Sepp, Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt und Tod. Beweis füi
die Einheit des Menscliengcschlechts und die Urheimat Asien. München iStii
(manch gutes Material, sonst i)hantastisch). — J. und (_>. v. Düringsfeld, Hoch-
zciisbuch. Brauch und GlaubcderHochzeit bei den christlichen Völkern Europas.
Mit 24 Illustr. 1895. — K. Weinhold, Der Wcitianf im deutschen Volksleben.
Zs. d. V. f. Volksk. III. I ff. — R. Köhler, Die Haut (das Fell, den Bast)
-.•ersaufen. Am Urq. I. 113 ff., vgl. dazu V. 161. VI. 341. 122 f. — W^ Hein,.
Die geographische Verbreitung der Totenbretter. Mitt. d. Anthropol. Gesellsch. in
Wien XXIV. =i).ff. — Der Eid im Volkslet>en. Am Urq. II. III. ~ P. Sar-
tori, Vom Zählen, Messen, Wägen. .\m Urq. IV. — Reimann, Deutsche Volks-
feste im !<). fahrhundertf. Weimar 1839. (Für die erste Hälfte unseres Jahrhs.
recht gut.) — Mannhardt, Ro^genivolf und Rogf^enhund. Beitrag zur gen«.
Sittenkunde. 2. Aufl. Danzig 186Ö. — Mannhardt, Die Korndämonen. Beitrag
zur germ. Sittenkunde. Berlin 18Ö8. — Mannhardt, Wald- und Feldkulte.
1. Der Baumknlnis dci Germanen und ihrer Nachbarstämme. Berlin 1875. \\~
Antike Wald- und Fcldkultc ans nordcnrofMiischer Überlieferung erläutert. Berlin
1877. — .Mannhardt. Mytholoi^ischc Forschungen. Aus seinem Nachlasse mit
Vorreden von Müllenhoff und W. Scherer, hrg. von Patzig. Strassburg 1884. —
A . Kuhn, Mythologische Studien I. Die Hcrabkunft des p'cuers und des Göltertranks.
2. Aufl. Gütersloh i88(j. (Reich an Beisjjielen deutscher Sitten.) — H.
Pfannen schmid. Germanische Enitefcsie im heidnischen und chrisiüchen CaÜta
I
miibciottiicrtr Bcitbnu^auf Nitficnafhseti. Hannc)%cr 1878. (Das Ircfflichste Werk
über EmtegebrJluche ; reich an Belehning in allen Teilen gewahrt dasselbe in
seinen Annierkungen eine Fülle feiner Untersuchungen Ober alle miTgUchen
Kultuseischi'inuiifjcn unseres Volkes,; — U. Jahn, Dit deuhibm Opfcr^hräuclie
hfi Atkeriiiut unii Viehzmhf. Brcslatt 1884. — Boebel, lUt Hitns- um/ FrU-
Wfhhdt ihs L/iHihviris. Berlin 1854. — Ifilins, Hoxs und RtUrr in Ltbrti nni/
^nuhi, GltiutHin und Gesthkhie. 2 B(Ip. I^ipztg 1872.
§ 13. Aberglauben, Volksmedizin. Kiesewetter, Die Gfhrim-
wiuensehap. Leipzig 1895. — W. ]klannhardt, Zauhrrglanhe und Geheim'
wiisett. 3. Aufl. Leipzig i8g~. — A. Lebmann, Oretim ok TroUdom fni <lc
A-Idstc 'Fidcr til vitre Dagc. 4 Bde. KM[H,-tihagen 189^ — 18<>6. — \V. Herlz.
ihr WttivQiJ. Kin Boiimg zur Sagengeschithie. Stutigart 18(12 (das beste Werk
über diesen Gegenstand des Abei;gla«bens). — W. Schwartz, Die Wünuhtl-
nit€ iib Qutllai' und Si/ianutc/ifr. Zs. d. V. f. Volksk. IL 67 ff. — M. Bartels,
Ühtr JCntnkheilsfjcsfhwanwfien. Zs. d. V. f. Volksk. V, l ff. — Volixmediziii.
Am Urq. L III. — M. Hftfler, />r KidttiviJd in der loiksmrdizin. Am Urq.
IIL 307 ff., 353ff. - M. Ilafler, Der Biimnbaum. Am Urq. N. F. I. 35 ff. —
Baumsägen und BtJumkuiiHs. Am Urq. V. VL
§ 14. Haus und Hof, Kleidung. Gebrauchsgegenstilnde. Meitzen,
Sitdeiuitg und Aßfianvrseu der liesf~ und Osl^rmtinen . der Kellen und Römer,
Finnen und Sii.ve», 3 Bde. Berlin 1896. — Henning, Dat detifsehe Haus
tn seiner Imiürisiften EMiivieitelnn^. Quellen u. Forech. Nr. 47. Slrassb. 1882. —
Mcitzcn, Das deutsche Hata. Berlin 1882. — Mcringcr, Studien zur
f'ermanischen l'o/hhunde. Das Bauemluuis und de.ssen Einrichtung. Mitt der
Anthropol. GeselLsch. in Wien XXL joi ff. XXIII. 136 ff. — Petersen, Die
/yerdf^Öp/r Quf d<H Bauerhäusdn, buonden in yonideufichland. Kid 1860. —
Ch. Pcter«ien, Ar /Jtmmrhexen. Kiel 1802. — Mietkf% Volhkumt. .Mit
85 Abbildungen. Majtdcburg 189Ö. — Sartori, Der Schuh im ro/hj^/auhm.
Zs. d. V. f. Volk.sk. IV. — Weiss, Koslümkunde. 2. Bd. Stuttgart 1872. —
A. Kret Schmer, Deuiuhe Volisirachien. 2. Aufl. Leipzig 1891 (mehrere
Hundert Volkstypai). — Hottenrolh, llandburh der deutstben Trtuht. Mit
1631 gHn/cn und 1391 Teilfiguren, y^ Faibcniafeln. Stuttg. iSi/h — Hans-
jacob, Untere VolhilntchUn. 3. Aufl. Freiburg l8<)3. — Homeyer. Haus-
imd Hofmarktn. Mit 44 Tafeln. Aus den .\bhandl. der Berliner Akademie.
Berlin 1870.
B. DIE EINZELNEN DEUTSCHEN LANDER.
S 15. Oberdcutschland. Den gcsamniten Alpengürlel umfasst: Ver-
naleken, .Upensagrn. VulLsObcrlicferung au.s der Schweiz, aus Vorarlberg»
Kärnten, Salzburg, Ober- und NiederOsterreich. Wien 1858. — Reiches Ma-
terial bietet die Zs. des dcutsch-österreichi-schen Alpcnvercins. — L. Freitag,.
Tlrre im GUuthfu der Alpler. Am Urq. III. — Ilwuf, Allerlei Jnsehrifltn nux
den Alpenltindern. Zs. d. V. f. Volksk. IIL 278 ff. — v. Hörmann, Hans-
Sprüche mts den Alpen. I^ipzig. l8((0. — Meringer, Das oherdetüsche Bauern'
haus und seine Geniihe. Zs. f. *"'Sterr. Vulksk. II. 257 ff.
I. Österreich. (Gcsajnmtreich.)
% 16. Zeiischri/t für as/enricAiithe Vo/hhinde. Organ des Vereins für Osterr.
Volksk. in Wien, r«l. von R. Haberlandt. Wien i8t)5ff. (Die>c Zs. bringt
«. a. eine genaue Litcrainrübersicht kleinerer Beitrage zur Volkskunde, die
sich in der Lokalpresse finden.) — Die öslerretehisefie Monarchie in Wort umf
5o8 XII. Sitte. Anhang: Behandlung d. volkstüml. Sitte d. Gegen«' art.
Bild, Auf Anregung und unter Mitwirkung weil. Sr. Kais, und Kgl. Hoheit
des durchl. Kronprinzen Erzherzog Rudolf begonnen und fortgesetzt unter
dem Protektorate Ihrer Kais, und Kgl. Hoheit Frau Kronprinzessin-Witwe
Erzherzogin Stephanie. Wien 1886 ff. — Pröhle, Aus dem Kaiuniaat,
Schilderungen aus dem Volksleben in Ungarn, Böhmen, Mähren, Oberöster-
reich, Tirol und Wien. Wien 1849. — Vernaleken, Mythen und Bräiuhe
des Volkes in Österreich. Ein Beitrag zur deutschen Mythologie, Volksdichtung
und Sittenkunde. Wien 1859. — Ilwof, Harn- und Hofmarken (in Öster-
reich). Zs. d. V. f. Volksk. IV. 279 ff. — H. Schukowitz, Ländliche Kerb-
schniltkunst in Österreich (mit 51 Textabbildungen). Zs. f. österr. Volksk.
ni. 33 ff-
2. Tirol mit Vorarlberg.
§ 17. Egger, Die Tiroler und Vorarlberger. Die Völker Österreich-Un-
garns. IV. Bd. Wien i8(j3. ~ v. Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols.
Züricli 1857. — J. V. Zingerle, Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler
Volkes (\%\. ^Mc\\ Zingerle, ZfdMyth. I. 235. IL 420ff.; I. 323 ff.; II. 357 ff.:
die Schwendtage; II. 359 ff.: aus dem Vintschgau; II. 362 ff.). — Schneller,
Sagen und Märchen ans Welschtirol. Innsbruck 1867. — v. Hörmann, Mv-
ihologische Beiträge aus Welsch tirol. Innsbruck 1870. — v. Hörmann, Tiroler
Volkstypen. Beitrage zur Geschichte der Sitten und Kleinindustrie in den Alpen.
Wien 1873. — ■ Pasch, Erster Beitrag zur Kunde der Sagen, Mythen und
Bräuche im Innvierlel. Jahresber. des k. k. Real- und Obergymnasiums in
Ried. Ried 1873. — Waldfreund, Volksgebräuche und Aberglauben in Tirol
und dem Salzbutgischeji Gebiete. ZfdMyth. III. 334 ff. — Menghin, Aus dem
.deutschen Sndtirol. Meran 1884. — Lieber, Volksmedizin in Deutschland. Zs.
des deutsch-östcrr. Alpen Vereins. XVII. 222 ff. — Dörler, Zaubersprüche und
Sympathie-Mittel ans Tirol. Zs. f. österr. Volksk. IL 149 ff. — M. Rhesener,
Wind, Wetter, Regen, Schnee und Sonnenschein in Vorstellung und Bede des
Tiroler Volkes. Zs. d. V. f. Volksk. I. 67 ff.; IL 189 ff. — v. d. Passer,
Hoch Zeitsgebräuche im Ki.tacktbale. Zs. des deutsch -österr. Alpenvereins. 1B88.
146 ff. — Alton, Das GriUlenthal. Beiträge zu seiner Geschichte, Kultur-
geschichte und Ethnographie. Zs. d. deutsch-östcrr. Alpenverciiis. 1888. 327 ff.
— V. Gruppenberg. Das Batiemthcnfer in Südbaxem und Tirol. Zs. d. deutsch-
üsterr. Alpcnvereins. 1889. I36ff. — M. Rhesener, Die Gebirgsnatur in
i^oisiellung und Sage der Gossensasser. Zs. d. V. f. V(.)lksk. I. 420ff.; IL IQ7 ff-
— M. Rliesener, Aus Gos.sensa.^s. Arbeit und Brauch in Haus, Feld, Wald
und Alm. Zs. d. V. f. Volksk. IIL 40 ff.; IV. 107 ff. — M. Rhesener, Das
Leben in der A u/fassnng der Gossensasser. Zs. d. \''. f. Volksk. V L 304 ff. ;
393 ff. — K. Reiser, Sagen, Gebräuche und Sfifiehztwter des Allgäus. I. Kempten
180.5. — P. Gieussiug, Sagen und Gebräuche im Stubaithal tn Tirol. Zs.d. V.f.
Volksk. III. löQff. — P. Greussing, Der Kirchtag in Stubai. Zs. d. V. f.
Volksk. VI. 83 ff. — Passler, Aus dem Defereggenthal. Zs. f. üsteir. Volksk.
III. i.^off. — - Th. Hell, Auf einem Bauernhofe im Griessthal in Tirol. Zs. d.
V. f. Volksk. IV. 77 ff. — Leonliardi, Rhätiscbe Sitten und Gebräuche. St.
Gallen 1844. — - Vonbun, Beiträge zur deutschen Mythologie aus Churrhätien.
Chur 1862. — Elsensühn, Sagen und Aberglauben im Innern Bregenzer Walde.
Progr. d. k. k. Gymnas. in Teschcn 18OÖ. — J. Hiller, Au im Bregenzer-
ivahic rjgo — 18(^0. Bregcnz 1895.
■
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I
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^. Salzburg.
I iR. J. Doblhoff, Beiträge ztim QutUenstuiimm sahhuf^ischer l^ntfes-
kHnd(, ncGsl Hinweis aiif die wiiJitijj;slen Quetlenwerkc. Salzburg lÜg.V —
Manclierici bringen die Milteilun^ai der Gesellseh. /. Salsb. Ijindeskitnde:
Zillner, Der Unuslmii im Sahhur^tsehen^ ein geschicliüicher Umriss;
Huttcr, Pinxgauer Rangel/cste. — ScUwarzbach, Zaubersphkhe uml Sym-
palhtemitlel vnn der salzburgisch-obcrösterrcicbischcn Grenze Zs. f. Österr.
VtJbsk. III. 4 fr. — Eysn, l'bet tiiu Sfeinkreuze und Kreucslrinc in der Um-
gebung Salzburgs. Zs, f. Österr. Volksk. III 05 ff. (S. 70 f. findet sirli eine
reiche Übersicht über die Steinkreuze in anderen Landern.)
4. Kärnten und Krain.
% 19. Mancherlei über Vulkssiite in Kärnten bringt die Giriiitkia. Zs. f.
Vaterlaiidskundc, Belehrung und Uiilcrhallung, hrg. vom Gcschichts vereine in
Knniten. Klagenfurt 1811 ff. — I'ogalschnigg, lieiträge zur deutsehen
Mylholo^e nnd Siltenkimde atts Kärniett. Gerra. XI. 74 ff. — Lexer, Volks-
ah*Hü/erun^vN aus Käniten. ZfdMyth. III. 29 ff.; IV. 298 ff.; 407 ff, — Fran-
Ziszi, CuititnluäUu über Voik&liben, Sillett und (jebräuche in Kärrtfen. \\'ien
1879. — W a i 2 c r , Kämtnerisclu GtbräHche bei Geburt und Tod. Zs. d. tlt-utsch-
ttStOT. Alpen Vereins. X^'^I I. 3 1 0 ff. — F r a n z i s z i , Kärntner Alpetifabrt.
Landäcliaft und Leute, Sitten und Brauche in Kumten. Mit einem Grleits-
brief von A. Freiherr v. St hweiger- Lerche nfekl. Wien 189^. — WaJzcr und
F r a n z i s z i , V'olbscharakler, TrtuhteH, Sitten und Briiuehe in Kärnten. Öster-
reich in Won und Bild. Wien 1891. S. pyff. — Hauffen Die deutuhe
SpmcbtHsel Gottsebee. Geschichte und Mundart, Liel>esverhflJtnisse, Sitten und
Gebffluche, Sagen, Märchen und Lirdcr. Mit 4 Abbildungen und einer
Sprachkarte. Graz 1895.
5. Steiermark.
J 20. Roaegger, Sittenbilder am dem s/eimcAen Hochlande. Graz 1870. —
Roscggcr. Das Volksleben in Sieitrmark. 2 Hde. Graz 1875. — Kratnz,
Mythen und Sagen aus dem steiriscbcn Hochlande. Brück ü. d. M. 1B80. —
Krainz, Hochzeitsgebräuthe in Steiermark. Heimat VII. — Krainz, Volks-
leben, Sitten und Sagen der Deutschen in Steiermark. Österreich in Wort und Bild.
Wien l8t)t). S. 139 ff. — Krainz, Sitten, BniNcbe und Meinungen des deutschen
Volkes in Steienn/trk. Zs. f. i^sterr. Volksk. I. 65 ff.; 243 ff.; II. 209 ff. —
Schlosser, Kultur und Sittenbilder aus Steiermark. Graz IÖ85. — Sclilusscr,.
Otterreichische Kultur- und IJteraturf>ilder mit besonderer Berücksichtigung
Steiennarks. Wien 1879 (bringt 11. a. Berichte Ober den Schwerttanz in
ObcTStcicrmark). — Sclilosscr, Ein St. Xicolanssfiitf in Steiermark. Zs. f.
Volfak. I- 349ff- — Schlosser, Volksmeinung und Volksatterglaube in der
deutschen Steiermark. Germ. XXXVL 380 ff. — Eis I er, Der Samson-l*m:ug
in Krakaudorf \^v\ Murau. Zs. f. üsterr. Volksk. I. 10 ff. — langer, Aus
dem Volks- und Hecbtsleben in Altsteiermark. Zs. Ü. V. f. Volksk. VI. —
Ilwof. Zm Volkskunde in Steiermark. Zs. f. rfsterr. Volksk. III. 7 ff.;
42 ff. — tlwof, Hexenwesen und Aberglaube in Steiermark .tonst und jetzt.
Zs. d. V. f. Volksk. VII. i84ff.; 287 ff. "— Fossel, Volksmedizin und medi-
siniscber Aberglaube in Steiermark. 2. Aufl. Graz 1S85. — Pichter, /Am
Wetter. Nach deutscher und im besonderen nach steierischer V'nlksnieinung.
— Gi>th, Haus- und Hofmarken, mit bcJiondercr Beziehung auf Steiermark^
Mitt des hiüt. Vereins f. Steiermark. 1854. 103 ff.
6. Ober- und NiederOslcrreich.
§ 21. Baum garten, Dax Jahr und seint Tage ht Meintiug uud Ih-auth
•der Heimat. KremsmQmler Prograinm. Linz 1860. — Baumgarten, äks
der x'olksliimlicben t^eriicfcnm^ der Iltimat. Her. Ober das Museum Franzisca-
Carolinnm No. 2j. IJ^—H}. Linz 18(^^2.64. 70. — I'riU, Übet hldbsel aus dem
hohen Allfriume im Leben und Glauben der Bewohner des lindes ob der Enus.
Linz 1853. — Holzingcr, Weibnaehlsgehräuche im SethkammergtiU. Zs. d.
■deulsclWislerr. A![)en Vereins. XV. 439 ff. — v. Ran sonnet. .-Ule Stilen und
Sagen im Sahkammcr^ute. Jahresb. des österr. Alj>envereins. VI. :(x)ff. —
Wurth, Sitte», Brämhe und Meinungen des Volkes in Xtederihlerrae/i. Blatter
i. Land<:sk. v. N'iedtTüstc-rrrich L IL Wim iSO^. 60. {Weiteres zur Volks-
kunde NiederöslerreJcti!» bringt Wurth in dc-r Zf»LVIyth. IV. ^4ff.; i^off.) —
Landsteincr. Reste des Heiden giaubens in Sagen und Gebrättehrn des nieder-
■östcnvichisehen fo/ii-s. Krems iMfKj. — Blaas, I o/jtsfnm/iehes ans Ntederdster-
reieh. Germ. XX. 34<)rf.; XXV. 42Öff.: XXVL 229 ff.; XXIX. 85 ff. —
Blaas, Voikstiimlifhes am Xiederöuerreieh. Anz. f. Kunde der ilcutschen
Vorzeit. 1881. — Silbcrslein, Bräuehe und Sitte», Mtinungen und Aber-
,glauben im Lande unter der Enns. Topogruphic vun Niederösterrcich I. Wien
J877. — Weisscnhofer, 7.Hr Voikxkutide NiederSsierreiehs. f)sterreich in
Wort und Bild Wien 1887. S. i8t>ff. — Kralik und Winter, Deulsehe
]*uppenspiele (aus Niederüsterreich) Wien 18H5. — A. Hof er, Wrihnachls-
spieie (aus NiederOsterrcicb). 19. Jahresb. des nieden-stf^rr. i^ndeülehrerseni.
11 Wiener-Neustadt. 1892. — Calliano, Uralte l'olhtpieie in A'iederiistfr-
nieh. Niederfisterr. I^ndesfreund i8c)3. — Frischauf, Gebräuche bei Grras-
begehun^n in NiederÖsti-rrrieh. Niederösterr. Landesfreund 1893. — Leeb,
Zum Johantiis/rst. Brauche. Meinungen und Sagen aus Xied erÖsterreich. Zs.
f. Vülkak. I^^ jSj ff. — Bogler, Land uud Leuic am dem Wiettencalde. deren
Harn und Hof, Sitten und Gebriiuchr. Wien ] 871J. — Äfoses, Das /estiiche
Jahr im Semmeringgebiete. Zs. f. r»stcrr. Volksk. IL 193 ff- — Popp, Volis-
gtaube im niederiisieireiehischen Wafdvtertel. Am L'rq. V, i/O f.; 2l6f. —
Maverhofer. Die Tracht der Hauer bei Baden. Zs. f. östcrr. Volksk. 11.
2J5'ff. — SchlGgL Wiener Volksleben. Östcrr. in Wort und Bikl. 1887. Ol ff.
7. Böhmen.
g 22. Hauffen, Einführung in die diutseh'bshmische Volkskundt nebtt einer
Bibliographte. Beilr. zur deutsch-bühra. Volksk., hrg. vou der Gcsellsch. zur
Förderung deutscher Wissenscliaft, Kunst und Literatur in Böhmen. L l'rag
l8<K'. — Naaf, Volksleben der Deutschen in West-, Notd- and Osibvhme».
■Österreich in Wort und Rild. Böhmen L Wien 1894. S. 496 ff. — v. Rcins«
berg-Dü ringsf eld, Feslkahnder aus Bühmev. Kin Beilrag zur Kenntnis
■des Volkslebens und Volksglaubens in Böhmen. 2. Ausg. Prag 18(14. —
Lippert, Deutsche Eest(>raHche. dem Volke kulturgest-hichtüch erjcilhlL Prag
1884. • — Grohmanii, Alfcrglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mdbren.
Beitrage zur GosiiiifJitE Böhmens II. Prag 1HÜ4. — Rank, Am dem Böhmer-
walde. Leipzig 1843; Ans dem Böhmenvnlde. Bilder und Er/..'lhlvingcn aus dem
Volksleben. 1. Bd. Leipzig iti^i. — PetcT, Charakter- und Sittenbilder aus
dem deutschen Böhme r^i-nldc. Graz ]ö8(). — Peter, Dorfhitziveil im Hühnm-
loald. Zs. d, V. f. Volksk. V. iSyff. — Lauseker, Ans dem Bahmeru'ald.
'(Volksfeste.) Mitt. d. V. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen. IIL \2zti. —
^ebcr, Charak/et und Leben der Bdhmern.uildler. 1884. — Habler, Hoeh-
BlBUOGRAPHlE: ERZHERZOCn*. OsTSIUt£lCH. BOUliEK.
5»<
sritssrbriiurhf im siid/khen Böhmen. Mitt d. V. f. Gesch. der Dwitsrhen in
Iji'jtimen. XXV'tll. 172 ff. - Ammann. Hochzeiisgthnlndit aus Hmt lio/imn-
wv/A/a Zs. f. Vülksk. 11. — Ammann, Fastnacht im Böhmenvalde . MiU. d.
V. f. Gtwch, der Deutschen in Üillmien. XXVIll. 50 ff. - Anunann,
l'oitssegrn aus dtm Biihmtrwaläc. 7a. d. V. f. Volksk. I. i(»7 ff.; ,507 ff.: 11.
i<>5 ff. — Ammann, Der ^.htmrttanz im süJhehen lUhnuit. Milt. d. V. f.
■Gesch. d. Deutschen in Böhmen. XXVI. 35 ff.; Zs. f. d. A. XXXIV. 178 ff. —
Hein, Die Toiruhirtttr im linhtnenvaiiie. Mit 2 Tafehi und (> Tcxtilhistrat.
>litt. d. Wiener Anlhrnpul. Gcscllsch. XXI. 85 ff. — Hcrgel, Am dtm
l'olksfffvn im BOhmfnvalde. I. Die Denkmäler und Totenbretter. Mitl. d. deuLsrh.
B«vhmerwaldhundcä XXL 223 ff. — Für das Kgertand giebt dt:r \>rcin für Eger-
l^ndisdie Volkskunde unter Johna Leitung Unser Egeriand\\v.vAyxA. Eger 1S97 ff.
— HabernKinn, Aus dtm VnlkslelteH dfs Egfrlandes. Mit MeliKÜen von Vtilks-
liedern, einer Pliinskizze und Lichtdruckbildeni nacl! Phutogtapliien. Eger
i88t>. — John, Im Hau de» Sarisktr. Schiklercien aus dem Egerlande.
Eger 1»88. — John, Zur rvlhhmde des Egerhndes. Zs. d. V. f. Volksk. 11.
^13 ff. — John, Aiie Sitten und Gebräuche im Egerlande. Zs. d. V. f. Vulksk.
"\^I. 303 ff. — Wolf, Aus Effer und dtm Egerlamif. hrg. vnn Hationnann.
Hgcr 1891. — Neubauer, Die Thicrr in ^rache. Brauch und Glauben des
Ei,rriandei. Zs. f. listerr. V<ilk>k. II. — Über du Sitten und Gebnhnhf des
Eneriiindiifhen Landvolkes. (Aus den nachgelasseneu Manuscripten des Rates
•Grüner.) Kalcnd. f. d, Egcrl. 1885. 34 ff. — Urban, Von der Wiege his zum
Gmbe. Ein licitrag zur Kulturgeschichte des ehemaligen Egcrer Kreises.
Erzgcb. Ztg. 1801. — Hiiberniami, Die Hochzeit im Ef^erlandc in dct
Gegeawnri. Eger. Jahrb. III. 1.^4 ff. — Thurnwald, Die Bautnihochzat in
-der Tepler Gcf^end. Mitl. d. V. f. Gesch. d. Deutschen in Bt»hmen. III. liff.
— Janota, Hochseits^bn'iuche im Falkenauer Ltindr. MitL d. V. f. Gesch. d.
tnpotschen in Üöhmen. XI. I38ff. — Urban, Die Fest^bräuche im E^rgnu.
Ein Beitrag zur Kultur- und Volksgeschichte Deulsch-Biihniens. Erigeb. Ztg.
XIU. — Habcrmann, Gcbninehe der Weibnachtsuit. Eger. Jahrb. II. 130 ff.
— Janota, Ein Syltrsterbrauch in Faliena» an der I^er. Mitt. d. V. f. Gesch.
H -der Deutschen iu Böhmen. XXIV. 325 ff- — Thurnwald, Dos Pßnj^treiten.
^ Aus der Gegend \Y)n C'hotieschau. Mitt. d. V. f. Gesch. der DeuLsdien in
B«>hmen. III. 82 ff. — Meyer, Am dem Falkenauer iMude. Mitt. d. V. f.
■ •Gesell, der Deutschen in Böhmen. IX. 189 ff. — Ägmrisehe Gebrauche der
Schönbaeßier Gr^rrul. Mitt. d. V. f. Gesch. der Deutschen in liiilimen. X,\II.
I2üff. — Xeiibauer, Drr E^erliinder Bauernhof und seine Einrichtnugen.
Pnjgr. der StaatJürcaLsch. zu EIltmU)gcn. \. 1Ö93. 11. 1894. — Johu, E^er-
ländet Voliskunsi. Zs. \. österr. Volksk. II. 289 ff. — John, über Kreuzsteine,
■ Metrierln und sogen. Pestsäulen im Egerlande. Zs. f. festen". Volksk. III. 79 ff.
— W e i d 1 . E_r r b a n und Hammer, ilrimalskunde des paiitisehen finirkes
Pian. Plan i8o*.>. (.\l>sth. XII. bcliandeU da.s deut*i he X'olkslebeii im I*lan-
^K'■^n^gswa^ter Bezirke.) — Urban, \oiizen zur Heimatskunde des (ierichts-
hrjrriet Plan. lüii Beitrag zur Geschichte Deutsch- Böhmens. Tachau 1884. —
Kiiferl, Der pofitisehe Bezirk Tachau. Eine Hcimatskundc fQr Schule mid
Haus. Tacliau iHe/x Supplement diizu ebd. 1895. — Kapper und Kandier.
/Jas Böhmerland. Waiidetungcu und .\n:jichten. Der Nordwest. Prag 1HÖ5. —
FOdisch, Aus dem u»rdwes//uhen Böhmen. Beitrflge zur Kenntnis des deut-
rhcn Volkslebens in B<">luiien. Prag iH'->9. — Wilheim. Alirtghnbr um/
Votkthnjufh im Karlsbad' Dufipauer Gelände. Mit allgemeinen ."Micrglaubcn
vcricheuclienden Bemerkungen. Karlsbad 1891. — Aus Nurdbr.lmirn bringen
itrlge xur Volkssitte: Die Erz^birgs-Zeitung, hrg. vum nurdv^estbohmischen
512 Xn. Sitte. Awhasg: BEitAia)i.uNGi).voLKSTOML. Sitte d. Gegenwart-
GeUii^ verein* verbände. K"mmi>tau i88off. und die Mii/fifungen des uordbuh-
mischat Kximntons-Chihx. Leipa 1B7H ff. — I';iud]er, CttltmitUiier »ruf
Wandenki::en aus tlvm mrdlkhnt liOfimcn. Lcipu 3B8.V — Faudlcr. Ein
deutsches Buch aus ftöhmen. l^rigiiialzfirltnungen von O. Pftinnigwertli. 2 Bdc
Lcipa i894~<)5. — Fritsch, Volhfektn und l'oiks/^bräuche im Et-z^bi^.
Erxgch. Ztg. IV. 07 ff. — Vogel. Hoihzeits^bräHcht am Joachimsthal. Mitt
d. V. f. Gesch. der Deutschen in Bühmen. XI. 34 ff. — Mavcr, yoihxpicie
aus Bohmtm Ilof-fcnlande. Mitt. d. V. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen.
VII. 4(>ft. ^ Mnttauch, Gflöhnisiage. Mitt des nordb. ExkursionscJ. XV. 50 ff.;
16, 97 ff. — Müller, Rmhenhtrg^er L^bni und Weben 7<or "jn Jahren. Prag
i8q6. — KTH")thc, Hocbzii! und TIochsiitsgebn'iHfhe im nardßsffirheu nahmen.
Riesengeb. IX. 4 ff.
8. Mähren und Schlesien.
§ 23. Sitte und Brauch im Riesengebirge ist in Preussiscli-Schlesicn an-
fiefilhri. Mnnche vnlkskundlichen Beitrage zur Sitte in l.lsterTPirh-Srhlesien
enthüll 6ixi Kiest ufiffjtr^e in Wort und Biid. Fachblatt für die Gesanimlkuude
des Ricsengcbirgi-s und der angrenzenden Gebiete, hrg. vom ßsterr. Riesen-
gebirgs verein. Marschendorf 1 881 ff. — Strzeinc:ha, Vnlkslehen der Deut-
achen in Mdhrai. Österreich in Wort und Bild. Mahren un<l Schlesien. Wien
1897. S. 130 ff. — W. Müller, fteitnif^e zur Volkskunde der Deutsehen in
Mahren. Wien und Glniülz 1^93. — Urbka, Sitten und Gehaucht im stid-
westlifhen Mähren (I-nndbezirk Znaim). Zs. f. österr. Vnlksk. II. 160 ff.; 308 ff.
— Werner, Die Ilmhteitsgehräuehe der denisihen Bauern in der I^fautr
Ge^nd. Mitt. d. Ver. f. Gesell, der Deutschen in B<'5hmen- IV. 187 ff. —
Piger, Gehurt, Hochzeit und Tod in der /^aiter Spntchime/ in Mähren. Zs.
d. V. f. Volksk. VI. 251 ff.; 407 ff. — I'iger. I/andwerlshmueh in der Iglauer
Spmehinsti. Zs. d. V. f. Vulksk. 11- 272 ff.; 382 ff. — Piger, Oster^hränche
in der Iglauer Sprachinsel. Iglauer Kai. 1893. 73 ff.; Das Osterei in der J^laner
Sprachinsel. Zs. f. üslerr. Volksk. II. 23 fr. — Peter, Volkstumluhes am ösltr-
reichisch Schlesien. 3 Bde. Troppau 1HC15 — 73. {VolksiCimlirhe Uriluche und
Sitten finden sich im z. und 3. Bande.) — Peter, Vtdhlehtu der Deutschen
in Schlesien. Österreich in Wort und Bild: Milhrcn und Schlesien. Wien
i8*)7- 550 ff-
f». Ungarn und Siebenbürgen.
§ .74. Kinen Mittelpunkt liat die Volkskunde der Deutschen iu Ungarn
in den Elhnologischen Mitteilun^n aus Ungarn, zugleich Anzeiger der Ge-
sellschaft für die Volkskundr Ungarns, begrtlndct von A. Hermann, hrg.
vun A. Hermann und Katnna. Budajwsi 1887 ff. Die Zs. steht vx
engem Zusammenhange mit der ungarisch geschriebt;nen Eihrtogntphia, dem
Organe der Gesellschaft für die Volkskunde Ungarns, aus dem sie zuweilen
.\ufsatze in deutscher Sprache bringt — Schröer, Beilriige zur deutschen
Mythologie und Sittenhunde aus dem Volhlehen der Deutsehen in Ungarn. Prcss-
buiger Progr, 185.5. — Schröer, Aus dem Volksiehen in J*ressburg und Cm -
gegend. ZfdMyth. II. lK7ff.; 424 ff. — v. Ipolyi, Beitrage zur deuttchtn
Mythologie uns Ungarn. ZfdMylh. I. 258 ff. — SzentklAray, Die Deidseäea
in Südungaru, Osterreich in Wort und Bild. Ungarn II. iSot- 511 ff. — '
Bart ha, VolkskundUche liritrage aus der r'rmelltik. Ethnogr. IL 401 IT. —
Müller-Gulleiibrunn. Deuisthe Kulturbildcr ans Ungarn. .Mit g lUustnt-
lionen. 2. Aufl. Leipzig iö8f> {reiches Material über Sitten der lianatcr Schwa-
I
I
1
ben). — L. Mälyäs, Schväbisrhr Kinderspieie aus der Ofencr Gegend. Am
Un|. VI. iHyf.; 2ni ff. — S. Kurz, Hiailzoi-Ihchzfit. Ethnogr. III. loff. —
LeJioczky, Deulsrhr A'o/v/iirn im lirre^komilaU. Ethni:»gr. III. l ff. —
Reiches Material zur Volkskunde der Stebenbürgcr Sachsen cnth^t das
Kontsfiondtnihhlt des Vereins für sürfienhürgisctie iMndfskundt, hrg. von A.
Schullerus. Hcnnannstadt i878ff. Fasfnachltgrbnwche in C'rnYf>rn IV. —
Wolff, Haus, Hof Hiui Heim IV; — Fronius, I)as UrztUattfen in A^ntik-
ien (ein Fasüinchlsspiel) V; — Maiz, Kellini^fr Tanzhrnnthe V; — Nrujahn-
braueh IV; — Das Atisschuftcn der Frau V, VI; — Der Atcherta^ VII; —
WeihnaehlS' und Ntujtihrupiel IX; — Luister, Opferhräuch tu Reussdorf
XII; — Sauer, Die Anwendung der Siäbehenlase in Broiler XII; — SchuU
lerus, Weihnachii- nnd Neujahn^eimiuehc W\ \ firaiiüaiif W ; Aimesehtrinken
XV; WeupväjfUsehen XV; — Manchen, Das Rei/ten der Knedüe in Nadeseh
XV; — Wolff, Die Hausstlignnf;. XV; — NAssner u. a., Kinderspiele und
Kinderreime XIX, XX; — Se&tvertianc der A'tineAner XIK; — Seraphin, Al/e
Veihbräticlit- und Sa^rn aus dem ßtirzenland XX). — Haltcrich, e^ur Volks-
kunde der Siebentür^r Snehsen. Kleinere Schriften von Hnherich, hrg. von J.
Wolff. Wien 1885. — Fronius, Bilder aus dem sächsischen Banemlehen in Sieben-
bör^n. 3. Aufl. Wien 1885. — v. Wlislocki, SiUe und Brauch der Siebenbärger
Sackten. (Sammhnig gtnieinnül?,. Vortr. N. F. Heft f)^.) Hamburg 1888. —
V. Wlislocki, Voikshrauch und Volksglaube der Siebenbürger Sachsen. Berlin
'095- — V* W'lislocki, j\'eue Beiträge zur Volkskunde der Siebeabf/rger Saehsea.
Ethnol. Mitt. III. 18 ff. — Wiltslock, lolkstüniiiches der Siebenbnrger Sachten.
In den »Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde«, hrg. vun A.
Kirchhoff. IX. Stuttgart 1805. — O. Schuller. Der siebenbürgiseh-säelisisehe
Bauernhof und seine Betüohner. Eine kullur-hist. Skizze. Im Auftrage des Her-
mannütfldter Komitatcs verfasst. Hermannstadt tSgö. — Mätz, Die sieben'
bärgiseb-stfehsiicbe Bauernhochzeit. Hermannstadt 1861. — Hillncr, Volts-
lümiieher Glaube und Brauch bei Geburl und Taufe im Siehenbiirger Saehsen-
lande. SrhSssburg 1877. — Schuller, I>as Todaustragen und der Muorlef
Hermannstadt 1861. — Schuller, Volksiiimticker Glaube bei Tod und Be-
gräbnis im Siebenbßrger Sachsmlande. Zwei SchSssburger Progr. 1863. 1865.—
V. Wlislocki, Tod und Totenfetische im Volksglauben der Siebeubiif^r Sachsen.
Am Urq. IV. — Heinrich, Agrarische Sitten und Gebräuche unter den
^aehsen Stebenburgrn.t. Progr. d. Gymn. m Regen. Srhassburg 1880. — Witt-
Stock, über den Schwerftan: der Siebenbiirger Sachsen. Philol. Stud. -Festgabe
f. K. Sievers. 1896. 349ff. — Wittstock, Heiträge zur siehenbärgisch-sdeb-
suchen Trachtenkunde. HermaniLsiadtcr Progr. i8<?5. — Weber, Gesehiehte
der Stadt Be'la. Ein Beitrag zur Zii>ser und vaterlandischen Gesdiichts-
forschung. Igiö 1892 (Über Sille und Brauch bei den Sachsen m der Zjps).
10. Die Schweiz.
§ .2.^. Beitrage zur Volkskunde des gesamten alemannischen Gebietes
bringt die Alemannia, Zs. für Sprache, Literatur und Volkskunde des Elsasses,
Oberrheins und Schwabens, hrg. v<.>n Birlinger, B<inn l873ff. Seit dem
19. Bande wird die Z.s. von Pfaff fortgeführt als Zu. für Sprache. Kun:>t und
AJiertum, hestmders des alemanni.sch-schwri bischen Gebiets. — Den Mittel-
punkt der Vulk-skunile in der Scliweiz bildet das Sehtveiterisrhe Archiv für
Volkskunde, im Auftrage der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde hrg.
von Hnffmann-Krayer. Zürich lÖO/fL — Ungemein viel über volkstAra-
lichc Sitten in der Schweiz enthält das noch im Erscheinen begriffene Schwei-
zerisehe /diotikon, Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, bearbeitet von
C«niu]iiftChc PhUolofie. III. 2. Aull. 33
Staub imd Tn liier, fortgefCllirl von Bach mann, Srhoch und Hrup-
pacher. Frauenfeld i88l ff. — Herzng. Scfmdsnische Volksfestr, Sitten und
Gehaucht. Aaniu 1884. — LOtolf, Sagtn. ünhiche tmd Ltgenden nus den 5
Orlen Lusern, Uri, Stbwyz, l'iilenvalden nud Zug. Luzem l8t>5. — Schoch,
Zürich und Vm^bun^ (Sitten und Volksfeste S. 1.^2 ff.). — Messikomnier,
Eini^ alle Volissit/nt und Vnlksgebriinche am dem Nnnton Zürich. Ausland
1890. 239 ff. — Itlicn, VoUifiitnliches ans dem A'anlan Zu^. Schweiz. Arch. I.
— Zinde], Volksgehräuche tti Satgans und Umgebung. Schweiz. Arch. L
152 f. — Rothenbach, VoikstRnüiches am dem Kantnn Bern. Zürich 1876.
- — Schild, Der ^Grosiöiit aus dem /^fterberg. (Volkstümliches am dem Kan-
tone Snlothum.) Soloihum 1863. — Reiser, Stigen, Gebräiuhe und Sprieh-
Wörter des Algutti. Kempten i8Q5ff. (erscheint in Lieferungen). — Storck,
S^ruchgedichte und Volksbräuehe aus der l'ordenchwriz. Zs, d. V. f. Volksk. V,
384ff. — Fient, Begrähnis/cierliehkrit im i*ttUlig(iu. Schweiz. Arcli. I. 43 ff. —
Bächtold, Die Amuendung der Bahrprobe in der Schweiz. Roman. Forsch.
V. 231 ff. — Koch holz, Kiltgaug und Külsftrüche im Aaigau. Alem. IV.
i f f. — Freitag, Das chrisfHche Kirchenjahr im Alfiengebiefe. Zs. d. deutsch-
usterr. Alpenvereins XI. 2<x)f(. — Runpe, Der Bercbtoldstag in der Schxtmz,
Zürich 1850. — Rochhoix, Drei Gaugültiu neu WaWnrg, Verena und Gertrud
als deutsche Kirchenheilige. Sittenbilder aus dem germanischen Frauenlcben.
Leipzig 1870. — Roch holz, Weihnachten und Neujahr in der Sehweiz. Grenz-
bolen 1SO4. No. 415 ff. — Hoffmann-Krayer, Die Faslnachtsgebräucke
in der Schweiz. Schweiz. Arch. I. — Ulrich, Ein oberengadinisehes IJed äbtr
die Fastnacht. Schweiz, Arch. I. 147 ff. — Wernli, Fcutnaehtsgeliräuche m
Laufenburg. Schweiz. Ardi. I. I95ff. — Zahn, Fasinachtsbmuch in Ursemu
Schweix. Arch. L 236 f. — Winteler, Frühjahrsbrauch. Sc-hweiz. Arch. I.
l6of. — Balraer, I^as »Abetringelei in Ijinpen. Schweiz.. Arch. L 222if. —
Runge, Aberglaube in der Schweis. Zs. f. d. Myth. IV'. iff.; I74ff. —
Runge, Der Quellenkulfta in der Schtveiz. Zürich 1S59. — Rochholz,
Aargauer Beregnungen. Z&. f. d. Myth. IV. 103 ff. ^ Slickelberger, Aber-
glaube aus dem Kanton Bern. Schweiz. Arch. I. 218 ff. — Rochholz, Afi'
mannisehes Kinder/ied und Kinderspiel in der Schweiz. Leipzig 1856. — E. M eier.
Über f^anzen und Kräuter (aus dem Kauton Aargau). Zs. f. d. Myth. I
433 ff, — W a r t m a n II , Beitrage zur St. GalUseben Volksboiamh. St. Gallen
1861. — Hunziker, Vom Sebxveizetdorf an der Landesausstellung in Geirf,
Schweiz. Arch. I. 13 ff. (mit Zeichnungen).
IT. Bayern.
§ 26. Den Mitteipmikt volkskundlicher Bestrebungen in Bayern bildet d«r
»Verein für baycrisclic Volkskunde und Muiidartcnforsdiung', in dessen .auf-
trage Brenner seit [895 die Mitieilmigen und Um/ragen herausgicbt In
ihnen findet sich eine grtwse Anzalil kleinerer Beilrage zur Sitte des bayeri-
schen Volkes. — Zusammenhangende Darstellung volkstflmlirher Sitte aller
bayrischen Provinzen eulhall die Bavaria, Liuides- und Volkskunde des
Königreichs Bayern, hrg. v*in Riehl. 4 Bde Mlinchen 1860 — b;. — Eine
weitere, sehr reichhaltige Fundgrube i.st Schmellers Bayerisches Wörterbtieh,
neu bearbeitet von Frumraaim. 2 Bde. MüiKhcn 1872 — 77. — Panzer, Bayc-
risehe Sagen und Bräuche. 2 Bde. München 1848 — 55. — Quitzmann, />«
heidnische Religion der Baiwaren. Leipzig 18ÖO. — Lammert, Volksmedisia
und medizinischer Aberglaube in Ba]^rn und den angrenzenden Bezirken. Würr-
burg 1809. — Hier und da brauchbaren Stoff enthalten die sonst phantasti-
sdicn Arbeiten %"on Sepp, Altbayriscker Sagenschatz zur Bereicherung der inj^n
germanischen Mythologie. Neue Ausgabe. Manchen l8<35; Dir Religion der allen
Deuischen und ihr Fortbestand in Volhsagen, Au/zSgen und Feslbrämhtit bis zur
Gegrtnoari. München i^qo. — Höflcr, Dir KaleiuiaheUi^t» ah Kfankhetts-
Pttirone heim tavcnschen Volke. Zs. d. V. f. VolksL I. miH. — Holland,
Sagen und Aberglauben in Allbayern. — F. Dahn, f'olhsif/tn in Obe)i>aynn.
Bavaria. I. 363/1. — Höfler, Volksmedizin und Aberglaube in Oberbavema
Gegenwart und Vergangenheit. München 1888. ^ H of ler, Waid- und Baum*
kull in Beziehung zur Volksmedizin Oberbayerra. München iSqj. — Höfler,
Das Sterben in Oberbayern, Am Urq, IL Qoff.; XOxM. — Höficr, Der Isar-
Winkel, ärztlich u. topographisch geschildert München 1891. — Traulinana,
Oberammergau und sein Passionsspicl. Ba\T. BiH. No. iS. Bamberg 1S91, —
Haushofer, Arbeitergestalten am den be^risehen Alpen. Bayr. Bibl. 4. Bamberg
1890. — F. Dahn, Volkssitte in Niederbayem. Bavaria I. ^ffiü. — Panizza,
Das Ilabrrfeldtreifieu im bayerischen Gebirge. Eine sittengcschichlliche Studie,
Berlin 1896. — v. ReinhardstÖltncr, Land und LeuU im bayrisehen Walde,
Bayr. Bibl. 17. Bamberg 1890. — Schftnwerth, Aus der Oberp/ah. 3 Bde.
Augsburg 1857—59. — Fentsch, Volkssitte in der Oberpfah. Bavaria II.
253 ff. — Brenner-Schaf er, Darstellung der sanitätlichen Volkssitten in der
Oberp/ah. 1S61. — V. Leoprcchting, Ans dem L^chrain. München 1855.
— Spichlcr, Das Lechthäl. Zs. d. dcutsdi-österr. Alpunvereirw. 18B3. 258ff.
— Dahn, Volkssitte in Schwaben und Neubmg. Bavaria II. 827 ff. — Fentsch,
Volkssitte in Vnterfranken. Bas-aria IV. I74ff. — Kaufmann, Sagen und
Gebrauehe aus der Main- und Taubergegend. Zs. f. d. Myth. IV. 19 ff. —
Fentscli, Volkssitte in Mttttlf ranken. Bavaria III. 944 ff. — Fentsch, Volks-
sitte in Oberfranken. Bavaria III. 2670". — SchandcJn, Valkssitte in der
bayerischen Rheinp/ah. Bavaria IV. 344fr. — Grunewald, Rin pfälzischer
Bautntkaleuder Beitrag zur Volkskunde der Hinlerpfalz. Aus den Mitl. d.
liist. Vereins der Pfalz. XX. 183 ff.
12. Baden. Wflrtlemberg. Hohenzollern.
§ 27. Sehr \-iele kleinere Beilrage au.s alemannischem und schwabischem
Gebiete von Birlinger, Mündel, Creceliusu. a. enthalt die Alemannia.
— Birlinger, X'olkstämliches ans Sehioaben. 2. Bd. Sitten und Gebräuehe.
Freiburg i. Hr. 1862. — Birlinger, Aus Sehioaben. Sagcrt, Legenden, Aber-
glauben, Sitten, Rechtsbraudie, Ortsneckereien, Lieder, Kinderreimc. i. Bd.
Sagen, Legenden, Volksaberglauben. Wiesbaden 1872. 2. Bd. Sitten und
Redilsbrauche. ebd. 1874. — Das Grossherzoglum Raden in geoi^raphischer.
naturwissenscha/llieher , wirtschaftlicher und statistischer Hinsicht darstellt.
Karlsruhe 1883 (im 3. Ab«clinitte findet .sich mancherlei Ober Sitten und
Gebräuche des Volkes). — E. Meier, Deutsihe Sagen. Sitten und Gebrauche
aus Schivaben. 2 Bde. Stuttgart 1S52. — E. Meier, Schwäbische Sitten und
fre/'/iiitche. Zs. f. d. M\th. I. 441 ff. — Huck, Medizintscher Volksataubt und
Volksaltcrglaube aus Schwaben. Ravciisberg IÖ65. — Ludwig, t'ber den badi'
sehtn Bauer im 18. Jahrh, (Abbandl. aus dem staatsu-issensch. Seminar zu
Strassburg XVI.) 1896. — E. H. Meyer, Der badisehe Hochzeitsbmueh des
Vorspannens. Freiburgcr Universitataprogr. zum 70. Geburtstage Sr. Kgl. Hoheii
des Grossherzogs Friedrich. S. 37 ff. — Sütterlin, Sitten, Gebräuche und
abergläubische Vorstellungen aus Baden. Aleni. XXIV. 142 ff. — E. H. Meyer,
Die Tütenbretier im Schioarzwalde. Strassburger Festschrift für K. Wcinhold.
S- 55 ff- — Sarrazin, Det Bändeletan: zu Freibutg i. Br. Alem. XX. 297 ff.
— Schmitt, Sagen, l'olksglaube, Sit&n und Brauche aus dem Baulande
(Hetiingen). Ein Beitrag zur badischen Volkskunde. 1895. — Hoffmann.
33*
5i6 XII. Sitte. Anhang: Behajtdlung d.volkstOml. Sitte d. Gegenwart.
Schaphach und sftne. Tifwohner. Alrm. XXIII. l fr. — Schreiber, Zur Gr-
sfhifhic und SUilnlik drs Ahcr^hubrm. Alis der» Kiiwl^' und Albthale, Klegg-
und Hiihgau. Schreibers Taschenbuch I. u. II. — Heilig, Abei^hubc und
ßräuthe der liamr» im Tattb^rgrund. Alem. XX. 28o ff. — Heilig, SagtH
aus Handsfhfihshtim {bei Hcidelbt-rg). Zs. d. V. f. Volksk. V. 2g.5ff. —
Losch. Deutscht- Sngtn, Ifrii- und linnmpriirht. Wftmeinb. Vierlcljahrehefte
2. Laiidcsgesch. XIII. 157 ff. — Th e t c , Biilräj^t zur MvihohgU und (icschithie
HühemolUrns. In iien Hohcnzollemschen Rlattrni 1881 unti 82. — Stehle,
VolksiÜmiichts mts Hobttnoitem. Alem. XU. I ff.
13. Elsass-Lothringcn. Luxemburg.
§ 28. Zahlreiche Beitrfige zur Volkskunde des Elsasses enthäh die Ahatia,
Jahrbuch für elsässische Geschichte, Sage, AhcrtuniÄkundc, Siiie, Spraclie und
Kunst, hrg. von A. Stöber. MQlhauscn 1B50— 58. N. F, 1861—7*1. —
Slüber, i\eu€ Ätsatia. Mülhausen rHÖ5. — Anderes bringen ([\c Jahrhuehtr
für GeschifhU, Spnicht und Literatur in EhaU'Lotbringen. — Sauve, Le
Folklore dis Ilautf^' Vasga. Les Htteratures populaires de toutes les nations.
XXIX. Paris 1890. — Stehle, VolksfümUihe Feste, Sitten und Gfbräuebe
im Flsass. Ein reiches Material in den Jahrb. für Geschichte, Sprache und
Literatur. VI. VII. VlII. X. XL XIL — Pfannen-ichmid. Alte Gehräucbe
im Elsass. Rev. nouvelle d'Alsace-Lorraine III. — Pfannenschmid, Fast-
naebtsgtbräticbe in Ebass'lMh ringen, Rev. nouvelle d'Alsace-I..orraine III. —
Graf, Volksliimliche Feste, Sitten und Gebräuche. Jahrb. f. Gesch., Spr. und
LIt. IV. — Kassel. Zur VolkssitU im Elsass. Jahrb. für Gesch., Spr. lukI
Lit. X. i8off. — Stöbet, Volksliimlicbts aus dem Eisass. Alem. VIT. 22<^\\.
— Lienhart, Die Kunkrlituhe. Jalirb. f. Gesch., Spr. und Lit. VIII. 7O ff. —
Lambs, Aberglaube int Eisass. Strassburg 1880. — Kassel, Zur Volkskunde
im alten Hanauerlande, Jahrb. f. Gesteh., Spr. und IJl XL Ij8ff. — Helix,
Die Sommenonmvendfeier in St. AmannthaU. Am Urq. N. F. L 181 ff, —
Richard, Tmdittons populaiyes, croyanees supersiitiemts, rtsagrs et eoutumes de
l'aneienne lj>rrainr. 2. cd. Keniiremont 1848. — Stehle, Volksglauben, Sitten
und Gehräuehe in iMbn'ngrn. GUtbus LIX. — De la Fonlainc, tM.xemburgn
Sitten und Gebräuche, Luxemburg 1883.
14. Nassau und Hessen. Waldeck.
S 20. K eh rein, Volkisprrtrbr und Volkssilte im Herzogtum Nassau. 2 Bde.
Weilburg 1862. Neue Ausg. Leipzig i8qi. — v. Pfistcr, Sogen und Abrr-
glaube aus Hessen und Nassau. Marburg 1885. — Kant, Hessische Sagen,
Sitten und Gebrdurbe. Offeiibach 1 846. — Langheinz, Sagen und Gebniuehe
der Gegend von Hirschhorn. Arch. für hcss. Gesch. und Altertum.':!:. XIV. 1 ff.
— E. M üb 1 hause, Die Urreligion des deutschen Volkes in hessischen Sitten,
Sagen u. a. w. Cassel iS(kj. — E. Müh! hause, Die aus der Sagenieit stam-
menden Gebräuche der Deutschen, namentlich der Hessen. Zs, d. Ver. f. hess.
Geschichte 18(17. 2^(^ii. — Kolbe, Hessische Volkssitte und Gebränche im
Lichte der heidnischen Vorsrit. 2. Aufl. Marburg e888. — Üirlinger, Sitten-
geschichtliches am Hessen. Arch. f. hess. Gesch. XV. — Sander, Huchzeiis-
gebrätuht am Hessen. Zs. f. d. Myth. II, 78 ff. — K. Lyncker, Deutsche
Sagen und Sitten in hessisrhen Gauen. 2. Ausg. GMtingen 1860. — Lyncker,
Brunnen und Seen und Bninnenkultm in Hessen. Zs. d. Ver. f. hess. Gesdi.
1858. 103 ff. — Loticli , Aufzeichnungen aus dem Munde des Volkes und
Schilderungen aus dem Volksleben tn der l'mgegend von Schlüchtern. Zs. d. Ver.
f. hess. Gesch. unil I^ndesk. VI. 356ff. — Curize, Volksülvrlic/ei
dem Fürstentum Waldeck, Arolsen 18O0.
Ü
Bibliographie: Elsass-Loth ringen. Nassau u. Hessen. Sachsen*. 517
15. Nord- und Mitteldeutschland.
§ 30. Kuhn und Schwanz, Nordiieutsche Sagen. Mtirrhen und Ge-
braucht aus Mecklenburg, Pommern, der Mark, f»chsen, Thüringen, ßraun-
achwcig, Hannover, Oldenburg; und Westfalen. Aus dem Munde des Volkes
gesammelt Leipzig 1Ö48. — Schwartz, Der heutige Volksglaube und das
alte Heidentum mil Bezug auf Nortidtuischland, hesondf-rs die Mark und Merklen-
hurg. 2. Aufl. Berlin i86j. (Die i. Fassung der Schrift, die als Berliner
Programm i Ö50 erechien , findet sich wieder abgedruckt in Schwartz'
Prähisl9>is(h-anihropologischen Studien I (f.)
16. Königreich Sachsen {einschl. Voigtland, Altenburg).
5 31. Der «V^erein für sachsische Volkskunde«, dem auch Altenburg zu-
gehört, verßffemlicht seit 1897 Mittelungen, hrg. von E. Mogk. — Reiches
Material, namentlich über die Sitten der Gebirgsbewohner, bieten: GtUekauf,
Organ des sachs. Erzgebirgsvercincs. Schnceberg 1881 ff.; Jahrbuch da Ge~
hirgivereiries für die uichxisch-biihmische Schweiz. Dresden 1884 ff.; Oywiua,
Blatter für Topograpliic und Touristik des südlausitzcr Gebirges. Oybin
1880 — 84, seit 1S85 als Gebirgx/reund, Or^an des Gebirgsvereinsverbandes
'«Lu.satta« (Zittau); Ata deutsehen Bergen. Blätter für Reise- und Heimatskuude;
f)ber Berg und Thal; Unser Vogtland, Mimatasuhrift für I^iidsleute in der
Heimat und Fremde. Leipzig i894rf, — E. Richter, Liiieralur der Landes-
und Volkskunde des Kifnigreiehs Sachsen. Dresden 1889. Nadltrag l: 1892;
2: 1894. *— Preusker, Blicke in die 7'aterländische Vorzeit, Sitten, Sagen
u. 8. w. der s^Lclisischen und der angrenzenden Lande. Lei]>zig 1845. —
Sommer, ^gen, Matchen und Gebränclie aus Sichsen und Tlwritigfn. Halle
1846. — örtcl. Beitrüge zur lindes* und Volkskunde des h'Önigsrcicfu Siehsen.
I-eipzig l8<>0. — Bunle Blatter aus dem Sachsenlande, hrg. vom Sächsischen
Pestalozzivereine. 2 Bde. Leijjzig iSgj. — Sächsische Bauemtrachten und
Bauernhäuser, hrg. von dem Ausschusse für das sflclisische Volkstrachtenfest
2U Dresden iSqO durch Schmidt, Scyffert und Spousel. Dresden 1897.
— Kf'ihler, Volksbmuch, Aberglaube, Sagen und andere CbertieferuugeH im Voigt'
lande mit Berücksichtigung des Orlagaucs und des Pleissncrlandcs. Leipzig 1867.
— Eiset, Sagenbuch des Veigtlandts. Gera 1 87 1 (reichhaltige Littcratur-
angabe). — Köhler, Nachklänge der all^nnanischen Frühlings- und Sommer-
feier im Voigilande. Mitteil, aus dem .\n-hiv des votgtland. .\liertuins Vereins.
1874. — J. Schmidt, Mfdizinisch-physikalisch-suuislische Topographie der
fliege Reichetifels. Ein Beitrag zur Charakteristik des \tiigti;iiidischen Land-
volkes. Leipzig 1827. — Spie.*is, Aberglaube, Sälen und Gebräuche des sächs.
Obererzgebirges. Annaberger Plrogr. 1862. — G. Moscu, Die Weiknathtsspiek
im Erzgebirge. Zwickau 1861. — v. Weber, Ein Weih aachtsspiel im Erzgebirge.
Mitteil, des sachsischen .Mtertumsvereins. 1874, 2off. — Weinhold, Weih-
narhfispiele im Erz^birge. Glückauf. XVL 2 ff. — Kohl, Abergläubische Mei-
nungen und Gebräuche der Anwnbner des Erzgebirges. Zs. f. Kultuxgesch. 1875,
513ff-; "Uff- ~ ^' Süssmilch-Hörnig. Das Erzgebirge in Vorzat, Ver-
gangenheit und Gegenwart. 1889. — M eiche, Sagenbuch der säe hs. Schiceis.
Leipzig 1894. S. ii4ff. — V. Kronbiegel, über Kleiderirachi. Sitten und
Gebräuche der altenburgisehen Bauern; j. Aufl. von Henipel: Sitten, Ge-
hräuche, Trachten, Mundart, hauslifbe und ivirisc häßliche Einrichtung der alten-
iuTpschen Bauern. Allenburg 1839. — Vogler, Altenburgtr Bauern in
Tmehten, Sitten und Gebräuchen. t%(fi. — Friese, Historische Nachriehten von
den merkwürdigen Ceremonien der Altenburg. Bauern. Ncudiuck von Geyer.
5i8 XII.SnTB. Anhang: BEHANDHWGD.V0LK5TÜML. Sitte D. Gegenwart.
Schmölbi 1807. — Weise, Äbtrglauht aus dem ÄlUnburgischtn. Mittcil. des
geschichts- und alterlumsforsch. Vereins xu Kisenberg 1892, r ff. — Pfeifer,
Aherglanbe aus dem Alteubtirgtithen. Zs. f. Volksk. II. — Brückner, LandcS'
künde ivn Jiettss /. Linie. Gera 1870. I. 161 ff.
17. Thüringen. Provinz Sachsen.
§ 3^. Zahlreiche Beitrilge zur Volkskunde Thüringens und der Provinz
Sachsen enthalten: 2j. des Vcr. /. Tkürin^tr Gtschtchte. Jena 1852 ff.; das
Archiv f. Landes- und Volkskunde der I^vinz Sachsen net>st angrenzenden
Landesleilcn. Im Auftrage des tliüringisch-sächs. Vcr. f. Erdkunde hrg. von A.
Kirchhoff. Halle i8gi ff.; die Mamfelder Blätter; Aus der Heimat. Sonntagsbl.
d. NordhSuscr Kuriers; iM^J/arscrMonalsheße. — Regel. TTiiirinscn. 2. T. 2. Buch.
Jena 180,5. — Witzschcl, Kleine Beiträge zur deutselun Mythologie, Sitten- und
Ueimatskuiide in Sagen und Gebrauchen aus Thüringen. 2. T. Wien 1878. — Fr.
Schmidt.ÄrV/fo w. Gebräuche bei Hochzeilen, Taufai u. Begräbnissen in Thüringen.
Weimar 1863. — v. Auen, Sagen und Zauberformdn aus lliüriugen. Zs. d. V. f.
ihür. üesch. 1852, 184 ff. — Kunze, Volksliimliches aus dem Thüringer Waide.
Zs. d. V. f. Vülksk. VI. [4 ff., 175 ff. — Kunze, Der Gebrauch des Kerbhohes
auf dem Thüringer Waide. Zs. d. V. f Volksk. II. 50ff. — Issleib, Der
Sommergewinn in Kisenach. Zs. f. d. Mylh. 11. lOJ^ ff. — Witzschel, Über
den Sommetgewitin in Eisenach. Eisenarh 1852. — Spies«, Volkstümliches aus
dem Fränkisch- Hcnnebergiscbfn. Wien I ÖO9. — Slertzing, Kleine Beiträge
zur deutschen Sfvlhologie (Zaubereprüche und Aberglauben aus der Grafschaft
Henneherg). Zs- f. d. A. III, 358 ff. — Sigismund. Landeskunde 7<ci$ Schwarz-
burg'Rudoisiadt. I. 84 ff . — Schleicher, Volkstümliches aus Sonneberg im Mei-
ninger Oberlande. Weimar 1858. — Flügel, Volksmedizin und Aberglaube im
Frankanvalde . München 1883. — Harnisch, Zur Naturgeschichte des Volkes.
Aberglaube aus dem Fraiikenwalde. Mitteil, aus dem Archiv des voigtländ.
.Altertums ver. in Hohenleuben. Weida 1870, 33 f f . — Krünig, Sitten uad
Gebrämhe aus Nordthüringen. Aus der Heimat 1892. — Lommer, Vt/lkstüm-
liches aus dem Saallhal. Sagen, Sitten u. Gebrauche. Kahle 1S81. — Meitzen.jCant/
und Leute in der Saalgegend. Zs. d. V. f. Volksk. I. l^ijiff- — Üpel, Zur deutschen
Sittenkunde (Sitten und Gebrauche aus Naumburg a./S.). Neue Miltetl. des Üiür.-
s3chs.lschen Vereins. XVII. 256ff. — Strassburgcr, Volkstümliche Bräuche
und Aberglauben in Aschersleben. MitteiL. d. Vcr. f. Erdk. zu Halle 1893,
i^Sff. — GrOssler, Sagen und Gebräuche der Grafschaft Mansfeld. Mansf.
Bl. III— V. — Kulckmann, Volkstümliches aus Kisiehen. Mansf. Bl. 1894,
174 ff. — Kunze, Volkstümliches aus der Grafukaft Homtcin. Aus der Heimat.
1893. — Rackwitz, Zur Volkskunde in Tliüringen. Halle 1864. — Rackwitz,
Sitte und Brauch im Ifclmegau. Nordh. 18Ö2. — E.V ecken siedl,Z^r/--^i'JC<fö/*«(/(f/
TMin Homburg in Sitte, Brauch und Schwank. Zs. f. Volksk. III. 302 (T. — Nott-
rott, Der Festkalender von Sfdcketidorf und l'mgegend nach Sitte, Brauch und
Sthtvank. Zs. f. Volksk. IV. 27 fC, 6g ff.; der ,'l^f;j^a«^ aus derselben Gi-gend
IV. 32(1 ff., 387 ff. — WIschernpp, Aus dem Festkalender von Vehlitz bei
Magdeburg. Zs. f. Volksk. IV. 300 ff. — Wegener, Hochzeitsgebräuehe des
Magdeburger Landes. Gcscbichtsblatter für Stadt und Land Magdeburg XIIL
225 f.; XIV. 68 ff., 184 ff. — Spiele aus dem Magdeburger Lande. Zu den
liochzeitsgehräuchen des Magdeburger Ijzndes. Gcschichtsbl. f. Magdeburg XVIII.
— Prühlc, Harzbilder. .Sitten und Gebräuche aus dem Harzgebiete. Leipzif^
1855. — Jacobs, Der Brocken und sein Gebiet. Wernigerode 1871.
BmUOOR.: ThOrINGEK. BRAimSCHVSIG. BlUUfDENBURG. SCHUBXEM. jXQ
l8. Braunschveig. Anhnli.
§ 33. Zs. des Harzi'ireins für Gesrhiehle und AUertumikutidc, hrg. von
Jacobs, Wernigerode. — Andree, Braumtkweigtr Volk&kimtlf. Mit '1 Tafeln
und 80 Abbildungen, riflncn und Karten. Braunschwcig iSgö. — Härtung,
Zvr Vo!kskmui( am Anhalt. Zs. d. V. f. Volksk. VI. 429 ff.; VII. 74 ff.. 147 ff. —
Ahrends, ßtmerkun^m zu einigen Deaaucr KindrrspicUtt. Am Urq. VI. 184 ff.
19. Brandenburg.
§ 34. Kuhn, AfiirkisfAe Sagen und Mtlrrken nebst einem Anhange von
Gebrauchen und Aberglauben. Berlin 1S43, — Engclicn und Lahn, Der
Volksmmui in der Mark Brandenburg. Sagen, Märchen, Spiele, Sprichwörter
und Gebrauche 1. Tcjl. Berlin 1868. — Prahn, Glaube und Brauch in der
Mark Brandeuiufg. Zs. d. V. f. Volksk. 1. 178 ff. — Schwebet. Weihiaehli-
wiä Neujahn^ehräwhe in der Mark Brandenburg. Brandenburg. PruviniäalbL
'I880, 298 ff. — K. E. Haase, Die Welterprophtlen in der Orafsthaß Ruppin
und l'mgegend. .\m Urq. III. — K. E. Haase, Volksmedizin in der Graf-
schaft Ruppin und Umgegend. Zs. d. V. f. Volksk. VII. — Gandcr, Die
wichtigsten Momente des Lehens im Giauben des Volkes der Niederlaasiiz. Mitt.
d. niederlaus. Gesellsch. für Anthropol. und Urgesch. i8po. (Derselbe Band
der Mitt enthalt eine Reihe Aufzeichnungen von Festgebrauchen von ver-
schiedenen Verfassern.)
20. Schlesien.
§ 35. Den Mittelpimkt für die volkskundlichen Bestrebungen in Schlesien
bilden die Mitteilungen der -Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde*, hrg.
von Vogt und Jiriczek, Breslau i8Q4ff. — Viel Materiiil bringen: das Riesen'
gt^irgr in Wort und Bild (vgl. J^ 23. Mähren und Ostenr. Schlesien), die
Schiesischen Provin:ialbläitr.r und die Vierieljahruchriflfiir Geschichte und Heimnts-
kunde in der Grufachajt Glatt. — Parlsch, Literalur der Landes- und Volks-
kunde der Provinz Schlesien. Breslau l8(>2 ff. — Hoser, Das Riesengebirge in
Mtur statistisch-topographischen und pittoresken übfrsicht mit erläuternden An-
merkungen, dieses Gebirge auf die zweck massigste Art zu bereisen. Mit
9ch«*arzen und ausgemalten Kupfern und einem Musikblatte, i. Bd. Wien,
Baden, Triesi 1S04 (dieser Band enthalt eine ausführliche Schilderung der
Sitten der Bcwuhner. Neu bearbeitet ist dann derselbe hrg. vrtu der
»Gesellschaft des \'aterland Ischen Museums in I3öhmen<: Hoscr, i>ai Riesen-
gthirge und seine Bezvohner. Prag 1841). — Mosch, Das Riesengebirge, seine
Tkäler, Voriierge und das Isergebirf^. Leipzig 1852. — Ph. v. Walde, Schlesien
in Sage und Brauch. Berlin 1884. — Grabinski, Die Sagen, der Af'crglaube
und abergläubische Sitten in Schlesien. Schwcidnitz. — Schrollcr, Zur Cha-
raJcteristik der schiesischen Bamm. BresSauer Festschrift f. K. Wcinhnld, 153 ff.
— Vogt, über schUsisehen Volksglauben. >[illeil. I. 4 ff. — Vogt, Die Fest'
^/df^ im Glauben des schiesischen Volkes. Miiteil. 1. 11. IIl. — Kflster. Alltags-
ruhe aus Schlesien. Am Unj. III. 3« ff., 107 ff. — Vogt, Vermächtnisse der
Vorxat in Bräuchen, Sa^en und Liedern des schiesischen Volkes. Mitteil. III.
5Qff. — Dittrich. Das schlcsisrhe Bauernhans. Mitt. III. 3f> ff. — Schol«,
Uindlicht Trachten Schlesiens aus dem Anfange dieses Jahrhunderts. Mitleit. IL
77 ff. — Drechsler, Uandwerh^prache und -brauch. Btesiauer Festschrift für
K. Weinilüld, 11 ff. — Nchring, Bericht über Aberglauben. Gebrauche, Sagen
und .Märchen in Obersehlesien. MitteJI. III. 3 ff., 75 ff. — A. Mayer. Ein
Weihnachlstpiel aus Krrutzberg (Obersehlesien). Zs. f. d. k. XXIX. 104 ff. —
Volkmer. Volksglaube und Gebrauchs ata der Grafschaft G/ats. Vierteljahrs-
520 XII. Sitte. Anhakg: Behandlung d.volkstümi,. Sitte d.Gegekwart.
schrifl in. — Schwlz, Gebräuche bei einer Bauemhochzeil in Glatz. Viertel-
jahrsschr. IT. 226 ff. — Weinhold, Ein giälzis^bes C/inslkindcIsfiiel. Z.s. f. d.
A. VI. 340lf. — Rösler, Winter/estgebriiiuhe im hergebirge. Am Urq. I.
100 ff. — Rösler. Walpurgisnacht im hergibirge. Am Urq. I. 161 ff. —
Riumgart, Aus dem mitttUehU-sischen Dofflebeu. Zs. d. V. f. Volksk. III. 144 ff.,
IV. Soff. — Dittrich, Oslergebräucbe iu NieiienfhUmu. Am Urq. VI. i^^f.;
aus luöhichiilz, cbtl. 187 f. — Gander, Friihlingsgebriiuehe in der Laust/z.
Jahreshefte d. Ges. f. Aiuhropol. und Urgesch. d. Öberlaiisitz 1893, 149 ff. —
W. Sc'hwartz, Volkstümlichem ata der Lausitzer Gegend von Fünsbcrg. Nieder-
bus. Mitteil. III.
21. Posen.
§ 36. Kleinere BeilrJige zur VfJksk. der Proiinz Pcisen bringt neuerdings
das Roj^asener Fnmtiicublatt. Beilage zuin Rujfasener Wochenblatt, hrg. von
Knopp, Rogasen iSg". — Knopp, Sagitn und Erzählungen aus der Provins
I^nen. Vcrüffeiill. der Hist. Gesellsch. für die Pruv. Po.seu II. Posen 1893. —
Knoo]], Ihilniscber und deutscher Aberglaube und li rauch aus der Provinz Pitstn.
Zs. f. Volksk. III. 30 ff.
22. Ost- und Westprcussen.
§ 37. Eine AnzaW kleinerer Beitrage zur Volkskunde Preussens, nament-
lich Westprcussens, findet hidi in den Mitteilungen der Berliner Gesellschaft /Ür
Anthropologie, in de]» Sdmften der Nalurfgr^fhfudf-n Gesellschaft zu Damig und
in der Altpreussischen Monatsschrift. — v. Tel tau und Temme, Die Volh-
sagen Ostprenssens, iJtlauens tind Westpreussens. 2. Ausg. Berlin 1865. 255 ff. —
Hlntü, Die alte gute Sitte in AUpreussen. Kuoigsberg l8ö2. — Lemke,
Volkstümliehes aus Ostpreussen. 2 Bde. Molirtmgen 1084. 87. — Frischbieri
Ostpreussischer l'olisgiauhe und liraueh. Am Urq. I. — v. Medem, Osrpmt-
ssisthe l'olisgebnitte/ie. Zs. d. V. f. \*olksk. VII. 315 ff. — Tüppen, Aberglaube
am Masuren. 2. Aufl. Danzig 1807. — Premsische Erntcgebrämhc, preussisch*
Sprirlutiörter, preussisrher AberglaufH von Keusch u. a. Preussiwhc Pruvinziaibl.
1848. — V. Schulenburg, Wdhnachls- und Neujahrsgebräuche (aus Osl-
preusscn). Am Urq. I. 104 ff. — Frisrhbier, Zur voltsiümiichen NatHrknrtde.
AIlpreiLss. Monaissclir. 1885, 2i8ff. — Frischbier, Hcxenspruch und Zauber-
bann. Ein Beitrag ^ur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz. PrcussciL
Berlin 1870. — J. Senibrzycki, Ostpreussischc Haus- und Ziinhermillel. Am
Urq. III. 13 ff., 00 ff. " Prcuschoff, Volksiümliches atts dem grossen Marien-
burger Werder. Schrift d. Naturf. Ges. N. F. VI. 164 ff. — Trcichcl. Vom
Binden und Hansen. Altpreuss. Monatsschr. XXVI. ^oöff. — Trcichel,
Kartenspiel und Losglanbe aus Wcstpreussen. Zs. d. V. f. Volksk. VII. 315 ff.
23. Pommern.
§ 38. Eine Fülle kleiner Beitrage zur poromcrschen Volkskunde enthalten
die Blätter für pommenche Volkskunde. Monatsschrift fClr Sage und Myrrhen,
Sitte und Brauch, Schwank und Streich, Lied, Räi-sd und Sprachliches in
Poumiern, hrg. von Knoop und Haas. Stettin 1893 ff. ~ Temme, Dit
Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 33.5 ff. — Asmus, Sitten, Gebrämfu
nnd Aberglaube des Landmannes (in Pnniraem). Bl. f. pom. Volksk. IU. —
Haas. Volkslanze in Pommern. BL f. pom. ^■o^ksk. I. 182 ff.. V. — Haas,
Das Rind im Glauben und Bramb dn P>mmem. Am Urq. V. VI. — U. Jahn.
He.xemves£n und Zauberei in Pommern. Stettin iHÖ'x — Schmidt, Gereimter
und ungereimter Aberglaube in Pommern. Beitr. zur Kunde Pommerns VI. 55 fL
k
BiBuoOR.: PüSEN. Ost- u. Westpr. Pduuerk. Mecklenburg. Lübeck. 521
— Höfer, Zur MytholngU und Sitttnkumü (aus Pomniem). v. d. Hageas
Genu. 1. loi ff. — Giluw, De Dicre, as man to scggi uu wal's u^en. An-
klam 1871. : — Gilow, ZV IHantcn, as man to uggt tm icai's seggeN. Anklam
1872, — Knoop, SfAn'ani und Sireich aus Pommern. Posen 1894. — Klioup,
Volhsagent Erzahlun^n, Aberglaube, Gehräueke und Märchen aus dem ÖilUchcn
I/interpommem. Posen I&85. — Kaiser, VoltsiämUfhex aus HinUrpommem.
Monatsl'l. \\x%. V. d Ges. f. pyiiiiiieretlic Gtsciüclitc ibi^i. — Ü. Jahn»
/amund bei C^lin. Z*.. d. V. f. Vclksk. I. 77 ff., 335 ff. — W. Sthwartx,
Volkstümliehes aus Rügen. Verhandl. der Berl. AiUhropoI. Ges. 1891, 445 ff. —
Haas, Drei aUe Reehisbräuche auf der Insel Rügen, Am Unj. V. 209 f . -^
Haas, Die Insel Hiddensee. Stralsund 1896.
24. Mecklenburg.
§ 39. In Mecklenburg lial sich der »Verein für mccklcnburg;ischc Ge-
schichte und .\It(*rtuni.skundet- der Volkskunde angen<pmmen. In seinem
Auftrage sammeU R. Wossidio die Merkleuburgtiehen VolksitberUeftrungen,
von denen bisher der \. Band {Rälstl, Wismar 1897) erschienen ist. Von
Zeit zu Zeit wird über den Furtgang der Arbeil in der »Rosiocker Zeitung«
berichtet. — Bartsch, Sa^en, Märchen und Gebrätuhe ans Mccklenlmi^,
2 Bde. Wien 1879 — 80. (Sitten und Gebrauche finden sich im 2. Bande.) —
(/raff, SiUen und Gehrtiuehe des mecklenburgischen Ijindimlkes. Arch. f. Landes-
kunde Mecklenburgs 1867, 449 ff. — Beyer, Erinnerungen an die nordische
Mythologie in l'olissagen und Aherghuben Mecklenbtirgi. Jahrb. d. Ver. f. meüt-
Icnb. Gesell, u. Altertuinsk. XX. 140 ff. — Sc]»5ne, Deutsche AlUrtüinfr im
Mechlfnburger Osferspiele. Ludwigslust 1S87. — Glöde, »De Suchlen hreken*.
in Mecklenburg. Am Urq. lU. 236 ff. — Wossidio, Der Tod im Munde dts
mecklenburgischen l'olies. Zs. d. V. f. Volksk. IV. 184 ff. — Wossidio. Das
NeUuiieben im Munde des Mecklenburger 1'olkf.s. Zs. d. V. f. Volksk. V.
302 ff., 424 ff. — Schiller, ^nm Tirr- und Kriintetbuche des mecklenburgischen
Volkes. 3 Hefte. Scbweriu i8üi — O4. — Fromm und Struck, Sympathitn
und rindere abergliJubisc/te Kureu, Lebens- und l'ethaltungsregeln und sonstiger
angtxvandler Aberglaube, tvie er sich noch heule im Volke findet. Aich. f. Laudesk.
Mecklenburgs XIV, 497 ff.
25. Lübeck. Schlesu-ig-Holstein.
§ 40. C. Schumann, ßeifrjge zur iMbeek'sehen Volkskunde. Eine Reihe
Aufsätze in den »Mitteil. d. Ver. f. Lübeck 'sehe Geschichte und Altertums-
ktmdee iSqi ff. — Mehrere Beitrflge zur Sitte in Lübeck liefern auch
Deeckes, iJibiiche Geschiebten und Sagen. 2. Aufi. LOherk 1878. — Aus
Schleswig- Holstein bringt eine Reihe Aufzeichnungen das Jahrbuch für die
Landeskunde der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lanenburg. — Braueh
und Sitte tn Sehlesrvig-IIohtein im Anfange des iq. Jahrhs. Zs. f. deutsche
Kulturgcsch. N. K. L — Carstens. Kinderspiele aus Schleswig- Holstein. Jahrb.
d. Ver. f. niederd. Sprachforschung VIII. 98 ff . — Volksniatm, t'astnachtS'
^brauche aus Schleswtg- Holstein. Am Urq. L 129 ff. — Vnlksmann, St.
Martinstag in Sehksxoig- Holstein. Am Urq. II. 200 ff. — Volksmann,
Schlesivig-Holsteiniscke Harn- und Zanbennitlel. Am Urq. IV. 277 ff. — Treu,
Das Boosteln. Am Urq. III. 102 ff. -^ Handelmann, yor^lalbingiscke Weih"
nachten. Kin Beitrag zur Sittenkunde. Kiel 10*11. — Carstens, Ihu Johannit-
hier in Norderdtthmanchen. Am Urq. I. 87 ff. — Carstens, Tolengebrauehe
aus Diihmarschen. Am Urq. I. — Frahm, Holsteinische Kindtnpiele. Am Urq.
$22 XILSiriE. Anhang: Behakdlunü D. voLKSTüML. Sitte d.Gegejiu"art
V. i88f., 231 f. — Handclmann, Fo/ismeffätn (aus dem Rendsburger
KrcUc). Am Urq, I.
26. Lippe. Hannover {ausschliesslich Ostfricaland). Bremen.
§ 41. E. Meier, Sa^^i und Sittett aus dem Fürstentum Srhaumhur^-
Uppe to:d den angrtnzfudfit JJindern. Zs. f. d. Mjth. I. 168 ff. — Aus
Niudeniacbsen findcl sich Material in der Zeitsclmft des historischen Vereitts
für Niederstuiisen. — Golds chraid, Volksmedizin im nordioestlichen Deuüeh-
fand. Bremen 1854. — Seemann, Ihmnoi'eriche Sitten und Gebrmuhe in ihrer
Jifziehimg zur Pflanzenwelt. Leipzig 1862. — Hartmann, Der Volksaiierglanbe
im hannor^trschen Westfalen, !MiitciI. des histor. Vereins zu Osnabrück. VIL
372ff. — Harland, Sagen und AfviJien ans dem SoiHnge. Zs. d. bist. Ver. f.
Niedersachsen 1878, 76 ff. — Sohnrey, längsten auf dem I^ngstmiger. Ein
Volksbild aus dem Sollinger Walde. Am Urq. I 62 ff. — Sohnrey, Geburt
und Taufe in der Gegend des SolUnger Waides. Am Urq. IL 197 ff. — Andree,
Volhhindliches ans dem lioldecker und Knesebecker Lande. Zs. d. V. f. Volksk.
VIL 31 ff. — Sitten und Gebräuche aus Dudetstadt. Zs. f. d. Myth. IL 106 ff.
— Schwanz, Voikslümliches aus I^iüerberg am I/arz. Zs. f. Etimologie 1896,
i4Qff. — Seifart, Sagen, Märchen, Schivdnke und Gebrämhe aus Stadt und
Stift Ilildesheim. Gfitringen 1854. — Colshorn, Hoehzeitsgebräuehe und Sprüche
ans dem Luneburgisehen. Weim. Jalirb. IIL 359 ff. — Ktlck, Die Bauernhoch-
zeit in der Lüneburger Heide. Zs. d. V. f. Volksk. VIL 31 ff. — Poeck, Aber-
glaube und Besehioöntngsformeln aus der Lßneburger Neide. German. XXXVII.
114 ff. — Heise, GesehichtUches, Sitten und Gebräuche aus dem Amte Dirpenau,
Zs. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1851, 81 ff- — Küster, Altertümer, Ge-
schichten und Sagen der Herzogtümer Bremen und Verden. Stade 1856. — Posl,
Mitteilungen aus dem Bremischen Volis/ebcn. Am Urq. V und VI.
I
2-/. Friesland und Oldenburg.
§ 42. Wertvolles Material über das friesische Volksleben enthalt das Ott-
friesische Monatsbla/t für provinc. Interessen, hrg, vfin Zwitzers, Emden 1873 ff.
Ebenso bringt der /h'esche l'olksalmanai Beitrage zur Kenntnis der Sitte der
friesischen Volkes. — H. Meier, Ostfiesland in Bildern und Süssen, J^nd
und Volk in Geirhichte und Gegenwart. Leer 1868. — Sundermanii, Osi-
friesisches Volkstum. Am Urq. IL — Siebs, Das Saterland. Ein Beitrag zur
deutschen Volkskunde. Zs. d. V. f. Volksk. III. 23off.. 373 ff. — Stracker-
jan, Aberglauben und Sagen ans dem Herzogtum Oldenburg. 2 Bde. Oldenburg
1867. — Strarkerjan, Von Land und Leuten. Bilder und Geschichten aus
dem Herzogtume Oldenburg. Oldenburg 1882. — Mannhardt, Jeversckt
Hoehzeitsgebräuehe. Zs. f. d Myth. II. I35ff. — Jensen, Die nordfritsischen
Inseln Svtt. Fahr, Amrnm und die Halligen vormals und fetzt, mit besonderct
Berücksichtigung der Sitlt:ii un*.] Gcbrauclie der Bewohner bearbeitet. Mit 61
Abbildungen, 1 Karte und 7 färb. Trachteniafein, Hamburg i8qi. — Ben-
nikc, Nord-Friseme og dtres Land. Sküdringen fra Vesterhus. Aaihus 1890.
— Janson, Altt Sitten und Gthräuche auf Führ sonst und fetzt. Ausland 1868.
— Nerong, Fahr frfiiier und fetzt. Wyk a. F. 1895. — Black, Helgoland
und die nordfriesischen Inseln, deutsch bearbeitet imd vermehrt von B. v..
Werlhof. Hannover 189a
I
I
I
BiBUOGR.: Lippe. Haknover. Friesl. u. Oldenb. Rhewprov. Westf. 523
28. Rheinprovinz. Westfalen.
g 4^1. BeitT.1ge zur Volkskunde der Rheinlaode bringen die seit 1896
crschciuendcu Rktinücktn Gcschichtsbtättcr. — Montanus, Die deuitcJun
Volis/esie und Volksgebräuche, du Sitten und Sagen des deutschen Volies am
Niederrhein. Iserlohn o.J. — Montanus, Dit Vorzeit. Sagen und Geschichten
der Lander Clevc, Mark, JüÜth, Berg und Westfalen. 2 Bünde. Elbcrfeld
1S70 — yi. — Müller von K<5nigswinter, Das Rheinhmh. Landschaft,
Geschichte, Sage, Vülksk-bcn. Neue Ausg. Brüssel 1863. — Radcmachcr,
Alu Sitten und Gebräuehe am Rhein. Zs. tles Bergischen Gesrhichtsver. XXIL
149fr. (Maifesle). — Ratlemachcr, Maisilltn am Rhein. Am Urq. IV. und
V. — Linnig, Volksüberlieferuug aus dfr Rheinprovinz. 7.s. f. d. Ahlh. IIL
53 ff. — Spee, VolkstHmliehes vom Xiederrhein {aus Leuth im Kreise Geldern).
2 Bde. Köln 1875. — Schell, St. Martimlag im Bergischen. .Am Urq. II. 72 ff.
— Schell, Das Sterbestroh im Bergischen. Am Urq. VI. 20I ff. — Schell,
Todvorbedeutung im Bergischen. Am Urq. N. F. L I5ff. — Schcil, Über den
Zauber mit dem menschlichen Ktlrper und dessen einzelnen Teilen im BergiseheN.
Am Urq. III. 20Q ff. — Schell, Zur Volksmedizin im Bergischen. Am Urq.
IV. i27 ff. — Diiksen, Sitten und Gebräuehe bei Sterbe/älUn m Meiderieh
(Regierungsbez. Düsseldorf). Zs. d. V. f. Volksk. I. iigff. — Korth, Volks-
tümliches aus dem Kreise Bergheim. Aniial. d. hist. Vcr. f. d. Niedenli. LH. —
Korth, Volkstümliches am der Erftniederung. Bonn iSq!. — Schmitz,
Sitten und Bräuche, Lieder, S/znehworter und RätSfl des Elfter Volkes. 2 Bde.
Trier 1856 (für die Brauche kommt nur der 1. Bd. in Betracht). — Hocker,
Gebränehe von der Mosel. Zs. f. d. Mylh. 1. u. IL — Merkens, Das lloch-
xeit-IIenlbier im Brohlthal. Am Urq. V. ubf., 154!. — Kuhn, Sagen, Ge-
bräuche und Märchen aus Westfalen. 2 Bde. Leipzig 1Ö59. — Hartmann,
Bilder aus Westfalen. Sagen. Volks- imd Familienfeste, Gebrauche, Volksaber-
glaubcu und soustige Vulkstümlichkeiten des ehemaligen Fürstentums Osna-
brück. Osnabrück 1871. Neue Folge. Minden 1884. — Weddigen. West"
falen. Land und Leute in Wort und Bild. 1896. — Hartmann, Wesifäli-
scher Aberglaube in Beziehung auf die sogen. Donnerkeils, Monatsschrift für die
Gesch. Westdeutschi. VII, 167 ff. — Woestc, Varia (Volkstümliches aus
Westfalen). Zs. f. d. Myth. III. 51 f., 302 ff. — Woeste, Aberglaube und
Gebräuche in Sü'dn-es/falen. Niederd. Jahrb. III. 127 ff. — Woeste, Volks-
Überlieferungen in der Grafschaft Mark. Iserlohn 1848. — Bahlraann, Die
Lambertusfeicr :h Münster in Westfalen. Zs. d. V. f. Volksk. V. 174 ff. —
Hüfer, Beiträge zur Volkskunde (aus Brilon). Progr. des Briloner G>Tnna-
siums 1892/93. — Harlmann, Maifest lu Wehdem (Kreis Lübbecke, Westf.).
Monat-tfchr. f. d. Gejich. Wesldeutschl. VII. i84ff. — Matthias, Der Haus'
tmnk im Teiüoburger Walde. Zs. f. Volksk. IV. 344 ff.
29. Belgien und Holland.
§ 45. Grootmoederken. .\rchiv voor nedcrduitsche Sagen. Volksliederen,
Volksfesten en Vnlksgebnuken, Kinderspeelen en Kinderliederen, uitg. door
J. W. Wolf. Gent 1842 — 43. — Wodana, Museum voor nederduitsche Oud-
heidskunde, uitg. door J. W. Wolf. Gent 1843. — Gegenwartig ist nament-
lich in Belgien ein reges Interesse für Volkskunde. Die hier erscheinenden
Zeitschriften enthalten eine Fülle Beiträge zur Volkssitte der Niederlande:
Volkskunde. Tijdschrift voor nederlandsrhc Folklore, b^jündet von Pol de
Mont en A. Giitee, hrg. von P. de Mont en A. de Cook. Gent i888ff.
— 0ns Valislafen. Tijdschrift voor Taal-, Vulks- en Oudhcidkundc, onder
524 XII. Sitte. ANHAWi: BEHANTJi,i;Kon.voLKSTOML. Sitte d. Gegenwart.
Leidinjf vivn Corneüssen eii Vervliet Te Brecht i88gff. — V Daghti
in den Osten. Limburgsch Tijdschrüt vour alle LicOiabbcrä vaii Taal en andere
Weiensweerdighedcn. Hasselt 1885 ff. — Volk en Taal. Maandiwdirift «ver
Gcbmikci), Gcstlücdcnes, Taalkunclt eiiz., uitgogcveii doar de Zauter$gilde
van Zuid-VlaandtTcn. Ronse iSSgff, — Gittec, L'elude du folkhre en
J^andrc. Rev. de Belijique 1890. — Blink, NeJerhtnd en zij'ne Beivonerx.
Handboek der Aardrijkskunde cn Volkeiikunüc vau Ncderlaiid. Met Kartea
en Afbeeldingen. tSgoff. — Coremans, L'annee de Vancienne Belgtque.
Mcmuirc sur Ics saisous, Ics semaincs, Ics fctcs, Ics usagcs duns les lemps
fnttricuni ä riniroduclion du christianJsmc en Belgiqiie, :ivec rindication et
Fexplication de differciites dates qui sc trouvent dans les dt>cunients du nioven
Sge et qui, en partie-, soTit enrare usitees de nos jours. Umxellcs 1844. —
de Reinsberg-Düringsf eld, Calettdritr Bel^t. 2 Bde. BriLxelles 1861
— (3i. — Coremans, La Btlf^qut et la Boheme. Tradittuns, omtumes et
ffites populaires. Bruxelles i86i. — ScheUema, Volksf^intiken der Xfder-
hndcrs ly bet Vrij'tn en Trotiwen. Ulicchl 1832. — Vervliet, Volksivißhed
in Beelii eil Schrift, Te Brecht 1894. — de Cock, Volksgeneeshinde i Flan-
dern. Gent i8gi. — Desrousseaux. Moeun popidaires de la Ftondn- /ran-
faise. 2 Bde. Lolle i88g. — Hock, dwances et remides popuhircs au pars
de JJegt. Liege 187?. — Wellers, IJmbur^^che Le^nden, Saften, S^rookjcs en
Volksverhakn. 2 Dcle. Venlo'v lB~5 — yb. — Dautzenberg, Gebräuche aus
/JmÖurf,' und Brabaut. Zs. f. d. Myth. II. 173 ff. — Maaskamp, Afheldingen
van den KUedin^n, Zedrn en Gewtionhften in de iioardelijke Provinzien van det
Nederlanden. {Tablcaux de habilliint-'n-s mocurs et o lutume.'i dans les proviuces
septentrionales du n"»yaume des Pays-Bas an commencement du iq. siecle.)
Anisierdam 1S29. — Dykstra, Vit Fritsiands Volhitaen ziin Vrites^r en
Later. Volksoverleve ringen. Volk-^ebruiken, \''olksverleIlingen, Volksbegrippcn-
Leeuwarden idg^.
3a Grossbritannien und Nordamerika.
§ 46. In England ~sind die volkskundlichen Bestrebungen mehr inter-
nationaler Natur; ebenso in Nordamerika. Dort besteht seit 187S »The
Folklore Society for Collecting and FMniing Relie.s of populär Antiquities etc.«.
Diese Gesellschaft gicbt Zeitschriften heraus und vcrij ff entlicht oder übersetzt
volksk und liehe Sammlungen und üllerc Werke volkstümlichen Inhalt*;. Die von
ihr hentii-^egeljcnen Zeitschriften sind: Täc Folt-I^n Reroni. 5 Vol. London
1878 — 82; Falk- I^re Journal. 7 Vol. London 1883 — 8i); Sf:it i8c»o erscheint
die Vierteljahrssclirift: P\dk-I^re a Quarterly Review of Myth, Tradition,
Institution and Custom. (Der Inhalt der Zeitschriften und die Veröffent-
lichungen der Gcscllsrhaft bis 1890 finden .'sirh bei Ciomme, 'fhe itondbook
of Folkiiiie. London iBqo, 184 ff.) — A Dictionary of British Folkhre, ed. by
G. Laurence Gomme. Part. I. The traditional Games of England, Scotland
andireland withTunes, Singing-rhymes, and Meüiods of Plaviug Accordiug to
the variants cxtant and rccordcd in different Parts of the Kingdom, collected
and annotaied by A. Hertha Gommc. Vol. I. Aceroshav — ;V«/i in May. Lon-
don l8t»4. — J. Brand, Observatiom 0« the populär Antiquities of Great Bri-
tain. London 1777 (eine Umaibeitung der 1725 von H. Bourne herausge-
gebenen Äntiijuiiates Vulgartmes; das Werk Brands wiirdc 1813 u. oft. von
H. Ellis, 1B70 von liaxlitt neu herausgegeben und ist noch heute das
Hauptwerk für englwrhe Sitte und englischen Aberglauben. 3 Bde. lx>ndoD.
Die Au.sgabc von ElUs ist der von Hazütt vorzuziehen tiud tst daher auch
I
BiBLiooR.: BeliiIen u. Holland. Gross Britannien v. Nordamerika. 525
im Abdnick von iStio zu Grunde gelegt worden.! — Dyer, En^ish Falk-
lore. Londuii 187B. — Tli. Davidson, /-c Folklore en An^ltttrrr. La Tra-
dition, PariÄ 1800. — Dyer, British populär Ctisioms, prtsent atiJ past. Lon-
don 1876. — Althaus. Englische CharakterbtUler. 2 Bde. Berlin 1860- —
\V. Hone, The Vear-Book of daih Rearalion and Information tte. London
1832. — W. Hone, The e^^fry Dav- Book nud TahU'fiaok, or e:rrlaslinir Cnlendar
of populär Amustmrufs, Sports, Pastimts, Ctremontes, Manners, Cnsfums find
EiJtnts incidtnt to tack 0/ the 36$ Days. 3 Bde. London iSjS. — WilÜHms,
Thr Superstitions of Wiiehcra/t. London 18Ö5. — Cunningham, Traditional
Talis 0/ the english and sco/iisk Ptasaniry. London 1875. — Wright, The
ffontes of olhers Days. London. — Stonchange, vi Manual of hritish nnal
Sports. Lond< )n 1 8,56. — I n g r a in , The Haunted-houses and Family^tradttiom
0/ Great lirilain. L<rtKlon lb<)0. — Blark, Folk-Midiciiie. London 1883. —
Whitcombe, Begone Days in Devonsliire and 0)rmvall wilh Notes of e.xi-
tting Suptrztitions and Ctulonu. Londtm 1874. — Jones. Lincolnshire Folk-
lore. Linof)1nshire Notes and Queries 1800. — Udal, Ckrisimas Mnmmrrs in
Dorsetshire. The Kolklore Ret". HL — J. Allics, TAe ancienl british^ romatt
and saxon Antit/nities and Fnlkhrt nf Wotrcsttrshire. 2. Efl. L«^ndon 185.;. —
Hardwick, Traditians, Snperstitions and Folklore, ckitfly 0/ Lancashire and
the Nord 0/ England. Manchester 1872. — Harland and Wilkinson,
taufoskirt Folklore, illustrative of tlie siiperstilious Beliefs and Practiccs, local
Cuütoms and UsaRen of the People of the Coui»ty of Palaiinc. London 1882.
— Harland, iMncashire Legendi, Tradilions, Pageants, Sports. L*->ndon 1873.
— Scandale, or Life on the Lancashire and Vorkshire Border tkirthy i'ears.
London 1860. — Roby, Traditiom 0/ Lancashire. Ljndon 1891. — Wilkin-
son and Tattersall, Memeires of llurstivood. Bumley, Jjtncoshire, ivitk
Tales and Tradilions of the Neighhour/iood. Buriev l8<)l. — Nicholson,
Folklore of Fast Vorkshire. London 1890. — Henderson, Notes on the
Folklore of the nortbem Counties of England and the Herders. London l8~c). —
Moure, The Folklore of the Jsle Man, beiiig and account of its Myths, Legends,
Superstitions, C'ustoms and Proverbs. I^ondon i8q2. — Dolyell, The darket
Snpenttfiens of Srolland. Glasgow 1884. — Sharpe, A historical Account of
the Btlief in Wttchcraft in Scatland. Glasgow 1884. — Napier, Folklore or
superxlitious Beliefs in the W'esi of Scotland nitün this Century. London 1879.
— Napier, Folklore of the IVest of Scotland. Paisley 1882. — Gregor,
Notes on the Folklore of the Nortli-emt of Scotland. L<indon 1881. — Eine
bibliograpkiscLe Übersicht über die Erscheinungen auf dem Gebiete der
Volkskunde, be^mders in England, erscheint seit dem 5. Bande von Folklore
Record und wird jetzt in Kolklore fortgesetzt. — Der Sammelpunkt volks-
kundlicher Bestrebungen in den Vereinigten Staaten von Nonlamenka i-it das
Journal of american Folklore, Boston i888ff., Organ des »American Folk-Lore
Sodety<, ursprünglich \*on NewcU, Boas, Cranc und Dorsey heraus-
gegeben, jeui v.in Newell allrin. Daneben ist seil 1892 in Chicago ein
»Chicago Folk-Lore Sndely« entstanden, in dessen Auftrag Fleischer The
/ViAm/ herausgiebt. Chicago 1892 ff.
31. Skandinavien im allgemeinen.
$47. Feilberg, Totenfetische im Glauben nordgermaniseher Väiktr. Am
Urq. III. — Feilberg, Die Baumseele dei den Nordgermanen. Am Urq. V.
88 ff., 119 ff. — Feilberg, Zwieselbäume nebst verwandtem Aberglauben in
Skandinavien. 7.%. d. V. f. Volksk. VIL 42 ff. — Reiches Material zur Sitte
526 XIL Sitte. Akhakg: Behandlung n. volkstümi- Sitte d. Gegenwart.
aUcr iiürdischcn Völker, besonders der Dänen, birgt Fcilburgs Bhirag tU en
Ordbog oi'tr ^yske Ahmusmäl. Kph. 1866 ff. (nc»ch airlit abgeschlossen.). —
Thomsen, Hüira^ iii eu Skiltirit/f; af Noniem /ul/est i tfUrr og nyerf, heiitnsk
og chmUlig Tili. Kph. 1054. — A. HazcUus, AßUdningar af I-oremäl i
Nordiska Müsset, äfvcnsom nordUka Ansiktetyper, Klädcdrakter och Bygg-
nader, af hvilku Tcckningar fOr\aras i Nordiska Museets Arkiv. — H. Thul-
strup, A/hiiiiningar af tioniiska Dräkter, sadane de burits eller bäras uli
olika Landskap. Med en kurl svensk och fransk Text af H. J. Kramer
(Cofiituines nationaux sauidliiaves). Stockhulm li^tiff.
I
32. Dänemark.
§ 48. SkatugraiHren, Et Tidsskrift, udg. af >Darisk Samfund til Indsam-
ling af Fulkemindcr« ved K T. Krisiensen. Kolding 1884 — iBÖq. —
Dam'a. Tid^krift U >r Folkcmal og Folkemüidcr, udg. for >Universilets-JubiI*tets-
Samfund« af O. Jesperseti og K. Nyrop. Kph. i89off. Seit 1897 tmter
dem Titel: »Tidsskrift for dansk Sprog ug Litteratur samt Folkcminder« udg.
af V. Dalilcrup, O J. og K. N. — Thiele, Dartmarks Folkesagri. 3 D.
Kph. 1843^60 (filr die Sitte kommt besonders der 3. Bd. in Betracht: Den
damkc AJmua overfroiske Afcninger). — Sv. Grund t vi g, Gamle damhe
Minder i. — 3. 5>am!. Kph. 1857 — 61. — Nielsen, Den dauskt Bande. Et
kulturhistorik Forsog. Odense i8Sö. — Kamp, Danskc Folkeminder, ^^oentyr,
Folkesagn, Gaader, Rim og Fotketro. Odcnae 1877. — Feilberg, DansJe BoH'
deliv, saaledes som dtt i Afands Minde. /nrtfs, navnlig i Vestj'yUand. Med 49
Fig. Vcd Udvalget for Folkcoplysiiings Frenime. Kpli. 1889. — K. Skyitc,
Far og nu. VirkcHghedsbilJeder fra Ijndet 2. OpI. Kph. 1891. — Feilberg,
Wtiurmacher. Eine Volkssitte in Danemark. Am LTrq. II. 56 ff. — Fcilbergv
Tallene i Folkeh Brtig og Tro. Dania II. 185 ff. Dasselbe Übersetzt: Die
Zaiden im dänischen Bmmh und Glauben. Zs. d. V. f. Volksk. IV. 243 ff.,
374 ff. — Danske Nafiofialdragier. Tegnede af F. C. Lund, med Text af
Bergs oe. Kph. 1890 ff. — E. T. Krisiensen, Jydskt Folkeminder. g D.
Kolding 1871—88. — E.T. Kristensen, Gamir folksjortallinger om da
jyske Ätmtusliv, som dtt er blevei f»rt 1 Mands Minde, samt cnkelte opiysendt
Sidistykker fm Oeme. 4 D. Kph. 1892 — 94. — E. T. Kristensen, Dtn
jyske Bandes fcsiiige Sammenkomsler, saaltdes som de har v<tret hofdte 1 Afnndi
Minde. Jyliand II. 1S91. — Kvolsgaard, S^redte Trtrk af Landbolivef,
optegnede i jysk Mundart. Kph. 1891. — Pedersen-Bjergaard, Mindtr
fira et Bondehjem i /yUand. Aarhus 1894. — Feilberg, Fm Heden. HadcrsL
1864. — Dreyer, Ovre fra Heden. Tratk af Üvertroen hos Bonden i Nuti-
den. Tilskuercn iS8<^i, 287 ff. — Chr. Lurenzen, Gamle og nye Minder
fra Sumiered. Haderst. 1859. — Foers'im, Om Samlinger af danske Land-
skabsord og om Sader og Overtro i Ribeegnen. udg. af Molbech. 1820. —
Madsen, Falkeminder fra Ifamied Sagn ved Mtnsborg. Kph. 1870. — Feil-
berg, Fra VfSterfyHand. Et KiUiuirbillede. 1882. — Grönborg, Optegnelser
pä Vendemäl (Jüttand), udg. af ^fUnivcrsitcts-Jubilaiets danske Samfund« ved
Nielsen, i. 11. Kpli. 1882, — Lizenzen, Faikesngn og Folhtro, for forste
Delen samlede ved Grcuä. Aalb. 187^. — Gaardboe, Om Overtro fvr og
nu i det nordli^e Vendsyssct. Saml. til jj-dsk Hist. og Topogr. 2. R. I. 4(1 ff- —
Nielsen, Ski/dringer og Sagn fra Vtsl-Hinimeriand. Saml. til jydsk HtsL og
Topogr. 2 R. III. 34off. — Kvolsgaard, Fiskerliv i Vesterhanhrrrtd. Kph.
18Ö6. — E. T. Kristensen, Otn Holmsland ogdeas Klitt, bcskrcvet saerlig
med kulturhist. Hcnsj-n. Kph. 1892. — E. T. Kristensen, 0€n Ankett i
k
Biblioghaphib: Skandixavjkn. Dänemark. Schweden.
527
»
k
Sagn og Smi tfUr ^amk folh mmdlUge MtdihUUtr. Kph. 1892. — Th, Müller,
£jf par S/uäitr fra /^so. Dania III. i ff. — Junge, Den nordsl<rUamk< Land-
almtus Charakter, Skikke, Mniingtis og Spro^. MetI en nordsj^Jlandsk Ordbdg.
2. Oj>I. Kph. 1S84. — A. Nielsen, Fra Landet. Bülcdci af Folkdivel i
Sjscltand. 4. OpL Kph. 1B91.
3.1. Schweden.
S 4g. Unna. En Skrift für Fädemeslandels Fomvanner, ulg. af R. Dy-
berk. 10 Hefte. Stockh. 1842 — 5t). — Xyarc Bidrag tili Kännedom em de
sjvnska Lüitdsma/i» ofk sieNit tolklif. Tidsskrift mg. pä LTpptirag af Laiid.<i-
mälsföreiiingama i Uppsala, Hcisingfors ock Lund gen. J. A. Lundell. Stock-
holm 1879 ff. — Mancherlei auch für die Vnlkssitte ttichtiges Material findet
ach in den aDtlquamcheii Zeilsclirifien 1 Anfii/varük Tidsskrift Jor Si'en'ge.
utg. af Kgl. Vitterhets Hist. och Antiq. Akad. begr. von E. Hilde-
brand. Stockh. l868ff., hrg. von H. Hildebrand. — Sitnska Fomaiinn£s-
torcninf^ns Tidskri/t. Stttckholm 1870 ff. — Samfimdct fOr nurdiska Mus<:ct^
Framjande. Mcddeianden, utg. af A. H a z c 1 i u s. Stockholm r 888 ff. —
Hazclius, Bidrag tili vär Odiings Iläfder. (i. Bd. Retzius, Finlanä i
nordiska Mmeet. Stockh. 1881; 1. Bd.: HazeliuR, Ur de nordiska Folkem
Li/. (Aus Schonen, vgl. Ny. Bidr. II. CXLIV ff.; Anz. f . d. A. IX. 304 f.) —
Strindberg, Svenska Folket i Ihlg och Söken, i Krig och i Fred, hemma och
Ute, eiitr tll lasen Ar af sxemka liildningcm ach Seder/ias //is/oria. med IHu-
strationiti. 2 Bde. Stockholm 1S81 — 83. — Hof berg, SkUdringar ur sirnsia
Folklifitt. Orebro 1879; — Svenska FolkeU Seder, sädune de jfafii ofh tili en
dtl ämm aro, idd Hogtidrr, Ftierier, BrSlhp, BamJop. Begrafningar og Nöjen;
jtmU de ras Skrock. Vidskepalur, /luskurer, Amktodtr, SiügHtr och Ordsprdk m.
m. af aldre och yngrc Författare. Stockh. 184t». — v. Feilitzen, Spridda
Drag ur sivitska FolkU/i'et. Tectningar af J. Nyström. Stockli. 1891. — Sv^nsk/
Skämlfynne. Folklifsbüder, Sagner och Ancktoder m. m. samladc af O. Svahn,
Teckn. af Ljung och Liljefors. 2. Upl. SlucLh. 1890. — Sttgor. Sägner, Le~
gmder, Äft-entvr ock SkÜdritigar af Folketi Ltfnadaätt; pii Landsraid. Sv. Landsm.
in, 2. Stockh. 1881. — Lloyd, Svenska Allmogens Plägseäer, Ofversaitning
af Swedenis. St'Xkh. 1871. — Brcberg, Bidrag frän vär Folkmedic im Vid-
skipelser. Stockh. 1878. — E. Wtgström. Taflor ur skämka Folklifmt ßr
Jyratio är sedan. Lund 1870. — E. Wigström, Folkdiktning, Visor, Sä'gner,
Sagor, Gätor, Ordspnik, Ringdaftsnr, Lekar orh Bamvisor. Kph. 1S80. — E.
Wigström, Folkdiktning, Visar, Sägntroch en Si-artkotutbok (saml. och uppteckn.
i Skäne). 2. Saml. Göteborg 1881. — E. Wigström, Vandringar i Skäne
oeh Bleking. Ny. Bidr. VIII, i. — E. Wigström. Allmogeseder i Konnebärgs
liärad i Skiim. Ny. Bidr. \'III. 2. — Frän skämka Bygdeti. Förr och nu 1886.
— Wr a n c r , Gärafolk och Uttsmän. Bilder ur Alhnogelifvet i s>'döstra
Sk&ne förr och nu. Stockh. 1885. — Wrancr, /skämka Stugor. Smabilder
ur Folklifvet i öslra Skäne föiT och nu. Stuckh. 1886. — Ave, Ftihi Slätt-
oeh Skogsöygd. Stockh. iSgi. — Nicolovius, Folkli/ivt i Skytts Ilämd i
Skäne tvid Början af detta Arhundmde. 2. Upl. Lund 1S08. — E. Wigstrüm,
Kardegille. Skünska Byhi.st<)ncr. Ny. Bidr. XIII, 10. — Wranir. Gamlingar
ock Grönsküliningar. Sm.i Fülklifsbiklcr fr:ui SkaneslUtten. Stockh. 1894. —
Wrancr, Stuesnaek mh Sliittalams. Drag ur skiinska Slattbans Lif undcr
de »cnaste 25 Aren p.'i SimrLshammstraktens Allmogemul. 2. UpL Stockh.
1893. — Nilsson, Muntra Folklifsbilder frän östra Blekings Strandbvgd och
SkargiSrd. Karlskrona 1870; Dcr., A'i Sämling muntra Folkltfsbilder frän Sstra
ock mellersla Blekinges Strandbygd. KarUkruna l888, — Boadeson,/ott 1
S/^////n//. Hallilndske Gränsbulifvet. 2. Uppl. Siockh. 1681. — Bondcson.
Afarina</s^fM>ar pti S/ona-a(/. Stockh. 1881. — Brjndeson, Om Folkfls I^kt-
iionst i meiUrsia Ilallami. Uppsal. LakarefAren. Fürhandl. XVI. 214 ff. ^
Hof berg. Nitgra Drctg ur dd fonta Skogsltyjif;arli/ivf i /laUand. Örebro 1881.
— Bondeaon, AUmo^bträllehfr. 1 Hefte; Der»., Nya AUmogeherättelser.
SlocWiolm. — Hylten-Cavallius. Wärtnd oth Wirdamt. Ett Fürsök \
svensk Ethnologi. 2 Bde. Stockiiolm 18O4 — 68. — Jonsson, Folktro, Stdtr
0ch Bnät i Mim: ander nittatide Arhundradei. Xy. Bidr. II, 5. StL^ckh. irtHl.
— Alden. / Qetapulien. Vaiidriiiyar ucli Forskningar i SiimJands B>-gd€r.
Stofkli. 1883. — Sjöstrand, En GifUrmfibafärd i Raskens Hia, en Tittin
i Smälands Allmogelif. Ny. Bidr. II. ly, 07 ff. — Rapp. En Jtdgdng. Friln
Sanseryds Socken i Smälaiid. Ny. Bidr. II. XIV ff. — Lindsten, fluru dct
gär fiii alt gti Angang. Fran Urstiuli 1 Kinnevalds H5rad i Sinälatid. Ny.
Bidr. II. XVI ff. — En/ft Smä/and. Ürd, Touer och Bilder af SuiäJandingar,
Stockh. 1893. — Raaf, ydre Härad. z Bde. Örebro 1850. — Wiesei-
gren, Ny Smölamh Bfskn/iting. 3 Bde Wexin 1844—46. — Alivin,
ßtskrifniftg öfi-er Wrstho Härad i Jönköpingi Lä'n. Jollk^ping 184Ö. — Allvin,
Heskri/nittg üßtr Ostlio Härad. jünkoping 1852. — HeiknfniHg o»t Aiimogens
Sinnelag, Seder vid de ärliga Jloglider, FrUrier, Jirii/hp, Barndop, Be^rafningar,
VidskeppeUer, Lefnadssält i Mal oeb Dryek, Kiddedrägt, Sjukdomar och Lake-
medr! m. m, i Jnaköpingi iJihn och W'dssbo Härad a,f Kyrckoherden Gas-
lander i Burscryd. Ny uppL Ny. Bidr Bib. I, 3. — F. L. Grundtvig,
Svtmke Minder jra Tjust. Andere Eklunds Forla-llinger. Kph. 1882. — Wide-
gren, FSrsük liU en ny iieskrifuing ößvr ÖHfr^ötland. \. Linki'fping 1817. —
Sundblad, Gnmmaidags Brnk. Kuhurbilder fran Vct-tergötlanil. Guteb<irg
1881. -^ Sundblad, (iatnia Blad. Biografiska Xotiser mb strödda Kultur-
drag fran Veslergüdand. Stockh. 1883. — Einiges Über Westgoialand enthalt
VesUrgöÜands Eontminnesfimnings Tidshift. — Sagor og Sägtur, Vi'sor, Skrock
och Ordspräk frtin VesSergötiand, üre^krifter för Folkcl. Stockholm iSqi. —
Alhtogrlif t Vesiergäi/and. Folklifs&kildringar, Sagor, Sagner, Visor, Skrock och
Ordspräk. Samlade af Veslgiita Landsmitlsfür. i U]]psala. ulg. genom Fel-
lander. Stockh, 1801. — Kullander, Niigra Drag ur det forna SkttgS'
bygger/ifef i Edsvedats Skagjlrnklcr. Ny. Bidr. XJ, lO. — Llgncll. Beskrif-
niiig öftrer Gre/skapei Dal. Stockh. 1851. — Holmberg, Bohusläns Ifutotia
oeh Beskri/ning. 2. Uppl. Orebro 18Ö7. — Djurklou. Ur JVerikrs Eo/kspräk
och Eolklif. Örebro lÖ6o. — Hofberg, Ntrxkes gatnla Minnen sadana de
ännu qvarüfaa i EornUmningar, Fomfynd, Aßeffor aj MedeUidens kvikiiga
Konst, EotkUf, Singer, Siigner, Eo/kipruk nt. ni. Örebro 1868. — Anrcp.
Nerkiufiarna. Bilder ur Folklifvct. j. Uppl. Stix:kholni (VoILsstOck). — Djnr-
klnu, IJ/iet i Kinds Härad i Västergöttand i fiörjan af sjutlonde Arhundradet.
Stnckh. iSS,";. — Aininsfin, Bsdrag iiU S»dernianhnds äldrr A'id/nrliistvhti.
.5 Bde. Stockh. 1877 — 84. — Luadin (Kh Strindberg, Gamla Stockholm.
Anttekningar ur tryrkta oth otryrkla Käilnr. Stockh. 1882. — Blutnenberg.
Ur Altmogem Mal oeh Seder i Kärs/a med Omnejd. Stockh. 1883. — Axclssuo,
Vandring i Wermlands Etfdai oeh Einskogar. Sinckholm. — Axelsson, Vesier-
dalame. das .\'afitr, FolkHf oeh fornminnen. Siockh. 1855. — BjcVrkmaii.
Beskrifning Sfver Wermland. Carlstad 1842. — Erdn en S/ndieftird i Wermland. —
(Mehrere Aufsätze von S. Adlersparre v. Lejonhufvud finden sich in Tidskr.
f. Heramet XXIV. XXV.) — Svarlciigrcn. N6 hört frä Vürmlandska
Skogshygila. Stockholm. — A. Dahlgren, Vemiländingame. Sti.rkh'''Im. —
J. Henriksson, Plägseder och Skrotk bland Dnlslands Alhnoge Eordomsdags,
jemit en Sämling Sagor, Gätor, Ordsprak, Eolkvisor och Leknr Jrdn rtämda.
I
I
Zanäskap. 3. Uppl. Gunnarenäs och Mellenid 1896. ~ Säve, Anj^ra Upp^
iystiingar am Dalmäiet oth Dalallmo^ns Folkfynm. 1. Uppl. Stockh. 1855. —
H- Bore, BärgsmamUf i liihjan af t&oo-taitl. Antecknmgar frän Nora och
Lindes Bfirgslagar. Ny. Bidr. V, 7. — Gamia Mmnai frnn DcUbo och Bjur'
täktr. samlade ixh utgifna af K. G. W. Gefle 184.^. — Nordländer, Om
TroUdom, ViJskepelse och Vaitiro hos Atlmof^eH i xXorrfand. Sv. FornminuesfOr.
THdskr. IV. ii^ff. — Äslund, Beikrifnin^ Öfver Vaurnonlands Län. Hemü-
sand 1878—80 (vgl. dazu NordUinder, Ny. Bidr, 11. CXXXVII ff.). — Nord-
länder. Fäbodvimndci i An^fr»satdand , med Sidoblick pä Förhällandena i
nliliggande I-amlskap i Kurüict framstiildt. Ny. Hidr. V, 3. — Modin,
»Jfiaknirr och Si^cricr sami folkliga Namn pu iMkemfiifl /ran Angcmmnland.
Ny. Bidr. VII, 2. — Gubben Noach, Skogvakiartns HerätuUtr. 3 Bde.
Stockholm. — J. Lindström, I Jämtehygd. Studier och SUildringar. Stockh.
— Mcllin, Koifinname t //e/äiogen. Siocldi. — Waltmao, Lidmol. Ord-
spräk i"xk Taiesatt, Smärim, Gaior, Äventyr, S.lgner, Seder ock Tankesiit!
uppt i Froslviken. Ny. Bidr. XIII, 1. — S. Obcrg, Nägra Bilder /ran
Jiärjedaletu Fäboder. Ny. Bidr. VH, 11. — Über die Sitte des schwc-
dist^iieD Volkes in Finmarken bringen mancherlei die Ftmka Fomminnes-
.J^nningeni Tidsin'ft und die Veröffentlichungen von »Finska Vetenskaps-
Societelen«. — Runcken, Niigra Akcriiruksplä^eder bland Svemkanst i Ftn-
iomd. Ell Ax])lockiiiiig tili Dr. W. MaiinliartlLs Faniknmg. NJkoIaistad 187t».
— Fagcrlund, AnUekningar om Korpo och iloutskän Sockuar. Bidr. tili
Kannedom af Finlands Nat. och Folk XXVIU. — Z. S{chaUD), Ftj/ktro
ocM Pidgteder 1 mcüenfa ÖsUrbotUn. Finska Fcimminne.sfr»r. Tidskrift V. —
Elmgren, Bakrifning tifver l^nrgas Socken. Sur>mi VII. — Allardt, Ny-
ländska Folkudcr och Bnd; Vidskepclse m. m. Hclstngsfors 1881). — Lagus,
Du Folklore iufdois eu Fitdande. Helsingsfors iboi. — Radloff, BeskrifHÜig
i^vtr Aland. Äbo 17Q5. — v. Korriag, Fordomar hos Alands Bt/olkning.
Ny. Bidr. 11. XIA'IIff. — Renvall, A/dadsk Folktro, Skrock och TroUdom.
Ny. Bidr. VII, 9. — Ga!im Persson, Beskri/m'ng Öfver Oiand. Upps. 1768.
— Ahlquist, Olands Historia och Beskrifning. Calmar 1822. — Säve,
Akwms Sagor. Spridda Drag ur Odlingshüfdcrna ocli FulkÜfvct pÜ Golland.
Stockli. 1846. — Säve, Sko^m Sogar cllcr VflxtUfilictcn pa Goüaud, jcmte
qiridda Drag ur Öns Odiingssaga orh Folklifvet derstädes, Stockh. 1877. —
Sftve, Bemierkningar oivr On Golland, dens Jndbyggerc og disses Sprog.
Molbcchä Hist. Tidskr. IV. 1(17 ff. — Savc. Hixfvtts och Fiskarens Sagor,
samt xpridda Drag ur Gotlands Odiingssaga och StrandalhiKJgcns Lif. Visby
1860. — Bergman, Gotliindaka Skildtingar ock Mintun. Visby 1882. —
Bergman, Om Goüands Folklekar. 3 Uppl. Visby 1S83. — Vcndell. Om
fitk frän Oammal-Sjfenskhy (schwerl. Kolonie in Stldrussland). Fin.sk Tidskr.
XU. 81 ff. — Russwurni, Eibofolke oder die Schweden an den Küsten Eksl-
lands und auf Runs. 2 Bde. ReN-al 185,5 — 56. — Ekman, Bcskri/ning om
Rmnö i Liffiand. Tavastelius 1847. ^ Trachten der Schweden an den Küsten
ßks/iands und auf RunS, gez. von Schlichting. Leipzig XS54.
I
34. Norwegen.
I 50. Viel Material Ober Sitte und Brauch in Norwegen enthalt die Zeit-
scfaiift: Foika'ennen. Et Tidskrift udg. af >SeUkabe( for Folkeoplysningens
Frenune«. Kristiania 1851 ff. — Von der Zeitschrift, die der Mittelpunkt der
norwcpschen Volkskunde werden sollte, der NotT?f.gia (Tidsskrift for det norske
Folks Maal og Minder, udg. af »Foreningen for norske Dialekter og Tradi-
tioner«- vcd M. Moc og J. Storm. Kristiania 18S4) i:>t nur das erste Hclt
Gemuwischc PbUolocic HL 2. Aafl. M
crschtenen, das nur eine sprachliche Abliandlung bringt — Liebrecht, Zur
norwegischett VtUkskumk. Germ. XXV. 38S ff. — R. Lnland, Folktliv. Kri-
stiania. 1891. — Eflert Sundt. FolkeUv i Xor^e. Krist. 1869. — N. Hertz-
berg. Om Bomlesiatiilcns Lcvtmaadt i j/orr Rygder. Budsdkken 1821. -^.
Landstad, Nonke Folkei'tser. Krist. 1853, — F. Liebrecht, Nonvegischi
Aberglauhr. Zur Volkskunde S. 310 ff. Hcilbnmn 1879. — Slorakcr, Om Je
ovttiroiske FonstiUin^r, som knvtte sig til Ihsicn. {Norsk) Histür. Tidsskr. I.
457 K. — K. Maurer, Das SfhnetsehuMatrfeu in Norwegen. Zs. d. V. f. Volksk.
II. 301 ff. — Nonke Xaliotialdragter^ kolorerede og paa Karton. Krist. 1891 ff.
— Storaker, Overtro ttg Sag/t i Lister og Mandals Amt Folkevennen 1862.J
— GjeHebfVl, BeskriveUe af Salersdalen, Topograph. Journal 1800. — So-
renaen, iJdt am Samifherred ßr i Tiden. Krist. 1872. — Haukenaes, Reise'
skiidringer fm Norges Natur og Folkeliv. Z — 3. Telemarkeu, Ostianti. Bergen
1892. — Haukenaes, Hardanger og Stnderhordland. Natur, FolkeÜv og
Folketro. Bergen 1893 ff. — H. Dergh, Nye Fo!keet*eiityr og Sagn fra l'u/ders.
Krist 1B79. — H. Bergh, Sogur /nta Va/dris og HaUingdal. Krist. 187g. —
Steile, Beretning om fn/ens Feirende i Vang {Valders i Norge) omkring Ar
1S60. Samf. f. nord Museets Framj. 1890. Stockli. iäg2. — Soegaard, /
Fjeldbygdeme. Krist 1868. — Noculaissen, />a Nordlands Foriid. Sagn og
Smaabüleder. Anden Sämling. Krist 1891. — Reiches MateriaE zum Volksleben
der Norweger bringt auch die neuere norwegische Uttccatur, her\-orzuheben
sind: B. BjornäL>n, Fortallinger. 2 Bde. Krist. 1868. — Unter den geogra-
phischen Werken, die norwegischer Sitte vielfach gedenken, sei vor allen
genannt: Du Chaillu, Im Lande der Mitternachtisonne. Aus dem Englisdien
Übersetzt von Helms. 2 Bde. Leipzig 1884.
35. Island und die Fseroecr.
§51. Den Mittelpunkt volkskundlicher Bestrebungen auf Island sollte
bilden die Zs. Huld. Safn allndicgra frarda islenzkra. ülgef.: H. l*orstcins-
aon, J. ^orkelsaon, O. David.sson, P. P&lssoa, V. Asmundsson.
Reykjavik i8c>3 — 05. Direkte Darstellung islandischer Sitte bringt die Zs.
nicht, dagegen bietet sie indirekt mauclien interessanten Beitrag zum Leben
auf Island. Einsclilagigcs Material enthalten fast alle Beschreibungen Islands,
von denen eine der besten die Bilder aus Island \*ji\ A. Huusler sind, Rund-
sdiau 1&96, 3B5 ff. Vieles enthalten auch die Sagen Sammlungen von K.
Maurer, Isländische Vo/kssagen der Gegetnvart. Leipzig 1860 imd J. Arnasou,
Islenzkar pfddsögur og ^Sfintvri. z Bde. Leipzig 1862 — 64. — Ölafur Daviils-
snn, Venjur. Viflba-'tir til Pjötlsögur J»ns Amasonar II. 5(17 — 580. Huld IH.
44 tf. — Islenzkar Qälur, pulur og Skemianir, gefnar ut af hinu isleuska
Bökinentafjclagi. 5 Btic. Kph. 1885 — tj5. — F. Liebrecht, Isländisches. Zur
Volkskunde 362 ff. — hlaudske Vartter og Tegn. Antiq. Tidsskr. 1861—63.
331 ff. — S. Eyjölfsson, Pjöätru og Pjödsagnir. Tim. I2, Q/ff. — f^orkdl
Bjarnason, Fyrir 40 Arftm. Tim. 13, i7off.; 16, ^04 ff.; Ölafur Sigurds-
son, Tim. 15, 198 ff. (Dieser Aufsatz Bjaniasoiis mit den Bemerkungfn
Sigurdssons ist übersetzt von Lehmann-Filhes, Ktäturgescbichtliches aus
Island. Zs. d. V. f. Volksk. VI. 235ff., 373 ff.) ~ Hammershaimb, Fa^nriske
Ordeprog, Talemäder, Skikke og Lege, Bamet'iser og Ramser. Gäder. Aniiq.
Tidsskr. i8;i9— 51. 271 ff. — Hammershaimb, Folkelivsbilleder: InderFserosk
Anthul. I. 38g ff. [ÜberseUt von Jiriczek. Zs. d. V. f. Volksk. IIL 155 ff,
285ff.) — N. Winther, Faroentes lüsione (Abschnitt 11). Kph. 1859. —
Holm, Skiläringer og Sagn fra Fanterne, Z. Opl. Kph. 1860.
XIII. ABSCHNITT.
KUNST.
.. BILDENDE KUNST
VON
ALWIN SCHULTZ.
I
I
:hle der deutschen Kuiist Est in neuerer Zeit wiederholt dar-
worden. Im Verlage von Grole in Bertin Lst 1885 — 1890 eine
ausfülir liehe Bearbeitung derselben erschienen; die Geschichte der Baukunst
hat R. Dühmc übcrnutninen , die der Büdhiiucrei Wilhelm Bude, die
Entwicklung der Malerei wird von Hubert Janitschek geschildert, wahrend
C. V, Lützow die Geschichte des deutschen Kupfe^tichs, Jac v. Falke die
des deutschen Kunstliandwerks darstellt. Von H. Knackfuss besitzen wir
eine zumal durch ihre Abbildungen beachtenswerte Geschichte der deutschen
Kunst (Lpz. 1888). und der Altraeister unter den deutschen Kunstforschem
Wilhelm v. Lübkc hat eine neue Bearbeitung desselben Stoffes in Stuttgart
veröffenilicht (1Ö90). Auf alle diese Werke seien die hingewiesen, welche
ausfQlirlicherer Srlülderungen bedürfen; sie werden zugleich in ihnen audi gute
zuverlässige Abbildungen finden, und diese sind für Jeden, der sich unter-
richten will, selbstverständlich von der höctistcti Bedeutung. Deshalb eru'Uhne
ich auch noch das grcfsse Bilderwerk von Ernst Förster, Denkmäler dtuischer
Kunti (Lpz. 1S55 — (Tg), dessen Wert weniger auf dem erklärenden Text als
auf den vortrefflichen Abbildungen beruht. Dann die Kunstgeschichte von
Karl Schnaase und zwar die Bande III — VIII (2. Aufl. Düsseldorf
1869—79).
Für den Zweck, den dies Werk hier im Auge hat, wird eine kurze Schil-
derung der wesentlichen Momente ausreichend sein. Erwünscht wäre es,
hätte die Tcclmik der einzelnen Kunstzweige besprochen werden k<3nnenf
indessen ist dies in dem so beschränkten Räume nicht möglich. Eine Orien-
tierung über die Technik der wichtigsten Kunstzwe^e habe ich in meiner
EinfOhrung in das S/ut^ium der netteren Kuns(gesehickte (Prag und Lpz. 1884;
2. Aufl. 1&S7) zu geben versucht.
532
XIII. Kunst, i. Bildende Kusst.
Über die englischi? Kunstgeschichte bietet Franz Kiigicrs Geschichte
der Bankumt II und III (Stutlg. 1858 und 1859) eine hinreichende auch mit
Abbililungen ausgestattete Orientierung, und die Geschichte der Skulptur und
Malerei wird mit genauer Verzeichnung der Quellenschriften in der zweiten
Ausgabe von Schnaase's Kmislgfsrhüfile gefunden, ein Werk, das auch die
Geschichte der englischen Architektur nach neueren Forschungen vorffthrt.
Die ältesten Denkmäler deutscher Kuii^täbung Hegen uns in den durch
ihre eigentümliche (.hnamentik interessanten (Jrnbi'rfunden vor (vgl, L.
Lindeuschniid t, Alh-nhimcr tkr hehiniichen Vorzeil. Mainz 1858). Ihre
Herkunft ist jedoch in den seltensten Fallen mit \nller .Sicherheit zu bestim-
men, wenn nidit, was selten genug der Fall ist, Runeninschriften deu germa-
nischen Ursprung jener Überreste verbürgen (Rud. Hennig, die tieutsrhtn
Runendenkmiikr, Strassburg i88q. So haben wir in der bei Müncheberg
gefundenen bronzenen Lanzenspitze ein sicheres Denkmal deutscher Herkunft,
da die in Silber tauschierte Runenschrift dies feststellte. Allein in vielen Fällen
kann es zwcäfcllia/t sein, ob wir in den Funden Arbeiten der Deutschen oder
Slawen vor uns haben. Und wenn der deutsche Ursprtmg sich zweifellos be-
weisen lasst, so ist es meist auch darui noch unmöglich, die Zeit der Anfertigung
zu prüzLsiercn. So dürften zu den Ültcstcn sicher beglaubigten Monumenten
deutscher Kunst die im Grabe Childerirh I. (t^f^') zuTfiiimai 1O.53 gefundenen
Waffenstücke etc. gehören, die jetzt in den Pariser Museen bewiihrt werden,
denn an den Überresten vom Palaste des Theodorich zu Ravenna sind gar
keine Spuren eines germanischen Kunsteinflusses zu entdecken: an dem Grab-
denkmal des grossen Golcnkünigs dürfen deren nur sehr sparHche nachru-
wcken sein. Eine eigentümliche Oroanientik findet sich dagegen an den
Schnallen, Sc h muckse hcibcn etc., die m den Franken- und Atemann engräbem
am Rhein, in der Schwein: entdeckt wurden sind. Diese Zierstückc sind ge-
wöhnlich aus Ei-scn geschmiedet; in die FIftche des dunklen Eisens sind die
Ornamente tief eingeschnitten, diese Einschnitte dann mit Silberdraht, den
man fest einhämmerte, au^cfdllt worden, so das nun das Ornament hdl auf
dunklem Grunde sichtbar wird.
Am häufigsten treffen wir das <^maraent des Bandgeflechtes au, das iu
den mannigfacluitcn Vurschlinguugen dargestellt ist. Walirscheinlich hatte
man ursprünglich farbige Lederstreifen zur Zier an die Wände genagelt;
die Nagelköpfe sind in den Tauscblerarbeiien der Gräberfunde durch Punkte
angedeutet, in den Sleinomamenten der roinanisclien Kuiust aber ganz deut-
lich mit runden oder facettierten Fonnen zu erkennen. Am Anfang und
Ende solcher Bandgefleclite brachte man wohl Tierköpfe an, fQlhc leere
Stellen im Ornament dadurch, dass man Tierklauen aus dem Bandstreifeu
hervori^'achsen Hess, und so gestaltete sich dies Oniameut noch phantastischer,
indem märchenhafte Schlangen und Ungetüme sich zu \nel verschürzten Knoten
vereinigt zu haben schienen (v-gl. Sophus Müller, Die Tieromamentik im
Noriien, übers, v. J. Mcstorf. Hamb. iKKi und L. Dietrichson. Den ttonk*
tt-Qtskyaileierkmtdi. Cliristiania 1878). Diese Form des Zierat, die sich in
den fränkisch-alemamiischen Grübeni vorfindet und die bis in die christliche
Periode fortreicht, ist nun weit verbreitet ; in England wird sie welfach zur
Ausschmückung der Stuinkruuze (z. B. in HawkswetI, Penrith, Bedall, Walton
!o Yorkshiro u. s- w., vgl. Mackenzie E. C Walcott, Soned Arthatalogy.
Lond. 1868, S. igs), ver\iendet, in Iriand ist sie z. B. noch iJi Sarkophag
des Cormac Mac Carthy (t 11 38) zu Cassel (abgeb. C. Fr. Kugler, Gtsck. d.
Bauiumt II, 2f>4), ru bemerken; auch die irischen Minialuren, die in Sl
Altgerm AKiscHE Kunst. Einführung der rOuischsk.
533
Gallen und an anderen Orten DeuLsrhIands von irischen München attsgefQhrt
wurden, zeigen alle mehr oder minder modifiziert dies charakteristische Oma-
mcait. In Dänemark sind dieselben Formen nachzuweisen, endlich erscheinen
sie hoclientwickett nur bei monumentalen Bauten verwendet an den norwe-
j;i$chen Holzliirchen (vgl. L. Dietrichsou. die uordtscticn Stabbirchcu. — BeiUn
i8q5); walirsdieinlich hat neben dieser den kirchlichen Zwei'ken gewidmeten
Baukunst auch ehedem eine Prorankunst bestanden, sind auch Wohnhäuser
in ühnlichcr Weise ausj^esflimOckt worden. Diese Ornamente und verM-andte
Motive, denen u-ir bei den romanisirhen Bauten des elften und zwölften Jahr-
hunderts begegnen, die eJgentQmlichen WUrfclkapilfilc, die Eckknollea m
den Saulenbasen, die akulpierten Saulenschflfte, alle diese Formen scheinen
atif das Vorbild einer reich entwickelten Holzbaukunst zurückzusehen, bei
deren AusschmQckung die Schnitzerei wie die Farbe Verwendung fand.
In dieser Weise müssen wir uns den Palast des Attila, den Priscus (hrg. v.
Niebuhr. Bonn 182g), schildert, vorstellen, ebenso wie die Halle Heorot,
welche im Beowulfliede beschrieben wird (Montz He^-ne. die Halle Jfmrot
etc., Paderborn I**Ö4); reicher mit geschnitzten Figurendarsteilungen geziert
ist die Halle des Olaf Pa, die in der I-^axdaelasage Erwähnung findet. (Finn
Magnusen, de imaginibtis in Aede Olai Piwonis in Ijtxdaela mfmomtts.) Sehr
walirscheinlich ist es nun, dass die Slaven diese Kunstform von den Deutschen
annahmen; der Tempel zu Rethra, den Thietmar von Merseburg bespricht.
der zu Stettin, weicher von den Biographen des Missionars Bischofs Otto
von Bambeig geschildert wird, der von Arcona endlich, dessen Beschreibung
ftir Saxo Granunaticus verdanken (vgl. die zusammengestellten Citate in
Schnaase's Gesch. d. bild. Küiisle * III. ,^10 Anin. i). sind augcnscheinlidi
ganz in der Art jener alten Hallen erbaut und dekoriert gewesen.
Die C'berrestc jener altgermanischen Holzbaukunst sind sehr gering; man
sollte indessen doch dieselben s;inmieln; durch Hinzunahme der in der roma-
nischen Ornamentik nachweisbaren nicht rüml-ichen Formen würde es wohl
möglich sein, unsere Kenntnis über die Anfange nnserer heimatlichen Kunst
zu mehren und zu vertiefen.
Dieser heimischen Kunstfnrra trat nun nach Einführung des Christentums
die römische gegenüber, die bei der Erbauung vun Kirchen ausschliesslich in
Gebrauch war. Vor dem achten Jahrhundert sind kaum Reste von Bau-
denkmalen crhahcn; zu den ältesten Proben gehört die bekannte Vorhalle
der Kirche zu L<^rsch, deren Fnnnen einen strengen Anschluss an antike
Vorbilder nicht verkennen lassen. Ebenso ist das von Karl dem Grossen
errichtete Monster von Aachen nach byzantinischem Muster, vermittelt durch
die Kirche St Vitale zw Ravc-nna, konstruiert, eine Grabeakirche, wahrschein-
lich zur Aufnahme von Karls Grabmal bestimmt. Das Aachener Münster,
ein Achtecksbau, bedeckt von einer Kuppel, mit einem scchzehneckigeii
Umgang, wurde \ielfach selbst n«xh in späterer Zeit nachgeahmt (Schnaasc
a. a. O. lU 525}; sowohl in den aus der Ottoncnzeit herrülircndeii Bauteilen
des Münsters zu Essen als auch in der Kirche zu Oitmariheim im Elsass
sind Anklänge an das Aachener Münster unschwer zu erkennen. Aus der
Zeit Karls des Grossen dürften dann noch die schlichten Basilikenanlagcn zu
Seüg^stadt und Michelstadt herrühren. Von den grossartigen Profanhauten
Karis des Grossen ist nichts melir übrig; der Aachener Palast, den AngUbert
und der Monachus Sangallensis beschreiben, wurde von den plündernden
Normannen zerstört (Franz von Reber, die Paläste von Ravenna und Aachen.
München 1S95); von dem Ingelhcimer Schlossbau sind wenigstens einige
Kapitelle im Dom und im Museum zu Mainz, eine Säule im Sdilosshofe zu
53-1
XIII. Kunst, i. Bildende Kunst.
Heidelberg erhalten. Klar tritt In dei Karoliugisdicu Kunst das Bcstrcbca^
hervor, im Geiste und mit der Formenspnichc der Römer zu bauen; weisea
auch die Zieraten der Kapitelle etc. nur ungeschickte Nachbildungen unge*
übter Steinmetzen auf, die antiken Vorbilder sind doch nicht zu verkennen.
Auch die Gemälde, mit denen diese Paläste einst geziert waren, sind ver-
sch»-undcn. Nach Paulus Diaconus hatte die Longobardcnkönigin Theode-
limla in ihrem Palaste zu Monza Darstellungen aus der Geschichte ihres
Volkes nmlori lassen; umfangreiche Wandgemälde bedeckten die Wände dcÄ
Palastes zu Ingelheim. Wie wir aus dem Gedichte des Ermoldus Nigdlus
erfahren, waren die Hcldenthaten des Altertums aber auch die »Gesta patema«
die Geschichte der frankischen Ffirsien, die Grossthaten derselben, vorgeführt,
wie noch Heinrich I. im Palaste zu Merseburg ein Gemälde zum Auderdten
seines Sieges Über die Ungarn ausführen liess. Der Verlust dieser und ähn-
hcher Malereien ist sehr zu beklagen; die erhaltenen Reste von Darstellungen
aus dem christlichen Kreise können uns keineswegs entschädigen, da ia
ihnen das volkstümliche Element so gut wie gar nicht zu Geltung kommt,
es sich meist nur um mehr oder weniger verfelille Nachbildungen spatrümi-
scher Vorbilder handelt. Aber auch die Wandmalereien, die in jener Zeit
xahlreich in Kirchen und Kk^stem ausgeführt wurden, sind zu Grunde ge-
gangen und allem die Miniaturen, mit denen Pra<:hthandsehriften wie Evan-
geliarien, Psalterien und Gebetbücher aller Art ausgestattet wurden, geben
uns eine Vorstellung von dem Stande der Malerei in der Zeit Karls des
Cnösen (vgl. Franz Leitsrhuh, die karolingische Malerei). In der Orna-
mentik der Miniatunnalerei gewinnt jetzt die Verwendung der Pflanzen formen,
die durch Nachaliniung römischer Vorbilder üblich werden, an Bedeutung.
Von besonderer Wichtigkeit ist da das Evangehstariima von Godescalc
781 vollendet, frilher in S. Satumin zu Toulouse, jetzt in der Bibliotheque
Nationale zu Paris, die AIcuinsbibel in Bamberg, die Bibel Karls des Kahlen
in der Pariser Bibliothek und ein Evangcüar aus S. Emmcram in Kegensburg,
jetzt in der Mümbener Hof- und Staatsbibliothek, endlich die Bibel in S.
Calisto zu Rom, für Karl den Kahlen oder wie Rahn annimmt für Karl den
Dicken, ausgeführt. (Vgl. die Trirrer Ada-Ih. hgg. v. K. Menzel, P. Corssen,
H. Janitschek, A. ScluiÜtgen, F. Hettner. K. Lamprechl, Leipz. 1889).
Die Figurendarslellungen sind meist steif unil leblos, ungesckicktc Nach-
atunungcn lüngst vorhandener Muster, dagegen sind die Zieraten der grossen
einen Abschnitt des Buches eröffnenden Anfangsbuchstaben, der literae
initiales, meist mit vielem Geschmack und zwar in der Art der schon ge-
schilderten Band verschlingungen des alten Stiles, verbunden mit der neu hin-
zutretenden Pflnn/enomamentik ausgeführt, glücklich in der Farbenzusammen-
stcllung, die durch die Anwendung von polierten Goldpia liehen noch einen
eigenen Reiz crlWtlt. Die vorzüglich gelungene Ausgabe des Ihalttrium aurtum
von S. Gallen durch R. Rahn veranstaltet (St Gallen 1878), kann eine Vor-
stellung von der Wirkung dieser Initialen vermitteln.
Wahrend es bei den Miniaturen oft möglich ist, Herkunft und Ent-
slehungszeii wenigstens annähernd zu bestimmen, ist dies bei den wenigen
erhaltenen Skulipturen meist ganz unrnf^glich, ja ^^'ir können wohl nur das
eine mit Bestimmtheit behaupten, dass die Elfenbeinschnitzwerkc, welche
uns in Ermangelung grösserer plastischer Monumente, die Enrwickitmg
der Plastik Im ersten Jahrtausend unserer Zeilrechnung aufweisen, wenige
Ausnahmen abgerechnet, nicht in Deutschland, sondern in Italien angefert^t
worden sind. Nur ein solches Schnitzwerk, die Einbandtafcln des Evangelium
longum in der S. Gallenser Bibliotliek ist — ob zum Teil oder ganz, du
I
wullen wir hier unctörtert lassen — von Tuotilo, dem kunstreichen MGnch
von S. Gallen (t nach 915), ausgt^nhrt worden. Ich habe das interessante
Leben dieses KOnstmönches im ersten Bande von Dohmcs Kunst und Künstler
geschildert und diirauf hingewiesen, wie in denDarstdIungrn aus dem I^hen des
11 Gallus sfhon eine gewisse Frische der Naturbenbachtung nicht 7,u verkennen ist.
Noch weniger Denkmäler ältester Kuiu-tübung sind iu England erhalten;
6ic sind wohl zum gössen Teile wahrend der Kriege des 15. Jahrhs. und in
den Religionskampfen des lö. und 17. Jahrhs. zu Grurde gegangen.
Als aucli in England das Bedürfnis erwuclu», statt der bisherigen Holz-
bauten steinerae Kirchen u. s. w. zu errichten, fanden sie im Lande keine
Arbeiter vor, die dieser Aufgabe gewachsen waren, sie mussten ^tau^er aus
Krankreich kommen la-ssen (vgl. Schnaase a. a. O. 525), die nun zugleich
auch die rOinisdien Bauformen, welche in Frankreich unter den Meruwingem
nur in unges*:hickterer Ausführung noch immer die herrschenden waren, nach
England übertrugen, dort juxta Romanorum morem bauten. Als Beispiel der
Bauform kntm der Tliunn zu Karls Barton in Nortliamptonshirc dienen (vgl.
Schnaase a. a. O. 57'> und Kugler, Cesrh. d. Baukunst II, 2.^yff.).
Von äJtCTen Skulpturen ist, so viel mir bekannt, In England nichts erhalten,
dagegen finden sich in den englischen Bibliotheken noch zahlreiche Proben
angelsächsischer Miniaturmalerei vor. Woltmann hat in seiner Gcschichtt
der AiaUrei (I, 2O7) die wichtigsten Bilderhantlschriften aufgezahlt und be-
schrieben, und eine Probe aus dem Renedictionale des h. Aelhelwuld, Bischofs
von Winchester, geschrieben von Godemannus vor Q70, milgetcilL Dies inter-
essante Manuskript befindet sich jetzt in der Bibliothek des Herzogs von
Devonshire zu Chatsworth. Das Ornament erinnert bin und wieder aji das
irischer Manuskripte; die Figuren sind entweder im Geiste der festlandischen
Kunst entworfen oder mehr »skizzenhaft ungeschickt, aber mit lel»endiger
Bewegung gezeichnet.
Im al^emeineu blieben die Grundsätze der karoUnlschcn Baukunst, das8
die römische Kunst das mustergihigc Vorbild für die Gestaltung der archi-
tektonischen Details biete, auch für die nüchstfulgende Zeit in Gülü'gkcit;
die Kapitelle in der Kr^-pta der \Vi|icrtikirclie zu Quedlinburg (erbaut etwa
unter K'jnig Heinrich I.) verraten klar, dass dem Steinmetzen die Form des
ionischen voRchwebtc; besser dem korintliischun Muster nachgebildet sind
die Kapitelle von der Vorhalle zu Corvey und die der Barth otom 3 uska pelle
2U Paderborn, Bauten aus dem 11. Jaiirh. Allein das eiruige Vorbild bot
die römUchc Arciiittiktur denn d*)ch nicht; waren nidit Denkmäler römischer
Baukunst in der Nahe, so dass sie der Architekt, der Steinmetz gründlich
zu studieren vermochte, so wird zunächst die Nachbildung eine nur im all-
gemeinen zutreffende; wo das Gedächtnis den Arbeiter im Stiche lasst, hält
er sich ungefähr au das Schema, z. B. des korinthischen Kapitells^ setzt
aber stair der Akanihusblatter erfundenes Blattwerk, oder entnimmt der üim
«uganglichen Pflanzenwelt die Formen, durch die er die üim fremden
Akanthu.somamente ersetzt Solche Versuche treffen wir schon in der Stifts-
kirche zu Gemrode, gegründet vom Markgrafen Gero ohi. C>der man ver-
sucht die fremdartige Kapilellsf<)rm durdi Nachbildung von Gestaltungen
der allheimischen Holzbaukunde zu ersetzen; das sogenannte Würfelkapilell
und veru'andte Formen treten schon neben antikisierenden S^ulenknaufcn in
der Krj'pta der Wipcrtika pelle zu Quedlinburg auf, noch deutlicher in der
Krypta der Schlosskirche, wo neben zieinlich streng gebildeten korinthisclien
Kapitdlen, solche mit BandvetscliUngiingen, mit Sdilangen und Fmtzenwcrk
^dekorierte uns begegnen.
536
Xin. KuxsT. r. Bildende Kunst.
Die AiisgestdUuiig der Kirt:hcnbauktinst, so weit dies die Gesaratwirkung,
die Disposilioii des Grundrisses u. s. v. betrifft, enwickclte sich unabh.1ngig
vrm den soeben geschiWcrteti Erscheinungen, in der Omaincntik scheu wir
aber bis ins ii. Jahrh. hinein xwei, oder wenn man will drei verschiedene
Elemente auftreten , die allniahlicli sich wieder zu einem harmonischen
Ganzen vereinen: die Formcngcbung der römischen Baukimst, die Vorbilder
einer altheimischen Holzarchitektur, endlich die Nachahmung von Pflanzen,
Tieren u. s. w., die der Künstler in seiner nächsten Urugcbuiig aiitraf und
aus denen er neue Gestaltungen zu bilden sich bemühte, Auf die Omamenirk
allein stützt sich also die Begründung des Namens romanisdic Kuust; sie ist
in ähnlicher Weise entstanden, wie die romanischen Sprachen. Auch hier
bildet die Grundlage die römische Kunst, deren Formen vergri""bert und ver-
schliffen werden, und mit dieser verbindet sich dann ein germanisches Ele-
ment, wahrend die naluralistische Beimischung zunächst noch gering erscheint.
aber mehr und mehr an Btxlculung gcv*innt und endlich, jcducli immer uocli
stilisiert, in der sogen, gotischen Kunst die beiden anderen Elemente gänz-
lich in den Hintergnuid drangt Die Bauforai der Kirche im allgemeinen
ist wie die Kirche selbst dagegen international; nur in Rinzetnheiten, vor
allem in der Omamenlik prSgl sich nationale Eigenart aus, weim dieselbe
auch nicht an die politischen Grenzen gebunden ist, oft dieselben Überschreitet
Die Kunst steht fast ausschliesslich im Dienste der Kirche, Privatbauten
sind selten mit einem grösseren Aufwand von künstlerischem Zierrat ausgc-
fillirt worden. Die Künstler sind denn auch, wenigstens in den Tandem, in
denen das Christentum neu eingeführt wurde und nodi kein entwickeltes
Kulturleben VH->rfanri, immer zunächst die Geistlichen, Mönche wie Wch-
priester; sie bauen, meisseln, malen, sind in allen Fächern der Kleinkuiut-
technik geübt und erfahren. Das ist für die älteste Zeit zutreffend, gilt aber
nicht für die folgenden Jahrhunderte. Kunstübende Mönche und Wcltpricstcr
hat es ja auch da gegeben, allein in der Kegel waren die Geistlichen nur so
weit in der Kunst gebildet, dass sie die Ausführung eines Kunstwerkes an-
geben und aachverstflndig überwachen kormten. Die Arbeil selbst blieb
weltlichen Werkmeistern überlassen.
Wir rechnen die Dauer des romanischen Stiles in Deutschland bis etwa
um die Mitte des 13. Jahrhs. Von her^'orragenden Bauten sind zu erwähnen
aus dem ri. Jahrh. der alte Teil der Michaeliskirdie zu Hildesheim, erbaut
vom Bischof Beraward {f 1022), die Kirche St. Maria im Capitolio zu Ki>ln,
geweiht 1049; aus dem 12. Jahrh. die Dome zu Mainz, Speyer (gegründet
1030). Wanns (geweiht Ii8.^), die Klustcrkirchc zu Laach (geweiht 1156K
das Münster zu Bonn, die Klosterkirche zu Paulinzelle, die Liebfrauenkirche
zu Hatberstadt. Aus der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts rührt her die
Doppeikapellc zu Schwarzrheindorf gegenüber von Bonn, die in Landsberg in
Sachsen, der Chor der Gereonskirche xu Köln, der Bau der ApnsteJkircho,
der Kirche Gross-St. Martin zu Köln und zalilrciche andere Bauwerke.
V(»n Monumenten des 13. Jahrlis. seien erwälint die Quirinskirche xa
Neuss (1.2OQ begunnen). die Kli:>sterkirche zu Heisterbacli im Siebengebirge,
12 10 — 33 erbaut, von der wenigstens der Chorichluss noch erhalten ist, der
Dom zu Limburg an der Lahn (geweiht 1235), die Pfarrkirche zu Gelnhausen,
der Dom zu Bamberg (OstteiJ gc\k-eiht 1237) und der Dom zu Naumbuij;
an der Saale (geweiht 1247).
Von Privalarchitekturen finden wir aus dem li. und 13. Jahrh. Bewpielc
von Häusern in Trier, zu Ki^ln, zu R^ensburg, dann die Kaiscrburgun zu
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<jdnhausen. Wimpfen, Eger, die Wartburg, die Burgen zu MOnzenberig UDd
zu Seligen Stadt und viele andere.
In England fallt die Neugestaltung der Baukunst mit der Erorbenini; durch
■die Normannen (io'j'j) zusammen. Zu den früliesten erhaltenen Dcnkinflleni
gehören die Reste des Klosters von Sl. Albans und der sog. weisse Turm
im Tower zu Londim. die Kathedrale zu Winchester (Kreuzschiff 1079 — Q3),
<ler Chor der Kathedtale zu Norwich (1096 — iioi), die Krt'pta und der
Oior zu Gloucester (1088 — 1100). Dem 12. Jahrh. gehören an Bauteile der
Kathedralen zu Peterborough, zu Ely. zu Cliichester, zu Rocheater (geweiht
1130}, zu Worcester. Bei dem Bau der Kathedrale zu Canterburj-, nach dem
Brande 1 174, erscheint ein fninzösischer Meister Wilhelm von Scns, der die
Formen französischer Frühgotik der all hergebrachten romanischen Forraen-
gebuiig beimischt. Und so wird in Kitgland früher als in DeuLichland, der
Kinfluss französischer Kunstfumien b(-nifrkb;ir, eine TliatÄache, die ja auch
bei dem innigen Verkehr beider Länder ganz naturlidi war. Ober die
Privalbauten Englands vgl. T. Hudson Turner, Some account of äomestic
Jinkilature in En^iaud /r»m thc conquut to the end 0/ Ihe thirtecntk cenittrv
^Oxford 1851).
Unter den plastischen Werken des n.Jahrhs. ragen in Deutsrliland ganz
besonders liervur die Erzgussarbeiten, die auf Anregung des Bischofs Bem-
ward von Hildesheim (f iozi\ ausgeführt wurden, die Bronzethürflügel und
<Iic eherne Sflule, beide ursprünglich für die Su Michaelskirche bestimmt,
jetzt ztuu Dome zu Hitdesheim gehörig. Vor allem interessant erscheinen
die Reliefs an der ThOr, Scenen aus der Schi'ipfungs- und I'assionsgeschichte,
in denen in bewegten lebensvollen Kumiwsitionen mit lierzlich stümperhaft
entworfenen Figuren die biblischen Geschichten vorgeführt werden. Von
■einer Kenntnis der Gesetze des Keliefstilt^s ist bei diesem Bildhauer garnicht
die Rede, wohl aber kennt dieselben sehr genau der Künstler, welcher die
Modelle zu den Er/tliüien des Augsburger Domes entwarf, einem Werke,
<l3s nicht lange nach den Hil<lesheimer Arbeiten entstanden sein muss. Bei
diesem merkwürdigen KunstWL-rke ist die Nacliahmung antiker Vorbilder mehr
als wahrscheinlich, jedenfalls hat der Künstler römische Monumente strengen
Stiles gekannt, wenn er diese Kenntnis vielleicht auch nur dem Studium ge-
schnittener Steine verdankt, ist der Hildesbeimer Meister durch die Frische
■der Komposition ausgezeichnet, so tritt uns hier schon eine relative Korrekt-
heil der Form entgegen, die auf dura Studium antiker Kunstdenkmale l>erulit.
Die Elfejibeinschnitzereien an der I'rachtkanzel des Aachener Münsters, die
unter Heinrich II. entstanden sein sollen, stehen ui Beziehung auf Formge-
schick noch über der Augsburger Broiizetbür und zeigen uuvcrkcimbar die
Nachahmung römischer Vorbilder, es ist aber sehr fraglich, ob diese Arbeiten
in Deutschland entstanden sind oder nb man sie als deutsche Kunstdenk-
mdler bezeichnen darf. Die Grabplatte des Gegenkiinigs Rudolf von Schtt-a-
ben (t 1080) un Dome zu Merseburg z«gt noch von grosser Befangenlicit
tmd künstlerischer Schwache. So ist der Fortschritt, den wir bei der
Betrachtmig des ehernen Taufbeckeas in der Barth oloraäikirche zu Lüttich
bemerken, ein ganz gewaltiger. Dies Werk vo\i um 11 12 von einem gewissCD
Lambert Patraa von Dinant gegossen sein. Hier ist schon die lebendige
Komposition mit einer angemessenen Formenschünhcit vereint. Weniger
Vann man dteä von dem grossen Relief an den Exlemsteiucn beliaupteu.
D^pegen lernen u-ir in dem grossen mächtigen Relief am Neuthor zu Trier
«inen sehr bedeutenden Künsüer kennen, der wohl in Kleinigkeiten, wie in
der Anordnung des Gewandes noch einige Befangenheit zeigt, seine Ideal-
338
XIII. Kunst. 1. Bildende Kunst.
gestalten aber trefflich zur Darstellung zu bringen weiss. Sicher hat der Trierer
MciätLT Denkmäler rumischi.'r Plastik, die ja aller Wahrscheinlichkeit nach in
Trier und Umgebung anzutreffen waren, studiert, wie ja aurh die Erhebung
der frjmzösischen Plastik des zwiil/ien Jahrhunderts auf dem Studium der
römischen Bildwerke der Provence beruhen. So hat diesseits der Alpen
eine erfolgreiche Förderung der Plastik durch das Studium der römischen
Denkmäler schon mehr als hundert Jahre früher sich vollzogen, als Nic-
colo Pisano in Italien den gleichen Versuch machte. In den Stuckrelicfe
der Michaciskirchc zu Hildesheim ist die unfreie Art der Gewaiidbchand-
lung noch wahrzunehmen; in den ähnlichen Arbeiten der IJebfrauenkirche
zu Halberstadt ist aber jene Befangcnlicit schon Übem-undai, und um
den Beginn des 13, Jahrhs. finden wir bereits den Bildhauer im Vollbesitz
der techTiischen und künstlerischen Vollkommenheit, die seit dem Verfall der
römischen Kunst man vei^blich gesucht. Zu gleicher Zeit ist in Frankreich
ein gewaltiger AuTsdiwung der Bildhauerkunst zu gewahren; wie weit derselbe
auf Deulsrliland eingewirkt, oder ob in beiden Landern die Kunst sich selbst*
ständig zur höchsten Vollkommenheit entwickelt, verdiente wohl eine genauere
Untersuchung.
Der ersten Hälfte des 13. Jahrhs. gehören die plastischen Bildwerke
der Kirche zu Wechselburg zu, die alteren Reliefs an der Kanzel, die
Jüngeren Rundfiguren an dem Altar. Hier ist bereits das Gefühl für Fonncn-
schönheii hfich entwickelt ; noch mehr offenbart es sich an den herrlichen
Skulpturen der goldenen Pforte am Dome zu Freiberg im Erzgebirge. Audi
die gro.'aen Statuen am südlichen Pönale der Ostseiie vom Dnme zu Bam-
berg, die vortrefflichen Standbilder im Westchore des Domes zu Naiunbtu^
(circa 1270) dürften hier zu erwähnen sein.
So hat im 13. Jahrh. in Deutschland wie in Frankreich die Kunst der
Bildnerei ganz hervorragendes geleistet, bedeutenderes, als es späteren Jahr-
hunderten zu erreichen beschieden war. Wenn wir aber heute in die zu
jener Zeit geschaffenen Bauten hineintreten, die damals enL-*tandenen Denk-
maler der Plastik betrachten, so müssen wir uns immer noch eins liiuzu-
dcnken, was den Monumenten heute in den meisten Fallen fehlt: die Farbe-
Die Architekturen sind im Imicrn immer, vielleicht S'jgiir im Äusseren mit
leuchtenden Farben bemalt gewesen, und ebenso hat man die Bildwerke natura-
listisch gefärbt. Nach den uns erhaltenen Resten geschah dies aber mit
einem so ausgesuchten Schön hei tsgcfühl, dasa diese bemalten Kunstwerke
ganz vorzüglich wirken. Das Grabmal der h. Aurelia in Sl Emmexara zu
Regensburg. allerdings erst aus dem 14. Jalirli. herrührend, zeigt noch Spuren
der alten Polychroinie und kann allenfalls als Beispiel einer bemalten Skulptur
angeführt werden,
Auch in England tritt um die Mitte des 13. Jahrhunderts, unter der
R^erung Heinrichs HI., eine Blütezeit der Plastik ein. Unter französischem
Einfluss entstand das Denkmal des Königs Johann (t I2ib) in der Kathe-
drale zu Worcester. Die Figuren der GrabmSler werden lebendiger; nicht
mehr wird der Tote in starrer Rulie auf dem Sarkophag hingestreckt darge-
stellt, sondern die Beine sind wie zum Fortschreiten gekreuzt, die Rechte
fasst den Schwertgriff, trotzig imd kampfbereit schauen sie aus. Im Chore
der Westminslerkirche zu London ist eine reiche Auswahl mittelalterlicher
Denkmäler; die schönsten sind die in Bronze gegossenen Bildnisse Heinrichs
HL (127^) und der Königin Eleonore (I Mc,o); der Künstler hiess Wilhelm
Torel). Zu nennen sind dann noch die Skulpturen in den Kathedralen <n.
Welis und zu Lincoln.
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Was nun die Entwicklung der Malerei anbelangt, so gelangt dieselbe ja»
Vit bekannt, spater als die Architektur und Plastik zur hC'clislen Blote. Die
deutsche Miniaturmalerei wird unter Oen Ottonen eifrig gepflegt. In Paris
(Bibl. nat lat. H851) »ird eine Pracht Handschrift bewahrt, in der die Bildnisse
Heinrichs L, Ottus I. und II. gemalt sind. Ein aus Echtcrnach stammcndcii
EvaiigcHar, jetzt in Gotha, zeigt auf dem getriebenen Einband die i'ortraits
Ottos ni. und seiner Mutter Theupliano. Besonders l>emerkcnswert erscheint
aber das aus Bamberg nach München gebrachte Evangeliar, auf dessen
I>edikarionsbilde wir Kaiser Otto III. (früher nahm man an Heinrich II.)
umgeben von äcincn Hofbcanitcn, dargcslellt sehen, wie ihm Roma, Gallia,
Germania und Sciavinia ihre Huldigungen darbringen. Andere aus Bamberg
stammende Evangcliaricn, jetzt in München, zeigen das Bildnis Heinrichs II.
Ein Evangelistarium aus Kchtemach. jetzt in Bremen, enilialt die Portraits
Heinrich.s III. und seiner Mutter Gisela- Ein Bild Kaiser Heinrichs V. findet
sich endlich in dem Evangeliar der Krakauer Bibliothek, das nach Weltmanns
Vorarbeiten 1887 von M. Thausing tuid K. Ricger in den Mitt. der K. K.
Centralcomm. f. Erf. u. Erh. der Kunst- und bist. Denkm. NF XIII. pubti-
»ert worden ist. Von historisch interessanten Miniaturwerken wQre datm
noch zu neimcn das für Heinrich den Löwen geschriebene Evajigcliar, im
Besitze des Herzogs von Cumberland. das Psalterium des Landgrafen Her-
mann von Thüringen in Stutlfiart, das für denselben Fürsten gefertigte Gebet-
buch, jetzt zu CividaJe im Friaul.
Wenn auch ein Fortschritt in der Zeichnung und Malerei wahrend des
12. Jahrhunderts sich nicht leugnen Iflsst, so bleiben doch die Leistun-
gen der Malerei erheblich hinter denen der Plastik zurCick; in den Dar-
tteUungen biblischer Vorgänge bildet sich ein Schematismus aus, der mit
geringen Abweichungen immer wiederholt wird und der Individualität
des Künsüers kaum sich geltend zu machen gestattet. Freiere Entfaltung
ist derselben gewahrt, wenn die darzustellenden Vorgange nicht die herge-
brachten sind, wenn die Plianlasic des Künstlers auch schöpferisch thälig
»ein kann; dies ist z. B. der Fall bei den trefflichen Miniaturen, mit <!e-ncn
Herrad von Landsberg, Äbtissin des Klosters Hohenburg im Elsass, circa
115g — 75 ihr Werk den Hortus deliciarum ausstattete, ein Kunstdenkraal,
das bekanntlich bei der Belagerung von Strassburg 1870 zu Grunde ging.
Ahnlich ungebunden ist die Darstellung in den beiden der Berliner Bibliothek
angehörigcn Mlniaturhandschriften, dem het von der Maget des Wemher von
Tegemsee, der Eneit des Heinrich von Veldecke.
Die Volkskunst, wemi ich so sagen darf, ist freier, lebendiger, anschau-
licher; die kirchliche Kunst verfügt über grössere ForTnge:*"andthcit, die auf
der imimterbrochenen Tradition begründet ist. Durch die Vereinigung beider
Kunstströmungen »ird die Malerei zur hiVhstcn Vollkommenheit gefördert.
Grosse monumentale Wandmalereien sind erst aus dem Ende des hier
2U behandelnden Zeitabschnitt*^ erhalten. Die in der Vorhalle der Georgs-
kirche zu Oberzcll auf der Insel Reicheiiau vorhandenen Gemälde gehören
wohl n«ich dem Ausgange des 1 1. oder dem Anfange des 12. Jahrhs. an, zeigen
aber auch deutlich, wie sehr sie den gleichzeitigen Skulpturen nachstehen. Inter-
essanter und forraenschflner sind die Malereien in der Unterldrchc zu Schwarz-
rheindorf bei Bonn (Mitte des 12. Jahrhs.), die um dreissig bis vierzig Jahre
jflBgeren in dem Kapitelsaal zu Brauweiler bei Köln, die noch spateren
Gemälde im Nonnenchore des Domes zu Gurk in KSmthen und viele an-
dere. Es ist zimial bei den Schöpfungen des 13. Jahrhs. ein entschiedenes
Streben nach ruhigen voniehmsdiünen Formen zu beobachten; die Gesichter
540
XIII. KtwsT. 1. Rii.DEXDE Kunst.
sind oft unrkliili edel und sclifm gebildet, allein dieselben mit dem rechten
Leben zu erfüllen, die Gemftlsbewegungen, die Leideiisihaflcn auszudrücken,
dazu reicht die Kunst der Maler dieser Epoche nicht aus. Wo eine drama-
tische Handlung dargestcltl werden sull, wie dies beispielsweise bei den so
arg verdorbenen WandgemSlder des Domes zu Braunschweig der Fall ist,
zeigt sich diese Unzulanpüchkeit ganz unverholen.
Als merkft-flrdiges Beispiel einer gemallen Hnizdccku dürfte die der
Michael iskirc he zu Hildesheim. Ende des 12. Jahrhs., zu erwflhnrn sein.
Von Staffcleigemalden ist Iiervürzulteben ein Altnrwerk aus der Wiesen-
kirchc zu Soest, jetzt im Berliner Museum (13. Jahrb.); von Gla.snialcreien die
deji Dumes zu Augsburg (um 1065). die im Strassburger Münster aus dem
Anfange des 13,. Jabrhs., die im Kloster Heiligenkreuz in Österreich.
Auch in den figiidichcn Darsieüiingen der Tcppichstickerei und Wirkerei
zeigt sich die Kunst der daniaUgeii Mater; es sei besonders auf die inter-
essanten Teppiche zu Quedlinburg (1200) hingewiesen.
Die Eniailteclinik, die Kunst mit Schraclzfarben auf gravierte Metallplatten
eine Ail von Büdem herzuslcllen, wnirde mit Erft-Ig in Kr^ln und in Lothringcu
gepflegt. Eins der schönsten Denkmäler ist der Alfiraufsatz im Stifte Kloster-
ncuburg, 1181 von Nicolaus von Vcrdun gefertigt Aus der Zeit Kaiser
Friedrichs I. stammen die ReÜquiensrhreine Karls des Grossen zu Aachen,
der der h. Drei Könige iiii Dome zu Köln, Werke, die zugleich Zeugnis für
die Leistungsfähigkeit der deutsclien Goldsclimicdekunst ablegen. Die Tüch-
tigkeit der deuischen Meister wird bestätigt durch die mit Nielltrflarstellungen
verzierte Lichterkrone im Münster zu Aachen, eine Stiftung Kaiser Friedriclis I.
{S. E. aas'm Weenh, VS'andma!. d. MA. im Rheinlande.)
Von den Siteren W'andmalereien Englands erfahren wir nur aus gelegent-
lichen Äusserungen der CluL>nislen; so liat Heinrich I. (t 1135) das Zimmer
seiner Geimihlin itn Schlosse zu Nottingham mit der Darstellung der Thaten
Alexanders des Grossen ausmalen lassen; die Deckengemälde im Dome zu
Cantcrbur)- werden gerühmt: allein kein Überrest gestattet uns heute über
den Wert dieser Kunstleistungen ein Urteil zu fällen. Ebenso wissen u-ir
aus den erhaltenen Rechnungen, dass unter Köin'g Heinricli III. in Kirchen
und Schli"»aseni viel gemalt wurde; wir kennen sogar die Namen einiger der
vom Kftnig beschllfligien Künstler, z. B. den Meister Wilhelm von Florenz,
indessen von den damals ausgeführten Arbeiten ist so gut wie nichts erhalten,
da die Malereien der l'ainted Chamber im I'alaste zu Westtninstcr, die iSoo
aufgefunden worden waren, schon 1834 von einer Feuersbrunst wieder zer-
stört wurden, so dass wir, wenn wir von den auch nidit gerade belang-
reichen Miniaturen (cf. Schnaase a. a. O. V. 505), absehen, eigentlich nur
ein bedeutendes Denkmal anzuführen haben: den Tcp])ich von Baveux.
Gestickt ist derselbe auf einen Leinwandstreifen von 210 Fu.4S Länge und
19 Zoll Hohe von Mathilde der GemaliUn Wilhelms des Eroberera oder wie
einige wollen von der englischen I*rinzessin Mathilde, die den deutschen
Kaiser Heiniich V. heiratete und bis ii'->7 lebte (ibid. IV, 640, vgl. Wolt-
niaiin, Gesch. d. Malerei I, 2ijoff.; W. Waltenbadi in ilen Silzungsbericiiten
der Berliner Akad. i8qi, VII, Febr. 5, und Ztschr. f. bild. Kunst 1891, S. 176).
Die Eroberung Englands ist auf diesem Teppich in fortlaufender Darstellung
bildlich vorgeführt, und so bietet derselbe nicht allein ein sehr bemerkens-
wertes Denkmal der Kunst, sondern ein nicht minder wichtiges Dokument
für die Gescliichtc, für das Kriegswesen, für die Kt-nntnis des Lebens im
II. Jahrh. Grossen Kunstwert darf man ihm aber nicht beimessen; die
Zeiclmung ist &ehr dUettaniisch und unbeholfen, gtringwertiger, ais iii den
Miniatuien der ZeiL
Um die Mitte des 12. jahrhs. hntte in Krankreich der romanische Baustil
ciiie cigvntümlicli interessante Furtbüduug erführen. Auf die DctaiU, die in
jeder Geschichte der Bautcunst verzeichnet sind, kann hier nicht eingegangen
werden, es genüge darauf hinzuweisen, dass aus einer geschickten Vervoll-
kommnung der GcwOlbetcduiik aidi fulgerichtig eine vullc Umgestallung des
glänzen Bauorganismus, die Anwendung der Strebepfeiler tmd Strebebogen,
der hulbpol>'gonalen Chorgchlüsse, die Anwendung de$ S]:iitzbogens statt des
bislier allein verwendeten Kuudbugens herausbildete, mit einem Wurte der
Stil entstand, den wir, einem Scheltworte der Italiener folgend, den gotischen
nennen. Spitzbogen stil passt nicht, da der Spitzbogen nicht unbedingt
charakteristisch ist; noch weniger aber ist der Name altdeutscher Stil berech-
tigt, da diese von den Küuianlikecn als urdeul:«clt verelirte Bauform uacli-
weLsbar franzcisischen Ursprungs ist. So mag denn die thtlrichte Bezeichnung
des gotischen Stiles festgehalten weiden; jeder weiss, was er sich dabei zu
denken hat, und die Bauten als Werke der alten Guten anzusehen, wird wohl
im Krnste Niemanden einfallen.
Die Vün Suger, Abt von St. Denis, veianlasstcii Neubauten an seiner
Kirche (1140 — 44), die Errichtung der Kathedrale zu Chartres (1145) bringen
diese Slilwandeluug zuerst zur Gellung; es folgt die Katliedrale zu Noyon,
die Kiahe St. Remy zu Reims (31(14 — 81), Notre Dame zu Chälons-sur-
Mame (1157 — 85), dann der langwahiende Bau von Nölre Dame zu Paris
(von 1163 an), die Katliedrale zu Laon, zu Scns, Reims (von 1212 au), \'on
Amiens (1210 — 30), von Beauvais (1225) u. s. w.
Es währte bis in das 13. Jolirh., ehe man in Deutscliland von der neuen
Bauweise Gebrauch machte, aber da In der Ttiat die in Frankreich ent-
wickche Fortbildung des romanisdien Sülcs aehr viele praktisch beachtens-
werte Vorteile darbot, da überdies der Einfluss der franzüsischen Gesittung
schon im 12. Jahrb. in Dcutsdibnd sich Geltung verschafft halte, war es
ganz erklärlich, dass auch die deutschen Architekten von der Neuerung
Nutzen zogen. Am Chorbau des Domes zu Magdeburg (1207—34) zeigtett
sich die ersten nadiweisbaren Spuren dieser franz<'Xsischen Hinrichtung, wie
an der Uebfraueukirche derselben Stadt (seit 1215); bei dem sonst romani-
schen Bau des Domes zu Limburg au der Lahn ist dieselbe uicht zu %*er-
kennen, wie an dem polygonalen Teile der St. Gcreonskirchc zu Köln
(1211 — 27). 1227 wird die eiste ganz im Geisle der Gotik errichtete Kirdic
in Deutschland begonnen: die Liebfrauenkirche zu Trier. Und nun mchit
sich die Zaiil der gotischen Kirchen; es sei nur die EUsabethkirche zu Mar-
^^ (^235 — 83) erwähnt. Von hoher Bedeutung war es, dass man bd dem
Neubau des Kölner Domes, der 1248 begonnen wurde, französische Kadic-
dnden (Amiens) zum Muster nalun. Von dieser Zeit an ist der Sieg des
gotischen, die Zunlckd rängung des romanischen Stiles in Deutschland ent-
schieden und bd ;dlen neuen Bauuntemehmungen wunle er, wenige Aus-
nahmen abgerechnet (in Siebenbürgen wird noch in der ersten Hälfte des
14. Jahrhs. romanisch gebaut), fortan zu Gnmde gel^.
Der gotische Stil des 13. Jahrhs. ist streng in sdncr Formengebimg, sparsam
mit Zierraten, d^egcn beginnt schon im 14. Jahrh., ja bereits in den letzten
Jahren des 13., Luit an rddieni Omamentcnsdimuck sid» Gdtung zu ver-
schärfen. Der Veigleich der unteren Partie vom hohen Chore des Kölner
Domes (geweiht 1322) mit den oberen Bauteilen ist da sehr instruktiv. Die
Westfai^de des Strassburgcr Münsters durch Meister Erwin (die Bezeichnung
54^
XIIL Kunst, i. Bildende Kunst.
r
>von Steinbach« ist sehr problematisch!) 1277 zeigt schon dne ÜhcrtOlle des
ornamentalen DetaiU Der jirücluige duichbrochene Tiiriulielm des Freiburger
Monsters dürfte bald nadi Beginn des 14. Jahrks. errichtet worden sein.
Es kann nun nicht in dem Plan dieser kurzen Schilderung li^en, audt
nur die wichtlg^iten gotischen HaudL-nkinUler aufzuzilhlen. Es genüge nur
einige namhaft zu machen. Der Veitsdom auf dem Hrattschin zu Prag wird
1344 von dem franzusisfhen Meister Matthias von Arras begonnen, spater
135- von Peter \'On GemQnd weitergel>auL Die tiberreich auageataltete
Barbarakirche 7.u Kuttenberg fing man 13H5 oder 86 an. Früher noch als
der Bau des Prager Dumes ist der des Wiener Stefansdames, die Ausfülirung
des schi'H im 13. Jahrh. begonnenen Dnmes zu Regensburg. Wahrend bis-
her die bisdif>flidicn Kirchen, die Kathedralen, sowie die Khwlerkirchen mit
besonderem Aufwände vnn Kunst errichtet worden waren, suchen jetzt die
Städte ihrem Reichtum entsprecliend auch ihre Pfarrkirchen luxuriilVs auszu-
statten. So beginnt z. B. 1377 Ulm den Bau des Münsters, dessen gewaltige
Masse noch heule mit der kleinen Stadt In keinem rechten Verhältnisse steht
Auf den überladenen gotischen Stil des 14. und 15. Jahrhs., den man
etwa den gotischen Barockstil nennen könnte, folgt gegen Ende des 15.
Jahrhs. ein Stil der flusserslen Nüchteniheit und Schmucklosigkeit, der wohl
mit dem bekannten Zopfstile sich vergleichen liesse. Besonders in den
sachsichen Landen finden sich da Beispiele: der Dom zu Freiberg (seit 1484),
die Kirclie der hl. Aima zu Annaberg (1499 — 1525), die Marienkirche zu
Zwickau, die Kloslerkirche zu Chemnitz u. s. w. Diese ohne jede Phantasie
entworfenen Bauten raussten besonders allen denen unenrüglich erscheinen,
die in der Lage waren, sie mit den herrlichen Werken der italienischen Frülirenais-
&ance zu vergleichen. Der sogenannte gotische Stil war in der That erschöpft:
und ging an Entkraftung zu Grunde, vmd an seine Stelle trat nun schon
der ersteq Hülfte des lö Jahrhs. der neue Baustil, welcher italienische Zier-
formen der Zweck mä-ssigkeit deutscher Bauten anzupassen sich bemühte und
spater jene zum mindesten wunderliche Stilgattung hervorrief, die wir mit
dem Namen der deutschen Renaissance zu bezeichnen uns gewölml haben.
Die giitLsche Raukimst war jedoch nicht allein dem Kirchenbau geweiht
worden, auch Profanbauten sind in diesem Stile zaldreich errichtet worden.
Das Schl(>s.s zu Marienburg in l'reussen, 1230 begonnen, seit I3cx> Residenz
des Hochmeisters der Deutschordensritter, ist da zunächst herx-orzuheben,
sowie die Albrechtsburg zu Mci.ssen, dem Ende des 15. Jahrlis. zugehörig.
Die Rathüiiser von Braunschweig, von Münster, von Breslau, dann die an
Schmuck überreichen von Brügge, Brüssel (1401 — ,S5). vun Löwen (1448 — (>^)n
Oudcnaardc (1527 — 30} können als Bei-spiele <Jer stadtischen Gemein debauten
dienen, zu denen dann uoch eine Menge Marktliallen, Kaufhai\ser, Kranken-
häuser u. s. w. zu zählen sind. Da.ss auch die Bürgerhäuser tn diesem Stüe
erbaut wurden, ist selbstverständüciL
In der Zeit, die dem gotischen Baustile angehört, lit^gt die Ausfülirui
der Baudenkmale ausschliesslich in den Hunden von Laien, von Handwerkern,^
die in den Städten bald zu Zünften und Innungen zusammentraten und be*
stimmte Gesetze über die Ausbildung eines Bauhandwerkers, eines Maurers
oder Steinmetzen, vereinbarten. Die Meister der grossen Kirchenbauten
scheinen diesen städtischen Verbanden nicht angL'hOrt zu haben, sie bilden
erst 1459 eine Vereinigung unter einander, die bis imj r8. Jahrh. sich er-
halten, aber mit deu FraumaureHogen absolut nichts zu tliuu hat. In den
Arbettshüttcn erlernte der Lehrling die Geheimnisse seiner Kunst, und um
<lie Regeln derselben leichter und fasslicher zu gestalten, hatte man dieselt
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in ein geometrisches Schema gebracht. Wer in die Gnindlehren eingereiht
war, konnte mit einfachen ZirkeUchlägen die Proportionen eines G^iSudes,
die wesentlichen Mauerst^rkeii ebeti.so ermitteln, «ie die am häufigsten an-
gewendeten Verzierungen, j;i selbst die ungefähren irmrisse einer mensch-
lichen Gestalt konstniicren. Wer der bedeutende Mann gewesen, der die
auf langer Erfahrung wohl mehr aU auf wLssenschafllichen Berechnungen
beruhenden Gesetze der Statik in diese leicht fassUche Form gebracht, wissen
wir nicht; dem Vorhandensein solcher feststehenden Regeln aber ist es zu-
zuschreiben, das wir unter den zahllosen gotischen Bauten wohl mittelmässige
und schwache Leistungen vorfinden, aber kaum vun ganz und gar verfehlten
reden können. Und doch wird es unter den bürgerlichen Meistern genug
gegeben haben, die den künstlerisclicn Aufgaben, zu deren Losung sie be-
rufen wurden, keineswegs gewachsen waren. Diese Art von geometrischer
Tabulatur gab ihnen immerhin eine Direktive, bei deren Befolgung sie nicht
fehlgehen konnten.
In Deutschland ist mit der Einfflhnmg des gotischen Stiles auch dem
Einflüsse der römischen Bau- und OmameDtformen ein Ende gemacht; nur
an den frühgotischen Bauteilen des Magdeburger Domes finden sich merk-
T*-ürdiger Weise schon Kapitelle mit AkaiitliusblattersL-hmuLk und mit Eierstab?-
omamenten. Sonst aber tritt die naturalistische Neigung klar hervor; mit
Eichen- oder AhombUutcni, mit Blumen und Blüten aller Art schafft man
anmutige und ansprechende Zierraten, die durch die allgemein angewendete
Polychromie, die wie zum Lied die Melodie nach damaliger Auffassung zum
plastischen Kunstwerk unbedingt gehörte, noch deutlicher und ausdrucks-
voller erscheinen.
In England hatte der neue französische Stil, nie schon früher lüer
bemerkt wurde, noch im 12. Jahrhundert Eingang gefunden, indessen sind
auch erst im 13. eine grössere Zalil von Monumenten dieser Bauform
naclizuweisen und zwar tritt da der gotische Stil in einer eigentümlichen
Form auf, die den auf dem Kuntiiient gebräuchlichen Mustern sich nicht
anschliesst: die lJlngenaus<Jehnuüg der Kirchen zeigen gegenüber den
Höhendimensionen der Kirchenschiffe und -türme eine entschieden be-
deutendere Abmessung, als dies bei den koutincntaleu Kiivlienbauten der
Fall ist Nach Kugler hat die Kathedrale von Lichfield eine Länge von
411 Fuss, inbegriffen die an den Chor angebaute Ladychapel, dagegen ist
die Breite Ö5 Fuss, die lichte Weite des Mittelschiffes 2Ö Fuss, die Höhe
desselben 55 Fuss. [Die Dimensionen des Kölner Domes sind: Lange 42t
rli. Fuss, Breite 140, liclite Weite des Mittelschiffes 44, Höhe desselben
140.] Auch werden manche Omamentalformen des romanischen Stiles noch
beibehalten und mit den gotischen verschmolzen. Unter die Denkmäler der
Frühgotik ist zu zahlen die Verlängerung der Katliedrale zu Winchester (seit
1202), die KathecErale zu ^'ork, die Westminstcnibtei zu London u. s. w
Dem 14. Jahrli. gehören an die Kathedralen zu Exetcr und Lincoln etc., die
schon die reichere Omamentierung verraten, welche veranlasste, dass eng-
lische Kimstschriflsieller die Bauweise von 1300 bis 1370 als im decorated
Stile gehalten bezeichnen.
Dem verzierten Stile folgte der sogenannte l'erpendikularstil, benannt
nach der mit Vorliebe bei Ornamenten zumal bei den Masswerken der Fenster
beliebten senkrechten Gliederung. Spater gegen Ende des 15. Jahrlis. tritt
der Flaclispitzbogenstil auf. der gewöhnlich als Tudorslil bezeichnet wird,
weü er unter der Regierung der Könige aas dem Hause Tudor {seit 1485)
entstand und verbreitet wurde. Von Denkmälern dieser spateren Stilformen
544
XIII. Kunst, i. Bildende Kunst.
wäre zu nennen der Oberbau des Chores der Kaüiedrale von Noru-icli, die
Abteikirthe zu Balh (1500—31)). Als besonders charakleristisch für die
omamentale Überladung der spatcnglischen Bauten der Kreuzgang der Kathe-
drale ZQ GlouLcstcr. die Kapellen des Kings-Kollcge zu Cambiidgc ( — 1.530),
des bl. Georg zu Windsur, die Hebirirhs VII. in der Westminsterabtci zu
London (1502 — 20).
Noch bis in das 17. Jahrh. blieb der gotische Stil in England vorherrschend^,
obschon bereits im 16. Jahrh. vereinzelt italienbtche Vorbilder b& der Er-
bauoi^; von Palasten nachgeahmt worden waren.
Die miltchiUerlichen Privatbauttn Englands sind u. a. besprochen in
(Parker), some arcount of dornest it arrhitttime tu En^ami from EduHtrd I. lo
Richard IL {Oxford 1S53).
Die Plasnk des 13. Jahrhs. erhalt sich in Deutschland auf der Hübe, die
sie zu Allfang desselben erreicht So bieten noth einige Statuen der West-
fa^de des Strassburger Mün.^ters treffliche Beweise von der Tüchtigkeit iler
Bildhauer. Gegen Ende dieses Jahrhunderts und zu Beginn des 14. macht
sich ein SireL>cii bcmcrklich, den Gestalten eine zarte Anmut zu verleihen; der
Faltenwurf wie der Gesichtsausdruck Mrd weich, oft weichlich. Die Skulpturen
in der VorliaUe des Freiburger Münsters, die Statuen der klugen und der
thiirichteri Jungfrauen an der Brautpforte der St. Sebalduskirche zu Nürnberg
können als Beispiele dienen. Gegen Anfang des 15. Jalirhs, tritt das Be-
streben hervor, durch Studien nach der Natur auch eine wirkliche Natur-
wahrhcit der darzustellenden Figuren zu erreichen. Der früheren Zeil war
es versagt gewesen, Gemütsbewegungen, Leidenschaften in den Gesichtszügen
zum Ausdntck zu bringen — wo sie den Vemich gemacht, ft-ar derselbe oft
geradezu komisch mi&sglückl — man halle sich mit der ungefähren Wieder-
gabe der menschlichen Gestalt begnügt, jetzt will man realistische Waiirheit.
will dramatische Bewegung; das Chanikteristische hat für den Künstler mehr
Wert als das Schöne, das Anmutige. So zeidmen sich die Skulpturen des
15. Jahrhs. durch eine gewisse Harte und Unachfinheit aus; scharf gebrochene
Falten, wie sie am Gliedermann studiert unirden, ersetzen die im weichen
Flusse sich anschmiedenden Gewander. Wir müssen schon bis zum Ende
des 15. Jahrhs. warten, ehe uns ein namhafter, bedeutender Bildhauer be-
gegnet. Nicht dass es an Denkmälern fehlte: es sind Tausende derselben
noch erhalten; indessen selten erheben sie sich über das Durchschnittsmas^
handwerksmassiger Geschicklichkeit,
Und in der Thal rühren ja auch alle diese Arbeilen von Handwerkern
her: die Steinplastik ist dem .Steinmetzen vorbehalten, die. Holzskuljitur dem
Maler, die Metallgussarbeit dem Rotgiesser. Wir kennen nun Dank den
Forschungen in den Arcliivcn, eine grosse Zahl solcher Mcistemameu, in den
seltensten Fallen aber ist es möglich, diesen Äleistcm bestimmte Werke aus
der Menge der fast inmier ohne Bezeichnung des Autors erhaltenen Denk-
mäler zuzuweisen. So sind es gerade ein paar Nürnberger Künstler, deren
Namen mit noch vorhandenen \\'erken in Verbindung gebracht werden können,
z. B. der Steinmetz Adam Krafft (t 1507)1 dessen Grablegungen, Pasaioi
darstellungen in Nürnberg von der Innigkeit der Empfindung, von dem^
Gestaltungsvermögen des Masters das glänzendste Zeugnis ablegen. Mindei
herxorragend ist der Bildschnilzer Veit Stoss (t 1553). dessen bestes
Werk sicli aber nicht in Nürnberg, sondern in Krakau befindet: da"
Hochaltar dei St. Marienkirche; jedoch hat es zur Zeit von Veit Stoss eine
Menge Künstler gegeben, die dasselbe, vielleicht auch bedeutend mehr z«
leisten vermochten. Der hervorragendste deutsche Plastiker des ausgehenden
Periode der Gotjk: Skulptur uhd Maleru.
545
Mittelalters ist der Roigicsscr Peter Vischer — vorausgesetzt, dau er die
Moddle zn seinen Gussnrbetten, besonders zu dem herrlichen Scbaldiisgrabe
in Nürnberg, selbst ausgeführt hat. Mail hat das früher immer als eine
ausgemachte Sache angesehen, ist dann aber docli bei eingehender Bctrrich-
tting seiner Arbeiten auf Bedenken gestossen; die grossartigsten Schöpfungen
der deutschen Bilducrci des Mittclattcrs sind aus sriner Giesshüttc hervor-
gegangen, daneben aber auch recht matte und unbe<leutende Arbeiten, die
unmOgUch von demselben Künstler herrühren künnen. Wenn aber nicht
Peter Vischer die Modelle gemacht hat, wer ist dann der grosse, einzig
hervorragende ftlcister. dem vdr sie verdanken?
Allein wer auch dieser Meister war, jedenfalls halle die deutsche Plastik
gezeigt, dass auch sie Grosses hervorzubringen imstande war. Doch bt
auf dieser so schwer errungenen Gmndlage nicht weiter gearbeitet worden;
zu verführerisrh erschien es, den Weltkampf mit den Italienern aufzu-
nehmen, zunächst deren Arbeitsweise sicli anzueignen. So fand auch auf
dem Gebiete der Bildnerei die italienische Renaissance schon zu Anfang des
]6. Jahrhs. Eingang; das eigentümlich deutsche Wesen, das auch in der
iCunst seinen Ausdruck gefunden hatte, wurde zurückgedrängt von fremd-
ffttigen Elementen, die unverstanden und übel angeeignet jenen Schwulst
herv'orbrachlen, der die Werke der deutschen Skulptur im i6. bis iS. jahrh.
so imgeniessbar «scheinen ISsst, und dem nur wenige auaenvahlte Meister
sich zu entziehen vermochten.
Die englische Plastik bietet in dem spateren Mittelalter wenige erfreuliche
Denkmäler; zu stark haben in den religiösen Wirren des 17. Jahrhs. die
Soldaten der Puritaner gehaust; was der Zerstörung entgangen, btt iticht von
hervorragendem Wert. Die zahlreichen Grabfiguren sind steif und starr; nur
hin und wieder finden sich an den Bauten Kftpfe angebracht vrtn h*iherer
Schönheit. Die Weichheit der Figurenbildung, wie äe in den Sdiulen des
Kontinents im 14. Jahrh. beliebt war, wird in England leicht übertrieben,
wird geradezu zur Weichlichkeit. Auch im 15, Jahrh. ist ein Aufschwung
der englischen Bildnerei nicht zu bemerken, und so ist es erklärlich, dass
man gern fremde Künstler heriieirief, wenn es galt ein grossartiges Werk aus-
zuführen, da man einheimischen KrÄften stilche Arbeit nicht zumuten konnte.
So führt schon 151g der Florentiner Pietro Torriggiano (1470 — 1522),
der Smdiengennwe Michelangelos, die Grabdenkmäler Heinrichs VII. und
seiner Gcniahliu in der Wcstminstcrabtei aus.
Die Geschichte der deutschen Malerei von der Mitte des 13. bis zu
den ersten Dezennien des 16. Jahrhs. in wenigen Worten darzustellen ist unmög-
lich; jeder, der genauere Kenntnis dieser an sich so interessanten Kunst-
periode sich verschilften will, wirfj daher gut thun, in den ausfflhriichen Dar-
:»tellungcn, die er in Woltmanris schon oft citiertem Werke findet, die ihm
aber bes<jnders Janitschcks vortreffliche Arbeit bietet, dieselbe zu suchen.
Hier können nur dnige wichtigere Momente hervorgehoben werden. Ähnlich
wie «chon bei der Schilderung der deutschen Bildhauerei bemerkt wurde, ist
auch bei den Malern bis zum i,^. Jahrh. das Streben nach lieblichkeit und
Anmut der äusseren Ers< ht-inung charakteristisdi. ebenso aber die Unfähig-
keit der geistigen Bewegungen in den Köpfen Ausdruck zu verleihen. Die
Gestalten laclieln oder sehen ernst vor sich hin; sollen sie vom Zorn oder
Schmerz erregt erscheinen, so bringt der Künstler meist nur eine Kairikatur
zustande. Und doch hat man sich schon im Anfang des 14. Jahrh. mit
historischen Gemälden beschäftigt; in dem Codex Balduineus des Koblenzer
Archives sind die Thaten Kaiser Heinridis VII. geschildert; vielleicht sind
Genainiactie Phllologi« m. 2. AuO. 3&
546
Xin. KuKST. I. Bildende Kvkst.
diese Miniaturen die Entwürfe zu den Wandmalereien, mit denen Halduin
von Trier die Gciichicke seines kaiscrÜLlicii Bruders vcrlierrliclien lassen »-ulltc
Aus dem 14. Jahrh. rflhren dann noch die berühmten Miniaturen der Heidei-
bcnrcr Minnesingerliandsclirift her. Viel schöner und feiner sind die Minia-
turen :iusgefulirt, welche in der Kasseler Hs. des Willehalm (1334) sich vor-
finden. Beachtenswert erscheinen dann die Wandgemälde aus der Georgs-
legendc zu Neuhaus in Böhmen, die nach der Inschrift 1338 vollendet wurden.
Überall wie in den übrigen zahlreichen Denkmälern der damaligen Malerei
tritt dies Streben nach Formen Schönheit hervor.
Kine Au.-inalirne von dieser Regel machen nur die Tafelbilder auf Schloss
Karlsteiii, die von den Hofmalern Karls IV., der sogen. Prager Malerschule
herrt\hren, und sich durcli Hässlichkeit der Gesichtszüge, durch trübe Farben-
gebung auszeichnen (vgl. Jos. Neuwirth, Mittelalterliche Wandgemälde und
Tafelbilder der Burg Kiulstein In Büluuen. Prag i8e>6). Doch scheint dieser
Mangel an Schünheitsgefühl nur dem einen Meister pers<"nlich eigen zu sein.
Die Hasslichkeit der ModeJle, die zur Vcrfflg\mg standen, mag ja auch da-
zu beigetragen zu haben. Karl IV, selbst konnte mit seiner kolbigen Nase
persönlich als Muster unsympatischer Gesichtszüge Verwendung finden. Aber
sonst finden wir überall die Miniaturen, wie in Tafelgemälden und Wandmalereien
dies Streben nat h un schuldvoller, holdseliger Anmut ausgeprägt, lichte freund-
lidie Farben. Züge, an die die späteren Arbeiten des Kra Angelico da FiestJe
eriimcm. Diesen Charakter tragen ituch die Arbeitt-Ji der alteren kölnischen
Schule an sich, ja bis in die Mitte des. 15. Jahrhs. Ist er nicht nur den
kölnischen Malern wie dem Meister des Dumbildes, dem Stefan Lochncr
eigen, sondern findet sich, allerdings in verschiedener Form, fast in allen
deutschen Malcrschulen wieder vor.
Eine Umwälzung der künstlerischen Anschauungsweise ging nun im An-
fange des 15. Jahrhs. vor; in den Niederlanden knüpft sich diese ThaLsache
an den Namen der Brüder Hubert und Jan van Eyck, in Italien an den
des Masaccio. Es handelt sich darum, statt der imgefshren Wiedergabe
der Natur durch gründliche Studien zur exakten Nachbildung m gelange-n,
mit einem Worte: an -Stelle des Idealismus tritt der ReallsmiLs. Durch Ver-
besserung der Mallcchnik für Staffelcigcmalde, Ersetzung der Temperafarben
durch die Icu cht kraftigen Ölfarben, wurde diese realistische Tendenz noch
besonders unterstützt. Die ideale Schönheit wird jetzt der frappanten Wirk-
lichkeit geopfert; nicht schöne aber charakteristische Gesichtszüge, Bewegun-
gen etc.. sucht der Künstler darzustellen; er strebt danach, der Geniüiscrrc-
gung in den Zügen Ausdruck zu verleihen und dramatisches Leben in die
bis dahin so unbeweglichen Kompositionen zu bringen. Auf die van Eycks
folgen die Rogicr von der Weyden, Dierik Bouts, Peter Christus,
Hugo van der Goes. Hans Memling und viele andere; nach und nach
verbreiten sich die in den Niederianden entstandenen Neuerungen aucli weiter
in Deutschland und gegen Ende des Jahrhunderts haben sich wohl die
deutschen Malerschulen .so \icl von jenen Grundsätzen angeeignet, als ihnen
angemessen erscliien. Wesentlidi vun Bedeutung für die Verbreitung neuer
Kunstanschauungen war die Ausbildung und Verwendung des Holzschnittes,
und des Kupferstiches, zweier Kunst techuiken, die wahrscheinlicli in Deut
land selbst erfunden worden sind. Je nach den verschiedenen I^ndstrichcn
haben sich da nun Malerschulen gebildet; Eigentümlichkeiten ze^en sich in
der Kunstrichtung der in einer Stadt, einem Ländchen zusanunenvirkendea ;
Meister. Alten deutschen Künsitem gemeinsam Ist die phiüstrOse Auffassungs-
weise, die nur bei den allerbesten Meistern etwas gemildert crsclieint, die
sich aber aus dem handwerksmässi^en Betrieb der Kunst, der sozialen Stcl*
lung der Maler, wie aas der Bestimmung der Bilder auf die grosse Masse
des Volkes zu wirken, leiclii erklären l.1sst — im einzelnen finden sich, wie
gesagt, kleine oder grössere Verschiedenheiten. Wir sprechen z. B. von einer
westfälischen und einer kölnischen Malcrschule, von einer schwäbischen, deren
Hauptmeistcr Bart hole maeus ^eitblum, derfLllcro Hans HuLbcin, Martin
Schaffner u. a. sind, und von einer fränkischen, als deren Hauptvertreter
Michael Wolgemul und Albrecht Dürer angesehen werden u.s.w. Dürers
Arbeiten zeichnen sich vor denen {ler meisten seiner Zeitgenossen durch
Gedankentiefe, durch meisterliche Gestaltung aus. allein das Gefühl für
Formenschönhcit ist bei ihm docli nur in geringem Grade voriianden; auch
ihm steht das Charakteristische höher wie das Anmutige und Liebliche.
Deshalb wird Dürer auch da am ereilen gewinnen, wo er uur, was er vor sich
sieht, wiedergiebt; die Schönheit seiner Bildnisse Ist jedem verstandlich, w.'ih-
reud die seiner bibUsclien Kompositionen nur bei längerer aufmerksamer Be-
trachtimg zum Beftiisstacin gebracht wird. Und dasselbe gilt von dem jüngeren
Hans Holbein, obschon er Dürer an Formengefühl weit überlegen war;
auch seine Portraitgeinilklc fesseln auf den ersten Blick, seine historischeu
Entwürfe u. s. w. wollen Studien sein. Wenn schon Holbein ein feineres
Gefüld für Formenschön heil hatte, als dies Dürer zuteil geworden, so ist
dieselbe Begabung auch manchem seiner Zeitgenossen dem Hans Baldung*
genannt Grien, wie dem Hans Sebald Beham, dem Georg Pencz u. a.
verliehen, und unzweifelhaft war im Beginn des i6. Jalirhs. die Kmist der
deutschen Malerei auf dem besten Wege auch üirerseits zur hCichsten Blüte
zu gelangen, als die Interessen des Volkes sich auf einmal der Kunst gänz-
lich ab und anderen, vielleicht wichtigeren Fragen zuwandten. Jedenfalls ist
es der deutschen Kunst damals nicht vergönnt gewesen ihr h^jclistes zu
leisten, und man thut deshalb Unrecht, wenn man, was ja auch sonst in
jeder Hinsicht ungerechtfertigt ist, Dürer und Holbein dem Michelangelo
oder Raffael gegenüberstellt.
In England scheint man, wie schon erwähnt, unter Heimich III. eifrig
die Malerei gepflegt zu liaben, und auch in Eduard HI. fand diese Kunst
einen freigebigen Gönner. Bis 1834 waren noi^h in der Stephanskapelle zu
Wcstminstci (gemalt 1350 — 58) bedeutendere Überreste von Malereien erhalten,
Bildnisse des Königs und der königlichen Familie; nach Abbruch der Kapelle
sind wir nur auf die frülier gemachten Aufnahmen und Publikationen ange-
wiesen, und nach denen zu urteilen ist der Kunstwert dieser Arbeiten nicht
gar so hoch anzuschlagen. Einen klaren Einblick in die Ent*icklungs-
gcschicbtc der englischen Malerei werden wir schon deshalb kaum je erhalten,
weil Wandgemnlde wie Staffeleimalercien fast gar nicht vorhanden sind —
sie sind alle der Zeit oder absichtlicher Zerstörung zum Opfer gefallen —
und die Miniaturen, die Überdie.s nicht in zu grosser Zahl erhalten sind, die
einzigen uns leitenden Denkmäler bleiben. So sdteint es, dass eine cigciit-
hche nationale Kunst in England wenigstens auf die.sem Gebiete keine Wurzel
gefasst hat; Itald sind es französische, bald niederländische Einflüsse, die sich
da geltend machen, aber sie sind nicht in Fleisch und Blut den englischen
Künstlern übergegangen, die dieselben meist reclit ungeschickt nur reproduzieren.
Aus den Aufzeichnungen in den Archiven erfahren wir die Namen von zahl-
reichen Malern, aber keiner derselben mu.iste doch etwas tüchtiges leisten
können, da man schon vor Holbeiu den Niederländer Lucas Hurebout zum
Hofmaler berief, dann den grossen deutschen Meister mit diesem Amte betraute.
Selbst die in grosserer Zahl erhaltenen gravierten MetaJIpIauen — die Gestalt
54»
Xm. Kunst, i. Bildende Kunst.
wurde auf die Platten gezeichnet, die Contouren vertieft eingeschnitten, dann
ursprünglich niit st:hwarzera oder tarbigcni KiU gefüllt — sind mclir für die
Geschichte des Costumes in England, als für die der Kunst von Bedeutung.
Auch hier sind es fremde — niederländische Erzeugnisse — die erst im-
portiert, später nicht glücklich nachgcalimt werden.
Die prächtigen Denkmäler, welche die grtwsen Baumeister Italiens im
15. und 16. Jahrh. schufen, fanden auch bei den Deutschen, die des Handels-
verkehrs halber iKler angezogen durch die berühmten Hoclischulen Italiens
dies Land besuchten, uneingeschränkt liewi'undening. und da, vie wir gesehen,
der gotische Baustil iu Deutschland seil der zweiten Hälfte des 15. Jahrhs,
wenig erfreuliche Leistungen aufzuweisen hatte, versucht man den italienischen
Renaissancestil In DeutscliLand einzuführen und thu den deutschen Anfurde-
ningen entsprechend umzugestaken. Die Anfänge dieser neuen Bauweise ist
bis in die ersten Jahre des 16. Jahrlis. zurückzu verfolgen. Zunäclist wirkt
das Beispiel der oberitalischcn, lombardischen und venezianischen Architekten.
Zahlreiche italienische Baumeister sind seil den drei&äger Jahren des 16.
Jahrhs. in Deutschland thatig; eine grosse Menge deutscher Bauleute suchen
in Italien ihre Ausbildung. Diese Meister werden in den Urkunden als
wiUschc Maurer bezeidmet. VortreÜÜclae Beispiele dieser eretcn Epoche der
deutschen Renaissance bietet das Portal der Hofkapelle zu Dresden, jetzt
am Johanneum aufgestellt, das Eingangsthor des Schlosses zu Brieg. Dodi
schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhs. tritt die Neigui^ zu immer
grösserer Pracht der tjmamcntik hervor, die nur aussedich mit dem Bau-
werke verbunden erscheint. Diese Überiadung und Geschmacklosigkeit wird^
vielleicht durch Einflüsse aus den Niederlanden genährt, in den Werken, die
seit der zweiten Hälfte des Jahrhs. entstehen, immer auffälliger. Es handelt
sich jetzt nur selten um Kirchenbauten, für die ni'cli bis ins 17. Jahrh. die
eq^robte gotische Anlage, allerdings maskiert durch die dem Zeitgeschmacke
entsprechende Ornamentik, festgehalten u-urde. Die Marienkirche in Wol/cn-
büttel (1608—23), erbaut von Paul Franke (t 1615), kann als ein sehr
lehrreiches Beispiel betrachtet werden. Die Michaelskirche zu MOnchea
(1582 — 93) ist zwar von deutschen jVrchitekteu, aber wahrscheinlidi nach
italienischen Fklnen errichtet worden. Dagegen werden eine grosse Zahl von
Schlössern neu gebaut. Besunders bezeichnend ist der unter dem Kurfürsten
Otto Heinrich (1556 — 59) unternommene Neuhau des HcidelbergcT Schlosses.
Eine grosse Anzahl solcher Renaissanceden bnaler sind in dem in Seemanns
Verlage erscheinenden Sammdwerk >dic deutsche Renaissance* abgebildet
worden (vgl den »Formenschatz der Renaissance«, hrg. von Georg Hirth,
München 1877 ff.).
Gegen die unleugbar gcjM-h macklose, wenn auch von viel schöpferischer
Phantasie zeugende Überfülle der Ornamentik — man möchte in Fiscbaits
Dichtungen Parallelen finden — tritt nun gegen den Anfang des 17. Jahrhs. eine
Reaktion ein: die Werke der grossen Meister der italienischen Hodirenais-
sance, des Bramantc, des Jacopo Sansovino u. s. w. werden Jetzt Vorbilder,
nachgeahmt. Schon in dem Residenzbau in München, den Picter de Witte
(Pietro Candida] Idtcte, ist dies Bestreben nach grösserer Einfachheit wahr-
zunehmen. Das Rathaus zu Nürnberg (1Ö16 — 22), von Jakob Wolf erbaut,
giebt eine sehr gute Vorstellung dieser neuen Kmislströmung. Dass auch
geschmacklose Werke in jener Zeit entstehen konnten, beweist der einst
vielgepriesene Bau des Augsburger Rathauses (löij^io). Der Meisler Elias
Holl (1573 — 1Ö36) ist etwa dem Martin Opitz gegcnübenmstdlen.
Als der Frieden in Deutschland wieder eingekehrt war, verging eine Ito-
gere Zeit, che man an grossere Bauuntemehmungcn zu gehen die Müsse
fand. Vor allem werden die katholischen Kirchen und Klösler neu und
prächtig aufgebaut und ausgeschmückt; selbst wohlerhaltene GebiUule baut
man dem modernen Barockgeschmack gemäss um. Der Stil, der in Italien
durch Bernini, Bor romini.Guarini ausgebildet worden war. findet im katho-
lischen Deutschland willige Aufnahme; die schon I)ei den Italienern krause
Ornamentik wird noch dem deutschen Geschmacke entsprechend überladen.
Die Bauten Süddeutsch land.s, die Klöster in Bayern, Österreich u. s. w. bieten
zahhcichc Beispiele. Nächstdem werden zahllose Fürstenschlösser neu und
prunkvoll erbaut. In Wien errichtet Joh. Beruh. Fischer von Erlach
Palaste im Barockstil, in Dresden entsteht unter August dem Starken der
Prachtbau des Zi^ingers, in Berlin wird das k. Schloss durch Andreas
Schlüter und Eosander von Goethe schlicht und imposant in der Fa<;:aden-
bildung, im Innern dem Zeitgeschmäcke enl-sprecliend, aufgebaut Unter dem
Einflüsse von Frankreich wird der Rococostil in Deutschland eingeführt.
Das Äussere wird strenger, einfaclier, mehr der Antike folgend, gebildet, im
Inneren allein kommt jener kokette Dekorationsstil zur Geltung. Die von
Cuvillie errichtete Amalienburg im K_\Tnphenburger Park bei München, die
von F'riedrich dem Grossen in und bti Potsdam erbauten Paläste bieten
bezeichnende Mtisier dieser Stilrichtung.
In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wird, von Winckelmann
imd Lessing theoretisch gefördert, wiederum eine Umgestaltung des Ge-
schmackes herbeigeführt. Die antiken Meisterwerke bleiben nach wie vor
die Vorbilder, man hält sich aber nicht mehr an die früher so hoch ver-
ehrten Werke der Romer. sondern studiert die Denkmäler der Griechen und
sucht deren Stil sich anzueignen. Charakteristisch ist die Vorliebe für die
dorische Saulenordnung, die bisher von den Architekten mehr vcmachlüssigt
worden war. Die unvollkommene Nachahmung der Griechen vertritt u. A.
Langhans (Brandenburger Thor in Berlin), die verständnisvolle Nachbil-
dung Karl Friedrich Schinkel (i"8i — 1841), ^ (Schauspielhaus, Haupt-
wache, altes Museum zu Berlin) und Leo von Klenze (1784 — 1864). Wal-
halla bei Regensburg u. s. w. Der Feldzug Bonapartas in Ägj'pten hatte
die Baudenkmiller dieses Landes bekannt gemacht; der Versudi, auch aus
diesem Baustil für die Gegenwart Nutzen zu ziehen, wurde vereinzelt
unternommen, aber bald aufgegeben. Dagegen bemüht man sich, die Bau-
stile des Mittelalters für die moderne Zeit wieder nutzbar zu machen; je
weiter die kunstgeschichiliche Forschung vordringt: immer suchen die Archi-
tekten aus deren Arbeiten für sich Anregungen zu gewinnen. Es werden
gotische, dann romanische, dann byzantinische, aJichristlichc Kirchen gebaut
I'alais und Synagogen im maurischen Stile entworfen, die Meisterwerke der
grossen Renaissance-Architekten nachgebildet. Eine unglückliche Episode
dieser auf reiner Nachempfindung und Nachbildung beruhenden Kunslent-
wickelung bietet die Zeil nach 1870 mit dem Versuche, die geschmacklosen
Werke der deutschen Renaissance noch geschmackloser zu cpieren. Der
Widerwille, den frühere Zeiten vor den Werken des Ban.ick- und R(,»coco-
slües gehabt, wird dann auch überwunden, und selbst die dienen als Vorlagen
für die modernen Archhekten (Herrenchiemsee, LJnderhof), Ja der einst so
verketzerte Empire-Stil scheint Gnade vor den Augen der heutigen Bau-
künstler gefunden zu haben, die seit einem Jahrhundert nur von der Nach-
ahmung leben. Das Charakteristische urLsrer heutigen Baukunst scheint es
sein, dass er eines ausgesprochenen eigenen Stiles gänzlich ermangelt, sich
550
XIII. Kunst, i. Bm)ENDE Kunst.
vielmehr besürebi, innerhalb eines Jahrhunderts alle europaischen Stilformen
noch einmal zu versuchen.
England hat denselben Entwickehingsgang seiner Architektur durchge-
macht. Verhaltniäiuä:)»!^ spflt hat die italicnläciie Rcimissaiicc, zuiiäctist ver-
einzelt um die Mitte (ies i6. Jahrhs. Eingang gefunden, aber .sogleich sich
gewisse Umwandlungen der nationalen Eigenheit halber gefallen lassen
mflssen; durchschnittlich h^llt man auch an dem Tudorslilc fest bis zum Tode
der Kön^jin Elisabeth, also so lange die Tudors regierten. Erst unter Jakob L
tritt ein ganz in der Schule des Palladio gebildeter grosser Architekt auf,
Inign Jones (1572 — 1662), der Erbauer des Bankett-Üause-S im Palast von
White-Hiül. Die strengere ältere Richtung der Italienischen Renaissance
wird auch femer in England festgehalten, so da.ss der Barock- und Rococo-
Isil nur vereinzelt bemerkbar werden. Der grosse Baumeister Sir Christofer
Wren {1632 — 1723) lehnt sich bei dem Entwurf für die Paulskirchc zu Lon-
d'jn (1675 — 1710) an die Pläne an, die Antonio da Sangallo für die Peters-
kirche zu Rom erfimdcn hatte. Auch die spateren englisclicn Baumeister
entfernen sich nicht w^-it von den Vorbildern, die sie in den Werken der
italienischen Hochrenaissance fanden, so das» der Übergang zu der strengeren
auf griecliische Denkmaler zurüi -kg reifenden Richmng weniger als an anderen
(Jrten sich auffällig vollzieht (Benjamin Dean Wyatl 1775— 184S [Drury-
lane-Thcater 1800, dorisch; Crorkfort-CIubhouse, korintlusrh] — ; Sir Robert
Smirke 1780 — iBO" Cuventgarden-Theater, 1808, durisch, Postamt, britisches
Äluseum). Früher als in anderen Ländern fangt man an, die geschicht-
lichen Bauwerke zu beachten und nachzuahmen. Unter den Meistern des
mittelalterlichen Baustiles ist hervorzuheben Sir Charles Barry (1795^1860).
der Erbauer des Parlanientshauscs, und George Gilbert Scott (1811 — 78),
der imter anderen Monumenten die F'etrikirche in Hamburg baut.
Die Plastik hat in Deutschland noch im 16. Jahrh., trotz des auch auf
diesem Gebiete sich bemerkbar machenden Ungeschmackes doch noch immer
einige recht gute Werke aufzuweisen, unter denen die Portraiistatuen der
bayrischen Herzoj;e Willieluis V. und Abreclits V. am sonst herzlich unbe-
deutenden Grabmal Kai.'ier Ludwigs tlt-s Bavem (Fraupnkirc-lie zu München)
wohl die hervorragendsten sein dürften. Im 17. Jahrli. macht sich der
Schwulst, das lct:re Pathos ganz besonders in den Bildhauerarbeiten geltend,
aber neben wahrhaft abstossenden Leistungen sehen »nr vereinzelt Werke
entstehen, die durch die schlichte Vornchmiicit ihrer Fonnen grade in jener
Zeit um so verdienslvullcr auffallen. So das liegende Bildnis der h. Ursula
in der Ursulakirche zu Köln von J oh. Lenz. Ein vereinzelter grosser
Meister tritt uns in Andreas Schlüter entgegen (1662 — 1714), dessen
Hauptwerk, die Reiters(atue des grossen Kurfürsten in Berlin, seinen Ruf für
alle Zeilen festbegrilndel hat. Nach ihm giebt es keinen bedeutenden Bild-
hauer mehr in Bcriin; Friedrich der Gro.sse muss, als er seinen Feldhcrro
Denkmäler errichten will, aus Antwerpen Johann Pelcr Tassaert berufen.
Wien besass in Georg Raphael Donner (i(kj2 — 1741), dem Meister des
Brunnens auf dem neuen stärkte, einen ausgezeichneten Kflnstler, dem aber
seine nächsten Nachfolger auch nicht an Genialitat f^eichkamen. Donner
hat ein feines Gefühl für Form en.schf>n hei t, dabei eine enlsthiedene Ab-
neigung g^en allen Schwulst und alle Überladung, ist somit seiner Zeit weil
vorausgeeilt. Johann Gottfried Schadow (i7(>4 — 1850) ist der erste, der
von der der Antike abgeborglen Maskengarderobe absieht, seine Hel(Jen dir-
stellt, wie die Zeitgenossen dieselben zu seilen gewohnt waren (Friedrich den
Grossen in Stettin und Sansouri, den alten Dessauer und Ziethen in Berlin).
Renaissance. Barock*, Rokukostil und Ki.assicisul'S. 551
Auch Christian Rauch (1777 — 1857) mtiss, so sehr er in der aligiiechi-
sehen Kunst das alleinige Vorbild für den Bildhauer crbückle, der iiralistt-
schen Auffassung Zugeständnisse machen; seine Könige, Generale u. s. w.
tragen das Zcitkostflm, wenn ain.h ein grosser Mantel mit seinem monumen-
talen Faltenwurf die Unifarni nach JlCgUchkcit vcrUetkt. Friedrich Drake
(1805 — 82) und Ernst Rietscliel (1804 — 61) haben nach Schadows Vorbild
sich auch von diesem Hulfsmitlel zu befreien geit-usst. Die Naturwahrheit
gewinnt au<:h auf dem Gebiete der Plastik ihre so lange der antiken An-
schauungsweise geopferten Rechte wieder. Freilich das Stoffgebiet der alten
klassischen Kunat kann man sich nicht gut entziehen lassen, da sonst der
Anlass zu unbekleideten Id&ilfiguren fehlen wflrdt', aber man sucht diese
Göttinnen und Götter nach inudcnicr Weise aufzufassen, fragt nicht mehr
danach, nb die Griechen das so oder so gemacht hätten, sondern strebt die
allen Stoffe so zu gestallen, wie sie der Gegenwart entspredien. Ein Meister
dieser neuen Kunst ist Johannes Schilling (geb. 182S). Der malerischen
Behandlungs weise des B^ockstiles nähert sich Rctnhold Begas m BerUn
{geb. 1831) und vor allem der Wiener Viktor Tilgner (1844 — 96). Auch
mit der p<.ilythromen Ikhaudlung der Bildwerke hat man vielversprechende
Vereuche JUigcstdiL Nur schade, dass die Bildhauerkunst so selten wirklich
erfreuliche Aufgaben gestellt werden; der Denkmäler verdienter MSnner und
die allegorischen Darstellungen Öffentlicher Monumente bieten docli in den
seltensten Fällen dem Künstler Gdegeuheit, audi seine Phantasie zum Aus-
druck zu bringen.
Die wenigen erhaltenen Denkmäler der Plastik von Bedeutung in England
sind, so weil uns bekannt, im lö. und 17. Jahrh. von AustJindem. Italienern,
Nietlerl ändern, Franzosen ausgeführt worden. Unter den Bildhauern fies 18.
Jahrhs. ragt hen'or John Flaxnian (175.5— 182b), mehr bekannt durch seine
im Stiche veröffentlidilen Compositionen zur Ilias und Odysseus, zum Dante
und Äschylus, Arbeiten, die sich an die Vasenmalereien der Alten aufs
engste anschliessen, als durch seine ausgeführten GrabdeukmUlcr. Auch die
Arlieitcn von Sir Richard Westmac*itt (1775 — 1856), seine Statuen (Nelson,
Fox u. s. w.), seine Grabrnununienle (I'itt in Westminster) werden nur einen
mAssigen Beifall finden. Bekannt machte sich John Gibson (1701 — 186OJ,
wen%er durch seine zahlreiclien Statuen, als durch den Versuch, eine Venus-
statue polychrom auszufahren (1854). Die heutigen englischen Bildhauer,
wie tjnslow Ford, der ein sehr interessantes Denkmal fdr den Dichter
Shelley entworfen hat, Thornycroft, George Frampton u. s. w., stehen
den Kßnstlem anderer Lander in keiner Weise nach.
Als die Malerei in Deutschland zur Zeit, da Dürer auf der Hohe seines
KOancns stand, sich anschickte zum Gipfel ihrer EntwickeKing emporzusteigen,
trat die Beweg;ung der Reformation ein, und so wurde die Kunst auf lange
Zeit in den Hintergrund des allgemeinen Interesses gedrangt. Hans Hulbein
fand in England Anerkennung und Erwerb; die in Deutschland zurückge-
bliebenen Meister leisten, je mehr sie dtm Ende des 16. Jalirhs. sich nähern,
desto weniger; sie haben von den Italienern wohl die Ges|>rcizthe.it der
Geberden, nicht aber die Feinheit der Zeichnung, den Glanz des Coloritcs,
die F.^higkeit geistiger Belebung gelenit. Am ehesten befriedigen noch die
Leistungen der Portraitmaler. Nach dem Ende des grossen Krieges sind
auch die Portraitmaler noch immer ;\m ertraglichsten. Was sonst geschaffen
wird beruht auf Nachahmung: der Italiener, der Niederländer, bald auch der
Franzosen. Nur vereinzelt treten bessere Maler auf, deren Werke den Ver-
gleich mit den Arbeiten fremder Künstler nicht zu scheuen braudien, z. B.
55^
XIII. Kunst, i. Bildevde Kuvst.
Cliristoph Paudiss (i6l8 — 67?). Am geschicktesten sind noch die Fresko-
mater, die mit erprobter Routine aber im Grossen dekorativ wirksam die
Decken und Wände der Kirchen und Klostereale matten: Daniel Gran
(1694 — 155 j"), Martin Joachim Schmidt (der Kremser Schmidt 1718 — i8of),
Anlon Franz Maul per tsch {1724 — 96)0. s.w. Raphael Mengs{i728 — 79)
verstand wenigstens das Handwerk des Malers ganz vorzüglicti, jedenfalls
besser als Adam Friedrich Oser (1717 — 09), dessen Wollen sein Kunnen
weit übertraf. Die Kunst wieder zur Einfachheil zurückzufüliren, ihr ernsten
grossen Inhalt zu gehen, das ist das Streben von Jacob Asmus Carstens
(J"54 — 98), allein seine küiisüeriachc Vorbildung ist viel zu gering, dass er
etwas wirklich Vollendetes z« schaffen vermag. Man nniss mit der guten
Absiclit sidi zufrieden, geben. Schlimm war es aber, dass die Bewunderer
von Carstens als Grundsatz vorküiideten, auf Korrektheit der Zeichnung, auf
tüchtige Amfülirmig in Farben koiiune es überhaupt nicht an, sondern auf
die grosse Idee, die der Künstler darstellen wolle. Diese Lehren haben in
Deutschland einen namenlosen Schaden angerichtet: selbst ein so hochbe-
deutender Künstler wie Peter von Cornelius (1783 — 1867) hat sich nur
mit vieler Mühe allmalig zur Richtigkeit der Zeichnung durrtigerungen; ein
schwacher Colurist ist er sein Lebtag geblieben. Die Reaktion, die Carstens
herbeigeführt Itatte, war gegen den einseitigen Cultus der schienen Form ge-
richtet, jener Kunst, der die äussere Erscheinung, die Anmut und Gefällig-
keit die Hauptsache war, der Inhalt dagegen ganz glcictigtiltig. Carstens und
seine .Anhänger hatten m der Rückkehr zur Kunststrenge der Griechen das
Heil erblickt: gegen diese einseitige Überschätzung der alten Kunst, gegen
die,sen Cultus des Heidentums und des Nackten tritt die Schule der Nazarener
auf, die In den Werken Giotlos und Fiesoles die Vorbilder für ihr Schaffen
erblickten, die allein für die Kiahe und zwar einzig für die katholische zu
arbeiten für ilire Aufgabe erkannten und die chri-süiche Kunst jener heidni-
schen gegenüberstellten. Der Haiiplvertreler dieser Richumg ist Friedrich
Ovcrbcck (1789 — 18Ö9). Freier standen dieser Strömung gegenüber der
schon genannte Peter von Cornelius und der Protestant Julius .Schnorr
von Carolsfeld (1794 — 1872]. Während die kla.ssi.sche und diese neuchrist-
liche Auffassung noch mit einander stritten, wird die Landschafts- und Genre-
malerei in Düsseldorf imier der Leitung von Wilhelm von Schadnw (1789
— 1860) erfolgreich gefördert. Die Einflüsse der französischen Romantiker
bringt die Gesell ichtsillustraii an in Mode : Imnte Wäm.ser, glanzende Har-
nische u. s. w. Aber altitiJltig versucht man doch, was man sonst fast ge-
flissentlich versäumt hat, malen zu lernen. Wilhelm von Kaulbach, dessen
geistreiche Satiren (Fries im neuen Museum zu Berlin, r'"ai,-adenmalereicn der
neuen Pinakothek zu München, Illustrationen zum Rcinecke Fuchs) seine an
die Schlusstablcaux der C>per erinncmdcii Historienbilder überdauern werden,
legt auf die Malerei sclion viel mehr Wert als Cornelius. Noch höhere Ver-
dienste erwirbt sich um die Verbreitung der Malkunst sein Schüler Karl von
Piloty (1826 — 86), aus dessen Atelier eine grössere Zahl deutscher und fremder
Maler hervorgegangen sind. Hans Makart (1840 — 84) strebte mit Erfolg
Ituhc koloristische Wirkungen an, vernachlässigte aber die Zeichnung und tt*usste
seine dekorativ wirkenden Gestalten mit keinem Leben zu erfüllen. Dte Kunst
ist etwa da wieder angekommen, wo ihre Entwickelung durch Carstens gestOrt
worden war. Nicht was, sondern wie gemalt wird, ist die Frage, die die jüngst
vergangene Zeit beschäftigt. Die Freilichtmalerei, van den Franzosen zu-
erst geübt, findet im letzten Viertel unseres Jahrhunderts auch in Dcuüschland
Eingang. Halten die allen Meister seit Ende des 16. Jahrlis. im Atelier mit
I
I
Nonllicbt ihre Modelle gemalt, so sucht man jetzt das ungleich schwerere
Problem der Beteuchtiing unter freiem Himmel, die durch die vielfachen Reflexe
modifiderten Farbenwirkungen zu erfassen und wiederzi^eben, Dinge, an die
die Maler der alten Schule wolil nie gedacht hatten. Die strenge Zcidmuug,
die sonst eine hersorragende Bedeutung gcViabt. tritt gegen die Wiedergabe der
Farbenwirkung, der Impression, zurück. Mit Vorliebe wälilcn die Maler
lange Zeit ihre Vorwürfe aus dem Kreise der arbeitenden Klassen, die sie
meist in Lebensgrösse, ohne zu idealisieren, dazustellen sich bemühen. Diese
aogenaunte Armeleute>Malerei hat lange Zeit Beifall gefunden. Auch die
Mythologie, die biblischen Geschichten, lieferten u-illki-mme-nc Stoffe, doch
kümmerte man sich bei den Darstellungen aus dem Sagenkreise der alten
Völker nicht darum, ob die Griechen in gleicher Weise das Sujet aufgefaßt
hatten, wie man von der Nachalimung der berühmten alten Meister man
sicli lossagte, allein dem niodemt-n Geschmacke zu genügen sich bestrebte.
Der chardkterislisclie Vertreter dieser Kuiislrichtuiig ist Arnold Böcklin
^geb. 1807). Selbständig wollte man sein, von aller Tradition sich um jeden
Preis befreien. Dass dabei auch sehr wertvolle Emingeiischaflen frtüierer
Zeit prei^egebcn werden, lasst sich nicht leugnen, jedenfalls hat aber
durch die neuen Bestrebungen die Technik der Malerei sehr bc-deutende
Fortschritte gemacht Die neueste Zeit ist nun, wie es scheint, nicht mehr
mit bli"Ä& meisterhaft gemalten Bildern zufrieden, sie will sicli bei deren Be*
trachtung auch etwas denken können, und so finden selb-tt die syml>olistischen
Bestrebungen mancher Kün^der jüngster Zeil Beiiall und in gewissen Kreisen
auch Anerkennung.
England hatte im 16. und t7.Jahrh., einige Portndlmaler etwa ausgenommen,
keinen Künstler von Bedeutung aufzuweisen. Bedurfte man eines tüchtigen
Meister^i. so Uess man einen Mider aus Deutschland, aus den Niederlanden
kommen und bezahlte ihn bes.ser. als seine Landslcute dies thaten. Sn hatte
Hans Holbein der Jüngere sein Brod in England gefunden, im folgenden
Jahrhundert Pelcr Paul Rubens und Autony van Dyck, Sir Peter
Leiy (Picter van der Faes) und Gottfried Knellcr. Im iK. Jahrh. war
Angelika Kaufmann freundlich aufgenommen worden, wie in unseren
Tagen der Friese Alma Tadema und der Bayer Hubert Herkomcr.
Die englischen Maler stehen in der ältesten Zeit hinler jenen Ausländem
weil zurück. Doch treten nun in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhundert»
zwei Meister auf, die nicht nur in England, sondern auch unter allen Kultur-
natiunen Beifall und huulisle Anerkennung finden: William Hogarth
(1697 — 1704) und Tlioraas Gainsborough (1727 — 88); mit ihnen beginnt
die Geschichte der englischen Malerei (Ernest Cliesneau, la pcinture
anglaise. Parti. Quantin s. a.). Sie sehen die Natur nicht durch die Brille
weder der griechischen und römischen KünsUer, noch der gefeierten
grossen alten MeLilcr Italiens, sondern geben, was sie mit eigenen Augen
eischaut; darin liegt ihre hohe Bedeutung, in dieser Hinsicht sind sie allen
nuKJemcii Künstlern vorausgeeilt Mag Sir Joshua Reynolds (1723 — 92)
auch viel mclir Erfahrung gesammelt und die Guiwt seiner Zeit in noch
höherem MasM; genossen haben, so sind seine Werke wie die des augc-
«launten Benjamin West (1738—18.30) und vieler Anderen vergessen,
während Hugarths und Gaiiisboruughs Namen in immer erhöhtem Grade
gefeiert bleiben. Allein das Beispiel jener bedeutenden Künstler fand zunächst
wenig Nachahmung; nur einzehie Portraitraaler wie der Schotte Sir Henry
Rachurn (1756 — 18^3) luid Sir Thoraas Laurcncc (176Q — 1830) haben
sich einen wohl begründeten Ruhm gesichert Für die Landschaftsmalerei
554
XIII. KüKST. I. Bildende Kunst.
tritt neben GainstKjruugli epochemachend auf Joseph Mallord William
Turner (1775 — 1^5:), John Constable (1776 — 1837) und Richard
Parkes Bonington (iBoi — 28}, der Genremaler Sir David Wjikie
(1785 — 18^ [) und der Tiermaler Sir Erwin Landseer (1802 — 73). Die
neuen Maler Englands tiagen einen mehr internationalen Charakter an sich;
sie haben in Paris, in Mfmthen ihre Stu<Jien gemacht. Allein trutzdcm
erkennt man in ihren Formen die Engländer. Mag Lord Frederik
LtighlüH (18.10—96) und Edward Foyuter {^h. 1836) auch an dem
traditionellen Herkommen festhalten, die Antike als Ausgangspunkt ihrer
Tliatijjkeil ansehen und in den grossen alten Meistern ihre Vorbilder ver-
ehren, trotzdem sind es englische Mädchen, die sie malen, wenn sie sie auch
gleich Phryne oder Andromaclie etc. nennen. In der Bildnismalerci leistet
Walter Ouless (geb. 1S48), Salomon, Sant u. s. w. sehr bcdeutcndcä und
auch die Landschaftsmalerei hat her\*o tragende Meister aufzuweisen. Zumal
die schottischen Maler, die Schule von Glasgow, kann sich einer bedeutenden
Zahl von töchtigen KOnstlem rühmen ; ich nenne nur den Portraitmalcr
John Lavery (geb. 1858) und James Guthrie (geb. 185«)), den Land-
schaftsmaler James Paterson und James Whitelaw Hamilton. So
hat auch auf dem Gebiete der Malerei England seit der zweiten Hälfte un-
seres Jalirhuiidetts sehr tOchliges geleistet, sich eine geachtete selbständige
Stellung zu erringen gewnsst.
Unsere Schildeiung würde unvollständig sein, woIUen wir einer Rjchtung^
der englischen Kunst nicht gedenken, die nach langen Kämpfen sich endlich
die allgemeijic Anerkennung zu erwerben verstanden hat, der Schule der
PraeraphaCliten. Beeinflusst von dem angesehenen Aestlietikcr John
Ruskin iKitie der Maler Dante Gabriel Rossetli (1828—82), mit ihm
seine Freunde William Holman Hunt (geb, 1827), Lord Madox Brown
(1821 — 93), John Evcrett Millais (182^1 — i8',i6) u. s. w. um die Mitte
unseres Jahrhunderts versucht durch eindringendes Xaturstudium, Streben
nach unbedingter Wahrheit und Ablehnung jeder Nacliahmung frfüierer
Kunstfnrmen eine Erneuerung der englischen Kunst anzubahnen. Ihre
ersten Werke, die auf den Ausstellungen erschienen, fanden lebhaften Wider-
spruch. Millais wandte sich ganz der Poriraitmalerei zu und hat sich da einen
wohlverdienten Ruhm erwarben, allein die andern blieben der .Sache treu und heut
wird deren vorzüglichster Meister Edward Burne-Jones (geb. 1833) mit Recht
anerkannt und gefeiert. Auch Walter Crane (geb. 1845), der vortreffliche
Illustrator der bei Rmitledgc vcn^ffenilichten Toy-books, hat in seinen grös-
seren Gemillden, die wie die der ganzen Schule ideale Stoffe, aber in meister-
licher Danstellung behandeln die höchste .\nerkennung gefunden. Meut ist
in der That England im Besitz einer nationalen Kunst, eine Errungenschaft,
deren sie viele Jahrhunderte lundurcli gänzlich entbehrte.
Die eingehendste Schildenmg der neueren Kunst in Deutschland wie in
England hat Richard Mutlier in seiner Geschichte der Malerei im iq. Jahr-
hundert (München T893, 189-1) gegeben, einem Werke, das nicht nur seines hohen
wissenschaftEithen Wertes, sondern auch der zahlreichen Abbildungen wcgeu
besonders zu empfehlen ist Adolf Rosenbergs Geschichte der modernen
Kunst (Berlin 1884—89) giebt eine treffliche Darstellung der deutschen
Kunstverhflltnisse, nur ist der Mangel alter Abbildungen zumal fOr alle, die
nicht ganz mit dem behandelten Stoffe vertraut sind, sehr fühlbar.
XIII. ABSCHNITT.
KUNST.
2. MUSIK
VON
ROCHUS VON LILIENCRON.
I
I
§ I. EINLEITUNG. DIE GRUNDLAGEX DER MODERNEN MUSIK.
Die Kunst der Musik * floss der flltesten christlichen Kirche aus zwei
Quellen zu: aus der Kunstübung und Theorie der griech.-röm. Welt und aus
dem jfldischcn Tempel- und Synagugengcsange. Die Grundlegung und eiste
Entfaltung der racMlemen Mu.<iik vollzieht «tich ausschliesslich auf dem Boden
der Kirche, in ihren Schulen und für ihre Zwecke.
Die griechisch -r">mische Musik * bildete ihre Tonrcihe aus aneinand einge-
fügten Tetrachorden (Reihen von je 4 Tönen). Im diatonischen Tetrachord
waren die Saiten des Tctrachords s'^ gestimmt, dass sie von unten nach oben
einen Halbton und zwei Ganzt^ne darstellten, also z. B. (in heutiger Bezeich-
nung) h Vf c * d * e. Fügte man an ein so gebautes Tetrachord von der
Stimmung EFGa nach oben im Absland eines Ganztones (diazeugmcnnn) ein
zweites gleiches, also h c d e, dann ergiebt sich diejenige Octavengattung,
^■elche bei den Griechen die dorische hiess und für die «Iteste, nationalste
Dud vornehmste galt: EFGa h c d c Die Reihe D — d hiess ihnen die phry-
gische, C — c die lydische, A — a die aolische, G — g die jonische oder hypo-
phrygische, F — f die hypolydische, H — h die mwolydisi.he. Diese Reihen
(Octavengattungen) unterscheiden sich von einander, wie man sieht, durch
die verschiedene Lage des H<ilbtuns in den Tetrachorden.
Setzte man aber an das Tetrachord KFGa ein zwcitcjs dergestalt, dass
der Unterton des höheren auf den Oberton des tieferen fiel (Synemmcnon),
dann ergab sich die für weitere Combinationcii wichtige Reihe EFGa b c d.
Die Griechen brauchten ausser diesem diatonischen noch zwei andere
Tongeschlechtcr (Stimmungt'n des Tetrachords), das cluomati.sche und das
«nharmonischc. In beiden stehen, wie im diatonischen, Ober- und Unterton
im Verhältnis der Quart zu einander, die mittleren Töne aber sind anders
gestimmt, nSmlich im rhromaiisrhen Geschlecht (von unten nach oben)
Halbton und Halbton, im enharraonischen Viertel- und V'iertclton, also
chromatisch: h V« c */t da i*/i e, cnharmonisch: h '/^ h« V4 c ' c. Beide uiir-
556
XIU. Kunst. 2. Musik.
den jedoch nicht zu sclbstaudigea Toiileilcni zusamniengetilgt, sondern nur
der diatonischen Tonleiter zu Zwecken ge-stcigerten Ausdruckes eingesetzt
Als die alte Musik auf die chrisüiche Kirche überging, war die Enharmonik
mit ihren Vierteltönen aus der Praxis versctmiinden und die Chromatik ward
von der kirchlichen Musik in ihrer allen Gestalt nicht aufgenommen. (Vergl.
La melop^e antique dans le chant de l'eglise. Gaud 1805.)
Zur Zeit des Übergangs der antiken Musik auf die junge christliche Kirche
war das wehlicbc Musiktrcibcu zwar cutartet, weil es den AusschweifungCD
des zerfallenden antiken Lebens diente. Die Musik selbst aber als Kunst
stand auf der Höhe, diu sie in der antiken Welt überhaupt erreicht hat.
Der letzte antike Theoretiker Boethius* (t 524) bildet den vornehmsten
Ausgangspunkt für die Theone des christlichen Millelalters und hat sie
wen^tens teilweise bis in das 11. Jahrhundert beherrscht
Der älteste Gesang in der abendlJlndischen christlichen Kirche benjlit auf
den aus der morgen landischen Kirche stammenden Überlieferungen. Von
einem Gesang wechselnder Chöre und von Gesangen in antiken Cbormetrcn
hören wir (durch Philo) schon bei den Alesand rinischcn Therapeuten, wobei
es freilich in Frage kommt, ob hier die Sitte des chorischen Wechselgesanges
nicht vielmehr aus dem jüdisclien Tempelgcsang stanunl, Von christlichem
HjTiinengesang ln'^ren wir in der Syris<-hen Kirche zuerst bei den Gnosiikcm,
dann auch bei Rechtgläubigen. Chr^'sostoraus brachte die Sitte nach Kon-
stantinopel; von da verbreitete sie sich weiter. Im vierten Jahrhundert be-
gegnen lateinische wie griechiche Hjinnendichter. Solchen llynmengesang
nahm Bischof Ambrosius (.^,^3 — 397) in die Liturgie seiner maüandischen
Kirche auf *. Selbstverslilndlich handelt es sich dabei um Hj-mnen in antiken
Metren; in der antiken Kunslübung regelte das Metrum aber nicht nur die
Verwendung langer und kurzer Silbcu im Verse luid die Geslali der Strophe,
sondeni es stellte zugleich den Rhythmus der Tr»ne und die Gliederung der
Melodie dar. Dass hierdurch den Melodictüuen also der Rhythmus von
aussen her als etwas fremdes auferlegt werde, ist eine nur sdicinbar richtige
Vorstellung. Vielmehr ruht umgekehrt das Metrum auf einem Prinzip,
welches seinem inneren Wesen nach der Musik angehört und von dieser nur
theorcti.scJi losgelöst ist. Nicht den Musiktönen, sondern dem Worte wird
durch das Metrum und seine strenge gemessenen Langen verhallmsse ein ihm
an sich fremdes, wenn auch analoges festes Maass auferl^t.
Die Musik der HMnnen bewegte sich in den antiken diatonischen Skalen,
die man lateinisch t^ni nannte. (Ambrosius licss angeblich in der Kirche
ihrer nur 4 als ersten bis vierten Tonus zu, nämlich die Reihen D — d, E— e,
F — f und G— g. S. jedoch unten unter Gregor S. 55Q o.)
Von den eigenen Hymnen des Ambrosius leben in der katholis<lien
Kirche mehrere noch heute, darunter als die am sichersten beglaubigten:
Veni redemlor gentium, Aetenie rerum conditor und das wohl aus dem
Griechischen übertragene Tedeuni, d. i. der sog. Am brosian Ische Lobgesang.
Die zweite Gattung der altkirchlichen Musik, vielmehr ihre erste und vor*
nehmste, der eigentlich liturgische Gesang, dessen Quelle im attjOdischeo
Tempel- und Synagc^cngcsang zu suchen ist, zerfallt iu zwei Arten, welche
spfltcr (aber mit altem Namen) als accentus und concentUÄ bezeichnet wurde *.
Accentus, übersetzt aus jjQoaqtdia, bedeutet genau was es besagt: Zugcsang.
In der Sprache ist darunter die Tonbewegung der Stimme beim Aussprechen
des Wortes nach der Beschaffenheit und dem Starke Verhältnis seiner Laute
und nach seiner Stellung im Satzbau, nach seiner metrischen, rU>'tluiiischeiL
und syntactiscben Beschaffenheit zu verstehen. Als Gattung der Musik
I
GRinrDLAOEK DER MODERKEN MuSIK.
557
I
N
p
^
zeichnet accentiis den recitirenden Gesang, bei dem die Stimme des
Lesenden uder des singenden Chores auf ein und demselben Ton liegen bleibt
indem sie sich nur an einzelnen Stellen, nilmlich im Eingang (initium),
der Mitte (medialio) und am Vers- und Satzschluss (finaüs) in bewegteren
Tonfiguren über diesen einen mittleren Ton erhebt oder unter ihn herab-
senkt. Als mittlerer Ton galt nach der sj>ateren Entuickelung ttie Dominante
der Tonart, in der gesungen wurde. Die Tonfälle der Initicn, Medianlcxi
und Finalen waren fOrjt^te Tonart licstimmt vorgeschrieben. Den wichtigsten
Teil dieses accentischen Gesanges bildet der liturgische Vortrag der Psalmen,
die Psalmodic. Ihr analog, nur in seinen Tonbewegungen noch weit be-
schraiikter und an die Andeutung der Satzgliedcmng nach Komma, Kolon
Punkt oder Fragezeichen gebunden ist der Leselon, in dem die verschie-
denen biblischen Lectionen vorgetragen werden. Er ist gleichen Alters mit
der Psalmij{tie.
Der concentUB besteht dagegen darin, dass die Melodie in selbständigen
Tonbewegungen von Silbe zu Silbe dem Text folgt, sei es, dass sie, wie in
dem vorhin en*;ihnten H>Tnnengcsange, jeder Silbe nur einen Ton giebt, oder
dass sie, worauf die Prosatexle fuhren mussten, thirch mehr Töne über einer
Sflbe eine rhythmisclie Ausgleichung herbeifülirt. Wie alt dieser sich offenbar
an den accentus als kunstvollere musikalische Entwickehmg anschliessende
OODcentus im kirchlichen Gebtauch ist, darüber gehen die Meinungen noch
auseinander. Zur Zeit, wo vni sicher urteilen kßnnen (um das 8. Jahrh.),
sang man in dieser im vollen Sinne musikalischen Weise neben den Hvmnen
vor allem die Antiphimen und die Resi>onsonen. In ihnen liegt der Aus-
gangspunkt für die Entwickelung der weiteren kirchlichen Kunstmusik.
Auf diesen musikalischen Gmndlagen nun und mit dem bis dahin im
Gebrauch «.ler jungen Kirche erwachsenen liturgiM-hen Stoff nach Wort und
T(m gab Papst Gregor I. d. Gr. (590 — 604) den Lituigien des ganzen
Kirchenjahres in Messe, Hören u. s. w. die Gestall, die ihnen in der katlko-
lischen Kirche bis heute im Wesentlichen geblieben ist und aus der sich im
if>. Jahrh. die gt>tte.srlicnstlirh-musika]i sehen Formen der Rcfnrmati<mskirch«n
entwickelten. Gregi^rsWerk ist weder in den Te.xlen noch in der Musik eine
Neuachöpfung, sondern es wird wiederholt und ausdrücklich als ein cento,
also als ein aus gegebenen Bnichslflcken zusammengesetztes Werk bezeichnet.
Wie vollständig übrigens der liturgische Bau des Kirchenjahres schon durch
Gregor selbst geschaffen, wie viel die nächste Folgezeit bis zum 8. Jahrh. im
Einzelnen hinzugefügt habe, darüber gehen die Ansichten auseinander. Das
kanonische Exemplar der Gesänge, welches er der Tradition nach in St. Peter
in Rom an den Altar ketten liess als Richtschnur für die von ihm in neue
Verfassung gesetzte römische Sangerschule, hat sich bisher weder im Original
noch in einer unmittelbaren Abschrift nachweisen lassen. Gleichwohl hat
die römische Sangerschule ganz ge*n'ss ein solches kanonisches Buch besessen
und strenge befolgt Es fragt sich nur, wie weit die nachweislich im 8. und
(>. Jahih. ztmi Zwecke der Sicherstellung der kirchlichen Einheit im Gesang
von den Pa))stcn namentlich ins Frankenreich geschickten Abschriften noch
dem ersten Original genau entsprachen. Aas Ekkehards Bericht in den Casus
Sl Gaili ist bekannt, dass 790 ein solches Exemplar durch den von Pa]ist
Hadrian geschickten Romanus nach St Gallen kiim. Auch dies Exemplar
ist bisher in keinem der ältesten Antiphonare nachgewiesen. Dass es indessen
in St Gallen vorhanden war und dort in der kirchlichen Praxis wie beim
Abschreiben als geheiligte Norm behandelt ward, darf für gewiss gellen.
Nur stellt nun der Erkeimtiiis der Melodien dieser ältesten kirchlichen
559
Xtll. Kunst. 2. Musik.
Handschriften eine grosse Scliwierigkcit entg^e-ti: sie sind nicht in {griechisch-
römischer) NutenscUrift verzeichnet, senden» in Neumen. Das Wort {yevfta)
bedeutet Wink und ist ursprünglic!h der technische Ausdruck für die Zeichen-
sprache, mit der der Chein.">nc»me den Gesang (und die Bewegungen) des
singenden (und tanzenden) Chores leitete. Diese Kunst der Cheirononiie
war wie bei (ien Griechen, sn aucli in nachweisbiir ganz flhnliclier Weise im
Orient verbreitet, bei den Indem, Armeniern, Juden; ja Spuren davoi\ lassen
sidi bis ins Mittelalter herab verfolgen. Die Tonbewegung der Stimmen,
also den accentus (Zugesang) aufsteigend cxler absteigend, oder beides in
mannigfacher Verbindung oder uingektihrl das Beharren der Slinunen auf ein
und demselben Ton deutet der Chdronom durch ent-ip rechende Uewegungen,
namcntlidi der HJliidc an, Indem diese bewegten Zeichen für den Zugesang
schriftlich dargestellt wurden, entstanden die sprachUchen Arcent- und andre
damit zusaramenhilngende Zeichen für richtige Aussprache und Vortrag
(Acutus, Gravis» Perispomenon u. &. w), und ans diesen Zeichen w-iedcr wurden
die Zeichen zur schriftlichen Darstellung des Ziigcsange^ fOr die kirchUchen
Texte in den ältesten Mandscliriften, also die musikalihchcii Neumen gebildet.
Ohne Zweifel ward auch in dem Gr^orianischen Normalexemplar der Gesang
nur in solchen Neumen notiert. Diese Zeichen aber zeigten nur die Ton-
bewegungen der Stimmen, nicht auch die absolute Tonhöhe und den
genauen Abstand der Töne von einander an. In diesem Sinne bildeten sie
keine wirkliche Notenschrift. Sie beduriteu zur praktischen Verwendung der
mündlichen Tradition der Melodien, wie solche in der Zeit bis zum 9. Jahr-
hundert von der gregorianischen Gesangschule in Rom ausging und über-
wacht ward, spater von den kirchlichen Musikschulen des fränkisclien Reiches
in Soissons, Metz, für Deutschland vor Allem in St. Gallen. Da nun aber,
2umal, wie es scheint, durch griechische Einflüsse am Hofe der fränkischen
Könige, die Neigung zu kQnstUcheren Melodien mid zu reicheret Aus-
schmückung der alten Melodien stieg, so stieg damit zugleich die Schwierig-
ieil, den Gesang in Neumen genügend keimtÜch zu macheu. Auf der einen
.Seite wuchs die Zahl dii-r i omliinicrten Zeichen zur Darstclhmg der Ober
einer Silbe oder der in emem Athcm zu sbigendcu Tünc. Die gewöhn-
liclisten dieser zusammengesetzten Zeichen sind: Clivisis Acutus und Gravis,
aisü ein höherer und ein tieferer Ton, z. B. de Podatus = Gravis imd
Acutus, z. B. c d. Scandicus^' Gravis, Gravis, Acutus, z. B. cd e. Clima-
cusss Acutus. Gravis, Gravis, z. B. e d c. Torculus = Gra\is, Acutus, Graws,
z. B. c e c. Porrcclus =: Acutus, Gravis, Acutus, z. B. c c c. Pudatus
subbipunctis = Gravis. Acutas, Gra\Hs, Gravis, z. B. d e d c Podatus
-subtripunctis = Graxis, Acutus, Gravis, Gravis, Gravis, z. B. cdcha u. s. w.
Eine rhyOmnsche Bedeutmig hat der Pressus: er zeigt an, dass die Silbe einen
doppelten tctus liahen solL Die Tonhöhe und der Abstand der Töne von
einander wird, wie bemerkt, in diesen Zeichen nicht bestimmt. Neben den
gewöhnlichen Neumen in graden Strichen und neben der daraus sclion früh
gebildeten Cursivschrift finden sich auch noch andere, namentlich punktiene
Neumen, die durch den Abstand der IMnkte das Tonverhaltnis darzustellen
suchen. Zur Veranschaulichmig stelie hier (nach Coussemaker. Hist. de l'har-
raonie au Moyen-äge, vgl. Wattenbach, D. GeschichtsqucUen i. M.A. 5. Aud.
Bd. I, S. 307) der modus Ottinc in einfachen Neumen.
I
I
I
I
GRUKDLAGKX der MODSRSEüt MustK.
559
I I M> . I I.MAI
Maguiw ctsv Otto queni hk ttkkIub rcfert
. I I! II I I - / / V
tu nomine ottinc dictns qtuulain nocte
/ - j - / / / ./-..A-j /; / i
RMtnbni stia dum coliocat pilatio camt subito Joflanmur.
Um das S. Jalirh. hatte daa System der kirchlii Ken Tonarten seine seitdem
gebliebene Gestalt. Dass es sie schon durch Gregor d. Gr. erhallen liabe,
indem er, so «ird erzählt, zu den vuo Ambrusius aufgcnummencn 4 authen-
tischen Tonarten (Skalen) die ^ plagaleii hinziifOsi^e, ist schon darum kaum
gbiublich, weil ilamals in Rom, wie man aniieluncn muss, die antiken grie-
chisch-römischen Tonarten nncli in praktischer Übung standen, von denen
die kirclilichea Tonarten (Kirclientüne) schon dem Namen nach abweichen.
Diese Ä alten Kirchentöne sind fiilgaide:
Gnindton Hauptuiiifang Domi-
dtr Mclodio nante
I. tonus. D. authcni, {durisch) D — d a.
II.
>
D. pLagu
iir.
*
E. auth.
IV.
»
E. plag.
V.
-
F. auth.
VI.
>
F. plag.
VII.
»
G. auth.
VIII.
»
G. plag.
(phrj-gisch)
(hypuplirjgisdi)
(lydisch)
(hyptilydisch)
(mi.\t>lydisdi)
( hy ixMni X oly disch)
-a.
D— d-
Dic plagalen Tonarten haben die gleiche Tonica (Giundton) mit der ihnen
entsprechenden authent. Tonart; der erste und zweite tonus haben also beide
Uic Tonica D. Daher sind z. B. der aulheul, erste und der plagaie achte
nur scheinbar gleich, denn jener iiat zum Gruudton D, dieser G tmd jener
modulieit (modern gesprochen) vermöge »einer Dominante a in D-nioH, dieser
vermöge der Dominante c aus G-dur nach C-dur.
In der nächsten mittelalterlichen Periode kamen, was gleich hier bemerkt sei,
das unsenu Dur ent^pret/hende jonische C — c (Dominante G) und das unserm
Moll am nächsten kommeadc IU>Usche A — a noch hinzu. Man hat diese Ton-
reilien in den weissen Tasten iin.serer KIa\'iere vor Augen, die eben die diato-
niüdien Tonleitern darstellen. Von den Tönen der schwarzen Tasten, die als zu-
fällige und im Kirchengesang im Allgemeinen nicht zulässige Ton Veränderungen
galtai. ward in ältester Zeil nur das b in den beiden oberen Octaven ge-
braucht, welches neben dem h quadratum (d. h. h) seine Verwendung als b
rotuiidum fand. Die jetzt gebräuchlichen griechischen Namen für die 8 Töne
finden sich zuerat in der dem Hut-bald (t 930) fälschlich zugeschriebenen
Musica enchiriadis. Im accentischen Gesang, d. h. in der Psalmoiiie bildet,
wie schon bemerkt, die Dominante denjenigen Ton, auf dem recitien »ird
und von dem aus die .Stimme sich in den Tonfallen des Eingangs, der Mitte
imd des StliliLSses aufwärts mid abwärts bewegt. In der concentischen
Melodie bildet die Dominante den Ton, zu dem in jeder Tonart die Melodie
steh von der Tonica, dem Grundton aus liauptsüchtich bewegt, den sie vor-
zugsweise berührt, von dem sie zum Grundton zurückkehrt und der dadurch
ihre harmonischen Verhältnisse beherrscht, d. h. die inner liarmonischea
zwischen den sich folgenden Melodictüuen. Denn von Harmonien melirerer
gleichzeitig erklingender Töne ist in dieser ganzen Musik noch keine
Rede.
560
XIII. Kunst, 2. Musik.
1 Allgecn. Lehrbüclicr : A. W. Ambio«, Geuh. der Musik. 4 B<!e. 9fl. i86a.
18&4. 186S und (n»ch dem Tode des Verf.) 1878; dazu vun O. Kade u)k 5. Bd.:
Auseru'ählu Taniptrke der berühmUn Meister des XK und XVf. Jahrhs. (mit
Bcnuizung von Arabros* Nacliiass). 3. (duich Solkcvsky, O. Kade und Rei-
maon) besorgte Ausgabe. Leipiig 1887 — 1892. — Arrey v, Domrocr, Hdb. d.
Musiltgfich. 8^. 2. Aufl. 1878. — Heinr. Ad. KöaiUn, Gesch. d. Musik im
t/mriss. 8". 3. Aufl. 1884. — Emil Naumann, füuttrierte Mnsikgrsfh. 3 Bde.
8*. 1885. — • Fricdr. Bcllcrmann, Die Tonleitern und Musiknoten der
Griechen. 1847. 4*'. Derselbe, liie Hymnen des Dionysos und Mesomedes. 1840.
4*. — Wcitxmanii, Gesch. drr griech. Musik. 1855. — R, Westphal, Har-
monik u. MeiopSif li^r Griechen. 1863. 8". Drrsclbe, Gesch. d. alten u. miltel-
ailerl. Mmik. 1865 — 66, 8"^. Derselbe, Die Mutik des griech. AlUrthums. 1883.
8". — > jV. M. S. BoiJlius, De instihilione musica lihri V. t-d. Friedlein. I867. 8®.
Au« dem I^iein und niil besonderer Berück sichti^n^ der ^cchischen Hartnonik
sachlich erklärt von Ose. Paul, 1872. 8". — Branibach, Die Muuktitirratur des
MittelaiUrs. Karlsr. 1883, — * W, Bttumker, ?Atr Geschichte der Tonkunst in
DeutschSanä von den ersten Anfängen bis aur Re/ormalion. 1S81. 8". —
Königsfeld, Lateinische Hymnen und Gesänge im M.A. mit Anm. von A, W,
Schlegel. 2 Bde. 1847—65. — Jo«. Kehteim, Kirchen- u. rel. Lieder aus
dem 13. bis 1$. Jakrh. 1853. 8*. — K. Simrok, Lauda Sion. 3. Aafl. 1868. —
fi Dom Jos. Poihier, Der gregorianische ChoraL OberveUt von P. Ambrostus
Kieole. Tourtiai 1881. \i,^. — Schubiger, Die Sängerschtile lu St. Gaiien.
1858. — Patecgraphie musicaU. Bd. 1 — IV. l88g f. (herausgegeben von den
Bcncdictincm zu Solennes, wohL von Dom Job. Potbier gearbeitet). — Frz.
Xav. Habcrl. Magister thoratis. Rcgensbu^ b. Pustet. — Fr. Aug. Gevacrt,
Der Ursprung des röm. Kirchengesttnge^, Deutsch von Hagn Riemano. Leipx.
189t. 8". — Oskar Fleisciier, Neumen-Sludittm. T. t, Ldp/. 1895. (T. U
kunnli,- hier leider nicht mehr benutzt werdeu. Vgl. «Insu noch P. U. Korn-
niUller, I^ie Nenmen/arschung, im ICirchcnmuuk. Jidirb, f. d, Jahr 1896, bng.
von Frz. X, Habcrt.) *
g a. DIK PERIODE DE-S GREGORIANISCHEN GES.4NGS.
Die Hauptschulen der kirchlichen Musik, der auch Karl d. Gr. seine alles
umfa&iendc Sorge zuwandte, waren für das frünkischc Reich jenseits des
Rheines in Metz imd Soissons, diesseits in St Gaiien, Rcichcnau, Fulda. Die
für die Kirche so unentbehiiiche Kunst der Musik ward als eine der 7 artes
liberalcH gelehrt. Ihre eigentliche Aufgabe war der kirchlich -liturgische Ge-
sang der Messgesfinge (Kyrie-, Gloria. Credo, Sanctus, Agnus) der Introiten,
Graduales iL s. w., der Antiphonen, Responsoricn, Hymnen u. s. w. und die
Psalmodie. Sie ergriff und beherrschte aber von dieser Grundlage aus auch
den weltlichen Gesang. Wie der ihren Einwirkungen voraufliegende deutsclic
Volksgcsang gelautet habe, das wissen wir nicht; Spuren davon liaben sich
nicht erhalten.
Dass uns durch die genannten Schulen die aceentisclien GcsUngc in
ihrer ursprQngUchcn Gestalt erhallen sind, darf man annehmen, rweifelhaft
ist dies \'erniöge der Un^cherheit der Neumenzeichen bei den concenliscfac
Gesängen. Wir gewahren eine zunehmende Neigung, den ursprOngüch wohl
in höherem Maasse syllabischen Bau auch dieser Melodien durch Tongnippen
Über den Silben auszuschmücken und zu bclebtui, Es scheint, das» die schon
erwJihnten griechischen Einflüsse daliin gewirkt haben. Unberührt davon
blieben jcdcM'ii die Mekjdien der Hymnen, in denen sich i:n Allgemeinen
der alte Grundsatz erhielt, dass jeder Silbe des Textes eine Note der Melodie
entsprechen müsse. Die Hymnen mit ihrem strophischen (^esang bildeten
bis dahin den Hauptgegenstand der kirchlichen Compo^ition. Durch
sind uns ohne Zweifel älteste Meindien erhalten worden. Im Allgemeine
hat man in den Dichtem der H>-mnentexte auch die Erfinder der i^Ieludi(
vorauszusetzen.
Ais Hymnendichter • begegnen nebst vielen andern:
i
Periode des Gregorianischen Gesanges.
561
Hilariiis (t <"- y>*^)' I-"*"is largiior splcndüic. Damasus (t 3H4) (Ge-
vacrt, Ursprung des rüm. Kirchengesiingcs S. 14, s. ">. hült jedoch die auf
Hilarius' und Damasus' Namen übfrlieferten Hymnen für apokn-pli). Pru-
dentius: lani moesta quiescc quercla; Nox et tenebrae et nubila; Ades
patcr supcmc; Aics dici nunüiis; Salvete fli^res martyrum. Gregor d. Gr.:
Audi lienigne »onditor; Veni crcator spiritus; Rex Christe factor om-
ninm; Surami largilor praemü; Ex niore dixti mystjro. Venanlius For-
tunatus (t 609): Crux fidelis inter unmes; Vcxilla rcgis prodeunt (?) Salve
festa dies. Tlieodulfus von (Orleans (t 821): Gk)ria laus et honor. Rha-
banus Maurus (t 85h): Chrisle sanclorum decus angelorum; Fcstuni nunc
celcbre. Fnlbert von Chartres (t 10J9). Hermannus Contractus
(t 1054); Alma redfiiiloris mater. Adam von St. Victor (t H/?)- Aba-
lard (t 1142). Bernhard von Clairvaus (t 1153): lesu duicis memoria;
Salve Caput cruentatum. Th 0 m as v. Aq uinu (f 1274) : Fange, lingua,
gloriosi; Verbum supemum prodicns.
Die weltlichen Melodien dieser Periode werden wir uns, seitdem sie von
der Kunst der ktrchtichc-n Mtuiiksclmlcu beherrsclit waren, von fihnlichcr Be-
schaffenheit 7,u denken haben.
Dei erwülmten Neigung zu reichen Alelismen dankt eine neue Gattung
kirchlicher Gesänge ihr Entstehen. Es hatten sicli, namcndich am Schluas
des Halleliija ' längere wortlose Tonreihen als Ausdruck der freudigen Er-
hebung und Lobpreisung — daher auch Jubilationen genannt — gebildet.
Es scheint, da.s-s griecliische Sänger sie an den Hof Karls d. Gr. brachten.
Nicht regellose Tonreihen, sondern rhythmisch nach Art zweiteiliger Psalmen-
verse gegliedert, die einzelnen Glieder in rhythmische Tongnippen (Neumen)
geordnet; den Namen der Sequenzen danken sie vermutlich eben ihrer Stel-
lung hinter dem Halleluja. Statt der letzten Silbe des Halleluja versuchte
man dami wieder diesen langen Meli.smen Worte unterzulegen. Dergleichen
Gesänge brachte ein aus seinem Kloster Jumiegcs a. rl. Seine vor den Nor-
mannen (851} geflüchteter Presbyter in seinem Antiphonar nach St Gallen,
wo der damals junge Noiker balbulus (s<j erzfihlt er selbst uns in der Vor-
rede zu seiner Sequenzen sammln ng) sie kennen lernte und von ihrer Schön-
heit entzückt, sich mit Hülfe seines Lelircrs Iso diiian machte, iluicn bessere
Texte unterzulegen und zwar .»m, d;is.s nun wieder auf jede Melodienote eine
Textsilbe gebracht wurde. Diese Texte nahmen naturgemllss die zweiteilige
Strophcnfonn der Melodien und die rhythmische Gliederung der Keumcn-
gruppcn an, meist nur i ixler 2 .Strophen auf die selbe Melodie. Dann aber
erfand Notker auch selbst neue Sequeuzenmeludicn, denen er dann seine
ebenen Texte nnierirgte, Iwld richüge Verse, bald rhythmische Prosa, daher
auch der Name »Prosen«. So entstand seine im St Gallener Cod. 484 er-
haltene Sammlung, die er 887 dem Liutwan, Erzkanzler KOnig Karls des
Dicken widmete. Ihm gehört auch die berflhmtc Scquctu Media vita in
morte sumus. Diese Noikersclien Sequenzen wurden schon von Papst Nico-
iaus I. (B5S — B()7) für den kirchlichen Gebrauch sanctioniert, so dass nun an
jedem Fest unrl Heiligentag in der Messe hinter dem Alleluja eine Sequenz
gesungen werden durfte. Sie verbreitetet! sich sehr rasch und es cutstanden
ihrer in den folgenden Jahrhunderten zahlreiche neue, bis Papst Pius V. sie
X j68 bis auf ,5 aus dem Missale wieder strich. Diese 5 singt die katholische
Kirche bis heute: zu Ostern Victimac paschali laudca von Wipo (t 1050);
auf Pfingsten Veni sancte spiritus, von K^nig Robert von Frankreich (t 103 1);
zu Fronleichnaiu Lauda Sion .salvatorera von Thomas v. Aquiuo (t 1274);
an Marienfesten Stabat mater dolorosa von Jacobus von Todi (t 1309) und
CfniimniKlie Phnolorl« III. 2. Aufl. 36
^L
562
Xni. KUTfST. 2. MrsiK.
im Tütenanil Dies irae von Thomas v. Celano (c. 1320). Die lutherische
Kirche sang aber ndch bis ins 17. Jahrh. hinein auch viele der andern all-
kirchlichen Sequenzen. Die Ursprung! iche Regel, dass in diesen GesangCD
auf jede Silbe nur ein Ton kommen dtvrfc, w-ard seit dem 12. Jahrh. weder
aufgegeben.
Die Form der Sequenz findet sich auch im mittctalt. weltlichen Gesang
unter dem Namen Leich. Es ist mfiglich, aber nicht er^viescn, dass mit
der kirchlichen Sequenz eine ähnliche schon ältere Gattung weltlicher GeäTmge
2usamraenn<».'w. Da das Wort Leich die Bedeutung Tanz und Spiel hat
(vgl. Grimm, Würterb. s. v.), so ist anzunehmen, dass die Sequenzenforra mit
ihren kurzen Strophen und lebendig wechselnden Rythmen und Meindien
im weltlichen Gesang besonders als Tanz- und Chorlied beliebt ward. Doch
erinnert audi wieder der Umslai\d, dass sie bei den höfischen Dichtem mit Vor-
liebe für das Maiienlied gebraucht ward, an ihren kirchlichen Ursprung.
Zur selben Zeil, wie in der Kirche die Sequenz, kam im Volksgesang
selbst auf ganz fLlinlichc Weise eine andere Liedergattung auf. Das einzige
Stück der Liturgie, an dessen Gejtang das Volk sich beteiligen durfte, war
das Kyrie eleison der Litaneien, indem es den Ruf refralnartig wiederholte.
Auch hierbei nun bildeten sich Mclismen (längere silbenlose Tonreihen)
nach den Jubilationen tujd auch diesen legte man dann Liederstrophen unter.
So entstanden die traten geistlichen Volkslieder. Die Melodie des ältesten
erhaltenen auf St. Peter: »Unser trohtin hat farsalt« ^ ist zwar in Neumen
Oberlieferl, noch abei nicht entziffert. Sehr beliebt war ein derartiges Lied
auf .Si. Gall. von Notkers Freund Ratpcrt; von dem aber ist nur der Te.'rt
in latein. Gestalt erhalten. Man nannte diese Lieder nach ihrem Refrain
(KvTic clcis<.ni) Leisen.
In allem bisherigen ist niu: von einstimmigem Gesänge die Rede; b<s
gleiteten Instrumente den Gesang, so geschah es im Einklang cider höchstetis
mit Icicnirügem Bass; spielten Instrumente allein, so spielten sie Gesaiig-
mclodien, wenn man auch annehmen darf, dass das beweglichere Instrument
die Melodietune schon frOh mit verzierenden Trmen umspielte. Es darf hier
von der Frage, wie wul unter dem vno lijr oid^i' xooi'etv der Griechen an
wirkliche Mchrstimmigkeii zu <lenkcn ist, abgesehen werden. In die alte
mittelaller liclie Masik ist das jedenfalls niclit mit übergegangen. Hier hat sich
vielmehr die Mehrstimraigkeit neu und aus der Natur der Sache heraus ent-
wickelt. Der älteste dafür gebrauchte Name, Orgammi, legt die Vermutung nalie,
dass die ersten Versuche mit der Orgel gemacht sind. Theoretisch wird sulche
neue Kun.stübung zuerst in der Musica enchiriadis (wohl um 970) behandelt
Dies Organum besteht darin, d.'tss die Melodiestimme in lauter parallel mit
ilu- fortschreitenden Quinten (oder Quarten, je nachdem die zweite Stimme
unten oder oben liegt) begleitet wird. Derselbe Tractat kennt aber auch
sdion einen bedeutsamen zweiten Schritt auf diesem Wege, den man ab
schweifendes Organum bezeichnete; dass nSmlich das Orgamnn nicht auf der
Quint oder Quart liegen bleibt, sondern als Durchgangstöne auch Terz und
Sekunde benutzt Das j s t noch keine kontrapunktische Tonverbindung,
aber es erschliesst die Thür dahin. Darum rauss man dies O^nura, audi
Diaphonia genannt, als die folgenreichste F,ntwicklung in der MiLsik dieser
Periode bezeichnen. In seiner Handhabung bildete sich das GefiÜil für Har-
monie im neuen Sinne von gleichzeitig erklingenden Tönen und für Har-
mtmicfolge aus.
Unsere wichtigste Quelle für die Erkennlniss dieser Perioden sind ihre
theoretischen Schriftsteller: sie reichen bis Ins 13. Jahrh. herab. Von deutschen
I
Musikscliriftslelk-rn« sind hauplsadiUcli zu nennen: Notker Balbulus (+ 012):
£x|)lanati(i quid stngufae Uteme etc.; verloren ist sein Werk de musica et
symphonia. — Regino von Prüm (t 915): De harmonica institutione und
Tonarius {bd Coussemaker Scriptt II. p. i f., facsini.). — Hucbald, Münch
in St. Amand (t 930): De harmonica institutione; Alia musica; De mcnsura
otganicanim fistulanun; Comincntatiu brc:\'is de tunis et p^Kilinis mudulacdis.
^Nach Gevaert, Ursprung etc. S. 15, Anm. 4 ist diese Schrift wobl nicht von
Hucbald, sondern nur solche Schriften, in denen die Dasia-Notation nicht
vorkumint.) Vgl. hierzu Hans Maller: Hucbatds Achte und unadite Schriften
Ober Musik. 1S84. — Von unbekanntem Verf.. nicht von Hucbald. wie bis-
her angenommen ward, ist die höchst bedeutende Musicit eucliiriadis, wohl
um 970 vcrfasst; vgl. Spitta in Vierteljahrsschr. f. Mus. Wiss. 18S9, S. 445 f.
— Bernu von Retchenau (t 1048): ani wichtigsten sein Prolugus in tona-
rium. — Hermannu.s contractus (t 1054}: De musica. Neu herauag^.
von W. Brarabach 1B84. — Johannes Cotto, ein um 1047 lebender Trierer
MöDcli, falls nicht ein Engländer. — Wilhelm von Hirschau (t tOQl).
Hans MüUer: Die Mibik Wilhelms v. Hirschau. 1883. — Aribo Schola-
sticus (11. Jalirh.). Vgl. W. Bniinbach: Die Musiklilleratin des M.A. bis
xuT Blüte der Reichenauer Sängcrschule (im Beiheft zum Centratblatt für
Bibliothekwesen. II. 1888).
Die Musik als solche erfShrt in den Arbeiten dieser Theoretiker ira
Grunde nur die eine Erweiterung des Organums, Im übrigen wird nur
die altgriechische Theurie, soweit und so wie sie damals vetslandcn ward,
und mit den Abwandlungen, die ihr in der allkirchhchen Anwendung wider-
fahren waren, vorgetragen. Ein »ichtiger Fortschritt ward aber dabei dem
Musikunterricht zu Teil und dessen Bedürfnisse führten auf die hoch-
wichtige Erfindung der Notenschrift ^x. Es galt zuvörderst eine sichere Be-
zeichnung der Inter\-ßlle zu finden. Dies ward auf mancherlei Weise ver-
sucht: durch Buclistabcu oder Zalilen. Dann zog man eine Linie, um die
relative Höhe des HaupUons einer Neum>enrethc zu bemessen, so dass sich
darnach das in verschiedenen Abstanden darüber und darunter geschriebene
aidierer ixach seiner Tonhöhe erkennen liess; man versah auch den Strich
des Neumenzeichens mit einem Punkt, um anzuzeigen, von wo ,ius der Ab-
stand von der Linie zu rechnen sei. Es folgte eine zweite Linie, die den
Abstand einer Quinte von der ersten darstellte. Indem man dann weiter
die eine dieser Linien für den Ton F, die andere für dessen Oberquinte c
bestimmte, und den Linien diese Ruchstaben vorsetzte, war man damit auf
die Erfindung der Schlüssel (claves) und zugleich zu der Festsetzung einer
absuluteu Tonhöhe der einzelnen Tonzeichen geführt. Mit dem Hinzu-
treten einer mittleren Linie fflr a und einer oberen für c, auf und zwischen
denen nun die Neumcn die Gestalt der quadratischen Noten mit oder ohne
Strich annahmen, war das System so, wie es bis zum Ende der Periode
blieb, fertig. Seine \olIsiandige Entwickelung ist das hohe Verdienst des
Italicners Guido von Arezzo" (um 1028), in dessen Schule auch zu Unter-
richtszwecken die Benennung der Tone vt.n C — a mit den Namen Ut, re,
mi, fa, sol, la (s)>äter kam si für h hinzu) aufkam. Sie sind den gleich-
lautenden Silben des sapphi.sdien Hymnus Ut queant laxis resonarc fibris
mira gestorum famuli tw^rum solve puüuti labii reatum, sancte lohaimcs
entnommen. In der Melodie dieses Hymnus, wie sie am Feste Johannes
des Taufers noch heute gesungen wird {Antiphon, rom. i. nativ. S. loh. Bapt
24. Juni in I vesperis) fallen nämlich diese Silben auf die Tc^nc CDEFG a.
Die Striche an den quadratischen Noten dienten ursprünglich nur dazu, die
564
XIII. Kunst. 2. Musik,
relativ höhere Note henorzuheben und diejenigen Noten, welche zu einer
Neume gehörten, zusammen zu halten, ohne den Wert der Noten zu ver-
ändern.
Obgleich nun die folgende Periode, die der Mensural niusik. mit dem Ende
des 12. Jahrh. einsetzt, si» dauert doch neben dem kirchlichen gregoriünischen
Gesänge ein aus ihm erblühter Zweig der deutschen Mustk noch wahrend
mehr als zweier Jahrhunderte neben der neuen Kunst der MenüunilmuÄilc
fort. So weit also müssen wir hier mit seiner Betrachtung den allgemeinen
Ablauf der ältesten Periode überachrdtcn. Vorhin konnte über die welt-
liche Älusik dieser ältesten Periode nur sehr weniges gesagt werden. Das
13. Jahrh. bringt sie uns aber in einer höchst bedeutenden und reizvollen
Entfaltung entgegen, nämlirii in den sn zahlreich überlieferten Melodien der
Minnesänger. Man hat mit dieser Musik nur darum nichts anzufangen
gewusst, weil man sie, irregeleitet durch den UmBtand. dass sie der Zeit
nach in die Periode der begiimendcn Mensuralmusik fallt, hartniLckig nach
den Gesetzen dieser neuen Musikgattung und ihrer Notierung (d. h. nach
den Regeln der Ligaturen) behandeln zu sollen glaubte. Die Unmöglichkeit
hiervon lag freilidi bei jedem Versudi der Übertragung auf der Hand; man
half sich bald mit der Annahme, hier müssten mjch besondere bisher unbe-
kannte Gesetze der Notenschrift vorliegen, bald mit der Annahme vermeint-
licher Einwirkungen tk-s Volksgesanges. Die Musik tler ritterlichen Minne-
sänger hat vielmehr, wie gesagt, mit der Mensuralmusik überhaupt nichts zu
sdiaffeu, sondern ist diejenige Form der weltlichen Musik, welche sich
aus der Kunstühung des kirchlichen gregorianischen Gesanges abgezweigt imd
XU einer eigenen weldiohen Musik ausgebildet hat. Darin liegt die unver-
gleichliche musikgeschiclitliche Bedeutung dieser Musik. Wohl ist sie, misl»-
fera sie weltliche Musik ist, der kirchlichen gegenül>cr auch Volksgesang»
denn ein dritte-s gab es für jcJic Zeit nicht Aber e* ist zugleich eine nach
festen Regeln geübte und auf technischer Schulung beruhende Kunst, als
deren hauptsildilicbc Trüger *ir die Fahrenden'* zu denken Iiaben, aus
deren Händen diese Kunstftbung dann im u, Jahrh. in die enger gezogenen
Kreise der ritterlichen Sünger überging. Die Kunstübung und Schulung der
filteren Fahrenden haben wir uns dabei als stets in engster Beziehung zu
den kirchlichen Musikschulen stehend zu denken und wie wir unter den
hr.fischen Sängern des 13. Jalirh. geistliche Herren finden, so werden auch
in den früheren Jahrhunderten lebensfrohe Manche und Schüler sicli nicht
versagt haben, an der frisch blühenden welllichen ZwillingsUunst ihres kirch-
lichen Schulgesanges ihren Anteil zu suchen. Gegen Ende des 13. Jahrb.
ging dann diese Kunstübung aus den höfischen Kreisen wieder an die ^
Fahrenden zurück; während jedoch diese sich dann bald der Technik
Mensuralmusik zuwandten, setzten die städtischen Meistersflngerschulen dJe
alte Kunstübung noch fort, bis sie unter der trockenen, Sasscriichen und
geistlosen Behandlung durch die Meistersinger erst im 16. Jahrh. abstarb.
Was nun aus diesem Wesen der Melodien der Minnesünger folgt, tsl:
dass sie nadi den Prinzipien der Choralnote und der Ncumcn gelesen und
nach denen des roncentischen gregorianischen Gesanges ausgeführt werden
müssen. Die hier in Notensdirift erscheinenden Keumcn (Gruppen ver-
bundener Noten) sind alsn über einer Silbe und in derselben Zeit zu singeo^
die über einer Sill>e der einzelnen Note zukommt. Der Finalgruppe d<
Zeile gebührt so gut, wie der der PsiUmenzeile eine leichte Verlangsamung
und wie im Psalmengesang über der ersten Silbe der ersten Zeile das Ini-
lium mit einer Neumc ausgescluuückt wird, so ist dies auch liier zulässig.
I
I
Periode des GRECORiANKCHEy Gesanges.
565
So hat z. B. Wizlavs Ued »Ich warne tlich, vi\ junger man< über dem Auf-
takt »Icli« ein aus clivis, podalus subbipunctis und porrectiis subtripunctis
zusammengesetztes, die lydLscbe Tonart des LJedclicus deutlich darstellendes
Inilium:
-*~m-
Ich
Der Gesang wird , gleich df;m kirchlit licn , im muÄikh.!isch gehobenen
Spra<:hlun ausgeführt sein. Daraus folgt zuvGrderet, dass es sich für Hebung
und Senkung der Verse nicht um einen Drei-, sondern um Zweivierteilakt
handelt. Man hat im Deutschen im 12. Jahrh. so wenig als heute die Worte,
sei es in Prosa oder Vcis nach Quantität, sondern nur acx^-entisch gesprochen,
J J J JJ J J
J J'J /J J'J
nie Uns ist in alten macrcn sondern nur Uns ist in alten maeren.
Dreivierteltakt kommt nur da wjr, wo der Text sogenannte Dactylcn enthalt
(vieünehr Tribrachen oder Molossen, auf die Quantität der Silben kommt
nichts an): z. B. bei Wizlav ts. u.)
Lou • be - re ri • sea
WO aber die 3 Silben nur durch aufgelöste Hebungen oder Senkungen ent-
stehen, da löst sich auch das entsprechende Viertel in 2 Achtel auf, ent-
^ sprechend dem anali igen Verfahren im gregorianischen Gesang; z. B. in
demselben Wizlavsdicn Ued:
nu - oi - ger • faan* de
Der klingende Reim entspricht auch in der Mujtik stets zwei Hebungen;
JJ J J
eIso bei Viertelnoten nicht wisen sondern wi-sen. Jede Verszeile bildet in
sich ein Ganzes, mit Finale abschliessend, um die Abschnitte herv'ürtrclcn zu
lassen, auf denen die Architektonik des Strophenbaues bertiht, der sich im
musikalischen Aufbau wiederspiegclt: man kann sagen, dass hier das Eine
nur die Kchraeite des Andern bildet. In den Taktperioden können sowohl
innerhalb der Zeilen als innerhalb der Strophe Perioden von 2 und von 5
Takten sich verbinden, im niemals zu lösenden Anschluas au das Versmaass
des Textes. Obwohl an sich das Maass der Noten kein scharf gemessenes
ist, so tritt doch zur alten gregorianischen Rccilicrkunst für diese ihre welt-
liche Tochter ein Moment hinzu, welches eine festere Messung der Ni-.ten-
werte mit sich bringt. Es Ist der Umstand, dass ein wichtiger Teil der
Lieder dieses Stils vun jeher als Tanadied diente. Der Schritt des taiuenden
Chores ergab ja von selbst ein festes Maass des Gesangs. Statt weiterer
Ausführung, die hier nicht mOglich Lst, gebe ich ein nach den angedeuteten
Gesichtspunkten übertragenes Ued; wohl ohne Zweifel eben ein Tanzlied.
Es ist das noch bei Ambtus (Bd. II', 276 nach v. d. HaHcn M. S. Bd. IV,
Anh. 1, S. 1) so grausam mishandcUe zierliche Ucdchcn Wizla« (v. d. Hagen
M.&IV, S. 816):
566
XJII. KUSST. 2. MUSJK.
Löu-be • re ri - sen von der böo-tuän hio ni tal, des stan blos ir
Blu-men sich wi - sen, du sie sint vur-tor-bca %\, scofne wis ir.
1.
a.
1
e - - s
^ > glc - stea. Sas twia-get der ri- fc ma*iii-ger-lian-dc
-tr
r^=ff=*:
m
war-iel aal, des bin ich gar se - te be-trü - bet; nu ich lu-gri - fe,
rw-r-
X:
3^:
:±
2S:
1
seil der wia-ter U so kal, des Wirt nin-we ytoo-de ge • fi • - b«t.
Hauptquelle für diese Gesänge ist die grosse und kostbare Liederhaiid-
schrift der Jenaer Universitätsbibliothek, gesclirieben in der ersten Hülfte des
I4.jahrhs.; jetzt in einem vorzüglidi gelungenen phot<)iyi>ugraphischen Abdruck
durch Fr. Strobel (Jena 1896) der Forsfhung allgemein zugTuiglich gemacht,
Emen im Ganzen recht korrekten Abdruck der Melodien gab schon von der
Hagen. M. S. Bd. IV, S. 775—844. Die Handschrift enthalt Lieder von
I Sänger des 12. Jahrbs. (Spervogel), 3 uiu 1250 (Tunhäuser, Bruder Wenüier,
Meister Alexander), ii, darunter Ktnirad v, Würzburg, von 1250 — 7.5, 16 aus
dein Ende des Jahrli-, v«in denen Wizlav und Frauenlob ins 14 Jahrh. hin-
flbcrfQhren '*. Es sind im Ganzen t)i Melodien: Sprüche, Lieder und zwei
Leiche, die vermöge üner Ijreiter ausgeführten musikalischen Composition
von besonderem Werte sind, zumal man zur Vergleichung mit ihnen die
akkirchlichen Sequenzen zur Hand hat. Die Tonarten sind die altkirchlichen,
zu denen aber bereits eine kleine 7.n\\l von Melodien iiinznkommt. wenn ich
nicht irre 8, die modernes Dur zeigen ". — Kürzlich ist eine weitere Fundgrube
erschlossen in den durcli I'aul Runge in schönem Abdruck veröffentlichten
>Sangeswcisen der Colmarer Handsrhrift und der Liederhandschrift Donau-
eachingcn«. Leipzig. Breitkopf u. Harlel. iSoöf. Der Herausgeber ist auf
anderem Wege in Beireff der Lesung und Auffassung der Melodien zu dem-
selben Ergebnis gekommen, wie ich. Es giebt auf diesem Gebiet noch wei-
tere bisher ungehobene Schatze.
Die Schöpfer der Melodien haben wir im Aligemeinen in den Diditem
der Texte zu suchen. Gilt uns Waltlier v. d. Vugclwcide als der
lyrische Dichter seiner Zeit, so haben wir in ihm ohne Zweifel auch
grossen Tonsetzer und vielleicht auch den grossen Meister des Vortrages vor-
auszusetzen. Es gehörte jedenfalls zur Technik der Schule und der Fahren-
den, den Gesang auf geigenanigon Instrumenten zu begleiten. Vor der Ein-
führung der Mensuralmusik kann tlies aber nur entweder im Einklang mit
den Stimmen oder in den einfachen Formen des alten schweifenden Orga-
nums geschehen sein; die Melodien sind als einstimmige Tonrcilien gedacht
und erfunden. Höfische Dichter pflegten zum Zweck der Begleitung Sjnel-
leute mit sich zu führen.
•&. Anm. 4. — 'F. Wolf. Cbfr die Lais. Sequenzen und Leiche. 1841. 8».
— "W. CbrisC, Cixr die ßfiiniiung wn Hirmot, Troparion und Kanon in
der gritchiith^t Potuc des Af.A., erlüulerl an dtx Hand dncr Schrift des Zenan%.
(SJUungib«r. d. Bayr. Akad. d, Wisscnsch. 1870, Bd. II. S. 75.) — ■ p'a
bei Meisler, Das Kalh. D. Kirckenlird^ Bd. I. Anb, I. — » Vg!. MarL Ger-
bert, Scrtfitcrrs fvr/rtiosim de muucn sncra fiottssimum. 3 Bde. I'fi^. 4". —
CoUBsetnaker. Scn/Honint dr musU-a mrJii an't ttaia ieries a G^rhertina aU
tera. Fax. 1864 — 75. — ^^ Hugo Rieniann, Studien sur ttetirft. d*f Noten-
Schrift. 1878. 8". — DeriieUie, Die Enturii^keittn^ unserer Xotensehri/t. (SammL
musac. Vnrlri^e, heiausgeg. vor Paul Graf Wartensee.) 1881. S"-'. — '* W.
Jlcrmcsdorff, Micralo^ts Guidonis Je disi-iplina arlis musieae, Übcr»cUt und
erkürt. Tri« 1876. — " Vgl. Ambro» II \ S. 235 f. — " R. v. Lilicncron
und Wiih. Stade, Lieder und Sprüche aus der ietite» Zeil des Minnesanges
(BChlau. Weimar 1854. jeizt: Ldpii^ bei C. F. Kabm), entbüJt 20 dieser Melo-
dien in modcTDcr vlrrsümm. Uannunisienmt; mit Ubcrscuieni Text. Eine gcKhicht-
licä ricliiige Erkenntma dieaer Mu^iik war )>ci dem damaligen Stand der Musik-
viucDschaft noch nicbt möglich, daher ist auch meine damalige Hinleilung fum
Teil veraltet. Stade ward aber vom rein mosikolischcn Standpunkt aus Khoo
dmmnis auf die im Wesentlichen ricbiigc Auffnssuitj* der Melodien gcfuhn. —
^ Vgl. biemi meinen Aufsatz ober 'Die Jenaer Mitnesängtrhandschri/t* in der
Zeit»chr. f. vergleich. Litcraturgescbidite 1894, S- 252 f.
DXS MUSIK INäTRUllEXTE DES ALTEBTITUES DXD UITTELALTEIS IN OEILMAMSCHEX
LÄNDERN.
I. Die ersten Spuren von Musiki nstnimenten in den germanischen I.anclen
finden sich in rohen Bildern auf Felsenreliefs und vorgesduchüicheu Urnen.
Die ältesten und primitivsten Darstellungen dieser Art dürften die S-Mmftig
ge«-undcD Posaunen sein, die zwei Spieler bei eincni Opfer blasen, dai-
gestellt auf cmcm südschwedischen Fclsenrclief, dem Kiwikmonumcnl bei
Mslby im östlichen Schoonen, das nach Nilsson (das Bronzealter) unge-
fähr 1000 Jahre vor Christi Geburt entstanden sein soll. Diese Instiounentc
haben etwa halbe Manneslftnpe; ilsre SrhallmOndung ist nach oben gerichtet
und, wie es scheint, mit einem flachen Teller versehen. Wir würden freilich
die Bedeutung der Bilder nicht sidicr feststellen kOnncii, H-aren uns sieht
Originale von Blasinstrumenten die.icr Form aus dem Altertume in reicher
Anzahl erhalten geblieben. In den Oslseelündem, besonders in Schleswig-
HoUteio und Südschweden, fand man eine grosse Zahl von bronzenen Musik-
instrumenten in Mooren, wo sie durch das konservierende Moorwasscr vor-
trefflich erhalten geblieben waren, so dass \'icle jetzt noch ganz gut musika-
lisch brauchbar sind. Man kennt davon bisher gegen dreissig', da.s Kopen-
hagener Museum bew-alirt allein etwa zwanzig, und dort gicbt man jetzt zuweilen
sogar Concerte d;irauf. Diese Instrumente, denen man den Namen »Luren«
(altdnord. /uär, Alphorn, Hom) beigelegt hat, haben fast alle MannesUinge
und sind dabei seht eng von Mensur (d. h. innerer Weite). Ihre gewimdune
Rßhre besteht aiw mehreren Röhrenstflcken von Bronze, die man in einer
l4nge von iVi — 2^'a Metern mit erstaunlicher Kunstfertigkeit zusanimenge-
iKhwetsät haL Diese Blasinslrumente gehören der Familie der Posaunen an,
deren Vorgänger sie also sind. Mit den (AU- und Tenor-) Posaunen haben
sie Umfang und Behandlung, wie den edlen Klangcharaktcr gemeinsam. Es
acheint, da.ss auch sie, wie spater die Posaunen noch bis tief ins itS. Jahr-
hundert hinein, vorzugsweise bei gottesdicnsl liehen FeierlJdikeiten gebraucht
wurden. Meist haben sie sirh paarweise vorgefunden, genau gegenseit%
flbereinstimmend. In jeder Hinsidil verdienen die Instrumente Beachtung
uikI Bewunderung*. Dir Gebrauch wird sich wohl bis in die Zeiten des
^ Ausfilhrlicb t>csprochcn niul abgphiltlet vnn Angul Ilairimerich in der Vfencl-
}ahra>£hrift für Musik Wissenschaft [894, S, l ff. Besprechunccn und Abbildungen TOD
diesen und Hni^irn anilt-ren drr hier tr^ähnten alten Instrumente findet nun u. a. in der
Hinotre gin^ale de la musique von F^lis, Band IV. S. J'rfT.
' £ine gute Xachbildung betiut da« VülkermuAeura tn Berlin.
Mittelalters hinein in nordischen Landern erhalten haben, so dass die vor-
gefundenen Originale wahrschein] ich sehr verschiedenen Jahrhunderten oder
wohl gar verschiedenen Jahrtausenden angchürcn. Doch scheint es nicht
mehr zweifelhaft, dass die Riilstehungszcit aller noch in die geschichtliche
Vorzeit und das Altertmn fallt Bei einigen davon fanden sich übrigens
Ct^enstande mit römischen Steinpehi.
Auch Blasinstrumente von der Form der Hörner haben sich in germanischen
LfUidem aus dem Altcrtuine (gefunden. Im Jahre i'gq förderte man in Gross-
Sl Miklus in Ungarn einen grossen Goldschatz zu Tage, der eine erhebliche
Anzahl von golducni Geschirr u. a. Gej;enslünden enthalt und jetzt im k. k.
kunstliLstorischen Museum in Wien aufbewahrt wird. Man hat ihn eine Zeit
lang ;Js den Goldschatz des Attila betrachtet. Die kunstvoll gearbeiteten Gegen-
stände tragen eigenartig phantastischen Bildschmuck und zum Teil (neben griechi-
schen) auch Runen -Inschriften. Unter den SchMzen befindet sich ein bisher
als Trinkliorn ausgegebenes kleines Hom von Gold; icli kannte jedoch leidilU
feststellen, dass es ein Bbsinstrument ist, da es ein ganz unverkennbar ausge-^
bildetes Mundstück aufweist Die Rülue verlauft stark kouisch. Offenbar war ihr'
Verfertiger noch nicht im Stande, seine ursprüngliche Absicht auszuführen,
nämlich ein gekrümmtes Hörn (nach dem Vorbilde der Natur) herzustellen ;
deshalb Ist die Röhre aus zwei geraden Teilen stumpfwinklig zusammen-
gesetzt. In dieser geknickten Form wurden noch bis in jüngste Zeiten hinein
die Wächterhömer in den DoDaulieflilndem verfertigt; das Museum für
Völkerlrachtcn i:i Berlin besitzt ein solches von 1 76^, das jenem Runcn-H'jrn
sehr ahnlich i.st. Aber auch halbkrelsrvind gegossene goldene Homer aus
altgermanischer Zeit, mit eingravierten Runen- luschriflen veräehen. hat man
besonders in Jütland gefunden, namentlich zwei bei Gallehus in Schleswig
(1639 und 1734), deren Andenken noch heute in der Volkssage lebtt. Was
Diodor von Sicilien (V. 30) von den Kelten berichtet, das sie »barbarids
ctiam pro suo more tubis utuntur, quae horridum et belUco terrori conve-
nientem reddunt mugitura inflatae*, trifft also auch auf die Germanen za.
Eine Silbemiünze von Drusus dem Älteren weist gennanische Waffen und
Trompeten, eine Kupfermünze von Man' Aurel ebenfalls germanische Waffen
und ein grosses Hom auf'': und es mag nicht unerinnert bleiben, dass in
der Edda das Gialla-hom zum grossen Entscheid ungskampf zwischen Göttern
und Riesen anfmft, wie die Posaune heim jüngsten Gericht. Auch in der
germanischen Sage spielt ja das Hom eine Rolle (z. B. der Olifant beim
Tode Rulands), und Miniaturen in frühmittelalterlichen Handschriften stellen
germanische Krieger mit Hörnern öfters dar. Es kann also gar kein Zweifel
darüber herrschen, dass in frühesten Zeiten, selbst bevor noch die deutschen
Völker in den Hannkreis der Geschichte und der griechisch-römischen Kultur
traten, vor allem in den nordischen Landern, Blasiustrumenle bekannt und
in ausgedehntestem Maassc gebraucht vbiirden. Die bedeutende Kunst-
fertigkeit, mit der diese Instrumente fast durchweg bergcslelll worden sind.
lasst auf eine lange und nicht geringe technÜHche Übung, und diese auf eine
crheblii'he Intensität des musikalischen Interesses, mithin auch auf einen
verhältnismässig hohen Standpunkt der autochthoncu Musikübung bei den
germanischen Völkern der Vorzeit schliessen. War aber die Blasmusik im
^ Über die Funde ». Forkel. GfuhüHu der Afusik Xl. 119 f.. Abbildong im Allu
d'Arch^ologie da Nord^ Kopenba^e 1S57; über dir Sa);c 9. MüUtnboff, Sagm^ ÜSr^
c/uH unJ l.ie<ier du fferiogtums SchUneig'I/oUuiH. Kiel 1845, S. 34S.
* Beide MOnzen im BerUii«r K5nigl. MOnzkabinet.
Norden, in den OsUee-Ländem, so stark im Schwange, so ist zugleich ihr
Charakter und selbst das Tonsystem, worin sich diese Musik bewegte, ohne
■weiteres bekannt: der Cliarakter diesei uralten germanischen Musik war,
vie die erhaltenen Luren beweisen, kriegerisch-erhaben, übrigens nidit roh-
schmettemd und lärmend, sondern getragen, kraftig und edel; das Tonsystem
aber vaz dasjenige, worauf alle Rühren -Instruincnle von der luicrschülter-
lichen Naturnotwendigkeit angewiesen sind: das System der NalurtunreihOi
<L b. der Durakkord und die Durtonlciter:
C, CGceg I b I cMie» r>j:ia' h'c»...
DunlitrikUog. iJüiUniik, DiiituiilL;ilrr,
Beide elementare Faktoren der Musik darf man dalicr als autocbttion -ger-
manisch bezeichnen.
Was insbemtndere den Akkord luigehl, so darf nicht übersehen werden,
dass die völlige Umwülzung, die gegen die Mitte des Mittelalters durch die
allgemeine Anwendung des Zusammenklanges in die Musikgeschichte gekom-
men ist, nicht vom Süden, sondern vom Norden Euroixis ausgegangen ist.
Ein niittelatterlicher Geschichtsschreiber (Gcraldus Cambrcnsis um 1185) be-
richtet, dass in Nord-England das Volk und selbst die Kinder ganz allgemein
mehrstimmig sängen, was ihnen durch lange Übung zur Gi^wohnheit und fast
zur andern Natur geworden sei und wahrscheinlich durch die Danen und
Norweger ins Land gebracht worden wäre. Dieser Bericht wird von meh-
reren Belegen jener Zeit bestätigt, z. B. durch die Nachricht vim mehr-
slimmigeni Gruppengcsange bei der Hochzeitsfeier des englischen Kianprinzen
1159 und beim t'iffentlirhen Auftreten der englischen Kirchenfüisten zu dieser
Zeit; femer durch die Nachricht des Walter Udington (um ti8o) von einer
besonderen Art der Mehn>tlmmigkett (dem zweistimmigen Organum purum):
et hoc gciius antiquissimum est Die nordgermauischc Bla^imusik musstc
mit unabwendbarer Naturnotwendigkeit zur Mehrstimmigkeit führen,
selbst wenn maj» sich — wofür kein veniünfüger Grund erdaclil werden kann
— dagegen strSubte. Denn wenn mehrere Spieler auf Blechinstrumenten
blasen, so werden sie nur dann akkordisch zusammenklingende Töne ver-
meiden kflnnen, wenn sie sich bereits eine grosse Übung und Beherrschung
der Blastechnik erworben haben; je roher und ursprünglicher aber
ihre Kunst, desto niehr werden sie akkordlsche Zusammenklange
(selbst gegen den Willen) hervorbringen.
II. Auch unwiderl^ltche Beweise des Gebrauchs von Saiteninstru-
menten in vorgeschichtlicher Zeit sind vorhanden. In der schwarzen Lasur
mehrerer grosser Urnen aus der IIa llstatt- Periode, die man in den Grabhflgela
um Oedenbun^ in Ung;im ausgegraben hat, finden sich mannigfache Dar-
stellungen von Tänzeriiinen und Spielern, letztere mit viereckigen und vier-
saitigen lyraartigen Saiteninstrumenten. Die .litesten Bilder (aus dem dritten
Jahrtausend vor Christo?) sind allerdings so prinutiv, da.ss man ein endgültiges
Urteil, ob wirklich Musikinstnmienie vorliegen, noch nicht für ausreichend
gesichert halten koimte. Da fand ich tS()2 auf einer nicht lange vorher
ausgegrabenen grossen Urne aus März bei Oedcnburg (jetzt im k. k. natur-
historischen Museum in W'itrn. Saal XII, l'feilerschrank 65) die unzweifelhafte
Darstellung eines Saiteninstrumentes, welciic jene Umenbüder von Tänzcra
tmd Spidern auf das klarste interpretiert Ein Mann, in primitivster Zeich-
nung angedeutet (den Leib stellt ein Dreieck, den Kopf zwei kleine konzen-
trische Kreise dar), h.llt in den ausgestreckten Hunden ein Saiteninstrument
voTi <äer Form einer altgrierhisdien Kithara^ Das Saitenspiel weist 4 Saiten
auf imd gleidil fast •;;;inzlicii denjenigen Kitharen, die auf drei alten gulÜschcn
Münzen aus Casars Zeit* dargestellt sind, so üass man aimelimeu darf, dass
wir es dort mit dem Urbilcle der Lyren oder Kitharen zu tlmn haben, zu
denen die berufsmässigen Masiker der Kellen und Gennanen, die Barden,.
nacK dem einstimmigen Zeugnisse der griecliischen und lateinischen Sdirift-
steller ihre Spoit- und L'^blicdcr sangen. Sämtliche bildlichen Darsteihmgen
dieser Saiicninhtrumcnte zeigen einen (eckigen oder runden) Schal Ikürper,
von dem zwii Hrirner aufwürls gehen. Diese beiden Homer (die xi^aza
der griechischen Kithara) verbindet ein Querstab [Zvyov), woran die Saiten,
die zum Schallküqier laufen, befestigt sind. Schriftsteller des Altertums
überiiefem uns, dass die filtesten Kitharen von den Thrakern zu den Griechen
gekommen sind, also au-s den Donauliefläiideni stammen, und ursprünglich
nur drei oder vier Saiten gehabt haben, die in Grundton, Quarte, Quinte
(und Oktave) gestimmt waren, z. B. G — c — d( — ^g)*. Diese Stimmung ist
Gnmdbge de.s altgriechischen Tonsystemea geworden (die Töne heissen hier
»die feststehenden, unveränderlichen«) und kehrt in der Folge bei vielen
volkstümlichen Saiteninstrumenten des Mittelalters xmd der Neuzeit in Europa
als Grundstimmung wieder, ganz insbesondere bei der »deutschen Zither« und
dem tradiduncUen Instrumente der Bürden, der Chrotta, deren sedis Saiten
ebenso gestimmt waren in den Tönen G — c — d mit ihren höheren Oktaven.
Dass die alle Citliara im frühen Mittelalter noch allgemein im Gebrauch
war, beweisen zahlreiche Bilder und schriftstellerische Erwähnungen dieser
Zeil. Gehören die Blasinstrumente mehr dem Norden zu, so scheint sich
der Gebrauch der Saiten iii-strumentc von Süden her über alle germanischen
Länder verbreitet zu haben. Je mehr nach Norden zu, desto weniger
Spuren von Saiteninstrumenten, aber desto mehr Reste von Blasinstrumenten
lassen sich nachweisen; und umgekehrt: je weiter man zum Süden der ger-
manischen Lande geht, desto mehr fehlen die Spuren von Blasinstrumenten
und häufen sich diejenigen der Saiteninstrumente. In einem altgcnnanischea
Hcidcngrabe in Obejflachi im Oberamt Tuttlingen im württembergiscben
Schwarzwald fand man 1840 sogar noch die Überreste eines solchen hölzernen
Instrumentes; das Skelett eines Kriegers hieh es im Arme. Das Instnunent
war iiffenbar eine Chrntta, nicht eine Geige, wie J. Grimm wollte, denn
Bogeninstrunientc gab es damals in Europa noch nicht.
In jüngster Zeit wurde unweit jenes ersten Gmbes am Lupfenherg bei
Oberflacbt durch den Oberamtspfleger Schad in TutUingcn ein ähnliches
Grab des 4. — 7. nachchristlichen Jahrhunderts ausgehoben, dessen reichai
Inhalt das Völkermusciim in Berlin ertt-orben liat, wo auch nunmehr eine
vortreffliche Nachbildung des gesamten Fundes in seiner Ureprünglichkeit
ausgestellt worden ist Ein alemannischer Krieger, in der Hand das Schwert.
Über der Brust den Bogen, hrJt im Arme ein sechssaitiges Musikinstrument,
das durch das Grundwasser der luftdichten Thonschicht vollständig erhalten
worden ist. Und dieses Saitenspiel ist genau das Mittelglied zwischen den
uralten prähistorischen Darstellungen iler Cithara einerseits und den spä-
teren mittelalterlichen der Chrotta andrerseits, sodass damit der geschicht-
1 Di« Abbildung vrrOfTtntlkhle ich in d«r Allcrm. Musikxeitung (Cb&rloKcDburg) 1893,
Mo. 30 ff., in einer Skizxe aber ' MusikioftUumentc aus dcuucber Urzeil«, auf die bJcr
QberhAUpt vcnric^cn sei.
* ». FttiB, //isloire g^niralt dt ia mtniqtie. Pari« l86g — 76. Bd. IV. S. 341,
* Vgl. bc«. Boetius, Dt musiea, td. FrudUin. Ups. 1867, S. 305 f.
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liehe Zusammenhang jener prahisturiachai Citharen mit der Chrotta her-
gestellt ist'.
Auch sonst nixh hat man Spuren von cttliara-ahn liehen Inslrumenlcn im
südlichen und wcslJichen Germanien entdeckt da, wo Germanen sich mit
Kelten mischten und mit griechisch-römischer Kultur in Berührung standen.
Je mehr eine solche Verbindmig stattfand, desto häufiger also bt-gcgncn wir
den SaiLeninstrumentcTi. Deren Bevorzugung kennzeichnet mithin die zweite
Epoche der altgermanischen Instrumentalmusik gegenüber der ersten Epoche
der Blasinstnmicnte ; ihr Anfang scheint in die letzten Jahrhunderte vor
Christo zü fallen und dauert das ganze Mittelalter hindurch.
Auch rhythmische Instrumente hat man in Deutschland aus prä-
historischer Zeit vielfach gefunden. So namentlich trichterfnjrmigc Trommeln
von Thon in me^'alithJsdien Grübern besonders der Altniark. In einer Ab-
handlung Ober >Die raegalithischen Gräber Deutschtands« in der Zeitschrift
für Ethnologie 1893 haben Ed. Krause und Otto Schoetensack (Text
S. 60 — 65, Taf. XIII) eine grosse Zahl derartiger Thongefilsse beschrieben
imd abgebildet und ihre Übereinstimmung mit ilhnlichen Trommeln, wie sie
sich noch heute besi>ndcrs bei a.siatisclien Völkern (auch von Thon} im
Gebrauche finden, nachgewiesen. — Rasseiinstrumente, x^ie Sistren und
Klappern wnirden im vorigen Jahrhundert in Mitteldeutschland häufiger
ausgegraben, so namentlich 1714 — 173O in Grossendurf imd Diebau bei Steinau
a. d. Oder*. Auch hier bandelt es sich vermutlich um Lehngut von orien-
talisdien Völkern. — Von flotcnartigen Instrumenten, tlie bei den alten
Griechen eine so wichtige Kollo spielten, wo sie aber auch erst von Kleinasien
aus eingeführt N^-urden, sind Spuren und Reste im alten Germanien meines
Wissens bisher nirgends gefunden worden.
III. Schon in den Zeiten des frühen Mittelalters gehörte das Spiel
von Saileninstrumenien zu den Gegenstanden des Unterrichtes. Als Saiten-
instrumente nennt Venantiu-s Fortunatus bei den Britancn die ChroUa, bei
den Germanen die Jlarpa. zwei Namen, die — wie überhaupt die Bezeich-
nungen der nordischen Hauptinstrumente — aus den klassischen Sprachen nicht
erklärt werden können. Diese beiden Instrumente sind Verwandte der grie-
cliischen Kithara und Lvra, mit denen Vena:itius sie auch gleichstellt«. Die
Harfe war den Saclwen ein unveräusserliches Besitztum, ihre Spieler politische
Persönlichkeiten, von deren Untergang sich Eduard I. in Wales die Sicherheit
seiner Herrschaft versprach. Trotz des alten Testamentes, in welchem soviel
von harfenartigen Instrumenten die Rede ist, entschlug sich die chrisdiche
Kirche des Gebrauches der auch bei den Heiden so angesehenen Harfen;
und dennoch blieben die Harfenarien im nördlichen Europa allen anderen
Musikinstrumenten gegenüber noch lange Zeil die vornehmsten.
Die beiden genannten Harfenarten, chroila und hatpa. lauschten sich die
Völker der Kelten und Germanen vermutlich schon in vorgeschichdicher
Zeit gegen einander aus, so dass es schwer halt, sie ganz von einander xu
trennen. Der Grund unterschied beider scheint dieser zu sein: Die Harfe
stellt sictt dem Auge als ein dreieckiger Rahmen dar, in welchem eine grössere
Zahl ungleichlanger Saiten völlig frei liegen, so dass sie dem Anschlage der
Hände von beiden Seilen zugänglich sind. Bei der Chrotta aber (aldr. erot.
* Eine NachhiMuoK des Oriipnals schenkte der Wiederbtr«wll*T de« GesamtiuinlM, Herr
Conscr\'4ior Eduard Kraute der K|;l, .Sanimlun)> alter NtusikiDiinim^tc in Btrlio.
» V^I. Forke] II. 109.
* I.ib. VII, cann. 8 die vieldiicncn Verse: RomanuKiuc lyia plaudat tibi, barbama
torpä, Graeciu Acbilllaca, Crotu Briuuinn cauui.
kyrar. cnv//i) liegen nur wenige Saiten von gleicher Lange in cmera \'ier-
eckigen Rahmen befestigt und laufen, nur iu ilircm oberen Teil von beiden
Seiten dem Anschlage der Handc ioigänglich, in ihrem unteren Teile über
einen Schallkastcu, der den Hulzrahraen, etwa in seinem unteren Drittel,
ausfüllt Spater ward dieses Instrument <5fters mit dem Bugen statt mit
blossen Hunden gespielt und schliesslich ganz zum Streichinstrument (daher
engl, croxi'd, die Fiedel). Noch anfangs unseres Jahrlis. hat es Crüwdspieler
gegeben, auch einige Original exemplare des alten Barden Instrumentes haben
sich erhalten. In Deutschland erscheint dies keltische Instruinente als roila
neben dpr harpa schon bei Otfrid (V. 23, 199). Noch im 12. Jahrh. ist es
an Skulpturen namentlich in Mitteldeutschland zü erblicken.
Eine dritte Harfenart ist das Psalterium. Der Name tritt als Übersetzung
des hebräischen Ä'diel {i'dßÄa, vnvln) schon im Altertum auf. Diese latei»
nische Bezeichnung war ursprünglich nur ein Äquivalent für harpa, wie ctthara
für chroita: im lo. jahrh. aber verschmelzen auch diese lateinischen Namen
mit einander, um sich er<it spater wieder zu spezialisieren. Der spatere
mittelalterliche Psalter [fisalirrfe, müerion, saiterio Udesco, sauterioti, sauiier)
ist meist em tvapczfünuiger Kasten mit darübcrlauf enden Saiten in grosser
Anzahl (zuerst 8 — 10, s|>ätcr mehr), im früheren Mittelalter mit blossen
Kngem, später (besonders auf den Totentanz-Gemälden) mit Kluppcln ge-
schlagen. Er hat sich erhalten in unserem Hackebretle und dem Zigeuncr-
cvmbal. Eng verwandt mit dem Psalter ist die Spitzharfc, bestehend aus
einem trapezoid Ischen Resunan/.kasten mit vielen aufliegenden Metallsaiten
aufrecht bteliend und mit Schlagring gc-spiell. Vielleicht ist unter der bei
Minnesängern erwähnten deutschen swaiwt, einer kleinen Harfenart, die im
12. Jahrh. nach England eingeführt wurde, dieses Instrument zu verstehen. —
Bei allen diesen Harfenarten erhielt sIlIi bis auf unsere Zeit das Spiel mit blosser
Hand {\fi6X).Etv. psaüiren') neben d<'m mit einem Plectrura (Federkiel, Sc
ring, Klöppel). Nurdie^-Z/n'/Za ward in der Folgezeil zu einem Streichinstrument
Zu dcu Saiteninstrumenten des spateren Mittelalters gehört femer
eines der wichtigsten das Monochord. Es besteht aus einem langen,
schmalen Schallkasten mit einer einzigen übergespannten Saite imd diente
anfangs ausschliessHch den Slusiklehrem zur Unter^-eisung der Schüler in den
Tonin icrva II en. Der Lehrer zeigte daran, wie die Hälfte einer Saite die
Oktave, V^ derselben die Quinte, % die Quarte des Gnmdtoncs u. s. f. ergeben.
Schon im 10. und 11. Jahrhundert aber bediente man sich des Instrument-
chens bereits zur Bildung von Melodien (Odo von Clugny, Guido von
Arczzo) und damit ward es in die praktische Musik übergeführt, wo es die
mannigfachste Verwendung gefunden hat Indem man dann <las Instnmient
mit mehreren (gleichlangen und gleich gestimmten) Saiten bezog, erhielt
man das Scheitholt, das am Ende des 16. Jahrhunderts als eines der
niedrigsten Volksinstrumenle verachtet wurde. Trotzdem ist das so weiter
ausgestaltete Monochord als der Uralm einer grossen Zahl wichtiger Inslru-
xuente der modernen Zeit von grosser Bedeutung. Seine Verbreitung war
in den frankischen Landern schon im Mittelalter ganz allgemein. AU Ein-
saiter stellt es ein Griffbrett dar, wie es die Geigen- und Guitarrenartcn
verwenden; als Mehrsaiter führte es einerseits zu der bayrischen Zither
(nicht zu verwcchschi mit der dcubichen Zither, s. o. 570), andererseits uutec
Anseizung einer Claviatur zum Clavichord, der ältesten Form des KlaWcresi^
1 Vgl. hierzu und zum tianzet) meinen •Führer duicb die Sammlong Alter Muiik-
itutrumemc, 2. Aufl. Bcrilo (W. bpcmana) Uti>8.
I
I
IV. Streicliinstrumentt^ kannte das Altertum unr! .Mittelalter nicht, der
Gebrauch des Bogens bei Sailenspielen kam frühestens im 8. Jahrh. auf, ist
aber erst einige Jalirhunderte später bezeugt. Die Bogcuinstruraente gehen
auf zwei antike Gniiidfonnen zxiritck: die der Kithara (Chrotta) und der
Lyra (testudi>) mit S«.hltdkrölen-Schallkürpcr. Lelzlerer wird im Abenülanüe
gebildet durch ein ausgchöhhes Stück Holz von der Gestalt einer halben Birne»
unten gewulbt. oben vnxi einem Brette bedetkt. Auf der Decke l;ig eine,
später zwei (selten mehrere) Saiten auf. wekhe duRh die auf dem Griffbrett
oder Halse des Instrumentes sich auf- tmd abbewegenile linke Hand ver-
kürzt, d. h. in ihrer Tonhöhe verändert werden konnten, während die rechte
sie mit dem Bogen anstrich. Die gr»"isste Form dieser Insiruinenie stellt das
Trurasclieii dar ( Nunnengcige, itvmba mnnna'i, ein ausgehöhlter, oben
spitz verlaufender hnlljer Biiumstamm von über ManneshMie, mit einer Saite
überspannt, das seinem Klange nach Ähnlidikeit mit der Trompete {fmmba),
seiner Konstruktion nach mit der Trommel, seiner Gestalt nach mit einem
Baumstumpf {trum) hat, also die mannigfachsten etymologischen Beziehungen
zulüsst. Die kleinste Form dieser Bogen Instrumente weist die Rubebc auf
{rutuiU, rthel, rehec, rebecca, arabisch tYbah), d. i. die Tasclienge^e. Der Name
dieser ganzen Gattung scheint anfünglidi iira, seit dem 12. Jahrb. aber j^ga,
gtgi gewesen zu sein. Der Name Geige scheint germanisch k
Die Geigenarten waren durch ihren Bau auf eine geringe Anzalil voq
Saiten besdiränkt Im i.i. Jahrh. noch waren es deren meist nur zwei.
Mehrere Saiten bedingten ohne weiteres arrordisches Spiel; denn s<» lange
ilmeu die Einschnitte zu beiden Seiten fehlten, wie sie xmsre Geigen auf-
weisen, konnte der Bogen auch die Saiten umso weniger einzeln anstreichen.
Je mehr ihre Zahl über zwei hinausging. Zu solchem Behufe bedurfte es
also der Seiteueinschnitte, welche wiederum einen besonderen Bau des Schali-
kiirpers bedingten, nämlich die Guitarrenform, wie die ChroUa heätehend aus
zwei flachen Deckbretiem, ringsum durch Seiteriw.'inde (Zargen» mit einander
verbunden. Diese Zargeninstnimcntc fasste man imler dem Namen Fideln
zusammen {Jitiuiu, bei (Jtfrid V. 23, 198 Iira ich ßdttia d. i. Geigen und
Fideln; span. vihmia. ital. viola, franz. vUüe). Auch hier ist gcrmauischcr
Urspnnig des Wortes nach Kluge wahrscheinlich. .'\tis den Fideln gingen
unsere sämtüi-tien modernen Streichinstrumente hervor {Hofirto, vioia */a firacch
oder Bratsche, viola Ha gamba oder Gambe, liotonallo, viola da hasio oder
Bass u. s. w.), während die alte Geigenform allmAhlich abstarb.
Die Strcicliinslrumente stellten sich nun in der Minncsüngerzeit eben-
bflrtig neben die Harfenarten und drängten sie in den Hintergmnd, Die
Frauen bedienten sich ihrer ebensowohl, als die Heklen tics Xibdungen-
tiedes. Im allgemeinen litsst sich sagen, dass die Fideln ursprünglich mehr
I>ei den Romanen, die Geigen aber mehr bei den Germanen zu Hause ge-
wesen sind.
Ein eigenartiges Streichinslruwient ist die Drehleier, Bauern- oder Beitler-
leicr. Ältester Name (im 10. Jahrh.) ist rtrganistrum, der spatere Symphonie,
chinfonie, cifonit, und erst seit dem i'i. Jahrh. geht In Frankreich der Name
viellt, der bis dahin nur für die Fidel gidl, auf die Drelileier über. Ihre
Saiten werden nicht mit dem Bogen, sondern durch dn an einer Kurbel
drelibares Rad, auf dem die Saiten aufliegen, angestrichen. Am Halse des
Instrumentes ist eine Art Klaviatur angebracht, durch die man die Saiten
verkürzen, und so Melodien erzeugen kann. Das Instrument ward früher
> Kloge. Etymokig. Wb, S- 101. Aucfa der Kune trSgl (Trögldn) ßndel sidi.
574
XIII. Kunst. 2. Musik.
von zwei Personen gespielt, von welchen die eine die Kurbel drehte, di<
andere das Klavier handhabte; später ward es fflr eine einzige Person spidbar'
gemacht. Erhallen hat sich das Instrument, das. seit dem 15. Jahrh. wenig
gebraucht, im 17. 18. Jahrh. dne zweite vorübergehende Blütezeit erlebte,
nur noch als Instrument der Savoyardcnknaben.
V. Seit dem 13. — 14. Jahrh. taudite in der Tonkunst der gebildeten
Völker die Laute auf und verdrängte allmählich die Streichinstnimente
aus der bevorzugten Stellung innerhalb der Oesellschaftsmusik, wie diese
vordem die Harfen in den Hintergrund, geschoben hatten. Im 16. und 17.
Jahrh. genoss .sie dasselbe unbedingte Vorrecht, als heute das Klavier. Leta-
tercs tritt enit mit Ende des 15. Jahrh. in Eisdidnung, aber mit solcher
Klangarmiit, dass es mit der I-aute nicht zu konkurrieren vermochte.
Die aJteste Geschiclite der Laute ist duukel; man hall sie allgemein für
«in ursprünglich arabisches Instrument, doch ist das trotz Übereinstimmung
<les Namens Laute (/»«fr, /«// //«/py /«f /wA) mit dem arabischen ai'oufi und
türkisch lauH (cig. Schildkröte) nicht ohne technische Bedenken- Die kleinste
Art der Laute ist noch heule in der ital. Mandoline {pattd^ra. banäurria,
mandora, mandola u. s. w.. frz. ic lulhee die kleine Laute} erhalten. Die Lauten-
form mit ihrem halbkugelftirmigen Schallkötper ist der der Lyra und der
ihr versippten Geigenarten am nüclisten verwandt; sie erscheint als eine
mehrsaitiges (4 — bsaitiges) Rebec ohne Bogen.
Hinsichtlich der musikalischen Wirkung und Behandlung aber ist der
Laute nllchster Verwandter die Guitarrc. Dieser Name ist der alten Kithara
entlehnt (Jtitmn, quitaire, quiteme, quinteme. quiiara u. s. w. von KtOäoa mit
zweitbetontcr Silbe). Wie die Laute zur Geige, so verhält sich die Guitane zuz
Fidel; wie diese hat die Guitarre Zargen und Seiteneinsrhnitte. Ohne Seiten-
cinschnittc ist die, sonst der romanischen Chitara gleiche, alte deutsche Zither.
VI. Als rein geistliches Musikinstrument und von Anfang an fast aus-
schliesslich den Zwecken der chri.süichcn Kirche dienend, tritt die Orgel den
besprochenen Instrumenten der Gesellschaftsmusik gegenüber. Ihr Name
erganum, eine Allgenieinbezeichnung für Musikinstrument (so noch l>ei Otfridl.
hat schon im Frübmillelalter eine Hinneigimg zur Spezialisierung auf die
Orgel. Ihre Erfindung geht hi das Altertum (spätestens 3. Jahrh. v. Chr.) zurück,
freilich in der, trotz Viiruvs u. a. Bieschreibungen, noch immer nicht recht
ihrem Wesen nach fassburai Fona der Hydniuiis {hydrauliM Wasserflöte).
Im Anfang des 7. Jahrlis. gab es bereits Orgeln mit Blasebfügcn (pneuma-
tische Orgeln gegenüber den hydraulischen).
Pipni d. KI. und Karl d. Gr. erhielten Orgeln von den byzantitiiscJien
Kaisem zum Geschenk. Seitdem liaben sich die Deutschen der Erfindung
«frigst angenommen und sie stark verbessert Es ward das bevorrechtete
Kirchcninstiuracnt Im 13. Jahrh. baute man Orgeln in allen Grflssen, be-
sonders solche, die man wie andere Instrumente bequem mit sich fQhrea
konnte (Portativorgeln); die kleinste Art derselben waren die Handoi^ln,
ein Spielzeug dei Eraueti (vgl. die h. Caccilia von Kafael).
VIL Fast alle übrigen Musikinstrumente waren den Beruf smusikem über-
lassen, besonders die Blasinstrumente. Diese standen von jeher, soweit
sie von lautem Klange waren, im Dienste des Krieges, namentlich tag ihntn
der Signaldienst, auch von den Türmen herab, ob. Die milderen Arten der.
Holzblasinstrumente waren vor allen anderen Tonwerkzeugen die Instrumente
der landlJclien scsshaflcn Be^'Olkcrung. Sic dienten besonders zum Aufspielen
bei ländlichen Tanzen, und vornehmlich hei Hochzeiten, wahrend der höHsche
Tanz sich lieber der Saiteninstrumente bediente, wie das in dem lauteren
I
I
Charaktci Her Bauern und dem zu rüclilmUeii deren der Gebildeteren begründet
cracheint. Man teilt die Blasiiisirumentc in zwei Gruppen: Holz- und Blech-
blasinstnimentc. Doch gab es z. B. auch Hörner von Hom (z. B. wisea»
Jkorti), Elfenbein {oli/ani) u. a. Sluffen [cor t/'huiire, cor He laiton. cor de pin\
Die Hnmer fanden sich bei allen V{\lkern {cor sarracmou, windisch hörn
u. s. w.). Aus ihnen entwickelten sich im Au.s^nge des Mittelalters die
Zinken, ebenfalls ji;i:krünu]ilt: Bbsinslrumcntc von verschiedenem Stoffe {be-
sonders aus Holz mit T.ecler Aberzogen), welche in der Musik noch bei
J. S. Bach eine grosse Rolle spielten, jetzt aber abgeschafft sind, wegen der
starken I.ungenkraft, die sie, wie schon die mittelalterlichen Htimer (Rolands
Tod) eifurderten.
An eigentlichen Holzblasinstrumenten finden wir im Mittelalter zahlreiche
Fluten arten (Jhihuh, floite, fintU: ßistc; flahs, ßa/or, ßagcus. fiahi. ßavie/)
und Pfeifen [ßcsiel, freiele; pipc: managfaha lä^gala bei Otlrid) in der Form
von Lang- oder Schnabel- und Querflöten von Holz und festerem Material.
Einen weicheren Klang ergaben die von Holländer (sambuca, sambiut; holler-
ßoyte», iiairt, holt), die man auch mit einer Schwcinsblase zum Dudelsack
verband {holcrblmen), und die RohrflGien ((ahmus, chahimcau, ehaJitaeU,
schaimie) aus derun Verbindung mit einer HolzflOte Ausgangs des Mittelalters
die Schalmeien und Bomharte oder Pommern (die gri^ssten von unge-
heuerlicher Länge) her\-oi gingen. Die Oboen {/lan/hois) und Fagotte (der Name
stammt aus Illvrien?) sind Abkömmlinge dieser Schalmeien. Beliebter ist die
Zusammenstellmig der kleinen Schalmeien mit dem Üudelsack oder Sack-
pfeife, der /tbia utriculatis der alten Römer, bestehend aus einem Schlauch,
den man vor dem Gebrauch mit Luft füllt und wahrend des Spieles der
Pfeifen wie einen Blasebalg mit dem Arme drUckt. Die Sackpfeife, noch
heut das beliebte V'ülksiiistrumoiU ebenso in Schottland wie in Süditalicu,
ist in der Musikgesrt lichte von allcrgrüsster Wichtigkeit wt^cn des Funda-
mcntalbasses, der bei ihrem Spiel sich von seil«! ergibt. Verschiedene Arten
der Sackpfeife sind die muse oder comemuse und die stha (eslhv de Comoyaille).
Die Syringen und Pansflijtcn sind Zusammensetzungen von einfachen
Pfeifen (z. B. sehs fißfcn ivahchen ri'r), ebenfalls schon im Altertum bekannt
Als schraeticmdlaute Blasinslrumejite, meist aus Metall gefertigt, stellen
sich dar die Posaunen {bucc'ttm. huisine, pHsi'tne), Tuben (wozu das /üinm,
hcion, aus dem lömischen Uium her\'orgehend, gehört), und Trompeten
(/ntmfia, tromhe) dar. Mit den Kriegs- imd Signalinslrumenten verbanden
sicli zu allen Zeiten gern Larminstrumcute wie Paukt-u und Trommeln
{püke : tympanon. tumfHinatvfr : sumher : rtiiumUe, ralubitmhe, rattobtivibe : iatn-
boNT. fabor. iavbtr, Itiitber; hingen und die arabische nekariek als nafiiaire,
naeairr), denen sich zuweilen Schellen, Castagneiten, Klappern, SLstrcn,
Glocken und Ciiubeln {limbre, zimbel) zugesellten.
VHL Schon zur Zeit des Minnegesanges thiiten sich die Benifsrausikantcn
zu Genossenschaften zusammen und erhitlten auch Innungsrechte (S. Nikolai-
Bruderschaft in Wien gestiftet 1288). j-{ierbci hat man zu unterscheiden
zwischen den fahrenden lauten {eom/Mgtwus. Jongleurs, metieslruett.\ , mcne-
streit, mcneslriers. ministeW), die unter einem S[üelgT;ifcn, Geiger- oder Pfcifer-
kOoig standen und auf dem I^indc zu Tanz 11. dgl. aufspielten; und zwischen
-den sesshaften Stadtmusikauten (Tunnblaseni , Stadtpfcifeni). welclie letztere
besonders in DeuticWand seit dem 15. Jahrb. dem Orchesters-pielc zu seiner
Blüte verhalfcu. Die Spielkunst der Blasinstrumente tag fast ganz in ihren
Händen, und nur ihnen ist die Entstehung des modernen Orchesters zu verdanken.
Man hat sich ein mittelalterliches Orchester keineswegs, wie man C3
57t»
Xm. Kunst. 2. Musik.
gewöhnlich thut, als ein Spielen deler Instrumente durcheinander auf gut
Glück, üass sie ab und zu cinuiül einen eiiihcitlit;hcn harmonischen Eindmck
machten, vorzustellen, wie ni;in ebensowenig das Gegenteil annehmen darf,
dass nämlich alle Instrumente immer nur dieselbe Mebdit- zusanuucn gespielt
hätten. Es liegt kein Grund vor, dem Mittelalter eine auf ästhetische und
harmonische Wirkung abzielende Musikiibung abziLsprechen. Nur wurde,
gerade wit- heutigen Tagts, die Absicht nicht immer encichl, voniehralich,
weil ma,n bei der Unmasse v<tn Insirumrnten (deren Namen kaum jemals
alle erklart werden künnen) erst nach mühsamen Versuchen zu einer geregelten
und gesetzma^sigea Zusamuienstellung derselben, zu einem einheitlichen
Orchester gelangen konnte. Jlan versuchte alle möglichen Zusanmiciistcl*
lungen von Instrumenten, doch lässt sich dabei gar nicht selten eine gesetz-
massige Gruppienmg nach verwandten Klangfarben eikemien. So findet man
fast standig die Kombination von Handpauke oder Trommel mit der Pfeife,
femer Posaunen mit dem Zink, Verbindungen, die völlig naturgemäss imd
Bsüictisch berccliügt sind und sich im modernen Orchester erhalten haben.
Die ersten deutlichen Anfange des K unsiorchesters liegen in der
Mudellierung der einzelnen Instrumente in den verschiedensten Grossen. Man
baute die Orgeln, Cicigcn u. s. w. in kolossalischen wie in winzig kleinen Formen,
und indem man dieses IVinzip allmtlhlich auf alle Hauptinslrumente übertrug,
erhielt man Instrumenten chOre oder -Gruppen, die kleinen Arten für Discant,
die grossen für Bass, die mittleren für die Mittelstimmen. Diese Gruppen
konnte man nunmehr ebenso leicht handhaben^ wie die einzelnen Gesangs-
stimmen in tlen mehrstimmigen Chören, welche die Kirche seit dem Auf-
blühen der sogenannten MensuralmiLsik, d. h. seit dem 13. Jahrb., so fleiss^
benutzte. Die Vorarbeit, bei welcher die Instrumentenbauer den Löwenanteil
hatten, war bei Eintritt der rauderneti Zeit iin Prinzip vollendet. Wo mm.
ein Chor nicht vi>Ilstan<lig in allen Stimmlagen herzuslellen war, nalim man-,
Instrumente von passendem Klangcharakter, wenn auch ganz verschiedener 1
Klangcrzcugung zu Hilfe und so entstand dann, durch Auswahl der klang^i
falligsten Instrumente für die einzelnen Chorgruppen imd deren Zas;immen*
Stellung zu einem t-inlieithchcn Ganzen das moderne Orchester, mit welchem
die instrumentale Tonkunst scliliesslidi ihre höchste Blüte durch Beeüioven
erreicht hat. Oskar Fleischer.'
I
S 3. DIE PERIODE DES KONTRAPUNKTES UND DEK MENSURALMUSK.
An die auf S. 5Ö3 genannten Theoretiker der iUtesten Periode schHesst
sich zeitlich ein Deutscher an, dessen Arbeiten jedoch einer neuen Perk
angeh«"ren, nämlich Magister Franco von Köln imi üoo. Die ihm zt
schriebene grundlegende Schrift Musica et ars cantus mensunibilis dürfte in-
dessen nicht von ihm, sondern einem gleichzeitigen Franco Parisiemiis sein".
Mit Aii-snahmc der Niederlande, welche bald gtilnzend in den Vordeigrund
treten, verschuindet dann Deutschland scheinbiu: für fast 3 Jahrhunderte aus
der Geschichte der Musik, Wir müssun für diese Zeit die ausserdeuische
Entviicklung verfolgen, um s«:i mehr, da wir uns doch auch für Deutsctiland
wenigstens im allgemeinen eine der au^iücrdeutücheii folgende Musikübung zu
denken haben.
Frankreicli und die Pariser Schule ", vertreten besonders durch die
' Herr Prof. Dr. Fleischer, ilc«en ciimchcndt* Siiidicn üWr die bisher sehr im Dub-
kcb Ulkende Geschichte der mineUJcerlidicn Instrumente noch imuicr nicht veräAenilicAi
sind, hat die Gut« gehabt, den obigen Abachoitt Über »Musikinstnimcate des Altermms nod
Mittdalteri« hier t>ci£ustcucni.
Orgaiithlcn von Nutrc daine, gingen in dieser musikalisclicn F.ntwickclung
voran vind bcliiclten vom ii. bis 14. Jnhrh. die Kühnmg. Aus dem kunst-
losen, vielfach improvisierten zwcislimmigen Organum halte sich der nach
Consonanzen kürisütcher gi^regelte Discantiis (derhant) gebildet. Weil dabei
die zum Cantus hinzutretende Stimme Über ihm lag, ward Di&caiit die Bc-
zdclmung für die Oberstimme überhaupt, wie tenor (ursprünglich Melodicn-
slimme) fftr die mittlere. Neben dem zweistimmigen dechant erscheint bald
der dreistimmige Faux bourd'Mi, bestellend in par^lLcl mit dem Tenor fort-
schreitender Oberquart und L'nterlerz. Indem man nun, wie im schweifenden
Oiganum» auch wechselnde Inier\-alle in Ober- und Untersiimme zu-
liess, kam man nmi wirklich dreistimmigen Salz und zwar in Frankreich
schon im 12. jahrh., vun da alsbald zum Quadruplum, dem vierstimmigen
Satz. Gleich richtete sich auch das Streben dahin, die cirizehifn zum Tenor
hinzutretenden Tonreihen nicht bloss nacli ihrer Consonanz mit dem Tenor
zu berechnen, sondern sie zu selbständigen Stimmen zu machen, indem man
sie in rhj-thmischen Conirast zum Tenor und zu einander setzte. So ward
der conlrapuuktische Stil geboren. Die beiden wichtigsten Kunslinittel,
nämlich die Gegenbewegung der Stimmen und die Imitation erscheinen in
eisten noch unbcwussten Anwenciungcn bereits im i^. Jahrh. in Frankreich,
im 1 3. aucJi die tlieorctische Erkenntnis. Schon fasst man das neue Prinzip
selbständiger Stimmen so bestimmt als Ziel ins Auge, dass man sogar darauf
verfällt, mit dem Tenor nicht nur Tonreilien zu verbinden, die für ilm und
nach ihm erfunden sind, »jndem schon fertige und gegebene Melodien von
Volksliedern, freilich nicht ohne den als Tenor zu Grunde liegenden kirch-
lichen (Gregüriaiüschen) Oioral willkürlich zu rhyUimisicren und ebenso die
zum Discant benutzte welUiche Melodie nach Bedürfnis zu ändern. Neben
dem lateinischen Text des Tenors Iflsst man sogar dem dwcanticrenden
Liede seinen französischen Text. Einen solchen Satz nannte man motctus
(Motette). Diese kirchliche Form ward dann auch in die weltliche Musik
übertragen, indem man statt des kirchlichen Chorals ein Volkslied mit seinem
französischen Text als Tenor benutzte. Solcher weltliche Sulz hicss con-
ductus, franz. conduit *'.
Mit dicsiT Entwitkclung hing nun aber eine zweite notwendig zusammen.
Im Gegensalz zum ("»rcgurianischen T<inmass stützte das contrHpunkli<><:he
Zusammenfügen mehrerer Notenreihen Noten von bestimmt gemessener Zeit-
dauer voraus (wie sie annflhemd im Volks- und Tanzlied vun jeher vor-
handen gewesen sein müssen). Dies führte zur Erfindung der Mc^lsu^aI-
noten", nach denen nun diese ganze >neue Kunst« (an noivi) den Namen
der Mensurahnasik erlialten hat. Ursprünglich teilte man dabei, wie ntnie.ttens
erkannt ist, die grüssere Note in zwei kleinere; avich das .llteste französisch«
Volkslied lüsst gradcn Takt erkeimen. Bald aber ward das Sv'stcm auf Drei-
teiligkeit der Hauptgallungen der Noten basiert (tempus iJcrfectum), der
gegenüber diu grössere Note, welche nur zwei kleineren entsiirarh. als ver-
kürzt (tempus iraperfectum) betrachtet ward. In der ältesten Notation des
12. Jalirhs, änderten sich die Werte der Noten, namentlich in clen Ligaturen,
d. h. wenn über einer Silbe mehrere gebundene TOnc gesungen wurden,
nach dem Modus, in dem das Musikstück gesetzt war. Darunter verstand
man seine rhythmische Grundform: molossisch, irochaisch, jambisch, dacty-
Usch, anapastisrh u. s. w. Erst die beiden Francos, der Pariser imd ('«llner
(s. o.) brachten das System zum Abschluss indem sie Noten von stets gleich
bleibenden Werten eint'ührten. Man behielt anfangs die schwarzen vier-
eckigen Noten des Gregor. Chorals bei; erst später trat für die grosseren
GcrmaBtoctie PbUolosU ni. 2. Aufl. 37
Notenwerte, nümüch die maxima = S nif>dfmen Takten, die Innga = 4 Takten»
die brcvis = 2 Takteu, die (Riudc) scmibrcvis *= I Takt und die minima =
unserer halben Taktnote der weisse (leere) Nolenkopf ein. Nur die semi-
mininia (unsere Viertel-) und die fusa (unsere Achtelnote) behielten de»
schwarzen Kopf.
Dil: altfste Hauptqueltc für die Musikg:attung; dieser ars nova ist der
berühmte Codex von Montpellier, bekannt gemacht in Aus;:ftgcn durch
Coussemaker"', dem erst im 14- Jahrh. gcscliricbencn Codex liegen Hand-
schriften vcrschicdtaicn Alters des 13. und 14. Jahrh. zu Grunde.
Innerhalb des G<.ittesdienstes bildeten sicli nun 7wei canonische Formen
dieser Behandlungsart, die Messe und die Motette. Es wurden nämlich von
den liturgischen Bestandteilen der Messe fünf dem Gesang des Chores in
Kunstformen frei gegeben: Kyrie, Gloria, Credo, Sariclus und Agnus. Musi-
kalisch verstellt man also diese 5 Sätze unter dem Namen Messe. Anfangs
lagen den contrapunklischen StLtzen tlber diese 5 Texte immer üirc Grc*
gurianischen Choräle als Tenor zu Grunde. Schon aber im 14. Jahrh. finden
wir die Sitte verbreitet, auch andere Melodien dafür zu benutzen, bald frei
crfimdene, bald ganz oder nach ihren Motiven dem Volkslied enüelmte.
Den Text der kirchlichen Motetten, die aus einem einzigen, wcmi auch
m mehrere Abschnitte geteilten Satz bestehen, bilden die biblisch-liturgischen
Stücke, meist Psalmen verse, die den gesamten Ritus durchziehen, iimerhalb
der Messe z. B. als Introitus, Gniduale, Offerturium und Commnnio, innerhalb
der Horengebeie als Antiphünen, Responsorien u. s. w. Die Form der Motette
ward nicht nur, wie schon bemerkt, bald im weltlichen Condukt nachgeahmt,
sondern auch die Musikfonn in die Insmimentalmusik übertragen. Oberhaupt
erblühte in Frankreich die ars noii-a der contrapunklischen Musik alsbald
auch in der weltlichen Musik in drei- imd vierstimmigen Chansons. Roiideaux
a s. w., wobei auch einzelne der Stimmen auf Instrumente-n gespielt werdeiVj
konnten. Überhaupt beniücluigte sich die Instrumeutalmusik. beim Fest
oder zum Tanz aufspielend, dieser Compnsitionsformen. In der Kirclie sdbst,
von der die ganze Bewegung ausging, spann die Orgel die Form der Imita-
tion, des Canons uu s. w. weiter aus, bis sie — erst jenseits dieser Periode —
ihre höchste Vollendung in der Fuge erreichte. (Das Orgclpcdal ward nm
1300 erfunden.)
Atif die von Paris ausgehenden Anfänge, deren gefeierter MeLster Perotin
le Grand war, Kapellmeister zu Notre dame in der ersten Hälfte des 12.
Jahrhs., folgte die grosse Kunstpcriode der Niederländer» anhebend mit der
noch archaistischen französ.-flan (Irischen Schule, deren Haupt und gritsster
Meister Willi, du Kay" ist. geb. um 1400, 1422—37 Mitglied der päpstlichen
Kapelle in Rom, dann am Burgunder Hofe und anderwärts, t 1474 als
Canonicus in Cambrai. In seinem Aufenthall in Italien stellt sich ein b^
dculungs voller allgemeiner Zug der Zeit dar, Itidien hat zwar bis ujd die
Mitte des t6, Jahrhs. keine selbständigen hervorragenden Meisler dieser Kunst
aufzuweisen, dennoch aber zu ihrer Ausgestaltung viel beigesteuert. Neben
dem in der pSpsdichcn Kapelle stets festgehaltenen hohen Geist der altkirch-
lichen Musik herrschte in Italien im Volk und an den Fürstenhöfcn, numeot'
lieh am Medicäersitz zu Florenz, ein lebendiges musikalisches Leben in den
leichteren und volkstOmlichen Formen damaliger Masik, mehr auf den Reix
der Melodie aU auf ixjnliapunkiische Kunst gerichtet. Nun liaben sich fast
alle grossen niederliLndisrhen Meister, li'vie spater auch die deutlichen, kürxer
oder langet in Italien aufgehalten. Hinbeiufco, um. den Italienern ihre hOlier«
Periode der Meitsuraluusik.
579
Kunst des Contrapunktes zu bringen, nahmen stc als Ge^nga.be den Sinn
der Italiener für Klangschönheit in sich und ihre Kunst auf.
Aus der nächsten Gruppe der grossen nundriscli-iiicdcrlantliscUcu Schule
treten hcsonders hervor: Okhpgüm (c. 1430 bis nach 1512); Jakob Ohrecht
(c 1430 bis 1505); Anloine Brumel, er wie Alexander Agricola (f 1526),
Schüler Okeghem's. Der bedeutendste Theoretiker dieser Schule war Tinc-
toris (t in Neapel nach 1495}. Femer Josquin des Pr^s, zeitweilig in K.
Maximitian's Kiipollc (t 1521}- Zu der letzten Gruppe gchOrcn Arcadelt
(geb. um 1495), 1540 in der pJlpsU. Kapelle in Rom, seit 1555 in Paris;
Nie. Gombert (t in Madrid nach 1556); Benedict Ducis (f uin 1540)
scheint auch in Deutschland gewirkt zu haben; Adrianu Willaert (t4(/>—
1562), geb. in Bri\ggc. der grösste Ürgelmeisler und der beliebteste Madrigalist
seiner Zeit, nicht minder berühmt durch seine zwcirhörigun Kirchenkomposi-
tionen; seit 1527 Kapellmeister zu St Maria in Venedig, Gründer der
vcnetianischen Scliule; Cyprian de Rure (f 156,5}; Claude Guudinicl
{c. 1510 — 1572) 1535 in Rom, Palcstrina's I-^hrer, trat in Paris zu den Re-
fonuierten über, ward in Lyon ermordet. Berühmt seine zwei Psainienwerke ;
Les [isaumes de David mis en musiquc ä quatres parties en forme de motets
1562, und Les psaumcs mis en rimt- franc^aise par Clement Marot et Theod.
de Bezc 1565. Endlich als der Gipfelpunkt der ganzen Eulwicklung aus
dem Kreise der Niederländer selbst Orlandus Lassus (Roland de Lattre,
1520 — 1594)", geb. in Mens, in Italien erst bei Fernando Gonzuga, dann
1538 in Neapel^ 1540 Kapellmeister zu St. Gio\'anni in Latcrano in Rom,
endlich von 1557 bis zu seinem Tode Kapellmeister der Herzoge Albrecht
und Wilhelm in München. In der staunenswerten Fülle seiner Werke über-,
sieht man zugleich so ziemlich den ganzen Umfang der damaligen Mitsik-
formen: 51 Messen, 516 oder mehr Motetten (nitch immer in der ursprüng-
lichen Bedeutung eines mehrstimmigen contrapunktischen Vokalsatzes über
einen Psalmenvers oder sonstigen liturgischen Text), 180 M;tgnificats
(Magnificat anima mea dominum, Lnbgesang der Marie Luc. i, 40^ — 55, der
gleich den Psalmen seine eigenen Grcgi.>riaiiischcn Forrncln in den Kirclicn-
tonartcn hat), 429 sacrac cantiones (unter diesem Ausdruck befasste man
Psalmen, Hymnen und andere liturgische Texte, die nicht unter die Motetten
fielen, daher »mutetac et sacrac cantiones« ; man bcfasstc aber auch wohl die
Motetten mit darunter z. B.: »«irrae cantiones quas mutetas vocant«). Dann
an weltlicher Musik noch eine Menge mehrstimmiger deutscher und italieni-
scher Ueder.
Neben Orlandus war aber in Italien der höchste Vollender dieser ganzen
Kunstrichtung erblüht in Giovanni Pierluigi Santo aus Palestrina ge-
bürtig, daher Palestrina genannt (geb. wahrscheinlich 1526, f 1594), in
Rom SdiQler der oben genannten Meister Arcadelt und Goudimcl, 1544 in
Palestrina angestellt, 1551 in Rom als Singincister der Knaben (Kapellmeister)
in Sl Peter, seitdem in wechselnden kirchlichen Stellungen in Rom. begraben
in St. Pelerw. Der wohl sog. »Palestrina-stil« ist kein ihm eigentümlich neuer.
Auch seine berOlmite missa papae Marcelli (15Ö7) und die beiden andern,
in denen er im Auftrage des Papstes die vom Tridentiner Konzil an die
Kirclienmusik gestellten Anforderungen (namentlich Reinigimg von aller
Künstelei und deutliche Vemehmbarkcit des Textes erfOlUe, sind im über-
lieferten niederländischen Stil geschrieben, niu" dass Palestrina die Contra-
punktik von Spielereien und Trockenheit ISutert und sie dafür mit der höch-
sten Fülle von Ausdmck und Wohllaut durchzieht, die sich innerhalb der
Strenge dieses Stils überhaupt hat erreichen lassen. Er machte den Stü
37*
zu gleicher Zeit erhabener und fasslicher und entfaltete üiu zur h{>chslen
Sdiünheit.
So weit inusstc der Blid: über Deutschland hinausschweifen, um das
Weitere verstJlndlich zu machen. Als Palestrina wirkte, war inzwischen auch
Deutschland seit einem Jalirhundcrt weder in diesen Gang der Entwicklung
mit eingetreten. Dass die Melodien der Meistersänge r wenigstens ihrem
Ursprung nacli noch auf Gregarianischera Boden stehen, Ui oben erwähnt
Wie es in die-ser Hinsicht um die Spruch- und WappcndicUtcr, Persefantcn,
Herulde und Fahrenden des I4-~15' Jalirhs-, wie Mich. Beheim (t 1474)
bestellt war, bleibt noch zu untersuchen. Im Gegensatz dazu hatte sich das
Volkslied und vermutlich auch die sonstige volkstümliche Musik der Men-
surabnusik zugc\vandt. Das Locheimer Liederbuch" {Mitte des 15. Jahrh.)
zeigt mensuriertc Melodien und contra punktische dreistimmige Sätze über
Volkslieder. Ohne Zweifel gehörten diesem Gebiet ebenfalls die Melodien
des geistlichen deutschen Volksgesanges an*, entiehnte doch Heinrich v.
Loufenberg (f als M'.'Jnch zu Strassburg nach 145$) sdne Melodieii wenig-
stens teilweise eben dem Volkslied.
Die fahrenden Spiellcule, welche seit der Karolingerzeit nachweisbar
sind'*, neluuen seit dem 13. Jahrh. eine zunfimässigp Ordnung an. Die
1282 in Wien gegründete Nicolaibrüderschaft scheint die älteste Genossen-
schaft der Art; sie steht unter dem Gericht eines Oberspielgrafen und unter
dem Schulz des t5sterr. Erbkämmercrs. Im Elsass war das Obcrspielgrafen-
amt der Familie der Kappoltst einer verliehen; die Geschäfte führte der ihnen
unterstelltu Pfetferküiiig. Ähnlich wurde mm überall in Städten und Land-
schaften das Musikmachen der zünftig geordneten Spiclleute imtcr landes-
herrliches IViviieg gestellt. Es entstanden die Stadtpfeifereien. Höher im
Rang als die gemeinen Spiclleute standen die Thürmer und an den Füraten-
hüfen noch höher die Tn:iniix-ter und Heerpauker. Nach dem Vorbilde der
kirchlichen Chiire bildeten sich jetzt auch an den FOr^tenhufen Kapellen,
deren vornehmster und wichtigster Bestandteil aber nicht die Instrumentisten,
sondern die Sanger waren. Ihre polyphonen Gesänge wurden auf den In-
strumenten bis gegen den Scliluss dieser Periode nur noch miterstützend im
Einklajig mit den Stimmen begleitet. Daher auf Druckai hüufig Bezeich-
nungen wie: »auf 4 Stimmen, audi auf die Instrumente zu gebraueben«.
Eine selbständige Fonn für Instrumentalmusik*^ gab es, vom Tanze abgesdien,
noch nicht. Auch was man auf der Orgel und der als Viituoseninslrument
beliebten Laute spielte, waren üb eingetragene Gesangsmusiken, nur nach Be-
schaffenheit des InstruraentCÄ eingerichtet und verziert. Schon 14 13 wird ein
deutscher Lauteiüst Heinz Hell gejjriesen und seit 1461 ab berühmter
Lautcnfabrikant der Nürnberger Konrad Gerle (f 1521)*. Als Orgelmei.ster
genobS der blinde Nürnberger Konr. Paumano (vgl. Anm. 24) einen bis
nach Italien reicliendcn Künstlerruf, geb. 1410, 1446 Organist zu St. Scbaldus.
Das älteste gedruckte Orgelbuch ist das von Arnold Schlick, gedruckt 1512
bei Peter Schöffer in Mainz. Der gefeiertste deutsche Orgehncister in der
ersten Hälfte des in. Jahrhs. ist Paul Hofheimer (1459 — 1537) in Kaiser
Ma.\imilian's Diensten, Organist zu St. Stephan in Wien, gest. in Salzburg.
Für Orgel und Laute bediente man sich eigener Notenschriften (Tabulaturen).
So g\it wie diese Meister Schüler der Niederlander waren, so fussen auch
die um diese Zeit begegucudcu deutschen Theoretiker auf ihnen: Adam von
Fulda (um 1490} De musica; verdeutscht von Sebastian Virdung: Musica,
I
I
grtutscht und ausgezogen, 1511; Andreas Ornithoparchos: Miisicac activae
mictologios, 1517 u. ü.; Martin Agricola: Musica instrunientalis. deutsch,
Wittenberg bei Georg Rhaw, 1529, 1532, 1542 — 45.
Der erste grosse Meister der contrapunktischen Kunst in Deutschland ist
Heinr. Isaat {f um 1517). Zugleich mit Obrcchl und Joscjuia (s. o.) war
er 1480 in Floren?^ wo er fflr I,orcnzo magniftco die von diesem gedichteten
canti camavaleschi (Mask<?nUeder) auch Ijjrenwj's geislliclies Schauspiel S.
Gio\*anni e Paolo conip<>nierte. Zugleit:h war er Geschäftsführer für K. Maxi-
milian, der ihn 1492 als symphonista regius* nach Wien berief. Erhallen
sind vüc ihm 48 meh stimmige weltliche Lieder mit ital., franz. und deutschen
Texten (darunter >Innsbruck ich muss dich lassen*. War %'icllcicht sein an-
geblicher Dicliter, K. Maximilian, hier zugleich der phunascus und Isaac nur
der s\-mphoneta?); ferner 4Ö Motetten, 58 Officien, 34 Messen etc. Neben
ihm Ranzte Heinrich Fink, zwi.schcn 140^2 — i,^4<j im Dicaste der polnischen
Könige, bertthmi neben kirchl. Kompositionen durch seine 4 stimmigen
deutsclien Lieder". Der grösste Aller, ist Ludwig Senfl (t um 1555) aus
Basel: Schßlcr Isiiac's; zuerat in K. Maximilians Kapelle, um 1526 Kapell-
meister in München- Auch er schrieb neben seinen kirchl. Kompositionen
eine Menge 4stiinmiger Lieder.
Zum Tenor dieses mehrstimmigen Uedes dient das Volkslied; die Ent-
wickelung der Mensui\ilmusik am VtilksHede können wir bis in den Anfang
des 15. Jahrhs. zurück verf-ilgeii. (V^. »Die Mondsee — Wiener Liederlumd-
schr. u. der Möncli von Salzburg etc., von F. Arnold Meyer und Heinr. Rietsche.
Berlin 1896. Die Handschr. ist um 1450 geschrieben.) Sobald mau anfing.
die Melodien in der Form des Organums zu begleiten (s. o. S. 566) musste,
namentlich unter dem Einfluss der inr.wisrhen entwickelten rts nova, auch
hier die Mcnsuralmusik erwachsen. In der Mundsec- Handschr. sehen wir
Lieder mit »Pumhart*, d. h. einer gespielten, gebla-wnen oder auch gesungenen
Bassstiiume im einfachsten Stil des Organums. Wenn es hier ftber einem
Liede (Xr. ici) heiast: *Ain tenor von hübscher raelodey, als sie es gern ge-
macht haben, darauf nicht yglicher kund Qbersingen«, so ist mit dem Über-
lingen offenbar das Hinzufügen einer tiiscanticrenden Stimme gemeint: die
Melodie, das «-heim die Meinung, ist so gebaut, dass es Kunst erfordert,
daru zu discantieren. Hier in der Mond see- Handschr. finden wir nun dem-
entsprechend die Melodien {namcntÜch die von der sorgfältigen ersten Hand
geschriebenen) auch schon genau mensuriert Um die Mitte des Jahrhundert
begegnen bereits 3 stimmige Volkslieder dieser Gattung. Seitdem war nun
dieses mehrstimmige Tjed, namentlich das 4 stimmige recht zur HaiLsrausik
geworden ; nur vemWige der musikalischen Bildung der Knaben für den
Kirchenchor war es möglich, dass die Fähigkeit für eine so schwierige Auf-
gabe so weit verbreitet sein konnte. Allerdings klagt Glarean {I. c.) Über die
meistens schlechte .\usführung dieser Gesänge. Für ihre grosse Beliebtheit
zeugt die Menge der gedruckten Liederbücher:
Oeglin's Liederb. Ausg. 1512 (herausgeg. von Rob. Eitner und Jul. Maier
im IX. Bd. der Publik, der Gcsellsch. für Musikförschung). Peter Schöffer^s
Lieberb. 1513. Amt's v. Aich Liederb. Cöln c. 151Q. Joh. Ott, 121 Lieder.
Nümb. i$i4- Grassliet/idn c. 1535. Oassenhmveriin, Frankfurt a. M. bei
Egenolf 1535- ReutteriitdUin. das. 1535. Schaffer und Apiarius, «15 Lieder,
Strassb. 1536, Heinr. Finck's Lieder, Nümb. 1541. Tricinia, Wittenberg
bei G. Rhaw, 1542. Joh. Ott, 115 Lieder, Nümb. 1544 (herausgeg. im
Bd. IV. der Publik, der Gcscllsch. für Musikforsch.) u. a. Endlich als letzte
und grfJsste Fundgrube: Äußzug guier alter und ntwer Ttutsefun UedUin, einet
582
XHI. Kunst. 2. Musik.
reckten ttittscktn Aii, atiff allerhy Instrumenten zu brauchen, auficrlescn, durch
Georg Forster> 5 TeÜe, 1539 — 1.55b. Forster, der am kurfürsll. H<-'f zu
Heidelberg erzogen war, starb 1568 als Leibarzt des Abtes Friedrich zu
Haiisbronn. Er war zugleich ein durchgehitdeter Musiker und KüKiponist.
Das vollständige Verzdcluiis der Sammelwerke gicbt Bühme im alld. Liederb.
S. 790 f. Eine eigene Gattung bilden die Kompositionen antiker Metren**.
Aus den Liedern dieser Sammlungen lernen wir eine Reilic tüchtig«
Komponisten kamen: Jobst Brant, Arnold v. Brück, Sixt Dietrich,
Benedict Ducis (s. o.), Jrath. Eckel, Heinr. Finck {s. o.), Hermann
Finck, Geofg Forste r^ Wcifg. Grufingcr, Paul Hoffhaimer (3. o.),
Heinr. Isaac (s.o.), Lamem Lemlin, Stephan Mahu, Ludw. Senfl (s, o.),
Thom. Sloltzer, Stepli. Zi erler und viele andere. In ihren Sätzen liegt
die Melodie mit vereinzelten Ausnahmen noch immer als Tenor in der Mitte
der Stimmen.
Neben solcher idealisierenden Erhöhung des VolksJiedcs zum musikalischen
Kunstwerk durchzog ein lebendig<*r Volksgesang das ganze Volk, das sich
liicrin zum letztenmale im deutschen Kulturleben als eine ungeteilte Einheit
darstellt. So wenig wie das eigentliche Volkslied stellt sich auch das »Höf-
lied«, heute gewöhnlich »Gesell seh aflslied« genannt, ein aus dem alten höfi-
schen Licde der Minnesänger im Volk crA'achsencr x^ilder Schössling, als
Eigentum einer Klasse der liöhcr Gebildeten dar. Der Höhepunkt der
schöpferischen Kraft auf diesem Gebiet in Wort und Weise scheint im
14. und 15. jahrh. zu liegen".
Aus dieser Liebe zum Volkslied wuchs als seine edelste Frucht der
evangelische Kirchengcsimg, d. h. das geistliche (Volks-)Licd als Glied der
kiichlichen Liturgie hen'or, dem ein reiiJihalüger geistlicher Volk^esang, auf
den es sich stützen konnte, voraufging und dem auch die Zulassimg des
Genieiudcliedes in der deutscheu katholischen Kirche folgte^. Lutlier war
schon venii5ge seiner geistlichen Erziehung ein Kenner des Gregor. Chorals
und auch sonst ein tüchtiger Mu.siker. Als Berater hatte er neben sich den
kurftirsü. säcli.*üschen KapellmeUiler Joh. Walther (14CJ6 — 1570)1 Sängerund
Kompi:>nist, spatt-r Kapellnieisier der kuifürsil. sAchs. Kantorei, nach deren
Auflösung 1530 Kantor der Stadt Torgau, 1,548 Kapellmeister der in diesem
Jalire gegründeten Kapelle des Kurfürsten Moritz in Dresden, 1554 in Ruhe-
stand getreten. Kebst ilun ist als Drucker aber auch Toiisctzer Gcurg
Rhaw (14S8 — 1548) zu nennen, seit 1524 Buchdrucker zu Wittenberg. Das
ültcste evangelische Liederbuch. Witiembcrg (oder Nürnberg) 1524 enthielt
nur 8 Lieder mit 4 Melodien. Noch 1534 folgten Erfurter Enchiridien mit
schon 25 Liedern und 1525 das Walther' sehe Chorgesang büchlein mit
Vorrede Luther's. Die 32 deutschen Lieder dieses Druckes sind in meistens
sehr einfachem Contrapunkt gesetzt, die Melodie im Tenor**. Dann folgten
rasch eine Menge von Gesangbüchern mit einstimmigen Melodien für den
Gemeindegesang. Auch die Reformierten in Strassburg ireien mit dem
.>Teutsch Kirchcrramt«: 1524 — 25 und den Köpphcrschen GesangbOciiem von
1530 und 1537 in diese Bewegung mit ein; reiche Beitrage lieferte das
Gesangbuch der böhmischen Brüder von Michael Weiss, 1531. Das erste
von Luther selbst autorisierte kirchliche Gesangbuch erschien bei Klug in
Wiltemberg I52(>, in stark vermehrten weiteren Ausgaben bei Klug 1535, bei
Val. Bapst bis 1545 etc. Das erste kath. Gesangbuch von ^lidt. Vehe er-
schien 1537, ein zweites von Leisentritt erst 15Ö7.
Für die Liturgie des lutherischen Ritus, wie er sich von Wittemberg aus
Über Norddeutschland und Thüringen verbreitete, Uefcrten grundlegende Can-
tionales für den kirchl. Gebrauch: Joh. Spangenberg, t 1550 als Super-
intendent zu Eisleben (Canliünes cct;icsiasticac . . . auf die &jnn- und Fest-
üjge dun h's pinzc Jahr. 1545). Lucas Lossius, t 1582 als Rektor zu
Lüneburg' (Psalmmdia hoc est cantica sacra veteris ecciesiae selccla, quo
3rdine et mclodüs per tutiua anni curriculuni cantari usitatc solcnt in templis,
'553- 'S^Ö- ^"9- '595)- J^^- Keuchenthai. Pfarrer zu St. Andreasberg
>. liäiz (Kirchengesänge, Latiniscti u. Deutsch, 1573). Matthäus Ludccus»
t nach 1(101 als Dei-haiit zu Hallwirstadt (Missale et Vcsperale, ijSt); jenes
enthält den Haupt-, dieses die Nebeng«ttesdienste) und Franz Eier, Ham-
buzger CanVjr (Cantica sacra, 1588). Im übrigen stattete audi die evangel.
Kirche namentlich ihre Festgottesdienste mit Chorgcsang ganz nach der alt-
hergebrachte:! Weise der Me.sseu und Motetten aus. Aus der alten Kirche
■wurden aurti die Pnssionsmusiken herttbergenomraen. Sie erhielten um diese
Zeit, z. B, in den Musiken von Joach. v. Burgk, Nicul. v. Scinecker, 1587,
Barthol. Gcsius, 1588, Scandellus (Italiener, aber bis 1580 Kapellmeister
in Dresden) einen dramal. Charakter, indem die Reden Christi und der
Apostel liturgisch im Grcgtir. Choral, die Stimmen des Volkes aber (turtKe)
im raehrsiinmiigen Chorgesang vorgetragen wurden.
Als Setzer mehrstimm. Bearbeitungen von Kirchenliedeni treten hervor:
Scth Calvisius (i55'> — 1Ö04), seit 1594 Kantor der Leipziger Thomaskirchc:
> Kirch engcsange und geistl. Lieder mit 4 Stimmen«, I5q6. »Der Psalter
Davids aufs Neue mit 4 Stimmen abgesetzt«, 1617); Lucas Oslander d. 3.
(1534 — 1604) ftlhrte in -leinem 4 stimm. Gesangbuch, Nürnberg 158(1, zuerst
die Melodie in dec Obcjäümnie >da.ss ein ganlxe Christi. Gemeine durchaus
mitsingen kann«. Diesem Vorgang des Geistlichen folgte der bedeutend.'ne
Tonsetzer dieser Richtung, indem er zugleich den Contrapunkt in der ein-
fadisten Weise handhabte: Joh. Eccard (1553 — 1611), Schüler des Orlandus*
1578 Fugger'sclicr Kapellmeister in Augsburg, seit 1385 Kapellmeister in
Königsberg, i(»oH in Berhn (fOnfstimm. Sätze über die 55 in l*rcussen ge-
brauch! iclislcn Kirchen meludien, 1307 micl »die prcuss. Festlieder durch 's guuze
Jahr mit 5 — 8 Stimmen* I5<)8). Die »Fesüieder« halten die Mitte zwischen
Kirchenlied und Motette. — Seit dem Anfang des 17. Jahrhs. begann man,
die Orgel zur Begleitung des Gcmeindcgcsjuiges zu brauchen.
Als hervorragende Meister der cvangeli.schen Kirdie seien noch genannt:
Melchior Friinck (i.'5t>o^i639). Koburg. Kapellmstr. (»Teutsche Psalmen
imd Kirchengesänge auff die gemeinen Melodcyca mit 4 Stimmen gesetzt«
i6o8, Motetten u. a.), Herrn. Schein (isiKi bis c. 1630), Kant<jr der Leipz.
Thomaskirche (>Cantional'i 1627; audi wcltlicke Lieder: »Vcnusgar^leiu«,
* Waldliedlein''.). Als Setzer kirchl. Lieder gehören diese MSnner noch hierher
wegen dos schon stark erkennbaren Italien. Einflusses gehOren sie eher den
folgenden Gruppen an.
Den ganzen Schatz dieser ersten Periode evangelischer Kirchenmusik
Überschaut man in den 9 Banden der Masae Sionac(i'x>5 — 10), 1244 zwei-
bis zwülfstitumige Gesänge aus eigenen und fremden TonsÜtzen zusammen-
gelesen von Michael Praetorius (1571 — ]t>2i), itK)4 herxogl. Kapellmstr.
in Wolfenbüttel. Auch eine Art musikalischer Enc)'clop<'ldie hat Praetorius
hinterlassen, in den 3 Bänden seines SvTitagma musicum {161.5 — -O)» 'it:ren
zweiter das für die Geschichte der Instrumente wichtige Theatrum instru-
nientorum enthalt
1^ Der sogen, Anonymus quartus bei CousscniakcT, Script. I. »n^: Um^ut
mogittri FratKvnis primi et aUcrtm magitlri /•'ronceafs di- Coloma, yui tice*
femnt in mit tibris aüttr fro fartt notare (aicb einer (cüwetse neuen — oiLniltcb
534
Xin. Kunst. 2. Musik.
mcnrarierten — Notenschrift lu bedieneB). " E. de Couiieniftker, L'art Kar'
moniqiu attx XII^ tt XIII* sifcUs. Paris 1865. — Guido Adler, Studien x.
G<s(h. d. Harmonie. 18B1. — '" Die Vcnruuin^ tÄge nahe, drus wie hierbei die
Volkslieder, so aucb Melodien der Troubadou/a in Klttcher Weiic Rlr konlrapunk-
tische Süi/c verwendet worden wir«» und doss tn Verbindung mil der ganzen an
nova die Musik der Tr«ubadoun ihren ureprttnglicb grcgoriantscheo Charakter mit
dem der iicutn MensuraJniiisik vertauscht hillte. Wenn aber dalQr, daas dies wirk-
lieb (•escfaehen sei, ein Jtuinimi^r Sal^. aiij^rlilhri wird, der als Tenor eine ^cgorivu
Mcludie, im Di^oint tbis wriil. Lird Rnlun m'aivw cnlhltlt. und der sich in dem
Jeu de Rnbin « de Marido de« Tnntbadoitr« Adom de In Half {f li86) findet,
so ist es nach O. Kell^'s «^harfsinrnger Bemerkiint; (rDer TJederkodex v, Moot-
pcUieTL in der Viertcljahrsichr. i. &fu.<iikwi«iensLh, Jahr^. 4, lä8ä) sehr wahr^cheiD-
Uch, dass diese Melodie Kobio m'aim« kein Trfjubadoiirgc&aQg vun Adam de la H.
ist, sondern ein von ihm nur in sein Spiel aufgenommenes Älterci Volkslied. Die
ganz« Frof^e nach der Beschaffenheit der Melodien der Trmiliadcitirs bleibt also Ims
auf Weiteres noch uffen. — ** Heinr. Bcllerinann, MimuralnoU-M u. Tatt-
uUfun. Berl. 1858. 4", — Jakob*lbaI, Dit Mrmurahiotfmchrift dts 13. und
13. Jahrh. Berl. [87 t. — 1" In der Art hanrnnique. Vgl. die in Anm. 17 diierte
Arbeit Osw. Keller». — ^ Kiesewetlcr, Die Verdienst« dtr Niederländer um
die Totttunsl. 1829. — *1 Franz Xav, Haberl, fVHh. du I'ay (Bausteine Rkr
Mu*ik(rt-tcb. I. Leipz. 1885. — ** W. Bfimnkcr, Orlandus de Lassus. 1878.
Vgl. Allj;. D. Biogr. s, v. Eine kritisch durchgesehene Gesamtausj^be seiner Werke,
durch Kr*, Xav. Haberl u, Adolf Sandbcrger erscheint bei Breitkcfpf und
Härtet. — " G- Baini, .^femiyrie stprtro-crtticAe delln t-Hn e delle npere di G. P.
da PaUilrina. Dmilsch vnn Kandier, I.pic. 1834. — R. v. Winlerfcld, Cr. P.
V. PaUitrina. Bresl. 1832. — W. Bäumker, Palestrino. Kreiburg 1877. — Die
sümtlichen Werke P.'s erscheinen unter Haberl's Redaktion bei Breitkopl' u. Hand
in I^ip/ig, — *• Hrsg, vur» Fr. W. Arnold in Chrj-»*nder'* Jjhrb, lür mualk.
WL*,sen»ch. Band 11. 1S67. S. l f., nebst der Ars organiiaHdi von Konr. Pau*
mann, — 33 Y)\t^ „(rd b(>at.Migi durch das Hohcnfurwr Liederbuch a. d. 2. HiUfte
des 15. Jubrh. (W. Bäumker, £/« deutsches f^isti. l.iederh. mit Mehdieu a. d.
'S- Jthrh. Leipzig. Brciikopf u. Hilrtel. 1895,) — ** Franz M. Böhme. fJesck.
des Tanzes in Ikutsfhüind. 1880. T. 1. Kap, lt>. — "^ v, Wasiclcwski, Geich.
d. jHStrHmenlalmtt\ik im XVI. Jnhrh. 1878 und B«ibiiie\ Getch, de» TafUM
(«. o. Anm, 26). — iW Rin VeteeicbnU dür erh.tllenen LaucenbUeher giehl BAhme
1. c. S. 3)1 f. — ^ Als K)'mphoniala bezeichnete man den Komponi-Mcn, wenn man
seine vomebmsic Aufgabe des Kontrapunkticrens meinte: auch sympboocta; dagegen
als phonascus. wenn man von der lür antürgcordneter gehenden Thäiigkcit des
HrtindeDi von Melodien sprach. Vgl. Glarean. Dodecaehord, Buch II Kap. 38.
Daaj Olarean hier mit trelFenden Erörterungen die Verkehrtheit dieser Ansicht vom
Vorrang des s^inphonisla befttreltet. beweist eben, dans sie bd seinen Zeitgenossen
galt. — ■• Heinrich Fink's ausgewJlhlte Lieder (Nürnberg 1536) hrsg. v. Kol>. Eil-
ner. Bd. VIU der FubUkat. d. Ciescllsch. f. Muirikforsch. — ■' Vgl. v. Lilien-
crOn. Dif Hormitchen Metren in Kamposit innen des i6. Jahrhi. in der Viertd-
jahrwhr. f. Musik wissen seh. Jahrg. HL — "S Franz M, BiHime, Altd. Liederb.
1877. — R. v. f.iliencmn. Die hiilar, VoUtstii'der d. Deutuhen vom 13. — /tf.
Jahrh. (Bd. I— IV). Kachlrag, «mhidtend die Tone, 1869. — Dcrs^ Deutu-hes
Leben im Volkdied um iS30. (Bd, Xltl der KurschncnKben deutschen National-
litcratur.) — '" v. Wintcrfcld, Der er-ang. Kinhenges. und sein Verhältnis zwr
Kunst des Tonsattet. 1843 — 47. — Ders-, Zur Gesch. der heil. Tenhtmf. 1850
— 52. — E, E. Koch, Gesch. d. Kirchenliedes h. Kirchengrs. der christl., tmS'
besondere der deutschen evangei. Kirche. 3. AuH. 8 Bde. iSÖö — 77. — G. v.
Tacber, Schalt des rvangel. Kirchengrs. im ersten Jalirk. d. Reformation. 1848,
— y. Layritz. Kern des Deutschen Kirchenge sangvs. 1844. (3. Aufl. 18J3.) —
Job, Zahn. Die Melodien der deutschen ei-angel. Kirchenlieder. (Bd. I — VI,
1889—93,) — Scver. Meister. Das kath. deutsche Kirchenlied. Bd. i. 1861.
2. ganz uirmearbcitete Auipibe ^-on W. BSumkcr, 1883. Dazu Bd. 2 von W.
BAumker, 1883. Bd. 3. 1891, — Ltidw, Scbriberlvin, Schalt des iiturg. Chor,
und t iemeinde ^esan^s nebst den Alt'srge\dngen der denischen n-angrl. Kirche-
1881. — ** Hrsg. von O, Kade in B. VII d. Publik, d, Gescllsch. f. Musikforsch.
Hfrrschakt des italienischen u. französischen Stiles.
585
9 4. DER DEUTSCHE STIL L'NTER DER HERRSCHAFT DES ITALIENISCHEN
UND FRANZÖSISCHEN".
In Italien machten um die Mitte des t6. Jahrlts., gerade als dort darch
Palcstrina die niederländische Cuntrapunktik auf Grundlage der diatonischen
Tonreihen in hf>clu(ter Blüte stand, neue Strörauiigeu sich geltend, die im
Lauf eines Jahrhunderts zu ganz neuen Gestaltungen der Kunst fllhrten.
Ilire letzte Wurzel ist in der Nt.*igung und dem vorwiegenden Talent dtrr
Italiener für sinnliche Klangschünheit zu suchen. Daraus ging ein Streben
nach Befreiung dur Melodie aus Dircr Gebundenheit im luntrapunktischca
Satz und nach einer mehr akkordischen und farbenreicheren Kombinicrung
der Stimmen hervor. Beides zusammen führte am letzten Ende zur Allcin-
herTsch;ift der Melodie in Solostimmen mit völlig unselbständiger akkordischer
Begleitung. — Eine freiere und leichtere Art der Conliapunkük machte sidi
schon in der Frottolc« geltend, d. h. Vulkslicdchen imd Gassenhauern, von
denen q Bücher bei IVtrucci in Venedig erschienen (1504 — 8). Dem&elbca
leichteren, mehr volksraüssigen Stil wandle sich nun in Italien das Lied
überhaupt zu in Villancllcn, Vitloten, Canzcnen, Balleten ^gesungenen T.1nzen)
und dem vor allen beliebten vi.>mchinercn Madrigal, welches aus der weltlichen
Musik die Motettenform verdrJlngte. Einer der letzten grossen Niederländer
in Italien, Adriaen Willaert (s. o.) gehfirt schon zu den gefeiertsten Ärhüpfem
des Madrigals. — Er ward mit seinen gleich grossen italienischen Schülern
und Nachfolgern Andrea Gabrieli, + 158*^ und dessen Neffen Giov.
Gabrieli, t 1^13, der Gründer der grf>ssen veneiianischen Schule; alle drei
die grössten Orgelmeister ihrer Zeit D:ls ;die diattinischc S\stem der Kirchen-
tonarten wird bereits vielfach durch zunehmende Einführimg chromatischer
TtSne tlurchbrochen und den modernen Tonarten des Dur imd Moll ent-
gegengeführt- Der »madrigaleske StiU dringt auch in die Kin henmusik ein.
Neben die Orgeikunst stt^llt sich für den ausser kirchlichen Gebrauch das
Cembalo und es bilden sich hier iiistrum'f^nt:(lp Formen aus: die Toccate,
in der ohne vorwiegende Melodie die Harmonien in laufende oder gebrochene
Figuren zerlegt werden und die Ricercate, aus der als vollendesle Gestalt
die Fuge erwuchs; auch in Tassacaglia und Ciaconne die ältesten Arten
der Variatiiiuen.
Von Toscana ging zugleich der Hauptanstoss zum sog. monodischen
Stil (dem Sologesimg) aus; die Anfange der Oper**. Man wollte dort in
humanistischen Kreisen die antike Tragiidie nm hjdimen. Ein erster Versuch
in der Form des mehrstimm. Madrigals eruies sich als unbrauchbar; man
griff, an den Vortrag des Gregor. Chorals anscliliessend, zu einer Art von
Recitation, die sich hie imd da zum Arioso hob; das Arif>Äfi wuchs sich
nochrmils zur Arie aus. An der akkordischen Begleitung der Recitative ent-
wickelte sich der Grneralhass, ausgeführt auf Cembalo, Laute, Viola a a.
Instrumenten. Instrumentale Vor- und Zwischenspiele belebten das Ganz«.
Die Daphne des Peri, 151(4 (Text von Rinucrini) gilt für das erste voll
au^epragte Stück dieses Slilo rappresentativo, des dramnia per musica. Die
neue Erfindung verbreitete sich mit reissendcr GeschttindigkeiL Unter den
zahlreichen Opemkomponbiten ragt Claudio Monteverde (1568 bis r. 1650),
venetian. Kapellmstr. zu St Marco hervor. In den Frauenparlien kam der
Kastratengesang auf. In Frankreich gab Giov. Battista Lully (1632 — 1Ö87),
gebildet in der königt. Kapelle in Paris, der Oper ein national-französisches
Gepräge. Die neapolitanische Schule fügte zur cjpcra scria die opera buffa
hiiüu.
586
xm. KussT. 2. Musik.
Der monodische Stil hatte die Entwickluiig iltr grossen Italien. Gesang-
schule im Gcf'.Jjje und zugleich Ha-s instrumentale Solospiel. Die Geige*^
erhielt ihre klassische Gestalt. Dem berühmten südtirnlischcn Geigenbauer
Tieffenbrücker (Duiffobmggar^, nachweisbar 151 1 — 47, folgten im 17. und
18. Jahrh. die Geigcnbaucrfamiliun Amati, Stradivari und Guarncri..
Schon die GabrieÜ in Venedig durchbrachen auch in der Kirchenmu-sik den
allen a-capdla-Stil in ihren d<>pi)el- und mehrchörigen Kirchenkorapositionen
durch /Zuziehung des Orchestera zur Begleitung des Oiors, für solche Sätze
komral der Name sonata auf, ursprünglich keine besondere Form eines Musik>
Stückes, sondern nur der Gegensatz zu der rein vokalen cantata; später be-
zeichne: t-s zunächst den nur auf fn:>trumenten gespielten Satz im Gegensatz
zu der a c:ipclla <Klcr mit ini^truniun taler Begleitung gesungenen >Cantate«
und man unterschied die sonata oder cantata da chiesa (statt des älteren
Naineu der ironcerti spiritiiali) von der son. oder canl. da camara. Die
kirchliche Cantate hatte aber stets nur den kirchlich vorgeschriebenen litur-
gischen Te.xt. Kür den Schöpfer der cantata da camara gilt Giac.
Carissimi (1604 — 74), Kapcllnistr. zu Sl Apollinaris in Rom; er bildete
sie zu einem sich halb dramatisch entwickelnden TotLstück mit Recitativen,
Alien und Chfjren.
Der grösste Italien. Geigenvirtuose dieser Periode, Arcangelo CorelU
(16.53 — 171,1). that in der Sonatenform schon den wichtigen Schritt, von
den üblich gewordenen <Irei Sätzen, einem langsamen und zwL-i raschen, den
mittleren in die Dominant entonart zu versetzen. Ebenso gebaut wird nun
das concertu da camara für ein Süluinslrument mit Orchester. Das conccrto
grosso, welches die gleiche Folge der Satze hat, besteht in der Gegenüber-
stellung von einer oder mehreren Sologeigen und dem GesanitkiVrper der
Geigen und des tutti. Auch die Ouvertüre, d. h. ein einleitender Instru-
menialsatz zu jeder G-ittnng von Ti )n.<itticken, bildete sich zu fester Form
aus: in Italien ein langsames Tempo zwischen zwei raschen, in Fiankreich
umgekehrt.
Ihren dramatischen Stil mit Sologesang, Generalbass und Orcliester übertrug
die Oper nicht nur im allgemeinen auf die Kirche, sondern prSgle ihn gani
speziell noch im Oratorium aus. Der Keim dazu liegt in Faslena n<!achten.
welche Philipp Neri in Rom im Betsjial (oralorio) seines Klosten» hielt, indem
er seine Erklärung der Bibel durch eingestreute Gesänge illustrierte, wobei
ihm Giov. Animuccia und Palestrina zur Hand gingen. Die eigentliche
Ausbitdung dieser Form zum gesungenen geistlichen Drama ist this Weric
des oben genannten Carissimi.
In Deutschland, dessen weitere Musikgeschichte ohne diesen Ausblick
nicht verstandlich wäre, änderte bald nach der Mitte des 16. Jahrhs. der
mehrstimmige Liedergesang sich in die ^ madrigalische' Art. Auch bei man-
chen kirchlichen Meistern gewahrt man schon früh den Einfluss iler Vcnetiancr.
So bei Jac. Gallus (Hamll, 1.550—1,590), 1.5Ö7 kais. Kapellmeister in Prag^
dessen Motetten Willaert'sche Art zeigen. Jac. Mciland (1,542 — it>07l,
Kapellmeister zu Ansbach: Motetten und weltliche Gesänge. Adam Gum-
polzhaimer (1.559 bis nach 1622), Kantor zu Augsburg; geistliche wie welt-
liche Lieder nach Canzonetten- und Villanellenart. Christ. Erbach {l^fjo
bis nach 1628), Fugger'scher Kapellmei-ster in Augsburg. Erb. Bodenschatt
(t if)3'>), um 1600 pn:itest. Kantor zu Schulpforia, gab in seinem Florilegium
Portense eine Sammlung ausgewählter mehrstimmiger S^lze. Ilure hOdisie
BIflte erreichte aber diese Gruppe erst in den bcidi;n grüsstcn deutichen
Meistern der Periode: Leo Hassler (1564 bis 1612), geb. in NUmbcrgr
I
Herrschaft des itauenisciien u. französisches Stiles.
587
^
Schüler der beiden Gabrieli, 1585 Fugger'scher Organist, i6c)i Organist und
Aofseher der st,ldt. Musiken in Nürnberg, auch kaiserl. Diener, iboö kurf.
Sachs. Kapellmeister in Dresden.
In seinen Hauptwerken stellt sich ungefähr der damalige Umfang der
Komponisienlhatigkeit dar; zumal da er für kathol. wie evangel. Gottesdienst
schrieb. Die Messen und sacrae canlioncs waren eben damals noch in beiden
Kirchen verwendbar. CauzontiUn Mi ^ St. 1590; Cantioncx sanae di fcstis
4—78 VOC. 1591; Madrigaii ä, — 8 voc. I5q6; Madri^lien und Cansondten I596;
Mtuen zu 4 — 8 SL 1599; Sacri cencentm 4 — 12 voc. 1601; Lüitgarien netter
Teutsrher Geiänge zu 4 — 8 St, 1601 (wekl. Lieder von grosser Schönheit;
darunter die Melodie »Mein Gemftt ist mir verwirret«, welche für das Knoll'-
sche Kirchenlied »Herzlich ihut midi verlangen< verwendet ward und von da
auf Paul Gcrhard's »O Haupt voll Blut und Wunden« überging. Pialmen
und chriiti. Gesänge auf Conlrapunkiwctse gesetzf, i(x)7 {erscilicncn noch 1717
in neuer Auflage). Kireh^ngesänge und gris//. Lieder mit 4 St 1608, in ein-
fachstem .Satz noia contra notam, ako die H.innnnien akkordisch gesammelt
Der zweite noch bedeutendere Meister ist Heinricli Schütz^ ('.'^85 — t'^/i)»
geb. zu K/Vstritz, iboq — 13 Giov. Gabrieli's Schüler, dann Hoforganist in
Casset und seit 1617 Kapellmeister in Dresden. 1628 ging er nochmals nadi
Italien, um das Musikdrama zu studieren, nachdem er schon 1627 Rinucdni's
Daphne (s. o.) in Opitz' Übertragung neu kompnniert hatte. Er organisierte
die kmfürsli. Kapdtc und s[>Iiter aucli die braunschweigische wie diejenige
König Christian's IV. in Kopenhagen nach italienischem Vorbild. Vor allem
wichtig sind seine kirchlichen Kompositionen. Im innersten Wesen deutsch
und protestantisch, obwohl er die protest Kirchenmusik aus ihrer bisherigen
Gebundenheit an das Kirchenlied fast ganz toslfiste; aus der Italien. Schule
nahm er den Glanz mächtiger Chorwirkungen neben der Monixlie und dem
Zug zu dnunat ßclcbuii}; in äicli auf.
Ein Band fünf.-^iimm. Madrigale schon 1612. Psalmen David's 1619, drci-
und \ierchörig, wobei mit den Stimmen in mannigfaltigster Weise Instmmente
verbimden werden, unter Anwendung des rezitierenden Stiles. Symphoniae
sQcrae 1629 — 50 (Sologesänge für i und mehrere Stimmen mit obligatem
Orchester). Geistliche CoiicerU 163b — 30 (Gcsfliigc mit Geiicralbass). MtaicaUa
ad chorum saemm 1648 (Motetten in madrigtilischem Stil). Sodann die in der
Mitte zwischen den alteren Passionen und der neuen Oratorienform stehenden
dramatischen Kirchenwerke Die Historie von der Avfattehtmg des Herrn 1623;
Die I/istorir von der Mettsc fnverdung Christi: Die 7 Worte am Kreuz 1645
(die Reden Chri.sti in ürioscm Stil) und die 4 Passionen nach den 4 Ex>angelisten
1666, in denen der Mcisler wieder zu dem suengcren Stil zurückkehrt; die
Reden der Evangelisten und der handelnden Personen im altkirchl. Kollckten-
ton, moU;ttenartige ChAre ohne Instrumentalbegleitung, eigentlich dramat
Behandlung nur in den turbae, d. h. den Reden des Volksund der Schüler.
Schütz bestimmte diese Passionen nicht für den Gottesdienst, sondcm für
»fürstliche Kapellen oder Zimmer«.
Der »conccrtierendc- Stil verbreitete sich inzwischen über die ganze
evangelische Kirche. Auf dieser Bahn geht der schon genannte Leipziger
ThomanerkanUir Joh. Herrn. Schein (1586 — 1630); Job. Kosenmüllcr
(t itiSi). .\ndrcas Hammerschmidt {1611 — 1Ö75), Organist zu Zittau,
unter dessen zahlreichen Kompositionen (gt-istl. Concene, Messen, Motetten
etc.) die Dialogi spirituaii 1645, 1658, d. h. Gespräche zwischen Gott und
der glaubigen Seele her\'orzuheben sind, als erste Vertreter dieser auf die
(Bach* seile) Cantate vorbereitenden Form; ähnlich seine 'Musikalischen Ge-
58Ö
XilL Kunst. 2. Musik.
Sprache Aber die Evangelien« 1655. Folgenreich ward besonden die Art,
wie cc dabei das prutcst. Kirchcnticd vcr^vciidete. Auch dC3 Hcinr. Schütz
Neffe HeJnrirh Albert (1604 — if>55) ist hier noch anzwreilien, seit 1631
Organist zu Künij^sberg, Freund Simon Dach 's, Roberthin's, Opitz'; .Schöpfer
zahlreicher Kirchenlieder; die Lieder in den 8 Teilen seiner »teils geistlichen,
teils weltlirhent Sammlung sind meistens in einfacher Liedform gesetzt, ein-
stimmig mit Gcneralbass oder mehrstimmig. Für das Kirchenlied wirkten
noch Joh. Stobans, t 16.16, Mich. Altenberg (1584 — i(>4o), Job. Crüger
{1,598 — 1662), seit 1622 Kantur an der Berliner Nicolaikirche. Joh. Rud.
Ahle (1625 — 73), Kantcir in Mühlhausen. Joh. Schop (um 1650) Kapell-
meister in Hamburg und ebenda gleichzeitig mit ihm Themas Seile u. s. w.
Die sonstigen bedcutctidercn Meister des 17. Jahrhs. stellen sich in z«'ci
Gruppen dar, im Süden katholische Meister, die sich den ItjiHencm und Fran-
zosen eng anschlie^sen, im Norden die auf den grossen niederländischen
Oigelmeister Sweelinck zurückgehende protest. Kaniorenschule. Auf beiden
Seiten steht die Kunst des Orgelspiels im Vordergründe und das Instrumentale
ent^*■ickeh sich zu immer selbständigeren Formen.
Als Hauptvertreter der kathol. Gruppe und Schüler C^rissimi's (s. o.),
des grossen römischen Orgclmeisters Frescobaldi (t nach 1640) und der
italienischen Opemknmpouislen erscheinen Greg, Aichinger (ijf^S — i(i2\),
joh. Kasp, V. Kerl (c. 11^25— i()q3), 1^58 Kapellmeister in München, spater
in Wien, neben seiner Orgelmusik als 0])enikoniponi.st geschätzt, wobei aber
hier stets nur von italien. Opern die Rede ist. Joh. Jak. Froberger (c.
16:2 — 76). geb. in Halle, in Rum zum Katholizismus übergetreten, dort
Frescobaldi's Schüler. hr)rte in Paris den üUeren Couperin : Organist in Wien,
Mainz, Stuttgart: gesrhnizt vor allem seine Orgel- und KUt\ierwerkc. Georg
Muffat (c. 1^40—1704), studierte in Paris vur allem Lully's Werke (s. o.).
war i<)74 Orgiuiist in Strassburg, besuchte um 1682 Rom, dann Organist in
Salzburg und Passau: sein Apparatus rausico-organisticus enthalt 12 Toccaten
ucbst Klaviersachen; Orchestermusik französischen und Kanunermusik italien.
Stib*. Balletmiusiken nach Art der Lullv'schen. Heinr. Franz v. Biber (1648
bis 1705) bürgerte die (filtere) italien. Senate für 4— 5 Saiteninstrumente, für
drei Instrumente, für Sologeige und Generalbass ein, machte auch (wohl das
erste Beispiel in Deutschland) aJs Geiger eine Concertreise.
Das Haupt der norddeutschen Scliule, der »Organ isleninacher« Jan Pielere
Sweelinck (1540 — 1621) ist selbst da.s letzte Glit^ an der Kette der grossen
Nicdedander; gebildet in Wnedig, Organist in Amsterdam. Nel>en nelen
andern norddeutschen Organisten ist Sam. Scheidt (c 1587 — 1654) Organist
in Halle, sein Schüler, gerühmt für seinen ki.»lorierten Orgelslil und sein
Orgelbuch (Tabulatura nova). Ebenso Hcinr. Scheidemann, s«t 162(1
Organist in Hamburg und Jaknb Pratorius, glciclifalls Hamburger Organist
Schcidcmann's Schüler und Nachfolger ist Joh. Adam Kcinken (1Ö23 bis
1722). In I,ü,beck glänzte zugleich ein Dane, Dietrich Buxtehude (c. 1635
bis 1707), seit 1668 Oi^anist an der Marienkirche; berühmt waren seine
xAbendmusikenc, nicht eigcutlich gottesdienstlich, aber doch kirditiche musi>
kaiische Andachten, mit Chor und Orchester.
Die Klaviermusik, welche seit der zweiten Hälfte des 17. Jalirlis. bei den
Franzi>scn durch die Couperin's, namentlich Franz C. {i(t68 — 1733) tmd
in Neapel durcli Domenico Scarlatli (1683 — 1757) zu selbständiger Technik
erblühte, benutzte dabei die Formen der Tixcaten, Fugen. Phantasien, Ca-
pricci, Arien mit doubles (cl. h. Variationen, auch Partiten genannt), vor
allem aber verschiedene Tanzfurmeii, musikalisch zu Chanikterslückcn idca-
lisien. Für die Instrumentalmusik erwuchs aus diesen Bestandteilen als
älteste cjvlische Fonii die Suite (auch sie wunle wohl Piirliui genannt).
Aus Frankreich stammend gelangte sie seit der Mitte des i~. Jahrhs. (vgl.
aber Hugo Rlemann in der Jlunatsschr. f. Musikgesth. iti94, Nr. 7, S. 85 f.)
auch in DeutscJiland zu grosser Beliebtheit: eine Folge von Tänzen in
gleicher Ti^nart, ursprünglich die deutsche Allemande, die sixinische Sara-
bande, die fcaiizösischc Cuurante und die cngliüclic Gigue. Dazu kamen
bald andere Tanze, wie Uourrec, Urmiic, Galliarde, Menuett, Musette, Pavane,
Passapicd, Ki^audon u. s. w., aucfi andere kleine F<jmieu; IntraUe., Arie inil
Variationen u. s. v,: Unter Buxtehude's Klavierkomjx)sitionen findet sich
jeia Cydus von 7 Suiten, welche die 7 Planeten nacli ihrer aslrologi.',chen
leutung darstellen S'-illcn. Überhaupt liebte man es, der Instrunitntaimusik
durch den Namen eine Art von Prugrannu mit auf den Weg zu geben; ein
bedeutsajnes Zeichen für die erstarkende Selbständigkeit der Instrumentalmusik.
Bis dahin hatte sie nur übennigene Gesanginusik oder T.lnze xum Inhalt
gehabt Der Stoff des Textes oder Tajiz^.-s übertrug sich unwillkürlich in die
Vorstellung des Hörers auf die bloss gespielte Musik. Dass aber auch die
reine Instrumentalmu.sik niclii blijss ein Spiel mit Tönen sei, sondern dass
es zu ihrem Wesen gehöre, irgend etwas darzustellen, liegt, wenn auch
noch in unklarer Auffassung, in jenen Namen der SUUke ausgedrückt.
Die zweite cyclisctie Form ist die Sonate der allen italicnisdicn Form.
Aufs Klavier übertrug sie in Deuurhiand zuerst Joh. Kuhnau (1667 bis
1722), Leiimger Thomanerkanl<»r, der grüsste deutsche Klaviermeister des
17. Jahrhs. (vFrische Klavierfrüchte« i(k/j; »Musikal, Vorstellung einiger bibl.
Htslctrien in 6 Senaten*). Ihrer spitteren höheren Entwickltmg reifte jedoch
die Si-inatenform erst in der Schule Bachs entgegen.
An die genannten sei cndlidi noch als protcst. Kirchenkomponist der
Nürnberger Joh. Pachelbcl (1653— 1706) gereiht, Organist in Wien. Stuttgart,
Eisenacb. Erfurt, Gotha und Nürnberg. Besonders hervorzuheben ist an ihm
che Durdidringung der ganzen kirrhlictien Tonkunst mit dem evangc:lische-n
Kirchenlied. Aus den Melodien der Kirchenlieder (um diese Zeil auch schon
Choräle genannt) verschwanden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhs. die
bewegteren Rhythmen gegen Noten von gleicher Lange; durchgeführt ist
diese Neuerung zuerst in Bricgei's Darnistüdter Cantiunal von 1O87.
Schütz' Versuch einer Oi>er mit deutAcbem Text {s. o.) war ohne erheb-
liche Folgen geblieben; seine Daphne ist uns nicht erhalten. Das fllieste
bekannte deulsclic Singspiel ist Harsdorffer's geistliches WaJdgedidU oder
Freudenspiel, genannt Seelewig, Gcsangsweis auf italienische Art gesetzet von
Siegln. Thcophilus Stauen, i()4.4; von Eitner mitgeteilt in den Monatsh. f.
Mu.s.-Gcsch. 188 1, S. 53 — 133.
Weim aber aui h namentlich an Höfen einzelne weitere Versuche folgten
imd das Schaferspiel mit Musik vielfach kultiviert ward, Sfi verdrängte doch
die italienische Oper, komponiert, gesungen und geleitet von Italieneni alles
andere. Die bedeutendsten solcher Opembühncn waren in Wien, München,
Dresden und Beriin; daneben auch in Braunschweig, Breslau. Kassel, Leipzig,
Stuttgart und anderwärts*". Duch sind neben den italienischen Opemkom-
poni&ten auch einige deutsche zu nennen, deren Ruhm auf diesem Fdde
li^jt, indem sie italien. Te.xte im Italien. Stil komponierten. In Wien der
Oberkapellroeister Joh. Jos. Fux** {1660 — 1741), dessen bleibende Bedeutung
dodi weniger in seinen Opern, Oratorien, Instrumental werken und äusserst
zahlreichen KirchcnkompositJonea liegt, als in seinem berülunten Lehrbuch,
dem Gradus ad Pamafsum, 1725. Der gefeiertste tmd in der That auch
590
Xin. KuKST. 2. Musik.
bedeutendste deutsch-italienische Opcmkomponist ist Joh. Adolf HasBc (i6qq
bis 1783). geh. in Bergedorf bei Hamburg, 17^2 in Neapel bei Scarlutti. 1727
Kapellmeister nm Conser\*aturio clcll' Incurabili in Venedig» w<i er die gefeierte
Sängerin Faustina Bttrdoni heiratete, 1731 Oberkapdimcisicr in Dresden,
pensioniert 1763, gest. in VenctUg. Seine mehr als 50 Opern beherrschten
die gesamten Italien. Bühnen. Auch er sclirieb daneben in allen andern
damals Üblichen Formen.
Eine deutsche Oper in Anlehnung an diese italienisclie erblülite endlich
in Ha:nburg. Unter Leitunj- des nachmaligen Ratsherren Schott (t 1702}
ward ein Theater am Gänsemarkt gegründet inid IÜ7Ö crüffnct mit einer
geistliclien Oper »Der erschaffene, gefallene und wieder aufgerichtete Mensch«.
Test von Chrisrian Richter, iVfusik vonjohannes Thcile(i646— 1724J, emem
Schaler von Heinr. Schfltz. AuflitOhend. zeitweilig wieder verfallend, sich dann
aufs Neue heljend, lial diese Bühne bis 1738 gelebt. Ilire meist besdiiifligtea
Dichter waren Lucas Hostel {t 1 716), Chr. Postel (t 1705), F. C. Brcssand(t 1702),
Chr. Fr. Hunold (t 1721). Barth. Feind (f 1721)» l^"'r- v. König {f 1744). Fr.
Chr. Feu.stkind {t lyyi). Unter den Ton.setzern sind zu nennen: Nie Adam
Strungk (t 1700), Joh. Sigm. Kusser (Cousser 1657 — 172g), geb. in Pres-
burg, i6j<) — 97 Kapellmeister in Hamburg, gest. in England. Reinli. Keiser
{1673 — 1730} mit mehr als 120 Opern. Von 1703 — 8 schrieb auch Händel
hier seine ersten Opera. Gleich fruchtbar an Kompositionen und theoretisch-
geschichtlichen Schriften «-arjoh. Mattheson (1681 — 1764), geb. in Hamburg,
zuerst Sünger an der Oper, der Hauptstreiter für die damals moderne Kunst.
Unter seinen Schriften haben »Das neueröffnete Orcliester^ 1713. »Der
vollkommene Kapellmeister'^ 1 739 und die »Ehrcnpfortec 1740 bleibenden
kunstgeschichtlichen Wert". Auch der zu seiner Zeit am hüclisten, selbst
■über Bach und Hllndel gefeierte Georg Phil. Tclcmann {1681 — 1767) bt
hier zu nennen. Geb. in Magdeburg, KapellmeLster in Sorau, Frankfurt
Eisenach, Musikdirektor am Johanneum in Hamburg, seit 1722 Kapellmeister
•der Oper. Berühmter noch als seine etwa 40 Opern waren seine 44 Passioos-
musiken, 12 Jahrgange Cantaten. Oratorien u. s. w.
Mau blieb in dieser Hamburger Oper nicht ba der italien. Opcmfonu
stehen; schrieb dareben halb myslerienartige geisttiche Spiele, und ein buntes
Gemisch von lokalen Opemstoffen, SpektakelstOcken, Balleten, bis zu den
rohsten Burlesken herab. Zueret 168Ö ward iu die komische 0(icr aud» ge-
sprochener Dialog eingcf lochten. Über Nnrddeutschland verbreiteten sich diese
Aufführungen teilweise, doch starb das Ganze ohne weitere Naclifolge ab.
Will mim sich von den allgemeinen Masikzustündeji dieser Periode eine
Vorstellung macheii. muss man vor Allem drei Punkte ins Auge fassen:
I. die Wandlungen in der Kirchenmusik, 2. die Mittel des Musicierens, d.h.
die Kapeilen u. s. •*■. und 3. die Formen der Musikstücke, — Die Musik der
kalhul. wie der evangel. deutschen Kirche wurde in gleichem Maasse von
der venetianisrhen Schule beherrscht. Da aber im kathol. Gottesdienste die
unantastbaren liturgischen Texte liier\'un nid« berührt wurden, so bildete die
venetianische wie die ihr folgende neapolitanische Schule so gut wie jede
andere in der Musik zur Gellung kommende ZeJlrichtung nur eine vorüber-
gehende Erscheinungsform für die davon an sich nicht berührten liturgischen
Texte der Messen, Hören u, s, w. In den Gottesdiensten der evangel. Kiidien
hatte man aber seit dem ausgehenden 16. Jahrh. den festen Zmiammenhang
mit den liturgischen Texten mehr und mehr cingebüsst**. Noch immer finden
wir zwar in grüsseren Hof- und Stadikirchen den Chorgesang der alten In-
traiten, Hallelujaverse und Responsorien, z. B. in Nürnberg**, doch zeigt er
aucli hier st:Iion sehr cingcschßiikt. zugleich aber übeiall im Verschwinden
'j^Bgen allerlei neue Formen von Musiken mit willkQrlidien bald biblischen,
baJd und Öfters noch frei gedichteten Texten. Durch den gleich Anfangs
in den Rcfonnalionskirchen eingctTL-tcneu Wt^all dos Offcrloriums, verbunden
TCäl der Ablehnung der Kunstmusik für die Ausfühnmg des Credo m-ar ein
Misvcrhaltnis im nmslkalis<.lieu Auflmu de» Hauiii;;i.ilte5dienstes (der Messe)
entstanden. In diese Lürkc, welche durch tlen Gemeindegesang nicht angemessen
ausgefüllt werden krmnte, drängte sich eine Musik ein. für die man sich, weil es
hier eben an einem liturgischen Text fclilte, beliebige Texte schaffen musstc.
So entstaud, was man schon im 17. Jahri». als die »Hauptmusik« liczeichnete,
•die nun der eigentliche Tummci|ilatz für <iie modenie Mu,sikülmiig tu der
««tngcl. Kirche ttiirde. liier sangen die grossen Ch(*ire und Doppelcliüre,
begleitet vun Otf.<:\ und iiistrunienlaleii Massen, hier fanden die SülugesUnge
mit b€7it'fertem Bass und den instrumentalen Zwischenspielen ihre Statte, wie
Heinr. Schütz und seine Schüler sie nach vcnetianischem Muster einbürgerten.
Von all diesen Schöpfungen, su herrlich und grossailig sie aucli als gdsl-
liche Alusiken sind, hat doch für die Verwendung im Gottesdienst nur
Weniges bleibenden Werl, .^hou um ikr Texte willen. Für die evangelische
Kirche harte es zugleich die verderbliche Fnlge, die Überreste des alteren an
die lituipschea Texte gebundenen Gesanges noch mehr in Gcringschiltzung
und Verfall zu bringen.
Den Anfordeningen entsprechend, welche die Ausführung der angedeuteten
lilusiken in der Kirche machten und die sich unmittelbar auch auf die wdl-
üche Musik flberlnigen, wurden nun die grösseren, namentlich die fürstlichen
Hofkapellen au.'^'bitdet. Die Säuger bildeten nur noch ihre eine Hälfte; die
andere, mit jener zu einem Körper vereinigt, bestand jetzt aus den In.stni-
mentL<tten. Zu diesen gehörten auch die z. T. hr>ch bezahlten Virtuosen,
\'or Allem die Lauteiiisten und die Orgel- und Ccrabatospicler. Neben solchem
Kapellkörper stand aber ntK'h ein iro Range höherer, namhch der Chor der
Trompeter. Sie gehörten zum steten Gefolge der Fürsten, wurden auch zu
Botschaften an fremde Höfe oder im Kriege gebrauclit. Mu.<tika]Lsdi waren
sie auf Fanfaren, M.irsche u. Ü. beschrankt, was aber auch hier das Virtuosen-
tum und gelcgentitche Mitwirkung in der Kapelle nicht ausschluss. Überall
in den Stadien wareJi zünftige Stadtmusifcanten, die Stadt- und oder Rats-
pfeifer angestellt und für die ausschliessliche Ausführung der Musiken ia
Kirche und Geseltsrhaft verpflichtet und privilegiert. Eine sclbst^dige Stellung
neben ihnen nahmen die Türmer ein, die schon um des Choralblasens willen
Zinkenisten sein musslen. Danutls hatte nuch jeder Sonntag seine bestimmten
(de tem[H>re-)TJedcr und es war eine mehrfach bezeugte Sitte, das flauptlied
■des Sonntags die folgende Woche hindurch vom Turm blasen zu lassen.
Die alte Motetlenform des raehrstimmigcn weltlichen Liedes «-ar, wie
oben erwähnt, schon im lO. Jahrh. dem MadrigaJ gewichen; dieses bildete
im 17. Jahrh. die vornehmste Form mehrstimmigen Gesanges. Das charak-
teristisrhe der musikalischen GesU'Lll des Madrigals besrteht darin, dass seinem
polyphonen Släumengewcbe nicht, wie dem der Äfotctte, eine selbständige
und in sich geschlossene Melf>die zu Grunde liegt, sondern nur Mntive,
unter deren Entwicklung und Vciflechlimg m imitatorischer Behandlung der
Stimmen sich ein musikalischer Gesamtkörjier bildet Die in oder nach
italienischer Schule gebildeten Sanger der fürstlichen Kapellen gaben dieser
Gesaugsgaltung seine vornehmste Ausprägung. Daneben aber steht jetzt,
gleich berechtigt in der allgemeinen Gunst, der neue Sologesang, durch In-
strumentalbegleitung (Cembalo oder Instrumente oder beides) gestützt Dieser
arienartige, uft ans Recilaiiv .slrcifeiule Sologesang ist stark durch die neue
italienische Oper beeinflusst. Er drang tief in das allgemeine Musikieben
ein; in Kirche und Omccrt als Ana da diicsa und da camera. Auch in
der Hausmusik nahm das Lied diese l-'orm an und wenn auch das Kirchen-
lied seinen vulküinlbsigeii Cliaraktcr und echte Licdfumi iin Allgemeinen
auch wahreiui dieser Periode bewahrt, s«! bleibt doch auch seine Melodie-
bildunp vun dem Zug der Zeil zum Arienslil nicht unberührt, wahrend seine
mehrsiiminige Behandlung höchster künsüeri scher Vollendung entgegen reif L
Das eigentliche Volkslied entzieht sich unseren Blicken für längere Zeit.
W VrI. Rnd. Schwartz in der Vierldjahiscbr. f. Musikf. Jahrg. II iSSfr
S. 437 r. — * Rob. Eitncr, Dit Ofier von ihren rrstm Anfängt» bis utr
Mint dti 19. Jahrhu {Bd. X d« Publik, der Gwcllsch. f. Musikf.) _ « J. W.
V, Wasielewski. Die Violiue und ihre Mrutcr. iBfrg. — * Eine Ge«amtaiug.
>. Werke, begonnen unter Spittn's Re<tAkl)on, «rscheint bei Brcitkopfu. HSrtel. —
>" Rudhart, O'ttch. d. Oper am Hcf zu München. 1S65. — M. l-'Or*tenau.
Zur (Jeschichtt der J/wji* und des Theaters :h Dreide». l8bi — 62. — L,
Schneider, Gcuh. dir Oper u. des tgi. Opernhauses an Berlin. 1853. —
SchlcUerer, Das lieuttche Singspiel. 1863, — Dcrs., Die Entsieh, der Oper.
1873, — w L. V. KOchel. Joh. Jns. Fvx. 1873. — " L. Mcinardu«, Mat-
theson u. seine Verdiettxte um die Drulscbr TonOunst. (StunmC. musik. VurtrHg«; vo«
Graf Walderaee, LS". 1880.) — *» \^. tin-ine iLiturg.-musik. U'esehuhte der
evangel. GolU-sdietute von 1523 — ijoo^. Schleswig 1R93. — *• Max Hernld,
AH-Nürnberg in seinen (lotirsdiensten. GülcrUab rSqo. — ** Ldurcich (ilr diese
Verhältnisse ist: Angul Ilanimcricb, Mustken ved Christian den IVdes Hof;
auuOglich in überseuuiif: niitgctetlt in der VicrteljobrschriA f. AruukwtsMiwduft,
9. JahiU. [1893) S. 63 1*.
g 5. HÄXDEL UNI) BACH.
Die zuletzt geschilderten Verhältnisse führten uns zunadist zur Kirclien-
musik zunick. Zwischen den Musikern untereinander und (JeLstiich'-n wie
der pietistischen so der orthodfixen Richtung entspann sich nun von Homburg
ausgehend eüi Streit darüber, in wieweit der drauiatische Stil mit seiner
höheren Lebendigkeit auch in die Kirchenmusik zu überlragen sd. Es ent-
stand unter solcliem Gesteh tspmikt tlie sogen, »grusse Kirdicnkantatc< und
eine neue Gestalt der PassiL>nsnnL'iik. Der biblisch -liturgische Text ward
grösstenteils oder sogar ganz durch freie Dichtung ersetzt, in der die Recilative,
SülogesÜnge (Soliloquicn, s. o.) und Duette mit Chfjren abwechselten. Dem
Eingangsrhor der Kantate Hess man noch einen Bibettexi, den Lektionen
des betreffenden Sonntags entnommen, folgen. Gcwisscmiasscn als dranialb
pcrsonae werden die »j^lflubige Seele« und die »unsichtbare Kirche< gedacht,
die ihre Empfindung reflektierend in den SologesUngen ergiessen. Als Ver-
treter der i)roteslantische]i Gemeinde bleibt der Clioral- Nicht in Hamburg selbst
sondern in Weissenfeis für tXv.w tlortigen KapeEImctster Joli. Phil. Krieger
sclirieb Erdmann Neumeister 1700 die ersten Texte dieser Gattung. Ei
hat ihicr fünf Jahrgänge, eine Kantate auf jeden Sonn- und Festtag gedichtet,
von denen Teleinann drei komponiert hat. Als Kantatendirhier folgte ilini
namentlich Salonum Franck. Es war das Ende des Verhängnis vollen Ab-
wegs, der ein der Mtxie nnterwurfenes individuelles testliches Element an
die Stelle der liturgischen Teste gesetzt hatte. Noch Srger erging es den
Passionstexten. Hunold's »Sterbender Jesus', 1704, komptmicrt von Keiset,
sollte das Muster der neuen Gattung werden. Das elende Machwerk richtete
sich selbst. Zwar suclile dann Brockes in seinem »für die Sünden dieser
Well gemarterten und sterbenden Jesus* einen würdigeren Text zu schaffen;
auch diesen kumpunierte Keiser 17 12, nach ihm Mattheson. Telemann,
selbst Händel (Bd. XV der deutschen Ausg.) uuü aucli Badi benutzte
Stocke daraus in seiner Johannespassion. Babei ist es dann aber auch
für immer geblieben.
Die Entwickelung hat uns zu Bach, und Handel geführt: es ticgt klar vor
Augen, dass in den im vur. § dargestellten Zustanden alle Keime liegen,
welche durch die beiden Meister zu tmsterblirhen Schöpfungen erblüht sind.
Georg Friedr. Händel (1685, 25. Ft-bruar bis 175Q, 13. April)", geb. in
Halle a!» St>hn eines >kurbraiidenb. Kammerdieners« (Chirurgen) bezog 1702,
um Jura zu studieren, die Universitill, ging aber schon 1703, um sich der
Musik zu widmen, nach Hamburg, von wo er auch Buxtehude in Lübeck
aufsuchte; hauptsächlich förderte ihn Mattheson. 1705 kam dort seine erste
Oper Alraira zur Aufführung, der noch drei weitere folgten. Von 1707—10
in Florenz, Rom, Neapel und Venedig. 1710 Kapellmeister in Hannover
geworden, ging er trotzdem gleich nach Engtand, Anfangs nur im Urlaub,
noch vur dem Tode dur Königin Anna zu blcibcaidcm Aufenthalt. Hier
halten Henry Purcell (!(>5Ö — 95) und nach ihm Will. Croft in Musik-
dramen und Kircheimiusikeni eine fruchtbare und bedeutende Thatigkeit
entfaltet, durch welche Bündel reiclic .■Vnregimg fand. F.r schrieb zunächst
eine Reihe ital. Opern für die 111 Haymarket s|)iele[ide Truppe; als ersieden
Rinaldo, 171 1. Im Auftrag der Königin schrieb er das sogen. Ulrechtcr Te
deum und den 100. I'salm, 1713. Naciidem König Georg, der ihm wegen
des Verlasscns Hannovcra zürnte, zur Ritgierung gelangt war, schrieb er, ihn
zu begütigen, die »Wassermusik«. Auf einer Reise komponierte er 1716 in
Hamburg die Brockes'sche Passion (s. o.); zurückgekehrt die berühmten 12
Anihcmh (Motetten Über Psulmentcxte), 1720 als erstes seiner Oratorien die
Esther, auch »Acis und Giilüthca*. Seit 1721 beteiligte er sich an mehren
Italien. Opcrnunternehmungen in Haymarkel, für die er mehre Reisen, audi
»ach Italien, inaulite und die lange Reihe seiner Italien. Opern schrieb (da-
zwischen 1717 das Krönungsanthem). Intriguen der Sanger und z. 'V. auch
der engl. Aristokratie führten zu einem Konkurrenzunternehmen, worauf sich
Handel endlich unter gri»s.seni Geldverhist verbittert und körperlich leidend
um 1740 vom Theater ganzlich zurückzog, um bich fortan mit ungeteilter
Kraft dem Oratorium zuzuwenden. 1731 war zuerst ein Händel'sches Ora-
torium in London an die Öffentlichkeit getreten: die Esther nilmlich ward
vor geladenem Auditorium in Kostüm gesungen; die Öffcutlichc Aufführung
(ohne Kostüm) fand 1732 statt.
Es folgten nun Dthomh und Athah'a 1733; Das Akxanderfat und israei
in Egyptrn 1738; dann — um nur die erhabensten zu nennen — Messias, und
Samson 1741; Judas Maccabäus 174O: Josua 1747; Herakles 1750. Im
L'Alltgro ed H I^mittvso 1740 war die Gattung auf das lyrische Drama
ausgedehnt
Neben diesen monumentalen Schöpfungen standen noch eine Menge anderer
herrlicher Werke für Orgel, Klavier, Orchester, Kammermusik u. s. w. Handel
starb geehrt und gefeiert, wie es nur wenigen Glücklichen unter den, grossen
Genien bescliiedcn gewesen ist.
Johann Sebastian Bach« (1685, 21. Marr bis 1750, 28. Juli), geb. zu
Eisenach, enisprosste einer alten Musikerfamilie. Hans Bach t it^iö als
Spielraann; sein Sohn Christoph als Hof- und Stadtmusikus zu Amstcdt i6f)i;
dessen Sohn (und Joh. Sebastians Vater) Job. Ambrosius als Hof- und Rats-
musikus zu Eisenach 1695. Generationen von Seitenverwandten waren über
Thüringen als Musiker verbreitet; die bedeutendsten danmter Joh. Sebastians
Oheime die Brüder Joh. Chrlslt)ph (t J703), Hoforgani.st zu Eisenach, und
Joh. Michael (t 1^94), Organist zu Gehren. Joh. Sebastian, früh seinem
.Gcntuwltchc Fblloloffi«. m. 2. AafL "Tk
594
XIII. Kunst. 2. Musik.
alteren Bruder in Ohrdruff zur Erziehung überleben, kam 1700 als Schüler
der Michaelsschule und Sopranist des Kirchenchorcs nach Lünebui'g, besuchte
von dort Reincken in Hamburg (s. o.); ward nach erlangtem Reifezeugnis
der Prima 1703 als Geiger in der Wcimarschcn Kapelle, aber auch schon
im selben Jahre als Orgjmist in Amstedt imgcatelll. Von da machte er 1705
einen längeren Besuch bei Buxtehude in Lübeck (s. o.), heiratete t707 die
Tochter seines Oheims Joh. Michael (3. o.), ward 17U7 Organisl zu Mühl-
haiisen. 1708 Hofor^nisl in Weimar, 1714 zugleich Konxcrtmeistcr; 1717
Hofkapellmeislcr des Fürsten Lcupuld in Külhcii. Hier verlor er 17^0 seine
Gattin und verheiratete sitth wieder mit einer Schülerin. 1723 endlich ward
er zum Kantor der Thomasschule in Leipzig berufen, wo er bis 2U seinem
Tode blieb. 1730 hatte er den Titel eines Kurf. Sachs. Hofkompositeurs
erhalten. 1 74* machte er Friedrich d. Gr. auf dessen liinJadiing einen Besuch
in Potsdam. Bald nach der Rückkehr erblindete er. — Seine grossen Kirchen-
werke beginnen in Weimar um 1711 mit mehren Kantaten: auch an der
Kom|X)silion der von Sal. Franfk gedichteten drei Kantaten -Jahrgange be-
teiligte er sich. Auch die berühmte Passacaglie C-mnll gehört in diese
Periode. Der Köthener Zeit gehören bedeutendste seiner Orchester- und
Kammermusiken: die j-Invenüonen und Sinfonien- für Kla\"icr; die »Franzö-
sischen Suiten«; die Sonaten und Suiten für Sologeige (mit der berühmten
Ciaconne); die sechs Suiten für Violonccll; Sonaten für Geige und KIa\*ier,
für Flöte und KliU'icr; Violinkonzerte; die sechs »Brandenburger Konzerte
(es sind concerli grci»si, s. o. S, 586) 172 1; endlich der 1. Teil des »wuhl-
tcmpcrierten Kla\iers< 1722. In Leipzig folgte, um nur das bedeutendste zu
nennen, die lange Reihe der Kantaten, bis zu fünf Jahrgängen. Das
Magnifical 1723; Juh^innespassion 1724; MattliHuspassiuii 1729: fünf Mutetleu
a capclla; H-moU-Messe (Kyrie und Gloria sind von 1732); Weihnachts-
oratorium, 1734: 2. Teil des wohltemperierten Klavners, 1744: die drei Tripd-
konzerte für Klavier, wohl von 1733: Ktavierübung i. Teil (sechs Partiten)
1731; 2. Teil (ItalieiL Konzerte mul H-moll-Suite) 1735: J. Teil (Orgel-
Stücke) 1739); 4. Teil (die sog. Goldbeigschen Variationen), 1746; die sechs
>englischeu Suiten«.
Von Bach'a Söhnen ward der genialste. Friedemann (1710 — 84), Orgarust
in Dresden (1733). Halle (1747). Einem wüsten Leben verfallen, trieb er sicli
seit 1764 umher und starb in Berlin. — Philipp Etnanucl (1714 — 88)
Studiertc Reditswissenschaft, ward 1740 Kammermusikus und Cembalist
Friedrich 's d. Gr. und ging 1767 als Telernann's Nachfolger iiaclt Hamburg.
Neben Kirch enkomposilionen, Sonaten und Konzerten für Klavier, \-ieleQ
Liedern u. a. hat er sich einen bleibenden Namen gemacht durch seinen
• Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen». Unbedeutender n-aren
Christoph Friedrich (1732 — 95), Konzertmeister m Bflckeburg, imd Joh.
Christian, der »Mailänder« cnier »englische Bach« (1735 — 82).
In Gach's Fuge findet die kanonische Form ihre höchste Steigerung; in
seinen Orgel- xmd Choral komposilionen die gesamte bisherige Orgelkunsi ihre
höchste Vollendung, in seinen Kantaten die protestantische Kirchenmusik,
getragen vom Choral, ihre vollkommene Ausprägung.
« Fr. ChrysiiDdvr, G. F. Hänäfl. Bd. I— 3 erste Häl^. i8s8— 68. HändtVi
Wrrke. Amg. der deiituchtn HanddgesetlichBft, Lcipz. Brcilkopf o. HairUl. —
*• Pb. Spitta.y. S. Ba<h. 1873—80. M>rkt: Aittgahc der dcuucfaen Bachg««eU-
scliaJi bei Breitkopr u. HSrlcl iii Leipzig.
I
I
I
1750—1850. KLASSIKER UND ROMAJiTlKER.
% 6. Das Lizd*'.
Als im Verlaufe des 16. Jahrh. das mehrstimmige deutsche Lied durch
die ilalienischen Formen vt-rdrangt ward, crtiielt sich die altere und volks-
massige Melodie nur im Kirchenlif-d. In die Mrlodiehilriung des Kunstliedes
drang der rezitierende und ariose Stil. Darüber kam es bei den Licdersangem
»ie Schein, Albert. Stobaus, Hammcn»chmidt u, \. (s. o.) nicht zu einer
eigenen K-nschen Form, die sich national weiter entwickelt hatte. Im Gegen-
teil verlor sich im 17. Jalirh. das Kunstlied, z. B. bei Ahle, Krieger u. A. auf
immer weitere Abwege. Das deutsche Volkslied versclmindet dem Blick im
17. Jahrh. fast gänzlich; aber es lebte natürlich nicbt nur im Stillen fort,
sondern man irrt wohl kiium in der Annahme, dass sein geistiges Wesen zu
den Elementen zahlt, vermöge deren sich namentlich in Mittel- und Nord-
deutschland iu der zu Bach und Handel Innfüluenden Musik trotz der er-
drückenden fremden Einflüsse deutsche .\rt erhalt und mit dem Fremden
verschmilzt. Es dauerte doch lange, bis die seit Opitz neu angeregte »Oden--
komposition, worunter mau eben nur das Lied verstand, einen neuen Auf-
schwung nahm. AU frühsten Repräsentanten eines solchen mag man den
Braunschweiger Joh. Gräfe mit seinen »Oden und Liedern«, 1737, betrachten.
Aber bis 17(51 zühlt dann Maqiurg in den Kritischen Beitragen bereits 39
auf. Dabei schliessen sich in der Meltxiiehildung die Einen enger an (Üc
italienische Arie, wenn aucli mit dem Streben nach Vereinfachung und
stroplüscher Gliederung (Telemann, Doles, Graun, Quants, Bcnda), die An-
dern enger an die Bachsche Art der Mdodienbildung (Agricola, Nichelmaim
Marpurg, — \-gl. S. 5q8 — , Phil. Em. Bach). Seit den 40er Jahren raaclit sich
ein doppeltes Streben fühlbar: das eine nach BeschrSnlnit^ der Melodie auf
die Aufgabe, die Deklamation der Worte pathetisch zu steigern; das andere
nach volksmässigcr Einfachheit. Beides entspricht parallelen Bewegungen in
der Literatur von Gottsched bis Goethe. Hier werden die Keime des mu-
demcn deutschen Liedes gelegt. An der Spitze, der ersten Richtung finden
wir Gluck in ICIopslock's Oden und Lieder heim Klavier su singen, geschrieben
mn 1772, also inmitten seiner grossen RefoL-men der Gesangsmustk. In der
andern Richtung ist Joli. Adam Hülcr (s. S. 598) der Bahnbrecher. Die
schlichten Liedchen seiner Singspiele drangen von der Bühne herab rasch in
weitesten Kreisen ins Volk {»Als ich auf meiner Bleiche«, »Olme Lieb und
ohne Wein« etc). Er kompanicrte eine Saramfung von Liedern aus Weisse'»
Kiiidcrfreimd u. a. In gleichem Sinne wirkten unter Beihülfe Bürger's und
de« Göttinger Diclitcrkrcises auch die Musenalmaiiache zur Verbreitung volks-
tOmlichei neuer Liedweisen. Als Komponist tritt hierbei besonders Joh.
Abraham Schulz (1747 — 1800) hervor, Schüler Kirnbergcr's, Milarbdter an
Sulzer's Theorie der schßnen Künste, Musikdirektor am französischen Theater
des Königs in Berlin, 1780 Kapellmeister am französischen Theater des
Prinzen Heinrich in Rheinsberg, wo er seine Chöre zur Athalia schrieb. Sie
schafften ihm den Ruf als Kapellmeister nach Kopenhagen. 1795 nahm er
seinen Abschied. Unter seinen zählreichen Liedern finden sich »Lieder im
Volkston am Klavier zu singen«, 1785, mit einer theoretischen Abhandlung
über das Lied. .\uch schrieb er Gedanken ilber den Einflms der Musik auf
die Bildung eines Volkes und über deren Einfiiknmg in die Schulen der kgl. dän.
Laoten, 1790, wobei es sich namentlich um Liedergesang handelt. Diesen
Kreisen entstammt auch Rud. Zach. Becker'» MÜdeskeimisches Uederhuck^ 1799;
SB*
596
Xni. Kunst. 2. Musik.
überhaupt ersrliieiicii im 1800 eine grosse Anzahl von Sammlungen solcher
volkstümlichen IJeder, eigener und fremder, för alle Verhältnisse, Stande und
Alter. Auch begann man auf dieser Grundlage das 4stinmiige Gesellscliafts-
lietl zu pflegen. Der Schweizer Hans Georg NSgeli (17OÖ — 1836) grflndete
im Anfange des 1 0. Jahrha. die eisten MännergcsangveR-ine. Im allgemeinen
aber verlief sich diese Richtung .luf das zu eng gefasste Volksmässige in
Bedeiitungslosigkeil und Flallheii. Einzelne TonsetKer wurden jedoch durch
die Texte, denen sie sich zuwandten, namentlich durch die Goelhcschc Lyrik
zu höherem Schwimg erhoben: ausser Schulz auch Joh. Friedr. Rcichardt
(s. u.. wie spüter seine Tuchter Louise). Zelter (s. u.) und Joh. Kud.
Zumsteeg (1760 — ^1602), seit 1792 Kapellmeister in Stuttgart, den namcnt-
licli Scliüler's Dichtungen zu ersten bedeutenderen Versudien der Romanze
imd Ballade anregten.
Inzwischen erfuhr aber das Lied eine Steigerung von fielen Sdten her:
durch Hiller's unicn zu nennende Nachfolger auf dem Gebiet der komischen
Oper Kauer, \V>nzel Müller, Pet. Winter, Jus. Weigl, Himmel. Diese
freiUch blieben bei der einfachsten Form stehen. Wichtiger ward die Ein-
wirkung der grossen Meister: Gluck, dessen Refc^rm der Oper vom Geiste
des IJeiles durchdrungen ist; Haydn. in dessen InstrumentalwerkeJi reiche
Quellen lyrischer JleUxlienschöpfung fliessen; Mozart, Beethoven, Weber,
die jeder nach seiner IndiWdualität die Liedbildung venieflen und erweiterten
iihne dotl^ eine als kanonisch zu bezeichnende Form herauszubilden. Dies
geschah erst auf der dergestalt gc^^*onnenen Grundlage durch Löwe und
Schubert. Karl Löwe (i7c>('i — iStKi), seit 1820 Gymnasiallehrer in Stettin,
ward 1821 ziy^Ieich stadiischer Masikdirektor. Die ersten Hefte seiner langst
hämisch nfU ich vcrbtcitetcn Balladen erschienen seit 1824. — Franz Schubert
(1797 — i8i8), in Wien als Sohn eines Schullehrers geboren, lebte und starb
dort ohne ein anderes Amt zu bekleiden, als dass er 1815 — 17 Gehülfe seines
Vaters war.
Sein >Gretchen am Spinnrad« wurde schon 1814, 45 seiner Goetliescfaen
Lieder, darunter der Erlkönig sowie seine Osslaugesange wurden schon 1815
komponiert, »der Wanderer* 181Ö, »Lob der Thranen» 1817, das sogen,
Forellen quintclt [810. Zuerst gedruckt ward als op. i »der Erlkönig« 1821.
Musik /.um Drama Rosomundc und die Oper >dcr hfluslichc Krieg* 1823.
rMulterlieder« gedruckt :823. Auch die Oper >Estrellac stammt aus dieser
Zeit. iWinterreise« gedruckt [82() — 27. Den letzten Lebensjahren gehören
seine bedeutendsten Kammermusiken und Klaviei-sachcn; seinem Todesjahr
die (7.) Symphonie C-dur an: v«>n Schumann aus seinem Nachlass hervor-
gezogen. Von Mendelssohn zuerst i8,iq in Leipzig aufgeführt.
Schubert, in früher Jugejid durch 3 Hefte Zumsicegscher Lieder starii
angeregt, ist durch die Goethesche LjTik auf die Höhe des eigenen Schaffens
gehoben. Von andern Dichtem zog ilui Wilh. Müller besonders an. Sonst
erscheinen in seinen Liedeni neben mancherlei Wiener Dichtem des Tages
nur ganz einzebi Uliland, Ptaten und Ruckert, Heine erst unter den Liedern
des »Schwanengesang», der nach Schubert's Tode gedruckt ward.
Diesen beiden folgten als die grössten Meister des Liedes bis zur Mitte
des Jahrhs. Mendelssohn und Schumann (s. u.), Mendelssulm im Liedc
zwar selten durch Tiefe, immer aber durch Innigkeit, Anmut und edle Form
ausgezeidmet; Schumann, der, wahrend Schubert bei Hebie endet, im »Liedet-
kreis« op. .>4, mit ihm bcgirmt, die Melodiebildung aufs Tiefste mit dem
Gemiitsleben durchdringend, den reich durchgebildeten Musikkorper der Be-
gleitung aufs Iruiigste mit der Melodie verschmelzend.
Neben diesen grössten Mastern nimmt Robert Franz einen chrcn%'ollen
putz ein, geb. ifiij, seil 1S37 Organist und Universitatsmusikciirektor in Halle.
Audi Willi. Taubert, geb. 181 1, seit 184^ Berliner Hofkapellmetstcr i^seiiie
anmutigt-n Kinderlieder, siel>en Hefte, erschienen 1840 — (to). — Das Volks-
lied ward mit scbi^nem Krfolg in Samnilunj;en und eigenen Knnipdsttinnen
kultiviert von Friedr. Silcher (17^*9 — 1860), seit 1Ö17 Univcrsitatsmusik-
direklor in Tflbingen und vrni Ludw. Erk (1807 — 83) in Berlin, se-it iS.57
kgL Musikdirektor.
Unbedeutender, aiuserlieh, zumeist nur der Tagesliteratur angehörend,
vielfach sOsslich und phrasenhaft, gerade darum freilich Lieblinge der grossen
Menge waren Kari Friedr. Cursclimann ^1805 — 41), der doch gehaltvollste
dieses Kreises, Heinr. Proch (1809—78), 1840—70 Hofopcmkapellmeisier
in Wien, Friedr. Willi. Kücken (1810 — 82). 1853 K;q3cllmcister in Stuttgart,
lebte seit iSin in Schwerin; Franz Abt (löiq — 85), seit Jb$s Braunschwei-
gischcr Horkapellraeister, Ferd. Gurabert (geb. 1818) in Berlin und Köln
und viele Andere.
Seit dem Anfange des Jahrhunderts hatte in der Schweiz der Züricher
Musiklehrcr Hans Georg Naegeli (1/73 — '^3^') 'ßr den Churgcsang des
Liedes gewirkt und insbesondere auch ffir 4 stimmigen Mftnnergesang (ein
musikaUsch wenig ergiebiger Stimmenkörper). Er selbst schrieb dafOr viele
licder, die rasche Verbreitung fanden. Jm Jahre 1S08 gründete Zelter in Berlin
aus Mitgliedern der Singakademie die erste •Liedertafel« fitr Mannerquartett
Zunjlclist folgte die Schweiz unter Naegcü dem Beispiel. Bald waren die
Liedertafeln über ganz Deutschland ^'crbreitet. Es waren die Jahre, in denen
K. M. V. Webers patriotische Lieder die Gemüter ergriffen: 1ÖJ4 schrieb
er seine Männerchvire zu Körners »Schwertliede und »Lüizows wlde ver-
wegene Jagd«. Die Liedertafeln hatten von Anfang an ^schnn die Zellersche)
eine patriotisch-politische Färbung. Wie Naegeli und Zeher, so schrieben
Berger, Klein, der Dessauer Schneider, Methfessel, Marschner, Conradin
Kieuzer, Löwe, Dom, Mendelssohn für das Mnnnerquartett nebst viel andern
Geistern geringeren Schlages ^Zöllner, Jul. Otto, Abt), unter deren H^den
dieser ganze Kunstbetrieb zur Geschmacklosigkeit und Plattheit herabsank.
*T Auj^ R^issm&nn, jObj druiscke Lied in t. kislor. EnfvricMtrtg. 1861,
— GtsthkhU tUi d<Hiu-hen Lkäfs. 1874. — K. E. Schneider, (irtrhicku rfw
dnttichen Lieä^i. — Lindner. Die Oiuhichte des deutuAen /.iedet. 1874. —
Bcrnh. Seyfcrl, Das mttsikaliseh-x'olkstiimWc/te Lied. Vierteljabrsdu'. f. Mosik-
wuscoscfa. 1894. S. 33 f. Vgl. dazu ebenda S. 234 f.
§ 7. Oper uku Cuorhusik.
Die italienische Oper (s. o. S. 58g) lebte in Wien bis ins ig. Jahrh. hinein
fort, teils untrr italienischen I^iteni. wie 1716—36 Caldara, 1774— 1824
Salieri, teils unter deutschen, wie Gluck und 1764—74 Flor. Leop. Gass-
mann. Ebenso in Dresden nach Hasse"a Pensionierung 1763 imtcr Job.
GottL Naumann (1741—1801), Hofkapellmeister seit 1776. der rfjcn wie
Hasse ganz im italienischen Stil aufging. Nach Berlin ward diese deutsdi-
itaUousche Schule erst durch Friedrich d. Gr. verpflanzt Karl Heinrich
Graun (1701— ,5g), 1726 (ital.) Vizekapellmeister in Braunschweig, 1735 als
Sänger und KomjMmist nach Rheinsberg berufen, und 1 740 zum Kapellmeister
ernannt, richtete die ital. Oper im neuerbaulen Opernhaus ein und blieb bis
zn seinem Tode ihr Leiter und Komponist. Neben ihm wirkten Job. Joadi.
Quanz (i697_i773), der berühmte Flfllenblaser, in Neapel durch Scarlaiti
g^ildet; PhiL Emau. Bach (1714— SB), Schüler seines Vaters Joh. Sebastian.
598
Xm. Kunst. 2. Musik.
1740—67 erster Cembalist des Königs, dessen deuisch-iialienischem Geschmack
er sich ganz anzupassen wxisstc; Christoph Nichclmann (1717—6^), eben-
falls Jnh. Seb. Bach's Schüler, 1744—56 zweiter Cembalist des Königs; Job.
Friedr. Agricola (1720 — 74), auch er ein Bachianer. 1751 zum Hor-{Opem-)
Komponisten ernannt und 1759 als Dirigent der Kapelle Graun 's Nachfolger.
Ais Theoretiker. Scbriftsteller und Lehrer von her\'orragender Bedeutung
wirkten in Berlin zugleich Friedr. Wilh. Marpurg (1718—9^5), Lotterieein-'
nehmer, und Job. l'hil. Kirnbergcr (1721— H3), Schüler Job. Seb. Bacb's,
Cembalist der Prinzess Amaüe von Prcusscn {-»Die Kunst des leincn Satzes
in der Musik« 1774— 79 u. s. w.). Der letzte Sprosse dieser Schute, die sich
aber inzwischen mehr und mehr der deutschen Seite zugewandt hatte, war
Karl Friedr. Chr. Fasch (1736— 1800), der 1790 die Berliner Singakademie
grtüidete. Als Leiter folgte ihm hier sein Stbüler Kad Friedr. Zelter (175b
bis 183J), gldth eindussrelch als Kirchen- und Lietlerkomponist und als
Theoretiker und Lehrer. Ihm folgte an der Singakademie wieder sein Schüler
Rungenhagcn (1778—1851). — Der letzte italicnisdic Kapellmeister in
Berlin war Vincenzo Righini (1750—1812), nach Berlin 1793 berufen. Die
ital. Oper ging 1806 ein.
Inzwischen war längst eine deutsche Oper erblüht: Aus gleicher Neigung
und Richtung, wie das deutsche Lied, entstand in Leipzig ein deutsch«
Singspiel, dessen Vater auch derselbe Job. Adam Hitler (1728—1804) ist
1762 hatte er in Leipzig d;is »öffentliche Konzert« eingerichiel und ward
1763 Leiter des =grossen Kotizerlcs«, seit 1781 •Ge'A"andbauskunzert< genawit.
Nach Dulea Pensionierung erhieh er 178g das Thomaner Kantorat. Ihn
nun veranlasste der Schauspiel prinzipal Koch, zu Christ. Fei. Weisse's deut-
sdier Bearbeitung von Coffcy's The devit to pay (*Der Teufel ist los oder
die verwandelten Weiber«) die Musik zu schreiben; zuerst aufgeführt lyi
Die vornehmeren Personen liess Hiller im Stil der ital. Arie singen, den
Personen des Volkes aber gab er jene schlichten Licdwciscn, die, aus dem
ganzen Zug der Zeit zur Zurflckffthruug der Kunst zur ursprünglichsten
Quelle des Volksmassigeu hervorgehend, so schnell die Liebe des Volkes
errangeu und sich teilweise bis heute erhalten haben. Das ward der Aus*
gangspunkt für ein deutsches Singspiel, welches sich an die franz. komische
Oper anlehnte. Hiller selbst schrieb bis 1771 noch eine Reihe soldier
Singspiele (deren 2 oder 3 erste also Goethe als Student in Leipzig gcsch«
hat). Sie verbreiteten sich rasch an allen deutschen Wanderbülmen, ill*
Berlin durch die DAbbelinsche Truppe, welche dort 1786 zum Hof- und
Nationaltheater erhoben ward. Von 177!— H6 hatte man hier schon an loo
solcher Singspiele gegeben. Hier wurden 2. B. Gocthe's Erwin. Claudine,
Jcr)* u. R. mit Musik vtm keirhardt gespielt und 1804 Kotzebue's Fanchon
mit Musik von Friedr. Heinr. Himmel (1765— 1814). seil 1795 Kapellmeister
in BerUn. Den nachhaltigsten Aufschwung nahm aber dies Singspiel in Wien.
Hier war schon 1760 Gassmann's ^Liebe unter den Handwerksleutcu« gespidl.
Wühl die erste deutsche Wicden^bc einer ital. opcra buffa. Im Stil des
deutschen Singsjiieles folgten: Karl Ditler von Dittcrsdorf (1739 — 99);
»Doktor und Apotheker« 1786; Hieronymus Knicker 1787; Rotkäppchen,
1788 u. a., Job. Schenk (1755— 1836) »Dorfbarbier« u. a. Wenzel Müller
(1751— 1831) 'Neusonnuigskind« 1793. »Schwestern von Prag« 1794, »Teulels-
mtthle am Wienerberge* 1799 u. a.; auch zu mehren Raimundscheii Possen
schrieb er nfx-h die Musik. Job. Weigel (i7')5 — 1846} die »Schweizerfa
u. a. Näcltsl diesen Wienern sind besonders zu nennen: Chr. G(
Neefe (1748—98), Musikdirektor in Bonn; Georg Bcnda (1721—99), Kapeil-
I
I
mclstci in Gutha; Peter v. Wiultrr (i"54— 1825). Kapellineistcr in München;
Tgnaz Holzbauer (1711—83) in llaniihoim; Anton Schweizer (1/37 — ^7)
in Weimar und Gotha; Ernst Wilh. Wolf (1735—92) in Weimar; Job. Andre
(1741—99) LH Offenbach u. s. w.
Die meisten tlcr genannten schrieben aber auch in grosserem Stil der mittler-
weile geschaffenen deutschen Oper, deren grosse Meister kunt genannt seien.
Christoph WUibald Gluck (1714— 87)** begann als Kompt»nist italienLscher
Opern, deren er auch spater und bis zuletzt im Hofdienst schrieb. In London
erfulir er 1740 entscheidende Einflüsse von HSndcIschcr Musik. Den Weg
seiner grossen Refi>rTO betrat er 17Ö2 mit >Orpheus*, Text von Calzabigi
Es folgten Calzabigt's »Alcesle« 1707, desselben »Paris und Helena* 1770^
Le Blänc's und du Roullet's »Iphigenie in Auhs< 1774, Quinault's »Armide»
1777 und Giiillard's »Iphigenie in Tauris« 1779.
WoUgaiig Amadeus Mozart** (175t)— 91), Schüler seines Vaters, des erz-
bischOflichen Konzertmeisters Leopold M. in Salzburg. Erste Kunstreisen
1762, 1766, 1767—60 (erste Oper La finta sempüce und das Singspiel »Bastien
und Bastienne*), erzbischiVflicher Konzertmeister 1769; drei Reisen nach Italien
1760—7^ (mehre grosse Opern ilalien. Stiles), Aufenthah in Salzburg 1773—77:
La finta jardinicra (f(\r Älünchen) 1774; eine Anzahl Kirchcnkomposilionen
fallt in diese Periode; Reise nach Paris 1777 imter Verla^jsen des erzbischöf-
liclicn Dienstes, in den Kl. 177g notgedriuigcn als Kouzerluicister und Huf-
organist weder eintrat, bis er ihn infolge andauernder gerin gsciifltziger Be-
handlung und schliesslich Mishandlung 1781 für immer verliess. 1780 hatte
er inzwischen (wieder für München) den »Idoraenco« gescliriebcn und damit
die Bahn seiner Reform und künftigen völligen deutschen Selbständigkeit
betreten. Er lebte seit 1781 in Wien, seit 1782 mit Konstanze Weber ver-
heiratet. »Eulfühnmg a. d. Serallc 1782. In diese Periode fallen die be-
deutendsten seiner Klavierkonzerte, Trio's und Streichquartette nebst anderer
Kammemmsik und drei Syiuphonicu. *Dcr Schauspieldireklor« 1786; »Figaro's
Hüchzeit< 1786 (in Wien); »Don Juani (in Prag) 1787; die Symphonien
Es-dur, G-moll und C-dur 178Ö. Eingehende Beschäftigung mit H.1ndcl
1788—89, mit Bach, seit er Werke von ihm in Leipzig I78q auf einer Reise
nach Berlin gehört hatte. *Cosi fan tuttc» i'^qo. Wahrend der Wintersaison
rausste M. als kaiserl. Kammermusik us mit dürftigem Gehalt für die Hofballe
die Tanze schreiben. >Titus«, die *Zauberfl<"fte« und das nicht ganz beendigte
Requiem geh^»ren seinem Tr>desjalir an.
Beethovens FidcHo (s. u.) ward 1805 zum ersten Mal gespielt.
Karl Maria v. Weber (1786-1826), Schüler Abt Vogler's, seit 1816
Kapellmeister In Dresden, hatte schon 1810 Silvana, 181 1 Abu Hassan auf
die Bühne gebracht Preciosa 1820; Freischütz (zuerst in BitHd) 182 1;
Euryanthe 1823 (zuerst in Wien); Überon (zuerst m London) 1826.
Ludwig Spohr (1784— 1859), seit 1822 Kapellmeister in Kassel: Faust
1813, aufgeführt zuerst 1816 in Prag; Zemire und Azor 1818; Jeasonda 1823.
Franz Schubert {s. o. S. 596) EntrcUa 1S22; .Hauslicher Krieg« 1823.
Peter Jos. Lindpaintner (1791^1856), seit 1819 KapcllmeLsler in Stuttgart;
Vampyr 1828 und zalUrcidie schnell vergessene Opern.
Karl Heinrich Marschner (1795—1861), seit 1830 Kapellmeister in Han-
nover: Vampyr 1828; Templer und Jüdin 1830; Hans Hcüing 1833; Adolf
von Nassau 1S44.
Kari G'-iltl. Reissiger {J798— 1859), seit 1827 Kapellmeister in Dresden:
Yelva 1828, nebst zahlreichen bald verschollenen Opern.
Konradin Kreutzer (1780— 1849) »Das Nachtlager in Granada« 1834
u. s. w.
Franz Glaser (1780— 1869), 1830 in Berlin, seit 1842 Kai>cllmeister in
Kopenhngen; »Adlers Horst« u. s. w.
Aug. Krebs {1804—80), seit 1827 Kajjellmeistcr in Harabui^, seit 185a
in Drcsdcn.
Fnui/ Lachner (1804— 1890), seit 1834 in München: Catarina Coraaro. ,
Giacomo Meyerbeer, Bruder Midiael Beer'a (1791 — 1864), seit 184J
Generalmusikdirektor in Berlin; Robert d. Teufel 1830 (erst 1832 in Berlin);
Hugenotten [836; Feldlager in Sc:hlcsien 1844 (umgearbeitet als Vielka 1847,
mit neuem Text als Nurdstem 1854); Prophet 184^ (in Berlin erst 1850);
Dbiorah 1859; Alrikancrin, kam erst nacli des Meisters Tode 1805 21
AuffOlirung.
Robert Schumann (s. u.) Geuofeva 1848. (Die Musik zu Byrons Man-
fred 1849.)
Richard Wai-ners (-istr dramatische Werke kamen allerdings schon in
dieser Periode auf die Bühne; seiner vnllen Entfaltung nach gehört aber der
Meisler nicht mehr hierher.
Endlich seien noch als Schöpfer komischer Opiem genannt; Alb. Lortzing
(1803—51) Die beiden Schützen 1836; Czar und Zimmcrman 1837; Wild-
schütz 1842; Undine 1844; Waffenschmidt 1845 u. a. — Friedr. v. Flotow
(1812—83) Stradella 1844; Martlm 1847. — Otto Nicolai (1810-49),
1841 Ilofkapellmeister in Wien, 1847 in Berlin: Die lustigen Weiber 1849,
die Perle dieses Kreises.
Die geistliche Musik scheidet sich in die gottesdieiisllicjien Musiken und
die Oratorien, Von ersteren ist in dieser Periode eigentlich nur in der
katholischen Kirdie die Rede. Alle oben (S. ,SQ7) genannten Meister der
talienLsch-deulschen Schule schrieben zugleich Kirchmnnusiken: Messen und
Requiems, Graduale? und OffL-rtLiricn, Psahnenuud Magnifikats. Passionsrausikeu,
Litaneien, l lyninen u. a. Kbcnsti die katholischen Meister der deutschen
Schule: von Jos. Haydn besitzen wir 14 Messen, 2 Tedeum, eine instru-
mentale Passionsmusik: »Die sieben Worte am Kreuz« u. a. Neben ihm war
sein jüngerer Bmder Michael (1737— 1806), seit 1763 erabischöfl. Concert-
meistcr in Salzburg, ein ebenso fruchtbarer wie beliebter Kirchenkomjxjnisl;
50 Messen, r^S Gradualt-s und Offertorien u. s. w. Von Mozart besitzen
wir neben vielen anderen Kirchenmusiken 15 Messen, fast alle seinen jüngeren
Jahren angehörend, die spateste von 1783; zwar sehr weltlich in ihrer ganzen
Haltung, aber voll musikalischer Schönheit: dazu das berühmic Requiem.
Beethüvcn's 2 Messen sind von 1810 und 1823. Eine sehr grosse Menge
von Kirchenmusiken, mehr geistreich als tief, schrieb Abt Vogler* (Gcoij
Jos. V*. I74tj — 1814), seit 1807 geisl). Rat und Hofkapellnistr. in DarmstadL
Auch Karl Maria v. Weber scimeb 2 Messen, 1S18 und 1819, Hummel
3 Messen u. a. Zu den wertvolleren Arbeiten dieser Gattung gehören ferner
diejenigen Benihard Klein's (1793—1832). Musikdirektor an der Berliner,
Universität; und der beiden Münchener Joh, Kasp. Aiblinger (1779— 1867),
seit 1825 Kapellmeister in München, und Kaspar Ett (1788 — 1847), seit
18 ib dort Organist an der Micbaelakirchc. Ein nocli grösseres Verdienst als
durch die eigenen Kompositionen erwarb sich der letztgenannte dadurch,
d:iss er die Messen Lassu's, Palestrina's und anderer grosser Meister der
alten Zeit zuerat wieder in den kirchlichen Gebrauch einführte und daduidi
eine ebenso folj^n reiche Anregung gab, wie der junge \rencieIssohn in Berlin
durch die ensle Wiederauf fnhning der Rich'schen Malthauspassion L J. 1829.
In der evangel. Kirche war und blieb wahrend dieser ganzen Periode
die gottesdieiistüdie Chonnusik bis auf ganz vereinzehc Nachklange und
fruchtlose Verauche stumm. Der Orgt-lslü und die Behandlung da» Choral-
gcsangcs litten an V'erznpfung und Trorkenheit, bis durch die auf die Altere
Zeit znrOckgreifenden Bestrebungen von Männern wie Winierfeld. v. Tucher,
Layritz, Faisl u. a. eine bessere Zeit anbnich, Die lüdiligsten Meister auf
diesem Gebiet waren Quanz, Hillcr, sein Schaler Joh. Gottfr. Schicht
(1758—1823). seit 1810 Thomaner Kuntor in Leipzig, und die Bach'schen
Epigonen Joh. Christ. Kitte! (1732 — 1801)}, Bnch's Schüler, seit 1756 Organist
in Erfurt; Karl Teophil Urabreit (1763—1829), Kittel's Schüler, seil 17Ö5
OoranLst in Sotuicborn bei Gotha; ÄHch. Gotth. Fischer (1773 — 1629),
Kittels Schüler, seit 1790 Organist in Erfurt; Joh. Christ Heinr. Rinck
(1770— 1846). ebenfalls ein SdiQler Kitlel's, seit 1805 Organist in Darmstadt,
Karl Ferd. Becker (1804,-77), seit 1825 Organist in I^ipzig u. A.
Auf das l,)ratorium hat Graun 's letztes Werk »Der Tod Jesu«, gedruckt
erst ijfx), cinun lange dauernden Einfluss geübt. Erst seil den siebziger
Jahren des 18. Jahrhs. greift die Bekanntschaft mit Hflndel's Werken, um
die wiederum Hiller in Leipzig ein Ha'a]Jiverdien.st halle, bebend und läuternd
ein. Auch auf diesem Gebiet sind die grossen Meister ihatig: Mozart's
Davidde penitente, 1785; Haydn's »Schöpfung«, 1798 (-Jahreszeiten« 1799);
Beethoven 's >Chri.slu.s am Ölberg«, 1800. Unter den jüngeren ragen ]ier>'or:
Spohr (>Die letzten Dinge- 1829; »Des Heilands letzte Stunden« 1835;
»Der Fall Babylons« 1840) und besonders Friedr. Schneider (1786—1853),
seit 1831 Kapellmeister in Dessau (Weltgericht, 1820; Sündfiut, 1824: verlor,
Paradies, 1825; ClirLstus der Meister, 1828; Pharao, 1829: Gideon, 1S34; be-
freite Jerusalem. 1 837 ; Gethsemane und Golgatha, 1839). Karl Eckert
(1820— 187g; Ruth. 1834; Judith, 1841). Weit empor ragt aber hier Mendels-
sohn Ober alle Zeitgenossen, indem er wieder unmittelbar an Bach und
Handel anknüpft, wie in seinen gottesdiensllichen Canlalen. Motelten. Psalmen,
Oiorftlen, so in den beiden Oratorien Paulus 1836 und Elias 184Ö.
Ais die einflnssreichsten Theoretiker und Lehrer dieser Epoche sind
endlich noch zu nennen: Joh. Georg Albrechtsbcrgcr (1736 — i8oc^), seit
1772 Hoforganist in Wim, seit [703 Domkapcllmstr. zu Sl Stejihan. Adolf
Bemh. Marx 11790—1866), seit 1824 in Berlin, 1832 Universitats-Musik-
dircktor. Moritz Hauptmann (i7<>2 — 1868), als ausgezeichneter Geiger ein
Schüler Spohr's: seit 1822 in Cassel, 1842 Thomaner Cantor in Leipzig, als
Komponist am bedeutendsten in seinen kirchlichen Arbeiten.
** fiio^apkie (iluck'i von Aotiin Schm'ul, 1854. — A. B, Marx, Gluck
und tii^ Oper. 1863. — " OU" Tai"». W. A. Mutart. 2. Aufl. 1867. — *" v.
Scharbäuil, Abi G. J. VogUr. 1888.
% 8. Die INSTRU&CEXTALMUSIK.
Die höchste und eigentümlichste Offenbarung des deutschen Genius in
dieser Periode Hegt in der Instnmicntalmusik, und ihre Hauptform ist die
Sonate Die Sonatenform ist im taslt^ndcn Sudien nach einer sich in sich
sdbst vollendenden und abrundenden Gestak im Ansrhluss an die alte
itaüenisclie Sonate allmaliüch vorbereitet. Von Phil, Eman. Bach ausgehend
fand Haydn ihre abschliesiiendc all^meinc Fonn und hob deren musikalische
I^rinzipien zu deutlicher Erkeimtnis. Sie wird durdi ihn rar kanoiüschen
Fonn für alle grfissere Inslrumentalmusik : für das Orchester als Symphonie,
für die Kammennusik iii den nijtnnigfalügsten Kombinationen des Duo, Ter-
zett, Trio, Quartett, Quatuor, Quintett, Sextett, Septett. Octett, Noncti; ihnen
Namen der Sunatc hat sie nur auf dein Kla%'iei behalten. Einen etwas
abweichenden Bau behält allein das Konzert durch die Gegenfibersteil ui\g
des Soloinstrumentes und des Orchesters. Bei Haydn selbst hat übrigens
die Sonatenfunn ihre vullslc EnlfaUung noch nicht gefunden, sondern erst
bei Beethoven. — Die aheren Instrumentalformen der Sercnate, Cassation
(beides ursprt\nglich Abends tandchen) werden bis zu BeeUioven herab noch
einzeln gebraucht Eni vüd jüngeren Kumponü^ten, wie Franz Lachner ist
die alte Form der Suite wieder her\'orge zogen und teilweise weiter entwickelt
worden. Als kleinere Hauptform aber steht seit Beethoven neben der Sonate
die Ouvertüre. Auf dem Klavier werden Lied, Tanz und Charakterstück in
den mannigfaltigsten Gestalten zu hoher Kunstblüte entwickelt.
Jos. H a y d n ^' ( 1 732 — 1 809), musikalisch erzogen (als Chorsanger) im
Kapellhaus zu Wien vom DomkapeElmeister Georg Reuiter, schrieb sein
erstes Singspiel » Der krumme Teufel» vun Kurz-Bemardon 1 75 1 ; erstes
Streichquartett 1755; erste Symphonie 1759; seit 1701 Kapellmeister des
Grafen Eszterhazy zu F.isenstadt, mit dem er meistens die Wintemionalc
in Wien zubrachte. Er hinlerliess ungefähr an Symphonien 125, Streich-
quartetten 77; gedruckte Sonaten i^ 24 Smgspiclc u. s. w. Erste Reise
nadi London Dezember 1790 bis Juni 92; in Oxford zum Doktor promo-
viert; seitdem bUeb H. dauernd in Wien. Zweite Londoner Reise Januar
1794 bis Augusi 95. Das Lied =Gott erhaJte Franz den Kaiser« zu des
Kaisers Geburtstag 12. Febr. 1797. "Schöpfung« 1798 (auch Haydn ward
durch die in England erfahrenen Eindrücke von Händel'scher Alusik zum
Oratorium geführt), ^Jahreszeiten« 17'Cjg.
Mozart: s. 0. S. 590.
Bis in die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts herab wurden nebeji
Haydn und Mozart Adelb. Gyrowetz (1763 — 1Ö50) als Schöpfer zahlreicher
Werke aller Gattungen der Kirchen-, Theater- und Kammcrrausik und Leop.
Kotzeluch (1753 — 1814) hauptsachlich als Klaviermeister gefeiert, selbst
oft Ober die grossen Meister gesetzt. Ludwig van Beethoven (1770 bis
1827), in Bonn unterrichtet von Neefe {&. o. S. 598) und seit 1782 dessen
Adjunkt an der Orgel, auch erzbischöfl. Cembalist, besuchte 1787 auf kurze
Zeit Mozart in Wien, lyuz — 93 Haydn's Sdiülcr, spater Albrechtsbcrger's in
Wien, das er fortan auf die Dauer nicht mehr verhess. Erstes öffentliches
Auftreten als Klavierspieler und, Komponist (C-dur-Concert, gedruckt erst
18011 1705. Die drei Trios op. 1 1795; »Adelaide' 179(1; die Sonaten be-
ginnen mit op. 2 179Ö; Concert B-dur 179O; Sonate pathctique 1799; Septett
op. 20 i8üo; .-Chiistus am ölberg« 179g — 1803. Schon rSoi ürgannen die
in Taubheit endenden Gehörsstörungen. Die 0 ersten Quartelle 1800 — l;
Concert C-moll iSoo; erste Symphonie C-dur i8üo; Sonaten As-dur op. 20^
£s-dur und Cis-moll op. 27 iHoi; zweite Symphonie D-dur 1802; Sonate
F-mc»lI op, 57 1Ö04; erste Aufführung der dritten Symiihonic Eroica 1805;
»Kreuzersonate- für Klarier und Geige op. 47 1805; erste Auffültrruig des
Fidelio 1805 (allgemeiner verbreitet erst in der dritten Bearbeitung von 1814);
die Rasumoffsky-Quartette 1806; 4. Symphonie B-dur, Violinconcert D-dur
und Kla^'ierconcert G-dur op. 58 i ^Sob : Coriolan -Ouvertüre (zu CoUin's
Trauersjjicl) 1S07; 5. Symphonie C-moll und (6.) Pastoralsymphorüe 1808;
Klavierconcen Es-dur 1809; B-dur-Trio op. 97 1811; EJgmontmusik und
Ruinen von Athen zuerst auifgefuhrt 1812; 7. Symphonie A-dur zuerst ge-
I
I
KlaSSIKKR V. ROUANTIKER: iNSTRUUENTALMUSriL
603
I
spielt 1813; 8. Symphonie F-dur 1S14; Sonate A-dur op. loi und Cello-
sonatcn op. 102 181.^; »IJcdcrkreis an die ferne Geltcbie* iSib; Sonate
B-dur ijp. 106 1Ö19; Missa solennis 1823; 9. Symphonie beendet 1823, au-
erst aufgefUlirt 1824.
Franz Schubert (s. o. S. 59Ö).
Felis Mcndelssohn-Bartholdy (1809—47) siedelte mit seinen Eltern
181 1 von Hamburg nach Brrlin Über. Hier war Ludwig Berger, später
(1824) für kurze Zeit Moscheies sein Klavierlehrer, Zelter sein tbeorctischct
Lelirer. i8u> trat er in die Singakademie ein. Von Jugend an \iel gereist;
bei Goethe führte ihn Zelter 1821 ein; der Besuch ward 1822 und 1825
wiederholt Die Kompositionen von 1825 — wie das fis-moll-Capriccio op. 5,
Octetl op. 20, »Hot'hzcit des Camiicho« — zeigen bereits den fertigen Meister.
Quarteil A-dur op. 18 und Ouvertüre zum Sommeniachtstraum 1826. Von
1827 — 29 besuchte M. die Berliner Universität: Quartelt A-moll 1827;
Quartett Es-dur und »Meeresstille und glückliche Fahrt« 1828. Im März
1829 veranlasste und leitete M, die erste Wiederaufführung der Bach'schen
Matthäuspa.ssion in der Singakademie. Reise nach England t82g; liier schon
wurden die A-inoll-Symphonie und die Hebriden-Ouvcrlüre begonnen. Re-
formations-Symphunie i8^^o. Aufenthalt bei Goethe und in Mönchen, Rom,
Schweiz, Paris, England. G-moll-Concert 1831; Hebriden-Üuvertüre beendet
1832; seil diesem Jalire beginnt auch die Au^abc der »Lieder olme Worte«;
auch Walpurgisnacht und Capriccio H-moll erschienen 1832; S_vmphonie
A-raoll beendet. Ouvertüre zu Melusine 1833. Von 1833—35 w^r M- städ-
tischer Musikdirektor in Düsseldorf. Paulus 1834—35. Jm Oktober ward M.
als Leiter der Gewand hausconcerte nach Leipzig berufen. Am Elias dauerte
die Arbeit von 1 837—46 ; Lobgesang 1 840. Von 184 1—45 war M. auf
König Friedrich Wilhelms IV. Wunsch und Berufung meistens in Berlin,
seit 1843 als General-Musikdirektor. Musik zur Antigone 1841; zum Sommcr-
nachtstraum und zu Racine's AÜialia 1843; Viotinconcert 1844. Quartette
op. 80 und 81 1B47.
Robert Schumann*" (1810—56) ging nach Absolvierung des Gymnasiums
in seiner Vaterstadt Zwickau, schon als ein tüchtiger Klavierspieler, um
Rechtswissenschaft zu studieren 1828 nach Leipzig, wo er zugleidi Wieck's
Musikuii lern cht genoss, 1820 nach Heidelberg, w^j er an dem Musiktreibeu
des Thibaut'schen Hauses teilnahm, seine ersten Werke (die >Abcggft-Varia-
tionen op. i) schrieb und sich definitiv für die Musik cnischicd. 1^30 kehrte
« nach Leipzig zurück. 1830—39 nur Klaviurwerke op. 1—23, darunter
Syn^honie-Ettiden 1B34; Cameval 1834—35; Sonate op. 11; Concert ohne
Orclicster und Sonate op. 22 1835; Davidsbündler, Phantasieslttcke, 1B37;
Kinderscenen, Kreisleriana, Novelletten 1838; Nachtstücke 1839. — 1834
gründete er in Leipzig die «Neue Zeitschrift für Musik«. 1840 verheiratete
CT sich mit Clara Wieck. Das sLicderjalir* 1840 brachte 138 Lieder und
mehrstimmige Gesänge hervor (Liederkreis von Heine; Ijebesfrthling von
Rückert; Fraucnüebe und Leben; Dichterliebe u. s. w.). B-dur-SympUome,
D-moil- Symphonie 184E ; 3 Quartette op. 41, Klanerquintett op. 44; Quatuor
op, 47 1842; Paradies und Pen 1843. 1844 siedelte Seh. nadi Dresden
Ober. Es folgte eine Reihe contrapunktischer Arbeiten und das Klaxierconcert
op. 52, 1845; C-dur-Symphonie iS4(>; Trios op. Ö3 und 80, 1^47; Genovcva
1848 — 49; Manfred, Weihnachlscanlale 1840; Waldscenen, wieder zahlreiche
Lieder und Spanisches I-iederspiel 1848—50; Symphonie Es-dur, Ouvertüre
zur Braut von Messina 1850, In diesem Jahre ward Seh. als slädt. Musik-
direktor nach Düsseldorf berufen. Ouvertüre zu Julius Cäsar, Der Rose
604
XIII. Kunst. 2. Musik.
Pilgerfahrt, Sonaten für Klavier und Geige op. 105 und 121, Trio op. 1 10
1851; Mesäe in C uud Ruquiem, 1Ö52. Im Jahre 1854 machlt: Geistes-
störung seinem Schaffen ein Ende; er atitrb in der Heilanstalt Endenich
bei Bonn.
Diese (i gr/5ssten Meister der Epoche haben alle, wenn auch in ungleichem
Masse, auf allen Gebieten rler Musik geschaffen. Auch einige Meister zweiten
Ranges thaleu dies wohl, sind über dabei, wie Haydn's einst gefeierter
Schüler Ignaz Pleyel (1757—1821), seit 1783 Kapeüme-ister am Strassbnrger
Münster, seit 170.'! als Pianofonefabrikant und Musikverleger in Paris, oder
»ie Ritter Sigismund von Neukomm {1778— 185S) rasch der Vergessenheit
verfallen.
Auf cicni Gebiet der Orcliestcr- und Kantmcnnusik haben sich einen
dauernden Namen, wie es scheint, nur Spohr und Franz Lachner erworben.
Die Hauptmeister der Geige in dieser Epoche sind Andr. Romberg
(1767— :82i), seit 1815 Musikdirektor in Gotha; alle Anderen an geistig
Bedeutung und an Gröwe dos Spiels überragend Spohr {17S4 — iÖ5q);-'
ferner Frii:dr. Willi. Pixis (1786— 1842), seit 1810 Professor am Pr
Konservatorium; Karl Joseph Lipinski ( I7cp— i8*)i), seit 1839 Kapellmeister
in Dresden: Wilh. Beruh, Moliqae (1802— üq), seit 1826 Musikdirektor in
Stuttgart und Ferd. David (1810—73), Schüler Spohr's, seit 183Ö Concert-
meister in Leipzig.
Die Meister des Violoncells: Bernhard Romberg (1770— 1841), iSo^iJ
bis iHoS als Kammemiusilius und i8in— 20 als Kapellmeister in Berlin,
dann in Hamburg; Just. joh. Friedr. Dotzauer (17^3—1860), seil 1811
erster Cellist in Dresden und sein Sohn Karl Ludwig (geb. 181 1), seit iSzq
in Cassel.
Die Meister der Flöte: Friedr. Ludw. Dulon (1760 — ^1826), Schüler von
Quaiiz (er war blmdt; K:Lsp:ir Fürstenuu (1772 — i8ig), seit I7g4 erster
Flötist in Oldenburg; bedeutender nr>rh sein Sohn Antcvn Bemh. (1792 bis
1B52), seit 1820 erster Flnlist in Dresden; Friedr. Kuhlau (1786 — 1832),
seit i8in erster FlAtiat in Koijenhagen; er komponierte 1813 öhlenschlager's
Oper »Die R;iuberburg« und wurde als Schöpfer einer danischen Natinna!-
oper gefeiert; bis heute erhielt sich sein Singspiel Elverhöi von 1828 auf der
dortigen Bühne.
Meister der Klarinette: Heinr. Jos. Barmann (1784— 1847), seit 1806
erster Klarinettist in München.
Aus den Concerten wie aus der Übung der Dilettanten vendiwandea
aber allmiihlicli alle Instrumente neben dem Klavier, welches bis 18,50 drei;
Gruppen bedeutender Meister aufzuweisen hat. Die erste noch gleichzeitig
mit Haydu und Mozart, joh. Bapt. Vanliall (i73(j— 83) in Wien; Dan.
StcibelE (I7b5— 1H23), Schöler Kimberger's; Joh. Ludw. Du.^sek (1700 bis
1812), Schuler Ph. Em. Bach's; Ludw. Berger (1777— 1839) in Berlin,
Schüler Clementi's; Leop. Kozcluch in Wien; Ignaz Pleyel (s. o.); Abbi
Gelinck (1738—182,5) in Wien; Jos. Wr.lfl (1772 — 1814). Schüler Mozart's;
Wenzel Jos. Tomascliek ('1774 — 18301 in Prag; Itth. Bapt. Craraci (1771
bis 1838), ausgeliend vom Studium Mozart's, Schüler Clementi's: seine be-
rühmten Etudenwerke ersdiienen seit 1804.
Die zweite Gruppe ist die der Epigonen Beethoven'»: Joh. Nqiom.
Hummel (1778— 1837), gebildet in Wien bei Mozart. Sahen und Albrechls-
beiger, seit i8tci Kapellmelsicr in Weimar; Ferd. Ries (1784—1858), SchQler
Beethoven's; Kriedr. Wilh. Kalkhrenner (1788—1840), SchQler des Pariser
Konservatoriums, Clementi's und Hummel's; Karl Caerny (1791— 1857),
von bleibendem Wert seine Etüden; Charles Mayer (i7go— i8(ij), Schüler
John Field's: Igiiaz Moscheies (1794—1870), gebildet in Wien durch
Albrechtsberger, Salieri und das Studium Beeihovcn's, ging 1825 nach London,
von da 1Ö46 als Professor des Klavicrspiels an das neugegründete Konser-
vatorium nach Leipz^. — Es darf aber auch K. M. v. Weber hier um so
wenigt-i uiiyeiiiuml bleiben, da unter seinen Klavierwerken wie unter denen
von Hummel und Moscheies sich vielleJclit allein solche finden, welche neben
denen der 6 grossen Meister fortleben werden.
Als dritte Gruppe folgen die Virtuosen : es sbid die Zöglinge der Technik,
welche die bci<len vorigen Gnippcn in ihren Elödenwerlten herausarbeiteten:
Henri Herz (180Ö — 88), gcbildt-t in Paris, wo er auch sein Leben zubrachte;
Adolf Henseli (j8I;|— 89), Schuler Abi Vogler's, Hummers, Czemy's; der
feinste und j; ehalt vollste der Gruppe, in Petersburg; Stephan Heller (1815
bis 88) in Paris, auch er nicht ohne echten musikalischen Gehalt; Theod.
Döhlcr {1814— .5Ö), Schüler Czemy's; Sigism. Thalberg (1811—72); Alex.
Dreyschock (1818—69), Schüler Toraaschek's; Rudolf Willraers (1821-^78),
Schüler Hunimel's u. s. w,
Sie alle an Geist des Spiels und Zauber des Tons überragend erschien
(in Deutschland seit 1840) Fmir/. Liszt. Er gehört aber dieser Periode nur
als Virtuose, seiner halberen Thatigkeit nach eist der nächsten an.
Dies ganze Virtuosenlreiben, das seinen Höhepunkt seit 1835 erreichte,
ward von den StQnnen des Jahres 1848 mit weggefegt. Als auch für die
Kunst wieder Ruhe und ücsinnung eintrat, begann für die Musik eine neue
Zeit, in der die von Mendelssohn und Schumjtnn gestreuten Saaten in Blüte
traten, neben dem tieferen Verständnis Heethoven's <las neubelebte Studium
Bach's und der alteren Meister seine Früchte trug und Richard Wagner's
Gestirn sich in voller Kraft erhob.
Sl E. F. Pnhl. /.w/A //avdn. Bd. I 1875. Bd. U 1881. — »J. E. v. Wa-
5iel«wski, /iob. .Sthumann. tlJjS.
XIV. ABSCHNITT.
HELDENSAGE
VON
B. SYMONS.
Allgemeine Litteralur: Du Hauptwerk fQr die Keldensiige bi noch immer:
W. Grimm, Pte d^HUche Httdmsage, Gfllt. 1829, 2. Ausg. (bcwirgt von K.
Mülleiihoff) Berl. 1867, 3. Aufl. (vor R. Sieig) rriilersloh ]889. Auf die
«Irillc Auflage bfzic-beti sich alle Cttalc [//rfj,]. Die von Wühclm nrimm gouii-
melt«n Zeugnisse, aus dcacn die ältcsie Geschichte jjennaiiiscbirr Sa^c und Volks-
epik ifeacböpfl wcrjcn mus&, sind vermehrt von K. Müllenhoff. Zettgiusst und
Ex£urse tur ärulsrhtn Ikldfmagf.. ZfdA. 12, 253 ff. 413 ff.; weitere Xuhleae von
O. Jjienicke, ebenda 15, jioft', [ZE\. Die dritte Auflage der Hdi. hat die in
W. Grimms Nachlass vorijefiindcnrn Zeugnisse dem Texte drs Biidies einzughrdem
versikht, w^renJ ein Anhang (S. 451 — 495) über die ZusäUe von Müllenhoff
und Anderen orienliert, a.iidi eigene B«nerkungen de« Herwzugeber» beisteuert.
Die wichtigen KinzelaibcJtcn ^^uIIenhüf^!l, auf denen der FnrLvJiritt in der Ei>
kenntnis der Hclden&agc seit W. Grimm xu einem nkbt gi^riiigea Teil beruht,
werden m den ciozelncii Sagenkreisen angerührt. — Von anderen zusammen-
lassuideii Arbeiten sollrn vor allem bcr^orgohoben werden die durch wisscnaduJt-
lichen Geist und poelischen Sinn gk-icb ausi^zeichncten Vorlesungen Ludwig
Uhlands [Schriften lur Gesch. der DUhtung %ind Sagt, Bd. i [Stutlg. 1865]
und VII [ebda 18WJ], sowie Einrcin«» in Bd." VIII [ebda 1873]). besonder» das
Kapitel über das Ettische in der gerrnan. Sage {Sehr. I. 211 — 34?). — Ferner
kommen an dieser Stelle in Betracht: F. j. Monc, Üniers-Hnhungfn tvr Gr-
schickte der teuhchen Hriäettsage, Qucdl. tind I-prc* '836 (al« reiche Material-
Sammlung, oameRliiiili Hir dit? vutt W, Grimm nicht ausrricbtrnd benutxteu Orts- nod
PciuoupnnanieD, nocb in)itier wichtig); A. Raszmann, Die detttiche ffeUnuagt
und ihre Heimat^ Haan. 1857/8, 2. (Titcl.)Au«g. 1863; W, Müller, Mythohtgit
der deutschen Heldensage, Heilbronn 1886 (tcolz vieler beadHenswerlen EinzelbenMr*
kungcn muss das Buch als Ganze» semer Gnindaoschauur^ und seiner Methode
nach alsTcrTchU bezeichnet werden; vgl. die Besprechungen von E. H. Meyer. A/dA.
13, 19 ff.. M. Roediger, DLZ. 1887, Nr. 46. Sp. 1617 ff., und Verf., LitenrtuibL
1888, Nr. 6, Sp. 2.S0ff.; ferner Müllers weitere Erörterungen in seiner Schrift:
Zur Mythologie der griechischen und deutschen Heldensage, Heilbronn 1889);
R. Koegel, Geschickte der deutschen Litteratur bis tum Ausgange des MitttU
alters, \. l (Strassb. 1894). 131 — 175: i, 2 (ebda 1897). 191 — 219. — Der d«ni-
nlchsterKh einende erste Band des trcfflichcnj triczck'scbcn Werkes /V»/ii:4^//'irAilnc-
sagen (Strassburg, TrObncr), der mir In der Korrektur vorgeicgiT hat, bebandelt in
monographischer Fonn. mic bnondecer Betonung der entwi^klungitgeschicbtUchai
Detailproblemc, die Wiclandsag^ die Ermanahduace und den S>f;eokreix Diec
von Bern*. — Neuere populäre Darstellungen des Stoffes bieten O. L. Jirict*
Die deutsche Heldensage (Sammlung Gäsdbeti Nr. 32], 2, Auß. Lpig. 1S97, und
Ist soeben erschienen und noch nachtrtgUch ciliert [Jiriczek, DHS.I.
P
I
ElNLEITITHU. BeURIFFSBESTIUMITKG.
607
W. Goltbcr, Dtutscht lielJtniafff (Deutsche Scbul-Aosgobcn von H. ScbUlcr imd
V. Vakntin Nr. 2). Dresden 1894.
KINI-KITUNG.
§ I. Die Entstellung und Ausbildung der Heldensage und der epischen
Poesie ist bei allen indogermanischen Völkern, soweit früher oder spater die
Heldendichlmig ihr Dasein schmückte, eng verknüpft mit dem grössteo,
entscheidendsten Zeitpunkte ihres nationalen Lebens. In jüngerer Zeit spiegelt
sich in der Epik der Franzuscn. der Spanier und der Russen die Gründung
einer eigenen Nation, in der Epik der keltisriien Bewohner von Britannien
und Irland und der Serben der Untergang der nationalen Freiheit. Wie
bei Indem, Iraniem und Griechen sind auch bei den Germanen Heldensage
und epische Dichtung Ansfluss und Widerhall der grossen Umwälzungen und
Mach tvcrscl lieb ungL-n, die zuerst das historische BewnwstseJn und das Selbst-
gefühl des Kriegsadels weckten und einer neuen Entwickhing Kaum schafften.
Die Geburtsslunde der germanischen Heldensage Jsl die sogenannte Völker-
wandcnmg: in der Heldensage hat sich das Andenken an jene grosse Bewe-
gung erhalten, die das alte lüiropa zertrümmerte und den Germanen, welche
in neuer Gliederung ihrer Stumme und zum Teil in anderen WuhnsJtzen
aus dem allgemeinen Schiffbruch her\-orgingen, aU der eigentliche Beginn
ihres gescliichtlichen Lebens erscheinen musste. Der Tj-pus des Helden
erhielt im fünften und sechsten Jalirhuiidcrt seine feste Gestalt, wie sie, in
ihrem Kerne imgeschadigt, noch im mhd. Volksepos die Zeit ihrer Aus-
prägung nicht verleugnet, und die aus alteren mythischen Vorslclluiigcn er-
wachsenen Heroen mussten sich unter der Pflege eines in den Kreisen der
Fürsten und Edlen heimischen Sängertums dem neuen Tj-pus anbequemen.
§ 2. Der Begriff *Hc]densage« bedarf zunächst einer genaueren Bestim-
mtmg und Abgrenzung. Je nach dem wechsehiden Standpunkte, den die
Forscher der Krage nach dem Ursprünge und Gehalte der Heldensage gegen-
über einnahmen, hat auch das Furschungsgcbict selber sein Ansehen ge-
ändert und seine Grenzen verschoben. Von dem Standpunkte, auf den sich
der Verfasser des vorliegenden Abscluiittes stellt und dessen Berechtigung
aus seiner Darstellung sich ergeben muss, ist unter » Heldervsage * zu ver-
stehen: der Gcsamtschatz der Überlieferungen, welche sich im Heldenxeit-
altcr eines Volkes oder Stammes gebildet oder dem Charakter dieses Zeit-
alters gemäss umgebildet haben und den Stoff zur tyklischcn epischen Dich-
tung, sei es des betreffenden Stammes selber, sei es der Nachbarstarame
oder verwandter Stämme, abgeben. Dieser Versuch einer Begriffsbestimraung,
die, obgleich allgemein gehalten, wesentlich aus der Betrachtung der germa-
nischen (deutschen) Heldensage gewonnen ist. cnnangcll freilich der Kürze
und der Eleganz, bietet dafür aber den unleugbaren Vorteil, dass sich so-
gleich wichtige Abgrenzimgen und Beschränkungen aus ihr ergeben; die üb-
liche Definition der sHeldensage« als des Inhaltes des Heldenepos oder der
dem Heldenepos zw Gnmde liegenden Überlieferuijg ist zwar weniger schwer-
fäUig, aber auch weniger geschlt)sscn. Vor allem muss schon durch die
Begriffsbestimmung mit der Abstraktion gebrochen werden, als sei die Sage
etwas vor und ausserhalb der Dichtung liegendes — eine Abstraktion, die,
wie die Beschäftigung mit der deutschen Heldensage überhaupt, ein Kind
der Romantik ist. Dichtung und Sage sind so wenig getrennt zu denken,
wie Dichtung und Mytlius, und wenn zwischen Heldensage und Helden-
dichnmg ein theoretischer Unterschied gemacht werden soll, so kann es ntn*
der sein, dass man durch die beiden Ausdrücke die mündliche Oberlieferung
der späteren Epik als Vurelufe und Quelle enijjefiei^stellL Die Heldensage
ist deiniiarh durchaus ein Gegenstand der Lilteraiurgeschichte, nicht ein
Problem der Volkskunde '; nur praktische Erwägungen, namentlich der frag-
mentarische und iuteniationale Charakter der Überlieferung, haben iht den
Platz einer besonderen Disripün gesichert Überall ist der dichteriscli ge-
färbte Beritht historischer Ereignisse Ursprung und Kern des HeJdengesanges,
und es ist daher im eirizelneu nicht immer Ictclit zu sagen udcr dcx:h mit
der wissenschaftlich erforderlichen Festigkeit zu bestimmen, wo das episch-
historische Lied aufhört und das eigentliche Heldenlied beginnt *. Die lango-
bardisclien Lieder von Allioins Ermordung und Autharis Brautwerbung, die
wir aus dem lateinischen Berichte des Paulus Diaconus erschhessen dtlrfen,
die fränkischen Gedicht« aus der vorkarolingischen Zeit, die Karl der Grosse
sammeln iiess, werden sich nach Komi unri Inhalt nicht wesentlich unter-
scliieden tiaben von den Einzelliedern, deren Nachklang uns aus den Epen
des Dietrichkrcises und aus der Nibclunge not cntg^cntönt. Nicht ihr Ur-
sprung, sondern ihre spätere Entwicklung trennt beide Gattungen. Das
Heldenlied, obgleidi nicht minder aLs das episcb-hlslorische Lied in seinen
Anfängen durchaus in der Geschichte ruhend, ntranit bald einen anderen
Flug. Diircli die besondere BeLiebiheit und rupularitat der in ihnen ge-
feierten Helden, durch das Erschütternde unil Tnigischc der besungenen
Begebenheiten, so dürfen wir \'erniuten, wuchsen einzelne epische Lieder aus
ihrem ursprünglichen Kreise heraus, wälirend andere, weniger gesuclit und
wen^er vorgetragen, das zeitlich beschrankte Interesse der Stammesange-
hCrigen an ihren Stoffen nicht L>der doch nur kurze Zeit liberlebten. Die
besten und beliebtesten Lieder aber wurden immer neu gesungen und voa
den Sängern in zunehmendem Masse mll neuen Zügen ausgestattet; von
Stamm zu Stamm verbreitet, entfernen sie sich stets mehr von dem Boden
der Wirklichkeit, ihre Trüger erheben sich zu Idcalgcstalteu , ihre Stoffe
streifen das örtlich und zeitlich ZuMllige ab, neue Personen treten in sie ein,
die nicht mehr verstandenen Ereignisse verlajigen neue Äl'jtivierung. Schick-
sale und Thateji ^iltcrer Helden werden auf die grossen, im Mittelpunkt des
epischen Gesanges stehenden Figuren übertragen, und, was vor allem enl-
»clicidcnd ist für die Ausbildung des Heldenliedes, auch njcht-historischc
Elemente -setzen sich an, Elemente, die man immerhin, rirhtig verstanden,
»mythische^ nennen mag. So erreicht die Heldensage, obgleich geschichtlich
in ihrem Keime, <icnni>ch erst ihre volle Eigenitiralirhkeit in dem Ai^eii-
blicke, wo sie die Fesseln der Geschichte von sich abschüttelt, um frei in
sich aufnehmen zu können was auf den FlQgeln des Gesanges als ungebun-
dene Cberlicferung sehr verschiedenen Urspmngs umherschweht. Ge-*whichte,
die sich ni'ht mehr als Geschichte fühlt, das Herauswachsen über den ein-
zelnen Stamm hinaus, die Aufnalime älterer liisturischer, namentlich aber auch
unhistorischer Elemente, endlich eine immer stärkere Neigung zur Bildung von
Sagenkomplexcn, von epischen Cvkien — das sind die wesentlichsten Merk-
male des HeSdengesanges dem einfacheren episch- historischen Liede gegenüber.
' Eine anilerc Ansidil ist llc^cttliI^^ von C. Voretrsch nus^prodica in scttuc
Aatriltsvorlmin); Dir /rann'iwhe Ufldemage, Hcitlflbcij; 189+; vjjl. auch d>o
AtifsaU (iMKclben CK-kbrlen: Das Mfrou<iHfftrfpr>s und dtr /ränkisfhf I/eldt-puagf
(Philol. Sludjen. Fcsigabc für E. Skvcr». Halle 1 896. S. 53 ff.). — « 2uni Fol}>niden
vgl. die Anifilhrungcn von R. Koegel, Gtiih. 4er dtuUchen Litt. I, l, 131 ff.
§ 3. Der Stoffkreis der germanischen Heldensage ist durch ihre Wurzel
im Zeitalter der Völkerwanderung bedingt. Ihr nationaler Charakter schltesst
selbstverständlich nicht nur die Artus- und Gralsage, sowie alle antik-mittd-
alterlichen und legendarischen Stoffe aus, sondern auch die Karlssage, welche,
I
wenn auch sagenhafte Krinnentnfi^n an den grossen Kaiser und seine strenge
Gerechtigkeit sich in Deutschland erhielten, nur in Frankreich Stoff(|uell<: der
epischen Poesie geworden und erst auf diesem U?nwege den Utieraturen der
fennaiiischen Völker xugekümmcn ist. Aus ühnlichem Grunde fallen die
Iberlieferungcn von Franken und Westgoten, welche die französische und
spanische Diclilung erhalten hat, ausserhalb Ihres Bereiches. Aus anderen,
leicht ersieh tlicht;n Gründen gehi^ren weder die historischen Sagen spaterer
Zeit, die. wie die Sagen von Herzog Ernst ixler Heinrich dem L*"iwen, gc-
scliichttiche Personen mit dem Zauber der Romantik umwehen, noch die
Liikalsagen, die dem Epheu gleich um die verwitterten TrQmmer einer alten
Burg sich schlingen, in den Kreis der Heldensage, sondern sie fallen der
Volk<ikunde zu. Endlich verzichtet die Heldensage auf die Behandlung der
bereits obc-n angedeuteten alten Stamm- und Geschicchtssagen der Goten,
Langobarden, Franken und anderer Völker, die zu-ar ihrem Urspmnge nach
von den eigentlichen Heidensagen nicht vcrst^Iiieden sind und eliensü früli
wie diese Gegenstand des epischen Gesanges wurden, die aber nicht Ober
den engeren Kreis der Stammesangehörigen hinausgekommen sind und keinen
Eingang gefunden haben in den cyklischen Zusaminenhiuig des Volksepos:
für sie genüge an dieser Stelle eine Verweisung auf den zweiten Band der
Deutschen Saften, heraasgegebcn von den Brüdern Grimm (1818), sowie auf
Uhlands Schriften I, 456 ff. Eine letzte Beschränkung der Aufgabe, wozu der
Verfasser sich auch in dieser zweiten Auflage hat entschüessen müssen, ist
prinzipiell freilich nicht geboten, findet aber ihre Erklärung in der Fülle des
StCfffes und den noch immer ungenügenden Vorarbeiten: die specicll nord-
germanischen (skandinavischen) Heklcnsageri, die der Anlage des »Grund-
risses' nach Berflcfcsichtigiuig verlangt hatten, sind nach dem Stande der
Forschung fflr eine knappe Behandlung auf beschranktem Räume auch jetzt
noch nicht geeignet '. Es sind also wesentlich die bei den Ost- und West-
germanen im Zeitalter der V^Hkerwanderung entstandenen oder umgebildeten
Sagen und Sagenkreise, welche den Gegenstand der fr.lgenden Fr^rteniTigcn
bilden: die Büowulfsage, die Nibelungen sage, die Ortnit- Wolf diel rieh- oder
Hartungensagc, der grosse Komplex der Sagen von Ermanarich, Dietrich von
Bern und Etzel, die Waltharisage. die Hildesage \md ihre Sch^sslinge, die
Wielandsage nebst den Überlieferungen vom Meisterschützen, einige Eiuzel-
sagen, wie etwa die Sage von Iron, von geringerer Bedeutung, endlich die auf
alter Sage beruhenden Bestandteile in den deutschen Spielmannsgedichten von
König Rother, Oswald und Orendcl.
An der Aus- und Umbildung dieser Sagen sind die verschiedensten ger-
manischen Stamme beteiligt: Goten und Burgunden, iVngeln und Friesen,
Franken. Alemannen, Baiem und Sachsen haben an ihrer Ausgestaltung mit-
geaibeitcL, und für viele von ihnen wurde der Boden des skandinavischen
Nordens schon früh eine Statte dichterischer Pflege. Nur »germanisch- kann
daher nach heutiger wissen seh af dich er Terminologie der Gesamtname sein,
wekrher sie msammenfasst. So wenig wir noch von >dcutschc:r* Grammatik
sprechen im Sinne Jacob Grimms, so wenig ist die Bezeichnung »deutsche«
Heldensage zu billigen, und auch der Umstand, dass die nihd. Epik in ihren
Stoffen den Umfang der Helden.sage wesenüich begrenzt, kann diesen Namen
nicht genügend rechtfertigen. Denn, davon abgesehen, dass weder die ßeowulf-
sag;e noch die Wielandsage in den Kreis des mhd. Volkscjws fallen, können
doch nur Ursprung und Pflege, nicht aber die zufallige letzte Form der
Oberlieferung für die Wald einer begriffsbestimmenden Gesamlbexeichnung
anaschlaggebend sein'.
G«rtnftnUche Philolotrfc Itl. 2. Aufl.
M
I KIne schöne OberAkht Über die nordische Hddmdicbtung biete! Sv, Grundt-
vig, (TJsigi over Jm nordiske otdtids heroiske äiglning, Kbbvn. l86". Feiner
vgl. naiiieuUicb UhUnd, S^hr. VII. 86— »76; P. E. Müller, Sagabibliothek.
Buid II (iSiS). EiDc ni-ichticc Vorarbeit fQr ebe Gcschlchie der ftlundmarücbcn
Heldcndtdituofi ist Axel Olriks ausgezeichiKtes Werk: Kildfrrtf fil SaJts^s OU-
histon>, 7 Bde.. Kbhvn. 1892/94: 9. dazu Job. Sleensirup. Arie. 1". nord. Ffl.
13. 101 ff. und Olrikii Entg<rgnuiig, ebda 14. 47 ft!!. — ■ Vgl, liicmi die ib«
weichenden Bemerkungen von Jiric/ck. /Jr^ deutsike Heldensage * S. 16 f.
§ 4. In seiner denkwürdigen Abhandlung •Gedanken ober Mythos, Epos
und Geschichte«, die 1813 in Fr. SchtegeLs DeuLsdiem Museum ererhien
(A7. Ä://r. IV. 74ff.). luit Jacob Grimm das Wesen des Volksepos dahin
bestimmt, das« man ilim »weder eine reinmythische (göttliche) mich rein-
histurische (facüsche) Wahrheit zuschreibt, simdem ganz eigentlich sein Wesen
in die Durchdringung beider setzt«. 2u dem Epos sei »eine liistorische That
nötig, von der diis Volk lebendig erfüllt sei, dass sich die göttliche Sage
darBii setzen könne, luid beide sind durch einander bedingt gewesen«. Der
g^iitliche Teil des Epas >heht die Poesie über die blosse Geschichte«, der
menschhche »nähert es letzter wieder, indem er sie nie ohne historisdien
Hintergnmd Iflsst, und ihr einen frischen Erdgeruch verleihet, der nichts
Eingebildetes, sondern etwas Wahrhaftes ist«. Der hier von Jacob Grinun
gefundene Satz beruht gewiss nicht auf methodischer Forschung — nicht
gelungen ist der Nachweis, den er an der Teilsage und an der Sage von
Frau Bertha zu führen versucht — , bietet vielmehr ein überraschendes Bei-
spiel genialer Intuitii^ji. Weit vursichiigec ab Jacob verfuhr sein Bruder in
seinen Bemühungen, das Wesen der Sage zu ergründen. Wilhelm Grimm
betrachtete mit Recht gründliche Erforschung der Denkmäler und fleissiges
Sammeln der Zeugnisse als die nächstliegende und notweudigstc Aufgabe der
Sagenforachuiig. Mit einer abgeschlosseneu Ansicht über das Wesen und
den Ursprung der Heldensage trat er ziuiacKst nicht hervor, sondern be-
gntlgtc sich mit der Abwehr verfrühter und willkürlicher Deutungen '. Erst
der spater veröffentlichte Briefwechsel mit Ladiraann, der siel» an W. Grimms
Rezension von Lachmanns Schrift »Cber die ursprüngliche Gestalt des Ge-
dichtes von der Nibelungen Notli« in den Jahren 1B20 und 1S21 anknüpfte!,
zeigt, wie er allmählich und Schritt für Schritt zu einer Theorie gelangt, die
nüt Lachniami darin einig ist, dass sie die gewaltsamen mytliischen Aus-
deutungen Mones und von der Hagens verwirft, daim aber aucli von Lach-
manns eigner Meinung sich nicht unwesentlich entfernt. Während Karl Lach-
mann, den schon von Jac. Grimm aufgestellten Fundamentalsatz durch seine
F-rforschung der Nibclungensagc bestätigend, schon damaht in dem Zu^ammen-
fUessen vi;n Geschichte und Mythus, in der innigen Durchdringung mythischer
und historischer Bestandteile den Grund imd das Wesen der Heldensage er-
blickte, suchte W, Grimm in der poetischen Wahrheit das dem epischen
Stoffe EigenlUmlidie. Weder in der Geschichte noch im Mythus will er
den eigentlichen Ursprung der Sage selien, und seihst in Fallen, wo die Be-
ziehungen zur Geschichte haudgieiflich scheinen, wie bei Etzel und Dietrich
von Bern, nimmt er spätere Anlehnung der in eine frühere Zeit zurück-
reichenden Sage an historische Persönlichkeiten und Ereignisse an. So schwebt
für ilm die Sage als ein Drittes frei zwischen Mythus und Historie: *bej
einer Betrachtung des Epos«, heisst es in dem interessanten Briefe an lach-
mann vom 26. Juni läji (ZfdPh. 2, 355), »kann man . . . die mythische
Hi-dfutung so gut auf der einen Seite wegschieben, als auf der andern den
historisclien Inhalt'. Öffentlich hat W. Grimm erst in der Abhandlung »Ur-
spnmg und Fortbildung«, die den Schluss der »Deutschen Heldensage* bildet
i
I
Geschichte der Forschung.
6ii
(1829)', auch jetzt nur lialb widerstrebend fs. die Vorrede S. ^^II '), seine
Ansicht entwickcJt. Durch ein merkwürdiges Zusammentreffen entstand etwa
gleichzeitig mit dk-scr Abhandlung (im Mai 1829) die, allerdings erst einige Jalire
spater veröffentlichte, »Kritik der Sage von den Nibelungen« K, Lachmanns*.
Die Rücksicht auf den Raum verbietet den Irrwegen nachzugehen, auf
denen riif Sagenforachung vor und nach W. Grimms und Lachmanns ein-
schneidenden Arbeiten gewandelt hat und zum Teil wohl auch heute «och
wandeh. Es mag genügen, in der Aruiierkung dem auf diesem Gebiete nicht
ganz Unbewanderten durch einige Titel von Nibi^lungcnschriften die chemi-
schen*, astrunomischen ' und mj-thisch-sj-mbolischen • Deutungsvcrauchc einer-
seits, die Ausgeburten des nackten Euhcmerismus 8 andererseits zu veran-
schaulichen. Vorgangem wie Trautvetter, v. rt. Hagen, Göttling gegenüber
Jasst sich \V. Grimms Verzicht auf eine einheitliche Erklärung der Helden-
sage wohl verstehen, und, wenn auch heutzutage das Schwankende und Un-
konkrete in setner Betrachtungsweise langst erkannt ist, so hat man doch
zugleich einsehen lernen, vdt: weislich er das rein poetische Element in der
SagenbÜdung betonte, den» Lachmann und seine Schule einen zu geringen
Plau einräumten. Au W. Griimus Richtung st^hluss sich, wie es von dem
Dichter zu erwarten war, Ludwig Uhland an, sei es auch mit etwas stär-
kerer Betonung des geschichtlichen Elementes. Auch Uhland sieht in der
Helden.sage wesentlich Poesie, die aber aus jedem bewegten y^eitraum der
GesdiiclUe üire Nahrung zieht. Es finde hier das schöne Gleichnis seine
Stelle, in weldies er seine Anstellt kleidet: »Die Sage ist ein Lagerfass voll
«dein, alten Wernes; wann er angesetzt worden, weiss niemand mehr; jeder
sonnige Herbst bringt ihm frischen Aufguss und vom ersten Stoffe ist wohl
nichts mehr vorhanden, als der immer fortduftende Geist; draussen aber auf
den grünen Bergen thränen und blühen die Reben, und wenn sie bltlhen,
gahrt CS auch innen im Kasse; blutrote Trauben reifen und goldhclle; die
Zciteji steigen am Weinberge geschäftig auf und nieder und tragen den neuen
Gewinn herzu; indes.t fliesst unte-ii rein und klar der gnidene Quell und die
Sanger sind die Schenken, die das duftige Getränk imilierbietca«^.
Lachmanns »Kritik* erwarb Jacob Grimms Zustimmung 1° und wurde für
Karl Mtlllenhoff. dem sie noch in seinen letzten Lebensjahren als »Muster
und Meisterstück der methodischen Sagen forsch ung« galt ", der Ausgangs-
punkt für eine Untersuchung der raei.iten deutschen Heldensagen sowie des
Beo«iiU. Müllenhoffs sagengeschichtliche Arbeiten werden, wie man sich
auch zu vielen Üirer Resultate im einzcbcn und sogar zu ihren Gnindan-
scliautmgen stellen mag, ihre gnindlegcnde Bedeutung behaupten. Nach Lach-
manns Vorgang trat er mit der grüssten Entschiedenheit für die philologische
Kritik der Quellen ein als notwendige Vorarbeit für jede Analyse und Re-
küDstruktion der Sage, und, wenn auch eingeräumt werden muss, dass die
Sicherheit, womit MüJIcnhoff in dui Geist der alten Dichtung einzudringen
imd ihre verschiedenen Bestandteile zu sondern sich getraut, einer über-
mässigen Zuversicht zu der McUiodc der höheren Kritik entspringt, so wai
doch nur auf diesem Wege die I-i'^sung der Aufgabe uberhaiipl erreichbar.
Überall ergab sich für Müllenlioff eine Bestätigung der Ladmiannschen Auf-
fassung: die Sage Verbindung von Geschichte und Mythus, die Zeit der
Wanderung >das deutsche Heldenalter*, die Myüien aber Eriteugiüsse und
Oberlicfcruiigen einer noch alteren Zeit**. Ihm wie Lachmann sind die
Helden des Volksepos ihrem Ursprung nach zum Teil historische Figuren,
zum Teil aber verblasste GOtter, und so wird für ihn, hu Gegensatz zu W.
Grimm und Uhtand und in sehr anfechtbarer Ausdehnung, die germanische
30*
Heldensage eine wichtige Quelle für den Aiifl>au der germanischen Mytho-
logie. Aber zugleich hat Mdilenhoff für mehrere Sagen, vnr allem für den
zweitt^n Teil der Nibelungensage und für die frSnlusctie Wolfdictrichsag^
den historischen Hinlergjund durch unvergängliche Forschungen sicher ge-
stellt, und in seiner Schule haben wir uelernt, die Geschichte als den mcthti-
dischen Ausgangspunkt für jede Erforschung der Heldensage zu betrachten-
Dass der von J^chmann eingeschlagene, von Mflllenhoff konsequent verfolgte
Weg der richtige ist. wird auch derjenige anerkennen müssen, der die Grenzen
des Erreichbaren in ihren Arbeiten nftcr überschritten findet. Die Analyse
der Sage, die Sonderung der Bestandteile, aus denen sie erwachsen ist, und
die Erkenntnis ilirer Entw-icklungsgeschichte sind auf der von I^ichni.-inn und
Müllenlioff vorgezeichnelen Bahn zum Teil wenigstens bereits gelungen; un-
verkennbar hat \V. Grimms angstliche lichulsamkcit hier weniger bleibende
Resultate erzielt als ihre kühne Kombination.
Eine besondere Stellung bat schon früh und bis zuletzt Wilhelm Müller
eingenommen "•. Seine spätere Erklftrungs weise ist zwar vorwiegend historisch,
aber in seinem Streben, hislorische Thatsachen zu finden, aus denen die
Sage sith eulwickelt hat, verkennt er häufig das Wesen der Sagenbildimg.
Dit von ihm vertretene Auffassung der meisten Heldensagen als symbolischer
Formen der Erinnerung an geschichtliche Ereignisse, wobei die Helden und
Heldinnen nur als allgemeine Re]>rasentanten ihrer linder erscheinen, muss
als verfehlt bezeichnet werden. In der liistorischcn licirachtung wurzeln auch
die wi.litigeii EinzcluiUcrsucliungen Riebard Heinzeis '■*, der doch auch
die Bedeutung von Elementen anderen Ursprungs für die Bildung und Aus-
gestaltung der Heldensai^ keineswegs unterschätzt Die rein mythologische
Deutung dagegen ist in neuerer Zeit sehr in den Hintergrund getreten. Auf
einem eigenen Standpunkt steht Svcnd Grundtvig in seiner oben c-iüerten
anregenden kleinen Schrift {f.'ilst\^t. lÖb;, s. zu tj 3); weit entschiedener als
W. Grimm und Uliland erblickte er in der Heldensage rein poetische Schti-
pfungen der Volksphantasie, aus ethischen Grundanschauungen hervorge-
wachsen. Als Reaktion gegen die Einseitigkeiten der mjthisierenden ».'wohl
als der namenüicb von älteren skandinavi.^hen Forschem, wie P. A. Munch
und N. M, Petersen, vertretenen historisierenden Tendenz wohl eTkldrlich,
ist diese jVnsicht in Ihrer Allgemeinheit dennoch unberechtigt.
Sophus Bugges bekannte Forschungen 1* gehen zwar auf die Heldensage,
soweit sie nicht speziell nordisch ist, nur gelegentlich und ohne weitere Be-
gründung ein. Allein es liess steh erwarten, dass seine Andeutungen nicht
ohne Nachfolge bleiben und es an Versuchen nicht fehlen würde, auch in
der Entstehung der Heldensage den Einfluss fremder Erzählungen mid Cbcr-
ticferungen nachzuwewen. We-nn Bugge »die berühmten Sagen von Siguritr
Fäfnisbani (Sigfrid). Sinfj^tli (Sintarfizzilo), den Hjadningar (Hegelingen) und
V^lundr (Wieland) unter dem Einfluss griechisch -römischer Erzählungen«
sich entstanden denkt {Stutfirr I. 22 Anm., vgl. auch S. ().\), s<i ist wenigstes»
für die zuletzt genannte Sage der Nachweis dieser Beliauptung sowohl von
Golther als von Schuck wirklich in Angriff genommen (s. § 04). Dass in den
späteren Entwicklungsphasen der Heldensage auch ungennacische Sagen-
und Milrchenmotive in das ältere heimische Gewebe eingeflochtcn sein kännen,
braucht nicht geleugnet zu werden und lasst sich in einzelnen Fallen, z. B.
in der Sage von Hug- und Wolfthetrich, selbst zur Waliischeiulichkcit er-
heben, allein Übersetzungen antiker S.igen ins Germanische oder Zusammen-
setzungen genmmisclier Sagen aus kunstvoll gefftgten antikea Motiven sind
bisher nicht wissenschaftlich glaublich gemacht worden.
(
i
I
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I
I
GiCSCHICUTE DER FOEtSCHUNG. METHODE DER FORSCUUHO. 613
Zu diesem § «I R. Steigs Voircd« sur 3. Aunsge von W. Grimms /las. ni
vergleichen. — ' \V, Grimm. Chfr die KnlsUhung dtr aUdeuUck^n Pt^iie und
ihr l'erhiiltniu tu drr nordischen in Daiib und Crcurcrs Studien Bd. IV, 1808
{Kl. Sehr. I, 93 If.): Re/cnsion viin KIouos •EiDleitung in das Nibelungenlied* in
der Lci[Kri|;cr T-iUirratur-Zriliini: 1818 (A7. Sihr. II. aioff.). — * firü-/-,errhsrt
übrr ioi iVibelungenltni vnn (". LtuhmartN und li'ilhrim (fn'mm, vrrfjffeiitlicln
ron Zacher in ZfdPh, 3, 193 ff. 343 ff. 5:5 ff. (iSöq), — * /fUi. S. 335—399
(=a ' S. 383—449). — * Sie erschien er»L iSjJ iu Nielmhr uni1 Brwjdin' Rbeini«
Khem Mtueum 3, 4^5 — 464 und wurde wieder al>gednu:kt 1636 in l.jubinaiiBX Xu
den XiMunffen und zur Kla^e S. 353 — 349, — * E. Trautvetter, Der Sehtüss*l
xur Edda, Berlin 1S15. — * E. Ttauivctter, Ast;iburg odtr die gtrmanitcMen
GßtUr und U^ldenbilder des Tacitus und dir Edda als Sternbilder darj^eiielit,
in Okens Isis 1820. — 'F. H. v. d. Hauen, Die Xihtlungen: ihre Bedeutung
Jür die Gnffrnu^trt und für imtner, BresLui l8ic): F. J. Mone, Einleitung in
das XibeluHgtnlied, Hcidclherij 1818: Geschichte des Heidenthums 11, 292!!.: P.
E. MülIcFr SagabibUQthek I], 365 ff. — 9 K, W. GStlUng, Nibelungen und
Gibciinfft, Rudoltl. i8lt> («. dazu W. Grimm, AV. Sehr, IL 161 ff.): F. J. Monc,
Cöer die Heimath der I^ibeiungeM. in scioeo -Quellen und For»cfaungen zur Gesch.
der teutschcn Litt, und Spr.« Bd. I (1830); E. Röckcrt. Oberon von Mohs und
du Pipine von tVii^ella^ l-P'K- 1836; A- Giesebrecht, Cber den Ursprung der
Siegfrtedstagr : Genn. 2, 203 ff.; A. CrÖger, Der Ursprung des Nilfelungen-
litein ii*w., t^mlsluT^ a./il. WarlLe l8^l (». tU«u W. Grimms Brief an den Ver-
äutser, .^t'dA. ^, 327), I11 neuen-r /eil hat 11. A. G. Vigfiision in seiner Schrift
lum »Grimm Centenary« [Sig/red-Arminiiti and nther pitprri, 1886) Sigfrid
wieder von Anninius hergeleitet, ebenso H, JelUnghaii*, .irm im ins und Siegfried,
Kiel u. LpxR. 1891 (vgl. L. SchmidL, Germ. 36, 315 f.). Verlwodung der Sage
von Arminiua mit einem Mythus zur Sigfridss^e hält R. Much. ZfdA. 35, i^o (Ur
niiiglich {a. audl unten § 28). ■ — » Utiand, Sehr, l, 138. — W ärießiwhsel des
Erhrn. von McHsehoih mit J. und IV. Grimm S. 366. — " Deuttehe Alter-
tumsJtunde V. 61. — 1* ». Deutsche Atlertumskunde, I, VII, — " W, Müller,
Versuch einer mytkologisehen Erklärung der Nibelttnfvnsagt, Beriin 1841 ; Du
gesehichtliehe Ümndiage der Dietrichssage, in HcnncbeiKcn Jahrtwch für deutsche
LiteialiirgeiKh. I ( 1 855), 1 59 IT. ; Cher ijtchmanns Kritik der Sage von den
Nibelungen: Genn. 14 (1869). 25" ff.; Mylhulogie der deutschen Heldeninge,
Ilcilbronn 1886; Zur .\fythologü der griechisthe-n und deuischen Heldensage,
ebda 1889. — '• R. Keinzcl, Über dir Xihelungensage. Wien 1885 (aus Ata
Wiener SB CIX): Über die Walthersage, ebda 1888 (aus den Wiener SB CX VIQ;
Über die ostgolhisehe Heldensage, ebda 1889 (aus den Wiener SB CXIX). —
** S. Bugge, Studier m-er de nordiske Gude- og Ileltesagns. Oprindelse. Forste
Rttkke. Chriatiatiia 1881—89 (deutsch von O. Brenner, München 1889I; Anden
Ra-kke: HelgcDigtene i den aldrr Edda, deres H/em og Fcr^indelse-r, Khhvn.
1896; vgl. K. Mogk, oben 111. 2451.
§ 5. Wie in der mylhultjgtsciien, so hat auch in der sagengeschirhtlichen
Forschung die Riiiseitigkeit» w-tirait man atis einem Erklariujgsprinzip tlie
bunte, vielge.staltige Reihe der gennanischen Heldensagen auszudeuten ver-
sucht hat, grossen Schaden angerichttl. Die historische, die mythische, tlie
rein poetische ErklSnmgsweisc haben unzwcifeihaft alle drei ihre volle Bc-
rechtigmig, nur nicht in ihrer Vereinzelung, sondern mit und neben einander.
Aiü^ngspunkt fOr eine methodische Erforschung der Heldensage sollte
allerdings stets die Gest;hii;hle sein. Das frühere Mittelalter betrachtete
die Rage durchaus als wahre, wenn auch längst vergangene Geschichte.
Ekkehard von Aurach ijläs. Nr. 23), Otto \-on Fretsing (/M. Nr. 24). Gott-
fried von Viterbo [Hds. Nr. 32. ZE Nr. 37, 2) bemerken wohl, dass Ennana-
rit^i, Attila und Theodorich nicht Zeitgeno.<»eii gewesen sein können, bezeugen
aber eben durch ihre Kritik die geschiditliche Geltung der Sage, und der
" [In »einem Aiif*at»e Der Ursprung der Siegfried- Sage (Zs. f. vgl. Utleraturgest^.
N, F, XI, 113 ff.) greifi G. Sarrazin wieder aufSigibett uihI die «ustrasiadie Geschichte
curück, — XarreJ^turnole.']
6i4
XIV. Heldensage. Eixlwtung.
zuletzt genannte Historiker scheut sich nicht, den Ihrmenricta und den Theo-'
ilomarus auf Grund der Sage, nicht der Gesclüditc, aJs Veronensii zu bezeich-
nen. In der That nimmt die Heldeiisage, d. h. der Stoff der ältesten epi-
schen Heldendichtung, überall ihren Ursprung von der Geschichte, richtiger
von dem Berichte über das Geschehene. Wie der blinde Sänger in der
Odyssee zeitgenössische Begebenheiten besingt, so bringen griechische Schrift-
steller episch gehaltene Erzälilungen über Ereignisse der persischen und me-
dischen Geschichte, welche in eine recht naheliegende Vergangenheit zurück-
reichen und demnach selir schnell Gegenstand der Votkssage oder tlerVolks-
püesie geworden sein müssen i. Die altfratizösischc Volksepik ist in ihrem
Kerne nichts anderes als die poetische Geschichte der um die Herrschaft
Galliens ringenden und durch Karl i\tzn Grossen sie erringenden Franken.
Besonders lehrreich ist die Mitteilung Snouck Hui^onjes, auf welche auch
Nöideke kürzlich aufmerksam gemacht hat, dass noch in unsrer Zeit in
Atjeh (auf Sumatra) ein mündlich fortgepflanztes volkstümliches Epos Über
die Ereignisse der nnmittelbaren Vergangenheit entsteht. Ein Volksdichter, an
alteren Mustern geschult, der aber weder lesen noch schreiben kann, besingt
die Heldenthaten der Atjeher in ihrem Kampfe gegen die Niederländer. Jeder
Vortrag bringt Änderungen, Zusätze und Körrungen; neue Episoden werden
eingefügt, je nachdem eigene .Anschauung oder der Beridit von Augenzeugen
ihm neuen historiRchen Stoff bieten *. Denselben Gang dürfen wir überall
voraussetzen. Das erschütternde Gescliehnis, das den eignen Stamm oder
den Nachbarstamm trifft, an einem ruhmvollen Namen haftend, wird aufge-
griffen und durch den epischen Gesang, das älteste Mittel der geschichtlichen
Überlieferung, verbreitet, ohne Kritik und ohne Kontrole, zu Verwechslungen
und Übertreibungen die Gelegenheit reichlich darbietend, aber doch zunadist
von bewusster Erfindung und willkürlicher Aus«<'limückung sich fem hallend.
Das Individuelle ist der Stoff des nationalen Epos, das sicli erst später
mehr verallgemeinert: symbolische Formen, wobei Helden und Hcldiimcu
als Vertreter ihrer Lander erscheinen, sind der naiven Heldendichtimg der
alteren Zeit fremd. In welcher Form z. B. der Untergang eines Volkes in
der Sage pdctisch festgehalten wird, zeigt die Vernichtung der Burgunden in
der Nibelungensage deutlich genug. Die Lebenskraft, die dem lüstorisch-
cpischen Liedc innewohnte, wird durch verschiedene Umstände bedingt ge-
Dresen sein, die wir freilich nur vermuten können (x^l. § 2): die grössere t>der
geringere Beliebtheit der besungenen Helden, das mclir oder weniger Er-
greifende und allgemein menschlich Rührende der Begebenheiten, welche ein
episches Lied verherrlichte, aber auch die Kunst und Geschickliclxkcit des
Rhapsoden und die Schicksale des Stammes, bei welchem die historische
Sage entstand und zuerst Verbreitung fand, werden hier in Frage kommen.
Siegreiche Schlachten und ruhmreiche Thaten, folgenschwere Niederlagen
und tückische Ansc-hläge, die Eindruck auf die Mitlebenden machten, fehlten
gewiss nirgends wo Germanen sassen, allein offenbar nur in einzelnen Fallen
haben sie über die Grenzen des eigenen Stammes hinaus und lange nach-
dem die Ereignisse selbst ihr historisches Interesse verloren hatten, Verbrei-
tung und dichterische Pflege gefunden. Wenn gotische und burgundisclie
Überlieferung einen so hervorragenden Platz unter den Stoffen der germa-
nischen Heldensage einnimmt, so werden zur Erklärung dieser Thatsache die
hohe Begabung der ostgermanischen Vi^lker und die eindrucksvolle Tragik
ihrer Geschicke gleichcp»'dse in Betracht zu ziehen sein. vVber selbstver-
ständlich mussie die historische Sage, je weiter sie sich ■von ihrem natür-
lichen Nährboden und vod der zeitgenössischen Erinnerung entfernte, sich
i
Methode der Forschung; historische ELEMEirrE.
bis
stets stiUkcr vun ihrer geschieh Üiclicn Wurzel loslösen. Die Figuren der
Geschichte wachsen durcli die Phantwaie des Volkes und die Kunst des
Dichters zu idealen Gestalten empor, bei denen zwar nr»ch die Namen und
manchmal die Grundzüge ihres poetischcu Charakters an das histurische
Urbild gemahnen, ihre geschichtlichen Thatcn aber, nicht mehr verstanden
in ihren Bcwcgjiründen und Veranlassungen, durch neue Motinerimgcii und
neue Verhinflungp-n oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt, ja gerade-zu in ihr
G^enteil verwandelt sind. Was hat die Gudrun der Edda oder gar die
Kriemhitd der Nibelungen noch mit jener Ildico gemein, an deren Seite
ruhend der historische Attita an einem ßtulsturze verschied? Und ist nicht
andererseits Dietrich von Bern, der Lieblingsheld der oberdeutschen Sage,
allem Wandel der geschichtlichen Faktoren z»im Trotz, in allen Hauptzügen
seiner Erscheinung, setner milden Gerechiiskeitsliebe, seiner überlegenen Rulie
und Grösse der Gesinnung, seiner friedfertigen L;ingmut und doch auch
unwiderstehlichen Tapferkeit, dem historischen Charakterbilde des edlen Ost-
gotenkönigs, dem selbst der Feind seine Be^A-underuiig nicht versagte, merk-
würdig treu geblifhen? Die Schnelligkeit, womit die Umsetzung des histori-
schen Helden in eine Gestalt der Sage sich vollzieht, ist oft Überraschend.
Und auch dafür fehlt es nicht an Analogien in der Epik anderer NationerL
Schon um boo n. Chr. ist der Grtlnder des Bweiten persischen Grossreiches
Ardaschir zur rein sagenhaften Persönlichkeit und sogar zum Drachenkampfer
geworden 3. Ein Jahrhundert nach der geschichtlichen B^ebenheit erscheint
Karlmanns Vasall Auicharius beim Mönch von Sanct Gallen als Mann des
Königs Desiderius in Pavia, um nach verschiedenen Metamorphosen als
Karls Paladin zu enden *. Und ist nicht aus dem grossen Karl selbei nach
wenigen Jahrhunderten in der Epik der Franzosen schon völlig eine fabel-
hafte Figur erwachsen! Mit dem Schwinden der örtlichen und zeitlichen
Gebundenheit tritt auch eine Vennisrhung der historischen Cberlieferungen
ein. Die epischen Ucblingshelden, die grossen Gestalten der Sage, ziehen
mit magnetischer Kraft allere und jüngere geschichtliche Kiemente an sich,
die durch Anlehnung an ihre grösseren und populäreren Genossen dem Unter-
gange entrissen werden. Wie im Reformationszeitaltcr die geschichtliche
Figur des fahrenden Scholasten Johann Faust der Liebling der Zaubersage
wird, auf dessen Scheitel frd umherschwebende Züge und Streiche von aller-
hand Zauberern und Gauklern sich häufen, s-t hat auch die Heldensage, durch
Übereinstimmung in den Namen. Ähnlichkeit der Schicksale, Gleichheil der
Motive, oder auch durch blosse dunkle Erirmerung geleitet, Thaten verschie-
dener historischen Persönlichkeiten auf eine einzige flbertragen. lehrreiche
Beispiele bietet die in ihrer EntM'icklung so viel klarer und greifbarer als die
germanische vorliegende niid daher für die Methmlik sager ge-schichtl icher
Forsf-hung so instruktive franz<5sische Heldensage. Karl der Grosse sanmielt
in striner glänzenden Figur die Überlieferungen von Vorfahren und Nach-
kommen, die an sich nicht mehr die Kraft besassen, die Pliantasie des
Volkes zu erregen und die Kunst des Dichters zu beflügeln: so vertritt er
Karl Mariell in den llaimnnskindem, Karl den Kahlen im Kpi"« v«in Muon
von Bordeaux. Ähnlich ^ind in dem Helden des Sagenkreises von Gulllaume
d'Orange Erinnerungen an drei historische Willielme und ihre Thaten ru-
sa m mengcflosseii .
In den so gebildeten Kreis der historischen Heldensage treten Vor-
stellungen und Überlieferungen aus älterer Zeit, die wir mythische zu nen-
nen pflegeiL Der Ausdruck ist bereditigt, insofern sie derselben Wurzel
entstammen, wie diejeiugen Vorstellungen und 0 herlief enm gen, welche den
6i6
XIV. Heldensage. Einleitung.
mythologischen Grundsloff bilde«; üudi sie liaben ihre Wurzel in dem
Glauben an das Übersinnlidie ; auch sie knüpfen sich an die tflghch <:)der
pcrit'ilisrh wiederkehrenden Katuir* irgänge, an die eindrucksvuUen Begeben-
heilen iio Leben des Einzeäucii oder der Familie, an tiefgreifende Umwäl-
zungen in den realen Lebensverhältnissen und den KulturzusULnden; auch
sie finden ihre Nahrunfi in der vergn'jsserndcn und Dberlreibendcn Phantasie
und ihre Lebensfähigkeit durch die gestalten bildende Dichtung. Die Bezeich-
nimg »mythisch« ist aber irreführend, wenn man mit ihi die Auffassung
vcrbiiidft. düss die Helden der Sage, soweit ihr Ursprung nicht geä<:hichllich
ist, verblassie ixier vcnnenschlichte Götter .seien. Dieser durch Jacob Grimm
verbreiteten Meinung haben sich schon Wilhelm Grimm und Uhland nur
seiir bedingt angeschlossen und ist in neuerer Zeit naraeutlich E. H.
Meyer nn't Erfolg entgegengetreten \ Neben dem Gotleniivthus zeigt sich
bereits in den ältesten Denkmälern der Indogerraanen, in den Hymnen des
Rigveda, im Avcsta und in der Ilias, der HeruenraytUus fertig ausgebildet,
mid die Annalmie. dieser sei aus jenem sekundär hervorgegangen, findet
keine Stütze in den ihatsachlichen \'erhaltnissen. Vielmelir sind Göttcr-
mylhus und Heroenmylhus zwei Äste aus demselben Stamme: von einander
miabhüngig sind sie aas gleichen Vorstellungen er^vathaen, die aber in den
Kreisen iler Priester und im Rahmen (h-s Kuliverbandes andere Gestalt an-
nehmen iiiussten als in den Kreisen der Edlen und in der Pflege einer auf
Unterhaltung abzielenden .Standespoesie. Für die <!Jermanen bezeugt Tacitus
(Germ. c. z) die Ausbüdwig des Heroernnyltius, und, was nameuüicli wichtig
ist, indem er seiner Xotiz von den alten Liedern, in denen die Germanen
den mythischen Ursprung ihres Volkes verherdichten, die Bemerkung liiuzu-
fügt '/uoJ unuTH apnd iUos memoriae ei atmalium gcnus est, deutet er damit an.
dass diese Nfythen schon damals als alte, lilngst vergangene Geschichte gal-
ten. Hier liegt der eigentliche Grund für die Verschmelzung von Heroen-
niyllius luid historischer Sage: die Verschiedcnlicil ihres Ursprungs wurde
nicht mehr empfunden. Das Bedürfnis, die in der Geschichte wurzelnden
Helden immer strahlender erscheinen zu lassen und mit einem überuatür-
lichen Glorienscheine zu umgeben, erleiditerte ihre Verschmelzung mit den
alteren Heroen, welche sich in gleichem Masse vemienschlichen, als die
hi.'itoriscljcn Helden eine Neigung zum Überm enschüchen zu zeigen beginnen.
In dem .Aiigenbhcke, wo sie in die epische Heldensage eintretoi, haben
diese myüiisch- heroischen Elemente bereits eine lange gcsi-bichtUche Ent-
«icklung hinter sich. Der Sagenforschung erwachst die schwierige, oft tin-
lösbare Aufgabe, im einzelnen Falle zu entscheiden, ob Vermcoschlichung
eines Heroen oder HeroLsierung einer historischen Figur vorliegt, ob sich an
einen alten Heroenmythus spfltere geschichtliche Data angesetzt haben oder
eine geschichtliche Sage mit einem mythischen Überwurf nur leidit umhüllt
worden ist. Gewiss ist in der Slgfridssage oder der Sage von den Har-
luikgcn die mythisch-heroische Grundlage ebenso unverkcimbar, als die histo>
rische in der Burgimdensage oder der Dietrichssage. Aber beispielsweise in
der Beurteilung der WalUiarlsage herrsiiu keine Einstinnnigkcit, un<i wer wUl
mit Sicherheit entscheiden, ob Helden wie Witege und Heime von Hause
aus historisch oder myttiisch gewesen sind, wenn auch für jenen Anknüpfungs-
punkte an die Geschiclile unleugbar vorhanden sind?
Die Geschichte und der Heroenmythus liefern die Elemente, aus denen
sich der Rolistoff der Heldensage zusammenseizl: ihre Verarbeitung und Aus-
gestaltung ist das Werk der Poesie, die, unersch«"pflich m Variationen, Ver-
schmelzungen und Motivbercicherungen, der Phantasie ihr gutes Recht Usst
Methode di
IUNG: HEROESTMYTnUS; POETISCHE AUSBILOOXG. 617
I
und auch ethischen. Wünschen die Gewährung nicht versagt S<^on die
epischen Sänger der Vöüerwanderuiigszeit. die alteslen TrSger der Tradition
wie sehr »c sich auch aU Mund der Sage fühlen mochten, waren docli vor
allem Dichter, und die Annahme, dass die Sage nicht schon in ihrer frühe-
sten Ausbildung ihres Geistes einen Hauch verspürt hatte, wäre unnatürlich.
Von der Walirheit der Übcriieferimg waren sie freilich überzeugt, aber durch,
Motivierungen und Zuthaten glaubten sie der Wahrhaftigkeil ihres Berichtes
aichl zu schaden. Je weiter die Sage sich dann von Üirei Wurzel entfernt,
je mehr ihre Kiitwicklung fortschreitet, um so kräftiger treten naturgemass
die püclischtji und ethischen Motive in deu Vordergrund. Diese Entwick-
lungsgeschichte der Sagenstoffe, die Verfolgung ihres allniJlhlichen Wachstums
und ihrer poetischen Umformung, ist bis zu einem gewissen Grade unab-
hängig von der Vorstellung, die sich der FoRcher von ihrer Entstehung ge-
bildet hat, und bietet eine Fülle der wichtigsten und anziehendsten Deiail-
problcmc. Von diesem Teile der sagengeachichtlicheu Forschung giU in
Wahrheit das bereits oben {S. t>ii) citierte Wort W. Grimms, dass man bei
der Betrachtung des Epos die mytlüsclic Bedeutung so gut auf der einen
Seite wegschieben kflnne, als auf der andern den historischen Inlialt».
' Tb. Nöldeke, Das iranitckt SationaUpos (Soadcrabdr. xus dem Gnindr.
der iran. Phil.) S. 2 f.; auf diese mcutcrhiiftc Arbeit aci ibrcr BUgcmcLnca Bedco-
Uing lüt die Methodik der Fonchung vcgcQ an dieser Stelle libcrbaiipt hing«»
wiesen. — ' C. Snouck Hurgronje, De Atjehtrs, II (Balavia und Leiden 1894),
106 ff. — * N'ßldekc a. a. O. S. 6. — * C. VorcUsth. Qbrr Uit Sagr von
Ogirr iirm Dänen und dif Enttlfhung der Cfu-vaierir Ogier, HaJle 189I; Die
/raus. Heldfmage S. 15 I. — * E- H. Äleyer, Indogermanhehe Mythen, 2 Btle.,
Berl, l88j— r88;; n. «uch AfdA. [4, 62; Germamtche .Xfyl/whgie % 379 f. —
[• S. jeat auch Jiriczek, OHS., I, Vorwf>ri].
§ 6. Erstes Erfordernis nietliodi-scher Sagenforschung \sx eine sorgfältige
Kritik der Quellen; in Verbindung mit gewissen liaftcr Ve^^^■ertlmg der Zeug-
nisse bildet sie die notwendige Grundlage, auf welcher die Zerlegung der
Sagcnübertieferung in ihre Elemente und der Wiederaufbau der ursprüng-
lichen Sage sich erheben kann. Niemand hat scharfer als Miillenhoff
den Grunilsatz betont, dass jede Sage ein bestimmtes historisches Pro-
dukt und zunHcliÄt als solches zu erforschen sei'. Das Problem der Helden-
sage ist wesentlich ein historisches; ähnlidi, aber in noch höherem Grade,
wie für den Mvtltologcn gilt für den Sagenforschcr die Forderung, dass er
jedes sagengescluchtJIclie Denkmal vor allem als litterarhistorische Erscheinung
betrachte, d. h. als Erzeugnis einer bestimmten Zeit und einer bestimmten
G^end, dass er sich die historischen Bedingungen klar mache, die die (^^elle
voraussetzt, und dem Ideenkreise Rechnung trage, in welchem Üir V^erfasscr
zu Hause war. Allein andererseits darf nicht Übersehen werden, da.ss der
Inhah sagengcschichtliclicr Denkmäler durchweg in weit altere Zeit zurück-
reicht, soda.ss aus dem höchsten Altertum stanuncnde Züge, entweder unver-
standen und treu erhallen, oder falsch verslanden und umgemodelt, oft genug
hart neben jüngeren Elementen lagern, die erst der jeweiligen Zeit des
Dichters ihre Einführung verdanken. Es ist ebenso unrichtig, diese für die
Herstellung der uraprünglichen Sageugestali zu verwenden, als die Bedeutung
jener für diesen Zweck zn untersrhrttzen *.
' Diese S&Ize waren mcdei>;eschricbcti, aIs li. Mogks am II. Mai 1895 in Leiptig
gehaltene, aber ent vor kurzem gedruckte (Nrue Jabrbb. für dwt kla». AIktI. u>w. i,
68 fr) akadembche Antrittsvorlcsuiij; Dif gf/n. H<ldfndifhtung mit heianderer Rnckiichl
auf du Sagr X'on Süg/rifd und Umnhild mir diireli die Gült- de» Veriaasers lukam.
In der Bvtoouou dei oben bervurgebirfiuieo GruntUaUea stimme ich Mof^k völlig bei, aber
In zweiter Linie steht die Verwendung des in myüiischen Verstellungen,
Sagen und Milrchen noch vorhandenen gcrmanisrhen Volksglaubens. Die
Vcrgleichung der Heldensagen anderer Völker darf, soweit es sich dabei
nicht um blosse methodologische Ähnlichkeiten der Entwicklung handelt, nur
mit ausserster Vorsicht und Zunickhaltung geicht^hcn; es kann nicht genügt
betont werden, dass der vergleichenden Mythologie und Sagenkunde noch
die sichere Methode abgeht, die nach bestimmten Kennzeichen zu entscheiden
geJemt hatte, wo bei analogen Erscheinungen Ur\'crwandtschaft, wo liiteni-
rische Entlehnung, wo unabhängige Ausbildung gleicher Motive und Formen
anzunehmen ist. Die Sage von Hildebrand und Hadubrand (§ 46) liefert
ein lebrreithos Beii*pie] dafOr. wie die Annahme selbständiger Entstehung
eines naheliegenden und in den Lebensverhaltnisseji begründeten poetischen
Motii*s bei versdiiedenen Vtilkem dennoch die MöglicTikeit nicht ausschliesst,
dasa die näheren Übereinstimmungen zwischen einzcJnen Gruppen der Ober-
liefenmg in Stoff Wanderung oder iittcrarischer Herftbemadme ihre Erklärung
finden können. Zu der Gestaltung der Sage von Wielaud dem Schmied
(§ 62 ff.) haben ohne Zweifel mythische Vorstellungen die Grundtage abge-
geben, welche sich bei zahlreichen indogermanischen und nichtindogermani-
schen Völkern wiederfinden, allein es bleibt ein vergebliches Beginnen, die
in den weitverbreiteten Schmiedesagen partiell auftretenden Analogien als
Bausteine für eine Entwicklungsgeschichte der germanischen Wielandsage zu
vcru'crten : uralter Omein besitz, unabhängige Ausgestahung und fiühe Motiv-
wandening sind hier im einzii-lnen nicht mehr zu sondern. Zur Vorsicht
dürfen auch die Folgerungen gemahnen, die ein so behutsamer Fi>rschcr wie
Uhland an gewisse Ähnlichkeiten zwischen der Wolfdietrichsage und den
Abenteuern des Isfandivftr im Schahname geknüpft hat {Sr/ir. I, 177 ff.; v$i.
W. Scherer, AV. SrAr. l, 603).
Im Folgenden Lst, nadi einigen allgemeinen Bemerkungen über die Grund-
lage der gennanischen Heldensage und ihre älteste Verbreitung bis zum
Anheben imscrcr zusammenhängenden Quellen, zweierlei angestrebt: i) eine
kritUche Übersicht über das tjucllenmaterial; 2) eine Darstellung des gegen-
wärtigen Standes der Forschung in Bezug auf die einzcUicn Sagen uud
Sagenkreise. Auf eine Auseinandersetzung mit abweichenden AnsirhtciV|
konnte nur selten eingegangen werden. Leider verbot der verfügbare Raum
auch eine Darstellung des Inlialts der Sagenquellen, der allerdings zum Ver-
ständnis der folgenden Krörtcnmgcn :ils bekannt vorausgesetzt werden muss.
Unübertroffen sind die Nacherzählungen Uhlands {ScAr. I, 30 — 88).
> S. Miilleaborfa Vorrede zu-itantütuäu AfytAötcf^is^Atfm Forifhungra (QF.
Heft 51).
I
GRUNDLAGE UND ÄLTESTE VERBREITUNG.
§ 7- Obgleich Tatiius neben anderen Dedem auch Heldenlieder der
Gerinaneti erwiUint, in denen ArminiiLs noch nach mehr als einem Jahr-
hundert gefeiert ^^■urde (Ann. 11, 88), aurh Anknüpfung der geschichtlichen
Sage an den Mythus durchblicken lasst [Germ. c. 2), so sclieint sich doch
von diesen frühen Überlieferungen in der epischen Poesie der gennanischen
Vrtlker nichts erhalten zu haben. Alle Versuche, in dem Sigfrid der Nibe-
lungcnsage den Sieger der Schlaclit im Teutoburger Walde zu entdedcen (s.
df7 Durchrah ruri); ileit>eU>e-n im Eiiuelnen verauig ich «1 wenig beizupflichten wie täXKt
Dmtting der Siigi^ von Si^lriiJ uml llrunbUd (s. iinl(*ii g 28), Selh^ttrdt-ntl wird ni etil-
gehcml^r Kritik dk> ld Au»>icbl ^t«Ilic wi&s(!nsch.ir(liche Bcgrflndtin^ ■In' in dietera Ao^
SaUe voructratto'^ti Ansichten abzuwarten sein.
Methoob der Forschung. — Geschichtmche Elemente. 619
oben § 4 Anm. 8 und unten § 28). müssen als verfehlt bctraclitet werden.
Auch deutet nichts darauf, dass wir unter den von Tacitus bezeugten Ijedeni
zum Preise des Anninius epische EinzelHcUer zu verstehen haben; vielmehr
führen noch Zei^issc aus spaterer Zeit zur Annahme choristhen Masscii-
gesangs («. § 9). Das eigentliche historische Bewusstsein der Germanen
datiert erst von der Vr>lkenivanderung; wie hei anderen indogermanischen
Völkern, s«i bilden auch bei ihnen die Thaten ihres Heldenzeitalters (etwa
400 — 000) die Grundlage ihrer cvklischcn Sage und Epik.
Die ältesten historischen Helden, die in die Sage eingetreten sind, be-
gegnen bei den Ostgotcn. Ostrogotha (um 250), der nach Jwrdanes (de
reb. gct c. 14) der dritte in der Genealogie der Amaler war und nach dem
Zeugnisse Cassiodors (Var. XI, i; \f'l. 2JC ^r. i) />a/irnfia mituir. ist dem
Widsid bekannt, spielt aber sonst in der Heldensage keine Rolle, Mehr als
ein Jahrhunden spater (575) gab der kriegerische König Ernianarich heim
Einfall der Hunnen sich selber den Tod, imd sein tragischer Selbstmord aus
Verzweiflung über den dixjhenden Zusammenbruch der ostgotisrhen Herr-
schaft wurde für sein Vulk der Anfang einer langen Periode nationaler Un-
selbständigkeit und unsteten Wanderlebens: schon bei Jordanes ist er ein
Held der Sage gewurden. Vor allem aber wurde der grosse Ostgotenkönig
Theodorich (475 — .526}, Theodemers Sohn, der Besieger Odoakers und
Eroberer Italiens, der beliebteste lldd der deutschen Sage. Oas von
ihm in Itaheu und den Donauländem gegründete Reich war dreissig Jahre
nach seinem Tode bereits zersl'>rt, ohne dass von diesem drei.ssigjJlhrigcn
Zeitraum heldcnnuiiigen Ringens die Sage einen deuÜScheu Nachklang ge-
rettet liätic. Sogar der zu epischer Verherrlichung in so hervorragender
Weise einladende Fall des letzten Ostgotenkünigs Teja m der Schlacht am
Vesuv (553) hat keinen Eingang melir in den gotischen epischen Cyklus
gefunden. Die mit den Goten nahe verwandten ostgennanlschen Burgunden,
ursprünglich zft-ischen Oder und Weichsel sesshaft, erhielten 413 unter ihrem
Könige Gundahari (Gundicarius) W'ohnsitze am linken Rheinufer in der
Germania prima, wurden aber schon 435 und 437 in zwei Schladiten von
Aötius und den Hunnen fast vernichtet. Der Rest ihres Volkes grttndeie
443 ein neues burgundtschcs Reich im alten SafKiudia (Savoyen) zwischen
Genf und Lyon, wo sie schnell romanisiert wurden und schon 53S den
Franken erlagen. Das Geschick dpr Ostgoit^n wie das der Burgunden ist mit
den Hunnen aufs engste verbunden. In der ersten Hälfte des fünften
Jahrhunderts herrschte Attila, erst mit seinem Bruder ßleda gemeinschaftlich,
seit 444/45 a"«". ^her ein weites Reich: Ostgotcn. Gepidcn, Heniler kam]ifen
unter seinem Banner, sein Hof ist gotisch eingerichtet, sein Name i^i ganz
'►der zum Teil gotisch, in seiner Umgebung befindet sich Theodemer,
Theodorichs Vater. Mit der grossen Völkerschlacht in der catalaunischen
Ebene {451) wendet sich Attilas Glück. Dieser Sieg der mit den ROmera
verbündeten Westgoten über die Hunnen und ihre ostgotischen Bundes-
genossen muss den Stoff eines westgotischen Liedercyk!a*i gebildet haben.
Durch fränkische Vermittlung scheint die Sage Ober England nach dem
skandinavischen Norden gelaugt zu sein, wo sie nach Hetnzels glücklichem
Nachweise, mit heimischen Überlieferungen verbunden, in der Hervararsaga
fortklingt Die Schlacht ist dort auf die Ihiithei/tr verlegt '. Zwei Jahre
spater (4,S3) flog die Kunde von Attilas ploty-lichem Tode in der Brautnacht
durch die deutschen Uinde. Unter den Kämpfen seiner Söhne mit den
HUupdingen der unterworfenen Germanen stamme stürzte das mächtige Hunnen*
reich zusammen; in einer mörderischen Schlacht in Panncmicn wurde durch
den Fall von Attilas LieblingSÄohne Ellak und die Flurhi der andern Söhne
das Loos der Barbaren bcäicgvll, die unterjochten Stammt: errangen ilire
Freüieit wieder, und auch ein letzter Versuch der Hunnen, in das Gebiet
der Ostgoten einzubrechen, wurde von Theodorichs Oheim Walamer erfolg-
reich vereitelt (454 '55). Dieses Ereignis ist ungefähr gleiclizcitig mit Thci-
dorichs Geburt.
Von den westgermanisciten Völkern haben namentlich die Franken an
der ersten Ausbildung der Heldensage einen entscheidenden Anteil gehabt.
Etwa um dieselbe Zeit, wo Theodorich das i>stgotische Reich in Italien
stiftet, gründet der Merowinger Chbjdowech (481 — 51 1) das fränkische
Reich. Sein unehelicher Sohn Theodorich erweitert die ürcnzen seines
Gebiet«5, Austrasiens. durch tlie Zerstörung des thüringischen Reiches (etwa
530), ciessen letzter KOnig Irminfrirl tiurch sJichsische Sagen ftberlieferung
seinen Weg in die süddeutsche N'ibelungcudichtuug gefunden haL Das
Andenken an diesen fränkischen Theodorich und an die Machtstellung seines
Ä-ihnes Thetidebert (554 — 547), dem auch die Alemannen und Bajuwarier
sich unterwerfen mussten. bewahrt die Sage von Hug- und Wulfdietiich.
Aber auch das ags. Kivis enthalt Erinnerungen an die Zeit der Meri:>winger:
in dem Gcatenkönige Hygeläc des Be« >wulfei>os erblickt man mit Recht jenen
danischen (gautischen) Ki'inig Chorhilaicus, der zv\isc-hen 512 und 520
plündernd in den Gau der salfräJikischeu Chattuaricr (ajis. Hchvare) einfiel,
aber vi>n Theodebert an der Spitze eines Heeres von Kranken luid Friesen
geschlagen und getutet wurde. Ein spiiti^rer Merowinger. Chilperich (,>6t
bis 5&4lr der neben seinem Stammlandc Ncustricn durch die Ermordung
Sigiberts Au.strasien an sich riss, scheint wenigstens dem Namen nach in dem
Hjäl^rekr, bei dem nach den ntirdischen Quellen Sigurd aufwachst, und in
dem Hcifefich, der in di-ii dcutsclieu Gedichten von Dietrich von Beni eine
Rolle spielt, fortzuleben. Von den ing\'aischen .Stflmmeu, die ursprünglich an
der mittleren oder am linken Ufer der unteren Elbe sassen, haben die
Langobarden spärliche Spuren im Epos hinterlas-sen. Im ö. Jahrb. in
fortwährwulen Kämpfen im flonaugebictc beschäftigt, besetzten sie jbS unter
Alboin (.tberitalien und dehnten ihre Macht weithin nach Süden aus. Lieder
über Alb<:»in, die auch l^ei Baiern und Sachsen gesungen «-urdtn, bezeugt
l'aulvw Diaconus (I, 27), und lango bardische Elemente haben sich unstreitig
in der Sage von Krmig Rother erhalten, wenn dieser auch mit dem als
Gesetzgeber bekannten langnbardischen Könige Rothari (Ö36— (350) kaum
mehr als den Namen gemein hat. Wahrscheinlich aber ist schon in der
langobardischen Üheriiefcrung auf ihn <iie Geschichte von der Brautwerbung
seines Vorgangers Autliari |t 590) um die bairi^che Prinzessin Theudelind
übertragen, wovon Paulus Diaainus (III^ 30: vgl. Grimm, Deutschr Sagen Nr.
402) einen zweifellos aus einem schönen Liede geschnpften sagenhaft gfr
färbten Bericht erhalten hat. Mit dem Ende des 0. Jahdmnderts ist dai<
Heldenalter der Germanen abgeschlossen.
Dies sind Im wesentlichen die geschichtlichen Begebenheiten, von denen
die Ausbildung der Heldensage ihren Ausgangspunkt genommen hat. .alsbald
wird Attila der p*jctisc]ic \^ertreter alles hunnischen Wesens: er wird in der
historischen Sage der Vcniichter der Burgunden mul sein Tod ein Racheakt
für diese Frevelthat. Deutlich tritt so das ethische Element dem gesi'hichi-
lichen unmittelbar an die Seite. Der Gote Tlieodoricli wird mit seinem
Vater Theodemer verwechselt und mit Attila in Vcrbimiung gebracht Von
den Schicksalen des grossen Goteukflnigs wahh sich die Sage vomclmiHch
:»cine liarte Jugendzeit aus. wahrend welcher er mit seinem Volke ein un-
Geschichtuchs Elemente. Mythische Elemente.
021
stetes Wanderleben führen mussie, sowie den raühsanien Winlerfcldn^ und
die fünf wechscIvoUen KriegsjaJire bis zur Eroberung Italiens. Die Gegner-
schaft zwischen Ihm und CJdoaker wird zunächst von der Sage festgelialtcn.
aber die Rollen der Gegner werden vertauscht; Itaücn wird als das Vater-
land der Guten und Thef»d»»richa Eroberung desselben als Rückkehr in sein
Erbe aufj-efasst. Wenn so der slegieiche Usurpator zum Klüiliilint; wird,
so apicll wieder ein ethisches Motiv in die Sagenbüdung hinein. Jede feste
Chronolt>gie ist aufgehoben. Und v«ir Allem ist ganz vergessen, dass die
Bewegting gegen Rom gerichtet war; selbst ACtius, der eigentliche Gegner
der ßurgunden, ist vergessen. Ein anscliautiches Bild der aller Chronologie
sp«jtlcnden Gtstalt. in welcher die Ereignisse und die Helden der Völker-
wanderung etwa zu Anfang des ". Jahriiunderts im epischen Gesänge lebten,
gibt der ag>. Widsid, der von Hof zu Hof wandernde Spicimann, der bei
Eormanric (Erraanarich) dem ürcäcynin^ gcwL-scn ist, rcicJic Geschenke von
dem Burgundenki^nige Güähere empfangen hat und die Freigebigkeil des
jEl/witte, des I..angübardcn Alboin, preist, mit dein er in Italien war.
' Hi-ir/.el, CIt die Hervaranaga. Wien 1887 (aus ilen Witn« SB CXJV),
riiinieiitl. S. 51 n*.; &. auch R. Mucb, '/SAA, 33, 4 ff.
§ 8- Allein, die .Sage, die sich an den gotischen Theodorich anleitete»
die Sage Dietriclw von Bern, sclieint in ihrem Kerne rein historisch geblieben
zu sein; die Einfülirung des vor allem in den unteren Volk-ssclüchtcn be-
liebten Helden in myUiischc Sagentypen und die Anlehnung lokal beschrankter
Riesen-, Drachen- und Zwcrgcukümpfe an seine Person sind nur äusscrliche
Zuthaten. Dagegen sind die Überlieferungen von der Vernichtung der Bur-
gundcn durch die Hunnen und von Attilas Tod mit dem Mythus von dem
Weisung Sigfritl zum grussen Komplex der Xibelungensage verschmolzen;
die historische Niederlagi: des Geatenkflnigs Hygeläc verband sich mit dem
alten ingviionischen Heroenmythus von Beowa, der den Meerriesen Grendel
bciwbigt und im Kampfe mit einem Drachen den Tod gicbt und empfangt;
aus der Verbindung der ge.schichUichen austrasischen Dietrichssage mit my-
thischen Zügen ciitsland die Sage von Hug- und Wolfdielrich, womit in
späterer Zeit ein alter vandilischcr Dioskurenmythus zus;immc>nf1oss; auch
die in ihrem Ursprünge rein historische Sage von Ermanarich ist bei
den Atemannen mit <Iem Mythus von den Harlungen verknÜpfL In allen
diesen Fällen erwachst der Sagen forsch ung die Aufgabe, die In der Über-
lieferung seit uralter Zeit vcrbtuidenen liistoiischcn und mytJiischcu Bestand-
teile behutsam zu sondern und den Faktoren nachzuspüren, die eine Ver-
schmeUung ermöglichten. Die ausgeschiedenen Mythen überliefert sie der
Mythologie als Material. Sie selber aber verfolgt vor allem die gescJuclitliche
Entwicklung der Sagen in allen ihren Phasen und richtet dabei ihre besondere
Aufmcrkhamkeit auf die späteren Umge:>t;tltungeli, die rein mythische oder
heroische Sagen durch <lcn Einfluss verschiedener historischer Ereignisse und
Zustande und veränderter Sitte erfahren haben. Auf diesem Wege ergiebt
sich, dass die aus einem gemeinsamen Gruudmythus entwickelten Sagen von
Walthari und von Hilde nur ausserlich an die Geschichte geknüpft simi:
jene wurde früh auf einen, möglicherweise histurisclicn, seiner Heimut nach
nicht ganz sicheren Helden übertragen und trägt in ihrer epischen Gestaltung
unverkennbar das Gepräge der Volkerwanderungszeit; diese, bei den Nord-
seeanwohnem episch ausgebildet, ist in jüngerer Zeit ein poetisches Abbild
der Dünen- und Normannenzüge geworden, in welchen gcwisscrmassen die
Nurdgemianen ihre verspätete Völkerwanderung anliaten. Gaiu verschont
geblieben von historischen Einwirkungen sind die Sagen von Wieland xind
von Orciidcl.
§ 9. Als im fünften und sechsten Jahrhundert, dem gennanisclien Helden-
zdtaltcr, mit der Ausbildung des historischen Gesanges und der Heldensage
die epische Poesie die h\innis<Iic abUlste oder ihr zur Seite trat, rouss die-
selbe wesentlich in den Kreisen der Könige und Helden gepflegt wurden
sein, denen sie galt. Bekannte und vielfach angeführte Zeugnisse la.ven
darüber keinen Zweifel bestehen. Der oströmische Gesandte am hunnisdieu
Hofe PrUcu» berichtet von Gesängen auf Attitas Siege und Kriegstugenden
beim Mahle (Mist. Goth. ed. Bonn. 205, ti). Die Stelle weist mit Bestimmt-
heit auf Rezitation historischer Lieder durch zwei bcnifamässigc Sanger, und,
da wir diese unzwL^ifethaft als gotische zu betrachten halben werden, giebt sie
ein vollgültiges Zeugnis ab für die Pflege des epischen Gesanges bei den
Ostgoien um die Mitte des 5. Jahrhs. Jordancs c. 5 bezetigt in Überein-
stimmung damit, dass an den Höfen der gotischen Könige die mächtigen
Thaten ihrer Ahnen zur Zither besungen wurden. Wcini derseJhc Schrift-
steller von Liedern zu Eliren des bei ChSlons gefallenen westgoiischen KOnigs
Theodorich berichtet (c. 41), und wenn in QhnLidier Weise die Leiche
Attilas geehrt wurde (c 49), so wird freilich an chorischen Totcngesixng zu
denken sein. Für Wes^oten und Bui^nden sichert ApoUinaris Sidonius den
Heldengesang beim Gelage (Epist. I, 2. Cann. XII, 6); von den Vandaleu
besitzen wir die sch6ne Erzählung des Procop (d. hello Vand. II, h) von
dem durch da> Heer des Belisarius in der uumidischen Bergfeste Papf)ua
eingeschlossenen Könige Geiimer (533), der sich vom Gegner ein Brnd er-
bittet um seinen Hunger zu stillen, einen Schwamm um seine von Tliränen
geröteten Augen zu waschen, und eine Laute um auf ihr (Jigd; xi&dQav)
ein selbstßediclitetes Lied von seiner Not zu begleiten. Wichtig ist die Mit-
teilung Cassiodors (Var. II, 40 f,), dass Chlodowech, der Gründer des frän-
kischen Reiches, sich von dem Ostgoteu Theodorich einen »kimstgeübtcn
Harfenspieler« [cUharoedum arte sua e/sctum), also einen Rhaiisoden, erbeten
habe, um beim Mahle ore manitusque contena voce cantanJo zur Unterhaltiuig
des Königs beizutragen. Mag auch Ko(?gels Folgcnmg aus die,sem Berichte
{Gtsrh. <i. d. LiU. I, r, i^qff. 135), die Sendung dieses Sangeis bedeute den
Anfang der epi.schcn Dichtung bei den Westgermanen, übers Ziel hinaua-
schiessen, zumal nicht teststeht dass der citharoeda ein Gote war, jedesfalls
bezeugt er auch für die Franken um die Scheide des 5. und 6. Jalirhuuderts
den Brauch, Heldenlieder mit Harfen begl ei tung beim Trunk vortragen zu
lassen. Für das Ende des 6. Jahrlis. weist Venaiillus Fortunatus auf ahn-
liche Verhältnisse an den fränkischen Hftfen (Carra, Praef. imd VII, 8,
61 ff.) '. An beiden Stellen bezeichnet der Bischof, der auch nach Baiem
und .\lemannien gekommen war, die germanischen Gesänge als lendos, und
dieses Wort (ags. Uody ahd. Uod Uod, an. Ijid pl., vgl. got- liupartis, //ufio»),
zunächst wohl ein Ausdruck für das Zauberlied fE, Schröder, ZfdA. 37. 258), mag
dann auch speziell für das epische Einzellied verwandt worden sein; deT epische
Sanger aber lüess, wenigstens bei den Westgermanen, scop^. Ein Bild ger-
manischen Heldenlebcns ist es, wenn im BeowulF 867 ff. ein Mann des
Königs Hr<Iidg*ir, im Zuge der Helden reitend, von dem Drachenkampf
Sigcmunds singt, den er in die ruhmvollen Thaten des Bcowulf cinfüchl; an.
einer späteren Stelle des Gedichtes (2105 ff.) wird von dem KOnig selber
berichtet, dass er das Amt des Sangers {Hrödgäres srop 10Ö6) in der Halle
Heoroi übernommen habe. Eine traditionelle rhapsodische Poesie, durch
-wandernde Sänger, wie sie ihren idealen Vertreter im WidsiÖ fanden, von
Stamm zu Stamm getragen, ist die älteste Überlieferung der Heldensage.
Die alenianuisthe Wallhersage ist im 8. Jahrh. in England bekannt; die
rhein frankische Nibelungensagc muss bereits früher sowohl zu den Sachsen
und vermutlich von ihnen aus weiter in den skandinavischen Norden, als
auch in den Saduslcn Deutschlands gcwaitdert sein; Lieder von Alboin
wurden auch hei Baicm und Sachsen gesungen (oben S. (>jo). Diese .llteste
jjenuanische Heldciidkhtung, wovt»n kdn Überbleibsel auf die Nachwelt ge-
kommen ist. trug aJso durchaus den Cliurakttr einer adligen Standespoesie.
Sie muss aber den Keim des Volkstümlichen in sich gehabt haben. Ihre
Pfleger, die wandernden Sdngcx, sanken allmählich mit der zunehmenden
Abneigung der Geistlichkeit gegen die heimische nationale Dichtung von ihrer
gesellschaftlichen Höhe Itcrab und wandten sich an die grosse Menge. Wie
frühe der epische Heldengesang auch in die Kreise des Volkes <lrang, lässt
sich allerdings nicht bestimmen. Duss dies jefIcKh in NiederdeuLschlaud
wenigstens nicht zu spat geschehen ist, darauf licutet die eigentümliche Ent-
wicklung der sachsischen Sage. Der Quediinburger Annalist freilich, der zu
Ende des lo. Jahrhs. von Tkiäeric de Beme, de i/tio catUabant rmiiei olim,
spricht (Mon. Germ. SS. III, 31), braucht damit nicht auf langst vergangene
Zeiten, sondern nur auf seine eigene fugendzeti zu weisen ^.
Unsere iüteste Urkunde der deutschen Epik, welche uelleicht noch zu
Ende des g. Jaltrhs. der Erzbischof Eulco von Keims k^innte (Mon. Germ.
SS. III, 365; lids. Nr. 17), ist verloren. Wenn Einhard (Viu CaroL c 29)
von Karl dem Grossen mitteilt: barbara ft antiquissima eat-mina, qui&us netentm
rtgur» acltis et betla canehantur, striftsil tnenwrioeifrir mandavil. s«,) kajm nacli
dem Zusammenhange — es ist unmittelbar vorher die Rede von der Auf-
zeichnung von Vülksgeaetzeu — nur an eine Niederschrift aller epischer
Lieder gedacht werden. Ob man sich darunter mit MüUenhoff (ZfdA. 6^
435) ausschliesslich historische Lieder von den Merowingeni wird vorstellen
dürfen, ist mindestens zweifelhaft: mag auch der Poeta Saxo V. 117 (Mon.
Genn. SS. I. iöSf.) bei seiner Notiz von den vuigaria cannina, die Karls
Ahnen feierten, von Einhard abhängig sein, so kann doch seine Interpreta-
tion desselben lediglich auf Misverständnis beruhen. Der allgemeine Aus-
druck vtierum regum acitts et hello weist eher auf Überreste der allgemein
germanischen Heldenpoesie (Braune, PBB. 21, 5 Anm.). Aber gewiss werden,
die von Kart dein Grossen gesaintnelten Heldenlieder nicht mehr die alten
heidni-schen Gesänge der Vrtlkerwanderuiigszeit gewesen sein, sondern ihre
vcrchristlichten Umdichtungen, la denen die anstösstgsten heidnischen Remi-
niscenzen getilgt waren, um sie den veränderten Anschauungen wenigstens
einigermassen anzupassen. Wenn Theganus, der Biograph Ludwigs des
Frommen, von diesem mitteilt, dass er die poeiica carmina gentHia, die er in
der Jugend gelernt, später verachtet habe (Mon. Germ. SS. II, 594; Hds.
Nr. 12}, so kann diese Stelle für das Vurhaudcnsciu heidnischer »Volksge-
säi^a in den Krei.sen der karolingischen Karsten und Edlen nichts beweisen,
da, wie G. Kurtli und W. Braune Überzeugend uachgewie^eu haben, sicli unter
den geniilia carmina dem Sprachgebrauch und dem Zusammenhang nach nur
die lateinischen Dichtungen der Alien, etwa Vergils, Ovids, Lucans u. A-,
veniteheu la.ssen*. Dass aber auch unter der christliche« Tünche die Helden-
dichtung der Geistlichkeit ein Dom im Auge war, dürfen wir g^ost anneh-
men. Und wie erfolgreich der Kampf des Christentums gegen die epische
Dichtung in manchen Gegenden geführt wurde, erhellt aus der auffallenden
Thatsache, dass Otfrid, dem es doch so nahe gelegen hätte, lebendiger Volks-
epik bei den Franken ratt keinem Worte gedenkt. Sein Hinweis auf den
624 XrV. Heldensauk. Grundlage u. Ai.t&ste Verbreituso.
lakomm ra/ttus ohseenus (ad Uutbert Z. h f.) mufis sich aof lyrische Dichtung
bezichen *.
Ais dnriges Überbleibsel der Epik jener Zcitrn im inneren Deutschland
kann das Fragment des Hildebrandsliedes, w-ie es um die Grenze des 8.
und 9. Jahrhs. zwei niederdeutsche Schreiber nach einer hochdf^utschen
Vorlage waJirsc Kein lieh in Fulda anfgezeichnet haben, nur eine unjrenügende
Vorstellung liefern %'on Fonn, Stil und Vortrag altdeutscher Hcldendichtung.
In der uns vorliegenden Gestalt ist es chriadich, abiT Inhalt und Darstellung
reichen in eine altere Zeit zurück. Es scheint unsere Phantasie hinzuweisen
auf epische Lieder von massigem Umfang, nicht gesungen, sondern rezita-
tiviäch vorgetragen mit Harfenakkorden auf den Hebungen, stabreimend,
ohne strophische Gliederung in fortlaufenden Lingzeilcn vorsch reitend, eine
einzelne Episode ans der Sage hervorhebend, indem der Zusammenhang der
Sage als dem Hörer bekannt vorauj^esctzl wird, mit ähnlichen Liedeni in
Ton und Stil sich herilhrend; die Darstellung balla den artig, dramatisch bewegt,
vorzugsweise dialogisch und nur auf den Höhepunkten der Handlung er-
zahlend. Von solcher Art mOgen die alten fränkischen oder sächsischen
Lieder von den Nibelungen gewesen sein, die In den Nurden drangen. Und
es scheint, dass *lii; meisten germaniscljcn Vfilker auf dieser Stufe der Epik
stehen geblieben sind. Bei den Skandinaviern wurde nicht einmal diese er-
reicht: vielmehr sdieinl sich im Norden als Zwischenglied zwischen der
ältesten hymnischen Poesie und den erzahlenden epischen Liedern eine aus
Prosa und poeiisrh gefassten Einzel- oder Wechselreden gemischte Form der
epischen Überlieferung entwickelt zu haben *. Ein Ansatz zu einem wirklichen
Epos zeigt sich in dieser Zeit unter allen Germanen nur bei den Angelsachsen,
aliein auch der Beowulf bezeugt mehr den Verfall de-s epischen EinzeJIiedes
als die Blüte der geschlossenen Epopöe. Erst im 12. Jahrhundert feiert in
Oberdeutschland die Volksepik auf Grund der in der Volkstraditiun schlum-
mernden Überlieferungen des gerraanisehen Hcldenzeitalters ihre Auferstehung,
und das Nibelungenlied ist kein unwürdiger Ersatz für das Epos der frftheren
Jahrhunderte, desscu Ausbildung den Germanen durch die Ungunst der Ver-
hältnisse versagt blieb.
1 MOIIenhoff, Zur Gnck. der AVÄ. NU S. 1 1 : A. Köhler, Germ. 15.
2; ff. — 8 Die Belege bei Kocgel, Ortmdr. t U. 1. 188. CV-^fA. d. d. Litt. I.
I, I40ff. — • Vgl. fids. 36f.; Lachm»nn, Ä7. Sehr. 1.4^0; Wackerniigcl.
G<jch. d. d. Litt. 1 ■, 96 Anm. 3; E. Schröder. ZfdA. 41, 3a. An der Anlhcn-
licidt dieser Angahr miiss ich gegen Koegel {Gesch. ä. d. Lift. I, 3, 319) fe«I-
halten [3. jetzt mich Jiric/ek, DI/S. I. 183. 239, snwie zur Reurleiluii); des
sBgcnt^eschicbtlicfaen Wi-itc» der Qucdlinburgcr Annalen überbnuiit unten § 18]. —
* Kurth, lfm. por'l. drt Herttvingiens S. jj f.; Br/iune, PBB. 2i, 5 ff. 251 f. —
^ HeiDJtel, Ober dtr S'ihelungfnsage S. 46. [Eine andere Auflas^UDg hat soeben
Roediger, DL2. 1897, Sp. 1817 aaeedcutet]. — " Müllenhorf, ZfdA. 33, 151 f.;
Koegel, Gtich. d. d. Litt. I, i, 97 fT.; s. auch Buggc, Hetgt'^gt^nt S. 317
mit Awn.
§ 10. Die Art der Obertieferung und Verbreitung der Heldensage wurde
entscheidend für ihre geschichtliche Etitwicklung. Wahrend einerseits die
Stellung des epischen Sängers zur Gesamtiieit seiner Stammesgenossen, füi
welche er auftrat und denen er verständlich sein musste, auf den Kern der
S^e nur erhaltend wirken konnte, darf andererseits die Bethatigung des rein
poedschen Gestaltungstriebes nicht zu gering angeschlagen werden. Griff d«
wandernde Silnger aus dem Zusammenhang der Tradition einen einzdncn
Teil zu seinem Vortrage heraus, sang er seinen Hörern aufs neue das schon
80 oft Vernommene, so konnte er, so wenig aiKh der Gedanke an persön-
lichen Ruhm in itim aufkommen mochte, auf neue Erfindung nicht ganz
I
Alteste Überlieferung. Typische Forüex der Aus- u. Umbildung. 625
verzichten: dieselbe Tlialsathe konnte verschieden motiviert, verschieden ein-
gcklcidei, verschieden umrahmt werden, ein glücklicher Einfall konnte einer
Lücke des Gedächtnisses entgegenkommen oder einem alten -Stoffe neue
Anzieliungskraft verleihen. Gemeingut war nur der Stoff; seine dichterische
Ausbildung war immer das Werk des Einzelnen, wenn es auch nicht sein
gdstigcs Eigentum blieb. Wir kfinnen nun in der poetischen Entwicklung
der 5>age t>esr)nders häufig folgende, hier nur kurz zusanunengestcllte (dazu
vgl. ihis. 390 — 4J5), Vorg-Inge hrobachten. Es wird ein Ereignis oder ein
Sagenzug in mehrere gespalten, wodurch Wiederholungen und Widersprüche
entstehen: so der Drachenkampf der Sigfridssage in der Überlieferung des
Sigfridstiedes, Dietrichs Zug gegen Ermanarich in deutsdicn Dictiicliscpen.
Dasselbe Gnmdmoiiv erfährt parallele Ausbildungen, die sich dann durdi
ihre Ähnlichkeit gegenseitig beeinflussen: so die Sage von den altereu Wel-
simgcn imd die Sage von dem Untergang der Burgundcn, die Sagen von
Wolfdtctrich und Dietrich von Bern. Eine Sage wird umgestaltet oder er-
weitert durch Umwälzungen in den eüüschen Anschauungen — man denke
an Kriemhilds Verhalten nach Sigfrids Tod, an den Kampf zwischen Vater
und Sohn in seinen verschiedenen Fassungen — ; durch neue Einwirkung
historischer Ereignisse itder neue LokaÜsicnrng, wofür die Hildesage ein lehr-
reiches Beispiel ist; riiirrh Einführung neuer Personen, wie das Eintreten
Dietrichs und Rüdigers in die Nibelungensage; durch Aufnahme \\>\\ Lt>ka]-
sagcn, wie der Laurin- und Eckensage in den DJelrichsa,'klus; durch Ver-
bindung mit kleineren Heldensagen, wie etwa im Norden die Sage von den
Weisungen die Helgensage in sich aufnahm. Zwei grosse Sagenkreise werden
endlich verschmolzen: so hat sich im Nor<len die Sage von Erraanarirh an
die Nibelungensage, in Deutschland an die Dietriclissage angeschlossen, so
sind in loserer Weise im Biterolf und in den Rosengarten Dietrichs- und
Sigfridssage verbunden. Im Nibelungenliede ist der Untergang der burgun-
dischen Künigc im Hunnenlandc eine Episode in Dietrichs Heldenleben
geworden, und die norwegische f'idrekssaga hat um die Figur des Bemers
sogar den gesamten sächsi-schen Sagetutchatz gruppiert, der de4» Gewährs-
m^nem des Sagaschreibers zuganglich war.
I
ÜBERSICHT ÜBER DIE QUELLEN -.
§ II. Von nicht geringer Bedeutung sind urkundlich überlieferte Per-
sonen- lind Ortsnamen für die Untersuchungen über Heimat, .\usbreitimg,
Bestand der Heldensagen oder für die Feststellung der Zeit ihres Bckannt-
seins in gewissen Gegenden. Um ihre Sammlung und Sichtung haben sich
namenüich Mone^ und Müllenhoff Verdienste erworben. Das aus den
altenglischen Namen für die Geschichte der germanischen Sage in England
sich ergebende Zeugnismaterial hat neuerdings G. Blnz' in trefflicher Weise
zusammengestellt und verarbeitet, dessen einleitende Bemerkungen (S. 142 f.)
auch die richtigen Gesichispimkte für die kritische Verwertimg dieser Quellen
angeben. Namen der Heldensage sind schnell beliebt geworden als Personen-
namen, und unter gewissen Ein-kbrankungen darf ihr Vorkommen in Urkunden,
Totenbüchem u. s. w. a]s Zeugnis für die Verbreitung einer Sage zu einer
bestimmten Zeit und in einer bestimmten Gegend gelten. Namentlich ist
" In der fci^endieii Übcnicht sintt die »nz«liicn Denkmäler >elbt>tvcTStSmllkli nur in
ihm Bedeutung uls Quellen für die HelHtnsnge betracfalct; idle rein lilterjulii^UiriKfaeB
Fragen, die ja an amlercn Stellen des >(initidruise«* ihre Behandlung rinden, sind aiisge-
Bcblosoea, aorem sie nicht den AVcrt des beuelTenden Denkmats ■!& ^tielle fiir die Helden-
ait£e tfMtiniinen.
CcmwniKhc ftitkvIoKJc. lU. '1. Ayf). 40
626
XIV. Heldensage. Üuersicht über die Quellen.
das der Fall, wenn ein sagenberilhmtcr Name in eiiicr Liutfortn auftritt, die
sich nur duah Etiüclmung aus diiL-r andcit-n Mundart ctklait, wie etwa die
Namentorm Kudrun in Ohenltrutüic-hLpiid (MUllenhoff, ZfdA. 12, 315 ff.), oder
wenn die eilten tünil »che Bedeulung des Namens den Gedanken an einen
andt:ren Ursprung als die Sage ausschüesst, wie 2. B. die Nameu Nibeluni^..
IVf/isttitc. Shit/tnizzilo [ZE Nr. 10, i. 2. 14*. ZfdA. 23, toi). Am sichersten
aber ist der Beweis zu erbriu)^en, wenn melircre aus der S^e bekannte Pur-
scmennamcn in dnem der .Sage cntsprerhendcn vej^-andischaftUclien VerliSlt-
nissc der Träger in derselben Urkunde erei-lieinen. Sc findet sich ein
Sigj/ridtis p/ha Si^miiudus (I. -dt) r. 750 im KUass, so treten Sigi/ridus und
Guiithtr neben einander auf in einer Urkunde aus der Wormscr Gegend a.
774 \7Ä*\k. J3, i'xj). In zwei Sanct Gallcr Urkunden vom jalirc 804 {ZE
Nr. 14 öj Icnrnnien Witiga {WUigniiuo) und Wielanl {Wilaiü\ zusammen als
Zeugen vor: waren sie, wie mau vermuten darf, Sohn und Vater, so böte die
Urkunde ein frühes Zeugnis für die Verbindung beider Helden auf deut-
schem Boden. Auch Ortsnamen haben als Quellen für die Heldensage,
nanieiiüi« h der Steligkcil M'fgen. wi.imit sie bis in si^ate Zeit an einer (Jrt-
lirhkeii hafirn, nirht geringen Wert. Wenn si< h in einer Urkunde des Jahres
931 Bcoivan harn und GremUla mere zu.saRimen finden, so düifen wir daraus
mit ziemhVher Sicherheil auf Lokalisierung des B^>wamythus in WÜtshire
schliesen iZE Ist. 8. Binz S. 150 f.). Ferner sei noih beispidsweise auf den
wichtigen Nachweis einer ÜrunkhUdis domus und ahnlicliL-r t!)risb«.-7.eithnungen
auf französischem Sprachgebiet hingedeutet*. Zus.'immenstetlungen von oher-
deutsi hen und rheinischen Orlsnamen, die an die Heldensage erinnern, haben
F. Grimme (Germ. 32, f>5ff.) und John Meier (PBB. 10, 81 ff.) gegeben. —
Dcmnäclist sind nicht nur für die Verbreitung der Heldendichtung (§ q), sondern
auvh für die Geschichte der Heldensage die bei den Historikeni und sunstigeu
Srhrifüftelleni des frOhere-n und spateren MiiielaJler» erhidtcneii Zeugnisse
sorgfältig aui^zubeuten : für dieses Quelleninaterial kann an dieser Stelle nur
auf die Sammlungen in W. Grimms Hds. und MtiUenboffs ZE liingewiesen
werden. Die Dissertation von O. Haark, Zeugnisse zur atlenf^mhen He/dtn^
S'tge [Ltngen 1892) berücksichtigt nur die spezifisch englischen Sagensioffe
£\^]. Binz, LiteraturbL 1843, Sp. 203 ff.).
1 Mone, Unterstuhungen tnr (JeschichU sUr leuttek^n Jfrldftuage, Qu«dl.
und Lpig. 1836; Zmgnisse ^tr leuischen Hehleniage ; .\rijr. f. Kiirwle il'.T tculscben
Vorteil 3. 141 ff. 508 ff. 6, t?I r. — • Müllcnhoff in der ZEmikK mumi paftsim.
— " G. Bin/, XntgHiiif tur germ. Sage in F.MglttNti: PBB. 20, 141 ff. (*i;I.
Kluge, Engl. Siud. «i. 446 f.). — * C. HofinAnn, ZfdA. 38, I4jf.; J. M«ier
a. A. O. S. 81 r.
§ 12. Es seien hier .s>tgleich die seltenen bildlichen Darstellungen
vun Stoffen der Heldensage angeschlossen, die aus alterer Zeit auf uns ge-
kommen sind. Die älteste und für die Sagengeschichlc widiügste befindet
sich auf dem sogenannten Ctcrmouler RunenkSstchen (Franks' Caskel)
im BritLsh Museum. Auf diesem Küstchen aus Wallrossbein isl auf der einen
(vorderen) Seile, umgeben von einer RunenJnMhnfl, die ags. Verse vom
Wallfisch enthält, rctrhts die Geburt Christi dargestellt. Hnks aber, wie zueräl
Bugge erkannt hat, eine Szene aus der Wictandsage, tleren Deutung für die
Entwicklungsgesd lichte dieser Sage nicht ohne Belang ist (s, unten § 62).
Der spraihliche Charakter der Inschrift, die u. a. Erhaltung des -« nach
langer Tonsilbe {fiüdu) und dt;^ Diphthongs eu igreni) aufweist, verbietet das
Denkmal liefer herabzutücken als in den Anfang des 8. J.thrhs. '. — !in skai
dinavisihen Norden hat die Sigfri(ts.<agc Anlass zu bildlichen DarsLellunf
geboten, die neben dem Volksgesang die dauernde ungemeine Beliebtheit
I
Peksosen- untj Oktsnamrn. Bildliche Darstellungen.
037
dieser Cberlieferun(;;en bezeugen. Aus Norwegen gehören hierher die Holz-
schnitzereien auf den Thüren der Kirche von Hyllestad im Satenidal von
der ersten Hitlfte des 13. Jahrhs., die in einer Reilie von Bildern Regin und
Sigurd bei der Schmiedearbeit, Sigurd>> Draditriikampf, das Braten und Kosten
des Drachenherzens, das Rnss Grani und die wciwiagenden Vögel, die Er-
schlagung Regins. endlich den mit den Zehen die Harfe rührenden Gunnar
im Schlangcnzwingcr vorführen; ähnliche Darstellungen finden sich auf einer
Thftr diT Kirrin? von Opda! (N'uinf?dal), auf einem Taufbecken der Kirche
von Nürum (Boluislau). auf zwei Stuhllehnen von Hovc (Teleinarkcn) u. s. w. '
In Schweden tiind Kinritxungen auf Steinen gefunden, die durch schLan-
genförmige Runeninschriften umringt, un*:weifelbaft Darbtellungen aus der
Sigurdssage enthalten ; es kommen namcnthch in Betracht der Gokstein und
der Ranisunci bergstein in Südennannland, aber auch in iuideren schwedischen
Landschaften, in Upland und Gestrike (der Ockdbostcin), sind solche Denk-
mäler entdeckt". Nicht gesichert scheint die Deutimg der Figuren auf
«incm Steine in der Alauer der Kirche von Fahrenstedt in Angeln auf die
Sigtutlssage •, ebensowenig Worsaacs Auslegung der Dantellungen auf den
Goldbrakteaten, die namentlich auf d^ni.->chi'm Buden in grosser Zahl ge-
funden worden sind * Unverwertbar für die Sagengeschichte ist auch die
mehrfach erinnerte Schnitzerei auf der »KirchenthQr* von Valjijf'ifsstadr auf
Island, die Dietrich vun Bern oder Wolfdietrich . der durch die Erlegung
eines Drachen einen Lf^wen befreit, darstellen soll. Die Deutung des Denk-
mals ist ebenso unsicher wie scme Datienmg". — In Deutschland sind
bildliche Darstellungen aus der Hddensage selten und wenig bedeutungsvoll.
Ein Freskencvkius im Schlosse Runkelstein bei Bozen aus dem Ende des 14.
Jahrhs. zeigt Dietrich von Bern, Sigfrid und Dietleib mit üiren sagenberühmten
Schwertern, drei Riesen und drei Riesciiweiber'. Jünger sind die Laurin-
bilder in den Ruinen des fichictsses Lichtenberg im Vinstgau (ZE Nr. 5a
Germ. 23, 29!,). Auf anderes hierher Gehöriges kann nicht eingegangco
•wenlen (\-gl. noch Hds. Nr. 172 b und S. 493. ZE Nr. 21, 4 — 7. 63, 3).
' AhbilitiiDKi^n in G. Stephens' Old Northern Rttnic Monurnfnli 1, 476 (in
(I<*r Einleiuing S. LXTX f. Bugge» Deulunt;), in Gr«in<\Valk«r'« lUhlwilu-k ärr
agi. Poicisr Bil. I, snwic tu Jiriczek.i kleiner Drulaher HrlJ^nutge^. I.itECratur
in Walkers Grnndrisi zur G*sch. der agi. Litt. % 373 — 377; vj;!. Bin/.. PBB.
20. 188 und nnlen § 62. — * Eidirc widitißc norw. und scbwi-d. Danicllungen
sind reprnduawt im Jahr^^Jic i9^o dn Aartvgtrr /or ncnf. O/M..- eine Reihe von
norw. Holnchniucreien (Portalen) *iu der Sii^urdsuge bt abgebildet im 3. Bande
ron P. B. du Cbaillu, 7'Ae Viking .-igr, London 1889; die KolzthUrco
von Hyllcsud und der Ramaundätein neuerdings auch bei Jiriczek a, a. O. —
* C. Save. S'gtirdS'Jiistttingarnf •! ^amsHndt-A'rgff orA Gi^ksSiftifn. Stockh.
l86g {deutsch von Frl. J. Mestorf. Hamb. 1870): K. Hj. Kempff. Bild- och
Kunstemm I (X'ketbo. Gcilc 1887 (s. das Refrrat v»n Möbius. ZfdPh, 20. JJlf.V:
BuEKc, Studifr I, 503 ff. — * Gcnii. 15, 122 f. 17, J 1 1 iT. — "'^ J. J- A. Wor-
saae, Op* FareUiUingrrne paa Guldbrailfat^rn* : A^ub. lor jhtO. Oldk. 1870, S.
388 ff. — ■ Sv. Grundtvig, Danm. gami^ Folknnfr XK , fi8t ff., wo sieb wei-
tere t.ineralur und eine Ahhildung des jelii im Kopenhagener Nfineum aun>v-
wahrten DenkiuaU linden. — 'Ziagcrie, FreskemytlHi dei Schlatsn Runtehlrtn
bei ßiiten, Innsbruck 1857; vgl. Genn. 2, 468. 33, 38 ff.
S 13. Die ältesten 2U.sammenhang enden litterariiichen Quellen fQr die
germanische Heldensage begegnen bei den Angelsachsen; sie liefern ein
beredtes Zeugnis für das frühe Wandern der Sage. Der Wldsid' scheint
seiner Grundlage nach in eine Zeit zu fallen, wo die spateren Bewolmer
Englands noch ihre alten Sitze auf der kimbrischen Halbinsel und dem süd-
lich aiigrenxendeu Teile dcä Festlandes öslUcIi von der Elbe inne hatten.
Die Verhältnisse in diesem ältesten Denkmal germanischer Epik reichen, so-
40*
638
XTV. Heldensage. Übersicht über die Quellen.
bald man es von den Inteqnolarionen befreit hat, alle ncich ins sechste Jahr-
hundert zurück; in ihin hat dur Weitgereiste die Überlieferungen des zu Ende
gehenden gemanischen Heldenalters gleichsam katalogmässig zusammen-
gefasst und um die Idealgestall des wandernden Sängers gruppiert. Der
Stoff des Beowulfepos> in der uns erhaltenen Gestalt berulit auf einer
Verschmelzung des Beowaniythus mit der historischen Sage von Befitt-ulf»
einem gautisdicn Helden, der sich bei dein Zu^e des Königs Hygcläc an
die Rheinmündung (§ 7) ausgczeiclinet haben muss. Es wurde die Sage
vermutlich von Angeln aus ihrer festländischen Heimat nach Britannien ge-
tragen, und ihre epische Gestallung muss in sehr aJtc Zeit zurückreichen,
da die ursprünglichen Teile des Epos, denen ältere Lieder zu Grunde liegen,
noch dem 7. Jahrh. anzugehören scheinen. Wie sich aus dem Bcowulf er-
giebt, waren damals oder doch wenig später auch die Sagen von Signnind
und Sinfj9tU (Fitela) und Higfrids auf seinen Vater übertragenem Drachen-
kampfe (Beow. 875 ff.), von Wieland dem kunstreichen Schmiede (Beow. 455),
von Ermanaricli und Heime (Heow. 1 197 ff.) den Angelsachsen geläufig.
Ausserdem sind nur s{>ärliclie Reste der ags. Epik erhalten. Das Fragment
vom Kampf um Finnsburg*, tlessen Zusammenhang erst klar vnrd durch
ein Lied, welches als Episode in den Beowulf eingelegt ist ( 1068 ff.), führt
in den Kreis der alten Nordseehcldcnsage, die auch in Oberdeutschland im
8. Jahrh. bekannt gewesen sein muss. Die Sage von dem Friesen könig Finn
imd seinem Schwager Hnief dem H«')cing hat ihren Schauplatz an der frie-
sischen Nord-seeküste und ist den Angelsachsen augenscheinlich durch die
Friesen vemiittelt worden, die vielleicht auch sonst öfter die Verbreiter
deutscher Sagen in England gewesen sind. F'Or eine kraftige Ausbildung der
epischen Poesie in Friesland zeugt der bekannte Bericht von dem blinden
SÄnger Bemlef, der (im g. Jahrh.) a tt'n'nts suis vaMe dUi^balur. eo quod esstl
affabilis t! atitü/uontm nclus regitm<jiie crriamina btne novcrat psalleado promert
(Alon. Germ. SS. H, 412; vgl. die etwas abweichende Fassung in den Dfutsthen
Soffen der Gebr. Grimm ' II, XI), wohl auch die Sprache der friesischen
Rechtsdenkmäler *. Weit mehr aber als die bisher genannten fJichtungen
sprechen die ags. Bmchstticke des Waldere^ wohl aus der Mitte des 8.
Jahrlis., für das schnelle Wandern der S^e. da in ihnen wesentlich die
alemannische Fassung der Sage von Walthari und Hildegund vorliegt, allein,
mit eigentümlichen Zügen, die auf eine längere Unabhängigkdt der
Überlieferung deuten {vgl. § 52 ff.). Dass die W^alderefragmentc keine originale
ags, Dichtung, sondern Fragmente einer ags. Bearbeitung eines ahd. Walther-
epos seien, hat Kucjijtl zu erweisen gesucht [Gesch. d. d. Litt. I, I, 235 ff.),
aber weder seine sprachlichen noch die von ihm und Binz S. 218 geltend
gemachten sachlichen Gründe scheinen stichhaltig: s. namentlich C. Kraus^
Zs. f. d. ttsterr. Gymn. i8t>6, 328 ff. und Cosijn, Versl. en Sied, der Kon.
Akad. van WeL Afd. Lett. lU, 12, 64 f f . Eigennamen beweisen die Verbrei-
tung der Walthers:ige in England schnn am F-nde des 7. Jahrhs. (Binz S. 210).
Dass noch andere Heldensagen in England bekannt waren, erhellt beson-
ders aus dem strophischen Gedichte D6ors Klage (des Sänger^' Tro«l)^J
Der Sanger D^or, dem das Lied in den Mund gelegt ist, klagt, dass der-
Kederkundige Heorrenda ihn aus seinem Sängeraint am Hofe der Heodeninge
veTrln'lngt habe; er trüsiet sich in seinem Leide mit der Erinnerung an den
von König Nidhad gefesselten Weland und die von Weland geschwängerte
Bca<inhi!d, und an den verbannten l^eodric. Ob der Dichter als Dietxit
Gegner schon Enrmenrir kannte, den die nächste Strophe allerdings als einen
grimmigen Gotenkönig mit wölfischem Sinne erwähnt, muss dalitngestelU
AcÄ Quellen. Hilde brandsued.
639
W
bleiben. Jcüesralls zci^ ur Kenntnis der Sagen von Hltdc, Widäiid, £nna>
nahch nnd Dietrich von Bern. Die Ähnlichkeit in den Situationen und
selbst im Ausdruck zwischen der Welandepisode in dem ags. Gedichte und
der eddischen VtStundarkvitia UUtsl für beide Darstellungen eine gemeinsame
Quelle möglich erscheinen, die dann wohl ein niederdeutsches Lied ge-
wesen wäre (vgl. § 62).
Ein]ieimi.sche Sagen der Angelsachsen sind uns im Beoniilf erhalten,
so die Sage von Hcremöd (901 ff. ijo^ff.). den der Beawulfdichter allerdings
zu einem Dünen macht, und die Jiage von dem Angehikönige Offa und seiner
Gemahlin l'rV'do, die namentlich in Mercien lange lebendig blieb (193,1 ff.).
Andere Stoffe, deren sich die ags. Epik schon in der festländischen Heimat
bemächtigte, sind vennutlich danischen Ursprungs, so die vertlungenen
Erzählungen, die sich einst an tlie lialb mythischen Gestalten von Sigehere,
dem Sigarr der nordischen Sage, der lengeit Sti-Denum ttro/rf' (W'ids. 28), und
Alewih (Wids. 35 ff.) knüpften, mid die Überlieferungen von den Kämpfen
ZH-ischai Heatfobardeii und Dänen (Bcow. 2020 ff. Wids. 45 ff.). Auch die
Kämpfe zwischen Schweden und Gauten, von denen das Beowulfepos zu
berichten weiss, werden frühzeitig in englisclicn Liedern besungen und mit
■den letzten germanischen Einwanderern nach Britannien übertragen worden
sein. Alle diese Stoffe fallen ausserhalb der Grenzen unserer Er&rtenmgen '.
Ten Brtnk, 6>jrA. drr rtigi. Litt, I, 15 ff. 29 — 40. 7& f. 185; AltfngUseh«
Litfralur in Pnuls CinintlniK* ^ II, 1, 510 ff- i.i«<rnmir iii Wölkers Grundriu
§ 206—337. — 1 fircin-Wolker. Bibi. d^r agi. Pnesie. I, 1—6; vgl. Müllea-
hoff. ZrWA. II, 375 ff.; Bojung«, PBB. t(i, 545 fr. — " UUtratur s. § 2^ f. —
8 Grtin-Wüllscr T, 14 — 17: vgl. MUlIciihtifr, ZfdA. 11, 281 1. 12, 2*85 ff. (=
ZE "ÜT. 9). Jie^vuif S. 105 f.; Maller, Alt^gl. loJist^oi, S. 46 ff. 151 ff.;
BuRn«, PBB. 12. loe.-. JelHnek. PBB. 15, 4a8flr.; Kücgcl, fiacA. d. d.
Litt. I, 1. 163 fr.; Binz r. a. 0. S. I79ff. — * MQllcnhorr. &ovui/' S. 104
— 108; Kocgcl. a^scfi. d. it. Litt. I. (, 141 f. 242 ff. (doch %, «uch Sieb»,
/ftlPh. 19. 405 ff. — * Grcin-Wülkcr I. 7 — 13; UUcmiur a. 8 52. — * Gtcio-
Wülln-r r. 278-180; vgl. fids. Nr. 8: Müllcnhoff. ZWA. ti. 272 ff. II. 261
Anm. — "^ ObtT sc ». Miilli-iihotT, Beovttl/ {]^-säm); MOHcr, Attengl. l'ottjtpos
S. 100 ff. 23 ff. 27 ff. 105 ff.; Kocgvl, Grich. d.d. Litt. \. l, 153 — 163. 167 —
169; BIdx ». a. O. S. 15817.; SiickEer, Über dit Sage von Offa und Prydc:
PBB. 4. 500 ff.
§ 14. Im iniiem Deutschland ist das Hildebrandslied, der einzige Rest
altdeutscher Heldendicäilung (§ q), zugleich, wenn auch nur durch .\ndeu-
tungen, ein wichtigt-^ Zeugnis für die Entwicklung der IMelrichsage im 8.
Jahrh. Die vom Dichter voraussesetzte Situation ergiebt. dass Hildcbrand,
der an der Grenze des bernischen Landes mit seinem Sohne zusammentrifft,
im Gefolge Dietrichs, von einem hunnischen Heere unterstützt, nach dreissig-
jahriiiem Exil in die Heiruat zurückkehrt. Und wenn es heisst, dass Dietrich
zu den Hunnen geflohen sei vor Oiacbres nid, so erhellt, dass ( )doakcr als
Dietrichs Gegner damals in Obcnleulsc bland nocli nicht durcli Ennanarich
vcrdrai^, somit die Verbindung von Dietrich- und Ermanarichsagc im 8.
Jahrh. nicht oder dodi nicht allgemein vollzf^en war. Mit dem Hunnen*
könige {Hüneo tmhiin\ bei dem die Vertriebenen Zuflucht gefunden haben,
kann nur Attila gemeint sein, wenn man nicht mit Kauffmann (/%/'/«/. SttuHm.
ßes(j;ah( für E. Siners, S. 1.54 f.) eine unbeweisbare Sagenrekonstruktion an
die Stelle vorsichtiger Kombination des erhaltenen Sagenmaterials setzt. Von
einem mis^lückten Eroberungsversuche IiaHens. wie in der Klage und jün-
geren Quellen, ist im Hilriebrandsliede nirgends die Rede. Auch auf ein
schon erfolgtes Eintreten Dietrichs in die Sage von den Nibelungen deutet
keine bestimmte Anspielung im Gedichte; der Kampf im Osten, der dem alten
Hildebrand das Leben gekostet haben soll (Va. 42 ff.), braucht nicht auf Teil-
630
XIV. Heldeksace. Übersicht Ober die Quellen.
nähme an den Nibelungcnkaropfen hinzuweisen. Es setzt somit unsere Quelle
als die älteste erreichbare Form der Dietri». hssage voraus: Flucht vor Odoaker;
dreiss)gjäh^^j;cs Exil üin )lull^>^^chcn Hofe, siegreiche Rockkehr in das Erbland.
Die Verbindung Hildchrands mit Dietrich, die sich bei den Angelsachaea
nicht nachweLsen lasst, ist im Hildebrandsliede bereits fest geworden. Dass
das Lied in seiner alten Fassung tragisch mit dem Tttde des jungen Helden
endete, kann nicht bezweifelt werden. Der Ton und die Anlage cics Liedes
drangen auf diesen Ausgang liiii; mit dem Falle des Sohnes enden auch die
persische Sage von Rustem und Sohrab, die irische von Cuchulain und Con-
laoch und die russische von lija aus Murom ^. Ein bestimmtes Zeugnis da-
für bietet eine Halbstrophc der Asmundar saga kappabana (FAS II, 485;
Detter. /fi<r/ Fomaldarsögur 99, 8 ff.), in welcher der sterbende Hildibrandr
Hünakappi unter den von ihm erschlagenen Helden, die auf seinem Schilde
aufgezahlt sind, auch den eignen Sohn nennt:
Liggr par enn sxfäse wnr ai hf/pe.
epter/ittge, €s eiga gatk,
oviljanät aliin svnjapai.
Es müssen die Verse aus einem verlorenen Hildebrandsliede, weldies mög-
licherweise direkt aus deuischer Quelle hervorgegangen ist, schon frühzeit^
in das Gedicht geraten sein, das in dieser interpolierten Form auch Saxos
lateinischer Paraphrase (ed. Müller 556 ff., Holder J44, 1,3 ff.) zu Grunde liegt*.
Div Liltcntlur dbiT i\a» Hililtrhrandslit-d (indrl sich am ülicnichtlichaton zusnm-
jnrriKrslcllt in Braiintr» Ahä. Ijeirhuch^ (1^97) S. I70ff. — ' UhUnd, Sehr.
I. 164 lif. VII, 546ff.; R. Kfthlcr, Weimar. Jahrb. 4, 4rjff.; r.anihc), Gmn.
10. 338 ff-; Ot. Miller, Hfrriga Arcbiv 53, 257 fr. [tJticr die weile Verbreilung
des Motivs s. Jiriczck. />//.*». 1, i"5 ff. und die dort jingefilhrlo Uucralur]. —
» Uhland. Srhr. VI, US ff.; Ricgcr, ricnn. 9. 313 ff.; MSD^ 11, 17; Bdci,
PBB. 22. 345 ff. Qiricrek. DHS. I, 284 ff. 329 f.].
§ 15. Die Entwicklung des Heldensanges und des Epos wurde unter-
brochen durch das Cliristcnlutii. Ist schon der Beowulf 'CÜi halbfertiges,
gleichsam mitten in der Entwicklung prstirrtes Epos« (Ten Brink), so haben
Friesen. Franken. TliUringer, Hessen, Alemannen und Baiem ihm nichts
Ähnliches an die Seite zu stellen. Auch die Sachsen nicht, tmtz ihrer müh-
samen Bekehrung zum Christentum: der Heliand und die allsfkchsisclien
Gencsisfriigincutu zeigen lUe Epik in ihren letzten vcrgcblidien Versuchen,
sich der neuen Lehre anzu])ashen. Der Heldengesang verstummt im neunten
und zehnten Jahrhundert, die Heldensage weicht in die Kreise des V'olkes
zurück und findet durl ihre Pflege. Die Fahrenden treten die Erbschaft der
Berufssangor aus den höheren Kreisen an, und mit ihnen ändert sich die
Geschmacksrichtung wesentlich (vgl. § 17).
In Süd- und Mitteldeutschland reicht dem Christentum die Renaissance
des Mittelalter« die Hand, die in der Zeit der Ott-inen aus einem Kompruraiss
zwischen der Spieiuiamispocsic und der antiken Bildung hervorwacbsoide
sogenannte lateinische Hnfiniesie. Der Pflege der heimisi.:hon Stoffe sieht
diese nicht wie das Chrislenium feindlich, sondern nur umbildt-nd gegenüber.
Dieser mittelaltL-rlicIicn Renaissance verdanken wir eine der wichtigsten Quellen
für die HeMensage. den Wahharius Ekkehard I. in welchem um q^o iu
der Klusterschule von Sanct Gallen, in lateinischen Hexametern nach dem
Muster Vergils, das germanische Heldenlied noch einmal auflebt Wenn
auch nicht genide ein alid. Waltiierepus, so liegen doch jedesfall-s ahd. Lieder
dem G«3ichte zu Grunde, wofür namentlich die zahlreichen Parallelen im
Ausdnick wvx dem späteren mhd. Volksepos sprechen, üb diese Lieder
mxJi stabreiinend waren, bleibt zweifelhaft*. Spunm deutscher Helden-
HiLDEBRAimsuED. Waltharios. Ruodli£B. Lat. Nibelüsgek. 63t
I
■
dichlun}; in latdntschem Gewände zeigt auch der Ruortlicb, den ein unbe-
kannter Tegcmaeer Möncli etwa dn Jahrhundert nai.h dem Waltharius ver-
faaste. Der letzte Abschnitt [lics<*8 Roinaiis i^Ruodlicbs zweiter Auszug:
Fragil). XVII. 85--XVni. 52) scheint allerdings nach Laistners Nachweis
das Überbleil«el einer Älteren Dichtung zu sein, welche leicht Oberarbeitet
dem Werke nachträglich einverleibt wurde. Aber eine bestindere Heldensage
von Ruodlicb anzunehmen, wie es Laistncr Üiui. ist kaum ausreichender
Gnind vr^rhanden; vielmehr sind Züge der HeJdensage auf eine Figur der
Spielmannsdichtung übertragen. Ein Zwerg, den er bezuingt (Alberich?),
weist den Ru'idlieb au/ den Hort zweier Künigc, des Irnmuug und seines
Sohnes Härtung; durch ihre Bezwingung soll er den Schatz und die reiche
Erbin Hcriburg. Immungs Tochter, erwerben. Dass ihm dies gelingt, dürfen
wir wohl aus dem Eckenliede Str. 82 f. schliessen, und auch das Spielmanns-
gedicht, das dem Berichte der t'idrekssaga c. ()H zu Grunde liegt, hat Kunde
von Ruodlicb {Ro:eUiJ, RutsiUtf) gehabt. Ruodliebs Sohn war Herb'irt. der
mit dem Schwerte Eckesahs. das einst dem Vater von einem Zwerge gebracht
war, den Riesen Hugebuld erschlug. In diesen Bruchstücken alter Sagen
sind nur spielmannsmassige Umgestaltungen alterer Sagen zu erkennen, nicht
Reste einer besonderen Ruodlicbsage \
Viel erörtert ist die Krage, ob es bereiu im 10. Jahrh. eine lateinische
Niederschrift der Ni belungensage gq;eben habe. Nach der Klage
4295 ff. (Bartsch) soll der Bischof Hlgrim von Passau (971 — 991) den wesent-
lichen Inluilt des Nibelungenliedes — oder nur des zweiten Teils desselben,
I der eigentlichen Nibclungc not * — durch seinen Schreiher Meister Koiu^d
^K in lateinischer Sprache haben aufzeichnen lassen. Die Narhrirht hat gew-iss
^1 an sich keine Gewahr der Glaubwürdigkeit, erhalt aber durch die Aufnahme
^B Pilgrims in dus Nibelungenlied und namentlidi durch die Erwägung der
^B geographischen VerliAltnissc im Liede eine wesentliche Stütre. Die östliche
^^ Grenze der Passauer Diözese bei Mülären, wo Pilgrim sich von Kriemhild
^H verabschiedet (Nib. izögf.), ist gcscliichtlich gerade in den scclizigcr und
^H siebziger Jahren des 10. Jahrhs. nachweisbar, und zwar nur damals. Ihre
^1 Erwähnung im Nibelungenliede deutet also auf eine Redaktion des 10. Jahr*
^P hunderLs wie der Schluss der Klage sie bezeugt*. Die Frage, ob man sich
^1 eine prosaische Niederschrift 'jder ein Gedicht nach Art des Waltharius
^^ darunter vorzustellen habe, bleibt nalQrlich offen.
^B ' J, Urimm. Lat. O^khu dn X. und Xf. Jahrhs. (Gölt. l8j8) S. ggf-:
^H Ublind, Sehr. I. 430 f.; Kocgd, OVirA. d. d. Uu. l, 2, 330 (T. — 8 Aus«.
^H drs Ruodlicb von Seiler. Halle 1881, tTl>enwUuiiii: vcin Heyne, \.\a.%. l897i
^^f autführLichr- Bchandlunji Jrs Werkes bei Kiieyel, Gt.\<:h. d. d. Litt. I, a, J42 —
^^^^ 412; vgl. Laistncr, AfilA. Q. 70 fr. Zr(l.\. 29, 1 ff, 443 AT. (über die •Rm^dlieb-
^^^^^ ugvi t. mich Seiler, ZfilA. 27, 338]. — >> Z.-irncke, Liritr. utr ErkL und
^^^y Ceitk. da .\ih. (185;), S. 168 (T.; Lämmerhirt, ZfdA. 4t, 8 ff.
^ ^ 16. Die alten deutschen Hcklenlieder, deren Verlu-st durdi die Ungunst
^B der Zeiten wir zu lieklagcn haben, sind frQh auf ihrer Wanderung in den skan-
dinavischen Nurden gelangt Die erste Einwanderung der Nibelungen-
sage und Ermanarichsage hat nach MüUenhoff vor dem Ende des 6. Jahrhs.
stattgefunden, und unbestreitbar ist wenigsiL-ns so viel, dass die ältere Sdiicht
der eddischen Heldenlieder die BlQte der deutschen Heldensage voraussetzt,
' Letzierea tut mir wahruillciaiicbTr. Denn die Worte: von d<r airtrstm itundr, viet
tich kupb und oucft brgan, und ^twes md^ gra^n, umbc dfr guolrn tnrkU n<M, und tpte
n' altf gfUlgt^i mt: dnt hin rr alle: srArltvn, ern lies ita niftt li^nfjrn trirnern deutlich
an die Trührre Stelle 3464 (T.. wu iiur vun ik-m Uaierf^nag der Kurgunden im Hunncti-
kitd« die Rede »ein kann.
welche nach 600 zu Ende ist. Mogk bat Zeil und Anlass dieser erstea.
Wanderung naher zu bcstiinnien gesucht^. Seiner Meinung nach hättea'^
Heruler baki nach 512 die von den Ostgoten vemomraenen Sagen von den
Nibelungen und von Ennanarich nacli Gautland_ gebracht, von wo sie sich
nach Nurwegen verbreiteten. Diese Auffassung setzt voraus, das3 die bei den
Franken vollzogene Verbindung der mythischen Sigfridssage mit der histori-
schen Sage vom Untergang der Burguiiden fllter ist als die Anknüpfung der
Sage von Attilas Tod an die Burgundensage; sie setzt ferner voraus, daa
das poetische Bild des grausamen, gewaltthaiigen und habsüchtigen Atli, wie
es die nordische Sage im Gegensatz zur oberdeutschen kennt, sich in ost-
gotkcher Sagcnpflege entwickelt hat. Beide Annahmen, namentlich abec
letztere, sind bedenklich (s. uiucu § .^1), und Mogks Hypothese muss daherJ
abgelehnt werden. F-s Llssi sieht Oberhaupt nifht mit Sicherheit behaupten,
dass diese Sagen, wenn auch die ältesten nordischen Quellen wesentlich die
Gestalt voraussetzen, welche die Nibelungen- und Ermanarichsage im h. Jahih.
in Deutschland angen"mmen hatten, bereits in so frtlher Zeit in den Norden
vorgedrungen sind. Erst zu Anfang des 9. Jalirhs, sind sie dort thatsaclüich
nachweisbar, wie sich aus den Kenningar der ältesten Skalden, vor allemi
Bragis des Allen, ergiebt (s. F. Jönsson, Ark. f. nord. Fil. q, 10; Verf., ZfdPh.'
24, 3). Beachtet man nun die merkwürdigen Übereinstimmungeai zwwchen
der ältesten nordischen und der sachsischen Form der Nibelungensage, wie
sie die l'idrckssaga kennt, so darf die M^>gUchkeit nicht für ausgeschlossen
gehen, dass die rlieinfrankische Nibelungensage und die gotische, von den
Alemannen gepflegte. Eimanariclisagc im ü. Jahrb. zuniiclist nur zu den
Sachsr-n und von diesen aus erst im Laufe des 8. Jahrhs. in den Nordea
gelangt seien, Entscheidbar ist diese Frage nicht. Wie man aber auch Über
die Zeit der ältesten Wanderung urteilen mag, als atisserster Endpunkt nius»
unbedingt der Scliluss des 8. fahrha, angenommen werden, denn die eigen-
artige naiiiinale Umbildung der Sage dun h die Nordleute und namentlich die
Durciisi^tzuiig der Nibelungeusage mit Anschauungen des ncrdischcn Göttct-
glaubeiis muss in einer Periode des nordischen Lebens erfolgt sein, welche
zu Anfang des 9. Jahrhs. im wesentlichen als abgeschlossen gelten darff
Neue Einwrkungen deutscher Sage verraten einzelne von den jüngeren
Eddaliedern. Manche Inkongruenzen der Sagenfassiing in den Einzelheiten
der L'ddischen Cberlicferung machen es wahrsclieinlicli. dass eine neue Ein-
wanderung der inzwischen umgestalteten deutschen Sage im 9. oder 10.
Jalirli. stattgefunden hat. Mit der /Zunahme des Handelsverkehrs zwischen
DeuLsdilantl und dem Norden (vgl. K. Maurer, ZfdPh. 2, 440 ff., bes. 454 ff.)
wurde ein neuer Austausch vot» Sage und Dichtung angebahnt, und die
Herübernahme des in NiederdeuLsc bland umlaufenden Sagenstoffcs von Mit-
gliedern der Hansa im 13. Jahrh. (s. § lÖ) ist eigentlich nur der letzte Ab-
schluss dieser Bewegung. Das Näliere tlbcr diese jüngere SagensclUcht in
den eddi.schen NibetungenHedem. auf welche zuerst Edzardi* aufmerksam
gemacht hat, wird <lie Behatidlung der NilHilungensage (§ 30) bringen.
Dass die Sage üherbaupi aus Deutschland nach Skandinancn eingeführt
worden Lst, darf, obgleich in fitlherer Zeit nordische Gelehrte die Thalsache
geleugnet haben, als ena'Jesen betrachtet werden: nicht nur aus dcra Lokale
der Sage (///A. S. 4 ff. ZfdA. 23. Ib3ff-I und den zum Teil unnordischen
Namcnformen gellt dies hervor, sfmdeni die Sage wird aucli in der Vrflundar-
k\'ifKi 15 und siinst ausdrücklich als eine unnordisrhe anerkannt Auch
Gollher und Bugge, die ganz andere Wege für die Wanderung der Sage
annehmen, sind doch von dem westgermanischen Ursprung derselben flbet*
ElKWANDERUNG DEUTSCHER SaGE I» DEK NoRDEN. EdDALIEOER. Ö33
zeugt*. Trotz vieler eigentümlichen Weiterbildungen und Umgestaltungen
ist im Norden die Nibclunguusagt: in ihrer ältesten erreichbaren Form er-
hallen, die Sage von den alteren WctLsungcn im wesendichen allein, ebenso
die Sagen von VVieland und von Hilde in ihrer verhältnismässig ursprüng-
lichsten Faiuung und die Ernianarichsage in einer der gotischen noch sehr
nahe stehenden Gestalt.
Uiucrc älteste und wichtigste altn. Quelle für die Heldensage sind die
Heldenlieder der Edda, unter denen die ältesten gegen F-nde des 9.
Jahrhs. in Norwegen, die jüngsten um die Mille des ii. Jahrhs. auf Island
und Grönland gedichtet sein mAgen. Einzig die Griplssp^J scheint einer noch
jüngeren Zeit anzugehören. Wahrend die V ol ii nd a r k v i J>a , nach wahr-
scheinlicher Annahme das älteste der nordischen Heldenlieder, die Sage von
Wieland überliefert, fallen alle anderen Lieder in den Kreis der Nibelungen-
sage, in welche die Sage von HelRi Huudingsbani, die ihrerseits wieder eng
mit der Sage von Helgi Hj9rvardÄSon verbundi^n erscheint, inteqiolieri und
an welche die Sage von J^nuunrckr (Ermanarich) ausserlich angeknüpft ist
Diejenigen Lieder, welche den Abschnitt der Si^e vtm Sigurds Geburt bis
zu Br\'nhnds Tude behandeUi, scheinen, mit zusammenhängender mid chro-
noI<jgisch fortschreitender Prosa untermischt, nach der Absicht des Sammlers
eine Art Si^'urparxai;a m bilden, die vermutlich schon vor unserer Lieder-
sammlung existierte und ihr vom SamnUer als Ganzes einverleibt wurde*.
In unserer einzigen Handschrift (Cod. Reg. no. 2365, 4* lu Kopenhagen)
fallt gerade in diese der Forschung die grö«sten Sch«*ierigkeiten darbietende
Partie der Sage eine bedaueniswcrte groase Lücke. Sehen wir von den
Helgiliedem ab, so umfasst dieser Teil der Sammlung folgende Lieder und
als selbständig bezeichnete Prosastücke: Frä dau}ja Sinfj^tla, Gri[)isäp<Jp,
Reginsm^l, FäfnJsmiJl, Sigrdrifum^J — (Lücke) — Brot af Sigor[>-
arkvijiu, Gu[>rijnarkvi(>a I, SigorJ>arlcvi()a, Hetreifi Hrynhildar;
unter diesen ist die GuJ)nLinarkvi|ja I wohl erst spater in die Srgtirparsaga
eingeschoben. Es folgen, als eine Art Fortsetzung, zunflclist: DrAp Niflunga,
Gu[>rünarkvi{ia 11 und IH, und weiter, ohne verbindende Prosa, Odrünar-
grätr, Atlakvi{)a, Attamyt, endlich in die Ermiuiariclisagc hineingreifend,
Gu^irünarhv^t imd I-famJilam^l ••. — Diese unsere Hauptquelle wird
durch einige Prosaquellen ergänzt Die wichtigste derselben ist die Vyls-
ungasaga, eigenUich ein Teil der Ragiiars saga lo^brökar (^um 1260),
welche die Liedersammlung in eine zusammenhängende Prosadarstellung ver-
arbeitet hat; besonderen Wert erhält sie einmal dadurch, dass sie eine im
allgemeinen zuverlässige Paraphrase der durch die Lücke des Codex Regius
veriorenen Lieder bietet, snd;mn aber durch die nur in ihr erhaltene Geschichte
von Sigurds Ahnen. Der als Teil der ausfuhr liclisten Redaktion der Oläfssaga
• Auf eine Diskussion der voo den hier vorßctraKcrujn Tfilliß at)wtich«idtD Andditen
GoTthen und Bu|xca musa ich verzichlcn, nicht w«1 ich dlMe filr unfnichtliar ansih«,
■OOderB weil tlie Rauinv«rhUuil)M« sie in dieser Skizze verbieten. Goltbcr {Genn. jj,
469 fr. 476) nitncnt an. dasa die rrinktAcbe NlMringrnsAge zuent Im 9. Jahrb. tu Frank*
reich m dänischen und nor*'C(;i*ctien Wikingcn» gedrungen «ei; die Sage hlitc sich dann
unter den noch Westen ziehenden Nordlcmen verbreitet und sei über Irlnnd nach Islotwl
eekommcii. Buggc {Ifelgf^igtrne S. 339 f.; PUB. 22. 115) meint. d«5s die Nonreger
die Sft|[e von Sigrid tuid den NitKltmi-en >tra Westen, namentlich auf dm brittiscben
Inwln und besonders im Verkehr mit £nglündern* auli^nonimen hStten. Norwegische
DichttT in BritUniiieii hüben nach ihm, von ag». Sprache imd Dühmng beeinflußt, die
meiuen V»^l*iinj^iiLii.-iJfr iler [«eiischen Eildn verfo**!.
** Zitate dcfr Eddidie<ler nach nieiiker Autgabe (I, l Halle 1888: 1, a im Dru^
bdindlich).
634
\IV. Heldensage. Übersicht über die Quellen.
Tryggvasonar erhaltene Nornagestsjiättr aus dem Anfang des 14. Jahrhs.
beruht wie die Vplsungasaga, auf der Liedersammlung, hat aber von dieser
wahrscheinlich nur die Sigttrpanaga, sei es in noch selbständiger Gcstali, sei
es alä besonders gekeniucichnctes Stück der Liedcrsainrolung, benutzt, auf
wdche sich der Verfasser c. 5 (ed. Bugge 65') beruft. Aus der Snorra
Edda kommen besonders in Betracht zwei Abschnitte der SkÄJdskaparraäl;
in dt-m einen (c. 39— 4^: SnE I, 55 i (f. 11. 359 f.). der Snurris ursprüng-
tichrm Wt-rke nur in seinem rrslen Teile angeliöri, wird jnjr Erklärung der
Kciintng oirgj^ld^ >Gold« die Herkunft des Nibelungenhortes erzählt, woraus
dann in der Überarbeitung eine vollstAndige Skizze der Nibelui^cnsage ge-
worden ist"*: der andere (c. 50: SnE I, 432 ff. H. 355f.) bringt zur Erklä-
rung der Kcnning lljapmfiga i>ef>r epa e'l^ t-Kampf« die ahcstc Relation der
Hildesage. Aus der reichen Skald enpopsie, deren Anspielungen für die Hel-
densage nur geringe Ausbeute gewähren, mögen hier speziell die Fragmente
der RagnarsdrÄpa Bragis des Alten hervorgehoben werden, deren Bedeutung
für die Erkenntnis der nordischen Überlieferungen von J9imunrekr iRagndr
»Ir. 3 — 6 Geringl und von den Hjadniugen (str. 8 — 11 Geiiug) noch zur
Sprache kommen wird (§ 42. 57)*. Die fftr die nordische Heldensage un-
schätzbaren Gtsta Danontm des Saxo Granixnaticus von der Scheide des
12. und 13. Jahrhs,, über deren Verhflltnis zur islandischeji SagalitU-ratur
neuerdings die mustergültigen Forschungen Axel Olriks Licht verbreitet haben
(s. oben § 3, Anni. 1 ), kommen für die in den Kreis unserer Betrachtung
fallenden Sagen namenthch in Frage durch die beiden Abschnitte über
Hildesage (Hb. V, 23B — 242 ed. Müller-Velschow. 15H— i<K»eti. Holder) und*
Ober die Ermanarichsage iHb. VHI, 41: — 415 = 278 — 281). Endlicli M-hliesscn
sich an die Altere nordische Gestalt der Nibelungensage auch einzelne dänische
und faröische Lieder an (vgl. § 18), sowie das norwegische Lied von Sigunt
svcifi (Landstad, Xonkf Foika'her, 1853, S. iiiff.; Obers, von Golther, Zs.
für vgl. Uiceraturgesrh. X. F. 2, 205 ff.).
' E. Miit>k, Die tUttsle WanderuHg der deutichen Ucldensagt muh drm
Xordtrt, in: Foncbungcn cur dcutscbco Phil. FcBtjiabc flir R. Hildcbrand (1894)
S. I ff. — * V'cl. die- ircfft-ndcn Bemerkungen F. J6ns«on«. Litt.'Hist. I, 76 ff.
— » Edzardi. GnTn. 23. 86 ff. 340 t; Vtrf.. ZIdPh. 12, gt. ff. — < Edx»rdt,
G«nn. 13. 186 f. Anm. 34. 356. j&2 f., rgi. Zf<lPli. 1 3. 111 f. - ^ Verf„ ZfdPb.J
13, 103 ff.; MuUenboff, t^-uUcht Adertumst. V, it^^, — ^ Kvafahrot Bragm
ens gamia. brrauig. von H. (icring. Halle idS6: vgl. F. JAnsson, Ark. \. dorL
FtJ. 9, 10. Utt.-Htst. 1. 420 ff.
§17. In Deutschland hatte sich, jedes^lls seit dem g. Jahrb., die Hel-
densage in die Kreise der Bauern zurückziehen müssen (^ 15). Lieder tand-
liclif-r Süngi^r aus seiner Jugend über Dietrich von Bern meint vermutlich der
Quedlinbiirger Annalist zu Ende des 10. Jahrh-i. (§ o). In den Kreisen der
Vnmehmeai verdrflngt den edlen Sänger der Vülkerwiindeningszcit der Spiel-
mann, welcher, den Neigungen seines Publikums entsprechend, den grossen
Ereignissen der Heldensage die kleinen Neuigkeiten der Tagesgeschichte vor-
zieht, und nur in der Abgeschiedenheil eines schweizerischen Klosters wagt
sich in der ersten Hälfte des lo. Jahrhs. n'ich einmal eine antikisierend»
Bearbeiiimg germanischer Heldensage hervor, .Sonst sind Eigennamen in dieser
Periode viel/ach die einzigen Zetignisse für das Vorhandensein und die Ver-
breitung der Sage, deren F-.>rtIeben nur in prosaischer Tradition in manchen
Gegenden kaum in Abrede gestellt werden kann. Erst im Laufe des 1 1.
Jahrhs. tritt eine Änderung ein, deren Öusserliclie Symptome schon im Ruod-
lieb (§ 15) vorweggenommen wurden; die Heldensage erführt eine Wieder—]
belebung durch die Spielleute, die als Erben ihrer vomehnierea Vor
I
aus dem Heldenzeitalter nun auch die Träger des Epos werden. Neue Fi-
guren treten in die Sagenkreise ein, rtie Rüroerzüge bleiben nicht ohne Ein-
lluss auf die enieutc Beliebtheit der Dietrichssage. Aber mit dieser neuen
Pflege beginnt auch ein neuer Widerstand der Geistlichkeit, dessen Spuren
unverkennbar sind, wenn sich derselbe auch mehr in verdeckten als in offenen
Angriffen flussert und trotzdem auch die Geisdichkeit selber den Dichtungen
und Figuren der Heldensage nicht immer den niUigen Abscheu ejitg^cn-
brachtc. Ein merkwürdiges Zeugnis dafür ist ein Brief v. J, io6i au den
Bischof Günther von Bamberg, in welchem gegen einen hohen Prälaten, den
Erzbischnf Siegfried von Mainz, der Vorwurf erhoben wird, dass er sich nie-
mals mit Augustinus und Gregorius, sondern immer nur mit Attila, immer
nur init dem Amalung und Uhnlicheu Ungeheuern dieser Art beschäftige
{ZE Nr. i6. Ifds. Nr. m^}. Und ähnlich «-ic im cj. Jahrh. Otfrid, so tritt
jetzt eine Dichtung der Geistlichrn in eine hewusste Knnk\irrenz zur Epik
der Spietleute, wie sich aus dem Anfang des Annoliedes, aus der Kaiser-
chronik und andern Zeugnissen klar ergiebt {H<h. Nr. ^ü. ZE Nr. 37, i;
Schcrer, QK. 12, 19 f.). Allerdings mit ungleichem Erfolge. Wahrend in
Mitteldeutschland und Alcmannien und in geringerem Grade auch in den
rheinischen Gegenden die geistliche Reaktion siegte, bildeten sich in West-
falen und in Östeneich und Baiem zwei Brennpunkte der niederen und
höheren Spielmannsdichtung und Pflege der Heldensage.
Für die im engeren Sinne sogenannten Spielmannsgedichte des \2.
Jahrhs., die, von wandernden Volk.sdichtcm für ilie niederen Kreise des
Volkes berechnet, die Motive ihrer Fabeln den verschiedensten Stoffkreisen
und (gleiten entnahmen, but auch die Heldensage willkummenes und keck
verwertetes Material. Der um 1150 von einem rheiniächen Spiclmann in
Baiem gedichtete König Roth er verbindet mit Spuren langobardischer
Tradition, bairischen Lokalbe Ziehungen und Kreuzzugsanekdoien Elemente
der WolfdieUichs- und der Hildesage (vgl. ^ 61}; das Gedicht von Oswald
misciit in eine ursjirünglich englische I^'gcnde gleichfalls die wesentlichen
Züge der Hildesage (§ bi); der um iicjo wahrscheinlich von einem Trierer
Spiclmann verfasste Orendel ist zwar das roheste unter den Spielmannsge-
dichten des 12. Jahrhs,. fusst aber auf sehr alter Sagenüberiieferung, die der
Dichter in seiner Heimat vurfaud und mit der Legende von der Befreiung
des heiligen Grabes durch den ungcnühten grauen Rock Christi lose ver-
knüpfte (§ oö).
§ 18. In Niedersachsen raus» die milndlich fortgepflanzte, durch wan-
dernde Sänger besonders in den nuttleren und unteren Standen gepflegte,
durch vielfachen Austausch auch mit fremden Best;mdtuilen durchsetzte Hel-
densage ziemlich früh eine eigentüinlirhe Ausbildung gefunden haben. Für
das frühere Mittelalter sind freilich auch hier die wenigen Eigennamen aus
der Sage in westfälischen Urkunden (PBB. 9, 498ff.) die einzigen — zudem
nicht immer einwandsfreien — Zeugnisse. Als Zeugnis.sc für die Entwicklung
der Ermanarich- und Dietrichsage in Niederdeuischland um die Scheide des
la und II. Jahrhs. dürfen auch einige in letzter Zeit eifrig erörterte Stellen
der Quedlinburger Aniialen (Mon. Germ. SS. III, 31: vgl. /A/s. S. ,^5ff.)
in Anspruch genommen werden. Nach Edw. Schrriders scharfsinnigem Nach-
weise sind die Notizen, die für die Geschichte der Heldensage in Betracht
kommen, au.s einem interpolierten Texte von Bcdas WeEtchronik geschöpft;
die Inteqiolaiinn ist alier tauin mit Sihrödcr einem Angelsachsen zuzu-
schreiben, sondern sie ist in DcutscJiIand. wahrscheinlich in der Quedünburgcr
Gegend, vorgenommen worden, und zwar wie es scheint von zwei verschie-
denen Händen, denn die beiden Ermanarichstellen stimmen weder in den
Thatsachen noch in den Namenformen unter sich überein (s. unten § 44).
Nicht als angelsachstsciie, sondern als niederdeutsche SagenüberUefening. eine
Vorstufe der in der ^id^ekssaga verarbeiteten, wäre das Zeugnis der Quedlin-
burger Chronik sonach verwertbar '.
Zum Jahre 1131 bezeugt sodann Saxo Grammaticus (lib. XIII, p. 65S ed.
Müller-Velschow, p. 42; ed. Holder), dass ein sachsischer Sanger den be-
drohten Ht-rzog Knud Laward von Schleswig durch den Vortrag eines Liedes
von Kriemhilds allbekannter Treulosigkeit gegen ihre Brüder vor den ver-
räterischen Anschlägen seines Vetters, des danischen Königs Magnus zu
warnen gesucht habe: speniosissimi eanninis contextu nottsiimam GrimilJa*
erga frattcs perfidiam de induUria mmiorare adorsus, famosae fraudts exemplo
similium ei metum ingenerare. Uniabat. Die auch für die Geschichte der Xibe-
lungensage und Nibelungendiclttung wichtige Noüz lasst der Situation nach
und im Zusammeahang mit dem Berichte der Viia Canuti — wo auch der
Name des Sängers, Siward, überliefert wird — scm einer dreimaligen Wieder-
holung des Liedes ein kurzes nd. EiuzelHed aus dem Nibelungencj-klus ver-
muten {Hds. S. 53 f. ZK Nr. 22).
Erhalten wäre uns von der reich entwickelten sächsischen Heldensage
nichts, hätte niclit um die Mitte des 13. Jahrl«. ein norwegischer Saga-
schreiber auf Grund niederdeutscher Erzählungen und Deder die l^iüreks-
saga (I*s.) zusammengestellt und um die Figur Dietrichs von Bera chrono-
logisch gruppiert. Den wiederholten Versicherungen der Saga zum Trotz
dieselbe nur für eine durch niederdeutsche Cbertragimg und nordische Zu-
thaten vielfach entstellte Wiedergabi; der mhd. epischen Gedichte halten zu
wollen, wie es für die Niflungasaga B. IMring zu erweisen suchte (lödg), ist
entocbieden unzulässig. Allerdings fehh es noch an einer methodLsch ange-
steiltcrv abschliessenden Untersuchung Über Komposition und Quellen der
Saga, allein den selbständigen Wert dieses Sammelwerkes, an dem freiUcli
mehrere Bande gearbeitet haben, stellt heutzutage «'ohl niemand mehr in
Abreda In der ts. haben ix\ der That die im i.v Jahrh. in Liedern und
Erzählungen umlaufender niederdeutschen Heldensagen ihren Niederschlag
gefmiden, wie sie dem Norweger durcli sadisisthe Männer, watii^cheinlicli
KaufEeute — speziell für die Niflungasaga l>eruft .sich der Verfasser (oder
Bearbeiter) c. 394 auf Gewährsmänner aus Soest, wo Attila früh lokali^ert
gewesen sein muss, Bremen und Münster — vermittelt wurden: also eine
ZTA-eite oder gar dritte (§ 16) Überführung deutscher Sage nach dem Norden.
Daneben hat sich der Sagaschreiber allerdings durch die ihm bekannte nur-
disch<^ Gestalt der Sagen, sowie durch Sitten und Vorstellungen seiner Heimat
beeinflussen lassen; auch scheinen einzelne, doch wenige, Partien der Saga,
speziell auch der Xiflungasaga, aus süddeutscher Tradition geflossen ru sein.
Dass aber das Nibelungenlied dem A''erfasser bekannt gewesen sein sollte, ist
nicht glaublich. Gewiss ist die fidrekssaga. die ja ein Unterhaltungsbuch
sein will, nicht nur von Misvenständnissen und Widersprüchen, sondern auch
von Übertreibungen und absichtlichen Ausschmückungen niclit freizusprechen,
aber alles zusammengenommen muss sie als eine ausserordendich wichtige
Quelle für die Heldensage gelten, die an Reichlialtigkeit nicht ihresgleichen
hat und an Ursprünglichkeit den süddeutschen Sagcnfassungcn sehr oft über-
legen ist. Eine für die Kritik wichtige Obersetzung der Saga ins Schwedische
kam etwa 14.S4 zu stände'.
Aber auch durch den lebendigen Volksgesang ist die sächsische Sage ta
den Norden gedrungen. Die dantsch-schwedtschen Folkeviset ' geben
ThIDREKSSACA. FOUCEVISER. HsLDEX&AGE A» NlEDERRHElN. O37
rum Teil unzweifelhaft auf diesdbcn oder ahnliche niederdeutsche IJeder
zurück, wie sie die l*s. benutzte, desgleichen die verlorenen danis«.lieii Lieder,
welche der im Jalirc 1603 aus einem lateinischen Original überaetrten Hvcn-
schcn Chronik zu Grunde liegen*, in der die Nibelungensage auf der
Insel Hveii ini Sunde lokalisiert eischeirit. Die farüischcn Lieder*, ob-
gleich sie noch in unseren Tagen als Tanzlieder gesungen wurden, sind nicht
in dem Sinne Volkslieder, wie die dänischen: einige, die der nordischen
Gestalt der Nibclungensagc folgen (§ 16), gehen in Iclzter Instanz auf die
V^lsungasaga zurück {/Cfgirt smtJttir und der Hauptteil von Britihili/}, wahrend
die andern sich der deutschen Sagengestalt nahem und zum Teil auf der
^s. {Brinhild II), zum Teil aber mittelbar auf niederdeutscher Volksdichtung
{Hßgni) beruhen. Am wichtigsten für die Sage ngesc hie hte ist das aus der
Vergleichung des faröischcn Liedes Hö^ni mit der dSnisi-hen Vise von
GrimhiLds Rache {Grimildt hmm) und der Hvenscheji Chronik sich ergebende
skandinavische Lied, das um dieselbe Zeit wie die i'idrekssaga aus nieder-
deutscher Quelle hen'orgegangen sein muss und neben dieser als Zeugnis für
die niederdeutsche Nibelungendicbtung des 13. Jahrhs. zu gehen hat*. —
Ohne selbständigen Wert ist die Blomstrvallasaga (ed. Möbius, Lips. 1B55),
eine phantastische Riticrsaga vom Ende des 14. Jahrhs., die mit grüsster
Willkür viele SagenzQge aus der ^%. schöpfte.
1 Watleobach, CtsthühU^uellen \\ 319 f.; H. Loreai. Germ. 3], 137 fF.;
Edw. ScbrCdcr. ZfdA. 43, 34 ff.; Kocgel, Ctah. d. ä. Litt. I. 1. 21a ff.
381. [Jiriciek, DHU. 1, 70 fl".]. — * Ausg. vod Ungcr, Christ. 1853, der «It-
tcbwcdischcn Cbcrtcutini* von KylKn-Cavallius, Stockh. 1850 — 54. Wichtigste
Littcmtur üb« die ts.: Döring, ZMPli. j. 1 ff, 265 ff.; Trcuiicr. Clemi, 20,
151 ff, ; G. Storni, Sagnkrfdsenf om Karl den tiore üg Dtdrik af Bern hos de
nord. Folk, Cbri»!. 1874 und Xye Sludii-r oirr Tks.^ in den Aarb. for nord. Oldk.
1877, S. 297 ff.: Grundtvig, Dgf. IV. 623—676: Rasamann. Die .Vißumga-
iaga und das Nibtlurtgrnlitd, U<ilbr. 1877 (ongcz. von Edzaidi, Germ. 23, 73 ff„
vgl. ebda 25, 47 ff. 1+2 ff- =57 ff.); Holthausen. PBB. 9. 451 ff.; Klockhoff,
SittdiW Sfvrr ti.. Upi. 1880; Euer. Aik. for nord. Fi], ;. 205 ff. ZfdPh.
*5. 433 ff- — * Orundivig, DgF. I. 7 ff. IV, 583 ff. — • Grtindtvig, DgF.
I, 38ff.; nach der Stockholmer Hs. her. von jiricxek, Bcrl, 1892 (= Acu
Ueimui. III. 3). — ' ** HammcrBhaimb, Üjürdar kvttdi. Kph. 1851. S. l — $8.
— «Grundivig und BuggL-, Dgi-'- IV, 586 ff.; Gollher, Dif nord. VeDtsliedtr
von Sigurd: Zs, f. vgl. Liueraturgesch. N. V. 2, 269 ff. Die von Golther venreiene
Auffassung der bt-iden ilRn. Lieder Snard Sttarrns^-rm/ uml Sn-ard og Bryniid
kann ich nicht teilc-n. Otier dax Vc-rh<ni» der farriischen Lied)-[ zii Vs. tind
P«. s. auch Mullenboff, AfdA. 4, 1I4; Verf., Genn. 22, 445 f.
g I ci. In den Gegenden des Niederrheins ist erhöhte Pflege der
Heldensage zu Anfang des 12. Jahrhs., wenn flberltaupt, nur in wenigen
Spuren walirzunchmen. Man hat allerdings am Nicderrliein, wo Deutsche,
Niederlander und Norrifranz<isen in ununterbrochenem geistigen Verkehre
zusammen.sU essen, die eigenUiche Wiedergeburt des deutschen Heldenepos
suchen und in dem mhd. Epos sogar thatsachliche Einwirkung romanisdi*
niederländischer Dichtung nachweisen wollen ^ Etwas richtiges kann in dieser
Ober Geböhr aiisgctlchntcn .Ansicht immerhin enthalten sein, insofern dem
rheinischen Spielmann, wie die sachsischen Lieder, so auch durch nieder-
ländische Vermittlung Motive der nordfranzüsischen Epik zugekommen sein
mögen. Allein, wahrend Belege für germ. Sage auf frz. Boden nicht fehlen
(ZfdA. 12, 2i;ioff. 15, 310. 28, 143 f.), sind sichere Zeugnisse für die ange-
deutete Auffassung nicht vorhanden. Der Umstand, dass die ranl. Litteratiu-
fast gar keine Erinnerungen an die germ. Heldensage bewahrt, ist ihr nicht
günstig. Sehen wir ab von etlichen Anspielimgen und blossen Namen ', so
bleibt nur das Fragment des Gedichts van Bcre Wisselauwe" Übrig, das
eine numicre Spielmannsgeschichte, einen auf ältere FeatbrSuche zurück-
gcUtindeu Barenschwank, mit Namen aus der Heldensage verbrämt und an
die KarLssage anlehnt In der I*». (c. 1^2 St. l8l) ist das lustige Abenteuer
ebenso ausseriich an die Sagen von Witege und Dietrich von Bern geknüpft:
das eine wie das andere sehr (.iiaraktcristisch für die dominierende R'jlle der
Diftrichssage in NiederdeuLscrhIand und <U*r Karlsiiage in den Niederlanden.
Die llcinjat des Schwankes, der sii.h zunächst dem Rother und Oswald (§ 17)
an die Seite stellt, ist uffenbar das mittclfränkischc (niederrhcinischel Sprach-
gebiet, wo der Name Wissf/aufwe) »Weisslöwe-: allein seine Erkianmg findet;
vom Niederrhein aus ist er sowuhl in die mnl. Pi>esie als in das Repcrloirc
der WL-siftliischen Spieiit-utc gedrungen. Spätere Anspielungen auf die Helden-
sage in den Niederlanden iZE Nr. 27) stammen gewiss nicht aus einheimi-
schen Quellen. Im 12. Jahrb. war in den Niederlanden die Heldensage so
gut wie abgestorben. Ebensowenig lasst sich für eine irgendwie kraftige Ein-
wrkimg auf die Sage von Frankreich aus genügendes ilaterial beibringen;
wenige frz. Namen {ZE Nr. 2t>, i) und auch einüdne Moüve und Typen
der frz. Epik mögen durch rheinische Spicileutc in die Diclitung gekommen
sein *, die aber für die Entwirkhmg der in allen Hauptpunkten ausgebildeten
Sage nicht wesentlich in Betracht kommen. Dass die Sagen von Hilde und
Kudrun im 10. oder 11. Jahrb. durch rheinische Spiellaite aus den Nieder-
landcHj wo sie lakLiüsiert und gepflegt waren, nach Oberdeulschland gebracht
Worden sind, ist allerdings eine wall r.sch ein liehe Annahtue (vgl. § 60).
' H«anini;, QF. 3t. igff.; vgl. J. M«icr. PBB. 16, 79!?. — » Jonck-
bloei, Grdch. der nfttn-l. h-titrk. I^, \i>% f.; le Winkel, Grnndr. l II, i. 454.
— * Martin. yK. 65. ^7 ff. (sortj^iliige Awt;- ^^^ ErUuwmng des Bruchäiück») ;
Frantzcn. l>c ütds iStly. S. 45 ff. (vgl. ZfdPb. 33, 498}. (jiriczck. DUS. 1.
«97 f-]- — * Hi^iuzcl. (higoth. Hrt4em. S. 8? ff.
§ 20. Die Wiedergeburt des deutschen Epos ist in Österreich erfolgt,
wo zwar in fortwährendem K:uupfc mit der geistlichen Dichtung des 11. und
12. Jahrhs, das Gebiet der Heldensage bedeutend eingeschranJct, aber das
Interesse für sie doch lebendiger gehhehen war als in dai anderen iJlndera
Süd- und MitteUleutsrhIands. In der Pflege der österreichischen Spielleute
hat die Sage erhebliche Wandlungen erfahren: durch neue Anlehnungen an
die Geschichte, wozu auch tlie reich entfaltete hi.*ttorische S|3ielmanns<lichtung
beigetragen haben mag; durch Zurücktreten der luyihischen und märchen-
haften Bestandteile; durch veränderte Muüvierung auf dem Boden veränderter
Sitte und Empfindung, vor allem durch den Efnfluss des Christentums*. In
seinem innersten Kerne ist dennoch das mhd. Epos, dessen schriftliche Fi-
xierung um die Scheide des ti. und 13. Jahrhs. in t*)stcrreich beginnt, allen
Umgestaltungen zum Trotz, seinem Ursprung m den Stflrmen der Völker-
wanderung treu geblieben. Die alten Teile des Nibelungenliedes, aus üircr
höfisdien Umgebung losgelöst, überraschen durch ihre Übereinstimmung in
den Begebenheiten mit der unabliangig ausgebildeten .sachsischen Überliefe-
rung und durch ihre U berein stinunung in der epischen Kunstübung mit den
spärlichen Resten altdeLilscher Helden dich lung, die sich zum Vergleich heran-
ziehen lassen. Mit Recht wird dies neuerdings auch von E. Kettner hervor-
gehoben in seinem für die KIdmng der Nibclungenfrage wicliügen Budie
Die ösiertekhische NtMunfiemihhluitg (Beil. 1897) S. ujt^ f. Zum Vcnttändnis
der Sago, wie sie uns in den mhd. Epen entgcgenlriti, bedarf nicht nur die
umbildende, sondern ebeusowutil die rezeptive und erhallende Seite in der
volkslumiJL'hen Epik der Österreichischen Spicileutc sorgfältiger Beobachtung.
Hier kömicn nur in gedriingtester Kürze und mit Ueiseitclassuag aller Utlcnx-
HELDI-ncSAGE AM NiEDERRHEIN'. MHIX VoLKSBPOS.
639
histotischeti Streitfragtm die Quellen, nach den grossen S^gcnkreücn geordnet,
angcfolm wenlen.
Nibcluugcnsagc. Ausser dem Nibelungenliede (Strophenzalilen nach
Lachmann), d;is, wie es uns vorliegt, eine in den ersten Jahren des 13, Jalulis.
entstandene Bear bei tiinjr eines nlteren Originals ist, in welchem ein ritlcr-
lichej* listerreii'hischcr Dichter den ihm durch alte Lieder, von der Art des
in § :8 besprochenen sachsischen von Kriemhilds Untreue gegen ihre Bruder,
und durch mündliche Überlieferung bokannlen Stoff zu einem einheitlichen
Epos gestaltete, hat für die Sage auch die Klage (zitiert nach Bartschs
Kurzzcilcn} selbständige Bedeutung. Der Verfasser dieses Gedichtes, ver-
mutlich ein Ge-isüicher, hat ohne Zweifel das Nibelungenlied, nicht bloss ein-
zelne Bestandteile desselben, gekajuu, drfhcbtn aber eine andere schriftliche
Quelle benutzt, auf welche er sich w-iederholt beruft *. In die Blütezeit
des mhd. Volksepos filUt auch die Grundlage des SigfridsUedcs '. Leider
ist diese wchtigc Quelle, die einen besonderen Strang der Sagenent-
wicVIung repräsentiert und sehr altr Elemente der Sigfridssage enthalt,
nur durch fliegende Drucke des i'j. Jahrhs. in einer aus verschiedenen Teilen
zusammengeschweissten, überaus rohen und entarteten Gestalt erhalten (Der
HAnini Sry/nW). Dass das Lied aber schon im 14. Jahrlu existierte, ergibt
sich aus dem Svenliuren- Verzeichnisse der sonst verlorenen Darmst^dter
Nibehmgonhandschrift «■ (= w:ZfdA. 10, 142 ff. Bartsch, AVÄ. .Völ L XXV ft)
aus dem Anfang des 15. Jahrhs., demzufolge die Gescliichte vom hömencn
Sigfrid. d. i. eine altere Re<!aknon des Sigfridsliede:s, schon damals in eine
Bearbeitung des Nibelungenüedes eingeflucliteu war. Wie die Druckredakliün
das Gedicht bietet, lassen sich zwei Bestandteile unterscheiden: I: Str. 1 — ij,
verkürzt und in roher Weise zusammengeschweisst mit 11: Str. lO — 179, welches
Lied zugleich interpoliert wurde. 1 dürfte noch dem 1^. Jahrh. angehören und ist
möglicherweise im Nibelungi-nlicde für die dem Hagen in den Mund gelegte
Erzählung von Sigfrids Jugendabemeuem (Str. 88 — loi) benutzt worden; 11 ist
nach dem Ortnil, aber vor dem Ende des 13. Jahrlis. gedichtet, du mit Cilf-
firfäa im Reinfried von Braurachweig (//*A. Nr. 80) der Riese Kuperan des
Liedes gemeint sein muss. — Eine Art Verbindung von Sigfrids- imd
Dietriehssage bieten die Gedichte von Biterolf und Dietleib* und
vom Rosengarten zu Worms*, ersteres im Anfang d<rs 13. Jahrhs. (s.
aber auch Holz. Rosengarfen S. CHI), letzteres, das nur in jüngeren Bear-
beitungen vorliegt, wohl nicht vor der Mitte des 13. Jahrhs. entstanden.
Beide haben zum Haupithema den Kampf Dietrichs und seiner Genossen
gegen Sigfrid und seine rheinischen Helden vor Worms, womit in den Rosen-
garten-Gediditen das Motiv von einem mvthtschcn Rosengarten mit einer
Jimgfrau, deren Liebe nur durch Kampf gewonnen wir<l, verknüpft ist. In-
wiefern beiden Dichtungen Ulterc Sage zu Grunde liegt, bedarf lujch genauerer
Untersuchung {s. auch § 32 und .(7). Der Biterolf ist aber jedenfalls wegej»
der ausgedehnten Sagenkenntni^ seines Verfassers eine selu wertvolle Quelle
für die Hclder\sage.
Dietriehssage. Die zahlreichen mhd. Gedichte aiö dem Kreise der
Dieirichss.ige würden uns zu einem zusamraenhüngcndcn Bilde dieses Sagen-
kreises kaum verhelfen, da sie meist bei Einzelheiten verweilen, wäre nicht
in der ^idrck.ssaga eine vielfach ältere und volUtilndigere Überlieferung be-
wahrt. Zum Teil schildern sie Dietrichs Jugendkämpfe mit Zwergen, Riesen,
Drachen: so der auf einer an Dietrich geknüpften, mit dem Kosengarlen-
motiv verschmolzenen, Zwergen- oder Aibensage beruhende Laurin^ den
der neueste Herausgeber ohne hinlänglichen Grund (HoU, Laurin s. XXXV f.)
erst in die Miiie des 13. Jahrhs. setzt, unti dessen Fortsetzung, der ganz
willkürlich erfundene Walbcran; ferner einim; durch dieselbe StrophcnTorm
zusammengehaltene Dichtungen, die sämtlich nur in überarbeiteter Gestalt
überliefert sind und in dieser jedesfalls erst der zweiten Hälfte des 13. Jahrhs.
angehören können: das EckcnHud, Virginal, Sigenot und das Bruch-
stück des {jnldcniar'. Ob Alhrccht von Kemenaten, der sich als Verfasser
des letztgenannten GcdicIUes (oder seiner Vorlage?} nennt (Gold. 2, 2), auch
an der Abfassung und Bearbeitung der andern oder dodi des Ecke und
Sigenot beteiligt gewesen ist, lasst sich bei dem sehr fragmentarischen Cha-
lakter des erhaltenen Goldemar nicht bestimmen. Als Heimat dieser ner
Dichtungen wird gewöhnlich Oberatemannien betrachtet. Eine zweite Reihe
von Dictrichscpcn beschäftigt sich mit Dietrichs Flucht zu den Hunnen,
Aufenlhatt bei Etzd und Rückkehr in die Heimat. Unter ihnen das dichte-
risch wertvollste ist Alpliarts Tod*, das als Episode aus der Sage von
Dietrichs Flucht vor Erraanarich die Tütung des jungen Alphart durch Wi-
tegc und Heime erzählt; fest steht, dass das Gedicht nur in stark über-
arbeiteter und intejijoüerter Gestalt trhalten ist, aber die Ansichten über die
Entstehung der uns überlieferten Form und ihre Vorgeschichte stehen sich
noch schroff gegenüber. Zu dieser Gruppe gehören sodann Dietrichs
Flucht und die Rabenachlacht", beide Gedichte in ihrer Überlieferten
Gestalt wohl von demselben Verfasser, der sich Dn. 8000 Ileinrifh der
Variiere nennt, einun österreichischen Fahrenden vom Ende des i.v Jahrhs.,
doch beruht wenigstens die Rjibenschlacht auf alterer Grundlage, die der
Dichter erst in Dietrichs Flucht benutzt und dann in seinem zweiten Werke
sclbstJüidig Qberarbeilct zu habeti scheint. Aus weit spaterer Zeit überliefert^
aber seiner Grundlage nach in unsere Periode zurückreichend, darf auch das
jüngere Htldebrandslied i" in ditscn Zusammenhang gcsteJli werden. In
hochdeutscher, niederdeutscher, niederländischer, danischer Fjissung ist es aus
dem 15. — 17. Jahrh. bekannt, allein ein sehr ahnliches Lic-d, das die l^s. be-
nutzte, beweist sein höheres Alter, und die Anspielung Wolframs von Eschen-
bach (Wh. 4,iq, 15) führt in den Anfang des 13. Jahriis. Die erhaltenen
Fassungen freilich gehen nach SteJnmeyer* glaubhafter Annahme auf eine
Beaibeitung des 14. fahchs. zurück. Auch das merkwürdige nd. Volkslied
Koninc Ermenrikes dtit" mag an dieser Stelle Erwähnung finden. Er-
halten auf einem fliegenden Blatte des ib. Jahrhs., beruht es doch auf sehr
alter Sagenüberlieferung. Indem es berichtet, wie Dietrich selbzwölft Erma-
naricli in seiner Burg angreift und erschlagt, hat es, wenn auch in junger
Anlehnung an die Dietrichssage, die in t'berdeutscliland fast verschollene
Vorstcliung von Ermanarichs Ermordimg erhalten; in einzelnen Zügen er-
innert CS lebhaft an die eddischen Hamfiism^I. Anhangsweise seien hier aus
dem Dietricliscyklus noch erwfthnt: das Bruchstück von Dietrich und
WenezlJin'* vom Ende de.t 13. oder dem Anfang des 14. Jahrlis. (Holz,
Hosen^. S. CHI Anm.), das von Rümpfen Dietrichs mit einem Polenköaiger
der zwei von seinen Mannen gefangen halt, zu berichten weiss (vgl. {5 50);
femer das Gedicht von Et z eis Hofhaltung oder Dietrichs Kampf mit
dem Wunderer'*, das, vollständig niu" im Dresdener Hcldenbuchc (g 21),
biuchstöckweise auch in einem nahe verA-andten alten Drucke erhalten, doch
wohl mit anderen Fassungen des Stoffes auf ein älteres Gedicht zurückgeht
und in seiner Fabel an die Eckc-VasoU-Sage anklingt. Das Gedicht vom
Meer wunder, nur im Dr&Mlener Heldenbuche, gehi'irt kaum noch hierher.
Ortnit-Wolf dielrichssage. Dieser Sagenkreis ist im 1 5. Juiirh. ver-
schiedentlich behandelt worden. An der Spitze steht der Ortnit (nicht vor
Mhd. Volksjetos. Volkslieder im 13. Jabrh.
64t
I
1^31). in weldiem die Spiel mamispoesie des 12. Jahrhs. in dnrr dem Volks-
epos nachgeahmten Form neu auflebt. An seine Art schücsscn sich die
Wolfdictrichc ;m, am engsten der Wolfdietrich A, deJtsen ursprünglicher
Bestand (Str. i — 505) doch wohl vom Ürtnitdichter herrt^hri. Ein Älteres
Spielmannsgedicht. das Ortnit und Wülfdictrich umfasstc (vgl Dfl. 2109^
2294), darf vorausgesetzt werden. Der ursprt^ngllchc Wolfdietrich B mag
tingefflhr gleichzeitig sein mit dem Orln. und Wolfd. A; er besteht in unserer
Überlieferung aus sechs Liedern, von denen jedoch nur da.*; erste imd zweite
vollständig in ihrer alten Form, die andern bloss auszugsweise erhalten sind.
Von einem Wolfdielrich C sind nur wenige Fragmente erhalten, zu denen
als Einleitung ein Ortnit C hinzugedichtet wurde. Eine vierte Bearbeitung,
der Wnlfdietrich D (der grosse W(>Udietri<-h), stellt sich heraus als eine
Kompilation von B und C aus den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhs. Alle
diese Gedichte weisen nach dem Südosten, nur der Wolfüietricli D nach
dem Südwesten Deutschlands".
Wallharisage. Nur geringe Bruch-stücke eines strophischen Gedichtes
von Walther und Hlldcgund sind gereitctw, aus der guten Zeit des
mhd. Epos; man niminc ohne ausreichenden Gmnd stcirische Heimat an.
Die in diesen Fragmenten, welche grösstenteils dem Schlüssteile des Gedichtes
angehfiren, auftretende Sagenfassung weicht von der des Waliharius und der
ags. Brudistacke ab, ist ilagegen wesentlich dieselbe wie in dex fs. (vgl. § 52).
Hilde-Kudrunsage. Einzige deutsche Quelle ist die Kudrun'*: das
nur in der grossen Ambraser Handschrift erhaltene Gedicht, das in den ersten
Dezennien des 1 3. Jahrhs. auf bairisch -österreichischem Sprachgebiete, am wahr-
scheinlichsten in Steiermark, entstanden ist, hat in der auf uns gekommenen
Gcsuilt starke Interpolationen und mehrfache formelle und inhaltliche Über-
arbeitung erfaJiren. Die Vorgesciiichte (Str. i — 203) ist, wie der Anfang des
Biterolf, Erfindung nach dem Vorbilde höfischer Gedichte.
Es l^nn nicht bezweifelt werden, dass neben den grossen Epen und
Spielmannsgedichtcn auch kilrzerc Volkslieder im 13. Jahrh. das .Andenken
an die Heldensage erhielten. Nicht nur die Zusammensetzung des Sigfrids-
liedes und die für das jüngere Hilde brandslied und das Lied von Ennanarichs
Tod zu erschliessenden alteren Lieder weisen darauf hin, sondern auch aus-
drückliche Zeugnisse. Der Mamer und Hugo von Triinberg im Reimer
(Häs. Nr. öo. /fi) sind, ebenso wie die Stelle de.i jüngeren Titurel: le st'ngent
ufu die blinden, daz Sivnl hnrmn wtFtr {J/ds. Nr. 79), vollgültige lielege für
liedmassigen epischen Gesang. Darauf deuten auch die Anspielungen auf die
Heldensage bei Wolfram {//dr. Nr. 42), in dem um die Mitte des 13. Jahrhs.
in Österreich entstandenen Gediclile von dem übelen ivibe {Ilds. Nr. 52. ZE
Nr. 28, l^ — 5), und sonst.
1 ScbOnbkch, Dai Chrittentum in der altdfuliehen HeldtnäUhtung, Gnx
1897. — ' Lachmann, Anm. S. 287 ff.; Sommer. ZfdA. 3, 193 ff.; Rieg«,
ebda 10, 141 ff.: E. Kettntr. ZfdPh. 17. 390 ff.; J. Sieger, cbd» 25. I4S ff-;
Schönbach, ChrisUntum S. 98 ff. — ' Aui%. von Goltber. Halle 1889
(Br&uoM Nmilnick« Nr. 81/82). — * h«r. von Jacnickc im Deutschtn ildden-
kHck, Bd. I. [Deuuche« Heldrobuch {DHB). 5 Bde. Brrlin 1866—73]: rgt
Scbönbach, Ober die Sage von Biterolf und DieiUif, Wien 189; (aus den
Wiener SB. CXXVI, No. 9). — * Holz, Die Gniirku vom /fotntgart^n tu
U'orms, Hall« 1893. — ^ha. von Mällenholf im PNR, Bd. I (Sondirrabdnick
Berlin 1874); von Holi, Halle 1897. — ■ ' Alle her. von Zupilza im DJ/S.
Bd. V; die Litteratur ober die in die»en Oedicblcn behandflten Sloffe ». % 48,
— * Ausg. von Marlin im DHfi, Bd. II; vgl. F. Neumann, Germ. 25, jooff,;
E. Kettner. Unten, über Alpharti Tod (Pmgr. de« Gymn. zu Mühlluuicn 1.
Th. 1891); Jiriczek, PBB. 16, 115 ff. (s. auch Martin, ebda 471 ff.); Schön-
bach, Chrt^tentnm S. 233 ff. — * B***** h«r. von Martin im DHB Bd. 11;
GcrmaniKcbc Philologrie III. 2. Au0. '1
64a
XIV. Heldensage. Übersicht Ober die Qubllbk.
r
»BI. Wegencr. Z(dPh. ErgJLnzungsbd. 5. 447 ff. — "* Krit. Ausg. von Stcin-
meyer in A/SD ■ II, 20 fl'. — "■ her, von Gocdtkc, 1851, und in v. A. Ha|;cns
Hel^nb^Kh in 8" II. 535 ff. — '» her. von /upit/a im DÜß, Bd. V. —
W Die BrucfastiicUc dra Druckes in v, d. Hagi-ns Hfldtnbtuh in 8'* II, 52«)^.;
vgl, Stcinmryrr, ZfdPb. 3, ^43 f.; F. ZinuncritCädl, Vtitersvchungm tibrr
äai Gtdickt id^r Wttmirrrr-i (Proiiir. dw Lutsrnsl. Rfalgj-inn. iw Beriin 1888);
neu« AiKg. niil BrrÜLk^iditi^m}; .-illcr FiM»un|;fn ^rwunsiht, — ** Au.1^. von
AineLuHg und J^eniclte ini HHH. Bd. IIT und XW . — »^ ZfdA. 2, 2l6ff. 12,
a8of^ vgl. 2$. 181 f.; Hein/el. Oh^r ätf It'alrJwrj. S- 13—20, — " Liltcralur
t- 8 $6.
§ 21. In der zweiten Hklftc des 13. Jahrlis, beginnt die Heldensage in
Deutsclilnnd langsam abzusterhpn. Neue Bearbeitungen finden sich seit dem
14, nicht mehr, Uinarhcitungen unti Verkürzungen alUircr Dichtungen, seit
der Mitte des 15. Jahrhs. auch durch den Druck verbreitet, treten an die
Stelle spielinannsiiifissig'er Erfindung. Iliren Abschlu.ss fand diese entartende
Heldendichtung in den sogenannten Heldenbüchern. Das wichtigere der-
selben ist das zuerst ohne Ort und Jahr, jedoch spätestens 1400 nach einer
der Stra.ssburger (Gi.K:deke (j (ii, 12) ähnlichen Handschrift, dann innurlialb
eines Jahrhunderts wiederholt, zuletzt 1590 gedruckte, das mniichst den
Wolfdielrich D nebst dem Ortnit. femer den Rosengarten und Laurin ent-
halt i. Für die Sage von Wichtigk<^it ist die prosaische Vorrede (auch als
»Aidianij'i zitiert und ursprünglich wold als solcher gemeint) zu diesem
HcJdcnbuchc, die auf anderen (Quellen beruht »ic das Buch selber; es sind
rohe, dürftige, entstellende Sagenauszüge, die aber auf Volkssage fussen und
manchen alten, sonst verschullenen Zug gerettet haben, somit zwar eine
trübe, aber reichhaltige Quelle (Abdr. im I. Bde. von v. d, Hagcns Hetden-
buch in 8"; s. auch /A/j, Nr. [54). — Das Dresdener Heldenbuch liegt
vor in einer Handschrift des Jahres 1472, an deren Herstellung Kas[>ar von
der Roen beteiligt war: es enthält das sonst unbekannte Mccrwundcr und
das andcmv-^rts nur unvollständig erhaltene Gedicht von Ktzek Mnflialtung
(S 20) und ist dadurch von Bedeutung; amscrüeni Bearbeitungen von Ortnit.
Wtilfdietrirh, Ecke, Rosengarten, Sigenot, Laurin, »Dietnch und seine Ge-
sellen* {Virginal), Hildebr.indslied, endlich das BilnkeJsangerlied von Herzog
Ernst'. Die beiden ersten Stücke und die Virginal sind sehr stark gekürzt,
der Laiirin ist stn>phisi«rt, Obcrdll ist der -Hiltlelirandston* durchgeführt ausser
in den Gedichten, die die d^eizehn^eilige -Bemerweise« anwenden.
Überraschend genug treten dürftige Züge der Wielandsagc, in Obcr-
deutschland 7um ersten Male, in ph;intastiÄch- ritterlicher L'ragestaltung auf
in einem abenteuerlichen Gediclue des 14. Jalirhs., Herzog Friedrich von
Schwaben". Die dunkle Kunde stammt kaum aus einer in Obcrdeutsch-
land nirgends nachweisbaren schriftlichen Vorlage, sondern am ehesten aus
mündlicher niederdeutscher Überlieferung, woher auch die verworrene Notiz
im ,\nhang zum HB [Ilris. Nr, 1^4, 4) rühren wird. — Anspielungen auf
die Heldensage verleihen dem allegorischen Gedichte »Die Mflhrin» des
schwabischen Ritters Hermann von Sachsenheim (I4.s.i) ein gewi-ssca Interesse
yllds. Nr. 12S. ZU Nr. 77, 2. 3); das Fragment »Herr S^-frid und der
schwarze Maim« {Hds. Nr. 123 *■) ist möglicherweise ein verzerrter Rest einet
abweichenden Darstellung des Sigfridsliedes.
Auf dem Sigfridsliede und dem Rosengarten in der Fassung des Helden-
huchs beruht die Tragödie des Hans Sachs »Der hürnen Scufrid< (1557)*.
Die .Annahme, dass dem Dichter für seine Darstellung von Sigfnds Ennoi-
dung (Actus 7) noch eine drille verlorene Quelle {Hds. S. 350 f.: Goetze,
Einl. zum Ncudr, S, IV f,) oder doch das m die Druckredaktiou des hOmen
Seyfrid übergegangene Lied 11 (§ 20) im handschriftlichen Original (Golllicr,
I
I
HbUIENBÜCHRR. QüEIXEN DBS AUSO£H. MA. VOUCSUTTBRATOR, 643
Hürnen Seyfrifi S. XXIII f.) ZU Gebote gestanden habe, mms nach Dresche«
Ausführungen abgewiesen werden. Hans Sachs hat die Szene nach SUua-
Tionen, die ihm aus dem HeltJenbuch und der Novellenhiteniiur gcUufig
waren, frei gestaltet; die \\t\ erörterte Ermordung Sigfrids im Schlafe unter
einer Linde ist somit für die Rekonstruktion der alten Sagcnfurm imvenvert*
bar. Eine allere Dramatisierung ist das Sterzinger Spiel von den Rosen-
gartenkämiiEeD (Germ, zi, 420(f.; Sterzinger SfiieU her. v. Zingetle I. 140 ff.)
aus dem Jahre 151t; Fragmente einer anderen aus dem Hcldenbuch ge-
schöpften dramatischen Bearbeitung des Rosengartens A v. J. 1533 sind
ZfdA. II, 252 ff. gedruckt Mit dem -Wunderer' (§ 20) berührt sich nahe
das Fastnachtspiel vom «Ferner und dem wundrer* (Keller, FasltiachtspieU
II, Nr. 62). — AusscliHeasIich die Druckred aktion des Sigfridsliedes setzt das
Volksbuch vom gehörnten Sigfrid^ vfjraus, obgleich es aus dem Französi-
schen übersetzt zu sein vorgiebt. Es ist nichts als eine Prosaauflösung des
Liedes mit einigen freien Zutliaten und Erweitenmgen und romantisch ent-
stellten N'amen, die iiiclit sehr viel alter sein wird als die älteste vorhandene
Ausgabe (1726) und in keinem Za^ammenhaiig mehr steht mit !eh»endiger
&ge. — Lange daitem neben den Quellen die Zeugnisse für eine nicht
völlig absterbende Tradition und Beliebtheit der Ht-Idcnsage, wie sie in W.
Crimms Htls. und MolIenli(_>ffs und Jaenickes ^Ä' beigebracht sind; am läng-
sten erhielt sich die Kunde von dem hörnernen Sigfrid und von Kriemhild,
von Dietrich und vom getreuen Eckart In den Possen und Schwanken des
ausgehenden Mittelalters fand die Heldensage Verwendung, die Xümbcrger
Meistersanger pflanzten ihre Stoffe fort, ohne dass die Sagenforschung aus
-diesen gdegentUchen Andeutungen viel Nutzen zOge. s
' Ausgabe ron A. v. Keller, Lit Vct. Nr. 87. — * gedr. in v. d. Hagent
und PriitiUsfM» Helärnbtmh in der Unpratihr, } Bde., Berlin iftzo — 35: vgl
Zarnckc, Genn. l, 53 ff.; Steinmeyer, ZfdPb. 3, 24t ff. — " Aus7.ug in Hagen
Cierm. 7, 95 ff.; vgl. Uhland, Sihr. I, 481 ff.; Hdi. S. 310 f. 473; Ranzmann
II, 36; ff.; L. VoKs. CbrrUef. nnä Vfrfaisersch.dts mhd. RitUrromanei Friedr,
V. Sihva^^, MönMcr 1895 (Diss.). [Jiriczek, DZ/S. I, 24 ff.]. — * Ncudmdt
ron E. Goetztf, Halle I880 (BnuDcs Keudrudie Nr. 19); vgl. Drescher, S/tt.
dien 3N Jfans Sachs I. Hani Sathi und die Ileldensa^t. Berlin l8gi (= Acu
Gcrman. l\, 3) S. 5 ff. — ^ Abilruck d« Auag. von 1726 tn Goltbers Atug.
des HUmen Sey/rid S. 59 ff.
§ 22. F-ine Reihe sekundärer Quellen für die Heldensage bietet endlich
■das ausgedehnte Gebiet der Volkslitteratur : Volkslieder. VolkÄ^agen und
Volksmärchen, bei deren Benutzung die grOsste Vorsicht geboten utid genau
zu trennen ist zwischen Zeugnissen w-irklicber Volkstradirion imd Nachklangen
literarischer Quellen. Im Volkslicde oder der Ballade des 15.^17. Jahrhs.
ist hie und da. doch selten, eine Umwandlung halb unkenntlich gewordener
Heldensagc-n zu spüren oder zu vermuten: so mag die Ballade »Der Graf
von Rom« (Uhlands Volkslieder Nr. 299) eine dtmkle Erinnerung an die
nur aus der l*s. bekannte, aber auch in Oberdeutschland einmal geläufige
Ironsage (§ 67) enthalten. Die merkwürdige Ballade von der schönen
Meererin, die noch heule in verschiedenen Fassungen in Gottschee gestmgen
mrd, ist aber ohne Frage kein Nachklang der Sage, simdem aus dem mhd.
Kudrunepcs entsprungen*. Aus der Heldensage entwickelte Volkssagen
sind nur spärlich bewahrt Lokalisierungen der Nibelungensage auf der Insel
Hvcn im Sunde (§ i8). der Wjelandsage in Berkshire {ffds. Nr. 170. ZE
Nr. 6) und im Sachsenwaldc (Jahrb. f. nd. Sprachf. i, 104 f. II<is. S. 492)
sind liier anzuführen. Die seit dem tu. Jahrh. auftaudiendeu schwedischen
Lukalsageo von Wieland dagegen (//A. Nr. 169. [Jiricxek. DHS. U 53 und
41*
644 XIV. Heldensage. Übers. Ob. d. Quellen. — Die einz. Sagenkreise.
Anm.]) scheinen grossenteils auf Kenntnis der scliwedischen Didrikssaga
(§ 18) zu beruhen. Als ein Schweinhirtenbube Silufritz lebt Sigfrid unweit
Gemeinden in Unterfranken fort {ZE Nr. 32); andere Lokalisienmgcn der
Sigfridssage verdienen lebhaftes MLstraucn '. Dietrich von Bern, dessen An-
denken mit dem clreissifyahrigen Kriege im Vcilke erlosih, ersiTheint dtxdi
noch hie und da in Volkssagen als Teilneluner an der lÄ-ildcn Jagd {M\/A.*
177. 781 f. III, 283. 2fdA. 12, 436). Der deutsche Volksmarcbenschatz
ist etwas ergiebiger. In phantastisclicr Auflösimg, nanien- und heimatlos,
wie im kindlichen Spiele, hat das Märchen freilich mehr verdunkelten Mjthus
als wirkliche Heldensage bewahrt. In den Sigfridsraärchen • — und die
Sigfridssage kommt fast allein in Betracht — scheint der alte Sigfridsmyihus,
unberührt durc!» die historische Sage, in Nachklüugen fortiuleben. Die
Vergleichung der Märchen mit den FJylsvinnsm^^l, in welchem Liede eben-
falls ein nahe verwandter, aber bereits märchenhaft gestalteter Mythus vor-
liegt, fülirt zu auffallenden Übereii^timmungcn unter sich und mit dem
Sigfridsmythus. Da» Märdien vom Domröschen aber (Ä'/AV. Nr. 50), wie
merkwürdig auch die Ähnlichkeit ist zwischen der aus hundurtjälirigcm Zaubcr-
schlafe erweckten Königstochter und der Walküre, die nach der eddischen
Oberiiefenmg durch U^ins Sclüafdom in Todesschlaf versenkt und durch
den jungen Sigurd wieder zma Leben geweckt winl, darf nicht langer in
diesen Kreis der SigfridsrnSrchen gestellt werden. Nach F. Vogts schöner
Untersuchung ist es der Auslaufer eines griediischen Vegetatiüiismythus, aus
dessen Gruudmuliv auch die mytliischc Vorstellung erwachsen ist, welche
bei den Germanen zur Sage von Sigfrid und Bmnhild geführt hat*.
» K. J. Schrßer, Genn. 14. 327 ff. (\-gl, ebda 17, ao8. 425); A. Hauffen.
Die dtitfiche Spracfsins€l Golts^/ire, Gr« 1895, S, 24J IT, (s. audi 2s. f. Osterr.
Volltsk. I, 336 f.). — » Zarncke, XififlungtHlifd* S. CV ff. — • Al» «olchc gelten
mit mehr orier inioder Wahrscheiulichkcit: KlIM. Nr. (57). 60. 90 — 93.(97). III.
djuruRaÄtmann 1, 360, Gerrn. 8, 373. Ein lilauwchirsSigfiridsinäidicn Icilce Edrardi
Gemi. 20, 317 mit. — * Spillcr, Zur Grxirk, des Märchens vom DomrCicken
(Progr. der ThiiTEaiiischcn KÜconsschvilc 1893); F, Vogt, DomrSschfH-Thaha in:
BdtiBge nix Volkskoodc. Fettschrift für K. WeintioM, BresUu 1896, S. 197(1!.
DPE ErNZELXE>J SAGENKREISE ".
A. B^WULfSAOE.
% 23. Zwei Thaten Biowulfs sind es, die den Kern des aga. Beowulf-
epos bilden: sein Kampf mit Grendel und sein Kampf mit dem Drachen.
Die erste, die den Hauptinhalt des ersten Teils des Gedichtes ausmacht, ist
dort auf die Insel Seeland an den Sitz der dänischen Könige verlegt In
die Halle Heorot, die der dänische König Hrödgär, Healfdenes Sohn, sich
erbaut hat, dringt Nacht auf Nacht der in den Moorai hausende Unhold
Grendel, der die Insassen mordf-t und den Saal vcrMet, bis mit Werzehn
Graten Bcüwulf über das Meer dem Könige zur Hülfe eilt Er verwundet
in einem nachtlichen Faustkampf den Riesen auf den Tod imd schlagt ihn
in die Flucht. Die zweite That siiiell \\xx Lande der Geaten und in B^wuUs
hifhem Alter. Nachdem er fünfzig Jahre über die Geaten geherrsciit, zieht
der greise Held noch einmal aus, um einen feuerspeienden Diachen zu be-
* Die liiienriiclien NachweUe xu den ciiLzcIneri Soenücrrt&CD bezwecken keine VoU-
scÄndigkdu Auuer des Scbrifien, deren Re^ulut« filr dea Tm verw'tftct worden, ütd
In der Hegel nur solcbe angelUhrt, denen bleibende Bedeutung zuerkannt werden dürft*,
oder auf deren von den im Text vorgetragenen abweichende Aufiunineen «ntdrÜcUkh
hingewiesen werden »Ute,
I
zwingen, der auf einem Schatz in einer Höhle am Meeressiraiidc lagert. Er
«ri^ den Wunn (mit Wiglafs Hülfe), wird aber selber zum Tode verwundeL
Ein drittes Abenteuer, wovon das GcdiclU zu berichten weiss, fallt in Beo-
wulfs Jugend: sein Schwimmwettkampf mit Breca, Beaustäns Sohn, dem
Herrn der Brondinge (Bcow. 500 ff.). Ob auch diese Sage dem Beowa
{Beowulf) von Hause aus zukam (»der erst auf ihn übertragen wurden ist,
raubs dahingestellt bleiben. Die beiden Hauptthaten des Beowulf aber, sein
Kampf mit Grendel und sein Kampf mit dem Drachen, weisen zweifellos in
die Sphäre des Mythus und führen auf einen Heros, der säuberad und
segensreich wirkt. Auf den Graten Beowulf sind sie nur übertragen; ihr
ursprünglicher und eigentlicher TrSger war ein myllvischcr Heros B&iw oder
Beow(a), der Sohn des Scvid, dessen Name im Epos erst sekundär durch
den Namen des historischen Beowulf verdrängt ist.
Die Existenz eines raytliischen BA>w(a) ist gesichert sowohl durch die
aga. Genealogien als durch englische Ortsnamen. In den ags. Genealogien
{Afylh.* ll\, 377 ff.) gilt B€aw{a) i.^Aftx B<ow(a) als %^\m (kcs Scyld {Sctldxoa},
welcher seinerseits an Är^'ij/' angeknüpft wird; ats letztes Glied der Genealogie
wird Tithva angefügt, abo Sc/a/-Sfylä-Beow{aJ-7<ilwa. Von Sceaf berichten
englische Chronisten des :o. Jahrhs. die schöne Sage, dass er als kleiner
Knabe auf einem steuerlosen Schiffe an der anglischen (oder skandinavischen)
Küste gelandet sei, schlafend, mit dem Haupt auf einer Garbe (ags. sc/af,
ndd- nl. schö/, ahd- seouh) nihend und von Waffen und Schätzen umgeben.
Er wird vnii den Einwohnern gastlich aufgenommen, ä«-(j/ benannt, .sorgfältig
erzogen und spater zum König gewählt, als welcher er in der Stadt Släswich
^Schleswig) im alten Angeln residierte. Zu Anfang des B^wulf wird der
Schills« dieser Sage berichtet, die Bestattung 6cs Heros auf demselben
Schiffe, das ihn einst ans Land gebracht; allein nicht von Sceaf, .sondern
von Sryiä Seffin^ wird sie dort erzählt. Da nun die Mtcste Hs. der Sachsen-
chronik die Figur des Sciaf nicht kennt, ist die Annahme, sie sei erat atis
dem patronvmisch umgedeuteten Scyid Scefiafi (»Scyld mit der Garbe«) ge-
folgert, in hohem Grade wahrscheinlich >. In Scj-ld hatten wir dann den
ersten Angelnkönig zu erblicken, dessen Attribute, Ährenbündcl, Waffen und
Kleinodien, auf die mythische Gründung eines durch Ackerbau und Kriege
zur Kultur sich entwickelnden Staates weisen. Geheimnisvoll kommt der
Heros aus <ler Feme, und in dasselbe geheimnisvotte Dunkel hülU der My-
thus sein Ende (Bcow. ihff.). Mit der mythischen Natur des Äf/r/l'Scliild,
Schirmer*) Lst aucli die seines Sohnes B^wfa) gesichert, wenn audi die
etymologische Deutung des Namens bisher nicht gelungen ist* Von Bemuul/,
der ihm 'im Epos substituiert wurde, aber ursprünglich mit ihm in keinem
etymologischen Zusammenhang gestanden zu haljen braucht — die Ähn-
lichkeit der Namen muss ja gerade die Verschmelzung des Mythus mit der
geschichtlichen Sage veranlasst oder crieichtert haben — , ist der Name
B/a(w), wie er in seiuer ältesten Form gelautet zu haben scheint (doch s.
Binz, PBB. 20, 154), wohl zu trennen. In dem Mythus von {Sc6af)-Scyld-
Beaw scheint ein fortschreitender Kulturmythus vorzuliegen: der Vater
s\Tnbolisiert die Gründung des sdiirmendcn Königtums, das den Ackerbau
pflegt und den Besitz gtgen Feinde schützt; in dem Sohne versinnbildlicht
der Mnhius die Scgnimgcn gesicherter WohiLsitxc für das secanwohnende
Volk; nach langer glücklitJier Herrschaft kann er das Land seinem Sohne
Tdtwa izu ags. Tai- in Eigennamen, frühmhd. zct's. an. tdfr «froh, erfreu-
lich«) in behaglich geordneten Verhältnissen zurücklassen.
Mit dieser Auffassung ist auch die Deutung der beiden Grossthaten des
646
XIV. Heldensage. Die einzelnen Sacbnkrei&e.
r
myiliischeri Beowulf wohl vereinbar. Am klarswn weist :ier Kampf mit
dem Meerriesen Grendel auf die Rettung von Mensdi und Land aus der
Gewalt des die Küsten überflutenden Meeres. In Grendel darf man die
Personifikation dfrr Sturmflut fwben» die im Frühling ^ch über die niederen
Landschaften an den Küsten der Nurdsec ecgicsst (vgl. an. GriuJill unter
den veära hetit der Snorra Edda II, 480. 569), die Mcn.ichen aus ihren
Wohnsitzen raubt imd diese selbst verschlingt; einen Dämon, der die zer-
stütcnden Gewässer entfesselt, und den der TrSger der menschlichen Kultur^
der Heros des friedlichen Anbaues, l>e7wingt. .\n sich \'ieldeutig ist der
Drachenkarapf, aber von demselben mvdiischen Herus wie der Kampf mit
Grendel erzJlhlt, darf er mit Müllenhoff als *das herbstliche Gegenstück zu
dem Kampfe mit Grendel im Fnihjahr* aufgefasst werden. Die verheerende
Sturmflut nimmt jetzt das Bild des Drachen an, der auf den Schätzen des
Bodens lagert; noch einmal erhebt sich der aitgewordene Held, um den
Unhold zu erlegen und den vi>ii ihm gehüteten Hnrt den Menschen zurüct-
zucrobem. Aber der Kampf kostet ihm selber das Leben: sein Reich ist
aus, der Winter steht bevor. Durch den Kulturmythus briclit also der allere
Naturmythus durch, woraus er crwaclisen ist: der Kampf mit Grendel und
der Kampf mit dem Drachen sind im Kulturmythus verschiedene Bilder für
dieselbe Vorstellung, den erfolgreichen Kampf gt^ea die den Seevölkem
vom Wasser drohenden Gefahren, aber zu Grunde liegt ilmen ein Nalur-
mythus von einem Heros, der im Fri\hling das Überströmende Wasser
bandigt, d. i. den dasselbe peitschenden Diünon bezwingt, im Herbste aber
im Kampfe gegen den winterlicfien Drachen den Tod findet. Zum Kultur-
mythus ist der alte Naturmythus vermutlich erst geworden, als er an den
Mythus von Sccaf-Scyid angegliedert wurde. In Beowulf oder ric-hügej in
Beaw, Beow haben wir demnach einen aus einem alteren Lichtwesen ent-
wickelten Kulturhcrüs der Noidseevölker zu erblicken, der allerdings in seiner
Thatigkeit als Reiniger und Schützer an Glitte rgestalten der nordischen
Mythologie gemahnt Abzulehnen ist aber sowohl die weitere Ansicht
Müllcnhoffs, der in ilun eine Hypostase des Freyr (Ing als Stammvater der
Ingvüonen) erblickt, als die .\uffassung Anderer, die in ihm einen Thorshelden
sehen, wenn auch Beowa beiden Güttcni in seiner Erscheinung nahe steht,^
dem Frevr als mildes, freundliche!! Wesen, ilas im Lenz den feindlichen Winter
vertreibt, dem Thor durch seinen Drachenkampf und überhaupt als Schirmer
der Menschen gegen die drohenden FJeraentarmachte, erstercm Gotte mehr
in sehicr allen naturmythis* hen Rolle, letzterem mehr als Kulturheros.
Wie der Beowamythus im ags. Epos vorliegt, hat er bereits Erweiterungen
imd Zusätze erfahren. An den Kampf mit Grendel schloss sich ein zweiter
mit Grendels Mutier, die ihren Sohn zu rachcu kommt, doch von Beowtilf
auf dem Grunde der See erschlagen wird (Bcow. 1251 ff.)- ^^cr Grendd-
mytlius .selber wurde an den Sitz der danischen Könige geknüpft. In Beo-
wiilfs Kampf mit dem Drachen, den er ursprünglich natürüch gani/. allein
luitemahm, wurde si.>ater Wiglif eingemischt, um dem Helden dnen Nach-
folger zu geben. Alle diese jüngeren Ausgestallungen aber hangen unleugbar
zusanmien mit dei Umwandlung des Beowamythus zur epischen Sag;e unter
der Einwirkung eines hist«.irischcn Ereignisses.
MalUaboff. ZfdA. 7. 410 IT. 419 jf. \z, 382 if. Bfovul/, Berlin 1869, S. I
— 13; LniHtoer. XfbthagfM, Stun«. 1879, S. 88 fr. 264fr.; MOlUr, Ae. I'oiii-
efios S, 40 ff.; Ten Brink. O'runJr. ^ II. i, 533 f. Ilecwul/ {QY. 6a), Soassb.
1888: KocficI. ZfdA. 37. 374 ff. CtuH. d. rf. Lftt. I. i. 104 ff looff. —
1 Mßllcr, Ai\ l'dtsrjKis S, 43 f.; fiinz. FBB. 20. 147 f.; dAgegcn Tcrtcidieen
die Uierv vViuicht tcn Brink, litowul/, S. 195 f. Anm. uik] iijuncDÜicb \\tn,ü\n^
I
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I
I
I
I
ZrdA. 4:, 156fr. — ü Zur Etymologie s. Koegelt Aufuu Beowtiif, ZTdA. 37,
26a ff.
§ ^4. In der Genealogie zu Anfang des Epos ist aus dein m^ihischen
Scyldini; Beow(a) der Stammtafeln und Ortsnamen durch Anknüpfung an
die dänisclien Slcildinge (Skj^^ldungar) der Scylding Beuwulf geworden, der
als Vater des Healfdene gilt. An die Stelle des mjthischeji 7tftiva Lst abw
der aller WalirsdidnliclJtcit nach historische DanenkOnig Healjdene {Haidanus
bei Saxoi getreten, dem sich dann Hröitgdr und Hälf^, und weiter Hridulf
anscliliessen, enLsprecliend Saxos Rot, Hrlgo — Rßh>o. Und der Name Bifowfa)
ist durch Bt'oimiif ersetzt Zu diesem Namenwechsel hat offenbar der Held
des Gedichts Vcranlassur^ gegeben, der Gcate Ücowulf, EcgjK-ows Sohn,
auf weichen die Thaten des mythischen Be'jwa übertragen wurden. Er sclieint
eine histrirische Persönlichkeit zu sein. In epistxlischen Einschaltungen des
Beowulf (1202 — 14. 2354 — 72. 2,soi — 8. 2QI0— 21) wird vün einem Plünde-
rungszuge des Gcatenkitnigs Hvgeläc in das »Land der Friesen»: {on Frü^ta
iand 2915, womit die westfriesische Küste in den Niederlanden gcme-inl sein
muss) berichtet. Er stösst aber auf kraftigen Widerstand von Friesen und
Franken: im Gebiete der /feiivare i,C1iattuarii) wird sein Heer fast vernichtet
{2365 f.), er »eU)er getötet, seine Leiche und die vergeblich verteidigte ge-
machte Beute fallen in die Hand der Feinde (i2iof.|. Auf die^iem unglück-
lichen Raubzuge zeichnet sicli unter den gcatischen Helden Beowulf aus,
der Sohn des Et^fieow, aus dem Geschlecht der Wrfgmundinge; er erschlägt
den Franken Dit^hrefn ohne Schwert (2501 ff.) und rettet weh schwimmend,
mit drcissig Bninnen licladen (2351) ff.). Die historische Grundlage dieser
Begebenheit hat zuerst N. F. S. GmndtWg (1817) erkannt. Nach Gregor
von Tours III. 3 und den Gesta Francorum c. icj drang der dfLuische König
Choclülaicus zwischen 512 und 320 mit seiner Flotte plOndemd und ver-
heerend bi.s in den Gau der sal fränkischen Chattuaner vor, wurde aber von
einem fränkischen Heere unter Theodebert, dem Sohne des Merowingers
Theodorich, geschlagen; er selbst fallt, die Beute wird den Normannen ab-
genommen (s. § 7). Bis auf Einzelheiten decken sich die Berirhic der
fr&iikischen Chronisten und des Epos. Der Name OuKhilaiens steht für
* Otugilaictu SS ?k^. Hy^läc. Von den Ruhmesthaten eines tlünischen (gau-
tischen) Kriegers bei dieser Gelegenheit, »ie das ags. Gedicht sie von Bfe-
wulf berichtet, verlautet allerdings in den geschichtlichen Quellen nichts,
allein die Annahme, dass ■wirklich ein Held von ausserordentlicher Körper-
kraft und Schwimmer von grosser Austlauer sicli als Teilnehmer an dem
Zuge des HugiJaik an die Rhejnroündung hervorgetlian, und dass dieser
einen dem mythischen Beow(a) ahnlichen Namen getragen habe, ist durchaus
tmbcdcnklich und zur Erklärung der Beowulfsage xmerlasslich. Hicss der gaulische
Held *fiiwivoi/r >Bieiienwolf« (an. lijölfr aus *Byolfr\ so wäre damus regel-
recht in anglischem Munde lie'ouulf (alüiorth. Bimvulf) gewnrtlcn V wndurch
die Phantasie auf den angelsa«.'hsischen Siammesheros Beaw hingelenkt
wurde: abgesehen vom Namen wird das tertium cumparadunis zimUchst
seine v^'underl>aro Fertigkeit im Schwimmen gewesen sein, die an den
Schwimmwettkampf zwischen Beowulf (B6owa^ und Breca erinnerte, welche
nun auf den historischeu Helden übertragen wurde. Der Kampf mit Grendel
folgte, imd endlich schloss sich der Kampf mit dem Drachen an. That-
sachlich blieb der alte Mythus der Kern des Epos; von dem historischen
Bcou'ulf weiss es so gut wie nichts. Man muss notwendig voraussetzen,
dass in der alten Heimat der Angelsachsen die Kraftleistungen des Gautcn-
hdden auf dem Rückzüge des HugUaik zwar eine äugen bllcklidie starke
648
XIV. Heldeksage. Die eikzelnes Sagenkreise,
Wirkunjf hen'orriefen, stark genug um ihn vorübergcliend zum Helden des
Tages zu machen imd ihn das Erbe des mythischen Heros antreten zu
lasscD, däsa der Eindruck aber nicht bleibend war, da andernfalls im ags-
E]xiÄ weniger ausschlieaslicli der Mythus herrschen, und der Norden nicht
jede Erinnerung an einen sagenberUhmten Gauten Helden Bjölfr verloren
haben wQrde. Die Bildung der cpisrlien Sage kann demnach, wie teu Brink
{Beorv. S. 21^ ff.) mit Recht hervorhebt, nicht lange nach dem geschichtlichen
Ereignis, das den Anstöss zu ihr gab, alsu nicht spAtcr als etwa 530, ange-
fangen haben.
Bcowulf ist im Epos ein Gcatc. Wenn die fränkischen Clironisten den
Chochilairus (HygelÄc) einen König der Danen nennen, so wird man darin
nur eine unberechtigte Ausdehnung des Däuennaniens auf alle nordischen
Seeräuber zu sehen haben: eine jüngere Quelle erzählt eine Sage von der
ungeheuren Körjjergrösse desselben HtigUaicHs (verderbt in Iluiglatiau, Jlunrg^
laciis), den sie, die ags. Überlieferung l>estatigcnd, einen »-rex Gctarum<
nennt {s. ZE Nr. 9, 2). Die Gr'atiu des Epos (auch ^g/atas, Wedergeaias
oder WeJeras genannt) sind unzweifelhaft die Gauten, d. h. die Bewohner
der jetzigen Landschaften Väster- und Hstergödand im südlichen Schweden
(an. Gautar, aschw. Gstary nicht, wie sie auch gedeutet worden sind, die
Juten (ags. ^tas, Iotas; an. Jölar) *.
Die geschieh tiicbcn Elemente im Bi.'owiür, auf welche ein näheres Einjichcn hier
unthnnlich üt^ ^ind »tu cindrinKcadsten umcrsucht worden von Müllcnhoff. Bfovutf
S. 13 — 109. Über die HyifL-h'ic-Eptsoüe s. auch Kurtk, Wtt. poit. <Ui M^roving^
S. 337 IT. Von JUiertrf Litterahir (s. Wülkers GrunärtsT g 244 — 266) sei ange*
ftlhrt Kemble's Vorrwle £u «Hiier Ausg. des B^w, (' 1835): H.Leo, Beovntl/^
Halle 1830, und Grein in Eberts Jahrb. IV (1862), 260 ff, (s. ferner die Litteratur-
aogaben xu % 33) — ^ Zum Xamen s, Cnsijn, Anntt^ri. op lie» Biovt. (1891)
S. \l\ Sicverü, PUB. 18, +13. 20, 154 Atim.; Binz. PBB. M. 153 Anm. 3
\y^' § 23 Anm. z). Man k'ititiie B^o-w(a) als Komproinissfonn aus Bf<ne und
Biawulf ansehen. — ' Die jQten-Hj-poihft^e iiC in neuerer Zeit vcrteidigi worden
von FahlbcclE, Anti<jvor. Tidakr. (Jlr Svcrige VIII (1884) 2. 26 ff. und Bugge,
PBB. 12, r ff. Dagegen: Ci. Sarrazin, B^cntuif. Studien % 23 ff.; tcn Brink, Beo'
timf/S. 196 ff.; Möller, Engl. Stud. 13, 3IJ Aixtn.
§ 25. Die Frage, welchem germanischen Stamme sowohl der alle Mythus
von (Sceaf)-Scy!d-Beüwa als die eigentliche Beuwulfsagc ursprünglich ange-
hören, ist trotz ihrer häufigen Rn'Srtrrung in älterer und in neuerer Zeit noch
keineswegs entschieden. In den beiden vorhergehenden g§ bricht wiederholt
die Ansicht durch, dass nicht nur der ^[ythus, sondern auch die epische
Sage von Bcowulf sich bei den englischen Stämmen, ganz oder doch grössten-
teils noch in ihrer alten Heimat, gebildet hat. Dem gegenüber haben von
alteren Gelehrten die meisten Bkandina\'i.s<'Jien Forscher, aber z. B. auch
EtImUller imd TIiLirpe. von neueren namentlich Bugge. G. Sarrazin und
SievLTs dürzutlnm ge.sucht, das.s die beiden in unserm Ejms verechmolzenen
überliefern ngsschichten alter skandinavischer Tradition entst;tmraen *. FOr
die zuletzt genannte Auffassung kannten zunächst allgemeine Erwägungen zu
sprechen scheinen, einmal der allerdings sehr bemerkenswerte Umstand, dass
die Sage auf .skandinavischem Boden spielt und nicht angelsaclisische, son-
dern dänische und achwedi.sche Helden in ihr auftreten, femer die That-
sache, dass nirgends lu der alt- oder mittelenglischeu Litteratur steh eine
Anspielung auf sie findet. Von grosserer Bedeutung sind aber die von den
* Nur von der Sage ist hier die Rede. Di« alle, nvuerdinp von G. Sarracio
«ieder auf^eoiimmene Ansicht, der B^wulf sei nicht original eagliscfa, »ondt-m «w einem
skandinaviscbeD [gauüschen oder ditaütchen) Dijilekt« äbenvUt, darf damit lulUitich nicht
susamm<mEewOrfcQ werden.
Beo'K'Ulfsaoe: Historische Sage. Heimat der Sagb.
649
I
genannten Forschem, vor allem von Sievers, aus der nordischen Sagen-
dichtung, speziell aus Saxo, zum Beweise dafür, dass die Elemente der Beo-
u-ulffahel auch im skandinavischen Norden im Liede lebten, beigebrach-
ten Parallelen. Zweierlei muss hier genau unterschieden werden. Gewisse
Übereinstimmungen zwischen nordischer Sage und dem Bcuwulf sind ohne
Frage auf englischen Ursprung zurückzuführen: so die an die Kflmpfe mit
Grendd und dessen Mutter stark critincniden und vermutlich diese wieder-
gebenden Partien in der isländischen Grtttix saga c. 64—67 '; Übrigens kann
diese Interpolation, die nach den Untersuchungen Boere (ZfdPh. 30, 59 ff.)
erst dem Ende des 13. Jahrhs. angehört, so wenig wie der von Bi^ge heran-
gezogene Orms fMittr SiMl/ssonar (Fiat I, 52iff.> s. PBB. 12, 58 ff. 30off.
ZfdPh. 30, 65 ff.), für die lebendige Existenz einer Form der Beowulfsage
ra skandinavischen Norden etwas beweisen. Dasselbe gilt von der Erzäh-
lung vom Wettschwimmen Egils in der £gih saga ok Ärmurtäar aus dem 14.
Jahrh. (PBB. 12, 51 ff-), wenn Überhaupt in diesem Falle ein historischer
Zusammenhang anzuerkennen ist, was für andere von Bugge beigebrachte
Parallelen sicherlich zu leugnen ist (s. die Bcmerktingcn tcn Brinks, Beoto.
S. 191 ff.). Anders dagegen steht es mit der Sage von JJ^di^arr Bjarki und
mit den von Sievers angeführten Stelleu aus Sa.\o. Ereierc, in der Hr6i/s
sa^ kraka (naraenUirh c. 34 — 36: Fas. I, 65 ff.) und bei Saxo (lib. II, p. 87
MV., p. 56 ed. Holder) erhallen, zeigt ohne Frage, besonders in der Form
der Saga, Ähnlichkeiten mit Bcot^iilfs Grendclkampf und Drachenkampf, die
nicht zufällig sein k<'nnen *. Und die von Sievers' nachgewiesenen Berüh-
rungen zwischen Beowulfs Drachenkampf und Saxos Bericht von dem
Drachenkampf Frothos I. des Vaters des Haldanus jHealfdcne), zu Anfang
des zweiten Buches sind vollends schlagend; auch den Parallelen IleremÖd-
Leikerta und Scylri'Siyoliius darf eine gewisse Bedeutimg nicht bestritten
werden. Es ist nur die Frage, ob diese unleugbaren Parallelen wirklich
beweisen, was sie beweisen snllen: den skamünavischen, speziell dänischen
Ursprung des Beawaraythus. In der Sage von B9dvarr Bjarki nach der
Hn'tlfssaga liat ten Brink (Beow. S. 188) Umbildung dänischer Überlieferung
unter dem Einflüsse >der englischen Beowulfsage« erblickt Diese Auffassung,
die schon dadurch nahe gele^ wird, dass das Abenteuer ß^flvars in der
nordischen Sage aus dem Grendel- und dem Drachenkampf zu.sammcnge-
flossen scheint, also sicherlich keine ursprüngliche Gestalt der Sage repräsen-
tiert, eiliält eine sehr wesentliche Stütze in einer noch nicht genügend be-
achteten, wenn auch von Buggt^ gett^cntlich (PBB. 12, 57) her\-orgehobenen
genealogischen Notiz in der Flateyjarbök (1,27): Ädfl^ (nämlich des Sccldwa-
Skjpldr) son Beaf er ver koUum Biar, die zwischen dem Mythus %on ßeaw
und der Sage von Bjarki die Brücke bildet Züge aus dem angUscben
Mythus vun B<atv-Biar [Biarr oder Bjärf; s. Verf., Lieder der Edda I, 222)
wurden auf den dänis<;hen Sagenhelden {Bf{itfarr-)Bjnrki, durrh Ähnlichkeit
der Namen veranlasst übertragen. Und auch in den Fällen, auf welche
Sievers die Aufmerksamkeit gelenkt hat, dürfte eine, freilich ältere, F,inwirkung
englischer Dichtung auf die skandinavische vorliegen; d. h. die alten däni-
schen Lieder, auf weli;he Saxos Darstellung schliesslich zurückgeht, haben in
früher Zeit ebenso wie sie zu den Angeln und Sachsen drangen — man
denke nur an die Kämpfe zwLsdien Danen und Headobearden — , anderer-
seits auch Züge angelsächsischer Sage und Dichtung in sich aufgenommen.
Nur durch die Annahme reger Wechselwirkung zwischen der mythisch-epi-
schen Poesie der Angeln auf der kiuibrischen Halbinsel und der bloss durch
den kleinen Belt von ihnen getrennten Inseldflnen erklärt sich das Sagen-
650
XIV. Heldensage. Die eikzelnek Sagenkreise.
gewirr im B6owulfe|ius. Der BcowainyÜius selber aber, wenn er oben nadi
Müllenhoff richtig ge<ieiitet Ist <^§ 23), wird nur als Dichtung eines Nordsee-
stammes verständlich, dem der unausgesetzte Kampf mit dem Meere den
Inhalt für seine primitive Diclilung gab. Sa crgiebt sich für die historische
Entwicklung der Benwulfsage folgende Skizze, deren nähere Bt^;rOndung der
Raum nicht gestattet.
Der Mythus vmi Beowa ist in der alten Heimat der Angelsachsen ent-
standen und bereits von den ersten Besiedlem Britanniens, unv<*rbundcn mit
und unbceinflusst vun der histcrisclicn Beüwulfsage, in die neuen Wohnsitze
hinübergetragen. Darauf weisen Ortsnamen wie h/ouan harn und GremicUs
mcre zusammen in einer Urkunde v. J. Q31 aus Wiltshire, ferner Gritjäles Uc^
Grimieks pylt in Worcestershire {ZE Nr. 8), und andere von Binz (PBB.
20, 155 f.) nachgewiesene, von denen die ältesten noch dem Anfang des 8.
J;ihrhs. angehören. NamentJich die Urkunde v. J. »»31 deutet mit Entschie-
denheit auf Fortleben und I^okalisiening des alten Mythus in Wiltshire.
Weniger entscheidend sind die übrigen Zeugnisse. Aus dem Umstände, dass
diese Namen sich vorzugsweise auf westsächsischem Gebiete Hndcn, hat man
vielleicht mit Recht auf besondere Pflege des Beowamythus l>ci den West-
sachsen geschlossen, was jeducli seine Entstehung bei den Angeln keineswegs
ausschliesst. Bei den .Engeln ist jedesfalls die .Ausbildung der epischen Beo-
wulfsage vor sich gegangen, die durch ein liistorisches Ereignis aus dem
zweiten Jahrzehnt des 6. Jahrhs. veranlasst und nicht zu lange nachher voll-
zogen sein muss {% 2^). Dass auch die Übertragung des Biowamyihus auf
den alü historisch zu betrachtenden Dicnstinann des GautcnkÖnigs Hygeläc
wenigstens in ihren ersten Etappen noch in dpr alten fesll^ndischen Heimat
der Augeisachsen erfolgte, unterliegt keinem berechtigten Zweifel: nur hier
waren dazu die Bedingungen vorhanden, die nahen Berührungen mit skandi-
navischen Stämmen und ihrer Dichtung — denn ein gautischcs Lied wird
doch als Vermittler von Beowulfs Heldenthaten anzusehen sein — und t\ber-
haupt das Interesse für Begebenheilen, deren starke, aber offenbar vorüber-
geliende Wirkung nur innerlialb der Welt erklärlich ist, wo sie zuerst gefeiert
und besungen wurden. Auch die Veriegung des Grendel kampfes nach See-
land erklärt sich nur in der alten Heimat, wo leicht der alte Träger des
Mvthus. n6nwa tler So-lding. an den Ahnherrn des danischen Königs-
geschltchles Scyld-Skjyldt eriiniern konnte. Die historischen Überlieferungen
der Angelsachsen lehren imn. dass um 530 (s. § ^4) die Gründung der
sächsischen Keiche in Britannien im wesentlichen vollendet war; auch Nieder-
lassungen der AngeUi fallen zwar schon in frühere Zeit, allein ein grosser
Teil ilerselben blieb bis gegen die Mitte des 0. Jahrhs. in den alten Sitzen.
Diese anglischen Nachzügler, die Begründer der Königreiche ßeniidcn und
Deira, Ostangchi, Mcrcien, bei denen der Mythus von Böiwa auch nach
seiner ersten Überfflhnmg nach England lebendig geblieben war, kommen
für diL' epische Ausbildung der BüowuUsage allein in Betracht Mit ihnen
ist die ßeowulfsage, wir dürfen annehmen in der Form epischer Einzellieder,
nach Britannien gekommen, etwa um die Mitte des 6. Jahrlis. Halten *ir
fest an der ags. Tradition, wonach die ersten anglischen Reiche 547 (Bemi-
den) und gegen 560 (Deira) gegründet wurden, so werden wir in diese Zeit
auch die Überführung der Bcuwulfsagc vun der kimbrischen Halbinsel ui das
Astliche Britannien setzen dürfen. Wie weit damals die Bildung der Soge
vorgerückt war und ob nicht ilir Abschluss, namenUidi die Übertragung von
B^uwas Drachenkampf auf den Gautcn Beowulf, erst in England erfolgt ist,
darüber sind nur unsichere Vermutungen möglich, die mit den m'dit weniger
Estwicklung der Beowulfsage. — Nibelungensaoe.
651
unsicheren Ergebnissen der höheren Kritik des Beowulf eng zus-amnicnhangcn.
Auch die Frage, welchem der anglischen St.'lmme die Aiishildung der Sage
zufallt, ist kaum entscheid bar. Auf Nordhuinbrien deutet allerdiDjjs das sehr
h^iufige Vorkommen von Namen aus der B^*üftTilfsage im Über Vitac der
Kirche von Durtiam (Sievers, PBB. 10, 465!.; ten Brink, Btow. S. 222;
Binz, PBB. ^o, [bi f.), alkin sie k'mnen nur für Kenntnis des Epos rcsp.
seiner Bestandteile etwas beweisen. Auch ten Brinks geistvolle Abwägung
der Ansprüche Mcrtiens und Northumberlands (a. a. O. S. 223 £f.) gehl über
die Sagengeschichte hinaus.
2ö diesem § vul. vor allem Müllcnhoff. Skcvulf ^. 53 ff., und ten Brink,
Bfcwut/, Cap. 1 1 und 13. — Schroff entßcitenßesrtzt sind die Anhichter U. Sarra-
zins, FBB. ] I, 139 fr. ^38 fT. (Oazu Sicver«. «bdu 11. 354 ff. I3, 168 ff.). Aoglla
9, 195 ff. 200 fr. 515 ff. A>ozi'u//-Sfu(fifM. Berlin 1888. Engl. Said. 16, 79 f. 33,
2:1 ff, — I O. Vigfügjion. Sturlun^, Prot. S. XLIX. Corp. poct. bor. II,
501 ff. (vgl. üering. Anelift 3. 74 ff.): Bagge. PBB. 12. 57 ff.; Bocr. ZfdPh.
30, j9ff. — i fiugge, D^f. 111. 801. PBB. 12, 55 ff.; Mülk-nbolf, Jieov.
S. 55 f.; ccn Brink, Breit. S. iSjff. — ^ Sicvcrs, Biowulf unä Saxo, in
den Bericfalcn der sScfas. Ges. der Wüs. 4; (1895), S. 17s i^'
B. NlBSLV;« GENSAGE.
§ zty. Die NibeUingensagc ist in zwei Hauptgestaltungen auf uns ge-
kommen, die wir, obgleich ihrem Ursprünge nach beide deutsch sind, her-
kömmlicher Weise als die nordische und die deutsche unterscheiden. Die
nordische (genauer: narwcgisch« isländische) Sagengeslalt wird durch die
Etldalietlcr und die mltlL-lbar oder unmittelbar davon abhängigen Quellen
(§ 16) vertreten. Die deutsche ist in dreifacher Tradition überliefert: der
obenievtsiArn im Nibelungenliede: und in der Klage (§ 20), der nieder(ien(scken
tu der norwegischen ^Idrckssaga und einigen dänischen und färoischen Lie-
dern, soweit sie unmittelbar aus nd. Volksdichtung geschöpft haben {§ 18),
endlich derjenigen, welche im Sigfridsliede (§ 201 und dem .Anhang Kum
Heldenbuchc (S 2 1 1 vorliegt und \'ermuihch die spätere rbeiHmh-fränkhcht
Oberiiefenmg vertritt, die in einigen Punkten der altrhcin fränkischen, wie sie
deii norwcgisch-Isländischcu Quellen zu Grunde Hegt, noch nahe steht. AtiS
einer Verglcichung der deutschen (; her lieferungen unter sich und weiter der
zu ersclili essenden deutschen Grundgcstalt der Sage mit der nordischen er-
giebt sich die gemeinsame Grundlage beider und Issst sich die geschichtliche
Entwicklung der Nibelungensage in ihren Hauptzügen ermitteln. Von den
deutschen Können stehen sich die sachsische und die besunders durch das
Sigfridslied bewahrte näher als eine von ihnen der oberdeutschen, der g^en-
über jene öfter das Ursprüngliche erhalten haben. Die nordische der alteren
Eddalieder, die aus ihrer frankischen Heimat vermutlich durch sachsische
(«Kler friesische! Vermittlung nach .'Skandinavien kam (s. § it>(. ist aber die
verhältnismässig ursprünglichste und hat den ersten Teil der Sage, die Sage
vun den alteren Weisungen, allein in zusammenhangender Fassung bewahrt
Wicbiigste Liilcratur: Brielweduel xwÜKben LacbinAoa und W. Grimm
Qtier das Nibelungenlied auü den jähren i830rzi (s. § 4 .\nin. 3^: Lacbmann,
Kritik dir Sag-f lon d<n Ssbtiuttgtn. 1829 ^s. § 4 \a\n. 4); Milllcnhofr,
7.iA\. 10. 146 ff. 23. Jl3ff. : Rieger. 'icrrn. 3. 163 ff.; \V. Miiller's .\rbeitcn
tur NttielungctiM]^ *»• S ^ Anm. 13): E. Koeh, Oif Xibeftingemaft'^, Grimma 187a;
Edtardi, Altä. und ailnnrd Hfld^rmagm. Bd. 111, Smitj;nrt l«8o, S. LXX ff.;
Ueinsel, Obrr die Xibeluu^ntage, Wien l88j (aus den Wiener SB, CIX,
(•71 ff-; vgl. I.thJ, 188(1, Sp, 44(>ff.); Gdliher, Studien ivr germaniu hm Sagen'
geuhnhtr, MuiK-hi-n lfc88 (aus den Abhh. der l>air. Akad., Cl. I. B<l. XVin, 2,
S, 401 ff.; vgl. Ltbl. 1890, Sp. 212 ff.), (icnii, 33, 4^1 ff. 34, 165 ff,; Lichten-
bfrreer, t* forme et la ie'grndt! dei .Vide/ungrn, Paris 1891, S. 62 ff. (dazu die
652
Xrv. Heldensage. Die einzelnen Sagenkreise.
wicht^es Bwprecbungcn vor Wilminns, AfdA. i8, 66 ff. und Vogt. ZfdPh. 15,
405 ff.). — Zur Orientierung al>cr die altere Littcninir sind bnuchbar die "Ober-
sichtm bei Herrn. Fischer, Fonchungen über das Nittflnngenlifä (18^4) S.
95 fr. und V. Mutli, EinU^ituHff in das Mbelutigeniieä (1877) S, 13 ff. Die g«-
siuiiL« Litteratur üher die Sag« (bis 1887] Hast BLcb am besten übersehen bei
Zarncke, Ntlft^lungenlirJ^ S. LXI (T. — Scbriften Ober spezielle Punkte wenlea
zu den einzeLneo Tolgenden %% luigenihrt.
§ 27. Den, ältesten Teil der Nibelungcnsage bildet die mv-thisch-heroische
Sage von dem Weisung Sigfrid, die früh, wenn auch vielleicht nicht von
aUeru Anfang an, das Schlusagtied einer mehrere Generationen umfassenden
Welsungcnsage formte. Die Geschichte \on Sigfrids Ahnen ist in zusam-
menhängender Erzählung nur in den zwölf ersten Kapiteln der V^lsunga-
saga (§ 16) erhallen: sie führt den Stammbaum des Helden durch vier Ge-
schlediler ( Sigmund r-Vylsungr-Rcrir-Sigi) bis zu Odinn hinauf. Es handelt
sich darum festzusteilen, inwieweit diese Sage von den alteren Weisungen
auf alter Überlieferung beruht, inwieweit sie als nordische Zudichtung be-
trachtet werden muss. Des Verf.a frühere Ansicht über diese schwierige
Frage ist durch Mtlllenhoffs Untereuchungen in einigen Punkten umgestaltet.
Zuiiaclist führt die nähere Betrachtung der betreffenden Kapitel der V9lsunga-
saga zu folgendem Ergebnis in Betreff ihrer Quellend In den beiden ersten
Kapiteln (Sigi und Rerir) ist von poetischen Quellen nidits mehr zu ver-
spüren; dagegen verraten die folgenden Kapitel von V^lsungr und dessen
Sohn Sigmundr (c. 3 — 8) in ziinehuiendetn Masse Spuren dichterischer Vor-
lagen. Es mag der Sagaschreiber für diesen Teil seiner Erzählung Sagen in
ungebundener Rede, aber vermischt mit einzelnen Liedresten, als Quellen
benutzt haben, in denen die Höhepunkte der Handlung, vor allem die ent-
scheidenden Wechselredt-n, die alle poetische Form am längsten bewahrten.
Sigmunds und Sinfj^tlis Werwolfsleben im Walde (c. 8) tragt die Kennzeichen
einstmaliger poetischer Behandlung aufs dcutlicliste zur Schau, und was
weiter folgt — der Rachcversurh der beiden Notgestallcn, ihre Eiiufcliliessung
und Befreiung, endlich die Ausführung der Rache — kann der Gegenstand
eines alten Liedes gewesen sein, von welchem der Sagaschreiber eine Strophe
zitiert (Bngges Ausg. qq*— '). Auch die schönen letzten Worte der Sign*-,
bevor sie sich in das Feuer der brennenden Halle stürzt (B. 9920-2*^. sind
unverkennbar Wiedergabe cine,s Lictifragments. Mit dem Schluss von c. 8
lenkT dann die Saga in die Paraphrase des ersten Liedes von Helgi Hun-
dingsbani ein, die sich in c. 9 fortsetzt. Die Erzählung von Sinfji;»t]is Tod
in c. 10 berührt sich mit dem im Codejc Regius der Eddalieder auf die
HelgiUeder folgenden Prosaslücke Fni daupa Sinfj^tla, mit welchem sie auf
ein verlorenes Lied als gemeinsame Quelle weist. Endlich, c 11 und 12,
Sigmunds Werbung um Hji^rdis, seine Fehde mit dem verscUmShlcn Neben-
buhler Lyngvi, sein Fall und die letzte Unterredung des sterbenden Helden
mit der Gattin auf der Walstatt, sind unzweifelhaft zum Tefl auf verlorener
poetischer Überlieferung aufgebaut, wenn auch dci Verfasser seine berdls
lückenhaften Berichte durch freie Einschaltungen ergänzt hat Der Veriust
dieser Lieder aus der Sigmundssage ist aufs tiefste zu beklagen: n<:>ch im
Prosagewande der Saga verraten sie eine kernige epische Haltung und eine
Altertümlichkeit des Stils, womit nur wenige der erhaltenen eddischen Helden-
lieder sich messen können. Und auch die Sage selber «ird, wie kaum dna
zweite, vom Geiste des germanischen .Altertums getragen.
Es unterliegt denn auch keinem Zweifel, dass die Sigmundssage in der
Gestalt, wie sie die Vs. bietet, im wesentlichen schon hei den Franken
ausgebildet war; im Norden ist sie nur durch Einschaltung der skandinavt*
sehen Helgensage entstellt und an einer Stelle lückenhaft geworden. Die
Sage vuii SigmuDcU, Signy und SinfJ9tli {Vs. c. 3 — 8) scheint auch den
Angelsachsen in Verbindung mit der Sigfridssage bekannt gewesen zu sein ;
wenigstens ist der Drathenkampf Sigfrids im Bcow-ulf (V. 884 ff.) auf Sigfrids
Vater übertragen. Im Norden ist sie durch Anspielungen im ersten Licde
von Helgi Hundingsbani und durch die Eiriksm^I (bald nach 950) weiter
bezeugt, während für die einstige Verbreitung der Sage in Deutschland der
Name Siniarvizsua (ZE Nr. 14. ZfdA. ^3, lOi) in bairischen Urkunden des
9. und der ersten Hälfte des 10. Jahrlis. spricht. Es sclieint der auffallende
Name (ags. Fitila = ahd. Fizzilo, Fezsilo) nacl» Sievers' und Kocgels aiispre-
chender Deutung (PBB. lö, 563. 509; vgl. Kluge, Engl. Stud. 16, 433) sidi
auf die blutschänderische Zeugung des Sinfj^tU durch ein Geschwisterpaar zu
beliehen •; die nordische Kumi Si»/J^iii weicht im ersten Kompositionsgliede
vun der ahd. ab (aus einem as. *Sin-/clulo übeniummcn?). Auch der Name
WelüuHff {ZK Nr. 10, 1) ist um dieselbe Zeit auf deutschem Boden beleg-
bar •' und entspricht dem ags. Walsing, an. V^thunfp- ; die nordische Über-
lieferung irrt aber darin, dass sie Sigmunds Vater V9lsungr, also patrony-
misch, benennt; vielmehr ist Sigmund selbst, wie Sigfrid, ein Weisung, und
der Vater Sigmunds kann in der alten Sage nicht anders geheissen haben
als ■ Walis, d- h. nach J. Grimms sL-höner Deutung »der Eclitc, Erlesene«
(gut. zvalis(aj, vgl. Uuakstus in der Lex Burg. 34, 12; ZfdA. 37, 230), wie
ja auch der B^*owulf Siginund richtig Walus ta/era »Nachkomme (Sohn) des
Walis« (896) nennt. Die Sage von Sigmund und SignV' (ahd. Sigtniu: Koegel
I, 2y ipBf.) ist, wie zuerst Rieger bemerkt hat (Germ. 3, igöff.) das Vorbild
geworden, nach wcluhcm die historische Sage von dem Untergang der Bur-
gimdeu und Attilas Tod ihre epische Form erlangte. Da nun diese Aus-
bildung, wie sich aus den der deutschen Gestalt des zu'eitcn Teils der Ni-
belungensage mit der nordischen gemeinsamen Zügen crgicbt, bereits in
DeuL-^chland begonnen haben muss, lässt sich auch aus dem zweiten Teil
dci Nibelungensage rückwärts der Beweis führen, dass die Sage von Siguumd
einmal in Deutsdiland bekannt war; mit dem zweiten Viertel des lü. Jahrhs.
verschwinden dort ihre Spuren. Ebenso dürfen die Überlieferungen über
Sinfjvtlis Tod. Sigmunds Werbung um Slglind (an. Stgrlinn. wofür in den
nordischen Quellen durch einen Namenwechsel mit der ersten Heldensage
Hj^rdis eintrat), die Erzeugung Sigfrids und Sigmunds Ende (Vs. c. 10—12)
für die alte frankische Wclsungcnsagc in .'Viispruch genommen werden. Da-
gegen ist Mütlenhoffs Ansicht, dass auch die Erzählungen von Sigi und
Rerir (Vs. c. i. z) und die Abstammung des Heldengeschlechles von dem
höchsten Gotte als altfränkisches Sagengut zu betrachten seien, nicht haltbar.
Die Namen Si^ und Rtrir sind ganz singulär und finden nicht die geringste
.Anknüpfung au-sserhalb des Nordens, ihre Schicksale sind teils bedeutungslos,
teils aus alteren Motiven zusam menge! cten, und das Vorhandensein dieser
beiden alleslen Glieder der Genealogie widerspricht der späteren Darstellung
der Saga, wonach Rerirs Gemahlin einen fruchtbar machenden Apfel von
ÖCtinn und Frigg erhalt, um zu einem Sohne gelangen zu kOnnen, der
dann aus dem Muttprleibe geschnitten werden muss. Mit dem »ungebomen«
V^lsungr (s. J/iM. * 321 f.) betreten wir offenbar erst das Gebiet der echten
Sag^ aber auch ihm wird die göttliche Mithülfe zu seiner Konzeption erst
* Abwckhenil ilcutcn GcrioG (EddAabere. S. 183 Ann. i] ODd KaufTmann (FBB. 18,
l&a Aom. a} den Kamen ak «Wolf«.
*' Ak Schwertoame findet sich W<lsunc im mbd. VoUuep« {Hdt. S. 18. 163).
654
XrV. HEUiENSAaE. Die einzeutek Sagenkreise.
vermitielst eines verbreiieien MStchenraotivs (s. KHM. Nr. 47. 53 und III,
87) in der Saga angedichtet worden sein, deren Tendenz, die Verteidigung
der zweifelhaften Legitimität von Harald Schönhaars Dynastie, die Hcrieitung
des Wdsungengeschlechts von üilinn forderte. Der Zusammenhang der
Welsungensage bedingt die göttliche AbsUtmmung keineswegs, und MüUenhoff
ist zu dem von ihm rekonstruierten Inhahe der alten Sage nur durch Annahme
einer Lüeke iii der Cbcrliefeniug gelangt. Dieser aJtcstcn fränkischen Sage
dürfen wir auch die in der nordischen Dichtung allerdings schön und wirksam
hervortretende Teilnahme Odins an den Schicksalen des Heldengeschlechts
noch nicht zusclxrciben. Sic ist erst im Norden mit der Ȁh-thisierung* der
ganzen Sitge, d. h. ihrer Verbindung mit der nordischen Mythologie (s. untea
§ 30), zu Stande gekommen. Aber weit jtiiiger noch ist die Anknüpfung
von Sigfrids Geschlecht an Odinn; l.lsst sich doch überall beobachten, dass
die Nachrichten von göltliclier Abstainmung der Heroen und deren Verbin-
dung mit den Göttern verhältnismässig jung sind. Der r\wnq himwfio^ des
Geschlechtes, •Walls, wird der ältesten Sage auch als der Stammvater des-
selben gcgohen haben*. Erst im Norden ist es durch doppelte Anknüpfung
bis zu Üdinn hinaufgeführt, nachdem dieser zum höchsten Glitte erhoben
worden und ihm von der nordlsclien Didilung die einheitliche Schick:ials-
leitung in die Hand gegeben war.
Müllenboff. Du altf DtchtHngr von den XiMung^t: ZfdA. 2J. iijfl. (v^
Llbl. 1880. Sp. 49 ff.); Vcrf„ FBB. 3. 287 ff.; Kdzftrdi, Wldf^t-Sa^fn S.
XXlItT.: Kocgcl, Ctich. d. d. Litt. 1, :. 172 ft. I. a. lySff. — 'Für die
□Uicrc Aiuführung wird auf § 14 der dctnoAcbst cnsclicincndcn £inlcilun|> zu des
Vcrf.'s Eddiuusj^bc L 2 verwiesen.
§ 28. Uralt und ohne Krage in urgennanische Zeit hinaufreicliend ist
der Sigfridsmytlius. Alle Versuche, für Sigfrid hü^lonsche Anknüpfungs-
punkte zu finden (s. j$ 4 Anm. 8), sind miätuugeu und konnten nicht anders
als mislingen, aber nicht weniger hoffnungslos sind die Bestrebungen derer,
die uns seine Sage als Erfindung eines fränkischen Dichters verständlich
machen wollen. Die mythische Grundlage der Sigfridssage ergibt sich aus
den beiden Hauptthaten, die entweder alle Überlieferungen Übereinstimmend
oder doch sowohl die nordische als ein Teil der deutschen Überlieferung
(Sigfridslied) von dem Helden berichten, der Erlegung des Drachen und
Horterwerbving und der Befreiung der Jungfrau, mit Sicherheit. Nicht Namen-
dcuCungen und Lokalisierungen, die nur eine besUlLigendc Kraft besitzen,
sondern f\i^ Handlung der Sage selber und ihr innerstes Wesen weisen
mit zwingender Notwendigkeit in die Sphäre des Mythus •".
Die HauplzQge des allen Natunnytlius, aus welchem die Sigfridssage er-
waclisen ist, finden sich in dem edrlLschen IJc<le Fji^lsvinnsm^'I und den
deutschen Sigfrldsmftrchen mit grosser Treue erhalten. Aus der Vetgtcichung
der versclUedenen Fassungen lässt sich mit Wahrscheinlichkeit etwa folgende
Grundgestalt gewinnen. Der Held wachst, ohne seine Ellem zu kennen, im
Walde bei einem kunstreichen Alben oder Schmiede auf. Er cHitei eine
Jungfrau, die auf einem Berge oder in einem Turme eingeschlossen ist, um-
geben von flammender Lohe oder einem grossen Wasser, HindemissTt die
* Martin« Bedenken gesen dies« aud) in d«r mt«n AuflAgc berdu au^esprocbetic
Aaikbi (ZfdPh. 33. 369) ist ebenda 35, 398 iurtickeewie»«!! worden.
** Dies sei hier ausdrücklich hcrt-orgcbohen anÜUsJicll der •Vorbenierinuig* zu der S.617
Anm. zitierten AbliandluDf* von K. Mogk. Wenn nun freilich mit Mo(;k (S. 71)
di? alleinige AiimritSt dw B^iwulf-Intcrpolalors hin »ich berechtigt glaubt, Drwbent
und Hortt>(.-M-innung. als ur5praQ|;Iicb zur SifmuiKlssfi{>i: (rrbOrig, aua der Sigfiidisaf^
Buscheiden, Ia»*t sich ihr my^i^er Gehalt leicht verflüchÜ)[eD.
Nibblungensage: Welsunkensaob. Sigfrxdsuythus.
655
I
jedem unüberwindlich sind ausser dem Berufenen; diesem, der nebst einem
treniichen Rosse ein bcsonderca Schwert besitzt, womit er den hütenden
Drachen oder Rie-sen erlegt, ebnen sich die Schwierigkeiten vtm selber. Mit
der Jungfrau erwirbt der Held einen unerschöpfäiclien Hort und den Besitz
Obern atürlichcr Kräfte. Dann fallt er in die Gewalt dämonischer Machte —
die falschen Brüder des Märchens — , die ihn durch ZauberkOnste in ihre
Netze locken, die erl^jste Jungfrau für sich erwerben und den Hort durch
die Ermordung des Helden wieder an sich bringen. — Die Überheferung
ist hier ergänzt. Die ältesten Besitzer des Hortes und die dämonischen
Ge{i;ner Sigfrids sind offenbar im Grunde idemisch, wie deutlich daraus her-
vorgehl, dass der Name Nibtlutif^e (an. Nißungar) >Nebelkiiider« nicht nur
dem mythischen Nachtgeschlechte, das den Hort ursprünglich besitzt, sfndem
auch den mit Siji;frids mythischen Gegnern verschmolzenen burguudischeii
Königen beigelegt wird, während Sigfrid und Kricmhild niemals so heissen,
sodass die vielfach gegebene Erklärung der doppelten Verwendung des Na-
mens, er hafte am Scliatze und sei von den ersten Besitzern demselben auf
die .spateren Übertragen, unstatthaft ist. Die mythische Bedeutung des
Nibelungeniiamens, die besonders von Wilh. MüHer {Mylh. der deutschen
Heldensaf^e S. 56 ff.) geleugnet w<)rden ist, welcher in ihm eine epische Be-
zeichnung der Franken sieht, erheUt aus seinem Ursprünge — vgl. Nifthtl^
Niflheimr als Be/x-ichnung der Unterwelt, des von Nebel erfüllten Tolenrcichs,
m der nordischen Mythologie — . und dieser raythisclie Sinn der Benennung
würde auch dann nicht angetastet, wenn Wilmanns mit der Annahme Recht
hatte, dass sie ursprünglich nur den letzten Besitzern des Hortes zukam
und von diesen erst auf die mythischen Zweige, die Sigfrid tötet, übertragen
wurde' (AfdA. 18, 95 f.).
So wenig wie Bcowulf (§ 2,3) ist Sigfrid die Hypostase eines Gottes: weder
Baldr noch Freyr ist in ihm vermen.srhlidit. und auch unmittelbare Ableitung
dieser Heldengestalt aus dem Wndanskultus ist abzulehnen. Will man dcii
Mythu-H von Sigfrid und Bmnhild aus dem Göttermytlius deuten, so müsste
er jedesfalls in eine Zeit zurückreichen, da die Germanen Tius als Hlmuiels-
gott und die Sonnengöttin Frija als seine Gemalilin verehrten: in den Fj^ls-
vinnsm^l ist die erlf^ste Mrngl^d *die Halsbandfrohe» im engslen Zusammen-
hang gedacht mit der Halsbandgöttin Frija (Frigg), an deren Stelle erst später
im nordi.«"heTi HaLtbandmythus Frevja trat. Allein der der Dichtung von
Sigfrid und Brunhild zu Grunde liegende elementare Naturxorgang erscheint
im Sigfndsmythus von allem Anfang an so menschlich aufgcfasst, dass seine
Herleilung aus dem Göttermythus überflüssig ist Einen Lichtheros, der die
Sonnenjungfrau erwirbt, dürfen wir gewiss in Sigfrid sehen, aber der Tagca-
mythiis hat sich in der epischen Gestalt der Sage mit Zügen der nahe ver-
wandten Form des Jahreszeitenmythus gemischt. Der junge Tag weckt am
Morgen, nachdem er den Nebcldrachen erlegt hat, die auf dem Himmels-
berge schlafende Sonne; die Morgenröte verschwindet vor seinem Glänze.
Am -Abend aber erliegt er den düsteren Nebelmächten, welche die Sonne
wieder ni die unterirdische Tiefe ihres Reiches versenken, Auf diese Nalur-
anschauimg als mythische Grundlage der Dichtung von Sigfrid und Brunhild
deutet nicht nur der Name ihrer mythischen Gegner, der Nibelunge, als der
Mflchte der Finsternis, sondern namentlich auch die Vorstellung der nordi-
schen Sage, dass Brunhild auf einsamer Felsenhöhe { HindarfjaU) hinter einem
Flanimenwall schhmimert. Von einer nordischen Erdichtung kann bei diesem
Zuge nicht die Rede sein. In einer Urkun<le des Erzbi.scli<>fä Bardo von
Mainz von 1043 hdsst der mächüge Quarzblock auf dem Gipfel des Feld-
656
XIV. Heldeksage. Die eiNZEiJtEN- Sagen'kreise.
bergs im Taunus hpis i/ui vulgo äicifttr leclufus Brnnihild^, und, wenn man
die Beziehung a,uf die Rrunliüd der Nibelungf-nsagc ziigiebi — dicMfibe lässt
sich mit Grund nicht leugnen — , so kann nicht spätere Dichtung, son-
dern nur die Sage zu dieser Bezeichnung Anlass gegeben haben, da die
deutsche Nibelungendichtung ein »Lager der Bmnhild- auf der Höhe eines
Berges nicht mehr kennt *. Andere LokaUMerungen ' sind weniger beweisend.
Und will man auf die Urkunde von 1043 keinen Werl Jcgen und die Ver-
sion de-s Sigfridsliedes als vOllig wertlos bei Seile schieben, so hat doch selbst
das Nibelungenlied, das von der Brunliild alles Mytlüsche nach Kräfte» ab-
Streitt, ihren Wohnsitz nach dem fernen Isenslein verlegt, und ihre Figur
verleugnet noch in der ritterlichen Umgebung des Uedes den abermcnsch-
Hchen Ursprung nicht. Die Deutung als Tagesmythus erhellt Sigfrids Er-
weckung der auf dem Felsen schlafenden und von der Waberlohe umge-
benen Jungfrau, sowie den frühen Tod des Helden und die Erwerbungseiner
Braut durch seine Gegner, die in der epischen Sage mit den Burgunden
zusammengefallenen Nibelimgen. Auch der Drachenkampf findet in diesem
Rahmen seine Erklärung. Allein diesem kann auch ein Jahreszeitenmythus zu
Grvmde lieger, der zur ErklJlrung der HorterfterUmg wohl eine imerlassUche
Annahme ist, Der Lichtheios, der im FrUUingsgewitter den Wolkendrachen
tiitet und die sommerliche Vegetation (den unermesslichen Hort) aus den
Fesseln des Winters befreit, ist eine allgemein verbreitete Form des Heroeii-
mythus. In den epischen Gestalluiigen des Sigfiidümytlius sind deiimach neben
dem zu Grunde liegenden Tagesmythus Züge eines Jahreszeiten mythiis er-
kennbar. Dass auch in den Darstellungen von der Erlösung der Jungfrau
einzelne Züge in Vorstellungen vom Wechsel der Jahreszeiten ihre Er-
klärung finden (Vogt, ZfdPh. 25, 413 f.), braucht nicht geleugnet zu werden,
aber unstatthaft scheint es, die natursymbolische Deutung auf die verschie-
denen Formen auszudehnen, in denen die Dichtung von Sigfrid und Brun-
hild uns in den nordischen Quellen erhalten ist. Der tragische Vor^gang,
dass Sigurd iu Guimars Gestalt die ihm selber bestimmte Braut für den
Gegner erwerben muss, gehfirt lediglich der Dichtung an, und eine mythische
Ausdeulmig, selbst wenn sie so sinnreich ist -«le die von Wilmanns (AfdA.
18, 72) vorgetragene, verkennt die Grenzen der m)-thiscbcii und der epischen
Ausgestaltung.
Jcdesfallä hat sich der alte Myüius in unserer ältesten Überlieferung der
Nibclungensage bereits völlig zur menschlichen Heroaisage entwickelt Diese
Umbildung liat sich bei den Rheinfranken voUzt^en. Noch in ihrer
nordischen Gestalt, wie in den deutschen Gestaltungen, verleugnet die Si^
fridssage diese ihre Heimal nicht, imd die Namen Nihtiluttg u. Ä., die nach
MüUenhuffs treffender Bemerkung ein Vater seinem Kinde erst geben koimte,
nachdem ihre ursprüngliche Bedeutung in der Sage verblasst war, erscheinen
zuerst und am häufigsten bei den Franken iZE Nr. 10, 2. 61, l — 3; dazu
ZfdPh. 4, 349. 454; Ko^el I, 2, 209 f.), ebenso Sigifrid (ZfdA. 23, 1590.;
Koegel I, 2, 204 f.). Auf die bekannte Stelle des Waltharius 555, wo von
den Franci ntbidoncs die Rede ist, darf freilich kein Gewiiiit gelegt werden;
WaUlier braucht hier ein lai. Schimpfwort, das zu den Nibelung;en der Sage
keinerlei Beziehung hat. Um so bedeutsamer dagegen ist in der eddischen
Überlieferung Frakkiand als Name für das Reich der V^lsunge: am Rhein
ist Sigurd geboren und aufgewachsen, um Rhein hat er den Hort gewonnen
I
I
* [Eben vor der Drucklegung eibnlte ich Braunes Aufsatz firunkild^nbett ^PBBi
33, 246 fr.), mit desMn Auflamtog die meinigv vOUtg Ubeinnstiinmi.}
I
(vf^I. Vkv. 15), die auf HindarQall schlafende Walküre sucht er suSr tU
Fnütklands, er findet nach Brot af Sig. 5 den Tod snnnan Rinar, und in
den Rhein wnrd endlich der Hort versenkt (Akv. ^9). Wenn der Nibelungen-
hort, jcdeäfalts schon in der ältesten frankischen Sage, zum Rheingold ge-
worden ist, so wird zur Aushildiing (üeser Vorstellung die Goldhaltigkeit
des Rheins mitgewirkt haben: hatte diese Thatsache im Munde der Franken
die sagenhafte Form angenommen, in den Fluten des Rlieins liege ein grosser
Schatz verboiTgen, so lag für sie nichts naher, als mit diesem Schatte den
unersch5pflichen Hort ihres Nibelungcnraylhua zu identifizieren (s. zuletzt
Vogt, ZfdPh. 25, 412). Aus den dämonischen Nibelungen wurden in ihrer
heroischen Form rheinische Könige, aus der Albin, die durch einen Zauber-
CHler Licbestrank den arglosen Sigfrid veriockt — ein noch heute in norwe-
gischen und faröischcn Sagen fortlebcn<ler Albemuytlius a — eine schOne
Königstochter. Doch es hafteten einzelne dsmonische Züge. Trugen in dem
Mythus vermutlich die nibclungischen Brüder zusammen die Schuld an Sig-
frids Ermordung, wie sie auch nach der 1*5. und dem Sigfridsliede dieselbe
ziemlich gleichmässig teilen, so ging sie in der epischen Form der Se^ mehr
auf Hagunö (an. ll^gni, ags. Jlagona als Personenname PBB. 20, 192 f., alid.
Belege Z£ "Sx. u, mhd. I/a^nc) über. Er ist noch in der Vs. c. 169 f.
(vgl. auch c 361. 391) ein Albcnsohii und der Stiefbruder der rheinischen
Könige, in der oberdeutschen Sage ihr mSc oder Vasall; im Norden ist er
der rechte Bruder, und der Mord wurde dort auf den Stiefbruder Gotßormr
(vgl. Hyndl. 27) gewalzt, der erst nach der Verbindung der mythischen mit
der historischen Sage in den Komplex eintrat. Offenbar ist Hagen seinem
Ursprünge nach ein rein mylhischcrs Wesen, *cler Nibelung xar' iioyrfjr", und
vielleicht schon durch den Namen als solcher angedeutet (vgl, Koegel I, 2,
20/ ff.). Das dflmimische Wesen der Albin, das diese verlor, haftete in der
allen frankischen Sage an der Mutter, welche nun den zum Vergesi>enheits-
trank gewordenen I-iebestrank dem Helden reic}it (xler reiclien lasst; mit
dem Zauberwesen ging im Norden auch der Name der Tochter OrimhUti,
der diese als eine »verhüllte Kampferin«, also eine Nachtdaraoniii, im Gegen-
salze zu der erlösten Jungfrau BrimhilH, der d Kampferin Im Panzer«, be-
zeichnet, auf die Mutier über, wahrend die deutsche Sage den allen Namen
für die Tochter behielt und der Mutter den typischen Namen der Helden-
mOtter öda (mhd. VoU) gab. Die nordische Sage hat für die Tochter den
Namen Gitpnin yGopnin}) vermutlich aus einer anderen Sage Qbeniommen *.
Wenn im Norden dem fränkischen Sigt/nd der Name Sigvrpr aus älterem
SigT'p'pr, Sigorpr (Sicvers, Ark. f. nord. Fil. 5, 135 ff.) entspricht, so darf man
annehmen, dass der fremd]andis<.he Name durch einen heimischen anklin-
genden und dem ersten Korap-sitionsgliede nach gleichen Namen ersetzt
vk-urde. In dem Mythus bemächtigen sich die Nibelungen der von Sigfrid
erlösten Jungfrau wieder. Daraus ist in der späteren S;^e ein zweiter Flam-
menritt geworden : Sigfrid reitet zum zweiten Male durch die Waberlohe, um
fQr die nibelungiscthen Brüder (die Gjükungen) Brunhüd zu erwerben, umd
der Liebestrank wurde zum Vergessenheitstrank, wie ihn die Sage brauchte,
• Koe^)s cotgc^DgCKtzte AulTa.sxung d« VrrbiltnuuH:» zwitdiro den Xunea Grim'
hitdr und Cufrün (Gfich. d. d. Litt. I, j, 205) verbiet« *itti »chnn dtirch die RUck-
•JdbtOAbtne auf die iu»tonsche IfildUa (§ 29). Ober den ivin mythischen ChAnikter des
Ntmei» Grimhildr und »eine BewhrUnkung im Nortlen auf däinotii^cbe Wi-scn (die Hui-
dern) *. Jiiiczek, 2s. f. vgl. LitteiÄtuTKnacb, N. F, 7, 57 f ; MitL der schlts, Ges. f. VolksJc.
1894/95, H. I, S. 31. Die Vermeidting desselben {ix die in der DonUscbea Dichtung
illwrwieitend sympathisch iLuftrefaftste Tochter des GjiUd niKf; sich eben dadarch ericlären.
GcmanUctK Philologie HL 3. Agfl \i
658
XIV. Heldensage. Die einzelnen Sagenkreise.
um Sigfrids Handeln zu motivieren. Allein noch in den nordischen Quellen
blicken altere Sagenformen durch, die auf verschiedene, ursprönglich neben-
einander hergehende, aber spater in chronologischen Zusammen hang ge-
brachte, epische Umbildungen des allen Mythus deuten. Nach der einen Form
erweckte Sigfrid die schlafende Jungfrau und verlobte sich mit ihr; nach der
anderen erwarb er sie für Günther, mit dessen Schwester er sich vcmiäblt hat.
Beiden Fassungen aber gemeinsam ist die Vorstellung, dass Sigfrid der der
Brunbild vom Scliicksal bestimmte Erloser ist, so%ic der Zaubcr«chbf und
der Flamraenritt, die in der alten Sage unzertrennlich zusammengehören».
Vi, Müller, P'^rsuch rtner tnyihoiogiichen Erklärung ä^r NtMungetfiogt,
BerliB 1S41. ZfdrV. 3, 43 t!'.; IC Slcigcr. Dit vtrichieditncn Gestaltungen lUr
SifgfrieUsiage. 1873 [Lctpj. Diss.); Uctlcr, PBB. 18. 194.8'. (vgl. ctxla S. ;8 fl',
KoA Hcinicl, AfdA. 15, töSC). Ferner ist aturh zu diesem § die zu § 2*j ao-
gefObrtcr Litu-intiir jru vcrjjlcichen ', — * Riegcr. Dir A'iie/vngftisage rn ihren
Betiehungm tum RketnlanJ: Quartalbl. des him, Ver. f, d. Gr(»slicrT«£t. HcucB
1881, S. 34 ff; Jiricick, Die äeuticfu NeUemage^Sh 68. — »Jiriciek, 7a. f. vjji,
Uurratur^escb, N. F. ;, 49 ff, — > Verf^ ZfdITi. 24, l ff.; Vngi, ebda 35, 413 f.
§ 29. Der Sigfridsmjthus bietet der Uniersuchiuig besonders deslialb so
grosse Schwierigkeiten, weil er in sein«.'m zweiten Teile, als«j abgesehen von
Drachen kämpf, Horterwerbung, Besitz üliematürlicher Kräfte und Erti^sung
der Jungfrau, nicht in reiner Gestalt, sondern nur mit der historischen
Burgundensage kontaminiert erscheint. Die Ausscliddung der mythischen
Bestandteile und die Rekonstruktion des Mythus in dem mit Sigfrids Anktinft
am Hofe der burgundischen Könige (Gjükungen) anhebenden Abschnitt der
Sage wird durch diesen Umstand bedeutend ersichwcrL
Im Jalire 437 drang in die rheinfraitkische Heimat der Sigfridisage eine
crsehültemdc Kunde aus dem Nachbarreiche der Burgunden. Nachdem
bereits zwei Jahre vorher die Burgunden nach einem mi.s.slungcnen Einrall
in Belgien von dem römischen Feidherm Aßtius zu einem schmahhchen
Frieden genötigt worden waren, wurden sie 437 in einer entscheidenden
Schlacht von den Hunnen fast vernichtet; ihr Kijnig Gundicarius (so geben
Prosper .^quitaims und Cassiodor den Namen] fiel, JOOüO Mann vcrlorco
sie, ihre politische Existenz war gebrocJien (vgl. § 7) ^ Dieses mit fast lako-
nischer Kürze von den zeitgenössischen Historikern gebuchten Ereignisses —
illwn (^Gundicarium) Chunni cum poputo sxio ac stirpt Jclaxrunt sagt Proaper
— bemächtigte sich die Sage, und in ihr wurde Attila, der nicht wohl dabei
beteiligt gewesen sein kann, als Vertreter alles hunnischen Wesens auch der
Vernichter der Burgunden, als welchen ihn schon Paulus Diaconu.»! kennt
Woher diese Hunnen kamen und ob sie Htllfsv."ilker des ACüus waren, er-
fahren wir nicht; hat, wie ra^n vermuten darfj bei dieser geheimiiisvt)llen
Zerstörung des ersten germanischen Königreich« auf römischem Bixicn Verrat
eine R.^lle gespielt, so fehlte zur Sagenhildiing auch dieser mifchlige Faklrt
nicht. In GHnJir<inus oder Gundaharim, wie die Le.'i Burg, um nennt,
finden wir das historische Prototyp für den Günther (an. Gtmnart, ags. Güd-
here^ mhd. Günther) der Xibclungcn.sage, in seiner und seines Volkes Ver-
nichtung durch die Hunnen die geschichtliche Grundlage des zweiten Teils
des grossen Sagenkumple.\es; aucli die Rheinpfalz, die Gegend um Wonns,
als damaliger Wohnsitz der Burgunden, ist in der Sage festgehalten. Ausser
Guniher gehören der historischen burgundischen Überlieferung auch an
Gibka (an. Gjüki, ags. Gifica, inlid. Gibecke), den mit Ausnahme des Nibe-
lungenliedes und sonst weniger Quellen die germani^he Sage als Vater der
• [Nkht mehr benuUcn konote ich die Schrift rno H. Patsig, Zur GesekkkU i*i
Sigfridimythus (Pioßr. de* Fricdrichftjö'iiin. zu Berlin. Ostern 1898). — KorreisturHoU\.
NlBELUSGENSAGE: BURG UNDENS ACE.
659
I
burgundischen K'inige anerkennt; der in der nordischen Sage und in cimg*m
andeien Überlieferungen nicht vorkommende GUtihtr ; und vermutlich auch
der nordische Gotßormr {Guipormr), wenn dieser Name, wie wahrscheinlich,
aus *GopmätT oder *Gtipmärr entstellt ist, wofür tlie deutsche Sage Gimot
einsetzte. Alle vier Namen erscheinen zusammen in der vor 516 erlassenen
Lex Burg;undionum TiL III (Mon. Germ. LL. III. 533), wo König Gundobad
seine Vorfahren nennt: 5/ qum apud tvgiae memoriae autloru nostrvs, id est
Gibicam, Godomarem [var. Gundomarrm, Gondemarum\, Gislaharium, Gunda-
karium, patrtm quaqiu rtastrum et palruum liberos Itbtrasve fuiue eomiiterit, in
eadetn libertaie permaneant. Über die verwandtschaftlichen Beziehungen und
die chronologische Folge der vier historischen Burgundenkönige entscheidet
diese Aufzahlung allerdings nichts , nur Gibichs Stellung in der Sage als einer
alteren Generation angehflrig bestätigt sie, für die geschichtliche Grundlage
des brüderlichen Verhältnisses iw-ischen Günther. Gemot (Godomar) und
Giselher bietet sie keinen Anhalt.
Wenige Jahre spSler (^53) erregte ein anderes Ereignis die Gemüter in
den gennanischcn Landen. Altila war plötzlich, als er in der Brautnacht
trunken neben seiner jungen CJemahün Ildico (d. i. ttüdikS) lag, an einem
Blutsturze verschieden. Sxü Murgen fanden ihn seine Diener in seinem
Blute schvhimmcnd, aber ohne Wunden, neben ihm das junge Weib mit
gesenktem Blicke unter ihrem Schleier weinend. So erzählt Jordanes c 49
nacli Priscus. Die näheren UnisUlnde waren wohl dazu angethan, das Mad-
chen ru verdachtigen, und in der That heisst es schon beim Comes Mar-
cellinus, der etwa gleichzeitig mit Jordanes schrieb, Attila habe in der Nacht
durch die Hand eines Wdbes seinen T^^d gefunden. Die S^e suchte den
angeblichen Gewaltakt zu motivieren, und nichts lag naher als die Auffas&ung
von Hildikos That als Rache für die Ermordung ihrer Verwandten durch
den »Schrecken ganz Europas«. Nach dem Poeta Saxo und der Quedlin-
burger Chronik rächte sie den Tod ihres Vaters {Hds. S. 10); dort aber, wo
der ungerochene verräterische Untergang der burgundischen Könige durch
Attila den Gcscnstand des epischen Gesanges bildete, wurde Hüdiko als
eine burgundische Prinzessin und ihre That als Blutrache für ihre Brüder
aufgefasst. Eine episch -lüsiorische Sage etwa folgender Gestalt hatte sich
demnacli gebildet: Altila, der Gemahl der burgundischen Königstochter Hild,
beaegt und tritet verräterisch deren Brüder, die burgundischen Könige
Gundahari. Godomar und Gislahan, Sühne des Gibica, und findet durch die
rächende Hand seiner Gattin den Tod. Urschwer erkennt man hierin die
Grundgeslalt dcÄ zweiten Teils der Nibelungensage in ihrer nordischen Fassung.
Diese historische Burgundcnsage ist mit der Sigfridssage ver-
schmolzen. Diese Thatsache darf nach den gnmdlegenden Forschungen
Lachmanus und Mülleiihoffs als feststehend betrachtet werden. Auch dass
die Sagenkontamination am Rheine, wo die historischen Kreigni&se spielten, die
dem zweiten Teile der Sage zu Grunde liegen, und wo auch die Sage selbst noch
ihren Schauplatz hat. und zwar in der rheinfränkischen Heimat der Sigfrids-
sage, vor sich gegangen ist, darf als höchst wahrscheinlich gelten. Die erste
Ausbildung der historischen Sage vom Untergang der Burg^indcn kann aller-
dings noch den Burgundcn selbst zufallen, und in dieser jlltesten Form,
ohne Verbindung mit der Sigfridssage, mag sie zu den Angdsachsen gelangt
sein, bei welchen der Widsid zwar Kenntnis von Giflca {19) und Güdhere
(65 ff.) bezeugt, aber lebendige Bekanntschaft mit der Sigfridssage vor der
normannischen Eroberung, trotz der verworrenen Mitteilungen eines Btewulf-
Interpolators, nicht nachweisbar ist (Binz, PBB. 2(\ 190 ff. 202 ff.). Die
47*
Burguiiden verliessen aber schon 443 die Wonwser Gegend und wurden in
ihren neuen Sitzen zwisclien Genf und Lyon bald roniiuiisic-rt; erst bei den
Rheinrranken, die in der Germania prima die Burgunder! ablüsten, kann die
Nibeluugcnsage als Sagcueinhcit, wohl noch in der zweiten Hälfte des 5.
Jahrlis., zu Sunde gekommen sein. Wenn freilich die burgundische.n Kfün^c
im Wilitliarius Franken, im Biterolf (aut^ Klage 303) zwar Burgunden, aber
aucli Franken oder Rhcinfrauken heisscn, so kann das eine Korrektur auf
Grund der spateren geographischen Vcrhättnissc sein. Alle weitwen Fragen»
wie und wodurch die Verbindung der mythisch-heroischen und der liistori-
Kchen Sage sich vollzogen hat. Lassen höchstens Vermutungen, keiness^'ega.
befriedigende Antworten zu.
Nirlit mit Sicherheit zu entst'heiden ist zunächst, ob die Sage von Attilas-
Tod den Abschlusa der schon verbuntlenen Sigfrid-Burgundeusage bildete,
oder ob sich jene, bereits vor der Kontamination der historischen Sage mit
dem Sigfridsmythus, mit der Sage vom Untergang der Burgunden verbunden
hatte. Walirscheinlidier aber ist letztere Annahme: wenn die historische
Sage bereits eine llild [fftldikß) als Schwester der burgundischen Kflnige, '
kannte, so konnte die Ülte^ein^t^raraung in» Namen zwischen üir und
Grimhüd, der Schwester der Nibelungen, für das Zusanimenfliesscn von
Historie und Mythus eine wesentliche Stütze darbieten, namenüicl» bei der
bekannten gcnuanischcu Sitte, stalt des zusammengesetzten Eigennamens nur
das eine der beiden (Glieder zu setzen •. Name und Figur der Hild(ik6)
sind aber erst durch den Anschluss von Attilas Tod au den Untergang der
Burgunden in die historische Sage gekommen. Es ist damit die Hauptfrage
berührt, welche gemeinsamen Elemente in den beiden Sagenkreisen ihre
Verschmelzung veraidasst haben können. Da uns der Schluss des Sigfrids-
mythus nur in seiner konlaminiertun Gestalt bekannt ist, kommen wir bei
ihrer Beantwortung über unsichere Venmiiungen nicht hinaus. Ist unsere
bisherige Entwicklung der Sagen bestand teile und ihrer Ausbildung richtig, so
ist im allgemeinen allerdings klar, dass die nibelungf sehen Brüder und ihre
Schwester, in der mythischen Sage bereits am Rheine lokalisiert, mit den
burgundischen Brüdern und deren Schwester Hild zu.sammenfielen, und nach
dem oben bemerkten wenigstens wahrscheinlich, dass der Name von Sigfrids
Gemahlin, Grimhild, das Vcrftadiscn beider Sagenkreise erleichterte. Einen
mythischen Günther neben dem historischen vcrmutcie l.achmann ohne g*»'
uflgenden Grund. Auch der Zwergkönig Gibicli, der unter verschiedcnatj
Namenformen {Ciiibtch, HihUk, Gäweke, Gäbke) m Volkssageii nactigewiesen
ist (Rieger, Germ. 3, 171. Quarialbll. des hisi. Ver. f. Hessen 1H81, S. 43 f.)»
erkUrt die Verbindung der BurgundenkOnige mit den Nibelungen nicht, zu-
mal er als mildes, freundliches Wesen, im Kinklaiig mit seinem Namen, auf-
tritt. Dagegen kann, worauf neuerdings Vogt (ZfdPh. ^5, 411 ff.) mit Recht
hingewiesen hat, die Auffassung des Nibelungenhortes durch die Rheinfranken
als Rheingold zur Verschmelzung der Sagen, d. h, zuvörderst zur Identi-
fizierung der burgimriischen Könige mit den rheinischen Nibelungen mitge-
wirkt haben. In der Sage ist ein grosser Schutz der c]>ische Au.'idntck fOr
Herrschaft und Macht, und schon in der episch-historischen Burgundensage
mag gesungen worden sein, dass Attila den König Gundahari und die Seinen
verräterisch zu sich lockte, um sich seines gewaltigen Hortes zu bemächtigen.
Dafür spricht die Rolle, welche der Schatz in dem zweiten Teile der Soge
• HHiiB. Grimktiä, wie HHär-^ HrynhilJr Hclr, 6« (vgl. SnE. L 360»"), Ämi:
Koittiera Allm. 31 '. 49*. tjA/r^ Fnäpyd/r F.^S. II, 91 ff. S. ÜdPb. 34. 29 Aam.
NrBEJ.UNGENSAOE: SlOKRIDSSAGE U. BURGUNRENSAGE VERSCHMOt^EK. 66l
I
•
spielt, in der nordischen Fassung als eigentliches und fast einziges Bindeglied
mit dem ersten Teile, in der straffer zusaramenhüngenden und anders moti-
vierten deutschen als Rudiment einer alteren Gestalt; dafür kijnnte auch das
begeisterte Lob sprechen, das der Wtdsid, der die Burgundcnsagc verraulHch
noch ohne Verbindung mit der Sigfridsaagc kannte, der Freigebigkeit des
Günther spendet. Bei dieser Voraussetzung lag es für die Franken nahe, n
den Burgunden, den Be\vohnem des von der Natur reich gesegneten, früh
durch Trtmische Kultur gehobenen Wonnser I^ndstrichs, deren Untergang
in der Sage eben durch ihren Rci<."htuni. episch ausgedrückt durch Attilas
Gier nach ihrem Schatze, veranlasst wurde, die zeitweiligen Herren ihres
mythischen NlbeIun;,'enhortes zu sehen, der in den Fluten des Rheiiu ver-
borgen lag. Waren in den beiden Sagen als gemeinsame Rlemente einmal
die Figuren der verderbenbringenden (Grtm-)Hi!d und der Mörderin HÜdtikß),
beide als Schwester eines Brüdcrpaarcs oder einer Trias von Brüdern, femer
aber ein unheilvoller Schatz, nach der mjthischen Sage im Rheine lagernd.
nach der historischen im Besitze eines in den Rhcinlanden ansässigen Kflnigs-
geschlft'htes, vorhanden, sn Iflsst sich ihre Ve-rbindung in der Hauptsache
■wohl verstehen. Sic wäre d;uiQ bei den rheinischen Franken nacli 453, aber
vermutlich erst einige Dezennien spater, erfolgt. In anderer Weise hat
Heinzel diese Verbindung erklären wollen. Er sucht mit Scharfsinn und
Gelehrsamkeit nachzuweisen, dass sie erst in Skandinavien zu Stande ge-
kommen sei, und zwar in der Weise, »dass man in di-n Helden beider Sagen
Personen zu erkennen glaubte, oder sich an Personen erinnert fühlte, welche
in einer dritten Sage schon von vornherein in Verbindung gebracht waren*;
er muss dann eine Rückwanderung der verbundenen Sage nach Deutschland
annehmen {Über die Nibs. S. 29 ff.). Der Nachweis für diesen komplizierten
Entwicklungsgang ist aber weder durch Heinzel selber (vgl. Ltbl. r886, Sp.
449 ff.), noch durch Deiters kühne und künstliche Kombinationen (PBB. 18,
104 ff.) erbracht; der zuletzt genannte Gelehrte halt übrigens den Sigfrids-
m>'thus für ursprünglich skandinavisch.
Fest ist die Verbindung beider Sagenkreise anfänglich nicht gewesen; der
■ursprtlnglich wohl in beiden Sagen eine Rolle spielende unheilvalle Hort,
■der nach Sigfrids Ermordung in die CJewalt der ursprünglichen Besitzer, der
Nibelungen, zurückgekehrt ist, bildet das Bindeglied, indem Attila, der Sig-
frids Wittwc heiratet, au.i Gier nych demselben die mit den burgundischen
Königen verschmolzenen nibelungisclien Brüder veniichtct. Eine weitere,
ganz aus.«!erliche, Verbindung, wodurch Brunhild zu Attilas Sch«-ester gemacht
wurde, ist erst im Norden hinzu;;ekonmien. Der epischen Auspragiuig der
historischen Sage innerhalb des Sagenkomplexes kam dann die ältere
Welsungensage zur Hülfe (§ 27).
1 Waitt, Fonthungen tur tieutjcfiTtt Gesch, I, i ü (1863); A. Jahn, DU
Gesehie/ttf dtr Burf^ndioTKn und Bttr^nJiens bt's sum £nd£ der J. DyHOitü, I
(«874)' 341 ff-
§ 30. Aus ihrer frankischen Heimat ist die Sage von den Nibelungen nach
-dem ^skandinavischen Norden gelangt. Diese Einwajiderurxg, über deren
■vermuüichen Weg und vennutliche Zeit in § 16 gehandelt ist, darf man sich
nicht als einmaligen Sagenimport vorstellen. Vielmehr lassen sich in den Edda-
liedem eine altere und eine jüngere Sagenschirht deutlich unterscheiden.
Bereits in der alleren hat die deutsche ÜbeHiefenmg eigenartige Umwand-
-iungen und Weilerbildmigen erfahren, teils mehr ausserUch durch Anknüpfung
nordischer Sagen, teils durch den tiefgreifenden Einfluss nordischer Lebensan-
schauung und nordischen Geistes. Durch die Anknüpfung der skandinavi-
sehen Sage von Hclgi Hiuidinpsbanj, der zu Sigmunds Sahne und SinfJ9tlis,
Halbbruder gemacht wurde, an die Weisungen sage kamen einzelne Züge aus
jener in diese*: so vermutlich Sigurds Vaterrache und damit seine Erziehung
durch einen Stiefvater Alf, wUlircnd der iütcre, in der ts. und dem Sigfrids-
liede bewahrte Zug. demzufolge er ohne seine Eltern zu kennen bei einem
Sdimifdc im Walde aufwachst, noch einmal unverstanden in den Fäfulsm^l
Str. 2 tlurchbricht; aus der Sage von Hclgi HJ9r\'ardsiMjn .stammt der nor-
dische Name von Sigurds Mutter Ilj^rdis. der den frankischen Sigüind (an.
Sigrlitin) durch Tausch verdrJlngle (s. § 27). Weit bedeutsamer aber wurde
für die Entwicklung der Nibelungensage im Norden ihr Ans<:hluss an die
nordisclie Mytholuj^e. Bei den Nordleuten wird das Vybiuiigeiigcsclilccht
zum I.ieblingsgp schlecht des Kampf- und .Sieggottes OfÜnn, der die Leitung
seiner Schicksale übernimmt uud schliesslich folgerichtig zu seinem Stamm- j
vater gemacht wird (^ 27). Diese iimigc Verbindimg des Weisungeng©»]
schlechis mit dem höchsten Gölte bereits der frflnlcischen Sage zuzuschreibeiirf
wie CS Müllenhoff gethan bat (s. die Ausführung bei Scherer, Vortr. und Au/t.
S. 105 ff.), haben wir kun Recht. Auch die Vorgeschichte des Nibelungen-
hortes ist nordische Dichtung : der schon in der deutschen Sage unheilvoll
wirkende Schatz ist im Norden mit der Götterwelt in Verbindung gebracht;
die Äsen selber sind es, die ihn willkflrUch und gewaltsam den urspriing-
lichea Bcsitzeni, den Zwergen, eulreisscn. und von ihnen kommt er mitsajnt
dem an ihn geknüpften Fluche erst den Rie.sen, dann den Menschen zu.
Das verderbenbringende Gold — nanienüich der Ring, den der Zwerg zu-
letzt noch hergeben muss. der Ändvaranauir — , durch Raub bcmSchtigt,
durch Unihaien vererbt, wird in der düsteren ncirdischen Wehbetrachtur
zum tragischen Symbol, und Odinn selber, der Schützer der V^ilsunge, legt
damit zugleich den Grund zu ihrem Untergange. Allerdings ist es der nor-
dischen Dichtung nicht gelungen, die ahe Sage auf dieser Grundlage des
skandinavischen Schicksalsglaubens konsequent und lückenlos umzugestalten;
in Wirklichkeit bestimmt das -Motiv des allen seinen Besitzern zum Verderben
gereichenden Schaues die Handlung der nordischen Sage nicht. Von an-
deren Umwandlungen der älteren skandinavischen Dichtung muss namenüich
das Verhalmis z*-ischen Sigftid und Brunhild hervorgehoben werden. Die
zwei Hauplformen desselben (ij j8 Schluss) treten zwar in der Edda nocli
deutlich her\'or, zeigen aber in zunehmendem Masse die Neigung zu biogra-
phischer Verarbeitung. Aber erst in der Grlpisspä hat diese zm Spaltung
der von Sigurd durch den Flammenritt aus ihrem Zauberschlafe erweckt
Jimgfmu in eine Walkfire Sigrdrifa {Sigrdri/}], von der er Belehnmg empfangt,
und eine Walküre lirynhitdr, die er für Gunnarr erwirbt, geführt. Der Name
Sigrdrifa, der in den Versen nur einmal vorkommt (Fäfn. 44), war ursprüng-
lich vermutlich eine appellativisclie Bezeichnung der Walküre Bryuhild als »Si^-
spcnderin« Neben diesen zwei Haupt/nrmen sind schon früh Kcbcnformt
entstanden, indem die Walküre — die dem Norden geläufige Gestalt der'
übermcnstlihcheu Jungfrau — mehr und mehr zur menschlichen Schwester
Atlis oder Schwägerin Heimirs wurde, hei denen sie erzogen wird *. Erst in
der V9lsung;isaga tritt eine Tochter Sigurds und Brynhilds auf, Ailaag, eine
an eine in Norwc-gen lokalisierte Marchenfigur angeknüpfte genealogische
Fälschung; die Eddalieder kennen nur ein keusches Verlialtnis». Femer isl^
H^gni zum rechten Bruder Gutuiars geworden; er rät ab vom Morde, d<
jetzt Gotjjonnr, der .Stiefbruder der Gjnkungen, wie anfänglich Haguno. voll-
führt; ist Gui|>urmr der historische GiKlomar. so schchtt er dtxii erst im Nor-
den die fiustere Seite von Hagens Heldenge.stait übernommen zu haben.
Nibelungensaoe: Einwanderung in den Norden.
66j
I
Der jüngeren Sagenschichl, die vor allem im Broi af Sig., in der GüJ)-
njnarkvi[ja I und III. den Atlamt^l, der erhaltenen Bearbeitung der Alla-
k%n|>a, sowie in cicjn Licdc, welches dem Verfasser der V9lsungasaga für c.
25 über Gudruns Träume vorlag, zu Tage tritt, gehören besuiiders folgende
Züge an: die Ermordung Sigurds im Freien, die H^gni selber der Gudrun
meldet, wahrend in der älteren Schicht der Held im Bette neben seinem
Wcibc getutet ftird*: der Saalbrand in Akv.; das Auftreten Dietrichs (Pjöä-
rekr) an Atlis Hof. wo er seine Mannen verloren hat, im dritten Gul»njn-
liede, in welchem sich eiae merkwürdige Mischung beider Sagenschiel itea
darin zeigt, dass es ein freundliches Verhältnis zwischen Atli und seiner
Gemahlin voraussetzt, obwohl jener ihre Brüder getötet hat; die Figur der
Helclie [Hfrija) als Atlis Beischläferin in demselben späten Gedichte; der
nachgeborene Sühn Hygriis limfii^ngr nach Athn. 83, den sdnsi nur die
niederdeutsche Sage unter verschiedenen Kamen {Äldrian, Ranke, H^gni
H^gnason) kennt *. Diese Züge, denen sich andere Einzelheiten anreihen
Hessen, deuten auf eine erneute Einwandening der in Deutschland umge-
stalteten Sage in den Norden, die nach dem vermutlichen AUw der unter
ihrem Einflüsse stehenden Lieder, sowie der Namenform PjöärtJcr (= as.
Thiodric, vgl. piaurikr in der altschwedischen Rcvksteinlnschrift vom Anfang
des 10. Jahrhs. ; dagegen pidrekr in der rs., Tiärikur im fär. Högniliede),
dem Ende des (). oder der ersten Hälfte des 10. Jalirlis. angehören mag.
Wo der Sainralcr der Eddalieder in der Prosa Frd Janpa Sigorpnr die ver-
schiedenen Versionen Ober Sigurits Tod erwähnt, beruft er sich für die Er-
mordung iui Walde aasdriicklicli auf die Berichte deutscher Männer \€n
Pypvcrskir menn seg^a si'ä. at ßeir drtrpi kann tili i sidgi). Die cfH'ühnten
Züge sind unzweifelhaft ebensuviele Spuren der niedt-rdeutsthen Siigengestalt
des ffjio. Jahrhs. (vgl § 16). Eine Stßtze hat die hier vorgetragene, zuerst
von Edzardi begründete, audi von F. Jonsson {Uu.'Hüt. I, 67 f.) ange-
nommene. Ansicht durch Zimmers Abhandlung (1887) Kelimht. lifilrä^ I
(ZfdA. 32, 106 ff.) erhalten. Zimmer führt darin den Nachweis (a. a. O. S.
290 — 324. 327 f.), dass die Iren im 9. ctder in der ersten Hälfte des 10. Jahrha.
von nordischen Wikingern die N'ibelungensage vernommen und aus derselben
diuge haibverstandene Züge für ihre eigene fonneli abgeschlossene Helden-
sage verwandt haben. Diese Züge aber, namenüich SIgfrids linmhaut und
»eine Ermordung durch Hagen, sind der älteren nordischen Sage unbckanul
und mOssen also einet jüngeren Form der Sage angchfiren, wie sie zunächst
stückweise und das ahe Gefüge nur erst in Einitelheiien lockernd um die
Scheide des g. und 10. Jahrhs. ihren Weg nach Norwegen und Island fand.
Die Art und Weise, wie Golther (äh«/. S. 95 ff. Germ. 33, 47Af.) sich die
Berührungen irisclier und nordischer Sage zurechtlegt, die er als Symptome
der ersten Einwanderung der deutschen Nibelungcnsage in den Norden
betrachtei, wobei Iriand eine Station gebildet habe, ist rein willkilriich. Wenn
man schon Sigfrids Hornhaut für die alte Sage zur Not zugeben könnte, so
weisen doch die in der irisclien Sage sich findende (Zimmer S. 317 f.) Tarn-
kappe, unzweifelhaft ein jüngerer Ersau für den Gestalten lausch (s. Wilmanns,
AfdA. 18, 751, und das in ihr hervortretende, der älteren Sagengestali völlig
fremde Motiv der Rache für den ermordeten Gatten an den eigenen UrUdem
mit Entschiedenheit auf die in Deutädilaiid lungestallete Nibeluugcnsage.
* An dieser AufTässung (Im BeltotiM als der illerrn. aixh in der deutschen Sage ein-
xasX ^dtendeo, Überiief«niii£ mtus ich ecgea Goltbcr {Stud. S. 78 fT.) u. a. festhalten; a,
Mcb LtdjUotMigtr S. 18a und WiUiuioos, AfdA. 18. 83 f.
Um dieselbe Zeit, als die fränkische Nibeluniiensage zum cntcn Male in
dca skanUina. vischen Norden drang — alsci :iuf jeden Fall spstesiens im
Laufe des 8. Jahrhs. |§ i'>) — , wird auch die gotische Ennanarichsagc
(§ 42) in deutschen (sächsischen?) Liedern und Erzählungen nach dem
Norden getragen worden sein. Sie wurde dort iltisserhch und lose an die
Nibelungensage angeknüpft, indem Sigiu'ds Witiwe, die iii der alleren Sage
mit ihrem zweiten ungeliebten Gatten Ath den Tod fand, sich in dritter Ehe
mit Jnnakr vermahlt, und Svanhild als Tochter Sigurds und der Gudrun
aufgefasst wird. Diese Anknapfung, die alle nordischen (non\-.-isI.) Quellen
vuraiLssetzen, muss spätestens im 8. Jahrh. erfolgt sein, da Bragis Ragnarsdräpa
aus der ersten Hälfte des 9. sie mit der Bezeichnung von Siyrli und Hamdir
als Gjüka nipjar »Nachkommen Gjükis« bereits voraussetzt. Auch Saxo
scheint durch den Namen Guthnnut für die in seiner Erzählung den helies-
pontisclien Brüdern zur Hülfe kommende Xauberin Kenntnis der Sagenver-
bindimg zu verraten (s. imten § 43).
» Verf.. PBB. 4, 187 ff.; Bukkc Htlge-äigitne S. 173 f. 252. — » Verf..
ZrdPh. 34, 1 (T. (s. tlort S. 11 f. dir Sitrre Litteratur Ober die Bninbild-Siprdnäi-
Frag«). — " Verf., PBB. 3, 205 ff. — » ». § 16, Anm. 3.
§ 31. Die frankische Nibdun gensage, deren ursprüngliche Gestalt trotz
alk-r Veränderungen und Weiterbildungen der Norden im wesentlichen be-
waJirt liat, cr^dictnt in der deutschen Oberliefcrung bedeutend umge-
staltet. Diese Umgestaltung ist, auch wenn neue historische Ereignisse sie
beeinflusst haben sollten, lief in der Sage selbst begründet und aus ethisch
imd ästhetischen Bedürfnissen zu erklaren. In der nordischen Gestalt I
dingt das Verhältnis zwischen Sij;frid und Brunliild den notwendigen Al>-
schluss des eratcn Teils der Sage. Indem Sigfrid die ihm durch das Schicksal
und durch ihren eigenen Eid bestimmte Brunhild für Gimther erwirbt und
sich selber einer anderen vermählt, macht er Brunhild eidbrßch^, und wenn
diese, die ihn, trotzdem er au ilw gefrevelt hat, zu licbcu fortfährt, des
Helden Tod %-on ihrem Gatten fordert, dann aber dem Geliebten in den
Tod folgt, so ist eia völlig befriedigender Abschluss gegeben. Die Bewirkerin
seines Todes ist mit dem Helden gefallen, das Werkzeug ihrer Rache von
dem Sterbenden getötet. Einer Versöhnung der Witwe Sigfrids mit ihren
Brüdern stand somit nach altgemianischer Ansriiauung nichts im Wege.
Notwendige Folge war, dass die Anknopfung der historischen Bttrgimdensage
an die Sigfridssage keine straffe Einheit herstellen konnte: an eine abge-
schlossene Handlung trat eine neue, mit jener nur lose vermittelt durch den
unheilvoll von Geschlecht zu Geschlecht forluirkenden Hort, wozu die nor-
disdie Aiuibildung der Sage noch die wenig glückliche Verbindung gefügt
hat, dass sie Atli zu Brynhilds Bruder machte, der zur Sühne Gudrun aJSj
Frau erhalt. Die nordische Gri nihil d-GuClrim des zweiten Teils der Sage hat
mit der des ersten kaum mehr gemein, als dass sie in beiden die Schwester
der Gjukungen ist Gerade durch diesen ^langet an strenger Einheit der
Handlung erweist sirh die in ihrem ersten Teile dem Mythus, im zweiten
der Geschichte noch naher stehende nordische Sagengestalt als die ursprüi^-
lichere.
Die enger in sicli zusammenhangende deulsrhe Sagengestalt, auf welche
schon ästhetische Anforderungen führen mussten, findet offenbar ihren
Keim in dem Zurückweichen des Verständnisses für die ursprüngliche heid-
nische Bedeutung der Sigfridssage in christlicher Zeit. AU die Walkrtren-
natur Brunhilds immer mehr vcrblasste und an Stelle der Verletzung ihr»
schicksalbestimmenden Eides imd getauschter Liebe gekränktes Ehrgefühl und
Eifersucht die Triebfedern zu Sigfrids Ermordung wurden, als seine frOJiere
Verlubuitg mit Brunhild udcr (in der anderen Hauplform der Sage, s. {i 28)
sein Betrug bei ihrer Rrwerbung für Günther, wo nirht ganz vergessen, so
doch vöUijt in den Hinier^Tund getreten waren, und Sigfrid somit unM:huldig
üel, trat üaa Bedürfnis der Rache für den Tod des blühenden Helden her-
vor. Ethische und ü&thetische Rücksichten trafen darin zusammen. Nahe
lag. dass Sigfrids uugerochcncr Tod dem Atlila als Vorwand zu der vcrräte-
risrjien Eintaihmg' der Hurgundcn dienen konnte, während doch Hal>gicr sein
Äliklichcs Motiv war: eine Spur dieser Auffassung findet sich in der Vyls-
ungasaga c. 30 (B. i/i-^'-), die hier dem, in unaeier Überlieferung lücken-
haften, Texte der Attantvt folgt (Edzardi, Germ. 23, 411 und Verf. 's Anm.
zu Atlm. 40). Vnn da war der Übergang leirht zu der anderen Auffassung,
dass Sigfrids Witwe Attilas Habgier benutzt zur Ausführung der Rache an
üirvn Brüdern: Spuren derselben treten in der l*idrekssaga c 359. 423 ff-
neben der jüngeren hervor. In dieser Sagenfa&sung fiel die Rache an Attila
dem nacligeborencti Sohne Hagens zu: so iiudi die ('s., die freilich durch
Misditmg mehrerer Sagenformen dieselbe nur verdunkelt erhalten hat; deut-
licher das füröische Högnilied. wo die Rache an Grimhild und ihrem Werk-
zeuge Attila {Gudrun Jükadotlir und Äriäla) durch H9gni H9gnason in der
Weise vollzogen wird, dass er die Schäizegicrigen in den Berg lockt und bei
dem Horte verhungern lasst, während in der Hvenschen Chronik luid dem
danischen Liede von Griniilds Rache diese Strafe allein Grimhild ereilt. So
muss also das niederdeutsch-skandinavische Lied gesungen haben, das für
die drei genannten Über lief emngen die gemeinsame Quelle war (§ 18). Dass
diese Fassung auch in Überdeutscliland nicht gänzlich unbekannt war, lehrt
der Schluss der Klage, der sich allerdings nicht in A findet (Vs. 4323 ff.),
sowie die Zeugnisse llds. Nr. 136. ZE l^t. 73 (vgl. Mylh.^ 799). EntlUch
trat Attila ganz zurück und vollführt Grimhild die Rache an Sigfrids Mör-
dern, ihren Hnldem, gegen den Willen ihres Gemahls oder doch jedesfalls
ohne seine Beteiligung. Die Strafe trifft jetzt sie allein, und sie fällt Die-
trich von Bern zu, an dessen Steile nur im Nibelungenliede der alte
Hildebrand getreten ist
Diese entscheidende Wendung, derzufolge Sigfrids Witwe die Mßrder
ihres ersten Galten an Attilas Hof lockt um sie zu vernichten, ohne dass
Attilas Gier nach dem Nibelungenhorte noch eiue Rolle spielt, hat die Nibe-
ImigcnsHge-, obgleich auch die jüngere niederdeutsch e Sage die.se Gestalt mit
einer alteren vermischt kennt, unzweifelhaft in Oberdeutschland genom-
men. Auch ohne äusseren Anlass ist sie nach dem oben Erürterten imd
wenn man die steigende soziale ücdeutimg des Ehebundes und die damit
der Gattin des Ermordeten auferlegte heilige Pflicht der Blutrache erwagt,
vollkommen versländhch. Es bedarf also der zuerst von A. Giesebrecht
(Hagen Germ. 2. 2ioff.) aufgestellten, dann oft wiederholten Vermutung
nicht, dass die Geschichte der Zerstörung des burgundischen Reiches in
Savoyen durch die Franken im Jahre 538, wobei die burgundischc Königs-
tochter Chrndhild ihre Söhne zur Vernichtung ihres eigenen Geschlechtes
trieb, die Unibildung der Sage veranlasst oder erleii^htert habe, um diese
eins<:lmetdendsie Wandlung In der deutschen Sfigengestall zu erklären.
Nach Oberdeutschland weist schon das Vorkommen der umgedeuteten imd
verschobenen Namenform Criemhilt u. s. w. auch in Mittel- und Nieder-
deutschtand, wohin sie durch oberdeutsclie Lieder vor der Mitte des 8.
Jahrhs. verbreitet sein muss [ZE Nr. 12; anders Koegel I, 2, ic^^ Anm.).
In Oberdeutsdiland, wir dürfen genauer sagen in Osterreicli, muss die an-
ziehende G«staJt des edlen Markgrafen Rüdiger in die Nibelungensage ge-
kommen sein, der zuerst zu Etzel, dann zu Dietrich und mit diesem zu den
Nibelungen in Beziehung trat (\'gl. § 50I. Beide aber, Dietrich und ROd%eid
kennen ihre wirksamen Rollen erst in der Sage erhalten haben, als durch die
letzte Umgestaltung des Stoffes Etzel, in dessen Schutze sie weilen, voa dem
Vorwurfe der Hatigier und der Treulosigkeit entlastet wurde und die Haupt-
handlung von ihm auf Kricmhild überging. Dass die grosse Verftndenu^
der Sage nicht mehr in frankischer Gegend, sondern auf batrisch-asterrei-
chischem Gebiete erfolgt sein mtiss, wird endlich und ^'or ailero durch die
für die deutsche Dichtung charakteristische Umbildung der Figur und des
epischen Charakters Etzels erwiesen. Als >Gottesgeissel' lebte Attila in
der Erinnerung der Franken, imd so, grausam, habgierig tmd treulos, kennen
ihn die nordischen Quellen; in der deutschen Dichtung dagegen, der er aU
milder, weiser Herrscher, als die Zuflucht aller verbannten Recken gilt, spie-
geh sich das Bild des historischen Hunnenk^migs wieder, wie es sich bei
den verbündeten GermaneostammeD, vor allen bei den Ostgoten, gebildet und
von ihnen aus nach den bairisch-fisterreichischen Alpenländem verbreitet hatte.
Nur dort treffen die Voraussetzungen zusammen, unter welchen die deutsche
Umgestaltung der Sage verständlich wird K Kricmhild bildet nun den Mittel-
punkt des Interesses und das verbindende GHed zwischen l^dden Teilen der Sage:,
und die oberdeutsche Nibelungendicblung hat zu ihr in Hagen ein gewaltiges
Gegenbild geschaffen, die grossartigste und zugleich unheimlichste Verkörperung
der Vasallcntrrur. Dem Dietrich von Bern, dem in der oberdeutschen Sage
kein Held an Ruhm und Stärke gleichkam, übertrug sie die Bezwingung der
rheinischen Haupthelden, Günthers und Hagens, und ursprünglich auch das
Strafgericht an Kriemhild, wie noch, nach oberdeutscher Überlieferung, in der
Ps. c. 392 und dem Anhang zum HB. Wie er das waltende Schicksal, so
vertritt Rüd^cr, dessen Sage in ihrer Ausbildung lediglich der Dichtimg zu-
fallt, der seinen Tt^Kl findet «lurch das eigene Schwert, welches er seinem
Eidam Giselher, wie die Ps. c. 388 ursprünglicher als das Xibcltuigenlied
erzahlt, geschenkt hat, in der Nibelungendirhtung die Mac-ht des Charakters
und der Persönlichkeit
In dem ersten Teil der Sage ist für die deutsche Sagengestalt das
Zurücktreten der ursprünglich im Mythus wurzelnden Partien charakteristisch.
Es gilt dies allerdings namentlich von der durch das Nibclimgenlied vertre-
tenen süddeutschen Dichtung, denn der Kern des Sigfrid&licdes zeigt, dass
die alte Überlieferung von Sigfrids Jugend sich auch In Deutschtand lange
behauptete, am längsten vermutlich in der rheinfrankischen Heimat der Sig-
fridssage. Die Reihenfolge von Sigfrids Jugend thaten in dem zweiten TePe
des Uedes vom Hürnen Seyfrid — Drachenkanipf, Hortgewinnung. Befreiung
der mit Kricmhild zusammengeworfenen Jungfrau und Hochzeit — deckt
sich, trotz allen Entstellungen imd Verrohungen, so vCillig mit der im Norden
durch die Fäfnismyl utid Sigrdnfumijl bezeugten Sagenform, dass darin ein
direkter Niederschlag der alten fr;inkischen S;tge vermutet werden darf. Aber
auch die ridreks.Haga hat iicK:h vielfach dem Nibelung(.-iilt<.-tle gegenüber altere
Überlieferung gewahrt: so namentlich in ihrer Darstellung von Sigfrids Jugend,
die im Norden durdi die Anknüpfung der Helgisage umgemodelt wurde
(§ 30), femer in der Ersetzung des alten Geataltentausches durch einen
Kleidertausch — der Tarnkappe gegenüber immerhin verhältnismässig ur-
sprünglich — , in der Schilderung von Sij^frids Ennurduug und dem weiteren
Verlaufe der sich daraus entwickelnden Handlung; Überhaupt fallt in de»,
ersten Teil der Sage der Vergleich zwischen t*s. und Nib. durchweg
Nibelukgensage: Umgestaltung der Sage m DEifTscHLAso. 667
Gunsten der Ursprünglächkcit freierer Quelle aus. Im Nibelungenliede sind
die Reste cier alten Sigfridssage in eine nach dem Muster der hi'fischen
Romane und nach der GosthiiiacUsriditunv; der ritterlitlien Gesellschaft ein-
heitlich gestaltete Dichtung verwoben. Aus dem verwaisten l^indedosen
Recken ist ein am vjiterlichen Hofe »orgfaltig erzogener Königssohn gewor-
den; Dradienkampf vmd Hortcrft-crbung. ursprünglich in der Sage vereint,
werden als zwei selbständige jugcntli baten nur beilJkufig und episodisch er-
wähnt; der nuthisibc Ursprung dirs Xibclungcnschatzca ist durch ein Mar-
chenmotiv ersetzt, und nur in dem Nanieii Xihtiune für die früheren Besitzer
des Hortes bricht alte Tradition durch; die Erk'sung der hinter einem
Flammenwall schlnfenden WalkOre ist in die Gewinnung einer auf fernem
Eiland sil2enden Ubennenschlicli starken Königin vcruandelt, wobei Kanipf-
spiete den Ritt durch die Lohe, ein unsichtbar iruichendcr Mantel den Ge-
staltentausch, eine Kingszene im Ehegemarh das keusche Beilager vertreten;
der Betrug bei der Erwerbung, das den tragischen Konflikt herbeiführende
Motiv der alten Sage, musste gekränktem Ehrgefühl, die getäuschte Liebe
beleidigtem RangsloUe weichen; Brunhild, die in der Edda mit dem ^nzig
geliebten Helden den Schcilerhaufcn bestieg, um wenigstens im Tode an
seiner Seite zu nilu-n, verschwindet nach Sigfrids Ennordung spurlos. Christen-
tum und Rittertum wirkten zusammen, um die alte Sage sdiwer zu schädi-
gen, allein in demselhen Masse als die ahen Züge des Mythus verblassten,
spannen sich neue Faden durch Verkettxmg der Handlimg imd Verinner-
lichung der Charaktere zum Gewebe einer neuen Dichtung zusammen. Die
sehr lohnende aber nicht minder schwierige Untersuchung, die das Eigentum
des Nibelungen dichters von dem ihm zu Gebote stehenden Sagenstoff aos-
zosondern unternimmt, zuletzt von Wilmanns scharfsinnig geführt kann in
dieser Skizze nicht in Angriff genommen werden. Desgleichen verbietet der
Raum, auf eine Verglcichung der Sage vom Untergang der Nibelungen nach
der ober- und nicdtrdeuLschcn Fassung einzugehen; die Vf-. hat hier ver-
schiedene Sagen Versionen k-mtaminiert, eine altniederdeutsche, in welcher
Osid imd Iring t§ 321 imd die oberdeutsche, in welcher wie im NibeJungen-
liede Rüdiger und Dietrich hervorragende Rollen inne hatten «.
' Vogt, ZWPh. 25, 414 ff. — ' Busch. Dir MnprßngiicheH Lifder v»m
Endr der JVibriungm, Halle 1882 (vgl. Gntt. j^l. Ära. 1882. Sl. 50; Ltbl. 1883.
Sp. l68ff.); Hrnning, QF. Ji. iSjff.; Wilmanns. A/dA. 18. 96 ft. V^.
reiner «lie 21) § 18, Aniii. 2 angHuhrti* Littcniliir.
§ 32. Es erübrigt, einige An- und Auswüchse der Nibelungensage in
gedrängter übersteht zusammenzustellen.
In der altniederdeutschen Version vom Ende der Nibelungen, die ihre
Spuren in der ts,, aber mit der oberdeuLschen vermLscht (g 31), hinterlassen
hat, scheint die dort dem Rüdiger (resp. dem Dietrich) zugeteilte wirksame
Rolle durch Osid besetzt gewesen zu sein. Der Herzog Osid wirbt für
Attila um Grimhüds Hand (c- 35ör) und bezwingt Gunnar, den er in den
Wurmgarlen werfen lässt (c. 383). Neben ihm spielte in dieser Fassung Iring
eine bedeutende Rcille. Iring {//»///.v) überfallt anf Grimhilds Bitte, zu der
er in besonders nahem Verhältnisse gedacht wird, die Knechte, wie BltL-dclin im
Nib., unil eröffnet so den Kampf (c. .^78 f.), und wictlcrum auf Grimhilds Bitten
greift er H^gni an, den er schwer verwundet, aber nur um 5eU»st durch Hygnis
Speer den Tod zu finden (c. 387). Mit Redit weist Wilmanns (AfdA. 18, 99)
darauf, dass gerade die an Osid und Iring geknüpften Ereignisse in der Saga
an bestimmten Örtlicbkeiten in Sü^at (Suestt lukalisiert sind (vgl. Hnidiausen,
PBB. 9, 452 ff.). Reste einer altniederdeutschen Schicht der Sage, die der
ganzen Anlage nach der nordischen naher stand ai3 die reicher entwickelte
und in grosseren Vcriialtnisscn sielt abspielende überdeutsdie, sind hier er-
kennbar. Von den beiden in Niederdeutschland in die Sage eingefOhrten
Helden ist Osid sonst imbekannt, Iring aber ist noch im Nib. eine zwar
episodische, aber durch die Dichtung mit Liebe ausgestaltete Figur.
Irnfrid und Iring^ gehören nach dem NibeUingenlicde zusammen; mit
Häwart, der als Irings Herr gilt, leben sie an Etzels Hof: nach der Klage
373 ff. sind sie in de.s Reiches Acht {Hds. S. liSff.). Schon Widukind in
seiner sächsischen Geschichte I, o ff., den andere Berichte erganzen, kennt
Imfrid und Iring vereinigt. AnlässUch der Zerstörung des thüringischen
Reiches durcli den Krankenkönig Theodorich, Chlodowechs Sohn, im Bunde
mit den Sachsen (um 530), erzälilt er folgende, offenbar sächsische, Sage.
Der letzte thüringische König Irroinfrid. des Theodorich Schwager, von den
Feinden eingeschlossen, flieht mit Weib und Kindern, wijd aber von Theo-
dorich trüglich zurückgerufen, welcher darauf Iring, den vertrauten Rat des
tmglücklichen Königs, durdi falsche Versprechungen zu übeneden weiss,
seinen Heim zu töten. Als aber Iring statt der erhofften Belohnung des
Landes vern-iesen *ird, ersticht er den Frankenkönig, legt den Leichnam
seines Herrn über den toten Dietridi uud bahnt sich mit dem Schwerte
einen Weg. Hier ist der historische letzte König der Thüringer Imünfrid
bereits mit einer mythischen Überlieferung versclimolzen. Aus dem Schlüsse
von Widukinds Erzählung, der aller Wahrscheinlichkeit nach ein sSclisisclics
Lied zu Grunde liegt, ergiebt sich nämUcli, dass die Milchslrasse liei den
sächsischen Stammen nach Iring benannt war : mirari tarnen non possumu$, in
tan/am famam praernihtissey ut Iringü nomine gtum ita vecitant lacUus codi
circultts ttsque in praesem stt notatus; dazu Stimmt die altenglisclie Glosse via
iecia: IrinjiKs tiHfj,; resp. lunanngfs iu<^ {Mvtfi.^ 297 f. Iltis. S. 444 f. PBB.
16, 504. 20, 201 f.). Ob Iring ab raytlusches Wesen in die Sage vom L'nter-
gang des thüringischen Reiches eintrat, oder ob ein historischer thüringischer
Held dieses Namens erst sekundär mit einem gleichnamigen mythischen
Wesen verschmolzen ist, iSsst sich nicht entscheiden. Seinen Namen {iring.
daneben ahd. iaring, ags. luring) hat J. Grimm zu aitn. Rigr, dem
I^eudonym Heimdalls gestellt, an welchen allerdings Züge der Iringssage
gemahnen. Die Voi^eschichte der durch Widukind um (»07 aufgezeich-
neten Sage ist dunkel. Wir finden aber, dass über beide Hdden, Irminfrid
und Iring, vom 10. bis zum 12. Jahrh. fortdauernd sagenhafte Traditionen
in Nieder- und Mitteldeutsdiland bestanden, und schon in der Schrift dt
Sutf'onim orif^tu (ZfdA. 17, 57 ff.), die, obgleich erst aus dem 13, Jahrh.
Oberliefert, ihrer Sagenfassung nach älter ist, sind sie wie in der Nibelungen-
sage an Attilas Hof versetzt In die Nibelungensage werden sie durch säch-
sische Dichtung gekommen sein, nachdem sie bereits früher zu Etiel in Be-
ziehung getreten waren. Auf sächsische Sagenpflege weist die oben besptu-
chene, anfänglich jedesfalls bedeutendere, Rolle Irings in der I*«.; dass diese
Imfrid nicht kennt, spricht nicht dagegen: er kann als unwesentlich in der
in einfachen und personenarmen Verhältnissen wurzelnden altniederdeutschen
Nibelungendichtung früli bei Seite geschoben worden sein. Irings auch in
obcrdeubicher Sage ursprUnglidi bedeutendere Rolle bezeugt noch seine
Aristie im Nibelungenliede (Str. 10^.5 ff. I; auch in einer Version der ober-
deutschen Sage scheint er auf Kriemhilds Bitten in den Kampf mit Hagen
eingetreten zu sein (vgl. Nib. 1991 ff., 2003 und besonders 2005). JedesbUs
entstammt er der siichsisclien Sage.
Nach Sachsen weisen auch die beiden Markgrafen G3re und EckewarL
I
I
I
In ersterem liat Larhmann {Aurti. S. 336) gevriss richtig den aus den Slaven-
kri^en Otlo I- bekannten Markgrafen Gern von UstKichscn gesehen, der t.
J. 965 starb. Eckewarta Figur scheint zusammengoflosseii aus «Je m historischen
gleichnamigen Markgrafen von Mei&sen (985 — ioo2) und einer mythischen
Gestalt, die ihre ursprtln gliche Stelle in der Harlungensage (§ 4:) halte und
zum typischen Warner in der HeldenRage wurde*. Im Nibelungenliede wie
in der Saga (c. 3*37) crscheini Eckewarl als Wächter von Kttdigers Mark,
und in beiden Darstetlungen warnt er die Burgunden vur den Hunnen, »-ie
an spaterer Stelle (Nib, i(»tii ff. Ps. c. 375) Üietrtcli. Aus der widerspruchs-
vollen und unklaren Art von Eckewarts Einführung und Stellung — er soll
aus Sigfrids oder Kriemhilds Dienst zu Rüdiger übergegangen sein — darf
man kaum auf eine Version der Sage schllessen, in der Eckewart einst grös-
sere Bedeutung hatte. Die Unverständlithkeiten erklären sich durch die
HcrObemahme seiner typisch ausgebildeten Figur aus einer anderen Sage
und ihre nur uuvullkuminenc Einfügung in einen JlUercn Zusammenhang.
Die Warnung der Nibelungen fiel in der ursprünglichen Sagengcstait ihrer
Schwester zu (Akv. Ö. AUm. 4. Vs. c. 33); bei der Umgestaltung der Sage
wurde das dankbare, die Spannimg erhöhende Motiv nicht aufgegt:ben, son-
dern auf andere Personen übertragen, aber nicht überall gleichmössig: bald
auf Dietridi, bald auf Rüdiger — in der l*s. c. Jbp ist es seine Frau — ,
bald auf den treuen Eckart der Volkssage und Harlungensage, der dann an
eine in ihren Ursprüngen historische Figur seine Anknüpfung fand.
Von den burgundischen Helden gehören der jüngsten Schicht der Sagen-
ent«-icklung Dankwart und Volk?r an. die dem Hagen als Bruder und
Freund zugesellt wurden. Dankwart ist der ts. fremd, Volker aber erscheint
in der gemeindeutschen Sage — nur im Biierolf fehlt er — innig mit Hagen
verbunden, dessen Ver\k-andter (1*8- c. 361) oder gar Bruder er zuletzt ge-
worden ist Er ist in Alzey in der Pfalz, also unweit von Wonns, lokalisiert,
wo seil dern 13. jalirti. eine Fiedel im Wappen eines Truchscsscngt-schlcchtes,
aber auch der Stadt selber nachweisbar ist, woher die Alzeyer auch »die
Fiedler« hiesscn {//äs. Nr. 172. Z£' Nr. zb. 5. 30). Es ist der kühne Spiel -
mann, dessen Rolle im Nibelungenliede mit sichtliclter Liebe ausgeführt ist
vermutlich eine Erfindung rheinischer Spielleute, welche das Wappen bereits
voraussetzt Wie Dankwart, dem im Nibelungenliede eine besondere Aristie
zu Teil fallt, ist auch Ortwin vt.n Metz, der merkwürdiger Wrise gegen
Ende des Gedichtes veiwrliwindet, der l^s. unbekannt. Auf die der Etzel-
und Dietrichssage angehrtrendcn Helden, die an Etzels Hof auftreten, wird,
soweit nötig, an anderer Stelle eingegangen (§ 50V
Neben neuen Personen treten neue Lokalisierungen auf. Den Ver-
nichtungskampf gegen die ßurgunden, welcher veimutlirh auf dem linken
Kheinufer .stallfand, aber hi der Sage schon früh, wo nicht von allem Anfang
an, aus einer offenen Feldschlacht zu einer verräterischen Einladung an den
hunnischen Hof geworden war. versetzte die niederdeutsche Sage nach West-
falen, die oberdeutsche nach Ungarn. Dort residiert Attila in Sdsat (Soest),
hier in Etzelenburc (Ofen). Hagen wnirde unter Einfluss der fränkischen
Trojasage nach Troja benannt (schon Waltliar. 2$ r^niens de germine Troiae,
auch l*s. c. 38<>. 425 af Troia)', in den süddeutschen Quellen heisst er ww
Tronege, Trottje {/Ids. S. 07), indem die Sage ihn nach der merowingischen
Pfalz Tronje (Kirchheim) im elsässischen Nordgau, also nicht gar zu weit
von Worms, lokalisierte, vermutlich um sein Vasallen Verhältnis zu Günther zu
erklaren (vgl. Heinzel, Über die Waüha^. S. 79 ff.). Mit der halbgelehrten
Trojasage häi^ wohl auch zusammen die Lokalisierung des ursprünglich als
670
Xrv. IIeldeksage. Die einzelnen Sagenkreise.
ländciloser Recke aufgcfasstcn Sigfrid in Xanten (tf Saniert, ad Sanc/os),
wohin schon Fredegar die Troja Francorum verlegt. Nach späterer Über-
lieferung soll Hagen Xanten gegründet haben; im Xanlener Bischofsrecht
von 1463 heiast es: Hector van Troicn, den wij noemen Uaegtn van Trvkm
{ZE Nr. 52. I =Hds. Nr. 151 ») *.
Nicht vom Dichter des Nibelungenliedes erfunden, sondern ein ziemlich
alter, vermutlich bei den Franken entstandener, Anwuclis der Sigfridssage ist
der Sachsen krieg, Sigfrids Kampfe für die Burgundengegen Liudcger von
Sachsen und duäsen Bruder Lludegast vuu Dänemark, wo^cu eine nordische
Variante in den Kfimpfcn Sigurds und der Gjukungen mit den Gandalfs-
sOhnen und dem nordischen NatlonaUieldcn Slarkadr vorliegt, welche wolU
die Stelle sächsischer Helden einnehmen. Der Bericht des Nomagcsts|)attr
c. 6 wird bestätigt durch Notizen in der V^lsuogasaga c. 29 und wohl auch
im Rosengarten D, wo Frute von Dänemark, von Günther aus seinem Lande
vertrieben, an die Stelle der Brüder des Nib. getreten scheint [I/ds. S. 281 f.)*.
Die Sage vom Rosengarten (vun den Isungeii}^ .scheint siel» ebenfalls
aus einem alten, in unserer Überlieferung fast versi-hollenen, Zuge der Sigfrids-
sage gebildet zu haben. Der IlLnderluse, verwaiste Recke, der nach dem
Drachenkampfe an den Huf der Nibelungen (Burgundcn) kam, galt der
alteren Sage als Günthers Dienstinann; noch im Nibelungenliede tritt dieses
ursprüngliche Verhältnis, trotz der folgenschweren Umgestaltung von Sigfrids
Geburt und Jugend, bei dem ersten Auftreten des jungen Heklcn in Worms,
namentlich aber auf der Fahrt nach Island und bei den aus dem Betrug bei
Brunhilds Erwerbung cntspriesscnden Vcrwickltmgen unverkennbar hervor.
Als uralt und schon in der mvthischen Sigfridssage vorhanden erweist diese
Auffassung die Natur des Albenmythus, dessen bcs<indcre Eigentümlichkeit
gerade hierin besteht, dass blühende JüngUi^e den Unterirdischen verfallen
und zu ihrem Dienste gezwungen werden (vgl, § 28). Es muss eine epische
Form dieser mythischen Anschauung vorausgesetzt werden, in der ein dämo-
nischer König den dieostbaren Helden zu Zweikämpfen in seinem Dienste
zwang; nach der Verschmelzung der mythischen Nibelungen mit den histo-
rischen Burgundcrkönigeu scheint diese Sage, losgeltJst von dem Komplex
der Nibeiungejisagc, Lsoliert weiter bestanden zu haben; sie suchte so naiur-
gemäss Anknüpfung an andere Sagcnvorslellungcn. Nach der I'iÖrckssaga
c. 219 ff. kämpft Sigfrid als Bannerführer Ki^nigs Isungs von Bcrtangaland
mit Dietrich vfm. Bern; im Bileroif ist der Massenkatnpf der rheinischen imd
der östlichen Heiden, unter ihnen auch Sigfrid und Dietrich, hei Worms der
Kern des Oediciues; in den Rosengarten findet sicli der Zweikampf in Zu-
sammenhang gebracht mit der mythischen Vorstellung von dem Rosengatten,
dessen Besitzerin duich Zweikämpfe gewonnen wird, einem Motive, welches
in anderer Verbindung im Laurin erscheint. Es beweisen diese drei unab-
hängigen Erzählungen die Existenz einer Dichtimg vom Kampfe Sigfrids und
Dietrichs, die mit dem Stege des letzteren endete, also oberdeutschen Ur-
sprungs war. In der Fassung der t^s. aber steht Sigfrid im Dienste Isungs,
und, wenn er schliesslich auch hier von Dietrich besiegt *ird, so wird doch
seine Niederlage nur durch Dietrichs Tücke und Meineid herbeigeführt
Diese Fassung kennt also sowohl Sigfrids Dienstbarkeit als seine Unbe«eg-
barkeit auf ehriiichem Wege; in ihr scheint ein Niedersdilag des alten Alben-
mythus erkennbar, in welchem die Nibelungen durch die Istingen (s. \
3C) ersetzt sind tmd die Sage sekundär an die junge Erfindung vom
Zweikampfe zwischen Dietrich und Sigfrid angeknüpft ist; Gmmarr und H^ni
stehen in der {'s. sogar auf Seiten des gotisch- bairischen Helden. Eine neue
I
I
NlBELUNGEN-SAGg; AN- ü. AUSWÜCHSE. — ORTNIT-WoLFDIKTRICHSAGÜ. (J?!
Motivieranp des /Zweikampfes ist es, wenn im Bit 9473 ff. (vgl. Nib. 1097, y.
H4s. S. %2 f.i ein JugfiidauffiilhaU Sigfrids bei Etzel vorausgesetzt wird, wo-
hin er als Dietrichs Gefangener gelconunen sein solL Die dänischen, auf
nie<] erdeutscher Grundlage beruhenden, Lieder aKong Diderik og hans
Kaeinper» {DgF. Nr. 7, vgl. IV, 602 ff.) und »Kong Diderik i Birting^andc
{Dgf- Nr. 8 t kennen den Zweikampf gleichfalls, setzen aber bereits Einwir-
kung einer Rusengartcuvcrsiun voraus. Näheres Eingehen auf daA Motiv der
Zwölfkampfe (Roseng., I*s., Virg., Waltliar.) ist an dieser Stelle untunlich.
Auch die Frage, wann der Rosengartenmythus nach Worms lokalisiert wurde,
muss hier unerörtcrt bleiben. Die Verbindung dieses Mythus mit dem Zwei-
kampf zwischen Dietrich und Sigfrid scheint nicht alter zu sein als die
Enlstchiing der ältesten Rcwengartendichtung ( A ' nach Holz) selber.
* Mailcnhoff. Zfdj\. 17. 57 ff. 19, isüff. 30. 347 ff.; UhUnd. Sehr, I,
467 ff.; Kocgcl, OVitA. d. J. Litt. 1, 1, 124 ff. — • A. Gicicbrcch t, Higeo
Germ. 2, 232; Henning, Ql-". 31. 14 ff.; Wilmaons. jUdA. itf, 102. —
* Ober die franltisthc TrcijasaK'^ s. näincotltcb Zarocke, Bcr. der s^bs. Ges. der
Wis». i86<i, S, 257 ff. ^"«i Kurth, Hht. peil, drs lUming. Ü, 505 flf. [O.
Dijipe, Du fr^nt. Trojanmagm {Progr. Wandsbeck 1896), t, Jahrcsb. 1896,
X, 41]. — * Müllenhoff, Xaräalb. Studien I (1844), I91 ff. Zur Ofsch. ä€r
S'tb. X&l S. 32 f.; Ra-^/mann I, 184 f. — 5 UhUnd, Sehr. VIII, 504 fl.; Ed-
tardi, G<mi. a6, 172 ff.; Heinzcl, Über die Nibs. S. 1 1 ff. (uad die du« si>
tiOTW Li«.); Hol/, Rosengarten S. C ff.; Schönbach, Ober die Sage von Bit.
Hnd Dütl. S. i: ff. [Jiriczck, DI/S. I, 253 ff.].
C- OHT.HIT.WnT.KUlKTlilf.HSACE ODER HaKTCKGE.VSAGE.
§ 33. Die Sagen von Ortnit und Wolfdietrich Hegen in der tf4*r*
HcHtschat Übedieferiuig, welche durch die mhd. Gedichte von Ortnit und
Wolfdictrich und den Auszug in Dietrichs Fluclit 2icx) — 3294 (S 20), sowie
durch den süddeutscher Sage folgenden Bericht der tiiXrek&saga c. 41(3 — 422
vertreten wird, nur verbunden vor. Da in dieser Verbindung WnlMietrich
an die Stelle des jüngeren Härtung getreten ist, kann dieser Sagen komplex
auch als Jiartungensage bezeichnet werden, obgleich dieser Name eigent-
lich nur einer älteren Sage gebührt, deren ersten Teil die niedertietUscke
Überliefening in allerer und selbständiger Gestalt erlialten hat. welche durch
nordische Quellen erläutert un<i ei^anzt wird. Im Folgenden ist versuclil,
im Auschluss an Müllenhoffs grundlegende Untersuchungen, die histo-
rische Ausbildung der Hartungensage in ihren Hauptzügen xu entwirkeln.
MüllcnliDfr, ZfdA. 6. 435 ff. 13, 344 ff. (= £E Nr. 34), IQ, 238ff.;
Araelung, ÜllB J. XlXff.; Jaenkltc. DHU 4, XXXVIII ff.; W. Müller,
Afyth. der deutsch. Jftldens. S. igüff.; HciDZcl, Ostgoth. JMdetis. S. 66 ff.
75 ff. (s. auch ArdtV. 9. ZSrf.); Kurlh, /list. po/l. des MJrvvtng. S. 374 (f.;
E. H. Meyor, ZfA<V 38, 65 ff.; DusRe, Uetge-d-gUne S. 70 ff. 227 ff. 238 It
§ .^4. Die rahd. Spielmannsgedichie von Wolfdietrich bieten der Sagen-
forschung ausserordentliche Schwierigkeiten. In ihren drei oder vier im
einzelnen weit auseinandergehenden Fassungen erscheint die alte Sage so
Qpp^ von jüneeren Erweiterungen und Zuihaicn umrankt, so grOndlich durch
die Einflechtung zahlreicher, den verschiedensten Quellen cntstaiiinicndcr,
Abenteuer entstellt , dass , bei dem gänzlichen Fehlen von Mittelgliedern
zwischen den geschichtlichen Berichten und den mhd. Dichtungen, eine
wirkliche Entwicklungsgeschichte der Sage gar nicht in Angriff genommen
werden kann. Entkleidet man die Überlieferung des 13. Jahrh.s. aller mit Be-
stimmtheit oder Wahrscheinlichkeit als sekundär erkennbaren ZUge und löst man
auch die Verbindung Wolfdietrichs mit Ortnit und dessen Wittwe zunächst
ab, so stellt sich als der Kern der Wulfdietrichssage, wie sie sich etwa
im 12. Jahrh. gestaltet hatte, folgende Erzählung lieratjs. Wol/dietrich, der
Sohn rfes Königs Hugdietrich von Konstantinopel (nach C des KOnig
Trippel von Athen), wird als neugeborenes Kind unter den Wolfim gefunden^
die üim nichts zu leide thun. Dem Umstände verdankt er seinen Namen,
Im übrigen w-eichen die beiden wichtigsten Bearbeitungen in der ErzfÜilung
von Wolfdictrichs Geburt stark von einander ab; nach dem Wolfd. A wird
das Kind, weil sein Vater, durch die Verleumdungen seines treulosen Rat-
gebers Sabene irregeführl, seine Echtheit bezweifelt, dem Herzog Bcrchtimg
von Meran zur Tötung übergeben, der es aber rettet, als er staunend sieht,
dass seihst die wilden Wölfe im Walde e,s verschonen; der Wolfd. B dagegen
macht den Helden zur Frucht eines heimlichen Liebesbundes zwischen Hi
dietrich und der schönen Hiltburg, der Tochter KVjmgs Walgunt von Sal-
necke. Der angebliche oder wirkliche Makel unehelicher Geburt haftet aber
nach beiden Versionen der Sage an Wolfdietrich. Nach gemeinsamer Über-
lieferung wächst dieser unter der Obhut des treuen alten Berchtung auf.
Bei Hugdietrichs Tod wird sein Kelch unter seine drei Söhne geleilt, Wolf-
dietrich aber von seinen Brüdern, die ihm uneheliche Geburt vorwerfen, (auf
Sabenes Anstiften nach Wolfd. A) aus seinem Erbe vertrieben. Berchtung
imd seine sechzehn Söhne stehen im Kampfe zu ihm, sechs von ihnen mit
der ganzen Mannschaft fallen, die übrigen geraten in Gefangenschaft, nach-
dem der von ihnen getrennte Wulfdietrtch ausgezogen ist, um fem \"on der
Heimat HOlfe zu suchen. Nach vielen Abenteuern, in deren Zahl, Anord-
nung und Ausführung die verschiedenen Fassungen wie<ler stark von ein-
ander abweidien, gelingt es ilun, indem er an der Spitze eines gewaltigen
Heeres aus seinem unfreiwilligen Exil zurückkehrt, die treuen Dienstmannea
— der alle Berchtung ist inzwischen aus Gram gestorben — zu befrdeo,
seine Brüder gefangen zu nehmen und sein Reich wicdcrzuerobcm.
Diese Sage ist in ihrem Ursprünge wesentlich historisch, weini auch früh
mit unhistorischen Zügen versetzt. In Wnlfdietrich und seinem Vater Hug-
dietrich haben wir nach MüUcnhoffs Nachweis geschichtliche fr,lnkische Fi-
guren zu erblicken. Dass zunächst der Name //ugdittneh, d. i. »der fränkische
Dietrich«, den Mcrowingerkönig Theodorich I. bezeichnet, ist unbestritten und
unbestreitbar. In den Quedlinbiirger Annalen (s. § 18) findet sich folgende
Notiz: Hugo Thfodoricus iste (nflmlich Theodorich, Chlodowcchs Sohn) diet'
Htr, id €st Francus, quia olim omnes Franci Hugones vocabantnr a suo ^uodam
duct Httgotie (Mon. Germ. SS. HI, 31). Bestätigt wird sie durch AVidukind
I, 9, der Thtadricus zu einem Sohne des Huga (Chlodowech) macht //«•
gones (ags. Htigas Beow. 2505. 2gi4) war ein alter epischer Name der Fran-
ken; im Wids'id Vs, 24 wird ein pe'odrir genannt als Hemicher Ober (he
Franken, der an einer späteren Stelle (Vs. 1 15) mit Srafola tmhd. Sabene)
verbmulcn wiederkehrt, und noch der Voeta Saxo vom Ende des Q. jahrhs.
weiss, dass der aiistntsischc Theuderich in Liedern gefeiert wurde { Theodn~
eos eanuni V, ik»>. Httgdietrich [ffugo TTieodariens) ist somit Th<
doiich von Metz, der älteste und tüchtigste, aber vor keinem Frevel sich
scheuende Sohn des Chlodnwcch, der zuerst die deutschen linder unter
dem Namen Austrasien vereint besass, der Vemichter des ihüriogisd»
Reiches (511 — 534). In Hugdietrichs Sohne Wolfdietrieh sind Eiinn«
an Theodorichs Sohn Theodebert I. festgehalten, der energisch und rUclH
sichtstos, wie sein Vater, aber zugleich nicht ohne milde und edelraütif
Regungen war, und dessen Peraöulidikeit und Maclitstellung — auch
Alemannen und Bajuwarier unterwarf er der fr;inki.kclien Herrschaft — »o
epi&cher Verherrlichung wohl Aiilass geben kuunte (+ .S48). Theodoncb
war der Sohn eines Kebsweibes, er teilte nach Chlodowechs Tod das Reich
J^
I
mit seinen drei Biadern^ nicht ohne Streit igkciteii mit dt-nselbcn. Gegen
Tlieodebert, dem grundlos uneheliche Gcbiin vorgeworfen wiirde, sollen sich
nach Theodnriehs Ti-xi seine Olieime erhoben haben, die ihm das Reich
nehmen wulltcn, doch diuxh die Treue der fränkischen Grossen soll er seine
Herrschaft Behauptet haben (Greg. Tnr. III, 13). Der Kern der Wolfdietrichs-
sage weist demnach auf eine Verschlingung der Geschichte der beiden
Merowingcr Tlieodorich und Thcodcbcrl, die in der Geschichte wiederholt
nebeneinander erscheinen; die Sage hatte sie, indem nur der Name des
fränkischen Thcodorich (Hugo Theodoritus) dem Vater verblieb, auf den
Sohn zusammengedrängt; aus dem kurzen Kampfe Thcodeberts gegen seine
ländergierijien Oheime, den sie mit den Streitigkeiten des Theodoricli mit
seinen Brüdern verband, machte die Sage eine lange Vertreibung aus seinem
Reiche, die Treue seiner Dienstmannen aber, die ihm die Herrschaft erhielt,
erhob sie zur treibenden elliischcn Kraft der poetischen Ausbildung. Di©
aiwserelielirhe Geburt Wnlfdieirichs ist vom Vater Theodorich auf den
Sfihn übertragen, dessen Ansprüdie auf die Krone gleichfalls angezweifelt
wurden: uneheliche Geburt spielt ja in der Geschichte der Merowinger eine
sehr bedeutende Rolle imd ist in der uns vorliegenden Sagengestalt noch
immer ein sehr wesentliches Motiv (ür die Handlung. Schon tlieser Umstand
würde die Ansicht W. Müllers und Bugges* widerlegen, die zwar die
Beziehung vuu Hugdietrich auf den fränkischen Theudurich nicht leugnen,
aber in Wolfdieirich uniprQngüch den ostgotischen Theodorich sehen und
seine Sage als eine von Haus aus gotische auffassen, die erst s|)ater zu den
Westfranken drang. Nun ist zwar auch der ostgotische Theodorich, Theodemefs
Sohn, ein uneheliches Kind, aber seine Mutter Erelieva (Jord. c, 5^) ist der
Dietriclissage vGtlig frcmtl, und auf Dietrictu> Abstammung von einer Konku-
bine deutet nirgends eine Spur. Auch Wolfdietriciis östliche Heimat in der
spAten mhd. Dichtung weist nur scheinbar auf die Jugendschicksale des ost-
gutischcn Tlieodorich auf der Balkanhalbinsel und die Eroberung Italiens
von Bvzariz aus, da wiedenim che so nüch verzweigte und in zeitlich abge-
stufter Reihenf' »Ige vodiegende Überlieferung der Dietrichssage nichts davon
weiss, vielmehr Übereinstimmend Ttalien als Dietriclis Erbreich betrachtet. Die
Lokalisierung der Wolfdietrichssage nach Griechenland und den griechischen
Küstenländern nuiss anders erklärt werden (5.6751. Hcinzel. der mit MüUcn-
hoff an der frttnkischen Heimat der Wolfdietrich ssagc festhält und sie durch
neue Beobatlitungen gestützt hat, meint doch iOsfgolfi. HtUhns. S. 66 f.).
dass die Gestalt des treuen Herzogs Berchtung von Meran von Haus aus in
der gotischen Heldensage ihren Platz gehabt habe und erst nachträglich
vom (istgotischen Dietrich zum fränkischen W'olfdietrich übergetreten sei.
Nun lassen sich allerdings Einwirkungen <lcr IHctrichssage auf die epische
Ausbildung der Sage von Wulfdietrich wahrscheinlich machen (^ 38), aber
Berchtung scheint s<-inem Ursprung nach Überhaupt keine historische Figur
zu sein, und der Name Mcrdn, obgleich unstreitig ein aller epischer Name
für die ostgotischen Lande, ist der deutschen tpik als Stammland Dietrichs
imd der Goten sonst unbekannt. Jedesfalls ist daran fest;!iihalten, dass die
Sage von Wolfdietrich wesentlich auf Personen und Eit-ignisst^ der raero-
wingischen Geschichte zurückgeht, tmd wenn von Theodorich berichtet wird,
dass er in fränkischen Liedern besungen wurde, so werden eben diese Lieder
als die Anfange der Hug- und Wolfdietrichssage zu gellen haben.
* Htigf-digUnf S. 71. 338; dugegeo »d>liec»l skfa Bugge nodi im Ark. f, nord, Fil.
13, 3 der Ansicht Mulleabuifs ad.
Ccnnutach« PbüDloKl«. III. 2. AuS. 43
Andererseits sind unhlslorierhe Elemente in der Sage unverkennbar. Berch-
tung, den sein Name, wenn auch die für den Stammvater eines Helden-
geschlechtcs niclit passende patronymische Form so wenig ursiirtingürh ist
wie 'V^biuigr« in der Sage von den alteren Weisungen (§ 27), als ei« giSn-
Kendes, lichtes Wesen kennzeichnet, als der treue Encieher und* Vasall, und
Sabene (ags. Sea/ola Wids. 115. ahd. Saun/o Sahula: ZfdA. (>, 459. 30, 240),
d. i. »der Kluge, Verscldagene« , als der ungetreue Ratgeber und Ränkeschmied,
sind uralte mytlüsche Gegensätze, die sich ebenso gegenüberstehen wie Ecke-
hart und Sibeche in der Ilarlungensage. Mythische Züge bewahre» audi
die Überlieferungen von Wolfdictndis Geburt und Jugcndaciiicksalen, die
vielfach an die Sage von Sigfrids Gehurt und Jugend nach der sUchsisch-
frilnkischcn Fassung und an verwandte Sagen gemaluieu. Allein cj» scheint
gewagt, aus diesen mythischen Anklangen auf einen *Berchrungenriiythus» xu
schliessen, wekher der historischen Sage von dem frankischen Dietriclispaare
erei zu ihrer epischen Fonn verholfen hätte. Inhalt und Deutung eines
aolchen Mythus blieben dunkel. Vielmehr wird auch ohne diese Amiahme
die epische Ausbildung der Sage durch das mehr und mehr in den Vorder-
grund tretende Motiv der Treue der Mannen zu ihrem Ki5nig und des
Königs zu seinen Mannen wohl verstandlich. In den Gestalten des greisen
Berchtiing und seiner Söhne fand die Sage die Personifikatiun dieses treiben-
den Mülivs, ilidem sie vermutlich die frei umhersch webenden mythischen
Gegensätze des treuen und des ungetreuen Dieueni mit den historischen
Details, die sich bereits zu verflüchtigen begannen, amalgamierte. Die Er-
setzung der frankischen Grossen {/fttäes), die die Erbanspriiche des Theude-
bert schützten (Greg. Tur. III. 23). durch eine bestimmte, scharf umrissene
Person, den vaterlichen Freund des jungen Fürsten, war für die epische
Fixienmg der geschichtlichen Sage so uncrlassüch und selbstredend, dass es
zu ilirer Erklärung der Heranziehung der osigotischcD Heldensage nicht
bedarf. Die Kolle des Berchtung dem Wolfdtetrich und seiner Mutter gegen-
über zeigt keine besonderen Älmlichkeiten mit dem Verhältnis des ahcii
Hildebrwid zu Dietrich und findet allerwärLs in gennanischer Zeit ilu-e htsto-
fischen Voraussetzungen : die Stellung Sabenes aber zu der verwittwe»e:i
Königin und ihren unmündigen Söhnen — Wolfd. A 167 f. richtet er sogar
an des Königs Stelle — erinnert sehr stark an die des merowingischen
Majord(>mus. Mythisch ist nur ihr Gegensatz; die Ausgestaltung ihrer RoUcn
und Figuren wurzelt in den historischen Verhältnissen und in ethisch-poe-
tischen Motiven. Aus der Wolfdictrichssage ist die Gestalt Berchtungs
(Berhicr) von Meran in die Rother^age gekommen (§ 61). Der Name des
iielilcn \\\>lfiiufriih uier Woif her Dirlrith Wolfd. A. II3, 4. 15^ 4 u. ö.).
scheint ihn als den verbannten Dietricli anzudeuten, und die Sage von sdner
Auffindvmg unter den Wölfen könnte leicht nur eine durch den Namen ver-
anlasste /Vnlehnung eines weitverbreiteten Moti\'S \Myth. • 323 f.) sein.
Die Sage vun Wulfdietrich muss sich bald nach Thcodeberts Tod (548)
gebiUlel tiaben; dem Wldsid^ist sie bereits gelaufig. und zwar ist mit dem
Pe'oiirk, der nach V's. J4 über die Fnmkcn herrsLhle, sicherlich Th«»dorich L
(Hugdieirich), niil dem pe'oJhc aber, der Vs. 115 neben Seafola unter dem
Gesinde des Kurmenric genannt wird, dieser oder Wulfdietridi gemeint (s.
auch Hinz, l'lJB. 20, 199 f.; anders Heinzel, Ostgoth. Htldens. S. 8 f.). Die
fränkische HtJmat der Sage ist schon deshalb niclil zu bezweifeln, weil ihre
hisicjrischen Klemenie fränkischer Überlieferung entstammen. Darauf weist
auch die voQ Hetuzel (a. a. O. S. öö f.) nachgewiesene Ähnlichkeit der Wolf-
dietrichfabel mit dei- altfranziäischcn Chanson de geste »Parise la Duchesse«,
ORTKir-WOLFDimuCRSAGB: AUSBILDtmG DER WOLFDIETRICBSAGE. 675
I
die sich nur als das Resultat paralleler EiitwicUung westfrRnkiscbcr historisdier
Überlieferung in der romanidchpu und germanischen Epik «rklarcii Ulsst
Zweifelhaft ist, 'Ai eine Eriunening an die frankische Heiuiat m>ch in der
verwirrten Anspielung i» Dfl. 234,7 ff. durchbriilu [//rfr. S. 221 f.). Wohl aber
weisen einige Namen von Helden, die, obgleich in Verbindung mit Dietrich
vnn Bern OberHeferl ursprünglich der Wt>lfdietrichsHage anzugehrtron scheinen,
nach Franken: Helffrifh i^n Ijunt (Laon), Über welchen bereits in § 7 ge-
handelt wurde, sein Bruder Uudgasi, Orttuin und Itfic (von Tfnemattt), alle
\ier im EckenUede Str. 55 ff. Dietrichs Gegner, aber walirscheinlich. ebenso
wie Sigestap (§ 47), erst mit ihm in Verbindung gebracht, als die Sage
Dietrichs von Bern durch die Auffassung von Bern-Verona als Bonn an
den Xiedcrrhein gelangte. Inwieweit die Ausbildung der frankischen Dietrichs-
sagc, «ie sie in den rnhd. Wolfdietriclien vorliegt, noch bei den Kranken
erfolgt ist, l;isst sich bei dem volligen Mangel an Mittelgliedern nicht mit
Sicherheil entscheiden. Die Verbreitung der Sage in Niedcrdeutscliland
beweist das danische Lied von Gralvrr {DgK Nr, 2g), d. L Gräulfr »Grau-
wolf«, oder GranuoU, d. i. ^rdn uif (Akkusativform), das von einem nd.
Gedichte des 13. Jabrhs. über Wolfdiftrichs Drachenkampf abstammt '. Ein-
wirkungen der Wolfdietriclissage auf irische Sagen aufbt Bugge {Iltigt-digtent
S. 74 ff.) wahrscheinlich zu machen ; sehr zweifelhaft sind die Versuche dieselben
Gelehrten, in den eddiscbcii Helgiliedem Nachahmungen eines angelsächsischen,
auf frankischer Quelle beruhenden. Liedes von Wolfdietnch nachzuweisen
(ebda S. 7g ff. 227 ff. 238 ff.}. Immerhin ist es walirscheinlich, dass schon in
der fränkischen Wolfdietrichsdichtung wesentlich verschiedene Formen der
Sage neben einander herliefen, insbesondere eine dem Wnlfdietricli B ent-
sprechende Form ohne den ungetreuen Sabenc neben der bereiüi im Wiclsiä
voransgesetztcn Hauptfomi der Sage.
Um die Lokalisierung der Sage in Griechenland und in den griechi-
schen Küstenlandertj zu erklären, nimmt Mollenhoff in nicht recht überzeugen-
der Weise eine Wanderung der deutschen Heldeirsage in den Osten an.
Dagegen hat neuerdings G. Sarrazin (ZfdPh. 20, 504) auf die Erzählung Gregors
von Tours ^VFI, 38) von dem Prätendenten Gimdovald hingewiesen, der
aus der Verbannung in Konstaniinnpel kam, um, als unehelicher Sohn
CJilotachars L, seiu angebliches Erbrecht gegen seine Brüder geltcud zu
raachipn, und ,5^5 crmi^rdet wurde. In diesem Abfinteurer, dessen Schicksale
thatsSchlicIi nur sehr ausserlich an W'olfdietrichs Geschicke eriiutcrn (s. die
Darstellung bei Dahn, ürgesch. der gcrm. und rom. Vü/ktr 3, 259 ff.), wird
niemand das Prototyp des Sagenhelden erblicken wollen, doch wäre es denk-
bar, dass GuudovaLds Aufenthalt iu B^zanz dcu ersten Anstoss zur Lokali-
sienmg der schon ausgebildeten S^e im Osten gegeben hätte. Nötig ist
aber diese Annahme nicht, zumal wir gar nicht wissen können, wann und
wo sie zu stände gekommen ist. .Auf die Versetzung Wolfdietrichs nach
Griechenland und seines treuen Bcrchtung nach Mcran, d. i. Dalmalien,
Kroatien und Istrien. das als Stamniland der Güten galt (>'gt. Kehr. D. 424,
9 ff , und eine Regensburger Glosse des 12. Jahrlxs. Gctfii Meranare ZE Nr.
36)', kaun der Wunsch eingewirkt haben, jenen zmn Ahnhcrm der Amdun-
gen, diesen zum Stammvater der Wolfingen zu erheben (vgl. § 38). Sie
kann sich aber auch vornehmlich, wenn nicht lediglich, unter EinOuss der
Kreuzzüge in der Spielmannsdichtung vollzogen haben. Entscheiden lässt
sich diese Frage kaum.
I Bugge, iVrIüv f. nord. Fil. 12, 1 9*. — ^ Die Frage \%\ ctngcbcnd unier-
4a»
6^6
Xrv. Heu>ensage. Die einzelnes Sagenkreisr.
«iirbt vdii Heinxe], Osl^otk. Fieldens. S. 9 — 36; rgl. auch v. Grienbergcr^
ZMA. 39, 168 (T. [Jirit:xek, £>/W. I, 125 ff.]-
§ 35. In Bctrdf der jüngeren Eestandlcilc Jcr WolfUietrichssagc,
die mit der Entwicklungsgeschichte der eigentlichen Sage nur noch in Insem
Zusammenhang»: stehen, k'jnnen nur wervige Andeutungen gegeben werden.
Nur der Wolfdietrich B erzählt ausführlich die Fabel vom Vater des.
Helden, Hugdietrichs Brautfahrt*. Hiigdietrich en»'irbt durch List, in-
dem er sich als Mädchen verkleidet, die van ihrem Vater, dem KOnig Wal-
gimt von Salnccke, der sie keinem Kreier g<>nnt, in einen Turm eir^e-
schlüsscne Hiltburg. Eine besondere Gestalt der beliebten Frauen raubsagen
tritt darin her\'nr: der Werber dringt zu der ängstlich gehüteten Jungfrau in
Frduenkleidern und jrt:hwSngert sie. Ein altes, vieUerbreitetes, in Mythen,
Sagf-n und Milrchen der verschiedensten Völker wiederkehrendes Motiv ist
auf Hugdietrich übertragen, von dem die ältere Überbefcning wohl katim
viel gc\^-usst hat imd dessen Sdiiclcsalc die spätere Dichtung nadi Analogi«
anderer Sagen ergänzte. Die antike Erzshlmig von Achilles und Deidamia,
der nordische Myihus von Oftins Werbung in Weibsgestalt um Rindr sind
unabhängige Fonnen desselben Sagenmotivs, das mit tragisclicni Ausgange
in der über den ganzen Norden verbreiteten Sage von Hagbarft imd Signy
v<irUegt und femer u. a. in dem Gedicht vom »Sperber« (Altd. Bl. 1, 238.
ZfdA. 5, 426) und in dem Marcben »Rapunzel« {KHM. Nr. 12) seine Paral-
lelen findet. Weit über die thatsJlchltch gegebene Überlieferung hinaus-
gehend und deshalb unannehmbar ist der VersuLh von K. Wülfskehl, in
der Sage von Hugdietrich einen alten germanischen Mjthus nachzuweisen.
Die Anordnung und der Inhalt der Abenteuer, welche Wolfdietrich
auf dem Wege nach Lamparten und auch später noch zu bestehen hat, sind
in den einzelnen Bearbeitungen sehr verschieden. Die alte Anordnung
scheint zerstört. Einige Hauptabonteucr stimmen al>er in <lcn wesentlichsten
Zügen in den verschiedenen Fassungen überein, und zu diesen hat Uhland
mehrfach {Skhr. I, 177 ff., VIL 538 ff.; s. oben § 6) interessante Parallelen in
den Abenteuern des Isfandiyftr im Schahname nachgewiesen, die sich durch
das Eindringen orientalischer Überlieferungen genügend erklären lassen. Auf
Benutzung von Motiven der franzi">sischcn Epik hat Heinzel die Aufmerk-
samkeit gcloukl {Osigolh. lieidem. S. 77 ff.): auf den Eiufluss s[>atgriechischec
Mythen und cl<ts hellenisti.schcn Roraan.s haben Jaenicke {DHB 4, XLIIT)
und neuerdings E. H. Meyer '(lÄAk. 38, 87 ff.) gewiesen. Die meisten dieser
Abenteuer sind jedesfalls erst im Zeitalter der Kreuzzüge zur Bereicherung
des Stoffes von den Spiellcuten aufgegriffen worden: so Wolfdietrichs Besuch
bei dem messerwerf enden Heiden und seiner Tjx-hler Maqiali (Wulfd. A
nach dem Drcsd. HB. 252 — 287, B .53: — 048, D VI, i — 221), eine nach
Meyers Nachweis durch frz. Dichtung vemiiltelte antike Mischfabel; femei
die Geschichte, wie der Held die Königin durch den Kampf mit einem
Ungeheuer gewinnt, dem er zum Wahrzeichen die Zunge ausschneidet, und
wie er sich daim durch die Zunge und den Ring m\ Becher als Toter des
Ungeheuers ausweist (Wolfd. A Dresd. HB. 300 ff., E 7()4 ff., D VIH, 155 ff.),
ein gleichfalls sclum im Altertum bc-kanntes, auch im Trislanroman sich findendes
Motiv \DHB 4, XLIII f. AfdA. 15, 185 f.J, das übrigens zu den vcrbreitetsten
in:emationaIpn Wandermotiven gehört >; auch die Erschlagung eines Serpant, der
mit einem Löwen kämpft, in B und D gehört wolil in diesen Kreis morgcn-
ländlsch-byzantinischer Aneätdoten. Älter scheint das Abf-nieuer mit einer Wasser-
frau, die den schlafenden Helden weckt und sich aus einem sclmppigen Ungeheuer
in das schönste Weib verwandelt, das sich ihm ver;geblich als Gemahlin anhielet
I
(so A 4f>5 — 505); in B entspricht die Begebung niit einem zt>ttigpn Walil-
■weibe, der rauhen Klse, derpr Reich :er alten Troyt ist, die sich aber durch
ein Bad im Jungbrunnen iu die schöne Sigcminne verwandelt {.^08 — 342).
Vielfach ahnliche Züge hat das Fragment »Abor und das Meerweib« (ZfdA.
5, 6). Bugge {Hfi^-digtene S. ^27 ff.), der ohne genügende Anhaltspunkte
einen historiärhen Zusammenhang zwischen <liesem W(»lfdietrichabenteuer
und den Hrimgerfiarm^l (Ileig. HJ9n'. 12^30) annimmt, weist mit mehr
Grund auf Cbt;reinslimniungcn der deulsclicn Sage mit Motiven der Odysseu*-
sage: der Kern des Abenteuers ist aber im deutschen Marchwischatz be-
gründet, womit dann allerdings (nur in weit spaterer Zeit, als Buggtr seiner
Theorie zu Liebe annimmt) Motive von Odysseus' Begegnungen mit Kalypso
und Kirke in sp.1lgiiechisihen Nachklangen verbunden sein mögen. Die in
allen Fassuiij^'-n begegnende Kr/.Alilung von der Frau in Kindcsnfitcn geht
vennutlich zurück auf die Apokalypse 12, 2 f. 13 f.
Wolfdietrich beachliesst der jüngeren Überlieferung nach, wie Heime und
Walther, sein Leben im Kloster: so erzählen der Wulfd. D und die Bearbei-
tung im Dresdener HB. (Str. 32Ö ff.). Er hat dort, auf einer Balire liegend,
einen Kampf mit den Geistern der von ihm Erachlagejicn zu l>estehen;
nach demselben ist er ganz ergraut, lebt aber noch \*y Jahre im Kloster
(D X, 123 ff.), während andere Überlieferung ihn noch in derselben Nacht
von den Teufeln in die Hölle führen lasst Das Motiv des »Moniage* des
alten Helden ist unsireiüg ein ursprünglich im allfrz, Epos ausgebildetes
Motiv '. Auf die Form aber, welche dasselbe in der Wolfdietrichssage an-
genommen hat, mag eine Sage von Einfluss gewesen sein, die sich an den
Tod des Kaisers L<)thar I. knüpfte, der wenige Tage nach seinem Eintritt
ins Kloster starb {vgl. DHU 4, XLV f.).
Wichtiger ist die Verbindung Wnlfdietrichs mit Ortnit und dessen Witwe.
Nach der alteicn Cberlieferung zieht der von seinen Brüdern und Sabenc
schwer bedrängte Wolfdietrich aus, um bei Ortnit von I^mpartcn Hülfe zu
suchen. Nach vielen Abenteuern tiMet er den Wurm, der Ortnit das Leben
genommen hat, gewinnt Ortnits goldene Brünne und Schwert und vernifihll
sich , nachdem er sidi als Drachentöter ausgewiesen , mit Ortnits Witwe
Liet^art (SidrSt in D). Diesen Teil der Sage kennt auch die !*s. c. 417 — 422.
Nach Wolfd. A faJlt Ortnits Tud bereits vor Wolfdictriclis Ankunft in Garten;
nach B besiegt Wolfdietricli den Ortnit im Turnier, wird sein Freund und
zieht uacli einem halben Jahre wieder aus Garten weg: diese resullatlosc
«rate Begegnung Lst selbstverständlich jüngere Zuthat. Gemeinsam aber ist
den Überlieferungen die Auffassung Wolfdietrichs als Rächers von Ortnits
Ttnl an dem Drachen: diese Wendung hat die Wolfdietrichssagc durch ihre
Verbindung mit der Hartungensage genommen.
, 1 K. Wolfakehl, Germ. Wtrbtmgisagm. I. Hngdittrkh. Jarl Aßollonitts,
Dannsiailt 1893, S. i— JS- — ' H.irtland, 7"*/ Ug^fHtt of Persem IU. 303 AT.
— ■ P. Kajna, 7jI origini dell' epopea /rancest, S. 456; Nyropj Den old-
framhf hfUtdigtH. S. I48; Heinzel, WaltJurs. S. a6 f. Ostgotk, IMJtns. S.
80 f. 87.
§ 36. Tacitus (Germ. c. 43) berichtet, dass die vandilische Vi'ilkerachaft
der Nahartarvali — oder Nahanfalt, s. Much, PBB. 17, 31 f. — ein gött-
liches Brüderpaar, die von den Römcrti dem Castor und PuUux verglichenen
Aicii verehrte, deren Kultus ein sncen/os muiiebri omatu vorstand. Dieser
Kultus scheint einmal allen Vandilicni gemeinsam gewesen zu sein, und in
dem antiquae nUsionix lufus, dem allheiligen Hain, wo derselbe vor sich
^ng, wird man das Heiligtum des vandilischen Kullvcrbandes sehen dürfen.
Bei Jordanes c. 2Z führt das Königsgeschiccht der VaiidaleD den Naraca
Äsdingi, und bei DJo heisst der Teil der Vandilier, der im Laufe des mar-
komaimisclien Krieges (um 1 70) südwärts über die Karpaten drang und
sich im nördlichen Dacien -nieclerliess, "Afnxyyniy vcnnutlich weil dieser Zug
uiiler der Führung jener Dynastie staltfand. Der Name wäre got. *IIazäiggös
(zu 'hazHs an. kaddr »Haar einer Frau™), und ein Zu,<;ammenhang dieses
Namens mit dem nahanarvalisuhen Brüderpaar ist nicht abzuweisen. Durch
Müllenhof fs glanzende AbhaniUung in den Zf'Nr. 24 (ZfdA. 12, 344 — 354)
ist als feststellt anzusehen, dass die vandalische Dynastie ihren Nameit,
der »Männer mit weiblicher Haartracht' bedeutete, von einem dioskurischcn
Heroenpaare Iicrlt'iletc, das tx-i <len 5stlic!ifii Germanen götthche Verehrung
genoss. Im Norden finden wir das Brüärq^aar wieder als die beiden jüi^ten
unter den zwftlf Amgrimssöhnen, die Haddingar (HjTidl. 23. yrvarodds s.
c [4. Hervar. s. c. 2. Saxo cd. MV. p. 250, ed. Holder 166*— "^p nach,
der Hervararsaga Zwillinge und zusammen nur so viel vermfigend als ^iner.
In den verlorenen K^ru!jnl>, deren die prosaische Nachschrift ^ur Helga knf>a
Hundingsbana H gedenkt, war '»ffunbai ajt die Stelle des einen dieser Brüder
der dritte Heigi iladdin^skati -Kämpfer der Haddinge- (vgl. SnE. 1, 482.
FAS. II, 8 = FlaL I, 24) getreten. Auf Grund jenes verlorenen Liedes weiter
umgestaltet liegt die Sage \-or in der Hrömundar saga Greipss«jnar (FAS. 11^
372ff.l. Was hier erzählt wird von dem Kampfe der neun Greipssöhne mit
dem haddingischen Helgi auf dem Eise des V^nersccs (vgl. auch Saxo p. jrK> ff.
MV,, p, n>4 ff, H.), wobei die Walküre Kara üVkt dt-m Haupte des geliebten
Helden schwebt und durch Zauberlicder seine Feinde lähmt, halt MüllenholT
(ZfdA. 12, 351. 23, 12") für wesentlich dieselbe Sage wie die in der ts. c.
349 ff. mitgeteilte deuLsclie von Hertnids Kampf mit den Isungcn, in dem
seine Frau Ostacia ihn durch Zauber schirmt, sogar als fliegender Drache an
der .Schlaclit teilnimmt Mag auch diese Vergleichung unsichcj bleiben, un-
zweifelhaft ist in der nordischen Heldensage der alte vandilisclic Heroen-
mythas von den Hazdingen nachgewiesen. Freilich ist er im Norden nur
flcken haft ßberltefert; vollständig hat ihn aber die deutsche Heldensage er-
halten.
In der niederdeutschen, durch die ^s. erhaltenen, Sage erscheint der ältere
der beiden Brüder als llcrinid, wovon mhd. OrinU eine entstellte Namenform
ist Die Saga kennt deren drei: der dritte, dessen unglücklichen Drachen-
kampf c. 417 berichtet, entstammt deuüich süddeutscher Überlieferung, und
von seiner Identität mit den beiden anderen hat der Sagaschreiber keine
Ahnung gehabt. Der erste und tler zweite Hertnid der Saga, der eine an
Enkel des andern, sind nur Spaltvingen eines ursprtlnglichen niederdeutschen
Hardnid. Sein jüngerer Bruder ist nach der Ps. Hirdir (c 22. 3i) = nd,
Herdtr as. Hardheri. Ihr gemeinsamer Name muss in der deutschen Helden*
sage Harding« (mhd. Ilartunge) gewesen sein ^^ vand.-got 'Hazding^s, an.
IhddiHgfßar. ags. /frardingus. Die Verbreitung der Sage in England be-
zeugen die von Binz (?BB. 20, 201) gesammelten Belege für die Namen
Uardingfus), llerdingfusj u. s. w.; Spuren des Namens in der siiddeutschen
Sage verzeichnet Haupt in der Vorrede zum -En^/Aard S. IX; in der schwe-
dischen Bearbeitung der l*s. fintiet sich neben Ilerinid auch Htrding.
In der oberdeutschen Sage ist an die .Stelle des Hardheri Wolfdietritrh.
getreten {% 37 >. .\ua der Vergleichung der nieder- und der oberdeutschen
Sage, unter Hinzuziehung der niirdi.srhen Zeugnisse, ist Müllenhuff zu fol-
gender Gruudgestalt der Hartungensage gelangt, die zwar durch kühne Re-
konstruktion gewonnen ist, aber grosse innere Wahrscheinlichkeit besitzt
Der ältere Härtung, Hartntt (OrtnitJ, erkämpft sich gegen ein riesisches Gc»
I
f
I
schlecht (die Isungen »Eismanner«) ein schönes Weib, das dem Gdiebten
im Kampfe gegen die Ihripen beisteht. Spater zieht er. mit einer gold-
gUnzenden Kiisuing angethan, aus, um einen Drachen zu bekämpfen, welcher
ilm verschlingt. Aber er fiudei seinen Rflcher in seinem jüngeren Bruder
Hartheri (Wolfdietnch), der den Wurm ersehlagt des Bruders Waffen anlegt,
sein Ross besteigt und \'on der trauernden Witwe an des Bruders statt als
Gemahl angenommen wird. Den enitcu Teil der mvtliischen Sage, der bruch-
stücksweise in der nordischen und niederdeutschen Cberlicfemng (l's. c. 3.^9
— .■i5.>) bewahrt ist. halte die süddeuLsehc Ortnitsagc naeh dem Typus der
Brautfahrten und unter dem Einfluss der KreuzzQge zu Ortnits Meerfahrt
ungestaltet. Der zweite Teil ist nur durch die oberdeutsche Cberheferung
— die Wolfdietricliepen und rs. c. 417 — 4^2, hier auf Dietrich von Bern
übertragen — j;erettei.
Die idlen vandüischen Hazdiuge, das mythische BrUderpaar. das aus den
Trümmern der Überlieferung vor unserem Blicke auftaucht, waren also jugend-
liche, streitbare, ro&sebandigende Helden, wie die indischen Ai;vins und die
griechischen Dioskuren. Aus diesem Dioskurenmythus leitet MüUenhoff auch
die nordische Erzählung von Baidr und V'dli her; diese Enisprechung ist
aber nicht genügend gesichert. In der l*s. c. 105 f. wird erzahlt, wie Thidrek
und Fasold einen fieldcn, Sistram, aus dem Schlünde eines Drachen be-
freien; dieselbe Sage wird in der Virginal von Rentwüi, dem Sohne des
Helferich von Lüne, berichtet, nur dass hier Hildebrand willkürlich für
Dietrich eingetreten ist, der M-ie in der ^s. auch auf einem Kapitell im Ba-
seler Münster aus dem Anfanj^c des 1 2. Jahrhs. ids Befreier erscheint. Aber
auch Dietrich von Bern ist hier wohl nur irrtümlich in die Stelle Wolfdietrichs
eingerückt, wie in dem Berichte der l^s. über seine Erlegung des Drachen^
der Künig Hcrtnid getötet hatte. Endlich scheint Wolfdieiridi audi io
dieser Sage nur ein Ersata für den jüngeren Bruder, der hier den alteren
aus dem Kachen des Untiers befreit, wie er ursprünglich seinen Tod an dem
Drachen, der ihn verschlungen, rSchtc. In dieser älteren Form ist die Sage
— offenbar nur eine jüngere Umgestaltung des Hartungenmnhus — als
Volkssagc von Ballram und Sin/mm in der Schweiz überliefert *. Die Ent-
wicklung des Dioskurenmythus zur Helden.>;age entzieht sich im einzelnen
unserer Kenntnis; und ebensowenig Iflsst sich Über die ursprüngliche Bedeu-
tung des von MüUenliuff reiionstruicrten Mythus mit Sicherheit urteilen. Eine
alte Beziehung zum Himmel.*!gotte, wie andere idg. Dioskurcnmvthen * und
auf genn. Gebiete die Sage von den Harlungeo (§ 41) sie aufweisen, ist nir-
gends mehr erkennbar.
< Grimm, Dnttiche Sagen Nr. S30: Wackrrnsgel, ZfdA. 6, 1^6 fT;
Mallcnhoff. ZfdA. 12. 339. J5J; DI/B 5. XXVI. — * MyriantbeuK. Die
Aitfins oUrr arisffu-n Dwskurm, Miliwlien l8'6.
§ 37. Die niederdeutsche Spielmannsdichtung hat die Hartungensage in
Rnssland lokalisiert: die )^%. macht den filteren Hertnid zum Beherrscher
Russlands und fast des ganzen Ostens mit der Hauptstadt Holm^ardr (d. i.
Nowgorod» und zu st-inen Söhnen und Nachfi>lgem üsanlrix von Vildnaland,
Waldemar von Russland und Polen und den von einem Kebsweii)e geboreticn
Jarl Ilias von Tiriechenland. Letzterer hat nach der Saga (c. 31 ) zwei Söhne, die
wieder Herinicl und Hirdir [dafür «Osid* in der anderen Rezension] heissen,
I>a in der süddeutschen Sage Ortnil der Neffe, früher jedoch der Sohn (vgl.
noch Ortn. .55) des yijas x'oh Ritnen, dieser aber mit dem Htm af Grtka
der rt>. identisch i^-t, so lit^t die Folgerung nahe, dass Hertnid nur durch
falsche Vervielfnltigimg der Vater des Ilias geworden ist: ursprünglich war er
sein Sohn, der ältere von zwei Brüdern. Waldemar, ui dessen GeselUchaft
liias niiftritt, ist deuUich Wladimir der Grosse, der um looo über Uiissland
herrstlilt; und in dur Sa^jc mit sciticui Zeitgenossen Boleslav von Polen zu-
saiuinengewiirfen wurde [G. Storni, Aarh. f. nord. Oldk. 1877, S. 343); Iliaa
selber ist kein anderer als Wladimirs Hauptheld Ilja von Murom. Beide
enltchute die niederdeutsche Sai^c aus der russischen Heldensage, was nidi
wohl vnr dem Kndc des it. Jahrhs. gescliehen sein kann. Die Bcrflhnmgeo^
zwiäcUcn niederdeutscher und russischer Saue erklaren sich in dieser Zdt
durch Handelsverbindungen und Seefahrt. Die alte Hartuagcusagc. die der
Verfasser der J*s. noch vollständiger gekannt zu haben scheint (c 355: oc
af hattum [H<:rlnic!] er ailmikil saga, Po at ptss verde uh a'^'i her ^M), hX.
dann in der niederdeutschen Spielmannsdichtung später in willkürÜcher Welse
mit dem Wilzenkünig in Verbindunjr K*=^^'^i*^'i*-
Die Wanderung der Sage aus Xiederdeuischland nadi Oberdeutschhuid
kann nach dein bisher gesagten, da auch in der süddeutschen Sage Vljas
von Riuzcn fest mit der Handlung verwachsen ist, erst zu Ende des 1 1,.
oder zu Anfang des 12. Jahrhs. vor sich gegangen sein; um 1190 begegnt
in Obcrbaicm Utas als Pcrsfjnuinamc (ZfdA. [2. 3.54). In Oberdeutsch land
ist die Ortnilsage nach der Lombardei, (;)nniLs Residenz nach Oarte(a),
d. i. Garda am Gardasee [Gartesi Oxlu.. 88, üa//**-' Wolfd. A 523 f.) verpflanzt
worden : nach Müllcnholfs glaublicher Annahme durch eine Verwechslung
seiner alten Hauptstadt Xowgi_)n>d (innd. Nouj^rden Nögiträfn, mhd. N^Ögartett)
mit dem obcritalieiiischcn Garda. Aber weitere .Anknüpfungspunkte für diese
Lokalisierung frlilcn; die Andeutungen Heinzels (AfdA. *>, 251 f.) führen kaum
weiter. Auch iu Bergara, wohin die I*s. c. 417 iliren dritten Hcrtnid versetzt,
wird eine oberitalienisrhe Stadt zu suchen sein, sei es ntm Bergamo (PBB.
9, 475) oder Bresda (= Btiaen Ortn. 5, 3).
Erst etwas spater, nach der Mitte des 12. Jahrhs.. scheint in der süd-
deutschen Sage WoUdietrich an die Stelle des jüngeren Härtung getreteji xu
sein, da noch der Dichter des König Rother den Wolfdietrich aosser Be-
ziehung zu Ortnit gekannt haben muss und umgekehrt die niederdeutsche
Hartungensagr keine Uezichungen auf die fränkische Üietrichs.sage aufweist
Als der jüngere Härtung, der Drachentüler, in der Sage stark verblasst war,
konnte leicht ein anderer berühmter Drachen kSmpf er ihn ersetzen. £s in^
dabei .lucb unwillkOrliche Kontamination von Sagenzügen, die sich an
Gestalten Wulfdietrictis und Dietrictis von Bern knüpften, im Spide gewesen'
sein, s. § 38. Die Verbindung der Ortnit- und Wolf<lietrii-hsage musste
aber bei so gewaltsamem Anschluss eine lose bleiben: so nimmt es nicht
Wunder, dass die Dichtung zu vei^diiedenen Mitteln griff, dieselbe fester zu
knüpfen. Einers dieser Mittel ist es, wenn im Wolfdictrich D (vgl. auch B
346) Ortnit v'.>n \\'tjlfdietiich oder dessen Vater Zins verlangt, ein Motiv der
Alcxa nde-rsage.
Als der Dichter des uns erhaltenen Ortnit und Wr »Ifdielrich A in de«
dreissiger Jahren des 13. Jahrhs. i§ 30) zur Bearbeilimg des Stoffes schritt,
war die eigentliche Ortnitsage auijenscheinlich schon sehr dürftig geworden.
Er hat, vermutlich mit Zugrundcicgung eines alteren, auch in dem Ausziige
Dfl. 2 109 ff. benutzten, Si'uelmannsgedichics. seine Fabel frd komponiert und
erweitert. Die Sage von der gefährlichen, doch mit Erfolg gckrOntcn Bniut-
fahrt und dem ungiücklichen Drachenkarapf des Königs Ortnit lehnte er an
Zeitgenössische Ereignisse an. vor allem an die Geschidiie des Kreuzi
des Königs Andreas von Ungarn, unter Teilnahme des süddeutschen Adeli.'
im Jahre 1217. Muntabür (Mons Tabor), wohin der Dichter die Kampfe oia
I
die Bniüt verlegl. ist die Äirrazeuiticlic Vesle. die im Jahre 1212 vim Suladins
Bruder, dem SuU;in MaJek-al-Adel, auf dem Ber>!:e Tabor erbaut, 1217 von den
Kreuzfahrern vei^hÜch belagert und 121K von den Söhnen des Sultans wieder
gcsciiJeift wurde. Auch der Name des Kraiisamen Mulirenkönigs, um dessen
Tochter Ortnit wirbt, Machorel, der zu Suders in Syrien (d, i. Tyms) herrscht und
dem Jerusalem unterthan ist (Ortn. 13 f.), klingt an den des syrischen Sultans
an. Die gewhickte Einflcchlung des xauberkundigen Zwer^ge-x Alherich, der
an Stelle des Ihas zu (>rtnit.s Vater wurde, mag sich gleichfalls an einen
»par\'us Sarracenus* angelehnt habeu, der bei der Belagerung von Tabor
eine tiem Alberich in dem mhd. Gedichte ahnliche Rolle spielte; von grös-
serem Einfluss auf diese ansprechende kecke Erfindung Ist aber wohl die
Figur des Aubcri')n im Huon de Bordeaux gewesen, womit alle >^ngf des
Zwergküiügs in der heimischen Sage zusammenflössen. Es kann der alte
Zug, dass ein kunstreicher Zwerg für Ortnit seine Waffen schmiedet (vgl.
1*3. c. 167), zur Verknüpfung der Motive mitgewirkt haben, aber an eine
Kontamination der Ortnct&agc mit einer ausgebildeten Zwergensage braucht
nicht gedacht zu werden. Andere KInzclheiten der Erzählung, auf welche
hier nicht weiter eingcgangeu wcrdeu kann, siud aus der Vtirgeschlchte des
ApoUoniusrornans entlekmt oder aus der Zeitge.s«'lilchie geschöpft '.
» Mllllenboff. ZfdA. 15, 186 fr. = DHU 3. XXV ff.; Lindner. Die Be-
tüHuHgm äts Ortnit tu J/ncn df ßordfatx, 1872 (Kost Dtss,); Sccmüllcr,
ZhL\. 26, 301 ff.; E. H. Mtycr, ZfdA. 38, 6$ ft.
§ 38. Die Sage von Wolfdietricti. die sich von Beeinflussungen der
gotisdieD (bairisch-Osterrcichisclien) Diclriclissage nicht frei gehalten iml, hat
ihrerseits auf die epUche Au-shildung der Sage von Dietrich von Bern ein-
gewirkt Auch abgesehen von dem Berichte der ts. c. 41" ff., in M-elchem
Dietridi erst g^uiz spat die Rolle Wolfdicuidis übeniommen hat, und ^-on
dem Eintreten fränkischer Helden in den Sagenkreis des Berners, sind Be-
rührungen zwischen beiden Sagenkreisen unverkennbar. Das Verhältnis des
alten Hildebrand zu Dietrich zeigt Ahiilldikeit mit dem Berchtungs zu
Wolfdietrich, wenn auch weder auf der einen noch auf der anderen
Sdte an direkte Nachbildung gedacht zu werden braucht {§ 34). Beide
Dietriche werden aus ihre-in Lantle vertrieben und müssen es mit frejndcr
Hülfe zurUckeruberii, nach laugein. dreisslg- oder zweiunddreisslgjahrigem
Exil, und in einer Gestaltung der Dietriclissage kehrt auch die Gefangen-
nähme imd Befreiung i\vx Dii^istmannen wieder. Dass beide Helden einen
Löwen im Wappen führen und Ähnliches der Art ist freilich ohne Ge\*'idit
{HM. S. 2Ü0. 4CK)). Ohne dass damit für jeden einzelnen Fall über die
Priorität eines Zuges in einem der beiden Sagenkreise et«'as entschieden
würde, darf doch darauf liingewiesen werden, dass der Volkssi^e Wolf-
dietrich als der altere Held galt: die VVoIfdii^irichsdichtung macht Dietrich
vou Bern zu einem Nachkommen Hug- imd Wolfdietrichs, Hildebrand zu
einem Nachkommen Berchtungs. Wenn der Wotfdietrich D IX, 2 10 ff. die
treuen Meister der Heldensage, Hildebrand und Eckehart, von dem treuen
Bcrchtung herteitct, so trifft die Überlieferung damit nicht nur den ethischen
Sinn der Heldensage sehr schön, sondern sie erkennt zu gleicher Zeit auch
das höhere Alter der Wulfdiclridi-ssage an. Und wenn man auch den ver-
wirrten genealogischen .Angaben in Dietrichs Flucht und den trüben Remini*
scenzeo eines späten Schriftstellers im Anhang zum Heldenbuch nicht mehr
Wert beilegen wird als ihnen gebührt, so dürfen sie immerhin als Zei^isse
für eine festgewurzelte Tradition eine gewisse Beachtung beanspruchen.
682
XIV. Heldensage. Die einzelnen Sagenkreise.
Andererseits mag bemerkt werden, dass im Bit 10995 ^^^ junger Sabene,
der stets DcUcn einem jungen Berchtuiig auftritt, als Sibcehes Sulin gilt
D. Sagenkreis von Ekhanakich, Dietrich von Bern ükd Etzel.
§ 39. In den deutschen epischen Be-arbeitungen des Dietrirliscyklag
(g 18. 20) ist dieser mit der niteren .Sage von Ernianaiich verbunden. Allein
die Ermanarichsagc hat auch in Deutschland einmal für sich bestanden;
der allere gotische Held ist erst verhältnismässig spät in der Sage des jOngeren
Gotenkönigs an die Stelle des Odoaker gelroten, nachdem zwischen Theo-
dorich und Altila (Etzel) die Verbindung schon längst hergestellt war. Es
soll zunaclist der Versuch gemacht werden, eine Geschichte der Ermauaricb-
sage zu entwerfen, wobei freilich der äusserst fragmentarischen Überlieferung
wegen für wissenschaftliche Kombination ein weites Feld bleibt.
Liticfiitur ober die ostgotische Sai;«: M. Ri«ß«r. Zs. f. d. Myth. I,
33qfr.; W. MUlltrr, I{«nDeberg<TH J.-ibrb. f. <[. LittermturgeKh. 1, 159 tT. AfytJk.
Jtr äentschtn lieUifmag* S, 148 »f. {der wwivollgl« AbHcbnlu dieses Werke«);
UhUrd, Sehr. VIII, J34 IT. {-^ (icrm. 1, 304 fF.); Hciniel, Ober äi< otigolhücfu
Hild<ntage. Wien 1889 (aus den Wiimcr SB. CXJX); Koegel, G<ah. d. d.
Litt. I, I, 146 flF. 2, 310II'. — Zur OrieDÜcmog ist dienlich: Karl Meyer, Die
Diftrkiuiagt in ihrer grithicittiichen Eniu-icHuHg, Basel 1868.
Ermanaricbsai^e: J. Grimm, ZfdA, 3, i^l ff-; MUllenhoff, ebd* \2^
302 ff. (= ZE Kr. 13). 30, 331 ff.; Dugge, vUkiv f. nord. Fil. I. I ff. PBB. 11,
6qff,; RoediKcr, Zs, d. \Vr. f. Volksk. I, 241 ff. [Jiric/ek, DHS. I, 55 —
118], — Speiifll« Litterätiir zur Dietrichiiage t. xu § 44 ff-
I. Kniianarichstge.
§ 40. Der £irw«/rÄrÄ des mhd. Volkaepos {an, /prrunnnir, älter Ermtnrekt
Ragnanwir. 3' Gering, ags. Eormnirii:, got. 'Airmanareiis) ist der kriegerische
K&nig der Ostgoten Ermanarich, der nach den Zeugnissen der Historiker
um die Mitt<f des 4. Jahrhs. ein weites Gebiet in seiner Gewalt hatte, bis
ihn der Einfall der Hunnen im Jahre 375. noch bevor er iluien in einer
Schlacht entgegengetreten war, in Verzweiflung und zum Selbstmorde trieb
Diesem Berichte des zeitgenössischen Geschichtschreibers Animlanus Marcel-
Hnus (31, 3, l) zu misstiaucn liegt, trotz der psycholügischcu Schwcrigkeit,
den ungermanischen Selbstmord des Ermanarich zu erkUren, kein genügen-
der Grund \ox. Wohl aber wird es begreiflich, wie der rätselhafte freiwillig«
Tod eines rtilimreichen und mächtigen Königs, nicht um der Schande der
Gefangenschaft oder der Niederlage zu entgehen, sondern unter dem lahmen-
den Eitidnicke einer drohenden, durch das Gerücht in unheimliche
Farben gesrhihlcrten, Gefahr zur Motivierung drangen und damit zur Sagen-]
büdung Anlass geben musstc. Schon bald nach Emianarichs tragischcst
Ende, das für .sein Volk den Anfang langer Unselbständigkeit und Unsess-
hafligkeli bedeutele, scheint er ein Held des ostgolischen Volksgesanges ge«.
worden zu sein. Um die Mitte des ti. jahrhs. erzählt Jordanes (Get. c. 1^)^
nachdem er mit epischer Übertreibung Ermanariclis weit ausgedehnte Herr-
schaft über ganz Scythicn und Germanien und den Einbnidi der Huunca
dargestellt hat, folgendes: Ihnnanarifus, nx Gothorum, licet, ut iuperita
limu$, muharum gentium t^xtiterat triumphator, de Humwrum lamen aJxtntu
dum (Ogilat, Hcsomonorutn gftis infida, 'piae lunr inter alias Uli famulatum tv-
hibehal, lad eum mmeisdlnr oaasione decipere. dum enim quaiidnm muliftent
Suni/da {Stinielh, Sunihil van.) nomine ex gcnit mtmorata pro mariti /mudu-
Unio discessu rex furore eommoius eguis ferocihits inligatam intitatiiqut cnnihm
DlFTRICHSCYKLÜS. ERMANARICHSAGE BEI DEN OSTGOTEN.
Ö83
per divtna divelii praecfpmet, /ratres am SartdS ff Ammim. f;ermaiMf obitttm
vindicanlts, llnmanarid iatits fttro pelunint : quo vulttfrt saueius egram vitatn
(orporis inbtdtlitate contraxit. Der Schriflsleller beneblet weiler. der hunnische
König Balamber habe dieiten UtnsUnd zu einem Angriff auf die Ostgoten
benutzt, und srhiiessl seine Erzählung: inier hatr litnnunarifus tarn 7'uinerii
doiore tjtinm etiam Hunnorum incursionibiis non ftrem grandtvui tt phnus die^
rum etnttsimn defhno anno vtlae sitae dtfunclus tst (Mc*n. Germ. Auct. anliq.
V, I, Qii. Der historische Kern der Sage ist hier bereits durch unhisturische
Elemente überwucliert; eine Gcwalltiiat des von Jnrdanes mich als nobilissi-
mm Ama/oritm j;eprieseneD Königs, die ja immerhin an wirklich geschehenes
anknüpfen kann, aber gewiss urspnlnglich mit seinem Tode und ilem Unter-
gang seiner Herrschaft in keiner Verbintiung stund, erscheint durchaus in
sagenhaftem Gewände. Die Roioutonomm gras, der die getötete Frau und die
rächenden Bnider angehfiren, ist scliwerlirh historisch, wenn aiwh eine sichere
Deutung des Xamens noch nicht gelungen ist *. Episch aber sind vor allem
die Namen der Sumida {got *SSntAi/ds, ahd. *Si/oit/ii//, wie sich nach Sunna-
ilia in einer Sanct Galler Urkunde v. J. 7H6 vermuten iJlsst: Mülknhoff
ZfdA. \z. 302 und im Index zu J'jrd. ed. Mommscn S. 154)**, im Norden
zu iiiHiitfiddr umgedeutet, und die der beiden Brftder, die trutz der histori-
sierenden Erzählung allein die Angreifer sind. Sana und Amtnius beg^;nen
im Norden als S^rli (as- Sarulo, lang. Sariia), eine Diminntivbildung zu got
*Sarus »der Gewaffncte« (vgl. sania »Rilstung«'!, und Hamper (ahd. Ilama'
dfo Hamadtwh. got. * Uama-pius) »der gerüstete Krieger«, wozu Ammim
(got. 'Hamjis't 'Harnjaf. vgl ga-hambn »sich bekleiden« zu *hama, as. alid.
-kamo) entweder Koseform oder eher die nicht zusammengesetzte ursprüngliche
Namenform ist: die Brüder sind also nach ihren Brünnen benaimt, die in der
nordischen Sage eine so wichtige Rolle spielen ■'". Leider ist der Bericht
des Jordanes vielfacli unklar imd in einem Ä-irhtigen Punkte unvolisUlndig:
weder erfahren wir den Namen von Sunildas Gemahl noch ersehen wir deut-
lich die näheren Umstände seiner Schuld, ».ibwohl der Ausdruck pro mariii
frauduitnto disefssn sich nach liriczeks scharfäinni(<;er Intcrpretatiim [/)//S. I,
58 f.] nur auf den verräterischen Abfall eines Mannes aus einem dem Enna-
narich dienstpfÜLhligen Stamme bezichen lassi. HinfalÜK wird durch diese
auf den Sprachgebrauch des Jordanes ge.siützte .\usl«?gimc dei Versuch, aus
der gotischen Überlieferung die nordische Fassun« der Sage herauszulesen
und in der von Rossen zerrissenen Frau Ermanarichs eigene Gattin zu
sehen. Ermanarich rächte vielmehr nach der .iltesten F'>rm der Sage an
SunilOa die trculiee Empörung ihres Gemahls, der vielleicht der Fürst der
dem Gotenknnigc dienstpflii'hiigim Rcfsomoncn war, gegen seinen Oberherm*
der Schuldige selber war also wohl entwischt. Üb Sunilda an den verräte-
rischen Absicliten ihres Mannes beteiligt war, bleibt unsicher, und den Namen
de« Empörers nennt Jordanes niclit. Die vieldeutige und vielbesprochene
* An uupKcbcoditcn Ut die Dcuning Bugg«« (Ark. 1, zft): /tatomcHi ^ gfX,
*RujmuHa*ti «die HfJUicbcn. FAlscbrn-j uiulcrc i-pUcbc Deutungen vcnucben Koegd I,
I, 148 und V. Gricnbcfgtrr, ZfdA. 39, 159 Anm. Als sUviscbcs Volk sucht ItcUuel
(£?*rr tiif Hm'firarrngn S. I02) "lip tiotomartt narh^uwc-ttm.
** E» niiKs ittitrr lieiiirrkt wmlen. da» Suanai/Zo wh muh »Is Strana-MiU »Schwanhild«
VCTsichfD IShaI [4, Jittc/ek, DJfS. I, 68 Anm.]. SuttUf lnH Jnrd,, mit der Variante
SuHihil, wcLst jcducb wohl aul gut. Söni't da& aucb aU cnW^i Kritii]N>siiiiiii»(;liv(l in lanjjo-
budisi'htn EigfMiniinKrn vorkommt [rbda I, 63 ^Vnin. 3*. Die L'tmlputung der >Slilinliild«
zu •Schwonhitil ■ küin «cbon Iwi drut^titii Stilnunen vor sich gcgangco wiii.
••• And«r Eiyinr>k>Ki«fi der Namfo bei Ko«t^l I, J, rti; f. Ein bi&tori«i)er Gnten-
inbrrr Sarus findet «kb bei Jord. Rom. 3x1,
684
XIV. Heldensage. Die einzelken Sagenkreise.
Stelle des B6owulf iiqj — 1201. derzufoluc- Häma (Heime) dt-m Ermaiiaricli
(oder für den E.?} das sagen berühmte Brisinga meiii geraubt hatte, bleibt
besser aus dem Spiele, und Mallenhoffs aus der Verbindung der Beowulf-
stelle mit dem Berichte des Historikers gefolgerte Aimalirac, dass einmal
Heime fOr den Gemahl der nordischen Svanhild gegolten habe, ist uner-
wcisbar. EbeusoweiiiK Ui die in der ersten Auflage des Grundrisses ausgc-
sprt>chene Ansicht streng erweislich, dass BikAa (an. Bikki. ags. Becea Wids.
115), dessen Rolle Sibich übernahm, der von Jordanes verschwiegene Name
von Sunildas Gemahl gewesen sei, wenn auch durch diese Vermutmig einige
Züge der Äpateren Sag« ungezwinigen ihre Erklänuig finden (s. § 41).
Über den Ursprung der Sage von Ermanarich und S'rtihild ist tiefes
Dunkel gebreitet Es lä3st sich nichts mit einiger Wahrscheinlichkeit darüber
sagen. Die Namen imd die Handlung weisen auf epische Dichtung;
mit der histi irischen Überlieferung von Ermanarichs Selbstmord beim Ein-
fall der Hunnen, die allerdings zur Sagenbildung den ersten Anstoss bot,
zeigt die Saye nur geringen inneren Zusammenhang. Mehr als die blosse
Mnglichkeit, dass ein historischer Gewaltakt des mächtigen Heriwiiers ihr zu
Grunde liegen kann, ist nicht vorhanden, wenn auch nicht zu leugnen ist,
dass die Sage in ihrem Streben, Ennanarichs tragisches Ende zu erklären,
sehr leii'bt zur Verwertung eines vennnilich ursprünglich folgenlosen Er-
eignisses aus der Zeit seiner Regierung greifen konnte. Jedenfalls findet eine
mythische Deutung der Svanhildsage , wie sie M ü II e n h -i f f und zuletzt
Rocdiger versucht haben, kerne Stutze in unserer Überlieferung, die schon
in ihrer ältesten Form rein epiach-sagrnhafl ist und alte mythische i^üge
niigends mehr hervortreten lüsst.
§ 41. Bei den überdeutschen Stammen, zu denen die Sage von d cd
Goten in Italien früh gelangt sein muss, sind aus älterer Zeit nur si>arliche
Zeugnisse, keine epischen Gestaltungen, criialtcn. Krmanarich — so viel lasst
»ich erkennen — , bei Jordanes trotz seines grausamen Gerichts an jener Frau
aus dem Volke der Rosuraonen als »-der edelste der Amaler« aufgefasst, ist
in der oberdeutschen Sage bald zum epischen Typus des T\Tannen geworden,
und ihm zur Seite trat als sein W^scr Daniun, als der ungetreue Ratgel>er
und Bewirker alles UnheiU. das den Kunig und sein Hau« trifft, Hikka,
dessen oberdeulschei Name "Bkcho nicht einmal auf uns gekommen ist. Die
Sage motiWert seine bösen Ratschlage verschieden: nach {'s. c. 276!. und
dem .\nhang zum HB hat Ermanarich seiner Frau Gewalt angethan oder an-
thun wollen*), nach Saxv> hat er seine Brüder gelötet. Gewiss brauchen
diese Zngc kein Nachklang alter Sage zu sein. Das Motiv Her Rache für
die Kränkung der hauslichen Ehre ist in Geschichte und Sage so verbreitet
(s. die Zusammenstellung bei Heinzel, Osf^th. Heldem. S. S), dass es zu jeder
Zeit in die Sage gedrungen sein kann. Allein die M<'^glichkeit bleibt bestehen,
dass es die Unigestallung eines älteren Motivs ist (Rache für jene von Jor-
danes berichtete Gewnltthat), das mit dem Verblassen und \'frsc!iftn«den der
eigentlichen SonhiUlsagc in Deutschland tiatürUch unverstantllich wurde. Die
Vermutung, dass ursprünglich Bikka Sonhilds Gemahl gewesen ist. erhalt so
eine, freilich unsichere. Stütze. Die Sage hat dann auf den Kr>iug und seinen
Rat eine Reihe anderer Scliandthaten gehäuft. Rrmanariihs einziger Sohn
* Dua stellt «ich noch crac Redaktion der dSuLMrfecn Ballade von «Marsk Stic» {DgF.
Nr. 145)' dt-rcn verändert«: Mriuvicrung auf Kenntni* dnes dlnixlien. auf ntcderdcuttcbcr
Quelle iKTuIirrrlpn, Lieites vi.m Emi.-inaricli uml Silni'h weist: %■ Biif^e, Det phil.-tUsior.
Simliimit MiniWkr., Kpli. r«;y, S. (54 ff. [JirkvcW, /JMS". I, 1 13 f.]-
IMANAKICHSAG£. IhRE VeRBINDUNU MIT DER HaRLUNGEN'SAOE. 6S5
durch Uikkas Verleumdungen in den Tod getrieben. FUr Deutschland
bezeugen Anspielungen in D/I. 2457 ff. (vgl. 3847 ff.) Kenntnis die&es, in den
nordischen Quellen mit dem Svanhildmotiv verknüpften, Zuges: hier, wie in
den Quedlinburger Annalen. heisst dieser Sohn Fri<4ri(h (der J-'rtodcric des
Wids. 124?), in den nordisrhen Berichten Ranäv^'r, bei Saxo Üroderus, wäh-
rend die Ps. c. i/S ff. den einzigen Sohn zu dreien, Friärekr, Rtfiinbnhir und
Samson, vervielfältigt hat. Weiter erzählt die Sage, wie Ermanarich auf An-
stiften seines Rates seine Neffen überfallt und tötet: diese Wendung beruht
auf Verschmelzung der Ermanaridisagc niit einer ursprünglich selbatändigea
mythischen Sage, der Harlungensage.
Die am ausfUhrlichälen, aber in Einzelheiten vielfach entslellt, durcli die
l*s. c- jSif. erhaltene, durch ags. und inhd. Zeugnisse, sowie durch die
Qnedlinburger Ann;ileii bestätigte Sage von den beiden Harhingen (ags. //?-
relitifias) Ambrica und Fridila (ags. Emtrca und FridUt, in dai Qucdl. Ann.
Embrim und Fritia, mhd. /rahretke und Friieit) ist bei den Alemannen aus-
gebildet. In der zu Grunde liegenden heroischen Form des Mythus hat es
sich vor allem um den grossen Schatz der Harlnngen gehandelt, dessen alter
mythischer Name Brisingo meni (ags. lirisinga \J'msing(i Hs.] mene Bcow. 1199,
an. Brisingamen) war, sowie um die Gegnerschaft ihres treuen Hüters Ecke-
hari und des ungetreuen Ratgebers Sibtcho. Mflllenhoff hat in seinem
nachgelassenen Aufsatze »Frija und der Halsbandmythus» (ZfdA. 50, 2i7ff.)
den Harhingeumytlius als altgcrmaiüschcn Ditjskurenmythus erA'icsen: es sind
die Harlungen junge und reiche Zwillinge (die schaizhut«.-nden Ai;vin5 des
Veda, das Zwielicht), die ausgc."iandt werden, um dem Hinmiclsguttc Irmintiu
die Braut, die mit dem Geschmeide (dem Brisingo meni) geschmückte Sonnen-
jungfrau (Söryfi) heimzuholen; allein sie entbrennen selbst in Liebe zur slralJen»
den Maid, gewinnen durch Sctifltzc ihre Guuüt und werden von dein er-
aürnten Gotte für ihre pflirht vergessene Untreue mit dem Tode be-itraft. Der
Harluiigenmythus ist frOJi nach Breisacli im Breisgau lokalisiert, wo Eckehard.
von Aura (//»A. S. 42) ihn zu Anfang des \z. Jahrhs. kennt und Orts- und
Personennamen ihn genügend bezeugen (Mone, lleitUas. S. Sof. ZE Nr. 13.
j6, 11. Ö5; Hertz, Deii/sche Sage im Eisass S. ^23 ff.); Anlass ziu- Lokalisie-
rung gab gewiss tler Name des Harlungen-schatzes, des Brisingo meni, der
an den iiions Brisiacus erinnerte. Bei den Alemannen hat sich dann die
HarUuigensage mit der Sage von Ermanarich verbunden, vor dem 7. Jahrb.,
denn dem Widsid sind die Harlungen bekannt und, was starker ins Gewicht
fallt, der Beo^t'ulf kennt das Brislnga mene bereits in Ermanarichs Besitz.
Die Sage kann zu dieser Verbindung nicht ausschliesslich durch die Über-
einstiinmung in den Namen des Irmintiu tuid dcv. Ermanarich gelaugt sein.
Vielmehr mflssen ElemeJiIe in der Ermanarichsage den .\nscliluss des heroi-
sierten Mythus von dem grausamen Tode der Zwülingsbrüder ermöglicht
haben. Wenn man voraussetzen darf, dass schon vor dem Auachluss der
Harlungensage Ermananch in der Sage als »das Kolossalbild eines grausamen
und habsüchtigen Herrschers-, galt, welcher gegen sein eigenes Geschlecht
iwütete, unermessliche Maclit und also nach der Anschauung jener Zeiten
i auch einen uncrschr>pflidien Hurt besass, wie ja auch sein Reiv:htmn lange
sprichwörtlich geblieben ist (Dfl. 7854 ff. Hd$. Nr. 56. 124), lasst sich die
Verknüpfung verstehen: Ermanarich überfallt aus Gier nach ihrem Scliatze
seine Neffen, die Harlungen, vermutlich indem er sie unter dem VorR-ande
einer Verhandlung verräterisch zu sich lockt (\*gl. Dfl. 2551), und läs§t si«
erhängen. Mit den Harlungen traten die alten mytliischen Gegensatze Ecke-
hart und Sibicho in die Ermanarichsage ein; in Berchtung und Sabene der
Wolfdictrichssafjc (g 34) habeo sie ihre iiädisü legenden ParaHelen. Das Ver-
hältnis zu'ichen Sibich und Bikki ist unklar, doch darf man die l>eidcn
Namen (ahd. Sibicfto — Biccho) wohl ebensowenig als ihre TrSger für ur-
sprünglich identisch liallen. WahRclieinlicher ist die Aunahme. dass Bikka
als des KOnijp böser Ratgeber der Ermanarich-Sonhildsagc vnn Haus aus
angeli^irte. aber dureh die in der Harlungenwige heimisclie Figur seines DoppeU
gaiigers Sibica {St/in in der ^s., mlid. Sififche) in der deuLsdicn Sage als-
bald verdrangt wurde, wozu die Ähnlichkeit der Namen der beiden Ung«-
trem*n, die auch die Verschmelzung beider Sagen crleichicit haben mag. Aii-
lass geben konnte. In den nordüwhcn Qurlleii, welche die Marlungcnsage nicht
kennen — über Saxu s. § 4.? — . heisst der Ratgeber nicht 'Si/ki /*S^ieoJ
oder 'Sj'uJti (*Sihuco), snndem liikki [liueo bei Saxo). Der Wids'id nennt
Becca (Vs. 115) neben den Härtungen (Vs. 112 f.) imter dem Ingesinde Er-
inanarichs; Sifeca in Vs. ti6 wird mit Btnz (PBB- io, 207 f.) nicht auf den
Sibich unserer Sage zu beziehen sein, der viehnehr uie sein Geg:ner Eckehart
in dem Heldenkatalogc fehlt.
Der Totl der SOnhild, die ausschliesslich in der schon genannten San
Galler Urkunde v. J. 781J als Suanailta rielw» Ihrem Vater Hämo und in
Gesellschaft von Sarahos und Eghiari erscheint, und die Rache ihrer Brüder
an Ermauarich sind in der spüleren deutschen Sage ganz vei^gessen. Dass
die Sage einmal allgemein bekannt gewesen ist, bekunden die Zeugriisse des
Eckchard von Aura und der Quedlinburger Annalen, sowie Anspielungen auf
Ernianariclis scliwere Krankheil in Dfl. und l^s. c. 401. Alte Zi^e der Sage
von Scinliilds Ermordung scheinen in der I^s. c. 28t) für den Tod von Er-
mauanchs Sohn Samson vei'A'andt zu sein, den der erzQnile Vater auf der
Jagd vom Pferde reissl. sodass er unter die Hufen von Ermanarichs Rnss
gerilt und zertreten wird. Sporadisch sclieinl der getreue EckcUart die Rolle
der reichenden Briider übernommen zu haben, wie im .\nhang zum HB und
ahnlich in Agricolas Sprichwürtcni \lJds. Nr. 1,14. .5). Nach der Verbindung
der Erraajiai ichsage mit der Dictrichssage wurtte flann — aber nur in Nieder-
deutschland und auch da nur vereinzelt — Dietrich der Vollstrecker der
Rache: so erzählt mit merkwürdigen Anklangen an die nordische Überliefe-
rung das niederdeutsche Volkslied von Konig Ermenrii^ Tod (§ 20), wie
Dietrich selbzwölfl in die Burg des Krmigs dringt und ihn samt allen seinen
Mannen erschlagt (dazu vgl. noch Grundtvig, DgF. i, 124'!.
Dass in der deutscheu Sage Söiihild (Svanhildr) jemals als Ermanarichs
Gattin und ihre Trtlung als Strafe für wirklichen oder augeblichen EhebnirJi
aufgefasst wr.rden wiire, ist durch kein Zeugnis erweisbar: Jiriczeks- Theorie
der Sagen vcrscliiebun gen auf Grund der Einflechtung der Hartuugensage
\pHS. 1, loj ff.] ist zwar scharfsinnig, aber kaum genügend gestützt. Eine
engere Verbindung der drei an die Figur des grausamen Tyramicn ge-
knüpften Sagen: a) Sonhild, h) Rrmaiwrichs Sohn, c) die Harlungen. ob-
gleich sie alle drei in DeutsclUand, wie wahrscheinlich auch in England (Biiiz
PBB. 20, 207 ff.), bekannt waren, ist. soviel wir sehen können, bei den Süd-
germanen nicht hei^testellt worden. Ein innerlicher Zusammen liang zu-ischen
dem ersten und dem zweiten Elemente }iat sich er^t im Norden entwickelt
§ 42. Wahrend die gotische Sage, die Jordanes Überliefert, in Oberdeutsch-
land b."itd ihre üelieluheit verlor imd auch in Niederdeutschland, wohin sie
in Verbindung mit der Harlungeiisage gelangte, keine sehr bc<lcutcndc Pflege
gefunden zu haben .scheint, ist sie im skandinavischen Norden in ver-
änderter Form und eigentÜmUcher Entwicklung überliefert. Die nutdische
{noPÄ'egLsch-isIandischc'l J^rmunreksage ^ liegt vor in den Eddaliedern
Haia[}iäin9i und Gul>rüti;irlivyt iiL-bst der Einguni^sprosa dos Sammlers, einem
Twie von Bragis RagnarsdrÄpa und zwei Prosaberichten von sell>stflndigem
Werte {\\h. c. 40—42. SnE I. jfioff.). Abseits steht die danische Vcrsian
bd Saxu Gramma.ticus, die fOr sich zu betrachten ist. Alle norM-<:;gisch-isl9n-
dischen Quellen gehen auf mehrere a!te Lieder und auf mündliche Tradition
zurück, aJle setzen die Anknüpfung der Ermanarichsage an die Nibelungen-
sage (§ 30), die aurh andere Eddalieder kennen, bereits voraus. Die Sage,
welche wir aus der Vergleifhung der einzelnen Cberliefcrungen, über deren
gegenseitiges Verhältnis keine v^jllige Cl>ereinstimmung herracht*, als die ge-
meinsame westnordische erhalten, unterscheidet sich von der gotischen vor
allem darin, dass Svanhild zur Gattin des Jyrmunrck geworden und dass die
Gewahthai an ihr mit der anderen an des Königs einzigem Sohne Randver
verbunden Ist; beide werden das Opfer der Verleumdungen des treulosen
Bikki, der Svanhild des Ehebruchs mit ihrem Stiefsohne beschuldigt. Der
König läsit Svanliild von Rosseti zertreten und seinen Sohn, wie die Här-
tungen in der deutschen Sage, erhängen. Wie bei Jordancs rächen die
Brüder der getöteten Krau, .Sijrli und Hani[>i*r, denen aU dritter {als Stief-
bruder nach den Hani|}. : enn sunJrmhpre 13*) Erpr gesellt ist, die That an
J9rmunrekr, licm sie I Linde und Ftl-sse abhauen. Sie selbst aber, die durch
ihre wumlerbareu Rtlstungen für Waffen unverletzlich sind, werden xu
Tode gesteinigt. Die Sage k^mnen die Skandinavier nicht unmittelbar von
den Goten übernommen haben, da sie sich bei diesen erst gebildet haben
kann, als sie die Ostsccgegcnd bereits verlassen hatten; vielmehr ist dieselbe
aus Niederdeutsthland naeh dem Xorden (Xorwegen?) eingewandert, als
Volkssage, aber vermutlich auch in poetischer Form, wie man aus den Über-
einstimmungen zw*i5chcn den Hamfiism^l und dem nd. XJede von Ermenriks
Tod schliesscn darf. Die Einwandenmg wird gleichzeitig mit der ersten
Obcmahine der Nibelungensage i§ tb. 30) stattgefunden haben, also spätestens
im 8. Jahrb., aber aller Wahrscheinlich keil nach früher. Bragis RagnaradrApa
aus der ersten Hälfte des fj|. Jahrhs. setzt die Anknüpfung derj9rmunreksage
an die Nibelungensage voraus, der doch vermutlich eine längfrc selbständige
Entwicklung der .Sage im Nordcji vorhergegangen ist; dasselbe bezeugt die
Kenning fönakrs bnra hurmr »Steine« im Vnglingaia! des I^ji^dülfr von Hvin
von ;illerdings zweifelhaftem Alter. Das Nichtauf treten der »Brerhung« in
dem Namen Etpr, neben jarpr, kann für die Zeit der Einwanderung freilich
nichts beweisen, da derselbe aus Deutschland übernonunen sein muss, auch
wenn er nicht von Haus aas der Ennanarichsagc angehört haben sollte
(Buggc. ZfdPh. 7. .^94; U'riczek. DHS. I. 10; ff.]). WichUger für die Be-
Btimmunc: der Zeit der Einwanderung ist der Umstand, dass die norwegisch-
isländische Sagenform von der Harlungensage nichts weiss*). Darf man
daraus schliesaen, dass die Verbindung des Mythus von den • Härtungen mit
der Ermanariclisdge, welche der B^wulf und vermutlich schon der Widsid
voraussetzen und die folglich noch dem 6. Jahrb. zufällt (§ 41), erst nach
der Einwanderung der Sage von Emianarirh in den Norden stattgefunden
hat, so wäre datiiit ein fester Ansatz für die Datierung der HerUbernahme
gewonnen. Der verlockende Schluss, den Müllenhoff (ZfdA. 10, 177) ge-
zogen hat , ist allerdings nicht zwingend ; Zufall ist nicht ausgeschlossen
^Heinzcl, Ostgoth. Ihidais. S. .^). und es muss auch die MögHchkeit zugegeben
werden, da.<^ die Harlungeniuge in Deutschland zurückhlieb, trotzdem ihre
* Ab^iilcbncD ist die BcjUcrbucg von Ham^. 17 auf die Harlungen (Buggc. Fornko.
439 '*■ '^" xuitldtgcDommcii ZfdPb. 7, 405).
Verbindung mit der Krmanarichsage bereits vollzogen «-ar [Jiriczek, ßJfS. l,
105 f.]. Wahrsclici iilii.il aber isl wcdt-r das dnc hülIi das andere. In jcdcni
Falle bleibt auch von däcjwr Seite hi-r nnt'rwrislirh, dass die einschneidende
Änderung der nordischen Sasengestalt, die Auffassung der Svanhild aU Er-
manarichs Gattin und ihrer Ermorilmig als Strafe für versuchten Ehebruch
mit ihrem Stiefsohne, aus der deutschen Sage übemnmmen wurde. Nordische
Dichtung, die auf dem alten Motiv »der Liebe zwi!>i.ben SlicfmuHcr und Stief-
sohn, welche dem Sohne das I>eben kostet« (Heinzel a. a. O. S. off.), auf-
gebaut ist, ist die nadistliegendc Annahme.
I BuRge, ZfdPh. 7, 3<)2 ff.; Rnnifich, Ä*r Xritik ttrtd Metrtk der ffam^
ismdK l888 (Berl. Tilw.), S. 3 ff. [Jiriczek, DHS. I, 84—99]- — * Bertntl«!
ist vor allem Uas V<.TliAltnis iwiMrliea Hutn)n\m^I und Ragiiursdripa j vgl. ein«r-
seils Bugge, Biärag til dtn irlditr ikjaUi. htit. S. 41 ff„ anderwcils F, jönü&OD
zuletzt in den Aarb. 1896, S. 321; fT. Es liiii^et aber wohl überhaupt evisdim
beEden ÜbetlietVninKcn keim- nähere Bezk-hung statt.
§ 43. Atich Saxo Grammaticus bringt im achten Buche (p. 411 ff. MV.,
p. 278 ff. Holder) eine ausführliche Erzählung der Ermanarichsage, die un-
mittelbar aus clänisclitT Tradition geschöpft hat. Sic ist bd ihm in (He my-
thische Königsgeschichte der Danen eingegliedert, zt-igl aber in <len Haupt-
punkten dieselbe Fassung wie die norwegisch -islaiidisdiai Quelle». Auch er
kennt Swavilda (verlesen aus Swamlda), die Schwester von ^Her hellesponti-
schcn Orüd<;m, als Gattin des Jannerkm, den treulosen Rat Bkco, der die
Königin des Ehebruchs mit ihrem Stiefsohne Bmderus zeiht, die grausame
Bestrafung des Paares — nur wird der Sohn, tt-ie in der V9IS.. schliesslich
begnadigt — , endlich die Rache der Brüder, die audi hier den Tod durch
Steinigung erleiden, wahrend dem Jarmcricus Arme und Beine abgehauen
werden. Daneben aber .lind wichtige Abweichungen unverkennbar. Nament-
lich weisen einige Punkte in Saxos Bericht mit Bestimmtheit auf deutsch«!
Ursprung, vor allem die beiden Sdiwestersöhne (sororii) des Jannericus. die
er ihrer Erbansprüdie wegen tötet. Unzweifelhaft sind damit <iie dem Norden
sonst unbekannten Härtungen gemeint, und ebenso gewiss rührt die Kenntnis
der noch bei Saxu in Deutschland lokalisierten und in Einzelheiten zu der
späteren Version der Ps. stimmenden Sage aus Deutschland her. Auch die
Vorstellung von Ennanarichs fabelhaftem Reichtiun — er erbaut sich eigens
eine Burg auf schroffem Felsen zur Bergung seines Hortes — wird in Ver-
bindung mit der HarUmgensage aus Niederdeutschland übernommen sein,
und vlelleictil noch ein paar andere Züge. Sa-xus eigentliche Svauhildsage
aber schliesat sich in allem wesentlichen — den Namenformen, dem Auf-
treten Bikkis, siiwic dem ganzen Verlaufe der Handlung — so eng an die
norwegisch-isländische Tradition an, dass wir in (Ücicr ihre Quelle suchen
mflssen, nicht, wie Jiriczek will, in der niederdeutschen Überliefenmg, wo von
einer ausgebildeten Svauliildsagc im 12. jaiirh. keine Spur mehr vorlumdea
ist. Es sdieint demnach die von .Saxo benutzte dänische Überlieferung eine
Mischung aus norwegisch- Isländischer und niederdeutscher Sage zu re^irüseu-
ticren. Einen Fingerzeig für die nordische Gestalt der Volkssage, aus welcher
Saxos Version der Svauhildsage schöpfte, bietet die Vqlsungasaga, die mehrere
auffallende Übereinstimmungen mit dem Berichte des dfinisehcti Historikera
aufweist, offenbar Züge, die der Sagaschreiber nicht seinen schriftlichen
Quellen, sondern lebendiger Vnlksüberlleferung cnllelmte. Die Anknüpft
an die Nibdungeiuüige tiitt bei Saxu nur in dem Namen der Zauberin G%
runa hervor, die den hellespontisrhen Brüdern bei der Vollziehung der
Rache für ihre Schwester beisteht, wie Gudrun ihren Söluien.
A. OIrtk, A'ildtrHe Ut Satuti Oldhist. I. 174. II, 152 ff. [Jiriciek. DHS.
\, 95 ff. 115 ff.].
11. S»]{c Dicirtchs von Bern.
% 44. Die Sage Dietrichs von Bern ist in ihrem wesenllichen Gehalle
durchaus aus der Geschicliie zu erklären. An dt-r Identität Dietrichs mit
dem gros.sen OslgotenkiVnig Theodoricli (got. * pimiareih), tlem Sohne des
Theodemer (mhd. Diefmär), zweifelte das Mittelalter so wenig (/AA. Nr. 18,
4. 23. 24. ,52. ZS Nr. 5, i. 30. 71), we die heulige Sagenforschung, obgleich
schon den mittelalterlichen Historikern die clirnnologischeti Irrtümer der
Sage nicht verborgen geblieben sind und für die moderne Forschung die
GegensStzIicbkeit zwischen S;ige und Geschichte, ja die vollige Umgestaltung
der Geschichte in der Heklensage offen zu Tage liegt. Aus dem »oberer.
der im Auftrage des nstrümischen Kaisers Zeno 488/89 nach Italien kam,
unter verschiedenen Wechselfallen und Wendungen des Kriegsglücks in drei
gewonnenen Schlachten (am Isonzo, bei Verona und an der Adda] seinen
Zwecit eneichie und nach einer dreijalirigen Belagerung Raveimas Odoaker
nicderstiess (493), ist in der Sage schliesslich ein Vertriebener geworden, der
nach langem Kxil und einem vergeblichen Eruherwngsversuche endlich mit
fremder Hülfe »ein reclitmflssigus Krbe wiedererlangt Ein Scheingruiid der
Geschichte, indem der ostrfimische Kaiser, in dessen .auftrage Theodorich
handelte, sich als natürlichen Erben des weslrömis«.:hen Reiches betrachtete,
wurde von der Sage, die ihre Sj-mpathien keinem Usurpator günnte, willig
aufgegriffen. Aber der Umstand, da.ss Dietrich von Byziuiz aus sein Land
erobert hat, ist in der Sage schon sehr bald in Vergessenheit geraten: was
man für diese Anschauung beigebracht hat, die Erwähnung Zenos bei Hein-
rich von München {Hth. Nr. 84, S. 2.27) und bei Königshofen (ZfdA. 15,
319!.), ist auf gelehrten Ursprung zurückzuführen, und die neuerdings von
Kauffmann aufgestellte Ansicht, unter dem Hiiuto imhiin des Hildebrands-
licdfs sei Zen'i, iiitht Attila zu verstehen, indem nach frühmittelaltcrlichera
Sprachgebrauch für den Kaiser von Byranz der Balkanherrscher eingetreten
sei {Fcii^ahf für Sihrrs S. I54f.), zcrreisst dc[i Faden unserer zusainmen-
hlngendcn Sagenü her lieferung. Vielmehr ist s«'hon in unserer fittesten Über-
lieferung an die Stelle Ostroms der Hof des HunnenkMnigs, d. h. Atlilas,
getreten, den sich schon das Hildebrandslied unter dem Hiimo truhiin ge-
dacht haben mitss (§ 14): auf diese Wendung der Saige hat das AbhSngig-
kcitsvcrhfüttiis, in welchem die Ostgoten zu den Hunnen stunden, sowie die
Venwechslimg Thecidorichs mit seinem Vater Theodemer eingewirkt. Die
wesentlichste und rätselhafteste Abwcichutig der Dietrichssage von der Ge-
schichte alKrr und zugleii h ihr Kernpunkt, die Umwandlung des siegreichen
Eroberern Italiens in einen Flüchtling, wird nur durch die Annahme erklar-
bar, dass in der Sage Dietrichs von Bern mit der Thatsache der Eroberung
Ualiens durch Theodorich seine Jugendschicksate zusammengeflossen sind.
Historische Erinnenmgen an die wechselvollen Schicksale Thcodtjrichs
zwischen der Schlacht unter den Mauern Veronas und der entscl leidenden
Schlacht an der Adtla. vor allem der Verlust des scivin gewonnenen Mailand
durch Tufas Vernit, fehlen allerdings der Sage nicht. Sie bilden, verbunden
mit der drcijfLlirigen Belagerung Ravcnnas, die Elemente der Rabenschlacht-
dgCt sie sind also nicht ;m die endliche Ercrbcrung Italiens, sondern an den
ij|Ater in der Sage voniusgeschickten misglückten Wiedereroberungsversuch
geknüpft. Allein, wie neucstens jiriczek eingehend erörtert hat, die wesent-
Germaniache Phllotofie III. 2. Aufl. ^\
6qo
XIV. Heldensage. Die einzelkeh Saqexkreise.
liehen sagunbildciidcn Elemenle sind der voritaUschen Zeit der Goten cnt-
nümincn: dit! Peiiode in Tlieodorichs Leben vom EiubruLli der Guten in
Mösicn (473), nuch unter Thefidemer, der aber gleich na<"liher (474,'475)
starb, his zu seinem sicgrcitheu Eüuu^c in die Thore Ravennas, ein zwanzig-
jähriger Zeitraum unsteten Wanderleben», schwerer KSmpfe und wecliselnder
Gesi'bicke, hat zu der Vorstellung des Flüchtling« geführt, der in beständigem
Kampfe gegen sein hartes Schicksal lange Jahre im Exil zubringen inuss.
Undenkbar wSre es nicht (Kauffmann a. a. O. S. 154), d;iss die in allrn (Jucllen
hcrwirtrctende dreissig- oder zweiunddreissigjährige Dauer * der Laudflucht
auf alter epischer Überlieferung herulitc: es würc die Zeit von der Vergeise-
lung des jungen TheiKlurith nach Byzanz (462) bis zur definitiven Besitz-
ergreifung Italiens (495). Auch bestimmte geschicliüiche Einzelheiten aus Theo-
doriihs voritaltsfher Periode sind in der Sage bewahrt geblieben, auf welche
noch zurüi'kzukommen ist Es ist die Exilsagc alsu wcsenilith auf der epi-
schen ÜberlieferLUig von Tlieodorichs Jugendgeschichte aufgebaut, al»er ihre
Ausbildung scheint, ausser in deujiislorischen Vümusselzmigcn der Erobcrui^
Italiens, auch Nahrung gefunden zu halben in der Vorstellung, die sich
schon früh nachweisen lässt {Heinzel, Ostfiolh. JleUens. S. 32 ff.) und ver-
mutlich schon hei den Goten selber VL-rljrcitel war, dass Italien bereits vor
Thcodürich hl gotischem Belize gewesen sei, woraus sich als Konsequenz
die Vürstellung von einer Vertreibung aus dem Erblande und der endlichen
Heimkehr entwickeln mtisste. Dass Theodorich als Herrscher Italiens nach
langer segensreicher Regierung starb, ist durch die Sage festgehalten, und
das historische Bild des edlen und gerechten, nur zCgenid zum Schwerte
greifenden, aber dann in seinem Zorn nnwiderstehlichcn Guteukunigs ist
allem Wandel der geschichÜicJieii Einzelheiten zum Trutz in der deutschen
Sage unverrückt geblieben. Die älteste erhaltene Gestalt der Dietriclissage
rait ihren drei Elementen: Flucht, Exil, stegreiche Heimkehr repräsentiert
demnach gewissennassen eine epische Auswahl der sympaili ist listen Züge
aus Theodorichs Geschichte, bei deren Verbindung vor allem der Wunsch
massgebend gewesen sein wird, die HeldcngestaU des grossen Königs vou
dem Makel zu säubern, der durch die meuclJerische Ermordung OdoaJcen
sein edles Bild entstellt.
Die Gegnerschaft zwischen Dietrich und Odoaker ist tu der Sltesten Sage,
wie sie sich aus den Anspielungen des Hildebrandsliedes eipebt. nur mit
Unikchrung der RuUcu, festgehalten (s. {^ 14): der deutlichste Beweis dafür,
dass Dietrich von Bern von I-Iawie atLs kein anderer als Theodorich ist
Die Ausbildung der Sage von Theodorich fallt in ihren ersten Anf&ugcn
unzweifelhaft nuch den üstgnieu zu, aber in ihrem vollen Umfange kann sie'
in den wenigen Jahrzehnten von Theodorichs Tod bis zum Untergange des
ostgoiischen Reiches (52'j — 555) nicht mehr zustande gekuuuncn sein; viel-
mehr muss sie befremidetcn obenleutschen Stammen zugeschrieben werden,
am ersten wohl den verbündeten Alemanucu. Dietrich iv» Beme (— Verona,
als die erste bedeutendere Smdt <-)berilaliens, die man von Deutschland aus
betrat) als Personenname i»t in alterer Zeit vornehmlich in Südwesldeutsch-
land uacligewicsen (Uhland, Selir. VIII, 334 ff. ZE\\t. 2Q)\ ebenso findet sich
Amelung hJlufig in alemannischen Urkunden des 8. — 10. Jalirhs. (Ubianda. a.O,i
379 Aam. i). Zu den Alemannen wird die gutische Sage zum Teil jedesfolb
* 30 Jahre nach dem llildebtantlsUeJe 5,0 uiiil D6orfi Klatp; 18; 32 J*hrc nach V%.
c 396 und der KLa^l- {Jldi. S. 135), \>as jüiij^arn: HtUlcbraiidslicJ wliwaakt rwucbcB.
33 lUd 33 Jahren \MSn^ 11, 36).
Dietrichssage: Histor. Grunulaoen: Verbind, m. n. Ermanakichs. bgi
schon in poetiwhcr l'"orm vorgedrungen sein, und zwar sind, w ie die deutsche
Sagciit-ntwlclduiig zeigt, namentlich zwti gotische Liedcro'kleii vorauszusetzen,
einer über Theodorichs Jugcndsrliicksnlt; und \V;in derieben, ein anderer Ober
die Ereignisse bei der Eruherung luiliens. Bei den Alcmiintien, wo die
EnniinarirJisage gepflegt wurde und ihre Verbindung mit der Üarlungensage
öfuljfte (§ 41), ist s|>iUer als diese auch die Verbindung der Ermana-
rieh- und Dietrit:hsafj;e vullzogen. Ennanarich. der weithcnschcnde,
grau-same, verwandten feindliche König der Goten uiirde an C>dr»akers Stelle
der Gegner Dietrichs, deu die Sage immer mehr zum Typus des zu-
g;leicli milden und kraftigen, selbst im Elend durch Chaniktergrüssc und
WeLshcit überlegenen Helden erhob. Die Verknüpfung der beiden gotischen
Helden, an sich naheliegend, namentlich bei einem den hisUnischeu Über-
lieferungen fremd gegentibenstehenden Stamme, durch die Annahme von
einem verwandtschaftlichen Verhaltnisse zwischen Oheim und Neffe ge-
festigt, ist dem Wldsid und der nordischen Jynnunrek.sage fremd* und
auch dem Hitdebrand^ilicdc n(X'li unbekannt Sie war ai»ci im 8. Jahrh. noch
nicht mier (\oc]\ nicht allgemein vollzcigen. Aus den unklaren Angaben von
Deors Klage (§ 13) kaiui die Verbindung beider Sagen und die Ersetzung
Odoakers durch Ennanarich nicUi mit Sicherheit gefolgert werden. Aber im
lo. JaJirh. war der Anschluss vollzogen, wie die Quedlinburger Annalem,
oder vielmehr die gemeinsame Quelle der Quedlinburger und Würzburger
Chronik, lehren (§ 18). Es heisst dort, Ennanarich habe den Tlieodorich,
seinen Neffen^ aus Verona vertrieben und im Exil bei Attila zu verweilen
gezwungen, instimulante (hioacro patntde suo "'. tWoaker erscheint hier also
in der Rolle des bOsen Ratgebers, Bikkis oder Sibidis, doch ist nicht ausser
Acht zu lassen, dass nach dem Wortlaut der Stelle nur die Vertreibung
Dietrichs, nicht die unmittelbar vorher erwähnten Gewrdtlhatcn Ermanarichs
gegen seinen Solm Friedrich und gegen die Harlungcn den RUnken des
Odraker zugeschrieben werden. In dieser ganz vereinzelten Angabe wird
kaum ft-irkliche Volkssage vorliegen, sondern nur ein Versuch, Geschichte
tmd Sage in Einklang zu bringen. Eckchard von Aura polemisiert gegen
diese vulgaris fiihuhtio {Ilds. S. 41).
[Zu dtcflcm % \m., ausser <lcr »ll^mcincn tu § 39 .irüffEihitcn Li[ti.T3ti]r Ober
die ost^tüche SAgc. vor aILcih Jiricxek, DHS. 1, tw — (49 ^^ vcr(;kiL-licii.j
§ 45. Die verschiedene]! Fassungen der Sage von Dietrichs Vertrei-
bung, Exil und Rückkehr, wie die I*». c. 284 ff. und die mhd. Gedichte
von Alpharts TikJ, Dietrichs Flucht und der Rabenschlacht sie darbieten,
xeigen das wachsende, bis zum Unverstand gesteigerte Streben nach Häufung
seiner Thaten und Schicksale zur grösseren Verherrlichung seines Helden-
ruhms und seiner CharaktergrcVsse. Die älteste und einfacliste Gestaltung der
Sage ergab sich aus den Andcutungwi des iUldebrandsliedes: sie enthfllt als
■ Olierluupc ist Dietrich «m Bern, »enn nun von der tiii{>rüaarkri|ia III und der
duaiu nur grrnlf^tcn riocAcmletoinc m Ouf>r. II absieht ($ 30}, ira Norden, cnt dureb
<Ue nitfdcitteutub«, lo der Ps, kodHizicnc, Sa^cnimwandcrung des 13. Jahrhs. bekannt ge-
worden. Die ilucbvredische Kokatcitdn&cbrift dcuici nur auf KvnnuiU einer Kdtcnüinw;
des bistomdien Gotcnköniga; über Spuren cin<,rt mythischen DictridiMbeatcuer* in der
Hrölb laga Gauirekssonar s. unten % 4.8. — Auch bei den Angeluicbaen hat die E>ietridi*>
sage nur jtcringe Verbreitung erlangt (s. Biiur, PBB. 20. 212 ff.).
'" Et^vu »pÜter hctut in tjW d<rr dritte iUt Brildcif A\x an Ermannrich die Ermor-
dung ihres Vaters r^bcn, AUdasarus (AJJaiare Q, OJoatro W), Auch hier beruht
Odosker auf gekbrtvr Kumbinatiun nls HerüächLT in Italien «wischen Knuanaiich und
Tbeoddridi (», Heiniel, Ottgeth. Hel^ms. S. 3 f.). Beide Stellen nihren offenbar nicht
voo demscibai Intcrpolalur her (vgl. § 18),
44*
eliarEktcristisctie Punkte: Flucht vor Üüoakcr (Enuaiuidch), drcissigjähriges
Exil beim Hunnenkönig Attila, kriegerische Heimkehr (^ 14. 44), Die mhd.
Quellen und die Vs. dagegen stimmen darin überein, dass der endlichen
Rückkehr Dietrichs iii sdn Erbland ein misslungener Wiedereroberungs-
versuch vorhergeht. Allein in dieser erweiterten Fassung lassen sich ver-
schiedene Etappen auf dcT Balin der Sagcnbiidong unschwer unterscheiden.
Einen missglftckten Versuch, sein Lan<l wiederzugewinnen, der selbstverständ-
lich mit einer Niederlage enden mussie und anfanglich auch wirklich so
endete, hat die Sage »chon früh eingeschaltet, zunächst wohl mit dem
Zwecke, die thatenlose Zeit des in der Überlieferung feststehenden dreissig-.,
txler zweiunddrcissigjJlhrigen Exils durch Handlung auszuföllen: Anspielungen
in der KJago 1973 ff- UM. S. 133 ff.) deuten auf diesen Sagentypus, den
auch das Nibeluiigeulied vorauszusetzen scheint und der allein verstandlich,
und somit als verhältnismilssig lu^prünglich zu betrachten ist. Nach einem
unglücklichen Wledereroberungsversucli seines Landes wurde Dietrich ge-
zwungen, zu Etzel zurückzukehren. Bald muss aber diese natürlichste Form,
der Sage komplizierteren Fassungen weichen. Zuntlchst werden die Ereigiüsse
bei der Vertreibung aUi^csclunückL Nach der rs. flielit Dietrich, gewarnt,
vor Ermanarich, der mit seinem Heere anrückt, zu den Hunnen; naih jün-
gerer Auffassung muss er sicli nadi einer Niederlage seinem Oheim auf
Gnade und Ungnade ergeben; noch später gewinnt er zwar die Schlacht,
geht aber dennoch ins Elend, um seine gefangenen Mannen zu befreien.
Die beiden letzten Fonncn der Vertreibungssagc sind in »Dietrichs Flucht«
imgescliickt verbunden; die driuc imd offenbar unursprünglichste, die auch
vAlpliarts Tod* und der Aiüiang zum HB. keimen, scheint der Wolfdietridis-
sagc nachgebildet, und selbst der alle Berchlung von Meran erscheint in
typischer Rolle als Herlurnm von Hole (d, i. Pola in Istricn) wieder.
Ebenso lassen sich in der Darstellung des WIedercrobcrungsvcrsucties
verschiedene Stufen der Sagenbildung unterscheiden. Weim die f*s. die
Rabenschlacht siegreich für Dietrich enden, diesen aber dennoch ins Exil
zurückkehren lässt, so ist dies, wie der Vei^leiih mit der Klage ergiebt, be-
reits eine jüngere, durch den Tod der Helchcnsöhne nur ungenügend moti-
vierte, Erfindung. Aber damit noch nicht zufrieden, lässl die mhd. Über-
lieferung in der uns vorli<'gfndeii Form vim Dfl. und Rab. den Helden in
einer ganzen Reihe von K.'iinpfe» siegen, aber dennodi sein Reich meiden
und fremden Sdiutz suchen. Dreimal erreicht Dietrich das ersehnte Zid,
aber jedesmal tritt er freiwillig ins Exil zurück. Bei aller Unverständigkeit
dieser Motivhäufung mangelt es In diesen Dichtungen doch koiiieswegs an
alten Zügen, die auf historische Liwier zurilckgrhen, aber ixnllküriich aus dem
ursprünglichen Zusammenhat) g gerissen und beliebig angebraclit worden
sind.
Unursprünglich ist auch Dietrichs endliche friedliche Heimkehr, wie
sie die Klage und I^s. c. .V)5 ff. berirhten. Da.ss er der alten Sage nach an
der Spitze eines hunnischen Heeres sein Reich eroberte, bezeugen das alte
Hildehrandslied und die Quedlinburger Annalen. Die friedliche Rückkehr
braucht mit dem vergeblichen Wiedereroberungsversuch nicht notwendig zu-
sammenzuhängen. Vielmehr ist eine Sagcnfonn, wdche neben der Nieder-
lage in der Rabenschlacht und der daraus sich ergebenden erneuten Zuflucht
bei Etzel noch die Wiedcreruberung des Erblandes kautile, mit Walirschein-
Kchkeit vorauszusetzen. Auf die Umwandlung der kriegerischen Heimkehr
in eine friedliclie mag dann, wie Heinzel ( Oitgolh. Hcldem. S. ^o f.) annahm,
die Verbindung Dietrichs mit der Nibelungen kataatrrtphe von Einfluss gewcsenj
Dietricrssaoe: Ausbilduko der Sakk. Episoden.
693
sein, in welcher Etzets und Dietrichs Mannen fielen, sodass eine Eroberung
Italiens mit Waffengewalt durch diese Vuretellung ausgoschlLWsc« wiirdc.
Aber eine Nitxierlage ohne spatere AiLswetzung der Scharte kann niemals in
der Absicht der alteren Sage gelegen haben: erst die Auffassung, dass Die-
trich in der Rabenschlaclit siegt, aber .seinen Sieg nicht weiter verfolgt, er-
möglichte die Annahme einer friedürhen Rückkehr in sein Land. In der
Klage sind allere luid jüngere Vorstellungen verbunücn.
Mattin. DltB a. XLIX f.; Wc^-cncr, ZfdPh. Ergamuiigsbi S. 447 fT.; s.
am-h die zii § 20 ^A^m, 8 und 9) /ilicrtc LilU-ratiLr. [Jiric/ck, DHS. I, 156 —
ml
§ 46. An den Kern der Kxitsagc knüpften sich Episoden. In die
Kampfe, welche sich an Dietriclis Vertreibung aus Bern anschlusscn, fallt
die Tötung eine^s jugendlichen Helden durch Witege; mit der Rabenschlacht
verbunden ist die rührende, gewiss einmal in eigenen Liedern besungene,
Ermordung der beiden jungen Söhne Etzels und der Ilelche {Orte und
Etp/e Bit. 5334, Orte und Scharpfe Rab., Oi-h^in und Erpr ^s.) ebenfalls
durch Witege, entweder allein oder unter Bei«itand Heimes oder eines an-
deren Helden. Jener jugendliche Held, spater Nuotfntie (Nib. 1637, Roseog.
D 3iO, K. t . 332, vgl. /Aä. S. 1 1 1 f.) oder Alphart (Alph. Tod. \-gl. Hds.
S- 213). scheint anfanglich Dietrichs junger Ürudcr Dittktr gewesen zu sein,
dessen Tud die Sage sjiater mit dem der Helchcnsölme verband: letztere
Gestillt kennen die !^l^rek.ssaga (c. 333) und die Rabenschlacht, sowie An-
spielungen im Eckenliede 1158 f. und im Meier Heluibredit 76 ff. (MÄ. Nr.
51). Die Vermutung, es habe bei der Sage von den Helchensßhnen eine
dunkle Erinnerung an den Auszug der beiden jugendlichen Helden Sarus
und Amraius {Syrii und Ham|>cr) gegen Ermanarich und ihren Fall vorge-
schwebt (P. E. Müller, Sagabtbi. IL :!48. Martin, DHB 2, XXV), ist nicht
genügend begründet; sie ist auch entbehrlich, seit durch Heinzeis glücklichen
Nachweis der historische Hintergrund diL-scr Episode aufgedeckt worden ist
Der Fall der jungen Sohne Etzels in einem unglücklichen Kriege der Hunnen
gegen die Goten {Ernianarich) in der deutschen Didilung des r 3. Jahrhs. ist
eiu schwacher Nachklang der hüttorischen Sage von den Kflmpfen der Ge-
piden und Goten unter Theodemer und seinen Brüdem gegen die Söline
Attilas {§ 7); speziell der Fall von Attilas Lteblingsaohn Ellak am Flusse
Nedao in Pannonien wird früh in der gotischen Sage gefeieil worden sein,
und wenn in der mhd. Dichtung Witege der Töter vou Etzels Sölmeu ist,
so spiegelt .*^ich auch in diesem Zuge die Erinnerung an Witt^*.^ historisches
Urbild ab (§ 47). (n merkttürdiger Weise lasst sich hier die ungemeine
Zaliigkeiit der epischen Überlieferung Ireobachten: historische gotische Sage
des 5. Jahrhs. leuchtet mitten aus den wirren Fabeleien spater Erfindung mit
der unverkennbaren Farbe alter Einzcldichtung hervor, d'.»ch so, dass von
der ursprünglich gewiss reich ausgebildeten und anders umrahmten Sage nur
noch die sprechendsten und daher uiiverwüsllit:luiteu Grundeleraenle übrig
geblieben sind V
An Dietrichs Rückkehr nach langem Exil hat sich früh der uralte Sageu-
stuff von dem Kampfe zwischen Vater und Sohn geknüpft, der, anfanglich
tragisch endend (§ 14), in der Fassung des jüngeren HildebrandsHedes {% 20),
wovon in der fs. c. 406 ff. eine altere Gestalt benutzt ist, humoristisch aus-
gebeutet wurde. Die bei den verschiedensten indogermaniscben Völkern
verbreitete Sage ist in Deutschland auf eine Figur der Dietriclissage über-
tragen worden (ii 47); die Frage, inwieweit die germanische Überlieferung
von dem mit dem Falle des Sohnes endenden Kampfe mit den ihr zimächst
694
XIV. Heldensage. Die eixzelnes Sagenkreise.
stehenden Versionen hei Griechen, Iraniem, Kelten und Slaven auf eine
gemeinsame mytlilsdi -heroische Grundlage zurückzuführen ist, kann hier
nicht erf>rtert werden'.
1 Martin, DHB 2. XXlIIff.; Hcinzel, Ojtgofh. Mridrnt. S. syff. (Jiri-
czck, DHS. I. 308 — i's]. — ' [Die wcitÄhithlijjc LitliTRiur über diesen Stofi*
findet sich jetzt bttjucm EUMmincn^cslellt bei Jiriczi>l<. DffS. I, 375 — 3^9].
§ 47. Unter Dietrichs Helden sieht in der Sage seinem Herm am
nächsten sein aller Etzieber und Waffenmeister Hildebrand, in welchem
eine Gestalt der ostgotischen Ubcrlief(^rung festgehalten ist; ani nächsten
liegt jener Gensimund, durch dessen Treue nach dem Zeugnis Cassiodors
(Var. VIII, y) den unmündigeti AmalerbrUdem Walanier. Theodemer und
Widiraeir die Krone erhalten blieb, docli der Typus des erfahrenen Fürsten-
erziehers und Hofmeisters ist so allgemein in der altgermatuschen Poesie wie
tni wirklichen Leben, dass nach einem bestimmten Vorbilde nicht gerade
gesucht zu werden braucht Auf ihn hat die deutsche Dichtung die Sage
von dem Kampfe zwischen Vater und Sohn Obertragen (§ 46), und mOg-
tic!icn*'eise ist vun dorther auch der Name Hihiehrand tlcT typischen Figur
der historischen g-ttischen Sage zugekommen'. Um Hildebrand gruppiert
die Sage ilas Heldengesclilecbl tlei Wii/^/ij^e (ags. IVylßn^as, an. }7jiiif;<tr),
dessen alter Name von der Dietrichssage ursprflnglich wohl unabhängig war,
aber allerdings auf ostgennanisclien Ursprung weist*. In demselben rageo
WoUhart,' Hildcbrands Srhwcstersitbn, der Typus des jungtn ung:cstümen
Recken, un<l Wolfharis Bnider Alphart, an dessen erledigte Stelle dann
Sigestap tritt, hervor; aber auch <lcr In den Rosengarten zur konibichen
Hauptfigur gewordene Mönch Ilsan gilt als Wftlfing. Diese in den ver-
schiedensten Differenzierungen erscheinende Sagcngeslalt scheint ihren Aus-
gangspunkt zu find<.'n iu dem Typus des HQters und Zuchtineisteis. als
welcher er in der Kaben seh lacht unter dem Namen Eisän auftritt Seine
PflichtversäumnJs bcisstc er anfangs ilurch den Tod, spater durch ein Leben
im Kl<wtier (Moniage), das endlicli nach bekannten Musien» zu der burlesken
Gestalt des groben und streitsüchtigen, aber auch streitbaren Mönchs (QhTte..
Der Jlst/n*;, dem im Laurin der Zwergkönig zur Bekehrung überlassen werden
soll [DHU I, LIII), ist auch nur eine besondere Entwicklung dieser tnter-
e.<Lsanten Figur '.
In Witege und Heime*, die s<*hon der Widsid als Gesellen, und zwar
als vertriebene Recken (-wurfcfin). unter dem Gesinde Emianarichs kennte
hat die jQngere Heldensage den Typus des treulosen und kAuflicbcn, kalt-
herzigen und finsteren Kampfers doppelt verkörpert: bald stehen sie zu Diet-
rich, bald zu Ermanarich, ursprünglich aber zu diesem. Die Gestalt Wiieges
fimiet in zwei bist« irischen Persönlich keilen eiTu'n Anhaltspunkt. Als Kämpfer
Ermanarichs geht er oluic Frage zurück auf jenen VitU^ota Gotbornm Jortissi-
mui, der nach Jordancs c. 3^ Sanna/iim Mo ocatbnit und nach c j vom
Volke in Liedern gefeiert wurde. " WüH^uja (mhd. Witefpfujve, als selbständige
Figur neben Witege auftretend in Dfl., Rah. und Anhang zum HR, s. Hdt^
S, 2 17 f. 326; daneben als Kurzform nihd. M'i/cf>t, ags. MW^, U'ii/ia, in
der Pi. l'iä^a) muss ein westgoüscher Held gewesen sein, der aber auch in
der ostgotisdien Sage bekannt war; als Gegner der Hunnen, welche im
Epos die Stelle der Sarmaten einnahmen, trat er bereits früh zu Ermanaiich
in Beziehung. Mit geringerer Sicherheit darf in dem Kampfer Dietrichs eine
Erinnerung an den hisinri-schen (iotenk«>nig Witigis gesucht werden, der in
Ravenna, das in der Sage Witege an Ermanarich ausliefert, kapiiplierle (53OM0)*
immerhin liesse sich durch die Annahme eines doppelten Ursprungs die eptache
Oberiflu ferro Ue Witegcs ansprcclieml erkUirtn. Für Heime (aga. IJäma) fehlt
jede liistorische Ankiidpfiing ; wie er zu Witege gesellt wurde, ist vtMIig dunkel,
und weiter iJlsst sich nur vermuten, dass er durch seine Verbindung mit Witege
erst zu Ermanarirh, <lann auch zu Dietrich in Beziehung trat und, wie sein
Geselle, als Überläufer aufgefasst wurde. Von Hauüc aus scheint Heime elicr
inytliLsrh als historisch. Aber auch fCir Witege mus* es dn mnhisrhes Pro-
totyp gegeben haben, oder, schärfer ausgedrückt, es ntflssen auf den historisch-
epischen Widijiauja (Witigo) die Thaten eines ursprünglich von ihm ver-
scliieclenen mvthisrh-hernischen Riesenbek-lmpfers übertragen worden sein.
Aus den zerstreuten Nachrichten von Riescnkampfen, die Witege und Heime
zusammen bestehen, s.diupf«^n wir die dunkle Einsicht, dass in einer ahen,
nur in Trümmern und armlichen Resten erhaltenen, Sage Witege und Heime
Notgesiatlen waren, dass sie zusammen zu F.rmanarich Obertratco, indem
Witege mit der geschichtlichen HeldengestaJl des Widigauja verschmolz,
spater auch, sei es nun durch die Beriihning Witeges mit Witigis oder durch
die Cbertragung von Tufas Verrat auf ihn, zu Dietrich. Auf weitere ZOgc
cinzugclicn, durch wdchc Witege und Heime sich als halbmvtbische We.sen
ausweisen, ist untlnmlich; auHi die in der ^s. c. 132 ff. nach einer munteren
niederdeutschen Spielniannsdiclitung erzSlilten Abenteuer von Witege und
Wildeber (vgl. § ip) müs.<;en hier übergangen werden. Die Verbindung Wi-
teges mit Wieland wird in g 65 berührt. An Heime ist zuletzt ein Montage
geknüpft; nach der rs. c. 454 wird er Manch im Kloster Vadinctisan (d. i.
das um 1170 gegnmdete IVflnionstratenserkloster Wcdinchüsen in Westfalen:
PBB. 9, 491), während er in Tirol mit dem Kloster Wihen bei Innsbruck
verknüpft wurde. Die jungen tirolischen Lokalsagen von Haimn und seioem
Drathenkampf sind für die Heldensage unverwertlwir".
Nur lose mit der Dietrichssage verbunden ist Dietleib, Über dessen
eigentliche Sage wir nur unvollkommen unterrichtet sind. In Süddeulschland,
wo das Gedicht «von dem Abelen wibc \ZE Nr. 28, 5) eigene Lieder von
einem Kampfe Dictleibs mit einer Meerfrau bezeugt (s. auch Roseng. A. 1 19
und Laur. 1304), ist er in Steiermark lokalisiert. In der ^s. dagegen, die
von I*eüeifr, dem Sohne Biturulfs, einen ausführlichen Bericht bietet (r. iii —
12q). welcher neben recht willkürlichen Elementen auch schöne und offenbar
echte Züge enthfllt, spielt die Sage von dem in seiner Jugend stumpfen Hel-
den, in dem pliitzlich die angeborene Kraft zum Durchbruch ktimmt, an der
Ostsecküste; I'etleifr heiss-t 'der dänische«, und noch im Bit. n>0<_) giebl sich
Dietleip für den finnischen RtNt-ken Frunte aus (Srhönbach S. 29). Aas den
erhaltenen Trümmern die urs])riinglic]ie Sage zu ers« hliesseii, ist nicht mehr
ni(*jglich: den ersten Anspnich auf Echtheit haben unleugbar die Überliefe-
rungen vim Dictleibs blöder Jugend — in der I's. durch seine I-okallsicrung
nach Ttimmaporp auf Schonen bezeichnet — und von seinem Kampfe mit
einem Meerungeheuer. Jiriczek will als Kern der alten Sage einen Kampf
mit einem WasscrdSmon, wie Beowulfs GrendelbezwinKung und die lango-
bardische Lamissinsage, erkennen; er verweist somit die Dietldbsagc in den
Kreis der Nord^elieldeii sagen und nimmt spütcre Wanderung der nieder-
deutschen Sage nach Tiberdeutschland an«.
Dass einige Helden aus der Wotfdielrithsage in den Sagenkreis Dietrichs
von Bern üüirgctrcien sind, als dieser mit der .Auffassung von Bern als Bonn
an den Nie<lerrhein gelangte, ist in ^ 34 bemerkt worden. Auch Sigcstap,
dem die Sage den Titel eines Herzogs von Bern giebl ^Nib. 3ii)5, r) und
den sie zu Dietrich allein unter allen dessen Mannen in eiu nahes verwandt-
schaftliches Verhältnis setzt, mag ursprünglich dem rheinischen Bern-Bonn
«96
XIV. Heldensage. Die einzelnen Sagekkrsise.
angeh(3rai: der Name scheint eher ein mfrk. (=i obd. Si^tfap/), als ein obd.,
mit ahd. stah as. sla/ zusammengesetzter, Name zu sein : Mona, Heldens. S. 67.
ZE Nr. 26, 4.
Je mehr die Sagen sich um Dietrich zusammenballen, um so deutliclier
wird das Streben, seine Helden 7u einer Zwölfzahl zu vereinigen. Hiess ur-
S|>rünglich Dietricli selbst der Amdung [u Pe'odrfc was Amulin^ bei Aelfrcd:
ZE Nr. 5, j; Amuiung Theoderic in den Qucdl. Ann.*; der junge Ameiunc
noch Dfl. 5655), so wird ÄmtUtnue oder Bemttn nun der Gesamtname für
seine Recken. Die 2!wölfzaliL kennt die ^ittrekssaga, zehn Amelunge kennt
das Nibelungenlied, neun die Klage, wahrend im Biterolf ihre Zahl von zehn
bis dreizehn schwankt und in späteren Gedichten noch grössere Zahlen-
angaben sidi finden. Über die Zwülflcämpfc Dietrichs und seiner Helden
—~ das IQ den Gedichten vom R(»sengartcii, im BiteroU. in den Isungcn-
kampfen der t*s. und in der Virginal benutzte Moüv — ist in § 32 geliandelt
> ZE Nr. 3; Kauffraarin, FntgaiK für Sitrtvrs .S. 156 ff. [Jiriczek, DHS.
I, 373 fl.]. — * Mullctihoff, ZHA. II, iSj. 23, 170. /leavu// S. 90; Verf.,
PBB. 4, 176 ff. [Jiricztk, n//S. I, 29lf.J. — 3 Müllenho ff, /)i/^ l, LUf.;
HoU, KotengarleM S. CVII f. [JirUzeW, DHS. I, Slöff.]. — » Mfillcnborf,
XfdA. i3,i55ff.(=-?£Nr. 3); Uhtand, Sehr. VIII, 541 ff. \yix\cte)t, DHS. I,
392 — 308). — * Sccraüllcr, Die H'i/ferur Grünättn^^ssage ia der Zeitschrift dt-s
Kerdiiuindcunis für Tirol und Vorarlberg 1895. S. I ff, {vg\. AfdiV 21, 332 t);
[Jiru-Jtck. DHS. I, 300. J2of.]. — ^ Hds, S. 139. 215. XL' Nr. 23, i. 28, 5.
DH/i I, Lf.; Schönbaeb, Übfr ttü Sagt rcn Hit. i»nd Dfetl. S. 28 ff.
[Jiricjck, liHS. I, 321—326. 33t}.
1} 48. Die Annahme eines mylhischea Dietrich ist durchaus abzu-
lehnen; seinem Ursprünge nach ist Dietrich von Bern rein historisch, und
alle die Kflmpfc tnit Riesen, Zwergen und Ungeheuern, welche die
deutsche Sage in hunter Verschiedenheit auf ihren Liebling häuft, sind erst
sekunder an ihn geknüpft oder auf ihn Übertragen worden. Dietriclis unge-
meine Beliebtheit in den Kreisen der Bauern, namentlich in den etlichen
Gegenden Obcrdcutächland:». aber auch In den sachsJächeti Landen, schon
durch die Qiiedlinhnrgcr Annalcti bezeugt (§ y) und durrh vielfache Zeug-
nisse bis ins 1(5. Jh. nachweisbar {ffds. Nr. 117. 122b. izq, 4. 130. 133, 2.
133 b. 133c. 136. 147. ZJFNr. 30. 76. Uhland, 5VÄr. Vni, 340 Anm. r), erklärt es,
dass seine Figur ein Sammelpunkt für frei umherschwebende Züge der niederen
Mythulugic werden, ja dass sie geradezu in ältere mythische Sagen eintreten
konnte, die ursprilngli<-h van einem gottlichrn oder heroischen Wesen erzShlt
wurden. Der besunders von Uhland. mit grösserer Beschränkung aber audi
vim Andern vertretenen Meinung, das.s in Dietrichs RicscnkSrnpfen alte
Mythen von Donar fortleben, kann also die Berechtigung nicht von vorn-
herein abgesprochen werden. Zwar darf dabei nicht übersehen werden, dasi«,
wenn auch die Existenz und die Verehrung eines südgermanischen Donner-'
gotles durch sichere Zeugnisse feststehen und in der Natur der Sache be-
gründet sind, doch von einer reichen Entwicklung eines Donarkults, wie der
Thorrikultus bei NorW'^em und I.slJlnilcni, in Deutschland nicht viel zu \et'
.spüren ist. Andererseits freilich kann nicht geleugnet werden, dass die Aus-
bildung von Gewittemiythen. an den Herni des Gewitter* geknüpft, in der
epischen Form von Riesen kilmpfen, in den Alpen auf ganz derselben natOr-]
liehen Voraussetzung fussen würde u-ie im skandinavischen Hochgebizge.
Undenkbar ist es also nicht, dass die ältesten Dämonen kämpfe, wdche sich
* Allcnlinü» kann Aclfrcilä Notiz in seiner BoethiusQbeneUun;; aus histpriscfaer Quell«
stammen (Bin/., PBB. 30, llj); gewlM l» dl<s oiunnebmca ßlr die Qocdl.
(Schtäder, ZfdA. 4I, 36).
an Dietrich von Ben» iuitehnten und die allem Anschein nach aus Gewitter»
mytbcn hervorgegangen sind, Ausläufer früherer Donarmythen sind. Dass
aber in diesem Falle die Sage, auch des Friedensfürsten Theodorich einge-
denk, ahe Überlieferungen von dem durch seine Riesenkampfe den friedlichen
Anbau achützeaden Baucragotte zu neuem Glänze erhüben hatte {Uhland,
Sehr. Vin, 380 ff.), ist kaum glaublich: Hass Theodorich durch Urbannachung
versumpfter Landstrcckeu den Feldbau gefordert tial, kam für die Sage so
wenig in Hetrarht als. abgeselten von dem allgemeineji Faktum, steine dreissig-
jahrigc Friede nshcrrsthaft überhaupt. Vun einem •mythischen Dietriche kann
also jedesfalls nur in dem Siime die Rede sein, dass auf den Rcmcr mythi-
sche Sagen Übertragen worden sind, in denen er die Rolle einer ursprüng-
lich mythischen Persr»n übernahm, nicht aber in dem Sinne \V. Grimms, als
aei mit dem historischen The»-'durich ein älterer mythischer Henw. etwa eine
Hypustase Donars, zusammengeflossen.
An dieser Stelle kommen nur die ursprünglich selbständigen I^kalsagen,
die sich an Dietrich angelehnt tiaben, in Betracht, wobei allerdings nicht
immer festzustellen ist, ob diese Verbindung von Stoffen der niederen My-
lhoUi>jiL' mit der Gestalt des beliebten Sagenlieldeii sich in der mündlichen
Valksiradition oder in der Dichtung der Spielleute vollzogen hat. Andere
»mythische« Dictrichsabenteuer sind wilde Schüssünge der entartenden Volks-
sagc oder reine Erfindungen spater Pueten: so der Hauptinhalt derVirginal,
deren Riesen- und Ürachenkämpfe zwar teilweise auf älterer Grundlage be-
ruhen, aber durch weitgehende Umbildung unil wülkürliche ^udichtung
kaum noch in den Bereich der Heldensage fallen, femer Dietrichs Kfimpfe
mit dem Wunderer (§ 20 Anm. i,)) und mit dem riesischeu Paare Grim und
Hilde (I^s. c. 16 f.). wohl auch der mit dem Riesen Sigenot. Endlich werden
einzelne märchenhafte Züge aus der Wolfdietrichssage herstammen, ein Vor-
gang, der ja in dem Berichte der I*s. c. 417 ff. {§ 30) klar vorliegt und auch
sonst leicht begreiflich ist (s. auch Heiazel, Os/golh. Helens. S. 75 f.). Einer
kurzen Erörterung beilürfen die ÜbeHicferungen von Dietrichs Gefangenschaft
bei Riesen, die Eckensagc und die an Dietrich geknüpften Zwcrgcnsi^eu.
Das Motiv von Dietrichs Gefangenschaft l>ei Ritisen* scheint der
älteste der mit seiner Heldenfigur verbundenen märchenhaften Züge. Es er-
scheint aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in dem zweiten ags. Waldere-
Fragmcnte (§ 13)*, wird bestätigt durch eine Anspielung im Alphart (Str.
252 f.) und hat breite Ausführung gefunden in der Virginal (Str. 315^791),
freilich verquickt mit allerlei ungehörigem halbhOfütchcn Kram. Dietrich ist
danach einmal in die Gefangenschaft oder in die Gewalt von Dämonen
(Riesen) geraten und durch einen seiner Helden ( Witcge : Wald, und Alph.)
oder durch seine Helden Oberhaupt (Vii^., unter ihnen auch Witege) befreit.
Ob auch die Faijcl des Sigenüt und die Gefangenschaft bei dem Zwergkünigc
I-aurin auf denselben alten Sagentypus zurückgehen — in beiden Versionen
ist Hildebrand der eigentliche Befreier — , bleibt zweifelhaft. Eine in der
ganzen Anlage und in verscJiiedenen Rinzelzügen zur Virginal stimntende Er-
zahltmg bietet, «ie Heinzel erkannt hat, der Schluss der nurdisdieu Hröi/s
* FrcUkfa ist dw SuUe dunkel und mehrdeutig. Es wird auf «in Ereignis angespteh,
wobei Widia. WiLonds Sohn, den Throdric 'aiia Klemmen befreite« {of nfarwum . . . tU
/arUt): 'ühet /i/e/it grftaid eülc er davont. ^ma fi/tf)}a gr/eald >0«:ülde (dtr Unge-
heuer, Rieacn)< bedeuten kCJnot?, i«t zweifelhaft, und bei der AuttaMung von nfaru als
(tiefti^nisi (vgl. Etenc 711) bleibt <ter PUinl miffallentl. Aber allerdin^ «pdchi dcr
-Ztoammenhang »lark für Hein/cI» Deutung {Üsigoik. HeUens. S. 72 f.); s. auch Cosljo,
Venl. cn Med. der Kc-n. Akad. van Wci. Afd. Lctt. III, la. 70 f.
698
XIV. Heldeksagb. Die eihzelksn Sagexkreise.
Saga Gautrekssnnar (FAS. TU, 165 ff.; Detter, Zit-^i FornaldarzHgur 58, 25 ff.)^
in weklieni die Sage auf einen scliwedisch-gautischen König Hrölfr öbcr-j
tragen ist. Anspielungen in den Hyndlulj<»[» 22, wo neben anderen Held<
derselbe t'i'irir Jämskjtjidr, der in der Saga eine so bedeutende Rolle spielt,
als Gefolgsmann Hri'>lfs des Alten genannt wird, foliren weiter zurück. >RfÄte
oslgotisrhcr Sage« freilich wird man nicht mit Heinzel in dieser Überlieferung
erblicken dürfen, denn wt-dcr werden in den Hyiidl. die Mannen Hn'ilfs als
»AbkAmmlinge <les ostgotischen Rrmanarich^ angedeutet", noch d«rfen wir
die Ansiltze zur Mylbisierung Dietrichs — auch der Gegner Hrölfs in der
Saga ist n<ich zauberlcundig — bereits bei den Goten suchen. Die Braiit-
faJirt der HriMfssaga ist eine in die menschliche SphJlre versetzte Uindicbtung
eines in Deutschland mit Dietrich verbundenen ÄlSrchenstoffes, der, worauf
auch die Anspielung im ag»;. Waldere und die vermutliche Heimat der Vir-
ginal föliren, sich in alenmnuischer Sagenpflege an die Dietrichssage angelehnt
haben wird. Der Norden hat aber den Stoff, spHtesiens im 10. Jahrb., be-
reits aU Dietrichsabenteuer empfangen, da die Virginalepis(K!e und die be-
treffende Partie der Saga auf eine gemeinsame Sagenfnrm zurückgehen massen,
die bereits dem Verfasser des Hyndluliedes vorlag, und nordisch umgebildete
Helden des Dictrichsagrnkreiscs (Hildebrand und Wolfhart?) noch erkennbar
durchschimmern.
In der Eckensage*, welche in zwei Berichten, die mittelbar auf ge-
meinsame Quelle zurückgehen, dem nur m verscliiedenen .jüngeren Umarbei-
tungen erhaltenen oberdeutschen Eckenliede (§ 20) und einer Erzalilung der
f s. c. 1)6 ff. vorilegt, ist eine mythische Cberiieferung von Kämpfen mit
Stunndamonen auf Dicm'i h übertragen. Das-s Dietrichs Gegner in dieser Sage
Gestalten der niederen ^lytliolngie ^ind, ist unbestreitbar: Eck( (*A^a) »der
Scbrecker*, sein Bruder Väsoll mit den langen, in Zupfen gebundenen Haaren,
der in einem Wettersegen {,1A-M.' IH, 4*54) angerufen wird das Welter ■weg-
zuführen«, und seim: sonstige Sippe, sowie die ilrei KOnigiimen auf Joch-
grimm, welche Ecke entsenden und denen in der heutigen tirolischen Volks-
»age drei uralte Hexen entsprechen. geh"»ren in den Kreis der Wind- und
Wetterdilmonen. Die Sage ist in der I*s. in Kied erdeutsch land und am Rhein,
im Uede, abgesehen von der ersten unechten Strophe, in Südrirol lokalisiert:
dass ihre ursprüngliche Heimat die TircJer AJpenwelt gewesen ist, kann einem
Zweifel nicht unterliegen ; ja noch in der Fassung der Ps. tritt in einzelne«
Zogen die süddeutsche Tnivenienz hervor, so wenn Dietrich c. 99 sein R<»ss
an einen Ölbaum bindet. Es hat sich also die Sage erst spAter in der Ge-
gend von ( >sning und Drachenfels angesiedelt, wo dann auch Züge der fränki-
schen Wolfdietrichssage in sie Obergingen. Wann Dietrich in diese AIjÄn-
»age eingetreten Ist, ta.sst sich nicht ermitteln; SchlO-sse aus dem ags. Komen-
material (P6B. zo, 216) sind gewagt, und direkte Zeugnisse fehlen vor dem
13. Jahrb.
Eine Zwergensage* findet sich an Dietrich geknüpft im L;iurin und
im Goldemar. Letzteres Bruchstück, das durch den Anhang zum HB. und
eine Anspielung im Reinfried von Braunschweig ergünzt wird {DHB 5, XXIXf.),
scheint eine sehr ahnliche, wenn nicht dieselbe Sage benutzt 2u haben,
wir RJe in weit hütischerer Gestaltimg aus dem Laurin keimen. Ein ZwergJ
könig (LatiHn, Goldtmärj hat eine schöne Jungfrau {Künhill. Dietleibs Schwester
* Die Worte allir bcrmr /\frmumrtkii u. t. w., die in drr Hs. auf Str. as^--* MgmJ^^
(«hören jin ein« uidn-c Sirll« de* tiedichu und h^xlehrn »ich gar nJchi auf die hrr^'
Hritf% cm gumla (r. Buggc. Aik. I, 251 ff. und meine Ausg. S, 1S5 f.).
DiSTRICHSSAGE: LOKALSAGXN AK D. AKGXLEBMT. D.*S EnDB. 699
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in) l^ur.) gpraubt, die Dietridi mit seinen Helden ihm weder abnimmt. Dt«e
Sage, offenbar eine erst sekundär an Dielrirh ond seine Helden angelelinlc
tiroÜRche Volkssaije. ist im Golderaar selbständig geblieben, im Laurin da-
gegen mit dem Rosengartenmotiv verbunden, indem Dietrich {oder Wi(ege)
den wunderbaren Rosengarten des Eibenkönigs, den die heutige Volksüber-
Ijefcnmg in die Gegend von Meran oder von Bozen verlegt, anfsncht und
zerstört. Eine Abhängigkeit der Laurinfabel von der Goldeiiiarfabel darf
aber daraus nicht gefolgert werden; vielmehr inarhen die Versrhiedenheiten
beider Quellen im einzelnen bei der allgemeinen Ähnlichkeit des epischen
Stoffes es wahrscheinlich, dass Dietrich auch in diesem Falle sclion in der
mündlichen Traditii^n in die Sphäre der niederen Mythologie übergetreten
und der Trilger eines Zwergen- oder Elbenmarrhens geworden ist. In einer
salzburgischen Urkunde um die Mitte des 11. Jalirhs. erscheint der Name
Luaran [ZE Nr. 17); ob ilicser aber als Zeugnis für die Sage von Laurin,
dessen Name Schwierigkeiten bietet, gehen darf, ist zweifelhaft.
[Zu dirscm § ist jirt/i vrir nilmi der AWhiiitl tDietricht KtiDpfe mit nijthi-
«cbon 'W'wwfi' in JiricJsolts D/iS. I, 182 — 271 ni vergieichen.) — ' Heinzel.
Oitgotk. f/elderu. S. 70 ff.; DeLt«>r, /v^' FsmaldarsSgur S. XXXIX f.
[Jiriczek, DHS. I, 310— aaa], — » H<U. S. 245 fF. ZE Nr. 26, 2. 30, 3;
Zinijerle, Oerm. l, I30ff. ZiUPh. 6, 301 ff. Tirol. Sogen Nr. 347; Uhlind,
ÄAr. VIII, 539 ff. 548ff.i Zupitza, Df/li 5, XLIII (F.; Vogl. ZfdPIi. »5,
I ff. [Jiricick, Df/S. I, 1B5— 210]. — > Müllcnhoff. /?//// i. Xl.IIIff.;
Zupil/a, DH/I 5, XXIX f.; Ho!/. I^urm S. XXXV f. XXXXl ff. [Jiri-
ci!*k, DHS. I, 349— 2531-
§ 4Q, Die Sage Ulsst Dietrich am Ende seiner Laufbahn geheimnisvoll
verschwinden. In verschiedenen Variatiunen wird berichtet, dass der Held
auf einem schwarzen Rosse so schell entführt worden sei, dass keiner ihm
habe folgen können (//./r. S. ^2f\. 54. 520. 338. 475 f. ZE Nr. 2\, 7. 30, ib.
52, 2. 78). Vermutlich ist diese Überlieferung, die in sehr ähnlicher Form
im deutschen Texte der Gesta Knmanonim von einem rOmischcn KOnig
Antioclius oder Symmachus crzUhll wird, in Italien auf Dietrich übertragen,
hat aber in Deubtdiland schnelle und willige Aufnahme gefunden: nicht nur,
weil von Dietrichs Ende in der allen Sage nirliis verlautete, s^indem auch
in dem Bestreben, um den Hingang des herrlichsten Helden den Schleier
des Geheimnisses 7x\ weben. Dictrii-h stirbt nicht; er wird entrückt, um zur
geeigneten Stunde wieder aufzuleben: nach dem Anhang zum HB. führt ein
Zwerg ihn hinweg, d. h. in den Berg, und die Volkssage reiht ihn als wilden
Jäger in das grosse Heer ein oder lasst ihn als unheilverkftndenden Warner
in schwerer Zeit erscheinen. Der zu Anfang des ij. Jahrhs. in Deutschland
verbreiteten Sage hat sich schon frflh die Kirche bemSchugt, deren Hass
sich TiiccHlorich durch seinen Arianisnms, sowie durch sein Auftreten gegen
Boethius und Svmmaclms angezogen liatte; sie gestaltete sie in der Weise
um, dass sie den Ketzer gleich bei seinem Tode in den Vulkan «Kler zur
Hölle fahren Iflsst. So erzählt Otto von Freising [ffds. Nr. 24), und er deutet,
indem er hinzufügt: ftiiic puio fahulam iUam traduflam . i/iin rufgo tiifilur:
Thfodorieui virus eijua stiUns aii in/ervs deseettdit, die von seiner Quelle, einem
Dialogus Gregors des Crn.fscn, abweichende Volkssage an. Im Wartburg-
kriege Str. 168 — 173 (Simmrk) erscheint dann die römisch-katholische Le-
gende mit der V<:.lkssage von der Entrftckung Dietrichs durch einen Zwerg
kombiniert. Eine weitere Konsequenz war die, das» die entartende Sage dem
Helden teuflische Abstammung zuschrieb: H<pgni schilt ihn einen Sohn des
Teufels in der t*s. c. jgi, der Anliang zum HB. weiss mehr davon (Hds.
S. 331). Diese Überlieferungen von Dietrichs Geburt und Ende smd »o
wenig wiL- der Fcucraltm, der ihm. jcdoeli erst in der roher werdenden Volks-
dichtung, im Kainpfzome aus dem Munde fahrt — in dem fÄrAigdien Högni-
liede ist Tidrikur Tatnarson vollends zum feuerspeienden Drachen gewoitien
— , als Stützpunkte für eine mytlmche Dietriclissage verwendbar.
Schoccgc, Thfod9rich der Grosse m der kirchlichen Tradition des Mittet-
atiers und in der dettlichen Helilensagr: Deutsche Zs. f. Grscliichtswü». 1 1 (1894)
S. 18 ff. [Jirici(clc, DliS. I, 262 — 271].
III. Etzelsa(;e.
S 50. Wie ein mvthisclier Dietrich, so liat auch ein mythischer Attila
in der Heldensage keinen R;ium. So wen^, wie die Identität DietrichB von
Bern mit dem ost'tt 'tischen Thckdurivli. bezweifelte das MittelaUer die That-
saclie, d:iss mit dem HunnenkCmige, welcher in der Sage mit den Geschicken
der Nibelungen und Dfetriclis von Bern su eng verknüpft ist, dessen Residenz
die süddeutsche Sage nach Ofen, die norddeutsche nach Soest verlegt kein
anderer gemeint ist als der geschichtliche Attila. Sein Name hat sich in der
über- und der niederdeutschen Sage in lautgesetzlicher Weise entwickelt (mhd.
Etzel au« ahd. E:ziio, altnd. *Alti/o >■ *Atio, wor.ius ags. ^Eila, an. Atlt)*,
Den Iiistortsciien Namen seines Vaters (nach Prl-^cus MovvdtovxtK) hat die
.Sage zw;ir durch einen andern ersetzt (an. HuitU, mhd. liotelunc). In dcni
mhd. Bhedel oder BlatUHn [ßlöititn {*s.) Ist dagegen in volkselymologischtr
Umformung Attilas Bruder Bled.i (ßÄ»)*5«f bei Priscus, IHgfia Jord. usw.; goL
*ßU<iila}, agb. BUHlii im Liber Vitae: Kngl. Stud. 21. 447. liUtla in den
Qucdl. Ann., s. ZfdA. 41, 28 f.) imvcrkcnnhar, und die nunlische Cbcrliefe-
rung, welche diesen Namen niclil kennt, mag d.x*h in decn Zuge, dass von
vier Brüdern Allis ZM-ei im Kampfe, wie es scheint im Bruderkriege, gefallen
sind (.\tlin. ,se, vgl. 47*), eine Erinnerung an den Tod Bledas durch seineu
Bruder und Mitrrgenten (444/445) bewahren. Etzeis erste Gemahlin Hekht
{Herckt; Htrkja in der oiipr. III. Erka fs.: s. ZfdA. 10. i;of.) ist ebenfalls
hiatorisch; es ist der Name vf>n AttiUis eigentlicher GemaliUn. die Priscus
KQfxa nennt. Attilas Tod in der Brautnadii an der Seite der jtmgcn Udico
bat die älteste Gestalt der Nilwilnngeusage (§ 29), seine Verbindung mit den
Ostgoten und insbesondere mit Theodemer. den die Sage mit seinem grosseren
Sohne verwccliselte {g 44), die Sage Dietrichs von Bcni ediallen, und unsere
süddeutschen Quellen kennen Ktzel überhaupt nur in ßezieliuiig mit anderen
Sagenhelden, den ßuigundcn, Dietrich imd Walther von Aquitanien. Die
Auffassung von Attilas gewaltiger Persiinlichkeit ist, wie bereits in § 31 aus-
geführt wurde, eine wesentlich verschiedene in der nordischen Nibelungen-
dichtvmg und in der deutschen Epik der AI]ieiilandei. Don lebt in dem
Bilde des scbatzcgierigtm, treulosen und grausamen Tyrannen die frankische
Vorstellung der »GottesgeisseU fort, hier die idealisierende seiner ostgotischen
Verbündeten: an die Stelle des blutdürstigen Barbaren ist in der nbeideut-
schen Dichtung der milde und edelmütige Friederxsfürst getreten, der nur ge-
zwungen oder zur Wahrung der bedrohten Rec-htc seiner Scliützlingc zu den
Waffen greift (s. Vugt. Zfcll'h. ^5, 414 f.; Kdcgel, Gesrh. d. </. LiU. I, 2, ibjf.).
Eine Mischung der Lradltionellen frankisch- nordischen und der gotiscb'obet-
deutschen Auffassung finden wir in der I'idrekssaga.
• Ag». ALila (nicht *£.lla = mhd. £twl) weist mit ilcm alui, Ailt nuf eine Altstcdct-
fIent*chF fi|-nkopicrtc Form *Alh ztirück, die noch Knj;Un>t und Skandia«%icn wanden«;
9. Kluge, Entil. Sind. 21, 447. Die Komi Attila in «Itr l's. vcrrii Anlchouii£ txi Jet
hiiitariacben XamcQ,
I
Eine reicher ausgebildete Etzetsage ist nur durch die I*s. fflr Nicder-
deutschland bezeugt, und in ihr hx vieles nachweislich jüngere, speziell
niederdeutsche Sagenbitdung. Als alte Faktoren einer selbständiger Sage
von Attil.1 darf die Sagenfnrschung nur in Anspruch nehmen die Vorstellung
von seinem glanzenden Hufe, der ZunuchtsstAtte vertriebener Recken, seine
Vermählung mit Hek'lie, Oscrichs T<K:hlcr, und sein enges Verhältnis zu
Rodjger. Die I*s. c. 42 — 56 kennt eine ausführliche Sage v«iii der Entführung
Erkas, der Tochter des Königs Osantrix van Vilcinaland, für Attila durch
dessen vornehmsten Dienstmann, den sie bald als einen Herzog RoSolfr, bald
iJs den Markgrafen Ro^n^eir von Bokaiar (Bt(htlänn) bezeichnet Man er-
kennt unschwer, dass diese nach einer frischen und munteren niederdeutschen
Spiel mal lasdichtuug erzählte Brautwerbuagssage imr eine Umbildung anderer,
zunächst wohl der Osantrix- Rothersage, Ist. Eine Spur dieser Entfiihrung
Helches in uberdeutschcr Dichtung bietet die Anspielung im Bit. 370 f. (vgl.
1962). Aus den sparsamen Zeugnissen anderer Quellen crgiebt sicli mit
Bestimmtheit wenigstens so viel, dass OserUh (Osantri.x) im Epos der alte
Vertreter der Wilzcn und Wenden war, von denen auch in Oberdeutschland
gesungen wurde (ZfdA. u, 340 ff,), dass seine Tochter ursprünglich öipirin
(Waltliar. 123. 3gO} hiess, die einmal in der Sage neben Helche als Attilas
Gemahlin galt, dann aber vor dieser [Ösericha ki»l Bit 1962) verschwand,
dass endlich KiUligcr zu Attila und dessen erster Gemahlin bereits verhältnis-
mässig früh in Verbinctuivg gesetzt worden ist Was aber liJsst sich in Be-
treff Rüdigers ursprflngliclier Gellung und Bedeutung vermuten?
Rüfdeger^, des.scn N'iune (ahd. Ifnwiii^rr) nur den ruhmvollen Krieger an-
deutet, erscheint im Kpos als Etzels mächtigster Vasall, sein Feldherr und
VcTlrauter, das Ideal der Heldcnlugcnd einer milderen Zeit: freigebig, auf-
opfernd, pflichtgetreu, vaUr aller tu^cmie. Als Hüter und Schutzpatron der
Österreichischen Lande unter der Enns, der alten deutschen Grenzmark gegen
die Ungarn, früh anerkannt, zu Becheluren an der EHaf als Markgraf lokali-
siert, trat er zu Etzel von selber in Beziehung. Von .-ieiner Herkunft weiss
das mild. Epos nichts, mid es ist ohne alle Bedeutung, wenn es seine Heimat
bald nach Arabien, bald nach Mailand verlegt; da«» er als heimatflQchtig
(eUrniie} gilt, versteht sich für einen Lehnsmann Etzels s«.« von selbst, das*
man nicht nach Gründen fflr diese Auffassung zu suchen braucht. Mit Etzel
tritt er in die Dielrichssage. mit Dietrich, dessen er sich nach seiner Flucht
vor Ermanarich aimimmt, tritt er in die Nibelungensage ein (S 31), und die
Dichtimg wird nicht müde, das Bild des edlen Markgrafen mit ihren schönsten
Farben auszuschmücken. Indem sie ursprünglich anderen beigelegte Funktionen
auf ihn Obertriigt wird er der Warner der Nibelungen (§ 32) und der Hüter
der HekhensGhnc; zweimal ist er Etzels Frelwcrber, und sein tragischer Tod
durch das eigene Schwert hat der österreichischen Xibelungendichtung den
Ausgangspunkt geboten für das ergreifendste und menschlich rührendste Seelen-
gemälde, das die gesamte Poesie des Mittelalters kennt Lieder, in denen
Ro^erim <omts mit Dietrich gefeiert wurde, erwühnt um liöo Metellus von
Tegcmsec (Iltis. Nr. 31), imd, wenn AvcntJn zu Anfang des 16. Jahrhs. die
Notiz wiederholt, fügt die deutsche Übersetzung hinzu: Mar^räff HuJtnger
.... otä dem man noch viel sin^t vnti saget {fftis. Nr. 13^^ I**). Zwar ist
Rüdiger spater in die Geschichte aufgenommen und als erster historischer
Markgraf der Otlonenzeil und unmittelbarer Vorgänger des ersten Baben-
bergers in den Anfang des 10. Jahrhs. gerückt worden [ZE Nr. 42), allein
diese Erfindung des ausgehenden 15. Jalirhs. kann seine lustorische Grund-
lage nicht wahrscheinlich machen. Mythischen Ursprung fand Laclunann
7oa
XIV. Heldensage. Die einzelnen Saoenkrei&e.
(Anm. S. 338) glaublich, und Mollenhtiff und v. Muth haben diesen Ge-
daukcEi verfolgt. MüUcnhuffä Deutung des >KCiedegcrinytiiuä'' als nigiscbc
Umbildung des aJKtn Harliinpeninythu!* ist feinsinnig, aber doch mehr eine
kühne Rtrki'nstruküun als eine der ihaii^tcUJichen Überlieferunß sieb an-
schmiedende Hv'i)i>Uic?ie: ganz haltlos .sind die luythdlogtscheu Kombinationen
V. MuOis. Allem Anscheine nach ist Rüdiger weder historisch noch nuthiscli,
öuudem eine reiu poetische Gestalt, ein Typus der Dichtung. Dasa aber
die Figiir des erflen Markgrafen erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhs-
in die Nibclungendichtung eingefügt worden wSre nauh dem Musler deutscher
Kri^er, die sich als I^bnsleute östlicher Naclibam genütigi salien gc.'gen ihre
Volksgenossen 2u kümpfen, uie neuerding« H. LSuimerhirt wahrscheinlich zu
machen .sucht, der sogar den Bischof Pilgrim von Passau (s. § 15) für die
liinschaltung dieser Episode verantwtirllicb maclicn nuXlile, ist nicht annehm-
bar. Der Pflichtenkonflikl Rüdigers ist nicht die Grundlage, sundein die
Spitze der an ihn gcknupfien Uii-titung, sein Eintreten in die Nibelungensage
kann von der cntwheidenden Rolle Dietrichs von Bein nicht gelrennt werden
<§ SOi ui^'^ "'^" 1'^* keineswegs das Recht, die Verknüpfung Rüdigers mit
Etzcl und durch diesen mit Dietrich ausserhalb der Xibelungendichtung
kurzer Hand :üs späte Erfindung abzutrennen. Das Rüdtgerprubicm ist aocli
nicht gelöst.
Als junge ZuwCldise des Sagenkreises von Altila und Dielrich sind die
Kriegszüge gegen slavische Vfilkct* zu betrachten, die besondere aus-
fülirlicb die Ps. c. 2gi — 31,'i erzählt, von denen aber auch süddeutsche
Quellen und Zeugnisse, darunter das § 20 erwähnte mhd. ßrudistück von
Dietrichs Zweikampf mit dem Polcnkönige WenezSän, zu berichten «isseu
(vgl. Bit 6538 ff. Klage 1728 ff., sowie die Anspielungen in Rudolfs von Ems
Alexander und beim Manier //äs. Nr. 57. üo). Merkwürdigerweise hat sich
aber in dem wichtigsten dieser Kampfe, dem gegen Waldemar von Russkind und
dessen Sohn Dietrich (I^s. c. 2<-)i (f.), eine alle historische Erinnerung edialteu
au die Streitigkeiten Theodorichs mit seinem Namensvetter Theodorich (Strabo),
<!cm Sohne des Triarius, einem gotischen Häuptling, dessen sich der byzanti-
ni-sclie Hof bis zu seinem Tode (481) jnit Erfolg gegen die Amaler bediente.
Ohne Frage ist er das Prototyp des l^ictrekr Valdemarsson, der in der J*s. in
einem Kriege Attilas gegen Waldcmar vo]i Russland von Dietiich gefaii}^-u
genommen, aber auf Erkas Verwendung aus seiner Haft befreit wird und ent-
flieht fc. 300 f.); in der oberdeutschen Cberliefcrung ist der Triarier nur noch
dem Namen nach bekannt als Dittrich iton Kriechen {//ds. S. 219), der Gegner
Theodörichs ist hier zum Kampfer Etzels geworden. Schimmert in diesem
Zuge noch ein trüber Nachklang gotischer Sage durch, so müssen dagegen
mit G. Storni' in den Kämpfen Attilas und Dietrichs mit Wilzen und Küssen
in der niederdeutschen Sage sagenhafte Umgestaltungeu der Züge der deul-
ächen KHi:ter ans dem sächsischen Hause, besonders der Ottoneu mid Hein-
rich in., gegen slavische Völker gesehen werden, die im 11. und 12. Jahih.
in Nieder deutscliland sich mit den Sagen von Attila und Dietrich mischten
und durch die Spielleuie auch nach Oberdeulscliland gelangten, vermutlich
etwa gleichzeitig mit der Ortnitsage (>^ 37).
1 Mülk-nbolf, 7M.K. 10, 162 T. 30, 237 f. 249 f.; voo Muth, Dfr Afrlhtu
vom Markgrafft* Rüdrgfr (Wiener SB. I-XXXV, 165 ff.): LStnmerhirl, 'ZliL\.
4r, I ff. — « Müllenholf, ZidA. I2, 379; W. Muller, Mylh. dtr deMtuhm
Heldem. S. 154 ff. — " G. Siorm, <\arb. f. nord. Oldk. 1877, S. 34! ff, [Jiri-
C2ck, OHS. I, 131 f. 172-183].
ET2ELSAGE. RÜCKBLICK. — WaLTUARISACE.
703
u
*
IV. Rückblick.
|; 3T, Wenn u-ir noch einmal einen Rßclcbliclc auf das Zusammcn-
■wactiseii der dnzelnen Sagenkreise werfen, so finden wir in Attila gewisser-
niassen <,ias Ulndeglied zwischen Nibelungensagc und Dietritlissagc. Nach-
dem ejijc nahe Verbindung R\idigcrs mit Etzel und llclihc in der Sage be-
reits hergestellt war (S 50), trat Dietriili von Bcni zuiu HuuncukOnige in
Beziehung (§ 44), welcher, als Vertreter alles hunuischen Wesens, in der
Ikislurischcn ßurgundcusage ISn^t der Vcniichtcr der burgundischcn Künige
geworden war (S 21»). Dieiriili und Rüdiger, an Eizels Hofe lebend, sind
dann in Österreich /u>amuicii in die Sage von den Nibelungen eiiigclreten;
offenbar damals, als durch die grosse Umgestaltung dieser Sage alle Schuld
an dein Untergange der buigundischen Helden wn Etzel abgewälzt und der
Kriemhüd zugeschrieben wnarde (§ 51). In Dietriths Hand wird mm die
Entscheidung gelegt; er, der berühmteste und stärkste Held der süddeutschen
Sage, übcriiefert die burgundischen Brildcr ihrem in der Sagt v<'n allem An-
fang an fest V)esiimmten Srhicksal und übt dann auch an Kricmbild das
Werk der strafenden Gerechtigkeit. Die oberdeutsche Sagimfassuug gelangte
weiterhin auch nach NiederdeuLschland: dass Günther nach Ps. c. 383 schon
in der ersten Phase des Kam|ifes füllt, ist ein Rest einer altniederdeutschen
Schicht der Sage (§ 32); spatere Ver^\'imjng aber iKler bewusste Änderung
des Nibclungendiciuers ist es. wenn im Nibelungenliede Hildebrand an Die t-
ridis Stelle KricnihüUl in Stücke haut. In wahrhaft grossartiger Weise hat
die Sage Dietrichs Ringreifen in den Nibelungen kämpf nicht durch seine Va-
sallentreue gegen Etzel motiviert, was der Vorstellung von seiner überlegenen
HcldcugrCissc nicht cntäprochen h^tle, !)t>ndem durch Tiauei und Grimm
über den Fall seinc.^ naclustcn Freundes Rlhligcr und über d:is Unglück st-incr
eigenen Mannen. Ist nun diese Molivierung, wie sie unstreitig die schönste
ist, auch die ursprüngliche, so müssen Rüdiger imd Dietrich ihre Platze in
der Nibdungciidiihtung gleichzeitig eingenommen haben.
Henning, AfdA. 4, 6a f. ijF. 31, 7 fl'. Wesentlich abweichend sind tlie An-
«ichten *-on Wilnianiu, ßirifr. ziir ürkl. und Cfsch. ifts AL. (1877) S. 60 ff. (>.
dam Licbtcnberger, S. 307 ffj. AfdA. iS, 99 ff.
E. WALTHARlSAOr..
§ 52. Den ustgotischen Sagen von Ermaiiarich und \un Dietrich von
Bern reiht »ich füglich die Sage von Walthcr von Aquttauien an, deren
Held, wenn die Angaben über seine Heimat in Ekkehards Gedicht und in
eiucnt Teil der mhd. Quellen Glauben verdituien, der Vertreter der West-
goten in der germanischen Heldensage ist. Die Waltharisage liegt uns
vor in drei wesentlich abweichenden Gestalten. In der ersten, der aleman-
n isch en , die durch Ekkehards Wuliharius (i) : 5), die Anspielungen im
Nibelungenliede und im Biterolf (//t/s. S. 95 ff.), sowie im Allgemeinen auch
durch die ags. Waldere-Fragmente (§ 13) vertreten wird, kämpft Walther,
von den Hunnui heimkehrend, um seine Braut Hildegund, mit welüier er
an Attilas Hof als Geisel weilte, und die entführten Schaue zu beliaupten,
gegen Günther und zwölf seiner Helden, miter diesen Hagen, auf dem
Wa^ensteine, einer Höhe der Vogesen unweit der Grenze zwischen der
Rheinpfalz und Elsass-Lotliringen. Die zweite Fassung der Sage, für m-elche
Mülleiüiüff frünkischen Ursprung behauptet hat, ist hauptsächlich erhalten
durch die auf eme niederdeutsche Quelle weisende ErzJÜilung der ^itfrekssaga c
704
XIV. Heldensage. Die eixzelnes Sagenkreise.
241 — 244: Vaitari aj VaskasUini hat hier den Kamjjf um Braut und .Scliatx
nicht mit den Burgunden, sondern mit den verfolgenden Hunnen zu bt--
stehen, unter denen sich aber auch Hpgni befindet. Auch die nilid. Bruch-
stücke von Walther und Hildcgunde (§ 20) scheinen sich, soweit die dürfiigeii
Reste einen sicheren Schhiss zulassen, dieser Fassung anzuschliessen, imd die
Anspielung in dem österreichischen Gedichte von dem Abelen Weibe 305 ff .
{ZE Nr. 20, 3), derzufolge die Liebenden fmren tiurch diu ricln also behauen'
liehe, wurzelt wohl gleichfalls in der durch sie vorau-^sgesetzten Situation. Eine
dritte Version, die polnische', welche zuerst in der laieinisclicn sogenannten
Chronik des Boguphalus, einer Kompiktion des 14. Jahrhs., dann in polni-
schen Chroniken des 16. Jahrhs. berichtet wird, zeigt die Sage in mcrkwür-
diger slavischcr Umbildung und durch eine späte Fortsetzung erweitert, die,
wenn auch möglich erweise schon in Deutschland mit der allen Walüiersagc
verknüpft, doch von Hause aus nichts mit ihr /u sdiaffcn hatte. Der pol-
nische Held Walrzerz wfiaty {Walterus robustus) entfahrt die frSnkbcbe
Kiinigstochier Helgiutda, deren Liebe er durch nachtlichen Gesang gewonnen,
muss am Rliein mit einem alemannischen Nebenbuhler kämpfen, siegt und
führt seine Braut nach seiner Burg TyneiT. bei Krakaa. Die Quelle für
diese Erzühlung in der grosspolmscben Chronik ist nicht bekannt; sie kann
recht wohl ein I-ied, aber auch mftndliche Tradition gewesen *ein. Auf welchem
W^^ die Sage nach Polen gelangt ist, lässt sich nicht mit Sichcrhdt er-
mitteln. Die von Heinzel [Wn/ifiers. S. 88 f.) gebilligte .Annahme Nehrings,
der die Überführung aus I's. c. 241 erklärt, wo es von Eruianarich, an dessen
Hof Walther und HÜdcgund zurückkehren, heisst: er pä re'ä PiUi (Apulicn),
welches Pill man auf Polen bez<jgcn hatte, ist wenig wahrscheinlich, da
erstens der älteste uns erhaltene polnische Bericht nicht auf eine rein litte-
rarische Entlehnung deutet, zweitens aber die polnische Sagengestalt nahe
Berührungen mit der alemannischen des Ekkehard zeigt. Wenn die Lokali-
sierung der Walthcrsage in der Nllhe von Krakau sich nicht uiunittclbar aus
oberdeutschen Einflüssen erklären la.-4st, so weist die polnische Version auf die
Existenz einer der alemannischen Fassung nahestehenden, von der der I*s. nicht
imbedeutend abweichenden Gestalt der Walthcrsage in Norddeutschland, die
im 13. Jahrh. oder bereits etwas früher auf dem Wege des Handelsverkehrs
ebenso nach Polen getlrungen wäre, wie umgekehrt russische Heldensage
nach Niexierdeutschland gelangte (g ,^7)- In 'Ic p<^>lnischen Sage sind nament-
lich zwei Züge benierkenswerl. Erstens Waltlicre hcimliclier näditlicher Ge-
sang, mit dem er tlic Jungfrau gewinnt Der Zug kann natOrlirh, wie Heinzel
annimmt {Walthtn. S. go), aus der Hildesage 'ider einer ahnlichen KntfOh-
rung[ssagc entlehnt sein; wenn aber andere Gründe dafür sprechen, dass in
der Wallhersage eine historisierende Erneuerung der allen Hildesage zu sehen
ist ($ 53), wi gewinnt der an Horands Gesang in der Kudrun (s. S 5Ö) su
lebhaft eriimemtle Gesang Walthers eine erhöhte Bctientung. Ebenso würde
es sich in diesem Falle mit einer amieron Einzelheit bei Boguphalus veriialtcn.
Wenn beim Zweikampf zmsclien Watczerz und seinem Nebenbuhler der An-
blick der Hclgunda die Kampfer neu kräftigt, so tritt darin das Wesen der
Kampfjungfrau und Tolenerwe«-kerin Hilde noch deutlicher herx-or, als wenn
im ersten ags. Fragment das Müdchen den Geliebten zum Kampfe mit
Gimther errouniert" oder bei Ekkehard (Vs. i i8of.) Hildegund in der Nacht
• Dass Hildegund die sprechende Penon im erst« W»lderc-Fragnicnt i&t, bolrcil«
Hein«:! \\Valihfrsage S. 6) mit Unrerht; s. Cosijn, Ve«l, cn Med. der K«wi. Aküd. v.
Wel. AfiJ. Leu, III, I2. 58 fl"„ der die fehlende erste Halbicile ansprechend erg&iutt: **»J[_
/rf Hiidfg&a tvgl. S. 68).
zwischen beiden Kampftagen wacht und singt, d. h. ur^prOnjicIich wohl dtireb
Zauberlietler die Gef;illencn tu neuein Leben erweckte. Mit beiden ZOgen
weist die |xilnische Sageiiform intt/ aller jüngeren Verwirrung auf eine deulsche
Cestah zurück, die in Ein/elhciiieii Ursprünglicheres bewahrt hatte als die
uns bekannten Quellen.
LUtcratur: J. Grinini, Litt. 6V./. C1B38) S. lOi ff. ZfdA. 5, z fT.; Mlill«ii-
hoff. ZfilA. 10. 163 ff. 13. 27J ff. 30, 235 f.; Sch«rer. Drr Wasgenatem m
der Sage ([»74): KI. Scbr. I, 5^3 ff.; Dk-lcr, Anglia 10, 1:7 ff. Il, 15g ff.;
W. Müller, Mytk. ,i. J. Hf{d<m. S. il ff. '/.ur Myth. rf. gr. u, d. Hfldrm.
S. 124 ff.; Hchiieel. OUr die UtiHitfrfage, Wien 188« (jhw deti Wierxjr SB.
CXVII. II); M. U, I-c»rncd. Ihr Saga cf Walther of AquUaitK, Baiümorc
189: (bc^uriiic ZusAlnmcnMcllung aller Quellen uml Zcugmsüc); Kuegcl,
Gfs<h. d. d. Litl. I, I, 235 ff. 2, 278 ff. Haltlfv» nnrl die niyih'*1opschcn
KambinatiDnen RyJbcrgs. Und^rx^nrngar i grrmaH. mylk-tl, 1 (1886),
742 ff, ^ ' nie in Bt,-(rnc)tl komniruilt'n .Slelk-a mu> der Chnmik des Ifopipbalus,
PapnickU Wii|n«'iilnidi und Bit-l-tkis HolniüchL-r Chninik kiml «m k-icbtnttcii «»-
gjliiglicli in HL-inxflh Schrift Über \\\e Wultdenagv. <lvr üIht ilax V^-rh^lliit« ilcr
QuelleD S. 27 — 39 und \ihcr die poln. Si^en;;estJill S, 88 — 93 prscfaftpfend liandeli.
Von iltcfMT IJlicratui sei erwähnt: Rischk.'\, Ober das ferMltniSi der poin.
Sagt von Halgi^n wdaty zu J^n deuticfurn Sagrn fan iV. v. .Wy., Bmdy 188O;
Knoop, Ifir dtuUi/t^ It'ültfttrsage und die polnütht Sagr x'o» WaitÄer ttnj
Helguntlty Posen 1887, und aUai v. AnLoniewiciC, AfilA. 14, £41 ff. Über den
dem Verf. nicht xuKüni>lichcn Aufutz W, Xebrtngs ii» Warschauer Alnieum
1883 B. das Referat von Jagid. Arch. f. sUv. Phil. 8, 353 f. und Heinxcl
S. 88 f. — Die Ltltcratur über dos ffir den tvrcitcn Teil der poln. Saf^ verwandte
ErjtablimEsmiJUv von der luipv-ircucn Frau verzeichnen Vogl, Salman und Moralf
S. LXVI f. PBB. 8. 313 ff.; V. Antonicwk/. a. a. O. S. 24,4 ff.untl Heinj^cl S. 91.
§ 55. Weder über den Ursprung, noch über die HL-imat der Walüie^-
sage Ulsat sich zu sichtTcn Ergebnissen gt-tHUgen. Der von MOllcnhoff
aufgestellten, von Anderen und zuletzt wieder von Kocgel geteilten Auffas-
sung gegenüber, dass die Walthersage wesentlich tnythisch und zwar eine
UmCurmtmg der alten Sagt; von Hilde sei, hat Heinz cl in der zu § 52 an-
geführten srliarfsinnigen und lehrreichen .\blianillung die Sage als eine lustrt-
rische /u cTwciscn gesucht, die nur wetiig von einer lihalichen niytliischeu
becinfliL-ist worilcn sei. Nun hat Heinzel un.'^treitig gezeigt, (Ias.s die .Motive,
welche den epischen Rahmen der Walthersajje bilden, die Vergeiselung voniehnier
Jünglinge in'i .\tüla. ihre FIuclU, die Befreiung gefangener Frauen aiui der Ge-
fangerLschaft des Imnnischen Königs, ilie Streitigkeiti-n Ober Tribut und die
Entwendung vcm Schützen, in histijrisLhcn Bericliten. namentlich b<n IViscus,
ihre Seltcnstücke finden (a. a. ('). S. (>5ff.), und da.ss die ganze FJnkleidung
der Sage in die Volke rwanderungszeil weist. Allein, um eine Sage als in
ihrem Kenu- hi.st<^risch zu erweisen, ist inclir erforderlich: bestiiumte ge-
schichtliche Ereignisse und vor allem bestimmte geschichtliche Persönlich-
keiten niüüsen sich ungcsucht darbieten, wie in tler Burgundensage, der /rSn-
ki.srhen Dictriirhssjige, den .Sagen von Emianaricli und Theoditrich. In Walther
eine historische Persönlii.likeit nachzuweisen, Ist bisher nicht gelungen ; in
seinem Gesellen und späteren Gegner Hagen sieht Heinzel allerdings .\elius*,
allein wer au dem mythischen Ursprünge Hagens in der Nibelungensage
festhält (S 2ft), wird es auch in der SValthersagc.
Andererseits nniss zugegebe]i werden, <ta.ss Züge, die unverkennbar auf
t:ine mythische Grundlage weisen, in der Walthersagc nicht hervortreten; in
* Vgl. Heinzel. NiteluHgrtn. S, 4 f. Utrvatartnga S. 80 f. Wnhhtn. S. 63. 75 ff,
(s. Literaturb], 1886, Sp. 4^1 f, unil S. Siiiger, AfdA, 13, 144 C). Uieac IdenUfixienmg
vfin AetitiA-TIa^en schi:int mir heule «j wenig haltbar wie vor zwölf Jahren. Scbertn
lilcciilikAlion von Aetius* Wallher (A7. Sehr. 1, $53 I.J Ul kaum mehr als ein EinfaU dcfl
ku^enbllck«.
GereiantMh«^ Phfloloci« IH- ^ AuA. A
7o6
XIV. Heldensage. Die EiNZELyEN Sagenkreise.
unseren Quellen ist sie in <ier That »finc rein mensthtirtie Sage (Heinzel
S. M5). Dcnnüth keliren die wesentliclislen Kleuienle der Hildesiige (vgl. §
g6ff.) in der Sage von WaltJiari wieder: die Entführung der Jungfrau mit
den Schätzen und der Kampf um sie; der Name der Jungfrau Hüvlegund,
gewiss erniassen eine Verdoppelung des Nuiuenü Hilde; die fnlliere Freund-
schaft nder Blutsbrüdersfhaft der tjt-giu-r; der Name Hagen für den G^ner
des flielieudcii Helden, tii'wnhl m der alenianni&chen als in der anders ge-
wandten Fassung iler I*s. ; der lieimliche nächtliche Gesang Walthers in der
polnischen Sage; dei endlose Karnj^f der Hedeningen erscheint hLstorisicrt
nh zweitägige Schiacht, und Hildes Erweckuiig der Tuten bticlcl iu ihrem
nachtlichen Gesangs, etwas deutlicher noch in der Kr,1ftigiuig der Kampfer,
durch ihren Anblick bei Buguplialus, verbUtsst durch. Es konimi hinzu (s.'
Ko^el I, 2, 2()2 f. 297), dass mehrf.ich noch iiei Ekkchard mangelhafte
Motivierung über die vorliegende Sagengestalt hinaus auf die Verhältnisse der
alten Hlldesagc weist, üo vor allem die Darstellung der gemeinsamen Flucht
Wallhers und der Hildegund, in wt-lcher die vorhergehende Überredungsszene
und die in der {joetischen Okonouiie de» Waltharius unstOäsige Mitnahme von
Atiilas Schätzen die zu ("irunde ÜL-gende Entführung aus der Hut des Vater* vor-
aussetzen. In dem Kerne der Waltharisage ist demnach immerhin mit Wahr-
scheinlichkeit eine auf Walthan übertragene, historisierte und rein menschlii^
gewordene Erneuerung der mythischen Ilildesage zu stehen, die sich
bei Stämmen des Bimteulandc^ bildete mid, uie die Hildesage im Norden
zu einem poetischen Abbild der Wikingerzeit wurde, in ihrer neuen Form
das Gepräge des 5. Jaluhs., die Berührung germanischer Stamme mit Atlila,
xur Schau tragt
Diese Auffassimg erklfirl auch die Verbindung Wallhers mit den Bur-
gunden. Aus der Thalsache, dass auch in deijenigen Fassung, welche
Walther nicht inEt Gimllier und den Seiuigen, sondern mit den verfolgenden
Hunnen kamiifcn Iflsst, Hagen (1 ivgn') (l'*-" wichtigste Kolle spielt, crgiebl sich
mit Sicherheit, dass dieser Walthers ursprünglicher Gegner ist, den die Sage
allen Wandlungen zum Trotz fcatluelL Ist er mit Hedins Gegner in der
Hildesage irlenlisch, war er also ursprünglich der Vater des geraubten Mad-
chens — seine alte Verschiedenheit von dem Hagen der Nibeluiigeiisagc
wird auch durch deJi Namen .ipines Valcr>* Hagatbie bei Ekkchanl i V's. 629)
bezeugt ~, St» kann die Namengleichheil zur Vermischung mit der Bur-
gundensage geführt haben. Es ist demnach die naheliegende, auch von Heinzel
(S. 'X) ff.) vertretene, Ansicht, dass die in der l's. und im mhd. Gedichte
erscheinende Sagenfassung, nach welcher die Huiuten, ali^o die Geschadigten,
die Angreifer sin(i, die ältere Vorstellung repräsentiere, »bzulelinen. Die alte
Konn der Sage kannte vermutlich nur die gemeinsame Flucht der Liebenden
(ursprünglich die Entführung) imd den Kampf WattJicrs mit Hagen, dem
Verfolger, ursprünglich dem Vater des Madchens. Wurde Hagen, der my-
thische Verfolger des mit Braut untl Schatz fliehenden Helden, mit dem
Nibelung Hagen identifiziert, Si» war eine weitere F-inrenkung der Walthari-
sage in den Zusammcntiang der Burgundensage und damit die Vorstellung
eines Angriffs vun Seiten Günthers und sehicr Mannai glichen. Die andere
Fassung, welche die Hunnen als Angreifer kennt, unter diesen aber H^gni.
könnte freilich davon uiuibhangig anderwärts entstanden sein, ist es aber wohl <
kaum, da die ts., weim sie ilcn Helden Valtari u/ Vaskasteini nennt, ob-i
gleich sie den Ort des Kampfes nicht besummt, damit die durcli die allestcft]
Quellen vertretene alemannische Sagcnfonn voniussetzt, welche den Karapf
Ucn Wasgciistein {Nib. 2281, 2)* verlegt, in eine Gegend, wo Alemannen
und Franken ziisammenstiessen. Auch die Zwölfzalil der Angreifer kennt
die Ps. wie der WaUlianus,
Als Wallhers Heimat gill bei Ekkehiird Aquitanien, das im 5. Jahrli.,
als die Sage sidi bildete, ein Teil des westgotisclicu Reiches war. Dazu
summt ganz wnJil die Bezeichiinng rori S^äne (Spanje) im Nihrlnngenliede, von
Spaujflttni im Biierolf; auch in den mlid. Fnigmenu-u erscheint Wallbcr als vogt
von Spatiige. Daneben geht in deu mhd. Gedicliten (Bit. 2105. 5092. Alph.
77. 2. 307, I ti. ö., auch in Dfi., Roseng. D und Anh. z. HB.) die Vor-
stellung her, dass er König ^'on Frankreich (Kerlhi};en) sei und in Langres
(Lengen) residiere; im nihcl. Gedichte von VVjtlthcr und Ilildegund «ird
Langres aU Hauptstadt vun Spanien aiifgefasat, und im Bit. seheinl Wahhers
Herrschaft sich Ober Frankreich und Spanien an.s zudehnen, sein Wohnsitz ist
Paris. Darf man diesen Angaben Bedeutung beimessen, su führen sie auf
die tiereits von J. Grimm (ZfdA. 5, 3) angenfimmene Auffassung Wallhers
als eines westgotischen Helden. Aquitanien. das alle Westgoten reich,
führte den denwchen Nnmen WaseSno innt \Equitmua Viiasfonoiaui .Mid.
Gl. III, 610''), von den Basken, die im 7. Jahrh. von Spanien aus in einem
Teile von Aquitanien sich niederliessen. Ein Walthari von WaseSaolant
(Wastöm) konnte auf die Lokalisierung seines sagenberühmteu Kampfes in
den Vogesen {mtms Vosagits =- Vnasgimberg ZfdA. 12. 257) und speziell am
Wasgenstcin führen. Walthari ist also eher ein westgoiischer Held, als der
Verircler iIcs n*maT]i.schcii Galliens (Fauriel, Müllenhnff) oiier gar eine ur-
sprünglich fremd kindische Sagenjierson, ein Bolske (Heinzel). Aber wir
kommen auch mit dieser Annahme nicht nel weiter, denn wer dieser Walthari
{H'a/äfre im ags. Fragm. B 1 1, vgl. Hinz, PBB, 20, jirj), der Sohn des A//>-
hert (ags. JfJfhen, mhd, Alpk^ Alker), ursprünglich war, was von ihm er-
zahlt worden ist. ehe die Entführung der Hüdegund und der Kampf mit dem
verfolgenden Hagen auf ihn übertrugen wurden, ob die in Ekkehards Gedicht
so lebhaft ausgeführten EinzelkSmpfe seiner Sage von Haus aus angehörten,
das alles bleibt in tiefem Dunkel. Ül:«:r Hildegimds Heimat ist die Sage
nicht unterrichtet: wenn Ekkehard sie zur Tochter eines Königs Heririna
(Herricli) von Burgund zu ChaUms-sur-Saone macht, so ist, d;i der Sage
nach Günther über die Burgunden herrscht, die Fiktion augenfällig, und die
Angabe hat keine grössere Gewahr, als wenn nach den mhd. Fragmenten
Hildcgund aus Arragorüen stammt, das im Bit (.iorj.S. O636) mit Navarra zu
Walthers Reich gehört, iKlcr die f*s. ihr den Jarl Ilias nf Unat (vgl. § 37)
zum Vater giebt. Hildcgund enstamnil eben der allen Hüdesage.
U 54. Zur Beantwortung der Frage, bei wetdiem germanischen, Stamme
die epische Ausbildung der Wallharisage erfolgt ist, gibt einen Finger-
zeig die sympathische Sclüldemng Auflas bei Ekkehard ttdcr nelmehr in
seiner deutschen Quelle, die hierin geiaiss alter Tradition folgt. Der Hunnen-
könig erscheint, wie in der oberdeutschen Ntbchnigendichtung (S 3^) und in
den Gedichten der Dielrichssagc (^ 50), itn Waltharius als weitherrsthender
Frietiensfürst, weise, mild und edelsinnig. In dieser wohlwollenden Cliarakte-
riirik und hipfreundeten Parteinahme für F.tzel verrät sich, wie Koegcl mit
Recht betont ( Gesch. d. d. Lift. I. 2, 283 f.), die gotische, durch die ober-
' Dasa t>eKiU Ekkehflfxl dic«;n Kain]ifpl.-iU vorauasrUEt, aUmiioj^s oho« ihn gcsHiun jcu
hotH^ri, Ul 2Wai uldu skJier (vgl. \V. Mcyci, SiUungMber. der lair. Ak. 1873, S. 375 ß.;
K-K-gd I, 3, 399 f.), ab«r nttcb Scheren Dariq^een (AZ Sehr, l, 548 C) docb walir-
scbtinlich.
45*
7o8
XIV. Heldensage. Die EmzELSEN Sagenkreise.
deutsrhen Stämme flbemommene, Auifawiung seiner historischen Persönlich-
keit. Vielleicht darf daraus der Schluss gezngon werden, das-s die Sage von
Walthari, wenn dieser auch urspnlagticli ein westgotiscber Held war, bei den
Ostgoten ihre Ausbildung erlanp^t hat: die Westgoten sind ihrer historischen
Stellung zu den Hunnen nach ausgeschlossen; dass aber auch westgotische
Helden von den Üslgotcn besungen wurden, zeigt das Beispiel des WidJgHUJa-
Witege (§ ^7). Das heg:ihte,stc und am (rflhsirn entwickelte der gennanischen
Villkcr hätte dann die alte Sage von der Entführung der Hilde und dem
Kampfe ihres EnEfülirers mit dem verfolgenden Hagen auf einen stanraiver-
wandten Helden übertragen und an historische Verhältnisse und wirkliche
Vorkommnisse der attüanischen Zeiten angeknüpft, auf deren Zustünde und
Machtverhill Inisse die geographischen Angaben des Waltharius überall weisen.
Ob auch in Walthers Einzclkäinpfen , die in Ekkchards Dichtung tlen
Mittelpunkt bilden ^Vs. 664 — 1061), Züge historischer gotischer Sage sich
bergen, ist nicht zu entsclietden. Heinzel hat auf den Bericht Prokops von
Tejas Heldenkampfe in der Schlacht am Vesuv (552) hingewiesen {M'alifiers,
S. 86), vgl. Koegel I, 2, 305 Anm. Die Ausbildimg der Walther&age, mag
sie mm nnch den Goten oder bereits einem benachbarten deutsclien
Stamme zufallen, muss jedesfalls ihrem wesentlichen Gehalte nach noch iti»
5. Jahrh. fallen.
Ihre Anlehnung an die Burgundensage aber, zu welcher die Identifizienmg
von Hildegunds (Hildes) Vater Hagen mit dem gleichnamigen Helden der
Nibclungcnsage Anlass gab i^S .5,5), kann nur bei einem westlichen Stamme, ver-
mutlich den Alemannen, erfolgt sein. Darauf deutet die alle LokalLsienmg
des Kampfes in dera salltts Vosfifjus, dem Wasgenn-ald, sowie die Vorslellungi
dass die Burgunden, an deren Stelle bei Ekkehard durch gelehrte Korrektur
die Franken getreten sind, um Worms, Attila im C'sten getlaclit wcnjen. Die
merkwürdige Auffassung Gundiers als eines Wegelagerers, sein räuberischer
und zugleich feiger Charakter, sowie das Motiv der Zwülfk^mpfe (§ 32) setzen,
wie Heinzel hervorgehoben hat [Nihs.^, 13, Wai/iun. S. 24), bereits die Ver-
schmelzung der historischeu Burgundensage mit dem Rosengartenmotiv vtir-
aus. Da Ekkchards Gedicht aus den ersten Jahrzehnten des 10. Jahrhü. auf
alteren nhd. Liedern beruht und die ags. Waldeie-Fragmente von der Mitte
des B. Jahrlis.. die wesentlich dieselbe Sagenfassung enthalten, schun auf eine
Ulngere Unabh.lngigkcit der englischen Überlieferung deuten (ZfdA. 13, 275.
27Ö), so kann ttiesc Hlemannis(.']ie Umbildung nicht spllter gesetzt werden als
in das 7. Jahrh. Wenn dann in der Fa.vsung der I*s. und tier österreichi-
schen Bniclistücke von Wahher und Hildegund an die Stelle der angreifen-
den Burgiui den- Franken die verfolgenden Hunnen getreten sind, ohne dass
Hagen und die Zwölfzah! der Angreifer jedoch aufgegeben waren, so liegt
CS allerdings nahe, diese Änderung mit Müllcuhoff den Fraiikcu zuzuschrei-
ben, da fflr sie am ersten eine Veranla.ssung dazu vorhanden war. insofern siel
ihre eigene Niederlage zu besingen Anstoss nehmen musslen. Abei zwingend
ist diese Annahme keineswegs: dii: Ersetzung der ganz unbeteiligten Burgunden
durch die geschädigten Hunnen konnte überall und jederzeit geschehen.
Offenbar war iu der alteren Sage der Kampf am Wasgenstcin Walthers
einzige bekannte That. Was jüngere Quellen sonst noch von ihm 8U be-
richten wissen, ist ohne sagenhaften Wert und entspringt gnlsstenteils dem
Streben nach cyklischer Verbindung der einzelnen Sagenkreise. Tapfere
Thaien Wahhers wahrend seiner Geiselschafi am hunnischen Hofe (so sclion
Waitli, und Nib. 173.5), allein oder gcineiuschaftlich mit Hagen, sowie ein
freundschaftliches Verhältnis zu Rfldigcr (im Bit., s. fitts. S. 103 ff.) ftchlnsacn
Waltharisaoe: epische: Ausbildcno. Novaleser Chronik. 709
sicli leicht an. Die Dietrichsepen kennen Waltlier bald auf Dietrichs Seite,
bald auf Seiten Ennanrichs oder dei rheinischen Helden; ja, in Dfl. ist er
sogar in einen Walthcr von Lengers und einen Walther von Kcrlingcn ge-
spalten, vuu denen jener zu Dietrich, dieser zu Ermanrich »teilt. Nach der
I*s. ist der Held Ennanrichs Neffe, er besteht einen Wettkanipf im Speer-
werfen j^egen Dietleib (c. t^Sf.) und wird spflter Ober Gerinjsbeim («-ohl
Gernsheim an der Bergstrasse) gesetzt (c. 151). Alles natürlich junge Er-
findungen: die alte S;igc kennt den Helden zwar in Beziehung i^u hLiioris<"hen
Figuren dei ersten Hillfie des 5. Jahrliä., zu Attüa und Günther, nicht aber
zu Rrmaiiarich und The(>di»rifh, obgleich eine Beziehung zu letzterem, der
ja auch am hunnischen Hofe lebte, kaum hatte ausbleiben können, wenn
dessen Sage damals schon ausgebildet gewesen wfire: ein weiteres Kriterium
für das hohe Alter der Waltharisage (Heiiize! S. 83).
Für WaJthers sagenhaftes Schwert H'asgi (Bit. 1^286, vgl. 642 ff.), das in
den Nibelungen 1988, 4 irrtümlicher Weise Iring führt, ist in dem ersten
ags. Fragmente Mimming eingetreten, das beste aller Schwerter, das Wieland
für seinen Sohn Witege geschmiedet haben soll ( Wf'lamles gejcorf Wald. A 2,
vgl. /A/i. S. n;. 30Ü. %£ Nr. 27. b).
i 55. Eine besondere Cberiicfcrung über Walthers Alter, wovon die
mit der glücklichen Heimkehr des Helden und seiner Hildegtmd abge-
schlossene liltere Sage nichts berichtete — nach Ekkehard herrscht er noch
drcis.Mjr Jahre nach siünes Vaters Tcxl Über sein Land — , hat das vur 1027
geschriebene zweite Buch des C'liroiiicon Novaliciense c. 7 ff. (M<"'n.
Germ. SS. VII, 85 ff.). Wahrend die Chronik im übrigen die Walüiersage
wesentlich nach Ekkehards Gedicht, dessen Schluss in der dem Chronisten
Vorliegenden Handschrift unlesedicli gewesen zu sein scheint, erzahlt, lüssl
sie den aUemden Helden in das obcritalienische Kloster Novalcse eintreten,
einen gottseligen Lebenswandel führen imd für sein KItister gegen Rüuber
kämpfen, wubtü Einzelheiten lebhaft an den Bericht der Ps. c. 431 ff. über
Heimes Kampf fürs Kloster gegen Jen Riesen Aspilian (vgl. ^ 47) criimcru.
Auch der Zug, wie Walther sein altes Ritierpferd wiederfindet, kehrt in
der Ps. c. 432. von Heime erzahlt, wieder (Heinzcl. (hi^ioih. Hehkm. S. 87).
Von einer selbslündigeii italienischen Sagenirestalt ist in der Darstellung der
Novaleser Chronik nicht die Kede: \-ielmehr hat der Verfasser den ihm aus
Ekkehards Gedicht hekannteu Helden mit einer NovaJcser Lijkalsage von
dem Moniage eines vornehmen Kriegers Waltharius verknüpft, die bereits mit
Zügen aus anderen Sagen ausgestattet war. Die Novaleser Tradiiinu scheint
direkt aus der Legende vom heiligen Wilhelm, wenn nicht geradezu aus einer
Chanson de gestc von Gnillaume au court nez geflossen zu sein, der, ein
Aquitanier wie Walther, gleichfalls eine Prinzessin aus dem Heidcnlandc ent-
führte. Dass der Clironist in Ekkehards Gedicht die Jugendgcschichte des
Novaleser heroischen Mönches ■Waltharius entdeckt zu haben glauben konnte,
ist leicht verständlich. Die eigentümlichen Übereinstimmungen /«-ischen Wal-
thers und Heimes Klosterleben erkl.lren sich durch die zu Grxuide Hegende,
atis der frauzösischcu Epik stammende, gemeinsame Tradition.
Peiper, IVattharius (Bcd. 187J), S. XJ.IV ff.; Hcinrcl. AfdA. 11, 67.
IVatihrrt. S. 3$ fT.
F. HiLIiG- tTND KfDEfMSAGE.
§ 5O. Die Quellen, aus welchen die gtschiclitliche Entwicklung der ger-
manischen Hildesage oder Hedeningensage und ihres Schdsslings, der
Kudrunsage, eimittelt werden niuss, zerfallen in zwei Gruppen; eine aoi*
7IO
XIV. Heldensage. Die einzeljten Sagenkreise.
dische und «ne nicht-nordische. Unter den nordischen steht der Be-
deutung nach an der Spitze der Bericht Snorris in den Skäldskapamiäl c. 50
(SnE. I, 432. IL .V55)) wofür neben der Ragnan^drüpa Bragis des Alten, aus
welcher die üherarbcitung der Snorra Edda einige Strophen als Beleg an-
führt, dem Verfasser Lieder in einfacheren Versmassen xu Gebote gestanden
haben müssen, die in seiner Prosa noch deutlich durchklingen. Neben <licser
Erzählung sind die Berichte im S9ria{>ättr, einer islandischen kleinen Saga
des 14. Jahrhs., die in Verbindung mit der Üläfssaga Tnigg\'asonar zwischen
1370 und i^bo m die Flaleyjarbök aufgenommen wiirtle (Fiat- I, 275 ff.
FAS I, 391 f.), und bei Saxo Grainmaücus (Lib. V, p. 23H — 242 cd. MoUcr-
VeUchow, p. 158 — 160 ed. Holder) von untergeordnetem Belang. Saxos Re-
lation ist nach Olriks Errnterungen {SahfS Ohihia. 2, IQI ff.) eine Vcr-
schnieljung danischer und westni-rdischcr Cberlicferung. Kijr die Vcrbreitiuig
der Sage im Norden in iUtcrer Zeit sprechen nnch der lläitaiykiH des Jarl
R9gn\'aldr, sowie die Erwähnung eines norwegischen Kilm[>un Ilcäiim mjövi*
im Liede von der Brävallasch lacht (s. Olrik, Ark. f. nord. Fil. ic>, 229. 243):
in jüngerer Zeit bezeugt sie (doch s. § 57) die dünisdie Vise von Hildebrand
und Hilde (/^j,'/! Nr. 83}, aucli in schwedischer und norwegischer Fassung
bekannt:_die Vise von Ribold und Guldborg aber {Df^F. Nr. S2), auch auf
Island {Istftizk fomkv, 1859, Nr. j6) und sonst im Norden und in England
verbreitet, gehurt nicht in diesen Zusammenbang, sondern stelli sicli ihrem
epischen Stoffe nach .üs Bearbeitung einer Helgidichluiig unter Einwirkung
von Zügen der Walihersage heraus,' F.ine eigene Bewandtnis hat es mit der
1774 von einem scliolliscben Reisenden auf der Insel Fula oder Foul aus
dem .Munde eines alten Bauern aufgezeichneten Shetlandshallade von Hiluge
und Hildina. deren Bezielnmgen zu unserer Sage P. A. Muncli. Konr. Hof-
mann und Wilmiunis aufgedeckt und erüttert haben (vgl. g 59)-*
Die zweite, nicht-nordische, Quellengruppe wird, von einigen ags. Zeug-
nissen und der wichtigen Anspielung in Lamprechis Alexander (§ 58) zuti^iclist
abgesehen, vor allem durch die deutsche Kudriin vertreten {% 20). Der erste
Hauptteil des Gedichtes (Str. 204 — 5O2) hat die eigentliche Hildesage zum
Vorwurf, der zweite von Kudnm handelnde kommt aber ausser für diese
jüngere Spntssform auch für die Erkenntnis der alteren Sage in Betracht.
Ferner sind in den Bearbeitungen der Herbonsage, der Sage von König
Rother und der Oswaldicgcndc (§ 61) alte Züge der Hüdesage enthalte».
Die in S ~z (s. dazu .\nm. i) erwähnte Gottscheer Ballade von der scht'nen
Meererin darf nicht als Nachklang der Sage, sondern nur als Zeugnis fOr die
lange anhaltende Popularität der mhd. Kudrun gellen. Die von Bartsch m
Mecklenburg aus den Jugendeiinnerungen einer alten Dame und anderer Per-
sonen gesammelten Notizen über eine Volkssagc, die allerdings teilweise merk-
würdig an die Kudnmsage gemahnen wQrdc, legen den Verdacht einer Seibsc-
tauschung nahe'
LitUTiitur: P. E. Malier, Sagnbibt. H. 57off,; xu Saxo Grumm. S. 158«".;
W. CTritiiin. Hds. » 373—380. 494. A7. Sehr. IV. S&off.; Uhland. tkhr. L 327«"-
VII, 2780". 536fr.; Konr. Hnfniun», Sitzwngsber. Üw bair. Akiid. 1867, U,
206ff.; G. Klee, Zur Uifdeui^. l8;j (I-tfip/. Dis*.); Wilmnnn«. Die Ettt-
iruklung lier A'uilrunäichluHjf, flallc 1873, S, 221 — 270; A. Kirpünikov, A'»-
Jrun. Ein deiilichei Xatt'analefos, Charkow 1874 (rusttsch; mir nur hcitannt
durch llcinetls Referat, AfdA. 9, 24a ff.); M&llcnboYf, ZfdA. 30, zz(f ff. Jteov.
S. io6ff.; W. Müller, Mylh. d. J. Htidem. S. 215 ff.; H<-iiixrl, Cbtr ä*e
* Hrätnn mj'&ii [fjylhin gratib's S«xo) JKt ohne Frag« der Held der HildeMge; »-Et,
Suo p. 239: erat aulem is (Hegintu) corporis habUn prar^tnm, mgtnio perriiax: HtlkinUi
vtro torpore prrquam de<are, itd bm-i txUtit,
Hildesage: Quellen. Mvthcs vos Hilde.
7"
IValUiers. S. 95 ff.; L. Beer, PRB. I4, 523 ff.; Fic.inili, U pofme de Giuirun,
Part« 1S93 faber viion 1881 west^nilich »h)T«icb1>^ASien), S. l — 14. 97 — iHl;
Wolfß. Mcyct, PBB. 16. 51(1 IT.; Ktieeel, 6V/1A. rf. rf. LiU. 1, l, U/q ff.j
Birz, PBB. 30, 192 ff.; Schönbach, Chrittinlum S. 156 ff. — E« sind ferner
die Eintciiunt^en zu den Auffiabco da Kudnio voo Mflllcnbofr (184^), Bartsch
(1865. *i88ü und 1885), Martin (1872, Tatui»»;. l88i) and Verf. (1883) zu
verg1«ich<?n. Eine vtJlBtandigc chroDoIogiKh geordnete, aber \\k\ Un^h^ingrs cnt-
baltPnU' Bililifijjraphie iiiet« Ftcamp S. 237 — 260. — ' Grundtvig, DgF. II,
338 ff. III. 848 ff.; Biiggc, HelgeHÜgtenf S. 283—295. — 3 Die Ltacntur über
die ^hcttandsbalUidc ist vcrzdchntt in Verf.'s Kuämn S. 14 Anm. 2. — ^ Genn.
12, J3Pf!. 14, 333 ff. Vul. Bartsch, Sagen, Mi^rcken und Üebräuch^ trus
Mekienhurg l (Wion 1879), 469.
§ 57. Ein Jlythus, dessen Deutung den Mv-thologen überiassen werden
niiuis, hat äJch bei einem üccaiiwohnendcii gentiHiiiscIien Stamme zu der Sec-
heldensagc von der Hedeningen (ati. Ifjaitningar, ags. Ihodeningas, mhd,
Hf^liftgt* statt eines alleren Hflelin^e, Ihunin^f: ZfdA. \i, 314) oder von
Hilde ausgebiEdet, ilic sowohl im skandinavisriien Norden als bei den süd-
licheren Seuanwuhnera heimisch war. Ihre im wesentlichen ursprüngUelisle
Gestalt, die nur hie tmd da au.s Bragi, weniger at» den anderen Überliefe-
rungen einer Ergänzung txler Erläuterung bedarf, bielet Snnrri. Der junge
sch<1nc Heitint! (ngs. lifodm Wids. 2\ \^llanini Hs.], mhd. f/etfle), clcr Sohn
des Iljarratiifi (ags, lltarttmla, ahd. Ilrrmnt als I'ersoneimamc /TA' Nr. lo, i),
der Blutsbruder des altert-n finsteren H\>fini (ags. Hagemj, mhd. Hdj^ene), wird
spater dessen Gegner, indem er seine Tochter I/ilär (mhd. Hildi\. zu der er
in heftiger Liebe entbrannt ist. samt ihren Schtllzen, in Abwesenheit des Vaters
entführt. H9gni setzt dem Paare nach tmd ereilt es bei der Insel Uäry (Hoy),
einer der südlichsten Orkneys. Kin Versiihnungsversuch (Wdbei Hildr dem
Vater im .\uftntge Hediiis ein goldenes Halsband zur Sülme aubieict)
scheitert an Hc^gnis starrem Sinne, mid es entbreiml der Kampf, der bis
«um Anbruch der Nacht w;ihrt. In der Nacht ziehen sich die Kr-nigc auf ihre
Schiffe zurück, und die Gefallenen, mit ihren Waffen zu Stein gewurden, liegen
regungslos auf dem Wahlplatz. 0er Kampf aber i.st olinc Ende, denn jede
Nacht erwei.kl die zaubei kundige Hildr die l'jlen Krieger zu neuem Leben;
dann beginnt am Morgen das alte Spiel von vonie, und so wird der Kampf
der He<leninge (das Ujaämn^nvig) fortdauern bis ztuii jüngsten Tage. Der
ewige Kampf, das endlose Hjaänin^qar'ig, ist offenbar der eigentliche Kern des
alten Mythus, ;md, wenn Müllen hoff in seiner .Abhandlung Ober den Hahband-
niythus (ZfdA. .^o, 22Q) darin 'ein Bild des unaufhOrliclicn, allgemeinen, aber
nie entschiedenen Kampfe« entgegengesetzter Machte, de.s Aufgangs und des
Niedergangs, des Entstehens und Vergehens, des Seins und Nichtseins« er-
blickte, so trifft diese Deutung den Gedanken der tiefsinnigen Sage ohne Zweifel
richtiger, als der flache Euhemerismus, der auch den Mythus von den Hede-
ningen zu einem inicres.seluscn .Abklatsch historischer Zwisligkeiten herab-
wflnligen möchte. Mytliis<'h ist vor allem <Ier Name unrl das Wesen der
Hildr, deren wilde und unersättliche Freude am Kampf bd Bragi noch weit
deutlicher hervortritt, als in Snorris Bericht: sie heisst in der Dräpa (8'-- Geting,
vgl F. Junsson. Kn'l. Sind. S. 13) <ffa o/perra ösi-R^n »die Wunsch-Ran der
Adcmaustrocknimg'', sie hofft, dass der Ausgang des Kam|)fes ihrem Vater
zum Unheil gereichen werde, gilt dem Dichter daher als r» h^>k of fylda (8*),
und, weim er von ihr aussagt (g^ *■): svd ie'l ev, pöll etle, um orrosto UtU, so ist
CS klar, dass sie ursprünglich den Sfthneversuch Hedinä absichtlich hintertrieb,
* H, MAllcf {Ae. Volksep. S. 72 f.) ^i^l eine Uutlich bcfricdiKCode, alter oadilich nicht
ziuafiende ErklliruBC des Xonicns HegfUngt, den er von an, Hjadmngar trennt.
indem sie nicht, wie ihr Entführer es Üir aufgetragen hatte, dem Vater das
Halsband zur Sühne anbot (q'~*J. Es flicsst also die allnächtliche Emeue-
ning des Kaatpfes. der Saxo ein falsches M'itiv unterschiebt und die auch
Snnrri nicht mehr verstand und deshalb ohne Mntincrung überliefert aus
dem damoniwrhen Charakter der Hüdr, die sich als t)"pische Vertreterin der
Walküren am Kampfe um dLS Kampfes willen freut und sich an ihm nie
genug tliun kann. Im S^rhiliAttr L<<t dieser Mvthus mit dem Halsbandmytlius
verbunden: der ewi};e Hjadn inj; en kämpf ist in dieser Quelle durch Frejja
(Frigg) veranlasst, welche dadurch den Zorn des Odinn zu versöhnen sucht,
der ihr die Untreue nicht verzeihen kann, welche sie begangen hat. um da»
kostbare Brisingiimen zu erlangen- Wenn aber MüUcnhoff in dicstT Ver-
bindung etwas Ursprüngliches und in dem Iljadnin^nvig den epischen Ah-
si.-hluss des Halsliaiidniythu.s erblickte, so ist diese Kombination duch bedenk-
lich, zumal auch im S9rla]>ättr die Entfühnmgsgesrhichte zur Vorgeschichte
des Kampfes gehr<rt. Diese Entfuhrung der nicht widerstrebenden Hildi durch
Heilinn aus der Gewalt des \'atc:rs steht mm fa-ilich mit dem Schlüsse der
nordischen Erz.1hluiig, der Wiedererweckung der Toten durch die Walkflre
mul der iiniiicrwilhrendc-n Erneuerung des Kampfes, in keinem notwendigen
inneren Zusanunen hange, und die Annahme. <lass hifr schon sehr früh eine
Verschmelzung zweier Mythen oder eines Mythus mit einer menschlichen
Sage stattgefunden hat. ist nicht lui wahrscheinlich '. Bei Snorri ist jcdcsfalls
die Erv.fthlung von der Entführung der IliUh- un(i der Schlacht zu-ischen Il^gm'
und Hedinn, in welcher beide fallen, bereibt ganz episch geworden, und in
diesem Teile seines Berichtes deutet kaum noch etwas auf mytliischen Ur-
sprung. Zw beachten ist allerdings, dass von einer festen Lokalisierung bei
Snorri erst Spuren wahrzunehmen sind. Hedinn hat bei ihm keinen be-
stimmten Wohiisilz. Hvinii daditc er sich, cntspreehend der sonstigen nor-
cUsrhen CbcTtieferung, südlich \<%\\ Norweg*'n. In den ,inderen norcjischen
rrosaberichten sind verst^hiedene Mittel angewandt, lledinn. über dessen Her-
kunft die Sjige offenbar nicht unterrichtet war, zu lokalisieren: wahrend Saxo,
in diesem Punkte norrcrner Tradition folgend, Hithinus als Kfinig eines an-
sehnlichen norwegischen Stammes zum König Fn'di kommen lasst, ist nach
dem Syrla[)ättr Hedinn aus fierkland, also aus Afrika (%^l. auch FAS. III,
284). nach Dünemark gelangt. Xacli der s]-vater herrschenden Auffassung
gehört Heöinn nach Nurwegen, H9gni nach Dänemark. Im übrigen lasst
sich die Entwicklung der Hildesage im Norden im einzelnen nicht mehr
feststellen. In Saxos Erzählung sind mit tlen hervorstechendsten Zügen der
i-slandischen (Therlicferuiig Züge dflnUrher Sonderen tunck hing verbunden, und
der frt'schichtsschreiber hat die Sage dann, um ihr ein historisches Ansehen
zu geben, unter einen .seiner Frothonen untergebracht. Wenn der SyriaJiAttr,
in welchem die Sage mit dem Giitiermiihus kontanrinierl erscheint, den bis
zur Götlerdanmicruiig dauernden Kampf im Sinne des Christentums 7^x einer
Spukgeschirhip umgestaltet hat, so mag er darin der jüngeren Volkss^e
folgen. Udv erkennbar L'n Einflu.ss liat die nordische Hja^ningcnsagc ausgeübt*
auf die skandinavische Dichtung von Helgi Hundingsbani (Bugge. fleigt-
di^Uue S. iSi f.). Sigrün ist wie Hildr H9gnis Tochter und spielt ihrem
Vater gegenüber eine der ihres epischen Vorbildes sehr ähnliche Rolle. In
Helg. Hund. U, 2t hat, man langst eine AnsjMelung auf die Hjadningeiis^e
* Vgl. mrin« A'uJrun S. lof. Ähnlich Hciniet, WaUH^rs. S. 95 ff-, dnsen Gedaalie
van Wolfitang Meyer (PBß. 16, 316 fr.) ausifefuhrt wonJen ttU
k
erkannt*. Wenn abi-r Ileflinn, der Bnictcr des Helgi Hj^iA-arrtsson, in Nor-
wegen g:ctlüchl wird, wie der Hedinn iu der Sage von Hilde, und seine
Schicksale si^irk an die seJnes Namen.svetters nach dem Berichte des S9rlaJ>Ättr
erinnern, so ist es fraglich, ob daraus mit Buggc {Siudürl, 174 f. /if(::e-Jigt.
S. 307 ff.) Eiiitt-irkung der Hjadningciisagc auf die Sage von Hclpi Hjyrv-arda-
Sfiti geschlossen werden darf; die entgeg;engcsetrte Annahme hat \ielleicht
^iTüssere WahrstheinliLhkeit. In nicrkwüidiget Weise zeigt die dänisch-
achwedisrhc Vise von HiMcbrand und Hilde, \,-o der Herzog Hillebrand den
Vater der Geliebten und alle ihre Brüder bis auf den jüngsten ersclilagt,
ähnlich wie Helgi Hundingsbani, Vcrquickuiig der Sagen von Hikle und von
He^ dem Hundingslüter; sie deutet alwr auf lilterarische F-inwirkuny einer
vcn der HiUlcsage bereits bccinflussten HelgidJchtmig: als ZeugiiLs für den
»■ursprünglich selbständigen Bestand der Hildes;^e» (PBB. lÖ, 522! ohne den
mythischen Schluss im Norden darf ila> Lied wi wenig benutzt werden, wie
die Anspielung in der Helg. Hund. II.
^ 58. Bei welchem der seeauwohuenden germanisclien Stämme
und zu welclier Zeit die Hitdesage ilire epische Ausprägung erlangt
hat, ist mit Sicherheit nicht zu entscheiden. Wie sie uns im Norden in der
Ältesten be\vahrit;n Gestalt vurlJcgt, trügt sie allerdings unverkennbar den
Stempel der Wikingerzüge. Allein auf eine frftfiere KnLsteliungszeJi ileutet
mit Entschieilenlieil zunächst das Zeugnis des ags. Wid&ict, w<.i neben ein-
ander aufgeführt werile]» {Xs. 21) Hagtna als Herrscher über die /folmn'fjas,
d. i. die Uimei-u^i des Jurdanes an der Weichsehnümluiig. und Jhoiittt über
<lie SLMist unbekannten Glommax. Auffallend bringt gleich die folgende
Verszeile die Krwahnung des Wada als Herrscher über die Htfbinf'as. Darf
man daraus sciiliessen, dass dem Dichter des W"idsid im 7. Jahrb., wie dem
Pfaffen Ijimpreiht im 12. (s. u.), Wate bereits in Verbindung mit der Hilde-
sage bekannt war, der er nicht ursprünglich migehürt (§ 60), so wäre die
Form der Hildesage, die sich in England oder schon in der alten Heimat
-der Angelsachsen verbreitete, bereits eine sehr wesentliche Umbildung ihrer
ältesten tlurch die Ragnarsdräpa und Snorri erhaltenen Gestalt gewesen.
Allein, auch wenn man vun dieser Kombination ai«ieht — sie ist recht un-
sicher, da in dem Sagenkalaktge des Weitgereisten oft die Rücksicht auf den
Stabreim die l'aanmg der Eigennamen veranla.sst hat — , so steht doch in
jedem Falle fest, dnss die Sage von Hagen und Heden im 7. Jahrh in Eng-
land bekannt gewesen isL In einer jüngeren Form findet sich dann die
Sage in dem Getlichte »Deors Klagei (jä 13), dessen Ans]>ielungen leider
nicht ganz unzweideutig sind. Der Sflnger Deor ist früher der Dichter der
Hedeninge {Unuieuiuga scap Vs. 3^») ge^*'esen, bis ihn Ueorrtnda, der lieder-
kundige Mann yleoäfmflig nvm 40) aus seinem Amte verdrtingte. Ein Zu-
sammenhang zwischen dem SSnger Heorrfnda und Hjurrandt, HeÖins Valei
im Norden. Ist unleugbar vorhanden. Da auch die Kudrun Jlömiu. durch
welchen seit der zu-citcn Hälfte des 11. Jahrhs. in Oberbaiern nachweisbaren
* Vgl. Siinrock, Afyth. S. 394; Edzardi, Germ. 33, 166; Xi«dticr, Znr LitJeraMa
S. J7f.; BuiK«; a. a. 0. S, [Si f. Die Art, wie W, Meyer, PBB. 16, 5JI die Stelle
Mir Reknnatnikikm An cpUcfacn IIililn>as« \-erwetidei, ist aher vnfelili. Die Worte der
Li/tta mundak nü kj'isa ts ti^ntr V,
knättak ßü ßtr l fapme felaik
dMleo si-*nu]<-- auf die Totenerwecki-rin Hild und bewiesen aUo, 3ucb wenn die Ent-
ftthroni^nage und die Sage %*om Hjadtiingavig ursprünglich nicht zusaramcnifebOrm »ollieo,
^locb JedeafAlti deren frühe Vcrbtoduuf;.
7"4
XIV. Heldensage. Die einzelsex Sageskreise.
Kamen (ZfdA. 12, 313 f. 31, 87 f.) die deutsche Sage den Name« Ilrrmnf
ersetzt hat, ids Hctels nüdisten mäc und als ausgezeichneten Sanger kcunt,
femer auch im Norden spater ein Hjarmndnhljöd (FAS. IIT, 323) genannt
wird, so nmss an der .-Viinahiiie festgehalten werden, dass die SaIl^esklm-St in
der Sage, wenn nicht von jeher, so doch bereits sehr frtüi an ' HermiiJo
haftete ■. Die Aufstellung aber des Sangers als einer besonderen Person,
der in der Kudrun durch sdncn herrliclicn Gesang alle lebenden Wesen
bezaubert und die Liebe der Hilde fOr seinen Herrn gewinnt, u-ie in der
poluisthen Fassung der Walthersage (jj 52J Wallher selber durch zauberhaften
nächtlichen Gesang die Liebe der Hildegund gewinnt, in der angelsSclisischen
und in der deutschen Sage setzt eine frühe Umbildung der alten Hildesage
und damit eine noch weit früitere Entstehung derscUien voraus. Wenn ferner
unsere Auffassimg der Walthcrsage als einer bereits im 5. Jahrh. erfolgten
Übertragung der mytlus^-hen Hildesage auf einen westgotischen Helden (§ 53)
stichhaltig ist, so ist damit ein weiterer Beweis für das hohe Alter der Sagen-
gestalt gegeben, die als gemeinsame Grundlage der binnenländischen Sage
viin Walthari und der nordischen Seeheldcnsagc von Hcdinn und HJIdr
anzusehen ist. Bereits In dieser gemeinsamen Grtindform dfirfen u-ir eine
wesentlich episch gewordene Sage vermuten.
An den Küsten der Nordsee ist die Hildesage heimisch, und bei einem
der mecran wohn enden Stamme muss sie auch die Umbildung erfahren haben,
die in den englischen und deutschen Quellen zu Tage tritt. Ob diese Um-
bildung in England erfolgte und von dort zu den Friesen und Franken an
der Nordsee sich verbreitete, oder umgekehrt, ist kaum zu entscheiden. Wohl
aber darf als wahrscheinlich gelten, dass die älteste epische Gcstaltimg des
Hildcraythus einem skandinavischen Stamme zu verdanken ist, »«.»dass die eigent-
liclie Hildesage aus dem Norden zu westgermanischen Stämmen gelangt wäre.
Ihre vornehmste Pflege scheint die Sage jedesfalls in den Niederlanden ge-
funden zu haben, wo für ihre weitere dichterische A;isbildung die Zeit der
Dänen- und Nonnannenzüge massgebend geworden ist. Auf diese Epoclie
weist Hetels Machtstellung in der Kudnm: er ist König der Dflnen, aber
audi Wales (Wäleix), Holstein, Friestu und Di^tmers, ja sogar Xiftanf (IJv-
land) sind ihm imtertban; geographische Angaben, die einer Zeit angehören
müssen, da die Dünen in England herrschten und düniscbc Häuptlinge Lehen
in Friesland hatten, also der zweiten Hülfte des 9. Jahrhs. Die Hedeningen-
schlacht, welche bei Snorri und nach dem S^rla^iättr auf der Insel flä(fy}.
einer der südlicKstcn Orknej's, stattfindet, wurde in der dilnisclien Tradition
(Saxn) nach der Insel Hiridensee (Utthinuy, aisl. Ihitinsey) bei Rügen vorlegt;
viellelclit entspringt lUcse .\nderung des Schauplatzes nur dem Glcichklang
der Namen, möglicherweise aber steht sie in Zusammenhang mit Habens
Lokalisierung im Wldsid an der Weichselmündung als Herrscher der Insel-
rugcn, was darauf weisen würde, dass die Sage von den Danen zu den Angel-
sachsen gelangt ist. In den Niederlanden wurde der berühmte Kampf auf
dem \Vul]]L-nwertier an der südlichen Scheldcmflndung lokalisiert, und bev<ir
dieser in die Kudrunsage vorrückte (§ 59), muss er schon in der Hildesage
seine Stelle gehabt haben. Das beweist die Anspielung in Laraprechu
Alexanderum ii30(Vs. 1 321 ff. Vor. = 1 830 ff. Strassb.), ein wichtiges, frülicr
vielfach mLssvenrtandenes, Zeugnis für eine altere deutsche Gestalt der Hildc-
" Die Kombinaiioncn Dttiers und Hcinzcjs <PBB. iS, 551 ff.) Iubt-n für mich nidbu
Obertenjfcnd«. Hjarrandi al* Name Odin« (SnE. 11, 471, 555) ist wohl Alirrhiinpt teii-
siilialtm.
Hiloesage: Epischs Ausbildung. — Kddrvksagb.
7».5
W
sage. Richtig erklart ^ deutet cUe Stelle auf eine tleulschc Fassung der Sage,
in welcher ticr Kampf um Hilde auf dem Wülpenwcrder iri/ WolffniLftde
Vor., (// Vfujipinuerde Str:iäst>.) slatlfaiid, H;igi-n und Wate sich im Kampfe
majisen luitl Hagen [HtUtn r.'a/er) in (iemselben fiel. Die Niunen hhrtwkh
und Walfwin (1326) gehören kaum derselben Situation an, und nur durch
einen neckischen Zufal! denken wir bei dem crstercn unwillkürlich an den
Verlobten der Kudrun. Die Anspielung des I'faffen Liunprecht liefert den
sclilagcndcn Süsseren Beweis fctr die Entwicklung der Kuilrunsage aus der
Hildesage.
I Die richtige Interprtution d«r Stelle haben durch sinngemlHe Interpunktion
cnt Kin<et, Lamprechts, Altxattäer (1885) S. 459 und (). Erdmann, ZfdPb.
17, 233 ft. emiflelieiil.
^ 59. Aus der Hildesage hat sich dtirch Spaltung und Differenzierung
die Kutlrunüagc entwickelt. Die alten N^inai, wie sie uns im Nurden
entgegentreten, sind der deuts<l»cn Hildesage verbuchen : iingette, JleteU und
Jfiiift eiiLsprechen den nr^rdisclien Il^igni, Heitinn und Hihir^ imd die He^'
Unge dürfen den nordischen /Ij/iäiihigar glticligL-stellt werden (S 57). Auch
von Hörant muss angenommen werden, dass er avis der Figur von Hedins
Vater Iljarrandi hcr\orgcjrangcn ist, wennglcidi mit Veränderung seiner Stellung
und Umbildung seines Namens (§ 5K). W'ait ist der Hildesage von Haus
aus fremd und iu ihrer mtesleii, durch die skandinavische Cberlieferung ver-
tretenen, Gestalt noch nicht mit ihr verbunden; dass er alier bereits früh in
sie eintrat, lehrt, auch wenn man auf seine Stelle im Widsid keinen Wert
legen will, das Zeugnis in Lamprcchts Alexander (§ 58). Ausser den Xamen
Hilde, Hagen, Heiel, Horiiut ist der deutschen Ilildesage als charak-tcristi-
scher Zug die Entfülirung Dhue Wider^^trebcn verblieben. Andere Bestandteile
der alten Sage finden sich in beiden HauptteUcn des mhd. Epos; das Nach-
setzen des Vaters imtl das Einholen des l'aarcs. Aber wesentliche Zilgc sind
in die Kudruusage vorgerückt: die Entführung in Abwesenheit des Vaters
durch den Liebhaber {}iarimnoi\ seiher, nicht dmch List, lindem mit Gew-alt.
Der (angebliche oder wirkliche) Vers*">hnungs versuch der nordischen Sage
musste in der heiter endenden deutschen Hildesage notwendig zur %%-irklichen
Versöhnung werden, und zugleich <lamit ist die endlr«c Hodcningcnsrh lacht,
welche schon die niededandische Hildesage in Uirer alten tragisch endenden
Gestalt auf den WülpenwenU-r, die ^Hochinsel» der nordischen Sage, ver-
legt halte, in die Kudrxinsage eingetreten; sie hat sich in dieser gespalten in
die Schladit bei Kinlruns Entführung, in welcher Hetcl, ursprünglich von
Hartmut (vgl. noch Kudr. 1405, 3), dann von Ludwig erschlagen wird, und
in die Rai;heschlachl in der Nomiandie, in welcher ursprünglich Hetels Sulm
Ortwin den Tod seines Vaters an Hartmut rSchte, wahrend in unserer Üher-
liefenmg freilich Herwig den Ludu-ig tötet, Hartmut aber, von Wate hart
bedrängt, durch Herwigs Einsciucilen gerettet wird- Als die zu vermutende
Gnjndgestalt der Kud runsage darf denmarh folgende Erzählung erschlossen
wenlen: Dem Konig Hetel von Hegelingen wird seine Tochter Kudrun von
Hanmut gewaltsam entführt. Er setzt dem Rauber nach, holt ihn auf einer
Insel ein und fällt im Kampf von Hartmuts Hand; mit ihm fallt der grösste
Teil seines Volkes. Kudrun wird im (rcnuien Lande, da sir Hartmut stand-
haft verschmäht, hart behandelt. Ihre Mutter Hilde erwartet das Heran-
wachsen eines neuen GcschltchU, um den Tod des Gatten zu rüchcn und
die Tochter zu befreien. Erel nach langen Jahren kann sie das Heer ent-
senden. In der Racheschlachl erschlagt Hetels Sohn Ortwin den Toter
sdncs Vaters; dann führt er Kudrun ihrer Mutter zurück. Diese Sage ist nur
7l6
xrv. Heldensage. Die bin-zelkev Sagenkreise.
ulü SchOsslmg der alten Hildes^^e verständlich, und in der Thal ist sie
antlerwlirts nicht nachgewiesen: fOr die Kudrun»age ist das bairisch-Ö«ler-
rcichische Gedicht de* 13. Jahrhs. die einzige Quelle. In unserer Über-
lieferunc aber ist die Sajje von Kudrun mit einer ursprünplich für sich be-
stehenden Sage verschmolzen, deren Hauptmotiv di(: Neben buh icrschaft
zweier Werber w-ar, und die wir, in Ermangelung eines passenderen Kainens,
als Herwigsage bezeiclinen können. Ihre sehr einfache Grundgestalt tSsst sich
mit Wilnianns, der diese Sagenkontamination zuerst erkannt hat {Ent7otck/unfi
ihr Kitiirtindichttmi^ S. jj.^ ff.), folgen demiassen rekonstruieren: Der SeekOiüg
Herwig wirbt um die Hand einer milchtigcn KönigsttH-hler. Rr gewinnt sie
im Kampfe, allein, ehe er sich mit ilir vermalden kann, wini sie geraubt.
Herxng verfolgt den Rauber und erschlagt ihn im Kampf. Selbständig liegt
diese Sage, welche den Charakter einer tiordischen Wikingssagc an der Stirn
trSgt und wahrscheinlich von DSnen oder Normannen in die Niedcrbnde
gebracht wurde. %or iu der Shctlandsballade von Hiluge und Hildina (§ 5(1),
wo Hiluge, wie Herwig in der Kudrun, der unebenbürlige Freier einer
K^inigst' jchter ist, wo ebenfalls der Raub vor der Vermahlung in Abwesen-
heit des Vaters und des Verlobten stattfindel. wo auch der Orkne>Jarl v-on
Hiluge erschlagen wird. Erst durch die Sagenkontaminati<m ist in die Ku-
drunsage das Motiv des Nebenbuhlers gekommen, das allen Fassungen der
Hildesage fremd ist: der Nebenbuhler, in der Ballade ein namenloser <^rkney-
jarl, kann in der Herwigsage von Anfang an Ludwig (anorw. /wArr) gc-
heissen haben, entspricht auf jeden Fall dem Lmicwie des mhd. Gedichts,
der zwar durch die Kontamination zu Hartmuts Vater wurde, aber noch
Str. 143^^ in sehr auffallender Weise als der Rauber von Herwigs Braut gilt.
Die Vcrsolunelzung der aus ticr alten Hildcsagc durch Spaltung und
Differenzierung abgezweigten Kudrunsage mit einer aus dem Norden einge-
wanderten Wikings.sage scheint auf friesischem Sprachgebiete zu Stande
gekommen zu sein. Der Name der Heldin im rahd. Epos Küärün (in der
Hs. Chmuirun, daneben Chantnin u, s. w., s. Bartsch, Germ. 10. 40; Martin
zu Kiidr. 575, 2; Verf., Kudrtin S. 2i, Anni.) weist auf eine Übertragung der
Sage nach Oberdeutschland aiL*; einem Sjirachgebiete, wo ein urgennanisi hes
*Giiiiprnn (ahd. Cundrfiu Guadrüu u. 8. w. ZfdA. 12, 315. 57. 312) sic!i
tautgesetzlieh zu Güärün wandeln musste. Das ist aber zwar auf sächsischem
und friesischem, nidit aber auf nicderfrankischem Gebiete der Fall, Für
Sachsen spricht nichts, imd der Umstand, dass die ^icl^ekssaga. jenes um-
fa-tsende C'orjius niederdeutscher Sage, von einer Kudnmsage keine Spur
kennt, spricht sehr nachdrücklich dagegen. So ist die Annahme, dass die
Ausbildung der Kudrunsage steh an der Qussersten Grerue des alten friesi-
schen Gebietes vollzogen hat, zwi.schcn Maas tmd Sincfal, also in der Gegend.
wohin schon der Schauplatz des gewaltigen Kani])fes in der Hüdesagc ver-
legt worden war, die natürlichste, und sie erh.lU durcli die gectgraphischen
Voraussetzungen des Gedichts und durch historische AnknOpfuiigs]nmkte
ihre cr^i-ünschte Besiatigimg. .ausser dem schon im Alexander be2eiigten
Wolpenwerder [ IVüIpenivert Kudr. 883, 4. 897, 4, sonst IVti/pntsftnl) " kommen
in Betntcht KassiVwc als Name von Ludwigs Burg (Cassand. jetzt Cadzand)
und Mülfliine als Name von Betels Burg (d. i. vermmHrh Matlinge in Sftd-
• In einem •Keurbriefc vnn Brügge v. J. iiqo fWariikflnig-Kliiit, Hut. trit. comit.
Hoti. ft ZtYl. II, I, 85) werden die •If'u/jn'n^i hotniac^ de H'ii/pio sive de CaittntJt
erwSlint, untl tli-r OrisDaine Wul^rn erscheint AXii zwei lürteo dieser Gebend aus dem
14. und 1^. Jahrb. (auch in der Ausi;. von v. Pl^^nnEes}.
I
I
Kuurunsage:£ktwicku AUS D.Hildes. u.Vermthmelz. m. d. Herwigs. 717
Holland: JoncUbloci, Gesrh. der mnl. dithtk. i, 80). Wenn Herwig kuni< von
Sftcen oder rw« Silanl heLsst, .s«j wini ihn die alte nordische Sage xw:iv al.i
stekomtngr, als Wjkingerh.luptüng ohne Landbesitz gedacht haben, aber nach
der Überlrapmg der Siigt: nach der niedcrlandUdien X'irdseeküslc muss
»Seeland« .selir h;iltl auf die Provinx Zeeland bezogen worden sein, «-ie die
sibitUr in Herwijjp Wappen (Kudr. 1,^73. 4) zeigen, eine Erinnerung an die
friesisdien Sedandc (J/i///. * 545. ZfüA. 12, ,^14). Vielleicht hat aucli der
alte Xame ilfdtnsfe oder Ihidetiscf fttr die westliche ScheSdemUndung, die
Seeland und Flandern trennte (s. J. Grimm, üfdA. 2, 4 und die alten Karten
bei V. PIrmnies S. 20.^], zur I^akulisienitig Hedens wnd der Hedeninge in
dieser Gegend beigetragen; wenn etwa die Hedeningeiidchlaclit in der (datii-
schen?) Furm der Hildesage, diL- nach den Niederlanden drang, schon wie
bei Saxu auf die Insel Hiddensee bei Rügen verlegt war, su wäre durch den
Anklang der Namen die Lokalisierung auf dem Walpenwerder besonders
leicht erklärlich. Von den in der Kiulrun auftretenden Personen deutet der
Mohrenkönig Sigfrid, Herwigs Gegner, auf den Dänenfürslen dieses Namens
der in der zweiten Hflifte des *>. Jahrh.s. gegen die Franken beerte und im
Kampfe gegen die Friesen i. J. SÖ7 das Leben verlor; als heidnischer Wi-
kinger wird er nach Möriant versetzt, wie die Normannen in der Poesie des
Mittelalters als Sarr;izenen auftreten '. Anderes dieser Art verzeichnet W.
Maller {Myih. der datiah. HeUem. S. 233 ff.). Diese llia [sachlichen Episoden
aus den Kämpfen der Friesen und Franken mit den gefürchteien Nordleuten
im mhd. Epos weisen für die Ausbildung der Kudrunsage auf die Zeiten der
Dänen- und X-irmannenzüge. die, verbunden mit verdunkelten Erinnerungen
an die eigene Sectieldenzcit der Nordseeanwohner, in der Kudrun poetiscli
feslgeluillen sind. Nur die Pliantasie der Wtkingerzeit konnte die Vorsleilung
eines Rciclies zeitigen, das, wie Hetcls, sich von Wales im Westen bis Liv*
land im Osten erstreikt, nur diese Zeit konnte ehemals fricsisclic «»der frän-
kische Seehekleii /.u Danen umgestalten und mit Figuren der skiuidinavischen
Überlieferung so gründlich vermengen, da.^ .sich im einzelnen die Grenzen
beider Vorstellungskreise nicht mehr fe.stlegen lassen. Auf die Verbindung
skandinanschcr und fricsisch-fiankiseher Sagenmotive fülirl die Kritik des
Kudrunep«« mit Notwendigkeit, und es ergiebt sich als (he Zeit <ler Aus-
bildung der Kudrunsage die zweite Hälfte des 9. und der Anfang des lO.
Jahrhs. Schon im in. Jahrb. scheint die Sage nach Baiem un<l Österreich
voi^drungeii zu sein (^ Oo), und in den Niederlanden war sie zur Zeit des
Emporblühens der mnl. Litteratur augenscheinlicli bereits ganzlich ver-
schollen.
^ ba. In der Ausbildung der Sagen von Hilde utid Kudrun haben sich
neue Motive entwickelt um! sind neue Personen zu Bedeutung gelangt,
die xum Teil auf lange Pflege des Stoffes in den Kreisen der Fahrenden
deuten. Die listige Entführung der Hilde durch Heteb Recken, sdion in
alter Zeit durch die Abzweigung der Gestalt des Süngers vorbereitet, gab
der deutschen Hildesage in ihrer heiter endenden Form von vornherein den
richtigen Grundum, wurde dann verschiedentlich variiert, indem die Alannen
des Königs bald als vertriebene Recken, bald als Kaufleute auftraten — in
unserer Überlieferung beides verbunden {PBB. q, 56 ff. 14, 559 f.) — , und
blieb in der Spielmannsdichtung ein stehende.s Motiv ($ 61), Die gewaltsame
• An die Marint [die Bewohner der Grafschaft Boulojjnf) oder an Maurttngania (den
>Ierwc-Gau| braucht man bei Stt'ril lon JUSrfant nicht za denken; ax> le Winkel, Roman
vam Jtfortatn S, 34.
7iS XIV. Heldeksage. Die ein-zelkek SACEinuiEisE.
Entführung' der Kudmn durch ik-u vcrsLh mahlen LiubhaUcr ist iii Sage und EfX's.
iin Gef;ensatz zu dem heileren \'crlanf dtr neuen Hildcsjige, der Ausgangs-
punkt für die ergreifende Schilderung von Kudruiis Schicksalen und Leiden gc-
wofiien, die erst nach langen Jahren durcli ihre Befreiung und die Bestrafung
ihrer Peiniger einen befriedigenden Al>scliluss finden. Gewiss kann die
Dichtung selbständig zu dieser Ausbildung gelangt scbi. Aber wahrschein-
licher ist es, dass sie Motive aus einer bereits v<'rhandcncn Sage von der
Künigslochler, die in fremder Haft von einer bösen Herrin hart beliandcU
wird und Magddienste verrichten miLss, benutzt hat. Im Norden bezeugt
die Gujirünarkvilja I, 8 f. die Existenz einer derartigen Cberiieferung: dort
ist es Herborg, eine Königin vim Hünaland (Deutschland), die nach dem
Verluste ihrer ganzen Verwandtschaft als Heergefaogene Sklavin nendienstc
leisten niuss und unter den Misshandluiigcn einer harten Herrin seufzt,
wahrend ein giitiger Herr ihr Leid zu lindern bestrebt ist. Die Figur der
bc>sen GSrlhit ilürfte aus dieser Überliercrungss])hSre stammen; es ist eine
Abart des beliebten und weit \erbreiteten Asclienbriidelmcitivs, dessen .Mch
auch die Kudrundichtong zur Aus^'csudtung des in dein zweiten HauplteU
des mild. Eiw>.s vorliegenden Stoffes bedient haben kann. Im einzelnen hat
namentlich L. Beer {PBB. 14, 553 ff.) die verechiedenen Sagen- und Marchen-
motive zu sondern versucht, wodurch die Kudruudichlung luiter den Händen
der Spiolleute die Erweiterungen und Begründungen erfahren hat, aus wel-
dien sich die überUeferlc Gestalt des nihd. Gedichts entwickelt hat, das ja
für flie Kudrunsage und ihre allmähliche Ausbildung unsere einzige Qudte
büdet.
Den Fahrenden venlankt ohne Frage Fruutc von Tencmarke seine
Stelle in der Kudnjndirhtung: durch sächsL^^che Siinger mag der sagenberühmte
Fridfrodi, an welchen der Norden tlte Vorstellung des glücklichen Zeitalters
und des ewigen Friedens knüpfte, aus der dänischen Sage in die deutsche
Spielmannsdichtung gekummen sein. Als Typus des freigebigen Gönners er-
scheint er zuerst in zwei Strophen des Spruchdichters Herger (MF. 25, 19. 30)
imd als solcher ist er sprichwiirtlich geworden. Aber nur in der Kudrun liat
Fruchte festen l'uss gefasst; wo er sonst in der Heldensage auftritt \Rab.,
Roseng. D, Wolfd. A 6, vgl. auch Bit. tyioft. und dazu />//ß 1, XVII;
s. //i/s. S. 232. 28t f. 471), spielt er eine Statistenrolle.»
Auch Wate gehört der Sage nicht ursprünglich an. In der Kudrun «-
scheint er als ein gewaltiger Greis mit ellenbreltcm Barte, unwiderstehlich in
seinem unbändigen Zorne, ein Heerhom blasend, bei dessen Schall das Land
erbebt, das Meer aufbraust und Muucni umzusinken drohet), in einigen Zügen
an den Hagen der Nibelungen, in anderen an Hildebrand oder Berchiung
gemahnend, aber bei aller Annäherung un den Typus des gci manischen Hol-
meisters und Fßrstcnerzieliers (vgl. Kudr. 205. 354 ff.) dennoch seinen Ur-
sprung aus einer Vorstellung der niederen Mvtlwilogie nicht vejieugnend.
Ausserhalb der Kudrun begegnet Wale (ags. Ji'at/a, in der Ps. Kkä". «der
Water«) im Wldsid und in Verbindung mit Wieland. Inwiefern seine Er-
wähnung im Wids. 22, unmittelbar nach Hagen und Heden, für Watcs Ein-
tritt in die Hilriesage zeugt, musste oben (§ 58) unentschieden gelassen «erden;
in jedem Falle bliebe seine ursiirüngüche Rolle hi dieser Sage dunkel Die
H<rbingßs, Ober die er herrscht, weisen wohl auf den Ji6Xova<K :toTan6;
{ie& F'tulemaus. wurimter die Ethnographen bald die Trave, bald die Eid«
oder Halerau, bald die \Vaniow verstehen^, sodass für eine Entscheidunjt
* V^. Zcuss, J>ü Deuiscktn S. 15O; MOller, A. Votksep. S. 37 f.; Mocb, PBB. 17,
I
ober Wates ursprtlngliche Lok.il isietung der Name seines Volkes im ^\'idsld
nicht wolil verwertbar ist. Auch der Wit-Umdsage, mit der diu ^s. iha aU Vater
Wielands und Egils in Verbindung setzt, muss Wate nnKinglich fremd ge-
wesen sein. AbtT sowohl die Kudrun- als die Wielandsyge hüben von dem
Helden alte Züge bewahrt, aus denen sich seine ursprüngliche Bedeutung er-
mitteln I.lsst." Wtii/t), der Sohn einer Meerminne, doch wohl jener WtUhili,
die in der Rabeuschla^'ht ihren Urenkel Witcge \\\ ihren feuchten Sciuioss
aufnimmt, der nach der i's. c. 5S seinen Sohn VVieland Ober den (jro?nasund
trägt, vou dessen Beute und wunderbaren F;ibrten rKifh die mit lel englische
Dichtung zu crz.lh!en weJss (.Vr/-*.* 312: vgl, Binz, PBB. 20, u^öff.), Lst un-
xweifclhafl ein aller Meerriese, der bei den seeanwohnenden Germanen au
der (Jstsee zu Hause war. In ihrer Rjiik ist er zum meisterlichen Seemann
geworden, und nucli in der Kudrun Str. i ib.^ und in dem an ihn geknüpften
ivazzfnnim (Str. 1127 ff.) tritt diese Kigenschaft unzweideutig zu Tage. Seine
Mark z* SlUriHen ist doch woUl am besten auf das ruirdalbingische Stormam
zu deuten, da duch che Ha-lsingc des Widsid immerhin am walimcheiiihch-
sten auf eme Ix-kallsierung in dieser Gegend weisen. Bei niederdeutschen
Stammen muss Wate mit der Hilde- Kudruusage verknüpft w«.jrden sein; wann,
lllsht sich nicht mehr bestimmen. In dem Zeugnisse des Pfaffen Lam])recht
Ut Wate Hiigcns Gegner in der mit Hagens Tode endenden Schlacht auf
dem Walpenwerder: da aber diese deutsehe Gestalt der Hildesagc mit ihrem
tnigi^hen SchUisse, die ja ncich aus dem rz. Jahrh. bezeugt ist, längere Zeit
neben der Kudrunsa^e bestanden liaben inaNs, vaX die Möglichkeit nicht zu
bestreiten, dass Wate in .seiner Eigen-srhaft al.i berühmter Seemann zunächst
in die Kudrun- und er&t von da aus in die Hildesage eingetreten sei.
Aus den Niederlanden ist der Sageukumplex wohl schon im 10. Jaluh.
nach Oberdeutschland gebracht worden, wie man annehmen darf, dureh
rheinische Spielleuie, Die Üliesten alemannischen und hairischen Zeugnisse
für Bekaitntschaft mit der Kudruiisagc sind die Persunennamen Guterun,
Chuirtm (ZfdA. \2. ^^15. i7, 312); sie e^^cheinen im 10. und mehren sich in den
folgenden Jahrhunderten, wiilireiid die echt hochdeatschun Namenformen
Gundrvn, Cuminm schon aus dem y. JaUrh. belcgbar .*tind [ZE Nr. ig, 2.
ZfdA. 27. 312. ,31, Hh). Aus dem 12. Jahrb. lassen sich Hürande in Über-
baiern und Österreich nachweisen (s. S 58). Die Skep.sis Schönbachs (ChmUti-
tum S. 157 f.) diesen Zct^nissen gegenüber ist kaum berechtigt; dagegen ist
das Vorkummen der Niunen Wate, Frmtc, Sigcbatit, Otiriin yZE Nr. 19. 3. 4.
ZfdA. 31, 83 f. 90. 92) für die Keimtnis der Hitdc-Kudrunsage in Ober-
deutschland nicht beweisend, da sie teils anderen Sagen entstammen können,
teils überhaupt nicht aus der Heldensage entlehnt zu sein brauchen. Die
Bearbeitung der Hitdes;ige, auf welche die wiederholt erwlihnte Anspie-
lung LH Lamprechts Alexander um 1130 ()i 38) fUlirt, dtirfte allerding> ein
rheinischeit (mittelfrtlnkisches) Spiel maimsgedicht gewesen sein, aber wenig
später zeigt auch der bairische Pfaffe Konrad im Rolandsliede (2Ö6, 19 ed.
W. Grimm) Bekanntschaft mit dem Wale der Kudnm {ff<is. S. 62. 379.
ZfdA. 2, 5).
1 Haupt, Vnrr. zum Engelhard S. XI F. ZfdA. 4, 51^7; Müllenhoff, ZR
Nr. 33, J; J. Grimm, AV, .S.A#. IV, 135 ff. — » Mülltnboff, ZÜA. 6, 6a %\
Manabardt, Zs. f. «1. Myth. 3, 396 ff.
185(1.; Kuescl, Gficti. d. d. Litt. I, 1, 156. 169. Müllfruhoff (Äwp. S. q?) bllt die
HMlsinge tlir i^inea fuiglnten VoIk»niuitcn.
Anbxng: EDtrflbrungssJigen.
S 6i. Auf die Reihe der EiitfÜhrungs- oder Brautwerbungssagen
einzugehen, die unmiHelbar oder mittelbar aus der alten Hildesage her\or-
gegangcn sind udcr sieb nahe mit üii berühren, w5rc eine ebenso lobncnde
als wichtige Aufgabe, auf velciie aber an dieser Sti^lle mit Rücksicht auf den
zu Gebute stehenden Raum verzichtet werden niuss. Wenige Bemerkungen
Über die Herbortsage, die Rothcrsagc und die Oswalditagc mtbisen hier ge-
nügen.
Eine rhehifrünkischc, nur Uusscrtich an Dietrich von Bcrn(-Bonn) angc-
äehnte, Umbildung der Hildesage scheint die in der I*s. c. ;3i— 239 und in
den Lslündi-sclien Herbutts rhuur \Fiiiihra rinvvr ed. Wiscn, Lund 1881,
S. fijff)) si^ttie im Btteroif 6451 — f>5io erhaltene Herbnrisage.^ In ihrer
alleren, durch die t*a. und die isl. Rtmur (s. über das Verhältnis beider Köl-
bing, Germ. 20, 242 ff. und Wiscn a. a. O. S. XVIII f.) vertretenen Form sind
2wei Motive, die listige EntfcWining durch den Liebhal)er selber und die listige
Entführung durch einen Buttn, noch unvllkonunen verknüpft Die entführte
Jungfrau heisst hier m-ch Hilde; im Bit. dagegen heisst sie Hildeburg und
gilt als Tochter des KOnigs Ludwig von Urmanie und Schwestei" Hartmuts,
entspricht also ihrer verwandtschaftlichen Stellung nach der Orlrün unserer
Kudnin (vgl. auch Klage 2217 f.). Vermutlicli liegt im Bit. sjvatere Vermischung
mit der Kudrunsage vor, speziell sclieiiit die Rückeiitführung der Kudrun
und ihrer .Schirksalsgefahrtin Hildeburg aus der Normandie durch Herwig
auf die Umgeslakung der Sage von Herbort und Hilde nii'ht uhne Einfluss
gewesen zu sein. Der alte Name <les Vaters der Entführten wiir in der
Herbortsage wohl schon früh vergessen; von ihrer (alten •■) Verbindung mit
R\iodlieb {% 15), der narh dem Erkenliede Str. 82 als Herborts Valcr gilt,
isl uns leider zu wenig bekannt. Als Personenname ist ^m'^or/ nacligewiesea
ZE Nr. ig, 4. hi, 4,
Die Sage von K"inig Rother'' ist, ausser in dem von einem rheinischen
Diditer in Baiern um die Mitte des 12. Jahrhs. gedichteten Spielinannsepos
(§ 17), auch durch eine Erzählung der ts. c. 29 — 38 nach niederdeutscher
Tradition erhallen, Die Brautwerbung des nach tleni mhd. Gedichte zu Bari
in A]mlien rc-sidiercndcn Königs Rolhcr um die Toditer des griechischen
K'5m'gs Constantiii, durch List eingeleitet, durcli Gewah beendet, ist in der
l*s. auf Osantrix von Vücinaland (S 5u) übertragen: im übrigen aber rci^rftscn-
tiert die norddeutsche Fassung der Sage eine ursprünglichere Gestalt, die ak
den Kcni und Grundbestandteil des in dem mhd. Spiel mann^edichte ver-
arbeiteten siigenhaften Sioffe-s eine gttfahrvolle Brautwerbung crgiebt, welche
sich von anderen Entführun^sgescl ächten dunh das charakteristische Motiv
unterscheidet, dass der königliche Freier sich für den Boten au^iebt. Dieser
entstheidcnde Zug der Roiliersage weist, im Zusammenhang mit dem Namen
des Helden, auf die langobardische. von Paulus DiaconiLS (III. 30) überlieferte.
srhftne Sage von der Brautwerbung des K«'migs Authari um die bairische
Prinzessin Theudelind, die wahrscheinlich noch bei den L;uigobarden selber
auf den als Veranstalter eines Gesetzbuches und glücklichen Fcldherm be-
kannten König R.rthari (Ö14 — 650) übertragen worden ist (vgl. § 7). L4ngi>-
burdi-scher Tradition werden auch die unbändigen Riesen enLspringen, die
sowohl im Rother als in dem Berichte der fs. eine Rolle spielen imd somit
alter Überlieferung angehören: Aspriän (Asp(i)Uatit, \Av<ntrod >^-i..^ EbimM
im Eckcnliede), Atgeir (ts.)] untl WidoU (Vittol/r miUumslangiJ. Vor allem
letzterer, der seiner Wildheit wegen an einer Eisenkeltc geführt werden am-»»
ist der Typus cicr ausser im Norden nur hfi »len Langolwrck-n twzeugten
Berserker, unti eine drr Kraftleiilung tltii Asprian, der einen Loweu an der
Wand des ki>niglichen Saales in Slttcke wirft (Roth. 1146 ff.}, ahnlirhe Ge-
-schiihtfc erzählt Paulus Diacunus (II, 30} von dem starken Kümpen Peredeo,
dein Mörder Alboins (vgl. Heinzel, AfdA. g, 248; K'->cgel, Gtsch. </. d. Uu.
I, I, iiK). Die I^r^kalisierung dieser langobardischeii Brautwcrliungssage in
der niederdeutschen Sa}{c nach WiLzcnland (s. PBB. ij, 4c}2) kann nuch in
allen liistDrischcii Erinnerungen oder MiKsverstilndni.i.Hen ihre Erklärung finden,
uUhrend in der süddeutschen Cberliefcrung Rolher den Zeitanscliauungen ent-
sprechend zum Küoig von Rom geworden und in glaubhafterweise in ApuUcii
lokalisiert ist. Die oberdeutsche Gestalt der Sage hat den überkommenen Stoff
vielfach ausgeweitet durch Motive aus amieren Heldensagen. Au-S der Wolf-
dietrichsnge stammt Kothers Erzieher und Ratgeber Berchter vonMerati (§34);
aus seinen lO Sühnen sind 12 gewardeii (dix-h vgl. Rolli. 51301.1, von denen
7 zu den von Rother aa^gesandteti Bi.>len gehören. Das.«; diese ilisclumg der
Rother (Osaniiix)- und W'olfdictrich&age schon in der Fassung der I*s. vor-
ausgesfizt werde, nimmt Moltenboff ^ZfdA. 6, 447) wohl mit Unrecht an;
wenn sowohl Os;intrix als R^»lhcr sich bei der Befreiung der Dienstmannen
Dietrich nennen, sei ü-t nicht an den fränkischen Dietrich, sondern au Dietrich
von Bern zu denken. Andere Zflge zur Ausbildung der Sage hat die Hilde-
sage iiergegebcD. Daliin gehurt nainenüich die Erweitenmg des Stoffes, die
Rückeutffllu-uiig von Rothtrs Gemahlin im Auftrage ihres Vaters duidi einen
listigen Spielmann, der sirh als Kaufmann vermummt (Roth. 30«} ff.), wJihrcnd
lungekehrt der alte Zug, dass Osantrrc-Rütlier .sich für einen geachteten Recken
ausgicbt und Schutz sucht bei Milias-Constantln (Roth. 915 ff. I*s. c. 35), der
spielmannsmässigen Ausgestaltung der Hildesage in unserer Kudrun zum Vor-
bilde gedient haben kann. In anderen Bestandteilen der mhd. Sagenform
sind Beziehungen deutsclit-r Könige au dai griechischen Kaisem, Krcuzzugs-
geschirhtcn und bairische Lokal Überlieferungen erkennbar; für die epische
Ausprägung der Gcütalt des Coustanttn mügcn historische byzantinische Kaiser
Züge dargebiten haben; die Anekdote von der Erschiagung des zahmen
Löwen durch Asprian, obgleich vermutlich langu bardischen Ursprungs kann
neu belebt worden sein durch die Kraftprobe eines Ritters auf Uan Kreuz-
xuge, den der Herzog Weif von Baicm im Jahre 1 101 untetnahm (Wilken,
Gesch. ti KrcHz:. II, 124). Bairiäches Colorit zcigeu besonders Amelger von
Tejigltngen, wahrend Rothers Abwesenheit der Verweser seinem Reiches, und
sein Sohn Wolfrät, in welchen zwei aus der Dietrichssage bekannte Namen
an em bairisdies Adelsgcschlecht angeknüpft erscheinen.
In der Cswaldsage» kehren wesentliche Zog« der Hildesage in spicl-
mannsmüsstger Filrbung wieder: der Vater, der die ängstlich gehütete Tixrhier
nit±l hergeben will, die Ustige Werbung durch einen Boten, welcher hier zura
klugen sprechenden Raben geworden ist, die listige Entfühnmg, hier als besonderer
Akt, das Nachsetzen des Val(;rs und der Kampf auf der Itusel, imd, vor allem
merkwürdig, sogar da*; Wieilererwecken der Gefallenen. TrSgi-r der spiel-
inannisch au-sstaffierien Sage ist dei geschichtliche KOiüg Oswald von Nurth-
umbrien (t Ö42) geworden, der sich mit der Tochter eines hcidnisdien weM-
sachsischen Königs vcimählle und diesen zum christlichen Glauben bekehrte,
welchen er kurz zuvor selber aiigenonunen hatte. Sein Leichnam wurde IO38
nach Flandern gebracht und geno.'w im 12. Jalirh. besonders im Liucmbui^-
sehen Verehrung. Mit seiner Le):ende, die bei den Kelten ausgebildet zu sein
scheint, wiudc die typische Bnmtt'abrt in den Orient luic h dem allgemeiikcu Muster
der Hildesage wohl in der niederrheinischen Spielmannsdichtung und nicht
Gnxnutlscbe PbUoIocic »I. 3. AuH. ib
722 XIV. Heldensage. Die einzelnen Sagenkreise.
vor dem 12. Jahrh. verschmolzen. Erhalten ist die Oswaldsage in mehreren
mhd. Dichtungen {§ 17) und Prosaauflosungen, und in einer altnordischen
Saga; über das Verhältnis der Bearbeitungen hat zuletzt Berger (PBB. ii,
365 ff.) gehandeh.
Auf die in ihrem wesentlichen Kerne sehr ähnlichen EntfÜhnmgssagen von
Samsun (Ps. c. i — 13), von Erka und Berta (ts. c. 42 — 56, vgl. § 50), von
Apollonius und Herborg, Königs Salomons Tochter {Ps. c. 246 ff., vgl. § 67),
muss der nackte Hinweis genügen. Dass die alte Ortnitsage in der süd-
deutschen Dichtung ebenfalls in die Fonn der beliebten Entführungsgeschichte
gekleidet wurde, ist in § 37 gezeigt worden. Auch die aus Siteren und anders
gearteten Vorstellungen erwachsene Orendelsage (§ 66) zeigt Annäherung an
diesen T}'pus. Eine methodische Untersuchung der historischen Entwicklung
der gesamten germanischen Brautwerbungssagen bleibt noch immer eine der
notwendigsten xmd anziehendsten Aufgaben der engeren Sagenforschung. Eine
anerkennenswerte Vorarbeit ist der zweite Abschnitt von H. Tardels Schrift
Untersuchungen zur mhd. Spielmannspoesie, i. Zum Orendel. 2. Zum Salman-
Morolf {^o%i. Diss.), Schwerin 1894, S. 33 ff-, aber sein Versuch, die Motive
der Entführungsgeschichten im deutschen Spielmannsepos (Rother, Kudrun»
Ortnit, Orendel, Oswald usw.) sämtlich als mehr oder minder freie Nach-
ahmungen der Saloraosage zu erklären, kann nicht als gelungen betrachtet
werden.
1 Hds. S. 146 ff.; MüUenhoff, Kudrnn S. 99. ZfdA. 30, 234 f.; W. Müller,
Mylh. d. d. Hildens. S. 238 f.; Roediger, ZfdA. 31, 282 ff. — « Rückert,
Einl. zur Ausg. des Rother (1872), S. XVII ff.; Heinzel, AfdA. 9, 248 ff.;
V. Bahder, Germ. 29, 276 ff. {s. auch die Einl. zu seiner Ausg. des Roths,
1884); W. Müller, Myih. d. d. HeJdens. S. I90ff.; H. Bührig, Die Sagr
vom König Rother, Gott. 1889; L. Singer, Zur Rothersage (Progr. des akadem.
Gymn. zu Wien 1889). — 3 Berger, PBB. II, 409 ff.; "W. Müller, Myth. d.
d. Heidern. S. 242 ff.
G. WlKLANDSAGE.
§ 62. In der sclii'jnen nurwegischcn Volundarkvi(>a, die wohl noch dem
Ende des y. Jahrh. angehürt und vielleicht das älteste unter den erhaltenen Edda-
liedern im Fomyrdislag ist, sind vum Dichter zwei ältere Lieder von Wie-
land benutzt und mit einander in gesdiickter Weise, jedoch nicht ohne Wider-
sprüche, verschmolzen worden. Dieses Ergebnis, auf weiches die höhere Kritik
der V(3IundarkviJ)a führt^, wird durch sagengeschichtliche Erwägungen be-
stätigt. Zwei verschiedene Traditionen, offenbar in Liedform, müssen dem
norwegischen Dichter bekannt gewesen sein. Die eine erzählte von den Be-
ziehungen dreier Brüder, Volumlr, EgiU und Slagfidr, zu den Schwanjungfrauen
Jlen'^r (Alvilr), Qlnin und Illaitgmir (S7-ankvil). Es kommen die drei Maide
von Süden geflogen über den * Dunkelwald« (Myrkvip i gognom) und setzen sich
an den Meeresstrand {ä savarstrqnd). Die Bcjider nehmen sie mit sich heim,
augenscheinlich nachdem sie ihnen die Schwanenhemden entwendet, allein
nach sieben oder acht Jaliren fliegen die Jungfrauen wicnier fort, ihres Wal-
kürenamics zu walten. Von der Jagd heimkehrend, finden die Brüder ihre
Säle leer. Während Egill nach Osten und Slagfidr gen Süden ziehen, um
ihre Frauen zu suchen, bleibt Volundr allein zurück: so erzählt das Lied
(Str. (1 f.), indem der Dichter wahrscheinlich durch dieses einsame Zurück-
bleiben Wiclands die Brücke zu dem anderen ihm vorliegenden Liede schlägt,
das mit dem Überfall des feindlichen Königs anliub. Von dieser Sage hat
nur noch das abenteuerliche deutsclie Gedicht Herzog Friedrich von Schwa-
bellt (§21) einen inerkwttrdigeii siiain» Nachklang in ritterlich-phantastischer
Umgestaltung bewaliri, der zwar zur Erklärung der Sage nithls beilragt, aber
den Beweis liefert, daas auch dieser Teil der nordischen ÜherKcfenuig: von
Wieland in Beutsdtland. und zwar in selbständiger Extsteru, bekiinnt ge-
wesen isL
Ziemlich unvermittelt, mit der Sage vom Raube der Schwaiijung-
(lau nur durch den Numen de» Helden und durch einai urspitlngltch in
beiden Sagen eine Rolle s]>ietenden King zusammengehalten, sch]ies$t »eh
in der Vkv. an diesen erstert-n kürzeren ein zweiter längerer AlwdinilL Der
König der Niarcn j\7d(«fr nimnit den kunntreichen Sflimicd l'Mundr, da er
allein im Wulfsihal (d/i/alir) »itzl, gefaiig, eigneten sirh sein S«.-hwert und
seine Kostbarkeiten an, unter diesen auch einen bcsinders wichtigen Ring,
lüsst ihm auf den Rat der Königin die Kniesehnen durchschneiden und ihJi
auf einer nahen In^cl Geschmeide Kchmicdcn. V'<4undr r<lcht *nrh, indem
CT den jungen Söhnen dt-s Königs, als dt-r Zufall sie in seine Werkstatt führt,
die HiluplL-r alAclJagt und aU'» ihren Schadein Trinkschalcii für den Kouig,
aus ihren Augen tldelsteine für die Königin, aus ihren Zahnen Hntstspangen
für die Königstochter bildet, dami aber des Königs Toctilcr BfitfUdr, nach-
dem er ihr einen Schlaftrunk gemischt, überwalt^jt. Dann schwingt «r sidi
(mit Hülfe des wiedererlangten Ringes, dnrfen ftir ergänze«) in die Lüfte
und verkündet, hmh in der Luft srhwebend, dem Nid^>dr seine Rache. Mit
dem Kinge nSmlich, den die Krieger des Königs vor allem in ihre Macht zu
bekommen suchen (Str. gf.), den der König seiner Toditer giebt und lu»-
mittelbar nacli dessen Wiedererlangimg \\'ielani'l sich die Freiheit wieder-
erobert (Str. 30 f.), ist ohne Frage ein Flugring gemeint, der dem albischen
Schmiede die Flugkraft oder die Gabe der Verwandlung in V'ogcigestalt ver-
lieh (Koegel, Gesc/i. ./. d. Litt. I, i, 103 Anm.; [Jiriczek, DHS. I, 11 ff.]).
Wenn es heisst (Str. 12), Völundr habe beim Vermissen des Ringes geglaubt,
die entflohaie Gattin sei zurückgekehrt, so erstrebte der Dichter mit dieser
im Zusammenhange unseres Liedes nicht recht xerstandlichcn Betiauptung
eine Anknüpfung an den Ring der SL'hwanjmwfrausage, den wir gleichfalls
als Flugring auffassen dürfen, dunh dessen Veriusl Her\-yr in die Ge\talt Wic-
lands geriet und nach dessen Wiedererlangung sie entfl'ih. Diese zweite Sage
von Wielands Gefangenschaft und Rache, die eigentliciie Wickuid-
sage, findet sich selbständig, ohne Verbindimg mit der Schvn-anjungfrausage,
in einer der Darstellung des norwegischen Liedes sehr nalieslehenden Gestalt
bei den Angelsachsen. Eine Rlfenbeinschniuerei auf dem Clenn<>ntcr Ruucn-
IcAstchen (g 12) zeigt die Szene von \\'ielands Karhe in ihren beiden ent-
stiieideiiden Momenten, der Tötung der KOnigssölme und der Entehrung der
Königstochter, und in dcjn Gedichte »Di&ont Klage« (§ 13) kehren ans]'«ehmgs-
weise die wesentlichen Züge der Sage wieder: Welanth Fesselung durch den
König Niitbad und die SchwSngerung der ihrer Brüder lieraubten Königs-
tochter Remhlnlii. Die Berillimngen zwischen dem Berichte des altenglwchen
Dichtern und dem norwegischen Liede legen sogar die Annahme eines mittel-
baren Zusammenhanges zwischen beiden Sagendarstellungen nahe*. In diesem
Falle müsstc als gemeinsame Quelle ein niederdeut:>ches Lied von W^lands
Gefangenschaft und Rache vorgelegen haben; jedenfalls muas die Sage sich
• Vgl Nicdner, ZfdA. JJ, 36 f.; K. J6auon, Litt.-Hhi. 1, 110; Kocgc!, Griik. d.
d. Litt. 1, I, toi ff. [JuTczck. DhS. I, 29). Die wörtlichen AnkUog« zwiscliMi der Vkv.
oiu) (1cm Sf^. Gerichte, die N'tcdner siifjihrt (a. a. O. S. 36 Anm. 3}, siiid berntffkcos'
wtfrt, wenn lucb nicht grnüe bewcrisciul (\a formaicfl ZusamnietihAng.
4ft>
724
XIV. HEI.DENSAGE. DiE EINZBLKEK SAGENKKEISB.
bereits ini 7. Jahrh. nach Eiiglumi verbreitet haben (s. § t>i) und nicht viel
spJiter auch nach Skandinavien gHangt sein.
In der weilsciiweifi^en, durch vor^chiedcne Episoden vermehrten, aber
hlr die Krkenninls der aheii CberÜeferuny wenig ergiebigen ErxÄlilung der
l*idrekssaga (c. 57^—79), auf welche in ^ 65 nncli zurütkzukümmen sein wird,
beginnt erst mit c 73 die der \Vi!undark%i|>u und den ags. Zeugnissen ent-
sprechende ursprflngiiche Partie der Sage, die uns an (heser Stelle zunächst
allein interessiert. In meinen Gruudzügen steht dieser Beridit den alteren
Quellen n<K;h n.T.hc genug: auch nach der hs. wird Veient von einem K<"nige
Nii/uN^r tji jtutand als Sdniiied verwendet und gelillinit; auch hier t<>tel
er die jungen Silhne des Königs, aus deren Gebeinen er Schmuck und Tisch-
gerät fertigt, und schändet dessen Tochter. Der Flugring ist durch eia,
Flughemd et^etct, das Velent aus den Federn der VOgcl macht, die
Bruder, der Meisterschütz Egil, für ihn schiesst. Wie in dem alten Liede'
enihülll dann der Schmied dem Xidung seine Rache und flitzt diivon; der
Kfinig befiehlt dem Egil, den Bruder nietlemischiessen, aber durch eine \T>rhcr
verabredete List wird dieser Versuch vereitelt. Zu dieser jungen Verflachuag
der alten Sage, in welcher zwar das alte Gerüst bewahrt, aber die dAnio-
nische Rache des albischen ScJimiedes zu einer komisch gefarhteji Eni-
flUclitungsinlrigue erniedrigt isi, hat dem Sagaschreiber neben jüngerer nieder-
deutscher Tradition unsere V(5lundarkvi(ta als haupisJlchUche Quelle gctitentp
die ihm nach ungenauer mündlicher Überlieferung, doch in stellenweise noch
volLstänili gerer Gestalt bekannt gewesen zu sein sclieint. Bereits in c 69
(Unger S. 82 ") deutet er Kenntnis nordischer Tradition an, wenn er von
Velent, dem berühmten Schmiede, spricht, ^cr l'trna^'ar ka/la lo/om/', und
die Bezeichnung Egils als Qfninar'Egill l'. 75 (Ungcr S. (jl ") wird nur durch
BekannLschaft mit der Vkv. erklärlich. Aber auch der Schuss Egils auf
Wieland ist wohl weiter nichts als eine Ausmalung der Andeutung in der
^'^^v. Str. 39 : fsat sz'ä maPr h^r \ at pik af hisU iake, \\ ne svä qflogr \ at pik
nepan skjöu.. Damit wird ilic ganze Einmischung Egils, deren innere Unwahr-
scheinlich kcit einleuchtet — die Apfelschusssage ist auf ihn nur übertraeeu
(§ '\5) — . als Zudiat des Sagasch roibers wahrscheinlich, uml che ganze Hucht-
version der l's., welche EgiJs Mitwirkung voraussetzt, als blosse litterariscbe
Umbildung des \S- Jahrlis. dringend verdilchtig *. Der Zug, da.»» Wieland
nach der l's. c. 73 die beide-ti Knaben bei ihrem ersten Besuche zurück-
schickt und sie wietlerkomnien heissl, wenn frischer Schnee gefallen sei, doch
rOckwart-igeliend, weist doch wohl auf eine vollstilndigere Gestall der Vkv., in
deren jetziger Fassung Wielands Aufforderung: komep anttan €fagx (Str. 22^)
kaum genügend motiviert ist; wenn in dem rückwärts gewendeten KnalK>n-
bilde auf dem Runenkflstchcn eine Andcuuing rles KOckw .Irisgehens der
Kfjnigskinder zu sehen ist, so wäre damit die UrsprUnglichkeit diese-:» Zi
sicher gestellt Inwieweit der Sagasrhreiber für seine F,rz,'lhlung von Wielant
Gefangenschaft, Verslömmelung und Kache neben der Vkv, nodi uicder-
deutsche Überlieferung benutzt hat — dass diese Sage in Niederdeutschland
nf>ch weit später bekannt war, zeigt die Sachsenu'aldsage (g 63) — , lasst sich
nidit naher bestimmen. Soviel steht aber fest, dass für die Untersuchung
* Der Xame ^j/V/ in Kiinc-n auf dem Ckmionln' K^lc)i<;n, ilrD man für die Altrr-
tOmlichkcii der tn der P«. anfüllenden S:^•i:f]••mall itut TrrfTfn t:c'ftilitt hai, nmu «iis
dem Spiele bleiben. Er »tcbt nih dem WtelanilUikle in koinem Zn^arnmcnhant;, um) «jcb
die I>.-utimg der vogdfangeadcn Figur auf dem Runcnküntcbeti Auf Egil lui nicfais fUr
Bicli. ViHmchr »cbi Jiriczck in derselben mk Recht einen der von der Vns«l)agi] tA
AiViclaiiiU Bchjin^mig vcrirri'.-n jimpcn Ki\nig»öbtjc [Zi/JS. I. titß, JJ f.J.
WlELANtSAGE: QUELLfiK. HeIIIAT. WAKDERUKOSN.
72s
^
der alten Wielandsage der Bericht der f's. im wesentlichen werllos ist; die
Vcreuclu.-, di:iisclbca als Grundlage für die Rekonslrukliuii iler Sage zu be-
nutzen (wie es von W. MflIIer und Golther cescVieht-n ist), sind als durcJiaus
vcrlelill zu bctrachlen. Da von der verworrenen Notiz im Anhang zum HB
{Hds. S. 326) füglich abgesehen werden kann, alle sonstigen Zeugnisse aber
sich auf den Preis und die sagenhafte Verbreitung von Wiciands 51chmiedc-
ktuist beschranken, so ergicbt sich der durch die beiden ags. Zeugnisse l»e-
statigtc Bericht der alten V()hinclarkvi|>a a]s unsere eigentliche Quelle für die
Erkenntnis der ursprünglichen SagengestalL
Llltcratur: Rieger, Genn. 3, 176; K. Mcycr, Gtrm. 14, 283 ff.; E. H.
Meyer, AFdA. 13, 23 (f.; Nicdner, ZfdA. 33, 24 ff. Xur Liedtredia {Wim.
Beil. imn Jiihresbcr. des fricdriclia-tSj-mn. zu Berlin 1896) S. 17 ff.; W. M&llrr,
Alyih. J. d. Heidem. S. 114 i!'. Zur Myth. S. ",14 ff.; üolthcr, Germ. 3J. 449 B.;
Sclißtk, Ark. f. uord. FiL 9. 103 ff.; Kolbc), Cä-jj-A. d. d. Uil. I, i, 9'> ff.
(Jiriciek. DHS. I, 1—54). — ' Zur Kritik dw Vkv. vgl. rh««.t den EdOii-
aitsgi;. und Niedncr» ani!<-fährtvn .'Viiwiten : Detter, Ark, f. norri. Fil. 3, 309ff.;
F. JiViisson, Lttt.-Hisl. I, 204 ff,
g 63. Auf Niederdeutschiand als die eigentliche Heimat der Wieland-
Mge fAhien verschiedene Anzeichen. Eine fortdauernde lebendige \'erbrei-
tung der Sage Klsst sich nur auf nicdcrdcutM'tieni Boden, s<)w<.»lil durch ihre
Kodifizierurg in der I'idrekssagft, als diirdi ihr Haften in der Vt.Iksüber-
liefetuug, bel(^eu. Xuch in der Erzählung der ts. c. 58 ist der Berg Ballo/a
{Kaiht'o), d. i die Balver Hiihle bei dem westfälischen Stadtchen üahr
älter Jiaihwa {Hollhausen, PBB. <j, 4^9 f.). der Schauplatz von Wielands
Lehr/Jiit, und auf der Weser [}^iiarä) unweit ihrer Mündung begiiuil er (c. 61)
seine abenteuerliche Fahrt in die Nordsee. Gottfried von Monmouth deutet
die Stadt Sie^at als Wielaixds Werkstatt aa {HJs. Nr. 26). Der holsteinische
und wcstffllisclic Volksglaube bewahrt eine Reihe von merkwürdigen Schmiede-
äagcn S die es klar machen, «"ie tief die sagenumwobene Gestalt des kunst-
reichen Schmiedes in der niederdeutschen Anschauung wurzelt Unter diesen
bietet die unzweideutigste Erinncmng an den verstünunelten, unter t>-ranni-
.«tclicm Zwang arbeitenden Künstler die Sachse nwald sage vim dem Schmiede
Mc/antl uder AmmHanä feiner KumproinissfLimi aus Wfhnd und seinem
Rivalen in der jüngeren nd. Tradition Amelias-AffUasfi*. Aus Niederdeutsch-
iand hat sich die Sage nach England verbreitet", wo die Darstellung des
Clemiunler Runenkäslclicns und das Gedicht -Doürs Klage schon für das
7./8. Jahrb. ihre Bekannt-a'haft hcwci-sen, und Wielands Si~hmiedekuiLSt hoch
gefeiert ( IV^'/arnffs ^nvore Beow, 455. Wald. A 2) m»d lange im Gedächtnis
fortgepflanzt wurde {H<ii. Nr. 2(>. io(>. izb^ = ZfdA. ly, 130. ÄFNr. (18?).
In Berkshire lebt die erst zu Anfang des 18. Jahrh«. aufgezeichnete merk-
würdige Sage von dem unsichtbaren Schnüede Wayland {/A/j. Nr. 170). und
nach Kembles Nachweis {The Saxons I, 431: vgl. ZE Nr. ()) hiess der Ort,
wo sich die Cberiiefeiomg lokalisiert findet {Wayland smilh statt W. smitby),
bereits in einer Urkunde v. J. ^^^ Wtlandcs smiditc. Wie nach Britannien
oder den festlandischen Wohnsitzen der AngeCsarhsen, wird die Sage auch
nach dem skandinavisclien Norden aus Niederdeutschland eingewandert
sein. Auch abgesehen von der MiVglichkeit, dass der Vi;t!undark\il>a und
»Deors Klage« ein gemeinsames niederdeutsches Ued zu Grunde liegen kann
(§6j), weisen die Ortsangaben und die Namcnfunnen des norwegischen Liedes
zum Teil unstreitig auf deutschen Ursprung der beiden in ihm verbundenen
Wietandsagen. Es mischt die Vkv. fingiertes {t't/daUr, Si/iars/pd) und wirk-
hchcs Lokal. Die Scliwanjungfraucn sind dröstr u/ßrünar, sie kommen von
Süden geflogen über den Afyrhudi, d. i. den saltus Hcrcynius (Molleulioff,
726
XIV. Heldensao£. Die eihzeixeu Sagekkreise.
ZfdA. 2^. 168 f.; Koegel I, i, 09), und dorthin sehnen sie sich znriick (Str.
4*). Wenn die Prosa des Sammlers Wielaiul und seine Brüder zu Söhnen
eines Fiünenk*'inigs marht und seinen Gegner Nldiiftr, den Xiara dröttian,
nach Schweden lokalisiert, so fallen diese Angaben weder für nordischen
noch für •nniiischen« Ursprung der Sage irgendwie ins Gewicht. Die Namen
von Widands Gegner A^l^iftr {Ni/tttftf), Gen. Niita^ar (ags. NUJiatf, vgl. Binz,
PBB. 20. t8ol und von de5aen Tochter R^ih'ildr (ags. BeadohUd) sind in
ihrer allgemeinen ejiLschen Bedeutung wenig rhara.Lteri.suscli, al>er erstercr
wenigstens iüt sownhl unnordisch als nncnglisch. Auch Slagfiär und der
Diener des Niarenkönigs pakkrddr (aJls. ThanJträä) tragen deutsdie Namen;
ebenso deutet auf fremden Ursprung die Bezeichnung zweier von den
Schwanjungfraucn ab* TCwhter ••Jfi^ti-e'x*, aLsü dnt?s frankischen KOnigs *. In
gleiche Rirhiiirg weist endlich der Name des Helden sellier.
i'iUundr — die Länge der Stammsilbe fordert tue Metrik an verscIUedcncn
Stellen (3*, 11*. 14*. 30*. 34*. 35 *. 42*. 43«) — Ut in seinem Veriiültnis zu ags.
Weland, alid. Widtint aus dem Nordischen nicht zu erklären, sondern deutet
auf Herübemahme einer nicht-nnrdisctien Namenform, am ersten also eines
niederdeutschen Wrland \*l'c1undr >■ Vt'fhmdr mit /' aus t vor /?), worin sich
eine Parti zipialbildung zu den allerdings nur auf nordischem Boden belegten
Wörtern rv7 >Kunst, Kunstgriff, List-, iela «■betrügen, Obcrlisten* vernntten
lasst**. An dieser schon von J. Giimm iMyih.^ 313) gegdienen Krldarung
des Namens aus germanisclien Sprachmittcln als skunstfertiger Schmied,
Künstler- ist fest zu hallen. C. Hofmanns Versuch, den Namen aus dem
Finnischen herzuleiten {Germ. 8, 10 f., vgl. W. Müller, Myth, d. d. H<Idms.
S. 138), ist ebenso verfehlt wie die Deutung aa-* volksetymologischer Anleh-
nung an VidrnRus, wiL' sie zuletzt wieder von Golther (Germ. 33, 464 ff.)
vorgenommen ist, freilich mit Einschrfinkung auf eine vermeintliche fritnkisch-
nnrdische Form * U'n/nnd, ilie es neben der englisch -deutschen W/Zund in
der Sage gegeben haben »üll. Diese j'fränldsch-nf>rdische- Namenform wird
aber weder durch die altnorwegis<:he CberlicferuuR noch durch die alt-
franzt'sischen Zeugnisse-" genC^end gestützt. r)ic Kunde von dem be-
rühmten Schmiede Gitlans wird erst durch die Normaimen nach Frankreich
gekommen sein. Nirgends zeigt sich die Spur einer reicheren, etwa aus
frankisi:her Zeit herstammenden, sagenliaften Tradition, tmd die Namenforro
Wahrtdfr in dem ältesten Zeugnisse von französischem B"xicii, Ademars
Historia aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhs. {ZE Nr. 70), vs-cist nach
Jiriczeks treffender Bemerkung [DffS. I, 23] durch ihre Endimg geradesu
auf Entlehnung aus slumdinanschem Munde.
Auch in Obcrdeutschland, wo bereit.*« in zwei Sanct Galler ürlninden
V. J. 864 {ZE Nr. 14 f; vgl. mn-h Nr. 2^ 7) Wif/ant {Weiunt) nebei\ Witigo
( M'itigouuc) als Zeuge auftritt, lud die Sage offenbar nur geringen Bi:>den
gefunden. Im Waltharius fifi5 heisst Walthers l'anzer Wrlandm fabrira, wie
in den ags, 'Wal<iere-Fragnienten, jedesfalLs nacli alemannischer Tradition,
UV/aridcs gatfforc; im Biternlf und in anderen mhri. Gedichten ist Wieland
als berilhmter Waffeasclmiicd oder bloss als Vater W'itegcs bekannt, oltne
" Hlnp^ifir ok Herrfr \ borm vas Hli^pvi. ' | iunH Tat Qtrttn | Kiars AMUr: oft'vo-
bar gch'irt <tie an ilrr flbrrtiefcrten Stdlr^ unm^tidio HalSstmphF (16) zwischen 3 twd 3.
— Zu den Namen Her Vkv. i. Koegpl I, I, loo; [Jiriczck, DHS. I, 27}.
*• In ajp. K'i/ >I..isl' Ul eine AbUutsfomi zw uip. M'tlatul. aiJ. i-//, v^ta (mit *•)
erlullen (Xoreen, Vrgfrm. LauU. S. 31). Der Dichiei der Vkv, (30* -.il g^rft tutdr\
hvatt 2^papf\ Bcheim dn Worupicl xu'Uchen 1// und lliltindr /n t>eabsicbtigen, braucbt
aber luifirlich <Ien etymobciscben Znnjnmenhang nicht mehr empfunden ni haben.
WiELANDSAOE: Wan-DERUKOEN. URSPRUNn UND BEDEUTUNG.
727
rfass sich aus diesen Eni'ühmingen eine umfassendere Sagenkenntnis cr-
schlifsstii lit-bsc. Und audi die versprengten Reste der Schwanjuniifrau-
sage in 'Herzog Frie(!rich von Schwaben«, sowie die konfusen Notizen im
Anhang /um irleldcnbucli krjnncn diese nicht beweisen; vs i^t vidmchr sehr
glaublich, dawt in beiden Fallen die reichere niederdeutsche Cberlieferung
mittelbare oder unmittelbare Quelle gewesen ist*.
1 Kiibn, &i/^ft aus \%tstfaleit I, 42 fT, — ' Di* Suchscrnwnlibui);« milf;eicilt
von J. Wcilde im Jahrli, de* Vcr. f. nd. Sprachf. t (lS;5), 104 f. (//<£!. ' S. 492);
vgl. E. H. Ä[«ycr, AfdA. 13, 30. — 3 Bin/, TBR. 20, 186— iqo. — * Irland
U fori^eron. Diss. par G. It. Drppinj; «c Fr. Michel, I'aris iSjJ, Chap. V.
(S. 37—46 und Bo — 95t; vgl. H^s. Nr. 38— 30. ;?£■ Nr. 70. — * [Zur BcunciluDÄ
der olMTtietiuchpn Äcußnisse «. jetit Jiriczck, DtiS. I, 33 — 36|.
5 64. Die Frage nachdem Ursprung und der Bedeutung der Wie-
landsage, deren Rniwicklunus<,'es<;hichie als epischer Stoff sich in ihren
wesentlichen Stufi-n wohl v<;rfolccen Iflsst, fällt streng genommen nicht mehr
in den Bereich der sagen geschichtlichen Forschung. Das Piviblem ist weniger
sagengeschtchtlichcr als utvth<>l<igischcr Art. sodass an dieser Stelle einige
Andeutungen rlarüber genügen müssen.
Als ältesten Bestand ik-r Sage erkennen wir einen niederen Mythus.
Allen Cberlicfcrungen gemein und schon aus diesem Grunde als ursprOng-
liciister Kem der Sage in Anspruch zu nehmen Lst die Vorstellung von
Wielaiid> wunderbarer, zauberhafter Schmiedekunsi, wie sie selbständig und
nur erst durch einen bestimmten Namen episiert in der Berkshire-Sage vcm
Waviand-Smith erhahen ist i% 63). Der in einem alten prähistorischen
SieiiHlcnkmal Imusentlc Schmied, welcher den Menscliai, die üuu sein Lohn
hinlegen, unsichtbar die gewünschten ."v-bmiedearlieiien anfertigt, isi ein bei
den verschiedensten indc^ermanisclien (und wohl auch nichlinüogennaaischen)
Völkern verbreiteter mydiischer T>'pus^ Er repräsentiert, wie man riclitig
erkannt hat, das naive Staunen primitiver Büdungsjcuständc über ilie neue
Kunst des Metallgiessens, die als etwas Dümonisches. Cberirtlisiches aufgc-
fasst wurde, und knüpft somit au jenen gewaltigen, weHenfömiig in pr^etL-
nischcr Zeil verbreiteten, Umschwung in <ier menschlichen Kultur an, de-r
sich in dem Übergang vom Steinalter zur Metallurgie vollzieht Diese Grund-
läge der Widandsage in einem myüiischen Vorstcllungskreise, dessen Keime
sich auch bei den Stämmen des nördlichen Kuropas in eine vnrgeschicht-
lidie Zeit verlieren, macht l-s vl'U vornherein umnöglich. die bei verwandten
Völkern sich findendai Parallelen zu einer genealugischeji Geschichte der
Sage zw verwerten; es muss dahingestellt bleiben, inwieweit die unleugbar
vorhandenen partiellen Analogien in der grossen Reihe der idg. Schmiede-
sagen auf uraltem Gemeinbesitz oder früher Moiivwanderung beruhen, in-
wieweit nur unabhängige Ausgi.'S takung gleicher Mytlienkeimc zu ähnlichen
Sagenf.>nnen geführt hat (\^;1. ^ 11). So, um dio-sc Auffassung durch ein
Beispiel zu erlautem, hat Wielands Lähmung, die gewiss zu den alten, wenn
auch nicht ältesten, Elementen seiner Sage gehi'irt — sie findet sich in der
Vkv., der I^s. mid, umgestaltet, in der Saclisenwaldsage und wird in anderen
Quellen wohl nur durch Zufall übergangen sein — , von jeher an Hephaisios
gemahni. und es ist nicht undenkbar, dass dieser Zug schon dw indogerma-
nischen Vorstellung des FeucrdSmons angehört hat. Doch lie^se sich anderer-
seits auch ohne diese Annahme vfsllig tKCgreifen, wie ein Mythus von einem
Feuerdämon, der mensclilichen KuUurzwecken dienstbar gejnacht wird,
bei Griechen und Germanen sich in ahnliche Formen kleiden konnte-
Aus dieser ältesten crschliess baren Form der Wielandsage haben sich zwei
höher aui^bitdcte Sagentypen entwickelt Der eine ist die Sage von
728
XIV. Heldensage. Die etnzelkbn Saoekkrsise.
"Wielands Gefangenschaft und Rache, als deren Kern die verschU
denen Cljerlieferungen fnlgende, am treusten in der V(ilunclarkvit>a erlialten^J
Grundgestalt ergeben (vgl. .ü Ö2). Der Schmied Wiciaiid wird von einem feind-
lichen Könige gefangen und gelahmt; er radit sich an ihm durch die Enuor-
dung seiner Söhne und die Schändung seiner Todlter, und fliegt davon. Die-
selbe mythische Vf>rstc!lungj die in der Bcrkshire-Sagc noch in der Forai eines
primitiven niederen Mvthus vorliegt, erscheint hier in einer episch-henüschen
Gestalt Der gefesselte und gelähmte dainunische Künstler, der auf Gehciss
einem Könige und den Seinen Geschmtkle schmieden muss, scheint auf einen
FcucrdAmou zu dcuteu, der In den Dienst meiischliclier Bildung gezwSngtj
wird, dann aber verheerend sich an seinen Bezwingern r3cht und endlich
hoch auflnderud sieh durdi das Dach der Esse sdiwingt. Is diese, von
Jiriczek gegebene [/)//S. 1. 4], Deutimg richtig, si» weist die Sage von Wi
lands Gefangenschaft und Rache in ihrer epischen Kumi in eine, zwar gleif^'
falls noch sehr alte, aber doch vorgeschrittenere Zeit als die rarthischc Btxk-
shire-Cherllefenmg. da man sich nicht mehr mit staunemler Khrfurcht vur
der zuubcrhaflen Schiuicclekuiut begnügte, suiidem den Kräften nach-spürtc^
die das tückische und verheerende Element des Feuers zu metallurgischen
Zwe<_-ken zu verwenden wusstcn. Die Einkleidung der nicflerdcutschea
Wieland-iage Lst natürlich wiederum eine jüngere Entwicklungsphase. Der
zauberlxafte Schmied, der tücJdsche Feuerdamrm, erhielt die Züge des all-
weisen, kunstgeübten Zweites, dem die unterirdischen Schätze das Material
zu seinen Bilduiigt-n geben uml der, wie in der nordischen Myll>olugie die
Ival<lMöhne oder Hrokkr und Suidri, danun selbst als unterirdische Klcmen-
tamiacht gilt. In der Vdlundarkvi{>a erscheint der Schmied als iuächti(
Albenfürst {aZ/it Ijope \i-, rlsr a/fit 14*. .^'), der Flugknift kundig, betii
durch einen neidischen Gegner imd mit dessen Tot:hter buhlend, halb Da-
nion. halb Hen^s. Das Alter dieses Sagentqius kisst siih nicht sicher be-
stimmen. Darf man eine Stelle in der Biographie des heiligen Sevcrinus vun
Eugippuw, um 51] (Mun. Germ. Aiict. antiq. I. 2, 11; //f/s.^ 4.^41, auf
welt:he Mülleuhoff zuerst hingewiesen liat, auf die W'ielaudsagc beziehen, so
hatten die Rugier im Donaugebiete einige hcrvorstcchenile ZQge des T\-pus
schon in der zweiten Hillfle des 5. Jahrhs. gekannt, was auf die Ausbildung
der Sage in Uirer niedenleutsclien Heimal mindestens um 400 hiniviese
[Jiriczek, /)//S. I, 30 f.]. Aliein die Heziehiing ist unsicher, und es bleibt
als ältestes sicheres Sagendenkmal das Clcrmonter Runenkästchen, das die
Bekanntschaft der Sage von Wielands Gefangenschaft und Rache unter den
Angelsachsen für das Ende des 7. Jahrlis. bezeugt.
Zu einem zweiten Sagentypus hat die Figur des damonUchm Schmiedes
Anlass gegeben diurh ihre Verbindimg mit einem weil verbreiteten Moti^-c,
dem Raube einer Schwanjungfrau. Die albische Natur des Schmiedet
in der deutschen Sage hat wohl dazu geführt, auf ihn einen mythischen Stoff
zu abertragen, der in zahheiciien Volkssagen mannigfadi variiert wiederkehrt
laid besonders von E. H. Meyer {/dff. Mythen II, 4153. 623. (130) und Laist-
ner {RiHs<I i/er S/>At».x 1, ijgff.) behandelt worden ist: eine mvtliia
Jungfrau (Aibin, weisse Fmu. Schwanmildchen) wird durch den Raub emea*
Ringes, Schleiers, Schwantfnhemdes otler sonst eines Gegenstauflcs, woran
ihre übennenschltche Natur geknüpft ist, in die Geu'ull eiues Mcusdicn (uc-
s|)rünglich wohl eines Alben) gebracht, aus welcher sie nach einiger Zeit
weder entflieht, sei es indem sie den geraubten Gegenstand zurückerlang^.
oder hidcm der Mann nach ihrer Herkunft fragt oder die vcr»prochciic Ent-'
hattsamkeit oder gon.st eine Bedingung verletzt '. AU Träger dieser Schwan-
jungfniusage ertcheint Wieland nur in der Völunclark\*ilja, deren Dichter diesen
Sageriiypus mit ileni andern von Wielamis Gefangenschaft und Raclic auf
Grund zweier alteren Lieder verknüpfte (S ('2)f und. selljstandijr, in »Hernog
Friedrich von Schwaben«. Grosse Pflege scheint diese Sagenkorahinatiou
nicht gefunden zu liabcii. aber aus der Übt-reinstininiung der Vbv. und dea
deutschen Gedichts irdit liervor. dass sie schon in der sJkhsischrji Heimat
der Wieland<iaj;e votlzojren worden ist.
Aus den hier gegebenen Andeutungen über den Ursprung der Wieland-
snge ergiebt sich, dass an der echt germanisciien Grundlage der Sage nicht
gerüttelt werden darf. Durchaus abzulchuen sind, wie die früheren, so auch
die neuesten Versuche Golthers und Schucks, in ihr eine Nachbildung
antiker Überlieferungen nachzuweisen. Ersterer (Germ. .^3, 449 ff.) sieht in
ihr die Schöpfung eines genialen Franken des ti. Jahrhs., der sie aus den
Sagen von Vulcanus und vi>n Daedalus kunstvf.1l] zusammensetzte, während
letzterer (Ark. f. nord. Fil. q. ioj ff.) sie einfacher als Übertragung einer
antiken Daedalussage betrachtet, die in dieser Form erst von deni schwedi-
schen Gelehrten selber gebildet worden Ist
1 .l/vM.* 313 f. 3Mo; A. Kuhn, Zs. f. vgl. Spr. 4, 81 IT.; E. H. Meyer,
Mg. Mytht-n U, 678 ff. ,\fdA. 13, 2J ff.; Schradcr, Spracftrrrgl. und CrgruH.*
S. 225 ff, [Wtfitcn.- Litu-ratuT Iwi Jirk/«-k, lUIS. I, 3. 7, ui dwwfn vortrtff-
IkW Aiisrvthnui^uti Jiesrr $ »ich wocuilioti atixchik-iuLJ - — (* Rvicllc Litteralur-
UBchwt-isv für ilu.* Vtrlireiluin; dicMr« Sageiimotiv» gicbt jeUL Jiriczek, D//S- I, 9.]
§ t>5. Die spJUere Sage, *ie sie in dem Berichte der l'idrekssaga vor-
liegt, zeigt, neben anderen Erweiterungen, auch schüchlenie Ansätze zur
■cyklischf-n Verbindung der is*ilierlen und rius dein gewohnten Ralimen
der Heldensage so ganz herausfallenden Wielandsage. Um Wielaud, den
besten Waffensclimied, hat sie andere Meister in Künsten und Fertigkeiten
gruppien: Wate, der beste Schiffer (iJ (xi). ist nach der ts. sein Vater,
Egil, der neste Schütze, sein Bruder, und sein Üheim Nordian, der Vater
<lra Riesen .■Vspiliaii und seiner Riesenbrüder, ist wohl kein anderer als der
geu'altige J3ger der Ironsage (S 0"). Die Absichtlichkeit dieser Zusammen-
stellung tiat Alüllenhoff (ZfdA. 0, (>7) her>'orgehubeu. Älter bt die Anglic-
dening «ies lurühmien Kämpfers Witegc {fi 47), der schon in den ags.
Waldere-Fragmenten als Wielands Sohn gilt; diese Verbindung, die doch
vermutlich in der niederdeutschen Heimat der Wieland,sage zustande kam,
iftt besonders in der oberdeutschen Dichtung, die von der Herkunft des
beliebten Sagenlieiden Witegc nichts wusste, willig aufgegriffen wurden.
Ihre ßekanntsclwft in Alcniannten bezeugt ilic Xusanuncnstellung der Namen
in den beiden Sanct Gallcr Urkunden v. J. »O4 (fj 63) und früher schon,
indirekt, die auf alemannische Tniditi>m zurückgehende ags. Walderc-
Dichtung.
Auch st^rist ist die Erzählung der I's. reich an Episoden und Stoff-
erweitcrungen ', die, abgesehen vun einzelnen Zu4.lticn aus der älteren
nordischen Tradition {ti O2) und einer mit Bestimmtheit deui Saga^ichreiber
zuzuweisenden Partie, als Niederschlage einer jüngeren Ent«'irklungs.siufe der
sächsischen Sage zu betrachten sind. Zunächst wird Wielands Jugend aus-
führlich berichtet. Velent, der Sohn des Riesen Vadi, wird von seinem Vater
dem berühmten Schmiede Mimir in Hünaland i^Saclisen) in die I-ehre ge-
lben, spater aber, da er von dem jungeti Sigurd misshandelt wird, zu zwei
Zwergen im Berge Ballofa (§ 63) gebraclii. Der Vater hinlerUlsst ihm heim-
lich ein Schwert, ki.tmmt dam» seinem Versprechen gemitss nach Jahresfrist
um ihn abzulK>len, wird aber im Sdtlafe durch einen Dergsturz getötet Vclcnt
730
XrV. Heldensage. Die eixzei.nen Sagenkreise.
nimmt das Schwert, erschlagt seine Lebnneister, bemacliligt sich ihrer
Srhaizc, beladet damit sein Ros« und reitet davon. In einem ausgchühhen
Baumstämme treibt er auf der Weser nach Jütland, wo er von Fischern des
Königs Nidung ans Land pcz<jgcn wird (c. 5" — b2). Diese Jugcndgeschi':hlc
hat sich durch Aufnahme sächsi.'^dier Schmiede- und Zwergensagen — die
doppelte Lehrzeit si*!! WleUmds grosse Geschicklichkeit in rationalistischer
Weise erkliiren — und imter <ipm Einfla'ise von Motiven der Sigfrtdssage
gebildet. Als niederdeutsche Erweiterungen de-S alten Stoffes sind auch die
Ameliascpisode, der Wettstreit mit einem Rivalen, von dessen Existenz und
Name-n noch die Sachsen waldsage eine Spur bewahrt (g 63), so\i-ie die Ge-
schichte mit dem Siegstein und die Erschlagung des Truchsessen anzusehen
(c. b3 — 70); Anekdoten und Märchen motive haben den alten SagenbeAtand
bereichert. In Wiclands Verbannung darf ebenfalls kein ursprünglicher Zug
erblickt werden *, und die Rache des Verltanntcn, der sich unkcnnUich an
den königlichen Hnf siiilcichl, sich zu des Königs Köchen gesellt und Liebes-
zauber in die Speisen der Prinzessin mischt (c. 71. 72), sull nur in nc<vellis-
tischer Form die Strafe der iJhmung motivieren, womit der Sagaschreiber
endlich in das Geleise der alten Sage einlenkt ^c. ~2 — 78; vgl. !? 02). Spuren
dieser jüngeren niederdeutschen Sagengcstalt, aus welcher die Erkenntnis der
alten Sage keinen Nutzen zieht, finden sich auch in den dänischen Folke-
vi$tz: besonderes Interesse erregt der Name ßnatü// (»cn koning-dathcr
wen») für Witeges Mutter {DgF. Nr. 7 B, 15; s. I, 7a IV, 592), der. wenn
er auf jüngerem niederdeutschen Sagenimport berulit, den Namen der Königs-
tochter *naihihild auch für die siichsische S;jge sichert.
In die Erzählung der l's. von Velenl ist vom Sagaschreiber die Sage \*on
dessen jungein Bnuler F.giH cingefltichtcn (c. 75 — 78), offenbar durch eine
blosse Notix der alten V(9undarkvi]ia veranlasst. Heisst nOmlich der Meister-
schfltzc c. 75 ()lrthitir-KgiJl, so zeigt sich deutlich die Anlehnung an das alt-
norwegische Lied, in welchem Olrvin Egils Walküre ist (s. § 63). Er kommt an
Nidungs Hof und muts auf Hefehl des Ki'migs als Probe seiner Kunst einen
Apfel vom Haupte seines dreijährigen Sohnes schiessen. Egil nimmt drei
Pfeile aus dem Köcher und erR-idert. nachdem der gefährliche Schuss glän-
zend gelungen ist, auf des Königs Frage nach dem Zwecke der zwei anderen
Pfeile, sie seien, falls er sein Kind getroffen hatte, für den König bestimmt
gewesen. Der sagenborflhmie Apfelschu.ss ist in der f's. gflnzlirh unmnm-iert
und gSnzIich ohne Kulgcn; den nntQrliclieii und den sonstigen CberUefc-
rungen gemeinsamen Schluss der Geschichte, die Bestrafung des kQhnen
SrhOlzen durch den erzürnten Tyrannen, musste der Sagaschreiber, welcher
Egil noch weiter (xur Erm"-glichung von Wiciands Flucht) brauchte, weg-
lassen. So liegt die Annalime auf der Hand, dass die Apfelschuss^age erst
vom Sagaschreiber auf Egil übertragen worden ist, der zwar seit alter Zeit
als Wielands Bnirier galt, dessen Einmischung in den Bericht der f*s. aber
niu" auf willkürlicher Ausnutzung einer Situation der Viilundarkvi|ia beruht.
Bestätigt wird diese Annahme dnri'h d:is Ergebnis von O. Klockhoffs Unter-
suchungen Ober die Geschiclile der Entwicklung der nordischen Apfel-
schusssage.- Diese ist in Skandinavien ursprünglich an einen König Ha-
rald und dessen Gefolgsmann Heming geknüpft gewesen, dann in einer is-
landischen Versiun historisiert und mit Haraldr hardrädi verbunden wi^>rden.
• Xicdncr {Zfd^V. 33, 36; ^ur LifdrrrdJa S. 21) hllh die Vcrhannimj; ftir fiiifTi ur-
alten Sditcnnig, den er aticli in -DMr» KlmjCf und sognr in der VItv, /u üadcn glanbL
Idi halte dien« Anitcbt mit Jiri««k \DiiS. 1, 47 f. Anm.) nkht für ridiüs.
Wielakusage: Episoden. Apfelschusssage. — AxhAnge. 73t
Von den drei KQnsten, die der Kunij* vlhi Heming verfangt, Apfelschuss,
Wettschwimmen und Stiintcscliuliluufen. sind die bcidt-n letzten iiorweifisclicn
Urs|inmgs \v.1hrend der Apfel !t<-huss aus KnglanrI nach Norwegen eingcw-an-
deil zu sein scheint. Die norwegische Heniingsage Acrbreilele bich in den
skandiniiW^tchen I^ndeni. Auf Island nahm sie verschiedene Formen an; im
£inän'ftn pdltr Übreitii (Fiat. I, 456 ff.) erscheint sie d^irt an König Olaf Tiyggva-
aon geknüpft. In Dänemark wurde sie Saxos Quelle (h'b. X, p. 48öff. ed.
Älflllcr-Velschow, p. ,^ii»f. ed. Holder); bei ihm ist die Sage auf Toko Über-
tragen, den lribtrjrLs<'lien Palna-Tüki der Ji'imsvil.ingasngn, der den Apfelw.huss
auf Befehl des dänischen Königs Harald Blaataiid verrichtet und spater noch
einmal eine gefahrliehe Probe bestehen muss im Herabgleiten auf Sciinee-
schuhen win einem steilen Fcls<;n; zuletzt ftltlt der KL.nig durch Tokos Pfeil.
Ebenso Ist die Egil-Episnde der l's. nichts weiter als eine norwegische Um-
bildung der Hcmingsagc. Auch in England, sowie bei antlercn verwandten
und nicht verwandten Völkern, findet sich der Kern fler Sage. -Mlein ihre
bekannteste ErscliLinungsf<)rm, die seit dein letzten Viertel des 15. Jahrhs. in
Chroniken auftauchende schweizerisrhe Teilsage, ist nur eine auf gelehrtem
Wege entstandene Umbildung der skandinavUchen Sage, die mit dreister
Tendenz in den Bericht über die Befreiung der Walrisüdte verflochten worden
ist' Dass der Sage waw Apfelschuss mythische Vorstellungen zu Gnmde
liegen, ist schwerlich anzunehmen; jcdesfalis Usst sie in ihren flbcrlicferten
Gestalten eine mythische Deutung nicht mehr zu.
[1 Jiricxek, DHS, I, 34-54]. - ^ Klockhoff, A'onumjf Hantki txh
Hemini^: Uppsalasoulkr lillegn, S. Buggc (Up». 1893) S. 114(1'.; Df ncrtii^kft
framitsiltninf^rmt af TelUttgan: Ark. f. nord. Fil. 13, 171 tT. — • Aus dn auft-
(jcdcbmcn Littcrattir (Ibcr die Telbage lirti ausscblicsslich hingewiesen auf: Roch«
hoUj 'I'eU urut Ofts/tr i'n S^^f und Oesehuhtir, Heilbr. 1877.
Y
H. AxhAnci.
g (»6. Orendelsage. Das wahrscheinlich kurz nach 1 100 in der Gegend
von Trier entstandene, aber nur in jüngerer Gestalt auf uns gekommene,
rohe und willkürlich zusammengesetzte Spielmannsgedicht vom Kfmig Ortndel
(§ i") enthalt Spuren einer sehr alten sagenhaften Überlieferung in wirrem,
fast zertrOmtticrtcni Zustande, zu deren Ergänzung bis zu einem gewissen
Grade eine F.rzfliilung tlcr .HkAUlskaparmfil c 17 (SnF. I, ij'if. II, 2t)<j) ver-
wendbar Ist. in dem mhd. GediL'hte ist der HeUl zu einem K<inigc von
Trier geworden, dem Sohne Ongeh (Eygels). Er entschliesst sich um die
Hand der Krinigstochter Uride zu werben, der Erbin des KAnigrei^hes von
Jerusalem, und röstet sich zur Mcerfahrt. Seine Flotte wird v(_»n einem Sturme
in das ■»Kleberraeer" verschlagen, und nach an<ieren F.rlebnissen erleiden die
Seefahrer Schiffbruch im Angesicht des heiligen Limdes, wobei alle bis auf
Orendel zu Gnmde gehen. Der Held selber rettet sich nackt an den Strand
und wird von einem Fischer Isf aufgenommen, in dessen Dienst er einen
Wallfisch fflngt, der beim Aufschneidern den blulljcflecktcn grauen Rock
Christi in seinem Magen zeigt, t Irendel kauft den Rix'k um 30 Goldpfennige,
die ihm die heil. Jungfrau durch den Engel Gabriel sendet. Mit ihm be-
kleidet, als >GrauriK'k" zieht er nun nach Jerusalem, wo er nach gcfahr\*nllen
Abenteuern anlangt. Kampfe mit Heiden, tlie sehr breit ausgesponnen sind,
l>ahnen dem Fremdling den Weg zu Brides Hand und Reich, doch er gicbt
sich nicht zu erkennen und übt auf Befehl eines Engels neun Jahre Enthalt-
samkeit Eine neue Reihe von Abenteuern steht ürendel aber nocli bevor :
abermalige HcidcnkAmpfe, Gefiingens<:haft und Befreiung. Endlich zieht er
73^
XIV. Heldensage. Die bwzelkek Sagekkrsise.
mit Meiner Krau narh si'iTier Vaterstadt Trier, die von Heiden belagert wird;
Ise. der von Orendel zum Scliülzer des heilige» Gralies eingesetzt wurden
■«•ar. befj;Ieitet sie als scekundificr Mann. Bei seiner Ankunft vor Trier gehen
die Heiden dem Orendel entgegen und lassen sich taufen. Es folgt dann
noch eine zweite BefreiuiiK des heil. Grabes, das, wie Bride in einem Tniuni-
gesicht erfalirt, wic;ck-rum tiiirrh Verrat in die HSntle der Heiden gefallen ist.
Der graue Rock wird in Trier, in einen steinenien Sarg eingeschlo<i*.en. zu-
rückgelassen. Auf dem Zuge ins heilige Land wird Bride entführt al>er durch
Orendel und Ise wieder befreit. Das heilige Grab wird durch List wieiler-
gcwunucu, luid zuletict gehen Orendel, Bride und Ise in ein KJoster.
In dieser Cberliefening sind sehr verschiff Jene F.lemente in plumper Weüic
verschmolitcii. Zur Verben lii huug des grauen Rueks Christi zu Trier ist das
Gedicht verfasst. uml durch diesen legendarisclien Untergrund sind mehr
geistliche lilcmente liineingekomnien, aiä sonst in der Spiel man n${K>esie üblich
sind. Daneben sind historisdie Beziehungen unverkennbar. Retninisccuzen
an die letzten Zeitpn des Königreiches Jerusutem und den diiiten Kreuzztig.'
Kndlich hat auf die Zusammensetzung der Orendelfabel der hellenistische
Roman einen enlseliiedencn Einfluss ausgeübt; insbesondere verwendet der
Dichter Motive des Apollonimromans, die ihm vermutlich aus einer nicht er-
haltenen Version des altfi anzusischen Gedichtes von jourduin de BUiivies bc
kannC »"urden*. Allein neben der Ixgende vom heiligen Rock, neben Kreuz-
zugs:tnekdi>icn und neben Motiven der Apolloniusfabel sind im Orendel Spuren
eines zur Braut werbnngssage uingesl;tlleten allgennanischen Heruenmvthii!* er-
kennbar, die freilich wuhl geringer und weniger bedeuiiingsvoll sind, nk man
früher* im Anschluss an Mttllenhoffs Deutung und Rckunstruklion der Sage
anzunehmen pflegte.
Mnllenlinff erblickte in der Oendelsape den Rest eines alten Schiffer-
und Heimkelnniythas der in den Hauptpunkten der griechischen Ody^seus-
sage entsprach, ohne jedoch aus dieser entstanden oder mit üjr urverwandt
zu sein. Der Seehcld (Jrcndel — so glaubte Mttllenhoff aus der wüsten
Cberlieferuug die Sage rekonstruieren zu können — geriet, von herbstlichen
Stürmen versrblagen, ui die winierUdie Gewalt eines Eisriesen (Ise); im FrüJi-
jahr aber kehrte er /.u seinei von unholden Freiem umbuhlttm Frau in die
Heimat zurück, in Belllettrachl und unerkannl. Hin Stern, Ann-ant/i/s lä
(SnE. I, 2;Bi, kündigte seine Rückkehr an. Der Held crsclilägt die Kreier,
verehiigt sicli wieder mit der harrenden Gattin und tritt vun neuem seine
Herrschaft an. bis aufs neue die wildcu Wetter ihn der Kuechtschaft des
Eisriesen überliefern. Ein Teil dieser urgermanisdien mvthist^hen Sage, die
dem fränkischen Spieluianii nur mnii entstellt vorlag, ei"sdüene, lückenhaft
und verkümmert, im m »rwegischen Gfittennythus an Thor angeknüpft- ?tc>
geistvoll diese, in ihrem Kerne auch %on Beer und Beiger vcrttctcne. Deutimg
ist, so geht sie doch unleugbar, wie uamentlich Vogt gezeigt hat, weil über
das erhaltene Sagenmaterial hinaus und bemht auf Voraussetzungen, zu denen
der Inhalt dts mlid. Gedidiles bei unbefangener Inteqjretaliun nicht be-
rechtigt. Sodann aber sind mehrere Züge, die Mrtllcnholf zu sinncr Tbectrie
vei'wandi hat, durch litterarische Entlehnung aus dem hellenistis« heu Roman
zu erklären: so bestimmt der Schiffbruch des Helden und seine Aufnahme beim
alten Fischer, vennutlirh auch flie Trennung von der Gemahlin und die Wieder-
vereinigung mit ihr. Nach Abzug alles dessen, was mit Sicherheit odci Walu-
• Auch Verf. in dtr trsicn Aullage des •Grundrmesi. Aa( die GiiiKhr&akung w»
Mtillrnhoffs j^tifTassung ist namt'ntlicb Vogta Ri'z«it«!on von B«recn OrvndcUwigBbe
{ZfdTh. 31, 469 fr.) von Eiiifltu» gfWMcn.
Anhange: Orendelsage.
733
sdieinlichkcit als fremde Bpstaudteile bctnirhtct werden darf, bleibe« aber
doch einige Gnindisüge übrig, die fttr die utsprüiigliche myihischc Orendel-
sage in Anspruch genommen werde» dürfen.
Gemeingermanis*~}i ist zunächst der Name des Helden OrrmM. Er ist
in fränkischen und baitischen Urkunden vum ö. bis ins 12. Jahrh. naclizu-
wcJscn und crsihciiit in ursprünglichster Form auf italienischem Boden in
lang« I bardischen Urktinil(*n als * Anritiunndtilns {Aurimtuihtiu, AuriunamMo;
Brückner, QF. 75. ^30) = an. Aurt'amiiU. ags. Earmdrl, ahd. Örrrr/i7 [nus 'Ör~
wintif). Eei den Angelsachsen findet sich e'anndtl als .\p|irl)ativum zur Be-
zeichnung des Morgensterns (in Cynewulfs C'rist 104 wird Christus viim Diditer
S(> angeredet, \*gl. auch in den F.pinalcr Glossen e'arrmiii »jubar«). Wenn
nun auih nych der Erzühking der Snorra Edda ein Stern Aun-ani/t/s tä heisst,
so Iclirt dieses Zusanjuu-n treffen, dass schon in alter Zeit bei germanischen
Staromen ein glänzender Steni mit dem Namen des Helden bi?Tiannl war.
ElvTnologisch scheint das erste Glied des Namens mit altjnd. larä «Morgen-
röte«, t4srä- »hel]< und ihrer Sippe zusammenhangen; sowohl die Bedeutung
des Namens (»Glanzwandler*^) wie seine Verwendung zur Bezeichnung des
Morgensterns deuten auf einen Tages- uder Jahreszeilenniylhus. In der epi-
schen Form dieser alten mythischen .Sage scheint der Held ( )rendcl auf einer
Falirt ins Riesenland in Knechtschaft geraten zu sein, dort eine Jungfrau er-
obert zu haben und mit ihr heimgekehrt zu sein. Dass eine Seefahrt, eine
Gefangenschaft im Riesenlande und die Erwerbung einer Jungfrau die H^iupt-
bcstandteilc der Orendelsage gewesen sind, ergiebi, gcmde ttei ihren sonstigen
Abweichungen, die Übereinstimmung der C herlief enmgen in diesen Punkten.
Auch nach dem Mythus der Snorra Edda trügt Thor den Aur\andül in einem
Korbe auf seinem Rücken über die Elivägar (die ni^rdltchen Eisströme) aus
dem Riesenlande daher^ In der dänischen Sage, welche Saxn von Ifonvmiii,
dem Snhne des Ger\^endil, erzfthlt (p. 135 ff. etl. MOller-Velschow, p. 85 ff.
ed. Holder), sind zwar die Einzelheilen völlig abweichend, aber aucli in üir
spielen Seekampfe und die Vermahlung mit einer Königstochter eine Rolle.
Das deutsche Spiel man nsgedi cht endlich muss eine Tnidition gekannt haben,
welche durch Ähnlichkeiten in den Situationen und Motiven die Um-
wandlung der alten Heldensage von (Jrendel in die belieble lirautfahrt in
den Orient, sowie ihre Verquirkung mit Elementen des spatgriechtschen Aben-
teuerromans und zeitgenössischen KreuzzugsrerainistTCnzen ermöglichte. Der
Trierer Spielmann scheint die alte Orendelsage für seine Zwecke in gan»
ähnlicher Weise benutzt zu haben, wie sein jüngerer tirolischcr Zunf^eoosse
die ebenso dflrftig gewordene alle Hartungensage tm Ortnit zum Rahmen
seiner Erfindungen machte (§ 37). Nur die le^cndarischen Zus3tze sind jenem
eigentOmlirh. Wenn im .Anhang zum HB Krjnig Orendel (tnithtUcf von Trier
der »aller erste hcld der ye gcbom ward« heisst, so deutet diese Angabe
immerhin auf alte Sagenflberiieferung: dem Verfasser des Anhangs jedesfalls
galt Orendel für alter als die spater von ihm genannten historischen Helden,
wie Dietrich und Etzel (vgl. Heinzel S. 4<>ff.).
LiUcr.atur: Mlillcntiofr, LVuis^-he AUfrUnmt. I, 53 fl.; \V. Mfillcr, .t/WA.
ä. ä. H^U^Hs. S. 2440". i£ur Mrth. S. 147 (f. (hi5l(irisch-ull(V"n»chi- IJeumng der
Sage); L. Beer, PBB. 13, [ ff. (vj;!. ebda 14, 550 f. ZfOi-h. Ji, 4')3fr.); Berber,
Etnlcituii^ xwt Aiupiln- de« OremUt, Bonn 1888, ^. LXXVIII ff. (iIjuii die wirhUf;«^
fiwpr«bunt wn V<ij;i, ZfJl'Ii, 32, 468 ff., vgl. >.^lMfa 23, 496 ff.); Heinxtl, Über
,tas OVJüfif vom Küniff Or<-ntUI, Wien 1892 (aus Avn Wicnw SB. CXXVl,
no. t. H. weist itiythischr Bezifhiinyen ab ufKl filhtt ilm Inhalt ilcs GnUchtos
wtsentUdi aiif liUi^nuiachtf Ic^emlarisclic Tratliiinn /.urück; tr^l, VcKt, ZXdPh. 36,
406f11}; E. H. Mcypf, ZfdA. 37, jai iT.; Laitiintr, elitia 38, II3ff. (wn Be-
deutsoj; iltuch ilcn HinwcU juf eine Gtuppi' v(;rA'andti:r volkauimlithrr Trailiii<>ncn,
die t. B. iliirch «U« Man-Iicn .EUonbans: [fCHM. Nr. 136] \trtrcteii vrinl);
Taiüel, Vn/mtuhting^t sur rnhd. Spielmannspomi; 1 894 (Rost. DLm.) S. 3 —
\t\ E. B«nezO, Ortndel. Withtlm von Orame und Hoheit der Teufel, IlaUe
1897. — t E. H. Meyer. ZfdA, I2, 387 ff, 37, 34t fl". — ^ Dies bat rot allein
£. I-I. Mcvcr tu dem ob^n zitierten Aufiutz darjjettun; vgl. lucb Bericer,
Onndfl, EinL S. XCff.; Heinzcl a. a. O. S. 18. 19; Tardcl a. a. O. —
' Über den Donlücben Mvtbu» von AurvAodill s. tiAtncntlidi Uhland, Sehr. VI,
29 ff.; MtllLciihorf, DA. I, 34 f.; Beer, PBB. 13, 116 ff.
§ 67. Irunsage. Eine sclir aiisfiihrliclic Eizalilung der I*idrckssaga (c
245 — 275) überliefert die Sage von dem leidenschaftlichen Jflger, dem Jarl
Iron von Brandenburg, den sie zu einem Sohne des Artus macht, in wirrer
Kontamt nation mit einer der beliebten Entführungssagcn, der Sage von Apol-
lonius und Ilerborg, Saloniuns Tochter, welche sich unschwer als .Schr>s?iling
der allen Hildesage herausstellt und den Namen der Jungfrau vielleicht erst
aus der H erb nrt-Ruod liebsage erhalten hat. Dem Sagasrhreiber war emc
lucderdcutsche Irundiclilung bekannt; er beruft sich auf deutsche Lieder (c.
258), denen die Namen von Irons Jagdhunden entnommen seien — eine An-
gabe, die in den Namen selber ihre Bestätigung findet — , und dass die Sage
auch in Deutschland gelaufig war, bezeugt eine Stelle im iWeüischwelg«
ijids. Nr. 58): der herzöge trän der ivas gar ätu whheit, daz er einem wisitU
nSchtil, er tint sin jrger NortHän. si solJen den tvin gejaget hiin, sS zvam st
wise a/s ich bin; mir ist x-it samfter deniie in (\-g]. dazu ts. c. 2(33). Auch
vremi um dieselbe Zeit Enenkel den Herzug Iran mit Dietridt von Hern zu-
saimncn erwülmt {Hdi. Nr. 59, 1. 2), so winl schwerlich mit F. Nciunaim
(Germ. 27, 21 f.) an einen sonst gänzlich unbekannten »kriegerischen Iron«,
sondern an lion den Jäger zu denken sein, ^*on seinem Jagermeister Nordian
muss in Baiern bereits im letzten Viertel des 12. Jahrhs. gesungen worden
sein (Mone, Hetäens. S. y6. ZE Nr. 23, 4). Als den Kern der ursprünglich
selbstilndigen Ironsage glaubt man zu erkennen, dass Iron und sein gewaltiger
Jageniicister Nordian auf der Wisentjagd von der Hand eines Königs, dessen
Wisent Inm früher erlegt hatte, den Tod fanden: auch die Stelle des »Wan-
schwelgt deutet auf einen unsanften Tod der beiden Jäger. Indem der Saga-
schreiber Iron und ApoUonius zu Brüdern machte, die Jagdzüge jenes mit
den Kriegsfahrten um die entführte Herboi^ verband, der Ironsage einen
ungehörigen Schluss anheftele in der verbotenen Liebe Iruiis zu Bolfriana,
der Gemahlin des aus der Harlungensage bekannten Aki Orlungatrausli ^mhd.
Häehe, Eckeharts Vater), endlich den koutaininietteu SagenküU)ple.x ausser-
lieh an Dietrich und Attila anlehnte, liat derselbe fän schwer zu entwirrendes
Knüuel von Motiven ziLsaromengebidlt und der Kritik der Saga eine noch
nicht genügend gelöste Aufgabe gestellt. Das in der Apolloniussage der t*s.
{c. 251) -sich findende Motiv, dass der Freier sich als fahrendes Weib ver-
mummt der Geliebten nähert, die ihm ein Liebes/eichen giebt und in der
Nacht sich zu ilim stiehlt, hat K. Wolfskchl in einem niedcrlAmlischen Volks-
liedc »van 't Wereltsche Wijf« (Hoffmaun von Fallersleben. Niederl. Voihlitder*
[1856], Nr. 14) nachgewiesen. An uralten Zusammenhang ist aber .sicherlich
nicht zu denken: wie für andere Partien der Iron-Apolloniuskontaminatioa
vird auch für diesen Teil seines Berichtes ein niederdeutsches Lied, das sich
auch nach den Niederlanden verbreitet hat, die (^ellc des Sagaschrcibeis
gewesen sein.
F. Kcumaoii, Germ, a?, I — ZJ; K. Wolfskehl, Germaniiche tt'trbu/igt-
sagen I (Darmst. 1893), S. 25—33 (ji^^ A|X)llo[iiiu).
I
I
I
XV. ABSCHNITT.
ETHNOGRAPHIE DER GERMANISCHEN STÄMME
TOM
OTTO BREMER.
INHALT.
I. EiNIJCtTCNO.
A. Begriff und Name Germaoiscb. g 1^5.
B. Quellen, g 6.
I) ZeugaUse der Kfi^^'o^'i^i ^^^ lümischeo G«ogra]t]»n nnd GcccbichUscbreiber.
S) Die E^baise der Sprachforscfaung. 3) Die Kr]gcbnis&p <)cr Amfampotogic. 4) Die
^igebnisae der pr&bbtomch<ro ArchiUjlo^^e. 5) Gmtige Individiutlitm.
n, UxspBUHo, Cbarakt£kistik Ulm Ausbreitung df.k Gckvaken.
A. Ecboographic Europas im i. Jahrlausrnd v. Cbr« Geb. § 7 — 19.
Ij Die europäi&cbcn Vßlkcr. § 7 — lo. 3} Das iiidi^ermaniücbe Ur^olk. § 1 1. 3) Die
Rebitat der ItukgcfmancD. § 13 — 16. 4) Die nähere Verwonduchafl der Gennanen mit
aaderen indogemuiiuiclien Vüilkeni. § 17 — iq.
B. Die AusbildiiDg einer bciunderen gerninnischcD NatioD^litill. § 3d — 19.
I) Die Ahsnmicning der Gcrmaocn vod den Iiuli)^enn»ni-ti. g 20—31. 2) KCrpcr«
liebe und geistige CharaktcrisLik der Gentuinca. g 32 — 29.
C. Die ältesten Wohnsitze der Germanea. § 30 — 70.
1) Stand der Frage. % 30—31. 2) Ketten iit SUildcuWcblaml. § 32—35. 3) Kelten
in NordwwldeutschliUMl. § 36 — 38. 4) Kdlcr an der W«rr und Elbe und in Tharingen.
S 39 — 41* S) Kelten in OstdculvchUnd. § 43 — 44. 6) Kelli-n an der oberen AVeiebsel
und östlither. § 45 — 48. 7) Die iUtwteu ßcrmaiiiBdwn Wohniitüi-. % 49—53. 8) Kelteii-
berwJiaft in DcutAjibnd. § 53. 9) I>lo Ausbreitung dur (iermanen in vorcbrisdidiet
Zät. % 54 — 70; 3) Nordgermanen § 55—57. b) Oaigcrmancn % 58, c) Westgermaoen
S 59 — 65, d) Miacbuitig der Germanen mit Keltco g 66 — 69, e) Scblun § 70.
Ul. Die ukkuamücukn StAuue.
A. Gruppierung der gcruiani»chen Stämme: Sioiwl der Frage, g 71—83.
1) Die Koiifttiuiiierung der Stfimmc. § 71 — 76. 2) Die Gcsanitgnippictung der ger-
manuKbcn Slliiinie, 77 — ^^>
B. Oll* und Nordgermanen. % 8j — 120.
l) Ostgemuuien. $ 87 — 101: a) Basiemcn § 93, b) Lugii > Vandali g 93—94, e) Bur-
gunden % 95, d) Goten § 96 — 98, c) Rugii ^ 99, f) Turciliiig» % loo, k) ^tiri 8 lOI.
2) Nordgermanen. § I03 — 120: a) Schweden § ID5 — 108, b) (bauten jj 109, c) Ereli
g Ito, d) I^nen g II t — 115, c) Norwq>cr und IsUndcr g 116— l3o,
C. AngloTriesen. g 121 — 141.
I) Friesen, g 133— 128. 2) Angelsacbsen. § 129— 141 : a) Varini g 130, h) Angeln
S 131 — 134. c) Eulen g 135, dj Chauci und .Sachsen g 136—141,
D. Die deutscben Sachsen, g 142—156.
E. Franken. § 157—212.
1) Roinanisitttc fränkiacbe Stämme, g 165 — 170: a) BaU<ri g lb6— 1G7, b) Sugarabrl
>Cogerni g 168, c) übü g 169. d^ Maitiad g 170. 2) Niedcrfraoken. g 171 — 191:
a) S«Ui g 171 — 174, b) Cbanuvt g >7S — i;;. ^) MaiMci und Sluiii g 178, d) CanucQe-
btcs g 179. e] Falciiovarii g lüo, 1) Cbaituarii g iHi — 184. }•) Nicderlindiudic Koloni-
sation von NordosldeutsdiL-inU § 185 — 191. 3) Ripwariiche Fmnki-n. g 192 — 199:
a) Bnicleri g 194— 195, b) Tt;nttcri g 196. c) Aiiiwvarii g 197— 198, d) Marii g 199.
4] Moaelfranken. g 200— 204: a) Chasuarü g 20l, b) Tubanies g 201, c) Uilpi g 203,
d) Die Siefaenbflrger Sachsen g 204. 5) Cbatteu. g 305-209. 6. Rbcinfnuiken und
Oatfranken. g Jio— 31a.
^
736 XV. Ethnographie der nirRMANiscHEN StÄmme.
F. SweliisL-be Stamme, § 213 — 243.
I) SemneD )> Alaminncn. § 21S — 213: a) SemniCO § 318 — 330, b) AUnuuiiieti § 33i
— 233. 2) Sweben. § 324 — 337. 3I Hertnundiiri > TbÜrinEcr. §328—237: a) Her-
mimdiiri § 328 — 231, b) Tbürinncr § 233 — 333, c) Ostmiltcldcuuche § 334—237.
4) Markomannen ^ Baiern. <) 338—340: a) Markomannen § 338, b] Bäiern {| 139,
c) OsiCTTCicbcr § 340. 5) <^iudi. § 341. 6) Latif^bardco. § 242 — 243.
diesem Abschni» sali ober die alteren ethnographischen Verhältnisse!
der Germanen gebandelt werden, über die Ausbildung des urgerraanischcn^
Volkes, Ober die ältesten Wohnsitze, über die Uildung der einzelnen Stimme
und Uire Entwicklung zu poUtiscli selbsUlndigcn Völkern. Unser Thema ist
also ein geschichtliches. Das Hauptwerk über unsem Gegenstand; Kaspar
Zcuss, Die Dtufsc/ien und die Nachbarstämme, Münclien 1837.
I. EINLEITUNG.
A. BEGRIFF UND XAME GERMANISCH.
§ I. Es giebt gegenwärtig folgende gennanische Sprachen: i) Schwedisch,
Dänisch, Norn'cgisch und Isländisch; 2) Englisch; 3) Nordfriesisch, West-
untl Ostfriesisch; 4) Nicdedaivdisch, Platt- ;md Hochdeutsch. Ausgestorben
ist .seit mehr als 1000 Jahren die Sprache der Goten, GepiUen. Rugier, Wan-
dalen, Burgimden, Eruier und Langobarden. Wir verstehen unter dem
Namen Gennanen diejenigen Volksstanime, welche eine germaiusche Sprache
sprechen. Wir nennen daher auch die Stamme anderer Herkunft, welche
eine germanische Sprache angenommen haben, üermancn, ebenso wie wir die-
jenigen nicht niclir zu den Germanen zählen, welche eine andere Sprache
angcnommcQ liabcn. So gelten uns die gcnnanisicrteii Slawen ftsllich der KU«
von dem Zeitpimkt an als Deutsche, wo sie die Herschaft der deutschen
Sprache bei sich anerkannt haben. Wir bezeichnen die Guten und Lango-
banlen nicht mehr als Germanen, seit sie romanisch sprechen. Die Zuge-
hviigkeil zum genniinischen Sprachzweige bcwt-ist also lüclils für die ur-
sprüngliche Abstammung. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass in
vorgeschichtlicher Zeit die politischen Verhaltnisse nach dieser Riclitung hin
andere gewesen seien als in der geschichtlichen Zeit Dem Zeugnis des Ta-
citus [Germ. 2). »Germanos minime aiianmi gentium advendbus et hospitüs
niixtos« und vGermaniae pupulus nullis aliarum natiunuui canubüs infectus
propriam et sinceram et tantum sui similcm gentem extitissc« steht sowohl
Caesars Zeugnis von in Deutschland zurückgcblicbencu WaJsdien gegen-
über (/?. G. VI 24) >ea*quac fcrtilissima Gennaniae sunt loca circuni Hcr-
cyiiiain silvain, Vulcac Tectosages occupaverunl attjue ibi consedcrunt; quae
geiw ad hoc tempus his setlihu.s sesc coniinet«, als auch des Tacitus eigene
Zei^'nisse von der Romanisierung der linksriieinischcu Ubii (Genn. 28) und
von den >OsU, Germanorum natione», daas diese »Pannonica lingita coargtiit
non esse Germanos« (Germ. 28 und 43).
Die politische Zugehörigkeit zu einem germanischen Staat gilt uns nicht als
Kennzeichen des Genuanentums. Die Talen in Oberschlesien, Posen und Wcsl-
preusscn, die Dflncn in Nord sei ilt^wig zalilcn wir ethnographisch nicht zu den
Dt'nts<rhcn, ebensow<:-nig wie die Iren zu den Engländern, die Lap[>cu zu den
Schweden. Andrerseits gelten uils die Deutsch-Amerikaner so lange noch als
Deutsche, wie sie sich zur deutschen Sprache bekennen. Die politische Zu-
gehörigkeil zu einem geniianischen Staat ist indessen insofern von Bedeutung
als das politische Bewussisein zu jeder Zeit vielfach die Nationalität hiernach
bestimmt hat. Wollen einerseits die katholischen Polen oder die D^uen und
Franzosen innerhalb der Rcichs^rcnze nicht Deutsche sein, s*» fühlen ach
andrerseits doch die Latisitzer Wenden, die protestantischen Masuren (pc-lni-
scher Nationalitflt) in Ostpreussen, die Litauer, die Nordlricscn, die ostfrietü-
schen Saterlämler als gute Deutsche, wiewohl sie ethnographisch den Deut-
schen nicht zugezahlt werden kOnnen, so lange sie noch an ihrer eigenen
Sprache festhahen. Der Übergang zur deutschen Sprache, der nur eine Frage
der Zeil ist, sobald die Leute sich als Deutsche fühlen, erfolgt natflrlich sehr
allmaJitJch, und so giebt es denn eine Zeit, für welche man sie mit gleichem
Recht als Nicht- Deutsche wie als Deutsche bezeichnen kann. Entscheidend
ist der Zeitpunkt, wo sie sich neben ihrer Muttersprache im Verkehr der
deutschen Spruche hc<lienen. Politische Sympathie <-ider Antipathie ist der
wirks;inv^tc Antrieb zum Aiischluss an eine fremde oder zur Abkehr von der
eigenen Nationalität. — Ausserhalb der politischen Grenzen gilt das gleiche.
Die deutsch sprechenden Elsass-Lolliringer haben sich vor lüji überwiegend
als Franzosen gefühlt und sie thun es zum Teil noch heute. Die Deutschen
im Auslande sind sich erst seit 187 r ihres Deutschtimis liewusst. Die nieder-
landisch sprechenden Belgier fühlen sich zum Teil mehr als Franzosen
denn als Niederländer, und die Gebildeten neigen daher der französi-
schen Spraclie zu. — Wir müssen die Begriffe genuamsch, englisch, deutsdi
vielfach anders fassen, als sie vom Volk selbst empfunden werden. Wir
zaiilen diu deutsch sprechenden Elsass-Loth ringe r auch vor 1871 zu den
Deutschen; die ihrer Muttersprache treu gebliebenen Nordfriesen, die sich
als gute Preussen fühlenden Litauer und Masuren kfvnnen wir höchstens als
angehende Deutsche lH:zeichncn; die Afrikaander rechnen wir zu den Nieder-
ländern, Viiewohl jene ein eigenes Nationalbewusstsein ausgebildet haben; die
Nordamerikaner gehen uns als Engländer. Ebenso für die Vei"gangenhcit. Die
Niederländer haben sidi schon im Mitielallcr nicht als Deutsche gcfülilt; die
Franzosen sind ihrem jKiIitischen Bewusstsein nach seit der Merowingerzeit
Franken gewesen, deren Namen sie noch heute tragen; die Germauen sbid
sich, seit sie in der Geschichte auftreten, ihrer nationalen Zusammengehörig-
keit nicht be'wusst gewesen: und duch sind für unsere Betrachtung die Nieder-
länder deutsche Franken, die Franzosen romani!>icrte Kelten, die Germanen
um Chr. Geburt eine Nation.
Das ererbte Volkstum wird nicht mit einmal aufgegeben. Fremde Volks-
Ktamme haben schon, bevor sie in einen gennanisclien aufgegangen sind,
vieles von diesem angenommen. Entnationalisierte Germanen haben durch
Jalirhuntlcrtc hindurch noch vieles vun ihrer ethnographischen Eigenart be-
'Vb'ahrt. Diesen Dingen im einzelnen nadizugehen, verbietet der Umfang dieses
Abrisses. Es sei bemerkt, class hierher auch die Veränderung unserer natio-
nalen Eigenart durch den rr.mischcn und römisch-duistUchcn Einfluss in der
Vergangenheit, durch die zunehmende Intcmationalitlt — ich denke dabei
besonders an die naturwissenschaftlichen Furtschrilte und deren geistige Be-
einflussung — in fler Gegenwart gehi'in. Sind wir durch Rum und das
Cliristentum bis zu einem gewissen Grade geistig entnationalisierl worden, so
dass die mittelalterlichen germanischen Völker fast andere National iüilen ge-
nannt werden können als ihre beiilnischen Vorfahren, so ist nach anderer
Seite hin der Ursprung] iclic Volkscharaktcr in vielen Erschetnnmigen bis auf
den heutigen Tag bewahrt gehlieben, ja er kummt, nachdem er Jahrhunderte
lang für unsere geschichtliche Kenntnis latent geblieben, oftmals in über-
raschender Weise uieder zum Durchbruch und bethätigt sich in Form einer
Reaktion gegen die ihm auf- und eingep/rojjflc fremde Eigenart. So leben
in den Franzosen der Gegenwart mehr als im Mittelalter die Kelten Caesars
Gemuoischc PbUoIoffk III. S. Aufl. 47
wieder auf. So erkennen wir im nordfrauzösischen Volkscharaktcr noch heute
die germani^rhe Beimischung heraus. So bedeutet die Reformation eine
Reaktion germanisch l'ii Geistes gegen das römische Christentum, und ihre
geogr.iphisi:hc Ausbreitung tässt n<'ic\\ (He seit rtndtTihaIl> Jahnausejiden zer-
ris^ene nationale Zu^im menge hü rigkeit der Germanen erkennen. So Lst noch
heutigentags der niedersachiische und friesische Volkscharabler dem englischen
ähnlicher als dem söddeutschen, trotzdem die Niedersaehscn und Friesen seit
14 Jalirhundertcn von den Englandern gcigrapliiscti getrennt und mit den
Hochdeutschen politisch und geistig verbunden sind. Si> ist noch heute in
Württemberg die Stammesgrenze der Franken und Schwaben lebendig. Es
gehört demnach mit in den Bereich unserer Aufgabe, das Germanentum und
die Eigenart der einzelnen germanischen Stämme weit über die Zeit binaas
zu %-erfülgcn, wo diese politisch aufgehört haben als solche zu existieren, und
wir können vielfach aus der Gegenwart noch die ursprünglichen Stammcs-
grupijen erkennen; die Gegenwart darf uns mit als Quelle für die Erkenntnis
der zweitausendjährigcn Vergangcnlicit dienen.
§ 2. Die Abgrenzung der Begriffe Germanisch und Deutsch
gegen einander. Welche Sprachen germaniach sind, ist zu Anfang des
vorigen Paragraphen gesagt worden. Deutsche nennen wir diejenigen Ger-
manen, welche sicli gegenwartig der neuhochdeutschen oder der niederländi-
schen (incl. der flamiscben) Schriftsprache becüenen, und deren Vorfahreu.
Nichtdeutsclie Germanen sind also die Skadinaft-ier, Engländer und Friesen
und waren in der VOlkcrwanderungszeit die Goten, Gepiden, Rugier, Wan-
dalen, Burgunden und Heruler.
Man hat seit der Zeit der Romaulik die Ausdrücke GenuauiMrh und
Dcubch vielfach als gleichbedeutend gebraucht, und wie J. Grimms Gram-
matik der germanisclien Sprachen den Titel »Deutsche Grammatik« tragt, so
schreibt man noch heute eine »Deutsche Altertumskunde«, eine »Deutsche
Mythologie* und meint doch eiue »Gcnnanische« ; ebenso wird in nicht-wissen-
schafdidien Kreisen vielfach »urgerraanischt statt *urdetitsch« gesagt, und
wir personifizieren das Deutschtum in einer »Gcnnania». Wenn die Deut-
schen sich Germanen ncmieu', so ist dies allein in der Weise berechtigt,
wie wenn man sie als Indogermanen oder Europaer bezeicluiet Wemi man
den Naineu »Deutsche« in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts unberech-
tigter^veise auch auf die Englander und Skadinawier übertragen l>at, so be-
ruht das auf einer politisch verschwommenen, pangennanistTien Auffassung.
Wenn der Panslawismus praktisch nur einen Panrussismus bedeuten kann,
so lag jenem Gro&'<deutschium ptilitjscher Schwärmer die phantastische Idee
eines Paiigeimanisraus unter Deutschlands Vurhenichaft zu Gnmde.
' Englisch Grrman, Germany, itnlicni!4:fa Germania sind moderne politiacbe
B^iißc, di« Tür uns trbenstjvrerig in Betracht kommca kf-iiiiea wie das fniuf'üacbe
AÜematid, AXUmagne oder Pnusien.
Der Naiuc Gennancn.
K. ZeufS, Du Detttschen und die ^Caihbarifämma, München 1837, S, 59— 61,
igof., 112 — 214, 760, — H. Middcndorf, Üb<r l'npnmg unJ Alur dfr
bilden Nationalnamen Detitichf und üfrmanen, Coesfeld 1847. — H. Küns«-
berg, tl'artim teurden die Oeitt^chfn Germani gtnannif^ Vtö^., Anstucb 1S5J.
— Cb, Braniles, Das ethmr^raphiKhe Vtrhättniis der Kelten und OtrtnaMnt,
Leipzig 1857, S. 74— *3. 93—103, 129 f^ 140—145. 153 — 157, 168—173,
t8[ — 197. — I^ Crmlcco, Die Handemngrn der Kellen ^ Lcip()|{ 1861, S. II
— 14, — H. KUussbcrg, il'iinJifrung m dm gerntannche Allerthum, Berlin
1861, S, 375 — 398, — Bornhak, Ursprung und Bedeutung des AbxM'jsj Gcr^
man^H, Xordbausen 1864. — K. A. F. Mahn, Über den Vrsfrumg und dit
I. Einleitung: A. Begriff und Naue Gerhakisch.
739
/käi-Hluni; des Namens Germancfi. Berlin 1864. — J. Wormstall, Vebrr die
linJtsrheiniichea Germanen, Progr., llünsicr 1866. — J, Wormstnll, Ceber die
Tungern und Basfarnen, Münster 1868. — Watlcrich, Der deutsehe AameH
Germanen und die ethnographiiehe Frage vom linken Rheinu/er, Pailcrbofn l8*0,
— K. MüMenhorr. Deutsche AUeriumikiinde, U, Berlin 1887. S. 189— 206. —
L, Laistncr, ZfdA. XXXII (1888) JJ» ff. — G. Kws'fiinna. Af.)A. XVI
(I890) 38—33. — ^ Hachtmüiin, FlixkeisriM Jbb, CXI.in {1891) 209—214.
— J. Huliili, Der i^'aitr Grrmani in Titeittn' Germania, Freiwalilau I892. —
L. L.tistni-r, Wiirtlfinht:. Vier idj ahnhefte, X. F. l8^2, 47 — 57. — R. Much,
PBB. XVri(t893)(=s Deutsche Stamtiuilie. Hall« 1892), 159— 177, — H. J.iekel,
ZfilPh. XX\T (1894) 309—342. — Ct. Zippel. Deutsche l'^lkerhrseegungen in
der Riitnrrieit, Progr., Köniß-ibcrR 189S1 S. 3 — lo. — G. KoBsinoa, PBB. XX
(1895) 258 — 299. — Vgl. auch die Tadtui-Kommenuire zu Gi-nn. 3 (unien S. 744).
§ 3. Der Name Germanen ist kellischen Ursprungs. Die frohere Her-
leitung aus dorn DcuLsthcu aU "Ger-Mflnaer« Ist spradilich unmöglich; denn
wir wissen, rt.xss in diesem Falle die Rümer ihn uns als Gaisomati{n)i Über-
liefert haben würden. GUnzlich verfehlt ist Jaekcis Deutung 'Getm-nm
= Abkömmtinge des Glühenden, Feurigen. Die Uerleituug auü dem Kelti-
schen ist aus sachlichen Griinden gebciten.
Der Naine ist uns in doppelter Funn überliefert, ab Oermam' uiid Gamtani.
Erstere Fonn ist die gew;>hn liehe. Belege für CJarmani bei A. Holder, Ali-
cellisdicr Sprachschatz \, Leipzig 1896, S. 1983 f., für frerinnui vhö. 20i\ f. Wir
kenneu den Naraen Germanen in zweifaLhcr Anwendung; i) die belgischen
(keltischen) Germanen an der mittleren Maas: »Condnisos, Eburones, Cacroses,
Paeinanos, qui uno nomine Genaani appellanlur« (Caesar, ÄC H 4), »Segni
Condnisique ex gente et numero Germanomm« (ebd. VI 32, vgl. auch II 3.
VI 2. 3J über diese Germam Cisrhenani), dazu uocli die TungH {Tac-,
G*rm. 3, Gesamtmime?), Sunud (PHn., Tac}, Betasii (Tac.) und Talliatcs
{inschriftl.), vielleicht auch die Nervii und Treviri {Tac, Gtrm. 28, StrabÖn
IV 194) — vgl. die Karte zu S. 706; 2) die rechtsrheinischen Germanen, auf
denen allein der Name haften geblieben ist. Die Kelten und Römer bezeich-
neten so ainachsi nur die gennanischen Siänmie ain Rhein. Bei erweiterter
geograp] lisch er Kenulnis wurde der Name zu dem ethnugraphlschen Gesamt-
namen, wie wir ihn gegenwartig anwenden.
Aqid. Die nUbponUchcD •Oreuci, qui et Gerinani cognominnnLur« (PlinJus, Ä'at.hisl.
3 § 25) mit ihrer sCldJich vom üuadiana grlc^ncn Gemeinde 'Ootjtoy H^ßatHäv (Ptole»
maios II 6, 59) Weihen mit Brnndrs 168 — 173 besser nus dem Spiel, weil ibt cognciraen
aller Wahrscheinlichkeit nach rAmUchen Ursprungs iat.
Von den belgischen Germanen, die vermutlich im 2. Jahrh. v. Chr. aus
Westfalen und der rechtsrheinischen RheinpruvLiu eingewandert sind, ist der
Name auf die sie verdrflngt^nden rechtsrheini-schen, jenen nicht stammver-
wandten Germanen übertragen worden. \'gl. Tacitus, Gttyn. 3: «cetenim
Gcnnaniac vucubulum reccns et nuper addituiii, quouiain qui primi Rhenum
transgrcssti Gallos cxpulerint ac nunc Tungri, lunc Gertnani vncaii sint. Ita
uatiouLs nomen. non gcntis. evaluisse paulatini. ut omnes primuin a victore
ob raelum, mox et a se ipsis invento numine Germani vt:»careniur.« Man
liat früher angent-immen, dass die Belgier zum Teil germanischer Herkunft
.seien, so dass wir es nur mit einem Volksnamen zu thun hatten. Diese An-
sicht ist, obwohl sie neuerdings von Much und Kossinna und besonders
von Zippel abermals vertreten wird, meines Erachtetis durch Zcuss', Con-
tzens imd Müllenhoffs Darlegungen endgültig abgcthan. Die verschie-
denen Angaben, da.ss belgisdie Volkssiamme germanischer {d. i. rechtsriieini-
s<*her) Herkunft seien (besonders Caesar, B.G. 11 4; -plerosque Beigag esse
firti>s ab Germanis«), bedeuten nur. dass sie aus dem nachmals Germania
genannten Lande rechts des Rheins ausgewandert sind. Die Ketten haben
4S»
eben das rechtsrheinische Gebiet zunächst noch weiter als Gürmanenland be-
zeichnet, nachdem es die kcitisch-gcnnanische Bevülkerung mit der dculsch-
germani-schen vertauscht hatte — ein sehr gewöhnlicher Vorgang, vgl. de-n
ursprün Jülich das keltische B"jerland bezeichnenden Namen Böhmen (Baiem),
die germanische Benennung' der Romanen (ursprgl. Kelten) als Walsche. die
Übertragung des Namens Schlesier von den gemianisrhen SiUngen auf die
nachrückenden Slawen und vun diesen auf die Deutschen, die des Namens
iler finnischen Bulgaren auf deren slawische Nachfolger, die Namen Lombar-
dei, Frankreich (Franzosen), Nonnandic, Pommern, Preussen usw.
Mit vi'iUiger Sicherheit ist der Name n»x:h nidil gedeutet worden. Pott
{£ffm. Forschutif^tfi " 11 873) deutele ihn als »Ostleute« = Präposition ^e -f oir
aOsten- + man .Feld, Ort, Volk-. Leo (ZfdA. V 514), J. Grimm {Gt-
schickte der deuisehen Sprache 11 "8") imd Ebel {Beitr. zur vgl. Sprachfor-
schung III 230) deuteten ihn als »gute Schrcier<, zu garm, gairm 'Geschrci<
(Zeuss 59). Zeuss' {Grammaiüa Ckitiai*, Berolini 1871, S. 773 Anm. 5)
Übersetzung mit »ncini« {gcr »Nachbar', -man Suffix) verdient den Vorzug.
Ähnlich (clwaa anders abgeleitet) Mohne und Mahn. Much (PBR XVII
164) Qbtfsetzt »Stammechte«, )'V})OiOi (Strabön) = lat. ,^ww/i«^ Zeuss {Die
Detüichen, S. 59 Anm.) und Kugel (AfdA. XIX 10) »Bergbewohner« (lu
aind. ^iri, slaw. ^ra) — beides wenig glaubhaft
§ 4. Zwischen »»o und 73 v. Chr. wurde der Genuanenname den Römern
bekaimt*. Sic griffen ihn auf zur Bezeichnung des grossen Volksstammes,
den wir noch heule Germanen nennen. Als ^Germania magna« galt der
r'imischen Geographie des Kaiserreichs das Land zwischen Rhein und Weichsel
mit Einschluss von Skadinawien. Von den linksrheinischen Provinzen 'Ger-
mania supcrior- (Hauptstadt Mainz) und sGermania inferior« (Hauptstadt
K(iln) knüpft die letztere an den belgischen Gcmia nenn amen an. Der grie-
chischen Gecigniphie waren die Germanen als besonderer Vulksstamm noch
unbekannt geblieben : man wusste sie von den Kellen nicht zu scheiden oder
bezeichnete sie als Skythen, Puseidönios als Keltoskythen. Ersl Caesar hat
mit Sirherheil den s]^>rach liehen und ethnographischen Gegensatz der Kelten
und Gennanen crkaniii, wenn auch uf-pch spatere Geographen und Geschichts-
schreiber (wie einige Gelehrte der Neuzeit) der griechischen Tradition gema.s.s
beide Volksstamme nicht streng aus einander gehalten haben.
I Die als BiuidetgcDOAScn der ^aitl»cb«n Inxubr» geiutimtcn ficrnunt ilcr cspito-
Uniscb^D Trimnphallaiteii vom Jahre 322 v. Chr. itommcD in Wirklichkeit wahr-
ichdnlich aus dem JjJitc iz v. Chr. her, O, Ilirscht'cld, llertni.-» IX 98 und XJ
j6l. MUMcnhoff, D,A. II 194 f. H. Kosainna. PBB. XX 289—294.
§ 5. Die .\nwcndung des Njunens Germanen auf die Vorfahren der
Dentschon, Friesen, EngtJlnder und Skadinawier ist gelehrten Ursprungs. Die
Germanen haben sich selbst weder mit dem Namen Germanen (soweit nicht
spater nach römischem Vorbilde) noch sonst mit einem nationalen Gesami-
iiamen bezeichnet. Denn die Z«ten, wo sie etwa eine politische Einheit
bildeten, Ut^ii weit hinter ihrem Auftreten in der Geschichte zurQck. Vid-
mehr erscheinen sie von Anbeginn als unterschiedene politische Körper-
schaften, als Goten, Sachsen, Sweben asw., und jeder Stamm war politiüch
durchaus selbständig im Sinne eines Staates, verband sich je nach den politi-
schen Zeitverhältnissen unter Umstanden ebenso leicht mit einem nicht-ger-
mani.schen Volk wie mit seinem gennanisclien Nachbarstamme, gerade so *-ic
heute un.serp Stammverwandtschaft mit den Dänen oder Engländern für uni
auf eine praktische Süssere Politik ohne Elnfluss bleibt
I. EnaEiTUKG: A. NutE Geruakek. B. Ql'eu.e>*.
741
B. QUELLEN.
§ 6. Als Quellen für die Erkenuüiis der cthnograpliischen Vechallnisse
der Germanen dienen uns:
2) Die Zeugnisse der griechischen und römischen Geographen
und Geschichtsschreiber.
Germania anti^ua frd, K. Muel lenhofrius, Bcrolloi 1873. (Die 3, Aufl. 1863
üc ein unvcräiuicrtcr Abdruck.) — A Riese, Das rhtiniK/u Gtrmanün in dtr
antiktn LitUrainr, Leipzig 189a, — DU Getcküfitischrtibcr ä€f deuticlun Urwt
I, ütKTS. voll J. Horltcl, Berlin 1849. — Ch. Brandts, Das rUntografhischt
Verhältnhs der füüen umt Gtrmanen. Leipzig t8s7. — F. Babftch, Die a/lrn
Germarun in der Universalgeschkhtt und lAn Eigen»rl, Wien 1880, S. 23 — 4t.
— H. Bcrgcr, Gttchühtt der ■wiiSfnichaftlichen Erdkundt der Grieehen, 4 Bde.,
Leipzig T887— 93. — L. Hoff, Die KenntHis Gcrmauiens im Altertum bis tum
tTiyeiten Jahrhundert muh Chr., Programm, Ci>csfcld 1890.
Es seien hier die wichtigsten Jlltcrcn Namen genannt.
Pytheas von MassiEia hatte um 520 v. Chr. — eher spater als früher —
zu Schiff eine FurM:hungsreisc untcmünuncn, die ihn bis in die Nordsee
führte. Ihm verdanken wir die ältesten Nachrirhten Ober die Germanen
und flirc Grenze gegen die Kelten. Die wissenschaftlichen Ei^ebnisse sein«
Reise hat Pytheas niedergelegt in seinem leider nicht erhaltenen Werk »HsqI
tov wxtavov :f€JTQayfmTf:vft^vat — wir haben nur eine Anzahl Zeugnisse
über einzelne Angaben aus diesem Werk, besonders bei Diodöros, Strabön
Geminos, Pomponius Mela und Piinius.
A. Scbmekei, Pylfiear Afassiliensis ifuae mpersuat fragmtnta, Mersebitrg
1848. — Einzelne Fragmente auch bei 11. Berger, Die geographisthtu Fragmente
des Eratotlhenes, Leipiig lfl8o. S. 143 — 144. — M. Fuhr, De Pj/lhea Afasii-
Uensi, Darmstadii 1835. — J. Lclcwcl, /yihras und die Geographie seiner Zeit.
Leipzig 1838. — M. Fuhr, Prlheas aus A/assi/ia. Dnrm^Uclt 1842. — W. Bcs-
seil, Ufhrr Pythnhi von .i/assiltrn. G^'tltinccn (858. — W. Pitrrson, Elektron,
Berlin I869. — K. Mullenliurf, DrtUtehr AltrrluntikumU l, Berlin 1870, S.
234 — 236, 307 — 426, 469 — 497; vgl, daju A. v. GuUchmids Klrine Schriften,
Btä. 4, Kapitel V, — A. Schniill, Zu Pytheas von Afassilia I„ Piogr« Landau
1876. — F. W'aldmann, Der Bernstein im Altertum, Progr., Fellin 1885. —
f». Mair, Jenseits der Rkipäe». A. Die Fahrten des Pytheas in der Ostsee, Progr.,
Viliach 1893. — G. Hcrgl. Die NorJlanä/aMrl des Pytheas. Diss., Halle 1893.
Grösstenteils auf den Angal>cn des Pytheas l>enihcn die des Timaios
(552 — 256 V. Chr.) über den Norden.
M. Dunckcr, Ongines Germanicae I, Hatac Saxonum 1839, S. 5 — 7. —
Müllenhoff, Deutsche Alterlumikunde l, % ^2$^^^l. — Chr. Clason, Unl<r-
lUfhungen über Timaios von Tuuromenion. Kiel 1883. — H. Beckma&fi, Ti~
marus von Taurnmettium, Pr"gr., W.iiMlxbeck 1884. — J. Geffcken, Timaios'
Gecgrafrhie des It'eslens. Drrliii 1S92.
Gleichfalls dem Pytheas folgte Eratosthenös (275 — 194 v. Chr.) in
seinen nur in Fragmenten crhalleneu *rto)yQntfi3f6<.
Eratoithcftis retiqviae, cd. Hillcr, Liptnac 1872. — H. Bcrgcr, Die geo-
graphischen Fragmente des Eratfisthenis, Leipzig l88u. — MQUenhoff. D.A. I
»59-335. 35or.; UX pf.. 65—73-
Folybios {204 — 122 V. Chr.) danken wir Xachricliten Ober die Bastemeu.
cd. L. Dindurf. 4 Bande, Lip»iac 1866—6$. — Mülleahoff, D,A. 1 349—
355, " 104—112.
Eingehendere Nachnclitea Ober die Germanen verdanken wir Poseidöaios
von Aparaeia (um 125 — 40 v. Chr.), der eine die Jahre 145 — */) umfassende
Fortsetzung des P o 1 y b i 0 s schrieb, die Hauptquellc f Qr die Kimbern- und
Teutonen-Kriegc. Sein Werk ist nicht auf uns gekommen. Doch kennen nir
manches daraus aas Plutarchos, Strabdn, Diod^ros, Athenaios und
Caesar. Ausser Über die Kimbern und Teutonen war PoseidCnius auch Über
742
XV, Ethnographie der germanischen Stämme.
die Ausbrdlung der kellischen Helvelicr und Bojer in SüdUeutschland wohl
unterrirlitet. Er ist der erste gewesen, der die Germanen als dn besonderes,
von den Kelten unterschiedenes Volk erkannt hat, der erste, der sie vou dcu
Skythen gcscliieden hat. wie seine der traditionellen Geographie angepasate
Bezeichnung der Germanen als ÄVirrwxr*?«! beweist. Er sclieint auch schon
n^liere Kenntnisse Ober die germanischen Stämme zwischen Rhein und Weser
gehaht zu haben.
K. Müller, Fragtnenta histori<9rum Grancrum lU, PatU 1849, S. ZStff.
— Schcppig, Df Poiidonia Apamensi, rrrttm gimttum t^rrartim icnptorr. 5od*
dcrshns. 1869. — MflllcDholT, D.A. I 357 — JS9t I* 136—1:8'). 283 f., 290—
331, — Zimnurrmann, Hermra XXIII (1880) 103 — 130. — K, Lainprecbt,
Z%. An Berpsdirn Gt-schichtsrercina XVI 1880 (1881) 181 — 190. — l>. Koi-
sinna, PBB. XX 384 — 189.
Unsere genaueren Kenntnisse über die Germanen datieren seit den Römer-
kriegen und zwar seit Gaius lulius Caesar (100 — 44 v. Chr.), der 58 v-
Chr. Ario\TSi im südlichen Elsass besiegte und 55 und 53 den Rhein über-
sdiritt. Scijie scharfen Bcübachtungen hat er niedergelegt in seinen 52 v, Chr.
verfaiisien tCnminrutm-ii ile hf/la Gaüko*, darin über (Üe Germanen besonders
I I. 31-54, 11 4, IV i<^, VI g-28.
cd. C. Nippcrdcy. Lipsiac 184?. — cd, K. OQbncr, 2 Bde., Paris 1867.
— «l. A. Hnidcr, Frcibiirg i. B. und Tilbioj^n 1882. — cd. B. Kubier,
«litiy ntuior, LHpiii; 1893. — "■"*'■ H. McuscI. Brrolint 1894. — H. Köcbty
atwi W. RDsIow, fiinlrilun^ zu C- Julius Ctnnr'i Cvtnmuytiarirn über dtn
^alJn^ium A'ric/r, (hilha 1857. — Xopol^on Hiiloire de Jtües C/uir, 2 Bde^
Paris 1865—66; deutsch u. il. Titel Geuhükte Julha. CAsars, 2 Bde., Wien l86>
— 66. — A. V. (Wilcr, Cafsun gaUt'siher A'riri'\ 2 Bde., Tflbittgen 1880. — D.
Bühm, Beilrtiffr, uvkAe C. /. Caesar tn sfin^n ComtHetttarien • De Btllo GallkO'*-
xur Elhttolc^e ih-r Gtrmanen liefert, Frogr., lIcrmoDOsuiJc 1881. — H. Rauchen-
8tc[ii. Der FfUiUf; Caesars ge^en die ffelv^tier. Jenaer Bist., ZaHch l982.
Unter Augustus' Regierung erfolgten die Feldzüge des Dnisus und Tiberius
13 V. Chr. bis g n. Chr., durch welche <!as römische llcor Norddeulschland
bis zur Elbe, die römische Flotte die Nordseeküste bis Jütland kennen lernte,
und welche einen lebhaften Handelsverkehi bis nach Ostpreussen hin zur
Folge hatten.
M. Vipsanius Agrippa hat diese erweiterten geographischen Kenntnisse in
seiner Biographie, in seinen statistischen ■^Commaitani' sowe in seiner auf
den letzteren beruhenden, :?; — 20 v. Chr. vollendeten Weltkarte niedergcl^;!
Wir sind hierüber durch die geographi.schen Schriften des Straböu und Plinius
s<Jttie durch die Feutingersche Tafel unterrichtet. Nach dieser Karte hat
Augustus 7 V. Chr. eine grusse Wclttafel (Landkarte) in Rom aufstellen und
vervielfältigen lassen. Die sogenannte »ChvrographU* des Augustus beruht
gleichfalls auf Agrippas Vorarbeiten.
Geografihi lalmt minom, rd. A. Riese, Heilbmniue 1878, S, 9 — ao. — A.
WeithcTl. Commentalie /. de imfifratorii Catsaris Auguttf scriplis ettrumqut
reh^uiii, Prugr., OriiiKe 1835. — ^- Mül tcnhoff, D.A. III 53 — 84, 212 — 295.
298—325; vgl. du£u A. V. G 11 tsi'htiiidü Ki^'te Siftri/Ien V, Leipzig '894.
Kapitel 5 — ". — J. PurCscb, Die Darstellung Rtiropa's in dein gtegr«'
phisihen Werke des Agrippa, Ilabililalioasscbril't, Breslau 1875. — E. Scbweder.
Beiträgt »ur Kritik der Chorogrupkie det Augustus. 3 Teile, Kiel 1876, r876,
1883; Phi]oIoKusXLVICT88(.) 276 IT.; FEeckeiseng Jbb. CXLV (1892» 113— 133;
Philologn* LIV 528 ff. — F. Pbillppi, Zur Re^<>nstrti£tion der WtItkurU JfS
Agrippa, Mftrbuiv 1880. — D. Detlcfaei). Unlersvi-httttgen tu den gmgrttphitckm
Jüicfiern des VlimMi. s. Die Weltkarte des M. Agrippa, I'ropt., (;iück«iädt 1884.—
O. Cuntz, De Anguslo, PUhU Gecgraphitorum otuttre, Uiss., Bonn 18S8. —
O. Cuntz, Agrippa und Augustus als Quellensi-hri/t steiler des PHnifis im 4tm
geogmphischen Büfhern der J^aturalis kistoria, Leipzig 1890 (= Jbb. f. cbML
Pbikil., 17, SuppU-menttwiod, 475— SJ6).
Titus Livius' rOmisdie Geschidite »Ab urhe conJitat reichte bis zum Tode
L ElXLSltUNG: B. OTTtttrTV
743
des Dnisus. Leider sind die über Gennimeii handelnden BOcher 104, 136
und 140 verloren gegangen, und wir sind auf die Kapitel V 34, IX 30, XXI
38, XL 5. S7 !■. XLI 19. 23 und XLIV 26 f. angewiesen.
wi. M. Hrrl«, 4 (5) Bdr., Upsiar 1837 — 64. — CiL W. WeifSeobofO, 19
(91 Bile-, »CTlin 1856—76. 3 Btlc- Li|H.ine 1865—74.
Strabön hat in seinen */«myßa»pxii«, deren erste 7 Bücher er i. J. 18
n. Chr. abgefasst zu haben scheint, im 7. Buch Ober die Germanen berichtet
Kt-in selbständiger Forscher, hat er jedoch alle seine Vorgänger benutzt, und
ist für nna chirch die Ausführlichkeit seiner Mitteilungen so wertvoll.
ed. G. Kramer. 3 Bde., Bcrolint 1844— 52. — ed. A- Mciackc, 3 Bde.,
Lipsliie 1852 — 53, iKru*r Al»druck 1877. — ed. C. Müller et Fr, Dtibner, 1
Bile.. Parl>lis 1853—80, — A. Dommerich, />/f .VatirüAtrn StrtUm's übfr dte
mm ßlii^en deutschctt Bunde /^hiSn-nden Üindir, Diss.. MÄrbnri; 1848. — A.
Miller, Strahe's Qu<IUm libfr^}. ^ Galttert und Brilannien, Rcgeiwbur^r Progr.,
Siadmnhof 1868. — Müllcnhoff,/>.W. 1 313—360, I( 177—189, HI 34—41,
67 — "0, 114. — E. Schweder. Beiirdgr %ur Kntik dtr Vkortgraphie des Au'
guiliij in, Kiel 1883, — H. Wilken«, Quaesftpnrs de SlraboHis alhrumque
rerutn Gaihcarum nuclnrum («tttihui, !>!&«■. Marljurg 1886. — Sutter, übtr
StraAos Gfcgraphitn. Pnjjr., Kr:ink(urt a- M. I887. — M. Pabois, £xameH de
ia gt'agraphu de Sirahoit, Pari» I891. — Vgl, aud» die oben mUer «Poscidd-
nio^i angegebene LiltersUir. ■
Aufiditis Bas&us hui ein Buch fiber die germanischen Kriege geschrieben,
d^s leider nicht auf un» gclinmmen ist
M. Vellcius Paterculus, der als praefcctus equitum und Legat den
gennacischtrn Feldzug des Tiberius milmachte, hat 2Q n. Chr. seine >Historia
Romana^ vollendet Wir schätzen in seinem Bericht den Augenzeugen.
ed. F. KrJtziu» ^ Lipwte 1S48. — ed. C. Halm, Lipme 1876. — P.
Kaiser, De j'ontibHi VilUi Paurmlf. Dias., Berolini 1884, — F. Helbiog,
VrlUius PaUrculus. Diss., Rostock 1888. — F. Fau»l, Dr VflU! FatermU
rerum uriptoni fidr. Di»., Gleshcn 189I, — F. Burmeister. De /oHlihus
l'eUei Pittenuli^ Rerdlini 1894,
C. Plinius Secundiis, der Ältere (23 — 79 n. Chr.) konnte aus eigener
Erfahning über die Germanen berichtai. denn er ist nicht nur am Rhein,
»indem auch an der unteren Elbe gewesen. Zudem ein Mann von um-
fassender Belesenheit, itat er die alteren Schriftsteller eingeliend studiert
Er ist zweifellos besser über Germanen unterrichtet gewe.*en als irgend ein
anderer Schriftsteller des AUertums, auch Tacitus nicht ausf;enummen. Um
so mehr müssen wir bedauern, da.'* seine 2u Bücher Über tUe germanischen
Kriege verloren gegangen sind. Erhalten ist uns seine 77 n. Chr. veröffent-
lichte -oNaiHraUi hisioria*, in der er besonden» die Weltkarte des Agrippa
benutzt hat; über Germanien passim, besonders IV 94 — 104.
ed. D. Delle r«en, 6 Bde., Berolini 1866-82. — ed. L. J&nus et C. May-
hoff, 5 Bde.. I-ip^^ae 1870—97. — D. Dctlef»cr, Die Moue der Erdteile nath
Ph'niui, Progr., (tlUclcstadl 1883. — F. Aly, Zur QuelUnkntik dei älUren Plinim,
Prop,, MaßdcbiUß 1885. — F. Münzcr. Beiträge zur Qtullenknttk der A'atur-
gtjthii-hu des Pltnitii. 1697. — Vf;l. auch die oben unter >A{;rippa< anf^rohrte
iiiieratur.
C. Cornelius Tacitus, dn Schriftsteller allerersten Ranges, bietet uns in
seinen um 115 n. Chr. herausgegebenen ^Annaks« imd in seinen iJIhioria(*,
welche tlie Jahre 14 — <x) und 69— <)7 umfassen, einen Ersatz für die verloren
gegangene Schrift des Plinius (s. o.). obgleich von den 16 Bftchem der
Aniudeii mehr als 5, von den 14 BOchem der Historien mdu: als Q fehlen.
Noch reichhaltiger für die Erkenntnis der Ethnographie Germaniens ist seine
98 n. Clir. al>ge/asste ■Germania', ein kleiner feuillet(>nisti>cher Essay eines
gnstrcichen Gelehrten, wie alle Schriften des Tacitus einen stark rhetorischen
Charakter tragend. Die künslierische Wirkung seines .Stiles steht ihm höher
Js die Objeklivitüi, was das Verslllndnis erschwert. Seine Darstellung ist
744
XV, Ethnographie der geruaxischen StÄmue.
durchaus subjektiv gefärbt; aber voi\ einer tendenziösen Darstellung auf
Kosten der Wahrheit darf keine Rede sein. Für uns zwar die Hauptquelle
für die Ethnographie Gemianicns, sind des Tacitus Schriften au sich eine
Quelle zweiten Grades; denn das von ihm verarbeitete Material hat er be-
reits bei deren Vorgängern vorgefunden, besonders be Caesar, Livius,
Aufidius Bassus und namcutUch bei Plinius. Er selber ist nicht in
Deutsdiland gewesen, kannte aber den Niederrhein aus eigener Anschauung.
Opera: cd. J. G. Bailcr t-t J. G. Or<-lIi *, 2 Bde., Turici « BcnlicilSsg und
1879—86. — «!. C. Niiiperiley, 4 Bile^ Rtn^Iin l«?!- 76, 9. Aafl. von G. An-
drcsen, Berlin tSgj. — ni, C. Halm*, a B>le., Li[i5iac r 883. — «d.i. Müller.
3 B4c., Upsittc 1884—87. — A. Gerber et A. Greef, Lexkon Ttuitcnm, Lipsiae,
»ei[ 1877 erscheinend, lib st [897. — I-. v. Ranke, IVirUffTsckichte 111 280 —
318. — I. Getickc, De obundanti äkenäi genert Tacilino, Diu., Bcrolini l88Z.
— Wallichs, Die Gesehkhtnthreibung dn Tatt'tus, Progr,, RendsbuiK 1888. —
A, AnioD, Nun) ad vmUilcii) Tadtus in Aun. [. d IT. nuravii de cipcilitiooibu»
Germania, Rossleber Ftof^., Holle 1850. — Ph. Fabia, Lts itnirtrj de Tacite
dans ifi biitoirti tl iei oHnales, Paris 1893.
Germania-. Au-if^abcn : cd. J. GrintTd, O^tlinuen 1835 (dnrin alles, was soost
bei Tacitus auf Germanien Beziiß hat). — cd. H. F. Muüsninnn, Ö"^*">°biug
u. Leipzig 1847 (händscbriftlicber Appamt). — en HauptÜ rec. tecujjn, K. K ri liiui^
Bemlini 1860. — K. Muclleiiholfiufi, Gcmuinia iintiqua, Bemlini 1873 (neuer
Abdruck 1883). — ed. F. Krii/ius«, W. Hirschfelder, BenJini 1878. — «d.
A. Holder, Lipsue 1878. — ed, H. Schweizer- Sidler^, Halle 1890.
Überlieferung: R. Ta^niann, Df Tuciii Germanior apparaiu m/ico,
Vraü*laviae ^847. — C. Halm, Siuui^bcrichtc der k, bajxr. Ak. il. Wiss., phücw.-
philol. Cl. 1864. 1—41. — Bahren«, Flwk^'Uen* Jhb. CXXI (1880) 365—188.
— H. Schcfczik, De Cornetii T<%citi apparatu crilko, Prop., TroppAU 1 886.
— R. Wucnsch, De Taciti Cerwaniae codkibMS GfmiamiU, Dias., Marpiuip
1893 (vorlÜuJig abäcfalicssmd). — K. Müllcnhofr, ZIdA. IX (1853) 323—261.
Beurteilung: J, v. Gruber, v. d. Hagcns Gcrm-iniii III (1839} 74 — 91. —
Hoff, Vfber die Glaubwiirdi^ktit unt/ dm KunsUharokter der Gertnania des
Tacitits, Progr., E^srii 1868, — L. Schumacher, /V 7(w//o <?crwn7Mrä<'jwi/-*'(f/*#,
Progr,, Berlin 1886. — Tli. Muinnisen, SiLiun;pberichte d. k. prcuss. Ak, d. WttL
1880,39—46. — KKttiier. ZrdPii. XTX (1887) 357—274.-1. Weinbcr|Eer,
Die Fra^e nach F.ntitthnug und TmiiKns der 'Faciieii-chen iGcrmnniai, 2 Teilc^
Proßr., ülniiiu 189Q, 1891.
Quellen: Th. Wiedcmann, For^cbungeii zur deuudicn Gescbichlc IV' (1864)
171 — 194. ^ Manitius, ebd. XXII {1883) 41;— 422. — Schlcussncr, Qmar
ralio infer Taciii Germaniam et ceteros pnrni saecnU libroi Lalinos, »o qutbta
Germam' tnngantur, intercedrre rideafur, Piojjr., Banaen 188(1. — A, Lückcn-
bacb. De Germanine qune vcvafiir Taei/me /'on/tbui, Dis«., Maqturgi 1891.
Rommentarc: H. Sch«-eizer, ßemrrkungeTi zu Tacitui' Germania, Progr.
Zürich 1860. • — F. Miinschncr, ßeilnige sur Erttl/trung der Germania vifn Tacitus^
1 Teile, Projjr., Marburg 1863. 1864. — L. Curtze, Die Geraianra det Tafttus
auiführikh erkiärl. Oip. I— X, Leijwi;; 1868. — A. Holtzmann, Germaniu-ht
AUerthÜHwr Mit Text, Ghersettung und Erilürnng fon Tatitus GermuHin,
Leipzig 1873. — A, Baumilark, Vrdeutsehe StaalsaUerlkümer tnr si'hütt^nJrm
Krläiiterung der Germania des Tiuitus, Berlin 1873; Ausführlkkt Ertäuterjtmg
des nUgemeiiien 'FheiUs der Germania des Taiitm, Leipzig '^75t Ausfiihrtürht
ErSiiuterting des beionderin vöikenchafitiLhnt Theiles der Germania des Ta^i/ms,
Leipjiii; t88o. — K. MlUleiihorr, DeuUche AlterlumsJiHnde II, Berlin 1887, S.
I — 13. 57—53. 77. »=3. »91 f., 198— loi, 283, 3871'.. 337. 333 f" 354; B««*
IV (T898?) wird einen du»nihrlichen Kommeaur der GemuniA tningen.
Der Gec>grapli Marinos bat zu Beginn des 2. Jahrhs. il Chr. seine
»zov yeojygatftxov myaxoi dtög&wOiS' niit emsigem Fleis3 au^earbeitet.
Er hat alle geographischen Einzclangabcn der Vergangenheit wie der Gegen-
wart gesammelt und sein Werk wiederholt erweitert und verbessert. Aboy
bei dieser Sammlung verfuhr er unkritisch, seine Angaben sind zerrissen,
'\\'^idersprüche zwischen Text und Karte sind nicht atisgeg^ichen. Zu der
l. Eixleitusg: R Quellen.
745
letzten Ausgabe (jedenfalls nach 115 w. Chr.) w-urde die Karte nicht fertig.
Er mu-sste die Arbeit abbrechen, ohne sie vollendet zu haben. »Nur die
Grundlagen für diese letzte Karte, die wahrschcmllch wie der vurausgchcude
Text wieder neue und «irhtige Änderungen bringi^n sollte, konnte er nr»cli
vollenden. Die Vollendung, den Ausbau der Karte, die Verteilung des
Kartcnbildes mit allen sdnen Bestandteilen in die durch das Netz und die
Cardinalpunktc festgesetzten räumlichen Abschnitte, musste er. wie es scheint,
jüngeren Hunden überlassen.«
KEaudiiis Ptolemaios hat sich uro die Mitte des 2. Jahrlis. n. Chr. der
Aufgabe unterzogen, den Marinos zu berichtigen. Trotz mancher Besserun-
gen hat sich Ptolemaios aber auch neue Irrtümer und manclie Willkürlich-
keiten zu Schulden kommen lassen. Im ganzen aber kann man sagen, dass er
seinem Vorgänger blind gefolgt ist, mit all seinen Fehlern. Statt L-iue neue
Karte herauszugeben, hat Ptolemaios in seiner • rrxoyiiafjixi} vtyt)yt^ati< auf
Orund seüjcs Entwurfes eine Anleitmig zum Zeichnen einer solchen gegeben.
Z*TSchen die geographisch nach iJlnge und Breite fixierten Gebirge, Flüsse
und Ortschaften hat er die Vülkeraaraen reihenweise eingetragen. Für unsere
Kenntnis von Germanien ist das Werk dt-s Ptoltmaios dushalb so wichtig,
einmal weil er als letzter uns die Verhältnisse von Nordeuropa vor den
grossen Vülkervcrschiebungcn ziLsammenfa-ssend dargestellt hat, und zwar zum
Teil nach neueren Nachrichten als Tacitus ; dann durch die erstaunliche
Fülle der Namen. Er zahlt diese ohnehin stark verderbten Namen freilich
nur trocken auf. Immerhin aber bietet Ptolemaios infolge der durch die
Hanrtelsljcziehungen dt-r Kaiser/eil erweiterten geographischen Kenntnisse \iel
mehr Namen, als wir sonst für jene Zeit kennen, wie z. B. die holsteinischen
Sachsen bei ihm zuerst genannt werden. Die starken Abweichungen von
unscm übrigen Nachrichten Ober die Wohnsitze der einzelnen Stämme sowie
die Widersprüche des Ptolemaios selbst erklaren sich daraus, dass Marinos
unkritischer Weise seine um mehr aU anderthalb Jahrhunderte unterschiedenen
Quellen gewissermassen auf eine Kbene projizierte, si> dass er unter Um-
standen denselben Namen zwei mal in seine Karte eintrug, an zwei ver-
schiedenen Orten, wo das Volk je nach dem Alter der Quelle seiner Zeit
gewohnt hat. Für uns in Betracht kommt hauptsächlich Buch II, Kapitel 11.
Ptf>l«m.iioii ed. C. MHller I, Paria 1883. — W. E. üicferi. ,Ä«/«f^ tnr
Geifhichtt und Gtogretphit dei fifttn Gfrtnnitütti, Münster und Ptdcrlwni 1851.
— Wieleriheim, Beiichic der a&cb§. Ocs. d. \Viss, 1857, S. ilJff. — P.
Wisliccnus, Diif ÜesehUhte dirr Eibgermatun, Halle 1868. — K. Müllcr-
horr, zfdA. IX 331—234; D.A. I 561—364, n ifi— 26. 79—88, 325-333
(3j6_345); ni 84—100. — W. Set-lmanii, N^J. Jb. XU (1887) JS— 52. —
G. Holz. Brilriigr zur dniSuchfn AUertttmikundt /. Üter die gtrtitaniS€h*
VBlkrrtafel ifrs P^toUmaaii, Halle 1894.
Was die S4hriftstcller des i. und 2. Jahrhs. n. Chr. über Germanien
melden, heniht im wesentlichen auf den Kenntnissen, welche die Kricgszflge
<]er Jahre 13 v. Chr. bis Cj n. Chr. den Rümern brachten. Die spateren
Schriftsteller zehren von der alten Tradition. Mit dem Niedergang des
römischen Kaiserreichs geht der Niedergang der römischen Wissenschaft
Hand in Hand. Sei sind wir denn Qber die Übergangszeit von den alten
Verhältnissen zu den durch die grussen germanischen Vi'lkerx'erschiebungen
geschaffenen gar nicht unterrichtet. Die wichtigsten Zeugen sind uns für
•das ausgehende 4. jahrh. die scriptore.« historiae Augustae (ed. Peter)
und besonders Amroianus Marcellinus (ed. Gatdthausen). Die tabula
Peutingeriana ist nur eine Modernisierung der römischen Weltkarte, Von
den späteren christlichen Geschichtsschreibern sei hier noch Eugippius ge»
746
XV. Ethn'ographis der OERMAyiscHEK Stamme.
nannt: » f'i/n S. Ärrm«/* um 511 (ed. Halm). Dem 5. Jahrh. gehört
Priskos: ^'larvoia Bt\aYmxy.t'}t (ed. L. DiadoiC), dem O.Jahrh. Agaihias:
>7rtTooini-< (ed. L. Dindorf), Prokopios (ed. \V. Dindorf), Cassiödorus:
^Chronicoti' und »t-ariaf. (cd. Mommscii) und Jordaiics: ■/?<■ summa
tfmponim t-v/ origine actihusqtte gentis Romanorum< und ^Dt origine actihusque
Gelarum^ (ed. Mommsen). Im 6. Jalirh. lebte der fränkische Geschichts-
Bfhreiber Gregorius Turonensis: »Historia Francornm tcclesiasiica^ (cd.
Arndt und Krusch): im 8. Jahrh. schrieb Baeda seine 'lits/orta uilesiastica
gcntis Atighrum^ (ed. Holder); im 8. Jahrh. Paulus Diacynus; »Ilisforia
Lnngobnrdorumt (ed. Wailz); im 10. Jahrh. Widukindus Corbeicnsis:
*Ris gesiat Saxonicaet: (ed. Waitz); im 12. Jahrh. Saxo Grammaticus:
»GesJa Dannrum-i. (ed. Holder).
Als ergänzende Quellen für die ältesten germanischen Völkerverhäluiisse
kommen femer die alienglischcn Dichtungen Beowulf und Widsid in Be-
tracht, insofern die Ssrc die Erinnerung an die Zeit vor der Besiedlung
Britanniens bewahrt hat.
K. MülUnhoff, NordAlbinßiÄche Snulitn l (1844)111 — 174; ZfdA. XI (1859)
275—294. -^H. Dcdcrlch, Historhche unti gtcf^raphisihe Studien zum angeUäch'
siscfien ß'-'n'Ul/iicdt, Koeln 1877. — H. Alöllcr, l>as altenghsche Vottifpöi, z
Teile. Kiel 1883. — B. icn Brink, iftvifw//; Str.-usburg 1888; \-gl. rf«u H. Mftllcr.
Erglinchc Studien XIII 247—315. — K. Müllcnhoff, Beovul/, Berlin 1889.
2) Die Ergebnisse der Sprachforschung.
J. Schmidt, Dir Vrrv-antichn/tsferhültniise der inäogermamsehen Sprachen,
Weimar 1672. — A. Leskien, Die DnlintiUo» im Slaviük'JJIauistfuH uuU
Ger»utnisihett, Leipzig 1876, Einleilung. — K. Brugmaoo, Internal. Za. f. illf.
Sprw. I t (1884). 216 — 256. — H. Paul, FrincipK» der Sj>rafhgetihi<rhlf *.
Hjilie 1S9S. — P. V. Bratikc, Bn'trä'ge xur Kfnntnii ätr ■perhtstcrischm Eni'
■wkktluHg umrrei Sfiraihstammes, Univ.-Fc^Wchr., Gifssen 1888. — O. Scbradcfr
Sfiroihvergieit^hunff titut Urgeifhufilr*, Jena x8qo. — B. Delbrück, Einitttung
m das Sprai-hitudiiim ', I^ipzi^; 1894. — P. Krclschtjier, Junleitung in die
Ces(hkhtt der Griethisehen Spracht, niltliilKCn 189C1. — R. Dfickh, Die tiatixti'
i<hc Bfdmtung der Volktprache als KenHu-ifkrit der NationalitSt, Berlin 1 86fr
(= Zs. f. VClkcqxncholoRic u. Siirat-hwäisenBchaft IV 259—402. — }I. Halm,
Siissert atu dem /■'ramt^n/and, llall 1884 (=i Vorn Untcrlanil, Schwr. H^I o. J.).
Bis 211 welchem Grade die S]irache als Kennzeichen der XatiunaJität gelten
darf, ist nben in Jj 1 gesagt. Der vergleichenden Sprach wis&cnM-haft danken
wir die Erschliessung einer Indugermanischcn Sraclifamilic. Wenn uir wissen,
dass »Mutter* an Altindischen wM/d, im Armenischen mair, im Gricch. /i^Ti^p,
im LaL \Mäter, im Altirischen mtttfiir, im Ahd. muoter, im Litauischen möÜ*
im Slawischen Mäf\ lautet, und wenn wir hunderte ähnlicher Gleichungen auf-
t>lellen krttmen, sf» » hliessen wir auf eine gemeinsame idg. l'rsprarhe. aus
der sich durch dialektische Differenzierung die einzelnen idg. Sprachen ent-
wickelt haben, und wenn es einmal eine gemeinidg. Sprache gegeben hat,
dann, ao folgern wr weiter, muss es auch einmal ein Volk gegeben haben,
welches diese Sprache ge>prochen hat. Auf diese Weise bewci-scn »-ir die
ethnographische Zusammengehörigkeit 2. B. der Kelten, Germanen, Slawen usw.
gegenüber den 7u andern Sprach familien gehörigen Iberern oder Firuiea Die
Vergleichung der germanischen Sprachen luiter einander gegenüber anderen
Sprachen lehrt, dass die Cknnanen eine ethnographische Gruppe für sich bildetv
also auch einmal ein besonderer VnlksUmim gewesen sind. Die vcigicichende
Sprachwisicnscliafi gicbi: uns feiner ein Mittel in die Hand, um xu besümmen,
ob die Germanen zu ihren keltischen oder slawischen Nachbarn in einem
1. EiNLEITUNCi; B. QUELLEX.
747
näheren Verwand tschaftsverhälmis stehen als z. B. zu dcii Rümcni udcr
GncthfiL Ebctisu ist die Sprache das entscheidentk* Aigiiraent für <Jie Frage,
welche grösseren ünippeii. wddic kleineren Unterabteilungen jeder dieser
Gruppen innerhalb des gerinauisthcn Vulksstaininfs iuuunehmcn sind. Alte
Stanuuesgrenzen sind vielfach big auf die Gegenwart als Mundartengrenzen
bewahrt.
Schwierig ist die n&here Bestimmung de» Verwandtichaftsgrades. Dass
Skadinawier, Friesen. Engländer und Deutsche eine Sprachfamilie hildt-n. lehrt
bereits eine oberflächliche Beirachlunj; ihrer gcgcnwürtii^cii Spradicn. Stehen
aber die Engländer den Skadinawiem oder den Deutschen sprachlich naher,
und fiiebt es sprachliclie Kriterien von durchschlagender BeweLskr-ift für die
Annalime einer geraeinsamen skadinawisch-englischen oder englL*ich -deutschen
Ursprache und damit einer entsprechenden ursprunijlicheii Stajnmt-seinhcit?
Derartige Fragen hat man bisher selbst dann nicht mit Sicherheit beantworten
kilnnen, wenn eine grosse 2ahl v<.»n durchgreifenden Übereinstimmungen
zwischen zwei Sjirachen vorliegt. S»j x. B. stinuncn die hoch- und nieder-
deutschen Mimdarten, das Friesische und das Englische in so vielen Punkten
überein, abweichend vom Skadinawischen und Gotisdien — und diirunler be-
finden sich, worauf besonderes Gewicht zu legen, eine Reihe vun gemeinsamen
Neuerungen gegenüber dem ira Skadinawischen und Gutischen bewahrten ur-
geimanischen Bestände — , dass eine wcstgcnnanische Spracheinheit als sicher
bewiesen gelten darf. Und dennoch ist damit nicht gesagt, dass die west-
gennanischen Stämme in vorgesdiichtlicher Zeit einmal ein Volk gebildet
haben. Denn es wJlre an sich ebenscm-ohl mi-glich, dass jene Cberemstim-
mungcn in!>gcsamt ans einer <^eit herrührten, in der die Skadinawier und god-
sclien Stämme räumlich vun den westgermanischen Stämmen getrennt waren,
so dass Neucrui^fen, die bei einem von diesen aufkamen, wohl innerhalb
des zusammenhangenden Sprachgebietes durchdringen, nicht aber darüber hin-
aus von den Goten angenommen werden koimlcn, weil diese zur Üeit schon
nach Süden abgcrt^ckt waren, oder von den Skadinawiem, weil die See eine
spradiliclie Vennittiung hemmte. Es kommt in suEclicn Fällen alles darauf
an, das Alter der gemeinsamen Neuerungen zu bestimmen. iJtsst sich be-
weisen, dass solche Übereinstimmungen in grösserer Anzahl aus einer Zeit
herrühren, in iler die Goten und Skadinawier mit den Westgermanen ein
ziisammenhiltvgendes Sprachgebiet bildeten, so müssen wir folgern, aber auch
nur dann dürfen wir es. dass die WcÄtgcrmancn damals eine besondere po-
litische Gruppe für sich bildeten. Deim sprachliche Neuerungen dringen
leicht iimerhalb einer Vcrkchrscinheit durch ; aber man sieht nicht ein, v.ie
Nachbarn, die nicht zu dieser Sprachgemeinschaft gehören, dazu kommen
sollten, an solcher veränderten Sprechweise teilzunehmen. Oder ein anderes
Beispiel; In einer Reihe von Punkten stimmt die englische und friesisdie
Sprache mit dem Skadinawischen ftberein. in andern Erscheinungen wieder-
um mit dem Deutschen. Ein ethnographischer RUckschluss ist nicht möglich,
solange wir nicht das Zeitalter dieser wie jener Erscheinungen wenigstens an-
nähernd beistimmen können. Denn an sich kann die einfache Erkl;inmg die
sein: Die .\nglrifriesen haben als Nachbarn sfjwoht mit den Deutschen wie
mit den Skadinu*iem in sprachlichem Austaiwch gestanden, so dass sie von
beiden Sdtcn her spracliliclien Neuerungen zugänglich waren, ixler dass ihre
eigene veränderte Sprechweise innerhalb des gesamten, gemeinsamen Sprach-
gebietes zum Teil in Deutschland, zum Teil in Skadinawien Eingang fand;
oder aber es liegen die beiden Schichten zeillich nicht neben, sondern nach
einander. Noch misslicher ist es bestellt, wenn wir nur einzelne wenige Über-
einslimmungeu zwischen zwei Sprachen oder Mundarten nachweisen können.
Weist eine grosse Masse von Übereinstimmungen auf eine längere Zeil
sprachlichen Austausdics zurück, su kann eine geringere Zahl der Nieder-
schlag einer kürzeren Zeit gemeinsamer Entwicklung sein; es kann aber auch
— und je weniger Obereinstimmungen. um so wahrscheinlicher ist diese Er-
klärung — die ühcreinstiinmung \iclleichl eine zufällige sein. Oftmals ist es
entscheidend, welcher Art die gemeinsamen Ncuenmgrn sind. Wenn in zwei
Muidartcn a zu ö gewcrdcn ist, in einer dritten aber zu w, so liegt es pho-
netisch auf der Hand, dass sich dieses ü durch die Mittelstufe Ö aus d cot*
wickelt hat, und aus der gemeinsamen Erhaltung des ö gegenüber dem andern
a lasst sich gar nicht fotgcni. Oder in zwei Mundarten ial ä zu fi geworden,
in einer dritten zu e; da müssen wir sagen, dass die Verdumpfung eines ä
zu ö ein so alltäglicher Vorgang ist. dass er in jeder der beiden Mundaiten
sehr wohl selbständig vor sich gegangen sein kann. Anders liegt der Fall
2. B., wenn die westgermaiiischeu Dialekte die 2. Sg Ind. Praet durch die
Optalivfonn ersetzt haben. Je singularcr eine Neuerung ist, um so melir Ge-
wicht Ist auf die Übereinstimmung zweier Mundarten zu legen. Aber wir
haben keinen sicheren Mass.stab. Denn möglich ist in jedem einzelnen
Falle, dass die Übereinstimmung eine zufällige, nicht eine von alters her ge-
meinsame ist. Nur die Masse kann beweisen.
Die Frage ist, wie weit sprachliche Übereinstimmungen frühere politische
Einheiten beweLsen. Man hat sich früher allgemein die Sprachdifferenxierung
unter dem Bilde eines Stammbaums vurgestellL Das bedeutet, von der Sprache
auf die Mcnsclicn übertragen: ein Urvolk hat sich raumlich getrennt, also
die einzelnen Gruppen sind ausgewandert. J. Schmidt hat die Welleniheorie
an die Stelle der Spaltungstheoric gesetzt Nach seiner Auffassung luibeu
tue benachbarten Sprachen gewisse Züge mit einander gemeinsam, so dass
nur von einer kontinuierlichen Vermittlung imd nicht von einer Spaltung die
Rede sein könne. Hiemach würden wir uns vt^rzustellen haben, dass vwci
benachbarte vcru-andte Stämme aus einem Ursiamm hervorgegangen sind,
ohne dass je eine raumliche Trennung stattgefunden hatte. In Wahrheit
kommen beide Fälle vor. Die Englander sind zu einem besonderen ^'oIk
mit besonderer Sprache erwachseu durch die Ails Wanderung, welche sie von
ihren näclisten Verwandten, den Friesen, getrennt hat Die Friesen selbst
sind seit zwei Jahrtausenden Nachbarn der holländischen Franken gewesen,
und die alte Stammesgrenzc besteht gSeichwohl bis auf den heut^jen Tag.
Also aus der sprachlichen Verschiedenheit zweier historisch benachbarter
Stämme darf nicht ohne weiteres auf raumlich getrennte Sitze in vorhistori-
scher Zeit gcsihlosscu werden. Wohl aber beweist natüriich die sprachliche
Übereinstimmung zweier in historischer Zeit getrennter Stämme die Nachbar-
schaft der vorhistorischen Sitze. Aber zunadist auch nur die Nachbarsdiaft,
nicht ohne weiteres eine ursprüngliche StammeseinheiL Eine ursprüngliche
politische Einheit lässt sich Übeihaupt aus der Sprache altein nidit beweisen,
wenn nicht geschichtliche Argumente dazu treten. Es können <lic Goten
mit den Skadinawiem in vorgeschichtlicher Zeit einmal ein Volk gebildet
haben: aber dieses Valk kann einen kurzen Bestand gehabt haben, oder zur
Zeit der Stammeseinheit kann sich zufällig gerade die Sprache wenig ver-
ändert haben, oder die spätere getrennte Entwicklung der Sprachen kann die
alten gemcin-samen Züge verwischt haben, oder \ielleicht kennen wir nur
diese gemeinsamen Züge nicht: kurz zwei Völker kt^innen eine ethni-tgrapliischc
Einheit bilden, ohne dass wir es aus der Sprache beweisen kOuncn. Auf
eitle ursprünglidie politische Einheit gegenüber einem dritten Stamme kennen
wir bei zwei nahe verwandten Sprachen oder Mundarten nur in dem Falle
schlicsscD, wenn wir wissen, dass alle drei vun jeher neben einander gewohnt
haben, ohne das^s etwa ein nalßrliches Verkelirshindcmis wie ein unzugäng-
liches Gebirge, et» Sumpf, ein grosser Wald den diiiten Stamm vun den
beiden andern getrennt hflttc. Man nimmt an, da»s die Poljcsje-Süropfe am
oberen Dnjepr seit der Urzeit, bis in welche unsere sprachlichen Rekon-
litruktiunen hinauf führen, Gt'nuanen und Slawen gelrennt habeu; es ist
wahrscheinlich, dass die Germanen in ihren früheren Sitzen durch das Riesen-
gebirge und die Sudeten vön den Kelten geschieden waren: gesetzt es liesse
sicli beweisen, dass Slawen, Germanen und Kelten seit der indogermanischen
Urzeit neben einander gesessen hätten, uhne durch ein natürliches Verkehrs*
hindemis getrennt zu sein, dann mAsstcn wir folgern, inncrhaJb dieser
indogennanisclien Vi>lksnKisÄe haben die Vorfaliren der Grnnanen sich zu
einem besonderen Volk zusanunengesdilussen. Denn auf welche Weise sollte
sonst eine scharfe Sprachgrenze nach beiden Seiten hin zu Stande gekommen
sein? Wir mllssten ja andernfalls erwarten, dass ein kontinuierlicher Über-
gang vom Slawischen Über das Germanische zum Keltischen slattfande, der-
art dass die Slawen sich mit den Ostlichen Germanen, die westliclien Ger-
manen sich mit den OstJichcti Ketten hfitten ven»t2iKUgen können. Da wir
aber mit jenen natürlichen Grenzen zu rechnen haben, wäre es auch denk-
bar, Jass die Germanen zu keiner Zeit einen politischen Verband gebildet
haben, snndem dass es von jeher verscliiedene Stamme gegeben hat, die nur
deshalb eine andere Sprache reden als ihre Nachbarn, weil der sprachliche
Austausch von Dorf zu Dt^rf an jenen natürlichen Grenzen stöckle. Eine
solche Annahme verbietet sich allein deshalb, weil die Indogermanen, so
lange sie noch ein Volk mit einer Sprache waren, nicht von Hause aus in
einem Gebiet gewohnt haben können, hxncrhalb dessen es den Verkehr und
damit dem sprachlichen Auslausch hindernde Grenzen gab. Jene erschliess-
barcn vorliistnrischen Sitze können daher nicht die indogennanischeu gewesen
sein, sie mflssen vielmehr durch Auswandertmgen eingenommen sein, imd
erst diese Erwägung führt darauf, dass die Vorfahren der Germanen als eine
politisch verbundene Gruppe eingewandert sind.
Zu allen Zeiten sind die Sprachen in die politbichen Grenzen hinein-
gewachsen. Wie heutzutage z. B. das sächsische Vogtland der Gefahr aus-
gesetzt ist, dass die fr^nkisiche Mundart durch die obersüchsische verdrängt
wird, txler wie ilic schwäbische Mundart innerhalb der württembergi-ichcn
Landesgrenze an Boden gewinnt, oder wie die hochdeutsche Spraclic inner-
halb der Reichspfahle die niederdeutsche zurQckdrangt, nicht aber jenseits
derselben etwa die niederländische, so sind auch früher die alten Stanmies-
grenzen, soweit sie von IfLugerer Dauer waren, zugleich Sprachgrenzen ge-
wesen oder geworden, derart dass wir, wo unsere historische Kenntnis nicht
ausreicht, jene oftmals auf Grund dieser feststellen können. Die ganze Provinz
Sachsen gehörte um jai zum Thüringerreiche. Wir haben keinen Grund
anzunehmen, dass lüei etwa eine nicht-tliüringijichc Bevölkerung gesessen
habe. Die Thüringer sind schwerlich ausgewandert, afs da-i Land nördlich der
Unstrut politisch sadisisch wurde. Wir müssen annehmen, dass um 600
neben den sächsischen Einwanderern die thüringischen Elemente nodi ihre
thüringische Mundart bewahrt haben. Die hochdeutsche Lautverschiebung,
welche die Thüringer südlich der Unstrut mittnachten, ist aber über die
politische Grenze nicht hinübergedrungen, welche nunmehr zur hoch-nieder-
deutschen Sprachgrenze tt*urde und damit die zu Sachsen gehörenden Thü-
liogcr sprachlich mit den Sachsen verband. Thüringer haben auch am mitt-
leren Main gewohnt. Als diese Landschaft politisch frflnktsch wurde, hat
auch die fränkische Mundart dort das Übergewicht bekonuiicn (wenn auch
noch heute thöringische HigcntömiithkeitCTi in der Sprache zu erkennen sind).
Er^l die Koinbinicrung der geschichtlichen Zeugnisse mit den
Ergebnissen der Sprachforschung ergiebt eine sicher« Grundlage
für die Bestimmung der alten Stammesverhaltnisse.
Nur in ciiJL-m Falle, glaube ich, ist aus der Sprache allein ein sicherer
Schluss auf die alten SiammesverhKUnisse nn"igiirh. Wenn eine scharf ausge-
prägte Sprachgrenze konstutiert werden kann, die durch keinerlei geogra-
phische Bedingungen gegeben ist, so inOssen wir auf einen politischen Gegen-
satz der Bevölkerung zu beiden Seiten einet solchen Grenze schliesseti. Wenn
diese Grenze für die geschichtliche Zeit als eine politische nicht nachweisbar
ist, so halte idi den Si'hhiss fflr zwingend, dass hier in \'orgeschichtlichcr
Zeit ZM'ei versdiiedene Suinirae auf einander gestossen sind, sei es, dass
diese Grenze vcn Alters her die politische Grenze war (wobei es nichts zur
Sache ihut, wenn früher vielleicht ein ausgedehnter WM die Grenze bildete
und die von Dorf zu Dorf nachweisbare Grenzlinie erst durch AusrL>dung
des Waldes und ein entsprechendes Vi^irdringen von beiden Seiten zu Stande
gckommeu ist), sei es dass wir es mit der Grenze zweier ausgewanderter
Stamme zu thun haben, die sich in der neuen Heimat in anderer Wewe
|K>litisch gruppierten (wobei es wiederum nichts zur Sache thut, wenn die
Grenze sich im Laufe der Zelt verschoben hat); ein Beispiel für letzteren
Fall würde die hochdeutsch-niederdeutsche Sprachgrenze östlich der Elbe
bieten.
Anm. £9 gchOrt zu den Anlgabcn der Mundartcnforschung, die %'orhandcncn Sprachgren»
zen zu konstatieren, deren Bmleuhing ftlr die Stamm eskumlc in § 75 dargelegt i»t. Die
von Job. Schmidt bcgrOndete Auffnaning geht dahin. <.!«» es überhaupt keine beftimmt
jibgeKllIoMeticD Sjimchgreiizcn ^brr, somlcm onr gnnit nllmÄhlicbe Ober^iogc. I>iese
Theorie, ^'clcbc einerseits durch viele TKataachcn gcstQu:! wird, andrersciu abez durdi
andere Thatsoj^hcn (vgl. t. B. § 75] wUlcrlcgt wtnl, aUo keiDcsfälls uncingCKbiSAkt ange-
WAodt werden ilarf, ist neuerdings durch G. Wenkers und H. Fischer» Spra^hattat
noch mehr in den Vordergrund getreten. Aber auch für den 17x11, ibss sämtliche Linien
dieser beiden Kartenwerke genau den Thatsacben enuprechen, würde du Ergebnb »ein,
»las» wir nelien /nhllown allmfililichen Obergfii^n deutlu;}] eine grosse Anznhl von Hmipt-
liuien hcraius crkccinen. die jene grassen Dt&lcktfiruppen begrenzen, welche die alten
Stanune«gebicte rcdekticrca. Diese Haupllinien fällen Trcilich nicht immer gnns genau.
Dorf Air Dorf, xuvunnien. Da lÜuTt die eine Linie um ein paar Dörfer nflnllich von
der andern, um diese Linie d^nn zu durcbkreuien, dann fällt lie nach einer kleinen Auv
biej^g vielleicht auf eine kur« Strecke mit ihr zuaammea, geht dann vielleicht in einer
Entfernung von riuer Meile parallel mit jener u. s. w. Aber eine rcebl statüiche Zahl %-oq
Ltnien gehen so un^eTihr dcnnelben Vve^, und d.is kann kein Zuf^Jl i«in. Die kleinen
Abweichungen in dem Verlauf der einzcinen, dii; Sprachgrenze bildenden Lioiea webto
auf eine Sprach nii'^-li 11 rj; hin, -wekrhe die lu^prilnglich schärferen Sprachgrenzen im einzel-
oea verwischt hat. Abn* auch, wenn nian dies hestreitet. die Hauptsadie bleibt, dass
soldie Spncbgrcn/en, wenn sie auch sutt von einer Linie von einer Liniensone ^b'üdet
wer<len, nnch kiiDstaücrbar sind, und da^s die wichdgstcti den alten Siamraeagreiuen eot-
kprechcn. Da diese &elb:^l von den Historikern diirvluiu« nicht llbemil mit Sicherbeit
festgestellt werden kann, ta hat die MumUrtenforschung hier einzugreifen.
3) Die Ergebnisse der Anthropologie
sind nur mit Vorbehalt za. \-erwertcn. Es ist möglich, dass man künftig
einmnl mit grösserer Sicherheit anthroiwlogische Merkmale für die Bestimmung
der Stammeszugehörigkeit verwerten kann. Bisher fehlt es n^ch an einer
gesicherten Methode, weil wir über die Veränderlichkeit der Rassen nichts
Sicheres wissen. Wohl hat sich z. H. der semitisciie Typus im grossen
und gauzcn bis auf den heutigen Tag erhallen, wie die ältesten &^-ptischen
und babylonisrhen Abbildungen Ichren. Wühl Iflsst sich der germanische
Typus mit einiger Wahrscheinlichkeit noch heute erkennen. Aber die
Sicherheit unseres Urteik wirtl erschüttert, wenn wir z. B. lioicn, dass die
Schrirtsteller des Altertums uns die Kellen flbcrdn stimmend nis blond schil-
dern, und heutzutage die Franzosen und Irlander überwiegend dunkcUiaarig
«ind. Dass die vorkritische Urbevölkerung dunkel geu-esen, und dass deren
Typus infolge der Bluts niisthunir gesiegt habe, ist eine gewagte Annaliroc.
Denn zweifellos sin<i <lie Kehon in einer solchen Überzahl gewesen, dass
die Urbcvrsikcrung dafiegen nicht in Betracht kommen kann, und zudem
haben die E^rnnzosen ja noch eine starke Mischung mit blondhaarigen Ger-
manen erfahren. Es bleibt nur übrig anzunehmen, dass die Kasse sich
anthropologisch verändern kann, ohne dass wir die Ursachen zu crkcimen
vermögen. Man darf daher nur mit Vorbehalt in der dunkelhaarigen Bevöl-
kerung, wie sie strichweise z. B. in Westfalen, in Hessen, im Schwarzwald,
in Uberbaiem vorkommt, gfrinanisierte Kelten sehen. Kein phvsisches Merk-
mai, weder die Haarfarbe noch die Farbe der Augen noch die Schadelfonn
oder Körpergrösse hat sich bisher aU stichhaltig erwiesen. Cbrigais ist es
fraglich, ob je einmal — wenigstens für die uns historisch erreichbare Zeit —
eine politisch und sprachlich durch Jahrhunderte hindurch einlicitlidi er-
scheinende Gruppe aucli anthropologisch Cinc einheitliche Rasse gen*e9en
ist. Es ist kein Gnmd abzusehen, weshalb nicht schon in vorgeschichtlicher
Zeit innerhalb cijics jeden ptJitischen Gebildes so zahlreiche Volke nnischun-
gen stattgefunden haben sollen, wie wir sie in der geschichüichen Zeit bis
auf die Gegenwaii beobachten können. VoHtg sich gegen seine Naclibam
abzuschliesscn hat auf die Dauer kein Volk vermocht. Ich schliesse mit den
Worten R. Virclinws: »R« liegt auf der Hand, da-is bei dem Mangel einer
erkennbaren Übereinstimmung in den physischen Merkmalen die Entschei-
dtmg über die etlmologische Stellung eines Volkes widerstandslos den Sprach-
forschem in die Hand gegeben wird.«
P. Krctscbmcr, EinUiiHug in die G^ichkhU dtr Grkchfuhen SfinxJtt;
GOuinuni 1896, S. 39 — 47.
4) Aus der prähistorischen Archriologie ist für die Bestimmung
der Nationalität gar nichts Sicheres zu gewinnen- Wohl können wir eine
bestimmte Art von Schlflfenringen als slawLs<-h bezeichnen, wohl ein germa-
nisches Schwert von einem römischen unterscheiden. Aber wenn wir so
bestimnilc Funde einer Nationalität zuweisen, so sind sie damit immer nur
«inem mit den nationalen Grenzen keineswegs zusammenfallenden Typus
zugewiesen, ohne dass man zu sagen berechtigt wäre, dass das Grab, in
welchem man ein germanisches Schwert gefunden, wirklich das Grab eines
Germanen gewesen sei. Es Lst nicht entfernt daran zu denken, dass sich auf
Grund der geographischen Verbreitung der gefundenen Sachen auf der Karte
ethnographische Linien ziehen Hessen (vgl. § 50 Anm.). Die Waffen und Geräte
sind im Altertum wie heutzutage überall hin eingeführt worden. Die Art
der Bestattung ist zwar zeitweise bei diesem Volk eine andere gewesen
wie bei jenem; daim aber lial das eine die Eestattungsform des Nachbarn
angenommen. Wir wissen z. B. dass die heidnischen Germanen ihre Toten
verbrannt haben, ebenso wie die Kelten, die Römer, die Griechen. Nim
Idiren uns die Ausgrabungen, dass man in Deutschland in noch früherer
Zeit die Toten begraben hat Daraus auf eine vorgermanische Urbevölkerung
752
XV. Ethnographie der germaklscubn Stämme.
zu schliessen wSre durchaus verfelilL Denn so gut wie unsere Vorfahren
mit dem Christentum <iuch zu der Beerdigungsform übergegangen sind, so
gut können sie in vorchristlicher Zeil die Verbrennungsfnrm aus irgend einem
uns unbekannten reiigi^)scn Grunde angenommen haben. Wir können es
historisch belegen, wie die Germanen ilie Sleinwaffcn mit den bronzenen und
eisernen vertauscht haben. Ethnographisch verwertliar sind die archäolo-
gischen Funde allein, wenn sie mit historischen oder linguisliscliea Zcugm:»scn
übereinstimmen, imd in dem $ 50 f. und ,^6 Anm. besprochenen Falle Im
übrigen sind ethnographisch vcni-ertbar nur gewsse Geschmacksrichtungen,
die sich in der Ausführung det Arbeit zeigen. Aber, wie die Gegenwart
lehrt, ist dies ein unsicheres Moment, wobei der Forscher nur nach subjektivem
Ennesscn cnt^heiden kann. Und duiuit kuimnen wir zu
5) Dem wichtigsten, leider aber bisher nicht recht fassbaren etlmographi-
schen Merkmal: der geistigen Individualität eines Volkes. Es ist oben
S. 737 f. bereits tbrauf hingewiesen worden, wie sich z. B. die Kelten Krankreichs
trotz ihrer sprachlichen und kulturellen Ronumisierungj trotz iluci Mischung
mit Rrimem und besonders mit Germanen ihren Volkscharakier bis auf die
Gegenwart bewahrt haben. Ich glaube, dass die keltische Individualität auch
am Rhein noch konstatiert werden kann. Noch heute ist seinem Wesen, seinem
Temperament, seiner Geschmacksrichtimg nach der Friese und der Niedersaclisc
dem Englander ungleich aiuilicher als dem Schwaben. Noch heute deckt sich
im nordfistUchen Württemberg die fränkisch/schwabische, im Westen von West-
falen die fränkisch/silchsische Sprach- und Stammesgrenze mit einer Grenze
der Volksart. An dem Auftreten der friesischen Abgeordneten im rAmtschen
Theater (Tacitus, Amt. XIII 54) erkennen wir sofort den Friesen der Gegen-
wart wieder. So haften, wie es scheint, gewisse individuelle Eigentümlich-
keiten an den Völkern zäher als Sprache, Religion, Kultur und Staat Man
darf darum auch aus der Gegenwart Schlüsse auf die Vei^angenheit ziehen.
Leider hat sicli aber bisher die Fonichung ausser auf Ultcrargcschichtlichem
Gebiet diesem so interessante-n Faktor fast gar nicht zugewandt, so dass es
uns sowohl an genügendem Material als an einer erprobten Methode für
die Verarbeitung eines sDichen fehlt Und doch sollte gerade die Erkenntnis
der geistigen Eigenart eines Volkes in seiner geschichtliclien Entwicklung das
Endziel philologischen Studiums sein!
n. URSPRUNG, CHARAKTERISTIK UND AUSBREITUNG DER
GERMANEN.
A. ETHNt)GK;\PHlE EUROPAS
IM ERSTEN JAHRTAUSEND VOR CHRISTI GEBURT.
P, V, Brftdicc. Bfitrtifit sur Ktnntniss äer v6rhistoriukm EntvicMung Mfi>
i^r*i SproL-hsifjmmes, Univ.-Ecstschr., (ii€»«n 1888. — P. Krelscbmer, Einleittatg
in die GesekiehU der GricehiichtH Spracht, G&ttingea 1896.
I. Die europäischen Völker.
R. Virchovr, Di* UrbfvSIkcrung Europa't. Berlin 1874, — G, L. Kricgk,
Dit Völktrstämme und ihre Zweige, 5. Aufl. von Fr. v, Hellwaiil', Basd 188*.
— H. d'Arbois de Jubainvillc, Xfj Premiers ha&ilanU Je l'Europe d'apris
les e'crrvains de Vantiqnite r/ Us (nzvaux des tmguistes. %** W., 3 Bde„ Paris
18S9. 1894,
§ 7- I^ic etiinopTiphischen Verliältnisse Europas haben sicli in den
letzten drei Jatirt:iu9cnden sehr beträchtlich verschoben durch die allmllhliche
Ausbreitung der Volker indogennanischer SprarhfamiUe. Zwar haben von
nicht- inclogermanisclicn Völkern die Hunnen in Ungarn, die Türken im
Südosten Europas Boden gewonnen, zeilwejlig aurh die Araber in Spanien
wie die fiTmisciien Bulg-areii in Bul>:arien. Aber wie die Türken und Araber
sich auf die Dauer nicht haben halten kfinnen, so wenig hat die nningolische
Invasiim und vordem die hunnische dauernde Zust.'lnde geschaffen. Im Alter-
tum sind ernsthafte Kankurrentcn indogermanischer StiUmnc in Eun>p3 allein
die rh'jinikier- Karlhager (in Griechenland, Sirilien und Spanien) und die
Etruskcr gewesen.
Das Überwiegen des idg. Elementes gilt indessen nur für den äusseren
Mensclicn. Unsere europäische Kultur beruht auf der des römischen
Kaiserreiches, die rftmische Kultur beruht auf der griechischen, und die
Griechen sind bereits vor dem ersten Jahrtausend v. Chr. durch die Ägypter,
Phoinikier und Babvlonier befruchtet worden, wie die Semiten (besonders
Babylun) auch in der Diadochenzeit und noch in der römischen Kaiserzeit
einen tiefgehenden Einfluss auf das Abendland ausgeübt haben. Unsere
iCcitbcrcchnung stammt aus Habylon, unsere Zahlen sind die arabischen,
unsere cliristliche Religion haben wir von den Juden bekommen.
§ 8. Ihrer Sprache nach nicht indogermanische Völker giebt es
heute in Eurojia folgende: i) die finnische Sprach familie, zu der die Lappen
im nördlichen Schweden^ die finnischen Stamme im nördlichen Russland
und an der Wolga, die Magyaren in Ungarn gehören, 2) die Türken, 3) die
Basken am Westraiide der Pyrenäen. Alle diese Völker sind mit Ausnahme
der Magyaren nicht mehr lebensfähig, so <lass es nur eine Frage der Zeit
ist, waim ihre Sprachen durch die benachbarten indogermanischen verdrängt
sein werden.
FQr das Altertum sind die Türken zu streichen, die Magyaren sassen
noch am Ural, im übrigen aber war das Gebiet der nicht indogermanischen
Stämme erheblich grösser, i) Die ganze nördliche und r»stliche Hälfte
von Kussland war finnisch, und an der L>stswküstc reichten die finni-
sehen Esten südwärts bis uiicli Ost|)reussen. Dazu haben wir für die süd-
nissiüchc Steppe mit der Möglichkeit fremder Elemente zu rechnen, wenn
nämlich - es ist die Meinung Leskiens — die iranischen Namen, die
wir bei deu Skythen finden, nur von den Eroberem, nicht von der ein-
heimischen Bevhlkennig herrühre-n (vgl. jedoch S. 757 Anm.). 2) Die Bas-
ken sind ein kleiner Rest des grossen iberischen Stammes, der in Spanien
der herrschende, vor 500 v. Chr. der alleinh ersehende war — abgesehen
von den plioinikischen Haodelskolonieen — , iler mit Aquitanien noch zu
Caesars Zeit nach Frankreich hin überreichte und in der ersten Hälfte des
ersten Jahrtausends v. Chr. wahrscheinlich das ganze südwestliche Frankreich
btsass. j) Wahrscheinlich nicht Indogcrraanen waren auch die Ligurer,
welche in der rumischen Zeit zwar auf die Wcstalpcn beschränkt, um die
Mitte des ersten Jabriauscnds v. Chr. über sowohl nadi Osten als besonders
nadi Westen zu ein grösseres Gebiet inne hatten und sich vordem mit den
Ibereni in die Herschaft im südlichen Frankreich teilten; vielleicht waren
sie den Ibercni stammverwandt. 4) Wahrscheinlich nicht Indogermanen
waren endliih die Etrusker, um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. das
hcrschcnde Volk im westUchen Itiilien, bis 400 noch im Besitz der Lombardei.
' Also der Nordosten und der Südwesten von Europa war im Altertimi
VDD nicht indogermanischen Stämmen bewolmt.
Gemianlsehe PbiloloElc. III. ?. Aud. m
§ 9- Dass die übrigen eurupHisclien Volker stamm veru'andt sind, hat die
vergleichende SprachwLssensdiaft bewiesen. Indogermanische Sprachen
giebtes gegenwärtig in Europa folgende: i) keltische: in der Bretagne, in Ir-
land, Wales und im nordwestlichen Schottland; 2) rumänische: in Portugal,
Spanien, Krankreich, dem südlichen Belgien, der westlichen und südlichen
Schweiz. Italien, RumS.uier] und im Osttichcn Ungani; 3) germanische: in
Englland, dem iiordüchen Belgien, den Niederlanden, in Oeuter-hland, der
mittleren östlichen Schweiz und den deutschen Teilen von Österreich, in
Danemark, Norwegen und Schweden; 4) litauisch-lettische: in der Küsten-
landschaft von Tilsit bis Dorpat; 5) slawische; in Russland ausser der
OstseekUste, im Süden von Ost- und Wcstpreusscn, in Posen und Obcr-
schlesien, in Galizien, Nordungarn, Mähren imd Bfiliraen, von dem Süd-
raude der Ostalpen Über Bosnien und Serbien bis Salonicki und ans Schwarze
Meer; 6) albanesisch: in Albanien; 7) griechisch: in Griechenland.
§ 10. Im Altertum gab es ausserdem noch eine dakisch-getisch-
thrakische Gruppe auf dem heutigen rumänischen und bulgarischen Sprach-
boden, eine Gruppe, zu der auch die kicinasiatischen Phryger und Armenier
geborte». Dem Älbanesisdien entspricht im Altertiun das Illyrische, dem
Romanischen das Italisrhe.
Die gr<>sste Ausbreitung haben in Europa die romanischen und slanisclien
Sprachen erfahren. Die grösste Einbu.sae haben — von den ausgestorbenen
Sprachen abgesehen — die keltischen Sprachen erfahren.
Die Kelten haben in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr.
Grossbrilannienund Iriand, Frankreich und die Rheinlandschaflen, die Schweia,
Süddeutschland bis nach Bosnien und Nordungarn lünein, Oberitalien und
einen Teil von Spanien besessen. Ihr Gebiet ist teils romanisiert, teils ger-
manisiert worden, und dieses Schicksal steht auch dem Rest bevor. Näheres
Aber ihre Sitze in Deutschland und Österreich s. unten S. 771 ff. Die Italiker
waren um 500 v. Chr. auf das mittlere Italien beschränkt. Die illyrischen
Stamme wohnten von Eptms bis zur Pomündimg. Zu ihnen gehörten auch
die Japygcr im südöstlichen Italien. Die Germanen sassen zu Beginn
unserer Zeitrechnung zwischen Rhein, Donau und Weichsel sowie in Galizien.
dazu noch in Dänemark und im südlichen Norwegen und Schweden. Ober ihre
früheren Sitze .s, unten S. 782 ff. Die litauisch- lettischen Stämme haben
um Qir. Geburt weiter landeinwärts, nach Südosten zu, bis zu den Poljcsjc-
Sümpfen gewohnt, so dass sie die Küste nicht berührt haben; die altpreus-
sische Sprache in Ostpreussen ist ausgestorben. Die Sitze der Slawen darf
man für jene Zeit am mitlicrcn Dojepr und bis zur Wdcliscl ansetzen. Hue
Heimat haben wir wohl am mittleren Dnjepr zu suchen.
2. Das indogeTmauischc Urvolk.
K. V. Jhcring, Vorgeschichtt der IttdceHrofäfr, LcJpjtig 18^. ' — Kretscll>
mer, Eint., S. 7 — 92.
§ II. Die Verwandtschaft der indogermanUchen Sprachen beweist, dass
äe einer gemeinsamen Ursprache entsprossen sind, einer Spraclie, die wir in
den wesentlichsten Zügen zu rekonstruieren vermögen, wenn auch eine Reihe
von dialektischen Differenzen übrig bleibt. Von der Sprache schliessen wir
auf ein indogennaiiischcs Urvolk. Wie haben wir uns dieses Urvolk \-or-
zustelleit ?
Zunächst kann kein Zweifel darüber sein, dass diejenigen Menschen, wddia
gegenwartig oder welche im Altertum eine der idg. Sprachen sprechen oder
gesprochen haben, nur zum Teil die leibliclien Nachkommen jenes Ur\*oIkes
sind. Von Indien bia nadi Spanien hin wissen wir von einer nicht-idg.
Urbevölkerung, welche die idg. Einwanderer nicht axisgernttet, sondern sich
politisch und sprachlich assimiliert liaben. Es kann sein, dass schon in den
Adern der Urindogermanen fremdes Rlut floss. Wenn heute keiner von den
idg. Sprachstammen anthropolc^sch eine einheitUche Rasse bildet, so muss
es auch dahingestellt bleiben, ob die Urindogermanen nicht bereits fremde
Stamme bcherscht und sich sprachlich assimiliert hal>en. Die Identität von
Spraduitumm und Rasse muss allerdings in der Vorzeit einmal bestanden
haben. Aber wir hat>en kein Mittel zu bestimmen, ob dax vor 5 oder vor 50
Jahrtausenden der Fall gewesen ist. Es bleibt eine unerweisbare Hyiwtliese, dass
es je eine indogcmmnische Rasse gegeben habe, etwa mit so ausgeprägten
Zogen, wie wir i>ie bei der seimtischen Rasse ßnden. £s fehlt uns zur Zeit
auch noch an jeglichem sicheren Anhaltspunkte, wie v,it uns die Entstehung
des indogermanischen Urvolkes zu denken haben. Es ist nicht glaublich, dass
die idg. Ui^tprachc sich sdbstSndig aus den Anfängen meusirlilicher Sprache
entwickelt hat, dass die Indogermancn. die Hamito-Semiten, die Mongolen,
die Kaffeni u. s. w. als besondere Sprachstanmie bis auf den Pithekanthropos
zurückgehen. Die atigemeine Wahrscheinlichkeit spricht vielmehr dafür, dass
vor ungezählten Jalirtausenden die Indogertnanen mit den Hamito-Semiten
oder mit den finnisch-ugrischen oder turko- tatarischen Stanuucn eine Sprach-
lamilie gebildet haben. Wenn sich bis jetzt eine solche Verwandtschaft
der Sprachen nicht hat nachwdsen lassen ^ und sich vielleicht nie nacliweisen
lassen wird, so müssen wir bedenken, dass uir die Verwandtschaft des heute
gesprochenen Deutschen mit den indischen Sprachen auch nicht erkennen
würden, wenn uns nicht die alteren Sprachstufen überliefert wären. Unsere
Betrachtung beschrankt sich alldn auf die letzte Periode der idg. Vorzeit,
auf die freilich nicht genauer bestimmbare Zeit, bis in wdche unsere sprach-
lichen Rekonstruktionen lünaufführcn. Damals muss die idg. Sprache von
einem Volk gcspnKhen worden sein. Cl>er die anthropologischen Merk-
male desselben wbsen wir, abgesehen von der weissen Hautfarbe, nichts
weiter, als dass es blonde Indogermanen von der Art des germanischen
Typus (§ 22 ff.) gegeben hat, ohne dass wir zu sagen berechtigt waren, dass
dieser Typus der indogermanische gewesen sei — er kann freilich dem
anthropologischen Urvolk der Indogermancn eigen gewesen sein, er kann,
aber auch finnischen Ursprungs sein. Das Volk war mit einer schöpferischen
Phantasie begabt und hatte einen stark individualistischen Trieb. Die Kultur-
stufe war eine niedrigere als die gleichzeitige der Semiten. Metalle kannte
man bereits, wenn man sich auch noch steinerner Waffen und Gerate be-
diente. Das Volk trieb Viehzucht; die Anfange eines primitiven Ackerbaus
sdieinen indess schon bekannt ge^«'csen zu sein*.
* Fr, WUMner, Über die VerwandUehaft des Indogermamschm, SemitiuMfU
und ThlietanisfAifn, MUnsICT T838. — Fr. Delitiscb, Sttdten über tdg.'Semitttche
Hurteh-er^tHmi/Uifut/t, Leipzig 187J (iS^). — A«colt, Kritiiche Studien tur
SpraehxniisemL-ha/l, Weimar 1878, S. 21— Jo. — C. Abe], Einleitung in ein
ägypt. iemit. indoeurop. Hursehfärterbucfi, Leipzig 1S86. — C, Abel, Über
H-WAie/bciirAungen der ägyfl,, indteuropäitchen und ietnil. Etynutlogie L Leip/ig
1S89, — C. Abel, Agyptiiih und indagrr manisch^, Frankfurt 1896. — R, de
Is GrasRcrie. Dt la parent/ tnlrt la langete igyptiennt, ies langtiei sJwitiqtus
tt les languei indo^uropicnntt d'aprfs les travaux de Af. Carl Atfl. t.«tpzig
1896. — J. G. CUDO, Forschungen im Gtbtett der alten ^"Slkeriundt I, Berlin
1871, S. 48 — 74. — N, Aaderson, Studien aur l'trgleichung der idg. und
ugrofinnischen Sprachen L Dorpal 1879 (1891). — Tb. KOppcD, Beiträgt
48*
756
XV. Ethnographie der geruakischek Stämue.
sur frtt^f Hiu-h Jtrr Urhfimol u. •. w. (niubcli), St. Pelcmlnirg 1886; vgl, M.
Slieda. "Archiv für Anthropologie XX (l8gi) 262 ff.
• Näheres übrr Kukur und gcistijfc Eigenart der Indogennanm b. E. Mcyeri
G<s<hithU des Alterthiims II, Stuttgart 1895, S. 43—51.
3. Die Heimat der Indogermanen.
VollsiÄndigc Littctmuningnbcn fiad«t man in den untfn angdtUirtcn Wcikco
von Schiadrr und Sirbinidl und Ijci S. Reinnch, V'yrigine dn Aryens, ~
1891. — Die withllK*Ltii .\rT«;Heti sind die folgrnden: A. Pictet, La on'f^n
indo-enrcpiennfi ott In Aryai prtmitifi, 2. Aufl., 3 Bde., Pari» 1877. — O.
Schi.ader, Sprachvtrgletchung und Urgtuhkhte, 2. Aufl., Jena, 1890, S. 4 — 15,
111 — 148 (Kritik der bisherigen An^ikhtcn), 399, 407 — \\fi und 616 — 640. —
J, Schmidt, Die Urheimat der Indogrrmutten und das eutopiUichf ZaÄliyitrm,
Berlin 1890 (S. I— 33 Kritik der bisherigen Ansichten). — II. Hin, IF. l
{1893) 464 — 485. — E. Meyer, Gefi-ftü/iti- des AUrrthums, Bd. II, Stutt|*uc
1893, S. 33—43. — Fr. Seiler, Die Hfimath der fftdogtrmanen, Hamburg 189^
— Kretschmer, Eittl. S. 32 und 56 — 68,
§ IJ. Die Frage ivA.ch licr Urliciinat lier Indugcniiaiicn kommt für uns
nur soweit in Betracht, als es von Interesse ist zu wissen, von woher die
Ccnnanen in ihre ältest besliiiimbaien Sitze an der Oder und Welclisel
eingewandert sind.
Wenn wir bisher nocli weit davon entlemt sind etwas nui irgend sicheres
über die idg. Urheimat aussagen zu können, su \ic^ das zumeist an der
Fragestellung. I listorisdie, sprarhlirhe, ethnographische Argumente dürfen
nicht ohne weiteres kombiniert werden, sie füliren alle auf sehr verschiedene,
vielleicht um viele Jahrtausende getrennte Zeitraimic zurück, Zeiträume, inner-
halb deren die Indogermanen ihre Wohnsitze wiederholt gewechselt haben
köimen. Zu einem Ergebnis kann man nur dann gelangen, wenn mau eUiea
bestimmten Zeilraum, etwa von einem Jahrtausend, ins Auge fasst
§ 13. Was zunächst die Sprache anbetrifft, so bietet uns tue historische
Entwicklung der einzelnen idg. Sprachen ein ungefähres, wenn auch durchaus-
nicht sicheres Zcitmass. Gesetzt, die Sprachen hatten sich in vorhistorischer
Zeil ungefähr in demselben Tempo verändert, so darf man behaupten, dass
sich diese Sprachen in der zweiten Htllfte des dritten Jalirlauäends, ja noch
um 2000 V. Chr. so nahe standen, dass man Eür diese Zeit nur von Dialekten
einer einzigen Sprache reden dürfte, derart dass sich die benachbarten
5t<imme mit einander verständigen konnten. Die Völker verändern ihre
Sprachen am sthnellsten, sobald sie fremde Etemente in sich aufgenommen
haben. Diese Veränderung der Sprache greift erst um Generationen spatär
durch, nachdem die Mischung vollzogen. Von allen idg. Stammen wisse
wir, dass .sie eine andcrsspiecheude Urbevölkerung sidi assimiliert haben.
Spielt sich dieser Vorgang auch zum Teil noch in historischer Zeil ab, in
der Hauptsache war er zur Zeil der ältesten Spiachdenkjnaler langst voll-
endet. Wir dürfen demnach für eine Periode der vorlitterarischcn Zeit eher
ein schnelleres Tempo der Sprarhvernndenmg annehmen. Das dritte
Jahrtausend v. Qir. <lari man olme Kühnheit als die gemeinindogermanische
Sprachperiode ansehen, d. h- als die Zeit, in welcher noch ein sprachlicher
Austausdi zwischen den einzelnen idg. Mundarten stattfinden konnte. Es
thut dabei nichts zur Sache, dass einzelne von uns rekonstruierte Formen der
idg. Ursprache jünger, andere alter sein können. Früher als in das dritte
Jahrtausend dürfen wir daher die Trennung der Edg. Stämme nicht vcrlt^-n.
§ 14. Die ältesten durch historische Kombination erschli essbaren Wohn-
sitze führen nur bei den Ariern und den Griechen in das zweite und dritte
Jahrtausend v. Chr. hinauf.
11, A. Ethnographie Europas ih ersteh Jahrtausend v. Chr. 757
Das nordöslliche Iran sclieint die Heimat der Arier, d h. der indiscbea
und iranischen Indogermanen, gewesen zu sein. Es ist anziinehmen, dass
sie vordem aus der kirgisiscti-iurkinciiisdien Steppe gekommen sind; denn
hier wohnten noch in historischer Zeit nomadische Tränier, die sich seit deni
8. Jahrh. v. Chr. tlber die stldrussbche Steppe hin ausgebreitet haben {Sky-
4hen). Falls auch ihre damals verdrängten westlichen (?) Nachbarn, die
Kimmerier, Iranier gewesen sind, so würde sowohl der europaische als der
asiatische Teil der Steppe für die Urheimat der Iranier und damit auch der Arier
etwas in Anspruch genommen werden drtrfcn. Der Kigve<ia der Inder fflhrt
mindestens bis in die Mille des zweiten Jahrtausends v. Chr. hinauf. Noch
früher also müssen sich die indi^ichen Arier von den iranischen Stämmen
getrennt haben. Mag es nun auch dahingestellt bleiben, ob die Arier um
2000 V. Chr. noch in 'Dstiran ansässig «-aren, in der Steppe hat wenigstens
ein Teil derselben damals jedenfalls gewohnt, und da wir einen Übergang
von sessha/ter zu nomadischer Lebensweise geschichtlich nirgends nachweisen
kftnnen, so werden die nord iranischen Steppenvölker mit ihrem nomadischen
Charakter auch die Heimat der Arier in der gcmcinidg. Zeit des dritten
Jahrtausends v. Chr. festgehalten haben. Die ost- oder westkaspische Steppe
ist also die Heimat der nicht-ackerbauenden Indogcrmauen gewesen und
bevor die Europäer zum Ackerbau übergingen (§ 1 5), die Heimat der ludo-
gcrmanen Oberhaupt.
Anm, Dip Aniubmc, doss die stulnissiscb-tuikmctiische Steppe odcrdn Teil deiMlben
die Heimat dtr Atici unil wegi-n ik-* XnmailciitumH ilir«r Bewohner ailch dte oder eta
Teil der Heimnt der Indogermuifii (^euescn, beruht Aur der Ann^me, dAsa die Skjrthcti
Ood deren stwnm verwandte Nichbarstiimiac Ituiicr gewc^ca sied. Mag auch das inniscbe
G«pr!tse der skytbischcn Kamen dit; Mfiglichkeit offen luden, ibss die Skythen im Grunde
ein nicht idg-, etwa ein linniscfaes Volk gewesen sind, die von inmischca Eroberera be*
betscbl «nmlen, so scheinen mir doch K. Zh^uss, Drr Drulschrn urut die Naihharttämmt,
MOncbeD 1837, S. 284— J99, E. Meyer, Gesckkku des AUerthunu. Bd. I. Stultgait
1884, S. 514 — 517, 520 und 555 — 559. W. Tomascbck, Kritik drr äiUiUn Xack-
richten über Jen skythiickmi Xordrrt, "Wien 1888, den Njuhiveln crbracbc Ml haben, dass
die Sk^'tbcn wirklich Iranier (gewesen sind. Ja, die MOf^üüccit ist nicht einiiial abm-
vretsen, da« Penieii seine Bevölkerung ersl im 7. Jahrb. v. Cbr, durch die »üdru»»i«Jie»
KimmcricT und Skythen ciballcn hat, wie ;iieni1ich sicher Armenieo und Kleiuoitieti (E.
Meyer I, 8.396—299. 513, 316. 544 — 55o. 553— 559 ""'' 58" : II. S. 41 und 455— 459).
Nadl Tomascbek wäre die Hetnwl dt-r iranischen Wandentänitnc SiidruNsUnds das unten
Dooaiif^biet gewesen, die Heimat der InUogcrmanen die mittleren und unteren Donaubnd-
BcbeUcn, eine Atirubme, die zwar lucbi beweisbar, aber durchaus wabrscheinlich sein
wurde, wenn nicht vrsitenii die Stq>|>e mehr Aussicht halle als die Heimat vuu Xomadeo*
itiinnKD zu celteu. und vrcnn nicht zweitens die Heimat der lUlo-KcItcn wahnchein-
ticfaer Östlich von den Korpathrn aU an dtr miulercn Donaa zu suchen wÄfc (S, 759 und
S.7&of.], Zu dcnSkytbeii und Kininiericm vgl. nochj. G. CunO| FaruhungtH im Gebiete
der allen l'ölterktinde ], Berlin lB;i und K. MalleDhoff, Deutsehe AJtertumikunät
UI, Berlin 1893, S. 1 — 125.
X.ich Krcischmer, EinL, S. 180 — 182, 191 und 414 waren die llinkiscb-phrygt-
■chcn Stumme wahrscbeinlich schon zu Beginn des 3. Jahrtauseiuls, jedenCdls at>er im 3,
Jafartaasend von der Türkei nacfa Kleinasicn hinübergezogen. Ich balite das nicht tlit
sidier.
Die Griechen sind aus Epirus gekommen'. Im 15. Jahrh. v. Chr. ßnden
wir sie bereits am agaischen Meer'; spätestens im ii. Jahrh,, wahrecheinlich
noch früher haben sie sicli auf Ky]>eni angesiedelt, müssen damals also
schon längere Zeit an den Küsten des Pelopnnnes heimi.sch gewesen sein.
Ihre Ursttze um Dodona dürfen dalter schwerlich \\t\ spater als um 2000 v.
Chr. angesetzt werden, vielleicht erheblich früher'. Damals wird auch Make-
rionien schon seine griechisdie Bevölkerung gehabt haben '. Die cplrotisch-
makcdomsclie Heimat der Griedien reicht also bis an eine gemeinindogcr-
manisdie ^rachperiode hinan. Und hierzu stimmt es, dass wir sie uns
damals noch wesentlich als Nomaden zu denken haben *. Wenn wir nun
•weiter ervtSgen, dass die zalilreichen griechischen Ortsnamen in Epirus * und
ihre dem spateren Delphi vcrgleiclibare Kuhusstätte in Dodona darauf hin-
weisen, dass die Griechen längere Zeit, doch wohl allermindestens ein Jahr-
hundert lang im Epirus ansässig gewesen sind, und wenn «-ir annelimen
dürfen, dass ihre Sprache zur Zeit der Einwandemng, also spätestens gegen
Ausgang des dritten Jahrtausends v. Chr., wahrsclieiulJch aber früher, noch
nicht gegen die idg. Nachbarsprachen fest abgegrenzt war (§ 13), so würde
sich Epirus und Makedonien ab ein Teil der Heimat der Indogermanea in
dem in § 13 dargelegten Sinne ergeben. Nun ist zfrar zu bedenken, dass
die Entfernung von Epims bis zur sOdmssischen Steppe zu gross ist, als
dass die Ausbildung einer in den Gruiidzügen cinhdüichcn idg. Sprache
innerhalb diese-s durch nattlrlicbe geographische Grenzen gesonderten Gebietes
denkbar wäre. Aber um diese Vorzeit handelt es sich zunadist nidil. Es wSre
sehr wohl möglich, dass im dritten Jahrtausend v. Chr. die Griechen aus
Südrussland oder die Iranier von der unteren Donau gekommen sind. Die
allgemeine Wahrscheinlichkeit spricht für die erste Möglichkeit, weil die
Indogermanen vor dem 5. Jahrtausend sicherlich alle noch Nomaden ge-
wesen sind und wir uns solche eher in der Steppe als in dem Wald- und
Berglandc der Balkanhalb in sc! heimisch denken dürfen. Es ist daher anzu-
nehmen, dass die Griechen, erst nachdem sie die Steppe verlassen haben,
Ackerbauer geworden sind. Die historisdien Reminiszenzen des Epos lassen
sie noch als Hirten erscheinen. Sie sind also erst in Epirus Ackerbauer
geworden, mfigcn sie auch die Anfange des Ackerbaues bereits mitgebracht
haben.
t E. Mcycr, Grsfhühte lA-i Altn-titums. Bd. II, S. 64—65. Über die nahe
Vcrwamlcsthafl der Gm-chcn mil der Makcdonicm vgl, Krctschmcr, Etnt., Su
383— a88. — » E. Mcycr. B<1. I. S. 313, 318 und 235; Bd. II, S. 129 uod ,
111. — ' Krctschmrr, S. 181 sfiit dio Gricchcr schon für das J. JahrtauKDll .
in GtrinrlietdAntl an, was ich iiichl ICir sicher hallf. — ■* E. Mcyvr, Bd. II. S. 79.
§ 15. Die lautlichen und formalen Übereinstimmungen der curo]>äischen
Sprachen gegenüber den arischen sind nicht derart, dass sich eine besondere
europäische Dialektgnippe innerhalb des Indogermanischen erweisen Hesse.
Wohl aber beweist uin kulturhistorisches Moment des Wortscliatzcs, dass die
Europäer lK.ngerc Zeit hindurch in sprachlichem Austausch gestanden, also
bei einander gesessen haben. Die auf den Ackerbau bezüglichen Worte
nämlich, wie AcJter (im Indischen »Trift« bedeutend), Pflug, Egge, Ähre,
mähen, mahlen u. a. m., sind den europitischen Sprachen genieiosam, n-altrend
die Arier — ungeachtet vereinzelter Gleichungen wie tOmov, Smv = aind.
i/irshü, i'difu — andere Worte dafflr haben ^. Daraus folgt, dass in der
gerocmidg. Sprachperiode dis dritten Jahrtausends entweder die Europaer
erst nach ihrer Trennung von den Ariern zum .^cterUiu Ubeig^angen sind,
oder dass au&ser der Steppe auch noch Ackerland zur idg. Heimat gehörte,
so dass die Arier einfach wegen ihrer nomadi.schen l.ebfnsweise nicht in die
Lage kamen, die Worte für den Ackerbau mit ihren Nachbarn zu teilen. In
letzterem Falle würden wir uns die Indogermanen ausser in der südrussisch-
kaspischen Steppe noch in dem nördlich anschliessenden Gebiet des Zxv&ai
door^pcc und yiatQyoi am oberen Bug und Dnjepr zu denken haben oder
etwa an der unteren Donau; im ersteren Falle konnten die aus der Steppe
II, A. Ethnographie Europas lat ersten Jahrtausend v. Chr. 759
aosgewanderten Europaer in jeder beliebigen Gegend Europas zum Ackerbau
abergi^angcn sein. Die crstcrc Annalimc empfiehlt sich im Hinblick auf
cJie Wohnsitze der baltisch -slawischen Stämme in Ritssland. Sind die Euro-
päer ausjjewand^. um — in gemcinidg. Zeil — in einer wustlicheren Gegend
xum Ackerbau übergegangen zu sein, so konnte dies we^ea der Griechen
(§ 14) nur auf der Balkanhalbinsel und etwa in den nördlich sich anschlies-
senden I,andschaften geschehen sein. In diesem Falle dürften die Vorfahren
der Slawen und IJtam-r in jener gcmeinidg. Zeit nicht östlicher als etwa an
der Don;mmundung angesetzt werden. Eine einigermassen sichere Entschei-
dung würde nur dann möglich sein, wenn sich von den Italikem oder Kelten
nachweisen liesse> ob sie aus den Gegenden nördlich der Karpathen oder
von der mittleren Donau gekommen sind. Wenn die Germanen von jeher
nördlich der Karpathen gesessen haben, so beweist das nichts: denn sie
könnten, wie die Slawen, von der Dunaumündung gekommen sein, lAsst
sich aber auch von den aus sprachlichen Gründen nflher zu einander ge-
hörenden Kelten und Italikem nachweisen, dass sie einst nördlich von den
Karpathen gesessen haben, so dürfen wir uns den Übergang der Europaer
zum Ackerbau — in gemeinidg. Zeit — sicherlich nicht auf der Balkan-
halbinscl, sondern östlich von den Karpathen vorstellen. Ich glaube imtcn
S. 77(1 ff. zeigen zu können, dass die historischen Wohnsitze der Kelten
nicht auf Österreich- Ungarn als Urheimat hinweisen, sondern auf das öst-
liche Mitteldeutschland, Galizicn und Podolien, und daher glaube ich, dass
die Indi-»germanen im dritten Jahrtausend v. Chr. in der sOdrussi.sch-trans~
kaspischeu Steppe gesessen haben, und die Europaer in dem auslosseuden
Gebiet ftsüich von den Karpathen angefangen haben, zum Ackerbau über-
zugehen. Für die Griechen wie für die illyrischea Stamme müssen wir dann
eine emmalige Auswanderung annehmen (von der DonaumQndung her oder
aus Gatizien durch Mahren-Ungani hindurch), die erst in der westlichen
Balkanhalbinsel zum Stillsland gekommen ist; die übrigen Europaer kf'nntea
sich vom südwestlichen Russland aus auch allmählich ausgebreitet haben.
Eine genauere Bestimmung der ältesten Wohnsitze ist nicht möghch. So
wie wir aus der Steppe von Südrussland bis Ostiran kein kleineres Stück
herausschneiden können, so müssen wir auch für das angrenzende Wald-
und Ackerland mit einem weiten Landstriche, von den Karpathen bis über
den Don hinaus recäinen. Für die Germanen aber ergiebt sich mit einiger
Wahrscheinlichkeit, dass sie aus dem südwestlichen Russland, und nicht et*"a
aus Ungarn, Mahren oder Böhmen gekommen sind.
1 Fr. Kluge, ünmdr, ' I, S. 323. Der > Wortschau der westcuropäiachen
Spnchelnhcil (der <jriccht.-a. luUkcr. Kcitco, Germanen)- ut zuuinnii;Dec«tellt von
A. Fick, i'er^Meßifntict H'örtrrbuth der inäegtrmanischen Spracfum, 4. AuA„
GOubigen i8go, S. 343 — 58a.
^ iti. Andere als die beigebrachten Argumente kenne ich nicht, die
weiter führen ki^nntcn, soweit wir uns auf diejenige letzte idg. Zeit beschranken,
innerhalb deren noch ein sprachlicher Austausch von Stamm zu Stamm
mOgUch war. Wo das idg. Urvolk im Jahre 5000 oder loooo v. Oir. ge-
sessen hat, ist eine Frage, die nicht hierher gehön. Es ist wenig glaubhaft,
dass die Indogermanen schon seit den Zeilen des Pithekanthropos am kaspi-
sdren ^[ccr gewolmt haben.
Anm. Über die ingcblicb skadt&awisclic Urhcinul der IndogermancD %, S. 784 fT.
76o
XV. Etukografhis der CERMAKtscHEy StAmue.
4. Die nähere Verwandtschaft der Germanen mit anderen
indogermanischen Volkern.
C. Lottncr, Zs. f. vgL Spr. VII (1858) 18— 49 und 161 — 193. — J. Scbmtdt,
Die VtncandtichafisvfrhälfHisse A-r i/iJofffrmanr'sch^n SprufhrM, Weimar 1871.
^ A. Fiele, Üif ehfmaiifff Spracheinhril d^r /näagfi-manen Europas, GSttiiij*en
1873. — A. Lcttkicn, £>ie Dfilination im Slavtsch'Lilatiisihrn unJ Cmnani^\
icÄ^, Lcipsig 1876. — R. HaBScncamp, i7iVr i/i-n Zusammenkang des Utlif
siai-isihen und germaninhen Spracfistammei. Leipzig 1876. — K. Brugmann,
IntL-rnat. 2s. I. allg. Sptnchwissenschafl I {18S4), 226—256. — C. C. Uhirnbcck,
De verwaiili.rkapsh'rirrktingrn imrArrt de Germ, m /iaittultn: talm. I-wdffn 1888.
— C. C. Uhlcnbcck, Die Uxiialiuhe Urvera.'<tndtwkaft dei BnUoilavurktn
und Germaniic/ien, Leiden 1890. — O. Sclirader, Sprarhverglei(hung und Ur-
geschichte, 2. Aufl., Jetui 1890, S. 68 — 101, 172 — 187, 409 — 413 und passiro. —
KrelHchmer, £/»/.. S. 93—152. — H. Hirt, ZfdPh. XXIX, 289—305. —
Kluge, Cmir.* I, S. 323—327 und 360—365.
§ 17. Aus dem g 15 gewonnenen Ergebnis würde folgern, dass — sehen
wir von den Illyriem ab — die Griechen zuerst sich von der europäischen
Gruppe der Indogermancn im südwestliclicn Kussland getrennt hätten, um in
die Balkanhalbinsel auszuwandtm. Sonach bliebe — abermals von den
Illyriem abgesehen — eine italisch -keltisch -j^enuanisch • ballisch - slauisdie
Gruppe Übr^, innerlialb deren z. B. das idg. Verbum *sisimi, das im griech.
r»;/« noch die Bedeutung »werfen* bewahrt bat, den engeren Sinn von >saea«
angenommen hatte. Die Existenz einer solchen Gruppe lässt sich zwar
sprachgeschiclitlii'h nicht beweisen. Denn selbst gesetzt, es würden zu-ischen
diesen eurupäischen S])radicft so nele Cbercinsümmungen nachgewiesen wie
z. B. zwischen den westgermanischen oder den deutschen Dialekten, so lehren
diese letzteren Beispiele, dass ein Si:hluss auf eine ehemalige Stamme&eiuheit
daraus noch nicht gezogen werden dürfte. Andrerseits könnte eine solche
Stammeseinheit aber gleichwohl einmal bestanden haben (etwa in der Form
eines politischen Reiches), ohne dass es dazu gekommen wSre, dass die
dialektischen Versclucdenheiten ausgeglidicn wflrcn, olmc dass also dieser
Stammesi'inheit eine Spracheinheit enisprüche. Unter diesen Umständen
liegt innerhalb der Grenzen unserer Erkennttüs allein die Beantwortung der
Frage, ob sich überhaupt eine den Zufall ausschliessende grüssere Zahl von
sprachlichen Übereinstimmungen zwischen dem Germanischen imd andern
idg. Sprachen nachweisen lässt. wobei aut Qbereiiistimmciide Bcdeutungs-
katcgoriecn ein besonderes Gewicht zu legen wäre Solche übereinstim-
luungen würden zunächst nichts weiter beweisen, als dass Ober die nach-
maJigen Sprachgrenzen hinüber ein sprachlicher Austausch stattgefunden hat,
dass also ~ vorausgesetzt, dass keine Mittelglieder vedoren gegangen sihd —
die betreffenden Stämme benachbart gewesen sind. Eine Grenze lässt sich
ebens<i wetng ziehen wie etwa bei unseren heutigen Mundarten. Wenn die
Zurückziehung des Haupttons auf die erste Silbe dem Italischen, Keltischen,
Germanischen, Leitischen und Sorbisch -Cerhlschen gemeinsam ist, so wird für
letztere beiden Sprachzweige eine (auch durch andere Ei-scheiuungen gestützte)
Enüchnung aus dem benachbarten Deutschland anzunehmen sein, infolge
der Zweisprachigkeit eines Teiles der Bevölkerung; die Germanen waren von
den KeUen und ItaUkera zur Zeit der Äccenlzurückzichung durch die Wir-
kungen des Vemerschcn Gesetzes und der vorausgegangenen Lautverschie-
bung schon so stark dialektisch differenziert, dass wir es für diese Zeit
.nidU mehr mit idg. Dialekten, sondern schmi mit Sprachen zu thun habeiij
die eine gegenseitige Verständigung aiisschliessen. LJnter diesen Umständen
bleibt keine andere Walil, als dass entweder die Übereinstimmung des Ger-
H, A. ExtlKOGRAPHtE EUROFAS IM ERSTEN JAHRTAUSEND V. Chr. /Ol
manischen mit dem Kellischen und Italischen eine zufallige ist, also nichl
auf benachbarte W'ohusiize schUcsscn Illsst, oder dass einer der drei Sprach-
stSrnme eine längere Zeit hindurch tUe beiden andern dcrmassen bchcrscht
hat, dass ein Teil der Bevfilkening des Reiches jtweisprachig wurde, und in
diesem Falle könnte es nicht zweifelhaft sein, dass die Germanen nicht die
Herscher gcwpsen sind. Der Annahme einer derartigen Sprachgemeinschaft
würde durchaus nichl eine andere, etwa eine germanisch-slawische, widcr-
q>rcchen, sowenig wie die westgermanische Spracheinheit zu der englisch-
skadina wischen im Widerspruch steht. Es kommt alles auf die Zeitbestim-
mung an. Es steht hier ein Zeitraum vou zwei Jahrtausenden in Frage,
innerhalb dessen sich die politischen Verhältnisse der nachmaligen germani-
schen Stämme wiederhult verschoben haben künncn und wahrscheinUch auch
verschoben haben.
Anm. II. Zimmer, Znr anf^lichen t/fenuinvestfurofiäistk^n Afcentfrgrtung* in:
GunipüJBkaumudT, Festgabe fOr \. Weber, l^ipzig 1IJ96, beotreitet die Gemeinsamkeit
der ilftl., kell, unii gtrm. Acci-ntven«c]jii*Uirn;. Vgl. unU-n S. 788.
5 18. Die Untersuchungen Ober das Verwand tschafts Verhältnis des Ger-
nanifchcn zu dem benachbarten Keltischen (bezw. Keltisch-Italischen) und
BahiBch-SlawiscIien haben bisher zu keinem grcifharen Ergebnis geführt und
TiedQrfen dringend der Erneuerung. Vor der Hand Iflsst sich nur so viel
sagen, dass nühcre vorhistorische Beziehungen vielleicht zum Balliscli-Slawi-
schen, bestimmt aber zum Keltisch- Italischen vorliegen. Zu diesen alteren
Beziehungen darf uum vor allem eine Anzahl von Übereinstimmungen im
germ. und kelt-btein. Wortschatz zahlen 1, die wie »Ulme*. »Hasel-, »Eiche«,
»Weide«, »BlOtc«, »See», »Gewässer«, -Fisch«, »Mastbaura», •zalmi=, .wüsi«,
>Furche*, »Beet-», >Sieb«, »Hom*, »Volk«, »Dorfschaft», »Kind-, *Seher<
auf geraeins;uue Wuhnsitze und I.*bensbedingungen 3chlies.sen !a.*!sen. Soweit
hier etwa Entlehnungen vüdiegen, müssten diese zu einer so frühen Zeit
geschehen sein, in di:r eine besondere germanische Sprache uocli nicht exi-
stierte, sagen wir etwa im dritten Jahrtausend v. Chr. wenn niriit früher. —
Diesen Übereinstimmungen stehen andere, weniger greifbare, zwischen dem
Germ, und BaltLsch-Slauischen zur Seite *.
' Lottoet, /fvglSpr. VII IÖ3, Schrader S. 180, Krctschmcr S. 144 f..
Hirt a, a. O. und Kluge S. JJ4— J26. — * J. Schmidt S. 36 — 45, Krctsch-
S. 108, Kluge S. 3601". — N.'vcb Krctscbracr, S. 108 — lio sind die gcrm.-
litoslawiKben Bczicbungcn äliei als die gemi.-krltischf'n.
§ 19. Als sicheres Ergebnis darf man zur Zeit allein betrachten, dass
die Germanen schon vor der Zeit der Lautverschiebung — und das bedeutet
so viel wie zu einer Zeit, in der das Germanische noch einen fast idg. zu nen-
nenden Diak-kt bildete — nachbarliche Beziehungen zu den Kclto-Italikeni,
wahre^einlich auch zu den Lettoslawcn unterhielten. In einem so ualica
Verwand tschaftsverhaltois wie das Litauisch-Lettische zum Slan-ischen steht, hat
das Germanische keinesfalls zu einer der benaclibarten Sprachen gestanden,
und reichen schon die Differenzen zwischen Slawisch und Litauisch-Lettisch
in eine gemeiiiidg. Zeit hinauf, so dürfeu wir die Sonderexistenz einer ger-
manischen Mundart sicherlich bereits für eine gemcinidg. Zeit annehmen.
Um 2000 V. Chr. (§ 13) hat es also schon eine Gruppe von idg. Stämmen
gegeben, deren Sprache der Vorfahr des nachmaligai Gerraamschea ge-
wesen ist,
762
XV. Ethnographie der germaxisciien StXume.
B. DIE AUSBILDUNG EINER BESONDEREN GERMANISCHEN
NATtONALITÄT.
I. Die Absonderung der Germanen von den Indogcrmanen.
5 2a Ober den Zeitpunkt, von welchem ab die germanischen Stamme
eine von den Nachbarstämracn politisch gesonderte Gruppe bilden, \asst sich
nichts weiter ermitteln, al.s dass ein solcher Verband jedenfalls schon um
2000 V. Chr. bestanden hat (S. Jör unten und § 2" Schluss).
Anm. Zur Zeit als die gcmi, Lautvencbiebung durdidruig, inuu eine solche cthoogrs-
phUchc Grupp« noiwendigerwel« berdts be«un<l«n babcn. Aber die Laucvcrschicbung üc
bishtT zeitlich nicht sichw bcstirainl worden — tiotx R. Much. PBB. XVII 62 f, und
G. KoBsinna ebd. XX 297. Got,. paida ^ thrukiM.-h ßaini nnd ae. kanep = gr. itMy)aß*v
(ent zu Hfirodou Zeit von den Thrakein endehat) mit aus b verKfaobenem p, uu / vencbo»
benem P'^ä und aus k verscbobenetn h sind nicht daiicrbar. ChrDnologiKfae Asbalcsptmkte
gewahren allein einige entlehnte k(;lmcl]c Namen, Die gin*»e Masse dieser Namen lehrt, da»
zur Zeit der Entlehnung; di<r I^utvcrscbicbung vollzogen gc-wesen ist. Älteren Datunu ist —
die GleLchung ah. Harfada := Carpalhi ist unsicher ^ — die EntlchauntE des Volksoainctis
der (-^Ära^r^ gcrm. Hathijs und die des tbüringiscben Höhenzuges lier Aiff«r = kdt.
ptnna. Walhü- ist die genieingerm. Bezeichnung Tür die Kelten, wie nachmals fiit dio
Ronaancn; die Volcae sind alio Trüber Nachbara der Germanen gewesen &Ls andere keltische
StAmme, Intbcsunderc als die Bcigie. Ztsr Zeit des Pylbcas waren die uorddcutscbcn
Stämme bereite Nachbarn der Belgae. Nirgend» alier ßnden sich etwa in Ortsbezeidi-
ctingen Spuren des Be];;ienumens (vgl. vielmehr Namen wie 'Walahdorf bei Münster,
"Wiilnnhiirsl bei Osnabrfick, Walcsrothc bei Hannover^ WaUhesleba unweit der Harcl-
niündun^ und zjihh-eiche andere mit "Wnlh- xuMininengesetzle Ortsnamen in Niedersachsen.
Wir düTl'en foigern, daas die gerro. Nardsecanwohnei des Pytbess ihre bd^ischeo Nach-
biun bereits Wälschc genannt haben. Aber undenkbar wirc es nicht, dass ue sie damals
ood) * ff W>r>j genannt hätten, die Laun-erschiebung demnach später dorcbgcdninecn wAze.
Da outi auch die gerni. Bcsetztuig von ThUrini^a {Finnt) nldil nfiher datiert werden kann
als Bpäteaten.s gegen Aufgang di-s 4. Jahrhs. und frühestens lun 500 x. Chr. ($ 4I). so
erhalten wir filr die Konsiaticrung eiccr bcsi^ndcren gcrm. Sprache ein so spätes Datum,
wie es auf Gnind gc*chichtlid]cr Kombinationen keinesfalls angcnomtnen werden darf.
Dass die Germanen weit frfiher ah um 5,00 v. Chr, zu ei»er >tantuni sui siraili» gcnss
erwachsen waren, kann ja keinem Zweifel untcrlicgcD. — Dass kell. Ptrtitnio {/ifnjfnia)
von den Germanen entlehnt (G. Kosslnna, Zs, d. Vcr. f. Volksk, 1896, S. 7), ist nicht
sicher^ weil Fergunia auch eine gcnn. Übersetzung »ein könnte. Vgl. umen S. 783 Anm. l.
' Har-.'aita JjöU nicht ^ Karpalhen, sondern = Berge der Cborvaien nadi R.
Heinsei, Übirr die Ifrn'arnrsnga, Wien 1887, S. 85 (S. 499 der Wiener
Sitzgsber. d. pliil..hi»t. Cl. d. Wiss. CXTV 2),
§ 21. Über die Gesichtspunkte, welche zur Entscheidung der Frage in
Betracht kommen, ob die Germanen in grauer Vorxeit je einmal eine poli-
tische Gruppe gebildet haben, ist oben S- 747 ff- gehandelt worden. Die scharfe,
lieincii sprachlichen Aastausch ermöglichende historische Sprachgrenze gegen
die Kelten und gegen die Slawen und Litauer lasst sich nur erklaren, wenn
natürliche Grenzen dem Verkehr ein Hindernis geboten haben, oder wenn
die Gernnanen sich einmal viele Jahrhimderte hindurch zu einem politischen
Bimd zusaiumengescliloüsen haben, dessen äussere Grenzen infolge der .^b-
sonderung gegen die Nachbarn drOben im Laufe der Zeit zu Sprachgrenzen
geworden wflren. In letzterem Falle ist anzunehmen, dass bevor eine relativ
einheitliche germanische Gemeinsprache, wie es das von uns rekonstruiert«
Urgermanisch ist, zustande kam, in einer Zeit, die bis zu einem gcwi>.-rcu
Grade nodi als gcmcinindogcrmanisch zu bezeichnen wäre, ein aflmfthhcher
Übergang von den nachmals germanischen zu den keltischen und ebenso
vielleicht auch stu den benachbarten slawischen und litauischen Mundarten
stattgefunden hatte; durch den politischen Zusamnicnschluss wäre das Auf-
geben solcher Übergangsmundarten in dem Gemeinge [manischen zu erklaren.
Es läge als ein Fall vor, wie wir ihn in geschichtlicher 2eit \'ielfach verfolgen
können: ich erinnere l. B. daran, dass die zwischen Hochdeutsch und Anglo-
friesisch vermittelnde niedersachsische Mundart, welche einst dem letzten
Dialekt noch um eine Stufe näher stand, heutzxitage durch das Hochdeutsche,
die Gemeinsprache Deutschlands, allmählich absorbiert wird, so dass jenes
Bindeglied mit der Zeit in Fortfall kommen wird; oder von der mittleren
Elbe südwärts bis nach Nordböhmen findet bei den Bauern ein allmälüicher
Übergang der Mundarten statt; jetzt aber gemnnt bei der mittleren Bevöl-
kcrungssdiicht die nördliche Mimdart das Meissnische inncrh^b der politischen
Grenzen Deutschlands immer mehr die Oberhand, so dass es nur eine Frage
der Zeit ist, dass durch das Aufgehen der der nordböhmisclien eng ver-
wandten erzgebirgischen Mundart in der meissnischen Umgangssprache eine
mit der politischen zusammenfallende, scharfe Dialektgrenze zwischen dem
heutigen Erzgebirgischen und Nordböhmischen errichtet %ird — dies um so
mehr, als in Österreich, wo oberdeutsche Sprechweise die herschende ist,
die im westlichen Böhmen gesprochene (>ä>eri) falzische Mundart die mittel-
deutsch-nordböhmische Mundart zu verdrängen droht
O. Bremer, Beiträge sur Geographü der ätuiiciun Mundarten, Leipzig
1895. S. 12—17.
Die beiden Möglichkeiten, aus denen heraus aHein die Tliatsache einer
von den Nachbarsprachen scharf getrennten germanischen Sprache erklärt
werden kann, natürliche Grenzen oder ein politischer Bund, schliessen ein-
ander nicht aus. Zunächst aber haben wir zu untersuchen, ob die Germanen
In vorgeschichtlicher Zeit — soweit unsere gcschichdiche Kunde reicht, ist
dies nicht der Fall — durch natOriiche Grenzen, welche einen sprachlichen
Austausch verhinderten, von ihren Nachbarn im Westen und Osten getrennt
waren. Diese Frage kommt der Frage über die älteste erschliessbare Heimat
der Germanen, Kelten und Lettoslawen gleich. Idi nehme an dieser Stelle das
unten § 40 f., 49 und 51 f. gewonnene Resultat vorweg: Die Heimat der Ger-
manen ist ilstlich der unteren und mittleren Elbe etwa bis zur Oder zu suchen,
in Schleswig-Holstein, an der Ostsecküste und in der Mark Brandenburg. Im
Westen und Süden grenzten sie an die Kelten, im Osten schwerlich schon
an die Slawen. Diese Wohnsitze gelten für die Mitte des ersten Jahrtausends
V. Chr.; wahrscheinlich haben sie Jahrhunderte früher in gleidier Weise be-
standen. Sind aber ihre früheren Sitze noch weiter östlich, bis zur Weichsel
hin zu suchen, so hatte auch dieses gcrmanisdie Heimatland natürliche
Grenzen nur im Osten in den Poljcsjc-Sümpfen, falls die Germanen soweit
gereicht haben; dazu im Süden, zur Zeit als die Kelten aus diesen Gegenden
zurückgewichen waren, in dem damals v*,jn dem herkynischen Urwalde be-
deckten Gebirgszuge des Erzgebirges der Sudeten und weiterhin der Kar-
pathen. Die W'estgrenze gegen die Kelten war eine offene, ebenso ursprüng-
lich die Sodgrenze an der mittleren Elbe und Cider und eventuell der
Weichsel und die Grenze gegen die Slawen und Litauer. Mögen nun auch
hier und da undurchdringlidic Wälder den Verkehr an der Grenze gehemmt
haben — leiiler fehlt noch eine historische Waldkarte — , so kftnnen m-ir
doch so viel sagen, dass natürliche Verkehrshindernisse die Germanen nicht
i-xier nur zum Teil von ihren Nachbarn getrennt haben, Wir müssen also
notwendig ein poWiisch zusammengeschlossenes germanisches Ur-
Tolk annehmen. Dass von diesem Urvolk leiblich die historischen Germanen
abstammen, wird aller Wahrscheinlichkeit nur so bedingt zutreffen, wie etwa
die lieutjgen, Kit stark mit germanisierten Slawen^ Litaueni, Danen, Friesen,
Romanen vermischten Deutschen die leiblichen Nachkommen der alten
Sachsen, Franken, Thüringer, Baiem und Alemannen smd. Nicht germa-
nische Elemente mögen in vurgeschichtlicher Zeit in den Germanen aufge-
gangen sein, und so wie das DcuUschtum durch die Auswanderung von
Millionen und durch die Absondcning der Niederländer ptihtisch eine Ein-
busse erlitten Iial, so miigen auch in der Urzeit manche einst germanische
Stamme der germanischen Nationalität verloren gegangen scm.
Die Entfernung der germanischen Ursitze an der Oder bczw. WeicJisel
von der oben § 15 erschlossenen Heimat der europaischen Indogermanen
im südwestlichen Russland ist zu gering, als dass man niciit an eine allmäh-
liche Ausbreitung der ütjnnanen nach Nordwesten denken solhe, wie wir sie
Z. B. bei den Russen und den polnischen Stammen nachweisen kOaueo.
Für die Annahme einer einnTtaligen Auswanderung liegt kein Grund vor.
2. K{!rperliche und geistige Charakteristik der Germanen.
Körperliche Charakteristik.
P. Kretscbmcr. EinUihtng in die Geichichtt dtr Gricchitchm S^raeJke,
Göttitigcti itiij6, S. sy — 4~.
§ 22. Tacilus war der Meinung, dass die Germanen «nulhs aliis ab'orum
»ationum conubüs infectos propriam et sinceram et tanlum sui similem gcntcm
extiiisse« iüerm. 4). Diese Meinung wurde nicht von allen antiken Schrift-
stellern geteilt Wir wissen, dass kein Volk sich auf die Dauer völlig rein x\x
erhalten imstande ist, dass ein jedes Volk mehr oder minder stark mit hete-
rogenen Elementen gemischt ist. Mussten wir oben (§ 11) es dahingestellt
sein lassen, \A> es je eine als indogermanisch zu bezeichnende Rasse ge-
geben habe, so liegt der Fall bei den Germanen allcniings insofern günstiger,
als sich wenigstens ein bestimmter Typus erkennen ISssU den wir noch heute
bei allen Völkern mit germanischer Sprache (am wenigsten natürlich bei den
Nordamerikanem) vn'ed erfinden. Wenn wir diesen T\pus den gennanischen
nennen, so haben wir dazu ein gleiches Recht, wie wenn wir die aus der
gotischen. norrli.<s(hen, englischen, friesischen und dcutsi'hen Sprache rekon-
struierte Ursprache, oder wie wenn wir diese jüaigeren Sprachen selbst ger-
manisch nennen. In beiden Fflllen ist damit nicht gesagt, dass alle die-
jenigen, welche den germ. T^-jins aufweisen oder welche eine germanische
Sprache sprechen, die direkten Nachkommen des zu erschliessendea germ.
Urvolks sind, oder dass solche, welche germanisch sprechen, ohne diesen
Tj-pus aufzuweisen, oder dass diejenigen, die zwar den germ. Tj-pus tragen,
aber eine nichUgermanische Sprache sprechen, nicht von jenem Ur\"oIk ab-
stammen. Bis zu welchem Grade genn. Typus tmd germ. Sprache sich
decken, darüber wird sich schwcriich etwas Sicheres ermittelo lassen. Immer-
hin sind wir bei den Germanen günstiger daran wie etw-a bei den Polen,
wo wir schlechterdings nicht sagen kennen, ob die dunkeUiaaiigc oder die
blonde Rasse dem polnischen Urtvpus entspricht.
§ 2^. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das germanische Ur\'olk
im wesentlichen blond und blauäugig gewesen ist, mag es daneben auch
schon in grauster Vorzeil eine dunkelhaarige, braunäugige Bevölkerung ge-
geben haben. Denn trotz der seit mehr als tausend Jahren bestehenden
Trennung der Englander \'on den Deutschen und der zweitausendjahrigen
n, B. Die Ausbildung eikss besonderem germ. Nationalität. 765
Trennung der Stcadinawier von Her in Deutschland wolincndcn StSminenf
finden wir nr»ch heule denselben Grundupus hüben wie drüben wieder, und
wenn sith in dieser Zeit keine so starken Varietäten herausgebildet haben,
dass ^»'i^ von einem skadin zwischen, einem englischen, einem deutschen
Typus in der Weise reden kannten wie von einem germanisehcn, so dürfen
wir folgern, dass die Ausbildung des germanischen Typus eine ungleich
tätigere Zeit als zwei Jahrtausende erfordert hat, dürfen also den geriuanischcn
Typus bereits in eine geineinindogemianisctic Sprach periudc zurückverlegen.
Schon dieser Umstand legt es nahe, dass man nicht berechtigt ist, alle
diejenigen Romanen und besonders Slawen, welche den germ. Typus tragen,
für Nachkommen von sprachlich und jjolitisch en^erraanisierten Urgemianen
zu halten. Existierte der genn. Typus bereits in idg. Urzeit — auch ein
germ. Dialekt existierte bereits in itlg. Urzeit — , sü ist es durchaus nicht
einzusehen, daüs gerade alle Leute dieses Typus sich politisch zu derjenigen
Gruppe zusainmengethan haben sollten, welche der TrSger germanischer
Sprachen geworden ist. Ja es bleibt die Möglichkeit offen, dass dieser germ.
Typus richtiger als der nordindogermanische oder urindogermaniscbe (w-ena
nicht gwr finnische) Typus anzusprechen wöre, den nur die Gcnnanen reiner
als ein anderes idg. Volk bewalirt hstten (^ it). — Zur Vergleichung der
Germanen und Kellen ist lehrreich Strabön VII 2go; >/^rg/(a^'^>( ^hxqov
l^aXXazToviES lov Kekitxov (fvluv, rtji te 7iXi:ovaofU^ lijs dyQtOTtjTos ' r&lXa
dk :iaga:xXijoti>i xal fioQtpms xai ijdroif xal ßÜMi örtt^ ohvs dQt)i(afttv
§ 24. Wenn die antiken Srhriftsteller die Germanen (und ftbrigens
alle nurdischen Barbaren *) ziemlich übereinstimmend schildern, so dürfen wir
nicht vergessen, dass sie — migeachlet der Worte des Tacitus >habitus
corporum, quamquam in tanto numero, idem omnibus« {G^rrm. 4) — ebenso
einen besonders charakteristischen Typus im Auge gehabt haben werden,
wie man etwa heute die Engländer als blond und hochgewaclisai sclüldeiL
Üass dieser Typus sich mit germanischer Nationalität decke, ist damit
keineswegs ausgesagt. Indem ich den Namen genn. Typus acteplicre. bin
icli mir bewusst, in der folgenden Schilderung dieses Typus nur einen Teil
der Germanen zu schildern; denn diese sind schon in der ältesten histori-
schea Zeil keine reine Rasse mehr gewesen.
Der germanische 'J'ypiis der Gegenwart entspricht nur in der Hauptsache
dem Typus, den uns die antiken Schriftsteller schildern ^ ist jedoch mit
diesem nicht identisch, hat sich also geändert, ebenso wie die heutigen
genu. Sprai hcn gegenüber den Nachbarsprachen zwar germ. Sprachen blei-
ben, aber ein anderes Germanisch reprüscntiercn, als es die von uns re)«.Hi-
struierte germ. Ursprache ist.
Den autikcu Schilderungen von der Körpergrösse der Germanen ^ kön-
nen wir nur entnehmen, dass die ROmer verhältnismässig kleiner gewesen
sind, Hie nocli lieute die SOdlandci kleiner sind. Die deutschen Ritterrtlstuugea
aus dem Mittelalter lehren uns, dass der Menschenschlag in dem letzten
halben Jahrtausend grOsser geworden ist, und wenn ein Kücksdiluss erlaubt
wäre, so raüssien wir uns die alten Germanen als erhcblicli kleiner vorstellen,
wie es ihre gegeuwürtigen Nachkommen sind. Auch die GaUi werden >cel-
siores statunn genannt, uttd ihre »tnagniludo corporum«, »procera corpora«
hervorgehoben. Doch scheinen nach Caesar, fi.G. I 39 die Germanen
noch grosser gewesen zu sein.
Die antiken Schriftsteller helfen auch die weisae Hautfarbe und das
rosige Gesicht der Germanen her>'or: Die gotischen Volker Ȁtvxol yixQ
&TavTf? rci OMfuiTa Tf ehU (Prokopios, ßf//. Vand. I 2); »rutiü sunt
Gerraanorum \-uttus et flava proccriias« (Calpurnius Flaccus, Dtel. z).
Die Haarfarbe der Germanen, in der Gegenwart \iDrlierschend blond,
ist nach den flbereinsiimnienden Zeugnissen der antiken Schriftsteller rötlich
blond gewesen: Tutilac ■comae*^ (Tat., Gemi, 4), ^rufus crinis« (Seneca,
De ira III 26), «ovx Svrag ^av^ov;, Idv äxQiß(7>g n^ h^iioi xaXetv dXXd
nv^Qovi«. (Galcnos, Kommentar zu J{i/i/>o(rn{es V 31)'. Auch die Galli
werden uns als *ruti!i« und «flavU peschildert; aber ira Vergleich zu den
Germanen als »minus jnfecti rub<ire«-
Mh blondem Haar ist noch heute meist Blauaugigkeit verbunden :
»truces et caeruli ocuH« werden den Germanen von Tacitus {Ginn. 4)»
j(aQon6xt}^ ttüv Öftfuhtüv den Cimbri von Piutarchos {Afar. ii) zugeschrie-
ben* Ich halte es indessen nicht for sicher, ob das blaue Auge ein
charakteristisches Merkmal gewesen ist, ob nicht vielmehr auch die ver-
schieden grauen Schattierungen den gleichen Anspmch haben.
* Belc^;« bei Zeus& 50 — $2, A. IloUzmanii, Germanis^/u AUrrthümtr^
Leipzig '873, S. 131 — 133 und A. Baumstark, Amführliche ErtäuUrung Ja
ailffemeiiuH TheiUs der Germania des Tacitutt L^px^g 1875. S. 2x4 — IIB. -^
' Moltzmann a. a. O.
Anm. Wie wenig heute der Durchschnitt der deuuchen Stutungcböngen dem gemu
Typus entspricht, dos h&bco die vor Jo Jahren aogwlcEltca Erhebunuco gezeigt. Diese
haben sich in Preuuen und Bayern auf über 4 Millioni^ii Schulkinder bcklerlci Geschlechts
«rstredcc. In Preussen hatten nur 3S>47 Prozent weüse Haut, blonde Haaxe und bUue
AngcD, iu Bayern gar nur 10,3(1 ^^rozent, so dus man sa^cn kann, nur etwa dct
dritte Teil der Bevrilkcrung DeuuchluniU hat den germ. Typus gewahrt. Weisse Haut,
bruine oder schwarze Haaic und braune Augen, also den brtLnetten Typus fand nun in
Preiusen litfl 11, (ij, tn Bayern hei 31,09 Pmzent der Schulkinder. Die Qlirigeo, also
mehr alt zwei Fünftel ailcr Schulkinder, ^-hörten dem (j^miscbtcn Typus an. Die Ver-
teilung ist landschATtlicb sehr verschieden; in den nordlriL-ascIica UÜandcn verhalten sich
die Blonden und Blauäugi^n zu den Brünetten und BraunAugigeu wie 53,81 : 4,77 (Bkiade
32,40 : Braunhaarißc 15,53), im Kreise Aurich wie 46,37 : 5,&o, hu Laudltreia Münster
wie 4>.39:(),30. in der Pfalc wie 30,08:30,95. ^'■'^ Rothaarigen (:Tt'^o/) bleiben aber
■«Ibst in den gemtuiLtcbsteii Distrikten unter l Prozent. — Der Prozentsatz der Ger*
manen würde überall ein bedeutend f^asserer sein, sobald wir neben den Blanäuj^i^a auch
die GTauAu^cn zulassen wUrdcn.
§ i5- Weitere, genauere anthropologische Merkmale sind uns für die
Germanen aus dera Altertum nicht überliefert Aber die neueren Messimgen
haben das bcmerkctiawerte Resultat ergeben, dass es eine gemeingennanische
Schädclform (angehüch die dolichokephale) nicht gegeben hat: sie ist in
den fränki:jchen und aleinaruiischen Reihengrabem aus der VAlkerwanderunga-
zeit 1 eine sehr ba*(tandige, njlmliih die langköpfige (dolichokephale) und
geradkiefrige (orthognathe) — diese Fomi findet man auch bei andern idg.
und bei nlcht-Idg. Välkem — , «'oneben man auch (wahrscheinlich altere)
Kurzköpfe ( Brach vkephale) gefunden hat: der »durchgreifende Charakter«
der friesischen Schädel ist seit 1000 Jahren (nach Ausweis der Grabfunde)
— nach Virchow — »eine stark zur Brachykephalie neigende Mesokephalie«,
zusammentreffend mit Chamaekcphalie (niedrigem Schädel), ausgeprägter
Leptorrhinie {schmaler Nase) und häufiger Progenie. Dieser Charakter gilt,
weniger ausgeprägt, auch für den niedersächsisclien Schädel, findet sich aber
in Mittel- und SüddeuLschland nur vereinzelt. Von den heutigen Friesen
und Danen, die sich seit zwei Jahrtausenden von allen germ. Stammen ver-
hältnismässig am reinstim erhalten haben, kommen bei diesen auf too
^hadet 57 X^ng-, 37 Mittel- und 6 KurzkOpfe, auf joo friesische Sdildel
k
II, B. Die Ausbildukg einer besokderen oerm. Nationalität. 7Ü7
jjar nur 12 LangVöpfe, aber 51 Miltel- und 31 Kurzküpfe, waLreiid bei den
Mittüldeutscheti sich die Langküpfc zu den Kurzköpfen wie 12:66 verhalten,
bei den Altbayem wie 1:83, bei den Tirolern [bei Bozen) *ie 0:90. Es
ist aisu bewiesen, düss wii kein Recht Imbcn, eine anchrupologisch einheit-
liche ^rmanische Rasse anzunelimen. Wenn es aber in \'oi;geschirhtl icher
2eit eine urgermanische Rasse gegeben haben sollte, so ist diese scliwerlich
dolichokcphal gewesen; denn uuch der schwedische Schädel hat eine mesa-
kephale und an Chamaekt-ithalie grfnzt'»dc Fomi, und Vtrrhow hat ge-
iunden, dass in den altdiLnisrlien Gra.beni »niedrij^e und lange Schädel formen
erst im sogenannten Bronze- und nicht mehr im Eiüenzeitalter auftreten,
während die Grüben>chädeli der Steinzeit überwiegend kurz und hoch sind«.
R. Vircbow, Bfiträgn nur phyiisehen Anlkrofologit ärr Drtilu-A^n mit fur*
sonäfrer BtriukikkUgittig der Frirstn (Aus den Abb. d. Berliner Ak, d, Wiss.
1876), Zweiter AWr., Bertin 1877. — J. Hanke, Somatüch-anthropotogücke
ßeobaihtungCH (in A. KirL'hbofrs Anh-ilung tur lUutschtM Laitdtt- und VolkS'
kunde, Snitlgart 1889, S. 329 — 380).
I Noch im Augusc 189& h^it Virchow erklärt, daus lemcr Meinun(; luich die
SdiSdcI der KclbcngrSbcr nicht dem Tj'pun des germaniscben ScbILdeU enuprecben;
die glcicbcQ Schädel bat er auch in Ungarn getuaden.
Arno. Lcbrreicb ist dos Beispiel der, soweit unsere Kenntnis reictt, uDTemiiscblen
fnnischen Stimme: Di« im allgemeinen brünetten Lappen lind ausgeprägte Bracbykephalen,
wie uiK'h ditr dttrcbwei; blondc^n Finnen, nilhreDd die gleichfalls blonden K»tcn drr Dolicbo-
Jtephalie zundcea und die UralÜDnen rein mesokepbal oder fast doUchokephal sind.
Geistige Charakteristik.
E. M. Arndt, \'i-rsuch in vtrgUichtndfr Völttrgruhiihtf. Leipclg 1843. —
E. du Bois-Rcymond. Öb*r finf AkademU dtr dfulschen Sprache, Berlin 1874,
S. II — 13. — K. M. Meyer, DeHXiche CharakUre, Berlin 1S97. S. 1—42.
S 26. Die folgenden Bemerkungen machen nur den Anspruch ein Versuch
zu sein.
\\'enn wir die Nachrichten der antiken Schriftsteller, die Handlungsweise
der gcnnanischen Stamme in der Geschichte, die Litteratur und die
Eigenart der gegenwürtigen Skadinawier, Engländer, Fliesen imd Deut*
sehen vergleichen, so finden sich so viele gemeinsame Züge, dass der Ver-
such inner geistigen Charakteristik gewagt werden darf. Ich sehe hierbei
■davon ab, dass die Gennanen in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends
unserer Zeitreclinung als ein durchaus kriegerisches Volk erscheinen, und
dass persönliche Tapferkeit das Ideal der Nation gewesen ist, wie bei andern
Völkern derselben Kulturstufe. Auch auf religiösem Gebiet scheinen sich die
■Germanen der geschichtlichen Urzeit nicht wesentlich von den andern idg.
Völkern unterschieden zu haben '. Überhaupt steht die geistige Eigenart der
Germanen zu der gcmcinindogermanischen in dem Verhältnis eines Dialektes
zu der Gesarat- bezw. Ursprache. Es sollen hier nur solche Punkte zur
Sprache kommen, bei denen die geistige Eigenart nicht von der Ktilturstufe
abhängig ist. Es kann sich hierbei nur um Kcnnzcichnimg eines bestimmten,
charakteristischen Tj-ptis handeln. Die Fragt-, wie weit dieser Tj-pus Ausfiruch
darauf hat, als Gemeingermanisch zu gtilten, liegt ebenso, »le beider poli-
tischen, der Sprachen- und der Rasseiifnigc.
iE. Meyer. Geickiehie tUs Aiterthnrns II. Stuttgart 1893, S. 43 — 51.
§ 27. Zuvörderst mag die folgende Betrachtung für das zu beanspnicliende
Alter der gemiarüschen Eigenart lehrreich sein. Das deutsche Reich hat
eine tausendjährige Geschiclite, und sclion vor mehr als 1000 Jahren tiaben
die nachmal-s deutschen Stämme nahe Beziehimgen zu einander gehabt. Diese
Spanne Zeit hat niclit ausgereicht, um eine besondere deutsche Eigenart zu
enlwickeln. Wenn wir von einer solchen sprechen, zu der bisher nur Ansjll
vorhanden sinü, so habcu wir dabei einerseits gemeingermanis<.he Züge u
Auge, andrerseits die Züge eines bestimmten Stummes. Thatsärhlich sind
noch heule die Unterschiede zivischen Nord und Süd so gross, dass man
ganz untl gar nicht zu sagen berechtigt ist, der Niedersachse bilde mit dem
Schwaben eine geistige Kinheit gegenüber dem Engländer oder Uflnen; \iel-
mehr steht der crsterc dezn Englajider in Bezug auf seine geistige Vcran^
lagung mintlestens ebenso nahe wie hinsichüich der Sprache und ent/emt
sich in gleicher Weise von dem Oberdeutschen. Bis auf den heutigen Tag
bestehen die Individuaü täten der eiuzehien gcnQHniscIicn Stamme fort, viel-
leicht am schärfsten ausgeprägt heim Bauern, doch auch bei den Gebildeten
tleuüicli hervortretend. Wir dürfen daraus den Schluss ziehen, dass — we-
nigstens bei analoger politischer Entwicklung — ein Jahrtausend nicht genügt,
um der Eigenart der innerhalb eines politischen Verbandes lebenden Stämme
einen einheitlichen Stempel aufzudrücken. Da nun die Germanen bereits
seit mehr als zwei Jahrtausenden nicht mehr als ein Volk, söndem als ver-
schiedene politische Verbände erscheinen, ein jeilcr mit einer besonderen
Individualiiat, s..-! kann auch das erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung nicht
für die Ausbitduiig einer spezifisch gennanischen Eigenart in Betraclit kom-
men. In vorchristlicher Zeit werden wir aber, wie das Beispiel der Deut-
schen lehrt, mit einem erheblich längeren Zeitraum als einem Jalirtausend
zu rechnen haben, so dass sich die Ansätze zu einer germanisclien Indivi-
duallKlt spätestens in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends, wahrschein-
licher im dritten Jahrt:iusciid v. Chr. gebildet liStten. Bis in die^e Zeit muss
die Sonderbildung einer germ. Nationalität hinaufreichen (vgl § 19).
§ 28. Um die gemeingermanischen Charakterzt^e zu geu-innen, hat man
in derselbe!) Weise vorzugehen wie auf sprachlichem Gebiete. Einerseits
müssen wir zwar die (jemeinidg. Züge im Auge behalten — freilich ist Ober
diese bisher nur wenig ermittelt ■ — , auszugehen haben wir aber von den
Individualitäten der einzelnen gemi. Stämme, um durch Vergicichuug die seit
Alters gemeinsamen Züge zu ermitteln. Leider liegt noch nicht genügen-
des Material vor, so dass die folgende Skizze durchaus unzureichend und
wohl auch einseitig sein dürfte. Eine lebendige und anschauliche Schildenji
der Eigenart dürfte eher dem Dichter als dem Geschichtsforscher und Philo
lügen gelingen. Ich beschranke mich auf die Skizzicrung derjenigen Eigen-
schaften, in Bezug auf welche die Germanen, die Mflnncr wie die Frauen,
sich von ihren keltischen und romanischen sowie sla>hischen Nachbarn im
Westen, im Süden und im Osten unterscheiden. Nach diesem Maassiat
haben alle im folgenden § den Germanen zu- oder abgesprochenen Eigen-
schaften nur relative Geltung.
§ 2(), Der Gemiane hat, im Vergleich zu den Nachbaretämmen, ausser^"'
lieh etwas Ernstes, Ruhiges, Stilles, Festes und in sich Abgeschlossenes. Er
geht nicht so leicht aus sich heraus, ist wenig mitteilsam und schliesst sich
dem Fremden nicht leicht auf, Es fehlt ihm das Ungestüm, die Lebendig-
ki^it, Beweglichkeit, Gewandheit, <lie Idchte Gefälligkeit und Liebenswürdig-
keit, auch die Höflichkeit, es fehlt ihm die glückliche I-eidiiigkeit des hei-
teren und sorglosen Lebensgenusses, die ungez(^elte Lebenslust und Lebens-
freudigkeit, überhaupt die muntere Fröhlichkeit und Lustigkeit des Iren,
Franzosen, Italieners und Slawen. Im Vei^Ieich zu dem el^amen Romanen
und Pulea erscheint er iasl plump und ungcw-andt. und mit dieser Unlrt-
holt'enhcit ist eine gewisse äussere Unscheinbarkeit verbunden. Er sieht nicht
aaf äusseren Glanz, macht nicht viele schOae Worte, und wie er sidi nicht
II, B. Die Ausbildung einer besonderen oer». NationautAt. 769
vom Schein blenden und bet»"ren lasst. so will er auch nicht mehr scheinen,
als er ist Kitelkeii und Prahlerei ist seinem ernsten und geschlossenen We-
sen fremd.
Der Gerraane liat weniger Temperament, weniger heissea Blut, weniger
heftige Leidenschaften und ist weniger reizbar. Wie er weniger sinnlich ist,
so crrt-ichl auch seine Liebe und sein Hass nicht die Kraft des Romanen
und Polen. Er ist nicht so unruhig, iinsuit und ahentcuerlirh wc der Kelte.
Er ISsst sich nicht leicht von anderen mit furtrcisscu, ist nitlu su Idcht durch
äussere Eindrücke entflammbar, folgt nicht augenbhcldichen Impulsen, Extase
ist ihm fremd. Er bleibt fest, ruhig und besonnen, langsam und bedächtig^
vor^üchtig und geduldig und erscheint seinen Nachbarn leicht phlegmatisch
und pedanii$ch, Sein Langmut muss schon auf eine harte Probe gestellt
werden, che bei ihm der Jahzum (furor teutonicusj ausbricht Den Germa-
nen kennzeichnet eine ruhige EntschEossenheit, ja eine bis zum Eigensinn
äch steigernde Hartnückigkeit, mit der er unbeirrt sein Ziel beharrlich ver-
folgt Mit seiner zielbewusstcn Energie ist sowohl Bescheidenheit wie Be-
ständigkeit und Ausdauer vereint, dazu Unersch rocken heit und nOchtemer
Verstand, ein scharfer Blick und ein klares Urteil Er liandell mit Obcr-
legung und bleibt standhaft. I«t er gleich nicht so rege und rührig wie sein
westlicher und südlicher Naclibar, su ist er doch widerstandsfüluger ', tQclitLger
und hat mehr Arbeitskraft als der Kclte, Rotnanc und Slawe.
1 wenn auch nicht gm^a Hiuc und Durst (Tac, Germ. 4).
Unter der rauhen Schale steckt ein echter Kern. Seine äussere Schwer-
fälligkeit ist gepaart mit einer ehrenfesten Biederkeit; nut Sinn für Recht und
Ordnung, Gesetzlichkeil und Ceieditigkeit, mit persönlicher Treue, persön-
licher Zuverlässigkeit und sittlichem Ernst; mit einer gewissen Langsamkeit,
Ungeschicklichkeit und Schwere ist eiu schlichte« und gerades, ein ehrlicJies
und charakterfestes imd durch und durch wahrhaftiges Wesen verbimden.
Schlaue Verschlagenheit ist ihm weniger eigen. Lüge ist seinem redlichen
Sinne stets vcrhasst gewesen. Leichtfertigkeit und Frivolität ist ihm fremd.
Sittlichkeit gehört zu den germanischen Tugenden.
Was ihm an Gewalt der Leidenschaft abgeht, ersetzt der Germane durch
grössere Tiefe der Empfindung, durch grCissere Innigkeit des Gemüts. Er
freut sich an der Natur und lebt mit ihr, wie es der Südländer nicht kennt
Mit seinem allzeit bewiesenen starken Wandertriebe vereint sich eine rüh-
rende Heimatsliebe. Im eigenen Heim fühlt er sich am wohlsten. Er hat
einen ausgeprägten Familiensinn. Die moderne Stellung der Frau beruht
auf germanisclier Anschauung.
Was ihm an leichter Regsamkeit und Bewegliclikcit des Geistes abgeht,
ersetzt der Germane gleichfalls durch grössere Tiefe. Er ist ein Idealist
Hat es gleich zu allen Zeiten unter den Germanen (besonders der Deutschen)
Träumer und Schwärmer gegeben, die für das praktische Leben keinen Simi
haben, der in sich gekehrte grüblerische germanische Geist hat seit andert-
halb Jahrtausenden die abendländische Welt befruchtet. Neben der Gcttissen-
haftigkeit und Gründlichkeit, neben dem Trieb nach Bildung kennzeichnet
den Germanen iiisbusundere die seiner persönlichen Selbstrindigkeil entspre-
che-nde SeJbst^lndigkeit seines Denkens, die sich eintir andern Denkungsart
auf die Dauer nicht unterordnet sondern sich gegen sie auflehnt. Die Ger-
manen sind das Volk des Indi%idualLsmus, wie es im Altertum die Griechen
g«wesen sind. Dem Wesen beider Völker widerspricht straffe staaüichc Zen-
tralisation. Politisch zeigt sich der Germaue daher ungeachtet seines zälien
konservativen Fcslhaltens an den überkommenen Einrichtungen — denn Neue-
Gcnnamscbc Philolosie. Ilt 2. And. 49
mngssucht ist ihm frtrmd — durchaus als Denjukrat, und sein Unabt
keitssinn und seine Frdheitslicbe drängen zur Dezentralisierung. Auf religif
Bern Gebiete sind es die gerwiauischen Vi^Iker gewesen, die die geistige Des-
potie Roms abgeschüttelt haben. Freiheil des Glaubens, Frdhcit der indi-
viduellen Überzeugung, Geistc^frciheit verlangt der Gcrmanc. Die Richtung
des gennaniachen Geistes ist im allj,'em einen eine mehr verstandesmässige.
Ks fehlt dem Germanen an Schünheitssinn, an Sinn für Arunut, Fumien und
hannurxisches Ebenmasa. Aber an [iildungstrieb, an Trieb nach Erkenntnis
kommt dcju Volk der Denker kein anderes gleich, und in den Wissenschaften.
haben sich die modernen Germanen als das erste Volk der Welt bewahrt
Anm. Über die Griinde, vt-icso die Germanen xu diefler Eigenori gekommen siod,
wissen wir gar nichts. Wenn an der SdiwernUligkcit und dem Hmsi der graue Himmel
sdiuld wän-, wnhnlb dann nadi nicht juilIi liei den Iren iiml Slawt-n? EIkt könnte mim
an dt'n Bc-rxif des Seemanns denkt-n. Feuchte Luft und erhöhirr Luftdruck bewirken eine
Henbülimmung der Funktionell des NcrvMayiteni». also ein ruhigeres Tcmpcrwnenl.
c. DIE Altesten Wohnsitze der germanex.
r. Stand der Frage.
§ 50. Die ältesten Wohnsitze der Germanen ta&sen sich allein mittels
historisclier Kombination sowie auf Grund von Gebirgs-, Fluss- und Orts-
namen bestimmen. Aufwärts haben wir dabei im Auge zu behalten, dass
die Germanen aus dem südwestlichen Teile Russlands eingewandert sind^
ihre Ursitzc daher nicht ostwilrts über die Poljesje-Sümpfe und über Gaü-
2ien hinaus gesuclu werden dürfen.
Anm. Den lUähUuirischen Fundc-n lassen sich keine cihnot.Taphiwhcn Argumente
enlncbmtrn — mit einer § 5** ^' '■" t*e«|'reth<!i!dei] AiiMialiine. Dnii neuesten Verbuch G,
KoÄStnaas, Zs. d. Vcr. f. Volkskunde 1896, S, i — 14 {vgl. auch IF. VII J"g), auf Grund
der Funde die ältesten Wohnsitzv der G'cnruuien zu bestimmen, stehe icb durchius aUeb-
nend (fc^^'nüber, Diima eine Kiillur^rfnxe nul einer etbiiof^tapbiKchcn znsammeuädleti kann,
liegt tviii nahe, Lot aber nur dann beweisbar, v-enn wir die ctbnograf'hiscben Grenzen keaneam
Soweit dies nicht der FiilL ii^t. knnn die prSbistorischc Archäologie nicht lehren, ob und
weit die einzelnen KulluTnonen n.iliouaie sinil. Mit einiger Walmchciulichkcit darf aller-
dings ein solcher Schluss gcw-agt wcnJen, wenn wir wisstn, dass ein grosser Abstand üi
der Civilisation zwischen zwei Xadibarvülkcrn bestanden hat, wie iwtschen Germaoen
Slawen, wii'wold luich dann eine I-inienfühniiiy tiii.tidier bleibt, wdangc sie jeder nrue Fn
Indern kaniu Aber von dieser Unsicherheit ganz ab}*cschcn, eine solche Linie kann ncr
bedingt ai» Nalionnlilälsgreuze bctra<:lUet werden, wenn wir nicht wissen oder vennutcil
kOnncn, wie weil etwa diis kulturell überlegirnc Viilk wiiie Hersthiift ülwr dits Nocbbai
ausgedehnt hat — ich erinnere an die Warmer m Russland, Dam l.omrat noch di« Ud*^
Sicherheit der Zeitbcstimnuing. Bei der Frage nach der Heinint der Germaoen bandelt ei
sich hauptsJkblich um die Grence gegen die Kelten. Obwnlil wir « isiK-n. das« die Kelten im
«llf^neinen auf einet b&bcren Ktdturstufc standen als die Germanen, so lebr«o dodi Cae-
sars Angaben, dass, lüinlldi wie bis auf die Gegenwart, der Übergang von der westUcben
KiUcur zur J^stlicbcn Barbarei ein allmUblichcr gewesen ist, derart dass die beitadibartcn kd-
tiscben und germ.nnisj^iien SlJLmnae in dieser Beziehung einander nfibcr standen als ibp-n weiter
entfernten Scammesgenusscn. Vgl. Caesar, £.Cr. I l : »Belgae . . a cullu et humanitate pn>-
vinciaelongissimeabsunt, minimequcadcos tticrtatores »aepc commcant atqae ea, quacadcßenii-
nandvsanimmpertinenl, iiii|iniliint, jir(iximi(iuc sunt Germaais«. II tg von den Ner\-ti: •nal-
lum aditum esse od eos mercBtoribui> ; nihil pati vini reltquaromque rerum ad luxuriam pertinen-
tium inferri, quo<l iis rebus rclangucscerc animos et letniiti vinutem cxistinurent ; esse bomi-
tm fcros« : V 42 von denselben: »nulLa rtTnitnentonini oopia«. VIII 2^ vnn den Troxrit
■quorum clvitas propter Germaolae vicinitalem coiidianis exeiutata bcUis cullu et frritale
Bon multum a Gcrmanis diffcrcbat*. IV j nach der Scbildcnuig der Wildheit der Sweben:
II. C. Die ältesten Wohnsitze der Germanen. 771
■Ubii . ■ ■ . . paitio qiiam HiuKlem generi« cetm «unt hum^ores, propiem quod Rbe*
ntun Aiiinguni mulmniquc ad cos mcicatorea vcnüunt et Ipsl propter propinquitatctn
GftUids sunc moribu<i adsucEacti«. Vgl, auch V 14 und die § 43 tilicttc Stelle itu VI 34.
Es bt nicht wahrKbeinlicli, äanf, diese Vcrblltnigke, die in spülerer Zerit ja fortduierteo,
in vorgesclüchüichcr Zeit andcic gewesen sind, mit andern Worten: dass es je eine
»rch3>olOigi.sche Otcnzc zwischen (jcrmanen und Kelten gcgchcn hat,
§ 31. Die ältesten historischen Nachrichten betreffen allein die Weat-
und Sodgrenze der Germanen, also ihre Grenze gegen die Kelten. Die Er-
mittelung dieser ältesten Grenze kommt also der der ältesten Wohnsitze der
Kelten auf deutschem Boden gleich. Schon zu Caesars Zeit begannen die
Germanen stellenweise sowohl den Nieder- wie den Oberrhein zu Über-
schreiten. Aber unsere Nachrichten lassen nocli erkennen, dass sie nicht
lange zuvor erst den Rhein erreicht haben. Alle diesbezüglichen Zeugnisse,
von Pythcas und Timaios abgesehen, beruhen auf Poseidönius, Caesar
oder TimagenCs.
2. Kelten in Saddeutscbland.
R, Mucb, PBB. XVII i — lo.
g 32. Am besten sind wir aber Suddeutschland unterrichtet Bevor
Ariovist seinen grofaen Heerzug cntemahra, reichten nach I'oseidönios
die Wohnsitze der Helvetii vom Oberrhein abwärts bis iu die unteren Main-
Gegenden: Tac, Gfrm. 28: >>intfr Herc}-niam silvam Rhenimique et Moenum
auines Helvetii, ulleriora Boji. Gallica utraque gcns, tenuere.« Dieses Gebiet
hatten die Helvetii aufgegeben: Ptol. II 11 § 6 kennt in der Gegend der
Donauquellen ein menschenleeres Land: j-^ rö)v 'EXovtjrUov iQtjfioi; fxixQ^
Anni. VkI- M. Duncker, Origimi Gcrmanüat 1, Habe Saxonuni 1839, S. 39—
41 ; R. Much. PBB. XVII 2 — :o. — Eine dvitas der Touloni am Limes Ui inschrifilich
durch einen bei MÜtenbrrK am Mniii gefundenen Grcnestriu em-iescn (vgl. Th. MommseR,
Korrbl. d. dt. Gesch.- u. AUcnhimisvereine XXVI (1878), S. 85 f.). Teutoni — so bei
StrabOn 1S3. 293 stau ToikvA'm eu lesen (vgl. Zeuss 147.225, Mucb 6 f.) — i»t aber
der Name eines helveriadien Gauvolkr^, Die verlrKlcende Gleichsetzung jener Toutoni \\\\K
diesen Teutoni (G. Kossinns, Westd. Zs. IX 313, so auch Mucb a. a. O.), wo-
nach die Helvetii Mainaufw&rts bi» zum Spcssarl geieicbt b&tten, dürfte hiMoriscb kaum
hailbAT sein; denn jene Iniurbrifl Kinniint natli Hübner uns di-ni Ende di-s I. Jahrhs.
bczw. der zweiten Hilftc dos 2. Jahihs. n. Chr., Dach McitzcD aus dem Ende des I.
Jahrbn. n. Chr.„ und die Helvetii haben ihre Sitze nOrdlich von der Schwcii schon iin l.
Jnbrh. r. Chr. aufgegeben, und die Lacdschafl Küdlicb des Mains war zu Caesar« Zeit ein«
mcnschtnlcerc Wüstenei {ÄC IV 3, vgl. auch VI 33), 1; «Si- 'Elovfjtitay /(Jij/iotf (Ptol.).
Da die Schreibung tnil ou für altes rti nu( Kelten deutet (§ 34 Note 1}, so wird die Niedcr-
lasstitig dieser Toutom «obl in historischen) Ziis»inniicnh,iiig mit der tjallisdiea Besiedlung
des Dckumalenlandcs stehen (Tac-, 6Vr»n. 29), und da könnten wir es freilich mit hel-
vetischen Toulfiiii aiM der Schweiz zu thun haben. Nlheres über die Toutoni des Millco-
berger Gieiizstein.* hci A. Mciizen, SitJelimg unJ Ag-rar>resen der IVesigermanen und
OitgtrmatKft I, Berlin I&95. S. 392—394. 403. 6aif, wüiclbsl auch weitere LitttTatur-
asgabcn; vgl. noch ebd. in 1895,, S. 170— 173. Nach Mcitzea Toutom = Juihungi.
— H, Möller, ZfdA. XXXVIII 32—27 kann ich nicht tÄisiiramen. Die Nachricht
des Tacitus bendit auf PoseidSnios. Es ist nicht anzunefamea, dass dieser über die
früheren Wohnsiue der HeEvctÜ mehr gcwosst hat, aJa dass sie oCrdlicb von der Schweiz
nnd <i»llich vom El^vis lag--n; wie weil we nach Norden und lösten reichten, hol er »chwer-
Ikb erfahren. Aus Tacitus darf man aii^h nicht mehr herauslesen; den M-iin hat er bin-
ngcAgt. um dem Leser eine ungefMue geographische Anschauung zu cmii'^lichcn. Dau
■bcr die Boji ausser in Böhmen noch am Main gewohnt hüben sollten, und zwar zu .Au^»gang
des 3, Jahrh«. v. Chr. — denn auf diese Zeit weisen die Xachnchten des Poseidönios
Un (S 33 tukd 60) — ÜHt sieb durch nichts bcwcben noch wahrscheinlich oucbcn.
49»
S 35- Östlicher sassen die Boji: »ulteriora Boji tenuere. Manet adhuc
Bojohaemi nomen signatquc loci vctcrcm mcmoriara quamvis mutatis cul-
toribus« (Tac, G^mt. 28). fiojohaemum ist die latini&iertc Form für germ.
Baihaim > deutsch Beheim = Bbhmtn; die markomannischen »cultöres« Böhmens
nannten sich nach dem Lande Baiwaryvz (für * Baihaimwatjüz) > Baiem.
Diese Sitze der Boji in Böhmen kannte Poseidönios noch von den Kimbem-
kriegen hci, und Slrabön VII 293 erzählt ihm nach: »ßo/ov« lov 'EqKvviOv
ÖQVftov obtftv TTOüTegov ' loüf de KiftßQov^ 6Q^i]oavza<; hil xov tonov
tovtoVy djTOxponoi^fiTac vjiö icD»' BoUov iM zov "laroov xai rovs ^xoq-
dioxavi I^aXfha^ xuTaßrjvaif eW ini Tev(}imag xai 'lavQtoxovs.*^
Das heulige Oberfranken war grösstenteils von Ur*'ald bedeckt. Ob am
mittkren Main die Boji und Hclvcüi aneinander geraten, ob hier ein anderer
keltischer Stamm {TovQfoj'ai bei Ptol.*) gesessen, iKler ob das Land unbe-
wohnt war, wisseir wie nicht. Südlich der oberen Donau sassen die Vindelici
und östlich, in den Ostalpen die Taurisd-Norici.
I £5 liegt nahe TcvTcrvoi zu vnbcsscni. vgl. § 32 Aam.
S 34. Wohl aber wissen wir, dass Kelten noch weiter östlich wohnten,
und zwar — von den Donaulan dachaftcn können Äir hier absehen — in
Mahren und an den Karpathcn. Über die Volcae s, unten, S. 778 f. Dea
Cotini im nordwcstliclien Ungarn, an der oberen Gran, bezeugt Tac., Gtrm.
43 »Gallica lingua«. Noch weiter üstlich waren sicher Kehen dieTeurisci, die
nach Ptol. III 8 in Nordungam wohnten, und die denselben Namen tragen
wie die Taurisci in Kärnten und Steiermark (kelt. eu ist in der Rümerzeit zu
ou geworden, auch att geschrieben*); vgl. zu den letzteren noch Strabön V"II
293 >TEVQ(atag xal TavQhxov^, xal jovrovg faXärag^f Unsicherer ist es,
ob die nordungarischeii iincl galizischen Anartcs, Carpi, Ombrones, Sabod
und Co(i)stoboci den Kelten oder den Daken- Thrakern zuzuteilen sind'.
* Vßl. Ceunus >■ Ccunus Cattnus. LeucHius > Lotuetiut^ Tatiattt >■ Toutatts,
Teutonei >■ Tontones und die Xamcn mit 7'eutc- >• Johtff-, Alcuttiu neben Atau-
nae. Boudus neben ßaudus. ßoudia neben Baudia. — ' Schon M. DuDcker,
Orients Gtrmankat I, Hnlue Soxonum 1S39. S. 63 bxt die Teurisci, TcuristAe
und Taurisci idenütiziert. Vgl. auch Zeuss 240 Anm. — * W. Tonmacbckt
Sitxg»tKT. d. philo».-hi»t. Cl. d. Wiener Ak. d. Wi»». CXXVUI (1893) 105—110.
§ 35. So viel steht durch obige Zeugnisse fest: im 2. Jahrb. v. Chr.
waren die Germanen auf das Land nördlich %-om Main, vom Erzgebirge,
Riesengebiigc und von den KarpaÜien beschränkt. Alles südlichere Land
war keltisch.
3. Kelten in Nordwestdcutschland.
R. Usingcr, Du Anfänge d^r deutschen GfichUhte,\\xsxa<Ktx\%t%y 5.193 — 341.
S 36. Nicht so ausgiebig sind unsere Quellen für N orddcutschland.
Dass die Germanen stellenweise erst zu Caesars Zeit den Niederrhein crrcicli-
ten, erzahlt Caesar, B.G.V^ y. ^quas regiones Menapü incolebant et ad
utramque ripam fluminis agros aedifida vitosque habebant; scd lantae multl-
tudinis aditu |>ertcrriti ex his acdificüs, quac trans flunien liabuerant, demigra-
verunt et eis Rhenmn dispositis praesidiis Germanos transire prohibebanL«
§ 37. Auf eine frühere Zeit zurück weist die uns durch Timagenfis {2tc
Hälfte des letzten Jahrhs. v. Chr.) überlieferte Tradition der Druiden: >fuissc
populi parteni indigenam, sed alios quoque ab Insulis extlniis confluxLs^c et
traclibus transrhcnanis, crebrilale bellorum cl aü!uvione fcrvidi maris sedibu»
suis expulsos« (Amm. Marc. XV 9, ^). Dass diese also von der deutschen
Noidseeküste kommenden Kelten Belgier waren, lehrt Caesar, B.G, 11 4:
von ihnen selbst erfuhr er, »plerosque Beigas esse ortos ab Germanis Rh<
U, C, 3- Kelten in Nordwestdeltschland.
773
numque antiquitus traductos proptcr loci fertilitatcm ibi consedisse Gallosquc
qui ea loca incolerent, cxpulisse.' Die zu Cüesan Zeilen erst südlich vua
der Seine und Marne beginnenden gallischen Hauptstflmme wnhnten also
damals nördlicher, vielleicht bU zum Niederrhein; Ostticher, in den Nieder-
landen und im nordwestlichen Deutschland, süssen die keitischen Belgier.
Speziell von der zu Caesars Zeit an der unteren Maas, vim den Ardcnnen bis
zur Scheidemündung und zum Rhein ansässigen belgischen Gruppe der Ger-
manen (oben S. 759) berichtet Tacitus, Gfrm. 2 t »qui primi Rhenum trans-
gressi GaiEos expulerini ac nunc Tungri tunc Germani vocati sint.«
Wenn die Mehrzahl der Belgier rechts des Rheins gcwuhnt hat, so muss
man ihnen hier, in Anbetracht der ausgedehnten Moi»re, ein grusseres Gebiet
zuweisen, als sie zu Caesars Zeilen inne hatten. Aber auch wenn der Wort-
laut 'plerosque Beigas« bei Caesar MelleicKt nicht so genau zu nehmen,
sondern — was bei Caesars scharfer Trennung von Belgae und Germani
nicht gerade wahrscheinlich — etwa nur die belgischen Germanen des
Tacitus gemeint sein sollten, unter denen wiederum bei Mininialschatzung
nur die Eburones Caesars verslanden werden könnten, dann müssen wir sie
uns, im Hinblick auf die Ausdehnung ihrer spateren Sitze an der Maas,
mindestens bis zur Ems ausgebreitet denken. Doch diese letztere Müglich-
kcit kann nicht zutreffend sein. Denn nach Amm. Marc, «'ohntcn diese
rechtsrheinischen Belgier an der Nordsee. Die belgisch-germanischen Eburonea
aber reichten zwar bis zur Scheldemünduug (Caesar, ß.G. IV 31. 33); jedoch
waren von der westlicheren Gruppe der Belgier die Menapü noch am unteren
Rhein sitzen geblieben; \-gl. die Karte zu S. 796. Folglich müssen es diese
westlicheren Belgier gewesen sein, die luich der pn'esterlichcn Tradition einst
in Holtand, Gelderland und etwa bis Friesland gesessen haben; die belgischen
Germanen aber sind nicht von Norden, sondern von Osten gekommen, sassen
also vordem etwü in Westfalen. Wir haben so al» die ösdichc belgische
MiniroaLgrenze die Ems gewonnen, werden aber kaum fehl gehen, wenn wir,
ztmial für Westfalen, uns die Belgier bis zur Weser wohnhaft denken.
ij 38. Über das Alter dieser hbtorischen Rcminiscenz lasst sich nur so
viel sagen, dass wir vnn Caesar ab aufwärts schwerlich mit \-iclen Jahrhunderten
zu rechnen haben. Das Beispiel der MenapÜ (§ 36) lehrt, dass dieses Zu-
rückweichen bezw. Vorwärtsdrängen der Belgier noch um die Mitte des i.
Jhs. v. Chr. nicht aufgehört hatte. Wir werden uns also die belgische
Wanderung als eine allmähliche vorzustellen haben. Immerhin waren die
Siedlungs Verhältnisse der Belgier zu Caesjits Zeiten dermassen konsolidiert,
dass die Hauptmasse nicht spüter als im 2. Jh. v. Chr. ihre rechtsrheinischen
Sitze verlassen haben kann; die Aduatud wurden von den Cimbri schon
an der Maas angetroffen. Für die Zeit, als die Belgier die Weser den
nachdrangenden Germanen abtraten, werden wir mit einem weiteren Spiclraiun
von hf'tchstcns zwei Jahrhunderten rechnen dürfen. Unser Ergebnis ist also,
dass er*a im dritten oder vierten Jahrlu v. Chr. die Germanen in Nord-
deutschland nicht weiter als bis zur Weser reichten.
Anm. ■■ Von Kclicn an der Nordsee erzttblt xhon im 4. Jabrii. v. Chr. Aristo*
tel8«, 'H^. Ntx. TU 10: »rfij A' &v Tif fiatr^^niK ^ äva7;^rof W ft*ibiv ipoßolto, ^»Jn
atto/iiv, fi^Te tÖ Mv/iaiit, Ma&dneQ ffaai tot*. AVirtwc« und ^HO. EvA, VI t >oJör ot
Kflxoi ncöi rä xvfutia SxXa daanöfoi XaßtivtK.' Da die Quelle dieiet Nacbricfai nicbt
frsUtehl, so IcAnne» wir nicht wissen, ob niil dit^sen Ktitol nicht- hellsehe t»icT Iwlgiscbe
Kelten oiler ob GermaneD gemeint sind. Di« Gcmuinen dürften äusgr^cfakisscn stio. wenn,
vraa ich nicht glaube, die Kunde von den itjiüachcn Kelten hcrnlhrt, welche die Giiecbea
ah Mielssoidiitcn des Siteren Dionysios t. J, 369 in Grieclienlaiid seilist kenm-n lernten;
cie sind sichei aiugeAdüossen, vreoo die Kachricbt aul Pylhcas zurückgebt, dessen Zeit
ich obcD (S- 741)1 H, Berger folgend, crams jünger angesetzt habe. Ähnlich unsiclier ist|
die NationaJiiac der Kellen des Ephoros bei Suabön VII 295; vgl, Müllenhoff,
I>.A. I 231. G. Zippcl, Di't JJeimat der Kimhtrn, Pmjrr-, Köoicsbcig 1893, S. S f .
ftihn den Bericht des AristotelSt auf Ephoros lurQck. und bezieht iho nuf die
Kimbern.
Acm. 3. Ein sicheres Zeugnis von Kelten an der Nordsee liefert das zweifeUos kcU,
tische "Wort morimarnsa -^^ motXwan marc (FÜnius, N.H. IV 94, vgl. MUlleoboff»'
D-A. I 4I2 — 415): kelt. mori »Meer«, marusa wahrscheinlich Piirt. Pcrf, Act. 211 ir. *na-
raim »bleibe, lebe«, vgl, auch ir. marb »tot-. Anders R. Much, PBB. XVII 319 — aar.
Anm. 3. Eine genauere iZeit- und Orubcsiimniung der kelttsch/gemuiuBcbrn Grtnxe
■n der Nurdsee Itsst sich aus dem ßt-ritht des Pytbeas (S. 741) für die zweite HUfte des
4. Jitbihs. V, Chr. entnehmen. Um dies au&zufuhren, u*Ürde es einer eingehenden Unler-
cuchung bcdtirfcD, die anzustellen hier nicht der Ort ist. Ich darf aber hier weni^ieiis
das Er^ebni» meiner noch nicht veiOSentltditcn Untersuchung mittdlea: die Belgier reichten
im Westen noch nicht bis zur RbcinmUndting, die nivch von dvn nicht-belgischen Galliern
besetzt war; sie wohnten etwa zwischen Zuidei-Scc uiid Elbe; erst in Schlesw^;- Holstein
ketint Fjrtheas Gerraancn.
Anm. 4. Nach A, Meitzen. Sirdflung un4 Agrarwcfen der Wntgtrmancn und
Ostgermaturn 11, Berlin 1895, S. 91— 9; und 653 f. (vgl, dazu III, Berlin 1895. S. 2S0
— 318) stimmt das keltische Haus -mit dem noch heut In Westfalen und FriesUnd üb-
lichen Haiise ftbemiM:heiid aberein, wAlirend es von dem Hause Miltcldcatscblands, wel-
ches in Grabumcn nncb^bildet gefunden ist, und ebenso von dem skandinavischen Hause
TOUig abweicht'. >I^ie Sicdelung der Einzelhöfe in Westfalen, Belgien und Frankreidi
setzt aber nicht allein we^-n der lliis»eTen Ocslall von Flur und Haus deoseibcn Ursprung
wie in Irland voraus, sie fordtrrt auch eine der irischen entsprechende politische Ver-
fassuog, und wUrdc unter den poUtischea Zustinden der Gemianea nicht haben entstehen
können.' Cass die vonlringenden Germanni die keltischen Häuser bewohnt babco, lehrt
Caesar, B.G. IV 4, wo es bei&st, dass die Usipeles und Tenderi die Menapü niederge-
worfen »alqnc omnibas coram aediücüs occupatis relii^iiam pactcm bietnis se eottim coptis
aluerunti, Xndi der dem Alias zu Bd. HI heigegebetien Übenüchtskarte — vgl, unten
die Karte zu S, 79b — erstrecken sich die keltischen Einzelhöfe vom Niederrhcio bis
über Westfalen und lur unteren Weser, fehlen aber Östlich der ^\"cscr, in Mittel- und
in SüddeuLwhland. Kdr dieses nordwesIdeutK'be KeltenLiud kr>nnle »ur an Beider
gedacht werden. Ich verhalte mich einer Idenlifiäerui^ der gegenwärtigen Grenzen der
Siedelungs- und Hausformen mit alten Völker- und Stammcsgrenien gegenüber allerdiog;i
skeptisch. So wenig ich her.wcifle, das» die Germanen d,is keltische Hau» enüi-hnt haben.
Bebe ich doch nicht ein, wie man aus der gegenwärtigen Verbreitung einet entlehnt«^
Ktilcurcinrichtung auf die tinpr<kDgUcben MationalitAtsgrenzea scblicsien kann.
4. Kelten an t]cr Weser und Elbe und in ThOritigen.
§ 39. Wir fnigen, ob sich für eine frflhere Zeit die Kelten noch weiter
Cstlich nachweisen oder wahrscheinlich maclicu lassen. Es bleibt K. MqI-
Icrhoffs Verdien.1t, keltische Orts- und besonders Flussnamcn noch
bis über die Weser hinaus nachgevviesen zu haben ' — die keltisclien Ort««^
namen bei Ptolemaios sind anders zu beurteilen. Für den Gang unserer^
Untersuchung können wir von den westlicheren und südlicheren keltischen
Namen wie Rhein, Main u. s. w. al>.4cheu. Uns interessiert hier niu^ die Öst-
liche Verbreitung solcher Namen. F-s kommen für Nordwcatdeutschland
hauptsächlich die massenhaften Flussnamen auf ndd. -apn >■ 'tpe > -Jtf, hd.
•nffa > -fß oder -// in Betracht, welche Müllenhoff auf kdl. aba. Verf.
und Kossinna auf kelt. upä > idg. «jrt (j= lat. atjna) zurückgeführt hat^j
Die östlichsten dieser Flussnamen, nutli rechts der Weser sind nach Mül'
lenhoff die ]^'orpe {<. ' Wi'rapd), \#elche nordif^stlich von Bremen in
Wümme mündet, die Wölpe {< Wilippa 1151) und Atpe {<cA/apa um 1050)
linke Zuflüsse der unteren Aller, die Kasixiii (?), ein Unker, und die Du^
11, C, 4. Kelten an dsr "Weser und Elbe vxd ts Thüringen. 775
ein rechter Zufluss der I-cine, dazu nördlich von Hannover, Östlich von Ha-
meln, nordwestlich von Göttingcn noch die Ortsaamcn Maspr, Dörpe und
ScAiarpe; keltisch sind in difsem Gebiet nach Mflllenhoff femer noch die
Namen der Wümme «. Wmtfna II 39), die unterhalb Bremens in die Weser
mündet, und der l^ine. Auf hochdeutschem Sprachboden sind die ^»stlich-
sten Flussnamen auf -fe: WaJ/e (rechter Zufluss der unteren Wenra) — dazu
noch die l'i/e (linker Zufluss der unteren Wem») — xaxA Her^ {<iHeri[p]fa
788. 874, linker Zufluss der Werra unterhalb Meiningens). Demnach hat,
wenn Mftllenhoff diese Flussnamen richtig gedeutet hat, die Ostgrenze der
Kelten einst bis zur LQncburgcr Heide und weiter bis zu einer Unie Hil-
desheim-Gottingen-Eisenach-Thüringer Wald gereicht.
Müllenhoff wagte nicht weiter zu gehen. Sicherlich kettiarh ist aber
in Thüringen noch der Ortsname Eisenach (<: mhd. limachf =■ Isinacha 826
im Tricrschcn < >* fsertäcum) und -höciisl verdächtig« Trtbra « Tribun) an
der Um und Unstrut, und wenn die Leine einen keltischen Namtin tragt, so
wird das Gleiche auch für die Leimt bei Gotha anzunehmen sein. Sicher
keltischen Ursprungs ist noch der Name der Finne « ke!t. penna Kopf),
des Höhenzuges südlich der unteren Unstmt Hiemach wäre auch Thürin-
gen westlich der Saale altkeltischer Boden, näheres § 42 imd 43 Anm. Ich
bin geneigt auch in Niederdeubichland noch weiter ostwärts zu gehen als
Müllenhoff und Namen wie Wipper (linker Zufluss der Unstrut und der
unteren Saale) und Ist (<; Isuisa 803, rechter Zufluss der Aller) als keltisch
in Anspruch zu nehmen.
I Detuschf AlUrlNttukumie II, BetUn |8S;, S. 309—236. Vgl. dazu R.
Henning. Wcscd. Zs. VIII 1 — 51J Ausserdem ßlr Heuen W. Arnold, An-
sUdetungtn und Wanderun^n dtutscherStiimmt. sumetst nach kessisrhen OrU'
namen, Marburg 1875, S. 43 — 60; im den FltiMTiBmpn Huf-fT/d auch S. 93 — 10*;
J. Glück. KlrckeiM-ns Jbli. 1866. S. 600 f.; J. H. G«]l<-r {S'omtna geogrnphua
Mttrlandica, LHileii 1893), Tijdschr. van lirt k, XwJirlandki.Ii aanir. gi-ii. 1893,
S, 52I; H, Jellingiiaus, Du vtni/dlischrn Ortsnamrn, Kii;l um] I^^iji/.ig 189O,
S. 146 f. Der kelüsche tTrs|inii»j; dieser FluMn.tmen wlni gegen die herschende
Meinung ohne aiisr(.-icheodcn Grund bestritten vna Arnold S. 105, Gallie und
JelHugbaus a. a. O. Cber die Unmi'iglLchkeit keliüchcr Herkunft aus gcKhicht-
lichen GnindtD a. unten g 69,
§ 40. Ein Blick auf die Karte lehrt, dass mit der der Forschung erreich-
baren Ostgrenze Lüneburger Heidc-Harz-Sa;de, die sich fast mit der nach-
maligen deutsch/slaMischen Grenze deckt, die ursprüngliche Ostgrenze der
Ketten nicht erreicht ist, wenn diese seit Alters in ßi^hmen sassen. Die
westliche Ausbreitung der Kelten kann nur von Österreich- Bfthmen oder von
Schlesien aus erfolgt sein. Im ersteren Falle kftnnen sie ihre Sitze in Thü-
ringen und überhaupt «östlich der Weser nur eingenommen haben, indem sie
von Böhmen aus clbabwärts zogen; in letzterem Falle, indem sie über die
Lausitz die Elbe erreichten. In beiden Fallen muss die zwischen Elbe und
Saale gelegene Landscliaft einst keltisches Gebiet gewesen sein. Die ältesten
Sitze der Germanen haben w-ir demnach fistlich der Elbe zu suchen. Weiter
als über dieses Ergebnis hinaus kömicn wir nicht mit Siclierheit kommen.
Keltische Namen, die wir auf später slawischem Boden finden, wie z. B. der
des Rhins, eines Nebenflusse» der Havel, können zwar möglicherweise bis
in eine Keltenzeit zurückreichen; mindestens mit gleicher Wahrscheinlichkeit
aber können sie von den deutschen Kolonisten aus ihrer wesdichen Heimat
mitgebracht wurden sein. Wir sind also auf die wenigen aus dem Altertum
Oberlieferten Namen angettiesen. Die Namen der Elbe {Älbis) und Saale
(Äj/flj) sind wahrscheinlich keltisch; schon das maskuline Geschlecht legi es
nahe; vgl. ferner die franzosische Äub< < Albis (Cosra. Rav.), die Elbe als
Zufluss der Latin und der Eder (neben Ems und Rm); die fränkische Saale,
die Saale aU Zufluss des Regens, der Salzach u. s. w. auf altem keltischem
Boden'. Kür die Oder ist bei Ptol. der Name Ot*iaÄf>i>a * Qberliefert, der
mit dem irischen Flusse Ovidova " identisch zu sein scheint. So Ücgl es nahe
auch für die Weichsel {i'istuia), in deren Quellgebict die Germanen jedenfalls
noch Kelten vi.irfaiiden (S. 780). keltisclicn Urspmng zu vermuten. — Za
Tß^ova Hamburg = kymr. Treva vgl, zuletzt R. Much ZfdA. XLI 123.
1 Maileiiholf, V.A. II 213 r. — Die »kadinawisclurn FlOsse Namens El/r
sind w.ihrscbciiilicb nub dem Vorbild di'T deutschen £lbc bcnaant, ebcnwi wie c. B.
ilcr märkische Khin von den rhrinischcn Knlonistcn nach dem Strom drs Matter-
land« benannt sein wird, — * MulU-nboff, D.A. II 209. — ■ Ch. W, Glück,
ZW* bei C.J. Caesar vorkömmenden keltisehen Namen. München 1857, S. 1 16 Anm.
§ 41. Die Lai^dschaft zwischen Weser und Elbe habeu die Kelten jeden-
falls früher aufgegeben als die westlicheren Striche, als«;» allerspätestens um
300 V. Clir,, vielleicht um mehrere Jahrhunderte früher '. AHein für die
Werra-Landschaft wäre auch ein spaterer Termin denkbar. Hingegen das
nordöstliche Thüringen muss noch früher germanisch geworden sein, als die
übrige Landschaft östlich der Weser. Denn während alle sonstigen kel-
tischen Namen nach Vollendung der genn. Lautverschiebung aurgenotnmea
wurden, zeigt der Name der Fimie die Verschiebung von p t\x f. Das Be-
treten Thüringens und damit die Lautverschiebung der idg. Tenues kann
demnach nicht später als in das 4. Jh. v. Chr. gesetzt werden, womit natflr-
lich nur der terminus ad quem gegeben ist Aber wir dQrfen andrerseits
annehmen, da.ss die Germanen schwerlich um viele Jahrhunderte früher Über
die mittlere Elbe vorgedrungen sind. Denn die vor der Vollendung der
Lautverschiebung geschehene Besetzung des nordöstlichen Thüringens steht
offenbar im lüsturisthcn Zusammenhang mit der Bedtzergrcifung der west-
lichen Teile Thüringens, welche nach Auswei.s der Ortsnamen nad» Vollen-
dimg der Lautverschiebung geschehen ist; keine natürliche Grenze hemmte
das Vordringen der Germanen über die Unslrut. Wenn der Terminus ad
quem für das Betreten Thüringens und somit für die Laut%'erschiebung das
4- Jb. ist, so werden wir den Terminus a quo kaum über das Jahr 500 zurück
ansetzen dürfen. Frühstcns im 5. Jh., spätestens im 4. Jh. sind also die
Germanen bis zur unteren Unstrut vorgedrungen.
I nadi 9 38 Anm. : und '} TrUhstcn« um 320. Hiernach wSrcn also die Ger-
manen cegen .«Vusgang de« 4. Jakrh.«. Über die untere Elbe voii^crllckt. so da«s die
aSi beginnenden (lalater/üge möglicbcrwrcise damit in hutoritcbem Zutammealuqg
stehen kannten.
5. Kelten in Ostdeutschland.
§ 42. Ob die Kelten je einmal noch östlich der Elbe gesessen haben
— auch weim sie über Schlesien gekommen sind, brauchen sie sich ja nicht
in dem rechlselbischen Lande niedergelassen zu haben — wird sich mit
Sicherheit kaum ft:ststcllen lassen; doch vgl. zum Namen der Oder § 4a
Wohl aber lässt es sich wahrscheinlich machen, dass mit den Sudeten (§ 34)*
nicht die älteste germanisch /keltische Grenze erreicht ist. Ja es bedarf zunächst
noch des Nachweises, daas die Kelten überhaupt seit Alters bis nach Nord-
ungam hinein gesessen und nicht etwa erst in späterer Zeit — vgl. die Ga-
laterzügc — von Westen aus lueriicr vorgedrungen sind.
Für die Ent-srheidung dieser Frage muss von dem sagenhaften Sc^vc
Zuge ganz abgesehen werden. Die Tradition bewahrte in Gallien die
nerung an die früheren keltischen Sitze in Deutschland (vgl. für die
Ilf C, 5. KSLTEN IK OSTDEUTSCHLA>*D.
777
§ 37, Helvetii § 32, Boji § 33, Volrae g 43). Dieser Thatsache gegenüber
ist es eine Hypothese, wenn Caesar, dem sich Tacitus anschliesst ß. G.
VI 24 die Erkläning giebt; >fuil antea tcmpus, cum Gennanos Galli virtme
superarent, ultro bella inferrent, propter horainura mulütudinem agrique ino-
piaiu Irans Rhcnum culoiiias mittcrent« Tacitus sagt das nicht so be-
stimmt; er sagt nur aeoqiie credibile est« {Germ. 28) und deckt sich durch
Caesars Aut'jritat, den er sonst iiidil zitiert, hielt es also gerade hier für
besonders n»^tig. Unsere Sache ist. zu prüfen, ob diese Erklärung richtig ist.
Zunächst ist zu sagen, dass es sich nicht um eine Vermutung Caesars son-
dern um eine keltische Sage handelt, der Caesar folgt Das beweist Livius
V 34: ■Prisco Tarquinio Romae regnaiite Ambigatus , quod . . .
Gallia adcn frugum hominumque fertilis fuit, ut abundans multitudo vix re^
videretur posse, .... iam esonerare praegravante turba regnum cupicns.
Betlovesum ac Segovesum, sorons filios, inpigros iuvcnc!>, missurum sc esse
in quas dii dedis&ent auguriis sedes ostendit: quantum ipsi vellent numerum
hominum excirenl, ne qua gens arcere advcnlentes [>i5sset Tum Segoveso
sortibus dati Herc_\Tiei saltus; Belloveso haut pauIo laetir>rem in Italiam \iam
dii dabant.« Diese Nachricht geht auf Poseidönios zurück, wahrend die
abweichende bei Plutarchos von Tiraaios herrührt. Schon die Datierung
des itatisclicn Zuges zur Zeit des Tarquinlus Priscus 6r6 — 578 lehrt das
Sagenhafte dieser Überlieferung ' ; denn die Kelten sind erst zu Anfang des
4. Jhs. nach Italien gekommen*. Durchaus sagenhaft ist die Körabinienmg
dieses historischen Zuges mit dem nacli Süddeulscliland. Man wussle in
Gallien von früheren Sitzen in Deutschland und weil die italischen Kelten
aus Gallien gekommen, so leitete man gleichzeitig auch die süddeutschen
Kelten aus dem vermeintlichen Stammsitz in Gallien her. Ob mit dem Sego-
vesus-Zuge übrigens Süddcutschtand gemeint ist, ist zweifelhaft; wahrschein-
licher ist neben Mahren an llh-rien und Fannonien zu denken (Ju.stinus
XXIV 4 aus gallischer Quelle), als den Ausgangspunkt der späteren Galater-
züge. Wir haben allen Grund die historische Glaubwürdigkeit dieser Sage
zu bezweifeln. Wir wissen, dass früher nur das nördliche Frankreich keltisch
war. Weim wirVolcae in Südfrankreirh und am herkvnischen Walde finden,
letztere seit der Zeit vor der germ. Lautverschiebung {§20 Anm.) ein mäch-
tiges Volk in der Nachbarschaft der Germanen, su werden wir die wolkischen
Stammsitze nicht in Südf rankreich, sondern in Süddeutsch land suchen, so gut
wie die durch Caesar im mittleren Fniukreich angesiedelten Boji nachweislich
aus Süddeutschland gekommen sind. Zudem be.stand ja neben der Sego-
vesus-Sage noch die geschichtliche Erinnerung, dass die Belgae aus Deutschland
in ihre linksrheinischen Sitze eingerückt sind (§ 37). Kein Zweifel, die rechts-
rheinischen Wohnsitze sind älter als die linksrheinischen, nicht umgekehrt
M. Diinckvr, Ori^ines G^rmuHtcar f. Halar Sasonum 1839. — L, Conizea.
Dir IJ'aruUrungrn >Jer KeUrn, Ldpzin 18O1. S. 63 f.. 98 — IO5. — Muilenboff.
D.A. 11 2^0 — alJ9, ;7(i^a79. — O. Hirscbfeld, SiUgsbw. d. Berl, Akad. d.
Wim- XIX (181)4] 331 — 347- — A. BertranJ et S. Rrinacb, /<y C^lttt dam
Us vall^i du Pt et Jti Danube, Paris 1894.
1 Vgl. auch Plinius, ;V. //. XIl 5. — ' Dipsl- Dutierung rühn von Xiebuhr
her imd wird seitdem aJlgnnrin angvrii^ramcn, Dk- Datierung des LiviuR haben
verteidigt M. Dunckcr, Orignui Germ, uod J. E. Woct^l, Vebtr d«n Ztig dtr
Keifen nach Italien und tum hercy-niKhrn IValiif, Prag 18Ö5.
Nun wäre es gleichwohl denkbar, dass die süddeutschen Kelten sich wdlet
nach Osten ausgebreitet hätten — historisch bekannt ist ja ihre Ausdehnung
nach der Balkan- Halbinsel — : die nordungarisdien Kelten haben zweifellos
seit Alters im Lande gesessen. Die germanischen Quadi, welche hierher
vordrangen, haben die Cotini unteTTvorfen, die nach Tacituf! {Germ. 43)
»ferrum effodiunt«. Norh weiter östlich, im nordung arisch eji Berglande wohnten
die Teunsci. Es ist eine durch zahllose Beispiele zu belegende Thatsachc,
dass siegreich vordringende Stamme sich in den fruditbaTsien Gegenden, in
der Ebene niederlassen, und dass die Gebirgsgegenden erst besiedelt worden
sind, nachdem in der Ebene kein Raum mehr war. In das Gebirge zurück-
gedrängt finden wir daher überall Reste von Stammen, welche einst die Ebene
behcrscht hatten. An rafxieme Bedingungen wie die, unter denen die deutschen
Bergleute in dieSudeten und K;jrpathcn genifcn wurden, kann ja ganz und gar
nicht gediiclil werden. Ich lialle demnach diese nordungarischen Sitze für uralt.
§ 43. Dasjenige kellische V^olk aber, welches hier im Osten einst das
herschende gewesen ist, sind die Volcae. Caesar falut an der oben an-
geführten Stelle B. O. VI 24 fort: »Itaque ea, quac fcrtilissima Germamae
sunt loca cirmm Hercvniani silvani, Volcae Teclosages occupavenmt
atque Ibi consederunt; quae gens ad hoc tempus his sedibus sese continct
summamque habet iuütitiae et bellirae laudis opinionem. Es war aUo von
den Volcae Tectosages, die wir sonst in Languedoc kenneu, ein Rest in dem
mittlerweile germanisch gewordenen Lande zurückgebheben, der zu Caesars
Zeit offenbar im Begriff war germanisiert zu werden; denn spater hören wir
von diesen Vulcac nichts mehr, wahrend Tacitus {Germ, 4.^} dodi noch in
ihrer Nachbar5;chaft die Cotini nennt und deren *Gallica hngua« bezeug!. Wo
wir ihre Sitze zu suchen haben, ist nicht sicher. Denn der gewallige herky-
nischc Urwald erstreckt sich nach Caesar (B. G. VI 25) vom Scliwarzwald
bis zu den Karpathcn mit einer nicht bestimmbaren Ausdehnung nach Norden
hin (nach Plinius, X.If. XVI 6 sogar bis an die Nordsee). Hatte Caesar
(trotz ß. G. IV 5) das bayrische Franken gemeint, so ^K-ürde Tacitus {Germ.
28) schwerlich nach den süd westdeutschen Helveüi die Koji als das östlichere
Volk genannt haben (§ 32). Es bleibt sonach fQr die Volcae nur entweder
Thüringen oder Mahren oder gar Lausitz- Schlesien-Galizien übrig — Nord-
ungarn kann kaum in Betracht kommen, weil dies nicht als »fertilissiraa Ger-
maniae loca drcum Hercvniani silvam- hatte bezeichnet werden können, und
weil Caesar gleich cbirauf sagt, die Herci'nia silva erstrecke sich »ad fines
Dacorum et Anartiuni«. Für Thüringen würde zeitlich sprechen, dass i&c
Germanen die Volcae noch vor der Lautvetschicbiuig kennen gelernt haben,
also Wo/k' '> Walh ■:==■ penn-> Finne. Aber ich halte es für wahrscheinlich,
dass in Thüringen ein ajidcrer keliisclier Stamm gewohnt hat: die Tcurones-
Turones, was fteilicli nicht ausschUessen würde, dass diese politisch zu einem
wolkischen Reiche gehört hatten.
Anm. Der Name der Tliürirgcr, gmn. Purinjü^. »t iil>geleit« von dem Stamme
Pur-, d<n wir, mit grammn tisch cni Wechsel, in dem NomcD der Kcrmua-duri wieder-
Anden sowie, mit Ablaxil, in dem von Piol. Überliefcnen Namen der Jn^Mo/afMai, der auf
den gcrm. Landcsnamen Ik-uriaftnima zunJckwcbt. Einer analogen, mil hntm gebildeten Namta
kennen wir für Bflhmen <^ Paja-kaim: Brtinhiiemiun hei Velleius und Tacitus BatvoiaSuat
und linX/iat b<ri Piolemairia. Die .\naloRie der kelttschen Btiji (vgl § 33) legi es nahe, auf
ein kelÜKhcs Volk * Tfurcnes zti schliefen ', Kin solches Volk krmien wir duq an der Loire
bei Tours und zwar als Turones, deren u mit eu im Ahlaul ^lebl ; vgl, auch Teuriid in Nonl-
ungam (§ 34). Daüa die sUdwentUch der Seine wohnenden Kelten früher bis nach Belgien hinein
ßrsessen hitben, Mf^-n Caesar und Tacitus [§ 37, nach § 3a Anm. 3 bU über den Rhein
hinaus]. In Anlielcnchl deuen, Anss die Heimat der Indogernianen weiter t>sl]icfa au uahen
ist. müssen sie cinat aiu dem rechtsrheinischen Lande gekommen sein, Oicm Turona
nun sind die SOdnachbarB der Cenomani; ristlicb %-on ihnen wohnten die Senonea, Insubres
und LinKon«s bU Lothringen. Von diesen vier Stämmen — iowic von den Boji — bt neben
kleineren Bruchteilen der tumeitt tddlidieren Biiuriges, Arvcmi, Acdtd, Arobarri. Cnnutci.
Aulcrci CID Teil xu Anfang des 4. jAhrbü. v. Chr. [oben S. 777) nach Italien gezogen, wo wir
Bcitdem die^ VoEk»mi[ri:n antnrffen, Da diese nordiuJischeti Kellen iwar in de* Lom-
h»rdei, richl nln-r in Picmont und V«ieticn sit/m, und da mich die Boji vnm XprdwMU-n
AUS vorgciIningcQ sind {MüUcnboff, D.A. H 3^3 f., 256). so kann die Richtung, wober
äc gekommen, kaum «weirelbafi sein: uua der Scbwei^', und da bier ibrc frOliercn Woho-
titze niUit ^««ndil wtrden k^'^nnen. ho liegt e« am n&chAteii, iin« jene vier SUmme tun
400 V. Chr. innerhalb des Stromgebietes des Rheins ccwa am mlitteren Rhein ansässig ru
denken und die Boji Ostlich von ibnen. Vgl. Appiaaos, Cfit. a: t'Avicxaxat ^otga
KtXrmv rtÜv &fiifi rar 'Pijvov ixarfj statu C^njof he^im y^ . . Hoi Ktovoifotf . , faoitfiavv*»
Wahncbcinlich -n-aren schon in diesen MpotfaetiscfaeD BUercD Sitzen die Tarones die N'adi-
barn der Cenomani tmd Scnones, und biennit würde deren Ansct/ung zu beiden Seitca
des Thoringer- und Franken Wal des im Einklang sieben. Wenn die Gleich seuiing von kelc.
Turones und gern). Purm^öt richtig ist, so müssten die Germanen das keltische Volk vor'
dem Eintritt der Laurrcr^iebtuig kennen gelernt babcn^ und demnach m&ssten die Turonetl
einst etwa an der Snalc gosess^n bähen (§41), Auf einstige noch nsllichere Sltie scheint
ihre Namensidentitilt mit lien tuniiinganscben Teurltci (§ 34) hinzuweisen. — Die Thv-
f^vat am Main bei Ptolcmatos mOcfatc ich fem halten, vgl, § 33 Xolc.
» Zcuss 103 Antn. — R. Much, PBBeitr. X\^I 65. — H. Hirt.eb.). XVTH
jtS. — II. Möller, AfdA. XXn t43 Anra. und 153, — S Vgl. Plinius, A'. /f.
Xn 5 : ein helvetischer Werkmeister M)1I sie veranlasst haben, nach Italien zu lücfaen,
g 44. Dem Umstände, dass dit Volcae Tectosagcs m\ dem kleinasiatischen
Zuge der Galater beteiligt waren, lasst sich nichts Näheres für ihre Sitze um
300 V. Chr. entnehmen, es sei denn, dass sie damals Nachbarn der b-:5hmi-
schen Boji gewesen, weil wir Tolisto-boji neben den Tectosages in GalaticQ
wiederfinden. Auf alle Falle aber müssen die Volcae früher ein grtwses Ge-
biet beherscht haben, als die Germanen sie kennen lernten. Denn nach
diesen Volcae haben die Germanen alle Kelten und nachmals alle Romanen
Walchcn > Wälsche (ae. Wealas) genannt. Die Volcae sind dasjenige kel-
tische Volk gewesen, welclics zuerst in den Gesichtskreis der Germanen trat.
Als die letzteren an der unteren Elbe auf die Belgae stiesscn, kannten sie
die Kelten bereits unter dem Namen der Volcae. Hiemach ist Thüringen
und weiter etwa die mittlere Eiblandschaft schwtrrlich tue Heimat der Volcae
gewesen. Denn es ist wenig glaubhaft, zumal hei den archäologisch belegten
Handelsbeziehungen von Böhmen nach dem Norden, dass die von der Weichsel
und Oder kommenden Elbgcrmanen nicht vorher schon von den Kelten süd-
lich der Sudetcci gehört haben sollten. Vielmehr spricht alle Wahrschein-
lichkeit dafür, dass die Volcae der östlichste Hauptstamm der Kelten gewe-
sen sind. Es mag nun sehr wohl sein, dass unr die herk}iiischcn Volcae Cae-
sars in Mähren, unti da.ss wir einen weiteren Rest In den Hemmiates an der
Donau kniebeuge am Bakonyer Wald zu suchen haben: für die Zeil, als die
Germanen zum ersten Mal Kelten unter dem Namen Volcae kennen lernten,
muss entweder ihr Gebiet grösser als Mähren gewesen sein, damals geh^irten
zu ihnen ja noch die nacli Südfrankreich ausgewanderten Volcae, oder, was
für unsere Untersuchung auf dasselbe hinauslauft, sie müssen ein grösseres
Reich gegründet haben. Es wäre nun zwar denkbar, dass die Volcae in den
Landen südlich der Sudeten geherscht hatten und hier den Germanen früher
bckatmt geworden wören als die Elbkelten; es wäre auch denkbar, dass ein
grosses wolkischcs Reich sich bis an die mittlere Elbe erstreckt hatte, so dass
die Germanen hier zueist den politischen Namen der Volcae kennen gelernt
hatten. Aber ungleich grössere Wahrscheinlichkeit darf die Hypothese bean-
spruchen, dass die Germanen die Volcae nördlich von den Sudelen kennen
gelernt haben, dass ihre frühere Herscliaft sich etwa über Schlesien-Galizicn
erstreckt hat — vorausgesetzt, dass wir hier kellische Spuren fintlen.
Müllenboff, D.A. U 276-281. — R. Mnch. PBB. XVfl to-14.
78o
XV. Ethnographie der germanischen St&mue.
6. Kelten an der oberen Weichsel und Östlicher.
§ 45- Die Spuren von Kelten nördlich derSudctcn-Kaqiathen sind aimser-
ordentlich unsicher. Es lasst sich schwerlich erweisen, ob in dem Namen
der Saboci und Coistoboci dasselbe keltische -hok- steckt wie angebÜch in
dem Namen der Triboci. ob der Name der Ombrones, der Britolagae, der
Carpi und der Kariiatlien keltisch ist, bezw. wie weit die ganzen anartischcn
Stumme den Kelten oder den Daken zuzuteilen sind '. Mehr Licht gewahren
die Verhülüiissc bei den Basternen. Schun der Name erlaubt einen Scliluss.
Die Namensformen liasl^mae und liastamae sind beide sicher überliefert,
und zwar ist die mit a die altere. Einen Wechsel von er und ar finden wir
aber nirgends im Germanischen*; wohl aber ist er im Kellischen ganz ge-
wühnhdi: vgl, z. B. \4gxtV(a (Aristoteles): Hercyttia (Caesar und alle
folgenden), Garmani : fV^Twön/' (oben S. 739), xaQVov (Hßsvchios): Cemuttnos
(inschriftl,), maiara maiaris (Caesar, Livius, Strabön); maicra maUris ^No-
nius, Cicero), Vclaranehae {in&vVidiXX.): Vataranehae {ms*:hr^tX.), Aravisri (Ta-
citus): Eravisci (Plinius). Man darf daher bei dem Namen liaslarnae an
keltische Lautgebung denken. Wie aber kann lüer im Osten an keltische
Vermittlung gedacht werden, wenn nicht tn bastemischer Nachbarschaft kel-
tisch gesprochen wurde? Die germanische Nationalität des Volkes darf —
trotz Livius 40, 5;: sie konnten sich mit den keltischen Scordini verstän-
digen, >nec enim aut Üngua aut moribus aequales abhorrere« — als gesichert
gelten, nach Pltnlus, NM. IV 14 und Tac, Gtrm. 46 »sermouc, cultu, scde
ac domiciliis ut Germani agunt». Wohl aber wflre es möglich, dass unter
ihnen noch Kelten im Lande wohnten. Die älteste griechische Namensform
ist >(cnidc die keltische mit ar (für germ. er). Vom schwarzen Jlccr her ist
der Name den Griechen liekannt geworden. Sic werden geradezu als l'aXaiat
berechnet, und Plularchos nennt sie »ralaiatjov Kilttxov j'^voi'C ^xitf«.
Doch ist hierauf nicht? zu geben, weil unter /oÄärat auch sonst Germanen
mit verstanden werden; Plutarchos nennt sie auch KeUoskvthen. Ich
halte es für wahrsdieinlicli, dass die Basternen keltische Reste in sich auf-
genommen hatten, als sie da.s Schwarze Meer erreichten*.
' R. Mucb, PBB. X\T3 14 — 17, — ' Ich sehe hiwlK-i von dem goi, -ar
<^-^r ab wie in umar, anpar, h;apar, fadar, vgl, auch luJtam (mit a auch aH
Kch.) und kartara (im DnUscbco -d"). In ßatiernar i»t da» e Dfbenbelont
und dies CTScheiot im GoL niclil als a, vgl. vtdutratrna, GneUl aber ßastanta^
witre wie untar zu erklilrfti, mi wilnlr zu erwarten x^r, du» diese Form jünger
ist ala ßasUmae, während fiacb utut-rrr Ülvcrlierening &»& Umgekehrte der FaU
ist. Die ftngeblichcu AuAarna-i-u/j (R. KiTgel, AMA. XIX 7) dürfen nicht henuj-
gczogeii werden, da die Form ^^.'ahaMarvah sicher bezeugt ist und natüiltch *^ö*lI
-narv-nii Bbgctcill vrerdea muss; acden (ibcrdieseo Mamen Tb, t. Grienbercer,
PBB. XJX 530 f. — • VrI. zur Nationaliiät der Basicmcn Mflllenhoff. DA. M
104 — 113 und R. Mych, PBB. XVII 34— 40. P. Hahncl. Die B^xieutting drr
Biistanur Jür das gemtanüchf Allerihum, Lt-iptid hihI Dresden 18Ö5. S. 33—
38 hüJl die Bnsicmcn fiir Keller, die spiter Kernifttii*ieir ■»■urdeo.
§ 46. Ein sicheres Zeugnis für Keltentmn an der oberen Weichsel sdieinen
einige kelt Lehnwörter im Gotischen abzulegen. Sehen wir von dem nicht
so sicher zu deutenden got, peika-ha^ns'^ ab, so bleiben doch drei sicher
dem Keltischen entlehnte WOrter, die in den :mdem germ. Sprachen schwer-
lich nur zufallig nicht belegt sind: got. klHkn < kelt. kiiikmn, got sipüneii
2u kelt. xep- [an.stfftcm folgen) und gitt. aÄu; < kelL *0luco {<\st\. *o/ivom)*-
Die Goten sind auf ihren historischen Wanderungen nirgends durdi das Ge-
biet keltischer Stimme gekommen, oder wo dies, wie m Illyrien-Pannonien
und Oberitalien der Fall war, waren diese Kelten zur Zeil langst romanisicrt
II. C, 6. Kelten an der oberen Weichsel und Ostuchek. 781
Es scheint mir daher der Schluss unabweisbar, dass in vorgescIiichllic!ier
Zeit, und zwar noch nach der Lautveischicbung. also dem 5. i.wler 4. Jahrh.*
(§ 41, nach § 52 noch im 2. Jahrh), Kdlcn mit Ostgermanen in BerOhnmg
gestanden haben. Nur ist es nicht sicher, ob diese Berührung an der oberen
Weichsel staltgefunden hat, wo die Goten gesessen haben (§ 94). Es wäre
auch der Weg von Wahren üdcr Böhmen aus nach Schlesien und der Mark
Brandenburg möglich.
^ K. Mucli. PBB. XVII. 33 r.: vgl. auch F. Solmscn. I. K. V. 3441.. wo-
nach gni, fi/ert' ^lAlr^lrns im ausübenden j. Jahrb., wahrscheinlicher im 4. Jahrb.
V. Chr. entlehnt wilre.
S ^7. Eine noch weiter nach Osten weisende Spur bieten vielleicht die
Namen des Dan-aster (Dnjesir) und Dan-aper (Dnjepr), den üriechen
unter den skythischcn Namen Tyras und BitrysthcnCs bekannt. Die- erstem
Namen sind erst seit dem 4, Jahrb. n. Chr., seit der Gotenzeit belegt bei
A m nü a 11 u s und J u r d a n e s als Damislius, -fer und Dniia/fr. Z e u s s (S. 4. 1 o
Anm.) vermutet, dies seien diu gutisclicn Benennungen. Allein die gotische
Herschaft war dort nicht von der Arl, dass es wahrscheinlich würe. dass
die Slawen die Namen von den Goten kennen gelernt hatten, und dann
fehlt auch eine Etymologie aus dem Germanischen. Näher Iflge es, slawischen
Ursprung zu vermuten; doch auch hier fehlt, so y\c\ ich sehe, jeder Aiüialts-
punkt. Fßr keltische Benennung spricht die Parallele Dän-uvius, Rho-dauus,
dün(u} = Stark, vom Gefall des FIus.ses'. Die spaten Belege hindern nicht,
die Namen tu eine um vielleidit ein Jalirtausend frühere Zeil zurückzu-
datieren. Denn so wie die untere Donau von ihren thrakischen Anwohnern
den Griechen als htros bekannt wurde, und die Kelten denselben Kluss in
seinem oberen Laufe sicherlich schon tauüend Jahre früher, ehe diese Form
belegt ist, D&nurim genannt haben, so wäre es nicht zu verwundem, wenn
die Griechen, auch wenn sie, wie wegen ihrer nördlichen Handelsbeziehungen
kaum zu bezweifeln, später die Flüsse DanoiUr und Danaper nennen hurten,
allein den ihnen vom IJnterlauf der Flüsse seit Alters bekannten skyihischen
Namen Ty-Tos und ßon-sihenis gebraucht hatten. Jene ursprünglich keltischen
Namen hatten dann die Slawen aufgenommen.
I Hwrbcr wohl auch der *Hm-t^tvöi- Bei RhcJanus kiVnnlc man iillt-nfalU an
ligurüchc N'.icnciiKcbunt: dcnkva. Vgl. jedoch iranisch därtu- Fliust, thrüküch
San-danus und in Tbcsulicn '/4.T(-Afii*rV.
§ 48. Es mag hier endlich nuch eine Hypothese vorgetragen werden,
welche dieses i'stlichc Kcltenlum \ielleicht stützen kann. Hf-rodotos, der
durch seinen sKtigzia; jzorafius* = Karpathengebirge die nC)rdlichste Givnze
seines geographischen Horizonts verrät, uud der sich in Olbia lange geni^
aufgehalten hat, um genauere Erkimdigungcn über den Norden einzuziehen,
nennt nördlich von der skythischcn Steppe und südlich von den Poljesjc-
Sümpfcn als wesllich.stes Volk neben den Agathyrsen (in Siebenbürgen und
jenseits der Karpathen) das nicht-skylhi.sche Volk der Ntvgolj die demnach
ziemlich sicher in Galizien-Wolhynien lokalisiert .sind. Für die Bestiramung
ihrer Nationalität bietet die Werwolfsage keinen .Anhaltspunkt. Es küimte
ein daktsclier, ein germanischer, ein slawischer Stamm sein. Gegen dakische
Herkunft spricht, dass wir die Daken sonst nicht so weit nacli Norden aus-
gebreitet kennen. Gegen germanische Herkunft, dass sich von diesem Na-
men 400 Jahre später keine Spur findet. Für slawische Herkunft würde die
Stadt Niu-, selbst wenn sie jenen Volksnamen trüge, noch nichts beweisen,
wie man gemeint hat: eher kannte man der Lautgcbung nach auf die
NavoQot bei Ptolemaios hinweisen. Vielleicht darf man an die kellischen
78a
XV. Ethnographie der g&rmanischex Stäuub.
JVon'ri und ihre Stadt Xorej'n anknüpfen': tu ist im keltisrhen Munde durrh
ou hindurch zu ö geworden^. Wir hätten dann für das letite Viertel des
5, Jahrhs. v. Chr. ein Zeugnis für ein ktiltischcs Volk nürdlirh der Karpathen.
* R. Mucb. Zrd.V. XXXIX 51. — • Vgl. Brrucomajui y^ Brocoptagtu,
C^inus'^ Couftus'^ Conuf, ifnru"^ i'orv, Ahunaf'^Alonae, Boudobriga'^ Bath'
briga, Boutius -a > Bcliuj -a.
7. Die ältesten (germanischen Wohnsitze,
§ 49. So unsicher auch die in § 44 — 48 angeführten Argumente scheinen
mögen, in Anbetracht dessen, dass uns eine Äichere Kenntnis der ältesten
etimographischen Verhältnisse für diese Gt^enden versagt Ist, darf man es
als wa)irscheinlich bezeichnen, dass die Kelten einst von der oberen Oder
bis nach Südrussland hinein gereiclil haben, als wahrscheinlich dann auch,
dass die keltische Besetzung von Nordwestdeutschland von Schlesien und der
Lausitz her, nicht aus Böhmen erfi^lgt ist, als walirscheinlich ferner, dass die
Germanen zuerst an der oberen Weichsel auf die Volcae und damit auf die
Kelten überhaupt geslossen sind, oder dass sie sich hier seit ältester Zeit be-
rührt haben. Als älteste Sitze der Germanen w-ürden sicli in Deutschland hier-
nach die Ostsccküste und ihr Hinterland ergeben, und zwar wegen der Be-
rührung mit den Vulcae, nidit mit dun Bclgae, das untere Oder- und Wcich-
selland. Gesetzt die Ketten haben einst von dem Schwarzen Meer bis zur
Ostsee gereicht, und die NevQoi Herodots sind Kelten gewesen* so würde
im Hinblick auf die gemeinindogcrmanischen Wohnsitze der Europäer (oben
S. /SÖf-,1 für die Germanen kein anderer Raum öbrig bleiben als das mittlere
Südnisslajid oder etwa das untere Weiclwelgcbiet und die östlicheren Striche
nördlich der Poljesje-Sümpfe, also die späteren Wohnsitze der Preussen-
Litauer-Lettcn-Jatwingcn. Bei der geringen Walirscheinlichkeit dieser An-
nahme — vor allem wären dann grfissere sprachliche Überemstimraungca
zwischen der Sprache der letzteren bezw. der Slawen und dem Germanischen
zu erwarten — , würde es näher Hegen, für jene graue Vorzeit die Germanen
unter den Kelten zu budien. Ich meine, wenn Kelteu einst vorn Schwärzen
Meer bis zur Ostsee gewohnt haben sollten, so wären entweder die Germanen
ihnen unterthänig gewesen, oder die Kelten wären für diese Zeit noch nicht als
Kelten, sondern als ein Teil des Urvolks der nachmaligen Germanen, Kelten
und Italiker zu bexeirhncn, so dass sich eine besondere germanische Gruppe
erst in den Ostseetändem abgetrennt haue. Führen letztere Erwägungen
in eine Vorzeit zurück, für die das zweite Jahrtausend v. Chr. wohl noch zu
spät gegriffen sein würde, so würde eine für die Mitte des ersten Jalirtauscuds
V. Chr. anzunehmende keltische Bevölkerung iu Schlesien und weiter ost-
wärts nicht in Widerspruch stehen mit den nördlicheren Sitzen der genna-
nischen Stämme. Dann aber — und ich halle dies für wahrsdicinlidi —
hätten wir das bemerkenswerte Ergebnis gewonnen, dass die Slawen erst in
verhältnismässig später Zeit, wohl erst seit der bastemischeu Bewegung, Nach-
barn der Germanen geworden wären, als diese östüclisten Reste der Kelten
absorbiert waren, also vielleicht erst zu 13eginn des zweiten Jaluhunderts v.
Chr. — es sei denn, was mclir als unwahrscheinlich, dass die Heimat der
Slawen, statt am nuttleren Dnjepr, innerhalb des verhältnismässig kleinen
Raumes zwischen den Poljesje-Sümpfen und der mittleren Wciclisel zu
suchen wäre; oder, da dies wohl ausgeschlossen ist, dass die Slaven noch
westlich der Weichsel gesessen haben, um hier später, vielleicht g^;en Aus-
gang des ,v Jahrhs. v. Chr., von den Ostgermanen zurückgedrängt oder be-
herscht zu werden (§ 51 f. und 58),
I
II, C, 7. Die Altesten germanischen* Wohnsitze.
783
Anm. I. Eine oihere Besdmniung der Zeit, wann die Germanen die obere Oder
«rreichl haben, würde sich ergeben, wem sie den Nomco Frrgum'a für den herkyni-
schen ficbirgswald von den Kelten enilehnl bitten, was an sich sehr wohl möglich,
weon atich deatialb nicht beweisbar, weil lie diesen nabrlicgenden, ursprürKlich -Eichen-
wald' und dann wohl -Wald", «Gcbitgswald' übeihnupt ^vj;!. j/^ot. /'air^tni 'Berg')
bedeutenden Naraen luch der keltischen Benennung nachgebildet haben könnten. Die
tirteldichc oder richliger vorkeUitctie NatDensform von Erktitva lautete ^Ferkutiia^ p
ist gcmeinkeltisch cir<ich wunden. '.-JoxrVta i«t schon bei Ari'tloieVii belegt und djinit
der Abfall des / [ür das vierte Juhtfa. v. Chr. Es kann kein Zweifel sein, dass dieser
Abfall in Wirklichkeit bedeutend älter iit. D2 er allen keltischen Sprachen gemeinsoin
ist, und weil die Sprachkotilinuität der festTändischen und der britannischen Kelten
seit der Ct>er.'iedlung der letzteren aufgehoben war, so wird man den Abfall des / in
eine Zeit zurück verleben düifen, als Kelten noch nicht in Britannien wohnten.
Hierlai jfiebt es einen 'i'ennlnus ad qacra. Britannien hat eine dreifache kelt]»cbe
Bevölkerung erhalten. Zunächst der Kü«le wuhnlcn Belgier. Vgl. Caesar, B. G. V
12: -Briunniae pars tnterior ab tu incolitur, quo» natoa in inkula jpii memoria pro-
ditum dicuni, marituma pars ab iis, qui praedae causa es Belgio (ransieranl — qui
omnes fere iis nomiuibua civitatum appellantur, quibns orti ex civilatibus eo pervcne-
niQt — et hello inlato ibi pcrmanserunt alque agros colere coepenint.< Vgl, aitch
B. ü. U 4: bei den belgischen Snessiores •fuissc regem nostra etiam memona Di*-i-
tiacum, lolius Galüac pnte»tis»ii»um, ijui cum magnae pactis barum rcgionuni, tum etiam
Britanniae imperium optinucrii^. Die Belgier sind also etwa um lou oder im /.weiten,
frühitirns im dritten Jahrhundert v. Chr. eingcwanden, die übrigen Bnttcn so \-iele
Jahrhunderte früher, da^s die Rrinnefung an diesen Zug xu Caesars Zeit verloren ge-
gangen war. Die Auswanderung der letzteren wird daher spätestens im dritten Jahr-
hundert hlaLlgefundcn haben, ricllcicht sehr viel frälier. Da Pytheas bereits den \anKn
Britannien kannte, darf die britli&che Einwandemng nicht später aU Mitte des 4. Jahrhs.
angeseilt werden. Die von Caesar bezeugte Gleicbaicigkeit der hrittischen und gaJli-
Khen Kellen und Ihre engen Beiichongen zu einander lassen immerhin den Schlusc
vx, dass die Trennutig nicht in unabmessbare Zeilen hinaufreicht. SpSletteni Mitie
des 4. Jahrhs., frühstens um 1000 v. Chr. dürfen wir diese Auswanderung ansetzen,
wobei die Zahl 1000 wohl crheblich'xu hoch gegrlfTen sein dürfte.
Nun wissen wir, dnss die briltischen Sprachen in zwei Gruppen zerfallen: auf der
«inen Seite Irisch, Schottisch und Mnnx, auf der nndi;rn Seite Kf tnrisch und Komisch-
Bretonisch, eistcre Gruppe Gältsch, letztere Britannisch genannt. Die britaiQnische Gnipp«
steht dem Uallischen nSher alt dem GUiichen, wenn auch jene Übereinstimmung nicht
»o weit gehl, dass wir Britannisch und Gallisch zu einer Einheit zusammenfassen
döifen. Ehe die Galen von der Südk6&te Englands aus Irland und Schottland —
vgl. Zeuss i^j — erreicht haben, mnss einige Zeit verstrichen sein. Wahrsdieinlich
haben die einwandernden Brilannicr sie erst so weit zurückgedrängt. Wenn nun zwi-
schea Britannisch und Güliscb ein so liefgreifeniler Unterschied bestebl, so rauss
auch ein längerer Zeiiranm verstrichen sein, ehe anf die Rüsche Einwanderung die
britannische fiilgcn kunnte. Hat die letztere spSteitens Mitte des vierten Jahrbs. v. Chr.
Itattgefunden, so dürfen nir die erster« keinesfalls später .ils in die ersten Jahrhunderte
des ersten Jahrtausends »clxca — sicherlich eine erheblich zu niedrig gci^riffcBC Zahl.
Zu Anfang des ersten Jahrtausends v, Chr. war also jedenfalls schon p im Keltj-
schcQ abgefallen. Wenn nun gerra. Fergunia dem kelt. Pcrkunia entlehnt leia sollte^
so müsste dies in runder Zahl allerspätestens um looo v. Chr. geschehen sein. Dann
worden die Germanen damals auf jeden Fall schon zum mindesten in Schlesien ge-
sessen haben.
Anm. 3. Nicht in Betracht gezogen ist bei den in diesem § angestellten BrwSguDgen
die Möglichkeit, dass die Germanen ursprünglich die westlichsten idg. Stämme gewesen sein
und al« solche womöglich schon seit dem j. Jahrtausend in Nonlosideulschland gewohnt
hallen könnten. Dann wäre anzunehmen, dass die Kelten sie über den Haufen gcrannl
und beherscht hätten, ehe sie sich befreiten und nun erst za einer germanischen Nation
erwuchven. Nur unter dieser Voraussetzung dürfte an eine nickt bereits »vm den Kelten
«baorbierte voridg. Crbcrölkerung gedacht werden, welche die Germanen in Deutsch-
laod vorgefunden hätten. Za dem Xami«a HUh' fSr diese L'rbevölkernng vgl. K.
MüUenhoff, ZfdA. XI 284 und M. Rieger, Arcli. f. Hess. Gesch. XV 4, dagegen
Fr, Klut;e, ^l' Wb. ^ unter Hüne. Die nScbste Anknüpfung an die woh) io Hesfcn
zu lokalisierenden Hünen bietet Itelt. *i*»o- -hoch-, -gross-.
Anm. 3. Historisch nicht fruktifizteibar ist die Naiaensideniität der Bmgunden
mit den Brigante^ am Bodensee, in XoTdengland und in Irland; die der Chaaci mit
den Cauci in Irland (R. Usinger, Dte Anfängt J(r dattschrn Ctiehühte. HannoTcr
18751 S. 2O5 — 209), die sehr fragäiche der Cliallt (Chattuarii) mit den Tri-, Velio-,
Vidu- und Bajo-casses an der Seine und in der Noimandie and den britanniscbea
Casii, ebenso wie die der Wenden mit den Veneli in der Bretagne, am Bodensee
und in Veneticn. Bd Niimensglvicldrcit, die anscheinend einen Zufall aUAschties^t,
wie bei dem ersten Ueispiel, muss allerdings die MägUchkeil ins Aage gefaist werden,
dus die keltischen Briganiet etwa Im 3. Jahrtausend im nordöstlichen Deutschland
oder anderwärts gesessen, art! liass die unler ihrer Herschaft stehenden Germanen
sich noch weiter mit diesem ptsIitischcD Namen genannt haben, so wie t. B. die Fran-
EOten noch heute den Frankcnn-imen tragen. Vgl. unten S. K03 Xote i.
Es sei bei der grossen Unsicherheit aller dieser vorgeschichtlichen Verhält-
nisse nochmals betont: das einzige s i c h e r c Ergebnis ist, dass die Germanen
s[>atcste]is im 4. Jahrh. Thüringen belrelcn hüben (g 41), vorher also, etwa
tan die Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. (Isthch der Elbe mindestens
bis zur Oder gesessen haben, aller Wahrscheinliclikelt damals nach mit Aiis-
schluss der an das Gebirge stossenden Landachaften, also mit Ausschluss der
Lausitz, Schlesiens und des oberen Weichsclgcbietes. Zur Enlschetduiig der
Fnige,, ob sie die historischen Sitze an der Weichsel von je her innc halten,
oder ob sie dieselben erst durch eine Wanderung von der Elbe oder von
Skadinawieu her erreicht haben, vgl, § 40 Note 1 und § 51 f.
§ 50. Es bleibt noch zu untersuchen, w-ie weit auch Skadinawien An-
spruch darauf hat als ein Teil der Urheimat der Germanen zu gelten. Die
von Dilettanten aufgestellte Meinung, dass Skadinawien von idg. Zeit her
der Stammsitz der Germanen gewesen ist', bedarf keiner Widerlegung. Auch
die nordischen ArchJUiLogcn nehmen an, dass die Germanen einmal von
Süden eingewandert sind. Wir wissen, wenigstens für die für imsere Be-
trachtung in Frage kommenden Zeiträume, von keiner andern Bevölkcnmg
in Skadinawien als von Germanen und von spater eingewanderten, nomadischen,
von je her auf einer weit niedrigeren Kulturstufe stehenden läppen. Wir müs-
sen also schliessen, dass die Funde der sogenannten jüngeren Steinzeit und
der Bronze- lukd altert-n Eisenzeit gcnnaniscber Herkunft sind. Die Eisenfunde
reichen in Schweden nicht über den 64. Grad hinaus, Bronzefunde kommen
nur südlich des 62. Grades vor; in Norft'ogcn cnlsjjriclit hier der 66., dort
der 69, Grad (vgl. die Karte zu S. 8^0). Aus dem Mangel an Bronzegeräten
in der nördlichen Hillfte Schwedens müssen wir schliessen, dass die Gennanen
der Broiizeperiode nur im südlichen Schweden gewohnt }iabcn tuid erst nadi
Bekanntschaft mit dem Eisen sich über Dalekarlien und Haisingland hinaus
nordwärts ausgebreitet haben, femer dass sie gleichzeitig an der norwegischen
Küste erheblich weiter vorgedrungen waren wie am BottnLschen Meerbusen.
Die ültere, spezifisch nordische Bronzekuliur, die sich in Deutschland bis
über die untere Elbe hinaus und bis zur Prigniiz und Uckermark ausge-
breitet liat, ist im Nurden auf das südliche Skadinawien beschrankt und
zwar vornehmlich auf die Küstenlandschaft Die Gcrfl tschaften aiLS Stein hat
man Oberwiegend in Dilnemark und G'ilarike, also etwa südlich von dem Ma-
laren- und Vcncrn-Sec gefunden . nur vereinzelt in Svtrarikc und Norrland.
Die Westküste Schwedens ist ebenso reich an Gräbern der Steinzeit, wie die
Ostküste arm an solchen ist. In Nor^vegen hat mau nur ein eitiagcs
Stcingrab südostlich von Christiania gefunden. .»Der grosse Spalter« aus
n, C, 7. Die Ältesten oerhanischek WoHNsir^E.
785
der ältesten Steinzeit »ist in Noi^egen nur in ganz vereinzelten Exemplaren,
umi gegen Osten zu nur an den schonischen Küsten in grosserer Anzahl,
doch nicht in den ilbrigcn Gegenden Südschu-edcns , wo die jüngeren
Sleinsaclven in bedeutender Menge vorkommen, gefunden worden. Die nürd-
ücbslen und 5stlichsten Teile des Gebietes der Steinzeit in Skadinavien
sind also im Vcrglcicli zu den dfmisclien Inseln erst spat besiedelt wurden >*.
Es kann hiemarb kein Zweifel sein, dass Schweden von Schonen und
der Westküste aus. die schwedische Westküste von Jütland oder Schonen
ai». Schonen von Seeland aus, Skadinawien von Deutschland aus besiedelt
worden ist, wie auch die nordischen Archäologen annehmen^.
^ Vgl. bcHonlers K. Penka, Die Heimat Jer Germanen, Wien und Leipzig
1893 (= Miuhcilungen der Amfcmp. G«. in AVien XXm, Heft 2). — « Sopbui
MtlJler, XoriiiSihe Atterlumskuntie. I>ctit*che Ausgabe von O, L. Jiricjrek, I.
Stras&biirg 1897. S. 40. — ' Freilich meint-n diese, da» Gn-mantn schon vor 3000
V, Chr. in Skadinawien gebeten hnbcu. dne AnDAhme, deren auf der anfechtbaren
D'itieruiig der BroDzexeit beruhende Argumente mir ntcbt «tichb.tlcig scheinru, und
deren Folgeriuißen mit allem, was wir auf hisiorbchcm und «priichlichem Wcije
ennittcln kOnnen, im Widerspmeh steht. Vgl. Verf.. AfdA. XVIII 413—418 \mä
unten § 56 Anm. Gq*cn die frühe Daderucg der SleingrSber Chr. Hostmann,
Studien tur vorges^hh-htlifhrn .-Irchäplcgie, Brntunscbweig 1890, S.'38r. Es tet
noch darauf hintjewiL-srn, dass die noidiKben >gros»en< SteiogrSbcr in Norddeutsch»
land von der Zuidei-Sec h'w rur \Vt-ithit«*l vtirknniraen, nicht aber z, B. in Kussiaod
odiT Südilrtils^rhlAnd. »tich die franiniiiwhen Stein^rülier hidien andere Formen,
Wenn es »kli, wie wahrscheinlich, hier tim einen ethnographischen Unttrsehied han-
delt, so u'ürden diese SleingrAbcr in DeuCücbbind nach § %& nfK:h hi.t im xweite
Jahrh. v. Chr. reichen, und früher diirfle also nicht die Besiedlung Norwegen» uDd
lies üstlichen und mittleren Schwedens an^cieui werden. Zum Alter der Stein/eil
vgl, noch die .lignis impoidca sa«a., deren sich die Engt^Jer in der Schlacht von
HftsttnK« 1066 bedienten.
§51. Nach dem. was wir über die ältesten Sitze der Germanen ermittelt haben,
kann es nicht zweifelhaft »ein, dass die Skadinawicr von Deuisi^hland aus ein-
gewandert sind. In §50 habe ich gezeigt, dass auf Grund der vorgeschicht-
lichen Funde Schweden und Norwegen von Dänemark aus besiedelt worden
sein mus*:; Schonen jedenfalls von Seeland aus. Bei der ßbrigen schwedischen
Westküste konnte man entweder an Jiitland als Ausjiaiigspunkt denken, oder
aber dieser Ausgangspunkt ist für ganz Schweden und Nor^vegen in Schonen
zu suchen. Letzteres ist nach den vorgeschichtlichen Funden die nächst-
liegende Annalimc. Doch Übersehe ich nicht genügend, ob diese die crstere
Annahme geradezu ausschliessen. Die Entscheidung ist von grosser Bedeu-
timg. Denn wcim die Skadinawier aus Seeland und Jütland gekommen sind,
f4y ist der Ausgangspunkt der Bewegung zweifellos Holstein gewesen. Wenn
aber Jütland nicht in Betracht kommt, sondern nur die danischen Inseln, so
konnten die ersten Bewoliner deraclben ebensogut aias Mecklenburg und Vor-
pommem*RQgen wie aus Holstein gekommen sein. Da nun die Nordgem^a-
nen zweifellos von den zu Tacilus' Zeit an der Oder imd Weichsel sitzenden
Üstgermancn ausgegangen sind (S. 815 — 8in) — die umgekehrte -Annahme
verbietet schon die in § 50 (vgl. ebd. auch Note ^) erwühnie Tliatsache, dass
das eigentliche Gebiet der Steinzeit Südwest- und nicht Südostschweden ist,
wahrend die gleiche archäologische Periode in Deutschland bis zur Weichsel
reicht — . so ergiebt sich die weitere Ft>lgerung, dass die Oslgermanen, zur Zeit
als die Skadinawier nach dem Norden auswanderten, in dem einen Falle et-
wa in Holstein gesessen liaben, um spater nach Osten zu ziehen, In dem an-
dern Falle schon damals ihre tanleisclien Wohnsitze gehabt haben könnten.
Da icli selbst über die arch.lologis«.hen Thatsachen nicht mit genügender
Sicherheit urteilen kann, so sei erwalnit, dass O. Monlcliuü. einer der eisten
Forscher auf diesem Gebiete, als Weg der Einwanderung der Nordgetmanen
Gcmutnlftche PhiloIoi;(e. III. ^ Auft. AO
die kiinbrlsche Halbinsel und die danisrhen Inseln vermutet »Von hier aus
siod sie. wie die Grober und die verschiedenen Farmen derselben lehren,
zuerst nach Schonen liinübcrgegaugcn und die Westkßslc entlang in West-
gotland ringwlningen« '. Sprechen sonach die archäologischen Thatsachcn
clicr für Holstein als für Mecklenburg- VVirpumnicrn-Rügc« als Ausgangspunkt,
BO darf als eine weitere Stütze angeführt werden, dass das Urbild des nor-
dischen Flussnamens Elf (< germ. A(hiz) vermutlich die deutsche Ellu (lat
Alhii) gewesen ist (§ 40 Note i). Die Sitze in Holstein könnte man femer
noch durch die wahrscheinlirh fOr Gutones verschriebenen Guiotus des Py-
thcas (bei Pliiiius. N.IL XXXVII 351 stützen.
» Arvh. f. Anilin)!.. XVU (1888) 155—158.
Es ist also wahrsciu-inlich, dass die historischen Sitze der Oslgemianen
an der Oder und Weichsel nicht die ältesten sind, dass die Ctitai und die
stammverwandten V'rtlker vielmehr ursprünglich bis zur unteren Elbe gereicht
haben und hier erst spater, nachdem sie nach dem Osten gezogen waren,
den anglof riesischen und swcbischen Stammen Platz gemacht haben.
% $2. Als die Hitcsien, bestimmbaren Sitze der Germanen haben
wir also mit einiger Wahrscheinlichkeit die Landschaft zwischen
der unteren und mittleren Elbe und Oder: Schleswig-Holstein,
Mecklenburg, Vorpommern und die Mark Brandenburg ermittelt.
Dies Ergebnis steht uicht im Widc-rsprui h zu der Annahme, dass sie in die^ie
Sitze von der Weichsel aus eingewandert sind.
Über die Zeil, wann sich die Germanen von diesen Ursilzen aus weiter
au^ebrcitet haben, vermögen wir folgendes zu sagen: Wi^eu der Lautver-
schiebung haben die Germanen die untere Weser si>5ter als das nordwestliche
Thüringen erreicht, letzteres frühslciis im 5. Jalirli., sjifltcslens im 4. Jahrh.
V. Chr. (^§41), crsterc vielleicht gegen Ausgang des 4. Jahrhs. i§ 38 Atun. 3
und §41 Note i). Über die Zeit ihrer Ausbreitimg nach Norden und Osten
wissen wir folgendes : Im ersten Jahrh. n. Chr. sassen die Skadinawier in
Schweden, die Ostgermanen an der Weiclisel. Die erslercn künnten sich
nacli § 5b frühstens im 4. Jahrh. v. Chr. von den Oslgemianen getrennt
haben. Für die Datierunj^ der Wamleruug der Ostgcrmauen von der Elbe
nach der Weichsel kommen zwei keltische Lehnworte in Betracht: einmal
got. iü/Üfi, das nach Vollzug der Lautverschiebung, die ins 5. oder 4. Jahrh. /u
setzen ist (§ 41), zum andern got. a/iw, das nach F. Solmseu (IF. V 344 f.)
späteslerxs im ausgehenden 3. Jahrh., wahrscheinlicher im 4. Jahrli. v. Chr.
entlehnt worden ist. Also wahrscheinlich im 4. Jahrh. oder spatesiens gegen
Ausgang des 3. Jahrh. haben die Goten bereits mit den Kelten in Böhmen,
Mähren oder an der oberen Weichsel (.S. ;8o f.) Berührung gehabt. Dass die
Goten damals nc^h in dem Lande rechts der unteren Ellie gesessen halten,
halte ich für ausgest blossen, weil sie eben nur dem Gotischen eigen sind und
nicht den Wesigermanen, durch deren Gebiet hindurch sonst die Wilrter
importiert worden w;iren. Die Auswanderung di-r Goten nach dem Osten
dOrftc aEso nicht spütcr als iu das 3. Jahrh., wahrscheinlicher bereits iu das
4. Jahrh. (wenn nicht früher) fallen. Je nachdem man die Konjektur GniO'
nes für Guiotifs (§ 51) für wahrscheinlich halt — es kommen daneben n«xh
die Konjekturen Sttiones (jj 55) und Ensuiorus (§ M2 Atun.) in Frage — ,
wirfl man dns aasgehende 4. Jahrh. v. Chr. als Terminus a quo für die oist-
lichc Avisbreilung annehmen. Wir dürfen also mit einiger Wahrscheinlichkeit
die Besiedlung von Ostdeutschland in runder Kahl iu das Jahr 300 v. Cht.
setzen. Um 2on v. Chr. ersrhemen bereits die ostgermanischen Sciri mit
den Basternen am Schwarzen Meer.
II, C. 8. Keltenherschaft in DsirrscHLAMu.
7«7
8. Kcltenherschaft in Deutschland.
§ 53. Suchen wir uns die politischen Verhaltnisse der Germanen in der
iweiten Hälfte des erst*^n Jahrtausends v. Chr. zu vergegenwärtigen, so Iflsst
sicli der Gedanke kanm abweisen, djiss die Germanen längere Zeit von den
Kellen politisch abhängig gewesen sind. Mindestens seit der Mitte des ersten
Jahrtausends v. Chr. grenzten die Germanen im Westen und im SOdcn und
wahrscheinlich auch im Südosten an keltische Stämme, eine* Nachbarschaft,
die auch bei den veränderten Wohnsitzen am Rhein und an der Donau
Uinger als ein halbes Jahrtausend Fortbestand. Die Kelten waren den Germanen
an Kultur und insbesondere an Kriegsslilrke überlegen», sowohl mms (Ue Zahl
als die Waffen anbelangt. Lassen diese Umstünde schon auf ein politisches
Übergewiclit der Kelten schUcsseii, so sprechen deutlicher noch Thalsachen
auf dem Gebiet der Sprachgeschichte dafür, dass die Germanen der Ur-
zeit, wenigstens zum Teil, von keltischen Stammen längere Zeit
hindurch nicht nur kulturell sondern auch politisch abhängig
gewesen sind. Ich will hierher nicht eine Reihe von zum Theil vor der
germ. Laut Verschiebung datierbaren Kulturentlehnucgen aus dem Gebiete des
Kultus, der Verfassung«- und Kriegsgeschichte rechnen, wie die germ. Eni^
lehnung von kelt. 'Janaros Donnergott, ttetttet Wahlesheiligtum, r\^ König,
caht hart, fest = Held, ambakios Diener, ^ehh- Geisse!, «7//o- Eid, treb Dorf
(nur im Fries, und Ae.i, tiünori befestigte Stadt, \samon Eisen, ealu Kampf,
marko- Sireitross, f^ais&n Ger (Kluge, Grdr." I S. 324 f.), obwohl derartige
Entlehnungen den obigen Schluss nahe l^en — vgl. als Gegenstück zur Zeit
•der Germanen herschaft die ins Romanische eingedrungenen germ. Wörter
wie Mundwalt = Vonnund, Treue = Waffenstillstand, Burg, Band = Fahne,
ßraud = Schwert, Helm, Sjxtrn, Brünne. Spiess; ebenso vgl. die slaw.-lir.
Lehnwörter aus dem Germ., hei Kluge. Grdr. I* S, 3'n unter a). Auch
von der Übereinstimmung keltischer und germanischer Völkcmamen (§ 44
Anro. 3) will ich hier absehen. Keinen andern S<hhis.s aber lassen meines
Erachtens zu:
i) Die zum Teil vor der Lautverschiebung anzusetzende Entlehnung
der keltischen Personennamen (vgl. Kluge, Grdr. I* S. 326) wie
*Catetot^gs >• Halicfn\ic > Hfidmh, CntumCkros "> Hapum^ris >■ Haditmar^
Caturigi > llapurMiz Z> ffaäurick, Caha>t>leos > iiapmvothoz > Uaihiwalh,
Ciul6f\gi !> Hhponkz >■ Liidrirk, Cimomörvs t> IInrtom<rris > Jittnmar,
Dagomüras y> Dagomrfriz >■ Dagmar, Segomäms >• SegrzmtJfriz > Siegmar,
7aneorigS > fiof&ioni: 7> Dunkrieh. 7eut{i)»f\;^s > pfnäofikz >■ Diefriffi.
Visiif^gs > Wisiinkz >■ Wisiirich^ Jec/i/n'i/s >■ alld. Wfhtiir, l'ivjlö >■ nVrr/-
/ö(«). und des hervorragend altertümlichen irischen Frauennamens Brigit ">
ahd. PttrguHi. Muss auch bei einigen dieser Namen — schon im Hinblick
auf kelt. m/iros = genn. mern's — die MAglichkeit offen bleiben, dass sie
den keltischen Namen nachgebildet sind ohne in der keltischen Ijiutform
angenommen worden zu sein, so dass sie, wie etwa die Namen mit fritu' =
germ. Aa/«- trotz der Lautverschiebung erst später als diese bei den Ger-
manen aufgekommen sein könnten und sind auch andere Namen sicher-
lich nach der Lauivers*chic-bung entlehnt, so ist dixh ein Name wie thiu-
T.^/eos = /fttfiuTi-'}/Ao: . dessen zweiter Bestandteil kehl germanisches Wort
enthalt, ein sicherer Beweis dafür, dass die Germanen bereits vor der I^nut-
vcrschiebung, also etwa um die Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr.,
wenn nicht früher, keltische Eigennamen angenommen haben, und die Glei-
chung BrigH = Bttr^imp- weist elier in eine frühere als in eine spätere Zelt
flO»
zurüde. Für die geschieht] iche Bedeutung, welche der Annahme fremder
Eigennamen beizumessen ist, haben wir viele Beispiele. Wenn klassische
oder biblisclie Namen bei uns Eingang gefunden haben, so ist ein analoger,
litterarischer Einfluss keltischer Kultur für die germanische Urzeit ausge-
schlossen. Hingegen darf ;in die zahlreichen Namen erinnert werden, welche
die Romanen von ihren gciiuanisclK-n Herren angenommen haben, wie Hugo>
Hüdebrand, Manfred, Alfons, Rodcxich, Ludwig, Günther, Walthcr, Karl.
Desgleichen lehrreich sind die bei den Slawen infolge gennanisclier Herschaft
heimisch gewordenen Namen wie Waldcmar (Wladjimir), Roderich (Rurik),
Ingwar (Igor), Helgi (Oleg), Helga (Olga).
2) Die germanisclic An fangsbeto nung. Die bisherige Betrachtung
lehrt, dass die Obereinstimmung der germanischen Betonung mit der keltisch-
italischen' schwerlich auf Zufall beruhen wird, dass wir vielmehr nach § 17
anzunehmen haben, dass die Germanen ihre Betonung den Kelten nachge-
ahmt haben, ähnlich wie spater die i>orbcn und t'echen den Deutschen.
Wahrend die Kelten nad» § 4g Anni. i schon um 1000 v. Chr. die Aiifangs-
betonung hatten ^ kann diese nach § ^b bei den Germanen frühestens im
4. Jalirh. V. Chr. Platz gegriffen haben. Im 4. Jahrh. oder spfltcr liabcn also
Germanen unter so andauernder keltischer Herschaft gestanden, dass viele
von ihnen (etwa die leitenden Kreise) zweisprachig waren und daher gewisse
Eige:ilDmlichkdteii der keliiöcliLTi Sprache, darunter die Accentzurückziehung
auf die germanische Muttersprache übertragen konnten Ähnlich wie heute
die hochdeutsche Ausspraclie des sp~ und s/- auf die plattdcutsclic über-
tragen wird. — Im Anschluss an die Accentverschiebung ist wahrscheinlich
auch die Allittemiiou zu betrachten*.
Über die Zeit dieser Keltcnher*chaft kOnncn wir nur sagen, dass sie vor
der germ. Lautverschiebung, also im 5. oder 4. Jahrh. v. Chr. (§ 41) schon
bestand, und dass sie im 4. Jahrh. noch bestand. Unsere historischen Nach-
richten lassen erkennen, dass gegen Ausgang des 2. Jahrlis. v. Chr. von einer
solchen Herschaft jedenfalls keine. Rede mehr sein kann^ Das Keltenreich,
dem germanische Stamme unterthan waren, ist wyhl östlicli der Elbe zu
suchen. Es ist möglich, dass dieses Reich das der Volcae geweswn i.*it (§ 44^.
Wahrscheinlicher dünkt es mich, dass ein anderer benachbarter, grösserer Stamm
die Germanen unCenA-orfen hat. Ich denke dabei an die Parallele, vie die den
Franken potitisrh unterworfenen Franzosen ihre deuf^chen Nachbarn /!//«•-
mands genannt haben. Nach den späteren politischen Veriialtnissen ist kaum
anzunehmen, dass die Germanen sich durch Waffengewalt von der keltischen
Herschaft befreit haben. Vielmehr werden die Kelten ausgcwatidert sein,
wie die Volcae nach Sudfrankreich und Kleioasien gezogen sind, und die
zurückbleibenden Reste werden, wie die Volcae (ij 43), germanisiert worden
sein. Da die Kehenher.sciiaft im 4. Jahrh. nuch bestand, darf wohl an deo
Einbruch von transalpinischen Kelten nach Italien im Jahre 305 und vor
altem an die zu Anfang des 3. Jahrhs. beginnenden GalaterzUge erinnert
werden, an denen besonders die Boji und Volcae beteiligt waren. Es liegt
daher nahe, dass jenes postulierte keltische Reich an der mittleren Elbe ge-
radezu das der Boji gewesen sei.
^ Vgl. Cnoar, jS. G. VI 24: .(uit anten tempu», com Crrmanos Galti virtiue
:iupen>rvm*. Ntidi den ^wuhigen Ansturm der Cimbri »nd TcutoDcs vcnmichtca
die Buji stcgreidi abruwclirr^n. Erst seit jtnw Zeit tri« die kriceerixchc Ober-
IcjjcDhcit der (rtminnen hervor. — ' Thurneyien, Rf\'tic CHtiqur VI Jijf.
unil Rhein. Mus. \.F. XLIII 349. Brugmann, frriiiuirrsi der vgl, (iramm.
der iJg. Sprachen 2 I g 1068 und 1073. Kluge, Gntr. 3 I ^88 f. — * Nach H.
Z t m m <-■ r , Zur uHgiblicheit 'gemein'^tsteuropääi.hrn Jurfttrtgeiung* in : Gifc-
t
II, C, 9- Die Ausbkeitukg uer Germ.vsen in vorchristlicher Zeit. 789
rupfllUkAumiKlI, Feitgab« f. A. Weber. Leipzig: iSg6. S. 79 ff.. h»t das UrkcUücbc
noch den idc. Accent bcwftbrt. — * Thuincyscn, ^'crhftndlullE«Il der 43. Vcr«.
d. Phil, zu Köln 1895, S, ; 55 f. und lA. 1 S4 f- — ° ^Vrio%iii war der Iteltbchcß
Sprache erst -mulu loEginqaa cooBuctudinc* mltinljj pcw-ordcn {Ciesüi, B.G. I 4;).
Anm. I. H. d'Arbois de Jubainville. /*"j crigints gaulotsrs. Revue hMtoritjue
XXX [18S6) 1—48 (engliKh: C^ltic M»gaxine, May 1S87, S. 305 fl*.), nimmt an, da«
die tieiondcrec Bcziehtmgen rwUcben kcIiiKherr titid e*"™"'*'^*^^^ Woruchai/ inrdge
der KeUcnherschart über gemumiscfae StAmme aus dvm 4. Juhrb, (/eil de» S^^^■w^ls-
zt^o, oben S. 777) Mammen und elwa In« txki Mitle des 3. Jahrh.4. v. Chr. reichen. Vgl.
auch dcrv., Ctttts and Gtrmatu 1886 und Lts prfmitrs habilants dt l'Hurapf^, 2 Bde..
Paris tJI89. 1894. Cbcr Übereinstimmungen zwischen kelL und grrm. juru>ti«dien Aus-
drucken der»,. Mein. wie. )inj;. VII 386.
Anm, 3. A. Meilzen schliessl aus den nordwesuieuiachen Sl«IIungs«rhiiinissetl auf
«ine den Kellen cnik'bnie politiichc Verfassung, vgl. § 38 Anm 4.
y. Die Ausbreitung der Germanen in vorrhristlicher Zeit.
§ 54- Wenn wir die Ausbreitung der Germanen seil den letzten 2*/|JaIir-
tausenden verfulgcn, so lassen sich Wer verschiedene Perioden untereclieiden :
1) die vonömist:he Zeit bis aufAriüvist, 2) diu Ausbreitung Qbcr das römlsrhe
Kaiserreich, 3) die Kolonisation des deutschen Ostens, .]) die Besiedlung von
Nordamerika, Südafrika und Auslralien. Zwischen jeder dieser Perioden liegt
eine längere Ruhezeit. Wenn w von der allmllhlichcn Aui^breitung in Ska-
dinawipn und Grossbritannien abschen, so bedeutet die erste Periride ein
Vordringen i^^^cn die Kvllen, die zweite gegen die Romanen, die dritte gegen
die Slawen und die \ierte gegen nirht-europSische V'iilkcr und besonders
die flesiedlung bisher unbebauten Landes. Dem Zweck der vorliegenden
Arbeit entspricht es, wenn auf die geschichtlich bekannten Ereignisse nur in
aller Kürze hingewiesen wird.
In diesem Abschnitt soll nur die erste Periode behandelt •werden. Die
sp,1teren Perioden kuinmeu zwctkin/Issigcr bei der Gescliichte der einzelneu
germanischen Stamme zur Darstellung.
a) Kordgcrmanen.
§ 55. Ich beginne mit der Besiedlung SkadinaiA-iens. Nach § .51 ist
anzunehmen, dass die Nordj^crmancn über Schleswig- Holstein nach Däne-
mark gekommen sind, zunächst .Srlionen und die schwedische Westküste
besiedelt haben und sidi dann erst weiter über das südliche Schweden und
Norwegen ausgebreitet haben. Eine Zeitbestimmung scheint mir auf Giund
■der Ausgrabungen nicht möglich zu sein'. Auch für das erste Uetrcten
der dänischen Inseln und Schönens lüsst sich kein Datum finden, es sei denn
dasa man Plinius, A'//. XXXVII ,55 Sttiorus für fr/y/an« l.lse und demnach
die Schweden für die Zeil des Pytheas (.\usgang des 4. Jahrhs. v. Chr.) nach
Schleswig-Hotslein .tetzen wntlr. Wenn man Gutomt liesst und also für die
Zeit des P\theas Goten an der Elbmündung luinimmt {§ 51 f.), so konnten die
sehwcthschen Gauten sich um viele Jahrhunderte früher von jenen getrennt haben.
Andrerseits darf man wenigstens so ncl behaupten, dass, wenn die Ostger-
manen etwa im dritten Jahrh. v. Chr. von der Etbc aus nach Osten gezogen
sind (ii 52), die Skadinawier damals mindestens schon in Danemark gesessen
haben werden. Natürlich kann dies auch um Jalirhuiiderte früher der Fall
gewesen sein, aber viel früher ist niclii wahrscheinlich, weil nach ihrer Trennung
von den Cfstgcrmanen die Sprachkoniinuitat aufliörle und wir sonst grüsscre
sprachliche Unlcrschiedt.- erwarten raüssten, als sie thatsäclilich vorhanden sind.
' Doch v;;!. § 50, Xoie 3, wonach die Besiedlung Norwegen* und de» milderen
Schwedens nicht früher als ins 3, Jahrb. t, Chr. zu. MDen wfire.
790
XV. Ethnographie der germanischen StXuue.
§ 56. Auf alle Falle bedeutet die BesicdluiiR Skadinawiens die erste
geographische Trennung germanisrlitr Stumme und damii den ersten erkenn-
baren Anlass zur Differenzierung der germanischen Dialekte. Vor die Zeit
der Trennung fallen folglich diejenigen sprrfchlirheji Erscheinungen, welche
allen gcrm. Sprachirn vun Alters Her gemeinsam sind, bei denen also die
Mf'iglichkeit als aus^e-sriilossen gt-ken darf, dass sie, wie z. B. der Lautwandel
fl > '5, sich in den Einzekiialekten selbsUindig entwickelt haben können.
Zu den zweifellos urgemoiinischcn SprachcrsL-hcinungcn gehört in erster
Reihe die Lautverschiebung, das Vomcrsche Gesetz und die Betonung der
ersten Silbe des Wortes. Gelingt es uns die zeillich letzte dieser Erschei-
nungen zu datieren, so liaben wir damit einen Terminus a quo für die Be-
siedlung Skadinawiens gewonnen. L)ie germ. Lautverschiebung kann nach
^ 41 nicht früher hIs in das ,v Jülirh. und nicht spater als in das 4. Jahrh-
V. Chr. fallen. Das Vemersche Gesetz muss mindestens um eine Generation
spater gewirkt haben. Die wiederum jüngere Zurückziehung des exspirato-
rischen Accentos auf die erste Silbe kann demnach frühstcns in das 4.Jahrh.
gesetzt werden. Frühstens im 4. Jalirh. also haben sich die nachmaligen
Skadinawier von den Oslgerraanen getrennt. Dass dies scliwerÜch spiller aU
um das Jahr 300 v. Chr. geschehen sein kann, geht daraus hcr\*or, dass uiu
jene Zeit die Ostgermanen Holstein verliessen oder schon verlassen hatten
(§ S5)' Auf eine verhältnismässig junge Zeit der Besiedlung weist auch die
altnordische Sprache hin, clcre-n Runenin-ichrifien aus Schleswig, Dänemark,
Schweden und Kurwcgeu noch im 4., 5,, 6. und 7. Jahrh. n. Chr. fast keine
dialektischen Unterschiede aufweisen, was zumal angesichts der geographischen
Verhaltnisse ausgeschlossen sein würde, wenn die Bevölkerung seit länger als
eittem Jahrtau.send im Lande ansässig gewesen wäre. Da sich au der Be-
siedlung Skadinawiens verschiedene Stämme beteiligten (S 85), su ist es
durchaus wahrscheinlich, dass die Auswanderung sich über einen längeren
Zeitraum erstreckt hat. Begonnen hat sie im 4. Jahrh. v. Chr. Nach § 50
Note 3 dürfte die Besiedlung Norwegens und des östlichen und mittleren
Schwedens nicht früher als ins 2. Jahrh, v. Chr. gesetzt werden.
Anm. Nacb Sophus Müller, .VordistA^ All^rtutrukunde, deutsch von O. L. Jlri-
cüvk, ), Straasburg iSrj;, S. 294 und 374 f. slml die AJtcriÜmET aus der älttTcn nordi-
«chi^ii Broji/czL-it hnu;it\ik*)ilk)i auf Avn H'irdßilliclirn Teil wo Hannover, Mccklenbui^
Schleswig- Kolstein. Jütland, Füncn. Seeland und Bomholm bcschrSnkt Piff jOnficre
Bronzwcit reichte an der (isWecküMe weiter und umfiisst noch das südlichere Schwwk-n,
Wenn, wie k.iiini lif/wriWi wcnK-ii kitnn, wir v% mit i;rnnnniscliiT Rfvfilkining <« ihiia
)islK-n. iK> wilrden wir foli;crn düricn. dass t\x der Zeit, -aus die Gcnnanim oncb &süich
der Weser und westlich der Oder siis-scn. das südliche Schweden nxrh nicht l}c^edelt
war. Nur Kclit-inliar widiTsprichl dem die Thalsache, ilos» da« ».üilhdie Schweden eine
reiche StiL-inz^-itlttiliur aufweist. Der unverw'lutlidica steinerceo Waffen bat ntan sich
noch weit bis in die Hiienzcii binein, m>ch Aber dos enlc nacbchriytlicfae Jahnaujcnd
hinJiuii (S. 785 Xote j) hetüeiiL Da» Ende der ältoTen Bronzezeit wäre demnach bedeutend
früher anziueixen als das Ende der Sleinreit, wÜhrenJ die jüngere Brnnxezeit ^nach § lob
Note I erst nm 1000 n. Chr. abgeschlosstn) etwa ebca^io lange wie die Stelrueit gedauert baL
§ 57- ^'ie weit die Skadinawier sich im i. Jalirh. n. Chr. ausgebreitet
hatten, wi.sscn wir nicht sicher. Wenn Tacitus {(Unti. 44 und 45) die »Suio-
num civttatea< und »Sitonum gentes« nennt, so werden die Skadinawier da-
mals jedenfalls schon über Schonen liinatis gereicht haben; dass die Suiunes
hcrcib im heutigen Svearike zu suchen seien, ist damit nicht gesagt. Eher
lassen des Plinius Warte (X. //. IV f}b) »Hillevionum gente quingentia.
incoleute pagis« im Vergleich zu den loct Gauen der Scmnen den Schhias.
2u, das ein grosser Teil von Schweden von Germanen bewolmt wucde. Pto-
H, C, Q. Die Ausbreitung dek Gekuaneh in vorcuristlicuer Zeit. 791
lemaios (II 11, 35) kennt in ^xavÖia sieben Vfilker, von denen die west-
lichen Xm^ttvol mit den norwegischen Heidnir. die südlichen /oi-ro* mit
den südsLlnvcdistrhcii GauUir und die mittleren Zvc<bvat (so wahrscheinlich
statt ÄF.vfhvm zu lesen) mit den Svear zu identifizieren sind. Hiernach ist
es walirsciieinlich, dass die Nordgcrmancn im 1. Jalirh. oder zu Bcgiiui des
2. Jahihs. n. Chr. bereits in Norwegen sassen und in Schweden bis über die
SteinzeiTgrenze (§ 50), also bis über den Venem und M.'ilaren vorgedrungen
waren. Über ihr weiteres Vordringen gegen Xordeu s. S. 831.
b) Ostgennanen.
§ 58. Über die Ausbreitung der Ostgermanen (Goten) nad» der Weiclisel
hin ist bereits § 52 gehandelt wnrden. Das Östlichste germanische Voll; sind
die Baslernen, und dereri sowie der Sciri Auftreten ani Schwarzen Meer
um 200 V, Chr. bedeutet nächst der Besiedlung Skadinawiens die zweite
historische Wanderung germanischer Stumme, mag diese Wanderung nun
eine ?Vi|ge der (gotischen) Besetzung des wesUichen Polens sein udcr nicht.
Keine*)fatls haben die Basternen und die sich ihnen anschliessenden Stamme
das ganze Gebiet vr^n den Sudeten ab. wo Ptolemaios das Teilvolk der
^iöuivti (vgl. Slrabön 306) nennt, bis zum Schwarzen Meer und zur Wa-
lachei inne gehabt; sie waren in dieser Landschaft vielmehr nur, Mmlich wie
spater die Goten das herschende Volk, und ausser den kellisdien Resten
(oben S. "80 f.) waren ihnen Slawen untcrthan. Sie sind das erste germanische
Volk, welches inftjige seiner Ausbreitung über weite Gebiete mit fremder
Bevölkerung enlnationalisiert worden ist. Schon Tacitus sagt [(hrm. 4Ö)
»conubiis mixtis non nihil in Sarmatarum habitum focdanturc Seit sie im
Jahre 279 n. Chr. Probus iiber die Donau verpflanzte, verschwinden die
Basternen als selbständiges Volk aus der Geschichte. Sie sind die Vorläufer
der Goten gewesen, an deren Seite sie in der zweiten Hälfte des 2. und im
3. Jahrh. n. Chr. kämpften,
V. Hahnel, Die BrdfutHng drr Siutarnfr für das grrmanisckr Alterthum^
Leipzig und Dresden 1865. — MOlIciihoff. D. A. II 104 — itz,
c) Weslgermanen.
§ 59. Die dritte grosse Wanderung gennanischer Stämme ist die der
Cimbri. Innerhalb des Zeitraumes von 200 bis 100 v. Chr. und zum Teil noch
fruticr hat aber noch eine andere Wanderung stattgefuiideu, von der uns die
Geschichte zwar nichts meldet, die wir aber crschliessen können: die Be-
setzung von Nordwcstdeutäcbland zwischen Elbe und Rhein.
Wahrend wir Ober <las Zurückweichen de-r Kellen aus den hypothetischen
Sitzen östlich der Elbe und Saale nichts Xiihercs aussagen kOnnen, haben
wir in Ji 41 bestimmt, dass die Gennanen das nordostliche Thüringen im 5.
oder 4. Jahrh. v. Chr. erreicht haben, noch bevor die gemeingermanische
Lautverschiebung vollendet war, und bevor sich die Germanen an d<T schwe-
disrben Küste niedcriiessen. Nach Vollzug der Laulverscliiebung haben sie
das übrige Thüringen eingcnommt-n und s'ch bis zur Weser ausgebreitet und
zwar spätestens um 300. wir dürfen wohl sagen: noch im 4, Jahrh. (^nadi
§ 41 Note 1 gegen Ausgang des 4. Jahrhs,). l]ir weiteres Vordringen über
die Weser bis zum Rhein f.'|Jlt in das 3. und 2. Jahrh. (S 38), zum Teil noch
in die erste H^ilfic des r. jährhs. (ij 02^65). Die letzten rechtsrheinischen
Kelten, die Menapli, haben sich erst zu Caesars Zeit über den Rhein zurück-
gczi>gen (S 30*, zu einer Zeit, als die Gennanen unter Ariovist bereits deo
Oberrhein überschritten hatten.
792
XV. Ethnohraphie der germanischen StXmue.
§ (So. In SfldtieiUschland haben die Oemianen erst kurz vor Caesar
Aiikuuft dtn Rhein erreicht. Im 2. jalirh. v. Clin war Süddeutschland noch'
keltisch (§ 35). Der 2usanimcnbru< li dtr Hersrliaft der Helvetii und Üojt
(§ 32 f-) *'urde eingeSeitet durch die Kriegszüge der Cirabri, besiegelt durch
Ariovist.
Dio Helvetii besitzen die Schweiz mit Sicherheit erst seit den Krie^zügeii
der Cimbri. Wir wissen, dass die Cimbri, nachdem sie erst von den Boji,
dann i. J. 114 oder 113 auch von den Scordisci zurückgeschlagen waren,
und naclidem sie die Römer bei Norcja besiegt hatten, sich nach Westen
zur oberen Donau wandten, und dass alsdann sich ihnen ein Teil der Hel-
vetii, die Poseidönios n\a noÄu/ovoav; xui ehnn-atovs ävAgag kennt', ins-
bcsi^ndcre die Tigurini und Teutoni (ii 32 Anm.) anschlössen. Die Aus-
einandersetzung mit den Helvetii dauerte von 113 oder spätestens U2 bis
109. In diwem Jahre st;ind das helvetische Heer bereits an den Grenzen
der römischen Pronnz und schlug den SÜanus. Alsdann erfolgte die Invasion
Galliens. Wo die Cimbü i. J. 1 13 oder 1 12 mit den Helvetii zusammengetroffen
sind, wissen wir niclit. Alles spricht daftlr, dass die.s nicht in der Schweiz son-
dern n.srdlicher, in Sfidwe&idcutscliland geschehen ist. Denn erstens ist es wahr-
scJieinlich, dass Pctseidünios, auf den diese Naclirichtcn zurückgehen, gerade
anhlsslich der von ihm dargeslelUcii kiinbrischen Kriege erfahren hat, dass die
Helvetii einst bis zum Main pewohnl haben (S 3i). Zwcileus, wemi Poseidönios
überhaupt noch etwas von ihren früheren Sitzen in Erfahrung bringen konnte, Si>
kann die Auswanderung schwerlich früher als in der zweiten Hülftc des 2. Jahrhs.
cifulgt seit), luid deshalb liegt es am nächsten, die Veranlassung in dem gewal-
tigen Kriegszuge der Cimbri zu sehen. Drittens, vier Jahre sind darOber hin-
gegangen, seit die Cimbri mit den Heh'etü zusammengeslossen. bis sie vereint
in Gallien crsclieincn: es ist ui<ht walirscheinlich, dass die kleine Scliweiz und
im Lande ansässige Helvetii so lange das nicht sesshafte germanisthc Kriegs-
volk beherbergt haben sollten. Viertens sucht ein wanderndes Volk nicht ge-
rade Gebirgsland auf; die Cimbri sind von den Scordisci zu den Teurisci und
weiter die Donaustrassc aufwärts gezogen; von einem Zusammenstoss mit
den zwischen Passau mid Bodensee wijhnenden Vindelici ist nichts überliefert;
hatten sie aber m WOrttemberg und Baden bereits die fofjfiOi; 'E),fn*>jitiür
angefunden, so sollten wir erwarten, dass sie sich ohne weiteren Zeitverlust
unmittelbar vi>m Oberelsass aus südwestwärts gewandt hatten, die alle Straa
entlang, die vi)n Marseille über Lyon an den Rhein führte, nicht aber dass
sie in der abseits vom Wege liegenden Schweiz sich \ier Jahre aufgehallen
hatten. Kflnftens kennen wir ein Volk namens Teutotn oder Teuioncs nur
als Begleiter der Cimbri und als einen helvetischen Stamm; sicherlich sind
die beiden Teutoni identisch, d. h, wie die helvetischen Tigurini und Am-
brones, so haben sich auch die Teutoni den C'inibri angeschlossen, mit denen
sie offenbar südlich vnm Main zusammengetroffen waren, ich meine also,
die Cimbri haben die Helvetii nocli in Württemberg und Badc-n vorgefunden.
Es versteht sidi vi.>n selbst, dass der erste Zusammenstoss ein feindlicher
gewesen ist. Die kimbrische Hcrsdiaft in Süd Westdeutschland dauerte 4
Jahre. Als die Cimbri zu einem neuen Kriegsnige nach Gallien aufbradieu,
Schlüssen sich die ihnen botmässigcn Helvetii zum Teil im — auch da$ um-
gekehrte Verhältnis ist möglich — und haben seitdem Südwcstdcutscliland
aufgegeben. Die Hauptmasse der Helvetii kennt Caesar in der .Schwci«.
Ich halte aber dafür, dass ihnen noch zu Caesar> Zeit das südliche Bade
gehörte*. Wohl der grössere Teil des Volkes ist mit den Cimbri unt<
gangen; der Rest hat sich in der Schweiz behauptet.
I
II, C, 9. Die AüsnREnx'NG der Germanen is vorchristlicher Zeit. 793
> Slrntiün 1\* toj. VII ?<>j. Atbrnaios VI 23J. — * M. DuncWer. Ort-
gines Grrmanunf. HüIbc Suxonum 1839. S. jg — 41. Man muss in Hrtracht ziphcn.
da&it Ca er Kur iiuf nWr itiv Or£rndcii i^uaiivr iKTicbut, wo lt (>clbta gcwfncn isL
Dit iinbcJLiirumtereii AngalK-n, für iliv «.-r auf Hrirvnwücn angrwirsim war. sttid
nicht so zuvcrISMJt:. Am Obcrrlieiii wi Ca<.-«nr alwr nie grwosrn, weder in der
Schweiz noch im EUau ndi^r in Bail«-n. Di« Annahme, Axks mit <Jrm -Rheno La-
ti«»inio alque alUssttnii, qui agrum Helvi.>tiuin n. Germanis tlividil' {fi. 6. I 3) <ler
KJH.'in zw-t»chcn Basel und Iloderuc« gemeint sei, verträgt »ich nicht wohl mit der
Breite de» Strom«; wir werden eher an die obvrtheinische Tiefebene denken müssen
und auch hk-rbcr die Grcnzkriqje verleben {B. G. 1 [}. Dass die Gemunen am
Südabbang des Scliwajzwaldc« gt-scsscn haben sollten, wldereprkht allem, was wir
sonat über ibrc damalif^n WohnsiLte wlsk'd. Ausserdein achdot nach B. G. I 37
=s DiOn KasHtos XXXVIU 33 der Gau dt-r belvetiachen Veri>i(::«ii in Baden
in germanischer Xachbar^Khaft gelegen zu haben. Weniger Gewicht inOcht« ich auf
die 340 ^milia la&suuni«, welche sich dai Land der Ilelvctii in Joniptudinem-
vrsireckc (jS. G. I 3) legen, wonKh «ie noch bis lum Muin gt^rcidi; haben könnten
(vgl. wt-gfii der Unsicherheit dieser Angaben § 64 Note l}; doch darf immerhin
aus dem VerhfÜinis dtT Ulngc = 240 *u der Breite =: itio (von Genf bis «um
Borieriwr) geschloMt-n werden, dass sie sam mimU-sten no«^ das «üdlidie Bnden «U
ihr LantI ansahen, selbst dnnn. wenn man die L£it|;e nach Orti-n un^l die Breite nach
Xordm ao rniv^t, — Vgl. hierzu die Karte xu S, 796.
§ 61. Die Cimbri, zweifell«"« i-in gennanisclK-Ä Volk, waren von der
Nordseeküsle, etwa atui Schleswig- Holstein gckuimnen, uin mit Weib und
Kind neue Sitze im Süden zu suchen. In Böhmen von den Boji, an der
mittleren Donau von den SLonlisd zurückgeschlagen, vereinten sie sich, nach-
dem .sie durch Noricura gezogen waren, in SüdwestdeuVschland mit den
Helvetii, dtirchzrigen lOQ — 105 pkUifiemd ganz Frankreich tuid gingen
104 sogar uuclt Spanien. Nur die belgischen Kelten veruiochten ihnen zu
witlersiehen. Das Volk fand in Oberitalien seinen Untergang durch die
Schlacht bei VercelU im J. 10: v. Chr. Reste von ihnen oder von helveti-
schen Teuloni sind unter den belgischen Aduatuci aufge^-angen (Caesar, B. (r.
II 2q). Nilchst den Wandeningen der Ostgernianen nach Skadinawien, nach
der Welclisel und bk zum sdiwarzen Meer und nüchst der wcstgennanischen
Beseüung Tliüringens und Nord Westdeutschlands ist dies die erele grössere
Wandcning. Ihr folgte der Zug der Swchen. der durch ArinvIsLs Niederlage
auf Süddeiitschland beschiSukl blieb. Alsdann geboten die W'affen Roms
den Germanen wahrend eines viertel Jahrtaitsends Einhall. Die Bedeutung
des kintbrischen Zuges für die Folgezeit beruht darin, dass zum ersten Mal
der Weg durch den herk>-nisdien Urwald gebahnt und dadurch die Be-
setzung Silddeutschlands durch die Sweben vnrljcreitct wurde.
Cbcr die IdmbiUcben ICriegszü(;c vgl. besonders R. Pallniann, Die Cimbern
und Teiitotien. Berlin 1870 und Müllenhoff. D. A. II lil— ijj und 28a— 303.
5 6;. Um mehrere Jahrzehnte spater als die Helvetii musslen die Boji
BAhmen rfiumcn. Den Cimbri hatten sie noch um oder kurz nadi II5 v.
Clir. widenslehen können (§ 33): im Jaltrc 58 war ihre Macht gebmchcn,
ihr Reich gestür/t. und diejenigen, welche es verschmähten als germanische
Unlerthanen im Lande zu bli;iben, halten sftdlich der Donau in Noricum
T'lalz gefunden und sich zum Teil den Hehetü angeschlossen, als diese im
Bfgriff standen aus der Schweiz auszuwandern (Caesar, Ä G. 1 5). Das
Reich der Boji in Böhmen kann niemand anders gestürzt haben als Ario-
vist»; denn wenn nach den kimbrischen Kriegen und vor Ario\ist ein so
bc<lcutsanier germanischer Vorsloss erfolgt würe. würde sicher eine Nachricht
darüber auf uns gekommen sein. Im Jahre "j Qljcrschritt Ariovist den Rhein.
Da er in Siiddeutschland keinen Widenstand fand, mag er vielleicht schon
73 ans Böhmen aufgebrochen sein. Mehrere Jahre aber mOssen zwisclien
der Entscheid imgsschta cht gegen die Boji und dem Verlassen Böhmens lün-
gegangen sein, weil eine entscheidende Niederlage die Buji ncdi nicht aus
ihrem Lande vertrieben hatte, stmdern nur eine wirkliche Eroberung Böhmens.
Demnach haben die niarkonmnnischen Sweben unter Ario\'ist, die sich zum
Teil dann der oberrheinischen Heerfahrt -anschlössen, jedenfalls iunerluüb,
und zwar {schon mit Rücksicht auf das Aher des ArioviÄt) gegen Ende des
ersten Viertels des ersten Jahrhs. Bühiucn den KeJten abgewonnen, el*-a
zwischen So und 75 oder um Äo v. Chr.
' troll Muth, PBB. XVII 99 f.
Antn. Müllenhoir, A W. II 267 und Mucli, i'BB. XVII 10 tetceo die RÜaniung
Böhmens um bo v. Chr. an, Sic racineti, wenn die Boji i. J. $8 von Nnricum au» »ich
(I«n Helvcrtti aniichloHiien, so würr;n ttie dumal^ erst vaterlitnd^lo^ geworden. Aus.
den Worten Caesars '(lul trans Rhenum incoluerant et in agrum Noricucn transierant
Xoreiamque oppuKcarani- [Ji. Ü. I ^) kann man das nicht schLicssen; •lanacti künnicn
von Oen^ allerüinfr^ sehr bald nach thrtr V'erlreiimng mh Böhmen anzu setzen den Be-
treten Noricums ebensof^ut 3o Jahre wie Moiule darüber hingcganKen »ein, ehe »ich
ein Teil den Helvcui anschlosi. Uie Nachricht des Tacitus, dass es Marcomani gc-
wewn, die die Boji verlricUen hätten {O'erm. 42) fdr «fAlschf m hallen (Müllen-
hoff 36^), Hegt l(cin (THind vor. Da» Marcomani auch in <ler Schlacht gegen Caesar
kämpften, .lUo vom Rhein gekommen waren, widerspricht dem ebenso wenig, wie die
Wdlinsilze der an derselben Schlacht beteiligten Sweben am unteren Main der
gleichiEeiligen Annahme von andern Sweben an der mitLlereii Klbe widersprechen. Dans
die mächtigen Boji, die um 115 ihr Reich gegen die Cimbri behaupteten, es wenige
Jahrzehnte später freiwillig verlassen haben sollten, ohne durch Waffengewalt da^u
gezwungen zu sein, zumal »ie in Nuttcuni feindlich aufgenonimen wurden, der ocu £U
erkämprcnden Sitie »Ho keineswegs sicher waren, darf als ausgeschlossen gelten-
Auch wenn Tacitus nicht ausdrücklich von BöhmcD -pulsis olim Bojis- sagt^ und
die dorlige \ietlerlassung der Marcomani alt viilute patta' bexeichnele, würde die
Annahme nicht cdauM »ein, dass die Marcomani ein von seinen Bewohnern verlos*
»eaes l^nd vurgelxinden liütlen (^[uch 11). Allcrding« «agt V'elleius II to8 und
StrabSn 290, d;iss MaroboUuas seine älaccomani nach Ilubmen gefühn habe. Da
das Zeugnis des Vellciu)' ein durchaus ttiverJüisiges ist so müssen wir schlicssen,
das* die Schiiarcfi Ari<jvj»tv, die Bühmcn erobert haben, e^v docli nicht behauptet otler
doch wenigstens nicht dcliniliv bcMcdcll haben, sich vielmehr in ihrer Hauptmasse
dem oberrheinischen Zuge Ariovists angeschlossen haben. Freilich werden es nicht
aussch1ie»<«1ich die Marcumant des Tncilus sondern vielleiihl »lle zur Zeil unter Ario-
vists Führung stehenden swebischen Siämmc Kcwcsen sein, welche die Boji verthebeo.
Dass MuTComani auch daran beteiligt waren (Much 99), vielleicht in erster Reibe,
wird durch ihre einfttniah Hiihmen ben.-ichb.-iirlen .Sitze nahe gelegt. Man wird die
Nachricht des Tacitus mit der des V'elleius am besten in der Weise vereinigen,
dass man sagt, die Marcomani haben unter Ariovist die Boji zwar aus Böhmen ver-
trieben, aber erst unter Maroboduus delinitir vivn Böhmvr Bcsila ergriffen. An sich
unmöglich wäre es nicht. da%s liereits die Marcomani Ariovists Böhmen djoernd be-
hauptet hQ,beo, und da»h Maroboduus diesen nur die ausserhalb Böhmen verbliebenen
Vulksgcnustcn zugeführt liätle. Dagegen nicht vereiiibAr mit unteren Zeugnissen ist
die AnDahme, dass erst Maroboduus die Boji aus Böhmen vertrieben habe.
Ob die germanischen Quadi damals schon Mahren beseLct haben, ist nicht
sicher, aber nach Caesar, li. G. VI 24 sehr wahrsf!heinlich (vgl. § 43).
§ 03. Nach der Eroberung Böhmens hat sich Ario\iät etwa /wlsdien 75
imd 72 V. Chr., lielleirht in den Jahren 73 und 72, zum Mcrrn von Süd-
dcutschland gemaclit. Als er den Rliein überschritt, war sein Rücken ge-
deckt. Mit den südlich der Donau ansässigen keltischen Norici scheint er
eine Art Bündnis geschlossen zu haben; wenigstens dürfen wir in seiner
zweiten Ehe mit der Tochter des norischen Königs, ►quam in Gallid duxerat
a UdUfz inissam- (Caesar, B. G. I 53), eine politische Heinit sehen. Süd-
deutschland von Böhmen bis zum Schwarzwald gehorchte ihm. Xur südtich
II, C Q. Die Ausbreitung der Gbrxianen ih vorchristlicher Zeit. 795
der Donau blieben die norischen und vindelikischen Kellen in ihrem Besitz-
tum. Von einer (lauernden germanisthen Besiedlung des Landes kann aber
noch keine Rede sein. Ebenso w-ie die Scharen Ario\-ists ihm aus Böhmen
nach dem Wcj»ten fulgtcii, so waren sie auch hier nicbt ses^bufi »«.indem
bereit, die eben erworbene Heimat mit einer neuen zu vertauschen. Immer-
hin aber war Sucldcut-sclitand nOrdÜch der Donau bis Baden in germanischem
Besitz, und im Kriegszustande befanden sich die Scharen Ariovisls erst seit
dem Jahre 72, seit der Überschreitung des Rheitis {/i. G. I 36).
Ob AriovJst, gegen die Aedui herbeigerufen von den Arvenii und Sequani
(Ä G. I 31), erst im Jahre 72 den Rhein überschritt, wie unsere Cberliefe-
riing uuSiSasrI, i^t nicht sicher. Es kann sein, doss er daniials nur das Gebiet
der Se<in.ini, das Elsass, betrat, aber schon einige Jahre früher den Rhein
überschriilen hat und zw;ir bei Mainz. Wenigstens sitzen seit Ariovist in
der bayrischen Pfalz die Vangiunes, und dieses Land haben die Germanen
den Medioraatrici, nicht den Sequani abgewonnen, wie zweifellos aus der auf
Po.seidönios zurückgehenden Angabe bei Caesar. B.G. IV io = Slrabön
IV 103 f.' und Plinius IV lo/j hervorgeht, wonarh am Rhfin von Süden
nach Norden die Helvt-lii (Schweiz), Sequani (Elsass), Medioniatrid (l'falr),
Trcvcri (von der Nahe bis zur Ahr) wohnten, bevor die germanischen Triboci,
Nemetes und Vangiones dag linke Rheinufer in Besitz nahmen. Vgl. die Karte
zu S. 797. Von einer Verdrängung der Mediomatriu berichtet aber Caesar
nichts, sei es dass er politisch kein Interesse daran hatte oder am Ende über-
haupt nichts davon erfahren hatte, sei es dass dies vor der Besetzung des El-
sass gesclieheii war. sei es dass es erst nach dem Jaiire 58 geschah. Die letz-
tere Möglichkeit darf um der durrii f.aesar geschaffenen politischen VerhJiltnisse
willen als ausgeschlossen gelten. In Anbetracht deisen, dass nordöstlich von
den Vangiones die Sweben sitzen und audi diese in .■Vriovists Heer vertreten
sind und auascrdem gleichzeitig von Nassau aus über den Rhein drängten
(§ O4), kann es kaum zweifelhaft sein, dass Ario\ist vom Main hei^ekommen
ist, wie die Sweben ($ 64), und zuerst die Pfalz, dann erst das untere Elsass
besetzte, gleichviel ob das Jahr 72 für da.s Überw^hreiten des Rheins bei
Mainz — was wegen des I4jahrigeu Aufenthaltes links vom Rhein weitaus
am wahrscheuiLichstcn — oder für das Betreten des Elsass zutrifft Er ist
al8() v(»n Bi"ihmen M:ün-abwarts gezogen, und seine iioUtischen Beziehungen
zu den Norict rühren offenbar von der Zeit der Besetzung Böhmens her.
' K. Lamprecht, Zs. d. Bergischen üeicbichlsvereins XVI 1880 (1881)
182—187.
Herbeigerufen von den Sequani. gelang es Ariovist in den Jahren 72 — 58,
sidi zum Herrn des Elsass zu machen; im J. 58 brach er vun diesem seinem
Lande auf, um Besan<;on zu besetzen {li. G. I 38), un<i aus dem Bericht
Caesars geht tiervor, dass aucli die westlicheren keltischen Slätmuc dcu
in immer neuen Schüben über den Rheiii ^'ordringenden Germanen nicht zu
widerstehen vemiocliten. Der Sieg der Kriegskunst Caesars über Ariovist
im J. 5S V. Chr. machte der germanischen Herscliaft westlich vom Rhein ein
Ende, und diese Schlacht ist eine der entscheidendsten der Weltgeschichte
gewesen. Denn hatten nicht die römischen Waffen den Germanen Einhalt
geboten, so würden sich damals die Gennancn zweifellos allmählich zu Herren
von ganz Gallien gemacht haben (Caesar. B. G. I 31. 33. 44), und die
Deutschen würden heute in Frankreich wohnen. Den Besitz der Germanen
hat Ciesur nicht angegrifft^n {H. G. I 35. 43), und so blieb das Unlerelsass
imd die Pfalz in ihren Händen: die Tribocl blieben im Untcrelsass. nörd-
lich von ihnen die Nemetes (beide oder nur erstere in dem von den Sequani
abgetrelenen Drittel ihres Landes. li. G. I i. 31) und bis zur Nahe die
Vangiones; von den Harudes, die zuletzt über den Rhein gekommen waren
(Ä G. I 37), fehlt jedfi Spur, weil Oesars Sieg ihre beabsichtigte Ansicdlutig
im Obcrclsass, südlich von dun Nemotcs (I 31), vercitcUc; ebenso haben die
Marcomani, Sedusü und Sue\i (I 51) links vom Rhein keine Stätte pefunden.
Jene erstgenannten drei Sianime. deren Wesij^renze sich genau mit der der
spateren römisclien Pro\'inz Germania auperior deckt — vgl. die belgischen
Germani innerhalb der Pro\inz Germania inferior (oben § 4) — sind sj^Üter
romanisicrt worden. Die rechtsrheinischen »SueW. qui ad ripas Rheni vene-
rant, dotnurn reverti coeperunt* {I 54), gaben aUn den Limdstrirh auf. den
sie zu Ariüvists Zeiten wohl überflutet aber nicht dauernd in Besitz ge-
nommen hatten. — Vgl. hierzu die nebenstehende Karte.
Anm. Über die AV'ohnsitie der Triboci, Nenetes und Vangiones vgl, besniidcn
K. Mnch, PBR. XVII 100—107. Zeus« aig meini, Jass -die »üdliche Laße der
Kemcten über den Triboken nicht becweifcU werden kann, da Plintus und Tadtus
darin zusammen Sil mmen, und dirKibe ihn<rn auch ("aesar gibt, wenn er sie tu den Hel-
veliem und Raurakern slelU^. Das Zcu^juis des Taciiu« {Gtrm. 28) uheidet aus,
weit CT Caesar oder Pltnius gefolgt sein wird. Dieser aber täblt (A'. //■ IV lod) die
Völker überbaupc nitbl alle in geogcaplaiitcliL-r Reihenfolge auf, vgl. nach den Frisia*
vone& die Leuci, nach diesen die Treveri und Lingone«, dann die Mediomauici und
Scquani, während die gcogtaphtsche Keiheniolgc sein würde: Trcveri, Mcdiainairici,
l^uci, Linguncs, Seqaani. Aus Caesar )äs»t »ich nicht mehr entnehmen, aU da^is er
gewusst hat, dass die Triboci und Kemetcs io der oberrheinischen Tiefebene wohaeo.
Die PoscidJ^nios entnommene Kcihcnfolgc der Rhcinvölkcr Kelvelii, Scqiiam, Me>
dloraatrici, Triboci, Ttevcri iß- (*. IV joj beweist nicht eiwa, dass die Tribort südlteh
der Nah« sassen, vielmehr vertreten hier die Triboci die Xemeies und Vangione» mit,
über deren Sitze er nidiu Genaueres gewusst hat. Die Angabc, das* der herkvoisdie
Wald >ab HcKetionim et Neir^etum et Rauracorum finibus-> begiooe {B. O, VI aj),
bc&tätigt das nur, d« ja die Nachbarüchafl der Hetvelii und Kauraci über jc«len Zweifel
erhaben in. Die Keihcnfolpc der Stämme in der Schlachtordnung Ariovisls (Ä. (7. I
50 ist aber überhaupt keine geogra|)hische. Dic&e Stelle acheint Schuld daran xu sein,
dass die Späteren dieselbe Reihenfolge wiederholen. Ertscheidcnd Rir die Bestimmung
der Wohnsitxe sind die inschrirtlichen Zeugnisse, vgl. Mucli a. :i. O. — Bei Ptole-
maios II 9. 9 erscheinen die TQlßnxri; an der richligen Stelle, wSbrcnd allerdings die
Nifiijm ond fK-a-^i-im-ti ihren Plan vertauscht haben. Die Oi'air,*iotfTC bei Htole-
maios IT 11, 6 idenliüzicre ich mit den ihnen gegenüber am lir<ken Rhoinufcr ge-
nannten Oiiityyiitrfi (S. ^4^ Kote 3). Nach Amni. Marc. XV 11, 6 ond XVI 3, 1 wob-
neti die Vangiones nurdücb von den Ncmeics, ebenso nach der \alilia DigtutntMMi 41.
§ 64. Über den Mittelrhein drSnglen die Germanen gleichzeit^ \ox.
Nach Caesar sitzen die Sweben am unteren Main, wohin sie offenUar
damals erst gekommen waren, nach dem zu schliessen, was Caesar über
ihrp mangelnde Sesshaftigkeit aus&apt (Ä G. IV i. VI 22. 29), Ihr Gebiet
erstreckte sich landeinwärts nach Nordosten zu bis zur silva Baccnis, ei-
nem Urwalde, der an der Rhön beginnend, zwischen liessen und Thüringen
nordwärts sich bis zu dc-n Cherus»i t-rstreckte. Die Sweben sind offenbar
aus ThQringen eingewandert, wo ihre Sianinirsgenossen sitzen, und *.ind ent-
weder über den Frankenwald oder Aber Eisenach und das Werrathal Maiii-
abwürts gezogen. Diese .\uswanderuiig daif im Zusammenhang mit dem Zuge
des Ariüvist betrachtet werden. Dass sie im Maiullial noch eine keltische
Bevülkening angelrofEcn hatten, dafür ffhlt jede Spur. Nach Südosten, nach
der Donau zu war das Land unbewohnt, nach f'aesar [H. O- IV 3) bis in
einer Ausdehnung von 'x*o Milien, also audi bei starker Reduzierung dieser
iiahl^ doch wohl bis xiim Böhmcrwald. Ihre neuen Wohnsitze am Rhein
haben nicht bfe Baden gereicht; denn nach der Besiegutig Ario\ists. »Suevi,
r.
II, C 9. Die Ausbreitung der Germanen in vorchristlicher Zeit. 797
qui ad ripas Rheni venerant, donnim reverti coeperunt« (/?. G. I 54). Ersi
nördlich von Darrastjtdt grenzten sie im Westen und Süden an die Vangioncs
und Nemetes {§ 63). Diejenigen Germanen, mit denen die Helvetii »fere
cutidiatiis procHis . . contendnni, cum uul suis finibus cus ptuliibent aut ipsi
in eoniiii finibus bellum gcrunt- (I i), und »quibusrum -saepenumcro Hflvctii
congressi non sduin in suis, sed etiani in illorum finibus plerunu^ue supe-
rarint* (I 4UI. sind offenbar erst im Gefnlgc Ariovists gekommen, und wir
werden in ihnen die Triboci zu sehen haben (^ 63 Anm.). Das von den
Sweben gewunnene Gebiet begann nach dem Rhein zu erst im Hessischen,
und wie am Oberrhein unter Ariovists Führung seit dem Jahre 72, so warai
sie im J. 58 v. Clir. unter Nasua und Cimberius im Begriff den Mittelrheiii
in der Gegend zwischen Mainz und Kobk-nz zu Übenichreiten (I 37), um
sich nach der Niederlage Ariovists anch vom rechten Rheinnfcr zurückzu-
ziehen {I 54). Im J. 53 st;hickten sie den Treveri Hülfe (VI 7. 8. g) über
den Rhein, scheinen aber nach Caesar den Besitz des rechten Rheinufers
dauernd aufgegeben zu haben, wenngleich wir in den Germanen, die im J. 52
die Treveri bedrängten (VI! 63. vgl. aurh VIII 23) und im folgenden Jahre
denselben Hülfe leisteten (VIJI 38), eher Sweben als Ubii oder Sugambri
sehen werden.
G, Zippe), Deuliehe VSÜterbewegvngen in der Rämerieit, Pnigr., König\1ier{>
1805, S. 24—20,
1 Eine ReilukttoD der wohl nach Tajjtreisen berechncWn Zahl muss — g*^«
Much — schon bn HinMick aiif ander« Läogtinmass« Caesars ani;rnommcn vrer-
(ttn ; vgl. bcsondtrs die 4 mal Mi grosu LfiDgenbesümmunR der Ardeniwn =; 500
Milien (Tl). B^igk, Zur GtichichU und TopograpHit Jtr RhtinlanJe, Leipzig
1883, S. 31 Arm.).
S 63. Auch am Niederrhein machten die Germanen nicht Halt. Zum
Teil wurden sie, wie Ariovist von den Scquani, »auxllio ab fielgis accersJti«
(Caesar. B. G. III 1 1). In der Hauptsache aber wurden sie <Iurch die Sweben
gedrängt. Im Winter 50/53 v. Chr. »Usipctcs Germani et item Tenctcri
magna cum umltitudine hominum flumen Rhenura transicrunt non longe a ma-
ri, quo Rhenus infinit. Causa traoseundi fuit, quod ab Suevis complures an-
nus cxagitatt hello premebantur et agricultura prohibebantur* {B.C. IV i). Die
Usijietes und Tencteri hatten vordem nicht am Rhein, sondern im inneren
Deutschland gewohuC, aber i. J. 5g ihre "Wohnsitze verlassen müssen, >ad extre-
mum tarnen agris cxpulsi et muUis locis Germaniae triennium vagalt ad Rhenum
per\'enerunt" (IV 4). Es war nicht ein Kriegszug sondern eine Auswande-
rung: »cum Omnibus suis domo exccsseranl RhenunK|ue tninsierant< (IV 14).
Caesar schützte ihre Zahl auf 430000 Köpfe (IV 15). Sie vertrieben die kel-
tischen Menapii, welche ^ad utramque ripam fluminis agrus, acdifida Wcos-
que habebant, sed tantae mulliiudinis aditu perterriti ex iis aedificiis, quae
trans flumen liabucrant, dcmigraverunt et eis Rhenum dispositis praesidüs
Germanos transire prohibebant« (ebd.). Nachdem die Germanen die Menapii
am linken Rheiaufet überrumpelt hatten, >uniiubus eorum aedificiis occupatis
reliquani parteni hiemis sc ennmi copiis alucrunt" (ebd.). Im Jahre 55 zogen
sie nach der unteren Maas -in fines Eburonum et Condrusomm« [li. G. IV
6. Q. 12. 15), bereit sich mit Weib und Kind (IV 14) im Lande anzusiedeln
(rV 7). Ihre und Ariavists Niederlage durch Caesar bewirkte, dass im folgen-
den jähre die Germanen, von denen es hiess »Rhenum transisse« (V 41),
sich durch die Treveri nicht dazu verlocken liessen, den Rhein zu über-
schreiten, »cum se bis cxpertos dicerent- (V 55I. Dennoch wagten es
'1* J* 53 -ooo Sugambri bis nacli Aduatuca vorzudringen (VI 33), musstcn
sich aber über den Rhein zurückziehen (VI 41).
k^-
798"
XV. ErnyoGRAPiriE der germanischem Stämme.
Vgl. Tli. Bcrgk, Zur Gfifhuhle inul Topographie dfr Rh^inlandf in n^mü
sthrr /rit, LeijM.ig 18S2, S. I — 34, — Ganz uobultbar Mriirinl mit, was R, Mucb,
PBB. XVII 137 — 142 vorbringt; rgl. G, Zlppcl, £>ruttc/u Völkerbr«rtgungen tu
der Jftimerifi/, Propr. KfiaigslKTt« ifiQJ, S. lof.
Ausser den Sugambri hntlen schon vor Caesar die Ubii den Rhein erreicht
und waren hier fcsl ansJlssig gewurden (Ä O. VI 10). Im Httiblitk auf die
rechtsrheinUchcn Sitze der Ätcnapii hahen wohl erst kurz vor Caesar die Ba-
tavi die von Waal und Maas gebildete Insel besetzt (IV lo). Ware es früher
als im I. Jahrh. v. Chr., vor der Zeit der kiinbrischen Kriege geschehen, so
würde Tacitus schwerlich gewusst haben, dass sie >Chattorurn quondam
populus et seditit'ne dumcsUca in cas scdes trausgrcssus« (Germ. 29) gewesen
sind und »seditione (Inmestica pulst exlrema Gallicae orae vacua cultoribus
.... nccupavere« \/fis/. IV 12).
In der ersten Hälfte und der Mitte des i. Jahrhs. v. Chr. sind die Ger-
manen bis zum Rhein vorgerückt und im Begriff gewesen üin überall zu
überschreiten. Caesars Kriegskunst liat ihrem weiteren \*ordringen Hall ge-
boten, indem er sie nördlich vom Main auf die Rheingrenze, südlich vom
Main auf die im Jahre .58 bestellenden Sitze in der Pfalz und im Untcrelsass
beschrünkt hat. GberdeutiMrliland war. mit Ausnahme der in der oberrliei-
iiischen Tiefebene angesiedellen Schaarcn ArioN-ists, südlich der Donau noch
von Kehen bewohnt, nördlich dereelben von ihnen verlassen und menschen-
leer, übrigens grüsstenteils von dem herkvDJscheu Urwalde bedeckL Aus
Kriegsnot liaben die Scquani dem Ariovist auf Verlangen das Unlerelsass
abgetreten (Caesar, ß. G. l, 31, »sedes ab ipsis concessas» 1 44); rweifcUos
siiui diese Setjuaui sowie die nördlicheren Mediomalrici (§ 63) ztun grüssten
Teil im Lande sitzen geblieben.
d) Miscliung der Germanen mit Kelten.
§ 66. Kragen wir nun, in welcher Weise wir uns die germanische Be-
siedlung %'«:)n Söd- und Westdeutschland vorzustclleu haben, ob beiw. wie
weit die Gemianen die eingeborene keltü?che Bevölkerung unterworfen oder
vertrieben haben, oder ob sie ein von diei^en bereits verlassenes, also men-
schenleeres Lajul vorfanden, so muss diese Frage von Fall zu Fall beant-
wortet werden. Nur für einen verhältnismässig kleintMi Teil des neuerworbe-
nen Gebietes westlich der Elbe liaben wir Nachrichten. Die Reste der Volcac
in Mahren (Caesar, ß. G. VT 24) sind jedenfalls im Lande sitzen gebhebcn
und germanisiert worden (g 43). Die Boji sind mit Waffengewalt vertrieben
worden und zum grüsslL-n Teile über die Donau ausgewandert (§ 33 und
62). In dem altc-n Lande der Helvetii in Baden und Württemberg fanden
die Germanen als 1) täk "* Ekovtjiltxiv hi>}}io<; vor (§ 32). Die Belgae sind
ausNordwcstdeutschiand ausgewandert (§37); ob der Not gehorchend, ob dem
eigenen Triebe, wissen wir nicht; ebensowenig wissen wir, ob namhafte Reste
zurückgeblieben sind, die sich den nachrückenden Germanen assimiliert haben.
DieMenapii am Xiederrheiii haben ihre rechtsrheinischen Sitze >tai)lae multl-
tudinis aditu perlerrili- geräumt (§ ?>^ U"d 38 Anni. 4), aber nach dem Abzug
der Germanen »trans Khenum in suos vicos remigaverant (Caesar, B.G. IV 4)«.
Die germanischen Batavi .cxtrema Gallicae orae vacua cultoribus .... occu-
pavere (Tacllus, Hiit. IV 12)«. Zu Caesars Zeit findet überall ein lang-
sames, erst von Caesar gehemmtes Zurückweichen vor den kriegerischen Ger-
manen statt; nur der Sturz des böhuiLscliea Reiches der Boji darf als cL-t
besonderes, grösseres politisches Ereignis angeschen werden. Sonst aber lian-
-delt es sich vorwiegend um kleinere Grenzkriege, ahnlich wie sie später die
II, C, 9. DrE AcsBREiTuyo öer Germanex in vorchristucher Zeit. 799
Deutschen mit den Slawen zu bestehen hatten. Vgl. Caesar, li.G. I i:
»Helvctii fere cotidianis proeUis cum Germanis contendimt, cum aul
suis flnibus cos prohibent aul ipst in eorum finibus bellum gerunt*; \mi 25
von drn Treveri : »quomm rivitas propter Gcrraaiuaf* \-icinitstcm cotidianis
excrdlata bellis«; I i von den Helgae: »proximiqur sunt Gcrmaiiis, qui Irans
Rhenuin inroUmt, t|uibuscun5 contineuter bellum gerunL*
§ 67. Dass die Verhrillnisse in den voraufgehenden Jahrhunderten ahnlich
lagen, wie in der ersten Hälfte des ersten Jahrh. v. Chr., ist nicht wahrschein-
lich, in Anbetracht der grösseren kriegerischen Macht der Kellen, von der
noch die ZurÜLkwcisiuig der Cimbri durch die Buji (§33} ein letztes Zeugnis
ablegt Vielmelir ist anzunehmen, dass der grösste Teil der in Deutschland
ansässigen Kellen das Land freiwillig gerüunit hat, in das dann die Germa-
nen friedlich eingerückt sind, ahnlicli wie nachmals die Slawen in das von
den Germanen vedassene Land. Zu Ausgang des 2. Jahrh. bezw. zu Anfang
des I. Jahrhs. v. Chr. haben wir solche Beispiele an den Hclvctii und den
vi>n den Batavi eingenommenen -extrema G.illicae ora x-acua cultoribus». Wie
wir uns eine solche plaiimüssige Auswanderung vorzustellen haben, schildert
Caesar anschaulich bei dem spüteren Auszug der Ht-Ivetii im Jahre 58 v. Chr.:
>cx)nstituerunt, ea quae ad ])rofici5cendum pertincient, compararc, jumcnto-
ruin et carn)rum quam inaximum numerum cuL'mcre, sementes quam ma.xi-
mas facere, ut in itinere ropia frumenii suppelerei, cum proximis civitaiibus
pacem el aniicitiam conflrmarc. Ad eas res conficiendas biennium sibi satis
esse duxcrunt: in tertium annum ]jrofcctioncm lege confirmant- (Caesar, R.G.
I 3); »oppida sua omnla, numero ad duodecim. \'ici"»s ad qua dringen los, reli-
qua privat» acdifida inccudunl. fruraentum omnc, praelerquam quod secum
portaturi erani. comburunt, ut donium reditionis spe sublata paratiorcs ad
«>mnia pcricula s\il>euncla essent, triiiin mensnim nir)lita, ciharia sibi queinque
domo cfferrc jubecit': (I ^\\ nach ihrer Niederlage -tabulac rcpcrtae sunt,
, quibu-s in tabuüs ni^minatim ratio ccmfecta erat, qui numerus domo
exisset eorum, qui arma ferre possenl, et ilem separatim pueri, senes mulicrcsquc«
(I 29). Das Ziel ihrer Auswanderung war ein im voraus bestimmtes I^nd
(I 10). Zwei Jahre licsscn üijp sich Zeit dir Vorherdtungen zu ihrem Auszuge
zu treffen. Der Grund für derartige Auswandentrigeri war Obcrvrilkcning,
weil der Bfidi'n die Menschen nicht mehr ernährte; die Hcrschsucht des
Orgetorix mag die Veranlassung gewesen sein (I 2 f.), ist aber nicht der
wahre Grund gewesen (I 5): ihr Land war ihnen zu klein (I 2). Wenn eine
Landschaft von ci<!n Kflten gerflumt war, so rQckteii die benachbarten Ger-
manen '.in. Caesar befahl den beilegten Helvctü -in fines suos, uudc erant
profecli, revcrti*, versorgte sie mit Getreide und ^ipsus oppida vicost^ue, quos
incenderant. restituere jussit Id ea maxime r;itione fecil, quod noluit. eum
l(Xrum, unde Hclvctii discesserant, vacarc, nc propter bonilalcm agrorum
Gcrmani, qui trans Rlicnum incolunt c suis finibus in Helvetiortim fines
transirciil- (I 28). Also ciiiesteiLs fanden die Germanen ein von ihren Bewoh-
nern verlassenes l-and vor. Andemteils aber ist nicht der gesamte keltische
Stamm ausgewandert, sondern ein Teil behauptete sich in der Heimat, wie das
Beispiet dcrVolcae lehrt, «quae gens ad hoc tempus hie sedibus sesc continet
suminamque habet justitiae et bellicae laudis opinionem« (Caesar, B.G. VI 24);
sie waren schnn zu Caesars Zeit im Begriff gennanisicrl zu werden.
§ 68. Die Frage, wie weit die vorrückenden Germanen noch Kelten im
Lande vorgefuudci\ haben, ist deshalb von niclit geringer Bedeutung, weil
wir hier zum ersten ÄLil in historischer Zeit den Fall vor uns haben, dass
<lie Germanen sich mit einem andern Volksstamm gemischt
haben. Walirend die Slawen, die Ostdculsclilaiid besetzten, nur so gering-
fögige Reste von Germanen vorgfifimdcn haben, dass man sagen darf, sie
haben ein menschenleeres Land besetzt, scheinen stellenweise bedeutendere
Reste von Kelten sitzen geblieben zu sein, um, zuuadist als policLich Unfreie,
altmählith in den Germanen aufzugchen, «n Vorgang, der zu Tacitus" Zeit
jedenfalls schon vollzogen war; sonst Iiüttc dieser schwerlich die Genuanen für
»mimtne aliantm gentium adventibus et hospiiiis mLxl<^«sv [Germ. 2) und >nullis
aliaruni nationum conubÜs infectos propriam et sinceram et tantuni sui simi-
leni gentem- {Germ. 4) halten kunnen, zmnal er \ot\ frühereu Kellen in
Deutschland wusstc {Germ. 28). In Anbetracht der Unsicherheit der anthnv
pologischen Mcrkmak- (oben S. 750 f. und 704 ff.), die noch dadurch erlifihl wird,
dass wir erstens das Material nur der Gegenwart entnehmen kennen und zwei-
tens nicht wissen künnen, ob die stellenweise dunkelhaarige Bevölkerung nicht
eine spatere Kolonie ist oder gar aus einer viel früheren, vorkeltischen Zeit
stammt, so dass diese Leute als Germanen bereits in die keltischen l^nde
eingerückt waren; in Anbetracht dieser Unsidierheit also künnen wir die aufge-
worfene Frage nur auf Grund der keltischen Fluss- und Ortsnamen
beantw-orleD. Sollte sich dann herausstellen, d;iss eine Landschaft, deren
keltisclie Be\'ölkcrung auf diesem Wege nachweisbar isi, gerade dunkelliaarigc
Bewohner aufweist, dann werden wir diese allerdings für germanisierte Kelten
hallen dürfen, wobei anthropologisch noch wiederum die Frage offen bleibt«
ob diese rekonstruierten Kelten nicht vordem einem andern, keJtisiertea Volk
(etwa den Ligurem) zugehört haben.
§ 6c(. Nicht jeder keltische Gebirgs-, Fluss- oder Ortsname bcw'eist, dass
die Germanen an Ort und Stelle noch eine keltische Bevölkerung vorgefun-
den hüben. Es bmn z. B. nicht wohl bezweifelt werden, dass die rechts-
rheinischen Germanen zu Caesars Zeit bereits die Ardennen, die Maas, die
Mosel und Städtenamen wie Bonn, Andernach, Bingen mit Namen gekannt
haben, und sie würden diese Namen auch in dem Falle der Nachwelt bis
auf die Gegenwart überliefert haben, weiui die linksrheinisLhen Kelten bis
auf den letzten Mann vor ihnen das Land verLissen hatten. Den Khem
haben die Germanen dem Namen nach gekannt, läJigst bevor sie sein Ufer
erreichten; das lasst sich aus der Sprache beweben: genn. Rlnaz <. *IUino:
(so noch im i.Jahrh, v.Chr.), "Reimes ist die älteste kellische Form, woraus
schon im 4. Jahrb. v. Chr. Rfnos, wie mit Sicherheit der '/*//i't>ff bei Pythcas
beweist, folgliih kenn<-n die Germanen den Rhein spätestens seit dem 4.Jahrh.
V. Chr. Auf bedeutendere Reste von Kellen darf man nur dann schliesseu,
werm timerhalb einer Landschaft auch die kleineren Flüsschen {und Orte)
einen keltischen Namen tragen. Je dichter solche Namen sich häufen, um
SU sicherer der Seliluss, dass die Einwohner zum Teil germanisierte Kelten siu(
Die Untersuchungen über die keltischen Fluss- und Ctrtinamcji in Deutsch,'^^
land sind seil den letzten ^ojaliren eifrig gefordert worden, bedürfen jedoch
dringend der Erneuerung. Nach dem augenblicklichen Stande der Forschung
lasst sich sagen, dass die Bachnamen auf ndd. -apa, hd. 'oßa in gedrüui;-
ter Masse nur westlich einer Linie Lippe- Werra-RhAn-Spessart- Schwarzwald
nachgewie-sen sind, also in der Rheinprovinz, in WV-stfalcn, Hessen, Baden
und Elsass-Lothringen; ausserbab dieses Gebietes mehr vereinzelt, was aber
\neUeicht mit darin seinen Grund hat, dass die Forschung sich mit diesen
Gebieten weniger beschäftigt hat. Hiemach würde es scheinen, dass — in
leidlicher Übereinstimmung mit der gegenwartigen Verteilung der Blonden und
Brünetten — von den lielgae in der nord westdeutschen Tiefebene nur ge-
ringe Reste (besonders zwischea Lüneburger Heide und Weser und in Holland)
k
n, C, c>. Die AiiSDREiTüNO der Germanen ik vorchristucher Zeit. 8oi
im Lande sitzen geblieben sind, clxTisn vnn den thO ringischen Kellen (be-
sonders im ausscrstcn Westen), dnss aber in Hessen und dem sfldlithcD
Westfalen, wo fast sSmtlidie kleineren Flüsschen auf -apa, 'ofia ausgehen
<§ 39), übcrdll KcUen sitzen geblieben sind, um zunächst poliliscli, dann schon
in \-orchristhclier Zeit awth si)rarhlii:h Germanen lu werden. Diese berpsch-
wcstf;ilischen Kelten würden, wie ein Blirk auf die Karte lehrt, zu den bel-
gischen Gcnuanen gehören und Hi'irige der Sugaoibri geworden sein; die
hessischen Kelten, die in den Dialti. Ubü und Sweben aufgegangen wSren,
würden auf die Treveri, Mediomatrici, Leuci, Lingones und Setjuani zurück-
weisen, und mit den Lingones auf die vom Mittelrhein aus nach Oberitalien
gewanderten Stämme (§ 43 Anm.).
Dieses Ergebnis rau$s jedoch im höchsten Grade stutzig machen. Die
fast durchweg keltischen Flussnamen innerhalb jenes Gebiet« könnten keinen
andern Schluss zulassen, als dass ein ganzer keltischer Stamm oder vielmehr
deren mehrere zum Teil im Lande siticcn geblieben, also von den Germanen
unterworfen tt-iiren. Einen solchen FaH kC^nnen wir für die geschichtliche
Zeit in dem Umfange nii>;ends nachweisen; denn das Beispiel der Volcae
(§ 45) und das der Mcdiomatrici und Scquani (ja 63) betrifft ungleicli klei-
nere Gebiete. Ist es schon an sich unwahrscheinlich, dass die Germanen in
früherer Zeit ein so grt»sses kellische:s Gebiet unterworfen haben sollten, wo
nodi gegen Ausgang des 2. Jahrb. die Boji und die Belgae stark genug wa-
ren, um den gewaltigen kimbrisLhen Ansturm zurückzuweisen (§ 33 und öl),
wo noch zu Caesars Zeit die Hclveüi den Germanen Ariovists Stand zu halten
vcmioclilen (§ 64), und das um so mehr, als es sich hier zum Teil um die
besonders kri^tüchtigcn belgisclicn Germanen handelte, und ist es — im
Hinblick auf das Boji (§ 62} — unwahrscheinlich, tia&s diese liesiegten Kelten
nicht zum gnjssten Teil das Lanfl verlassen haben sollten, so wird diese Un-
wahrjicheinlidikeit dadurch zur historischen Unmöglichkeit, dass wir an jener
Stelle nicht eine gnis,-»' Siaatengründung finden, sondern eine Reihe von
Stämmen, die nicht einmal alle derselben Gruppe angehören. Eine derartige
Eroberung ist nur denkbar, wcmi die Sieger einem grösseren Stanmie ange-
hören, wie die Scharen Ariovists. Wir finden aber Sweben im Maingebiet
— dass die Ubü hier Ihre Vorgänger gewesen, ist nach Cansar. B.(i. 1\\^
ausgeschlossen — , Cbatti, Ubü. Sugambri und Marsi in Niederhessen, Nassau
und Westfalen. Wir müssten also mindestens zwei Eroberungszüge annehmen,
und von dicten hatte der nördlichere erheblich früher stattgefunden; denn die
Sweben sind erst kurz vor Caesar so weit vorgerückt. Zwei Eroberungszüge
zu vcrscliicdenen Zeilen, Iteide mit dem merkwürdigen Ergebms, dass die be-
siegten Kellen zum grosst-n Teil nicht ausgewanck-rt wjircn — die von den
Sweben besiegten Kelten überhaupt nicht, denn sonst würde Caesar davon
erfahren haben — , beide Eroberungen eigen tQmlicherwei^e in zwei Gebieten,
die sich geographisch berühren: es bleibt kein anderer Schluss, als dass jene
Flussnamen auf -<if>a, -affa, welche die einzigen Trager des Kelientums für
jene Gegenden sind, nicht kcltisdien sondern germanischen Ursprungs sind.
Wir werden das um so leichter glauben, als erstens jene Namen in den übri-
gen einst von Kelten besetzten Landschaften nicht vorkommen ', zwdlena ein
kellisches Wort apa »Flüsschen, Bach« nur aus lat aqua und got aha heraus
konstruiert, aber aus den keltischen Sjirachcn nicht nachweisbar ist, und
driitens die .\nnahrac eines au^estorbenen gcnuanischea Wortes apä durch
kelt. nbu »Fluss*' geiilützl wird.
1 Sie sind beschränkt auf dot Gebiet n'irdlkh cirtr Linie Odenwald-Speuart-
HbOn-Mciningcn und wcsilkh einer Linie EUenocb-IUldc^etin-Ciubftvto; in der
Gcrmitni^che Fbilüluslr llt. Z. Aul). 5|
Rlwinprovii« und in den N iwlcrUnden «-erden sie selicner. — * Abur Fltusmunc
in Britannien, Avm in Spanien > allirisdi oub. Gen. abafr). Vgl. auch die ketü-
schen Flussrinrnt-n wie Abr-ava-nmis O AHnan. Britannien), Amfi/'äva (> Am^
bi^vt, Nebrnflüss der Ourthe), Ah-üj^q O Antian. Kran krr ich), Aus-<tva (^ CVi.
RheinpF'ivinil, Aus-ofti (IrUnJ), 'ßomrva {^ lian^ffe, Bcluien) u. s. w. Do'U die
Abk-iUini* abvnfnjn iFhtsiti, Ahana FliLviD.-inK- in Rritminion ^ allir. <t^««. kjTnr.
nbot'^a/on. Vyl. ferner Gfld^uba ~^ Geld-apa '^GflUp (R}ietTi|in>vinK). — Cber
(las Verhältnis von idfi. ap- zw ab- vgl, K. F. Jobaiiiison, IF. VC IJ4 — 14b, —
Oaüs M'ie Müllcnboff annahm, f;cmi. ir/a aus kclu aha entlehnt sei, veibielct
ilie Lautverschiebung in Anbetracht des Vorkonnmcns dieser FluMnumen in iler
Rheinprovinz und in den Niederlanden.
Soweit wir bisher die keltischen Gebirga-, Fluss- und OrtRiiHraen Oher-
scliaueii können, finden sicli solche in Deuischland nur in \'erhültnismüssig
so geringer Zahl, dass wir nicht an thu- siarkt-rc Beimi-^chung keltischen
Blutes glauben können. Vielmehr haben die keltischen Stamme das Land
\*or den Germanen geräumt, und es können nur geringfügige Reste germa-
nisiert worden sein. Anders liegen die Dinge in den Riiein- und Dcmau-
landen. Aber als diese Gebiete germanisch wurden, waren die Einwohner
ihrer Natiunalit^t nach keine Kelten mehr sondern Ronutnen, mögen diese
Romanen auch grösstenteils keltischer Abkunft sein.
c) Scliluss.
% 70. Caesar hat die westwärts drilngcnden Germanen auf das Unterelsass
und die Pfalz und im übrigen auf die Rheingrenze beschrankt mid damit der
AiLsbreilung der Germanen nnrb Westen f(ir die folgenden Jahrhunderte ein Ziel
gesetzt. Mit der Rliein- und Dnuiiugrenüe haben die Gennanen ihre geschicht-
lichen Wohnsitze erreicht. Nach Caesar haben die rümischen Kaiser diese
Graize in SOddeutschland weiter vorgt^mben. Der ümes lief vom unteren Main
nach Regensburg, und weilerbin bildete die Dunau die Gicnzc Die röniLichen
Waffen haben die westgcrmani seilen Stammt" zur inncn^n Kcilonisation ge-
zu-ungen, zur Urbarmachimg des Bodens, zur dauernden Sesshafligkeit. S<.'wcil
cinzelncti Sianiuien gestattet wurde sich am Einken Rhciuufer oder jenseits
des Limes an7.u.»iiedeln, geschah dies auf Kosten ihrer Nationalität Nur die
Ostgermanen hatten Raum zu einer weiteren Ausbreitung nach Südosten. Für
die Wcstgerman^cn beginnt seit Caesar eine Jahrhunderte dauernde Ruhezeit
Schon die bisher behandelte Atisbreiiuiig der Germanen in den letzten
Jahrhunderten v, Chr. bp<leutet in Wiiklichkcit eine Ausbreitung einze4ner
germanischer Suimmc. Die spätere Ausbreitung wird bei der Geschichte der
einzelnen Shlmme behandelt werdcu.
Was die ersten Jahrhunderte li. Chr. anbetrifft, so sei hier nur darauf
hingewiesen, dass neben der .\usdehnung der Grenzen der einzelnen Stamme
eine Überschweimnung des römischen Reiches mit gennanischen S.ttdalcn neben-
her ging ^, Von den kimbrischen Sklaven abgesclicn, bediente sich selten
Caesar germanischer Hülfstruppcn und liess solche anwerben (Ä G. VII Ö5),
und seitdem hal>en die gennanischen Kemtruppen im römischen Heere derart
zugenommen, da&s sie in der rfimischen Militärmonarchie zeitweise eine aus-
schlaggebende Rolle siiiellen: ein Gote Maxitainus hat 2^^5, ein Franke Mag-
ncntius 350 den römischen Kaiserthron bestiegen. Alle diese Elemente sind
dem gennanischen Volkstum verloren gegangen.
' K. Th. Wagner, Dtf Germanen im rSmisehm Impernim vor dfr f tWfc'r.
ivanJrrunff, PlDgr., Leipzig 18Ö7. — < >, Slückvl, Die Germanen im r^mtKiKW
Dienste, Priigr., Rerlin |8Xo,
II], A. f. Die Kokstituieri.'xg df.r orkmanischen StXmme. ttc)3
III. DIE GERMANISCHEN STÄMME.
Jk, GRUPPIERUNG DER GERMANISCHEN STAMME: STAND DER FRAGE.
I. Die Konstituierung der Stamme.
§ 71. Es tüsst sich weder nachweisen noch auch nur wahrscheinlich
machen, dass die Germanen je einmal in grauster Vorzeil ein einziger Stamm
gewesen sind- Eben») wie es von je her verschiedene germanisclie Mund-
arten gegeben hat, aber nie eine durchaus einheitliche germanische Ursprache
— auf die Rekonstruktion einer solchen kann die Forschung au:> praktischen
Gründen gleichwohl nicht verzichten — , ebenso hat es von je her verschie-
dene germanische Stämme j,;et;eben, und das von uns rekonstruierte germa-
nische Ur\olb entbehrt einer realen historischen Existenz, sobald wir uns
■ daiunler eine völlig einheitliche Gmppe vop>teIlen. In § 21 ist gezeigt wur-
den, dass dieses Ur^'olk zwar eine politisch einheitliche Gruppe gewesen ist
in jener bis in das Gemein indogermanische hinaufreichenden Zeit, als sich
■eine von den Nach barsprachen scharf abgegretutc gennanische Spraclic aus-
bildete. Aber es ist durch nicht» wahrscheinlich zu machen, dass diese |x>li-
Usche Einheit, wir dürfen sagen: dieses Reich, nicht erst durch den Zusam-
menscliluss verschiedener St^umie zustande gekommen ist. Selbst wenn man
denjenigen Suimm. der (wohl durch Unterwerfung der andern) irmcrlialb
dieser Gruppe der herscliende war, als das eigentliche gennanischc Unolk
heaeichnen will, so ist auch dieser Stamm, wie e« bei einer jeden politischen
•Gruppe zu allen Zeiten der Kall gewesen ist, seinerseits aus einer vordem
nicht homogenen WiLSse hcr^-orgt^angeii. Immerhin aber dürfen «-ir anneh-
men, dass die Germanen in ihren verhältnismässig beschrankten \\'oIin!jt/en,
wie sie sie um die Mitte des ersten Jahrtausends vor unserer Zeilrechnung
imic hatten, eine relativ einheitliche Gruppe gebildet haben, und es Ist sehr
fraglich, ob die späteren politischen Gruppierungen in ihrem Kerne zum Teil
auf jene postulierten, sozusagen vorgermanischen Slilnime zurückgehen'. Wahr-
scheinlicher sind das Neubildungen, so gut wie die modenic Abst»ndenmg
einer amerikanischen Nationalitflt von der englischen nichts mit den Stammen
der Angeln, Sachsen und Euten zu tliun hat, aus deuen das englische Volk
erwachsen ist, oder wie die Ausbildung einer niederländischen Nationalität
keine allere ix>litische Bildung fortsetzt, oder wie die modernen deutschen
Kinzelslaaten mit den alten deutscheu Stimmen in keinem liistorischen Zu-
sammenhang stehen.
> H. Hirt Iwt PBB. XYIII 511 — 519 (vgl. Oiuu R. Muth elxl. XX 4 — 19)
und XXI 125^12^, 151^ — 158 eine Ruihe von gmiiaiiisclinn VölkLTTuiiiicti mit
nidit>genn.uitscben /tiummengvMclIl, und incinl. dass wir (^ mit Slümtncn zu tliuti
luktiL-D, lue bb in die idfl. Vnrxcit zurückreichen, derart, diu« ein Teil eines ji^«)
dicKr Urstämmc infolge vcrsdiicdtncn poUtisdifn Anscbltttscs m einem Ki-rmaniscbcn
Stamm geworden aci, ein AndL-rer Ti-il ätirr /.u einem kvhi»chiii, iulittchen, vpv-
chiscben u, s. w. Umi.T diesen OK-ichungen tfcllnd«;: «ich keine «iidKe, welche
mit Notwendigkeit ^xier auch nur mit Wahrscheinlicbkeit den SchluRS /uliesse, da*«
die t>eu'efrci]den gcrmaniiichcn SÜLmme gleidinjunige id};. St&mnic poUtuch fortscuten.
Diejenigen (zAhlreicfastcn) gcrm. VOlkiTtuuncn, die sich bei den Kehcn wiederholen
(§ 49 Aam. 3). werden mit grösserer Wahrscbeiiiltcbkeit auf die Zeit der Kiltcnber-
schäft in Ueuuchland (oben S. 787 f.) iurßckgi.-liitirt als anl eine idg. Zeil, uoj nucb
viin di-.^i-n CberrinstiiDmiitigrii sind einige siclierlich nur zidUlüg, Bei «ndera
<Vlfiehimgi-ii ist xu l>er<i>*k;«ic)itigi.-n, ■U^'> nehr wolil ein und diu^sellie idg, Worl dein ^
>."mnen /u Gninilc liegi^n kimn, ohm^ daM darum der Vulkünamc in eine s*i frilhe
Zeil bindufzviceiclien braudil, imd Namen wie »Kusttnanwohner«, »Waldlente» oirt
sEillci ktinnL-n nanuticb leicht zu allen Zeiten an verschiedenen Orten n-iederkcbren,
ohne daü« ein geschicliclicher Zusammenhang besteht; es Ist wenig wahrscbdnHch, das«
8o4
XV. Ethnographie der geruakiscbek StAsime.
ilic jüüschm (r) uml ntmvir^M-hrn llantilf« mit den Hanitlt^ Arior»ts ^i^ Mani
mit <lrn Manigni cIwab 2u lliim hnbrn. Unlcr jenen für die rntlogcroiRncii in An-
Bjmich jinionimcncn NniiiPii ftinil aber infolge unserer unzureichenden KenntnU der
vnrlitlvnuischcit .S)iTai.'heii die meisten oicbt deutbar, uud wir wi&seu nicht, wir
weit in Milchen Narac-ii nicht ein altes ausgestorbcDCS Wort für -Kiute^ oder
• Wnld* »der ■Adel" u. dgl. steckt. Die merkwürdigste Gldcbuof; unter allen ikt
die der Vencti in der Brcta)::ne. m Vcneticn. in Xhrakii.'n, östlich dci Weichwl
und in Paphlagonien (L. Conizco, Dk il'antientng<n der Kelten, Leipzic l86l,
S. 67 — 73), woiu noch der lacua Venciu» (BodtniecJ /u vergleichen. Abcx t%~
fehlt uns jeglicbor Anhalupunki, um /u ermitteln, wie weit und ob übcrluupt:
diese Namenagleichbt-it :^iif ursprünglich bi<itorisch<.-m Zusammenhang l>cniht, und*
darum IJlsst sich auch mit der Hj^iothcse, diiss ein Teil de» idg. Urvolk» sich so-
genannt habe, nichts »nfacgcn.
§ 72. Gleichviel, ob zu der einen oder andern spateren Stammesgmp[jc
der Ansatz bereits durch politische Verhältnisse der Vorzeit gegeben war
oder nicht, zu neuen politischen Sonderbildungen, zu der gesclüchtUchett'
Differenzierung der Germanen hat es an AnUlssen nicht gcfelilt.
Ziuiüchst sind naturgemäss alle diejenigen, welche sich eine neue Hoiniatr
fem vom Slaminlande gegründet haben, zu einem Volk erwachsen. So btldt-o)
die Nnrdgermanen eine besondere Gruppe, seit sie nach Skadinawien, die
Angeln, Etilen und ein Teil der Sachsen, seit sie nach England ausgewandert
sind, ebenso wie in spfltercr Zeit die Isländer, die Siebenbflrgcr Saclisen^
die Nordainerikaner, die Boeren von dem Zeiti^unkt an zu einem besonderen
Volk erwuchsen, wo sie ihr Heimatland verlassen haben. Ich rechne hierher
auch die Auswanderung der Oslgennancn von der unteren Elbe an die
Weichsel (g 52). Wenigstens Iflsst sirh aus sprachlichen Gründen bei dieseoi
so wenig wie bei den Skadinawiem folgern, dass diese Sonderbildungen alle-
ren Datums seien. Ich rechne femer liierher die Entstehung kleinerer Stumme-
wie der Batavi, welclic »Chattonnn quondam ixipulus<', >seditioiie doniestica*
])ulsi-, sicli am Niederrhein eine neue Heimat gegründet haben (§ 65). Auch die
Markomannen und ebenso die Quadi scheinen .sich als besondere civitas erst
konstituiert zu haben, seit sie sich von den Übrigen Sweben getrennt haben.
Ein fernerer Grund fiu politische Sonderbitdmigen liegt in der Beschaffen-
heit des Landes. Wo die Natur in Gestalt eines schwer passierbaren Ge-
bitges, eines Urwaldes oder unzugänglicher Sümpfe ein dauerndes Vorkchrs-
hindemis bot. musstun sich im Laufe der Zeit die Bewohner hüben und
drüben einander entfrcmdeJi. So erklärt es sich, dass die Friesen einen
Stamm für sich bilden; denn bis auf die Gegenwart trennt diese von ilircn
südlichen Naclibaxn ein früher katun passierbarer Gürtel von Mooren; dazu,
musste die ganze Lebensweise in dem von der See bedrohten Mar^htande
sich anders gestalten als auf der benachbarten Geest; die Friesen haben
dalier auch, als sie steh .später ostwJirts ausbreiteten, aussclilicsslich Marsch-
land (einschliesslich der Voigeest) besetzt. Die Trennung der Markumannca-
und Quadi von dem Hauplstock der Sweben begründete zwar deren poU«!
tische Sonderexistenz, dieselbe wurde aber konsolidiert dmcli die geo
phisclic Abgesclihtöseiiheit der neuen Heimat, wciclie anen Verkehr
item Mutterlande erschwerte.
Natürlich k^mneu auch irgend welche inneren politischen VerhUllnisse
dazu geführt haben, dass sich ein Teil eines Stammes für j>olitisch selb-
ständig erklarte oder einem andern Stamme nnschloss, ebenso wie durch krie-
gerische Elreignisse die politischen Grenzen der Stämme einem Wechsel unter-
worfen waren. So haben z. B. die Reste der Usipeies und Tencteri beiJ
den Sugambri Aufuahme gefunden und haben sich seitdem, unter Wahrung
ihrer Selbständigkeit als blonderer Stamm, ihnen politisch angeschlossen.
I
I
in, A. Z. Dl£ KONSTITUIEKUXG 0£K GEKUANISCHbN SrÄ.MME. 805
-ohne dass wir wflssteii, tlass «e vordem Glieder einer grösseren, zusammei]-
gcliörij;en Gruppe jrewcsen wären. Andrerseits haben dieSaclisca z.B. einen
kleinen Teil des Hessenlandes und Nordthüringen erobert und dauernd be-
liauplet. so dnss diese Hessen und Thüringer politisch und sprachlich in den
Satliscn aufgegangen sind. Doch derartige Erscheinungen betreffen bereits die
■spateren p«ititLirhcn Gruppienmgen. I""Or die älteste Zeit scheinen allein jtme er><t-
f^nanaten beiden Muincnte für die Ausbildung neuer SUinime in Betracht zu
komroen, oder wenigstens eine Spaltung eines zu gross werdenden politischen
Verbandes scheint immer mit der Auswanderung eines Teiles verbunden zu sein.
§ 73. Sehen wir von den ixilitischen Neubildungen ab, die auf neu er-
worbenem Boden vor sich gingen, und von dem durch die Natur des Landes
gegebenen Gruppierungen, so dürfen wir annehmen, dajs die Germanen,
nachdem das politische Band, welches die Urgermanen vereinte, zerrissen
war, in eine gTüs.se Aiizjihl kleinerer Stamme zerfielen, die mit einander
Fühlung hatten. Die spätere Entwicklung Ist dann die, dass einzelner dit^icr
Stamme Über andere ein Cberpcwidit bekamen und sich durch Aufnahme
^'üii Nachbarstammen in. ihren Staatsverband zu einem grösseren Staats-
wesen konstruierten. Dabd konnten einzelne Stamme ihre politische Selb-
ständigkeit völlig verlieren, so dass sie zu einem Teile der grösseren Gemein-
schaft erwuchsen; andere konnten eine gewisse Selbständigkeit behaupten,
waren aber doch politisch abhängig; andere endlich fesselte nur ein Schutz-
und Trutz bvlndnis, und diese letzteren waren natürÜL-h am ehesten in der
■Ljige sich unter Unisliinden einer anderen politischen Gntppe anzusch Hessen.
Wir sehen diese Verhaltnisse bei allen Völkern wiederkehren, sehr deutlich
z. B. bei den Kelten. Rs gab zu Caesars Zeit noch eine Reihe von kleinen selb-
stiindigen GauviTiIkchen, s<.i z. B. im Wallis allein die drei Stamme der Nan-
tuates. Seduni und Vcragri, bei Base! die Raiiraci, in den Talern der Wcst-
alpen die Mcmini, Tricorii, Tricastini, Iconii, Caturigcs, Medulli, ("cutrones.
Daneben gab es aber auch schon grössere Ci«iates. die in mehrere Gaue
zerfielen, so schon lange vor Caesar die der Volcae, Boji und Helvetii. Die
CiN-itas der Hebetü bestand aus den vier Gauen der TigurinJ, Ambroncs.
Teutoucs und Vt-rbigcni, walirscheinlirh ursprünghch selbständigen Stünunen.
Unter dem Imperium der Ner\'ii standen die kleinen GauvJilkchen der Ceu-
<rones, Grudü, Lc^aci, Pleumosü und Ceidumni. Klienten der Arvemi waren
die Eleuteti, Cadurci, Gabali und VcUavi. Das Machtbereich der Aedui er-
streckte sich von Lron bis über Paris hinaus; die Ambarri waren necessaiü
<l Cönsanguinei Aeduorura, die Segusiavi, Ambivareti, Aulerci Brannovtces,
Eranui'vii ihre clientes, die Boji stipendiarii, die Bituriges Cubi und Senoncs
in fide Aeduurum, und selbst die uidit stammverwandten, belgischen Bello-
vaci waren omni tempire in fide atipe amicitia civitatis Aeduae. Von dies-en
Stammen waren die Bellovaci durchaus unabhängig; sie nahmen auch gegen
die Aedui Partei, als die Politik es erforderte, und verbündeten sich mit
<!en belgischen Stammen. Die Aulerci Brannovici haben, wie ilir Name
aussagt, bevor sie von den Aedui abhangig wurden, einen Teil (Gau.') der
Aulerci gebildet , zusammen mit den Aulerci -Diablinles, -Cenomani und
-Eburovices. Eine grössere iwlitischc Gruppe bildeten die Bclgac, deren
Kern die Alrebates und Ambiani nebst den Bellovaci ausmachten , xmd
denen sich die Cateti und VeUucasses, die Suessiones, Vironiandui, Aduaturi,
Ner\-ii, die Morini und Mcnapü anschlössen. Die Eburones waren der
■herschende Stamm der Gennani genannten Gruppe, Gerade zu Caesars Zeit
sehen wir sich grössere Gruppen bilden. Orgctorix, Casticus und Dumnorix
-beabsichtigten sogar die Staaten der Ifeli-etii, Sequani und Aedui zu einenf
8o&
XV. ElUNUGRAI-HIE DEK. GERMANISCHES StAUME.
Bunde zu vereinigen. So sehen wir auch bei den Germanen aiis den kleineren
Stammen spater grössere Vülkcr erwachsen. Die Friesen sind der einzige
Staiuin, von dem wir wissen, dass er sich seit Alters selbätAndig erhalten,
und keine andern Stilninie in seinen Verband aufgenommen hat, als er sein
Gebiet cr^^■eitcrlc. Unter den Franken finden wir als Gauvölket die %ormals
politisch sclbslÄndigen iiatavi, Chaltuarii, Clwmavi usw. vereinigt; unter den
Angeln die N er thus- Völker des Taciius. Die Angein und Sachsen sind nach-
mals zu dem einen Volk der Engländer erwachsen, wie die übrigen Sachsen^
die Franken, Thtlringer, Alemannen imd Baiem zu dem deutschen Volke^
Wu wir bei den Gertnanen einem grösseren, in mehrere Cnlerableilungen
zerfallenden Volk liegegneri, ist dieses bereits das Ergehnis^ des Zusararacn-
sehlusses kleinerer Völkchen gewesen, sei es dass solclie sicli freiwillig zu
einem Bunde zusammenschlössen, sei es dass eins derselben sich mit den.
Waffen die Vorherschaft errungen hat. Letzterer Fall ist allein historisch
nadiweisbar. Wie es bei den Kelten gleichzeitig kleinere und giössere Sl.lin-
nie gab, obgleich die letzteren eine spHiere jxilitische Entwicklungsstufe reprä-
sentieren, so gab es auch bei den Germanen zw Beginn unserer Zeitrechnung
neben den kleineren Völkchen schon grössere Gruppen, die wir als Vor-
laufer der si>atcren grossen, germanischen VolksstJlmme betrachten dürfen.
Diese, neuerdings einseitig betonte Entwicklung von kleineren und gT«5sse-
ren Verbünden hat jederzeit eine Unterbrechung, eine Rückbildung erfalircn
können, sobald der Verfall eines Reidies eintrat. Nachdem die deutschet*
Stamme zu einem Reich geeint »"arcn, gingen seit der ausgehenden Hohen-
staufenzeit wieder neue kleinere Grup]iierungen vor sich, und an Stelle des
einen Staates finden wir in den folgenden Jalirlmnderten eine Masse von klei-
neren, immer selbständiger werdenden Staaten, bis bei aufÄlcigeiidcr Entwick-
lung aus diese» wiederum grossere Verbände ennichsen. Die germanischen
Stamme, die wir v^r 2000 Jahren vorfinden, sind das Ergebnis der Auflösung
des urgermanischen politisclien Verbandes. Da wir seit Alters neben klctuc-
ren auch gnjs.-tere Stamme kennen, mtlssen wir fragen, ob oiler wie weit
nicht die kleineren wiederum erst aus grösseren Verbanden hervorgegangen
sind. Keinesfalls ist die Entwicklung xu den gro.ssen Volkssiammen übcralt
gleichzeitig vor sich gegangen. Fortscl»reilende und iiicklaufige Bewegung:
können innerhalb eines grösseren Gebietes gleichzeitig neben einai»Uer statt
haben.
§ 74. Jeder Stamm im Sinne der römischen civiias (also nicht jeder pagus
eines Stammes) fühlte sich als ein besonderes Volk für such und hatte feste
geographische Grenzen. Diese bestanden in ältester Zelt, vor der Auwodung
des Urwaldes, gTüsstciitcils in einem ausgedehnten Gcbirgs-^ Wald-* oder
Sumpfgürtel. So trennte die Sweben Caesars win den Cherusd ein von der
Rhiin durch Hessen bis zum Harz reichender Wald'- »infinita magnltudine^
(|uac apjreUalur Bacenis; Ivane longe introrsus pertinere et pro nativo muro
objectara Cheniscos ab Suevis Suevosque ab Clieruscis [injurüs IncursiunibusqueX
prohibere-t (Caesar, /f.O. VI lof. Die Triboci im Unterelsass schied \im den
nördlich bis zur Neckarmündung wohnenden Nemetcs der ILigenauer Forst,,
diese von den Vangiones die Hardt. Ob die Ubii und Siigambri an der Sieg
unmittelbar an einander grenzten, wis.sen wir nicht; aber zwischen Sieg imd
1-ahn liegt der Westerwald. Die Sweben scheinen im Westen unmittelbar ;ui
die Vangii>nes am unteren Main uml an die Ubii in Nas>iau gereicht zu haben;
aber sie waren hier noch nicht fest ansässig, sondern auf ihren Kriegszügea
nur eben sü weit vorgedrungen. — Vgl. die Karte zu S. 700.
1 Da.1 Wort filr iGrcnsC', Marit, h.-ii di« UMltTtitunj; von •WalJ> ukgtoaaauaL.
— * Moch im Jahrr 1073 n-ichlc (li«iwr Walil ununifibrncli«» vom Hun bis
nach Hc»en, vgl. W. Arnold, AntirJeiungeri unJ Wimätrungen, S. 7I.
Wo (Jurch die- Boden besr ha ffenheit keine natflrlichen Grenzen gegeben
wartm, pflegten lUe Gt;niian<!ri eint: Wüstenei zu schaffen. »Publice maxiniain
putnnt esse laudera, quam Intissime a suis finibu-s vacare agros. Itaque una
ex parte a Suevis circiter riilia passuuni sexcenta agri vacare dicuntur» (Cae-
sar, B. O. IV X)- "Civitalibus ma.^ima laus est quam latissirac circum ae
vastatis finibiis solitudines habere. Hör proprium virtulis existimant, expulsos
agris fiaitiiinos cederi: ncque qiieinquam propc audcre cunsistcre; simul hoc
sc fore tuiiores arhitrantur, rcpenünac incursiunis ümore sublalo« (ebd. VI 25).
Vielfach berQhnen sich die Stamme auch unmittelbar, und die beider-
seitigen Gebii^tc waren scharf abgegrenzt. Tacitus, Ann. H 19 berichtet,
dass die »Angrivarii lat«^ aggere . . a CheruscLs dirimerentur'. Ammianus
MarccMinu.s urwShnt XVIII j, 15 eine Stelle, »ubi tenniiutles lapidca Aia-
mannorum et Burgundinnim confinia distinguebaiit>.
H. F. Hc-lmolt, HUt. Jb. XVII 235—264.
§ 75* Jeder Stamm war fest in sich abgeschlossen und fühlte sich inner-
halb seiner Grenzeil als eia Vulk für sicli, so dass jeder Einzelne sich seiner
politischen Ziigehürigkcit bcwiwst war, im ausgesprochenen Gegensatz zu den
Angehörigen des Nachl)arstamnies. Die Folge war, daü sich, je Ulngcr diese
Stammesgrcn/.e Bestand hatte, eine um so sclulrfere Grenze hinsichtlirh der
Lcbensgcwohnheiien und Anschauimgen, hinsichtlich der Sitte und des Ret^'hts,
der Sprache u. s. w., kurz eine um so sch.'irfere nationale Grenze herausbil-
dete. Denn der Verkehr und somit der sprachliche und der geistige Aus-
tausch Oberhaupt, wie auch leiblich die Verliindung durch di*? Ehe, dieser
V^erkchr, dec innerhalb eines jeden politischen Verbandes L-iu ungcliitidertcr
war, stockte an der Grenze. Für diejenigen, welche glauben, dass in früherer
Zeit trotz der gefühlten Slammesunterschiedc der Verkehr über die (jrenze
ciA ebenso lebhafter war wie innerhalb derselben, dass infolge dieses un-
untrrbrorhenen Verkehrs sich früher auch keine Sjjrachcin heilen der ein-
zelnen Stamme and keine Sprachgrenzen zwischen ihnen hatten heniusbil-
den kilnnen, für diese Forscher betone ich, dass der Theorie nicht Raum
gegeben werden darf, wo die Thatsachen sprechen. Ich will aus der Reilie
der Zeugnisse hier zwei besonders lehrreiche anführen, die eine für die na-
tionale AbgeschloÄucnheit der Friesen, die andere für die fränkisch/schwübische
Stammesgrenze. In dem MemoriaU liuguiz Friskir des J. Cado\'ius Müller
aus dem Ende des i7.Jahrhs. (ed. L. Kdkelhan, Leer 1Ö7.5) hcisst es (S.24):
die Üstfriesen haba» *vor frembder Vülcker Sprache einen Abschew gehabt
und hirgcgen ihre alle Sprache alsz einen Abgott geehret und mündlich auf
ihre Kinder und Erben fort gcpflantzet, ja! sie sind hierin so hartnackig ge-
wesi, dasz, wenn sie gleich ihrer Kinder Glück und Wollfarih darmii hetten
befohdern können, sie in alten Zeiten weder ihre Söiiii noch T£>chtcr an
Frcmbdlingen oder TeuLschen nicht haben geben und verheurathen wollen
wie ich offt ausz der alten Oistfrisen Munde selbst gehörrct. So ist auch
noch eine alle Oistfrisiscbc Familie in meiner Gemeine, die noch auf den
heutigen Tag ihre Kinder an Niehmand verehligcn, wan er nicht ein gebolir-
ncr Oistfrisc und ihrer Spra'heii kundig Jst, darumb auch die alten Oistfrisen
ni>ch nicht gern mit einem Teutschen Frisisch reden, ob ers gleich kan
verstehen, sondern haben eine angebohme Vergnügung, diese alte Sprache
mit den ihrigen allein zu unterhalten.' — Das andere Zeugnis ist aus der
Gegenwart; H, Halm, Skizztn am dem Frankfnluml. Hall 1884 (= Vom Unter-
land^ Schw. Hall o. J. [i8c>i. g^ oder 03]). Na<:hdem von der fränkisch
schwabischen Sprachgrenze gehandelt Wf»rden ist, hcissl es S. 38: >Auch /in
aniiem Beziehungen tritt der Stammesunterschied hervor, z. B. in der Hal-
tung und Summe, im Blick und Charakter. Der Kranke zeigt sich entgegen-
kommend, gefallig. gewandt und beweglich, das Auge ist meist dunkel, uft
siechend, das Gesicht scharfer geschnitten; im schwäbischen Tj-jms tritt als
Gegensatz der stämmige, derbere Körperbau, der licllcrc. offene Bück, di«
breitere Gesichttform her^-or; in der Unterhaltung geht es lauter, lärmender
zu. Selbst in der Lebensweise und Kost kann man die Unterschiede ver-
folgen.' Es folgen dafür die Belege S. 39: »Dort wird die Grenze niclil
bios durch die Mundart markirt sondern auch durch dnc merk-
liche gegenseitige Abneigung zwischen dem Frauken und Schwaben, sofern
heute noch Heiraten herüber und hinüber zu den Seltenheilen gehören. Der
eine wie der anilrc füldt sich nur in dem HaiLse beliaglich, wo er s^e
Mundart, seine gewohnte Lebensweise und Sitte wiederfindet. Schwaben,
welche in eine fränkische Familie heiraten, um »ich liier anzukaufen, werden
anfangs immer mit einem gewissen Misstrauen aufgcncnunen.*. S. 39f.: »Wo
nur solche Unterschiede und Gegensätze in den socialen Anschauungen, in
der Lebensweise und im ganzen Typus des Volksstammcs mit dem Spradi-
unterschiedc zusammentreffen, da wird man wohl das Recht, von einer Sprach-
grenze zu reden, nicht bestreiten wollen.- — Wenn trotz der nivellierenden
Wirkung der Neuzeit sich derartige Gegen.säize bis auf den heutigen Tag
erhalten haben, so ist es sicher, dass in früherer Zeit das Stammesbewu.%st-
tein und die Stammesgcgeiisätze in noch liLiherem Grade auj^eprSgl gewesen
sind, und dass mit dem natianalen Stnmmesbewussisein auch ein nationales
Sprach bewussLiein untrennbar verbunden war.
Anm. Mit Aem letzten Salxe Ul iliircliuu« niclit gesagt, das* jedet germanische
Stamm etwa seine eigeiie Sprache ausgebildet haue ohne Berülirang mit aeineo
Kachbärilämmen. Im Gegerleil, wir können schon von «Itcster Zeit an %'eH'oli;eu,
vic eine auf irgend einem Gebiete lucrst außauchcnde Keueruoi; sich io derselben
Weise wie heute allmählich, gleich mäi^sig rüumUch wie leitlicli, ■weilcr veibreitele.
Aber wir finiien dann, das« eine solche ErichciDUDg mit einem Mal sleh^n bleibt und
gerade stehen bleibl an einer Staniirrsgrence, oline über dieselbe liinnberzudringrn.
So z. B. ist die bochdculsche Lautverschiebunj; .-illmShtich immer weiter von Südco
iLich N'ordeii vorgc drangen in einer Reihe von deutlich crkennbapen Schichien. Aber
Über die sächsische Grenze ist sie nicht liinau^gckommen. Sie bat freilich auch bei
den Fr.inkcn nicht die See erreicht. Aber es ist doch kein Zufall, dass die Sprachgrenxe
der Luutvec^chicbung gans genau mit der sächsischen Slammeigtencc Eusammcnf&IIt.
§ 76. Wir kennen die germanischen Stanune, welche zu Beginn unserer
Zeitrechnung bestanden, volLstandie niu', soweit die Römer vorgednmgen sind,
also wealHch der Elbe. Für den Osten und Norden .sind unsere Nachrichten
nicht ausreichend, und die Karte weist hier viel weniger Volksnamcn auf.
Ich sehe iu meiner Darstellung von den kleineren Teilstilmmcn wie den
Dulgumnii, Chasuarü, Fosi. Rcudigni, Aviunes, Suurincs, Man>igm. Buri. Lc-
monü ab, von denen es nicht feststeht, ob sie eine besondere ci\itas gebildet
haben, oder ob sie nur Unterabteilungen grösserer Stumme gewesen sind.
und welclie keinerlei Bedeutung für die Folgezeit haben. Die grnsseren
Stämme kehren alle in den spateren Jahrhunderten wieder, wenn auch vielfach
unter veränderten jjulitischcu Vcrhältuisscn und unter andcru Namen. Es zeugt
von der grossen Beständigkeit der Stammesbildungen, wie sie zu Beginn un-
serer Zeitrechnung bestanden, dass sie sich über ein halbes Jahrtausend, zum
Teil bis auf die Gegenwart lebensfähig gezeigt haben. Die kleineren StAmme
waren teilweise schon zu Beginn unserer Zeitrechnung zu grösseren politisclieu
Gemeinscliaflcu vereinigt. Wie weit jene selbst Teile von älteren grOsscTcn
Crupjicn darstellen, gehört zu den schwierigsten Fragen unserer Vorgeschichte.
2. Die Gesamtgruppicrung der germanischen Stamme.
§ 77. Wir teilen die germanischen Sprachen in drei Gruppen ein: tigt-
gernianisch, nordgcnnanisch und westgermanisch, wobei es zunächst dahin*
gestellt bleiht, ob nicht die beiden ersleren naher zusammen gehören, so
dass man vielleicht richtiger von einer Zweiteilung sprechen sollte. Die
westgermanischen Sprachen zerfallen n-iederum in zwei (jruppen : angk»-
frie^iäch und deutsch, wobei Ich abi^ichtUch von der cigentümliehen Mittel-
stellung des Niederdeutschen einstweilen aixsehe. Man stellt sich diese Grup-
pierung als eine Spaltung, slelll sie sich unter dem Bilde eines Stammbaums
vur. etwa so: aus der Ursprache heraus entwickelten sich drei hezw. zwei
Dialekte, welche üirerseits wiederum die Ursprachen der historischen genna-
nischen Dialekte darstellen. Analog wflre die Stammesdifferenzierung so zu
denken: das eine Urvolk spaltete sich (etwa infolge Auswandertmg eines
Teiles) in drei oder zwei selb^tSndige Vülkcr, und diese sind die Stammvater
der historischeit genuanischcn Stflmnie. Man konslniiert also eine Mittel-
stufe zwischen dem historischen Thatbcstande und der als Einheit gedachten
Urzeit. Diese Auffassung darf als unhistorisch bezeichnet werden und Iflsst
sich um so leichter widerlegen, je genauer wir über die geschichtlichen Ver-
haluiissc unterrichtet sind. Wenn es wirklich einmal einen westgermanischen
und einen ostgermanischen Volksstamm gegeben haben sollte, so ist dessen
Nachweis der geruanisdicn SprachwisstrnscUaft jedenfalls nicht erreichbar.
Diejenigen dialektisrhi^n F.igentümlichk(^iten, welche wir si>eziell als west-
germanische erkennen', sind nachweislich erst in nachchristlicher Zeit, wenn
niclit entstanden, so doch innerhalb dieser Grupf>c durchgedrungen. Die-
jenige Einheit, welche die Sprachwissenschaft rekonstruiert, ist also nicht die
urstprüngliche, sondern umgekehrt es bestand von Hause aus eine Reihe von
Dialekten, die erst spater zu einer gewissen Einheit verschmolzen, indem
eine vordem einzeldialektische EigentOrnliclikrJt auch in den andeni Mund-
arten, oder indem neu aufkommende Erscheinungen alsbald innerhalb der
.ganzen Gruppe durchdrangen. Daas diese erat in nachchrisUicher Zeit wer-
dende westgermanische Spraclieinheit keinerlei ethnographische oder politische
Einheit reflektierte, wissen wir zur Genüge. Duss die in Rede stehenden
Erscheinungen nur gerade denjenigen Stammen gemeinsam sind, die wir eben
westgermanische nennen, erklärt sich einfach daraus, dass die Ostgermanen
damitls schon ausgew-andert waren, so dass gar keine Gelegenheit gegeben
■war, dass eine z. B. bei den Sweben aufkommende sprachliche Neuerung
auf ostgeraiiinischcs Gebiet hatte hinüberdringen können, und die Skadina-
wier wanm von ihren M'estgermani-«chen Nachbarn durch die See getrennt.
Die westgermanische Sj^rachgcmeinschafl ist also einfach eine Folge des geo-
graphischen Zusammenhangs der in Deutscliland und Danemark woluicndcn
Stamme. Dass aber die einzelnen westgermanischen Dialekte nicht erst aus
dieser Spracheinheit her\'orgeg.ingen sind, sondern schon vorher bestanden,
ja Sf^hon zur Zeit der urgennanischen Spracheinheit, ISsst sich zum Teil direkt
beweisen, sowohl durch die bei den antiken Schriftstellern überlieferten Namen
als be.'rfinders durch die innere Geschichte der Einzelsprachen selbst'. Nicht
anders ist es um die der westgenuaniscben durchaus nicht widersprechende
relative Spracheinheit des Westgermanischen und Norchschcn' und des Anglo-
friesdschen und Nordischen bestellt, die sich gleichfalls in der ersten Hatfte und
um die Mitte des en*tc-ii Jahrtausends unserer Zeilrcclmung bildete. Die
Anglofricsen. deren Wohnsitze einst bis zu den dänischen Inseln reichten
(S. 8.j6), bildeten das ethnographisclie und geograpliische Bindeglied zwischen
8io
XV. £l~HNCX3RAI-HJE DER GERUANISCHEN StXJJME.
den Deutschen und den Sfcadinawiem, und entsprechend dieser Lage sind
eben eiiuchic sprachliche Neuerungen den Deutschen und Anylofriescn ge-
meinsam — westgermaniKche Sprachfinheit — , amiere den Ang^ofriesen und
Skadinawtem — ungk'fiiesisch-nordiy.he Spracheiuheit
* Kl jyc, (irrfr. * I 422 — 42S, — ' Vgl. hicritber meine AiufäHrui^n IF. IV
8 — 31, Diir:h spriithücho Komliination läist sich /.. ü, crwcistn, da« zwei dia-
lektische Diffcrca/cn /wischen vVnglorricsisch und Dcauch, Jcr anKlofrics. L.-tut-
wandcl du Schwundes von » luid m vor 1, /> and f und clx-nso der Lautwandt:!
vun lusaltertcm d und ün zu (i und Qn bereits ;U-r voTchriäütchcn Zeit aogehilrten.
— ■ Kluge. Grdr. ' I +2i — 423.
Am». AIkth B»:i^liiin);i;ii wi<- iHc, auf wekhu ich in \ 64 htn);cwie««n habe, ftind
cinstwcili-n nicht fassliar (.tnuK, «ni hitTaiif ilie Hypothae dner we8i|>cTruyiiKhen poli-
tiscbcn UcmciBschaft in vorchhsUicbcr Zeit j:u gründen.
§ 78. Es ergiebt sich aus der vorstellenden Betrachtung, dass die von
uns rekonstruierte westfjermanische Spracheinheit, historisch nicht fmktifizier-
bar i-it oder nur, wie die anglofricsiscli-noriiisclie, ins<jEern, als sie ein Beleg
fOr die lebhaften JJeziehungen ist, <iie zur Vfilkerwandenmgszeit zwischen den
einzelnen benachbarten Staramen bestanden. Es ist nun die Frage, ob nicht
die ustgcrmanischc Spracheinheit «itteren Datums ist. Wir kennen von
den ostgermanischen Mundarten nur das Gfitische nflher, und die geringen
i^eugnisse, die wir aus Eigemiauien und vereinzelten Wörtern für das Burgun-
dischc und Wandalische haben, genügen wohl , zu erkennen , dass diese
Dialekte einander nJlher stehen als irgend einem andern, aber von einem
Natrhweis einer grösseren Anzahl charakteristischer sprachlicher Keueningcn,
wie bei A^w Wesigennanen, kann keine Rede sein. Einem glücklichen Zu-
fall verdanken wir einige Belege für das hohe Aller des ostgcrm. Lautwandels
von aiislatUeudera ''' zurf: Caluaitia{i), Bnr^undae.Silitigaf^, BasUrnaCt V<nedae,
während gleichzeitig die entsprechenden westgermanischen Namen auf -u,
'vuts » ausgehen. Wir erkennen daraus, dass es schon zu Beginn unserer
Zeitrechnung eine ostgermanische Dialektgnippe gegeben hat.
' nicht sicher. — ■ Die RJJmer galten die schwachen Nomina «if -ö im Sg.,
•ann ]> -anis im PI. durch -«. -on^s wieder, die auf -a im Sg., -«n/a im PI, ilunji
•a, -d/i^j; Jiiiicbrn hililrleo v,\v aber zu dem Nom. auf -a ntuh laleiniKhcr Weise
auch den PI, auf -n^ [IF. IV 22 Anm. 3).
Ober die ostgermauisch-uurdlsche Sprachciiüicit s. unten S. 8l5ff., Über
eine gütisch-ostnorf lisch e S. ÖiO.
§ 79. Unsere ältesten geschiclitlichen Nachrichten lits&en wohl einige
grössere Gruppen vnu SlJUmnen erkennen, nicht aber reichen sie aus, um die
Gesamtheit ethnographisch zu klassifizieren. Tacitus, dessen mangelhafte
Kritik in cthnograplnVhen Fragen Bds[>iclc darthim wie die 'GcnuanoLiim
naiio« der Osi [Gervt. 28), welche «Pannonica lingua coarguit non esse Ger-
manos« {Germ. 43), oder das Urteil «Peucinorum Venetoruraque et Feonorum
naCiuncs Germanis an Sarmatis ascribam dubito« {Gcrrtt. 46}, oder der gci-
manische Ursprung der Caledonii, der iberische der Silurcs (Agrico/a \\),
Tacitus teilt die Gcnnaucn ein in Sweben und Nicht-Sweben, indem er ju
den Sweben alle Völker an tmd i'.Vsitich der FJhe zühlt, mit Einschluss der
Ost- und Nordgennanen. Dass er nicht etwa imr den Swebcnnamcu aufs
ungewisse hin nach Osten und Norden ausgedehnt hat, sondern dass rr
wirklich geglaubt hat, dass diese Suimme iUlc Sweben waren, zeigt er Agrirota
.28, wo die Usipi, die aus Britannien desertierten, »primum a Suexis. mux a
Frisiis intercepti sunti — mit diesen Suevi künnen nur die Schlcswig-H'l-
steinschen Nerthus- Völker {Gay». 40) gemeint sein. Daneben kennt Tacitus
die germanische Trdditi<3n von einer Dreiteilung oder Vieneilung der Ger-
manen in Ingaevones, Hemiinones, Istaevrmcs oder in Marsi, Gambrivü,
Suevi. Vandilii, die uns zwar beslimnitere Anlialtspunkle giebt, aber nicht alle
Germanen umfaäst — die Dreiteilung nicht die Ost- und XücdgcmicUicn, die
Vierteilung nicht die Anglofriesen und Nordgemianen.
Ein bessert-s Urteil luilit; Plinius. der *Gennanumm geiicra quinque«
unterscheidet {IV ytj): Vandili tOstgcrmaiien), IngyaoHies (Anglofriesen),
Isiraeones (Franken), Hermiones (Hochdeutsche) und Üastemae. Bei dieser
Einteilung fehlen nur die Skadinawiei, bunst ist sie vullstandlg.
Im Hinblick auf die sj>ateren Verhflltnissc kann man :ius diesen Xachrich-
len wohl folgern, dass es ausser den Skadinawiem und Hastenien vier Grup-
pen von StJimmen gegeben hat, entsprechend den Ostgermanen (VandilÜ,
Vandili), .Vnglofriesen (Ingaevones. Ingyaeones), Franken (Istacvones, Marsi,
Gambrivü, Istraconcs) und Hochdeutschen (Hermmones, Suevi, Henniunes).
Dass CS eine westgemianische Gruppe damals gegeben habe, wie man aus der
Dreiteilung bei Tacitus gefulgert h»t, dienten Schluss halle ich nicht für erlaubt.
§ 80. Soweit die Sprache Schlüsse auf die vorchristliche Zeit erlaubt,
dürften wir die germanischen Stämme in älterer Zeil wie folgt gruppieren:
i) Ostgermanen, 2) Nonlgcrmanen, 3) Anglofriesen, 4) Deutsche, wobei es
einstweilen dabingesicllt bleibt, ob nicht vielmehr die Ost- und die Nord-
germanen als eine Gruppe Jtu bezeichnen wHrcn. Nach unscm ältesten
historischen Nachrichten liisst sich die skadinawische Gru]ipe nur als eine
gengraphi^che, nicht als eine historische konstatieren — genauere Niichrichten
hatten die Römer nur über Deutschland. Sehen wir also von den Skadina-
wiem ab, so tritt neben den Oslgennanen, Ober deren ethnographische Einheit
tinten In S S9~<ji gehandelt wird, hauptsädiUch der swebische, in melirere
dvilatcs zerfallende Stamm hervor, dessen Gebiet um Ghr. Geburt von Süd-
deutschland (soweit germanisch) ftber ThOringen imd Sachsen bis zur Altmark
und der Mark Brandenburg bezw. bis nach Osth'jistein reichte. Die nachmals
unter dem Namen Franken ers«.'h einenden rheinischen Stämme gehörten
nicht zu den Sweben — sehr deutlich tritt dies bei Caesar fQr die Ubii,
Usipctcs und Tencteri hervor — , ebensowenig die angtofriesischen Sianunc,
Da$!t letztere eine besondere Gruppe für sich bilcicn, geht aus unseren Quellen
nicht völlig deutlich hervor, so dass wir dieselbe mil Sicherheit nur eikeruieii,
weil sie durch die Sprache gestützt wini. Nilheres hierüber sowie über die
uralle Zusammengehörigkeit der fränkischen Stamme s. unten. Nach unsem
historischen Nachrichten hilttcn wir also, von den Nordgcrmancn abgesehen,
eine ostge.rm;inische, eine an gl of riesische, eine frankische und eine swebisch >■
hiichdcutsche Gruppe. Dass einige Stamme besonders hi Westfalen und an
der mittleren Wc-ier sowie im Gebiet der mittleren und unteren Oder sich
nicht mit Sicherheit einer dieser Gruppen zuteilen lassen, daran ist die Mangel-
haftigkeit unserer Quellen schuld — die Gebiete sind zu klein, als das» wir
neben jenen bekannten Gruppen noch mil anderen rechnen dürften. Die
Gestiiirlile führt also statt jener spr.ichlichen Vier- bezw. Dreiteilung auf
eine Fünf- bezw. Vierteilung, indem statt der Deutschen die zwei selb-
ständigen Stamme der nachmaligen Franken und der nachmaligen — um es
kurz so auszudrücken — Hochdeutschen (d. I. Liuigobarden, Tliüringer,
Schwaben und Baiem) erscheinen. Es winI Aufgabe der deuLschen Mund-
artenfors'-hung sein, dem nachzuforschen, ob für die älteste Zeit wirklich ein
so tiefgreifender sprachlicher Unterschied die Fraiiken von dtii Hoclideut sehen
gelreiuit liat, c>tlcr ob wir aus der Sprache folgern dürfen, dass zwischen
diesen beiden Gruppen von Hause aus ein näherer Zusimimenhang bestan-
den hat. Von dieser Krage, die zu lüsen vielleicht un>crc Mittel nicht aus-
8f2
XV. ErMKOdtAPRIB DER GERMANISCHES StAMMB.
Tcü.'hcnr abgesehen, ist eine nähere Beziehung einer der genannleu Gruppen
zn einer anderen nur fflr die Nord- und Ostgennanen (S. Si.sff.), snnst aber
lin keiner Weise nachweisbar. Die älteste der Forschung erreichbare Gruppie-
rung dei Germanen war also, um es zu wiederholen: i) Osl- und NunJgcr-
manen, 2} AiiglofrieÄcn, 3) und 4) Kranken und Hnrlidentechc. Diese Gruppen
sind duR-haiis als einander koordiniert zu betrachten. Für die erste Hälfte
des ersten Jahrtausends n. Chr. lässt sich sprachlich eine westgermanische
Grappe erkennen, die aber nie zu einer politischen geworden ist. Vielmehr
■ersclieinen die Angelsachsen, die Friesen, die deutschen Sacliscn, die Frauken,
<lie Liingcibarden, Thüringer, Baiem und Alemannen durchaus als selh.standige
-Völker, ebenso wie die Burg\mden. die Gate», die Wandalen. Selbst von
zwei sich sprachlich so nahe stehenden Villkem wie Friesen und Angel-
saclisen lasst sich ein strikter Beweis, dass sie in \'orhistorischer Zeit einmal
«n einziges Volk gebildet haben, nicht erbringen. Die elhnographisclic Ein-
heit des deutscheu Volkes aber, so weit man von einer solchen sprechen
darf, ist erat ein Ergebnis der iiolittschen Unterwerfung der Alemaimen,
Thftringer, Baiem und Sachsen durch die Franken.
Anm. Für nicht ausgeschlosFcn halte ich m, da» ci der Sprachrotfchang ge-
lingen konnte, eine wcslgernianiftche Einheit (är eine vorchritlliche Zeit xu enchliessen,
so dass wir van Mause aus zwei |:;eriniini«:he UrKämme aDZunehmcn hätten. Hingegen
für einen historischen ursprünglichen Zusanimcnhani; der Wcstgertnanen darf man sich
nicht auf Tacilu», Germ. 40 ;mil auf ileii alliUerieTeiideti Anlaut der Xamen Ingutac-
vones, Islracvoncs, Erminones berufen. Sehr rraglich ctscheint es mir auch, ob eine
rekonstruierende Betrachtung der Verfaüsung, des Hausbaus, der Bewaffnung usw. einen
Schhiüs auf eine weslgcrmanitche rn[er auch nur auf eine ursprünglich dt-utsche Stam-
meseinheit zuläsal. Die Frage, ob die Franken und Hochdeutschen urtprünglicb eine
'Oruppe gebildet halien, ist historisch nicht lüdur. Den rinrigen AnhaUspunkt
'bietet Pliniüs, .V. //. IV 99, der die Chaiii den Ernninones zuzählt Es entlieht sich
mnsercr Kcnntni», welche AnhnUipunkte dieser Nachricht zu tininde liegen.
§ Sr. F'ür jene ältesten Gruppen, die wir uns in der Vor/.eil als beson-
dere Stämme vorzustellen liaben, welche sich erat spfiter, zum Teil (so die
Sweben) erst in lustorischer Zeit in mehrere selbständige Vülker ges]\ilteii
liaben, sind uns die Namen noch überliefert. Zweifelhaft ist dies von den
SkadinawLcrn, Ober deren Namen Uilteviones olien § 57. Vandili 4 Tfii;-
*/(/« Tat itus) giebt Plinius, A'. //. IV 99 als den Namen für die osl-
germanischen Stamme an; näheres hierüber unten § 8<;. Für die Anglo-
Priesen ist der Name Ingwiaiwen' (/««wm/rw««), for die Franken der
Name Istraiwen' {/sfmej'oncs), für die übrigen Deulschen der Nameu Er-
mlnen ' {Herminoties) überliefert. Dass wir es mit wirklichen Völkemamen
zu thun liaben und lu'cht. wie man aus Tacitus, Germ. 2 gefolgert hat, mit
Namen, die erst von den Namen der hypothetischen Götter Tnguin, IstJo.
Krminn abgeleitet sind, kann keinem Zweifel unterliegen. Dass ihnen eine
reale Existenz zukommt, beweisen Pomponius Mela, De ehorogj^p^iiti III
3. 3*' »Cimbri et Teuloni, ultra ultimi Germaniae Hermiones« und die bei-
den Stellen bei Pttnius, ^V. //. IV ij6: »ab gente Inguaconum, quae est
prima in Germania« und IV 09: «Germanorum genera quinque: Vandili,
■ quorum pars....; alterum gcnus Ingyaefjnes ; proximi autem Rheiio
Istracuncs ; mediterranei Hermiones ; quinta pars IVucini, Basier-
nac.« Auch Tacitus darf nicht anders verstanden werden. Garn. 2 heilst
-es: »Cclebrant caniiinibus antiqiiis TiJiütoncin, deum terra cdilum,
et niium Mannum originem gentis condiioresque. Manno tres filios assignant,
e qtiorum noniinibtis pro.\imi Oceano Ingaevoues, mcdii Herminunes. ceteri
islaevuiics vocculur. Quidain, ut in liccntia vetustitis, plures deo ortoal
I
III, A, Z. DlB GeSAMTGRUPPTERUNO der OERHANISCHESf StAMUE. 813-
pluresque gentis appellaiiones. Älarsiis GambriWi», Suevos, Vandilios, affir-
inaiit, caque vera et antiqua nomiiia." Tucitus stellt hit:r die Namen
lugaevones, Herminones. Istaevoncs durchaus auf eine Stufe mit den Namen
Marsi, Gambrivii, Sue%-i, V'andilii. Dies scheint mir die einzig zulässige Inter-
pretation zu sein. Mit dem gleichen Rei.'lit, mit dem man aus dieser Stelle
auf die Götter Ingo, Hermino. Isto geschlossen luit. muss man auch auf die
Gi'Htcr Marsus, Ganihnvius, Suevus Vandilius ächllesseii. Kü iüt klar, dass
■wir L-s mit Epnnyineii zu thun haben. Solche Ahstrahierung von (Jötter-
namen aus Vulksnamen ist eine ganz bekannte Erscheinung: Die Dünen
führten ihren Namen auf einen Stamincsgoit Dan zurück, die Nor^-eger auf
einen Noregr, die Angeln auf einen Angul, die Friesen auf einen Fri&o. die
Sachsen auf einen Saxo, die Güten auf einen Gaul, die (Jstgutcn auf einen.
Ostroguiha u. s. w. Ähnliches finden wir auch bei andern Vülkeni : die
Hellenen schufen sich einen Hellen, lite Aiolcr einen AioUis, die lonier einen.
Ion, die Leleger einen Letex u. s. w. Ähnlich die modernen Person ifizicrungea
wie Germania, Ilelvetia, Bavuria, Borussia, Berolina, die wir, gleich den alten
Göttern, auch bildlich darsldlen, cxler wenn der Dichter unser Volk als
Teut's Söhne bezeichnet. Überall ist der Volksnanie der altere, der Götter-
nanic erst aus die:üem abälrahiert. Sonach kann auch an der von Tacitus
bezeugten Kchtheic und Altertümlichkeit der Kamen Ingwiaiwen, Istraiwea
und Enuinen kein Zweifel sein *.
Ober die Identität der Ingxsiaiwen mit den Anglofrieseu, der Istiaiwen.
mit den Franken, der Erminen mit den Mochdeutschen wird spater gehandelt.
' Zm XamesaJonn bemerke idl folgendes; Überliefen U[ beiPliniu^: Ingyat-
9Hes and Jnguatonts, Istraeonet, J/ermwtUi : bei Tacilus: Ingacvonn. htaevonrs^
Jierminonts : bei Mela: Htrmionei; tUiu Ingo, Escto, ErmfHus in tler -Gene-
nitio reguni et j[entium*, l>ic I£ndun{; -^recHn winl in»i.-hriitlicb durch />/•
tattt& geituut. X.xli tlvm SLuuU- unserer Ubrrlicrcrtuijf darf aImi «chwcrlicli niit
eibera SuRix -iß- geicchnet werden, würilber E, Sievers in den BeriiliU-n ül),
d. Verb. d. s&chs. Ges. d. WLu. 1894, S. 13; 1. giJuuidcll hat. -atvonei repräsca-
licrt oatiirUcb ein gcnn. -ai-wanei > -ai\tninii. Ingyaeonfs und Irtguiuofus dürleu wir
in Ingitiarvontt rerbcfiscrn, da der Summ Infficia' durch iHguiomerus, ac. //ijf-
vinf. An, Vngwi lieber gestellt ist. Ob Juritnonts «xler htiarvones oder Islae~
vones den Vorzug verdient, ist nicht aiuzuirachen, weil wir den Name» nicht mil
bicbcrhvit dcnten können — alle tüsht-rigvn Venuche sind nur Hyputhcnen, die zu
keinem gesichenea Ei^elmis gelührt haben. Das A vun Herminonei. Hermiofus
ist ortho^TAphisch la beurteilen. Ein gcnii. Wort ermiff > 'rmin- ist Ixlcp, m»
dass die AnwUung von gcrm. lirminanit'^ Irmmanis (gol. ^Airminans) Wciocnk
Zweifel unlertirgl. — ■ Zulcui hierüber G. Kossinnn, iF. VII 399— 301,
§ 8a. Es ist die Frage, wie wir uns diese grossen ethnographischen Grup-
I)en der Ostgcnnaucn {VandUil und Nordgermanen (Hillcvioncs), der Anglo-
friesen (Ing\*-iaiwcn), der Franken (Istniiwtrn) und der naclimaligcn Hoch-
deutschen (Einiiueii) vurzustellcii haben. Dass ihnen zu Beginn unserer
Zeitrechnung keinerlei jiolitische Bedeutung mehr zukommt, lehrt die Ge-
schiclitc. Wir haben es offenbar mit ethnographischen Gruppierungen zu
tlmn, die aus einer v<)rgeschichtlichen Zeit stammen und zu Beginn unserer
Zeitrechnung für die Rftmer noch eben erkennbar waren, weil dieselben in
dem Bewusslseiu der germanischen Stilamae noch lebendij; waren. Ich stehe
nicht an, in diesen Gruppen die ältesten politischen Bildungen zu sehen,,
meine also, es hat wirklich einmal in einer weit zurückliegenden Zeit z. B.
etu Volk, eiuen Stamm gegeben, der sich Ingwiaiwen nannte, und der durch.
die Auswanderung eines Teiles nach Friesland, durch die Spidtung des Haupl-
stammes in kleinere Stämme oder dtuch Untecweifuug imd Assimüieruug von
Nachbarstaminen sich naclunals in die selbständigen Stamme der Friesen^
Chauci, Angeln, Varini u.9.w. auflöste, deren alte Zusammengehörigkeit Umeu
8i4
XV. Ethnographie der germanischen Stimme.
im ersten Jahrli. n. CKr. nocli btrwusst war. Jede unücie Dtrulung. wie clwa,
dass wir es tnit sekuntLlrcn Grupppiibildungeii zu thun liAtt**n, erscheint mir
Ungleich unwahrscheinlicher. Dass irgend ein für uns nur nicht mehr erkenn-
bares Band die zu einer Gruppe geliürigL-nStJlmme, auch nachdem sich dieae
selbständig grmiiclit, noch zusaininenhieh, dieser Annahme können wir uns
kaum cntziclien. Durchaus wahrecheinlich ist. schon im Hinblick auf die
altgricchi sehen VcrliSltnissc, MQllcnh<jffs Hypotliese', d;iss die einstige
politische als eine Kuhns-Gemcinsrliaft, eine Amphikiyonle, fortbestand.
Indessen nachzuweisen sind entsprechende äitkrale Verbände nicht mehr.
Am ehesten noch könnte der >apud Nahanarvalrts antiquae rcligionis lucus«
(Tac, Grrm. 43) für die Ostgermauen — wahrscheinUdier nur für deren
sQdIJche Gruppe — und der luciis der Semnen (Tac, frerm. 39) für die Er-
minen-Sweben in Anspruch genommen werden, so imsichcr das auch ist.
Direkt widerspricht aber der den Nertlius-Völkern gemeinsame Kult (Tac^
G^mi. 40), der ersichtlich nur diese einte, ohne dass irgend welcher Anhalt
-ZU der Vermutung vorläge, dass auch die gleichfalls zu den Tngwiaiwen ge-
hörenden Friesen an dieser Kultusgemcinscliaft teilgehabt hatten. Wenn die
■den Römern am nächsten bekannten rheinis<:hen. istraiwischen Stämme um
Chr. Geburt ein gemeinsames Kultus heilig tum einte, so dürfen wir annehmen,
dass Tacitus darüber etwas berichtet haben würde. Dieser enn-flhnt .-!»». I
51 beiden Marsi «celeberrimum iltis gcntibus templum, quodTamfanae vcx-a-
bant»; dass aber unter >Ulis gentibus sllnitliclie naclnnals frJlnkisrheSWmtnc
von den Chatti bis zu den Batavi zu verstehen seien, darf nach dem Zu-
simmenhaug für so gut wie ausgeschlossen gelten. Konstalicrbar sind also
an der Hand unserer Quellen wohl griissere sakrale Verbände, wie vor allem
•der Xertlius- Verband. Aber dass die Ost- und Nordgermanen, dass die
Anglofricscii. <lie Franken, die Hochdeutschen, ein jeder für sich eine l>esäin-
■dere, alle dazu gehörigen Stumme vereinigende Amphiktvonie gebildet hritte,
ist in keiner Weise aus unseren Quellen zu entnehmen. Gleidiwuld ist eine
solche Annalime an sich wahrscheinlich, wenn uicht mehr für den Beginn
imserer Zeitrechnung, dann für eine Frilherc Zeit, und diese Annahme wird
gestützt durch die Etymologie der Namen Iiiguiaevuncs mid Istracvoncs. Beide,
denen ■v-iellciibt der skadinawische Name Hillrviünis (Plin.)=; Ililhf^x-oiuj zu-
gcsclll werden darf, sind Composita, deren zweiter Bestimdlcil nur ein germ.
-ahv-odxx aih' sein kaim. Letzteres Wort hat W. Wackernagel (ZfciA, VI jo)
herbeigezogen: fiba I.and, Anthaib, liantkaih, Vurgitndaib bei Faul. Diac.
I 13, ahd. Wciateiha, Win^rUiba u. dgl. Setzen wir ein germ. aiiö- voraus,
so konnte an ein ausgestorbenes Suffix gedacht werden = gricch. -nfo; <;
■m-i-oz in Beispielen «ie "'A^jutoi = Achivi (vgl. auch Wka^iaimv neben dorisch
'Aixftäy, attisch 'AXxfUujv < *A?Jc/ittiJ-ü>y). Ungleich wahrscheinlicher dAnkt
es mich, an das l>e-kanntc germ. Wort ahviz zu denken, das in ags. ^{tv),
afr3. &wa, as, eo, ahd. iwa vorliegt und Gesetz, gesetzliche Ordnung, dann
auch Rhe bedeutet, im besonderen auch kirchliches, religiöses Gesetz, Schon
Wackernagel hat a. a. O. die .SV'dr/^^r des Sachsenspiegels herbeigezogen. Ich
meine also, /fs^vta-aiwn bedeutet -Ingwischer Sakrdbund«, und hiervon ist in
persönlicher Bedeutung als Volksname abgeleitet laguiuihvani: d. i. die der
ing^wischen Amphiktvonie zugehörigen '. Hierbei würc es möglich, dass der
eigentliche Volksname /r^^ataniz gewesen wäre, möglich auch, dass man neben
£rminanh und Wandilöz auch von Erminmwaniz und WandiUmvaniz gesproclic«
hätte. Thatsächlich liegt neben dem einfachen Namen Fritti der Name /W-
Mfi'ones {Friiiavones, Ftiiacona) vor.
1 Sdimidts An{:em. Zs. f. Gesell. VITI (1847) 209—269, Vgl. buch ZItlA.
XXni 1—13: Rieccr. ZfdA. XI 176—305; Hoffory, Kachr. d. G«. »I.
Wias., (iÖltinRen 1888, S. 426—44,1. Cbcr ßcrmanisdic KultusvcrUändc \gt.
auch Sohni, I'r-htM. Jiticln' und Gerühlsref/atsHng, S. 2 C — * E* wScc also
ein Nanw wie ßatojfatftoi > UalfiCM ]> ßJAnirn otler £n^/if»äT, //r/gp/iimfir.
B. OST- UKD NORDOERMANEX.
G. KnsBinna, IF. VII 2;6— 313.
S 83. Die älteste Absonderung eines Teiles der Germanen vom Haupt-
stammc ist zweifellos die dt-r Skadinawiur. welche frühstcns im 4. Jalirii. uiid
kaum spater als im 3, Juhrh. v. Chr. Ober Schleswig und die dänischen Inseln
»ach Schonen auswanderten (oben S. 789 f.). Wenn es gelingt einen n<iheren
ethnographischen Zasammenhang der Skadinawier mit andern germanischen
Stammen nachzuweisen, so haln-n wir damit ein Bild von der iSlttsicn Stammes-
gruppicrung gewonnen.
Ich hfginne mit der Sprache. J. Grimm meinte, das Gutisrhe stände
dem Hochdeutscheu naher als dem Nordischen, dieses aber zeige merkliche
Berührung mit dem Knglischen uml Niederdeutschen, das Friesische vermittle
zwischen Dilnisch und Niederdeutsch. Die Beziehungen des Nordischen zu
den nördlichen Diidckten des Westgermanischen werden allgemein zugugel>en;
aber von einer nilheren Beziehung des Gotischen zum Deutschen als zum
Nordischen kann keine Rede sein, ebensowenig wie um seiner Laulversclüe-
bung willen ('on einer ethnographischen Sunderetellung des Hochdeutschen
gegenüber allen andern germanischen Dialekten. Die Ansichten der Korscher
sind nur darin geteilt, ob eine Dreiteilung der gemiantschen Sprachen anzu-
nehmen sei (so .schon Schleicher), oder ob das Ostgermanische, dessen
RcpTäsentant ftlr uns das Gotische ist, in einer näheren Beziehung zum Nor-
dischen als zum Westgermanischen stehe. Die erslere Ansicht kann maii
heute als die lierschcnde bezeichnen. Die letztere Ansidit haben MüUcn-
hoff und Scherer, Holtzmann und Zimtner vertreten. Zwischen dieser
und der dritten Meinung, dass das Nordische zum Westgermanischeu gehöre
(Fnrsiemann und Bezzcnherger). vermittelte J. Schmidt, nach welchem
da.s Nordische nach beiden Seiten hin verwandtschaftliche Beziehungen habe
und zwischen Gotisch und Wealgermantsch die Mitte hatte.
Liticraturaagabvn: ZfdA. XIX 393 — 397, Dazu noch A. ficxtcnbcrger,
GötL Nachr. 1880. S. 15s— 155. J. Schmidt, ZfvglSpr. XXllI 294 f., W.
Braune, PBB. IX 545—548 iird Fr. Kluge, Gnlr.« I S. 430 ff.
Über die Übcreiiistimmungcn zwischen Nordisch und \Vestgemiani.srli ge-
nügt es auf Fr. Kluge, Grdr.^ I 421—423 zu verweisen. Diese Beziehungen
fallen alle in die ersten nachchristlichen Jalirhimdcrtc, kommen also für die
älteste ethnographische Stellung der Skadinawier nicht in Frage. Etwas alter
»ml die Beziehungen zum jViiglof riesischen >. Es handelt sich für uns also
allein um die Frage, ob sich eine nähere VerwandLscliafi zwischen Nordisch
und Gotisch nachweisen lässl. Dass eine .solche allcteei Datums sein müsstc,
ergiebt sich ja schon daraus, dass die Ostgermanen, wenn überhaupt so doch
sicherlich nicht nielir seit dem 2. Jahrh. n. Chr. mit den Skadlnawiem in
sprachlichem Austausch standen — ich sehe dabei von iicn Heruh ab. Über-
einstimmungen in sutchcn Erscheinungen, weiche mit einiger Wahrscheinlich-
keit jQngercu Datums sirul, Uürfttrn also zufallige sein.
' Jrib. Schmidt, Zur Gesrhkhte d<i iHdogermanüchen VocaUsmus U, Wei-
mar 1875, S. 451 — 453, führt «-Umlaut nnd Brechung an. Es gehört ferner
hierher der Schwand von n imd m \ax s imd /, der Lautwandel %-oa i\ und an
8t6
XV. Ethnogramiie der gbrm-«cischex Stamme.
^q oml o». briiles u'iilirM:h«mlii;h im i. Jahrb. v. Chr.; von unlietontem ö und
au;;:;>a «. a. (Verf.. IF, IV 15—30.)
S 84. Die Beziehungen zwist:hen der g<itisi:!ien Sprache und den skadi-
iiawischen Dialekten sind, wie ich von vom herein bemerke, keinesfalls so
durchgreifender Natur, dass vom Siiindpunkt der germ. Sprach wissciiscliaft
aus eine andere Kinteilung der germanisrhcn Sprachen praktisch empfehlens-
wert wäre als die in ustgcrmanisch, nurdgcmiiuiisdi uud die beiden westger-
manischen Gnippen: anglofriesisdi und <lcutsrh. Sehen wir von den ursprüng-
lich gcmc ingermanischen Cbercinsünunungen ab, welche die wc-stgennaiiischi:n
Sprachen nur deshalb nicht teilen, weil üie den urgerin. Sprachbestand selb-
ständig verändert haben, so bleiben doch einige Berührungspunkte, welche
auf einen alten Zusammenhang schlieascn lassen.
Zwar in lautlicher Hinsicht scheint ein solches Kriterium zu felilen.
Denn das got und iiord. ^o und ^/Jj bezw. gg; gcgtnübcr urgemi. ätc und
y ' kann sehr wohl urgemianisch sein ; vgl. für den Ans<)tz von germ. g den
von S. Bugge PBB. XIII 504 — 515 nachgewiesenen Lautwandel vou öw
zu gerra. ^g, und ein entsprechender urgeim. Lautwandel wird nahe gekgjt
durch got. bagms = an. iradmr >• wgeiTU. bäum, goU fiäxom = an. i_/förrr)
^^S"'' > wgcrm. fittvocr 4, got. izicis izivara = an. \dr ydvarT = wgcrra- Uno
*euch« iuiver »euer«, vgl. auch as. i\nön »lernen«, was aus Usnüti nur durch
die Mittelstufe *Iijftön abgeleitet werden kann, uud wgerai. miä<C got- miniö.
Aber e.i darf nicht übersehen werden, dass das Gotische speziell mit d*
Ostnordischen Jn einem Punkte übereinstimmt: Gegenüber westgerm. undwest-
nritd., fi und l vor Vokal hat das Got au imd ai = ostnord. *> und f. \*gl. g<*L
trauüH hauan ^ altsthwed. /rö(tf) hija : aisl. ir/ia büa = dit, Iniwüiu hitnn=.
alid. irüin biiin; got. *Swaia»s i,zu enichtiesscn aus Suehatis bei Jordaucs)
= aschwcd. Svear [Sucona bei Adam von Bremen und Saxo) : aisl.
Svinr, ac. Swrcn <i 'Sjrian < *Swtan. Das hohe Alter dieses I^utwimdel
lehrt die Gegenüberstellung von SueJtans (Jord.) mit Suioncs (Tacilus)**
Kein Gewicht möchte ich hingegen auf den got. und n<ird. Lautwandel von
// >■ // legen, der zu folgern ist aus afrs. ashtha (> attha >■ aita) = ahd.
atto (< *aihdho) '>■ jgjX. aita > Vater« (vgl. gr. Ärra, air. ailc <, *a/tio-, abulg.
oficl), afrs. spo//a {■< 'sfioththa) = ah<l. spottOu « ^spolhdhön) >■ an. ^tta
^spoiten^. Dieser Lautwandel Lst im Got. zwar alt, da fiß <. Aß in otfipau
>üüer' LTliultc-u bleibt, vgl. auch Atlil'a > deutsch El:cl\ aber er kann sich
im Nf^rdischen sflbstiindig entwickelt haben, ebenso wie im Afrs. thih zu //
geworden ist (mit / auch in den modernen Dialekten, die germ. / und /
noch scheiden}, oder wie aus ahd. tatia und neuengl. lath für ae. latt iatt
»Latte« eine ältere Kenn *hpp "Itrpp erschltissen werden darf. Kör den jtto-
gcrcu Ursprung des an. // spricht molle >Motte= <C ae. moppe < nordhumbc,
mohpe, auch wnhl kvellu »rede du« <.htä pü^. — Über Übcreinsiimmunj
der got und nord. Betonung s. A. Kuck, PRB. XXI 42c>— 435.
* VeI. Gitlr, « I }8o f. iiTjii diu- Gnlt. * 1 334 /u Schluss nm j 15 ftngvführtfr
LiUcfiitur. — " Vy!. über tlic^cn Liuiln'.^ntli<l A. Knck, IF. II 333 — 337 und
Ark. f. Gord. Fil. IX 157 — 159, A. Norecn, Ahriu der urgfrm. Lautlehre,
Suas^biirg 1894. S. 33 — 37 und Verf. bei F. Sfilmseii, Studien :ur lat. l^ut
grsthiehlf, Striüt»bur[> 1894, S. 156 f. K ock nimmt an, g«nn. Ü «cl im OsuionL'
vor Vokal (t>czw. vor a) in 5 libcrgi^iuigcii. Ich »ehe Treilid) <1as ü und j ßrut*
{•cnnaniscb .in und halle den wgemi. und n<>rd. Lautwandel zu ü und I w^eo atsl.
sküar für jünger als den Schwund des intcirokalisdien h. Doch es beJarf oudij
erneuter Untersucbung der KitucIfSilc: bei anord. büa: böa schciat r. B. «c
Kcbwed. &ü, ^/ alter Ablaut nn|;enommea werden zu tnOsscn. — ■ Olier an. tl<Z.Pf
vgl. A. Xorccn, Aisl. und anaru: Oramm.*. Halle l8g3, § l8ti und S. si»).
Aus der Wortbildung gehört hierher, dass die schwachen -nö-Verba,
die als besondere Klassp im Wgerm, ausgrstvirbm sind, im Got. und Nord.
eine produklive Kl;isse bilden, freüicli kein beweiskräftiges Argument. Eher
darf ilaraii erinnert wcrdtrn, dass der got und nord. schwache Nom. Sg. Msc.
;mf eine Grundform ohne -« (bczn*. mit einfacher Lflnge und geslossenem
Ton), der wgcnn. auf eine solche mit -n (bczw. mit Überlange und geschleif-
lem Tonj zurückweist, eine dialektische Differenz, die sic!\, wenigstens was
das Gotische und Westgermanische anbetrifft, schon zu Beginn unserer Zeit-
rechnung belegen Iflsst (oben § 78). und die bis in die idg. Urzeit hinauf-
reicht; freilich so lange die ninischen Nominativa auf -a noch nicht erklärt
sind, muss man die Möglichkeit im Auge behdlten, dass die beiden Formen
im Uniurdischen noch neben einander bestanden haben*; doch vgl. in Cber-
ein^riramung mit dem Gotischen den Namen Snarfita bei den Eruli. Die
bedeutsamste Übereinstimmung zwischen gotisch und nordisch ist die l. Sg.
OpL auf got. -au = nord -a.
*Vßl.jeut W.van H«)tea, PBB. XXI 494— 497; der S. 49a Anra. 3 gegebeDcn
DnitiinB Jer got. -o sUmme ich mit Wrcdc, Sfira/^^ Jtr Ott^ten, r8a f. oichl /u.
,\ber der W'irlschalz, der einer erneuten Ducchforschung bedarf, bietet
eine Anzahl wichtiger Übereinstimmungen zisischen Gotisch und Nordisdi,
sowohl [»usitiv ;ds auch negativ, indem eine Reihe von ur^erm., im Wcstgerm.
noch erhahenen Wörtern im Gotischen und Nordischen ausgestorben sind,
wie Busen, Grist, Jugtnd, Kraiti, l^hu, Ruie, Zeit, eilt!, gesund, gross, ächten,
blühen, /echten, fügen, fühlen, gehen, kehlen, lecken, machet:, meiden, meinen,
sprechen, stehen und besonders die Verba Ihun \md ich hin. Mögen auch
manche dieser Wörter von je her nur westgermanisches Sprachgut gewesen
sein, so lehrt doch die Art ihrer Bildung, dass sie in vorchristlicher Zeit
entstanden sind, zu einer Zeit, als die skadinawischc Auswanderung schwer-
lich schon vollendet war, si3 dass die Nicht-Teilnahme sowohl der Goten
als auch der Nordgerraanen an solchen jüngeren Sprachschöpfungen einen
relativ näheren Zusammenhang dieser gegenOber den Ostgennanen ver-
muten lassL
H. Zimmer. ZWA. TX 393—4*12,
Wenn sich s«.marh aus der I^ut- und Wortbildung» lehre kein direkter
Beweis einer ijrspr(\nglicben Einheit der gi^tischen und nordischen Sprache
ergiebl, mit Sicherheit nur der Wortschatz für eine Zusammengehörigkeit
spricht, so dftrfcn wir schiiesscn, dass einerseits die gemeinsamen Beziehun-
gen in eine sehr frühe, wir dürfen sagen vorchristliche Zeit zurückreichen,
und dass andrerseits der Zeitraum für die gemeinsame Entwicklung nicht gar
zu lang zu bemessen sein wird.
tt 85. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem, was ^ch geschicht-
lich ermitteln lässt. Das« die skadinawische Kolmtsation von den Oslger-
manen ausgegangen ist, beweisen die Stammesnamen.
Die Skadinawier zerfallen in Dflncn, Gäulen, Schweden uijd die norwe-
gischen Siamme. Die süd schwedischen Gäulen tragen denselben Namen wie
die ostgennatiischen Guten. Ersicrc sind schon bei Ptniemaios als
/otTOi belegt, wofür wohl laerat oder lavToi zu lesen sein wird, und bei
Prukopios als /ai'To/ ; es sind die ascliwed. Göthar, die aisl. Gantar, die
ae. G/atas, die Bewohner von GWaland (aisl. Gouilanä). Ihr Xame ist ur-
sprünglich ablautend flektiert worden; denn neben der Fonu mit au findet
sich nicht nur bei den ostgernianischcn Goten (f7(7///) eine Form mit w bezw.
(', scindem auch in .Schweden: die Einwohner von Gütlland heJssen im Aschwed.
und Aisid. Gotar, und die Isländer unterscheiden Eygoiar und Heidgoiar {ac.
Uredgoian). Es kann also nicht wohl bezweifelt werden, ii^esA sowohl die
GcrmuUKbc Phllotoffle III. ?. Aufl. SS
ostgermanischen Goten als auch die schwedischen Gauten-Gotcn von einem
Volke üUägt^aQgen stcd, ü. h. dass die (iu Hulstcin und ustlidicr wühncndoi)
Goten zum Teil nach Schweden ati.sgewandert sind, wJihrend der andere Teil
an die Weichsel xog. Ks kann sc^ar sein, dass dieses gotische Uncilk schon
in Ost- und Westgoten zerfiel; denn auch in Schweden ^deii wir bei Jor-
danes {Geiifa l\\ 23) Oumgolhae und wahrschcinltrfi auch V'isigaulfii (cbtl.
22)* wieder, imd im Alischwed. werden (is/f^in/irr und IVa-iigüHter uiuetscliic-
deii. Mag diese Einteilung indes vicltcicht auf :^elbstAndiger Entwicklung hü-
ben tmd drüben berulien, so sind wir doch in der glücklichen Lage den gci-
üschen Stamm der Greuiin^ auch iiu Norden wiederzufinden iu den (7r«»-
Ottgi bei Jordanes {Oei. III 23)'. Has gotische lTr\"olk zerfiel also bereits
in mehrere Stamme, als die Übersiedlung nach Skaditiawien begann.
A. Krdmann, Om folkniimtim Gölar itch GoUr, SuKkholm i8gi {j=. Anli-
fivariäk Tüiskrifl (6r fiviTigc XI 4}, S. Dugi^e, Xorges indsknftrr mni i/c leMrr
rnner, Heft l untl 3, ChmlUnia 1893 und 1895. S. 152— 154.
Den Goten benachbart und nahe verwaudt waren die Rugü. Auch iliesc
•waren an der Besiedlung Skadinawiens beteiligt. Denn wir finden sie in
dem norwegischen Rogaland als Ry^ir wieder, schon Jordanes \Get. III
24) als Rugi bekannt Auch die oslgcrmariischcn Ulmerugi des Jordanes
(IV 25) kehren in Norwegen als Ihtimrygir wieder.
Diesen sidicrcu Gleichungen, welche die üstgeraianische HerkuuCl der
Skadinawier verbürgen, stehen n<jch einige unsichere zur Seite. Fraglich ist
es, ob wir die ostgemianischen Burgumien iu dem norwegischen BorgtmJ unci
<ler Insel Bortthohn {Borgimdarholmr) wiederfinden dürfen *, ob die ^«tgcr-
manischen WnnJaüii (H'/iuMen) den ae. IfVö(</)/fW, Wemiiienus bei äuxu
aiäl. l'c n e/iZ/o/i iti der n« ltdjütischen Landschaft Vcm/iise/ {i2^i VrandUsSiai)
ob die ostgcrnianischen Ihlvae^nes (Tac, Germ. 43, Plol. II 21* 9) den
nordischen llilUvioms (Plin., N. H. IV 9^1) gleichzusetzen sind; ganz un»
sicher, ob Sihimi (Seeland) auf die Silingen weist*'; unwahrscheinlich, dass
die skadinawischen Aevibvoi (Ptol. II 11, 16) den ostgernianis<'hen Ijcmomi
(Tac, Germ. 43) entsprechen. Nur einen nordisclien Stamm, die norwegi-
schen Hi^räar finden wir unter den Wcstgcrmajicn wieder in den Charyda
-Ynpot'iVf, die nach dem Man. Anc. und nach I'tol. (II 11, 7) in Jütbod
gewohnt haben, aber vielleicht nur ebenso /ufalllg denselben Namen tragen
wie die Hanuks Ario%'ists und die Ilarudi in den I-nhiaer Aunakn.
Wie das Beispiel der Rugü lehrt, sind es niclit allein Goten gewesen, die
Skadinawien besiedeil haben, sondern versdnedene Stänune der ostgemia-
nischen Gruppe haben sich beteiligt, und wiewohl die Sprache darauf hin-
zuweisen st:heint. ist es doch durch nichts wahrscheinlich zu machen, dass
es je einen skadiuawisclien Urstamm gegeben habe, der sich spater in meh-
rere Stamme gespaUeji hätte. Nur so vieJ darf man vielleii'hl aus <Ier relativ
einheitlichen Sprache der ältesten nordischen Runeninschriften folgern, dass
alle skad inawischen Stumme von Hause aus einer, eben der ostgcnnanischcn
Gruppe angehört haben. Ich sage' vielleictit; vgl. indessen die § *^4 be-
sprochene Übereinstimmung des Gotischen mit dem Oslnordtscben l>etr, ü
und i vor Vokal gqjcnüber westn<»rd. und wgerro. m und i. Es ergiebt sii-h
femer, dass zur Zeh der Auswanderung nach Skadinawien, im 4. oder ^.Jahrii.
IS 55 f-) bereits ein grösserer, sich aus mehreren kleineren Vi-Ikcrscliaftcn, wie
ttie Greutingl, zusammensetzender gotischer Stamm bestanden hat, und dasf-
dieser ein Teil einer noch grösseren, der ostgcruiauischen Gruppe gewesen
ist, zu der u. a. die Rugü gehörten.
* Die gewöbniicbc Anoaliine ist die umgckctirtc; v^. hierüber xulelxt G. Ko**
III. B. Ost- vkd Nordcermanen.
819
• inna. IK. VII (1897) J76 ff. — * F. Dietricb, Otitr ,h^ Äwjpraehe dts Gothi-
st'fien, Marburg litCiZ, S. 107 f. — • Vgl. niicli Grj^lutttignriSr {Sktildikaparmöl 17),
— * Zeus» 405 Aiim. R. Muth, PBB. XVII (189^) 43. G. Kossinna.
IF. VII (1897) 282 f. hat als ilteste Nameofonn für BomMm Burgund ermit-
telt und ileuiet lüeMfii Xanieii — den gleichen Namen tragen nocb «irr kinritf
dlniachc IniKl hei Miien ui»l vnfÄ norucciMÜlic — mit Recht aSs. rhiKh^elci-Cfie
oder hochraccndc önlichkcil*. So ewcilcUoa der Natnc JiurgunJffi von dietem
Mtbcn Wort abgeleitet ist, dessen Hcdemui^ im ITmordiscbea offi-nbar noch ver-
■undcti wurde, w unKicher bleibt doch die biDtoriach-geographischc Beziehung
drr Bur^^tKlen zu fiornbolm. Die gewf^hnlicfae Annatanie, da.«» ihr Name die l^Icr-
kiinft fler Butguniien aiu Bomkolm veri>ärge, erKhciot mir »cbon tiesbalb unm^!^-
lieb, weil itchworlidi ein »o kleines Kilnnd die Hctniat eines so growKn VoUcs-
stammc» gcwc^t-n st-in kann. — * Kossinna a, a. O, 281.
§ 86. Eil lässt sich die Veru*aDdlächaft der Oslgermaneii und Skadina-
■wier noch durch eine Reihe anderer Cbeninstimmuiigcn stützen, die hier we-
nigslens angedeutet sein mögen. Die gotische Staminsage (Jordaiies, Geti-
(a IV 2.5) ist der Aiisdniik des vun der Triiditiun fttslgizliallcncn allen Zii-
^;1mm^.'nhynges mit den Skadinawiem. Skadiiinwier und Ostgermant-n liattea
eine monarchLschc Verfassung (Tac, Qerm. 44 und 43) im Gegensalz zu
-den W'eslgcrmancn. Auch die beide rscitigai Rechte haben verwandte Züge *
Die -ibrevts gladii« (Tac, Germ. 43) der Ostgermanen finden wir in den
skadinawischeiiGtabem wieder*. R. Henning hat eine ntudostgerraanische
Hausform rekonstruiert^: Eingang mit Vorliallu an der Breitseite, Vorraum
zweifach gegliedert, Eingang in der Ecke der Vorhalle; westgemianisth hiii-
.gt^en: Eingang und Vurhalle au der Langscitc unti zwar in der Mitte der-
selben, Vorraum dreifach gegliedert Über ein kiinstgeschichtliches Argumcnl,
•das sugenannte Zangenornament in Norwegen und Ravenna vgl. AfdA. II
213 (= W. Scherer, AV. Schriften I 471).
' J. Kirkcr, Mitceil. d. Inst. f. (l«terr. Otschichtifarschiuig II, Ergäinzungsband
1887, S. 455 — 542 und UnttrfuehurtgfM aar Erb/itlgr der ostgermantscftr»
Ruhte I, Innsbruck 1891. 11, l. Hälfte 1895. Vgl. hieran K. v. Amira, Utbl, f.
(>efn). u. rmii. lliil. 1888, l — 4 und Gi'Vll. |>cL Anz. 1893, Xu. 7 und K, Maurer,
Krit. VJMihr. XXXI (1889), 190— 197. Misstrauiscb K<^en FickerK Bemcis*
fübninjj niu.<>s es madion, daM LangohardeD und Friesen nach ihrem Recht zur
o5tficmiani«hcD Gruppe (^'Wiren sollen. — * ü. Kossinna, IF. VII (1896),
380. — ' Das deitls/he J/am in lernfr hislon's>:hftt EntTPtcJtrlHng, StraKsbuf); 1882.
Vj-L. auch .\. Mcitzen. Doi deiitsfhf Haus in ieineti vclkithümlichen J-ormi-n^
Berlin iSSl und A. Meitzen, üiedelMng und Agrar-tivien der H'fstgtrmam-H
und Ojtgfrmanfn, 3 (l»czw. 4) Bdc,, Berlin 189;, besonders II 091 f. imd III
464 — 520. Meitzen unterscheidet zwei Haupilypeii, einen itaÜKh-kc! tisch- woit-
gormaniscIieD iiud eitieti ^cclnsch-s lau- iwh>iiistgerni.-iniM:h-!ik.-ulin.-i wischen.
I. Ostgermanen.
§ 87. Die ostgermanische Gruppe, zu der als altest belegharer 'genn;ini-
-■scher Stamm die Guten gchürtcn, hat. bevor sich die Skadinawicr abtrena-
•ten, jedenfalls nicht bereits seit ungczUliUcn Jahrhunderten bestanden; sonst
würden die sprachlichen Abweichungen von dc-m Westgermanischen grosser
■sein. Wie h<ich man auch das Alter derselben anset/en will, keinesfalls darf
nuin über das erste Jahrtausend v. Chr. hinaus greifen. Eine politische Ein-
heit iiaben die 0:*lgermanen in naclichnÄtücher Zeit wenigstens nicht gebildet,
und es ist sehr fraglich, ob die schon xur Zeit der Besiedlung Skadlnawiens
-bestehenden Einxelstamme, wie die Rugii oder Goten, letztere wiederum in
mehrere Abteitimgtai /.erfallend {§ '6^ und t)6), ursprilnglich aus einer ostger-
manischen einlas hervorge^ngen sind. Die Iiistorwchen Tarallclen sprechen
eher dafür, dass umgekehrt unter den als koordiniert zu denkenden geima-
uischen Stiünmen einige sicti infolge irgend welcher [>olitischai, vor allem
830
XV. Ethnographie der germanisches StAmub.
aber wohl infolge geographischer Verhilltnisse n3her ziisammengeschlossCDi
haben, wit- unter den Oslgcnnanen solbät sich wiwlcrum mehrere grössere
Gnippcn, die skadinawisdie, die gotische und die lugischc gdjildet haben.
^ HS, Die relative Einheit der ostgermaiiischen Stamme ist sicher bezeugt.
PI in i US, der unter den Germanen fünf Hauplstimme unterscheidet, nennt
(iV.// IV 99) als einen derselben die Viindiü, und als Teile derselben u. ;i.
die Burgundeii und Güti:n. Er rechnet die Bastemcii nicht dazu und eben*>
wenig die Stamme an der Nordsee, am Rhein und im mittleren Deutschland.
Tacitus nennt (Oerm. 43) nördlich von den Sudeten die Lygionim civitatcs,
die Gutones, Rugü und Lcmonü und fügt als ethnographisches Merkmal dieser
Stamme hinzu: >oniniumiiue hanim gentiunt insigne rotunda scula. breves
gladil et erga reges "bscquiuin,« Das letztere MerUnal giebt er auch für die
skad in a wischen Suiones an {Germ. 44).
§ Sq. Ihren deuttichstcn Ausdruck hat die Zitsammengehüngkeit der ost—
germanischen Stamme darin gefunden, dass diese Gruppe einen Gesarat-
namcn trug. Plinius nennt sie a. a. O. Vatidüi. Auch mit den Vandilü
des Tacitus {Germ. z\ ist nach dem Zu.sanunenhaiigc der Stelle tiiclil eine
einzelne civitas gemeint sondern eine grössere Stammesgruppe. U'ir kennen
diesen Namen (mit einer fOr jene Vorzeit durchaus nonnalen Suffi.\abstufung)
als Vandali — VandiH — Vanduh sonst für dnc einzelne civitas (§ t>4). für
das wandalische Volk, welches nachmals in Afrika ein Reich gründete. Da
diese letzteren Vandali uns erst seit dem maikomaniiischeu Kriege bekannt
sind, und da sie weder Tacitus, der sie {Germ. 43) unter den >valentis>i-
inas civitates« der Lugü nicht nennt, noch Ptoleuiaios kennt, der doch
(11 II, 10) die ^iiÄ-f^ax anführt, so schcmt es, dass die engere Bedeutung
des Namens erst im 2. Jahrh. n. Chr. aufgekommen ist. [Wenn Diän.
Kassios (LV l) das Riesengebirge das wandalische nennt, so ISsst sich
für die voriiegende Frage daraus nichts schlieasen, da der wandalische Stamm
in Schlesien gewohnt hat.] Wenn ich es also für wahrscheinlich halte, das*
die besondere wandalische civitas sich erst im 2. Jahrh. n. Chr. konstituiert
hat, offenbar im Zusammenhang mit der Wanderung der Goten nach Süd-
osten und den politischen Ereignissen, die in dem inaikomannischen Krie-
ge einen Ausdruck fanden, so halte ich die Annahme für ausgeschlossen,
dass dieses Volk in früherer Zeit etwa ein grosses ostgermanisches Reich
begründet habe, das seinen Namen getragen hatte, Icli meine vielmehr,
dass Vandali ursprünglich ein Name für alle Ostgermanen gewesen ist. und
dass dieser Name in ahnlicher Weise auf einer einzelnen Völkerschaft haf-
ten blieb wie der Name Sitebi'> Skhwalnn. Rs mag sein, dass wir es, «ie
bei den Schwaben, mit dem Kemvolk der grösseren Gnippe zu thmi haben.
Jedoch diese Parallele kann insofern nicht ganz zutreffend sein, als die swf-
bischen Stamme, welche spater die besonderen civitates der Marcomanni >
Baiem und Quadi bilden, sich von dem swebischen Kemvolk geographisch
abgetrennt haben; ein solcher Fall könnte aber höchstens für die südliche,
die lugische Gruppe der Ostgermaneii angenommen werden, nicht für die
Goten und Rugü, deren hohes Alter als besondere StSrnne durch ihre Wie-
derkehr in Skadinawien bezeugt ist (§ 85), und für die Sdri, die schon zu
Beginn des 2. Jahrhs. v, Chr. Ix-legt sind. Es ist nun sehr wohl möglich,
dass der Name V^nd.^!i in seiner ältesten Anwendung allein die Lugü um-
fasst und von den swebischcn Nachbarsiammcn mit auf die nördlicheren
Ostgermanen ausgedehnt wurde, in fllinlicher Weise, wie später die Vandali
mit zu den gotischen Völkern gezählt wurden. Wie dem aber auch sein
mag, auch wenn die Goten sich selbst niemals als Vandali betrachtet habe»,
jtomlcnt Tiur von den Sw«iw^ so bezeichnet «"urden, so würde dieser Gc-
süiutnamc doch ein Ausdruck der den swebtschen Nachbarn bewussten eth-
iH>gra]>hischen Zusammniigehürigkeit der ostgermanischen Stamme bleiben.
Wie die swebischen Stamme aus einem einzigen Stamme hen-orgcgaiigcn sind,
so lialte ich es auch tHr wahrscheinlich, dass es in der Vurzeit einmal eine
wandalische civitas gegeben hat. aus der nachmals die Vandali, Silingi. Bur-
gimdcn, möglicherweise auch die Goten, Gcpidcn, Rugii und Sciri hcn-'orge-
^ngen sind Auch wenn \nr die letzteren vier Stflmme nicht mit einbe-
■greifen. würde jene Vurzeil schon deshalb in die vorchristlichen Jnhrhun-
ilerte zu verlegen sein, weil die Sondernamen Süingi und Burgiuiden aus
<ien germ. Sprachen heraus nicht deutbar sind.
Wie in Jlltester Zeit unter dem Namen Vandili, so wurden später die ost-
jrermanischon Stämme unter dem Xanien des vorhcrschcndcu Volkes der
■Gnicii zusitmmpngefasst.
§ (fi. (obgleich die einzelnen ostgermanischen Stänune wahrend der gan-
zen ersten Hälfte ck-s crrtcn Jahrtaasends n, Chr. als besondere, selbständige
Völker auftreten, die Sonderexistenz der Goten und Rugü seit 300 v. Chr.
nachweisbar ist (§ 52 und 85), der Name Burgunden in eine vorchristliche Zeit
hinaufreicht, und dm Sriri seit .\nfang, des 2. Jahrhs, v. Chr. bezeugt sind
<$ 101), ÄO ist doch noch um die Mitte des ersten Jahrtausends n. Chr. die
<llinisdii- Zusammengehörigkeit der ostgermanischen Stämme für die Zeitge-
nossen unverkennbar gewesen. Wir liaben dafür das wichtige Zeugnis des
Prokopios, ß. l'antf. I 2, P 178 A. B: »foi^utd flJn; nolXa ^kv xal fiJUa
yio6TTo6v rr ^v uni rnvvv ^ari, rn de dti .-irfrrü)»' ftiytoTti re xal Ä$tolo-
yföraTU Föi^ot ri cht xai fiavt^ikoi xa\ Ovioiymiioi xai Fiinatfitg
uhm fbraiTFc Arofiam fih dXb'ßo)v dtaffigovatv, . ., Äx/oj dt rcöv .-rdr-
Twy otfdevi thfzÄfinnmrm. Xfvxol yao &Ta»T*c m awfmxd ri eht Hat tÖ;
x6}iai ^nvöoi, f/'jtiijxric tc xa\ &yadtA tü? Stfietg, xai vöfiotg pikv ToTg
ni'TOtg xgöivrat, fifwloii di rd h rör &e6v alims ijaxtjrat. Tfjj ydo
^AQfinv Ai'iS>}i efoiv üjrnvrei;, tpotvi} le avroT^ Imt uia, Fordix)} Myo~
jiFvtjj xni fioi ^oxovy l^ Ivb^ ftiv r\vnt ilnavtr:^ to :taXaibv P&vavi,
6i't)iiiioi (V PtTTFQov riiit' Ixnojoi'i fjytjoniuywv Äiaxexoiaßai.* Ausser den
Goten (d. i. Oslgoieu), Vandili, Wbigoten (?o auch B. Goith. IV 5, P 574 C)
und Gepiden rechnet Prokopios zu diesen gotischen Völkern noch die
Kugü (ebd. in 2, V 470 B) und die Sciri und Alaaii (ebd. 1 i, P 308 A);
mit letzteren (auch ß. VanH. I 3, P 182 A), ursprünglich einem skythischeji
Stamme, ist jedenfalls die Gruppe gemeint, die sich den Vandali angeschlos-
sen und damals wohl germaniaert war (Zeuss 449 — 453 und 704 f.). Der
Umstand, dass Prokopios die Burgunden nicht unter den gotischen Völ-
Icern nennt, gestattet noch nicht den Schluss, dass sie nicht dazu gehörten.
Agathias I 3 nennt die BovQyov^üuvt^ *yivo^ FoTÖix6v'.
S 0'- Sprachliili ISsst sich eine bcstmderc ostgermanische Mundart
2war nicht beweisen, schon deshalb nicht, weil wir nur die gotische Sprache
genauer kennen; aber das Namenmatcrial bei den andern ostgermanischen
Stammen genügt doch, um eine Anzahl wichtiger Übereinstimmungen mit
•dem Gotischen zu konstatieren; vgl. § 78. Hierher gehört die Erhaltung des
jjerm. ff als e > i ' (wgerm. und nord. d). die geschkissene Aussprache des germ.
* > i(', der Lautwandel uu > 0*. die Erhaltung der I^utgnippe auj*, der
Ausfall des A zwischen Vokalen*, der des ^' nach Vokal und vor 1 oder ^^
der Lautwandel von antevokatischem, auslautendem ö und rf zu/und /\ die
Mouillierung des r/ und t vor/ und die Assibilienmg zu r', das Nominativ-j ♦
und die nach ^ 78 schon för das i. Jahrh. n. Chr. bezeugten schwachen
maskulinen Nominative auf -/i'*. Die Namen der Wandalen, die einer an-
dern Gruppe der Oslgctmaucn angehören als die Goten, zdgen gar keine
Besonderheit, die auf eine dialektische Verschiedenheit schliessen Hesse. Star-
ker weichen die burgundischen Namen ab. Aber hier miiss berörksic hiijtt
werden, daits die Burguiiden später in enger Fülilung mit den Franken uncfc
Alemannen standen, sn dass es nicht nur möglich sondern a priori durcliaus-
wahrscheinlich ist, dass wcstgcnnanische Eigcntünilichkclien in der burgun-
dischen Sprache FJngang fanden; so erklären sich vielleicht die ä <Z g:crm.
r? in Vänfjhantis, Gundomiirus, LtudomCtna neben Vuitiahftrius, Willimires-
u. s.w.: 8'^ ist c« sicher zu erklären, dass wir bei den Burgunden auch die
westgerm. Konsonantengemination finden, z. ß. in Villiohgrga, Vassio. Sifi^oi
Ware d;is Biirgiindischc lebendig gcbhebeu, su würden wir ca voraussichtlich
zu den deutschen Mundarten rechnen, trotz seiner ostgecmanischen Herkunft'*..
Fr. Dietricli, t^r rf/c Atusprach^ lÄ-i Oothinhen, Miu-hiu); 1863. F.
Wred«, Öher Jü Sfira^rhe der Ostgoten in Italien. Slrasiburg 1891. F, Wrede,
Über die Sproihe der H'anda/en, Slfässburg 1886. \\'. Wackcrnagcl, SprtuA^
und SpraShdenkmäler der Burgunden 'v\ BinJiagü Oeu-h. det burgiind.-romam-
schen K^ni^reiths. Lcipnu 1868, S. 3J9 — 4O4 (= Kl. Schriften Hl, Leipzig 1874,
S. 334—416). R. KÖKcl. ZfdA. XXXVU J2J-J3t. Die Krammatischc Vcr-
weitUDg der EigcnnanK-n wird ilailtin-h aiu.>enir(lcnilich i'rschwrrt, weil bri dm
fUarken Völkern li-mirlmiii^i-n kuiim feslzu-itolli« ist, iib /, B. ein Ix-i den Burgiinik-iv
vorkoniirifiKler Etgcnimnie in dci ubcclieftrtro Fi>rm nirhl ^utiM'h <*ier (niiiki»ch
tst, dann aber aiidi doitun^, dass r.. B. der Gi>1c Jordancs aiich die Kuinpn anderer
Sttimme in gotisclicr Fonn wiedcrKicbi, fnrilidi durch di* s])&iLiU'iDiM!he Ch-tlio-
(^aphic, dmn Schwanken zwiMihcn / und e, lurischiMi u urd i> c« z. B. nicbl vr-
iii<'>i;liclit mit Sicherhoil fesixitstellen, ob all« (^aigcmianfn. wi£ die Goten, ausser vor
r und h Qh«ndl i und » ijettprocten haben.
' ^'E'- M'aadalisch Guntltimer, Geitamir; rugücb Feva (deotsdl /invi); burgUB-
rtisch firammtni. ÜHtnnharim^ das Hnnpindischr schctnT wegen des ifKllemi
Uli*TK!irijfs 7\\ ü iKich die iirKtrrm. Aiituptathr ^ VDrniiviiscl/.cn, — ' wnödslisch
lUumaril, Frnnimuth. — ^ wand.'ilL'u.'Ji frnja, Frotiimuth;, Iniif^iidisch Ornix-iuxti ; ;
tuikitingisch Odoair-r. — * burjiijndLich Au^efredus. — * »[lülgoltsrh GundihitJi
> Gitndiildi, Ritnihüdit |>- ÜanUda, !'andalariiu\ wandaliftch JSuginari, T/uv-
dariia; burKimdisch Gis/aAariitj "^ Gii/aurrus y> Gisfanus. Gunäohartut'^ Gun-
darius. — " s]dtKotüch Vagi'ia > Dada. Gkndiisirtus: biireundiadi Gundiiseltts
> Gundisflns, tiiidicrHUi. — ' waDdaliKh Fnniimuth. Blumariti Inuj^imdisch
l/ithtiluf. — * got. Sraidxa, Btirgtindtones, mafiia, ßam; wanditlüch StutiiJi
Stafaaj S/ruafsJ. — ' wandjdiscfa '/'Annatttunifi. Hilderix. Da* Nominativ -s i*t
wie im SpnigoT. so auch im Wand, uml Bui^. abgornllcn. — " wanilidiach frcj"^
Dagifii, silinj-isch ^ii.fyym {Plol.. vielkichi für i'i^tj-jHH vorschrieben); burgna-
ilivh Bov{Q)yo!\yiat (Ptol.), Athtilu. tiibito, Vulßfa; ^pidbcb Gipidae, Fa'lidOt
Trafslita; ru^isch Fma; ba4trrni»cb ßa,\trrH'if. — '^ Die btirgundisch |*cttannle
Afundart der weltlichen Schweiz Ut alemannisch.
I
I
a) Bastemen.
Zcu&s 70 f. und 137 — 130. — I*. ILihncl, Die Bedeutung der Baslarmer
für das germaniiche AlirrthHHt^ Leipzig U. Drradt-n 1865. — MüllenhoCf, t>.A^
II, 104—112. — R. Mucli, Mitx. d. anlhrop. Gm, in Witn XX, Sidau^^slKfidK»
S. 75—80 und PBB. XVII 34—40. 46—48 und 134—1.56.
S 92. Ob »-ir ein Rwht haben von einer ostgennanischen Cniiipe xu
sprechen, ist mehr als fraglich. JedenfalLs haben die Bastemen eine besofii«!
derc Gruppe gebildet Plinius, der einzige Schriftsteller, der etw*as Qt
ihr« ethnographisch f Stellung aus.sagt, teilt die Germanen in fünf >genera«
ein, in drei wesigennanische Stamme, in Vandili (tJstgermanen) und Bastemac
(JV. //. IV <■}(>), Wir haben keinen Grund diese Angabe zu bezweifeln. Immer-
hin aber dürfen uir nicht allein aus der geographischen Nachbarschaft fol-
gern, dass die Bastemen den Oslgermanen relativ näher gestanden haben
in, B, t. OSTCERMAXEN.
823
ats den wcslgcmianischcn Släimnen: vir wissen, üass sie zu Anfang des
3. Jahrhs. v. Chr. mit den ostgeminnischen Sein verbündet an das Schwarze
Meer gezogen sind, und vor allem haben die Bastcnieti s])rachlich mil den
( tstgermanru ein Tlauptrhurakteristikum gRteill, den scliwachen Nom. Sg. auf
-o, wie <ler Name flasienta seihsi darthut.
Die Bastemen, deren Gebiet von der Wcichsetquelle über Galizien bis zur
DnnaumOndung reichte, zerfielen in mehrere Stamme. >«/? jr/e/m q-vka Atfj"
gtjftivot*. Slrabön (VII 300) nennt die "Artiovotf ^tdÖYfc: und llrvxTvotj
leixtcre auf der Insel IJfvxtj an der Donaumündung;, die ^töovei offenl>ar
identisch mit den ^idtavei, die I'tnlemaios (II il, 10) an der Weichsel-
quelle kennt.
Über die Geschichte der Bastemen s. § 5Ü.
b) Li^i > Vandali
Zenss IJ4 — 12? und 443 — ^55. — E. Tb. Gmipp, Die Grrmanisfhen
Ansjtälun^n und iLandth^Httn^n in den Provinzm Jn Knmiuhrn IVestrrtrhrs,
Bri-slnii lit44, S. 452—454. ^ F. Dahn, Dir KCmige der Grrmaurn I. Mtlm-ben
1861, S. I40 — 260. — R. Paltmann, tiie Gekihuhte der Väikrrutttutervng,
2 Bde., Gotlia 1863 luwi Weimar 1^(64. — Tb. Ilodkin, /tatv and her iniadm
II, Oxford 1880, — E. V. Wictersbrim, Grsfhkhre drr y&lkfruftnJetNnff,
3. Aurl. von F. Dabn. 2 Bde., Lripriß 18S0. 1881. — G. Kaufmann, Drtittfhf
Getthiihtt bis auf Karl dt n Grosun It, Ltipiit: r88l. S. g6 — 104. — L. Schmidt,
AlUsU Gtichickte 4er iVandnIrn. I.ejpxig 1888. — S. Mittutiak, Auwfw und
H'ohRiilic drr LugürvJfktr, öochnia 1889. — R. Much, PBB. XVII 25—31
und 133 — 135. — O. Gutschc und W. Schultzc. Deuischt CnchiihU von drr
Uruit bii 3« den Karolins^rn I, Stultgart 189*4.
§ 93. Sehen wir vou den Bastemen ab, so erkennen wir unter den Ost-
gemumen mit Sicherheit zwei Gruppen: die lugische und die gotische. Die
erste Gruppe sass im i. Jahrh. n. Chr. in Schlesien; wie weit sie weiter nacli
Norden und über die Lausitz hinaus reichte, ist unsicher. ^Lygioruni nomen
in plures civitatea diffusum. Valentissimas nominasse sufficiet: Harioa, HeU
vaconas, Manimos, Hetisios, Nahanarvalos.-- Deudich fasst Tacilus {Grrm.
43) diese dvitaics, vun denen nur die Helvaeonae auch sonst genannt werden,
unter dem Namen Lygii zusammen, sie den Goten, Rugii und Ixinonii
gegenüberstellend. Die ellinopraphische Zusammengehörigkeit dieser Li^i
beweist der Umstand, da.ss sie ein gemeinsames Kultusheiligtum hatten, wo
ein göttliches Brüder[>aar verehrt »nirde: ^apud Nahanar\-alos antiquae religionis
lucus 'jstenditur' (Tac. a. a. O.). Ptalemaics (IT 11, 10) nennt in Schlcsiea
die »vlovyw q\ ^Oftavoi, hrp* »Pf Aovyoi ol -Udorvoi*, Namen, mit denen
wir nichts anzufangen wissen, und weiter südlich die Aovyoi ol BovQOi,
welche aus dem Markomannenkripge l>ekannt sind. Die Silingen in der Lau-
sitz scheint er eben so wenig zu den Lugii zu rechnen, wie die nördlich von
Schlesien wohnenden Burgunden; wenigstens bezeichnet er sie nicht als Lugü-
Doch dürfte dies kein sicheres Ari-ument sein: denn auch bei den AfÄDiviimvei
fehlt dieser Zusatz, und doch sind diese zweifellos identisch mit dem, wenr»
Tacitns recht berichtet war, lugischen Stamme der oben genannten Hel-
vaeonae. In der That kann an der Zugchf^rigkeil der Silingen zu der lugiichen
Gruppe nicht gezweifelt werden (g 94). .^ber ob auch die Bürgenden hierher
zu zählen sind, ist niciit sicher, r>bschon es Ptolemaios an die Hand giebl.
Nach seinen .'Kngaben wohnten nfimlich die Burgunden südlich von den
an die Netze zu setzenden AD.ovaituves und nordlich von den nicderwhlesi-
sclien Aovyot ol ^O^avoi, so dass diese geographische Lage den Schluss
nahe legt, dass wenn die Ati.ovaUiiviQ I.ugii waren, es auch die Burgunden
gewesen sind. Indes sind diese geograpl tischen Angaben nicht sicher, und
8^4
XV. Ethnographie »er germanischen Stämiie.
CS wUrc ja auL-h mügtich, dass die Bui);undc» sich zwischen jene bcidcD
lugischen Stamme hin ein gesdi oben hatten.
§ 94. Die Lugü erscheinen, und zuur an der unteren Donau, zum letzten
Mal um 280. Seitdem ist ihr Name geschwunden. Die Lt^, wckhc die
Geschichto an der Donau kennt, sind bereits ein kleinerer Teilstamm der
grossen Gruppe, welche einst diesen Namen führte. Die Erbschaft des lu-
gischen Namen.s haben die Vandali angetreten, welche im 1. Jalirh. n. Chr*
noch nicht als eine einzelne civitas bekannt waren und sich als solche wahr-
scheinlich auch erst um die Mitte des 2. Jahrhs. konstituierten (§ ikf). Von
Jordancs {Gf/. IV' 26) als Nachbarn der Ulmerugi, »qwi lunc Occani ripas
insidebant«, geiutnnl, hIso etwa an der Ncizc, finden wir diese Vandali im
2. Jabrh. am Riesengebirge, welches das waadalische hiess (Di«n Kassios
LV Ij. An der Seite der Marcomanni und Quadi kämpften sie an der
mittleren Donau gegen die Rftmer. Im 3. Jahrh. finden wir sie neben Goten
und Gepiden in Dakien. Z\A Anfang des 5, Jahrhs. awtgen sie vcm Pannonicn
aus mit deik Alani und Sweben nach Frankreich; dann nach Spanien, um
endlich 429 ihr Reich in Nordafrika /u begründen, welches bis 534 be-
staiid. Eine Abteilung des Volkes war in Pannonicn zurilckgeblieben. Has-
dingt ist der Gcschlechtsnamc des wandalisdicn Königshauses. Ein Volk
der Hasdingi erscheint 1O7 n. Chr., um im n<"jrdlichen Ungarn Fuss zu fassen.
Ihnen zur Seite werden die Lacringi genannt. Gleichfalls zu den Vandali
geh«'lrten die Sllingi, welche Ptoiemaios in der I^usitz kennt, und welche
neben und unter den Vandali sich noch in Spanien als eine besondere dvi-
tas erhielten, sWandah cognömine SÜingi-« oder auch AVandali SiUngi' ge-
nannt. Zu den Victovali vgl. R. Much, PBB. XVII 29—31.
I
c) Burguiiden.
Zcuss 133 r. 280. 465 "4,70, 695 f. — E. Tb. Gaupp, Dir Germam'scken
Anii-'d/iingrfT. Brubiu 1844. S. 274 — $71- — J. Grimin. Geuhitkir tlrr di^fu-krn
Sprni/if W ft'fS^'oS. — H. Dcricbswciler. Gfschkhtr lUr Burgundru hit z*i
ihr^r Eiii''rrteti>HHg ins fränkiichr Reiih, Münster 1863. — C. Bimi inK, Gesthn-htr
^iburgHMtinth-ramaHiuhi-n Koni^rriifu, Li-ipjuj; l8ä8. — A.Jiiho. Gtahtthuder
litirgutuiionfH und Iturgiindtem his tu Eiute drr rrslm T^yuaitie, 2 Bde., llilte
1874. — K. V. 'WiuitttfiitMm, Gnrhichte ärr l'sUtervrandtrttng\ 2 Bde., Lei|Mi|:
1880. l88[. — R. Salt^iUes, De Cilabhistment äts ßurgondes sur Us äomat-
Hts des Gallii' Romatns, Pari» 189a. — W. Scbultzc, Drittuhf Gexhichtf rrni
der l'rtril brs tu dm Karolingern II, Snittgut 1896, S. 82—97.
§ Q^. Es muss dahingestellt bleiben, ob die Burgundcn zu der lugiscli«
Gruppe gehflrt haben. Sollte dies nicht der Fall sein, so mflssten sie neben den
lugischen und gotischen Stummen eine dritte Gruppe der Ostgenuanen ge-
bildet haben. Denn von den Goten scheidet sie Jordanes ausdrOckticlu
der (6V/. XVIIi den Gepiden. als Blutsverwandten der Goten, die Burgutiden
gegenüber stellt. Die Burgiuiden kannte Ptoiemaios (II 11, 8 und lo}
nöallich von den Lugii als ein grosses Volk in der Provinz Posen und,
wie es scheint, ostwärts bis zur Weichsel. Es ist wahrscheinlich, dass sie auch
noch rechts der Weichsel gewohnt haben, wenn nSmlich die 0^1701
iAoiVtZj die l'tol. (III % 8) hier kennt, mit ümen identisch sind'. Iltre
«tsten Wanderungen zeigen sie in Rertlhrung mit tlen verwandten ostgerma*
tiischen Stummen. Noch im ,^. Jahrh. sasiien sie neben Goten und Vands
an der Donau. Dccli zu Ende dic.Hcs Jahrhs. sind sie westwärts gezogen^)!
uin, zunächst nordöstliche Nachbarn der Alemannen, seit \\\ zwischen
Franken und Alemannen ihr sagenberühmtes Reich mit der Hauptstadt Wurmi
zu gründen. Nachdem dieses Reich durch Ailtius imd datm 437 durch die
ni, B. I. OSTGERUAKEX.
825
Hunnen vcniiditct wonlcn war, siedelte sie Aeüus 44,5 in Savoyen an, und
von hier aus haben sie ein neues Reich an der Rhunc aufgerichtet, das 552
^534 den Franken anheim fiel. Die Burgunden, denen ihr Recht crlmlten
blieb, bind roinanisicrt worden. Ein romanisches Reich war sowohl das 880
bcgrOndete dsjuninische oder arclatischc Burgimd, welches das ganze Strom-
gebiet der Rhrme umfassle, als auch das 887 begründete üansjuraiüschc oder
hochburgundischc Reich in der westlichen Schweiz und Franchc C!.'omt6. Die
deutsche Mundart der Westschweiz, die man mit einem poliüschen Namen
wohl die burgundisclio nennt, ist durchaus alemannisch.
* Ptolcmaids ncnni auch sonst dasscllic Volk an zwei vcrwrhicdnieD Stellen:
so die Any^'o/iäQdo$ und Aaxxoßcujöot : links vora RbcJa die Ot'ayyiovei, recbu
<lic Oi'tia-^'iatvK (rcctc Ovo.Yfi<t>vei:); 'wcsüicb der ^Vbtmba die 'Ivxttiom (rccic
Nmoloyti), fistlicli die StQ^r^raroi {zi,xXc ytierar<troi); ebenso ideniiJinen: ich die
XaTfiat {miv XafJiiai, aus A'o^ai'ot veixk-rln) mit den Ao/miW, die Tnvotitrot auf
ittT einen iiül tkn Tn'gioxaTfiat auf d(rr amlern Seih' der ^ovirjta So*j (% 43
Atim.), ilif BairoxttT/tai in Bfilimen m'n den BaTuoi in Österreich um! ^faoKQ^
fiavol in iltr fJbi-rpfal/, die OvIqovvm (rttlc Oväuowot) mit den iVtllieli angrt-n-
«-■ndcn A'-ti^jtoi (recli- Otaftvot) [% 150, Knte 2), die Trvrm-öaoot (neben dm
OvlQox'vot) mit den TnrrorK (rehen den At'tt^Oi)' Zeus» 280 f. und 695 ^^^
die ^^tryovy&ioirt^ für die nidii gctnumbchen H'urugttntii.
d) Golen.
JordftBc». De «rigitte tutHnu^ue Getamm ^%\l%1, (ed. Tb. MommscD.
B«rolini 1883.) — Zeuss 134— 136, 401— 441. — W. fi«sgell in Ensch und
Gnibers Enc. I 75, 98 — 342. — A. Rasxnninn, *lid. I 90. 364 — 350. — G.
Zippe), Drtittihr l'ö/irrbritvfUMffen in ätr RämersgUf Progr.. Könif;st>erK 1895,
S. 33 — 35. — H. Eisenschmidt. Dr Oitro^cthorum tt Vitigöthcrnm orighu^
Jenac 1835. — E. Th, Gaupp, Die Gtrinamschen Ansiedln ngen, Breslau 1844,
S. 372 — 414 nnd 462 — 4^6. — J. (irimm. Get>hifhU tirr lirtUsrhrn Sfirtiihr,
S. 455 — 4<^M. — R. Pnllmann, Die GfSfhkhIf d^r Vülk^rwumlrritttg, i Bde.,
Gnthn iSfJl iinii Weimar 1864, — K. Dab n , D>f fConij^ tier Gfrmantn II, MUncben
1H61 lind in, Würaburg |86<J, S. I — JJ und 254— irj. — E. v. Wie(er*beim,
Grit huhu drr J'iÜJtt rutinctrun^^. 2. Aufl. von F. Dahn, 2 Bd«., Lei|wi|; 1880. l88t.
— 0. Kaiifninirn, Druisrkr Gn.hirktr bis auf Karl den GroiSfft, 2 Bde., Leipzig
1880. 18S1, — F. Dabn, Crip-ufir'f/itr Jrr grrmaniscAfM und romanisirhi'H Viil-
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III und IV ebd. 1885. — H, Bradley, TV Gffhs from tht tarU^st tirntt tfl
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Scbultie, iJfUtsche Grukichte von der Urzeit bis tu den A'ii-o/inj;^-rn I. Swtt-
gart 1894. — J, Ascbbath. Gtsehühte der IVestffothm . Kninkfuri a. M, 1827.
— J, K. Fr, Mans», Geschichte des »sigvtkfschen Jfeicht in //o/ien. Breslati 1824,
— J, Aichbacb. Gnchi{hle der tieruter und Gepidt-n, Frankfiyl a. M. 1835.
— H. Kriipatstbok, De Geptd^rum rebtii, I>iss., llalAC 1S69.
§ 9<t. Über die nuUmasslic!ien Ursitze der Goten rechts der unteren
Elbe, ihre Beziehungen zu den skadina wischen Güten und itire Wanderung
nach (>stfn in vorchristlicher Zeit s. S. 785 f. und 81(1 — 810. S. 816 ül>cr die
gntlsclien Teiktämme der Ost- und Westgoten und Greulungi sowie über die
Riigii. Der Gotenn.ime umfasst aus.ser den C »st- unil Westgoten sowie den
mit diesen historisch zu idenlifizicreuden Greutungi und Terwirgi noch die
Gepiden undTaifali. Die <.>strogothac und Vesegnthac nennt Jordanes
{Get. XVII 98) »ulrique eiusdeni gentes papuli«. Beide standen früher unter
einem K^nig (ebd.). Erst zum Jahre ,^75 bemerkt Joidanes, dass die West-
goten von der soriet;!s der Ostgoten >quadam inter se intenrione sciuncli
habebaiituT*. Seitdem ersihelnen beide als politisch selbständige Vutkcr. Äl-
teren Datutns ist die Abtrcnnurtg der Gepiden von den Güten. Jurdaucs.
Gel. XVII 94 nennt die Goten -parentes«, d. I». Stammverwandte der Ge-
piden, wie er XXV 133 die Oslgoten und Gepiden >^parentes^ der West-
goien nennt; XVII 95 sagt er von der Gepiden, »sine dubio ex Gothonim
prosapif et lii trdhcut origincni'; XVII Q/ spricht er von einem »coitsangul-
nitatis fi>ediis priiLs«, und XXV 133 fasst er diese drt-i Stämme als -omncm
linguae huius nationera* zusjimmen. Daraus geht zugleich her\-or, dass er die
RugÜ (vgl. auch IV 20), Turciliiigi und Sein niclit zu dt-ii Goten rechnete.
Neben den ( Istgolcn stche.n, mit ihnirn meist identifiziert, die Grcutungi; beide
Namen sind urali, finden sie sich doch in Schweden wieder (oben S. 818). Neben
einander werden sie im J. 268 von Trebellius Pollio {I^a CtatuHt'ti) genamit,
ebenso bei Eutropius {11 155). Zu einer |>olittschen Körperschaft vereint,
erscheinen beide, wie ftülier unicr dem einen Namen der Grcutungi, so seil
der Mitte des 5, Juhrhs., unter dem der Ostgoten, nachdem sie sich 373 — 454
wieder von einander getrennt hatten. Die Grcutungi sind das Kemvolk der
Ostgoten Theodorichs gewesen. Ich lasse es dahingestellt, ob das Verhältnis
der Tcrwingi zu den Westgoten ein ülmliches gewesen ist, oder ob wir es
hier lutr rnit einem älteren Xauien für ilasselbe Vulk zu thun haben. Ein
X'ebenvolfc der Westgoten sind endlirh noch die Taifali gewesen, die seit
der Mitte des 3. Jahrhs. an der unteren Donau bekannt, zuletzt von Gregor
von Tours an der Nordgrejizc des westgotischcn Reichs am linken Ufer
tier unteren Loire genannt werden.
§ 97. Die Güten wohnten nach Tacitus [Germ, 43) jenseits der sclilesi-
sehen Lugii und diesseits der an der (IsLsee se-sshaften Rugii und I.emonii.
Wir würden als ihre ältesten lüstorischen Sitze hiemach etwa die ProWnz
Posen bestimmen, wenn wir liier nicht mit den Bnrgundeii und Elvaevmes
zu rechnen hatten (§ 02). Sie müssen also östlicher, in Polen gewohnt haben.
Hierzu stimmt, dass Ptoiemaios (III 5, 8) die Vv^atvE^ an dasredite Wcich-
selufcr setzt, sowie ihre spätere östlichste Stellung unter den < »stgennanen an
der unteren Donau. Dass ihre Heimat an der WeichsrlmLlndung zu suchen,
ist eine durch nichts zu erweisende Behauptung. Wir raüsseu uns die Wolm-
sitze der Goten nicht ander unteren, sondern zu beiden Seiten der oberen
Weichsel denken. Denn nur dann allein wird es geographisch verständlich,
dass sie, wie die Lugii, dem Matob<jduus gehorchen konnten (StrabOn VII
ziya, vgl. aucli Tac, Ann. II (»2 f.), dann übrigens auch, dass Ptoiemaios
die Wenden jenseits der G"ten ansetzen konnte. — über die späteren Wande-
rungen der Goten s. Grttr.' I 407 f. Niedemuhlagc der gotischen Merschaift
(Keich de-s Ermanarlks von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer) sind die goL
Lehnwörter im Litauisch-Slawischen wie altprcuss. rikis König < got, ret'Ai,
attsl. rÄTrtrf <; gilt, kaisar. asi. mXri Schwert < g<.it. mv-tris, lit. sziiniuii <i ^\.
.■uinva, asI, ä/?mii Helm <; got. ^i/ms, asl. hori^gy Fahne < goL hruf>^a, asI.
hrünj'a ■< goi. bntnjö, asl. üxere^fi tjhrring < got. 'uusaAriggs, Kt. ganiai,
asl. gräiiü <c,ffit. gortis, asl. düma <z got. ifOms (Kluge, Gidr. ■ I 361 f.);
vgl. auch finniscli mickka Schwert < got. mikeis. — Zur Geschichte der
Krimgoten vgl. W. Tomascheb, Du Gottn in Taurifn, Wien 18S1, F. Braun,
Die tetiten ScAicisa/r der Krimgoten, Progr.. St. Petersburg l8i»o und R. Loewe,
IMe fitste drr Germanen am Sehwarzen Meere, Halle lH()(i.
§ f>8. Von den Goten haben sich sdion .sehr früh die Gepiden abgezweigt
(§ 9'>). Als ihre ältesten Sitze bezeugt Jnrdanes {Get. XVII q6) .insulam
Visciae amnis vadibus ciraimactam«. das Weichscldelta. WahrTschehiIii.h dür-
fen wir an diese Wanderung Weichscl-abwarts bei den ttVjrttn drs Jnrda-
nes {IV iii') denken: »niox promoventps ad sedes Ulmerug-irum [d. h. Insel-
Rugi], q«i tunc Uccani ripas insidebant, caslra metati sunt eosquc t.-ummts
proelio ])mpriis sedibns pepulcrunt-. Seit der Mitte des 3. Jahrhs. haben sich'
die Gepiden südwärts ausgebreitet, um in Siebenbürgen ein grosses Reich xu
t
in, B, Z. NORDGEKMAXEll.
szr
begründi-n, welclics aii der Müiulung der Savi- an das der Ostgolcn greiizlc.
Sic erlagen im J. 507 dem vereinten Ansturm der I^ngobartlen und Awaren.
e) Rugü.
ZcDss 154 f., 4;"j, 484— »486, 489. — R. Pullinnna, Dif Geu-kiikte drr
l'SIkcrafanderung. — E. v. Witftcrshrim, Geschtchtf Ar Väikrr^oandrrung.
% 99. Tacitus {Gtrm. 43) nennt vnn Ostgermanen ausser den I-ygii die
Gulones uad »prutinus deinde ab Oceano Rugii et Lemonü«, oline dass er-
kt-nnlwr w3re, tljiss die Rupi etwa mit den Goten eine der lugisclien etitsprc-
i:liende Gruppe gebildet halten. Ihre nähere Verwandtschaft mit den Goten
bezeugt die Beteiligung an der Besiedlung Skadinawicns (S. 818). Jordanes
wussle noch von den früheren Sitzen der Ulraerugi an der Ostsee {§ 98).
Erst um die Mitte des 5. Jahrhs. treten sie in der Geschichte auf. Nach
dem Sturze des Hunnenroichs sasscn sie in Niederösterreich, d;is nach ihnen
Rugiland hiess. Ilir Reich wurde 487/88 gestürzt Die Reste folgten den
Ostgoten nach Italien, denen sie sich politisch unterordneten, und mit denen
sie unlei)fegangen sind.
f) Turcilingi.
Zcnss 155 und 489, — R. Piilimiinn> Dir GrstM. tirr i'iUket-tennJerung.
E. V, Wjcterslicim, Grsch. der l'Jiktru'anderuHg^,
is ino. Die Turcilingi, vielleicht schon von Ptoleinait-ts (II ii, 7) ai»
der Ostsee zwisclicn Oder und Weichsel genannt, falls ' PorrixXfiot aus Tovtj-
xiÄttot verderbt ist, erscheinen und ven.chwindon in der zweiten Hülfte des
S. Jahrlis. Unter Odwakar brachen sie mit Scharen der Rugii, Sciri und
Eruli nach Italien ein.
^
g) Sdri.
Zensi 61. 156 lind 486—489. — E. v. Wjetcrsbeim, G^u^hnhle Oer llfOer-
wanä^ruHg.
*i loi. 7.\x den Ostgermanen gehören endlich noch die Sciri, welche, im
Verein mit den ßastemen, sch<m um 2cX) v. Chr. am Schwarzen Meer er-
scheinen. Ihre Heimal ist nach l'linius (A'.//. IV 97) das untere Weichscl-
gcbict gewesen. Sp<Ltcr gehorchten sie Attila mid dann Odwakar und sasseii
neben den Rugü und (^tgoien an der Donau; unter Odwakar sind sie nach
Italien gezogen.
2. Nordgermanen.
Saxo (irammattcus ». unten unttr »Dftnen«. — R. Kcyacr, Om N»rd-
Hurnilen^i herkamst ffff folksjfa/^skali. Samlingrr til <]«l ii'>r<ikc folks iprog »g hiM.
VI 1839. — J. Grimm, Gfstkifhtf der dfutschm Spmchr, S. ;j6 — 772, —
r. A. MuDch, Annal<rr 1848. — P. A. Munch, Drt n^rtAe J-'alkt Hiitorir
[bu 1387). 8 Bde., Cbrüiüania 1851—1863. Daraus: 1". A. Muncb, Dir nordiich-
gtrmaniiihtH Vä!ker, ihrt älUiten H''iwalh'Sil^. Witndtrzüge und Zustände.
»iKrseUt von G. Vt, Clausscn. Lübeck 1853; Das hrroische /.eitnllrr dfr ncr-
dizch-germaniichtn Vülktr und die Wikingeriäge, abcr»ctzl von <i. Fr. ClausKCti,
Liil)cck 1854. — J. C. ii. R. Stecnstrup. Xormunnern'; 4 Mi-.. KjUirnliavit
1876—82. — P. B. du Chaillu. The Viting Agf. 2 Bde.. Iximion 1889. — A.
Mfll/cn, St'fdtitiNg lind Agrar^'nen drr WftfgfrmmifM und Oilgermanm II.
Rcilin 1895. S. 4Q4 — 520. — ^v. Lrinlitirg, Adam af Uremen ori harn siH-
dring aj Snrdmropai (nnJer cik fotk. Uppütil:i 18Q7,
§ \02. Über die älteste ethnographisrhe Gruppierung der ge.samten skadi-
nawi^Jien Stamme besitzen wir keine historischen Zeugnisse. Es treten zwar
als gr^sere V/'iIker die Dfluen, die Gauten und die Schweden hervor, undj
Jordancs {Get. III 2.V) bezeichnet die Dänen als Abkömmlinge von den
Schweden. Aber dies sind nur die ostskadinaui^chen Hauptstamme. Ober
ihr Verhältnis zu den in Nr>rwegen sitzenden Stammen nnd Ober das Ver-
hältnis der Gauten zu den fichwedcn und Dünen luibcn wir keine historiM.hc
Nachricht.
Das älteste Zeugnis für eine ethnographische Gruppierung gewahrt die
Sprache. Alterdings geben die geringen chalektiarhen Varianten der Sltc-
slcn Runcninschriften keinerlei Aufschlösse. Erkennbare dialektische Unier-
srhie<U; weisen die nnrdisc-hen Runen inscliriftcn erat seit dem 9. Jahrli. auf.
Seit dieser Zeit Usst sich eine danische, seit dem ii.jahrh. eine schwedi^rhe
Mundart unterscheiden. Die ner skadinawisrhen Hauptdialekte Schwedisch.
Danisch, Nor\*egisc]i und Islandiscli treten eigentlich erst seit dem ii. Jahrb.
deutlich her\or. Aber wir haben es mit Schrift dialektcn zu thun. Aus
der spateren Sprache, aus den madcrnen Mundarten entnimmt die Sprach-
(t>rscliung dialektische Merkmale für eine viel frühere Zeil, die bewei-ien,
<)ass die gesprochene .Sprache nicht in dem Masse einheitlich gewesen ist
wie es die Litte ralursprache erscheinen lasse. Immerhin aber dürfen wir.
entsprechend der fast einheitlichen Sprache der ältesten Ruueninschriftcn.
annehmen, dass die Differenzen der skadina«is<hen Mundarten in der ersten
Hälfte des cniten Jahrtausends unserer Zeitrechnung S" gering waien. dass
es wenig glaublich ersclicint, dass diejenigen grösseren Stamme, welche wir
konstatieren können, sich schon seil langer Vorzeit zu selbslündigen politischen
Körperschaften konstituiert haben, wenigstens nicht innerhalb der späteren
historischen Grenzen. Denn wenn zwei Stamme sich dauernd g<^en einan-
der politisch abschliessen, pflegen sich erfahrungsmiissig im Laufe der Zeit
zwei entsprechende, sich scharf von einander abhcbemle Mundarten heraus-
xubilden. Wenn also bereits Tacilus die Schweden und Ptolemaios die
Gäulen in Schweden kennt, lieide Völker aber keine gcgcnstttzlicheu Mund-
arten ausgebildet haben, so dürfen wir folgern, dass die politische Differen-
zierung, ilus will sagen die Konstituierung zu je einer besonderen rivitas
verbal lnisma.ssig jüngeren Dntums ist, was trefflich zu der § 55 f. bestimmten
jicit der Einwanderung der Skadinawier passen würde, insofern sich erst da-
mals, bei der Ausbreitung von dem sfldlichcn über das mittlere Schweden die
Sc:hwcden von den Gäulen poüiLsch abgetrennt und zu einem besonderen
Stamme konstituiert hatten. Hierzu stimmt ferner, dass Pliuius (AI//. IVgO)
in Skadin;iwien nur den einen Volksnanien der Hüleviones kcnnL Es scheint
dies ein Gesamtname für alle Skadinawier gewesen zu sein. Wen^lens
lasst die Angabe-, dass diese gens 50G Gaue bewohne, im Hinblick auf die
100 Gaue der Semucn (Tac, Gernt. 30), darauf schliesseti, da-ts der Name
Hitleviunes zum minde-sten alle OsLskadinawier umfassle.
§ 103. Auf Grund der litterarischen Dialekte teilt man die nordischen
Spraclicn in zwei Dialcktgruppcn: eine ostnordische und eine westnor-
dische. IJnter Uslnordisch fasst man das Gutnische (Sprache der Inse!
Gottland), Sthwcdische und Dänische, unter Weslnordisch das Norwegische
und Islandische zusammen. Die wichtigsten unterscheidenden Merkmale hat
A. Norccn in seiner Alit'x/. «, altnono. Gramm.* (Halle 1892) § 8 und im
■Grdr. * I S. 527 angeführt. Über die Mauptunlcrschiede des .Mtnorw. und
Allis). ebd. § g und Grdr. S. 527 f., über die des Allschwed. und Altgutn.
<;rdr. S. 545, über die des Altschweil. und Altdan. cb<i. 535 f. Hier, wie
dort, sind die sprachlichen Unterschiede der .'ihesien LitterBturdenkmfller
recht unbedeutend. Wichtiger sind die zwischen Ostnordiscli und Westnor»
III, B, 3. NoRIXjF.ru AH EN.
829
(lisch, unter denen bereits oben S. Bifi auf die Differoiu von ö : n und s : 1-
hingewicscn wunle. Es wftrde aber ein Irrtum sein, wollte man folgern, (Ia$s
etwa die Skadinawicn besiedelnden Germanen zwei entsprechende Stamme
geliildct hilHen, oder Uass etwa die von Hause aus honrngcnc Masse der
Skadinawier sich in zwei Gruppen gewindert hatte. Das im zwar an sich
muglich, aber aus der Sprache nicht zu beweisen. Denn die Differenzen sinü
derartig, wie sie »ich bei gr^\sserer geiigrap bischer Au.sdehnung nalurgeinäss
ergeben iniisslen. Zumeist nicht anders Hegt die Sache für die weiteren dia-
lektischen Differenzierungen, wie die Dreiteilung des Düuischen in Schoniscli,
Seeländisch und Jfitisch {Grdr. ,550 — 552) oder die SchcuUmg einer os.t- und
einer westnorwegischen Mundart (ebd. 533 f. und Xurten.s Gramm, tj 14)
oder weiter die einer nord- und einer sttd-westnonvegi-schen, einer nord-,
mittel- un<l süd-ostnorwegiscbeii Mundart (Grunür. 534). Bei der Beurteilung
der dialektischen Differenzen ist einmal zu beachten, dass diese wesentlich
erst seit dem letzten Viertel des ersten Jahrtausends u. Chr. kunstaticrbar
sind; vor allem aber, dass wir nur verhältnismässig wenige Ortsdialekte litte-
rarisch kennen. Wenn wir also z. B. von einer ahschwedischen (ostnordi-
schen) und von einer allnorwcgischen (weslnnrdiM:ben) Mundart sprechen, so-
ist das eine Vcrallgemeinenmg bestimmter Ortsdialekte. PLs bleibt eine offene
Frage, ob nicht der XJbergung ein allmaliUcher gewesen ist, uns nur die Mil-
teistufen fehlen. Einstweilen ist aus der älteren Littcratur fcslgestclll: i) der
Dialekt der schwedischen Provinz Vflstcrgölland »nimmt gewi-iscnnassen eine
Mittflslellung /.wischen dem Allschwedischm und dem AUmirwi-gischcn ein,,
wenn er auch jenem naher steht. Fast alle Punkte, wurin er von dem son-
stigen Altscliwedisch abweidit, sind nSmlich ebenso viele Übereinstimmungen
mit dem Altnorwegwchen^ (Grdr. 54,>). 2) »Die Sprache der IVivinz Hal-
singland wich wenigstens insofern vom sonstigen Altschw «lisch ab, als der
Wortschatz mehrfache C berein Stimmungen mit dem Altnnrwegischen zeigte«
(ebd. 54j f.). Bestimmtere Ergebnisse für die vorliegende Frage sind von der
jetzt so eifrig betriebenen Erforschung der lebenden Mundarten zu erwarten.
A. B. I.aricn in: Sprogtig-htstcrittf ttudUr lUtgHrdf Prof. Cnger, KrfstU-
iiin iRof». S. I — II.
Für die illtesten ethnographischen VerhUltnisse ergiebt sich aus der Sprache
vorläufig Folgendes; 1) Zwischen Schweden und Norwegen hat ein alter Un-
terscliied bestanden, der aber nicht mit der politischen Grenze zusammcnßlllt..
Vielmehr nimmt Vastcrg&ttanU eine Miltelstelluug ein, und aucli nordschwedi-
sche Mundarten stehen dem Korwcgischen näher als die ^tark durch die Mund-
art von OstergOttand beeinflusste schwedische Reichsspniche. Wir dürfen für
die Vorzeit entweder eine allmähliche sprachliche Differenzierung von der
norwegischen bis zur schwedischen Küste vermuten oder eine Gruppierung :
Norwegen, Vaslcrgöllaud, Öslt-rgOtland, Schweden (im engeren Sinne), wobei
allerdings die beiden Götland nflher zu Schweden als zu Norwegen gehören.
i) Der Umstand, da:>s die Unterschiede zwischen Däniscli und Schwedisch
noch im ganzen Mittelalter nur geringfügig sind, lässt darauf schliessen, dass-
die Schweden einschliesslich der Bewohner von Götarike in einem naliere»
Verwand t&cliaf tsver haltiüs zu den Dänen als zu den Norwegern gestanden
haben, was Jordanes bestätigt (§ 104). 3) Da die Sprache der Insel Gott-
land »von derjenigen der beiden übrigen ostnordischen Spraclicn weit mehr
abweicht, als diese unter einander verschieden sind« (A. Noreen, Grdr." I
545), so darf die Beiicdlung Gattlands früher angesetzt werden als die von
dem südlichen Schweden ausgehende Besetzung der dünischen Inseln, was
die archäologischen Funde bestätigen. 4) Die scelftndische Mundart steht in
»30
XV. Ethnugraphjk dbk germanischen Stämme.
■ der Mitte zwiscluii iJcr Mundart vuu S^-huiicn, Hallaiid, Blckinge und Boni-
holm einerseits und iW-r jütischen Mundart andrerseits. Die Untennhiede
dieser drei diini.st.lion Mundarten sind in der alleren Zeil grösser gewesen
al» i>^)äter. Das ISsst darauf schlicsscn, da-sn zur Zeit, als die Düueu Seeland,
die andern Inseln und Jüttand von Schonen aus besetzten, die Juten eine
besondere Mundart gfsprochen haben, die vom Dänischen starker abwicli als
zur Zeit das Schwedi.sdie, mit andern Worten: das.s es einen bejiondcrcn
jütischen Slamni gegeben hat. iler den Danen butmassij; wuide, und der
cthnograpliiscli den Danen femer stand als die.**e den Schwedt*n.
In l*unkt 3 (Ijuttland) sei noch eruülmt: »Das älteste und wichtigste
-^echtsdenknial der Insel, Gu/a /agh, ist von wesentlich anderm Schlag als
die 1-andsih.ifT.sreclile des schwedischen Fesilunde*. Es gleitht mehr den
dänischen^. (K. v. Aniira, Grdr.' III li2).
Diese Ergebnisse lassen sich sehr wohl mit den geschichtlichen Nach-
richten vereinigen.
§ 104. Wahrend wir in Norttcgen seit Alters nur kleinere Stumme kennen^
zerfallen die Ostskadinawier seit ältester Zeil in die drei grossen Haupt-
sianinie der Schwellen, Gäulen uiul Danen, wozu als vierler Stamm nuch
die spater jiclitiscli unselbständig gewordenen Emli kommen. Tacitus
spricht [Cierm. 44) von »Suionum civitatcs», ein Ausdruck, der, im HinbUck
auf >Lugiürum nomen in plures civitatcs diffusum* (ebd. 43), darauf schliessen
lasst, da.ss er auch die südlicheren Stamme darunter mit einbegreift, zumal
er son&t in Skadinawien niu noch, als Nachl>am der Schweden, die 'Situnum
gcntes« {(ierm. 45) kennt. I'tolemains (II n, 16) keimt in Skadinawien:
im Westen die XmÖFtvoi, ct. i. die norwegischen Heidoir; im Süden die
J'uvxai und AavMWüiy crstere mit den Gauten, letztere wahr^'hcinlich mit
den Dänen zu identifizieren; in der Mitte die Aevoii-Oi^ wahrsdieintich aus
^vewvoi verderbt und den Suiones des Tacitus gleichzusetzen, im Osten die
^^v6vai und *I*tQmaoi, hinsichtlich deren wir auf uasidicre Vermutungen
angewiesen sind. Die rntmü sind auch I'rokopios bckannL Au-sfCihrlicherc
Xaclirichten hatte dann Jordaues. Seine Ge/. lll 21—24 genannten Xamcu
sind leider in vcrderbler Gestalt auf uns gekommen. Mit Sicherheit bcätimm-
bar sind die Sne/Mm und Sueiidi := Schweden (aschwed. Suf^ir, Si^rpiup),
.Ganf/ii — Gauten, Oilrogothac =■ Ostgauten (0atg5tar), Gnatingi (vgl. S. 818).
[iani = DilnetK, fitruh', Fitmailhaf = Finnveden (aisL Finntipi), Thfusufs) =
Jiewulmer vun Tjiist luid die kleineren norwegischen Stamme der /fau-
manetat = Bewohner von Raumariki, Ragnaricii s= Bewohner von Ränriki
-und Ru^ bezw. Elhelrugi. Unsicherer ist die Gleichsetzung der Landschafts-
uaineii Ilallin oder HaiUtsliotb = Halland, Uothida = Lodde (I-»'Hi<lcköi»inge).
/•'rnnr = Kjare I Landschaft in Halland) und der Völkemamen Vtnox'iioth s=
l'in}iul-ihth = Bewohner von Vingulnii^rk (im südöstlichen NorwegcnJ, Aro/Ai
=i liartähi = Bewohner von ll^rdaland (in Norwegen) und die (die obige
Gleicirung /«r/x'ir = Fjäre ausschliessende) von Virgauthi = t7si^va/i =^ West'
jjauten (Vastgötar). Was das Verwandtschaftsverhaltnis anl)etrifft, so ist es
bemerkenswert, dass Jordaacs {Ge/. III 23) die Dünen aus der >slirps« der
Schweden »progressiv nennt, und in demselben Zusammenhaug der EruJi in
einer Weise Erwalmung thut, dass wir daraus cntnehraen kOnneo, dass sie
jenen beiden jedenfalls femer standen.
Zeus:i 57, j6f., ts6~i;9, 502— soft. — CImt die K*ma) t>ei Jordaoes
vgl. Zeu»> 502—507; Fr. Dietrich, O&fr die AHSipruihe du GelhutheH^ S,
»»5— 112; K. Müllcnhoff, DtuiiL-hi AlUriHmskuHd^ 11 57—67; 1_ Fr,
Llfflcr, Om d< öitikandmaviska folknarnntn hcs Jordants, Slockhotm (894, (^
^j-arc bidra^' Uli kAnonloin om <Jc svcnska LuidsinAlcn Xlll 9, b. 51, 1II94, A.)
III, B, 2. NoRIKiERKANEK.
831
a) Schweden.
Serffiiortj rentm Sttfffranim mfdii arvt', tA. E. M. Ftnt, E. G. Gcij*r und
Schröder, 3 Bdp., rptailiac und Slockholtn 1818. 1828. 1876. — Scrtfllo/^s
Suffüi medii amt. ed. Rielr, 2 Bde., Lund 1842 — 44. — Zeus» 57. 136 — 159,
513 — 515, 545 — 566. — A. FrjxcU. BträUeber ur Svenska hisiorifti (rori{^
M-lcl von O. Sjügrcn, hi» 1893 49 Bdr.). B<I. I», Stockholm 1831. II ^ ebd.
1837; ttim Ti-il deutsch \m\ Hmuln^rK u. (1. Titel Gewhkhif Sfhsftimi bis tum
TofU F.rühi XI]'., 2 Tle„ Slorkholm und T^ipaig 1843. — E. G. Gcijrr, Srfnska
folktU htstüria. 3 Bde., ("irHiro 1832 — 36; dculsth von Sw. P, Leffler w. d. Titel
ütitkkhtt Sthivedein. 3 Bde., Hamburg 183a — 36, IV. vfui Fr. F. Cnrlson;
deut^h von I. K. Peit-rscn, fVotha 1855; V 1875; VI 1887. — A. M. Strion-
liolm, Svi-nih? fo/Jtf'/s historia frim Sldita tili närwaranda tiäer fbis 1319). 5
Bde., SuKkholm 1834 — 54 (Dd. I und II auch u. d- Titel Si-amiinavien undrr
Jn-(iMa-fildern); zum Teil dMitsch von C. F. Frisch u. d. Titel Dk Ji'ikingssiigr,
StatitiVtr/auung und Sitfi-n der alten Siaiidinai-i^r, ihöv., Dambiirf; 1839—41.
— H. Hildebrand. Srmiht /oUet undrr kednatidfii, Stockholm 1872; deutsch
von J. Mcstorf u. d. Titel Das hfidnisehe Zeitalter in Schvxdrn, Hamburg 1873.
— O. Monteliua, Sferij^x hednatid samt medeUid, Stockholm 1877; deuttfh
Ton C. Appel u, d. Titel Die KuUur Sehvedetis itt vfrchristlkßur Zeit, Berlin
1885; franxf^Msch ;i. d. Titel Les trmps prehiHari^urs en SiiAfe, Parü 1895. —
J. SteL-Dslrii|i. Sii.ro Orammaticui og deti danike og svensir fffdtidsfiisti'rie. Atit.
f. nonl. fil. XIII (1896) 100 — ifii, — J, J. A. Worsaue, /^t eolanisation de la
Russie et du tierd Scandinave et lenr plus aneien etat de cn'ilitation. Imd. par
E, BeauvtJi*, Ctjpcnh. 1885. ■" V. I-. P. Thomseii, Tfie relatioru bet^ceen nu-
eient Kusun and Sea^^d^na^■ia, and the erigin ff Ihe RussinH State, Onfitrd 1877;
deutsch von BoTneinann u. d, Titd Der Ursprung des russischen Stitrttn, Gotha
1879; /tysin rikets grundläggni'ng genotn Skandinaverna, Stoiikholm 1882, —
Ober die AuHbreitiing d<^^ Schweden r^l. aiich di« Lilieramr bei A. N'oreen,
Ordr. * I 519, Note 1 — 4 und 6.
§ 105. Der Name Schweden (aschwed. Svcar) kommt eigentlich nur dem mitt-
leren <:wtUclicn Teile des heutigen Schwedens, dein Svcarike zu, also nordöstlich
\*om Vencrn und VJUtem, und ist erst .seit der pnlitisrhen Vereinigung mit dem
südlicheren Gfttarike 1250 auf dieses mit übertragen worden. Tcicitus j;e-
braucht den Nnmen Stu'onts, wie Plinius den Namen ffiUevt'ones für alle ixler
doch forden i'^stlichen Zweig derSkadinawter (!ä57). Ptolemaics, der genauere
Nachrichten hatte, kennt die Schweden sclion als Nordnachbam der Gautcu,
■wenn — i'ftyroj bei ihm für Aevmvot zu lesen ist {§ 57). L'ra 1 20t) nennt
Soorri \lUimskr, \\ 98) als 'I'cile von Svipiöä'. Stiärmannahndy Vestmantut'
Jana oder FiaSrymlahnii, Ttttntiahnei, Ällattdolantl, Süiland. Die drei letzten
I^Andschafien heissen snn.st Uppland und ihre Bewohner Upp-Sviar (ehd. II
137. 141). Hier, iji Uppsala, war in vorcliristlicher Zeit das berühmte Kultus-
hcilij^um, hier die Residenz der schwedischen Könige. Die an fjötarike
grenzende Landschaft Nerike^ nördlich vom Vatter-Sce rechnet Snorri noch
lücht zu Sctiwcdcn, auch nicht die nördlich an Uppland anstossende, zweifel-
los von Schweden der Bronzezeit besiedelte Ijindschaft GUstrike.
' Zu Ncrikc vgl. die Njarcn Volundarkv, 7. 14. 30. Danach hatten die Xjaren
im 8. oder "). Jahrh, einen cißcncn König. In der ^äter hinziiyrftigtcn pnisabdicn
Einleittuiß wird denellie Kilnuj ein K/inic in Schweden genamil. In der Z<it
7H'i«hen der At>rx'<isiin)[ des Lie<)<-s und der Ktcdi.-ncbrift der Einleituog acbeiU
Xerike al*^> Scliwnien gelalleu /u »dn.
§ 106. Die nördlich von Uppland gelegenen Küstcnlandschaften sind schwe-
disches Kolonisationsgebiet. Wahrend dits nördliche Binnenland erst si>ä-
tcr besiedelt worden ist, die Handel&kolonien au der Küätc, sowohl auf der
schwedischen wie auf der finnischen Seite des Boitnischen Meerbusens, des-
gleichen die an der Südküslc Finnlands — die ältesten wolil iii N> land — imd
an der Küste Esüaiids und Livlands sowie auf den vorgelagerten Inseln rei-
832
XV. Ethnocraphig der cbrma.vischek Stämme.
chen mindestens bis in die Mitte des etslcii Jahrtausends n. Chr. mrück. V'gL
wegen des Alters der nonliscK^ finnischen LehnwArter Kluge, Grdr.* I 302 f.
und Norcen ebd. 519 f. und 522. Kurland hatten die Sihwcdcii bereits
in der ersten Hälfte des 9. Jahrhs. unterwürfen. Aus Norrland kennen wir
eine vereinzelte Kolonie an der Byske Elf {s. die Karte) bereits aus der
Steinzeit, was um so mehr besagen will, als die Funde aus der Steinzeit
s<insi im mittleren Schweden nur spärlich sind (Ji yi), zur Zelt der An-
lage dieser Ko]'>nie das ciKenlliche Scliweden alsi.» erst dtinn bevölkert, ver-
mutlich erst unlatigHt in ücsiU genommen sein dürfte — zur Zeit der Be-
siedlung des eigentlichen Schwedens hersclile bereits die Bronze.
Derartigen vereinzelten Niederlassungen an der Küste bis weit in den
Norden hinauf futgte erst spJller die wirkliche Besitznahme der nördlichen
KOsIenlandsrhaftcn. In der Bninzczeit haben sich die Schweden Aber Gfistrik-
land, HlUsingland und Dalarne ausgebreitet, erst in der Eisenzeit über Medel-
pad, Jflmtland, Angcrmanland und Västerbutten. Harjedalen und Jamtland
erhielt spater eine n<irwegisrhT' Bevölkerung, war also vorher jedenfalls nur
düim besiedelt. Aus jamüand haben wir eine norwegische Inschrift um 10.50.
Die Anfilnge der Besiedlung Jflmtlands durch Schweden dürften also nicht
spater als in den Anfang des ir. Jahrhs, fallen. KrheblJch früher, ist des-
halb nicht glaublich, weil um 1200 Snurrl die Lander nördlich von Gastrik-
land und Dalarne no<-h nicht kennt '. HSrjedalen und Jamlland sind haupt-
sachlich iti ihrem Vjstlichen Teile besiedelt worden. Im Westen, am Gcbiqjc,
einer damals unbewohnten Gegend, haben sich bis auf den heutigen T^
Lappen gehalten*. Ebenso sitzen noch Itcute foppen bezw. Finnen in der
ganzen westlichen Hälfte zwischen dem Gebirge und der nOrdliclicn Hälfte
des Bottnfei'hen Meerbusens. Erst sehr allmählich sind die schwe<lischcn
Ansiedler hier im Nor<lcn von der Küste aus weiter landejnw.'lrts vorgedrungen.
' Hicninih tlüTfc ilns Emir drr Brwn/r^tnl fiir ila» nürJüdic Stfcwcdcn um
iQCia nai-h Chr. /.u ilolirrni srin. Vgl. § 5Ö jVnm. ■ — * Diese Tj^pi-n wtrJcn tmth
K. B. Wikluml, N.ini, Tidskr. 1S95, 369—386, in JitntlflUfl erat Im 16. Jabrh.
cPK-ihnt,
§ J0~. Wie fast alle germanischen Stämme, so haben auch die Schweden
nicht nur ihre Grenzen ausgedehnt sondern auch ausserhalb ein Reich gegrün-
det. Die Gründung des russischen Reiches duruh schwedische WarTiger fällt
In das Jahr 8O2. Schon 23 Jahre früher erscheinen sie unter dem Namen
7ttff am Schwarzen Mecra Ihre Niederlassung im Inneren Kussinnds hat
also mit dem 9. Jahrh. begonnen. Von hier aus haben sie ihre bekaitnten
Raubzüge bis nach Konstantinopel und nach den Küsten des Mitteilandischen
Meeres nntemommen, von der Mitte des 9, bis zur Mitte des 10. Jaluhs.
Von der Gnnidung des russischen Reiches erzählt uns Nestors Allruxsisfhe
Chronik. Als |xriiti.schc Gründung besteht dieses Rcicl» bis auf den heutigen
Tag. Aber die im Vcrlialtnis zu der slawischen Bewohnerschaft an Zahl
nur geringen schwedischen Herscher sind sehr bald entnationalisiert woalen.
— Erst neuerdings ist die schwedische Sprache, welche infolge der politischen
Herschaft der Schweden bei den jetzt zu Riwsland gehörenden Finnen Hin-
gang gefunden hatte, hier zurückgegangen, so besonders auf der Insel (j^\
den benachbarten Inseln und in F.stland.
§ i(i8. Das Königreich Schweden erhielt 1250 einen bedeutenden Zuwachs
durch die Etnverleibmig Götarikes, nachdem die Vorherschaft Schwedens schon
vorher zur Geltung gekommen war'. 1319 wurde Schweden durch Pei^onat-
union mit Norwegen verbunden. Die kalmarische Union 1397 vereinigte Schwe-
den mit Danemark und Norwegen. Die Lostreunung Schwedens erfolgte
k
JH, B, 2^ NORDGERUAKSH.
835
endgültig 1523. Im Frieden \xin Brßmsebro 164,5 gewannen die SoliMcden
von Danemark die nunvcpVhcii Provinzen JanitJand und Harjedalen und
die Inseln Gottlaml und O.wl. Im wrstfaiisrbcn Frieden 1^48 en*arb Schwe-
den Biemen, Verden, Wisniiir, Vurponuucn» uud Küj^eii und cincu Ttil von
Hintcrpnmmcni. Der Friede von Roe«Jcilde und KüiH-nhagcn i(>.sH und i(>6o
bracliie ilmen die dänischen Stammlande Blekingc. Schonen. Halland und
<las n<>nAegis<.he Enhuslau ein. Seit dem 17. Jahrh. ging die Marlit Srhwe-
dens zuriick: 171t) musste es Bremen und Verden an Hannover, 1720 einen
grossen Teil von Punmiern au Preussen, 1721 LJvlajid, Estland und Ingeman-
land und iKo(> Finnland an Russland abtreten. 1814 wurde Noi^ftegen von
Dänemark an Si hwedcn aljj^etreten. walirend Neuvuqjonimern und Rügen an
i'rcussen fiel. Die Union mit Norwegen hat sich neuerdings stark geluckert.
1 Schon in der zwciic-n HiÜft« tlnt 11. Jahrbs. lAbltc Ailiun von Bremen
(IV 33) dtv Gothi otcidmiaJen uml Orientale« 211 iK-» i^pulis Suvdiae,
bj Gauten.
ZeuBfi 158, S<>Of SI>~5I3> — ^- DcdCiich, IttstartSi-ke utui fftvgra^nclit
Studien tum anf^HuSihstichrn Beovutflieäf. K«ln 1877, — P. E. FahlbccL,
ZVm s. k. Stritirn »ifilun Svtar och Cätar, ifnt vfrklign karaklär och tirsnkfr^
Hisl. Tidokr. IV (1885) 105—1^4.-6. len ßrtnk, Broreuff. Suassliurg 1H88.
S. 19. — K. MUUenbofr, BewtUf, Berlin 1889. S. 13—33. — Vgl audi
die S. S31 angcfübnc l.iucratur.
§ lOQu Über das Verhältnis der jetjit schwedischen Gauten zu den ost-
gennanischcn Goten ist § 82 gehandelt wurden. Ptolemaios kennt ersterc
bereits Im sütUithen Schweden, Prokopios als T^viK JTuh'<iv&ot07Jov. Ihr
G«bict war seil Alters das heutige Götarike, vom Kattegat bei G/Steboig
ostwnrts bis Goidand. In diesen Wohnsitzen kennt sie der ßeowh//. Sie
grenzten im Norden an die Schweden; doch Nerike, üstliih vom Venern und
ufirdlich vom Vatteni^ scheint ein unabhängiges Gebiet für sich gewesen zu
sein (§ 105t. Smalantl im Süden gehörte mit zu ihrem Machtbereich, scheint
aber früher einmal selbständig gewesen zu sein (§ 110). Die Westgrenze bil-
dete der Venem und die Güta FJf; die westlicheren, an Norwegen grenzen-
den Landschaften wurden bald zu V.'isteiKi'jtland. bald zu Norwegen gereclmet
Schonen war danisch, ebenso Blekinge und Hallaiul, so d;iss die Gauten nur
bei Göteborg das westliche Meer berilhnen. Sie zerfielen in West- und Ost-
gautcn \§ 82), letztere sicher, erslcre wahrscheinlich schon von Jorüanea
genannt {^ lo.^). Der Ursitz der Gäulen war Vüsicrgötland, das schon in
der Stdozcii dicht bevölkert war. Das nOrdlich von Veneni liegende Vanu-
land ist KolH">nisatinn,sgebiet, dessen südwcsdicber Teil, ebenso wie das zu
Vasterjjölland gehörende Dalsland, gleichfalls schon in der Steinzeit dicht
besiedelt war (s. die Karte). Die Besiedlung von Gottland hat bereits in
grauer Vorzeit stattgefunden, jedenfalls vor dem d. Jahrh. n. Clir. (§ 103,
S. 829 und S II i), wahrsc!ieiulich im Ansdiluss an die Besetzung vcm Östcr-
gülland. Die Insel hat bis 1301 nur in losem Verbände mit Schwc«]en
gestanden und war in der Hauptsache selbständig. Bereits im ßtown// w'ad
von den Kämpfen der Gäulen mit den Schweden erzahlt. ii>(>i begann ein
zweihunderljahiiger Krieg zwischen beiden Vülkeni. dessen lirj;ebnis die Ver-
einigung von Ciiitarikc mit Schweden gewesen ist, und seitdem haben die
Gauten aufgehört als ein selbständiges Vuik zu existieren.
c) EruU.
Zeus» 47tt^484, 489. — J. Aschbach, Ccschichtf tl*r UernUr und Gepi-
dm, Fnnkfun a. M. 1835. — K. Müllcnholf, Nonlalb. Stud. I (1Ö44) 122—
GemuuilMJic Phllolueic III. Z Autl ^
1X6, tjotintl 155. — K. Pallmann, Die GtschichU der l'fflkmcaHäfrvng, 1 Bde.*
Ootbü r8'i3 ufiil Wciinar 1S64. — K. v, Wictcrahcim, G*ifhithu li^r l'ßlker-
u-am/rriiMi^. z. Aufl. von K. Dalin, 2 Bde., Lcip/ig 18S0. ißSi. — W. Scel-
mann. NiW. Jh, XU 1—33 uml 55 — 57- — K. Nfflllrnhoff. Bff.utf, BerBn
1889. S, 30 — 32. — R. Liipwc, Dir Rfilr der Germanen am Sfhit^rsrn Aferre,
Halle 1896, S. 5—13, 25—35, l'l — llj, 165 — 168 und 310—214.
§ ito. Das Volk der Eruli xätilcn wir zu rien Skadinawieni, en*tciis weil
Jordancs {Get. IIE 23) berichtet, das« clie Danen »Herulos pmpriis isedibas
exptilenmt'. zweitens weil wir aas der Thatsarhe. dass ein Teil des Volkes
int J. 312 v<in der mittleren Donau aufbrach, nm sich im südlichfu Sehwc-
den niederaulasscn. schlicsscn dürfen, dass hier ihre Heimat gewesen '. Man
ninimi üii, das-s die skadi na wischen Sitze, aus denen sie von den Dünen \*cr-
trieben wurden, in Seeland. Ilalland, Seliuncn und Blckinyc zu suchen seien.
Hiermit ward«:- am-h die Angahe des Trokopiüs [Url/. GaUh. II 15, V 4^4 C)
zu vereinen sein, dass die EruU neben den Gäulen ihre Sitze eingenommen
hätten (vgl. die Karte). Aber diese Sitze müs.sen zweifellos nördlicher, ausser-
halb des im J. 512 danischen Gebietes gesuihl werden, Denn jene I^nd-
srhatten waren im Besitze der Dilnen, und die Dünen würden ihre alten
Feinde schwerlicl; friedlich cUirchgdasseii haben, um ihnen ihr jetzt dänisch
gewordenes Stiuninland wieder einzuräumen. sottHc die Eruli schwerlich die
weite Wandemng in der Absirht unternommen haben werden, danische Untcr-
thanen zu werden, nachdem sie, um diesem Scjhicksal zu entgehen, seiner
Zeit ausgewandert waren. Die einzige Landschaft in der Xachbarschaft s»i-
wohl der Gauten als auch der Dänen ist Smäland (s. die Karte}, und da
diese Landschafl zudem nicht zum Stummlande der Gauteu gehört hat (^ 109),
so darf die Ansetzung der Rruli in Smaland als gesichert gelten. Daneben
mögen sie ursprünglich auHi im Süden bis zur Küste gereicht, als<j in HaJ-
land, Schi'nen und Blekinge gcwolint haben, so dass die sie vertreibenden
Dünen allein diese fruchtbareren Provinzen im Besitz Itehalten liätten. Über
die Zeit, wann die Eruli vor den Dünen weichen mussteo, lasst sich nur
au-ssagen, dass dies nicht wohl später und schwerlich erheblich früher als um
die Mittr des 3, Jahrhs. geschehen sein wird ^. Denn seit Mitte der sechziger
Jahre treten sie in der Geschichte auf.
Ihre Zugehörigkeit zur goii.«M;hen Gruppe flarf man daraus srhliessen, das»
Zösimos, Zönaras (oder vielmehr der Bi"grapli des GaUiemts) und 3yn-
kellüs (letzterer walirscheinlith nach dem mit dem ersten Auftreten der Enili
gleichzeiiigai Dexipjio.i) die Raubzflge gegen Bvzanz und Griechenland,
welche die n'imischen Schriftsteller vm den (lotcn erzälilen, den Eruli zn-
si:hrcihen, und der Biograph des (iul/ünux fZijnaras.XII 2^, Bd. II ^ip)
spricht von den Eruli mit dem Zusatz '^xvffixtö yh'et xni f'inittxfft* . Da
nun die Heimat der Eruli Zweifellos in .Skadinawien an der Seite der Gauten
zu suchen ist. ko dOrfen wir sie im Hinblick auf die ethnographische Idcn-
tiUll der Gauten und Goten (S 85) als einen TeiLstamm der GautCTi ansehen,
so dass die Gatiten, als sie später ihre Herschaft über Smaland ausdehnten,
nur das urspiüngliciie Verhältnis wiederhergestellt hatten'.
In <ler Cicscliichle treten die Eruli zuerst in der zweiten Hälfte des 3.
Jahrlis. in zwei getrennten Scharen auf, aui Schwarzen Meer, wohin sie den
Goten, und atn Niederrhein, wohin sie den AngfJn und Warnen gefolgt waren.
.\n der linken Seite des Rheins nennt sie die Xo/i/ia Dis^niiatum neben
den salischen Franken und Sachsen. Im Verein mit den Chaibones fallen
sie 2S9 in Galliai ein. Ammianus nennt sie melirnials in Verbindung mit
den Butavi. Mitte des 5. Jahrlis. unternehmen sie mit den Sachsi-n Raub-
fahrten gegen die gallisrheti Küsten, ja bis nach Si>anien und Italien. Offenbiii
in, B, 3. KORDGERAIAKBN.
835
haben sie am Niederrhein feste Sitze gehabt, und diese, in iler Karlibar-
schaft dcT brcib;iiiti-scln.'n •Angliurum et Wcriiiürurn Ikk ot Thijringt'rvim«
|§ 130'), werden gcrncint sein, als zu Anfang dts 6. Jahrhs. der (!)stgotenki'>n^
Theodorich .»Heruloruni. Guamonim, Thorinfinrum legibus- mit der Bitte
schrieb gleich ihm und dem BurguadenkOnig ihren Kinfluss bei ChUidwig zu
Gunsten der Wes^oten aurzubieten *
Kurz bevor die Eruli am Nicderrheiti genannt werden, tnudiC eine andere
Schar am St;bw,ireen Meer auf. Ihre Kloltr suchte 2t.>j die KQsteit des
agaischeii Meeres heim. Ennaiiarich unterwarf dic^e Östlichen Eruli. Sicher-
lich dies»;, nicht eine neue, <lritto Abteilung, sind es, die nach Auflösung
der Hunnenherschaft mii linken Donauufer ci-schcincn, um zum Teil 471) mit
Odwakar nach ItnHen zu ziehen, zum Teil in Ungarn sitzen zu bleiben, wti
sie um 480 gen;uint werden. Vuii ihren Nachbarn, den Langobarden be-
siegt, fand ein Teil 512 Aufnahme im oströmischen Reich imd wurde am
rechten Ufer der unteren D«jnau und spStter in Pannonien bei Belgrad ati-
gesiedell; ein anderer Teil zxjg die Freiheit vor und wanderte iu die »kadi-
nawische Heimat zurück. Politiscli liahen sie daniaLs ihre Kxi^lenz einge-
btbst. Vtrti deu nimischen Eruli «ing ein Teil zu den Gepideii über, ein
Teil ist in den Dienst des ostromisclien Kaisers getreten; die skadinawisvhen
Reste sind unter den Gauten politisch aufgcigungcn. Seit der Mitte des 6.
Jahrhs. verschwindet ihr Name aus der Gcschirhte'.
' Seclmann a. a. O. S. 30. — ^ Zeus» 479 (ebenso Mülleobofl in
seinen Vorlesun|;en) lettl die«^ EreignU erst kun: vor Aas Jnhr 480, wei] sie
dftmal«, an Akt Donau erscheinend, noc-li Heiden waren. — * Locwe hüll die
Enili für Anglofriesen. — ■* ^eelniann a. a, O. 53 ff. Diese Eruli sind
jedenfalls in der Xachbarschafl der Fiankenzu suchen; das erfordett dei Zw
sammenhang, Seelmann kooslruiert ein norOdeulschea Crulcrrekh an der Havel.
— i Loewe nimmt an, da*» die Eruli in den Kaukasuigennancii und Krim-
goten bis anf die N'euieii: fortgelebt haben.
d) Danen.
SaxoGrammaticus, //i'stfria Daffäraoiia Gfsta DanorMtu (bb 11 86) um 12O0,
(cd. P. E. MuMcr und J. M. VcUchow. 3 Bde., Havm.-c 1839—58; i-d. A. Hol-
der, SuawljUTj; 1886 IS. XXV'I — LX Littcratur über Suxo]). — The ßnl niw
books i\f //"• Liitniih hhiory tif Saxo Grnmmnlictti^ ir.tnKUted by O. EltOPf
Ixindmi 1 894. — P. E. M tili rr, Krilii-clit Untersuihungm drr Sagrugrifkükte
Diinrmnrk% und .VorTrrgitts, Kti[K>iihni;en 1S23. — dera., t'rttük ÜnderstigrLuc
af Sa.\o'i Hiitorirs syv siäitr Bifffrr. Kjäbenbavn 1830. — A. Ollik, KiÜerne
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Orammtiticus og ihm dunske og sx'emif ddtids hisiorif, Ark. f. nord. fil. XIll M896)
100 — 161. — St-riptorti m-um DaHkarum medii ai'', «1. J. LaQßcbck, fortgcs.
von P. Tr. Suhni^ ; Bde., Hafnix 1772 — 1792, Bd. 8 von L. Engelslofi und
£. Chr. Wcrlaiiff 1834. Bd. 9 (IndJce«) 1878. — iUnnimnla Nütoriff Da-
niar. Hiitori'sltf Kildtrskn/tfr og Bfarbfjdftsrr af damk Historie isttr Jrti dft
16. Aarhundrrdt, ed. H. Rftrdani. 4 Bdv.. Kj"t>cnhavn 1873, 75. 84. 87. —
P. Kr. Suhni, Historie af Danmarb (bis IJI'J). 11 Bde., Kiobcnliavn (zuletjct
KjwbcnhaTn) 178J — i8l3; z, T. deutsch von i-'r. D. üriltcr u, d. Titel Geuhuhfe
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(«nhotr, Bfovutf, BiTlin 1889. S. 2J — S3- — ^' Olrilt, Dattmarks bistortf r
am trldrf Midäi-'lnidtr, KjulM-Dliavii 1893. — J. Sirrnstrup, Hislodsk twlskt. 1895
VI, R. VI 114 (T. — J. Strrnst mp, Xogle undrrsagrltrr ovtr Dan/narti leli/ttr
indA-ling, O^-erMgl "v. ti. Kgl. danske videiwk. M-lik.'K fwli, 1896. S, 375 — 404.
— Fr. Bangen, Z». d, Ges. f. Schl.-Holsi.-Ljuienhg. fiwch, XXVI (1896) 257
— 295, — A. Sacb, Das Herzogtum SchUswfg in seiner tthnngrophii^lun und
nationalen EHlreiiktlung I, Ilallc 1896. — J. Stccnstrup, Kr. Eislev, A.
HeUe, V. MoUcrup, J. A. t'ridericia, E. Jlolra. A. D. Jorgcnacn,
Danmarks Rigrs Historie, 6 Bde., crschdnL Kobcnhavn seit 1896. — Snphus
Müller. Vor Oldlid, Kjöbenhavn 1897: dniuch von O. L. Jtriczek u. d, Titel
Xordisifu AltertNittikunde, 2 Bde., Stntssburg 1897. 98. — Die Liturainr über die
dAnischcn Erobeningca in Engivul und in Nordfhmkreicb a. $ 114 und 115.
§ in. Ob die Oilnen schun I'lolemaios bekunnt waren, ist unsicher
(>ä 104). Sicher ist, daüs sie ursprünglirli im sOdti<:hen Schwetleii hfimisrh
waren iind sich erst von hier aus über :lie (l'lnischeu Inseln, Jütland und
Schleswig ausgebreitet haben. Es ist sehr wühl glaublich, wenn sie Jotdanes
al& AbkUnunUngc der Schweden bezeichnet (§ 104], dass sie im Kampfe mit
den in Smäland wohnenden Eruli sich von Norden her ihren Weg nacli
Schonen gebahnt haben. Dies geschah in der eraten H-Ilfte oder Miite de»
3. Jahrhs. (§ 1 U)}. Neben Mailand, Schonen und Blekinge gehörte auci»
Bomhohn zum dänischen Siaumilande. Seeland mögen sie schon im j. Jahrh.
besetzt haben. Diese Insel mit den im Süden vorgelagerten Inseln MiVüä,
Falster und Laaland galt als Kern des dänischen Reiches, welchen 'primo
ac prindpatitcr comprehcmlit hoc nomen Dania«, als das Reich des Diui,
»cujus rcgnum diccbalur Withesleth«. >Dan enira, a quo regnmn nomen
habuit, raultis annis dorainabatur istis insulis, antcquam acquisivit Jutianu '.
Die weitere Ausbreitung der Danen nach Westen fallt in eine si»aiere Zeit,
ab man gewühiilich aimimuil. Denn die illtcsten, hier gefundenen Runenin-
echriften, die man allgemein für nordi.sc!i hält, kt')nnen, zum Teil müssen
sie den Westgermanen, also den Anglofriesen zugeschrieben wt:rden. Irh
rechne hierher die Inschrift NitnvUa des Braktcaten von Niesbjerg bei Varde
im södwesilicben Jütland; die Verbindung /««• ist unnordisch; nurdisdi ist
itff, vgl. JViu/i7 (d. i. JViit/i/a) auf tlen Biaktcateii zu Datiun. (Die InachriCt
fallt nach VVinuncr in die Zeit von 55t) — 7()0). Ich rechne hierher ferner
die Inschrift Anttag asuinas Auwma auf der Spange von Vi bei Odeiisc auf
Fünen, die Winimcr in den Anfang des (>. Jahrlis., Undsei frütkstens um
400, Montelius in das 3. Jahrh. oder sjiatesiens um joo und neuetduig$
(1896) in die erste Hälfte des 3. Jahrlis. setzt: die Verbindung auw ist wie-
derum nicht nordisch, hier wäre auj zu erwarten; aa = ae. A, afrs. ä <.
gemi. an. Die andern ebenso alten oder ülteren Inschriften widen-prechcu
der Annahme wcstgenuaiiischen Ursprungs nicht; denn sie bieten, wie z. li.
die Inschrift des goldenen Homs nder die der Zwinge von Thorsbjerg (nach
Montelius [iSgö] letztere aus der zweiten Hiüfte des 3. Jahrhs., erste re au»
«k-m Beginn des .i- Jahrhs.), keine spezifisch nordischen Charakteristika —
die Rune, die man ullgemciti durch A' Iransskribiert, darf mit gleichem Recht
als z gelesen werden.
Wimmers Datierung kann ich deshalb nicht für richtig halten, «tdl es
undenkbar ist, dass im 0. Jahrli. in Füncn nodx angeUdchsisch ge4pn>-
clicn wurde. Wir wissen durch Prokopios {B.G, II 15, P 42^ D), dass die
Eruli i. J. 512 *Aavw%' rd e&v^ nagidga^toy irdivde le li fbxeav6v
ArftxouevaK. Prokopios wiisste, dass das heutige Schweden durch den Ozean
von den DiLnen getrennt sei. Man muss liieraus schliessen, dass das danische
Reidi damals westlich (wegen rä fi!M;) entweder bis Seeland und Fdnen
•der bis Filnen und Jodand gereicht hat. Die Besiedlung von Faacn. jQt-
land und Schleswig folgte dem Abzug der angfLsadisiscIicn Eingeborenen
nach nritantilcn, der erst im I^ufe des 6. Jahrhs. zum Absrhluss kam, auf
dem Fussc. Bereits im o. Jalirli. scheinen die Dänen die Eider, ihre histo-
rische SOilgri'nz«!, erreicht xii haben. Um 51,^ beginnen schon ihre kriege-
rischen Verwicklungen mit den Kranket». Eine Erinncning daran, dass das
dänische Reich ztun Teil auf angUsciiem Boden gegraudet worden war, hat
Saxo bewahrt, der sein enstes Buch damit t>egihni, dass die eponymen Stamm-
väter der Dilneii und Angchi, 'Dun igitur et Augul. a quibus Dan<->nuu cepit
origo. patre Humbio procreali, non sohtm conditnres gentis nostre, venun
edam reclures fuere.«
' Belege bei Zcuss 509.
§ 112. Die danische Sprache zerfallt in drei Mundarten: Schonisch, Sec-
ländüich unri Jrttiscli. Die Dfinen der letzleren Gruppe aeimt Ailiicd
Süddatifu, die der erstereu beiden NorddJlncn. Diese Dreiteilung ist ge-
schichtlich begründet. In $ 103, 4 hnb^ ifh bc-retls darauf hingewiesen, dass
die Juten wahrscheinlich einmal einen besonderen, cret vun den DUiieu
unterworfenen Stamm gebildet haben — der alte Name für Jütland ist AV/«/-
gotahiiii {Forttmanna St'gt$r I 116). ae. OeollanJ. Dem ents])rechend finden
wir im '1. j^lirli. n. Clir, noch zwei danische KOnigssitze, Hleidra auf Seeland
und Jellingt^ in JfiTland, »und auch seit der im S. Jabrlumdr-rt vullzogenen
Einigung des dünischcn Vuikfs zu einem Staate mussie der König seine
Wahl durch die drei I^indesthinge zu Lund, Ringsied und Vib*>rg bestätigen
lassen, wobei Fünen und Liuigeland zu Viborg (jQÜand) gehörteo«"^. Die
Dänen haben auf dem von den Angelsachsen vcriasscncn Boden zunAciist
mehrere kleinere Reiche gegründet, ausser Withesleth (§ 111) eins auf Fflnen
und mehrere in Jütland und Schieswig. Die endgültige F.inigung erfolgte erst
unter Gunn dem Alten 900 — 935, welcher in JelHnge (in Jothuid) residierte
und der Sage nach alle andern jfltischcn K/inigc .sowie den in Schleswig
residieremlen König von SinUmÜ unterwarf und sein Reich bis zur Schlei
ausdehnte. Aber noch bis in das si>;itere Mittelalter hinein bildete Scldcswig
seit der Mitte des \z. Jahrhs. ein eigenes Herzogtum, eine Sonderherschaft
des dänischen Königshauses.
' Kossinna, IF. VII 290.
Die Mark Schleswig, d. i. das Land nördlich der Eider bis zur Treenc
tmd Schlei war seit dem 9. Jahrh. ein zu-isrhen Danen und Drutschen atrit-
tij5es Grenzgebiet, bis ioj6 die Eider als Grenze anerkannt wurde. Abel" nur
<iie Halbinsel Schwansen (zwisciien Schleswig und Eckemförde) ist dänisches
Sprachgebiet geworden; die westlichere Landschaft zwischen Eider und Treenc
blieb niederdeutsch.
§ 113. Im g. und 10. Jahrii. hatten sich die Danen gegen schwediw-he
Hrubcrungsgeiüste zu wehren. Im J. 1028 eroberten die Dünen Xorwegen.
Durch die kalmarische Union 1397 wurde Si hweden und Norwegen mit
Danemark vereinigt. Wahrend Schwtrden sich schon seit 1435 und end-
gültig 1523 lostrennte, wurde Xoru-egen I53(> vollends danisch und blieb es
bis 1813. Im Frieden von Roeskilde und Kopenhagen 1658 und 1660
znusste Dänemark .sein Stammland Blckinge, Schonen, Hatluiid und das nor-
wegische Bohuskln an Schweden abtreten, 1861, 1866 und definidv iHbj
Schleswig an Preussen.
§ 1 14. Die Danen haben ausserhalb ihres Staromlandea seit dem 9. Jahrh.
zwei Reiche gegründet, eins in England und eins in der Norraandie.
In England treten die D.1nen zuerst 787 auf, gegen Atisgang des 8.
Jaluhs. begründeiL sie tiier bereits ihre erste NiedeiiassuDg. Sie begaiuicn
loii RuubzQgen UUigs der ganzen englischen Kfiste, besetzten dann einzelne
Stützpunkte in Nordcngland und siedelten schlicäslich iu grossen Schaaren
Aber, um (t:is Land zu bchcrschen. Seit 855 in Xordhumbricn, besetzten
sie 800 Ostaiigeln luid beraubten 870 und 874 dieses Land luid Mercia ihrer
Könige. Alsdann bcÄCtzten sie Nordhunibrien und S77 Menia und be-
herschten das ganze Land nördlich der Themse. Auch ihre Besiegung durch
-Elfred 880 und 80,5 vermochte' sie nicht aus dem Lande zu vertreiben. Neben
(DstangcJn hielten sie Nonlhumbrien besetzt, raussteu aber srhÜesslich die
englische Oberhoheit anctkennen. Si>c'iter wieilerholten die Danen ihre An-
griffe mit dauernderem Erfolge, und loih — 1035 bezw. 1042 war der dä-
nische König auch König von England.
Über die. Danen in Irland um die Mitte des 9. Jahrhs, s. § 1 iq.
Der Einfluss der Danen ist ein tiefgreif euder gewe.sen. Das Danelag galt
in Nortlluimbricn, <iem Östlichen Merda. Oslangeln, Esscx und Middlesei,
und d;ir»her lünaus ist der Einfluss der dänischen Sprache im Englwthen
erkennbar; vgl. die Karte in Bd. I ru S. 1108. Über die danisclien Lehn-
*\)rte des Altenglisfhen s. ebd. S. 931 — 042 und A. Wall, Anglia VIII 45 —
*35f v^- i»iich H. JelHiighaus. Ndd. Korrbl. XX 29—3.2. Grdr. 1 Q^st
über das Absterben der danischen Sprache auf englischem Boden im 12. Jahrh-
H. Wheatoii, llistory of thf Ntirthmcfi from the tfirlirst timts to Iht tonqurit
0/ Jitif^lami, I-ondf^o l8jl. '— Zeu«» 5^4—528. — J. J. A. Worsaac, Mtnätr
om de JJansif of Sordmaitdene t EnglnnJ, Sictlnnä <>g Jrland. Kjobcabavn
1851 ; deutsch vod X. N. W. Mcisüner n, d. Tilcl Die DÖnm und NordmämHrr
in England, Schetfiand und /rt.jnd. Lcipiy; lf53. — J. J- A. Woriaac, Drn
danskr tri}bi-ing af Engfnnd ojr ^,'ormandiet, Kjubenhsvii 1863. — J. R. Green,
Th* lonqiieit of England. London 1883.
§ 113. Ungeftihr zur gleichen Zeit, als sie sich in England festsetzten,
haben die Dünen auch in Nordfnnikrcich Fuss gcfasst. Auch hici waren es
zuuSclLSt Raubzüge, die sie gegen die ungesrhützieii Küsten unternahmen.
Zuerst setzten sie sich an den Mündungen der Seine und Loire fest (843).
Die ganze Küste von der Elbe bis zur Garonne wurde von iluicn verheert,
und auf ihren Schiffen drangen sie die Flüsse aufwärts bis tief ins Binnenland
vor. Paris haben sie dreimal, S4.5, 857 und 861 erol>ert Sogar die niittel-
hindisiiien Küsten. Spanien, Südfrank reich, Xordafrika, Italien, Griechenland,
Kletnasien waren vor ihnen nicht sicher. Dauernd Fuss gefasst haben sie un-
ter Ftlhning des Norwegers Rollo in der Xormandie» die ihnen gii über-
lassen »"urde, und wo sie sich behaupteten, ohne freilich auf die Dauer
gegenüber der romanischen Majorität der Bevölkerung ihre Nationalität be-
\k"ahrcn zu künnen. In der Haupbviche hielt sic.h die nordische Sprache
nicht über ein Jahrliundert hinaus; vereinzelt jedoch \\\k\\ bis ins 12. Jahrh. ^
G. B. Di-pjiing, Hntaire des txpidiiimu maritimes det Sarntnndt, et de
Irur Hablisiemrnt rn t'rutur au dfxietne s/'</r*, Paris iS^.); «Jculwh wn F. I*-
miir 11, il, Titel Dir Hrerfokrfrn der Wirmannrn bii tn thrrr festen .Yreder*
launng in /•'rantrei'ih. 1 Bilt*.. Hamliiirg 1 819. — J. J. A. WorsMae, Dm danste
ero&ring itf England ag .Vormandief, Kjittipnhavn 1863, — E. Dümmlrr, Gc
ithiehtt des oit/räntii. hm Jieichn*, } IWe., Leipzig 1887 — 88. — E. Tei^ner,
Xormm elter DanJfer i Xormandief Slockhulm lß88. — KeAry, TIv Vdttmgi
in the Western christendom, 7Ä9 — IffiH, I^odnn 189a. — A. Fabricius, AV»r>
HMunertogene lil den spamke kah-v. Aarb. l. i. XII (1897) 'S — '^O. — der*«
Dantie minder i Sormandiet. Kjobenhavn l8<J7.
!()6f) landeten die Xrirmannen der Normandie, damals bereits franzilsisch
sprechend, in England und waren seit 1071 die Herren des Landes.
A. Thieiry^ Histoire de In ^nnquete de I' Anglelerre par les \orwands *, } Bd^.,
Bruxflies 1841. 35, 4I; d«-utM-h Herliii 1832. — E. A. Fteein«n, Tke hnKfry tf
Ifie ycrman i'cnqueit 0/ England, Hs lanses and itt resulti, 6 Bde., Otford I867
— *9. -^ J. R. Green, 7'fie conyuest af Eng/and, l^ondon 1883.
Schon itii 0. Jahrh. hatten die Nonnarincii die Kösteu tlvs Milti-lmt-cres
flbersdiwe:nnit. Atis.1.ssig Mnd sie in Unleritalien ge\k'orden. wo iltncn 1027
I>and verliehen wurde. Durch Zuxug aus der Heimat verstärkt, Qberu'anden
sie tlie Sarazenen und bemächtigten sich 1040 — 43 ApuHens. Unter Robert
Guiscard to5£j — 10H5 vergossenen sie ihr 111 iieri talisches Reich, embcnen
auch Sicilien. Ihre Hcr>chaU dauerte bis i i6g, wo sie an die Hohenstaufcn
überging.
DcppioK-IsRiar (i. oben), Anhang m Bd. II, — O. Delarc, I^s Normandi
m haut (Upuis Us premieret mvaiii>iti justfH'it l'av^n^mml tU S. Grt'gaire Vtl,
faris 18U3. — I'alora«», Im itoria di ii Xurmanui 'n SütlSii, 4 Bde., l'alcrmo
1883 — 87. — Bflriow, iiistory 0/ Ihf Xortnans in Scuth Europt, London 1886.
— A. Fr. Cirafv. Scback, GruhithU ärr .\Wma»Hi-n in StVHirn. 7 Bde., SluH-
pirt, Lcipxig. Berlin, Wien 1889. — I.. v. Helnemann, Getthithlf drr Air*
manMfft in UnUrttali^n und Sicilirm bis lu/n Auatfr^H det ttormanm'tffun
KSmgikauui I, L.cipxig 1 894.
* Liucmtur bei Noreen Gnir. ■ I 519, Note 9.
e) Norweger und Isländer.
Snorri Starluson. Htimskhngla (bis 1177). um 1230 («1. C. R, Ungcr,
Cbrisliiuak 1868; rd. K.J6n»»nn, 3 Bde., Ki'lienliavn 1894 — 98).— Mmumenta
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geschiifiif Dännniirki und .\'itnivgmi, Kripniiliii^cn 1823. — Zeuss 158 f., 516—
534 und S44 f. — P, A. Muncb. f/itiarnk-gi-a^raptiisk ßeskrh-rhr en-rr Ao«.
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Bekehrung dts Sonttfgisthcn Siammei mm Chrulrntkumr. 3 Bde., Xdincbcn
1855 — 56. — P. A. MuTicb, S)-tMbo/ae nd historiam unliqitiorrm JVorz-rgitie,
Chrmiania 1856, — K. Keyscr, Dt» nunir Kirkn /Inlorie imder Katholi'
liftitrn. 1 Bde., Cfariüliania 1856—58. — P. A. Munch, Det norsti pflks
Jfisitarie (bis I397). 8 Bilc.. Cbrisüania 185J — 63. — de Landblad, f/nlotre
dr Danf^mark rt de Aorri-gr. Tours C863. — H. Kcysrr, Nvrgn Stali- og
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gewut von RyK'i ('»•'^ 1387). 3 Bd'-'-. Krisliania 1866—70. — Hj. Ilj. Boye»en,
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histürie, 4 Bde., Neue Aiisf;.. KrUiianla 1892 — f)}, — H. Kupfer, Xortergen und
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K. Maurer, Island von seiner ersitz Entdeikung bis :um Untergänge des
frriii'talj. MCInchca 1874, — Th. Tliorodilüen, Landfradistagtt Iilandi, 2 Bde«
Rr)'k;Bvik 1896. 'J7; deiitw* von A, ücbhardl u. d. Tilcl (Sisehictite der istdn-
diuben Geographie, 2 Bdc, Leipzig 1897. 98.
Dir Litleratur iilier die AnMeillungen in Irlarvd. Onlnland, Vinland «. S Il9f.
S 1 1 f>. Die norwetpsrhen Stamme sind früher zu keinem pciIiiiÄchen
Band geeinigt gewesen. Wir kennen nur kleinere Stimme, wie Ptolcraaios
schon die Xaiöftvoi, die späteren Heiflnir, nennt und jordanes eine Reihe
anderer StAninie (i» 104t. .Mle diese Stumme waren ursprilngtich sclb^ttAndig.
Dass iiie meisten sich erst, seit sie ihre Thiller in Besitz genummen haben,
zu l)Csondercn civitaics kufistJluierten, kann kaum einem Zweifel miterliegen.
Immerhin aber lehrt das Beispiel der auf die ostgermanlschen Rugii zurflck-
weisenden Rygir in Roguland, dass es verschiedene Stamme waren, die
»ich an der Besiedlung des Landes bclciligt haben '. Aber von einer näheren
Zusammengi'hArigkeit einzelner Stämme, die iiuf eine ursprüngliche Volkü-
einheit zurückwiese, wü«en wir nichts ' — vielleicht gelitigl es der Mund-
artenforschung hierüber IJchi zu verbreiten. Zu eiiier politischen Rinheit
sind die norwegisdien Stamme erst verschmelzen, seit Harald Härfagri 872
die einzelnen Stamme unterworfen hatte.
Die norwegi«he Stammesgrenze des Mittelalters deckt sich niciil mit der
heuligen poUtiscIien Grenze gegen Schweden. Der Küstenstrich bis Gi5tebiirg
das dte Räuriki, das heutige Buhusliln, geliörte bis zur Mille des 17. Jatiriis«
XU Norwegen. Die Landsdiaft westlich des Venem war dn zwischen Nor-
wegern und Gäulen strilliges Grenzgebiet. Vgl. femer § 117.
> Ob die Ilijtdar wegen ihr«r NimcDsglcichhcit mit den Ilarudcs Arioräci und
den nordjülifichcn Charudca von Wcstgemun^Mi hcntammcn, isi mehr- als pn4>lc-
malisch. — ' Die zusatnuicnOis^icndcn Xiuncn wi«: Vikv{:rj.-vr f^ die Bewohner der
Südkilitc, UppkndLii{!at dir dio Oberlindcr sind nur g<L''>graphL>ch<: Nameo.
§ 117. Die DurvegLscheii SUimmc sind aus dem südwestlichen Schweden,
vielleicht aucli zum Teil aus jQtlanri gekommen (g 50 f.). Froher als die Schwe-
den haben sie sicli au der Kosle nadi Norden ausgebreitet. Wührend ia
Schweden die Nordgrenze für die Brnnzefunde H.'ilsingla:id ist, Ist es in Nor-
wegen das ungleich nördlicher gelegene Hälogaland i,s. die Karte zu S. t*3i).
Hälogaland war, wie wir aus .'EUrcda Orositts wissen, gegen Ende des g.
Jahrhs. zwar zumeist noch von Finnen bewohnt, aber damals bereits hatten
norwegiüclie Ansiedler die Herschaft über das Land gewonnen; nodi heute
ist die norwegische Bevülkerung im ;iu.»;sersten N'orden neben läppen und
Finnen nur dünn. Dann aber kolonisierten Norweger auch Ober das Ge-
birge hinüber di«^ wpstlichen Landschaften Schwedens nfirdlidi der Dal El/
bis zuiu lappischen Gebiete. Ihre Spuren (iDden sich bis nach Hälstiigland
am Bottnischen Meerbusen, und die Sprache zeigt hier noch norwegische
Eigentümlichkeiten. Während sicli die Norweger hier aber gegen die Schwe-
den nichl hallen konnten, haben sie JJUntland (norwcgkche Inschrift von
FrÖsÖ um 1050) und Harjedalen dauernd besetzt*. Diese beiden Land-
schaften sind erst 1645 an Schweden gefallen.
' Die Zeiijeniitsc hicrfllr bei Zcuss 544 f.
«5 118. Norwegen wurde 1028 \<yn den Dänen eroliert und bis 1035 be-
hauptet. 13ICJ wurde es mit Scliweden durch Personalunion vereinigt. DurchJ
die kalmarisdie Union 1397 mit Dänemark vereint, wurde es 1530 unmittel-
bar danisch, und die dänische Sprache isl seitdem allmählich die herschende
in Nürwcgen geworden. 1645 verlor Norwegen (richtiger Dänemark) Jami-
Und und H.lrjedalen, 105H bezw. lOlxi BobuslKn an Schweden. 1813 trat
Dänemark Nurwegen ab, das für ewige Zeiten als integrierender Teil mit
dem Ktinigreich Schweden vereinigt wurde, und naih dem Kieler Tractat
1814 bilden Norwegen und Sdiweden ein vereinigtes Ki^nigreich, Neuerdinga
erstreben die Norweger, sidi als eine eigene Nation fühlend, dnc noch grVte-
sere Selbst.'indigkeit, als sie sie unter der Union besitzen, wie sie auch iu
ihrer Schriftsprache einen immer starker vom Duaisdicn abweichenden Dialekt
ausbilden.
§ 119. Wenn wir von dem uördlichen Kotonisationsgebiet und dem in
Jamtland und Harjedalen abseilen, so haben die Norweger sich Ober das
Meer in sehr früher Zeit ausgebreitet Norwegen zunächst lagen die Shcl-
land-Iiiscln. Hier finden wir Norweger bereits um t«ler bald uatli 620
ansässig, Getreide bauend, und die norwegische Sprache ist auf diesen, jetzl
EU Knglaud gehörenden Inseln erst vor i(>> lahren ausgestort>en. Eben:«*
lange hielt sich die nortlische Sprache auf den Orkney-Inseln (an der
Nordspiize ScholUarulä); hier sind uius noch 30 Runeninsch rillen crhatirn.
Weiler setzten sich Norweger auf den Hebriden (im Nordwesten von Schott-
land) f(-st. wo sie ilire Sprache mindestens bis 1400 bewahrt habeiL Von der
Insel Man haben wir 14 Runeninschriften aus den jähren 1050 — li.SO*.
Bedeutender aber war der Besitz der Nordm.1nner in Irland, wo wir sie,
wie es scheint, bereits 617 finden, «-cnn am h die eigaiüidien Wikingcntügc erst
2U Aus^ng des 8. Jahctis. bcijmiicn und zwai seit der Zerstörung des Klostere
der Iiisel Lindisfame (an (ier schottischyengljsdieii Grenzet i. J. 793- 807 be-
traten sie den Br>den Irlands. Es waren zuerst nur Soxnnitrfalirtcn, aber kuti
nach 8,56 »beginnt man mit einer ])lamnassigen Bezwingung und Unterwer-
fung de*; Landes«. »Überall wurden fe-ste SiUt/jumkte aogelegl, woliin man
sich nach riflndfrunRszügen zurückzog. An verschiedenen Orten entstanden
Kolimieen, die mit Dubhn und dem Heimatslande die Verbmriung aufrecht
erhielten. Schon 84.1 sassen die Nori*-cger im Herzten des Landes, am
Lough Rce, Man drang \*or nach Süden bis nach Limerirk, bis ins Ki'mig-
rcich Munster.* Durch die mit den aufstaudisclicn Iren verbündeten Danen,
die Vi in Sflden gekommen waren, bedrangt. crlucUen sie 853 neuen Zuzug
aus Kurwcgcn und trieben die Danen nach dem südlichen Irland zurück.
Sie w-arcn die »Herren von ganz Nord- und von dem grfl&sten Teil Mittel-
irlands'. Um 870 war der letzte »irische Widerstand gehntchen, und nun
beginnt eine neue Zeit unter nurwegiscUcr Herrschaft über das Land herauf-
Äiuiehe». In DubUn war der Mittelpunkt der norwegischen Macht und der
5iize der Künige . Gemeinsam mit Iren nehmen jetzt die Norweger Irlands
Anteil an der Besiedelung der Inseln des Oceans, der Faeroer und Islands.
Von Dublin aus suchten die n^jrwegischcn Künigc aucli ihre Macht über das
aahe Schuttland auszudehnt-ni.. ■.AI.-* dann aber im Ausgang des <»■ Jahr-
hunderiij auch in Irland von neuem ilie PlandcrungszOge sich mehren, da
ermannen sidi die Iren t>tii norhmals zur That: sie schlagen die Vikinger
und befreien Uire Insel.« Doch bereits 'Q14 erscheinen neue Flotten der
Vikinger in Irlimd. Diesmal zuerst im Süden, in Waterford, und das süd-
liche Königreich Munster hat die ersten Leiden der neuen Ära zu ertragen.
Wenige Jahre siilUer« setzen sich die Nimnaniien »abennals in Dublin fest,
und auch Limerirk ist bald wieder in der Gewalt der Norweger. r>rci nurd-
;germanische Königreiche in Waterford, Dublin, Limerirk sind entstanden.
Koltmien werden in den verschiedenen Gegenden der Insel angelegt. Ein
ganzes Jahrhundert wird Irland vnn neuem verbeert und verwü-stet, his end-
lich König Brian an der Sj)itze der Leinsterscharen durch seinen Tod in
der Schlacht bei Clontarf (1014) die Befreiung seines Vaterlandes erkauft«*.
Die Vertreibung der Nurweger war keine vollständige. Norwegische Hand-
werker und Kaufleute blieben in Dublin^ Walcrford, Wcxford, Ci'rk und
Umerick '.
Die norwegische Sprache hat sich in Irland bis um 1,^00 gehalten. Alt-
nordische Lehnwörter finden sich l>ereits in der irischen Sprache des S.Jahrhs.*.
Über die Beteiligung von Norwegern an den Danenzftgen nach England
:B. Grdr.'' I Q^i).
Norweger haben sich auch an der dänischen Occupatiou der Normandic
l>ctciligt. KuUu stanunte aus Möre in Norwegen.
ZfUS4 537— 54^. — J.J. A. Wnrsaaf, Afintlrr om lie Dfititke of XorämimJme
i EHffiiiiiJ. SknIlanJ ,>g Irland. Kjitli^nh.ivn IÄ51 ; dculÄch v<ui N. X. W. M«[ftfllier
U. d. Titel Die /XifK'H H»J Xorämdn'ier in Eti^lunJ, SiftoltlanJ und IrUxnä,
Lrflpiig 1851. — fi. Stnrm, Kritiikr BiJrag til ViltmffttüU-ns Uütorif. KjUiliÄnu
1H78. — H. ZimmiT, XJhtr du frühtiUn fitruhrungm der Irfn mit den A'orrf-
germantn, Siuung^hmchto cltr Btrliner AkAtl. d. WUs. l8qi. S. 27») — 517. —
E. Mof;k, KrJt^n und Xordt^rmanftt im g. und to. Jahrhumiertt, lYogr.,
Leipzig 1896. — J.Jacobücn, Dft »torrone sfrcg p« Shfl{iind.y^vshzxA»>!\k 1S97.
* l.itterftlur bei \. Xorcen. Grdr. * I 519 Note 7. — ' Mogk S. 14 f. —
' ebd. »3. — * LiUcraUir l)ci A. NorecHj tirdr. * I jij, Noic 2 untl Mogk
a. ^ O. S. 33 Anm. 5; dort aucb Über iriicb-uUndiiKlK Lcbnw6ncr.
§ \z<i. Van den Shetlandinseln aus hatten nuiwegischc Wikinger schon
84d
XV. Ethnografhiz der germanischen Stamme.
im S, ^ahrh. die fernen Fflr/ier und Island entdeckt Diese Inseln haben
lücht das Schicksal gehabt an England zu fallen, und daher werden noch
heute hier norwegiadie Mundarten gesprochen. Auf den FärOem sind die
Norweger /uenn um 770 nachweisbar. Die Besiedlung des eben bekannt
gcwurüwu-ii Island wurde durch ein poliiibchcs EreijLfiiis veranlasst Der
Zwangsherschaft des ersten Königs von NoniVegen, des Harald Härfagri
wiillten sich viele nicht fiigen, inid der Trieb nach politischer Selbständigkeit
führte diese nach dem fernen, — von irischen Anachuretcn abgesehen —
tinbewdhtiten Island, das seit 870/87^ gernianischer Bodfu geworden ist und
auch unter der dänischen Regierung seine Selbstverwaltung bewahrt liat
Island iüt hau pt'^Ilch lieh aus dem westlichen Norwegen lievölkert worden.
ZetiSB 54 t {- über tlie BluLjimi«chune der ersten Uländcr mit Iren durdi iri-
Bcbc Fräuen, Kreige]iu»ene und irische An^iiMllcr v(;1. Mi)Kk, A'rltfn Hnii .Vord'
/rtttnanert, S. 17 — 22. Abtilkb auf den Orknej'*, Hebridfo und Shcüandsiiuctn.
— Littenrur fibcr Istjind s. oben S. 83>>.
Von Island aus hat der kühne St^cfahrer Erich der Role Grünland ent-
deckt, und um (.nya beginnt auf seine Veranlassung die planmässige Besiedhing
der Süd- und Westküste bis zum yz. Grad mit Isländeni und die Begrün-
dung einer grönlflndi sehen Republik. Man schützt die Einwohnerzahl für
die Bltltezeii :uif etwa loono. Grönland kam in der zweiten Hillfte des i,V
Jalirlis. unter iiurwegische Herxchaft Seil der Mitte des 14. Jahrhs. unter-
lagen die N(irdm,lnner den Angriffen der Eskimos, »md im 15. Jahrh. waren
ihre Ansiedlungen zu Grunde gegangen. Heute wird in Grönland etwas
danisch gcsjirochcn, docli nur von einem sehr geringen Teil der Bevßlkerung.
Gtönl'tnäs historiskf Mntdrsm^frkrr, 3 Bde.. Kjnt>cnhavn 183H— 45. — Eiriks-
saj^a /itttidn r»p /'fafuxbo^^rns CranUudini^ali'iftr. cd. G. Storrt, Kj<>l>enhavn 1891.
— Zeuss 542 f. — K, Mogk s. unter >Xürdamcrika*. — F. JÖDSSon. En kort
ndsfgt oi'rr tifn islaiul^-f^rütilandike kiilonn hislonr, Nortl. tidskr. 1 893, S. 533 — 99,
Leifr, der Sohn Erichs des Roten, in Island geboren und iii Grönland auf-
gewachsen, entdeckte auf einer Seereise im Jahre lotw durch Zufall das Fest-
land von Nordamerika, V'inland genannt, wohin ihn das Wetter ver-
si lilug. Durch seine Erzählungen verlockt, unlcnialimcu l6o Mann unter
Führung von Thorfinnr imj. 1003 eine Fahrt nach Vinland. Hier, in Neu-
schotttand, waren sie im Begriff sicli anzusic-deln. gaben diese Absicht
jedoch auf, weil sie simh gegen die Indianer nirlii zu halten ve-rmochten, und
segelten nach Grönland zurück.
Aittitfuitaits .4mfn<-H'iaT, cd. C. Chr. RaTn, HjLTniac 1837. — Zeuts 54 J C.
— fr. Sriirni, Slinlirr m^r ^'mlamhrrjifrne. S'infandt Geogra^ eig Ethncigrafi
(Arhdgei f. ncml. ..Ulk. nj- liiM. 1887. S. 293—372). Kubcnhav'n 188«: Studus
OH the l'tnr/and Tfvir^j, KrUtiAni.-t iSSi). — A, M. Rvcves, /Ac findmg ff
iVinrland thr daod, thr hixtary of t/ir /rrtandic disco^Try of Aitfrua, London
1890. — E. Mogk, Dir Kntdeckung ArnrnkfU durch dir ScrdgermaitfH, MiUri-
IiiOKCD des Vereins (itr Krdktindc za Ltipzig 1893, S. 37 — 89.
C. ANGLOFRIESEN.
K. imMenlioff, Die drulifhea i'vlkrr an XorJ- und Oiitff in üttfsttr Ä/>,
MordiJb. Slwl. I (1844) 111 — 174. — ^I- Ki«ger. ZfdA. XT (1859) 178 I. und
186—303.
§ 121. Oben S. 800 n. ist gexeigt worden, dass der aiiglofriesische Sprach-
stamm eine selbständige Gruppe unter den germanischen Stammen bildet,
der sowohl zu den südlicheren, deutschen Stüiumen als zu den nurdtsdiea
nahe Beziehungen gehabt hat so dass wir sowohl von einer w*esigermanisrl)en
als auch von einer anglofriesisch -nordischen Sprachgemeinschaft sprechen.
Pass die Anglofriesen etwa von Hause aus den Deutschen so nalie gestanden
haben, dass beide als Glieder einer grösseren Gruppe xu betracht«! seien,
ist bisher nicht nachgewiesen.
Die anglofricsLschc Sprach einheit wird erwiesen durch die Vergicichung
der friesischen Mundarten mit dcii alten gl ischcii. Die Cbercinstimniuugen
sind so zahlreich, so in die Augen springend, dass sich der VersucI», sie im
einzelnen aufzuziihlen, bisher nicht gelohm hai * und sich aucl» in der That
nicht lohnt. Denn wenn auch tia:* Friesische spüter seine eigenen Wege
gegangen ist, das A 1 1 friesische steht dem A 1 1 engti^chen noch so nahe, das»
*.•» fraglich erscheint, üb man berechtigt ist, für die vi.irlitteranV-hc Zeit von
einer Zweiteilung <Jes Anglofricslsclien in Englisch und Friesisch xu sjircchen,
oder ob nicht viclmelir eine Dreiteilung richtiger sein würde in SSchsisch
(Süd englisch), Anglisch {Nnrdengllsch) und Friesisch. Das Friesische steiit
zu deni Anglischen in nächster Beziehung, kennt z. B. nicht die wcstsSch-
sischc Diphthongierung nach Palatah'ii. Die beiden etnxigen lautlichen Ab-
weichungen (tcs Friesischen vom Englischen sind die Vertretung des germ.
at und au durch i und d: ac. ri und äi, und selbst diese Abweicliungen
wiegen nicht schwer, weil afrs. <i aus vorlitterarischem f'a entstanden sein
kann, und weil das afrs. 6 ziemlich jung ist, wie die VerkOrzung des genn.
(7/ ZU a ze%t — auch das ae. ti <. ai ist vcrhriltnismässig jung und vermut-
lich erst auf brittischem Boden entstanden ". Man kann den grössten Teil
der alteiigl. Grammatik, zumal wenn man vom Anglischcn und nicht vom
Weslsadisischen ausgeht, fast wörtlich auf das Friesische anwenden, und
ähnliche Übereinstimmung zeigt, bei ZuhQlfenahmc der neufriesischen Mund-
arten, auch der Wortschatz; vgl. Ktuge, Grdr. * I f>43. Von besonderer
Wichtigkeit ist es, dass wir einzelne lauilidie Charakteristika der an glof riesischen
Sprache bis in den Bt^nn unserer Zeitrechnung, den Schwund des n vor j,
/ und p imter F.rsatzdchnung und cEen Lautwandel des nasalierten d zu ö so-
gar bis in das i. Jahrh. v. Chr. zurOck zu datieren vennögeri", ein Beweis,
dass dieser Sprachstamm :ds solcher bereits um Chr. Geburt bestanden hat
Letztere Annahme wäre ohnehin kaum zu umgehen. Die Friesen sassen
damals in der nicderlfludi^chcn Provinz Fricsland, die Vorfahren der Eng-
länder an der deutschen Xnrdseekftste, in Schleswig und Dsncmark. Sind
auch die von der Fnismümlung bis zur Elbe wohnenden Chauci dem anglo-
friesischen Spradistamm zuzuzählen, so bleibt doch der geographische Abstand
so gross, dass in diesen Wohnsitzen keine Mr^lichkcit zu gemeinsamer sprach-
licher Entwicklung gegcbtni war. Jene Spracheinheit muss entstanden sein
zu einer Zeit, als die Wohnsitze einander näher gdcgi^i haben, und damit
werden wir in eine \'orch ristliche Zeit zu rtlckge führt, die vor unserer ältesten
geschiditlichen Überlieferung weit zurückliegt. In dieser Zeit muss es einmal
eine relativ einheitliche ethnographische Gruppe, wir dürfen wohl sagen, ein
Volk gegeben haben, aus dem durch Spaltung und besonders Auswanderung
die geschichtlichen. cinzeUien anglofriesischen Stämme hervorgegangen sind.
In «liest; Zeit zurück führt, wie die Spraclie, der den anglofricstschen Stäm-
men gemeinsame Vntksname der Ingwiaiwcn i§ 12z).
1 Einiges i»t Dcucrdings ztiuimmcQgcitrIlt von L. Morsbacb, Ai^in, Bribbitt
Vn (1897) 324—331. Vgl. «och umcn g 143. — " Verf.. IF. IV 24 f. 27,31.
— " Verf., \V. IV 14-3'
§ \22. YÄi\ näherer geschichtlicher Zusammcnh;ing zwischen ilcn Friesen
und den angelsächsischen SLlmmen geht aus keinem geschichtlichen Zeugnis
hervor. Der Name Ingwiaiweii * ist für die Bewohner von Jütland, Schleswig-
Holstein und des nördlichen Teiles der Provinz Hannover bezeugt, aber
niclit speziell filr die Friesen. Dass letzlere uns nicht ausdrücklich genaimt
werden, ist indessen bei der Mangelhaftigkeit der Bele>:e nur ein ZtiTall; auch
<ijc Angeln und Satliscn werden uns nicht direkt genannt Wenn die Sprache
atif eine alte Zusammengehörigkeit von Friesen und Angelsachsen mit z«'in-
gender Xulwendigkeit hinweist und wegen der spateren Wohnsitze diese Zu-
sammenjrehOrigkdt aus vorchriätücher Zeit stammen inuss ($ 121), und wenn
wir andrerseits zu Beginn unserer Zeitrechnung einen ethntigraphischen Ge-
sanitiiamcu für eiQc Reihe vün nur mivullsianüig belegten Stammen, zu denen
auch die spateren Angelsachsen gehören, vorfinden, so dßrfcn wir ohne
u-eilercs die Friesen dieser Gnippe zuzühlen. um su inelir als nach unseni
Quellen nur die Wahl bleibt sie etuweder den Ingu-iaiwen zuzuzahlen oder
den fränkischen Istraiweu, Jenen sie sprachlich ja ungleich ferner stehen.
Die Zeugnisse für die Ingwiaiwcn sind die folgenden:
1) Plinius, A*. //. IV 99: »Germanorum genera quinque: Vandili. ,
alteruni genus Ingir-aeoncs, qunruni |>ars Cimbri, Tctitoni ae Chaucorum
gentes.« Dazu
2) Tacitus, (jrrm. 2: "proximi Oceain» Ingaevunes».
Tacitus sagt nirht mehr, als w;is wir l'linius enlneliraen, dürfen. Letz-
terer zeigt IV <^ eine so klare Auffassung der germanischen Slammesvcrliall-
nissc, wie wir sie sonst nirgends finden, aucli bei Tacitus nicht Vgl. über seine
ZuverUlssigkeit oben S. 743. Die 5 Hauptatamme, welche l'linius unter-
schc-itlcl. füllen die Germania magna aus. Es fehlen bei dieser Aufz<Uilimg nur
die Skndinawier. Als pars dt-r Ingyaeones nennt Plinius >Cirabri, Teutoni ac
Chaucorum gentes«. Das wflren also die Nordseevulker von der Eins bis
nach JiUland hinauf. Denn unter den ("imbri und Teutoni versteht Plinius
die Bewohner von Jülland und Sclik-swig- Holstein. Wie Müllenhoff (A A,
II 117 1.) meines Erachlens in überzeugender Weise dargethan hat*, gab w xu
Plinius' Zeit keine Viilk^r mehr, welche diesen Namen wirklich getragen
hatten. Den Namen Cimbri, den die römische Geographie auf Juiland haften
licss, behielt man aber ebensn wie den der Teutoni oder Teuloues bei.
Diejenigen Völker, welche Plinius unter dein gei."graphischen, nicht ethno-
graphischen Namen der Cimbri und Teutoni als Inin^iaiweii bezeicimen
wollte, sind also die jütischen und schleswig-hnisteinschen Nerthus- Volker '
des Tacitus, die nacimialigen Angelsachsen. An diese sdiliessen sich auf
der linken Seite der Elbe unmittelbar die als ingwiaiwisch namhaft gemachten
Chauci an, welche südwärts bis nach Hannnver hin, westwärts bis zur Eros
Wühriteii. Da Plinius bei den Ingwiaiweu .so wenig wie bei den andern vier^
»Gennanomm genera« a!le einzelnen Völker anführt welche jenen grossen'
Hauptstammen zuzuzahlen Sind, so isl man berechtigt zu fragen, welche von
Plinius nicht genannten Völker man aus andern Gründen dem einen oder
dem andern dieser Haupistamme zuteilen darf. Als ingwiaiwisch durfte
man, selbst wenn es die Sprache nicht bewiese, a priori zunächst ihe Friesen
in Anspruch nehmen, weil diese geschichtlich den Cliauci am nächsten stehen».
Der Xaine Ingwiaiwcn deckt sich also mit dem sprachlichen Begriff Auglo-
friesen. Im J. T(x> n. Chr. nahmen diese ingwiaiwen das Gebiet ein nörd-
lich einer Linie, die man sich etwa von der Mundung der Zutder-Scc nach
Münden und von hier nach Hamburg hin ziehen mag. Von Holstein war
■der westliche und mittlere Teil ingwiaiwisch. Schleswig und Jütland ganz und
nach i> 1 11 auch Fünen. Vgl. die Karte zu S. 8ik).
i) Plinius. X. //. IV q6. Der Schriftsteller beschreibt die KOste
Oceanus septentriunalis. Nachdem er, von. Osten kommend, alleriei Sagen*'
kiiftcs von den Scythen den griechischen Geographen nacherzählt hat, fahrt
er for: »Imipit deinde darior aperiri fama ab gcnte Ingua^-onum, quae est
QJ, C AsGEXiFRiesEK. j. Friesen.
845
prima in Gemiania. Mons Sae\-o [das nonnegiiiche Gebirge] ibi inmetisus
.... inniancni ad Cimbruruni usquc promuntorium [Kap Skagcn] cfficit ai-
num. cjui Co<ianiis vocatur [Skagcrak hf zw. Kaitcgal], refcrtus insulis, qiiarum
clarisäima est Scadinavia in« ompertae magniludinis.» Dass die Kjöleii* dem-
selben Festland angehi>ren wie Schweden, war der römischen Geographie
nicht bekannt. Man glaubte, zwi.schen den Inseln Norwegen und Schweden
fliesse das Meer. Sdiweden ist ihm Scadlnana. und zwar kennt er dies
Land als eine Insel des siniis C'odanu.s welcher auf iler einen Seite von
dem mons Sacvu begrenzt wird. Der sinus Codanus ist bicinach das Ska-
gerak und Kattegat. Als Anwohner dieses sinus Codanus kennt Plinina
die gens Inguaeonum. Da er angiebt, da.ss der den Römern bekannte Teil
Skadinawiens von der gens Hille\ionum bewohnt wird und zwar *quingentw
inculente pagis- (,V. //. IV 06. vgl. oben § loj), so miiss er sicii die Ingwiaiwen
im sQdlichen Norwegen oder in Jutland ansässig gedacht haben, jcdcnfalb»
letzteres wegen der Worte »inripit deinde clarior aperiri fama ab gente
Inguaconiun*. denn Jutland Ist das nördlichste germanische Land, das den
R/Jmeni bekannt war. Und wenn sich Pliniu.s auch den mons Saevo
innerhalb chs ingwiaiwischen Gebietes gedacht haben sollte, was nicht mit
Notwendigkeit aus der Stelle hervorgeht, so würde daraus nt>eh nicht zu
folgern seiu, dass die Ingx^Taiwen auch in Norwegen gesessen haben. Denn
Plinius dachte sich den mons Saevu nicht in Skadinawien sondern als eine
besondere, westliche Insel. Als »prima ^n Germania-« bezeichnet er die ing-
wiaiwische gens iusofeni, a!s er vorher von scyttiischen Völkern gcsprocheu
hat. Wie man sieht, besteht also zwischen dieser Stelle und der erstge-
nannten kein Widerspnich *.
1 Zur XamciiTorm v»;!. g 81 Xole 1. — * Antlers R. Miicli. HBB. X\1I
216 f. und O. Zi|»pcl, l}i> Heimat der Ktmbern. Hrogr,, Ktini^sbvi^ 1893, S. 9;
rgl. auch H. Müller, AftlA. XXII 133— Ij6. ~ ' Vgl. Zeuss 138 f., Her be-
sonder? djiniiir hinwri»!, de» die Chamn, biKhi:r ntit d^n Rilniem vcrttfindrt, dcrvD
Feinde wurden, »cilialtl nch die Frieden ge^en die Rünier rmpörteii. — * Die Deutung
<>■ Kossianas. IF. \\i 308— 3T0, <lnss nach der leUCcn Stellf die Däne» unter
den Ing%b'iaiw(ni zu venlcben »den, luino ich mir nJchl zu eigen machen.
Anm. Der Xamc Ingwiaiwcn l»t möglicherweise bcrciw gegen Ausgang de» 4. Jahrl«.
V. Chr. dem Pychens Itekannt pewcsen und «war in Schlcswig-Hohiein, wenn iiinil nfim-
lich dm bei Plintu« (A*. H. XXXVII 35) tiberiieferten Namen Guictwi wsa EfrYlONEC
herleitet; v^l, D. Deilcrsca, 1%. d. Ges. f. Scblesw.-Hobc^l^nenb. Ocscb. XV (r885>
325 f. und ."V. Riese, Das Rheinis\ke Orrmnnim in */r-r anlikm Littfrntur. Leipzig
1892, S. 476 a und 494. Ich hatte eü litr wAhmcheinlicher, dau Cutonei xu Icmh (g 51),
und oehinc dcmoacb an, da« die In^iajwen erat nach deni Abtugc ikr Goten um joo
T. Chi. (§ 53) «lon Osten oder Süden in SchlesM-ii^-Halsteiu einrückte», um sich allmil)-
llch, den SkAdinawiem fclgcnd, bis Aber die dänischen Inaclo auszubreiten.
I. Friesen.
T, D. Wiarda, Ost/riniuhe Gnckichte I— IX, Auriclt 1791— 98; X, l. uml
3. Abtb,, Leer 1817. — Zeuss 136—158, 397—400, 583. — W. Eekhoff, Brkitopte
geichieiirnis van Friesland, Leeuworden 1851. — II. F. W. Pcrizootus, Geu:küki*
Ottfries/aniis, ^ &le,,Vn'tener iSbS — 69. — J. Bolbuis vab Zeeburgb, Kritifi
der Frificht gezchiedtchrijviHg, 's Gravenha{>e 1873. — O. Lcding, Die Freihtit
der Friesen im Mittelalter, Kmdcii 1878. — K. v. Ricblbofen, Unteniuhungen
über Frietiiche Re^htigtichichie, 3 Bde. und Xhcil lU Abschnitt 1. Berlin 1880.
1883. 1886. (Daraus sepamt: Xwi Karten von Frieihind im netinten und im drei-
lehnten Jahrhundert . Berlin 1883.} — Hoott van Iddekinge, Frieslandende
Friesen in de middeUeutivn, Leiden 1881, — J. Winkicr, Oitd A'ederütnd. 's-
Grvvctüu^je 1888. — Tb. Siebs, Zur Geiehiehte der englisch-frieiiseheH Spraehe
I, Halle 1889, S. 5—33. — P. J. Block. Frieshutd im Mittelalter, Ülwrseüt
von O. G, Houlrouw, Leer 1891. — A. Meitsen, Siedelung und Agrar'
S46
XV. Ethkockaphif. der germaxischen St.Xmme.
Wi-wüi n, Berlin 1895, S. T — 53. — G. Sello, SaterlanJi äittrr ürarAffMte ttnd
rer/asiung, Oldriiliurj; uinl Ldpüig 1896,
§ I2.V Die .'Üteslen hisiorischcn Sitze tler Friesen (vgl. oben S. 804) sind
nach unscra Quellen zweiMlos die Munjcheii zwischen Zuider-Sec uud Ems
^richtiger Burtanger Moor) gewesen *, in welchen noch heute Friesen wohnen,
und in deren wesUichcr Hälfte Me noch heute ihre friesische Sprache tK'wahit,
haben. Die Frit^sen sind also der am weitesten nach Westen vorgeschober
Stamm der Ingwiaiwfii gewe<ien. Wir wissen, dass Friestand einst keltisch war
(§ 3'>^3**'- Die Friesen sind alsü von Osten eingewandert. Sei es, dass
sie zur See, sei es, dass sie zu Lande gekommen sind, die Ktgentflmh'rhkeit,
dans sie .lich ausschliesslich auf Mari>chboden nieder^lassen mit absichtlirher
Vermeidung des Gepsibndens (z. B. bei Groningen), weist darauf hin, das*
sie mit solchem R.^den bereits vertraut waren, folglich, dass sie entweder au»
Ostfriesland ofler, da auch dieses gegen Ausgang des 4. Jahrhs. v. Chr. Ge-
burt noch im Besitze der Kelten war (§ 38), aus der nordfriesisdien und
dithmarschen Marsch an der Westküste von Sclilesmg- Holstein gekommen
sind. Mit diesen zu erseht iessenden IJrsilzen hätten wir auch den im § \2\
vennissten geographbiclieii Anscliluss an ilire englischen Brüder gewomicn.
1 Vgl. bcsondirrs Plinins, .V. //. IV 15; Tac^ Germ. 34; DJQa Kassioj
UV J2: Ptol. Um.:.
§ 124. Die Friesen wurden im J. i.; v. Chr. von Drusus unter^'orfen ',
befreiteu sich aber im J. 2S n. Chr. «-ieder*. Im J. 47 sich aufs neue im-
terwerfend ', haben sie seit 60 ihre ^Selbständigkeit behauptet *. Sie liaben
ihr Gebiet bereits im i. Jahrb. n. Chr. auszudehnen gesucht. Corbulo wies
ilmen icn J, 47 neue Sitze (westlich der Zuider See?) an". Aber aus dem
von ilmen im J. 58 besetzten Strich zwisclicn dem unteren Rhein und dem
reell t.sr heinischen limes wurden sie von den Römern wieder vertrieben * Sie
aerficicn, wie andere Stümiue, in majores und minores; Ictzlcrc waren, wie
■es si'lieint, über die heutige Zuider-See nach dem nördlichen Nord-Holland
hinübergewandert. Ihre spatere Auibreitung längs der niederl.lndisclien Küste
bis zur Schehle-Mondung im 7. Jahrh. ist problematisch. Es liandelt .sicli hier
nur um eine Aus<)ehnung ihres Machlt)erciches Ober niederfrlinkische Stamme.
Aber es ist uieht erweisbar, dass das von Friesen bewohnte Gebiet je ein-
mal sQdi*-arts über Amsterdam mxl Alkmaar hinaus gereicht hatte, wo sie an
■die friinkischen Caniienefates (§ i/c^'t grenzten". Diese westlich der Kuider-
See wi>hnenden Friesen bicssen im Mittelalter Wcstfriesen; ihre Oslnachbam.
die wir heute Westfriesen nennen, hicssen Mittclfriesen Die Abs<inderuni;
der Ustfricsen fand statt, als die Chaud das heutige Ostfriesland gerSunit
liatten. Das westliche Friesland wurde 689 durch Pippin von llerisiat, da*^
mittlere 754 durch Karl Martell, das östliche bis zur Wesermündung 775 —
785 durch Kad den Grossen mitcrworfen, und seit dies« Zeit haben die
Friesen, ungeai litcl einer gewissen selbständigen Stellung, ihre politische Utiab-
häugigkeil verkiren.
1 DiCn UV 31. — « Tac. Ann. IV 7J ff. — » Tac^ Ann. XI 19. —
< Tac, JIM. IV 15 r. — & Ttc. Ann. XIII 54. — « üüt. IV 15 f. Vgl. dun
J. G. Oltcnift. t)c Vrijc Frits IV 105 — 182.
S t.'-i. Nach Proku])ios (Ä G. IV 20. Pö^oC) hatten sich Friesen an der
Besiedlung Englands beteiligt — «-ir können ihre Spuren hier nicht feststellen.
Ein FmuncfcUi nLirdlidi dtr unleren Un.strut bezeugt uns ihre Beteiligung an
<ler sjlihsischen Kolonisation Nordthüringens'. 1143 werden Friesen geuanul
als Kolonisten in dem osthoUteinischen Kirchspiel Süssel, und auch sonst
haben sicIi Friesen vereinzelt an der Kolonisation von Nordostdeutschland
tcteiligt«; vgl. dcu häufigen Namen Frese m Norddeutschland.
HI. C I. Friesbx.
847
1 Ltlteraltir s. Ndd. Jb. XIT 58 Fussnote. Du« Friesen die Kante I.ant]-
■chart iiorHIich der unteren Uosirut bis Wippra und Eialeben bcuedelt haben,
nuiM wegen der tltüringitchtn Onsnamen itit -stft/t dcd 'radf als aasgcscbloiisen
gellen, sowie deshalb, weil wir keinerlei Spuren von frie>isclicr Sprache nach-
weisen können, wShrend »ich volche doch in dem Ötilicheren Hoieg.-iu ünden.
Di« thäcinFn^'che BevÖlkeruD); i»t <i1Tcnbnr bitten f;ebliet>cn, und das debiec ist
nur einer Frie^cnschar iui;esptf>clien worden. Friesen werden ü«« Dorf Fries-
dnrf (bei Wippra) und die l-'rie§.enliurg (südöstlich von Wippra) Kecrändet hüben.
beide unmiltelliar an der NorilercTuc des Fnescnleldcs |>elct:en. Vgl. 11 ci>
unten § £44 AniTi. — * Cbcr weslfritrsische Kolunicrn im Hildtslicimschcn aus
dem 12. Jahrh. vgl. Ndd. Jh. XII 72 Ftisinittc.
§ 12b. Wir teilen rJie alt- und iieufriesiM-hen Mundarten gcwolinticitK-
massig iu /.wei Gruppen ein: west- und (istfrifsisrh. Hierbei bleibt das im
Mittelalter Weslfriusland Kcnannle Gebiet, aus welchem wir keine Spradi-
denkiiiJiter h.ilien, ausser Bftraebi. Die Grenze zwischen den l)cidcn west-
friesischen Gauen We^trrg.. und <.Mergc. und den ristf riesifw hen Gauen bildet
die I^ut'vs; die heutige Provinz Grniiingeu gehörte n"rh zum osifricsischen
Gebiete. In Wirklichkeit sind die niundanUrhen Unlersrhiede /wiscliea
West- und Ostfriesiscli zu Beginn uiuterer litte rarischen überlief erunfj um
1300 noch sehr gering, Auch die spätere Kntwicklung der Sprache zeigt
eine aUniahliche Abstufung nach Osten hin. Stärkere .\bweichunjjen zeigt
vor allem die links der Wescmiünduug, in Butjadingen und im Wangerlaiide
jjesprocheiie Mundart der KOsIringer (gegenwärtig noch durch die Insel
Wangeroge rcp rasen tiert). Wenn es nach der Sprache zweifelhaft er^heinen
kann, ob die Friesen je in die zwei gesonderten Gruppen der West- uml
0>ifiiesen zerfielen, so ist innerhalb Westfricslands ein grusserer sprachlicher
Unterschied vorhanden, der noch nicht gcbilhn'nd gewürdigt ist! Heute
zurürkgedr.ingt durch dys in der niederländischen Pntvinz Kriesland hei-
schende = Laodfne*iscli-. wird im aussersten .Sfldwesten dieser I'ruvinz, be-
sonders in Hindelopen, eine erheblich vüu dem übrigen Wcstfricsiachen ab-
weichende, leider aus altfriesifichcr Zeit nicht belegte Mundart gesprochen,
das sogenannte »Zuidhoeksch-. In Anbetracht des bedeutenden sprach-
lichen Abstandes darf es als wahrsrheinlicli bezeichnet werden, dass wir in
dem Zuidhoekscb einen Rest der Mundart vor uns haben, wie sie wcstlicli
der Zuider-See gespruclieu wurde.
Schon im frühen Mittelalter waren die Friesen in verschiedene Stamme
gespalten, und der alle Friesen umfassende politische ßund gehurt in das
Reich der Fabel. Wie es in dieser Hinsicht l)estclU war, Schilden uns an-
schaulich J. CadovJus-Müller in seinem lOfji vollendeten Memoriak Unf>H(e
Friiüüt^'. -So ist auch dieses naclidencklich v^iu der alten Oistfrisisclien Sprache
zu wissen, dasz. weilen die altc-n Oistfrisen nicht unter einem Haubt und
Für^teti wahren, sondern fast ein jehdes Kirchspicll und DorfE (long) hatte
seinen eigenen Herren und Haubtling (capitaneum), welche aljcr fast alle
Zeit mit einander Streitigkeit hatten, su hielt sich ein jegliclies Theil in
Semen Grentzcn und hatte keine; grosse Gerne inschafft mit ihren Xachhahron;
daiinenhcro sind grosse und viele dialectus in der alten Oistfrisischen Spra-
dien gewest, dasz fast ein Nachbalir den undeni kaum hat verstehen können.«
t ed. L. Kfikclhan, Leer 1875, S- '4<
§ [27. Die friesische Si>rache ist heute nur noch in der Provinz Friesland
und in dem Saterlande lebenskräftig- Das westlich der Zuider-See gespro-
chene Friesisch ist im 17. Jahrh. ausgestuiben. Ebenso ist die Sprache in
Ostfriesland im Laufe des 17. Jahrhs. bis auf geringe Rette ausgestorben ^
Auf Wangertfge und in der Kolonie Neuwangeroge bei Varel ist die Sprache
gegenwartig im Aussterben l>cgriffeii: iSicjo zahlte man hier im ganzen nur 3?
Menschen, welche der friesischen Sprache noth mächtig waren.
Ein kräftiges Stamm e^bcwusstsein aber ist heute noch bd allen Fneseti
lebendig *.
1 Einige Zcu^isse PBB. Xllt 550 Anm. ond Sello S. 63 Anni. — ^ Be-
zcEcbßcnd iftt, dies liet <ler VolkszShIunf; 1B90 im RceicnuiKsIxzirk Aurich aahfjca
25000 FrieKn lätrShlt wurden, die al« ihic Mmtcrspracho Fricsucb auigcyebi'm
biibt:n, wllbT<-ntl sie «lax ostfricsiKbe hlattdeuiicb spnxh<;ti.
Nordfriesen.
A. L. J. MichclBcn, J^'orä/r/fs/anä im AlilUlalUr, äcblctwjf; tSlS. — ZcDSS-
399 f. — K, Miiltcnhoff, Nordalbingischc Studien I (1844) itl — 114. — C,
P. Hadsco, t'kromk der p'rinifcftai Uthlande*, Gording 1877. — K. J. Cle-
ment, SchUrtcig, das urkrintiscHt' Land dfr Angeln ttnd Frtsrn. Mambuis
1862 (auch u. tl, TilH: Sf/i/nvig, das Vrheim dfr /tngrln und I-'nsrn, Hambuis
IÄ67), — V. I.anghuiii), CArr di-n Ursprung drr Xttrt/frirsrn, Wien 1879. —
H. Miillcr, /im nltmgiiiitu fniJksrpos I, KiH 1883. — O. Bremer, Xdit Jb.
XIII 1 — 12. — B. lei» Brink, BfO'jmt/. Slras&biirg 1888. — K. M(lllcnht>rf,
Jitfivutf. Berlin 1889. — Tli, Sieiis, Zur Gruhichte der mgliuh'frien'uhm
Spraihe ], Ilalk- 1889, S, 32—30. — I,. Weiland, Die Angel».' Tülii»gi-n
1S89. — P. Ljiiiridstii, Om Nordfrisfmes indvandring i Sonder jyliand. Htst.
lidikr., 6. r. IV (1893) 318 — 367. — A, D. Jorcenstrn, frisernes indvaudrinff
i Souderjylland, Siiadftjj'dikc urb^'fi^r 1B93, S, 117 — 190.
§ 128. Eine besondere Stellung nehmen die Nordfriesen ein. Sie zcc-
falleii in zwei scharf getrennte Grupiien. Zu der einen gehören die Bewohnefj
von Sylt, Jlet^uland, Fuhr und .\mruni, zu der andern die Bewohner der
Halligen und der Sihlt:swigschcn Westküste zwischen Husum und Toiidcni
und gehörten bis in das 17. Jahrh. hinein die Pelwomaer, Nordstrander und
Eidcrstcdtcr, w^elrhe seitdem ihre Sprache mit der plattdeutschen vertauscht
haben. Innerhalb jeder dieser beiden Gruppen sind die sprachlichen Unter-
schiede SC) bedeutend, dass eine Versiilndigung zum Teil kaum n«>fh mög-
lich ist; gänzlidi ausgeschlossen ist eine solche zwischen den beiden Grup-
pen selbst Die Unterschiecte gehen in das frühe Mittelalter zurück. Das
Festlandsfriesisch (mit Einschluss der Halligen) ist eine Sprache, welche zu
dem West- und Oslfriesischen in so naher Bczichiuvg steht, dass kein Zweifel
Über die Herkunft dieser Friesen walten kann. Während diese sich selbst
Friesen nennen und ebenso von ihren Nachbarn genannt werden, ist dieser
Name bei den Bewuhnem jener vier Inseln nicht gebrauchlich, und deren
Sprache weicht vnn der uns bekannten friesischen Sprache dermassen ab^
eine Zurückführung jener Mundarien auf das Altfriesischc ist sti undurch-
führbar, dass es zweifelhaft ist, ob wir es flberluiupt mit Friesen zu thnn
haben «ider nicht vielmehr mit einem andern anglofriesischen Stamme. Darf
man eine hervorragend altertümlidie Übereinstimmung mit dem WestsJIcli-
."iisclien, die mindestens bis in die westgermanische Sprachjwriode zurückrei-
chende Diphtliongierung nach Palatalen als Kriterium wählen ^ si) wünic
die Annahme geboten sein, in jenen Insel bewohneni die kf(niinenl.-den Reste
von de:i nach England atisgewandert cn Weslsadiscn zu sehen. S«> lange
indessen die Hindeloper Mundart (§ 12h) noch nicht nälier erforscht ist, er-
scheint es mir geratener, einstweiten die Frage nach der Herkunft jener
Inselbewohner in der Schwebe zu lassen. Gesetzt aber, die Erforschung der
Hindeloper Mundart ergilbe ein negatives Ergebnis, so würden wir immcrhitt
noch mit tler Mügüchkeit einer anglofriesischen Kolonie aus detn GdiictB^
der Rheinmündung (§ 130 und 132) zu rechnen haben.
Die historischen Zeugnisse über die Nordfriesen lassen nichts von der
I
III, C» I. FaiESEM. 2. Akgelsachsek.
849
Spaltung in die zwei Gruppen erkennen. Wenn als» ein Zeugnis für die
Einwanderimg nus West friesi and sprichi, sn braucht dasselbe nur auf die
Festlandsfricscii bcz(»(;ren zu werden. Kiii si< hcrcs lusloiiscliis Zrupiiis fehlt
allerdings. Aber mit einiger WalirscheiiUiciikeit dQrfcn wir Langtians folgen,
der (S. 34 — 38) die AnNairs P'ttlJatses rxim Jahre 857 herbeizieht": »Rorih
Nordnmriiius, qiü pnicerat Doreslado, cum cünsensu duminl sui, HIotharii
regis classem dnxit in fincs Dan-irum i*i i'nnsrntirntc Hnriro Danumm rege
partem rcgni. quac irst inter inart- et F.j;idt)raTn. cimj sin iis suis i>oss;edit.«
Rorich war I.c'hn,sfürst filier friesische Lande, über Rftstringen, dann über
die Insel Walcheren. Schon 850 hatte er mit seinen Friesen in tlUnischem
Gebiete Fuss , zu f.iSÄcn gesucht. Die socii, mit denen er 857 das Land
nördlich der Eider in Besitx nahm, k^inncn nur Friesen gewesen sein. Es
scheint demnach, dass die Festlatulstfric^-n damals eingewandert sind ". Nam-
haft gemacht werden sie zuerst in der Mitte des 12. Jahrhs. von Helmold
und Saxo. Letzterer sagt von ihnen <: »Hos a Fcisonum gente condttos,
norainis et Hngue sorietas testimonif> est; quibus nov.Ts querentibus sedes ea
forte tellus obvcnit; quam palustrem primum ac humidam longo dutavere
i'ultu. Ammtiii>itnido dciiidc pruivimie sub nostrls regibus esse cepiL*
I'olitisch selbstSnd^ sind die Nordfriesen nie gewesen; sie waren dlintsche
Unlerthanen, wie sehr sie auch iliescs Verhältnis zu ihren Gunsten xu ge-
stalten verstanden. Die Sprache bezeugt, dass die Ni>rdfri&icn durch die
Danen stark lieeinflusst wr.rden sind.
1 Verf., Ndit. Jb. XEIfg— 11 und IF. IV25-3I. — « Mon. Germ. Scr. I 370.
— ' Auch nach Jitrffcnsen »tchl die Einwanderung im Zusammenhang mit
den Raobeä^en der Frieden gegen die Dänen im 9. Jahrh. L;itiridsen nimmt
die Einwanderung um das Jahr 1000 an, H. H. von Schwerin, liel^otand,
l.und 1896, S. ;i f. bäll es Für aus)tcri>rdentlicb wahrscbeinlicli, dus Adam voa
Bremen die Nordfriesen nocli nicht gekuniu hat; sie wjren d«o etst fröhuens
im Ict/lcn Drillcl des n. Jahiht. eingewandert. So viel ist sicher, du» Kriei-
land bei Adaiti NordfriesUnd nicht mit etnbegrcift, was tmlessen nicht 2U ver-
wundein i;t, da NurdfricEUod politisch xa ü&nemark gehörte. — * cd. Holder.
S. 465.
Anm. Die Sprache der Helgolander nimmt eine Mittelstellung xwischen der am-
ringiüch-fohnngischen und syltringischen ein. Nach der geographischen Lage sollte
man hei einer Einwanderuni^ aus dem Westen vermuten, dass die Üesiedlung von
Ammm-Föhi nnd Sylt von Ilel^olaml »us^je^ongen sei, «ire nicht diese Annahme
wegen des {auch im Mittelalter) geringen Umfnnges von Helgotiod ftusge^cMosxn,
Das utri;ekehctft Verhältnis bcreugl Petrus Sax, BnchrribitHi: d'-r intui Hrli;<dut*d
1636 (PäniMchc Bibliothek VIII, Copenhagen 1746, S. !;u5 — 5^4): Die Helgolander
hSUen mit den Fuhri»gcni -sonst gute corrcspondeDCc gehalten, und skh mit ihnen
beschwäi;ert, inmas'ieii ich solches auch einem alten Dix-umento, 14II3. am Tage
Diony«ii datirct, wahrgenommen habu^- ; in alten Utcinischen Testamenten war -Ton
Wischen uml Wcyden auf Helgoland gedacht und von Föhr auf S. Johannis Kirchen
und deren Aitüre gcUuiel.' nifj-iiaik i>t •ui^tmehnn-n, ila»« die Hrlgolamler vmi Ft^hr
gekommen sind und xwar schwerlich früher als im 14. Jobrh.
2. Angelsachsen.
Baeila, Hutoria ettUsiaxtüa gnttü Augiontm (bis 731) ed, A. Holder,
Fre!l)nn: i. B. und Tübingen l8Sj). — D. Ilame, fiislory 0/ Englnnd fr*m ihe
invasion uf Jul. Ctrtitr to Ifu rrvoiutign tn röfUi, 6 tiilo., L»nduii '754*— äj*
new ed., 8 Bde., Lcmdoo 1773; deutadi von Dusch, 6 Ude., Breslau I7ii3~7l,
— O. Goldsmitb, Tkr liisfory af England fram ike tarUtit timn ta tfie drath
0/ Cforge 11, 4 Bde.. 1771; deutsch Ton Scürückh. 2 Bde., Leipzig 1874 — 76.
— Sh.Turner, 'J'fif htstory of thc Angh-Saxons J'rom earlirst p<ri»d to thf Kw^
man conqtust. 4 Bde„ London 1799 — 1805: 7. Aufl., 3 Bde.. Paris 1S5J. —
Fr. Palgravc, J/istaty ef Jinglütd I. jlngto-Saxon peiicd, X-ondon iBjt : Uhtory
CermanLtchc Philolcixic: 111. '.'. AuD. &4
lif thr Anflc-Sa.\oni, nc-w «I., t^iulon n. J. [1S7O], — J. M. Lappcnberf;,
Gtsehühte von England l (Im« 1066). 1!, H.amlMirK 1834. 37; IIT— V v(in R. Pauli.
Hamtmrt' 1853. Goiba 1855. 0^ VI— X (bin 1850) von M, Broich, ebd. 1890
— 97. — A. F. H. Schaumann, Zur GeirhuhU J^r Kroherung Englands durch
gvrmnnisikr .Y/aw^w-' (fjöidtiRcr Studien 18*5). Gö[iirE«n l84>. — J- M. KcriMf,
The Saxcns in England. 3 ßdc, London 1849, 2. Aufl.. London 1876; iicutdch
von II. B. Chr. Brandes a. d. Tiwl £>ie SacAsrrt in England, t Bde.. Lciptij;
1853 — 54. — D. IL Hatgli, Thf tonifufsl 0/ liritain by tkf Saxam, Londn»
t86l. — Tb. MilU-r, Hisiory 0/ Ihr Angla-Saxons /rom ihe tarlirst prri'od lo
thr Norman c^nywsf*, I-ondon 1867. — J. Hcinscb, Die Rritkr drr Angrl-
sacAien sur Zrit Karl's dfj (irexsen, l>ts»., Br^lau 1875. — J. R. Green, A
kislory "/ (hf Enghsh Jtrofii,: 4 Bde.. London 1877—80: 2. AuR. l. IL 1888;
deuucb von i^ KircUiicr u. d. Tilcl Ißesthichte d^rs cngluclien i'oUri, l Bde.,
Berlin i88g. — dcrs,, Thr maiing «f England. Ltndon i88a, — der»., TTu
conqiieii of Eagltnä. Landon HiSj. — H. Möller, Das altrngO'tche i'oltj<pos I,
Kiel 1883. — E- Winkf-Imann, Gmhvhlr d^r Angeliaehim bh nww» 'J'odc
j-Ulfrfä/. Btrliti 1S83. -- J. Beddfjc, Thr reuet of Britain, I.«.ndrin |88f>. —
F.Y. htiwcll Biiil J. M. M.iiUuy, Htatory 0/ England 11, Ijirwl.m l88f.. —
K, MalUiihoff. Brin-ulf, Bt-rlin 1889, S. 53 — 109. — A. Mcitj:i-ii, S/edrliing
und AgrnruYim II, Bcrliu tSqj, S. 99—122.
§ I2q. Unter dem Namen Anjielsachsen fassen nir eine Reihe \'on nahe
vtrwandtcn Stammen zusammen, soweit sie sidi an der Besiedlung Englands
beteiligt haben. Wie der Name ' besagt, waren die beiden vorhersehenden
Stamme die Angein und die Saclu.en. Die kunlinentaleii Wolmaitze beider
sind einigermassen bekannt: wir werden in erster Reilie nach Srhleswig-
Holstein geführt. Hier, jenseits der Langobardi in Lauenburg, kennt Taci-
tus {Otrm. 40) sieben kleinere Stamme, die Reudigni, Aviones, Anglii,
Varini, Eudoses, Suarincs und Niiithunes, »nee quicquam notabile in
aUigulis, nisi quod in commune Nertliuin, id est Terram tuatrcm, colunt«.
Also eine Amphikiyonie, welche die ethnographische Zusammengehflrigkeh
dieser St;imme bezeugt. Unter den genannten Stammen befinden sich di
An(;ehi. Die Sadiseii kennt Tacitus überhaupt nirht. Sie sassen nach
Ftolcmaios südlicher, im heutigen Holstein. Da aber der Sachsenname den
Römern kaum zu einer andern Zeil als unter Augustus (vgl. oben S. 743)
bekannt geworden sein konnte, so dürfen wir aus der Nichterwähnung der^^
selben bei Tacitus schlicsscn. dass sie nicht zu jenem Nerthus-Hunde ge-^
honen, dass also die Staimncsveradiiedenheit der geschichtlichen Sachsen
und Angeln damals liert;its vorhanden M'ar. Ihre politische Zusammenge-
hörigkeit und ihr Erwachsen zu einem Volke datiert erst seit ihrem gemcinT
Samen Scliicksal auf brittischem Boden, insbesondere .seit der Vereinigung
der angelsächsischen Königreiche im Jahre K27. Wührend der englisclie
Stamm nach Britannien hinüberzog, haben die Sachsen neben ihren neuen
Sitzen ihre ki>ntinentak:n Ijewalirt, erscheinen also gespalten in englische und
deutsche Sachsen. Die Auswanderer haben ihre Beziehungen zum Slanim-
lande nicht lange aufrecht erhalten. Im Laufe der Zeit sind sie zu einem
andern Volk geworden. Mehr aber noch haben sich ihnen die kontinentalen
Saclisen (hirch Aufnahme frUnkischcr und thüringiwhcr Elemente entfremdet,
und ihre zunehmende Verschmelzung mit den deutschen Stammen hat jeUt
den beredätcn Au:idruck in der .^imahmc der hochdeutsi'lien Sprache gefun-
den. Das Volk der Sachsen hat also seinen Anteil gehabt, activ und passiv,
an der Begründung der beiden grossen Nationen, zu welchen die westgermani-
schen Stamme schliesslich erwachsen sind, der englischen und der deutschen.
Nicht teilgenomnicn an der Besiedlung Englands, wenigstens nicht poli-
tisch üelbstandig aurireten<l. haben von den Anglofriescn ausser den Friesen
noch die den Angeln nahe verwandten Varini.
» Vgl. bimib«- Grdr. » I ^»8.
III, Ci 2. Angelsachsen.
03"
a) Varini.
Zeus« \i2l und 360— 364. — K. Mülknhoff, Xotdatb. Studien I (1844)
134—134. — W. Seclmann, 'SM. Jb. XII 4 -35, 44—48 und 53 — 57.
§ 130. Die V.iriiu gehörten nach Tacitus (^^/wi. 40) zu dem Verbände
der Ncrthus-Vülker *. dessen bedeulendsler Stamm sie n;ichst den Angeln
gewesen sind. Ihre Wohnsitze mässcn nach Tacilus in jQÜand oder
Sclileswig- Ho klein gesucht werden, nach Plolem;iios {II 11. 9)* im östlichen
Holstein und im Laucnburgisthcn. Dicüe Sitze würden also auch für Tac.
angeni mimen werden dürfen, wenn sie 1I& sicher fesbitflnden. Das ist aber
nicht der Fall. Sämtliche Lokali tderungen bei Ptöl. sind unsicher, diese um
so mehr, als die Zrf-foyfc des Plol. sie von den in Schleswig und Jütland
wohnenden Stilmnicn trennen, zu denen sie dodi nach Tac. gehörten.
Wenn also Überliaupt ein Wert auf die Bestimmung ihrer Wohnsitze nach
Ptol. 7.U legen ist. ») würden wir sie an die Ostsee, nicht an die Nord-
see verlegen dürfen und zwar zwischen die Angeln und Sachsen, also von
Schleswig ab südlich hh ins üstliche Holstein. Mit grosserem Rechte darf
man diese Lage aus der Angabe folgern, die dem Plol. offenbar vorlag,
dass nilmlich ihre Nachbarn auf der einen Seite die ^ä^ovf^, auf der andern
die 'Ay/£tXoi \k-arcn; da Ptol. die HyyctXoi falsclilicb am linken Eibufer an-
setzt, wahrend die ^ä^oye; richtig nach Holstein gesetzt werden, so musste
er die Otfägvoi ins Lauenburgische verlegen. Naclibam der Angeln werden
die Varini aber jedenfalls gewesen sein, nicht sowohl weil Tac. beide neben
einander nennt — das kann Zufall sein — , sondein weil sie später an der
Seite der Angeln auftreten '. Zu .\nfang dua 6. Jahrhs. kennt sie Prokopios
{B. O. II 15, P 422 D) als südliches Nachbarvolk der Danen, welche da-
mals wahrscheinlich schon in Jfllland sassen (§ 1 1 1). Sie scheinen also üire
alten Sitze bewahrt zu haben, mag auch das Promontorium Varinorum 1231
(Warnas) darauf tiinweisen, dass sie sich nacJ» dein .Abzüge der .\ngcln nord-
wärts ausgebreitet halben. Ein Teil des Volkes hatte sich an der Auswan-
derung der Nachbarslämrae nach Westen beteiligt*. Prokopios (Ä O. IV 20,
P Ö20A. (y2l. 622) kennt im 0. Jahrh. Otfiovoi auch am Niederrhein, »5c
sieg «rroiV « diogi^ec k«* ^gdyyoi'g*. 'Ovugvfji dh xüX 0gayyoi tovtI ftovov
xov Ttjvov rö fdojQ fteia^i' fyovtiir* '. .Auf ihüringiitchem Uoden halte ich
die Varini nicht für nachgewiesen f Die I^x Ang/iorum et Werivotutn hoc est
Thorin^orttm ' (wahrsdieinlich aus dem 6, Jalirh. ? ") dürfte, schon wegen ihrer
nahen Beziehungen zum frankischen Recht, eher auf die südlich der Waal
wohnenden Thüringer zu beziehen sein. Diese Thüringer wurden in der
ersten Hülfte des 5. Jahrhs. von den Franken unterworfen. Das wamische
K<^nigreich aber blieb, wenn auch von den Franken abhängig, bestehen; denn
hier wertlen ihre Wohnsitze zu suchen sein, als Theodorich zu Anfang des
6. Jahrhs. »Henitorum. Guarnorum, Thoringorum regibus« schrieb (§ iio).
595 wurden die Varini vernichtet. — Spuren der Varini in England südlich der
Tliemse scheinen Ortsnamen wie Wenianbroc, M'tmaa/ord zu bewahren.
^ Ein späteres Zeugnis für die nahe Vem-andtscbafi der Varini mit dea
Angela legt die F^x Angiscrum et Wennorurn hoc rst TTtoringorum »b, welch«
Tür beide Stämme du gleiche Wer^ield antetit und lach »ooit gleichartige
RecbtsverhSItnisie bekundec. — ' ÜberUefert ist bei Ptolemaios OUgovtiK
und Ava^ot. statt Orä^i-m (Zenas 133). Die Oi'iqowoi letzt Ptol. tn die
rechte Seite der unteren Elbe, unterhalb der Xif*vovti und oberhalb der bol-
stemischen ^iiovm; die AüaiKtot sind ihre Oslaachbam. Andere Beispiele für
Doppelsetiung desselben Namens s, § 95 Note 1, — ' Müllenhoff, Nord-
alb. Stad, 1 139 setzt die Varioi nördlich von dirn jVngeln an. — ' leb ver-
mute, dass die rechts rheinischen, zwischca frSakischeo Stummen «Hrgcfahrten
85»
XV. Ethnographie uer germanischen* StAmue.
Anülevarii der yotiiia di^ilntunt. deocn linksrheinjich u. a. die Herall geijtn-
überstchen , lu be*Km sind in : An^li, Varhi ; vgl. $ iio. — ^ Zcusi
jftl f. vermutet eioc Verwechslung der Ot'anrot mit den ^<i|or*,-. — * \V. Secl -
mnnn a, a. O, erschlicssi au-, der VcrbrcilunB der Ortsnamenendung •/.^•r die
Au^brciiunt; iler Warnen. Die Kndung -/cAi-h ist eine für Thüringeti in seinem
alten Umfaii;;c chnialtk-risti'^he Kmlun;;, und ebenso i%\ -//r bezw. -//?/" charsklc-
rislisch für die Däntn (bevor lie die LamUcliiin Angeln bc^ietlelten). Aus dem
UmUande, dn«s iliete Ortsnatneii aich genau innethalh der älteren hiKloriscIicn
Stammesgrenzen hatleii, vermag tvh kleine andere SchluKxfolgerung tu ziehen,
als daiA e« etien hier Dänea, dort Tbürirger gewesen sind, welche die«en Ort^ti
der Namen gaben. Mit Notwendigkeit folgert hieraus noch nicht eine ethno-
graphisch« ZuMminftngchörigkeii der Thfirirger und Dfincn oder der vor diesen
hier wohnhaften Siämine. Das von Seelmann herbeigezogene ae. /lisiv ist ein
anderes Wort •< ficnn, /if-:r- — germ. ft müssie iie. durch / rettrclen sein. —
^ Zu Thoringia, der römischen Texuandria, dem heutigen Nord-Brabant. vgl.
firegor v. Tour« 11 g. Zu iler LaniUchiA Donirgen am Niederrhein (Ät>M«-r,
ed. V. Bahder, 4835, vgl, üerm. XX 414» vgl. J. Grimm, G^ufi. der d^ut-
ickfti Sprache. 601. H. Möller, Äilens;l. l'oUsepcs I 16 Anrn. und AfdA-
XXll 152 f. führt deo Xamcn dieser Thoringi auf die Turii (oder Sturiii des
Plinius (A'. //. IV 101) zurück. — " Nach R. Schröder. Lfhrbuch der drut-
seken /irfÄtsgesehit-hte^, Leipzig i8g8, S. 244 wahr*chetnlich erst 802.
b) Angeln.
Zeus» 152 f. und 494 — 499. — V. C. Molhiiysen, De Anglen cn Xfdtr^
land, ßv\At. voor Vaderlandsdic Gcschicdenis cn Oudheidkundc III. — AV. Seel*
mann, Ndd. Jb. Xll 2— b, zi — 23, 3t, 34 f.. 45 — 49, 89 f. — B. ten Brlnlc,
Bfou-ul/, SlraMburj: 1888, S, 197 — iqi^ und lao — 228. — L. Weiland, I>ie
.'Inffefn. Ttlbingi-n 1889. — A. Krdmann, Cirr die Heimat und den AtiMnor
der Attgeln. Ujml.-i 1890. — H. Mßllrr. AfdA. XXII 129—131. '37 — 139.
143—164. — Über die N.;rtlni*. Völker: R. Miich, PBB. XVII 191—314.
§ 131. Die kleiiictcii StüinitiL-, welche Tacitus {Germ. 40) in Sflilcswig
und Jülland neben den Anpt-In nennt, und lüe mit Aiusnahme dej Varini
sonst nicht bekannt sind ', scheinen unter den Angeln piilitisch aufgegangen
zu sttD. Diese selbst sind Tacitus offenbar noch als ein Meines Völkchen
bekannt gewesen. Ihr Stammsitz ist die I^ndschaft Angeln (zwischen
S<lilesvvii» und Flenslmrg) j;cw(-sen. Vgl. Baeda 1 13: «de AhrUs, hw: est
de illa palria, quae Angiiltis tlicitur et ab 01 tem]Dare usque hixüc manere
desertus inter pronndas lularum et Saxonum perhibitur« ; .Klfrcd, OtV'
stM (ed. H. Sweet I 1885, S. 16): »Bewestan Ealdscaxum is .-Elfe müjia.
[ittre 6a antj Fry.sland. And fianon westn<ird is J)»! lond, \w. man Angle
h;6t, and SiUende and aiiiniie diel LX-na;« ebd. (S. ig): *itt H;eiiuni [d. i.
Si'hleswig]; se .Stent bctuh Winedum and Seaxum and Anplc and hyrö inon
Dene.- »T wegen dagas a-r he lö H;feJ)uni cöme, him wafs im Jnet stinirtund
Gntlaikd and SUlcndc and iglanda fcla; un pa-in landuin cardodun Englc,
ä*r hi hiticr on land cnman*'.. Später m0.sscn die Angeln ein |irr»is.*ier, marh-
tiger Stamm gewesen sein, da sie ganz England nördlich der Themse beselil
und behauptet haben. Diesen Zuwarhs werden sie durch ihre Obcrhenirhaft
til>er die Nerthus-Völker des Tacitus erhalten haben. Entsprecliciid der
Ausdehnung ihrer Sitze in England müssen wir ein grr»«sercs Gebiet für ihre
kontinentalen Sitze annehmen, seit ihr Name politisch auf )ene benachbancn
und ven^aiidten Slfluime Husgcdchnt war, was nach Ptolemuios (II ii, 8) xu
schliessen, der sie ^u den »/«y/oTa« ^jfbv Si ^itÖc nnl ftFOoyeftor l&rthvt
rechnet, schon im i. Jahih. n. Chr. der Fall gewesen zu sein scheint. Nach
Süden zu*, nach Holstein kennen diese criÄcitcrtcn Sitze nicht gesucht
werden; hier sassen und sitzen bis auf den heutigen Tag Sadtsen. Wir
können also nur an Jütland und die danischen Inseln denken. Unct in der
XII, C, 2. Angelsachsen.
853
Thal sitid hier Westgennanen — und das können nach der geographischen
Lage nur Angebaclisen oder vielmehr Angeln in weiterem Sinne des W'ortes
gewesen sein — aus den alb;sten Runeninschriflen nachweisbar; näheres
hierüber oben S. 8.56. Mindestens Füncn ist nuch luiglischer Bcxlcn ge-
wesen". Dass <he Angeln die Vorläufer tlcr Danen waren, spricht sich noch
in der dänischen Staiunies!sa>;e aus nach welcher D;m und Angul die Stamm-
väter des Volkes' 'M"arcn (Saxo I p. 21). In diesem Zusammenliange ist
auch die Ubertragui^ des Namens Ingtvine oder Ingtmnos {Beow, 2092.
2642] auf die Danen zu verstehen s< »wie der, wie ich glaube, von den Angeln
impiirtiertc nortlischc KuJt des \'ng\-i-l''reyr.
Die altengliäche Heldensage und Saxo haben n<jcli die Erinnerung an
die kontinentalen Sitze der Angeln festgehalten, insbesondere die an die
Begründung eines grossen KOnifrreiclis durch üffa im 4. Jahrh. und dessen
Festsetzung der Grenze gegen die Saclisen an der Eider*.
1 Cber die Gleichuuun^ der Eudoses mit den Kuiea vgl. Daten % 135.
Suar/rifs, vermule ich, ist a\» Su-varintj in fusen und identisch mit l'anni,
Yi-jl. Stt-gaffibri =^ Camtrhii (ZrdA. XXXVII 12 T.). — * Spätcrc Zeugnisse für
• regio illa Anglia vetu« äicta, tinde AogH vencrunt in BrilanDiam- bei Zcuss
41)6 und Erdmann i6f. — ^ V^l. hierüber MöUcr, Ae. l'olisepo} 5J Aam.
und zuletzt Q. KoBstnna, IF. VII 309. — * Hierüber «uleut H. Möller,
Afd^V. XXII 153 — 155.
Anm. Die Ilypolbcie von Zeus« 153 und 495, dass die Angela in TliiiriD{;en
geseiKen bitten, baut tidi aul einem Missversläodnis bei Ptolcmaios auf, der (U 11,
8) '1&V di ivTin itai utooyittov r^riTir /i^iora« >¥ii te t&r ^v/ßatv itüi" Vljy/iÄtv»"
nennt, -oi riair iratoXixtäitoot iwv .iayyofl6ftS(oi' afaitivoriMt ;igö{ toi a^iovi fii^gi
ttüy iiäioty roß 'AißifK .TOia/ioP'^, und deren Nadibarn jcn'»ei(s der Elbe die Scrnnea
gewesen würen. Nach Plal. fcällcn die Angeln in einer ILandschaft gewohnt, die
ihatsichlich schon durch andere Völkernamen völlig besetzt war; %gl. besonders an
der Nord^eite der Angeln die Aarjuni, die durch die Äugeln von den mit ihnen tu iden-
tiriziciendcn Knfuaoi {\g}. § 95 Note i ) getrennt und detbalb zu vrcit nach Süden
angesetzt »ind. Es erscheint mir unabweisbar, dass die benachbarten Stämme der
XaT/trtt und Kanot'üoot sowie die 'Arj'giafäoioi und XatgovoMoi auf der ursprüngli-
chen Kanenv<jrlaKC auch als Nachbarfttänune ciogetragen waren, und dass über die
Namen dieser hinweg in grosserer Schrift der (icsaiRlnamc £vtißoi eingetragen war,
und zwar vom Khcin bis über die Elbe hinaus — auch am Rhein werden die ^6'
yafißffot von den T^vxrmi durch di« £i'-tißat {AayyaßäoAoi) gtlrciiDt. Dass l' toi. diete
Sweben am Rhein Aayyoßägäoi, an der KJbe 'AyyriJLoi nennt, beruht auf Caesar,
StrabOn und Tacilus. Die Sw«l>en raesars reichen bis tum Rhein (vgl. oben %
64). Tacitus aber nennt als Uauptstämme der Sweben die Semnones {Gt'rm. 39),
Langobardi (40) und die N'ertbusvöllcGr (ebd.), von denen (nach einer andern, uns
unbekannten Quelle) die Angeln üI» der vurhetschcudc Stamm l>ckBnnt gewesen sein
werden; «et hacc quidcm pars Sueborum in lecretiora Germania« parrigituci (41).
Die iüdlicheren Sweben kennt Ptol. nicht als solche. Er kombinierte nun so: Die
Sweben reichen nach Caesar und Stiubün bis zum Rhein, nxch StrabOn und Ta.
citus bis über die £lbe hinaus (vgl. StrabSn VII 3«>o: •/tiyiaiov fiiv tnV in rAr
£o!^ßaiv Kih-Oi'dit'jxri yaij cLto r<tS 't'ijrov fif/Ü* "*'' ' AXßtin ' tititoi 6i n aviiür xai
:tigta' roEJ 'AlßKK Afttttw); es ^ebt 3 HaupIslSmnie, die Scmnoncs, Langobardl und
Anglii. Diese verteilte I'tol. aU» iilier das vom Rh«in bis äb«r die Elbe reichende
Swebenland. Dabei werden die Semnen Öülich der Elbe angesetzt. Von den Angeln
wusste er, dass sie auf der einen Seite Nachbarn der Scmuen, auf der andern der
Laui;abartlen waren. Su setzte er denn die Langobarden an den Kliein (wwhtend die
AaxKoßfujüfn richtig an der unteren Elbe sitzen) und die Angeln zwischen die Lange*
barden und Semnen. Den Namen Sweben allein kennt Ptol. nicht all Völkcrnatnen.
Dass die l.angohacden und Semnen Xachbnrn dei Angeln gewesen sein sollen, erklüit
sich unschwer. Im östlichen ilolstcin grenzten entere beide zwar nicht an die Angeln,
wohl aber an die Varioi (S ijo), welche von Ptol. eincrieiU {Ähnlich wie die .laxxo-
fid^Aot) ungefähr an der richtigen Stelle genannt werden, iuidr*r5«iu aber unter dem
854
XV. Ethnographie der germanischen St.Xume.
grosMn Volke der ^vt/ßat ot ^AYfttXol mit inbegriffea wotdea sind. Vf;1. G. Holx,
Beiträge zur dmitscfifn AtitrtumskHnde 1. Ober di< g€itn>tni5che Völkertafel dri PtoU-
maeus, Halle 1S94, S. 14 f. Holz hiAx es füi möglich, Jus die Angeln ^einmal an
der Elbe swiüchen SemooDcn und LAngoboTdcn susen<. — Gcgco £rd mannt Am*
siebt, data die Heimat der Angeln mit Ptol. an der mtlllercn Elbe aD£ni>eUen sei,
spricbc vor allem, dass der Ncrthus-Kult nach Tac. auf einer tnsula Oceuii tokalitiert
ist; Erdnianns KcUUrani^sv ersuch S, 33 erscheint mir unannehmbar. Hinecgen ist
es möglich, dass der kleine Gau Hngilin an der Unntrut auf eine (in dicsom Falle
wohl mit der sichüiscWn DcsetzuRg Xordtlitlringeiis ziiitainraenh^grnde) anglische Ko-
lonie hinweist. Die Zurück fahrUDf; der anglofricsischcn Sprache der Merseburic^
Glossen auf AngclD tPBB. IX 579 ff.) halte ich nicht mehr aufrecht ($ 144 Xoie 1).
§ 152. Ob die Angeln unniillelbar von ihrer schlcs^^■ig-jütischen Heimat
aus nach England hinübergezogen sind, dürfte wenigstens für die ersten An-
siedler zweifelhaft ücin. GtcidiwJe die Saclisen sich zimäcltöt an der Nord-
koste von Trankreirh niipdergelassen haben, um von hier aus die südenglische
Küste zu besiedeln, so finden wir auch Angeln an der England gegenüber-
liegenden Küste, umi Angeln mrigen auch mit unter den Sachsen verstanden
wurden sein, vun deren Seezögen an die areinftrischen Küsici» berichtet wird K
Die wahischcinlicli aus dem b. Jahrh. {}*) stammende Lex AngUomm et W'eri-
norum hot eti Thoriti^rum, welche andere auf Thüringen beziehen, weist nath
meinem Dafürhalten auf die südlich der Waal und östlich der imtcirea
Scheide gelegene Landschaft Tlu)ringia (ii i.^o Note 7) und wßrdc n'ne Nieder-
lassung vdn Angelr und Warnen südlich dt^r RheinmOndung bezeugen. Von
diesen Sitzen aiLS. möchte ich glauben, sind die ersten Landungsvci suche in
England erfolgt. Die Hauptmasse des Volkes scheint dann allerdings unmittel-
bar von der lambrischcn Jlalbinscl gekommen zu sein.
^ Vgl. Adam vün Bremen I 3. — * Vgl. § 130 Note 8.
§ 1^3. Die Angeln haben, hauijtsachlicli im Laufe des 6. Jahrhs., das
ganze nördliche und mittlere England erobert Baeda I 15: »Advfnerunt
autem de Inbus Gemianiae popuhs fortioribus. id est .Saxonibus. Anglis. lulis.
Porro de AngHs Oricntales Angli, MediteriBnci Angli. Meid,
tota Nordanh}Tnbrorum progcnies, id est illarum gentium, quae ad Boream
Humbri fluininis inhabilimt, reterique Angloruin jxjpuli sunt orli.« Die
Angeln zerfielen in mehrere Stumme, zu deren geographischer Verbreitung
die Karle in Ud, I ^ zu S, looi) zu vergleichen ist. Nördlich der untctea
Themse sasscn die Oslangeln (orienlales Angli, Laslcngit), weher nordwärts
imd landeinwärts die Mittdangcln (meflitcrranei Angli. .\fitideUngte). Man
unterscliied femnr Xoräfn^lr und .Smtengh: Ausserdem gehörten zu den An-
geln die IJndistvnre an tier Küste bis zur Humlxrmündung, die Merder
(Merdi, Mieree), auch SQdhumbrer (Suthumbri. Sii/tfttn/hrmbrt) genannt, in
der Mitte des Landes und die Nordhumbrer (Nordhumbri, Xonf/iin/AmiSn)
nördlich des Huniher bis nacli Schottland hin. Unter den Ostangclu. unter
denen man ein Nördfok und ein Süiffolt: unterschied, ist ims aussertiein der
Name eines Tcilstanmies bekannt, die Gyrvii (Crynvat, ^'ord^-naas und
auslrales Gyrvii = Siii^'nvas) an der Washbay. Die Mercicr zerfielen in
die australes Mercii (Stiifmürce) imd die aquilonares Aferd (Xar^fmtfrre);
ausserdem werden noch im Norden in Derbyshire die Petsdtan. im Südwes-
ten in Herefordshirc die MagfSttU und am Avon und unteren Sevem die
Huiccii ( Hwicras) genannt. Die Nordhumbrer zerfielen in die UndL-ifari
{LinJisfaran), Dein {Dert) und die Beniidi {Beamicc). Ob unter diesen
Namen auch nur einer auf einen der TeitsUlmme aus der kontiuaitaltn
Heimat herrührt, ist sehr fraglich. Die Spaltung in einen Östlichen und west-
lidien, einen uOrdlichcn und südlichen imd einen mittleren Stamm \«-ird
I
III, C, 2. Anoelsacmsek.
855
erst eine Fulge der Bcsieülimg des Landes sein. Einen geographischen Na-
men tragen die Nordhiimbrer. Südhumbrer und die Lindisware, crstere
beiden von dem Flusse Humbcr, letztere von XJudsey (laL Uudi colonia).
Über die andern Namen wissen wir nichts; keiner geiA'3hrt eine AnknO»
pfung an einen der Namen, die Tacitus oder l'tolemaios für Schleswig-
Holstein und Jülland überUefem. Es adicint demnach, dass die Angeln als
«in einheitlicher Stamm den briliischen Boden betreten haben und sich erst
hier bei ihrer Ausbreitung in mehrere Teil^tAmme gespalten haben. Die im
Ae. nacliweisbarcn, nicht uniH-trftrhihchcn Unterschiede zwwchen den ein-
zelnen englisrlit-n L;inilscliafteii, sind einstweilen für Sti-miuie-sfrayeti noch
nicht fniktifi/icrbar. so langi!- wir die Herkunft der einzelnen Sprachdenkmäler
nicht genauer bestimmen künncn. Ob die modernen Mundarten noch. Auf-
BchtOsse geben können, muss mehr als fraglich erscheinen.
Die Acigeln sind nach Brilaimicn gezogen, nachdem die Sacltsen und
Jßten sich im .Süden der Insel bereits niedergelassen hatten. Schon in der
ersten Hälfte des 0. Jalirhs. sind sie durch Prokopios auf englischem Boden
bezeugt. Ihre ältesten Ansiedlungen lagen im östlichen Nordengland. und
Vfin hier aus haben sie sich allmählich weiter sQd«-flrts und von der Koste
weiter landeinwärts ausgebreitet bis zu der Grenze der sSrhswchen Reiche.
Das Kr,nigsgeschle<'til von Bemitia (nürdlirhster Teil von Ni>r<lhumberland)
ist 547 begciijulci wurden, <las sich von diesem abzweigende von Deira (sQd-
lichcT Teil von Nordhumberland) 550 oder 5(10; das Königreich Ostangeln
soll 571 — 575 gegründet wx»rden sein. Abgeschlossen wurde die Niederlas-
sung der Angeln erst im letzten Viertel des 6. Jahrhs. durch die Begrün-
dung des mercisuhen Ki^uigreichs (in der Mitte vun England), welches seit
bzh (Jas mächtigste aller angelsächsischcti Reiche »"urdc. In der ersleii Hülfte
des 7. Jahrhs. wurde Bemida und Deira zu einem nurdhiuub riechen Reiche
vereinigt.
Waren die Angeln auch in der zweiten HlÜftc des ü. Jalirhs. ilie Herren
von Mittet- un<l Nnrdcngland geworden, so hatten sie doch noch in den
folgenden Jahrluinderlci] gegen die eingeborene keltische Bevölkerung fort-
während zu kämpfen. Di(ü>e Kelten warer zum Teil zwar im Lande sitzen
geblieben, um Unterthanen der germanisi.:hen Hersdier zu werden. Poütisch
selbständig aber haben aie sich im Westen gehalten, und vou liier aus unter-
nahmen sie wiederholt Einffdle in das englische Gebiet. Immer weiter KurOck-
gcdrängi. sind die Brillen schliesslich auf \Valcs beschränkt wurden. Schon
60,^ hatten die Nordhumbrer Ober die Scoten, 03,5 ober die Britteii gesiegt.
784 hatte der mercisdie König Offa das Gebiet von Pcnywern (Shrewsburv)
erobert; er baute von der mercischen/cambrisclien Grenze vi>n unterhalb des
Wye (lici C-ardiff) bis zur Mundung des Dee (bei ehester) einen Wall imd
Grabt-n, der für die Folgezeit die Grenze gc-gen Wales geblieben ist, und
sic-dclte zwischen den Seveni und den Wye Angelsach.sen an K Die
Kampfe dauerten bis 705 fort £c|;bert von Weaacx hatte noch 815 gegen
die Waliser zu kämpfen.
Über die Nunnannen und DSncn s. S 114^-
• In den önlkb an WaI« ftn^renjtentkn OHirftchAften (^hntn-, Shmpriiire
(Siilnp) und Kcrerord Ut MUcbung von Angeluu:}»«'» mir Kellen bczcugr; vgl. J,
Hifinach, />/i- Rcüht ätr AngtUochsen sur Ztit Karl's 4fS Gratwtu, ÖiSL,
hrcs.l»ii 1875, S. 16 Note 4,
§ IJ4. Sowohl die Reiche der Euten und Sachsen als die der Angeln
waren selbständige Staate ngrümlungcn mit eigenen Königen. Erst allinfihUeh
gelang es einzelnen kraftvollen Hcrsdiern mehrere dieser Staaten zu einem
grt^sseren Ganzen zu vcrcinigca. Wahrend Mcrcia 655 — 658 von Nord-
humberland abhängig gewesen zu sein svchcint, imten*'arf >Ethetbald, König von
Mcrcia, 731 alles Land södlich vom Humber', also das ganze Sachsenland,
— Ostangcln war schon langst unterworfen — und suchte 7,^7 seine Her-
schaft auch Über Nord humberland aviszudehnen. Wahrend Ostangeln, Ks-
sex und Kcnt von Mcrtcia abhängig blieb, befreite sich Wessex i. J. y^z.
Aber die Vorherschaft Aber die germanischen Stamme Englands blich im 8.
Jahrb. bei Mcrda (besonders raächilg König Offa 757 — 70). 779 musstea
die WcsLsaclisen Oxfordshirc an Mcrcia abtreten. Seine Vorhersdiaft musste
Mercia im g. Jahrh. an Wessex abtreten. S25 wurden die Mercier von dem
wcstsSchsischen König Ecgbert vollstflnd^ besiegt, und infolge dieses Sieges
fiel Kent, Sussex, Surrey und Essex an das westsachstsche Reich. 829
%'urde Mcrcia mit dem gesamten Südhumbrien unterwürfen, Nurdhumbricn
tributpflichtig.
* Bacda V 23.
c) Euten.
Zeus» [46. 152, 499— 50[. — B. tcn Brink, Jiecavi/, SlroKiburK 1888, S,
197— 3to. — L. WpiUntl, /)/(■ ^/i/»-/m, Tilbingen 1889, S. 34— 36. — R. Much,
PBB. XVTI (1893) 205—209. — Cr. Kossinn», tF. VII (1897) S93 — 194.
§ i.Vi- Diejßttm bilden heute einen Teil desdaniarhen Volkes, und wie .stark
auch ihre Sprache von dem Seelündischen abweicht, so bleibt es doch immer-
hin eine dänische und auf alle Falle eine skadinawisclie Mundart Warn
wir also oben in Ja 103, 4 und 1 12 auf die einstige Selbstandi^^keit eines jotisrhen
Stammes glaubten scliliessen zu dürfen, so ist dies doch ein den Danen nahe
verwandter, mmlKcrmanischcr Stamm j^cwcscn. Schon diese Sacldage lässi
es nicht glaublich erscheinen, diLss die Juten mit den bei Tacitus iG^rm.
40) genannten und wohl in Jütland zu suchenden Eudoses identisch sind, die
zu den NerlliusvOlkem, zu den Anglofricscn gehörten. Zudem widerspricht
das inlautende '/', imd wenn Möller Rc<ht haben sollte, aus-ierdem noch der
Anlaut, insofern als dänisch /vtier eine Grundform *Jruiinnrs oder '/ütiona
zur Voraussetzung hatte '*. Von diesen lautlichen Schwierigkeiten würde die
lelrtere bestehen bleiben, wenn der Name der danischen Juten mit dem der
englischen Jütcn identisch wäre, deren älteste Namensform latinisiert als Eutii
anzusehen wäre, ein Xamc, der in den i/Cuaü^ qui se nobis voUmiate pro-
pria tradiderunt-' in einem Britrfc Theudeberts an Juslianus wirklich vorzu-
liegen scheint, und eben.si"* in dt^n Eulhio, den Venantius Fnrtunatus
unter den F'eindeii der Franken aufrälilt. Ten BiinV, dem ich beistimme,
glaubt trotz Müller, dass der dänische Name mit dem englischen zu identi-
fizieren JMN, und nimmt an, da.ss die englischen Jrtten auf dem KontJn«:nt den-
selben Lan<!strith wie die dänischen Juten Ijewnhni und daher denseltK-n Xamcn
getragen haben. In diesem Falle wörde uns die Heimat der englischen Ju-
ten bekannt sein. Andernfalls wussten wir gar nichts darüber zu sagen, als
dasH ttir es mit einem kleineren anglofries Ischen Stamm zu timn haben.
Die, wie wir richtiger sagen wnllen. Kuten waren vielleicht der ersle Stamm
der von den Anglofriesen nach England übersetzte und .sicli in drr ersten
Hälfte des 5. Jahrhs. hier festsetzte. Auf sie bezieht sich wohl die Nach-
richt des Chromroti inifycrinlr zum J. 44 1: "Britanniac usque ad hoc tempus
variis cladibus evcntibusquc laccratac in ditionem Saxonum rediguntur.r Das
Gebiet der Euten war Keni, die Insel Wight imd der ihr g^enftberiicgende
Teil von Hampshire, ßacda I 15: »Advcncrant autcm de tribus Geniuniae
populi.*? fortioribus, id est Baxonibus, Anglus, lutis. De lutarum origine sunt
III, C, 2. ANGELSACHSE!:.
857
CantuarÜ et Viciuarii, hoc est ea gcns, quae Vcciam tcnet insulam et ca,
quae usque hodie in pro\inda Ocdtlentalium Saxonum lutanim natio iiorai-
nalur, posita contra ipsani insulam Vectani-i Sie liaben ihre pdlitische Selb-
-standigkeit nicht lange gegen das Obemi^chtige Merria und Wes^ex zu be-
haupten \'emiocht.
1 Amiert R. Mucli, PBB. XVTI 208. — » Ziilrm IF- VH 293. — » Sn-
vulf 201—206. Ebenso R. Much, PBB. X\TI 208 f.
Aato, K. Locwe, Die Sfstt 4er Gfrmanen am Schtearteo Mctre, Halle l&Q^.
S. 29 — 3J biUc ilii? Etidoscs unJ tltc mit ihnen zu idi'ntifizirmulrn aiiiflofriciiscbco jQlcn
Jilr einen Teil der Enili, die nach ihm jVnglofri»en sind, und erblickt eine» vcnprengtra
Rest dine« Volk«« in dci Ev^oi-aiavoi an der NordosiklUte des Sch^-arieo Meer««.
d) Chaud und Sachsen.
Zfuss 138 — 141, ijOf., 380—388, 490 — 495. — M. RicKP"". ZfdA. XI
186-^192. — G. Bolle, Die Sachsi-n vor Karl tifm Grosifn, Vxo^., Berlin
1861, — L. Weiland. Die AigrU. Tübingen 1889. S. 26 — 34. — f'- Zippel,
Deutiihf Völterbner^^ungm in Jtr Rontrririt, Progr,, Künig^bTr)* iSOj. S. 22 f. —
A. Meitxen. SieJttungftt utiti Agraru-rsm Jer U'fitgtrinnndt unä OstgrrmaHeH
II. Berlin 1895, S, lo — 30. — Fr. Jacobi, Qimllm tur CtichichU dtr Cfiauktn
und Friesrn in d<tr /tJmmeti, Prop-., Emden 1895. — Vgl. auch die S. 860
anKcläbrte Uitcntor.
§ 136. Die Sachsen sind der drille Stamm, der an der Besiedlung Eng-
lands teilgenommen hat. und dessen sprachliche Eigenart im Altcngüschen
\md noch im heutigen Englischen deutlich her\ortritt. Wenn man aus dem
Räume, den sie in England einnehmen, einen Schluss ziehen darf, so vdre
es der, dass sie im Vergleirli zu den Eulen zwar einen sehr grossen, im
Verpleicli zu den Angeln aber einen an Ausdehnung nicht unbetraclillich
kleineren Stamm au.sgemach( hätten. Eine solche Srhlussfi%erung ist deshalb
nicht zutreffend, weil der gesamte Stamm der Angeln, von den Saciisen aber
nur ein Teil mi der Besiedlung Englands tcilgenummcn hat. Denn diejenigea
Sachsen, <lic in Norcldi-nts<.hland zu einem bt -sonderen, milchtigcn Stamm er-
wachsen sind, dürfen von den englisclien Sachsen nicht gelrennt werden.
Wir haben es mit ein und demselben Volk zu tliun.
§ 137. Der Name Sachsen begegnet zum ersten Mal bei Ptolemaios
(II 11, 7^ Sie Sassen nach ihm jenseits der unteren Elbe ^im r6v av^^yo.
T^i" KtfißQixf/; ^Fijnoi'ijnavi. Na<'li den Sarh.sc-n nenne er weiter eine Reihe
von kleineren Sianimcn, mit denen wir nichts anzufangen wissen, und als
letzten von diesen im N«irdcn der kimbrisrhen Halbinsel die Ki'/ußooi. Hier-
nach sind die Sachsen zweifellos in Holstein zu suchen, wenn auch ihre
Ausdehnung nach Osten hin nicht klar ist. Nach Plol. folgten östlich »iterä
Tot'c ^'('tiovris Asxo Toii XnXovoov noinftov iiiyoi tov ^vijfiov nmafiov
0Q{>oAffVo(-, dann bis zur iXIer die ^itdivoi. Die geographische Deutung
aller dieser Namen ist unsifher '. Ptol. erw.'ihnt dann nitch (H 11. 15^ als
laseln »xard rdc tov "Akßti^^ ixßoXa^ fii xnkovueyni ^n^dvuyv rp««', unter
denen wohl am ehesten die 3 Inseln, aus denen Eiderste<I im Mittelalter be-
stand, zu verstehen sind. Die Kenntnis von Sachsen in Hnlstt-in Ijezw. in
Eidersted kann Ptolemaios oder vielmehr sein VnrgSuger Mariuos nicht
aus gleichzeitigen Quellen gehabt haben. Nur unter Augustus war den Rö-
mern Gelegenheit gegeben, die Kcisie von Schleswig -Holstein kennen zu ler-
nen, und wir müssen daher, unbekümmert um ihr Fehlen bei Tacitus, die
Sachsen bereits um Chr. Geburt in Holstein ansetzen. Von hier aus ist ihre
Beteiligung an den Xügen nach England veistlindlich, wenn sie die SQdnach-
bam det Angeln waren. Aber auch von den deutschen Sachsen dürfen sie
858
XV. Ethnographie der germanischen Stamme.
nicht getrennt werden; denn in Hulslciii hat (mil Ausnahme des Ostens),
soweit unsere geschichtliche Kenntnis reicht, nie ein anderes Volk gesessen
als die Sachsen'. Wir haben es also init einer ahnlichen Erscheinung ra
thun, wie wir es bei den Angeln gpschen haben ('§ i^i ff.) und bei den sa-
lisclien Franken sehen werden (§ 163 und 171 U.): ein von Hause aus kleinerer
Stamm hat seine Herschaft über die NachbaistHmrae ausgedehnt und er-
scheint nun als ein piilitisch mächtiges Volk.
Diese Sachsen sind es. welche im J. 286 in die Geschichte eintreten, voa
den Römern an der Waal und der Kflste Nordfrankreichs bckfimpft ■, und
deren Anstunn seit der zweiten Hälflc des 4. Jahrhs. sieb die Römer nicht
zu erwehren vermochten. Sie erscheinen als Nachfolger der Chauci, gegea
welche die Römer seit 47 n. Chr. zu kiimpfen hatten.
^ Ich mOcIiie mit H. M n 1 1 r r mich am i-bi^tcn ^OQoAttvot in BagAnvoC
b««i-rn (* ftir B wie <l»oof}-ovM<ovt: (Ol Bovo^ovrilorr;, g 95), so das» di»
Sachsen dii- Ljin)i(i1iardeii i» l.iiut:nl)ur]; im Nucliharn gvli^bi hAUen. Fiit StiitToi
vermute ich yttßivo! "der ^tifitvol sa Sfmnonrs (ZftlA. XXXVII 9 — 12), —
* Über die vnrircschichtlicbim troten vgl. oben S. 786. — ■ Eulroplus IX.
11; Orosius VIl 25. 3.
§ 138. Die Chauci (vgl. über deren Zugehörigkeit zu den Anglofriesen.
§ 122) sind nach Tacilus einer der mächtigsten Stlünme unter den Genna-
nen. Genn. 35 beschreibt er ihre Wohn-iitze als Üstnachbam der Frie<ien,
al&u östlich der Hmsmündunjr, und als Nord- und Oilnachbani der tn Wcst-
ialcn sitzenden Chamavi und Angrivarii und der in Hessen sitzenden Chatli.
»Tarn inimensum terrarum spalium non tenent tanlum Chauci, sed ci im»
ptcnt, populu» iiitcr Gcnnanos nobüissiniiis quiquc magultudinem suam malit
ju-itiiia tuen,' Er schildert »e als ein fricdfertigt-s Vnlk. Über Ihre Wohn-
sitze vtm der unteren Elbe bis zur unteren Ems sind wir durch zalilreiche
Belege gut unterriehtct ^ Sie zerfielen in Cliauci majores und miuiTes. Die
grosse Aiisdehmmg ihres Gebietes bei Tacilus haben sie erst in der zweiten
Hälfte des i. Jabihs. n. Chr. erlangt durch die Vertreibung der Anisi\-arii*
von der unteren Ems, durch die Ztirückdrangung hezM-. Unterwerfung der
Chenisci und durch die Auswanderung der Angrivarii von der Weser'. VgL
unten S 149 f. Mitte des i. Jahrha. erscheinen die Cliauci bereits am Nie-
derrhein ••. Sie nehmen an dem bntawjschen Kri^e Teil und erscheinen in
der zweiten Hillftc des 2. Jahrhs. wiederum am NiL'derrhein-\
Sleit dem 4. jahrh. erscheint dies m.lchtige Volk in der Geschichte unter
dem Naraen der Sachsen. Vorher also, so müi!sen wir schhessen, haben sich
Chauci und Sachsen politisch xu einem Volk verschmolzen, und tia diese»
den Xame4i Sachsen ir.1gt. so müssen wir femer schÜessen, dass die Sachsen,
von Holstein aus über die Elbe vurdringend, die Chauci xu ihren Uniet-
thanen gemacht hab^n — es seJ denn, dass Chaud und So-xottcs Namen für
ein und dasselbe Volk gewesen sind. Zu Anfang der hoer Jahre des 4. Jahrhs.
werden die gegen die salischcn Franken siegreichen Chauci, wenn Zcuss im
Rechte ist ", von Zn&imus jlll 6) ein Teil der Sachsen genannt: »Kofudvvi
pics: A«oi'j|;oiv "], fJoTyay otf.wy [seil, twi- ^'ttiövwv] Örrag*.
» ZeuB« 130 f„ Zippe-l J2f. — « Tac. /tnn. XIII 55. — * Tnc« <»<rm.
33. — * Tac. ^nn. XI t8 und PJin., JV. H. IV lOl. — * Sparttanu«« l'itv
Didii Julifini I 6, V^l, auch Clatidiatiu», Df rcuittlttlu Sti/tt/törm l 235 (Sr
tiss Jahr 395. — " Zcuss 531 f. iiml 382 iind v, Scbevichavt^ii, BijJragm M
ftnf Gr&chifJfnif: drr Botttt-en, Lotdcii lfi7Si S. 1 19. .Viiilpr* M. Riegcr, ZlilA.
XI 189 f., dff ilAfikr <tic ChBinnx'i nns«lzt, nbcr S. 191 j^IrithlidU niriut, dass die
Cbaud später unter dt-m Xaincn der SailiäL-n imtbeincii. A'o/ta^anv woUni aw.'fa
ciiuwurn v. Sybcl, Jbb. d. Atl(.-cthul1l^l^euDdc: int RbciDl.nnJi.- lft44, S. 31, tC
Schröder, £>ü /■'rank^M und ihr Rfflit, S. 3 und K. I.amprrcht, Z*. d,
Aachener GcschvchtsvcrciiiB IV 44. Vgl. Wcllaßd ii, n. O. S. 30 Noic i.
in, C, 2. Angelsachsex.
B59
§ 139. Ein exakter geschichtlicher Beweis, dass die Giauci in den Sachsen
aufgegangen sind, lasst sich zwar aus dem Grunde nicht führen, weil wir
über die polilischcii Vorgänge innerhalb Deutsclilands von der ROmer- bis
itir Vfilkertt-anderungszeit Oberhaupt nidit unterrichtet sind. Aber für das
5. Jahrh. haben wir jedenfalls nicht nur mit den holsteinischen Sachsen son-
dern auch auch mit denen in der Provinz Hannover zu rechnen, und so dür-
fen wir eine Beteiligung dieser chaukisrhen Sachsen an der Besiedlung
Sadenglands voraussetzen, um so mehr, als Holstein ja gewiss (wie die nörd-
licheren anglischen Lande) entvölkert worden wäre, wenn wir die weite Land-
schaft im Auge haben, welche die Sachsen in England inne haben. Die
Auswanderung fand zur St;e statt. Es ist also zunächst an die Kßstenbe-
wohner zu denken, und hier scheint insbesondere das nachmalige Ostfries-
land seine Bevölkerung abgegeben zu haben, well in diese Landschaft dann
die Friesen eingerückt sind.
§ 140. Der Übersiedlung der Sachsen nach England gingen besonders
seit der zwdtcn Hälfte des 4. Jahrhs. Raubzüge längs der Küsl'i von Nord-
frankrcich voraus (Ammianus Marcellinus XXVIl 8, 5. XXVIII 2, 12; g,
I und 4. XXX 7, B). Hier haben sie auch zuerst, vor den Künnaimcn, Fuss
gefasst. so dass diese Küste »litus Saxoniciime genannt wurde. Gleich den
Normannen haben ihre Vorgänger sich im 5. Jahrh. auch an der Loiremün-
dung festgesetzt. 7,u dauenidem Besitz aber sind sie hier nur in einem
Teile der Nomiandie gelangt, wo sie bei Baycux 570 und 590 als Saxones
Bajocassini genaiuit weiden (Gregor von Tours V 26 und X 9).
('»ffcnbar von hier aus, von dem Ittus Saxonii-um ist der Hauptstrora nach
Britannien übergesetzt Denn sie haben die giuue Südküste besetzt (mit
Ausnahme des wc-stliclisten, den Kelten vcrlildbcndcn Zipfels und des von.
den F-ulea, wie es nach der Karte scheint, schon vorher besiedelten Kent
im Osten und Wight nebst gegenüber liegender Küste). Auf eine andere
Expedition ist vielleicht ihre Niederlassung in Essex zurückzuführen. Vgl.
hierzu die Karte in Bd. I zu S. 1 108.
A. F. H, Schnumann, Zur Gfuhickt« der Eroöfntng £Hgittmls durch grr-
mnnürAr Sliimme, Griltmi^rri 18^3.
§ 141. Die Übersiedlung nach England ist durch politische Ereignisse
veranlasst worden. Zu Anfang des 5. Jahrhs. (um oder nach 4o(>) wurden
fast alle romischen Truppen aus Britannien weggezogen. Deshalb fanden die
Sachsen (Enten?), die um .)io an der sftdenglischen Küste einfielen, wie sie
es schon yj5 gethan hatten (Ammianus Marcellinus XXVI 4, 5), keinen
Wideretand und vermochten Btxlen zu gewinnen. Nach der briUisclien
Überlieferung waren die Sachsen noch vor den Euten gekommen und hätten
sich an der Ostspitze von Kent festgesetzt. L"m 428 wurde Hcngbt und
Hors von den Eingeborenen zur Landes>'erteidigung in Sold genommen.
Seit 441 hielten die Sachsen das ganze Land miUtäriscli besetzt, so dass Wele
Britlen vorz*)gen sich eine neue Heimat jenseits des Kanals zu suchen. Seit
446 aber gewannen nördlich der Themse die Britteii wietler die Oberliand,
und die Sachsen mussien sich in den Süden und Südosten zurückziehen, von
wo sie sich nicht verdrängen liessen. Baeda I 15: »Advenerant autem de
tribus Germaniae po])ulis furtioribus, id est Saxonibus, Angli.s, lulis
De Saxonibus, id est ea regiime, quae nunc Antiquonim Saxonum cognomi-
natur, veuere Orientales Saxones, Meridiani Saxones, Occidut Saxones.« Sie
haben die Reiche Essex, Middlesex, Sussex (mit Surcey) und Wessex ge-
gründet: zuerst Susscx, nach der Sathiencfironik \. J. 477 (nächst Kent die
erste angelsächsische Slaatcngründung), dann um 500 Wessex. Die definitive
Besiedlung des Landes erfolgte erst »ach dem en Ischeidenden Siege über die
Britten i. J. 5:9. Die Nordgrenze der Sachsen blieb zunücbst der Lauf der
Themse. Mach deren Überschreitung gründeten sie nordwestlich und nord-
^Üidi von London Middlcsex und 5^7 Esscx. Die Eutcn in Kciit und bei
Wight haben sie allmählich siirai-hlith aufgesogen. Im Westen haben sich
aber die Kchcn zunatlu^t noch gchultcu, zunadist pulitisch, dann sprachlicli.
Sie sind hier sehr allmMilid) zurOckgeUrangt worden. Die kellische Sprache
ist in Comwall erst zu Beginn des 17. Jahrhs. ausgestorben.
Ober die AbhUtigigkeit iler sächsischen Staaten von Mcrda im 8. Jahrh.
und die Hegemonie von W'essex üb«;r alle Angelsai"hsen seit Ö39 s. § 134.
J. M. Kemble, C'e^r Jir SUimmUiJ'tl Jrr H'rsitmhsen, Mlinäler 1836. —
R, Thurney»en, Z». f. cdt. Philol, I l68 und Enjfl. Suidtcn XXII 163 — 179.
D. DIE DEUTSCHEN SACHSEN.
Wi«IukiDduB Corbci^nftis, Üt-j _^eitM StLroNÜa^, i)Cj («tl. G. AVait2, Afff.
SS. lU 408 — 467; in lu. schol. ^ Hani»>v«nie 1882; d«uisd] von K. Schottin*,
ßi'e CfSfhichtttfhrfiltrr d. dt. l'ort.. I^ipzLg [iSgi)); vgl. R. Koepke, ft'tJnirm/
j'ifTt Kcnti {Otioniiihr Studim I), Berlin 1867; J. Kaasc, Widukind Vf*n Aorz-tt,
I>t»s., Koslock 18H0. — (r. L, L. Kufabi, De Saxonum orijritte cl usqu€ ad a»,
CDL p, C. nftus freiiis dissfrtalio, Bcrolini 1830, — A. v. Werscbc. Ve^r Jm
ytriheilung Thüringens cteischm den allen Sai-hien und f'rntiken, 2 B<lc„ Kam-
buig 1834. 3('), — Zcuss 380— 397. — A. Fr. H. Schatiinann, GnthüftU dri
nüiieriiifhjii(hfn l'olti i-tin dessen rr%(rm Ht-ri-crtrelen iiuj deviu-hm BfJen nn bit
ium Jahre iiifo, O'ltlingrn l83'>. — J. (jrimm, Gesehichte der drttUfhen Sprsehe
608—038. — G. BoIev, Die SiuAsr» vor Karl dem Groisen, Vrrtgt^ Berlin i86l.
— J. S. Seiberii, I^ndeS' und fiecAlsgeuhühte des Heriogthums WnlfaUnt
9 Bde., Arnslierg 1839 — 64; I 3. 4 «sie Häiru- von W. Tobicn, ctxl. 1875.
(Bti. 1 I auch u. d, Tiiel Diphmutisdte Familiengeschichle der alten Grafen rv«
first/nlen tu tt'erl und Armberg, eb«l. 1845: Bd. I 2 auch u. d. Tiiel Dift^
mattsehe t'antiliengetchkhle der Dynasten und Herren im Hertogthum Weitfalm.
ebd. 1855; Bd. III — IV auch U. d. Tilel Vrkundenbunh tur Landes- und Jirtkti-
gesihii/ite des H,'rsogthumi H'eitfaSen, J Bde., Hjd. 1839. 43. 54: Bd. I reicht
bis 1508, «las Vrkundenhtuh bis 1800.V — H, Hockenbeck, De Saxonum 9ri'
gine et rebus ad Carvtt Afagni us^iie aelatem ab iis ffrstii, DtM., Münstrr i8ö8. —
W. Kentzier, Ziir l'rr/aiiuni;i^sthüht£ der allen SaeA^n, 7a. d, bist. Vcr. f.
Ni«demcb»rn jg, 1870 [1871) 164 — 176. — W. Keulsler, Karls des Grauen
Sacbsenaüge, Vondi. /. (leutsthcii Gcsch, XI (1871) r*>— 97 "•»'l XII I1S73) 317 —
410. — W. Toliieti, JJenkU'ürdiglirilen aus der Vergangrnfu tt tt'eit/nlrns I,
Elberfeld 1869, II l, 1873. — G. Dchio, Gesefiühte des Erxbistumt /fam&urg-
ßrenun, 2 Bde., 1877. — Aug. Schmidt, Du Sachstnkrtege unter Karl dm
Grossen. 0isfi., Rostodt 1882. — A. Ttbus. Griindungigeschü-lite der Stifter,
Pfarrkirchen, Klöster und Kapellen im Bireiche des alten BistHums Afümler I,
MUnucr 1885. — J. Wormstall. Ober die Chamaver, Brukterer und Angriva-
rifr, mit Riicitsichl auf den Ursprung der Franken und Sachsen, M(ln«ter 1888.
— O. V. Heinemann, ürsi-hühte von Braunsehweig und Hannaver, 3 Bde., Oodu
1884.86.92. — (Jbr. Ritler, Kar/ der Gmssf und die Sachsen. 3 Teile, Dcuau
1894. 95, — A. McitzcD. Sffleluug und Agram-esen l\. Berlin l89<i, S, 15 —
39 und 53 — 77. — R. Andrei.-, ßraunxe/fxreigrr t'olkstuHile. Braunschweig 1891),
— J. B. Nordhoff, Alttrvslfalen. Volk, Land. Grenzen, MOiutcr 1898. —
Vgl, auch ilie Liut-ratur tw § 156.
§ 14J. An der ursprüiigUcheu Identität der englischen und der deutschen
Sachsen ' kann kein Zweifd spin. Das erste Zeugnis für die Sachsen xu
Beginn unsen-r Zeiirt-dinung (oben § 137) kennt sie in Holstein, und diese
bobtcinlsrheii Sadtseii kommen als SOilnachbünk der Angeln in erster Reihe
für die Besiedlung Englands in BetrachL Holstein ist aber auch von je her
der Sitz der deutschf^n Sachsen gewesen, und hat auch Uer Saclisemtaue in
Deutschland dnc ungleich grössere Ausdehnung, so ist diese Ausdehnung auf
Westfalen und den nordlJchen Teil der Provinz Sachsen durch die Geschtdile
bezeugt, und auf Kombination sind w-ir nur angewiesen fflr die Übertragung
des Sachsennamens auf clie l'ronnz Hannover, in welcher im r. Jalirii. n.
Chr. die Angrivarü und die ingwiaiwisdien Cliauci gewohnt haben. Aber
auch zugegeben, die Arigrivarii und Chauci sind poüiisch in den holsteini-
schen Sütliscn auffjefian^icn. oder die Cliauci &ind mit den SitrliM.*n identisch,
die Schwierigkeit, die englischen «ntl tUc kontinentalen Sachsen zu identifi-
zieren, besieht in dem grossen Abstände der s'irhsischen Sprache in Eng-
land von der in Deutschland, wahrend doch die geistige Veranlagung beider
Stimme keinen wjichen Unterschied aufweist. Der sprachliche Abstand ist
90 gross, dass' man wohl die westgermanischen Mundarten in die zwei
Gruppen nnj;lofriP5isch und deui'W'h zerlegt, und hierbei das englische Sflch-
siscli zur ersten, das dt^utsche Sächsisch zur zweiten Gruppe zahlt — letzteres
freilich anfechtbar: viinsichtiger sollte man wenigstens für das Altsflchsische
eine Mittelstellung zwischen Englisch und Deutsch zugeben.
l Antiqiii Saxanrt (ßaciln I I 5. V q. 10. I l), af. En{dsm.-raH.
§ 1^3. Wir ketmen die alteren niederdeutschen Mimdarten nur äusserst
mangelliaft, und bei den meisten Denkniälem ist rs bisher nicht gelungen
sie genauer zu lokalisieren. Das aber darf man sagen, es zeigen sich in
ältester Zeit eine Reihe von so ausgeprügt anglofriesischen Zügen, und diese
hat die spatere Sprache demiassen venA-ischt, da*« man das Altsachsische
nicht als die unmittelbare Ursprache des Mittel- und Neimied erdeutschen an-
sprechen kann. Diese Züge sind am deutlichsten in den urkundlichen Namen
ausgeprägt, am geringsten im Jhlmml. auf den sich vorzugsweise unsere alt-
sächsiscbc Grammatik aufbaut. Aber auch aus den altsSchsischen Sprach-
denkmalern lassen sich die folgenden anginfriesischen Spuren ermitteln*,
zu deren Erklärung die Anna.hmc altengUscIicr Sdireiber nicht ausreicht:
In erster Reihe:
1) Genn. a in geschlossener Silbe eracheint zwar in der Regel wie im
Deutschen als a, vereinzelt jedoch als t (Belege bei \V. Schlüter in der von
F. Dieter herausgegebenen Laut- und Fonnenithrt der ailffemtaniichfn Dia'
leklc 1, Leipzig iHrt8, S. t^, § 70, .| c) — mndd. und nntld. stets ii.
2) Genn. t? erscheint zwar in der Regel wie im Dcutbchen als <l, ver-
einzelt indessen als c (Belege bei Schlüter a. a. O. S. 96. § 69, i Anm.)
— mndd. imd nnd<l. stets nur rt.
3) Germ, a vor Nasal ist einmal als ä, 2 mal als 0 belegt (ScltlQtcr S.
107, § 76) — mndd. und nndd. nnr a.
4) Genn. <? vor Nasal eischeint zwar in der Regel wie im Deutschen als
(i, vereinzelt aber als ö (Schlüter S. 107, § 7O) — mndd. und nndd. stets ä.
5) Bei der Ecsatzdehnutig ftu das vor stimmlosen Reibelauten geschuTin-
denc « oder « erscheint dn vorhergehendes genn. « als ö oder als ö
(d. i. A) (Schlflter S. 97 f. 3 und S. 282 f., § 163. 1) — mndd. und nndd.,
soweit die Ersatzdehnung vorhanden, namUcli vor gcrm. A, j und/ im Nord-
osten ö, im Stidwestcn d*.
6) Getni. 0 und c erscheinen vor cinfaclicm Nasel bisweilen als w und r*
(Schlüter S. 107, § 76) — mndd. nndd. o und a
7) Vereinzelt findet sich nach Palatal der l^utwandel von germ. c zu i
imü von westgenn. ü zu i (Schlüter S. iü8, § 78, i) — mndd. und nndd.
ist mir keine Spur hiervon bekannt.
8) Unbetontes ö erscheint zwar in der R^el wie im Deutschen als 0,
des öftem aber als a (Schlüter S. 116 Anra. 2, S. 117 Anra. 3 und S. iiS>
3 und Unitrsttfkunf^n si$r Gtschichtt der aUsd<km(hen Spracht I, GOttingen
1892, S. 6 — II, 52f., 68, 70, 81 — 87, 93 und 95 — 112).
862
XV. Ethnographie der oeruaniscuen StXhsu.
f)) n und m vor j, p und / ist in der Regel mit Ersatzdehnung gfschwun-
■den wie im Anglf friesischen, vor s und besonders vor p aber auch Öfter er-
hahen, wie im Dcntschcn ' (SrhlCter S. io8, § 7g, 1 und, S. 282 f^ § 163,
l) — mudü. und nndd. vor/ und in der Regel auch vor s geschwunden,
aber vor / stets » erhalten ^
10) Zuweilen Mouillierung; eines k vor palatalcn Vokalen: key>-kK, Jt€>
iii (Schlüter S. 2;j). fraglich, wie weit vielleicht aU Diplilhongicruiig »ach
palataleni k aufzufassen" — nimld. und nndd. kerne Spur**.
ti) Die schwachen ö-Verba haben «war in der Regel wie im Deutschen
Überall o in den Endungen durchgt>iahrt, vereinzelt ist aber such die anglu-
frics. Flexion des Ind. Praes. auf -oiu, -[is(f), -ait. -mtf belegt (Schlüter,
Unters. S. o'i — 102).
In. zweiter Reihe;
12) Vereinzelt kommt vur r Brechung eines a zu c, eines r zu a oder i,
«Ines I zu e vor (Schlflter S. 106, § 74) — mndd. und nndd. nur evQ.a. Es
handelt sich wahrscheinlich um zeitUdi ganzlich verschiedene Vorgänge, so dass
-der Lautwandel e~^a vim der angloErics. Brechung ganz zu trennen ware.
13) Vereinzelt kummt vor h Brechung eines i zu /» oder ta, eines t za
-0 vor (Schlüter S. 108, g 78, 2) — mndd. und nndd. keine Spur.
14) Germ, ai erscheint zwar in der Regel als i, vereinzelt jedoch auch als
ä (Schlüter S. q6, §69, 2a Anm, i) — mndd. und nndd. stets e bczw.
diphthongiert Dieser Fall ist wahrscheinlich zu streichen, da die verein-
zelten, auf 0 Wörter im IleUawi, eins in der Genen'i und 2 in der AftrenuH'
iiatio beschenkten li auf altengtische Schreiber zurückzuführen sein dürften.
15) Metaihesis (Schlüter S. 284, § u>5, 1 a), nicht eigentlich als anglo
Iriesischtd Charakteristikum zu bezeichnen.
» Vgl. L. Morsbach, AnRlia, Beiblatt VU (1897) 3»3— 33a. — » Verf.
BtHrägt tur G/^ographif der deutsi/un Mundarfm, Lcipcig 1895, S. 69 f, —
• W. Tan Jielien (IF. V 191 f.) nimmt an, da»s lauigeseulich der Schwand
nar eingetreten sei, wenn der auf den Xntal folgende Keibelaat sur lelben Sithe
geborte, eine Annahme, der ich schon wegen /Xlhen, üihia nicht beitreten
kann. — * Vyl. auch K. Kögel, IF. III 291 f, Südm gilt wegen des « als
ein ndld. Lehnwort, was teilweise jedenfalls lulrcffend ist, wenngleich der Laut-
wandet ü > » sporadisch auch im Nicdcr^äcbsischcn sowohl twischen Braun*
schweig und Lünebiirerr Heide als auch in Holstein nachweisbar ist. — ^ Moail*
lieron); und weilethin Assibilicruni; wird bewiesen dnrch Beispiele wie A'trrYr-
Htonl {Widukind II 12. a8) = Chrt-rrmant, hizt Bach (Thietmar), CflU<i
Ks^llu. Vgl. unten S. 86§. — ^ Mit alleiniger AuMnahme von sn'rr Käfer. Die
: im Dithniarschen «rkUren sich aus friestacher Beinriischung, Tgl. C. W«|ther,
Ndd. Jb. II 134—138.
Anni. I. Dasselbe sporadische Hervorlr^len nnglofriesischcr Eigi^ntumtichkeiten
ÜDdcn wir im AltniedetftSnktschen, und auch hi<^r bat die sjiAteie Sprache die meisten
derselben verwiichl. Wir därfen hier an die Auftdehoung des Machtbereichs der
Friesen bis iK.t Scheide in iindung, an die AVarnrn und Angeln in dem niedctriicintschec
ThiliiDgcn (§ 130 und 13a) und an die von Kari dem Grossen impoitiertea Sachsen
denken, vielleicht auch an NiederlastuDgen der nordelbineiflchen und chaukischen Pirmien,
Aam. 3. £. Schiuder, Mitth. d. Inst. f. oesterr. Gcschforsch. XVIII (1897) S. r5
hlt ausser dem Lnuiuandel o'^ e und dem ^hwAchen Nom. Sg. Msc. auf -a (Zeuss 392
Anm.], der den I^utwnndel des unbetonten ä zu a repräseotiert, als anglofriesiscbe Kenn*
zeichen noch angelöbrt: den L'mtsut des a zu t\ germ. au ^ &, ansltd. g ala Heibelant
und die AsMniilalii<n von Id^ //, Diese Erscheinungen, denen noch germ. rv"^ i'<i und
atütd. g^^j bincuzttfQgen würe, sind alleidin]^ der angia friesischen Mundart innerhalb
des Allsfichsiscben eigen; aber speiihsch anglofriesiscb zu nennen wSre nur der Umlant
dea a zu I in der Beschränkung auf die .Stellung vor r (Brechung). Das oebenbetoate
> in •tiidi. 'hiki darf bii zu einem gewissen Grade als gemeinsäcbsisch bezetcbnet
«erden, d (d. i. hX.^<ttvci. oh ist orthographisch cu bcorteilen. Ei wedudc (wte
III, D. OX£ DEtTTSCBE» SACBSEK.
86^
im Ripwnrischen) mit ö; vgl. >, B. die westßliscben Ottsiumen Lahäe <Z. Ii68 Loth^,
Awrt<;i403 Kotiert, StfifienraJe iC_l\i^ Scpj^Hrothe. seltener umgekebn, t. B. Lohe
■^ looo Laa. Genn. ai* ist im AltsXcli^itchen überhaupt tu i) gewordcD, das von dem
germ. 0 );cschicdeo itbt, wie ilic heutigen Munilarten beide l,»iute scheiden. A (ge-
scbriebcn n) ist zwar auch ostfriesisch, wcMfricsisch aber entspricht ein reines ä ond
ftlleoglitch f'Vi. Spirantische Aus^^r^ichc d^s auslauienJeii ^ ist gleichfall» nichts spe*
Eifisch AnuUifrlesi-ichcs; nuch weniger HK^lä. denn dieM-n l-itilwandel kennt iwju-
dis spätere Rüstrincische, nicht ^bcr das ilbrige Ost*, das Wesirriesische und das
EngUsche (westfries. sogar idy>-ä).
§ 144. Die genannten anglof riesischen Ei jrentürol ichkeilen, von denen
eigentlich nur die ersten 13 gejtÄhlt werden tlOrfen. finden sich in unsem
Dcnktnalern nur sporadisch, fast konsequent von den lokalisierbaren Denk-
mälern allein in den .\fgnehNrger Glossen^, in denen Punkt l, 2, 3, 4, fc, 10.
II und IJ belegt ist. ü, 7, q, ro, 12, 15 ist in der Frttkfnhonler HeberoUe
belegt: I, 4, 6, 7, 10 in den Slrassbur^r Isidorghssen', 2, 8, g. 12, 15 in den
Vtfgilfilo!aen', 6, 0, 10, 13, I3 in tleii Düsuidorfer r*rndfnliiisglossen. Im He-
iiami findet sich Punkt i, 3, 4, 13 »nd 15 gar niiJit. 2 jpinz selten, 5 sottohl
Ö wie fl, n in der Regel, 7 in gfr .Jahr-, 8 zuweilen, 9 meistens, 10 ver-
einzelt, ti spiirenweisc, \2 und 14 vereinzelt.
Da.>i geugraphischc Gebiet f(lr die anglo friesische Mundüitcnschicht
lüsst sich nach unsem Sprachdenkm^Llcm nicht ermittoln, einmal deshalb
nicht, weil nur weni^ Denkmäler bisher einigennassen sicher lokalisiert wor-
den sind, iuu1 zum andern, weil von den lokalisierbaren allein die Mentbur^
Glosse» eine atisgcpraj^t anglufrie^iMrlie Mundart haben, die andern aber die
angJof riesischen Eigen itimlichkeiten nur ausnahmsweise zeigen. Positiv würde
abo die anglof riesischc Mundart allein fOr die Merseburger Gegend konsta-
tierbar sein. Negativ Lisst sich nur 8ag;en, dass Essen am wenigsten von
dieser Mundart hat; denn die Hssener IhheroUe und Essener fterichte wdscn
keine solchen Spuren auf, ebenso die Essener Grej^r^losseu , welche indessen
die Metatlicsis kennen (bemii), M-ahrend freilich in der atis Essen stammen-
den flomilie Hedas gir »Jahr« und h'^sur »Kaiser« (§ 143, 7 und 10) und die
Brechung in tvarofdi »Welt* tmd kcnka >Kirche (§ 143, 12) belegt ist
1 Die Sprache der .V^rsrburgrr Glonm habe ich PBB. TX 579— jÄi unreine
angUsche Kolonie eurückgeflihrt. Von Angeln in der Gegend von Merteburg
(bczw. Walbcck) fehlt indessen jede Spur — die J^ndschafl Engilin liegt süd-
lich der Unsirut. Näher würde es liegen, jid Kiieseo tu denken (§ 13.1 Anm,),
da das Krlcsenfcld bi« in die NIhe von Merseburg reichte, und die Fonu tluuatt
■thun« -tum Friesischen, nicht aber ium .MtenuHschen sdmmt. Friesisch und
zwar westfriesiich wörde aocb itn» -f^tcben' sein, während diese Form andern-
falls eine Ausnahme von dem sonstigen Sprach cbarakter de» Denkmals bilden
würde, ücgcn das Kriesiicke würde allein der stete Inliniliv auf -n sprechen,
wenngleich wir nicht sagen l<i.>nTien, üb nicht um looo oder in der Zeit, In
werkher Kriegen sich dort niedergelassen haben {vermutlich im 6. Jahrh.) das
;iii»Iaulende n in Westfriesland noch bestanden hat. Indessen die freilich wenig
bekannten geüchichtlicbcn VcThältnissc sprechen nicht fiir eine so grosse Aus-
breitung der Friesen, und wenigstens bei Thietmar, der VI 19 und ]X 37
ditf Friesen an der Nordsee nennt, sollten wir eine Erwähnung der Merscbor-
gischen Friesen erwarten, wenn solche existierten. Ich halte es einstweilen fbr
richtiger, die Sprache der Glossen aus dem Zusammenhang mit dem Altuichsi-
&chen nicht hemusitureisacn,
§ 145. Ergebnisreicher dOrfte sich eine uraf:tssende Untersuchung der
urkundlichen E i j,- e n n a m en gestalten '. Einstweilen weiss ich hierQber
niU' zu sagen, da-ss
i) die anglüfriesische Mundart im rrsien Vierte! des ii. Jahrhs. wiederum
für Merseburg bestätigt wird, Das Mertehtirf^r Totenbuch^ und die Eigen-
namen bei Thietmar von Merseburg' bestätigen und erganzen das aus
864
XV. EtHNOORAPHIE der GERMAyiSCHEK StAUUK.
den jifenehtr;^ Gfossen gErw4mncne Ergebnis*. Von den in ^ 143 gciiirnntcn
Erscheinungen ist 5, (>, 7, cj, 13, 14 timi 15 in den Geissen nicht belegt.
In dt-n Eiaennamen ist zu 5 Os- und -nath bcIt-Rl'*: für 0 fehlt ein sicherer
Beleg, wenn man nidil Sumen'ngr, Sumcrini^ ini TaUnbiich dafür gelten lassen
will"; 7 ist nicht Iconst.i tierbar; 9 ist für s und th \ielfach belegt^; 13 und
[4 ist nicht belegt; für 15 habe ich einen Beleg gleichfalls nicht gefunden.
2] Eine anglnfriesi'M'he Mundart tritt nadist Mctseburg am KtArkstcn in
Herford^ unt! Faderbom '^ und besonders in Corvey '" hervor.
3) In diesen Orten, im Münsterlande, im Üsu abrückscheu und Minden-
scheu ist bekannt: #> für urgerm. A (Namen mit m/) ", der Lautwandel am'>
hi und AI (Xaiiieu mit ba neben tti), a für unbct>:mtcs gcnn. ö (Xum. PI. auf
-as), Schwund des a vor / mit Ersatzdehnimg (Namen mit si€Uh\, Brechung
des a vor r zw e (Namen auf -herd) und Metathesia {bum neben Iminn»).
' Vgl. cto3lwcUt.li \V*. Crcccliu». VoUtcioe ad augtndam namimim profriü~
rum Siixi}ttkorum et /''rts/orum UKHtiam sfifitant/s l. IIa. IIb. llls. lltb,,
Ellierlcklae 1864 — 69 Miui BctoÜni [i8t>9 — 70] (bwordcTN dir Wcnltm); M. Heyne,
A/inirt/i-rdmtu/ir Etgrnnanifn atis dem nrunUn hii flftm Jnhrhundert, HaUe
1867; H. Allbi'lT, Grammatik Altniiksiteh^r Eigrnnam^n in IVe^tJtiUsiifrn
Vrktn%dfn Jrs trrtiMim An cijien Jahrhunderts, Patierbnin 1879; E. Schrttilcr
in d*ii Minh. il. last. t. Owlerr. iii-schichisforschunj; VIII 1—52. — ' »I. E,
DQmmlcr, X«tjc Minlidliingt'n des 'ITiilr.-SÄtlis, Vereins XI, Nonlhauscn 1867.
S. J33— 164. - ■ »J7S — 10j8, ed. Fr. Kiir«c, Hannovcrac 1889. — < V(ä.
|-[. Harlmann, Grafumalik der ätttsten Mundart Altruturgi /. Dri V<*katiS'
Mits, Berliner Diu*,, Xotden 1890. — ^ Hartniann, S, 6, § 8, — " tU). S. 17,
g 39. — ^ ebil. S. 6. $ 8. S. 14. § 21, 2. S. 17. §30.-6 p., Wilman»,
/><«■ KaütrituiuiiH der Provinz IVntfaUn I, Münster 1867. — ■ AnnaUi fathrr'
bruHtunst'i, ed. I", Scheffer-Boichorst, Innsbruck 1870; \'ila Mfi'nus-rci. ed.
Pcrt«, MG. SS. XI 104 — l6r. — •*■ Traditioufs Cortu-irrnfs, cd. F. Wipjind,
Leipzig 1845; A^omirnrnta CorAfiensta. vd. Jaffe, Berlin i86.|.dit7ii Widubindi
CorbeienKi<; Äcj grfitw Saxettifaf (oben S, 860) — •' Ä in wwtfäUschpn
Ort&nameii 9, H, JrJlinghau t>, Die •::vs!f'litiiihe» Orlinamr/i, Kiel und Lrip/ii;
1896, S. 156; suitwt in Urkunden, PBB, Xt 28 f.; ausser Merseburg; bcaooden in
Herford und Cor^ey. Wegen a <ie ist nicht Erlultuiii; de» ßcnn. J ■nntncbmen
sondern (wie im AnglofricKischcn] Ä^lvrgtnr. u-CiirKcnn. £*.
ii 14IJ. Fragen wir jetzt, wie weit einzelne der oben als angtufrie^ii^ch
bezeichneten Erscheinungen auf Grund der gegenwärtigen Mimdart und auf
Grund der Ürlsnamen lukalisierbar sind, so kommt allein der Wechsel von
ö und d für genn. a vor n — j (^ 143. 5), der Schu-und dw n vor/ (ebd. 9),
die Mouillierung eines k (ebd. :o) und die Metalhesis (ebd. 15) in Frage.
i) Der bert-iis im fhliand belegte Wechsel \on <> und d besteht in den
heutigen Murulartrn fort: ^s >Gans* wird von den Küstenmimdarten und
vom Ostfalischen v.i rausgesetzt, f^fts ysyw den westfillisiht-n und engriüi.licn
Mundarten, so d^iss eine ungefflhre IJnie von der Emsmflndung bis rum
Harz ein norcKlsiüches Gebiet niil dem ausgesprochener anglof riesischen i*
von dem südwestlichen Gebiet mit «1 scheidet'. — AllmcrseburgLwch ist .M'ial
0 vf>r J, einmal n vor / belegt.
1) Der Schwund des n vor / mit Ersatxdehnung ist auf dem gaiucn
niedersächsisrhen Sprachgebiet nachzuwei.sen, be*inders durch die Drtsnamen
mit Smi-, Stukr- (von denen mit Süd-, Su'der- will idi der VorsicUl halber
hier abschen), wie im Regie rtmgsbezirk Arnsberg ausser Saufiintid <C Süfr^
fand <. SüJheriand: SiiHrop, Regbz. Münster; üuddorf, Sttt/orf, Sitdlivff, Su
mühkt Sudenvich, Sftdcrwitjt, Regbz. Minden: Sudbeim, Sudbraei, Regbz. Osna-^
brück: Siiddorf, Suttotf. Suttmp. Regbz. Hannover: Stiltorf, Sitdwatdi. ÄW-
w^yhe, Regbx. Lüneburg: Siiderinng, Sndcrbruch. Suder- Witivi^n. Regbt
Hildeslieim: Sudheim, Sudenhaitsen, Regbz. Magdeburg: Suderodf, Sud/ahni-gA
Vgl. femer: Angebmdde (bei Münster, an der AlOndimg der AngeJ)<l 13.
m, D. Die DEursarEN Sachsen.
865
Jahrh. Angtlmude, Rahm(e)de (bei Altena) <C 11. Jahrh. }iammtüht\ liaeke-
müde (bei Meppen). MiUten (Lünebui^er Heide, an der Mündung der Wiclze)
<, Mulha, Mii'hn (au der Älündiing der Ocker) < .l/w/Aa — liing^en Mün-
den (Fulda und Werra, früher liochdeutsch) und Mündtn (in WaJdeck, frOlier
hessisch?) < 1298 MtmJtne.
3) Die Mouillierung und Assibilierung einas k vor palatalen Vokalen be-
steht heute noch in einer Anzahl (Irtsrnmen fort. Am eingehendsten hat
W. Seelmann^ soldie nachgt: wiesen in der Landschuft zwischen der iiberen
Aller, Orker und Unstrut, also in jenem Äü(UwtfalLsi:hen Gebiete, zu dem
auch Merseburg gehört Von den hier nacligewieseneu 25 Ortsnauicn, denen
ich Senirnifisledi (sücLlstlich von Wnlfenbüttel) •< Seemautidde < Zemmenstide
hinzufüge, bestehen noch t», nflnilich Eizhrodc (zwischen Sangerhausen und
Mansfeld), Aizflmcende (wesdich von Wippra), />/rt/.'irra//f (nördlich von Mans-
feld), ZehUn^ (bei Ballenstedt), Stillfnifhm (bei Quedlinburg}, /.tringen (bei
Halbcrstadt), Zillv (nonlwestlieh von Halberstadt), ScmmemUdl und Sickte
(sfldösdich von Braunscliweig) mit r oder s, eJner, IIöUnsUheH (hei Scliönin-
gen) uiit / und einer, der freilich itweifclhaft ist, Rnckschebur^ (bei Maus-
feld) mit hch fort; 2 bestehen heute nicht mehr; g weisen jetzt k und 4
das hochdeutsche sh auf. Beschranken wir uns wegen der Unsicherheit der
Bodens tSndigkcit urkundlicher Namcnsformen allein auf jene 9 mit z oder s
und den einen mit /, so entfallen von diesen Namen einer auf das Friesen-
feld, 2 auf den Schwabengau. .s auf den Harzgau und 3 auf den Darlinggau.
Diese ui Ortschaften liegen ziemlich in einer Linie, zwischen Sangerhausen
und Brauuschweig, Genau in der Fortsetzung dieses Streifens liegt Esienrode
(an <ler Braunschweigischcii Nordgrenzc)-< 1378 Edzenrodc und weiter nordwcst-
lidi CdU mit \VesUri:eUe <i 1013 WesterkitUn, und bei Celle fliessen die Bache
Sehmarbfck, WUhletiheck und Niebeck < 1060 (Goslarer Urkunde) Smeribeti,
Wihtinbizi, Ibtzi. Nördlich von Celle in der Lüneburger Heide finde ich
I^'tze». Und merktt-ürdigerweise wiederum genau in der Fortsetzung der IJnie
Sangerhausen— BraunschweJg — Celle liegen die von H. Tümpel* gefundenen
Orte Zeirn (zwischen Bremen und Hambui^) < 1499» 13Ü3 Tzmata < 1184
— 120[ Ztirtna <i 1158 Ofvena <. 112g Kamta, 980 Kivinan und Sastenkoh
(bei Zcveti) < 1400 T:ersenholtf und Poilzendorf (bei Zeven) <1 1242. 1200
I'octnthorpe, Pflkmthsrp. Die Lage aller dieser Orte in einer Linie ist so
merkwurtlig, dass man darjufhin kawn wagen darf, fitr die ganzen Land-
schaften längs dieser Linie den Lautwandet von >( zu ; in Ansprudi zu
nehmen. Ausserdem ist dieses ; noch ftVr 3 holsteins'he Orte nachge-
wiesen ••: Möztn (bei Segebcrg) •< IIJ4 Motkinga, WasOeci < 1289 Wersbeke
< U'frkebrkr untl Sets/rr (bei Klmshom) < ii-jt Cifsltrt''. Sporadisch femer
für Zenen* (bei Rinteln) < A'crsnc und itii Hildesheimsi hen " für SantedK
1333 Tsfntede<.l2^b Chyantidt und Bekem und Ksbtke <i. 1022 Beszem und
Asbizf. Hier dürfen wir wohl friesischen Ursprung des 3 vermuten (\'gl.
§ 125 Note 2). — Künftiger Forschung niag es gelingen, das Gebiet des
einstigen Lautwandels -f^r genauer zu bestimmen.
4) Die Metathesis ist fast allgemein nic^ersächsisch, nicht speziell anglo-
friesisch. Vgl. die zahllosen Ortsn;unen auf '(mp, -tup von \Vcstfalen bis
Holstein.
Also auch auf Grund tlieser 4 Jterkniale Ia.->st sidi die Heimat der anglo-
friesischen Charakteristika nicht bestimmen. Wir dürfen wohl sagen, sie ist
überhaupt nicht bestimmbar.
' Vyl. § 143, Nute 2. — * Weiiore Nameo bei H. Jeltingbauii, Dw vtiU
fäU'tihtn Ortuiam,». Kid und Lcipjig 1896, S, 106. — * Ndd. Jb. XJI 64—74.
Ccmuinfsche Philulosle. UL 2. Aufl. AS
U
— * PBB. VII 12. — * SffxUr wohl holländischen Ix-zw. IrinbicWn Unprtmgs;
^. A. V. WcrsL'Ue, Vebcr die N teder h'indisihtn Colonifn I, Hiumovct I815,
S. 262— 28S.
§ 147. Wenn sonach eine wirkliche anglufricsisdie Mundart allein für die
Mersebuiger Gegend nachgewesen ist, im Obr^en sich aber die anglofriesi-
schcn Spuren nichl genauer lokalisieren lassen, wenigstens nicht so, dass man
eine bestimmte L.'indKcliaft da/ür in Anspruch nehmen kann, und wenn
ferner diese im Allsachsischen henortret enden Spuren natiirhch nicht ans
Mersebui^ hergeleitet werden können, so mii&s die Herkunft dieser Elemente
anders bestimml werden als getigraphisch. Diese \'eränderte Fiagestellnng
inusste ohnehin bereits der Umstand nahe legen, dass es eben nur Spuren
sind, die sich in den nlLsÜrhsisrhen Sprachdenkmälern zeigen, und dass diese
Spuren zum weitaus gr(">sslen Teile spater gänzlich veiwisdit sind. Dass die
anglofriesischen Erscheinungen wirklich einmal bL«ienstÄndig gewesen sind,
beweisen die hn vorigen § besprochenen Falle. Wir haben den merkwür-
digen Fall vor uns, da:is ganze Lautgeiüetze im Verlauf der niederdeutsches
Sprachgeschichte einfach aulgehoben sind, und zwar M-eil sie von je her nur
eine eingeschränkte Geltung hatten. Aus as. ölfiar \lIelianJ\ hat auf laul-
licheni Wege ndd. anner nicht entstehen können: während ^/Z/ffrausgesturben
ist, stammt nnner ■< ander aus einer nicht anglofriesischen niederdeulschai
Mundartenschicht, die ebenso all ist wie jene unglufriesische: IhUanJ', ander
(C 1203. 1444) neben öthar. Innerhalb des AltsTichsischen liegen also zwei
Schichten vor, eine auglofriesische und eine, um es so zu bezeidinen, deutsche.
Da diese Scliichten, von Ausnahmen wie Merseburg (vielleicht aucJi Corx'cy)
aljgesehen, nicht geographisch gescbieden waren, so waren sie es sozial. Da
im späteren Niederdeutschen v(.»o der anglüfriesischcn Schicht nur geringe
Re^üte übrig geblieben sind, wälircnd sie im tdlgemcincn durch die deutsche
Schicht absorbiert wordeJi ist, so sind die Menschen, welche der letzteren
zuzuzahlen sind, von je her in der flberwieiteiulcii Majorität gewesen. Anglo-
fricsischf: Mundart wurde von einer tlber d^Ls ganze .Sachse.nland verstreuten,
hier verhaltmsmüssig starker, dort schwacher vertretenen Schaar, vielleicht
sagen wir besser: von einer Anzahl Familien gesprochen. Diese Familien
haben in ülte^tcr Zeh einen hcr\-orragenden Rinfliw-s gehabt, sonst hätten sie
nicht die übrige Bevölkerung sprachlich beeinflussl {}>ö$ »Gans*, süp »Süden«),
imd sonst hatte ihre Mimdart überhaupt nicht so stark littciarisch liervor-
Ireten ktmnen. \\'ir haben es wolil vorzugsweise mit anglofriesischen Adeb-
geschlechtem zu thun, welche über das nicht anglofrieaische Land geheischt
haben.
§ 14Ö. Kehren wir nun zu unserem Ausgangspunkte {% 142) zurück^ so
dürfen wir beluiupten, dass der Gnmdstock der Brvflikenmg unseres nieder^
deuisclien Landes nichi der anglofriesischen Gruppe iuigehürt hat, zu der
doch die Chauci und die holsteiniscEien Sachsen des Ptulemaios zu zalUen
sind. Diese Sachsen haben das Land erobert und ihm den Namen gegeben
und den Bewnhnem, vielleicht mehr wie von ilirer Sprache, w« ihrer Eigen-
art aufgrprügt. Diese über das Land verstreuten Sadiscn sind allmahlii-h
von der eingcbt>renen BcviUkerung absorbiert wurden, wie die Franken in
Frankreich, tlic Langobarden in Italien. Die Hauptmasse der Sachsen wie
der in ihnen pcilitisch aufgegangenen Chauci hat sicJi aber in Britannien eine
neue Heimat gegilludet: die holsteinische Mundart und die liannöversclte ist
kaum anglofriesischcr als die andern ndd. Mundarten. Es sind nicht die tn
Deutschland zurückbleibenden Reste gewesen, welche Niederdeutschland unter-
worfen haben. Vielmehr ist die Eroberung Niederdeutschlands der ^Y>n SOd-
III, D. Die deltschek Sachsbk.
867
c-nju;!aiid /xitüdi vurangcgaugtu. Schuu um 100 11. Chr. warvu die ubcren
WestTUnclst haften i-liaukisch geworden (§ 138); um 300 reidilc tlriü S:ichsen-
land westwärts bis zur Zuider-See (§ 172); iin ö- Jalirh. erfolgte die Erobe-
rung Ostfaleus uiid um 7cx) die Eroberung WeÄtfaleiis, beitle zum Teil histfi-
risch bezeugt. Die Zahl des sächsischen Kemvolkes ist fi» Niederdeuischland
auch nach dt-r Auswandtrnnig nach Etighiud zuiiüclist iiiclit h** gering gewe-
ser. Ihn^ Zahl, die ia den Kriegen gegen die Franken t>ereits au&serordenl-
licb geschwächt n'urde, ist so gering geworden erst durcli die Entltauptung
von 45OÜ Sadiscn zu Verden im j. 782 und besonders durch die gewaltsame
Verpflanzung vieler TauscJide durch Karl den Grossen, der im J. Üo^ loooo
Sachsen von beiden Seiten der Elbe mit Weib ;md Kind im Frankfnlande an-
siedelte* und dadurch das nach der Übcräledlung nuch Britannien olmeliin nur
schwach bevölkerte Chaukcnland und westUdiu und mittlere Holstein -— Oftt-
holstein war slawisch — fast enlvf>lkerte. Südlichere Elemente mOssen hier
einfiewaiidert sein. Die uicht-süclLsi>chen Elenieiile der Bevölkerung lialjcn eine
weicntliche Vcreiarkung erf;ihren durch friinkisclie Ansied luiigen, be«inders
diu'ch die Urbarm;ichutig der Elb- und Wesermarsclien durth Niederländer
{§ 1B7), von den uiederlandiüchen Kolonien in der Altmark, in Anhalt und
östlich der Elbe (ji i8tt) ganz zu geschweigen. Hierdurch ist der heute nc>ch
bestehende, ursprünglich aber ganz scharf ausgeprägte Stammesgegensatz
zwischen Sachsen untl Franken, der jtolilisch in der Feindscliaft zwischen
Deutschen und Franzosen fordeht, gemildert und der äächsischc Stamm vol-
lends verdeutscht worden.
1 'Einhanl 7 und Hciniold 1 3. 4.
§ i4tj. Fragen wir nun. welche Völkerschaften ausser den Cbauci {§ i3Öf.)
in den Sachsen aufgegiuigen 8in<I, imd welcher Gruppe die eingeborene Be-
völkerung angelu"irte, st- ist zunächst tlaran zu erinneni, dass die Lango-
barden ihre Sitze im Lflneburgischen bereits im J. 6 n. Dir.. im X^uen-
hurgischen in der ersten Hälfte oder spätestens in der Mitte des 2. Jalirhs.
aufgq^eben hatten, um nach Süden zu wandern {§ 243). Ihr Gebiet ist zum
Teil von den ihnen befreundeten* Sachsen besetzt worden, zum grössten Teil
blieb es unbewnhni, um später den Slawen anheimzufallen.
^ P.-iulu.s DiiLciiDii« II 6.
1$ 150. \\Mhrend die Langobarden derjenigen Gruppe zugehört luiben,
aus denen nachmab die bochdeulsdien Stämme her\'orgegangen sind, gehören
<iic von den Sachsen vertriebenen oder unterworfenen Villkerschaftcn zu-
meist der isiraiM-ischen, nachmals frankischen Gruppe an. nur in CisUalen der
hochdeutsch t-n Gnippc. Von den CheriLsci und Angriv;irii ist es zweifelhaft,
ob sie zu den Ii^'iaiwen, Istraiwen oder Erminen zu zahlen sind. Vgl.
jedoch § 216.
1. Die Südnachbara der Langobarden und Chauci waren die wahrschein-
lich zur fränkischen Grupjjc gehörenden (§ 2 16), im Hanuövcrsclien und im
östlichen Westfalen WLihnenden Cherusci. Um Chr. Cleburt ein machtiges
Volk, sind sie ^q^ii Ende des I. Jahrhs. n. Chr. von den Cliatteu odei viel-
leicht richtiger von den Chaud pohtwch vernichtet worden ' (\^1. unten 7), und
üire Reste sind in den benachbarten Stammen, vornehmlich in den Chaturi
und Thüringern, \-ielleicht auch den Chatten und L:mgobardcn aufgegangen.
Die Annahme, dass die Chenisci ein Kemvolk der deutschen Sachsen gcwe-
-sen seien, entbehrt jedes AnhalLs. Die cheruskische Grundbevölkerung im
oberen Wesergebiet offenbart sich noch heute in dem sich von dem westfäli-
schen scharf abhebenden Volkscharakter a.
2. Die Amsivarii, nachmals als fränkischer Stamm bekannt (§ 198), liaben
BS*
868
XV. Ethnographie der geruaxischen Stäuue.
bis zum J. 58 n. Chr. im Gebiet der KmsmOndung gewohnt, wie sie ihr
Name als Anwohner der Ems bezeichnet. In diesem Jalirc uiirdcn sie
»puls! a Chauds et scdia inopes tutum cxilium onibant< (Tac, Ann. XITI
55). Sie sind tlann in das sQdliche Westfalen abgezogen und spater an den
Rhein (S 198).
3. Die Cha»uarii {^ 201), im 1. Jahrb. n. Clir. an der Hase wohnend,
wahrscheinlich eine Unterabteilung der Bructeri, finden vnt zu Ausgang des 3.
Jahrhs. in der Vtronesfr V&ikertafel unter den rechtsrheinischen civitatcs, neben
den Usiiii. Tuhantes; -islae oranes dviiates trans Rheniini in fomuilam Bt-I-
girae primae redactae«. Sie sind als<^ ausgewandert, und ihr I-ind. den
Hasogau, haben die Sachsen besetzt.
\. Die Salii sind um 300 von den Sachsen aus ihrer Heimat ösdich der
Zuidcr See verdrani>t worden (§ 172).
,5, Die Chamavi hatten sich zu Ausgang des i. Jahrlis. n. Chr. mit den
Angrivaini in das brukterische Gebiet nürdlich der Lippe geteilt; ihnen war
das westliclic Münsterlantl zugefallen. Dieses, das sogenannte sächsische
Hamaland, nuissten die Chamavi um 300 vor den siegreichen S.'u.hsen rliumen
(S 176).
6. Die ursprünghdi westlich der Ijssd sesshaften Chatiuarii sind <«fldwArt$
gewandert und liaben ihren Namen in der Landschaft Jlaitcnm hinterlassen,
die in ihrem «"Istlidicn Tdlc, an der Ruhr, nachmals sächsisches Gebiet ge-
worden ist (§ 184}.
7. Die Angrivarii, über deren uraprüngUche Zugehörigkeit zu deji Ingwi-
aiwen oder Lstraiwen {§ srb) sich nichts aussagen iH-sst, hfllt man fOr ein
Kemvolk der Sachsen, weil ihr Name identisch i.st mit dem sächsischen
Stamme der Engem an der Wojcr, mit deren Sitzen sich die der Angrivarii
im I. Jahrh. n. Chr. zum kleinen Teil decken. Man nimmt an, dass das Volk
in seiner allen Heimat sitzen geblieben sei. Diese Meinung ist schwerlich zu-
treffend. Die Identität der Angrivarü und Engem ist keine etluHJgraphisdie
sondern, und auch dies nur bedingt, eine territoriale. Beweisend ist das
Zeugnis des Tacitus, Germ. 35: »luxta Ten».:teros Bructeri olim occurebani
[im MOnsterlande, s. die Karle]; nunc Chamavos et Augrivarios immi
narratur, pulsis Bructcris ac jienitus e.\dsis ndnamm consensu nationum. s<
superbiae odio seu praedae dulcedine seu favore quodara erga nos deoriun.
Nam ne si)c<Haculo quidem proelii invidere. Super sexaginta milia nou armis
lelisque Romanis, sed, quod magnificentius est. nbleclationi oinilisquc ced-
denmt.« Dass die Angrivarii mit dieser Besetzung nicht etwa nur ihr Gebiet
nach Westen ausdehnten, snndern ihre ahe Heimat aufgaben, lehrt Germ. 35:
die Wohnsitze der Chauci erstrecken sich von der Nord-iee südwärts, >donec
in Giattofi usquc sinuctur. Tarn immensum terraruin spatium nun tcnent
tanttiro Chaud, sed et implent«; vgl. auch Genn. 36: >in latere Chaucnrum
Chattorumque Clierusci« und Germ. 34: »Angrivarlos et Cliamavos a tej^>
Dulgubnii et Chasuarii cludunt , a fronte FrisÜ exdpiimt« Die Angri-
varii, wddie vordem au der Weser südlich von den Chauci, östlich von den
Bructeri, rnlnllich von den Chalti und Cheruad wohnten. «*aren alsci zu
Tadtus' Zeit nach Westen ausgewandert.
Anm. Mit Unrwht wird «lies vierlat'-tie Z«mgni& des Tscitu* von den meisieo Por«
adicrn vt^rworfen. Zcuxs 95 imd iot$ verwirft es deshalb, weil tutcb dem jOngerfn Pltnluij
{,£pist. n 7) und Ptolcmaios die Bructeri in ihren «Iten Sitzen v,-r>hn«i. umJ wdt
Aiigriviini tiei Ptol. und dii^ tw]>StPren Kngern an der Weser sitzen. Das Zeugnit <1^
Ptol. kommt nicht in Drirachi, weil dieser oline Kritik die lUtcren Xacbricbteo mit den
Qcueren vereini bjit. Plinius, JCpiit. 11 7: »Spurinna Bnicicniin regeni vi et irmi* if>-
diixit in rr^iiiim (Mtenlxt'Mju« be1lo rerorissimum gentem — lerr«ce prnlamuit.« Das |^
MaB»tii1> 1 : 5.000.ÜOO
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«ItiMk 98 0. Chr. Zweifellos isc dies Zeugnis mit der Nachricht bd Tac. zu verbinden.
VgJ. J. Asbacb. Jbb. d. Vcx. v. All. i.n Rhein). LXTX (1880) 1—6 und I-XXII (1S83)
19 f. Als SpuriniM eingriff, witren di« Bructer] noch nicht vcmi'Cbtct. Dieac Katastrophe mu&s
unmittelbar. Doch, im J. 9S. gefolgt »ciu. Die bnto BcsUlit^iui); der NRcbricbt des Tacitus ist
der Umstukd, dass wir ohni-hln aniKhnicn mfissleii, du^t im I^ufi.- der er^leu 3 Jahrhunderte
n. Cbr. d(e Chamavi WtfttmUnsterLand erobert haben, da dickes den Xam(^n Itaxnalaad
trlf^ und da die Sachsen um 300 die Chamavi bcrciu verdrUnj^t halten. Desgleichen
weist der im ÖsÜichon Wesllalea beirniMrhe I^mlstlwftsnanie An^ron ;iuf eine Besetiung
dieses Gebieu durch Angrirarü hin.
Die von di-T Weser in das mittlere und östlidiu Münsterland eingewan-
derten Angrivarii haben den Chauci, die später unter dem Namen Sack'ien
erstJieincu, Platz gemacht, sind aber nachmals sach!>ibch gewürdcci. Fehlt es
gleich an einem geschichtlichen Zeugnis hierfür, so wis-sen wir dfx:h andrer-
seits nichts von einer weiteren Auswanderung- dieser westfälischen Arigrivam.
Ä(an könnte daran denken, dass sie als Bewohner des alten bruktcriachen
Landes, unter den gleich zu nennenden Bomcfuarii zu verstehen sind, müsste
CS nicht aU ausgeacJikisscn erst^heiiieii, dass die Sach^ien, welche tun ,'^00 be-
reits am Niederrhein standen, damals nicht langst Herren des ganzen Münster-
landes wartin. Die Unterwerfung der Angrivarii uder ihr Anschluss an den
Stamm der Sachsen kann also nicht später als in das 3. Jahrhundert gesetzt
werden.
K. Miilicnhoff, ZfdA. IX (1853) «6—339. — J- Wormalall, Ober die
Charntner, Brttkurtr und Angth-aricr , Piogr., Münster 18B8.
8. Die Bructeri selbst, deren Reste sich nach der Kat:istrophe des
Jahres 98 südlich der Lippe hielten, scheinen hier dauernd geblieben zu sein
(§ U^j). Sie äirul unter den Boructuarii zu verstehen, die Baeda (V 9)
als ein besondere» Volk neben den Anliqiii Saxtmes aufführt, und von denen
er (V 11) berichtet, dass sie im J. hg,^ >a genle Antiquurum Sa.icunum« Ik:-
zwungen worden seien. Ihren Namen hat der mittelalterliche Gau Jhrahtra
bewahrt. Mit der Eroberung des sQdlitJien Westfalen;« haben die Sachsen
ihre historische Südgrenze erreicht.
Die südlich von den Resten der Bructeri wuhnenden Amsivarii (s. oben
unter 1) waren damals bereits nach dem Westen abgerückt {% 198).
9. Die letzte Erv.erbung fränkischen Bodens haben die Sachsen in einem
sicgrtüchen Kriege gegen die Hessen gemacht, welche tien pagui /lessi-
Saxontcus (an der [)icniel) abtreten musslen.
Fassen wir zusaumien, so sind von der eingeborenen Bevölkerung des west-
lichen Sachsentandes die Amsivarii, Chasuarii, Satü luid Chamavi ausgewan-
dert, und es ist anzunehmen, dass von diesen Stämmen nur die Unfreien im
Lande geblieben sind. Die westfälischen, auf dem bnikterischen Boden an-
sässigen Angrivarii und wahrscheinlich auch der südÜch der Lippe, im west-
fälischen Saucrland verbliebene Teil der Bructeri sowie die /istlichen Chat-
tuarii an der Ruhr und die Hessen des sächsischen Hessengaues sind im
Laude sitzen geblieben und politisch in den Sachsen aufgegangen. Ganz und
gar in den Sachsen aufgegangen ist zum mindesten der an der Weser woh-
nende Teil der Cherusd. Das gesamte Saclisenland, mit Ausnahme der un-
teren Weserlandschaft imd Holsteins, hatte also eine nicht sachsische und
zwar in Westfalen und Engem eine islraiwische Grundbevölkerung. Diese
wurde zusaami engehalten und ventchroolz mit den sächsi.schen Eroberem zu
einer Nation infolge der geschaffenen politischen Organisation 3; das säch-
sische Stanimcsbewusstsein aber hat sich in dem Volke befestigt infolge dea
zähen Festhalten» an dem germanis<-hcn Glauben, der eine Scheidewand
gegen die chrisüichen Franken aufrichtete. Rein säclisische Bevölkerung hat nur
870
XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
Holstein und nach der Zurückdrilngiing der Chemsd und der .-Vuswandening
der Angtivarii Engem gehabt, und zwar mit Ausschluss des südlichsien Grenz-
streifens an der Dieiuel, wahrscheinlich auch mit Ausschluss des Gr)ttingischen
zwischen Weser und März.
' Tacitas iitrm, 36. Di3n Kassios LX.VII 5, i bcfictatet von rrüberen
kri<^eriacb«n Verwicklungen der Chcnuci und Cbatti. Lcutcrc bauen um 80 den.
chcrasItiKbcn KöbIü üfsiünt. Schon im Jahre 47 vrai die cbcniskischc Macht
gesunken (Tac, Ann. XI l6f.). — « H, JcHinnhaus, NMd. Korrbl. XVtU
2 und 4. — 8 Vgl. Wuiiikind 1 14 und Bneda V 10.
§ 151. Historisch ist dann die Ausbreitung der siegreichen Sachsen Über
Ostfalen auf Kosten der Thüringer, zu einer Zeit, als das südliche Westfalen
noch nicht von den Sachsen erobert war. Nachdem die Franken das thüringische
Reich im J. 531 gestürzt hatten, mussten die Thüringer alles I-and von der
Unstnit bis zur Ohre an die mit den Franken verbflndetcn Satljsen abtreten.
Die Landscliaft westlich von Magdeburg hat mit dem Namen Norät/ißn'ngf^u
noch die Eriiuierimg an die eing*^bijrene thüringische Bevölkerung festge-
halten. Den sQdlicheren Teil des neugewonnenen Gebietes verliessen im
J. 568 26 ex» Sachsen mit Weib und Kind, um Alboin nach Italien zu fol-
gen ^ Die zurückkehrenden fanden das Land von den inziA-ischen hier an-
gesiedelten Nordschwaben besetzt ', deren Namen der Gau Smmn (sQdItch
der Bu4le) bewahrt hat. VcnaoclUen sich gleldi diese Nordscliwaben zu
behaupten^ — konnte noch Widukind (I 14) von ihnen sagen, dnss sie
i^aliis legibus quam Saxones utuntur< * — , so sind sie docli politisch und
sprachlich zu Sachsen geworden. Zum J. 748 werden »Saxones, qui Nord-
squavi vocantur« genannt {Ann. ^fflUnsts, MG. I 330). Niederdeutsch ist
bis Anfang des 16. Jahrhs. noch in Halle und in der Grafschaft Mansfeld
gesprochen worden ^
Das alte Ostfalen reichte von der Unstrvit und Elbe bis zur Löneburger
Heide, bis Hannover und bis über Hildeiheim hinaus. Thüringische Urbe-
viVlkenmg Ulssl sich mit Sicherheit fttr die östliche Hälfte Oslfalens emiittela
(§ 23^). über die Bewohner der westlichen Hälfte wissen wir ^eit dem 1.
Jahrh. n, Chr. gar nichts. So muss es dahin gestellt bleiben, ob die auf dieses
Gebiet eingeschränkten Cherusci schon seil dem ausgehenden i. Jahrh. ia
Abhängigkeit von den Chauci > Sachsen geraten sind (§ 150, 1), oder ob sie
sich den Thüringern politisch angeschlossen haben. Der Gau Atl/ala reichte
üstUch bis zur Ocker. Von diesem sächsischen Gau aus scheint der Käme
531 auf die gesamte ostfaüsche Landschaft übertragen worden zu sein.
Anm. Die Südctenze deji säch&isch^n Hamci iüuri über den ^Itlni; und von Braun-
schweif nach Helmstedt. Wi« im XtwdthQringijau, so herscht thQrint;i»cbc Bauart nfinllicb
d™ Hiinvs bis 7U jener Linie, wa-i auf eine nicht sächsische, der thänngitclien nalie-
stdMnde Urbevßltccrung hinzuweisen ficheinl, sei nt auf Re«te der Cberusd, sei es weil
die Greiuen des th'flniiK'Khec Reiches um dfts Jahr 500 so weit reicbien. Vgl. R. An-
drce, Die SiidgrcHze da sächsitcßun Haum tm Braunsch-oxii^iicHcn. ZfdEtho. XX.VU
(1895) 25-36.
■ Paulos Üiaconus II 6. — > Gregor t. Touri V 15. Paul. Diac.
U 6. III 7. Widukind I 14. — » Gregor V 15. Paul. Diac. in 7. —
* Hierher die Suüviic des Sachsenspiegels. — ^ R. Loewe, BliUcf für Hand«!.
Gewerbe uiid 5oda]ea Leben (UcibUtt ixa Magdeburgiscben Zeitung) 1898, S. 304.
§ 152. Es gehl aus dieser Darlegung her\'or, dass die Kinteilung der
Sachsen in Westfalen, Engern und Ostfalen (oder Osterleute) auf einer
alten territorialen Grundlage ruht, wahrend die Namen der ersten und letzten
gleichwie der Nordalbinger (oder Nordlcute) get^raphiscbe sind.
Diese vier TetlsiSmme der Sachsen sind erst seit der zweiten Hälfte des
8. Jahrhs. bezeugt Die West- und Ostfalen {-/aiahi) haben ihren Namen,.;
von dem Fhnlilande (jfcnn. yäM) ^. Die En^icru {Attgrarri) füliri:ii denselben
Namen wie die von der Wcaer in das Münstcrland cingerürjctcn Angrivarii.
Das Gebiet der Anj*ri\'arii an der Weser hatte sich im i. Jahrh. n. Chr. etwa
vitn Minden (vielleicht erst von Schlüssel bürg) ab nordwärts erstreckt*; die
Wescriandschaft südlich von Minrlen, welche, wie das Göliingische Gebiet»
lutn sptltercn Eugenv }:ehörte, war im I. Jahrh. lu Clir. chcruskis«-h ; die
ferner zum s|>;ilcren Engcni gehörende Landschaft zwischen der unteren Elbe
und der der unteren Weser und Aller war damals chaukisch. Hüclislens ein
Drittel des spfltercn cngrischcn Gebietes hat alsu von Hause aus den engri-
schen (anprift'arischcn) Namen getragen. I^ie Übertragimg dieses Namens
auf die im Süden und Noixlen angrenzenden I^ndsihaftcn ist, da wir wissen,
dass sie nicht durch pi^litbiclie Vcrtialtnbiac veranlasst worden ist, wohl durch
geographische Rücksichten bestimmt worden.
Dass die genannten vier Teile des Saclisenvolkes Jeder für sich einen be-
sonderen Stamm gebildet liüitCJi, etwa vnc die Teilst.*lmmc der Franken, da-
hlr fehlt jeglicher Anlialt Wir haben uns vichnchr jene Abteilungen eher
als I'rovinzen vorzustellen, und wie die Xnrdalbinger sich aus den gesonder-
ten Stammen der Ditlimarschen, H< listen und Stormarn /usanunensetxten, sc
haben die uns nicht mit Namen bck:mnten Einzelstimme der >C1»auconm»
gcntcs' (l'linius, .\\//. IV t)()) oder •Chaucnrum nationes« (Vcll. II lOfj)
niciiLi mit der Einteilung in Westfalen, Engem und Ostfalen zu thun, Im
Ve-rtaufe der Zeit scheint allerdings diese Dreiteilung für die Gruppierung
des Sathsenvolkes massgebend geworden zu seil» ■.
Dass die Abgrenzung eine schwankende war, dafQr mag als das wichtigste
Beispiel angeführt werden, dass die Landschaft an der oberen Ruhr teils zu
Westfalen gerechnet ^^■u^de (so bei Spruner-Menke), teiJs zu Eiigern, wie
ihr Nanie Angeron beweist.
1 Der Name Westfalen Ut cHTetibar von Jetn iiÖnIlith<^n, tbencn Westfalen auf
das BiicUichc, KcbÜKiK« Übcrtraßen wonlen, .ik teuten's im J. 693 sichsisdi wurde,
— * Da«s lät bis nir KUste (;eretcht hinen, diu-f man »im T&citus [Atin, EI 8)
n^t folgvrn: die R^mcr ntiie-lccn die Schiifbrildij^f n durch V«rmii(LuDe der
Aiif Selten Roms steticii4en Angrivarii. — ' Vgl. f^x Saxanitm, Art. VIII und IX.
§ 153. A priori lässt siLh vermuten, (äass die sliclisisclie Sprache der alten
Westfalen von der Sprache der frankischen Grundbevölkenmg beeinflussi
wurden ist, die der Ostfalen durch die Spiache der thüringischen Gtundbc-
völkerung. Mit thftringischen und hessischen Elementen haben wir ferner
fär das sudliche Engem zu rechnen.
Was die Gruppierung der heutigen niederdeutschen Mundarten
anbetrifft, s«i sind bislicr die folgenden Gruppen deutlich erkennbar*:
i) Die norilniedersachsischen Mundarten der deutschen NonJseckQslc
und de: Osiseeküste bis Usedom. Die Südgrenze Iflufl von der EmsmQndung
bis nrtrdlich von Minden, von hier nordösllieh bis zur Mündung der Leine
in die -Mler, weiterhin Ober die Was.sersc beide der Lünebutger Heide und
buigs der Mecklenburgischen Südgrenze. Das Gebiet deckt sich, mit der
mittelalterlichen Kirchenprovinz Bremen.
a) Die westfälischen Mundarten, sQdwesttich von jenen. Die Ostgrenze
gegen die engrischen Mundarten zieht sich zwischen Osnabrück und Minden,
Monster untl Bielefeld, Donmund und Soest, Über IseHohn bis zum Ederkopf.
3) Die westengrischen Mundarten, wesdich der Weser.
4) Das Calenbcrgische, bis eben östlich von Hannover.
5) Das Güttingisch-Grubenhagensche.
6) Daa Ostfalische, von der unteren Leine bis vor die Thorc von
Magdeburg.
ä
Ob man die unter 3 — 5 genannten Mundarten zu einer cngrischen Gruppe
zusammenfassen darf, darüber ISssl sich zur Zeit noch kein abschliessendes
Urteil ge\riiinen.
Immerhin ist so \ie] erkennbar, Hass die Ostgrenze der lieutigen west-
fälischen und die Westgrenze der heutigen ostfSlischeu Mundarten sich we-
nigsten» annähernd, zum Teil aber ganz genau mit den Grenzen des alten
Westfalens und Ostfalens deckt. Die nordniedcRiaclisischcn Mundarten,
welche an der Weser abwärts bi« Bremen Berührungen mit dem Calenber-
gischen zeigen (Bremen war im Mittelalter noch engrisch), beruhen offenbar
auf der holstcinisdicn Mundart — in Ostfriesland und an der Wcsermündung
hat man früher friesisch gesprochen — , so dass man die nordnieder»ach-
sischen Mundarten w(jhl als eine Forlsetzung der Sprache der Nurdalbingcr
ansehen darf.
Aufgabe der Mundartetiforschung wird es sein, djuauf zu acliten, welche
Elemente in den westfälischen Mundarten etwa auf frankische, welche in den
oatfali-schen Mundarten auf thOringische Urbevölkerimg ziullckweisen. Einst-
weilen weiss ich nur zwei Fälle für Westfalen anzufahren:
a) Die Diphthongierung von t, ü und a im Auslaut und vor Vokal, welche
bekanntlich auch in den monuphthongischeii frünkiscben Mundarten einge-
treten b*t ', kennen sämtliche westfälische Mundarten (mit Ausnahme des
Osnahrückschen),
b) iff für unbetontes iv findet sich s(H>radisc]i In fränkischen Mundarten
(besonders am Rhein zwischen Coblenz imd Linz, an der Fulda und im
Hennebergischen), ebenso aber auch im südlichen Westfalen *.
Über Spuren der fränkischen Urbevöikening in den sOdwestfälUchen Orts-
namen vgl. 1'. Vogt, Die Ortsnamen auf -schnd umi -auet (ofil). Progr.,
Neuwied 1895; über die vielleicht als istraiwlscl» anzusprechenden, ostwaila
bis zum rechtai Weserufer reichenden, besonders aber sßdwestfälischen und
fränkischen Bachnamen auf ndd. -ajMi, hd. -ttffa vgl. oben S. Hoo f.
In Ostfalen sind thüringischen Ursprungs die besonders im NurdtliQring-
gau in kompakter Masse vorkommenden Ortsnamen auf -lelnn, worüber oböi
S. 851, Note b.
' Vgl. hierzu iii«ine Karte der (Icuöchcn Mutickrien in Brockhaiu* Koav.-
Lot., 14. Aufl.. Bd. V. — ' Vgl. t. B. K. Maiiimann, Gramm, äfr Mundart
von Mülhdw a. d. Kuhr, Leipzig 1898, % 155 — 158; A. JaidoD, Gramm, der
Aachenfr Mundart. Aat'bcn 1891, S. S {oben), 10 und II; Kfilu ^Tuwb Fr.
Hönigl: Ar«' Brei, io« Sflu, .ti/wSSiif; B. Schinid t, IWalismut drr Swgrrldmder
Mundart, Halle 1894. S. 65—68, r** f« TQ ""d 98 f. — * Vgl. O. Brc-tncr,
/ifitnigr sur Gragraphte der dfiititihcn Mundarten, Leijjjdg 1893, .S. 45—^7.
§ 154. Die Kämpfe der Sadisen mit den Frauken sind sdion Mitte des
1. Jahrhs. n. Chr. (§ 150, 2). um 300 imd im 4. Jahrh. (_§ 150, 4 und 5) bezeugt,.
haben dann seit der Mitte des (). Jahrhs. aufs neue begonnen und sind erst
durch Karl den Grossen beendet worden. Wahrend in den ersten Jahr-
hunderten die Franken überall vor den siegreic-hen Sacliscn zurückwichen und
letztere sugar in den Niederlanden Fuss zu fassen versuchten (§ 172), warea
sclion im 6. JaliHi. die Franken den Sachsen überlegen. In der ztveiten
Hälfte des ft., im 7. und 8. Jahrh. waren die Sachsen den Franken tribut»
pflichtig*. Karl dem Grossen gelang es nach mehrjährigen, mit äusserster
Erbitterung geführten Kriegen im J. 804 Sachsen dauernd seinem Reiche ein-
zuverleiben. Das seit 880 bestehende Herzi^gttmi Sachsen bildete einen Be-
standteil des Deut.schen Reidies und nun erst eine poUtische Einheit die
vordem so wenig wie bei den Friesen bestanden hatte. Das Stammesheraog-
tum dauerte bis Qig, als Herzi^g Heinrich deutlicher König wurde. iiSo
m, D. DiB »fiUTSCHEN SaCHSEK.
873
verteilte Kaiser Friedrich I. Saclisen au den Erzbiscliof vun Köln und den
Grafen von Anhalt. Die Saclisen sind zu Deutschen geworden, und zwar
en<lgültig^ nnchdem sie seit dem 16. Jahrh. die hi:>chdeutsche Schriftsprache
und seit dcra 19. Jahrh. die hochdeutsche Uragaugssprachc aiigcnuniraen
habai.
' Belege bei Zcubs 387 f.
§ 135. Ihre bekannten Grenzen haben die Sachsen um 700 durch Unter-
werfung der Briructuarii (ii 150, 9) x^^wimnen. Die Grenzen bestehen heute
noch in voller Scliarfc, sowohl in Bezug auf die Siirachf. Sitten und Gewohn-
heiten als auch in Bezug auf die geistige Eigenart. Nur hinsiclitUch der
Westgrenze gegen die Niederfranken beistehen Zweifel: wahrend die östlich
der Ijssel gelegenen Landschaften der heuligen Niederlande, nJlnilirh Salland,
Twente und Drcnte pulitisch zu Franken (Lotharingia) gehOrt haben, gehören
sie der Sprache nach zu Sachsen. Diese StammUinde der Niederfranken sind
um das Jalir 300 (§ 172) von den Sachsen gewonnen und, wie es scheint,
nach Vertreibung der Einwohner neu besiedelt worden, um bereits im 5.
Jahrh. von den Franken zurück erobert zu werden, die aber die sächsische
Be\'ölkerung im Lande bclicsscn.
Clier ilie Otlgiertzc Ükt Si)ch»en in HnJ^lnit v^^l. Kr. Bangcrli /Jk Sachsttf
grente im G^Ute der Trenn. Prugr., OUlesk« 1S9}.
§ 1.56. Ausgebnälet haben sich die Sachsen, von der Übersiedlung nach
England abgesehen, seit der Mitte des 12. Jahrhs. nach Osten hin. Damals
waren <.tie Slawen cnilgDltig niedergeschlagen worden, und es begann die
Besiedlung des Ostlandes durch Deutsche (näheres unten § 1K5), nachdem
die Eroberungen Heinrichs (gi> — 1136) in dem grossen Slawenaufslaiide
zwisi:hen 973 und 988 wieder verloren gegangen waren. Seit 1 140 wurde
das östliche Holstein kolonisiert. Zum Jahre 1156 sagt Helmold (I 83)
von dieser Uindschaft: »recessemnl Sciavi, qui habitabant in oppidis dr-
cuinjaccnlibus, et venerunt Sax<ines et habitaverum Ülic. Defeccruntque
Sciavi paulatim in terra-". 1160 begannen Sachsen das «-estliche Mecklen-
burg zu besiedeln (Helmuld I ui), und im 13. Jahrli. kuimtc Helmold
(II 14) bereite von dem westlichen Mecklenburg sagen: »omnis Sctavorum
regio incipiens ab Egdora et cxtendilur inter uiare Bahhicum et Albiam
I>er longissimos tnictus iisque Zverin, oliro insidiis homda et pacne dcserta,
nunc dante Deo redacta e,st veluti in unani Sa-xonum coloniani-. Im 13.
Jalirh. setzte die Einwanderung aufs neue ein unct erstreckte sich bis Hiulet-
iwniinem, Bromhcrg und (')stprcusscn. Im 14. Jahrh. war auch Rßgen deutsch
geworden. Für die Altinark haben wir noch aus dem 15. Jalirl). Zeugnisse
für wendische Bevölkerung.
(_>sth' listein, Mecklenburg und Vorpommern bis Usedom sowie Rügen ist
»j gut wie aiöschlicssUch %on Sachsen kolonisiert worden und zwar, nach
Ausweis der Spraclic, voni-iegcnd von Holsleincm und den Küsienbew^ihncm
von Oldenburg bis zur unteren Elbe. In die Kolonisation der Mark Branden-
burg und der östlicheren Ijindschaften haben sich Sachsen und Niederfranken
geteilt, und zwar überwog das sflchsische Element, aus üstfaten und dur Alt-
mark stammend, in der Prignitz uml Uckermark. Aus Engern kam ein TeÜ
der heutigen Bewohner von HinlenK'mmem und des Netze-Distrikts. Nord-
niedersachsen wohnen südlich des Fiisdien Haffs und um Btscbofstein in
O&tpre^^en. Über die Mischung von Sachsen imd Niederfranken s. unten
Helmohlus, Ckrirnii-a Sloj-orum (bis 1 170) («1. I. M. Lafipenlterg,
J/ff«. Germ. & r. XXI I — 99; in u». Khuln Haniiovcrae 1868; ilculscb von J.
874
XV. Ethxogkaphic der oekuanischen StAjiub.
C. M. Laurent {DiV C<uh>chn(kreiber dtr dtutichm Verictl, XU Jahrb., Bd.
VII), neue Au*B., Berlin 1888). Vgl. dwu U. Voelkcl. Die SUn'mchromk
Helmolds. (iüttiti|:cr Diss., Dnnxig 187J: C. Hirsekorn, Die Slmvnfhrcmk lirs
Presbyter HetntoU. Diss., Haili: lS^4^ C Schirren, Beiträgt ztir Kritik öllcrer
k«hteim^(her Ge!:ffiit-trlsquei/en, Leipzig l87f>; Wigypr, Jbb. d. Ver. f. nwxklbg.
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1 — 220), Wür/lmrg 1897.
§ 157. Es mag den Leser auf den ersten Blick befremden, wenn ich
neben den Ost- und Nordgcnnanen und neben ilcn Angtufriesen und deut-
schen Sachsen die Kranken und die ilbn'gen deiitsrhen Stämme als je einen
besonderen Stamm darstelle. Die BegrQndung dieser Anurdnung ist oben
876
XV. Ethnographie der germanischen StAkime.
S. öiif. vereucht worden. An dieser Stelle sei noclimals darauf hingewiesen,
dass die gcscluchtUclien VerhaltiiLsse zu dieser Anonlnung nötigen. Was
die Sprache anbetrifft, sn llsst sich zur Zeit iiuch nichts darüber üussa-
gen, ob die Mundarten der niederrhcini-wUen untl der ripwarischen Franken
sowie der Hessen — denn um diese kann es sich atldii handeln — zu den
thüringischen und «iberdeutschen Mundarten in einer näheren verwandt-
sciiaftlichen Beziehung stehen als zu den übrigen germanischen Sprachen,
insbesondere zum Anglofriesischen. Mau nimmt dies bisher stiltschwci*
gend an, hauptsächlich do<-h wühl, weil wir, von moderigen Verhältnissen
verleitet, mit dem Begriff "Deutsch* bereits für das gerraaniscJie Allcr-
tun» zu operiereiii pflegen, wjlhrend doch die deutsche Nationalität erst sehr
allmählich geworden ist, und ihre ersten AiifSi^e, wemi wir nicht das Nie-
derdeutsche von dem Deutschen trennen wollen, erst durch die iK>littschcn
Aktionen Karls des Grossen gegeben sind. Ks wird cmc Hauptaufgabe der
deutschen Mundartenforschung sein, darüber Klarheil zu sdiaffeu, ob die
spnwrhlichcn Verhältnisse die geschichtlichen bestätigen oder nicht So lange
wir hieruljer nichts auszusagen vermögen, und es ist fraglich, ob diese Frage
aber]iau]it gelöst werden kann, ist vs geraten, sich an die historischen Ver-
hältnisse zu halten.
§ 158. Die historischen Verhältnisse zeigen schon bei Caesar cinea
scharf ausgeprägten Gegensatz der nachmals frankischen Stilmme zu den
swebischen, ein Gegensatz, der in der ganzen Folgezeit beobachtet werden
kann. Wir hören luchu« von dauernder Fchicisi haft der Chatti, Ubii, Sugam-
bri, Batavi, Chania\i; wohl aber von erbitterter Feindschaft zwischen den
Ustpetes, Tencteri und Ubii und den Suebi (Caesar, B. G. IV x. 4. 3. I 54.
IV 19), von einem Vemichtungskampf zwischen Chatti und Cherusci (Taci-
tus, Germ. 3(>), von Kämpfen zwischen »len Chatti und Hermunduri (Tac,
Ann. XIII ^~). Indessen auf so schwache Stützen ist ilie Annalune von
der Zusammen geh ürigkeit der fränkischen Stämme für die Zeit um Chr.
Geburt nicht aufgebnut. Wir haben drei direkte imd unanfechtbare ' Zeug-
nisse für die alte Stammeseinhcit:
i) Tacitus, /iisi. IV 2: ^Batavi, donec trans Rhenum agebani. para
Chattormu, seditinne di.'mestica jjullsi extrenia Gallicae orae vacua cultoribus,
simulque insulam juxta sitam Gcxupavere. quam mare Üceanus a fronte,
Rhentis amnis tergum ac latera circumluit.« Dazu Tac, Germ. 29 von den
Batavi: »Cliattorum quondam populus et scditione domestica in eaa sedes
transgressus.' Vgl. oben § 65. Dieser Nachricht mass notwendig eine be-
stimmte Kunde zu Grunde gelegen haben. Bei Caesar sitzen die nieder-
frankischen Batavi bereits in der Betuwe. wo ihre Nachkommen noch heute
wohnen. Vorher also — und wohl nicht zu lange vorher' — ist ein Thcü
der Chatten an den Niederrheiu aiisgewimdett.
Die wesiiich der Zuider-See wohnenden Canninefales sind nach Tac.
{Hül. IV 15) "origine, lingua, %irtute par Bata^-is«.
2) Tacitus, Gftm. 2f) sjigt von den Matiiaci, einem chattischen Stamme
nördlich der Maimuündung: ^cetera simlles Batavis, nisi quod ipso adhnc
terrae suae solo et caelo acrias animantur*.
3) Das Zeugnis des Namens der Cliattuarii beweist, dass sie entweder
von den Chatten ausgegangen sind, oder dass sie sich als Bewohner chat-
tischen Landes bezeichneten; jedenfalls sind sie von den Chatti ausgegat^en,
als sie sich unter dem Namen Chattuarii in der neuen Heimat ktmstitmer-
tcn'. Vgl. liructeri;Boructuarii (§ 150, S).
Ein viertes Zeugnis würde der Name der uedenheiuischen Marsaci ab-
k
tegen, wenn man ihn, H. Malier, AiUn^i Volhefnis I \h f. Anra. folgend,
von den Mann herleiten darf.
Die Batavi sind Nicderfnuiken, die Chattuarii gehören jtpater gletdifalls
7U den Nioflerfrnnken (^ iSi). Wenn beide viin den Chatten ausgegangen
sind, so kann auch an dem alten Verwand Ischa/tsvcrhflltnis der Ripuarii zu
den Chatten nidit w« »hl gezweifelt werclcr; denn spnichlich nimmt die ripwn-
rische Mundart eine Miliektellung zwischen dem Niederfrankischen und dem
Hessischen ein, und wenn die Batnvi und Cannincfate>j von den Chatten
abstammen, so mftsscn auch die ihnen geschichtlich so nahe stehenden
übrigen Niederfranken seit Allere zu den Giatleu in einem ualien Ven*andt-
sch^LftsveThJiltnis gestinden hahen — natQrüch ohne dass darum die Chatten
der frUnkische Urstamm zu sein brauchen,
1 MtSltcnborr (ZIdA. XXm 7) bc/weifcU die Ableitung des Xuncns Chat.
tuarii von Ckalff wegen des in «e. Nalicere vorliegenden einfachen / mit Un-
lechl; die Geniinaüi liat dammls noch bestanden; erst spSter ist Gcminata vor
Kanr(>>nan[ (Chxlinarii s= gi-rm. 'J/afhr<Trjö:) vtTcinliacht wurden, für ganz aii»-
{jeik'hluKten halte icb die weilcre Mc-inung MilllenliutTs (cIkI.), das enrtc Zeugni»
filr ilie Batavi Hfl nur eine Ftdx-I, wt^t-tt der Xamentätinlit-likeil fler Chalü timl
Chaltuarii gcimiflil. — ' HdI/ S. 13 niniiTii an. die Aitswamlrrung habe eret kiirx
vf>r 60 V. Chr. atatcgelundeii und siehe im Ziisammeithang mit der der ITüpi und
Tencleri {§ 65) infolge des VnrJrit^;cns der Sweben ncBcn die Chatten.
^ 159. Unter diesen Umstanden ist es fast zu erwarten, dass der diesen
Stämmen früher einmal gemeinsame Name zu Beginn unserer Zeitrechnung
noch nicht ansgesiorben ist. Es ist der Name Istiaiwen oder Istraiwen',
Die Zeugnisse für diesen Namen sind:
i) Plinius, jV. //. IV90: tOermanorum genera qulnque: Vandili, quorum
pars . . . .: alientin gcnus Iiig)*acoiics, qm.inim pars ; pnüximi autem
Rhcnu Istracuncs, quorum pars« — hier ist in den Haiulschriftcn leider eine
Lücke; wahrscheinlii-h hat u. a. »Cambri- hier gestanden, was auf die Sicam-
bri, cijjen alten frilnkisclien Stamm, hinwiese.
2) Tacitus, Gfrrn. 2 nennt ;i!s HauptstAnime der Germanen >proximi
Oceano Ingaevones, medii Hermincnes, celeri Istacvones«. Hieraus lernen
wir nichts, was nicht schon bei Plinius steht. Aber Tacitus fahrt fort, als
den ersten gleichwertige Namen »Marsos, Gambrivios, Suevos, Vandili^s« zu
nennen. >caqüe vera et antjqua numina«. Hieraus dürfen wir wenigstens
entnehmen, da-ss die Namen und mit ihnen die dvitates der Marsi und Gam-
brivii, beides frankische Stamme, zu den ältesten Bildungen gehören.
,1) Kaum anzuführen wage ich endlich die Stelle aus der um 520 in
Frankreich niedergeschriebenen Generado rtgum ft gentium ( M Ü II en h off.
Germania antiijua, S. 164): »Istio . . genuil Romanos, Briltones, Francos.
AlauKmnos.« Da von Erminus die Goten, Wandalen, Gcpiden und Sachsen,
von Inguo die Burgimden, Thüringer, Langobarden und Baiem hergeleitet
werden, so ist die Stelle vielleicht historisch gar nicht verwendbar. Unmöglich
ist es jedoch nicht, dass sich bei den Franken noch eine Erinnerung an den
alten Stamm esnamcn erhallen liatte; wenigstens könnte man herauslesen, dass
mit den Si'^hnen des Istio die Franken gemeint seien, welche damals R'^mer,
Britten und Alamannen unterworfen hatten und ihrem Reich zuzahlten.
Wie man sieht, ist es sehr misslich um unsere Überlieferung bestellt. Der
einzige Anhaltspunkt für die Istraiwcn bleibt »pruximi Rheno«. Aus dieser
^Vngabe und der Zuteilung anderer Stamme zu nicht-istraiwischen Gruppen
können wir zwar entnehmen, dass nur nachmals frankische Stamme fOr die
Istraiwen in Betracht kommen. Aber der Schluss, dass der spatere Franken-
stamm diesen Istraiwcn entspricht, würde doch gewagt »ein, um so mehr als
Plinius IV' (jy fortführt, die Clialti den Hcrmiiiones zuzuzalilen. Also nur
dcsliLtlb dürfen wir den Namen Istraiwen für den Vorgänger des Frankca-
namcns halten, wcü die frilakisdic Stammeseinheil ohnedies für jene Vorzeit
gesichert ist (§ 15S).
Wir haben liier also ein Beispiel für den Fall, dass eine frühere grossere
Gemeinschaft sich in verschiedene clvitatcs aufgelöst hat, die spater wiederum
zu gleicher Gemeinschaft vereint wurden. Sonst haben wir gesehen, dass die
alle aiiglofricsisdie Gemeinschaft LKJcr die ustgennanische sich aufgelöst hat
und aus ihr heraus sich selbständige Volker gebildet babeu. Offenbar haben
sich die fränkischen Stttmnie stets so nahe gestanden, dass «ch das alte sie
vordem einigende Band nie v^ilEig in ihrem Bcwiisstscin gelöst liaL Der
Hauptgrund aber ist wohl gewesen, dass die Stamme immer m geographi-
schem Connex geblieben sind.
' Über die N»iiiensfonn vgl. oben S, 813 Note l.
§ i6a Der Käme Istiaiwen war zwar zu Beginn unserer ^Zeitrechnung
noch lebendig, scheint aber dann bald jede Bedeutung verloren zu haben,
indem die diesem Verband angehorigen Slilmme sich zu immer selbsiÄn-
digere» Völkern auswuclisen, so dass das Bedürfnis nach etnein Gesamtnamen
nicht mehr empfunden wurde.
Der Name Franken ist bekannt seit der Mitte des 3. Jahrhs., ist aber
schon einmal bei Cicero Überiieferl {£:/>. ad Atlicum XIV 10): »rcdco ad Te-
bassos, Suevüs, Frangones« '. Bei der Litckenhaftigkeit unserer Quellen dürfen
wir keinen Anstoss daran nehmen, wenn ein Völkeniame um 3 Jahtbundeile
früher, als er sonst bekamt ist, ein einziges Mal erwähnt wird. Ähnlich heg;t
der Fall bei den Sadisen, die schon Ptolemalos nenutr und die dann
erst wieder zum J. ^Sti genannt werden, oder bei den Chaltuani, die zum
J. 4 n. C'lir. und dann um 300, oder bei den Amsivarii. die zum J. 58 und
dann g^en Ausgang des 3. Jahrlis. wieder genannt werden. Die griccldsche
Naraensform, in der Cicerti de« Kran kt'iui amen anführt, giebt an die Hand,
dass roseidüoios seine Quelle geuesen ist Der Name Franken hat also
schon ira i. Jahrb. v. Chr. bestanden, und es bleibt nur die Frage, ob er
^eich bedeutend mit dem Namen Istraiwen gebraucht wurde, oder ursprüng-
lich eine engeie Bedeutung gehabt hat.
Der Name Fnuiken bedeutet \ielleicht mit J. Grimm «die Freien«', offen-
bar im Gegensatz zu den römisch gewordenen istraiwi'K'hen Stammesgenossen,
Da der Name, wie wir sehen werden, am Niederrhein aufgckonunen ist, die
niederrheinisi'hcn Stilmme aber zu Beginn unserer Zeitrechnung, wenn auch
nur auf kurze Zeil, römisch waren, und der Name in viTchrislliche Zeit zu-
rückreicht, so kann er — die Richtigkeit jener Etymologie vorausgesetzt —
niu: im Gegensatz zu den sich seit Caesar an Rom anschliessenden Bataii
(und Cannincfatcs) imd Ubii aufgekummeu sein. Der Zeitpunkt lässt sich ge-
nauer bestimmen. Im J. ^5 waren die Ubii Schützlinge Roms, nachdem sie
vorher »uni e.\, Transrhenanis ad Caesarem legatos miserant, aniicitiam f«*-
rant, ubsides üederant^, (Caesar, H. (i. IV 16), was fnlhstens im J. 58 (\-gl.
fi. G. I ,«i4) und spätestens 5.5 geschehen sein kann, wahrscheinlich ira J, 55
(vgl. B. (}. IV 3). Die BalJtvi haben sich ebenfalls freiwillig an R<.»m ange-
schlossen, und wenn auch kein bestimmtes Zeugnis für den Zeitjiunkt vcir-
liegt, so waren sie doch zu DmstLS Zeit, der ihre Insel als Operationsbiui»
benutzte, als rf>misch er|irubt. Dass sie zu Caesars Zeil rßmische Btmdca-
genossen wurden ". ist an sich sclion wahrscheinlich, und ISsst sich folgern aus
der Titatsache, da.^ iiacli Caesars erstem Rlieinübergang im J. 55 ^a couplaribus
civitatibus ad eura legati veniunt; quibus parem atque amtcitiam petcntibus
IIU E. Franken.
879
libeniliter respondil obsidosque ad se adducr jubett {H. G. IV* iS). Die Su-
gambri gehörten zu diesen civhales niclit. und es kommen von den von
Caesar namhaft gemachten Stimmen allein die Batan in Betracht. An
diese müssen wir auch denken, als Caesar im J. ^2 tnms Rhcnum in Ger-
nianiani mitiit a<l ras dvit;iies. quas superioribus annis j-wciverat, equitesque
ab bis arcessit et levis amiaiurae pediles, qui inler cos prueliari coasucrant*
{B. G, \ni Ö5); vgl. auch "Gcnnanos equites« (VII 13). Denn die Balavi
w;iren durch ihro treffliche Reiterei berüJimt (Zeuss 102}. Wir dürfen also
wnhl sagen, dass der Name Frauken, wenn er die nicht mit Rom verbön-
detcn, freien istraiwiachen Stllmmc bezeichnete, erst im J. 55 v. Chr. aufge-
kommen sein kann. Und wenn bereits der von Caesar benutzte Posei-
dönitis diesen Namen kannte, so muss er vor dem J. 52 bekannt gewesen
sein. Er besteht also seit 55 — 53 v. Chr.*.
' \V(irni8l.-iIl. Cb. ./. Cfiam.. 17 f. — * Anders Kluge, Et. Ul>. unter
frank; rW-h vgl. lUfc Ocschk'hlc de» Woncii blond ebd. Vgl. atidi Kögcl, AfdA.
XIX (1893) a f. — * Auf ilit Batavi bei LiKanii», Phnrsaha 431 will ich kein
rirwifht i<>gen, — * Folglicli liälH- PoHeidSiiios (^-gl. obrii S. '}\\ unleii) »ein
Wtrk im f. 54 oder §j v, C'lir. vt-rfavst- ^V4^nn die Xeiimmg der Clu(ii»vi
bei StiubOn VII I91 inil L.iiiipreL'b t nuf Poseidi>nia.s jtaruvl^ijt'hi, sti uUrtlv
ilamus folgen, da&s PoscidCuioti frUbslt^ns im J. 55 gcscliriuben hat; denn
Ihihsiers üi d[«Mm Jahre sind die ChHituivi Nachb.-im der Sugiunbri und Bnicteri
i:«word«n (§ 175).
§ 161. Für den Ursprung der Franken bietet Prokopios das merk-
wttrdig;SlC Zeugnis: »of bt ^{Aiy/m ovroi I'foftaroc fih' tA miXatör vjra-
fid^QVTQ* [De btUo Gotthico 1 ii, P 33g D). An der MOndung des Rheins,
fährt Prokupios {ebd. I I2, P 340C) dann fürt: 'Xiftvai re ivravika, ov
Ai} l^gfiuroi tö rtaXaior tjixTjvrrif ßuoßnnov ffh'o^y oi> noXXov /Myov tA
xfii' flgyui /iitovj oX vt*v 0Qityyoi yMAoT'iTttt. Ttivrtiiv f^6tiFVOl ^AoßdQvytH
[d. i. Aremoiici] (ßxoi'Vf ftnn &i afrot's Ic r« ^Tpöc Avlay^otTa {jXioy
Sofjr/yot Jiägßa^ot, dottos AitynvaTov nQtlrrov (iaatXmn;, lÖQvmt^iw . Avif
diese folgen dann «"stlich die ßovgyot^^toßpec und jenseits der fMgt^'yot die
£uvä{iot und ' AXafiavoL Sti wenig auch Prokopios hier wie anderwärts
eine kJarc geographische Anhchauung hat, so geht doch so \iel aus dieser Stelle
hcr\'(»r, das?, unter den f*XJü(j'ycM die nied(.'rrheiiiis.chcn Thüringer zu ver-
stehen sind (5 130 Note "), denen rechts vum Kht-in flassaufwiirbi die Scliwal>en
und Alainannen, links vum KJiein an der Rhune die Burgunden folgen; die
Kranken sclbsit ahtr siml deutlit:h lokalisiert an der Rheinmünduug, reclits
vun den Areniorici^ und links von den niedenrheinischen Thfiringem, also in
Flandern und Zeeland. In diese Landschaft versetzt Prokopios die mit den
Franken identifizierten Genn;mi. Ks können dies kejne andern Germani sein
als die keltischen Gcnnani Cisrhcnani Caesars (oben S. 73"^), deren Wohn-
sitze freilich nur cljcn bis an die Srheldemündung heranreichten (vgl. die Karte
zu S. 796). Doch derartige kleine geographische Ungenauigkciten spielen
bei Prokopios keine Rolle. Die Hauptsache bleibt die lelentifizicrung der
keltischen Germani mit den Franken, die offenbar auf einer Tradition beruht,
welche um so merkwürdiger ist, als schon zu Tacitus' Zeit der Name Ger-
mani durch den der Tuugri verdrangt wordcu war {Germ. 2). Sei es nim,
dass wirklich der Name Franken spflter für den Namen Germani gebraucht
wiirdc, so dass die nied errheinischen Germanen den Frankennamen als einen
geographischen Namen angenommen litilten, seit sie svidlich des Niederrheins
Fiiss gefasst hatten "^ — eine Annahme, welche durch meine Daistellung aua-
geacMosseu wird — , sei es dass sie von Hause aa^ Franken biessen, und
die Idcntinzierung des Frankeimamens mit dem Namen Germaiti erst vun
88o
XV. Ethnographie der germaxischen StXuue.
der Besetzung des Gebietes der Gerraani herrülirte: auf alle Falle darf ab
Tnidititm hcrausge-schfllt werden, dass der Frankenname im Gebiet der
Sclicldemflnduiig seit Alters lokalisiert was, und dass diese Landschaft im
6. Jahrh. offenbar bei den Franken .selbst als frankist hes Stammland galt.
1 Offenbar Ut, -vn-: mit den Amorici der RMcnAion C des Juüuk Honoiriu»,
dos Reich des Syofirius ^TncinC, wclcbcs f^st bis Uoiilofnic und Cunbnty reichte. —
* R. SthrÖdtT iiii'J G alliier nehmen Kr.inkcn an der ScheldcmÜndunK schon
vor Caeur ul
§ 162. In der Thai iät der Name Franken urRprQnglich bei den snlisrhen
Franken, den Niederfranken zu Hause gewesen. Denn hier ist der Name
lokalisiert auf der rötnisdien Wdtkatlc, die nach S. Muller um 260 ver-
fasst ist, und zwar sriwnhl auf der sogenannten Prutin^eneken Tafel als auf
der Karte des Julius Honorius.
Erstere, die nach K. Miller im J. 3f)5/66 abgefasst ist, nennt am rechten
Rheinufer von der Mündung ab zunScIist die Oiamavt qm tt Franei (nCird-
lich von diesen die Fmii und ChattuarUy, ihnen gegenüber am linken Ufer
die Lands»:bafl liaiavia; dann folgt flussaufwürts am rechten Ufer der Land-
schaftsnanjc Fraricia in dem Striche von der Ijssel bU zur Lippe; dann folgen
gegenüber Bonn und Coblenz die /ittrtfun. Der Frankenname ist also für
das f,'anzc rechte Rheinufer von der MOndung bis zur Mttndung der Lippe
bezeugt. Der Name kommt von Hause aus offenbar den Chamavi zu; denn
die Framia genannte Landschaft ist das alte Hamaland, dessen nördlicher
Teil seit vorchristlicher Zeit und dessen südöstlicher Teil seit Ausgang des
I. Jahrhs. n. Chr. im Besitze der Chamavi war. Die Glciciiung Chamm'i ^
Franei wird ergänzt durch die Gleichung HamahnJ (Chanuivcrnm arpa) ^
Framia^. Wir dürfen wolil unter den Fratigams bei Cicero bereits die
Chamavi verstehen.
Ebenso halte die Karle des Julius Honorius, welche nach MOllea-
hoff {D.A. III 221) und A. Riese {Geogr. tat. min. XXI) kurz vor 376 abge-
fasst ist, den Namen /'/-rt«*-/ neben den Morini (bei Calais) auf der einen Seite
und den (mit Rücksicht auf die Rezensionen, der Tabuh Peutitigeriana [/firr/-
narii, bezw. Vhptnvarii, bezw. Varii\ tind der Vemtuser Milkf-rtaf(l\Gallo7>arf^
in Chaütiarif zu bessenidcn Alam'i und Amsiiari auf der andern Seile.
Aom. Die P'eroneser i'Slterla/rl ammr. hvn'üs p^n Auspaiig dr» 3. Jahrhs". wenn
wir Mullenhoff [G^rnn, ant. 15;) unil Ric«e (n. a. O. 128) folj;en dtlrfcD, vtui der
Nordsc<.^üstc .-iiugthcnd, neben Saxones die Franei, und Jiuf diese folgen die ChnttMoHit
Chamavi, /■'ti'sitn'i, Amth^arii. Nncb un&crer Übcrltefcning frriiirJi Ml die Reihfnifolge :
Saxanes, Camart {üe» ChamaX't), Crinsittni (lies frisitni [MüllcDhofr] oder />«/,
Cfiatut' [S. Mnller]). Amsivari, Ang^rn-ari, J-'lert (lies /•Wii'f), Bnulerü t'afi (He*
Chalti), Burgumiones, Alamanii, Suri'i, Franei, GalUtvari (Uei Chattttaru^y, lalnujpy
Armilausini, A/artomaHni, Quadi, Taifrvli (lies Tat/ali), Hermundubi {lies Jfcrtmii*'
duri), denen dann die ofttgemuniscben l>lilmnic folgen. Die Rcibenfolgf ist eweifcllos in
Unnrdnuni: geraten; sonst niüssten die Franei uml GnUovart cQdlich des ^fains angnetii
werden.
Noch Mitte des. 4. Jahrhs. galten als Suimmsitze der Franken die Ufer-
Htrichc retlils vom Rhein; »for* yevo^ Kehixöv i'rrfp 'Pijrov nojaft6v^ &t*
nvihrv thxeav^r xaÖtJxor, othot^ j??' STftpaa.yith'ov ngftg rä ttSv noXiftmv
(gyn, wart . . drofiaCot^at ^pQaxiol, O't ^k vnö ttöv noXXtnv xexhjrjni
*Pf><iyxoi< (Libanios, £,'?t KoiVüTavin xni Kmvajüvztov HI 31h R).
1 Überliefert ist Hat^i, Vufiii und darunter Crhepuim, l'irrr. S. Maller
iBijdr. V. Vad. Oesch. en Oudh., 3 c Reek» VII 85 ond He Grrm. V^^tbfn bij J.
Ihnorius S, 1+) bessert in Chaud, Varii und Frfiii, ffalHifrii, Zwetfrllc« iii
Crhcpstinivarii nicbc in C/urttsci und varii (Zcuss) sondern in rrsii {A. i, Fmit)
und Ckfttn^n'i (d. i. C/iatfuarii) aufruIOsen, cl>cn»o wir ^t-valrfvij/l in Qumii und
fulHgi (d. i. Jutungi), Aber Jfnci, Varii tinleiicet, wt^n mdit Ckatmtru, vicU
I
III, £. Franken.
881
Icidil iiiich mir Cftatluarii. — * V|{1. ßftu^rt ^ Batavia. — * Sti mil A. Kiciv
tinJ S. MulU-r «e^n K. Mällinhoff, D. A. HI 31z.
§ 163. Der Name Franken kam also von Hause aus tien Chamavi zu,
bczw. denjciiigtii nicOtTfrÜiikist-licn Stflinincn, welclic am rechten Rlieinufcr
bis zur Sclifldcinüiuluiig sasscn. Da die ßatavi, naih Ausweis der Tabula
J^Hlin^riitna. im 3. jahrli. nicht Franlen liiesscn und dalier auch schwt-r-
lirii die Caimencfatcs (§ 1791, Afarsad und Slurii (li 17S). s(t kämen neben
den Chama^'i \ox\ den uns bekannte?! Stammen nur noch die Naclibam
der Chamavi, die in flltesler Ifeit wühl unter den Cliamavi einbegriffe-
nen Salii und die Chattiiarii als l'rfrankcn in Betracht. Jedenfalls scheint
der Name Franken ursprünglich nur für die Xiederf ranken gegolten zu haben.
Noch Joidanes {Ott. 3(1) unterschei^Iet I'"rann un<l Riparii.
BereiL** um die Mitte des 3. Jalirhs. aber wurde der Namen Franken auch
in weiterem .Sinne gebraucht. Zwar sitzen am Niederrhein um 280 die
»Franci imits strati paUidibus« (Vopiscus, Probta \i). Aber scJiwcrlich an
Chamavi werden wir dcnkai bei den Franken, welche um 260 bt-i Mainz
erscheinen (Vrtp., Aurefiamis 7). Der Name Franken ging zunächst auf alle
Salier über. Diese Franken waien es, welche Milte des 3. Jahrhs. ihre Raub-
züge zur See bis ins Mittelländische Meer ausdehnten und um 30?) von den
Sachsen gedrangt (iScuss 332), die liatavia eroberten, wobei bereits von
»divcrsis Francorum gcntibus' {Panfg. ConUantino j^ die Rede ifit- Als den
Ilauplstaram nennt Juli an us die Chama\i, die er vertrieb, wflhrend er den
andern Teil der Salier im Lande duldete: ^v:jtdf^iifir}v fiev /toiQW rov ^cdltov
t&voi'i, A'a/iti/foi'c Ak i$i'iJL»au' {Ep. aJ AlhenunMs, p. 3/joH). Amm. Marc,
(XVII y f.) nennt bei den Kämpfen Julians an der unteren Äluas im J. 358
die Chamavi neben den SaJü, und letztere als »primos onuiium Francos, eos
videJicct quos crmsuetudo Salios afipellavit:, wonms hervorgeht, dass der
Frajikenname damals bereits nicht mehr auf die salischen Franken beschränkt
war. Amm. Marc. (XX 10) nennt zum J. 3(.>o 'regiunem Francurum, quos
Atthuarirw vocant». Knde des 4. Jahrhs. werden als frtlnknsche Stamme ge-
nannt die Brucleri, Chamavi, Ampsivurii und Chatti (Zeuss 340 f.).
Die Cbertnigimg des I-Yanken namens von den Chamavi und den Nieder-
fraitken auf alle istraiwisclien Stünmie hat schon in der Milte des 3. Jahrhs.
begonnen und darf ak ein Zeichai dafür angesehen werden, dass die einstmals
Istraiwen genannten Stämme sich ihres ethnr^aphischen Zu.sammcnhangcs
stets bewusst gcblicl)en smd.
Man darf die Gleichung aufstellen: hirativeti : Chamai-i : Salti {Ripuarü,
Hessen) : Franken ^ /n^^viaiwen : Vhami: Sachsen {A/ifiein, /•'rüsrri) : Ati^lofrieun
^ ErmtNcn : Snebi Sannones : Alamautteti {Baient, Thüringer): HorkdculSikt.
§ 164. Die Cliamavi sind in ^iltester Zeit der führende Stamm unter den
iiaciimals Salii genaimten Franken gewesen. Nachdem der engeie Stamm
der S;tlit die Führung Qbemommen hatte, und sich imter dem NamCD der
saUschet] Franken eine bewundere Gruppe von frflnkischen St^nmen politisch
ziLsammengeschlos.'icn hatte, wie es scheint, erst infolge des Vordringen.s gegen
Westen zu Ausgang des 3. Jahrfis,, zerfielen die Franken in Chatti (Hessen)
und Salii (Niederfranken) und die zwisclicn beiden wohuenden kleineren
Stamme von Hessen bis zur Lippe. I.etztere haben sich er^t spater zu einem
grösseren Stamm verdnt, den Ripuarii, als sie das linke Rheinufer gewonnen
hatten. Dieser histons<:hcn Dreiteilung entspricht aufs genauste die siinich-
liche Gruppierung der Gegenwart.
OenoiinJichc PUlolocfe ill. 2. Aufl.
S6
882
XV. Ethnogr.\i>hie der germanischen StAmue.
I. Rumanisierte frankische Stämme.
F. Hettner, Zur Kullvr von Grrmanim und Gattia Belgica, Wcsldc. Za.
n (1883) 1 — 26. — Th. Mommsen, fi,-!miiirhf Gesthichtt V, BuUn i88s,
S. 107 — HO, ijof., 135 und tSjr. — K. HOboer, Rßmisihe l/erruha/l t'm
fffstrurßpa, Berlin 1890, S. Il6 — 121 und 128—153.
§ 165. Die Romanisiening der im folgenden zu nemtcndco Stamme b
zwar nicht iiusdrücklich bezeugt, ist aber zu folgern aus <lcn gcsciufjillichf
Verbal tnisseiK der dauenidt-ri ZugcliL'rigkeil zum römischen Reich, den römi-
schen Festungen, Militürkolnniccn und Städten in deren Gebiet und dem
Verschwinden der politistheu Selbständigkeit.
a] Batavi.
Zenas loa— 102 und 339 f. — J. Grimm, G^ah. J. dt. Sfir. 5S0— 588. —
J. Wormstall, Übfr di't Wanderung der Bataver nikA den Niederlanden, Müif
siCT l8"a. — ri. D. J. van ächcvichavcn, Bijdraffrn tot tene GejcAtafenü
der Batavett, Leiden 1B75. — R. Schröder, HUt. '/.*. XLV (1880) 4 — «. —
V. Veith, Velera Coitrti, Berlin 1881. — Th. MomrascD, Jiämiiche Oeiehiehtt
V, Berlin 1885, S. 118 — 131. — Fr. Stolle, H'e st/ilug Cdsar du L'sfpeter
und 7'enktererf IVo Merbrüeklc er den Hßtet'n f Frogr., Schlcltstadl 1S97.
§ 166. Bereits vor Caesar ist eine Abteilung der Chatten ausgewandert,
um am Niederrhein die von Kelten verlassenen Sitze cinzunetimcn (S 158, i).
Caesar {B. G. IV 10) kennt diese Batavi in ihren s[>äi;cr innegehaltenen
Wohnsitzen (s. die Karte zu S. 8'j8), die ziemlich genau bekannt sind. Man
muss dabei berücksichtigen, dass der Lauf des Rheins um Chr. Geburt ein
anderer gewesen ist*. Die insula Balavorvm, auch Balavia genannt, um-
fasste ein bedeutend grfisseres Gebiet als die heutige Landschaft Betuwe
(swischcn Waal und Leck), welche den Namen der Batavi bis auf die
Gegenwart bewahrt hat. Die alte Batavia reichte von der heutigen deutsch/i
niederländischen Grenze bis zur See. Unwdt der Mündtuig des altcu Rheia
lag Litgiiunum Batavorumy das heutige Leiden. Auf die KOstc weist die
Angabe, =extrcma Gallicac urac vacua culturibus siinulque insulam juxta sit
occupavere, quam marc Occanus a fnmte. RhcJius arams tergum ac latei
circumluit= {Tac, Jfiit. IV u); auf die Küste dte Angabe, »ne quarui de*
curaa legio adjuncta Britannica classe adfEirtaret Batavos, qua Oceano ambiun*
tur-, (//(>/. IV 79); auf die Küste die Angabe, dass Civilis das rOmische
Wicilertager am Ocean angreift und die Römer -in superiorcm insulae partem«
zurücktreibt {ilist. IV 15). Wenn die Insel vom Rhein umfltwwen i.*it (PluU,
Otho \2\ Tac, Itist. IV 12), sü heisst das, dass der alte Rhein bezw. die
VcclU die Nordgrenze, die Waal bezw. Maas yllist. V 2j) die Südgrenze
bildet Sogar über den allen Rhein hinaus bewohnen die Cannenefates
(S 179) einen Teil der batawischen Insel (//«■/. IV 15), welche demnach
noch Nordholland mit umfasstc; vgl. auch 3>nDbi]tsstma Batav'urum insula et
CannenefatiuiU' (Pliii.. N. IL IV loi). Erst jenseits der Cannenefates gelten
die Friesen als transrhenana gens (/Air/. IV 15). Noch im dritten Jahrh.
reichte die Batavia der Tabula Ptniitt^criana im Westen bis an die See. Die
Land.<tcliaft B<'tuwc scheint also nur das Keniland der Batavi gewesen za,
sein, und hier galt aussei iliesslich der Vulksname Batavi (Batavn im enger
Sinne), wahrend» westlicher die Namen der einzelnen kleineren Abteilungen
{Cannenefates, Marsadi, Sturii) die Oberhand hatten. »Batavi non muUum
ex ripa, scd insulam Rheni amnis colunt« (Tacitus, Germ. io). Im Westen
haben die Batavi bis zur MUnduiig des alten Rhein gewohnt, also zwiai:hca
den Marsaci im Süden und den Caiuienefates im Norden (vgl. Pliiu A'. //.
IV loi). Selbständige Unterabteilungen der Batan w-aren die Cannenefates
und, wenn OJcsc, st> auch, nach der geogrupdtschen Lage zu »rhliessen,
offenbar die Manad und Sturii.
1 Vijl. V. Vcith, l'ftrra Cmtra (mil 3 Karten) un«l Kr. litten. Die Anti^-
Jt-iungrn am Stedfrrhtitt i'on äfr iJppemiiniUing bis zur hßlttinJisrkrM Gtftttf,
DLns-, Halle i8q3 (mit Karte).
§ IÖ7. Die Batavi sind wiihl schon seil Caesar (§ 160). zum mindesten
aber seit Drusus (ebd.) treue römische Unterthanen gewesen; sie waren rnilit,1r-
pflichtig, aber steuerfrei. Auch narh dem Aufi^tande des Civilis sind sie
wieder in den rümischen Uutertliancn verband eingetreten, bildeten sie eine
»pars Romani imperii. Manet honus et antiquae sotictatis insigne. Nam
nee tribuüs conteninuntur nee publtcanus atteriL Exempti uneribus et coUa-
tionibus et tantum in iisum proelinrum seposiii velut tela atque arma beUis
rcsen'antur. Est in eodem ubsequio et Malliacorum gens« (Tac, Gtrm. 29).
Sic blieben auch in der Fnlgezeil *fratrcs et amici« der Römer {so inschrifl-
lich). Kine cohtjrs Batavorum wird nnfh zum J. 3OO genannt (^ösimos
IV t)). Nath uiii 400 Jiennt die Notiiia DignUaium Batavi unter den rönii-
:4chen HüLfütruppen. AU um 300 »Francorum mitia Bataviam aUasque ds
Rhcnum tcmis invaserant« {l^neg. Ma.vimiano tt C-onstantitw 4), und Con-
Mtantius Chkinj» ^ Bataviam a diversis Franeuruni gentibu» üccupatam omni
hoste purgavit-» {Pamg. Coitstnritiiw ^ und 25), war ßatavia römisches Land.
•Avitj &h »i vrimt^-, sagt Züsimos (III b) zum Jahre 358. 'Oroa 7tQ6TtQOV
Unter diesen Umstanden dürfen wir annelinten, dass die Batavi romani-
sicrt worden sind. Bei einem Volke, welclies mehr als drei Jahrhunderte
unter römischer Herschafl stand und welches mit römischen Soldaten über-
schwemmt war, ist kein anderes Ergebnis ;(u erwarten. Die Ortschaften im
batawischen Lande tragen gallo- romanische Namen: Lugdunuin Batavurum,
Batavodumm, Noviomagus, Arctiacuni ; zweifelhaft ist dies für Vada und
Grinncs. In der That waren die Batavi bereits Im J. 70 n. Chr. ihrer Na-
tionalität entfremdet. Zw'ar feiern sie noch Gelage in einem heiligen Hain
(Tac, ///>/. IV 14). sehen sie die Germanen als ihre Blutsverwandten an
(ebd.), ist von *barbaro ritu et palrils exsecrationibus-- die Rede (IV 15),
stellen sie ihre Frauen imd Kinder im Rücken der Schlachthnie auf (IV 18J,
entnehmen sie 'silvis lucüque ferarum imagines< als Feldzeichen, >ut cuique
genti inire proelium mos estt (IV 22); »Civilig barbaro voto |>ost coepta ad-
versus Rnmani's arma propexum rutilalumque crineni palrata demura caede
legionum deposuil"^ (IV^ 61); Veleda, eine Brukterin. >late imperitabat, vetere
apud Germanos more^ (ebd.), erteilte ihre Befehle jedenfalls in germanischer
Sprache, die also von den Batavi verstanden wurde; die Batavi kämpfen
unter den Augen der Götter Germaniens (V 17). Aber die Anzeichen be-
ginnender RomanisLcnmg darf man darin erblicken, dass die Bata« neb.sl
den Cannenefates den Germani von jenseits des Rheins gegenübergestellt
werden (am deutlichsten IV 7Ö); die Ileerführer stacheln zum Kampfe an
»Gallos pn* Itbertate, Batavos pro gloria, Germanos ad praedam' (ebd.); als
das KriegsglOctt sich von Cinlis wandle, zeigten sich die Batavi im Grunde
als gut romi.Mli gesinnt, ■■honestius principes Romanonun quam Gennanomm
feminas [Veleda] tolerari« (V 25).
Die Bata\i sind von den sahschen Franken abgelöst worden. Als diese
um 300 die BataNia besetzten und in der Folge beliaupteten. hören wir nichts
mehr von einem Volks-ttamme der Batavi, sondern nur von einem Kampfe
der Salii mit Römern. Diese romanisierten Batan sind von den salischen
B6«
884 XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
Franken unterworfen und germanisiert worden. Das gleiche Schicksal hatten
die Marsaci. Nur die nördlich des Rheins wohnenden Cannenefates haben
wahrscheinlich ihre germanische Nationalitat bewahrt
b) Sugambri >■ Cugemi.
Zeuss 83 — 86 und 326 f. — M. F, Essellen, Geschichte der Sigambern,
Leipzig 1868. — Watterich, Die Germanen des Rheins (Die Sigambern und
die Anfänge der Franken), Leipzig 1872. — K. Müllenhoff, ZfdA. XXIII
{1879) 26 — 43. — G. Zippel, Deutsche VSikerbe-a-egttngen in der Römerzeit.
Progr-, Königsberg 1895, S. 13—15-
§ 168. Die Sugambri wohnten nach Caesar »proximi Rheno« zwischen
Lippe und Sieg, s. die Karte zu S. 796. Ostwärts grenzten sie an die Cherusci
{Diön LIV 33, 1). Im J. 55 v. Chr. hatte ein Teil der Usipetes und Tenc-
teri -jse in fines Sugambrorum receperat seque cum iis conjunxerat« (Caesar,
B. G. IV 16; vgl. auch IV 18) und teilte während der folgenden 50 Jahre
das Schicksal ihrer Schutzherren. Drusus besiegte diese Hauptfeinde Roms
im J. 12 V. Chr. (Diön LIV 32, i f.), und im J. 8 v. Chr. wurden die »Su-
gambri excisi aut in GalHas trajecti« (Tac, Ann. XII 39). Tiberius »Si-
gambros dedentis se traduxit in Galliam atque in proximis Rheno agris
collocavit« (Suetonius, August. 21), »quadraginta milia dediticiorum trajedt
in Galliam juxtaque ripam Rheni sedibus adsignatis conlocavit« (Suet, Tiber.
9; vgl. auch Aurelius Victor, Ep. I 7 und Eutropius VII 9 und für
die niederrheinischen Sitze neben den Menapii Strabön IV 194). Er hatte
»plura consilio quam via ausgerichtet, als er die »Sugambros in deditionemc
accepit (Tac, Ann. II 26). Die Reste des Volkes hatten also, gleich den
Ubii, willig die ihnen angewiesenen linksrheinischen Sitze eingenommen zum
Schutze der n'imischen Grenzen. Es sind damals zwar noch Reste der Su-
gambri am rechten Rheinufer unter römischer Herschaft sitzen geblieben
(Strabön VII 290), und noch ein halbes Jahrhundert später konnte Clau-
dius aus diesen eine sugambrische Cohorte errichten; aber die alte sugam-
brische Civitas isi vernichtet, wenn auch die Franken nfich nach Jahrhun-
derten in poetischer Sprache Sicarabri genannt werden (Müllenhnff a. a. O.
Die Reste der am linken Rlieinufer angesiedelten Sugambri erscheinen in
der Folge unter dem Namen Cugerni (Tac. und in.schriftlicli) oder Gugemi
(Tac.) oder Cuberni (PI in.). Sie wohnten zwischen den römischen Ubii
(Agrippinenscs) und Batavi (Plin., N. H. IV 100) und zwar südlich bis zum
ubischen Gelduha (Tac, Hi'st. IV 26). Da die Römer in den folgenden
J:ihrhunderten die Rlieingrenze behauptet haben, kann an der Romanisierung
der Cugemi kaum gezweifelt werden.
Anm. Mit iJen Siigiunbri dem Namen nach identisch sind die fianibrivii (Tac,
G.rm. 2 und Str.Tbön VII 291), vßl. ZfdA. XXXVII I2f.
c) Ubii.
Zciiss 83 f. und .H; f.
§ i6t). Die l.'bii kennt Caesar als eine ^-civitas ampla atque florens' \}i.
G. IV 3) an der Lahn (vgl. die Karte zu S. 79Ö). »Hos cum Suevi ....
pruptcr iimiilituclinoin gr;ivitatemque civitatis finibus expellere non pntuissent.
tainen vectii,'iiles sibi fecerunl ac multo humiliores infirmioresque redegenml^-
{li. <;. IV 31. IJber ihre verhältnismässig hohe Kultur vgl. B. G. IV 3.
Schon ilurrli Ciicsar für Koni gewonnen {B. G. IV 8. 16. VI 9), erhiel-
ten .sie im J. 38 v. Clir.' am linken Rheinufer bei Köln von Agrippa ihre
III, £, I. ROHAKISIBRTB FHAKKISCHE StÄUUE.
8B5
neuen Sitze angewiesen (Strabön IV 104), »ut artcrent, non ul (."usloditen-
lur^ {Tac, Gtnn. 28). Ihr Gebiet reichte nördlirh bis einst- hl iessl ich Gelduha
(Geldub bei Kaiserswerth) {Tac, Hist. IV 26). westlich bis einschliesslich
Tolbiacum (Zülpich) {ebd. IV 7*/). Nach dieser I^^'e im Römerreicli sowie
nach Tac, Genn. 28 7.\\ schüessen, sind sie romanLsiert worden. Bereits im
J. 70 n. Chr. erscheinen sie, wie die Trevcri, ganx als rCmiscli (vgl. besonders
ffisi. IV 28). Ihre Hauptstadt Kftln war den Germanen vom rechten Rhein-
ufer verliasst; sie wullen die Stadt in germanischem Besitz haben oder, sie
zerstörend, tlie UbÜ \eijagen (ebd. IV 65). Die Ubii werden von den Tenc-
teri aufgefordert, 'tnstituta cnllumque patriiim' wieder anzunehmen (IV 64),
die sie also damals schon aufgegeben hatten. Gleichwohl hielten sich die
Ubii noch für Blutsverwandte der Germanen (IV (15), uiul man unterschied
damals noch gegcnsAtzlidi Ubii mui Römer im ubischen Lande (IV 64). Ja
noch zu Ausgang des 1. Jahrhs. n. Chr. »ne Ubii qiiidem, qiiamquam Ro-
mana cülonia esse meruerint ac libentius Aj:rippinenses cnnditoris sui nomine
vocentur, uriginc crubcscunt« (fVerm. 28). »Ubius« erscheint zum letzten Mal
im J. 157 {C. /. L. V 5050 [Th. Mommsen, Hermes IV 103 ff. und H.
Nissen, B. Jb. XCVIII 150]). Nachfolger der Ubii wurden die ripwarischen
Franken.
> Nsdi Zippcl, £>euische l'Stkerttciiifgungm, S. 15 vldlcidit nst fan J. 19 v. Chr.
U) Mattiaci.
Pli. DicffenbBch, Zttr Vrgeschkhtt der UleUtrau (Arcb. f. h«*>, Gvtcfa, tt,
Altertbnmskniicle IV 1), Dannsiadi 1843. — K. Hinter, />/> RSmrr im Äfat.
tiaäertand, Wiubaden 1884. — G. Wolff, Die /tn^öHt^rung Jtz mhtsrhei-
nisehtn Germaniem naih dem Untergang der RJtru-themiha/l, Dormüladt t8()5.
% 170. Die Matüaci verraten schon durch ihren nach keltischer Weise
abgeleiteten Namen 0) ihre Kntnationalisierung. Nach Tacitus {Ofrm. 29) so-
wie nach der Lage ihrer Wohnsitze waren sie, wie die Batavi, uisprünglidt
ein Teilstamm der Chatten, und wir dQrfen ihren Namen an die chattische
Hauptstadt Mattium (Tac, Ann. l 55) anknOpfen. Sie sassen sßdlich und
östlich des Taunus und waren von Drusus in dem von den Chatten abge-
tretenen Gebiet innejhalb des spateren limes zur Wehr gegen ihre nördlich
des Taunus wohnenden chaitischeii Brüder angesiedelt worden. Die Mattiaci
waren, wie die Batavi, militär|)ftichtig, aber steuerfrei. Matüad erscheinen
noch in der Noiiiin Digniiaittm: Mattiaci seniores stehen im C*rient neben
Batavi imü Salii aU auxilia palatina. Das Land der Mattiaci ist romanisiert
worden. Berühmt und besucht war wegen seiner fontes calidi der Badeort
aquae Malliacae (Wiesbaden). Mitte des i. Jahrhs. wiirden im Lande Silber-
bergwerke angelq^t. Das Land wurde nach römischer Weise verwaltet. Wir
haben zahlreidie Reste r^'^mischcr Bauten, ein Beweis für das reiche Leben,
welches die Römer im Lande entfaltet haben.
LitlLTmlur &. S. 874 f.
2. Niederfranken.
a1 SaliL
Zcuai 329 — 334. — G. Wait«, Dai alle /ieirkt di-r ja/whf» Franken, Kiel
1846. — H. Rein, J>if yamcft Saiier und Sal-FranJten, Cnrf'eld 1847. — Lrx
S<ilKa cd. J. H. Hesscls and H. Kern, L"inlwii 1880. — Th. Prca»«. CWn-
Namfn und Herkunft der Satter, ProgT., Tibil 1886. — A. de Behsnlt de Dor-
Dun et de Lu£, Z^ Fraaci'Saliens dam la fravinee de Brabant, Bnixriln |8<)3.
— F. V, Tbudichuin, Sata, Saln-Gau. Ux Satua, lOXtin^vn 1895. ^ G. Kurlb,
La /ronti^re linguntique en Helgiquf et tiatis U nord de la France 1, Brux^les
1896. — Vgl. aucb die S. 8*4 f. grnaontc t-illeiatur.
§ 171. Der Name Salii, als eines Teilstatnmes der Franken, ist seit der
zweiten Haihe des 4. Jalirtu». belegt, zuerst bei Auim. Marc (XVII 8, j^pj
Ihre Heimat steht frsL Wie das Land tlcr Canneuefates spater Kinhem, di
der Miu>at."i Mnntim, das der B;ita%'i Httuive^ das der FalchovarÜ V'riuwe, das
der C'harna\'i Hamahnä, das der Arasivarii Emigau, das der Cliasuarii Hase-
gati, das der Angrivarü Engem, das der Bructeri liorahtra, das der Chattuahi
HaUtnm, das der Chatti Ifcsicn heisst, so ist in SailanJ die Heiiuat der
Salü zu suchen. Salland hiess im Mittelalter die I^indscliaft üstlich iler un-
teren Ijssel, nördlich von Haiualand und stVdUch voa Friesland {s. Karte VI
zu S. 86Ö).
Die Salü nennt Amin. Marc. {XVII M) zum J. 358 »primos umniuni Frao-
CO8«, Zösiinos (III 6) »r<i XaUwv l&voi;, ^ydyytov dnöfiOtQan, Sic waren
seil Allers Nachbarn der Chamavi und diesen so eng verbündet, dass letz-
tere audi Salü gaianut werden. Den ersten Belenj hierfür zum J. 55H sehe
ich in der in § H>3 angeführten Stelle bei Julianus. Die Salü sind erst .seit
dem 4. jahrh. beliaunt. Bei ihren nahen Beziehungen zu den Chamavi darf
man annehmen, ilass sie früher einen Teil der ChamaW gebildet haben.
g 1/2. Schon um die Mitte des 3. Jahrhs, sind die fränkischen Sceriluber
in Gallien und Spanien bekannt ', Ihr Heimattand niussteu die S:iUi den
siegreich vordringenden Sachsen rilumen; sie siedehen um jKO in die Batana
(§ lOö) über (Paneg. VI Constantino M. d. c. S. und Panqj. IV 8 und V 4
[Kumenius]), um hier abermals von den Sachsen vertrieben zu werden:
£(iiovei »t« XaXiwv eÖ'i'oc, ^f'gäyyuyv ^öftotgaVf ix t;)c oAt«ac X"'^Q^^
^Jiö tÜiv Xn^ovmv elz TavTr)r rtjr vijaav djieXa&ivraif ^^ißaXXov. AfTtj de
^ v^ao^f fjJma :tQ6if.QOY rräofi 'Ptofuiiuiv^ röte vjz6 ^fiXuov xaiely^not.
(Zösimos III 6). Die Balavia hatten sie, im Verein mit den Chamavi,
setzt: >terram Bataviana a diversis Franc<)rum gentihus iKcupatamc'
{Panegyricus CouslatUiuo 4; \'gl. auch Pantg. Ma.\imiano tt Constantüw 4).
Im J. 358 halten sie sicli bereits auf römischem Boden, in Toxandria nieder-
gelassen, wo Julianus >dedentes se cum npibus liherisque susrepit^ (Amou
Marc. XVn 8; Juliatius, Ef>. ad AlhenUma p. 3(oH; Zösiinos HI 6).
Die Salü besa.tsen ilamals also .sihon ein betrachüithes Gebiet, ungefähr den
südlich de.s alten Rhein gelegenen Teil der heurigen Niederlande. Dieses
Gebiet gilt in der Fulge als Stammland der salisehcn Franken (g 161). Hier-
her auch (80 Jahre spflier) Gregor v. Tours 11 i): »Tradunt multi, eosdera
primuni cjuidetn litora Rheni umnes incolutsse, dcliinc transacto Rhen<».
Thoringiam (vgl. § 130 Note 7) tran.imeasse, ibique juxta pagus vel ct\-itatev'
regis crinitos super se creaWsse-^. »Kerunt etiam lunc Chlogionem
regem fuisse Fmncorum, qui apud Dispargum (ebd.) castrum habitabat, qund
est in tcrminum Thoringorum«.
t Beleee l>ei RicK», Dai RhtinUche Gfrmamett, S. S04 — 306.
8 J73' Von hier aus haben sie sich in der ersten Hälfte des 5. Jahrhs.
weiter längs der Scheide ausgebreitet, unter Chlogio bereits von Tournay und
Cambray Besitz ergriffen und ihr Gebiet bis zur Suva Carbonaria (zw-isdien
Brüssel und Namur) und Somme ausgedehnt (Greg. v. Tours II g und Gesta
regum Franc. 5). Wahrend sie bei ihrem weiteren Vordringen nach Süd-
westen Herren der romanischen Bevölkerung wurden, ohne doch d;w Land
germanisieren zu kennen, haben die Salü in Belgien von Dünkirchen ost-
wärts bis fast nach Maastricht lün und gegen Süden bis Lille und über Brüssel
hinaus das Land dicht besiedelt, nach Ausweis der deutschen Ortsnamen.
ni, £, 2. N1EOXRFRANKE17.
887
'besondcrü der so zahlreichen auf -Aem. Zu beiden Seilen der unteren Scheide
smd diese Ortsnamen so dicht gesät, dass man annehmen muss, diese Gegend
ist damals fast entvßlken gewesen. Wenn wir die Hfldgrenze dieser Orts-
Tiaraen ' als die frühere, seit dem 4. Jahrh., gewonnene Sprachgrenze anneh-
men, so fiel dieselbe ungefähr mit der heutigen, von St Omer in gerader
Linie bis ctwaa südlich von Brüssel und Miiastritht laufenden Sprachgrenze
zusammen; nur bei Boultjgne wiinlc noch im i". Jahrh. niederf ränkisch ge-
sproclicn, und bei Lflle und södlich von Brüssel ist ein Streifen von i bis
2. Meilen jetzt französisch geworden. Wir liaben ims die Sprachgrenze in
alterer Zeit aber nicht als eine so scharfe Linie wie gegenw.'Srtig vorzustellen;
vielmehr bestanden zunächst zu beiden Seiten eine Reihe v<m kleineren
frankischen tmd runiauischen Sprachinseln, und vor allem gab es hüben wie
drüben bedeutende Minoritäten von anders sprechenden, welche erst allmäh-
lich absorbiert worden sind. Nachkommen der allen Salii sind die südlichen
Niederlander und die heutigen Vhianjen in Flandern uml Brabant. Die
Ostgrenze lässt sich auf Grund der heutigen Mundarten bestimmen. Eine
wesentlich verschiedene, der ripwarischen sich nähernde Mundart wird im
CstUchen Hageland imd der Ptovinz Limburg gesprodien, also Ortlidi voo
Leuven, und die IJnie, welche die Ostgrenze bildet, setzt sich westlich von
Weert und nördlich vnn Venloo über Geldern bis Duisburg fort (die iilt'cA-
Linie); vgl. die Karte in Bd. I' zu S. 925.
Der Name Salü ist seit der Mitte des 5. Jahrhs. nicht mehr belegt. Der
eigentliche Volksname» den z. B. Gregor von Tours .stets braucht, ist
Franken gewesen, bezw. zur Untersdicidung vi>n den Ripuarii (Frand orien-
tales): Franci ("»ccidentales. Die /^.v Stilica (XIV 2) unterscheidet einen
barbnrus Salicus oder Francus Salicus im Gegensatz zum Ramanus.
* K. Lamprecht iZs, d. vVacbctirr Ocschicblsvcmnii IV) nimmi noch die sfld-
licheren rranzr»sischcn Ortsnamvn auf -/n. •oin bei Duoniik, Anas und C>n)bny
ak frllnkUcb an, MroKCgcn schon der Vrr|>lcidi mit der gq|;ciiwirtiKi-ii Sprncbgn^Dze
spricbt.
§ 174. f'hlodwig (481 — 511) begründete die fränkische Grossntarht. Er
war von Hause aus nur einer von den sallsrhen Gaukiinigen. Dei5n nach-
dem Batavia -a diversis Francurum gentibus- {^ 1(17) besetzt worden war,
halten die Franken auf dem im 4. Jahrh. gewonnenen südnicderländischen
Boden zunächst eine Reihe von kleinen Künigreichcn gegründet ujuxla pagus
vel dvitates regis crinitos super se crea\-is&e« Gregor v. Tours II g), ahn-
lich wie es die Dünen (§ tu), die Norweger (§ 1 16). die Angelsachsen (§ 133
und 141 1 gclhun haben. So hatte Chlogio in Disparguni rc^idit-rt (Greg. II q),
C'hilderich in T'iuniai, wo sein Grab gefunden wortien ist. Nttch zu Chlod-
wigs Zeit residierten Ragnachar, ein Verwandter Chlodtt-igs (ebd. 11 2~
und 42) in Cambrai (II 42), und wiril noch ein anderer Künig, Chararich,
genannt (II 41), gleichfalls, nach dem hcrabwallcnden Haar zu schlics-
■cn, aus merowingLsi'iiem Hause: au.sserdem spricht Gregor von 'aliis multts
regihus^ (II 42). f'hlodwig eroberte 48(1 das Reich des Syagrius (Nord-
frankreich) und verlegte seine Residenz von Toumai nach Soissons. Das
frankische Reich bestand seitdem aus einer romanisch ^ und einer germanisch
sprechenden Hiltfte. 401 unterwarf Chlodwig die in Thoringia, dem römi-
schen Tüxandria, wohnenden fränkischen Stämme (ebd. 11 2-;), und damals
vird wohl die Beseitigung des Chararich, iles Ragnachar und der übrigen
satfrankischen Gauk'jnige imd die Annektierung ihrer Reiche (II 41 f.) statt-
gefunden haben. Schon vorher halten alle salischcn Reiche in einem Bundes-
verhältnLi mit einander gestanden; so halte Chlod«ig für seinen Krieg gegen
88S
XV. Ethnographie der cf.rma!«ischek StX»u£.
Sy-agrius die Könige Cliararich und Ragnachar zur Hülfe aufgcfurdcrt (II 27.
41). Vielleicht bedeutet die Lt-x Sa/ioi die Schaffung einer Rcchtsctnhcät
für alle saliä(.-heii Franken. Nachdem Chlodwig sich zum KCnig aller salischea
Franken gemacht hatte, unterwarf er die Alamanncn, welche 496 seine Her-
schaft anerkennen und den nördlichen, nachmals rheinfränkischen Teil ihres
Landes abtreten mussten (§ 211). Alsdann besitze er 507 — 509 die lUcLcht^ca
Westgoten imd crwTirb das I-and zwisi:lien Loire und Garonne. Endlich
wurde er auch diirdi St hilderhebung Kunig der ripwarischcu und, wie va
scheint, auch der chattischcn Franken (S 192).
Anm. Es LM möglich, doss mit Huhrich S. z— 4 tm tfanzen nur drei soUachc Künte*
räche annuichmen Hlnd, und da<ifi alle flbri^n KQnii^L- ativscr Chlndwig, Ra^nachar und
Chaiarich nur nicht ÄOUVCiSnc AngchöriKe des Könicshaust-s k-i-wcst-n sind. Wir hallen diuiB
int S. Jäbrb, die drei Rcsidccucn Toumai (die Rnidciu Thlodwigs, seit 486 dAHlr Sois-
Bou), Cambrai (die Resident Kugnürhiirs) iiiid Dispurgimi (die Knideuz ChlogiDi)^!
Htilirich vcru'eiat S. 4 auf die 'tre« mallon- dti Prnlucn der Lex Sa/na, die er >«ls
drei aU)<enieitie Vcrsairmlungcn der Freien dreier mit Königen versehener uJiscbcr Völker*
schancn- erkllrt.
Die Eroberungen Chlodwigs wurden von seinen Nachfolgern festgehaJlen
und erweitert. Sein Sohn Theuderich unterwarf .531 Thüringen, nachdem
vorher auch Hessen ein Teil des gros.sfr;inkisrhen Reiches geworden war.
.'534 wurde Burgund gewonnen. 536 traten die Ostgoten die Provence und
einen Teil von Raetien ab. Ende des 6. Jahrhs. fiel das Land zwischeD
Garonne und PyrenSen den Franken zu. Anfang des 7. Jahdis. wurde Can-
tabricn den Fmnken tributpflichtig. 68tj und 734 wurde das westliche und
mittlere Friesland unterworfen. Aus der Geschichte bekannt ist endlich die
Er*'eitcnmg der Grenzen durch Karl d. Gr., diu Begründung der sjianischen
Mark, die Einvcricibung Nun!- und Mittclitatiens, Baienis, Ostfrieslands und
Sachserw, und der stawisdicn iJinder bis zur unteren (^>der, bis zu den Su-
deten und bis nach Pest und Dalmalien. Der Geschichte gehört ferner an
die Teilung des Reiches in ein Westfranken, Lotharingien und Ostfranken
und die schlicssüclie AiiflfV.suug in das westfrtlnkische Reich, Burgund, Italien
und das ostfrünkische Reiih, letzleres die Grundlage des spateren deutschen
Kaiserreiches, erstes die Grundtage von Frankreich, welches dem Namen nach
die politische Fortsetzung des alten Franken reiches ist.
Die Verschmelzunji; der durch Waffengewalt in dem t>stfranki5chen Reiche
veremtcn germanischen StS.mme zu einem deutschen Volke gcscliah sehr all-
matüich. Durch das ganze Mittelalter hindurch ft-aren die Staramesgcgcn-
sfltze noch deutlich ausgeprägt, wie sie es zum Teil noch bis auf den heuti-
gen Tag sind. Von einer deutschen Natiimaütat in modernem Sinne kann
eigentlicli erst gcsppjcheri werden, seitdem durch Luthers Wort die hochdeutsche
Schriftsprache in Nicderdcutschland endgOltig anerkannt »-urdcn ist.
' Die Römer ^■l]^den nach römischem GeaeiJi bchnndelt. Trotü d« liewuastea
Gegemiandcs der Nalinnftliiätcn, wie er sich besoruler* in dem »xrechicdtm bewer»
leien Wcrgeld ausipricht, t,'»^tcn R5nicr und Franken al« gleichberechtigte Staat»-
bilrger. Da» Heer und die SliwUbcÄmtcn rekniliencn »ich sowohl au» ROmeni wiit
ms Ftinken.
h) ChamavL
Zeai» 9>f-, 3S6, 331. 334—336, 581—384. — A, Dederich. Brilrdge »mr
rJtmt'tfk-dnttsehfn Geichühu, Progr,, Emmerich 184^. — Der»., Gfichühfe 4er
RSmer und der Dcutichen am XirJfrrheiN, insbeiondtre im Laniu der CA(7mat^r
adfr Hamaiindr, £mmcrich 1854. -^ f^x fran>:orum Chamaxorutrt oder dat frr~
meiHttic^f Xanifrier GattrftAl, cd. E.Tb.UaDpp, Breslau 1855. — R.Scbr6der.
/>»> Heimath der U.x Chamai-arttm, Pick's Moiutsachr. f. il. Gesch. WcstdudjMs.
VI (18&0) 493 — 503, — Lex /tiönaria et L^x f-'mtKorum l'/tamai-orum, cd,
R. Sohm, Hannuvrrar 1883, — J. Wormstall, Üf^r die Cftaniaver, BrukUrer
und AMgrh'ttrirr, Münslrr 1888. — Froid evntis, Ktudet iur la l^\ dicta
Franeoriim Cfiamai-orum, Piiri» 1892.
S 175. Dfis ülteste Zeugnis für die Cliamavi weist ;nif rfas 1. Jahrii. v.
Chr. jeurdck. Der S(.hinale Slrich ani rccliten Rtieinufer zwischen der Ijssel
und der Lippc^mUnduiig war nach Tac. [Ann. XIII ^^) ursprünglich im Be-
sitz der Chaniavt, später der Tubnntes und dann der Usipi (gewesen. Die
Usii>etcs sind im J. 56 v. Chr. an den Niederrhein gezogen und haben aus
<Iieser Landschaft die keltischen Menapü vertrieben (§ 05). Bereits im Winter
56/55 »cum 4)mnibus suis domo cxcesserant Rhcnumque transicrant« (Cae-
sar. B. G. IV 14). Einen Teil des Volkes veniichieie Caesar. Ein anderer
Teil >pust fugam »iiorum sc Irans Rheninn üt fiues Sugunibruruoi reteperat
seqiie cum iis conjunxerat« (ebd. 16). Jenen Uferstrirh haben alsii die Usi-
peles noch nicht ein Jahr besessen. Dieser kurze Zeitraum kann um so
■weniger gemeint sein, wenn {Ana. XIII 55) Usijji als Besitzer des Landes
genannt werden und als deren Vorganger die Tubantes, während die Vor-
gänger der Usipetes Caesars die Mcnapü waren. Im J. 55 aber .stand da»
Land leer: die Usipeles zogen sich damals In das sngambrisrhe Gebiet süd-
lich der Lippe zurü<-k. wo sie wcihl noch im J. 17 v. Chr. xu suchen sind
(Diön Ka^^^io5 LIV 2n, 4). Aber im J. tz v. Chr. finden wir die Usipi
als östliche Nachbarn der Batavi (Diön LIV 32, 2) und als nördhche Nach-
barn der Sugambri, und in diesen Sitzen haben sie sich gehalten, bis Tiberius
(spätestens im J. 10 n. Clir.) hier den niederrheinischen limes anlegte, west-
lich dessen das Land geräumt wunle. Wenn vor den Usipi als<j zunächst
die Tubantes in jener Lindstihaft gewohnt haben, so k;inn dies nur vor dem
J. 12 V. Chr. gewesen sein. Die Chamavi können erst nach dem Abzug der
Usipetes im J. 55 eingerückt sein. Eingecückt sind sie von Norden oder
von Osten her. In der Nachbarschaft jejies Uferstriches liaben sie wahr-
scheinlich schon vorher gewohnt, jedenfalls aber, nachdem sie von den Tu-
bantes aus demäelbett vertrieben wurden. In den Sitzen zwisclien den Su-
ganibri und Bructcri, wcsdich der letzteren nennt sie Strabön (VII 291 '),
einer alteren Quelle folgend. Es spricht nichts dag^en, ihren um die Mitte
des 1. Jahrhs. v. Chr. um jenen Uferstrich erweiterten oder bald darauf erat
eingenommenen Wuhnsitz in der Landschaft zu suchen, welche im Mittelalter
ihren Namen trug: in Hamaland. üstlich der Ijssel. Dafür spricht, dass
dies die einzige an jenen Uferstrich grenzende Landschaft ist, welche wenig-
stens von dem J. 12 v. Chr. ab in Betracht kommen kann, weil *ir die Be-
wolmer der andern angrenzenden Landschaften kennen; femer dass die
Chamavi gegen .\usgang des i. Jahrhs. n. Chr. zweifellos Westnachbam der
im Milnsterlandf wohnenden Bructcri gewesen sind (§ 150, 7). Nicht zu be-
fremden braucht es, dass die Friesen, welche im j. yy n. Chr. in jenen einst
hamawischen Uferstrich einrückteu, nach der Beschreibmig bei Tac. {Ann.
XIII 54) auf dem Wege dorthin keinen Widerstand gefunden zu haben
scheinen; wahrscSieinlich sind sie durch die damals vielleicht noch unbe-
wohnte Veluwe (doch vgl.jä i8j) oder am rechten Rheinufer entlang gezogen.
* Xd^aßrn sUtt des Obcrliefcrc«!] Xnvßot zu lesen.
Das alte Hamaland zerfiel in einen westUchen, frünkischcn und einen öst-
lichen, sachsischen Teil. Letzteren habet] die Chama\i erst im J, q8 n. Chr.
eingenommen. Sie haben steh mich Tac. {Gtrm. 33) mit den Angrivarü
in das Land der Bnicteri geteilt, indem sie das westliche MOnsterland
besetzten (§ 150, 5 und 7).
8qo
XV. Ethnographie osa (snuuidBCSSBH SftiUoa.
Aam. Ptolcmaios nennt dit: Xntftai (fUr Xoftavoi) OslUch der Su(^iiilm uiui töd-
lich der grTiii&eren Bructcrl, also sudlich der ob«rcB Lipf>«, und dann die Ka/tavot neben
d«n Chcmso n'JTdiicb vom Hart, aU» vielleicbl gldch&ills im Osiücfaen Wesifalcn gcdacbL
Jedrnfitlls wird man an lÜc zu Ausgnng An I. Jahrhs. n. Chr. ringenommcocn Siuc im
weltlichen WesifaleD denken mflssen, so dass seine Quelle Tac. Gitrm. gewesen i.4t.
Vgl. G. HoU, Bfiträgr tur äeutsihen AliertumikuHde I, Halle 1S94, S. lo.
Wir können also sagen, im gunzcn haben sich die Chamavi seit dem 1.
Jahrh. v. Chr. in ihren Wohnsitzen rechts der IjsseJ gehalten. Nur den SO-
deii ihres Landen niusslen sie zcitwt-ilip den Tubanlcs räumen, und dieser
einst mfnapische Uferatrirh wird auch spater nicht zu Hanialand gerechnet.
Der Name Hamaland ist gleichwohl Welleicht schon für das i. Jahrh. n. Chr.
bele^T In den »Chamavorum ar\*a< bei Tac. i^Ann. XII 55).
^ 176. Von dem frankischen Hamaland haben sich die Chamavi. wie
gesagt, im J. 1)8 n. Chr. über WestmQnsteriand, <las sachsische Hamaland
ausgebreitet. Sie sitzen narh Tac. {Germ. 33 imd 34) südlich von den
Friesen, westlich ^'on den .\njipivarii und westlich oder nfirdlich von den
Chasuarii, als«! von der Zujder-See bis zur Lippe, vgl. die Karte zu S. 868,
Das nüclisle Zeugnis, von Ptolemaios abgesehen, ist die Tnhula Peuiin^erianat
welche gemäss ihrer utn ibo anzusetzenden Quelle die »Chamavi qui et Franci«
nördlich von der Bata\'ia und südlich von den Friesen und Chattuarü ansetzt
(üben S 162); sie hatten sich also über die Veluwe nach Westen ausgebreitcL
Um 300 waren sie von Rom utilcrworfen worden {Paneg. Comtantio 8). Um
diese Zeit müssen sie von den Sachsen aus Hamaland vertrieben worden
«em. Denn seitdem finden wir sie weitet im Westen, an der Seite der Sahir
deren Verdrängung aus dem nördlich von Hamaland gelegenen Salland aus-
drücklich bezeugt ist (§ i"^). und alsbald drangen die Sachsen weiter nach.
Im J. 3.58 finden wir die Chamavi bereits im Verein mit den Salü in Toxan-
dria, von wo sie JuUanus zurückschlug (Amm. Marc. X^^I 8 und J ulianus,
Ep. ad Aihfnienses p. ^iy:> H). Von Toxandria aus haben sie sich an der
Maas ausgebrettet i§ i~7). Sie haben aber auch einen Teil ihres Heimat-
landes, das fränkische Hatnaland wieder gewonnen, das sie wohl nie völlig
aufg^eben hatten. Als die Kömer im J. 392 den Rhein überschritten,
verheerten sie zunächst »Bricteros ripae proximos* und dann >pagura etiam
quam Chamavi incolunt«, »nullo umquam occursante* (Sulpicius .\Iexandei
bei Gregor v, Tours II 9). Nur das süchsischc Hamaland haben ae
dauernd verloren. Um 400 finden wir im Orient eine nimischc cohors
undecima Oiamavumm [Nodim Dignitalum, Or. 31). Seitdem verechwindet
der Name Chamavi aus der Geschichte.
Über eine hamawische Kolonie in der Franchc Comte neben einw
hattuarischcn vgl. Zeuss 582— .5S4.
S 177. Die Chamavi haben neben den flalii noch Jalirhunderte htndurcli
eine gewisse Selbständigkeit bewahrt. Die wahrschelnllcli 802 entstandene lex
Franeorum Ckamavorxtm ist nur eine Ergänzung der Ux SaUca und lasst er-
kennen, dass die Chama\i Siiimniverwandtc der Salü waren. Die lex kennt
Chamavi in Hamaland und im Maasgau. Letzterer zu beiden Seiten der
Maas gelegen ', von der romanischen Sprachgrenze bis zur Betuwe. Dieses
Land scheint danach das Ausbreitungsgebiet der Chamavi gewesen zu sein.
Doch die scharfe Sprachgrenze, welche dieses Maasland (mit Ausnahme de»
nördlichen Teiles) sowohl von dem salf rankischen Brabant als von den
nördlicheren Rheingegenden, u. a. auch dem Hamaland tremit i§ 173) und
die an der Maas gesprochene lirnburgische Mundart eher der ripwarischen
Mundart zuweist als der salischen, lasst keine andere Deutung zu, als dass si< b
I
I
an der Maas Chama^i mit hattwarischen und ripwarischen Elementen gemischt
haben, wenn nicht etwa, was mir ungleich wahrscheinlicher vorkommt, unter
dem Maasgau der Ux VJmmavorum nur de^en nrtrdtichster Teil (nftrdlich
von Venlix)) zu verstehen ist. Etnmerich war noch hamawisch. Also er-
streckte sich das hamawisrlie Gebiet von Hamaland ohne Unterbre<'hung
über den Rhein {bei Emmerich und Cleve) IiIhwq; bis an die Maas bei Cuyk.
* So mit Lamprcthl gegfn Schröder.
c) Marsaci und Sturii.
% 178. Die Marsad uncl Sturii raQssen wir we^en ihrer Wohnsitze zu
den Niederfranken zahlen.
Die Marsaci werden nur ,^iti;iJ genannt. Tacitus (//«/. IV 56) nennt
sie zum J. 70 n. Chr. neben den Canninefates, an dem baiawisrhen Kriege
des Civilis beteiligt. PÜuius \N, H. IV 101) nennt am Niederrhein die
Inael der Batavi »et Omnenefatium, et aUac Frisiorum, Chaucorum, Frisia-
vonum, Sturionun, Marsaciorum, quae stemuntur inicr Helinium ac nevuni«,
alsrj zwischen der Maa.smündung und der Zuider-See. Er nennt dann (TV
106) von der Scheldemündunjj ah auf der einen (rerhten) Seite die Texuandri
auf der andern {linken] die Menapi und Morini, letztere »ora Marsacis junct,
pago qui Cheisiacus vocatur'. Bl.s kann hiernach keinem Zweifel unterliegen,
dass die Marsact nördlich von der Scheidemündung gesessen haben, und dass
der mittelalterliche Gau Marsum (mVdlich der Maasmtlndung) Uircn Namen
bewahrt hat und ihre Heimat gewesen ist.
Die Sturii werden allein in der angeführten Stelle bei Plinius {N>H, IV
101) genannt. Sie haben in der Nachbarschaft der Marsaci, Cannenefates
und Batavi gewohnt, im Gebiete der Rheinmündung, ohne dass sich ihre
Wohnsitze genauer bestimmen liessen^ (doch vgl. § 180).
Beide Stamme werden spiUer nicht mehr genaimL Wir haben keinen
Grund anzunehmen, dass sie ausgewandert seien, .*ta wenig ihre Nachbarn,
die Cannenefates und Batavi ausgewandert sind.
' Ganz unsicher i§l die von R. SchrO Jcr (Hisl. Z«« N. F. VII 10) aufgestellte
Vermutung, <la9<i der spätere Gsu Stria, diu heutige Ijiik) voii Str^-en {südlich von
Dordreclit) mit dem 967 «TWfihnlen Orte •Sturmlien) in pogo Su^a< die Heimat
der Sttirii gewesen s«.
d) Cannenefates.
K. V. Rtcfa thofcn, UnUrsuchun^at übfr F^ttsiKkt Rttktsgfickichtt MX 1.
D^s Gau Kinntm odrr dm KfnnrmtrIanJ, Berlin 1S86.
§ 179. Die Cannenefates sind eine Abteilung der Batav), nach Tacilus
(//«/. IV 15} »origine, lingua, virtute par ßatavis; niunero suiicrantur«. Sie
treten stets in Gemeinschaft mit den Batavi auf, wenn sie atich einen eigenen
politiRrhen imd miliiarischen {vgl. l>esonders Tac, flixt. IV 16) Verband
bildeten. Gleich den Batavi waren sie Ireue Bün<U*geni>ssen der Rr)mer, und
wetm sie nicht ronianisicrt wurden, su datilceii .sie da.s üircin rechtsrheinürchen
abgelegeneren Wohnsitz. Tiberius unterwarf im J. 4 n. Chr., von Westen
nach Osten vorschreiteud, -intrata Gennania" zunächst die Canninefates.
dann die Attuarii, dann die Brurtcri und endlich die Chcriusci (Vell. II 105).
66 Jahre spater sind ihre Wohnsitze auf einem Teile der hatawischen In.sel
{S xhfi) in der Nachi>arsdiaft der Batavi, Friesen imd Marsaci, und zwar an
der See bezeugt (Tac, Hin. IV 15 f.. 50 und 74). Plinius {N.H. FV 99)
nennt die sBatavunim insula et Cannenefatium« neben andern Inseln zwi-
schen Maas tmd Zuider-See. Folglidi können die Cannenefates nur westlich
U
der Zuider-See zwischen Friesen (§ 123) und Marsad {§ 178) gesessen Itaben,
und damit Jat zugleich gegeben, dass ihre Heimat das Kennemerland
(westlich der Ziiider-See) growesen ist, dessen Bewohner im 13. Jahrb. Kint'
marii oder Kenetnarii genannt werden. Der L;indschaftsname, in Ältester
Fomi Kimithem liat dcu Nanicn der Cannencfatcs l»cwahrl. Vgl. die Karte
zu S. Ö68.
Anm. Das i voiipricfat rricsiBcbvr Lautgcbiing. Im Wc^LfrictUcbtii ui umgelsuictcs,
tiicbc gedehntes a vor gwlcckiptn N'auil zu * geworden (PBB. XVfT 329 f.). Kmfum,
Kinnem ist die frie^iiNche, Kmem. Krnnein die nipd«rlilndi*che Fomi. v. Rtchlhorcn
hUt das Kcaacmerland fUr einen fnesischen Gau. Die Zeuj^issc fUr frühere rne»lsche
Sprache in NordhuUand (G. J. Bockcnoogen, />r- Zaanscht l'albslctal. Leiden 1897,
S. i\\ — Vit) liirirefTcn ihis Kenneiiierlttiul iiiilil.
e) Kalchovarii.
G. Kostlnna, l'BB. XX 299—301. — K. Mucli. ZfdA. XL 295—301.
§ lÜo. Falchuvarii werden nur um 400 in der Notiiia Di^tlatHm geuaiml,
neben den Tubantes, Matliaci und Biicinobantes, als rftmische Hülfstruppen
im Orient. Über ihre Wohnsitze fehlt uns jede Nachricht, ausser dass uir
sie am Rliein zu suchen Iiabcn, wie ausser den genannten s Stämmen noch
Batavi, Salii, Raetnbarii. .^nglex'arü, Franci, C-hainavi, Alamanni und Saxonea
im Orient (gedient haben. Auf Gtund der Gleichung Balavi: ßehttve ^
Fahhoi'arii : VeUiwe möchte ich die Fakhovarii als Bewohner der Veluwe
(südlich der Xuirler-See) ansprechen, so dass sie die nördlichen Nachbarn
der Batavi, die weslÜchen der Chamavt und offenbar eine Abteilung letz-
terer oder der Chattuarii (g löi) gewesen wären.
Anm. Kossiiina identifiziert die Falchovarii mieden Wesdalon. Mueh mit den
Wust- lind Ostfalcti. Das» lüfsi; dnri Namen von /»Ih »Feld« (^bildet «nd, will Dtdll*
Ar ihre Identität besap:a.
Mit der Besetzung der Veluwe durch die Falcho\'arii sind für sSratUche
LandsL haften des niederländischen Sprachgebietes die entsprechenden alten
frankischen Stammesnamen nacligewiescn, mit alleiniger Ausnahme der ana
diesem Grunde vielleicht für die .Sturii in Anspruch zu nehmenden Pro\iii£
Utreclil, die indessen auch für die Batavi in Betracht kommt (vgl g löf) und
wegen der Chattuani S 182 Anm. 1).
f) Chattuarii.
Zeuss 99 f^ 336—338, 341 f., 582—584. — A. Dcderieh, IJrr Gau
Alttion>r, Mitlh. «i. Ver. f. Gesch. u. Alt. «1 Fraiikf. a. M™ 11 Nr. 3. — der»..
Beiträge lur rümhih^deHtinhen G^t^hUhte, Pro^., EJnmerich 1849, — W'orm-
slall, Dtf Wohnsitie 4er Marsen, Atuibarier imä CkatUtarirr, PTfigr., MQnMiT iSSo.
§ 181. Der Name der Chattuarii 1 beweist ihre Beziehungen zu den Chatten,
und zwar kennzeichnet er sie entweder als Nachfolger der Chatten, d. h. ab
Bewohner chattischen und in diesem Falte früher chattischen Gebietes (^-gl.
Baivarii : Biji Amsivarü : Amisia, Cantuarit : Kent) oder als Naclikommcn
derselben (vgl Bnructuarü : Bructeri § 150, 8). Im ersleren Falle kßnnten
sie ein den Chatten gar nicht stammverwandtes Volk gewesen sein, und die
Heiuuit der Chatten udcr ein Teil dieser Heimal wäre i"<süidi der Zuider-
See zu suchen; im letzteren Falle wäre ein Teil der Chatten aus Hessen
oder dem südlichen Westfalen luich Nordwesten gewandert, um sich tmtei
dem Namen Chattuarii auf dem neu gewonnenen Boden als eine neue
ci\-iias zu konstituieren. Für die Urheimat der Chatten im niedcrrheinlscheii
Gebiete würde die Lage im Centnim der nachmals fränkischen Stämme — in
b.
»
diesem Falle tage es nahe anxunehnieii, dass die Chation aus der niederrhei-
nischen Heimat erst durch die Usipeles und Tencteri etwa im J. .y? v. Chr.
vertrieben worden wären — und die Nactibatschaft der vun den Ciiattea
ausg:egangencn Batavi (fä 15K, i) sprechen. Kflr die Herkunft der C'haituarii
wn den C'baltcn würde sprechen, dass die Nachbarn der crstercn, die Batavi,
i-ine ausgewanderte Abtdliing der Cliatteii sind, »1 dass dann wohl eine
gleichzeitige Auswanderung der beiden Ahteilungef] anzunehmen wäre. Eine
Entscheidung zwischen diesen beiden Möglirhkeiten wage ich nicht Nur
so \nel ist sicher, dass die Chattuarii ein den Chatten stammverwandtes Volk
gewesen sind; denn, wie diese, gehören sie s|)fllcr zu den frankischen SlAm-
men: im J. 360 en-berte Julianus ^reg^onem . . Franconim, (|uos Atthuarios
vocanl* (Amm. Marc. XX 10. 2).
Anm. Zcuss Klculifuicrt ilir Chaun.irii inu (I<n Üatuvl, was schon wqjcn der ta<-
kannien «i^iütei^n Wnhn^iLtc der crscravn nklil ncbli){ sein kxnn.
I Zur N.uiienüform vgl. g T58 Xoie 1 and § 30(> Note 2.
§ 182. Ihre Wr.hnsitze um Chr. Geburt sind nach der Angabe, das«
Tiberius ■inlrata Cermania« die Caiminefates, Attuarii. Bructeri tmtcrworfen
habe und dann zu dvn Chcnisn vorgedrungen sei (Veit. Pat, U '05), sfltj-
hch oder nKilMl» der Zuifler-S<x- in der Nahe des Rheins und westlich von
den im Münster^an^k• wohnenden Bructeri zu suchen'. Inncrlialb dieses
Raumes haben seit der Mitte des i. Jahrh«. v. Chr. die Clhaman in Haraa-
land gesessen (§ 175). Die Chaltuarü mUssen also entweder westlicher,
in der Veluwe und etwa bis Ulrccht, oder östlich von Hamaland ge-
sessen haben; am Rliein nördlich der Lippemftndur^ sassen die Usipetes
(§ ^■^3)- I*'*-* geographtichc W*alirsc!ieinli(likcit spricht für die L,aiid.>i<'l)dft
südlich der Zuider-See. Gegen die tistlicheren Sitze spricht die En.vflgimg,
dass Tiberius .-«chwcriich durch jenes sumpfige Terrain in das brukt**rische
Gebiet eingebroi^lien sutu, sundeni sich nicht weit vom Rhein entfernt haben
wrd, wie ja auch die etwas weiter landeinwiirta wohnenden C'hama\'i an-
lasslich dieses Feldzuges nicht genannt werden. Als die Heimat der
Chattuarii scheint mir ulsu die Landschaft ostlich von Utrecht bis zur Ijascl
gut beglaubigt zu sein, um so mehr als diese Landsi^haft die einzige inner-
halb des niederrheinischen Gebietes ist, för welche wir N'on keinem anderen
Stamme wissen (doch vgl. }j iSo}. Aus der Nennung der Xarroväotw bei
Slrabön IVII 2qi un<l 292) würde folgern, dass sie im Binncnlande gewohnt
haben, landeinwärts von den Sugambri und Bructeri^ etwa im südlichen West-
falen. Allein die Aufzähtmig der Völker an der einen Stelle (292} scheint
keine geographische zu sein, und die andere Stelle (291) verrat eine so
mangelhafte geograpltisdic Kenntiu.s Uircr Quelle, das» man darauf hin das
Zeugnis des Vcllejus nicht beanstanden darf'.
Anm. I. Für nicht aiis^»cl]]o)»(-ii hiilEe ich die Annafantc, dass die Chattuuü, wie
die Cvinenrratcs, unprünglich ein Teilsuimm der BatAvi gcwcKO sied (vgl. $ 181 Anm.],
und nOnlltch vom sltcn Kbeia, Bildlich von den Canncoclatca gewohnt hsbcD. Ihr Gvbiet
künntc sieb };li.-k-Eiwrihl hU in dir V^luwi: erstri.-ckt bxbeti.
Aus der Veluwc sind die Chattuarii später, wahrscheinlich in der ersten
H&lfte des ,v Jahrlis.. durch die zunächst unter dem Namen Chamavi her-
vortretenden salfechen Franken verdrangt worden. Die imi 260 verfasste
römische Wehkarte (vgl. § 1Ö2| kennt nOi-dlich des alten Rhein die Chamavi
qui it Franci und nördlich von diesen die Fresii und Chattuarii, letztere dem-
nach Ostlich der Ijssel, und da Hamaland und Salland nicht in P'ragc kommt
(§ 175 tmd 171), in Twenthe oder in Drenthc.
Anin. 3. Vlcllcicfat ist die Annahme einer Auswacdcrung nach Twenthe cidil oOtie,
Wenn nitmikh die Chattuarii r.\\ den B»Uvi gcln'rt vml nriniUcb dr» alten Rhein gewohnt
894
XV. Ethkographie der obruakischek StJImue.
halten (Anm. t), so kannten sie in dieMn Siucn um 360 gemeint sein. Freilieb wire
ilann, wenn die Cbaniavi cnra nur westlich bis Utrecht gereicht hAbeu, die Aagsbe der
Karte, welche die Cbatniahi, wie die Friesen, oOrdlich voa dm Chsmavi ansetzt, ungenau.
' anders Wormstall S, 9, der die Chittuarü den Mani gleidneut, weil entCR
statt letzterer von Strabijn \1I 292 beim Triumphzuge dei Gcrmanicus angefllhn
werden.
§ i8,v Das Volk wird dann erst wieder im J. 360 genannt tmd zwar tun
rechten Rhcimifcr in der Gegend der IJppemOndung, wiederum in der Nach-
barschaft der Cliaraavi, Für das Ende den 3 Jahrhs. dürfen »-ir ihre Sitze
am Niederrhein in der Nachbarschaft der Chamavi erscKUesscn aus der An-
siedelung eines Teiles beider Stämme in der Franche Cotnte durch Con-
stantius Chlorus (Zcuss 582). Zu Anfang des 6. Jahrlis. beginnen dann
die F,inf.ll]e der Danen van der See her in das hattwarisdie Gebiet; eine
Erinnerung daran liat die allenglische Heldensage festgehalten (vgl. die /^rf-
ware Beowul/ 2^(y:^ und 2917 und die Hahvcre Wtt/siit $^ Im J. 715 ver-
wüsten die Sachsen das Land der Cliattunrii.
Der Naini; des Volkes ist in dem Namen des pajfus NaüHarienm bewalirt.
Hiemach sind die s[i.1teren Wohnsitze der Chattuarii zu beiden Seiten des
Rheins zu suchen. Als Ortschaften des Gaus sind rechtsrheinisch bezeugt:
Mündetheim (südlirh der Ruhrmündung) und Stimm (an der unteren Ruhr):
linksrheinisch reichte der Gau bis zur Maas. Die Landschaft südlich von
Oeve und Xanten und nürdlich von Vcnlu und Gellep war hattwarisch.
Vgl. Karte VI zm S. 868. Die Chattuarii sind hier die Nachfolger der Cu-
gemi (§ 168) geworden. Merkwürdig ist, dass auch das sachsische Hcrbede
an der Ruhr zu dem Hatter-Gau gerechnet wird. Es scheint demnach einen
sach.sisch(rn und einen frfLukiscIien Hatter-Gau gegeben zu haben, ähnlich
wie es ein säclisisches und ein frankisches Hamaland gab.
Über die liattwarische Kolonie in der Franche Comte, in dem |>agus
Attoamm s. Zeuss .5Ö2~584.
g 1S4. Die Chattuarii habt-u von HausL- aus weder zu den salischeo
noch zu den ripwarischcn Kranken gehört. Von letzteren wurden sie bei der
Teilung des Reichs im J. 830 ausdrücklich unterschieden. Die Sprache der
hattwariscben Landschaft ist nur eine Abart der niederländischen, alsn der
saifrÄnkischen Mundart und hebt sich scharf von den südlicheren inpwarisrhen
Mundarten ab. Die Südgrenze wird von der iklich-lÄmc gebildet (§ 173).
g) NicderlSndiflche Kolonisation von Nordostdeutschland.
Hdlmoldus, Chronica Silavorum (bis 1170); nllhcres s. oben /u g 156. —
J. Eclking, Disstrtatio historico juridica de Bflgis secuh XII in GermaHiam
adrenit rarü'sque intlttults atftu juribus ex torum advrnla ortis, Gottilipc <770.
— A. von Weracbc, Urhrr dit Xitderländüchen Cohnim, wtlcMe im nörd-
lichen Teutschtande im sw$lfltn JahrhuniierU gftii/fet tiroriUnt % Bde., HaniKivfr
1815. 16, — Zeuas 661 f. — I., Gieaebrecht, HinJitchr Cachi/rhun itui dtn
Jahren 7H0 — lifl3, 3 Bde.. Berlin 1843. — Das gcrühniic. preisgekrönte Buch \-on
Borchgrave ist {^lulich unbrauchbar. — Winter, Die Ci$tereien%er des norJJtt-
liehet* Detiisehtanäs, 3 Bde.. 1868 — 71. — R. Schröder. Die nie<leridn4iieh*M
Koionien in Marddi-ittsi-h/iiird :tir Zeil des Atiltrlnlfrrs. Berlin 1880. — H.Krnat,
Die Ciiiim/sa/ion von Otldtitiichland \, Protjr.. I-ingenbcri; 1888. — (i. Wendl,
Die Gernuiniiiettinff der Länder fiffiüh der Elbe, 2 Teile, Progr., Li^nitx 1884. 89.
— K. I-iimiirccht. Deutuhe Geu-hiehfe III, Berlin 1893, S. 324 — 329, 357—
373 und 392 — 420. — A. Meitieen, SinUinn^ und Agrarvesen der Hett^rT'
manen und OilgermaNen 11, Berlin 1895, S. 343 — 367 \äA 475 — 493. — V<igel,
Ländii%:hf Ansiedelungen der Siedertäuder und anderer di-uischer Sf4im
A'ord- und A/itleldruluhlund UHihrend des 13. und IJ. Jahrhs^ PrOßr., Dot>cla
1897. — Ffir einaelne Lan<lBcharten vgL die vx den folgenden ${ angeftUute Lit-
icniwr.
I
I
>en ^1
kfc
III, £, 2. NiEDERFKAKKEK.
895
§ 185. Die Kampfe Karl» des Grossen mit den Eibslawen wurden von
seinen S'athfolgem aufgenommen, bis iti der zweiten Hälfte des 12. Jahrhs.
die zwischen Elbe und Oder wohnenden Stamme endgültig niedergeworfen
waren. In die seit der Mitte des 12. Jahrhs. beginnend*- deutsche Koloni-
sation haben sich nördlich einer Linie Halle-Torgau- Frankfurt Sachsen und
Niederfranken, sOdlich dieser Linie bis Qber das Erzgebirge und Riesenge-
birge hitiaus vornehmlich Thüringer und Ostfranken geteilt.
Die Neubesiedlung von Nordostdeutachland geschah nicht aus politischen
sondern aus wirtschaftlichen Gründen. So sind die Sachsen, die Franken,
die Thüringer nicht als Sachsen, Franken, Thüringer gekommen, etwa wie die
Baiem ihr Gebiet über Österreich erweitert haben ', Rondem sie sind als
Deutsche in dem Slawenlande heimisch geworden. Sind auch einzelne
Landschaften vorzugsweise von Angehörigen nur eines jener Stamme besiedelt
worden, so finden sich anderwärts sachsische Kolonisten neben frankischen
und südlicher frünkischc neben thüringischen, so dass es sich allein darum
handeln kann die relative .Starke der Beteiligung eines jeden Stammes für
die einzelnen Landschaften festzustellen. Westholstein - Mecklenburg - Vor-
pommern - Rügen ist zwar fast ausschliesslicli von Sachsen besiedelt worden ',
der Fläming, das Oderiiruch, die Weichsdnicderungen fast ausschliesslich von
Niederlanden!. Im griwsen und ganzen aber ist, nach Ausweis der Sprache,
die Mark Brandenburg, Mittel- und Hinterpommem, der Netzedistriki, West-
und Ostpreussen anuübemd gleichniSssig von Sachsen und Niederfranken
besiedelt worden, und nicht der Stamm als solcher hat eine Kolonie ge-
gründet, sondern einzelne Familien sind in das Land gezogen, etwa in der
Weise wie heute die Auswanderung nach Amerika stattfindet Und wie hier
<lic Auswanderer, losgelöst von dem alten politischen Verbände, alsbald zu
einem neuen Verbamle verschmolzen sind, stt ist auf ostdeutschem Boden
kein sächsisches rxler fränkisches K<:itonial reich entstanden soodcru ein neues,
ein deut.sches Volkstum.
Das Bewusstsein einer deutschen Nationalität bildete sich heran durch
den zunächst schroff gefühlten Gegensatz zu den slawischen Eingeborejien.
Dieser Gegen.satx war nicht nur ein sprachlicher, sondern vor allem ein kul-
tureller und dadurch auch ein sozialer. Die Deutschen wurden ins Land
gerufen, um dem Boden Ertragnisse abzugewinnen, welche die Slawen mit
ihrer primitiven Bodenkultur demselben nicht abzugewinnen vennoclit liatten.
Das I-and war ziimeist nur dünn bevölkert und gewahrte den Aukrtmralingen
Raum genug, und der Boden war ergiebig genug, um bei intensiverer Bewirt-
schaftung denselben ein wirtscliaftüches Forikoinmen und Prosperieren zu
sichern. Der ärmere Slawe wurde von dem wohlhabend gewordenen Deut-
schen wirtschaftlich und sozial abhangig, und hierin erblicke ich den Haupt-
faktor der verhaltnismJissig sdmellen Gennanisienmg der alawLsrhen Bevöl-
kerung, ein Vorgang, der für die Landschaften zwischen Elbe und Oder, die
Lausitz ausgcnnmmcn, mit dem ausgehenden 14. Jahrh. vollendet war. I.,3nger
hielten sich die Slawen nur da, wo eine stärkere deutsche Einwanderung
überhaupt nicht staltgefunden hatte. So ist in dem wendm-hen Teile der
Altmark und in der Wittenberger Gegend die slawische Sprache erst Im
15. Jahrh. ausgestorben, im bann ^«versehen Wendtand erst im 18. Jalirh.,
und in der L;iusilz wird tmc-h heute sorbisch gesprochen.
' Die Billiinj;isv.-he Mark lioist' sicli iwich am ehf^leri aU t-iiic der bairiscfa^
nslcrrrichi«chen analoge ELtwciUtur); ?tSrhü8chen Suinniei){ehi«tc-« anffnuen,
<i 18b. Die Ermittlung des Anteils der Niederfranken an der Kolonisation
Nordostdcutschlands iässt sich nur annalienid bestimmen. Als Quellen stellen
uns zu Gcbole gcsiliiduÜche Nachrkhien, Orts- und Personennamen und
vor allem die fn^ilioh fast gar nidit erforschten Mundarten. Wir erkennen,
dass Niederlünder besonders dortJiin berufen werden sind, wo es galt, dem
Wasser Bcxlen abzugewinnen durch Eindeichen und Kanalisieren, Künste, in
den«n die Nicderl.'imter gcflbt waren, und auf die man sirh sitnst nirgends
verstand. So finden wir Xiedetlander mk alloni in den Cbcrsi.hweinniungs-
gcbieten der Flüsse. Die Urbarinailiung jjanzer Landschaften wie der HrQche
bei Bremen, der Eibmarschen, des Öderbruchs, der Weichselniederungen
danken wir ausschliesslich niederländischer Wusscrbaukunsl.
§ 187. Die ersten K in w-dU derer k;unen im J. i H)(> aus dem Utrerlitschen,
aus Brabant und Flaiidcni. um tlas »unipflKc HoUcrhiiä bei Bremen urbar
zu machen. Ihnen foljjtcn andere, welche die Weser- imd Eibmarschen ein-
deichten mid entwässerten. Die loUandiiche Kül"nisation an der Weset-
mündung wurde izoi vollendet; sie erstreckte sidi auf das ganze Unke
Wescrufer vun der Hunte aufwärts, in der l^nge von 5 Meilen. Bereite
vor der Mitle des 1 >. Jahrh-s. wurde in dt:r Xilhc van Stade eine holl.'indis<;hc
Kolonie gefip-tlndet. und von dieser aus wurde das ganze linke Eibufer unter-
halb Hamburg, das Alte Land, Land Kchdingen und Land Uadeln neu
külunisicrt; \'gl. die dortigen Ortsiuinien HoUcrn, HoHentrassc, IIoUäHiitr-
hrtuh, Hoileviieieh. Weiter slromaufwJlrts, nördlich von Lflneburg, werden
11O4 holländische Hufen erwähnt. \\\ den vierz^;er Jahren des 12. Jahrlis.
wurde am holsteinisL-hen Eibufer tUe Kolitnisaiion der Hascldorfcr Marsch (bei
Elmshorn, vgl. die lUirtijje Strasse /'"iamwe^), der Kremper Marsch und der
Wilater Marsch vollentlet, wu bi.s 1470 liollnnilis«.hes Rcdil galt; \-gI. den.
Namen des bei Glückstadt mündenden khi$i. In allen diesen Marschen
liaben sich die nicdeilfüidischen Einwanderer mit der sjlchsischeu Bevölkerung
vermischt, s"? dass die gcgen'i\'ilrtigc Mundart einen wcseutltcli niedcrsücltst-
schen Charakter tr.'lgt, und nur geringe Anklinge, besonders der hellere Ton,
auf den Nietlerrhein zurückweisen.
Gering nur ist^ nacJi Ausweis der Sprache, femer die niederländische
Einwanderung in die sachsisclie Billungische Mark (OsthoUtein bis Vor-
pommern) gewesen. Graf Adolf liess 114.S in das menschenleere Ostholstein
au.5ser liolsteincm. Westfalen und Friesen auch Hnllnnder kommen und
sictlcltc letztere im Eutincr Gebiet an (Hclmold I 57). Vgl. die Ortsnamen
FUmttt xwLschen Kuün und Lüti;enburg. FUmhudc westlich von Kiel (liÖ^
bezeugt), die plafta FlemiH^omm in Kiel und die fl.imischen Personennamen
im alten Kieler Stadibuch. Die Dtirfer Zamekuu und Gumale haben ilir
bisheriges >H" »llensch Recht» erst 1 4.J8 mit j> Hülsten Recht« vertau»<-lit.
nöooi verlieh Heinrich der I^iwe Meckleni)urg -Heinnco, cuidam nobili de
Scathcn, cgui etiam de Flandria aiUluxit muliitudinem pupulorum et coUocn\'it
eos Alikilinburg et in omnibus terminis eius* (H elmold I 87). Diese südlich
vun Wismar angesicdeltett Fläminger wurden I164 vun dun Skiwen bü auf
den letzten Mann geti^iet (ebd. II 2). Vereinzelte niederländische Ansii-^l-
lui^en in Vorponmieni bezeugen <)rtsnamen wie Fltmtncmiorf im Krei*c
Demmin. Flemtiidorf \m Kreise Franzburg, //o//fflrA>,r/ bei Wolgast, (die »nivJ
itnme in Stralsund, Ffimkenthul auf Rügen).
Alle diese Kolonien sind v<jn keiner grossen Bedeutung gewesen. Dit
Küslenlandsr haften von Kiet bis Usedom sind im übrigen von Sai-hfwn be-
siedelt worden (•> i,s6j. Wohl aber weist die für Ostiücdcrdeutschlund rli:i-
rakteristische Pluralendung des Verbums auf -» (gegenüber üiluUihem -/),
die Krhaltimg des « in um, das sporadische /- <ig' und der früher weher
lU, E, 2. NlEDERFRAXKKX.
897
verbreitete Lautw-.irKld ilc:» iiitcivokalischeii </ zu y' auf jene spunidischcn
niederlatHl [.sehen Eleiiiem^ hin.
M'ru-r und Eltft im 12. unJ tj. Jahrhunärrl . Krcslau^rr Disfl. 1889, Hmnn'wcr (S, l —
104 =2». d, bist. V<rr. f. Nictlirrsachscn 1889, S. 1 — 104). — O. Auhagfii. Dir
nin/tr/tini/itrAm jlnsirit/uHi^n in drn U'esrr- und Etbmaruhm, LanilwinlisctuTU.
jbh. XXV {,\Wi) m-iy>-
* Nifdtrdeutichf SckauzpirU Slirrtr Zeit, «1. J. Bolle und W. Seelmann,
Norden nnd Lcipxi); 1895. S. töl — 63 und H, THmpel, iiHedfräfultflu Stutlitn,
Blclcfr'Id und Leipzig 1898, S. 51 und 35.
g 188. Umnlckh siiVrker ist das iiiederlilndisclie Klemenl im wslÜchen Tdle
der Altmark, üsüidi der unteren Saale und In der Mark Brandenburg
gewesen. Die klassische Stelle für diese Küloiiicn ist das Zeiigni;« Helmolds
I 88. Um 1157 hatte Albrcfht der Bar die slawiathcn Stämme zwischen
Havel und Elbe unterworfen und, *ad ultinuini . . . misit Traiectum (d. i.
Utrecht) el ad loca Reno conügua, insuper ad eos, qui habitant iuxta ocea-
num et patiebantur vin^ niaris, videlicet Hollandros. Selandros, Flandros et
adtluxit fx eis popuhmi niullum niims et habitare e-js fecit in urbibns et
oppidih Si bvrum. Et ronfi'rtatiLS est vehementer ad introitiim advenarum
epi-sc' ipatiis Branden burgensis net: non Havelbetgensis, eo qiiod multipliia-
renlur ccc]esie et dceiinarum succrescercl ingens )>osscssio. Sed et auslrale
htU3 Albie ipso tempore ceperunt incolere Hollandrenses advtaie, ab urbe
Sohwcdicle (il. i. Salzwedel) umnem tcrram palustrem atquc campeslreni, ter-
rain <]ue didtui BaSsanii-rlaudc el Marsdnerlamle (d. i. die östiiche Altinark
und <lie östlich angrenzende WLS4he zwütctien Arnehurg und Werben); civitates
et oppida mulla valde usque ad sallum Boemicuni possedenint Hollandri«.
»Nunc vero Sclan usquequaque protriti atquc propuL^i sunt, et vcncnont
adducti de finibua oceani populi furtes et innumerabiics et obtinuerunt ter-
Diinos Sclavorum, et edificaverunt civitates et ecciesias et increvenmt divitäs
super i.'nmem e»titnatiijiieni.<
Aoni. Die Uericbtc KnrDers und der Sachstnehromk, beide uu der er&l«ii Hälfte
de» 15. Jabrbs.. sind hUtoriKb wenloa. Vgl. Rudolph 13 — 15 und 38 — 50.
Einzclangaben vervnllst-'indigen das Bild. So sind um ii^»o n,1mische Ih'Zw.
hoUilndische Kolonisten bezeugt für Wusterwitz bei Geiitliiri, fftr Sdiartau in
der altmärkischen Elbmarsdi, für Krak;iu und I'echau südrisUich von Magde-
burg, 1170 Solche an deni Eibufer der Altmark. ^■\^^ wird in Burg ein
Wilielmits Ftamigrr genannt, 1209 in der Allnurk ein Ileunnis F/emin^us. Auf
Cainhray oder auf Kameiyk (in Utnvhi) weist da-s wQste Dorf Kanurik bei
Arcndsee und der Hof Krmrrid bei Werlien, auf Sfhelliiiuen (bei Rotterdam)
weist Srhainn, auf ib»nli:iiatker (in IJinburg) weist Munfcnncke^ beide in der
nörtlHclien Allniark. Der Familienname Kemmrrkb ist in llavell>erg, in Salz-
wedel Ist die Familie Genl heimisch. Die flämischt Seile hiess die rechte
Elbseite ge^enillwr der Altmark. Mit Flämingem ist femer ein grosser Tdl
von Anhalt besiedelt worden, wie z. B. um iiOo für Kleutsch, Nauzedele
und Nimitz (jetzt Naundorf) bei Dessau urkundlich bezeiigt ist. Vgl. u. a.
die fliimiirheu Wirifn und t\ei\ ßämtschen Damm östlich von Dessau. K'fmherf^
{Keuunct) ücgt südlich von Wittenberg. Bitterfeld hatte früliet flüml^he
Münze-, und wir kennen die Statuten einer FUminger-.Si'xrietat in Bitlerfeld,
Und noch südhchei' finden wir im Kreise Delitzsch ein Flemulorf und Flem'
mingsthai. .\usschlies.'ilich von Klilmingem ist tier Fh'imiug besiedelt worden, in
der ganzen Ausdehnung von Burg, (jummem und Barbv im Westen, von Aken
(1217 t>ezcugt), Witicnbcrg, Herzberg, Luckau im Süden bis Ziesar, Beelitz»
Banith im Norden. In den 6oer Jahre» des 12. Jahrhs. siedelte der Erz-
GrnnAniftchc FhilOlofie 111. 2. Aufl. 57
bUcliur Wirlimaiin Nicdt-rtändcr bd jQtcrbogk an. 1171 wurde Zinna htxf
JüterlHig von dem Cistercienscrklostcr AIcenberg (zwischen Köln und Eiber-"
feld) gegründet. In Jüterbog wird eine moneta noi'a Fiamin^mm n^itannL
Pom Ftammin^rorum heisst 1174 eine Brücke in der Nahe von Jülerb*)g.
(Bei Luckenwalde liegt eiti Fmnkcnftlde [12^5 bezeugt] und ein Fntuktu-
ßrtie.) Über den Sftdrand des Flamin;; s. ji 191. Spörliclier .sind die Nach-
weise für die nördlichere Mark Brandenburg. 1203 wird VUmindoip (jetzt
Fltmsdorf) zwischen Angennündc und Schwedt genannt. Bei Gransee H^
Kamtrickshof xyfl'ci Kcmcrickshof, (im östltdicn Ober- Barnim />wnif«/'/i'/«r [j.175
bezeugt],) in den Krei-seji Nieder-Bamim und TenipHn die Dorfer IloUami,
lici Ncuruppin \Frankeniiorf vliwX) Rhtmsber}^ ('373 bei:ei4i;t), ein recliler ZudusS'
der unteren Havel hdsst der Rhin, (und am Südrandc des niedcnJeutsdt
Sprachgebietes liegt Frankfurt n. O., 1278 gegründet).
A- Fr. Riede], Die Mark Britndmburg im Jahre t2$o, 3 Bde., Berlin 1831.
31. — Tb. Rudolph, Dif nitiUrlänäiSxhfn Kolonien der Alt mar i im ti. Jaht'
hundert. Bertin ]8S^. -~- E. Bartels, Der NiederbarMim unter den Anho^
riner», Prof^., Bltü» 1893. — ß. Outiniiinn. fXe Germanuirrt*ng der S/aj^m
in der Mark (F<i>r<Mrh, i, tviuid.-pteux«. 0«acli. IX 395 — S'4}i Düt''., Berlin 1897^
Die geärhichtlichen Zeugnisse werden durch die Spraclic bestätigt. Sehen
wir von KinzHheiten ah, wie niederfrankischen Eigentümlichkeiten der Mund-
art im Nordwestüipfel dt-r Altiuark bei SüJzwedel (z. B. söt Salz), so sind die bcu-
tig;en niederdeutschen Mundarten, soweit wir sie kennen, in denn istelbischen Teile
der Provinz Sachsen und in der giinzen südlichen Haffte der Mark Branden-
burg, von Havelbcrg, Berlin und Schwedt bis Magdeburg, WiitcnlxTg und
Frankfurt a. O., im besonderen in Zaurhe, auf dem Fläming vmd im Oder-
bruch, wesentlich niederfrflnkisch. Niederfrünkiscli ist insbesondere der Ton-
fall, die durcli die alleren Urkunden bestätigte Vcrirctiuig des gcnn. 0 dun:ii
NO (s3ch.s. ii bezw. au), urngelautrt if (sJlrhs. S bezw. rf«, oi) und di*» germ.
i und io [auch in sehet) durch /> [siiclis. & bezw. a/), die Vertretung des
wgerm. d, des tonlangcn a und des tonlangen a durcli oa, die <)es lonlat^en
e durch ed, die Diphthongierung des auslautenden und antevokalischen f und
ü zu ei und eu oder ai und an. die Entlabtalisic-rung dc:^ /• und ri zu e und
/, das anlamcmle J < g. der Schwund di-s iiitervokali.'ichcn g und ft, der
Schwund des auslautenden unbetonten /;. die Erhaltung des n vor s und der
Lautwandel des inlautenden »/(/> ng. Genauere» über die Herktmft di<
FUlminger wird sich bei näherer Kenntnis der niederrl »ein beben Mundarten
cnnittehi lassen. Einstweilen beincrkc ich, dass die Verschiedenheiten der
brandenburgistcbcn Mund;irten auf eine versrJiiedenc Hirimat der F-inwandercf
hinweisen. So ist z. Ü. der Tonfall imd die gesamte Aussprache des Fla*
mingcrs eine we<?entlich andere als die des Berliners. Der Berliner Tonfall
und der Gesamicharakter der Aussprache (bcsi^ndcrs beim wciblidicn Ge-
schlecht) erinnert auffallend an Crefeld. Die Mundart in dem nOrdticlieo
Teile der Mark Brandenburg, in der l'rignitz und Uckennarfc, trägt einen
ungleich stüiker niedcrs.'ichsischcn, <.sif absehen ixler nordniederbäcbsischen
Charakter. Sie mag etwa als ein Kumproinlss zwischen ostfaliscTh-nlederaAch«
sischer und niederfrünkischer Sprechwebte heüeiclmei werrtfn. Der granunti-
lische Bau isl mehr 3adisiw.h, aber die Aussprache ün ganzen wie die
eines jeden Lautes trSgt zumeist einen mehr niederf rankischen C'harakter.
Es ist zuweilen fast, als höre man eine nicdersachsi^che Mundait mit
nicderfranki.'ifher Zunge au.sspreehen. Und nmli lieutzuiagc sind in dt
hochdeutschen Sprache, wie man sie von Berlinern, Branden buT;gem, I'mu-'
lauem hört, Spuren ostfflliacher und niederfrUnkischer Sprechweise erkenn-
bar. wcklie noch nichl völlig ausKt^lichcn sind', der eine spricht in der
heiteren franldsclien Tunart und spriclit schneller, der ändert; hat eine
sonorere Aussprache, spricht insbesondere die anlautend«- Media nach (Wt-
falischcr Wfisc mit vuÜcdi Stinimlon. Der Ausgleich in igspruzess ist zwar in
der Hauptsache bereits vollz«igeji, alKT in gewlisen phom-tisclien Kinzelheitcsn
ringen heute noch die ul^ ostfalisch und die als niederfrflnki^ erkennbare
Aussiiraclie mit einander. Insbesondere al)er offenbiirt sich das rheinische
Blut in der psychischen Veranlapanj; des Markers, in seiner yn iiiedcr-
silihsischem Phlegma weit entfernten Lebhaftigkeit, Rc-iisamkeit und Frwche.
in seiner Schlagferligkeit und vielleicht am markantesten in der von der nie-
ders^chsischcn abweichenden satirisclien Art seines Witzes.
§ iSo. Die Besiei;Ilung der (Jderufer geschah erst gegen Ausgang des
13. Jahrhs,, und iiunuhc v«n den Orb«chafleu. welche den Namen der Flü-
minger, Holländer (ixler Franken) bewalirt haben, mugc-n erst im K>., 17. oder
18. Jahrh. gegründet sein. Das Land zwisi hen Ckler und Weichsel war Ende
des T3. Jahrli-s. noch slawisch. Erst niil Ablauf des 1^. Jahrlis. waren die
polnischen Stamme ^'istlich bis HinteriHimmem germanisiert, mit Ausnahme
der Kas>iul>en, von denen heute inxh Restt; vorhanden sind. Alter an der
unteren Weichsel und fl<dicher tiatte schon in den drclvsiger Jahren des 13.
Jahrbs. der Deuticlic Orden deutsche Kitter, Kaufleuie, Handwerker imd Bauern
in das eroberte uml entvölkerte Land genifen, zuerst nach Kulmerland, Ptw
mesanien und Pogesitnien, alsn nach den am rechten Weicliselufer und Ostlich
von Elbing gelegenen Landsdiaften. 1232 wurde Kulm und Thoru gcgrQndet,
1233 Marienwerder, 1237 Elbing, 1^55 Krtnigsber^-. Über 30 Städte sind in
Preussen nachweislich nix;h im 13. Jahrb. gef-rUndet worden. Wahrend die
Küstenstadte. nach der Verbreitung des Ifibisch- westfälischen Rechts und nach
der Mundart zu schliessen, vorzugsweise niedersädwisolie Bevf»Ikerung haben,
sind die Bauern des Ordenslaiides zum weitaus ^T'^Üssten Teile aus den Nicder-
laudcn gekommen, aus Holland. jQlicIi und Geldern (Lucas David IV 135 f.).
Diu Städte Kulm und Thom hatten flamisches Kecht. Von l^ctasinh-flnlland
heisst es zum Jaiire 1207, -quam sccimilum prinios lucatüres, qiü de Hollan-
dia venerant^ Holland appellavimiLS". Vgl. femer (die Ortsnamen Franken'
ftidf im Kreise Preussisch-Slai^ard, Frankiuhmn im Kreise Graudenz und in
Ostprcusseu Franktmiu im Kreise Neidenburg, Frankfnan und) Fleming bei
Seeburg im Kreise Rössel (und östlicher Frankenort im Kreise Angerburg).
Die leider nwh fast gar nicht erforschten IVIundarten sibeinen besonders in
den Weicliscluiedenuigcn und in dem nordöstlichen Ostpreussen auf Nieder-
franken hinzudeuten. Indessen habL*n die west- und ostprcussisclien Mundarten
auch eine starke niedei^clustsclie Bcimischimg, ebenso wie die seit dem Anfang
de» 13. Jahrhs. entstandenen sporadischen Ansiedluiigen bis nach Livland.
S. W. Wohlhrück, GcubickU Jes chtmuligtn Jiisthitms Lebua und Jti Lamiex
dieses i\\imfHi 1, Bt-riin iSaq, — J. Voigt, GeuhuAU Prevaeni von Jen Jl/esfen
ZxitcM bn tum Untergänge der Ilemcha/t des Deutuhen OrdtHS^ g Ikle,, KOni]^
berg 1827—39. — 11. F. KlTxlcn, Bet'trtigv tnr Genhuhtc des Oderhandels I,
Progr., Berlin 18+5. — J. Voigt, HandbuLk der Giuhichte. PreuaeNi 6ü tur
Zeit der Me/armatfen*, 5 Bde., KSnlgsberg 1850. — K. von Schlßzrr, Unland
und die An/Ünffe deiitscAen /-ebens im bnltifchen Xardett, Berlin l8jo. ^ Fr, A.
Brandstätcr. Land und Lente ties Lanäkretsn Damig, Danzi^; i8;'9. — K. Loh«
mcycc, GfxhiihU- von Oit- und ll'estfireussen I^. Uotlu 1881. — A. L. Ewald,
Hie Eroh^ntng Prrussrns durch die Deutieken. 4 Bdi'., Halle 1872. 75. 84. 8ü.
— P. Thomascliky, Die Amiedehingm im IVeich^l-Xogat-Oelta. Di«»., MOnMcr
1887. — I.. Arbusow, Grvndriss der GeseAuAte /.«'-, J^it- und Kurlandi,
Mitaii l8t)0. — P. van Nieiien, Dir Erwerbung der /^enmark durch die As-
konier, Forsch, «ur BiaiMlcnbg, u. Preusa, G«*£h. IV (189O 33' — J^"*
ST»
§ iQo. Um die Mitte des i6. Jahrhs. begann eine neue Einw'anclcnmg
von niederländischen Mennonhen nach Westpreusseti. Diese hessen sidi
in dem schon ün 14. Jahrh. von Deutschen besiedelten Danziger Werder
nieder. Die ersten Ansiedler besetzten zwischen 1540 und 155*» die Dör-
fer Schinetbli>ck, VVcslinke, Rcichenberg und Sdiarfcnberg. In da« nächsten
Jahrzehnt nalim die Kinwantltjrung zu. i58^> erliess der katholliche KOni{
von Polen eine Verurdnun;^ ^egen die niederländisclie Einwandemng. Nieder-
länder haben die Dürfer an der Weichsel bei Thom gegründet. Im Nctzc-
dislrikt wurde 151J5 die Holtflnderkolonie Gratz a. W. gegründet, 1596
LangenaUf uni 1600 Dcutsth-Kruschiii, 1604 Schulilz, IO15 Salwin. liyttz
wurden vier I{oll3nderd^»rfer (Neuhöfen, Mariendorf, Follstein, Khriiardorf)
bei Filchne angelqjL Im übrigen ist der Netzetlislrikl in der zweiten
Hälfte des ib. Jahrhs, im 17. und 18. Jahrh. hauptsächlich aus der Neu-
mark, aber auch aus Pommern und Preiissen besiedelt worden. Mclir als
ein Viertel der Ortschaften war bereits lutlierisch-dcutscli, als im J. 1772 der
Netzeilistrikt jireiissisch wurde. Schon der grosse Kurfürst hatte Niederlaiitler
in sein Land gerufen. Wie stark der Auteil der XiederUlnder an der Kolo-
nisation Westpreussens und des Netzedistrikts durch Friedrich den Giussen
gewesen ist, wissen wir lüchL Es sei hier zum Schluss nur noch darauf
hingewiesen, dass die gesamten Kilstemnundarten vnni Stettiner Haff bis
Memel und die Binnenmundarten von der AUmark bis Posen und Tlioni
auf eine Mischung särhsischcr und frilnlds»Ther Elemente hinweisen, so selir
auch hier das eine, dort das andere F.lement starker hervortritt Auch die
verhallnlsmüssig am stärksten sächsischen Mundarten Hinlerpomuierns, Poin-
mereJIens und das Netzedistrikts teilen das fränkische Merkmal aller ost-
niedcrdcutschen Mundarten, don Abfall des aui^lautenden unbetonten n.
Voigt und Lohmeycr s. «im voriy»?n Jj. — H. Eckcrdt, GfS(kk:h(e tin
Krtisfi Marifnburg, Miiri«iiburs 1868, — H. Eckcrdt, Die ColeniiatioH dti
Weichield^iuu, 7,^. f. Pnni«». iTe&ch. u. Lamleskunde V {1868) 601—613. — M.
Beheim-.Sch wurzliacb, HoktiiiolUrnitJu CaloHualiQnrr*. I^i|u!ig 1874. — H.
Berger, Fritdruh Jer Graite als Kolonüalor, OiesAen 1896. — E. Schmidt,
ßeutu-he Dcrfansiedlitngen im Netttdistrikl vom iß. ftti xum iJI. Jakrkundrrl»
DI« Oiitinark'UI (1898) 136— 158.
§ 191. Es sei endlich noch darauf liingevtiesen, das« auch in dcu sOd-
licheren, hot:hdeutschen Litndschaften sporadische niederländische An-
siedlungen ziemlich zahlreich nachweisbar sind. FlSminger werden in der
goldenen Aue genannt bei Heringen in den sogenanntei] Riethdörfem; sie
waren um i (45 berufen wurden, um die sumpfigen I^lndcrden in Kulturb>xlen
umzuwandeln. 1140 sind bei Naumburg Holländer bezeugt, nach welchen
das Dorf FUmwingen seinen Namen tragt; diese Kolonisten waren von deni
1137 gegründeten Cistercienserk kister St. Marien zur Pforte herbeigerufen
Worden. Vgl. auch den OiX. FUmmt'figen südöstlich von Alleuburg. 1154
hat der Blsi^hof Gerung von Meissen «strenuos viri>3 ex Flandria advcn-
lantes in tjumidam loco incullo et ])ene habitaloribus vacuo. quae Corvn
dii-itur«, angesiedelt; neileicht wt Kühren bei Würzen gemeint Zwischen
1173 und 1180 werden *X) Hufen flandrischen Masses an der schwarzen
Ebiter getutnnt. Die durch diese Angabe angedeutete flämische Kolonie be-
deutet miiglicht-rweise den südlichsten Punkt des Flsming (§ 188). Eine
Urkunde aus dem J. 11^9 nennt in der Niederluusitz octo mansus Flan-
dienses; es handelt sich um eine Cistercienscrkolonie des Klosters Döbri-
lugk. Auch hier Hegt e-s nahe, dass der Südrand des Fläming gemeint ut.
Die niederdeutsche , flämingischc Spracligrenzc reicht heute bis Herrbcfg
imd Scblieben, kann also sehr wohl früher um 10 Kilometer weiter «ftdwJlrtt
gcrcicbi haben. Das 1175 von Pforta aus gegrüiidcle Cistercienserldoster
Leubus hat wohl gieichfalls niederländische Kolonisten nach Schlesien ge-
zogen, wo wir in Urkunden baufig flaml-tchen Hufen begegnen (so x. B. 1237
an der Neigte, 1257 l)ei Stetnau"» und auch ein jus ftamingicum bezeugt ist
für die Dflrfer um Steinau und Nenniarkt. Klandrenses werden schliesslich
in einer Urkunde aus den »jOer Jahren des 12. Jahrhs. die Öicbenbürger
Sachsen genannt, deren Heimat an der Mosel zu suchen ist. Flaminger
(Flandrenscs) nannte man damals nicht nur die Bewohner von Flandern,
sondern alle Niederländer und ripwarisrhen Franken.
Über Flämingcr in Sdilcsitn *-gl. K. Wcinhold. ^/> Verbm'tHng und dit
Hrrkunfi der Üeuftchm m Schlfifot, SnittgATt 1887.
3. Ripwarische Franken.
Zctiss 343 — 345 urnl 57S. — G. Eclccrrti. Di> Anulrknung dn fränkischen
ÜifuorlanJfi auf der fmkrn Rki-insetfr, Progr., Köln 1854(5* Ann. «1. hiat. Ver.
f. (I. Ni«(lrrrbrtii I 1 [1855]). — R. Sohm, l^x /tittMarui, Hanndvtr 1884. -^
J. Fiekcr, Die Heimat der Ijes RibnarM, Milt, *\. Iiist. f. OiHcrr. Oc^chf&nch.,
Kr^iiiunpl«!. V (1896) JS— fti.
§ 102. Den niederi.lndischen Mundarten stehen als eine wesentlich ab-
weichende Gruppe diejeiiigeii Mundarten gctrenttber, welche östlich und süd-
Kch der /)^//c/;-Linie (§ 173) bis zur Eifel j^csprculicn werden, und welche,
je nachdem sie die hochdeulsthL* Vcrs-thiebung drs anlautenden / > c und
des inlautenden p,t,k'>ff,^ {>'")i '"■^ milgeniacht haben oticr nicht, in
eine nordwestliche und eine südöstliche Gruppe zerfallen; die Grenze lauft
von Eui>en über Aachen, Geilenkirchen. Odenkirchen und Düsseldorf bis
Wipperfürth. Mao kann die nordwestlichen Mundarten als Cbergangsmund-
arlai üttTschcn den südöstlichen nnd dem Xicderl'indischen betrachten. Aber
abgesehen von der freilich einschneidenden Versililedenheit hinsichtlich der
Lautverschiebung biUlrn beide Mundarten doch ein Ganzes gegenüber den
niederlandtsrhen Mundarten, und die Einschränkung de-- Namens ripwarisch
auf den südöstlichen Teil scheint mir sprachlich so wenig gerechtfertigt wie
geschichtlich ~~ man sollte richtiger v..n einer hoch- und einer niederripwa-
rischen Mundart sprechen.
Der Name der Ripuarii, welche in dieser Landschaft heimisch sind, ist
zuerst für das Jahr 431 bei Jurdaues {Gti. 36) bellet. Mcicher dieselben
imtcr den gegen Aitila aufgebotenen Völkern nennt und sie von den Kranken,
d. i. den sali&chen Franken uiilericheideL Sj^ler winl ein pagus, ein ducatus
Ripujiriorurn genaiml, und die Lc.\ Rihuaria^ bezeugt die rechtliche Sonder-
stellung dieses fränkischen Stammes. Die Sfldgrenze des ripwarischen Lan-
des bekunden durch ihren Xamen: der Bergwald Riiffencheid am Südab-
hang der westlichen Eifel, imd die Ortschaften Reiffncheid (■< 1 106 Riftrt'
schid) südlich von Schieiden, unweit der Ahrnuelle, Htiferschfid {<,t)'% Rtifer-
i(heit) bei Adtmau, nalie der Ahr, Rei/erichgid \<, 1 37(> RiphencheiJ) im
Westerwald, bei Wicd, Reifersdicid zwischen Bröl und Wahnbach und Rieft-
rafh au der Sieg, letztere drei auf der die Sfldostgrenze bildenden Linie
Neuwied -Gummersbach. Ebensti weit, bis zur Eifel imd von der Ahrraün-
clung nach 0![^, reicht haute ilie als ripwaris<.'h zu bezeichnende Mundart
Die Ripuarii waren ein selbständiges Volk. Ihr König war vielleiclil aus
merowingischcm Geschlecht; wenigstens war er, wie die Merowinger, ein rex
crinitus (Priskos, cd. Dindorf I S. 32^), und König Sigibert M-ar ein Ver-
wandter Chlodwigs fGregor V. Tours II 40). Zu Anfang des 6. Jahrhs. gab
es einen einzigen König der vereinigten Ripuarii, und es scheint, dass die
go2 XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
Ripuarii ihre Herschaft auch über die chattischen Franken ausgedehnt haben.
Denn der ripwarische König Sigibert jagte und wurde erschlagen in der Silva
Buchonia, also in Hessen (Gregor H 40). Über die Ausbreitung der Ripuarii
südlich der Eifel s. § 200. Die Ripuarii wählten zu Anfang des 6. Jahrhs.
(jedenfalls nach 507 und vor 511) den sallschen König Chlodwig zu ihrem
König und haben seitdem ihre politische Selbständigkeit aufgegeben. An der
Stelle der Ripuaria erscheint seit dem ausgehenden 9. Jahrh. das Herzogtum
Lotharingia inferior.
1 nach Ficker a. a. O. an der Obermosel in den Burgund nädistgelegeneiY
ober lothringischen Gebietsteilen entstanden.
§ 193. Name und Staat der Ripuarii sind verhältnismässig jung. Der
Name ist von ripa abzuleiten', bezeichnet die Franken also als rheinische
Uferbewohner. Eine ripwarische civitas bestand 392 noch nicht (§ 195 und
iq8). Waren die Franken auch schon früher über den Rhein vorgedrungen,
357 bis Jülich (Amm. XVH 2, i), dauernd in Besitz genommen haben sie
das linke Rheialand erst zu Anfang des 5, Jahrhs. Die aus dieser Zeit
stammende Notilia dignitatiim nennt Andernach als nördlichste Militärstation
am Rhein. Folglich waren die nördlicheren Städte damals in den Händen
der Franken. Als im J. 406 die Wandalen und Alanen von Strassburg rhein-
abwärts vorrückten, stiessen sie auf Franken (Greg. II 9). Im J. 412 haben
die Franken Trier erobert, für das J. 428 ist bezeugt, dass Franken die links-
rheinische Rheinprovinz »possidendam occupaverunt« (Prosper, Chroii.), und
gegen Ausgang des Jahrhs. reichte ihr Gebiet bis Bingen und Mainz (§ 211).
Darf man sich auf die ausser nördlich der Ahr besonders an der unteren
Ruhr ausdrücklich als zum pagus Ripuariensis gehörig bezeugten Ortschaften
berufen, so wären die Ripuarii von der Ruhr aus in die Rheinlandschaft
eingerückt. Auf alle Fälle sind sie vom rechten Rheinufer gekommen, und
sie sind die Nachfolger der damals romaTiisierten Ubii (§ 169) geworden,
deren Gebiet sie eingenommen und nach Westen hin bis über die Maas
hinaus erweitert haben. Es sind drei kleinere Stämme gewesen, welche
nahe verwandt und schon seit Jahrhunderten i)olitisch verbündet, sich auf
dem neuen Boden zu einem grösseren politischen Verbände vereint haben.
Vgl. für die Kriegsgenieinschaft der Marsi, Bru<teri, Tubantes. Usi])etes im J. 14
n. Chr. Tac, Ann. I 51; für die der Anisi\arii, Bructeri und Tcnctcri und
»ulteriores etiam nationes socias'- im J. ,58 ,4««. XIII 55; für die der Bructeri
und Tencteri im J. O9 und 70 Ilist. IV i\ und 77. Besonders eng \er-
bündet erscheinen die Tencteri und Bructeri, und den letzteren haben sich
die Reste der bereits früher zu ihrer Machtsphäre gehörenden Amsivarii
angeschlossen (§ 198), und aucli die Tencteri, welche seit dem J. 98 nicht
melir genannt werden, sclieincn in den Bructeri aufgegangen zu sein, so dass
letztere als das Kcmvolk der Ripuarii aufzufassen sind. Die zu derselben
Gruppe gehörenden Marsi sind untergegangen, und die seit Caesar den Tencteri
eng verbündeten Usipetes sind nebst den Tubantes die Südnachbam der
ripwarisclien Franken geblieben. Ortschaften des alten pagus Ripuariensis^
sind nachgewiesen rechtsrheinisch an der unteren Ruhr, linksrheinisch an
der Erft und bei Jülich und endlich zwisclien Bonn und der Ahr. Die geo-
graphische Lage spricht bei letzteren für ehemalige Tencteri, bei ersteren für
Bructeri.
Ripwarische, besonders niederripwarische Franken sind in starkem Masse
an der Kolonisation von Nordostdeutschland beteiligt, vgl. g 185 — iqi.
' Vgl. ZeuBs 343 Note.
a) BruL-teii
L. V. Lcdcbur, Land und Volk tirr Bruclfrtr. Bcriin 182J. — Zputs 92 —
94. 328. 340f. iimi 550— 3J5. — H. MiHdcmlorf. Dtr WohnsHie drr Brukterrr.
Cnimfcld 1837 {= (^r a»r UaAmüsr lUr /irtttirrer. Proer., CocsWd 185?). —
A. Baumstark, Ausfükrluhe Rrlriulrrun^ Urs br^itttdi-m ^ilkrrvhn/Huhttf
Thtilti lirr (ifrm'tniiz Ja Tncittn, \.n\>i:\^ tfl8o, S. 71 — 80. — ^ _J. Wiirmslall,
(^r die Chamavrr, liruklrrer und Angriiani-r, Münster 18R8. — G, Hals,
Beilrüge :ur Jrutsihi-n AltrriitmAknnd^ I, Halle 1894. S. 7 — 10.
§ U)4. Die Bructeri waren einer {U*r inilchtigsten norclwesldcntsrhen
Stamme. Sie sind, wie die Cherusri, stets Widersacher Roms gewesen und
wohl besiegt alxw iiidit auf längere Zeil unterworfen worden. Sic zerfielen,
wie dir Fri«'sen \xx\i\ CliauH, in majores und minores; die jnajures in dem
alten Slarnmlantle "istlich der Ems. Enispret-heiid ihrer Machlslellung ist
auch ihr Gebiet von grossem Umfange gewesen. Sie hewiihnten das XjuwA
nnrdlicli der Lippe bis zur heutigen niedertandisrhen Grenze und dem Dttni-
mer See und reichten nach Norden bis über Meppen hinaus. Es scheint,
da&s die kleineren StSmme der Chasuarii (an der Hase) und .Amsivarii (an
der unteren Ems) Unterabteilungen der Bructeri gewesen sind uder doch
zu ihrem Mai htbcrcich gehört haben. Im J. 12 v. Chr. »A- Tip 'Afiuoi't^
/iQovn<>^ fiQorxTtQorc xttrn'di'ftfi^riore (Strabön VII ^90; vgl. aucJi ebd.
»jiQOQ dk To3 ibxiiQi'ot ^uvyafißQtJt re xai Xa[fiaJvßoi xat limirxteooi xiü
KifißQtJi'). Wahrscheinlich deutet der Karae der Insel ßunatia litrQ^avti
(heute Barkuin) vor der Emsmündun^ auf die Bructeri, denn diciie haben
nach den von Zeuss 92 Anm. gegebenen Nachweisen in Wirfchchkeit /turii-
teruz (bezw'. noch B^fitfrös) geheissen. Nach Südwesten zu bis in> westliche
MOnsteriand haben sie sich erst seit dein Abzug der Usipi ausgebreitet,
wahrscheinlicli im J. 8 v. Clir. (iJ 203). Im J. 4 n. f'Iir. traf Tibrrius rwtlich
vi>n tien t'-anninefates die Atiuarii und f>sdich von diesen, also östlich der
Ijssel und n^'Jrdlich der Up]ie die Bructeri {VclI. II ii>5). Das Land süd-
lich der Lippe liw zur Ruhr, die miitelalteriiche Landschaft Itvtahtra. «'eiche
ihren Namen bewahrt hat, künnen sie nicht vor dem J. 8 v. Chr. cingc-
nummen haben, da hier bis zu chcftera Jahre die Sugambri gewohnt haben
(§ 168). Nach StrabAn VII 201 floss die Lippe (die er freiliih in die
Nordsee münden litsstl durch das Land dt^r ii^ofxriQOJv iü)v IXanüraiv^
Wir werden an die obere IJppc denken müssen (^gl. auch T.t'.. ,4««. I 60);
denn südlich der unteren IJppe sitzen wahrscheinlich seil 8 v. Clir. die Usipi
'(.^ 203), und es ist wenig glaublich, da-M Tiberius die Niederlassung der
feindlich gesinnten, mächtigen Bructeri unmittelbar jenseits des von ihm an-
gelegten limes gednltlet hatte. Im J. 14 n. Oir. sind die Brut Icri mit den
eüdwcstfslischen Marsi, Tnbantes un<l Usijietes verbündet (l"ac., An». I 51).
Ebenso zeigt sie das Jahr 5^ im Bunde mit den im Bergischen wohnenden
Tencteri {Ahn. XHI 5h): sie wohnten damals nördlich von den sftdwestfali-
scben Usipii und Tubantes {ebd.). Auch im J. 69 und 70 »junguntur Bructeri
Tencterique [IlisL IV 21 und 77). und tüese Nachbarschaft überdauerte auch
das verhängnisvolle Jahr qö,
AniT). XNcfa Ptolcmaios 11 11, 6 und 7 folgi«n «n d«r rechten Rhnii>>citc nördlich
Ton dem «ugambristhr« Lamlr, alsn iirrnllich der Lippe die S^vxjtoot oi ftiM^I. Nord-
Ikh vf.n Bruci*ri sUcn an d« Ser die if^nowt. Nath II II, 9 wohnen sUdlidi vnn den
xwi»cb«n unterer Em« und Weser AiuUiui|>»i Kavxot ol fungot die BoovKtium al fieliovt
und mtlich von ihnen an der Weser die 'Ar/Qtov^tat. DicK Angaben entsprechen den
wirklieben VetbaUniucn bis jEUin Jabic 98.
S 195. Im Jahre 98 hatten sich die West- und Csmachbam der Bructeri»
904 XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
die Chamavi und Angrivarii verbündet, das brukterische Reich gestürzt und
das Land in Besitz genommen: »nunc Chamavos et Angrivarios immigrasse
narratur, pulsis Bmcteris ac penitus excisis vicinarum consensu nationumc.
»super sexaginta milia cecidenmt« (Tac, Germ. 33; vgl. auch des jün-
geren Plinius Ep. H 7)^. Seit dem Sturze ihrer Macht erscheinen die
Bructeri als ein kleines Völkchen südlich der Lippe, das erst allmählicii
wieder an Bedeutung gewann. Die Tabula Peutmgeriana verzeichnet Burcturi
im Bergischen, gegenüber Köln, Bonn und Koblenz. Zu Anfang imd zu
Ende des 4. Jahrhs. werden die Bructeri zu den Franken gerechnet (Pane-
gyricus Constanfino 12 und Gregor v. Tours II 9). Als im J. 392 Arbo-
gastis den Rhein bei Köln überschritt, »Bricteros ripae proximos« und dann
nördlicher Hamaland »depopulatus est« {Greg. a. a. O.). Hingegen hatte
Julianus, der von Xanten aus nach der Ruhr vordrang, keine Bructeri son-
dern Attuarii getroffen (vgl. Karte VI, S. 868). Die Bructeri sitzen also
wenigstens seit dem 3. Jahrh. südlich der Ruhr auf dem Boden der Tencteri
und haben diesen Stamm offenbar in sich aufgenommen. Erst später schei-
nen die Amsivarii unter ihnen aufgegangen zu sein, die von den Bructeri
noch in der NolUia Dignitatum und in der aus dem 4. Jahrh. stammenden
Veroneser Völkertafel unterscliieden werden.
Als die Bructeri sich in dem alten ubischen Gebiete am Unken Rheinufer
unter dem Namen Ripuarii zu einer neuen civitas konstituierten (jj 193) —
zu dem pagus Rip^jariensis gehörten auch die rechtsrheinischen Ortschaften
an der unteren Ruhr bei Werden — gaben sie das rechte Rheinufer keines-
wegs auf. Rechts vom Rhein gesessen, und zwar in der Nachbarschaft der
Hessen, haben die Borthari, welche 739 Bonifatius {Ep. 44) nennt, und
bis zum J. 693 hielten sich die Boructuarii zwischen der mittleren Ruhr und
Lippe in dem nach ihnen benannten Gau Borahtra, seit 98 ihrem Stamm-
lande (s. Karte V und VI, S. 868). Erst in diesem Jahre liaben die Sachsen
diesen Gau zu einem sächsischen gemacht, und seitdem besteht die mit dem
niederrheinischen limes und mit der alten (Xstgrenze der Tencteri sich deckende
historisch bekannte Grenze zwischen Sachsen und ripwarischen Fnmkcn.
' Vr'- § 150 Anm.
b) Tencteri.
Zcuss 89 f. — R. Mucii, PBB. XVII 88—90 und 137 — 146.
S 196. Die Heimat der mit den Usipetes vereinten Tencteri bis zum J.
59 ist wahrscheinlich südlich von den Chatten und westlich von den Ubü,
an der oberen Fulda und Werra und bis zum Main hin zu suchen. Über
ihre Flucht vor den Sweben, ihre Wanderung an den Niederrhein, ihre Nieder-
lage und Aufnahme bei den Sugambri im J. 55 v. Chr. s. § 0^5. An der Süd-
grenze der Sugambri, an der Sieg, finden wir sie seit 38 v. Chr., d. h. seit der
Cbersiedlung der Ubü auf das linke Rheinufer. Noch im J. 17 v. Chr. treten sie
mit ilen Sugambri zusammen auf {Diön LIV 20, 4). »Drusus ])rimos domuit
Usipetes, inde Tencteros percurrit et Catthos' (Florus II 30, 23 und hiemach
Orusius VI 21, 12"). Sie wohnten also zwischen den Usipetes und Chatten, also
zwischen der unteren Lippe und dem früher ubischen und damals den Chatten
eingeräumten Gebiete an der Lahn (§ 206). Nachdem die sugambrische ci^itaa
aufgehniien und die Reste dieses Stammes am linken Rheinufer angesiedelt
worden waren, konnten die Tencteri nach Norden bis zur Ruhr oder Lippe
Raum gewinnen. Wir finden sie im Bergischen im Bunde mit den Bnicteri
im Jahre 58 (Tac, Ann. XIII 5*1) und beim batawischen Kriege (//«/. IV
III, E, 3. RipwARiscHE Franken.
905
Jl und 77), gegenüber KC-ln {IV 64 f.)- Im J. gS uwmt sie Tacitus {Germ.
ji) am rechten Rheinufer unterhalb der Chatten und Usipi und (33) als ihre
Nachham die Bmcleri. Ptnlemaios (11 ii, 6} nennt sie nördlich vod
<len pf-llzisthc]! Vangiuncs und südUcli von den einstigen Sugambri. Seitdem
ist ihr Name aus der CieKchlt lue verschwunden. Dass sie nicht, wie die
Usipetes, südlicher gewandert sind, darf man daraus folgern, dass sie in der
VcroHtser l'^lJeerfa/t-i nicht unter den r<"misctien j»civitates trans Rhenum flu-
"vium< (S 201) genannt werden. Sie werden also im Lande sitzen geblieben
sein, und da an ihrer Stelle seit dem 3. Jalirh. die Bructeri erscheinen, so
dürfen wir annehmen, dass sie in diejten aufgegangen sind, um später einen
Teil! der ripwarisclien Franken /u bilden.
c) Amsivarii.
2eu»« 9of, und 3*l— 34$. — K, Mollenhoff, ZfilA, IX (185J) 237—
340. — Wormsinll, />ir U'oAnsi'tte der Afanrn, Ansibarier unJ t'ftalluaner,
I'rogt,, Mltnsti>r 1S80, — P. Vogt, />«■ Ortsnamen auf -seheid und -auel (eht),
r«^., Nniwiwl 1895.
Ji 197. Die Amsivarii sind im J. 58 n. Chr. von den Cliaud vertrieben
worden (Tac, Ann. XIII 55), haben als«-' vordem in der Nachbarschaft
dieser, also tnnerhaLb des Striches vun der Emsmdndung bis Oldenburg und
bis zum Dtlniiner .Sei:- gesessen. Innerhalb des in Fn<ge kommenden Rau-
mes sitzen an der Hase die Chasuarii {§ 201), Sonach bleibt für tue Amsi-
varii nur das Gebiet der Emsmündung Übrig — die Lan<lscliaft westlich von
Oldenburg bis zum Suterlami war ein grasser Sum]if (vgl. die Karte zu S. böS)
"Unter dirsen Cmstaiulen kann nicht wohl bezweifelt werden, dass der Käme
Ainsivarii diese als die Anwohner der Ems (lat. Amnia) hczcidmet', und
femer. da nur die untere Kms in Frage kommen kann, weil an iler mittleren
die Bructeri gesessen haben (§ IQ4). dass der miltelaltedtclie friesische imd
itSchsische F.rasgau ihr l-^iid gewesen ist, sie nicht sowohl von der Ems selbst
als von dieser Ems-Ivandschafi her ihren Namen tragen (vgl. ,^ I7i)- E^
kann sein, dass sie eine selbstilndige Abtciimig der Bructeri gewesen sind.
1 rw^trn K. Müllcnhoff, ZfdA. IX 23^1 f. vj;1. R. Much. PBB. X\ni 54
nml Verf, rtwl. 330 Anm.
S 198, Sie w;tren unier Tiberius und Oermanirus ri"^misch {Tac, -4««.
XllI 55 und II 8). »Pulsi a Chaucis', zogen sie im J. 58 an den Nieder-
rhein »et sedis inopes luttitn exiliutn orabanti (Tac, Amt. XIII 55;. Sie wull-
len die »agrus vacuos el rnilituin usui sepositos* (ehd. 541 des rechisrliein Lachen
Uferstrichs zwischen Lippe und Ijssel besetzen und auf diesem rrtmischen
Boden Rom treu bleiben (ebd. 55). Das wurde ihnen von dem römischen
Befehlshaber abgeschlagen. Darauf •itli Bructeros, Tencteros. ulteriorcs ctiam
nationes hello vncaltant-; aber olme H.rfolg, und -Ampsivariorimi gens retro
ad Usipiüs et Tubatites cunce^sit. Quorum terris exacii cum Chatlos, dein
Chemacos pctissent, crrore longii hospites, egcni, hostes, in alicno (juod juven-
tutis erat laeduntur, inbellis aetas in pracdam divisa est« (ebd. 50). Man sollte
hiernach meinen, dass das Volk in der oberen \\'csergegend aufgerieben wor-
<Ien ist. Allein derartige Nachrichten (vgl. z. B. zum L'ntergang der Bructeri
S 195) pflegen Dbertrieben zu sein, und wenn die AnisivarÜ -»validior gens . .
sua copia* (ebd. 55) waren, so dürfen wir erwarten, dass sich ein Rest von
ihnen demioch gehalten hat. Und dieser Rest wird entweder an der chattbch/
cherusMschen Grenze zu suchen sein, also am linken L'fer der oberen Weser,
oder wir werden annehmen dürfen, dass ein Teil jene Wanderung nach
Osten nit hl mitgemacht hat, sondern in der Nachbarscliaft der Bructeri ujid
f)o() XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
Tencteri oder der Usipü und Tubantes zurückgeblieben ist, also im südlichen
Westfalen.
Tatsachlich tauchen die Amsivarii gegen Ausgang des 3, Jahrhs. am Rhein
wieder auf. Um die Zeit {§ 162 Anm,) nennt die Veroneser Völkeria/el Am-
sivari neben Niederfranken (Chattovari und Chamavi), Friesen, Bructeri und
Chatten. Ebenso kannte die um die Mitte des 4. Jahrhs. bezw. kurz vor
376 abgefasste Weltkarte des Honorius Amsivari neben den Niederfranken
auf der einen und den Sweben auf der andern Seite, also in dem rechts-
rheinischen Gebiete zwischen Lippe und Taunus. Südlich von Hamaland,
also südlich der unteren Lippe, finden wir die Amsivarii dann im J. 392,
Arbogastis in diesem Jahre in der Gegend von Köln »transgressus Rhenimi,
Bricteros ripae proximos, pagum etiam quem Chamavi incolunt. depopulatus
est, nullo umquam occursante, nisi quod pauci ex Ampsivariis et Catthis
Marcomere duce in ulterioribus collium jugis apparuere« (Sulpicius Ale-
xander bei Gregor v, Tours 11 g). Da Marcomeres als fränkischer Heer-
führer schon für das Jahr 388 bezeugt ist, so sind es auch die Amsivarii
bereits für dieses Jahr. Ihre Wohnsitze sind im Bergischen zu suchen, an
der Seite der ihnen schon im J. 58 befreundeten Bructeri, und die Vermu-
tung liegt nahe, dass, während ein Teil der Amsivarii im J. 58 an der obe-
ren Weser zu Grunde ging, ein anderer Teil schon damals bei den stamm-
venivandten Bructeri südlich der Lippe Aufnahme gefunden hat. Im römi-
schen Heere kennt die Notitta Dignitatum Ampsivarii neben Bata\i, Mattiaci,
Tubantes, Salii, Bructeri, alles fränkische Stämme.
Schon Tacitus Worte {Ann. XIII 55) von den Ampsivarii nalidior gens
nun modo sua copia, sed adjacentium populorum miseratione« legen es nahe,
dass das Volk der nachmals fränkisclien Völkergruppe zugehört hat; als ad-
jacentes populos nennt Tacitus (ebd. 56) aBructeros, Tencteros, ulteriores-
etiam nationes socias'. Bei Sulpicius Alexander stehen die Ampsivarii
und Catthi unter »Marcomere duce*, und »RIarcomere et Sunnone ducibus
Franci in Germauiani prorumpere-, und der Schriftsteller nennt beide MJinner
>sul)regul(is FrancoruiJK. Diese fränkisclien Amsivarii sind, nach ihren Wuhn-
sitzt-n zu scliliessen, nächst den Bructeri uffenbar das Kernvolk der ein
halbes Jahrhundert später bezeugten Ripuarii. Schon im J. 388 hatten sie
versuclU in der linksrheinisclien Rheinprovinz festen Fuss zu fassen. Erst
nacli dem J. 392 ist ihnen dies dauernd gelungen (ij i'>3). Sie standen, wie
die salischen Franken, zunächst im Bunde mit Rom, sind also fast ein halbes
Jahrtausend hindurch Rom treu geblieben.
Anm, Vüfit nimmt als Wuhnsitzi' ticr Amsivarii nach 58 n. Chr. d.-is wcsilälische
Saucrland an iind für die Zeil um 400 d.is Gebiet tlcr unteren Wied und Sieg. In beiden
Landschaften hat er eine kompakte Masse von Ortsnamen auf -frlu-iJ imtl •niicl (-ohi)
nachgewiesen und el>cnso an der Schneifei. Er nimmt daher an, dass derjenige Stamm.
weither diese Orte gegründet hat, nämlich die Amsivarii, im 5, Jahrh. seine linksrheinischen
.Sitze unter den Rijniarii an der Schneifcl genommen hat, genauer .an der obern Ruhr,
Urft, Olef, an der obern Ourc und Sauer in Luxemburg, an der Prüm und Kyll, an
Lieser, Salm und Alf- , alsn i>die Gegenden von Montjoie, Schleidcn, Prüm. Dasburg,
Dickirch, Bittburg imd Daun-, mehr verstreut ferner bei Oberwesel und an der Saar.
Demnach hätten die Amsivarii die stidwestlicbe Gruppe der Ripimrii gebildet. Ich glaube
nicht an eine Zunickführung des ripwarischen -scheid auf die Amsivarii.
d) Marsi.
Zeuss 86 f. — V. Wietersheim, Über dir Afarscn. Ber. üb, d. Verh. d,
fiSchs. Ges. d. Wiss., philol.-bist. Cl. IV {1849) 175—185. — Fr. Hülsenbeck,
Die Hofinsilze der f;er manischen Marsrn, Progr., Paderborn 1871. — J. Worm-
stall, DU Wohnsits* der Afarain, AnulHirifr unJ ChattHarUr, ProRr-» MÖMter
1880. — M, MatiiliuB. Ce^r die WohnUlu Jrr gmnantaheti Ataritr. Pt«gr.,
Dmdcn 1884. — R. Much. PBB. XVII (1893) 113— ti6.
§ IQ9. Tacitiis nennt (Oerm. 2) als Uniammc der Gemuinen nach der
einen Überlieferung die Ingaevoncs. llcrminanes, Istaevones, nach einer an-
dern Überlieferung Marsos Gainbrivios. Sucvvs, Vaudilii>s» mil dem ZusaU
»eaque vcra et antiqua nomina«. Demnach dOrfen uir die KonstJiuierung
der erst zum J. 14 n. Chr. belegten niarsischen civiias iu eine frühe Zeit htnauf-
rücken. Vielleichi dculel der Name der llur-sad ^an der Maasmündung)
auf Herkunft von den Marsi. wie der der Chattuarii auf eine solche von den
Chatti i§ 156). Die Marsi sind uns aus den Kriegszügen des Gcnnauicus
bekannt. Dieser traf die vicos Marsonim jenseits der silva Cae^, südli<h
der Diittleren Ruhr an (Tac., Ann. I .^o) — $. Karte IV zu S. Ö68 — und,
»quinquaginta inilium spatium ferro flammisque per\-a5tat'< {Ann. 1 51), Ihnen
befreundet uaren ihre Nachbarn, die Bructcri, Tubantes, Usipcies (ebd.).
Ihre Naclibam waren femer die Chatten {Ann. I 56 und il j.^) und, wie
es scheint, auch die Cherusci (I 56). Früher waren sie an der Varusschlacht
beteiligt gewesen (II 25). Die >[ar!U erscheinen als die Naclift-lger der Su-
gambri (§ iö8) und ktJnncn sich erst, nachdem letztere im J. 8 v. Chr. auf
das linke Rheiniifer ilbei^esiedeh wjiren, westwärts bis zum limcs Tibeni aus-
gebreitet tiabcii. V(.irdciu haben .sie entweder östlicher, an der uberen Ruhr
gesessen, oder aber sie sind, wenn Diän (UV 33, 1) richtig die Sugambri
an die Cherusd grenzen lUsst. ein Teil der sjugambrischen civitus gewesen»
der sich nach dem Abzug der Hauptmasse zu einer eigenen civitas konsti-
tuiert hatte'. Vgl. Strab'Vn VII ii>o. wonach die Stumme der rechtsrhei-
nischen Rlieinprovinz zum Teil nach Gallien hinübergeftliirt wurden sind,
zum Teil in das Innere (»r/c Ttjv Iv ßä&ei yo'iQfiv<), also nach Westfalen
zurückgewichen sind, -xnftäTtfo Magaol • Äm:ioi d' fioiv Allyoi xat xti»' Sov-
yäftßQfov fiigoc*. Im Lande der Marsi lagen »pr«)fana et sacTu et celcber-
rimura üIls gentibus [d. i. den Bnuteri, Usiivtes, ^!a^si und Tubantes] tem-
pluni, quiid Tamfanae vocabani-. Demnach scheinen die Marsi an der Spitze
einer Aniiihiktyriuic gestanden zu haben, welche jene nachmals als ripwarische
und als !Mo.sel franken erscheinenden Stämme umfasste. Zu dieser Stellung
würde die oben angcfülirtc Stelle aus Tac. (rerm. 2 Ireffüch passen. Seit
dem J. 16 n. Chr. verschwinden die Marsi aus der Geschichte*. AU im
J. 58 die Amsivarii sich in da> sOdliche Westfalen zurück/':)gen, werden hier
jenseits der Bructeri und Tcn^teri wohl Usipii und Tubantes und dann
Chatti, aber keine Marsi mehr genannt (§ i<>8). Da die Marsi vim Germa-
nicus nicht völlig aufgerieben worden sind {Ann. II 25), muss ein uns nicht
bekanntes politisches Kreignis zur .^nflAsung der Reste der marsischen dntas
geführt haben. An ihre Stelle getreten sind die Amsivarii und Chasuarii.
1 ,^f»(jrei-hrinl vi-rmmi-t v. Witrlctslir im S. 181, irlns-* iHi- Mariicn der T heil
Her Sigambern w»rvn, welcher, weil er ir«i(-r «Irm UntrrwerfiingiivtTirage ((« *A»-
Jit/onrni atiffiiat %»g\ Tm'. II. 26] Iterinrtr-ii, iim-li in Al>han|>)gkeil von Rom tn
den iihen .Sitzen bU'iln:>i wcillli-, v<>n »einen SuRiiii^vmMseit ^ich tieonte und dabcif
um siih Äus&prIU'h vnn denen /u Mindern, wekhe ihre Fieib(.'ii aufgalien, den Qocb
in der Erinneniri; lebenden Urnamen Maru» wieder annalini-.
« Wormstall S. q vemiuiet bei SlrabOn VII IQI Marsi = Clutnurii. weil
letztere beim Triumpbiiicr des Germonicufi slatt der m eTWikrt-ndfit aber reblenden
Matsi geoanni w^-rden. S. 8 vermutet er beiXzcitus Gtrm.yii Mani sutt i-'ofei.
weil Icuiere sonst nirgends genannt wenien und erstere urier den Einiclitikmmcn
jo der Germania fehlen. Die noch vnn Zippcl, \'5lkerbt-.ifgungrn %, I9 wieder
heibcigeiof;eneii Maom'aiot-t (DiBn LX S. 7I mm J. 4t hat v. Wieiersheiin
S. 176—180 «li die afrikaniidieii Maunuü nachgewiesen.
908
XV. Ethnographie der oekmamschkn Stämmti:-
4. Moselfranken.
§ 200. Eine besondere Gruppe Mosclfranken hat es politisch nicht ge-
geben. Es ist indessen geboten unter Oipsem Namen diejenigen fränkischen
Starnnie xu^ainnieiizurüsscn. welche — al^cseheii von den sächsisch gevr«-
denen Resten der Bructeri sftdiich der Lippe — zwar mit den ripwarischen
Franken von Ahers her ;iufs engste 7.iis;immeiigeh«^ren und zum Teil wn
ihnen ausgcgangcii sind (Ji ic>_^ und i'jcj). jiber deiuujcli nicht an der Konstitu-
ierung der ripwiirischMi dvilas bctcihgt waren. Eine besrindere Gruppe bilden
diese Moselfrauken in sprachlicher Hinsicht: ihre vom Siegeriande bis Luxem-
burg reichenden Mundarten nehmen eine Mittelstellung ein und vermitteln
zwischen der ripwarischen nnd der rhein fränkischen Mundart Der Cber-
gang ist gen N"rdeii, an tk-i Wasserscheide dei' F.ifcl ein verhältnismässig
schroffer, vergiirhen mit den mannigfachen Ahstnfungen nach dem SOd&i
und Osten hin. ÄhnUch wie sich von der ripwarischen Mundart im engeren
Sinne durch den starker niederdeutschen Kons<.inantismus das Xiedcrriptra-
Tische abhebt fji ii|2), so uiuerscheldet sich das Mriself linkische vom Ripwa-
rischen durch seinen vollends hochdeutschen Charaktei. insbesondere Üuich
seine siimmlosen Mediae un<i aspirierten Tcnucs, Der vi.im pagiis Ripuarienst«
unterschiedene pagus Moslinsis reichte v<in Coblenz bis (Ukti Metz hinaus.
Die Sfldgrenzc der Mctäclfrankcn wird durch eine fortlaufende Reihe von Orts-
namen auf -siliriit gekennzeichnet, dir eine IJnie bilden \'<>\\ I-ingensrhwal-
bach über Oberweset — Sinmiern — Idar-Wald — Hoch-Wald bis nahe der unte^
ren Saai und von hier, nach Südosten biegend, bis Saarbrflcken.
Anm. I. Wie es. ^i^rkomnicn liU ilass tlio liiichilruiÄchp, «I. h. dit den im Alurtum
Swe'hrfi ßptiiinni.-n Siilmmen ('ij;<'no ijiuivortchiphnn;; Iwi rit'ii Hissfti iiml Mr^rlfrutken ia
der HaiipU-ichc dimrhJrin):^» uud auch bei den ripwaiUchcn Franken EincitOß findett
koontc, diirtlber fehlt es an oiner irgi-nd bcKrtlndljaren VtTmumnR. Ich erwähn« die» d««
haJl), weil die AnniihnK- einrr MiscSmnK mit Alamannen in (^rösserein Umfunge weder für
NictlcrhcasiMi noch filr Kipwarit-n j:cr«htfcrliKt wcrdeti 3(Ann,
Die llc-imat der MoseJfninken ist cinerweits in Ripwarien, andrerseits am
rechten Kheiuufer /u suchen und zwar, da das Siegerland, wie es scheint,
erst spIUcr besiedelt worden ist. im Westerwahl und an der Lahn. Hier
haben zu Beginn des 2. Jahrhs. n. <"hr. die kleinen ciniates der Chasuarü.
Tubautes und Usipi gesessen, deren Heimat im i.Jalirh. n. Oir. teils an der
Hase, teils an der Lippe zu suchen ist. Von den nachmals ripwarischen
Stammen waren sie dadurch geschieden, dass sie vom Anfang des 2. bis zur
Mitte des .^. Jalirhs. römisch waren. Ihre Namen verschwinden seitdem. In
den st-rhziger Jahren wurde ihr I^nd von den Chatten oder Alamannen be-
setzt (§ 208). Sie selbst sind damals, soweit sie nicht etwa Ober den Klicin
gedrängt wurden, von den Enibcrem unterworfen worden und in ihnen auf-
gegangen. Die Sprache vom Westerwald bis zum unteren Main ist ein Mittel-
ding zwischen ripwariscbcr und hessischer Mundart Besonders der wesier-
wlüdtschen ähnlich ist auch dit Sprache Ulngs der Mosel. Ein bestimmter
fränkischer Stamm wird hier nicht genannt. Seil der definitiven Einnahme Triers
im J. 41Ö l)lieb die Moseilandschaft im Besitz der Franken. Wie weit sich hio"
ripwarische, wie weit chattische Franken angesiedelt haben, lasst sich oichl
ausmachen. Nach der SpracHic zu urteilen, hal>en sich ripwarische Franken mit
chattischen aus dem Wester*'ald und aus NA<*iau gemischt. L'm 472 hersclile
an der Mosel bereits die deutsche Sprache (Sidonius Apollinaris, Ep.W
ly). Mir .scheint die Annahme unumgänglich zu sein, dass nicht vereinzelte,
keiner grosseren iwütLschen Gemeinschaft angehörende fränkische Schaorcn
I
■
1
i
III, E, 4. Moselkranken'.
909
sich an der Mosel iucdcrgelas.sen haben, haiuielle es sich dnch um die inili-
Urisclie Besetzung einer wenn auch damals verödeten, so doch vurdcm lUdit
bewohnten röuii&chen Landschaft, M>ndem dai» ein grosserer, |K>)itisch urgani-
uerter St;inim von dem Moselthal Besitz cipnffen hat. Wir hatten dann nur
die Walil zwischen chattischen und ripwarischcn Franken. Gc};c"n die ersteren
und für die ktzteren spriclit der Umstand, dass die Mundart an der Mfwel der
hessischen ungleicli femer steht aU der ripwarischen. zumal in der C'bcten
Mosellandschaft ^von Trier bis Luxemburg), und die Thatsache, dass die
412 und 41S eroberte Stadt Trier der ripwans<'hcn SOrlgrcnze ungleich naher
hegt als der chaltäschen Wesigrenze; vor allern aber fallt für die ripwarischen
Franken in die Wagsdiale, dass um ,stx> das ripwnrische Reich Hessen mit
urafasste (ij iQ2}. Wenn ich also annehme, daas es Ripuarii gewesen sind,
die Trier und das Mosclthal crubert haben, so steht das niclit im Wider-
spruch zu der Annahme, dass sich an der Besiedlung des Landes auch die
im Westcrtt'ald umi an der Lahn wohnendai, unter chattischcr Hersrh.nft
stehenden Stamme beteiligt haben.
Aitin. 3, W. Arnniri, Mnsihi^/uttgrn und Wandemngttt Jeulst'k^r Stiimmr, Mar-
burK 187s, tut S. 188 — 209 die B««i«lluD^ <Ler LAndubAf^ «wÜH.tiT'ti EiTd und Ilundsrück
bis iMcii LotfarinK^n diircb Chaiu-n aus den <r>rt5DanKn Dacb/uwcim-n vcrsudit. Ich halte
den Nai.hw(!L<i tikhi filr geglückt.
Neben den Kipuarii sind mit einiger Walirs*heinlichkeit die civitates der
Cliastiarii, Tubantcs und Usijji zu den Moselfranken zu recluien.
a) Chasuarii.
Z«11Bi 113 L
1^ 201. D;is kleine Völkchen der Chasuarii wird erst im J. 98 n. Chr.
(ieiiannt, als durch den Sturz der Reiche der Cherusci und der Bructcri die
politische Ge<jgraphic Nord Westdeutschlands eine L^mwUlzuiig zu Gunsten der
Chauci erfahren halte. Dass die den Angrivarii benachbarten Chasuarii
von den politischen Neugestaltungen unberührt geblieben sein sollten, ist
nicht anzunehmen. Die Walirscheinlicbkcit spricht \*ielmehr dafür, dass die
Chasuarii die Wohnsitze, die sie im J. 98 innc hal>en, erst damaU oder
einige jalirzchntc zuvor enigenomnien haben, dass ihre Heimat innerhalb
desjenigen Gebietes zu suchen ist, welches die Chauci in der zweiten Hnlfte
des I. Jahrhs. n. Chr. gewonnen haben. Hierfür in Betracht konmien würde
der Strich \on der Emsmünduiig bis /um Dümmer See, also der spütcrc
Em^au und Hasegau. Unter diesen t-'m-itaniien ilarf es als zweifellos gelten,
dass diu Chasuarii nach dem Ilase^an ihren Namen tragen, wie die Amsi-
varii nach dem Rnisguu (ii 197), und ein Blick auf die Karte macht es walir-
scheinlid), dass die Cliauci den Hasegau nicht erst im J. 9b besetzt haben.
in welchem Jahre sie von der oberen Weserlandschaft Besitz ergriffai, sunderu
bereits um das Jahr 58, als sie die Amsivarii aus dem Emsgau vertrieben.
Unmöglich wllrc es zwar nicht, dass sie sich Tacitus im J. 98 noch an
der Hase gedacht hatte, wenn er [(r«fn«. 34) sagt: »Angrivarios et Chamavos
[Osnabrück und MUnsterland] a tergo Dulgibini et Cliasuurü cludunt aliaequc
gcnies haud perinde memoratae, a fronte Frisü excipiunt«. Des Tacitus
Arphen sind nicht s«j genau, als dass diese Annahme ausgeschlossen w^re.
Aber das gegebene ist, die Sitze der Chasuarii nacii Tacitus östlich oder
südlich von den Chamavi und Angrivarii anzusetzen, und da Osdich wegen
der Besetzung der Weseriandschaft durch ilie Qiauci ausgeschlossen ist, also
sQdlich, d. h. in Westfalen südlich der Lippe. Wenn der Atisdruck »Cliau-
conun gens onmium quas exposui geniitmj lateribus oblendilUT': {fienn.
<jio XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
35) wörtlich zu nehmen wäre, so müssten die Chasuarii Nachbarn der Chauci
gewesen sein, also zwischen der oberen Rulir und Lippe gewohnt haben.
Anm. Hierher gehören sie auch nach Ptolemaios n 11, 11. Die KaacvdQOt
wohneü östlich von den Tsvxtgoi und, wenn man die Zvtjßoi ol 'Ay^eiiol sträciit (§131
Anm.) südlich von den mit den Chamavi zu identifizierenden Xalftat (§ 175 Anm.). Ich \egt
auf das Zeugnis des Ptol. deshalb kein Gewicht, weil Ptol. die Wohnsitze der KeufoväQoi
ersichtlich (nach Tac. angesetzt hat); vgl. G. Holz, Bcitr. z. dt. ÄUertumskunde I, S. 10.
Dann werden Casuarii erst wieder Ausgang des 3. Jahrhs. in der Veroneser
Volkertafel genannt Sie befinden sich in der Gesellschaft der Usipi und
Tubantes und gehören zu den »civitates trans Rhenum«, welche »in formu-
lam Belgicae primae redactaet waren imd »sub Gallieno imperatore«, also
260 — 268, »a barbaris occupatae sunt«. Die Casuarii haben demnach nicht
nur im 3. Jahrh. sondern bereits zu Anfang des 2. Jahrhs. — wei! damals
Trajanus die civitates »trans Rhenum in Germania restituit« {Eutr. VIII 2)
— an der Lahn gesessen, und sind, wie die Usipi und Tubantes die Vor-
fahren der Nassauer und Moselfranken, Sie sind vielleicht, wie die Amsi-
varü, von je her nur eine Abteilung der Bructeri gewesen.
b) Tubantes.
Zeuss 89 f. und 305,
§ 202. Die Tubantes haben nach dem Jahre 55 v. Chr. das rechtsrhei-
nische Ufer nördlich der Lippe besetzt und es vor dem J. 12 v. Chr. an
die Usipi abgetreten (§ 175). Im J. 14 n. Chr. finden wir sie in der Nach-
barschaft der ihnen befreundeten Bructeri, Usipi und Marsi {Tac, Ann. I 51),
im J, 58 zwischen den Bructeri und Tencteri einerseits und den Chatten
andrerseits {Ann. XIII 56), also im westfälischen Sauerlande. Zusammen
mit den Cliatten nennt sie auch Ptol. (II 11, 11). Endlich werden sie in
der Veroneser Volkerta/el unter den rechtsrheinischen civitates genannt, die
seit Trajanus und bis auf Gallienus »in fonnulam Belgicae primae redactae«
waren. Man darf daher annehmen, dass die Reste dieses Völkchens unter
den Nassauern oder Muselfranken aufgegangen sind. 321 werden sie noch
■einmal genannt (Nazarius, Paiug. Comlatifhio lö).
c) Usipi.
Zcuss 88—90. — R. Much, PBB. XVII (1893) 80— 90, 137— 142 und 146.
— G. Holz, Ii,-Ur<ig<' zur J,iits,-/ir>i All<-rlu»tskiniii,- I, Halle 1894, S. 8 f., l- l.,
68 und 71 f. — G. Zippel, Drutsche l'ölkerbcvegungen in der Römerzeit, ProgT-,
Küiiitjsberg 1895, S. 10—13.
i; 203. Aus dem Innern Deutschlands, wohl aus der Landschaft nördlich
■des Main (5J 19(1) \'on den Sweben vertrieben, sassen die Usipetes seit 5O v. Chr.
am Rhein nördlich der Lippe und wurden an der Absicht, sich links vom
Rhein niederzulassen, durch Caesars entscheidenden Sieg verhindert (^ 65).
Ein Teil ihres Stammes liatte bei den Sugambri südlich tler Lippe Aufnahme
gefunden (Caesar, B. G. IV lö), und hier finden wir sie im J. 17 v. Chr.
{Diön LIV 20, 4). Drusus, der sie unterttarf, traf sie im J. 12 und 11 v.
Chr. nördlich der Lip)iemündung (clid. ^2, 2 und 33. i), wo sie das Gebiet
der Tubantes einnahmen (Tat., Ann. XIII 55). Den rerhtsrheinischen L'fer-
strich mussten sie rilumen, als Tibcrius denselben als militärische Grenzmark
einrichtete. Es ist fraglich, ob sie im W'estmünsterlande sitzen geblieben sind
oder damals bereits nach Süden zogen. Schon im J. 8 v. Chr. hatten die
Sugambri ihr Land rilumen müssen ($ 168), und es ist anzunehmen, dass die
zu Rom haltenden Usipi bei der Neubesetzung der benachbarten Landschaft
südlich der Lippe nicht leer ausgegangen sind, sondern damals ilire Sitze nach
Soden crM'fiten haben. Im J. 4 n. Chr., sclieint es. halten sie Weslniünster-
land aufgegeben; ticnn Tiberius. der von der Zuidei-Sce nördlich der Lippe
bis zur Weser vorrt^ckte, unterwarf nach den Canninefales und Aituarii die
Bructeri und dann die Chcrusd (Vcll, II ic\^), scheint also nOrdlich der Li])|ic
keine L'.<*ipi v.irgefiinden zu haben. Wahrscheinlich sind sie bereits nach dem
J. 10 V. Ciir. in ihre späteren Witlinsitze na«;h X.'issau gez-icen. und zwar auf
Anwei-suDg Roma. Denn in diesem Jahre hatten die Chatten Nassau aufge-
geben (§ ioti), und ein anderer Stamm kommt fOr die Neubesetzung nicht
in Frage. Im J. 14 n. Chr. wuhncn sie iu der NfUic der südwestfälischcu
Marai, denen sie, wie Bnicteri und Tubanies, Hülfe bringen (Tac, Ana.
I 51). Im J. 5B sassen sie zwischen den Bructeri, Tencteri uud Chaiteii
{An». XlII 56). Westraün.sleriand haben sie also wahrscheinlich im J. 8
V. Chr. oder doch vor 4 n. Chr., spätestens aber 5t> n. Chr. gerüumt Dann
zogen sie südlicher in das Land zwischen Sieg und Lahn und treltn im
J. 69 neben den Chatti und Mattiaci bei Mainz auf (//*>/. IV 37), walir-
schcinlidi vun den Römern in dieses Greiizland gerufen — sie waren im
J. Ö3 romisch {Agr. 2i>) — , und hier, in Nassau, neben den Chatten und
sftdoslhch von den Tencteri sitzen sie, ftieder\im frei geworden, noch im
J. 98 {Germ. 3i) und gehören von Bcgimi des 2. Jalirlis. bis Mitte des
3. Jahrhs. zur Pro\*inz Belgica prima {Vemtmer l'olktrtaftl). Si>3ter hören
wir uichLs mehr von ilmen. Sie müssen sich also als selbständiger poliliscber
Verband aufgelöst haben, iiidtim sie sieh den Chatten angeschlossen haben.
Spraclitid) scheinen sie mit den Nassauern Identisch zu sein.
d) Die Siebenbüiger Saelisen.
ti. D. Tcuiscb. Gatlikkit dtr SübtHhürgrr Sarhitti^, Leipzig 1874. —
Schwicker, />*> Drulichm in Vngarn und Sifbtnbürgrn \I)ie l'iilkfr Oetter»
rrick-Ungnrn.\, elhno^ttphiuhr und tu/Jur-fiisliirisirhf .Sfhildrrtingni III). Wieo
und TeAihen 1H81. — tTh. F. Mniirt-r, Dir BexHu-r^^ri-i/uttf; SiritrnbürgrHr
Junh di^ Jas Lattd jcttt br-.f ahnenden Xalionru^, Berlin l8»2. — O. Kcintzcl,
Ober die lUrhnnft der Sirbenbiirger .'Sachsen, (Prtigr.) BiitriU IÄ87. — A.
Scbtvl, Die Siebeniürgi-r S<uhM!ti, Prag o. J. (1887]. — R. Bcrguer, Dk
Ffa^ dtr SieheHbitr^r Saihien, 'Wcim« i8qo. — Fr. TcutBcb, Die Art der
AtiSiedeUing dfr Siebrrnbßrger Sai-fuen, in: Beitnige titr Siedeliings- und l'olkt-
künde dtr SifbmbGrger Sachitfi. brag. v. A. Kirchboff, Stuttj^rt (895, S.
I— ZO. — G. D. T«ulsch, GfKhieki€ dtr Stebettbürgrr Stichse» /är das tdck'
stftrhr loit\ 2 £dc. Lcipci^ 1899.
(^ 204. All dLT Kolonisation des Gclürgsrandes vun den Sudeten bis zu
<len Kaqxiten haben sich auch Moselfranken beteiligt. Wie weit kleinere
BruchleDe unter den nordungarisihen Kulunisten (Jj 230) vurlianden wäre»,
bleibt einstweilen dahingestellt '. Fast aus&chlicssUcIi aber moselfränki.4rher
Herkunft* sind die Siebenborger Sachsen ^ welche 1141^1211 eingewandert
sind. Eine Linie von Schlssburg westwärts, nürdlich von Elisabeilistadt bis
Blasuniluff, von hier südwärts bis westlich und südlich von Hennannsuidl,
dann Ober Fügarasdi unil üstlich und nördlidi von Reps nach Schassburg
zurück, umschliesst die gr<lasie deutsche Sprachin.sel. Im Burzenlande ist
Kronstadt und Umgegend und der Stti(.h von Törzburg über Zeideu nord*
wflrLs an der Aluta bis über Marienburg hinaus deutsch; im NOsncrtande
Bistritz und Umgegend südwestlich bis Sl. Georgen und südlich bis Teken-
dorf. Die Einwanderer tiaben si<:h in einem UrviaUl nieilergciassen, den .sie
ausgerodet haben. Sie hatten eine eigene Verwaltung. Wir unicrecheiden
drei GrupiKtn: die Nösaer (Blstritzer), die Herraannstadter und die Burzen-
lander (Kronstädter) Gruppe. Die Xüaner scheint die älteste zu sein (erste
Hälfte des 12. Juhrlis.). Die Bunsenlünder ist die jüngste (iJill — I22,s). emc
Ansiedlung des Deutschen Ritterordens, ^lan uiilersvhied gegeu Ende des
12. Jahrhs. jüngere F.inwanilcrcr vc^ii alteren. Die Ansiedlung erfolgte dorf-
weise und gruppenweise. Die einzelnen Gnipjien bildeten Markgenossen-
schaften. Ihre Vcrschmelzunfj zu einer eigenen Naliun beginnt seil 1224.
Neue Einwanderungen folgten 1734 — (>2 ans Sal/hurg und Österreich, 1749
—72 aus Baden- Dvirbch und 1845 — 46 aus Schwaben*.
' Kt'inl/rl iiiimtit aii, iIiijm niw ersten deuUcbcn KolunUlea üvt Zip« . »
vrohrKcheinlich gl»ch/.ciiig mit dem Siebenbürgcr Sachsen >uni die MitU des 12.
Jabibft. ehenrall« vom mittclfränkisclicn Gebiete ,-iijsg(yu-andcrt< sind (S. 52), imd
dau spiteT eine thüringiach-schlcsischc Einwanderung hiimifrckointnei] iaL — ■ Über
OrtBnamen, die auf das oldcnbur^iscbc Maosterland zurQckwdsen, vgl. Jb. f. d.
Gescb. des MeT/o^^ums Üldmburg IV (1895) tJ9 — 141, — ' Auch fianärfntrs
getunnl (§ 19t). — * Kr. T[eut8ch], Im HttuH Riith 1872, S. 855 — 868.
5. Chatten.
H. B. Wenck, ffeuische laftdagfsihichu I. n I, Damtsudt und Gieswo 1783^
89. If 2 Frankfurt und I-eipzij; 1797. — Zeil«« 04—99, 37 f. und 345 — 348. — J.
Grimm. OVaA. J. dt. Sprache %ft^ — 395. — Ph. A. K. Walthct, LittrarücKis
lianiihHck für CtahUhie und Landeskundt von Hesun im Altgtmeitwn und dftm
iiroiihtrzoglhum Hrsan huWsonderf, Donnttatit 1841; dazu 3 St^>})]aneau bU
IÖ69. — G. Landau, Beahreibung dei Gauts Wfltcreibv, Ka»scl 1855. — ü,
Landau, Beschrribting drt firss^ngaues, Kaascl 1857; jrwetlc Ausgabe, Halle
1866. — H. Pfistcr, Über dm .hnlltschen und tiettruhr» \nmen und dir
älteste tjew.hirhir dti i-hatlitchen Stammes^ Ka^^H ]868. — W. KellneT. CMnilrti
und Hnien, Zs. f. PreusA, {ji^mJi. u. T^n<le>kuni)e VII (1870) 4^5 — .142 und
Aivb, r". neuere Spiathen XLVIII (1871) 85 — 174. — H. Pfisier. Ürher die
sprairhlühe tirrnte der Ckallm, Zs, d. Ver. f. hess. Gi-sch. N. F. IV (1873) II7
— 141, — W. Arnold, AmteilelMugt-n und IVamierungrn detttaher Sttfmme,
ZtiHuüt Htuh AetsuiAen OrtiHomen, Marburg 1875. — K. v. Pfinter, Chatrtaßtc
Stammeskutide. Kassel 188a. — Chr. Roth, Öeifhühle von ßfntm, a. AuB,
von C. V, Staraford, Kassel 1886. — A, Dunckvr, Geu-huhie der Chatten (2«>
d. Ver. f. bw», Gwcfc. u. f-andrak. N. F. XIII 235— 597), Kawl 1888. — H. v,
Pfister, Anhang tue Cftaltiichru Stnmmei-Kunde, Ka^kcl 1888, — Fr. Scclig,
Der jVame iHearn- und ȟls Challenlnnd (Hi^ssenland m Xr. 23 und 23I, Kawel
1889. — H. V. Pfiater, Über Veru hiebung .hiitlisiher Sitir. Darmatadl o. J. [1890].
— Fr. MUnscher, f^j,hrthte van //ei.\en, Maitiitru 1^94, — (t, Zip]>el, DrHtstrie
VUlterbrwegungtn in der JSihnrrteil, Pmgr., Kruiigsbcrg 1895, S. 12 — 19.
§ 205. Die Zugehörigkeit der Chatten zu der fränkischen Stanimeügnippc
ist sicher bezeugt f!» 158). Von den Chatten liaben sich die nicderrheinischeu
Bata^-i und Chattuarü abgezweigt, al*j Niederfranken. Die Chatten creclictnen
femer im J. 70 n. Chr. im Bunde mit den fränkischen Usipi (Tac, //isf. IV
37)^ im J. jijj als Kranken an der Seite der Am[)sivarii (Gregor v. Tour»
H 9), und zu Anfang des '1, Jahrhs. gehörten sie zum ripwarischen Reiche
(§ 192). Die Hessen werden aucli s^iüter Franken genannt; ihr Stammland wd
im 8. JahHi. »FranoDrum pagtLs, qui didtiir Hassi« oder »pagus Hcssi Fran-
conicusc genannt, und zur Zeit Karls des Grossen werden die Hessen und
Sachsen aU »Frand et .Saxont-j»- imterschieden (Zeuss 547). Von den svre-
bischen Stammen werden die Chatten sowohl von Strab^n (VII 29«) aU
VMi Tacitus {Gtnit. 58) unterscliiedeo (vgl. auch Diön LV r, 2), und ihre
Feinde waren die swclrischen Hermurduri {A»u. XIII 57). Über Pltnins, der
sie (IV 09) zu den F-nnincn nrlmet, s. oben S. K12 Anm. und unten S 5l6.
Anm. Die noch bruic \<m nKinclien (^«teilte MtimiDK von Zeus» 94 untl J. Giiniiu
569, dass unter den Swcbt-ti Caesars Chatten lu verstehen seien, entbehrt jede« jVnbalts.
Vgl. Wmicriih, S. 35—37; A, Riese, Rlidn. Mu*. N. F. XLIV 335; R. Mach,
PBB. XVH isr. lind 24; G. HoU, S. 12 f.; G. /Ippcl, S. 17 und 26 f.
§ 20O. Die Chatten, ein mächt^:« Volk, das Stammvolk der nieder-
rheinischen Batavi, Canncnefates und Chattuarü, Verden zuerst zum J. 11 v.
rn, E, 5. Chatten.
913
Ciir. als Scidnarhham der Si^mbri am Rhein genannt, also in Nassau
(Diün LIV 33, 2 unJ 4). Sie erscheinen hier als die Nachfolger der UbÜ
Caesars und können erst im J. 38' eingerückt sein; denn in diesem
Jahre wurde das Land frei durch die ÜIjerfQhmng der Ubii auf das linke
Rheinufer (§ i(X)). Sic liaiten das uhische Land nach dem Willen der Rö-
mer in Besitjc genitmmeD, »fj»' oiicetf jzayi'i 'Vojftaitav eü,i)ff£aQV- (Diön
LIV 3(1. 3), und diese rhcinisclien Cliatli begaben »ich offenbar in ein Ab-
hängigkeitsverhältnis zu Rom, wJlhrend die übrigen Chatten frei blieben.
Erstere blieben in Nassau bis zum J. 1 1 v. Chr. Im folgenden Jahre hatten
sie den Landsiricli zunächst <les Rheins verkissen (ebd.), ersiihtlicli, \m\ sich
der römischen Herschaft zu eimielieti, und wühl durcli den Hinfall der Su-
gambri (LIV 3,1, j) veranlasst. Nassau wurde usipisch (§ 203).
Das Stammland der Chatten niuss in der Nachbarstliaft von Nassau ge-
sucht werden. Da zur Zeit Caesars östlich von den Ubii das Land swebuch
war (3. die Karte zu S. 7<y')' *" '"üsisen die Chatten vor dem J. 38 ^ uOrd-
Ucher gewohnt haben und zwar, da Westfalen (im J. ij v. Chr. bis zur
dieniskisdien Grenze) sugambrisch war (s. die genannte Karte und Karle III
XU S. 808), Hütwcndig In dem Gebiete zwischen der oberen Lahn und der
Diemel, insbesimdere an der Eder, wo Tacitus {Ann. I ^(j) zum J. 15 n.
Chr. ihren Hauptoit Mattium nennt. Man «iarf demnach Niederhe-ssen be-
reits für die zweite Hälfte des 1. Jahrhs. v. Chr. als das Stamraland der
Chatten aJisehen. Auf eine frühere nördliche I Idmai bi Westfalen weist
vielleicht die Abzweigung der Batavi und der Name der Chattuarii hin (Ü 181).
1 bc«w. ig (§ Hiq Noip),
Anm, Im J. 9 v. Chr. unttTwiirl' Drusus die Chnllen unil nUilann das t>enw:hl>artc-
LxxtA Siiebia, '»«nff/Äev .^(«Ic tt f^ Xt^oftutida fitiiart} tcai lör Ovieoeg;'Of Siaßac
^iaae itiXQ^ *<"* 'AKßtov^ (UiBn LV i, 2). Dilrlte ninn iliciw; Anifübeii wörllkli ver-
sieben, so wüntc NivtlerheMtMi iiu-ebihdi gewesen »ein; d^^oa die Kcihcnfulgc ist Ctutten,
Swelwii, ClieniHci und diinn erW die Übcrscbreitung der Wncr. Dnuus wird al«r viel-
mebr DAcb der Bcsici^uag der nn der Fulda zu siictio&di.-ii Swi;l>en um liiikra FuldjuiTer
abwärts mtUK^hiert und liier winler durch diattiMiies Gebiet >;ekonuncn &eiu, bt.'voi er
nJlrillicb der Uicmel >,i(^i>c lijr XiottvaxiAu fintattj-,
§ J07. Die Grenzen der Cljaiien haben sich f^eit dem J. lü v. Chr. bis in
die (xwr Jaltre des 3. Jahrlis. n. Chr. nur gegen Osten und Süden wesent-
lich verschoben. Die Ostgrenze ihres Hügellandes bildete der saltus Her-
cynius (Tac, (7emr. 30), Caesars (Ä G. VI 10) silva Bacenis. Hier muss
der Salzfluss gesucht werden, der die Grenze gegen die Ilenimnduri bildete,
und um desseik Besitz willen im Sununer .5Ö ein Krieg ausbrach (Tac, An».
XIIl 57). Diester Flus.v ist die Werra (Zcuss 97 f.). D;i die Chatten eine ver-
nichtende Niederlage erlitten, so war die Grenze seitdem westlich der Wcrra
und deckte sich offenbar mit der histcriscben hessisch/ thüringischen Grenze
(Kaufunger Wald und ScuHngs Wald), welche n(x:h heute die Sprachgrenze
bildet. Vorher müssen sich die Chatten den nördlichen Teil des von den
Sweben im letzten Jaluzehni v. Chr. verla-vsencn (Ji 22(j), v«»m Urwald bedeck-
ten Landes bis zur Werra angeeignet haben. Ihre Ausdehnung nach Süden
bis zum Main dürfte man aus der Thatsache folgern, dass im J. 6 n. Chr. die
L^ionen »per Cattus ejtcisis continentJbus Hercyniae silvis* nach Bfihmen
geführt wurden (Vell. II log), wenn es sicher wäre, dass die Rrtuier von
Mainz aus den Main entlang marsihiert wiiren und nicht etwa von der Edcr
die Werra aufwfirls. Ob die Chatten audi im Norden gegen die Chcrusci
an Boden geu-<mnen tiabcn, ist mehr als zweifelhaft. Ihr Sieg iui J. 84
(DiOn LXVII 5, l) braucht keine Grenz Verschiebung zur Folge gehabt zu
Gennanucbe Pttltologtc 111. 3. AuO. £0
914
XV. Etbkocraphie der germanischen Stamme.
haben. Nach Tacitus {Germ. 35 f.) zwar sollte es scheinen, als ob das che-
mskischc Gebiet zum gnjsscn Teil an die Chatten gefallen wäre. Indessen
selbst wenn nicht ■■Chaucis virtoribus« für •Chattis victoribas« (Gfrm. 36) zu
lesen sein sollte, das cheruskischc Land an der oberen Weser ist jedenfalls
an che Chauri gefallen (§ 150, i und 7), und diese Veränderung der Land-
karte hat auch Tacitus {Gtrfn. 35) gemeint, wenn nach ihm »Chaucorum
gen:»« sich von der Ems bis zur oberen Weser, zur Seite der Angrivarü,
Dulgubnii und Chasuarii ausbreitet (s. Karte V zu S. 8(!i8), Klonec in Cliattt«
usquc sinuctur*. Sollte den Chatten ein Teil des cheniskischcn Landes zu-
gefallen sein, so könnte es sich h'irhstens um den Streifen an der Diemel,
den pagas Hessi-Saxonicus, handeln, von dem es nicht auszumachen ist, ob
er nicht etwa frülier cheruskisch gewesen ist Sonst aber deckt sich die
chattisch/cheniskische und dann chaltisch/chaukische Grenze genau mit der
s[j3teren hcssisch/sachsischen Grenze, abgesehen davon, dass das Gebiet der
Diemei, der pagus Hessi-Saxonicus. später an Sachsen abgetreten wurde.
S 20b. Die Chatten haben zu den gefürchteten Feinden Roms gehürL
Dnisus gelang es, sie in den J. lO und f; zu unterwerfen (Diön LTV 36, 3
und LV I, 2]. Dauernd r^imisch geblieben ist indessen nur dei Teitstamm
der Mattiad südlich und östlich des Taunus innerlialb des Umes (§ 170).
Die übrigen Chatten waren noch im J. b n. Chr. römisch (Vell. PaL II
icxj). im J. 15 nicht mehr (Tac, Ann. l 55 f.). Sie hatten die Varus-Sclilacht
mit geschlagen (ebd. XII 27) und waren seitdem frei. Germanicus besiegte
sie im J. 15, ohne sie zu unterwerfen (vgl. ebd. 11 7 und 25). Besiegt
wurden sie später noch öfter, so im J. 41 (Diön LX B, 7) imd im J. 51
(Tac, Ann. XII 28). In diesem Jahre ist ihr erstes Vordringen gegen den
Rhein bezeugt: ain superiore Germania irepidntum adventu Cliaitoruin lairo-
cinia agitantium« (Tac, Ann. XII 27): gegen sie boten die Römer die
>auxüiarcs Vangionas ac Nemetas* (ebd.) auf; alsi> der Schaujdatz Ut bei
Mainz zu suchen (vgl. auch ebd. 28). Im J. 70 belagerten sie mit den
Mattiaci und Usipi Mainz, wenn auch ohne Erfolg (Hisf. IV 37). Numnehr
hören wir — von dem Kri^e im J. S3/84 imd von ihren Verwicklungen
mit den Chemsd abgesehen — ein volles Jahrhundert nichts von ihnen.
Welche Fortschritlc sie aber inzwischen gemacht haben, lehrt das Jahr
172, in welchem >Catthi in Gejmaniam ac Raetiam inruperantt (Capito-
linus, K/Va M. Anhmni phUos. VlII 7). Sie waren also weil südlich über
den Main vorgedrungen. Das Lalintlial und die Wetterau, seit Trajan n^misch,
gewannen entweder die Chatten oder die Alamannen (§ 222) — gegen beide
halten die ROmcr schon im J. 213 zu kllmpfcn (Riese S. 185) — in den
sechziger Jahren des 3. Jahrhs., damals auch das Gebiet der innerhalb des
limes wohnenden und romanisierten Mattiaci im Rheingau und Ostlicher.
Denn nur einer von diesen beiden Stämmen kann unter den barbaris ver-
standen werden, vun welchen die dvitate.'i -Usiporuin. Tubantmn, Nirtren-
sium, Novariesii, Casuariorumc, die vin formulara Belgicae primae redactae«
waren, «-sub Gallieiio iniperatore . . occupaiae sunt« {l'etvneser tV'/Jtrr'
tnfel). Von diesen Stammen haben u-ir die Usipi, Tubantea und Chasuarii
am Westerwald, in Nassau und in OI>erhessen zu suchen. Die Novariesü
shid ujibekaunt, auch die Lesart ist tücht gesichert Die Nictrcnses sind
entweder mit den westerwäldischen Xistre^i des 8. Jahrhs. (an der Nistra,
einem linken Zufluss der Sieg; Bonifatius, Ep. 44) identisch oder mit den
von Zangemeister (N. Hcidelb. Jbb. III [1893] l — 16) nachgewiesenen
Suebi Nicretes am unteren Neckar. Die bei Mainz um die Mitte des
3. Jahrhs. erscheinenden und über den Rhein vordringenden, aber von den
III, E, 5. Chatten.
015
Römern besiegten Franken fV'opisrus, J'i/a AioY/iani j^ i) werden wohl am
ehesten Chatten gewesen sein. Zweifelhaft ist dies aber für Kiwoi, die zu
Beginn des zweiten Jahrzehnts des ,v Jalirhs. mit Alamanncn von Rom be-
siegt ^*-urden (Diön LXX 14, i). Die letzte' historische £ni'aluiung der
Chatten findet sich zum J. y^z. In diesem Jahre zog Arbogast von Deutz
nach Norden, nach Hamaland, verwüstete das Gebiet der Bricteri am rechten
Kheinufer und traf im Bergischen »pauci ex Ampsivariis et Catthis '« — vor-
her werden sie Franken genannt — »Marcomere duce in uSleriuribus colUum
jugis« (Gregor v. Tours II 9). Wir ersehen daraus, dass das von den
Chatten eroberte Lahngebict politisch als chaltischus Land galt. Die Chatten
beherschten also um das Jahr 400 die g-.inzc liciitige I'rovinz Hessen- Nassau,
ob auch das Land südUcli des unteren Main, ist zweifelliafL Unvennischt
chatlisch blieb d:is Stammland Niederheasen. Im Westen, an der Lahn, hatten
sich die Kruberer mit der den ripwarischen Franken nahe stehenden unter-
worfenen Bevölkerung der Chasuarii, Tubantcs und Usipi gcraisclit (§ 200),
und dem entsprechend ist auch die Sprache an der Lahn eine andere als in
Niederhessen {§ 2<y}).
Die folgenden Jahrhunderte kennen den Namen Chaiti nicht mehr. Fran-
ken haben seit dem 5. Jahrh. das linke Rheinufer in Besitz genommen. Wie
weit etwa Chatten an der Besiedlung des Mosdthaics beteiligt waren, wissen
wir nicht Die allgemeine, schon von Zeuss vertretene Annahme, dass die
Mosclfranken Chatten seien, entbehrt jedweder liisturüchen Unterlage. Vgl.
auch üben S 200. Ripwarigchc Franken sind es gewesen, die seit dem 5.
Jahrh. ihre Herschaft nicht nur Ober das Moselthal sondern über Hessen
selbst ausgedehnt Iiaben; um 500 bildete Hessen, wie es scheint, einen Teil
des ripwarischen Reiches und wurde mit diesem zu Anfang des 6. Jahrhs.
von Chlodwig dem grossfriLnklirhen Reiche einverleibt (§ 192).
1 \'<tm Ende ile« 4, Jiihrhs. bis Itflllc <le« 5. Jnhrhs. wenlen ClintU noch rou
Claudiänus, Dir d. Gotk. 419, Ornsiu« VI l\ und SidonJu« Apolltnarls
VII 388 genannt, dcxJi nur n.-icl) den früheren SchrifUtclIem. — > Wormatall
\q{, vermutet wqi;cn dci nürdlicIicQ Laf;c Cbattuarii.
Anm. All^meto setzt m&n nm bcidcs Namens willen c]en thüringiscb-slchabcbeti
Hessegau (belq;i seil Hem 8. Jahrh.) su den Heuen in Vcrhinduiig und denkt d»bd
an die >Sue\'os et nlüw grnlrs« (Gregor v. Tour» V 15), wrltW 568 nördlich der
unteren Unitinil anRcmcdclt wurden. Die Älteren Bcl(^ (10. Jahih.) für den Ha«eg»ti
(^gl. H. Grösslcr, Zs. d. JHarzver. VI [187^] 267ff.) schwanken zwischen Hattest -»"•, •«-,
•in- untl Jfoi', Ifo.%jir-. Ich hnlti; lUrur, iUlm^ das Schwanken der Schreibung zwüxJien a und
o auf jjcnn, au hinweist (vgl. g 143 Anm, 3) und st aus hi enutandca tu. und nehme
an, dius der Name >Hcx:h-Sce-Gau' bedeut^M und «m dem hoch (jelej^ucn Süssen See
(Hoch-See) oder beüxer von dem an diesem See ^legencn HoisHcjburg {Ann. MtH. 748,
heute Se^bitrg) hertulclien bt. Vgl. W. Seeimnnn. Ndd. Jbb. 1886 XU (i88r) 58—64.
§ 209. An Stelle des Namens Chalii tritt nach einer Pause von mehr
als drei Jahrhunderten der seit 720 orter 738 (739?) regelmilssig belegtei Name
J/assi{t), Ilesiifi) oder lUuonts. Diese Hessen sind historisch »■ollliomraen
identisch mit jenen Chatten, und deshalb ist es a priori glaublich, dass Htssj
nur die jüngere Sprachfonn für älteres Chaiti Ist". »Die Hessen sind, ausser
de« Friesen, der einzige dcutsdie Volksschlag, der mit behauptetem altem
Namen bfe auf heute unverrflckt an derselben Stelle haftet, wo seiner in der
Geschichte zuerst erwjilml wardc: >. Die Grenzen des hessischen Laiules decken
sich genau mit denen des allen Chattenlandes seil den 60er Jahren des 3.
Jahrhs., und wiederum erscheint als das he.wisrhe Kcmland Niederhessen.
Der pagus Hess! [TraäJ. Cork), der Franconun pagus, qui dicitur Hassi
(PoCta Saxo zum J. 774) imifasste das auf Karte VI (zu S. 8()8) abge-
9t6
XV. Ethnographie der geruanischen Stauue.
grenzte Gebiet. I)ie nieclerh essische Mumhrt hebt sich von den na.säauL<tch-
wetterauisch-oberhessischen Mundarten scharf ab, besemders durch die muno-
tone Ausspradic, die Xicht-Diptitliongtcrung des alten I, ü und /?, die Be-
wahrung des alten fi (bezw. > ij", i) und ou (bezw. >■ ö) gegenüber süd-
lichem ü in beiden Fällen, die Erhaltung (bezw. > w^') des auslautenden be-'
tonten u und den Abfall des auslautenden unbetonten n.
> Iklcgc bU mm J. 1263 bei Kellner 432 — 434. Urknndlidi aä Chassnx
in LotbrinRcn Khon im J. 699 (Arnold 203).
* Die spiachlifhc Gltichst-izuni; di-r Chatti mit den dessen, welche scfaoor'j
Zeus» (96 Fusünnte nnd 347) bestriUen hat uati n<;ucrdin^ besonder» W. Braune'
(IF. IV 341 — 351), Iflssl »icJi wnbl aufrecht erhnIteD. Zum Umlaut vgl. den st^rr--)
Üadiscben Keim
'linnt der Hlss
mcr cm lange älSM«.
Ich leizc einen Itonsonaatischen Stuntn an mit dem PI. anf gcrm. -li. LaU / giebt
bclcanntlicti sowohl (•rrrti. / rIs / wieder, in diesem Falle nm «• mehr /, ab die
Schreibiirij; (WA» «luK'h Suctoiiiiis {DcmUianus 6 und VitfUiui 14). Capito-
linux {Vifa At. Anlonini Jthiloi. 8, 7), Gregor v. Tour> {Hut. Frum:. Hg)
»nd die scholta zu Juvi^iiaUs (IV 144) ln-zcugt i«. Mit Rtclit vergleicht K.
Millleiihoff (ZrdA. XXIII 7) kell, -foss, = -iappi uiid sel/l H. Nffiller (PBH.
VII 460) pp als Vorstufe von gcnn, si an. Dies» jj kann sehr wobl schon t.w
einer Zeit cmuctrclcti sein, als man noch nach di-r alten Trailitinn fortfobr CkaUi
fix schreiben ; vgl. ilie sich lanue haltende Schreibung Surbi, als man schon
ä fUr £ sprach. Mit Sicherheil ist also die Aiisspi.ichc // nur für da« aiiseebeode
I. Jahrb. V. Cbr, voraus/usotzcn. Dm m uwlorn Wörtern thataScblldi vcrlie^i-ndc
ßemeingerin. // ist jüngeren Untpniniis, Es steht zxini Teil wentgiiens ücha für
Ä/; die andern FÄälc sind nicht .-lufgekUrt (vgl. oben S. J*i6). JedeofoUi
sich nicht bL-\i-eiscii. doss Uns historisch vorliegende ffi schon um Chr. Geburl be-'
iiandcn hat und Vertreter eintT idg. Vcrtnndung / -^ / ist. Andrerseits ULsai sich
die durch den Namen Chtttti gcforücrtc Annahme, das<s dns gcrra. xi. der Vertreter
von idg, f -^ t, um Chr. Geburt hU f>p gespnxrtieti wurde, nirht wiederlegen, weno
•te sich begreiflicherweise auch sprachgcscbichtlicb nicht bevreiitec lls&t. Vgl. in*
dessen JÜr den gelbrdcrtcn Lautwandel // > jj L. van Hcltcn, Tijdscbr, t,|
Nedld. loal- tn lettcrk. 1896, S. 79 T. \asem <:itussem<^'nppam neben tultm'
<; *Aäam). Die einzige Schwierigkeit bietet der von Chatti abgeleitete Name
Cßtatluftrii, dessen Geminaia im Silbciuiu»laui beew. vor dem w {Chatl'Van'i in
te. HeUeare zw t vereinfacht ist, wie auch hd. Hazsoani ein / vonuueixi; vgl.
auch den ndd. LamlMbalciinanien Halttrtm = pagtts Nalttianettsts. Wiederum
muss aber betont werden, dass lür ein urgcrm. //. alsn auch für die Vcreinfincfaun^
von fp kein sicheres Beispiel vorliegt, und wenn aoch eher P zu erwarten
so kann nmu doch »ndn-rsrits diiK [MwUilierte f. lrul2 des jüngeren LanlwandeU
von pP'^fi, auch nicht für urmii'i^lii.h irklitren, niiil vielleicht liegt in dem qiAtetm
t danselbe t <^ p \yix wie im Atdaui in ßoi%pieleii wie genu, p^cmgjin neben
ttüingan > nhd. twi'ngen oder gut. pwairfis > nhd. swrrch- oder grrt. pvtiAu» >
nhd. itn-AU. J/atzaarii <CChal(uarü v'ic alkA. gaun K^fofi. galu-ö. Ndd. Ifat-
ttrun < 'Ilatitcrun.
6. Rhcinfranlcen und Ostfranken.
Kbcinriankeu: Zenas 333 f., 338, 346 f. und 349 f. — W. Arnold, Ai»-
iieJ*lungtn uitj Hamterungen dtutnAcr Sltirnme. Marburg l8*;. ^ H. v. Schu-
bert, Du Unter-Kfr/Mtig dtr Alamannfn utitfr dit Franitn, Di^t., StruKbur]g 18S4.
— Fr. Vogel, Cklc-dteig't Sirg über Jü Alairtannrn nnJ aint Tauft, Hiit, Ta. LVI
(18Ü6) 385 — 403. — Br. Krusch, Chlodoi-n-hi Sirg fthrr du AitmaHnm, Neues
jVrch. d. lies. f. filtere deutsche Geschieh cskundc XU {18S;) 289 — 301. — H. N.
Witte. Dftilifke und KclIarQmanen in Lothringen nach der V'öittrvandrrHng.
Sirassburg 1891. — H. Wiiic. Das drutsfhf Sprachgebiet tj>thringms und
ittne Wandelungrn von dtr Frstsfeilung der Sprnehgrente bis r«<w Ausgang
des 16. Jakrkunderti (For«h. /. dt. Lawle^. u. Volkskunde \^^ <>), Stuttgart^
18O4. — ^' Rusch, Chlfidwigt Aiamannen-ieMtfht. 2 Teile, l'mgr., M.-Glad<vJ
hoch 1894. 95. — W, Schullzc, Dfe /rtinki^-hrn (imte Badens. Sluttgnil |89C>.T
Oslfrankcn: Zeuss 346 f. und 349. ■ — Stein, liemerkungen üher Benenn-
nung, Umfang, Marken und Naihhargotn dei Grttbfrhie* nneM dm fCUal
III, E, 6. Rheinpkankeh und Ostfranken.
W
F^idiscfien Tradüionsurhtnden ^ WürtbuTE 187a. — Stein, Der frSnkheke
Saalgau nach d<n Kloster Fuldisrhen TradÜiOPU-UrkUHiien, Aith. d. bist. Ver. i,
Untcrfninkcn u, iVschaffcnburg XXI. — Fr. Stein, OstfranJten im uknten Jahr^
hittuhri. Forsch, t. dt. Gesch. XXIV (18S4) 123—152. — der»« Die oU/rdN-
kisehen Gaue. Arch. d. hist, Vcr. f. Untcrfrankcn und Asch&ffcnhiirg XXVIII
(1885) 317— 3;6, — iUts., Geu-hithte Frankem. 2 Bde.. Schwcinfuri 1885. 86.
— K. Wcllcr, Dir An.fiedliingfg'-ichi4-/ite dn zpiirttemhrrgischen Frankem reekis
vom AWkar, "U'ilrtteiiilij;- Virrrclj.-iliriihrftif. N. F. III i8q^, S. 1 — 93 und 455.
§ Jio. Ntcdcrh essen s*.iwit; Obt-rhcsseii tuid Nassau tcclmet mau nach der
Sprache allgemein zum Rheinf rankisch eii, indem man den Stand der hoch-
deutschen Laulverschiebunj; zu Grunde legt. Im übrigen aber uiLterseheidel
sich die Sprache in Niederliesscn ganz wesentlich von den süddeutschen
Mundarten (§ zoi)). Das Oberhessischc und Wetterauischc nOliert sich bereits
stark dem Pfillzischcn, und letzteres verlilugnet nicht eine Beimischung ala-
mannischer Mimdart. Die Mundarten am Main und südlich bis zur elsflssi-
schen Grenze, bis mOtxIUcIi vun Stuttgart, Us Xnmberg und bis zum Fichtel-
gebirge gehören nucb zu den mitteldeutschen Mundarten, die siili wcsendich
von den i)eiden HaupUwcigen des Oberdeutschen, dem Schwabisch-AIaman-
nischen und dem Baiilsi'hen unterscheiden und initz ihres im allgemeinen
ausgesprochen süddeutschen Charakters doch geu'isse Etgenttlmlichkeiten mit
den rheinabwärls gesprochenen fränkischen Mundarten teilen. Wir unter-
scheiden neben den westlicheren, rhein/ranklschen MujiduUen die Östlich des
unteren Neckar, des Odenwaldes und der Khön gesprochenen, sehr ver-
schieden gearteten ostfriinki sehen Mundarten. Diese beiden Gruppen ent-
sprechen tier jjolilischen Einteilung in die beiden Francis genannten Hcrzog-
innier Francia occidentalis und Francia orientaJis. An dem zimi Krmigreich
Bayern gehörenden Teile des letzteren hartel noch heule der Namen Fran-
ken. Wir haben es mit jüngeren |x>littschen Gebilden zu iliun.
Sä 211. Die Grenze des Frankcnreichcs gegen die »patria Suavnmm, quae
et Alamanorum patria» vor dem J. 496 kennen wir aus gotischer Quelle durch
die genauen Angaben des Geographen von Ravenna (IV 24. 26). Hier-
nach gehörte Aschaffenburg und Wörzburg und ebenso die Pfalz mit Worms
und Speier zu Alamaimien, zu Francia Rinensis aber der Rhein von der Main-
niiln<lung bis zur Mündung mit den StAdten Mainz, Bingen, Coblenz, Ander-
nach, Bonn, Köhij Neuss^ Xanten, und wir niClssen annehmen, dass sicli die
Franken und zn'ar die ripwarischen Franken wirkUch hLs nach Mainz aus-
gebreitet haben, die romanische Grund bevulkerung germanisierend. Eu Aus-
gang des 5. Jahrhs. kam es zu einem Enlacheldungskiunpfe der Alamannen
mit den salischen und mit den ripwarischen Franken. 491!) siegte Chlodwig
in einer Schlacht, die zwischen Wunns imd Strassburg stattfand, der ripwa-
rische König Sigif>ert siegte he-i Xnlpich. Nach einem zweiten Siege Chlodwigs
im J. 506 mussten die Alamamien die nOrdliclie Hälfte ihres Landes, %'ora
Main bis zu jener oben genannten Grenze an die Franken abtreten, und es
begaim nun eine Neubesiedliing dieses Gebietes duich Franken. Die ala-
manniädie Urbevölkerung blieb gn'isatcntcils im Lande sitzen und ebenso die
in dem nachmaligen C*stfranken gemischte alamanniscbe und diüringische Be-
völkerung — zum Teil nix:h heule an der Mundart erkennbar. Zu diesen
kamen als die neuen Herren des Landes fränkische Kolonisten, welche beson-
ders den noch vom Urwald bedeckten Teil des Landes im nordc>stlichen
Württemberg, am Odenwald, ati der oberen Fulda und später am oberen
Main urbar gemacht haben.
Anm. Die Oruniiiiiea flehen kein sicfacm Mittel ziir SchelduRg der frlnkUch6a An-
stedlunt^en an die Hand. Die Zurück fubiung der Oit^iuimcn auf -Mm auf Franken, der
91 8
XV. Ethnographie der geruanjsckkk Stämme.
auf -ingeH «uf AIunanncD muss auf Gnind d« gcof^pbiscbcn Vencilung dicMt.Or
xmttdcsewiesco wertleo. •heim ist t. B. die im rein olamaiuiischcn EteaDs vorbcnchen
Ortsname ncntluDg, die aucb in Schwaben kaurn wrniger liäutig u-iederkehn aU in Rf|;
«arien. Wenn die Pfüj; ebenso dicht mit Namen auf -heim besetzt ist wie du Ebui,'
BO werden wir, rumal diese Orte in der am frühsten angebauten Ebme Uc^rn, eher Ala-
maDDen als Franken für die Grilndrr dieser Ansitz' llungen ansehen. Die in Schwaben und
Baiem vorbcrscbcodc OTt«naraencadun(; -ingen kcbn ia Ibnlichn' Jliuftgkeit an der von
Fnokcn besiedelten Mu»el wtedi;r, ist ober auch am Niederrhcin, in Niedcrsachsen and
TbQringen gar nicht »elten.
§ 212. Die slawiwThen Sorben waren seit dem 6. Jahrh. Aber den Franken-
wald in die damals unbewohnte obere Mainlandschaft vorgedrunjjen. Die
Moinwinidi sassen im Vog:tland, an der Regnllz und Rednitz und in der
Bamberger Gegend. Die Germanisiermig dieser durch deutsche Kolonisten
hat im la Jahrh. bcguiuicii, im Vogtland Ende des ii. Jabrbs., um liier erst
zu Anfang des 15. Jahrbs. ihren Abschluss zu finden. Die deutsrhen An-
siedler, welche den Urwald ausrodeten, — vgl. die zahlreichen Ortsnamen
auf -reni — sind nach Ausweis der Mundart und der Ortsnamen zumeist
aus den benachbarten ostfrankischen Strichen von Ansbach bis Bamberg ge-
kommen. Die Kolonisation des Egerlandes durch oberpfälzisclie Baiem ia
der ersten Hälfte des 12. Jabrbs. erstrei:kie sich in der Folge auch auf den
Südrand des Vogtlandes, und sjutradische oberpfalzische EJeiuente verrat so-
gar noch die Mundart am Franken wald.
Für die Beteiligung der Osifrankcn an der Kolonisation des Königreichs
Sachsen, N<>rdböhmens, Schlesiens und der Karpaten vgl. § 234 — 237.
Vijl. dii- a. a. 0. angefiihrie I.itteratur und atissertlem : O. B/ihme. Dir Hn
kunft der Vosiliindfr, Witu. B^il. >l. Leipziger Zeitung 1891 (No. 5t} aoi — SO3J
— A. Meit/.en, SUdelung und Agrurireun 11, Berlin 1895« S. 4OI. — 418.
— E. Gerbet, Dk Mundart Jts VogtlanJts. Dts&.. Leipzig 1896. — M.
Schmidt, Zitr Cetchichtt der Besiedtlung des läehsischen Vogtlandei, l'rogr.,
Dresden 1897 {= Feitsehr. d. 44. Ven. dattsefier Philct. u. Sekutm.. Dmden
1897. S. 187-248).
F. SWEBISCHE STAMME.
Zeuia 55—57, 80. 94 f.. 1 14-121. 303—335, 33?, 35J— 380, 449, 455—
458 und 464. — J. Grimm, Ges4-A. d. dt, Sfir. 482— 511. — P. AViilicenat»
Geichtchle der Slbgermanen vor der yvUttrtmndentHg, Halle iBöS. ^ R.
Usingcr, Die Anfänge der deutichen Cetchichte, Haannvcr 1875, S. 97—104
und 341 — a66. — Fr. L. Baumann, Sdramben und Atamannen, ihre Herkun/t
und IdentUfH. Forsch, j-,. dt. Gesch. XVI (l8;6) 215 — 277. — A. Baumstark^
Ausführliche Erläuterung dfi bebendem x'Stkenehafttifhen Theiles der Germania
des Tacitus, I^ipaig 1880, S, ij; — 169 und 189— 326. — B, Lebmann, Das
Volk der Sufben von Caesar bis Taeitus, Progr« Dcntsch-Krune 188}. — W,
SGelmann, Ndd. Jb. 1886 XII (1887) 1 — 74. — A. Riese. Die Suebem,
Rhein. Mus. N. F. XLIV (1889] 331—340 und 488. — G. Kntsinna, Die
Svt^H im Zuitmmtuhavg der lilleslen demttehen J'äUerbruvgungen, AVestdt.
Zs. IX {1890) 190 — 316. — A. Riese, Die Sueben, ebd. 339—344. — G.
Kosilnoi, Xoikmais dir Sutben, ebd. X (1891) 104 — HO. — A. Riese, Dir
Sueben, ebd. 393 f. — R. Muth, PBB. XVII (1893) 18— 35, 48- »<i. 95—
HO, 126 — 136 und XX (1895) 30—34. — J- Fr. Marck«, Kleine Studien i»r
Taciteischen Germania, K«st*cbr. t. d. Phtlologen«Vei»., Köln 1895. S. 177 — tSl.
— G. Zippcl, Deuiiche VStkerbeweguHgen in der RSmerteiU Progr., Königsberg
1895, S. 34-33.
§ 213. Der Name Sweben wurde zu Beginn unserer Zeitre<.*hnung ia
zwiefachem Sinne gebraucht. Wir haben zu unterscheiden zwischen Sweben
im engeren Sinne und Sweben im weiteren Sinne des Wortes.
III, F. SwEBiscuE StAuhe.
919
Sweben im engeren Sinne des Wortes und zwar n u r solche nennen
seit Caesar, der (Ä G. I 51) Sweben und Markomannen unterscheidet,
samüt<he Schriftsteller bis zum f>. Jahrh., ausgenommen Strabön, Tacitus
und Ptolemaios. Diese swcbische civitas hat von der Mille bis j^egen Aus-
gang des I. Jahrhs. v. Chr. von der Wcmi bis zum unteren Main geseasen
(§ 22i^), dann in Brihmcn und am linken Ufer der mittleren Donau, dann
in ?ann<j>nicn (ebd.) und seit der Mitte des 4. jahrhs. wiederum südlich vom
Main (% 227); ein Teil ist zu Anfang des 5, Jahrhs. mit den Wandalen nach
S|)anien gezogen (ebd.); die Hauplmas(>e fand südlicher, innerhalb des limes
eine daue-rnde Wohnstatte und lebt in den späteren Schwaben fort (§ 223).
Die Sweben im weiteren Sinne des Wortes sind von jenen scharf
KU trennen. Neben demjenigen Stamme, welcher den Swcbenuainen als cin-
2if;en Namen trug, gab es noch andere Siflmme, mit besonderen Namen,
■weJche im i. Jahrh, n. Chr. als swebijK-he Suitiuue — wir würden müdem
sagen: Stämme swebischer Nationalitat — bezeichnet wurden, und zu-ar wird
in sämtlichen Belegen unzweideutig gesagt, dass es sich um swebisdie Stamme
(»rd T*Üv 2^orißuiv Ifhrj«, »Sueba gentesO handle, dass diese aber nicht
schlechthin als Sweben aiuusprechen sind'.
^ Ein Mi&NVcrsländnis, ob Sweben im engeren Sinne oder iin weiteren Sinne
li^meitit *ei, iai — etwa mit Aiunahnie der beiden von Sweben ui der See bän-
delnden Stellen i'lin., JV. //. li 170 (vgL l'omp. Mola Ul 5. 4J) iinel Tac.
W^r. 38 (§ 334 Anm. 1) — nirgends möglich. Wenn gleichwohl verschied mc Auf-
fauungen geünsscrt worden sind, so liegt die unbewiesene und unlK-wrisl>are Vor-
aussetzung m Grunde, das» die Semnen. weit sie das Kemvolk der Sweben ge-
wesen siml. dmm auch insbesondere den Namen Sweben getrngcn bätltn, m> i\xa
alco entweder die Srmtien mit den Swebvn im engeren ^nne /u identil'i^jerea
waren, oder neben leUteren nocb rine iweile, nlmlidi die lemnische dvitas als
swcbiMrhe im engeren Sinne um. geltea Idtte. Wir aprechen von SlAmmen roma-
ntidier oder slawischer Nationaiitit : aber die Rumänen und Slowenen sind um
ihres Namens wük-n nicht das Urvolk der Romanen und Slawen. Wir kennen
verschiedene fränkische Stämme: aber weder di« t'raoxoKn noch die bayriK'hen
Franken sind dji* Irakische Kernvolk. Vgl. de» weiteren unten § 224.
§ 214, Swehische Stamme im weiteren Sinne des Wortes kennen
Strabön. Taiitus und Ptolemaios; letzterer ausschliesslich, wahrend Stra-
bön und Tacitus einen einzelnen, Sweben genannten Stamm neben einer
Gruppe von Stammen swebischer Nationalität kennen. Die letzteren sollen
uns zunächst beschäftigen. Ich behandle jeden der drei genannten Stlirift-
steller für sich.
1) Strabön (IV 194) kennt ein Sweben schlechthin genanntes Volk am
rechten Rheinufer: »IIüarjQ d' t'rteQxetvrw r^c ncnu^i'uc t«i'ti/c oi 2^6r)ßot
jtQOGayoofvöfifvoi Viofmvoi, xnt Avvriftfi xfil jrhjiifi difiiff(}ovrt'i T<Tir ^OJ.<oVj
Vif' luv Ol i^t/iavvijftci'ut xujiffH'yov c/s Ttjv evtög tqv 'Pt'/fov vfvl'. Es
sind die SwcIk-u Caesars gemeint; die von ihnen vertriebenen und über
den Rhein geflüchteten sind die UbÜ (§ 169). Dieselben Sweben kennt er
(IV 207) in Württemberg, »Änoi' al tov 'Jotqov ntjyai rtitjaiov Xotjßwv
Hai TOV 'Eqkvviov dgvfwv. Ebenso spricht Strabön (VII 294f.) von Swe-
ben schlechthin an der Donau, in der Nachbarschaft der Gctcn. Td dk
rvtiov ftigoi; rjj^ Fe^finviai tä ni^nv zoi> "AXßioq — mit Rücksicht auf
VII J94 ist an tlie obere Elbe in Böhmen zu denken — tö /«■>• owt^k^:
AxftijV (>:zd Twv ^oijßtoy xarixttm' eh' rl'&i<i ^ iÖ>v rerdiv avvtinTn jtJ,
xot' ägxäi fth' OTfMj, TKtfyaierafUvi) jw "laiQtt} xaid ri» v&iiov ftiQos,
XfiTÜ dt Tolviltjv ifi Jiagioyfi'ff tov 'Koxx^viuv ^QVftov, ^(•QOi; rt rä»i' dgäfv
X«* aviij xnT^;(OVon, (ha :T).arvvct(u Jtj>ic rd^ Sgxtovi /'fjt?' TrQFyrtötv'
TOi'C &i äxgtßili Ößor^ oht £);o/fer tf^gäCetr.* Dieselben Sweben nennt er
k.
Q20
XV. Ethnographie der germanischen* Stamme.
(VII 2*}2) östüuli des Bohmerwaldes: foTt *^f xftt nXhj vXtj fteynhj Pa-
ßQrpa htiju?ir Tmv ^orjßaif, IjtexFtva fV 6 'KoxvrtfK dgvfiö^' ^ytttu Ak
An den flhrigcn Stellen ist nicht dieses eine swcbischc Volk gemeint son-
dern die grtisse Gruppe swebisclier Stamme. So heisst es (VII zcjo): *Ev-
rarOn *5' iariv ') 'Kqxvvtoi; finv^o^ Hat tu rmv ^ot'ifiinv lOvi}, rd ßiky
oixovvra hTo; toD dni'/ior [xm^hreo ra rötv Kfii^ovfov], fr oU ffTrt xn\
r6 Bovtaiß.wi' rö ror Maoofiovdov Pnaflciov, t/s or ixflvog tü.toi* ^XXovq
TF firtnv^rmjnF nlftofg xai <ii) lovg AftoF&VFji; i?«(Tfp MaQxo/uiyor;.* Er
bczcicluict im besonderen die Semnen als eine swcbisclic Vnlkerscliaft lebd.):
'•■ft'n' ^oi'jßotv aiVf'w /i/j'H Ffh'oi, iVwwwac*, sagt dann weiter (ebd.): -rd
ye TÖjy ^ot'j^Ofy, a>^ ifft/y, ti}rij ta uh- ivroc oixii, rä de ^xröc lov
A(if\nor, Utirum roii I'haigf. — die letaleren sind die oben angeführten Do-
nau-Swelien, d. h. dif Sweben im engeren Sinne — und fährt dann fort
(VII 31K1 f.): ^Miytajov /ihv oh> t& twi' ^otjßov h'hn^' Att)xu yä(i AstA
Tov 'Pffvor i^iixQt tov "Ai-ßto; ' ftigoc: di t( ftvnoy xai nioav ro? 'AlßttK
refiFi'u, xttt'ffLTfo 'lUjitdrAotjoi xiü Anyx6(i<iQf»o< ' ri'»*! Af xai TFJJoti fIs
Ttjr 7it-ijaiav ovioi ye /xnesntiixnm f/'fvyotTt^. xoii'öv Af ioTtr finnat tote
raiTTj TU -Tfyi T«> [uiavaoräoH': rlfiutAi Öiä ri/v xüöti/t« rar ßiov xai
«5ifi t6 fii} yFoiQyelv iiijAe {^r^navQt^Ftv, AiX' iv xnXvfiloic oIxfXy iq»jU£/>or
£j[ovoi 7taiKHixFvt]v ' iQOfpij Ä' djTÖ TÖJv öoFfi/iäiwv -fj nXr-imt} xa&aJWQ-'
TOif i'öfifwiy, (5(jt' fxFivovg fufiovfirvoi in oixFia laX^ aofta/tü^ati
QmTFs tistfj Av />öSf] rQFjimTnt iinit uT/i' fiocxtifi^xiov." Es ist deutlich.
dass eine grosse ethnogTa,pbi.sche (ini]>pe von swebisclien Stimmen gemeint
ist, wobei es nichts zur Sache thul, üass die Sclülderung ihrer Lebensweise
und üirc Ausdehnung bis zum Rhein auf Caesar bemlit: in diesem Üu-
sammenliang kanti der Singular >tÜ rwy ^or/ßatv ^fho^i gegenüber sonsti«
gern .Trt fi9vji;» gar nicht miss verstanden werden.
Wir gewinnen ans Strabö" das Ergebnis, dass neben den Khein- bezw.
Doiutu-Swebeu die Markuinanneti, Semuen, Hennunduri und Langobatden
Stämme swebisfher Xatiiinalität gewesen sind. Das Gebiet dieser swrbtschen
Stammesgruppe ei.streckle sich, wenn wir Slrabün folgen, der keinen zdl-
lichen Unterschied zwischen den frtlhcren Rhein- und den spateren Donau-
Sweben macht, vom mittleren Rhein nnd vom SchMarzwalii östlich bis über
die untere, mittlere und obere Elbe liinaus und umfasstc noch BOlmicn und
Östcrrcicii nördlich der Don;iu.
2) Tacitus kennt A«-ie Strabön und zwar unabhängig von ihm gleich-
falls ein Einzclvolk der Sweben und eine groS-Hc Gruppe swebisclier Stämme.
Er erzählt [Ann. II 2(3), dass durch Tiberius »Suebos regcmque Marobo-
duum pace obstriclum,* Er nennt (ebd. I 44) zum J. 14 n. Chr. Sweben,
die Ractien brdrohen. Zum J. \y nennt er (11 44) wieder die Sweben des
Marobuduus, cbensu zum J. 19 (II dz), und weiter in den Jahren 51, 69
und 70 sind ihm Sweben schlechthin die Donau-Sweben (.Jon. XII 29, Hisf,
I 2 und III 5 und 21).
Hingegen bezeichnet Tacilus (.-1«». II 45) die Semnen und Langobar-
den als »Suebae gen t es* und spricht {Germ. 38) besonders deutlich nie
Sucbis . ., quorum non uoa, ut Challoriim Tcncteronun\'c gcns: majorent
enim Gerraaniae partem ojitinent, propriis adhur nationibus norai*
nibusque discrctif (juamquam in cuminune Suebi vocentut. la-
signe gentis obliquare crineni nodoque substringere. Sic Suebi a ccteris Ger^
manis, sie Sueborum Jngeuui a ser^-is separantur.< Es folgt näheres über
die Haartracht. Als Sweben bezeichnet er dann (3g) die Semnen, (40) die
III, F. SwfiBiscHE StXmme.
921
Langubardcn und die anglofriesischcu N er thus- Völker, (41) die Hcrmunduri,
(42) dteNaristi, Markomannen untl Quadi, (43) die kleineren Stamme der Mar-
signi und Buri und jenseits des Riesengebirges die ostgcrmanisclien Stamme
und (44) endlich die Schweden.
Es untcriiegt keinem Xweifi?[, dass Tacilus Aber die östliche tind nörd-
liche Ausdehnung des Sweben njinicns nluht ausreichend unterrichtet gewesen
ist (vgl. oben S 7'0; fl'c Ost- und Nordgcrmanen sowie die Nerthus- Völker
sind von den Sweben durcliaiLs zu trennen. So bleiben als swebische Völker
übrig die auch von Strabön als Swehc:n bezeichnt^ten Sf-innen, Ijingohar-
den, Hennunduri und Marknmaniien snwie die den letzteren nahe stehenden
Narisli vmd Quadi und wohl aurh die südlich vom Riesengehirge wohnenden
Marsigni und Buri. Besonders wertvoll aber ist für ufis der Bericht des
Tacitus durch die unten zu besprechende Angabe Über die Stellung der
Seninen zu den Gesanitswehen.
Anm. t. BcmcrkcDswtfrt ist der Ocbraudi des Swcbennfunnu Agrkola 38: Im J. 83
■wurden die von ItriiannEen v^rscbln^ncn U«ip! •mmiitsi.t \ivt mwiriam rcgendi navibns pro
jiritrdonibnft haliili primtim n SucbU, mox k t'risib intvrccpti«- Kalb der Nnrnv Sweben
hin zu Ri-chc tiberlidert ist, an künnte nur an An}:lofTirson »a der scfalr&wig-bolatciDachen
AVcsckiUii: ^ci^Acbt wcrtlcn, die ja Tac. »].■( Swcl>eii gelten; T.ic. bilac daaii hier den
Swel>cnn<imL'ii in WL-itcn-in Sinne jri^bniucht. — E-s sei liier ungesch Ionen, daH eine alte.
etwas wunderlui kliii|;ende Nachricht im J. 62 r. Cbi. «cheinboi Sweben an der See,
etwa an der OstacckOstc gekannt bat: nach Cornelius Ncpos seien .001010 Metcllo
Celeri, liini Galline procona^iü Indos a rege Stiebrinini dono datm, (jui ex Tnilia
conimetci cniisa iinviganies tcm]ies4,itibiis e&kcni in Gcrmaniani alitcpd- (Plin., vV. H. TX
170) Pomp, Mcia bericbcet dftiuclbe mit den Worten: ab Quintus Mcidlus Ccler
»GsUiae pro consule praet-wiei, Imlns tjunwjnm a rrpr Kotontm ilnni «H iLili».«. Ka lilcibt
nngewi'», ob Swelicn otler Goten oder Boji (icmeini sind. In traii-rem Falle würde es
^tfartgens nicht norwcndig «ein. Sweben an der Küste ntunnehtiien. Die Inder liöiinten
von einem andern, an der Ktblc wohnenden gcnnaju.«chca .SiAinrac au^ron^n und
durch Vermiulun^ der Sweben Caegara d<.-ni rüiuUcben Prokoosul ge»cbcnki worden sein,
WahrMheinlich \f\ der damals Rom iHrfreimdrle Anovist ^ctneinl, der ;u>uiihl ab >n.*a
Sucborum« wie audi im Hinblick au T die Krobting von Böhmen [BojobaemunO [^ 61)
als >rc5 IfcijoruiTi' bezeichnet sein kflnnlc. VgL A. Ricic, Ricln. Mus. XI.IV 345 f.
und R. Mucb. PBB. XVIT 19 f.
^) Ptulemaius nennt als swebische Völker II 11. (> die ^vijßot ol
AayyofläQdoi am Rhein sQdlirh von den Suganibri, H die ^vtjßoi ni ^AyyaXol
östlich von dL-ii Langobarden und südiiih der initderen F.Ibc, ebd. die ^i'i;-
ßai f>l Sfftroveg weiter östlich, 9 kennt er Sweben südlich der ("hauci mi-
nores und majores und Sachsen und östUchi;r, also zu beiden Seiten der
mittlercti Weser bis über die untere Elbe hinaus, 1 1 als Nachbarn der Cha-
suarii. .Seine Sweben wohnen alsn, und hierin folgt er Strabön. vom Rhein
bis über die Elbe hinaus. F.'ilschlich aber setzt er sie von der Rheini>ro\inz
Aber WV-stfalen und Hannover bis zur Mark Brandenburg an. llierül<cr so-
wie über die swebischen Angeln s. üben S. 85.^ f. Anm. Ais GcM-iun bleibt
nur flbrig, dass Ptol. der Swebennarae nur als Gesamtname, und dass ihm
das Swcbeatuin der Lannt)barden luid Semueu bekannt war.
Anm. 2. Aus dem Klussnomen ^ovf^ßoi ISsst sich ktin Sthlus» Jtli-hen. Da die Ety-
mologie de* Namens niLlil bekannt ist, können vrir nicbl wissen, ob nicht dem Vftlker-
und dem Flussn^men dasxelbe Wort m Gninde Hegt, ohne dam an einen iinSchlicben Zu-
sammenbau;; gedacht zu werden brawhtc.
4) Endlich mag hier noch Diön Kassios LI 22, 6 angeführt werden,
der zum J. 29 v. Chr. die Sweben jenseits des Rhcirui {die Sweben Cae-
sars) nennt, mit dem bemerkenswerten Za^^iz: 'noXXrA ynQ xal &XXoi tov
r&v ^ovfjßon' dvöfMXOi ävrtnfMOvvtat.*
922
XV. Ethsographie der germanischen StXkue.
Sämtliche Nachrichten über die swebische Gruppe gehen auf die Zeit um
Chr. Geburt zurück. Die späteren Zeugnisse kennen nur Sweben im engeren
Sinne des Wortes.
§ 215. Der swebiscbe Gesamüiame für die sieben gesonderten SUlmme,
weldie Semnen, Lanjjobarden, Hennunduri, Varisti, Marfcomaunen, Quadi und
Sweben heisscn, beweist im Verein mit der Darstellung des S t r a b ö n und
Taciius, dass die sieben Völker in einer alten cthnographiwrhen Beziehung
zu einander stehen^. Der Umstand, dass der swcbisdie GcsanUname im
I. Jahrh. n. Chr. ausser Anwendung kam, bcweLst. dass jener Zusammenhang
damals bereits gelockert war; die einzelnen Teilstamme waren zu selbstän-
digen Völkern erwachsen. Die Frage ist, wie wir uns jene altere, in die vor-
christliche Zeit zurückweisende Volksgemeinschaft und die Bildung der spä-
teren Sonderstamme vorzustellen haben. Historisch klar vor Augen liegt die
geographische und spater politische Absonderung der Sweben in» engeren
Sinne von den Hcrmunduri kunc vor Chr. Geb. (§ 224 — 226). Mit einiger
Wahrscheinlichkeit darf auch angenommen werden, dass um otler kurs nach
80 V. Chr. die Sweben, welthe unter Ariovist B&hmen den Kelten abgewonnen
haben (^ 62), »ich erst damals in der neuen Heimal zu einer besonderen
markomannischen civitas konstituiert haben. Die Varisti und Quadi sind
wahrscheinlich gleichfalls jüngere Bildungen im Gefolge der Begründung des
markomannischen Stammes. Der Name Hermunduri als Volbsnamc ist za
Caesars Zeit, wie es scheint, noch nicht im Gebrauch gewesen; dieses Volk
nannte sich damals noch oder vorzugsweise Sweben (S 2^8), woraus mit eini-
ger Wahrscheinlichkeit geschlossen werden darf, dass die Konstituiemng der
bcsimdcrcu cnnundurisdicn civila.s erst nacli Caesar (vielleicht nach dem Ab-
züge der Main-Sweben erfolgt ist. So blieben für die Zeit um 100 v. Chr.
als selbständige Stamme nur die Semnen, Sweben und vielleicht die Ijingo-
bardeu (zuerst zum J. .s n. Chr. crwalmt) Übrig, und die Analogie der übri-
gen Stamme spricht dafür, dass auch diese von einem Sweben genannten
Urvolk infolge Ausbreitung der Wohnsitze herzuleiten sind.
Dieses swebtsche Kemvolk sind die Semnen gewesen. Nach Tacitus
{Germ. 30) »vetuslisstinos se nobilksimosque Sueborum Semnones memo-
rant. Fides antiquitalis religione fimiatur. Stalo temiwire in silvam augurüs
patrura et prisca fomiicline sacram omnes ejusdem sanguinis populi
legaüonibus cocunt«. Es folgt eine Schilderung des Kultus. >Eoquc omnis
superstitio rcspicit, tamquam inde initia gentis, ibi regnator omnium deus,
cetera subjecta atque parenlia. Adjicil auctorltatem fortuna Semnonum; cen-
tum pagis [d. h. nach Hundertschaften «organisiert] habitant, magnoque cor-
pore efficitur, ut se Sueborum capul credant«. Von den Zeilen der po-
litischen Identität aller Swebenstümme her war also noch diis religiöse Band
bc-stchcn geblieben: die Kultusstatte im Lande der Semnen war das gcsamt-
swebische Nationaiheiligtum.
Die Ausbreitung des swebischen Urvolkes und die Einzelbildung der swe-
bischen Stämme denke ich mir in der Weise ; Der Ursitz des Swebcnvolk»
war um die Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. die mittlere Elbjandschaft.
Um 400 besetzten diese Sweben das Ostlicbc Thüringen (§^i). Ein Teil brei-
tete sich Elb-abwarls aus imd erwuchs zu dem langobardischen Volke. Im Ge-
folge des kimbrischen Vorsto&ses erfolgte die weitere Ausbreitxmg der Sweben.
Ein Teil bescuic gegen Ausgang des 2. Jahdi. v. Clu-. Thilriitgcn bis xur
Werra (§ 224). Um oder kurz nach 80 v. Chr. eroberten die »Grcnzmanner«
Böhmen und begründeten den markomaimischen Staat. Bald darauf drangen
die thüringischen Sweben bis zum unteren Main vor. Die Main - Sweben
111, F. SWEBISCHE STÄMUB.
9n
trennten sich um Chr. Geburt von den in Thüringen verbleibenden, um an
die Donau zu ziehen. Letztere bekunden durch die Führung des Sonder-
naniens Hermunduri ihre politische Loslüsung von den Sweben dw Urheimat,
welche sich nunmehr Semncn nannten. Der Namen Swebai verbheb den
jünpten Sprossen, welrhe an der Donau zu einem neuen Stamme erwuchsen.
Ihr ethnographischer Zusätnnicnliang, die Abzweigung von einem swebüwhen
Muttervolk, den Semncn, war allen swebischen Stimmen noch im i. Jahrh.
n. Chr. bcwusst, den Quadi, wie es scheint, nwh im J. 174/75 (§ 24')- Halle
auch die p<>lLli.sche Gemeinschaft aufgehört, so l>cstand (Joch noch eine swe-
bische Amphiktyi'-nie, und diese wird vemiuilich erst aufgelöst worden sein,
als die Semnen im 2. bezw. 3. Jahrh. ihre Heimat verlicssen.
l Die Annahme A. Kieses, das* die vrcitcre Bedeutung «le» Sw«lientuimen«
mf du Kekli dm Marotioduus zuritckvcue, verbietet sich durch die TboUache,
das* auiser den su'cbi&cbcn ätämmcn zu diesem Reiche u. n. auch die oicbt twc*
bischen Lugil und Goten gcbOri hnbca (ScrabOn VU 290), und verbietet sich fUr
Tacitus durch die ThAtuche, da« lUescr auch dir Ncrthus-VölltCT und die Schwe-
den ZLi den Swclw-n rcthnei.
Anm. Zu beachten ist. diiss die swebischen StSmrac zumeist gröiserc Völker ge-
wesen sind, nicht dcrartiKC kleine Gauv^llket wie die Ncrthns-Vßlkcr oder wie unter den
frlnkischen TeiUiämmen die Cannenefatca, Marsaci. Sturü. Chanuahi, Cbjimivl, Amsivarii,
Chnsuarü, Tubanlc», Tencieri, Usipi (»der wie die obcrrhcinischt-n Vatigioncs, Ncmetci
itmL Tribod. Dw erlaulil einen RückM'h]u!i.s auf den veihÜtni&jniUhig jun^t-n Urtjming
der politischen Körperach^ifien. Breitet <:^^ Volk sich weiter aus, um ein neues Land xu
besetzen, so bcteiligca sich gri>sscrc Scharen an der üccupacion. So sind die grossen
Stiiiiiiie der BnÄlcrnen, der Gt)ien, Biirj^unden und I.iigii, lUr Ganten tind Schweden, die
glcichTalU grosseren Stämme der Cbauci^ Sachsen und friescn, der Chi^rusd, der Brucleri,
Sugambri, Ubü, Cbatli und Bstavi ru bcurleil<:D. und von spStercn politischen Bildiuigen
die Sachsen, die ialisdien Franlitn. die ripwaiischco Franken, die Alamanne«. Bei ISn*
gerer Ansiwsigkcii im Lundc [»liefen SpAltiingen einzutreten. So b;ihen sich die (loten in
0»t- und We*lgoten K^d|*°dten und von ihnen die Gejiiden nbKezwcigt (§ 96 tmd g8), so trv
fielen die Luifii in vcrschiL-denc Teilsiimme ($ 93 f.]. so die Gnatcn (§ I09) und Srhwoden
(§ 10S)> *o haben die Angeln und Sachsen nach länfcercr Anwcsenbt-ic auf brittiKhem
Boden eine t^rosae Aiiixnhl vun kleineren Reichen gegründet ($ 133 und l-\i), nu zerTielen
die Cbaud und die FrictcD in majores und minores, ebenso die Biuctcrl. so haben sich
von den Chiilli die Maniaci abgezweigt, von den Balavi die Cannenefaics Marsaci und
Sturü, \-tjn den Chainavi die SalÜ; so zerfielen von den späteren grossen Sl^mnien die
Sachsen in Kordalbinger, Westfalen. En^m und Ostfalen. die mitteldeutschen Franken in
Lothringer, Wcstfrankm und Ostfrankeri. E« ist ik-mnoch anzunebmi-n, dsss die kleinere
civitas der Lungobttrden sich am Irilbatcn von dem swebiscben Urvolk abKctfisl hAt, die
grossen Staaten der Sweben ^ Hermunduri und Marconunnco aber nicht vor dem i. Jahrh.
v. Chr. gegründet worden sind.
§ Jiö. Wenn der Name Sweben im Laufe der Zeit eine eingeschränktere
Eedeutiuig crliielt, so muss es fraglicli erstheiucn, ob sich die swebischen
Stämme damals ohne weiteres als Sweben bezeichnet haben. Und doch
mu&s es seit der Abtrennung der Langobarden und der Sweben im engeren
Sinne von den Semnen und muss es mindestens bis ins i. Jahrh. n. Chr.
hinein neben den Sondeniamcn der einzelnen Stimme irgend eine Bezeich-
nung gegeben haben, welche das gemeinsame Swebentum ausdrückte. Es liegt
nahe nach einem Worte zu suchen, welches so viel wie »Sweben im weiteren
Sinne des Wortes* (xler »Gesamt -Sweben,« »Gross -Sweben« besagt. Für
einen derartigen Kollektiv begriff hatte der altgermanische Wonschatz diis
Adjektivuui ennin-, Su meine ich, dass die Sweben im weiteren Sinne des
Wortes sich etwa ' £rmitH'Suv?böx genannt liaben oder schIcchtJiin 'Ermi'
naniz (scil. Sicittiöz). Der Name Enninen ist uns thatsachlich als ein alter
ethnographischer Gesamtname für die binuenlaiidisdicn Stämme überliefert.
Die Belege für eine Erminen genannte etluiograplüsche Gruppe sind die
folgenden:
i) Pompontus Mela, De ehorof^raphia III ^z. Nachdem er von dei
Elbe aus öslHclier die Cimbri und Teulnnes genannt hat. die narh ihm am
Kattegal gewolmt liaben. fahrt er f^rt: -ultra uitiini Gcraianiac Hcrmiunes.«
2) Plinius, Nnt. hisi. IV" (^u: 'Gcrm;ini>nim gcnera quinque: Vandili,
quorum pars . . . ., iilturum genus In^yae<jnes, qur>riiiu |wrs , proKirai
aiitem Kheno Istraeones. c[uarum pars . . ., mediterranei Hermiones, quorum
Suebi, Hermunduri, Chaltt, Chemsci«
3) Taritus. Germ, i: Bei den Gerraanen gebe es eine TraditJun, nadi
welcher die grösseren Siamnies'^TUjjpen iltrcii Namen auf einen G«»tt als Be-
gründer des Volkes zurütkfflJjrlcn; su vereine ni;in drei Götter, >e qiiütum
noniinibus proxiini (>"eano Ingaevones, medii Herminones. ceteri Isiaevones
vctcentur* — nach einer andern Tradition mindestens vier Götter 'piuresqiie
gentis appellatiimes, Mars(.s, Gambrivios, Suevus. V'andi!ios.< Vgl. § 81.
Zunächst geht aus diesen Stellen henor. class wir es mit einem w^rkli-
chen eihnographischeu Nainui zu thun haben, gleichberethtigl den Namen
der Ingwiaiwen und Istraiwen (vgl. g 122 und 151;). Über den Geltui^-
bcreich de* crraiiiischun Namens aber sclieineii die Rümer nicht mehr ge-
wiisst zu haben, aU dass er den binnenlflndisL-hcn Stammen zukam und zwar
<naih Plinius) mit Ausschluss der oslgernianischen Stammr», Dürften wir
Meia trauen, so würden thc Emtinen etwa in Mefklenburii die KClste erreicht
haben. Aber da die Römer Ober das Land östlich der Elbe s*i gut wie gar
nicht «mentiert waren, so wird man wohl nidit mehr herauslesen dürfeni
als dass Mela der Volksname der Erminen an oder östlich der unteren Elbe
bcltannt gewesen ist. so dass wir etwa an die I.anguharden und Semuen
denken könnten. Aus Plinius und Tacitus dürfen wir folgern, und das
bleibt die Hauptsache, dass die genannten Maupbiiamme samtliche Ger-
manen nmfassien, dass deimiach das Gebiet der Erminen diejenigen Einzel-
stämme einschUesst, welche westlich von <len i'Jstgermjuicn, südlich von den
Ingwiaiwen und westlich von den Istraiwen gesessen haben. Ilicmarh wür-
den zu den Eiiuineri mit Sicherheit die swcbischen Sia.innie ZU rechnen sein.
Ein Zweifel, welcher Omppe sie zuzuzahlen sind, kann nur für die an der
Weser wulmendeu Angrivarii und Clierusci bestehen, und ich sehe keine
Möglichkeit, diese Frage an der Hatiiü unserer Quellen mit Sicliertieit zu ent-
scheiden. Plinius nennt zwar unter den beispielsweise angeführten VOlkem
neben den Suebi (d. i. den Main- > Dunau-Swebent und Hcnnunduri auch die
("henisci. Aber gegen die Richtigkeit der Rinzelangahen erhebt sich das
Bedenken, dass er auch die zweifellos zur istraiwis» h > fränkischen Grupi>e
gehörenden Chatten anführt. Wie die Chatten (§ 205) so stehen auch die
Cherusci in einem ausgesprochenen politLschen Gegensatz m den Sweben,
ini J, ,>,5 v. Ciir. zu den Swclfcn Caesars (A G. VI 10), im J. 17 n. Chr.
zu den Sweben des Marobijduus {Tat., Ann. II :^\), und sowohl Sirab^Vn
(VII 2QI ) wie Tacitus [Germ, j50. 3b und ,^8) unterscheiden die Chatten
und die f'hemsci ausdrilrklich von den swebischen Stammen. Sollte also die
Angabe des Plinius auf einer sicheren Oberlieferung beruhen, so wflre an-
zunehmen, dass die Chatten uihI Cherusci sich in einer sehr frtthen Vorzeit
von den Erminen-Sweben getrennt hatten, su dass sie an der s^ȟtercn swebischen
Stammesgemeinscliaft keinen Anteil mehr i^ehabt liÄttcn. Ungleich wahrschein-
licher aber dünkt mich, dass Plinius. entsprechend der geringeren Kennuiis
der Römer von dem mittleren Deutschland, den wirklichen Umfang des Ermincii-
namens nicht gekannt, sondern nur gcwusst hat. dass darunter die binnenliindi»
IL
III, F. SWKBISCHE StAxIME.
9^5
sehen Stilmme r.u verstehen seien, und nach Gutdüiikct) einige Stämme des
inneren Dtutschlamls angeführt hat Sii wSren wir darauf angewiesen, die
erminischen Einzclstamnic ledij^lich nach dem Gesichtspunkte zu I>estimmen,
jtu nehmen, was übrig bleibt, wenn wir im Nortiun, \VL-stcn und Ojrten die
uns bekannten ingwiaiwisrhen, istraiwischen ui\d ostjjcrnjanisrhen Stämme in
Abzug bringen. Und das sind, von den zweifelhaften Angrivarii untl Cheriisci
abgesehen, die Stilmmc der I-angobardcn, Semncn, Hcnminduri, Varisti. Mar-
komaiincn, Quadi und Sweben, also dieselben Stamme, deren eihmjgraphische
Einlieit uns als die swebische bekannt Ist. Der Name Erminen ist also der
Gesamtname für alle swebischen Stamme gewesen: Tac. Genn. 2 deckt sich
Hermiones und SueW. Deshalb dCirfen die Angrivarii und Cherusci nicht
zu den Enninen gerechnet werden; die Cherusci müssen folglich, da e« zwei-
fellos keine Ingwi!U\veii gewesen sind (vgl. % 151, i und 7), Istraiwen ge-
wesen sein.
^ 217. Die ethnographisclie Einheit der Ermineu ergiebt sidi also im
einzelnen weniger aus den Belegen für diesen Namen: eine entsprechende
Einheit ist vielmehr unabhängig von dem cnuinischcn Namen bestimmbar,
ebenso wie es für die Ingwiaiwen (§ 121 f.) und Istraiwen (S I50f.) der Fall
war. Für die Bestimmung der Ingwiaiwen war uns, neben den zum Bex^eisc
nidit ausreichenden historischen Zeugnissen insbeännderc die Sprache mass-
gebend gewesen. So mössen wir fragen, ob ilie Mundarten der den genannten
alleren swebischen Stammen entsprechenden Schwaben - .\laniannen, Lango-
barden, Baiern und Thüringer eine engere Einheit bilden gi-gcnOber der
Sprache der andern germanischen St.1nime, insbesondere gegenüber den frän-
kischen Mundarteu. Die historischen VerhäLtuisse liegen in unserem Falle
klar gwug vor Augen, als dass es zur Stützung der erminisch -swebischen
StammesgemeinHchaft des sprach! it-hen Heweises bedürfte. Und wir dürfen
nicht einmal ohne weiteres erwarten, dass sich eine swebische S])racligcmein-
Schaft aus den s]>ateren Mundarten ermitteln Iflsst. Wenn es in der zweiten
Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. eine *iweliisclie Mundart gegeben hat,
so ist es fraglich, ob die Sijuren einer solehcu der Forachung noch erreich-
bar sind. Seit Chr. Geburt hat die Gemeinschaft aufgehi5rt, und somit war
der Ansatz zur Bildung einer neuen langubardischen. marki >maiinischcn usw.
Mundart g^eben, und diese Mundancn kdnnten die vielleicht geringfügigen
Eigenheiten der urswebischen Mundart fast ganzlich verwischen. Bei den
Franken haben wir (Ü 157) gesehen, dass eine frankische Spracheiiiheil einst-
weilen noch nicht ermittelt worden ist. Bei den Anginfriesen, deren .Stammes-
einheit wegen der geographisclien Entfernung der Friesen von den Sachsen
und Angeln in die vorchristliche Zeit zurückreicht, lasst sicii die Sprachein-
heit gleichwohl mit Sicherfieit erweisen (§ 121). Man vergleidte auch da&
üben S. 816 f. Über die oätgermanisch-sVadinawische Spracheinheit Gesagte.
Die Frage, ob eine crminisch* swebische Sprachcinheit ermittelt werden kann,,
hat für die Geschichte lediglich da.s Interesse, dass im Bejahungsfälle das.
Alter des urswebischen Stammes sehr hoch hinaufgesetzt werden muss; denn
bei einem langereu Fortbcstehen desselben hatten sich nicht »o eigenartige,
die spateren mundartlichen Sonderbildungen überdauernde sprachliche Eigen-
tümlichkeiten herausbilden kOnnen.
Ich halte die Frage, so wenig wie für die Franken, von vom herein fOr
unli^sbar. Aber einstweilen, wo uns die sogenannten konstitutiven Faktoren
der deutschen Mundarten noch nicht ausreichend bekannt sind, sind wir
von einer Ij-isiing der Krage noch weit entfernt. Auch der Wortschatz der
Mvuidarlen ist noch nicht dermasscn erforscht, das« man von dieser Seite
926
XV. Ethkographie der germanischen Stämme.
an eine L/Jsung der Frage herangehen könnte. Aber einen Punkt aus der
Lautgeschichte glaube ich doch bezeichnen zu können, in Bezug auf den die
swcbischen StAmrae Wcllcicht schon im ersten Jalirh. v. Chr. Geburt — viel
früher, dnrf wegen der erst im 5. oder 4. Jalirh. v. Chr. vollzogenen genna-
nisclien Lautverschiebung (§41) als ausgeschlossen gelten — von den Nach-
baist.'irainen ahwiclien: irh meine die hochdeutsclie Lautverschiebung. Die
bisher übliche, auf dem Geographen von Ravenna beruhende Datierung
ist durchaus unzurcicliend. Schon bei Ammianus ist der alaraanuisdic Name
Ilortarius mit /<»/ überliefert Wührcnd die römischen Lehnwurtc und die
Ortsnamen wie ZaUrn < Tabcma lehren, dass die hoclideutsche Lautver-
schiebung nicht vor dem 5. Jahrh. n. Chr. vollendet worden ist — voll-
endet worden sind auch die meisten anglofriesischeu Eigentümlichkeiten
erst in nachchristlicher Zeit — , so fet der physiologische Ansatz zu der Ver-
schiebung jedenfalls betrachtlich früher zurückzudatieren. Einen Anhaltspunkt
gewährt die Ttiatsachc, dass auch die Laiigabardische Sprache ilie Lautver-
schiebung durchgeffibrt hat^. An eine Übenragimg dieser Erscheinung v<
den seil wäbisc heil und batriüchcii Nachbars tamiucn nach Italien kaim nidit^
wohl gedacht werden, ebensowenig daran, dass etwa die Lautverschiebung
bei den Langobarden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der bei den
andern hochdeutschen Stämmen stehe. Es bleibt nur Übrig, den Ansatz, das
erste physiologische Stadium der Lautverschiebung in eine Zeit hinaufzu-
rücken, in welcher die Langobarden noch lebhafte Beziehimgen zu den an-
dern hochdeutschen Stammen unterhielten. Das wSre spätestens im 5. Jahrh.
n. Chi. gewesen. Damals sassen sie noch in Österreich. Aber es ist niclit
glaublich, dass damals bei der politischen Sonderstellung der einzelnen
Stamme noch eine so durchgreifende spracliliche Neuerung wie die Lautver-
schiebung über die Stammesgrenzen hinüber vordringen konnte, und zudem
läge ja der Fall ebenso bei den Wandalen und besonders bei den Bur-
gimdcn. So liegt es denn näher an die Zeit zu denken, als die I.angobardeD
noch an der Niederelbe wohnten, an das i. Jahrb. n.Chr. Geburt oder wel-
leicht ein Jahrhundert früher. Nahe gcle^ wird cjne so frühe Datic
durch einen andern, bisher niclil beachteten Umstand: Behalten wir bei d<
Lautverschiebung nur die Vcrsclucbung der Tenues zu den Affricatcu bezw,^
Spiranten im Auge, so ist das erste Stadium die Aspirierung der Tenues
gewesen. Diese Aspirierung finden wir gegenwärtig scm-ohl im Englischen
und Friesischen als auch in den nordniedersadisischcn und westfälischen
Mundarten; nur die engrischen und ostfälischen Mundarten (von IscHoha
bis Magdeburg) kc-nncn, wie die ripwarischcn, reine, nicht aspirierte Teiiut
Da die Aspiricnmg der Tenues im Sprarhenleben durchaus keine alltaglicl
Erscheinung ist so ist es wahrscheinlich, dass die liochdeuische Verschiebui
mit der niederdeutsdien im Zasammcnhaiig steht. Ein solcher Zusammen-'
hang ist aber nur denkbar, wenn sich die nachmals hochdeutschen Stamme
mit denjenigen niederdeutschen, welche aspirierte Tenues sprechen, geogra-
phisch berührten. Diese Berühmng wurde aufgehnben. als die I.angobarden
und Semiien die untere oder mittlere Elbe verltessen, und das war um die
Mitte des 2. Jahrhs. n. Chr. h^reits geschehen, vielleicht sogar früher. Da
sich nun die aspirierende Sprechweise schwerlich gerade unmittelbar vor dem
Abzug der Langobarden und Semnen verbreitet haben wird, st» dürfen wir
in runder Zahl wohl die Zeit um Chr. Geburl als spatesten Termin für das
Aufkommen dieser Sprechweise ansetzen. Da femer die hochdeutschen
Stamme die Verschiebung weher fortgebildet haben, so dürfen wir nach alltn
Aualogieeti siiiHessen. dasiS bei diesen die aspirierende Sprechweise aufge-
I
in, F. SWEBISCHE Sx.'iWME.
927
Ivunimcn ist, luid wenn diese auch bei den nQrdlicheren Stilmmen s[>atestens
im :. Jahrh. n. Chr. Eingang gefunden hat. so werden wir sie den hochdeut-
schen Stüininen bereits för das erste Jahrh. v. Clir. zuschreiben dürfen. Aber
ein Beweis, dass etwa um Chr. Geburt oder im r. Jahrh. v. Chr. alle swe-
bischeu Stamme, und nur diese, aspirierte Tenues gesprochen, ist damit natür-
licli nicht erbracht. Doch so viel sclieint mir sicher, dass die t^ngobarden
vor ihrer Allswanderung an die Donau nicht nur aspirierte Tenues gesprochen
haben, wie ihre sachsischen Nachbarn, sondern dass ilirc Aussprache bereits
den Keim zu der hochdeutst-hen Versrliiehung der Tenues wie der Medtae
in sich trug, und dass dieser Keim den swebwchen Stammen schon im i.
Jahrh. n. Chr. gemeinsam war. Aber auch dies will deshalb niclit viel besa-
gen^ weil aucli die Chatten die hochdeutsche Lautverschiebmig durchgemacht
iiaben und mit einigen Einschränkungen auch die ripwarischen Franken, ahne
dass hier an eine nennenswerte Mischung mit Thtlringem und Alamannen
gedacht werden k<"mntc. — Über den Lautwandel germ. * > d vgl. PBB.
XI 17— 1<) und IF. IV [9—23.
' !ch halte die Durchflibnin); dtr hocbätuixüicn l^mvtnchirhxmg bei den
Lnn^ohanli-n fiir eine nf&lÜtiKuiif; ihm' Zuf;chnrl|;keit zu den &webtiK:hi>n Stämmen,
Anden, eber mit utuurdchenden Gründen, W, Brückner, Die Sprache der
Langobcrdf»!, Stxusburg 1S95, S. 34—33.
I. Semnen >^ Alamannen.
a) Semnen,
Zeus» 130—131 lind 457, — MüUenhdff, Sernnrincx. ZfilA. VII {1849)
jSjf, — AV, Seelmann, Ndd, Jb. 1886 XU (1887) a f. Nnte und 39—52, —
K. Möller, AfdA. XXtl (18916) 137 — 142 und 145 Fuaniote.
§ 218. Oben 5. i.)22 ist auf die zentrale Stellung der Semnen im Swcben-
bundc hingewiesen worden. Den Römern müssen sie durch die Feldzüge des
Drusus Ijckannt geworden sein. Als Druaus im J. 9 v. Chr. die Elbe *he-
X^lQtjoe fiev :ieQru(o&rjyai, ovx ijAvvtjdtj dk', AX/.it TQostatu at^aai ävi-^oi-
QtpE" (Diön LX I, 3). Er hat vielleicht die Semnen über die Elbe zurückge-
worfen. Bezeugt sind sie erst zum j. 5 n. Chr., als Tibcrius nach der Einver-
leibung der Chauci die Langobarden im Lüneburgischen niedergc würfen liatte.
Vellejus, der als pracfectus equitum den Fcldxug mitgemacht hat, also der
denkbar authentischste Zeuge ist, beriühtet hierüber II 106 imd sagt, vom
Langobardcnlande aus orientierend, vtfn der Elbe, da.is sie »Semnonum Hcr-
mundurorumque fines praeterfluit«. Demnach scheinen die Semnen am Un-
ken Elbufcr, südlich von den Langobarden und nördlich van den gleichfalls
linkscEbischen Hcrmunduri gewohnt zu haben, also in der Alimark und viel-
Iciclil noch weiter >iüdwflrt'i. Dass ihr Gebiet auch die Landschaften rechts
der Elbe, ztmi mindesten die Prignitz, Uckermark und die Havel landschaft um-
fasstc, darf man im Hinbiidt auf die Grösse des Volkes (Sirabön VII 290;
Tac, Gtrm. y): P toi. II 11, 8) schliessen. Nach Vullc jus hatten die Sem-
nen — denn nur diese können II 107 gemeint sein — die Alimark preisge-
geben, und üir kampfbereites Heer harrte am rechten Elbufcr und flüihtetc
beim Herannahm der römischen Flotte l.indeinwKrts. Zum fiilgonden Jahre
berichtet Auguslus in dem Monumentum AmyranNtn c. 26, nach der römi-
schen Flottenfahrt bis Jüüand: *Cimbri et C'harudes et Semnones et ejusdem
tractus alü Germanurum populi per Icgatos amicitiam meam et popuü Romani
pcticrmU.' Ihre Wohnsitze sind nach Augustus im Gebiet der unteren Elbe
zu suchen. Sic wurden ukht uniei^-orfen; ilenn das hervorzuheben hätte
sich weder Veliejus, der Ruhmredner des Tiberius, noch Augustus ent-
getien lassen, zumal die Semnen ein so bedeutendes und angesehenes Volk
ns-aren. Iin J. 5 hellst es, dass das Volk lieber der Roincr •amui metuit quam
sequilur fidemi (Vell. 11 107): im folgemlcn Jahre, in welchem Tiberius bis
zur Elbe tcine Kric>;sarbeil mehr vnrfand — *ov filvrot xnt d^itmnjuo-
veirzöv Ti lotf. ye fytitd)r&t}^ (Diün LV 28, 5), und »nihil erat in Gcrmani;*
[d. h. dem Hnksel bischen Germanien], qiiod v-inci possei, praeter {jenteni
Marcomanorum« (Vell. II ii^) — »amidtiam populi Romani petierunt«.
Es hatte also die Partei der Alten, deren rrjmcrfrcundliclic Stimmung VelL
II 107 schildert, die Olx-rh;uid (j;ewuimen. Wir müssen ferner s^chliesscn,
dasÄ die Semnen im J. 6 das linke Elhufer endgültig aufgegeben hauen. Denn
sonst hatte Rom sich mit der >amidtiai nicht begnügt, sondern eine 'deUitio*
verlangt. Beabsichtigte Augustus doch die Elbe zur militflrisdiwi Grenze de»
Reiches zu madien, wie es vordem der Rhdn ge«-cscn war. Dies Zid lialte
Tiberius im J. 6 für Norddeutschland erreicht, als er auch Böhmen erübeni
wollte (Vell. H loK). Wir rnttssen annehmen, das.s damals die untere und
mittlere Elbe die Rcidisgrenze bildete. Vgl. auch Strabön VH 291: die
l'olitik des Augustus wollte, dasa er *züiv f$iü ror 'AJ^kk y.aii i/ovj^t'av
ÄiTwi" inf'/iuto H<xl fif) JzaQo$t'voi rtoö? TtjV xiHvtoviar rr}; ^jrt^QiKi-. Vorher
hatte Strabön a. lu O. gesagt, dass die VnlktT /wischen Rhein und Elbe
Hch entweder nntemorfen hatten -^ xnt xnrnhinorrti zä^ xarinxta;-; . und
dass Augustu-s seinen Feldherrn untersagt hätte ^diufiaü'iiv rov KAlfitr, ue-
rtovoi TOiV Ixetof «biawfrrfiiimnv. Die Preisgabe der Albnarfc seitens der
Semnen im J. 5 war also im J. o definitiv geworden. Semnen und L^ldj
barden — andere Stamme kommen nicht in Frage — sind diejenigen Ger-"'
manea gewesen, welche Augustus >ultra (trans) Albim fluviuni snbmovit«
(Suetonius. Artg. 21 und Eutrnpius VI 9). Strabön hatte dieSemnc
noch westlich der Elbe gekannt. Deim er sagt VII 200 ausdrücklich, dass'
die Semnen zu den swebisclien Stämmen gehören, diese aber »drö lov Pi'/rov
fi^XQ^ ^'**' *'''i^fi*o^' wohnen, zrnu Teil sogar, wie z. B. die Hermunduri und
Langobarden, über die Elbe hinQberreicheu. Dass dies auch bei den Semnen
der Fall gewe.sen, ist entweder Strabön nicht bekannt gewesen, vielleicht
hat er versehentlich die Hermunduri statt der Semnen genannt, oder es ist
ein Zufall, tlass er als Beispiele nur die Hermunduri und Langobarden an-
führt ^ andere als die genannten drei Völker kommen überhaupt nicht in
Betracht Dass die Semnen bis zum J. 5 n. Chr. auch links der Elbe ge-
wohnt haben, mibw Strabön in emem ihm vorliegenden ausführlithcn Bericht
über die Feldzflge des Drusus und Tiberius gelesen haben. Die Ahmark
würden wir ohnehin als einstmaligen seiunisihen Besitz entchlicsscn dürfen;
denn langobardisch kann dieses anbaufähige Land w^en der Kleinheit ties
Volkes nicht gewesen sein; aucli nicht cheruskisch, wenn Veliejus von cioem
Punkte sOdlirh des Ltngobardenlandes aus sagt, dass die FJbe »Semnonum
Heimunduroruim^ue fines piiielerfluil'; endlich auch nicht ermimdurisch,
da dieses Volk, dessen Westgrenze die Werra war, sich schwcriicli so wdl
Tiach Norden erstreikt hat; ausserdem spricht s«:iwohl gegen die Chenisd wie
gegen die Hermunduri der breite Wald- und Sumjifgürtel (Letzlinger Hnide
und DrCSmling), der die Altmark vom Süden trennte; \^l. die Kane zu
§ 2I(J. In der Folge finden wir die Semnui auf tier rechten Seite der
Elbe. Dass sie etwa nach der Niederlage des Varus die Allmark wiciicr be-
setzt hatten, ist nicht glaublich. Waren doch die Germanen kdncswegs sicher
III. F. I. Semkem.
929
ob die nJmischc Politik, die Elbe zur Rcithsgrenze zu machen, endgültig aufge-
geben worden sei. Noch im J. 16 planten die Chcrusci Ober die Elbe aus-
zuwandern (Tac, Ann. II ig), um der rümlschen Herschaft zu entgehen.
Dieser FUäs gah also noch als Ostgrenze der römischen Interessensiiharc-
Ini J. if) werden keine Semnen unter den besiegten V'filkem, die -usqne ad
Albim colunt' genannt (ebd. II 22 und 41). Wenn die Semnen aber von
() V. Chr. bis i(> n. Chr. auf Wcstelbicn verzichtet hatten, so ist es wenig
wahrscheinlich, dass sie s]>ater dies Land aufs neue besiedelt haben, zumal
die politische Grui>pierung der Stflmnip, römisch ixler antir5mi.sch, wie sie
zur Zeil dei Varusschlacht bestand, in den folgenden Jahrzehnten bestehen
blieb. Die vordem romwchen Stamme hipitpn zu Rom, nachdem sie Rom
langst aulgegcben hatte. Die Chauci, in deren Lande noch im J. 14 eine
römiadie Besitzung lag (Tac., Ann, I 38), die in den beiden folgenden Jahren
auf Seiten Roms kämpften (ebd. I öo und II 17), empürten sich erst 41
und 47 11, Chr. {SucL, Ciaud. 24: Dior LX 8, 7; Tac, Ann. XI i8f.;
Diön LX 3«). Bis üstlich der unteren Weser war also die politische Kon-
stellation die alte geblieben, und wenn die römische Sphäre im J. 40 noch
bis zur Lüneburgcr Heide reichte, kann vorher an eine Rückkehr der Semnen
nicht wohl gedacht werden. Waren aber erst 50 Jahre seit dem Verfassen
der Alliuark <lah ingegangen.. s<.] ist eine Rückkehr redit uiiwahrscheinlicli, und
das um .»«1 mehr als im J. 98 Taritus, Germ. 39, die Semnen offenbar als
ein rcchtselbischcs Volk keunL Es folgt das aus dem geograpliLscben Zu-
»mmcnhang. Kap. 28 — 37 werden die linksel bischen Völker genannt, Kap.
38 folgen die rechtselbischen. Jenseits der Chcrusci, Chauci und der links
von der ElbmlUidung gedachten Cinibri, in der Nadibarecliaft der rechtsclbi-
ächen Langobarden und Nerthusvölker und nOrdlicli von den Hemiundiiri haben
die Scnmcn nach Tacitus gewohnt Da die Nerlhus-Völker an der See
wohnen, au der Elbe ihnen zunächst die Langt>barden, so wird sich Tacitus
die Semnen oberhalb der Langobarden und unterhalb der Hcmiunduri ge-
dacht haben, also etwa in der Mark Brandenburg, zum mindesten in der
Prignilz und dem luiteren Havel-Gebiet. Wenn Tacitus die Langobarden
mit Recht als einen ostelbischen Stamm behandelt, so wird ein gleiches auch
für die Senmeii anzunehmen sein. Das st>ate Zeugnis des Vibius Sequester,
De fluminibm: »Albls Gcrmanüie, Sucvos a Cherusds dividit« kann nichts da-
g^en besagen. Das Zeugnis des Tacitus gilt aller Wahrscheinlichkeit für
den Ausgang des i. Jhs. War doch Tacitus crsichUich bemüht in sdner
Germania die neue-^^ien Nachrichten geogra])hisch zu vcrarlwiten, vgl. seine
Angaben über die Bructcri. Chamavi, Angrivarti und Chauci (^ 130.7), und
Nachrichten Ober die enlfenilcrcn Stamme flössen den Römern bei den fried-
lichen Verlialtnissen jener Zeit gev^'iss reichlich zu. Die swebisdie Kultus-
statte, welche »omnes ciusdera sanguinis populi legationibus cocunt«, haben
wir uns im rcchtsd bischen Lande zu denken,
Was Ptolematus (II 11, 8 und 10) über die Wohnsitze der Senmen aus-
sagt, ist ohne Wert. Seine Angabe, da.*;s dieses grosse Volk r»stiich der im-
teren Elbe wohne, bietet nichts neues, und die fernere Angabe, dass es
nördlich bczw, nordwestlich von den Silingen wohne, beruht in Anbetracht
der völligen Unbekanntschafi «ler Kümer mit der Landschaft zwischen F-lbe
und Oder auf einer wcrdose]) Kombination.
Ü 2JO. Über die Cieschichtc der Semnen in den rcchtsclbLschen Sitzen
ist nur wenig bekannt. Aus Strabön (VII 290) und Tac. (Ann. II 45) wissen
wir, dass die Semnen, wie die stamm vcrwajidtcn Langobarden, Sweben und
Atarkomanncn und wie die os^jermanischcn Li^i und Goten bis zum J. 17
GcnnuilKh« Pbilotogk III. iL .\\i\\. £0
930
XV. Rtunocikaphie ukr germanischen Staume.
n. Chr. zum Reich des Maroboduiis gehört haben. Im J. 84, berichtet Diön
(LXVII .5, 3), kam iici König der SemiK-n nach Rom. Wir lernen aus dicscc
Tliatsachc, <ia&s das Volk seit dein J. 6 römerfreundlich geblieben war. Sie
sind dann völlig dem römischen Gesichtskreise entrückt, und erst gelegent-
lich des Markomannen kricgcs wird llir Name nuch einmal gcnaimt. 174/75
wollten die Quadi von ihren Sitzen an der mittleren Donau zu den Senrncn
auswandern (Diün LXXI 20). Wir dürfen vermuten, dass die Heimat der
Scmncn zur Zeit herrenloses Land war. Die Semnen, wddie im J. 6 die
AUniark preisgebenen hatten, liaben iro folgenden Jalirhundert auch das
rechtsei bische Stammlaiid verlassen, ebenso wie ihre nördlichen Nachbarn,
die Langobarden (ij 243), wenn auch Reste von ihnen sich noch bis in das
3. Jahrli. hinein in der Heimat gchallen haben (§ 221).
In der Folge kennt die Ge*chiclite keine Semnen mehr. Was ist aus dem
mäditigen Volke geworden? Vasa es durch ein anderes Volk veiiüdilcl
worden wäre, ist au^csc blossen, weil als Nachbarn im Norden nur die klei-
neren Langobarden, im Südwesten die Hermiinduri. beides stammverwandte
Volker, in Betracht kommen, und die oütgcnnanischcn Burgundcn und Wan*
dalen nach Ungarn abgezogen waren. Die Semnen sind also ausgewandert
imd mü-ssen in der neuen Heimat einen andern Namen angenommen haben.
Wohin sie gezogen sind, lasst .sich ungefähr erraten. Ihre Nachbarn, die
Langobarden und Henuunduri enjcheinen im Morkomannenkricge, als die
Semnen vermutlich ihre Heimat bereits verlassen hatten, an der mittleren
Donau, ebenso wie ihre Ostnachbam, die Burgunden und Wandalen. Ent-
weder sind sie also diesem V&lkersliome gefolgt, und in diesem Falle müssten
sie unter dem Namen eines Donau -Volkes erscheinen — es kamen hier
allein die numerisch viel zu unliedeutcnden lutungi in Frage — ixlcr sie
haben ein von seinen Bewolmem verlassenes Land besetzt — hier käme
allein die Main- Landschaft in Betracht.
I
I
b) Alamanueit
Zeus» 303 — 355. — J. F. HuschbcTK- Gtichkhtt 4er AlUmanntn und Fra»-
ken bis lur Grüm/unj^ dfr fränkiiiJun Monarcfiir liurch Könif[ CftloJwif^. Snl»-
bacb 1840. — H. H»»i, Urtustäntif Aii-mannh-ns, Sch-caberu Hnä ihrer \(u:k&ar~
ttÜHärr, ErUngcn 1865. — Chr. Kr. v. Stalin, H'irlfmbdrg^sch^ Gtiehi^hte^ 4
bnw. 5 Brie, Tübingen und Stuttgart 1841 — 73. — A. Hollacndcr, J>if Krtfgr
eUr Aiamannen mii </«-« Rfintfrti 'ff* ,\Uh Jahrhundert n. Chr. (Zb. f. d. Gtscll.
(L Ol'<-rrhruis XXVI [tSy^] 272—318). Karisruht 18^4. — W. Arnold, Atuif
lietungrn uwl IVamU-rungrn deut-uher Sliitttme, Mitrburg 1875. — Ft. L. Baa-
tnann, Dir alnmannüc-hr. yifdrrla.itung in Rharlia smtni/a, Zs. d. llist. Vtr. f.
Schwallen iiinl Npiiliiiri; It (I875) t^l — 187. — Fr, L, Baunimin, ScM^ttirm
und Alawnnnen, ihre Herkunft unit Urntitiil, Fiwisdl, ^. ilcul»chen Ge*».*!). XVT
(187^) 21; — 277 (wieder ahgcdr. in Uaumann, Farsfhungnt mr uhv^htichrm
Gesihiihte. Kempten 1898, S. 500—585). — Ft. L. Baumann Die tlaugraf-
ichaften im Wirlrmbergisthm Schrtvhefi, Stuttgart 1879. — A. Scbricker.
AlUite Grenzen und Gaue im Ehass, Strasslij;. Sluiltcn II (1884} jog — 402. —
H. V. Schubert, Die. VtiirriferfttHi^ der Alamannen unter die Franken, Diss^
Stnuuburt; 1884. — V. Fr. Scalin, Geschuhte H'ürltembergs I l und l (bis 1496)»
Uoüu 1882. 87. — A. Birlingcr, Htthtirhtinis<hei Alamnunien (Fondi. «, dt.
Landes- u. Volkskunde IV 4), Stutlgatn 1890. — Fr. KanfriD«an, Gtschickte
der jchtedbiicAen Mundart, Stnssburg 1890, S. 35—32. — J. Harimion, Über
die Besiedlung des \fiirttembergischeH Schwarvaaldi, insbesondere des oberen Mneg^
Ihais. Wflrttrmbif. Jbb. f. Statistik u. Landeskunde 1893, S. l tf. — J. Hitt-
nriann, Dte BesifdlM'tg H'iirttrmbergi vati der Urteit bis auf die Gegvnwort,
Wilrtlciubg. Neujalir»l)iäU« XI i8ft4. Stuttfntft 1894.— A. Scbiber, Die frdn-
Jtisi-hen und aleituinniithen SiedUtngen in Gallien, besonders in Elsass und La-
thringen, Slnssbutg 1894. — W. Busch, Chlodwigs AbimattnenschtaeHt. Pxrsff^
ni, F, I. Alamannen.
931
a Teile, M.-rilaill»iu:li lSg4. 95. — A. Meitaien, Sudrlung inui f1^rarafft:eN I,
Berlin 1895, S. 388 — 49J. — K. K. W, Strootman, /V/- Äfi-^ über dt'e
AlamaMom im Jährt 368, H«nn«s XXX (1895) 355 — 360. — H. Witlr, Zwf
GeschichU iUs Dtutschtumi im Etsats nnd im Vogtsengebiet, Su)t[gart 1897. —
K. Weiler, Die Besiedlttug da ÄlamannentaHdes (Württcmbg. V'iciteljahrsbcft«
t. Landcsgcach. N. F. VII [1898] JOI— 350), Smttjpin 1898.
§ 221. Die Atamannen sind seitdem J. 213' in der Geschichte beltannL
Damals Uiuchen sie als eine >gens populosa* am raetischcu Um(.-s auf, neben
den Chatten und *prope Moennni amnem«*. Rbendort finden \Wr sie auch
50 Jatire spiUer, ihre KriegszOge bis nach Gallien und Italien aiudchncnd*,
sowie in dt-T Folgezeit Woher sie gekaramcn sind, darf man Diön Kassioa
LXXVII 14, 3 entnehmen. Dort heisst es, dass nach der erkauften Besiegxing
der Alamanncn durch Caracalla im j. JI3 *i%o)Xi>i xat idv Jiao' aittp t^
ätxFav(t) rreot ras* toi* "Ai-ßi^o^ Ixßolai nixovjTim' iTtQFoßrvonvTO Jrpö?
ninov tfuinv fiiTOvyTei". Isl auch diese Narhriihl scliwedich (je^jgraphisch
genau, denn an der Eibmündung haben Anglofriesen gesessen, so darf man
doch schliessen, dass die Stammverwandten der Alaniannen im Gebiete
der unteren Elbe gewohnt Imbtn. v:n im 1. Jahrh. n. Chr. neben den Lan-
gobarden die Semnen genannt werden. Wenn die Alamannen im J. 213 zu-
erst bekannt geworden sind, su ^^ind sie jedenfalls nicht früher als in diesem
Jahre bis zum limes vorgerückt, haben also vordem im inneren Dcutscli-
land, etwa am oberen Main oder in Thüringen 'jdcr an der Eibe geses-
sen. In Bewegung gekommen sind sie offenbar früher. Der Markomannen-
krieg zeigt uns sämtliche swcbische Stämme, die Langobarden, die Sweben
im engeren Sinne, die Hennunduri, Markomannen, Varisü und Quadi in
Bewegung; nur die Semnen werden nicht oder dc>ch nur indirekt genannt
(§ 220). Damals an der Donau zum Stillstand gebracht, haben die swebi-
scheu Stämme sich nach dtin oberen Main ausgebreitet, uiid hier dürfen
wir fQr das atisgehende zweite und das beg^inende dritte Jahrh. den /iusam-
menschluss einer Gruppe von kleineren swebischen Stammen zu dem grossen
alamannischen Verbände ansetzen. ^^vy/jXvdii (bezw. Sir/xlvÖis) etotv
äv(^QO)7iot xai fuyddFC, xat roDro dvvtiTnt ahnt? ij htwwfiia* {Asinius
Quadratus [3. Jahrh.] bei Agathias I b [27, i]). Der Name (vgl. got.
alamaiis) ist ein zusammenfassender, wie die älteren Namen Hemiunduri
imd Herminones. Er umfasst die swebischen Stämme mit Ausnahme der
Langobarden, Thüringer und Markomannen > Baierri, und erst später mit
EinschJuss der Sweben im engeren Sinne. Wir haben also in erster Reihe
an die Scnineu * zu denken, neben diesen an kleinere swebische Stämme, die
früher etwa /östlich der Elbe gesessen haben und deren Namen uns nicht
überliefert sind, weil den Römern die Landschaft zwischen Oder und Elbe
unbekannt gehlieben i.st. Vielleicht reicht der Name der lutuugi bis in jene
Zeit zurück. Die Alamannen sind jedoch, das beweist ihr Name, politisch
nicht identisch mit den Semnen. Vielmehr haben wir uns tlie Entvölkerung
des semnischen Landes als eine allmähliche vorzustellen. Einzelne seranische
Scharen, denen immer neue nachfolgten, sind infolge ihrer Auswanderung aus
dem alten pr.liti.schen Verbände ausgetreten, um sich auf dem neu erworbenen
Bodeu zu einem neuen Verbände zusaiumenzuthun, wührend den semnischen
Staat, der noch im J. 213, wie es scheint, bestanden Iial (s. oben), die all-
niählichc EnlvöEkcrung aufgelöst hat.
1 Ein J*hrliundcrt früher, darf man nicht »u» Amm. Mure. XVII 1,11 folgern.
— ■ Die Bcl(^ bti A. Kiese, Dai rhttnncht Germanien, S. i8^ — [87. —
* Erlege Riese S. 204 — 2o6. — * Ober einen raäglidi«Dfalls berbeizmtehenderi
Beleg vgl, R. Mucb, PBB. XVII %\.
§ 222. Das ganze dritte unti vierte Jahriiimdert hindurch halten die Römer
die Angriffe der AUmiannen zurQckzu weisen, deren Ziel die Ansiedlung iancr-
halb des oberrheinischen Limes war. In dai 6oer Jalircn des 3. Jahrhs. ge-
lang es ihnen, vorübergehend die nlmische l'mvinz Raetia zu gewinnen
[Panef^. Consfavtia 10), und in derselben Zeit v^iarden die rcchtsrheinisthen
bis dahin romischen rivitatcs der Usipi, Tubantes, Nictrenses und Casuarii
im Gebiete des unteren Main »a barbaris uccupatae« {l'^rvtteser Fö'/itffa/e/),
ob von Alamannej* ' oder Chatten (§ 208), ist zweifelhaft In der ersten Hälfte
der 70er Jahre kJimpften die Alaniannen =iv tüI^ jzfqi t6v "laxQOv toyn-
Tiait* (Zösimos I 41^). Aber sie wurden bald wieder zurückgedrängt, Probus
»cum Jam in nostra ripa, immu per omnes Gallias, securi vagarentur. cnesis
prope quadringentts inUtbus, qui Rnuianutn occupavcranl sulum, reliqiüas
ultra Nignim fluvium (Neckar) et Albam (Alp) (also über den oberrheinischen
Limes) reuiovil« (Vopiscus, l^la Probi XIII 7), und in demselben Jahre
282 »urhes Romanas rastra in solo barbarico posuit atque ülic mililcs collo-
cavit« (ebd.). Um 290 'Burgundiones Alamaimorum agros occupavere, scd
8ua quoque dade quaesitos. Alanianni tcrras amiserc, scd repctunt« (Mamer-
tinus, öenelhl. Maxim. 17). 296 laichte das alamannischc Gebiet vom Rhein
bis Ganzburg (unterhalb Ulm) : >a ponte Rheni usque ad Danuvii transitum
Gunticnsem deusta atque exhausta penitus Ataniannia^ {Patteg. Constantio 2)-
die Römer konnten den germanischen und raetischen Limes wieder »usque
ad Danu%-ii caput« vorschieben (ebd. 3). Um die Mitte des 4. Jahrhs. abet
hatten sich die Alamannen sogar am linken Rheinufer von Stiassburg bis
Mainz niedergelassen : »Argentoratum, Brotomagum, Tabema«, Salisoncm,
Nemeuts et Vangionas et Mogontiarum civitates barbaros possidentes tcni-
tyria carimi liabtlaic« (Amin. Marc. XVI 2. \i) und »domidlia fixere ds
Rhenuui' (l-U.1. 11, 8). Aber 357 durch die Schlacht bei Strassbui^ »rcddi-
tus limes Romanac ptasessioni- (Aur. Vict., Caes. XLII 17). 365 »Alamiumi
pcrTutx.TC Gennaniae limiles« (A m m. XXVI 4, 7), »Gallias Raetiasque simul
Alamanni ])opulabantur« (ebd. 4, 5) ; 377 fallen sie in das Elsass ein. 357,
3.59- 3&8, 371, 374 sind ihre Sitze nördlich bis Mainz und Wiesbaden bezeugt
(vgl. bes. Amm. XVU i, 2 und 6 und XXIX 4, 2 f. und 7). Erst seit dem
grossen Völkereinbruch des Jahres 409 sind die Alaniannen dauernd am
Oberrhein ansllssig geworden; »Neraelac, Argcntoratus transLitae in Germa-
niam' (H ieron., Ep. 1 2^ ad AgerucMam). Ihre Sitze in der Pfalz mussten sie
zwar den Burgunden rüumen. Als aber letztere 443 nach Savoyen auswan>
dcrtcn, wurde das Land bis Mainz ^»'ieder alamannisch und ersirct^'kte sich
am Main aufwärts bis über Aschaffenbnrg und Wflrzburg hinaus (Gcogr.
Ravennas IV 26, vgl. § 211). Ihre Ostgreuzc bildete zimflclist der liier:
Kempten untl Günzlmrg waren nach der Notifiti dignitainm römisch. Erst
im Laufe des 5. Jahrhs. haben sie ihre geschichtliche Ostgrenze am Lech er-
reicht und sich über die Schweiz au.sgebreitet; die Besiedlung des Elsass fallt
in die Jahre 409 — 53Ö. Die »patria Suavorum, quae et Alamaunorura
patria« (Geugr, Rav. IV 26) war bis zum J. 496 das Land südlich des Main
mit den Städten — Mainz w.-ir frlinkisi'h — Worms, Speicr, Strassburg, Brci-
sach, Basel, Zuricli, Constauz, Bregenz und im Norden Asdiaffenburg und
Würzburg. Die Namen Schwaben und Alamannen umfassten danials ein
und dasselbe Reich.
Ende des 5. Jahrlui, stiessen sie mit den Franken zusanomen. Nach ihrer
Nietlerlage im J. 506 mussten sie die Pfalz, das tmlere Ncckai^ebiet und
die Mainlandschaft, d. L die Landacliafi Svcvia der Tahnia Ptutingmamt
(§ 227), an lue Franken abtreten (§ 211) und blieben auf das .spatere Her-
I
III, F. I. Alaaiankeh.
933
zogtum Alamannia, beschränkt. In der Folge verioren sie überhaupt ihre
poülischc ScIbsUladigkciL Seit 536, als die Ostgolea die Oberhoheit übet
den noch sclbsUlndig gt:bHebenen Teil <[er Alamannen an die Franken ab-
traten, haben sie aufgehört als ein besonderes Volk zu existieren und bilden
nunmehr einen Teil des grossf rankischen Reiches, wenn ihnen auch noch
ihr einheimisches Herzogtum bis zum J. 7^0 verblieb. — Über die im J. 567
von den Fianken in NorUthÜringen angcaicdcUcu Suavi (Paulus Diaconus
11 6), welche ich fflr Alamannen halte, vgl. oben § 151.
1 So MoTninsen, Räm. Geiih. V 150.
§ 223. Die Alamannen setzten sich zusammen aus einer griVsseren An-
zaiil von kleinen Gaustämmen, welche den alten Hundertschaften entsprechen,
und welche noch im 4. Jahrh. politiacli selbständig auftreten und unter eige-
nen reges oder reguli standen. Einzelne dieser kleinen Gauvölkchen werden
uns von Ammtanus namhaft gemacht, so im Norden die Bucinubantes bei
Mainz (XXIX 4, 7), im Süden die Lentienses im Linzgim (XV .4, 1. XXXI
10) und cHe luthuiigi an der Donau (XVII 0, i). Er^l in der zweiten Hälfte
des 5. Jahrhs- ist der enge Zusammcnschliiss aller Teilstiimme zu einem grossen
politischen Ganzen unter einem König erfolgL
Den kleinen Teilstämmen der Alamannen haben sich von Anfang an
(§ 221) einzelne Scharen von anderen swebischen Stammen angeschlossen.
Voa den eben genannten luthungi' wissen wir, dass sie uniprünglich ein
selbständiges Volk gewesen sind. Die römische Weltkarte aus der Mitte des
3. Jahrhs. (Jj 162} unterschied (in den uns vorliegenden 3 Rezensionen: der
Tabula Peutitigeriana, der Veronatr VSlkertafti und den F.xcerpten des Hono-
rius) die lutungi ab selbständiges Volk von den Sweben, Armalausi, Mar-
komannen und Quadi, und zwar wohnen, die lutugi der Tabula PetiHn^riana
am linken Donauufer in (Jber- und Niederöstcrrcich an tler Seite der Quadi,
während die Alamannen und Sweben vom Budensce bis Mainz wohnen. In
der ersten Hälfte der /Oer Jahre des 3. Jahrhs. besiegte sie Aurelianus an
der Donau (Dexippos 22 = Uist. Gr. min. I 190 — 192. iQSf. 198)«. Nach-
dem sie nach Westen gezogen waren, erscheinen sie als vAiamannormn pars«.
So im J. 358: »lutliungi, Alamannumm pars, Italicis conterminans tractibus,
obliti pacis et foederum, quae adcpti sunt ubsecrando, Raetias turbulente
vastabant, adeout ctiam oppidurmn tcraptarent nhsidia praeter solitumvr (Amm.
XVII 6, i). Im J. 383 »lathungi populabantur Raelias« (Ambrosius, Ep.
24). Sie blieben bis 430 den Römern gefahrlich. Seitdem verschwindet ihr
Name unter dem der Schwaben- Alamannen.
Einen ungleich bedeutenderen Zuwachs haben die Alamannen durch die
Sweben erhalten, welche gleichfalls aus dem Osten gekommen sind und erst
*™ J- 357 '^•c untere Neckarlandschaft bU zum Main in Besitz genommen
haben (§ 2^7). Sie haben sich gleichzeitig mit ihrer Niederlassung im Westen
ptilitisch eng an die Alamannen angeschlossen, so dass beide zusammen fort-
an als ein Volk erscheinen. Bereits für diese Zeit ist von den Alamannen
bei Mainz die Rede (§ 222), bereits damals werden also die Sweben auch
als Alamannen bezeichnet, wie die .5. Jahrh. die »patria Suavonim« »et Ala-
mannorum patria« genannt wurde (Geogr. Rav. IV 2b), wie im 6. Jahrh.
Gregor v, Tours (11 2) von den nach Spanien ziehenden Sweben sagt
»Suebi, id est Alaraanni', und wie umgekehrt bereits um 370 Ausonius die
Alamannen an der oberen Donau nnter dem Namen Sweben kennt (§ 227).
In der Folge werden die Namen Alamannen und Schwaben promiscue ge-
braudit". Am deutlichsten sagt im q. Jahrh. Walafrid Strabo {MO. SS.
n 2 f.): »quia mixti Alamannis Suevi pariem Germaniae ultra Danubium
934
XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
obscdeninl, antiquonim vocabulorum vcritatc scrvata ab incolis nomca
patriae derivemus et Alamanniam vel Sueviam noininemus. Nam oun duo
vücabula, unani gentem significantia, priori nomine nos api>ellant« die roma-
nischen Völker, ssequenti u^us nos nuncupat barbaromm«. Der Name Sch^-a-
ben ist seit 357 der volkstümliche Name für den neuen Gesamtslamm ge-
worden.
1 Zn den iiucbrifüicb«a >maixibiu Sacbis EDÜiuiipibaB< in Köln v([l. M. Ihm,
Rhein, Miu. N. f. XLV 639. — ' Nadi Zftiis 313 f. warcc sie <UinAla Nacb-
bam dcT Alimuincn an der oberen Donau. — ^ ». die Belege bis zum 13. Jahrb.
bei Baumnnn, ScAzc'adfn u, Alat»., 2^2 — 254. Die letzten Belege fCLr eine
Scbcidvuig von vVJoniatuieii ucd Schwaltcn ütamincn aiu dem ö. Jahrb. (Caisiodor,
Var. Xn 7; Joid., Get. IM aSoJ.^ Prok., ß, G. 1 iz) luid sind wohl nur ein
Ausdruck der Verltrsenbdl. sieb mit der Idcnüült der beiden Namen alizotiDdm.
2. Sweben.
Zeusn 94— 9S. M^i". und +63—465. — R. Much, PBB. XVTl (1893) 18
—24, 99 — 105 und XX (189s) »0—34, — G. Holz, Beitr. tur dfulich^n Alf. I,
H.-UIe 1S94, S. [2 — 14. — G. Ztppel, DmtsclK V3tAtrbewfguHgtm, fVogr., KAnigt-
berg 1895, S. 24—30.
§ 22^. Eine gcschtdilÜdie Betrachtung der Sweben hat von Caesar
auszugehen. In der Schlacht gegen Caesar bildete jeder von der» imter
Ariovists Ffthnmg vereinigten Stämme eine besondere Heeresabteiluog: die
Harudes, Marcomani, Tribori, Vangiones, Nemeies, Sedusü. Suevi {B. G. I
51). Da von diesen die Marcomani und Suevi grössere, die andern aber
kleinere Stämme gewesen sind, ist nur je eine Abteilung der beiden erstcrcn
Ariovist gefolgt. Die Hauptmasse der Sweben war im unteren Maingebiet
sitzen geblieben (vgl. oben ^ 64). Diese Sweben ei^heinen als ein einheit-
liches Volk, mit besonderer Verfassung {B. G. IV i, 2. ig, 2), eingeteilt in
Hundertschaften (I ^~, 3 und IV 1, 4). Ihre Ausdehnung nach Westen und
Norden ist völlig deutlich. Sie wohnten am unteren Main, ohne den Rhein
ganz zu erreichen. Südlidi vom Main :*circiter milia [ras>tuum sexcenta agri
vacare dicuniur« (vgl. oben § 64), Erst im südlichen Baden und im süd-
lichen Württemberg folgte der keltische Stamm der Hclvetii. In Nassat
grenzten sie an die Ubii, nördlicher an die Chatti, welche westlich, wie die'
Sweben östlich der unteren Fulda gesessen haben (|i 207). östlicli der
oberen Weser waren sie durch die silva Bacenis (Buchonia), einen vx>m
Vc^elsgebirge und der Rhön bis zum Harz reichenden Waldgürtel von den
Chcrusci geschieden; dieser Urwald >pro nativo muro ubjectam Cheruscos
ab Suevis Suevos<iue ab Cheiusris injuriis incursionibusque proliibere* (Ä Cr,
VI 10). Ihr Gebiet lunfasste also zum mindesten noch das westliche Thü-
ringen. ThQringcn muss als ihr Stammlaiid angesehen werden. Denn am
unteren Main schildert sie Caesar als neue Ankömmlinge. Daten fOr ihr
westliches Vordringen sind einmal das Jahr 72 (näheres oben S. 705), zum
andern das Jahr 5g, in welchem die Ustiietes und Tencieri, nachdem sie
»complures amius exagilati hello i^remebauiur' »ad extrenmm tamen agris
expulsi« wurden (oben S. 797). Während die westhchen Sweben um Clir.
Geburt abgezogen sind, fehlt jeglicher Grtmd zu der Annitlime, dass damals
auch die in der thüringischen Heimat verbliebenen Sweben ausgewandert
sein sollten. Demnach bleibt kein anderer Schluss übrig, als dass tut
Sweben identisch sind mit den später bekannten, westlich bis zur Werra
reichenden Hermunduri. Nur die Rücksicht auf Tac. Gemt. 35 und auf
die beiden (wie wohl allen swebischcn Stanimen) gemeinsame Einriditung der
III. F, 2. S^^'£B£N.
935
Hundertschaften h:it diese Sweben zu Semncn stpirpeln können, obwohl doch
die utizwcidciiügc Angabt! Caesars, dass der Haiz die Grenze zwischen Swe-
ben und Cherusd bilde, die Serancn geradezu ausschliesst.
Die Brücke zu Tac. Ofrm. 35 mu&s mit andern Mitteln geschlagen werden
(§213 Note). So wenig wir auch bczwdfchi dürfen, dass die Serancn das
s»'cbische Kemv<^lk gewe-sen sind, von dem «ch die .indem swebischcn Stflmtnc
abgezweigt oder au das sie sich anjjegliedert haben, su wt ducli die Voraus-
setzung, dass der Viilksnantc Swi^hen seit Altere an den Semnen besonders
Zoll gehaftet habe, nicht zutreffend. Das Kernvolk der Sachsen hat in
Holstein geacs.scn; der Name Sachsen aber haftete deshalb nicht an dieser
J-andschaft Zttlier als an den übrigen .sachslsclkeii Gebieten und ist an dem
sächsischen Kuli>nialgcbjet an der miltlert-n Elbe haften geblieben. Das
Kemvolk der Franken scheinen die Cliamavi gewesen zu sein: der
Frankenname aber verblieb den eroberten Gebieten im Westen (Frank-
reich) wie im Osten (Bayrisch Franken), wahrend die Kernfranken nach-
mals Lothringer genannt wurden. Die Hennunduri mr^en sidi vou den
Semnen abgezweigt haben, und der Name Sweben kann denn(H:h bei
den ersteren in ältester Zeit vorzugsweise im Gebrauch gewesen sein, wah-
rend die letzteren zwar auch Sweben aber für gewöhnlich mit dem Sonder-
namen Semnen genannt wurden. Mir scheint die Annahme unabwcisliar,
da.ss zu Caesars Zeit unter den swebischcn Stämmen die .spateren Hennun-
duri im besonderen den Namen Sweben trugen. Und diese .Annalmie wird
dadurch gestützt, dass in der Folgezeil der Sweberiname wiederum an den-
jenigen Sweben haftete, welche sich von dem nunmehr Hennunduri genannten
Kcmstamme der Sweben Caesars abgezweigt haben. Die Sondemamen
kamen in Geltung, nachdem der ausgewanderte Teil des Volkes feste
.'W<)hnsitzc gewonnen halle, und wir dürfen wolil schties.sen, dass die Her-
munduri, welche Caesar nur unter dem Namen Sweben kennt, nicht gar
zu lange vor Caesar — vielleidit zur Zeit und im Zusammcidiaug mit der
kimbrischen Wanderung — Thüringen bis zur Wena besetzt haben '.
1 Dine AnniihTne »lebt nkht in WiderspnKb £U der in g 41 angDtiomnicnen
Dalicning des Bclrvlens TbUringcjis, Das svrcbiücbc Urvolk nia^ um 400 v. Chr.
das /■>st3icln: Thüriiiycn besetzt haben, uibrcnd tUmals wtsilichcr noch Kclltn, ver-
mutlich Turon« (§ 43 Anm.). wohnten, Die RcsCC der letzUrtn irögtn vor dem
kimbriiidicn Aiutunu f;cwichc[i sein.
§ 225. Die Sweben Caesars werden auch von den spateren Schrift-
steilem genannt. Diön Kassios berichtet (LI 21, b) zimi J. 29 v. Chr.,
dass sie über den Rhein votgedrungen waren, und er kennt sie (LI 22, 6)
jen.seitÄ des Fibeins. Drusus besiegle im J. 9 v, Chr. erst die Chatten, riaim
die Sweben, dann die Cherus^-i (ebd. LV i, 2); die Sweben «issen zwl'it.hen
Werra und Fulda und bis gegen den unteren Main. Auch bei Florus
(II 30, 24 f.) treten im selben Jahre neben einander die Cherusci. Sweben
und Sic:imbri auf, und ebenso sind die Sweben Caesars gemeint bei Stra-
bön, wo dieser (IV 104} von den rechtsrheinischen Sweben spricht (§ 214,
1). Diese Sweben wohnten aber nicht nur Östlich von den Chatien an
der Fulda und Werra, sondern ihr (Jebiei erstreckte sich südhch von den
Cherusd, also südlich vom Harz ostwärts bis zur Elbe oder doch mindestens
bis zur Saale. Das müssen wir aus dem Umstände folgern, dass in dem
von Drusus unterM-urfencn Thüringen kein anderer Volksname genannt wird-
Druaus hatte zwar im J. 9 v. Chr. nur die westUchcn Sweben au der Fulda
besiegt (§206 Arm.), dann aber auch die südlicheren Markomannen (Florus
II 30, 23, Orosius VI 21), imd seine Kriegsführung erstreckte sich bis zur
Saale (Strabön VII 291). Es bleibt also nur übrig, Thüringen für die Swc-
936
XV. Ethnographie der germanisches Stämme.
ben in Anspruch zu nuhnicn — die Markomannen wohnten in Böhmen.
Seit Tiberius kennt man in Thüringen ilcnnundiiri. Wahrend unter dieser
neuen Benennung das Slammvolk der Sweben sitzen pebliel>en ist, sind die
westlichen Sweben, die erst seit Caesar Qber die Werra voigedrungcn sind,
spater auägcu'andert.
§ 226. Diön, der die Sweben vor Chr. Geb. am Mittelrhein und als Nach-
barn der Chatten nennt, erw.1hnt sie (LXVII 5,2) zum J. 94 n.Chr. in Mocaien,
dem heutigen Serbien und Banat {*^r t/7 Mvoi'f. Avytot 2ovrißo{<; na\ JioXe-
ftMOhrt^-i), an der Donau, verbündet mit denjazygcn der Thcisscbcne (»ol
J^ovrjßoi TiQooTtfiQiknßoy 'InCi'ya^ xai jiQonao^oxtväCotto o)» xai ftei' a^-
t<7n' tÖv "ffTTQov Äinlir}n6ftfi'oi»). Es sind die-selben Sweben, welche früher
ain Main gewulint haben. Hier sind sie seit dem J. q v. Chr. nicht mehr
bekannt. Es kennt sie weder Veliejus, der doch (11 105!. und iim)) Chatti.
Cheruäci, Hcrmunduii, Maicomuni, Semuoneü und Langokardi anführt, bctu
Kriege des Tiberius 4 — 6 n. Chr., noch Taritus bei dem Feldnig des Gcr-
manicus gegen die Marsi (Ann, I 50 f. und II 25) und Chatten (ebd. I .55 f,
II 7, II 2,5 und 11 41) in den Jahren 14 — 16 n. Clir., noch Strabön (VII
292) bei 'der Auf/ahlung der besiegten Stamme geleg'-'ntlich des Triumph-
zuges de» Gcrmanicus. Ebensu fehlen die Sweben bei dem Chattenkriege
im J. 41 (Diön LX 8, 7) und 50 (Tac, Ann. XII 27), bei der Wanderung
der Ainsivarii im J. 5Ö (ebd. XIII 5Ö), bei dem Gienzkriege der Cliatten
und Hcrmunduri im J.,5S(cbd. XIII 57) und Ijei dem Kriege des Ci\'ilis, an
dem doch die Chatti, Usipi und Matiiaci beteiligt waren {//tsf. IV 37) süwie
Südlich vum Main die Tribod und Vangioiies (ebd. IV 70). Die Sweben
haben also nach dem J. 9 v. Chr. und vor dem J. 4 n. Chr. das vor 50
Jahren neu gewunnene Land zwi^clien Werra und Main wieder verlassen,
wahrscheinlicli um sich der römischen Herschaft zu entziehen. Ein bestimm-
tes Datiun bietet Diön (I.V loa, 2): Im J. 2 v. Chr. hatte DfimitiiL-i Ahcno-
barbus, weicher »twv jtqo^ rrj» ^laroot ^aoton' ^QX^} ^otV rf 'Eofiovvdov-
Qovi la tfji olxEin^ ovx old' orrtu-p iiavaoz'ivzus xat xaxä Z^)Tt)oty hi'
QO* T^? nXnvmfih'ovq {'irolaßan' h pl^ei rfji MnQXOftnyviAo^* angesiedelt ',
alsu wohl am Buhmerwald, Diese Stelle darf vielleicht als ein Beleg dafür
gelten, dass die Main-Swebcji zu den Hcmiunduri g<Thi1rten; denn es ist
fraglich, nb diese Hermunduri mit den im J. nt n. Chr. in Bühmen sieg-
reichen (Tac, Ann. II 65) und im J. 51 bis nach Ungarn vordringenden
llcrraumluri (ebtl. XII 2fj) sowie mit den zu Ausgang des Jahrh. an der
Donau Handel treibenden Hermunduri (Tac, Germ. 41) identisch sind, oder
ob nicht die Sitze <ier Sweben zu beiden Seiten des Kühmerwaldcs nach
Strabön (VII 292) zu vergleichen sind. Wie dem aber auch sein mag, das-
jenige Markomamienland, in welchem Domitius den Hcrmunduri Sitze an-
wies, war <lamals vcriassen, und siimit werden wir die Besetzung Böhmens
durch Maniljriduus. die zur Zeit des Drusus im J. 9 v. Clir. noch nicht go*\
schehen war und die nach VeMeju.s (II loH) vor dem J. 5 n. Chr. stattg^
funden jiat. spütestens in das Jahr 2 v. Chr. setzend Dem Marnbodutu
folgten ausser den Markomannen auch andere swebische Stamme (Strabön
VII 2(p), und dies sind die Sweben, welche bei Tacitus (Ann. II 26, 44
imd b2, vgl. auch Strabön VII 290) im J. 16, 17 und iq als das Haupt-
volk de-s böhmischen Reiche.3 erscheinen. Schon im J. 14 n. Chr. hatten
Swfben Kaetien bedroht (Tac. /iw«. I 44), w...hl von Passau her. Nach
dem Sturze des Maroboduus. der ein grosses swcbisches Reich bis zur un-
teren Elbe und bis nach .Srhle,sien hin aufgerichtet hatte, wurden die Sweben
^oder ein Teil derselben) im J. ig von Rom am linken Donauufer xwischeo
III, F, 2. SWEBEK.
937
Marus (Mardi) und Cusus, in Niederfislerrelch angesiedelt, unter dem quadi-
schcn König Vannius (Tac, Ann. 11 6^^, vgl. auch Plin., A' Jf. IV 8i), walireiid
die Markomannen in Böhmen sitr^n blieben. Diese österreichischen Sweben
StndwaJirscheinlich nidiL zu trciuicn von denen, welche nach SlrabAn (VII 2C)0
und 294 f.) bereits seit Beginti unserer Zeitrechnung nördlirh der Dtmau, in
der Nachbarschaft der Geten (in Rumänien) wohnten (»10 AI vdxtot- fiigo^
T»;<r FEgiiavias rö neoav rov "AXßto^: rö fthv ovvej^kg dx ft ifv Ino twv
Soi'ißtiiv xtix^yerni • sFr' ?^&h^ rj tSiV Fftö}v rtvvÄ:TTft y>}*). Zwar weist
•die Nachbarsciiaft der Geten zunflclust auf das Ranat hin, und diese W»»hn-
sitze werden scheinbar gestützt durch Diön LXVII /j, 2. Aber bei der man-
gcllutfit-n Geographie Straböns, der (11 izH) Iani»s der Donau auf »n/r re
rtQfinviav *tÖ VextKÖv^ folgen lüsst, werden wir um wj eher an Nieder-
OsteiTcich denken, u-as auch mit »unmittelbar jenseits der Elbe« eher ver-
«inbar w,lre, also *Axfn)vi auf ein gleichzeitiges Ere^Es und damit wohl
auf da.s Jahr iq n. Chr. hindeutet*. Zweifelhaft ist es, iib wir an diese zu
denken haben, wenn Pliiiropius (VH 12) zum J. 39 berichtet, dass Caligiiia
>bel]um contra Gcrmanos susccptl et ingressus Suebiam nüiii strenue fecit'
— es kVJnnte sein, dass sich der I^ndschaftsname Schwaben für die untere
Mainlandschaft erhalten hatte. In Niederösterreich blieben sie bis zum J. 51,
in welchem jähre sie in I'annonien, also am rechten Donauufer in Ungarn
als römische Unterthanen ang^-sietleät wurden {Ann. XII 2i) f.). Diese Swe-
ben werden im J. 69 neben den Sartnalen der Theiss-Ebene geuai^ni {Htst.
I 2), im J. 70 neben den sannatischen Jazygen (ebd. Ilf 5), ebcns4i im j. 84
(Diön LXVII 5, 2); sie haben offenbar bis in die Gegend von Belgrad
gereicht. Mit ilircm Muttervolk, den Hennuiiduri, scheinen diese Duiiau-
Sweben in steter Verbindunp geblieben zu sein (vgl. zum J. iq Tac, Ann.
II. 63 und zum J. 51 ebd. XII 29 f.).
' (i. HnL£, Iteilr. z. ^mt, A/lirtufrutumü- I S. 14 nimmt an, da«s die Main-
Sweben im J. <),'8 V. Chr. ausgewandert sind, weil im J. 8 -.illc we&Uicbcn Ger-
niuicnst^mmc mit Ausnahme der Suß-imbrcr, die dcühitib aufccISsI viiirdcn. ihr*
UnlcrwcrfiinK einreichten- . Wie das Beispiel der Cbatten (g 306) lehrt, mögen
auch <llc Sweben sich sehr wobl imterworfeti b.-iben. aber aEs^miIü der rOtnJKhen
Hencbalt übenlrilioif: geworden icin; e« zwinf^ nichu zu der Dnüening 9/8 v. Chr.,
tmd es spricht oic-htt gCKcn die DaUL-nin^ 3 od«.'r 2 v. Chr. Auf alle FUle sind
die Sweben /.wi+chen g und 2 v. Cbr. ausgcwarden,
* Oben S. 743, Z. 6 ist i. J, 18 lür Buch VII ru verbessern in: /wischen 17
mu] 21, eine Zvtlbesiimmun);, die nuf Grund dieser neuen Konibinaiion nJther als
19 bis 21 /u be^tinimL'n sein driifte.
S 227. Fflr die folgenden J.nhrzchntc haben wir von den Sweben kdne
Kmidc. Erst gcleneiitlich des Markoiiiamienkricgcs werden sie wieder ge-
nannt und zwar in den Sitzen in Pannonien, die sie im J. 51 eingenommen
hatten. In den 70er Jahren des 2. Jahrhs. >genles omncs ab Illyrid limile
usque in Galliam ronspiraverunt, ut Marrnmanni. Varistae, Hermunduri et
Qiiadi, SueN-i, Sartuatae, Lacringes et Burci^ usw., alle Völker nördlich der
Donau, vom Bühmer«-aki bis zur Donaumündung (Capitolinus, Vi/a Af.
Antom'nt phil. 22). Ein vulles JahrJiundert später »Aureiianus cunira Suebos
et Samiatas . . vehementissimc dimicant ac flurentissimara victoriam rettulit«
{Flaviüs Viipiscus. Viin Aureliani 18), alsn in Ungarn, und Aurclianua
triumphierte über die freilich nicht io geographischer Reihenfolge genannten
»Gothi, HaLani, Rn.\n|ani, Sannatac, Franci, Suevi, Vanduli, Gcnnatii- (ebd. 33).
I"i J- 357 "iniperator nuniiis lerrckttur et certis, inrtirantibus Sue-
büs Raetiaa incurearc, Quadosque Vaieriam [d. i. Niederpannotiien, südlich
von Buda-I'cst], et Sarmatas . . . superiorem Mnesiam [d. l Serbien und ßanat]
«t secundam populari Pajinoniam« [westlich von Valeria] (Amm. ISIarc.
L
938
XV. Ethntw-.raphie der germanischen StXhue.
XVI lo, 2ü). Die Sweben sassen also bis 557 immer nudi im westlichen
Ungarn. Aber seit (üe-scm Jahre sind sie tlaucnul im Westen ans.'issig ge-
worden. Dass sich die Sweben damals ain Neckar niedergelassen haben,
bezeugt die (nach K. Miller) im J. 365/66 abgefasste Tabiiia Peutmgeriana,
welche rechts des Rheins zwischen Mainz und Strassburg eine I^indschaft
Svevia verzeichnet, südlich deren dann Ostlich vom Schwarzwild bis Brcgeni
und Augsburg Alamannia folgt. Im J. 368 kJlmpfen die Sweben an der ol»e-
ren Donau (Ausonius, Ati fontrm Damwü), und hier war die von Auso-
nius besungene HiiL-iula, die Sueba virgundila, zu Hanse. 379 singt Auso-
nius \Precatio c<*nsH/rs 20) von »Franciu mixta Suebis^. 305 kennt sieCiau-
dianus {/Je consulatu StiUchonis I h.y-\ 22z\ am Rhein. Alle diese Belege
galten bereits für das neue schwabisch-alaiuannisclie Gesamlvolk (.^ -^3). Ein
Rest von Schwaben aber hat sich im westlichen Ungarn noch bis in die
erste Hillfte des 6. Jahrhs. hinein gehalten, bis der I^ngobardenkönig »Waccho
super Suavos inruit eosque suo donünio subjugavit: (Paulus Diacouus I
21; vgl. auch Prok., B. O. I 15).
Zu Beginn des 5. Jahrhs. überschwemmen sie mit den Alan! und Vandali
Galhen. über Mainz und Metz vordringend (OrostusVII 38, 3 und 40. 3;
Fredegarius, O/»«. II öo; Gregor v. Tours, //ist. Franc. II 2\ ZAsi-
mos VI 3, 1). Es sind die Schwaben, welche zu den Alamannen geh6ren,
und eine Schaar dieser »Suebi, id est Alamanni«- (Greg. II 2) haben ai<
im J. 40g im Gefolge der Wandalen im nordwestlichen Si>anien niedergc
lassen (ebd. und Gros, VII 40, 3), wo sie ihre Scllfstandigkcil behaupteten.
bis sie 450 und dann 470 von den Westgoten unterworfen wurden. Näheres
bei Zeuss 448—452 und 45Ö und F. üahn, Ur^tch. d. gfrm. und rvm. Viil-
ii-rlll und Kffnige d. GfnnnncTiVl 559 — 582. Bei ihrer geringen Zahl sind
sie bald romanisiert worden.
3. Hermunduri > Thüringer.
A. V. Wemebe, firsckrtibutig- drr Gaur wvischm Elhe, Soalr, XMstrtttr
HVsrr, tferra, Hannover iSag, — v, Wer«pl>e, Übrr die Verthetiung 'J'hü-
ringtns fleischen Ji-n tilUn Sachten und Franken {Hesse'« Beitr. i.. d. tciilMrbcn,
bes. üiürinf;. Gcscb. <1» MittrUliers I t und 3), 3 KUlftcn, Hamburg I834. 36, —
Zc\xit 97 f., 102 — los. 553 — 360 und 374. — J. Grimm. Gesth, d. dt. Sfirofkr,
596 — 607. — L. V. Ledcbur. .VordlAi/riHfprn und die HfrmunJurfr oder Thü-
ringet, Berlin 185a. — P. CuHsel, Vebrr Ihiin'ngisc/te Ortsnamen. Wis*. Bcr. d.
Erfumr Ak. II. III (1854) 86—235, Erftin 185t): jweuc AbhandlutiK. ebd. 1858.
— 0. Bolze, Unter mchiiftg über die ä!l<iU Gesehichie der Thüringer. Prt>(tr.,
Magdeburg 1859. — Frausiadl. Die Suet-enstdinme des mitlterrn DetttschlanJ^
Webers Artb. f. A. sÄrhs, \\rsf\i, I 3t — 57. — A. Glofl, De anUquit Tfiurmj^
/. De arigine Thuringonitrt. Diw., Hulis Snx. l863. — K, v. Wietprsbcim,
Urher die Urhr^i'ohner im heutigen Sai-hnent Wcbrrs Arcli. f A. ^ch«. Gcscb^j
HI, — Th, K ridchenbiLiier , Of.\ehiehle Thüringens in der karolmgisehm vi
sächsischen Zeit, Gothii 1S63. — A. GIoSl, Zur Getehithle der alten Tkti.
ringer, Fonich. %. dt. Gesch. IV {1864) 195—240, — V. Wislicenii», Die Gt-
uhithle der Eibgermanen ii>r der Välienvanderung , H«lle i8fa8. ~~ Th.
Knochenhatier, Geschichte Thüringens U4r Zeit des ersten Landgra/enhausn
Oo3Q — 1347). hMß. V. K. MfOzel, Gotb» 1871. — U ftoffmann, Zur Geschtchtr
des alten Thüringerreichts, Progr., R»tbenow 1873. — Vi . Kti^iAAt Ansiedeluttgtn
und Wanderungen deuticfier Stämme, Marburg 1875. — A, Wernebiirg, Dir H'oMh-
sitte der Chenttien und die Herkunft der Thüringer, Jbb. d. Ak. gemciiiDüU.
Wi»». IM Erfurt, N. F. X (:88o) 1 — 133. — A. Kirchboff. Thüringen dck
HermuMdurenland, Leipzig 1882. — A. Wcrncburg, Jfei/rdge tnr thüringruJkrm
Gesch'chie, Mi«, d, Ver. f. d. Ge»cb. 11. Ah. »nn Erfurt X! (1883» 1 — 56 nttil
XII 321 ff. — W. Seelmnnii. Ndd. J\>. 1880 X!l (1887) I— 27. — H. W.
in, F. .V Hekmuxduri.
939
Lipperl, BtHrägt zur äilrstrn Gf\ihuhtr ärr Thiinngt-r I, Zs. d. Vcr, f, thür.
Geach. XI (1883) 239—316; 11 clul. XIl (1884) 73 — 105; III ebd. XV {1890)
1—38, — E. I.uTtnz, Dif TffüriHgiickr Katastrophe vom /öftre $31, DlM., Jena
1891 (= Zs. d, Ver, f. ihür, Geftcfc. XV (1890) 335—406. — M. Kßnnecke,
Das alte thüringisrhe KSnigreüh und sein Vnt^rgang S3' "• C^''" Qu«furt 1893,
— R. Mnch. PBD. XVU (1893) 58, 6a, TS— 7". 95 ^- and XX (1895) 20—28.
^ P. Rcicbarül, f'enucA einer Gesefifcftte der A/eissHitehen Ltiiuie in dm
ältesten Zeiten. Prt^r., Ancabcrg 1895- — Fr. RckcI, Thüringen II, Jena 1895-
a) Hemuinduri.
§ 228. Die Hermunduri*, ein swebisdies Volk (§ 2i4f.), werden nichi vor
dem J. 2 V. Chr. genannt. Das ist hfirhst auffitlüg, wenn das Volk, wie man
allgemein annimmt, seit Alters in Thüringen heimisch ist. Wir sollten eine Er-
wähnimg filr die Jahre 12 — cj v.Chr. erwarten. Denn Drusus eroberte West-
deutschland bis zur Klbe, und gelegentlich seiner KeldzQge wird sogar die
Saale geiiaiint (Strabön VII Joi). Aber c-s ist immer nur von Sweben und
IMarknraannen, nicht von Hemiunduri die Rede. Drusus ^jtQÖg re r»/)- Xe-
Qovoyidn t6v OvhovQyoy diaßni ffXnfje fU^Qi tov 'AXßto^, ndrta noo^cöi'*
{Difin LV 55, I, 2)\ nach den Markomannen »validissimas naliones Che-
mscos Snebnsque et Sicambros ^-öriter adgressus est«; »in tutelam provinciac
praesidia atque custi:idias ubique disposuit per Amisiam flumeu, per Albin,
per Visui^n* (Florus II 30, 2^ und 2Vi); -Marcomannos paene ad inter-
necionem cecidit« : »Cheniscos Suebos et Sygajnbros pariter uno hello sed
etiam suis aspero superavit* (Orosius VI ii, 12); vgl. auch Vell. U 105 f.
Dass die Hermunduri ohne Schwertstreich (wie die Ubii mid ßatavi) frei-
willig zu Rom übergetreten wären, und daher Drusus keinen Anlass gefunden
hätte, gegen sie vorzugchen, das ist recht unwahrscheinlich, wenn sich damals
die Main-Sweben, mit denen sie wenige Jahrzehnit* zuvi'^r nuch eine Volks-
gemeinschaft hifdeten, und die Markoinannen (§ 238) und noch im J. 5 n. Chr.
die Scmiien (§ 218) und Langobarden (Vell. 11 10^)), also alte benachbarten
swebischen Stamme zu Kom feindlich stellten. Wir müssen \'ielmehr anneh-
men, dass der Name Sweben noch im J. y v. Chr. wie zur Caesars Zeit die
späteren HennumUiri mit ctnschh'f'sst, d,iss also die politische Losiösung der
Main-Sweben von dein in Thüringen wohnenden Kernvolk und die Konsti-
tuierung des letzteren miter dem Namen Hennunduri zur Zeit des Drusua
noch niclit erfolgt war. Diese erfolgte aller Wahrscheinlichkeit nach erst, nach-
dem die Main-Swtben um Chr. Geburt abgezugcji waren, jedenfalls nach dem
J. 4 und vor dem J. 2 v. Chr. (fi 22(1). Denn in letzterem Jahre werden die
Hermunduri 7uerst genannt: Nach Diön (LV loa, 2) siedelte der an der Do-
nau konimandiereiidc Domilius Ahenobarbus »ror? ie ^EgftovvdovQOi'i: Ix n)?
otxeiag oßx olA' Sjtfo^ f-^avanräviftg xal xarri C'^rtjatv hioag yV^ nXavfOfU-
vovs* '^h' fitQU Ttji MaoxottayyiAo';-^ an. Da wir die Hennunduri in den
folgenden Jahren zwischen Klbe und Werra kennen, in Caesars Swehenland,
imd da weder das frühere noch das spätere Markomann enland in Thiiringen
zu suchen ist, so kann es sich nur um eine .\bteilung des Volkes handeln.
Antn. Eine andere Erklärung, \r«ituill> tler Name Hermundiiri an Stelle de* älteren
Nantens Siiehi getreten ist. wflnle »rin; die gi.-sami<?n bwi-bcn Cacvars, tiictn mir der
DAch Wssten vorE«iningcnc Flügel, sondrin auch ilie fiweiicn in Ttüringen aüid .tuaee-
■wwidcrt, und ein andere» Volk, die Hermunduri sind dafür in TfatSringcn cjngerücki. So
Mtieb a. a. O, 2 [ f. In diesem Falle kr>nnt<.-n die Hrnriinduri mir von Oslen ([ckommeo
Irin. Diese Aonafamc hai cioe reche schwache SuiUe an d«t Stelle bei Slrabftn VII
290, worüber § 129. Ai« Vell. darf man einen rechuelbUchcn Wohimiu der Hennun-
diiri nidu fiilgern, und s>4b<ii, wenn dem *o wjjc, n> »etil doch die I^ndanweisunj; de»
Comitius 7 Jähre «uvur (;cograpbtsch die BescLtung ThUtingens voraus. Gegen die An-
340
XV. ETKXOGRAPinC OEK OERUAKISCHEK StÄMMC
nfthnie einer Xcahcsicdlung Tharinf^ns durch die ^Icnnuiuluri spricht «ntens, da» voo
ctiKin so wichtigen politixben Ereignis wie der Bi^siunabiTic einer großen, gnatlr damals
von Rom bcnnspnichtcn Landsi-hnft woh! irgeml rfne Notüc auf uns gekommen wSie, und
zweitens die Verlegenheit, ein Volk von einer von der Wctltrau bii mr Elbe retdu-n*
4len Ausdehnung andcrM-JIns unterzubringen. Die DonAU-Swebcn und an Zahl wie an
Umfang thn-» Gebietes «in ungleich kldnra Volk.
1 Zur Namensform vgl. $ 330 Anni,
§ 22g. Die nadistc Erwaiinuint der Hcrmunduri gesthiclil zum J. 5 n.
Chr. Vellcjus berichtet 11 loii, dass links der unteren EIhe die Lango-
barden wohnen und das weitcrhiD die Elbe »Scmiiuntmi Hcnuundorumque
fines praeterfluiti, dass aJso links — das ergicht der Zusammenhang — der
mittleren Elbe Hcnnunduri gewohnt hüben. Offenbar ein Bericht über die
Feldzüge des Tilieriiis liegt Strabön VII rtjof. m Grunde (\*gl. oben § 218):
ein Teil der swebischen Slämtne *xni ^igav tov ^Akßio^ vifterm, xa&ÖTKQ
'EofiörSoQni xal AnyxöfiaoAfH' wvi d^ xai reXetoi; efc t^v TteQaiav o^ot
ye hijitTTZihxaot fffvyoyTe^* . Dass, wie es der Worüaut zunächst ergiebt.
die Hcrrnnndiiri das linkselhisrhe I^nd aufgegeben haben, ist jedenfalls un-
richtig. Denn wir kennen sie spater wi-stljdi bis zur Wurra. Unter diesen
Umständen darf rruin auch die Richtigkeit der Angabe in Zweifel ziehen,
dass die Hermundun zu beiden Seiten der Elbe gewohnt hatten. Entweder
at^t der Name Hcnnunduri bei Strabön zu Unrecht an Stelle des Na-
mens der Semnen (§ 21H), oder es lag .SlrabÄn ein Bericht vor, dass sich das
Heer der Ht;nnunduri wie der Langubanleii (und Seimicii) im J. 5 oder 6
beim Herannahen des römischen Heeres auf das rechte Eibufer geflüchtet habe,
und Strabön m<Khle wühl M-isseii, dass swebiscbe Stämme, wie die Lango-
barden, ihren link weibischen Besitz daueniil preisgegeben haben, aber er wussta
nicht, dass die Hcmiiuiduri links der Elbe sitzen geblieben sind. JcdeufalU
haben die Hennunduri im J. 5 n. Chr. östlich mindestens bis zur mittleren Elbe
gesessen, und zwar innerhalb des Striches südlich von Magdeburg — denn
die Altmark war semnisch (§218) — und nrtrdlich v{>m Erzgebirge. Man
darf aber die Nordgrenze woht nicht m^rdücher als bis zur Saalemündung
ansetzen. Denn andernfalls hatte bei der Unterwerfung des linksclbischen
Norddeutschland Vcllejus (H 10(1 — ^108) allen Anlass gehabt, ihrer in an-
derer Weise Erwähnung zu ihun, als dass die Elbe »Semncnuni Hennun-
dnraruraijue fines praeterfluil". Es .scheint, dass die Clieru.sci bczw. >«I tcw-
TD(^ t',-ii;xooi* (Strabön Vll 291) 6stLch bis zur Magdeburger BtVde ge-
reicht haben.
Dnisiis hatte die damals nocli Sweben gciianntcn Hcrmonduri unterworfen,
und wie das Volk im J. 2 v. Chr. zu Rum hielt (Diün LV loa, 2), so
aui'h im J. ig n. Chr. (Tac, Aun. \\ 6^), und so ist es auch in den fol-
genden Jahrzehnten römisch geblieben, weil wir von keinem Kampfe Roms
mit ilincn hfNren. In den J. $ und t n. Chr. hatten die Römer ihr Ziel er-
reicht, die Elbe zur Grenze ihres Reiches zu machen. Aber mag selbst
Strabön Recht haben, wenn er die Kriegsmacht der Hcrmunduri auf daji
rechte Elhufer flüchten läs.st: da sie ihren Wohnsitz in Thüringen nicht auf-
gegeben haben, so müsste doch TIberius, wenn er im J. 5 nur die untere
Elbe erreichte, im folgenden Jahre mit ihnen zu thun gehabt haben. Aber
Diön (LV j8, 5) sagt ausdrücklich, dass Tiberius bei seinem zweiten, die
Unterwerfung NorddeuWchlunds bis zur Elbe vollendenden Zuge nichts Be-
merkenswertes vollführt habe, und ebenso sagt Veliejus {II 108), ^nihfl erat
jam in Gernumia, quod vinci posset, praeter genlem Marcomaiiorum« in
BtVhmen. Die Hermtmduri sind also offenbar seit Drusus rOmisch gehlieben.
L
III, F, 3. Hermukduiu.
941
wie ihre civitas noch 100 Jahre später 'fjda Rumanis* »*ar, wean sie auch,
seitdem Augiistus nach der Vanisarhlarht die Einverleibung des linksel bischen
Gemuniens aufgegeben halle, nicht mehr •jfndclt zum Reich (gehört haben.
§ 230. Im J. lg n. Chr. besiegten ilie Hennundiiri den Catualda, den
Nachfolger ties iMaroboduus, in Böhmen (Tac, .-1««. II 03). Im J. 51
stürzten sie das swebisthc Reich au der D-mau und kämpften an der Seite
der Lugii in der Donauebene (ebd. XII 29 f.). Im J. 58, erfahren wir, kämpf-
ten sie mit ihien Westnachbam, den Chatten, einen erbitterten imd &ic^-
rciclien Kampf.mu den Besitz des Werrathales (elnl. XIII 57), welches sie
damals gewonnen haben (§ 207). EndHch neimt Tacitui {Genn. 41) die
Hemiunduri ira J.fy^ als eine xavitas, fida Romanis« nflrdlicii der Donau.
Sie treiben au der Donau und in dem römischen Raetieu Handel. In ihrem
Lande entspringt die Elbe,
Alle diese Naotirirhten lassen sjrh nur vereinigen, wenn wir :Js das Stamm-
land der Heimuiiduri die Landschaft zwischen Wcrra und Elbe anneluuen.
Ihre Ausbreitung nach Süden ist zweifelhaft. Das Heer, welches im J. 51
;m der mittleren D<inau auftritt, bezeugt noch keine Auswanderung des Vol-
kes; denn bald darauf k^Luipfen sie auch an der Wcrra. Auch bis Regens-
burg hat ihr Gebiet nicht gereicht, wie man aus Tac. herauslesen kc*»nnte.
Vielmehr reichte nur ihre Interessensphäre so weit; denn in dem vom Ur-
wald bedeckten Oberfranken und der Obcqifalz wolinte damals kein anderes
Volk, und 50 stand der Weg vuu Thüringen bis zur Donau frei.
Anm. Ftolcmaios (II. li 11] nennt an Sielle der Hcmiumluri ein Volk der 7*»^»-
Xalfiai zwiscbcii ChaUen imil den SoMijxa S^fi (TKQringer Wald) und iionlvrestlicli vt>n
Böhmen, al&ü ofTi-ntur in Thürin^n, Der Name ist in Wirklichkeit ein Lantlsdiafütoanie
lud nicht dn Volksnanic (vgl. das panllclc Beispiel der ifmro^dtHW % ^^Ji Note). Das
Land der Ilcrinunduri hie&s al»^ Tenno-fuiim = ^rm. * Peurnt-haima, ricUcicbl nach
einem vormals dort ansäs»geti kcItUcfaea Summe der Tcurorvs ($ 43). Der Name Ser,
mun-Ouri ist schwerlich von pruna-hatma zu urcnncn und läsat sich mit diesnn JE|)nK:h*
geschichtlich ohne Scbwicriekcit unter der VnramsKi/un^: vccelneo, daui ein e^rm. Stamm
ßtur'pur vorLii^tj, dessen f in der Kompositbn nncfa dem Vcmersdiea CJcaetK zu d ^-
worden ist.
§ i^i. Wenn wir erwägen, dass Thüringen einen nur an den Grenzen
bewaldeten, sonst aber durchaus anbauf.lhigen Boden besass. so müssen die
Hcrniunduri ein überaus gri.»sses Volk gewesen sein. Unter diesen Umstünden
dürfen wir aus der Anwesenheit von Henniinduri an der mittleren Donau
im 2. Jahrh. nicht folgern, das das Volk seine Heimat aufgegeben habe.
Eine solche ;\nnalime ist geradezu ausgeschlossen, wenn das Gebiet der
Donau- llemuuu tun nur klein gewesen ist. Wir haben vielmehr an die
von Domitius nOrdlicli der oberen Donau angesiedelte ermundiirische Schaar
zu denken. Im Marko manaenkriege werden die Marcomanni, Varistae, Her-
mundiui et Quadi, Suevl, Sarmatae, Lacringes u. s. w. genannt als Völker,
welche >ab Illyrici limite usque in G:illiam conspiraverunt (Jul Capitolinus,
ViUi M. Antonim pkil. XXU i). Die Hermunduri haben sich also mit einer
grosseren Zahl von Stämmen in die nördlichen Donaulandschaften geteilt
imd werden hier noch in der Vemntser ff/ifrin/fJ ^tinünnl, in der Reihenfolge:
jotungi, Armibu-sini, Marcoinaiuii, Quadi, Taifali, Hermunduri, Vandaü, Sar-
matae. Zuletzt kennt sie Jordanes {Ge/. XXII 114) als die Nordnachban»
der Wandalen und Markomannen für die erste Hälfte des 4. Jahrhs. Seit-
dem verschwindet ihr Name aus der Gesdiichtc.
94a
XV. Ethnographie der oermaniscuen Stämme.
b) Thaöügcr.
§ 232. Ein Volk der Thüringer ist seit dem 5. Jahrh. bezeugt Dir Name
ftüirt au/ den der Hermun-Duri zurikk {§ a.^o Aiun.) und ist eine patrony-
mische Ableilung von diosem; zu vergleichen wäre etwa das Verhältnis von
BmcUri zu Bontctuarii (§ 150, 8) oder besser das von Flamen zu Ftiimingtm.
Friisen zu Frifsische (d. i. Nordfriesen). Die etymologische Gleich-^ietzung des
alten und des neuen Namens beweist natürlich nicht eine politische Identität
der Träger des Namens. Selbst der Aniialime einer bedingten Identität, dass
etwa die Thüringer einen Teil der Ilertnunduri bilden, kiinn man die H)po-
tliese gt^en überstellen, das.s die Henmmduri Tliüriiigcn verlassen haben und
die neuen Einwanderer sich nach dem Lande Peuna-liaim Thüringer genannt
hatten, etwa wie die Schlesinger nacli SehUsim. dem Lande der Ziisant.
Die pülitische Glcichsctxung der Hormunduri und Thüringer beruht darati^^
dass von einer Auswandenmg der ersteren — von der Donau-Sdiaar abge^
seilen — nichts bekannt ist, die Thüringer — von den Strichen an der Elbe
abgesehen — genau innerhalb der Grenzen der Heraiunduri wohnen, und
dasSj wie die Hemiunduri zu den swebischen Stammen gehOren, so audi die
Thüringer zu den hochdeutschen Stammen gehören.
Immerhin ist die politische Identität insofern vielleicht eine bedingte, ab
die Hermunduri auch die Latid.schafl zwischen Saale und Elbe inne gehabt
hatten, was für die Thüringer nicht feststeht- Über die Schicksale der Aus-
wanderer ist nichts bekannt Möglichenfails haben u-ir an diese östlichen
Hermunduri, möglichenfalls auch an die seit dem Ende des i. Jhs. v. Chn
nördlich der Donau angesiedelten Hermimduri zu denken, wenn uns im 5.
Jahrh. Thüringer bei Passau und sonst an der Donau begegnen (Eugippius,
Vita S. Snvriri/ i'j. 31), Der Regen ist nach dem Geügraphcn von Ra-
venna {IV 25) ein üiüringischer Flu-ss.
Ausgebreitet haben sich die Thüringer (vielleicht schon in cnuundurischer
Zeit, § 150, i) nach Norden, und auch hier könnte man wiederum an Aus-
wanderer östlich der Saale denken. Die spätere Landschaft Ostfalen war im
I. Jahrh. n. Chr. cherxiskisLhes Gebiet gewesen (ebd.). Zu Anfang des b.
Jahrh.*!. hat Osifalen oder doch wenigstens das Land OsUich der Ocker zu
Thüringen gehört.
§ 233. Das thüringische Rcicli, welches sich zur Zeit von der Donau bis
Regensburg bis zur Ohre n^irdlich von Magdebui^ erstreckte, mit der Haupt-
stadt Scheidungen an der untern Uuslrut, ist im 6. Jahrli. dem Scliicksal
aller übrigen deutschen Stamme verfallen: es wurde aufgelöst und der franki-
schen Monarchie einverieibl. Ihr letzter König Imünfrid wurde 531 besiegt,
und der nördliche Teil von Thüringen zwischen Unstrul und Ohre fiel an
die Sachsen (vgl. g 151), der südlichere Teil an die Franken (vgl. g iii).
Wami die Thüringer die Sitze östlich der Saale gcrSumt haben, wissen wir
nicht. Zur Zeit Ivarls des Grossen schied die Saale Thüringer und Sorben
(Einhard 15). Die Slaveu sind jedenfalls nach 507, wol»l erst im 7. JalirL
eingewandert ".
' K. Schotlin, Die Slann :n Thürin^n, Progr., BauUen 1884.
c) Ostmitteldeutsche.
H. Knothc, Zur O'escfikktt der Gcrmaniiation in <ter ObtrlatiiUt (AnJi. f.
«ttdu. Gcscb., N. F. U [1876] 137—379 und 389—^16). Dresden 1Ä76. — P,
Janaoscbck, Orip'num Cirte-racanum lomus fin'mus, Vladobonac 1877. — F.
k
Ul, F. 3. Thüringer. OsrnnTELDEUtscHK.
943
Kroncs, Zur Geschickte dts äfutschrtt Voikithums im Karpatenlande, Fcst-
schr., Gra« 1878. — Chr. Mcycr. G^ithiehie <Ui Landes Foicn. Posen 1881.
— O. Posso, Die Markgrafen von Afriurn, hvipz'% 1881. — J. Bendel, Äir
tMutsthrn in ßähmen, Mahren und Sc/tle.tien [Die i'iifJter Onterrejch-t'ngarnt Wft
Tcwhen I884. 85- — J« ^'»1 fried, Die dmtithe F.itni-and^rting unter den Prentyi-
liden in die Gegend -von Kaadcn, Mitlh. d. Ver. X. (icücb. d. DeuiMrhei) in ßflbmen
XXIII (1885) J3— 4t. — C. (TtunhÄKen. Geuhiihle Schlesiens, 2 Bde., OotbA
1884. 8b, — \V. Schmcisscr, Ikilnice lur Ethnographie der SehßnhengslUr^
Progr.. Wkncr Nt-ustadt 1886. — K. Wcinhold. Di€ Verbreitung und dit
iferkunft der deutschen in Schlesien, Stuttgart 1887. — J. Lippcrt, J>ie dlteste
Colomiation im ßraunauer Lätidchen, Milth. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in
Böhmen XXVI (1888) 325—358. — H Ü. Hasse, GtschteHte der sdcHsisehfn
JCiifster in der Mark Meisten uttd Obertausil:, Gotha 1888. — \\. v, Zeschau, Di€
Germanisierung des vortnals tsehechisehen Glntxer Landes im ij. uttd 14. Jh. und
die StammestugehSrigkeit der deutschen Einwanderer, Viertel] ahrsschr. I. Gesch.
D. HciroalAk. d. GnrKb. GUu VlI (tS88) 1 — 15. 97 — 128. 193—331 und 246
— 328. — E. Muctschlcc, Gesehichle def Glatter Landes vom Beginne der devt'
sehen Benedelung bis su den ffutsifenkriegm (el>J. Vlfl l — 7z), Diu., Bresliiu
1888. — Chr. Meyer, Geschichte der Pravms Posen, Gutba 189I. — .S. Schwur«,
An/finge des Städtewesens in den Elh- und Saale-Gegenden, Kiel 1892. — K.
Laniprccht, Deutsche Geschichte 111, Berlin 1893, S. 357—363, 369 f. und 38I
— 393, — Jechl, Geschichte von G&rlitt bis um die Mitte des Ij. /ahrhundertj.
Neues I-auäitzisdics MaK;i2in LXX (1894]. — F. Racbfahi, Die Organisation
der GfsamMtst<ustsverwaUi4ng Sthlesieni vor dem dreiss ig/ährige» A'nege (Staat»*
und locialwUaenndurtllche Fonichun|>en Xin 1), Leipzig 1894. — W, Thoma,
Die koli>n/salorische Jhdtigkeit des Klcsters Leubus im M. und t3. Jahrhundert,
Üiss., Leipzig 1894. — A. MeiLz«a, Siedelung und Agrar-a.>es€n U. Berlin 1895,
S. 419 — 475. — J. Sluhrtnann, Das Mitteldeussche in Ostprcussen I. Prop.,
Dciitsth-Krone 181)5. — -^^ Hauffen, EiHführung in die devtsch-bShmischr Votks-
tnitdr, Prag 1896. — J. Lippcrt, Sceialgeschichle BShmms in vrhussilischer
Zeit I, Wii-n und Krag, Leipzig 1896. — J. Piirtsch, Strhiesien I, Bre*biu 189(1.
— K. 0, Sctiii]i<:, Die A'oionisierung und Gertnanisierung der Gebiete ivi'
sehen Saale und Elbe. Leipzig 1896. — J. W. Nagl und J, Zcidter, Deutsch-
Oester reich iscfu Littralurgesi-hichte. Wien seit 189* erscheinend, S. 30 — 39. —
W. Schulte, Die Anfänge der deutschen KohnisaticH in Schlesien. Silcsiaca.
Fcautcbr. d. Ver. f. Gesch. u. Alu Schi. f. GrünhAgen, Breslau 1898, S- 35—82.
§ 234. Über die Untt^rwerfiiiig der Slawen in Norddeulschland vgl J 185.
Wahrend die ptiliiischen Stamme ii'flrdlirli von Berlin den Deutschen er-
biUerten WiderstantI cniiicgcnseuteii, waren die Sorben, welche südlich von
Berlin bia zur Sajüc im Westen und bis zum Bober im Osten sasscu, weni-
ger zätie. Seit Otto i. fanden kaum noch Kllmpfe .statt. Schon früh ent-
stand im ganzen I^nde eine Reihe deutscher Städte, und von diesen ist
die Germanisierung au.speg3ngen, ohne dass eine so massenliafte Einwande-
rung von Bauern slattßefmiden hatte wie im Norden. Erst mir Ablauf de*
15. Jahrhs. war daa Sorbische zwisciicn Saale und Elbe güuzlicli ge-
«chwimdcn. Die deiitschen Ansietilungen zwischen Saale und Elbe reichen bis
ins 10. Jahrh. zurück, erlangten aber erst in der ersten Hälfte des 12. Jahrhs.
eine grossere Ausdehnung. Die Kolonisten waren nach Ausweis der Mund-
art, wie auch durch Ortsnamen bestätigt wird, im Erzgebirge vorzugsweise
Ostfranken, weiter nördlich vorzugsweise Thüringer. Beide Stamme liaben
sich derart gemischt, dass man sagen darf, je weiter nach SOden, lun so mehr
Oberu'iegt das fränkische, je weiter nach Norden, um so mehr das thClKngische
Element.
S 235 Nicht so bald gelang es den stadtischen Ansiedlungen der Deut-
«dien in der Lausitz das I.and zu germanisieren. Noch im 16. Jahrh. er-
streckte sich das sorbische Gebiet wcstliL-h bis Storkow — Buchholz — Lnckau —
Finsterw:ildc — Ortrand — Bischofswcrda, nördlicli bis Storkow — Fürstenberg,
östlich bis Kürsieiiberg — Guben — Triebel — Priebus — Wbau, südlich, wie noch
heute, bis Löbuu — Bisdiofswerda. Also die sächsische Obcriausilz, die ganze
944
XV. Ethnckjraphie der germanischen Stäume.
Nieclerlausitz, ostwilrts bis über die NeUsc hinaus, und das ganze GcUet der
oberen und mittleren Spree bis in die Nähe von P'rankdirt a. O. war damals
nod) slawisch. Noch um die Mitte des i8. Jahrhs. retchle das sorbische ^Fach-
gebiet nfirdlirh bis über LObben und Lieberose hinaus, weÄtlicli bis Kalati,
RuWand und Kaiuenz, östlich bis zur mittleren Neisse, bis Miaskau und nörd-
lich von FoRt Heute wird nur noch von looooo Menschen an der oberen
Spree zwischen Bischnfswcrda — Kamcnz — Sciifteiibcrg — Kalau — Lübbenau —
Pciz — Fürst — Muskau— Weisseiiburg—Lubau sorbisch j^esprochctL Aber die
überwiegend von Thüringen und Meissen aus bevfilkerteu Stfldte bilden
deutsche Sprachinseln, und das Land ist zweisprachig und im Begriff
deutsch zu werden. Die deutsche Mundart der Lausitz ist eine Abart des
Seh lesischen.
R. Andree, Das Spracfi^biel Jtr Lmuitzff IFifndeTi mtm XVt. Jahrkun-
äert bis zur Gigenvart, Prag (Lcipjtig) 1873.
§ 2.j6. Östliclj der Lausitz, in Schlesien, haben sich, nach Ausweis der
Mundarten, gleicJifalls ThQringer und Ostfranken derart in die Besiedlung des
slawischen Landes geteilt, dass in der Ebene durchaus das thüringische Ele-
ment das herschendc ist, wahrcntl am Gebirge das osifrünkische Element
starker hervortritt Beide St^lmtne haben seit dtm 12. Jahrb. den NoiyI- und
Südabhang niclit nur de.-» Erzgebirges sondern auch der Sudeten besiedelt,
die Sudeten besonders in der ersten Hälfte des 13. Jahrhs. Die deutschen
Bauern und Bürj^'cr folgten dem Rufe der polnischen Fürsten Schlesiens.
Schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhs. gab es in Schlesien eine grössere
geschlossene deutsche Sprachinsel zwischen Görlitz und Liegnilz vom mittle-
ren Bober bis zur Neisse. Die in Oberschlesieu recht^i der Oder gegraudeten
deutschen Ansiedlungen sind beim MongoJeneinfall I2.)i m Grunde gegangen.
Seit die Mnngi>ten aus <lem Lande getrieben waren, begann ein verstärkter,
systematisch geforderter Zuzug in die verheerten Landschaften, besonders in
das Liegiiitzer Gebiet und in das Fraustadtcr Lflndcheu. Die Zahl der deut-
schen Dörfer, die in Schlesien bis I2(.k> gegründet wurden, hat man auf 1500,
die Zahl der Einwanderer auf 150000 bis 1 80000 Seelen berecliuet. Bis
1266 sind etwa 30, bis 1300 wenigstens Co deutsche Städte gegründet wor-
den. Um das Jahr 1300 war Niederschlesien links der Oder ein deutsche»
Land, Der Aiiswandereretrom erstreckte sich bis nach Posen. 1^53 wiude
neben der slawischen Stadt Posen eine deutsche Stadt gegründet. Im 13.
Jalurh. wurden in Posen 17 deutsche Städte gegründet. In die erste UüUtc
und Mitte des 14. Jahrhs. fallt die Besiedlung des Krmlandcs durcii Schle-
sicr.
Ostmitteldcutsche Bergleute haben in der zweiten Hüllte des 12. und im
13. Jahrb. den Bergbau in Nordungarn erschlossen. Ihre Ansicdlufigen
sind jetzt zum grüs.sten Teil slowakisiert
§ 237. In Böhmen beginnen zu Anfang des 12. Jahrhs. KIc»slergTün-
dungen mit deutschen Mönchen. Uin [200 ist das Braunauer LiLndchcn
von Glatz besiedelt worden. Besonders seit dem Mongoleneinfall 1241 wur-
den deutsche Anbauer, wie in SdiEesien, so auch in BOhinen, Mahren und
Ungarn begehrt Die Prcmj-slidenfürstcn (besonders Ottokar II. 1253 — üjS/
förderten systematisch die Einwanderung deutscher Bürger und Bauern. Da-
mals wurde Elbogcn a. d. Eger, die Grafschaft Glatz, Trautenau. Iglau und
der Südwesten deutsch. Von hier aus wurden die Städte germanisiert Da&
ganze Land war im Begriff auf friedlichem Wi^e deutsch zu werden. Im
14. Jalirh-, als Prag die deutsche Kaiaerresitlenz war, ist deutsch die her-
schende Sprache in Brihraen gewesen. Beweis für die Zweisprachigkeit der
irr, F, 5. OSTMTtTKLDEÜTSCHE. 4. MARKOUA^VrEN, BäIBRS. 94^
Czechen ist dass sie die deutsche Anfaiigsbelonung wnct die nhd. Diphthnn-
gicrung in ihrer czechischen Sprache angenommen haben (vgl. üben S. 760}.
Dfuui brachte die Hussitcnbewcgung eine nationale Reaktion. Einige grossen-
tdls deutsche Orte wurden wieder czechisch. Die Bewegung dauerte bis
1620. Etwa zwei Drittel der Czochen wurde im drdssigjahrigen Kriege ver-
nichtet Es begann nun eine massenhafte Neubesiedlung der vena-üsteten
Gegenden. Viele deutsche Orte sind es erst irn 17, und 18. Jalirh. geworden.
Die Zunahme der Deutschen dauerte bis Joseph II. Seitdem ist ein ROclc-
schlag eingetreten.
An der Besiedlung Böhmens sind im Norden dieselben Elemente beteiligt
wie nördlich des Gebirges. Zum grossen Teile sind die Einwanderer aus
der nächsten Nachbarschaft jenseits des Gebirges gekommen. Die obere
Hälfte des Egerthales sowie der West- und Siidrand Böhmens ist von dem
bairischen Stamme kolonisiert worden, der Westen von der Oberpfalz aus,
der Süden von Niederbayem und Oberösterreich aus.
4. Markomannen >■ Batern.
ZcQsa 114 — 120 un<l 364—380. — Zeui*, Dk Herkunft der Barem vom
An Markomcnnen, München 1839, neu« Aii*k. ct>d. 1857. — F, Wittmaao,
Dte Herkunft äer Jiayern von Jen Markemannen cnhfiekeit, Sulzhacb 1841. —
Jftcohi, über die Markomannisckrn Kriege unter Mark Attrel, Ptogr., Hcnfeld
1842. — A. Quilzmann, Abstammung, L'rsitx und SHesle Oesehichle iter Bai-
warett, München 1857. — dcrs., Die älteste Rrehlsverfaxsung dfr ßarvaren,
NürabCTTg 1865, — Ravaria, Landes- und Volkstunde des K^nigreirhi Bayern,
rffd. von W, H. Riehl. II Teile in 5 Bden.. München 1860—67, — ^- ßelt-
mor, GeschichU des Marromannisehen Krieges, Forsch. 1., Dl. Gesell. XU (1872)
167—223. — E. A. Quitzmiinn, Die dileste Geschichte der Baiern bis tum
Jahre ^st, Braunschweig 1873. — B, Kneiacl, Sturz tles Baiemhcrtogs Tassiia,
Progr., Naumburg 1875. — S, Rlczler, UeAer die Ettfslefittngsieil der Lex
ßtiiuieariorum. Forsch, x. Dt. Gctch. XVI (1876) 409—446. — A. H&cliniann,
Die Einnranderung der Baiern [Sitzf^bcr. d, pbil.-tiUl. Cl. d. Ak. d. Wiss.. Wien
XCI [1878] 815—892), Wien 1878. — C. Mchlis, Mnrliomannen und Baju.
waren (B«ilr. «. Anthrop. n. Urgcsch. Baycrtia V 1882), Miinchcn 1881. — Prin-
zinger. Die Afartmannen-ßa:rrn- Wanderungen (Mict. d. Rntbrop. Ges. in Wien
XIV 1884), Wien 1884. — Th. Mommsen. Ii<im. Gesch. V 209—115. —
S. Riczler. Geschichte Baiems, 4 Bde. (bLi 1597, Bd. l \ns. llSa), Gotha
1878. 80. 89. 99. — W. Schreiber, Gtschichte Bayertu, 1 Bde., Freiburg
1889. gl, — A. V. Dninasteu'ski, Die Chronologie des bellum Germanieum
et Sarmatieum 166—17$ "■ t^"***-- N"™« Hddelb. Jbb. V (1895) 107 — IJO.
a) Markomannen.
§ J38. Der Nanie Markomannen {== Grenzleute) kennzeichnet das Volk
als eine Abteilung, welche die ursprünglichen Grenzen des an der mittleren
Elbe heimischen swebischen Keravolkes überschritten und jenseits dieser
Grenzen eine eigene ci\itas begründet hat Dieses politische Ereignis hat
spätestens uin 80 v. Chr. stattgefunden. Denn um diese Zeit (§ 62) haben die
Markomannen Büliinen den keltischen Boji abgewuunei»; »praecipua Marco-
nianorum gloria viresque, atque ipsa etiam sedcji pulsis olini Bojis virtute
parta« (Tac, Genn. 42); »manet adhuc Boihaemi nomen signatque loci ve-
terem memoriam, quamvis mutatis cultoribus« {ebd. 28). Ob die Besetzung
Böhmens durch swebische Schaaren erst zu der Konstituierung einer marko-
mannischcn civitas geführt hat, oder nb ein Volk der Markomannen bereits
vorher (etwa im Königreich Sachsen) bestanden hat, lasst sich nicht ermitteln.
Die Markomannen oder ein Teil derselben folgten dem Heereszuge d»
Gennanische Ptallolofie III. 3. Aufl. «0
94&
XV. Ethnographie der germanischen Stämme.
Ario\'istiis und bildctt*n im J. 58 v. Clir. eine Abteilung des nach Stammen
(»geuenitini«) aufmarschierenden Heeres in der Scliliichl gegen Caesar Im
oberen F.Isass (Caesar, R. O. I 51). Die geschlagenen Reste dieser Abtei-
lung sind über den Rhein geflüchtet, aber nicht nach Böhmen. 50 Jahre
apJltet hat sie Dnisus bekriegt und »puenc ad intemecionein ccddit« (Flurus
11 30. 23 "nd Orosius VI 21, 15). Da Drusu» »primos domuit Usipetes,
inde Tencteros percurrit et Catthüs», also von der Lippemündung bis nach
Hessen, vorüniiig, daim die Markomannen besiegte imd zuletzt die «vall-
dissim;is naiiones ChcRiscos Suebosque et Sicarabros panier adgrcssus est«,
d. h. die an der Wi.-ser, Werta und Fulda und in Westfalen wolincndcn
Stämme, so müssen die Markomannen am Main oder sQdlich des Main ge-
sessen haben. Im J. 2 v. Qjr. liatten sie üire Wolmsilae zum Teil ver-
lassen; denn damals siedelte Domitius die Hermunduri »A* fUQn tt); Moqxo'
fiavvi&o?* an (Diön LV loa, 2). Dieser Teil ist an oder nicht weit von der
Donau zu suchen, weil Domitius damals >TÜrr TtQÖg x(ö*1oi{mo ytof^Uoi' v^Z*'
(ebd.). Im J. b v. Chr. hatte sie Maroboduus bereits nach Böhmen geführt
Vell. II io8£.).
Dies böhmische Räch ist zwischen 9 und 2 v. Chr. gegründet worden
(§ 22Ü}. Neben den Markomannen waren besonders die Sweben an der
Gründung ilcs Reichs bctciUgt (ebd.), wie beide Stämme auch unter Ariovistua
Schulter an Schulter gekflmpft hatten. Böhmen (< mhd. ü&hiim <Z germ.
*ßaihaim), das Heim der Boji, wird in unsem Quellen völlig deutlich be-
Keichnet. Vellejus (II 108) nennt »incincios HercjTiia silva campos« und
{II 100) -Bojuhaeraura — id regioni, quam incolebat Maroboduus, uoraen
est« (vgl. auch Strabön VII 2ifO und Tac, Germ. 28)'. Tibcrius wollte
im J. <5 n. Chr. Böhmen angreifen, wurde aber durch den pannonischen
Aufstand damn verlundert, und so ist der Plan des Aaguslus, die Elbe zur
Grenze seines Reiches zu machen, für B^Mimen nicht zur AusfüluTing ge-
kommen. Das Reich des Maroboduus unifasste im Norden die. swebwchen
Semnen imd Langobarden, un Osten die Goten und Lugii. Mit dem Sturze
des Reiches im J. 19 n. Chr. »-urde auch die politi.M-Jie Gemeinschaft der
Markomannen und Sweben aufgelöst. WiUirend letztere weiter Östlich ange-
siedelt wurdeu, verblieb crsteren Böhmen. Hier kämpfen sie im J. <^ sieg-
reich gegen Rom (Diön LXVll 7), hier nennt sie im J. 98 Tacitus {Germ. 42).
Sie sind ein mächtiges und zahlrcicties Volk gewesen. Gelang es docli in
dem Markomannen kriege i6ö — 172 den R»imem kaum sie in Scliach zu
hallen. Rom flberliess ihnen schliesslich »T(i ii tjfuov t^c jjowgaf rij? fiedo-
Q(a^, <fWT« ainovi; «5xtw .tou xal rQidxovra aradlov^ dftd rov ^'Iotqov
änoixdy* (Diön LXX 15). Aber noch 3. Jahrh. machten sie den R/imem
zu schaffen (Diön LXXVII 20. Petros [//isi. Gr. min. 1 428]; Lampridius»
Vi/a Auf. Heliogohali IX i; Aurclius Victor, Epit. 34).
^ Ptfilemams (11 II, 11), ilcr die Magxofiarol an der Paßg^ra i"Äiy, il. h, am
Söbiuerwold nennt, hat dani-bcn nocli die- Volksuamcn Iiaiyoxaif*(u (lo) im oCrd-
liehen Böbmen an der Klb« mul BaXuoi (Ii| in ö^torrich link» der Donjui. Lece-
tere b«idcD Kamen, welche »11 iilenlitKifrm sind (§ 95 Note), sind in Wirklichlcdl
iJLndcrEumen. Plol. (and in seiiwr Wirlnge den fomt in der Form BoJohatimHm
Überlieferteu Xometi in Bübmen und bija nach Ostenvicb bineLn <ror, «od bu
darau, unbekümniett uni die danebcD stehenden Magxoftayoi, einen entsprectiei^
den V'ölkcnuuneu gemacbt.
UI, F, 4. Markomaattkn, Baiern.
947
b) Baieru.
§ 259. Bis auf die Zeit des Attila hat ädi der MarkamanncnDaine ge-
halten. Seit dem b. Jalirh. erscheint das Volk unter dem Namen Bmern,
Dieser Name b>ezeichnei sie als die Bewulmer Böhmens: Bat-haim-^i'arn
ergab nach der Regel, dass bei der neuen Komposition eines Kompositums
der zweite Wortstamm weggelassen w'urde: Hai'variL Der neue Volksname
trat an die Stelle des alten, seit das Volk Böhmen verlassen und Ober den
BObmerA'ak! hinüber die alte römische Provinz Vindelida in Besitz genom-
men hatte. Jordanea {Gd. LV 280) kennt um die Mitte des 0. Jalirhs. die
Baibarus bereits als die Osinachbara der Schwaben. Im Westen reichten
sie, wie noch heute die Mundart darthut, fast bis zum Lech, im Osten zu-
nächst nur bis zur Enns, jenseits welcher die Awarcn wolinten. Zu Baiera
gehörte auch <ier Nurdgau bis zum Ficlilclgubirge, wahrschdnlich das Stumiu-
land der Vnristi (Zeuss 117 und 584 — 586). Im J. 788 fiel ihr Reich an
die Franken, nachdem es schon früher von ilmen abhängig gcweÄcn war.
Nunmehr wurde es aber nicht mehr von einem Herzog, swidern von Grafen
regiert (Einhard ll).
c) Österreicher.
F. X. PritE, Gtichkhu d^i Landes ob der £hhs, Leipzig 1846. 47, — E,
DüniTnlpr, OJrr drr südöstlifhcn Marie» des f rank isf heu Reiches unter de» Karo-
Ungern, Wien 1853. — M. BUdinger. Oest reichisch* Geschichte bis zum Aus-
gangn des drtiuhnien Jakrkundtrti, L,dpzig 1858. — J. Bloctiwiu, Die Verhält'
Hisse an der deutschen Oslgreate tteischen £i&e und Oonau :itr iUit der ersten
Karötirtger (Dbs.), Dresden rSya. — li, Gradl, Xur ältesten Geschichte det
Egerlamlei, ERcrer J:ilirl»iich VUI (iSjH) 140— 156 und IX(l879) 134— 150.— O,
Kapmmcl, Dtr Enistehnng des oiierre.ichisckm Druluhtums^. Die Anfänge deut-
schrn l^bens in Oeslerretth bis tum Ausgange der fCaroUngerseit, Leipzig 1874. — '
H. Orjiill, Die Herkunp der Egertänder. Miltb. d. Ver, f. G»>ch. iW DcuUcbcn
in Böhmen XVIII {1880) 26a— s;^. — ders., Das alle Egerleind, Egererjb. XI
(1881) 108 — 123. — J. II. Schwlckcr, Die Deutschtn in Ungarn und Siebenbürgen
(Die Veiker Oester reich- Vnfiarns. Ethnographische und cuitnr-hätarische Srhitde-
ruNgen III), Wlca und Tnchcn 188t. — jV Aclschker, Geschichte Kärnthenx,
KUgffufurt 1884. — Fr. v. Krones, Die deutsche ßesiedhmg der östlichen Atfien-
länder, insbesondere SIeiermarks, Kärntens und Kmins (Forsch, z, dt. Landes- u.
VoUt-ikundc III). StuUjfart 1889. — L. Bai6ti, Geschichte der SUesten dcutKhen
jWiederlatsung im Banal. TcmcsviiT 1892. — H. Gradl, Geschichte des Egft-
iäsndes bii I4J1, Prag 1893, • — K. v. fl&iiscr. Dir alle Geschichte Kärntens mtßt
der Urteil bis Kaiser Karl d. Gr., KJJig^nfurt 1R93. — ders., Kärntens Karo*
tingtrzeit von Kart d. Gr. bis Heinrich f. fjftff—giUJ, KUi|:enfurt r895. — A.
Meitzen, Siedelung und Agrarseesert II, Berlin 1893, S. 368—401. — G. Stra-
ko»ch-(Tra«sninnn, Geschichte der Deutschen in Oester reich- Ungarn I [bis 955],
"Wien 1895. — L. Werner, Gründung und Venvaltung lier Reichsmarien unter
Karl dem Grossnt und Otte dem Grossen I: Das Markensystem Karls det
Grossen, Proßr., Brcmcriiaven 1895. — A. HaurrcQ. Einführung in die deutsch-
bähmische faUiskunde, Prag 1896. — P. Felix, Ober das Vordringen des deutschen
Elementes bei Pilsen im tj. Jh.. MttUi, d. Ver. {. Gesch. d. D«uuchen in Bfibmcn
I 24—37. — J. W. Nagl und J, Zcidler, Deutsch- ÖsterreiVhische Literaturge-
schichte, Wien 1899, S. I — 48.
§ 240. Nach dem Sturze der Awarenherrschafl durch Karl den Grossen
überschritten die Baiem die Enns und kolonisierten das Östarnclu, zunächst
das vordem awarische Österreich unter der Enns, in der zweiten Hälfte des
9. Jahrhs. auch iiOrdlicti der Donau, um um tlic Mitte des 11. jahrhs.
Steie-nnark und Keimten zu erreichen. Seit dem 12. Jahrh. hat sich die
deuLsdie Sprachgrenze in den Ostalpcu nicht mehr wesentlich verschoben.
Zur Kolonisation in Böhmen vgl. § 237. Die Kolonisation des Egerlandes
fio*
948
XV. Etidtocrapbie der GERKAXISCOE!? STX&niE.
begann Ende des e i. Jahrhs. und war um die Mitte des 12. Jabrhs. vollendet
Zur Geschichte der deutschen Sprachgrenze in den Ostalpen vgl. Grdr.' [
6.13—655.
Im Anfang des 17. Jahrhs. begann dne neue Periode der deutschen
Külonisation in Ungarn. Aus dem Ende dieses Jahrhs. stammen die deutschen
Kolunien der Ofencr Gegend und im Bakonywald, aus dem Anfang de»
iS. Jabrhs. die in der Tolna iind Haninya, bei Arad und an der Kraszna.
Die von Maria Theresia und Joseph gefönlerle Kolonisation hat die Deutschen
in das Banat und in <lic Bai'ska geführt
$. Quadi.
Zeuss 117—130, 123. 364 uiml 462—464. — A. Kirchmayr, A-r att-
JtulsiiMe VolAxitamm der Qutuirn. 2 Bilc, Wi«n 18S8. 93. — R. Mucfa, üü
Htrkun/t d<r QuaJr», PBB. XX (1895) 20—34.
§ 241. Die Quadi sind seit dem i. Jahrh. n. Chr. das etliche Nachbar-
volk der hnhmischen Markomannen gewesen; ihre Wohnsitze sind in Mahren
zu sm.-lien (Tac., Germ. 42 und Ptol. 11, 11, !i). Sie sind wahrscheinlich
von den Markomannen, denen sie eng verbündet waren, ausgegangen, nach-
dem diese ßdhmcn besetzt hatten. Ihre Heimat bt ualirsc heinlich an der
mittleren Elbe, an der Seite der Semnen zu suchen, da sie im J. 174/5 dort-
hin ziehen wollten (Diön LXXI 20). Belegt sind die Quadi zuerst zum J.
19 u. Qjr. (Tac, Ann. II 63). Sie haben sich an dem Markomaunenkriege
beteiligt {lüb mit den Markomannen Aquileja belagert) und haben danials
von der March östlich in Überungam mindestens bis zum Gran gewohnt
{Marcus Antoninus, Eh ^i?z6v I 17). Seit dem 3. Jahrh. sind sie nodi
weiter nach Osten gerückt und behcrschen mit den Sannaten Ungarn *. Von
den Römern gefürchtet haben sie im 4. Jahrh. ihre Macht eingebüsst: »Qua-
durum natio . . . ., paruui nunc fomiidanda, sed inniensum quantum antchac
bcllatrix et potens'^ (Amm. Marc. XXIX 6, 1). Im J. 409 zogen sie mit den
Wandalen, Sarraaten, Alanen. Gepiden, Herulen, Sachsen, Buigunden, Ala-
mannen nach Frankreich (Hieronymus, ^. 123 ad Agenichiam). Seitdem
verschwindet ihr Name aus der Geschichte. Sic sind \^rahrschcinlich in den
Schwaben aufgegangen.
* Belege bei Zcus<) 463.
6. Langobarden.
Origv grntis Langt^ardorum (wl. F. Bluhmc, .1/tf. I-^gg- IV 641 — 647;
ed. G. Waiu, AfG. .f.?. iai»^.. Hanrniverae i8;8, 1—6); dazu E. Bernbeim,
N. Arcb. d. Ges. I. 511. aeutuclie Geschk. XXI (1896) 373— 399. — Paulu« Dt»-
conaa, Historta I^ngobardorum (bU 744) (cd. G. Waitx, .\fG. SS. Lang.^
Humovente 187S, In us. schol. es Mon. Germ. bist, rec., Hotinovera« 1878):
deutsda voa O. Abel, Paulus Diaconus und die übrigen GeschUhtKhre&rr dur
Langobarden, BtTÜn 1849. Vgl. daxu B«thmann, FiihIus Düuomui Leben umi
Schri/tm, Arch. d. Ges. f. Ml. deutsche Gesdik. X (1851} 247 — 334; ders.,
Die Geichkhfuhreibung der Lattgebardm. ebd. 335 — 414: F. Dabo, Paulus
Dioiontis, Leipzig 1876; R. Jaccibi, Vte LangcbardengetchüMte des Paulus Dim'
etinus. Halle 1877; Th. Mommsen, N. Arch. d. Ges. C ill. deuuche Geichk.
V (1880) 51 — 103; G. Wftiii, ebd. 415 — 424; A. Vogcler, Paulus üiacanus
unddie Origo gentis Langobardortftn, Progr., Hiidcsheim 1887. — Zcusb 94 f.. 109
— 112 iinil 471—476. — E. Th. Gaupp, Die Germanischen AnsifdluHgrm urüi
[.nndlhrilungen in den Provinzen des RSmitehen IVeiireithes, Brr^u (844«..
S. 496 — 533. — J. Grimm, Geschichte der deuluhen Sprache 11 682 — 698.—
A. Fleglcr, Dm Känigreich d^r [^ngabardm in Italien, I.eip»ig 185I. — S,
Abe], Der Untergang der. iMngabard^nrekhts in Italien, Gßttittgen 1859, —
H. Pabst, Getthickte des langobaräisfhen Hertogthuwu, Fcmch. c, T)t. Gcxfa.
III, F, 5. QuADi. 6. Lakgobardek.
949
n (1862) 405 — 518. — Fr. Bluhmc, Die Gens Langobaräorum anJ thrt Her-
kunft, Bona 1868. — W. C. C. Frhr. v. Hammcrsicin-Loitcn^ Der itarden-
gftu. ilanoorcr 18&9. — R. Wieic, Du ölUstr Geiihithtr der Langobarden
{bif zum Vntfrgangr da R^khes dtr HeruUr). DiS'*.. Jena 1877. — E. Koaake,
Aittuif, KSnig der Langobarden. Prop-., TUsit 1880. — C. Proschko. ZVn-
dfritti ttnd der Untergang det Ijangobardenrekhei in Italien, Progr., Krems-
manawr 1881. -— A. Ebner, LHe Langobarden unter den Königen Albnin »nd
C'ießo, Prc^r., Linz 1883, — Galctschky, Die Vrgestrhürhie der Langobarden,
Progt,, Wcisicofds 1885. — L. Sckmiilt, Zur Gesehichle der Langobarden,
Leipiijt 1885- — A, Wcslrum, Die Langobarden und ihre HertBge, Ccllr
1S86. — J. "Weise, Italien und die tjnngobardenherrsi her wn $68 bis ÖjS,
Halle 1887. — R. Viicbow. Verh. d. Beri, G«. f. Anihn^i. 1888, S. 508—
5Ji. — R, Miich. ZfdA. XXXllI (1889) 9 — 13. — K. Dahn. Urgetehichle
der gemtaniii hen und rSmiixhfn V'Stker IV, Berlin 1889, S. 189 — 295. — K.
Groh, Die Kämpfe mit drn Agaren und Langobarden unter der Regierung
Justins //. na.h den Qtiellen bearbeitet. DUs., Il.nllc 1889, — von Slolt«en-
berg-Luttmerscn, Die Sfittren der Langobarden vom \ordmeer bis cur Donatt,
Hannover 1889. — O. Gutscbe uiul W*. Schultze, Deutsche Gewhiihte von
tier Urteit bis iu den Karolingern I, Sluctgart 1894, S. 461 — 478. — C, Cipolla,
Per la itoria d'Italia e de' suoi conquistatort Hfl media ei'a piü aatieo, Bologna
1895- — Th. HodgltiD, /talv and her invaderi V. VI, Oxford 1895.
§ 243. Über die Ziigeliörigkeit der I^ngobarden zu den swebiadien
StSrnmen s. oben § 217. Wahrend die Jindera Stumme, welche sicli von
dem swebischen Urvolk an der milüeren Elbe abgezweigt, ihre Riditung nach
Soden und Südwesten genommen haben, haben sich die Langobarden nach
Nordwesten abgezweigt. Sie sind zuerst zum J. 5 n. Chr. belegt VcIIejus.
fler selbst den Feldzug des Tiberius mitgemacht hat, berichtet (II 106), da«»
nafh der Unterwerfung der Cliaud -fracti I^angobardi, gens ctiam Germana
feritatc ferodor»; dann erreichte Tiberius die Elbe und das Gebiet der Sanaen,
die Altmark (§ 217). Da die Chaud bis zur unteren Klbe gewohnt liaben,
bleibt für die Langobarden nur das Lüneburgische Gebiet (vielleicht mit Ein-
schluss des Wendlandes) übrig. Es kann dcmnadi nicht daran gc-zwcifclt
werden, dass ihr Stammland der mittelaherliclie lianim^'att gewesen ist, und
dass dieser den Namen des Volkes* bewahrt liat. Ihre Wohnsitze haben
aber ursprünglich über die Elbe hinObergereicht. Strabön (VII 290 f.) nennt
unter den swebischen Völkern, welche zu beiden Selten der Elbe wolmten,
die Langobarden und fügt hinzu: 'wv\ di xa< teX^uj^ elf t»/v 3t£Qa(ar
cvTol ye iK^xt^mhxaoi qitvyovtt^.^ Diese Flucht bezieht sich auf den Feld-
zug des Tiberius; im J, 6 hatten die Langobarden ihren Unkselbischen Wohn-
sitz gerflunat, um sich der römischen Herschaft zu entziehen, und es fehlt
an jeglichem Anhalt dafür, dass sie ihn spiLter etwa wieder eingenommen
hatteti. Der Fall liegt ebeni«) w'c bei den Semnen (§ 217 f.)- Ptolcmaios
ilX ti, 9) setzt sie zwar noch ins Lüneburgische, folgt damit aber lediglich
einer älteren Quelle. Tacitua {Germ. 40) behandelt sie, wie die Scnmen.
welche sich in der gleichen Lage befanden, mit Recht als einen rechtselbi-
sdicn Stamm.
Die Langobarden gehörten bis zum J. 17 n. Chr. zu dem grossen Reich
des Marobtjduus und traten damals zu der unter der Führung der Cherusci
stehenden Gruppe über (Tac, Ann. II 45), der sie noch im J. 47 zugehört
zu haben scheinen (ebd. XI 17). Ihre Volkszahl war, entsprechend ihrem
Wohnsitz, nur klein. Seit Tacitus {Genn. 40) ^-ird dies von allen Schrift-
stdlcm betont.
^ Langobarden ^ Lang-Barden ist ein episclies Ki>iti{mM[ura, wie IfermUH-
Duri, Ulme-Rugi, Beorht-Dene usw. Das altenglisch e Volksepns kennt die Lango-
barden imter dem Xamen Jcr Heado-Beardan. Barden ist also der eijjcntliche
Nan>e des Volkes gewciKa, uad diesen kennt die einheinuAcbe Oberlierening noch
ab den tüten Nurncn; vg}. Bardi Faul. Olac. III 19, £füapk. PoMtii Diac. and
Epitaph. Ansäe.
S 243. Ilire Wohnsitze im Lauenburgischen haben die laogobartlcn in
der zweiten H^fte des ]. Jahrhs. oder in der ersten des 2. Jhs. verlassen,
spätestens um ibo, iim an die Donau zu ziehen. Denn zum J. 107 oder
168 berichtet Petros Pairikios 6 {Jlii/. Gr. min. I 428), >5ri AayytfiäuAwr
xal X)ßitov iiaxiaj^tkuov "Iotqov nfQatai&Fvrmv , totv nr^l BfvSixa ijtztimv
i$tJLaoavTtov xnl , ek Ttavrekf} (pttyi}V ot ßd^ßagoi irßdjjorro. '£<?)' o/c,
OVIVJ nQu^ddatv Ir diEt xaramäyreg Ix ngcuTJ/c i^tjfFtQtjoewi: ol ßägßoQotf
TZQiaßtt^ nno(i AXÄiov Büanov ti)v Ilmovtav dtrjzovra arlkXovat, BaXXo-
fidqidv IC tiiv ßnoiXiii Mnfjxoftüri'wv xui hioovg Öixii xni f&vos hnXe^A-
fuvoi h^a. Kai &Qxotq rijv ffQijvtjv ni nQ^aßfii :ntöTOM(ifUvoi oTxade ya>oovaty.<
Zur Zeit des Markoinfuineiiknegcs sUuiden sie üIsü neben den Markomannen
an der Grenze von Pannonien, in Ungarn, in derselben Gegend, in der sie
spater wieder auftauchen. Dass diese L;mgobarden nicht bloss eine Aben-
teurcrschaar gewesen sind, sondern das ganze Volk damals hereiw, wenn
nicht an die Donau abgcri\ckt, so doch die niederelbischen Wohn^tze ver-
lassen halte, dafür spricht einmal die grosse Entfernung und zum andern der
Umstand, dass damals ihre ahen Südnarhbam, an die sie sich sicherlich
auch politisch anlehnten, die Semnen, walirschcinlich ebenfalU ilir Heimat-
land verlassen hatten (§ 219). Die Räumung von Ostdeutschland, welch«
im J. 5 n. Chr. mit der Preisgabe des Bardengaues und der Altmark begon-
nen halle, hatte alw> s],iatestcns um iijo auch für das cntsjjfcchcnde ost-
elbische Gebiet ihren Fortgang genommen und war im 3. Jahrh. wohl voll-
endet (§ 221), was im Gegensatz zu der herschendeii Ansicht, die Räu-
mung; sei erst im 6. Jahrh. erfolgt', ausdrücklich zu betonen ist Die I^n-
gobarden waren, als sie nach Ungarn zogen, einer Bewegung gefolgt, wel-
che alle östlichen gemianischen Stamme ergriffen hatte; auch die Burgun-
dcn, die Wandalen und Lugü finden wir zu jener Zeit an der Donau wieder.
>lier nennt die Langobarden, nach einer Jahrhundertc langen Pause, erst
Prokopios wieder. Nachdem sie ^87 Rugiland (an der Donau und Marcli)
nach dem Abzüge der Rugii besetzt hatten, zogen sie bald darauf in die
TheLssebene (Paulus Diac. I 19.20) und unter König Audwin «ieder nach
Pannonitn (ebd. I 22; Prok,, jDe ddlo Golth. III 33). Hier venüchtcten sie
unier Audwins Sohn Albwin im J. 567 die Gcpiden. 568 führte sie endlich
Albwin nach Italien, wo die Lombart/ei noch heule ihren Namen bewahrt hat
Ihre politische Selbstilndigkeit büssten sie 774 ein, als die Franken ihr Reich
eroberten. Entsprechend ihrer Minderzahl unter der einheimischen Bevölke-
rung Italiens sind sie alliurilitich rumanisicrt wurdcnf
» K. ÄfilllcnlioJf, ürutsfhf AUrrtumskundf II. Berlin 1887, S. lOJ f. —
• W. Brtickner, Dir Sfraffu- itrr Cangvbnrdm, Slrassbur|; 1895, bringt S. \t
— 14 ZeugniiW «Urilr bri, dn»» itic lan^banÜKhc Sprach« in SäditaJicn in der
zwcilen HiLlfte dn lo. jEÜirb«. ilurrb die itAÜeniaiche vcrdWlngt wonkf in Nord-
Italien aber noch um 1000 nidil uuagestorben war.
»
A.
^ 57.
a Dord. Z> £*>(• "" S'*- <C.
ndfrk. mt 898. — (icnn. a
^ uiglofn. (as.) f, vor Na-
mI>o 861—864. — Uo-
bclonlcK 1 ungtofn. (ns.) ^
£ 861. — -1 ontgenn. <
•ö 810. — -rt ninUch 817.
d biir^ml, 822, wgerm, 822.
916. 937. > AoglnfTS. (as.)
«, vor Nasal ö 861 — 8^4.
>ndlrk. oa 8()8.
Aacbtin, Dax Münster von 533.
Aaäag asttlaas AuTotna 836.
Aagedal. Der Bractnt von 286.
Aasgaardsiria 355. 360.
Abälaji]. 561.
Abmularirn 97.
Abel, Htttoa A. 307.
Abgvben 6. 17. 13&. 137.
138- 139. 140- '73. 177-
Abliacdliuigen 72, 7b, 92,94.
Absalon v. Rocsluldc 103.
V. Land 107.
Abschreiber 70.
Abicfawßnuipfonnela 335.
Abriebt 192. 193.
Abt. Kranx 597.
Abt Vogter 600.
atm liclt. 801 f.
äbjergd |8a.
Accenl, Dcu>Dung drr rntcu
-Silbe 760]. 788. 790.
AocentMcher Genani; ^59. g6o.
Aoxfllus (Zugeuing) SSi*'
Acht 184. 185. IQS — 197-
ail. 320, 221, heimliche
3 10.
Achtel n) I33. b) 156.
Achten 15.
Acker, EinieiltiDf; d«s 458 IT.
Ackerbau b«l d. alt, Nonll.
456 ff.
Ackerbau 755. 7S7— 7S9.
Achcrflur 13.
Ackerj.'erfltc bei d. alt. Nordl.
459.
Sachregister.
■cre» 31.
netto 125.
0//U.T 125,
> aä 21 4.
Adalhard v. Corbio 72.
Adan V. Bremen 234.
Adam von Fulda 580.
Adaui Kralft 544.
Adam von Su Victor 56 1.
Adaptiooiutiuii 244.
Adel 3. II. 130—133. 141.
144.
aäili 302.
Acltjpiioi) 159. 167,
advoeatia rcclesiae I48.
athnKOius 150.
»f >ofctBciin. £^1821 f.,>
bui^uitd. A S22, ^wgerm.
d S22.9i6.927,>-aii{;Iofrs.
(aB.)e,TorNaul>-ö86l —
864.
^detbirhl 69.
<ritrliHg 130.
AiAnXt^ 75.
jl^dcbtAn 74.
Ardui 778. 80s.
Acpdius 368.
^jili aur dem Clennooter
Kästchen 724.
.^ir 302.
akUtcap 163.
.^IfiM 69. 70. 74. 75.
Älfric 259.
alfttitu 356.
alpJodr'gt 137.
Aepfel, veijflDgende 375.
Acmtcr (ZCnltc) ijiord^tidteD
34- 35-
atiir 313.
.JEskil Magnu&son 108.
ai/9Hg 180.
AäiiDB 63 t. 705.
.^tla (Attila) 700.
atief ing 130. 159.
at 1^6.
dttarMt 157.
gitarfvlgja 371.
ättarfkiimm 1 59.
^/'v^ ac. 814.
rf-57.
rf/fcwf 300.
■aßn, hluKtnomeo 774f.> 800C
ajfratare 1 59,
afgarpisbyr I7I,
o/Ai.i 397.
afriltr 171.
a/skakarirt 331.
«/' 163.
AAervasalka B ff.
Agalbiaa 335.
AgDtr 343.
Af;f>bard 72.
A|ir«rvcrfBS«an|^ Deutsche^
12 ff.
Agticota, Alexander S79<
— , Joh. Krifdr. 598.
— , Martin 581.
Arrippa 74a-
Ahlc. Joh. Rud. 58S.
Abnenknlt 344.
■iMta 195.
HhUirt 195.
«»>-ac. rf=arn. i 843, >
as, rt cxlcr i 863 i. — a/
vnr Vokal, got. 816.
Aibünger, Job. Kaspar 600.
Aich. Artil v., Licderb. 581.
Aichinger, Greg. 588.
aiitn 215.
aigan 1 69,
"ofof 8 14.
atßßan j^L B16.
a//j 214.
aivuz cerm. B13 f.
Aken 897.
Aki OrlungatraiiMi 734,
Aklivbandd 4I,
Alai&iaKtc ^8. 207.
Alamajinen 880 f. 888. 908.
917- 933- 930— 934- 948,
Alanen 83t. 880. 903. 948.
AUrich II. 62.
Albancnci] 754.
AlbCTimyihuB 657. 670.
AlbcTi, Himrkh 588.
Alboin, Lieder über iho 630l
952
Sachregister.
^Vlbrtxht Dürft 547.
Albrcchwbcrgcr, Job, Georg
Albrechl v. Keraen&ten 640,
AlbcHch 681.
Akis 677,
Aldafattir 346.
Aldicn, Unfreie bei Lanj:o-
lunlen und Baiem, 4.
aidiiu 1 36.
Alemannen, ihr Anteil an
der Heldensage 685. 690.
6^1. 6g8. 703. 70B.
attvi gol. 780 f. 78&.
al/ablot 26D. 287. 385. 392.
Alfadir 346. 3''-
di/ar 200. 28b. 287 ff.
Alflitritiiar 287. 288. 322. 378.
älfkonur 2S6.
Alfrlkr 291.
Xlfrydull 288.
athi gut. 395.
Ali 337- 365.
elil'tntt 142.
Ailitcratioi) 79.
Allmeodc 3. 5. 10. II. 15,
16. 22. 26, 16g r. 45S.
AllmFtKleigvntuni 19.
Allm<!ndgnlnde 19.
almfnningr lo. 170.
alUh^jarpin^^ II3, 139.
Allu^iilcbeD in d. nord. Län-
dern 446 iL
cM/ i/i.
olvsknt 288.
Alp 268 ir. (AbleitnoB).
aip s. Elf.
Alp 286 ff.
All«? 774-
Alpea 19.
Alpbart 640. (>9i. 693. 693.
694.
Aipbere 707.
Alraunen, Alrunen 393,
Alsv^dr 380.
Altcnbcrg. Mich. 588.
olieiiKlUch 843.
AltfräiizÖ». VoUuepik 614.
AliFrld 235.
alirrto^Lscb s. KricKn.
aipin^e 154.
Alft'fr 391,
Altgi-Tmaiiiscbi: Götter 312 ff.
Aitniaik 873. 895. 897. 937
—929.
al tili L-derfrAnlci seh 862,
^tnnrdijich s. Skailiuuvrier.
alUik-liMKli 861^866.
Aludrenf^r 304.
Aivi-^ 359. 361-
Alvilr 722.
Amati 5S6.
Aituuroncs. goiitdie 369.
(tmbaht 139,
ambck^s kell. > genn. 787.
Amborri 778.
ambdtt 139.
Ambrica u. Fridita 68$,
Ambmn™ 805.
Ainbrosius 55&.
Anielj"*rvonTengUngeo 72I.
Amelung ligo.
Amelunge 696.
Animtlaiid 725.
Ammiantis Maic^lioui 334.
XV 9. 47«. XX 10 881.
Ammianus Marcellinua über
Kniinrricb 682,
Atnmiu« 683.
Aropbiktyonieen 249. 315.
319. 321. 814. 833. 831.
850. 907. 922 f.
Amnun 848 f.
jVnuivarü 867 — 869. 880.
902 — 906.
Amtmnnn 2t,
AmlsinslruktioncD 67. 68.
Anurten 780.
änaudigr 1 39-
Ancher ^3.
andbahts 139.
andeü 137-
atuUr Ott. 866.
AndbrimDiT 340.
Andri, Job. 599.
Andreas Scttlfllcr 549.
Andren» Siint-sson 1O2.
AndvnH 391. 297, 350.
aneladu.s 224.
Anerbenrecht 16,
annanc a) iSo. b] 193,
anevelte 179.
Angantyr 360. 266.
nngnria 36.
Angelmödde 864 f.
jVngcIn 830.856,881.931,923.
vVngcIsacbsen 64. 69. 74 — 77.
849. 860.
Angelsnchficn, älteste Quellen
der Heldciiiagc bei ihnen
637; eiiihnm. S^m 629;
StofT«^ (ISniscben Ursprung
639.
AngcUiLcbiüch s. Altengliub.
AnßtTOn 86q. 871.
Anßlcvarii B53.
Anglii s, Angeln.
Anglndünen 75.
Anglorriesen 811. 836 f. 842
—871. 881. Anglofriesisch-
nordgcrnun. Spracbclabeit
747. 809 f. Angto&ies.
Sprncfacinhcit 809 f. 843.
8f>l. KciuuccicticD anglo-
friestadierSpnchcSlO, 836.
843. 861 f. Angiofriei.
Sprachachicbt in Nd. 86 1 —
866.
Angrarii s. AngrivwiL
ango 223.
AngrbodA 304. 3' >. 347- 375-
Anhalt. BibliographicdcrQad-
len der Sitte a. des Brandu
Animucoii, Glov, 586.
anU-ttr 331.
Annalen, Quedliaburger 633,
635. 673. 685. 686, 691,
anrts 176.
AsKfi^ 71.
Ansiedlung JeuUchei Hud-
werker und Bergleute in
Schweden 34.
Ansicar 235.
Aiupiacbe 1S4.
Antbaib 814.
Antiphonen 557.
Anthropologie 340. 75o£ 755.
anlrusdo 167.
Anwcisungssptcme 44.
anrcortrr 2i i.
Anweisung 20,
-ajM, Flii«->n»men 774 f. 800
—802.
Aprelacbuk^-Sage, nonl. 7}0.
Apolhnius- u. Herborg-Säge
722. 734-
Apollinaris Sidonlus 623.
Aptur^ungur 265.
Aquitaaien 707.
ar 123.
■ar got, 7S0.
arrf^ kelt. 780.
nraIrtiM 170.
Aravlsd 780.
Arbeiter, land Wirtschaft]. IQ,
Arbeilerbewecung, niitteUltec*
liehe 30.
arbinum/a 158.
arbJQ I 58.
ArbogaKtis 906, 915.
lirbcrrn 135.
Amdelt 579.
Archäologie 53. 6a f.
— prähistorische 751 f. 770*
784—786. 790. 832,
arr/ist 192.
Ardascbtr 615.
Areraorid 77g f.
'Agti: 3H-
Argrivarü 807, 833. 867—
871, 880. 903, 909. 934 f.
irhang 387.
Aribo ScboUaticu 563.
Arier 756 — 758.
Arioviatu» 793—798. 931 1
934.
Aristokratie to. 11.
Aristoteles 'Hd. Nile IH 10.
773- 'fftf.JFM.IUi.TTJ.
'Aoxvvia 780. 783.
immlr. 387.
Aruieteute-&lalerei 553.
^^^^^^^^^^^^
Sachregister. 953 ^^^|
Annecier 754.
At((h)iiarü s. Chattuarii.
Bactmis silva 796. 806. 913. ^^^^|
Amenpßege 127. 137.
Auelnwetide 813$,
934' ^^^1
Armtlaiutini 880. 941.
au >< ostgema. Ö 821 T., ae.
Bad), Job. Christian (der Hai- ^^^^^H
Aiminiua biS.
Aisafn. (I843. 863, aji.
linderoder lenglischeBadii) ^^^^^|
jVnnlaitts u. Sii.'firidnge 613.
rip. () 862 f., au vor Vo-
594. ^^^1
6t8.
kal. ßoL 816. pot, -aa>
Bach, Christoph Fri«dr. $94. ^^^^1
Armorici ». Arcmorici.
Qord. -a 817. attj ostgerm.
— Fricdmann $94. ^^^^H
Arne B. v. SkAlholt ISO.
821 f., he», ou, t'i oder d
— Johann Sebastian 592 ff. ^^^^H
Aivifai 830.
916.
— Philipp Emanuel 594. ^^^^^|
ars äictiinJi 64. "3. 88.
Aubt-Ton im Huon de Bor-
Backemude 865. ^^^^H
■arvabol 157,
deaux 681.
Backhaus 14. ^^^^H
Ar\'akr 380.
AiiÄr 257 ff. 310.
b^U ^^^H
' Arvcrni 778. 795. 805.
Auttotnla 30t. 376.
Biulcn. Bibliofpraphic der ^^^^^|
AsR-Porr 354.
AcdvAldi 31t.
(^clIcQ der Sitte und des ^^^^^|
Asrlicnbr'kWlmotiv in der
-auft i>06.
Brauchs gl 5. ^^^^|
Kudnio 718.
Auflurftung, kanntlkbe 30.
badmr 816. ^^^^^H
' Anriyyof, Asdinti 6*8.
Auflialtvn 231.
Banluhenna 374. ^^^^^|
Aiega 205.
AuOassitng t86. 187. 190.
Bodubild ^^^^1
Ase^a. alU'rics. 399.
AufLnigung 8.
Baedu I 15. S$2. 8s4.8$6f. ^^^H
Äsen 313. 346.
Augcfrwius 832.
859. V 9 und 11 869. ^^^^1
Aitltttii 57. 75.
Augoo 766.
Homilie ^^^^H
vVsEiiÄ 345. 378.
Augsbtiri;, dt-r Dom von 537.
batkir 113. 114. 115. ^^^^H
MV 378-
Auf^tua, Chorographie 743.
B&nkclungerer 366. ^^^^H
Aslufnia 294.
Politik 742. 928 r. 941'
Bänna&n, Hcinr. Jos. 604. ^^^^^|
Askr Y;;g<inisi] 379.
946.
hagms got. 816. ^^^^^|
Aslaue 661.
Anlerct 779. 805.
Bardo r, Mainz, Urkunde 3. ^^H
A»p(iHiaD 730,
Aun V. Schweden 337.
fi5S< ■
AspriJin 720.
Anrboda 303.
Baicm 773. 881. 947. ^H
Assibilicnuii: s, Mouilliening.
Aurgcbnir 37Ö.
iaih'f 21. ^H
asulniJs 8 3h.
Auriuuandahu 733.
Bajocaisea 7fl4. ^H
atyi'orufprr 216.
Aurrtindill 36O.
BfljoGSJsirü 8S9. ^H
Asyli*cht 131.
Aurt-aitdill-Mylhna derSnorra
BeJfiot 77^- 81$. 835. ^H
dsynjur 313.
Edda 733.'
BatvoKalfim 778. 835, ^^M
at Uni 13.
Acrvandits ti 731. 733.
ßatitj thrak. 763. ^H
at -inrictu 13.
attrkoMuttffr 350.
Bakalar (Becfacl&ren) 701. ^M
atchramjan 185-
aarom 375.
boMarf t59. ^^^^H
AtcrgAngarc 265.
aNttttrtg^ got. 826.
Bai&mbcr. hunn. KOnig 6B3. ^^^^^|
alfathumjan 159.
Ausbau (kr DOrfcr 1. 18.
327. ^^^^1
atf^r 221. 222.
mtspkia 400. 403.
Bal(lr«hmur 335. ^^^^^|
Atgcir 720.
Austng a) 138. b) 210.
BaldirrabK'iid 337. ^^^^H
afia-Ihy I71.
Auströ 374. , KaldrSll. 323~-327- 3S»— ^^^H
a^Utonu I (9 1 ,
AiiMflgt 73. 97. 108. III., 352.379. ^^^H
apiitng 130.
11$. önUiar 101. 109, ^^H
AÜuU 823.
Autcbaniis, Kartmann» Va- ' Kiillnde vnn der scbOo«a ^^|
Athalaridi 63.
iäXl 61 J,
Meercrin 643. 710. ^^|
mtkelby JO.
Authari, Kfiaif; 73a.
Balladen 643. ^H
Aththa a£n, 816.
Aulhcntjüdie Tonarten, Dl«
K-tlktfa 735. ^H
A^eh (Sumacra), vullumm).
vier 55g.
Ballspiel, bei d. alten Noidl. ^H
KpoR 614.
Autonomie 11. 3$. 73. 78.
4S>fl'. H
Atlamül 370.
79. 80. 83. 83. 86—88.
Baltram ti, Sinlnun, Schw«- ^H
Aüi 3i>9. 357- (AtdU) 700.
104. 10&. 112. ii6r. 134,
zer Volkssagr 679. ^H
aimallSn 2 1 1 .
126, 171. ba» 133. 150. 134. ^H
df/a gol., U//0 abd. 816.
Auvma 836.
bantbote 157. ^H
AttandAlAnd 83 1.
•ava kcit. 802.
bani 307. ^H
AltiU,gcschichiliclH'Sbi9,lo-
A^MQXOl S2§. 851.
Bann 145. I4'>. 148. 154. ^H
kaliüiert in Susat, in Eue-
AvCTtrod 720.
187. 300. 213. 221. ^H
lenburg 669, über den Na-
Arianes 850.
bannan 2I3> ^^|
men 700, A's Tod, episch«
Avtim-vlai 156.
bant ^H
histoT. Sage ^S9r A. als
Awaren 947.
Bantbaib 814, ^H
Bindeglied zwischen Nibft-
BarbariMiSa, Friedrich 347. ^H
luQgeaaageu. Dieiricb&ag«
_ BarbicT 334. ^H
**' 1 Bordtn 858. 949. ^H
703, Verbindung mit Ri*
diger u. Dietrich 703. S.
A aiultd. ^osl4<vrni. /83I f. , Bardcagau 949. ^^
auch Eitel, KiieUage 816.
interrokalisch ndfrk, ge-
bargiUian 135.
"Atttorot 813.
•diwuiidea S98.
barut&i 415.
1
954
SAaiREniSTER.
Bnrock^csrhniiicl;, ModirmcT in
Difulwlil. 54<>.
Bamckstil, GotJAcber 543.
baranrs 13 z.
barones mA)ores, im alteo
England 9.
BuTCDf^cld 45.
fiErr>-, Sir Chatlea 550.
barschalM 138.
barjtl 415.
£ut der Nordlander 443,
BartboIcmKituicl] L 277.
BartliolaiRBeus Zeitbtom 547.
Bartsch, ilb, c. mccklcoburK.
VoütMgc 710.
Buken 753.
fiulernen 7&0. 791. Sio. dao.
832 f. 923.
Bastian 240.
Baiavi 801— Hqj. ^23,
BaUviÄ 798 I. 804. 876—884.
BattericfcbloM ( 1640 in Fraolt-
retcb) 338.
bcheät (gepolAiene Müue)
124.
bauan got. 81 6.
BaudeniunJUcr, Golisdic542 ti.
ßiuenncütrr 146, 171.
Biiucni 6. II. 12. 3t. 78.
101. 134. )35. 137, 138.
140. 151. 153. 169, 171.
'77.
BaucniKiilcT S-
Baaerabore 21.
Bauernland 21.
Bauenücricge 7.
Baucmscluirt, Die in Skandi«
navicn 1 1 ,
Bauernstand, bei dm alten
Gmnaneo 6. 7.
Biiii(;ewi-rbc 30.
Baue' 344.
baugpak 30 (.
Bauband werker, Ausbilduag
der 542.
Bauhütten 88. 166.
bat*m, wgcnn. 8 1 6.
Biuim, VcrthniiiE dcs&dben
bei dcQ GcnnancD 386.
596 ff.
Bflumeisler, der rie«»cbe, Dä-
mon 351.
Baustil, Der romanische in
Frankrctcb 541.
Rauten, Hcrvomiifcnde des
II., 13.. 13. Jabrh. 536^.
Bayern, Rihliiipapbir der
Quelltn der Sitte nnd des
Brauchs f)i4.
Bayrische Zither 572.
Bau 833.
Beadobitd 723. 736.
Bcunic 3S> 133 — 135. 136.
127. 130. 131 f. i33f. 140.
Hif. US- 146. 307/.
Beaibntrr 70 f. 76. 97.
Beoca 686.
BccbdArcn 701,
bccktlhüht 225.
Becker, Karl Ford. 601.
Beda s. Baeda.
btddrmuHii 140.
bfdt 17. 36. 135.
Bctr L. 718.
Bectbowo 596, 599. 600.
602 ff.
hefdn :8o.
Berreiung, v. d. Lasten der
UnTrciheit in England Jl.
B^ar. Rrinbold $51.
Bq^adiping 146. 199.
B^Tibnisgebränche des skan*
dioav. Nordens 41t. 426 ff.
beheftuHgt 189.
B^beini 1. Bi'ihnieii.
Bebeirn, Mich. ^80.
Beichte, Essener 863.
Bddcnbander 227.
Beispnichsrechl 3. 158. 172.
Bckem 865.
hetijitrgj^ 162. 419.
Reiiagerungen 335 ff.
bflaginei 57,
Bcigae 73<»- 770. 772 f. 783.
798—801. 805.
Belgien, Blbliägraphie der
gellen der Sitte und des
Bnanitlib 533.
Bell 331.
Benda. Georg 598.
Benedictus l.evi|a 71,
beneßtium 178.
Bcnefiiicn 4. 5. 17.
Benevent (><). 135.
Beorhldene 949.
Bcomice 854.
Beowa-Mylhiiii, Grundlage d,
Beowulfepäü 628, Inhalt
64$. Erweiterungen 646,
Lokalisicrjni; in Wiltshire
650.
Bvowan bani 650.
Btewiilf 235. 301—303. B.,
eini.- historische Persönlich,
kdl 647. 746.
Beou-ulfcpos, Sinff 638.
BeMWulAieil, durch das Chri*
»[«nium beeinflusst 630,
Beowul fsagc, Inhalt 644 ff.
Kampfmit Grendel, Kampf
mit (Lern Urachcn 644,
Schwimcnwettkampf mit
Brcca645, Rcowa-Mytb\ti
645, Scfaif (145, Scyld.
Schling 645, Mythus von
(Sctaf) - Scyld • Biiaw ein
fortschreitender Ku] larray-
thu!.645,Katunnythus646,
B.*Sage bei d. engt. StSm-
men au<.gebitdet, otcht
skandin.TTaditinnentaiat&-
raend 648. Hiaior. Est-
wickelang derB.-Sage6$o.
Anabildung bei den Angeln
650. Namen aus der B.-
Sage im Libcr Viu« r.Dm-
ham 651.
htrxfrit 335.
Berchtutig von Meran 673 —
75, Berhttr in derKother-
sage 731.
bercteiding 78.
Bero Wisselauwe, vu 637.
berginii 308,
bfrgHanr 308.
Betigclmtr 577.
Bergen, ab alleiniger SupeU
platz nir alle I&landfahrer
43.
Bcrger, Ludw. 604,
bergjarl 309.
BergkuJt 387,
BergmiJinlcin, Bc^ff In Ax
Mythologie 290.
Bergrecht 31, 83. 176.
Bergregal 31.
Itfrgrisi. altnord. 30O.
BeigwtTkc 30 ff.
bfrieldan 135.
Rmi-Rnnn 695.
Bern irre 696.
ßcme =: Verona 690.
Bernhard v. Clairvaux $61.
Bemida, -/ 854 f.
Bemlef 638,
Bemo von Keichenau 563.
BeBcTtcrsagen 275,
bersrrkir 373,
Bcrtba 380.
Bescliwnnirigslbrmel 344.
beseiten 231.
Betet2ung d. at3dt. Ämter L
Engl. 33.
Bcsicdcluog des Landes 2. 7.
B<.-siu, bluerüdicr m nonnan-
ntacher Zeit 21.
— 175 f- 179 f. »86. tS8.
216.
Besilieinweisung 128.
Besömmenui4{ des Brachfeldes
18.
Bcstftrkiing 1S9.
Bestatuinc 130—132.
Besteuerung 8.
Bnthnupl 16. 17.
beilhpuhet 14O,
Re&lia 376.
Brtasii 739.
Ar/f 153.
Betonung s. Accent.
Beiriebsgeaossenscbafi 15. 1 6,
iS.
Bellen der Nordländer 450.
Betave 881 f. S93.
^^^^^^^^
Sachregister. q55
Denndcn 15. 16.
Bobio, Jonas von 334.
Botelunc 70Q.
Beute 176.
börtanä 7. 8. 9.
Brtih 335.
BerAlkcTuOKscenireii 34.
i^ 451.
Uott 921.
iaouldun^ 163. 185.
Bodennutruog 18.
Botschaftaxricbea 305.
Beweis 180. 311.
Bodenrente 7.
Bot» 335- 3»7-
Bewidmung 79. 80.
Bodenscbatx, Erb. $86.
Biacteat von ^Vagcdal 286,
bfwhffi 317,
Bodn 344.
Bncbe 33.
bttalfr 181.
Hi^dvair Bjarkt, Sage von 649.
bragar/ull 394. 452.
Bezirke 81. 133 — 127. 154.
Bv^lnldr 723. 726.
BragnrorduT %(tb.
169. 303. 207.
BOcklin, Arnold 553.
Brsgi, Skiildr 334.
ingrke rert 106. 136. 15O.
Bfigc-n 367.
Bragi 365. 366. j
bixrkßa ratUr III. 136,
B^litnrn, BiblkigrApbie der
Brandenbuii:, •ei 873, 895«
Bibei, Heior. Fruu v, 588,
Quellen d>rr Sitte und des
897-899. ;|
Bibliugraphie 53 f.
Bniurlis 510.
Bninüenbuf]^ Bibliogr,d.Qui^
Bicco 681!,
Böhmen 77:^. 778. 794 f. 920,
kn der Sitte u. d, Brauchs
Bieneo 176.
944—947.
5'9.
Bicnetuucbt 30.
b^arr/trnn 1 26,
berjankipan tl6,
ÄflV 136.
brander fä I85. \
Bieibrauctei, Eacwiddung dei
Braut. Jobst. %%^.
21.
Brauhaus 14.
bürgrItifH 185.
bofiwan friei, 291,
Braunschweiu, Bibliographie
bi/ang ii) 133. b) 170.
Bncthiu!, 556.
der QufUen der Siiic tmd
•biki 863.
Bi'iKcnwoll, BexeicbnuDg des
des Brauch» 519.
Bikka, Bikki 684. 686.
WcTwoir* in WeitfalcQ o.
Braut werbuDgssagen 730 fr.
Bildende Kunst, ticscbichtc
Hc*sen 373.
Btaval Uschiacht, Lied von
der dcutsdien und enj{U-
bogatkot 653.
der 7 10.
scbeo 551 IT.
Bogcnschi essen bei d. alten
braj^l 335,
BUderhiiRLl»chxtften 61. 90.
Nordl. 452.
Brcca 643.
lUhlr 336.
Bo£uphalu$, Chrnnik de« 704.
Brechung, anglofrs. (as.) 86l
biUiiii 57.
Boji 77 t (. 778 f. 788. 79a
—864.
BLllun^<M-hc Mark 873. 895 T.
—794. 798. 805. 921.945-
brr/abrfit 2O0.
Bilfikirnir 358.
BojnbAeniuin 7/3. 77^- 946.
Urtg&^li'i 145-
b^Uughtr 57. 195.
bSkingr 160.
Breiöahlik 335. 378.
Hhris. Ableitung 373 ff.
btkland 189.
Brcilhui 333.
Binx, G. 635.
bifhis 189.
Bremen, Hibliugnpbir der ^^^^_
Bii^ir Jorl 1 1 0.
bol iit;. 170.
Quellen der Sittr und des ^^^^H
Birgbir MagnusMvn 108.
boldbreng J63.
Brauch» ^^^^|
Birghir Ptnson 108. '
bohaflt 382.
— Adam voo 234, ^^^^H
birkething 1 1 ,
Bolvcrkr 344.
Bremer ^^^^H
Bischofssi&dle 34. 25.
Bomfaate 575.
Brennalter ^^^^H
K«cl*r«uljo(t 373.
bindf 135.
BrennwirtxchaA 19. ^^^^^|
Blterolf 639. 703-
bpHHfrf 213.
Brennjccitalter 427 ff. ^^^^H
Biturigca 778.
Bonifatius, Briefe des 335,
Bretupiel 4S3R^' ^^^^|
bivia 259.
Bonington. Kicberd PÜkcs
Breviorinm ^^^^^^|
biii u. 863.
5H-
Bricteri s. Bnicteri. ^^^^H
bjarkry 136.
bAnorä 418.
Bride ^^^^|
bjarkeyjar rjltr 115, 116,
boei (Hufe) 33.
Brief« des Bonifatios 334. ^^^^H
136.
Bor 346.
Briegel 589. ^^^^H
Bjarni^ Mardvioa 114. 117.
Borabtni 886, 903.
Brigantes 784. ^^^^|
BjCTgfolk 390.
bordartui 134.
Brigit 787> ^^^H
Bjerginand 290.
borgara rjitr M7,
brimwylf ^^^^H
Bloedcl 700.
borgarar 151,
Btisingamen 318. 353. 37>^' ^^^^|
BUsinstnimente 574 IT.
borgen 181.
685. ^^^H
Bleda 619. 7*w-
Borduni, Faustina 590.
Britiannten, Briltcn 783, 855, ^^^^^H
Blidt^ 325-
B«rKarl>inK 114.
8S9 ^^H
Blocksberg 277.
B«)ri:ArK|>iiit>!4t>'^k 114, il6.
BritoUgac 780. ^^^^H
BIAmstrvalU&saCa 637.
ßorguml 8 1 8 f.
brj4ir 307. ^^^^1
bUtAus 394.
borh 182.
hre<kelibtrg 377, ^^^^1
bUtipon fiila alte 400. 401.
Borkum 903.
BriK-ksberg 277. ^^^^H
hühMiila 394-
Borobolm StSf.
Broilcruft 68$. ^^^^H
BhtmtTit 822.
Borr 376.
Broiuex«it •». ArcbSoIc^ie. ^^^^^H
Bhnnengrar 368.
Bortbnh 904.
Brown, Lord Madox 554. ^^^^H
Blutrache. «Itgcnuanistiie 265.
Borwtuarii 869. 904. 942.
browHÜ ^^^^^1
BluUbrädersc)«tfi»-n, bei den
Bcrytthtws 78 1.
Brück. Arnold v. $82. ^^^^|
itkandin»v. VäJkem 4I7-
boskifilt 196.
Bnicteri 868 f. 880. 889 f ^^^H
bwiy tlitrbwcd. 8t6.
iäta 199.
903—907. 910. 933- 94'- ^^^H
1
^■^H
i^^n^^^H
95Ö
Sachregister. |
btttäg^HMfi 419.
— 825. 880. 923. 932.
801. 807. 878. S84. 4 772- H
^^^^H
bniählaup 419.
948. 950.
774. 797 f. ö 797. 7 797. ■
^^^^H
hniJkaup 419.
— Überlieferung über ihre
P 797- 'o 795 f- 798. 12. ■
^^^^H
briidr 419.
Vernichtung 621; als Her-
797- J-* 797- 'S 797. 'ff ■
^^^^H
Bnunel, Actoine 579.
ren des Nibelungenhortes
878. t8 878 r. r 7; 783. ■
^^^^H
brunayld 427.
66 1 : Verbindung Walthen
j^ 770. r/.' 73g. 10 79«. ■
^^^^H
BranhiM 657.
V. Aquilanien mit ihseo
806. 934. 2J 796. JJ77'- H
^^^^H
Bninhildonbctt 655,
706.
807. 34 736. 777 r. 788. ■
^^^^H
brütgti ^' 8z6.
fioi^ndcnsage, hislor. mit
794. 798 f. iS 778- 796. ■
^^^^H
brinJ6 got* ^i^-
derSigfridssagc vcrschmol-
29 796- J^ 739- öJ. 797. ■
^^^^H
Bninnentiolde 278.
«cn 659.
r//6s 879. r///jr5 770. ■
^^^^H
brulsl/arn 165.
Burgundf.ones 832.
797. 799- 3» 797- H
^^^^H
Brjnhild 358,
BurguDp 787.
Caesar von HelslertMch l}6. ^^
^^^^H
brysiarf 159,
Buigunzione« 880.
Caeroses 739. ^M
^^^^H
hü. irül scbwed. 816.
burfi 31.
Catdara 597- H
^^^^H
biia aisi., Mian m., 6üin ahd.
burh^rmöt 1 26.
caltt, kelt >■ germ. 787. H
^^^^1
816.
burhgrmot 31,
Ca]etoiig&, kell. ^ germ. 787. ^|
^^^^H
Budilaiul 7. 8.
burgerifa 1 26,
Calnsiui. Setb 583. ^M
^^^^H
Budnobontcs 93 j.
burhimiru 3 >•
Camail 226. ^^^H
^^^^H
hädinc 211.
Buri 376. 931. 937'
Camari 880. ^^^H
^^^^H
Budii 700.
Buritbard v. Worm* 79. 81.
cautt ^^^^H
^^^^H
BUndtiissc 82—84.
bürschaft 136.
CanncncfÄlcf876f. 883 — 884.^^™
^^^^H
Buggc, S., iib, fremden Ein.
bürsprakf 80.
891—893- ^^H
^^^^H
(tnsa auf die Heldensage
BuBcbfraucn 294.
capilula 65. ^^^^H
^^^^H
6i2,wea(^e[nian, Ursprung
buSf, scbwcd. 292.
(apüutare de vHtt't T4. ^^^^^|
^^^^H
der nard. NibelDnuiensage
bHsemand d&n.
{'nntara ^^^^H
^^^^H
6j2, über einzelne Sagen
büteman 292.
CnriKtimi, Giac 586. ^^^^H
^^^^H
673- 675- 077.
Bnslubocn 405.
carmimi dtabolh'O 334- ^^^^^|
^^^^H
Bugge's Mtfthodtf 245,. 146.
Bnsvcn 64. 131. 132. "36.
Camules 778- ^^^^H
^^^^^
Buksbire-Sa^ von W^iyUnd*
138. 157. 15«. 159, 199 f.
Ciirpi 780. ^^^^H
^^F
Smith 715. 727.
ßussurdnuRgen 23J.
Carstens, Jacob Asmus 55a. ^|
^^B
Bulluter 308.
ßvgjiavfc 903.
carta mercaiorta (1303.} 4a. ^|
^^B
Bulle, goldcnv 85.
b&tg^il 140.
Carla 1S9. ^|
^^^
Biillerkater 292.
ButciL 16.
cartularmi 137. ^M
^^P
biimjfdr 14O,
butil 213.
•casffs. -caui = -tappi^ lulL ^|
^^B
Buudbi^detschüft 16; f.
BuUcmann 29 z.
784- 9<6. ■
^^P
Bun<1eual/un(;(>n 81. 153.
Buxtcbudc. Dietrich 588.
Casaiudor 63. 64. 623. ^H
^^f
ButuletistaateD l 13. 124.
byaritf 10.
Casiiu!!, Dio 369. ^^^H
f
Buodell 730.
byg<t 135.
castfUanus I26. ^^^^H
1
buoia 1 99.
Burcana 903.
bykjeelUng 308.
ByU-iplr 311. 348. 382.
Ciauatü s. Chasuarü. ^^^^|
CatalaoniKhe Ebene, Schladbt'^^^H
Anreöann i 26.
Byleistr 311. 348.
H
bun-^rtht 126.
b^fing 126.
CAlfJa 222 ^H
Burdiurl, von Worms 253,
byr 125.
ra/n, kdi. cCgerm. 787. ^|
«59. 272. 275. 284.
byrig 31.
Catunldn 8 10. 94 1. H
bitrsr 126.
Ätr/ 173.
Cntuni&ros, kell. >■ germ. 787. ^|
burtrfiht 178.
b^tkeip 270.
Caturlgs, kell, > germ. 787. H
Bualiiri s. Bnicteri.
bything 292.
Catuvoln». kelt. > getm. 78*. H
bnrcuridr T26.
cautbr-tMor, Ableitung von ^M
Bunltng 171.
■
Burg 126.
c.
Caud 784. ^H
Burgen 24.
Couleliijuriiprudenx 59, 64. ^H
1'
burger 126. 135.
Cwloviua MdllfT 807. 847.
Celle 862. 86$. ^^^H
Bürger 126. 13; f.
C-RfMir, Ä 0. 234. 742. 793.
Ccnomani 778 f. ^^^^H
Bür^rrecbt 36.
— /' 770-795-797- 799.
mtsuaUs t^O, ^^^^^H
BCli^ertum, Freies 6,
2793- J793. J793f. 799.
(nttena 132. ^H
BurggraEcn 25, 31.
37 793. -'-^ 799. ^9 799.
ifnlfHorms 133. 12$. 205. ^^^H
1
Burggrafschaft 126. 153.
31 79Sf. 798. 33 795-
^^^^1
1
Bu^k. Joach. v. 583.
3S 795- JÖ 795- 31 79* f.
errtritti ^^^^H
Bingrtcbt 25. a) 83. 107.
40 797. <i 795- 44 795-
(^Mfl. altsl. 836. ^^H
'
b) 131.
798. j/ 796. 919- 934-
Cbaibonn 834. ^^^H
BdrgKbariiSz. 184.185.186.
946. 53 794- S4 796 f-
Xaibuvoi 79 ' . 830. 839. ^^^B
'
Buq^uid 818 r.
878. //j 739. 772 f. 783.
Xalßot 825. 8S3. 890. ^1
',
Burgunder!, burgundisch 51.
/5 770- ■'.0793- liliniiy.
Xiü.ovöOi noTOfto^ 718. ^H
62 f. 784. 810. 818 r. 821
jy j 796 r. j 770 f. 796,
Cbsmavi 825. 858. 868 C H
k
^^^^^1
^^^I^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^H
Sachregister.
^^1
880 f. S8S— S91. 893 f,
f/ojisnra 1 70.
^^1
903 f. g09 f. 923.
Clavichord 572.
^^^1
champjvfic 217.
claviger 127,
Choral 13O.
Clertnonler Runenkiistchen
dvtucj oftigcnn. inouilliert und ^^^^^|
Cbanrkh 887 f,
626. 723. 724. 725.
^«631. interrakaÜKb >-y ^^^^H
ClumidM 796. 804. 818. S30.
CLutoil^, kelt. > gen». 787.
897. ^^^^1
840. 934. cnJorii igä.
ä Busltd. ^ Mtgerm. / 821 f. ^^^^H
Cbasuahi S33. 868 1'. 880. , CotUnus smus 845.
Dad 754, ^^^^1
903. 908 — 910, 914. 932. c^tmist'Aen, Die c. Hufen 13.
dadsüas 353. 254 ff. ^^^^H
CbaUcD 784. 798. 812. 868 Coistobod 780.
Daedslus 729. ^^^^1
—870. 876—878. 881. L-9lloqNmm I48.
Dimoncn 250 ff. 398—308. ^^^^|
SBsf. 892 f. 908—916. comrs 123. 1x4. 1*5. pala-
BexeicbnaDg und Auftreten ^^^^^|
923 f. 926. 932. fit 309. palatiniis 152.
der ^^^^1
Clutnuirii 868 f. 876 f. 880 r. 2Dg.
DltnoDcng^ube 343. 343 ff. ^^^^H
892 — 894. 907. 915 f. comitatui 123.
^^H
Ch&ud 784. 843 — 846. 857 commonfaHd 7. 8.
Dinioocnkult 242. ^^^^^|
—859. 861. 866—871.
comri aciO'vMS 368.
DSmonculcbrc, grmtsDische ^^^^^|
880 r. 903- 909* 9>4> 9*i.
campart 1 8.
^^^1
9»9.
rampattlto 1 99,
Dämon« nniythen 242, ^^^^^H
fhatifrein 227«
Concentrsi-be Mdudie 559.
DäntrLig 838. ^^^^|
Xaiißoi 889. 903.
Concentus 556. 557 fi;
D&nemntk, Rthliographie der ^^^^^|
Cheirnnoniie 558,
comtlium 74. 75. 104. 139.
QucUen der Sitte und des ^^^^^|
CheruscJ 806 f. 853. 867—
coneiVfS 135*
Braiichs ^^^^^|
—871. 907. 913 r, 923— Condrusi 739.
Dänen 74. 103 — 107, 133.123. ^^^^1
9S5. 919- 934. 939f 949-
lottjurationts 79.
— 828—830.833—841.849. ^^^H
Cbildebcrt I 65.
Cotu-iiii> 5 z,
853. Diniscb« Mundanen ^^^^|
Chi]p«rich 620.
comacramentaUs 215,
837- ^^H
Cblndaninih 62.
CoD&DLiüo Cunti 77.
Däniichc Lieder aus der Mi- ^^^^H
Cblodowecb 630. 623. 672. Constablc, John 554.
belungcDbage 634. 637. ^^^^H
Chtodorcch I. 65. contuks 126. 153, 208.
dagevxnhte (-it^rde, skatkj ^^^^^|
Chlodwig 887 f. 917. [convivium 166.
^^^^1
Cbloßio 886 f.
copyhcids 9.
Da(j;)ilA 822. ^^^H
Cblotbar I. 6;. II. 67.
CoreJIi, Arcuif^lo 586.
Dagmar 787, ^^^^^|
ChocbiUicus = Hygcbc 630.
Cornelius, Peter von 552.
Dagobert ^^^^^|
647. ' corsnid 219.
DagomSros keU.^germ. 787, ^^^^^|
Cbormusik, e\-aii|relUclie6oi ff.
Corvc)- 864. 866.
Daj^ 310. ^^^^H
Chptnviirit 880.
eoting 399.
dagvtrdr 447« ^^^^^H
Chiistcarc^htc 113. 115. 116.
Cotini 772. 778,
Datnasiu 361. ^^^^H
118. 120.
CdCo, Johannes 563.
Danap<r ^^^^^|
Christeotum, das, aotcrbricbt
cotsflla 134. ij8. 178.
dänarfi ^^^^^H
d. Eotwickdung des Hei-
couri leet 32.
Danaster 781. ^^^^^H
dcnsanges 630, klo Ein.
Cowcrzen 4g.
^^^^H
BuSB auf tjie Wictieigrbuit
cra/ts (Handwcrkcrgiklen) 33.
Dankrich 787, ^^^^H
des Ep'os 638,
Cramcr, Joh. Bapt, 6O4.
danthtif 104. ^^^^^H
Christof Kßn. loj. 106. lll.
CiAne, Walter 554.
Dankwart 669, ^^^^^|
Cbranicun Xovalk'ieiuie 709.
CthepslinivATÜ 880.
dünfu) kelt, ^^^^|
Chrotia 570—571.
Criemhilt 665,
DatiuviiLs ^^^^^1
cbtboms^ic Goubeiten 260.
Crinsiani 880.
DarslelluaKcn, bildliche 626r. ^^^^^|
261. 379.
Croft, Will. 593.
Darum, lirakteat von S36. ^^^^^|
Cbundcti 15.
cro-wd, mß!, (Fiedet) 572.
Aavxicovf-i i^o. ^^^^^H
chunnat 72.
Ciflger, Joh. 588.
David, Fcrd. 604. ^^^H
Cbumin 71g.
Cnbemi s. CugcroL.
goC. ^^^^1
CikoODne 585,
Cugerni 884.
Dea Garniangablt 374.. ^^^^^|
Cicero, Ep. ad Atticum XIV
Cuodrun 719.
Dea Horiasa 374. ^^^^^|
to 878.
cuning 144.
Dea HjLnmella 374. ^^^^H
Cicsburc 315.
curia 86. 148,
Dea Vagdavcrcuatis 374. ^^^^H
Ciesdoc 339.
Cunornftroi, kdt. >gcrTn. 787.
decan»! ^^^^^^k
Cimberios 797.
Cur»chmann. K.arl Fricdr. 597.
Dccomtcd Stile 543. ^^^^H
Cinibri 792 1. 844. 857. 903.
curtis, damiittca salica 14.
drfu-m (Abgabe) ^^^^|
922. 929. 935-
CuvitUi 549,
Deich, und Sitrlverbafid 127. ^^^^^|
Citbara 570.
cvide 160.
Dein, 854 ^^^^H
ettres 126.
cytttng (cyne} 144.
Delling ^^^^H
eivitoquium 80.
Cyuuari 314, 515.
demtine (SalUnd) 21, ^^^^^|
eivt'tas 125. 136.
C^erny, Karl 604.
Demokratisierung 36. ^^|
«/aiM 180.
Dena Utgu 75, 132. ^f
1
958
Sacureoistek.
Denare 44 ff. Dcoanyitcmc
45 ff.
ifttanatio 137.
DenkmlUcr der FrUhgotik in
England 543.
Denkmäler 57,
Diors Klage 628. 691. 713.
7=i- 725.
Dcre 854.
Dcspc 774 f.
Des Pr&t, J(»qum 579.
Deus Rm^ualiv^ihuius 353.
Deutsch. BegriR" 736—738-
gii r S76, KationaliUlt,
Volkstum 737 f. 764. 767 f.
803, S06. 81 1 r. 850. 87z f.
875r. 888.895. R^'»« 766 f-
Deutsch« Sl. 55,
Dmil>dt«ospicgcl 91.
DeutHcblaml (Ncird-u.MKtcl-)i
BibUogniphic der ijiiellt^n
der Sitte n. dwBrauch» 514.
Diakoniu, Paulus 334. 269,
Dialogus Mimcidonim »36.
DiaplKimA 5(12.
Dttükopf, Name für ZwCTgl^O.
DtclKerniel 344—345-
Dichtung, pcistUclic \n Kon-
kurrent mit dt-m HelJen-
gesane 635-
Dichtung V. Kannpfe Sigfiids
Q. Dietrichs 670.
Dickprenoitfr, scblraisdie 45.
Dicttstc6. 134. 136. 137. 139.
140. 177. '"9.
DieiisUdcl 4.
DiensiltorkeiteD 177.
Dienstgut 17. 179.
Di«nstlehen 17.
Dienstmanncn 4. 35. 1 35>
140 f. isi. 153.
Dienstpflicht, Persönliche 8.
Dicnstrwlit 86.
Dterik Byuta 546.
Dies V'cncris 369.
I^cther 693.
DieÜcib-SBge, Kern det alten
Sage nach Jiriciek 695.
Dietrich als PerBoneoname
690. 787.
Dietrich der Amelnng 696.
Dietrich der TtäKer eine»
Zwergen- oder Elbenmlr-
cbeDS 699.
IXetrichs Flucht 640. 691 f.
Dietrichs Kampf m. d. Wun-
derer 640. 697.
Dietrich u. Wflnerlan 640.
702.
Dietrich von Bern in Sage
u. Geschichte 615, in der
Nibeluogeasage 665.
Dietrich von Bem-Sage, bislo-
riscb in ihrem Kern 6£l.
ZIteitc Form 629, ihre Be-
liebtheil 63 s, Quellen &39,
Geschichtliche Grundlage
689, Abweichung von der
Ueschichtc <>89. 30jahr.
Daact der Landflucht 690.
Exilsai;« auf der eptscben
Üherlieferang von Theci-
dorichs Jugendgeiichichte 1
aufgebaut 690. fiegncrschaft '
zwischen Dietrich 11. Odo* '
akei («90. Ermanarich-a. I
Dictrichsage bei den Ale-
mannen, verbunden 691,
Wann drjr. Älteste Ge-
staltung detSage 69t. 69z.
D. von Bern im Norden,
bei den Angelsachsen £91*.
Erweiterte Fassung, »er-
schiedene Etappen: Vcr-
treibang 092. Misslunge-
ner Wicdercrobcrungsvcr-
BTich. t>92. Friedliche
Heimkehr 693. Episoden
693. Tülongeinesjugemll,
Helden durch Wiit-ge 1)93.
Sage von den Helchcn-
ftähnen 693. Fjdl der jungen
Sohne Ewels, ein Nach-
klang der hisior. Sage von
den Käropfeu der Gepiden
u. Goten gegen die Söhne
AttUai 693. Kampf zwi-
schen Vater u. Sohn 693.
DiclrichäHelden694. Hel-
den ans der Wolfdielrich-
sage im Sagenkreis Diet-
richs v.Bcm (195. Zwölf lahl,
XwÖlfkÄmpfe 696. Diet-
richs Riesen kämpfe, alte
Mytiien von Donar? 696,
LokaUagen an Dietrich an-
gelehnt 697. DietrichsGc-
fangcn5challbctRiesen697.
Eckensagc 698. Zwergen-
sage (>98. Dietrichs Ende
699. Dietrich entrückt 699.
Einllug» der Kirche auf
die SAge O99. Teuflische
Abstammung D's. (]99.
Überlicrcmngeo von D's.
Geburt u. Ende 699.
Dietrich von Bern 307. 334.
Dietrichcykliw 682 ff.
Dietrich von Kriechen 70J.
Dietrich, Sint 582.
äiuf 185.
Ding 303— 20B s. auch Ver-
Sammlungen.
ifinghamk 30^.
Dingfriede 194. 195. 306.
Dingbegiing 78. zofi.
Dingpäicfat 139. 305. 207.33t.
Dingrodcl 78.
dingtaUn 89.
DintJCTOde 865.
Dio 678.
Dio Cässius 369.
Diön Kassios XXXV71T 33
793. /./JJ. Ö931. LVi.2
913. Ll'toa, 2 936. 939-
946. AA'/, jg27. tXXVIT
14. 3 93 •■
Dioskurenmythus 679,
Diphtliongierung von j^enn. T.
ü und (7 in Hessen 916.
vor Vokal 872. 898.
directum 57-
disapin^ \t^.
düablai 360. 385. 392.
DUcant 577.
Diaenopfer z6o.
di'sir, an. (Valkjnjcn) 270.
Ditmarschcn 82. 83. 153. 87t.
Dittcr, Karl wn Dittendorf
598.
diu 139.
I Dnjepr 78 1.
' Dnje*tr 78 1-
I Dfthlor. Tbeod. 60$.
I Dofri 309.
I Doggcle 269.
Dflghng 310.
dohol-f'dotJrAHO 354.
dokiät/ar 387.
i/d« 57. 69. 74.
Domänen 4. il. 14. ij. 20.
DoniL-sday book 9. 77.
döm/fsla 311.
dominium terrae \%%.
dimr 303. 308.
dÖmi gol. 826.
Donar ^47. 355. 696,
Donir-Porr 353 (T.
Donarcsug 354. 355.
Donner, Georg RapÜael 550.
Donnerkeile 355,
Donresdacb 354.
Dorl 10. It. 13. 33.77. 7*-
12^. 169. 170. 171. X05.
436.
Dorfgemrinden 2. 7.
Dorfsystem 13.
Dar (Verfassung 31.
Domröschen, Märchen 644,
DOrpe 775.
Doniogen 853.
dortlacht egtn I73.
doUaU 182.
Dotzaiwr, Just. Joh. FViedr.
604.
Drake, Friedrich 551.
dramustoU 363,
Dtangeld 189.
Draugar 36$.
draugr, altO. 263. 265.
Draupnir 336. 345. JSI*
dre^nl 139,
Drehleier 573.
DreifelderwinschoA 18. XS.
^^^^^^^^^^^^B
Sachregister. 959 ^^^|
Drt-ilcilung d. nlij^irrni. Jsbrcs
Ebcnliurt I35. 138. 140. | <'r'^<->i/fn/>' 139. ^^^^|
39' ff-
141, 206, 3i8. 1 Eigennamen ans d. Sage in ^^^^H
Jrfkka (i-immning- 45a.
rbenha-hf {hnUfmex BHaj^ wc»lfal. Urkunden 635. ^^^^H
^r^gk (M-tlädigcn) idg, 265.
nmf>»tuT)n) 32;. Kigrntiim, Könit>1iL-hefi S. ^^^^H
Dre^'HclKKk, Alex. £05.
Ehiirom-* 739, 773. 805. ^— 169—173. 175 — 177. ^^^H
Prifa 29S.
Ei\:iiril, Jott. 383, Eigcnh«^ trieb, Guuberrlicher ^^^^H
Briete] 123. 123.
^^^^H
Jn>i ndd. 300.
echtrding 203 . | eiginkona 16t. ^^^^H
dr^sir 341.
€chul&i 195. ; Eikl>ymir 340. 379. ^^^^J
dröttin 145. 167.
Eckart, der treue 669.
Eilifr Gi'idrunarMn 334.361. ^^1
dr&ttinn finHffO 337.
Ecke 698.
Einbeck, Engelhusius y. 347. ^^^^H
Dnickerlc (Name des Dmdc-
Eckehard v. Aur» 613. 685.
eitidagi 182. ^^^^^H
gcistcs im KJkiss) 169.
6Sö. 691.
Eindrida \tixvt tlbreiSt 731. ^^^^|
Pruckgciitcr a66. 267 k.
Eckebart Sn der Hu-lungcn-
Einbard ^^^^H
Druden 276.
sage 685.
Eiobegusgcn 10. 32. 33. ^^^^H
drfifi, Sanükrit 2(15,
Etkcl. Math. 582.
rin&eri. Tbor 256, ^^^^H
Dnu>ti» KddxDgi; 742. 913.
Kckcnlicd 640.
Embirgcr 256. 258. 34O. ^^^^|
917 f. 935- 939. 946.
EckcDsagc 698.
^^^^^H
drjfkt 167,
Eckerwart bbg.
rirttunn 169. ^^^^^^|
dryfitfn I45. 167.
Eckert. Karl 601.
Einlager 184. ^^^^^|
drytkfo 452. Hc^eicbnung fOr
ictta 46.
ei nur de 11 5. ^^^^^H
Gaaunabl.
Edüa 245,
Einiichtung der Welt in der ^^^^H
äutalui 125.
Edda. HeldenliMler, Klleste
Edda ^^^H
Jueati 46.
dtn. Quelle der Helden-
ELnsiandsFccbt i§t. ^^^^|
Ducis, B«ne(lict 579. 5SZ.
sage 833.
einvHge^ S7- ^^^|
Dudclsjck 575.
Eddalieder 233. 347. 164.
Einuneen 83. ^^^^H
^»/^s 181.
EdJamythcn 145.
finvigi ^^^^H
DuloD. Fricdr. Lodw. 604.
idei 172.
EinzclhOfe, S)-siem der 21. ^^^^H
duUep^v 216.
(dfUng 130.
774. ^^H
ä^ma aal. 836.
Edelmetallbergbane, deatacbe
Elr ^^H
DiinicvllVIsrn 287.
3'-
Eirik blAdßx 366. ^^^1
dünon kclt. ^ genii. 787.
Edictum (cdictus) 62. by 65. Eirik^Hmnl 366. ^^^^H
Diii»*tan 7s-
68 r. 'eitcSn ^^^^1
duradimr 210.
Egerlaiid 918. 947 f.
Eiaenacb 775. ^^^^H
J«m ahd. 300.
Eggp^r 381.
Eisenbaubc 226. ^^^^|
Dussck, Joh. Lndw. 604.
Eghiatt 686.
SKokidieln ^^^^|
rfN.T 124. 125.
Egil 343. 734. 729. 730.
EiscDzdt s. Arcbiologic. ^^^^H
dv<rrgehal 290,
Egil-Episode der Ps. eine
Eisenxetulter des akandiairi* ^^^^H
dverg nnrd. 385,
norwcß. Umbildung d«r-
sehen Nordens 410 ff. ^^^^H
Ai^rgasmidt 29 E,
IIcminBsagc 73'.
-ij- Suffix 813. ^^^^1
dvtrgar 3^7.
EKilssagc 405.
EVkeliards Waltbariai 650. ^H
dturgr altn. 389.
Egtl« sagAok AjinuDdBr649.
^^H
dvergatal^ Jer Edden a9l ET,
Ihaßding 103.
Elb <. Elf. ^^H
dvarf 2S9.
fhnß ieiding 78.
Elbe 775 ^^^H
dvxort 389.
Ehir 109. 129. 131. 139. I4D.
Klbenfelseo, Sage von den 356. ^^^^H
D)xk, AntoDy van 553.
141. 160. 164. 421 ff.
Etbmanich 896. ^^^^^|
^M ags. 300.
Ehrlme 141. 167,
eldglarittgar 2ä6. ^^^^^H
ti >■ he«, rt, Jc, e oder d
eldglaringar 266. ^^^^^H
E.
916.
Eldbrimnir 340, ^^^^^|
eiba 814.
Eldir ^^^^1
^ 57.
Eidihom 53,
Eldr ^^^H
«r > Ddfrk. fj 898.
Eid 130. 141, 143. 189.
^^^^H
4 >> nd. e bczw. ai, ndfrk.
192—193. 206. 214—316.
Eier, Frank. 583. ^^^H
tf 898.
3t7. 2tfl. 319. 220.
Elf ^^H
EWgir 74.
ftdhrtfdr 166.
Elfei) 38s— 2a9ff> ^^^1
4adigttn 69.
iidbridr 417.
Elfpadimblung 286. ^^^H
Eadraund 74,
Eidented 848.
Elfeoopfcr 260. ^^^^H
Eäd%-ic 69,
eiOr 314.
Elfenschius 2S8. ^H
EÄdw^ard 74, 75.
EidgenotKnichafteD 82. 83.
Eltixbe Geister 285—289 ff. ^^^H
taldorman I24, [31. 205.
Eidhclfer 131. 157.
elft 386. ^^^1
EaldMuaa 861.
F.idsira{)int: 1 14.
Elf und Wicht 286 ff. ^^^1
*ath. agi.
Eidsifa |jiiigsb«'«k 114. 116.
Klüu llojl. ^^^H
1 taUistede 395.
riga 1(19. 181.
Eligius, der hcUige 359, 264. ^^^^h
£»rendel 733.
eigen 169. I77.
ElivAgv 376. ^^^^1
L Eaiwnglc 854.
Eigcolcute 6.
EllRk b20. 693. ^^^1
Sachregister.
961
#wa affs. abd. 814.
Ewart 395.
iwe 57. 163.
£wiggeld 50.
exercitalis 129.
exercitus 129.
Exporthandel i. Engl. 33.
Eygolar 817.
Eyke v. Repechowe 89 f.
Eyrbygg)asa^a'267. 286. 356, \fee simpU 9.
Eysteinn Erlendsson 114, \fee {enj tail 9,
Eyvindr 370.
faiicre 227.
Faust, Joh, in der Zaubersage
615.
^v6vm 830,
Faux bourdon 577.
•/€ in Flussnamen 774 f. 800 f.
Fechten 452,
Fechterbrüderschaft 166.
feefarne 32.
F.
fachten 156.
Factoreien 37, 38, 39,
faderfio 163.
fähdbdt 199.
fahde 195.
falagh 158.
Fälschungen gSf,— II7.
Fieröer 120. 842.
Fxnser, Bibliographie der
Quellen der Sitte und des
Brauchs 530.
FSrÖische Lieder aus der Ni-
belungensi^e 634. 637.
fasta 163.
faitebauern 23.
yaslabontUr ll, 23.
ftesiingafa 162.
Fahne 126. 144.
Fahnenlehen 133.
Fahrende Spielleute 575.
580 fr,
Fahrenden, Die 564.
Fahrenstedt, Stein von 627.
Fahmiss 160, 173 f.
faida 195.
falrgimi got. 783.
fairina 194.
fal<a)h 870 f. 892.
Falchovarii 892.
familia 151.
familiaris justitia I49.
Familien 2. 10.
Fehdenrecht 196. 214.
j Feldbau 3.
Feldgeister 295 ff, s. Dämonen.
Feldgemeinsch.ift 15,
Feldgraswirtschaft 18. 22.
Feldwirtschaft, im a. Engl. 22.
Felicitas 374.
fello',i\goodi., Xame in Engl,
lür Hausgeist 292.
Femelbetrieb 20.
Fenja 304.
Fenrir 301. 310
Fcnrisulfr 310. 347.
Fcnsalir 371.
ffodum 178,
f^ramanni burgund. 822,
Fergimia 762. 783.
Feuerwaffen 223.
firandsd&mr 196.
Fer^-ir 83 O.
festar 418.
festargj0 162. 419.
feslarkona 419.
festarmadr 419.
festarql 419.
fesUng 162.
festinunga 185,
fesiuca r88. 221.
Feudalismus 6. 124. 147 f.
Feuer 173. 187.
Feurige Drachen 293.
Feuerwaffen 228.
Fcva 822.
' Fiadr>-ndaland 8ji.
Fidcin 573.
fidivör got. 816.
^ ßmtardömr 1 54,
Familienverhältnisse dcsskan* Finck, Heinr. 582.
dinavischen Nordens 414^*. ' Finck, Hermann 582.
423 ff.
Fanggen 294.
Ö>aooÄfifo(' 857 f.
fara 157.
fdra 192.
FArbauti 311. 347.
Jarmannalifg 1 1 5. 1 1 6.
fartclljan 196.
Fingernägel, weisse Flecken
' auf d. F. Bedeutung 283.
■ Fink, Heinr. 581.
Finna 372.
' Finnaithae 830.
Finne 762. 775 f. 778.
I Finnen 1 2.
Finnen 753. 767, 840.
Fasch, Karl Friedr. Christ. 1 Finnr 372.
598. I Finnsburg, Kampf um 628.
fastar 189. Finnur Milgnusson 238.
fasti 190. I ^tuaXooi 830.
Fastida 822. \firi>ia 194.
fastinSn 185. \firma burgi 32.
/athum 156, \firmatio 190.
Gemumlscbe Philologie UL 2. Aufl.
.firnarverk 194.
Fiscalbezirk 15.
. Fiscalinen 130. 140.
Fiscal Verwaltung 15.
' Fischerei der Nordländer 448.
459 ff.
1 Fischercigeräte bei den NordI,
I 460 ff.
Fischereirecht 175,
Fischer, Mich. Gottl. 601,
Fisci, königliche Domänen 4.
\fiscns 14, 15.
<ßuwer wgerm, 8 16.
\fjadrhamr 372.
Fjalar 290. 344. 381.
JJalfgantr 309. 33^.
' fjallgeigtidr 336.
Waligyidir 309.
{fj^g»!"-, fjörer an. 816.
JFjplnis vif 373.
FJ9lsvinnsm^l 654, 655.
'/jt^rbaugsgarär 196.
\ fjrdjingsdömr 1 54.
Fj^rgynn 358.
FJ9rgyns moer 370.
Flachspitzbogensül, s. Tudor«
Stil.
Flamberge, geflammte 227.
Flamiger 897.
Fläming, Fläminger 895—
901. 942.
flämischer Damm, flämische
Seite, Wiesen 897,
Flamwege 896.
Flandrenses 901. 912.
flandrische Städte 39.
Flavius Vopiscits 269.
Flaxman John 551,
Flecken, weisse auf denFinger-
I nageln. Bedeutung 283.
j Fleischconsum 19.
I Flemen, Flcmendorf, Flem-
I hude 896. Fleming 899,
I Flemingus 807.
i Flemmendorf 896. Flemmin-
gen 900. Flemmingstbal,
1-lemsdorf 896 f.
flt-tfiiring 138.
flilieve 163.
I Flinte 228.
Flötenarten 575.
\ßokkar loi,
ßoreni 46,
I Flosi 256. 257 ff.
■ Flotow, Friedr. v, 600,
Flughemd in der Wielandsage
724.
' Flugring in der Wielandsage
723- 724-
Flurcinteilung 21.
Flurverfassung 22. 23.
i Flurzwang, im a. Engl, 22.
j Flussopfer 385.
\ förningar 1 62,
\foghei 123.
61
9Ö2
Sachregister.
Föhr 848 f.
folcfrals 130.
folcgemöt 134. 303.
fokrikt 57.
folgeras 8.
folgere 215.
Folgerin 251,
Folkeviser, dänisch-schwedisch
636.
Folkland 7. 9. 10.
foütland 122.
Folkvang 373. 379.
Folter 218. 230.
fondaco dei Tedeschi 37.
F91U1 298.
foramundo 1 57.
Ford, Onslow 551.
Forderung 184.
foredd 2x6.
Formeln 59. 60. 63 f. 72 f.
77. 83. 88 f. lor. 108. 117.
119. 120. 187.
Formen 186. 19O. 212,
Fomjölr 298. 308.
forräd 400.
forsacan 206.
Forsetelimd 328.
Forseti 327. 379.
forspdr 344-
forspreca 157.
Forstbcamte 19.
Forstcultur 19 ff.
Forster, Georg 562.
Forstwirtschaft 20 ff.
Fortuna 374.
f^riineyti 271,
Fosete 386.
Fosoetelund 328.
Fossejrrim 297.
föstbrödralag 416,
fdstbrädralag 165 f.
föslrt 415,
föthvataslr 358.
frais 129. 132.
frahi I 50,
frtrlsis iorp 173.
frahismiTL-n 133.
frandask^mm 1 59,
fragifts 161, 162,
fralits 136.
Frames 223.
framf>s 142.
Franipton, George 551.
frana 123.
Franci.-» 880. 917,
Francisca (Wurfaxt) 223.
Franck, Melchior 583,
Franck, Salomon 592.
frattts 46.
Frangnncs 878 — 880.
fraiii- 878 f.
Franken 737. 811 f. 814, 851,
807-919. 923. 935. Ro-
manisiLTte fränkische Stäm-
me 882—885. Sächaiich
gewordene Franken 867 —
869, Niederfranken 885—
901. Niederländische Ko-
lonisation von Nordost-
deutschland 894 — 901. Rip-
warisdie Fracken 90 1 —
909. 917. Moselfnmken
908—912. Chatten 912—
916. Rheinfranken und
Ostfranken 808. 916 — 919.
Franken 64 f.
Frankenau 899. Frankendorf
898. Frankcnfelde 898 f.
Frankenfbrde 898. Franken-
hain, Frankenort 899.
Frankenstrasse, Franken-
thal 896 Frankfurt 898.
Franken, ihr Anteil an der
Heldensage 620. 656. 660.
674.
Franz, Robert 597.
Franzosen 737 f. 768.
Frauenhäuser, auf den Heiren-
höfen 30.
Frauenraubsagen 676,
FrauhoUenleich 279.
Frea 345. 369.
Fredegar, d. Scholasticua 234.
369.
Fredegar 369.
freekolds 9.
Frcen, Irü 369,
Freibauern 9. 135.
Freibriefe 81.
Freie Händler 27.
Freie Handwerker 27.
Freie Herrn 132. 135.
Freigelassene 4. 64. 130. 135.
136 f.
Freigcrithte 209.
F'reigrafschaft 152,
freihals 129.
Freiheit a) izgl'. I34f. b)l53.
Freilich tiiiaicrei in Deutsch-
land 552.
fresslichrs gt-richt 205.
Freisla;it, Isländischer 11.
Freizügigkeit I O.
Freke, Frick, Frie 28 1,
FrOke 369,
Frcki 336. 340.
frelsisgjof 136.
frclsis^l 137.
Fremde 137. I42.
frevipe I42.
friois 129.
friulsa 70,
friolsgifan 136.
frcthu 199.
fritt nUnonl. 401.
PVeudenhof 381.
freunde 157.
Frey 372.
Freyja 319. 361. 37' ff- 379-
Freyr 312. 317. 378.
Freyr-NJ9rdr 318—323.
Freysgodi 322.
Freys Friede 332.
friatac ahd. 369.
Fricco 322.
Fricke 369.
fridbrot 191.
FriÖfrMi 718.
Fridihk (Harlungenss^) 685.
Fridt>i6fssi^ 276.
fridJcaup 199.
fridlaus I95.
friduwih 395.
Friedbriefe 79. 84.
Friede 57. 145. 162. 191. 194.
Friedensbruch I9if. 193.212.
Friedenseinungen 79.
Friedensgeld 144. 199. 200.
Friedlosigkeit 195 — 197. 201,
Friedrich I. 85. 90.
Friedrich II. 85. 152.
Friedrich, Barbarossa 247 C
Friesdorf 847.
Friesen 71. 82, 94. 153.
Friesische Sprache 843. 847 C
892.
Friesen 752. 766. 804. 806 f.
814. 844—849. 863. 880
—882. 896. 903. 923. 942.
Friesenbui^ 847.
Friesenfeld 847 f.
Friesland, Bibliogi^hie der
Quellen der Sitte und des
Brauchs 522.
Friesland, epische Poesie in
628. 716.
frJgcdirg ags. 369.
Friggeroken 371.
Friggetcnen 371.
Friggjardagr 369.
Fnggjargras 371.
frihals 129.
frVinhi 129.
frija 129.
Frija 249. 312.
Frija-Frigg 369—37»-
frilaza 136.
frUing 129.
Frisacvones 814.
Frisiavi 814. 880.
Frisonefeld s. Friesenfeld.
frjädagr 569.
frjals 129.
frjdhgafe 136.
frö 145.
Froberger, Joh. Jak, 588,
Frudi 304.
fradi 403.
froja wandalisch 822,
Fronhöfe 10. 15. 16. 21. 25,
27.
Fronimuth 822.
Frosti 299. 308.
Frostufiing 114, 356.
Frostu|)ingsb6k II4. I16.
H^H^^^^^^^V
Sachregister.
^H
FrotKile 585.
gamahalai 166.
Geilamir ^^^^H
^QOvyovvÜuvti s. Buigunden,
Gamlirit-ti 813. 877. 884.
Gcirhvitntil 380. ^^^^^H
frvwin afad. 319.
gandrtiä 278.
GWinidr 308, 31t. 353. }6l. ^^^^B
Frui^UiDlMU 35.
GaocrbachaÄ 15S. t6o, \'}iX,
GeirttadorAirr 287. ^^^^H
FnldHe 176. 179.
176.
Geuel*chan 183 f. 185. ^^^H
Fniote \-OQ Tenemarke 7 18,
Gang 311.
griiia- kell. ^ gmn. 787. ^^^^H
FUMMS 74.
Gangleri 335.
Geiiterhannn- 353. ^^^^^|
Fürsten IJ3. 133.
Gangridr 335.
Gctaicrerscheinungen 366 ff. ^^^^^|
?'untcakii, Kaspar 604.
garaidfim 57.
Geutcrlockliedcr 2^,4. ^^^^|
Fkkc 578. 585.
^rdas lit. 836.
Gdsilirlun^ Volkaeauuig 582. ^^^^|
Füi. De 369.
gordr 135. 397.
Geld, rümiscbes 44 ff. 173— ^^^^B
Fuik. De 381. 369.
gards, got. 826.
^^^^1
Fulben von Chatrtrcs 561.
gardsnt IO7.
Gclddarteben 50. ^^^^H
yttli^oran 165.
gardsratUr 112,
GeklcDiwenung 7, ^^^^|
fuhfnt 130.
Uarmam 739, 780.
Gcldgebraucb 43 d. 48 ff. ^^^H
FuIU 370.
Gannr 381.
Geldrcchniuig 46. 48. ^^^^H
F^inafci^ 303.
/dt Gans od. 864.
Getdr«rorm. kiroliogiscbe 44. ^^^^H
Fuoctiooen der Zünfte 39 ff.
gatakja 311.
G<rlds>'«tem der Lex Salin 44. ^^^^H
Funde, in Norwegen 25».
gattnd 167.
GeldiiUn ^^^H
furlvngi 31.
CiassetiliaweHin 58 1,
GeklvtrlcihcT 27. ^^^^M
Fu»i) =28.
Gast 141.
G^blwixliftel 27. 45, 49, ^^^^H
FuK!Un(pi>en 225 IT.
gatta/d 135.
Gcldw-irl^biifl 47. 49. ^^^^H
Fu-i5%'ßlk, Bc^cumng im
gfufaidafus 13$.
Gclimer ^^^^^^
Kampfe 3z8 ff.
Gasten 265,
Gcliuek, .\bb« 604, ^^^H
Futliark 461 ff.
Guifrcundfichaft der Nord-
Gelübnb ^^^H
Fux, Job. Jos. 5B9.
l&nder 450 ff.
gtU 199- ^^^1
fyigja 351.
^r>ur/< 143.
gritart ^^^^H
fyljuhina 371.
GastmtUer der NordUnder
gtlUn ^^^^H
Fylgjur Ableicu&g 271 ff.
451 ff.
gfmaca 160. ^^^^H
fyÜK 133.
GasCTcchi 173. 176.
gtmAre IZ7. ^^^^H
fyVti 10.
Gastimg ]4Ci. 150,
gtme£htc ^^^^H
/IrWö ";>A*i*f '**'■
Gau 2. 3. 132. 133,
Gondnfreie 4. 7. 14. ^^^^|
Jyriruuiär 399,
Gauden, Frau 38 1,
Gcnielodegenarkiing 32. ^^^^H
Gang« misse nscbafl 5.
Genneindeverfusung 6. ^^^^H
Gautcn 789. 79t. 817 f. SlS.
Gemeinden 82. tio. 135 — ^^^^H
G.
830. 833 f. 923.
127. 153. 169—171. ^^M
Gautr 333.
Gemcinland 7. 8. 9. ^^|
^spInndicbcAu5sprad)e 863.
Gautatyr 333. 34I.
Gcmcnjie ^^^^H
896. 898. nach Vokal uad
üatitrekssaga 35S. 304.
GemenggeUgc 31 f. ^^^^H
vor / oder «■ Dstgcrm. gc-
gavadjSn 185.
grmfrkt 169. ^^^^^H
schwundec 821 f. mtervo«
gftvi 122.
GcniinKt.-t >-ereiDfacht877.9l6. ^^^^H
kaliKh «dfrk. gcachwundcD
gealdor agj. 4O4,
Gvnniiniv 189. ^^^^H
898
geanerton 1 58-
CTcneralptlchter, in England 33 . ^^^^H
gä 122.
G^alas 817.
Gencratio r^uni et gentium ^^^^^H
Gallo 110. 136. 137. 161.
GclKTde 188. 197.
^^1
167, 173. 176. 18$. 186.
Gesten dra Reuwulf^GnLiten,
Geni?9Üfmgincntc,allsfichsbcbe ^^^^^|
189.
nicht Jäten 648.
^^^^1
gabr l8(j.
Gdwrde 188, 197.
gmgtrrfi 146. ^^^H
Gabticii, Andrea 585.
gfbtir 134. 13g. 178.
Gr^^ngare 365. ^^^^H
Gabrieli, üiov. 58$,
Gebet 350. 383. 384 ff.
Gean!«en9chafl«n7S. 86—88. ^^^^|
gafft 166.
grfimg 185.
315. ^^^^1
gn/ol 177.
gt/dra 21$.
gmcuillier^s 235. ^^^^H
ga/otgilda 134.
GcQon 3(2. 375.
Geosiniund 694. ^^^^^|
go^K/ald 163,
G<;fn 373- 375-
Gent ^^^^H
Ginsborouuh, Thomac. 553.
Gdbldcstuben, königüche in
gf^fy ^^^^^^k
gairethinx 68. 130. 3o6.
dtn Dordifichen Lüodem
Geograph von Rarenna TV ^^^^H
gaison k«lt. >■ genn. 787.
433 ff-
24, ^^^1
G«Iaiu 73a.
Geiblgichoft 107. 116 f. 131.
Georg Pcnc2. 547. ^^^^f
Gahr 390. 344<
IJ3. 138. 151. 167 f. 179.
GeotUod 837. ^^^H
1 Galittac 780.
311.
Gcpiden S21 f. 824—837. ^^^H
' GnUtcrzüKc 776. 788.
Gt^Dgabc 137. 178.
^^H
1 go^'- 344- 404-
Gchöfcncbaften 15.
333. ^^H
gaiitnr ahd. 404.
Grigenartcn 573,
gmtdntts 57. 74. 75- ^^H
Gallo vari 880.
Gcigeubaucrlamilico 586,
g^r OS. ^^^H
Gallus, J»c. 586.
Geigudr 335.
Gerade 159. ^^^^|
61* ^^^H
964
Sachregister.
Gerd 321.
gerdarmttat 310.
GSre, MariEgnf 668. .
girhabe 157.
Geri 336. 340.
G«ridit 122. 123 f. 126. 127.
13a. 142. HS- 147. 148.
149. 151. 15a. 154. 190.
203 — 211. 217. 220.
Gericfatsgemdiide 83. 123.
230.
Gezkhtibaikeit 8.
Geichtigewalt 5.
Gerichtshalter 78. 137. 149.
154. 204—207. 3t3.-322.
Getichtavenunmlui^ 65. 78.
123. 134. 189. 203 f.
Gttichtszeiigiiis 190.
Gcxle. Kosrad 580.
Gtrlint 718.
Germanen, germanüch. Be-
griff 736—738. Name 738
—740. 879. Reinheit der
Rasse 736. 751. 764.767.
800. Mischung mit Kelten
736« 751- 798—803. 882
— 888. 908 f. 932 mit R^
mern 883—888. 908 f.
933. Germanische Spra-
chen 736. 754. 809 f. Ab-
sonderung von den Indo-
germanen 759. 762. Nl-
here Verwandtsdiaft mit
andern idg. VOlkem 760 f.
Körperliche Charakteristik
764—767. Geistige Cha-
rakteristik 766 — 770. Ur-
germanen 746, 749. 751 f.
759—770. 773 f. 776. 782
—793- 798—806. 809—
814. 922 f. Alteste Wohn- '
sitze 75g, 763 f. 770—789.
922 f. Ausbreitung in vor-
duistlicher Zeit nach Nor-
den 784—786. 789—791,
nach Osten 772. 776—782.
786. 791, nach Westen
771— 776. 778 f. 786. 791 i
— 802. Gruppierung der .
germ. Stämme 747 f. 803 I
—830. 842—845. 847 f..
850. 857. 859—861. 866 '
—871. 875—878. 881.
892 f. 901 f. 908 f. 912.
917.919 — 927. Vcrwandt-
schafisverhSltnis der getm.
Sprachen 747 f. 760 f. 804
—822. 828—830. 842 f,
848. 861— 866. 872. 876,
901. 917. 925-927. Kel-
tische (belgische) Germanen
739 f. 772 f. 779. Spa-
nische Germanen 739. Ger-
manen im römischen Heere
802.
Germania inferior and nqK-
rior 740. 796.
Gi«rmaniiche Emtefeite 345.
Germaniiche H., ntditdeatadie
609.
G£möt 65g.
Gernmi 372.
Gerstemnntter 308.
gtrüfte 205. 313.
Gerutfa 363.
Gerraains v. TOburjr 236. 263.
272.
Gesamte Hand 164. 169. 171.
178. 179.
Geuu^bOcher 582.
GesBi^, histor. n. Heldensage
im 5. u. 6. Jahrh. anage-
bildet 622.
gescheffede r6o.
Geschenkopfer 383.
Geschlechtsadel 3.
Geschlechter I. 7. 36, 32.
Gescblechtsfy]^ s. fylgja 271.
Gesdilechtsverband 3. 7.
Geschütze 225ff. 227 ff.
Geschworene 135. 189. 320.
Gesellenverbftnde 30. 88. 166.
Gesellenwesen 29.
Gesellschan, älteste stBdtisdie
24.
Gesetz 57. 58. 67. 75. 80.
100. 124. 144. 145. 146.
153. 154 B. auch Denk-
mäler.
Gesetzspredier 100. loi. 108,
109. 110. 112. 124. 146.
Gesichtsscbutz 224.
gfsid 132. 167. 179.
Gesinde bei den skandinavi-
schen Völkern 425 ff.
Gesius, Barthol. 583.
Gespenst 251.262. 264. 265 ff.
Gestaltcnfahrt 262.
Gestirne, Schöpfung der 380.
getianta 180.
Geten 754.
Getreidebau 23.
Getreidewolf 308.
Getreidemann 308.
getwerc, mhd. 289,
Gewährenzug 180. 212,
gnfande 1 27.
Gewanne 13, 15. 21.
gntvald 192.
gcivedde 201.
Gewerbeämter 29.
Gewerbebetrieb 30 ff.
Gewerbliche Arbeit 27 ff.
Gewerbsarbeit, frei verkäuf-
liche 28.
Gewerbsproducte 27,
Gewerbszweige 30 ff.
gnperc 179. 187.
Gewerksdiaft 31.
Gewerkschaften 87.
gewi 122.
Gcwidite 41.
Gcwidit 175. 182, bd den
alt» NordllDdem 471 £
Gewlnngat 16a 163. 176.
gewkfn v^spÜa 271.
Gewittetgon 349,
Gewittermythen in der Fona
von Rieseoklmpfen 696.
Gewohnheitsrecht 57. 63. 63,
64. 66. 6S. 78. 80.
gi<e/prtet 138.
Gialla-hom, Das. 568,
Gibica 658. 823.
Gibich, ZwetfJeÖnig 660.
Gibson, John 551.
gidingi 185.
gidrSg, as. 363. 365.
gifüio 315.
Gienganger 365.
gifta 161.
gigant 300,
Gilden 28. 31. 32. 34. 75.
81. 87. 105. 106C IIS.
117. 141. 166. 183. »O.
215-
gtldi 166.
gimahho 160.
gimahaiö 162.
Gimli 382.
Ginnaogagq} 376.
gipt 161.
gipting 418.
giptingarmadr 418,
girtkti 303.
Giselher 659.
Gisla(h)ariu8 823.
gispenst, ahd. 364.
gitroc, ahd. 263. 265.
gi'uxrt a) 179. b) 186.
gi'wtso 216.
giziuc 216.
gizunft 57.
ggjt nord. 816.
gjaforä 161,
gjald 199.
Gjallarhom 318.
Gjälp 362.
Gjenganger 265.
Gjoll 310.
Glatfheim 340.
Gladsbeimr 379.
Gläser, Franz 60a.
Gleipnir 310.
Glaube b. Naturvolke 23 1 ff.
Glaubensquellen, d. a. Germ.
233 ff.
Gliederung (die ständische de»
Volkes bei den alten Ger-
mauen) 3.
Glitnir 327, 379.
Glommas 713.
Gloso, Die 308.
Glossare 59.
Glossen 71 f. 97. 104.
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
^^^^S
Sacbregistsr.
^H
Olossen, Mcrscburgcr 863. ' Gottfried von MonmoutL 735.
Grimme, ^^^^H
Essener Grcsoi^Iossm 863. , Gottfried von Viterbo 613.
Grimr, Urimnir 335. ^^^^H
Gluck. ChriKtopIi AVilibald
GoHland 828—830. 832 f.
Grimm'sch»- Methode 339, ^^H
595. S99ff.
Gott, B«devtuii]> des Wortes
Grimwald 68. ^^|
Gn.'t 370.
3"i.
grindtU 303. ^^^^^1
gniiUlJ 389.
GoiMtimH, Claude 579.
Gripla ^^^^^|
gn.ppr 215.
gT64& ul. 826.
S^'P'' '73- ^^H
g6 13:. 153.
Gr&bcr(\incW252. 353 ff. 533 fr.
grif 201. ^H
gväe 130. 154. 20S.
Graf 3. 123. 152. 152. 207.
Grjfitiinagarti, Zweikampr zu ^^^^H
Gode, I>cr 3<)5. Graf v. Rom, BalUdc 643.
^^H
GAde, Frau 38i. liräfc, Joh. 595,
Gij6ttuu):ardr 819. ^^^^^V
GodcDamt 400.
Gräfe iiRewall 35.
Gr'a 360. ^^1
godtndae 335.
grafia 133.
Grr^nUind 843. ^^^^k
Godhrim 337.
gr&ßo 133.
Grün, Jene 334. ^^^^B
godi 399. 1 Grafschiirt fli. 133. 136. 14g.
Groühe-n 45. ^^^^^B
goäorä 4.00. 153.
Groubriiaruücn. Bibliographie ^^^^^B
goerrum 301, tirafschafKv^rläasung 5. 9.
der Quellen der Sitte u, ^^^^Hi
GOlarikc 829. 832 f.
Grjgila tt8f.
de« Brauchs 534, ^^^^H
GOiknü 829. &33.
Gralvcr. f Jriulfr = Gninwolf
^ossi 45. ^^^H
GOIUt. Die alcgctmiiaiücbeii
675-
Grossviehstand 18. ^^^^^|
312 ff.
Gmngien 16.
grc% ^^^^^1
Gölterbilrltr 398 ff.
Giaj], Daniel 552.
^^^^^1
Gotterhimnu'I, Götlerttiut,
Grani 335.
Grflnc Mann, Der 368. ^^^^H
germ. 232 ff.
Gra^nnig, Der 168.
Grtin 304. ^^^^H
GOtleilchre, germaniadie SJJ.
Gnusliedlein jSl.
Grundbuch 190. ^^^|
GOltersystnn, ncrdisch« 239.
Gtaswoir 308.
Grundeigentum 8. 133. 134 1 ^^^^H
GöHenerchning, Ort Att G.
Graun, EinÜiLss auf das Or»<
^^^1
394-
torium 601,
Gnindgöterrocbt 64. 109. ^^^^^|
Gött*rmythus und Heroen-
gr&i'o 133.
Grundberr>ifhaft 5. 8. 11. ^^^^H
myihui, 3 Aste VDD dem-
Grefinfi^T, Wolfe. 583.
^^^H
ftelben Summ 616.
Gregor. Pap*t d, Gr. 557.
GrundherruliarE 77. 78. 136. ^H
GStÜnn«!). G?nnitni»che. All-
501.
>37- >36. I40- iSif> ^H
gemeines 366 ff.
Gregor von To«rs 874. // p
171. 184. 305. ^H
gtgrrvf 205.
886 f. 890,
Grundherren 4. 3. 6. 7. 8, ^^^^^k
GdiblAt 393.
Gr^tforj-Iotseii, Essener 863.
^^^H
Geksiein 617.
Gre{;arianiv:ber Gesang 560 S.
Grundherr! icher Verband 37. ^^^^H
GoldbrakteatcD 637.
Greif I 363.
Grundherrsch aftlidie VerwmU ^^^^H
Galdcmar 640. 698.
Grendel 303. 644. 646,
lung 37. ^^^H
Goldmümca 46,
Giendelt Mutler 646,
Grundhnlden, Die 5. 6. 10. ^^^^H
GoldsolLdua 44,
GrcDdclM mere 650.
35. ^^^H
GoWwahrunR 4+. 47. 475.
Greiue ri7 f.
Grundruhrrecht 176. ^^^^^f
GoUinlumbl 381.
Greusieine 807.
Grundt\iK, Sveod. über Hei- ^^^^H
GollinUnnr 318.
Greorwald S06.
densa^e ^^^^H
Golliopp 318.
Grenxwall 807.
Gruppe. 0. 244. ^^^^H
GoUhCT. W, 632. 663. 726.
gr^tman 208.
GDaroeri 586. ^^^^|
729.
GtMtis-Sagc 649,
Gnarni s. Varini. ^^^^H
Gombert, Nie. 579.
Grentongi 818. 825 t 830.
guäi 399. ^^^H
Gfodull 370. 341.
Grid. Rie$in 365.
giiiija, got. 399. ^^^H
G9ii^iiTienn 45 1.
griäamdl 1 17.
Guttr^darson, OUft. 258. ^^^^1
g^giikniiur 451.
griäajtaiir 395.
Gudninarsoo, EilUr. 334. ^^^^^B
Gorm der AUe 837.
gTtdbrycr igi.
Gudrun der Fdda vet]glicbeft ^^^^^|
g^s Ganx nd. 864. 866.
gridtrtm 135,
Ildico 615. ^^^^1
Goten, Stammland 67^,
Griechen 753 f. 757 — 760.
Gritergenieiatdiaft, ehel. 163. ^^^^H
Gaten (jl. 55. 62 f.
Griechi«:he» Keucr 335.
Giietiüieor ^^^^H
Goten 7S6. 789. 79[. 817 f.
Griffbrcli 573.
Gug<^rni Cugcmi. ^^^^^H
821. 834—837. S45. 92E.
Grim 297.
Cuidu von Areua $63. 572, ^^^^^|
923- 933- Gotisch > üt.-
Grimhild 657,
Guiones 786. 789. 84$. ^^^^H
1 sUw,LehoMv5rter 826. kett.
Grimm, Jak. 53 338 ff. 239.
guiiarmen ^^^^^|
> got. Lehnwörter 780 f.
MS-
Giiitarre 574. ^^^^H
786.
— Jac., über d, Wesen des
GuLi^ing 114. ^^^^^1
Gotischer SuL 541 fl*. 543.
Volluf'pos 610. 616. Deu-
Gub(>ing8b<'>k 114. 116. ^^^^H
Gotljuid 102. tl3 f.
tung des Xantens Widand
Gulden (rhciDischv. Gukleiier, ^^^^H
Gotponnr 659. 662.
726.
Giildcngroscben) 46. ^^^^^|
Gotlestricdc 193. 194.
— Wilh., Ü. d. Wesen d.
Gullfaxi 3ÖI. ^^^^H
Gottnurteilc 73. 77. 318 f.
L
Heldensage 6to. 616.
Gtuubcit, Fenl. 597. ^^^^^|
966
SACHRBOISTBlt.
Gnmpokbiimai; Ad«n sBC
Gundahari. KBiiIk dn Bnv
gonden 619. 658.
Giiiida(Iu)riTu 65B. Saa.
Gnndomlni 823.
Gnndkarins 658.
Giiiidi(h)QdI 822.
Gtmdi(Osdiit 833.
QmdobaA 63.
Gmidovald, Sohn CUotaduun
L 67s.
Gnndran 719.
Gnngntar 336. 351.
Gmal^ 335- 354-^
uhqucT) inytiulüiu' ooOi
GoB^iHMr 83a.
Gnnthcr ia der WalAuisBee
703. 706.
Gast 308.
Gatal^h 113.
Gntenm 719.
fuffa 220,
Gntona i. Goten.
Guprun 657.
Giif»i&iurkri{M I. 718.
Gvtnüch 838—830.
Gaüherrsduft 8.
Gntsttba^abe 185.
Gittbrie, James 554.
Güttgen 29a.
ggw goL mno. 816.
Gwodw 345. 37a
gj^jur 400.
w^ 300.
Gylfi^ntiii^ 370. 375.
Gylfi 375.
<^nair 303.
Gyrwas, -ii 854.
Gyrowetz, Adelb. 602.
H.
A intervokaliich geschwunden
ostgerm. 821 f. an. 816.
Haack, O. 626.
Haar 129. 139. 167.
Haar der Nordländer 443.
446.
Haarfarbe 766.
haban 169, 179.
kabüia 179.
Had 880.
HadTarü 880.
Hackelberend 334,
Hackelberg 307. 334.
Haddingjar 678,
Haddingus 337.
Hadunur 787.
Hadurich 787.
Haduwalh 787.
häilristningar 409 ff.
Hielsingas 713, 718.
Händel 590. 592 ff.
Händler 24. 27.
hanep ae, 762.
Mmrqfth^^Aigi 135. 305.
EO^fcdskn 833 1 64a.
kam anam 133. I33.
Mmrrur 13a.
HiBtwere 877, 894.
HitiBerlcihe 17. 49.
H*ey 711. 714.
HaM>OGk 308.
Hafionnaas 308.
^/g^gr »97-
^ffrü 397. 395.
Hafinar 397.
Haflida^ril 118. 119.
Hafiide Minson 118.
kitfiia 133.
Hafkör 305.
Halbxar 30$.
Haftung 182—185.
Hagathie 706.
Hagen in der Nibelongensage
657. 666, 669, in der
Waltharisage 703. 706.
Hagenaags, 711. 713. Hagcne
mhd. 711. 715.
Hagenhufen 13,
Haguno 657.
Haimo, tir^iache Lükaliagen
von 695.
Hainal 350.
haist 193.
Haistulf 68. 69.
Haiva 360. 374.
Hakemann 297.
HakenbOchseo 228 ff,
H&kooannil 366.
Halfenwirtadiaft 18.
Halle in den nordischen Ua*
dem 433.
Halligen 848.
Hallin(Iioth) 830.
HUogaland 840.
Halsbandmythufl 711. 712.
Häma (Heime) 684.
Hamaland 880. 866. 889—
891. 894.
kamarskift 23.
hamartkipt 17t.
hamidja 215.
kamfar 262.
Hammer, Thor*» 352. 357.
364.
Hammerich, M, 245.
hamleyfA 262.
Hamhleypa 276.
Hamilton, James Wfaitdaw
554-
hamingj'a 27 1.
HanimerKfamidt,Andreas 587.
hamr an. 271.
Hampir 683.
Hampism^l 687.
Hand 125. 188. 190. 197.
215. 218.
Handbuch der deutsch. Myth,
339.
q^bOdün 838 C
— bd den aken X4
461.
— anf bland 463 C
— dentidur 35 £
— in Skandlnarden 4a. 43^
Handelaflotte, cogHicli« 48.
Handelsgaelbdbaften 38.
HandeUntuuaua 86.
Handftli^aniaB, Anban dir
21.
HandelsprivÜeKieii, ia Vtm^
maA 43.
Handelsstidte 37.
HanddirerbiadaageB 361.
Haadebvecc, die IltoMaa 36.
Haadfesteo 79. 105. 190.
handfesti 190,
Handfeueiwaffeu 228.
kanägtmga 168.
Handgekl l6a.
HaodhalLe Tbat 197. 818.
Handk)hn 177.
Handotgda 574.
handsama 180.
hamdmxaUikr 452,
Handsdiuh 125. 188.
hamäMkot 453.
MamdSft 188.
Handweric, das sttaftig «aga-
nisierte 36. im -*-—^*-r-
viachen Norden 475 C
Handwerker, frae 34.
Handwerkeigilden 33.
Handweikerlehen 16.
Handwerkervctblnde, freie 38.
Handwerksmeister 39.
Hanf 762.
Hangat^r 337.
HangBgDd 337.
Hannover, Biblic^r^ibie der
Quellen der Sitte und das
Brauchs 522.
Hans Baldong 547.
Hans Holbein 547.
Hans Memling 546.
Hans Sebald Prebam 547.
Hansa, die deutsche 37. 38IC
Hanse a) 81. 87. b) 166.
Hansische Flotte 41.
Hansiadie Handelsmiprematla
40.
Hansisches ViUenlagtr 43. '
hantaiäd 330.
hantgrmal 135. 171.
hantnun/t 189.
hantrAda 130. 2IJ.
hanttruw* i63.
haPu 787.
har 123.
H4r 349.
Hintldr HardirUt 362. 376,
Haraldr hirfagri 848. 36$.
Harald Hildit9nn 339.
^^^^^^■^^^^^^
Sachregister.
067 ^^H
karam^sfara 197,
Hau^kommuniuncn 1 >.
Hei 284. 325. 347. 35f. ^^H
VMahatflt 335. 354,
Hati^rat drr XonllüLndcj 448 fr.
^^H
HArliudslietl 339.
HaiDuklaven 13.
Helblind! 311. 347. ^^^^H
Hirbarrt>lj/jd 3;4.
hauibtot 393.
Kelche, Aliiliks er»tt; OentabHa ^^^^^|
I-Isrdiirsaga 270.
Hautfarbe 761; f.
693. 700. 701. ^^^1
Harfada an. 76z.
Jlavacnäl 375. 4O4.
Hclcheaadhae, Tod der 693. ^^^H
Harfe. Miuükiiuininicnt 571.
hutiileseru 199.
Hcldenbuch, Anhuif; zum 642. ^^^^|
Harii 833.
havfrutr 305.
— , DrodcDcr ^^^^|
hartman 139.
Havfolk 297.
HeldenfaOchet 643. ^^^H
Harke, hn'i. Herice 281.
Harrnceod 297. 305.
Keldendichtung. Sttctte Bcrnu ^^^k
Hwliuigeiua^e , nltgcnnAu.
HavJruer 397.
ist adelige Staodcspoesie ^^|
Diosknrcnroythus 68^. bri
Haydn. Joscjib 596. 60a 6o3.
■
den AIcnianncQ ausge-
Kardn, Michael 600.
— , Komi, Stil u.Vartrag624. ^^^^^k
biJdct, in Brcisach itn
Hszdtg(;6s 678.
Heldenlied uod episrh-hiaior. ^^^^^|
Brei^^u lukaltsiri bBj,
Haszoarii 916.
^^^H
Vcr»climc-I/tinj; mit d. Er-
H<r»d(>bcArdin 949,
Keldcntieder, l« den goL ^^^^|
1 mauHTH-hxAgf 6Sj.
hfalifang 30i.
Königen bei den ^^^^H
Harlun^rD-Mytliiu 631.
HcberQ!i»ler 59. 77. ;8.
Franken 632, bei den [..an* ^^^^^|
Hupa 571.
Heberolle, Euener 86}.
gobaidrn 620, bei den Van» ^^^^^|
Haxlhiii-Wolfilietricli 679,
Hcbriden 840.
dalen 633. EiDwandentat ^^|
HartiTiiiol "IS-
Hedt^niu^ensage s. Hilde* und
in den Xoiden 63 1, tteu« ^^|
Kanrüt rOrtnüt) 678.
K orini r '■w(f .
Einwaadenini* 633, drill« ^H
KarUin|>«nMt;o, Verbindung
Hcdeaaec 717.
Einwanderung 636. ^^H
nt. d. Wölfdietnchug« 677,
Hedinn 35$- "lO- 711- 7I3<
Heldensage 344. ^^^^^^
ah«r vandil. DJofikuren*
7'5-
— Begriff 60;. ^^^^1
mythus 677 — 79, I-okali*
kf dnalag 108.
— u. histoc. OcsjiDg im S. 0. ^^^^^|
sicrung in Ruuland 679.
He^r 303.
6. Jahrh. KtU|;cbildet 633. ^^^^H
Niedcrdcrunrhc, oberdeut-
Heer 133, 139. 133. 13S'
— u. HeldcndidHung, theo* ^^^^H
sche Form 678. Gruod-
150. 194. 195.
rct. Untervchird 608. ^^^H
1 gvstalt nac4i MfilJcnboA
Heerbann 4.
— ein Geirenvtand IJlle* ^^^^H
j 67S. 679 s. auch Ortnil-
Hccrdicml 9,
raluT^t^vcb., kein Frublem ^^^^^|
[ WoifdielrichMge,
H«Tj;t-rBl 159.
(1. VolUkunde 608. ^^^H
1 llamd«, •! s. Charudcs.
hf/ä 17g.
— franii!>a. ^^^^^|
Hanilhi 830.
Hcgclingc 711. 715.
— iiiiKbe 663. ^^^^^1
HawÜTiKi 834.
Heidelberger. Die iliaoe-
— »ücbsisichc 636. ^^^^^1
Uategau 886. 909.
»Inj^Tliandtdirift S47-
Heldenuigcn. nicdcrdrutscbc ^^^^H
Haste, Job, Adolf 590.
Heideniee 717.
^^H
HasKgau 91 J.
Hddsir ». XaiSttrot.
— DordgemiBniscbe 609. ^^^^^|
Hassii 5. Kcssco.
Heidrck 342.
— anden-r Vr>lker verglichen ^^^^^|
Hasslrr, Lto 5»6.
Heitfnin 340. 379.
mit gi^TnianiMrhen 618, ^^^^^H
ka^tmtdd 194.
■heim 887. 9171".
Heidricb 787. ^^^H
HaUljord 304.
kn'm 13$.
Hrirericlt vtjfl I.üne 675. ^^^^H
Haci 301. 311. 380.
/teimttit/Ylgjn IÖ3. 419.
Hcircrldi = Chilperich 620. ^^^^|
HAltalykil] iles J»rl Rvgnvald
Ht-imdallr Jl? — 318. 3Sa.
Helgafell 357. 387. ^^^H
1 7>o
579-
^^^H
1 Haucnin 868. 886. 916.
Keime A94. ebtr mythiich
Helgi HJ9r>'arduoo 662. ^^^^^|
UaCiuaricDsis 894. 916.
als bUiatiKch 695. ein Mo-
Hcigi ilundingsbani 260. ^^^^|
Maiifniuen 337.
nioffc an ihn gekniip/t 695.
662, I>k:htun); ^^^^H
hauffsvU 437.
Hcimfallsrecbl 176.
HelgUiediT ^^^^|
Hauptbäcbsc 337.
htimildarmaJr 180.
— eddi»cbe 633. 675. ^^^^|
Hauptbor 14. 34.
Hcimkchmtytbua 733.
Helgistadr 395. ^^^^H
HaupimabUcitcn der Nord-
HeimUchkeil 193.
Helgolander 848 ^^^^|
Ulnder 447.
HeimikrlnKla 306. 375.
Helgrtndr 341. 381. ^^^^|
Hauptmann, Moritz 601.
Hcira*teucr 163.
HcliantT 335. 630. 861 f. 864. ^^^H
Hauptmusik. BcgrifT 391.
htimla 184,
^^^H
Hau6 der norditcbcD Länder
HctnerduB 53.
^^^H
439 ff.
Heioricb der L6ve, Gedicht
HclJcT. Stephan 605, ^^^^|
Kaiurormen 774. 819. 870.
von 255.
hrllirün, hflhrüna 354. ^^^^^H
1 Bauafriede 194. 195.
Heioricb der Vogelwre 64O.
HelljAger 334. 337. ^^^|
KatugeisLer 293. 393 ff.
Heinzel, Rieb. 612, 673. 674.
Helm 334 ^^^^H
HaU5|{eiu)«aen 45. a.) 141. b)
693. 697- 704. 705.
Helmbarteo 335. ^^^^^|
1 I5>-
HeiiLz«li»änncben 393.
Hclniold 873 f. / 8S 897. ^^^1
Hausj^-setie 88.
hetft 193.
// u ^^H
HkuaeMtndr 25.
Heirat hei den ikandinaviKhco
TlelsiDgelagb 109. ^^^^H
1 Haiuheir&Lhaft 131, t6l.
Völkern 417 ff.
hthk^r ^^^H
^
Sachregister.
Helt, Heiiu 580.
HelvaeoDes 818. 823.
HelvetÜ 771 £.792—799, 805.
Ji€m 887.
Memgift 163.
Hemingitage, ncnvegiadie 73 1 .
AmMMM (Hure) 22.
Henna 350.
Hen{>udd 308.
Henselt, Adolf 605.
Henzeu 262. 263.
Heoden 711. 713.
Heodening» scop 713.
Heomodm 711. 713.
Hepbaisb» 727.
Heptarchie, im alten Eof^d 7.
Juraf 10. 123. 126.
heraäs fing 126.
Herborg 718.
Herbortsage 710. 720.
Hert>urts rimur 720.
Hercules barbatus 355.
-^ magusaniu 355.
— Saxanua 355.
— Thonar 331.
Heicynia silva 736. 762. 771.
777 f- 780. 783. 793. 796.
913. 919 f.
•ho'd 864,
Herdgeld (stidt. Steuer ia
Skandinavien) 34.
Heremöd-Sage 629.
Herfadir 338.
Herfj9tr 270.
Heribrd 864.
Jurgemate 140.
Heijan 338.
Heribert ;20.
Heriricus (Henich) 707,
Herlija 663. 700.
Herkomer, Hubert 553.
Hermannus Contractus 56 1 .
563.
Hermann v, Oesfeld 92.
Herminones s. Erminen.
HermttÖr 326. 327. 341. 366.
381.
Hermunduri 880. 920—925,
927 f- 930 f. 934—94»-
946. 949.
Herodes 307. 334.
Hgrodotos 781.
Heroenmythus u. histor. Sage
verschmolzea 616.
Herpf 775.
Herr 132 — 134. 136—145,
Herrad v. Landsberg 539,
Herrant 711. 714.
Herrenhor IG. 14. 21.
Hcrrcnland 9.
Herrenmaend 1 1 ,
Herrensitze 24.
Herrentage HO. III.
hirro 145.
henchill 133.
hersemtr 224. 226.
herur 123.
Herteitr 338.
kerth 170.
Hertnitf 262, 678.
Heruli s. Enili.
Hemrasaga 360. 266. 381.
311. 619. 678.
hervart 168.
hefvarftt nutn 132.
Hervfr 360.
Hervor (Alvitr) 722.
Herwig, Künic von Sfiven,
von S£knt 717.
Herwigsage 716, ihre Grund-
gestalt 716.
Hers, Henri 605.
Herzog 125. 132. 133. 148.
Herzog Enut, Bankelsänger-
lied 642.
Herzog Friedrich v. Schwaben,
Gedichte 642. 722. 727.
Hessen s. Chatten.
Hessen, Biblic^^raphie der
Quelien der Sitte und des
Brauchs 516.
Hetels Machtstellung in der
Kudnin 714.
Hetele 711. 715.
Hetclingc, Heteninge 711.
Hetware 894,
Hexen 274—278,
Hexenprozesse 275,
Hexenscbuss 276.
Hexcntanzplatz 277.
Hexenverfolgungen 262.
Aitt 170,
Atäa 7.
Hiddensee 714. 717.
A/iÄr (Hufe) 21.
Hilarius, Hymnendichter 561.
Hilde 255. 356.
Hildtf 711. 715.
Hilde in der Herbortsage 720,
Hilde-Sage, älteste Form im
Norden erhalten 633, In
der Waltharisage 706, um-
gebildet in der Rothersage
721.
Hilde- und Kudrunsage,
Quellen 641, nordisdie u.
nicht-nordische Quellen709.
710, Secheldensage von den
Hedeningen oder von Hilde
711, ihre ursprüngliche Ge-
stalt bei Snorri 711, Hildr*s
Name u. Wesen mythisch
711, Lokalisierung 712,
Entwicklung der Sage im
Norden 712, Einfluss der
nord. Hjadningensagc auf
die Dichtung von Helgi
Hundingsbani 7 1 2, auf
die Sage von Helgi
HjfrnurdfeKm 713, Hefanat
der HUdenge 713, ihr«
Umbüdnag bei einem der
meerenwohnenden Stimme
7 1 4, ihre Tomdunste Pflege
in den Niederlanden 714*
ans der Hüdenge entttdit
durch Spaltui% u. Di^re^
riemng die Kodnms^e? 1 5,
Grundgestalt der Kodnui-
Bage 715, vewchmolaen nüt
der Henripige 716, auf
friea. Sprachgebiet enutan-
den 716, D&nen und Nor*
mannouflge in der Kodnm
festgehalten 717. VcxUn»
düng »kandin, u. frieaiadli-
frftnk. Sageimiotive 717,
neue Motive: listige £nt>
fühning der Hilde, gewalt-
same EntfOhning der Kv-
drun, Kodruna Sdiidiaale
und Leiden 717. 718, ana
den Niederlanden wurde
der Sagenkomplex nadi
Oberdeutachland gelHacfac
719.
Hildebtand, Erzieher Diet-
richs 694.
— u. Hadruband 618.
— und Hilde, dfiniadbe Vlae
710. 713-
Hildebrandslied 629, VettW'
düng Hildebraoda mit Diet-
rich 630, das Lied endete
tragisch 630, z. Erklärung
der Dietr^isage 690. 691.
— das jüngere 64O. 693.
Hildeburg 285. 720.
Htidegund, die Braut Walthen
703, ihre Heimat 707.
Hilderix 822.
Hildico 659.
Hildiernus 822.
Hildr 711. 712. 715.
Hiller, Job. Adam 595. 598.
601.
Hillevioues 790. 812. 814.
818. 828. 831.
kilms got. 826.
Hiltburg, Tochter Walguhts
676.
Hilugc u. Hildina, Sbetlands-
balladc 710. 716.
Himinbj^rg 318. 379.
Himinij6<tr 362.
Himmd, Friedr. Heinr. 596.
598.
Himmelsgott, Der altgerman.
250. 251 ff. 313 ff.
himpigi 167,
Hincmar 72.
Hindelopen 847 f.
Hintersassen, beie 4. 8. 9.
10. 151.
Sachregister.
969
hirat 160.
hird 116 f. 167.
Hirdir 678.
biräskrd 117.
hirdstefna 201.
Hirschau, Wilhelm von 563.
hirdstofa 433.
Mun 160.
htwunga 161.
HjadDiRgar 711. 715.
Hjadningavig 711. 712.
Hjalmgiinnar 34 1.
Hjälprekr = Chilpericb 620.
Hjalti Ske^ason 371.
Hjarrandahljöd 714.
Hjairandi 711. 713. 715.
Jtjonalag i6q.
Hj^rleifr 297.
kjüskapr 421.
Hladgudr (Svanhvit) 722.
hläford r45. 167.
hlautboUi 394. 398.
hiautieinn 394, 398.
hlautr 394. 400.
Hl*>jöfr 391.
Hl&r 298.
Hlidikjalf 321. 345. 370.
Hlin 371.
H16dhere 69.
Hlödyn 358. 370.
Hlöra 308. 359.
Hlörridi 357.
Hludana 358.
Mluz 170.
Hniflungr 663,
Hnikarr 296.
Hnikiidr 296.
Jioba^ salica 1 4 ,
— indominicata 14.
— censualis 14.
— sen'iVis 14,
liochdeiitsch, Hochdeutsche
763. 811—814, 873. 881.
925-927.
Hochgericht 83.
Hocse(o)biirg 915,
Hoddmimir 382.
H9(lr 325. 326. 327. 351.
Hoenir 306. 346. 349. 350-
Hörige 5. 136. 137. 138.
140.
Hörner 568 ff. 575.
Mf 12. 395.
Aof a) 104. b) 154.
Hofansiedlung 2. 13.
— alte keltische 21.
Hofbeamte 132, 140. 167.
Ji^dmgi 399.
Hoffhaimer, Paul 582.
Hofgericht 86, 209. 211.
Ifofgerichtsbarkcit 1 1 .
Jufgodi 399,
hofgydjur 400.
Hofhaltung 24.
Hofheimer, Paul 580,
Hofkapellen, Ausbildung der
59».
Hofland 22,
Hofpoesie, lateinische 630.
Hofrecht 5. 6. 25. 26. 78.
IS'. '77-
Hofrodel 78.
Hofstatt 12.
Hofsystem 13.
hoftoUr 154. 397.
hpfudhof 399,
Höfvarpnir 370.
ho/vari 168.
Hogartb, ^Villiam 553.
H9gn' 255- 258. 7"- 7'2.
715-
Hohenzollern , Bibliographie
der Quellen der Sitte und
des Brauchs 515.
Holbein, Hans der Jüngerc553.
Holda, Holle, Frau 278. 391.
Holden 278. 279 ff.
Holke, Frau 334.
h.^Ur 135,
Holland, Bibliographie der
I Quellen der Sitte und des
: Brauchs 523.
\ Holland 898 f. Holländer-
. bruch 896. HoIIänderdürfer
I 900. Hollendorf, Holler-
dcich, HoUcriand, Hollem,
! Hollerstrasse 896.
' HoUc, Frau 247. 279 ff, 280.
Hollenberge 256.
, hoim^anifa 21 J,
Holmyard 679.
Holmr^gas 713.
' Holmr>gir 818.
I Holstein 873. 896.
! Holstcn 871,
holting 78.
I Holgcr Danskc 247.
Holzarten 20.
I Holz bau kunst, altgermanische
' 533.
Holzbauer, Ignaz 599.
; Holzbezug 20 ff.
\ HoUfräulein, d. i, "Waldgeister
I 294- Jagd nach H. 334.
' Holznutzung 20.
I Holzschnitzerei l)ci den Skan-
I dinaviem 477 ff.
I Holzschnitzereien mit Dar-
j Stellungen der Heldensage
j 626. 627.
j Holzskulptur 545,
' homagmm 168.
Homilia de sacrilegiis 235.
Homilie Bedas 863.
hommes fiscalrs 4,
hämo 167, 201,
Homonymie 241.
Honorius 880.
Hopfenbau in Süddeutschland,
England, Schweden 20.
ftorqgy asl. 826.
Horaiide in Oberbaiem und
Österreich 719.
Hörant 713, 715,
H9rdar 818. 830. 840,
^vsr 395-
Hom, Goldenes 836,
hornungr 165.
hospitalitas 177,
höva 1 70.
Hortarius 926.
Hortus deliciarum 539.
Hörn 373.
Horvcndil, dänische Sage von
733-
Hos(se)gau 915.
Hötensleben 865.
Hotbcnis 317. 325.
H^ttr 335.
Hove, Stuhllehnen von 627,
hovcmark 1 50,
Hraesvelgr 301. 308,
hrin-areldr (Totenfeuer) 266.
hraunbiii 309.
hraundrcngr 309.
Hredgotan 817.
Hreidmar 3 1 1 ,
Hreirtrek 335.
hrfppr 127.
Hrimfani 310. 380.
Hrimgcrd 304. 309.
Hrimger|>arm9l, Zusammen-
hang mit einem Wolfdiet-
rich sahen teuer 677.
hrisiingr 165.
Hröir Kraki 273.
HriiUss;i;;a (lautrekssonarög?.
698.
Hrömundarsaga 326.
hrotifixas 290.
Hrötharit 68.
Hr^dvitnir 3 to.
hriigga gol. 826.
Hrungnir 311. 361, 372.
Hr)-nir 382.
Aj> ndd. SS 915.
///>// got. 816.
Hubert van Eyck 546.
Hüc von Tenemacke 675.
Hucbald, Münch in St.Amand
5t>3.
Hügeialter 252.
Hügclkult 387.
Hügel Zeitalter 427 ff.
hiine 3 00.
Hütchen 292.
Hufe 12. 13. 21. 22. I3I.
'33- >38- »70-
Hufendörfer 22.
Hufensystem 21,
Hufen Verfassung 1 6, Auflö-
sung der alten 21.
Hugdietricb 672. H's. Braut-
fahrt 676.
Hugi 352. 355. 363.
970
Sachregister.
Huginn 271. 536. 34Q.
Hngo vas der Goes 547.
hugr 271.
Hug- und Wolfdietridiasage
verschmolzen m. e, allea
vandilischen DioskureD-
mythus 621, 677, 678.
Hugo Theodoricus 672.
Hniccü 854.
Huld 278.
hulde 14S. 168.
kulder 152.
Huldigung 145. 146. 148.
152. 168. 178.
Huldigungsopfer, Blutiges383.
Huldre-eventyr 278,
huldu/6lk 278.
huldumadr 278.
hulidshjalm altn. 290,
Hummel, Job. Nepom, 600.
604.
Hün 783 f.
hundafafs 123,
hundari lO. 122.
Hundertschaft 3. 10. ll. 31.
108. 122. 123. 126. 127.
143.
Hundertschaften 8x8. 922.934,
Hundcrtschaftsverfassung 15.
kundr 307.
hundraäsilfrs 174.
kundred 122. 124.
hundredes ealdor 123.
Hüneo truhtSn = Attila 629.
689.
Hungri 331.
Hnnmar 787.
htinno 123.
Hunt. William Holman 554,
huoba 170.
Huon de Bordeaux 681.
Huoss 372.
hthkarl 167.
kuspukf 292.
hüssuocha ZI2.
Hvcnsche Chronik 637.
Hvergclmir 376.
h-warf 203.
Hwiccas 854.
Hymir 363 ff.
Hygeläc = Chochilaicus 620.
HygflÄcs histor. Niederlage
verschmolacQ mit dem in-
g\äon. Heroenmythus von
Beowa 621, 628. Plünde-
rungszug n. d. Niederrhein
647.
Hyllefroa 294.
Hyllemor 294.
Hyllcstad, Holzschnitzereien
627.
Hymir 303. 316. 363.
Hymiskviäa 303— 304. 362.
Hymnen 560.
Hymnendichter 561 ff.
Hymoengesang 556.
Hyndla 301. 373.
HyiTokio 326.
I vor Vokal, wgenn. und
westnord. 816.
Ibu Fadhlau 428.
Jäger, der wilde 307. 334.
Jämtland 832 f. 840.
Jaenicke, O. 676.
jafnaäareidr 201.
JfUTuhär 349.
jafuradi 418.
Jagd, bei den alten NordL
454.
Jagdrecht I72. I75.
Jahr, Das altnordische 446.
Einteilung derselben 446.
447-
Jahrmärkte 36.
Jan Mathijssen 96.
Jan van Eyck 546.
Japyger 734.
j&rdinc 78.
jarl 130. 132.
Jannericus 688. Seine Scbwe-
stersChne 688.
jarnburdr 21 9.
Jarnsida [19,
jarngreipr 357.
Järnsaxa. Riesenweib 359.
Iberer 753.
loa V9llr 377. 382.
Itli 311.
idisi 270,
Idunn 311. 350. 375.
ie ndfrk. > genn. ß oder io
898.
ield 157,
Igg 336.
IggdrasiU 335.
Jiriczek, O. L, 683. 689.
726. 728.
ikjick, Linie 887. 901.
lUlico 615. 65g. 700.
Itlyrier 754. 759.
Ilsan 694.
Ilgung 694.
Immunität 5. 6. 68. 77. 149 f.
Immunitätsbezirk 17.
ImmunitStsherren 45,
imlosurts (Einhegungen) 22,
indagines p, 13,
Individualität, geistige 738 f.
752; derIndogermanen755;
der Kelten, Romanen und
Slawen 768— 770; der Kel-
len nnd Franzosen 737 f,
752; der Germanen 738 f.
767 — 770; der Ostgerma-
nen 821; der Engländer
738. 768; der Friesen 738.
752 ; der Sachsen 738. 75*.
768, 866; der SdtwatMB
753. 768.
Indt^ermanen 746. 752 — 764»
Völkemameo 803 (.
Ine 69.
Infant 183,
log 319.
Ingelheim, Palast zu 534.
'ingen gi8.
IngunarÄreyr 320.
Ingvaeones 315. 319.
Ingviz 315.
Ingvi 320 ff.
Ingwiaiwen8li'~-8l4. 843—
84s- 853. 881. Vgl, «dA
Anglofriesen.
Ingvifreyr 3 20,
IngtBtne^ -as 853,
Ingwjne 320.
Inigo, Jones 550.
^Ivx^loveg 825.
Indiculus superstitionuin et
pagianarum 235, 257.
Inland 21.
Innimg 166.
Innungen 29.
inquisitio 220.
Inschriften 52. 58. 107.
Instttuta Cnuti 76, Lundoniae-
75.
Instrumentalmusik 601 ff.
Insubres 778.
intaka 1 70.
Interimswirtschafl 178.
Interpolationen 70. 76. 90»
92.
intertiare 180.
Investitur 186. 187. I90.
io !>■ nd. K bezw. a/", ndfrk,
ic 898.
Joch 14.
Johann v. Buch 92. 97,
Johannisfeuer 390.
Johannisnacht 277.
Johannisopfer 393.
J9kul 298. 308.
\jäl 392.
Ijoiaskrei'l 255.
Ijoljäger 334.
Ijolkskreid 392.
I Jolsveinar 392,
Ji'imsvi kinger 276 ft.
Jon Einarsson 120.
Jon raude 1 16.
Jonas von Bobio 235. 329.
Jönsbok 120.
Jvrd 310. 358.
Jordanes Get 11/ 21—34 818.
830. 23. 834. 2s 818. ir
25 819. 26 826. XVII
824. 94 825. 96 826.
XXV 133. 825.
Jordanes 234. 622. 659. 677,
682.
^^^^^^^^^^^^
Sachregister.
971 ^^1
jf/rmunganär 304. 37S,
JurispriMlcnx 63 f. 70 — 74.
kflstar ^^^^1
J^nnuRirksage 686, aus Nie-
88— 98. loi.
Kellen, keltische Sptsdiea ^^^^H
dcrdeutscblnnvl nacb drm
JurispniidcniiA Frisica 94,
737. 749- 751- 754- 759— ^^H
Norden ein^ewAnd«it 687,
Iui(Ii)unKi 880. 93«. 933.
761. 765. 768—771. 783. ^^H
in die Xibcluogeiuage «a>
941.
Verwand tgchafurerfalltniaae ^^^^H
piknüpf! 687 r.
fi(tt>, ittuvr w(;emi. 816,
760 r. Koiutituicrung und ^^^^H
lolun^ s, Iul(h)mip,
lTakIis86hne, die Scbwantlfen
Gnippicning der Stämme ^^^^|
Jftunhcirn. Jotuuhcimar 399.
35».
783. S05. Ausbicitung In ^^^^|
301. 311. 36D. 378. 381.
itaeis, iiwara, got. 816.
Torcbristlidicr Zdt 759 L ^^^^|
joul^gatu 392.
Jj-dsk« lov 104.
763. 771-789. 792-795. ^^H
Iring 668.
798 — 802. in SOddeuiKh- ^^^H
IranicT 757.
Und 771 r. 791—795. "> ^^^1
Iren, Irland 840—842.
K.
Nordwetildcut£chlaad773 — ^^^^|
IrinR 317.
774. 800 i„ an der Weser ^^^^|
Innincswagcn 316.
Klllcböcksjvcgfrur 197.
und £lbe and in ThUhngco ^^^^|
Inninfrid 942.
K&mten, bibliof^phi«' der
774—776. 778 1. 800 f., in ^^^H
Iiinittgül 315.
Quellen der Siltc und de»
Ostdeutschland 772. 776 — ^^^^|
Irmingtt^ul'i) 3I5.
Brauchen 5O9.
779, an der oberen Weich» ^^^^H
Imfrid 61)8.
kaisar ffoi. 826.
»el uod Osllicticr 773.780 — ^^^^|
Iron von Brandenburg 734.
Kainenhnmik 274.
781, Bo^iedliing Brilan* ^^^^|
Ironsagc, QucU«?. Kern ni*-
KaJM-rtccht 8r, 97; kleines
nicna 783, Oberilaliena 777 ^^^^^|
dMd. DkbiuDg 734. { 92.
— 779. 788, Galatenü^i« ^^^^|
ImiRn 193.
Kalurtum 67. 148 f.
776, Brilten 8;§. 859 f. ^^^H
Imuni 187.
Kalfalermann 393.
Kckenhcrschart in Deutsch- ^^^^H
inttUn 148.
Kalkbrenner, Frlcdr. Wllh.
Und 787 — 789. Mischung ^^^^|
Isuc, Heinr. 581.
604.
mit Germanen 751. 788. ^^^^H
yamon, kelt. ;> ß«rm. 787. Ktmrrik 897.
Ise 731. 733. 1 Kammcrgerkht Z09.
798—803. 85s. 883—888. ^^^1
908 r. 933. Haus- u. Kiniel- ^^^^H
Ist 775. ^iamp 217.
bof 774. Orts- und Fluss- ^^^^H
Imx 374. 1 Kafiavoi ». Cbanuvi.
nanen 762. 774 — 776, 800 ^^^^H
Isltndcr 839. 843. Kapilalaalagc 25.
— 8o2.Peiii>nennanicn787. ^^^^H
Isknd, BiblLOfCTiptife d. Quri- Kapitularien 65. 66. 67, 69.
kell. ^ germ, l^hnwrirter ^^^^H
Icn der SiUe uud de» 70. 77.
780, 786 f. Axccntverscbie- ^^^^H
Brauchs 53a Käomt 781.
bung 760 r. 788. eu '^ou ^^^^|
Island 103. 117 — 110, tS3r. Kikri 298. 308.
(aUfi>o 773. 783. fr:ar ^^^^|
248 ff. Kikn's Kiadcr 399 ff*
780. Abfall des / 7B3. ^^^H
I»laDdfabrer 43. iar/ 130.
Kclu>4kyihen 740. 743. 780. ^H
l&tiaiwtn ». Istraiwc-n. üarl d. Gr. 65. 71. go.
Kcmbcrg 897. ^^^H
Istraiven Bn — 814. 877 f. Karl der Grosse in dn fran*
Kemeridi 897. ^^^H
881, Vgl. auch t'Taakeo. \ zOs. Epik 615.
Kemmcrick 897. ^^^^|
Jstmt JI5. j Kwiv)aßK 76».
Kencm, Kcnemarii. Kennern, ^^^^^|
'ImQoe 781. Kanaunc 227.
KenncHK-rland 893, ^^^^H
Isunc 362. Kaoovä^o' s. Chaüiiuii.
kenmngar 334. 345. 309. ^^^1
Uungen 67a 679. Knspau 774.
Kcat ^^^H
Ilaliktr, italisuhe Sprachen KaoC-^ot s. Cliauci.
ktrika a». 8fi3- ^^^^H
754- 759. 76<. Kaspn? v, d. Rf-eo 643.
Karl, Joh. Kaap. v. 588. ^^^H
äfi 177.
Ka»iiLne 716.
Khro* ^^^^H
^J^rJUI 416.
htlsf (Bt-lagening) 315.
ktttifang 219. ^^^^1
Joden 49. Si. 138. 143 r.
Kauer §96.
kttkert ^^^^1
Jodmschua 49.
Kauflcule, HanscatiKbe 33.
kttiltak 319. ^^^H
fuAx 14. 15. 125. 144.
— Römische 35.
Keitncr, E. 63B. ^^^H
205. Kaufmann 133. 135. 143.
Kcnchenthal, Joh. 583. ^^^H
judicaria 135. Kaul'mannsf^ilde 32. 36.
knirbcfktH ^^^^H
Judida civitatis Lundonlae 71;. ' KaufmannM-uchi 3t.
Keuren 79. 83. 83. ^^^H
judkium dei 2 t 6.
Kaufmann fichaft 26. 37.
Keyser 345. ^^^^|
JOtcn, jütisch, Jüttland 830.
Kaufmann, Ai^clik» 553.
Kielkrflpfe 392. ^^^H
836 f. 856 r.
Kaufstldic 35.
kihiur M. 863. ^^^H
Juifirnd bei den ikandinavi- Kauibacfa, Wilhelm v. 553.
Kimmericr 757. ^^^H
pdioi Völkern 4 16 IT. kaup 418.
Kind 139. 141. 164 f. ^^^H
Julf«t 360. 391 ff. katipangr ia6.
Kindheit hei den «kandiiM> ^^^^|
^ JuJlanus, Bf. i«/ ^/A^ntirnj«-; { Keil (GlicdiTuoif der Schiacht*
vtxcben Völkern 414 iT. ^^^^|
H
haufi-n) 224.
KiEKin, Kinemarü, Kinhem, ^^^^|
^^ JuIniAbt 451.
Keiner, Ktinh, 590,
Kinnebem 892, ^^^^H
^H Jungbrunnen 359<
Hiikn goc 780. 786.
Kirche 8. V
^H Jupiur 313. \Hiiinon kelt. 780.
Kirchenbann 184. 193. ^|
972
Sachregister.
Kizchenbaukimst 536.
Kirchenrechte 103. 108. 109.
III.
Kiidientfine, Sie 8 alten
559 ff.
Kiichipiel 10. 83. 137. 153.
171.
Urkiu s6iH 137,
Eüxnberger, Joh. PhiL 598.
Kittel, Joh. Christ. 601.
Kjahwrinpunga 397.
Klabwitennann, KUbftter-
mflnochen 393—293.
Klage 639.
Klagen 180. 303. 3ll, 3i3.
318.
Klan 12.
Kli^)perD 571.
Klüsen, Dienende lO.
ilefUn 156.
Kleidung der geim. Krieger
233 ff.
— Deutsche, im I2. und 13.
Jahrb. 485 ff.
— im 14., ij. n. 16. Jahrh.
487-492.
— der Nordl&nder (Stoff,
Farbe) 436 ff.
Die männliche KJeidung438 ff.
410.
Die weibliche Kleidung 444 ff.
410.
Klein, Bernhard 600.
Kleinasiaten 754. 757.
Kleinbesiu, landwirtschaft-
licher 16. 17,
Kleinvieh 18.
Klenze, Leo von 549.
Kleriker 25.
Klerus 151. 133. 134.
Klockhoff, O. 730.
Klosterwirtschaft (Grangien
der Cisterzicnscr] 16.
Knechte, Knechtschaft bei
den alten Germanen 3.
Knechte, waffentr^ende 35.
Knechisstand t)ei den skandi-
navischen Völkern 425 ff.
Kneller, Gottfried 553.
Kniesetzung 162. 167.
Kniezählung 136.
Knud Mikkelsen 104,
Knut d. Gr. 75 — 107,
Knut VI. 104.
Knut Magmisson 109.
Kontore 39. 43.
Kobold 292.
Kodran Eilffsson 387.
Koiita ;oo.
Kölner Konföderation 38.
Kölner Münzen 45,
König^jUt 4.
Königsmacht 1 1 .
Königinnen 3, auf Jochgrimm
in der Eckensage 698.
Königsbrief 189. 331.
Königs&iede 76. 135. 140.
145. »46 147. 194.
Königsgericht 68. 132, 145.
' 146. 206. 208 f. 220.
Königshnfen 13.
Königstum 63 65. 67. 69.
84.85. loi. 104. 110. 134.
125. 131.139. 143.144—
149. 160. 170. 189.
koer 57. 79.
Körnerbau 18.
Kömerspende 253.
KOrpergrösse 765.
Kohlenbeisser 417.
iokkenwiMddinger 407. 408fil
Kolbeinn 258.
kolbttar 417.
Kolonen, bei den alten Ger-
manen 3. 13.
Kolonisation der Skadinawier
831—833' 837—842, der
Sachsen 873 f. 895. der
Franken 894—901. 911 f.
917 f. 943. der Thüringer
943—945- der Baiem947f.
Kolonisation b. 7. 16, 81.
126. 171. 205.
Kolonisationg vertrage 17.
Kommendation 4. 168.
Kompilationen 64. 67. 70, 71.
76. 93-94f- 98.115- 118.
119.
KonIMeration, Kölner 36.
Kong Vollmer 307, 334.
Konkubinat 161. 162. 165.
Konsonantengemination, west-
germ. auch bur^ndisdi 822.
Kontrapunkt, Periode des-
selben sröff,
konungU'f 146.
konungr 144.
konungstfkja 1 46.
Konzilscblüsse 63. 85,
koor 57.
korlüde 210.
I Korndämonen 242.
Komakssaga 387.
Kormakr 325.
Komer 897.
Komfrau 308,
Komkatze 308.
Kommubme 308.
Kornmutter 308.
Kornsticr 308.
Komwolf 308,
Korporationen 80.
Kosmogonic, Die eddische
366 fr.
K9lr 301,
Kotzeluch, Leop. 602, 604.
Krdka 301.
Krebs, August 600.
Kredit, r>ffentlicher 49 ff.
Kreditgebrauch 48. 49 ff.
Kiedi&uwn 50.
krefja 184. 2ii.
Krdse a) 85. 134. b) (der
Venrandten) 156.
Kreati 125. 126. 331.
Kreatier, Konndin 600.
Krenxer 45.
Kreuzwege 359,
KreuczQge 37.
krieg 211.
Krieger, Joh. Phil. 592.
Kriegsfl^ 337.
Kricgiäotte 39. 43.
Kriegsgefangene 12.
Kri^ihom, bei den altea
Ncodländem 453.
Kriegsknedite 338.
Kriegssattel 226.
Kric^verfassung 85.
Kric^wesen,genn.33I ff.338.
KriemhOd 615. 666.
Krönung 77, 89. 145. 146.
147. 148. 149.
Kronvasatien, im alten Eng-
land 8.
Kudnin 285.
Kudrun, das Gedidit als deut-
sehe Quelle der Hilde- u.
Kudrunsage 64t. 71O.
Kudrunsage (s. andi Hilde-
u. Kudrunsage) durdi Spal-
tung und Differauietnng
aus der Hiklesage entstan-
den 715. GruDdges(alt7i5,
anf fries, Spradigebiel ent*
standen 716, Dänen- nnd
Normannenzfige in der Ku-
drun festgehalten 717, Ver-
bindung skandin. u. fries.-
fränk. Sagenmotive 717t
neue Motive : gewaltsame
Entfuhrung der Kudrun,
Kudruns Schicksale und
Leiden 717. 718, aus den
NiederlaJiden wurde der
Sagenkomplex nach Ober-
deutschland gebracht 719.
Kücken, Friedr. Wilh. 597.
Künhilt 698.
kür 57.
Küren 83 f.
Kugeln 227.
ktigildi 173,
K^lau, Friedr. (M34.
Kuhn, A. 239. 240 ff. 341.
Kuhnau, Joh. 589.
Kuhn'sches Periodensystem
242.
Kuhn-Müller'sche Riditung
242.
Kult 124. 125. 128. 130.
144. '54- I57. 158. 161.
165. 171. 192. 197. 203.
204. 245.
— Baum-K. 236.
Sachregister.
973
Kult Bcrg-K. 256.
— Fluss-K. 256.
— Qucllen-K. 256.
Kulturen 18.
Kultus 231. 233.
Kultus der alten Germanen,
Gegenstände der Verehrung
durch Opfer 383 ff.
Kultusverbände s. Amphik-
tj'onieen.
kuni 155.
kuno- kelt. 784.
Kunstfertigkeit, weibliche bei
den skandin. Völkern 477 ff.
Kunst fleiss bei den skandin.
Völkern 476 ff.
Kunstgeschichte, Bildende
Kunst, Deutsche und eng-
lische 531 ff. Musik 555 ff.
Kunstniythen 247.. 244.
kuntschaft 220.
kumings epsöre iio.
kur 148.
Kurfürsten 85. 148.
Kurmede 17.
turmitte 14O,
Kusser, Job. Siegm, 590.
kupi 399.
Kvasir 344,
hvdnfang 418.
kveldriditr 260, 277.
kvedja 184. 211.
kveiUt an. 816.
kviär 220, !
Kyffhäuser3age 257.
k^rlag 173. I
L. I
I
Lachmann, K. 244. 610.
659. 660.
Lachner, Franz 600. 604.
Lacringi, -es 824. 937. 941.
lädt 215.
Lämmerhirt, H. 702.
Lander 83. lOl. 107. 146.
153. 208.
Icenland 8. 177.
Laerädr 379.
l^t 136.
lagabrot 1 9 1 .
lagalqslr 191.
lagemänntr 3 1 ,
Lagerbücher 59.
iogh 57- »95- 215-
laghbok 108. 109.
laghmaper 101. 205,
laghsaga lOI. 107 — 109.
laghslit 191.
lahcdp 199.
laisijan 184.
Laistner, L. 243 ff,
lakina 20 6.
Lambert Patras von Dinant
537.
Lampen bei den XordlSndem
450.
Lamprechts, Alexander 710,
7>4- 7"S- 719-
land 122. 152. 169.
Land 121 f. 124.
Land in villenage 21.
Land zur Nutzung 8.
Landarbeiter 10.
iandb(Fr 1 1 ,
Landbüchcr 83.
I Landesalimcnde 10.
I Landescullur 12.
I Landesgemeinde 11.
Landesherr 7. 124.
I I^ndeshoheit 81. 82. 85.
152 f. 205.
Lande smün/.en 45.
Landesordnung 81.
Landesrecht 63. 65. 63 f. s.
i auch Territorial recht,
j Landesverteidigung 6.
: Landcsvollmacht 83.
Landfrieden 37. 65, 79. 82.
84. 85. IIO. 124, 138.
I 193-
I Landgebote 82.
Landgemeinde 126 f. 129.
' 143 f.
Landgerichte, kaiserl. 209.
Landgrahen 128.
landkerren 132. 141.
landhldford 200.
landkaup 199.
Landleihe 8. 17,
landndm 173. 200, |
Landnahme 173.
Landrecht 25, '
Landrecfatliche Bevölkerung .
25. I
landrUa I 50.
Landschaflsrecht 104. 105.
107.
landsdommere 104. 1
Landseer, Sir Erwin 554. ,
Landsgemeinde 68. 69. loi.
109- 110. 124, 129. 143 r. :
MS- 146. M7- 153. 154-
203.
Landsknechte 228.
Landslag iii.
Landslände 81. 82. 153,
landsting 104,
Landverteilungen bei den
Germanen 2. 3.
Lang, A. 240.
Langhans 398 ff. 549.
Langobarden 64. 68 f, 124 f.
824. 835. 853. 858. 867.
920 — 931. 940. 948—950.
Lantfried 66.
lantUita 128.
lantUute 153.
landschaft 153.
lantscheide 127.
\lanisprache 148. 153.
ianzping 129,
i laou< 57.
I Laster, Öffentliche 7.
I lat 136. 137. 138.
, Larad 340,
' lat ha 124.
I latt, Icctt ae., laita ahd,,
I laik neuengl. 816.
Latzmann 368.
, Lauhmännchen, Das 368.
Laudemium 177.
1 Laufenberg, Heinrich von
580.
^ Laufey 311. 347.
I laug 107.
I laiingednn 165.
Laurence, Sir Thomas 553,
Laurentius Ulfsson 109,
1 Laiirin 639. 698, 699.
I Laurinbilder 627.
I Lausitz 943 f.
Laute, Musikinstrument 574,
j Lautverschiebung, germani-
sche 762. 776. 790.
— , hochdeutsche 749. 808.
901, 908. 926 f,
Lavery, John 554.
/rf>// 863.
leashohis 9,
'leben 852. 872.
Lebensweise in den nordi-
schen Ländern 428 f.
Leges 65. 70. 77.
Leges Eduardi 76,
Leges Heinrici L 76.
Leggen 29.
legifcr lOI. IO4,
Legitimation 159.
Lehen 8. 9. 11,
Wien 178 f.
Lehenbiicher 59. 87.
Lehenrecht 86. 89. 90, 91.
92. 93. 134. 140. 141.
147. 150. 152. 153. 160.
168. 178 f. 210.
Lehensgüter im alten Eng-
land 9,
Lehensheer 6.
Lehensnexus 6. 9.
Lehenstreue 8.
Lehenswesen II,
Lehnwörter, kelt. > genn.
787. 789. kelt, >got. 780.
786. got. > lit,-slaw. 826.
dän. >aengl. 838.
Lehrlingswesen 29.
Leibeigenschaft to. 11.
Leibesübungen d. altenNord-
länder 452 ff,
Leibrenten 50.
Leibzeichen 212.
Leibiucht 177.
Leich 562.
LeichenschmSnse 251. 353.
974
Sachrboister.
ItiSa i i^g 130.
Uiga 181.
Ldghton, Lord Frederik $54.
Leihe 177. 188.
Leine 775.
Leinmerk 44.
Leiten (Kyrie eleison) 56a.
Leisentrlff 583.
Leistong^ persönUcbe 18.
Leiy, Sir Peter 553.
LemUn, Lenrent 582.
I.einonii 818. 827.
Uh 179.
ütidrma^ 13. 133. 133. 134.
3>ntienset 933.
Lenx, Joh. 550.
Uodräkt 57.
LeutoD 557.
Letbing 549.
Leten 136.
Letten, lettisch 754. 760 f.
782.
Uto 136.
LetzeU^pel, Name d. Dtndt-
getstei im EIsms 369.
Letxel, Nune des Drnck-
geistes im Elsui 369.
I^nci 796.
Jeudes 131,
ieudi 130. 300.
Leudomfims 833.
An&woi 791. 818. 830 f.
-Uv 853.
Leumund 230.
/af 134,
it^ 180.
Lex Angliorum et Werino-
rum 851. 854.
Lex Angliorum 67,
Lex Baiuvariorum 66.
Lex Burgundionum 63. 659.
Lex Chamavonim 66. 888 —
891.
Lex Frisionum 70 f.
Lex Ribuaria 66. 901 ff.
Lex Romana Wisigotorom
63, Burgundionum 63.
LexSalica44.65. 7if. 887 ff,
890.
Lex Saxonicam 66.
Lex Wisigotorum 62. 63.
Uysinge 136,
Ljirskogar, Tempel von 397 ff.
lAerc (enentes 9.
Überi 131. 133,
Liber legiloqnus 71.
Ltber Papiensis 74.
Liber Vitae der Kirche von
Durham 651.
Libri sententiarum 97.
Lichtalfeo 288,
Lichtelfen 287.
Lichtenberg im Viottgau
Laurinbilder 637.
Lichtgottheit 349.
Liebgut, Oitnlti Witwe 677.
Lied von der BnvallMdilacht
710.
— , din. von Gralver 675.
— , deutsches, im 18, n. 19.
Jahrii. S95ff.
— , s&chi^het, Ton Krietn-
hilds Untrene gegen ihre
Brüder 636. 639.
Lieder, dSnlKh-flrÖikhe634.
637.
Liederbücher, dentiche 581C
Uesing 136.
Lif 383.
Lift>rasir 383.
Uf focht 177.
Ligurer 753.
Lilie 145.
Limes 8o3. 885. 889. 904.
931 f-
Lindisfaran, «i 854.-
Lindisware 854.
Lindpaitttner, Peter Jos. 599.
Hn/J 163.
Lingones 778. 796.
linÖn as. 816.
Ijod 344. 404.
liodgarda 1 36.
Ij&idlfar 287.
Liothida 830.
liPgediHge 177.
lipinski, Karl Joseph 604.
Lippe, Bibliographie der
Quellen der Sitte und des
Brauchs 522.
Uppert, Jul. 243.
Liszt, Franz 605,
Litauer, litauisch 754, 759 —
761. 763. 782.
Liten, Unfreie, bei den nieder-
deutschen Stämmen 4.
Literae initiales 534,
Liturgieen 73. 77.
Liturgischer (xesang 556.
557- 560.
liuga 161.
Liutprand 68.
Liudegast t. Dänemark 670.
Liud^ger v. Sachsen 670.
LiviuB 742 f. V34 777. XL
57 780.
Liviandiscbe Rechtsbücher
93-
lobön 185.
Locheimer Liederbnch 580.
lacopositus 125.
Lodur 346. 348. 349. 378.
-W 852.
Löwe, Karl 596.
Lofu 371.
i9g 57-
^i VI-
l^gb^rg 204.
Iqgfesla 180.
Logi 298. 308. 347, 363.
t^gleyM IIa.
Ifgmdl 187.
^gmmudmme 1S4.
Ifgtmatr lOI.
l^ttta 146.
ifgiaga toi. 113. 118.
hg^fr 174.
hgt^guwtailr loi.
JfgtaU 101.
Ifgfing 113, 134. 146.
Lobjnngfer 394.
Lofanbildnng 29.
Lohnsteigerang 10.
Lohntaxen to.
Lokalrecht 77.
Loka brenna 353.
Loki 304. 312. 346—353.
382.
Lokis VerhSltniss in Offin
348-352-
Lokkes havre 353.
Lombardei 950.
Lombarden 49.
Loos 2. 13.
Lortxing, Albert 600.
Loptr 348. 349.
Los als Gottenrteil 401.
— bei RechtsflUlen 401.
Lose, Joh. 95.
Losen bei den GaraUBOi
400 ff.
Lossios, Lucas 583.
Losstage 360.
Lotbüchsen 237.
Lotherui 349.
Lothringen, Bibliogr^Ue
der Quellen der Sitte nnd
des Brauchs 516.
lotttng 203.
Louhi 353.
Lu, de lichte, Name f&r
Hexen in Friesland 376.
Loaran 699.
Lucas HoreboQt 547.
Lucifer 347.
Ludecus, Mattli&ttS 583.
Ludewlc 716.
ludr alln. 567.
Ludrich 787.
Ludwig d. Baier 80.
Ludwig V. Eyb 94.
Ludwig der Fromme 67.
71.
Lü, Icpe, Name fnr d. Hexen
in Oldenburg 376.
Lübeck , Bibliogr^ihie der
Quellen der Sitte und des
Brauchs 521.
Lugii 820. 823 f. 923. 936,
950.
lui/^ 419.
luta 181.
LuUus, Bonifatina* Schai«r
235.
Lnlly, Giov. BattisU 58$.
^^^^^^I^H^^^I
Sachrkuister.
975 ^^M
LuatcDschlou, Erfiadune dei
mdl 165.
Mark ^^^|
238.
mäi, dverjra mäi, altn. (Echo :
maria 127. ^^^^H
Liiten 567.
die Sprache der Zwer^re)
Marke 169. ^^^^H
Lurici, Sage von der 356.
290.
Marken ^^^^H
mUreigen 173.
mdlhoNm 1 28.
MarkgcDosscn 13. ^^^^H
I^athcr, Predigten, Werke
mdlda^^f 185.
MarkgenosscDschaften 3. 4. ^^^^H
236.
Malerei, deutsche: in d. Zeit
s. ^^^H
Lax era bürg, Biblioctaphie
Karls des Grossen 534-
^^^^1
der Quellen der Sitte und
— in der lomanischcQ Pe-
Markgrafschaft 124, l$i. ^^^H
det BraDcha 516.
riode J29— 540.
^^^^H
Lygü s. Lugii.
^ritareiär 31 5.
— in der Periode der Gotik
merii>' kell, ;>germ. 7B7. ^^^^H
545 '^■-55* ff-
Markomannen 794. 796. 894. ^^^^H
lyritr 57.
Mulrrachulcn, westHlliache,
835, 880. 919—935. 931. ^^^H
l^ritti 138.
kölnische, schwäbische,
934—937' 939. 941- 94Sf^ ^^^|
typrttt^r 57.
fränkische 546. 547,
^^^1
mdit a) 168. b) [85.
Markt 34. 79- 13$. 136. 153. ^^^H
malloberg 71, 3O4.
— , Einrichtung; in England ^^^^|
M.
maUmaprr 157.
^^m
malttrghandi 302,
Marktabgaben 41. ^^^^H
m unter Ersatzdehnung ge-
Man 840
Marktgebiet 35. ^^^^B
schwunden %. n.
man 139,
Matkrecht 31. 4t. 78. ^^^H
Uacborel 681.
M&nagarmr 301. 311.
Marktfriede 106. 125. 126. ^^^H
maifr 168.
manahoubit 139.
194- ^^^1
Madrigal 58J. 59I.
manh&t 20O.
Marktrtcht 31. 79. 80. 106. ^^^H
fiM'ihiitene I 57,
Mangcn 235.
126. 203, ^^^^H
Mähicn, ßiMineraphie der
M.ingonclten 33$.
Marklverhülttiisse 36. ^^^^H
(jucllcn der Sitte uad des
manhalghi 129. 196.
Marklverkehr 36. 41. ^^^^H
Drauchs 51a.
Mani 31D.
^^^^H
Mlxtite, jährliche bei d. »Iten
Manimi 823.
fnarlidaftdi 3(J7- ^^^^^|
Nordländern 463.
manjafuaitt 45z,
Maimwle 397. ^^^^H
ui4t^'burff 157.
mannahugir 27a.
ntaritttnnitl 397. ^^^^^|
m^gä 155.
mattngf^td 300.
Maroboduus 794. 923. 930. ^^^H
nutre 137.
Mannhardt 293. 341. 242 ff.
^^^H
tmrrki I69.
munnhf/gi 115.
mütvi kelt. ^getm. 7^7- ^^^^|
»M-/ 33 [.
mannhfigr 1 39.
Marpalt ^^^^H
tnapfyigP 16J.
Mannus 378,
Marpurg, Friedr. Wilh. $98, ^^^H
tnapgiß 163.
manSn 184. 3il.
Mar« 314. ^^^H
«4¥^ 155-
mannr 8. 21,
M^iTs Tiu ^^^^1
MaEes:^e 854.
ruanschaft 68. I78. I79.
Mar» Thini^us 5"' ^^I* ^^^^^|
magiilcr opifiaum TJ.
matut nutgnt 13,
Marsaci 876 (. 882—884. ^^^M
Magna Charta 41.
mansyitgvuur 418.
^^^H
magitaffs 133.
manSHs 12. 170, 177.
Marichhufen 13. ^^^^H
Magni, Thors Sotin 355. 359.
matisui Jaminüatus I4.
Marschner, Kari Heinrich ^^^^|
Uagnos Birghttson 1 10.
mofuus seniiiis 14.
^^^1
— Eriksson 109. III. 113.
manlcl (Gätcr In Schweden)
MarsI S04. 813 r. 877. 894. ^^^H
^ Krlinifsson 1 14.
22.
902 r. 906 f. ^^^^H
— der Gesclzvcr besser er
Mantel 159.
Mariigni 804. 921. ^^^^H
(H3ikonB[«oii} 115. 116.
marttts jMititiMc 145.
Mars ThingsuB ii^. ^^^^H
117. liq.
mattvrr^ 130.
Mat-ium 886. 99 1. ^^^^|
— der Gute 113. 118.
marc 169.
Maiiin Schaflner 547, ^^^^H
mtahal a) 162. b) 303.
marhmdiil 297,
Mars, Adolf Bemb. 60t. ^^^H
moAu/lin 311.
Marcellious Ammianoa 234.
Masacdo 546, ^^^^H
tttahelufials \ &2 f.
mar<hgang 128,
Manovaioi 907. ^^^^H
Mahre 367 S.
munhleila 128,
775. ^^^^H
Mahu, Stephan 583,
Marcomaoni ».Markomannen.
Mass, bd den allen Nord> ^^^^^|
MaibauHi 368. 387,
hl arconitres 906. 91 5.
Unilerii 471 fr. ^H
Maienioslein, Du 368.
Mardvll 317. 373.
— , der angelsächsischen ^^^^H
Maibrvnnenrcst 386,
Margarete v, Ufinem. 106.
Hufen ^^^^1
Idajdroming 368.
"""'Ä'.W'i'" 30»-
Masa 181 ^^^H
MaiKiaf 3b8.
Marienburg, Scblnss an 542.
tHOssariui ^^^^H
majores 14.
Marinas 744 F.
malara, "i, m*trra, -is keh. ^^^^|
Maikonig 368.
mart'tagiuM 140.
^^H
Maikiitii(;in 36S.
Mark, Kolner (Silber) 45.
mathan ^^^^H
Jklul<arl, iians v. 553.
— Geldes 48.
MaieUne ^^^^|
Makedonien 758.
— Goldei 48.
maßnl 123. 203. ^^^H
976
Sachregister.
Matthison, Job. 590,
Mattiaci 876. 885.
matzi'a got. 822.
Manlpertsch, Anton Franz
552.
Mayer, Charles 605.
Maygrefve 368,
mayor 32.
Mecklenburg 873, 895,
Mecklenburg, Bibliographie
der Quellen der Sitte und
des Brauchs 521.
mid wgerm. 816,
Medellag iii.
mtäiani 131,
mediocres 1 3 1 .
Mediomatrici 795 f. 798.
Meererin, Ballade von der
schönen 643. 710.
Meier, John 626.
Meier 14. 16,
Meierhöfe 14.
Meierrecht 177.
Metland, Jac, 586.
Meili 359.
meinUU 194.
Meistersänger schulen 564.
Meisterslück 29,
tneitek 157,
mtkeis got. 826.
Mela 111 3, 32 812. 924.
M^land 725.
Mella 301.
Melodien der Minnesänger
564 ff.
Menapii 772—774. 797r. 889,
Mendelssohn 596. 601.603 ff.
megingjardar 357.
MengiijÖ 373.
Mengs, Ra])liaül 552,
Menja 304.
Menschen, Schöpfung der
377-378.
Menschenopfer 314.315.339-
345- 355. 383- 388.
Mensuralmusik 564, 577.
Mensuralnoten, Erfindung
der 577.
meotod ags, 282.
Meran 675.
mert'hntti advendirers 42.
Mercia, -er 838. 854—856.
Mercurius 331.
merrdiof 302.
mertfixas 296,
merkjaga nga 128.
Merseburg, Palast zu 534.
— , Thietraar von 234.
Merseburger Glossen 863 f.
— Totenbuch 863.
— Sprüche 233.
— Mundart in ags. Zeit
864 f. 866.
Messe, Begriff 578,
ntcstien 33. j
' nieta 161.
Metall fabrikate 20.
Metallgeldrechnung 44.
Metallgewerbe 30.
Metallgussarbeit 544,
Metallkugeln 227.
metayage 18,
Metapher 79,
Metathesis 862-865.
mi'teban 196. 221.
Meteorische Theorie 240,
tnetod alts. 282.
Metrum 79. lOl. 187.
meizf 227.
Meyer, E. H. 242. 243 ff.
— , Elard Hugo 616.
Meyerbeer, Giacomo 600.
meyßskur 297.
meyjar 34 1.
meziban I96.
mezzadria I 8.
Michael Wolgemut 547.
j niicX asl. 826.
1 miädangeard ags, 377.
j Middelengle 854.
! Midgardr 304. 377.
j Midgardsormr 30 1 . 304. 347.
I 378.
I Midgarasschlange362ff.382.
I tnidjungards got. 377.
I midvi'trarnött 592.
' miekka linn. 826,
! Mierce 854.
; Milchslrasse 317.
Mildesheimisches Lieder-
buch 595.
miUs 133.
mililrs I40,
Miliais, John Everett 554.
Mimameidr 379.
Mimesii 305.
Mimessjü 305.
Miming 305.
Mimniing 709.
Mimmingus 326.
Mimir 305 — 306. 342.
Mimir und Odin 306.
Mims viur (Odin) 306,
Mindetfreie 136 — 138.
Minderjährigkeit 186. 193.
Miniaturmalerei, angelsäch-
sische 534.
— , deutsche unter den
Ottonen 539.
Ministerialen 16. 17.
niiniili-rialrs 14O.
Ministerialitat 6, 26.
Minna 2 I I,
minojiidi 131.
minores 131.
mirkridur 277.
misen'i-nrdia. al. (Dolchmes-
ser) 224,
misgfrning 1 9 1 ,
Missi 67.
missio in bannuin 221.
missit&t 191.
mi'ssus 152. 209.
Mist (Valkyrjenname) 370.
Mistelzweig, Sehntzmittel
gegen Verhexung 326 —
35'.
Mistilteinn 326.
mi'thio 1 50,
Mitothinus 346, 349.
initta'ufcha 329.
Mittilgard, Mittingart 377.
378.
Mitwinteropfer 393.
mizdö got. 816,
Mjölner 352.
MJ9II 298.
Mj9llnii 357.
Mj9lnir 351.
rnj'ftudr an. 282.
mj^tvidr 379,
; Mödguör 381.
Modi 359.
modrahniht 392.
Möhrin, die 642.
Mcierir 398.
Moser 52.
Mözen 865.
mohpe nordhumbr. 816.
Moinwinidi 918.
\ M9kkrkalfi 361.
Molique, Wilh. Bernh. 604.
I momber 157.
Mon. Germ. 234. 235.
, Mondsee-Handschriß. 581.
I Mone, F. J. 625.
I Mones 239.
Montage 677. 694. 695. 709.
Monochord 572,
Monodischer Stil in Italien
(Sologesang) 585.
Monopolstellung der Hansa
■ 39 ff.
; Monteverde, Qaudio 585.
Monza, Palast zu 534.
Moosfriiulein, d. i. W'ald-
geister 294.
— Jagd nach M, 334.
Morgengabe 162.
Morgensprache 28, 166,
Morgenslern (Streitkolben)
227.
, morgungj^-f 419.
tnorimaritsa 'J'J^.
Morini 880.
irH'rk 127.
Mörlant (Kudrunsage) 717.
nwrtiiarium I40,
, Moscheier, Ignaz 605.
I Moselfranken 908 — 912.
tJiotbok 106.
Motette 577. 578.
mopfie ae. 816.
; motte xa. 816,
I Mouillierung und Assibilie-
'^^^^^■^^^^^^s
Sachkegistkr.
977 ^^H
ning eines 1/ nnd / vor /
tnumiiJtrt l6t,
^^1
oslgerm. Sil f. rines 4
Muninn 336. 340.
^^^1
ani:larrs. (as.) S62 f. 865.
Muniitpa] leben, römif-chea
Mowttovj^of 700,
33
n vor stimmkncn Spiranten ^^^^H
Mozdft 5()f(. 599 f. 600.
muH/ät 150.
an^oTni. (wi.) unter Ersatz* ^^^^H
Müden 865.
MuQtenacice 897.
debnung geachwundcn 843. ^^^^^|
MüllenhofT, K. 244. 61 1 f.
muntman 138.
861—866. W>ud[rk. fl^ ^^^H
617. 635, 646. 653. 654.
Mtulk|;c»chichic, Deutsche,
898. -M rbcinlrlc abgclaDen ^^^^^|
659. 671. 675. 678. 6S4.
Grundlagen der moderacn
916. unbetontes -n ndfrk. ^^^^H
68S- 703. 705, 711. 713.
Musik 555 ff. Die Periode
abgefallen 898. tbrinfrk. ^^^H
733.
de« tjrcgorjani sehen üe-
^^^^H
, MÖUer, Max 240.
saDKCS 5&0 ff. iMusikin-
Nuchbarschaft 166. 169. 170. ^^^^H
l -, W. 239.
atruinenCc des Mittelalters
^^^H
1 — j Weiuffl 5(j6. 598-
567 ff. Periode des Kontra-
— Entwicklung derselben bei ^^^^H
f _, Wilh., &1-. 673. 673.
punkCts und der Mcnsural-
den Gcnnaacn 3, ^^^^^|
Münden S65.
mo&ik 57611. Dcrdeutscbc Nachmessung 32. ^^^^^|
Münze 149. s. auch Geld.
Stil unter der Mcrracbaft
NachrichleiKÜenst 36. ^^^^^|
— , Kiilner 45.
der ilalienischcn und fran-
Nacbt&iiiien, Bezeichnung flk ^^^^^|
Münzcinhcil 45.
zÖsiscbt^n 585 IT. Häixlel
^^^^^H
MÖDzcnrerachl echtem D24 6fr.
und Kncb 592 IT, Ktüysikei
X:u-btjager 334. ^^^H
Münzerhitiugenotsen 87. 96.
und Komaiilikcr; Das l.ieil
Nachlniännle.N.'uiiedesDrudt* ^^^^^H
210.
59j fr. Oper- und Chor-
gviüies im £Jsass 269. < ^^^^^H
Mün^erhausgftoosseDäC haften
musik 597 IT tlalieniscbe
N'acbtmahre, a, Mahre, ^^^^^|
28. 49.
Oper in Ueutsi7hland;SiDg-
Nachtrabe, der 363. ^^^^H
Mün^fiiss 44. 4$ ff. 47.
spiele 597 (T. Grosse Mei-
Nachtrcibi-rianea, Bczeich- ^^^^^|
Mönj^gewichl 45.
ster df^r deutschen Oper
nung für Ilexen 377. ^^^^^|
Müiizprivile^eo 4^.
S99 ff. Gcisiliche Mnsik:
Ntzfnd ^^^^^H
Mün/rcclit 36. 45. 47.
ChormuMk ; Oratonuoi
NXgeli. Hans Georg 596. 597. ^^^^^|
MünzitAtten 45.
600 ff. Instrumentalmusik
Xaherrecht 151. ^^^^H
Münxsysiem, denUcbet 45.
601 ff.
Nvsbjeig, Brakleat von 836. ^^^^H
MunzvereiTiiguii};der 3 skan-
Musikschulen 560,
Haftiftitr ^^^^^1
dinavUcben Reiche 48.
Musikunterricht, iltealer 563.
na/naptila 309, ^^^^^H
MünitrerruracEcn 47-
Muskcti^n 228.
Naglfar ^^^1
Mönxvcrtnt^ von 1386 46,
MAspclI 382.
Naglinri 310. ^^^^H
Mün;cwe»en 44. 9$, 153.
Müspcllsheimr 34O.376.377.
Nigrind 341. ^^^^H
I73-'7S.
Mas])ilU 383.
NahanarvaU, Nahanralt, vao- ^^^^^|
^- im skandinavischen Nor-
Klusieil 93.
dilische Völkerschaft 677. ^^^^|
' den 473 If,
Mulesheer 333.
^^^H
Mullni, Georg $88.
V. Mnth, R. 703.
N'.iiiTungsmittcl der Nord- ^^^^H
Muncb 345.
Mother, Richard ^54.
linder 447 fil ^^^^H
mumf 136. 137. 138. 147.
mütMhar 179.
347. ^^^1
)50f^ 157- 159. ;63. 164.
Myramcnn 373.
183. ^^^^H
168.
myrkriäur v. an. 260.
Namcngabe a] 141. b) 164. ^^^^H
Muntiarteo 749 f. ostgenn.
M^Tltvidr 725.
Namengebung,notilivbe4l^. ^^^^^|
j Szi r. skandhiaw. 816. 826
Mythen, volkslüno liehe, hier-
^^^^^1
— 830. 840. an^lofrie«.
archische 344.
^^^^1
843. niederdeutsche 703.
Myllicn, Epnit^icchische in
Nariici ft. Vamti. ^^^^^|
816 — 866.870— »72.896 f.
drr \Vol (die trieb sage 67b,
aaial-- 234, ^^^^^H
898—900.936. frank. X7 2.
Mytbcnbildiing 24 1.
\iL<«ul»in<I 334, ^^^^^H
1 876. nicdcrfrk. 862. 887.
1 890. M94. 898 — 901. rip-
Mytbisibe Lieder, Samm-
^^^^^H
lungen 245.
Sai-uix» ^^^^^H
1 war, 877. fiqo. 901. oiosel-
Mythische Vuraielluiigeii u.
Kvi^uu, Bibliographie der ^^^^^|
1 frk. 908 f. hessische 915
Oll etil eleruiigen blj.
^hiellcn der Sitte und de* ^^^^^|
—917. rheinfrk, und ost-
Mythologie, genuanischc, Be-
Brauchs ylb. ^^H
1 frk. 917. vogtid. 918.
(>TÜ1'e und Aufgabe 330 ff.
ttditverdr 447. ^^^^B
nneisiii, 763. 943. erigebg.
-231.
NatuialbetTflge ^^^^H
763. 943- nordböhm, 763.
— niedere 335. 240.
Nanirahrericchr 44. ^^^^H
obeiiifilE. 763. bur^uud.-
— bobeie 340.
Namrahrtrtüduft 37. ^^^^H
alani. 823. S35. hochdeut-
— prJhii-tonsche 240,
Naonuns, Job. Gotü. 597. ^^^^H
sche 925.
Mythologische Dichtung bei
Nangationsakte K^nig Ri- ^^^^^|
Mund arte 11 forschuD£7 30.81 1 ,
den Germanen 331.
cbordil. Hcinr.VXI.(i342) ^^^H
829. 872. «76.
Mythos, Wurzel des, Begriff
^^^H
muntilora 145.
des 331.
NazarcutT, Schule der SS'» ^^^^|
Mundilfari 31t.
Nebelkappe 390, ^^^^^|
mu»i1r 140. ibt. 418.
Nebt^Uugen 306. ^^^^H
Germaaiacbe Plülologle HL IL Aufl. dS ^^^^1
978
Sachregister.
NebenhOfe 14.
Necken 297.
MedmMftä 161.
Neefe, Chr. Gottlob 598.
Ndia^nnift 374.
Ndiriiig, W. 704.
Neiding 166. 191. 217. 218.
iKtken 296.
mtmtt kelL > genn. 787.
Kemetea 795— 797< 806. 934.
mennir 297. 305.
Nerike 831. 833.
NagtaQeinni 825.
Nerüms 318. 367 ff.
Nerthuafert 367 ff.
Nerthtu-KuU, -Völker 814.
850. 852. 854. 921. 933-
Nervi! 739. 770. 805.
Netsedistrikt 900.
Neabznch 3. 19.
Neubrfiche, Anlegung Ton 19.
Neukomm, S^lismund von 604.
Nenmei»ter, ErdnuuiD 592.
Keamen 558 S. 564,
Neun Welten 378.
Neveoi 781 i.
Neustrische M&rkte 36.
Nisren 83 1.
tuxus, grundheirlicher 17.
Nibelunge ^ Nebelkinder ,
I mythische Bedeutung 655.
Nibelungenhort 657, «u^e-
fust als Rbeii^ld durch
die Rhein&anken 660, Vor-
geschichte nord. Dichtung
662.
Nibelungenlied 639, im Ver-
gleich m. d. [>idrekssaga
666, im Vergleich mit der
alten Sigfridsage 667,
Nibelungensage, historische
Burgundcnsage verschmol-
zen mit dem Sigfridmyihua
621« erste Einwanderung
in den Norden 631, älteste
Form im Norden erhalten
633, dänische u. faröische
Lieder 634, norwegisches
Lied 634.
— Quellen 639.
— Hauptgestoltungen 651,
oberdeutsche, niederdeut-
sche, rheinisch -fränkische
Überlieferung 651, Gesch.
V. Sigfrids Ahnen in der
Vijlmingimga 652, Sig-
mundsage 652, liänk. "Wel-
snngcnsage 653, Odin 654,
Sigfridsmythus 634, Natur-
mythus 654, Sigfridsmär-
eben 654, Grunt^stalt der
Sigfridsage 654, Sigfrid u,
Brunhild 655, Tagesmythua
656, Jahreszeitenmythus
656, Entwicklung des alten
Mythus zur Heroemige bei
den Kheiofnuken 656, Ver-
sduneUung mit der histor.
Burgundensage 658, Ein-
wanderung in den skand,
Norden 661, iltere S^;en-
achicht 661, Antddas» aa
d. nord. Mytludogie 662,
jüngere Sagensdiicfat 663,
Etnflnss auf die irische Hd-
densage 663, N. S. in d.
deutadien Überlief, umge-
staltet 664, Wendung da
Sage in Oberdeutacäland
665, ZurOdttreten der my-
thiächen Partien in der
deutschen Gestalt 666, alt-
niederd. u. oberd. Sagea-
version 667, An- und Aus-
wüchse der N.-S. 667, Reste
einer altniederd. Sagen-
schidit 667, neue Lokali-
sienu^en 669, Attila das
Bindeglied zwischen Nsage
u. Dietrichsage 703, Die-
trich und Rudrer 703.
Dietridis Eingreifen in den
Nibelungenkampf 703.
Nibulung 656.
nicchessa 296.
Nichelmann, Christoph 598.
Nickel 397.
Nickelmann 397.
Nicker 397.
Nicolai, Otto 600.
Nicolaus von Verdun 540.
nicor 296.
Nictrenses 914. 933.
Nicretes 914.
niägjulld 157.
Nidhad 723. 726.
Nidh^ggr 379. 381.
Nidpdr, König der Xiaren
723- 726.
Nidungr 724.
Niebeck 865.
Niederdeutsch s. Sachsen und
Mundarten.
Niederdeutsche StSdtebund
38 ff.
Niederfranken 876 f. 885—
901.
Niederfränkiscbe Mundart 887.
890. 894. 901, in Ostel-
bien 896 — 900.
Niedericgungen 23.
Niederrhein, Pflege derHelden-
sage am 637. Einflvss der
noidfranzösischen Epik 637.
Spätere Anspielungen auf
die Heldensage 638.
Niedersachsen s. Sachsen.
nifgang 2 18.
Niflheimr 376. 378. 380.
Niflhel 335. 378. 380.
na 297.
NixQiang 825,
niwum lartd [73.
Hüpuk 292.
mste 292.
Nistreü 914.
»iß 155.
nifinger 194.
mfj6i 156.
Nmjüfa) 836.
Nätwila 836.
Nix,' der 298 ff.
Njala 256. 271.
NJ9rdr 311. 320. 323E 379.
-uff- Veiba 816 f.
Näatütt 323.
n^el 46. 47.
nobiles I32.
NOrgen 294.
Hikk 296.
Nomaden 757 f.
Nomadentum lO.
Nonnengeige 573.
n^Ttnur 341.
Nordalbinger 870 f.
Nordamerika, Bibliographie
der Quellen der Sitte und
des BraudiB 524.
Nordaohymbra {vtests lagB
125.
Nord(an}hymbre 854.
NordbChmen, -iscb 763. V^
auch Böhmen.
Nordengle 854.
Nordfolc 854.
Nordfriesen 848 f.
Nordgermanen s. ^cadinawler.
Nordian 729. 734,
Nordisch s. Skadinawier.
Nordhumbrer 854—856.
Nordschwaben 870. 933,
Nordstrand 848.
Nordthüringgau 870.
Nordungam 944,
Nflri 310.
Korici 782, 794.
Normal zinsfuss 59.
Normandie 838. 84I.
Normannen 827. 837 — 842.
Nomagest 283,
nornagreylur 282.
nomaspi>r 283.
Nomen 281
Nomengrütze 283.
Nomir 282.
Norr 298.
Norwegen, Bibliographie der
Quellen der Sitte and des
Braudis 529.
— Entwicklung der Wirt-
schaftsveriiUtnitse ii.
— 56, 100. loi. 113 — 117.
122 f.
Norweger 828—830. 832 t
837- 859-84»-
Sachr£oister.
979
MotarUt 85. flS.
ntttdiiK 205.
NiHle\»er 389.
ttatttia X B9,
Xotitia 59. 68.
Xolkcr Ua,lbiilus 561. 563.
Nothcrschc SequeozcD 36 1.
Noit 310.
növa/ia 13.
Nwaricsii 9(4.
Nuithon« 8 50.
Nuodtmc 6i>3.
IfäitAn 379.
Nutzung, Land Kur 8.
Nuuuogsrccht 2. 177 ff.
Nutzunpvn-'halUii*4pdcr Wil-
der 19.
jflyXr 296.
«y*Kr 197.
n^Mitr/r lOO. I18,
nymfhae ulvestret 27O.
O.
Ä>osn:cnii. ti82if. ^-Dd.
d bczw. an, ndfrk, uo 898.
— Cnlicüitites ö >■ anglo-
frs. \M.) a 861—864. —
-6 > oalgerro. -a. wgenn.
.0 810. Sir — 833.
Obereigentum IJI.
Oberiiol 80. 81. 308.
Ob«rkÖnig<: II.
Olwrniärker 6. 16. 19.
Obciptalz 918. 941.
'Oßtoi 950.
Obwn 575-
Obrccht, Jacob 579.
obilagium 184.
OctBvtrnciitdiDiren $55.
Odr 373.
OdJiiiÄttkr 381.
idai [0. 134. 172.
Odalbonden li.
Oden far fBrbl 334.
Oden jaßcr 334.
Odciu JaKl 334.
Od« 776.
OdUo 66.
Odin 245. 258. 318—346.
OdimHUgr 32g,
Odins Teilnahme am Schick-
sal der Weisungen 634. 662.
0<lin-Hoenir-L/jki 350.
Odo von CUigny 571.
OduKcr 822.
Odmker 619. 689. 690.
Ödvoeiir 344.
Odytaeostag« 677. 732.
cedrecht 177.
CfVeoUicKkeit 130, 189. 212.
Ovglin's Liederbuch $81.
Oic 47. 48.
Orhtg 48.
OstT, ^Vtlam Kritdricb 552.
Ofterrctch (Suat- und Land-
■dioft), BibUoKTapbie der
QnclIcD der Sitte und des
Brttuchi 507.
— Wiedergeburt de» dcut*
•eben Hpos in 638.
Österreicher 947 f.
ÜMg/Vta lagh 108.
oferhYmn JOü.
OflÜi 6g.
offfnunge 78,
ofßiium 14O.
ofraUer 138.
'ohi 906.
ei(a- kelt. > genii. 787.
Okke«Mi» 5; 9.
Okku]<.iltf>n 176.
QkulM\r 357.
j"/. lic/.cichnun^: lur Gulnuhl
41;:.
01i»fr IjudrydartDit 258.
niafii.H. 113. 114 258.361.
Olal Iielyi 35»!.
fSurr IrttclRJa 338. 389.
Ulaus Maf^us 424.
(Jldenlmru, BiblJo^phie der
^itctlen der Sitte und des
Braiichs 523.
Ollem» 349.
t^lriin 722.
Qlrünar-Efjill 734. 730,
ämage 157.
ombecht 132.
Onibtones 780.
Onarr 31O.
^nävrgi 398.
fndWgi'iililnr 398.
Ottovai-ctu 83a.
Opdal, KiixhenlhUr 627.
fiper, Enlwicklunji der>clbcn
385 ff. Deutsche Oper 589.
Deulscbc Oper in Hamburg
590. ItalienJK'be Oper iu
Deutschland 597 fl". Sing-
spiele 598. Gn«üe Meisler
der deutscher Oper 599 ff.
— , Die koiuiscbe 600 ff,
Opfer. Entstehung 250. 383.
Altgermanischca 384. Her-
gang beim C^pfcr 393 ff.
Opfcrfcucr 3S7,
Opremiahl 383.
Opferprleater 383.
Opferschmaiti 388. 399.
C^enteiiie 253.
OprenrerbiLsde 388.
Oprerzeiten der albeo Get-
tnanrn 390 fr.
Optimatcn 69. 74. 75. 76.
131 — 133. 146. 1+7.
»ptimairt 131,
Orakel 218.
Orcbe*(er,Anßnsede>KunMo.
$r6.
orddl 218.
OidincB judidorwn Dei 77.
89.
Orendel. Spiclmaiinsgcdiclu
von K'inin O. 633.731. Zur
Verbtrrlichung des f^rauen
Rock» Christi vcrf. 733,
histor. Bezicbun^a 732.
Orendel im Anhang mm HB.
733-
OrendeUage, frei von hf«tor.
Kinwirkunsen 722. ab £m-
(Uhningiiage 722. Cber-
licferiing 731. 732. Spur^jn
eines zur Brautwerbung*-
s^c Hmge»taltetcn altgcrm.
Heroetimythiui 732, der
Xame gemeingermaniKh
733, epi&chc Fonn der alten
mythischen Sage 733,
Drcufii 739,
Organum 574.
Oxguum (Mehrstimmigkeil)
S62.
Orgel, &Imikiiucnun«nt 574.
orieenf 21 6.
Otkrie}'-lDseIn 840.
Oriamlus Lbssub 379.
Or]ogw.'hUTe 39.
Omithoparchos. .Yodrcaa 581.
arnum 10, 170,
Orms Päitr Stijrölf'asoaar 649.
Ort der G6ttervcrel]ning394ff.
Ortnlt-WolfdifUichsage :
yucllcn 640. tnbah67ifr.
ObcrdcuUdK!, niederdeut-
•ehe Cberiicrcrui^; mhd.
Spidmaimseodichic 671.
Urspnmg wesenilicb histo-
tiÄ-li 67». Kern der Wolf-
diciridisoge die Gescb. der
Memwioger Tbeodorich u.
TLrwdcbeit 673. Abwei-
chende Hypothese Müller»
u. Btits» 673. Lokaliiüe-
rung in Griechenland 673.
675, nur hi-vturiscbe Ele-
mente 674. Auffindut^
Woirdietiiciiü luiter den
^\'ölfcn 674, Zeil der Ent-
stehung der S.i(;e 674, Iht^
IrAokiscbe Heimat 675, Ein-
wirkung auf irische K^eti
675, eddischo HdgitiL-def
675, iOngerc Bestandtaile
676. Abenteuer Wolfdie-
trichs 676, fremd« EinßUasi-
676, ,Kampf mit den Gei-
Mcrn 677. Verbindung W.'i
mit Orinit u. dessen Wittwe
677. Hanungeosagc alter
TUidiltachcr l>io&kuren-
mylbus 677—679. Xjjkali-
sicning in Ritssland 679.
Wanderung der Sage Dach
98o
Sachregister.
ObCFdentschluid 680. Lo-
kalisierung in Rnssland 679.
Wuidenuif! der Sage oach
Oberdentsdiluid 680. Lo-
kaliäenmg *m Garda-See
680. WolHietrich tritt «n
die Stelle de« jOogeren Har-
, tung 360, Verbindung der
Ortnit- XL "WolfdietrieSsage
680. Dichtung d. 13. Jabrh.
680. 681. Berührung zwi-
schen der 'Wolfdietrichsage
und der Sage Dietrichs v.
Bern 681. O.'sage als Em-
fOhnmgssage 722, Hartun-
gensage im Ortnit 733.
Ortsgemeinde 16.
Ortsnamen, keltische 774 f.
78a. 800—802. auf -o^
> -^, -/e 774 f. 800 f.
franzOs. auf -in, -ain 887.
dänische auf -Itv^ -ISf 853.
niederdeutsche mit Sdivuod
des » vor/ oder mit j6>j
O-i) 864 f. südwestfaiische
801. 873. 906. ripwarische
mit d oder ö •< germ. au
862 f. ripwarische und
moaelfMLnk. vai -scheid x^oi.
906. 908, auf -anel, -ohl
906. moselfrftnk. und lo-
thrii^ische 909. auf •keim,
hem 887. 917 f. auf -ingeu
918. thüringische auf -/ed^n
852. 872» auf -steät und
-rodt 847.
Orts- und Personennamen als
Quellen f. die Heldensage
635. 636.
Ortwin, in der Kudrunsagc
715-
— , in der Dietrichsage 675.
— V. Metz im Nibelungen-
lied 669.
Osantrix 701. 720.
Öserich (Osantrix), Vertreter
der Wilzen u. "Wenden 70 1 .
Osi 736. 8 IG.
Oslander, Lucas d. ä. 583.
Ospirin 701.
Östarmänoth 374.
OstOTnonat 374,
Ostfalen, ostmiisch 870—872.
926. 942.
Ostfranken 916 — 918.
Ostgermanen 786. 790 f. 801.
811 — 827. Räumung Ost-
deutschlands 930, 950. Ost-
^^cTiiinnische Spracheinheit
tio9 r. 821 f. Ostgerm.-ska-
liinnw. Spracheinheit 809 —
Si:. 815—818. -d>-ö
810.
05t);oU;n 619, 825. 830.
Ostmitteldeutsche 942—945.
ostnordisch 828 f.
Oswald von Nordhumbrien
Oswaldsage 710. 721, Züge
der Hildcsage darin 721.
Otfrid 623. 635.
dMar as. 866.
Otia Imperalia 236.
Otr 297. 350.
Ott, Joh. 581.
Ottonisdie Privilej^en 35.
Otto von Freisii^ 613.
ou s. au,
Ovctoytatree 835.
Ougel 731.
Oulers, Walter 554.
Overbeck, Friedrich 552.
overdracht 185.
overhore 213,
Oitaiova 776-
Ovigotivot 835. 851.
P.
p kelt. abgefallen 783.
Pachelbel, Joh. 589.
Pacht 6.
Pachtformen, Meiere 18.
Pachtsystem 23.
Paderborn 864.
Pächter II.
Paemani 739.
Pagament 46.
paida got. 762.
Palatialstädte 24.
Palatium I4. 24. 27.
Palestrina 579. 586.
Palcstrinastil 579,
Paltar 324.
Palnc Jopger 307. 334.
Pansflöten 575.
pant 183.
panteidinc 78.
panz [22.
Panzer 226 ff.
Pan/erkapiizc 224.
Papianua 63.
Parcae s. Schicksalsgöttinnen.
Parentelen 156,
Parise la duchcsse 674.
parlamentum 1 04.
Partisane 227,
Passacaglia 585,
Paterson, James 554.
Pafrizier 136. 141.
Fatrizierfamilien 26. 39.
Pauken 575.
Paul Franke 54S.
Paumann, Konrad 580.
Paulus Diakonus 334. 269.
369. 948.
Paulus Diakonns bezeugt
IJeder über Alboin 620,
Bericht über Anthari'»
Brautwerbung 630. 730.
731.
•pe in Flust- und OrUnamea
774 f. Soor.
Fecs^tan 854.
Peikabagms got. 780.
Pelwonn 848.
penna kelt. 762. 775. 778.
Ferchta 38o ff. 391.
Perchteo 280— 381.
Perchtenlanfen 380.
Perchtentag 380.
Peredeo 73 1.
j Pen 585.
Perkünas 358.
Perkunia 762. 783.
PercussionsscbloBS ( 1 820) 328,
Ferner und der Wondererr
Fastnachtsspiel 643.
Perpentikularstil 543.
Personalitätsprinzip 65. 69,
77- 137.
Personennamen, kelL^^getm.
787, germ. > slaw. 788.
sächsische 864,
Personen- imd Ortsnamen ab
Quellen f. die Heldensage
625. 626.
Pest von 1349 10.
Peter Christus 546.
Petersen, N, M. 245.
Feter v. Aadlo 98.
Peter Vischer 545.
Petrariea 235,
Petros Fatrikios 6 950.
Petrus Sax 849.
Feuce, Peucini 823.
Peulingersche Tafel 745. 860.
Pfannerschaft 31.
Pfaffe Konrad 719.
Pfahlbürger 136.
Pfalzgraf 152. 209.
Pfand 182 f. 184. 185. 221.
Ffandschaft 153. 183.
Pfannenscbmicd, Heinr. 245.
Pfeifen 575.
Pfeiferbrüderschafe 166,
Pfennig 45. 48.
— Rejjcnsbui^er 45.
— Wiener 45.
Pfcrdehaltung 19.
Fferdckampf bei den alten
Nordländern 453.
Pfintptbaum 387.
Plingsiklöuel. Der 368.
Pfingstkönig 368.
Pfingstniaie 368.
Pfinztag 355.
Pflanzenseele 342.
Pflaumenwolf 308.
Pflegeeltern im skandinav.
Norden 416 ff.
Pfleghafte Leute a$.
PAugland 7.
^^^^^^^^^^^B
Sachregister. ^t ^^^|
' PfluK Landes 7.
Popans 292.
Prudcntiiu 561. ^^^^H
Ffund. Bcrnrr 45.
PorUtii^rgcln 574.
prtitisrrba 161. ^^^^^|
— . DeuUcb» 44.
Portgercfen 31.
Pnlmeni^Han;; 357. 360. 564. ^^^^^|
— , RCmiM-facs 44,
Fowiinen 567 ff. 575.
Pnlmodie ^^^^^|
— , Sterliog 47.
PoMidCnii» 741 r. 771. 777.
Psallerium ^^^^H
^ahi 57.
79*- 795 f. S79.
Psalterium aurcuni 534. ^^^^^|
Phöl 324.
Posen 944.
PtolemBioa 743, 825. 1/9,9 ^^^^|
Plmgpr 75^. 757.
Posen, BiÜiograpbic der Quel-
796. U.fi 796. 903. 93>' ^^^H
Piet« de WitiP 548.
len der Sitte 11. des Bnoch«
//, 7 837. 837. 903- "'^ ^^^H
Pilatus Rie-se 309.
520.
832 f. 929. i>^ 9 851. 949- ^^^H
Pilgrim V. PaL-vJUm 63 1. 702.
Poynter, Edward 554.
ri.jo 919, 941. 946. tt,n ^^^^M
Piloly. Karl v. 553.
Praeceptum 65. 68. 69.
910. 946. II, IS 857. it, js ^^^H
Pinis, FriftJr. Wilh. 6C4.
Praeraphat^lilen, Schule der
791. U/s.ft 824. 826. ^^^H
placitttm 133.
554 ff.
PuMicIftlea 97. ^^^^^B
Plänttrwirtschalt lo.
Prärogative, kimigl. 1 1 ,
^^^^1
Plaßale, die vier Toiuirtcn 559,
Praetorium 336. 355. 202.
Pureell, Heoiy 393. ^^^^|
riAiCik in DcuUcliJanil 544 AT.
365. 367.
PuiKum 787. ^^^^1
550 fr.
— , Jacob 588.
F>-theaft 741. 763. 773f. 786. ^^^H
Plastik in EngLind 543 fT.
— . Mlcbnel 583.
789. 80a. 843. ^^^^1
55' ff.
Pni^r, die MjtlendiuLc 546.
^^^^H
Plastische Bildwerke dM 13.
precaria a\ 135, b) 177.
^^^^1
Jahrb. 538.
Prccaricn 17, 27.
^^1
PlaUcnrüstuDi^en 225. Z36.
Preisbildung 29.
— für PWdc 237.
Preusscn 899 f.
Qtiade ^^^^H
pUchkaftf [35.
— , ijst- lind WcstpreuMen.
gua4i 777 r. 794. 804. 858. ^^^H
Plci;el, X'^mu. (1O4,
Bibliographie der Quellen
880. 921— 923. 93or. 937. ^^^H
PliniiM dir älteri^ 743, Nat.
diT 'rAKKv und des Rmucbs
^^^H
hiit. 743. // i/rt 931, ///
520.
Qu»(lri|>i>rtitua 76, ^^^^^1
JS7i<i-yt''^ 7^0. 0Ö790.
Priester j8. I44. 154, 220.
QiiaiT/ 60 1 . ^^^^^^1
8t3. 638. S44r. 97 827.
— der Ocrmanea 399 ff.
Quartan ^^^^^|
99 81 1 f. 820. 623. 844.
Priestetinnen der Germanen
QHedlinbur};cr Annalcn s. ^^^^^|
871. 877 f. 924. ioi 891.
400 fr.
AtiDaleD. ^^^^1
106 795 f. 8g I. Xy/ 6
Pric«tenum. Germftiiixhcs
Quellen fUr die germ. Etboo* ^^^^|
778. XXXVII J5 786.
383. 399.
graphie 741-753. ^^H
789. 845.
primatff 132.
— fUr die ^jittengrsrhichtc des ^^^^H
Plinius, der jüii|>cn:, Eß. //
pritni 131.
9.— 1::. Jnbrb. 4S1 ff, ^^^^|
7 868.
pritufpi 123
QuellonvhatE d. gemi. Volks- ^^^^^|
plöstarhüs ahd. 393.
Prisai» 6i3. 659.
«age lind Volkssille 34 t, ^^^^^|
fitthta 395.
prtvatn atiiit'fntia 149.
Qtiirllen.CbeTsicht 63$ ff. ^^^H
Pluuircb (viu MatÖ, vIta Cue*
PrivaLiTl leiten 58 f. 63. 70—
(Quellen/ et! gnis.ie d. altgerm. ^^^^^H
£.iris) 334.
74. 7ti. 113 f. 117. 130.
Religion naih ihrem Werte ^^^^^B
Pluurchos ;8o.
PrivaL-irchituknircn des 12. u.
^^^H
FoclmaJin 95.
13. Jahrh. 536 ff.
Quellcnkiüt 296. ^^^^H
FocnitentiAlbächcr 76.
Privatgnmdcicentum 8.
gucllopfcr 585. 587. ^^^H
Poesie, epifche, im $. luid 6,
IMvik-cien, könicUcbc 25.
Qiwaldui:ii 880. ^^^^1
Jahrb. in den Krci^cQ der
— , ottoniKhc 25.
QuemknurrcT 297. ^^^^H
Könige und Helden jje-
Privilegien 68. 6g, 70. 76.
^^^^H
pllegt 622, von der Sptcl-
77. 79. 81. 85. 99. 105.
^^^^H
Imitcn Hurgetiommen 634,
110. 13a. 133. 134. 140.
^^^H
Widrrsland der Geistlich-
142. 152. 153. 173. 209.
' keit 635, Wtcdct^ebiift in
Proch, Heinr. 597.
Raben<ichlachl 689 ff. ^^^^|
ötiCTTfich 638.
Procop 234. 622.
— mhd. Golicbt 640, ^^^^H
Pweta Sax" Ö23.
procurntio i^b.
Rache 163. 166. 192. 196, ^^^^|
1 Pohjnia Wirtin 353.
Proetbnischc Kullurslufc 24t,
RodschlocB 229. ^^^^1
Pnilwn 86$,
— Periode 24*.
Riebom. Sir Hertcy 533. ^^^^|
PoiUeiHlorf S65.
Professio juris 69,
rttdm 57. ^^^H
Poijmje-Sclmpfe754, 763.782.
Prokopios, ft. Galih. / ///.
rtrfsta ping 209. ^^^^^|
Polizei 6. 82. 84. 125. 127.
879. Ji fi 834. 836. 851.
ratlSiii ^^^^^k
Poliztigcwalt 5. 6,
lyjo 851. fi. rand. i 3
Rätsel der Sphinx (Laistoet) ^^^^|
Polterseiit 293.
831.
^^H
Polybio» 74 t.
preprism 170.
rtrttara fitmff 209, ^^^^H
1 Polyonymie 241.
Pro«eo (Se<|uenzeamelodien)
ragtnbHrgja 30fi. ^^^^H
Pommern 545. 873. 8') 5 f.
sfii.
RagiiL-uri 833. ^^^^H
Pottdirs, Cbriuopb 552.
Proxc«« 64. 6^, 69. 83. 84.
Ragnacber ^^^H
Poock 291.
89. 176. iSo. 211 — 222.
R.ignaTkü 830. ^^^^|
982
Sachrbgister.
Ragnaivlc 383.
Ragnarekmydna 310.
R^nir9kkr 383.
Hjignarelumytlien 344.
Ri^pandripa 634. 664. 687.
710. 711,
Ragvald logemimdiion iii.
IUbin1,e)de 86$.
ramarkir 128.
Ranuuodbergitein 627.
RAn 303.
RftDdvär 685.
IUiii(hi)ldA 822.
ranns^hi 311.
rape 124. 127,
RasKliDttnimente 571.
Rat (der Stadt) 80. 126. 136.
153. 190.
— des ReidiB iio. 133. 146.
148.
— des LaDdeshemi 140.
RaUtoskr 379.
Ratchis 68,
rdf 185.
RatteofUnger, der von HamelD
356.
Rauch, Christiall 55t.
RauSr 364.
Raubnficbte 260.
Raumariciae 830.
Raiuad 796.
Raveana 689. 690. 694.
Reallast 178. 184.
Realrecht 184.
KealunioD 122.
Realverträge 185. 189.
Receptionen 90. 91, 98. 102.
III.
RecbnuDgsgeld 45, 46,
Rechnungsschilling 43.
Recht 57 f.
rechtelts 195.
Rechtlose 14I. 218.
Rechtsaufzeichnung s. auch
Denkmäler.
Rechtsbriefe 79. 82. 99. 105,
106.
Rechtsbücher 59, 70. 72. 76.
89 — 96. 100 f. 102 f.
Rechtsgenosse 129. 137. 212.
Rechtsprecher lOi.
Rechtsübertragungen 78. 80.
81. 94, 105.
Rechtsverbände lOl.
RechtsEug 80. 206. 308.
Recitierender Gesang 557.
Rectiludines 76.
-rerf 864,
reäa 57.
ridgevQ 153. 208,
redja 57.
reepning 22.
rceve 22. 32.
Reformationen 81.
R^ien 152, 170. 176. 178.
R^entburger Pfeno^ 45.
regln an. (Äsen im Ü.) 282.
rtginnaglar 398.
RegiDO von Prfim 275. 563.
rtht 57. 141. 303. 310.
Reich 123. 124. 145. 146.
Reidiardt, Job. Friedr. 596.
ReichiKeKtze 65. 85. 105.
IIO. III,
Reich^oldwBhnuig 46.
Reich^of 86.
Reicbakanunergeridit 85.
Reichsrecbt 77.
Reichschuldenwesen 49.
Reidistage 104. 132. 145.
146. 148.
Reichsunmittelbailceit 6,
Reichsvogtei 149 f.
Reichtum 133.
reiia l8l.
Reidanj^r 357.
Reidgouland 837.
Reidgotar 817.
Reiferscheid 901.
reiks got. 826.
Reilmerk 44.
Reim 79. 94, 187.
1 Reinfried T.Braunschweig639.
' Reinken, Joh. Adam 588.
; Reissiger, Karl Gottl. 599.
, Reiterheere 19.
Rekkessvinth 62.
Religion, Begriff 230, 231.
232.
Remedius 68.
Renaissance, deutsche 548,
Renaissancestil, der italieni-
sche in Deutschland 548.
Rentenanstalten 50.
Renlenbriefe 50.
Renlcnkauf 49, 184.
Rentner 26.
Rentwin 679,
Reperlorien 97,
Rcsponsorien 557,
Retraktrecht 151. 172.
rtfitarbdt 116. 12O.
r^ltr 57, 141.
rex 144.
Reudigni 850.
•reut 918.
I Reuttcrlicdlein 581.
] Rej-nold, Sir Joshua 553.
Rhabanus Maurus 561.
Rhaw, Georg 582.
Rhfitt 800,
Rheinfranken, ihr Anteil an
der Nibelungensage 656.
658. 660.
Rheinfranken 916. 918.
Rheingold 657. 660 f.
Rheinprovinz, Bibliographie
der Quellen der Sitte und
des Brauchs 523.
Rhebsberg 898,
Rheiiuime 37,
Rhenus 800.
Rhio 896. 898.
Rhodanoi 781.
Ribcdd und Gofalbots, Vii»
710.
Ricercate 585.
Richter tiehe Gcridttahatter.
RichtBteige 92.
Rieferath 90 1.
Rica, Ferd. 604.
Riesen 296. 300.
Riesen in der Sage Ton KOni^
Rother 730.
Riesenland 301.
Riesenq>idEeug 309.
Rietachel, Ernst 551.
riß 128.
rigens ret og deU 33 1.
Rigr 318.
r\gs kelt.>-germ. 787.
riht 57.
rihter 204.
rihtunga 203,
rdi 111, 154.
rViis altpreuss. 826.
rikis samtala HO.
Rimbert 235.
rinc 206,
Rinck, Joh. Christ, Heinr. 60 1 .
Rindr 365,
Rindviehzucht 19,
Ring 162.
Ringbamiscbe 225. 226.
ringrSr 128.
Ripuarii 877. 881. 901 — 909.
917. 923.
Ritter 6. 25.
ritter I33. I4O
Ritter 133 f.
Rittergesellschaften 88. 2IO.
Rittergut 173.
Rittergüter 8.
Ritterlehen 8. 3i.
Ritterstand 9, 229.
Ritterzeit, Deutsdie im 12,
u. 13. Jabrh. 482 ff.
riiuht 57.
riuckUr 153. 208.
rohoratio 190,
robur Joris 354. 396,
Rockenphilosophie , die ge-
striegelte 236.
■rode 847. 863,
Rodensteiner 307.
Rodingcir 701,
Rodolfr ;oi.
Rodungsverbole 19.
Roediger, M. 684.
Römerstadte, alte 24.
RCmerstrassen 36.
Römisches Recht 59. 62. 63.
68. 72. 75. 81. 93. 93.
94. 97- '34-
Rogaland 839.
^^^^^^^^^^^B
Sachregister. 983 ^^^|
Roe«rius conu-ft 701.
Runen kttslc^r n , C 1 vrmon ter
SagenfnnTchTiiiii, Kritik d<r ^^^^^|
Rogg«nbund 308.
626. 723—725. 738.
Quellen 617. Verwertung ^^^^H
RoggcDsau 308.
Runke)st«in, Fretkencyklua
der Zeugnik-ie 617. ^^^^H
Roggenwolf 243. 30B.
617.
Sagenüioflc, ihre Entwicka- ^^^^H
Kt^cr von der \Ve)*cleti 546.
Ruodlieb 6jl. 720.
lung^escbicbtc 617. ^H
Robdc, E. 244.
-ruf 865.
Saga in der gemi. Mythologie ^^^H
Rohstoff 31.
Rupredil v. Frdainf! 96.
^^H
RohrflClcn 573.
Russm 833 f.
Ssfiaa 334 ff. 355. 358. ^^m
Roluid 136.
Rj-dbcrg. V. 346,
Sagemammler 239. 344 ff. ^^^H
KomsDCD 63. l>3. 65. 69.
R)-gir 818. 830. 839.
lagnaramii 402. ^^^^H
138.
Sftbs 233. ^^^H
RoCTuiiiiKli«r Siil, BcgrifF u.
Sah^nAt 317. ^^^^1
EntwickeJung 536 ff.
S.
taiifoe 44. ^^^B
Kombcrg. Andr. 604.
Snatcninsirumeatc (in vorBe- ^^^^B
. — , Ucnihiird 604,
S. Nnminativ s 831 f.
l^schichtl. Zeiten) 569. ^^^^H
Robrc, Cyprian de 579.
SaalbüduT 51].
^^^^1
•/^ 832.
SaaJe 775 f.
stttan ^^^^H
Rownbcrg, Adolf 554.
Saliene 674.
^^^^B
Rt»i-nE«rt«rr 381.
Sab<K-i 780. saU I86. ^^^^|
— , Gfschichlt; vnni 639.
nathn 3 11,
Salade ^^^^H
R(K.enig»rlenklimpf(.-, Ster/iii-
^ch», Hans, diT hüracn Seu-
lall 180. ^^^^H
ger S|iii?] 643.
friil 642.
Salieri ^^^^|
RoftcnRarten-.SÖgL- 670.
Sachsen, Königreich feintchl.
Salii 868 f. 881. 883. 885— ^^^1
RoMntiitillcr, Job. 587.
Voiglland, Altecdmri;), Bi-
^^^H
Ronenvinjic 53,
hlio^mphie der (jhielleii der
Salinen 30 ff. ^^^^H
*i'ofti)iit4iii 817.
Silic lind d(^& Braucbä 517.
Salincnbeuieb 24. ^^^^H
Rvskv.i 358.
Sachsen. Prorin/, Biblin|;Ta-
Salinenrecht ^^^^H
Kosomonorutn gens 683.
(>hie der Quellen d«r Sitte
talituothiiH ^^^^H
Koss<:tii. D&nte Gabriel 554.
und des Brauchs 5 1 8.
Salland 9. 15. 16. 3i. 886. ^^^H
Kotbari, KOnig 620. 730.
SM±wn 768. 80$. 850—853.
Sallerilcbcn 865. ^^^H
Rotbc, Job. 95,
855—874. 880 f. 88C. 923.
Salomon (cngliscbcr Maler) ^^^^H
Rathtr, Ki^nig, Sagr 720,
935- 94^- Saxon« Ebi)i>
^^H
Br.iut wer billig lit» Küiiigs
uiKsini 859.
saJukds 450. ^^^^^1
Autbaii UJii die hait. Piin-
SaHi^^iiihrnnik 859. 897,
StlNMI'll ^^^^^^1
xcfisin Tbcudelind hei de»
S;iihÄfnspie^l 89 f. 91 — 93,
Siilfbiirg, Ribliu£f.tphie der ^^^^H
Langobarden auf Rothari
94. 95. 97. 98.
Quellet) der Sitte und dei ^^^^H
übcrtraK^D 720, Motive am
Sachsenwaldsagc 725.
Braiichi ^^^^H
uidercn Jleltlcnsa^en 73t,
sofhualu 311.
Sammler 70 f. 76. 96 f. II8. ^^^^H
Mlscliung mit der W'oJf-
Sacriticia matronarum 385.
Samney ^^^^H
dicirich-, HiUK'sai'c ;2i.
Saailcgium m1 s<>pukbra mor-
Sam«on, Emf^ningisnee 722. ^^^^H
rolia, Mii»ikin«m]nient 573.
tunrum 253.
sampytl 1 ^^^^^|
Rubcbt- (Bogcniiutrutneiit]
sadrgaarJ 173.
Socdrandiga 374. ^^^^H
575-
&3cti 760.
Sncgeskuntt in der Sg^^ 713^ ^^^^H
Rubens, Pelcr Paul 5^3.
Ssellandskc Ixiv 103.
Sant ^^^H
RubeMilil 399. 307. 334.
urmta 185.
Santo, (jiovanm Pierlnigi, am ^^^^H
Rüde fall 194.
Smnundr Onnsson 119,
Palesiritui 579. .^^^^^|
Rockacbriniri: 865.
Saolfrvacsen 23.
Mtpifniri 69. ^^^^^^1
Rflede ^r (Rcidiger) 66b.
Saevb mon« 845,
Saralco2 686. ^^^^H
667. 701 — 703.
Sage, deutwhe, nach Skan-
Snrmaten 937. 941. 948. ^^^^H
Rußvrscbcid 901.
dinavien eingerühti (131.
Sarsmlt 865. ^^^^H
Rüge 203. 313.
fjSa. O36.
SArrazin, G. 648, 675, ^^^^^|
RüMung der Fii&struppen
— Dielrichs T, Bern, a. Die-
San» ^^^^1
237 ff.
trich V, Bern.
iartva ifol. 816. ^^^^H
ROtielweiher 394.
— histor. 11. Heroi:nm)'iliu&
mtf ^^^1
Kugii 818. 831. 836 f. 83a
TerschmoUen 616.
^^^H
839. 950-
— von den Tlckbensäbnco
sätitirtnetiti 3lO. ^^^^^|
ruJtjirllitig 308.
693-
Satzung, Allere 48. ^^^^H
Rumpcli^iBt 393.
— vom KAmpfe zwiachcn
iatiuttge ^7' ^^^^^H
riln. Hcdcutunß 343.
Vaicr tind Sohn 693. 694.
SAufnU = Sigfrid 644. ^^^^H
KAna 404 0'.
— V. d. KSmpfen der Oc«
S.-IX, Petrus 849. ^^^^H
Hiint;iifii(biirl< 40 1 .
pidcn u. (iotcn gq;eti die
Sana god (Bezeichnung fllc ^^^^H
Riin^rtihatftn 59Ü.
S/'ibnc Aitilas 693.
^^^H
^^_ Runcni lisch ri fit: 11, nllniirdiKlic
— von König Kother 720.
Saxo Onunmaticus 234. 270. ^^^^^m
^^k 8a6. 832. 840, idcnonlUchv
— vom Kaubf der Schwan-
634. 636. 688. 710- ^^^H
^^^^^ vielmehr aheu|[l. 836.
juiitjfniu 723. 738 f.
837. ^^H
904
Sachrsgister.
Scandellus 583.
Scandza 823.
scapin 207.
scara 36.
scarjo 330.
scoMWurf 137.
sc/af 135.
Sciaf-Saee 645.
sctatlas 47.
teeffino 307.
««^0 307,
S^ng 320.
setzen 306.
sceptnhare 135. 141.
«ar^CTK 135-
Schachspiel bei den alteo
Nordl&ndeni 453.
SdiSdelfonnen 766 f.
Schadow, Johann Grottfiied
5SO.
— , Wiihelra v. 552,
Schäffer u. Apiarius 581.
Schäftnng, Vervollkommnung
der 228.
Schafweide 23.
Schafzucht 19. 32.
— auf Island 455.
Schahname 618. 676.
Schaller (SaUde) 226.
Sdudmeien 575.
Schalun 897.
Schatz (Bede) 17. 32.
Sdiatzsagen 365. 26b ff.
Sdiatzungen 32.
Schau d. Produkte 29.
•scheid 901. 906. 908.
schtideliute 2to.
Scheidemann, Heinr. 588.
Scheid t, Sam. 588.
Schein, Herrn. 583. 587.
Scbeinbusse 201.
Scheitholt 572.
Schctich, Job. 598.
Schicht, Joh. Goitfr. 601.
Schiedsgericht 210.
Schiesapulver, Umgestaltung
d. Krietjswesens durch Ein-
führung desselben 227 ff.
SchiSlahrt, dänische 38. 41.
ScbifTTahrtspolitik 42.
Schiffe bei den alten Nord-
ländern 464 ff. 471 ff.
Schiffsbau bei den alten Nord-
ländern 464 ff.
Scbiffsljt^/irk 123. 128.
Schiffsmannschaft, Die bei den
allen Nordländern 471 ff.
Schild 133. 144. 206.
Schildmädchcn 269.
Schilling, Johannes 551.
Schimmclreiter 307. 333.
Schinkcl. K.irl Kricdricb 549.
schiHiif/iet- 225.
Schiarbaus in den nordischen
Ländern 433 ff.
SchUfiwirtschaft 30.
Sdilüge (GeschÜtzait) 227.
Schlarpe 775.
Schlesien 943. 944.
— , Bibliognuphie der Qaellen
der Sitte und des Btandu
5ii- 519.
Schletwig 837. 848 C
Schleswig-Holstein. Biblio-
graphie der Quelteo der
Sitte und des Brauchs
521.
Schlidc, Arnold 580.
ScblÖssel 97. 164.
Schlüsselgewalt 161.
Schlüter, Andreas 550.
I Schmarbeck 86 S-
Scbmiedegeritschaften bei den
Skandinaviern 478 ff.
Schmiedehandwerk bei den
skandinav. Völkeni 476 ff.
Schmiedesagen idg. 618.
727.
— , holsteinische und west-
fälische 735.
Schmidt, Martin Joachim
552-
Scbmucksadiea d, Nordttnder
442. 446-
Schnapphahnschloss 228.
Schneider, Friedr. 601.
Schöffen 25.
Schöffeukollegium 36.
Schüffer, Peter 581.
Schonung der Wälder soff.
Schop, Joh. 588.
Schnorr v. Carolsfeld, Julius
552-
, Sthöffcn 3 1 . 94 f. 97. 207,
j 210.
I Schiiffenkolk-fiium 26.
Schöffcnrecbt 94.
Schoss 158. 159.
Schosssetzun^ 159,
Schottland 841.
' schranneii 206.
Schrat 294.
bchrättlein 294.
Schrcttcle, Ableitung 368.
269 ff.
Schrill 58.
Schubert, Franz 596. 599.
: Schuck, H. 587 ff. 729.
I Schützenbrüderschaften 88.
I 166.
I Schützenfest 368,
■ Schuld 181 f.
Schuldarbeit 221.
schiiUUnere 181,
Scbuldhaft 221.
Schuldknechtschaft 139. 164.
184. 22t.
Schultheis) 21. 22. 123. 125.
153. I
Schulz, Joh. Abraham 596. I
Schumami. Robert 596. 600.
603 ff.
tckup i8a
SdrahstnsaQg I59<
Scfaub^ewait 136. 137. 138.
145.
Schuttleute 5. 7.
Schwülen s, Sweben un en-
geren Sinne des Wortes.
Schwabenqnegel gif. 94. 96
Sdiwflgenchaft 163.
Schwaigen 16. 19.
Schwanenjungfiauen 384 —
285 ff.
Schwanjungfiansage 7>3< 738.
729.
Schvartz, W. 239. 140C
Schwartz'sche Sdinle 243.
Schwarzelfen 391.
Schweden, Bibliognphte der
Qaellen der Sitte nnd des
Brauchs 527.
Schweden 100. 101. 107 —
113. 123. 784. 786. 789—
791. 816. 828—833. 840.
923-
— , Entwicklung der "W^rt-
schaf^verhältnisse 11.
Schwedengott 332.
Schweinezucht [9. 13. 456.
Schweiz 82. 83.
— , Bibliographie der QoeUeB
der Sitte und des Brandts
5 13 ff-
Schweizer (Kriegsknechte)
338.
Schweizer, Anton 599.
Schwert 144. 145. 149. 161.
187. 197. 206.
Schwertmagen 160. s. ancfa
Speerseite.
Scbwörbricfe 79.
Schwurgenossenschaften 28.
scirg€tn6t 134.
scirgerifa 124. 205.
Sciri 791. 820 f. 826 f.
scirman 1 24.
scop 622.
Scordisci 780. 792.
Scott, George Gilbert 550.
scoup 125.
scramasuciis 223.
sculdahis 125.
scn Idascia 125.
Scyld Setfing 320. 645.
Sc>-then s. Skythen.
Sechseläuten 367.
Sedusii 796, 934.
Seeburg 915.
Seefahrt bei den alten Nord-
ländern 461.
Seefischerei 43,
Seejuogfer 297.
Seele und Wind, Zusammen-
hang 255 ff.
^^^^^i^^^^^^B
SACHRSniSTER. 985 ^^^^|
Seelenrauna 2^3 (f.
Sidgrani 335.
SigurfH- 6S7- ^^H
Seelengl&ubc, Sei^IrnkuIt 343.
Sidhffttr 335.
Si^yii 348. 3SI. ^^H
244. 150.
SCdooea 791. 823.
SUberdenar 44. ^^^^|
— bei den altca Gemuuteo
Sid^eggr 33$. 366.
Silberwlhrung 44. 474 ff ^^^^M
349 S. ISO.
StcbenbUrgcr säcbiicn 901.
Silcbcr, Friedr. 597. ^^^^|
Seelen waoclcnuig 26 z.
911 f.
SUingea 810. 8t8. 8zo. 8za ^^^H
Secmen*ch 297.
Siegel 126. IJ;. 190.
^^^1
Seesicr 865.
Siegfried, ErxbiKrliof «■. Mainz
SlUqua 49. ^^^^H
Secvcrki^hr 4 t ff.
.035-
Silund ^^^^1
Scewrg ^S.
.Siepnar 787.
Simnx'k ^^^^|
Swwrlir T13,
''/ '55-
Sinn^lli 33S. 337. 34i< ^^H
Seewcibcl 297.
Sif 349. 35>- 35»- 359-
Sinlivtli« Tod C52. ^^^^H
Segeiujjritche. nltf'enn. 235.
Sifeca, Sifk» 686.
Sinkender Zin&fuss s. Zinsftlss, ^^^^^M
Segni 739.
Sigarabri s, Sugumtiri.
Sinleiuli 837. ^^^^^H
Segomirns keli.^)^rm. 767.
Sigenot 640. 697.
Sintarviuilo 653. ^^^^^|
Sfgtiresiu-Zug 776 f.
Sigisuip 69;. 696,
Sinihguol 374. ^^^^H
^liann 85" f.
s/gt-a-i/ au*. 370.
iipÖMfti 780. ^^^^^1
SfiOMfa// 403. 405.
S^BÄlr 339.
SiM» 3- 57- I39r. 140. IS5 ^^^H
seidkOHti J76. 405.
Sigfrid-AmiinEus 613. 6t8.
— 215. ^^^^H
S4idm<tdr 405.
— gehörnter, Volksbuch 643.
sifipfa ^^^^H
teidr 405.
Stgfrida Ahnen in der V9I»-
Sippen ^^^^1
sflamdäir 305.
unfiaaaga 652.
Sippzab!rcg<:Lti 93. ^^^^H
SelbstTcrwaltung, stAddsdiE
Sigfrid nnd Üninbüd in der
Sistren ^^^^H
32.
llteren sknnd, Dichiung
sisv'ii 253 iV. 234. ^^^^^1
Seldn«- 177,
657 r. 662.
Siebenbargen. <^*"<^i> ^^ ^^^^^|
«■/«■/ hodies 32.
— diT MnhrenkOnig in der
Silit.- und des Brauch» 512. ^^^^|
Sdi|;r, Sauge Fri^iilein, d. i.
Kiulrun 717.
Sitte, Begriff dersellwn 494 ft'. ^^^^|
Walilgi-inler 294.
SigfriddiH 639. 651. 666.
— , Bililiographüicbe Zusam* ^^^^^H
Seile. ThoiiinH 588.
SigfridunarcliL-n 644, 654
mi^nsleUuog der Quellen von ^^^^^|
SelDcckcr. Nk-oI. v. 583.
S^ridsmylhus mit der Bur-
Sitte und Brauch bei den ^^^^|
Seml^|)atb;i 224.
Kiinden sage verscbmolzcn
germanischen VSlkernSOSff. ^^^^|
StraUcn 753. 755.
631.
Sitteuscscbithic, germaois^e, ^^^^|
Scniinciistcdt 865,
SiglVidsniyifaiu, urgermanisch
skandinavische Vcrhältniise ^^^^^|
Semncn 858. 881. 919—931.
654, GnindgMUlt 655,
^^H
934 '. 940. 948 -950.
D(riilun^ als T-igc*-, Jahrt-s-
— des cogliscfaen Volkes. ^^^^^|
semptre 135. I40.
seilenmyihus ^55 f., Eni-
-~ des deutschen Volkes, ^^^^^H
■Sendbriefe 83.
uriritvliinf: z, HcrnciiMige
Deut^rh -englische Verhält- ^^^^^|
SeneKbnl zi.
6$6, Ausbildung b«i den
^^^^^1
Senfl. l.«dw. 58r. j8j.
Kheinfmiikm 656. Ver-
— UbeH>lick über die Bc- ^^^^H
senior I49. 151. t6S,
wittietlene I<'a!Uiingcn iler
linndlung der natürticbea ^^^^H
Seniorat 4.
Sage «-on Sigfrid und Bruu-
Sitte der Gci;cnwart bd den ^^^^H
fteDnerei Wirtschaft, alpine 33.
bitd 638. Zsubcnchlof u.
gcnmaciKheD Völkern. ^^^^^H
ScDonca 7?8 f.
Flanimi-nritt ^llcn gemein-
— Bibliograph ische Zusam- ^^^^^|
Senoriai. Da:« seit dem 8.
sam 658, lilxt. Bun^nnden-
mciutclluiig der Quellen ^^^^^|
Jahrhundert 4.
sage mit der mythischen
der Sitte und de* Bnucbi ^^^^^|
Seqnani 795 T. 798.
Sigfridssage kcnumiDicn
liei den gcnnant»chcn Völ* ^^^^H
Seq.actucti 561.
659.
kern ^^^^H
Sequester 929.
Siggauir 339.
v'xhyHfit 134. ^^^^H
rrn^i/run 14O. 146. 15O.
Siggo 82 z.
sjMrngii 30^. ^^^^1
Sesruninir 373.
Sigi «nd Rerir 653.
^^B
SfUingf 57.
Sigibert 901 T.
sltadi 307. 311. 3x8. 3$l. ^^^H
Sfllnrng 57.
Sigirnd 656.
^^H
jiTvr iid. Sfi2.
Sigmiiiidr 34 l, 652.
skxl 18b. ^^^H
Seyfrid, 4W hürnen 639,
Signiund-HLge (>j2.
Skalden 233, ^^^^|
Shelland-In^urln 840^
Sigidrifa 341. 404. 661.
Skaldenpoe^ie 634. ^^^^^|
ShutlaiidsbalUd« von Hiluge
Signiii 2)8. 160.
^^^^1
tinil Hilllina 7 10. 71a,
^iKtün 339-
Skandinavon ^3. ■;;. 100. ^^^^^|
SUUml 831.
Sigurd 404.
Skandinavien, Biblii>grapbie ^^^^^H
j/fc 155. 157-
Sigurdr 333.
der Quellen der Sitte und ^^^^|
SJbiche, SIbicho, Stbich 685.
Sigurd« Kümpfe mit den
des Brauchs 525. ^^^^^|
686.
GAtidalfunhnen u. St&rkadr
— Kmwtcklung der Wirt- ^^^^H
rii/ic 156.
670.
Khafuvcrhftltnitse im skan* ^^^^^|
sibja 155.
— Tod, Versionen über 663.
dinav. Norden ^^^^^|
Sicambrl a, Sugatnbri.
Sigurdilicd 258.
— iVnsicdcIangen 33 IT. ^^^^^|
Sicktc 865.
Signrt^aruga 633. 634.
Skandinancr entwitkela eine ^^^^H
_■
986
SACäREGlSTER.
u. Wcthscireden gemisdiie
Fon« der episcliea Über-
Kefcrun^ 624.
SkadJnawier 784—786. ■jSg
—791 Bis— 81g. 827—
S42, SkiuLinawisdi-oslgerjn.
Spruheinheit 8o9~8l3.
815—818. SkadiiuTiidi-
anflofries. Sprachciiiihfii:
747. 809 f. Skadinavische
Spndien und Mundarten
828—830. 837. 840.
Sklnelages 102. 104.
siafian 203. 307.
sJtata 137.
staßi 191.
skeltaia 123.
Skittbladnir 321. 335. 351.
shidgarär 397.
skifting 292.
ikil 57.
skila 203.
siiiadömr 2I0.
skilnadr 422,
SkinTaxi 310. 380.
skip^n 133.
skipara ste/na 203.
skipfylled 123.
shiplagh 123.
skipreida 123.
skiptScn 123.
skipsysla 123.
Sturen s. Sciri.
skirgetinn 165.
Skiniir 321.
skirskola 2 t 6.
j*i>j/ 218.
Skjälf 373.
Skja]dme)'jar ( Schild mädchen)
269.
Sklaven, Die bei den skan-
dinavischen Völkern 12.
Verbot der Sklaverei 12.
ikStning 187.
skxitumi'idir 3O5.
sktryting 187.
sköggangr 195.
SkogsTru 294
Skogsman 294,
Skflgul 341.
Sk^II 301. 311. 380.
sk^rungr 422.
Ji(&/ 146.
j*r<ia 103. 105. 107. It2.
113.
skrimsl 305.
skrichte 212.
Skrymir, Riese 363.
skiiar an. 816.
J*M/a 181.
skulart 1 8 1 .
Skuld 281.
j*i</rf 181, 184.
skuldanautr l8l.
Skulptur, Benulta 538.
sImUheU 133.
skuUkeiMto 123.
skunkufals nu^ßcr 136.
skiirdgvd 397.
Sktitilsleiit 132. 134.
sliyßitfg 196,
skyiitir 15S.
Skyähen 753. ;57 f.
SÜgfiOr 722. 726.
SUwen 736 f. 749. 754. 759 f.
763. 873. 895. 897. 918.
94J; — 945- Verwandt-
»:]iiä(c«verbälmi»s& der sla-
wischph Spniehein 760 f.
Ziinickdfitnguag und Ger-
nianisiening der Slawm in
Os;deu;tscb]and 873 f. 894
—900. 918. 943—945.
947 f. got. >»Uw. Lehn-
wörter 826, germ. > slaw.
Personennamen 788.
Sleipmr 335. 351.
ilimü asl. 726.
Süd 380,
slotsriEtter 112.
slnier 127.
Smälands lagh 108.
Smirke, Sis Robert 550.
sneida 127.
Snte 298.
Sncer 299.
Snorra Edda 239. 287. 634.
710. 7ti.
Snorri 247, 832. 839.
Snoni» Bericht (Hildesagt;)
710. 711.
Snotra 371.
socaffelatid g.
socihemani 9.
sochemaum 138.
S-jL-brininit 340.
Sociale Ordnung 2.
Sociale Unterschiede, inner*
h.iil> der Bevölkerung der
englischen Städte 33.
soiknarne IG.
Södernianna lagh 109.
sa'neyt 305.
saorm 305.
S9giir 234. 248.
S{>k 184. 211.
Sokkvabckk 342. 37I. 379.
Sokrnan 9,
soknaßirtg 12",
Siil 310,
soinasdrmna 127.
Solare Theorie 240.
Solarjöd 363.
solsii/t 23.
soiskifit 171.
Sommerfrucht 18.
Sommeropfer 593.
S6n 344.
tfyia 199.
Mnargfldr 333. 390.
SonaU 586.
Sonate der alten italieniidic»
Form 589.
SAnhLd &S4. 686 s. »udi
SvflQhi]dr,.Sm]i1da,SwAiuJd^
Soonenichcn 73*
Sfrlapittr 710. 713.
sorx 170.
sortes 400.
Sovifßos 93 t.
tp- 788.
spanna bttUt 31 8.
spdganda 403.
spdkonur 403.
ipdMunn 403.
Spanan, .-ülgerm. 364.
Spangcnberg, Jolu 583.
SpAthä 222.
Spekulum rcgale I17.
Speer 144. 18;. 206.
Speerseite 156. 159.
^pfli ähA. 404.
Sp«zia] abgaben 17.
Sp^2ia1kultuien 15. 16. 17.
20 ff.
Speiialpäcbter in Ed;;!. 33.
82.
Spiel Sterlinger, von den
RosengartenkSmpfen 643.
Spiele der alten NordlSuder
452 ff-
Spielleute, Fahrende 580 tL
— , "Wiederbelebung der Hel-
denüage durch sie 634.
Spielmann, Sage vom locken-
den 256.
Spielmannsgedichte, K5nig
Rother. Oswald, Grendel
635-
Spiesswerfes 452.
Spindelseite 156. 159.
Spitzharfe, Musikinstrument
34=-
spjiill ahn. 404.
Spohr 599. 601. 604.
Spoleto 125.
spotta an. afrs., spollOn ahd.
8[6.
Sprachatlas 750,
Sprache als Kennzeichen der
Nation;:lilSt 736 f. ~\fiL
754 f. 807 f. 815—817.
821 f. 843. 925—927'
Spracbchtonologic 747. 756^.
SprüLchrorschung» verglei-
cheiide idg. ^^ö— 750.
S prachyren^eo "48— 750.752.
?Cp3. 80- f. 871-873.887.
890. 894. 898. 901. 908.
913. 916. 943 f.
Sprichwörter 60. 69.
bACHREGISTTR.
987
Spokgdster Verstorbener
354 ff.
Sparfolge 21Z.
SS genn. >■// gi6.
st- 788.
Staaugebiet 8.
Staatsgewalt 6.
Staatsland II.
Staatsopfer 384.
Staatsrerträge 67. 69.
Stab 145. i$S. 197. 20Ö.
313. 215.
Stabträgerinocm 276.
Stadt 80. 125 f. 133 f. ui.
148. 152. 153.
Sudtböcher 80. 190.
Stadtfriede 79. 126. 193. 194.
Stadtgericht in England 33.
Stadtherr 25. 26 ff. 29. 34.
StadUnosikaaten, sesshafte
575-
Stadtpfeifereien 580.
Stadtprivilegien 26.
Stadt 26 ff. 29. 35. 34.
Sudtrecht 75. 78. 79—81.
94—96. 101. 102. 105.
llOf. III. 1 13 f. 116. 126.
Stadtrecht 25.
— Entwicklnng in England
31-
— T. Wisby 34.
Stadtrecht^nt, Erwerbnng
Ton 28.
Stadtre«htskrei« 38.
StadtTerfassung 26.
Stadtvaldangen 20.
Stadrwirtschaft 27.
Städte, Entwickclung der
deatscben 3. 23. 36.
— m den skandicavischea
Reichen 33.
Siädtebnnd, Rheinischer 37.
Stidtebände37. Bildung37ff.
Städiegründongen 25.
Städteverfassang 9. 36.
Städtische Gefälle 33.
Städtische PriTilegien 33.
Städtisches Finanzvesen 32.
Ständische Interessen venre-
tnng 36.
stttfgardr 395.
Stafkarlar 451.
slallbrädr 166.
Stallahringr 398.
Stalli 398.
Staür 398.
itaünnge 201.
Stämme 3.
Stammesbewusstsein 737.
807 f. 8 1 2 f. oitgermanisch-
nordgernianische5 819.
anglofriesi^ches 812 f. frie-
sisches 732. 807. 848.
sächsisches 869. fränki-
sches 808. 812 f. svebi-
sches8i3f. 920— 921.931.
schwäbisches 80S. deut-
sches 888. 895.
Stammesgegensatz irischen
Germanen einerseits nnd
Kelten, Romanen nnd
SUwen andrerseits 768 —
770. iwiichen Scfaveden
und Ganten ^33. bei den
Friesen 847 l. zwischen
Fnesen and Sachsen 807.
847. zwischen Engern nnd
Westfalen 867 zwischen
Sachsen and Franken 752.
867. 873. 899, zwischen
Dentscben nnd Franzosen
737. 867. zwischen Fran-
ken und Sweben ]> Schwa-
ben 738. 752. 807 C 876.
913. zwischen Chatten und
Hermumiuri S76. Q13 f.
Siammes^enzen 748 — 750,
804 — Soä. zwischen Ger-
manen und Slawen 749.
763. zwi-chen Germanen
nnd Kelten 749. 963.
zwischen Friesen ond
Sachsen 748. ^04. zwischen
Friesen und Franken 748.
zwischen Sachsen und
Franken 75;. 873. 904.
zwischen Sachsen nnd
Hessen 914, zwischen
An};rivarii nnd Chemsci
807. zwischen Sachsen
nnd Thüringern 870. zwi-
schen salischen nnd hama-
wischen Franken 890 f.
hattwarische S94. ripweri-
sche 901. mo sei fränkische
908. zwischen Chatten nnd
Hermunduri 913- zwischen
Chemsci nnd Sweben 806.
934. zwischen Franken
und Schwaben -AI am an nen
738. 753. 307 f. 912.932.
zwischen Alaraannen und
Bnrgnnden 807.
Summesrecht ;5. 62. 63. 65.
69.
Stamm;;uter 234. 135. 172.
Stammtafeln, a^s. 234.
Stapel. Institut de«, in Eng-
land 41. 42.
Stapel Privilegien 33,
i/.i//ar 110.
Supler 42.
StarkaÄr 258. 304. 335. 337.
'iatha 172
Statuten 75. Jo. IC5. 106 f.
113. 117.
slaiia a' 203. b 307,
stir. tfrit-r 397.
-st,d! 847.
Stefan Lochoer 546.
str/na 182. 204.
Steibelt, Dan. 604.
Steiermark, Bibliographie der
Quellen der Sitte tmd des
Brauchs ;oq.
Steigerung des Bodenertrages
Steinbüchsen 227.
Steinkngeln 237.
Steinplastik 544.
Steinwerfen 452.
Steinzeit s. Archäologie.
Steinzeit Filter 407 ff.
Steuern 7.85. 133.134- »35-
137. 146- 153- 154. 173-
174-
Steuerwesen 26. 33.
Steward 31.
'StiJi 862.
StiernhÖÖk 53.
Stil, der contrapunktisclie
577-
Stiilgericht 210.
Stobäus. Joh, ^ii.
Stofa 432 ff,
StotT de~ nationalen Epos
das Individuelle 614.
Stoffkrets der Heldensage
t>oo.
Stolzer, Thom. 582,
Storm. G. 702.
Stormarn 719. 87 1.
Stotzas 82 2.
Strabön 743. 93:- /'' 'W/-
795- >94 919- ^7 919.
VII 2gii 765. 794- 853-
903. 907. 9:0. 937- 940.
949. .•<>/ S89. 893- 903-
907. 930. 92S. 940. 949,
2f,j 893. 919 f. 293 772.
j<j4/. 919- 937-
Stradivari 586.
straff IQ7.
Sirafhom. Das 453.
Straf klage 20:.
Strafrecht 64. 65. 68. 69. 84.
141. 15g. 191 — 202.
Slrandrechl 129. 132. 170,
176.
slr:J 217.
strt: 211.
Strömkai 297.
Strohbund 123.
itrud 221. 3 23.
Strucgk. Nie. Adam 590.
Stuhl 145. 147.
stttc>z"i-- 153,
Slurii 852. 86z C 891 £.
Sturlaoga 370. 271.
Sturlaton, Soom 3Jf
ituf 146.
Stuiias. SCbs«'f fe=.
Saardcme» a. $asi^B&.
Saarsef Mc, 1^,
Ssanci. It".
988
Sachregister.
tuiregulus 114,
S&d(Rn)bymbre 85«.
S&Aengle 854.
Sditfolk 854.
Snltnnaiiaaland 831.
Saebi s. Sweben.
SSden 862. 866. Sud-, Süd-
864.
Suebans s. Schweden.
SfibnIeistuDgen 199—201.
Sahoopfer 389.
Sneo&ei s. Scbwedeo.
Saetidi s. Schweden.
Snetonius, Aug. 21 884. 928.
Tibers 9 884.
Snevi s. Sweben.
Snevon 870.
Sngtmbri 797. 804. 806. 853.
877. 884. 889. 903 f. 907.
910. 923. 939.
Suionei s. Schweden.
Suite (Partita), Begriff 589.
sulung 170.
Sunilda 683.
Snnuci 739.
suonari 201.
suonsiuol 201,
Suiti 382.
süf Süden 862. S64. 866.
Suttungr 311. 344. 345.
Snttungsmet 345.
Svadiliari 335. 351.
Svalinn 380.
Svanhildr 683. 686.
Svanhildsage 684 fl*.
Svanhvit 722.
svara 2 l l .
svarabrödr 417.
svarabrd'dr 166.
svSsscara 172.
Sväsudr 311.
Svava 258,
Svftvee 814. 870.
Svear ■. Schweden,
Svegdir 257. 337.
sveitardrykkja 40. 90.
Svema 116. 117.
svis 169.
Sviar s. Schweden.
Svi})iöd s. Schweden.
Swalwe, Harfenart 572.
Swanilda 688.
Swavilda 688.
Swearechte 108 f.
Sweben im weiteren Sinne
des Wortes 810— 8 1 2. 820.
853. 881. 918—950. im
engeren Sinne des Wortes,
Schwaben 768. 794—797.
808—813. 820. 880. 884.
9f3.9"8— 925. 931-939-
941, Nordschwaben 870.
Sweelinck, Jean Pieter 588.
Swion 5. Schweden.
swerjan 21 4.
swetht 127,
Syfrid, Herr und der schwarse
Mann 642.
Sylt 878 r.
Symbole 135. I36. 130. 139.
144- US- M8. 149. IS9.
162. 164. 187. 188. 199.
306. 213. 221.
Symbolische Formen lind
der Siteren Heldendichtang
fremd 614.
Syn 371.
tynodalis 133.
SJT 373-
Syringen, Blasinstrumente
575-
sysla 12. 124.
SysselmSnner 12.
szarwai üt. 826.
Szepter 145. 149.
Szepterlehen 132.
T.
t vor j ostgerm, mouilliert
und>r 821 f.
— tl<iPP 816.
Taberna 926.
Tabula Peutingeriana s. Peu-
iingersche Tafel.
tabulariui 137.
Tacitus 234. Zeuge für den
Heroenmythus 616. Zeuge
für german. Heldenlieder
618, über die Xahanar-
vali 677.
Tacitus 743 f. — -Af!''- "
Sio, 2S qzi. — Ann. / 51
814. im 371. ig 807. 26
884. »J20, 45 920. AY/jy
884. xm.u 905- 55 889.
905 f. 56 905. — Germ.
743 f. 929. -' 736- 773.
800. 810-813. 820. 844.
877.879.907.924^-^739.
4 764 f. 800. .'Ä 736. 772.
777 f- 796. 800. 810, 885.
945. 2q 798. 876. 882 Y.
883. 33 868 f. 885. 33
868 f. 904. 34 868. 90Q.
35 858. 868. 909 f. 914.
36 868. 907. 914. 3a 920.
39 922. 929. ^o 810. 812.
814 850. 852. 856. 949.
42 794- 945- 43 794- 945-
43 736- 778. 810. 814.
819 f. 823. 826 f. 44 790.
819 f. 830. 45 790. 830.
46 780. 791.810. — J/ist.
fr 2 876. /_' 798. 883.
Tadema, Alma 553.
Ingaifinc 185.
Taglöhner, Behauste 10.
Taifali 825 r. 880. 941,
taifu got 401.
tak 183.
taki 184.
taU 157.
Talliates 739.
Tamfana 814. 907.
Tammo t. Bockidotf 9a.
tdn ags. 401.
I Tanaros 787.
I Tancorlgs kelt. >eerm. 787.
Tanfana 373.
I iannfi 415.
I Tanngajöstr 357,
I Tanngrisnir 357.
1 Tardei, H. 733.
, Tarnkappe 390.
Tasjtaert, Johann Peter 550.
Tassilo 66.
Taube 145.
Taubert, Wilh. 597.
Taurtsci 773.
Tauschmittel, bei den Kord-
ISndern 473 ff.
Taustretcherinnen 276.
tiam 180.
Tebassi 878.
j Tectosages s. Volcae.
; teidinc a) 204. b)78. c) 185.
iTeilban 18. 30.
Teilnahme 195.
teinn altn. 401.
Teja 619. 708.
Tellsage 731.
Telmann, Georg Phil. 590.
Tempel, Bau der 397 ff.
— der Germanen 394 ff.
— an den Königshöfen 396
—397.
Tencteri 774. 797. 804. 885.
893. 902—905. 910. 934.
tenos 401.
tenues, unaspirierte und aspi-
rierte 926 f.
Teppich, Der von Bayeox
540-
Terminologie 59 f. 62. 79.
Terp^er 368.
Terras, Terrasbücbsen 327.
Territorialität des Münz*
Wesens 45.
Territorialrecht 69. 77. 81.
Territorien 124.
Terwingi 825 f.
Testament 160.
testamenium 189.
Tetrachord 555.
Trvqtoyaxitax 778. 835. 941.
Teurisci 772.
Teurones 778.
Teutone«, -i 771. 792. 805.
825. 844.
Ttvtovia^<H 835.
Teut(i)orIgs kelt. >■ germ.
787.
teutona 223.
Textilindustrie 2
P lat. duich wicdergcEebcn
916. >rri£S. /Ö 6. //>
// gol. Dord , afrs. 8 1 6, >■ jj
ndl. «116. <A/ got. 816.
fP >■ germ. w 916. /-.',
//ai>germ. /w 916.
/(?///>■ 10 1.
pakkrÄdr 726.
Thalberg, Sigismund 605.
pangb.ekka 127,
fanas 284.
piaw 57.
Thegaous 623.
pegenhorrn 133*
/<yn 132- 133- 147- 16;.
Thaler 76.
Theile, Johannes 590.
Theodebert = Wolfdietrich
620, 672. 674.
Theodemer 619. 689. 690.
700.
pioden 144.
Thcoderich 63. 64.
1. (Merowingerküni;;) =
Hugdietrich 620. 672.
— , AuabilduDi: ii--r S.-n;c von
690 (s. auch DieUiclisage)
— , König der Ostgoten, der
Held der Dietrichsage 619.
689 ff.
Theodorichs Streitigkeiten
mit Theodorich, dem Sohne
des Triarius 702.
Theodolfas v. Orleans 561.
Picw 139.
Ptowas 8.
I'etleifr 695.
Theudaria 822.
Theuste(s) 830.
pianistn maper 168.
Thiazi 330.
Pidrekr Valderaargson 702.
pidrekssaga 261. 636. 639.
666. 724. 734.
Thielwar 387.
Thietmar v. Merseburg 234.
863.
ping 123. 203.
pinghd 154.
pingUp 107.
ThiEgocilniiifg iio. 113.
Pingrof 206.
pingsökn 154.
Pingivitni 217.
ThiDgverbändeiI3. 115. 116.
124.
Ptudans I44.
pius 139.
I>jälfi 358. 361. 363.
Pjazi 311. 375.
Pjödolfr 234,
tjödölfr von Hvin 687.
Sachrec.ister.
t>jödrekr 663.
t^jödrerir 342.
t'9kt 327. 351.
Thomas v. Aquino 561.
I'onar 787.
*Thonaraz 249.
Thor, Porr 243. 245. 247.
330.352.353— 365. 364ff.
Thord Diecn 104.
Pordis 402.
ThorKerd 271.
Porgerd H9lgabnid 275.
por^its saga 258.
Porgrim 397.
Thorinpi s. Thüringer.
Tliorin-ii «33. 85^. 886.
l'irir J^LrnskJT^ldr 698'
p..irlakr purhallsson II9.
Thorngeroft 551.
Pörölf 257.
Pörölf Mostrarskegg 356.
Porp 125. 171.
thorp 10.
Porri 260. 298.
Thors Riesenkämpfe 360 —
Thors Verehrung in Schwe-
den 356 ff.
Thors Verwandtschaften
258 ff.
Thorsbjcrg, Zwinge 836.
Porsdagr 354.
Pörsnes 356.
Thorstein 387.
Thorsteinssapa 278.
pra-ll 139.
Thraker 754. 757.
Thrasamunds 822.
Pridi 349.
Prüdheimr 358. 378.
Prüdr 359. 361.
Pniövaldr 358.
Prungva 373.
Prüdvangr 358.
Prymheim 379.
Prymr 301. 352—361. 372.
Thrymse 47.
Thüringen, Bibliographie der
Quellen der Sitte und des
Brauchs 518.
Thüringer 749. 778 f. 851 f.
870. 879. 881. 886. 942.
Pukki 200.
punaraz 354.
Ihuttc 204.
Thuner 354.
thunkin 123.
Thunor 356.
Tbunoresdäg 354.
Punres möttur 359.
Thunresdey 354,
thurp 125.
purs altn. 300.
p'calinn got. 9 16.
p'^fatrhs got. 916.
p'^vittgatt 916.
pyboreitn 165.
tialdra 128.
Tiberius Feldtüge 742. 884.
889. 891. 893. 903. 910 f.
927 f. 940- 946. 949.
Ticffenbrücker 586.
Tiere 183. 193. 200.
Tierprozesse 251.
I Tigurini 792, 805.
til OÖini fara 337.
, Tilburg, Gervasins 236. 263.
tilget f 162.
\t,lgj\./ 163.
Tilgner. Viktor 551.
Tille, A. 345.
TiniagenGs 772.
Timaios 741. 777.
■ Tinctoris 57').
\ Tirol, Bibliographie der
Quellen der Sitte und dei
Brauchs 508.
Tiwae 244. 24g. 312. 313.
; Tiwaz-Mars 317.
Tiwaz AVÖdanaz 332.
I tj'ostc 225.
■ Toccate 585.
I Tochterdörfer 22,
— , Unfreie bei den Skan-
I dinaven 10. 222.
't Dilitecrcchte 56.
Todesstrafe 196. 197 f. 203.
! 220.
, 'cA 403.
Toko 731.
Tomaschek, Wenzel Jos. 604.
, tonite 292.
j Tongeschlechter 555.
Toofte 23.
Topfhelm 224. 226.
tosse ncunord. 300.
Totenberg 258.
Totenbeschworung 252.
i Totenbuch, Merseburger863.
1 Totengott 249.
I Totenkult 250.
TulcnQpfcr 253, 257. 385.
TolKin regale plenarie, in
I EdkIsjic! 41.
tötval 140,
. Tours, Gregor von 234.
Toutoni 771.
Twvyivoi 771.
Tracht 130. i33- »38. 139-
142. 149. 206.
I traditio 186.
I Trafstila 82z.
] träger 152.
; Trana 301.
Transport 36.
trauan got. 816.
Traum (als mytheneneugendo
990
Sachregister.
Kraft) 243. 550. 261.
a63 ff.
ireb kelt > anglofriei. 787.
Trebn 775.
ir^goit 397.
Trönpe, Nunc dei Druck-
geiltet (firink.) 269.
Trenbrach 193.
Treodd 9.
ireuga 84.
Tremiisit, sUberaer 44. 47.
Trers 776.
Treveri 739. 770. 795—797-
799.
Tribocls 780. 795—797. 806.
934-
Tiiboc 325.
TricisKs 784.
Tricima, Liederbach 581.
Triebelmeister 20.
trientes 44.
trrvia 259.
iröfaj alUchwed. 816.
Tcojaiage, frSnkische 669.
tröstunge 201.
Trojamaonuaga 354.
troll 274. 377.
Troll, Becdchnttog für Hexe
im Norden 263.
troUe mbd. 300.
tfümba marina 573.
Trommeln (tricfaterförmig)
571. 575.
Trompeten 575.
ir^a aisl., trijiin ahd., trü-
wfan ae. 816.
truhi 167.
truhtin 145. 167.
Tnmsclieit, Streichinstni'
ment 573.
-trup 865.
trtisl 131.
tntstis regia 4.
Trat, Trade. Bedeutung, Ab-
leitung (Dmte) 268 ff.
trygdamdl 1 17.
irygdir 189. 201,
Tryggvasonar, 01afssaga3I9.
Tnbantes 889. 902 f. 907—
910. 914. 932.
Tuben 575,
Tudorstil 542. 550,
Tüendaland 831.
iürse mhd. 300.
Tuisto 378.
tun 125. 126.
Tungri 739. 773.
iünriäur 275.
tuom 57. 203.
Tuotito 53S.
Turcilingi 826 f.
Turii 852.
Turner, Joieph Mallord Wil-
liam 554,
Taniierrästnngen 236.
Turniersattel 226.
Tnmosen 45.
Tumas der Dreifelderwirt-
schaft 18.
Turones 772, 778f. 835. 935.
iursas finn, 300.
tvimenningr 452,
tvyhynda 134. 138.
iwe^ynde 133.
Iwerg ahd. 389.
twinc unde ban 150.
twtngan 916,
Twingrodel 78.
tvohandssworäs 337,
Tyr 310. 316. 317. 363.
Tylor 240.
Tyrfing 260.
Tyras 781.
U.
ü vor Vokal, wgeim. und
westnord. 816.
Ubii 736. 77 1. 798. 806. 806,
878, 884 f. 913. 923.
ubiüäi 19 t.
Übeltbaten 161, 183.
übergenot I4I.
Übersetzungen 67. 72. 76.
98. 104. 105. 106.
übötamdl 198.
tiddd 194.
Uflj6tr 118.
üfsaz I 94.
Ugarthilocus 352.
UggasoD, Ulfr. 234.
Uggerus vates 344.
üfieilagr 196.
Ubland, Ludw. 243. 247,
über d. Wesen d. Helden-
sage 61 1.6 16, über d.Wolf-
dietricbsageöiS, Dietrichs
Riesenkämple, Mythen v.
Donar 696.
Uithuluf 822.
ulfahamir 272.
Ulfe 775.
Ülfr Uggassou 234. 326. 372.
Ullr. 346. 349. 378.
Ulmerugi 818. 834. 836. 948.
Ulraeragi 713.
Umarmen 159.
Umbreit, Karl Teophil. 601.
umbuzman 123.
umferp 187.
Ummauerung 24.
Umschlagsplätze 24.
umskiptingar 289. 393.
Umwandlungen der Dienste
in Geldleistungen 9,
unbilde 57,
Uneheliche Kinder, Stellung
derselben bei den skandi-
navischen Völkern 433,
Uneheliche 141.
undrlicfu sacke 194.
un/ihOe 301.
Unfreie 3. 8. 27. 38. 58.
64. 130. 137. «38-141.
151' 183. 193- >!>•
Ungarn, Bibliographie der
Quellen der Sitte n, des
Brauchs 512.
Ungarn 944. 948. 950.
uHgtnbs 14I.
ungerihte 191. 301.
unholde rohd. 274.
unschuit 316.
untöt 194.
Untergang der Welt ia der
Edda 311.
Unterirdische, Begriff In der
Mithologie 290.
Underjordüke 288. 390.
Unterkönige il.
Unterthanen 151.
Untervasallen 9.
Unzen 48.
nodal 173.
uo ndfrk. «Cgerm. Ö 898.
UplandsUgh 108.
Uppland 831.
Uppsalir 322.
Uppvakningsr 265.
Upstallesbom 82.
uplaten 186.
Upsala öfer 146.
Urbar 59. 78.
urchundo 3l6.
UrJtarbruunr, 284.
urdarkÖttor 384.
urdarmilni 284,
UrdÖrfer, bei den Skandi-
naven, lO.
Urdr. 281. 379.
Urfehde 157. 193. 30i.
Urgermanen s. Germanen.
urhap 193.
Urkunden 58. 59. 64. 67.
70. 167. 189 f.
Urteil 94. 96 f. 187. 189.305.
Urteilfinder 72. 129. 135.
138. 140. 141. 146. 147.
205—210. 211.
Urteilschelte 2o6. 208.
urvihcde 201.
Üserf^gÜ asl. 826.
Usipetes, Usipi 774. 797.
804. 889. 893. 902 — 904.
907—912. 914. 9ai. 932.
934-
usrd 345.
Ütgardaloki 352. 363 ff.
Ütgardr 352. 378.
ütlagr 195.
ütUgd 195. 196.
utskyld 146.
Uuönahariai 822.
Sachregister.
9QI
V.
vadi 182.
Vadi 718.
vadium 139. 182. 188. 211.
Vadmäl 43.
v:rri'i/tifi 57
vättlvs, schwed. (Geisterlicht)
266.
valtr altn. 289.
Vafl)rü(lnir 335. 34a.
Väfüdr 335.
vagna verr. 357.
Valaskjjilf 879.
■valäi kjqla 357.
valdr galga 337.
Valfadir 337.
Valgauir 337.
Valglaum 340.
Valgrindr 340. 341. 381.
Valhall 258.
valhamr 372.
Valholl 256. 258. 337. 339
—341.
Vdli 325. 327. 348. 365.
Valkjtjsandi 337.
Valhyren 341.
ValkyijeD 269. 270. 271. 285.
välnad 272.
vanabriiär 372
vafiadis 372.
vdpnatak 187. 206.
ValJjjol.^suiiT (Island),
SctiDiUcrei 627.
va»age\t 372
Vftn3.1iaiTius 832.
Vandalarius 822.
Vandali s. Wandalen.
Vandili(i) 811— 814. 820.
Vanen 319.
Vangiones 795 — 797. 806.
825- 934.
Vanhall, Joh. Bapt. 604.
vanir 3 1 3 .
Vanir 320.
Vannius 936.
vard 292.
•vardtokkur 254, 403.
v&re a) I92, b) 213.
vargr 307.
Varinl 850—853.
Varistae 921 f. 924 f. 931.
937- 941- 947-
VÄrdträd 394,
Varulf, Vanilv, VaeroW 273.
■Väsolt 698.
Vassallen 6. 8. 9.
Vassall itSt 168.
vassallus 168.
Vassio 822.
VÄta 332. 335.
Vataranehae 780.
vatnahestur 296. 297. 305.
Vattenelfoor 297.
vatnsskratti 305.
vdtir 215. 216.
vatubantLj 196,
vatuskratti 1^1.
vaßavfrt T91.
Vntnsdoelasaga 271
Vi j4fj. 349,
vi^ldgrnga 195.
■vebi^nd 206.
Vecturius kelt.^germ. 787.
Vedrf^lnir 379,
%-edifkt 104.
vd/ang 208.
VegetationsdämoDCn 242.
Vegtamskviäa 325.
Vegtamr 335.
Vehe, Mich. 582.
veidr 454,
veihs 125.
Veit Stoss 544.
veiti'C'di 216.
veizla 132, 179. 451.
Veleda 284. 400.
Velent 724.
Veliocasses 784.
Velleius Paterculus. — II w^
893. 903. to6 871. 927.
940. 949. /07 928. 108
794. 928. 946. /09 913-
Veluwe 886. 892.
venu' 208.
Veme 84. 89. 93. 199. 205.
209.
VenantiuK Forlunalus 561.
()22.
Vendsysel 8 18.
Venedae 784. 810.
Veneii 784,
Venusberge 256.
Vtor 364.
Veratyr 346.
Verbi'geni 793. 805.
verbunden 182.
Verdaudi 281.
Verehrung Verstorbener 385.
Vereinstage 82, 84.
Verfall der Hansa 40 ff.
Vergleichung 51, 54 — 56.
Vergodendei 338.
Vcihafiung 221.
verheftet 182.
Verkdir^ab gaben 41.
V erkch rs bei i eh ungeii,
deutsche 35 ff.
VerkehrsdiPTiäle 3fi.
Vcrkonitnoissc 83.
Verkopp^liHie der gutsherrl.
Felder 22, 23.
rerlaten 186.
Vcclübnis 63. 220.
Verprn\'isntierupj; der Garni-
son 24,
Verlosung, gesonderte der
Anteile der Haien 22.
Vemersches Gesetz 790,
Veroneser Völkertafel 880.
verruo/en 197.
Versammlungen 65, 66. toi.
103. 104. 113. 122. 123.
127. 129. 130. 143. 189.
212.
Verständnisse 83.
Verstorbene, Verehrung fiir
385.
Versuch 192.
vertrac 185.
Verträge 67. 75. 83. 84. 88.
142. 185 f.
Verwakungsgemeinschaft
163.
Verwand tscbafi 3>
VerwjindUc haftsiecht 64. 69.
5 hK
Verwandtschartsverhällnis
d^rgcnnanisclien Sprachen
s. Germanen.
verwulfr 272.
Veriug 178. 181. 184.
vesUnen 162.
Testinge ig6.
veitilura 179.
V'estmannaland 831.
Veiaranehae 780.
Veirlidi 325.
Vetus auctor de benettciis 89.
Vi, ^|!;vnge '^Jü-
Viator indefessus 335.
Vibius Sequester 929.
vkeeomei 124.
Vicineneibrecht 3.
Victoria 374.
Victovali 824.
Viflarr 307. 310. 365. 383.
videri-d 2i6.
Vidi 365.
Vidigoia 694,
Vitfolfr mittumstangi 720.
Vidrir 336.
Viducasses 784.
Vieh 43.
Viehgeld 44.
Viehhaitang 18.
Viehhöfe 16. 19.
Viehstand, bei d. alt. Nordl.
454-
Viehzucht 3. 22. 23.
— bei den Nordl. 454 ff.
vielle 573.
Vi^rfelderw in Schaft 23,
viciixhare lOÖ.
Viertel 122. 154.
vierteile 224,
Vicrlelshufcn 13. 16.
Vigaglilm'sSÄga 27I.
Viger spü lO"}.
Vigridr 383.
vigsbätr 157.
viliaverk 191.
Vihansa 374.
99^
Sachregister.
Vüi 346. 349.
Vilja brodir (Ödinn) 346.
vilkor 104.
Villa 137.
vilUt forcnsis 126.
villanage 9,
villenage^ Lknd In . , 21.
Villenvcrfaisong, karolingl-
scfae 14. 36.
viüanus 126. 134.
ViUenverfasaung I4. 36.
villiei 14. 16.
Villioberga 822.
Vimnr 362.
Vindsvalr 31 1.
vingjaif 161.
Vinenir 308. 359.
Vingölf 340.
Vingnllioth 830.
Viuheimr 340.
Vinland 843.
Vinoviloth 830.
Vinteler 28a.
Virdang, Sebastian 580.
Virgate 21.
Virginal 640. 697.
virgines silvestrts 27 1,
virßning 221,
Vtia der Fafnismül 284.
Visier 326.
Vistula 776.
Visuilgs kelt.>genn. 787.
Vita Anskarii 235.
Vita Bonifatü 235.
Vita Coluinbani 235.
ViU St. Galli 235.
Vita Liodgeri 235,
Vita Willehadi 235.
Vitalicien vertrag 185.
VitalpacbtuQgen 17.
viPerlagh 157. 167.
vitherlagsret 107.
viprrmund 163.
vttishorn 452.
vitni 316.
vitöß 57.
Vittenlager, Hansisches 43.
vivagod 317.
Vivilö kelt, >-germ. 787.
Vodskov, 11. S. 244. 246.
Volkemamen, idg., keltische
und germanische 784. 803 f.
Völkerschlacht in der cata-
launischen Ebene 619.
Volkertafel s. Veroneser.
Völkerwanderung 619,
vogel 150.
vogetman 138.
Vogt 32.
Vogt, Y. 644, 660. 732.
Vogtbare Leute 25.
Vogtei 6.
Vogteieni37. 140.150 — 152,
153.
Vogteigewalt 25.
Vogtland 918.
voirzoene 201.
Vokabularien 73.
Volcae Tectosages 736. 762.
777-779- 782. 788. 799-
volge 305.
Volk, dat rodi 276.
Volk, fahrendef 35.
Volker 669.
Volklande 113. 116. 122.
124.
Volkscharakter a. Individua-
Ittftt und StammesbewDiat-
sein.
Volkselemecte, Finnische lO.
Volksepik, alttranzös, 614.
Volksglaube, german,, in
mythischen Vorstellangen,
Sagen u. Märchen 230.
231. 248. 618.
Volkskunde, historische 235.
Volksland 2. 7. 8. 9.
Volkslied d. 15. o. 16. Jahrh.
643.
Volkslied, niederländ. van't
Wereltsche Wijf 734.
Volkslieder, kürzere, im 13.
Jahrh. 64 t.
Volkslieder, geistliche 562.
Volkssage 243.
Volksüberlieferung, d. Mit-
telalters u, d, Gegenwart
235.
! Vollfreie 3.
V9lvur 403.
Volksrecht 57 f. 65 f.
\ Volksüberlieferung 236 ff.
■ Volkswirtschaft, deutsche 37.
i Voll 326.
■ VoUa 370.
'' Vollfrei, der Stand der VoU-
I freien bei den alten Ger-
manen 3.
Vollstreckung 129. 183, 184,
220 — 222.
I Volmer, Kong. 334.
! V9lsungasaga 272
1 Vfllsunja-Sage 633. 652.
Vylsunjr 653.
Vülundarkvi^a, ihre Quelle
im ndd. Lied 629, über-
liefert die Wielandsage
633. 722 f. 725.
VfJlundr 291,722.723. Deu-
tung des Namens durch
Herübemahme des ndd.
Wftland 726,
V9luspil 243, 284,
Volven 254, 275. 378, 283,
Vf^lvur 276.
V^n 310,
Vopiscus, Flavius 269,
Votivsteine, Römische 316. ;
V9r 371. I
vorcumbtr 180.
vordem 211.
Vormann 32.
Vormandschaft der Sippe 3.
Vormundschaft 1 4 1 . 1 57. i to.
vormteth 138.
vorsate 194.
Vorsprecher 213.
vorstand 182.
vrdge 78.
vrevele 192, aoi.
vriäebnuk 191.
vrv Merren 132.
Vrijdag ndl, 369.
vrinngt 150.
vrönbote 213. 33a.
vrbHhof 150. 151. 38X.
vrönunge 331.
vulbort 205.
vürstett 132,
! vürvattc t8o.
j Vulcanas 726. 729,
I Vullila 833.
Vurgnndaib 814.
W.
w, nnbetontes |> d 872,
IWÄchilt 719,
' Wackemagel, W. 241.
Wada (im Wida) 713, 718.
I Wado, alter Meeriese, See-
mann, seine Mark ze Stür-
men 719,
Währungswechtel 44,
Wäinämöine 353,
Wälder, gesäte 20,
WSlsche 762, 779.
— Maurer 548.
wu-pengeitpc 122,
wteterorädl 219,
, Waffen I29, 130, 206.
I — , des FussToIkes 227 ff.
— , der Germanen 233 ff,
— , der Nordländer 443.
— , ritterliche 227 ff,
Waffenberühning 122, 197.
206.
Waffentechnik 224 ff.
Waffcoübungen der alten
Nordländer 452 ff.
Wagenburg 224,
Wagner, Richard 600,
ii>aihis got 289,
Waitz 240,
Wal; Walah-, Walh- in
Ortsnamen 762.
walaha 137, 139,
Walamer 620.
Waland 726.
Walander 726.
Walberan 640.
Walcserz wdaty 704.
Waldeck, Bibliograplü« der
^^^^^■^^^^^H
Sachrsgistsr.
993 ^1
Quellen d«r Siuc nnd des
Walther, Job. 583.
Wede 44. ^H
Brauchs 316.
— V, Aquitanlen. Spanien,
Wedekind 247. ^^|
Waldemtr IU4.
Kerlingen unter 707.
■trtkadinc 217. ^^|
— V. Kuulatid bj'). 702,
— V, Kcilingco 709.
Wehtnr 787. ^^1
WaldeTV-FrBKmei]lcb28.647.
— V. Lengers 709.
Weiber 136. 157. 138. 159. ^^|
698. 703. 708,
walzende (Gründe) 13.
160. 186. 193. ^^1
Vi'altHaiiken 294.
Wand 334.
Wcibergemein'ichafl 156. ^^^|
Wuldfiiulein, Ju|;d nach 334-
W^ndnlen SxS. 820— 834.
Weichbild 94. 115, ^^^^H
WaM|;ri»ter 293 — 2958".
902. 94 t. 948. 950,
Weichsel ^^^^^|
WahlkuU 39f..
vttndel 199.
Weidellüchen ^^^^^|
Waldni^iiinlein 394.
Wandcrurcatheorie (Grup-
Weidegang 22. ^^^^^|
Waldnulung, BeKhtünknag
|ie'*) 244.
Weidenwirtschaft 18. 23. ^^|
der fi^ien 19,
Wandmulerei, Allere Eng-
Weigt, Jos. 596. ^^H
Wftldweib 374.
land^i %\G ^.
-, Joh. 598- ^H
Waldweidcn, Reckt der 20.
Wandmalereien des 11. und
Wethgesc henke :7l. ^^^^^^
Wales 855.
12, Jahrh. 539-
Weihnacht, Geichichle der ^^^^^H
Wllf. 775.
Wanenkrieg 323.
245. ^^^^^1
Wal^uiid V. Sainccke 676.
Wanila 365.
^^^^^1
Walpurgiinacht, VeriatDin-
;. üp*ng'*i&i 134,
Wein, Rtschllmdet ^^^^H
langtnftctil der Hexen 277.
vifxnroi 224. 326 if.
— , FrSnki»chcr ^^^^^H
Wältldeiike 268.
Wappen 133.
— , Hunnischer 20, ^^^^H
Wa]th.-iii, Sohn des Alphere
Waräger 832.
Weinbau zo il. ^^^|
707.
'.cärcx<tng 142.
Weingüter 2ü, ^^|
AValtharisacc Ünellen 621.
warent iSu.
Weinhandel 20. ^^|
62». 64f, lohall: 703 ff.,
ti^rg 195.
Weinhold, K. 244. ^^|
aleroannisrhe Fat>une 703.
•a^rgida 195.
Wcinschwelg 734. ^^|
Fianliische(?)Fai*»iing703r
irtgringe 182.
veir\fiyslir%, ihrt 284. ^^^^^B
Polninclie Fii«>uii^: [.oka-
Warnen s, Varini.
Weivie Flecken auf den ^^^^^|
liiieniiig 1>ei Krakau, W'al-
'.itiroldt ak. 8O3.
Fingernägeln, Beifeutung ^^^^^|
llii:r-«nächll.(je&aiig704,üer
Wasbcck 865.
^^H
Anblick der HelKunda krit-
WaucCinu tani 707.
Weisspfenaig 45, ^^^^^|
tigt die iCäin()feT neu 704.
Wasge 709.
Weissagung bei den Ger- ^^^^H
705. Urspiunc 11. Heimat
Wasßcnsteia 703. 707.
manen 4Q0 ff. ^^|
d. Sagc7o5fI.,Walihereine
Wnuerbegiessung 164. 414,
Weiittinier 11. 65. &6. 75. ^^|
hi«or.i''er»önlichkeit?70;,
Wsuerdfimoncn 301 — 306ft.
77—79- 80. 82. 84. 86. ^H
weienll. KlemcDle dcrHil-
WastereUen 397,
87. 94. )ui. 103. 113. ^H
dc^a^^c in ihr wiederkeh-
WaAMtMule-'n 297.
Weizenmulter 308. ^^|
rend yo(>, ihr Kern eine
Wasser geistei 295— 308.
W^'land 723. 726. ^^1
HrDeueiuni; dcTmylhi^chvii
W'asscrjungfraii 197.
Wdandcpisodc ags., und ^^^k
Mildcsa);r!706, Vcrbindiiri)'
^\'asscIli5sc 297.
eddiachr V Alandarkvifn, ^^|
Wallhcrsm.d. Burgundeii,
Wassermann 297.
ihr« Quelle ein ndd. Lied ^^H
Hatten mit dem Nibelung
Wasserriesen 301.
^^1
Hatten idrnlili/.icil 706,
Wasseropfer 388.
Welisung 653. ^^^k
"Wallbrr» Heimat 707. Wal-
WanserKtrsKscn, die natär-
Wellentheoiie 748— 75O. ^H
ther ein wC5lg(it. Held 707,
liehen 36.
Welsungensage 65: f. ^^|
Hilde^^unds Heimat 707.
Wal* 294, 713. 715. 718.
Welt, Schöpfung derselben ^^^
Epische Ausbildung der
729.
in der Edda 37R fT. Schö- ^H
Sa^e bei dcnOst(:o{en707.
Watamann, der Rieaenkönig
pfung der Mensche» 377 ^^^^^H
70H. Walthers Kin«d-
:99- 309-
— 378. Hinricfatun;: der ^^^^^H
kämpfe jOÜ, Anlehnung
Wayland smilh 725. 727.
Welt 378 if. (icrroanische ^^^^H
an die BargundenaKe bei
Wazierholde 278 ff.
Q. speciell nordische Vor- ^^^^^H
den Alemannen errul^t;o8,
iifaiat 137. 139.
Meilungen vom I.4.-bcD nach ^^^^^H
Ersetzung der anii^Tcifen-
Webe gerät schiften hei den
dem Tode 380 fr. tiaiet- ^^^^H
den Burgunden - Franken
Skandinaven 478 ff.
gang und Emeuening der ^^^^^H
d urch die verrol). enden
Weber 596. 597. S99^* ^c*
381 ^^^H
Hunnen bei den Franken
605.
Weltbaum ^^^^H
erfolgt? ;uit, Kampf am
Weberei 30.
Welten, Neun iu der Edda ^^^^H
WasgeoslcinWalihcTB cin-
Wechiclb&lge, Bexeichnang
378 ^^H
^^H ligc 1 hat nath der älteren
für Zwergkinder 292.
Weltkarle, romiichc 742.880. ^^^^H
^^H Sa^e 708. Streben nuch
Wechselbänke >0,
Wenden ^^^H
^^H cyklischer VerbindiiDi; der
Wechsel gesang, Choriscber
Wcn(d}lii«, Wcndilcnses 81 8. ^^^H
^^H einzcInenSaffcnkrei^e 708.
556.
vror^tig ^^^^^^1
^^r U'altlerK Aller 709. Wal-
r.W a) 182. 183. b) 185.
UYOlunia 161. ^^^^^^1
W then Rilterpferd 709.
^rrdbrt'nSor 166,
U<tT ^^^^^^1
^^^ Waltliaiius 630.
ireJdjan 185,
vxrageld I99. ^^^^^^H
^^m Germaaiiche Hhlloloffie 111. 7. Aufl.
^^^^1
994
Sachrkgiktkr.
werandstef 157.
•werescap 182.
"Wergeld 114,. 117. 130. 131.
132. 136. 138. 14». »57-
159. [6$. 199, 301.
WeiTC, Name für Frau Holle
im Voi^ilanilc aSi.
Wcrodei 339.
Wonborochrniii^ bei dea
NordJ ändern 47J.
Weruelation fwifcheti Gold
nod Silber 44.
verr>i'nl/ 271. 273.
Wescrmarach 896.
Wesl, Benjamin 553.
Westfalen, Bibliographie der
QoelleD der Sitte and dei
Brauchs 523,
— , westfälisch 870 f.
Westgermanen 32. 55. 791
—798, 811 f. 842—950.
'Westgerm.Spracheinheit7 47f.
809-812. 815— 817. 842f.
876.
Westgötalagh 107.
Westgoten 619. 825. 830.
Westmacott, Sir Richard 551.
Westmanna lagh 109.
westnordisch 828 f.
•utterkamp 219.
■eeeti 182,
■sKtte 132.
wetten 185. 188.
/ wk 125,
vficbeUdc a) 125. b) 178.
•wi'chbilUc 57, 94. 126.
Wichtenbeck 865.
WihtrM 69.
■widarsacho 2 1 1 .
widemo 161.
■widerTL-ri/efi 206.
Widolt 720.
Widsid 621. 622.627. 672.
674- 7>3. 7>5. 7'8. 719.
746.
Widukind von Corvey 860.
Witj^erefen 31.
Wicht :j89 &\
WichteliDilnDchen 289. 292.
Wickersche ajfj.
iiiiliTf^on^ 404.
■widtmitUclic LL'ihe 27.
Widukind (NEon.Germ.) 234.
Wieck, Clara 603.
AViedcF^cburl des deutschen
Epoä in Osterreich 638.
WieUnd 291.
Wii-latidsage. unhistorisch
623i ältCÄle Form im
Norden entliAlten 633,Vi51-
unda.rkvij>n 722, Gedicht
TOD. Hcricog Friedr, von
Schwäbet; ab Xachktang
der W.sage722. 723, Sage
T. Raab« dtrScbwanjung-
frau 723, Sapc von Wie-
lands Gefangcn^chat^T und
Rache 723. 728, Deors
Klage 723, gemeinsame
yuollc V. ViiluntJarkv). a
u.DeorsIvla^e ein iidd. Lied
v.Wälands Gefangen SL-haTC
u, KcLche 723, Erzählung
der Pidreks^aga v. Velent
714, V'«Jundarkvi|iB die
Quelle der ältesten li estalt
der Sage 725; Nieder-
deutschiland die Heimat
der Sa^c 725, oacJi Eng-
land verbreitet 725, nach
dem skandln, Norden ver-
breitet 725, Deutung des
I Namens V^undr, Wtland
726, altfranz. Zeugnisse
726, die Sage in Ober-
deutschland 726. Ursprung
u. Bedeutung der Wieland-
sage 737 niedetecMythiis
aln ^ille!Lteir RüstiTid der
Sage 727, Grundlage 727,
EntwickelungvonaSagen-
typen ans der ältesten
Form 727, rinklcidung
der iiiederdiiUlsche» Fb»-
sung 728. Die W,sage bei
den Rugiem 728 {?). Ver-
bindung der Sage mit dem
Motive vom Raube einer
Sfh «. an j u n g fr au 7 28 , Nach-
bildung antilier Ühcriicfe-
rungen nicht annehmbar
729, cyklische Verbindung
der Sage 729. Episoden
und Slüfl'erwfc-ilerilEj^en in
derPs. Niederschläge einer
jüngeren F.afijung der s^ichsi.
5^5729. Wielands Jugend
729. Ameliasepisodc 730.
Svielands VerljatmiiBg73o.
WielanJ ahcl.) 726.
Wiener Plennige 45.
Wiesenkultur 18.
'<ci/a 125.
'toifarr 180.
Wiglaf 646.
ti'ihsi-lin^^n 292,
7n!it ags. 289.
'.•jilil, ivihti ahd. 289.
'.cihtel, ipthielin 289.
Wikingerperiode 11.
Wilda 53. 55.
Wildbann 151. 170.
Wilde GjaJg 335.
Wilde Jagd 334.
Wilde Leute, Bezeichnung
für Waldgeisier 294.
Wildmilnnel 294.
Wildes Heer 334.
Wilhelm v. Florenz 540.
Wilhdm V. Sens 537.
— I. V. ^igl 75. 76.
Willaect, Adriano 579. 585.
wiüeiür 57.
wiUßre 389.
Willibald» der Priester 335.
Willimfirea 812,
Wilkie, Sir David 554.
WiUmeri, Rudolf 605.
Wllmanüs, W 716.
WinLkcImann 549.
Windbruch 30.
Winddilmonen 35S- 307.
308 fr.
Wiadgott 249.
Wiiidj^oulieil 261.
Windsbraut 308. 334.
Winland s. Vialand.
Winter, Peter 596. 599.
Winterfrucht 18.
Wipper 775.
•airigild 199,
WirtschaA, genossenicliaft-
liche 19.
— bei den alten Nordländern
454.
Wirtschafts betrieb lO.
WitLsdwfisbeiirk 15.
Wirtbichalt*fonncn iS^ff.
WittithAftslebcti, in den
d^uUchctL SiSctien 26.
WiTi5i:hafis})a1itik. der Stadt
36.
Wisby, Stadirecht von 34.
— , Handel auf Gotland 43.
•wtstuom 78.
Wisurich 787.
Wite, lübische 45.
Witege 693, histor. Anhalts-
punkte für seine Gestalt
694, mythisches Prototyp
69s, als Wielands Sohn
729.
ly'ttetuj i^i-mSt 147.
Withesieth 836 f.
v'iti 197. 199.
Witigis 694.
witisfalc 220,
Wiwilö(n) 787.
icizfitairi' 220,
\piszod 57.
Wochenmarktsvcrtehr 36.
Wödan 311.32S— 346. 391.
Wiidan, Wutitan, Udin, Kni-
wifkiuogsgescfaichtc der
WöilatiÄvecehruiTig 318 ff.
Wiidafi-Merkurius 314.
WMan-Odino a9s Gott der
Fruclilbarkeit 338,
— als HimmeU- und Sonnen-
gott 345-
— als Totengott 337 — 358-
S33.
— als Gott der Weisheit u.
Dichtkunst 241 — 345.
Sachregister.
995
"Wöilan-ÖdinD, Schöpfer der
Welt and Menschheit 346.
— , Erfinder der Runen
343 ff
— als KriegsKOtt 338—339-
Wödan, als WindgoU 332
—337 ff-
"Wödanaz249. 3 '2. 33 2.333-
Wode 332. 333. 334. 335.
Wodelbier 338.
"WödenesdKg 329.
Woejäger 334.
WÖlfl, Jos. 604.
Woenswaghen 346.
"Wohnung der nordischen 1
Länder 428 fl*. I
Wolf, Ernst Wilh. 599.
— , Job. Wilh. 239.
Wolfdietrich = Theodebert
I. 672. 673, Name des
Helden 674, Stammvater
der Amelungen 675.
Wolfdietrieb, mhd. Spiel-
mannsgedichte 641. 671. \
\V0lfdietrichsAbenteuer676. ,
Besuch bei dem messer-
werfenden Heiden u, s. '
Tochter Marpali 676. Wie ,
derHeld die Königin durch j
den Kampf mit einem Un- '
geheuer gewinnt 676. Er-
achlagung eines Serpant,
der mit einem Löwen
kämpft 676.
WoU'clietrichsi^;«, Quellen ,
640 ff. , Elemente dersel- '
ben im S^enkreise Diet-
richs V. Bern 695, in der ,
Rothersage 721. Inhalt s.
Ortnit-Wolfdietrichsage.
Wolfhart 694,
Wolfram v. Eschenbach 640.
Wolfrät 721, I
Wolfskehl, K. 676. 734.
Wollengewerbe 19,
Wölpe 774. I
Wörpe 774.
■u'Otsi/n^f 197.
Wor 334. I
Worm, Nie, 93, 95. ;
Worms, Burchard von 253.
259.
Wort 187. 19Ü. 212.
Wotu 334. i
Wren, Sir Christofer 550,
Wudesheer 337. i
Wülfinge 694. ]
Wulpenwerder714.715.7i6.
Wümme 775,
Würfelspiel, bei den alten '
Nordliimlern 453.
Württemberg, Bibliographie
der Quellen der Sitte und
des Brauchs 515,
Wüstung 196.
Wütendes Heer 333, 334.
335-
Wuetes 334.
Wunderer 640. 643. 697.
Wuotanestac 329.
Wuotas 333.
wtir/ 283.
Wutesheer 332.
Wyatt, Benjamin Dean 550.
X.
Xanten 670.
y^eno, oström. Kaiser 689.
Sf«/ 122.
zententreri- 123,
sentffräve 123.
Zeringen 865.
Zersen 865.
Zeuge 129. 135. 141. 142.
148 f. 212. 216 f. 220.
zeiinriten 275.
2fif 312. 313.
Zeven 865.
Zierler, Stephan 582.
Zilly 865.
Zimmer, H. 663.
Zimmersche Chronik 236.
Tinken, Blasinstrumente 575.
zunitTc 224.
I A
Y.
Vdalir 378. \
ydr, ydvarr an. 816. 1
yfirmaär 399.
Yljas von Riuzen 679. 680.
ymbganif 128. ■
Ymir 292. 309, 346, 376. i
ynglingar 320.
Ynglingasaga 247. 267, !
yrftland 7. ■
yrfcu-eard 148.
Z.
Zabern 926.
Zargeninstrumente 573.
Zauber bei den Germanen
404.
Zauberlieder 405. '
Zaubersprüche, ältg. 235.
Zauberzeichen 344.
Zaunreiterinnen 375.
zechf 166.
Zeeland (Kudrunsage) 717.
Zehent, der kirchliche 17.
Zehling 865, !
Zeidehveide 20.
Zeidler 20. 1
zein ahd. 401.
Zeitpachtungen 6. 17. 21.
Zeitrenten 50.
Zeitschrift für deutsche My-
thologie und Sittenkunde .
239. 505-
— für Volkskunde, Leipzig
50s-
— des Vereins für Volks-
kunde, Berlin 505,
Zeitschriften, deutsche, eng- '
lische 505 fV.
Zelter 596. ;
Zins 134. 136. 137. 140.
'73- '77- '78. 181. 183.
[84.
Zinsbauer 25.
ZLnseuhöhe, für gewöhnl.
Gelddarlehen 50,
Zinsgüter 5.
Zinshöfe 2i.
Zinshufe 14. Ili,
Zinsland 18.
Zinspilichtigen 5,
Zinsverbot 48.
ZIu-Tyr 3 12.
Zlesane 942.
Zoll 125. 133. 148. 152.
Zösinios /// (i 858. 886.
Zündhütchen (1818) 228.
Zünfte 28. 29. 33. 34. 87.
88. 156. 210.
Zuidhoeksch 847.
Zumsteeg, Joh. Rud. 596.
Zunftmeister 29,
Zunftwesen 28 ff.
Zunftzwang 28. 29.
Zuzüge vom Lande nach der
Stadt 28.
Zwanzi^^er, Tiroler 45.
z-ii-ehk ahd. 916.
Zurückbehaltung 183,
Zwang 187,
Zweifeldersystem, im alten
England 22.
Zweikampf 108. 14I. 206.
212. 213. 214. 217f. 219,
z'.iurch- nhd. 916.
Zwerge 289—292 ff.
Zwergensage 698 f.
Zwingburg 34.
z-.i-irtgfti 916.
Zwölfkämpfe 671,
Zwölllnacht 26a.
Zwölf Niicbte 259.
Zwölfnächte 2G0 ff. 403.
Zwölfzalil der (lolter 313.
Universiiats-Buchdruckcrcl von Carl Georgi in Bonn.
Neuere Werke aus dem Verlag
von Karl j. Trübner in Strassburg
mdcccxcix
Ihtrrh liif fiieisfen Bttch-
hfindlitngen rfcs In- und
Aimhniftfü ZH beziehen.
*lll*l
Vbklag vun Karl j. trübner in strassbürc
DEUTSCHE GRAMMATIK
(JOTISCH, ALT-, MITTKL- UND NKimOCHÜKL'TSCH
VON
W. WILMANNS
ord- Profttiot d«i dcutictK'n S(>rs'(;hc und Liiientwr an der UnlrCtilrill Bomi
Erste Abteilung; Lautlehre. Zweite verbesserte Auflage. Gr. 8".
XX, 425 S. 1897. M. «.— » in Halbfranz gebunden M. 10—.
Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage:
„Diese zweite Auflafje weicht von der ersten ziemlich stark
ab, kaum ein Paragraph ist unverändert geblieben, manche
gani! neu tjcstaltet. Bald (jab die Form, bald der Inhnlt den
Anlas», bald eigene Erwägungen des Verfassers, bald die Ar-
beiten anderer. Auch der Umfang des Huches ist um einige
Bogen [sechs] gewachsen, besonders dadurch, dass sehr viel
mrhr neispielc für die einzelnen Lauterscheinungcn ange-
führt sind "
Zweite Abteilung: Wortbildung. Zweite Atiflage. Gr. 8«. XVI,
671 S. 1899. M. 12.50, in Halbfranz gebunden M. 15. — .
Die zweite Aiitln;^'u lieider Abtcilunjirii i-^I. wa^ dit- 7abl der Exemplare
betrifft, L-inc crhöhti- um auf fint l;in[;c R(;Thc v m fahren h:naus die Not-
wundigkcil eines Neudrucks oder emtr nuucn RLiirhciiun^ nMs?.iisirhlies>t-n und
dadurch die Kaufer vor allzu schnellem Veralten des WVrkeN 711 srhilt/cn.
Das W'L'rk wird in vior Abteilungen erscheinen : Lautlehre,
Wortbildung, Klexiun, Syntax. Eine fünfte, die Geschichte der deutschen
Sprache, wird sich vielleicht anschliesscn.
.... Es ist sehr erfreulich, dass wir nun ein Buch haben werden,
welches wir mit guiem Gewissen demjenigen empfehlen können, der sich in
das Studium der deutschen Sprachgeschichte einarbeiten will, ohne die Mög-
lichkeit zu haben, eine gute Vorlesung über deutsche (irammatik zu hören: in
Wilmann.s wird er hierzu einen zuverlässigen, auf der Hohe der jetzigen
Forschunj; stehenden Führer finden. Aber auch dem Studierenden, der schon
deutsche (irammatik gehört hat, wird das Buch guti: Dienste leisten zur Wieder-
holung und zur Ergänzung der etwa in der Vorlesung zu kurz gekommenen
Partien, jedoch auch der Eachmaiin darf »lie Grammatik von W. nicht unbe-
rücksichtigt lassen. Denn alle in Uelracht komini-ndcn Fragen sind hier mit
selbständigem L'rtcit und unter voller Beherrschung der Literatur erftricrt.
Und nicht selten werden Schlüsse gezogen, die von der gewöhnlichen Auffassung
abweichen und zum Mindesten zur eingehenden Erwilgung auffordern, so dass
niemand ohne vielfache Anregung diese Lautlehre aus der Hand legen wird.
Besonders reich an neuen Auffassungen ist uns die Lehre von den Konsonanten
erschienen. Aber auch die übrigen Teile, unter denen die bisher weniger oft
in tirammatiken dargestellte Lehre vom Wortacceni hervorzuheben wSre, ver-
dienen Hcachtung . . ." W. ß., LiUranscfigs CVfitra/A/att /i^i/j Mr. ^.
Protieteiie *lehe omiiehrnd.
Verlag von KAtil. J. TRÜBNKR in STRAss8üA(t.
Wilmanns. W.. Deutsche Grammatik (Fortsetzung).
Probeseite aus der 2. Auflage der I. Abteilung.
g .W. Mi.l
Eol-Ih), Laitt\Lri'8tfhiel)int':-. Germ, y, t,f:.
r.j
Zweites Kapitel.
HocMeutsvhe Lautvert»chiebar.g.
39. Die Consnnnnteu, wek-lie im G^rmaiiiscbeD ans den
idg. Versübluitölantcn entstanden waren, geraten im Hoch
deutschen von neuem in Bewegnng. Diese lioclidentsehe Ver
sehieliun«^ ist besondei'e intere^üant und lelineiL'h, weil sie sieb
zum groi^sen Teil vor unfern Augen vollKielit und genauere-
Einsirbt in die stiitig foi-t&e breit ende Änderung der Consonantcit
und die sie regelnden Kräfte gewährt; zu so einfacben und
gleichniäsäig-cn Ergebnisiseu wie die ältere Veiscliiebung filbrl
sie nicht. Die Laute der rers eh ie denen ArticnlationsHtclleii
nnd -arten zeigen sich nicht gleieh einptliuglicb ftlr die L'm-
Wandlung; slilrker als in der früheren Verucliiebiuig macht
sich der Kinllnss benachbarter Consonantcu geltend, und vor
allem der Eiuflnss des germanischen Accentes, insofern der
Inlaut der Änderung mehr ausgesetzt ist als der Anlaut, d. b.
iler Anlaut der schwach betonten Silbe mehr als der stark
aL'iienlicrtc Anlaut der Slanim^ilbc.
Der Beginn der Versoliiobnng fsllt in die Zeit Tom 5.
biK 7. Jahrb. unserer Zeitrechnung und detthalh nind ihr auch
viele romanische Lebnwüitcr, die bis zum 8. .labrh. ins DcntAchc
antgcnommen sind, unterlegen. In Überdeutsehland zeigt sich
die Bewegung zuerst; die Sprache der Langobarden, Baicrn,
Alemannen und eines Teiles der Franken wii'd von ihr ergriffen;
je weiter nach Norden, um so schwacher wird die Wirkung*).
Genn. p, t, k.
40. Die eiit»chiedenHle Umgestaltung liaben die ger-
raani.whcn Teuues durch die horbdcut«ehe Verschiebung er-
fahren. 'IViiuit* — .\spirata - Affricala — Spirans beveicbnen
die Bahn, in der sitrb die Jjantc bewegen. Im .\nlant knmtnea
1) Braune, PBIj. I, 1— 5fi; Liltoratuniacbwcis bei Br. ahd. Gr.
5 Hii A. Verxeichnig sUjrerinanificher Lehnwfinor, Klage, GrUr. I
S. 30!> f. — Über flic normale Vevachiebungsimio '\ § W Amn.
VC1I
Jfricbricb 1k[udc,
ftrefcricc an bcc UiilBcrlttSt gtctfruita t. Or.
Sriht^lc bcrtitfftrtc utili brnnrlbrtr 9luf(anr.
iltf. 8". XXVI, 5H) 6, IHHO. *4JTei4 broidtico iDif. t>.— , in .-öcibfroiij gcbuiibeii ilf. lU.—
Rlürfcrltudj I)nt « eine [cxi(ntii(fte ^Storbcituitfl bev Sh)molD<iic uiijcreä mDbcmtii
i5|n'arf;iil)ii^t£> tiidit geö'"^'-'"- 2)cv lirToIg bi-i feit bciii ^a^i'c 1Ö84 erjd)iciieiicn fünf
Sliiflagrn uiib bk ?Itietfcnit]i«ö, rttelrfic beut iöuriie 511 Üeit getpoibm, Ijabfn geseigt,
icic rifhtifi ber ©cbniifc rpar. bitr ©rgcbitiffe bt'§ nn^icf^fiibftni iinb rocrtDüKjtcii XfiTci)
ber iüifjc»irt)a|ilicl)i*n SMortfor jc^unfl : bcn über bic tSiitftctiiing iciib ©cjcftirtite bcr ciii^Jiclneii
!fiji>r!ct unfere^ Sptacftjdiüöeö, in Eiiappcr IfjitöUff^er t^arftcUuiiß äUJamiHcn^ufofieii.
Xcx i^crfaficr \)a\ ee firf) ^iir ^Uifgabe gcmadit, ,jürm uiib öcbcntmiä jebtfä
SÖortc? bi^ 8« }emx OucIU 311 Dctfolflc», bie S^eiiflniiigcn 511 bni flaijildicii 3pmd)eit
in fllcid]cm ajinpe ktonenb «if bßä SJetroanbtjttjaft^tOfr^lhiiS ju box übrigm
flcrinniiilAen unb bcn roinoitiictjeii «Sptat^cti; nurf» bic etitfttiiterctt oriciita(ijrf)cii , joioie
bic Ecltiicdicn unb bic flnmicticn 3pmriicii jiiib in nllcn (yt^Ucn tjt'rnncic.^^Dflcn , \m bic
^Dtit^ung eine ^fcnumibtjcliaft jtrft-^iiftcllm Drnnag. @inc allgcnictnc Sinlcitung befmnbelt
bic C5c|(f)icötc bcr beutjd;ict! Sfirnriit- in i^vcn Uinrijicn.
Tic Dürlicgeitbc neue ^luflnöc bic niif icbcr 3citi' löoficniiuicn ober 3"t^1J« oi'f'
ineift, ^ält mi bcm frütjcrcn '^ruflrnnim bc^ 3Bcrfc3 fcft, ftrcbt rtöer Toiebenim nac^
einer ^Jcrticfnufi mib lirrmcitcnnui bcr loürtßcirfjiciitlidKn H^roblcini; unb ift tind) bic3=
uml bemüht, bcii iicucflcii fVL<rtjd)ritti.'n bei cttnnü!o(^ijd)i'i[ '-ZUorlftirfdMiEti} gebütjrenbe
9iEcrf)nnnfl 311 trngcn; \k luttcriAcibt^t |irf) uun bcn früljcten ^luflflflcn bejonberS biirrfi
fprarfinjilJcnidiitfttirtH' 'i)[arf)iiH-iic unb CucHennnivikn, iomtc bnccö 9(iifimt)tiic influrfier
jünqcrcr Sorte, beicn (^c)d)iri)tc in bcn übrigen i&Jövtabnd>etn ipciüg faerüdiiditigl ift,
unb bnrd) iiinfäiiflUd>crc* ."^niicbcu bot bfntfdtcu Ifhntbnvtcn. Vlu^ bcn crftcn löudj=
ftaben fcicii nnt bic fnlgeiibcji ÄBöttcr, ^iint teil Üknidiöpfnitgcn iMtfcrr*5 ^nbrljiinbrrtö,
nngefttt^rt, bic neu aitfijcnonnncn lourbc» finb: nTlerbing^, ^(tlmi.^ler, ^tnfnufiü'flrünbe,
^tnflctegenfjcit . ^InfdinuCirfifcit, onftntt, niiäüfllirfi, Jljdji'ubiübcl, '?lfd)cviniHnjod), qu§^
mergeln, iHcöcifteiniifl, beE)eri,tticn, belüftißcn, bcuütlciben, bcjcitigcn, SJenifggrniib, bcroctl-
ftefligen, bilbjnm, bt'>i»cikit, ibinnmgc, Siittnev, iShrift, Gtjnftbanni, ß^riftfinbcf|en;
au^ bcm '-Pncfiftnbcn .St nennen mit: iSlnbarfie, Strimpc^ Stfliuincrldjjdteu, Hnnopcc,
ÄrtnncriflicBet, JÄiiufterlein, Sflnter, Kuper-, ftäpfcr, iUrtätidK, Mii^cniommcr u. f. id.
'Um beftcii ober neionfdmnlidifn einige ,Sal)lcn bie ii'teruollflönbiflnnfl bsi Söerfe* feit
feinem erflen (Sririieinen: btc 'i^a\)l bcr igtidjniorte lint fid) Bon ber crftcn jur fccft«ten Ifluflage
ocrmct)« im iÖiuliftoben ^Jl: uan 130 onf 280, 5fl: oou 387 auf 520, X: öon 137
rtuf 200. (5: üon HH» mif UHX J: von 2'Mi an\ 321), ®: oou 2öO ouf 330, «:
0011 30(1 auf Hif, ^: m\ ISO ßuf 23[>.
l'ruUcn siclic n&chsic Sciu-,
VBRLAC VON KARL J. TROBNER IS STKASSSURC.
ftfuflC, ^riförirtl, t5ti)iiio(o9ijd)Cff äÜiirterliuc^ bct bcutjrfjcu Spröde. (Proben.)
^auttn iUiir. ki «Dctljc im) n<^\)\wvw.
{■Bitte LHi;j|>t; ücr Siiifll. iBantc ryvuifi H -i*.
1 1 If)") ; bariitwt &a6 Idjrreidw i^-uöiii* t>on ."C>ei)*<
roifd) 1791 Sicßicnmn Haifcr Waili Dei Oroften
©. HB 5iii>roic: „iömiipn ifl :,iurtr cm ^ro^
yinjiölRioil, atieiMocrfcii'iit iit bic SiItriilU'vndK
autGcnommcn ju luciöcn, itJO}ii man idioii ju
©crUii Im-? ^wmi>el öirbi": ein iint bic *Dlilte
M W. 3al)rl)fl- i" Öcr aJIarf lörauOcnbiirij mi
iTclentied Sort bcr ^^tcriualtung^fiiiactic, ^uicil'l
oon iieijiioB ITTri .tmnbbud) £. 2fi7 UTOfj ?liitt'
barbaniä S. IW>) wviftd)iift, aber bei ^föcluitö
unb (Scimuc iiodi feblcnli; 9l&clinifl untcv ^^flu
cnDähm ISnuicii al;> 'Jllurül m '-Bnii ifjr baö
iiM. yiorbftiMEiidjiniii). 17S] luirft bilwi*' 'önuie''
als iio?nnicr. lialcftTtort uvrjcit1)«ci.
aiiffoinnK^nbc, luimc^fl tomifctjc UimU)fltetti!buiii-|
imd) frj. uge-SoTicii iniiei-hGlb bcr Suibenicri'
ilirnd>c (c* c^\H (ein frj. blamagei; miljciic '-öe*
IcQC in ftubeiilifcher SJittcratur: |?i|d)er 17H1
,H&miid)c S^im'djiobe 5. 0 imb !t.'ai]n)arh ]Nii4
(Julertatipcr 3. 1 1 H ; uiil. Sliibciticiiipratiie 3. *i4
mit :)ti'n0]iim(i^u-
JöoritfcflftfT^Bi.öatüriti bc« 9ici(bsabidiicbcn
üDiii Gtibc bc* lü. ^\ol)rliv. bie jum ?RcflCii«bitrnci-
von 1B.M 'ÖDtjdiaft (outKl ak* 'Wciflnbtjdirtft* ;
10 aiid) otl bei i'utljct j. '^, 2 Mor. '», 'JO, idd mucrc
©ibeloHJyiabcii ^ o t f di a i ic v eiiiflcictil liabeii-
2>atm Tritt — jucrii bei i^ol). i'imnöiiÄ Kiöl
CapitulatinneB Imperalorum ©. r)77 — l^ott-
fcf)nffter*niinciUh*iicbeii'-Pcttid)attl'l^l5'atio'
auf ülö SJcjeiriiminfl bei> eitiielncii 9J[ilölicbc*
einer 'öolfdjnft. ^Öoifiinftcr flcbilbci jcieMiinb
iiftaftcr uubWc)el!(diniicrer)dH'inln[cidncitiii
ucreiii.icll (V ®- Üindantciiljoiwlal IGOSASt Hl»
Cibl 'ruer mit einer 'i^piidiaft beaufttafli ift'.
3)od) imirbe ba^ jid) bnmol^ cinbütflentbe fij.
ambassadeur alKjenteinl'iicbroiidil. ,\tifol(ie bcr
gto6en£lreitii^EeiteniibcrbiebiiiIomatiJd}Gn;HrtHö:
tloffeii bfim'3(ittnue{icr.Hciuireylfj77H idjciitl am
Sifincr .'^of ta^ ?kbiirfniö flcfiilill luorbcii ju jeiii,
audi im Xculidien jmijdicn lißhcren mib iiicbemi
©elcubten ]n idiciben : babci luiirbe für amhassa-
deui- '-Soifldnittcr, flu- envuy«'- Stbflcfartbter
öCttiöijli i^icktjc einjetn feil lölKli. EcraJicnei
®prad)ße&vaurti bütöcrl ixit fdilicplidi feil rtnia
1711 (oßl. b«-> im '3idi 1711 mii SHeflcn&buvuei:
Steidr^tu^l ucrciitbattc ^^^rpiclt einer bcilünbiticn
SBafiltüpilulaiiDn 3li1. XXllIj oudi im ;Keidi all
tuüljtid) eilt fitrbcn iiiinbcften* hirfiirftlidten 3^ev=
freier, ^(tju ftimmt (?. &. .v>ev(Su6 ITJl l^ebidite
unb Int. !,^itjd] ritten S. L*7:{, brr bai ülUon al4 am
iföienev vofe ^icbmudjt jiiir iPcfciticiun«? bti
bvciretcH ?lmbüi(abcut cmi'ficljli. ?l. Dow.
(fi)iu9inidmiid ^. imit cit(iL rJiauvmisni'
<ui& frj. i:lmu%tiiistrio, bad cigt!. 'iit'ilalrie
pok'oniennc* bebeulel. 2)ieTi' *-9cnennun0
■JlnpokonfHltn^ ioll nui einen 4*elerttn 'Kic. Chau-
oin jurftcfdclicn; imdi üicfcni 'Jiapolconfdirodrni«
cmilonb (cit *JiflpDlcon^ -"vatt bie söenennung hi.
'■tuiiivitis. lucldfc S^cjcidjmtnii bef. butth büs
bclicble iPaubCDiUc La r,ijr«rrieTricoUireilS3|i
bev örübcr ßogiiiarb joroic burd) Gftark« :ici*'
nunticn a\xi bem fianjftv Solbotcnlebcn 'tw
6liänt)tn a\A U)oi\d}ev Üuwk junger 3o1balen
aiiftriui tti ,"nmitreid) iiofulät louibc. l'«il
tobkv A>cvrt^ie ?lr*iv S(j, 2!»n. 31)3.
(SftriftfiirtAtn Oi. "Skidnadnfroctdjeiir iu-
crfl in Hleinö llUorinMoliob. 1792 fiir bie %i\
unb ba$ närbiidw Filialen brjcmil 'al» Cbri
fiiibel 1776 in 2Baflner* Hinbcnni>rbcrin
Taffir inr is. ;)obrh. ,bct bciliflc ß^rift' \
bei «oelbe bejeuflII, idwn im 17. ,^abrfi-
SDcitc erniarren :i69. 'M\) (juen'i KWil in ri
iürf)f. 5Jo[iieiorbnunfl). 3" 1'ommcrn ta
Kindeton-.l(*3. tn :5iol(l«n Kin-J»>s; in Sadi*
«lirilifler ^Ibenb" ober „ein SJfilmüAwn".
Siltc bcr fficihnorf)t«be(d)ecrunfl (in l>cr '2. öölm
be* IG. Otiftrt)^. (Sluiübürbcn ba4 LM''""'
biinbel mit ber Sceciie-rulc) ül eine inoii-iian
tLfd)c ^Jieucrunß bev 3dwii(nniicit on txn 7aAtn
bctf l)lfl. OTnrtin nnb *JIiIplane> tXii. *Koübr. r«v
5. Xcibt.i. ^adb % liOc'« Sdjrift C^idiidn«
ber bcutidien fflei()nad)t.
(Khiiö a«. ml)b. i.'9tertih oljfr. eslirTb
dltcjle ifonii asIrTli i[ilu S?!. == mn6b. astnk
i^ütcrrk. nbl. eslrik lalle Stiege für bte mnM,
nbl. SConc felilen). au ^Jliüclbcutfdjlanb (oaA
im 3d>iväb.) felill bciä Sort, bn^. gutVr unbrfflitm
ii'ar. Sofjrfdieinlid) il'i c4 eicitl. im SRbcin
Dciiautiial bnmifd) iinb burd) räm. .Koloni
bort etugefn^ri. ^ie iirbeutfdi. ^rimbto
aatrik - a^irak bc<ftn ild) mit mibmlot
aslracus '^^^flaflci' = maildnb. »ilregh,
arilrncu, ital. Instrico-. nadi (H. 0)lct)er
(iraec. 3. 3 liegt U>äildt aslrarnm ( —
äoTpaxov) J11 Ctnmbc: über bai '^txijU.
Don lat. astracani — astricuni ogL
mrtnacus — monicus imter "IRßnd].
pruffl ^- Q>n 3d>lnü be4 18. .^atfrtr.
Tiil!e(n\iön für S^aicrn, ben VlitTcIrtKin
'Jtieberbciilid)!anb b^ien^t. aber ium'ibft nur
9Ibb. beitniidi (177'. tiir "öambnrn heteitiiit,
Qitf nbb. <9ebiet jciflt ba* fflJon i.
allticiiu'inere ^ebeutnna, inbcm rt ui _!. . t
astnc
Verlag vo« KARL J.TROBNKR i» Sihwsblru.
ENGLISH ETYMOLOGY.
A SELECT GLOSSARY
SERVING AS AN INTRODUCTION TO THE HISTORV
OF THE ENGf.ISH LANGUAGE
HY
F. KLUGE AND F. LUTZ.
8". VIII, 234 S. 1898. Broschirt M. 4. — , in Leinwand geb. M. 4.50.
PREKACE.
Our primer of Eni^Ush EtymoloKy is mcant to scrvc as zn introduction
to thc ütudy of thc historlcal (^ranimar of Engli.sh. Kowcvcr manifold thc ad-
vantagcs whlch thc »itudcnt may dtrrivc from Professor Skcat's Ktyniolo[*ical
Dictionary, it cannot be denicd that it does not conimcnd itsclf as a book for
beginners. Thou};h it is a work of deep research, brilliant sagacity, and admi-
rable ccmpleleness, the ünguistic laws undertylni^ üie various rhanges of form
and meaning are not broujjht out clearly enougli to be caüily grasped by the
uninitiated. Wc thercfore propose to furnish thc :itudent wiüi u. small and
concise book enabting him to get an insight into the inain linguiüüc phcnomcna.
WiC are greatly indebtcd to Professor Skeat. of whose cxccUtnt work we havc
made ample use, drawing from it a great deal of malerial. whtch wc hereby
ihankfully acknowledge. As our aim has of coursc not becn to produce a book
in any way comparable to oiir prcdccessor's work in fulness of detail and
general completcncss, we have confincd ourselves to niercly sclecting all words
the history of which bcars on thc development of the language at largc. We
have, therefore, in thc first place, traced back to the older periods loanwords
of Scandinavian, French and Latin origin and such genuine English uords as
may afford maller for linguistlc iavei.iigation. In this way we hope to have
provided a basis for every historical grammar of Englisn, e.g. for SweeCs
History of English Sounds.
If WC tnay be allowed to give a hint as to the use of our littlc book,
WC should advise thc tcachcr to makc it a point to always dcal with a whole
group of words at a tirac. Special Intcrcst attachcs for instancc lo words of
early Christian origin, to thc namcs of fcstivals and the days of Ihe wcek;
besi'dcs thcsc thc names of thc various parts of thc house and of the materials
used in buitding, thc words for cattlc and thc various kinds ofmeat, for eating
and drinking. etc. might bc madc thc subjcct of a suggestive discussion. On
trealing ctymology in this way. thc tcacher will have the advantage of Con-
verting a Icsson un the growth of the English language into an inquirij into
thc history of thc Anglo-Saxon racc, thus lending to a nalurally dry subject a
frcsh charm and a deepcr meanino.
In conclusion, our best thanks are duc to Professor W. Franr of Tübingen
Univcrsity, who has ptaced many words and etymologies at our disposal and
assisted us in various othcr ways.
LIST OF ABBREVIATIONS.
acc. = accusative case, adj. = adjcctivc, adv. = advcrb, BRET. = Breton,
CBLT. = Celtic, conj. = conjunction, Corn. = Cornish, cp. = comparc, Cymr.
s= Cymric (Weish), Dan. = Danish, dat. = dativc case, der(iv). = dcrived,
derivative, dimin. = diminutive, du. ^^ Dutch, E. =^ modern English, f. (fem.) is
feminine, frequcnt. = frequcntativc, kr. = French, Vries. = Fricsic, G. =
modern German, Gael. ^ Gaelic, gen. = gcnitivc case, goth. = Gothic,
CR. =; Greek, IccI. =^ Icelandic, Inf. = inünitivc mood, infl. = inflectcd, intcrj. =
interjcciion, IR. -- Irish, rrAL. = Itahan, lat. = Latin, i-o. = Low German,
lit '=i literally, i-iTir. = Lithuanian, m. ^^ masculinc, ME. = Middle English.
MHG. =^ Middle High German, n. (neutr.) = neutcr, nom. = noniinativc, obl. ^
oblique case, ODU. = Old Dutch, ofr. = Old French, ohg. = Old High
German, nnt. = Old Irish, on. =^ Old Norse. onfr. s^ Old North Frcndi,
orig. = original, originally, osax, = Old Saxon, osLov. = Old Slovenian,
pl. =^ plural, p. p. = past parliciplc. prob. = probably. pron. = pronoun,
Erop. = propcrly. PROV. = Provenval. prt. — preterile, past tensc, RUSS. =-.
ussian, sb. = Substantive, SK«. => Sanskrit, span. = Spanish, superl. —
üiiperlaCive, swkd, = Swedish, teut, = Teutotiic, vb. t= vcrb.
Pfobcn aua dam WBnerhudi sieh« aScfcau Scita,
Verlag vun KARL, J.
IN Stkassuurü.
Kluge und Lut2, English Etymology (Fortsetzung).
Pro beseite.
SOlc' — 5DURd'
»93
gar-LAT. sola has supplanted
LAT. SöUa^ whence gotii. suija
*Bole* is borrowed.
SOle^ (a flat fish) ME. s^U fr. fr.
S9k\ ident. w. soU^\ cp. lat.
soka 'sole-fisti*.
some proii. me. $Hm som OE. sunt
= GOTH. mm$, ON. JWwr, OliG.
mm: aktan basc s/mo' iii gr.
ä^o^f>-, SKK. iamx.
son sb. MK. sone sune os. ivnw
:= GOiH. ntnus, ON. jkw, osax.
SUHU, OHG. xwi G. JcAv DU. soon:
Tent base surtu-. An arvan base
jtfjitf* is evident in skr. j-üau-,
OSLOV. syaü, uro. «iwsu 'son'.
Cog^n. w. CR. ino'c 'son' fr. an
arvan base suyu- and w. oir.
suih 'foetus'. 'Hiere «ccurs also
a skr. \^ sü 'lo bcgct, bt-ar,
bring forih'.
song vb. MB. 0£. ip/i^: 'l'eut.
base sang(w)a' also in goth.
laggv/s, OS. sgngr, uu. tang^ c.
sat^, Cp. sing.
soon adv. mf.. s^ne ob. söna'y as
shown by goth. suns-ahv 'soon',
OE. sön-a is a Compound of OE. sqk
(= OHG. osax. iän) and d (=
GOTH. <I/W OHG. w); cp. OHG. f«?/"
iär-io and goth, jwutf 'soon*.
aOOt Sb. ME. OE. ipt = ODU.
sott y ON. J(J/; derived fr. tlic
TEÜT. \f üt 'silf Set'; üogn. w.
OlR. tuidc (basc *södiä), LITH.
ji?(Ä'j, OSLOV. j«;i<Ä7 'sool'.
SOOth adj. true' NE. söfh OE. Ji?^
fr. a Teilt, base saa/- = ün.
sannr, oho. Jirm/, osax. si/A;
cogn. w.GOTH.st/ft/is ((or*sunt(/a-).
TEUT. saJi/- answers to skr. sat,
£MiH.tsM ErrMOUMiV.
wliich is participlc of ibc aryam
V""« 'to bc' (SKK. ./■*//, GR- fOtl,
LAT. «/, G. /j/) «iih ihe sufTix
■anf' in CR. tffpori- (cp. teoiH).
GOTH. «:(^>*truc' corresponds to
SKR. /^O'-J true'.
sore adj. ue. if^ oe. sär fr. a
TEirr. adj. sai-ra- in on. *i/-r,
OHG. jA-, DO. s^ö-'sore, wounded';
cp. com. sair sb. *pain', ohg.
ih' (g. versthren vb. 'to burt^.
Cogn. w. LAT, sae-vus 'wild' and
oik. fO/'-M 'pain. Cp. lorry.
sorrel (plantziame) fr. Ofr.
sorfl (fr. Turelle), wbich is de-
rived fr. FR. sur 'soar' = OHG,
sür (see under sour).
sorrow sb. mk. satwe OE. sorg
infl. sorge: Teut. base sorgS- in
GOTH. saiirga, OHG. sorgao. S0rg(,
Du.r*wy, ON. .ro/y: arvan V"**y^
in LITH. sergHi 'lo heed' —
j^^/i 'to suffcr
sorry adj. me. s^jr OE. jrfn'j
earlier sdrey. Tcut. base sair-dg-t
dcriv. fr. TEUf . j<»/;a- ;= j^rr.
sot sb. MK. Sit/ lat« OB. (c. rooo)
sott; boTTowed fr. nt. sot, whence
also DO. !fit and mhg. sot; cogn.
w. TR. suthan 'a dnnce*.
soul sb. ME. souU prop. spult
OE. sdwel infl, säwU: teut. jd/n^
rt/if- in GOTH. sahpaJa, OHG. .fAü
(for *s^la) c. .f^•c/f, OSAX. Jrt#/a,
DU. s/V/. Cp. GR. ruoA«^-'iiiovable'.
sound ^ adj. 'hc-althy' ue. jhwu/
prop. isound OE. ^csümd = OSAX.
gisund, OHG. gisunt o. gesumi,
DU. gtsottii; probably cor,-nBte w.
LAT. ji!//xu 'healthy'.
13
Vcrlcjjtr für Grossbri tannicn uHtl die britischen Culunicii sind:
Measrs. Blackie & Son, Lim., Glasgow and London;
für dif Vc-rL-initjtcn SiaitU-ii von Nordamerika: Messrs. D. C. Hcaih
& Co., Boston, Mass.. iio Boylston Street.
Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassbitrg.
ä
%n{\&t
11011
$i;offf|oc dn bti UniDftfit&t ffTtibutg i. 9r.
e». XII, 136 ©. 1895. ®«I)eftft m. 2.50, in Seiitiudub pcöuntcn 511. 3.50.
3nl)0lt: 1. Über ftif Stit^fiitriilpraÄic. ©tubtntcn «nb ^^tlipcr. —
5:nmfeiiliiflnci. — Sliitilc (rl<iiiciitc. — ^urid)i!Df< 3ot>Nic- — 5BiWifd;=t^coIof»if4e
91ad^tlttnqt!. -- 5'" '-Haim tcö ^HcitiPcIfdj. — Jvti»n,löf>ftüe ßinfüiffc. — Wramma-^
lifdie ^tgniürl. — Urfptuittit iiiib '^abKituiig. — II. iß?^rlfititi(t| ttx £iultcRten=
^Bcim Lesen dieses Buches fühlt man sich oft von einem Hauche rrischen,
fröhlichen Studcntenicbciiä bcrölirl, und selbst das anscheinend su trockene
Wörterbuch reizt durch seinen manchmal recht humorihliachen Inhalt zu einem
herzlichen Lachen. Es war in der That eine dankbare, freilich auch recht
achwierige Auft^abc, das für die ältere Zeit .so spärliche und vielfach sehr ver-
steckte Material zu sammeln und daraus in gros-^en Zügen eine Geschichte der
deutschen Studenlcnsprarhe zu entwerfen, die um .so grösseren Dank verdient,
als sie nicht nur der erste umfassende und auf wirklichem Queltcnstudium be-
ruhende Vcrhurh der .^rt i.st, sondern auch mit grossem beschick sich auf
jenem Grenzgebiet zwischen populärer und streng wissenschaftlicher Dar-
stellung bewegt, das cinauhalten nicht jedem Gelehrten gegeben ist. Gerade
auf diesem Gebiet hat !»ich Kluge durch sein musterhaftes etymologisches
Wörterbuch grosse Verdienste erworben; denselben Weg betritt er jetzt mit
gleichem Erfolg auch in der vorliegenden Schrift, die ihre Entstehung zumeist
den Arbeiten zu jenem anderen Werke verdankt. . . .•
LUcr. Ceatralhtatt ISps Nr. mS.
«Prof. Kluge hat mit xiclem Fkis.';c, nie die zahlreich eingestreuten Be-
legstellen beweisen, sowie gestützt auf eine ausgedehnte Lektüre und auf eigene
Heobachtung die Sprache der Sludentcn in alter und neuer Zeit nach ihrem
Ilr.ipning und ihrer Verbreitung dargestellt und seiner Abhandlung ein reich-
haltiges Wörterbuch der Studentensprache beigegeben. Ist das Buch als Bei-
trag zur deutschen Sprachgeschichte und Lexikographie von grossem Werte,
so ist CS auch fQr den Akademiker, der die eigenartige Sprache seines Standes
nach ihrer Entstehung und Geschichte kennen und verstehen lernen will, ein
interessantes Buch und besonders zu DedikaCionszwcckcn geeignet, wofür wir
es bestens empfohlen haben wollen.» Akad. Monatshtfte iSsfS p- 26. Äfai.
• Eine der liebenswürdigsten Erscheinungen auf dem Gebiete der deutschen
Sprachwissenschaft ist diese neueste Arbeit des durch sein mustcrgfllligcs
etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache bekannten Germanisten.
Streng wisscnschaltlich und dabei so gcmeinverstilndlich geschrieben , dass
jedermann sie mit wahrem Genüsse lesen kann, wird sie in den Kreisen derer
besondere Freude bereiten, die selbst eine fröhliche Studentenzeit verlebt
haben und nun beim Lesen dieses anziehenden Büchleins aus den schnurrigen,
sonderbaren Ausdrücken der studentischen Kunstsprache alte, liebe Gestalten
der goldenen Jugend in der Erinnerung wieder auftauchen sehen. Wer hätte
sich nicht manchmal schon gefragt, woher diese närrischen Wörter stammen
mögen? Eine fast erschöpfende Antwort giebt uns Kluges Buch, eine Antwort,
die uns zugleich ein ganzes Stück Kulturgeschichte vor Augen führt. Wir
sehen, wie im lö. und 17. Jahrhundert die alte lateinische Gelebrtenspraehc,
im iS. Jahrhundert das Französische Einfluss gewinnen, wie die Sprache der
Bibel und das Rotwelsch oder die Gaunersprache viele Beisteuern liefern,
wie aber vieles auch frei erfunden oder in fröhlicher Keckheit umgeformt,
ver&iflmmelt, in anderer Bedeutung gebraucht wird. Mancher seltsame Aus-
druck, der in die Schriftsprache übergegangen ist. erhält hieraus seine Erklärung.»
Za'tuhfijt des ail^tmeintn dtutsciun Üfrackvercms tH^ Nr, j.
lo Verlag von KARL J. TRCbNER in STRAi
1
V)on €utixv bie ^cf]
VWtl j
VrofrfioT an hti UntOcirrilät SrribuT« 1. 0r,
2)rittc SlufUge. '
8". XII, 150 B. mit einem Äärt(^en. 1897. ^ßrtiä «Dl. sj
IJnfjalt: flirdieiiltnadie uiib '-Polfslpradi«. — "BlaiirnUi
Siit^cr iinb bic beutjdK 3pTiirij«. — SdjriftffeUer mt) $
fprdt^e imb "üÄiinbart in bcr t^djiDcij. — C6erb«iit|c^cr itn
jt^o^. — ^Jlic^crccutid^ uub :iiodjbeutid). — Mfltciii imb 4
beutfc^hmb unb bte 5tatl)oltten.
„Es aius» mit allem Nachdrucke belonl vtcrden, d
sehr lehrreiche und für den grösseren Leserkreis, für d
erwünschte isr." Daitsche Lilleratt^
„Das lebendige Interesse der Gebildeten für die
ihre Geschichte ist, wie man mit Gcnugthuung wahrnchmi
lebhafter denn je. Die Schrift Kluges, in welcher dv
Bildung unserer neuhochdeutschen Schriftsprache massf
meinverständlich besprochen werden, darf daher auf ein
buen Leserkreis rechnen." Scheäb. Merkur II. Abt
„Schon der Gegenstand an sich, den hier ein i
bereits durch sein trclUichcs „Etymologisches WörU
Sprache" bekannter Gelehrter nicht blos mit der Zuverläsi
sondern auch mit dem Geschick und Geschmack eines gt
behandelt hat, sollte wohl darnach angethan sein, dem B
gelehrten Freunden der deutschen Sprache Liebhaber und
Denn dass die Fragen, deren Beantwortung den Inhalt i
in den Bereich des Interesses dcf hoher Gebildeten fall
erst bewiesen zu werden, der weiss, wie treu gerade \
Sprache, mehr wolil ab irgend etwas anderes, den Kam|
Volkstums widerspiegelt. Diese Auffassung, von der ded
und Darstellung vielwich erst rechtes Licht und volle w
worin diejenigen Leser einen besonderen Reiü und Vorzil
werden, welcTie gewohnt sind, die verschiedenartigen!
Kulturleben, wie sie sich in Litteratur und Kunst, Polj
geben, nicht gesondert für sich, sondern in ihrer Wechsel
die einzige Art, wie sich uns doch erst das Verstände
weite eines jeden einzehien derselben crschlies&t. In w
fasser seine Aufgabe erfasst hat, bezeichnet er setberJ
sagt, dass auch sein Büchlein Zeugnis davon ablegen s<
lung.igang unserer Nation gehemmt, was ihn bcschleunil
es will zrigcn, warum Jakob Grimm unsere Schriftsprache
Dialekt genannt h;it, warum erst seit 1580 Luthers S(l|
Stellung erlangen konnlr, warum der GegcnhaU von Schnj
erst nach der siegreichen Bekämpfung des Lateinischen at
„Nicht mit dem Ansprüche, eine vollständige Gö
Sprache zu bieten, tritt Kluge auf, er will in einer'
Aufsätze" nur „zusammenfassen, was Fachleute vor und
ein paar sprachwissenschaftliche Probleme ermittelt q
aber fügen sich von selbst zu einem innerlich zusam|
sodass wir hier in ticr That eine höchst anziehende
geschirhtc unseres Neuhochdeutsch von srinen Anfän]
lünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts bis zur T
hcrrschaft um die Mitte des achtzehnten jahrhundci
DU
Vkrlac von KARL J. TRÜBNER ix Strassbi'Hc.
II
NORDISCHE
ALTERTUMSKUNDE
NACH tUNUEN UND DENKMÄLERN AUS DÄNEMARK UND bCHLESWlü
U£M£I.\PASSLICH DARGESTELLT ''
von
D«. SOPHUS MÜLLER
Direkiof »tu Nition«linu>«utn in Kopciiluigvii.
DEUTSCHE AUSGABE
VNTER Wn WIHKUNU HES VERl ASSERS tltSOKC.T
tun
DB. OTTO LUITPOLD JIRICZEK
Prlmidoi etilen der s'^'''"'*^''"' PUtluli'cle au der LnivenilDt BrciUii<
I. Band: Steinzeit, Bronzezeit. Mit 253 Abbildungen im Tcx»
2 TaMn und einer Karte, S^ XII, 472 S. 1897. Broschirt M. 10. .
in Leinwand ^eb. M. 11.—.
II. Band: Eisenzeit. Mit 189 Abbildungen im Text und 2 Tafeln.
8" VI, 324 S. J898. Broschirt M. 7.—, in Leinwand yeb. M. 8.
Inhalt: I. Stfinzcit, i. Wohnplätze der alleren Steinzeit.
2. Altertümer aus der Zeit der Miischelhaufen. 3. Chronoloj»ie der älteren
Steinzeit. 4. Die Periode zwischen der Zeit der Muschclhaulen und der
Steinjjräber. 5. Die kleineren Stein-
i^raber, Rundgräher und Münenbottcn.
6. Die grossen Stein^rüber (»der Riesen-
stuben. 7. Das Innere der Steinyräber,
Begräbnisbräuche und Grabbeigaben.
K. Die jüngsten Gräber der Steinzeil:
Kislen- und Einzcigräher. g. Das Stu-
dium der Steingräber, eine historische
Übersicht. 10. Altertümer aus der jün-
geren Steinzeit. 11. Kunst und Religion
13. Das Studium der Sleinaltcrtümer
eine histnrische Cbersicht. 13. Herstel-
lungstechnik der Geräte und Waffen
14. Wohnplätze, Lebensweise etc.
II. Bronzezeit, i. Aufkommen und
EntwickeIungdesStndi\ims der Bronze*
zeit. Die ältere Bronzezeit:
3. Ältere Formen aus Männergräbern,
Waffen und Schmuck. 3. 'J'üilctlegerät-
[[ Ban'l. Ah^J.S(^ Aiitcrmaniscliei sil- schaften. 4. Männer- und Frauen-
Utn.er lUlm au» der V«lkerwiuK3eru»p.- trachten. Fcld- Und Moorfundc. 5. Die
«ic ,im K.ckT Museum.) ^^^^^^^ Ornamentik im Norden .md ihr
Ursprung. 6. Die älte.ste Brf»nzczcil in Kuropa. 7. Beginn der nor-
dischen Bronzezeit und Bedeutung des Bcrn.steinhandels. S. Grab-
hügel und Gräber. 9. Der spätere Abschnitt der älteren Bronzezeit.
10. Die Leichenverbrennung, IVspning, Verbreitung und Bedeutung
des Brauches. — Die jüngere Biffuzezcit; |]. Einteilung, Zeitbe-
V£KLAU VON Karl J TRÜBNER IS STRASSaURt;.
IS
■'■-^
Sophus Müller, Nordische Altertumskunde (Fortsetzung).
Stimmung und Funde. 12. Gräber und Grabbeigaben. 13. Feld- und Moor-
fnndc ftc. 14 [nnere Zustände, Handwerk und Ackerbau, Kunst und
Religion.
in. DiE EISENZEIT. Die
ältere Eisenzeit. 1. Beginn der
Eisenzeit in Europa. 2. Die vorrömi-
sche Eisenzeit. Eine fremde Gruppe.
3. Zwei nordische Gruppen. 4. Die
römische Zeit. Altertümer und Indu-
.siric, 5. GrSbcr und Grabfunde aus der
rnmischen Zeit, 6. Die
Völkerwanderungszeit.
Fremde und nordische
Elemente. 7. Die Grab-
funde aus der Völker-
wanderungszeit. 8. Die
j»rnssen Monrfundc aus
der Viilkerwanderungs-
zcit. 9. Die Goldhömer imd der
Silbcrkesscl. Opferfunde aus der
Ei.senzeit. — Die jüngere
Eisenzeit. 10. Die nachrömi-
schc Zeil. II- Dir Ticrorna-
mentik im Norden 12. Die
\'ikingerzcit. 13. Gräber, Bc-
staitvmgsarten, Gedenksteine.
14. Handwerk. Kunst und Reli-
gion. Schlusshetrachtimg ; Mittel.
Ziel und Methode. Sach- und
Autnrcn-Regi.ster. — Orts- und
Fundstätten-Kegistci .
. , . . S. Müllers Aktrthums-
kundc ist ebenso wissenschaftlich
wie leicht verständlich. Es ist
freudig zu bcgrQsscn, dass dieses
Werk indcutscncrSprachc erscheint,
und O. Jiriczck war eine vortrefflich
geeignete Kraft, sich dieser Aufgabe
der UcbcrsctzunR zu unterziehen . . .
Die- verschiedenen Anschauungen
der Gelehrten über einzelne Er-
scheinungen werden in objektiver
Wci.sc dargelegt, wodurch in das
Werk zugleich eine Geschichte der
nordischen Archäologie verwebt ist.
Dabei hat M. jederzeit seine Blicke
»ut die Paralfcicrschcinungen und
die Forschung hei anderen Völkern
jjcrichtct und dndurch den Werth
seines Werkes ül>cr die Grenzen
der nordischen Archäologie erwei-
tert. Ilcsondcrc Anerkennung ver-
dient auch die klare und scharfe Et-
khlrung technischer Ausdrüc)cc. . . .*
Liierar. CentraiHatt t^, Nr. 3.
>
Ahb. 107- Schwi-it uml Dolche aus
der alteiteii BroiucxciL
u
Verlac. von KARI. J. TrOBNER in StrassBitrO.
SrutWjr Bülhshunör.
yrBhlVpr fctr nrriiiani[<ljp" JIIItrtao(«hiiiibr an hir UntotcIttNl Treiburo i. Bt.
"Bit 17 'JlbbilbuHflcn mit einer iüavit.
8". VIII, :162 3. 1><WH. "^keic brofdiirt ^JJi. i5. , in i'tinwflnb flcbuntien "BI. fi./iO
.VtijaU: I. Dorf unb Alur: 11. Daa .^uä; III. ftörpaM(t)flfff"l)cit unt«
Jradit: IV. Eittc im& 4iraud): V. 3)ic Utoltofyradji- unto Itie Wimtürtm; VI. 'S)«
4<o[I*bid)tun(): VII. 3(icic mil" "Kärt^ni.
Aus dem Vorwort:
.Üicscs Buch l)ifitt sich «iL-m wachsL-ndcn BclricliC der deutschen Volks-
kunde als l'ührcr an. Nicht nur fühlen die Germanisten, dass dieser Zweig ihrer
Wissenschaft zu seinem Gedeihen noch weiterer besonnener PRcgc und Leitung
bedarf sondern auch viele Gebildete, von unseren höchsten Beamten bis tu
•u
k-J
l'n'lic drt -M'l Pill! 110 gen.
iVtfl. !l. Xcv ©ÄBlwi in C betrieb bei t'^dburfl i. ©.
den beschcidcnsien Durfschullehrcrn herab, namentlich alle die Männer, dtc
berufen sind, dem Volk zu rattn und ?n helfen, und wiederum dessen Hilfe
in Anspruch ni-hmen, ja alle wahren Volksfrcundr empfinden immer dringlicher
die l'flicht einer genaueren Hi-kanntsrhalt mit »U-n Zuständen und Anschauungen
des gemeinen Mannes. Das hat .lurh die zahlreiche Zuhörerschaft meiner
akademischen Vorlesungen über dtrntschc Vnlksknndc in Freiburg hcicugt
aus denen das Buch hcrvt»rytj;aiigcn ist. Denn unser .Valki im engeren Sinne
des Wortes ist, wie unser C»e>>amlvt)lk, am FndL- des neunzehnten Jahrhunderts
eine ganz andere Macht geworden, als es Je zuvor war, und l*s ist in der ge-
waltigsten Umwfllzung begrilTcn. l^nd mitten hinein tritt die Volkskunde, indem
Sic das Alte liebevoll der Erinnerung bewahrt und aus /»Iterem erklärt und
zugleich aufmcrk.sam die Vorbereitung und Wendung zum Neuen nach\'.i-t'-t
Die Volkskunde hat eine wissenschaftliche und zugleich eine soitiale Aui.;.ii'.
Kuriositälcn, wie sie viele zusammenhangslos aiilhäufen, können der Voll:'
künde dicnsam sein, machen sie aber nicht aus; nicht in allerhand Übcrlobsr i
Foniciiuiif i
Verlac. VON Karl J. TRObNER in Strassburc.
»5
'ÖIcDcr, (?. ^., Tfiititi^C atoÜfi'fliubc (Fortsetzung).
der Vergangenheit steckt ihr Haupireir. Ober die Hücher hinweg crfasst sie
zunächst mit ihren eigenen Augen und Ohren die lebendige Gegenwart und
alle deren VolksÄusRcninycn, möger ^le alt oder neu. Ii5j.slich oder schön.
dumm oder sinnig Rcin. Im Wirrsal der Erscheinungen sucht sie das Gesetz
oder den Zu-tammenhnng, der denn doch zuallertiefst in der Volksseele ruht und
dort seine Deutung findet, Und weil die Gegenwart so viel Unverstandenes.
Entstelltes und Halhvcrschotlenes mit steh schleppt. hcmOht sich die Volks-
kunde nun auch in die aufklärende Vergangenheit einzudringen. Da thul sich
allmählich ein mächtiger Hintergrund hinter unseren Zustilnden auf. wie iloch
unser alter Wald hinter den modernen Rübcnfeldern steht. Man wird begreifen,
warum meine Darstellung durchweg die Zustande der letzten Hälfte unseres
Jahrhunderts wicdcispiegcll. aber hier und da bei längst vergangenen Zelten
ruhig verweilt
Amtliche Empfehlungen:
Vom KaiscrI. Oberschulrat lür Klsas^-Luthringen wurde das Werk gleich
bei Erscheinen (am 6. Dcremher 18^71 di-n h'rcisschilinsft^ktcrm und tfhrer'
hilffungsattstafUM zum Studium empfohlen.
Der Grossherzogl. Üadische Oherschulrat hat laut Schreiben v. la. Januar
1898 im Schulverordnungslilalt auf das Werk cmplehlcnd aufmerksam gemacht.
Das Königlich SitchsJM'he Ministerium des Kultus und flffrntlJchen Unter-
richt .s hat laut Schreiben v. 32. l-ehruar iHqS du: Bfztrkxsckulfuspfklortn auf
das Werk aufmerksam gemacht,
Das Grossherzugl. Hessische Ministerium des Innern. Abteilung fflr SchdI-
mgelcgenheiten, hat diiirh l-'rla^s vnm jR Januar iS*>8 (ins Werk den Gro"K-
hcritoglichen Direktionen ita OsmnasUJi. Keal^ymmxsicH. KcaisckuUn. köhcrtu
hfädcheNscImUn, ÜchiUehrersemiHaneM u. Grosikersof^l. KreiisckulkommisUcnm zur
Anschaffung fOr ihre Bibliotheken empfohlen.
Urteile der Presse.
• . . , Was \*nlkskundr ist, darüluT fehlte bisher jede umtasscndcre Aul-
klärung. Der Inhalt und l'mfangdrs llrgriffcs ist keineswegs bloss Laien fremd.
Auch ciicjcniger, die den aiifblührnd<-n Studien der Volkskunde näher stehen,
wiaaen nicht immer, was dm Inhalt derselben ausmacht . . .
So erscheint nun zu guter Stunde ein wirklicher l'^ührer auf dem neuen
Boden, ein Leitfaden ttir jeden, der den Zauber der Volkskunde erfahren hat
oder erfahren will, für den Lernbegierigen sowohl wie fÖr jeden Freund des
Volkes. Bisher fehlte jede Orientierung, wie sie uns jetzt Prof. Elard Hugo
Meyer in einem .stattlichen llandchen bietet. Der Verfasser, von mythülogischcn
Forschungen her seit lange mit Volksüberlieferungen und Volkssittcn vertraut
— der angesehenste unter un-icern Mythologcn - hat seit Jahren das Werk
vorbereitet, das er uns jctxt als reiche Frucht langjähriger Sammelarbeii vor-
legt... Es ist ein unermcsslich grossem Gebiet, durch das uns das Buch führt,
Es ist frische, grüne Weide, die seltsamerweise dem grossen Schwärm der Ger-
manisten unbemerkt geblieben ist. Ein fast ganz intaktes Arbeitsgebiet . . .
Das Ruch ist nicht bloss eine wissenschaftliche, es ist auch eine nationale
Thatt. Beilädt zur AU^emeim» ZeiliiNg iSgj Nr. iSö.
<Wcr sich durch diese Zeilen Lust machen liessc. Meyers Buch selbst
in die Hand zu nehmen, würde c» nicht bereuen. Es ist natürlich wissen-
schaftlich zuvcrlä.*i.sig gearbeitet, ausserdem aber ungewöhnlich fliessend ge-
schrieben untl, was uns am meisten wiegt, von einer ganz prächtigen Auf-
fassung der Dinge belebt. Wie oft muss man sonst bei Arbeiten aus diesem
Gebiete den schönen Stoff bedauern, der in die unrechten Hände gekommen
ist. Hier ist er in den richtigen. .Ms ein deutliches Beispiel für die bcwussl
geschmackvolle, im bebten Sinne feine Behandlung des Stoffes ist uns die Ver-
wendung und die Art der Wiedergabe der Mundart erschienen... Das Buch
enthält auch eine Menge Kragen und benutzt sie, den Leser zum Millcben zu
zwingen, der Verfasser ncnnl es selbst im Vorwort einen in die erzählende
Form gegossenen Fragebogen. ...» Die Crettxbotcit iS^ Nr. IJ.
t«
Verlag vos KARL J. TRÜBNER in StrassbuRc.
DEUTSCHE
HELDENSAGEN
VON
OTTO LUITPüLD JIRICZEK
Privttdoient der (tnnonitrbffi Phililo^ie an d«r Umv<r>ii>i RretliiiL
Erster Band: Gr. 8». XII, 326 Seiten. 1898. M. 8.—.
Inhalt: Die Wiciandsage: Sagenelemente, Heimat, Wanderun-
gen und epische Entwicklung der Sage. Jüngere Sagengestalt (Thidreks-
saga). — Die Ermanarichsage : Ostgcrnianische Zeugnisse (Der
Bericht des Jordanes). Südgermanische Zeugnisse. Üienordgermanischen
SayL-ndenkniäler. Die Sage. — Dietrich von Bern und sein
Sagenkreis: Die historischen Ursprünge der Sage. Die poetisch-
historischen Sagcntypcn. Dietrichs Kämpfe mit mythischen Weser.
Helden des Dietrichsagenkreises.
Der zweite Band ist in Vorbereitung. Er wird den Ortnit-
Wolfdictrichcyclus und eine Reihe von deutschen Heldensagen aus der
Sphäre des Brautwerbungsmotives behandeln und in einem Schluss-
ihschnitte sich mit einigen allgemeinen Problemen der Stoffgcschichie
beschäftigen. Ein aiLsführlichcs Register über das ganze Werk wird
mit dem zweiten Bande folgen,
„Der bündi(;c Titel des Buches könnte die Vorstellang wecken, dass
Jiriczek eine auf kritischer und vergleichender Vorarbeit ruhende NacherzShlung
deutscher Sagen bieten wolle. Aber es ist eine sehr ins einzelne gehende
Durchforschung der Sagen, wobei J. eine mittlere Linie zwischen monographi-
schem und Ichrbuchmässigcm Verfahren mit Glück innegehalten hat. Die Bcncbte
der Quellen und was J. als anerkannte Ergebnisse der Forschung betrachtet,
werden kürzer in Erinnerung gebracht, die noch ungelösten Kragen mit weiterem
Ausgreifen erörtert. So treten die behandelten Sagcn&toffc volUt.indig und al>
gerundet entgegen; und im Hinblick darauf kann der Verf. mit Rciht erwarten,
dass sein Werk nicht nur der „engsten Kreisen spccicller Fachgenossen %ut
dem Gebiete »ler Sagenforschung" genicssbar sein werde, sondern „auch den
Hedürfniisen \oii Beiiut/LMn entgegenkomme, denen an ernstlicher und eingchendn
Orientierung über die hier behandelten Probleme gelegen ist." Die DArstcHung
hat eine behagliche Au.sführlichkeit, die sich nicht schämt, belehren zu uotlen . . .
Den Vrrfa.sscr haben seine Arbeiten auf dem Felde des mhd. Epos, die
philologische Vertrautheil mit den Quellen in nordischer Sprache und eine
grosse Beicseiiheil auf volkskundiichcm Gebiete gut ausgerüstet, um ein Werk
wie das vorlicgt-ndc anzugreifen. Von den Auswüchsen der folklorislischen
Methode wini man nichts nri ihm finden. .
Aber WA.s das Werk zu einer so erfrculiclicn Erscheinung macht, sind
Vorzüge, die ("ibpr die nachahmhare, erlernbare Methode hinaufgehen, j. hat
einen nellen Blick, fein lehendigr-s Gefühl für die in der S.'iße(igr*fhirhte wir)«-
samen Kaktoren. Die Grenzen xwisrhen der subjektiven ThaT des einzelnen
Erzählern und dem Bestände breiterer Überlieferung; zwischen dem gemein*
menschlichen Motiv, das sich spontan ührrati einstellen kann, und der individiiclj
gestalteten Fahct; die vielfachen Arten, wie eine ,, Entlehnung- vor «ich gehen
kann; die Bedürfnisse, die r.u einer rmbildnng, einer Versrhmctzang drangen, —
diese und andere Dinge werden von J. sehr fein empfunden. Lfnd die Kolgp
ist, dass wir nicht mit ein paar einfachen Schlagwörtern und scheinbar zwingen»
den Glcichheitsformcln bedient werden. Das ganze Verf»hren ist weniger
mechanisch geworden; das findet seinen Ausdruck auch in einer bereicherten
Terminologie . . ." Zsüschri/t des Vereins für Voikshmdc iS^ Ht/t i.
WÖRTERBUCH
iir:K
I'ISASSISCHEN MUNDARTEN
UliARaEITET vos
E. MARTIN und H. LIENHART
m AUFTRACE I>EK LAMiESVEKWALTl N<i VON RLSASS-LOTHRrNGEX.
Erster Band. Lex,-8« XVI, 800 S. 1899. Broschirt M. 20.—,
in Halbfranz gebunden M. 22.50.
ncrlt (Schlass-)Bandistunt(-TdcrPres.sc. Er wird in etwa 5 — 6 Lieferungen
ä M. 4. — erscheinen.
Dieses Wörterbuch ist die Frucht jahrelangen Sammeleifers und
anj'cstrengtcr wissenschaftlicher Thätij;keit. Es soll nach dem Vor-
bild des schweizerischen Idiotikons den Sprachschatz der heutigen
rlsässischen Mundarten, soweit diese sich zurück verfolgen lassen,
zusammenfassen und nach dem gegenwärtigen Stand der Sprach-
wissenschaft erklären. Dabei wird die Eigentümlichkeit des clsää-
sischcn Volkes in Sitte imd Glauben, wie sie sich in Redensarten,
Sprichwort um. Volks- und Kindcrreiinen kund gibt, so weit als
möglich zur Darstellung gebracht werden, Das sprachliche Gebiet
wurde nach den Bezirksgrenzen von Ober- und Unterelsass abgesteckt.
• IJas Krossiingelegte Werk inachl cintn aii.sgezeichnetcn Kintlruck und
i'it hinter der Aufgabe, die es sich stcÜtc, und den Kruartungcn. die man ihm
fntgrgcnhrachtc. nichl zu rück geblieben , . Kinc so ergiebige grammati-schc
Kuiidgrubc wie das fchueizertsche Idiotikon konnte es unter keinen Umständen
werden, Uci dieser Sachlage ihaten die Bearbeiter wohl daran, .die Eigen-
tümlichkeit de.s cLsäs-si sehen Volkes in Sitte und Glauben, wie .sie sich in
Redensarten. Sprichwörtern, Volks- und Kinderreimen kundgibt, so weil als
miiglich Eur Darstellung > zu bringen. In diesem littcrariscncn und kultur*
geschichtlichen, vÖlkerp.sychol»>gi.schcn Inhalte liegt das Schwergewicht des
Werkes. . , Wir zweifeln nicht^ dass das clsäs.si.tche Wörterbuch Keinen Platz
in der ersten Reihe unserer Mundartcnwerke einnehmen wird. . . .»
Deutiche Litteratursetfuns l<f^ A'r. >•«.
« . , , Das cisässische Wörterbuch ist keine Aufspeicherung sprach-
wisscnschafllicher Raritäten. Es ist eine lebensvolle Darstellung dessen, uie
das Volk spricht. In schlichten Sätzen, in Fragen und Antworten, in .Anekduteu
und (leitchiiThtchen kommt der natürliche Gedankenkreis des Volkes zu unmittel-
barer Geltung. Die Kinderspiele und die Freuden der Spinn.stuben treten mit
ihrem Formelapparat auf. Die Mehrzahl der .\rlikel spiegeln das eigentliche
Volksleben wieder und gewähren dadurch einen wahren Gcnuss. Wenn man
Artikel wie Esel oder Fuchs liest, wird man bald verstehen lernen, da« in
ilercn Schlichtheit und Schmucklosigkeit der Erforscher deutschen Volkstums
eine sehr wertvolle Quelle für das Elsass findet . .• Strasrli. Poyl j6'^j Xr.jt44.
*Cela dit*. je n'ai plus quÄ fc'liciter Ics auteurs de Icur intelligente ini-
tiative, de l'exactitudc et de la richcsse de Icur documentation. des ingfnicuscs
dispo&itions de plan et de typographie qui Icur ont permis de faire tcnir sous
un volumc rcLitivcmeni rcstrcint une (5norrac variettj de ciiations et d'infor-
mations. ('c n'cst point ici sculcment un ri^pertoire de mots: c'c£t, sous chaquc
mot, Ics principates Incution.s öu il cntre. Lcs usagcs locaux. provcrbcs, fact^tics.
dcvinctteit, randonn^es et rundes cnfantines dont il evcillc l'ächo lointain au
cueur de l'homme mür.- W Henry, Rnnie critüftie, .?/ Ja$iv. /^fjS.
* qu« J'al rn pcirivf^iilllc <inr cn*nim»ire vt un vi>citliiibirc •1u <liatc4;ic (1< Calmir.
i8
VERLAG VON KARI- J. TRÜBNKR IS STRASSBURC.
GRUNDRISS
DER
GERMANISCHEN PHILOLOGIE
l-MKR Mn WIRKINI. VON
K. von AMIKA, W. ARNtl T. O. tlEllAüHEL. Li. BKMRKN5. A. BR.\NI)t, O. BKEMtiR, E. KINENKEL,
V. UtJUSIfNhSSON, H JKUrJNf.HAlS, K TH von INAMA-STI:RNK<;<;, KR. KAl.tNÜ, t-Tt-
KALFF.MANN, V. KJ-lJl.t, k, KOttiEL, U. v.»i LILIENCRON. k. I.LICK. J. A, LLSUEI-L,
J, MEIBR, E. M0(;K, A. NORKES. J. SCHll'fER. H. Si:hCCK. A. SCHULTZ, TH. .SIESS,
E. SIEVERS. h. SYMONS. F. VOÜT. PH. WEüENER. J. TB WINKEL. J. WRIüHT
IICRAI'SCEtilinEN
HERMANN PAUL
nrH. I>raretM)f Art timurhrii »([irarhcr
itct tJnivcntUi UAnrbrn.
ZWEITE VERBESSERTE L'ND VERMEHRTE AUFLAGE.
Die&c neue Auflage wird ebenso wie die erste in LicCcrungcn zu je
M. 4.— erscheinen und int Laufe des Jahres 1900 vollständig werden. Die
Käufer verpflichten »ich mindestens zur .Vbnahmc eines Itandcs; einzelne
Lieferungen werden nicht abgegeben.
I. Band,
Inhalt:
Vm.
11. Ab^chn.
EIL Abichn.
JV. AUchn
tt. Band.
L Ab«hn. BEGRIFF VNI» AUFGABE DER GERMANISCHES PHn.OLOCIK
//. J'^mJ.
GESCHICHTE DER GERMANISCHES PHaOLOGIE. V«. « /W/
MErHOlJtNLtlHKE. Von //. /'«»/.
S( ltKH''TKL NDE i . Kiinvn iinrl Riinpiiintrhririrn. Vnn K, Str9*rt (nii «incr
T^ifcU. j. I>ic loicltiinchr SchHft. Von tT. ArnJt. üV>»f«iT*i*ilci *«ij //. /VtcJi.
V, Ah*chii. SPRAfHt.EWIHlCHTK' i, PIkwimIIi. V..11 /;. Sirt-rrj. t. V»n[r>chichlc
<lrr ■ll|(<miHtii*chc>i liijkki». Von f-', Klngi. y Gcuthichic der itoiiichm
Sprariir, Von /'. A7iijr.'. 4. »lochirhic Hrr nririiinrhrn ^^pmchcn. Von j1. .W'rtf».
5, Cc«i;likliu dct fli'm'cVri Sprjichc, Von 0, flfia/fk^l imil cincT Kariri
C. (ietcliichle der iiir.dril.'iDilUrhca S[irmchc. Von y. tt n'tm^fl mii einci
Kurte). 3. 0«*chichtc dvz «nHlitchcn Spracbc. Vou ^. A7iii/v (nk tatet
Karie). Mii BriiilLgeii vimi /}. B*krfnt und K. Eimtikel. S. Guchtclkte dci
frie»t»c1>cJt Sptiich«, Viwi Tk. Sittt.
An1iui|', 11 ic Brhandluni det Icbrtiden Miindnitcn: t. AllKemeinr«. Vah
Pii, U\jcti,ir. t. Skandinaviicbc Mundarten. Von >. *t- /.MmJf/i. j. I)»imIw
und niedcrlHndUchi: Miindarirn. Vnn Ar. Kamfftitnu, 4. Eiiiltiche -Mimil*
Mdoi, Von y. H'rigkt.
VL Ah.rhn, LITERATURGESCHICHTE; .. «ioti.che Lii.;raiiir. V«« E. S,fw.T*. S«i.
Iicntlieiici von 11'. Sirtttkirg. j. Npnliüclic Liicijitutcn s> non*BKi«Ji-
■«ISndiidic. Wn F. !\fogk. t>i ichwtdüch-dlnitche. Von H. S^kfuk ). PentM;*r
Lilcialai: 3,1 althoch- utid nicilrrdedtichc. Von A'. K^ttl. )ii miuclboch-
d^ntachc. Von (■'. t'^gt. ci tiiiil«lniederd«ufchc. Voo W. J^i/imgkaii 4. Xic-
rierlSndiithc Liicraiur V'iii y, ti Wimktf. 5. Ftieüischc Liicrsluf. Von
Tk. S'üti. 6. Ensli^ch« Literaiitr. Von A. SraiuU.
Anluuif: lieriicbi Über die bu* mllndlichcr Cber licrevoni ffc*cbap(l<ft
Sainmluiii;cn der Volkipofiic ni >kttnd>nAviichc Val£«poc«ir. Vaa
A- Lmmättl. bideuiichc und iiicdfttlindiiche Valkipoeuc. Vo« 7- ytr»rr,
et enxlUdir Vulkipocil«. Von A. Biandl.
Vit. Ahiehti METRIK- 1, Aliitcnn. Mfirik. V«ii £. Stfti4r%. ». UcuUch* Mairtk. Vo«
//, /"jjd/, — j. EnK'Hchc Mtirik: oi HcirnUcbe Metra, Von A' Luitk. \>\ Fremd«
Mrir» Vnn 7 .V.-*i>/jt.
in. Band.
VIII. Alinchn.
IX.
X.
x:.
xn.
WIRT.St HAl'T. Von A'. Ti. rcw !u»maSt4ru*ge-
RECHT Vnn A' pn» ylmra.
KRIK(;S\VESEN. Vun ^. Sckmtl^
>rVTHOI,Oi;iE, Von F.. hUgk-
sn TH I. Skiuidiiiniinchc Verhülintur. Von V. (iudmmitdttom imd AV. Kaiti^.
». I)ciit>ch-r;nit1!*chc V(rMllni»*F. Von A. Stkiittt. — Anhang !■>« Dehaii4-
lunii der vulk* lO ml ichcn litlle drr Uex<^*l**"- ^'"^ ^ A/m4.
Xni. Abtchn.' KtrXST. 1. Rlldcrtilr Run.i Vr.n A. SekiOti, — «. Mnttli Vnn «. *^ /Wir*»-««».
XIV. . HELUENSAiiE. Vo4, A Srm»n..
XV. . KTHNOCKAPHIE DER t^RMAN. STÄMME Von O Ä»v«.*t-. (Mit 6 Kanntt
NB. Jedrni Bunde wliil ein Niainen-, Sach- und Wurlvcricichnt>i brt|{«|reWn.
DU {cui erMtHvneH : 1. Bd.. I. bia 5- U*L (j« M. 4-—' : HL Bd. 1 s olliiUlndt(> Bl 1^— : ucl*. M. »I.)0
. Verlag von KASL J. TRÜBNER m Strassburc.
19
GRUNDRISS
DF.K
ROMANISCHEN PHILOLOCxIE
INTF.R MITWIRKVNC VON
Ci. BAIMI, TH. BKAUA, H. BKKSSLAl, T. CASINl. J. CORNU, C. DErt'KTINS, W. DE£CKIf,
TH. r.AHTNIIR. M. CASTER, £1- «iERLASD. F. KLUC-E, C.VSt, MEYER. \V. NEVER-LCBKE.
C..MU HAKLISnE VASCO.NCKI.LOS, AMORKl. VAI J«, >K, IVOVIIHO. A SCHULTZ, W.SCHtM.
ril SEVnnT.t», K. STENf.EI., A, STlMMINi;. H. SUflllER, II. TIKTIN, A. TOBI.ER.
W. WISIIKLBAND, E. WINIM-SrH
HERALSG8GEBEN
GUSTAV GRÖBER
I n h ii 1 1 :
I. Buid.
I. EINFÜHRUNG IN DIE ROMANISCHE PHILOUOOIE.
(. i.EStUK Uli; I'liK ROMANISCHEN l'HILOUOt.lE voj. C. Gr6*tr.
,. At'ECiARE LSn UI.IKMERINC I>KR KtHIANISl^HEN PHILOLOGIE yoii
G- Grti*r.
II. AHLBITUNG ZUR PHILOLOGISCHEN FORSCHUNG.
,. IIIE VI ELLEN [»EU KOMAMStHEN l'HII.«l.ni;iE a. Die «chrirtlichen Quellen
mii 4 T.ifclii ^in W. StkHm. I.. llif iiiuiiJIkhcn Qu«ll«ii von G. Grtttr.
t. I»1E ni'.HANDLLNU liKK Vl^'i^l-LEN. ». M«i1iadik iiiid Atifnben der cp»ch-
wi'tciiachardiclicii ForMchiinti von G. Grihtir, \>. Mftlii>dil; iJcr pliilc>lntiiict)ei)
l-'<>riL-liiiii|; vur .-f. Iritir.
III. DARSTELLUNO DER ROMANISCHEN PHILOLOGIE.
1 Ah*rSniii RC»MAXIS(Hi; Sl'R ACHWIS'^rNSCHAFT.
» iJJc vurroi>ui»i>-chcii Vulki^ptAchcn der riinianiiL'lien Lüiitcr, i. Keliiichr
Sprachr von K. U'imiii*,-i. t, r>!c Bstiten itnil ilic Dicrcr von G. GtrimuJ.
j, liia Ll.«IUche>i S)lra^:h('u ti'ii tl*. littekt. ^. Hit' lMieini*che Sprachr in den
TniTuiiiUrhrn I.Mndcni \<*\ \k'. .Utycr. 5. Ruma'ieii tjiid Gtimojitn in ihieo
WffhHcUiriH^hiinitrr >'(io /". h'liigi. 1,. Die ambiachi- Sprache in Oeri lofliaiii-
«Lheii LiniJci» ruii t'h. StyiaU. j. Dir MJchilatriniscIicii Elrmrme im Rani-
ni*cheii M>ii .V. (tttlrr.
Ii. llic mniwiitclieti Sprachr« i. ihnr Einirilung und AuK«erc Ucoebiohtc von
O. GrSifr imit einer Kariei. >. Die rxirnttnitchc Sprache von //. Tiktim. 3, Die
rälur um ati liehen Miiiid;in*n vn«i Tk. C»rlMtr. 4. tlte iialieaiiche Rpraeh« von
/'r. d'OriJto und M', SUftr, 5, Die fraiu. u. provencal. Sprache und Ihre
Mkuidurlun wm H. Sutkier iinii %i Karlen). 6. Da* Kalalaniachc \oa A. Morti-
Falia. 7. I>ie ipani>^h<T Sprache v.in C- lUtist » Die p«rlii«:ie> lache Sprache
von 7- Corwa. 9. Die Uieinii.cltru Elemcnie iia .MliuiciiHEhcu vno iiiul. .Stt^tr.
n. Bd-, 1. Abt.
1. At>»chiifii LEHRE VON PEK ROMANISCHEN SFRACHKUNST. Rumaniache
Vefpilehrc von R. Slmgel.
y AiMchniil; ROMANISCHE LlTTHRATlRGKSCHICHTe.
Clicr^icht ill-cr dir laicini-chv I.iileraiur von der Min« d«» 6. JthtlMIvdena
tl. Rd.. 1. Abi
his IJJO \'ta 0- Gri-kit.
h. Die Ltlteraiurra der rrnnanisch-an Völker-
t. FiaiKiliiichc LitIcraluT van G. GrSktr,
n Bd.. 3. AbL
», PTo<ucDfaliH:h<: Ltiieratui vtm A. SUmmmt-
3. KataUniicbe Ltitcraiur vuii A. Martl-F^ti*.
A. Port unioi* che LitUraiut run C. Mniimfiu Je l'tut*iutllat und Ti. Rrmt*
%. Spanische Litivrimr vnn (>. Bai>*
A, Italti-niiicb' t.iiirratiir von T. Csirtii.
7. RltivroiiuiiiicUc Liitcratui von C. Dt<mrtim».
a. RiiiiMAlhcht l.illciaihr von _V. Gititir.
IV. GRENZWISSENSCHAFTEN.
I- <,i:Sl (111 KT E HER KOMANISt HEN VÖLKF.R v«n H. Brr^timu.
,. CILI t R«;i:s< HU UTE DER ROMANLSCHEN VOLKER von A. StMli.
y KLNSIGESlillCMTE DER ROMANISCHEN VÖLKER
Bildende Kiintte von A, S-rlm/l:
4. DIEWISSENSCHAFIEMN DEN ROMANISCHEN LÄNDERN von H'. ITtWf MaW.
NAMEN-, SACII- LSD WORTVERZEICHNIS in ,^drm Hand.
Bia jeuc aind «ncbicnci«
I. Brnnd, Ln^iP. Xlt, &si S. mit 4 Taf«!» und ij Karten, i«M,
. Sl. t4-~i •*> llalhftan* neh. M. lA.—
Auch iftch in einfelnen Licfcriit>||cn lu M. 4. -, M. 4.— und M. 0.- tn bnhce,
II. Band. 1. Abtailuac, L«x.-S*. VUI, 496 S. 1107. M. I.-, In Hall>fraii< Reh .M. i».- .
Auch noch in 4 ].iefcriiD{;en k M. t.— lu bähen.
II. Band. I. Abteflunc, i. Lieferung M. 4.--; ». Liefcruoc M. j.Un, 3. Liefcrunc .U. 4.— v
a 3- „ (' bU 3. Lieferung i M. j.
30
Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburo.
GRUNDRISS
f>KK
IRANISCHEN PHILOLOGIE
UNTER MTI-WIRKUNG VON
F. K- ANDREAS. CHR. BARTHOLOMAE. C. H. ETIfft, C. F. GBLDNER. I'. HÖRN.
H HCBSIH^IANN, A V, \V JACKSON, ¥. JISTI. IH \Ol.I»KKK. ( . SAI.HMANS, A Sf>CIIi.
F. H. WEISSBACH unil E. W. WEST
HERAUSGEGEBEN
WILH. GEIGER umi ERNST KUHN.
Der Grundriss der iranischen PhiloIoRic erscheint in l-icfcrunccn von
lo Boßcn zum F'rcisc von Mk. 8. - oder in kleineren Liffcninifi:n zu verhall-
nismässijjcm Preise in möglichsl kurzen Zwischenräumen. l>ic Käufer vcr-
pHichtcn sich mindestens xur Ahnahme eines liandcs. Kinzclnc LicfcrunE'cn
werden nicht ab^^cgcbcn. Mit der letzten Lieferung wurden dem Werke aus-
führliche Rcßister bcigcechcn.
Inhalt:
I. Band. i. Abt.
Einleitung. GESCHiaiTE DER IRANISCHEN PHILOI-OGIE
Prcif. Dr /::. A'uJi».
I. Abschnitt. SPRArilGESCHUHTE.
i) Vorgeschichtederirani.schenSprachcnProf. Dr-^.""*/-. 5<?r7Aj/*?*iwit'
2) Awestasprachc und Altperhisch Prof. Dr. Ckt ßarthölomae.
i\ Mitlelpersisch Akademiker Dr. C. Saitmatm.
I. Band. 3. Abt.
4) Kcuf>ersische Schriftsprache !'rivatdo?,cni Dr. /*. Hörn.
51 Die ührißen modernen Sprachen und Dialekte.
A, Af^ani.sch { p^„r. Or »". Ga^rr,
<". Kurdisch Prof. Dr. .-I. So(m.
D. Kleinere Dialekte und Dialckt-
yruppen ai Allgemeines. b| Painir-
dialektc, c) Ka.spische Dialekte
(MäsanUaräni, vtc.) d) Dialekte in
Persien. Prof. Dr. H' Gtiger.
E. .Anhang: Ossetisch Prof. Dr //. Hübschmoun .
\. Band.
II. Abschnitt. LITTERATUR.
1 1 Awcstalitteratur Prof. Dr. A'. /'. Oeidtter.
31 Die Altpersischen Inschriften Dr. f. H. WrissharU.
3) Pahlavilitteratur Dr. E. W. H'csf.
Mii einem Aiili.iriK Ulic-i- dii: iiciipi;rii>chc l.itirraiiii ilct Pni«i.
4I D-'is ir.inischc Nalionalcpus Prof. Dr. T/i. .\'&}iieke.
5) Keupersische Lilteratur Prof. Dr. C //. AM/.
III. Abschnitt. GESCHICHTE UND KULTUR.
1) Geographie von Iran Prof. Dr. W. (ir/gfr.
2) Geschichte Ir.ins von den ältcütcn Zeiten bis xum Au.s.{;Anf;
der Säsünidcn Prof. Dr. /•'. Jax/f.
3» Geschichte Iran-s in islamitischer Zeil Privaidoaent Dr. /*. //pnr.
4) Die iranische Religion Prüf. Dr. A. fV II'. JarkseH.
5) Schriftknndc Dr. r. K. Ani/rtas.
Bis jctil sind erschienen :
l. Band, i. Abteil., i. Lieferung M. 8.—. ». Lieferung M. 4.50. _
I, ■ 2. • I. und 2. Lieferun« ä JM. 8.—, :in.icfcnmt( M. 5.5*"
11. • I., 2. und 3. Lieferung ä M. S, — .
Nüldcke. ThcuduT. Das iranische Nationalcpoa (Scparaiabdruck.)
8^ 82 S. M. 4.50.
Vbrlao von KARL j. TROBNER in Stkassbukc:.
■tt
GRUNDRISS
DFR
INDO-AKISCI lEN I'l llLDLUGIl
UND
ALTERTUMSKUNDE
BcKiUndct von
GEORG BOHLER.
tfiincMUt von
F. KIELHORN,
l't»I»»wr ile« Saiiskrii an ilrr L'Tiivmii'it liüiilnEcn.
In (liesc^m Werk si>ll zum crslt-n Mal der Versuch gemacht werden, einen
(jexatntüli'crlilick üIht die einzelnen (jebietc der indo-arischen Philutogie und
Altertumskunde in knapper und »y^itemati^cher DarrAellunj; zu geben. Die
Mehrzahl der Gei^enstSndc wird damit überhaupt zum ersten Mal eine zu-
sammenhän^rende ab^ierundetc Behandlung; erfahren, deshalb darf vun dem
Werk reicher Gewinn für die Wissenschaft selbst erholTt werden, trotzdem es
in erster Linie für Lernende bestimmt ist.
Ge^en dreissi|> Gelehrte aus Deutschland, Öälerreich. England, Hottand.
Indien und Amerika hal>cn sich vereinigt, um diese Aufgabe zu lösen, wobei
ein Ttil der Mitarbeiter ihre Beiträge deutsch, die übrigen sie englisch ab-
fassen werden. iSichc nachfolgenden rtan.i
Rc.<«trht .'ichon in der räumlichen I^ntl'ernung vieU.r Mitarbeiter eine
grössere Schwierigkeit al*. bei anderen Shnlichcn I.intcrnehmungcn, .so schien e*
auch geboten, die l'nziitrÄjjlichkcil der mci.st(*n Sammelwerke, welche durch
den unhcrechcnh;ircn .^btielerungKlcrmin tler einzelnen UciCrnge rntsleht, da-
durch zu vermeiden, dass die einzelnen Abschnitte gleich nach ihrer Ab-
lieferung einzeln gedruckt und ausgcgchrn werden. ^ Das Werk wird aus drei
Händen Lex.-8' im ungefähren Umlang von je iioo Seiten bestehen. Der Sub-
skriptionspreis des ganzen Werkes beträgt durchschnittlich 65 Pf. pro Druck-
bogen von t6 Seiten; der Preis der einzelnen Hefte durchschnittlich So Pf. pru
Druckbogen. Auch für die Tafeln und Karten wird den Subskribenten eine
durchschnittliche Krm.'issigung von io^/o auf den Einzelpreis zugesichert. Ober
die KinteiluTig des Werkes gicbl der nachfolgende Plan Auskunft.
Band I. Allgemeines und Sprache.
i)*a. Üearg Bühlcr 1S37— tSgÖ. Von yu/. 70IN. Mit einem Bildnis Bflhlcrs
in Heliogravüre. Subskr.-Freis M. 2. — . Einzel-Preis M. 2.50.
b. Geschichte der indo-arischcn Philologie und Altertumskunde von Ernst
Kuhn.
3) Urgeschichte der indo-arischen Sprachen von R. .\feriH(^er.
3) a. Die indischen Sy.stcme der Grammatik, Phonetik und Etymologie von
B. Liebkb.
*|i. Die indi.schen WOrterhficher (KoÄa) von Tk, Zackarüu. Subskr.'Prcis
M. 2.—. Einzel-Preis M. 2.50.
41 Graiiimatik der vedischen Dialekte von .-1. A. Mtudomll (cngl.)
5) Graiiitnatik de» klassischen Sanskrit der Grammatiker, der Littcratur und
der Inscliriften sowie der Mischdialekte (epischer und nordbuddhistischcr»
von H. Liidcn.
•*> Vedische und Sanskrit-Syntax von J. S. Sfirytr.
Subskr.-Freis M, 4.—. Einzel-Preis M. 5.—
71 Paligrammatlkcr, Paligrammatik von O. FroHkc.
Fortieuuiig lichc nich«ie Seht.
-Ca
Vbrlac von KARL J. TRÜBN^ rn Strarsbur«.
Grundriss der indo-arischen Philologie iKorlseL/ung).
8) Prakritgrammatiker, Prakritgrammatik von /?. Pischel. ilinlcr der T'rcssci.
*l I Grammatik und Littcratur des tertiären Prakrits von Indien von G. A. Gritrson
(englisch).
lo) GramTnatik und Littcratur des Singhalesischcn von Wilk. Geifer.
♦ii) Indische Paläographie (mit 17 Tafeln) von 6'. Bükler.
SuKskr.-Prftis M. iv— ■ Kinzcl-Prcis M. 18.50.
Band II. Litteratur und Geschichte.
I) Vedischc Litteratur (Sruti).
a. IJie drei Vedcn von K. Gddmr.
•b. The Atharva-Veda and Ihe Gopatha-Brahmanaby.V. ///(Wm^rf^ienijlisch).
(Sut) skr. -Preis M. 5. — . Einiel-Preis M. 6. — .)
a) Epische Litteratur und Klassische Litteratur (einschliesslich der Poetik
und der Metriki von //. "Jacohi.
3) {Juell^n der indischen Geschichte.
a. Liltcrarische Werke und Inschriften von /'". Kidkont (engl).
•b) Indian Coins (with 5 plates) by li. J. /iapson i'engl.).
Suhskr.-Preis M, 5.—, Kinxelprcis M- 6. — .
4) Geographie von .\f. A. S/an
5) Ethnographie von A. Haiius (engl.).
6) Staatsaltertümer ( von 7- Jf/^v und
71 Privataltertümer ( Sir /?. ii^ext (englischi,
•8) Recht und Sitte (einschliessl. der einheimischen Litteratur) von J. yoUy.
Suhskr.-Preis M. 6.50, Einzcl-Preis M. 8.—.
9) Politische Geschichte bis zur muhammed. Eroberung von J F. h'leet /engl,).
Band m. Religion, weltl. Wissenschaften und Kunst
1) 'a. Vcdic Mylhology by A. A. Macdoaell icngl.l.
Subskr.-F^cis M. 7.50. Einzel-Preis M. 9.—.
h. Kpische Mythologie von M. W/Hterni/s.
*3\ Ritual-Liticratur. Vedischc Opfer und Zauber von vi. HüU^aadt.
Subskr.-Prcis M, 8.—, Einzelpreis M. 9.50.
3) Vedänta und Mimämsä von G. Tkibaut.
*4) Sämkhya und Voga von ft. Garbe.
Subskr.-Preis M. 2.50, Einzelpreis M. 3.—.
5) Nyäya und Vaise^ika von A. l'ems lengl.j,
6) Vaisnava.s. 'Saivas^ 1 l , « u / ■ dl i^^t.^^
'Sauris, Günapatas, Bhaktimärga ^^" \^r,.vJS^
7) Jaina vnn F.. Lmmann,
•8} Manual of Indian Buddhi,sm by H. Kern (etiffl.).
Subskr.-Preis M. 5.50. Einzel-Frei» M. 7. — .
♦9) Astroncmie, Astrologie und Mathematik von G. Tkibaut,
Subskr.-Prcis M. 3.50, Einzel-Preis M, 4. — .
[0| Medizin von y. jfdh.
iij Bildende Kunst (mit Illustrationen) von y. Hurgtss (engl.i.
13) Musik.
NB. Die mit * ieuicknefeu Hefte xintt hereits ersckifttett.
<Aii<^h dlctcm vlrncn in Act Rcihcnf-jlsv <lct Gruni:tri>i<; inOchlc iiian, allcti jcitt« ok JIv
h«iii||ung, <Jic IUI Zciudlcr Ocr-icllirn iltra philulogiicliir Uaiilt«liii lutifeirD, rUa Wud mit «iil Ar«
Wrti Kchrn- Wai du rrrrhl von dcirten VAlcni hxnt. <r*irh et, um ei >u KeiilicD' I>ic*t GrulxltM*«
luiben vilc die Junutliildoi iwci (icMchtcr, ilic dücIi entKCi:i:n|[ciTUIKii SFiten ichaucf <:i. !...•■. nitA
vorM-Bnv nnreh dir Ailkeiitvn dijr vurai>itc|iitn|ien«i> n«>chlechl«r, itl« »ie iumudokiM tie
Zeujini» ab vuu ilci |tcifti|;cn Eiift)[ir, A\c »Ich allmühlich auf ilcn venchicdmirii inn^
welche in ihrrm inncr-rn und Smtcrtn ZiitaTnincntchlu» di« iirdctnistlftc Plillolofiir J,■l^u^.■.■-^■.I, mrf.
ücapeichcrt ha[. L'nlcr dinriii (jcticlttduuiikt licilciiicn lii' n|;lcicli ilcrcn Rftfcrktänini: Kc»iti«r-
nwuirn ilurch den «i>nniaitrn Act de» tnicrtirhinL'na »|i f-lchcn, tlurcl» >ia* 1'' Vr.riiri..|chr •£'!»<)
iHuchfühcbarlicil Kapluiite Werk Millicr, \iiv komiiivtidrn (•etichlifi.hict at'< : - Ittu.
«enleti in ihm eine Kciii:lirit<' (irnruIlHKr Ihrer ArUriicn fiiidcii. >inij xclm. ilcaVi . ■wl
IQ PankctschLiid. lundEni li>i|!r'i aiicli dir ittiiic Vctpilichuiriu. ihtrripit- i!lr '~' ,Br.
handenen Eneriic lu vermehTcu. d«t F<jr>chuntE Itniu«« neue Wck« »u • r i hu-
[itinLit ^11 rmchliciten. .
irriflicti inaii^uiirn. Wflii
Mil dfiii iT^trn Hufic luii «ith der .nr
c1ii:m \.ir •Ic-m krihiicii Urilctiiduntr ducn ä1'- i -_jiis»
Littrmr. Inttr^Mmit tS^» Ar. Jt^
fRRn^tSncARL J. TRÜBNER in Stkassbur«.
»3
GRUNDRISS
VERGLEICHENDEN GRAMMATIK
INDOGERMANISCHEN SPRACHEN.
KURZÜEKASSTE DARSTELLUNG
ilcr (ifschichtc üc:* Allindischcn, AlUranischcn (Avcstischcn und AUptrrbischcni
Altarmcnischcri, Altgricchischcn, Alliancsischcn. Lalcinisthcn. Uinl)risch-Sain-
nitJüchcn, AUirischt-n. Gotischen, AllhuchiJcutschcn, LituuiNchcn und Altkirchtn-
sliivisrlicn.
von KARL BIL161IIAKK
urd. FroCciinr tWr liir|<ii[rTnianUclicii Spragli'
Hioctiichiiii in LcipitK.
Bd.
und BERTflOI.D DELBRtICK
urif, rnifi;tti>r itn S^iniLrir und ilcf vcrxicicbcn*
<li-u Sjifjclik linde in Jtiia.
HINLEITUNG UND LAUTLEHRE von Karl Brugmann,
Zweite Bearbcitiiny. i. Hälfte (§ 1—694». Gr. 8"*. XL,
62« S. 1S97. M. 16.—.
— — 2. HälftL- (^ 695 — 10K4. und Wortindex zum 1. Band). Gr. 8".
IX u. S. 633—1098. 1897. M. 12. — .
1!. Bd.: WORTBILDL'NGSLKHRE (Stammhildunys- und Flexions-
iehrel von Karl Brugmann. r Hallte. Vorbcmerkunfjcn,
NominalciiinpnsitJL Rfdupliciorte Ncininalbildun^^en. Nomina
mit stammbildendcn Suffixen. VVurzclnomina. Gr. 8". XIV.
462 S. 1888. M. 12.—.
— — 2, Häiftr, 1. Lief. ; Zahlwortbildun^', Cnsusbildung der Nomina
< Nominaldeklination i. Pronomina. Gr. 8'\ 384 S. 1891. M. 10-— .
— — 2. Hälfte, 2. (Schlu-ss-) Lief. Gr. 8". XII, 592 S. 1K9-. M. 14.—.
INDICES (Wort-, Sach- und Auturentndex) von Karl Brugmann.
Gr. X». V, 236 S. 1893 M- 6.—.
rn. Bd.: SYNTAX von B. Delbrück. 1. Teil. Gr. 8« VIII. 774 S.
1893. M. 20.—.
IV. Bd.: 2. Teil. Gr. 8<'. XVII, 560 S. 1897. M. ij.— .
V. Bd.: — — 3. iSchluss) Teil; Satzlehre. Mit Gencralindcx zur
Syntax (Bd. III, IV und V des Gesamtwerkes».
(Unter der Presse.)
■ „. . . Hriigmann'-s Wi:rk gehört Tartan zu dem uncntbchrlichstr.n Rüstzeug
i:inc<i jeden Indogermanisten; möcc der zweite Itnnd nicht allzu lange aiif sich
warten lassen." O. .1/ . . , /-, Uttrat . dniralM. i.swy AV. .v.
il. Band) Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, auch nur annäliernd
iiir das Neue zu verzeichnen, wa.s in dieser neuen Auflage teils auf Grund der
tigcntn «citaUBTcichenden Untersuchungen des Vertasscrs, teils mit gcwisscn-
liuftcr Benutzung der gesamten Korschungcn aul dem Gcliiete der indog. Sprach-
wissenschaft geliotcn ist. Der brugmannsche Grundriss wird auch in der zweiten
Auflage, die wir als neues glänzendes Zeugnis der unermüdlichen Arbeit;»- und
Schaffen skr ;ifl seines Verfasser.«., zugleich aber auch sei^e.^ weittragenden und
!»charfL:n Blickes iti alle Weiten und Tiefen unserer Wissenschaft und seines
sichern und unparteiischen Urteils in den schier zahllosen Problemen und Streit-
fragen der Indogermanistik begrüssen, uo mOglich in noch höherem Grade, wie
in der ersten, em Markstein in der Geschichte der indogermaiiischcn Sprach-
wis-senschaft sein, als welchen ich ihn mit vollem Fug und Recht in der im
Jahrgang 1S87 Nr. 3 veröffentlichten Besprechung bezeichnet habe.
fr. Sioli, Seuc phüci\ygische Rundukau j6*/j iVr. ii.
VBELAC VON KARL J. TROBNER in Stkasssurc.
äoeben erschien:
DER
INDOGERMANISCHE ABLAUT
VOEMEMLICS IN SEINEM VERHÄLTNIS ZTO BETONUNG
HERMAN HIRT,
A. O. rSOI'ESSOK AN »RR l UIVERSrrAT ijm-iuc.,
GR K" VIII. 204 S 1900. M. 5.50.
Wer die Sprachrorschunj; in ihrer Arbeit in den letzten Jahren verrollt
hal. derweiss, dass die Ablautsfragt zn den Pnibicmcn gehört, die die ForschunR
am meisten beschäftigt haben. An Stelle einer ycsicherten Erkenntnis, die
man vor 20 Jahren lu naher schien, ist eine Sturm- und Drangperiodc (getreten.
in der nichts mehr haltbar erscheint. Itrugmann forderte daher eine yründ-
hchc SammtunR des Materials. Der Verfasser hat es unternommen, dies in
ausgedehntem Maasse zu bcschafTcn, und zunächst die Wirkunt* der UctonunK
auf den Ablaut Icstiusicllen, wobei sich xeigtc. dass der iük- Ablaut in der
That im wesentlichen durch die RctonunK hervorgerufen ist. Was noch übri|<
bleibt, dürfte sich auf einfache Weise durch andere Ursachen erklären, und so
hofft der Verfasser, in diesem Huche eine einwandsfreie ErkUrun^ des idjj
Vokalsystems und Ablauts gehen und die Sturm- und Drangpcriodc der IcUtcn
Jahre abschlicsscn zu können.
Der indogermanische Akzent.
Ein Handbuch
Dr. Herman Hirt
FrofnuQf an 'Irr tni^rraiiiii l.ei|iU|[.
8". XXIII, 356 S. 1895. M. 9.- .
'Keines jener Bücher, die man durch das l'rädikat -abschliessend- tn
charakterisieren pflegt . . , Kein Buch, das am Kndc einer tntwicklungs reihe
steht, dass sich damit begnügen darf, die reiche trntc früherer Korschnng
unter Dach zu bringen, Alles reinlich zu sortieren, zu klassiücicren und <u
etikettieren. Vielmehr ein Buch, das am Anfang einer neu cr>chIossenen Bahn
Sicht, nicht selten unfertig und lückenhaft, aber genug des Schönen bietend,
mehr noch verhei>send. Gewiss hätte der Vcrf, das unvermeidliche Nontim
[irematur in annum strikte befolgt, so wäre ihm zweifelsohne noch mancher
ichätzbare Fund geglückt, hatte manche klaffende Lücke ausgefüllt werden
können. .Aber wir haben alle Ursache, dem Verf. dankbar zu sein, dass er es
nicht gethan hat. So wie das Uuch ist, darf man von ihm sagen: es ist da»
rechte Buch zur rechten Zeit. Soviel, so unendlich viel auch noch im Kinxcinen
zu erledigen bleibt, die Forschungen über die l_irundfragcn sind immerhin 10
weit gefördert, dass eine zusammenfassende und weiterführende Darstellung
dringendes Bedürfnis war, wenn die Krörterungen über Acccntfragcn auf tin
grösseres Publikum rechnen, wenn sie nicht aus Mangel an Verständnis und
an Teilnahme wieder ins Stocken geraten .sollten. . . . Dem Stand der Forschung
entspricht aufs Beste die .Anlage des Werkes: es ist halb Lehrbuch, halb ITnter-
suchuny. Denn der Verf. wollte und durfte sich nicht damit begnügen, nur
auf breiter Heerstra-sse behaglich zu spazieren, sondern war auf Schritt und
Tritt gezwungen, sich <lcn Pfad durch unwegsames Gebiet selber zu bahnen.
Diese eigentümliche Mischung von Darstellung und Forschung wird auf den
Leser ihren Reiz nicht verfehlen Literat . Ceutralblalt /.V^y .Vr 40.
VCRLAi; VON KAKI. J. TRPhXER rN STRASSBirRQ.
'5
von PLANTA. R., GRAMMATIK DER OSKISCH-UMBRI-
schen Dialeku*.
I. Baml: Kinlcitiinjj und Lauth'hrt'. S'\ VIII, 600 S. 1892. M. 15.—
l[ Hand Koimonlchic, Syntax. Sammlung der Inschriften und
Glossen, Anhang. Glossar. S", X\". 765 S. 1S9;. M. 20.—
• Nachdem üic SiTiichttissciischafl ilic < isk i sc h-u ml irische 11 Dialekte
längerr Zeit liemlich abseits hat liefen lassen, herrscht jctit auf dienern
Korschtinjfsycliict wieder ein erfreulich rcjjcs l.clien. Fast gU^ichzcitig
••ind iirci yröhstre Arbeiten erschienen, ilii: ^ich mit 0er l.aiiTjjeschichte
dieser Mundarien heschäfliKcn. Davon ist »lie umfasscndNle und hcdou-
tcndstt- da^ uns vorlitnende Buch eine?* jiinyen Schweixcra. . . . Wir
behalten uns vur, auf das W'trk nach Krscheinen de» «weiten Bandes
etwas au.tfiihrlicher «urückzukoniinen. Kör jetzt sei nur noch bemerkt,
das-* wii CS mit einer uu! jjriindlich>teni Studium licruhenden, durchaus
soÜdun und in manchen BcjtiehiinHcn j»er,nde/u muslerhaftcn Arbeit xu
thlin haben, ilic aN ein die ijc-iammle bisherii^c Forschnny «usamrnen-
fassendes Handbuch für jeden, der sich mit den altitali»chL-n Sprachen
l>cschäftt|;l. unentbehrlich sein wird.- LUcrartMchrs Ctnlralhlatt 1H9H Kr. t(f.
«... Der VerfassL-r hat sich wie kein zweiter in den vielfach recht
spröden Stuff versenkt und. da er auch mit miter Methode zu Werke
geht, ein in jeder Hinsicht lüchlijjes Buch Keiiefcrt, an da» jeder an-
knöijfcn muss. der künftighin über Fragen der oskisch-umbrischen Gram-
matik schreibt .... Woche»!tckrifi für ktasi. Pkilal^ü iS^ Nr. 42.
THUMB, Dr. ALBERT, HANDBUCH DER NEUGRIECHI-
schen Volkssprache. Grammatik, Texte und Glossar. 8". XXV,
240 S. mit einer lithogr. Schrifttatcl. 1H95.
Broschirt M. 6. -, in Leinwand ^'eb. M. 7. —
«Endlich einmal eine brauchbare Grammalik der neugriechischen
Volkssprache, ein Buch, das nicht jenes aus allen möglichen Formen zu-
samroengebraute Kauderwelsch der Zcituncen und Bücher, sondern *lie
in gesetimässijjer Entwicklung entstandene lebendige Sprache der Gegen-
wart lehrt! Th. hat es verstanden, den wichtigsten SprachstufT auf sehr
knappem Räume mitzuteilen, indem er sich auf die Verzeichnung der
Thatsachen mit den uncntbehrticJistcn Erklärungen beschränkte . . .
Hundertmal bin ich nach einem praktischen Handbuch tJer neugriechischen
Volk.isprache gefragt worden, und stets war ich in Verlegenheil, was ich
den Leuten eigentlich nennen sollte; die gleiche Verlegenheit drückte
mirh jedc-^mal, wenn ich eine Vorlesung über neugriechische Grammatik
hielt und den Zuhörern zur Vereinfucbung und Erleichterung des l'nler-
richt-s etwas Gedrucktes in die Hand geben wollte. Wer die Not so an
ctgcn-'(tcr Haut gefühlt hat, wird dem Verfasser für seine schöne Arbeit
doppelt d.inkbar sein . .. fivzaMfimrche Xctlsthrifl t-S</^ S. 3io.
WIEDEMANN. OSKAR, HANDBUCH DER LITAUISCHEN
Sprache Grammatik. Texte. Wnrterhiich. S". XVI, ^i;4S. 1S96.
M. 9.--
iScit langen Jahren »chun hat jeder, der Vorlesungen über litauischu
Sfirarhe zu halten gezwungen ist. den Mangel eines passenden Hand-
buches aufs Schmerzlichste empfunden. Srhleicher's ausgezeichnetem
Werk isl aus dem Buchhandel verschwunden und kaum noch erreichbar,
Kurschai's Grammatik nicht für AnPänger berechnet. Daher braucht
Wieilemann, der verdiente Verfasser der scharfsinnigen Monographie über
das lilauischi- PrÄteritum. nicht den Vorwurf zu fürchten, ül>erflüssioü
.\rbeit geihan 711 haben. Mindern darf des Dankes b(.i l.phrer wie Schüler
gewiss sein . Hin ausführliches WOrterVmch macht den Boschluss.
so d-is.-; der Band Alles umfasst, was der Anfanger nfllhig hat. . , ,■
Uterar. CtNtralfffatt /.SV7 AV. 6.
1%
VSklac von KARL J. TRI
IN* STRAssnr««.
GESCHICHTE
PER
DEUTSCHEN EITTERATUII
B(S ZUM ArSGANGK DKS MJTTEI.AI.TKRS
VON
HUnOLF KOKGKL
nrd. PcvfeMat lUr dcniiclir Sprache mul l.iuenilut ■■■ der Vaivanrl&f Daarl.
Erster Band; Bis zur Mitte des elften Jahrhunderts.
Erster Teil: Die staljrciniendc Uichtung und die gotische Prosa
S» XXIII, 343 S. 1.S94. M. 10.—
Krgänzun[jshcfl zu Band I: Die alt sächsische Genesis. Ein Bei-
trag zur Geschichte der altdeutschen Dichtung und Verskunst
S". X, 71 S. r«95. M. 1.80
Zweiter Teil: Die undrcinicnde Dichtung und die Prosa der alt-
hochdeutschen Zeit. 8«. XX, 652 S. 1897. M. 16 —
Urteile der Presse.
- , . Kocgel hat ein«.' Arlnii unicrnommen, die sclion wegen ihre»
}^rusNcn Zielts dankbar licyrOssi werden muss. Denn c» kann die 'Forschung
üuf dem Gebiete der altdi-ulsclu-n Litteraturijcschiclitc nur wirksamst untcr-
stätücn, wfiin jcmiind den ganzen vorhandenen Bestand von Thatsachen land
Ansichten ^enau durchi'rufl und verzeichnet, dann aber auch an allen sch*ir-
rijjen Punkten mit eigener l'ntrrMichun^j einwtitt. Beides hat K. in dem vor-
liutjenden ersten Bande tür tlic älteste Zeit deuts.elH;n Geisteslebens ^ettian.
Kr beherrscht das bekannte Material vollytündiK, er hat nichts aufgenommen
oder furtpe lasse n. ohne .sich dariilier »orjjlliltiy Rechenschaft zu ycben. Kein
Stein auf dem We^e ist vun ihm unum;;e\vendet verblit:lK:n. K. hat aber auch
der Stoff vermehrt, einmal in<lem er sell)siänüij; alle Hilfsquellen iz. U. die
Sammlungen der (Japitularien, L'oncilbcschltlssc u. ». w.i durchgearbeitet, iicuc
Zeugnisse den alten beiKefügl. die alten, berichtigt hat, ferner dadurch, dass
er aus dem Bereiche der übrigen germanischen Lilteraturcn herangezogen hat.
was irgend Ausbeute für die Aufhellung der ältesten deutlichen I'ocsic ver-
sprach- In allen diesen Dmgen schreitet er auf den Pfaden Karl Müllcnhoffsri
dessen Grösse kein anderes Buch als eben da^ seine besser vürditien lehrt. . .
Ah/{W E. ^StkifHÖtuh, Oestemich. Liitratnrhlatt l6'ij4 Xr. /<?.
• Kncgel bietet Meistern wie Jüngern der ijermanistik eine reiche, will-
kiimmenc (jabe mit Keinem Werke; vor allem aber .sei e^ der Aurmcrksarokcil
der I.ehriT des I>eutsf.hen an hohert-n Schulen empfohlen, fflr die cä ein
unenthehrlirht-s Ittlfsmitlel werden wird durch seinen eijjcncn Inhalt, durch
die wohlausgeuählten bibliographischen l-ingerzuige und nicht zum wenigsten
flureh die Art und Weise, wie es den kleinsten Fragmenten ein viel«citiffc^
Interesse abzut^euinnen und sie in grossem geschtchllichen Zusammenhang xu
stelk-n versteht. Wie ua mit uarmer Teilnahme für den (it-gcnstand gearbcilrt
ist. wird es gewiss auch, wie der Verfasser wünscht. Freude an der nationalen
WissenschaJl wecken und miitelbar auch zur Ilelebung des deui-*chen Lllcratur-j
Unterrichts in wissenschaftlich-nationalem Sinne beitragen.'
Hcitagi zur M/gfm. ZdtuH^ l,SQf Xr. J#*.
• - Wirliegendes Hueh .... nimmt neben dem Werke MültenhofTs viel-'
leicht den vornehmsten Rang ein. K> bietet den gesamten St^tfT in feinerj
philulngihcher l.äntcnuij}. dessen eine Literaturgeschichte unseier ältestrnj
Zeiten l>edarr, um sich «um allseilig willktHnnienen Jtuche absuklären Die-*
hohe Venlienst darf man schon heule Rudolf Koegel bewundernd «uerkcnncn,
Dass das f-chw^rwiegende Werk seiner seilen vergeblich bubremlrn Kor>irhunj;'
und mühseligen ("ombinatiunen und Schlussfolgerungen würdig an ■ ■ ist.
bedarf keiner \'ersichenmg. I^nd so möge unsere Germanistik de^ > .cd-
prciHcs froh und froher werden. > BlälUr f. liter, i'vitrk. iS^j .\/ ^.
VKRtAfi VON KARL J. TKChNK« in SThASShURC.
©cntpbiirjer
(Sott\^cvottt!xQc*
3iiin Ufftcii öi'«i fiU- ^'tvrttilmvg i;)i'plrtnlcu Oi'iiltmttl& ^t& iumjcii (it»Oftljc.
Hl. 8". VIII, 107 S. IrWJ. «trafrtiin 9«. S.-, in «rinroatt& aebim&cii 'Ml. J.'H).
^itliflli: I. <^Dpttic iibcr Sßclilitcratur imb lE'takHi'ocMc. 'ifoii (?. .'.yiiirliit.
— II. Ter iiiiiiic <5*nfHic, 'i^ori ^l .löciuiiiiiv — IM. t^ftoeihc mib ^.'ili, ifipii t?. ^>piei»li.
— IV. ?liKv (stnctlK-> '^Ijilofopliic, 'Ihm i^. Söiiibclbdiib. — V (^«ibc uiift bic iliititc.
i^on 'J(. yjJtdiftelt'ff. — VI. Ukr ^ortl)e* JVnrbenlcli«. 'iioit ,\a(oli Siillitiö. —
VII. (5octl)Cö ifauft. 4(on Ib. ^ipiilcr.
«... Ein wertvoller Wi.^scn!)schatz lic^ darin aufgespeichert, und ex
h\ buch LTtrciilirb. dass der durch diese Vcröffcnllichiinc auch denen su-
yanjjlich yt'tiiaclil wird, dii' den V'orlräyen nicht selbst bciwohni-n konnlcn
und denen zur Auffrischung geboten wir«!, die seiner Zeit sieh ihrer erfreuen
clurflen.' .Strtushurgrr Port, .'>. Februar iX*/sf.
•Im Dienste des im vergangenen Sommer neu anucrei^en Untemehmenü,
dem jungen Goethe in Strassburj^ ein Denkmal zu errichten, haben eine Kcihe
fielehrter vor einem gebildeten ZuhCirerkrei-s dieser Stiull Vorträge gchnitcn.
ilie den Dichter vun verschiedenen Seiten bt-leuchlen. und leyen sie nun zum
llesten de^ Denkmals als Sainniflwerk einer muyiichsl yrossen [.escrschaft vor.
Am Einyany spricht Ernst jVl»rtin über (jncthes Stellung zur Welllitteratur und
Diaicktpoesie. für die (irtcthe, wie seine Besprechung der Hehelschen Gedichte
zeigt, wie für alles Volksittmlichc einen fein entwickelten Sinn besass. An
zweiter Stelle bringt Rudolf Henning ein warmes Lehens- und Charakterbild des
jungen Goethe, der ja ilcn -StrasAburgtrn besonders nahe steht und allen.
die nicht nur den Kciz seiner Werke, sondern auch seiner Persönlichkeit
empfinden, der Inljegriff herrlicher Jugend ist. Im folgenden Aufsalz beleuchtet
Kugen Joseph das \erhaUnis Goethes zu Lily Schnnemann. der Krankfcirier
llankicrstochter. von deren Launen hinweg es, (hn zum ersten Slal tn die Schweiz.
Jinf die Höhe des St. fjntthards trieb. Perspektiven in die Philnsophie des
Tlichters eröffnet Wilhelm Windelband, fiher seine Stellung zur Antike siirtchl
Adolf Michaelis unti in >eine Farbenlehre fuhrt uns Jakob Stilling, während
eine markige .Abhandlurn" Thcnbald Zieglers über den Kaust den Schluss der
Sammlung bildet Su bietet das Sanmiemcrk der Stras-sliurger Yorlräge i.war
keine geschlossene Uarstellung der IVrsiinliihkrit und der llichtungcn Goethes,
aber es erhellt sie doch mit manchem Strahl, es ruckt sie uns näher, und da
sämtliche Vortragende sich einer vcdkstfimlirhen Darstellung im besten Sinn
des Wortes beflissen haben, lüc Srhönbril tU-r Korm mit der Klarheit des
Stils vereinigen, sk darf die Sammlung ItLsonders iiueh in Ansrhuny ihres
idealen Zweckes auf eine gute .\ufn.nhmt- in i\cn weitesten lilleraturu'uund-
"ichen Kreisen rechnen. . .Wv/i* /.ürekfr Zfitaug, fa. Mmz /.vw.
aS
VBRWn TON KARL J. TRÜBNER ik STRARSBVKt;.
©efc^ic^te
l>et
CJuglifdjcii i'ittcratur
DDn
ßrrlIlJflr^ Icii 6 link.
Grfttv lönnö: :Pi5 j^u ^■t^tcltfd 'iflufirelcn. Smite wcrbefKrtt unb ücrmclirtc Jlutlat^c.
J^erauGciirQebi;)! mn Stioie Sronltl, ^'rofeffcr an tocr Umpcrfttäl ^nlin.
H". XX, TiliO 3. IXW. tho)ti}\rt "^l i.iA), iu i'cinRHtiib flcliunbcn W. .^.5^»,
in .'öalbfraiii geb. "Bi. D.SO. Soeben erschienen!
^iiOdlc : I. t^vO). 'Üif tu ätatrrund. U- fAua. fit lie<iAäii(i»irll. IM. Vmt. ¥»1' vcnjc; Piv
llKOi. IV Sinti. «Ifftfp'tl buT flrlprnulijjn iintr b« itniolFiiitiEt. «Inltflitti
,Swcitcr Sanb: ^i^ \uv tKcformattPii. \Hrmi^c(^ebcn uon 91loi? it^ranbl.
H». XV u. tu: Z. iwi';;. ^UI. s.— , in üemiuonti flcb. IH. it. -,
in .Wlbfvßn.Ji fle*'- 3)^ 10.—.
fidlicafiii mit jriciit. VT «iiA. Tic atnidlffanw MG im sunn't X»b.
Xnrflus cinjcln : bic 'J. .'^üEfte. 8". XV u. S. 353— (U7. IBfl.l. *Bt. 5.—
Die Bearbeitung der zwei weiteren Bände hat Herr Professor
Dr. Alois Brandt übernommen,
Urteile der Presse.
«... B^i allen Kinzclhciton, die zur Sprache koinmtn. l>lt-il>i der lUifk
des VerlasKcr» stets aufdas Allgemeine jjcrtchtet, und seim- C.röndlichkcit hindi-ri
ihn nicht, klar, t^eistvoll und fessilnd zu sein. Ült (Ttfällitif. leicht vcrsiänil-
liche Ausdruck, dii: häulijj einßt; legten, auch formell ladellosen UebcrstciiunHen
alteni;Uschcr (iedichtc vcrleihtn dem Buche einen Schmuck, der l>ci Schriften
gelehrten Inhaltes nur zu olt vcrmi-s.vl wird. Kurz, die cnf;lischc Littcratur bis
Wiclif hat in diesem ersten Bande eine reife, des ßroasicn tiefte natandca
würdige UarstclIunK yctundcn, und sicher wird sich das Uuch in weitesten
Kreisen l-reundc erwerben und der Literatur dickes so reich begabten gcrmi-
nischcn Volksstammcs neue Verehrer zuführen.. Li/, CeHlralNait iffjj Xr. jy
• Die Kort.'-etr.ung zeigt alle die ylftnzciiden Eigenschaften »Ics ersten
Dande^ nach meiner Ansicht noch in erhöhtem Masse; gründliche l.~Velchfsjim-
kcit, weiteil Blick, eindringenden Scharfsinn, feines ästhetUcheit OeHlhl und
geschmackvolle Darstellung.« Deuticht Litteraturuiiui^ lUfS^ Sr. /(».
• Bernhard ten Brink's Litteraturgeschichte ist ohne Zweifel das gross-
artigSle Werk, das je einem englischen Philologen gelungen ist. Mehr noch:
es ist eine s<i meisterhafte Leistung, dass e> jedem Litteraturhistoriker «um
Muster [lienen kann. Und diesem Urthcil hat seine volle Kraft trota der
unvüllendetcn ijcstalt des Werkes. Wäre es dem Verfasser vergönnt gewesen,
es in derselben Weise zu Knde zu bringen, so würde es leicnt die hervor«
ragcndüte unter allen Cjesairnitlittcraturgeschichten geworden sein . . .*
Musfum /iVi/jj A>. j.
iten Ilrink hat uns auch mit diesem Buche durch die reA.9elndQ
Korin der Harstellung und thirch iHl ersiaunlichi- Fülle ilcs Inhalte in unaits-
^c&ctslcr Spannung gehalttrn. Dir wisstnschatllirhe Wert iles Buche* ist flbrr
jede Besprechung erhaben ; auch dieser Band wird, wie der erste, dem Studenten
eine sichere (irundlage für liilerarische Arbeiten bitten; aber hervorgehoben
muss noch einmal werden, tlas^ wir hiermit nicht nur ein fachm.'iniiisch m;*
tchrtcs, sondern auch ein glänzend geschriebcni-s W>rk besitzen, il.i^ 5fdrr
Gebildete mit wahrem Genuss Kiudieren wird,> ilrtHzhoten tS.s
Verlag von KARL J. TRÜBNER i« STRASSintHc.
29
»Oll
fiernliart tcii Örinh.
nu Um SilMnv Dh )l<<ifnl|as. iQbut »on B. SrauKvvf.
n. ft". 166 ©. 1893. HSi. 2.—, fltb. Wf. 3.—.
3n6aH; T. Ter Ticfttcr unb bfr "^^Imfct). - M. Xxe ..Sf'tfo'i^e »on 2bnfip«re«
^ii'erfi'Ti. — 111. cljaffpcrc «Is 'Xtamatiler. — IV. Sljnfipe« iila fomii(^er
Tidjler. — V. St)n[fvfrc oU JroRiIcr.
• . . . Denn bcsücrcs unit schJmcrc» ist 5cit Jahren nicht über den grossen
Dramalikcr Rcsayt uml jicschriebcn worden. Sowohl was tcn Brink üT>cr die
Familiciivcrhällnissc Slmkespearcs. über tla.s äussere und innen.- Heranwachsen
lies jün^lini^s /um Mannt- Leibriiißt, als auch was er Ober die Kntslchung der
einzelnen Dramen und über die Charaktcri»tik Sliakes|>eari;s als Dramatiker,
als kuinischen und Iraaischen Dichter zu saj^eii weiss. \t:^\ naeh Form iinJ
Inhalt Zcucnis davon ab, was wir von ten Brink zu erwarten [jehabl hätten,
wenn er Jas Wesen und Schaffen seines Licbliny^dichturs auf der breiten
rifundlagi'^ seiner englischen Litteraturjjcschichte den Zwecken und Zielen dei
Wissenschaft gemäss häiie behandeln können Leider ist ihm dies versagt
geblieben; aber dii- Shakes|icarerrcunde «erden darum seine meisterhaften
Varträgc in um so höheren Khrcn halten. Wer freilich aus rein phiKllügi^chem
Interesse nach ihnen greift, winl sie sehr enlt.luscht ans der Hand legen, denn
da ist nirgends etwas von hündwerksmässigcr Kleinarbeit, von bibliographischen
Nachwei>en, von der Darlegung sich widerstreitender Gclchrtcnaiisichtcn zu
finden; wem es aber um ein licfinni-riichcs Eindringen in die Eigenart Shake-
speares, um eine unmittelbare Bekanntschaft mit dem Dichterheros crnntlich
zu thun ist. der kann sich keinem feinsinnigeren und bewrihrleren Kührcr an-
vertrauen als ten Brink. Der K.rfolg der Vorträge ist unserer Kritik voraus-
geeilt; denn schon hat sich eine zweite Auflage davon nötig gemacht. Möchten
sie doch überall die gleiche Begeisterung und Liebe für Shakespeare hervor-
nifen, tlie den für die Wissenschaft viel zu fnjh abgerufenen Verfa.sser während
seines ganzen T-cbens bcseellc!» Attg/ui. Rfiblall. Dez. lA'OJ.
„Bedarf es eines Beispiels für die Art von Wissenschaft, wie wir sie uns
denken, so sei nur im Augenblick auf das köslliciie Buch Über „Shakespeare"
verwiesen, das aus dem Nachlasse von ten Brink. eines der hervorra?;i:ndstcn
Gelehrten unserer Zeit, durch die Sorgfall Edward Schröders j-uganglich gc-
wnrden ist. Was psychologische Synthese und nachfühlende Ac^thclik zu
leisten vermag, darüber belehrt dicsrs kleine Werk besser, als es der wcit-
läafigsten Theorie gelänge."
Anfmt E. Sckinha^h. Vom Feh sum Meer lS9S^4 fftfl /.
„Die Vorträge verstehen die schwe.c Kunst, die Fülle der Probleme des
dichterischen SrhaflTcns einfach darzustellen und doch nicht zu entleeren.
. . . vom Standpunkt des .^c&thetikers möchte ich den Abschnitt dber die Komö-
dien als den reichhaltigsten und Dberzeugendstcn rühmen. Hier wird mit grossei
Freiheit und gcni-ilcm Verständnis die phantastische .Sph.'irc, in der sich Shake-
speare's Humor frei und spielend zu ergehen liebt, geschildert und durch den
Vergleich mit Molitrc's Dichtart in ihrer ganz persönlichen Eij-enart charaktcri-
fciert. Niemals habe ich so lebhaft als nach der LektOre dieses Vortrags es
nachcmptindcn können, weshalb Schiller den Lrciuell der Poesie in den Spicl-
tricb setzte und die Komödie in seiner Schätzung über das Trauerspiel erhob.
Doch .soll dies nicht den Schein erregen. ,ils wäre die Tragödie bei tcn Brink
nicht ausreichend behandelt: besonders über ., Romeo und lulia" und über
„König Lear", das ihm gewiss mit Kcclit als das Uefste Werk Shakespeare's
f;dt, redet er in ergreifenden Worten, welche zeigen, wie man dero ethischen
nhall solcher Werke gerecht werden kann, auch ohne in der Art eines beruls-
mäSJ^igen Ankliigers überall sittliche Verschuldung und sUatVeise Vergeltung
zu cispahcii." J^roist. jfahtbui^ker, Okt^er iS^j.
^o
Verlag von KARL J. TRÜBNER m Stra!
Soeben erschien :
QUELLEN
DES
WELTLICHEN DKAMAS TN
VOR SHAKESPEARE.
ein er(iänzungsband zu dodsley's old e
hfraus<;k(;ere\
ALOIS BRANDL
Quellen und Forschungen zur Sprach- und Cult
^germanischen Völker, Heft 80.
S". CXXVI, 66; S. 189S. M. 20,
Inhalt: Einleitung;. -■- I. Moralitäten: Pride of
— 11. Zwischenspiele: John llcvwooci i. L<»ve, 2. \Vi
thc Hushand, Tyb his Wife. and Sir Johan the Priest. —
der Reformalionszeit: Res[>ul)lica, King Darius. —
zichungsdramcn : Misogonus. — \'. Trafjödien: The
Gismond of Salern in Loue. — VI. Die Rnmantische Vi
Comedic caüed Common Conditions.
. Der Heraust-el.ir hat in diesem liand zwölf ilr;
vereinitjt, .die für die lieschichtr <kT Kntwickluni; des
von grossem Interesse sin(l. aber bisher thciis ungcdrut
in schwer zu^'än^lichen Drucken vorlaf^en; was man bish
wusste , stamiTil im We^enlliehrn ;ius den Inhaltsan^al»
Collier's bekannlem Werke , , . die .'^ammluiij^ tnthält kl
die Kennliiiss der verschiedensten /wiit^e des vorshake;
liesonders dankbar niii>sen wir M-in l'ür dit: Mittheilui
R e sp 11 b 1 i c a . über das man liislur nnrh l'a^l ^ar n
es zu den merk\vLirdi;.fslen Stück in <!(. s ^aiizt'n /.eilr;!
/./fr/-. Ctiit.
. . . St.hr \ t.rdiiiislvi)II wäre es schon gewesen. I
lies buches uns nur mit den texten bcj^chenkt. Allein dii
einmal die haujitsachc im werke zu seinl dliosscs schw;
mich nicht j,'efreiil' sat^l Hrandl in (.\rr vorrede. -Das mit]
wenifjstens auf einif;e tra;,'en hin. um die es sich bei dei
spearischen dramenform handelt, auch verari>eitet \\ei
scheiden an^'cdeulet. i>t in nicher l''ül!e geschehen. Kine '^
bei lietrachtuni^ des überj^anyes vom mittelalterlichen /.u
aufthat, ist durch dif musterhafte finleilunt; Brandls nii
oder wenigstens ülierbrückt. Hin ^'anz be.Mmderes gewii
auch noch auf die entvvicklun^ der bühne und ihrer ai
hier liefen er viel ni'ue.s mati-rial. .Aus dem angeführt
dass wir es liier mit einem \\ erlvollen werke zu thu
ausführuiij,' und fcrti^r-tcilimg allr fieunde Shakespeares i
müssen. . . . .-l/zi;
■ .\ Supplement lo llaziitls Dodslev has long bei
to the credit of 'iermanv Ihat one of her most (hstingui
lield of English studies has sup]>iied a want which E
-scholars have nej^iecled lo tili. The pcriod . moreover,
eontained in this voiume fall, is historicallv the most im]
respecls ihe least understooil of all period.s preliminary
T/tc Nation
I
VattiMt VOir KARL J. TRÜBNEU IN Strassburo.
Geschichte
der neuem
französischen Litteratur
(XVI. -XIX. Jahrhundert).
Ein Handbuch
1 nl I
Heinrich Morf.
Erstes Buch: Das Zeitalter der Renaissance.
8". X, 246 S. 1898. Broschirt M. 2. 50. in Leinwand gebunden M. 3. — .
Inhalt: tlmleilung; Mittelalterliche und humanistische Weltan-
schauung. I. Kapitel: Am Aus«jan<; des Mittelalters. lOic Zeit f..ud-
wigs XII., 1498 1515.) - n. Kapitel: Die Anfänge der Kenaissance-
lirtcratur. (Die Zeit Franz" I.. 1515 — 154X.1 Einleitunjj Die Prosa. Die
Dichluny. i. Die Lyrik. 2. Die Kpik. ;, Die Dramatik. lU. Kapitel :
Höhezeit und Niedergang der Renaissancclitteratiir. (Die Zeit der letzten
Valois und Heinrichs IV.. 1547-1610.) Einleitung. Die Prosa. Die
Dichtimg. 1. Die Lyrik. 2. Die Epik. 3. Die Dramatik. — Bibliogra-
[»hische Anmerkungen.
Aus dem Vorwort: „Es soll hier die Ijvschichtc des neuem franzA-
sischcn Sciirifttums in vit:r Büchern, dt-rtn jeüe» einen solchen Band füllen xvirU.
urzähtt ucrtk-n Der zweite Band mag die Litteratur des KlashiziMnus, der
dritte BantI diejenige der .■\llfkläruny^zt■it. der vierte die Litteratur unseres
Jahrhunderts schildern. Die .Ailieit ist von lan[;er Hand vorbereitet und lum
[Trossen Teil im Manuskript aliyeschloisen.
Dieses Handbuch will den Bediirrni»^ien der Lehrer und Studierenden des
Faches und den Wünschen der gebildeten Laien zuiflcich dieiien.". . . .
Die Heüßi^e zur AU^r-m. Zeitung urteilt in Nr. 10 von iStjg Der
viclvcrxwci^tcn und komplizierten .Aufgabe der Litcraturf^eschichte ibi Morl
in vollem Masse gerecht (jeworden. Kr versieht t> cbcntiu bchr, die Gc>tchichle
der einzcbien literarischen (iattunycn von ihren ersten bescheidenen Keimen
bis zur Blöthe und zum Verwelken zu verfolgen, als die literarischen PcrsOn-
lichkeilcn mit ihren LiKtntümlichkeiten und Besonderheiten lebenswahr zu
schildern. Dabei ver^jissi lt auch nie. aul die kulturhistorischen Strömun(ten
hinzuweisen, welche die Literatur nach dicker oder jener Richtunij getrieben
haben. Sein ästhetische.'* LTteil ist nicht von irgend einer aprioristischen
Stellunj»nahme bedingt, sundern Iteruht au( gründlicher, verständnissvoltcr Wür-
digung aller massgebenden Faktoren. EngÜch genügt die Form . in welche
Morf seine Erzählung kleidet, allen ästhetischen .\nsprüchen. . . .
Wer diesen ersten Band geleiten, wird da» Lr.<4cheincn der folgenden mit
Ungeduld erwarten. Die Krzählung der literari.'-chen Cie.-jchehnissc schreitet
rasch vorwärts und ist tcs.sclnd ge-schnelien. Die literari.schen i'crsönlichkeitcn
treten lebenswahr und plasli.-ich hervor. Kinigc Beschreibungen kann man
geradezu Kabinet.s.stückchcn nennen. Morf besitzt Qlierhauiit die Gabe der
prägnanten t.harakterisirung. Ein paar Worte genügen ihm, uro ein lebens-
volles Bild hervorzuzaubern. . - .
Morfn Literaturgeschichte ist eine ganz hervorragende Lei.<itung. Wenn
sich die folgenden Bände — wie es übrigens zu erwarten ist — auf der Höhe
de* ersten halten, werden wir in dieser französischen Literaturgeschichte ein
Werk beuräsücn können, das sich der itabentschen Literaturgeachichtu Gasparys
elicnbürtig an die' Seite stellen wird . . ."
L
Der II. Band ist unter der Presse.
12
Verlag vok KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Soeben erttchicn:
/rnnhifirii iiiiii bic /rniijoffii.
Bfirl t^tUfbraiib.
Biprh Drrbi'jfcitf iinb Pfviiiil)ilf ^liifla^f.
Unliiillr Snirctxn. — (£inlrilntt>e4. — Vit Krfrll|i1t«n nnb XlUmlnr. J(a». I ^iRllit
inifi eutc - 2. limcrcicbrffwtfdt. - :i «tputm ims V^ti*. - 4. yififitnfA ftNcii. - pidtHrrftr« Xrtm.
Snp t. Safc ^bnil unb itint VctiuiiTliiliiiiin. — 'J. 9ia)isli'un III. imti Me !M«tuMi(i>]trr. :i Tir Äinutlir
Ztiti'i) Hob bol tfK^inni - «{iiluiit'ftvnMiitifl - !n^l101I^t. 1 $tmw al» VDlttttnr. — 2. UMnibtttd
— 8. Vatiln ÄrtrilKAlifiontf — *. Bntl ^lilktratiö. i>Ia.^ni| von i^- ^firmlmitt.
kl. a». XXII, 4C2 S. 18»8. I'reis broscbirt M. 4.—, geb. M. 5.—.
B- ■ - ■ l->ankr«icb lial icit JcihrliutiilFTtrti mrtir als tr;;cu>l ein Land dai PrivU?s fennscea, dl«
Augen der Welt iwf sich lu n<ltcii. HctiU mrhr uU je xiivor. Wh* ein «o Icinu i<icbcr Ceiii, ein
xulcbfr Kenner von Vütlccni. Zclti-u unJ Mi:ii>i;hci) und R^ni tinunilen iliciei Landr-<, ithrr ditorlbr
(«dacUt hjit. «ie «ich di« ßrlcbniixf der Geucnnirart iw SpIcK«! diet«r, aaderilulb jalutehiite riitnck-
DeKCixli^i ßcttachtiicp^ii itiid Uiiritr äLuiiictiiiieii, wn« nich ilavun bcirSlin, wa* aidi aiulorv ^rxelct
hat, da» KU «ifahren. i*t hctilc vnn diircbicblaKCiidcm Intrmtic. nillcliraiid Itl Tccht cigCDilirh ein
VIltiieiO*yctiuli>Kif, iiic-ht nie Mclhodikvr, nondcin ah Piitktikor. I>jii Fatli liat iciiir Klipprn, mehr
aU vklc and^rc. Hillcbrand In ihnrn nicht Immer «iii4nfi|en, Aber, rj) fr nun iibrinll iichiig, «-
tehen habe tidor nicht, koinpcicot vur ci [n bohcM Giadc, und eciii L'ricit ISlli int (jcwicht. An
vickn >Stcllcfl wird der l^tcr nicht omhln kiSnnin, tlcb (u laKcn, wie Hchiii da« Urteil wat urxl «ic
viele* ilfijtTliofrcci )*t." D'» KnHom Vr. i), S3. Jmii I9M.
Bildfft den orstpn Rand von
icitrii, tlölkcr iinb illfn|^d)cn
von
7 Satibc n. HO. «Preis pro äSatib 6röfci)in 3». 4,—, flctmnbcn 9». 5.
2tA. n. ^äffiftr:» Uttfi VtuUi^ti. 2. Dttltf^ntt uit» onrncWc Kuflfla'- »'■ XtV, VM 5. iWi^
3nliiill ; iii'iiwo'.t - I 3uv ErniillTniirr. — iJrti-arto. — l^Dinuo br SMrliici. ti|( 9oia<a. —
11. 3ritarnüin(dirft mi« 31tillnt. - .'iicijctibiD utlaitjaiit Itiit 9lai$i'uf. — OturnaMi '^((^t'.' Z>^a«fr*.
Du nvtrclO'i — 'Hmuir ^l»^lL^(l'v tirurfic ;»rMiiitr. ^i ijtcleuen^cU tknn ItoIirniTdKn .iiaull" Ilrbrilcbim« -
Hl. 3li-«n|üllld|c«. — Krtci cmi^c r(iDcluucn&c< WenKinftavc. — 3uk« iVtldirt«. - '«ii»»i W-rüsri'
ime Bl( llu.bcltiiiHlc ii b'-.HlLvi — rifiiriwm iTvmon*. — ^(l« unh ^lc^nnfpnlll^>^1 — IV. Uli« fctili
tbnTll0fn CdiHrtllium »rulfdilfln»». — * w. «otlms, — tlfi»in<* libti htn «cifoll ^ti wuHoc"
«liiiidir UI1& tri frciitfrtjni i*iriiiiiiiinsi - UrltfL luiluit^rtho Jijifirn mit) lujiorifrtK!! Smn, IIc^r^ spt«Am
iiirU|)iititt. - Y. Sil« »nn int|iiiini(irn !?i1)rlfl(t{U]n txutrdiUnk». - Sd^PKtihciiin iine bat frnitar
ÜllUlltKin — ;3iir nmin N-iil1riini a'kini^tmtliUrtaliir — 2i*t Vfn«nbm< ■ Miibrl V^ori^lrniirti uiiti (Irre flinl-
9S«. III, ^us Hilft öBct ^Rftfanti- 'i ofvKfrttic lln^ vnuKSrtc aufiin' «■ vnr
ÜiillnEl: i|ttfib'niiiT!iiiri| I. Vricfr «n« CitgUinb. — tl. 7ran^^"'l i "' :*-:
3rilarnvll>ii- — ihirifn: HofiänBc im Clifiic bis fniiltfifttn fRotnan». — Qi
tilülihc.^ ,^,tiiiiliriilirUrii. - ;\. jMeilcy'; ÄltiDlrii ül'ti bai XVlil. Oii<>'(i: -
:ittrTahiT- ml^ Sittfrii(ttT*^l«llIr >r» «ililjr'l'''"' 3l«lirljiiii>rr(». - üHlMuii': i;
ilatvirniv cicLiEt.
SM. IV. 1!fr«flte. 2 ■.'iiiiiott. «r-. viii. :i7« 5, la».
Jliil)«lf : 'Sbiii t'ti ^-ii-t-irsiie«. — tflii tSort iu» m»bmit ecmmcliltMrätiir mit lA» enfit<li4iiag.—
I J. tPiibaii. — 'L« bc Pnlwc — IXkctlfln b'tlsoult tZunlel €-inni - 8». Piiloj. — W XXflirt
It. C Mciiaii ELll <(itiiMupt - t>. Xdlne cU Sii^Dtitu. Ul litc KctuLtldcu IKv&icA«. — Um |ai-]tll4irt
JWornirt, (*tiio ffavprnl — IV. 91, OTocitiiiisrni. — Ji. MaWaiJ. - Z. Xaf\f>. — 3cltii «i««™.
SM. V. Ans btm ^aßrBunftrrf der 3t(tt«Ciili«fi. 2. «inuabt. b*. viit, :m 9. tsan
nnllJlIr I l'toKif-.iiiicii - M. (irtiHäiib Im Will ?a)ji6uiibcrt. - III fh, ai['««oli. — IV. Ifa-
LbaTinii II. IT1I^ tMiiiitiit - V. |TK> - VI. /<fii-.i uullii tr iHriiiirrniitt. - VII. aHaMiM it tt^Bufot uitk
•Oapoi^cn ■i'ouoEvific - Vlll. r.Hntcinifli — i\ üJjdj tüicv ectiuK.
SM. VI. :^ütntttotte« Uli» 9eil(|/näfßf(^» a •iiitsfl!^ >* vni. *»» e. iwfli
JnhAll: 1 ;'.iii linaulirtif-it : : li , ■ . 1 i i'l Mli«[«ie
Zl)<l31c;. — IV. Üillfll ittlilil. V. l»V.r .1 tllflll«^!
geuntoKft - VIII.'JliitDnio'Vnnijii i-^. l'4fDllnl -
JU. Z^Ql DvlütfOttflptKuiim. — Xll. 3>«il1dj«: S('.Himuii4tu iii;& tkiiuuijiiuimoi. — XIII. i-'iilt&ilfrtitm kbo
■ippna^inlrffurri.
$n VII. ^unnTflcrtAiditftdtM. R'. Ml, > «etMtr« id ««ultai» It»
^nl|Rlh I ,;iii onruirtiiinii^nrfA'fWf J'' iiuirtio. — IL j||tr*i(tntfliiwt.
KiAicWc ^« ii&iiiciiii!initl)i:i. "i<Jvliidjatl. - lU. . , ■ !■■ L \>-2K iKi'bie lasüi- - IV. oir
S9<t:(|cT-Br<iiiflirlt in Öiiroi^a. — V Vtbn ^tc JI(»iiL>tiiii«ii nt Exi iiduji'i'i.i VI. Bmh ein«
■ntinnitn Moukiii.— V^.llr^cr bit orfnit-rifltnlH IntttiflKiiiB.— Vm. Itrbrt : -MiTiltttiii|laiik.-
IX t>n ftntiiabtv auf hrin Ifcitlnioti.
3u>ölf ßrirfr rinrs äftliclirdiru ^rttrrs. (^{on Marl .^iurbcanb.)
■iNt nun
III. Sur
If. IV, 11." 2 , atl). 3K. -i -. ijrt. W. 3.—.
VeitLAG VON Karl J. trübner m Strassburg.
^^
(Scfd^id^te
*fr
3talicnifd]cn Citcratur
von
a^oIf (Baepar^.
(SrftCT $nnb: 'Sfic italicnifdtr Silcratur im ^JJfittcUItfr.
8". .*).■/> 3. 1885. ^. £).— , in .iSalbfrnn? r^c&l1H^cn -fli. U.—
3n(ra[t: ßinlritinit». — I>ic Stcilinniicbc Xidilerfrfjuti:. — h-cnfc^imfl bft
hjrifdien Xiditimpi in *WiticIiinlii'n. Wiiioo (^ininiccIK wrn Solonna. -
^ie ftnii^üi. iKmaöidituitii in Cbcvitalicn. — 31clipiöfc imti iiuunliidjc
^tn\\t i« Dfceritatieii. — iTir Tctiflipie £'itril in Umbvicii. — ©ic ^irofa
im 1:5. virthrt). - Xic rtlli'qovifdt tli^lt[Iiic^K Xiclitimfl imb bic pfeilofopl).
i!t)tif bei: iiiriii'ii flc*vfntiiii)d)iii 3dni[c. ^- ^rtiuc. — I5ic tiöiiiöbie. —
1)a^ M. ^'\alirl)initieTt. 'itctrnvcn. — ^^^etrarm'ö (5ii»,tt>niere. — 9Int)nii<j
biWitfgmvIiitclKr u. rvit. "J^cjucrtungm. — ;Hc((iftcr.
^roeitCT iBflnb: ITic itoliettifdic Uttcrntitr *ct SIciintfiAnccjcH.
8<>. 704 <B. 1888. 2R. 12.—, in ^albfvain ftcbimbcu m. U.— .
5ii[)oU: ^pccoccio. — T'it Gplflonm bct c^rc^in ^ylDrcntiucr. — X'w A>umauiftcn
öcä 15. ;"^rt(irl)uitbfrt*i. — ^ie 'i(«l(iärfpriicftc im I-'i. 'MiitU- imb itne
iiteiotnr. — l^oli^iono iinb Socnnc 'oh "iOirtici. - ^ic IJHiticrbirfjtiiim.
%i\lci U]ib Sojaibt). ^CcApcl. ^!}Jonlano unb 'Haiitm.^tuc. — '"JUIiicdiiaiKlti
u. (Miiiccittrbini, — Scmbo. — Slriofto. . — ßaftinlictue. — ^^ictro l^lrctino.
— 3)ic i.'i)nl im 18. ;Vt»il)imbcrt. — ^nfl .vtelbcnnebit^il im Iß. ^alfi>
[iimbcrt. - Xk %xa^öi>it. — Xic iloinöbic. — üln^ana, biMioflrQ|)^. U:
IriHff^er Scmcrtimgen.
„Jeder dci sicli fortan mit der hier behandelten Periode der italienischen
Litteratur beschäftigen xvUI, wird Gaspary's Arbeit 2U seinem AusjtanK''punktc
zu machen haben. Das Werk ist aber nicht nur ein 3trcnK wissenschaftliches
för Kachleute bestimmtes, sondern gewährt nebenbei durch seine anziehende
Darslellungsweise auch einen ästhetischen Geiiuss; es wird daher auch in
weiteren Kreisen Verbreitung finden." Deuticke. LrUfruiurz^itun^.
„Eine sehr tüchtige wissenschaftliche Arbeit. Empfiehlt »ich da» Buch
einem grösseren PubHkum durch seinen leicht verständlichen geschmackvollen
Ausdruck, so findet auch der Gelehrte in den im Anhange neiiebcnen reichen
Anmerkungen die bibliographischen Nachweise und die kritische Het;rfindun]{
bei scliwievij>en zweifelhaften Punkten." Literarischrs CnitraMatt.
„Üic Üarstcllunp von dem in die Anmcrkuntjen verwiesenen Ballast be-
freit, schreitet festen aber elastischen Schrittes vorwärts; sie führt in die Mitlc
der Thatsachcn und der an diese »ich knüpfenden hragcn. aber ohne gelehrte
oder schulmeisterliche Pedanterie, sodass der (ienuss des Lesens sich mit dem
Nutzen dqs Lernens zugleich und von selber darbietet. Ällgemtine Ztitumg.
„KW oper.i dcl Gaspury. che raccojjlic abbastanza bcnc i risultaii degli
sludi pid recrnli, augurjamo, perche ci parehhc utile ä dotti e agli indotti, una
ediKinnc italiana." Rivtnia crittia ikUn Uiteratura ttaUana,
„Prof. Gaspary's history of Italian literaturc promises to be the ideal ol
a thoroughly usefui introduction, occupying a iniddlc position betwceii an cx-
haustivL- work on Ihc subjecl and a sludcnts manual. The accounts of Petrarca
and Dante are very clear and instructive, but perhaps the most intercsting
part of the book is Ihe picture of the early struBBtc* of Italy to acqmre a
Dational tanguage and literaturc." Tfu Saturday Ratiem.
Sic ^Tlfc^inif^ J'iiii':' jy-tifeg Ijfit .'^crt Dr. .'Wicharb 'JV'enbnncr (39reSfaul
fi&cmommcn: ii|in~ft»t> tun oci (^üttin bt's pcrftoTbcntin 'j!crfajicrg bic '.Vorarbeiten'
joiDctt fic^ jutdji' im IJiariilnffc üorfanBen, auöflchö"^^^ tuoibeii.
u
Verlag von KARL ). TftOBNER in StrassbuKg.
GRIECHISCHE
GESCHICHTE
VON
JUMUS BELOCH.
Erster Band: Bis auf die sophistische Bewegung und den
peloponnesischen Krieg.
Gr. 8°. XU, 637 S. 1893. BroschirtM. 7.50, in Halbfranz geb. M. 9.50
Zweiter Band: Bis auf Aristoteles und die Eroberung Asiens
Mit Ccsanitrt'jjistt-T und einer Karte.
Gr. 8". XIII, 720 S. 1897, Brosch. M. 9.—, in Halbfranz «•=''- M- '»• — •
I. u. II. Band complet in 2 Halbfranzbände gebunden M. 20. — .
«... Wir haben hier ein Buch vor ttn.s, das unhcdin};! zu den bcdeut-
SU&sten Erschoinungen der geschichtlichen Litttiralur der letzten Zeit zu rechnen
ist. Bcloch betont -seihst, dasK er das (iebiiiide fast überall von den Grund-
lagen neu auftjtführt habe und manche Gebiete, wie die Wirtschaftsgeschichte,
bei ihm zum ijstcnmal zu ihrem Recht kommen; ebenso, dass er kein Neben-
einander von Sondrrncschichtcn (athenische, spartanische u, s. w.) biete,
sondern die Entwickclung der |;anEcn hellenischen Nation von einheitlichen
Gesichtspunkten zu crfaF^scn suche. Dabei hutc er üich, ein Phantasicgcmälüc
der ältesten Zeit zu entwerfen, und richte seine Absicht vielmehr darauf, nur
du mitzuteilen, was wir auf Grund des arcbäoloj^ischcn Befundes, des homcr.
Epos, der sprach geschichtlichen Fcrschunjj mit Sicherheit zu erkennen ver-
mögen. Man wird nicht bestreiten können, dass alle diese Züge, in denen
Bcloch selbst die charakteristischen Merkmale seiner Art zu furschen und m
arbeiten erblickt, wirkUrh in dem Buche hervortreten.
.... Wir liofTcn, dass d;ts gediegene Werk den Absatz findet, den es ver-
dient, und wössten deneji. weicht kich in verhältnismässiger Kfirze über den
jetzigen ungefähren Stand unseres Wissens von griechi-^cher Geschichte unter-
richten wollen, nichts Bes.'^eres als Beloch zu empfehlen. In a Bänden uird
der ganze Stoff völlig bewältigt werden und »war so, dass neben einem an-
ziehend, manchmal glänzend geschriebenen Text, zahlreiche Anmerkungen
hergehen, die alle wcsrntlichen Quellen- und Litteraturnachweise darbieten ...
Die Ausstattung des Werkes ist vorzüglich; der Prei^ von 7 M. 50 Pfg. fflr
40 Bogen ein überaus massiger..
/V^. G. Egf/ica/. It'ürtt. KorrapoitdtHzhhU f. Gtlthrtm- u. RratukuUn, rffQ4 Heft c
•Der eigentliche Vorzug des Werkes liegt auf dem Gebiete der Dar-
stellung der wirtschaftlichen und socialen Grundlagen de' Lebens.
in denen B. die mattriellen Grundlagen erkennt, auf denen sich '^e gross-
artigen Umwälzungen, auch der geistigen und politischen Entwickelung voll-
zogen. Da B. gerade in dieser Beziehung das Material beherrscht, wie nicht
leicht ein anderer Korsrher, so durfte man hierin von seiner Darstellung Au.».
fflhrliches und Vorzügliches erwarten .... Glanzpunkte sind der VII. Abschnitt:
Die Umwälzung im Wirtschaftsleben (vom 7. zum 6. Jahrh.) und der XII. -
Der wirtschaftliche Aufschwung nach den Pcrscrkricgcn .... Uebcr die Be-
%'ölkcrungsvcrhäItniRsc, über die Getreideeinfuhr, über das Aufhören dej
Natural- und den Beginn der Gcldwlrtschnft, die Krträgnissc der Indu.«trie und
des Handels, über Zinsen, Arbeitslöhne etc. erhalten wir die eingehendsten
Aufschlü.sse und wundern uns, wie diese wichtigen Dinge bei der Dar-
stellung der griechischen Geschichte bisher unberücksichtigt
bleiben konnten. . . . Die Form der Darstellung ist eine ausserordcntltai
gewandte und flicsscndc.« Bi. f. d. Gymnasialsckulutjrti, XXX. jakrg.S.Gjj.
WCTi,AC vott KAHL J. TRtlBNhR is Strassbiru.
GESCHICHTE
GRIECllISCIli'N PLASTIK
VON
MAXIME COLLIGNON
JUt«Ua» ex* IHtllTUT«, rHOrK*IDK «K PIK UKIVCRaitll IM MMI&
Erster Band: Anfänge. — FrüharchaischeKunst. — Reifer Archaismus.
— Die grossen Aleisler des V. Jahrhunderts. Ins Deutsche über-
tragen und mit Anmerlaingcn begleitet von Eduard Thraemer,
a. o. Professor an der Universität Sirassburg. Mit 12 Tafeln in
Chromolithographie oder Heliogravüre und 281 Abbildungen im
Text. Lex. 8". X\', 592 S. 1897. Broschirt M. 30.—, m elcg.
Halbfranzhrind M. 25. — . ,
Zweiter Band : Der ICinfluss der grossen Meister des V. Jahrhunderts. *—
Das !V. Jahrhundert. — Die hellenistische Zeit. — Die griechische
Kunst unter römischer I lerrschaft. Ins Deutsche übertragen von
Fritz Baumgarten, Professor am Gymnasium zu Freiburg i. B.
Mit 12 Tafeln in Chromolithographie oder Heliogravüre und 3;"7
Abbildungen im Text. Lex. 8". XII, 763 S. 1898. Brosciiirt
M. 24. — , in eleg. Halbfranzband M. 30. — .
Urteile der Presse.
„ColliijTion's Hixtoire de la sculpturc ^rcagiic . . . hat mit Recht Oberal)
eine sehr günstige Aufnahme (jtlundtii. Der Verf. steht von vorn herein aul
dem Ho(]«n, der durch die utnwäUcndcn Entdeckungen der letzten Jahrzehnte
geschaffen ist, und betrachtet von diesem neu jjcwonnenen Standpunkte aus
auch die älteren Thalsachcn und Forschungseij^ebiiissc. Er beherrscht die
einschlägige Literatur, in der die deutsche Forschung einen bedeutenden Platz
einnimmt, und weises die Streitfragen oder die Tb;ttsachcn in geschmackvoller
Form und ohne ermüdende Breite darzustellen. l'Jiie grosse Anzahl gut aus-
geführter TcxlilluslriHiuncn, nach tum griWstun Teil neu angefertigten Zeich-
nangcn. dient dem Texte zu anschaulicher Belebung und bietet eine vornclmic
Zierde des Buches, sehr verschieden von jenen oft nichtss:^(cnden Umri&scn,
welchen wir in ähnlichen Büchern bO oft begegnen. So war es ein glücklicher
Gedanke, Collig^on'^ Werk dem deutschen Pubtikuni, nicht blos dem gelehr-
ten, durch eine deutsche Ucberselzung näher zu bringen. Der Ueberselzer,
Dr. Ed. Thraemer, hat seine nicht ganz einfache Aufgabe voilrefflich gelöst:
die Darstellung liest sich sehr gut und man wird nicht leicht ilnran erinnert,
dass man eine irebersetzung vor sich hat. Hier und da i»>t ein leichtes that-
sächliches Versehen stillschweigend berichtigt, anderswo durch einen (.ils solcher
bezeichneten) Zusatz ein Hinweis auf cntgegen.stehende Auffassungen, auf
neuerdings bekannt gewordene Thatsachcn. auf neu crhchicnene Literatur ge-
geben ... Im Ganzen jedoch handelt es sich um eine Uebcrsetzung. nicht um
eine durchgehende Bearbeitung des Originalwerkes, so dass der Leser überall
Collignon's Auffassungen ohne fremde Aendcrungen kennen lernt ....
/s. Uler. CeniralMatt IS<J4. Nr. S3-
„ ... Es mag ja bcli übend sein, dass gegenüber tlcr Fülle von Einzel-
furschungen die deutsche Archäologie die Aufgabe ungelöst lässt, einmal das
Fatit aus dem gegenwärtigen Stande der Forschung zu ziehen {Overbeck's viel
verbreitetes Bucn hätte dazu einer weit durchgreifenderen Umaibeitung bedurft^;
man wird auch vielen Ansichten und Aufstellungen C.'s niclit beipflichten (wie
könnte das in dem I'"luss der Foriichungen und Meinungen anders sein?); das
alx^i vird »ich nicht ableugnen lassen, dass C.'s Buch von allen vorhandcncu
Fonsettun{ (iFbe nlirliite Seite.
SS
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER IN STRASSBURG.
X--
?v\
•s.
IC
Collignon, Geschichte der griechischen Plastik (Fortsetzung).
Dar Sic U Uli;; in der griechischen Plastik .im meisten den Anforderungen der
Gegenwart entspricnt, am besten ilhcr den Stand der F(»rschung urientirt und
iich am besten ticst. Wenn C von der deutschen Kcrschuny einen sehr
ausgiebigen Gcbraucli macht und ganz vorzugsweise aul" deutsche Arbeiten ver-
welst. so kann uns dan ja nur freuen; es ist ein Beweis mehr dafür, dasi
wenigstens auf diesem (ichiete keine nationalen ^^chranken bestehen, sondern
üb'crall gemeinsame Arlieit herrscht . . . Die Ausstattung des Buches ist der
der Originalausgabe durchaus ebenbürtig, und trotzdem ist, ein seltener Fali.
der Preis nicht unerhet)lich geringer. . . " Littrar. CattraMait iS^y Nr. 44.
„Das vorliegende
WVrk bedarf nach den
in dirsen lllättern xu-
Icizl Hand 5.1 {1897)
S. 4<^8 f. gegebenen
Aw-führmigen für die
Hibliüthckcn der Gym-
nasien und Gymna-
siallehrer keiner Em-
pfehlung mehr, doch i--t
es erfreulich, die Ver-
breitung desselben an
baycrischenGymnasicn
bereits feststtllen zu
köimcn. und erwünscht.
iiüchmuU der Hoffnung
Aubdiuck zu verleihen.
da^s durch die Anschaf-
fung desselben diei)u<d-
voIlcLeclörevunOver-
beck''< bekanntem
Buche immer seltener
wird. Denn e> bleibt für
jeden billig und unab-
hängig urtheilcnden Ar-
chäologen die That-
sache bestehen, daxa^
die deutsche archüol<»-j
gi.'ichc Literatur eine so ^
hachgcmair-s klar und
anregend geschriebene
Darstellung der gricchi-
^chen Scul[ilur nicht
uul>u weihen hat und
de-shalbgerncdasdurch
dit Freigebigkeit des
Verleger* und die gc-
wiitscnhaftc Mühewal-
tung des llcbcrselters
in ^rincm Werte er-
höhte Kuch des franiü-
sischcn Girlehrlen
Collignon in deutscher
Uebcrtragung entge-
geanimmt . .
Jleint-if.h fAtifwig Crlirhs, Mütuhc*/.
BWter für das bayr. Gymttaiialvejett r8i>j He/t tfjt^.
Schon die vier bisher erschienenen Lieferungen lassen die Wahr-
heit des [in der Ankündigung! Gesagten deutlich erkennen; der Herr Verfasser
zeigt sich über das grosse Gebiet, das von der Kunblgcschichtc cmgcnoromcn
wird, wohl unterrichtet, er weiss einen testen Slaiiüpunkl innerhalb der noch
auf- und abwogenden Meinungen 2U gewinnen und, was er biclrt, mit M)lcher
LicbenKwürdigkcit vorzutragen, dass der Leser sich von ihm gern durch das
Labyrinth der verschiedenen Ansichten hindurchgcl eilen Usst . . . Dem Buche ist
weite Verbreitung zu wünschen." Zatschri/t j. d. Gymnasialwum iH^t Sr, to.
PoiUtua«! liab« aAclmt« Seit«.
V.
y
Pnilie der AtilitlHiiiiKTii,
U. Band, Fig. 3J15. Dianysos. KfarnKirknjjf aus den
Caracallathermen. (Britisches Museum.)
dürrniKs nach einem
handiicht^n, frisch
und aus einem Guss
entworfenen Werke
dcssclhcnStoffcsz«.
(»estandrn werden,
(-ollifjnon's Arbeit
hält zweifellos die
rechte Mitic, ist ge-
Kchmnckvall und
fleisMig durchge-
führt und mit Be-
schick ler Auswahl
reich illiistrirl, nhnc
dadurch besonders
kostspielig zu wer-
den. Thraemcr'ji
Uebersctiung ist
eine wirkliche Ver-
deutschung, wäh-
rend seine Anmer-
kungen nicht nur
die seither hinruge-
wachscne Literatur
nachtragen. Knndern
auch den Stand der
Fragen, wo er sich
etwa verschoben
hatte, sorgsam zu-
recht rücken und
gelegentlich zu för-
dern suchen . .
Die inzwischen
erschienenen Liefe-
rungen 3 und } be-
handeln denauf dem
Humus der alten
Culturcn iricbkräf-
tig emporwachsen-
den ..Archaismus"'
der griechischen
Plastik. Die Vor-
zöge, denen diese
Kpoche selber ihren
Reiz verdanke, das
Organische. Durch-
sichligc. Strebsame
Uur Entwtckelung,
den Einsatz besten
KÖnnen.s, fri*<che
und liebevoSie Be-
handlung de^ Ein-
selncn. müchte man
uuch vorliegender
Darstellung der-
selben nachrühmen.
Auf aussergtwöhn-
tich guter Höhe
halten sich auch
die Abbildungen.
Pfotic 4<x At>hildiinccn.
Uand, Kig. 17.;. Statue des Maussolus vom Mausoleum
(Britisches Museum).
Dattschi Ruadschau t^'ijy}ij6 }\r, ij,
Soeben erschien:
(Setranlren unti Sljatfaclji^n.
%*^tltifDVl)ifdic *}lbf)aiitiluii{itii, ?liit)prUiiicii itiiH Studien
t>ült
i^ffu licbmamt.
(5tfter »oiib:
(£vft«d ^tfl: Tnt ilruii bei tfioibiuciiMgteil. Xü iiiedioiuidie ^JaiurcitloniitA
,Ucc imb eiiteled?K. 8". XI, 121 ©. Ihttß. 9«. 2JiU
^Irorilf^ .^cft: (Si^^fl^^Il über "Hahix imli *J!atuvcrf*iinlni(;. t. 9Iolur iut
ftUrtcmcmcti, 'J. Öckiw imh Hrdilc, :J- Xic 3tiomiiiil, 4. CnwuÜi^c 'Wotur imb Icleo=
loflie, 5. 2)ie ^Jiaiurbffcelunfl »nb Der Ocifl. Sdjlirr;. K». IV imb ©. 128 -;Wt. 180»
^iilt«d .<£tcft (Sdilii^ bed I- :9äiibed>: ti« tBilbcr ber ^ijanlane- ^d
Jiettbciuutofein. "Die £inacf)ffll)iflteit. 5*iit<^(iIcfliirfK ^Ii'boTtiSme». s". 'V mib S. 3()1
btä 17»». IxiK^ ÜJI. :^—
Das Werk, dcxitcn erster Uan<l hiermit aUgcüchtuKüen vurlJcgt, enthält
eine |il:LTimä!Rti)i und methudisch anjjeurdnetc Sammlung philosu|>hi^chc^
Schriften, die sich auf dem Kadcn einer rharaktcristisch-hcstimmtcn Wclt-
ituffassunj; aneinanderreihen, und zwar tlerjcniyeii [jhilosuphischcn WeU-
auffassung, die in des Verfassers früherem Werke .Analysis der Wirklichkeit*
ihre wisse^^chaftliche Bejjründunn erhaUen hat. Nach Vollendung dc.s zweiten
Bandetf, der wie der erttte in einzelnen Herten erscheinen soll, wird sich die
Sammlung über sämtliche Gebiete der Phikwüphic hinerstrecken.
II. lieft. 1 „Drei mit Umsicht und Vorsicht in wirklich philusut>hischcm
Geiste und mit vorzüglicher KUirheit ycschri^hene Abhandlungen, die sich dem
bckannlen und mit Recht »ehr j;cschätzten grösseren Werke des Vcrfs. ..Zur
Analysis der Wirklichkeit" wurdijf an die Seite stellen. . . . Wir haben mit (grosser
Genucthuuiig aus den Abhandlungen ersehi-n, dass l.iehmann nicht nur genaue
Kcnniniss der rhilosophie des Allcrthums besitzt, sondern die alte Philo-
sophie auch zu würdiijen versteht im Gegensatz zu Manchen, welche dieselbe
mit Missachtunij behandeln zu «lürfen glauben. Wir wollen lum Beleg hicrför
nur noch erwähnen, da.« er die Dynamis des Aristoteles zu vollem Rechte
anerkennt, ja dass nach ihm „die ganze moderne NaturaufTassuny ohne Rest
und Abzug, ohne gewaltsame Interpretation oder gekünstelte rmdculunj» in
den begrifflichen Rahmen iler aristotelischen Metaphysik aulnchnibar ist.-
Möchten diesem ersten Hefte bald weitere folgen!"
IMtrar. Centratblatl tSUj Xr. Ju.
Verlag von KaRL J. TRÜBNER w Strassburc.
S9
JAHRBUCH DER GELEHRTEN WELT.
HERAUSGECEflEN
vn«
Dr. K. TRÜBNER und Dr. F. MENTZ.
NFUNTER JAHROANO.
1899— 1900.
Jkxt BK> BiLKais ran CnaoLta Vf. ^Liot, PkZb:»»! ctit ^«hvak» pmiEKaitt, pnBaniDiii. M«*»,
nanistit vo» J«m. {.inontR ik ^Ohchen,
t<K XXIV u, eu- iitfit Seilen, Prci» in Halbporgüineni itebunden ML. lu— .
DiCkt* Juhrtiitch «teilt lieh die Aiifgiabr, tniihetuWchc AuTicIitnise tu gebirn Olier dfe Orfani-
latiari und iIbii vrlitciitcluirtlichc Pcr>onal all«l Uiiiver*it&icn d«r Welt, *o«ic aller lechniichea und
Undwiittchdfllichi'n Hnchnchulcn, frmrr über lonittKc »iiiirii schuft ücIib tnslUnTc- BiMtothcken,
Archiv«, archttulocioch« und iia(urwi>*i:n<chaftlkh« Mutcer;. Stcrowaricii, geltlirtc GctelUchaficn eic.
Ein vctl»IindiKc» Rciii»tfr »her ca. aSnoo Nainrn rrmaglicht fj, lilc Aglr«vvF uad li.ii Ami jcdr*
cinielncn (iclelutcu fesliuBlollcn. Die itilcnciven üil«malioiial«n Dciiehiingen auf «imennctiafilichem
Ucbict haben da» Jahi^uch hcrvorfemfen und ihm bereit» eine weite Vertircininit t'»ieherr. Die
Heratu£eheT stod IhrenFii« Winllhi, r« mit jeden» Jahr votlatindiger in gtataliea.
Pasteur's, radiert von
geb. M. 7. — .
Mit dem Bildnis Lord Kclvin's, radiert von
16« XVI, 930 S. geb. M. «.— .
(I.— V. Jakrf. beratiifcit. von Dr. R. Kahula «nd K. TrEklmcr. VI. and Vif. van K. Trahnor.)
I. Jahrfjang. 1891 — 92. 16". VI, 359 S. geb. M. 4. — .
lle»cliritt<Lt lieh ^iiifcinc Ziit«mmciit|<llnn|[dri Irhrmden Pcnnnat« dri Haiiplunivcnttllei)
der Weh.
II. Jahrgang 1892^93. Mit dem Bildni:> Theodor Mommsen's, radiert
von \V. Kranskopf. 16". VI. 827 S. geb. M. 7.—.
tni II. J^iii^im wurde die Aufuabc de« Bucht* dahin erweilcn, dai* die leclmUcb«),
tiPrSri fliehen und l-inHuirnehalilichrn Hocliichiilen, die Kontakadeniien und «nntiiic iclchfic
lii'hefT Aiitlalten, ferner dirjcnifrn «(.'lhtlilndi(;rn Hihlin ihr lern, dl« Tili di« Kflchnt Weh von Interei««
«Ind, cuil aufnnvuiiuen »urdeu tnii kuiii-ii Noiirci) Ci)>cr (■e*chic1ile, Vcrfaiiuag, Organ i«at Ion,
financicile Vrrhlhiiinir. .Siiidienj(an|; etc. Illc mcl^ilen AriKahen, die einer jiihrlichcn VerÜndcning
nicht tili Irr worrcii «irid. naiiiciiilii:h dii- hiiloritchcfi. «inil inner VeiweiiuiiK auf Band 11 in den
iioStcren J*hrt[!inKen H^KK•-'U«^c^, chpntit wtirrlr in den kpBiereii Jahr^tniteu verfahren; ilitkmtk itmJ
Jit fiSndt //- J 7// a^h für an BtHülitr 4it IX. Bmndti van Wirl.
III. Jahrgang 1893 — 94. Mit dem Bildnis L.
H. Manesse. 16". XVI, 861 S.
Neu aiifKenommcn : die deuischcii und öaierreicUicIlM Archiv« und die rraiKfift«clMn
PttninitalliibiiotheWeii.
IV. Jahrgang 1894—95.
Hubert Herkomcr.
Neil hintuKekommen . die ilnlieniKchcn Staat larchtv«, ErgXntuniC der Archivs von Itauticb-
Innd, OeiterrpicIi-l'iiK'rn und <lrr Schweii, VrrvfillstSndii^i »in<l die fllMiotheken V{)n Kuitland tin<t
Nord-Atncrika.
V. Jahrgang 1895 —96. Mit dem Bildnis G. V. Schiaparelli's, radiert
von Orcstc Silvcstri. 16". XIX, 989 S. geb. M. 8.—.
Neu Mntnitek'tininrn : dir franii^ilfchen und hoIlSodltehen Archive uivd die pSptinchcn
Anttalten in Rom.
V!. Jahrgang 1896—97. Mit dem Bildnis M. J. de Goejc's, radiert
von Therese Schwartze. 16**. XXIV, to82 S. geb. M. 9. — .
Neu hini<i|{«k>^n:in)cn Hie n^tiirwiaaenicliafilkheri und aTcha(itPit>*chen Mincen inil Aiw-
aclllu» der ilalien.ticheii, die im VII. Jafarfans hrhandrh Mrrdrn, und dir urlchrirn 'nr«rll*f haTtr»
von tnternaiionAlrr DcdcuiunK.
Vn. Jahrgang 1897—98. Mit dem Bitdni:^ Fridtjof Nanscn's, radiert
von Joh. Nordhagen, rö". XXIV, 1130 S. geb. M. 10. — .
Seu Biifirnnnimrn : dir liBlirniirhrn ,irrhlinli)|;l4<:hen Mii««cn, die iodiichcn höheren
Lcliran« lallen und eine Aiuahl |[riecht*chci lnt(iiiite, HitdinihvWen und {■etchricr CieielUc hallen.
VIII. Jahrgang 1898 1899. Mit dem Bildnis vnn F. F. Martens, radiert
von Jnh. Lindner. 16*. XXIV. 1155 S. geb. M. 10. — .
Prda dar lahrginga l-VIII [ataH ■. ftS^ ] nnr IL «S. .
DI« In den JahrEängen II- -IX Fnihalicnea Bitdniiic iKiipfcr.Radlertinrrn'i kAnnen anch
•Inicin im Papicrformat i/X]} cm bcaogen werden. I'reiii pro Blaii Bd. j.— .
VEBI.AO VO!>r KARL J. TROBNKR tS STRASSBÜRfl,
Soeben ci-schicncn;
KAUFFMANN. Dr. FRIEDRICH, TEXTE UND UNTER-
SUCHUNGEN ZUR ALTGERMANISCHEN RELI-
GIONSGESCHICHTE. Erster Band: Aus der Schule
des Wultila Avxemi Dorustoicnsis c-pistvla de fide vita
et obitv Wulfilac im Znsammenhang der Disscrtatto Maximini
contra Ambro!*ivm. Mit einer Schrifttafel in Heliogravüre.
4". r.XV. 135 S. JS99. Preis M. 16.—
Anküntligung: Ücr Verfasser hat sich das Ziel jjesteUl, die
Probleme der deiitscnen Altertumskunde in anderer Weist, ah es bisher
geschehen ist, anzufassen und hejjt die Hoffnung, dass sich von der
RcligionsßeRChichlc her manche Züge des allnermanischcn Wesens und
I-cItens. die bisher aucli nicht einmal geahnt werden konnten, aufhellen
werden. Er .sucht die .strenge historische Methode, über welche dir
Gegenwart verfügt, auf dat, wns man seither ^!ythr)logic genannt hat.
nnunwcndcn und so ein Korschungsgehiet zu Khren z\i bringen, da» seit
den Tagen eines Jacol> Grimm fast brach gelegen lint, Kr will eine
ganz neue DisKiplin der Germanistik crschüessen. die sich am engsten
mit der Geschichte allgcrmanischer Sitte und ahgermanischen Rechts
berühr:. In dem ersten Band wird ein uralter lateinischer Textaus dem
5. Jahrhundert itum erstenmal vollständig herausgegeben. Derselbe hat
d)<; wichtigste Urkunde übei' das Leben unr] Wirken des Gotenbischiifs
Wulfila «um Gegenstand.
ifinbiiifur, Dr. S^mil» , ^cv liiinirrfiaii in luflicra, dnfcvß unÖ
(EAs Öbcifcftuuit bi*ö „Heuen (Icltameulce". ISin iöcitrög
5iir (Mcfthiditr bcr nr»liiirt)hriitfrf>ru 5rfiri»tiprarf)c. Sil. H". IV. lOfi 3.
BETZ, LOUIS-P-, LA LITTfiRATURE COMPAREE. Kssai
bibliugraphiquc. Introdiiction par Joseph Texte, Prnfesseur
de ütteraturc comparee h l'Universiti* de l-yon. Gr. R**. XXIV,
123 S. igoo. Preis M. 4. .
Table des malifrcs; Prcfacc. — Introdiiction par
Joseph Texte. I Ktudes thi^oriqucs. - 11. Los rapports
littcraircs jijent'raiix de la France, de rAlIemagne, de l'Angletcrrc,
de ritalie el de I'Espagne. - III. La France ul lAIIemagnc. —
IV. La France et lAngleterre. — V L'Anglcterre et l'AIIe-
magne. - VI. L Italic. — VII. L'Espayne let le Portugal). —
Vlli, Les litteraturos dn Nord. IX. Lcs litteratures slavcs. —
X. La France, I'Allemagne et l'Angletcrrc dans leur.s rapport.s
littcraircs avec quelques aiures pays. — XI, Etudes sur llnfluencc
de la Poesie Prnvcnc,"ale. XII. LAntiquilf^ grecquc et romainc
let l'Orient» dans les littcratures modernes. — .\III. Appcndice:
L'Hi-stoirc dans la Litt^-ratiire. Index (liste alphabiHique des
atitetirs).
Diese Bibltt>grai)hic der vergleichenden Litte ralurgcschichte
darf wohl als ein unentbehrliches Hilfsmittel für sämtliche
Bibliothekare bezeichnet werden.